Der Widerruf rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakte nach § 49 VwVfG [1 ed.] 9783428479849, 9783428079841


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Der Widerruf rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakte nach § 49 VwVfG [1 ed.]
 9783428479849, 9783428079841

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Schriften zum Öffentlichen Recht Band 652

Der Widerruf rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakte nach § 49 VwVfG Von

Helmut Bronnenmeyer

Duncker & Humblot · Berlin

HELMUT

BRONNENMEYER

Der Widerruf rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakte nach § 49 VwVfG

Schriften zum Öffentlichen Recht Band 652

Der Widerruf rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakte nach § 49 VwVfG

Von

Dr. Helmut Bronnenmeyer

Duncker & Humblot - Berlin

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Bronnenmeyer, Helmut: Der Widerruf rechtmässiger begünstigender Verwaltungsakte nach § 49 VwVfG / von Helmut Bronnenmeyer. — Berlin : Duncker und Humblot, 1994 (Schriften zum öffentlichen Recht ; Bd. 652) Zugl.: Mannheim, Univ., Diss., 1993 ISBN 3-428-07984-1 NE: GT

D 180 Alle Rechte vorbehalten © 1994 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Satz: W. März, Tübingen Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-0200 ISBN 3-428-07984-1

Meinen Eltern

Vorwort Die nachfolgende Untersuchung beruht auf einer Arbeit, die der Fakultät für Rechtswissenschaft der Universität Mannheim im Sommersemester 1993 als Dissertation vorlag. Die nunmehr erfolgte Veröffentlichung berücksichtigt die bis März 1993 erschienene Rechtsprechung und Literatur. Herrn Prof. Dr. Wolf-Rüdiger Schenke möchte ich an dieser Stelle nochmals herzlich danken. Ohne seine persönliche und wissenschaftliche Betreuung und Ermutigung wäre die Abhandlung nicht entstanden. Dem Verlag danke ich für die Aufnahme in die Reihe „Schriften zum Öffentlichen Recht".

Nürnberg, im November 1993

Helmut Bronnenmeyer

Inhalt

Einleitung

29 Erster Abschnitt Begriffsbestimmungen

§ 1

Der Begriff des Widerrufs

A. Die einzelnen Begriffsmerkmale des Widerrufs

30 30 30

I. Die Aufhebung des Verwaltungsakts

30

II. Die Aufhebung durch eine Behörde

31

III. Die Rechtmäßigkeit des aufgehobenen Verwaltungsakts

32

1. Die Auffassungen in Rechtsprechung und Literatur

32

2. Die Geltung des § 49 VwVfG für rechtswidrige Verwaltungsakte . . .

33

a) Die Notwendigkeit der Anwendung des § 49 VwVfG auf rechtswidrige Verwaltungsakte

34

b) Die Begründung der Geltung des § 49 VwVfG für rechtswidrige Verwaltungsakte

37

IV. Die Aufhebung außerhalb einer Widerspruchsentscheidung

39

1. Die Auffassungen in Rechtsprechung und Literatur

40

2. Kein Widerruf in einer Widerspruchsentscheidung

40

a) Keine Geltung des § 49 VwVfG für die Entscheidung über den Widerspruch

41

b) Die Unterschiede zwischen Widerrufsverfahren und Widerspruchsverfahren

42

B. Die Definition des Widerrufs

43

§2

43

Der Begriff des rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakts . .

A. Der Begriff

des Verwaltungsakts

I. Die Maßgeblichkeit der Legaldefinition des § 35 VwVfG

43 44

10

Inhalt

II. Problemfälle bei der Anwendung des § 49 VwVfG

44

1. Der Widerruf der Fiktion eines Verwaltungsakts

44

a) Keine unmittelbare Geltung des § 49 VwVfG

45

b) Die entsprechende Geltung des § 49 VwVfG

46

2. Der Widerruf einer Zusicherung nach § 38 VwVfG

48

a) Die Auffassungen in Rechtsprechung und Literatur

49

b) Die Zusicherung als Verwaltungsakt

50

B. Der Begriff des rechtmäßigen Verwaltungsakts I. Die Fehlerfreiheit des Verwaltungsakts II. Der maßgebliche Zeitpunkt 1. Die Auffassungen in Rechtsprechung und Literatur

51 52 53 54

a) Bei der Anfechtungsklage

54

b) Bei Rücknahme und Widerruf

55

(1) Die Literatur

55

(2) Die Rechtsprechung

57

2. Stellungnahme

58

a) Begrenzung des Problems

58

b) Der nachträglich unwirksam gewordene Verwaltungsakt

59

c) Der nachträglich rechtswidrig gewordene Verwaltungsakt

60

(1) Rechtslogische Argumente

60

(a) Der Verstoß gegen das Verbot des Neuerlasses

60

(b) Der Verstoß gegen das zwingende Gebot der Aufhebung . .

61

(c) Der Verstoß gegen Sinn und Zweck der Ermächtigungsnorm

62

(d) Zusammenfassung (2) Die Regelung der §§ 48, 49 VwVfG

66 66

(a) Der Wortlaut des Gesetzes

67

(b) Das Argument aus dem Verbot des rückwirkenden Widerrufs

68

(c) Das Argument aus § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 und 4 VwVfG

69

(d) Zusammenfassung

71

(3) Historische Argumente

71

Inhalt d) Der nachträglich rechtmäßig gewordene Verwaltungsakt 3. Ergebnis

72 72

C. Der Begriff des begünstigenden Verwaltungsakts I. Die Legaldefinition des § 48 Abs. 1 Satz 2 VwVfG

73 73

1. Die Begründung eines Rechts

73

2. Die Begründung eines rechtlich erheblichen Vorteils

75

a) Die Auffassungen in Rechtsprechung und Literatur

75

b) Stellungnahme

76

3. Die Bestätigung eines Rechts oder eines rechtlich erheblichen Vorteils II. Die Abgrenzung zum belastenden Verwaltungsakt

77 77

1. Der Begriff des belastenden Verwaltungsakts

78

2. Das maßgebliche Unterscheidungskriterium

78

III. Die begriffliche Einordnung von Verwaltungsakten mit Doppelwirkung . .

79

Zweiter Abschnitt Die Voraussetzungen des Widerrufs rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakte nach § 49 VwVfG

81

1. Unterabschnitt

§3

Das Vorliegen eines Widerrufsgrundes nach § 49 Abs. 2 Satz 1 VwVfG

82

Der abschließende Charakter des § 49 Abs. 2 Satz 1 VwVfG . . .

82

A. Die Begründung des abschließenden Charakters

82

I. Der Wortlaut des § 49 Abs. 2 Satz 1 VwVfG

83

II. Verfassungsrechtliche Vorgaben B. Folgerungen für die Anwendung des § 49 Abs. 2 Satz 1 VwVfG I. Der Ausschluß sonstiger Widerrufsgründe II. Die restriktive Interpretation der Tatbestandsmerkmale des § 49 Abs. 2 Satz 1 VwVfG

83 84 84

84

12

Inhalt

§4

Die einzelnen Widerrufsgründe des § 49 Abs. 2 Satz 1 VwVfG . .

A. Die Zulassung des Widerrufs durch Rechtsvorschrift oder Widerrufsvorbehalt nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwVfG

85 85

I. Die Zulassung des Widerrufs durch Rechtsvorschrift nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 erste Alt. VwVfG

85

1. Der Begriff der Rechtsvorschrift

85

2. Die Zulassung des Widerrufs

88

3. Die Bedeutung des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 erste Alt. VwVfG . . . .

88

II. Die Zulassung des Widerrufs durch Widerrufsvorbehalt

nach § 49

Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 zweite Alt. VwVfG

89

1. Der Zweck der Vorschrift

90

a) Bei rechtswidrigen Verwaltungsakten

90

b) Bei rechtmäßigen Verwaltungsakten

90

(1) Die restriktive Interpretation der Vorschrift

91

(2) Folgerungen

91

(a) Für gebundene Verwaltungsakte (b) Für nicht gebundene Verwaltungsakte 2. Das Vorliegen eines Widerrufsvorbehalts

91 92 93

a) Der Begriff des Widerrufsvorbehalts

93

b) Problematische Einzelfälle

93

(1) Der Widerrufs vorbehält in Verwaltungsvorschriften

93

(2) Der Widerrufsvorbehalt in Unterwerfungserklärungen

95

(3) Kein Widerrufsvorbehalt im vorläufigen Verwaltungsakt (a) Die Abgrenzung zwischen vorläufigem Verwaltungsakt und Widerrufsvorbehalt

95 95

(b) Der vorläufige Verwaltungsakt als Umgehung der §§ 48, 49 VwVfG 3. Die Rechtmäßigkeit des Widerrufsvorbehalts

97 98

a) Die Auffassungen in Rechtsprechung und Literatur

98

b) Stellungnahme

99

4. Das Vorliegen eines Widermfsgrundes

102

a) Keine Pflicht zur Angabe von Widerrufsgründen

102

b) Folgerungen

103

Inhalt Β. Die Nichterfüllung einer Auflage nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VwVfG I. Der Zweck der Vorschrift

103 104

1. Bei rechtswidrigen Verwaltungsakten

104

2. Bei rechtmäßigen Verwaltungsakten

106

a) Die restriktive Interpretation der Vorschrift

106

b) Folgerungen

106

(1) Für gebundene Verwaltungsakte

107

(2) Für nicht gebundene Verwaltungsakte

107

II. Die Verbindung des Verwaltungsakts mit einer Auflage

107

1. Der Begriff der Auflage

108

2. Problematische Einzelfälle

108

a) Pflichten in Rechtsvorschriften

108

b) Pflichten in Verwaltungsvorschriften

110

c) Pflichten in Hauptbestimmungen des Verwaltungsakts

111

d) Inhaltliche Beschränkungen des Verwaltungsakts

111

III. Die rechtlichen Anforderungen an die Auflage

112

1. Die Rechtmäßigkeit der Auflage

112

2. Die aufgehobene Auflage

113

a) Die Auffassungen in Rechtsprechung und Literatur

113

b) Stellungnahme

114

3. Die von Anfang an nicht erfüllbare Auflage

116

a) Das Problem

116

b) Die Maßgeblichkeit des § 44 VwVfG

117

c) Konsequenzen

118

(1) Objektive Unmöglichkeit

118

(2) Subjektive Unmöglichkeit

118

IV. Die Nichterfüllung der Auflage

119

C. Der nachträgliche Eintritt von Tatsachen nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG

119

I. Der Zweck der Vorschrift

119

1. Bei rechtswidrigen Verwaltungsakten

120

2. Bei rechtmäßigen Verwaltungsakten

120

14

Inhalt

II. Der nachträgliche Eintritt von Tatsachen

122

1. Der Begriff der Tatsache

122

a) Die restriktive Interpretation des Tatsachenbegriffs

122

b) Konsequenzen des eingeschränkten Tatsachenbegriffs

123

c) Problematische Einzelfälle

125

(1) Neue wissenschaftliche Erkenntnisse und Wertungen

125

(a) Wissenschaftlich nachweisbare Erkenntnisse

126

(b) Wissenschaftliche Wertungen

127

(2) Der Erlaß eines Verwaltungsakts

127

2. Der nachträgliche Eintritt

128

III. Die Berechtigung der Behörde zum Nichterlaß des Verwaltungsakts

...

129

1. Der maßgebliche Zeitpunkt für die Berechtigung zum Nichterlaß

...

129

2. Die Berechtigung zum Nichterlaß

130

a) Bei gebundenen Verwaltungsakten

130

b) Bei nicht gebundenen Verwaltungsakten

131

c) Problemfälle

132

(1) Die Nichterfüllung mit der Begünstigung verbundener Pflichten

132

(2) Prüfungsentscheidungen

132

3. Kein Widerruf trotz Berechtigung zum Nichterlaß

133

a) Bei vorrangigen Sonderbestimmungen

133

b) Bei Unwirksamkeit des Verwaltungsakts

133

c) Kraft Eigenart des Verwaltungsakts

134

IV. Die Gefährdung des öffentlichen Interesses 1. Das öffentliche Interesse

135 135

a) Die Auffassungen in Rechtsprechung und Schrifttum .

136

b) Stellungnahme

136

2. Die Gefährdung

137

V. Das Verhältnis zu § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwVfG

137

D. Die Änderung einer Rechtsvorschrift nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwVfG

138

I. Der Zweck der Vorschrift

138

Inhalt 1. Bei rechtswidrigen Verwaltungsakten

138

2. Bei rechtmäßigen Verwaltungsakten

139

II. Die geänderte Rechtsvorschrift

140

1. Die Rechtsvorschrift

140

a) Gewohnheitsrecht

141

b) Rechtsprechung

141

c) Verwaltungsvorschriften

143

d) Die Veränderungssperre nach § 14 Abs. 1 BauGB

143

2. Die Änderung

144

a) Die Definition der Änderung

144

b) Die Nachträglichkeit der Änderung

144

c) Problemfälle

145

(1) Die Aufhebung der Rechtsvorschrift

145

(2) Das Nichtig werden der Rechtsvorschrift

146

(a) Die gerichtliche Nichtigkeitsfeststellung

146

(b) Die behördliche Nichtigkeitsfeststellung

148

(3) Das Außerkrafttreten der Rechtsvorschrift

148

III. Die Berechtigung der Behörde zum Nichterlaß des Verwaltungsakts

...

148

1. Der maßgebliche Zeitpunkt für die Berechtigung zum Nichterlaß

...

148

2. Die Berechtigung zum Nichterlaß

149

3. Kein Widerruf trotz Berechtigung zum Nichterlaß

150

IV. Keine Inanspruchnahme der Leistung 1. Das Gebrauchmachen von der Vergünstigung a) Die Definition des Gebrauchmachens (1) Bei nicht leistungsgewährenden Verwaltungsakten

150 150 150 151

(a) Genehmigungspflichtige Handlungen

151

(b) Nicht genehmigungspflichtige Handlungen

151

(2) Bei leistungsgewährenden Verwaltungsakten . b) Der Umfang des Widerrufverbots 2. Der Empfang von Leistungen V. Die Gefährdung des öffentlichen Interesses

153 154 155 156

1. Die Auffassungen in der Literatur

156

2. Stellungnahme

157

16

Inhalt

E. Die schweren Nachteile für das Gemeinwohl nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 VwVfG

158

I. Der Zweck der Vorschrift

158

II. Die schweren Nachteile für das Gemeinwohl

159

1. Die Auffassungen in der Literatur

159

2. Die amtliche Begründung

160

3. Stellungnahme

161

a) Der Anwendungsbereich der Vorschrift

161

b) Folgerungen

162

(1) Für erneut zu erlassende Verwaltungsakte

162

(2) Für nicht erneut zu erlassende Verwaltungsakte III. Die Verhütung oder Beseitigung der Nachteile

164 164

2. Unterabschnitt Kein Ausschluß des Widerrufs §5

164

Allgemeine Gründe für den Ausschluß des Widerrufs

165

A. Der Ausschluß durch die Pflicht zum erneuten Erlaß des Verwaltungsakts I. Die Pflicht zum erneuten Erlaß des Verwaltungsakts

165 166

1. Bei gebundenen Verwaltungsakten

166

2. Bei nicht gebundenen Verwaltungsakten

166

II. Der Ausschluß des Widerrufs

166

1. Die Auffassungen in Rechtsprechung und Literatur

167

2. Stellungnahme

167

a) Der Ausschluß in den Fällen des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 und 4 VwVfG

167

b) Der Ausschluß in den Fällen des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 VwVfG

168

(1) Die Auslegung des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 VwVfG

.

168

(2) Die Analogie zu § 49 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 und 4 VwVfG

170

c) Der Ausschluß in den Fällen des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 VwVfG

170

Inhalt Β. Der Ausschluß durch Art. 14 GG I. Der Widerruf als Eingriff in das Eigentum 1. Die betroffene Rechtsposition als Eigentum im Sinne des Art. 14 GG a) Öffentlich-rechtliche Rechtspositionen als Eigentum

171 171 172 172

(1) Leistungsgewährende Verwaltungsakte

173

(2) Sonstige begünstigende Verwaltungsakte

173

b) Die Schutzfähigkeit der Rechtspositionen (1) In den Fällen des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwVfG

174 175

(a) Im Falle des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 erste Alt. VwVfG .

175

(b) Im Falle des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 zweite Alt. VwVfG

175

(2) Im Falle des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VwVfG

176

(3) In den Fällen des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 - 5 VwVfG

176

2. Der Widerruf als Ausdruck der Sozialbindung a) In den Fällen des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwVfG

176 177

(1) Im Falle des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 erste Alt. VwVfG . . .

177

(2) Im Falle des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 zweite Alt. VwVfG . .

177

b) Im Falle des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VwVfG

178

c) Im Falle des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG

178

(1) Das Vorliegen einer polizeirechtlichen Störung

179

(2) Der Widerruf der polizeiwidrigen Begünstigung als Inhaltsbestimmung des Eigentums

180

d) Im Falle des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwVfG

180

e) Im Falle des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 VwVfG

181

II. Die Zulässigkeit des Eingriffs 1. Die Voraussetzungen des Art. 14 Abs. 3 GG

181 182

a) Unproblematische Voraussetzungen

182

b) Die Entschädigungsregelung

183

2. Folgerungen

184

III. Ergebnis

185

C. Der Ausschluß durch verwaltungsinterne Weisungen

185

I. Die Auffassungen in der Literatur

2 Bronnenmeyer

185

18

Inhalt

II. Stellungnahme

186

1. Norminterpretierende Weisungen

186

2. Ermessenslenkende Weisungen

187

a) Ermessenslenkende Verwaltungsvorschriften

188

b) Ermessenslenkende Einzelweisungen

188

D. Der Ausschluß durch die Unwirksamkeit des Verwaltungsakts I. Die Auffassungen in Rechtsprechung und Literatur II. Stellungnahme 1. Begriffsbestimmungen

189 189 190 190

a) Die Wirksamkeit des Verwaltungsakts

190

b) Die Unwirksamkeit des Verwaltungsakts

190

(1) Verwaltungsakte ohne innere Wirksamkeit

191

(2) Verwaltungsakte ohne äußere Wirksamkeit

191

2. Der Widerruf unwirksamer Verwaltungsakte a) Keine unmittelbare Geltung des § 49 VwVfG für unwirksame Verwaltungsakte

191 191

(1) Verwaltungsakte ohne äußere Wirksamkeit

192

(2) Verwaltungsakte ohne innere Wirksamkeit

192

b) Die entsprechende Geltung des § 49 VwVfG für unwirksame Verwaltungsakte

193

(1) Verwaltungsakte ohne innere Wirksamkeit

194

(2) Verwaltungsakte ohne äußere Wirksamkeit

194

E. Der Ausschluß durch die Eigenart des Verwaltungsakts

195

I. Kein Verbot des Widerrufs bestimmter Verwaltungsakte durch § 49 Abs. 2 VwVfG

195

II. Das Verbot des Widerrufs bestimmter Verwaltungsakte durch einfachgesetzliche Spezialvorschriften

196

1. Spezielle Widerrufsverbote im VwVfG

196

a) Die Vorschriften über das förmliche Verwaltungsverfahren

196

b) Die Vorschriften über das Planfeststellungsverfahren

197

(1) Die Auffassungen in Rechtsprechung und Literatur

197

(2) Stellungnahme

198

Inhalt

19

2. Spezielle Widerrafsverbote außerhalb des VwVfG

199

a) Beispiele vorrangiger Rechtsvorschriften

199

b) Problematische Fälle

200

3. Sonstige einfachgesetzliche Widerrufshindernisse

200

III. Kein Verbot des Widerrufs bestimmter Verwaltungsakte durch Verfassungsrecht

201

1. Das Gebot der Rechtssicherheit

201

2. Das Gebot des Vertrauensschutzes

203

IV. Ergebnis

203

F. Der Ausschluß durch die Bestandskraft des Verwaltungsakts

204

I. Die formelle Bestandskraft

205

II. Die materielle Bestandskraft

205

§6

Der Ausschluß des Widerrufs nach § 49 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit § 48 Abs. 4 VwVfG

A. Die entsprechende Geltung des § 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG

207

I. Der Beginn der Jahresfrist

207

1. Problemstellung

207

2. Der Beginn der Widerrufsfrist nach der Rechtsprechung des BVerwG

208

a) Der Beschluß des Großen Senats vom 19.12.1984 zum Beginn der Rücknahmefrist (1) Der Gegenstand der fristauslösenden Kenntnis (2) Die Art der fristauslösenden Kenntnis

209

3. Die Konsequenzen für den Beginn der Jahresfrist im einzelnen

210

(1) Die Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts des §49 Abs. 2 Satz 1 Nr.

209 210

a) Der Gegenstand der fristauslösenden Kenntnis (2) Die Widerrufsgründe VwVfG

208 208

b) Die Maßgeblichkeit dieser Rechtsprechung für die Widerrufsfrist . .

2*

206

210 1-5 211

(a) Die den Widerruf zulassende Rechtsvorschrift

212

(b) Der Widerruf s vorbehält

212

(c) Die nicht erfüllte Auflage

213

20

Inhalt (d) Die Tatsachenänderung

214

(e) Die geänderte Rechtsvorschrift

215

(f) Die schweren Nachteile für das Gemeinwohl

215

(3) Die bei der Ermessensentscheidung zu berücksichtigenden Gesichtspunkte

216

(4) Die Widerruflichkeit des Verwaltungsakts

216

(5) Zusammenfassende Würdigung

217

b) Die Art der fristauslösenden Kenntnis

218

II. Das Ende der Jahresfrist

218

B. Die entsprechende Geltung des § 48 Abs. 4 Satz 2 VwVfG I. Die Bedeutung der Regelung

218 219

II. Die Verfassungsmäßigkeit der Regelung

219

3. Unterabschnitt

§7

Die fehlerfreie Ermessensentscheidung über den Widerruf

220

Die Ermessensentscheidung über den Widerruf rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakte im allgemeinen

220

A. Die Pflicht zur Ermessensbetätigung

220

I. Kein Ausschluß der Ermessensentscheidung durch verwaltungsinterne Weisungen 1. Ermessenslenkende Verwaltungsvorschriften

221 221

a) Die Selbstbindung der Verwaltung

221

b) Die Vorwegnahme der Ermessensbetätigung

222

c) Ergebnis

222

2. Ermessenslenkende Einzelweisungen II. Kein Ausschluß der Ermessensentscheidung durch Verzicht B. Die zu berücksichtigenden Gesichtspunkte C. Die Abwägungsmaßstäbe I. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit II. Der Grundsatz des Vertrauensschutzes

223 223 223 224 224 225

Inhalt §8

Sonderfragen der Widerrufsgründen

Ermessensentscheidung

bei den einzelnen

A. Die Ermessensentscheidung im Falle des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwVfG I. Beim durch Rechtsvorschrift zugelassenen Widerruf II. Beim durch Widerrufsvorbehalt zugelassenen Widerruf 1. Die den Widerruf rechtfertigenden Gesichtspunkte

225 225 226 226 226

a) Die Auffassungen in Rechtsprechung und Literatur

227

b) Stellungnahme

227

2. Die Berücksichtigung des Vertrauensschutzprinzips

228

a) Das Vertrauen auf den Bestand des Verwaltungsakts

228

b) Die Schutzwürdigkeit des Vertrauens

229

B. Die Ermessensentscheidung im Falle des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VwVfG I. Die den Widerruf rechtfertigenden Gesichtspunkte II. Die Verhältnismäßigkeit des Widerrufs 1. Der Widerruf als ultima ratio

230 230 231 231

a) Das Fehlen geeigneter Mittel zur Durchsetzung der Auflage

231

b) Die UnVerhältnismäßigkeit der Durchsetzung der Auflage

232

c) Die Ausschöpfung der Mittel zur Durchsetzung der Auflage

232

2. Keine unverhältnismäßigen Widerrufsfolgen

234

3. Der Widerruf bei verspäteter Erfüllung der Auflage

234

III. Die Berücksichtigung des Vertrauensschutzprinzips

235

C. Die Ermessensentscheidung im Falle des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG

235

I. Die den Widerruf rechtfertigenden Gesichtspunkte

235

II. Die Berücksichtigung des Vertrauensschutzprinzips

236

1. Das Vertrauen auf den Bestand des Verwaltungsakts

236

2. Die Schutzwürdigkeit des Vertrauens

236

a) Schutzwürdigkeit trotz Vorhersehbarkeit der Tatsachenänderung

236

b) Kein Ausschluß des Bestandsschutzes durch § 49 Abs. 5 VwVfG .

237

22

Inhalt (1) Die Auffassungen in Rechtsprechung und Literatur

237

(2) Stellungnahme

238

c) Die Kriterien der Schutzwürdigkeit D. Die Ermessensentscheidung im Falle des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwVfG I. Die den Widerruf rechtfertigenden Gesichtspunkte II. Die Berücksichtigung des Vertrauensschutzprinzips

239

239 240 240

1. Schutzwürdigkeit trotz Vorhersehbarkeit der Rechtsänderung

240

2. Kein Ausschluß des Bestandsschutzes durch § 49 Abs. 5 VwVfG . . .

240

3. Kein Ausschluß des Bestandsschutzes durch § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwVfG

241

E. Die Ermessensentscheidung im Falle des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 VwVfG

242

Dritter Abschnitt Die Rechtsfolgen des Widerrufs rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakte nach § 49 VwVfG §9

Der Wegfall der Wirksamkeit des Verwaltungsakts

243 243

A. Der Wegfall der Wirksamkeit im allgemeinen

243

I. Die Bedeutung des Wegfalls der Wirksamkeit

244

II. Der Umfang des Wegfalls der Wirksamkeit 1. Der sachliche Umfang 2. Der zeitliche Umfang a) Die derzeitige Rechtslage nach § 49 Abs. 1 und 3 VwVfG

244 244 245 245

(1) Der Widerruf mit Wirkung für die Zukunft

246

(2) Kein Widerruf mit Wirkung für die Vergangenheit

246

b) Die geplante Novelle des § 49 VwVfG und die Regelungen der Landesverwaltungsverfahrensgesetze III. Die Abgrenzung des Wegfalls der Wirksamkeit 1. Der Unterschied zur Feststellung der Nichtigkeit

247 247 248

2. Der Unterschied zur Berichtigung offenbarer Unrichtigkeiten

248

3. Der Unterschied zur Neuregelung

249

Inhalt Β. Die Pflicht des Betroffenen zur Erstattung gewährter Leistungen I. Überblick über die Rechtslage

250 250

1. § 44a BHO

250

2. §§49 Abs. 3 und 4, 49a des Regierungsentwurfes

251

a) § 49 Abs. 3 des Entwurfes

251

b) § 49 Abs. 4 des Entwurfes

252

c) § 49a des Entwurfes

252

d) Zusammenfassung

253

II. Die rechtliche Grundlage der Erstattungspflicht III. Die Voraussetzungen der Erstattungspflicht 1. Die Vermögensverschiebung im Bereich des öffentlichen Rechts . . . .

253 253 253

a) Die Vermögensverschiebung

254

b) Die öffentlich-rechtliche Vermögensverschiebung

254

2. Die Rechtsgrundlosigkeit der Vermögensverschiebung

254

a) Der widerrufene Verwaltungsakt als Rechtsgrund der gewährten Leistung

254

b) Der Wegfall des Rechtsgrundes durch den Widerruf des Verwaltungsakts

255

(1) Die Rechtmäßigkeit des widerrufenen Verwaltungsakts

255

(2) Der Umfang des Wegfalls des Rechtsgrundes

256

(a) Der sachliche Umfang

256

(b) Der zeitliche Umfang

256

c) Der Wegfall des Rechtsgrundes ohne Widerruf

258

d) Ergebnis

259

IV. Der Umfang der Erstattungspflicht 1. Die Erstattung der gewährten Leistung und der Nutzungen

259 260

a) Die gewährte Leistung

260

b) Die Nutzungen

260

(1) Gezogene Nutzungen

260

(2) Nicht gezogene Nutzungen

260

c) Die Begrenzung durch den Wegfall der Bereicherung 2. Die Erstattung des Surrogats und des Wertersatzes V. Die Durchsetzung der Erstattungspflicht

261 262 262

24

Inhalt

§ 10 Der Entschädigungsanspruch des Betroffenen nach § 49 Abs. 5 VwVfG A. Die Rechtsnatur des Entschädigungsanspruchs I. Die Auffassungen in der Literatur II. Stellungnahme

263 263 263 263

1. Die Herleitung aus Art. 14 GG

263

2. Die Herleitung aus dem Vertrauensschutzprinzip

265

3. Ergebnis

265

B. Die Voraussetzungen des Entschädigungsanspruches I. Der Widerruf eines rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakts nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 - 5 VwVfG 1. Der Widerruf eines begünstigenden Verwaltungsakts

266 266 266

a) Der Widerruf

266

b) Der begünstigende Verwaltungsakt

267

2. Der Widerruf in den Fällen des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 - 5 VwVfG

268

a) Der Sinn der Beschränkung der Entschädigung auf die Fälle des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 - 5 VwVfG

268

b) Konsequenzen

269

(1) Die Maßgeblichkeit des tatsächlich erfüllten Widerrufstatbestandes

269

(2) Der Ausschluß der Entschädigung in den Fällen des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 VwVfG

270

(3) Die Entschädigung bei Nichtvorliegen eines Widerrufstatbestandes

271

(4) Die Entschädigung im Falle eines spezialgesetzlichen Widerrufs

271

II. Die Ursächlichkeit des Vertrauens auf den Bestand des Verwaltungsakts für den Vermögensnachteil

272

1. Der Eintritt eines Vermögensnachteils

272

2. Das schutzwürdige Vertrauen auf den Bestand des Verwaltungsakts . .

272

a) Das Vertrauen des Betroffenen

273

b) Die Schutzwürdigkeit des Vertrauens

273

(1) Keine Abwägung mit dem öffentlichen Interesse

273

(2) Die Kriterien der Schutzwürdigkeit

274

Inhalt 3. Die Ursächlichkeit des Vertrauens für den Vermögensnachteil III. Der fristgerechte Antrag des Betroffenen

275 275

1. Der Antrag

275

2. Die Frist

276

C. Der Umfang des Entschädigungsanspruchs

276

D. Die Durchsetzung des Entschädigungsanspruchs

276

Vierter

Abschnitt

Sonderprobleme beim Widerruf von Verwaltungsakten mit Doppelwirkung

278

§ 11 Der Widerruf von Verwaltungsakten mit Mischwirkung

278

A. Die Rechtslage im allgemeinen

278

I. Bei Trennbarkeit der begünstigenden bzw. belastenden Regelungen . . . .

279

II. Bei Untrennbarkeit der begünstigenden bzw. belastenden Regelungen . . .

279

B. Die Verböserung eines belastenden Verwaltungsakts I. Das Problem II. Die Auffassungen in Rechtsprechung und Literatur III. Stellungnahme 1. Die Anwendbarkeit der Vorschriften über den Widerruf begünstigender Verwaltungsakte a) Die unmittelbare Anwendung

280 280 281 281 281 281

(1) Das Vorliegen eines begünstigenden Verwaltungsakts

282

(2) Die Verböserung als Widerruf

283

b) Die entsprechende Anwendung

283

(1) Die Regelungslücke

283

(2) Die sachliche Notwendigkeit der entsprechenden Anwendung .

284

2. Die Berücksichtigung des schutzwürdigen Vertrauens auf den Bestand des belastenden Verwaltungsakts

285

Inhalt

26

§ 12 Der Widerruf von Verwaltungsakten mit Drittwirkung

286

A. Die Rechtslage bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 50 VwVfG . . .

287

I. Die Voraussetzungen des § 50 VwVfG

287

1. Der Zweck des § 50 VwVfG

288

a) Die Beseitigung des Veitrauensschutzes zu Lasten des Begünstigten

288

b) Der Schutz des belasteten Dritten

288

2. Die Voraussetzungen des § 50 VwVfG im einzelnen

290

a) Die Anfechtung des begünstigenden Verwaltungsakts durch einen Dritten

290

(1) Der begünstigende Verwaltungsakt

290

(2) Die Anfechtung durch einen Dritten

291

(a) Der Begriff der Anfechtung

291

(b) Die Einlegung des Rechtsbehelfs

292

(c) Die Zulässigkeit der Anfechtung

293

(d) Die Begründetheit der Anfechtung

.

294

(e) Zusammenfassung

296

b) Die Aufhebung während des Vorverfahrens oder während des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens

296

c) Die Abhilfe durch den Widerruf

297

II. Die Rechtsfolgen des § 50 VwVfG

297

1. Die Voraussetzungen des Widerrufs nach § 50 VwVfG

298

a) Die Rechtsgrundlage des Widerrufs

298

b) Die Voraussetzungen des Widerrufs nach § 50 VwVfG im einzelnen

298

(1) Die Entbehrlichkeit eines Widerrufsgrundes nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 - 5 VwVfG

299

(2) Kein Ausschluß des Widerrufs

299

(a) Die allgemeinen Gründe für den Ausschluß des Widerrufs .

299

(b) Die Unbeachtlichkeit der Widerrufsfrist

300

(3) Die fehlerfreie Ermessensentscheidung über den Widerruf

. ..

300

(a) Die Berücksichtigung der Belange des Drittbetroffenen . . .

300

(b) Die Berücksichtigung des Vertrauensschutzprinzips

300

2. Die Rechtsfolgen des Widerrufs nach § 50 VwVfG

301

Inhalt a) Der Wegfall der Wirksamkeit des Verwaltungsakts

302

b) Der Entschädigungsanspruch nach § 49 Abs. 5 VwVfG

303

B. Die Rechtslage außerhalb des Regelungsbereichs des § 50 VwVfG . . . . I. Die Voraussetzungen des Widerrufs

303 303

1. § 49 Abs. 2 VwVfG als Ermächtigungsgrundlage

303

2. Die Voraussetzungen des Widerrufs im einzelnen

304

II. Die Rechtsfolgen des Widerrufs

Literaturverzeichnis

304

305

Einleitung Die Frage nach der Widerruflichkeit rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakte gehört seit jeher zu den umstrittensten Problemen des allgemeinen Verwaltungsrechts1. Hieran hat auch die Tatsache wenig geändert, daß der Gesetzgeber den Widerruf von Verwaltungsakten mittlerweile in zahlreichen Rechtsvorschriften normiert hat. So werfen insbesondere § 49 des Verwaltungsverfahrensgesetzes des Bundes2 (VwVfG) bzw. die inhaltsgleichen Regelungen in den Verwaltungsverfahrensgesetzen der Länder3 eine Reihe von schwierigen und bisher kaum geklärten Zweifelsfragen auf. Die vorliegende Arbeit unternimmt daher den Versuch, die mit dem Widerruf eines rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakts nach § 49 VwVfG 4 verbundenen Probleme darzulegen und Vorschläge zu ihrer Lösung zu entwickeln. Die gestellte Aufgabe soll in vier Abschnitten behandelt werden. Der erste Abschnitt ist der begrifflichen Bestimmung des Widerrufs sowie des rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakts gewidmet. Im zweiten Abschnitt werden die Voraussetzungen diskutiert, unter denen der Widerruf eines solchen Verwaltungsakts zulässig ist. Der dritte Abschnitt befaßt sich mit den Rechtsfolgen, die an den Widerruf eines rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakts nach § 49 VwVfG geknüpft sind. Eine Auseinandersetzung mit den Sonderproblemen beim Widerruf von Verwaltungsakten mit Doppelwirkung schließt die Untersuchung im vierten Abschnitt ab.

1 Vgl. Erichsen, in: Erichsen / Martens, § 17 Rdnr. 3. Im älteren Schrifttum wird die Problematik der Widerruflichkeit rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakte z.B. dargestellt bei Fleiner, S. 196 ff., 200 ff.; Forsthoff,\ S. 264 ff.; Jellinek, S. 271 ff., 276; Kormann, S. 329 ff., 339 ff.; Mayer, S. 253 ff.; Ipsen, Widerruf, S. 66 ff.; Saladin, Widerruf, S. 185 ff.; Schoen, Widerruf, S. 118 ff. 2 Vom 25. Mai 1976 (BGBl. I S. 1253, geänd. durch Art. 7 Nr. 4 AdoptionsG v. 2.7.1976, BGBl. I S. 1749, und Art. 7 § 3 BetreuungsG v. 12.9.1990, BGBl. I S. 2002). 3 Die Verwaltungsverfahrensgesetze der Länder Baden-Württemberg, Bayern, Bremen, Hamburg, Hessen, Nordrhein-Westfalen, Saarland und Thüringen regeln den Widerruf jeweils in § 49 bzw. Art. 49, das Landesverwaltungsgesetz von SchleswigHolstein in § 117. Die VerwaltungsVerfahrensgesetze der Länder Berlin, RheinlandPfalz und Niedersachsen verweisen auf das VwVfG des Bundes. In den übrigen neuen Bundesländern sind Verwaltungsverfahrensgesetze in Vorbereitung. Vgl. Maurer, § 5 Rdnr. 13 ff.; Ule/Laubinger y § 8 IV. 4 Für die genannten landesrechtlichen Bestimmungen gelten die folgenden Ausführungen entsprechend.

Erster

Abschnitt

Begriffsbestimmungen § 1 Der Begriff des Widerrufs Eine Erörterung der aufgeworfenen Fragen erfordert zunächst Klarheit über die begriffliche Bestimmung des Widerrufs im Sinne des § 49 VwVfG.

A. Die einzelnen Begriffsmerkmale des Widerrufs § 49 VwVfG enthält keine Legaldefinition des Widerrufs. Dennoch scheint in der Literatur über die Begriffsmerkmale des Widerrufs im wesentlichen Einigkeit zu herrschen. Meist wird unter einem Widerruf nach § 49 VwVfG die Aufhebung eines rechtmäßigen Verwaltungsakts durch eine Behörde verstanden1. Manche Autoren fordern zusätzlich, daß die Aufhebung außerhalb eines Widerspruchsverfahrens geschieht2. Bei näherer Betrachtung erweist sich indes, daß die Begriffsbestimmung des Widerrufs durchaus mit einigen Schwierigkeiten verbunden ist3.

I. Die Aufhebung des Verwaltungsakts Kein Zweifel kann allerdings bestehen, daß ein Widerruf im Sinne des § 49 VwVfG nur vorliegt, wenn der betreffende Verwaltungsakt aufgehoben und also unwirksam wird 4. Dies ergibt sich zwingend aus § 43 Abs. 2

1 Achterberg, §23 Rdnr. 46; Ule / Laubinger, §61 I; Klappstein, in: Knack, VwVfG, § 49 Rdnr. 3.1; Meyer, in: Meyer/Borgs, VwVfG, § 49 Rdnr. 7; Stelkens/ Sachs, in: Stelkens / BonklLeonhardt, VwVfG, § 49 Rdnr. 3; Lange, Jura 1980, 456 (459); Wendt, JA 1980, 85 (86). 2 Erichsen, in: Erichsen!Martens, § 15 Rdnr. 3; Maurer, § 11 Rdnr. 11; Ule/Laubinger, § 61 I, V; Kopp, VwVfG, § 49 Rdnr. 7. 3 Klarheit besteht freilich, daß die Bezeichnung als „Widerruf 4 kein notwendiges Begriffsmerkmal darstellt; siehe z.B. OVG Münster, NVwZ-RR 1988, 1 (2); Achterberg, § 23 Rdnr. 47; Kopp, VwVfG, § 49 Rdnr. 8. 4 Erichsen, in: Erichsen/Martens, § 15 Rdnr. 3; Maurer, § 11 Rdnr. 11; Ule!Laubinger, § 61 I; Klappstein, in: Knack, VwVfG, § 49 Rdnr. 3.1; Kopp, VwVfG, § 49

§ 1 Der Begriff des Widerrufs

31

VwVfG, der den Widerruf als einen Unterfall der Aufhebung des Verwaltungsakts ansieht und bestimmt, daß ein Verwaltungsakt wirksam bleibt, „solange und soweit er nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist". § 49 Abs. 3 VwVfG regelt ergänzend dazu den Zeitpunkt des Unwirksamwerdens. Maßnahmen, die - wie z.B. die bloße Berichtigung offenbarer Unrichtigkeiten5 - die Wirksamkeit des Verwaltungsakts unberührt lassen, können somit nicht als Widerruf im Sinne des § 49 VwVfG angesehen werden mit der Folge, daß sie den Beschränkungen der Widerruflichkeit begünstigender Verwaltungsakte nicht unterfallen. Auf die damit im Zusammenhang stehenden Abgrenzungsprobleme wird bei der Erörterung der Rechtsfolgen des Widerrufs im dritten Abschnitt einzugehen sein6.

II. Die Aufhebung durch eine Behörde Es muß auch nicht näher erläutert werden, daß von einem Widerruf nach § 49 VwVfG nur gesprochen werden kann, wenn die Aufhebung des Verwaltungsakts durch eine Behörde im Sinne des § 1 Abs. 4 VwVfG verfügt wird 7. Denn das VwVfG gilt (ebenso wie die Verwaltungsverfahrensgesetze der Länder) nach seinem § 1 nur für die öffentlich-rechtliche Verwaltungstätigkeit der Behörden. Dieses Begriffsmerkmal unterscheidet den Widerruf im Sinne des § 49 VwVfG insbesondere von der Aufhebung des Verwaltungsakts durch ein Gericht in seiner Eigenschaft als unabhängiger Spruchkörper. Die Gerichte unterliegen bei der Aufhebung von Verwaltungsakten nicht den Bindungen des VwVfG 8 , sondern den Vorschriften der §§ 113, 114 VwGO, wonach die Kassation eines rechtmäßigen Verwaltungsakts durch gerichtliche Entscheidung nicht in Betracht kommt.

Rdnr. 7; Meyer, in: Meyer I Borgs, VwVfG, Rdnr. 7; Stelkens ! Sachs, in: Stelkens / Bonk/Leonhardt, VwVfG, § 49 Rdnr. 4, § 48 Rdnr. 13; Erichsen, Jura 1981, 534 (535); Lange, Jura 1980, 456 (459); Martens, Jura 1979, 83; Begründung, S. 67. 5 Siehe § 9 A.III.2. 6 Siehe § 9 A.III. 7 Maurer, § 11 Rdnr. 11; Ule / Laubinger, § 61 I; Kopp, VwVfG, § 49 Rdnr. 7; Meyer, in: Meyer/Borgs, VwVfG, § 49 Rdnr. 7; Lange, Jura 1980, 456 (459); Martens, Jura 1979, 83 (84); Wendt, JA 1980, 85 (86). 8 Ule!Laubinger, § 61 V.

32

Erster Abschnitt: Begriffsbestimmungen

III. Die Rechtmäßigkeit des aufgehobenen Verwaltungsakts Problematisch ist dagegen, ob ein Widerruf im Sinne des § 49 VwVfG voraussetzt, daß ein rechtmäßiger Verwaltungsakt aufgehoben wird oder ob die Aufhebung eines jeden Verwaltungsakts, gleichgültig ob rechtmäßig oder rechtswidrig, als Widerruf betrachtet werden kann. Diese Frage kann hier obwohl die vorliegende Arbeit ausschließlich dem Widerruf rechtmäßiger Verwaltungsakte gewidmet ist - nicht offengelassen werden. Denn wenn der Widerruf nach § 49 VwVfG die Aufhebung rechtswidriger Verwaltungsakte umfaßt, ist nicht auszuschließen, daß dies Konsequenzen für die Interpretation der Vorschrift und mittelbare Bedeutung für den Widerruf rechtmäßiger Verwaltungsakte besitzt.

1. Die Auffassungen in Rechtsprechung und Literatur Das Schrifttum definiert den Widerruf nach § 49 VwVfG in Übereinstimmung mit dem Wortlaut der Norm nahezu ausnahmslos als Aufhebung eines rechtmäßigen Verwaltungsakts9. Andererseits vertreten das BVerwG 10 und einige OVGe 11 ebenso wie zahlreiche Autoren in der Literatur 12 die Auffassung, § 49 VwVfG sei entsprechend auf rechtswidrige Verwaltungsakte anwendbar; im Ergebnis betrachtet die herrschende Meinung die Aufhebung

9

Achterberg, § 23 Rdnr. 46; Erichsen, in: Erichsen/Martens, § 15 Rdnr. 3; Maurer, § 11 Rdnr. 11; Mayer/Kopp, § 15 II 1; Ule/Laubinger, § 61 I; Klappstein, in: Knack, VwVfG, § 49 Rdnr. 2; Kopp, VwVfG, § 49 Rdnr. 7; Stelkens / Sachs, in: StelkensIBonklLeonhardt, VwVfG, § 48 Rdnr. 13, § 49 Rdnr. 3; Dorn, DÖV 1988, 7 (12); Erichsen, Jura 1981, 534 (535); Martens, Jura 1979, 83 (84). Ebenso die Begründung, S. 67. 10 BVerwG, NVwZ 1987, 498; BVerwG, Urteil vom 04.07.1984 - 8 C 54.82. 11 BayVGH, BayVBl. 1986, 304 (307 f.); BayVBl. 1983, 629; HessVGH, NVwZ 1984, 382 (383); VGH Mannheim, NVwZ-RR 1992, 126 (127); NVwZ 1986, 394 (395); OVG Münster, NJW 1985, 281 (282); DÖV 1979, 609 (für den Fall des Widerrufsvorbehalts). Offengelassen von OVG Koblenz, DVB1. 1982, 219 (221). Vgl. femer BayVGH, BayVBl. 1991, 209 (210); OVG Münster, NVwZ 1986, 583 (zu §§ 130, 131 AO). 12

Achterberg, § 23 Rdnr. 78; Bull, § 12 Rdnr. 759; Maurer, § 11 Rdnr. 19; Mayer/Kopp, § 15 II 1; Ule/Laubinger, § 61 III 4, § 63 II; Weides, § 30 V; Klappstein, in: Knack, VwVfG, § 49 Rdnr. 2.3; Kopp, VwVfG, § 48 Rdnr. 19, § 49 Rdnr. 7; Meyer, in: Meyer/Borgs, VwVfG, § 48 Rdnr. 19, § 49 Rdnr. 2; Stelkens, in: Stelkens / Bonk! Leonhardt, VwVfG, § 36 Rdnr. 22; Stelkens/Sachs, ebd., § 49 Rdnr. 4; Adolf, JA 1988, 625 (626); Eichberger, GewArch. 1983, 105 (111); Lange, Jura 1980, 456 (459); ders., WiVerw. 1979, 15 (16); Schenke, DÖV 1983, 320 (325); ders., DVB1. 1989, 433 (434). S.a. Wolff/ Bachofl, § 53 III a 2.

§ 1 Der Begriff des Widerrufs

33

rechtswidriger Verwaltungsakte als Widerruf im Sinne des § 49 VwVfG, wenn die Aufhebung aus Gründen geschieht, die in § 49 Abs. 2 Satz 1 VwVfG genannt sind13. Man stützt die These von der entsprechenden Geltung des § 49 VwVfG für rechtswidrige Verwaltungsakte meist auf den Hinweis, daß unter den engen Voraussetzungen des § 49 Abs. 2 Satz 1 VwVfG erst recht ein rechtswidriger Verwaltungsakt aufhebbar sein müsse. Dem rechtswidrigen Verwaltungsakt könne keine stärkere Bestandskraft als dem rechtmäßigen Verwaltungsakt zukommen14. Insbesondere wenn der rechtswidrige Verwaltungsakt nur gegen eine Entschädigung nach § 48 Abs. 3 VwVfG 1 5 oder aufgrund des Fristablaufs nach § 48 Abs. 4 VwVfG 1 6 nicht mehr zurückgenommen werden könnte, müsse sein Widerruf nach § 49 VwVfG möglich sein. Eine Mindermeinung lehnt die entsprechende Geltung des § 48 VwVfG für rechtswidrige Verwaltungsakte unter Berufung auf den Wortlaut des Gesetzes17 und das fehlende Bedürfnis 18 dagegen ab. Nach dieser Auffassung gibt es keinen Widerruf rechtswidriger Verwaltungsakte nach § 49 VwVfG.

2. Die Geltung des § 49 VwVfG für rechtswidrige Verwaltungsakte Die Aufhebung rechtswidriger Verwaltungsakte könnte nur dann als Widerruf im Sinne des § 49 VwVfG eingestuft werden, wenn die Vorschrift auch für rechtswidrige Verwaltungsakte gilt. Das ist sicherlich nicht ohne weiteres zu bejahen. Denn der Wortlaut des § 49 VwVfG bezieht sich ausdrücklich auf rechtmäßige Verwaltungsakte; außerdem steht mit § 48 VwVfG

13

OVG Münster, NJW 1985, 281 (282); Maurer, § 11 Rdnr. 19; Ule ILaubinger, § 61 III 4; Meyer, in: Meyer!Borgs, VwVfG, § 49 Rdnr. 2, § 48 Rdnr. 19; Lange, Jura 1980, 456 (459). 14 OVG Münster, NJW 1985, 281 (282); Achterberg, § 23 Rdnr. 78; Bull, § 12 Rdnr. 759; Maurer, § 11 Rdnr. 19; Ule ILaubinger, § 61 III 4; Weides, § 30 V; Klappstein, in: Knack, VwVfG, § 49 Rdnr. 2.3; Meyer, in: Meyer! Borgs, VwVfG, § 48 Rdnr. 19, § 49 Rdnr. 2; Stelkens / Sachs, in: Stelkens / Bonk! Leonhardt, VwVfG, §49 Rdnr. 4; Adolf, JA 1988, 625 (626); Eichberger, GewArch. 1983, 105 (111); Lange, WiVerw. 1979, 15 (16); Schenke, DÖV 1983, 320 (325). 15 VGH Mannheim, NVwZ-RR 1992, 126 (127). 16 HessVGH, NVwZ 1984, 382 (383); OVG Münster, NJW 1985, 281 (282). 17 VG Köln, NVwZ 1984, 537 (538); Erichsen, in: ErichsenfMartens, § 17 Rdnr. 5. Skeptisch auch OVG Münster, NVwZ 1988, 942 (943). Vgl. ferner BayVGH, BayVBl. 1983, 946 (947). 18 Erichsen, in: Erichsen/Martens, § 17 Rdnr. 5; Obermayer, VwVfG, § 49 Rdnr. 7. 3 Bronnenmeyer

34

Erster Abschnitt: Begriffsbestimmungen

für die Aufhebung rechtswidriger Verwaltungsakte eine andere Vorschrift zur Verfügung. Anlaß zur Diskussion der Geltung des § 49 VwVfG für rechtswidrige Verwaltungsakte besteht unter diesen Umständen nur, wenn überhaupt ein Bedürfnis existiert, rechtswidrige Verwaltungsakte nach § 49 VwVfG widerrufen zu können.

a) Die Notwendigkeit der Anwendung des § 49 VwVfG auf rechtswidrige Verwaltungsakte Die Anwendung des § 49 VwVfG auf rechtswidrige Verwaltungsakte wäre zunächst angebracht, wenn § 48 VwVfG verglichen mit § 49 VwVfG keine ausreichende Rechtsgrundlage für die Rücknahme rechtswidriger Verwaltungsakte darstellt. Im Hinblick auf belastende Verwaltungsakte ist dies allerdings nicht denkbar, weil § 48 Abs. 1 VwVfG die Rücknahme rechtswidriger belastender Verwaltungsakte weitergehend - nämlich auch mit Wirkung für die Vergangenheit - zuläßt als § 49 Abs. 1 und 3 VwVfG den Widerruf rechtmäßiger belastender Verwaltungsakte. Anders könnte es dagegen bei den begünstigenden Verwaltungsakten liegen. Sollten Fälle vorstellbar sein, in denen § 48 Abs. 2 - 4 VwVfG die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsakts verbietet, § 49 Abs. 2 VwVfG aber den Widerruf des rechtmäßigen Verwaltungsakts zuließe, wäre zu überlegen, ob § 49 Abs. 2 VwVfG nicht für rechtswidrige Verwaltungsakte gelten muß19. Denn in der Tat wäre es abwegig, wenn die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts sich als Aufhebungshindernis erweisen würde; dem rechtswidrigen Verwaltungsakt kann - insoweit ist der herrschenden Meinung zuzustimmen - keine stärkere Bestandskraft zukommen als dem rechtmäßigen. Bei näherer Betrachtung zeigt sich jedoch, daß § 48 Abs. 2 - 4 VwVfG auch unter den Voraussetzungen des § 49 Abs. 2 Satz 1 VwVfG stets eine ausreichende Rechtsgrundlage für die Rücknahme des rechtswidrigen Ver-

19 Zwingend wäre dieser von der herrschenden Meinung gezogene Schluß freilich nicht. Selbst wenn § 48 VwVfG in bestimmten Fällen die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsakts verbietet, in denen § 49 Abs. 2 VwVfG den Widerruf zuläßt, bedeutet dies nicht, daß § 49 VwVfG entgegen seinem Wortlaut auf rechtswidrige Verwaltungsakte anwendbar sein muß. Man könnte auch § 48 VwVfG so interpretieren, daß eine Rücknahme immer dann erlaubt ist, wenn ein Widerruf zulässig ist. Der von der herrschenden Meinung ins Feld geführte ErstRecht-Schluß könnte daher ebenso Konsequenzen für die Deutung und Tragweite des § 48 VwVfG wie für § 49 VwVfG haben.

§ 1 Der Begriff des Widerrufs

35

waltungsakts darstellt, obwohl § 48 Abs. 2 - 4 VwVfG die Fälle des § 49 Abs. 2 Satz 1 VwVfG nicht eigens regelt und auf sie ersichtlich nicht zugeschnitten ist20. Erläßt die Behörde z.B. einen Verwaltungsakt mit einem Widerrufsvorbehalt oder unter einer Auflage, so kann sie ihn im Falle seiner Rechtmäßigkeit nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bzw. Nr. 2 VwVfG widerrufen. Ist der Verwaltungsakt dagegen rechtswidrig, kann die Behörde ihn nach § 48 VwVfG zurücknehmen. Die gleichen Umstände, die beim rechtmäßigen Verwaltungsakt für die Ausübung des Widerrufsvorbehalts nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwVfG bzw. für den Widerruf wegen Nichterfüllung der Auflage nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VwVfG sprechen, begründen beim rechtswidrigen Verwaltungsakt das öffentliche Interesse an der Rücknahme nach § 48 VwVfG 2 1 , wobei zu bedenken ist, daß die Existenz des Widerrufsvorbehalts bzw. die Nichterfüllung der Auflage ein schutzwürdiges Vertrauen des Begünstigten auf den Bestand des Verwaltungsakts jedenfalls für die Zukunft ausschließen werden22, so daß auch eine Entschädigung nach § 48 Abs. 3 VwVfG nicht in Betracht kommt23. Entsprechendes gilt für die anderen Widerrufsgründe des § 49 Abs. 2 Satz 1 VwVfG, nämlich die nachträgliche Änderung der Sach- oder Rechtslage und die schweren Nachteile für das Gemeinwohl. Stützt die Behörde die Rücknahme auf einen der in § 49 Abs. 2 Satz 1 VwVfG genannten Gründe, kann auch die Fristenregelung des § 48 Abs. 4 VwVfG einer Aufhebung nicht im Wege stehen. Denn nach der Rechtsprechung des BVerwG beginnt die Jahresfrist des § 48 Abs. 4 VwVfG erst zu laufen, wenn der Behörde sämtliche für die Entscheidung über die Rücknahme erheblichen Tatsachen bekannt sind24 — hier also der Widerrufsgrund. Damit kann die Situation, daß die Rücknahmefrist, nicht aber die Widerrufsfrist abgelaufen ist, nicht eintreten25. So dürfte kein Fall denkbar sein, in dem das Vorliegen eines Widerrufsgrundes nicht auch zur Rücknahme des rechtswidrigen Verwaltungsakts nach § 48 VwVfG befugt. Die Notwendigkeit der Anwendung des § 49 VwVfG auf rechtswidrige Verwaltungsakte ergibt sich jedoch aus einem anderen Grunde. Widerruft nämlich eine Behörde nach § 49 VwVfG einen rechtswidrigen begünstigen-

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Erichsen, in: Erichsen!Martens, § 17 Rdnr. 5. Erichsen, in: Erichsen!Martens, § 17 Rdnr. 5. Vgl. Eichberger, GewArch. 1983, 105 (111). Siehe auch § 8 A.II.2. und B.III. Dies übersieht VGH Mannheim, NVwZ-RR 1992, 126 (127). BVerwGE 70, 356 (362 ff.). Näher dazu § 6 A.I.2.a. Dies verkennt HessVGH, NVwZ 1984, 382 (383).

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Erster Abschnitt: Begriffsbestimmungen

den Verwaltungsakt, weil sie ihn irrig als rechtmäßig ansieht, wäre der Widerruf rechtswidrig, wenn man die Geltung des § 49 VwVfG für rechtswidrige Verwaltungsakte verneint. Greift der Begünstigte den Widerruf an, müßte dieser aufgehoben werden — ein offensichtlich unerträgliches Ergebnis, da dem Begünstigten auf diese Weise die Fehlerhaftigkeit des Verwaltungsaktes zugute käme. Die Aufhebung wäre jedoch nicht zu umgehen26, weil der rechtswidrige Widerruf weder durch ein Nachschieben von Rücknahmegründen noch durch eine Umdeutung in eine Rücknahme zu retten ist27. Zwar käme ein Nachschieben von Gründen in Betracht, wenn lediglich die rechtliche oder sachliche Begründung der Widerrufsentscheidung gegen Rücknahmegründe ausgetauscht wird und der Verfügungssatz des Widerrufs unangetastet bleibt28, wie es in der Regel der Fall sein wird, weil der Widerruf ebenso wie die Rücknahme auf die Aufhebung des Verwaltungsakts abzielt. Dieses Nachschieben von Gründen ist jedoch nicht ohne weiteres zulässig, selbst wenn - wie die Rechtsprechung verlangt29 - die nachgeschobenen Rücknahmegründe schon bei Erlaß des Widerrufs vorliegen, der Widerruf durch die nachgeschobenen Gründe nicht in seinem Wesen als Ermessensentscheidung geändert und der Betroffene in seiner Rechtsverteidigung nicht beeinträchtigt wird. Denn die herrschende Meinung hält bei Ermessensentscheidungen das Nachschieben von Gründen teilweise für unstatthaft 30. Ähnliche Schwierigkeiten treten bei der Umdeutung des Widerrufs in eine Rücknahme auf 31. Rücknahme und Widerruf sind zwar auf das gleiche Ziel gerichtet und können im gleichen Verfahren und in der gleichen Form erlas-

26 Es sei denn, der „Widerruf 4 ist als Rücknahme auszulegen; siehe OVG Münster, NVwZ-RR 1988, 1. Vgl. auch BayVGH, DVB1. 1983, 946. 27 Zur Abgrenzung des sog. Nachschiebens von Gründen von der Umdeutung siehe Laubinger, VerwArch. 1987, 207 (222 ff.); Schenke, DVB1. 1987, 641 (643); Weyreuther, DÖV 1985, 126 (128). 28 Vgl. Schmitt Glaeser, § 14 Rdnr. 731 ff.; Laubinger, VerwArch. 1987, 207 (224 ff.); Schenke, DVB1. 1987, 641 (643); Weyreuther, DÖV 1985, 126 (128). 29 Zur Zulässigkeit des Nachschiebens von Gründen vgl. BVerwGE 38, 191 (195); Schmitt Glaeser, § 14 Rdnr. 732 ff.; Schenke, NVwZ 1988, 1 ff.; Schoch, DÖV 1984, 401 ff. 30 Hierzu vgl. BVerwGE 47, 64 (72 f.); BVerwG, NJW 1982, 1413; BayVGH, BayVBl. 1972, 441; OVG Münster, NJW 1981, 936; Schmitt Glaeser, § 14 Rdnr. 737; Eyermann / Fröhler, VwGO, § 113 Rdnr. 29; Kopp, VwGO, § 113 Rdnr. 33; Redeker/von Oertzen, VwGO, § 108 Rdnr. 31. Schenke, NVwZ 1988, 1; NVwZ 1986, 522 (530) hält das Nachschieben von Gründen im Rahmen der Anfechtungsklage grundsätzlich für unzulässig. 31

Die Umdeutung eines Widerrufs in eine Rücknahme halten für möglich Ule! Laubinger, § 60 II, und Laubinger, VerwArch. 1987, 345 (359). Vgl. auch BVerwG, DVB1. 1976, 939 (940).

§ 1 Der Begriff des Widerrufs

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sen werden, wie § 47 Abs. 1 VwVfG dies fordert, und Rechtsprechung und herrschende Meinung lassen grundsätzlich auch die Umdeutung einer Ermessensentscheidung in eine andere Ermessensentscheidung zu 32 . Übereinstimmend wird jedoch verlangt, daß bei der Umdeutung einer Ermessensentscheidung in eine andere Ermessensentscheidung die Behörde bei der von ihr tatsächlich getroffenen Entscheidung alle diejenigen Erwägungen angestellt hat, die sie für den Erlaß des anderen Verwaltungsakts hätte anstellen müssen33. Bei einer Widerrufsentscheidung nach § 49 VwVfG wird die Behörde aber in aller Regel keine Erwägungen vornehmen, die sie bei der Entscheidung über ein Rücknahme nach § 48 VwVfG hätte treffen müssen. Das OVG Münster hat daher die Konversion eines Widerrufs in eine Rücknahme nicht für möglich angesehen34.

b) Die Begründung der Geltung des § 49 VwVfG für rechtswidrige Verwaltungsakte Die unvertretbare Kassation des Widerrufs rechtswidriger Verwaltungsakte läßt sich somit nur vermeiden, wenn man § 49 VwVfG auf rechtswidrige Verwaltungsakte anwendet. Es fragt sich allerdings, wie diese Geltung methodisch begründet werden kann. Zwei Wege kommen in Betracht. Zunächst ist zu prüfen, ob § 49 VwVfG in der Weise ausgelegt werden kann, daß die Vorschrift auch rechtswidrige begünstigende Verwaltungsakte erfaßt. Der Wortlaut scheint allerdings dagegen zu sprechen: Rechtmäßige Verwaltungsakte sind keine rechtswidrigen Verwaltungsakte. Ferner entspricht die Trennung zwischen dem Widerruf rechtmäßiger Verwaltungsakte nach § 49 VwVfG und der Rücknahme rechtswidriger Verwaltungsakte nach § 48 VwVfG dem Willen des Gesetzgebers. Die amtliche Begründung zu den §§ 48, 49 VwVfG bezeichnet die Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit eines Verwaltungsakts als dessen wichtigstes Kriterium bei der Entscheidung über seine Aufhebung 35.

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BayVGH, BayVBl. 1983, 84 (85); Kopp, VwVfG, § 47 Rdnr. 12; Schenke, DVB1. 1987, 641 (646). Vgl. auch BayVGH, BayVBl. 1983, 212 (213 f.). 33 BayVGH, BayVBl. 1983, 84 (85); Klappstein, in: Knack, VwVfG, § 47 Rdnr. 3.4.5; Meyer, in: Meyer! Borgs, VwVfG, § 47 Rdnr. 16; Stelkens ! Sachs, in: StelkensIBonklLeonhardt, VwVfG, § 47 Rdnr. 26; Laubinger, VerwArch. 1987, 345 (365). 34 OVG Münster, NVwZ 1988, 942 (943). Vgl. auch StelkensI Sachs, in: Stelkens/ Bonk/Leonhardt, VwVfG, § 48 Rdnr. 36. 35 Begründung, S. 67. Vgl. auch Erichsen, in: Erichsen!Martens, § 17 Rdnr. 5.

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Erster Abschnitt: Begriffsbestimmungen

Andererseits ist zu bedenken, daß die Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts für den Widerruf nach § 49 VwVfG eine andere dogmatische Funktion besitzt als die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts für seine Rücknahme nach § 48 VwVfG. Bei der Rücknahme ist die Rechtswidrigkeit der Grund für die Aufhebung des Verwaltungsakts. Der Verwaltungsakt wird zurückgenommen, weil er rechtswidrig ist36. Beim Widerruf ist die Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts zweifellos kein Grund für die Aufhebung; im Gegenteil: Der Verwaltungsakt wird widerrufen, obwohl er rechtmäßig ist. Daraus folgt, daß § 49 VwVfG die Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts nicht als Voraussetzung des Widerrufs und als abgrenzendes Tatbestandsmerkmal, sondern nur im Sinne einer Klarstellung erwähnt, daß „auch" ein rechtmäßiger Verwaltungsakt unter den Voraussetzungen des § 49 VwVfG widerrufen werden kann37. Dies liegt insbesondere im Hinblick auf § 49 Abs. 2 Satz 1 VwVfG nahe. Bei den dort genannten Aufhebungsgründen handelt es sich um Tatbestände, deren Wesen von der Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts unabhängig ist38. Hat sich die Behörde z.B. einen Widerruf vorbehalten oder erfüllt der Begünstigte eine Auflage nicht, so spielt es für die Aufhebung des Verwaltungsakts sachlich keine Rolle, ob er rechtmäßig oder rechtswidrig ist. Die §§ 48, 49 VwVfG hätten, wären sie dogmatisch folgerichtig aufgebaut, nicht zwischen rechtmäßigen und rechtswidrigen Verwaltungsakten unterscheiden, sondern - wie dies in älteren Vorschriften geschehen ist 39 - mehrere Aufhebungsgründe regeln müssen, deren einer die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts ist40. Hieraus ergibt sich weiter, daß selbstverständlich einer der in § 49 VwVfG geregelten Aufhebungsgründe mit dem Aufhebungsgrund der Rechtswidrigkeit des § 48 VwVfG zusammentreffen kann. Da ein Vorrang des § 48 VwVfG nicht ersichtlich ist41,

36

Dies ergibt sich schon aus dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung. Siehe auch Wolff/ Bachof I, § 53 III a 2; Meyer, in: Meyer/Borgs, VwVfG, § 48 Rdnr. 6. 37 Stelkens /Sachs, in: Stelkens IBonklLeonhardt, VwVfG, § 49 Rdnr. 4 („klarstellende Betonung"). A.A. Erichsen, in: Erichsen/Martens, § 17 Rdnr. 5. 38 Meyer, in: Meyer/Borgs, VwVfG, § 49 Rdnr. 2. Vgl. auch Wolff /Bachof \, § 53 III a 2. 39 Siehe z.B. §§ 142, 143 der Landes Verwaltungsordnung für Thüringen vom 10.06.1926 in der Fassung der Bekanntmachung vom 22.07.1930 (GS 1930 S. 123 ff.), § 42 des Preußischen Polizeiverwaltungsgesetzes vom 1. Juni 1931 (GS 1931 S. 77 ff.) und Art. 88 des Entwurfs einer Verwaltungsrechtsordnung für Württemberg von 1931. 40 Maurer, § 11 Rdnr. 19; Ule /Laubinger, § 61 III 4. Vgl. auch die Kritik am Konzept der §§ 48, 49 VwVfG bei Ule/Laubinger, § 61 I, III 4; Meyer, in: Meyer! Borgs, VwVfG, § 48 Rdnr. 6, § 49 Rdnr. 2. 41 Vgl. Stelkens /Sachs, in: Stelkens/Bonk!Leonhardt, VwVfG, § 49 Rdnr. 4.

§ 1 Der Begriff des Widerrufs

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hat die Behörde die Wahl, ob sie rechtswidrige Verwaltungsakte wegen der Rechtswidrigkeit nach § 48 VwVfG oder aus anderen Gründen nach § 49 VwVfG aufhebt. Damit dürfte eine Auslegung des § 49 VwVfG, wonach die Vorschrift auch für rechtswidrige Verwaltungsakte gilt, vertretbar sein. Hält man diese Interpretation nicht für überzeugend, ist eine entsprechende Anwendung des § 49 VwVfG auf rechtswidrige Verwaltungsakte, wie sie die herrschende Meinung verficht, in Betracht zu ziehen. Sie setzt zum einen die Lückenhaftigkeit der Regelung des § 48 VwVfG über die Rücknahme rechtswidriger Verwaltungsakte voraus. Die Fälle des § 49 Abs. 2 Satz 1 VwVfG lassen sich zwar - wie gezeigt - auch über § 48 Abs. 2 - 4 VwVfG lösen. Die Regelungslücke kann aber damit begründet werden, daß die Fälle des § 49 Abs. 2 Satz 1 VwVfG von § 48 VwVfG nicht (ausdrücklich) berücksichtigt werden42. Die weitere Voraussetzung einer Analogie, die Sachgerechtheit der Geltung des § 49 VwVfG für rechtswidrige Verwaltungsakte, ist nach dem Vorstehenden jedenfalls zu bejahen. Resümierend ist festzustellen, daß die besseren Argumente für die Anwendung des § 49 VwVfG auf rechtswidrige Verwaltungsakte sprechen. Der Begriff des Widerrufs im Sinne des § 49 VwVfG umfaßt daher auch die Aufhebung rechtswidriger Verwaltungsakte, so daß im folgenden die Geltung des § 49 VwVfG für diese Verwaltungsakte zu beachten ist.

IV. Die Aufhebung außerhalb einer Widerspruchsentscheidung Zu prüfen ist ferner, ob ein Widerruf im Sinne des § 49 VwVfG nur die Aufhebung von Verwaltungsakten außerhalb der Entscheidung über einen Widerspruch nach den §§68 ff. VwGO erfaßt oder auch dann vorliegt, wenn ein Verwaltungsakt im Widerspruchsverfahren aufgehoben wird. Sollte die Aufhebung rechtmäßiger Verwaltungsakte im Widerspruchsverfahren als Unterfall des Widerrufs nach § 49 VwVfG einzuordnen sein, hätte dies erhebliche Bedeutung für die Auslegung des § 49 VwVfG. Denn die Vorschriften über den Widerruf rechtmäßiger Verwaltungsakte wären dann in Einklang zu bringen mit dem Wesen des verwaltungsgerichtlichen Vorverfahrens und den §§ 6 8 - 7 3 VwGO.

42

A.A. wohl Erichsen, in: Erichsen!Martens,

§ 17 Rdnr. 5.

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Erster Abschnitt: Begriffsbestimmungen 1. Die Auffassungen in Rechtsprechung und Literatur

Die herrschende Meinung in Rechtsprechung und Literatur betrachtet die Aufhebung eines Verwaltungsakts im verwaltungsgerichtlichen Vorverfahren nicht als Widerruf oder Rücknahme nach den §§ 4 8 - 5 0 VwVfG. Zwar heben nur einige Begriffsbestimmungen dies eigens hervor 43 , während sich im übrigen dazu keine ausdrücklichen Stellungnahmen finden. Die herrschende Meinung verneint allerdings eine Geltung der §§ 48 — 50 VwVfG für die Entscheidung über den Widerspruch 44, so daß sich für diese Auffassung die begriffliche Beschränkung des Widerrufs auf die Aufhebung von Verwaltungsakten außerhalb des verwaltungsgerichtlichen Vorverfahrens von selbst versteht. Lediglich eine Mindermeinung nimmt an, daß die genannten Vorschriften die materielle Rechtsgrundlage für die Aufhebung von Verwaltungsakten im verwaltungsgerichtlichen Vorverfahren darstellen 45, ohne allerdings die Aufhebung von Verwaltungsakten im Widerspruchsverfahren explicit als Rücknahme oder Widerruf anzusprechen.

2. Kein Widerruf in einer Widerspruchsentscheidung Man könnte die Aufhebung eines rechtmäßigen Verwaltungsakts im Widerspruchsverfahren nur dann als Widerruf im Sinne des § 49 VwVfG ansehen, wenn zwei Voraussetzungen erfüllt wären. Zum einen müßten die §§ 4 8 - 5 0 VwVfG für die Entscheidung über den Widerspruch überhaupt maßgeblich sein. Zum anderen müßte die Aufhebung von Verwaltungsakten im Widerspruchsverfahren dem Widerruf eines Verwaltungsakts außerhalb eines solchen Verfahrens so weitgehend ähneln, daß es rechtsdogmatisch vertretbar erschiene, beide Rechtsinstitute begrifflich als Widerruf zusammenzufassen.

43 Erichsen, in: Erichsen!Martens, § 15 Rdnr. 3; Maurer, § 11 Rdnr. 11; Ule! Laubinger, § 61 V; Kopp, VwVfG, § 49 Rdnr. 7. Vgl. auch Wolff ! Bachof I, § 53 IV a. 44 Erichsen, in: Erichsen!Martens, § 18 Rdnr. 9; Ule!Laubinger, § 64 I 3 a; Weides, § 29 IV; Klappstein, in: Knack, VwVfG, § 50 Rdnr. 3.1; Kopp, VwVfG, § 49 Rdnr. 1, § 50 Rdnr. 5; Obermayer, VwVfG, § 50 Rdnr. 19 f.; Allesch, Widerspruchsverfahren, S. 215 ff.; Horn, Drittanfechtung, § 8 II; Knoke, Rücknahme, § 12 II 1. 45 Meyer, in: Meyer!Borgs, VwVfG, § 50 Rdnr. 16; Erichsen, VerwArch. 1978, 303 (310 f.); Lange, Jura 1980, 456 (465); ders. WiVerw. 1979, 15 (21). Vgl. auch Stelkens ! Sachs, in: Stelkens ! Bonk!Leonhardt, VwVfG, § 50 Rdnr. 3 ff., 65.

§ 1 Der Begriff des Widerrufs

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a) Keine Geltung des § 49 VwVfG für die Entscheidung über den Widerspruch Schon an der Geltung der §§ 4 8 - 5 0 VwVfG für die Entscheidung über das verwaltungsgerichtliche Vorverfahren bestehen erhebliche Zweifel. Die herrschende Meinung vertritt die Auffassung, die §§ 4 8 - 5 0 VwVfG kämen nicht zum Zuge, da die Vorschriften der VwGO vorrangig und nicht ergänzungsbedürftig seien46. Für die Richtigkeit dieser Auffassung sprechen gewichtige Gründe. Zunächst ordnet § 79 VwVfG an, daß für förmliche Rechtsbehelfe gegen Verwaltungsakte die VwGO gilt; das VwVfG gilt danach nur „im übrigen", also nur, soweit die VwGO keine Regelung trifft. Die Befugnis der Behörden, im Widerspruchsverfahren einen Verwaltungsakt aufzuheben, ergibt sich aber ohne Zweifel bereits aus der VwGO, da die §§ 72, 73 VwGO ausdrücklich von Abhilfe sprechen47. Ebenso legt die VwGO fest, unter welchen Voraussetzungen die Aufhebung im Widerspruchsverfahren geboten ist. Da § 68 VwGO eine Überprüfung der Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit des Verwaltungsakts anordnet, richtet sich seine Aufhebung nach dem für seinen Erlaß maßgeblichen Recht48. Für eine (ergänzende) Anwendung der §§ 4 8 - 5 0 VwVfG bleibt somit kein Raum. Zum gleichen Ergebnis führt § 1 VwVfG, wonach das VwVfG nur gilt, soweit nicht Rechtsvorschriften des Bundes inhaltsgleiche oder entgegenstehende Bestimmungen enthalten. Auch nach dieser Norm werden die §§ 4 8 - 5 0 VwVfG von den Sonderbestimmungen der VwGO verdrängt. Nichts anderes folgt schließlich aus § 50 VwVfG. Die Vorschrift gibt keinen eindeutigen Aufschluß darüber, ob sie die Geltung einzelner Bestimmungen der §§ 48, 49 VwVfG für die Entscheidung über den Widerspruch derogiert, da sie jedenfalls nach ihrem Wortlaut nur für den Fall eingreift, daß über Rücknahme oder Widerruf des Verwaltungsakts „während", aber außerhalb des Vorverfahrens zu entscheiden ist49.

46 Erichsen, in: Erichsen!Martens, § 18 Rdnr. 9; Ule!Laubinger, § 64 I 3 a; Weides, § 29 IV; Klappstein, in: Knack, VwVfG, § 50 Rdnr. 3.1; Kopp, VwVfG, § 49 Rdnr. 1, § 50 Rdnr. 5; Obermayer, VwVfG, § 50 Rdnr. 19 ff.; Allesch, Widerspruchsverfahren, S. 215 ff. A.A. Meyer, in: Meyer! Borgs, VwVfG, § 50 Rdnr. 16, § 48 Rdnr. 28; Lange, Jura 1980, 456 (465). 47 Erichsen, in: Erichsen! Martens, § 18 Rdnr. 8 f.; Ule ! Laubinger, § 64 I 3 a; Allesch, Widerspruchsverfahren, S. 215. A.A. Lange, Jura 1984, 456 (465). 48 Erichsen, in: Erichsen!Martens, § 18 Rdnr. 9; Klappstein, in: Knack, VwVfG, § 50 Rdnr. 3.1; Allesch, Widerspruchsverfahren, S. 216. 49 Erichsen, in: Erichsen!Martens, § 18 Rdnr. 8 ff.; Ule!Laubinger, § 64 I 3 a; Kopp, VwVfG, § 50 Rdnr. 5. A.A. Lange, Jura 1980, 456 (465). Die amtliche Begründung (S. 74) läßt die Frage offen.

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Erster Abschnitt: Begriffsbestimmungen

Hiermit steht in Einklang, daß die §§ 48 und 49 VwVfG ganz offensichtlich nicht für die Aufhebung von Verwaltungsakten im Rechtsbehelfsverfahren konzipiert sind. Dies kommt insbesondere dadurch zum Ausdruck, daß die genannten Vorschriften die Beschränkung der Aufhebbarkeit begünstigender Verwaltungsakte in den Mittelpunkt rücken und nach ihrem Wortlaut keinen Anspruch auf Beseitigung rechtswidriger Belastungen geben.

b) Die Unterschiede zwischen Widerrufsverfahren und Widerspruchsverfahren Selbst wenn jedoch die §§ 4 8 - 5 0 VwVfG für die Entscheidung über den Widerspruch maßgeblich wären, erschiene es dogmatisch nicht vertretbar, die Aufhebungsentscheidung im verwaltungsgerichtlichen Vorverfahren als Widerruf im Sinne des § 49 VwVfG einzuordnen. Denn zwischen der Aufhebung eines Verwaltungsakts im Widerspruchsverfahren und der Aufhebung eines Verwaltungsakts durch Rücknahme oder Widerruf bestehen - wie bereits angedeutet - gravierende rechtliche Unterschiede. Hierüber dürfte in Rechtsprechung und Literatur im Ergebnis Einigkeit bestehen50, so daß es an dieser Stelle genügt, die wesentlichen Punkte hervorzuheben: Beim Widerspruchsverfahren handelt es sich um ein fristgebundenes Rechtsbehelfsverfahren, das nur auf Betreiben des Betroffenen zustandekommt. Es zielt auf Beseitigung eines belastenden Verwaltungsakts- ab und gibt dem Betroffenen unstreitig einen Anspruch auf Aufhebung rechtswidriger Belastungen. Das Rücknahme- und Widerrufsverfahren dagegen besitzt im wesentlichen eine umgekehrte Zielrichtung. Es räumt der Behörde die Möglichkeit ein, einen rechtswidrigen oder den öffentlichen Interessen nunmehr zuwider laufenden begünstigenden Verwaltungsakt rückgängig zu machen, und zwar von Amts wegen und vor allem nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsakts. Diese Möglichkeit ist im Interesse des Betroffenen stark eingeschränkt; die §§ 4 8 - 5 0 VwVfG dienen in erster Linie dem Schutz des Betroffenen vor Entzug einer Begünstigung. Daneben tritt die Bedeutung der §§ 4 8 - 5 0 VwVfG als Rechtsgrundlage der Aufhebung einer Belastung zurück. Auch insoweit ist aber nur beschränkte Vergleichbarkeit mit der Aufhebung im Widerspruchsverfahren gegeben, da die §§ 4 8 - 5 0 VwVfG dem Betroffenen jedenfalls nach ihrem Wortlaut nur ein formelles subjektives öffentliches Recht auf Aufhebung, aber keinen Aufhebungsanspruch verlei-

50 Siehe insbesondere Allesch, Widerspruchsverfahren, S. 215 ff.; Horn, Drittanfechtung, § 8 II. Vgl. auch VG Regensburg, BayVBl. 1981, 313 (314).

§ 2 Der Begriff des rechtmäßigen begünstigenden VA

43

hen51. Im Gegensatz zum Widerspruchsverfahren hat das Rücknahme- und Widerrufsverfahren daher seine Bedeutung nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsakts. Im Ergebnis ist somit davon auszugehen, daß die Entscheidung über einen Widerspruch nach den §§68 ff. VwGO unter keinen Umständen als Widerruf im Sinne des § 49 VwVfG angesehen werden kann. Unter einem Widerruf ist vielmehr ausschließlich die Aufhebung von Verwaltungsakten außerhalb eines Widerspruchsverfahrens zu verstehen.

B. Die Definition des Widerrufs Zusammenfassend kann der Widerruf nach § 49 VwVfG somit definiert werden als die Aufhebung eines rechtmäßigen oder rechtswidrigen Verwaltungsakts durch eine Verwaltungsbehörde außerhalb einer Entscheidung über einen Widerspruch nach den §§68 ff. VwGO.

§ 2 Der Begriff des rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakts Festzulegen ist vorab ferner, was unter einem rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakt im Sinne des § 49 Abs. 2 VwVfG zu verstehen ist.

A. Der Begriff des Verwaltungsakts Bei der Frage nach dem Vorliegen eines Verwaltungsakts treten dank der Legaldefinition des § 35 VwVfG keine grundsätzlichen Probleme auf. Es sind jedoch einige zweifelhafte Fälle zu diskutieren.

51 Zum Anspruch des Betroffenen auf Aufhebung eines rechtswidrigen belastenden Verwaltungsakts nach § 48 VwVfG vor dessen Unanfechtbarkeit vgl. z.B. Ule/Laubinger, § 61 IV 2; Schenke, DÖV 1980, 320 (323 f.).

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Erster Abschnitt: Begriffsbestimmungen

I. Die Maßgeblichkeit der Legaldefinition des § 35 VwVfG Die Begriffsbestimmung des Verwaltungsakts in § 35 VwVfG gilt unbestritten auch für die Vorschriften über den Widerruf von Verwaltungsakten52. Denn § 49 VwVfG knüpft nach seiner systematischen Stellung in Teil ΠΙ des VwVfG über den Verwaltungsakt unmittelbar an § 35 VwVfG an. Zudem ist die Definition des § 35 VwVfG ohnehin für das gesamte VwVfG maßgeblich53. Ein Verwaltungsakt im Sinne des § 49 VwVfG ist folglich gegeben, wenn die in § 35 VwVfG genannten Begriffsmerkmale erfüllt sind.

II. Problemfälle bei der Anwendung des § 49 VwVfG Spezifische Schwierigkeiten wirft die Frage, ob ein Verwaltungsakt im Sinne der §§ 35, 49 VwVfG vorliegt, in zwei Fällen auf: beim Widerruf der Fiktion eines Verwaltungsakts und beim Widerruf einer Zusicherung nach § 38 VwVfG.

1. Der Widerruf der Fiktion eines Verwaltungsakts Von der Fiktion eines Verwaltungsakts - auch als fingierter oder fiktiver Verwaltungsakt bezeichnet54 - wird gesprochen, wenn der betreffende Verwaltungsakt nicht von einer Behörde erlassen wurde, sondern kraft Rechtsvorschrift als erlassen gilt 55 . In der Regel handelt es sich hierbei um begünstigende Verwaltungsakte. So gelten z.B. eine beantragte Teilungsgenehmigung nach § 19 Abs. 3 Satz 6 BauGB oder die beantragte Genehmigung eines Flächennutzungsplans nach § 6 Abs. 4 Satz 4 BauGB bzw. eines Bebauungsplans nach §§11 Abs. 2, 6 Abs. 4 Satz 4 BauGB als erteilt, wenn sie

52

Vgl. Stelkens/Sachs, in: Stelkens/BonklLeonhardt, VwVfG, § 48 Rdnr. 28. Vgl. Schwarze, in: Knack, VwVfG, vor § 35 Rdnr. 2.2; Kopp, VwVfG, § 35 Rdnr. 3; Stelkens, in: Stelkens/ ΒonkiLeonhardt, VwVfG, § 35 Rdnr. 15, § 48 Rdnr. 28. Siehe ferner BVerwGE 31, 274 (276), wonach eine Legaldefinition grundsätzlich für das gesamte betreffende Gesetz, zumindest aber für den Abschnitt gilt, in dem sie sich befindet. 54 Zur unterschiedlichen Terminologie vgl. OVG Lüneburg, NJW 1968, 1692; NJW 1967, 1388; OVG Münster, NJW 1968, 170; Kopp, VwVfG, § 35 Rdnr. 12; Obermayer, VwVfG, § 35 Rdnr. 22. 55 Vgl. die ähnlichen Definitionen des fingierten Verwaltungsakts bei Mayer!Kopp, § 11 III 2 a; Schwarze, in: Knack, VwVfG, § 35 Rdnr. 5.1.5; Kopp, VwVfG, § 35 Rdnr. 12; Obermayer, VwVfG, § 35 Rdnr. 22; Stelkens, in: Stelkens / Bonkl Leonhardt, VwVfG, § 35 Rdnr. 43. 53

§ 2 Der Begriff des rechtmäßigen begünstigenden VA

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nicht innerhalb einer bestimmten Frist von der Behörde versagt werden. Hier stellt sich das Problem, ob die Behörde den begünstigenden Verwaltungsakt, den sie nicht erlassen hat, der aber kraft gesetzlicher Fiktion als erlassen gilt, unter den Voraussetzungen des § 49 VwVfG widerrufen 56 kann.

a) Keine unmittelbare Geltung des § 49 VwVfG Zu bejahen wäre dies zunächst dann, wenn die Fiktion eines Verwaltungsakts selbst als Verwaltungsakt im Sinne des § 35 VwVfG zu qualifizieren wäre mit der Folge der unmittelbaren Geltung des § 49 VwVfG. Ob die Fiktion eines Verwaltungsakts die Merkmale eines Verwaltungsakts im Sinne des § 35 VwVfG erfüllt, ist streitig. Während die Judikatur57 und der überwiegende Teil des Schriftums 58 der Fiktion eines Verwaltungsakts die Qualität eines Verwaltungsakts absprechen, ordnet eine abweichende Auffassung in der Literatur 59 den fingierten Verwaltungsakt als (stillschweigend erlassenen) Verwaltungsakt ein und wendet § 49 VwVfG unmittelbar an. Zieht man die Legaldefinition des § 35 VwVfG heran, so wird man der herrschenden Meinung beipflichten müssen. § 35 VwVfG verlangt für den Verwaltungsakt die „Maßnahme" einer Behörde. Als Maßnahme aber kann wenn diesem Begriffsmerkmal überhaupt Bedeutung zukommen soll - nur aktives Tun, nicht auch bloßes Unterlassen angesehen werden60. Deshalb liegt keine Maßnahme - und damit kein Verwaltungsakt - vor, wenn die Behörde untätig bleibt und eine Rechtsvorschrift hieran die Rechtsfolge knüpft, daß der Verwaltungsakt als erlassen gilt. Es ist auch ausgeschlossen, die Fiktion eines Verwaltungsakts als einen stillschweigend erlassenen Verwaltungsakt zu betrachten61, da die von dér fingierenden Bestimmung vorausgesetzte behördliche Untätigkeit grundsätzlich nicht als schlüssiges Verhalten verstanden werden kann. Ergibt sich aus-

56

Die gleiche Frage stellt sich bei der Rücknahme nach § 48 VwVfG. OVG Münster, NJW 1968, 170. 58 Obermayer, VwVfG, § 35 Rdnr. 22; Steiner, DVB1. 1970, 34 (39); Wagner, BayVBl. 1970, 237 (238). 59 Mayer! Kopp, § 11 III 2 a; Kopp, VwVfG, § 35 Rdnr. 12, § 48 Rdnr. 6; Menger ! Erichsen, VerwArch. 1968, 275 (281). 60 Obermayer, VwVfG, §35 Rdnr. 21; Stelkens, in: Stelkens /Bonk!Leonhardt, VwVfG, § 35 Rdnr. 42. 61 Steiner, DVB1. 1970, 34 (39); Wagner, BayVBl. 1970, 237 (238). A.A. Mengerl Erichsen, VerwArch. 1968, 275 (281). 57

46

Erster Abschnitt: Begriffsbestimmungen

nahmsweise aus den Umständen, daß die Behörde trotz ihres Schweigens einen Verwaltungsakt konkludent erlassen hat62, so kommt die Vorschrift über die Fiktion des Verwaltungsakts nicht zum Zuge, da es an der rechtlichen Voraussetzung für deren Eintritt - kein tatsächlicher Erlaß des Verwaltungsakts durch die Behörde - fehlt. Der fingierte und der stillschweigend erlassene Verwaltungsakt schließen sich darum gegenseitig aus63. Deshalb kann ein Verwaltungsakt, der kraft Gesetzes als erlassen gilt, niemals als Verwaltungsakt im Sinne der §§ 35, 49 VwVfG angesehen werden. § 49 VwVfG ist nicht unmittelbar auf die Fiktion eines Verwaltungsakts anwendbar.

b) Die entsprechende Geltung des § 49 VwVfG So bleibt zu klären, ob die Behörde die Fiktion eines begünstigenden Verwaltungsakts in entsprechender Anwendung des § 49 VwVfG beseitigen kann. In Rechtsprechung und Schrifttum ist das Problem der Aufhebbarkeit fiktiver Verwaltungsakte vor allem im Zusammenhang mit der Rücknehmbarkeit fingierter Bodenverkehrsgenehmigungen nach § 19 Abs. 4 Satz 3 BBauG erörtert worden. Die herrschende Meinung war damals zu dem Ergebnis gekommen, daß die Regeln über die Rücknahme und den Widerruf von Verwaltungsakten auf die fingierte Bodenverkehrsgenehmigung entsprechend anwendbar seien64. Gelte nämlich ein Verwaltungsakt - so argumentierte das BVerwG - kraft Gesetzes als erlassen, so erkläre das Gesetz damit alle Bestimmungen und Grundsätze für anwendbar, die maßgeblich wären, wenn die zuständige Behörde den Verwaltungsakt tatsächlich erlassen hätte — auch die Regelungen über die Rücknahme und den Widerruf von Verwaltungsakten65. Begründet wurde dies in der Literatur mit dem Wesen der Fiktion als einer besonderen gesetzestechnischen Form der Verweisung66.

62

Vgl. dazu Stelkens, in: Stelkens IBonkl Leonhardt, VwVfG, § 35 Rdnr. 40. Schwarze, in: Knack, VwVfG, § 35 Rdnr. 5.1.5. 64 So mit teilweise unterschiedlicher Begründung BVerwGE 48, 87 (90); OVG Lüneburg, NJW 1968, 1692; NJW 1967, 1388; Menger ! Erichsen, VerwArch. 1968, 275; Simon/Gräber, DÖV 1971, 725; Steiner, DVB1. 1970, 34; Wagner, BayVBl. 1970, 237. 65 BVerwGE 48, 87 (90). 66 Simon!Gräber, DÖV 1971, 725 (726); Steiner, DVB1. 1970, 34 (39). 63

§ 2 Der Begriff des rechtmäßigen begünstigenden VA

47

Diese Auffassung ist noch heute gültig und wird - soweit ersichtlich nicht mehr in Frage gestellt67. Dennoch kann man ihr nicht uneingeschränkt folgen. Es trifft zwar zu, daß die Fiktion eine Form der Verweisung ist. Die herrschende Meinung unterstellt jedoch zu Unrecht, daß jede fingierende Vorschrift stets auf alle Bestimmungen verweise, die beim tatsächlichen Erlaß des Verwaltungsakts maßgeblich wären. Für diese Annahme ist kein zwingender Grund vorhanden. Es wird vielmehr darauf ankommen, ob die jeweilige fingierende Norm gerade auch auf die Regelungen über die Rücknahme und den Widerruf von Verwaltungsakten verweist. Fehlt - wie z.B. im Falle des § 19 Abs. 3 Satz 6 BauGB - eine ausdrückliche Bestimmung, so kann dies nur durch Auslegung der betreffenden fingierenden Vorschrift ermittelt werden. Hierauf hat ein Teil der Rechtsprechung68 und Literatur 69 bereits bei der älteren Diskussion um § 19 Abs. 4 Satz 3 BBauG abgestellt. Ein Urteil des BVerwG aus dem Jahre 1984 zum Sonderfall der Widerruflichkeit eines kraft einer Entscheidung des BVerfG fingierten Verwaltungsakts deutet in eine ähnliche Richtung70. Damit ist die Frage aufgeworfen, ob generelle Gesichtspunkte denkbar sind, die bei der Auslegung einer fingierenden Vorschrift gegen eine Verweisung auf die §§ 48 und 49 VwVfG sprechen. So ist in der Literatur zu Recht erwogen worden, ob nicht der Zweck, den das Gesetz mit der Fiktion eines Verwaltungsakts verfolgt, vereitelt würde, wenn die Behörde die Wirkung der Fiktion durch Aufhebung beseitigen könnte71. Denn die Fiktion eines Verwaltungsakts dient der Verfahrensbeschleunigung und den Interessen des Betroffenen. Das Gesetz räumt diesen Gesichtspunkten den Vorrang ein vor einer sachlich richtigen, aber verzögerten Entscheidung der Behörde, da es den Verwaltungsakt auch dann fingiert, wenn die Voraussetzungen für seinen

67

BVerwG, NJW 1988, 275 (276); BayVGH, BayVBl. 1992, 341; VGH Mannheim, Urteil vom 20.07.1983 - 3 S 2177/81. Vgl. auch Klappstein, in: Knack, VwVfG, § 48 Rdnr. 5.5; Schwarze, in: Knack, VwVfG, § 35 Rdnr. 5.1.5; Kopp, VwVfG, § 48 Rdnr. 6; Obermayer, VwVfG, § 35 Rdnr. 22; Stelkens ! Sachs, in: Stelkens / Bonkl Leonhardt, VwVfG, § 48 Rdnr. 28; Knoke, Rücknahme, § 2 V. 68 OVG Münster, NJW 1968, 170. Vgl. auch BVerwGE 31, 274 (276) zur Auslegung des § 19 Abs. 4 Satz 3 BBauG in bezug auf die Bindungswirkung einer fingierten Bodenverkehrsgenehmigung. 69 Simon!Gräber, DÖV 1971, 725 (726); Steiner, DVB1. 1970, 34 (39). 70 BVerwG, Urteil vom 24.10.1984 - BVerwG 6 C 19.83 (Leitsatz abgedruckt in NVwZ 1985, 495). Danach würde ein Widerruf gegen die in § 31 BVerfGG angeordnete Bindung und den Sinn der vom BVerfG getroffenen Regelung verstoßen. 71 In diese Richtung gehen die von Wagner, BayVBl. 1970, 237 (239 f.), zur Bodenverkehrsgenehmigung nach § 19 Abs. 4 Satz 3 BBauG entwickelten Überlegungen.

48

Erster Abschnitt: Begriffsbestimmungen

Erlaß nicht vorliegen. Diese Wertung könnte eine nachträgliche Korrektur durch Rücknahme und erst recht durch Widerruf ausschließen72; die Fiktion hätte dann nicht nur eine verfahrensrechtliche, sondern auch eine materiellrechtliche Bedeutung. Diese Bedenken sind jedoch jedenfalls nicht generell durchschlagend73. Zum einen werden den Belangen des Betroffenen durch die erheblichen Beschränkungen der Rücknehmbarkeit und Widerruflichkeit von Verwaltungsakten ausreichend Rechnung getragen. Es ist daher nicht notwendig, schon die Geltung der §§ 48 und 49 VwVfG auszuschließen. Zum anderen käme es durch die strikte Unaufhebbarkeit eines fiktiven begünstigenden Verwaltungsakts zu einer ungerechtfertigten Bevorzugung des Betroffenen. Wird nämlich der Verwaltungsakt tatsächlich erlassen, hat die Behörde zweifelsohne die Befugnis, den Verwaltungsakt nach §§ 48, 49 VwVfG zurückzunehmen oder zu widerrufen. Es besteht kein sachlicher Grund, den Begünstigten in den Fällen, in denen der Verwaltungsakt kraft gesetzlicher Fiktion als ergangen gilt, besser zu stellen als in den Fällen, in denen der Verwaltungsakt tatsächlich erlassen wurde 74. Im Gegenteil ist der Inhaber einer fingierten Genehmigung zumindest dann weniger schutzwürdig, wenn er den Eintritt der Fiktion nicht kennt75. Letztlich bestehen gegen eine entsprechende Anwendung des § 49 VwVfG auf fiktive Verwaltungsakte keine grundsätzlichen Bedenken.

2. Der Widerruf einer Zusicherung nach § 38 VwVfG Auch beim Widerruf einer Zusicherung nach § 38 VwVfG stellt sich die Frage nach dem Vorliegen eines Verwaltungsakts im Sinne der §§ 35, 49 VwVfG. Denn die Bedeutung des § 38 Abs. 2 VwVfG, wonach § 49 VwVfG auf den Widerruf einer Zusicherung „entsprechende Anwendung" findet, ist unklar. Es kann sich entweder um eine bloße Bestätigung der bereits aus dem Wesen der Zusicherung als Verwaltungsakt folgenden Geltung des § 49 VwVfG handeln; dann wären bei der Anwendung des § 49 VwVfG auf die Zusicherung - abgesehen von § 38 Abs. 3 VwVfG - keine Besonderheiten

72

Vgl. Wagner, BayVBl. 1970, 237 (239 f.). Vgl. BVerwGE 48, 87 (91), wonach sich die Wirkung des § 19 Abs. 4 Satz 3 BBauG in der Fiktion des Vorganges der Genehmigungserteilung erschöpft; eine über diese verfahrensrechtliche Funktion hinausgehende Bedeutung komme ihr nicht zu. Vgl. ferner Knoke, Rücknahme, § 2 V. 74 Vgl. OVG Lüneburg, NJW 1968, 1692; NJW 1967, 1388; Klappstein, in: Knack, VwVfG, § 48 Rdnr. 5.5; Steiner, DVB1. 1970, 34 (39). 75 OVG Lüneburg, NJW 1967, 1388. A.A. Wagner, BayVBl. 1970, 237 (240). Vgl. auch BVerwGE 48, 87 (91). 73

§ 2 Der Begriff des rechtmäßigen begünstigenden VA

49

zu beachten. Oder es handelt sich um eine konstitutive Verweisung, die notwendig ist, weil die Zusicherung keinen Verwaltungsakt im Sinne der §§ 35, 49 VwVfG darstellt. Dann wäre bei der Anwendung der einzelnen an sich nur für Verwaltungsakte geltenden Vorschriften des § 49 VwVfG zu prüfen, inwieweit diese dem Wesen der Zusicherung entsprechen.

a) Die Auffassungen in Rechtsprechung und Literatur Die Rechtsprechung hat sich zur Rechtsnatur der Zusicherung nach § 38 VwVfG 7 6 sowie zu der Frage einer entsprechenden Anwendung des § 49 VwVfG soweit ersichtlich noch nicht dezidiert geäußert. Sie neigt jedoch deutlich dazu, die Zusicherung als Verwaltungsakt zu behandeln77. In der Literatur wird das Thema kontrovers diskutiert. Die herrschende Meinung betrachtet die Zusicherung nach § 38 VwVfG als Verwaltungsakt 78 , da sie die Begriffsmerkmale des § 35 VwVfG erfülle 79. § 38 Abs. 2 VwVfG habe lediglich eine klarstellende Bedeutung80. Danach findet § 49 VwVfG unmittelbare Anwendung81. Die Gegenauffassung verneint die Verwaltungsakt-Eigenschaft der Zusicherung mit der Begründung, daß die Merkmale des § 35 VwVfG, insbesondere der Regelungscharakter, nicht gegeben seien und daß das Gesetz die Zusicherung wegen § 38 Abs. 2 VwVfG nicht als Verwaltungsakt ansehe82. Nach dieser Einschätzung ist die Zusicherung

76 Zur Rechtslage vor Inkrafttreten des VwVfG vgl. BVerwGE 26, 36; BVerwG, DVB1. 1966, 857. 77 Vgl. BVerwG, NJW 1988, 662 (663); NVwZ 1987, 46; NVwZ 1986, 1011 (1012); VGH Mannheim, NVwZ 1991, 79 (80); NVwZ 1986, 394; OVG Münster, NVwZ 1987, 251 (252). Vgl. auch BVerwGE 64, 24. 78 Vgl. z.B. Mayer!Kopp, § 11 III 5; Obermayer, Grundzüge, § 12 F I; Schwarze, in: Knack, VwVfG, § 38 Rdnr. 3.3; Kopp, VwVfG, § 38 Rdnr. 6; Meyer, in: Meyer! Borgs, VwVfG, § 38 Rdnr. 9; Obermayer, VwVfG, § 38 Rdnr. 34; Stelkens, in: Stelkens ! Bonkl Leonhardt, VwVfG, § 38 Rdnr. 4 f.; Krebs, VerwArch. 1978, 85 (89 f.); Lange, Jura 1980, 467; ders., WiVerw. 1979, 15 (29). 79 Schwarze, in: Knack, VwVfG, § 38 Rdnr. 3.3; Meyer, in: Meyer/Borgs, VwVfG, § 38 Rdnr. 9; Obermayer, VwVfG, § 38 Rdnr. 35; Stelkens, in: Stelkens I Bonkl Leonhardt, VwVfG, § 38 Rdnr. 4 f.; Lange, WiVerw. 1979, 15 (29). 80 Meyer, in: Meyer/Borgs, VwVfG, § 38 Rdnr. 10; Stelkens, in: Stelkens/Bonkl Leonhardt, VwVfG, § 38 Rdnr. 5. 81 A.A. Schwarze, in: Knack, VwVfG, § 38 Rdnr. 3.3.2, der die Zusicherung als Verwaltungsakt ansieht, die §§ 48, 49 VwVfG dennoch nur entsprechend anwendet. 82 Erichsen, in: Erichsen/Martens, § 11 Rdnr. 29; Maurer, §9 Rdnr. 60; Ule/ Laubinger, § 49 I 1; Maiwald, BayVBl. 1988, 449 (452).

4 Bronnenmeyer

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Erster Abschnitt: Begriffsbestimmungen

im Sinne des § 38 VwVfG als verwaltungsrechtliche Willenserklärung zu qualifizieren 83. b) Die Zusicherung als Verwaltungsakt Eine eingehende Untersuchung zur Rechtsnatur der Zusicherung ist hier nicht möglich. Man wird dennoch sagen können, daß die besseren Argumente für die Einordnung der Zusicherung als Verwaltungsakt sprechen. Die Zusicherung ist nach § 38 Abs. 1 Satz 1 VwVfG eine von der zuständigen Behörde erteilte Zusage, einen bestimmten Verwaltungsakt später zu erlassen oder zu unterlassen. Diese Zusage ist grundsätzlich rechtsverbindlich, da andernfalls die Regelung des § 38 Abs. 3 VwVfG, wonach die Behörde bei gewissen Änderungen der Sach- oder Rechtslage an die Zusicherung nicht mehr gebunden ist, überflüssig wäre. Der Adressat der Zusicherung erwirbt damit einen Rechtsanspruch auf Erlaß oder Nichterlaß des betreffenden Verwaltungsakts84. Es kann daher nicht abgestritten werden, daß die Zusicherung eine Einzelfallregelung auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts mit unmittelbarer Rechtswirkung nach außen im Sinne des § 35 VwVfG darstellt85. Zweifelhaft könnte nur sein, ob die Zusicherung nach § 38 VwVfG stets eine - wie § 35 VwVfG weiter verlangt - „hoheitliche", also einseitig verbindliche Maßnahme darstellt. Denn die Behörde kann die Zusage, einen Verwaltungsakt zu erlassen oder zu unterlassen, sowohl in einseitig verbindlicher Form als auch in einem öffentlich-rechtlichen Vertrag erteilen86. In letzterem Falle wäre die Zusicherung kein Verwaltungsakt. Es fragt sich aber, ob eine vertragliche Zusage eine Zusicherung im Sinne des § 38 VwVfG sein kann. Im Ergebnis wird man dies verneinen müssen87. Schon die systematische Stellung des § 38 VwVfG zwischen den Vorschriften über den Verwaltungsakt, nicht innerhalb der Bestimmungen über den öffentlich-rechtlichen Vertrag ( § § 5 4 - 6 1 VwVfG) legt die Gewißheit nahe, daß § 38 VwVfG nur

83 84

Erichsen, in: Erichsen! Martens, § 11 Rdnr. 29; Ule ! Laubinger, § 49 I 1.

Vgl. Schwarze, in: Knack, VwVfG, § 38 Rdnr. 3.3; Obermayer, VwVfG, § 38 Rdnr. 7, 36, 61 f.; Stelkens, in: Stelkens/Bonk!Leonhardt, VwVfG, § 38 Rdnr. 5; Günther, ZBR 1982, 193 (194). 85 Meyer, in: Meyer!Borgs, VwVfG, § 38 Rdnr. 9; Obermayer, VwVfG, § 38 Rdnr. 35. 86 Vgl. Meyer, in: Meyer!Borgs, VwVfG, § 38 Rdnr. 9; Stelkens, in: Stelkens! Bonk!Leonhardt, VwVfG, § 38 Rdnr. 18. 87 Mayer! Kopp, § 11 IV 5; Stelkens, in: Stelkens ! Bonk! Leonhardt, VwVfG, § 38 Rdnr. 18.

§ 2 Der Begriff des rechtmäßigen begünstigenden VA

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einseitige, nicht durch Vertrag erteilte Zusagen regelt. Hinzu kommt, daß § 3 8 Abs. 2 VwVfG die Vorschriften über den Verwaltungsakt, nicht die Vorschriften über den öffentlich-rechtlichen Vertrag für anwendbar erklärt. Unter diesen Umständen besteht kein vernünftiger Zweifel, daß nur einseitig verbindliche Zusagen Zusicherungen nach § 38 VwVfG darstellen und vertragliche Zusagen hier nicht zu berücksichtigen sind88. Daraus folgt weiter, daß eine Zusicherung im Sinne des § 38 VwVfG in jedem Falle die Begriffsmerkmale des Verwaltungsakts erfüllt. Aus diesem Befund muß geschlossen werden, daß § 38 Abs. 2 VwVfG nur den Charakter einer Klarstellung besitzt und die Zusicherung der Geltung des § 49 VwVfG unmittelbar unterfällt. Die Auffassung, wonach das Gesetz die Zusicherung wegen § 38 Abs. 2 VwVfG nicht als Verwaltungsakt betrachtet, deckt sich nicht mit der Systematik des VwVfG und unterstellt ihm ohne Not Widersprüchlichkeit. Sie steht ferner nicht im Einklang mit dem Willen des Gesetzgebers, der über die rechtliche Qualifikation der Zusicherung ungewiß war und hierüber - wie sich aus der amtlichen Begründung ergibt 89 - gerade keine Aussage treffen wollte. Im Ergebnis ist festzuhalten, daß die Zusicherung nach § 38 VwVfG ein Verwaltungsakt ist, auf den § 49 VwVfG unmittelbar Anwendung findet. Bei ihrem Widerruf sind somit lediglich die Besonderheiten zu beachten, die sich aus § 38 Abs. 3 VwVfG ergeben90.

B. Der Begriff des rechtmäßigen Verwaltungsakts Während der Begriff des Verwaltungsakts in § 35 VwVfG festgelegt ist, enthält das VwVfG weder in seinen §§ 48, 49 noch an anderer Stelle eine Definition des rechtmäßigen bzw. rechtswidrigen Verwaltungsakts. Die genannten Vorschriften knüpfen vielmehr an den ungeschriebenen Begriff der Rechtmäßigkeit bzw. Rechtswidrigkeit an, der in Rechtsprechung und Literatur für Verwaltungsakte entwickelt worden ist91: Danach sind zwei Merkma-

88

Mayer!Kopp, § 11 IV 5; Meyer, in: Meyer/Borgs, VwVfG, § 38 Rdnr. 9; Stelkens, in: Stelkens /Bonk/Leonhardt, VwVfG, § 38 Rdnr. 18. 89 Begründung, S. 59. 90 Siehe § 4 C.III.2.b. 91 Vgl. Ule! Laubinger, § 48 II 5; Kopp, VwVfG, § 48 Rdnr. 23; Stelkens ! Sachs, in: Stelkens/Bonk/Leonhardt, VwVfG, § 44 Rdnr. 5. Das BVerwG (BVerwGE 56, 230 [233]) hat vor Inkrafttreten des VwVfG die Auffassung zugrundegelegt, die Rechtswidrigkeit als Rücknahmevoraussetzung sei die zur Aufhebung im Sinne des §113 Abs. 1 Satz 1 VwGO führende Rechtswidrigkeit. 4*

52

Erster Abschnitt: Begriffsbestimmungen

le des rechtmäßigen Verwaltungsakts zu unterscheiden: die Fehlerfreiheit des Verwaltungsakts und der dafür maßgebliche Zeitpunkt.

I. Die Fehlerfreiheit des Verwaltungsakts Rechtsprechung und Wissenschaft umschreiben die Fehlerfreiheit des Verwaltungsakts mit unterschiedlichen Wendungen92. Als gesicherte Quintessenz kann aber gelten, daß ein Verwaltungsakt nach dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung fehlerfrei ist, wenn er nach seinem Zustandekommen und Inhalt den Prinzipien vom Vorrang und vom Vorbehalt des Gesetzes entspricht93. Voraussetzung der Fehlerfreiheit des Verwaltungsakts ist somit zunächst, daß er gegen keine Rechtsnorm verstößt94. Diese Anforderung vom Vorrang des Gesetzes gilt unstreitig auch für begünstigende Verwaltungsakte95. Das Prinzip vom Vorbehalt des Gesetzes verlangt dagegen zusätzlich, daß ein Verwaltungsakt auf einer gesetzlichen Ermächtigung beruht96. Noch immer umstritten ist, ob und inwieweit dieses Prinzip für begünstigende Verwaltungsakte gilt 97 . Zusammenfassend wird man sagen können, daß die herrschende Meinung einen Verwaltungsakt als fehlerfrei betrachtet, wenn er gegen keine Rechtsnorm verstößt und auf einer ausreichenden Ermächtigung beruht98. Da auch

92

Vgl. BVerwGE 31, 222 (223); Erichsen, in: Erichsen/Martens, § 14 Rdnr. 3; Maurer, § 10 Rdnr. 2; Mayer/Kopp, § 12; Ule/Laubinger, § 48 II 5; Wolff/ Bachof I, § 50 II; Klappstein, in: Knack, VwVfG, vor 43 Rdnr. 5.1; Stelkens/Sachs, in: Stelkens /BonklLeonhardt, VwVfG, 44 Rdnr. 5; Kleinlein, VerwArch. 1990, 149 (160 f.); Erichsen, Jura 1981, 590. Vgl. auch Begründung, S. 68. 93 Erichsen, in: Erichsen!Martens, § 14 Rdnr. 14; Stelkens/Sachs, in: Stelkens/ Bonk/Leonhardt, VwVfG, § 44 Rdnr. 20; Erichsen, Jura 1981, 590. 94 Erichsen, in: Erichsen/Martens, § 14 Rdnr. 14; Maurer, § 10 Rdnr. 2; Mayer! Kopp, § 12; Klappstein, in: Knack, VwVfG, vor § 43 Rdnr. 5.1 ff.; Kopp, VwVfG, § 48 Rdnr. 23; Stelkens ! Sachs, in: Stelkens! Bonk! Leonhardt, VwVfG, § 44 Rdnr. 5, 20 f.; Erichsen, Jura 1980, 534 (536), 590. 95 Erichsen, in: Erichsen!Martens, § 14 Rdnr. 14. 96 Erichsen, in: Erichsen!Martens, § 14 Rdnr. 14; Maurer, § 6 Rdnr. 3 ff.; Mayer! Kopp, § 8 III. 97 Vgl. z.B. BVerwGE 58, 45 (48); 6, 283 (287); Achterberg, § 18 Rdnr. 7 ff.; Erichsen, in: Erichsen!Martens, § 14 Rdnr. 18; Ossenbühl, in: Erichsen!Martens, § 5 Rdnr. 10; Mayer! Kopp, § 8 III 2 d; Stelkens ! Sachs, in: Stelkens ! Bonk ! Leonhardt, VwVfG, § 44 Rdnr. 36 f.; Erichsen, VerwArch. 1978, 303 (308 f.). 98 Siehe die ähnlichen Formulierungen von Obermayer, Grundzüge, § 12 L; Erichsen, Jura 1980, 534 (536).

§ 2 Der Begriff des rechtmäßigen begünstigenden VA

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das Fehlen der Ermächtigung letztlich einen Verstoß gegen eine Rechtsnorm darstellt - Art. 20 Abs. 3 GG - , geht die vorliegende Arbeit davon aus, daß ein Verwaltungsakt fehlerfrei ist, wenn er gegen keine Rechtsnorm verstößt". Die zahlreichen damit verbundenen Probleme bedürfen hier keiner Vertiefung, da sie für die Widerrufsdogmatik keine unmittelbare Relevanz besitzen.

II. Der maßgebliche Zeitpunkt Anders verhält es sich mit der Frage, ob für die Beurteilung der Fehlerfreiheit des Verwaltungsakts auf den Zeitpunkt seines Erlasses oder auf den Zeitpunkt der Aufhebungsentscheidung abzustellen ist. Diesem Problem kommt für die Begriffsbestimmung des rechtmäßigen Verwaltungsakts und damit für den Anwendungsbereich des § 49 VwVfG erhebliche Bedeutung zu, wenn sich die Sach- oder Rechtslage zwischen dem Erlaß des Verwaltungsakts und dem Zeitpunkt der Entscheidung über seine Aufhebung ändert. Ein Beispiel mag dies verdeutlichen: Die Ausübung des Reisegewerbes ist nach § 55 Abs. 2 GewO erlaubnispflichtig. Nach § 57 GewO ist die Erlaubnis - die sogenannte Reisegewerbekarte - zu versagen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß der Antragsteller die für die beabsichtigte Tätigkeit erforderliche Zuverlässigkeit nicht besitzt. Es kann nun der Fall eintreten, daß der Gewerbetreibende im Zeitpunkt der Erteilung der Reisegewerbekarte zuverlässig war, danach aber unzuverlässig wurde. Hält man bei der Beurteilung der Fehlerfreiheit der Erlaubnis ausschließlich den Erlaßzeitpunkt für maßgeblich, so ist die Reisegewerbekarte nach wie vor als rechtmäßig anzusehen; ihre Aufhebung richtet sich folglich allein nach § 49 VwVfG 1 0 0 . Stellt man dagegen auf den Zeitpunkt der Aufhebungsentscheidung ab, so ist zu prüfen, ob die Erlaubnis wegen der Änderung der Sachlage als rechtswidrig einzuordnen ist, so daß ihre Beseitigung (auch) nach § 48 VwVfG erfolgen könnte. Umgekehrt kann es geschehen, daß die Reisegewerbekarte zu Unrecht erteilt wurde, weil der Antragsteller unzuverlässig war. Wird er nachträglich zuverlässig, tritt die Frage auf, ob die Erlaubnis damit rechtmäßig und ihre Aufhebung nur nach § 49 VwVfG möglich wird oder ob sie rechtswidrig bleibt mit der Folge ihrer Rücknehmbarkeit.

99

Stelkens/Sachs, in: Stelkens/Bonk!Leonhardt, VwVfG, § 44 Rdnr. 5. Vgl. VGH Mannheim, GewArch. 1989, 94; GewArch. 1989, 166. Zur Geltung der §§ 48, 49 VwVfG für die Reisegewerbekarte siehe auch Stober, § 46 2. 100

54

Erster Abschnitt: Begriffsbestimmungen 1. Die Auffassungen in Rechtsprechung und Literatur

Die Frage, ob es Verwaltungsakte gibt, die nachträglich rechtmäßig bzw. rechtswidrig werden, wird in Rechtsprechung und Literatur unterschiedlich beantwortet, je nachdem, ob es sich um die Entscheidung über eine verwaltungsgerichtliche Anfechtungsklage oder um die Entscheidung über Rücknahme oder Widerruf des Verwaltungsakts handelt.

a) Bei der Anfechtungsklage Die für die gerichtliche Entscheidung über eine Anfechtungsklage maßgebliche Sach- und Rechtslage ist umstritten101. Im wesentlichen können in der nahezu unübersehbaren Kasuistik folgende Lösungsansätze unterschieden werden: Die herrschende, insbesondere von der Rechtsprechung vertretene Auffassung stellt grundsätzlich auf den Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung ab, sofern sich nicht aus dem anzuwendenden materiellen Recht (ausnahmsweise) etwas anderes ergibt 102. Vor allem bei Verwaltungsakten mit Dauerwirkung oder noch nicht vollzogenen Verwaltungsakten soll daher die Sachund Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung maßgeblich sein103. Eine vordringende Variante dieser Anschauung erhebt die Maßgeblichkeit des materiellen Rechts zum Grundsatz104. Eine andere, von Schenke entwickelte Auffassung hält stets den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung für entscheidend, schränkt jedoch die materielle Bedeutung

101

Vgl. Schmitt Glaeser, § 13 Rdnr. 718 ff.; Ule, Verwaltungsprozeßrecht, § 57 II 2; Eyermann ! Fröhler, VwGO, § 113 Rdnr. 1 ff.; Kopp, VwGO, § 113 Rdnr. 23 ff.; Redeker/von Oertzen, VwGO, § 108 Rdnr. 16 ff.; Stelkens ! Sachs, in: Stelkens/ Bonkl Leonhardt, VwVfG, § 44 Rdnr. 7 ff.; Schenke, NVwZ 1986, 522. 102

Siehe z.B. BVerwGE 65, 1; 59, 124 (126 f.): 59, 148 (159 ff.); 34, 155 (158); 22, 16 (19); 20, 316 (318 ff.); 5, 351 (352 f.); 1, 35; BVerwG, BayVBl. 1991, 375; NVwZ 1990, 654 (Nr. 7); BayVGH, BayVBl. 1992, 211; OVG Bremen, GewArch. 1986, 57; HessVGH, GewArch. 1990, 132; GewArch. 1990, 283; Kopp, VwGO, § 113 Rdnr. 23, 26. Vgl. auch Aßfalg, GewArch. 1988, 219; ders., GewArch. 1988, 292; Kleinlein, VerwArch. 1990, 149 (151 ff.); Osterloh, JuS 1990, 942; Schenke, NVwZ 1986, 522 (523). 103

BVerwGE 59, 5 (8); 59, 148 (160); VGH Mannheim, GewArch. 1980, 386. Vgl. auch BVerwGE 28, 202 (205 f.); BVerwG, NVwZ 1990, 654 (Nr. 8); Klein, NVwZ 1990, 633. 104 BVerwG, BayVBl. 1991, 219; NVwZ 1991, 360 (361); NVwZ 1990, 653; NVwZ 1990, 654 (Nr. 8). Dazu siehe auch Osterloh, JuS 1990, 942.

§ 2 Der Begriff des rechtmäßigen begünstigenden VA

55

nachträglicher Änderungen der Sach- und Rechtslage ein 105 . Nach einer dritten, von Ule repräsentierten Meinung kommt es ausnahmslos auf den Zeitpunkt des Erlasses des Verwaltungsakts an. Nachträgliche Änderungen der Sach- oder Rechtslage gäben dem Kläger lediglich einen Aufhebungsanspruch gegen die Verwaltung, den er im Wege der Verpflichtungsklage durchzusetzen habe106. Die herrschende Meinung erkennt danach im Ergebnis an, daß ein Wandel der Sach- oder Rechtslage zur nachträglichen Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts führen kann und somit bei der Anwendung des § 113 VwGO zu beachten ist 107 .

b) Bei Rücknahme und Widerruf Auch die Frage, welche Sach- und Rechtslage die Behörde bei der Entscheidung über die Rücknahme bzw. den Widerruf eines Verwaltungsakts zugrundezulegen hat, ist in Rechtsprechung und Literatur ungeklärt und neuerdings stark umstritten. (1) Die Literatur Die herrschende Anschauung im Schrifttum geht davon aus, daß die Fehlerfreiheit des Verwaltungsakts anhand der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt seines Erlasses zu beurteilen sei 108 . Ein nachträglicher Wandel der

105 Schenke, WiVerw. 1988, 145 (164 ff.); NVwZ 1986, 522. Vgl. dazu auch Klein, NVwZ 1990, 633. 106 Ule, Verwaltungsprozeßrecht, § 57 II 2. 107 BVerwGE 59, 148 (160); BVerwG, BayVBl. 1991, 219 (220); BayVBl. 1991, 375; VGH Mannheim, GewArch. 1980, 386 (387); Eyermann!Fröhler, VwGO, § 113 Rdnr. 4. 108 Achterberg, § 23 Rdnr. 74; Erichsen, in: Erichsen!Martens, § 14 Rdnr. 2, § 16 Rdnr. 5; Maurer, § 10 Rdnr. 3; Mayer! Kopp, § 14 1; Ule ! Laubinger, § 63 II 1 d cc (für begünstigende Verwaltungsakte); Wolff ! Bachof I, § 51 IV f; Klappstein, in: Knack, VwVfG, vor § 43 Rdnr. 5.2.4, § 49 Rdnr. 6.4; Kopp, VwVfG, § 48 Rdnr. 7, 24 f.; Meyer, in: Meyer!Borgs, VwVfG, § 48 Rdnr. 12; Obermayer, VwVfG, § 48 Rdnr. 8 (Fn. 2); Stelkens ! Sachs, in: Stelkens ! Bonk! Leonhardt, VwVfG, §44 Rdnr. 7; Knoke, Rücknahme, § 1 II; Adolf, JA 1988, 625 (626 f.); Erichsen, Jura 1981, 534 (535); Kopp, BayVBl. 1990, 524; ders., BayVBl. 1989, 652; Zitzelsberger, GewArch. 1990, 271. Siehe ferner Dommach, DÖV 1981, 122 (124); Meinecke, WissR 1979, 29 (49); Osterloh, JuS 1990, 942; Pieroth, NVwZ 1984, 681 (683); Richter, JuS 1991, 40 (41); Weber, BayVBl. 1984, 321 (323). Vgl. auch Becker, DÖV 1963, 459 (463).

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Erster Abschnitt: Begriffsbestimmungen

Verhältnisse ist danach belanglos. Diese Auffassung wird zum Teil damit begründet, daß ein Verwaltungsakt nachträglich nicht rechtswidrig bzw. rechtmäßig werden könne109, zum Teil damit, daß § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 und 4 VwVfG Verwaltungsakte, die aufgrund der Änderung der Sach- oder Rechtslage an sich als rechtswidrig geworden betrachtet werden könnten, als rechtmäßige Verwaltungsakte behandle110. Konsequenz dieser Theorie ist einerseits, daß ein rechtmäßig erlassener Verwaltungsakt rechtmäßig bleibt und nur nach § 49 VwVfG widerrufen werden kann, auch wenn nachträglich die Voraussetzungen für seinen Erlaß wegfallen oder die Voraussetzungen für seine Aufhebung eintreten. Andererseits bleibt ein rechtswidrig erlassener Verwaltungsakt nach dieser Auffassung stets rechtswidrig und kann nach § 48 VwVfG zurückgenommen werden, auch wenn die Voraussetzungen für den Erlaß des Verwaltungsakts nachträglich vorliegen. Eine Mindermeinung stellt dagegen bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit bzw. Rechtswidrigkeit eines Verwaltungsakts im Sinne der §§ 48, 49 VwVfG im Ergebnis auf den Zeitpunkt der Aufhebungsentscheidung ab 111 . Lange ist der Auffassung, ein Verwaltungsakt werde nachträglich rechtswidrig, wenn er aufgrund einer Änderung der Sach- oder Rechtslage nicht mehr erlassen werden könnte. Dieser nachträglich rechtswidrig gewordene Verwaltungsakt unterfalle den Regeln des § 48 VwVfG 1 1 2 . Schenke behandelt die Aufhebung nachträglich rechtswidrig gewordener Verwaltungsakte ebenfalls als Rücknahme nach § 48 VwVfG. Anders als Lange sieht er jedoch einen Verwaltungsakt nicht als nachträglich rechtswidrig geworden an, wenn er nicht mehr erlassen werden könnte, sondern wenn seine Aufrechterhaltung rechtswidrig wird 113 . Kleinlein schließlich nimmt an, daß die nachträgliche Änderung der Sach- oder Rechtslage zu einer anfänglichen Teilrechtswidrig-

109 Klappstein, in: Knack, VwVfG, vor £43 Rdnr. 5.2.4; Wolff / Bachof I, § 51 IV f; Osterloh, JuS 1990, 942. 110 Erichsen, in: Erichsen! Martens, § 16 Rdnr. 5; Maurer, § 10 Rdnr. 3; Viel Laubinger, § 63 II 1 d cc; Meyer, in: Meyer/Borgs, VwVfG, § 48 Rdnr. 12. Vgl. auch Knoke, Rücknahme, § 1 II; Adolf, JA 1988, 625 (626); Pieroth, NVwZ 1984, 681 (683); Richter, JuS 1991, 40 (41). 111

Aus der älteren Literatur vgl. Forsthoff, (212); Haueisen, NJW 1956, 201 (202). 1,2

S. 264; Beinhardt, BayVBl. 1960, 210

Lange, Jura 1980, 456 (459 f.); ders., WiVerw. 1979, 15 (16 f.). Für belastende Verwaltungsakte ebenso Ule / Laubinger, § 63 I. 113 Schenke, BayVBl. 1990, 107; ders., DVB1. 1989, 433 (434 ff.); ders., NVwZ 1986, 522 (524 f.); Schenke ! Baumeister, JuS 1991, 547. Vgl. auch Martens, NVwZ 1989, 828 (832).

§ 2 Der Begriff des rechtmäßigen begünstigenden VA

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keit des Verwaltungsakts führe, wenn die Behörde - z.B. bei Dauerverwaltungsakten - irrig vom Gleichbleiben der Verhältnisse ausgehe114.

(2) Die Rechtsprechung Die in der Literatur diskutierten Auffassungen sind auch in der Rechtsprechung wiederzufinden, ohne daß eine einheitliche dogmatische Linie erkennbar wäre. Auf der einen Seite existieren Entscheidungen des BVerwG 115 und einiger OVGe 1 1 6 , die - teilweise unter Hinweis auf § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 und 4 VwVfG - den Standpunkt vertreten, maßgeblich für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsaktes sei grundsätzlich der Zeitpunkt seines Erlasses bzw. des Ergehens des Widerspruchsbescheides. Andererseits erkennt sowohl das BVerwG 117 als auch das OVG Münster 118 an, daß ein rechtmäßig erlassener Verwaltungsakt unter gewissen Umständen nachträglich rechtswidrig werden kann. In den Fällen nämlich, „in denen die Voraussetzungen eines auf laufende Geldleistungen gerichteten oder ihnen zugrundeliegenden Verwaltungsaktes nach Ablauf eines gewissen Zeitraumes wegfielen", sei die „entsprechende Beseitigung des Verwaltungsaktes für die Zeit vom Wegfall der Voraussetzungen an als Rücknahme eines insoweit rechtswidrig gewordenen Verwaltungsaktes" zu betrachten119. Schließlich gibt es eine Judikatur des BVerwG, die einerseits ausspricht, die Rechtmäßigkeit begünstigender Verwaltungsakte mit Dauerwirkung hänge vom Fortbestand der sie tragenden Rechtsgrundlage ab, bei Wegfall dieser Rechtsgrundlage aber § 49 Abs. 2 VwVfG anwendet120.

114

Kleinlein, VerwArch. 1990, 149 (165 ff.). Dazu Schenke!Baumeister, JuS 1991, 547 (548). 115 BVerwGE 45, 235 (243); 40, 336 (339); 31, 222 (223); BVerwG, NVwZ 1987, 324. 116 BayVGH, BayVBl. 1992, 403; HessVGH, GewArch. 1990, 132; GewArch. 1989, 35; OVG Koblenz, DVB1. 1983, 955; VGH Mannheim, UPR 1988, 77 (78); OVG Münster, NVwZ 1985, 132; DÖD 1982, 110 (111). 117 BVerwGE 84, 111 (113 f.); 66, 65 (68). 118 OVG Münster, NVwZ-RR 1988, 1; NVwZ 1988, 71 (72). Vgl. auch BayVGH, BayVBl. 1989, 85 (86). 119 BVerwGE 84, 111 (113). In dem entschiedenen Fall freilich war die hier interessierende Problematik wegen einer rückwirkenden Fiktion nicht gegeben; vgl. Schenke ! Baumeister, JuS 1991, 547 (553). 120 BVerwG, ZBR 1982, 350. Ähnlich BVerwG, DVB1. 1982, 795 (797). - Vgl.

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Erster Abschnitt: Begriffsbestimmungen

2. Stellungnahme Die Lösung der Frage, ob die Fehlerfreiheit bzw. Fehlerhaftigkeit eines Verwaltungsakts nur im Zeitpunkt seines Erlasses oder auch im Zeitpunkt der Aufhebungsentscheidung gegeben sein muß, um ihn als rechtmäßig bzw. rechtswidrig klassifizieren zu können, setzt zunächst Klarheit darüber voraus, bei welchen Verwaltungsakten eine nachträgliche Änderung der Sach- oder Rechtslage überhaupt relevant zu werden vermag. Sodann ist zu prüfen, unter welchen Voraussetzungen ein Wandel der Sach- oder Rechtslage zur Unwirksamkeit des Verwaltungsakts führt. Denn in diesem Falle muß er nicht mehr aufgehoben werden 121, und die Frage nach der Abgrenzung der Anwendungsbereiche der §§ 48, 49 VwVfG stellt sich nicht. Erst danach kann die Problematik diskutiert werden, ob es nachträglich rechtswidrig bzw. rechtmäßig gewordene Verwaltungsakte gibt.

a) Begrenzung des Problems Eine Änderung der Sach- oder Rechtslage, die nach Erlaß des Verwaltungsakts eintritt, kann dessen Rechtmäßigkeit bzw. Rechtswidrigkeit nur dann berühren, wenn der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Änderung noch Rechtswirkungen entfaltet Dies ist vor allem bei Verwaltungsakten mit Dauerwirkung wie etwa Konzessionen oder der Gewährung laufender Geld- oder Sachleistungen und bei noch nicht vollzogenen Verwaltungsakten vorstellbar 122 . Erschöpft sich der Verwaltungsakt dagegen in einer einmaligen, zeitlich begrenzten Begünstigung, ist ein danach eintretender sachlicher oder rechtlicher Wandel denknotwendig bedeutungslos. Anders ist es nur, wenn eine rückwirkende Rechtsänderung vorliegt. Dieser Fall darf in diesem Zusammenhang jedoch ausgeklammert bleiben, da die Rechtsänderung hier durch Fiktion auf den Zeitpunkt des Erlasses zurückwirkt 123 und zur anfänglichen Rechtswidrigkeit bzw. Rechtmäßigkeit führt. Über diese Ausgangspunkte herrscht in Rechtsprechung und Literatur Einigkeit124.

zum ganzen auch den Rechtsprechungsbericht von Martens, (832 ff.). 121

NVwZ 1989, 828

Vgl. § 5 D. Vgl. Schenke, NVwZ 1986, 522 (530 f.). 123 Hierzu vgl. z.B. BVerwGE 64, 218. 124 Maurer, § 10 Rdnr. 3; Ule ! Laubinger, § 63 II 1 d cc; Klappstein, in: Knack, VwVfG, vor § 43 Rdnr. 5.2.4; Schenke, NVwZ 1986, 522 (528 ff.). 122

§ 2 Der Begriff des rechtmäßigen begünstigenden VA

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b) Der nachträglich unwirksam gewordene Verwaltungsakt Unterschiedliche Auffassungen existieren jedoch über die Voraussetzungen, unter denen ein Verwaltungsakt bei einer Änderung der Sach- oder Rechtslage unwirksam wird. Der Streit entzündet sich an einer Theorie von Kopp, wonach Verwaltungsakte, die „von vornherein nach ihrem erkennbaren Inhalt, Sinn und Zweck nur für eine bestimmte Situation Geltung beanspruchen", ihre Wirkungen mit Wegfall der betreffenden Situation verlieren, ohne daß es einer Aufhebung bedürfe (z.B. Funktionszulagen, die einem Beamten im Hinblick auf bestimmte Aufgaben gewährt wurden, die der Beamte später nicht mehr erfüllt) 125. Die Rechtsprechung geht in solchen und vergleichbaren Fällen davon aus, daß der Verwaltungsakt nach Wegfall der Voraussetzungen, die zu der Begünstigung geführt haben, wirksam bleibt126. Auch in der Literatur hat die Auffassung von Kopp Widerspruch gefunden 127. Man wird dieser herrschenden Meinung zu folgen haben. Ein Verwaltungsakt verliert auch im Falle der Änderung der Sach- oder Rechtslage seine Wirksamkeit unter den Voraussetzungen des § 43 VwVfG. Abgesehen vom Eintritt nachträglicher Nichtigkeit nach §§ 43 Abs. 3, 44 VwVfG (z.B. im Falle des Untergangs einer herauszugebenden Sache, § 44 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG) endet die Wirksamkeit des Verwaltungsakts nach § 43 Abs. 2 VwVfG, sofern er „aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist". Die Änderung der Sach- oder Rechtslage führt somit zur Unwirksamkeit des Verwaltungsakts, wenn sie ihn erledigt — etwa durch Eintritt einer auflösenden Bedingung, unter der der Verwaltungsakt ergangen ist 128 . Nichts anderes gilt für Verwaltungsakte, die nach ihrem Inhalt, Sinn und Zweck nur für eine bestimmte Situation Geltung beanspruchen. Denn § 43 VwVfG ist aus Gründen der Rechtsstaatlichkeit als abschließende Regelung zu interpretieren: Die Beendigung der Wirksamkeit (insbesondere begünstigender) Verwaltungsakte bedarf der eindeutigen gesetzlichen Festlegung — die Zulassung weiterer, in § 43 VwVfG nicht normierter Unwirksamkeitsgründe wäre mit dem Prinzip der Rechtssicherheit unvereinbar 129. Der Wegfall einer „Situation" stellt aber - wie aus §§ 38 Abs. 3, 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 und 4 VwVfG 1 3 0 einerseits und aus § 37 Abs. 1 VwVfG, wo-

125

Kopp, VwVfG, § 48 Rdnr. 24 f., § 36 Rdnr. 25; ders., BayVBl. 1990, 524. So ausdrücklich BVerwG, ZBR 1982, 350; OVG Münster, NVwZ-RR 1988, 1. 127 Schenkel Baumeister, JuS 1991, 547 (552). Vgl. auch Richter, JuS 1991, 40 (41). Zustimmend offensichtlich Klappstein, in: Knack, VwVfG, § 49 Rdnr. 6.3.3. 128 Schenke!Baumeister, JuS 1991, 547 (552). 129 Schenke ! Baumeister, JuS 1991, 547 (552). 130 Vgl. Schenke/Baumeister, JuS 1991, 547 (552). 126

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Erster Abschnitt: Begriffsbestimmungen

nach Verwaltungsakte inhaltlich hinreichend bestimmt sein müssen131, andererseits folgt - nicht immer, sondern nur dann eine Erledigung dar, wenn sich das Ende der Wirksamkeit aus der Regelung des Verwaltungsakts eindeutig ergibt, z.B. durch Festlegung einer auflösenden Bedingung132. Fehlt eine solche Regelung, würde die Annahme der Unwirksamkeit allein aufgrund einer Änderung der Sach- oder Rechtslage zu einer rechtsstaatlich untragbaren Rechtsunsicherheit führen, da in der Regel weder die dem Erlaß zugrundegelegte Sach- und Rechtslage noch deren spätere Veränderung für den Betroffenen offensichtlich ist 133 .

c) Der nachträglich rechtswidrig gewordene Verwaltungsakt Nunmehr ist zu prüfen, ob die Existenz rechtmäßig erlassener, aber nachträglich rechtswidrig gewordener Verwaltungsakte anzuerkennen ist.

(1) Rechtslogische Argumente Ein Verwaltungsakt ist - wie gesehen - rechtswidrig, wenn er gegen eine Rechtsnorm verstößt. Aus rechtslogischer Sicht kann folglich ein Verwaltungsakt, der rechtmäßig, also ohne Verstoß gegen eine Rechtsnorm erlassen wurde, nachträglich nur dann rechtswidrig werden, wenn Rechtsnormen existieren, gegen die er aufgrund der Änderung der Sach- oder Rechtslage nunmehr verstößt134.

(a) Der Verstoß gegen das Verbot des Neuerlasses Normen, die festlegen, unter welchen Voraussetzungen ein Verwaltungsakt erlassen werden kann oder darf, kommen hier zunächst nicht in Betracht. Denn der Verwaltungsakt ist bereits in Übereinstimmung mit diesen Vor-

131

Vgl. OVG Münster, DVB1. 1991, 1365 (1366). Vgl. OVG Münster, NVwZ-RR 1988, 1. 133 Schenke!Baumeister, JuS 1991, 547 (552). Die von Kopp ins Feld geführte Entscheidung BVerwGE 84, 274 (277) gibt nichts her, weil sie einen Fall mit gesetzlicher Sonderregelung betrifft. 134 Insoweit zutreffend Kleinlein, VerwArch. 1990, 149 (160 f.). Vgl. auch BVerwGE 59, 148 (159), wonach „sich die rechtlichen Wirkungen, die sich aus einem bestimmten Sachverhalt ergeben, nach denjenigen Rechtsvorschriften beurteilen, die im Zeitpunkt der Verwirklichung des Sachverhalts gegolten haben". 132

§ 2 Der Begriff des rechtmäßigen begünstigenden VA

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schritten ergangen und sein neuerlicher Erlaß steht nicht zur Debatte. Zwischen der Aufhebung eines rechtmäßig erlassenen Verwaltungsakts und seinem Neuerlaß ist scharf zu unterscheiden. Deshalb ist der in der Literatur verbreitete Ansatz, wonach ein Verwaltungsakt nachträglich rechtswidrig wird, wenn er aufgrund einer Änderung der Sach- oder Rechtslage nicht mehr erlassen werden könnte135, in dieser Allgemeinheit verfehlt 136.

(b) Der Verstoß gegen das zwingende Gebot der Aufhebung Ein rechtmäßig erlassener Verwaltungsakt kann aber nachträglich gegen solche Rechtsnormen verstoßen, die wegen der Änderung der Sach- oder Rechtslage seine Aufhebung anordnen137. Seine Aufrechterhaltung würde dann diesen Rechtsnormen widersprechen. Wenn die Aufrechterhaltung des Verwaltungsakts ein Verstoß gegen eine Rechtsnorm - die Unterlassung seiner Aufhebung also rechtswidrig - wäre, kann man aus rechtslogischen Gründen nicht umhin, den Verwaltungsakt selbst als rechtswidrig anzusehen138. Hieraus folgt, daß ein Verwaltungsakt jedenfalls dann als nachträglich rechtswidrig geworden zu betrachten ist, wenn eine Rechtsnorm seine Aufhebung für den Fall bestimmter Änderungen der Sach- oder Rechtslage zwingend anordnet139. Solche Normen existieren bekanntlich in nicht unerheblicher Anzahl. Zu nennen sind insbesondere 1) Spezialvorschriften in Fachgesetzen des besonderen Verwaltungsrechts, die bei nachträglichem Eintritt oder Wegfall bestimmter Umstände die Aufhebung einer (rechtmäßig erteilten 140) Begünstigung zwingend anordnen; so hat die Behörde z.B. eine gaststättenrechtliche Erlaubnis nach § 15

135

Ule ILaubinger, § 63 I, II 1 d cc; Lange, Jura 1980, 456 (459 f.). Schenke, BayVBl. 1990, 107 (108); ders., DVB1. 1989, 433 (436, 438); ders., NVwZ 1986, 522 (525). Insoweit zutreffend Erichsen, in: Erichsen!Martens, § 16 Rdnr. 5; Kleinlein, VerwArch. 1990, 149 (163); Kopp, BayVBl. 1989, 652 (653). 137 Schenke, DVB1. 1989, 433 (434). 138 Eingehend Schenke I Baumeister, JuS 1991, 547 (548); Schenke, DVB1. 1989, 433 (434 f.). A.A. Schmitt Glaeser, § 13 Rdnr. 725 ff.; Kleinlein, VerwArch. 1990, 149 (163 f.). 139 Schenke, DVB1. 1989, 433 (434 f.). 140 Nicht hierher gehören diejenigen Vorschriften, die die Aufhebung des Verwaltungsakts an seine bereits bei Erlaß vorliegende Rechtswidrigkeit knüpfen - z.B. § 15 Abs. 1 GastG - , da hier nur rechtmäßig erlassene Verwaltungsakte interessieren. 136

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Erster Abschnitt: Begriffsbestimmungen

Abs. 2 GastG zu „widerrufen" 141, wenn Tatsachen eintreten, die die Versagung der Erlaubnis rechtfertigen würden (weitere Beispiele bilden § 34 Abs. 2 Satz 1 SprengG, § 25 Abs. 1 Satz 1 PBefG); 2) das verfassungsrechtlich abzuleitende Übermaßverbot, das etwa der Aufrechterhaltung polizeirechtlicher Verbote entgegensteht, wenn die zu beseitigende Gefahr weggefallen ist 142 ; 3) rechtsändernde Normen, die bestimmen, daß die aufgrund des alten Rechts ergangenen Verwaltungsakte zu beseitigen sind. Ordnet eine Spezialvorschrift dagegen an, daß ein Verwaltungsakt bei bestimmten Änderungen der Sach- oder Rechtslage nicht aufgehoben werden muß, sondern lediglich aufgehoben werden kann (wie z.B. § 15 Abs. 3 GastG), stellt seine Aufrechterhaltung - abgesehen vom Fall der Ermessensreduzierung auf Null - keinen Verstoß gegen diese Norm dar, und er ist als rechtmäßig geblieben anzusehen143.

(c) Der Verstoß gegen Sinn und Zweck der Ermächtigungsnorm Obwohl damit nachgewiesen ist, daß es aus rechtslogischer Sicht Verwaltungsakte gibt, die rechtmäßig erlassen, nachträglich aber rechtswidrig werden, wäre diese Erkenntnis für die Widerrufsdogmatik von eingeschränkter Relevanz, wenn sie nur zum Zuge käme, falls eine spezielle Vorschrift die Aufhebung des Verwaltungsakts wegen der neuen Sach- oder Rechtslage zwingend befiehlt. Denn nach § 1 Abs. 1 und 2 VwVfG finden die §§ 48, 49 VwVfG in solchen Fällen ohnehin höchstens ergänzende Anwendung. Es ist daher der Frage nachzugehen, wie die Änderung der Sach- oder Rechtslage bei Fehlen von Sonderbestimmungen zu bewerten ist. Man könnte argumentieren, daß bei Fehlen von speziellen Normen über die Aufhebung des Verwaltungsakts bei einer Änderung der Sach- oder Rechtslage die allgemeinen Bestimmungen der §§ 48, 49 VwVfG heranzuziehen seien, die gerade keine Pflicht zur Aufhebung (sondern nur eine Ermessensentscheidung) kennen, gegen die mit der Folge der nachträglichen Rechtswidrigkeit verstoßen werden könnte. Dieser Schluß wäre aber allein

141

Zur Terminologie solcher Spezialvorschriften siehe OVG Münster, NVwZ-RR 1988, 1 (2); Schenke/Baumeister, JuS 1991, 547 (551). Vgl. auch § 4 A.I.2. Unzutreffend Kleinlein, VerwArch. 1990, 149 (163 f.). 142 Ule ILaubinger, § 63 I; Schenke, BayVBl. 1990, 107 (108); ders., DVB1. 1989, 433 (434); ders., NVwZ 1986, 522 (530). Vgl. auch StelkensISachs, in: Stelkens/ Bonk/Leonhardt, VwVfG, § 44 Rdnr. 12; Klein, NVwZ 1990, 633. 143 Vgl. Schenke, NVwZ 1986, 522 (532).

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schon deshalb verfehlt, weil die §§ 48, 49 VwVfG keine Festlegungen treffen, wann ein Verwaltungsakt rechtswidrig bzw. rechtmäßig ist oder wird, sondern nur die Folgerungen aus der Rechtswidrigkeit oder Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts ziehen, die sich aus anderen Vorschriften ergibt 144. Die entscheidende Frage lautet daher, ob nicht dort, wo ausdrückliche Normen über die Folgen nachträglicher Änderungen der Sach- oder Rechtslage fehlen, aus den Bestimmungen über den Erlaß des Verwaltungsakts unter gewissen Umständen die Rechtswidrigkeit seiner Aufrechterhaltung zu diagnostizieren ist. Die Lösung ist umstritten. Lange leitet offensichtlich aus jeder Ermächtigungsgrundlage ein Verbot der Aufrechterhaltung des Verwaltungsakts bei Wegfall der Erlaßvoraussetzungen ab, da er ihn unter diesen Umständen als rechtswidrig geworden behandelt145. Erichsen dagegen entnimmt der Ermächtungsnorm nur das Verbot, den Verwaltungsakt bei einem Wandel der Sach- oder Rechtslage erneut zu erlassen, nicht aber das Gebot, den erlassenen Verwaltungsakt aufzuheben 146. Schenke teilt diesen Ausgangspunkt, folgert jedoch im Einzelfall aus Sinn und Zweck der Ermächtigungsnorm die Rechtswidrigkeit der Aufrechterhaltung des Verwaltungsakts147. Beschränkt sich ein Gesetz darauf anzuordnen, daß eine Begünstigung nur unter gewissen Voraussetzungen ergehen darf, so trifft es damit keine Bestimmung, daß der Verwaltungsakt bei Wegfall dieser Voraussetzungen aufzuheben ist 148 . Dies gilt selbst dann, wenn der Fortbestand der Begünstigung nach der Ratio der Erlaßnorm vom Gleichbleiben der Verhältnisse ausgeht. Denn die Festlegung von Erlaßvoraussetzungen reicht nicht aus, um die nach dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung erforderliche Ermächtigungsgrundlage für die Aufhebung der Begünstigung zu ersetzen. Dies verkennt Kopp, der Vorschriften, die den Erlaß von Verwaltungsakten von bestimmten zwingenden Voraussetzungen abhängig machen, „zumindest sinngemäß" als Sonderregelungen für die Aufhebung ansehen will, die den §§ 48, 49 VwVfG vorgehen149. Ferner steht dieser Befund der Auffassung von

144

Insoweit zutreffend Ule / Laubinger, § 63 II 1 d cc. Lange, Jura 1980, 456 (459 f.). 146 Erichsen, in: Erichsen/Martens, § 16 Rdnr. 5. 147 Schenke/Baumeister, JuS 1991, 547 (551); Schenke, BayVBl. 1990, 107 (108). 148 Schenke, BayVBl. 1990, 107 (109). 149 Kopp, BayVBl. 1989, 652 (653) unter unzutreffender Berufung auf die amtliche Begründung. A.A. Schenke, BayVBl. 1990, 107 (109); seine abweichende Ansicht aufgebend Kopp, BayVBl. 1990, 524 (525). 145

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Erster Abschnitt: Begriffsbestimmungen

Lange entgegen, wonach ein Verwaltungsakt bei Wegfall seiner Erlaßvoraussetzungen rechtswidrig wird. Enthält eine Ermächtigungsnorm zum Erlaß eines Verwaltungsakts also niemals ein Gebot der Aufhebung, gegen das der Verwaltungsakt verstoßen könnte, bleibt zu klären, was gilt, wenn der Fortbestand der Begünstigung aufgrund der Änderung der Sach- oder Rechtslage trotzdem mit Sinn und Zweck der Erlaßnorm unvereinbar erscheint. Diese Unvereinbarkeit ist insbesondere dann anzunehmen, wenn zwischen der Begünstigung und der nachträglich entfallenen Voraussetzung für ihren Erlaß eine unmittelbare, quasi synallagmatische150 Abhängigkeit besteht, so daß die eine mit der anderen steht und fällt. Obwohl die Aufrechterhaltung des Verwaltungsakts hier gegen keinen ausdrücklichen Normbefehl verstößt, muß unter rechtslogischen Gesichtspunkten davon ausgegangen werden, daß der Zustand, der durch den Wandel der Umstände eintritt, vom Gesetz mißbilligt wird. Dies zwingt dazu, den Verwaltungsakt als rechtswidrig zu qualifizieren 151. Ein Beispiel mag dies verdeutlichen: In einem vom OVG Münster entschiedenen Fall 152 war einem beamteten Lehrer im Hinblick auf die ihm übertragene Fachleiterfunktion nach einer Zulagenverordnung eine monatliche Zulage durch Verwaltungsakt gewährt worden. Die Zulage wurde aufgrund des Zulagenbescheides auch dann noch bezahlt, als der Lehrer keine Fachleiterfunktion mehr ausübte. Es kann kein Zweifel bestehen, daß nach Sinn und Zweck der Verordnung die Bezahlung der Zulage davon abhängen sollte, daß der Betroffene die Fachleiterfunktion weiter wahrnahm. Denn nach § 42 Abs. 3 Satz 1 BBesG dürfen Stellenzulagen nur für die Dauer der herausgehobenen Funktion gewährt werden. Aus diesem Grunde wird man aus der Zulagenverordnung schließen müssen, daß sie eine Aufrechterhaltung des Zulagenbescheides zwar nicht ausdrücklich verbietet, wenn die Fachleiterfunktion entfällt, aber mit ihrem Sinn und Zweck als unvereinbar betrachtet. Man wird nicht umhin können, aus dieser Mißbilligung die nachträgliche Rechtswidrigkeit des Zulagenbescheides zu folgern. Das OVG Münster hat ihn daher im Ergebnis zu Recht als rechtswidrig gewordenen Verwaltungsakt und nach § 48 VwVfG rücknehmbar behandelt153.

150

Vgl. Richter, JuS 1991, 40 (41 f.). Schenkel Baumeister, JuS 1991, 547 (551); Schenke, BayVBl. 1990, 107 (108); ders., DVB1. 1989, 433 (438 f.). A.A. Kopp, BayVBl. 1990, 524. 152 OVG Münster, NVwZ-RR 1988, 1. Dazu siehe Adolf, JA 1988, 625; Martens, NVwZ 1989, 828 (832); Schenke, DVB1. 1989, 433. 153 OVG Münster, NVwZ-RR 1988, 1 (2), unter zutreffender Berufung auf die Notwendigkeit der rückwirkenden Aufhebung nachträglich rechtswidrig gewordener Ver151

§ 2 Der Begriff des rechtmäßigen begünstigenden VA

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Ebenso dürfte es z.B. bei denjenigen Gewerbeerlaubnissen liegen, deren Erlaß von der Zuverlässigkeit des Gewerbetreibenden abhängt. Denn zahlreiche Spezialvorschriften - wie z.B. § 15 Abs. 2 GastG, § 34 Abs. 2 Satz 1 SprengG, § 25 Abs. 1 Satz 1 PBefG - ordnen an, daß gewerbliche Konzessionen zwingend zu entziehen sind, wenn der Gewerbetreibende nachträglich unzuverlässig wird. Daraus folgt, daß das Gewerberecht der Zuverlässigkeit des Gewerbetreibenden jedenfalls in der Regel eine besondere Bedeutung zumißt und auch bei Fehlen von Sondernormen nach Sinn und Zweck der Erlaßvorschrift eine Aufrechterhaltung mißbilligt. Daher wird man davon ausgehen müssen, daß bei dem eingangs erwähnten Beispielsfall die Reisegewerbekarte nachträglich rechtswidrig wird, wenn der Gewerbetreibende seine Zuverlässigkeit verliert 154. Dagegen hängt z.B. die Aufrechterhaltung einer rechtmäßig erteilten Baugenehmigung unstreitig nicht vom Fortbestehen der sachlichen und rechtlichen Voraussetzungen ab, die zu ihrem Erlaß geführt haben. So wird eine nach § 34 BauGB zulässig erlassene Baugenehmigung selbst dann nicht rechtswidrig, wenn später ein qualifizierter Bebauungsplan ergeht, nach dem die Baugenehmigung nun nicht mehr neu erlassen werden dürfte, oder sich die nähere Umgebung nachträglich so verändert, daß eine Baugenehmigung nicht mehr in Betracht käme 155 . Ferner mißt der Gesetzgeber im Gewerberecht bestimmten Voraussetzungen für den Erlaß von Erlaubnissen keine so entscheidende Bedeutung zu, daß ihr Wegfall eine Mißbilligung der Erlaubnis nach sich ziehen müßte. So ist die gaststättenrechtliche Erlaubnis nach § 15 Abs. 2 GastG nur zu widerrufen, wenn nachträglich Tatsachen eintreten, die die Versagung der Erlaubnis nach § 4 Abs. 1 Nr. 1 GastG rechtfertigen würden. Ein nachträglicher Eintritt der Versagungsgründe des § 4 Abs. 1 Nr. 2 oder 3 GastG führt dagegen nicht zu einer Aufhebungsverpflichtung, was den Schluß rechtfertigt, daß die Gaststättenerlaubnis rechtmäßig bleibt.

waltungsakte. Im übrigen führt das Gericht aus, der Grundsatz, wonach § 48 VwVfG nur auf solche Verwaltungsakte Anwendung finde, die bereits im Zeitpunkt ihres Erlasses rechtswidrig waren, nicht jedoch auf solche, die später rechtswidrig geworden sind, gelte nicht für Verwaltungsakte mit Dauerwirkung. Das OVG Münster übersieht, daß sich die Frage des nachträglichen Rechtswidrigwerdens in der Regel ohnehin nur bei Verwaltungsakten mit Dauerwirkung stellt. 154 Anders die Rechtsprechung zum Widerruf der Reisegewerbekarte, die ausgehend vom Standpunkt der h.M. in solchen Fällen § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG anwendet; VGH Mannheim, GewArch. 1989, 94; GewArch. 1989, 166. Ebenso zum Widerruf der Maklererlaubnis BayVGH, GewArch. 1987, 296 (297). 155 Schenke, DVB1. 1989, 433 (438). Vgl. auch BVerwG, NVwZ 1988, 144; OVG Münster, NVwZ 1988, 942 (943). 5 Bronnenmeyer

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Erster Abschnitt: Begriffsbestimmungen

Damit ergibt sich, daß ein rechtmäßig erlassener Verwaltungsakt unter rechtslogischen Gesichtspunkten nachträglich auch dann rechtswidrig werden kann, wenn seine Aufrechterhaltung zwar gegen keine spezielle, die Aufhebung anordnende Bestimmung, aber gegen Sinn und Zweck der Vorschrift verstößt, auf deren Grundlage er ergangen ist. Dieser Auffassung kann übrigens nicht entgegengehalten werden, daß die Aufrechterhaltung eines Verwaltungsakts aus rechtslogischen Gründen nicht rechtswidrig sein könne, wenn kein (fortdauernder) ausdrücklicher Befehl zur Aufhebung des Verwaltungsakts existiert. Denn ein rechtlich mißbilligter, also rechtswidriger Zustand muß nicht zwangsläufig zur Aufhebung führen. Dies belegen schon die Einschränkungen der Aufhebbarkeit von Anfang an rechtswidriger Verwaltungsakte, wie sie im Verwaltungsprozeßrecht (Fristen) und in § 48 VwVfG zum Ausdruck kommen. Es genügt vielmehr, daß die Verpflichtung zur Aufhebung zumindest für eine logische Sekunde besteht156.

(d) Zusammenfassung Zusammenfassend darf man konstatieren, daß ein Verwaltungsakt unter rechtslogischen Gesichtspunkten durch eine nachträgliche Änderung der Sach- oder Rechtslage rechtswidrig werden kann, und zwar unter der Voraussetzung, daß 1) entweder eine Spezialvorschrift die Aufhebung des Verwaltungsäkts aufgrund der Änderung der Sach- oder Rechtslage zwingend anordnet, 2) oder die Aufrechterhaltung des Verwaltungsakts aufgrund der Änderung der Sach- oder Rechtslage mit Sinn und Zweck der dem Erlaß des Verwaltungsakts zugrundeliegenden Vorschrift unvereinbar ist.

(2) Die Regelung der §§ 48, 49 VwVfG Es ist jedoch zu prüfen, ob die §§ 48, 49 VwVfG - wie ein Teil der herrschenden Meinung argumentiert 157 - eine von den rechtslogischen Vorgaben abweichende Sonderregelung treffen, indem sie die (an sich) nachträglich rechtswidrig gewordenen Verwaltungsakte den Vorschriften über den Wider-

156 Vgl. Schenke, BayVBl. 1990, 107 (109); ders., DVB1. 1989, 433 (437 f.); Schenke I Baumeister, JuS 1991, 547 (548, 551). 157 OVG Münster, DÖD 1982, 110 (111); Erichsen, in: Erichsen/Martens, § 16 Rdnr. 5; Maurer, § 10 Rdnr. 3; Ule ! Laubinger, § 63 II 1 d cc; Meyer, in: Meyer! Borgs, VwVfG, § 48 Rdnr. 12. Vgl. auch Adolf, JA 1988, 625 (626); Pieroth, NVwZ 1984, 681 (683); Richter, JuS 1991, 40 (41).

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ruf rechtmäßiger Verwaltungsakte unterwerfen, so daß die nachträgliche Änderung der Sach- oder Rechtslage im Ergebnis unbeachtlich wäre.

(a) Der Wortlaut des Gesetzes Betrachtet man den Wortlaut der §§ 48, 49 VwVfG, so enthält dieser jedenfalls keine ausdrückliche Regelung, wonach § 48 VwVfG nur anfanglich rechtswidrige Verwaltungsakte erfaßt und der nachträglich rechtswidrig gewordene Verwaltungsakt den Vorschriften des § 49 VwVfG unterfallt 158. Denn beide Normen erwähnen lediglich den „rechtswidrigen" bzw. „rechtmäßigen" Verwaltungsakt. Nun widerspricht zwar die herrschende Meinung, wonach § 49 VwVfG nachträglich rechtswidrig gewordene Verwaltungsakte erfaßt, nicht dem Wortlaut der Bestimmung159, da diese - wie gesehen160 - in der Tat analog für rechtswidrige Verwaltungsakte gilt. Sie steht aber nicht im Einklang mit dem Wortlaut des § 48 VwVfG, da dieser alle rechtswidrigen, also auch die nachträglich rechtswidrig gewordenen Verwaltungsakte erfaßt 161. Zumindest ein weiteres Indiz 162 dafür, daß die nachträglich rechtswidrig gewordenen Verwaltungsakte als ,»rechtswidrig" im Sinne des § 48 VwVfG, nicht aber als „rechtmäßig" im Sinne des § 49 VwVfG anzusehen sind, ergibt sich aus § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO, wonach das Verwaltungsgericht einen Verwaltungsakt aufzuheben hat, soweit dieser ,»rechtswidrig" ist. Denn es ist - wie berichtet - nahezu unbestritten, daß rechtmäßig erlassene, aber aufgrund einer Änderung der Sach- oder Rechtslage nachträglich rechtswidrig gewordene Verwaltungsakte unter bestimmten Voraussetzungen nach § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO aufzuheben sind163. Damit fechten die Vermutung für den einheitlichen Sprachgebrauch des Gesetzgebers, rechtssystematische

158

Schenke, DVB1. 1989, 433 (434). A.A. Schenke, DVB1. 1989, 433 (436). 160 Siehe § 1 A.III. 161 Schenke, DVB1. 1989, 433 (434). 162 Vgl. Schenke, BayVBl. 1990, 107 (109); ders., DVB1. 1989, 433 (435 f.); Schenke I Baumeister y JuS 1991, 547 (548 ff.), wonach das Argument aus § 113 VwGO zwingend sei. Diese Anschauung dürfte angesichts der funktionalen Unterschiede zwischen § 48 VwVfG und § 113 VwGO zu weit gehen. Kritisch hierzu auch Kopp, BayVBl. 1990, 524 (525); ders., BayVBl. 1989, 652 (653). 163 Siehe hierzu ausführlich Schenke, NVwZ 1986, 522. 159

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Erster Abschnitt: Begriffsbestimmungen

Gründe und der Gleichheitssatz dafür, daß nachträglich rechtswidrig gewordene Verwaltungsakte von § 48 VwVfG erfaßt werden 164.

(b) Das Argument aus dem Verbot des rückwirkenden Widerrufs Ferner liefert die Regelung des § 49 Abs. 1 - 3 VwVfG, wonach der Widerruf nur für die Zukunft möglich ist, ein gewichtiges Argument für die These, daß die Vorschrift nicht für nachträglich rechtswidrig gewordene Verwaltungsakte gelten kann165. Denn ein absolutes Verbot der rückwirkenden Aufhebung in der Vergangenheit rechtswidrig gewordener Verwaltungsakte gleich ob begünstigend oder belastend - würde nämlich nicht nur zu (wie die herrschende Meinung konzediert) unerfreulichen, aber hinzunehmenden Ergebnissen führen 166, sondern selbst unter Berücksichtigung des Prinzips der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzgedankens einen mit Art. 20 Abs. 3 GG nicht zu vereinbarenden Widerspruch gegen den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung bedeuten167. Dieser kann durch die Bestandskraft der Begünstigung nicht gerechtfertigt werden, weil die Bestandskraft nachträgliche Änderungen der Sach- oder Rechtslage gerade nicht umfaßt 168. Und nach § 51 VwVfG ist ihm jedenfalls schon deshalb nicht abzuhelfen, weil die Vorschrift nur für belastende Verwaltungsakte gilt 169 . So könnte die Behörde in dem oben geschilderten Beispiel die Gewährung der Funktionszulage - hält man nur § 49 VwVfG für anwendbar - selbst dann nicht rückwirkend aufheben und Zahlungen zurückfordern, wenn der Beamte den Wandel der Verhältnisse verschweigt und sie vom Wegfall der

164 Schenke, BayVBl. 1990, 107 (109); ders., DVB1. 1989, 433 (435 f.); Schenke! Baumeister, JuS 1991, 547 (548 ff.). 165 OVG Münster, NVwZ-RR 1988, 1 (2); Schenke, DVB1. 1989, 433 (436 ff.); Schenke/Baumeister, JuS 1991, 547 (549). Vgl. auch Maurer, § 11 Rdnr. 11; Horn, Drittanfechtung, § 4 I 2 d; Lange, Jura 1980, 456 (460). 166 Maurer, § 11 Rdnr. 11, 40; Adolf, JA 1988, 625 (626); Kopp, BayVBl.1989, 652; Richter, JuS 1991, 40 (41). 167 Schenke, DVB1. 1989, 433 (437 ff.); Schenke ! Baumeister, JuS 1991, 547 (549). A.A. Klappstein, in: Knack, VwVfG, vor § 43 Rdnr. 5.2.4; Adolf, JA 1988, 625 (626 f.), der dieses Verbot als unbillig, aber de lege lata hinzunehmen ansieht. 168 Schenke, DVB1. 1989, 433 (437). 169 Ausführlich Schenke, DVB1. 1989, 433 (439 f.); Schenke ! Baumeister, JuS 1991, 547 (549). A.A. Klappstein, in: Knack, VwVfG, vor § 43 Rdnr. 5.2.4; Meyer, in: Meyer! Borgs, VwVfG, § 48 Rdnr. 12; Kopp, BayVBl. 1990, 524 (525). Keinen Ausweg aus dem Dilemma der herrschenden Meinung weist auch die von Richter (JuS 1991, 40) vertretene Analogie zu §§ 44a BHO, 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB X, 812 Abs. 1 Satz 1 BGB, da keine Regelungslücke vorliegt.

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Fachleiterfunktion erst nach Jahr und Tag erfährt 170. Außerdem läge in dem Verbot der rückwirkenden Aufhebung rechtswidrig gewordener Verwaltungsakte ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG). Es ist nämlich nicht einzusehen, weshalb der von einem nachträglich rechtswidrig gewordenen Verwaltungsakt Begünstigte (bzw. Belastete) besser (bzw. schlechter) gestellt sein sollte als der Adressat eines von Anfang an rechtswidrigen Verwaltungsaktes171. Aus diesen Gründen fehlt der Behauptung, es bestehe kein Bedürfnis für eine rückwirkende Aufhebung, da es der Behörde nicht zum Vorteil gereichen dürfe, wenn sie es versäume, den Wandel der Verhältnisse zu verfolgen und sogleich zu handeln172, von vornherein die Durchschlagskraft. Im übrigen ist zu Recht darauf hingewiesen worden, daß dieser Einwand ohnehin nur für begünstigende Verwaltungsakte gelten kann und ein Informationsdefizit des Staates in der Regel nicht vorwerfbar ist 173 .

(c) Das Argument aus § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 und 4 VwVfG Damit ist der herrschenden Meinung, wonach nachträgliche Änderungen der Sach- oder Rechtslage ohne Einfluß auf die Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit eines Verwaltungsakts seien und folglich bei deren Beurteilung ausschließlich der Zeitpunkt des Erlasses des Verwaltungsakts maßgeblich sei, der Boden bereits entzogen. Abgesehen davon ist aber auch ihr Argument, die Maßgeblichkeit des Erlaßzeitpunkts ergebe sich aus § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 und 4 VwVfG, in sich nicht stimmig. Nach diesen Vorschriften darf ein rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakt widerrufen werden, wenn die Behörde aufgrund nachträglich eingetretener Tatsachen oder einer geänderten Rechtsvorschrift berechtigt wäre, den Verwaltungsakt nicht zu erlassen. Hieraus wird der auf den ersten Blick naheliegende Schluß gezogen, daß das VwVfG einen rechtmäßig erlassenen Verwaltungsakt trotz nachträglicher Änderung der Sach- oder Rechtslage weiterhin als rechtmäßig - nicht als rechtswidrig geworden - betrachte und

170

Vgl. Richter, JuS 1991, 40 (41 f.). Schenke, BayVBl. 1990, 107 (109 f.); ders., DVB1. 1989, 433 (437 f.). A.A. Kopp, BayVBl. 1989, 652 (653 f.), der darauf abstellt, daß der rechtmäßig ergangene Verwaltungsakt bis zu seiner Beseitigung den Schein der Rechtmäßigkeit für sich habe. Dies gilt aber ebenso für den rechtswidrig erlassenen Verwaltungsakt. 172 Erichsen, in: Erichsen I Martens, § 16 Rdnr. 5. 173 Schenke, DVB1. 1989, 433 (439). 171

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Erster Abschnitt: Begriffsbestimmungen

folglich bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit bzw. Rechtswidrigkeit eines Verwaltungsakts stets auf den Zeitpunkt seines Erlasses abstelle174. Bei näherer Prüfung ist dieser Schluß jedoch nicht zwingend. Da ein Verwaltungsakt nicht dann nachträglich rechtswidrig wird, wenn er nicht mehr erlassen werden könnte, sondern wenn er aufgehoben werden müßte, kann (der ohnehin nur für begünstigende Verwaltungsakte geltende) § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 und 4 VwVfG von vornherein keine Relevanz für nachträglich rechtswidrig gewordene Verwaltungsakte besitzen175. Selbst vom Standpunkt der herrschenden Meinung aus folgt zudem aus § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 und 4 VwVfG nur, daß ein Verwaltungsakt rechtmäßig bleiben kann, obwohl er aufgrund einer Änderung der Sach- oder Rechtslage nicht mehr erlassen werden müßte. Denn andernfalls wären die Vorschriften überflüssig. Es kann jedoch nicht angenommen werden, daß § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 und 4 VwVfG alle rechtmäßig erlassenen Verwaltungsakte, die aufgrund einer Änderung der Sach- oder Rechtslage nicht mehr erlassen werden dürften, als rechtmäßig geblieben betrachtet, ohne Rücksicht darauf, ob der Verwaltungsakt an sich nachträglich rechtswidrig wurde oder nicht. Denn der Bestimmung verbleibt auch dann ein Geltungsbereich176, wenn man sie nach ihrem Wortlaut und nach den rechtslogischen Vorgaben nur auf diejenigen Fälle anwendet, in denen der Verwaltungsakt nach den erörterten Kriterien trotz der Änderung der Sach- oder Rechtslage rechtmäßig bleibt. Gegen die Interpretation des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 und 4 VwVfG als Sonderbestimmung für nachträglich an sich rechtswidrig gewordene Verwaltungsakte spricht ferner der Umstand, daß die Vorschrift die Widerrufsbefugnis von einer Gefährdung des öffentlichen Interesses abhängig macht. Diese Voraussetzung der Aufhebung wäre bei an sich nachträglich rechtswidrig gewordenen Verwaltungsakten überflüssig, weil ohnehin stets erfüllt. Denn die Aufrechterhaltung rechtswidriger Verwaltungsakte stellt immer eine Gefahr für öffentliche Interessen dar 177 .

174 Erichsen/Martens, § 16 Rdnr. 5; Ule/Laubinger, § 63 II 1 d; Pieroth, NVwZ 1984, 681 (683). 175 Schenke, DVB1. 1989, 433 (436). 176 A.A. Erichsen, in: Erichsen!Martens, § 16 Rdnr. 5; Adolf, JA 1988, 625 (627), der von einer Aushöhlung des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 und 4 VwVfG spricht. 177 Vgl. Schenkel Baumeister, JuS 1991, 547 (550); Schenke, BayVBl. 1990, 107 (109); ders., DVB1. 1989, 433 (436).

§ 2 Der Begriff des rechtmäßigen begünstigenden VA

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(d) Zusammenfassung So muß man zu dem Ergebnis kommen, daß aus den §§ 48, 49 VwVfG keine Argumente für die These der herrschenden Meinung hergeleitet werden können. Im Gegenteil: Das von § 49 VwVfG aufgestellte Verbot der rückwirkenden Beseitigung rechtmäßiger Verwaltungsakte zwingt zu der Konsequenz, nachträglich rechtswidrig gewordene Verwaltungsakte nicht als „rechtmäßig" im Sinne dieser Norm zu behandeln. Der nachträglich rechtswidrig gewordene Verwaltungsakt ist deshalb nach der Regelung der §§ 48, 49 VwVfG in Übereinstimmung mit den rechtslogischen Vorgaben als rechtswidriger Verwaltungsakt im Sinne des § 48 VwVfG zu klassifizieren.

(3) Historische Argumente Es bleibt noch zu erörtern, ob sich etwas Abweichendes aus der Entstehungsgeschichte der §§ 48, 49 VwVfG ergibt 178. Anlaß für derartige Überlegungen könnte die Feststellung in der amtlichen Begründung zum VwVfG sein, ein Verwaltungsakt sei rechtswidrig ergangen, „wenn das im Zeitpunkt seines Erlasses geltende Recht unrichtig angewendet oder bei der Entscheidung von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist" 179. Bei näherem Hinsehen kann man daraus jedoch gerade keine Schlüsse für die Geltung des § 49 VwVfG für nachträglich rechtswidrig gewordene Verwaltungsakte ziehen. Denn zum einen vermögen subjektive Auslegungsgesichtspunkte im Hinblick auf die zum Teil verfassungsrechtlich abgeleiteten Gegenargumente ohnehin keinen Ausschlag zu geben180. Zum anderen heißt es in der amtlichen Begründung ausdrücklich, dem rechtswidrigen Erlaß eines Verwaltungsaktes stehe es gleich, wenn der Eintritt neuer Umstände dazu führe, daß er rückblickend als rechtswidrig ergangen anzusehen sei. Wenn die Begründung damit auch vor allem rückwirkende Rechtsänderungen im Auge hat, wird man ihr nicht entnehmen können, daß sie die Existenz anderer nachträglich rechtswidrig gewordener Verwaltungsakte ausschließt181. Damit bleibt es bei dem gefundenen Ergebnis, wonach die Existenz nachträglich rechtswidrig gewordener Verwaltungsakte im Sinne des § 48 VwVfG zu bejahen ist.

178 179 180 181

Vgl. Adolf, JA 1988, 625 (627); Lange, WiVerw. 1979, 15 (16). Begründung, S. 68. Schenke, DVB1. 1989, 433 (440 f.). Schenke, DVB1. 1989, 433 (440 f.).

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Erster Abschnitt: Begriffsbestimmungen d) Der nachträglich rechtmäßig gewordene Verwaltungsakt

Die Frage, ob ein rechtswidrig erlassener begünstigender Verwaltungsakt nachträglich rechtmäßig werden kann mit der Folge, daß er nicht mehr rücknehmbar nach § 48 VwVfG, sondern nur widerruflich nach § 49 VwVfG ist, spielt in der Praxis der Gerichte kaum eine Rolle und wird in der Wissenschaft wenig erörtert. Es genügen daher folgende Hinweise: Ein rechtswidrig erlassener Verwaltungsakt wird dann rechtmäßig, wenn der Verstoß gegen die Rechtsnorm durch die Änderung der Sach- oder Rechtslage unbeachtlich wird. Dies wird man annehmen müssen, wenn das Gesetz die Unerheblichkeit des Rechts Verstoßes selbst anordnet. So stuft z.B. § 45 Abs. 1 VwVfG die Verletzung von Verfahrens- oder, Formvorschriften unter gewissen Voraussetzungen als „unbeachtlich" ein, wenn bestimmte Verfahrenshandlungen nachgeholt werden. Ferner wird man den Verstoß gegen die den Erlaß des Verwaltungsakts regelnde Norm als unerheblich ansehen müssen, wenn sich die Sach- oder Rechtslage so ändert, daß die Begünstigung nunmehr erlassen werden müßte. Da ihre Aufhebung in diesem Falle - wie noch auszuführen sein wird 182 ohnehin nicht zulässig wäre, geht es nicht an, sie weiter als rechtswidrig zu behandeln183. 3. Ergebnis Als Ergebnis der vorstehenden Untersuchung erweist sich, daß die Beurteilung der Fehlerfreiheit bzw. Fehlerhaftigkeit eines Verwaltungsakts bei der Anwendung der §§ 48, 49 VwVfG entgegen der herrschenden Meinung auf den Zeitpunkt der Aufhebungsentscheidung abzustellen hat. Ein Verwaltungsakt, der rechtmäßig erlassen worden ist, kann somit unter den erörterten Voraussetzungen wegen der Änderung der Sach- oder Rechtslage (auch) rücknehmbar nach § 48 VwVfG werden, so daß der unmittelbare Anwendungsbereich des § 49 VwVfG nur eröffnet ist, wenn der Verwaltungsakt trotz der Änderung der Sach- oder Rechtslage rechtmäßig bleibt.

182

Siehe § 5 A. Vgl. BVerwGE 82, 98; BVerwG, NVwZ 1990, 653; NVwZ 1990, 654; BayVGH, BayVBl. 1992, 211; Erichsen, in: Erichsen!Martens, § 16 Rdnr. 4; Stelkens!Sachs, in: StelkensIBonk!Leonhardt, VwVfG, § 48 Rdnr. 36; Adolf, JA 1988, 625 (626); Schenke, DVB1. 1989, 433 (441); ders., NVwZ 1986, 522 (527, 532); Schenke!Baumeister, JuS 1991, 547; Osterloh, JuS 1990, 942. A.A. Kopp, § 48 Rdnr. 24, der in diesen Fällen aber ein Verbot der Rücknahme annimmt. Vgl. auch Meyer, in: Meyer/Borgs, VwVfG, § 48 Rdnr. 11. 183

§ 2 Der Begriff des rechtmäßigen begünstigenden VA

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Ein Verwaltungsakt, der rechtswidrig erlassen worden ist, kann unter den dargestellten Voraussetzungen rechtmäßig werden mit der Folge, daß seine Rücknahme nach § 48 VwVfG ausscheidet und die Behörde auf einen Widerruf nach § 49 VwVfG beschränkt ist.

C. Der Begriff des begünstigenden Verwaltungsakts I. Die Legaldefinition des § 48 Abs. 1 Satz 2 VwVfG § 49 VwVfG enthält keine Begriffsbestimmung des begünstigenden Verwaltungsakts. Auch insoweit kann jedoch auf eine im Gesetz an anderer Stelle getroffene Legaldefinition zurückgegriffen werden. Es besteht kein Zweifel, daß die in § 48 Abs. 1 Satz 2 VwVfG vorgenommene begriffliche Festlegung des begünstigenden Verwaltungsakts im Rahmen des § 49 VwVfG maßgeblich ist 184 . Danach handelt es sich bei dem begünstigenden Verwaltungsakt um einen Verwaltungsakt, „der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat". Diese Legaldefinition scheint auf den ersten Blick keine Probleme aufzuwerfen. Eine Durchsicht der diesbezüglichen Rechtsprechung und Literatur zeigt jedoch, daß es bisher nicht gelungen ist, den einzelnen Alternativen der Begriffsbestimmung des begünstigenden Verwaltungsakts scharfe Konturen zu verleihen. 1. Die Begründung eines Rechts So wird die Frage, wann ein Verwaltungsakt ein Recht im Sinne des § 48 Abs. 1 Satz 2 VwVfG begründet, in der Lehre nicht ganz einheitlich beantwortet. Während Erichsen auf das subjektive öffentliche Recht abstellt185, definieren Ule/Laubinger das Recht im Sinne des § 48 Abs. 1 Satz 2 VwVfG als rechtlich geschütztes Interesse186. Nach Obermayer begründet ein Verwaltungsakt dann ein Recht, wenn er den Rechtskreis einer Person erweitert 187.

184 Klappstein, in: Knack, VwVfG, § 49 Rdnr. 6; Meyer, in: Meyer!Borgs, VwVfG, § 49 Rdnr. 17. Vgl. auch Stelkens ! Sachs, in: Stelkens / Bonkl Leonhardt, VwVfG, § 49 Rdnr. 19. Im übrigen gehen Rechtsprechung und Literatur stillschweigend von der Maßgeblichkeit der Legaldefinition des § 48 Abs. 1 Satz 2 VwVfG für § 49 Abs. 2 VwVfG aus. 185 186 187

Erichsen, in: Erichsen/Martens, § 15 Rdnr. 5. Ule I Laubinger, § 48 II 2. Obermayer, VwVfG, § 48 Rdnr. 39.

74

Erster Abschnitt: Begriffsbestimmungen

Richtig ist, daß sich die erste Alternative der Legaldefinition aufgrund des allgemeinen juristischen Sprachgebrauchs und der Gegenüberstellung von „Recht" einerseits und „rechtlich erheblichem Vorteil" andererseits nur auf subjektive öffentliche 188 Rechte beziehen kann. Folglich begründet ein Verwaltungsakt ein Recht, wenn er dem Begünstigten die konkrete Möglichkeit zuerkennt, von einem Hoheitsträger oder einem Dritten ein Tun, Dulden oder Unterlassen verlangen zu können189. Ansprüche auf ein Tun des Hoheitsträgers räumen zum einen diejenigen Verwaltungsakte ein, die dem Begünstigten eine Leistung gewähren. Dabei kann es sich um eine Geldleistung handeln, wie z.B. eine Subvention oder eine Rente, aber auch um eine Sach- oder Dienstleistung190. Der Anspruch kann zum anderen den Erlaß eines Verwaltungsakts zum Gegenstand haben, wie dies bei der Zusicherung nach § 38 VwVfG der Fall ist 191 . Hierher gehört schließlich auch die Zuerkennung eines besonderen Status, z.B. die Ernennung zum Beamten, der die mit ihm verbundenen Leistungsansprüche, z.B. Alimentationsansprüche, entstehen läßt 192 . Ansprüche auf ein Dulden gewähren alle Verwaltungsakte, die dem Begünstigten die Befugnis zu einem Tun verleihen 193. Hierunter fallen insbesondere Genehmigungen, Erlaubnisse und Konzessionen, wie z.B. die Baugenehmigung nach den Landesbauordnungen, die Fahrerlaubnis nach § 4 StVZO oder gewerberechtliche Erlaubnisse. Daneben gibt es zahlreiche weitere Verwaltungsakte, die zu einem Tun befugen, beispielsweise die Zulassung zu einer Prüfung, die Zuerkennung einer Auszeichnung oder die Genehmigung eines privatrechtlichen Rechtsgeschäfts 194. Ansprüche auf ein Unterlassen des Hoheitsträgers schließlich räumen solche Verwaltungsakte ein, die auf eine Belastung des Betroffenen verzichten (z.B. durch Erlaß einer Gebühr) oder eine Verpflichtung des Betroffenen

188 Nach Klappstein (in: Knack, VwVfG, § 49 Rdnr. 7.1) soll ein Verwaltungsakt auch privatrechtliche Rechte begründen können. Dazu vgl. Kopp, VwVfG, § 48 Rdnr. 45. 189 Zur Definition des subjektiven öffentlichen Rechts siehe z.B. Forsthoff\ § 10 3; Obermayer, Grundzüge, § 6 A I; Schmitt Glaeser, § 3 Rdnr. 217. 190 Obermayer, VwVfG, § 48 Rdnr. 39. 191 Klappstein, in: Knack, VwVfG, § 48 Rdnr. 7.1; Obermayer, VwVfG, § 48 Rdnr. 39. Vgl. auch BVerwGE 64, 24. 192 Obermayer, VwVfG, § 48 Rdnr. 39. 193 Obermayer, VwVfG, § 48 Rdnr. 39. 194 Klappstein, in: Knack, VwVfG, §48 Rdnr. 7.1; Obermayer, VwVfG, §48 Rdnr. 39.

§ 2 Der Begriff des rechtmäßigen begünstigenden VA

75

ganz oder teilweise aufheben. Rücknahme, Widerruf und Aufhebung belastender Verwaltungsakte im Widerspruchsverfahren sind aus diesem Grunde stets begünstigende Verwaltungsakte195.

2. Die Begründung eines rechtlich erheblichen Vorteils Größere Schwierigkeiten bereitet die Legaldefinition, soweit sie auf die Begründung eines rechtlich erheblichen Vorteils abstellt. Denn es fragt sich, unter welchen Voraussetzungen ein Vorteil „rechtlich erheblich" ist.

a) Die Auffassungen in Rechtsprechung und Literatur Die Rechtsprechung hat sich mit der Deutung des rechtlich erheblichen Vorteils im Sinne des § 48 Abs. 1 Satz 2 VwVfG noch nicht des näheren auseinandergesetzt, versteht darunter aber offenbar alle „rechtlich geschützten Interessen" 196. Diese Definition taucht auch in der Literatur auf 197 . Im übrigen wird der rechtlich erhebliche Vorteil im Schrifttum mit unterschiedlichen Wendungen umschrieben, die eine gewisse Unsicherheit über die Bedeutung dieses Begriffsmerkmals erkennen lassen. So definiert z.B. Kopp den rechtlich erheblichen Vorteil als jeden von der Rechtsordnung durch Sätze des öffentlichen Rechts als schutzwürdig anerkannten oder zumindest danach schutzfähigen und rechtlich geschützten Vorteil 198 . Nach Obermayer liegt ein rechtlich erheblicher Vorteil vor, wenn der Verwaltungsakt dem Begünstigten die Chance zur Gewinnung einer Rechtsposition gibt 199 . Laut Erichsen soll die Nennung des rechtlich erheblichen Vorteils klarstellende Funktion besitzen und einer engeren Auslegung des Begriffs „Recht" vorbeugen 200 . Die amtliche Begründung zum VwVfG gibt ebenfalls keinen ein-

195

OVG Lüneburg, NVwZ 1990, 675; OVG Münster, NVwZ 1985, 661; Klappstein, in: Knack, VwVfG, § 48 Rdnr. 7.4; Kopp, VwVfG, § 48 Rdnr. 41; Obermayer, VwVfG, § 48 Rdnr. 39; Stelkens/Sachs, in: Stelkens ! Bonk! Leonhardt, VwVfG, § 48 Rdnr. 82. 196 BayVGH, BayVBl. 1983, 20. Vgl. auch OVG Münster, NJW 1987, 2695 (2696). 197 Klappstein, in: Knack, VwVfG, § 48 Rdnr. 7.2. Ebenso wohl Stelkens ! Sachs, in: StelkensIBonk!Leonhardt, VwVfG, § 48 Rdnr. 80. 198 Kopp, VwVfG, § 48 Rdnr. 45. Ahnlich Erichsen, Jura 1981, 534 (537); Knoke, Rücknahme, § 3 I. 199 Obermayer, VwVfG, § 48 Rdnr. 40. 200 Erichsen, in: Erichsen!Martens, § 15 Rdnr. 5.

76

Erster Abschnitt: Begriffsbestimmungen

deutigen Aufschluß. Ihr ist zu entnehmen, daß der ,»rechtlich erhebliche Vorteil" in die Begriffsbestimmung des begünstigenden Verwaltungsakts aufgenommen wurde, „um Zweifel zum Nachteil des Bürgers zu vermeiden". Es bestünde „im übrigen wohl kein Zweifel, daß unter rechtlich erheblichem Vorteil auch Vorteile wirtschaftlicher Natur" fielen 201.

b) Stellungnahme Es wird darauf abzustellen sein, daß die Begründung eines rechtlich erheblichen Vorteils einerseits nur dann vorliegen kann, wenn der Verwaltungsakt dem Begünstigten kein Recht zuerkennt. Denn sonst wäre bereits die erste Alternative der Legaldefinition, die Begründung eines Rechts, erfüllt. Andererseits genügt es nicht, wenn ein bloß tatsächlicher Vorteil - im Sinne eines Rechtsreflexes - gewährt wird 202 . Denn hier liegt mangels Rechtswirkung nach außen meist kein Verwaltungsakt vor, abgesehen davon, daß ein solcher Vorteil eben nicht rechtlich erheblich wäre. So stellen etwa die tatsächlichen Auswirkungen sogenannter dinglicher Verwaltungsakte (§ 35 Satz 2 VwVfG) keine rechtlich erheblichen Vorteile dar 203 . Die herrschende Meinung erkennt daher z.B. die Benennung einer Straße nicht als begünstigenden Verwaltungsakt an mit der Konsequenz, daß eine Umbenennung nicht den Beschränkungen der §§ 48, 49 VwVfG unterfällt 204. Eine solche begünstigende Wirkung, die zwischen der Begründung eines Rechts und bloßem Rechtsreflex liegt, entfalten Verwaltungsakte, deren Regelungen als Tatbestandsvoraussetzungen anderer Rechtsvorschriften begünstigende Rechtsfolgen auslösen können, ohne selbst bereits diese Begünstigung zu gewähren205. Dies trifft beispielsweise zu für die Bewertung kultureller Programme, die - wie die Bewertung eines Films durch die Filmbewer-

201

Begründung, S. 68. Ebenso Ule ILaubinger, § 48 II 2. Erichsen, in: Erichsen/Martens, § 15 Rdnr. 5; Klappstein, in: Knack, VwVfG, § 48 Rdnr. 7.2; Kopp, VwVfG, § 48 Rdnr. 41, 43; Stelkens/Sachs, in: Stelkens/ Bonk/Leonhardt, VwVfG, § 48 Rdnr. 81; Knoke, Rücknahme, § 3 I. Vgl. auch OVG Münster, NVwZ 1987, 251 (252). 203 Erichsen, in: Erichsen/Martens, § 15 Rdnr. 5; Knoke, Rücknahme, § 3 I. Vgl. auch BayVGH, BayVBl. 1988, 496; Stelkens/Sachs, in: Stelkens/Bonk!Leonhardt, VwVfG, § 48 Rdnr. 81. 204 BayVGH, BayVBl. 1988, 496 (497); BayVBl. 1983, 20; VGH Mannheim, NJW 1979, 1670; OVG Münster, NJW 1987, 2695 (2696); Brugger, JuS 1990, 566 (571). Vgl. auch OVG Münster, DVB1. 1977, 257. A.A. Kopp, VwVfG, § 48 Rdnr. 46. 205 Zu diesen Verwaltungsakten vgl. Obermayer, VwVfG, § 35 Rdnr. 103 ff. Ähnlich wohl Kopp, VwVfG, § 48 Rdnr. 43. 202

§ 2 Der Begriff des rechtmäßigen begünstigenden VA

77

tungsstelle Wiesbaden - Voraussetzung von Steuererleichterungen ist 206 , die Festsetzung des Besoldungsdienstalters eines Beamten, Zeugnisse, beamtenrechtliche Beurteilungen oder das sogenannte Negativattest nach § 23 Abs. 2 BauGB 207 .

3. Die Bestätigung eines Rechts oder eines rechtlich erheblichen Vorteils Streitig ist ferner, wann ein Verwaltungsakt vorliegt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil „bestätigt". Die eine Meinung betrachtet jede - auch bloß deklaratorische - Bestätigung eines Rechts als begünstigenden Verwaltungsakt208. Eine engere Auffassung fordert zusätzlich, daß die Bestätigung des Rechts oder des rechtlich erheblichen Vorteils aufgrund eines Rechtssatzes Voraussetzung für die weitere Inanspruchnahme des Rechts bzw. des rechtlich erheblichen Vorteils sei 209 . Dieser letztgenannten Theorie dürfte der Vorzug zu geben sein, da allein die Feststellung des Bestehens eines Rechts oder eines rechtserheblichen Vorteils mangels Regelungscharakter kein Verwaltungsakt, sondern ein bloßer Hinweis auf die Rechtslage wäre 210.

II. Die Abgrenzung zum belastenden Verwaltungsakt Bei der Abgrenzung zwischen begünstigendem und belastendem Verwaltungsakt können im Einzelfall Schwierigkeiten auftreten. So mag man z.B. geteilter Auffassung sein, ob die Einberufung zum Wehrdienst211 oder das Zeugnis über das Bestehen einer juristischen Staatsprüfung mit einer bestimmten Note 212 eine Begünstigung oder eine Belastung darstellt.

206 207 208 209 210 211 212

Vgl. BVerwG, DVB1. 1962, 605. Vgl. Obermayer, VwVfG, § 35 Rdnr. 108 ff. Stelkens (Sachs, in: Stelkens ! Bonk! Leonhardt, VwVfG, § 48 Rdnr. 79. Obermayer, VwVfG, § 48 Rdnr. 41. Obermayer, VwVfG, § 48 Rdnr. 41, § 35 Rdnr. 138 f. Zur Ausmusterung vgl. BVerwGE 58, 37 (40 f.). Dazu Weber, BayVBl. 1984, 268 (269).

78

Erster Abschnitt: Begriffsbestimmungen 1. Der Begriff des belastenden Verwaltungsakts

Das VwVfG verwendet den Terminus des belastenden Verwaltungsakts nicht. Es spricht in § 49 Abs. 1 VwVfG vielmehr vom nicht begünstigenden Verwaltungsakt, ohne diesen begrifflich festzulegen 213. Man wird jedoch als belastende Verwaltungsakte - in Anlehnung an die Begriffsbestimmung des begünstigenden Verwaltungsakts in § 48 Abs. 1 Satz 2 VwVfG - solche Verwaltungsakte bezeichnen können, die eine Pflicht begründen, Gebote oder Verbote auferlegen, Rechte aufheben oder zum Nachteil des Betroffenen verändern oder bestätigen, sonstige rechtlich erhebliche Nachteile begründen oder bestätigen oder die Begründung eines Rechts oder rechtlich erheblichen Vorteils ablehnen214.

2. Das maßgebliche Unterscheidungskriterium In der Literatur ist gelegentlich Unsicherheit im Hinblick auf die Beantwortung der Frage erkennbar, nach welchen Kriterien der begünstigende vom belastenden Verwaltungsakt abzugrenzen ist. Es soll z.B. auf die Verkehrsauffassung und auf die allgemeinen Wertentscheidungen des Verfassungsrechts wie auch der Rechtsordnung im übrigen abzustellen sein215 bzw. auf die subjektiven Vorstellungen der Betroffenen 216. Derartige Überlegungen sind jedoch nicht erforderlich. Es kann vielmehr allein darauf ankommen, ob die dem Erlaß des Verwaltungsakts zugrundelie-

213 Zum Begriff des nicht begünstigenden Verwaltungsakts siehe OVG Lüneburg, NVwZ 1990, 675; Erichsen, in: Erichsen! Martens, § 15 Rdnr. 5; Ule ! Laubinger, § 48 II 2; Kopp, VwVfG, § 48 Rdnr. 42; Obermayer, VwVfG, § 49 Rdnr. 6; Stelkens I Sachs, in: StelkensIBonkILeonhardt, VwVfG, § 49 Rdnr. 11 ff.; Knoke, Rücknahme, § 3 II. Zur umstrittenen Frage der Existenz sog. neutraler - also weder begünstigender noch belastender - Verwaltungsakte vgl. VGH Mannheim, NJW 1979, 1670; Erichsen, in: Erichsen!Martens, § 15 Rdnr. 5; Ule!Laubinger, § 48 II 2; Kopp, VwVfG, § 48 Rdnr. 42; Meyer, in: Meyer!Borgs, VwVfG, § 48 Rdnr. 45; Obermayer, VwVfG, § 35 Rdnr. 70; Stelkens! Sachs, in: Stelkens ! Bonk! Leonhardt, VwVfG, § 49 Rdnr. 14. 214 OVG Lüneburg, NVwZ 1990, 675; Ule ! Laubinger, § 48 II 2; Kopp, VwVfG, §48 Rdnr. 42; Stelkens ! Sachs, in: Stelkens ! Bonk!Leonhardt, VwVfG, §49 Rdnr. 12. Vgl. auch OVG Münster, NVwZ 1989, 72. 215

Kopp, VwVfG, § 48 Rdnr. 46. Vgl. auch Klappstein, in: Knack, VwVfG, § 48 Rdnr. 7.2; Meyer, in: Meyer/Borgs, § 48 Rdnr. 49; Krause, NJW 1979, 1007 (1013). 216 HessVGH, NVwZ 1990, 383 (384); Kopp, VwVfG, § 48 Rdnr. 46; Stelkens ! Sachs, in: Stelkens!Bonk!Leonhardt, VwVfG, § 48 Rdnr. 80; Krause, NJW 1979, 1007 (1013).

§ 2 Der Begriff des rechtmäßigen begünstigenden VA

79

gende Rechtsnorm die betreffende Regelung als rechtliche Pflicht - dann liegt eine Belastung vor - oder als Recht ausgestaltet — dann liegt eine Begünstigung vor. In problematischen Fällen zeigt sich bei Anwendung dieser Formel zumeist, daß ein Verwaltungsakt sowohl belastende als auch begünstigende Wirkungen hervorbringt. Dies gilt z.B. für die Einberufung zum Wehrdienst. Es handelt sich hierbei um einen Statusakt, der für den Wehrpflichtigen Rechte (Wehrsold) wie Pflichten (Dienstpflichten) schafft. Das gleiche gilt für ein Zeugnis, das als Voraussetzung für den Eintritt weiterer begünstigender Rechtsfolgen je nach Note sowohl zum Vorteil als auch zum Nachteil gereichen kann. Die begriffliche Einordnung dieser Verwaltungsakte mit begünstigender und belastender Wirkung ist nun im folgenden noch kurz zu erörtern.

III. Die begriffliche Einordnung von Verwaltungsakten mit Doppelwirkung Verwaltungsakte, die sowohl begünstigende als auch belastende Wirkung entfalten, sollen hier als Verwaltungsakte mit Doppelwirkung bezeichnet werden. Sie sind in zwei Gruppen zu unterteilen. Einmal kann die begünstigende bzw. belastende Wirkung gegenüber ein und demselben Betroffenen auftreten. Das ist z.B. der Fall bei Statusakten, die für den Adressaten Rechte und Pflichten erzeugen, wie dies etwa bei der Einbürgerung gegeben ist. Diese Verwaltungsakte werden im folgenden Verwaltungsakte mit Mischwirkung genannt. Die begünstigende und belastende Wirkung kann aber auch gegenüber verschiedenen Personen eintreten, wie dies z.B. auf die Baugenehmigung zutrifft, die den Bauherren begünstigt und den Nachbarn belastet. Diese Verwaltungsakte werden im folgenden als Verwaltungsakte mit Drittwirkung bezeichnet217. § 48 Abs. 1 Satz 2 VwVfG berücksichtigt die Verwaltungsakte mit Doppelwirkung nicht ausdrücklich. Dennoch werden diese Verwaltungsakte nach zutreffender herrschender Meinung begrifflich' als begünstigende Verwaltungsakte eingeordnet218. Denn es kann kein Zweifel bestehen, daß die Ver-

217 Eine einheitliche Terminologie hat sich noch nicht herausgebildet. Vielfach wird unter einem Verwaltungsakt mit Doppelwirkung nur der Verwaltungsakt mit Drittwirkung verstanden (so insbesondere §§ 80 Abs. 1 Satz 2, 80a VwGO); diese Sprachregelung ist indes wenig glücklich. Vgl. Erichsen, in: Erichsen/Martens, § 15 Rdnr. 6; Ule /Laubinger, § 61 III 2, § 64 I 1; Horn, Drittanfechtung, § 3; Knoke, Rücknahme, § 3 III 1 a. 218

KG, NJW 1990, 1803; Klappstein, in: Knack, VwVfG, § 48 Rdnr. 7.5; Kopp, VwVfG, § 48 Rdnr. 47, 49; § 50 Rdnr. 12; Schenke, DÖV 1983, 320 (327). Vgl.

80

Erster Abschnitt: Begriffsbestimmungen

waltungsakte mit Doppelwirkung (auch) ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründen oder bestätigen. Die Widerruflichkeit von Verwaltungsakten mit Doppelwirkung wird daher in der vorliegenden Arbeit zu behandeln sein. Wenn die Verwaltungsakte mit Doppelwirkung auch begrifflich als begünstigende Verwaltungsakte zu qualifizieren sind, so stellt sich doch die Frage, ob und gegebenenfalls mit welchen Modifikationen die Vorschriften über den Widerruf begünstigender Verwaltungsakte Anwendung finden. Denn die belastende Rechtswirkung der Verwaltungsakte mit Doppelwirkung verbietet es, die Vorschriften über den Widerruf begünstigender Verwaltungsakte unbesehen anzuwenden. Die Problematik der Verwaltungsakte mit Doppelwirkung soll aber aus Gründen der Übersichtlichkeit im letzten Abschnitt der Arbeit zusammengefaßt erörtert werden. In den beiden folgenden Abschnitten bleibt sie ausgeklammert, so daß wir uns zunächst ausschließlich mit den nur begünstigenden Verwaltungsakten befassen.

auch BayVGH, BayVBl. 1984, 46 (48); Ule ! Laubinger, § 48 II 2; Stelkens ! Sachs, in: Stelkens ! Bonk! Leonhardt, VwVfG, § 48 Rdnr. 83.

Zweiter

Abschnitt

Die Voraussetzungen des Widerrufs rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakte nach § 49 VwVfG Die Zulässigkeit des Widerrufs rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakte bildet eine der Hauptschwierigkeiten jeder Widerrufsdogmatik. Während in der Zeit vor 1945 vielfach der Grundsatz der freien Widerruflichkeit solcher Verwaltungsakte tonangebend war 1, setzte sich nach dem Zweiten Weltkrieg die gegenteilige Überzeugung durch, wonach der rechtmäßige begünstigende Verwaltungsakt eine Rechtsposition darstellt, deren Entziehung wenn überhaupt - nur in engen Grenzen und ausnahmsweise statthaft sein kann. Die in § 49 VwVfG enthaltene Lösung schließt sich dieser Anschauung an2 und schränkt die Zulässigkeit des Widerrufs rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakte im Interesse des Betroffenen stark ein, indem sie das Vorliegen dreier kumulativ zu erfüllender Voraussetzungen verlangt, nämlich 1) das Eingreifen eines der in § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 - 5 VwVfG genannten Widerrufsgründe, 2) die Einhaltung der nach §§ 49 Abs. 2 Satz 2, 48 Abs. 4 VwVfG maßgeblichen Jahresfrist, 3) die fehlerfreie Ermessensentscheidung der Behörde über den Widerruf nach § 49 Abs. 2 Satz 1 VwVfG. Die Bedeutung dieser Anforderungen soll in den folgenden drei Unterabschnitten überprüft werden.

1 Siehe Fleiner, S. 196 ff., 200 ff.; Jellinek, S. 271 ff., 276; Kormann, S. 329 ff.; Mayer, S. 253 ff. Vgl. ferner Erichsen, in: Erichsen!Martens, § 17 Rdnr. 3. 2 Begründung, S. 72. 6 Bronnenmeyer

82

Zweiter Abschnitt: Die Voraussetzungen des Widerrufs 1. U n t e r a b s c h n i t t

Das Vorliegen eines Widerrufsgrundes nach § 49 Abs. 2 Satz 1 VwVfG Erste Voraussetzung der Widerruflichkeit eines rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakts ist, daß einer der Widerrufsgründe eingreift, die in § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 - 5 VwVfG genannt sind. Bevor diese Tatbestände im einzelnen untersucht werden, ist es notwendig, den abschließenden Charakter der Bestimmung des § 49 Abs. 2 Satz 1 VwVfG zu betrachten, der ein maßgebliches Kriterium für die Interpretation der Widerrufsgründe darstellt.

§ 3 Der abschließende Charakter des § 49 Abs. 2 Satz 1 VwVfG In Rechtsprechung und Wissenschaft ist anerkannt, daß § 49 Abs. 2 Satz 1 VwVfG als abschließende Ausnahmevorschrift zu qualifizieren ist3. Daraus folgert man das Prinzip der Unwiderruflichkeit rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakte, das von den Tatbeständen des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 - 5 VwVfG durchbrochen wird 4.

A. Die Begründung des abschließenden Charakters An der Qualifikation des § 49 Abs. 2 Satz 1 VwVfG als abschließender Ausnahmevorschrift kann kein Zweifel bestehen.

3 Achterberg, § 23 Rdnr. 78; Erichsen, in: Erichsen/Martens, § 17 Rdnr. 4; Ule/ Laubinger, § 63 II 1; Klappstein, in: Knack, VwVfG, § 49 Rdnr. 3.3, 6; Kopp, VwVfG, § 49 Rdnr. 20; Meyer, in: Meyer!Borgs, VwVfG, § 49 Rdnr. 17; Obermayer, VwVfG, § 49 Rdnr. 20; Stelkens ! Sachs, in: Stelkens I Bonkl Leonhardt, VwVfG, § 49 Rdnr. 19; Adolf, JA 1988, 625 (626); Dorn, DÖV 1988, 7 (14); Erichsen, Jura 1981, 590 (591); Häberle, Boorberg-Festschrift, S. 47 (88); Hengstschläger, Die Verwaltung 1979, 337 (364); Lacher, DÖV 1990, 63 (67); Weides, JuS 1985, 364 (368); Wendt, JA 1980, 85 (92). 4 Erichsen, in: Erichsen!Martens, §17 Rdnr. 4; Obermayer, VwVfG, §49 Rdnr. 20; Hengstschläger, Die Verwaltung 1979, 337 (364).

§ 3 Der abschließende Charakter des § 49 II 1 VwVfG

83

I. Der Wortlaut des § 49 Abs. 2 Satz 1 VwVfG Zum einen ergibt sie sich bereits zwingend aus der enumerativen Festlegung der Widerrufsgründe sowie aus dem Wortlaut der Bestimmung, wonach ein rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakt „nur" widerrufen werden darf, wenn einer der in den Nrn. 1 - 5 genannten Tatbestände eingreift 5.

II. Verfassungsrechtliche Vorgaben Zum anderen wäre § 49 Abs. 2 Satz 1 VwVfG auch ohne Hinweis im Gesetzestext aufgrund verfassungsrechtlicher Vorgaben als abschließend anzusehen. Denn es ist - ohne daß dies hier bereits im einzelnen vertieft werden müßte - davon auszugehen, daß die Zulässigkeit der Entziehung einer durch rechtmäßigen Verwaltungsakt gewährten Begünstigung jedenfalls prinzipiell im Widerspruch steht 1) zum verfassungsrechtlich in der Rechtsstaatlichkeit verankerten Grundsatz vom Vorrang des Gesetzes6 und der daraus fließenden Pflicht der Behörde, rechtmäßige Verwaltungsakte unter bestimmten Voraussetzungen aufrechtzuerhalten7, 2) zum Grundsatz der Rechtssicherheit8, der einer Aufhebung von Verwaltungsakten regelmäßig entgegensteht, 3) zum Gebot des Vertrauensschutzes9, 4) zu den Schranken der Antastbarkeit grundrechtlich (z.B. durch Art. 12 oder 14 GG) geschützter Positionen10. Der Widerruf rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakte kann daher auch aus verfassungsrechtlichen Gründen nur in Ausnahmesituationen, deren tatbestandliche Präzisierung § 49 Abs. 2 Satz 1 VwVfG enthält, statthaft sein.

5

Erichsen, in: Erichsen!Martens, § 17 Rdnr. 4. Vgl. auch BVerwGE 45, 85 (87). Achterberg, § 23 Rdnr. 78; Bull, § 12 Rdnr. 725; Maurer, § 11 Rdnr. 39; Adolf, JA 1988, 625 (626); Classen , DÖV 1989, 156 (157). Vgl. auch Begründung, S. 72. 7 Bull, § 12 Rdnr. 725. - Siehe im einzelnen § 5 A. 8 Maurer, § 11 Rdnr. 39; Kopp, VwVfG, § 49 Rdnr. 2. - Siehe auch § 7 B. 9 BVerfG, DVB1. 1982, 580 (581); Erichsen, in: Erichsen!Martens, § 17 Rdnr. 4; Maurer, § 11 Rdnr. 39; Kopp, VwVfG, § 49 Rdnr. 2; Adolf, JA 1988, 625 (626); Classen , DÖV 1989, 156 (157). - Siehe im einzelnen § 7 C.II, und § 8. 10 Erichsen, in: Erichsen!Martens, § 17 Rdnr. 4; Klappstein, in: Knack, VwVfG, § 49 Rdnr. 11; Kopp, VwVfG, § 49 Rdnr. 2. - Siehe im einzelnen § 5 B. 6



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Zweiter Abschnitt: Die Voraussetzungen des Widerrufs

B. Folgerungen für die Anwendung des § 49 Abs. 2 Satz 1 VwVfG Für die Anwendung des § 49 Abs. 2 Satz 1 VwVfG ergeben sich daraus folgende Konsequenzen:

I. Der Ausschluß sonstiger Widerrufsgründe Zunächst ist der abschließenden Regelung des § 49 Abs. 2 Satz 1 VwVfG zu entnehmen, daß die Behörde nicht befugt ist, einen rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakt aus anderen als den in § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 - 5 VwVfG genannten Gründen zu widerrufen 11. So ginge es z.B. nicht an, einen Widerruf allein auf öffentliche Interessen12 oder auf eine Erklärung des Begünstigten zu stützen, er sei mit dem Widerruf (unter bestimmten Voraussetzungen) einverstanden. Ein Widerruf ist - wie noch näher darzustellen ist13 - auch in diesem Falle nur zulässig, wenn einer der Tatbestände des § 49 Abs. 2 Satz 1 VwVfG (z.B. ein Widerrufsvorbehalt oder eine nicht erfüllte Auflage) eingreift. Denn aus dem Numerus clausus der Widerrufsgründe folgt, daß eine analoge Anwendung des § 49 Abs. 2 Satz 1 VwVfG wegen des Fehlens einer Regelungslücke grundsätzlich nicht denkbar ist14.

II. Die restriktive Interpretation der Tatbestandsmerkmale des § 49 Abs. 2 Satz 1 VwVfG Aus dem Charakter des § 49 Abs. 2 Satz 1 VwVfG als Ausnahmevorschrift ist ferner die Notwendigkeit der restriktiven Auslegung der einzelnen Tatbestandsmerkmale der Nrn. 1 - 5 abzuleiten. Hierüber herrscht im Schrifttum - von Differenzen in Details, denen im folgenden nachzugehen ist, abgesehen - Einigkeit15.

11 Klappstein, in: Knack, VwVfG, § 49 Rdnr. 6; Kopp, VwVfG, § 49 Rdnr. 20; Obermayer, VwVfG, § 49 Rdnr. 20; Weides, JuS 1985, 364 (368). 12 Achterberg, §23 Rdnr. 78; Stelkens ! Sachs, in: Stelkens I Bonk! Leonhardt, VwVfG, § 49 Rdnr. 20; Lacher, DÖV 1990, 63 (67). 13 Siehe § 4 A.II.2.b. und § 4 B.II.l. 14 Klappstein, in: Knack, VwVfG, § 49 Rdnr. 6; Obermayer, VwVfG, § 49 Rdnr. 20. A.A. Kopp, VwVfG, § 49 Rdnr. 20. 15 Achterberg, §23 Rdnr. 78; Erichsen, in: Erichsen!Martens, §17 Rdnr. 4; Klappstein, in: Knack, VwVfG, § 49 Rdnr. 6; Kopp, VwVfG, § 49 Rdnr. 20; Obermayer, VwVfG, § 49 Rdnr. 20; Stelkens / Sachs, in: Stelkens I Bonkl Leonhardt, VwVfG, § 49 Rdnr. 20.

§ 4 Die einzelnen Widerrufsgrnde des § 49 II 1 VwVfG

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§ 4 Die einzelnen Widerrufsgründe des § 49 Abs. 2 Satz 1 VwVfG Im folgenden soll nun geprüft werden, unter welchen Umständen die einzelnen Tatbestände des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 - 5 VwVfG den Widerruf zulassen.

A. Die Zulassung des Widerrufs durch Rechtsvorschrift oder Widerrufsvorbehalt nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwVfG Nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwVfG darf ein rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakt widerrufen werden, „wenn der Widerruf durch Rechtsvorschrift zugelassen oder im Verwaltungsakt vorbehalten ist".

I. Die Zulassung des Widerrufs durch Rechtsvorschrift nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 erste Alt. VwVfG Der Widerrufsgrund des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 erste Alt. VwVfG setzt voraus, daß eine Rechtsvorschrift den Widerruf zuläßt. Diese Regelung bereitet trotz ihres auf den ersten Blick einleuchtenden Inhalts einige Schwierigkeiten. 1. Der Begriff der Rechtsvorschrift Zweifelsohne sind mit Rechtsvorschriften im Sinne des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 erste Alt. VwVfG zunächst alle (Außen-)Rechtsnormen, also formelle Gesetze sowie Rechtsverordnungen und Satzungen gemeint16. Streitig ist aber, ob unter Rechtsvorschriften im Sinne des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 erste Alt. VwVfG auch Verwaltungsvorschriften subsumiert werden können, die keine Rechtsnormqualität besitzen. Praktische Bedeutung erlangt diese Frage insbesondere im Subventionsrecht17. Verwaltungsinterne Subventions-

16

Achterberg, § 23 Rdnr. 79; Erichsen, in: Erichsen!Martens, § 17 Rdnr. 6; Ule! Laubinger, § 63 II 1 a; Klappstein, in: Knack, VwVfG, § 49 Rdnr. 6.1.1; Stelkens! Sachs, in: Stelkens ! Bonk! Leonhardt, VwVfG, § 49 Rdnr. 23, § 36 Rdnr. 46; Erichsen, Jura 1981, 590 (591). 17 Zur Frage der Rechtsnormqualität von Subventionsrichtlinien vgl. BVerwGE 58, 45 (49 f.).

86

Zweiter Abschnitt: Die Voraussetzungen des Widerrufs

richtlinien enthalten nicht selten Regelungen, wonach eine rechtmäßig gewährte Zuwendung unter bestimmten Voraussetzungen - etwa bei zweckwidriger Verwendung der staatlichen Leistung - widerrufen werden kann. Diese Bestimmungen wären als Rechtsgrundlage eines Widerrufs unbedenklich, wenn sie von § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 erste Alt. VwVfG erfaßt wären. Während Kopp unter Bezugnahme auf Entscheidungen des OVG Koblenz18 und des V G Schleswig19 solche Verwaltungsvorschriften in bestimmten Fällen als Rechtsvorschriften im Sinne des 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 erste Alt. VwVfG ansieht20, nimmt die herrschende Meinung unter Hinweis auf den Zweck des § 49 Abs. 2 Satz 1 VwVfG eine ablehnende Haltung ein 21 . Gegen die Anerkennung von Verwaltungsvorschritten als Rechtsvorschriften im Sinne des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 erste Alt. VwVfG sprechen in der Tat erhebliche Bedenken. Verwaltungsvorschriften sind vom Wortlaut der ersten Alt. nicht erfaßt, da der Terminus der Rechtsvorschrift herkömmlicherweise auf (Außen-)Rechtsnormen abstellt. In Betracht kommt daher nur eine entsprechende Anwendung der ersten Alt. Diese verbietet sich jedoch schon aufgrund des - wie erörtert - abschließenden und damit nicht analogiefähigen Charakters des § 49 Abs. 2 Satz 1 VwVfG. Würde man Verwaltungsvorschriften als Rechtsvorschriften im Sinne des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 erste Alt. VwVfG ansehen, würden die Rechtsgrundlagen für die Beseitigung rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakte in unübersehbarer Weise vermehrt — dies kann nicht Sinn der Bestimmung sein. Ferner müßte eine entsprechende Anwendung des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 erste Alt. VwVfG auf Verwaltungsvorschriften an verfassungsrechtlichen Schranken scheitern. Wenn unter Rechtsvorschriften im Sinne des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 erste Alt. VwVfG auch verwaltungsinterne Rechtsakte zu verstehen wären, würde § 49 VwVfG auf diese Verwaltungsvorschriften in ihrer jeweiligen Fassung verweisen. Eine solche dynamische Verweisung auf Verwaltungsvorschriften ist jedoch nach zutreffender herrschender Meinung unvereinbar mit Art. 80 GG, der eine Rechtsetzung durch die Exekutive im Verhältnis zwischen Staat und Bürger grundsätzlich ausschließt22. Bei verfassungskonformer Interpretation des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwVfG schei-

18

OVG Koblenz, NJW 1981, 882. VG Schleswig, NJW 1982, 348. 20 Kopp, VwVfG, § 49 Rdnr. 25. 21 Achterberg, § 23 Rdnr. 79; Erichsen, in: Erichsen/Martens, § 17 Rdnr. 6; Ule/ Laubinger, § 63 II 1 a ; Klappstein, in: Knack, VwVfG, § 43 Rdnr. 6.1.1; Erichsen, Jura 1981, 590 (591). Vgl. ferner Oldiges, NJW 1984, 1927 (1934). 22 Siehe z.B. Brugger, VerwArch. 1987, 1 (37 f.); Schenke, NJW 1980, 743 (746 f.). 19

§ 4 Die einzelnen Widerrufsgriinde des § 49 II 1 VwVfG

87

det eine Gleichstellung von Rechtsvorschriften und Verwaltungsvorschriften somit aus. Diese Einwände erledigen sich entgegen Kopp23 nicht, wenn der Betroffene sich den Verwaltungsrichtlinien unterworfen hat und diese insoweit Teil des Verwaltungsakts geworden sind, denn eine Verwaltungsvorschrift erlangt dadurch nicht die Qualität einer Rechtsnorm. Soweit eine Verwaltungsvorschrift Teil des Verwaltungsakts wird, mag sie möglicherweise - wie noch zu erörtern ist 24 - die Funktion eines Widerrufsvorbehalts oder einer Auflage erfüllen. Jedenfalls aber befugt sie in ihrer Eigenschaft als Verwaltungsvorschrift nicht zum Widerruf. Auf die erwähnten Entscheidungen des OVG Koblenz und des V G Schleswig kann sich die Gegenauffassung nicht berufen. In beiden Fällen verstieß zwar die nicht zweckentsprechende Verwendung von Subventionen gegen verwaltungsinterne sogenannte Bewirtschaftungsgrundsätze, denen sich die Betroffenen unterworfen hatten. Aber es steht nicht fest, daß das OVG Koblenz oder das V G Schleswig in diesen Verwaltungsvorschriften Rechtsvorschriften im Sinne des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 erste Alt. VwVfG sahen. Das OVG Koblenz stützt den Widerruf vielmehr auf „§ 49 Abs. 2 Nr. 1 und 2 VwVfG" 2 5 , ohne daß zu erkennen wäre, welchen konkreten Widerrufsgrund das Gericht heranzieht. Das V G Schleswig zitiert § 117 Abs. 2 des Allgemeinen Verwaltungsgesetzes für das Land Schleswig-Holstein, ohne die Nummer der Vorschrift zu nennen und zieht als Rechtfertigung des Widerrufs die Unterwerfungserklärung des Betroffenen heran26. Beide Entscheidungen haben somit letztlich die Rechtsgrundlage des Widerrufs offengelassen, so daß sie von vornherein keinen Aufschluß für die Deutung des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 erste Alt. VwVfG geben können. Zusammenfassend ist festzustellen, daß Verwaltungsvorschriften keine Rechtsvorschriften im Sinne des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 erste Alt. VwVfG sind und als solche nicht zum Widerruf rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakte befugen.

23 24 25 26

Vgl. Kopp, VwVfG, § 49 Rdnr. 25. Siehe § 4 A.II.2.b.(l); § 4 B.II.2.b. OVG Koblenz, NJW 1981, 882. VG Schleswig, NJW 1982, 348 (349).

88

Zweiter Abschnitt: Die Voraussetzungen des Widerrufs 2. Die Zulassung des Widerrufs

Rechtsvorschriften, die den Widerruf rechtmäßiger Verwaltungsakte zulassen, befinden sich in zahlreichen Bestimmungen des besonderen Verwaltungsrechts. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Vorschrift die Bezeichnung „Widerruf oder aufgrund einer älteren Terminologie27 eine andere Vokabel - z.B. „Rücknahme" - verwendet, sofern sie inhaltlich den Widerruf rechtmäßiger Verwaltungsakte regelt28. Da nach der hier vertretenen Auffassung die nachträglich rechtswidrig gewordenen Verwaltungsakte den Rücknahmeregeln unterfallen, sind als spezielle Widerrufsnormen nur solche Bestimmungen anzusehen, die Fälle erfassen, in denen der Verwaltungsakt trotz der Änderung der Sach- oder Rechtslage nach den erörterten Kriterien nicht rechtswidrig geworden ist29. So wird man z.B. in § 15 Abs. 2 GastG eine Spezialvorschrift über die Aufhebung rechtswidrig gewordener Gaststättenerlaubnisse, in § 15 Abs. 3 GastG dagegen eine spezielle Regelung über den Widerruf rechtmäßiger Verwaltungsakte zu sehen haben30, die gegenüber § 49 VwVfG vorrangig ist31.

3. Die Bedeutung des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 erste Alt. VwVfG Wenn unter Rechtsvorschriften - wie gesehen - nur Rechtsnormen, nicht aber Verwaltungsvorschriften zu verstehen sind, so stellt sich die Frage nach der rechtsdogmatischen Bedeutung des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 erste Alt. VwVfG. Denn soweit der Widerruf rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakt in einem Fachgesetz des besonderen Verwaltungsrechts zugelassen ist, gilt entweder das VwVfG nach seinem § 2 ohnehin nicht (wie z.B. in weiten Teilen des Sozialrechts, § 2 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG) oder § 49 VwVfG ist nach den Subsidiaritätsklauseln des § 1 Abs. 1 und 2 VwVfG nachrangig. Dies hat zur Folge, daß § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 erste Alt. VwVfG dann, wenn eine Rechtsvorschrift den Widerruf zuläßt, nicht zur Anwendung gelangt32. (Allenfalls können andere Bestimmungen des § 49 VwVfG - wie

27

Hierzu siehe Ossenbühl, Rücknahme, S. 2 ff. Kopp, VwVfG, § 49 Rdnr. 26. 29 Siehe § 2 B.II. 30 Siehe § 2 B.II.2.c.(l).(b). 31 Vgl. BVerwG, BayVBl. 1989, 474; VGH Mannheim, GewArch. 1987, 132. 32 Erichsen, in: Erichsen!Martens, § 17 Rdnr. 6; Klappstein, in: Knack, VwVfG, § 49 Rdnr. 6.1.1; Obermayer, VwVfG, § 49 Rdnr. 25. Vgl. auch Kopp, VwVfG, § 49 Rdnr. 25. 28

§ 4 Die einzelnen Widerrufsgrnde des § 49 II 1 VwVfG

89

z.B. die Befristung der Widerrufsbeftignis durch §§49 Abs. 2 Satz 2, 48 Abs. 4 VwVfG 3 3 - ergänzend zur Spezialvorschrift hinzutreten, soweit diese keine Regelung trifft.) Somit kann § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 erste Alt. VwVfG weder als Verweisungsnorm begriffen werden34 noch selbst zum Widerruf eines rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakts befugen. Rechtsgrundlage des Widerrufs ist vielmehr die spezielle Rechtsvorschrift. Die Rechtmäßigkeit bzw. Rechtswidrigkeit eines Widerrufs beurteilt sich daher zunächst allein anhand der dort geforderten Voraussetzungen35 und erst in zweiter Linie nach den unter Umständen ergänzend hinzutretenden Normen des § 49 VwVfG. § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 erste Alt. VwVfG kann schließlich nicht als Ermächtigungsgrundlage für den Erlaß von Rechtsvorschriften qualifiziert werden, die zum Widerruf rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakte befugen. Eine solche Interpretation der Vorschrift stünde weder mit ihrem Wortlaut noch mit Art. 80 Abs. 1 GG in Einklang, wonach im ermächtigenden Gesetz sowohl der Ermächtigungsadressat als auch Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung bestimmt werden müssen. § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 erste Alt. VwVfG vermag unter diesen Umständen nur als ein überflüssiger und eher verwirrender als klarstellender Hinweis ohne eigenständige rechtliche Bedeutung angesehen zu werden36.

II. Die Zulassung des Widerrufs durch Widerrufsvorbehalt nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 zweite Alt. VwVfG § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 zweite Alt. VwVfG läßt den Widerruf eines rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakts zu, wenn der Widerruf „im Verwaltungsakt vorbehalten ist".

33

Vgl. dazu BayVGH, BayVBl. 1987, 727; VGH Mannheim, NVwZ 1984, 382. So aber Kopp, VwVfG, § 49 Rdnr. 24. 35 Klappstein, in: Knack, VwVfG, §49 Rdnr. 6.1.1; Obermayer, VwVfG, §49 Rdnr. 25. 36 Erichsen, in: Erichsen!Martens, § 17 Rdnr. 6; Klappstein, in: Knack, VwVfG, § 49 Rdnr. 6.1.1; Obermayer, VwVfG, § 49 Rdnr. 24; Weides, JuS 1985, 364 (367); Erichsen, Jura 1981, 590 (591). 34

90

Zweiter Abschnitt: Die Voraussetzungen des Widerrufs 1. Der Zweck der Vorschrift

Nach allgemeiner Auffassung beruht § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 zweite Alt. VwVfG auf dem Gedanken, daß der Betroffene wegen des Widerrufsvorbehalts mit dem Entzug der Begünstigung rechnen muß und deshalb keinen Vertrauensschutz verdient37. Indes ist damit nur die Zulässigkeit eines Widerrufs nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 zweite Alt. VwVfG - insbesondere unter dem verfassungsrechtlichen Aspekt der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes - erklärt, nicht aber sein bei der Auslegung der Vorschrift zu berücksichtigender Zweck. Denn das Fehlen schutzwürdigen Vertrauehs, allein rechtfertigt noch keine Aufhebung. Eine nähere Analyse hat vielmehr zu unterscheiden, ob der Widerruf einen rechtswidrigen oder einen rechtmäßigen Verwaltungsakt erfassen soll.

a) Bei rechtswidrigen Verwaltungsakten Zunächst ist nämlich in Erinnerung zu rufen, daß einerseits der die Ausübung des Widerrufsvorbehalts veranlassende Umstand unter gewissen Voraussetzungen zur nachträglichen Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts führen kann und andererseits § 49 VwVfG neben § 48 VwVfG für diese Verwaltungsakte wenigstens entsprechend gilt 38 . Soweit § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 zweite Alt. VwVfG zur Aufhebung nachträglich rechtswidrig gewordener Verwaltungsakte befugt, bezweckt die Vorschrift folglich die Herstellung rechtmäßiger Zustände. Dies muß hier nicht näher untersucht werden.

b) Bei rechtmäßigen Verwaltungsakten Schwieriger ist der Zweck der Vorschrift zu ermitteln, wenn es um den Widerruf von Verwaltungsakten geht, die trotz des Aufhebungsbedürfnisses rechtmäßig geblieben sind.

37 Achterberg, § 23 Rdnr. 80; Bull, § 12 Rdnr. 755; Kopp, VwVfG, § 36 Rdnr. 25; Meyer, in: Meyer!Borgs, VwVfG, § 49 Rdnr. 21, 24; Eichberger, GewArch. 1983, 105 (108); Gern! Wachenheim, JuS 1980, 276 (277); Schenke, DÖV 1983, 320 (326); Wendt, JA 1980, 85 (92). Siehe auch § 8 A.II.2. 38 Siehe § 2 B.II, und § 1 A.III.

§ 4 Die einzelnen Widerrufsgrnde des § 49 II 1 VwVfG (1) Die restriktive

Interpretation

91

der Vorschrift

Auf den ersten Blick scheint der Sinn der Bestimmung darin zu liegen, der Verwaltung eine sehr weitgehende Widerrufsbefugnis 39 einzuräumen. Dafür spricht nicht nur der Wortlaut des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 zweite Alt. VwVfG, der das Widerrufsrecht ausschließlich vom Vorliegen des Widerrufsvorbehalts abhängig macht. Auch der Umstand, daß der dem Verwaltungsakt beigefügte Vorbehalt des Widerrufs ein schutzwürdiges Vertrauen des Begünstigten auf den Bestand des Verwaltungsakts - jedenfalls grundsätzlich verhindert, könnte eine extensive Auslegung rechtfertigen. Eine solche Interpretation würde indes nicht nur den nachgewiesenen Ausnahmecharakter aller Widerrufstatbestände und das damit- verbundene Gebot einschränkender Auslegung übersehen. Sie wäre auch aus rechtssystematischen Gründen unhaltbar. Denn es ist zu bedenken, daß § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 zweite Alt. VwVfG an die Vorschriften des § 36 VwVfG über die Zulassung des Widerrufsvorbehalts anknüpft. Folglich unterfällt die Ausübung des Widerrufsvorbehalts den gleichen Begrenzungen wie seine in § 36 VwVfG normierte Statthaftigkeit. Denn § 49 VwVfG kann keinen Widerruf erlauben, wo § 36 VwVfG einen Widerrufsvorbehalt verbietet. Daraus ist zu schließen, daß die Widerrufsbefugnis des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 zweite Alt. VwVfG demjenigen Zweck zu dienen hat, den § 36 VwVfG mit dem Widerrufsvorbehalt verfolgt 40.

(2) Folgerungen Dies wiederum bedeutet, daß bei der Ermittlung des Zwecks der Vorschrift entsprechend § 36 VwVfG weiter zu differenzieren ist.

(a) Für gebundene Verwaltungsakte Bei Verwaltungsakten, auf deren Erlaß der Begünstigte einen Anspruch besitzt, dient der Widerrufsvorbehalt nach § 36 Abs. 1 VwVfG der Sicherstellung der gesetzlichen Voraussetzungen des Verwaltungsakts. Folglich kann auch die Ausübung des Widerrufsvorbehalts nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 zweite Alt. VwVfG nur dem Zweck dienen, Verwaltungsakte zu besei-

39

Eichherger, GewArch. 1983, 105. Vgl. Erichsen, Jura 1981, 590 (591). A.A. wohl Scheerbartk, (783). 40

DVB1. 1966, 780

92

Zweiter Abschnitt: Die Voraussetzungen des Widerrufs

tigen, deren gesetzliche Voraussetzungen nicht (mehr) vorliegen. Ein Widerruf aus anderen Gründen wäre von §§ 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 zweite Alt., 36 VwVfG nicht gedeckt. Die Richtigkeit dieser These wird von der Tatsache bestätigt, daß ein rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakt, der aufgrund gebundenen Rechts ergangen ist und dessen Erlaß-Voraussetzungen nicht weggefallen sind, mit gleichem Inhalt erneut erlassen werden müßte. Sein Widerruf wäre - wie noch zu zeigen ist 41 - ohnehin unzulässig42. Daraus folgt aber, daß § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 zweite Alt. VwVfG für den Widerruf eines rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakts, auf dessen Erlaß ein Anspruch besteht, nur eingeschränkte Bedeutung besitzt: Einerseits ist die Anwendung der Vorschrift ausgeschlossen, wenn die Voraussetzungen für den Erlaß des Verwaltungsakts weiterhin erfüllt sind. Fallen andererseits die gesetzlichen Voraussetzungen des Verwaltungsakts weg, so daß er nicht mehr erlassen werden dürfte, wird der Verwaltungsakt unter den erörterten Bedingungen rechtswidrig, so daß er bereits den Vorschriften des § 48 VwVfG unterworfen ist.

(b) Für nicht gebundene Verwaltungsakte Anders liegt es bei Verwaltungsakten, auf deren Erlaß kein Anspruch bestand und besteht. Hier gelten zwar nicht die Maßgaben des § 36 Abs. 1 VwVfG. Es ist jedoch anerkannt, daß die Behörde über die Beifügung der Nebenbestimmung nach § 36 Abs. 2 VwVfG eine pflichtgemäße Ermessensentscheidung zu treffen hat43. Die Nebenbestimmung muß daher vom Zweck der gesetzlichen Gesamtregelung, auf der die Begünstigung beruht, gedeckt sein44. Keinesfalls wird die Zweckbestimmung des Widerrufsvorbehalts allein darin bestehen können, der Behörde ohne besonderen Anlaß rein prophylaktisch für die Zukunft dadurch freie Hand zu schaffen, daß das Entstehen schutzwürdigen Vertrauens auf den Bestand des Verwaltungsakts untergraben wird 45 .

41

Siehe § 5 A. Vgl. Scheerbarth, DVB1. 1966, 780 (788); Weides, JuS 1985, 364 (367). 43 Ule!Laubinger, § 50 III 2; Kopp, VwVfG, § 36 Rdnr. 12; Meyer, in: Meyer! Borgs, VwVfG, § 36 Rdnr. 32 f.; Obermayer, VwVfG, § 36 Rdnr. 78; Stelkens, in: Stelkens!Bonk!Leonhardt, VwVfG, § 36 Rdnr. 61 ff. 44 Meyer, in: Meyer!Borgs, VwVfG, § 36 Rdnr. 33; Stelkens, in: Stelkens!Bonk! Leonhardt, VwVfG, § 36 Rdnr. 62. 45 Meyer, in: Meyer ! Borgs, VwVfG, § 36 Rdnr. 33. Vgl. auch BVerwG, NJW 1980, 2773; Lacher, DÖV 1990, 63 (67). 42

§ 4 Die einzelnen Widerrufsgrnde des § 49 II 1 VwVfG

93

Nach der hier vertretenen Prämisse verfolgt somit die Ausübung des Widerrufsvorbehalts nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 zweite Alt. VwVfG bei Verwaltungsakten, auf deren Erlaß kein Anspruch besteht, denjenigen Zweck, der die Beifügung des Widerrufsvorbehalts gerechtfertigt hat46.

2. Das Vorliegen eines Widerrufsvorbehalts Wenden wir uns nun der Frage zu, unter welchen Voraussetzungen ein Vorbehalt des Widerrufs im Sinne des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 zweite Alt. VwVfG vorliegt. a) Der Begriff des Widerrufsvorbehalts Der Widerruf ist nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 zweite Alt. VwVfG im Verwaltungsakt vorbehalten, wenn dieser mit einem Vorbehalt des Widerrufs im Sinne einer Nebenbestimmung gemäß § 36 Abs. 2 Nr. 3 VwVfG oder einer entsprechenden Spezialvorschrift erlassen wurde. Dies ist in der Literatur zu Recht völlig unstrittig47 und bedarf wegen der soeben erläuterten Verknüpfung des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 zweite Alt. VwVfG mit § 36 VwVfG keiner weiteren Diskussion. Eine hiervon abweichende ausdehnende Interpretation würde gegen die Notwendigkeit der restriktiven Auslegung der Tatbestandsmerkmale des § 49 Abs. 2 Satz 1 VwVfG verstoßen und dem Zweck der Vorschrift widersprechen, § 36 VwVfG zu ergänzen.

b) Problematische Einzelfälle (1) Der Widerrufsvorbehalt

in Verwaltungsvorschriften

In diesem Zusammenhang ist zunächst abzuklären, ob ein in verwaltungsinternen Richtlinien niedergelegter Widerrufsvorbehalt die Behörde wenigstens nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 zweite Alt. VwVfG zum Widerruf berechtigt, wenn Verwaltungsvorschriften schon nicht als Rechtsvorschriften im Sinne der ersten Alt. betrachtet werden können48.

46

Vgl. aber Eichberger, GewArch. 1983, 105 (107 f.). Achterberg, § 23 Rdnr. 80; Mayer! Kopp, § 15 IV 3; Ule ! Laubinger, 63 II 1 b; Klappstein, in: Knack, VwVfG, § 49 Rdnr. 6.1.2; Kopp, VwVfG, § 49 Rdnr. 28; Obermayer, § VwVfG, § 49 Rdnr. 27; Stelkens! Sachs, in: Stelkens ! Bonk! Leonhardt, VwVfG, § 49 Rdnr. 23. 48 Siehe § 4 A.I.l. 47

94

Zweiter Abschnitt: Die Voraussetzungen des Widerrufs

Der in Verwaltungsvorschriften formulierte Widerrufsvorbehalt als solcher befugt nicht zum Widerruf, da er nicht - wie § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 zweite Alt. VwVfG dies verlangt - als Nebenbestimmung „im Verwaltungsakt" enthalten ist. Eine analoge Anwendung der zweiten Alt. auf den Widerrufsvorbehalt in Verwaltungsvorschriften scheidet schon deshalb aus, da der abschließende Charakter der Widerrufsgründe und die Bindung an § 36 VwVfG eine entsprechende Geltung verbieten — auch hier käme es zu einer mit dem Zweck des § 49 Abs. 2 VwVfG generell nicht im Einklang stehenden Ausweitung der Widerrufsbefugnisse der Verwaltung. Abgesehen davon besteht zwischen dem im Verwaltungsakt und dem in Verwaltungsvorschriften enthaltenen Widerrufsvorbehalt ein sachlicher Unterschied, der eine Gleichbehandlung ausschließt: Wenn § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 zweite Alt. VwVfG den Widerruf des mit dem Widerrufsvorbehalt versehenen Verwaltungsakts ohne weitere Voraussetzung zuläßt, so beruht dies auf dem eingangs erwähnten Gedanken, daß der Begünstigte nicht schutzwürdig ist, weil er die Widerruflichkeit des Verwaltungsakts kennt. Diese Kenntnis ist sichergestellt, weil der Widerruf „im Verwaltungsakt vorbehalten", also der Begünstigung unmittelbar beigefügt und wie sie bekanntgegeben wird. Ergibt sich der Widerrufsvorbehalt hingegen nur aus Verwaltungsvorschriften, kann die Kenntnis des Begünstigten von der Widerruflichkeit nicht unterstellt werden — ein in Verwaltungsvorschriften enthaltener Widerrufsvorbehalt entfaltet nicht die Warnfunktion, die ihm zukäme, wenn er Teil der Regelung des Verwaltungsakts wäre. Ein Widerruf aufgrund eines Vorbehalts in Verwaltungsvorschriften kommt daher nur in Betracht, wenn die Verwaltungsvorschrift so in den Verwaltungsakt aufgenommen wird, daß sie als Nebenbestimmung nach § 36 Abs. 2 Nr. 3 VwVfG erscheint. Dies wäre z.B. zu bejahen, wenn die Behörde im Verwaltungsakt Bezug auf eine entsprechende Bestimmung der Verwaltungsvorschriften nimmt und diese dem Bescheid beifügt 49. Ähnlich lag es wohl in dem vom BVerwG entschiedenen sog. Gleisanschluß-Fall50. Nicht ausreichend ist es dagegen, wenn der Begünstigte die Verwaltungsvorschriften im Antrag auf Erlaß des Verwaltungsakts anerkennt51, sofern die Richtlinien dann nicht in den Verwaltungsakt selbst Eingang finden.

49

Vgl. BVerwG, DVB1. 1983, 810 f.; BayVGH, BayVBl. 1991, 209 (210); HessVGH, NVwZ 1989, 165 (166); OVG Koblenz, NJW 1981, 882; OVG Münster, DVB1. 1991, 1365; Erichsen, in: Erichsen/Martens, § 17 Rdnr. 7; Kopp, VwVfG, § 49 Rdnr. 28. 50 BVerwG, DVB1. 1983, 810 f. 51 Vgl. OVG Münster, DVB1. 1985, 532. Zweifelhaft daher BVerwG, NVwZ 1987, 498; VG Schleswig, NJW 1982, 348 (349).

§ 4 Die einzelnen Widerrufsgrnde des § 49 II 1 VwVfG (2) Der Widerrufsvorbehalt

95

in Unterwerfungserklärungen

Im Ergebnis ebenso verhält es sich, wenn der Begünstigte eine Erklärung abgegeben hat, wonach er mit dem Widerruf (unter bestimmten Voraussetzungen) einverstanden ist. Eine solche Erklärung kann nur dann als Widerrufsvorbehalt 52 ausgelegt werden, wenn sie als (zulässige) Nebenbestimmung des Verwaltungsakts erscheint. Ist dies nicht der Fall, darf der Widerruf auf die bloße Unterwerfungserklärung des Betroffenen nicht gestützt werden, da § 49 Abs. 2 Satz 1 VwVfG einen derartigen Widerrufsgrund nicht erwähnt53. Eine analoge Anwendung ist aus den erwähnten grundsätzlichen Erwägungen ausgeschlossen: Ließe man das Einverständnis des Betroffenen als Voraussetzung für den Widerruf genügen, könnte die Behörde ihre Eingriffsbefugnisse in einer von §§ 36, 49 VwVfG nicht vorgesehenen Weise erweitern. Eine andere Frage ist, ob eine Unterwerfungserklärung insbesondere wenn sie nach Erlaß des Widerrufs abgegeben wird - als Verzicht auf Rechtsmittel gegen den Widerruf interpretiert werden kann.

(3) Kein Widerrufsvorbehalt

im vorläufigen

Verwaltungsakt

In diesem Zusammenhang stellt sich weiter die Frage, ob der sogenannte vorläufige Verwaltungsakt einen Widerrufsvorbehalt in Sinne des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 zweite Alt. VwVfG enthält.

(a) Die Abgrenzung zwischen vorläufigem Verwaltungsakt und Widerrufsvorbehalt Unter einem vorläufigen Verwaltungsakt wird seit dem vieldiskutierten Urteil des BVerwG vom 14.04.198354 ein Verwaltungsakt verstanden55, der unter dem Vorbehalt der späteren endgültigen Entscheidung ergeht - z.B.

52

Oder als Auflage, siehe § 4 B.II.2.b. Vgl. OVG Münster, DVB1. 1985, 532 (533); Maurer, § 17 Rdnr. 29; Oldiges, NJW 1984, 1927 (1934); Weides, NJW 1981, 841 (842 f.). A.A. offenbar VG Schleswig, NJW 1982, 348 (349). 54 BVerwGE 67, 99 (102 f.). 55 Vgl. BVerwG, BayVBl. 1987, 87 (88); HessVGH, NVwZ 1990, 879 (881); OVG Münster, DVB1. 1991, 1365; Erichsen, in: Erichsen/Martens, § 11 Rdnr. 31; Maurer, § 9 Rdnr. 63b; Stelkens I Sachs, in: Stelkens / Bonkl Leonhardt, VwVfG, § 43 Rdnr. 29 ff.; Seibert, Bindungswirkung, S. 553 ff.; Kemper, DVB1. 1989, 981; Kopp, DVB1. 1989, 238; König, BayVBl. 1989, 33; Kreßel, BayVBl. 1989, 65; Peine, DÖV 1986, 849; Schimmelpfennig, BayVBl. 1989, 69; Tietze, JuS 1984, 240. 53

96

Zweiter Abschnitt: Die Voraussetzungen des Widerrufs

„vorbehaltlich des Ergebnisses der noch durchzuführenden Betriebsprüfung" - und nach Auffassung des BVerwG deshalb mit Erlaß der späteren Entscheidung seine Wirksamkeit von selbst verliert, ohne daß seine Aufhebung notwendig wäre. Wenn ein Verwaltungsakt einen solchen Regelungsinhalt besitzt, so liegt der Unterschied zum Verwaltungsakt, der mit einem Widerrufsvorbehalt ergeht, auf der Hand: Der vorläufige Verwaltungsakt verliert bei Eintritt eines gewissen Umstandes (z.B. ein bestimmtes Ergebnis der Betriebsprüfung) seine Wirksamkeit von selbst durch Erledigung56, der mit dem Widerrufsvorbehalt erlassene Verwaltungsakt muß aufgehoben werden — wenn auch unter Berufung auf den vorbehaltenen Widerruf. Dieser Unterschied ist unabhängig von der dogmatischen Konstruktion des vorläufigen Verwaltungsakts. Die Wirksamkeit des vorläufigen Verwaltungsakts endet bei Eintritt der betreffenden Umstände durch Erledigung und ohne Aufhebung, gleichgültig ob man ihn als Verwaltungsakt sui generis57 oder als Verwaltungsakt mit inhaltlicher Beschränkung58 oder auflösender Befristung59 ansieht. Es besteht deshalb in Rechtsprechung und Literatur nahezu Einmütigkeit, daß der vorläufige Verwaltungsakt kein Verwaltungsakt mit einem Widerrufsvorbehalt ist60. Damit ist zwar die dogmatische Abgrenzung des vorläufigen Verwaltungsakts zum Verwaltungsakt, der mit einem Widerrufsvorbehalt ergeht, eindeutig. In der Praxis kann es jedoch im Einzelfall Schwierigkeiten bereiten, beide Fälle zu unterscheiden. Es ist dann eine Frage der Auslegung des Verwaltungsakts, ob die eine oder andere rechtliche Gestaltung vorliegt. Wenig hilfreich ist hierbei die Formel des BVerwG, wonach der Widerrufsvorbehalt einer endgültigen Entscheidung beigefügt sei, der vorläufige Verwaltungsakt dagegen keine endgültige Entscheidung darstelle61. Denn auch der Widerrufsvorbehalt bewirkt, daß der Verwaltungsakt eben keine endgültige, son-

56

Stelkens ! Sachs, in: Stelkens ! Bonk!Leonharde VwVfG, § 43 Rdnr. 31; Götz, JuS 1983, 924 (927). 57 Schimmelpfennig, BayVBl. 1989, 69 (73). Offen gelassen von BVerwGE 67, 99 (103). 58 OVG Münster, DVB1. 1991, 1365 (1366). Offen gelassen von BVerwGE 67, 99 (103). 59 Kemper, DVB1. 1989, 981 (983). 60 BVerwGE 67, 99 (102 f.); OVG Münster, DVB1. 1991, 1365 (1366); König, BayVBl. 1989, 33 (36); Schimmelpfennig, BayVBl. 1989, 69 (72); Tiedemann, DÖV 1981, 786 (788). A.A. Kopp, VwVfG, § 36 Rdnr. 25; Kemper, DVB1. 1989, 981 (985). Vgl. auch Kopp, DVB1. 1989, 238 (239); Kreßel, BayVBl. 1989, 65 (66). 61 BVerwGE 67, 99 (102 f.).

§ 4 Die einzelnen Widerrufsgrnde des § 49 II 1 VwVfG

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dem nur eine vorläufige, weil unter dem Vorbehalt des Widerrufs stehende Verfügung darstellt. Man wird bei der Lösung zweifelhafter Fälle darauf abzustellen haben, welche Funktion der Vorbehalt im Verwaltungsakt jeweils erfüllen soll: Der Widerrufsvorbehalt dient nach § 36 VwVfG dazu, das Vorliegen der Erlaßvoraussetzungen eines Verwaltungsakts oder anderer Umstände, die gegeben sind, auch für die Zukunft zu sichern; der vorläufige Verwaltungsakt dient dazu, eine Regelung zu ermöglichen, obwohl die Voraussetzungen für ihren Erlaß nicht geprüft sind und ohne an diese Regelung gebunden zu sein62, weil sie mit Ergehen der endgültigen Entscheidung unwirksam wird. Ob die Behörde die eine oder die andere Regelung treffen will, ist anhand der Umstände des Einzelfalles zu ermitteln.

(b) Der vorläufige Verwaltungsakt als Umgehung der §§ 48, 49 VwVfG Da der vorläufige Verwaltungsakt, wie ihn das BVerwG versteht, seine Wirksamkeit ohne Widerruf verliert und damit nicht an den Kautelen des § 49 Abs. 2 VwVfG zu messen ist, haben ihn einige Autoren in der Literatur als unzulässige Umgehung der §§ 48, 49 VwVfG angesehen63. Man wird diesen Bedenken im Ergebnis zustimmen müssen. Es wäre allzu vordergründig plädiert, wollte man sich mit dem an sich zutreffenden Hinweis begnügen, daß die Vorbehaltsklausel im vorläufigen Verwaltungsakt keinen Vertrauenstatbestand entstehen läßt und der Betroffene den Schutz der §§ 48, 49 VwVfG nicht verdient, da er sich - wie z.B. auch bei der auflösenden Bedingung und Befristung, beim Widerrufsvorbehalt und bei der nicht erfüllten Auflage - auf den Wegfall der Wirksamkeit einstellen kann und muß64. Die Problematik des vorläufigen Verwaltungsakts liegt vielmehr darin, daß die Behörde grundsätzlich verpflichtet ist, Verwaltungsakte zu erlassen, die der vollen in §§ 43, 48, 49 VwVfG festgelegten Bestandskraft fähig sind, d.h. ihre Wirksamkeit nur in den gesetzlich vorgesehenen Fällen verlieren, z.B. durch Aufhebung oder Eintritt einer auflösenden Befristung oder Bedingung. Denn die Beendigung der Wirksamkeit eines begünstigenden Verwaltungsakts ist ein belastender Eingriff, der einer gesetzlichen Grundlage bedarf, gleichgültig, ob er auf der Aufhebung oder dem Rege-

62

Vgl. BVerwGE 67, 99 (103). Erichsen/Martens, § 11 Rdnr. 31; Ehlers, DVB1. 1986, 912 (918). Vgl. auch Gündisch, NVwZ 1984, 489 (494); Kreßel, BayVBl. 1989, 65 (68). Differenzierend wohl Götz, JuS 1983, 924 (927). 64 Kemper, DVB1. 1989, 981 (986). 63

7 Bronnenmeyer

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Zweiter Abschnitt: Die Voraussetzungen des Widerrufs

lungsgehalt des Verwaltungsakts selbst beruht65. Dies ergibt sich nicht zuletzt aus § 36 VwVfG, der die - dem vorläufigen Verwaltungsakt ähnliche Befristung des Verwaltungsakts von bestimmten Zulässigkeitsvoraussetzungen abhängig macht. Der vorläufige Verwaltungsakt besitzt, von Sondervorschriften abgesehen66, keine solche Rechtsgrundlage67, so daß er, sofern man ihn nicht generell als unzulässig betrachtet68, in Analogie zu § 36 VwVfG zumindest an die Voraussetzungen gebunden ist, die diese Bestimmung für die Anordnung eines Widerrufsvorbehalts, einer Bedingung oder Befristung verlangt69. 3. Die Rechtmäßigkeit des Widerrufsvorbehalts Seit langem umstritten ist die Frage, ob der Tatbestand des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 zweite Alt. VwVfG bereits dann eintritt, wenn der Widerrufsvorbehalt wirksam ist, oder ob zudem die Rechtmäßigkeit des Widerrufsvorbehalts gefordert werden muß. a) Die Auffassungen in Rechtsprechung und Literatur Die wohl überwiegende Auffassung geht davon aus, daß nur ein rechtmäßiger Widerrufsvorbehalt zum Widerruf nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 zweite Alt. VwVfG befugt 70. Sie begründet dies damit, daß die Verwaltung

65

Ähnlich Erichsen, in: Erichsen!Martens, § 11 Rdnr. 31. Beispiele bei Kreßel, BayVBl. 1989, 65 (66 ff.). 67 A.A. wohl König, BayVBl. 1989, 33 (36 f.), wonach die Befugnis, in der Sache selbst zu entscheiden, das Recht enthalte, eine vorläufige Regelung zu setzen. Keine Bedenken auch bei Kopp, DVB1. 1989, 238 (239); Tiedemann, DÖV 1981, 786 (789 f.). 68 Erichsen, in: Erichsen/Martens, § 11 Rdnr. 31. Kritisch auch Henke, DVB1. 1983, 1247. 69 A.A. Tiedemann, DÖV 1981, 786 (789 f.). Ehlers (DVB1. 1986, 912 [918]) macht die Zulässigkeit vorläufiger Verwaltungsakte davon abhängig, daß innerhalb angemessener Frist nicht endgültig entschieden werden kann. Vgl. auch Götz, JuS 1983, 924 (927). 70 Achterberg, § 23 Rdnr. 80; Erichsen, in: Erichsen!Martens, § 17 Rdnr. 7; Maurer, § 11 Rdnr. 41; Obermayer, VwVfG, § 49 Rdnr. 28; Erichsen, Jura 1981, 590 (591); Menger/Erichsen, VerwArch. 1970, 384 (389); Schenke, DÖV 1983, 320 (326); Weides, JuS 1985, 364 (367). Ebenso wohl BayVGH, BayVBl. 1982, 215. Widersprüchlich Klappstein, in: Knack, VwVfG, § 49 Rdnr. 6.1.2. Aus der älteren Rechtsprechung und Literatur vgl. BVerwGE 45, 235 (242); BVerwG, DVB1. 1965, 728 (729); Wolff/ Bachofl, § 53 IV d 2; von Münch, JZ 1964, 121 (122). 66

§ 4 Die einzelnen Widerrufsgründe des § 49 II 1 VwVfG

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durch rechtswidriges Handeln ihre Eingriffsbefugnisse gegenüber dem Bürger nicht erweitern könne71. Die auch vom BVerwG vertretene Gegenmeinung hält den Tatbestand des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 zweite Alt. VwVfG bereits dann für erfüllt, wenn der Widerrufsvorbehalt nur wirksam ist72; dessen Rechtswidrigkeit sei jedoch bei der Ermessensentscheidung über den Widerruf zu berücksichtigen73. Sie verweist zur Begründung auf die Wirksamkeit 74 bzw. Bestandskraft 75 des rechtswidrigen, aber nicht nichtigen Widerrufsvorbehalts. b) Stellungnahme Die letztgenannte Theorie scheint den Vorzug zu verdienen. Der rechtswidrige, aber nicht nichtige und nicht aufgehobene Widerrufsvorbehalt ist nach § 43 Abs. 2 VwVfG wirksam und daher als rechtsverbindlich zu beachten. Dem Betroffenen, der den rechtswidrigen Widerrufsvorbehalt unanfechtbar werden läßt, könnten die Rechtsbehelfsfristen und die Bestandskraft des Widerrufsvorbehalts entgegengehalten werden. Wenn unstreitig schon der rechtswidrige Widerruf eines rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakts in Bestandskraft erwachsen kann und damit als verbindlich zu beachten ist, müßte dies erst recht für einen rechtswidrigen Widerrufsvorbehalt gelten. Bei näherer Betrachtung erweist sich diese Anschauung jedoch als angreifbar, da sie die Tatbestandswirkung des rechtswidrigen Widerrufsvorbehalts zu Unrecht als zentrales Argument ansieht. Ausgangspunkt ist vielmehr die Frage, ob § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 zweite Alt. VwVfG nur rechtmäßige oder auch rechtswidrige, aber wirksame Widerrufsvorbehalte meint. Bei der Lösung dieses Interpretationsproblems kann die Bestandskraft des Widerrufsvorbehalts nur ein Aspekt unter mehreren sein.

71

Schenke, DÖV 1983, 320 (326). BVerwG, NVwZ 1987, 498; VGH Mannheim, NVwZ 1990, 482; Ule/Laubinger, § 63 II 1 b; Kopp, VwVfG, § 49 Rdnr. 30; Meyer, in: Meyer/Borgs, VwVfG, § 49 Rdnr. 23; Stelkens/Sachs, in: Stelkens/Bonk/Leonhardt, VwVfG, § 49 Rdnr. 24; Eichberger, GewArch. 1983, 105 (111 ff.). Offengelassen von BayVGH, BayVBl. 1986, 304 (306). Aus der älteren Rechtsprechung vgl. BayVGH, BayVBl. 1974, 134; VGH Kassel, ESVGH 15, 208 (210 f.); VGH Mannheim, ESVGH 19, 49 (50). 73 Ule!Laubinger, § 63 II 1 b; Klappstein, in: Knack, VwVfG, § 49 Rdnr. 6.1.2; Kopp, VwVfG, § 49 Rdnr. 30; Stelkens/Sachs, in: Stelkens/Bonk/Leonhardt, VwVfG, § 49 Rdnr. 24 f. A.A. Eichberger, GewArch. 1983, 105 (112 f.). 74 Meyer, in: Meyer/Borgs, VwVfG, § 49 Rdnr. 23. 75 Ule/Laubinger, § 63 II 1 b; Stelkens/Sachs, in: Stelkens/Bonk/Leonhardt, VwVfG, § 49 Rdnr. 24; Eichberger, GewArch. 1983, 105 (111 ff.). 72

7'

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Zweiter Abschnitt: Die Voraussetzungen des Widerrufs

Leitgedanke bei der Auslegung des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 zweite Alt. VwVfG ist die eingangs gewonnene Erkenntnis, daß es sich um eine eng zu interpretierende Ausnahmevorschrift handelt, die den Widerruf rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakte nur im Einklang mit § 36 VwVfG zuläßt. Dies verbietet es, unbesehen jeden bestandskräftigen Widerrufsvorbehalt als Rechtsgrundlage des Widerrufs zu akzeptieren. Es ist vielmehr davon auszugehen, daß das VwVfG in seinem § 49 keine weitergehenden Widerrufsbefugnisse einräumt, als § 36 VwVfG - oder eine Spezialvorschrift - gestattet76. Handelt es sich um einen rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakt, auf dessen Erlaß ein Anspruch bestand und noch besteht, ist ein Widerrufsvorbehalt nach § 36 Abs. 1 VwVfG (abgesehen von Spezialregelungen) nur zulässig, wenn er sicherstellen soll, daß die gesetzlichen Voraussetzungen des Verwaltungsakts erfüllt werden. Ist der Widerrufsvorbehalt wegen Verstoßes hiergegen rechtswidrig, ist nicht einzusehen, weshalb der Verwaltungsakt nur wegen der Bestandskraft des Widerrufsvorbehalts widerruflich sein sollte. Bestätigt wird die Richtigkeit dieses Ergebnisses wiederum von der bereits erwähnten und noch zu erörternden 77 Tatsache, daß ein Verwaltungsakt, auf dessen Erlaß ein Anspruch besteht, ohnehin nicht widerrufen werden kann, selbst wenn einer der Tatbestände des § 49 Abs. 2 Satz 1 VwVfG erfüllt ist78. Handelt es sich dagegen um einen Verwaltungsakt, auf dessen Erlaß kein Anspruch (mehr) besteht, ist weiter zu unterscheiden. War die Beifügung des Widerrufsvorbehalts materiell rechtswidrig, hat sich die Behörde auch hier eine Eingriffsbefugnis geschaffen, die vom Gesetz nicht vorgesehen und daher unbeachtlich ist. Dieses Ergebnis ist sachgerecht, da diejenigen Fälle, in denen ein überwiegendes öffentliches Interesse am Widerruf besteht, ohnehin nach § 48 VwVfG oder zumindest nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 oder 4 VwVfG gelöst werden können. Anders liegt es, wenn der Widerrufsvorbehalt nur an einem formellen Fehler leidet. Wäre die Beifügung des Widerrufsvorbehalts nach § 36 VwVfG an sich möglich gewesen, steht es mit der materiellen Gerechtigkeit in Einklang, wenn von dem Widerrufsvorbehalt Gebrauch gemacht wird.

76 In der Tat ist auch der amtlichen Begründung (S. 72) zu entnehmen, daß der Gesetzgeber bei § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 zweite Alt. VwVfG nur zulässige Widerrufsvorbehalte im Auge hatte. 77 Siehe § 5 A. 78 Ähnlich Stelkens/Sachs, in: Stelkens/Bonk/Leonhardt, VwVfG, § 49 Rdnr. 25. Vgl. dazu auch Eichberger, GewArch. 1983, 105 (106).

§ 4 Die einzelnen Widerrufsgrnde des § 49 II 1 VwVfG

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Die bloße Bestandskraft des vom Gesetz nicht vorgesehenen Widerrufsvorbehalts würde somit die Widerrufsmöglichkeiten der Verwaltung in einer Weise ausdehnen, die weder dem Schutz des Begünstigten vor dem Entzug rechtmäßiger Positionen noch dem eingangs erläuterten Zweck des § 49 Abs. 2 VwVfG gerecht wird. Zudem bestehen zwischen der Bestandskraft eines rechtswidrigen belastenden Eingriffsakts und eines einer Begünstigung beigefügten Widerrufsvorbehalts Unterschiede. Die Bestandskraft einer rechtswidrigen Belastung soll im Interesse der Rechtssicherheit verhindern, daß sie ständig neu in Frage gestellt wird. Beim Widerrufsvorbehalt ist dagegen eine Belastung, über deren Bestand endgültig Klarheit herrschen müßte, noch nicht eingetreten. Der Widerrufsvorbehalt ist vielmehr die Rechtsgrundlage für eine künftige Belastung — den Widerruf des begünstigenden Verwaltungsakts. Deshalb ist es durchaus möglich, auf die abschließende Wirkung der Bestandskraft des Widerrufsvorbehalts zu verzichten und vor Erlaß der Belastung - des Widerrufs - ihre Rechtsgrundlage nochmals zu überprüfen, ohne das System der Rechtsbehelfsfristen zu erschüttern. Dies unterscheidet den rechtswidrigen bestandskräftigen Widerrufsvorbehalt auch von der rechtswidrigen bestandskräftigen auflösenden Bedingung. Bei der auflösenden Bedingung wird der Verwaltungsakt allein durch den Bedingungseintritt unwirksam, beim Widerrufsvorbehalt ist noch eine Entscheidung der Behörde erforderlich, um die Unwirksamkeit herbeizuführen. Es ist daher nicht stichhaltig, wenn das BVerwG ausführt, daß der Betroffene „bei der Anfechtung des Widerrufs mit Argumenten, die sich gegen den Widerrufsvorbehalt richten, ebensowenig gehört werden" könne, „wie es ihm bei einer Bewilligung unter auflösender Bedingung eröffnet wäre, den Auswirkungen des Bedingungseintritts Gründe entgegen zu stellen, die die Beifügung der Bedingung betreffen" 79. Damit gelangt man zu dem Ergebnis, daß ein Widerrufsvorbehalt, der nach § 36 VwVfG (oder einer Spezialbestimmung) nicht ergehen durfte, nicht als Grundlage eines Widerrufs in Betracht kommt. Leidet der Widerrufsvorbehalt dagegen nur an einem formellen Fehler, hätte er aber materiell-rechtlich erlassen werden dürfen, ist der Tatbestand des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 zweite Alt. VwVfG erfüllt.

79

BVerwG, NVwZ 1987, 498 (499).

102

Zweiter Abschnitt: Die Voraussetzungen des Widerrufs 4. Das Vorliegen eines Widerrufsgrundes

Zu klären ist noch, ob ungeschriebenes80 Tatbestandsmerkmal der Widerruflichkeit rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakte nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 zweite Alt. VwVfG das Vorliegen eines bestimmten Widerrufsgrundes ist.

a) Keine Pflicht zur Angabe von Widerrufsgründen Die Antwort hängt zunächst davon ab, ob die Beifügung des Widerrufsvorbehalts ohne abschließende Angabe bestimmter Widerrufsgründe überhaupt statthaft ist. Denn wenn ein Widerrufsvorbehalt, der nicht auf bestimmte Gründe beschränkt ist, rechtswidrig wäre, wäre ein Widerruf nach dem soeben Ausgeführten ohnehin unzulässig. Die eine, wohl herrschende Meinung hält es nicht für erforderlich, daß der Widerrufsvorbehalt zum Ausdruck bringt, in welchen Fällen er ausgeübt werden wird 81. Eine andere Auffassung in der Literatur dagegen verlangt unter Berufung auf das Bestimmtheitsgebot, daß die Voraussetzungen eines möglichen Widerrufs festgelegt werden82; eine Entscheidung des BVerwG weist in dieselbe Richtung83. Man wird jedoch der herrschenden Meinung folgen müssen. Zum einen ordnet weder § 36 Abs. 2 Nr. 3 VwVfG noch § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwVfG oder § 37 Abs. 1 VwVfG die Angabe der Widerrufsgriinde an84. Zum anderen erfordert es das Bestimmtheitsgebot nicht, daß die Verwaltung die Gründe für einen Widerrufsvorbehalt im einzelnen nennt85, da der Betroffene durch die Begründungspflicht des § 39 VwVfG ausreichend geschützt ist86.

80

Selbstverständlich muß ein bestimmter Widerrufsgrund dann vorliegen, wenn ein Spezialgesetz die Ausübung des Widerrufsvorbehalts nur unter gewissen Voraussetzungen zuläßt. 81 BayVGH, BayVBl. 1986, 304 (306); Stelkens, in: Stelkens ! Bonk! Leonhardt, VwVfG, § 36 Rdnr. 22; Eichberger, GewArch. 1983, 105 (106 ff.). Vgl. auch HessVGH, NVwZ 1989, 165 (166). 82 Kopp, VwVfG, § 36 Rdnr. 28; Obermayer, VwVfG, § 36 Rdnr. 40; Gern! Wachenheim, JuS 1980, 276 (277). Vgl. auch Lacher, DÖV 1990, 63 (67). 83 BVerwG, DVB1. 1982, 795 (796). 84 BayVGH, BayVBl. 1986, 304 (306); Eichberger, GewArch. 1983, 105 (107). 85 BayVGH, BayVBl. 1986, 304 (306). Eingehend Eichberger, GewArch. 1983, 105 (107 f.). 86 Stelkens, in: Stelkens ! Bonk! Leonhardt, VwVfG, § 36 Rdnr. 22.

§ 4 Die einzelnen Widerrufsgrnde des § 49 II 1 VwVfG

103

b) Folgerungen Hat die Behörde die Gründe, unter denen sie den Widerrufsvorbehalt ausübt, nicht abschließend festgelegt, hängt die Tatbestandserfüllung des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 zweite Alt. VwVfG nicht vom Vorliegen bestimmter Widerrufsgründe ab. Es ist dann eine im Rahmen der Ermessensentscheidung zu lösende Frage, welche Gesichtspunkte den Widerruf zu rechtfertigen vermögen87. Hat sich die Behörde dagegen den Widerruf des Verwaltungsakts ausschließlich für den Fall des Eintritts bestimmter Umstände (z.B. nicht zweckentsprechende Verwendung einer Subvention88) vorbehalten, kommt eine Ausübung des Widerrufsvorbehalts nicht in Betracht, sofern diese Umstände nicht gegeben sind. Dies ist in Rechtsprechung und Literatur anerkannt89. Voraussetzung ist freilich, daß sich aus dem Widerrufsvorbehalt tatsächlich der eindeutige Wille der Behörde ergibt, den Verwaltungsakt nur bei Vorliegen der abschließend genannten Widerrufsgründe aufzuheben 90.

B. Die Nichterfüllung einer Auflage nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VwVfG Nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VwVfG darf ein rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakt widerrufen werden, „wenn mit dem Verwaltungsakt eine Auflage verbunden ist und der Begünstigte diese nicht oder nicht innerhalb einer ihm gesetzten Frist erfüllt hat".

87

Eichberger, GewArch. 1983, 105 (108). Siehe dazu § 8 A.II. Vgl. BVerwG, DVB1. 1983, 810 (811). Weitere Beispiele siehe OVG Münster, MDR 1979, 963; VGH Mannheim, GewArch. 1973, 244. 89 Klappstein, in: Knack, VwVfG, § 49 Rdnr. 6.1.2; Kopp, VwVfG, § 49 Rdnr. 28; Stelkens ! Sachs, in: Stelkens / Bonk / Leonhardt, VwVfG, § 49 Rdnr. 26; Eichberger, GewArch. 1983, 105. Vgl. auch BVerwGE 45, 235 (242); BVerwG, DVB1. 1983, 810 (811). - Ob unter diesen Umständen auch ein Verzicht der Behörde auf einen Widerruf des Verwaltungsakts aus den in § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 bis 5 genannten Gründen vorliegt, ist ebenfalls Auslegungsfrage, wird in der Regel jedoch zu verneinen sein. Vgl. hierzu Klappstein, in: Knack, VwVfG, § 49 Rdnr. 6; Kopp, VwVfG, § 49 Rdnr. 29. 90 Eichberger, GewArch. 1983, 105. Vgl. auch BVerwG, DVB1. 1983, 810 (811); Erichsen, in: Erichsen!Martens, § 17 Rdnr. 7. 88

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Zweiter Abschnitt: Die Voraussetzungen des Widerrufs

I. Der Zweck der Vorschrift Im Hinblick auf den Zweck des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VwVfG kann an die zur Ausübung des Widerrufsvorbehalts nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 zweite Alt. VwVfG entwickelten Betrachtungen angeknüpft werden91. Wenn gesagt wird, die Vorschrift beruhe auf dem Gedanken, daß der Entzug einer Begünstigung hinzunehmen sei, wenn der Betroffene mit ihrer Aufhebung rechnen muß und kein schutzfähiges Vertrauen auf ihren Bestand entstehen kann, weil er eine mit ihr verbundene Auflage nicht erfüllt 92, so erklärt dies wiederum nur die Zulässigkeit des Widerrufs unter dem verfassungsrechtlichen Aspekt der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzprinzips, nicht aber den Zweck des Widerrufs. Denn allein das Fehlen von schutzwürdigem Vertrauen gibt noch keinen Anlaß zur Aufhebung des Verwaltungsakts. Die Vorschrift kann auch nicht nur dem öffentlichen Interesse an der Durchsetzung der Auflage dienen93. Zwar gibt § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VwVfG der Behörde ein Druckmittel an die Hand, die Erfüllung der Auflage zu erzwingen, da sie bei Erlaß des Verwaltungsakts oder später dessen Aufhebung androhen kann. Die Vorschrift regelt aber gerade den Fall, daß diese Drohung versagt, die Begünstigung aufgehoben und die Auflage nicht mehr durchgesetzt wird. Es ist daher wiederum zu differenzieren, ob der Widerruf eines rechtswidrigen oder eines rechtmäßigen Verwaltungsakts erfolgen soll.

1. Bei rechtswidrigen Verwaltungsakten Ist der mit einer Auflage verbundene Verwaltungsakt rechtswidrig, dient der entsprechend geltende § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VwVfG der Wiederherstellung rechtmäßiger Zustände. Dieser Zweck kommt sicherlich zum Tragen, wenn die Begünstigung unabhängig von der Nichterfüllung der Auflage rechtswidrig ist. Wird z.B.

91

Siehe § 4 A.II.l. Achterberg, § 23 Rdnr. 81; Bull, § 12 Rdnr. 755; Erichsen, in: Erichsen /Martens, § 17 Rdnr. 8; Schenke, DÖV 1983, 320 (326); ders., JuS 1983, 182 (185). Vgl. auch Häberle, Boorberg-Festschrift, S. 47 (88); Wendt, JA 1980, 85 (92). 93 Vgl. Erichsen, in: Erichsen/Martens, § 17 Rdnr. 8, der darauf abstellt, daß der Begünstigte Verhaltenserwartungen zu enttäuschen droht; Begründung, S. 72, die das Durchsetzungsinteresse in den Vordergrund stellt. 92

§ 4 Die einzelnen Widerrufsgrnde des § 49 II 1 VwVfG

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einem unzuverlässigen Gewerbetreibenden eine Konzession mit einer Auflage erteilt, kann die Behörde, erfüllt der Begünstigte diese Auflage nicht, die Aufhebung der Konzession wahlweise nach § 48 VwVfG oder entsprechend § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VwVfG betreiben. Fraglich ist in diesem Zusammenhang allerdings, ob gerade die Nichterfüllung der Auflage die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts begründen kann. Zu denken ist einmal an die anfängliche Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts. Sie könnte angenommen werden, wenn der Verwaltungsakt ergeht, obwohl eine zwingende Voraussetzung für seinen Erlaß nicht vorliegt, sondern in Erfüllung der Auflage vom Begünstigten erst zu schaffen ist. Ein Beispiel wäre die Erteilung einer Erlaubnis für den Betrieb einer Spielhalle unter der Auflage, die Betriebsräume in einen § 33i Abs. 2 Nr. 2 GewO genügenden Zustand zu versetzen. Ein solcher Verwaltungsakt könnte rechtskonstruktiv als durch die Erfüllung der Auflage auflösend bedingt rechtswidrig (bzw. aufschiebend bedingt rechtmäßig) betrachtet werden. Damit träte man allerdings in Widerspruch zur herrschenden Meinung, die § 36 Abs. 1 VwVfG die ausnahmsweise Befugnis der Behörde entnimmt, einen Verwaltungsakt zu erlassen, obwohl dessen gesetzliche Voraussetzungen (noch) nicht erfüllt sind94. Führt somit die Nichterfüllung einer Auflage nicht zur anfänglichen Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts, könnte sie doch dessen nachträgliche Rechtswidrigkeit begründen. Denn die durch § 36 Abs. 1 VwVfG gewährten Erleichterungen für den Erlaß von Verwaltungsakten dürfen wegen des Gesetzmäßigkeitsprinzips nicht soweit gehen, daß der Verwaltungsakt für alle Zeit als rechtmäßig zu behandeln ist, obwohl eine zwingende Voraussetzung seines Erlasses auch nachträglich (durch Erfüllung der Auflage) nicht eingetreten ist. Vielmehr ist der Verwaltungsakt dann, wenn es sich um eine Erlaßvoraussetzung handelt, deren Wegfall gemäß den oben aufgezeigten Maßstäben95 zur nachträglichen Rechtswidrigkeit geführt hätte, als rechtswidrig zu behandeln, sofern die Auflage nicht erfüllt wird. Es ginge nämlich nicht an, den Begünstigten, der einer Auflage nicht gehorcht, besser zu stellen als einen Begünstigten, der sich einer nachträglichen Änderung der Sach- oder Rechtslage zu beugen hat. Insoweit kann der mit einer Auflage verbundene Verwaltungsakt als durch die Nichterfüllung der Auflage aufschiebend bedingt rechtswidrig (bzw. auflösend bedingt rechtmäßig) angesprochen werden. Auch in diesen Fällen kann die Behörde folglich zum Zwecke der Wie-

94

Erichsen, in: Erichsen/Martens, § 13 Rdnr. 10; Kopp, VwVfG, § 36 Rdnr. 9; Stelkens, in: Stelkens ! Bonkl Leonhardt, VwVfG, § 36 Rdnr. 55; Gern I Wachenheim, JuS 1980, 276 (278). 95 Siehe § 2 B.II.

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Zweiter Abschnitt: Die Voraussetzungen des Widerrufs

derherstellung rechtmäßiger Zustände wahlweise nach § 48 VwVfG oder entsprechend § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VwVfG vorgehen.

2. Bei rechtmäßigen Verwaltungsakten Bleibt der Verwaltungsakt dagegen trotz der Nichterfüllung der Auflage rechtmäßig (wie dies etwa bei dem Verstoß gegen eine Auflage der Fall ist, die zweckentsprechende Verwendung einer - zweckentsprechend verwendeten - Subvention nachzuweisen96), so gilt ähnlich wie beim Widerrufsvorbehalt folgendes:

a) Die restriktive Interpretation der Vorschrift Der Wortlaut des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VwVfG, der die Widerrufsbefugnis ausschließlich von der Nichterfüllung der Auflage abhängig macht, könnte ebenso zu einer extensiven Interpretation verleiten wie der Umstand, daß die Belange eines Begünstigten, der eine Auflage nicht erfüllt, grundsätzlich keinen Schutz verdienen und gegenüber dem Interesse der öffentlichen Gewalt zurückzutreten haben. Allerdings knüpft § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VwVfG wie § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 zweite Alt. VwVfG an die Vorschriften des § 36 VwVfG an. Der Zweck der Widerrufsbefugnis wegen Nichterfüllung einer Auflage kann folglich aus den oben dargestellten Gründen97 nur den Zielen entsprechen, die § 36 VwVfG mit dem Rechtsinstitut der Auflage verfolgt. Somit ist auch § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VwVfG restriktiv, insbesondere im Einklang mit § 36 VwVfG auszulegen.

b) Folgerungen Dies bedeutet, daß wiederum zwischen gebundenen und nicht gebundenen Verwaltungsakten zu unterscheiden ist.

96 97

Vgl. VGH Mannheim, NVwZ 1987, 520. Siehe § 4 A.II.l.

§ 4 Die einzelnen Widerrufsgrnde des § 49 II 1 VwVfG

107

(1) Für gebundene Verwaltungsakte Besteht auf den Erlaß der Begünstigung ein Rechtsanspruch, so soll die Auflage nach § 36 Abs. 1 VwVfG sicherstellen, daß die gesetzlichen Voraussetzungen des Verwaltungsakts erfüllt werden. Der Widerruf nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VwVfG kann daher nur den Zweck haben, Verwaltungsakte zu beseitigen, deren gesetzliche Voraussetzungen wegen der Nichterfüllung der Auflage nicht mehr gegeben sind. Daraus folgt, daß § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VwVfG wie § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 zweite Alt. VwVfG für rechtmäßig gebliebene Verwaltungsakte, die auf zwingendem Recht beruhen, nur eingeschränkte Relevanz besitzt: Führt die Nichterfüllung der Auflage nicht zum Fortfall des Anspruchs auf Erlaß des Verwaltungsaktes, ist ein Widerruf wie ausgeführt unzulässig, weil er erneut erlassen werden müßte98. Müßte der Verwaltungsakt wegen der Nichterfüllung der Auflage nicht mehr erlassen werden, wird er in der Regel rechtswidrig geworden und nach § 48 VwVfG rücknehmbar sein.

(2) Für nicht gebundene Verwaltungsakte Besteht kein Anspruch auf Erlaß des Verwaltungsakts, so muß die Beifügung der Auflage nach § 36 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG ebenso wie der Widerrufsvorbehalt einem sachlichen Grund genügen. Erfüllt der Betroffene die Auflage nicht, muß der Widerruf dem Zweck dienen, aus dem sie beigefügt war. Mit dieser Einschränkung kann man daher sagen, daß das Ziel des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VwVfG dahin geht, der Behörde keinen - wenn auch rechtmäßig gebliebenen - Verwaltungsakt aufzudrängen, den sie so nicht hat erlassen wollen99.

II. Die Verbindung des Verwaltungsakts mit einer Auflage Der Tatbestand des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VwVfG setzt zunächst voraus, daß der rechtmäßige begünstigende Verwaltungsakt mit einer Auflage verbunden ist.

98 99

Siehe § 4 A.II.l; § 5 A. Vgl. Stelkens, NVwZ 1985, 469 (471).

108

Zweiter Abschnitt: Die Voraussetzungen des Widerrufs 1. Der Begriff der Auflage

Unter einer Auflage im Sinne des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VwVfG ist nach § 36 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG eine Bestimmung zu verstehen, durch die dem Begünstigten ein Tun, Dulden oder Unterlassen vorgeschrieben wird. Die Auflage ist mit dem Verwaltungsakt verbunden, wenn sie ihm als Nebenbestimmung im Sinne des § 36 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG (oder einer entsprechenden Spezialvorschrift 100) beigefügt ist. Dies ist unstreitig101 und ergibt sich daraus, daß § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VwVfG in Wortlaut und systematischer Stellung an § 36 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG anknüpft. Eine hiervon abweichende Ausdehnung des Auflagenbegriffes ist wegen der gebotenen restriktiven Interpretation des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VwVfG und der Bindung an § 36 VwVfG prinzipiell nicht möglich.

2. Problematische Einzelfälle Im Schriftum werden einige Konstellationen diskutiert, in denen das Vorliegen einer Auflage im Sinne des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VwVfG aus diesem Grunde zweifelhaft ist. Insbesondere Kopp vertritt unter Berufung auf das BVerwG und den BayVGH die Auffassung, § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VwVfG sei „analog auch auf die Nichterfüllung sonstiger mit einem V A verbundener wesentlicher Pflichten anzuwenden"102. Diese These bedarf näherer Betrachtung, wobei davon auszugehen ist, daß sich solche sonstigen Pflichten aus dem Gesetz, aus Verwaltungsvorschriften sowie aus Hauptregelungen und inhaltlichen Beschränkungen des Verwaltungsakts ergeben können. a) Pflichten in Rechtsvorschriften Wird dem Begünstigten die Verpflichtung zu einem Tun, Dulden oder Unterlassen zwar durch Gesetz, nicht aber (zusätzlich) im Verwaltungsakt vorgeschrieben, so liegt keine Auflage vor und der Wortlaut des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VwVfG ist nicht erfüllt.

100

Stelkens ! Sachs, in: Stelkens / Bonk! Leonhardt, VwVfG, § 49 Rdnr. 28. Ule!Laubinger, § 63 II 1 c; Kopp, VwVfG, § 49 Rdnr. 31; Obermayer, VwVfG, § 49 Rdnr. 31; Stelkens ! Sachs, in: Stelkens/ Bonk! Leonhardt, VwVfG, § 49 Rdnr. 28. 102 Kopp, VwVfG, § 49 Rdnr. 31. 101

§ 4 Die einzelnen Widerrufsgrnde des § 49 II 1 VwVfG

109

Eine entsprechende Anwendung der Vorschrift wird man nicht vertreten können. Denn die Notwendigkeit einer restriktiven Interpretation des § 49 Abs. 2 Satz 1 VwVfG zeigt sich gerade in diesem Zusammenhang: Würde man den Widerruf bei Nichterfüllung gesetzlicher Pflichten zulassen, wäre die - gegenüber der vor Erlaß des VwVfG geltenden Auffassung 103 - einschränkende Regelung des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VwVfG ausgehöhlt und die Widerrufstatbestände würden im Widerspruch zur Intention des Gesetzes erheblich erweitert. Ferner besteht zwischen der Nichterfüllung einer Auflage und der Nichterfüllung einer (nur) im Gesetz verankerten Pflicht durchaus ein sachlicher Unterschied. Die Auflage wird dem Betroffenen im Verwaltungsakt ausdrücklich und eindeutig auferlegt und bekanntgegeben. Schutzwürdiges Vertrauen auf den Bestand der Begünstigung kann deshalb regelmäßig nicht entstehen. Das Gesetz dagegen ordnet Verpflichtungen abstrakt an; über ihre Tragweite im Einzelfall kann Zweifel oder Unkenntnis bestehen. Daher ist es gerechtfertigt, an die Mißachtung der für den Betroffenen klar erkennbaren Auflage die Folge des Widerrufs zu knüpfen, nicht aber an die Mißachtung gesetzlicher Pflichten. Dieser sachliche Unterschied besteht auch dann, wenn der Verwaltungsakt auf gesetzliche Pflichten hinweist, ohne eine Auflage anzuordnen, weil auch in diesem Fall die Verpflichtung abstrakt bleibt und nicht konkret für den Betroffenen ausgesprochen wird. Nichts anderes ergibt sich im übrigen aus der von der Gegenmeinung zitierten Rechtsprechung. Das Urteil BVerwGE 59, 124 behandelt einen Fall, in dem die Behörde ihre Zustimmung zur Verpflichtung des Begünstigten im Katastrophenschutz widerrufen hat, weil dieser seinen Dienst nicht erfüllte. Obwohl der Betroffene hier gesetzlichen Pflichten - der Diensterfüllung nicht nachkam, bezog sich das BVerwG zur Rechtfertigung des Widerrufs gerade nicht auf § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VwVfG, sondern auf den nachträglichen Eintritt von Tatsachen nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG 1 0 4 . Das Urteil des BayVGH in BayVBl. 1990, 690 ff. befaßt sich mit den Besonderheiten des Widerrufs einer wasserrechtlichen Erlaubnis nach den Spezialvorschriften des BayWG und trifft keine Aussage über die Interpretation des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VwVfG.

103 104

Vgl. BVerwGE 59, 125 (128); Wolff/ BVerwGE 59, 125 (128).

Bachof I, § 53 IV d 3.

110

Zweiter Abschnitt: Die Voraussetzungen des Widerrufs b) Pflichten in Verwaltungsvorschriften

Soweit Verpflichtungen zu einem Tun, Dulden oder Unterlassen nur in Verwaltungsvorschriften erscheinen, ist der Wortlaut des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VwVfG ebenfalls nicht erfüllt, da sie nicht als Auflagen mit dem Verwaltungsakt verbunden sind; insoweit liegt es hier ähnlich wie beim Widerrufsvorbehalt in Verwaltungsvorschriften 105. Enthalten Verwaltungsvorschriften - wie etwa die aus dem Subventionsrecht bekannten Bewilligungsbedingungen oder Bewirtschaftungsgrundsätze Verpflichtungen für den Betroffenen (z.B. Bestimmungen, wie er die Leistung zu verwenden habe), können diese dennoch unter gewissen Umständen als Auflagen im Sinne des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VwVfG eingeordnet werden. Voraussetzung ist auch hier, daß die Verpflichtung als Bestandteil des Verwaltungsakts erscheint und dem Begünstigten einseitig verbindlich auferlegt ist. Dafür genügt es, wenn der Verwaltungsakt auf die betreffenden Verwaltungsvorschriften Bezug nimmt und diese dem Bescheid beigefügt sind106. Sinngemäß das gleiche gilt, wenn sich der Begünstigte (z.B. in einem Antragsformular) einer Verpflichtung unterworfen hat. Auf die gleichgelagerte Problematik beim Widerrufsvorbehalt darf verwiesen werden 107. Kann die Verpflichtung in der Verwaltungsrichtlinie nicht als Auflage nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VwVfG betrachtet werden, verbietet sich eine analoge Anwendung der Vorschrift. Dies folgt schon aus dem abschließenden Charakter des § 49 Abs. 2 Satz 1 VwVfG und der Anknüpfung an § 36 VwVfG. Abgesehen davon besteht auch zwischen der Nichterfüllung einer Auflage und der Nichterfüllung einer Verwaltungsvorschrift ein sachlicher Unterschied, der eine Gleichbehandlung ausschließt. Während die nach § 36 VwVfG mit dem Verwaltungsakt verbundene Auflage dem Betroffenen zusammen mit der Begünstigung bekanntgemacht wird und daher sichergestellt ist, daß der Betroffene die Einschränkung seiner Rechtsstellung kennt, kann davon (wie bei gesetzlichen Pflichten) nicht ausgegangen werden, wenn sich die Verhaltensmaßregel nur aus einer Verwaltungsvorschrift ergibt, die dem Verwaltungsakt nicht beigefügt und daher nicht geeignet ist, das Entstehen schutzwürdigen Vertrauens in den Bestand des Verwaltungsakts zu unterbinden.

105 Siehe § 4 A.II.2. A.A. offensichtlich Kopp, VwVfG, § 49 Rdnr. 31 für Pflichten in Benutzungsbedingungen. 106 Vgl. BVerwG, DVB1. 1983, 810; BayVGH, BayVBl. 1991, 209 (210); OVG Koblenz, NJW 1986, 2129. 107 Siehe § 4 A.II.2.

§ 4 Die einzelnen Widerrufsgrnde des § 49 II 1 VwVfG

111

c) Pflichten in Hauptbestimmungen des Verwaltungsakts Verpflichtungen können sich für den Betroffenen ferner aus belastenden Hauptbestimmungen eines Verwaltungsakts mit Mischwirkung 108 ergeben. Ein Beispiel wäre ein Bescheid, der einerseits die Baugenehmigung für ein Wohnhaus erteilt, andererseits die Stillegung eines auf dem Grundstück an anderer Stelle befindlichen Gewerbebetriebes anordnet. Verletzt der Betroffene solche Pflichten, ist der Wortlaut des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VwVfG nicht erfüllt, weil unter Auflagen eben nur Nebenbestimmungen im Sinne des § 36 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG zu verstehen sind. Einer entsprechenden Anwendung des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VwVfG steht zum einen die generell notwendige restriktive Handhabung der Vorschrift sowie ihre rechtssystematische Abhängigkeit von § 36 VwVfG im Wege. Zum anderen kann der naheliegende Gedanke, die Nichterfüllung einer Hauptbestimmung müsse erst recht einen Widerrufsgrund darstellen, nicht durchgreifen. Denn obwohl auch die belastende Hauptbestimmung eine der Auflage ähnliche (Vertrauensschutz ausschließende) Warnfunktion entfaltet, besteht zwischen Belastungen in Hauptbestimmungen und in Nebenbestimmungen durchaus ein relevanter Unterschied: Eine Auflage kann der Begünstigung nur unter den Voraussetzungen des § 36 VwVfG, also zur Sicherung der Voraussetzungen der Begünstigung und aus einem sachlichen Grund beigefügt werden. Für belastende Hauptbestimmungen gilt diese Einschränkung nicht. Daher ist es angebracht, die Nichterfüllung einer Auflage, nicht aber die Nichterfüllung einer Hauptpflicht mit dem Widerruf zu sanktionieren. Daraus folgt einerseits, daß die Nichterfüllung einer belastenden Hauptbestimmung des Verwaltungsakts grundsätzlich keinen Widerruf nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VwVfG rechtfertigen kann. Andererseits dürfte ein Widerruf, gestützt auf einen Erst-Recht-Schluß, möglich sein, wenn die Hauptbestimmung auch als Auflage nach § 36 VwVfG hätte ergehen können, was für den eingangs gebildeten Beispielsfall zu verneinen ist, wenn die Stillegung des Gewerbebetriebes nicht Voraussetzung für den Erlaß der Baugenehmigung ist (§ 36 Abs. 1 VwVfG).

d) Inhaltliche Beschränkungen des Verwaltungsakts Schließlich stellt sich noch die Frage, ob ein Verstoß gegen inhaltliche Beschränkungen des Verwaltungsakts, die sich nicht als Auflagen erweisen,

108

Siehe § 2 CHI.; § 11.

112

Zweiter Abschnitt: Die Voraussetzungen des Widerrufs

den Tatbestand des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VwVfG verwirklicht 109 (z.B., wenn der Begünstigte ein dreistöckiges Gebäude errichtet, obwohl nur zwei Stockwerke genehmigt sind). Solche Beschränkungen können insbesondere in Gestalt der vielbeschworenen modifizierenden Auflagen auftreten, sofern man sie mit der herrschenden Meinung nicht als Auflagen im Sinne des § 36 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG gelten läßt 110 . Der Wortlaut der Vorschrift ist wiederum nicht erfüllt, weil keine Auflage vorliegt. Eine entsprechende Anwendung scheidet nicht nur aus den bekannten generellen Gründen aus. Mißachtet der Betroffene die Grenzen der Begünstigung (Bau eines dreistöckigen Hauses, wenn nur zwei Stockwerke genehmigt sind), so tut er etwas, wozu er keine Erlaubnis hat. Hiergegen hat die Behörde mit dem allgemeinen Ordnungsinstrumentarium einzuschreiten 111 . Ein Anlaß für die Entziehung der Begünstigung liegt jedoch nicht vor, da § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VwVfG keinen Strafcharakter hat und die Zwecke einer Auflage, wie sie § 36 VwVfG verfolgt, nicht in Rede stehen.

III. Die rechtlichen Anforderungen an die Auflage Liegt eine Auflage im Sinne des § 36 VwVfG vor, treten dennoch Zweifel auf, ob der Widerrufstatbestand des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VwVfG eingreift, wenn die Auflage rechtswidrig, aufgehoben oder von Anfang an nicht erfüllbar ist. 1. Die Rechtmäßigkeit der Auflage Ebenso wie beim Widerrufsvorbehalt ist bei der Auflage streitig, ob für das Vorliegen des Widerrufstatbestandes eine wirksame Auflage genügt112

109 Verneinend Stelkens ! Sachs, in: Stelkens ! Bonk! Leonhardt, VwVfG, § 49 Rdnr. 28. - Eine inhaltlich beschränkte, weil befristete Begünstigung lag wohl auch der Entscheidung des HessVGH in NVwZ 1984, 382 zugrunde. Das Gericht allerdings hat in der Zulassung des Begünstigten zur dritten Wiederholungsprüfung der Staatsprüfung für das Lehramt mit der Anordnung, die Prüfung „bis spätestens 30.04.1978 abzuschließen", einen Verwaltungsakt gesehen, der mit einer Auflage verbunden war. 110 Zum Meinungsstand siehe z.B. Erichsen, in: Erichsen!Martens, § 13 Rdnr. 8; Kopp, VwVfG, § 36 Rdnr. 38; Meyer, in: Meyer/Borgs, VwVfG, § 36 Rdnr. 20; Obermayer, VwVfG, § 36 Rdnr. 11; Stelkens, in: StelkensIBonk!Leonhardt, VwVfG, § 36 Rdnr. 42; Gern ! Wachenheim, JuS 1980, 276 (277 f.); Schenke, WiVerw. 1982, 142 (144); Weyreuther, DVB1. 1984, 365. 111 Schenke, WiVerw. 1982, 142 (144). 112 Ule!Laubinger, § 63 II 1 c; Kopp, VwVfG, § 49 Rdnr. 31; Meyer, in: Meyer!

§ 4 Die einzelnen Widerrufsgrnde des § 49 II 1 VwVfG

113

oder eine rechtmäßige Auflage erforderlich ist 113 . Auch hier wird man zu dem Ergebnis kommen müssen, daß die Nichterfüllung einer materiell rechtswidrigen, aber bestandskräftigen Auflage dem Tatbestand des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VwVfG nicht genügt, da diese eng auszulegende Ausnahmevorschrift keinen Widerruf zuläßt, wo § 36 VwVfG keine Auflage erlaubt. Auf die zur ähnlich gelagerten Problematik beim Widerrufsvorbehalt dargestellten Argumente darf verwiesen werden 114 . 2. Die aufgehobene Auflage Während bei der Ausübung des Widerrufsvorbehalts bislang lediglich streitig ist, ob dieser rechtmäßig sein muß, wird im Zusammenhang mit § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VwVfG zusätzlich die Frage diskutiert, ob auch eine aufgehobene Auflage zum Widerruf befugen kann. a) Die Auffassungen in Rechtsprechung und Literatur Ausgangspunkt dieser Streitfrage ist ein Urteil des BVerwG aus dem Jahre 1982, worin das Gericht ausgesprochen hat, „daß die Behörde für den Fall der Nichterfüllung einer Auflage (und daher auch für den Fall ihrer Aufhebung) grundsätzlich zum Widerruf der gewährten Begünstigung berechtigt ist (vgl. § 49 Abs. 2 Nr. 2 VwVfG)" 1 1 5 . Dies kann nur so verstanden werden, daß das Gericht entweder die Nichterfüllung der aufgehobenen Auflage oder die Aufhebung der Auflage selbst als Grund für die Widerruflichkeit des Verwaltungsakts nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VwVfG ansieht. Eine nähere Begründung enthält das Urteil für diese These nicht. Das BVerwG rechtfertigt mit der angeblichen Widerruflichkeit des begünstigenden Verwaltungsakts im Falle der Aufhebung einer ihm beigefügten Auflage vielmehr die umstrittene 116 Theorie von der isolierten verwaltungsgerichtli-

Borgs, VwVfG, § 49 Rdnr. 25; Stelkens ! Sachs, in: Stelkens ! Bonk! Leonhardt, VwVfG, § 49 Rdnr. 31. 113 Achterberg, §23 Rdnr. 81; Erichsen, in: Erichsen!Martens, §17 Rdnr. 8; Klappstein, in: Knack, VwVfG, §49 Rdnr. 6.2.1; Obermayer, VwVfG, §49 Rdnr. 33; Erichsen, Jura 1981, 590 (592). 114 Siehe § 4 A.II.3. 115 BVerwGE 65, 139 (141). 116 Vgl. BVerwGE 65, 139 (141); 55, 135 (136 ff.); 41, 178 (180 ff.); 36, 145 (153 f.); BVerwG, NVwZ 1984, 366 (367); DÖV 1974, 380 (381); OVG Münster, DVB1. 1991, 1366; Fehn, DÖV 1988, 202; Schenke, JuS 1985, 182; ders., WiVerw. 1982, 142; Stadie, DVB1. 1991, 613; Stelkens, NVwZ 1985, 469. 8 Bronnenmeyer

114

Zweiter Abschnitt: Die Voraussetzungen des Widerrufs

chen Anfechtbarkeit und Aufhebbarkeit rechtswidriger, mit einer Ermessensentscheidung verbundener Auflagen. Läßt man nämlich mit dem BVerwG die isolierte Kassation solcher Auflagen zu, kann es geschehen, daß der Behörde ein Verwaltungsakt aufgenötigt wird, den sie so nicht hat erlassen wollen und müssen. Um dieser Konsequenz aus dem Wege zu gehen, verweist das BVerwG auf die Befugnis der Behörde, den nach Aufhebung der Auflage zurückbleibenden begünstigenden Verwaltungsakt gemäß § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VwVfG zu widerrufen. Die Entscheidung ist in diesem Punkt überwiegend auf die Kritik des Schrifttums gestoßen117.

b) Stellungnahme An der Richtigkeit der vom BVerwG geäußerten Meinung bestehen erhebliche Zweifel. Zum einen erscheint es ausgeschlossen, die Nichterfüllung oder Nichterfüllbarkeit einer angefochtenen und aufgehobenen Auflage als Grund für den Widerruf eines rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakts heranzuziehen. Zunächst ist darauf zu verweisen, daß nach der hier vertretenen Auffassung § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VwVfG keinen Widerruf zuläßt, wenn § 36 VwVfG (oder die betreffende Spezialvorschrift) keine Auflage erlaubt. Wird die Auflage aber aufgehoben, so deshalb, weil sie nicht zulässig war 118 . Wenn also schon die rechtswidrige Auflage nicht zum Widerruf des begünstigenden Verwaltungsakts befugt, dann muß dies erst recht für die wegen ihrer Rechtswidrigkeit kassierte Auflage gelten119; gegen die Heranziehbarkeit einer aufgehobenen Auflage sprechen daher sämtliche gegen die Beachtlichkeit einer rechtswidrigen Auflage ins Feld geführten Argumente. Es kommt hinzu, daß die Auflage mit ihrer Aufhebung nach § 43 Abs. 2 VwVfG die Wirksamkeit verliert. Damit fällt die in ihr festgelegte Verpflichtung zu einem Tun, Dulden oder Unterlassen für den Begünstigten weg. Ist der Begünstigte aber nicht mehr zu einem bestimmten Verhalten verpflichtet, ist es undenkbar, an die „Nichterfüllung" der aufgehobenen und ohnehin nicht mehr durchsetzbaren Auflage eine Sanktion zu knüpfen.

117

Klappstein, in: Knack, VwVfG, § 49 Rdnr. 6.2.1; Kopp, VwVfG, § 49 Rdnr. 31; Fehn, DÖV 1988, 202 (207); Schenke, DÖV 1983, 320 (326); ders., JuS 1983, 182 (185 f.); Stadie, DVB1. 1991, 613 (615). Unentschieden Stelkens ! Sachs, in: Stelkens / Bonk!Leonhardt, VwVfG, § 49 Rdnr. 30. Zustimmend dagegen offensichtlich Ulel Laubinger, § 63 II 1 c; Stelkens, NVwZ 1985, 469 (471). 118

Fehn, DÖV 1988, 202 (207). Klappstein, in: Knack, VwVfG, § 49 Rdnr. 6.2.1; Fehn, DÖV 1988, 202 (207); Schenke, DÖV 1983, 320 (326); ders., JuS 1983, 182 (185 f.). 119

§ 4 Die einzelnen Widerrufsgründe des § 49 II 1 VwVfG

115

Unter diesen Umständen besteht kein Zweifel, daß sich § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VwVfG unmittelbar nur auf wirksame Auflagen bezieht. Eine entsprechende Anwendung der Vorschrift auf unwirksame Auflagen kommt aber nicht in Betracht. Abgesehen davon, daß diese schon wegen des Fehlens einer Regelungslücke unzulässig ist, sind die Nichterfüllung einer unwirksamen und einer wirksamen Auflage keine im wesentlichen gleichartigen Tatbestände, die nach Art. 3 Abs. 1 GG eine einheitliche Behandlung verlangen würden. Vielmehr bestehen hier sachliche Unterschiede, die eine Gleichbehandlung verbieten. Wie in der Literatur zutreffend hervorgehoben wurde, ermöglicht § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VwVfG eine Reaktion für den Fall der rechtswidrigen Nichterfüllung der Auflage durch den Begünstigten. Die Widerruflichkeit eines begünstigenden Verwaltungsakts bei Aufhebung einer rechtswidrigen Auflage käme im Ergebnis jedoch einer Sanktion der Rechtsmittel des sich rechtmäßig verhaltenden Begünstigten gleich120. Zudem kann in diesen Fällen das Motiv der Widerruflichkeit, auf dem § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VwVfG beruht - kein schutzwürdiges Vertrauen des Begünstigten, solange er die Auflage nicht erfüllt - , nicht zum Zuge kommen 121 . Erfüllt der Betroffene die Auflage nicht, weil er sie für rechtswidrig hält, dringt er damit durch und wird die Auflage aufgehoben, kann er gerade in einer rechtsstaatlichen Verfassungsordnung sehr wohl auf den Bestand des Verwaltungsakts vertrauen. Zum anderen ist es nicht vertretbar, in der Tatsache der Aufhebung der Auflage den Grund für den Widerruf des rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakts zu sehen. Zwar verfolgt § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VwVfG wie erwähnt - auch den Zweck, der Behörde keinen Verwaltungsakt aufzudrängen, den sie so nicht hat erlassen wollen. Zur Erreichung dieses Zwecks gibt die Vorschrift der Behörde aber nicht in jedem Falle die Möglichkeit des Widerrufs, sondern nur dann, wenn gerade der Betroffene die Auflage nicht erfüllt. Es käme also wiederum allenfalls eine analoge Anwendung des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VwVfG zum Zuge. Hier gilt das soeben Ausgeführte jedoch entsprechend. Es besteht kein sachlicher Grund, das Rechtsmittel des Begünstigten gegen eine rechtswidrige Auflage mit der Aufhebung des begünstigenden Verwaltungsakts zu vergelten. Damit erweist sich, daß die Folgen der isolierten verwaltungsgerichtlichen Aufhebung einer rechtswidrigen Auflage, die mit einer Ermessensentscheidung verbunden war, jedenfalls nicht über den Widerruf des Restverwal-

120 Fehn, DÖV 1988, 202 (207); Schenke, DÖV 1983, 320 (326); ders., JuS 1983, 182 (185 f.). Vgl. auch Stelkens ! Sachs, in: Stelkens ! Bonkl Leonhardt, VwVfG, § 49 Rdnr. 30. 121 Schenke, JuS 1982, 182 (186).

'

116

Zweiter Abschnitt: Die Voraussetzungen des Widerrufs

tungsakts nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VwVfG beseitigt werden können. Dieser Befund stellt ein weiteres Argument gegen die betreffende Rechtsprechung des BVerwG dar 122 .

3. Die von Anfang an nicht erfüllbare Auflage Ferner ist die Frage aufzuwerfen, ob auch eine Auflage, deren Erfüllung bereits bei Erlaß des Verwaltungsakts unmöglich ist, zum Widerruf nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VwVfG befugt.

a) Das Problem Auflagen, die der Begünstigte nicht erfüllen kann, haben die Rechtsprechung immer wieder beschäftigt. Illustrativ ist ein Urteil des BayVGH aus dem Jahre 1990 123 . Eine Gemeinde hatte nach Einholung der Zustimmung zum vorzeitigen Baubeginn einen Fußweg errichten lassen. Während der Arbeiten erließ das Landratsamt einen Zuwendungsbescheid, der u.a. die Auflage 124 enthielt, eine Ausschreibung nach der Verdingungsordnung für Bauleistungen Teil A ( V O B / A ) durchzuführen. Nach Fertigstellung der Maßnahme stellte das Landratsamt fest, daß keine Ausschreibung stattgefunden hatte. Der BayVGH hatte gegen den Widerruf des Zuwendungsbescheides nach § 44a Abs. 1 Satz 1 BayHO, der § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VwVfG entspricht, keine durchgreifenden Bedenken. Zwar werde mit der Auflage etwas im Zeitpunkt ihrer Anordnung bereits objektiv Unmögliches verlangt. Der Grundsatz, daß ein Verwaltungsakt, den aus tatsächlichen Gründen niemand ausführen kann, nichtig sei, lasse sich aber nicht uneingeschränkt auf Nebenbestimmungen übertragen. Denn durch die Nebenbestimmung werde niemand zu einem Tun verpflichtet, sondern es werde lediglich die Leistungsgewährung von einer zusätzlichen Voraussetzung abhängig gemacht. Daß

122

Fehn, DÖV 1988, 202 (207). Zu diesem Problem vgl. allgemein BVerwGE 65, 139 (140 f.); 55, 135 (136 ff.); 41, 178 (180 ff.); 36, 145 (153 f.); BVerwG, NVwZ 1984, 366 (367); DÖV 1974, 380 (381); OVG Münster, DVB1. 1991, 1366; Fehn, DÖV 1988, 202; Schenke, JuS 1985, 182; ders,„ WiVerw. 1982, 142; Stadie , DVB1. 1991, 613; Stelkens, NVwZ 1985, 469. 123

BayVGH, BayVBl. 1991, 209. Ob in casu tatsächlich eine Auflage vorlag, ist freilich zweifelhaft. In dem betreffenden Bescheid hieß es, die Zuwendung werde unter den in der Anlage bestimmten „Voraussetzungen" gewährt. Diese Anlage schrieb die Anwendung der VOB vor. Es wäre daher zu überlegen gewesen, ob die „Voraussetzungen" der Zuwendungsgewährung nicht als Bedingung hätten eingeordnet werden können. 124

§ 4 Die einzelnen Widerrufsgrnde des § 49 II 1 VwVfG

117

diese nicht erfüllt werden könne, sei hinnehmbar und zumutbar, solange der Zuwendungsempfänger mit der Auflage rechnen mußte.

b) Die Maßgeblichkeit des § 44 VwVfG Nach § 44 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG ist ein Verwaltungsakt nichtig, den aus tatsächlichen Gründen niemand ausführen kann. Die herrschende Meinung wendet diese Vorschrift auch auf Auflagen im Sinne des § 36 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG an 125 . Dies erscheint folgerichtig. Zwar ist umstritten, ob die Auflage ein (selbständiger) „Verwaltungsakt" ist 126 , auf den § 44 Abs. 2 VwVfG abzielt. Jedenfalls aber ist die Auflage Teil des Verwaltungsakts, mit dem sie verbunden ist 127 , und § 44 VwVfG erfaßt - wie sein Absatz 4 zeigt - ohne Zweifel auch Teile von Verwaltungsakten. Die Auffassung des BayVGH, die Nichtigkeitsfolge des § 44 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG könne man auf Nebenbestimmungen nicht übertragen, überzeugt dagegen nicht. Die Feststellung, durch die Auflage werde niemand zu einem Tun verpflichtet, widerspricht bereits dem Wortlaut des § 36 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG. Die Behauptung, eine Auflage mache die Leistungsgewährung von einer zusätzlichen „Voraussetzung" abhängig, ist zum einen unzutreffend 128 und zum anderen nicht geeignet, die Geltung des § 44 VwVfG für Auflagen in Zweifel zu ziehen. Schließlich ist auch die These, die Nichterfüllbarkeit einer Auflage mit der Folge der Aufhebbarkeit der Begünstigung sei hinnehmbar und zumutbar, solange der Zuwendungsempfänger mit der Auflage rechnen mußte, kein Argument gegen die herrschende Meinung129.

125

Erichsen, in: Erichsen!Martens, § 14 Rdnr. 31; UleILauhinger, § 50 VI, § 57 V; Klappstein, in: Knack, VwVfG, § 36 Rdnr. 3.2.4, § 44 Rdnr. 7; Obermayer, VwVfG, §44 Rdnr. 118; Stelkens I Sachs, in: Stelkens I Bonkl Leonhardt, VwVfG, § 44 Rdnr. 116; Schenke, JuS 1983, 182 (185); ders., WiVerw. 1982, 142 (149 ff.). 126 Bejahend z.B. Ule! Laubinger, § 50 II 4; Stelkens, in: Stelkens I Bonkl Leonhardt, VwVfG, § 36 Rdnr. 28; GernI Wachenheim, JuS 1980, 276 (277); Stelkens, NVwZ 1985, 469 (470). Verneinend z.B. Obermayer, VwVfG, § 36 Rdnr. 59 f.; Schenke, JuS 1983, 182 (184). 127 Obermayer, VwVfG, § 36 Rdnr. 59; Schenke, JuS 1983, 182 (184); ders., WiVerw. 1982, 142 (146). Vgl. aber Stelkens, NVwZ 1985, 469 (470). 128 Vgl. auch Stadie , DVB1. 1991, 613 (615). 129 Nicht näher geprüft hat das Gericht die Frage, ob die Nichterfüllung der Auflage für die Gemeinde wirklich objektiv unmöglich war. Die Bauarbeiten waren in dem konkreten Fall noch nicht abgeschlossen.

118

Zweiter Abschnitt: Die Voraussetzungen des Widerrufs c) Konsequenzen

Die Geltung des § 44 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG besagt, daß im Hinblick auf die Folgen der Nichterfüllbarkeit einer Auflage zu differenzieren ist. (1) Objektive

Unmöglichkeit

Nach § 44 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG ist die Auflage nichtig, wenn sie „aus tatsächlichen Gründen niemand ausführen kann". Liegt diese objektive Unmöglichkeit vor, ist die Auflage nach § 43 Abs. 3 VwVfG unwirksam und entsprechend den vorstehenden Ausführungen zur aufgehobenen Auflage unbeachtlich. Der Tatbestand des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VwVfG ist damit nicht erfüllt. Dies führt freilich nicht zu einer unangemessenen Bevorzugung des Betroffenen. Ist die Auflage nämlich nichtig, ist auch die ihr zugrundeliegende Begünstigung nach § 44 Abs. 4 VwVfG nichtig, wenn die Auflage so wesentlich ist, daß die Behörde den Verwaltungsakt ohne sie nicht erlassen hätte130. Der Behörde wird daher - sieht man die Auflage als nichtig an kein Verwaltungsakt aufgenötigt, den sie so nicht hätte erlassen dürfen oder müssen. (2) Subjektive

Unmöglichkeit

Ist die Erfüllung der Auflage nur dem Begünstigten unmöglich (subjektive Unmöglichkeit), bleibt die Auflage - wie aus § 44 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG e contrario folgt 131 - wirksam. Allerdings kann die subjektive Unmöglichkeit zur einfachen Rechtswidrigkeit der Auflage führen 132. Diese erfaßt in analoger Anwendung des § 44 Abs. 4 VwVfG unter Umständen den gesamten Verwaltungsakt 133, so daß dieser rechtswidrig und nach § 48 VwVfG rücknehmbar wird. Erfaßt die Rechtswidrigkeit dagegen nur die Auflage, kann ihre Nichterfüllung wie erläutert keinen Grund für den Widerruf des Verwaltungsakts bilden. Bleibt die Auflage jedoch trotz der subjektiven Unmöglichkeit rechtmäßig, so ist der Tatbestand des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VwVfG erfüllt.

130

Schenke, JuS 1983, 182 (185); ders., WiVerw. 1982, 142 (149 ff.). Siehe z.B. Obermayer, VwVfG, § 44 Rdnr. 92; StelkensISachs, in: Stelkens/ Bonk/Leonhardt, VwVfG, § 44 Rdnr. 72. 132 Vgl. Stelkens /Sachs, in: Stelkens/ Bonk!Leonhardt, VwVfG, § 44 Rdnr. 74. 133 Vgl. Schenke, JuS 1983, 182 (184); ders., WiVerw. 1982, 142 (149). 131

§ 4 Die einzelnen Widerrufsgrnde des § 49 II 1 VwVfG

119

IV. Die Nichterfüllung der Auflage Mit der Frage, wann der Begünstigte eine Auflage nicht oder nicht fristgerecht erfüllt hat, sind keine Probleme verbunden. Zu Recht ist unstreitig, daß auch die schuldlose134 oder nur teilweise135 Nichterfüllung oder verspätete Erfüllung 136 einer Auflage den Widerrufstatbestand des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VwVfG verwirklicht. Ob sie den Widerruf des Verwaltungsakts im Einzelfall rechtfertigt, ist eine Frage der Ermessensentscheidung137.

C. Der nachträgliche Eintritt von Tatsachen nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG Nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG darf ein rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakt widerrufen werden, „wenn die Behörde auf Grund nachträglich eingetretener Tatsachen berechtigt wäre, den Verwaltungsakt nicht zu erlassen, und wenn ohne den Widerruf das öffentliche Interesse gefährdet würde".

I. Der Zweck der Vorschrift Während sich das Telos des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 VwVfG aus der rechtssystematischen Verknüpfung mit § 36 VwVfG erhellen läßt, fehlt ein solcher Ansatzpunkt im Hinblick auf den Zweck des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG. Es muß indes wiederum danach differenziert werden, ob der Widerruf einen rechtswidrigen oder einen rechtmäßigen Verwaltungsakt betrifft.

134

Achterberg, § 23 Rdnr. 81; Erichsen, in: Erichsen/Martens, § 17 Rdnr. 8; Ulel Laubinger, § 63 II 1 c; Klappstein, in: Knack, VwVfG, § 49 Rdnr. 6.2.2; Kopp, VwVfG, § 49 Rdnr. 33; Meyer, in: Meyer!Borgs, VwVfG, § 49 Rdnr. 25; Obermayer, VwVfG, § 49 Rdnr. 32; Stelkens ! Sachs, in: Stelkens / Bonkl Leonhardt, VwVfG, § 49 Rdnr. 31; Begründung, S. 72. 135

Obermayer, VwVfG, § 49 Rdnr. 32. Kopp allerdings (VwVfG, § 49 Rdnr. 31) läßt nur „schwere Verstöße" genügen. 136 Stelkens/Sachs, in: Stelkens/Bonkl Leonhardt, VwVfG, § 49 Rdnr. 32. Vgl. auch HessVGH, NVwZ 1984, 382 (383); VGH Mannheim, NVwZ 1987, 520. 137 Siehe § 8 B.

120

Zweiter Abschnitt: Die Voraussetzungen des Widerrufs 1. Bei rechtswidrigen Verwaltungsakten

Ist die Behörde aufgrund nachträglich eingetretener Tatsachen berechtigt, den Verwaltungsakt nicht zu erlassen, wird dieser nach der hier vertretenen Auffassung unter bestimmten Voraussetzungen - nämlich dann, wenn seine Aufrechterhaltung mit Sinn und Zweck der seinen Erlaß regelnden Norm unvereinbar ist 138 - nachträglich rechtswidrig. Da § 49 VwVfG auch für rechtswidrige Verwaltungsakte gilt 139 , kann die Behörde die Begünstigung nach § 48 VwVfG zurücknehmen oder nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG widerrufen. § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG dient dann der Wiederherstellung rechtmäßiger Zustände.

2. Bei rechtmäßigen Verwaltungsakten Nicht so ohne weiteres ist dagegen die Frage zu beantworten, welchen Zweck § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG verfolgt, wenn der Verwaltungsakt trotz der Änderung der Sachlage rechtmäßig bleibt. Der Grund der Widerruflichkeit könnte nämlich in der geänderten Sachlage, in der entfallenen Verpflichtung zum Erlaß des Verwaltungsakts oder in der Gefährdung des öffentlichen Interesses zu sehen sein. Die Änderung der Sachlage und der Wegfall der Verpflichtung zum Neuerlaß des Verwaltungsakts allein können freilich nur die Zulässigkeit des Widerrufs rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakte nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG, nicht aber seinen Zweck erklären. Denn zwar bewirkt eine solche Änderung der Sachlage, daß der Widerruf keinen Konflikt mit dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung auslösen kann, da der Verwaltungsakt nicht erneut erlassen werden müßte140, und es ist auch richtig, daß der Begünstigte auf ein Gleichbleiben der sachlichen Verhältnisse nicht uneingeschränkt vertrauen darf, so daß ein Verstoß des Widerrufs gegen die Prinzipien der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes - jedenfalls in Verbindung mit der Entschädigungsregelung des § 49 Abs. 5 VwVfG - im Regelfall nicht eintreten wird 141 . Jedoch gibt dies allein noch keine Veranlassung, den Verwaltungsakt tatsächlich zu widerrufen 142.

138 139 140 141 142

Siehe § 2 B.II.2.C. Siehe § 1 A.III. Siehe § 5 A. Vgl. Maurer, § 11 Rdnr. 39. A.A. offensichtlich die amtliche Begründung (S. 73).

§ 4 Die einzelnen Widerrufsgrnde des § 49 II 1 VwVfG

121

Der Zweck eines Widerrufs nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG kann daher nur darin liegen, eine Gefährdung für die öffentlichen Interessen zu unterbinden143. Die Frage ist allerdings, ob die Vorschrift nur die Ausräumung solcher Gefahren ermöglichen soll, die gerade auf der nachträglichen Tatsachenänderung beruhen144, oder der Bekämpfung aller Gefahren für das öffentliche Interesse dient. Man wird aus mehreren Gründen der engeren Theorie den Vorzug geben müssen. Zum einen entspricht sie dem generellen Gebot der einschränkenden Anwendung der Widerrufstatbestände. Ferner würde man § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG, wollte man die Vorschrift dem Schutz des öffentlichen Interesses schlechthin dienstbar machen, einen generalklauselartigen Charakter zuweisen, der unter dem Gesichtspunkt des rechtsstaatlichen Erfordernisses der Bestimmtheit von Befugnisnormen verfassungsrechtliche Bedenken erwecken würde 145. Diesen kann abgeholfen werden, wenn die Vorschrift nur für Eingriffe instrumentalisiert wird, die aufgrund der Tatsachenänderung vorhersehbar sind. Schließlich spricht aber auch der Wortlaut des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG dafür, den Widerruf als Reaktion auf gerade durch neue Tatsachen hervorgerufene Gefährdungen des öffentlichen Interesses zu verstehen. Zwar ist der grammatischen Konstruktion nicht eindeutig zu entnehmen, daß die Tatsachenänderung nicht nur für den Fortfall der Verpflichtung zum Neuerlaß des Verwaltungsakts, sondern auch für die Gefährdung der öffentlichen Interessen kausal sein muß. Aus der sprachlichen Voranstellung der nachträglichen Tatsachenänderung ist jedoch immerhin zu schließen, daß sie nicht (nur) einschränkendes Tatbestandsmerkmal, sondern ursächlich mit der Gefahr für die öffentlichen Interessen verknüpft ist. Eine andere Deutung würde die nachträgliche Tatsachenänderung zum bloßen Vorwand dafür benutzen, rechtmäßige Begünstigungen beliebigen öffentlichen Interessen zu opfern. Zweck des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG ist es demnach, der Behörde eine Reaktionsmöglichkeit auf die Gefährdung des öffentlichen Interesses einzuräumen, die auf einer nachträglichen Änderung der Sachlage beruht.

143 Bull, § 12 Rdnr. 755; Obermayer, VwVfG, § 49 Rdnr. 21; Stelkens ! Sachs, in: Stelkens / Bonkl Leonhardt, VwVfG, § 49 Rdnr. 34. Vgl. auch Häberle, BoorbergFestschrift, S. 47 (88). 144 OVG Münster, NVwZ 1986, 583 (584); Kopp, VwVfG, § 49 Rdnr. 38. Ähnlich Meyer, in: Meyer/Borgs, VwVfG, § 49 Rdnr. 29; Obermayer, VwVfG, § 49 Rdnr. 39; Stelkens I Sachs, in: Stelkens ! Bonkl Leonhardt, VwVfG, § 49 Rdnr. 20, 34, 39; Häberle, Boorberg-Festschrift, S. 47 (88). 145 So Obermayer, VwVfG, § 49 Rdnr. 21, 39.

122

Zweiter Abschnitt: Die Voraussetzungen des Widerrufs

II. Der nachträgliche Eintritt von Tatsachen Voraussetzung eines Widerrufs nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG ist zunächst der nachträgliche Eintritt von Tatsachen.

1. Der Begriff der Tatsache Die Feststellung, wann eine „Tatsache" im Sinne des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG vorliegt, ist mit nicht unerheblichen Schwierigkeiten verbunden. a) Die restriktive Interpretation des Tatsachenbegriffs Zur Not könnte man bei wörtlicher Auslegung unter „Tatsachen" im Sinne des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG alle tatsächlichen und rechtlichen Umstände verstehen, die bei der Entscheidung über den Erlaß des Verwaltungsakts von Bedeutung sind. Rechtsprechung146 und Literatur 147 allerdings legen den Tatsachenbegriff des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG einschränkend aus. In Betracht sollen danach nur (entscheidungserhebliche) Elemente des Sachverhalts kommen; eine bloße andere Bewertung gleichgebliebener Tatsachen reiche nicht aus. Es kann nicht Sinn der Vorschrift sein, der Behörde eine Widerrufsmöglichkeit schon bei der Änderung beliebiger Umstände einzuräumen: Zur restriktiven Interpretation des Tatsachenbegriffs im Sinne des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG zwingen nicht nur generelle, aus dem Wesen des § 49 Abs. 2 Satz 1 VwVfG als abschließende Sondervorschrift fließende Aspekte, sondern auch ein Vergleich mit § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwVfG. Diese Norm unterwirft den wichtigsten Fall der Änderung rechtlicher Umstände die Änderung von Rechtsvorschriften - einer Sonderregelung, die den Widerruf der Begünstigung an strengere Voraussetzungen knüpft als § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG. Daraus ist zu schließen, daß die Veränderung anderer rechtlicher Umstände, die von § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwVfG nicht erfaßt wird, erst recht nicht nach Nr. 3 zum Widerruf befugen kann. Vom Tatsachenbegriff auszunehmen sind daher alle Umstände, die zur Rechtsanwendung durch die Behörde - also zur Sachverhaltsfeststellung und zur Subsum-

146

(261).

BVerwG, BayVBl. 1991, 408; DVB1. 1982, 1004. Vgl. auch BVerwGE 58, 259

147 Erichsen, in: Erichsen/Martens, § 17 Rdnr. 9; Ule/Laubinger, § 63 II 1 d aa; Klappstein, in: Knack, VwVfG, § 49 Rdnr. 6.3.1; Kopp, VwVfG, § 49 Rdnr. 38.

§ 4 Die einzelnen Widerrufsgrnde des § 49 II 1 VwVfG

123

tion - zählen148. Folglich ist der Tatsachenbegriff im Sinne des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG auf Umstände des Lebenssachverhalts zu beschränken, die Gegenstand, nicht Teil der Rechtsanwendung sind149. Für diese einschränkende Interpretation spricht im übrigen ein weiteres Argument. Wären als Tatsachen auch solche Umstände anzusehen, die der Rechtsanwendung zuzurechnen sind, hätte es die Behörde in der Hand, selbst solche Widerrufsgründe - etwa durch Erlaß von Verwaltungsvorschriften oder Änderung ihrer Ermessenspraxis - zu produzieren. Dem soll die Ausnahmevorschrift des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG sicherlich keinen Vorschub leisten. Dagegen ist es nach dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift für die Erfüllung des Widerrufstatbestandes nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG nicht notwendig, daß die Tatsachenänderung in den Verantwortungsbereich des Begünstigten fällt 150 . Dieser Umstand ist jedoch bei der Ermessensentscheidung zu berücksichtigen151.

b) Konsequenzen des eingeschränkten Tatsachenbegriffs Sachliche Umstände, die nach diesen Kriterien als Tatsachen im Sinne des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG gelten können, liegen z.B. vor, wenn 1) ein Wehrpflichtiger seine Mitarbeit beim Katastrophenschutz beendet, deretwegen er freigestellt war 152 ; 2) die Wohnhausbebauung an einen Gewerbebetrieb heranrückt 153;

148

Meyer, in: MeyerI Borgs, VwVfG, § 49 Rdnr. 27. Meyer, in: Meyer/Borgs, VwVfG, § 49 Rdnr. 27, unter Hinweis auf den Tatsachenbegriff des § 48 Abs. 4 VwVfG. Meyer will allerdings (ebd., Rdnr. 29) nur die Änderung solcher Tatbestandsmerkmale als beachtlich ansehen, „deren Vorhandensein der Rechtssatz, auf dem der Verwaltungsakt beruht,' nicht nur bei dessen Erlaß, sondern auch während der Geltung voraussetzt". Nach der hier vertretenen Auffassung wird der Verwaltungsakt bei Wegfall solcher Voraussetzungen u.U. rechtswidrig. Vgl. auch Schock, NVwZ 1985, 880 (882). 150 Erichsen, in: Erichsen/Martens, § 17 Rdnr. 9; Klappstein, in: Knack, VwVfG, § 49 Rdnr. 6.3.1; Kopp, VwVfG, § 49 Rdnr. 38; Stelkens/Sachs, in: Stelkens/Bonk/ Leonhardt, VwVfG, § 49 Rdnr. 34. 149

151

Siehe § 8 C.II.2.C. Vgl. BVerwGE 59, 124; OVG Münster, NVwZ 1985, 132 (133); Kopp, VwVfG, § 49 Rdnr. 38. Zur Frage, ob hier und in den folgenden Fällen ein nachträglich rechtswidrig gewordener Verwaltungsakt vorliegt, siehe § 2 B.II. 153 Kopp, VwVfG, § 49 Rdnr. 38; Stelkens/Sachs, in: Stelkens/Bonk/Leonhardt, VwVfG, § 49 Rdnr. 34. 152

124

Zweiter Abschnitt: Die Voraussetzungen des Widerrufs

3) der Inhaber des Doktor-Grades durch die Verbreitung eines Buches die Tatbestände der Volks Verhetzung (§ 130 StGB) und der Aufstachelung zum Rassenhaß (§131 StGB) verwirklicht 154; 4) der Träger einer sogenannten Verschlußsachen-Ermächtigung als vertraulich eingestufte Informationen weitergibt 155; 5) ein Sachverständiger seiner Tätigkeit in stark angetrunkenem Zustand nachgehen wollte 156 oder in ungeordnete wirtschaftliche Verhältnisse gerät 157 ; 6) ein im Außenbereich liegendes Bürogebäude zu Wohnzwecken genutzt wird 158 ; 7) ein ausgemusterter Wehrpflichtiger wehrdienstfähig wird 159 . Nicht als Tatsachen qualifiziert werden können dagegen z.B. folgende Umstände, die der Anwendung des Rechts zuzuordnen sind: 1) die Änderung einer Rechtsvorschrift, so daß z.B. kein Fall des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG, sondern der Nr. 4 vorliegt, wenn ein Bebauungsplan erlassen wird, der eine früher erteilte Baugenehmigung nun nicht mehr erlauben würde; 2) die Änderung der Rechtsprechung; 3) der Erlaß neuer verwaltungsinterner Richtlinien oder einer Einzelweisung160; 4) die Meinungsänderung einer Behörde 161 über die Zweckmäßigkeit einer Ermessensentscheidung oder die Interpretation unbestimmter Rechtsbegriffe; 5) die Änderung der Ermessenspraxis einer Behörde 162;

154

BVerwG, NJW 1988, 2911. Vgl. auch VGH Mannheim, NVwZ 1986, 397. Der Entzug des Doktor-Grades wird sich in der Regel allerdings auf Spezialvorschriften stützen. 155 BVerwG, NJW 1988, 1991; OVG Münster, DVB1. 1987, 96; NJW 1985, 281

(282). 156

VG Braunschweig, GewArch. 1989, 265. Vgl. ferner OVG Lüneburg, NVwZ 1992, 591. 157 VG Schleswig, GewArch. 1989, 63. 158 Vgl. BayVGH, BayVBl. 1990, 405. 159 BVerwG, NVwZ 1987, 324 (325). 160 A.A. offensichtlich BVerwG, DVB1. 1982, 1004. 161 BVerwG, DVB1. 1982, 1004; Erichsen, in: Erichsen!Martens, § 17 Rdnr. 9; UleILaubinger, § 63 II 1 d aa; Klappstein, in: Knack, VwVfG, § 49 Rdnr. 6.3.1; Kopp, VwVfG, § 49 Rdnr. 38; Erichsen, Jura 1981, 590 (592); Lange, NJW 1986, 2459 (2463). 162 BVerwG, BayVBl. 1991, 408.

§ 4 Die einzelnen Widerrufsgrnde des § 49 II 1 VwVfG

125

6) das Erkennen eines Rechtsirrtums durch die Behörde 163, z.B. aufgrund der Beanstandung einer Zuwendungsberechnung durch den Bundesrechnungshof 164. Der Sachverhaltsfeststellung durch die Behörde zuzuordnen und deshalb nicht als Tatsachen zu qualifizieren sind z.B. 1) das Bekanntwerden von Umständen, die vor Erlaß des Verwaltungsakts bereits vorlagen 165; 2) die Ermittlung neuer Beweismittel, die - sofern damit nicht gleichzeitig neue „Tatsachen" bekannt werden - nur zum Beweis bereits vorliegender Tatsachen dienen können.

c) Problematische Einzelfalle Besonderer Erörterung bedarf die Frage, unter welchen Voraussetzungen neue wissenschaftliche Erkenntnisse und Wertungen sowie der Erlaß eines Verwaltungsakts als Tatsachen im Sinne des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG angesprochen werden können.

(1) Neue wissenschaftliche

Erkenntnisse

und Wertungen

Das BVerwG hat in einem Beschluß aus dem Jahre 1982 ausgesprochen, eine Änderung von Tatsachen im Sinne des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG liege vor, „wenn aufgrund neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse bestimmte, schon bei Erlaß des VA vorhandene und berücksichtigte Tatsachen anders bewertet werden" 166. Ob diese lapidare Feststellung, die in der Wissenschaft ein nicht nur zustimmendes Echo gefunden hat 167 , in vollem Umfang Beifall verdient, erscheint zweifelhaft. Man wird trotz denkbarer Abgrenzungsprobleme zu unterscheiden haben, ob es sich um Erkenntnisse (naturwissenschaftlich) nachweisbarer Fakten (z.B. die Schädlichkeit eines bisher für harmlos gehaltenen Stoffes) oder um bloße wissenschaftliche Wertungen

163 164

Meyer, in: Meyer/Borgs,

VwVfG, § 49 Rdnr. 27.

Vgl. HessVGH, NVwZ 1990, 879 (881). Ule/Laubinger, § 63 II 1 d aa; Stelkens/Sachs, in: Stelkens/Bonk/Leonhardt, VwVfG, § 49 Rdnr. 35. 166 BVerwG, DVB1. 1982, 1004. Ähnlich OVG Münster, NVwZ 1988, 173. 167 Zustimmend Erichsen, in: Erichsen!Martens, § 17 Rdnr. 9; Kopp, VwVfG, § 49 Rdnr. 38; Seibert, Bindungswirkung, S. 231 f.; Lange, NJW 1986, 2459 (2463). Kritisch J. Martens, NVwZ 1983, 130 (133 f.). 165

126

Zweiter Abschnitt: Die Voraussetzungen des Widerrufs

handelt, die einem (naturwissenschaftlichen) Nachweis nicht zugänglich sind (z.B. die pädagogische Zweckmäßigkeit von Lehrbuchinhalten).

(a) Wissenschaftlich nachweisbare Erkenntnisse Ohne Zweifel eine Tatsache im Sinne des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG ist das neu nachgewiesene Faktum (die Schädlichkeit des Stoffes). Diese Tatsache ist aber nicht „nachträglich" eingetreten, da sie bei Erlaß des Verwaltungsakts (wenn auch unerkannt) bereits vorlag. Der Tatbestand des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG kann dadurch also nicht erfüllt sein. Möglicherweise ist der Verwaltungsakt aber aufgrund der neuen Erkenntnis als rechtswidrig und damit rücknehmbar nach § 48 VwVfG anzusehen168. Bleibt der Verwaltungsakt jedoch rechtmäßig, stellt sich die Frage, ob der wissenschaftliche Nachweis (der bisher unbekannten Tatsache) eine Tatsache im Sinne des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG ist. An sich handelt es sich um das bloße Bekanntwerden von Umständen, die bei Erlaß des Verwaltungsakts vorgelegen haben und somit um einen Vorgang, der grundsätzlich in den Bereich der Sachverhaltsermittlung, also Rechtsanwendung gehört. Aber zweifelsohne umfaßt die Sachverhaltsermittlung, auch wenn sie nach § 24 VwVfG von Amts wegen durchzuführen ist, nicht die Aufklärung naturwissenschaftlich-technischer Sachverhalte169. Die Behörde hat sich vielmehr am aktuellen Stand der Wissenschaft und Technik zu orientieren. Dies gilt insbesondere dann, wenn Rechtsvorschriften (wie z.B. § 7 Abs. 2 Nr. 3 AtG) auf den Stand von Wissenschaft und Technik abstellen170. Daher ist es ausgeschlossen, neue wissenschaftliche Erkenntnisse als zur Rechtsanwendung gehörig anzusehen. Sie sind vielmehr dem zu beurteilenden Lebenssachverhalt zuzurechnen und als Tatsache im Sinne des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG zu qualifizieren 171.

168 Kopp, VwVfG, § 49 Rdnr. 38, § 48 Rdnr. 25; StelkensISachs, in: Stelkens/ Bonk!Leonhardt, VwVfG, § 49 Rdnr. 35. 169 Vgl. OVG Münster, NVwZ 1988, 173 (174 f.); Clausen, in: Knack, VwVfG, § 24 Rdnr. 3.1; Stelkens/Sachs, in: Stelkens ! Bonk! Leonhardt, § 24 Rdnr. 10. 170 Vgl. Stelkens/Sachs, in: Stelkens ! Bonk! Leonhardt, VwVfG, § 49 Rdnr. 35; Zitzelsberger, GewArch. 1990, 271. 171 Im Ergebnis ebenso LG Detmold, NVwZ 1991, 508 (509); Stelkens ! Sachs, in: StelkensIBonk!Leonhardt, VwVfG, § 49 Rdnr. 35; Erichsen, Jura 1981, 590 (592); Lange, NJW 1986, 2459 (2463); Zitzelsberger, GewArch. 1990, 271.

§ 4 Die einzelnen Widerrufsgründe des § 49 II 1 VwVfG

127

(b) Wissenschaftliche Wertungen Dieses Ergebnis läßt sich nicht ohne weiteres auf neue wissenschaftliche Wertungen übertragen, die keines Beweises zugänglich sind. Das BVerwG hatte z.B. über den Widerruf der Genehmigung eines Schulbuches zu entscheiden, dessen Inhalt nachträglich mit neuen pädagogischen Erkenntnissen nicht mehr in Einklang zu bringen war 172 . Es liegt auf der Hand, daß nicht jede Meinungsäußerung in der Wissenschaft von der Behörde als Vorwand genommen werden kann, eine Begünstigung nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG zu widerrufen. Die Aufhebung wäre allenfalls dann zulässig, wenn die betreffende Erkenntnis sich zumindest als „herrschende Meinung" durchgesetzt hat 173 . Freilich bürdet man der Behörde bzw. dem Gericht, wenn man dies fordert, die in Zweifelsfällen wohl unlösbare Frage auf, wann sich eine Meinung als herrschend herauskristallisiert. Daher ist es aus Gründen der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit vorzuziehen, wissenschaftliche Wertungen niemals als Tatsachen im Sinne des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG anzusehen174.

(2) Der Erlaß eines Verwaltungsakts Es gibt Begünstigungen, deren Erlaß davon abhängt, daß ein anderer Verwaltungsakt nicht ergangen ist. Z.B. kann Trennungsgeld in gewissen Fällen nur gewährt werden, wenn keine Zusage auf Umzugskostenvergütung vorliegt 175 . Ergeht dieser Verwaltungsakt nachträglich, so stellt sich (sofern die Begünstigung deshalb nicht ohnehin rechtswidrig wird) die Frage, ob er als „Tatsache" nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG angesehen werden kann. Grundsätzlich wird man dies nicht zu verneinen haben176. Denn der Erlaß eines anderen Verwaltungsakts ist kein Umstand, der der Rechtsanwendung bei Ergehen der zu widerrufenden Begünstigung zuzurechnen wäre. Etwas anderes muß aber gelten, wenn der Erlaß des anderen Verwaltungsakts seinerseits nicht auf einer nachträglichen Tatsachenänderung, sondern auf anderen Umständen beruht und sich die Behörde auf diese Weise den Widerrufs-

172

BVerwG, DVB1. 1982, 1004. Vgl. OVG Münster, NVwZ 1988, 173; J. Martens, NVwZ 1983, 130 (134). 174 Die Entscheidung des BVerwG ist im Ergebnis deshalb richtig, weil im vorliegenden Fall eine Änderung der Schulorganisation durchgeführt wurde, die ohne weiteres eine Tatsachenänderung im Sinne des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG darstellt; vgl. Kopp, VwVfG, § 49 Rdnr. 38. 175 Vgl. BVerwG, BayVBl. 1991, 408. 176 Vgl. Meyer, in: Meyer!Borgs, VwVfG, § 49 Rdnr. 27. 173

128

Zweiter Abschnitt: Die Voraussetzungen des Widerrufs

tatbestand des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG unter Verstoß gegen den Zweck dieser Vorschrift selbst schafft. So hat das BVerwG zu Recht die Widerruflichkeit der Gewährung von Trennungsgeld verneint, wenn der nachträgliche Erlaß der Zusage der Umzugskostenvergütung allein auf eine geänderte Ermessenspraxis der Behörde zurückzuführen war 177 . Bedenklich dagegen ist eine Entscheidung des VGH Mannheim, der den Widerruf einer studienrechtlichen Tauschgenehmigung nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG wegen der nachträglichen Aufhebung der Immatrikulation des Begünstigung zugelassen hat, obwohl die Tatsachen, die zur Aufhebung der Immatrikulation geführt haben, bereits bei Erlaß der Tauschgenehmigung vorlagen 178. Nicht als Tatsache im Sinne des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG angesprochen werden kann ferner die bereits im Zusammenhang mit § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VwVfG behandelte verwaltungsgerichtliche Aufhebung einer Auflage. Denn die Aufhebung beruht auf der von Anfang an bestehenden Rechtswidrigkeit der Auflage. Sie ist daher die bloße Folge eines Rechtsanwendungsfehlers der Behörde.

2. Der nachträgliche Eintritt Eine Tatsache tritt nachträglich ein, wenn sich die Umstände nach dem Erlaß des Verwaltungsakts ändern 179. Der Zeitpunkt der Unanfechtbarkeit kann schon deshalb nicht maßgeblich sein, weil der Widerruf nach § 49 Abs. 2 VwVfG bereits vor Unanfechtbarkeit des Verwaltungsakts möglich ist 180 . Wenn das Gesetz auf eine nachträgliche Tatsachenänderung abstellt, bedeutet dies, daß der Widerruf gemäß § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG niemals aufgrund eines Sachverhalts zulässig ist, der bereits vor Erlaß des Verwaltungsakts vorgelegen hat, gleichgültig ob diese Tatsachen bekannt waren oder nicht. Diese Präklusion von Alttatsachen wirft insoweit keine Probleme auf, als die betreffende Tatsache die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts begründet, da in diesem Falle die Rücknahmeregeln des § 48 VwVfG ein-

177

(881).

BVerwG, BayVBl. 1991, 408 (409). Vgl. auch HessVGH, NVwZ 1990, 879

178

VGH Mannheim, NVwZ 1986, 394. Kritisch zu dieser Entscheidung auch Stelkens ! Sachs, in: Stelkens IBonk! Leonhardt, VwVfG, § 49 Rdnr. 35. 179

Klappstein, in: Knack, VwVfG, §49 Rdnr. 6.3.1; Obermayer, Rdnr. 35. 180 A.A. Dorn, DÖV 1988, 7 (13).

VwVfG, §49

§ 4 Die einzelnen Widerrufsgründe des § 49 II 1 VwVfG

129

greifen. Sie verbietet jedoch angesichts des abschließenden Charakters der Widerrufstatbestände bei Ermessensentscheidungen den Widerruf auf Grund von Tatsachen, die bei Erlaß des Verwaltungsakts vorgelegen haben und die Behörde berechtigt hätten, den Verwaltungsakt nicht zu erlassen, ohne zur Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts zu führen. Der Behörde ist es folglich versagt, einen Widerruf auszusprechen, wenn sie nachträglich von Tatsachen erfährt, die gegen die Zweckmäßigkeit der Begünstigung sprechen181 — es sei denn, es liegen die Voraussetzungen des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 VwVfG vor. Diese Unterscheidung zwischen Tatsachen, die vor und nach Erlaß des Verwaltungsakts eintreten, stellt keinen Verstoß gegen das Willkürverbot dar. Der Gesetzgeber handelt im Rahmen seiner Gestaltungsfreiheit, wenn er im Interesse der Rechtssicherheit den Widerruf rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakte nur aufgrund von neuen, nicht aber aufgrund von bei Erlaß des Verwaltungsakts vorliegenden Tatsachen zuläßt. Denn der Begünstigte kann davon ausgehen, daß der Sachverhalt im Zeitpunkt des Erlasses des Verwaltungsakts abschließend gewürdigt wurde, nicht aber uneingeschränkt darauf vertrauen, daß der Verwaltungsakt auch bei veränderten Umständen Bestand haben werde.

III. Die Berechtigung der Behörde zum Nichterlaß des Verwaltungsakts Der Widerrufstatbestand des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG verlangt weiter, daß die Behörde aufgrund der nachträglich eingetretenen Tatsache „berechtigt wäre, den Verwaltungsakt nicht zu erlassen". Dieses Erfordernis wirft in mehrfacher Hinsicht Schwierigkeiten auf.

1. Der maßgebliche Zeitpunkt für die Berechtigung zum Nichterlaß In der Literatur gibt es schon unterschiedliche Auffassungen darüber, in welchem Zeitpunkt die (hypothetische) Berechtigung der Behörde zum Nichterlaß des Verwaltungsakts vorliegen muß. Die eine Theorie stellt auf den Zeitpunkt des Erlasses des Verwaltungsakts ab 182 , eine andere auf den Zeit-

181

Ule!Laubinger, § 63 II 1 d; Klappstein, in: Knack, VwVfG, § 49 Rdnr. 6.3.1. Klappstein, in: Knack, VwVfG, § 49 Rdnr. 6.3.1; Stelkens ! Sachs, in: Stelkens I Bonkl Leonhardt, VwVfG, § 49 Rdnr. 36. 182

9 Bronnenmeyer

130

Zweiter Abschnitt: Die Voraussetzungen des Widerrufs

punkt der Sachverhaltsänderung183 und eine dritte Anschauung auf den Zeitpunkt der Widerrufsentscheidung 184. Diese Meinungen kommen zu unterschiedlichen Ergebnissen, wenn sich nach Erlaß des Verwaltungsakts auch die Rechtslage ändert und die fiktive Berechtigung zum Nichterlaß zwar im Zeitpunkt des Erlasses, nicht mehr aber im Zeitpunkt der Widerrufsentscheidung gegeben ist. Man wird auf den Zeitpunkt der Widerrufsentscheidung abzustellen haben. Hierfür spricht der Wortlaut des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG, wonach die Widerrufsbefugnis davon abhängt, daß die Behörde aufgrund nachträglich eingetretener Tatsachen „berechtigt wäre", den Verwaltungsakt nicht zu erlassen (nicht: „berechtigt gewesen wäre"). Ferner zielt der Widerruf auf eine Aufhebung mit Wirkung für die Zukunft ab, so daß es nicht darauf ankommen kann, ob die Berechtigung zum Nichterlaß schon in der Vergangenheit bestand. Berechtigt aber die Änderung der Sachlage wegen einer zusätzlichen Rechtsänderung die Behörde nicht mehr zum Nichterlaß eines Verwaltungsakts, ist eine Widerrufsbefugnis nicht am Platze185, weil er sogleich erneut erlassen werden müßte186.

2. Die Berechtigung zum Nichterlaß Unklar ist weiter, in welchen Fällen eine Berechtigung der Behörde zum Nichterlaß des Verwaltungsakts gegeben ist.

a) Bei gebundenen Verwaltungsakten Die Behörde könnte zum einen berechtigt sein, den Verwaltungsakt nicht zu erlassen, wenn durch den nachträglichen Eintritt von Tatsachen eine zwingende Voraussetzung für den Erlaß der Begünstigung weggefallen ist, so daß der Erlaß des Verwaltungsakts im Zeitpunkt der Widerrufsentscheidung rechtswidrig wäre — z.B. weil der Inhaber einer gewerberechtlichen Konzession unzuverlässig geworden ist.

183

Meyer, in: Meyer/Borgs, VwVfG, § 49 Rdnr. 27. Maurer, § 11 Rdnr. 43; UleILaubinger, § 63 II 1 d. Ebenso wohl BVerwG, BayVBl. 1992, 730. 185 Meyer, in: Meyer/Borgs, VwVfG, § 49 Rdnr. 27. 186 Siehe § 5 A. 184

§ 4 Die einzelnen Widerrufsgründe des § 49 II 1 VwVfG

131

Hier wäre die Behörde aber nicht nur „berechtigt", sondern darüber hinaus auch verpflichtet, den Erlaß des Verwaltungsakts zu versagen. Die Einschlägigkeit des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG ist daher umstritten. Entgegen der herrschenden Meinung187 nimmt Lange an, daß dies die Anwendung des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG ausschließe und zur Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts und somit zur Geltung des § 48 VwVfG führe 188. Man wird jedoch der herrschenden Meinung zu folgen haben. Lange kann sich zunächst nicht auf den Wortlaut des Gesetzes berufen. Der Terminus „berechtigt" muß durchaus nicht in dem von ihm reklamierten engen Sinn ausgelegt werden. Die Behörde ist auch dann „berechtigt", einen Verwaltungsakt nicht zu erlassen, wenn sie ihn nicht erlassen darf. Zum anderen ist die Auffassung Langes, die Fälle, in denen die Behörde nicht mehr berechtigt ist, den Verwaltungsakt zu erlassen, dem Regime des § 48 VwVfG zu unterwerfen, in ihrem Ansatz unzutreffend, weil - wie gezeigt189 - ein Verwaltungsakt nicht dann nachträglich rechtswidrig wird, wenn er nicht mehr erlassen werden dürfte, sondern wenn er aufzuheben ist. § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG gilt also ebenso, wenn eine Verpflichtung der Behörde besteht, den Verwaltungsakt nicht mehr zu erlassen. Freilich ist zu berücksichtigen, daß auch nach der hier vertretenen Auffassung der Verwaltungsakt bei solchen Änderungen der Sachlage rechtswidrig werden kann (nämlich wenn seine Aufrechterhaltung mit Sinn und Zweck der seinen Erlaß regelnden Norm unvereinbar ist), so daß eine Rücknahme in Betracht kommt.

b) Bei nicht gebundenen Verwaltungsakten Zum anderen ist die Behörde berechtigt, den Verwaltungsakt nicht zu erlassen, wenn bei einer Ermessensentscheidung Umstände hinzutreten, die entweder den Erlaß des Verwaltungsakts nunmehr als ermessensfehlerhaft oder zumindest den Nichterlaß des Verwaltungsakts als nicht ermessensfehlerhaft erscheinen lassen190.

187 Maurer, § 11 Rdnr. 43; Ule ! Laubinger, § 63 II 1 d aa; Klappstein, in: Knack, VwVfG, § 49 Rdnr. 6.3.1; Meyer, in: Meyer!Borgs, VwVfG, § 49 Rdnr. 27; Obermayer, VwVfG, § 49 Rdnr. 36; Erichsen, Jura 1981, 590 (592); Schenke, DVB1. 1989, 433 (438). 188 Lange, Jura 1980, 456 (459 f.). 189 Siehe § 2 B.II.2.C. 190 Erichsen, in: Erichsen!Martens, § 17 Rdnr. 9; Maurer, § 11 Rdnr. 43; Ule! Laubinger, § 63 II 1 d aa; Klappstein, in: Knack, VwVfG, § 49 Rdnr. 6.3.1; Erichsen, Jura 1981, 590 (592); Lange, NJW 1986, 2459 (2463). Kritisch Meyer, in: Meyer!

9'

132

Zweiter Abschnitt: Die Voraussetzungen des Widerrufs c) Problemfälle

Die Frage, ob die Behörde aufgrund einer nachträglichen Tatsachenänderung wirklich berechtigt wäre, die Begünstigung nicht zu erlassen, bedarf näherer Betrachtung in folgenden Fällen:

(1) Die Nichterfüllung

mit der Begünstigung verbundener Pflichten

Für die Behörde ergibt sich die Veranlassung, wegen nachträglich eingetretener Tatsachen zu handeln, oft aus dem Verhalten des Begünstigten. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn er Pflichten nicht erfüllt, die mit der Vergünstigung verbunden sind, wie z.B. die Pflicht zur zweckentsprechenden Verwendung einer Subvention. Die Verletzung dieser Pflichten begründet indes nicht immer 191, sondern nur dann eine hypothetische Berechtigung der Behörde, den Verwaltungsakt nicht zu erlassen, wenn ihre Erfüllung nicht nur Rechtsfolge, sondern auch Voraussetzung der Begünstigung ist. So berechtigt z.B. ein Verstoß des Gewerbetreibenden gegen die an eine Reisegewerbekarte geknüpften Pflichten (vgl. §§ 55e ff. GewO) nicht per se zum Nichterlaß der Reisegewerbekarte, sondern nur, wenn dieses Verhalten zur Unzuverlässigkeit des Betroffenen führt (§ 57 GewO). Durchaus zweifelhaft ist auch, ob die in BVerwGE 59, 124 behandelte Einstellung der Arbeit beim Katastrophenschutz, deretwegen der Wehrpflichtige freigestellt war, die Behörde zum Nichterlaß der Zustimmung nach § 8 Abs. 2 KatSG berechtigt hätte, da die Erteilung der Zustimmung von der Mitarbeit nicht abhängen kann192. Und auch die zweckwidrige Verwendung einer Subvention erfüllt nicht automatisch, sondern nur dann den Tatbestand des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG, wenn die zweckentsprechende Verwendung der Leistung in casu Voraussetzung für ihre Gewährung war 193 .

(2) Prüfungsentscheidungen Im Schrifttum findet sich die These, § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG könne entgegen seinem Wortlaut nicht auf begünstigende Prüfungsentschei-

Borgs, VwVfG, § 49 Rdnr. 28. Obermayer (VwVfG, § 49 Rdnr. 36) nimmt bei Ermessensentscheidungen eine Berechtigung zum Nichterlaß nur an, wenn die Behörde den Erlaß zu versagen hätte. 191 Vgl. Stelkens/Sachs, in: Stelkens/ Bonk/ Leonhardt, VwVfG, § 49 Rdnr. 34. 192 A.A. BVerwGE 59, 124 (128 f.). 193 Vgl. aber Kopp, VwVfG, § 49 Rdnr. 38; Dorn, DÖV 1988, 7 (13).

§ 4 Die einzelnen Widerrufsgründe des § 49 II 1 VwVfG

133

düngen angewendet werden, wenn der Kandidat nachträglich seine Kenntnisse verliere. Zur Begründung wird auf das noch zu erörternde Argument verwiesen, solche Entscheidungen seien nach ihrem Zweck vom Fortbestand ihrer Voraussetzungen unabhängig194. Hier ist indes der Tatbestand des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG schon deshalb nicht erfüllt, weil die Behörde, verliert der Prüfling sein Wissen, nicht berechtigt wäre, den Verwaltungsakt nicht zu erlassen. Voraussetzung für die Erteilung eines Zeugnisses sind nämlich nicht die Kenntnisse des Kandidaten, sondern deren Nachweis im Rahmen einer Prüfung. Nur wenn der Betroffene eine neuerliche Prüfung nicht bestehen würde, wäre der Wortlaut des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG erfüllt. Dieser Fall ist jedoch kaum denkbar.

3. Kein Widerruf trotz Berechtigung zum Nichterlaß In der Literatur werden einige Fälle diskutiert, in denen § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG nicht anwendbar sein soll, obwohl die Behörde an sich berechtigt wäre, die Begünstigung nicht zu erlassen.

a) Bei vorrangigen Sonderbestimmungen Zunächst wird darauf hingewiesen, daß § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG nicht gilt, wenn Bestimmungen existieren, die besondere Regelungen für eine nachträgliche Änderung der Sachlage treffen 195, wie z.B. § 4 StVG für die Entziehung der Fahrerlaubnis oder § 35 GewO für die Gewerbeuntersagung. Es trifft zu, daß diese Vorschriften nach § 1 Abs. 1 und 2 VwVfG gegenüber § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG vorrangig sind. Die Unanwendbarkeit von Widerrufsvorschriften aufgrund des Vorrangs von Sonderbestimmungen ist allerdings selbstverständlich und kein Spezialproblem des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG, so daß hier nähere Ausführungen unterbleiben können.

b) Bei Unwirksamkeit des Verwaltungsakts Ferner soll die Anwendung des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG ausgeschlossen sein, wenn der Verwaltungsakt bereits unwirksam ist oder aufgrund

194 Obermayer, VwVfG, § 49 Rdnr. 37. Ebenso Wolff/ Bachof I, § 53 IV d 4. Siehe auch § 5 E. 195 Kopp, VwVfG, § 49 Rdnr. 36 f. Ähnlich Meyer, in: Meyer!Borgs, VwVfG, § 49 Rdnr. 27; Obermayer, VwVfG, § 49 Rdnr. 39.

134

Zweiter Abschnitt: Die Voraussetzungen des Widerrufs

der Tatsachenänderung seine Wirksamkeit verliert 196. Auch dem kann grundsätzlich zugestimmt werden, da beim ohnehin unwirksamen Verwaltungsakt - wie noch zu erläutern ist 197 - kein Widerruf mit dem Ziel der Aufhebung der Wirksamkeit, sondern nur der (deklaratorischen) Beseitigung des Rechtsscheins des Verwaltungsakts möglich ist. In diesem Zusammenhang ist allerdings zu wiederholen, daß ein Verwaltungsakt bei Wegfall der sachlichen Voraussetzungen, die seinen Erlaß getragen haben, nicht automatisch unwirksam wird 198 . Etwas anderes gilt - abgesehen vom Eintritt einer auflösenden Bedingung - allerdings dank der Sonderregelung des § 38 Abs. 3 VwVfG bei der Zusicherung. Ändert sich nämlich nach Abgabe der Zusicherung die Sach- oder Rechtslage derart, daß die Behörde bei Kenntnis der nachträglich eingetretenen Änderung die Zusicherung nicht gegeben hätte oder aus rechtlichen Gründen nicht hätte geben dürfen, ist die Behörde an die Zusicherung nicht mehr gebunden. Nach allgemeiner Auffassung erlischt damit die Wirksamkeit der Zusicherung, ohne daß es noch eines Widerrufs bedarf 199. Führt also der Eintritt der Tatsachen, die die Behörde nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG berechtigen würde, die Zusage nicht zu erlassen, dazu, daß die Behörde bei Kenntnis der Tatsachenänderung die Zusicherung nicht gegeben hätte oder nicht hätte geben dürfen 200, scheidet der Widerruf der Zusicherung grundsätzlich aus, da sie bereits nach § 38 Abs. 3 VwVfG unwirksam ist.

c) Kraft Eigenart des Verwaltungsakts Schließlich wird behauptet, § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG sei unanwendbar bei bestimmten Verwaltungsakten, deren Regelung nach ihrem Sinn und Zweck gegen spätere Änderungen der Sachlage immun sei 201 . Dies soll beispielsweise der Fall sein bei der Einbürgerung, der Ernennung zum Be-

196

Klappstein, in: Knack, VwVfG, § 49 Rdnr. 6.3.3; Kopp, VwVfG, § 49 Rdnr. 35. Siehe § 5 D. 198 Siehe § 2 B.II.2.b. 199 Schwarze, in: Knack, VwVfG, § 38 Rdnr. 6; Stelkens, in: Stelkens ! Bonk! Leonhardt, VwVfG, § 36 Rdnr. 60. 200 Was in der Regel der Fall sein wird. Vgl. aber Erichsen, in: Erichsen!Martens, § 17 Rdnr. 12; Schwarze, in: Knack, VwVfG, § 38 Rdnr. 6.2.1. 201 Wolff/ Bachof I, § 53 IV d 4; Kopp, VwVfG, § 49 Rdnr. 36; Obermayer, VwVfG, § 49 Rdnr. 37; Stelkens ! Sachs, in: Stelkens / Sachs / Leonhardt, VwVfG, § 49 Rdnr. 37. A.A. Meyer, in: Meyer!Borgs, VwVfG, § 49 Rdnr. 27. Vgl. auch Britz, DÖV 1982, 231 (233). 197

§ 4 Die einzelnen Widerrufsgründe des § 49 II 1 VwVfG

135

amten, der Genehmigung bestimmter Rechtsgeschäfte 202, der Baugenehmigung203, bei Prüflingsentscheidungen 204 und generell bei (privatrechtsgestaltenden Verwaltungsakten205. Diese These betrifft einen Aspekt der allgemeinen Frage, ob es Verwaltungsakte gibt, deren Inhalt oder Zustandekommen ihre Rücknahme bzw. ihren Widerruf generell ausschließt, und soll deshalb in jenem Zusammenhang an anderer Stelle erörtert werden 206.

IV. Die Gefährdung des öffentlichen Interesses Voraussetzung eines Widerrufs nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG ist schließlich, daß „ohne den Widerruf das öffentliche Interesse gefährdet würde". Damit stellt das Gesetz ein Erfordernis auf, das bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit des Widerrufs im Rahmen der Ermessensentscheidung ohnehin maßgeblich gewesen wäre 207 . Durch die Aufnahme der Gefährdung der öffentlichen Interessen in den Tatbestand des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG wird dieses Kriterium jedoch dem Ermessen der Behörde entzogen. Es handelt sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der verwaltungsgerichtlich in vollem Umfange überprüfbar ist 208 . Unter welchen Voraussetzungen aber ohne den Widerruf das öffentliche Interesse gefährdet würde, ist in zweifacher Hinsicht klärungsbedürftig.

1. Das öffentliche Interesse Problematisch ist zunächst, welche öffentlichen Interessen bei der Anwendung des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG in Betracht kommen.

202

Kopp, VwVfG, § 49 Rdnr. 36. Kopp, VwVfG, §49 Rdnr. 36; Stelkens ! Sachs, in: Stelkens/Bonk/Leonhardt, VwVfG, § 49 Rdnr. 37. 204 Obermayer, VwVfG, § 49 Rdnr. 37. 205 Kopp, VwVfG, § 49 Rdnr. 36. 206 Siehe § 5 E. 207 Scheerbarth, DVB1. 1966, 780 (783). Siehe auch § 7 C.I. 208 Obermayer, VwVfG, § 49 Rdnr. 21. 203

136

Zweiter Abschnitt: Die Voraussetzungen des Widerrufs a) Die Auffassungen in Rechtsprechung und Schrifttum

Während eine großzügige Auffassung jedes öffentliche Interesse, insbesondere auch fiskalische öffentliche Belange genügen läßt 209 , sind nach den engeren Theorien nur solche Gefährdungen beachtlich, die die einschlägige gesetzliche Gesamtregelung, auf der der Verwaltungsakt beruht, vermeiden oder abwehren soll 210 oder die gerade auf der Tatsachenänderung beruhen 211 . b) Stellungnahme § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG enthält keine ausdrückliche Beschränkung auf bestimmte öffentliche Interessen. Trotz der generell gebotenen engen Auslegung der Vorschrift könnte daher davon auszugehen sein, daß der Tatbestand des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG erfüllt ist, wenn irgendein öffentliches Interesse gefährdet wird. Eine solche Deutung wäre indes nicht mit dem eingangs nachgewiesenen Zweck des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG in Einklang zu bringen, einen Widerruf nur zur Wahrung jener öffentlichen Interessen zu ermöglichen, die gerade durch die neu eingetretenen Tatsachen gefährdet werden. Zwar müßte diese Zweckbestimmung der Vorschrift auch im Rahmen der Ermessensentscheidung über den Widerruf Berücksichtigung finden. Aus Gründen der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit ist es jedoch geboten, die Begrenzung der in Betracht kommenden öffentlichen Interessen bereits im Tatbestand des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG vorzunehmen und damit der vollen verwaltungsgerichtlichen Kontrolle zu unterwerfen 212. Der Tatbestand des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG ist somit nur erfüllt, wenn das öffentliche Interesse durch die nachträglich eingetretenen Tatsachen

209 BVerwG, DÖV 1986, 202; OVG Münster, DÖD 1982, 110 (113); Ule!Laubinger, § 63 II 1 d bb; Klappstein, in: Knack, VwVfG, § 49 Rdnr. 6.3.3; Kopp, VwVfG, § 49 Rdnr. 39; Dorn, DÖV 1988, 7 (13). Ebenso wohl BVerwG, DVB1. 1982, 1004 (1005); OVG Lüneburg, NJW 1982, 1246 (1248); VGH Mannheim, GewArch. 1989, 94; Erichsen, in: Erichsen!Martens, § 17 Rdnr. 9; die auf den „Staat, die Allgemeinheit oder wichtige Gemeinschaftsgüter" abstellen. Vgl. auch VGH Mannheim, NVwZ 1986, 394 (396); VG Braunschweig, GewArch. 1989, 265 (267) (wonach die Gefährdung der öffentlichen Interessen unter Umständen zu vermuten ist). 210

Obermayer, VwVfG, § 49 Rdnr. 39. OVG Münster, NVwZ 1986, 583 (584); Kopp, VwVfG, § 49 Rdnr. 38; Meyer, in: Meyer/Borgs, VwVfG, § 49 Rdnr. 29; Stelkens ! Sachs, in: Stelkens ! Bonk! Leonhardt, VwVfG, § 49 Rdnr. 39. Ähnlich Classen, DÖV 1989, 156. 212 Vgl. auch Obermayer, VwVfG, § 49 Rdnr. 21, 39. 211

§ 4 Die einzelnen Widerrufsgründe des § 49 II 1 VwVfG

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gefährdet wird. Kein Fall des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG liegt dagegen vor, wenn nicht die nachträgliche Tatsachenänderung, sondern andere, z.B. bereits bei Erlaß des Verwaltungsakts gegebene Gründe eine Gefährdung für öffentliche Interessen darstellen213.

2. Die Gefährdung Fraglich ist, ob der Tatbestand des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG eine konkrete Gefahr für die öffentlichen Interessen verlangt, wie in Rechtsprechung214 und Literatur 215 zum Teil behauptet wird, oder ob eine abstrakte Gefahr genügt216. Obwohl das Gebot der restriktiven Interpretation der Widerrufsgründe für die engere Auslegung spricht, hält der Wortlaut des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG dafür keinen Anknüpfungspunkt bereit. Im übrigen dürfte nur unter Heranziehung der Umstände des Einzelfalls zu entscheiden sein, ob eine abstrakte oder konkrete Gefahr den Widerruf erforderlich macht. Es ist daher davon auszugehen, daß jede Gefährdung der in Betracht kommenden öffentlichen Interessen den Tatbestand des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG erfüllt. Im Rahmen der Ermessensentscheidung ist dann abzuwägen, ob die jeweilige Gefahr den Widerruf tatsächlich rechtfertigt 217.

V. Das Verhältnis zu § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwVfG In der Literatur wird teilweise die Auffassung vertreten, § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG befuge nicht zum Widerruf, wenn zusätzlich zur Tatsachenänderung die Änderung einer Rechtsvorschrift nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwVfG vorliege, da diese Bestimmung als lex specialis vorgehe 218. Dem ist entgegenzutreten. § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG findet neben § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwVfG Anwendung, da nicht einzusehen ist, wes-

213

OVG Münster, NVwZ 1986, 583 (584). OVG Lüneburg, NVwZ 1992, 591 (592); VGH Mannheim, GewArch. 1989, 94; GewArch. 1989, 166 (167); OVG Münster, NJW 1985, 281 (284). 215 Kopp, VwVfG, § 49 Rdnr. 39; Stelkens ! Sachs, in: Stelkens/Bonkl Leonhardt, VwVfG, § 49 Rdnr. 39. 216 Davon geht die h.M. unausgesprochen aus. 217 Siehe § 8 C.I. 218 Meyer, in: MeyerIBorgs, VwVfG, § 49 Rdnr. 27; StelkensISachs, in: Stelkensl Bonkl Leonhardt, VwVfG, § 49 Rdnr. 38. 214

138

Zweiter Abschnitt: Die Voraussetzungen des Widerrufs

halb der Betroffene bei Vorliegen einer Tatsachenänderung, die den Widerruf rechtfertigt, von dem Umstand profitieren sollte, daß zusätzlich eine Rechtsänderung eingetreten ist, die den Widerruf nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwVfG nur unter strengeren Bedingungen zuläßt219. Freilich ist vorauszusetzen, daß auch nach der Rechtsänderung die Behörde aufgrund der Tatsachenänderung zum Nichterlaß des Verwaltungsakts berechtigt wäre 220 . Denn anderenfalls wäre der Tatbestand des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG nicht erfüllt.

D. Die Änderung einer Rechtsvorschrift nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwVfG Nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwVfG ist der Widerruf eines rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakts ferner zulässig, „wenn die Behörde auf Grund einer geänderten Rechtsvorschrift berechtigt wäre, den Verwaltungsakt nicht zu erlassen, soweit der Begünstigte von der Vergünstigung noch keinen Gebrauch gemacht oder auf Grund des Verwaltungsaktes noch keine Leistungen empfangen hat, und wenn ohne den Widerruf das öffentliche Interesse gefährdet würde".

I. Der Zweck der Vorschrift Im Hinblick auf den Zweck des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwVfG ist wiederum zu unterscheiden, ob der Widerruf einen rechtswidrigen oder einen rechtmäßigen Verwaltungsakt erfassen soll.

1. Bei rechtswidrigen Verwaltungsakten Eine nach Erlaß des Verwaltungsakts eintretende Rechtsänderung kann wie erläutert 221 - die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts zur Folge haben. Dies ist - abgesehen vom hier nicht interessierenden Fall der rückwirkenden Rechtsänderung - zum einen dann anzunehmen, wenn die Novelle die Aufhebung der aufgrund des alten Rechts ergangenen Begünstigungen ausdrücklich anordnet; in diesem Falle freilich kommt § 49 Abs. 2 Satz 1

219 220 221

Ebenso Ule ! Laubinger, § 63 II 1 e dd. Insoweit zutreffend Meyer, in: Meyer! Borgs, VwVfG, § 49 Rdnr. 27. Siehe § 2 B.II.2.C.

§ 4 Die einzelnen Widerrufsgründe des § 49 II 1 VwVfG

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Nr. 4 VwVfG wegen des Vorrangs der speziellen Neuregelung nach § 1 Abs. 1 und 2 VwVfG nicht zum Zuge. Zum anderen tritt nachträgliche Rechtswidrigkeit ein, wenn die Aufrechterhaltung der Begünstigung mit Sinn und Zweck der Neuregelung unvereinbar ist. Eine solche Auslegung der rechtsändernden Norm ist allerdings aus Gründen der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit nur mit Zurückhaltung vorzunehmen222. Denn wenn der Normgeber eine Materie neu regelt, ohne eine Aussage über das Schicksal der auf dem alten Recht beruhenden Begünstigungen zu treffen, ist davon auszugehen, daß er ihren Fortbestand nicht als unvereinbar mit seinen Intentionen betrachtet. Gänzlich ausgeschlossen freilich ist das Gegenteil nicht — etwa wenn der Gesetzgeber die Notwendigkeit einer Regelung für die bereits erlassenen Begünstigungen übersehen hat 223 . In diesen Fällen hat auch § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwVfG den Zweck, rechtmäßige Zustände herzustellen.

2. Bei rechtmäßigen Verwaltungsakten Bleibt der Verwaltungsakt trotz der Rechtsänderung rechtmäßig - wie dies etwa bei einer Baugenehmigung zutrifft, die aufgrund eines neuen Bebauungsplans nicht mehr ergehen könnte - , liegt das Motiv der Widerruflichkeit nicht ohne weiteres zu Tage. Ähnlich wie bei § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG können die Änderung der Rechtslage und der Wegfall der Verpflichtung zum Neuerlaß des Verwaltungsakts nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwVfG nur die Zulässigkeit des Widerrufs, nicht aber seinen Zweck erhellen: Die Änderung der Rechtslage bewirkt zwar, daß der Widerruf nicht mit dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung kollidieren kann, da der Verwaltungsakt nicht erneut erlassen werden muß 224 , und man wird der Auffassung sein können, daß der Begünstigte auf ein Gleichbleiben der rechtlichen Verhältnisse nicht uneingeschränkt vertrauen darf, so daß ein Verstoß des Widerrufs gegen die Prinzipien der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes kaum eintreten wird, da ein Widerruf zum einen ohnehin ausgeschlossen ist, wenn der Betroffene von der Vergünstigung bereits Gebrauch gemacht hat, und zum anderen mit der Entschädigungsfolge des § 49 Abs. 5 VwVfG verbunden ist. All dies gibt aber keine ausreichende Veranlassung, den Widerruf tatsächlich auszusprechen225.

222 223 224 225

Vgl. Obermayer, VwVfG, § 49 Rdnr. 21, 50. Vgl. Obermayer, VwVfG, § 49 Rdnr. 21, 50. Siehe § 5 A. Vgl. Begründung, S. 72.

140

Zweiter Abschnitt: Die Voraussetzungen des Widerrufs

Der Zweck des Widerrufs nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwVfG kann daher wiederum nur darin liegen, eine Gefährdung des öffentlichen Interesses zu verhüten 226. Entsprechend den Ausführungen zu § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG ist allerdings nicht jedes öffentliche Interesse beachtlich. Auch § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwVfG kann aus den dargelegten, verfassungsrechtlich untermauerten Gründen keine Generalklausel sein, die eine Rechtsänderung zum Vorwand für die Durchsetzung beliebiger öffentlicher Interessen macht. Der Zweck des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwVfG ist vielmehr darin zu sehen, der Behörde eine Aufhebungsmöglichkeit aus den sachlichen Gründen zu geben, die den Gesetzgeber zur Änderung der Rechtsvorschrift bewogen haben227. Sieht z.B. eine Gesetzesänderung für die Genehmigung einer Anlage zusätzliche technische Erfordernisse vor, weil andernfalls eine Gefährdung der Umwelt eintritt, so soll § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwVfG solche Gefahren bei Altanlagen unterbinden.

II. Die geänderte Rechtsvorschrift Die Widerrufsbefugnis des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwVfG setzt zunächst eine nach Erlaß des Verwaltungsakts geänderte Rechtsvorschrift voraus.

1. Die Rechtsvorschrift Unter einer Rechtsvorschrift im Sinne des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwVfG sind unstreitig geschriebene (Außen-)Rechtsnormen wie formelle Gesetze, Satzungen und Verordnungen zu verstehen228. Eine darüber hinausgehende Auslegung ist wegen des restriktiven Charakters der Widerrufstatbestände grundsätzlich nicht möglich229. In diesem Zusammenhang stellen sich folgende, teilweise ungeklärte Einzelfragen:

226

Meyer, in: Meyer!Borgs, VwVfG, § 49 Rdnr. 35; Häberle, Boorberg-Festschrift, S. 47 (88). 227 Vgl. Klappstein, in: Knack, VwVfG, § 49 Rdnr. 6.4.1, der von der Anpassung begünstigender Verwaltungsakte an geänderte Rechtsvorschriften spricht. 228 Erichsen, in: Erichsen!Martens, §17 Rdnr. 10; Obermayer, VwVfG, §49 Rdnr. 42; Stelkens ! Sachs, in: Stelkens ! Bonk! Leonhardt, VwVfG, § 49 Rdnr. 15, § 36 Rdnr. 25. 229 Weides, JuS 1985, 364 (368).

§ 4 Die einzelnen Widerrufsgründe des § 49 II 1 VwVfG

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a) Gewohnheitsrecht Umstritten ist, ob auch ungeschriebene, gewohnheitsrechtlich geltende Rechtsgrundsätze unter den Begriff der Rechtsvorschrift nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwVfG zu subsumieren sind230. Der von Stelkens / Sachs vertretenen ablehnenden Auffassung dürfte der Vorzug zu geben sein, da der Begriff der Rechtsvorschrift herkömmlicherweise und erst recht wegen der gebotenen engen Auslegung des § 49 Abs. 2 Satz 1 VwVfG nur geschriebenes Recht erfaßt. Die Frage bedarf allerdings keiner weiteren Vertiefung, da ihr kaum praktische Bedeutung zukommen wird 231 .

b) Rechtsprechung Keine Rechtsvorschriften sind nach allgemeiner Überzeugung die von der Rechtsprechung vertretenen Rechtsmeinungen, und zwar selbst dann, wenn sie als sogenannte ständige Rechtsprechung ausgebildet und beachtet werden 232 . Eine Änderung der Rechtsprechung eröffnet danach keine Widerrufsbefugnis nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwVfG. Dieser Einschätzung dürfte prinzipiell zu folgen sein. § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwVfG kann auf die Änderung einer Rechtsprechung nicht unmittelbar angewendet werden, da der Terminus „Rechtsvorschrift" die Erkenntnisse der Rechtsprechung nicht erfaßt. Eine Änderung der Rechtsprechung führt lediglich zur nachträglich richtigen Erkenntnis des Inhalts der unverändert fortgeltenden Rechtsvorschrift. Eine entsprechende Anwendung des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwVfG auf die Änderung der Rechtsprechung verbietet sich zum einen wegen des abschließenden Charakters der Vorschrift und zum anderen aufgrund eines Vergleichs mit § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG. Dort stellt das Gesetz auf eine Änderung der „Rechtslage" ab; nach herrschender Meinung rechtfertigt die Änderung der Rechtsprechung ein Wiederaufgreifen des Verfahrens nicht233. Wenn § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwVfG dagegen enger

230 Bejahend Klappstein, in: Knack, VwVfG, § 49 Rdnr. 6.4.1; Kopp, VwVfG, § 49 Rdnr. 42; Obermayer, VwVfG, § 49 Rdnr. 43. Verneinend StelkensI Sachs, in: Stelkens / Bonkl Leonhardt, VwVfG, § 51 Rdnr. 72, § 49 Rdnr. 43. 231 Obermayer, VwVfG, § 49 Rdnr. 43. 232 Achterberg, §23 Rdnr. 83; Erichsen, in: Erichsen!Martens, §17 Rdnr. 10; Ule I Laubinger, § 63 II 1 e aa; Klappstein, in: Knack, VwVfG, § 49 Rdnr. 6.4.1; Kopp, VwVfG, § 49 Rdnr. 42; Meyer, in: Meyer/Borgs, VwVfG, § 49 Rdnr. 32; Obermayer, VwVfG, § 49 Rdnr. 44; Stelkens, NVwZ 1982, 492; Erichsen, Jura 1981, 590 (593). 233 BVerwG, NJW 1981, 2595; BayVGH, BayVBl. 1988, 19 (20); Maurer, § 11

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Zweiter Abschnitt: Die Voraussetzungen des Widerrufs

eine geänderte „Rechtsvorschrift" verlangt, so ist dies ein Beleg, daß jedenfalls für den Widerruf rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakte die Änderung der Rechtsprechung nicht ausreicht234. Im übrigen wäre zu beachten, daß eine Begünstigung, die auf Grund einer veränderten Rechtsprechung nicht mehr erlassen werden dürfte, zumeist rechtswidrig und nach § 48 VwVfG riicknehmbar ist 235 , da die geänderte Rechtsprechung lediglich nachträglich erkennt, was bei Erlaß des Verwaltungsakts bereits rechtens gewesen wäre. Es fragt sich indes, ob nicht Ausnahmen von diesem Grundsatz denkbar sind. Als Voraussetzung einer entsprechenden Anwendung des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwVfG würde genügen, daß der betreffenden Rechtsprechung rechtsnormartige Eigenschaften zukommen, die es unter Beachtung des Gleichheitssatzes gebieten, ihre Änderung der Änderung einer Rechtsvorschrift an die Seite zu stellen. Kennzeichen einer Rechtsvorschrift ist ihr Anspruch auf abstrakt-generelle Verbindlichkeit und ihre Bekanntmachung in einem dafür vorgesehenen Verfahren. Gerichtliche Entscheidungen erfüllen diese Merkmale in gewissen Fällen aufgrund gesetzlicher Sonderregelungen. So besitzen bestimmte verfassungs- bzw. verwaltungsgerichtliche Normenkontrollentscheidungen nach § 31 Abs. 2 BVerfGG Gesetzeskraft bzw. nach § 47 Abs. 6 VwGO Allgemeinverbindlichkeit; sie sind wie eine Rechtsnorm zu veröffentlichen (§ 31 Abs. 2 Satz 2 BVerfGG, § 47 Abs. 6 Satz 1 VwGO). Es bestünden daher keine rechtsdogmatischen Bedenken, § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwVfG entsprechend anzuwenden, wenn sich eine solche Rechtsprechung ändert. Freilich dürfte die praktische Bedeutung dieser Konstellation gering sein. Von weitaus größerer tatsächlicher Relevanz ist das Problem, ob einer (höchstrichterlichen) ständigen Rechtsprechung rechtsnormative Eigenschaften zuzuerkennen sind, weil sie ebenso wie Rechtsnormen allgemeine Befolgung findet. Im Ergebnis wird man dies verneinen müssen. Selbst wenn man nämlich mit der heute herrschenden Meinung Richterrecht als Rechtsquelle anerkennt, weist dieses wesentliche Unterschiede zur Rechtsvorschrift auf 236 : Erstens kommt gerichtlichen Entscheidungen bei Fehlen entspre-

Rdnr. 66; Erichsen, in: Erichsen!Martens, § 19 Rdnr. 10; Obermayer, VwVfG, § 51 Rdnr. 58; Stelkens ! Sachs, in: Stelkens ! Bonk!Leonhardt, VwVfG, § 51 Rdnr. 79 ff. Vgl. auch Meyer, in: Meyer/Borgs, VwVfG, § 51 Rdnr. 15. 234 Stelkens, NVwZ 1982, 492 (493). 235 Klappstein, in: Knack, VwVfG, §49 Rdnr. 6.4.1; Meyer, in: Meyer/Borgs, VwVfG, § 49 Rdnr. 32. 236 Weiterführend hierzu z.B. Ossenbühl, in: Erichsen/Martens, § 7 VIII.

§ 4 Die einzelnen Widerrufsgründe des § 49 II 1 VwVfG

143

chender Sondervorschriften nur Wirkung inter partes, keine abstrakt-generelle Verbindlichkeit zu. Dies gilt auch dann, wenn die richterliche Erkenntnis gefestigt und von grundsätzlicher Bedeutung ist. Ihre Befolgung durch Judikatur und übrige Praxis kann daher immer nur eine faktische, keine normativ begründete sein. Zweitens werden Erkenntnisse der Rechtsprechung außer in den bereits genannten Fällen nicht in einem dem Rechtsetzungsvorgang vergleichbaren Verfahren veröffentlicht. Die Gleichstellung einer ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung mit einer Rechtsvorschrift im Sinne des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwVfG dürfte daher aus Gründen der rechtsstaatlich gebotenen Rechtsklarheit und Rechtssicherheit nicht statthaft sein.

c) Verwaltungsvorschriften Unstreitig ist, daß Verwaltungsvorschriften keine Rechtsvorschriften im Sinne des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwVfG sind237. Insofern kann Bezug genommen werden auf die Ausführungen zu § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 erste Alt. VwVfG 2 3 8 . Auch hier würden die Widerrufsbefugnisse der Verwaltung in einer mit dem Zweck des § 49 Abs. 2 Satz 1 VwVfG und Art. 80 GG nicht zu vereinbarenden Weise ausgedehnt. Kein Widerrufsrecht nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwVfG besteht daher z.B., wenn eine Begünstigung auf einer nachträglich geänderten Subventionsrichtlinie beruht 239.

d) Die Veränderungssperre nach § 14 Abs. 1 BauGB In Literatur und Rechtsprechung wird zum Teil behauptet240, eine Veränderungssperre nach § 14 Abs. 1 BauGB sei keine Rechtsvorschrift im Sinne des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwVfG, so daß baurechtliche Genehmigungen nach Ergehen einer Veränderungssperre, die ihren Neuerlaß ausschließen würde, nicht widerrufen werden könnten. Zur Begründung wird auf den die Baufreiheit schützenden Zweck des §" 14 Abs. 3 BauGB verwiesen,

237 BVerwG, BayVBl. 1991, 408 (409); Achterberg, § 23 Rdnr. 83; Erichsen, in: Erichsen I Martens, § 17 Rdnr. 10; Ule ! Laubinger, § 63 II 1 e aa; Klappstein, in: Knack, VwVfG, § 49 Rdnr. 6.4.1; Kopp, VwVfG, § 49 Rdnr. 42; Meyer, in: Meyer! Borgs, VwVfG, § 49 Rdnr. 32; Obermayer, VwVfG, § 49 Rdnr. 44; Stelkens ! Sachs, in: StelkensIBonk!Leonhardt, VwVfG, § 49 Rdnr. 43; Weides, JuS 1985, 364 (368). 238 239 240

Siehe § 4 A.I.l. Weides, JuS 1985, 364 (368). Siehe VG Arnsberg, NVwZ 1990, 552; Gallus, NVwZ 1990, 536.

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Zweiter Abschnitt: Die Voraussetzungen des Widerrufs

wonach Vorhaben, die vor dem Inkrafttreten der Veränderungssperre genehmigt worden sind, von ihr nicht berührt werden. Diese Anschauung vermag im Ergebnis eher zu überzeugen als in der Begründung. Nach § 16 Abs. 1 BauGB werden Veränderungssperren als Satzungen erlassen. Ihr Charakter als Außen-Rechtsnormen im Sinne des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwVfG läßt sich damit nicht ableugnen241. Ist man der Auffassung, daß baurechtliche Genehmigungen nach Erlaß einer Veränderungssperre nicht nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwVfG widerruflich sein sollen, läßt sich dies darauf stützen, daß § 14 Abs. 3 BauGB einen nach § 1 Abs. 1 und 2 VwVfG vorrangigen Ausschluß des Widerrufs anordnet 242 .

2. Die Änderung Zweifelfragen gibt es auch im Hinblick darauf, unter welchen Voraussetzungen eine Rechtsvorschrift „geändert" wird.

a) Die Definition der Änderung Die Änderung einer Rechtsvorschrift liegt jedenfalls dann vor, wenn das zuständige Rechtssetzungsorgan die Vorschrift, auf die der Erlaß des rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakts gestützt wurde, in Tatbestand oder Rechtsfolge verschärft oder abmildert, oder eine andere Vorschrift erläßt, die dies bewirkt 243.

b) Die Nachträglichkeit der Änderung Obwohl der Wortlaut des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwVfG insoweit nicht ganz eindeutig ist, impliziert die Verwendung des Terminus „geändert", daß damit eine Tätigkeit des Normgebers nach Erlaß des zu widerrufenden Verwaltungsakts gemeint ist. Eine Änderung vor Erlaß des Verwaltungsakts

241

Ebenso Weidemann, BauR 1987, 9 (10). Bejahend Stelkens ! Sachs, in: Stelkens ! Bonk! Leonhardt, VwVfG, §49 Rdnr. 37; Ortloff, NVwZ 1983, 705 (708 f.). Verneinend VG Arnsberg, NVwZ 1990, 552; Dürr, JuS 1984, 770 (774); Gailus, NVwZ 1990, 536 (537); Weidemann, BauR 1987, 9. 243 Meyer, in: Meyer/Borgs, VwVfG, § 49 Rdnr. 32; Obermayer, VwVfG, § 49 Rdnr. 42; Stelkens ! Sachs, in: Stelkens ! Bonk!Leonhardt, VwVfG, § 49 Rdnr. 43. 242

§ 4 Die einzelnen Widerrufsgründe des § 49 II 1 VwVfG

145

berechtigt die Behörde möglicherweise - wenn der Verwaltungsakt deshalb rechtswidrig ist - zur Rücknahme nach § 48 VwVfG, nicht aber zum Widerruf nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwVfG. Denn es wäre mit dem Sinn des § 49 Abs. 2 Satz 1 VwVfG nicht zu vereinbaren, wenn sich die Behörde durch eigene Rechtsunkenntnis Widerrufsgründe schaffen würde. Außerdem kann der Betroffene nicht darauf vertrauen, daß sich die Rechtslage nach Erlaß des Verwaltungsakts nicht ändert, wohl aber darauf, daß die Behörde bei Erlaß des Verwaltungsakts das geltende Recht anwendet. Anders kann man entscheiden, wenn eine nachträgliche, aber auf den Zeitpunkt des Erlasses zurückwirkende Rechtsänderung vorgenommen wird. Folgt daraus nicht die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts, dürfte einer Anwendung des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwVfG nichts im Wege stehen. Denn die Rückwirkungsfiktion ändert nichts an der Tatsache, daß der Gesetzgeber die Rechtsvorschrift nach Erlaß des Verwaltungsakts novelliert hat. Die Behörde war zudem nicht in der Lage, die Rechtsänderung bei Erlaß des Verwaltungsakts zu berücksichtigen. Schließlich spielt es für den Schutz des Betroffenen keine Rolle, ob die Rechtsänderung mit Rückwirkung ausgestattet ist oder nicht.

c) Problemfälle Es bleibt zu prüfen, ob eine Änderung im Sinne des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwVfG vorliegt, wenn die Rechtsvorschrift aufgehoben wird, nichtig wird oder außer Kraft tritt.

(1) Die Aufhebung der Rechtsvorschrift Keine „Änderung" einer Rechtsvorschrift im strengen Wortsinne ist die gänzliche Aufhebung einer Rechtsnorm durch den Gesetzgeber. Hier wird man jedoch ausnahmsweise eine entsprechende Anwendung des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwVfG vertreten können244. Denn insoweit liegt eine Regelungslücke vor, da sich § 49 Abs. 2 Satz 1 VwVfG über die Widerruflichkeit des Verwaltungsakts bei Aufhebung einer Rechtsvorschrift ausschweigt. Auch ist es sachlich zwingend geboten, den Widerruf erst recht zuzulassen, wenn die Rechtsgrundlage des Verwaltungsakts aufgehoben und nicht nur geändert wird. Ist der Widerruf schon zulässig, wenn der Gesetzgeber die Voraussetzungen für den Erlaß einer Begünstigung verschärft, muß er nach dem ein-

244

Vgl. Meyer, in: Meyer!Borgs,

10 Bronnenmeyer

VwVfG, § 49 Rdnr. 32.

146

Zweiter Abschnitt: Die Voraussetzungen des Widerrufs

gangs erläuterten Zweck des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwVfG erst recht möglich sein, wenn der Gesetzgeber die Begünstigung durch Aufhebung der Rechtsvorschrift abschafft.

(2) Das Nichtigwerden

der Rechtsvorschrift

Zu diskutieren ist ferner, ob eine nach Erlaß des begünstigenden Verwaltungsakts eintretende (nicht rückwirkende und damit zur Geltung des § 48 VwVfG führende) Nichtigkeit seiner Rechtsgrundlage eine ,Änderung" der Rechtsvorschrift ist. Die Frage kann sich z.B. stellen, wenn eine Begünstigung aufgrund einer Satzung ergangen ist, die unwirksam wird, weil eine gesetzliche Neuregelung nunmehr vorschreibt, daß die Begünstigung künftig nur unter bestimmten, in der Satzung nicht geforderten und im konkreten Fall nicht erfüllten Voraussetzungen gewährt werden kann.

(a) Die gerichtliche Nichtigkeitsfeststellung Stellt ein Gericht die nach Erlaß der Begünstigung eingetretene Nichtigkeit ihrer Rechtsgrundlage fest, ist damit keine »Änderung" dieser Rechtsvorschrift im Sinne des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwVfG 2 4 5 verbunden. Dieses Verständnis gebietet nicht nur der juristische Sprachgebrauch, sondern auch ein Blick auf § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG, wonach zwischen der Änderung einer Rechtsvorschrift und der Änderung der Rechtslage zu unterscheiden ist, so daß man unter der Änderung der Rechtsvorschrift im Sinne des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwVfG nur gezielte Änderungen am Text der Rechtsvorschrift verstehen kann, nicht aber mittelbare Auswirkungen des Erlasses anderer Vorschriften. Die daher zu erwägende entsprechende Anwendung des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwVfG auf die richterliche Nichtigkeitsfeststellung dürfte jedenfalls dann scheitern, wenn die zu widerrufende Begünstigung unanfechtbar ist. Denn aus § 79 Abs. 2 BVerfGG und §§ 47 Abs. 6 Satz 3, 183 Satz 1 VwGO wird gefolgert, daß unanfechtbare Verwaltungsakte, die aufgrund nichtig erklärter Rechtsvorschriften ergangen sind, unberührt bleiben246. Diese auf dem Gedanken der Rechtssicherheit beruhende Regelung stellt nicht nur klar, daß die aufgrund nichtig erklärter Rechtsvorschriften ergange-

245

A.A. wohl Meyer, in: Meyer/Borgs, VwVfG, § 49 Rdnr. 32. Schmitt Glaeser, §9 Rdnr. 637; Eyermann / Fröhler, VwGO, §47 Rdnr. 39; Kopp, VwGO, § 183 Rdnr. 5. 246

§ 4 Die einzelnen Widerrufsgründe des § 49 II 1 VwVfG

147

nen Verwaltungsakte wirksam bleiben, sondern verbietet auch - als vorrangige Spezialvorschriften nach § 1 Abs. 1 und 2 VwVfG - ein Infragestellen dieser Verwaltungsakte aufgrund der Nichtigerklärung durch Rücknahme oder Widerruf 247 jedenfalls dann, wenn sie begünstigenden Inhalt haben. Ein anderes Ergebnis ist vertretbar, wenn das Gericht vor Unanfechtbarkeit des Verwaltungsakts feststellt 248, daß die Rechtsgrundlage des Verwaltungsakts nach seinem Erlaß nichtig geworden ist 249 . Denn der Gesetzgeber hat die richterliche Nichtigkeitsfeststellung der Gesetzesänderung weitgehend angenähert. Dies gilt zunächst jedenfalls dann, wenn die Nichtigkeitsfeststellung in einer Entscheidung des BVerfG getroffen wurde. Denn dieser kommt nach § 31 Abs. 2 BVerfGG Gesetzeskraft zu. Aber auch bei einer Nichtigerklärung nach § 47 VwGO ist eine so weitgehende Ähnlichkeit zur Rechtsänderung durch Gesetz vorhanden, daß eine entsprechende Geltung des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwVfG angebracht ist. Denn nach § 47 Abs. 6 Satz 1 VwGO ist die Nichtigkeitsfeststellung allgemein verbindlich und die Entscheidungsformel ebenso zu veröffentlichen, wie die Rechtsvorschrift bekanntzumachen wäre. Im übrigen ist kein sachlicher Grund erkennbar, die gerichtliche Nichtigkeitsfeststellung und die gesetzliche Aufhebung einer Rechtsvorschrift insoweit ungleich zu behandeln; Zweck des Widerrufs ist in diesen Fällen eine Aufhebung aus den Gründen, die zur Nichtigkeit der betreffenden Norm geführt haben. Keine entsprechende Anwendung ist dagegen möglich, wenn die richterliche Feststellung der Nichtigkeit nur incidenter geschieht. Hier fehlt es - wie ausgeführt - an der Gleichstellung mit der Gesetzesänderung selbst dann, wenn eine gefestigte höchstrichterliche Rechtsprechung vorliegt: Die inzidente Nichtigkeitsfeststellung wird nicht veröffentlicht; sie wirkt allenfalls inter partes, nicht allgemein verbindlich.

247

Vgl. BayVGH, BayVBl. 1989, 85 (86); BayVBl. 1988, 19 (20); VG Berlin, NJW 1981, 2595 (2596); StelkensISachs, in: Stelkens/Bonk/Leonhardt, VwVfG, § 51 Rdnr. 76 f. A.A. Obermayer, VwVfG, § 51 Rdnr. 56 f. 248 In der Regel wird eine solche Konstellation nicht vorliegen. Es ist jedoch denkbar, daß ein belasteter Dritter den Eintritt der Unanfechtbarkeit durch Rechtsbehelfe verhindert. Liegen die Voraussetzungen des § 50 VwVfG nicht vor, stellt sich die Frage, ob die Behörde nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwVfG vorgehen kann. 249 Obermayer, VwVfG, § 49 Rdnr. 42. A.A. Kopp, VwVfG, § 49 Rdnr. 42, § 48 Rdnr. 17. io·

148

Zweiter Abschnitt: Die Voraussetzungen des Widerrufs (b) Die behördliche Nichtigkeitsfeststellung

Gelangt eine Behörde zu der Überzeugung, daß die Rechtsgrundlage der zu widerrufenden Begünstigung nichtig geworden ist, kommt eine (analoge) Anwendung des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwVfG keinesfalls in Betracht, denn die behördliche Nichtigkeitsfeststellung ist der Gesetzesänderung niemals gleichgestellt. Im Gegenteil: Die Einräumung einer entsprechenden Widerrufsbefugnis würde im Ergebnis eine nach wohl herrschender Meinung nicht bestehende Normverwerfungskompetenz der Verwaltung erzeugen250.

(3) Das Außerkrafttreten

der Rechtsvorschrift

Keine „Änderung" einer Rechtsvorschrift liegt schließlich vor, wenn die Vorschrift durch Ablauf ihrer Geltungsdauer außer Kraft tritt. Der Wortlaut des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwVfG ist nicht erfüllt, weil die Rechtsvorschrift nicht geändert, sondern entsprechend ihrer vom Gesetzgeber vorgesehenen Geltungsdauer von selbst unwirksam wird. Es würde auch nicht dem Sinn eines Gesetzes mit begrenzter Geltungsdauer entsprechen, wenn Verwaltungsakte, die aufgrund dieses Gesetzes während seiner Geltung zu Recht ergingen, nachträglich zur Disposition gestellt würden.

III. Die Berechtigung der Behörde zum Nichterlaß des Verwaltungsakts Weitere Voraussetzung der Widerruflichkeit nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwVfG ist, daß die Behörde aufgrund der geänderten Rechtsvorschrift „berechtigt wäre, den Verwaltungsakt nicht zu erlassen". Im Hinblick auf dieses Tatbestandsmerkmal kann im wesentlichen an die zu § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG gemachten Ausführungen 251 angeknüpft werden.

1. Der maßgebliche Zeitpunkt für die Berechtigung zum Nichterlaß Der maßgebliche Zeitpunkt für die (hypothetische) Berechtigung der Behörde zum Nichterlaß des Verwaltungsakts muß auch im Rahmen des § 49

250 Siehe z.B. BayVGH, BayVBl. 1982, 654; Ehlers, in: Erichsen!Martens, § 3 Rdnr. 22; MayerI Kopp, § 7 II; Wolff/ Bachof I, § 28 II a. Vgl. femer Maurer, § 4 Rdnr. 46. 251 Siehe § 4 C.III.

§ 4 Die einzelnen Widerrufsgründe des § 49 II 1 VwVfG

149

Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwVfG der Zeitpunkt der Widerrufsentscheidung 252, nicht der Zeitpunkt des Erlasses des Verwaltungsakts253 sein. Dies ergibt sich aus der ex-nunc-Wirkung des Widerrufs sowie aus dem Wortlaut der Bestimmung, die davon spricht, daß die Behörde „berechtigt wäre" (nicht: „berechtigt gewesen wäre"), den Verwaltungsakt nicht zu erlassen254. Keine Widerrufsbefugnis nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwVfG besteht daher, wenn sich nach Erlaß des Verwaltungsakts auch die Sachlage so ändert, daß die Behörde trotz der Rechtsänderung nicht berechtigt wäre, die Begünstigung nicht zu erlassen.

2. Die Berechtigung zum Nichterlaß Die Behörde wäre aufgrund einer geänderten Rechtsvorschrift in zwei Fällen berechtigt, den Verwaltungsakt nicht zu erlassen. Zum einen ist die Berechtigung zum Nichterlaß gegeben, wenn die Begünstigung aufgrund der Rechtsänderung nunmehr versagt werden müßte255, weil die Rechtsgrundlage der Begünstigung aufgehoben wurde oder neue zwingende Voraussetzungen für den Erlaß des Verwaltungsakts aufstellt, die nicht erfüllt sind. Die Tatsache, daß die Behörde hier nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet wäre, den Verwaltungsakt nicht zu erlassen, spricht - wie im Zusammenhang mit § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG erläutert 256 - nicht gegen die Geltung des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwVfG. Zum anderen ist die Behörde berechtigt, die Begünstigung nicht zu erlassen, wenn sie nunmehr versagt werden könnte257, weil ihre Rechtsgrundlage neue, nicht zwingende Voraussetzungen für ihren Erlaß aufstellt, die nicht erfüllt sind.

252

Viel Laubinger, § 63 II 1 e aa; Maurer, § 11 Rdnr. 43. So aber Klappstein, in: Knack, VwVfG, § 49 Rdnr. 6.4.1. 254 Vgl. § 4 C.III. 1. 255 Ule ILaubinger, § 63 II 1 e aa; Meyer, in: Meyer/Borgs, Rdnr. 32; Obermayer, VwVfG, § 49 Rdnr. 45. 253

VwVfG, § 49

256

Siehe § 4 C.III.2.a. Vgl. Ule!Laubinger, § 63 II 1 e; Meyer, Rdnr. 32; Obermayer, VwVfG, § 49 Rdnr. 45. 257

in: Meyer/Borgs,

VwVfG, § 49

150

Zweiter Abschnitt: Die Voraussetzungen des Widerrufs 3. Kein Widerruf trotz Berechtigung zum Nichterlaß

Soweit in der Literatur eine Geltung des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwVfG trotz Berechtigung zum Nichterlaß aus den gleichen Gründen wie bei Nr. 3 verneint wird 258 , kann auf die dazu gemachten Ausführungen verwiesen werden 259.

IV. Keine Inanspruchnahme der Leistung Anders als § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG fordert der Widerrufsgrund der geänderten Rechtsvorschrift, daß der Betroffene von der Vergünstigung noch keinen Gebrauch gemacht oder auf Grund des Verwaltungsaktes noch keine Leistungen empfangen hat. Hinter diesem erhöhten Bestandsschutz dürfte wohl die Überlegung stehen, daß der Begünstigte eine Änderung der Sachlage entweder zu vertreten hat oder zumindest vorhersehen kann, eine Änderung der Rechtslage dagegen in der Regel nicht260.

1. Das Gebrauchmachen von der Vergünstigung Unklar ist, unter welchen Voraussetzungen das Gebrauchmachen von der Begünstigung den Widerruf nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwVfG ausschließt. a) Die Definition des Gebrauchmachens In Rechtsprechung und Literatur wird der Begriff des Gebrauchmachens von der Vergünstigung nicht im einzelnen problematisiert. Es finden sich lediglich allgemeine Umschreibungen. So soll es auf das „Ins-Werk-Setzen" 261 , auf eine rechtlich erhebliche Handlung zur Nutzung der durch den Verwaltungsakt eingeräumten Rechtsposition262, auf die Verwirklichung des genehmigten Werkes oder die Vornahme besonderer Anstalten263 ankom-

258

Vgl. Kopp, VwVfG, § 49 Rdnr. 41. Siehe § 4 C.III.3. 260 Vgl. Meyer, in: Meyer!Borgs, VwVfG, § 49 Rdnr. 33. 261 BVerwG, BayVBl. 1992, 730 (731); Obermayer, VwVfG, § 49 Rdnr. 47. 262 Ule!Laubinger, § 63 II 1 e; Klappstein, in: Knack, VwVfG, § 49 Rdnr. 6.4.3; Erichsen, Jura 1981, 590 (593). 263 Erichsen, in: Erichsen!Martens, § 17 Rdnr. 10. 259

§ 4 Die einzelnen Widerrufsgründe des § 49 II 1 VwVfG

151

men. Bei näherer Betrachtung erweisen sich diese Definitionen freilich als zu unscharf, um im Einzelfall eine Entscheidungshilfe zu bieten. Es ist vielmehr zu differenzieren.

(1) Bei nicht leistungsgewährenden

Verwaltungsakten

Der Betroffene kann ohne Zweifel von nicht leistungsgewährenden Verwaltungsakten im Sinne des § 48 Abs. 2 Satz 1 VwVfG, also insbesondere von Erlaubnissen zu einem Tun (z.B. Baugenehmigung) „Gebrauch machen". Denn § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwVfG knüpft offensichtlich an die von § 48 Abs. 2 und 3 VwVfG getroffene Unterscheidung an. Fraglich ist aber, mit welchen Handlungen der Betroffene die Widerrufssperre herbeiführt.

(a) Genehmigungspflichtige Handlungen Sicherlich ist ein Gebrauchmachen im Sinne des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwVfG gegeben, wenn die Vergünstigung in der Erlaubnis zu einem Tun oder in der Aufhebung des Verbots zu einem Tun besteht und der Betroffene Handlungen vorgenommen hat, die bereits für sich genommen erlaubnisbedürftig waren (z.B. Beginn des Aushubs bei der Baugenehmigung). In diesem Zusammenhang zu überlegen bleibt, ob dem Betroffenen durch diese Handlungen nicht rückgängig zu machende Aufwendungen oder ein anderer Vertrauensschaden entstanden sein müssen. Dies ist mit der herrschenden Meinung zu verneinen264, da der Wortlaut des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwVfG eine solche Einschränkung nicht trifft. Die Vorschrift gewährt Vertrauensschutz in einer typisierenden Weise 265 ; es ist daher in Kauf zu nehmen, wenn der Widerruf im Einzelfall ausgeschlossen ist, obwohl er sich für den Begünstigten nicht als unzumutbare Belastung erweisen würde.

(b) Nicht genehmigungspflichtige Handlungen Zweifelhaft ist jedoch, ob auch solche Handlungen des Betroffenen ein Gebrauchmachen von der Vergünstigung darstellen, die für sich genommen noch nicht erlaubnispflichtig sind, aber ohne die Vergünstigung nicht vor-

264

Kopp, VwVfG, § 49 Rdnr. 43; Obermayer, VwVfG, § 49 Rdnr. 47; Stelkens/ Sachs, in: Stelkens ! Bonkl Leonhardt, VwVfG, § 49 Rdnr. 41. 265 Vgl. Erichsen, in: Erichsen/Martens, § 17 Rdnr. 10.

152

Zweiter Abschnitt: Die Voraussetzungen des Widerrufs

genommen worden wären, wie etwa der Abschluß von Verträgen über die Errichtung der genehmigten Anlage. Ob diese Maßnahmen den Ausschlußgrund des Gebrauchmachens erfüllen, ist in der Literatur streitig. Einer bejahenden Auffassung 266 steht die Meinung gegenüber, wonach derartige Maßnahmen nur im Rahmen der Ermessensentscheidung gegen die Widerruflichkeit sprechen267. Der Wortlaut des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwVfG scheint eher für die letztgenannte Meinung zu sprechen. Dennoch verdient die These den Vorzug, die das Gebrauchmachen von der Vergünstigung auf nicht genehmigungspflichtige Maßnahmen, die der Verwirklichung der Begünstigung dienen, ausdehnt. Sie entspricht zum einen der generell gebotenen engen Auslegung der Widerrufstatbestände und zum anderen dem Zweck der hier zur Debatte stehenden Einschränkung der Widerrufsbefugnis: Diese beruht unzweifelhaft auf dem Gedanken, daß derjenige, der sein Vertrauen auf den Bestand des Verwaltungsakts betätigt hat, grundsätzlich schutzwürdig ist 268 . Für diesen Schutz ist es jedoch ohne Belang, ob der Betroffene Maßnahmen ergriffen hat, die bereits genehmigungsbedürftig waren. Denn eine nicht genehmigungsbedürfte Handlung (Abschluß eines Bauvertrages) kann im Einzelfall eine erheblich bedeutendere Disposition darstellen als eine genehmigungsbedürftige Maßnahme (Beginn des Erdaushubs). Ein sachlicher Grund, nicht genehmigungsbedürftige Betätigungen des Vertrauens nicht unter das „Gebrauchmachen" im Sinne des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwVfG zu subsumieren, ist daher nicht erkennbar. Insbesondere stellt die nach § 49 Abs. 5 VwVfG zu gewährende Entschädigung keine Rechtfertigung für die Versagung von Bestandsschutz dar 269 , da der Ersatz des Vertrauensschadens kein volles Äquivalent für die Aufrechterhaltung der Begünstigung bildet. So ist es vielmehr wegen des Gleichbehandlungsgebotes des Art. 3 Abs. 1 GG notwendig, nicht genehmigungspflichtige Handlungen, die im Vertrauen auf den Bestand des Verwaltungsakts vorgenommen wurden, grundsätzlich als ein Gebrauchmachen von der Vergünstigung anzusehen. Andererseits leuchtet es ein, daß nicht jede beliebige Handlung, die im Zusammenhang mit der Vergünstigung steht, ein Widerrufsverbot auslösen kann. Man wird in zweifacher Hinsicht einzuschränken haben. Zum einen stellen nur solche Handlungen des Betroffenen ein Gebrauchmachen von der

266

Ule!Laubinger, § 63 II 1 e; Klappstein, in: Knack, VwVfG, § 49 Rdnr. 6.4.3. Ebenso wohl Erichsen, in: Erichsen!Martens, § 17 Rdnr. 10. 267 OVG Berlin, NVwZ-RR 1988, 6 (9); Kopp, VwVfG, § 49 Rdnr. 43; Stelkens! Sachs, in: Stelkens ! Bonk! Leonhardt, VwVfG, § 49 Rdnr. 42. 268 Erichsen, in: Erichsen!Martens, § 17 Rdnr. 10. 269 A.A. offensichtlich OVG Berlin, NVwZ-RR 1988, 6 (9).

§ 4 Die einzelnen Widerrufsgründe des § 49 II 1 VwVfG

153

Vergünstigung dar, die der Realisierung ihrer Regelung zu dienen geeignet sind. Dies ist z.B. bei der Baugenehmigung im Hinblick auf den Abschluß von Bauverträgen zu bejahen, beim baurechtlichen Vorbescheid im Hinblick auf den Erwerb des zu bebauenden Grundstücks wohl zu verneinen, weil es sich dabei nur um den feststellenden Teil einer künftigen Baugenehmigung handelt, der als solcher nicht realisierbar ist 270 . Zum anderen muß der Betroffene wenigstens eine rechtlich relevante Handlung vorgenommen, also Rechte oder Pflichten begründet haben271. Im bloßen Aufstellen einer Bautafel z.B. ist daher kein Gebrauchmachen von der Baugenehmigung zu sehen 272 . Im Ergebnis kann man daher feststellen, daß der Begünstigte von der Vergünstigung auch dann Gebrauch gemacht hat, wenn er zwar keine genehmigungspflichtige Handlung getätigt, aber Rechte oder Pflichten begründet hat, um die Begünstigung in die Tat umzusetzen.

(2) Bei leistungsgewährenden

Verwaltungsakten

Ob der Widerruf eines leistungsgewährenden Verwaltungsakts im Sinne des § 48 Abs. 2 Satz 1 VwVfG nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwVfG ausgeschlossen sein kann, weil der Begünstigte von dem Verwaltungsakt „Gebrauch gemacht" hat, erscheint in mehrfacher Hinsicht prinzipiell zweifelhaft. So wird man schon geteilter Auffassung sein, ob bei solchen Verwaltungsakten ein Gebrauchmachen begrifflich überhaupt denkbar ist. Die Verwendung der erhaltenen Leistung muß dabei außer Betracht bleiben, da hier bereits die andere Alternative des Ausschlußgrundes, der Empfang der Leistung eingreift. Ein Gebrauchmachen könnte somit nur vorliegen, wenn der Betroffene über Leistungen verfügt, bevor er sie erhalten hat oder in Erwartung dieser Leistungen Verbindlichkeiten eingeht (z.B. Anschaffung neuer Produktionsmittel in Erwartung einer bewilligten, aber noch nicht ausgereichten Subvention). Obwohl die Formulierung des Gesetzes auf solche Fälle ersichtlich nicht zugeschnitten ist, dürfte es bei der gebotenen restriktiven Auslegung des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwVfG keine unüberwindlichen Schwierigkeiten bereiten, solche Handlungen als „Gebrauchmachen" von der Vergünstigung zu verstehen.

270 OVG Berlin, NVwZ-RR 1988, 6 (9). Vgl. auch Stelkens ! Sachs, in: Stelkens / Bonkl Leonhardt, VwVfG, § 49 Rdnr. 42. 271 Ähnlich Ule!Laubinger, § 63 II 1 e bb. 272 Obermayer, VwVfG, § 49 Rdnr. 47.

154

Zweiter Abschnitt: Die Voraussetzungen des Widerrufs

Im Ergebnis kann jedoch ein Gebrauchmachen von leistungsgewährenden Verwaltungsakten deshalb keinen Ausschluß des Widerrufs nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwVfG zur Folge haben, weil das Gesetz für diese Verwaltungsakte auf den Empfang der Leistung abstellt und insoweit eine abschließende Sonderregelung trifft 273 . Zwar formuliert das Gesetz diese Beschränkung nicht ausdrücklich, sie ergibt sich aber zwingend aus der Unterscheidung zwischen dem Gebrauchmachen von der Vergünstigung und dem Empfang von Leistungen. Für dieses Verständnis des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwVfG spricht nicht zuletzt die Tatsache, daß das Vertrauen des Betroffenen auf die Realisierung einer gewährten, aber noch nicht empfangenen Zuwendung weniger schutzwürdig ist, als das Vertrauen auf das Behaltendürfen einer bereits erhaltenen Leistung.

b) Der Umfang des Widerrufsverbots Nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwVfG ist der Widerruf allerdings nur ausgeschlossen, „soweit" der Betroffene von der Begünstigung noch keinen Gebrauch gemacht hat. Auch diese Regelung wirft Schwierigkeiten auf. Das Wort „soweit" könnte zunächst zeitlich zu verstehen sein274. Der Widerruf wäre dann nur für die Vergangenheit, nicht aber für die Zukunft ausgeschlossen. Eine solche Anschauung wäre allerdings abwegig. Denn ein Widerruf mit Wirkung ex tunc ist nach § 49 VwVfG ohnehin nicht zulässig und die Einräumung der Widerrufsbefugnis für die Zukunft, obwohl der Betroffene von der Erlaubnis Gebrauch gemacht hat, stünde in diametralem Widerspruch zum Sinn des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwVfG. Das Wort „soweit" kann daher nur sachlich verstanden werden. Welche Anforderungen an die sachliche Teilbarkeit einer Begünstigung zu stellen sind, ist indes streitig. Die eine Theorie verlangt nicht nur tatsächliche, sondern auch rechtliche und wirtschaftliche Teilbarkeit 275. Dies ist etwa dann gegeben, wenn der Verwaltungsakt zwei unabhängig von einander zu verwirklichende Vorhaben genehmigt. Eine andere Auffassung läßt es genügen, wenn die Genehmigung tatsächlich teilbar ist. So findet sich bei Meyer das Beispiel, wonach eine Baugenehmigung über sechs Geschosse insoweit widerrufen werden kann, als sie mehr als vier Geschosse erlaubt, auch wenn der Bauherr zwischenzeitlich mit dem Bau begonnen, ihn aber noch nicht

273 274 275

Im Ergebnis ebenso Erichsen, Jura 1981, 590 (593). Vgl. Meyer, in: MeyerIBorgs, VwVfG, § 49 Rdnr. 33. Ule/Laubinger, § 63 II 1 e bb.

§ 4 Die einzelnen Widerrufsgründe des § 49 II 1 VwVfG

155

über vier Geschosse ausgeführt hat, sofern nach einem neuen Bebauungsplan nur noch eine viergeschossige Bauweise zulässig ist, nach altem Recht aber eine sechsgeschossige Bauweise zulässig war 276 . Der Umfang des Widerrufsverbots hat sich an seinem Zweck zu orientierten, das Vertrauen des Betroffenen auf den Bestand von Begünstigungen zu schützen, die er bereits in die Tat umzusetzen begonnen hat. Dieser Schutz muß sich, soll er nicht leerlaufen, grundsätzlich auf die gesamte Begünstigung beziehen, wenn diese zwar gedanklich und rechtlich teilbar, wirtschaftlich jedoch als Einheit zu verstehen ist. Denn der teilweise Widerruf einer Genehmigung, die wirtschaftlich eine einheitliche Funktion besitzt, würde die Dispositionen des Begünstigten wenigstens teilweise entwerten. Dafür bildet gerade das von Meyer geschilderte Beispiel einen augenfälligen Beleg. Könnte der Bauherr gezwungen werden, den Bau nach vier statt nach wie geplant sechs Geschossen abzuschließen, kann dies gravierende, mit dem Zweck des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwVfG unvereinbare wirtschaftliche Folgen haben (z.B. Nichterfüllbarkeit der Verträge mit den Bauunternehmen und künftigen Nutzern). Ein teilweiser Widerruf trotz Gebrauchmachens von der Begünstigung läßt sich daher nur vertreten, wenn es sich um einen Verwaltungsakt handelt, der mehrere, voneinander auch in wirtschaftlicher Hinsicht unabhängige Regelungen trifft.

2. Der Empfang von Leistungen Der Begünstigte hat aufgrund des Verwaltungsakts noch keine Leistungen empfangen, wenn bei einem leistungsgewährenden Verwaltungsakt im Sinne des § 48 Abs. 2 Satz 1 VwVfG noch keine Geld- oder Sachleistung ins Vermögen des Begünstigten übergegangen ist 277 . Unstreitig nicht notwendig ist, daß der Begünstigte die Leistung verbraucht, zum Gegenstand von Vermögensdispositionen gemacht oder sonst sein Vertrauen betätigt hat 278 , da auch insoweit abstrakter Vertrauensschutz gewährt wird.

276

Meyer, in: Meyer!Borgs, VwVfG, § 49 Rdnr. 33. Obermayer, VwVfG, § 49 Rdnr. 48. 278 Erichsen, in: Erichsen! Martens, § 17 Rdnr. 10; Ule ! Laubinger, § 63 II 1 e bb; Kopp, VwVfG, § 49 Rdnr. 43; Obermayer, VwVfG, § 49 Rdnr. 48; Stelkens ! Sachs, in: Stelkens!Bonk!Leonhardt, VwVfG, §49 Rdnr. 41; Erichsen, Jura 1981, 590 (593). 277

156

Zweiter Abschnitt: Die Voraussetzungen des Widerrufs

Die Widerrufssperre wirkt, „soweit" der Begünstigte keine Leistungen empfangen hat. Bei einer laufenden Geldleistung ist der Widerruf also ausgeschlossen im Hinblick auf alle Raten, die der Begünstigte bereits erhalten hat, nicht aber im Hinblick auf künftige Zahlungen279. Bei einer einmaligen Leistung kommt ein Widerruf ebenfalls nicht in Betracht, wenn sie schon gewährt wurde 280. Soweit zuerkannte Leistungen noch nicht ausgereicht wurden, kann folglich der Tatbestand des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwVfG stets erfüllt sein. Eine andere Frage ist dann, ob dem Widerruf das Rückwirkungsverbot des § 49 Abs. 3 VwVfG entgegensteht281.

V. Die Gefährdung des öffentlichen Interesses § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwVfG verlangt schließlich, daß „ohne den Widerruf das öffentliche Interesse gefährdet wird". Wie bei § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der verwaltungsgerichtlich in vollem Umfang nachgeprüft werden kann 282 .

1. Die Auffassungen in der Literatur Die Bedeutung dieses Tatbestandsmerkmals ist umstritten. Die herrschende Meinung stellt die gleichen Erwägungen an wie im Zusammenhang mit § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG 2 8 3 . Dagegen redet Obermayer einer stärkeren Einschränkung das Wort. Es sei Aufgabe der Rechtssetzungsorgane, bei der Änderung von Vorschriften eine Entscheidung darüber zu treffen, ob aufgrund des früheren Rechts ergangene Verwaltungsakte bestehen bleiben sollen. Fehle eine ausdrückliche gesetzliche Regelung, so sei nach dem Gesetzmäßigkeitsprinzip davon auszugehen, daß die Bestandskraft der früher erlassenen Verwaltungsakte nicht angetastet werden solle. Eine Zulassung der Widerruflichkeit solcher Verwaltungsakte würde zu einer unerträglichen Rechtsunsicherheit führen. Daher könne eine Gefährdung des öffentlichen

279

Meyer, in: MeyerIBorgs, VwVfG, § 49 Rdnr. 33. Ule I Laubinger, § 63 II 1 e. 281 Siehe § 9 B. 282 Siehe § 4 C.IV. 283 OVG Berlin, NVwZ-RR 1988, 6 (9); Ule ! Laubinger, § 63 II 1 e cc; Kopp, VwVfG, § 49 Rdnr. 44; Meyer, in: Meyer!Borgs, VwVfG, § 49 Rdnr. 34; Stelkens/ Sachs, in: Stelkens ! Bonk! Leonhardt, VwVfG, § 49 Rdnr. 43. 280

§ 4 Die einzelnen Widerfsgründe des § 49 II 1 VwVfG

157

Wohles nur dann bejaht werden, wenn das die Rechtsänderung verantwortende Rechtssetzungsorgan offensichtlich die Notwendigkeit einer Regelung über den Fortbestand der nach dem geänderten Recht erlassenen Verwaltungsakte übersehen hat und aus zwingenden Gründen des öffentlichen Wohls die Notwendigkeit eines Widerrufs gegeben sei 284 .

2. Stellungnahme § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwVfG läßt nach seinem Wortlaut zur Rechtfertigung des Widerrufs jede Gefährdung öffentlicher Interessen genügen. Damit kommen zunächst grundsätzlich alle öffentlichen Interessen in Betracht. Nach dem erläuterten Zweck der Vorschrift darf der Widerruf jedoch nur zum Schutz derjenigen öffentlichen Interessen ausgesprochen werden, deren Schutz der Gesetzgeber bei der Rechtsänderung im Blick hatte. Werden z.B. die Voraussetzungen einer baurechtlichen Genehmigung aus städtebaulichen Gründen verschärft, ist der Tatbestand des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwVfG nicht erfüllt, wenn die Genehmigung eine Gefahr für die öffentlichen Interessen ausschließlich unter bauordnungsrechtlichen Gesichtspunkten darstellt. Auf die entsprechenden Ausführungen zu § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG wird verwiesen285. Weitere Einschränkungen sind dem Wortlaut und dem Zweck der Vorschrift nicht zu entnehmen, insbesondere nicht die von Obermayer vertretene strenge Begrenzung des Widerrufstatbestands. Dabei ist zu berücksichtigen, daß in den von Obermayer anerkannten Fällen ohnehin meist eine nachträgliche Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts vorliegt mit der Folge der Rücknehmbarkeit des Begünstigung. In Einzelfällen kann andererseits der Rechtsänderung im Wege der Auslegung ein nach § 1 Abs. 1 und 2 VwVfG vorrangiges Verbot des Widerrufs bereits erlassener Verwaltungsakte zu entnehmen sein. Im übrigen bleibt es aber bei der Widerrufsbefugnis der Behörden nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwVfG. Die dadurch entstehende Rechtsunsicherheit mag rechtspolitisch bedauerlich sein, führt jedoch nicht zur Notwendigkeit einer noch weitergehenden Einschränkung des Tatbestandes des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwVfG unter dem Gesichtspunkt der verfassungskonformen Auslegung, da der Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers nicht überschritten ist und die Behörde den Aspekt der Rechtssicherheit bei der Ermessensentscheidung zu berücksichtigen hat.

284 285

Obermayer, VwVfG, § 49 Rdnr. 50 f. Siehe § 4 C.IV.

158

Zweiter Abschnitt: Die Voraussetzungen des Widerrufs

E. Die schweren Nachteile für das Gemeinwohl nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 VwVfG Nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 VwVfG schließlich darf ein rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakt widerrufen werden, „um schwere Nachteile für das Gemeinwohl zu verhüten oder zu beseitigen".

I. Der Zweck der Vorschrift Anders als bei den bisher erörterten Widerrufstatbeständen liegt der Zweck des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 VwVfG auf der Hand: Er kann nur darin bestehen, schwere Nachteile für das Gemeinwohl abzuwehren. Zu klären bleibt daher lediglich die Frage, ob es sich um eine eng auszulegende Ausnahmebestimmung oder um eine weit zu interpretierende Auffangnorm handelt. Für eine großzügige Handhabung spricht zum einen die allgemein gehaltene, generalklauselartige Formulierung 286 der Vorschrift und zum anderen der Umstand, daß § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 VwVfG eine über die Tatbestände des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 - 4 VwVfG hinausgehende Widerrufsbefugnis einräumen soll 287 , da die Norm andernfalls überflüssig wäre. Dennoch besteht zu Recht Einigkeit, daß § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 VwVfG restriktiv zu interpretieren ist 288 : Ein abweichendes Verständnis würde erstens gegen den Wortlaut der Bestimmung verstoßen, der ausdrücklich „schwere" Nachteile für das Gemeinwohl verlangt. Zweitens wäre sie nicht mit der Systematik des § 49 Abs. 2 Satz 1 VwVfG in Einklang zu bringen, da - wie der Vergleich mit Nr. 3 und 4 zeigt - eine bloße Gefahr für öffentliche Interessen zur Begründung der Widerrufsbefugnis nicht ausreichen kann289. Drittens würde eine extensive Interpretation des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5

286

Kritisch zur Unbestimmtheit dieser Formulierung Meyer, in: Meyer! Borgs, VwVfG, § 49 Rdnr. 36; Obermayer, VwVfG, § 49 Rdnr. 52; Kimminich, JuS 1965, 249 (258). 287 Vgl. Maurer, § 11 Rdnr. 44. 288 Achterberg, §23 Rdnr. 84; Erichsen, in: Erichsen!Martens, § 17 Rdnr. 11; Maurer, § 11 Rdnr. 44; Ule ! Laubinger, § 63 II 1 f; Klappstein, in: Knack, VwVfG, § 49 Rdnr. 6.5; Kopp, VwVfG, § 49 Rdnr. 47; Meyer, in: Meyer! Borgs, VwVfG, § 49 Rdnr. 36; Obermayer, VwVfG, § 49 Rdnr. 52; Stelkens!Sachs, in: Stelkens! Bonk!Leonhardt, VwVfG, § 49 Rdnr. 45; Dorn, DÖV 1988, 7 (13); Erichsen, Jura 1981, 590 (593). 289 Achterberg, § 23 Rdnr. 84; Ule ! Laubinger, § 63 II 1 f; Klappstein, in: Knack, VwVfG, § 49 Rdnr. 6.5; Stelkens ! Sachs, in: Stelkens ! Bonk! Leonhardt, VwVfG, § 49 Rdnr. 45.

§ 4 Die einzelnen Widerrufsgründe des § 49 II 1 VwVfG

159

VwVfG der generellen Notwendigkeit der zurückhaltenden Handhabung der Widerrufstatbestände zuwiderlaufen. Liegen nämlich die Ausnahmetatbestände des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 - 4 VwVfG nicht vor, so verbieten die erwähnten verfassungsrechtlichen Vorgaben für die Widerruflichkeit rechtmäßiger Begünstigungen290 eine uferlose Ausdehnung der Widerrufsbefugnis nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 VwVfG: Insbesondere wenn keine relevante Änderung der Sach- oder Rechtslage eingetreten ist, kann der Widerruf einer Begünstigung aufgrund des Gesetzmäßigkeitsprinzips, der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes nur in strikt zu begrenzenden Ausnahmefällen denkbar sein. Zweck des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 VwVfG ist es demnach, in Ausnahmefällen eine Widerrufsmöglichkeit einzuräumen, in denen die Notwendigkeit des Widerrufs trotz des Nichteingreifens der anderen Tatbestände des § 49 Abs. 2 Satz 1 VwVfG unabweisbar ist.

II. Die schweren Nachteile für das Gemeinwohl Die für die Anwendung des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 VwVfG zentrale Frage ist, unter welchen Voraussetzungen schwere Nachteile für das Gemeinwohl anzunehmen sind.

1. Die Auffassungen in der Literatur Nach der Auffassung des Schrifttums ist das „Gemeinwohl" nur betroffen, wenn „bedeutende Güter" 291 oder wichtige Gemeinschaftsgüter im Sinne der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung zu Art. 12 GG 2 9 2 tangiert werden. Fiskalische Interessen sollen nicht ausreichend sein293, wohl aber Leben und Gesundheit einzelner Personen294. Auch an das Vorliegen „schwerer Nachteile" werden hohe Anforderungen gestellt, die im einzelnen allerdings umstritten sind. Während die wohl herr-

290

Vgl. § 3 A. Meyer, in: Meyer/Borgs, VwVfG, § 49 Rdnr. 36. 292 Erichsen, in: Erichsen/Martens, § 17 Rdnr. 11; Klappstein, in: Knack, VwVfG, § 49 Rdnr. 6.5; Kopp, VwVfG, § 49 Rdnr. 47; Britz, DÖV 1982, 231 (234); Häberle, Boorberg-Festschrift, S. 47 (89). 293 Ule!Laubinger, § 63 II 1 f; Klappstein, in: Knack, VwVfG, § 49 Rdnr. 6.5. 294 Klappstein, in: Knack, VwVfG, § 49 Rdnr. 6.5; Kopp, VwVfG, § 49 Rdnr. 47. 291

160

Zweiter Abschnitt: Die Voraussetzungen des Widerrufs

sehende Auffassung das Vorliegen von Katastrophen295, Notständen296 oder Extremsituationen297 verlangt, sind nach Kopp trotz der auch von ihm verfochtenen engen Auslegung des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 VwVfG nicht einmal außerordentliche Umstände erforderlich 298.

2. Die amtliche Begründung Nach der amtlichen Begründung entspricht § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 VwVfG „dem § 143 der thüringischen Landes Verwaltungsordnung und stimmt mit der ständigen Rechtsprechung des Preußischen OVG" überein. Das Interesse des einzelnen habe auch in einem modernen Rechtsstaat gegenüber dringenden Erfordernissen des Gemeinwohls grundsätzlich zurückzutreten 299 . Diese Darlegungen lassen keinen zuverlässigen Schluß auf die Fälle zu, die der Gesetzgeber vor Augen hatte. Die amtliche Begründung meint mit der thüringischen Landesverwaltungsordnung offensichtlich die Landesverwaltungsordnung für Thüringen vom 10.06.1926300. Deren § 143 ließ Nachteile für das Gemeinwohl gerade nicht ausreichen, um die Verwaltung zum Widerruf eines begünstigenden Verwaltungsakts zu befugen. Vielmehr war nach § 143 Nr. 3 bzw. 4 der Landesverwaltungsordnung für Thüringen der Widerruf eines begünstigenden Verwaltungsakts im Falle der Änderung der Sach- bzw. Rechtslage zulässig, wenn ein Nachteil für das Gemeinwohl hinzutrat. Diese Regelungen sind damit eher mit den Bestimmungen des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 bzw. 4 VwVfG vergleichbar, nicht aber mit § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 VwVfG. Bei der in der amtlichen Begründung angeführten Rechtsprechung des Preußischen OVG handelt es sich zwar - dies ist in der Literatur bereits mehrfach herausgestellt worden 301 - streng genommen um Fehlzitate, die

295

OVG Berlin, NVwZ-RR 1988, 6 (9); Obermayer, VwVfG, § 49 Rdnr. 52. Achterberg, § 23 Rdnr. 84; Klappstein, in: Knack,, VwVfG, § 49 Rdnr. 6.5. 297 OVG Berlin, NVwZ-RR 1988, 6 (9); Maurer, § 11 Rdnr. 44. Ebenso wohl Klappstein, in: Knack, VwVfG, § 49 Rdnr. 6.5. 298 Kopp, VwVfG, § 49 Rdnr. 47. 299 Begründung, S. 73. 300 In der Fassung der Bekanntmachung vom 22. Juli 1930 (GS 1930 S. 123 ff.). 301 Meyer, in: Meyer/Borgs, VwVfG, § 49 Rdnr. 36; Obermayer, VwVfG, § 49 Rdnr. 52; Stelkens / Sachs, in: Stelkens I Bonkl Leonhardt, VwVfG, § 49 Rdnr. 45; Scheerbarth, DVB1. 1966, 780 (783). Zur Rechtsprechung des Preußischen OVG vgl. ferner Ipsen, Widerruf, S. 167 ff.; Schoen, Widerruf, S. 118 ff. 296

§ 4 Die einzelnen Widerrufsgründe des § 49 II 1 VwVfG

161

aber immerhin die Vermutung rechtfertigen, daß der Gesetzgeber an eine Art Notstandsrecht gedacht hat 302 .

3. Stellungnahme Eine nähere Auseinandersetzung mit der Frage, wann schwere Nachteile für das Gemeinwohl anzunehmen sind, setzt Klarheit über die Konstellationen voraus, in denen auf den Widerrufsgrund des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 VwVfG zurückgegriffen werden muß, weil die Tatbestände des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nrn. 1 - 4 VwVfG nicht erfüllt sind.

a) Der Anwendungsbereich der Vorschrift Ein Bedürfnis für den Rückgriff auf § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 VwVfG besteht in zwei unterschiedlichen Fallgruppen, nämlich 1) zum einen, wenn a) weder ein Widerrufsvorbehalt noch eine nicht erfüllte Auflage den Widerruf nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 oder 2 VwVfG erlauben, und b) keine Änderung der Sach- oder Rechtslage eingetreten ist, die entweder zur Berechtigung der Behörde zum Nichterlaß des Verwaltungsakts und damit zum Widerruf nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 bzw. 4 VwVfG oder zur nachträglichen Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts und damit zur Rücknahme nach § 48 VwVfG befugt, und c) kein Umstand vorliegt, der die anfängliche Rechtswidrigkeit der Begünstigung und damit ihre Rücknehmbarkeit nach § 48 VwVfG begründet; diese Konstellation wäre etwa denkbar, wenn eine Genehmigung zum Ablagern eines Stoffes vorliegt, dessen Schädlichkeit nachgewiesen wird, eine veraltete Rechtsvorschrift das Ablagern dieses Stoffes aber ausdrücklich erlaubt; 2) und zum anderen, wenn a) weder ein Widerrufsvorbehalt noch eine nicht erfüllte Auflage den Widerruf nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 oder 2 VwVfG erlauben, und b) keine Änderung der Sachlage eingetreten ist, die entweder zur Berechtigung der Behörde zum Nichterlaß des Verwaltungsakts und damit zum Widerruf nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG oder zur nachträglichen Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts und damit zur Rücknahme nach § 48 VwVfG befugt, und

302

Vgl. auch Bull, § 12 Rdnr. 756; Erichsen, in: Erichsen!Martens,

11 Bronnenmeyer

§ 17 Rdnr. 11.

162

Zweiter Abschnitt: Die Voraussetzungen des Widerrufs

c) eine nicht zur Rechtswidrigkeit, aber zur Berechtigung der Behörde, den Verwaltungsakt nicht zu erlassen, führende Änderung einer Rechtsvorschrift nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwVfG vorliegt, der Widerruf jedoch ausgeschlossen ist, weil der Betroffene die Vergünstigung in Anspruch genommen hat, und d) kein Umstand vorliegt, der die anfängliche Rechtswidrigkeit der Begünstigung und damit ihre Rücknehmbarkeit nach § 48 VwVfG begründet; diese Konstellation wäre etwa gegeben, wenn der Bauherr ein Bauwerk errichtet hat, das aufgrund eines neuen Bebauungsplans nicht mehr genehmigt werden könnte. Das wesentliche rechtliche Kriterium, das die in beiden Gruppen zusammengefallen Fälle unterscheidet, ist die Verpflichtung der Behörde zum Neuerlaß des Verwaltungsakts. Denn während diese Verpflichtung im Falle des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwVfG niemals gegeben sein kann, weil jener Tatbestand ohnehin nur greift, wenn die Behörde berechtigt wäre, den Verwaltunsakt nicht zu erlassen, ist es durchaus denkbar, daß eine Verpflichtung zum Neuerlaß besteht, wenn keine Änderung der Sach- oder Rechtslage eingetreten ist. b) Folgerungen Daraus ergeben sich für die Präzisierung der schweren Nachteile für das Gemeinwohl folgende Erkenntnisse:

(1) Für erneut zu erlassende Verwaltungsakte Liegt keine relevante Änderung der Sach- oder Rechtslage vor und ist der Verwaltungsakt aufgrund gebundenen Rechts ergangen, würde § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 VwVfG den Widerruf erlauben, obwohl die Behörde verpflichtet wäre, den Verwaltungsakt mit gleichen Inhalt erneut zu erlassen. Wie im einzelnen noch zu zeigen sein wird, ist aber der Widerruf eines Verwaltungsakts, der mit gleichem Inhalt erneut erlassen werden müßte, prinzipiell ausgeschlossen, da er gegen den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung verstößt303. § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 VwVfG kann daher in diesen Fällen ebenfalls grundsätzlich keinen Widerruf zulassen - die Vorschrift bezweckt keine Aufhebung der Bindung der Verwaltung an Gesetz und Recht. Etwas anderes gilt ausnahmsweise dann, wenn eine tatsächliche Situation vorliegt, die es gebietet, die vom Gesetzmäßigkeitsprinzip angeordnete Bin-

303

Siehe § 5 A. Vgl. auch Forsthoff,\

S. 269 f.

§ 4 Die einzelnen Widerrufsgründe des § 49 II 1 VwVfG

163

dung der Exekutive an die zum Neuerlaß verpflichtende Norm aufzuheben 304 . Dies kann nur der Fall sein, wenn Rechtsgüter auf dem Spiele stehen, die dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung gleichwertig sind. Für die Auslegung des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 VwVfG folgt daraus zwingend, daß „schwere Nachteile für das Gemeinwohl", die den Widerruf der Begünstigung erlauben, auf die wichtigsten, dem Gesetzmäßigkeitsprinzip gleichrangigen Gemeinschaftsgüter zu beschränken sind. Dazu gehören Individualrechtsgüter, insbesondere aus dem vermögensrechtlichen Bereich, grundsätzlich nicht305. Etwas anderes wird zu gelten haben für Gesundheit und Leben Einzelner 306, da deren Schutz unter Berücksichtigung von Art. 1 und 2 GG eine vorrangige Aufgabe der Gemeinschaft darstellt. Im Hinblick auf Rechtsgüter der Allgemeinheit kann man ebenfalls rein vermögensrechtliche, insbesondere fiskalische Interessen nicht genügen lassen307. Schwere Nachteile für dieses so verstandene Gemeinwohl hat man dagegen in der Tat nur bei eingetretenen oder unmittelbar drohenden Katastrophen« und Notstandsfällen anzunehmen, in denen ein Beharren auf den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung nicht denkbar ist. In diesen Situationen wird folglich stets eine Gefahr im Sinne des Polizei- und Ordnungsrechts vorliegen. Die Behörde kann die in Betracht kommenden Notfälle daher in der Regel ohnehin weitaus effektiver mit den Mitteln des Polizeiund Ordnungsrechts bekämpfen. Ob daneben der eher formale Akt des Widerrufs einer Begünstigung überhaupt noch erforderlich und damit verhältnismäßig ist 308 , ist eine Frage der Ermessensentscheidung309. Da der Widerruf nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 VwVfG in jedem Falle der Vorbeugung oder Bekämpfung einer Gefahr dient, ist seine Ausübung freilich nur zulässig, wenn die Voraussetzungen der speziellen polizeirechtlichen Ermächtigungsnormen erfüllt sind310 — was allerdings in den hier zur Debatte stehenden Katastrophenfällen stets gegeben sein wird.

304

A.A. Kopp, VwVfG, § 49 Rdnr. 46. Vgl. Dorn, DÖV 1988, 7 (13). 306 Klappstein, in: Knack,, VwVfG, § 49 Rdnr. 6.5; Kopp, VwVfG, § 49 Rdnr. 47. 307 Ule / Laubiger, § 63 II 1 f; Klappstein, in: Knack, VwVfG, § 49 Rdnr. 6.5; Weides, JuS 1985, 364 (368). Zur Frage, ob die staatspolitischen Zielvorstellungen, die der europäischen Wirtschaftsgemeinschaft zu Grunde liegen, zum Gemeinwohl im Sinne des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 VwVfG zählen, siehe Winkler, DVB1. 1979, 263 (265 f.). 305

308 309 310

Vgl. Obermayer, VwVfG, § 49 Rdnr. 52. Vgl. § 8 E. Vgl. Klappstein, in: Knack, VwVfG, § 49 Rdnr. 6.5.

164

Zweiter Abschnitt: Die Voraussetzungen des Widerrufs (2) Für nicht erneut zu erlassende Verwaltungsakte

Müßte die Begünstigung dagegen nach geltendem Recht nicht erneut erlassen werden - weil entweder ein Fall des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwVfG oder eine Ermessensentscheidung vorliegt - , tritt der soeben geschilderte Konflikt mit dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung nicht auf. Gleichwohl ist § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 VwVfG einschränkend zu handhaben. Eine bloße Gefährdung öffentlicher Interessen genügt - wie eine Gegenüberstellung zu § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 und 4 VwVfG zeigt - nicht311. Daher sind die unter das Gemeinwohl zu subsumierenden Rechtsgüter zumindest an der Rechtsprechung des BVerfG zu Art. 12 GG zu messen. Für die Annahme schwerer Nachteile wird man dagegen keine Katastrophen oder Notstände verlangen müssen, sondern in Art und Umfang erhebliche Schäden genügen lassen.

III. Die Verhütung oder Beseitigung der Nachteile Im Unterschied zu § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 und 4 VwVfG genügt es nicht, daß öffentliche Interessen „gefährdet" sind. Der Widerruf ist vielmehr nur zulässig, um schwere Nachteile für das Gemeinwohl „zu verhüten oder zu beseitigen". Dies bedeutet, daß die Nachteile entweder unmittelbar und konkret bevorstehen oder bereits eingetreten sein müssen.

2.

Unterabschnitt

Kein Ausschluß des Widerrufs Im folgenden ist der Frage nachzugehen, unter welchen Voraussetzungen der Widerruf eines rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakts trotz Eingreifens eines der im vorangegangenen Abschnitt dargestellten Widerrufsgründe zwingend unzulässig ist mit der Folge, daß der Weg zu der von § 49 Abs. 2 Satz 1 VwVfG vorgesehenen Ermessensentscheidung versperrt ist. § 49 Abs. 2 VwVfG scheint nur einen Fall des kategorischen Ausschlusses des Widerrufs dieser Verwaltungsakte zu kennen: den Ablauf der in §§49

311 Achterberg, § 23 Rdnr. 84; Ule ! Laubinger, § 63 II 1 f; Klappstein, in: Knack, VwVfG, § 49 Rdnr. 6.5; StelkensISachs, in: Stelkens/Bonk/Leonhardt, VwVfG, § 49 Rdnr. 45.

§ 5 Allgemeine Gründe für den Ausschluß des Widerrufs

165

Abs. 2 Satz 2, 48 Abs. 4 VwVfG festgelegten Jahresfrist. Bevor allerdings dieser besondere, vom Gesetz angeordnete Verbotstatbestand näher beleuchtet wird, ist zu klären, in wieweit darüber hinaus allgemeine, in § 49 Abs. 2 VwVfG nicht ausdrücklich erwähnte Gründe für die Unzulässigkeit des Widerrufs rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakte existieren.

§ 5 Allgemeine Gründe für den Ausschluß des Widerrufs Der Widerruf rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakte kann aus Gründen ausgeschlossen sein, die - wie etwa kompetenzrechtliche Gesichtspunkte312, Verzicht 313 oder Verwirkung 314 - dem Erlaß eines jeden (belastenden) Verwaltungsakts entgegenstehen. Soweit diese Tatbestände keine spezifisch widerrufsrechtlichen Probleme bergen, müssen sie hier nicht näher behandelt werden. In Rechtsprechung und Literatur werden jedoch einige für die Widerrufsdogmatik bedeutsame Fallgestaltungen diskutiert, in denen der Widerruf eines rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakts aus allgemeinen Erwägungen unstatthaft sein soll, obwohl an sich ein Widerrufsgrund des § 49 Abs. 2 Satz 1 VwVfG eingreifen würde.

A. Der Ausschluß durch die Pflicht zum erneuten Erlaß des Verwaltungsakts Zunächst ist der Nachweis für die bereits mehrfach ins Feld geführte Behauptung zu erbringen, der Widerruf eines rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakts sei ausgeschlossen, wenn er mit gleichem Inhalt erneut erlassen werden müßte.

312 Siehe z.B. OVG Berlin, NVwZ-RR 1988, 6 (9). Zur Zuständigkeitsproblematik beim Widerruf des Widerspruchsbescheides siehe § 5 E.IV. 1. 313 Vgl. Stelkens/Sachs, in: Stelkens/Bonk/Leonhardt, VwVfG, § 48 Rdnr. 64 und allgemein zum Verzicht Stelkens, ebenda, § 53 Rdnr. 13 ff. 314 Siehe BayVGH, BayVBl. 1983, 120; Klappstein, in: Knack, VwVfG, §49 Rdnr. 4.2.2, § 48 Rdnr. 5.3.2; Stelkens/Sachs, in: Stelkens/Bonk!Leonhardt, VwVfG, § 48 Rdnr. 64. Vgl. auch BayVGH, BayVBl. 1991, 209 (211); Kopp, VwVfG, § 53 Rdnr. 31 ff.; Stelkens, in: Stelkens/Bonk!Leonhardt, VwVfG, § 53 Rdnr. 10 ff.

166

Zweiter Abschnitt: Die Voraussetzungen des Widerrufs

I. Die Pflicht zum erneuten Erlaß des Verwaltungsakts Die Behörde wäre im Zeitpunkt der Widerrufsentscheidung unter folgenden Voraussetzungen verpflichtet, einen Verwaltungsakt mit gleichem Inhalt erneut zu erlassen: I . Bei gebundenen Verwaltungsakten Erging die Begünstigung aufgrund einer Vorschrift zwingenden Rechts, so bestünde eine Verpflichtung zum Neuerlaß, wenn 1) der Erlaß der Begünstigung rechtmäßig war und keine Änderung der Sachoder Rechtslage eingetreten ist, wonach die Behörde berechtigt wäre, den Verwaltungsakt nicht mehr zu erlassen315, oder 2) der Erlaß der Begünstigung zwar rechtswidrig war, der Verwaltungsakt jedoch aufgrund einer nachträglichen Änderung der Sach- oder Rechtslage erneut erlassen werden müßte (und deshalb nach der hier vertretenen Auffassung als rechtmäßig geworden zu behandeln ist 316 ). 2. Bei nicht gebundenen Verwaltungsakten Erging die Begünstigung aufgrund einer Norm, die der Behörde Ermessen einräumt, bestünde eine Verpflichtung zum Neuerlaß nur ausnahmsweise, wenn der Verwaltungsakt aufgrund einer Ermessensreduzierung auf Null erneut ergehen müßte317.

II. Der Ausschluß des Widerrufs Ob und inwieweit unter diesen Voraussetzungen der Widerruf des rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakts ausgeschlossen ist, bedarf differenzierter Betrachtung.

315

Vgl. Achterberg, § 23 Rdnr. 77; Erichsen, in: Erichsen IMartens, § 19 Rdnr. 1; Maurer, § 11 Rdnr. 51; Ule ! Laubinger, § 63 I; Klappstein, in: Knack, VwVfG, § 49 Rdnr. 5.1.1; Kopp, VwVfG, § 49 Rdnr. 16; Meyer, in: Meyer/Borgs, VwVfG, § 49 Rdnr. 15; Obermayer, VwVfG, § 49 Rdnr. 10; Erichsen, Jura 1981, 590; W. Martens, Jura 1979, 83 (89). 316 Siehe § 2 B.II.2.d. 317 Klappstein, in: Knack, VwVfG, § 49 Rdnr. 5.1.1; Kopp, VwVfG, § 49 Rdnr. 16; Obermayer, VwVfG, § 49 Rdnr. 10; StelkensISachs, in: Stelkens/Bonk/Leonhardt, VwVfG, § 49 Rdnr. 16.

§ 5 Allgemeine Gründe für den Ausschluß des Widerrufs

167

1. Die Auffassungen in Rechtsprechung und Literatur Das ältere Schrifttum ist übereinstimmend davon ausgegangen, daß ein rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakt nicht widerrufen werden dürfe, sofern der Betroffene einen Anspruch auf Erlaß der Begünstigung hat 318 . Dies wurde damit begründet, daß der Rechtssatz, der die Erteilung des Verwaltungsakts binde, nicht gestatten könne, „daß die erteilte Erlaubnis durch freie Zurücknahme alsbald wieder vereitelt werde" 319. In der neueren Literatur und Rechtsprechung finden sich dagegen hierzu kaum dezidierte Stellungnahmen. So hält z.B. Kopp den Widerruf unter Berufung auf § 49 Abs. 1 VwVfG generell für unstatthaft, sofern der Verwaltungsakt „nach geltendem Recht mit gleichem Inhalt erlassen werden müßte"320. Immerhin ist anzumerken, daß die (auf die Widerrufsproblematik allerdings nur eingeschränkt übertragbare) verwaltungsprozeßrechtliche Diskussion weitgehend anerkennt, daß der Kläger grundsätzlich keinen Anspruch auf Aufhebung eines rechtswidrig erlassenen Verwaltungsakts besitzt, den die Behörde aufgrund einer Änderung der Sach- oder Rechtslage erneut erlassen müßte321.

2. Stellungnahme Richtigerweise wird man bei der Beantwortung der Frage, ob der Widerruf eines rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakts zwingend ausgeschlossen ist, wenn die Begünstigung erneut erlassen werden müßte, wie folgt zu unterscheiden haben:

a) Der Ausschluß in den Fällen des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 und 4 VwVfG In den Fällen des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 und 4 VwVfG ergibt sich das Verbot des Widerrufs eines rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakts, der erneut erlassen werden müßte, bereits aus dem Wortlaut des Gesetzes: Diese Tatbestände erlauben den Widerruf ohnehin nur dann, wenn die Behör-

318

Mayer, S. 253; Kormann, S. 340 f.; Ipsen, Widerruf, S. 102 ff. Vgl. auch Saladin, Widerruf, S. 108 ff., 151 (zum schweizerischen Recht). 319 Mayer, S. 253. Im Ergebnis ebenso Kormann, S. 340; Ipsen, Widerruf, S. 103. 320 Kopp, VwVfG, § 49 Rdnr. 3, 16. Ebenso wohl HessVGH, NJW 1987, 393; Stelkens/Sachs, in: Stelkens/Bonk/Leonhardt, VwVfG, § 49 Rdnr. 25; Hengstschläger, Die Verwaltung 1979, 337 (351 ff.). 321 Näher hierzu Schenke, NVwZ 1986, 522 (532 f.). Siehe auch § 2 B.II.2.d.

168

Zweiter Abschnitt: Die Voraussetzungen des Widerrufs

de aufgrund der Änderung der Sach- oder Rechtslage „berechtigt wäre, den Verwaltungsakt nicht zu erlassen", also keine Verpflichtung zum Neuerlaß der Begünstigung mehr besteht.

b) Der Ausschluß in den Fällen des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 VwVfG Die Widerrufstatbestände des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 VwVfG fordern dagegen eine Berechtigung der Behörde,'den Verwaltungsakt nicht mehr zu erlassen, nicht ausdrücklich. Es fragt sich daher, ob sich das Verbot des Widerrufs rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakte, die erneut erlassen werden müßten, in den Fällen des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr.l und 2 VwVfG aus einer Auslegung dieser Vorschriften oder aus einer Analogie zu § 49 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 und 4 VwVfG herleiten läßt.

(1) Die Auslegung des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 VwVfG Wenn der Wortlaut des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 VwVfG keinen Anhaltspunkt für die These gibt, daß der Widerruf rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakte, die erneut erlassen werden müßten, auch bei Vorliegen eines Widerrufsvorbehalts oder einer nicht erfüllten Auflage ausscheidet, gilt das Gleiche für den gesetzessystematischen Zusammenhang dieser Bestimmungen. Die Tatsache, daß das Verbot des Widerrufs erneut zu erlassender Verwaltungsakte in § 49 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 und 4 VwVfG, nicht aber in § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 VwVfG ausdrücklich erwähnt ist, verleitet e contrario zu der Annahme, daß der Widerruf eines rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakts bei Vorliegen eines Widerrufsvorbehalts bzw. einer nicht erfüllten Auflage auch dann zulässig ist, wenn die Begünstigung erneut erlassen werden müßte. Diese Interpretation muß allerdings zunächst aus teleologischer Sicht Bedenken hervorrufen. Denn es liegt auf der Hand, daß eine Vorschrift, welche die Aufhebung rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakte zuläßt, die sogleich erneut erlassen werden müßten, mit den Erfordernissen der Verfahrensökonomie schwerlich in Einklang zu bringen wäre 322. Ferner spricht das Gebot der verfassungskonformen Auslegung gegen die Annahme, § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 VwVfG erlaube den Widerruf rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakte, zu deren Neuerlaß die Behör-

322

Vgl. Schenke, DÖV 1986, 305 (314).

§ 5 Allgemeine Gründe für den Ausschluß des Widerrufs

169

de verpflichtet wäre. Denn der Widerruf eines Verwaltungsakts, der mit gleichem Inhalt erneut ergehen müßte, würde gegen das vom Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung umfaßte Prinzip vom Vorrang des Gesetzes verstoßen. Befiehlt nämlich eine Rechtsvorschrift im Zeitpunkt der Widerrufsentscheidung den Erlaß einer Begünstigung, bedeutet nicht nur der Nichterlaß der Begünstigung, sondern auch ihre Aufhebung einen Verstoß gegen diese Rechtsvorschrift. Der Befehl, eine Regelung zu erlassen, enthält aus Gründen der Rechtslogik als Minus das Verbot, die Regelung zu beseitigen, wenn sie bereits ergangen und keine relevante Änderung der Sach- und Rechtslage eingetreten ist 323 . Der naheliegende Einwand, die Verpflichtung zum Neuerlaß sei auch nach einer Aufhebung erfüllbar und daher unabhängig von dieser zu betrachten, ist nicht durchschlagend. Denn der Widerruf einer erneut zu erlassenden Begünstigung würde bis zu ihrem Neuerlaß einen (wenn auch vorübergehenden) rechtswidrigen Zustand schaffen 324. Außerdem wäre der Widerruf ein Verstoß gegen die im Zivilrecht seit alters anerkannte, im öffentlichen Recht im Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung wurzelnde und von § 49 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 und 4 VwVfG sowie § 46 VwVfG 3 2 5 bestätigte Maxime, daß die Durchsetzung dessen unzulässig ist, was sogleich rückgängig gemacht werden müßte: dolo agit qui petit quod statim redditurus est326. Es kann nicht angenommen werden, daß § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 VwVfG dieses aus dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung fließende Gebot der Aufrechterhaltung von Verwaltungsakten, die erneut erlassen werden müßten, durchbricht. § 49 Abs. 2 Satz 1 (Nr. 1 und 2) VwVfG kann als verfahrensrechtliche Vorschrift nicht den Zweck verfolgen, die Bestimmungen des materiellen Rechts auszuhebeln. Die Widerrufstatbestände sind vielmehr im Einklang mit dem materiellen Recht auszulegen327. § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 VwVfG ist daher bei verfassungskonformer Interpretation so zu verstehen, daß ein Widerruf auch bei Vorliegen

323

Vgl. Klappstein, in: Knack,, VwVfG, § 49 Rdnr. 5.1.1; Kopp, VwVfG, § 49 Rdnr. 3, 16; StelkensI Sachs, in: Stelkens/Bonkl Leonhardt, VwVfG, § 49 Rdnr. 15; Bettermann, /^^-Festschrift, S. 271 (277); Hengstschläger, Die Verwaltung 1979, 337 (351 ff.). Vgl. auch Begründung, S. 72. 324 Kopp, VwVfG, § 49 Rdnr. 3, 16. 325 Vgl. Schenke, DÖV 1986, 305 (314 f.); Skouris, NJW 1980, 1721 (1723). 326 Achterberg, § 23 Rdnr. 77; Schenke, DÖV 1986, 305 (314 f.); ders., NVwZ 1986, 522 (532 f.). Vgl. auch Begründung, S. 72. 327 Kopp, VwVfG, § 49 Rdnr. 3, 16. Vgl. auch BayVGH, BayVBl. 1988, 303 (305).

170

Zweiter Abschnitt: Die Voraussetzungen des Widerrufs

eines Widerrufvorbehalts oder einer nicht erfüllten Auflage ausscheidet, wenn die Begünstigung mit gleichem Inhalt erneut erlassen werden müßte.

(2) Die Analogie zu § 49 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 und 4 VwVfG Erkennt man eine solche Auslegung nicht an, ist das Verbot des Widerrufs dieser Verwaltungsakte jedenfalls auf eine Analogie zu § 49 Abs. 1 VwVfG zu stützen, der den Widerruf eines rechtmäßigen belastenden Verwaltungsakts untersagt, „wenn ein Verwaltungsakt gleichen Inhalts erneut erlassen werden müßte", und insoweit von § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 und 4 VwVfG bestätigt wird. Eine Regelungslücke ist vorhanden, da § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 VwVfG sich über die Widerruflichkeit begünstigender Verwaltungsakte, zu deren Erlaß die Behörde verpflichtet ist, ausschweigt. Eine Gleichbehandlung von belastenden und begünstigenden Verwaltungsakten ist insoweit aus den genannten verfassungsrechtlichen Gründen auch sachlich zwingend geboten. Denn wenn schon ein belastender Verwaltungsakt nicht widerruflich ist, sofern er erneut erlassen werden müßte, muß dies erst recht für einen begünstigenden Verwaltungsakt gelten, für dessen Bestand zusätzlich der Schutz des Betroffenen spricht 328.

c) Der Ausschluß in den Fällen des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 VwVfG Im Hinblick auf die Frage, ob § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 VwVfG den Widerruf einer erneut zu erlassenden Begünstigung zuläßt, ist an die soeben entwickelten Gedanken anzuknüpfen: Obwohl der Wortlaut des Gesetzes insoweit keine ausdrückliche Einschränkung enthält, kann § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 VwVfG die Behörde grundsätzlich nicht von den Bindungen an Gesetz und Recht, die den Neuerlaß gebieten, befreien. Allerdings wurde bereits darauf hingewiesen, daß der Tatbestand des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 VwVfG in außergewöhnlichen Notstandssituationen, in denen eine Gefahr für Rechtsgüter besteht, die dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung gleichwertig sind, eine Widerrufsmöglichkeit auch dann einräumen muß, wenn die Behörde an sich verpflichtet wäre, die Begünstigung erneut zu erlassen329. Insoweit stellt § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5

328

Vgl. BVerwGE 68, 151 (153), wonach § 49 Abs. 1 VwVfG offensichtlich entsprechend für rechtswidrige Verwaltungsakte gelten soll. 329 Siehe § 4 E.II.3.b. A.A. Kopp, VwVfG, § 49 Rdnr. 3.

§ 5 Allgemeine Gründe für den Ausschluß des Widerrufs

171

VwVfG eine Durchbrechung des den Erlaß des begünstigenden Verwaltungsakts anordnenden materiellen Rechts dar.

B. Der Ausschluß durch Art. 14 GG Die Zulässigkeit des Widerrufs rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakte unterliegt den für alle belastenden Verwaltungsakte geltenden verfassungsrechtlichen Schranken, die sich insbesondere aus dem Schutz der Grundrechte des Betroffenen ergeben330. In der Regel sind spezifisch widerrufsrechtliche Schwierigkeiten damit nicht verbunden. Eine Reihe von Problemen wirft allerdings die Vereinbarkeit des Widerrufs rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakte mit Art. 14 GG auf — nicht zuletzt wegen der Entschädigungsregelung des § 49 Abs. 5 VwVfG. Nach Art. 14 GG zwingend ausgeschlossen wäre der Widerruf eines rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakts, wenn 1) der Widerruf der Begünstigung einen Eingriff in das von Art. 14 GG geschützte Eigentum des Betroffenen darstellt und 2) dieser Eingriff nach Art. 14 Abs. 3 GG unzulässig ist.

I. Der Widerruf als Eingriff in das Eigentum Die herrschende Meinung in Rechtsprechung und Literatur nimmt - teilweise mit unterschiedlicher Begründung - an, daß der Widerruf eines rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakts nur in den Fällen des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 - 5 VwVfG, nicht jedoch in den Fällen der Nr. 1 und 2 einen Eingriff in das verfassungsrechtlich geschützte Eigentum des Betroffenen darstellen könne331. Eine Mindermeinung erkennt dem Widerruf solcher Verwaltungsakte dagegen niemals eigentumsrechtliche Relevanz zu 332 . Die Richtigkeit dieser Auffassungen hängt davon ab, inwieweit

330

Zur Vereinbarkeit des Widerrufs begünstigender Verwaltungsakte mit Art. 12 GG vgl. z.B. BGH, NJW 1986, 2499 (2500); BayVGH, BayVBl. 1992, 403. 331 Vgl. BGH, NJW 1970, 1178 (1179); Klappstein, in: Knack,, VwVfG, §49 Rdnr. 7.1.2; Kopp, VwVfG, § 49 Rdnr. 55; Stelkens ! Sachs, in: Stelkens/Bonkl Leonhardt, VwVfG, §49 Rdnr. 49, 52 ff.; MengerIErichsen, VerwArch. 1970, 375 (38 ff.); Schenke, DVB1. 1976, 740 (741 ff.) für § 21 BImSchG; Schmidt, JuS 1973, 529. 332

Lange, WiVerw. 1979, 15 (25 f.). Vgl. auch Stelkens ! Sachs, in: Stelkens I Bonkl Leonhardt, VwVfG, § 49 Rdnr. 53.

172

Zweiter Abschnitt: Die Voraussetzungen des Widerrufs

1) die durch den Widerruf entzogene Rechtsposition als Eigentum im Sinne des Art. 14 GG zu qualifizieren ist, und 2) der Entzug des Eigentums durch den Widerruf bloßer Ausdruck seiner Sozialbindung ist.

1. Die betroffene Rechtsposition als Eigentum im Sinne des Art. 14 GG Ob die durch den Widerruf entzogene Rechtsstellung Eigentum im Sinne des Art. 14 GG verkörpert, ist in zweifacher Hinsicht erörterungsbedürftig.

a) Öffentlich-rechtliche Rechtspositionen als Eigentum Der zu widerrufende begünstigende Verwaltungsakt gewährt eine öffentlich-rechtliche Rechtsposition. Ob und unter welchen Voraussetzungen solche Positionen als Eigentum im Sinne des Art. 14 GG zu betrachten sind, ist noch immer streitig 333. Einer Mindermeinung, die dahin tendiert, jede öffentlich-rechtliche Position als Eigentum im Sinne des Art. 14 GG einzuordnen 334 , stehen die differenzierenden Anschauungen gegenüber, wonach eine öffentlich-rechtliche Rechtsstellung nur unter bestimmten Umständen schutzfähig sei 335 . Wenn man von den zahlreichen Meinungsunterschieden im einzelnen, denen hier nicht nachgegangen werden soll, absieht, kann man konstatieren, daß die herrschende Auffassung eine öffentlich-rechtliche Rechtsposition dann als Eigentum im Sinne des Art. 14 GG betrachtet, wenn sie nicht (nur) Ausdruck sozialstaatlicher Fürsorge, sondern Äquivalent eigenen Arbeits- oder Kapitaleinsatzes des Betroffenen darstellt336. Es ist daher zu prüfen, welche begünstigenden Verwaltungsakte nach dieser Auffassung eine Rechtsstellung vermitteln, die nach Art. 14 GG schutzfähig ist.

333

Vgl. Ossenbühl, § 17 4 a. Maurer, Boorberg-Festschrift, S. 223 (250). Vgl. auch BGHZ 6, 270 (278), wonach sich der Eigentumsschutz auf jedes Vermögenswerte Recht, gleichgültig, ob es dem bürgerlichen oder dem öffentlichen Recht angehört, beziehen müsse. Zustimmend Mengerl Erichsen, VerwArch. 1970, 375 (386). 334

335

Vgl. BVerfGE 69, 272 (298 ff.); 53, 257 (289 f.); 18, 392 (397); BVerwGE 25, 210 (220 f.); BGHZ 81, 21 (33); BSGE 5, 40; Maurer, § 26 Rdnr. 29; Rüfner, in: Erichsen!Martens, § 52 Rdnr. 24; Ossenbühl, § 17 4 a. 336 Vgl. z.B. BVerfGE 18, 392 (397); 14, 288 (294); BSGE 5, 40; Maurer, § 26 Rdnr. 29; Rüfner, in: Erichsen!Martens, § 52 Rdnr. 24. Siehe ferner Klappstein, in: Knack, VwVfG, § 49 Rdnr. 7.6. Weitergehend Maurer, Boorberg-Festschrift, S. 223 (250).

§ 5 Allgemeine Gründe für den Ausschluß des Widerrufs (1) Leistungsgewährende

173

Verwaltungsakte

In der Regel werden Geld- oder Sachleistungen im Sinne des § 48 Abs. 2 Satz 1 VwVfG kein Äquivalent eigenen Arbeits- oder Kapitalaufwandes des Begünstigten, sondern Ausfluß der staatlichen Fürsorge darstellen. So kann man z.B. Subventionsbescheide, Sozialhilfe- und sonstige Beihilfebescheide nach dem Maßstab der herrschenden Anschauung jedenfalls grundsätzlich nicht als enteignungsfähige Verwaltungsakte einstufen. Andererseits beruht nicht jeder leistungsgewährende Verwaltungsakt auf einer fürsorgerischen Grundlage. Staatliche Geld- oder Sachleistungen können durchaus vom Begünstigten durch Arbeit oder Kapitaleinsatz erdient worden sein. Man wird dies z.B. bejahen können bei bestimmten Besoldungs-337 und Sozialversicherungsleistungen338. Der Widerruf solcher leistungsgewährender Verwaltungsakte kann somit einen Eingriff in das von Art. 14 GG geschützte Eigentum bedeuten.

(2) Sonstige begünstigende Verwaltungsakte Im Ergebnis ähnlich liegt es bei den sonstigen begünstigenden Verwaltungsakten. Hat allerdings der Betroffene von der Begünstigung Gebrauch gemacht und dadurch privatrechtliche Rechtspositionen bzw. Substrate geschaffen, die durch den Widerruf entzogen oder entwertet würden, ist der Schutzbereich des Art. 14 GG ohne weiteres eröffnet. Denn hier geht es nicht (nur) um die Wahrung öffentlich-rechtlicher Positionen, sondern um den Schutz des unstreitig unter Art. 14 GG fallenden Privateigentums339, auch wenn dieses von einer verwaltungsrechtlichen Gestattung abhängt. So liegt sicherlich Eigentum im Sinne des Art. 14 GG vor, wenn eine gewerberechtliche Erlaub-

337

Vgl. Kimminich, JuS 1965, 249 (258). Da die vermögensrechtlichen Ansprüche der Beamten nach herrschender Meinung nicht Art. 14 GG, sondern Art. 33 Abs. 5 GG unterfallen, kommen hier insbesondere die Ansprüche der Soldaten in Betracht. Eingehend dazu Zeug, Vertrauensschutz, S. 134 ff. 338 Vgl. Ossenbühl, § 17 4 a. 339 Siehe Ossenbühl, § 17 4 a; Maurer, Boorberg-Festschrift, S. 223 (249 f.); Weber, AöR 1966, 382 (401). Vgl. auch Kopp, GewArch. 1986, 177 (180); Leisner, NJW 1974, 478 (479 ff.). Für den Fall der Anwaltspraxis offengelassen von BGHZ 65, 241 (244).

174

Zweiter Abschnitt: Die Voraussetzungen des Widerrufs

nis widerrufen wird, auf deren Grundlage der Betroffene einen Gewerbebetrieb führt 340. Nur falls aus der öffentlich-rechtlichen Begünstigung (wie im Falle des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwVfG, wenn der Betroffene von dem Verwaltungsakt keinen Gebrauch gemacht hat) kein Privateigentum erwachsen ist, ist mit der herrschenden Meinung zu fragen, ob der Erlaß des sonstigen begünstigenden Verwaltungsakts auf Arbeits- oder Kapitaleinsatz des Betroffenen beruht. Dies wird bei der Mehrzahl der in Betracht kommenden Begünstigungen - wie etwa bei der Baugenehmigung341 - nicht der Fall sein342, ist jedoch nicht ausgeschlossen. Hängt z.B. der Erlaß der Begünstigung von einer besonderen Qualifikation des Betroffenen ab, die er durch eigene Leistung erarbeitet hat, liegt nach richtiger Auffassung Eigentum im Sinne von Art. 14 GG vor, auch wenn er von der Begünstigung noch keinen Gebrauch gemacht hat 343 . Dies gilt insbesondere für bestimmte berufsrechtliche Erlaubnisse wie etwa der Zulassung von Rechtsanwälten, die nach § 4 BRAO die Befähigung zum Richteramt voraussetzt344, oder der Approbation von Ärzten 345.

b) Die Schutzfähigkeit der Rechtspositionen Wenn damit auch nachgewiesen ist, daß die durch den rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakt eingeräumte öffentlich-rechtliche Position Eigentum im Sinne des Art. 14 GG darstellen kann, ist doch zu diskutieren, ob dies auch unter den Voraussetzungen des § 4 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 - 5 VwVfG gilt. Denn unter den dort festgelegten Umständen könnte der gewährten Begünstigung eine rechtliche Schwäche anhaften, die es verbietet, von einer eigentumskräftig verfestigten Position zu sprechen.

340

Vgl. BGH, NJW 1981, 2000 (2002) zur Arztpraxis. A.A. wohl Zitzelsberger, GewArch. 1990, 153 (158 ff.). 341 Vgl. BayVGH, BayVBl. 1976, 497; Ortloff, NVwZ 1983, 705. Anders wohl BVerwG, NJW 1970, 263. 342 Vgl. Zitzelsberger, GewArch. 1990, 153 (158). 343 Leisner, NJW 1974, 478 (482). Ebenso wohl Rapsch, ZRP 1985, 272 (274). A.A. Heydt, NJW 1974, 1229. Zweifelnd BGH, NJW 1986, 2499 (2500). 344 Leisner, NJW 1974, 478 (482); Rapsch, ZRP 1985, 272 (274). Zweifelnd BGH, NJW 1986, 2499 (2500). A.A. Heydt, NJW 1974, 1229. 345 Vgl. BGH, NJW 1981, 2000 (2002).

§ 5 Allgemeine Gründe für den Ausschluß des Widerrufs

175

(1) In den Fällen des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwVfG Steht eine Vergünstigung unter einem im Gesetz oder in ihr selbst angeordneten Vorbehalt des Widerrufs, gilt folgendes:

(a) Im Falle des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 erste Alt. VwVfG Läßt eine Rechtsvorschrift den Widerruf nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 erste Alt. VwVfG zu, ist diese Vorschrift Rechtsgrundlage des Widerrufs. § 49 Abs. 2 Satz 1 VwVfG kommt nicht zur Anwendung. Darauf wurde bereits hingewiesen346. Die Frage, ob der Widerruf einer solchen Begünstigung eine Enteignung darstellen kann, greift über die Thematik der vorliegenden Arbeit hinaus, da eine Würdigung der einzelnen in Betracht kommenden Spezialvorschriften nicht möglich ist. Im allgemeinen wird man jedoch auf die sogleich zu entwickelnden Gedanken zum Widerrufsvorbehalt zurückgreifen können.

(b) Im Falle des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 zweite Alt. VwVfG Steht der rechtmäßige begünstigende Verwaltungsakt unter einem Widerrufsvorbehalt im Sinne der §§ 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 zweite Alt., 36 Abs. 2 Nr. 3 VwVfG, fragt sich, ob es angemessen ist, Eigentum im Sinne des Art. 14 GG anzunehmen. Denn die Rechtsstellung des Betroffenen ist hier von vornherein mit der erhöhten Unsicherheit ihres Fortbestandes behaftet. Der BGH hat daher in einer Reihe von älteren Entscheidungen Begünstigungen, die unter einem Widerrufsvorbehalt ergingen, den Charakter als Eigentum im Sinne des Art. 14 GG aberkannt347. Diese Rechtsprechung hat Widerspruch gefunden. So haben Menger/ Erichsen darauf hingewiesen, daß die Ausübung des Widerrufsvorbehalts Ausdruck der Sozialbindung des Eigentums sèin mag, keinesfalls aber der Widerrufsvorbehalt das Entstehen einer eigentumskräftig verfestigten Position verhindert 348. Man wird dieser Kritik zustimmen müssen. Der Widerrufsvorbehalt nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 zweite Alt. VwVfG führt nämlich

346

§ 4 A.I.3. BGH, NJW 1970, 1178 (1179); NJW 1965, 1172 (1173); NJW 1964, 1567 (1568). Vgl. auch Johlen, NJW 1976, 2155 (2156); Schenke, DVB1. 1976, 740 (741). 348 Menger/Erichsen, VerwArch. 1970, 375 (385 ff.). Vgl. auch Maurer, § 11 Rdnr. 46. 347

176

Zweiter Abschnitt: Die Voraussetzungen des Widerrufs

nicht dazu, daß der Betroffene eine rechtlich ungeschützte Stellung und eine bloße Chance auf Fortbestand der Begünstigung erhält, die nach gesicherter Auffassung nicht von Art. 14 GG gedeckt wäre 349. Wie bereits dargelegt, ist die Ausübung eines im Verwaltungsakt enthaltenen Widerrufsvorbehalts ein Ausnahmefall, der nicht beliebig, sondern nur unter bestimmten rechtlich gebundenen Voraussetzungen zulässig ist 350 . Auch der unter einem Widerrufsvorbehalt stehende rechtmäßige begünstigende Verwaltungsakt räumt somit eine nach Art. 14 GG schutzwürdige Rechtsstellung ein. (2) Im Falle des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VwVfG Zum gleichen Ergebnis wird man kommen, wenn die Begünstigung unter einer noch nicht erfüllten Auflage ergangen ist. Zwar muß der Betroffene, solange er die Auflage nicht erfüllt hat, mit der Aufhebung der Begünstigung rechnen. Diese ist aber ebenfalls nicht ohne weiteres und voraussetzungslos, sondern nur unter Beachtung rechtlicher Bindungen statthaft 351. Ferner ist zu beachten, daß es der Begünstigte in der Regel in der Hand hat, durch Erfüllung der Auflage eine unwiderrufliche Rechtsstellung herbeizuführen. (3) In den Fällen des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3-5 VwVfG Treten schließlich die Voraussetzungen des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 - 5 VwVfG ein, so besteht erst Recht kein Anlaß, das Vorliegen von Eigentum im Sinne des Art. 14 GG in Zweifel zu ziehen, da hier die Rechtsposition des Begünstigten nicht vorbelastet ist. 2. Der Widerruf als Ausdruck der Sozialbindung Erweist sich also, daß der rechtmäßige begünstigende Verwaltungsakt auch unter den Voraussetzungen des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 - 5 VwVfG Eigentum im Sinne des Art. 14 GG repräsentieren kann, bleibt zu untersuchen, ob sein Widerruf tatsächlich einen entschädigungspflichtigen Eingriff in das Eigentum bedeutet, oder lediglich dessen Inhalt und Grenzen absteckt (Art. 14 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 GG) 3 5 2 .

349

Vgl. BGHZ 76, 387 (394); 45, 150 (155); Ossenbühl, § 17 4 b. Siehe § 4 A.II, und § 8 A.II. Vgl. auch BayVGH, BayVBl. 1990, 690 (691). 351 Siehe § 4 B. und § 8 B. 352 Dies verkennt Rapsch, ZRP 1985, 272 (274). Vgl. auch BGH, NJW 1986, 2499 (2500). 350

§ 5 Allgemeine Gründe für den Ausschluß des Widerrufs

177

a) In den Fällen des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwVfG Die Ausübung eines gesetzlichen oder im Verwaltungsakt geregelten Widerrufsvorbehalts besagt für die Sozialbindung des Eigentums folgendes: (1) Im Falle des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 erste Alt. VwVfG Die Frage, ob die Entziehung einer rechtmäßigen Begünstigung aufgrund einer spezialgesetzlichen Widerrufsermächtigung eine Enteignung darstellt oder lediglich eine Inhaltsbestimmung des Eigentums realisiert, macht wiederum eine Analyse der jeweiligen Spezialvorschrift notwendig353. Sie kann hier deshalb nicht beantwortet werden. (2) Im Falle des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 zweite Alt. VwVfG Der Widerruf eines rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakts aufgrund eines Widerrufsvorbehalts nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 zweite Alt. VwVfG wird in der Literatur - wie bereits bemerkt - als Ausdruck der Sozialbindung des Eigentums angesehen354. Diese Auffassung dürfte im Ergebnis zutreffend sein. Zwar läßt sie sich nicht mit dem Hinweis begründen, der Begünstigte habe den Widerrufsvorbehalt anfechten können355. Hätte die Anfechtung nämlich zum Erfolg geführt, so deshalb, weil der Widerrufsvorbehalt ohnehin rechtswidrig war und der Widerruf nach der hier vertretenen Auffassung unzulässig ist 356 . Hätte die Anfechtung keinen Erfolg gehabt, weil der Widerrufsvorbehalt rechtmäßig ist, kann man dem Betroffenen keinen Vorwurf machen, daß er sie unterlassen hat. Ergeht aber eine Begünstigung unter einem im Verwaltungsakt zulässigerweise angeordneten Widerrufsvorbehalt, so wird diese Rechtsposition - ähnlich wie bei einer auflösenden Befristung oder Bedingung - bereits um die Möglichkeit der Aufhebung reduziert gewährt. Die Ausübung des Widerrufsvorbehalts ist somit kein (entschädigungsfähiger) Eingriff in das Eigentum

353

Vgl. VGH Mannheim, NVwZ-RR 1992, Γ26 (128). Stelkens I Sachs, in: Stelkens I Bonkl Leonhardt, VwVfG, § 49 Rdnr. 53; Menger ! Erichsen, VerwArch. 1970, 375 (385 ff.); Schenke, DVB1. 1976, 740 (741). Vgl. auch BVerwG, NJW 1980, 1063 (1065); Kopp, VwVfG, § 49 Rdnr. 58; Lange, WiVerw. 1979, 15 (25 f.). 354

355 356

A.A. Stelkens ! Sachs, in: Stelkens ! Bonkl Leonhardt, VwVfG, § 49 Rdnr. 49. § 4 A.II.3.

12 Bronnenmeyer

178

Zweiter Abschnitt: Die Voraussetzungen des Widerrufs

des Betroffenen, sondern die vorhersehbare 357 Verwirklichung einer Inhaltsbestimmung358, wenn die den Widerrufsvorbehalt zulassende Rechtsvorschrift nicht selbst eine Enteignung, sondern eine Inhaltsbestimmung des Eigentums vornimmt 359. Für § 36 Abs. 2 Nr. 3 VwVfG kann das bejaht werden, da die Sicherstellung der gesetzlichen Voraussetzungen des Verwaltungsakts (§ 36 Abs. 1 VwVfG) und sonstige sachliche Gründe für die Beifügung des Widerrufsvorbehalts (§ 36 Abs. 2 VwVfG) sich im Rahmen der zulässigen Inhaltsbestimmung des Eigentums halten.

b) Im Falle des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VwVfG Geschieht der Widerruf eines rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakts nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VwVfG aufgrund einer nicht erfüllten Auflage, sieht die Literatur darin ebenfalls zu Recht einen Ausdruck der Sozialbindung des Eigentums360. Ergeht eine Begünstigung unter einer zulässigen361 Auflage, ist sie mit einer Pflichtigkeit belastet, da der Verwaltungsakt vom Betroffenen zugleich die Erfüllung der Auflage verlangt. Diese quasi situationsgebundene Last stellt den Bestand des Verwaltungsakts für den Fall der Nichterfüllung der Auflage, die in den Verantwortungsbereich des Betroffenen fällt 362 , von vornherein in Frage. Auch ein Widerruf nach §§49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, 36 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG stellt demnach eine verfassungsrechtlich unbedenkliche Verwirklichung der Inhaltsbestimmung des Eigentums dar.

c) Im Falle des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG Ist somit der Widerruf einer rechtmäßigen Begünstigung nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 VwVfG stets eine Inhaltsbestimmung des Eigentums, darf

357

Stelkens/Sachs, in: Stelkens/Bonk!Leonhardt, VwVfG, § 49 Rdnr. 49. Vgl. auch Meyer, in: Meyer I Borgs, VwVfG, § 49 Rdnr. 24. 358 Dies gilt selbst dann, wenn der Begünstigte trotz des Widerrufsvorbehalts in schutzwürdiger Weise auf den Bestand des Verwaltungsaks vertraut hat (zu diesen Ausnahmefällen siehe § 8 A.II.2.). 359 Vgl. VGH Mannheim, NVwZ-RR 1992, 126 (128); Maurer, § 11 Rdnr. 46. 360 Stelkens/Sachs, in: Stelkens/Bonk!Leonhardt, VwVfG, §49 Rdnr. 53; Menger /Erichsen, VerwArch. 1970, 375 (385 ff.); Schenke, DVB1. 1976, 740 (741). Vgl. femer Lange, WiVerw. 1979, 15 (25 f.). 361 Siehe § 4 B.III. 1. 362 Stelkens /Sachs, in: Stelkens ! Bonk! Leonhardt, VwVfG, § 49 Rdnr. 49.

§ 5 Allgemeine Gründe für den Ausschluß des Widerrufs

179

dies im Falle eines Widerrufs nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG entgegen einer in der Literatur gelegentlich geäußerten Einschätzung363 nicht ohne weiteres unterstellt werden. Der Eigentumsschutz steht nicht unter dem generellen Vorbehalt des Gleichbleibens der tatsächlichen Verhältnisse364. Ein Widerruf nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG kann vielmehr nur dann Ausdruck der Sozialbindung des Eigentums sein, wenn die Tatsachenänderung zu einer polizeirechtlichen Störung führt. Denn es ist anerkannt, daß die Polizeipflichtigkeit des Eigentums grundsätzlich eine zulässige Ausprägung seiner Sozialbindung darstellt. Das Eigentum verleiht nicht die Befugnis, von ihm in einer die öffentliche Sicherheit und Ordnung störenden Weise Gebrauch zu machen365.

(1) Das Vorliegen

einer polizeirechtlichen

Störung

Es muß nicht näher begründet werden, daß eine Tatsachenänderung im Sinne des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG, die eine Gefährdung des öffentlichen Interesses bedeutet, auch zu einer Gefahr bzw. Störung im Sinne der Polizei- und Ordnungsgesetze führen kann (z.B. im Falle eines unzuverlässig gewordenen Gewerbetreibenden). Liegt eine solche Störung vor, wird die Begünstigung nach der hier vertretenen Auffassung möglicherweise nachträglich rechtswidrig geworden sein, so daß insoweit nicht nur die Widerrufsproblematik, sondern auch die Enteignungsproblematik entfällt — rechtswidrige Positionen genießen keinen Eigentumsschutz nach Art. 14 GG 3 6 6 . Allerdings erzeugt nicht jede Gefährdung des öffentlichen Interesses im Sinne des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG notwendigerweise eine polizeirechtliche Störung. Es wurde bereits dargelegt, daß § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG grundsätzlich jedes öffentliche Interesse erfaßt 367. Nicht jede Gefährdung beliebiger öffentlicher Interessen stellt jedoch eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung dar. Unter öffentlicher Sicherheit sind nach herrschender Meinung nur die Unversehrtheit von Leben, Gesundheit,

363 Lange, WiVerw. 1979, 15 (25 f.) unter Berufung auf den gesetzgeberischen Gestaltungspielraum. 364 Vgl. Kimminich, JuS 1965, 249 (258). 365 OssenbühU § 18 4 c; Schenke, DÖV 1983, 320 (327); ders., JuS 1977, 789 (791); ders., DVB1. 1976, 740 (742); Zitzelsberger, GewArch. 1990, 153 (163 f.). Vgl. ferner Schock, DVB1. 1990, 549 (552). 366 Schenke, DÖV 1983, 320 (327). Einschränkend Maurer, Boorberg-Festschrift, S. 223 (249). 367 Siehe § 4 C.IV.l.

12*

180

Zweiter Abschnitt: Die Voraussetzungen des Widerrufs

Ehre, Freiheit und Vermögen der Bürger sowie Bestand und Funktionieren des Staates und seiner Einrichtungen zu verstehen, unter öffentlicher Ordnung nur die Gesamtheit der Regeln, deren Befolgung nach den jeweils herrschenden sozialen und ethischen Anschauungen als unerläßliche Voraussetzung für ein gedeihliches Zusammenleben innerhalb der Gemeinschaft angesehen wird 368 . Deutlich wird diese Inkongruenz zwischen der Gefahr für das öffentliche Interesse und der ordnungsrechtlichen Störung z.B. an den fiskalischen Interessen, die durch die Aufrechterhaltung eines leistungsgewährenden Verwaltungsakts durchaus gefährdet werden können, aber in der Regel keinen Ansatzpunkt für eine ordnungsrechtliche Störung darstellen. Auch bei sonstigen begünstigenden Verwaltungsakten ist eine Divergenz zwischen öffentlichem Interesse im Sinne des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG und polizeirechtlicher Störung vorstellbar. So muß z.B. nicht jedes nachträgliche SichNicht-Einfügen eines Bauwerks in seine nähere Umgebung nach § 34 BauGB, das durch eine Änderung der Bebauung in der Nachbarschaft entsteht, eine polizeirechtliche Gefahr ergeben. (2) Der Widerruf der polizeiwidrigen Begünstigung als Inhaltsbestimmung des Eigentums Selbst wenn aber die nachträgliche Tatsachenänderung zum Eintritt einer polizeirechtlichen Störung führt, bedeutet dies nicht zwangsläufig, daß der Widerruf der betreffenden Begünstigung als bloße Inhaltsbestimmung des Eigentums zu qualifizieren wäre. Denn in der Literatur wird zu Recht darauf hingewiesen, daß die grundrechtliche Eigentumsgarantie nicht durch das einfachgesetzliche Polizeirecht ausgehöhlt werden darf 969. Der Begünstigte kann trotz seiner Störereigenschaft in besonders gelagerten Situationen den Schutz des Art. 14 GG verdienen. Man wird dies insbesondere dann annehmen müssen, wenn er in schutzwürdiger Weise darauf vertraut hat, die tatsächlichen Verhältnisse würden sich nicht ändern, z.B. weil eine entsprechende behördliche Zusage vorliegt 370. d) Im Falle des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwVfG Bei einem Widerruf aufgrund der nachträglichen Änderung einer Rechtsvorschrift ist an diese Überlegungen anzuknüpfen. Da der Eigentumsschutz

368 369 370

Vgl. z.B. Friauf in: von Münch, S. 197 ff.; Schenke, in: Steiner, S. 178 ff. Vgl. OssenbühU § 18 4 c; Schenke, JuS 1977, 789 (791). Eingehend Schenke, JuS 1977, 789 (791 ff.); ders., DVB1. 1976, 740 (745 f.).

§ 5 Allgemeine Gründe für den Ausschluß des Widerrufs

181

unter keinem generellen Vorbehalt des Gleichbleibens der rechtlichen Verhältnisse steht371, kann der Widerruf nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwVfG nur dann eine Inhaltsbestimmung des Eigentums darstellen, wenn die vom Tatbestand dieser Vorschrift verlangte Gefährdung des öffentlichen Interesses zu einer polizeirechtlichen Störung führt. Allerdings wird sich die Enteignungsproblematik im Zusammenhang mit einer polizeirechtlichen Störung bei einem Widerruf nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwVfG kaum jemals stellen. Soweit rechtmäßige leistungsgewährende Verwaltungsakte überhaupt Eigentum einräumen, geht von ihrer Aufrechterhaltung schwerlich eine polizeirechtliche Gefahr aus. Solche Gefahren wird in der Regel die Aufrechterhaltung sonstiger begünstigender Verwaltungsakte, wie z.B. einer Baugenehmigung, erzeugen. Ist aber eine solche Begünstigung, wie meist, wenn eine Gefahr oder Störung vorliegt, bereits ins Werk gesetzt, ist nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwVfG ohnehin kein Widerruf mehr zulässig 372 . Ist die Erlaubnis nicht ins Werk gesetzt, liegt wiederum - wie gesehen - nur ausnahmsweise Eigentum vor.

e) Im Falle des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 VwVfG Der Tatbestand des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 VwVfG schließlich fordert den Eintritt schwerer Nachteile für das Gemeinwohl. Diese werden in stärkerem Umfang als die bloße Gefährdung des öffentlichen Interesses im Sinne des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 und 4 VwVfG eine ordnungsrechtliche Gefahr oder Störung mit sich bringen. Es erscheint jedoch auch insoweit nicht undenkbar, daß der Betroffene nach den oben wiedergegebenen Maßgaben ausnahmsweise schutzwürdig ist.

II. Die Zulässigkeit des Eingriffs Somit ist festzustellen, daß der Widerruf eines rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakts nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 VwVfG niemals einen (entschädigungspflichtigen) Eingriff in das Eigentum des Betroffenen darstellen kann, dessen Zulässigkeit an Art. 14 GG zu messen wäre. Es ist daher unbedenklich, daß § 49 Abs. 5 VwVfG insoweit keine Entschädigung vorsieht.

371 372

A.A. offensichtlich Lange, WiVerw. 1979, 15 (25 f.). Vgl. Schenke, DVB1. 1976, 740 (747).

182

Zweiter Abschnitt: Die Voraussetzungen des Widerrufs

Dagegen vermag der Widerruf einer rechtmäßigen Begünstigung in den Fällen des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 - 5 VwVfG einen die Entschädigungsfolge auslösenden Eingriff in das verfassungsrechtlich geschützte Eigentum des Betroffenen zu bedeuten. Es ist folglich zu klären, ob der Widerruf einen Verstoß gegen die Eingriffsvoraussetzungen des Art. 14 Abs. 3 GG darstellen und deshalb unzulässig sein kann.

1. Die Voraussetzungen des Art. 14 Abs. 3 GG Nach Art. 14 Abs. 3 GG ist eine Enteignung nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Sie darf nur durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung, die unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen ist, regelt 373.

a) Unproblematische Voraussetzungen Voraussetzung einer Enteignung ist nach Art. 14 Abs. 3 Satz 2 GG zunächst eine gesetzliche Grundlage. Diese ist für den Fall der Enteignung durch Widerruf einer rechtmäßigen Begünstigung mit § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 - 5 VwVfG unproblematisch gegeben. Ebenso verhält es sich mit dem Gebot des Art. 14 Abs. 3 Satz 1 GG, wonach eine Enteignung nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig ist. In den Fällen des § 49 Abs. 2 Satz 3 - 5 VwVfG ist die Erfüllung dieser Voraussetzung schon durch das Tatbestandsmerkmal der Gefährdung des öffentlichen Interesses bzw. der schweren Nachteile für das Gemeinwohl abgesichert. Im übrigen wäre diese Zweckbestimmung des Widerrufs im Rahmen der Ermessensentscheidung berücksichtigungsfähig. Schließlich ist auch das Erfordernis der Verhältnismäßigkeit der Enteignung durch Widerruf im Rahmen der Ermessensbetätigung nach § 49 Abs. 2 Satz 1 VwVfG ohne weiteres zu wahren 374. Aus diesen Gesichtspunkten kann somit keine generelle Unzulässigkeit des Widerrufs abgeleitet werden.

373 374

Zu den Voraussetzungen der Enteignung vgl. allgemein OssenbühU § 19. Siehe § 7 C.I.

§ 5 Allgemeine Gründe für den Ausschluß des Widerrufs

183

b) Die Entschädigungsregelung Problematisch ist jedoch, ob § 49 VwVfG den Anforderungen des Art. 14 Abs. 3 Satz 2 und 3 GG genügt, wonach eine Enteignung nur aufgrund eines Gesetzes erfolgen darf, das eine ausreichende Entschädigungsregelung enthält. § 49 Abs. 5 Satz 1 VwVfG sieht vor, daß der vom Widerruf Betroffene für den Vermögensnachteil zu entschädigen ist, „den dieser dadurch erleidet, daß er auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat, soweit sein Vertrauen schutzwürdig ist". Da § 49 Abs. 5 Satz 2 VwVfG auf § 48 Abs. 3 Satz 3 VwVfG verweist, ist der Betroffene nicht über den Betrag des (sogenannten negativen) Interesses hinaus zu entschädigen, das er am Bestand des Verwaltungsakts besitzt. Dem Betroffenen sind damit im wesentlichen nur die Aufwendungen zu erstatten, die er im Vertrauen auf den Bestand der Begünstigung getätigt hat und nun entwertet sind375. Art. 14 Abs. 3 Satz 3 GG ordnet an, daß die Enteignungsentschädigung „unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen" sei. Diese - in der Literatur zum Teil als „vage, dunkel und substanzlos" verurteilte 376 - Formel wird von der herrschenden Meinung in Rechtsprechung und Schrifttum dahingehend interpretiert, daß der Gesetzgeber grundsätzlich volle, dem Verkehrswert der entzogenen Rechtsposition entsprechende Entschädigung zu gewähren hat 377 . Einer solchen Anforderung genügt die zitierte Entschädigungsklausel des § 49 Abs. 5 VwVfG ohne Zweifel nicht in jedem Fall. Es bedarf keiner näheren Erläuterung, daß der zu ersetzende Vertrauensschaden wesentlich geringer sein kann als der Verkehrswert 378. Nun besteht zwar auch Einigkeit, daß der Gesetzgeber ausnahmsweise eine Entschädigung vorschreiben kann, die den Verkehrswert unterschreitet 379. Unter welchen Bedingungen er hierzu berechtigt ist, muß als ungeklärt ange-

375

Siehe § 10 B.II.3. So Ossenbühl, § 20 1. 377 Rüfner, in: Erichsen/Martens, §52 Rdnr. 40 f.; Maurer, §26 Rdnr. 82 ff.; OssenbühU § 20 1. 378 Stelkens/Sachs, in: Stelkens/Bonk!Leonhardt, VwVfG, § 49 Rdnr. 53; Johlen, NJW 1976, 2155 (2156); Lange, WiVerw. 1979, 15 (26); Schenke, DÖV 1983, 320 (327). Vgl. ferner Schenke, JuS 1977, 789 (793 f.); ders., DVB1. 1976, 740 (746 f.); Zitzelsberger, GewArch. 1990, 153 (156). 379 BVerfGE 24, 367 (421); Rüjher, in: Erichsen/Martens, § 52 Rdnr. 40 f.; Maurer, § 26 Rdnr. 84; Ossenbühl, § 20 1; Maurer, Boorberg-Festschrift, S. 223 (253). 376

184

Zweiter Abschnitt: Die Voraussetzungen des Widerrufs

sehen werden 380. Herrschend dürfte aber die Meinung sein, daß eine Abweichung vom Verkehrswert auf sogenannte Gruppenenteignungen beschränkt ist 381 . Der Widerruf eines rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakts stellt aber den typischen Fall einer Einzelenteignung dar. Selbst wenn darüber hinaus Konstellationen denkbar sind, in denen eine den Verkehrswert nicht erreichende Entschädigung für eine widerrufene Rechtsposition verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden sein mag 382 , muß im Ergebnis doch festgestellt werden, daß § 49 Abs. 5 VwVfG prinzipiell keine Entschädigung vorsieht, die den Anforderungen des Art. 14 Abs. 3 GG, wie sie die herrschende Meinung versteht, gerecht wird 383 .

2. Folgerungen Ein Enteignungsgesetz, das eine den Anforderungen des Art. 14 Abs. 3 Satz 2 und 3 GG nicht genügende Entschädigungsregelung enthält, ist verfassungswidrig 384. Dies hätte zur Folge, daß § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 - 5 VwVfG nichtig wäre. Etwas anderes würde gelten, wenn eine verfassungskonforme Auslegung der Vorschrift möglich wäre. Sie kann freilich wegen des eindeutigen Wortlauts des § 49 Abs. 5 VwVfG nicht darin bestehen, dem Betroffenen in den Fällen, in denen der Widerruf nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 - 5 VwVfG eine Enteignung darstellt, eine der Junktimklausel entsprechende Entschädigung zu gewähren385. Ein verfassungskonformes Verständnis des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 - 5 VwVfG zwingt folglich dazu, den Widerruf des rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakts als ausgeschlossen anzusehen, wenn die nach § 49 Abs. 5 VwVfG vorgesehene Entschädigung den Vorschriften des Art. 14 Abs. 3 Satz 2 GG nicht genügt386. Diese Aus-

380 Zum Streitstand siehe Rüfner, in: Erichsen/Martens, § 52 Rdnr. 40 f.; Ossenbühl § 20 1. 381 Vgl. BVerfGE 24, 367 (421); Rüfner, in: Erichsen!Martens, § 52 Rdnr. 41. 382 Vgl. Lange, NJW 1986, 2459 (2464 f.) für den Fall der atomrechtlichen Genehmigung. Siehe ferner Maurer, Boorberg-Festschrift, S. 223 (253) zur Entschädigung nach § 48 Abs. 3 VwVfG. 383 StelkensISachs, in: Stelkens/Bonk!Leonhardt, VwVfG, § 49 Rdnr. 53; Johlen, NJW 1976, 2155 (2156); Lange, WiVerw. 1979, 15 (26); Schenke, DÖV 1983, 320 (327). Vgl. femer Schenke, JuS 1977, 789 (793 f.); ders., DVB1. 1976, 740 (746 f.); Zitzelsberger, GewArch. 1990, 153 (156). Keine Bedenken dagegen bei Maurer, Boorberg-Festschrift, S. 223 (255). A.A. wohl auch Schmidt, JuS 1973, 529 (533 f.). 384 BVerfGE 24, 367 (418); Ossenbühl, § 19 4. 385 Vgl. Stelkens ! Sachs, in: Stelkens ! Bonk! Leonhardt, VwVfG, § 49 Rdnr. 54. 386 Stelkens ! Sachs, in: Stelkens ! Bonk!Leonhardt, VwVfG, § 49 Rdnr. 54; Zitzeis-

§ 5 Allgemeine Gründe für den Ausschluß des Widerrufs

185

legung ist gangbar, da § 49 Abs. 2 Satz 1 VwVfG keine Pflicht zum Widerruf anordnet.

I I I . Ergebnis Somit ist zusammenfassend festzustellen, daß der Widerruf eines rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakts durch Art. 14 GG ausgeschlossen ist, wenn in einem Fall des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 - 5 VwVfG eine Enteignung vorliegt und der durch § 49 Abs. 5 VwVfG normierte Ausgleich für entstandene Vermögensnachteile die nach Art. 14 Abs. 3 GG zu gewährende Entschädigung nicht erreicht.

C. Der Ausschluß durch verwaltungsinterne Weisungen Umstritten ist die Frage, ob der Widerruf eines rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakts aufgrund entgegenstehender verwaltungsinterner Weisungen ausgeschlossen sein kann.

I . Die AufPassungen in der Literatur Ein Teil der Literatur bejaht dies387 mit dem Hinweis auf § 49 Abs. 1 VwVfG, wonach der Widerruf eines Verwaltungsakts „aus anderen Gründen" unzulässig sein kann388 sowie auf die Entstehungsgeschichte des § 49 VwVfG 3 8 9 : Die amtliche Begründung führt aus, daß sich die Unzulässigkeit des Widerrufs „z.B. im Rahmen der Bundesauftrags Verwaltung aus den Weisungen der zuständigen obersten Bundesbehörden (Art. 85 Abs. 3 GG) ergeben" könne. Soweit die Länder Bundesgesetze als eigene Angelegenheiten ausführten, könne „die Bindung auf allgemeinen Verwaltungsvorschriften nach Art. 84 Abs. 2 GG beruhen"; in diesen Fällen sei die Behörde auch

berger, GewArch. 1990, 153 (156). Vgl. ferner Lange, WiVerw. 1979, 15 (25); Kisker, VVDStRL 32, 149 (187); Schenke, JuS 1977, 789 (794). 387 Achterberg, § 23 Rdnr. 77; UleILaubinger, § 63 I; Weides, § 30 I; Klappstein, in: Knack, VwVfG, § 49 Rdnr. 5.1.2; Stelkens I Sachs, in: Stelkens I Bonkl Leonhardt, VwVfG, § 49 Rdnr. 18; Erichsen, Jura 1981, 590. 388 Achterberg, §23 Rdnr. 77; Ule ! Laubinger, §63 I; Klappstein, in: Knack, VwVfG, §49 Rdnr. 5.1.2; Stelkens ! Sachs, in: Stelkens I Bonkl Leonhardt, VwVfG, § 49 Rdnr. 18. 389 Achterberg, § 23 Rdnr. 77; Ule ! Laubinger, § 63 I.

186

Zweiter Abschnitt: Die Voraussetzungen des Widerrufs

beim Widerruf „nicht frei" 390 . Andere Autoren sind der Auffassung, daß verwaltungsinterne Weisungen die Zulässigkeit des Widerrufs rechtmäßiger Verwaltungsakte nicht auszuschließen vermögen391.

II. Stellungnahme Verwaltungsvorschriften und innerdienstliche Einzelweisungen haben für die Rechtmäßigkeit des Widerrufs die gleiche Bedeutung wie für andere Verwaltungsakte. Nach der herrschenden Lehre von den Rechtswirkungen der innerdienstlichen Weisungen392 ist daher wie folgt zu differenzieren:

1. Norminterpretierende Weisungen Steht dem Widerruf eines rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakts eine sogenannte norminterpretierende Verwaltungsvorschrift 393 oder Einzelweisung (etwa zur Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs des öffentlichen Interesses im Sinne des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 und 4 VwVfG) entgegen, wird man daraus nicht per se die Unzülässigkeit de? Widerrufs folgern dürfen. Denn die allgemeine Meinung nimmt zu Recht an, daß norminterpretierende Verwaltungsvorschriften oder Einzelweisungen grundsätzlich keine Außenrechtswirkung entfalten und damit nach Art. 20 Abs. 3, Art. 97 Abs. 1 GG auch die Gerichte nicht binden394. Die Gerichte haben zu überprüfen, ob die Behörde den betreffenden Rechtsbegriff richtig ausgelegt hat. Unter dieser Voraussetzung ist der Erlaß eines Verwaltungsakts rechtmäßig, auch wenn eine (ihrerseits unrichtige) verwaltungsinterne Weisung entgegensteht, und zwar nach herrschender Meinung selbst dann, wenn die Behörde vorher die Verwaltungsvorschrift zugunsten anderer Betroffener stets beachtet

390

Begründung, S. 72. Kopp, VwVfG, § 49 Rdnr. 18; Meyer, in: Meyer!Borgs, VwVfG, § 49 Rdnr. 15; Obermayer, VwVfG, § 49 Rdnr. 12; Dorn, DÖV 1988, 7 (13 f.); Hengstschläger, Die Verwaltung 1979, 337 (352). 392 Vgl. etwa Ossenbühl, in: Erichsen!Martens, § 7 Rdnr. 30 ff.; Maurer, § 24; Wolff! Bachofl, § 24 II d 2; Stelkens!Sachs, in: Stelkens!Bonk!Leonhardt, VwVfG, § 40 Rdnr. 53 ff., 88. 393 Hierzu vgl. Ossenbühl, in: Erichsen!Martens, § 7 Rdnr. 35, 47; Maurer, § 24 Rdnr. 9. 394 BVerfG, NJW 1989, 666 (667); BVerwGE 34, 278 (281 f.); Ossenbühl, in: Erichsen!Martens, § 7 Rdnr. 47; Maurer, § 24 Rdnr. 29. 391

§ 5 Allgemeine Gründe für den Ausschluß des Widerrufs

187

hat — es gibt keine Gleichheit im Unrecht 395. Hat die Behörde die Norm dagegen unzutreffend interpretiert, so ist der Erlaß des Verwaltungsakts rechtswidrig. Dies beruht freilich allein auf der falschen Rechtsanwendung, nicht aber auf dem Verstoß gegen die verwaltungsinterne Weisung. Verbietet folglich eine norminterpretierende Verwaltungsvorschrift oder Einzelweisung den Widerruf eines rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakts, ist dies für die Rechtmäßigkeit eines dennoch ausgesprochenen Widerrufs in jedem Falle ohne Relevanz, so daß der Betroffene ihn nicht mit dem Argument angreifen kann, er verstoße gegen die internen Richtlinien der Verwaltung 396. Nichts anderes ergibt sich trotz des Gebotes der einschränkenden Auslegung des § 49 Abs. 2 Satz 1 VwVfG aus § 49 Abs. 1 VwVfG, wonach ein Widerruf „aus anderen Gründen unzulässig" sein kann. Zweck dieser Vorschrift ist ein Hinweis auf allgemeine Unzulässigkeitsgründe397, nicht aber eine Umwälzung der Dogmatik von den Verwaltungsvorschriften. Man wird die zitierte amtliche Begründung so zu verstehen haben, daß sie die verwaltungsinterne Bindung der Behörde meint, wenn sie - unter Hinweis auf die allgemeinen Verwaltungsvorschriften der Bundesregierung nach Art. 84 Abs. 2 GG und die Weisungen der obersten Bundesbehörden gegenüber den Landesbehörden im Bereich der Bundesauftragsverwaltung nach Art. 85 Abs. 3 GG, denen ebenfalls keine Außenrechtswirkung zukommt398 - von der „Unzulässigkeit" des Widerrufs spricht.

2. Ermessenslenkende Weisungen Steht dem Widerruf eines rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakts ein (sogenanntes ermessenslenkendes) Verwaltungsinternum 399 zur Handhabung des Ermessens nach § 49 Abs. 2 Satz 1 VwVfG entgegen, könnte die Frage des Ausschlusses des Widerrufs anders zu beurteilen sein.

395

BVerwGE 34, 278 (282 ff.); OssenbühU in: Erichsen/Martens, § 7 Rdnr. 47; Maurer, § 24 Rdnr. 30; Stelkens ! Sachs, in: Stelkens I Bonkl Leonhardt, VwVfG, § 40 Rdnr. 58, 88; Lange, WiVerw. 1979, 15 (32 ff.). 396 Vgl. BVerwGE 34, 278 (282); OVG Münster, DVB1. 1985, 532 (533); Kopp, VwVfG, § 49 Rdnr. 18; Meyer, in: Meyer! Borgs, VwVfG, § 49 Rdnr. 15. A.A. Stelkens I Sachs, in: Stelkens/Bonkl Leonhardt, VwVfG, § 49 Rdnr. 18. 397 Vgl. Kopp, VwVfG, § 49 Rdnr. 17. 398 Vgl. Schmidt-Bleibtreu/Klein, GG, Art. 84 Rdnr. 11. 399 Hierzu siehe Ossenbühl, in: ErichsenIMartens, § 7 Rdnr. 48 ff.; Maurer, § 24 Rdnr. 10.

188

Zweiter Abschnitt: Die Voraussetzungen des Widerrufs a) Ermessenslenkende Verwaltungsvorschriften

Es ist anerkannt, daß ermessenslenkende Verwaltungsvorschriften eine zumindest außenrechtsähnliche Wirkung erzeugen400. Sie beruht nach herrschender Meinung auf einer durch Art. 3 GG vermittelten Selbstbindung der Verwaltung 401, nach einer Mindermeinung auf einer Normsetzungsbefugnis der Exekutive im Ermessensbereich402. Freilich kann sich auch aus einer ermessenslenkenden Verwaltungsvorschrift bei näherem Hinsehen kein kategorischer, sondern nur ein von den Umständen des Einzelfalles abhängiger Ausschluß des Widerrufs ergeben. Es besteht nämlich - unabhängig von der dogmatischen Begründung ihrer Bindungswirkung - Einigkeit, daß ermessenslenkende Verwaltungsvorschriften nicht die gesetzliche Pflicht zur Ausübung eines die besonderen Umstände des Einzelfalles berücksichtigenden Ermessens beseitigen403. Widerruft die Behörde den Verwaltungsakt somit unter Berufung auf besondere Umstände des Einzelfalles entgegen einer Verwaltungsvorschrift, die diese besonderen Umstände nicht erfaßt, so ist die Aufhebung rechtmäßig. Kann die Behörde jedoch solche Besonderheiten des betreffenden Falles nicht ins Feld führen, wäre der Widerruf wegen eines Verstoßes gegen das Gleichbehandlungsgebot rechtswidrig. Nichts Gegenteiliges ergibt sich auch hier aus der Wendung in § 49 Abs. 1 VwVfG, wonach ein Widerruf aus anderen Gründen unzulässig sein kann, sowie in den Fällen des Art. 84 Abs. 2 und 85 Abs. 3 GG.

b) Ermessenslenkende Einzelweisungen Ermessenslenkende Weisungen, die sich lediglich auf einen speziellen Einzelfall beziehen, können keine durch Art. 3 GG erzeugte Selbstbindung der Verwaltung und damit keine Außenrechtswirkung entfalten. Sie stehen

400

Vgl. BVerwGE 34, 278 (280 f.); Ossenbühl, in: Erichsen!Martens, § 7 Rdnr. 48 ff.; Maurer, § 11 Rdnr. 51, § 24 Rdnr. 20 ff., 31; Stelkens!Sachs, in: Stelkens! Bonk!Leonhardt, VwVfG, § 40 Rdnr. 54 ff. 401

Vgl. BVerwGE 34, 278 (280 f.); Ossenbühl, in: Erichsen!Martens, § 7 Rdnr. 48 ff.; Maurer, § 11 Rdnr. 51, § 24 Rdnr. 20 ff., 31; Stelkens ! Sachs, in: Stelkens! Bonk!Leonhardt, VwVfG, § 40 Rdnr. 54 ff. 402 Vgl. Ossenbühl, in: Erichsen!Martens, § 7 Rdnr. 48 ff. A.A. BVerwGE 34, 278

(281).

403 OVG Münster, DVB1. 1985, 532 (533). Vgl. auch Stelkens!Sachs, in: Stelkens! Bonk!Leonhardt, VwVfG, § 40 Rdnr. 66.

§ 5 Allgemeine Gründe für den Ausschluß des Widerrufs

189

der Zulässigkeit des Widerrufs eines rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakts niemals entgegen.

D. Der Ausschluß durch die Unwirksamkeit des Verwaltungsakts Zu klären ist ferner, ob die Unwirksamkeit eines rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakts seinen Widerruf ausschließt. Die Frage kann insbesondere dann auftreten, wenn sich herausstellt, daß ein Verwaltungsakt im Zeitpunkt des Widerrufs bereits unwirksam war — z.B. weil er sich erledigt hatte404.

I. Die Auffassungen in Rechtsprechung und Literatur Die Meinungen in Rechtsprechung und Literatur gehen auseinander. Der BayVGH und die wohl überwiegende Auffassung im Schrifttum verlangen für eine Rücknahme bzw. einen Widerruf das Vorliegen eines wirksamen Verwaltungsakts405. Dies wird damit begründet, daß Rücknahme und Widerruf die Wirksamkeit des Verwaltungsakts beseitigen und folglich einen wirksamen Verwaltungsakt voraussetzen406. Eine andere Theorie hält Rücknahme und Widerruf unwirksamer Verwaltungsakte für zulässig407. Sie beruft sich auf den Gesichtspunkt der Verfahrensökonomie 408 sowie die Parallele zum Verwaltungsprozeßrecht 409.

404 405

Vgl. BVerwGE 84, 274 (277 f.).

BayVGH, BayVBl. 1990, 405 (406); Erichsen, in: Erichsen/Martens, § 15 Rdnr. 3; Maurer, § 11 Rdnr. 16; Klappstein, in: Knack, VwVfG, §48 Rdnr. 2.1; Meyer, in: Meyer!Borgs, VwVfG, § 48 Rdnr. 13; Obermayer, VwVfG, § 48 Rdnr. 8; Knoke, Rücknahme, § 4 I 4 b; Erichsen, Jura 1981, 534 (535). 406 Maurer, § 11 Rdnr. 16; Meyer, in: Meyer ! Borgs, VwVfG, § 48 Rdnr. 13; Knoke, Rücknahme, § 4 I 4 b. 407 Ule! Laubinger, § 61 II; Kopp, VwVfG, § 48 Rdnr. 17; Stelkens ! Sachs, in: Stelkens ! Bonk! Leonhardt, VwVfG, § 48 Rdnr. 37. 408 Kopp, VwVfG, § 48 Rdnr. 17, Stelkens ! Sachs, in: Stelkens! Bonk! Leonhardt, VwVfG, § 48 Rdnr. 37. 409 Kopp, VwVfG, § 48 Rdnr. 17; Ule/Laubinger, § 61 II.

190

Zweiter Abschnitt: Die Voraussetzungen des Widerrufs

II. Stellungnahme 1. Begriffsbestimmungen Zunächst setzt die Beurteilung der Widerruflichkeit unwirksamer Verwaltungsakte Klarheit über die Begriffsmerkmale des wirksamen und des unwirksamen Verwaltungsakts voraus. a) Die Wirksamkeit des Verwaltungsakts Die Wirksamkeit des Verwaltungsakts ist in § 43 VwVfG geregelt, begrifflich jedoch nicht definiert. Folgt man der herrschenden Meinung, ist zwischen äußerer und innerer Wirksamkeit zu unterscheiden410. Unter der äußeren Wirksamkeit des Verwaltungsakts wird seine rechtliche Existenz verstanden411. Sie tritt nach § 43 Abs. 1 Satz 1 VwVfG durch die Bekanntgabe des Verwaltungsakts ein. Die innere Wirksamkeit des Verwaltungsakts dagegen ist seine Fähigkeit, die mit ihm intendierten Rechtsfolgen hervorzubringen 412. Sie setzt die äußere Wirksamkeit des Verwaltungsakts voraus413, nicht aber die sofortige Maßgeblichkeit seiner Regelung414, so daß z.B. auch einem Verwaltungsakt innere Wirksamkeit zukommt, der eine aufschiebend befristete Regelung trifft. b) Die Unwirksamkeit des Verwaltungsakts Unwirksam ist demnach ein Verwaltungsakt, wenn ihm entweder die äußere oder die innere Wirksamkeit fehlt.

410 BVerwG, NVwZ 1992, 473; Erichsen, in: Erichsen!Martens, § 12 Rdnr. 1; Maurer, § 9 Rdnr. 66; Kopp, VwVfG, § 43 Rdnr. 4; Stelkens ! Sachs, in: Stelkens ! Bonk!Leonhardt, VwVfG, § 43 Rdnr. 116 ff.; Knoke, Rücknahme, § 4 I 1; Seibert, Bindungswirkung, S. 206 ff. 411 Kopp, VwVfG, § 43 Rdnr. 5; Knoke, Rücknahme, § 4 I 1 a; Seibert, Bindungswirkung, S. 206. Vgl. auch Stelkens ! Sachs, in: Stelkens ! Bonk! Leonhardt, VwVfG, § 43 Rdnr. 117 f. 412 Maurer, § 9 Rdnr. 66; Kopp, VwVfG, § 43 Rdnr. 6; Stelkensl Sachs, in: Stelkens! Bonk! Leonhardt, VwVfG, §43 Rdnr. 119; Knoke, Rücknahme, § 4 I 1 b; Seibert, Bindungswirkung, S. 206. 413

Klappstein, in: Knack, VwVfG, § 43 Rdnr. 2.2; Kopp, VwVfG, § 43 Rdnr. 6; Stelkens ! Sachs, in: Stelkens ! Bonk!Leonhardt, VwVfG, § 43 Rdnr. 125; Knoke, Rücknahme, § 4 I 2. 414 A.A. Knoke, Rücknahme, § 4 I 2 b aa. Vgl. ferner Klappstein, in: Knack, VwVfG, § 43 Rdnr. 2.2.1.3.

§ 5 Allgemeine Gründe für den Ausschluß des Widerrufs (1) Verwaltungsakte

191

ohne innere Wirksamkeit

Ein Verwaltungsakt, der zwar äußere Wirksamkeit besitzt, also existent ist, aber über keine innere Wirksamkeit (mehr) verfügt, liegt vor, wenn er 1) durch Zeitablauf oder auf andere Weise nach § 43 Abs. 2 zweite Alt. VwVfG erledigt ist; denn die Erledigung beendet nur die Geltung der Rechtsfolgen des Verwaltungsakts, nicht aber seine äußere Existenz415; 2) nichtig und damit nach § 43 Abs. 3 VwVfG unwirksam ist; denn auch der an einem besonders schweren Fehler leidende Verwaltungsakt ist bekanntgegeben und damit rechtlich existent416.

(2) Verwaltungsakte

ohne äußere Wirksamkeit

Äußere Wirksamkeit (und damit auch die auf ihr fußende innere Wirksamkeit) fehlt dem Verwaltungsakt, wenn seine Existenz 1) nicht eingetreten ist, weil er nicht wirksam bekanntgeben wurde (§§ 43 Abs. 1 Satz 1, 41 VwVfG); 2) durch Aufhebung im Wege der Rücknahme, des Widerrufs, der Abhilfe nach § 72 VwGO oder der verwaltungsgerichtlichen Kassation beendet wurde (§ 43 Abs. 2 erste Alt. VwVfG).

2. Der Widerruf unwirksamer Verwaltungsakte Der Widerruf unwirksamer Verwaltungsakte ist nur möglich, wenn § 49 VwVfG für diese Verwaltungsakte entweder unmittelbare oder entsprechende Geltung entfaltet.

a) Keine unmittelbare Geltung des § 49 VwVfG für unwirksame Verwaltungsakte Der Wortlaut des § 49 VwVfG trifft im Hinblick auf die Geltung für unwirksame Verwaltungsakte keine ausdrückliche Regelung. Insbesondere

415

Vgl. Obermayer, VwVfG, § 43 Rdnr. 28. A.A. Kopp, VwVfG, § 43 Rdnr. 16; Knoke, Rücknahme, § 4 I 2 c. 416 Kopp, VwVfG, §43 Rdnr. 21; Stelkens!Sachs, in: Stelkens!Bonk!Leonhardt, VwVfG, § 43 Rdnr. 121, 151; Knoke, Rücknahme, § 4 I 3. A.A. Klappstein, in: Knack, VwVfG, § 43 Rdnr. 6.

192

Zweiter Abschnitt: Die Voraussetzungen des Widerrufs

kann aus der Tatsache, daß § 49 VwVfG nur von „rechtmäßigen" Verwaltungsakten spricht, nicht geschlossen werden, daß die Vorschrift auf unwirksame Verwaltungsakte nicht anwendbar wäre. Denn zum einen kann auch ein rechtmäßiger Verwaltungsakt unwirksam werden (z.B. durch Erledigung) und zum anderen gilt § 49 VwVfG entsprechend für rechtswidrige Verwaltungsakte 417 , so daß nicht einmal der nichtige Verwaltungsakt von vornherein dem Anwendungsbereich des § 49 VwVfG entzogen wäre. Es ist allerdings zu unterscheiden:

(1) Verwaltungsakte

ohne äußere Wirksamkeit

Liegt ein Verwaltungsakt vor, dem keine äußere (und damit auch keine innere) Wirksamkeit zukommt, wird man eine unmittelbare Geltung des § 49 VwVfG nicht annehmen können. Denn der Widerruf soll nach §§ 43 Abs. 2, 49 Abs. 3 VwVfG die Wirksamkeit des Verwaltungsakts beseitigen, setzt also aus rechtslogischer Sicht einen wirksamen Verwaltungsakt voraus 418. Anknüpfungspunkt für den Widerruf ist somit die zumindest äußere, einen Rechtsschein erzeugende Wirksamkeit des Verwaltungsakts. Fehlt es selbst hieran, kommt eine unmittelbare Geltung des § 49 VwVfG nicht in Betracht.

(2) Verwaltungsakte

ohne innere Wirksamkeit

Handelt es sich um einen Verwaltungsakt, dem zwar äußere, nicht aber innere Wirksamkeit zukommt (z.B. im Falle seiner Erledigung oder Nichtigkeit), könnte die Rechtslage anders zu beurteilen sein. Denn der Widerruf würde immerhin die äußere Wirksamkeit und damit den Rechtsschein der Verbindlichkeit 419 des Verwaltungsakts beseitigen, wäre also rechtslogisch nicht ausgeschlossen420. Gegen die unmittelbare Geltung des § 49 VwVfG für Verwaltungsakte ohne innere Wirksamkeit spricht aber, daß die Vorschrift die Zulässigkeit des Widerrufs stark einschränkt und unter den Voraussetzungen ihres Abs. 5 mit

417

Siehe § 1 A.III. Im Ergebnis ebenso Knoke, Rücknahme, § 4 I 4 b. Vgl. auch Jäde, BayVBl. 1988, 5 (7). A.A. Bettermann, /^^-Festschrift, 271 (274): „Nur wer die Jurisprudenz für eine Naturwissenschaft hält, kann argumentieren, Nichtiges könne nicht aufgehoben, weil Totes nicht getötet werden könne." 419 Vgl. Kopp, VwVfG, § 48 Rdnr. 17. 420 Vgl. Knoke, Rücknahme, § 4 I 4 c. 418

§ 5 Allgemeine Gründe für den Ausschluß des Widerrufs

193

einem Entschädigungsanspruch des Betroffenen verknüpft. Eine solche Regelung ist nicht für unwirksame Verwaltungsakte konzipiert, denn deren „Aufhebung" müßte stets und ohne weiteres möglich sein, da es bei unwirksamen Verwaltungsakten Vertrauensschutz weder als Bestandsschutz noch als Vermögensschutz geben kann421. Die abweichende Auffassung von Stelkens/ Sachs422 steht - wie § 44 VwVfG zeigt, der bei der Nichtigkeit begünstigender Verwaltungsakte keinen Vertrauensschutz gewährt - mit der gesetzlichen Regelung nicht im Einklang und würde zu abwegigen Ergebnissen führen — z.B. zur Unwiderruflichkeit des unwirksamen Verwaltungsakts nach Ablauf der Jahresfrist der §§ 48 Abs. 4, 49 Abs. 2 Satz 2 VwVfG 4 2 3 . Daß im Verwaltungsprozeß die Anfechtung und Aufhebung nichtiger Verwaltungsakte von der herrschenden Meinung als möglich angesehen wird 424 , zwingt zu keiner anderen Beurteilung 425, da diese Praxis der Gerichte mit der Sonderregelung des § 43 Abs. 2 Satz 2 VwGO gerechtfertigt werden kann 426 , im übrigen aber weniger dogmatischer Stringenz als praktischen Rechtsschutznotwendigkeiten entspringt427.

b) Die entsprechende Geltung des § 49 VwVfG für unwirksame Verwaltungsakte Damit ist allenfalls eine entsprechende Geltung des § 49 VwVfG für unwirksame Verwaltungsakte denkbar. Sie dürfte indes - wenn auch mit Einschränkungen - vertretbar sein.

421

BVerwG, NJW 1981, 363; BGH, NJW 1983, 215 (216); Maurer, § 11 Rdnr. 16; Knoke, Rücknahme, § 4 I 4 c. Differenzierend Kopp, VwVfG, § 48 Rdnr. 17. Vgl. auch Meyer, in: MeyerI Borgs, VwVfG, § 48 Rdnr. 13. 422 Stelkens /Sachs, in: Stelkens/Bonk/Leonhardt, VwVfG, § 48 Rdnr. 37. 423 Lehrreich BayVGH, BayVBl. 1990, 405 (406). Vgl. auch OVG Münster, NVwZ 1985, 286 (287). 424 BayVGH, BayVBl. 1976, 237 (239); Ule, §32 II 1; Kopp, VwGO, § 113 Rdnr. 4. Einschränkend Schmitt Glaeser, § 3 Rdnr. 187; Eyermann / Fröhler, VwGO, § 43 Rdnr. 18 f. A.A. BayVGH, BayVBl. 1976, 756 (wonach das Gericht die Nichtigkeit des Verwaltungsakts festzustellen habe). 425 Ebenso Maurer, § 11 Rdnr. 16; Knoke, Rücknahme, § 4 I 4 c. 426 Ule, Verwaltungsprozeßrecht, § 32 II 1; Eyermann / Fröhler, VwGO, § 43 Rdnr. 18. 427 Ule, Verwaltungsprozeßrecht, § 32 II 1; Kopp, VwGO, § 113 Rdnr. 4. Vgl. ferner Knoke, § 4 I 4 c. 13 Bronnenmeyer

194

Zweiter Abschnitt: Die Voraussetzungen des Widerrufs (1) Verwaltungsakte

ohne innere Wirksamkeit

Ein Bedürfnis für den Widerruf von (äußerlich wirksamen) Verwaltungsakten ohne innere Wirksamkeit ist grundsätzlich zu bejahen, da die rechtliche Existenz dieser Verwaltungsakte den Schein ihrer Verbindlichkeit zu erzeugen vermag. Eine Regelungslücke freilich ist nur erkennbar, soweit es sich um erledigte Verwaltungsakte handelt. Die Beseitigung des Rechtsscheins nichtiger Verwaltungsake nämlich geschieht durch Nichtigkeitsfeststellung nach § 44 Abs. 5 VwVfG 4 2 8 . Ferner kann die entsprechende Anwendung des 49 VwVfG auf unwirksame (erledigte) Verwaltungsakte aus den bereits erwähnten Gründen nur soweit in Betracht kommen, als die Vorschrift den Widerruf ohne Entschädigung des Betroffenen zuläßt. Eine so verstandene Geltung des § 49 VwVfG für unwirksame Verwaltungsakte ist allerdings umso mehr angebracht, als der deklaratorische Widerruf unwirksamer rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakte unter keinen Umständen zu einem unbilligen Ergebnis führt 429 und die Behörde in Zweifelsfällen die Frage, ob der Verwaltungsakt unwirksam ist, zugunsten der Verfahrensökonomie offen lassen kann430. Dagegen gerät man, hält man einen solchen Widerruf für unzulässig, in unfruchtbare Erörterungen über seine Folgen (z.B. Zulässigkeit der Umdeutung des Widerrufs in eine Feststellung der Unwirksamkeit 431). Wäre der Widerruf des unwirksamen begünstigenden Verwaltungsakts dagegen nach § 49 Abs. 2 VwVfG unzulässig oder mit einem Entschädigungsanspruch nach § 49 Abs. 5 VwVfG verknüpft, ist sein Rechtsschein durch Feststellung der Unwirksamkeit analog § 44 Abs. 5 VwVfG zu beseitigen. (2) Verwaltungsakte

ohne äußere Wirksamkeit

Entsprechendes gilt für Verwaltungsakte ohne äußere Wirksamkeit. Freilich ist zu bedenken, daß diese mangels Existenz in der Regel keinen Rechtsschein der Verbindlichkeit verursachen. Gänzlich ausgeschlossen ist dies - wie etwa der Fall des in den Rechtsverkehr gelangten, aber nicht wirksam bekanntgegebenen Entwurfs eines Verwaltungsakts zeigt - jedoch nicht.

428

Ausführlich Knoke, Rücknahme, § 4 I 4 c. Vgl. Klappstein, in: Knack, VwVfG, § 48 Rdnr. 2.1. 430 A.A. Maurer, § 11 Rdnr. 16. 431 Bejaht von BayVGH, BayVBl. 1990, 405 (406 f.); Klappstein, VwVfG, § 48 Rdnr. 2.1. 429

in: Knack,

§ 5 Allgemeine Gründe für den Ausschluß des Widerrufs

195

E. Der Ausschluß durch die Eigenart des Verwaltungsakts Denkbar wäre weiter, daß es rechtmäßige begünstigende Verwaltungsakte gibt, deren inhaltliche oder verfahrensbedingte Besonderheiten einen Widerruf 432 generell ausschließen. In Rechtsprechung und Schrifttum wird dieses Problem z.B. im Zusammenhang mit privatrechtsgestaltenden Verwaltungsakten433, mit der Genehmigung von Rechtssetzungsakten434 und mit Rechtsbehelfsentscheidungen 435 diskutiert; insbesondere der Widerruf nach 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG soll bei bestimmten Verwaltungsakten von vornherein nicht in Beracht kommen436. Die Fülle der hiermit verbundenen Einzelfragen kann im Rahmen dieser Arbeit nicht erschöpfend behandelt werden. Es soll vielmehr genügen, die unterschiedlichen rechtlichen Ansatzpunkte aufzuzeigen, aus denen sich ein absolutes Verbot des Widerrufs gewisser Verwaltungsakte ergeben könnte.

I. Kein Verbot des Widerrufs bestimmter Verwaltungsakte durch § 49 Abs· 2 VwVfG Der Ausschluß des Widerrufs bestimmter Verwaltungsakte könnte zunächst aus §§ 48, 49 VwVfG ableitbar sein. Wortlaut, systematischer Zusammenhang und Entstehungsgeschichte dieser Vorschriften bieten für eine solche Auslegung allerdings keine Anhaltspunkte. § 49 Abs. 1 VwVfG läßt den Widerruf belastender Verwaltungsakte zu, ohne nach deren Inhalt oder Zustandekommen zu differenzieren. § 49 Abs. 2 VwVfG schränkt die Widerruflichkeit rechtmäßiger begünstigender Verwal-

432

Die folgenden Ausführungen gelten sinngemäß für den Ausschluß der Rücknahme rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakte. 433 Vgl. BVerwGE 54, 257; 48, 87 (92); 29, 314 (317); BVerwG, DVB1. 1982, 1004; Kopp, VwVfG, § 48 Rdnr. 13; Stelkens/Sachs, in: Stelkens ! Bonk! Leonhardt, VwVfG, § 48 Rdnr. 32, 62, § 49 Rdnr. 22; Kieckebusch, VerwArch. 1966, 17 (56 ff.). 434 Vgl. BVerwGE 75, 142 (146 f.); BayVGH, BayVBl. 1982, 654; Kopp, VwVfG, § 48 Rdnr. 13; Stelkens/Sachs, in: Stelkens ! Bonkl Leonhardt, VwVfG, § 48 Rdnr. 11. 435 Ule! Laubinger, § 61 II; Kopp, VwVfG, § 48 Rdnr. 13; Stelkens ! Sachs, in: Stelkens ! Bonkl Leonhardt, VwVfG, § 48 Rdnr. 182. Weitere Beispiele bei Kopp, VwVfG, § 48 Rdnr. 13, § 49 Rdnr. 36; Obermayer, VwVfG, § 49 Rdnr. 37; Stelkens/Sachs, in: Stelkens / Bonkl Leonhardt, VwVfG, § 48 Rdnr. 10. 436 So z.B. Kopp, VwVfG, § 49 Rdnr. 36; Stelkens/Sachs, in: StelkensIBonkl Leonhardt, VwVfG, § 49 Rdnr. 37. Vgl. auch § 4 C.III.3.C. 13*

196

Zweiter Abschnitt: Die Voraussetzungen des Widerrufs

tungsakte zwar stark ein, verbietet jedoch nicht den Widerruf einzelner Gruppen von Verwaltungsakten. § 48 VwVfG schließlich unterscheidet in seinen Abs. 2 und 3 leistungsgewährende und sonstige begünstigende Verwaltungsakte, untersagt aber die Rücknahme weder der einen noch der anderen generell. Wie die amtliche Begründung belegt, war dies auch nicht die Intention des Gesetzgebers437. Ein Verbot des Widerrufs bestimmter Verwaltungsakte ist daher den §§ 48, 49 VwVfG nicht zu entnehmen438. Inhaltliche und verfahrensbedingte Besonderheiten von Verwaltungsakten, die gegen einen Widerruf sprechen, sind vielmehr nach den §§ 48, 49 VwVfG - sofern sich aus den folgenden Überlegungen keine Abweichungen ergeben - ausschließlich im Rahmen der Ermessensentscheidung zu berücksichtigen439.

II. Das Verbot des Widerrufs bestimmter Verwaltungsakte durch einfachgesetzliche Spezialvorschriften Inhalt und Zustandekommen von Verwaltungsakten führen zweifellos zum Ausschluß des Widerrufs, wenn dies spezialgesetzlich angeordnet ist.

1. Spezielle Widerrufsverbote im VwVfG Das VwVfG könnte solche Spezialbestimmungen in seinen Abschnitten über das förmliche Verwaltungsverfahren (§§ 6 3 - 7 1 VwVfG) und das Planfeststellungsverfahren (§§ 7 2 - 7 8 VwVfG) enthalten.

a) Die Vorschriften über das förmliche Verwaltungsverfahren Anlaß für die Überlegung, ob die in einem förmlichen Verwaltungsverfahren ergangenen Verwaltungsakte als unwiderruflich zu betrachten sind, besteht wegen der besonderen, an ein gerichtsförmiges Verfahren erinnernden Einrichtungen dieser Verfahrensart. Die Behörde ist nach § 66 VwVfG zur

437

Siehe Begründung, S. 67 ff. Meyer, in: MeyerI Borgs, VwVfG, § 48 Rdnr. 42; Klappstein, in: Knack, VwVfG, § 48 Rdnr. 9.1, vor § 43 Rdnr. 3.2. Vgl. auch BVerwGE 54, 257 (263); Ule ! Laubinger, § 61 II. 439 Klappstein, in: Knack, VwVfG, §48 Rdnr. 9.1; Stelkens I Sachs, in: Stelkens/ Bonk!Leonhardt, VwVfG, § 48 Rdnr. 62, § 49 Rdnr. 22. 438

§ 5 Allgemeine Gründe für den Ausschluß des Widerrufs

197

Anhörung und Beteiligung der Betroffenen verpflichtet und ihre Entscheidung hat nach § 67 VwVfG grundsätzlich nach mündlicher Verhandlung zu ergehen, zu der die Beteiligten zu laden sind. Aufgrund dieser Garantien ist ein erhöhtes Vertrauen in die Richtigkeit und Endgültigkeit der erlassenen Verwaltungsakte gerechtfertigt. Dies kommt nicht zuletzt in § 70 VwVfG zum Ausdruck, wonach es vor Erhebung einer verwaltungsgerichtlichen Klage gegen einen belastenden, im förmlichen Verfahren erlassenen Verwaltungsakt der Durchführung des Vorverfahrens nach §§68 ff. VwGO nicht bedarf. Dennoch wird man nicht davon ausgehen können, daß die im förmlichen Verwaltungsverfahren ergangenen Verwaltungsakte unwiderruflich sind. Denn die §§ 6 3 - 7 1 VwVfG enthalten keine Bestimmung, die eine Anwendung des § 49 VwVfG ausdrücklich oder schlüssig verböte. § 63 Abs. 2 VwVfG bekräftigt vielmehr die Maßgeblichkeit der übrigen Vorschriften des VwVfG für das förmliche Verwaltungsverfahren. Der allgemeinen Meinung, wonach dies auch für die §§ 4 8 - 5 0 VwVfG gilt 440 , ist beizupflichten. Denn das förmliche Verwaltungsverfahren soll eine im Zeitpunkt ihres Erlasses richtige Entscheidung fördern. Es vermag jedoch spätere Änderungen der sachlichen oder rechtlichen Umstände, die § 49 Abs. 2 VwVfG zum Anlaß für den Widerruf nimmt, nicht zu berücksichtigen.

b) Die Vorschriften über das Planfeststellungsverfahren Ähnlich liegt es im Hinblick auf die Widerruflichkeit von Planfeststellungsbeschlüssen.

(1) Die Auffassungen

in Rechtsprechung und Literatur

Die Ansichten in Rechtsprechung und Literatur sind allerdings geteilt. Die herrschende, vom BVerwG angeführte Auffassung betrachtet Planfeststellungsbeschlüsse grundsätzlich als nach §§ 4 8 - 5 0 VwVfG aufhebbar 441. Eine Mindermeinung dagegen stuft die §§ 7 5 - 7 7 VwVfG als vorrangige, die

440 BVerwG, NVwZ 1991, 987 (988); Ule/Laubinger, § 61 II. Vgl. auch Busch, in: Knack, VwVfG, § 63 Rdnr. 4.3; Obermayer, VwVfG, § 63 Rdnr. 21; Bonk, in: Stelkens/Bonk/Leonhardt, VwVfG, § 63 Rdnr. 16. 441 BVerwG, DVB1. 1989, 509 (510); BayVGH, BayVBl. 1985, 399; VGH Mannheim, UPR 1988, 77 (78 f.); OVG Münster, NJW 1986, 2657 (2658); Ule / Laubinger, § 39 III 3 b ff, § 61 II; Busch, in: Knack, VwVfG, § 72 Rdnr. 6.3; Kopp, VwVfG, § 72 Rdnr. 5; Bonk, in: Stelkens/Bonk/Leonhardt, VwVfG, § 72 Rdnr. 46; Kugel, Planfeststellungsbeschluß, S. 41. Vgl. auch Korbmacher, WiVerw. 1979, 37 (45 f.).

198

Zweiter Abschnitt: Die Voraussetzungen des Widerrufs

Anwendung der allgemeinen Rücknahme- und Widerrufsbestimmungen ausschließende Sondernormen ein 442 .

(2) Stellungnahme Es liegt auf der Hand, daß Planfeststellungsbeschlüsse, die in einem aufwendigen Verfahren ergehen und komplexe rechtliche Regelungen treffen, einer erhöhten Rechtsbeständigkeit bedürfen. Trotzdem ist dem Gesetz ein genereller Ausschluß der Widerruflichkeit dieser Verwaltungsakte nicht entnehmbar. Nach § 72 Abs. 1 VwVfG gelten für Planfeststellungsbeschlüsse, soweit sich aus den §§ 7 3 - 7 8 VwVfG nichts anderes ergibt, die übrigen Vorschriften des VwVfG; lediglich § 51 VwVfG ist nicht anzuwenden. Die ausdrückliche Derogation des § 51 VwVfG zwingt e contrario zu dem Schluß, daß die Geltung der §§ 4 8 - 5 0 VwVfG unberührt bleibt 443 . Dies deckt sich mit dem Inhalt der §§ 7 3 - 7 8 VwVfG. § 75 Abs. 2 VwVfG befaßt sich mit dem Ausschluß des Anspruchs Dritter auf Unterlassung des Vorhabens, auf Beseitigung oder Änderung der Anlagen oder auf Unterlassung ihrer Benutzung. § 75 Abs. 4 VwVfG regelt das Außerkrafttreten des Planfeststellungsbeschlusses, sofern mit der Durchführung des Planes nicht innerhalb von fünf Jahren nach Eintritt der Unanfechtbarkeit begonnen wird. § 76 VwVfG normiert das Verfahren der Änderung eines Planfeststellungsbeschlusses und § 77 VwVfG den Sonderfall der Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses wegen endgültiger Aufgabe des Vorhabens. Keine dieser Vorschriften enthält Anhaltspunkte, die auf einen Ausschluß der allgemeinen Bestimmungen der §§ 48, 49 VwVfG hindeuten. Hierfür bestünde im übrigen auch keine generelle sachliche Notwendigkeit. Denn das Planfeststellungsverfahren kann ebenso wie das förmliche Verwaltungsverfahren die in § 49 Abs. 2 Satz 1 VwVfG behandelten Umstände nicht in einer Weise bewältigen, die eine spätere Reaktion durch Widerruf des Planfeststellungsbeschlusses überflüssig machen würde.

442 Obermayer, VwVfG, §48 Rdnr. 4, §49 Rdnr. 4; Grupp, DVB1. 1990, 81. Ähnlich wohl BayVGH, BayVBl. 1984, 46 (48). 443 Auch die amtliche Begründung (S. 87) erwähnt nur die Nichtgeltung des § 51 VwVfG (§ 47 des Entwurfes).

§ 5 Allgemeine Gründe für den Ausschluß des Widerrufs

199

2. Spezielle Widerrufsverbote außerhalb des VwVfG Der Widerruf bestimmter rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakte, deren Eigenart eine erhöhte Bestandskraft verlangt, kann durch Spezialvorschriften außerhalb des VwVfG ausgeschlossen sein, die den §§ 48, 49 VwVfG als entgegenstehende Rechtsvorschriften des Bundes nach § 1 Abs. 1 und 2 VwVfG vorgehen.

a) Beispiele vorrangiger Rechtsvorschriften Dabei wird es sich meist um Bestimmungen handeln, die den Widerruf (bzw. die Rücknahme) nicht gänzlich verbieten, sondern unter strengeren, abschließend genannten Voraussetzungen zulassen. Als Beispiele solcher Spezialvorschriften, die aufgrund inhaltlicher oder verfahrensbedingter Besonderheiten des Verwaltungsakts die allgemeine Widerrufsbefugnis nach § 49 Abs. 2 Satz 1 VwVfG beschränken oder ausschließen, sind zu nennen 1) § 12 BBG, der die Aufhebung der Ernennung zum Beamten auf die dort genannten Fälle begrenzt 444; 2) § 73 BauGB, der wegen der Verweisung in § 76 Satz 2 BauGB für die komplexen Regelungen der Vorwegentscheidungen im Umlegungsverfahren gilt und deren Aufhebung nach den allgemeinen Regeln der §§ 48, 49 VwVfG ausschließt445; 3) § 87 Abs. 1 BGB, der der Behörde die Befugnis gibt, eine privatrechtliche Stiftung aufzuheben, wenn die Erfüllung des Stiftungszwecks unmöglich geworden ist oder das Gemeinwohl gefährdet, und daher wegen der weitreichenden, privatrechtsgestaltenden Wirkung der Stiftungsgenehmigung als abschließende, einen Widerruf nach § 49 Abs. 2 VwVfG verbietende Spezialregelung anzusehen ist, so daß sich die allgemeine Problematik der Widerruflichkeit privatrechtsgestaltender Verwaltungsakte hier nicht stellt446.

444

Vgl. BVerwGE 55, 212 (216); Kopp, VwVfG, § 48 Rdnr. 12. LG Essen, NVwZ 1989, 798. Vgl. auch BGH, NVwZ 1987, 532. 446 Das BVerwG hatte in einer Entscheidung vor Inkrafttreten des VwVfG (E 29, 314 [316 f.]) die Widerruflichkeit der Genehmigung einer privatrechtlichen Stiftung unter Hinweis auf den Grundsatz der Rechtssicherheit verneint. 445

200

Zweiter Abschnitt: Die Voraussetzungen des Widerrufs b) Problematische Fälle

Problematisch ist allerdings, ob sich die Unanwendbarkeit der § § 4 8 - 5 0 VwVfG allein „aus Sinn und Zweck und dem Zusammenhang einer sondergesetzlichen Regelung" ergeben kann, wie dies eine umstrittene Meinung in der Literatur behauptet447. Denn nach § 1 Abs. 1 und 2 VwVfG können nur „Rechtsvorschriften" vorrangig sein. Nun vermag sich zwar der Ausschluß der §§ 48, 49 VwVfG im Wege der Auslegung aus dem Sinn und Zweck einer Sondervorschrift ergeben, wenn - so das BVerwG - die Bestimmung „eine abschließende Problemlösung für sich in Anspruch nimmt" 448 , nicht aber aus allgemeinen Erwägungen, wenn keine (auslegungsfähige) Rechtsvorschrift vorhanden ist. Dies ist etwa der Fall in dem von der Gegenmeinung herangezogenen Beispiel des § 12 Abs. 3 Nr. 3 GWB, wonach die Kartellbehörde Verträge und Beschlüsse für unwirksam erklären kann449. Das GWB enthält keine Norm, der man das Verbot des Widerrufs dieser Maßnahme entnehmen könnte450. Ebenso liegt es im Hinblick auf den nach §§68 ff. VwGO ergehenden Widerspruchsbescheid, der angeblich wegen vorrangiger sondergesetzlicher Regelungen unwiderruflich sein soll 451 . Denn die §§68 ff. VwGO enthalten keine Vorschrift, die sich mit der Aufhebbarkeit des Widerspruchsbescheides befaßt 452.

3. Sonstige einfachgesetzliche Widerrufshindernisse Das Verbot des Widerrufs bestimmter Typen von rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakten kann sich schließlich aus sonstigen Rechtsnormen ergeben, die in keinem spezifisch widerrufsrechtlichen Zusammenhang stehen. Hierdurch lassen sich bei näherem Hinsehen problematische Fälle

447

Kopp, VwVfG, § 48 Rdnr. 13. A.A. Stelkens ! Sachs, in: Stelkens! Bonk! Leonhardt, VwVfG, § 48 Rdnr. 9; Göldner, DÖV 1979, 805 (808); im Ergebnis auch BVerwG, NVwZ 1987, 488. Vgl. ferner Wendt, JA 1980, 85 (86). 448 BVerwG, NVwZ 1987, 488. 449 Kopp, VwVfG, § 48 Rdnr. 13. 450 Etwas anderes mag im Hinblick auf den Sonderfall des § 3 Abs. 4 GWB gelten, vgl. BGH, NJW 1981, 119 (120). 451 Kopp, VwVfG, § 48 Rdnr. 13. 452 Stelkens ! Sachs, in: Stelkens! Bonk! Leonhardt, § 48 Rdnr. 182; Allesch, Widerspruchsverfahren, S. 206 ff.; Göldner, DÖV 1979, 805 (808). Vgl. auch Ule!Laubinger, § 61 II; Kopp, VwVfG, § 48 Rdnr. 50. Im Ergebnis ebenso BayVGH, BayVBl. 1982, 754.

§ 5 Allgemeine Gründe für den Ausschluß des Widerrufs

201

lösen, ohne daß noch auf die Eigenart des Verwaltungsakts zurückgegriffen werden müßte. Unzulässig ist z.B. 1) der Widerruf des Widerspruchsbescheides nach §§68 ff. VwGO durch die Widerspruchsbehörde, ohne daß es auf dessen Charakter als Rechtsbehelfsentscheidung ankäme, da die Widerspruchsbehörde zum Widerruf des Widerspruchsbescheids nach herrschender Meinung grundsätzlich keine Zuständigkeit besitzt453; 2) der Widerruf der Genehmigung einer bereits in Kraft getretenen Rechtsnorm (z.B. eines Bebauungsplans nach § 11 BauGB), ohne daß es auf deren Charakter als Teil eines Rechtssetzungsvorganges ankäme454, da die Genehmigungsbehörde keine Normverwerfungskompetenz besitzt455.

III. Kein Verbot des Widerrufs bestimmter Verwaltungsakte durch Verfassungsrecht Fehlen spezielle, den Widerruf einschränkende einfachgesetzliche Rechtsvorschriften, stellt sich die Frage, ob das Verbot des Widerrufs bestimmter rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakte aus verfassungsrechtlichen Vorgaben hervorgeht. Zu bejahen ist dies für den bereits behandelten Fall, daß der Verwaltungsakt eine eigentumsrechtlich geschützte Position vermittelt, deren Entziehung von Art. 14 Abs. 3 GG nicht gedeckt ist 456 . Es bleibt zu erörtern, ob sich ein generelles Widerrufsverbot gewisser Verwaltungsakte aus den Erfordernissen der Rechtssicherheit oder des Vertrauensschutzes herleiten läßt. 1. Das Gebot der Rechtssicherheit Nach der Rechtsprechung des BVerfG genießt der Grundsatz der Rechtssicherheit als wesentliches Element der Rechtsstaatlichkeit Verfassungsrang

453

BVerwGE 58, 100 (105 f.); BVerwG, NJW 1980, 1480 (1481); BayVGH, BayVBl. 1982, 754; BayVBl. 1980, 298; VG Regensburg, BayVBl. 1981, 313 (314); Allesch, Widerspruchsverfahren, S. 207 f.; Sahlmüller, BayVBl. 1980, 650. Differenzierend Busch, in: Knack, VwVfG, § 79 Rdnr. 11 ff.; ders., BayVBl. 1981, 296 (297 f.). 454 So aber wohl BayVGH, BayVBl. 1982, 654; Stelkens I Sachs, in: StelkensI Bonkl Leonhardt, VwVfG, § 48 Rdnr. 11. 455 BVerwGE 75, 142 (146 f.). Anders mag es liegen, wenn die Satzung noch nicht in Kraft getreten ist; vgl. VGH Mannheim, Urteil vom 20.07.1983 - 3 S 2177/81. Vgl. ferner Steiner, DVB1. 1987, 483. 456 Siehe § 5 B.

202

Zweiter Abschnitt: Die Voraussetzungen des Widerrufs

(Art. 20 Abs. 3 GG) 4 5 7 . Er gebietet, „daß überall dort, wo Akte mit dem Anspruch rechtlicher Verbindlichkeit gesetzt werden, den Betroffenen möglichst schnell Gewißheit über das für sie Verbindliche zuteil werde". Deshalb sei es unabdingbar, daß die Bestandskraft der Verwaltungsakte binnen angemessener Frist eintrete, solle der Staat nicht handlungsunfähig und damit der Freiheit aller Abbruch getan werden 458. Prinzipiell ist folglich davon auszugehen, daß das Gebot der Rechtssicherheit im Interesse des Vertrauens in die Verläßlichkeit staatlichen Handelns einer nachträglichen Aufhebung von Verwaltungsakten entgegensteht. Dies gilt erst recht, wenn mit der Rücknahme oder dem Widerruf des Verwaltungsakts weitreichende Konsequenzen verbunden sind. Andererseits ist anerkannt, daß die verfassungsrechtliche Maxime der Rechtssicherheit keinen fest umrissenen Wert darstellt, aus dem sich konkrete verfassungsrechtliche Gebote oder Verbote entnehmen ließen459. Es bleibt vielmehr dem Gesetzgeber überlassen, Art und Umfang der zu gewährenden Rechtssicherheit nach den Notwendigkeiten der zu regelnden Materie festzulegen. Dabei kommt ihm ein Gestaltungsspielraum zu 460 . Dieser Spielraum ist hier um so weiter, als dem Grundsatz der Rechtssicherheit unter den Voraussetzungen des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 - 5 VwVfG nur ein verminderter Stellenwert zukommen kann. Ergeht die Begünstigung nämlich unter einem Widerrufsvorbehalt nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwVfG, tritt ohnehin keine Rechtssicherheit ein; ebenso verhält es sich, wenn der Betroffene eine Auflage nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VwVfG nicht erfüllt. Die zu gewährende Rechtssicherheit steht ferner prinzipiell unter dem Vorbehalt gleichbleibender tatsächlicher und rechtlicher Verhältnisse (§ 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 und 4 VwVfG) sowie des Vorrangs von überragenden Gemeinwohlinteressen (§ 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 VwVfG), denn unter diesen Umständen kann das Gebot der Vorhersehbarkeit und Verläßlichkeit staatlichen Handelns eine Reaktion nicht nur nicht ausschließen, sondern geradezu gebieten. Schließlich ist zu bedenken, daß es nicht möglich sein dürfte, Gruppen von Verwaltungsakten herauszuschälen, bei denen ein Verbot des Widerrufs unter dem Gesichtspunkt der Rechtssicherheit in der Tat ohne Ausnahme geboten ist. So kommt es z.B. bei den privatrechtsgestaltenden Verwaltungsakten auf die Umstände des Einzelfalles und insbesondere darauf an, welche konkreten

457 458 459 460

BVerfGE 60, 253 (267). BVerfGE 60, 253 (270). Siehe Knoke, Rücknahme, § 9 II C 2 a bb aaa. Knoke, Rücknahme, § 9 II C 2 a bb aaa; Kopp, GewArch. 1986, 177 (179).

§ 5 Allgemeine Gründe für den Ausschluß des Widerrufs

203

Folgen die mit dem Widerruf des Verwaltungsakts verbundene Änderung der Privatrechtslage hervorrufen würde 461. Daraus folgt, daß es nicht möglich ist, für bestimmte Gruppen von Verwaltungsakten generelle Widerrufsverbote aus dem Gebot der Rechtssicherheit abzuleiten462.

2. Das Gebot des Vertrauensschutzes Im Ergebnis nichts anderes besagt das Gebot des Vertrauensschutzes 463. Zwar dürfte dessen verfassungsrechtliche Verankerung heute weitgehend akzeptiert sein464. Doch handelt es sich auch beim Gebot des Vertrauensschutzes - gleichgültig, wie man seine verfassungsrechtliche Ableitung konstruiert - um keinen konkreten grundgesetzlichen Rechtssatz, dem im Hinblick auf die Widerruflichkeit bestimmter Typen von Verwaltungsakten eindeutige Aussagen zu entnehmen wären. Vielmehr kann der Gesetzgeber nach einhelliger Meinung Vertrauensschutz jedenfalls grundsätzlich als Bestandsschutz oder als Vermögensschutz ausgestalten465. Ein Verbot des Widerrufs bestimmter Gruppen von Verwaltungsakten läßt sich daher dem Vertrauensschutzprinzip nicht entnehmen466.

IV. Ergebnis Letztlich ist festzustellen, daß inhaltliche oder verfahrensbedingte Besonderheiten bestimmter Klassen von Verwaltungsakten deren Widerruf nur dann ausschließen, wenn dies spezialgesetzlich angeordnet ist, da sich ein entsprechendes Widerrufsverbot weder aus §§ 48, 49 VwVfG noch aus verfassungsrechtlichen Vorgaben ableiten läßt.

461 462

BVerwGE 54, 257 (260 ff.). Zur Berücksichtigung des Erfordernisses der Rechtssicherheit im Einzelfall siehe

§ 7 B. 463 Zu dessen Inhalt siehe z.B. BVerfG, DVB1. 1982, 580 (581); Häberle, Boorberg-Festschrift, S. 47; Kimminich, JuS 1965, 249 (254 ff.); Kisker, VVDStRL 32, 149; Lange, Jura 1980, 456; Maurer, Boorberg-Festschrift, S. 223; Püttner, VVDStRL 32, 200. 464 BVerwG, BayVBl. 1987, 87 (88); Knoke, Rücknahme, § 9 II C 2 a aa; Maurer, Boorberg-Festschrift, S. 223 (227 f.); Schmidt, JuS 1973, 529. Vgl. ferner Kopp, BayVBl. 1980, 38. 465

Knoke, Rücknahme, § 9 II C 2 a bb aaa; o. Verf., schen Verwaltungsrichtertag, DVB1. 1983, 676 (681). 466 A.A. Göldner, DÖV 1979, 805.

Berichte über den 7. Deut-

204

Zweiter Abschnitt: Die Voraussetzungen des Widerrufs

Fehlt es an einer solchen Vorschrift, ist die Eigenart des jeweiligen Verwaltungsakts ein Umstand, der - auch im Falle des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG 4 6 7 - lediglich im Einzelfall im Rahmen der zu treffenden Ermessensentscheidung aus Gründen der Rechtssicherheit, des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit gegen den Widerruf sprechen kann468. Dies wird z.B. zu bejahen sein bei Verwaltungsakten, auf deren privatrechtsgestaltende Wirkung sich der allgemeine Rechtsverkehr verläßt oder die - wie verwirklichte Planfeststellungsbeschlüsse - komplexe rechtliche und tatsächliche Strukturen hervorgebracht haben469. Diese Lösung des VwVfG bietet gegenüber der de lege lata nicht begründbaren Annahme eines kategorischen Verbots des Widerrufs bestimmter Typen von Verwaltungsakten den Vorteil, daß die konkreten Umstände des Einzelfalles Berücksichtigung finden können. Verkennt die Behörde dies und glaubt sie sich aufgrund des besonderen Inhalts oder Zustandekommens des Verwaltungsaktes am Widerruf generell gehindert, liegt ein Ermessensnichtgebrauch vor, der zur Rechtswidrigkeit der Ablehnung des Widerrufes führt 470, so daß z.B. ein Drittbetroffener dagegen vorgehen könnte.

F. Der Ausschluß durch die Bestandskraft des Verwaltungsakts Zum Abschluß dieser Betrachtungen ist kurz der Frage nachzugehen, ob die Bestandskraft eines rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakts seinem Widerruf entgegenstehen kann. Dabei ist an die von der herrschenden Meinung vorgenommene Unterscheidung zwischen formeller und materieller Bestandskraft 471 anzuknüpfen.

467

A.A. wohl Kopp, VwVfG, § 49 Rdnr. 36; Stelkens! Sachs, in: Stelkens ! Bonk ! Leonhardt, VwVfG, § 49 Rdnr. 37. 468 § 7 B., C. 469 Vgl. Klappstein, in: Knack, VwVfG, § 49 Rdnr. 6.3.3; Stelkens!Sachs, in: Stelkens!Bonk!Leonhardt, VwVfG, § 48 Rdnr. 32, 62. 470 Vgl. § 7 A. 471 Achterberg, § 23 Rdnr. 37 ff.; Maurer, § 11 Rdnr. 4 ff.; Ule ! Laubinger, § 61 IV 3; Klappstein, in: Knack, VwVfG, vor § 43 Rdnr. 3.1; Kopp, VwVfG, vor § 35 Rdnr. 21 ff.; Stelkens!Sachs, in: Stelkens!Bonk!Leonhardt, VwVfG, § 43 Rdnr. 14 ff.; Erichsen!Knoke, NVwZ 1983, 185 (186); Kopp, DVB1. 1983, 392 (395 ff.); Merten, NJW 1983, 1993 (1994); Schenke, DÖV 1983, 320 (321). Kritisch Ipsen, Die Verwaltung 1984, 169.

§ 5 Allgemeine Gründe für den Ausschluß des Widerrufs

205

I. Die formelle Bestandskraft Unter der formellen Bestandskraft wird die Unanfechtbarkeit des Verwaltungsakts nach den Vorschriften der VwGO verstanden472. Ist ein rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakt unanfechtbar geworden, schließt dies seine Widerruflichkeit nicht aus. Dies ergibt sich ausdrücklich aus § 49 Abs. 2 Satz 1 VwVfG, wonach ein solcher Verwaltungsakt widerrufen werden kann, „auch nachdem er unanfechtbar geworden ist". Die gleiche Regelung gilt für den Widerruf belastender und die Rücknahme rechtswidriger Verwaltungsakte (§§ 49 Abs. 1, 48 VwVfG). Die formelle Bestandskraft des rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakts ist daher - insbesondere beim Widerruf von Verwaltungsakten mit Drittwirkung - lediglich bei der Ermessensentscheidung über den Widerruf zu berücksichtigen473. Hier kann die Unanfechtbarkeit des Verwaltungsakts im Einzelfall aus Gründen der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes gegen die Zulässigkeit des Widerrufs sprechen.

II. Die materielle Bestandskraft Die materielle Bestandskraft des Verwaltungsakts ist nach wie vor ein vieldiskutiertes Thema des allgemeinen Verwaltungsrechts 474. Unklar ist insbesondere ihre begriffliche Deutung475, die auch vom VwVfG keiner Klä-

472

Achterberg, § 23 Rdnr. 37; Maurer, § 11 Rdnr. 4; UleILaubinger, § 61 IV 3; Klappstein, in: Knack, VwVfG, vor § 43 Rdnr. 3.1; Kopp, VwVfG, vor § 35 Rdnr. 21; Stelkens ! Sachs, in: Stelkens/Bonk/Leonhardt, VwVfG, § 43 Rdnr. 15 ff.; Knoke, Rücknahme, § 4 II 1 a; Seibert, Bindungswirkung, S. 139; Erichsen!Knoke, NVwZ 1983, 185 (186 f.); Gusy, GewArch. 1988, 322 (324 ff.); Kopp, DVB1. 1983, 392 (395 ff.); Merten, NJW 1983, 1993 (1995); Schenke, DÖV 1983, 320 (321). Vgl. ferner BVerfGE 60, 253 (270); BVerwGE 48, 279 (281); BVerwG, DÖV 1979, 870; BayVGH, BayVBl. 1984, 213; OVG Koblenz, DVB1. 1982, 1097; OVG Münster, DVB1. 1976, 46 (47). 473 Vgl. § 7 B. und § 12 B.I.2. 474 Aus der neueren Literatur siehe insbesondere Stelkens / Sachs, in: Stelkens I Bonk!Leonhardt, VwVfG, § 43 Rdnr. 35 ff.; Knoke, Rücknahme, § 4 II 1 b; Seibert, Bindungswirkung, S. 132 ff.; Classen, DÖV 1989, 156; Erichsen/Knoke, NVwZ 1983, 185; Ipsen, Die Verwaltung 1984, 169; Kopp, DVB1, 1983, 392; Merten, NJW 1983, 1993 (1996 f.); Schenke, DÖV 1983, 320 (321). Zum älteren Schrifttum vgl. z.B. Forsthoff, § 13 I 1; Wolff / Bachof I, § 52; Sauer, DÖV 1971, 150. Vgl. auch die Berichte über den 7. Deutschen Verwaltungsrichtertag, DVB1. 1983, 676 (681). 475 Vgl. z.B. Badura, in: ErichsenIMartens, §41 Rdnr. 47 ff.; Maurer, §11 Rdnr. 5 ff.; Ule!Laubinger, § 61 IV 3; Klappstein, in: Knack, VwVfG, vor § 43 Rdnr. 3.1; Seibert, Bindungswirkung, S. 144 ff.; ErichsenIKnoke, NVwZ 1983, 185 (187 ff.).

206

Zweiter Abschnitt: Die Voraussetzungen des Widerrufs

rung zugeführt wurde 476. Stark vereinfachend wird man jedoch sagen können, daß die herrschende Meinung unter der materiellen Bestandskraft der Verwaltungsakte ihre Verbindlichkeit im Sinne der Unaufhebbarkeit außerhalb eines Rechtsbehelfsverfahrens versteht477. Eine nähere Auseinandersetzung mit dem Wesen der materiellen Bestandskraft dürfte sich im Rahmen dieser Abhandlung jedoch erübrigen. Denn es besteht immerhin Einigkeit, daß die materielle Bestandskraft kein den §§ 48, 49 VwVfG vorrangiges Rücknahme- und Widerrufsverbot hervorzubringen vermag. Vielmehr stellen die Rücknahme- und Widerrufsvorschriften der §§ 4 8 - 5 0 VwVfG die Begrenzung bzw. Durchbrechung der materiellen Bestandskraft von Verwaltungsakten dar 478 .

§ 6 Der Ausschluß des Widerrufs nach § 49 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit § 48 Abs. 4 VwVfG Ebenso wie die Rücknahme rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakte ist der Widerruf eines rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakts nach Ablauf der Jahresfrist des § 48 Abs. 4 VwVfG unzulässig. Dies ergibt sich aus § 49 Abs. 2 Satz 2 VwVfG, wonach § 48 Abs. 4 VwVfG entsprechend gilt.

476

Kopp, DVB1. 1983, 392. Ebenso Ule ! Laubinger, §61 IV 3; Klappstein, in: Knack, VwVfG, vor § 43 Rdnr. 3.1.; Stelkens!Sachs, in: Stelkens!Bonk! Leonhardt, VwVfG, § 43 Rdnr. 1; Knoke, Rücknahme, § 4 II; Erichsen!Knoke, NVwZ 1983, 185 (187). 477 Vgl. z.B. BVerwGE 48, 271; 24, 294 (296); BVerwG, DVB1. 1985, 1317 (1319); OVG Koblenz, DVB1. 1982, 1097; Achterberg, § 23 Rdnr. 39; Maurer, § 11 Rdnr. 7; Kopp, VwVfG, vor § 35 Rdnr. 23. 478 Achterberg, § 23 Rdnr. 45; Bull, § 12 Rdnr. 717; Maurer, § 11 Rdnr. 7; Mayer! Kopp, § 15 I; Klappstein, in: Knack, VwVfG, vor § 43 Rdnr. 3.1; Kopp, VwVfG, vor § 35 Rdnr. 23; Knoke, Rücknahme, § 4 II 2; Erichsen!Knoke, NVwZ 1983, 185 (189); Kopp, DVB1. 1983, 392 (399); Gusy, GewArch. 1988, 322 (324). Vgl. auch BVerwG, DVB1. 1982, 1097; Stelkens!Sachs, in: Stelkens!Bonk!Leonhardt, VwVfG, § 43 Rdnr. 26; Classen , DÖV 1989, 156 (157).

§ 6 Der Ausschluß des Widerrufs nach § 49 II 2 i.V.m. § 48 IV VwVfG

207

A. Die entsprechende Geltung des § 48 Abs· 4 Satz 1 VwVfG Soll § 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG für den Widerruf rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakte entsprechend gelten, ist die Vorschrift nach übereinstimmender Auffassung in Rechtsprechung479 und Literatur 480 wie folgt zu lesen: „Erhält die Behörde von Tatsachen Kenntnis, welche den Widerruf eines rechtmäßigen Verwaltungsakts rechtfertigen, so ist der Widerruf nur innerhalb eines Jahres seit dem Zeitpunkt der Kenntnisnahme zulässig/'

I. Der Beginn der Jahresfrist Hauptschwierigkeit der Anwendung der §§ 49 Abs. 2 Satz 2, 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG ist die Bestimmung des Beginns der Widerrufsfrist.

1. Problemstellung Der Beginn der die Rücknahmebefugnis begrenzenden Jahresfrist des § 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG gehört sicherlich zu den umstrittensten Themen, die das VwVfG durch seine Regelungen über die Bestandskraft des Verwaltungsakts hervorgerufen hat 481 . Die Problematik hat indes nicht zuletzt durch die heftige Diskussion um den Beschluß des Großen Senats des BVerwG vom

479

BVerwG, BayVBl. 1991, 182 (183); NJW 1990, 724 (725); NJW 1988, 2911 (2912); BayVBl. 1988, 280 (281); BGH, NVwZ-RR 1989, 454 (456); BayVGH, BayVBl. 1991, 564; VGH Mannheim, NVwZ-RR 1992, 126 (127); NVwZ 1985, 916 (917). 490 Erichsen, in: Erichsen!Martens, § 17 Rdnr. 15; UleILauhinger, § 63 II 2 c; Klappstein, in: Knack, VwVfG, §49 Rdnr. 4.2.1; Obermayer, VwVfG, §49 Rdnr. 61; Kopp, GewArch. 1986, 177 (184). Vgl. auch Dommach, DÖV 1981, 122 (125). 481 Siehe insbesondere BVerwGE 70, 356; 67, 99; 66, 61; BVerwG, NVwZ 1986, 119; NVwZ 1984, 717; NVwZ 1984, 102; NVwZ 1983, 617; NVwZ 1983, 91; BayVGH, BayVBl. 1986, 304; BayVBl. 1984, 538; DVB1. 1983, 946; BayVBl. 1983, 120; BayVBl. 1982, 660; BayVBl. 1980, 501; OVG Berlin, NJW 1983, 2156; DVB1. 1983, 354; OVG Koblenz, DVB1. 1984, 1186; DVB1. 1982, 219; OVG Münster, DVB1. 1984, 1084 (1086); VG Köln, NVwZ 1984, 537 (538 f.); Ule ILaubinger, § 62 II 4; Kopp, VwVfG, § 48 Rdnr. 97 ff.; Knoke, Rücknahme, § 10; Allesch, BayVBl. 1984, 519; Busch, DVB1. 1982, 1002; Götz, JuS 1983, 924 (926); Hendler, JuS 1985, 947; Kopp, DVB1. 1990, 663; Pieroth, NVwZ 1984, 681; Schoch, NVwZ 1985, 880; Steenblock, DÖV 1984, 218; Weides, DÖV 1985, 91.

208

Zweiter Abschnitt: Die Voraussetzungen des Widerrufs

19.12.1984482 eine Vertiefung erfahren 483, die eine neuerliche Auseinandersetzung mit den bekannten Argumenten als nicht weiterführend erscheinen läßt. Da die Anschauung des Großen Senats trotz aller Kritik 484 nicht nur in der Rechtsprechung485, sondern auch in Teilen des Schrifttums 486 zumindest als maßgeblich hingenommen und mehr oder minder unbesehen auf die Widerrufsfrist nach §§49 Abs. 2 Satz 2, 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG übertragen wird 487 , hat sich das Augenmerk der Widerrufsdogmatik vielmehr auf die bisher kaum erörterten Konsequenzen zu richten, die sich im einzelnen aus der erwähnten herrschenden Judikatur des BVerwG für den Beginn der Widerrufsfrist ergeben.

2. Der Beginn der Widerrufsfrist nach der Rechtsprechung des BVerwG a) Der Beschluß des Großen Senats vom 19.12.1984 zum Beginn der Rücknahmefrist In seinem Beschluß vom 19.12.1984 hat der Große Senat des BVerwG zum Beginn der Rücknahmefrist nach § 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG folgende Aussagen getroffen: (1) Der Gegenstand der fristauslösenden

Kenntnis

Nach Auffassung des Großen Senats beginnt die Frist des § 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG zu laufen, wenn „der Behörde sämtliche für die Rücknah-

482

BVerwGE 70, 356. Vgl. etwa Ule!Laubinger, § 62 II 4; Kopp, VwVfG, § 48 Rdnr. 97 ff.; Stelkens/Sachs, in: Stelkens/Bonk/Leonhardt, VwVfG, § 48 Rdnr. 148 ff.; Knoke, Rücknahme, § 10; Burianek, Jura 1985, 518; Jade, BayVBl. 1991, 566; Kopp, DVB1. 1985, 525; Weides, DÖV 1985, 431. 484 Kritisch z.B. Kopp, VwVfG, § 48 Rdnr. 97 ff.; Burianek, Jura 1985, 518; Hendler, JuS 1985, 947; Kopp, DVB1. 1985, 525; Schock, NVwZ 1985, 880; Weides, DÖV 1985, 431. 485 Siehe z.B. BVerwG, NJW 1988, 2911 (2912); NVwZ 1988, 822; NVwZ 1987, 500; NVwZ 1986, 119; OVG Münster, NVwZ 1988, 71 (72 f.). 486 Zustimmend z.B. Knoke, Rücknahme, § 10. 487 BVerwG, BayVBl. 1992, 730 (731); BayVBl. 1989, 55 (56); NJW 1988, 2911 (2912). Ebenso BGH, NVwZ-RR 1989, 454 (456); BayVGH, BayVBl. 1991, 564; VGH Mannheim, NVwZ-RR 1992, 126 (127). Vgl. auch Ule ! Laubinger, § 63 II 2 c. 483

§ 6 Der Ausschluß des Widerrufs nach § 49 II 2 i.V.m. § 48 IV VwVfG

209

meentscheidung erheblichen Tatsachen vollständig bekannt sind". Die Erkenntnis der Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts könne für sich allein den Fristenlauf nicht auslösen; hierzu sei vielmehr die „vollständige Kenntnis des für die Entscheidung über die Rücknahme des Verwaltungsakts erheblichen Sachverhalts nötig". Dazu gehören auch alle Tatsachen, die „ein Vertrauen des Begünstigten in den Bestand des Verwaltungsakts entweder nicht rechtfertigen oder ein bestehendes Vertrauen als nicht schutzwürdig erscheinen lassen, sowie die für die Ermessensausübung wesentlichen Umstände". Die Frist beginne „demgemäß zu laufen, wenn die Behörde ohne weitere Sachaufklärung objektiv in der Lage ist, unter sachgerechter Ausübung ihres Ermessens über die Rücknahme des Verwaltungsakts zu entscheiden4*488. (2) Die Art der fristauslösenden

Kenntnis

Nach der Rechtsmeinung des Großen Senats wird die Jahresfrist zur Rücknahme nur dann in Lauf gesetzt, wenn die Behörde positive Kenntnis von den die Rücknahme rechtfertigenden Tatsachen erlangt habe. Die Aktenkundigkeit der betreffenden Tatsachen genüge in diesem Zusammenhang nicht. Vielmehr müsse sich die Behörde der Notwendigkeit bewußt geworden sein, wegen der Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts eine Entscheidung über die Rücknahme treffen zu müssen. Die erforderliche positive Kenntnis erlange die Behörde dann, wenn der nach der innerbehördlichen Geschäftsverteilung zur Rücknahme des Verwaltungsakts oder jedenfalls zu dessen rechtlicher Überprüfung berufene Amtswalter die die Rücknahme des Verwaltungsakts rechtfertigenden Tatsachen feststelle 489. b) Die Maßgeblichkeit dieser Rechtsprechung für die Widerrufsfrist Das BVerwG hat diese Rechtsprechung auf die Widerrufsfrist übertragen und klargestellt, daß auch die Frist der §§49 Abs. 2 Satz 2, 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG erst zu laufen beginnt, wenn die Behörde Kenntnis aller Umstände hat, die den Widerruf rechtfertigen — insbesondere also die in § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 - 5 VwVfG genannten Voraussetzungen sowie die bei der Ermessensentscheidung zu berücksichtigenden Gesichtspunkte490.

488

BVerwGE 70, 356 (362 f.). BVerwGE 70, 356 (362 f.). Ebenso BayVGH, BayVBl. 1991, 564. 490 BVerwG, BayVBl. 1989, 55 (56); NJW 1988, 2911 (2912). Ebenso BGH, NVwZ-RR 1989, 454 (456); BayVGH, BayVBl. 1991, 564; VGH Mannheim, NVwZRR 1992, 126 (127). Vgl. auch Ule ! Laubinger, § 63 II 2 c. 489

14 Bronnenmeyer

210

Zweiter Abschnitt: Die Voraussetzungen des Widerrufs

3. Die Konsequenzen für den Beginn der Jahresfrist im einzelnen Im einzelnen ergeben sich aus dieser soeben skizzierten Rechtsprechung für den Beginn der Widerrufsfrist nach §§ 49 Abs. 2 Satz 2, 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG folgende Probleme:

a) Der Gegenstand der fristauslösenden Kenntnis Von zentralem Interesse ist die Frage, auf welche Tatsachen, deren (vollständige) Kenntnis den Fristlauf für den Widerruf in Gang setzt, die §§49 Abs. 2 Satz 2, 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG nach der Rechtsprechung des BVerwG abstellen.

(1) Die Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts Zunächst ist die - in Rechtsprechung und Literatur bisher soweit ersichtlich nicht erörterte - Möglichkeit zu erwägen, ob die Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts als Tatsache angesehen werden kann, welche die Behörde zum Widerruf berechtigt. Bejaht man dies, würde die Frist der §§49 Abs. 2 Satz 2, 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG erst zu laufen beginnen, wenn die Behörde - z.B. in einem Verwaltungsprozeß über die Rücknahme des Verwaltungsakts - von der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts erfährt, den sie irrig für rechtswidrig gehalten hat. Da der Große Senat die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts - wie erwähnt - als „Tatsache" angesehen hat, deren Kenntnis zum Fristlauf nach § 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG notwendig ist, liegt es auf den ersten Blick nahe, im Falle des Widerrufs die Kenntnis der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts zu verlangen, wobei noch zu klären wäre, ob die Kenntnis der die Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts begründenden Tatsachen ausreicht oder die positive Kenntnis der Rechtmäßigkeit erforderlich ist. Man wird jedoch aus folgenden Gründen in beiden Fällen nicht davon ausgehen können, daß die Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts eine fristauslösende Tatsache ist: Zum einen ist schon der Wortlaut der §§49 Abs. 2 Satz 2, 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG nicht erfüllt. Denn Tatsachen, auf denen die Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts beruht, „berechtigen" die Behörde nicht zum Widerruf. Es wurde bereits erläutert, daß die Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts - im Gegensatz zur Rechtswidrigkeit bei der Rücknahme - keine Tatbestandsvor-

§ 6 Der Ausschluß des Widerrufs nach § 49 II 2 i.V.m. § 48 IV VwVfG

211

aussetzung im engeren Sinne für den Widerruf ist 491 . Ein Verwaltungsakt wird nicht widerrufen, weil er rechtmäßig ist, sondern obwohl er rechtmäßig ist. Ferner ist eine Interpretation der §§49 Abs. 2 Satz 2, 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG, wonach die Behörde, erfährt sie nachträglich von der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts, eine Jahresfrist zum Widerruf erhält, nicht vom Sinn dieser Vorschriften gedeckt. Denn sie hätte zur Folge, daß der Adressat eines rechtmäßigen Verwaltungsakts schlechter gestellt wäre als der Adressat eines rechtswidrigen Verwaltungsakts: Wäre der Verwaltungsakt wirklich rechtswidrig, würde die Frist des § 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG früher ablaufen als die Frist der §§ 49 Abs. 2 Satz 2, 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG. Nichts anderes ergibt sich aus der Rechtsprechung des Großen Senats. Zwar verlangt das Gericht bei der Rücknahme für den Fristlauf die Kenntnis der Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts. Dies wird aber gerade damit begründet, daß die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts nach § 48 VwVfG „die notwendige Voraussetzung für die Rücknahme eines begünstigenden Verwaltungsakts" sei 492 . Diese Bedeutung der Rechtswidrigkeit läßt sich auf die Rechtmäßigkeit beim Widerruf - wie gesehen - nicht übertragen, so daß auch die Rechtsprechung des BVerwG zur Rücknahmefrist hier nicht entsprechend heranzuziehen ist. Die Rechtmäßigkeit des zu widerrufenden Verwaltungsakts ist daher in keinem Falle eine den Widerruf rechtfertigende Tatsache im Sinne der §§49 Abs. 2 Satz 2, 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG.

(2) Die Widerrufsgründe

des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1-5 VwVfG

Es kann kein Zweifel bestehen, daß in erster Linie die Widerrufsgründe des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 - 5 VwVfG gemeint sind, wenn von Tatsachen die Rede ist, die zum Widerruf berechtigen493. Denn bei den dort genannten Umständen handelt es sich um die rechtfertigenden Tatbestände des Widerrufs. Fraglich ist nur, inwieweit diese Widerrufsgründe wirklich als „Tatsachen" angesprochen werden können.

491

Siehe § 1 A.III. BVerwGE 70, 356 (358). 493 Greifen mehrere Widerrufsgründe ein, löst deren Kenntnis jeweils eigene Fristen aus; BayVGH, BayVBl. 1991, 564 (565). 492

14·

212

Zweiter Abschnitt: Die Voraussetzungen des Widerrufs (a) Die den Widerruf zulassende Rechtsvorschrift

Stützt die Behörde den Widerruf auf eine Spezialvorschrift des besonderen Verwaltungsrechts im Sinne des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 erste Alt. VwVfG, so spielt die Fristenregelung der §§49 Abs. 2 Satz 2, 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG nur dann eine Rolle, wenn ihre Geltung nicht nach § § 1 , 2 VwVfG ausgeschlossen ist, sondern zur Spezialvorschrift ergänzend hinzutritt 494. Dies ist nur denkbar, wenn die Sonderbestimmung den Widerruf ins Ermessen der Behörde stellt, da andernfalls die Pflicht zum Widerruf durch bloße Untätigkeit unterlaufen würde 495. Als Tatsachen, die den Widerruf rechtfertigen, sind in diesen Fällen jene Umstände anzusprechen, von denen die Spezialvorschrift den Widerruf abhängig macht496. Keine Tatsache ist dagegen die Spezialvorschrift selbst. Abgesehen davon, daß eine Rechtsvorschrift grundsätzlich nicht unter den Begriff der Tatsache subsumiert werden kann (sofern diesem Terminus überhaupt eine Bedeutung zukommen soll), wäre es ein abwegiges Ergebnis, der Behörde die Jahresfrist zu eröffnen, wenn sie von der Existenz der Widerrufsnorm die nach der Rechtsprechung des Großen Senats erforderliche positive Kenntnis erhält. Es wäre nicht nur eine vom Sinn der §§ 48, 49 VwVfG nicht gedeckte Verschiebung des Fristbeginns, sondern auch ein Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip und die daraus fließende Bindung der Exekutive an Gesetz und Recht, wenn sich die Behörde zum Nachteil des Bürgers auf ihre eigene Rechtsunkenntnis berufen könnte.

(b) Der Widerrufsvorbehalt Im Hinblick auf den Fristbeginn bei einem Widerrufsvorbehalt nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 zweite Alt. VwVfG sind zunächst Zweifel aus dem Wege zu räumen, ob die Fristenregelung der §§49 Abs. 2 Satz 2, 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG überhaupt einschlägig oder stets ein unbefristeter Widerruf zulässig ist. Das V G Schleswig hat die Auffassung vertreten, die Jahresfrist gelte mangels Schutzwürdigkeit des Vertrauens auf den Bestand des Verwaltungsakts bei einem auf einem Vorbehalt beruhenden Widerrufsgrund

494 Wie dies z.B. für § 44a BHO angenommen wird; vgl. BayVGH, BayVBl. 1991, 209 (211); OVG Lüneburg, NVwZ 1985, 120 (121). Vgl. auch VGH Mannheim, NVwZ 1984, 382. 495 BayVGH, BayVBl. 1987, 727. 496 Vgl. z.B. BVerwG, BayVBl. 1991, 182 (183); BayVGH, BayVBl. 1991, 209 (211).

§ 6 Der Ausschluß des Widerrufs nach § 49 II 2 i.V.m. § 48 IV VwVfG

213

nicht497. Diese Meinung ist in der Literatur abgelehnt worden 498; auch das BVerwG scheint sie nicht zu teilen499. In der Tat ist dem V G Schleswig nicht zu folgen, da weder § 49 Abs. 2 Satz 2 VwVfG den Widerrufsvorbehalt von der Fristenregelung ausnimmt noch § 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG auf die konkrete Schutzwürdigkeit des Betroffenen abstellt. Die Ausnahmen von der Geltung der Jahresfrist sind in § 48 Abs. 4 Satz 2 VwVfG in Verbindung mit § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 VwVfG (Erwirkung des Verwaltungsakts durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung) abschließend geregelt 500. Auch die Ausübung des Widerrufsvorbehalts ist somit von der Jahresfrist begrenzt. Als Tatsachen, deren Kenntnis für den Fristbeginn notwendig ist, sind im Falle des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 zweite Alt. VwVfG diejenigen Gesichtspunkte anzusehen, von deren Eintritt die Behörde die Ausübung des Widerrufsvorbehalts im Verwaltungsakt abhängig gemacht hat oder nun bei der Entscheidung über den Widerruf abhängig machen will (z.B. die zweckwidrige Verwendung einer Subvention)501. Der Widerrufsvorbehalt selbst kann dagegen wiederum nicht als Tatsache im Sinne der §§49 Abs. 2 Satz 2, 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG angesehen werden, obwohl er zum Widerruf berechtigt. Denn er ist Teil der rechtlichen Regelung des Verwaltungsakts und nicht des zu regelnden Sachverhalts. Im übrigen wird es auch kaum denkbar sein, daß die Behörde erst nachträglich von der Existenz eines Widerrufsvorbehalts erfährt.

(c) Die nicht erfüllte Auflage Die zum Widerruf berechtigende Tatsache ist im Falle des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VwVfG die Nichterfüllung der Auflage 502. Hat die Behörde dem Begünstigten zur Erfüllung der Auflage eine Frist gesetzt, so beginnt die Frist der §§ 49 Abs. 2 Satz 2, 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG - vorbehaltlich der Kenntnis der für die Ermessensbetätigung maß-

497

VG Schleswig, DGem 1978, 70. Ebenso möglicherweise Erichsen, in: Erichsen I Martens, § 17 Rdnr. 15, wonach die Jahresfrist nur in den Fällen des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 - 5 VwVfG in Betracht kommt. 498 Obermayer, VwVfG, § 49 Rdnr. 63. 499 Vgl. BVerwG, NJW 1988, 2911 (2912). 500 Vgl. Obermayer, VwVfG, § 49 Rdnr. 63. 501 Ule /Laubinger, § 63 II 2 c. 502 Vgl. Kopp, VwVfG, § 49 Rdnr. 54.

214

Zweiter Abschnitt: Die Voraussetzungen des Widerrufs

geblichen Tatsachen - , sobald die gesetzte Frist abgelaufen ist und die Behörde erstmals davon Kenntnis erhält, daß der Betroffene die Auflage nicht erfüllt hat 503 . Wurde keine Frist gesetzt, so bereitet die Ermittlung des Fristbeginns Schwierigkeiten. Man wird annehmen müssen, daß die Widerrufsfrist auch hier zu laufen beginnt, sobald die Behörde erstmals davon positive Kenntnis erhält, daß die Auflage nicht erfüllt worden ist. Sofern der Fall in diesem Zeitpunkt bereits entscheidungsreif ist, bleibt es dabei. Ist jedoch die Zweckmäßigkeit des Widerrufs, etwa aus Gründen der Verhältnismäßigkeit (noch) zu verneinen, so beginnt die Frist erst zu laufen, sobald die Behörde ein weiteres Mal davon Kenntnis erhalten hat, daß der Begünstigte die Auflage noch immer nicht erfüllt hat. Beabsichtigt die Behörde einen Widerruf nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VwVfG, so kommt ebenso wie beim Widerrufsvorbehalt die Auflage selbst nicht als Tatsache in Betracht, die zum Widerruf berechtigt, da sie Teil der zu widerrufenden Regelung ist.

(d) Die Tatsachenänderung Die Bestimmung der zum Widerruf berechtigenden Tatsachen bereitet bei § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG keine grundsätzlichen Schwierigkeiten. Folgt man der Rechtsprechung des BVerwG, wonach erst die vollständige Kenntnis des erheblichen Sachverhalts den Fristlauf auslöse, so handelt es sich nicht nur um die nachträglich eingetretenen Tatsachen, die zum Nichterlaß des Verwaltungsakts berechtigen, sondern auch um die Umstände, aus denen sich die Gefährdung des öffentlichen Interesses ergibt 504. Fraglich ist aber, ob die Behörde neben der Kenntnis der bloßen Tatsachen auch das Bewußtsein davon haben muß, daß sie berechtigt wäre, den Verwaltungsakt nicht zu erlassen. Es handelt sich hier um eine ähnliche Problematik wie bei der Kenntnis der Behörde von der Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts. Teilt man die Auffassung des Großen Senats, wonach die Kenntnis der Tatsachen, die die Rechtswidrigkeit begründen, nicht ausreicht, um die Frist in Lauf zu setzen, sondern die Erkenntnis der Rechtswidrigkeit hinzukommen muß, ist im Falle des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG zu

503

Ule ILaubinger, § 63 II 2 c. Vgl. auch HessVGH, NVwZ 1984, 384; Kopp, VwVfG, § 49 Rdnr. 54. 504 UleILaubinger, § 63 II 2 c; Stelkens/Sachs, in: Stelkens/Bonk/Leonhardt, VwVfG, § 49 Rdnr. 46.

§ 6 Der Ausschluß des Widerrufs nach § 49 II 2 i.V.m. § 48 IV VwVfG

215

verlangen, daß die Behörde die Berechtigung zum Nichterlaß des Verwaltungsakts kennt505.

(e) Die geänderte Rechtsvorschrift Handelt es sich um einen Widerruf nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwVfG, fragt es sich, ob die Änderung der Rechtsvorschrift (die die Behörde berechtigt, den Verwaltungsakt nicht zu erlassen) als Tatsache angesprochen werden kann, deren Kenntnis zum Fristbeginn erforderlich ist 506 . Für diese Auslegung spricht, daß die Rechtsänderung ebenso wie die Tatsachenänderung im Falle des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG den Anknüpfungspunkt für den Widerruf darstellt. Was für die Tatsachenänderung recht ist, sollte für die Rechtsänderung billig sein. Andererseits ist eine Rechtsänderung keine „Tatsache". Zudem wäre es ein aus Gründen der Rechtsstaatlichkeit unbefriedigendes Ergebnis, wenn die Behörde gegen die Verfristung des Widerrufsrechts mit Erfolg einwenden könnte, sie habe die zum Nichterlaß des Verwaltungsakts berechtigende Rechtsänderung nicht gekannt. Es steht nicht im Einklang mit dem Sinn der die Widerrufsbefugnis beschränkenden §§49 Abs. 2 Satz 2, 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG, wenn die Unwissenheit und Saumseligkeit der Behörde auf diese Weise prämiiert würden. So ist davon auszugehen, daß die Rechtsänderung im Einklang mit dem üblichen Sprachgebrauch nicht als „Tatsache" im Sinne der §§48 Abs. 4 Satz 1, 49 Abs. 2 Satz 2 VwVfG gilt. Selbst wenn man dies aber bejahen wollte, wäre die Kenntnis der Behörde im Zeitpunkt der Bekanntmachung der Rechtsänderung zu unterstellen. Keine Zweifel bestehen dagegen, daß die Gefährdung des öffentlichen Interesses und das Nicht-Gebrauchmachen von der Vergünstigung als Tatsachen einzuordnen sind507.

(f) Die schweren Nachteile für das Gemeinwohl Die zum Widerruf berechtigenden Tatsachen im Sinne des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 VwVfG sind die schweren Nachteile für das Gemeinwohl508.

505 506 507 508

Vgl. BVerwG, BayVBl. 1991, 182 (183). So Stelkens ISachs, in: Stelkens/Bonkl Leonhardt, VwVfG, § 49 Rdnr. 46. Vgl. Ule I Laubinger, § 63 II 2 c. Vgl. Ule!Laubinger, § 63 II 2 c.

216

Zweiter Abschnitt: Die Voraussetzungen des Widerrufs (3) Die bei der Ermessensentscheidung zu berücksichtigenden Gesichtspunkte

Folgt man der Rechtsprechung des BVerwG, so hängt der Fristlauf auch von der Kenntnis aller Umstände ab, die bei der Ermessensentscheidung zu berücksichtigen sind509.

(4) Die Widerruflichkeit

des Verwaltungsakts

In den amtlichen Leitsätzen eines Urteils des BVerwG aus dem Jahre 1987 heißt es, die Kenntnis der Tatsachen im Sinne der §§49 Abs. 2, 48 Abs. 4 VwVfG liege auch dann vor, „wenn sich die Behörde in Kenntnis aller entscheidungserheblichen Tatsachen und in der Erkenntnis, daß diese Tatsachen den Widerruf des Verwaltungsakts rechtfertigen, in einem Rechtsirrtum über den Umfang des aufgrund dieser Tatsachen zulässigen Widerrufs befindet" 510 . Diese Formulierung könnte zu dem Schluß verleiten, daß das Gericht eine fristauslösende Tatsachenkenntnis erst dann annimmt, wenn die Erkenntnis hinzukommt, daß die Tatsachen den Widerruf (bzw. die Rücknahme) des Verwaltungsakts rechtfertigen. Allerdings wird diese Deutung des zitierten Leitsatzes von den Urteilsgründen nicht zweifelsfrei erhärtet. Dort heißt es: „Demgegenüber kann sich die Beklagte nicht darauf berufen, sie habe aus der Kenntnis der den Widerruf rechtfertigenden Tatsachen die unrichtige Schlußfolgerung gezogen, daß diese Tatsachen den Widerruf ihrer früheren Bescheide nur in einem eingeschränkten Umfang rechtfertigen würden. Diese Fehleinschätzung der Beklagten betrifft nicht die Kenntnis der Tatsachen im Sinne von § 48 Abs. 4 VwVfG und auch nicht die Erkenntnis, daß diese Tatsachen den Widerruf des Verwaltungsakts rechtfertigen, sondern allein den Umfang, in welchem aufgrund der ihr bekannten Tatsachen der Widerruf gerechtfertigt ist. Ein solcher Rechtsirrtum über das Ausmaß der sich aus den bekannten Tatsachen ergebenden Berechtigung zum Widerruf steht der fehlenden Kenntnis der den Widerruf rechtfertigenden Tatsachen nicht gleich." Obwohl somit weder aus dem Leitsatz noch aus den Gründen dieses Urteils der zwingende Schluß gezogen werden kann, das BVerwG mache den Fristlauf nach §§ 49 Abs. 2 Satz 2, 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG von der Erkenntnis der Widerrufsbefugnis abhängig, besteht immerhin Veranlassung,

509 BVerwG, BayVBl. 1992, 730 (731); BayVBl. 1989, 55 (56); BVerwG, NJW 1988, 2911 (2912); BayVGH, BayVBl. 1991, 564; Erichsen, in: Erichsen!Martens, § 17 Rdnr. 15. 510 BVerwG, BayVBl. 1988, 280.

§ 6 Der Ausschluß des Widerrufs nach § 49 II 2 i.V.m. § 48 IV VwVfG

217

darauf hinzuweisen, daß eine solche Interpretation vom Wortlaut und Sinn des § 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG in keinem Falle gedeckt wäre. Die Vorschrift spricht eindeutig von den die Rücknahme rechtfertigenden Tatsachen, nicht von der Rücknehmbarkeit selbst, die keine Tatsache ist. Nichts anderes kann für die Widerruflichkeit gelten. Stellte man demgegenüber auf die Kenntnis von der Widerrufsbefiignis ab, würde dies eine weitere Verschiebung des Fristbeginns zu Lasten des Begünstigten bedeuten, der vom Gedanken der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes nicht gedeckt wäre. Zudem hat auch der Große Senat in seinem Beschluß aus dem Jahre 1984 für den Beginn der Jahresfrist nicht verlangt, daß die Behörde aus der Kenntnis der betreffenden Tatsachen die Rücknehmbarkeit des Verwaltungsakts ableitet.

(5) Zusammenfassende Würdigung Die heute herrschende Auffassung des BVerwG, wonach die Frist des § 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG erst läuft, wenn der Behörde alle entscheidungserheblichen Gesichtspunkte bekannt sind, ist in Literatur und Rechtsprechung erheblich kritisiert worden 511. Es sei weder mit dem Wortlaut noch der Entstehungsgeschichte, geschweige denn mit dem Sinn der Vorschrift vereinbar, daß der Behörde eine Frist von einem Jahr zur Entscheidung eines bereits entscheidungsreifen Falles zugestanden werde. Diese Einwände sind, so man ihnen folgt, auf die Widerrufsfrist übertragbar. Freilich verlieren sie durch das Verbot des rückwirkenden Widerrufs in § 49 Abs. 2 und Abs. 3 VwVfG an Gewicht. Denn während die Behörde einen rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsakt bis zum Ablauf der einjährigen Entscheidungsfrist nach § 48 VwVfG gegebenenfalls auch mit Wirkung für die Vergangenheit zurücknehmen und damit das Vertrauen des Begünstigten auf den Bestand des Verwaltungsakts erheblich in Frage stellen kann, ist diese Befugnis im Falle des Widerrufs eines solchen Verwaltungsakts ausgeschlossen. Solange die Behörde den rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakt nicht widerruft, ist der Betroffene in seinem Vertrauen für die Vergangenheit geschützt. Dies führt dazu, daß die herrschende Meinung zum Beginn der Widerrufsfrist eher vertretbar erscheint als die herrschende Meinung zum Beginn der Rücknahmefrist 512.

511

Vgl. z.B. Ule!Laubinger, § 62 II 4; Kopp, VwVfG, § 48 Rdnr. 98; Hendler, JuS 1985, 947; Kopp, DVB1. 1985, 525; Schock, NVwZ 1985, 880; Weides, DÖV 1985, 431 (434 ff.). 512 Vgl. Weides, DÖV 1985, 431 (436 f.).

218

Zweiter Abschnitt: Die Voraussetzungen des Widerrufs b) Die Art der fristauslösenden Kenntnis

Entsprechend der Judikatur des BVerwG wird auch die Widerrufsfrist nur in Lauf gesetzt, wenn die Behörde positive Kenntnis der den Widerruf rechtfertigenden Tatsachen erlangt hat. Die Aktenkundigkeit der betreffenden Tatsachen genügt nicht. Auf die diesbezügliche Diskussion darf verwiesen werden 513.

II. Das Ende der Jahresfrist Im Gegensatz zur Bestimmung des Fristbeginns bereitet die Berechnung der Jahresfrist und damit die Festlegung des Fristablaufs keine grundsätzlichen Schwierigkeiten. Die Widerrufsfrist endet nach § 31 Abs. 1 VwVfG in Verbindung mit § 188 Abs. 2 erste Alt. BGB nach einem Jahr mit dem Ablauf desjenigen Tages, welcher durch seine Zahl dem Tage entspricht, in dem die Kenntnisnahme der Tatsachen fällt 514 . Hat die Behörde z.B. am 18.03.1990 von den Tatsachen Kenntnis erhalten, die den Widerruf rechtfertigen, so endet die Frist am 18.03.1991. Fällt das Ende der Frist auf einen Sonntag, einen gesetzlichen Feiertag oder einen Sonnabend, sp endet die Frist nach § 31 Abs. 3 Satz 1 VwVfG mit dem Ablauf des nächstfolgenden Werktages.

B. Die entsprechende Geltung des § 48 Abs. 4 Satz 2 VwVfG § 48 Abs. 4 Satz 2 VwVfG legt fest, daß die in Satz 1 ausgesprochene Befristung der Rücknahmebefugnis im Falle des § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 VwVfG (wenn der Begünstigte den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat) nicht gilt. Da § 49 Abs. 2 Satz 2 VwVfG auf § 48 Abs. 4 VwVfG insgesamt verweist, bedeutet dies, daß im Falle des § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 VwVfG auch die Widerrufsbefugnis zeitlich nicht befristet ist. Unklar ist, welche Bewandtnis diese Verweisung, die im Schrifttum als belanglos gebrandmarkt worden ist 515 , besitzt.

513 Vgl. z.B. BayVGH, BayVBl. 1991, 339; Ule ILaubinger, § 62 II 4; Kopp, VwVfG, § 48 Rdnr. 99a; Burianek, Jura 1985, 518. 514 Kopp, VwVfG, § 48 Rdnr. 94. 515 Obermayer, VwVfG, § 49 Rdnr. 62.

§ 6 Der Ausschluß des Widerrufs nach § 49 II 2 i.V.m. § 48 IV VwVfG

219

I. Die Bedeutung der Regelung Ist der Verwaltungsakt aufgrund der Täuschung, Drohung oder Bestechung materiell rechtswidrig, so kann die Aufhebung schon nach § 48 VwVfG erfolgen. Bei einer entsprechenden Anwendung des § 49 VwVfG auf den rechtswidrigen Verwaltungsakt führt der Verweis auf § 48 Abs. 4 Satz 2 VwVfG dazu, daß auch im Hinblick auf den Widerrufsgrund die Frist nicht zu beachten ist. Betrachtet man den Verwaltungsakt aufgrund des Einsatzes der unlauteren Mittel stets als verfahrensrechtlich rechtswidrig ergangen516, unterliegt er ebenfalls den Rücknahmevorschriften des § 48 VwVfG und es gilt nichts anderes. Sofern § 46 VwVfG eingreift, ist auch kein Widerruf möglich, da der Verwaltungsakt mit gleichen Inhalt erneut erlassen werden müßte517. Ist der Verwaltungsakt trotz der Täuschung, Drohung oder Bestechung rechtmäßig, ist die Behörde bei ihrer Entscheidung über den Widerruf nicht an die Frist des § 48 Abs. 4 VwVfG gebunden.

II. Die Verfassungsmäßigkeit der Regelung Wenn der Gesetzgeber den Widerruf unlauter erwirkter, aber rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakte ohne zeitliche Grenze zuläßt, so stellt sich die Frage, ob diese Regelung mit dem Gleichheitssatz vereinbar ist. Denn anders als bei der Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsakts besteht beim Widerruf eines rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakts zwischen dessen unlauterer Erwirkung und den in § 49 Abs. 2 Satz 1 VwVfG niedergelegten Widerrufsgründen grundsätzlich kein sachlicher Zusammenhang. Der rechtmäßige Verwaltungsakt wird nicht widerrufen, weil er unlauter erwirkt wurde, sondern weil (nachträglich) die Voraussetzungen des § 49 Abs. 2 Satz 1 VwVfG eingetreten sind. Dies mag es als wenig einleuchtend, jedenfalls als nicht zwingend erscheinen lassen, dem Betroffenen den Schutz der Jahresfrist nach §§ 49 Abs. 2 Satz 2, 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG zu entziehen. Dennoch kann die hier in Rede stehende Regelung nicht als willkürlich und damit gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoßend angesehen werden. Denn der sachliche Grund, dem Betroffenen den Schutz der Jahresfrist zu versagen,

516 Dazu siehe Stelkens ! Sachs, in: Stelkens/Bonk/Leonhardt, Rdnr. 109. 517 Siehe § 5 A.

VwVfG,

§ 48

220

Zweiter Abschnitt: Die Voraussetzungen des Widerrufs

liegt darin, daß ein schutzwürdiges Vertrauen auf den Bestand des Verwaltungsakts wegen seiner unlauteren Erwirkung wenn nicht als generell ausgeschlossen, so doch als zumindest vermindert anzusehen ist.

3.

Unterabschnitt

Die fehlerfreie Ermessensentscheidung über den Widerruf Ist einer der Widerrufstatbestände des § 4 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 - 5 VwVfG erfüllt und besteht kein Ausschluß des Widerrufs, hat die Behörde über den Widerruf des rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakts eine fehlerfreie Ermessensentscheidung zu treffen 518 . Dies ergibt sich aus § 49 Abs. 2 Satz 1 VwVfG, wonach ein rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakt widerrufen werden „darf 4 .

§ 7 Die Ermessensentscheidung über den Widerruf rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakte im allgemeinen Die Ermessensentscheidung über den Widerruf eines rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakts nach § 49 Abs. 2 Satz 1 VwVfG unterliegt den allgemeinen, teilweise in § 40 VwVfG normierten Anforderungen 519. Die Behörde hat daher bei jeder Ermessensentscheidung über den Widerruf folgende Vorgaben zu beachten:

A. Die Pflicht zur Ermessensbetätigung Die Entscheidung ist zunächst nur dann fehlerfrei, wenn die Behörde das ihr zustehende Ermessen tatsächlich ausübt. Dieses Ermessen erstreckt sich nicht nur auf das Ob des Widerrufs, sondern auch auf seinen Umfang in

518 Erichsen, in: Erichsen/Martens, § 17 Rdnr. 13; Ule ! Laubinger, § 63 II 2 a; Klappstein, in: Knack, VwVfG, § 49 Rdnr. 6; Kopp, VwVfG, § 49 Rdnr. 21; Meyer, in: Meyer!Borgs, VwVfG, § 49 Rdnr. 18; Obermayer, VwVfG, § 49 Rdnr. 53; Stelkens ! Sachs, in: Stelkens ! Bonk! Leonhardt, VwVfG, § 49 Rdnr. 5, 19; Erichsen, Jura 1981, 590 (593). Mißverständlich Maurer, § 11 Rdnr. 40. 519 Stelkens/Sachs, in: Stelkens!Bonk!Leonhardt, VwVfG, § 49 Rdnr. 5.

§ 7 Die Ermessensentscheidung über den Widerruf im allgemeinen

221

sachlicher Hinsicht (Widerruf der gesamten oder eines Teiles der Regelung des Verwaltungsakts) und zeitlicher Hinsicht (Unwirksamwerden des widerrufenen Verwaltungsakts mit dem Wirksamwerden des Widerrufs oder zu einem späteren Zeitpunkt, § 49 Abs. 3 VwVfG) 5 2 0 . Verkennt die Behörde ihre Verpflichtung zur Ermessensentscheidung gänzlich oder verkennt sie den Umfang des ihr zustehenden Ermessens521, liegt ein Fall des sog. Ermessensnichtgebrauchs vor mit der Folge der Rechtswidrigkeit des Widerrufs 522. Es fragt sich indes, ob Umstände denkbar sind, unter denen die Behörde zum Widerruf verpflichtet ist, ohne daß eine Ermessensentscheidung zu treffen wäre.

I. Kein Ausschluß der Ermessensentscheidung durch verwaltungsinterne Weisungen Eine Ermessensbetätigung könnte entbehrlich sein, wenn eine verwaltungsinterne Verpflichtung zum Widerruf besteht.

1. Ermessenslenkende Verwaltungsvorschriften Ordnet eine Verwaltungsvorschrift zur Ermessensausübung nach § 49 Abs. 2 Satz 1 VwVfG unter bestimmten Voraussetzungen eine Verpflichtung zum Widerruf an, ist zu erwägen, ob sich die Überflüssigkeit der Ermessensentscheidung bei Vorliegen dieser Voraussetzungen aus der Selbstbindung der Verwaltung oder einer Vorwegnahme der Ermessensentscheidung ergibt.

a) Die Selbstbindung der Verwaltung Obwohl ermessenslenkenden Verwaltungsvorschriften nach zutreffender herrschender Meinung nicht per se Außenrechtswirkung zukommt523, könn-

520

Klappstein, in: Knack,, VwVfG, § 49 Rdnr. 6; Erichsen, Jura 1981, 590 (593). Vgl. BVerwG, DVB1. 1985, 1070; OVG Lüneburg, NVwZ 1985, 120 (121). 522 BVerwG, BayVBl. 1990, 506; HessVGH, NVwZ 1992, 85; NVwZ 1990, 879 (881 f.); NVwZ 1989, 165 (167); OVG Lüneburg, NJW 1982, 1246 (1248); OVG Münster, DVB1. 1985, 532 (533). Vgl. femer BVerwGE 48, 81 (84); Stelkens I Sachs, in: Stelkens I Bonkl Leonhardt, VwVfG, § 40 Rdnr. 45. 523 Stelkens ! Sachs, in: Stelkens ! Bonkl Leonhardt, VwVfG, § 40 Rdnr. 53 ff. Vgl. auch § 5 C.II.2. 521

222

Zweiter Abschnitt: Die Voraussetzungen des Widerrufs

te der Wegfall der Ermessensnotwendigkeit aus der erwähnten 524, durch Art. 3 Abs. 1 GG vermittelten außenrechtsähnlichen Selbstbindung der Exekutive zu entnehmen sein. Es wurde indes bereits darauf hingewiesen, daß verwaltungsinterne Weisungen die Widerruflichkeit von rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakten grundsätzlich nicht generell auszuschließen vermögen525. Aus den gleichen Gründen können sie keine generelle Verpflichtung zum Widerruf mit Außenwirkung anordnen: Auch die auf Art. 3 Abs. 1 GG beruhende Selbstbindung der Verwaltung geht nach zutreffender Auffassung nicht soweit, daß die in § 49 Abs. 2 Satz 1 VwVfG normierte Pflicht zur Ausübung eines die besonderen Umstände des Einzelfalles berücksichtigenden Ermessens beseitigt wird 526 . Die von ermessensbindenden Verwaltungsvorschriften gelenkte Entscheidung ist eine Ermessensentscheidung, keine gebundene Entscheidung527.

b) Die Vorwegnahme der Ermessensbetätigung Die Entbehrlichkeit der Ermessensbetätigung könnte sich aber daraus ergeben, daß die Verwaltungsvorschriften die zu treffenden Ermessenserwägungen vorwegnehmen. Es mag dahinstehen, ob die Antizipation von Ermessenserwägungen durch allgemeine Richtlinien überhaupt denkbar ist. Jedenfalls ist es nicht möglich, die auf Einzelfallgerechtigkeit abzielende Ermessensentscheidung nach § 49 Abs. 2 Satz 1 VwVfG vollständig in generalisierender Weise vorwegzunehmen 528 . Die Behörde bleibt verpflichtet zu überprüfen, ob die Besonderheiten des zu entscheidenden Falles eine Abweichung von der Richtlinie gebieten 529 .

c) Ergebnis Somit kann sich aus ermessenslenkenden Verwaltungsvorschriften keine Entbehrlichkeit der Ermessensentscheidung beim Widerruf rechtmäßiger

524

Siehe § 5 C.II.2. § 5 C.II.2. 526 BVerwG, NVwZ 1987, 498 (499); OVG Münster, DVB1. 1985, 532 (533). Siehe auch StelkensISachs, in: Stelkens/Bonk/Leonhardt, VwVfG, § 40 Rdnr. 65 f. 527 OVG Münster, DVB1. 1985, 532 (533). 528 OVG Münster, DVB1. 1985, 532 (534); Oldiges, NJW 1984, 1927 (1936). 529 Vgl. OVG Münster, DVB1. 1985, 532 (534). 525

§ 7 Die Ermessensentscheidung über den Widerruf im allgemeinen

223

begünstigender Verwaltungsakte nach § 49 Abs. 2 Satz 1 VwVfG ergeben 530 . Ein Widerruf, der unter bloßer Bezugnahme auf Verwaltungsvorschriften ergeht, ohne daß die Behörde Ermessenserwägungen anstellt, insbesondere klärt, ob außerordentliche Umstände des Einzelfalles vorliegen, ist ermessensfehlerhaft und rechtswidrig 531.

2. Ermessenslenkende Einzelweisungen Ordnet eine verwaltungsinterne Einzelweisung den Widerruf eines bestimmten rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakts zwingend an, vermag dies die Ermessensbetätigung nicht überflüssig zu machen. Denn verwaltungsinterne Einzelakte besitzen keine Außenrechtswirkung und können mangels gleichförmiger Ermessenshandhabung nicht einmal eine über Art. 3 Abs. 1 GG vermittelte Selbstbindung der Verwaltung erzeugen.

II. Kein Ausschluß der Ermessensentscheidung durch Verzicht Im Ergebnis nichts anderes gilt, wenn der vom Widerruf Betroffene etwa durch Anerkennung von entsprechenden Verwaltungsvorschriften - auf die Betätigung des Ermessens verzichtet hat. Denn die Schutzvorschriften des § 49 Abs. 2 VwVfG stehen nach zutreffender Meinung - jedenfalls grundsätzlich532 - nicht zur Disposition der Beteiligten533.

B. Die zu berücksichtigenden Gesichtspunkte Eine fehlerfreie Ermessensentscheidung über den Widerruf erfordert ferner, daß die Behörde die zu berücksichtigenden Gesichtspunkte in ihre Abwägung vollständig einbezieht und sich nicht von sachfremden Aspekten leiten läßt 534 . Ein Verstoß hiergegen stellt einen Ermessensfehlgebrauch dar, der zur Rechtswidrigkeit des Widerrufs führt.

530

Für belastende Verwaltungsakte ebenso Klappstein, in: Knack, VwVfG, § 49 Rdnr. 5.1. 531 Bedenklich daher BVerwG, NVwZ 1987, 498 (499). 532 Siehe aber § 11 A.II. 533 OVG Münster, DVB1. 1985, 532 (533); Oldiges, NJW 1984, 1927 (1935 f.). 534 Stelkens/Sachs, in: Stelkens/Bonk/Leonhardt, VwVfG, § 49 Rdnr. 5.

224

Zweiter Abschnitt: Die Voraussetzungen des Widerrufs

Es hängt von den Umständen des Einzelfalles ob, welche Gesichtspunkte die Behörde berücksichtigen muß und darf. Bei der Ermittlung des Abwägungsmaterials sind insbesondere heranzuziehen535 1) die Grundrechte, denen die Belange des Betroffenen und Dritter zu entnehmen sind536; 2) das Fachgesetz, auf dem der Erlaß der zu widerrufenden Begünstigung beruht und aus dem die relevanten öffentlichen und privaten Interessen abzuleiten sind537; 3) der bereits erörterte Zweck des einschlägigen Widerrufstatbestandes 538; 4) allgemeine Rechtsgrundsätze wie z.B. das Erfordernis der Rechtssicherheit 539 , das gegen einen Widerruf vor allem dann spricht, wenn die Begünstigung formell bestandskräftig ist 540 oder inhaltliche bzw. verfahrensbedingte Besonderheiten aufweist 541, die einer Aufhebung im Wege stehen.

C. Die Abwägungsmaßstäbe Die Ermessensentscheidung über den Widerruf rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakte ist schließlich nur fehlerfrei, wenn die Behörde die zu berücksichtigenden Gesichtspunkte vertretbar gewichtet und gegeneinander abwägt. Der Erwähnung bedürfen in diesem Zusammenhang der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und das Vertrauensschutzprinzip.

I. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Der Widerruf eines rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakts stellt einen Eingriff der öffentlichen Gewalt in eine Rechtsposition des Betroffenen dar. Die hierüber zu treffende Entscheidung ist daher nur fehlerfrei, wenn sie den für alle staatlichen Eingriffe maßgeblichen Grundsatz der Verhältnismä-

535

Vgl. allgemein auch Maurer, Boorberg-Festschrift, S. 223 (233 ff.). Vgl. z.B. VGH Mannheim, NVwZ-RR 1992, 126 (128); Erichsen, in: Erichsen/ Martens, § 17 Rdnr. 13. 537 Für den Bereich des Subventionsrechts vgl. BayVGH, NVwZ 1990, 882 (883). 536

538 539 540 541

Vgl. § 4. Vgl. BayVGH, BayVBl. 1990, 630. Siehe § 5 F. Siehe § 5 E.

§ 8 Sonderfragen der Ermessensentscheidung

225

ßigkeit beachtet542. Der Widerruf eines rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakts ist somit zulässig, wenn er geeignet und erforderlich - also das mildeste Mittel - ist, das mit ihm verfolgte Ziel zu erreichen 543. Auf die sich hieraus ergebenden Konsequenzen wird bei der Diskussion der Ermessensentscheidung bei den einzelnen Widerrufstatbeständen einzugehen sein.

II. Der Grundsatz des Vertrauensschutzes Die vom Widerruf betroffenen Rechtsgüter fallen bei der Abwägung umso stärker ins Gewicht, als der Betroffene in schutzwürdiger Weise auf den Bestand des Verwaltungsakts vertraut 544 hat. Es fragt sich allerdings, inwieweit der Grundsatz des Vertrauensschutzes bei der Abwägung nach § 49 Abs. 2 Satz 1 VwVfG tatsächlich einfließen kann. Da insoweit eine differenzierte Betrachtung der Widerrufstatbestände des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 - 5 VwVfG angebracht ist, werden die diesbezüglichen Fragen ebenfalls im Zusammenhang mit den besonderen Ermessensproblemen, die die einzelnen Widerrufstatbestände hervorrufen, erörtert.

§ 8 Sonderfragen der Ermessensentscheidung bei den einzelnen Widerrufsgründen Bei den einzelnen Widerrufstatbeständen des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 - 5 VwVfG stellen sich im Hinblick auf die Ermessensentscheidung einige Sonderprobleme.

A. Die Ermessensentscheidung im Falle des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwVfG Ist der Widerruf nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwVfG durch Rechtsvorschrift oder Widerrufsvorbehalt zugelassen, sind folgende Überlegungen geboten:

542

Klappstein, in: Knack, VwVfG, § 49 Rdnr. 6; Meyer, in: Meyer!Borgs, VwVfG, § 49 Rdnr. 18; Stelkens ! Sachs, in: Stelkens/Bonk/Leonhardt, VwVfG, § 49 Rdnr. 5. Vgl. femer OVG Lüneburg, NVwZ 1992, 591 (592). 543 BVerwG, NVwZ 1992, 167. 544 Zum Vertrauensschutzprinzip vgl. § 5 E.III.2. 15 Bronnenmeyer

226

Zweiter Abschnitt: Die Voraussetzungen des Widerrufs

I. Beim durch Rechtsvorschrift zugelassenen Widerruf Es wurde bereits erläutert, daß § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 erste Alt. VwVfG eine überflüssige Klarstellung enthält und als Rechtsgrundlage für den Widerruf nicht zum Zuge kommt, weil die Norm von der vorrangigen Sonderbestimmung verdrängt wird 545 . Dies bedeutet zum einen, daß eine Ermessensentscheidung überhaupt nicht zu treffen ist, wenn die Sondervorschrift - wie z.B. § 15 Abs. 2 GastG - den Widerruf zwingend anordnet546. Zum anderen unterliegen die anzustellenden Ermessenserwägungen den Maßgaben der betreffenden Spezialnorm, sofern diese den Widerruf dem Ermessen der Behörde anheimgibt547. Soweit allerdings eine spezielle Vorschrift den Widerruf von ähnlichen Voraussetzungen abhängig macht, wie sie in § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 zweite Alt. bis Nr. 5 VwVfG festgelegt sind, können die folgenden Darlegungen entsprechend herangezogen werden.

II. Beim durch Widerrufsvorbehalt zugelassenen Widerruf Bei der Ermessensentscheidung über die Ausübung eines Widerrufsvorbehalts nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 zweite Alt. VwVfG fragt es sich, welche Gesichtspunkte den Widerruf zu rechtfertigen vermögen und ob sich der Betroffene auf Vertrauensschutz berufen kann.

1. Die den Widerruf rechtfertigenden Gesichtspunkte Hat sich die Behörde den Widerruf nur für den Eintritt bestimmter, abschließend aufgeführter Gründe vorbehalten, ist schon der Tatbestand des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 zweite Alt. VwVfG nicht erfüllt und ein Widerruf ohnehin unzulässig, wenn diese Gründe nicht eingreifen. Hierauf wurde bereits hingewiesen548. Liegt dieser Fall nicht vor, ist zu klären, welche Umstände im Rahmen der Ermessensentscheidung die Ausübung des Widerrufsvorbehalts zu tragen vermögen.

545

Siehe § 4 A.I.3. Vgl. femer Klappstein, in: Knack, VwVfG, § 49 Rdnr. 6.1.1. Hierbei handelt es sich allerdings um rechtswidrig gewordene Verwaltungsakte; siehe § 2 B.II.2.c.(l).(b). 547 Vgl. Klappstein, in: Knack, VwVfG, § 49 Rdnr. 6; Obermayer, VwVfG, § 49 Rdnr. 54. 548 Siehe § 4 A.II.4. Vgl. auch Obermayer, VwVfG, § 49 Rdnr. 56. 546

§ 8 Sonderfragen der Ermessensentscheidung

227

a) Die Auffassungen in Rechtsprechung und Literatur Es besteht Einigkeit, daß ein (zulässiger) Widerrufsvorbehalt im Sinne der §§ 36 Abs. 2 Nr. 3, 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 zweite Alt. VwVfG der Behörde keine Befugnis gibt, den Verwaltungsakt aus jedem beliebigen Grund nach Gutdünken zu widerrufen 549. Streitig ist aber, wie die den Widerruf rechtfertigenden Gründe näher einzugrenzen sind. Während die eine Auffassung jeden sachlichen Grund für den Widerruf genügen läßt 550 , gibt es Stimmen, die die Ausübung des Widerrufsvorbehalts nur für zulässig halten, wenn Gründe vorliegen, die bereits die Beifügung des Widerrufsvorbehalts gerechtfertigt haben551 oder dem Zweck des Gesetzes entsprechen, das den Erlaß des Verwaltungsakts regelt 552. b) Stellungnahme Entsprechend dem bereits untersuchten Zweck des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 zweite Alt. VwVfG 5 5 3 wird man zu unterscheiden haben. Handelt es sich um einen Verwaltungsakt, auf dessen Erlaß ein Rechtsanspruch besteht, so ist die Beifügung des Widerrufsvorbehalts nach § 36 Abs. 1 VwVfG nur zulässig, um die Erfüllung der Voraussetzungen für den Erlaß des Verwaltungsakts sicherzustellen. Daraus folgt, daß auch der Widerruf selbst nur aus diesen Gründen ergehen darf. Andernfalls würde sich die Behörde ihrer Bindung an Gesetz und Recht entziehen554.

549 BayVGH, BayVBl. 1986, 304 (306); DVB1. 1983, 946; VGH Mannheim, NVwZ 1990, 482; Erichsen, in: Erichsen/Martens, § 17 Rdnr. 7; Maurer, § 11 Rdnr. 41; Ule/Laubinger, § 63 II 1 b; Wolff/ Bachof I, § 53 IV d 2; Klappstein, in: Knack, VwVfG, § 49 Rdnr. 6.1.2; Kopp, VwVfG, § 49 Rdnr. 28; Stelkens /Sachs, in: Stelkens/Bonk/Leonhardt, VwVfG, § 49 Rdnr. 26; Eichberger, GewArch. 1983, 105 (108); Erichsen, Jura 1981, 590 (591); Weides, JuS 1985, 364 (367); Begründung, S. 72. Vgl. femer von Münch, JZ 1964, 121 (122). · 550 Ule /Laubinger, § 63 II 1 b; Klappstein, in: Knack, VwVfG, § 49 Rdnr. 6.1.2; Meyer, in: Meyer! Borgs, VwVfG, § 49 Rdnr. 21; Eichberger, GewArch. 1983, 105 (109 ff.). Vgl. auch VGH Mannheim, NVwZ-RR 1992, 126 (127); Britz, DÖV 1982, 231 (233). 551 Erichsen, in: Erichsen/Martens, § 17 Rdnr. 7; ders., Jura 1981, 590 (591). 552 BayVGH, BayVBl. 1986, 304 (306); DVB1. 1983, 946; HessVGH, NVwZ 1989, 165 (166); NJW 1987, 393; VGH Mannheim, NVwZ 1990, 482; Maurer, § 11 Rdnr. 41; Kopp, VwVfG, § 49 Rdnr. 28; Stelkens/ Sachs, in: Stelkens/Bonk/Leonhardt, VwVfG, § 49 Rdnr. 46. 553 Siehe § 4 A.II.l. 554 Zum Verbot des Widerrufs durch die Verpflichtung zum Neuerlaß des Verwaltungsakts siehe § 5 A.

15*

228

Zweiter Abschnitt: Die Voraussetzungen des Widerrufs

Anders liegt es, wenn kein Anspruch auf Erlaß des Verwaltungsakts besteht. In diesen Fällen genügt jeder sachliche Grund für die Ausübung des Widerrufsvorbehalts, der dessen Beifügung nach § 36 Abs. 2 VwVfG gerechtfertigt hat.

2. Die Berücksichtigung des Vertrauensschutzprinzips Unklar ist, ob die Behörde bei der Ermessensentscheidung über einen Widerruf nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 zweite Alt. VwVfG den Grundsatz des Vertrauensschutzes in ihre Abwägungen einzubeziehen hat. Die wohl herrschende Anschauung in der Literatur verneint dies555. Ihr ist beizupflichten, wenn bei Vorliegen eines Widerrufsvorbehalts entweder kein Vertrauen auf den Bestand des Verwaltungsakts entstehen kann oder ein mögliches Vertrauen jedenfalls nicht schutzwürdig ist.

a) Das Vertrauen auf den Bestand des Verwaltungsakts Ergeht der Verwaltungsakt mit einem Widerrufsvorbehalt, so kennt der Betroffene die Möglichkeit der Entziehung der Begünstigung. Verdrängt der Betroffene dieses Risiko oder nimmt er es bei der Vornahme von Vermögensdispositionen bewußt in Kauf, in der Hoffnung, es werde sich nicht realisieren, kann diese Bewußtseinslage nicht als Vertrauen im Rechtssinne angesprochen werden. Andererseits ist es unter bestimmten Umständen auch bei Vorliegen eines Widerrufsvorbehalts nicht ausgeschlossen, daß Vertrauen auf den Bestand des Verwaltungsakts entsteht556. Insbesondere kann dies zu konzedieren sein, wenn der Betroffene darauf vertraut, daß kein (sachlicher) Grund eintreten wird, der die Behörde zur Ausübung des Widerrufsvorbehalts veranlassen könnte, was gerade dann denkbar ist, wenn sich die Behörde den Widerruf nur für den Eintritt bestimmter Umstände vorbehalten hat.

555 Achterberg, §23 Rdnr. 80; Bull, §12 Rdnr. 755; Klappstein, in: Knack, VwVfG, § 49 Rdnr. 6; Meyer, in: Meyer!Borgs, VwVfG, § 49 Rdnr. 19, 21; Knoke, Rücknahme, § 8 II 1; Eichberger, GewArch. 1983, 105 (108 f.); Wendt, JA 1980, 85 (92). Offengelassen von BayVGH, BayVBl. 1986, 304 (308). A.A. Kopp, VwVfG, § 48 Rdnr. 56; Lange, Jura 1980, 456 (468); ders., WiVerw. 1979, 15 (16 f.). Vgl. auch OVG Münster, NJW 1981, 2597 (2598); Schenke, DÖV 1983, 320 (326), der von einer Limitierung des Vertrauensschutzes spricht. 556 Im Ergebnis ebenso Knoke, Rücknahme, § 8 II 1.

§ 8 Sonderfragen der Ermessensentscheidung

229

b) Die Schutzwürdigkeit des Vertrauens Vertraut der Begünstigte in solcher Weise trotz des Widerrufsvorbehalts auf den Bestand des Verwaltungsakts, ist zu prüfen, ob das Vertrauen schutzwürdig sein kann. Grundsätzlich ist davon auszugehen, daß das Vertrauen schon an sich nicht schutzwürdig ist, weil es sich über das im Widerrufsvorbehalt bekanntgegebene Aufhebungsrisiko hinwegsetzt. Insoweit ist der herrschenden Meinung beizutreten. Etwas anderes muß jedoch gelten, wenn der Betroffene das Aufhebungsrisiko trotz des Widerrufsvorbehalts als so gering einschätzen darf, daß eine Vertrauensbetätigung ausnahmsweise als nicht vorwerfbar erscheint. Dies ist zu bejahen, wenn das Aufhebungsrisiko für den Betroffenen überschaubar ist, z.B. weil die Behörde sich den Widerruf nur für den Eintritt konkreter Umstände vorbehalten hat, und außerdem der Eintritt der zum Widerruf befugenden Umstände gänzlich unwahrscheinlich ist oder wird, weil entweder die Behörde sich den Widerruf nur für den Eintritt von vornherein unwahrscheinlicher Umstände vorbehält oder der Betroffene besondere Maßnahmen zur Verhinderung ihres Eintritts ergreift. Liegt ein solcher Ausnahmefall vor, bleibt zu bedenken, ob die Berücksichtigung des Vertrauensschutzgebotes im Rahmen der Ermessensentscheidung nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 zweite Alt. VwVfG durch die gesetzliche Wertung des § 49 VwVfG nicht dennoch ausgeschlossen ist. Diese Annahme kann man zwar nicht auf die bereits widerlegte 557 These stützen, daß der Widerrufsvorbehalt gerade der Verhinderung des schutzwürdigen Vertrauens diene. Sie drängt sich aber deswegen auf, weil § 49 Abs. 5 VwVfG in den Fällen des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 VwVfG keinen Anspruch auf Ersatz des Vertrauensschadens gibt und folglich das Vertrauen des Begünstigten auf den Bestand des Verwaltungsakts bei Vorliegen eines Widerrufsvorbehalts generell nicht als schutzwürdig ansieht558. Es könnte geboten erscheinen, diese Wertung auf die Ermessensentscheidung nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 zweite Alt. VwVfG zu übertragen und den Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes bei der Abwägung generell außer acht zu lassen. Diese Einschätzung wäre jedoch wegen der verfassungsrechtlichen Verankerung des Vertrauensschutzprinzips bedenklich559. Auch bei Vorliegen

557

Siehe § 4 A.II.l.b.(2).(b). Vgl. Begründung, S. 73. 559 Da die verfassungsrechtliche Verankerung des Vertrauensschutzgebotes nicht nur auf Art. 14 GG beruht (siehe § 5 E.III.2), ist es in diesem Zusammenhang unschädlich, daß die Ausübung des Widerrufsvorbehalts stets Ausdruck der Sozialbindung des Eigentums ist (siehe § 5 B.I.2.a). 558

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Zweiter Abschnitt: Die Voraussetzungen des Widerrufs

eines Widerrufsvorbehalts geht es nicht an, dem aufgrund außerordentlicher Umstände schutzwürdigen Betroffenen die Berufung auf den Aspekt des Vertrauensschutzes von vornherein zu verweigern. Gerade weil die typisierende Betrachtungsweise des § 49 Abs. 5 VwVfG dem Betroffenen Vermögensschutz kategorisch versagt560, ist es geboten, ein ausnahmsweise schutzwürdiges Vertrauen des Betroffenen auf den Bestand des Verwaltungsakts im Rahmen der (auf die Erfassung außerordentlicher Umstände ausgerichteten und der Einzelfallgerechtigkeit dienenden) Ermessensentscheidung zu berücksichtigen und gegebenenfalls Bestandsschutz zu gewähren561. Die Behörde hat daher im Rahmen der Ermessensentscheidung über die Ausübung des Widerrufsvorbehalts nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 zweite Alt. VwVfG ein ausnahmsweise schutzwürdiges Vertrauen des Betroffenen in die Aufrechterhaltung der Begünstigung zu beachten. Unterläßt sie dies, ist der Widerruf ermessensfehlerhaft.

B. Die Ermessensentscheidung im Falle des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VwVfG Bei der Ermessensentscheidung über den Widerruf eines rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakts aufgrund einer nicht erfüllten Auflage nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VwVfG 5 6 2 steht die Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit im Vordergrund.

I. Die den Widerruf rechtfertigenden Gesichtspunkte Zunächst jedoch ist darauf hinzuweisen, daß auch die Nichterfüllung einer Auflage die Behörde nicht berechtigt, den Verwaltungsakt nach Belieben zu widerrufen. Der Widerruf kann vielmehr nur auf solche sachlichen Gründe gestützt werden, die bereits die Beifügung der Auflage erlaubt haben563. Auf die entsprechenden Ausführungen zum Widerrufsvorbehalt wird verwie-

560

Siehe § 10 B.I.2.b.(2). Lange, Jura 1980, 456 (468); ders., WiVerw. 1979, 15 (26 f.). 562 Zum Ermessen bei § 44a Abs. 1 Satz 1 BHO vgl. BayVGH, BayVBl. 1991, 209. 563 Obermayer, VwVfG, § 49 Rdnr. 58. Vgl. auch Stelkens/Sachs, in: Stelkens ! Bonkl Leonhardt, VwVfG, § 49 Rdnr. 31. 564 Siehe § 8 A.II.l. 561

§ 8 Sonderfragen der Ermessensentscheidung

231

II. Die Verhältnismäßigkeit des Widerrufs In Rechtsprechung und Literatur herrscht zu Recht Einigkeit, daß der Widerruf nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VwVfG wie jeder staatliche Eingriff dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu genügen hat 565 . Danach ist die Behörde gehalten, von der Möglichkeit eines Widerrufs nur Gebrauch zu machen, wenn sie das mit dem Widerruf verfolgte Ziel nicht mit Mitteln erreichen kann, die für den Betroffenen weniger belastend sind. Ein Widerruf nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VwVfG ist daher nach einhelliger Meinung erst zulässig, wenn die Behörde erfolglos versucht hat, die Erfüllung der Auflage durchzusetzen566. Die daraus fließenden Konsequenzen sind im einzelnen allerdings umstritten567. Richtigerweise wird man davon ausgehen können, daß der Widerruf eines rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakts nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VwVfG unter folgenden Voraussetzungen verhältnismäßig und damit ermessensfehlerfrei ist:

1. Der Widerruf als ultima ratio Der Widerruf nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VwVfG ist zunächst - als ultima ratio - nur verhältnismäßig, wenn der Behörde keine Mittel zur Verfügung stehen, die zum einen zur Durchsetzung der Auflage geeignet sind und zum anderen gegenüber dem Widerruf einen weniger belastenden Eingriff in die Rechte des Betroffenen darstellen568.

a) Das Fehlen geeigneter Mittel zur Durchsetzung der Auflage In der Regel ist davon auszugehen, daß der Behörde geeignete Mittel zur Durchsetzung der Auflage an die Hand gegeben sind. In Betracht kommen insbesondere

565 Achterberg, §23 Rdnr. 81; Erichsen, in: Erichsen/Martens, §17 Rdnr. 8; Maurer, § 11 Rdnr. 42; Klappstein, in: Knack, VwVfG, §49 Rdnr. 6.2.1; Kopp, VwVfG, § 49 Rdnr. 32; Stelkens/Sachs, in: Stelkens/Bonk/Leonhardt, VwVfG, § 49 Rdnr. 33. 566 Kopp, VwVfG, § 49 Rdnr. 32; Obermayer, VwVfG, § 49 Rdnr. 59. 567 Vgl. Achterberg, § 23 Rdnr. 81; Erichsen, in: Erichsen/Martens, § 17 Rdnr. 8; Maurer, § 11 Rdnr. 42; Kopp, VwVfG, §49 Rdnr. 32; Meyer, in: Meyer/Borgs, VwVfG, § 49 Rdnr. 25; Obermayer, VwVfG, § 49 Rdnr. 59; Stelkens/Sachs, in: Stelkens/Bonk/Leonhardt, VwVfG, § 49 Rdnr. 33. 568 Vgl. Kopp, VwVfG, § 49 Rdnr. 32; Erichsen, Jura 1981, 590 (592).

232

Zweiter Abschnitt: Die Voraussetzungen des Widerrufs

1) eine (weitere) Fristsetzung zur Erfüllung der Auflage, 2) die Androhung des Widerrufs der Begünstigung für den Fall der Nichterfüllung der Auflage, 3) die Androhung bzw. Durchführung eines Ordnungswidrigkeitenverfahrens wegen Nichterfüllung der Auflage 569, soweit die tatbestandlichen Voraussetzungen dafür erfüllt sind, 4) die zwangsweise Durchsetzung der Auflage mit den Mitteln der Verwaltungsvollstreckung. Als ungeeignet zur Durchsetzung der Auflage und damit zur Vermeidung des Widerrufs sind diese Mittel insbesondere zu bewerten, wenn ausnahmsweise 1) die Erfüllung der Auflage unmöglich geworden ist 570 , 2) der Begünstigte ernsthaft und endgültig zu erkennen gegeben hat, daß er die Auflage auch bei Einsatz von Zwang nicht erfüllen werde, und ein Vorgehen im Wege der Verwaltungsvollstreckung nicht zur Durchsetzung der Auflage führen wird 571 , 3) die Behörde die genannten Mittel bereits erfolglos ausgeschöpft hat.

b) Die UnVerhältnismäßigkeit der Durchsetzung der Auflage Nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit muß und darf die Behörde vor einem Widerruf der Begünstigung zum Zwecke der Durchsetzung der Auflage nicht zu solchen Zwangsmitteln greifen, die für den Begünstigten einen schärferen Eingriff als der Widerruf selbst darstellen. Dies kann z.B. der Fall sein, wenn die Begünstigung unbedeutend ist, der Einsatz der Verwaltungsvollstreckung aber für den Begünstigten erhebliche Kosten verursachen würde. Hier wäre der Gebrauch des Zwangsmittels selbst ein Verstoß gegen das Verhältnismäßigkeitsprinzip. Die Behörde ist daher nicht gehalten (und befugt), es vor einem Widerruf anzuwenden.

c) Die Ausschöpfung der Mittel zur Durchsetzung der Auflage Stehen der Behörde jedoch geeignete und verhältnismäßige Mittel zur Durchsetzung der Auflage zur Verfügung, stellt sich die Frage, ob der Wider-

569

Dazu vgl. BVerwGE 59, 124 (129 f.). Klappstein, in: Knack, VwVfG, § 49 Rdnr. 6.2.2. Vgl. ferner Stelkens!Sachs, in: Stelkens!Bonk!Leonhardt, VwVfG, § 49 Rdnr. 33. 57 1 Kopp, VwVfG, § 49 Rdnr. 32. 57 0

§ 8 Sonderfragen der Ermessensentscheidung

233

ruf schon dann ultima ratio ist, wenn die Behörde erfolglos irgendeine Maßnahme zur Durchsetzung der Auflage getroffen hat oder ob dies erst dann zutrifft, wenn die Behörde die bereits erwähnten Mittel ohne Erfolg ausgeschöpft, insbesondere die Verwaltungsvollstreckung betrieben hat. In der Regel ist ein Widerruf ermessensfehlerhaft, wenn die Behörde ihn ausspricht, ohne den Betroffenen in irgendeiner Weise zur Erfüllung der Auflage angehalten zu haben572. Denn nur unter dieser Voraussetzung kann die Behörde davon ausgehen, daß der Widerruf zur Herstellung ordnungsgemäßer Zustände erforderlich und kein milderes Mittel ausreichend ist. Aufgrund des Verhältnismäßigkeitsprinzips wiederum ist die Behörde dabei in der Regel verpflichtet, die Durchsetzung der Auflage nicht sogleich mit dem Instrumentarium des Verwaltungszwanges zu betreiben, sondern zunächst weniger einschneidende Mittel anzuwenden (z.B. Fristsetzung, Androhung des Widerrufs). Versagen diese Mittel, bleibt zu klären, ob die Behörde nunmehr den Widerruf verfügen kann oder zunächst im Wege der Verwaltungsvollstreckung vorzugehen hat 573 . Man wird zugestehen können, daß die Behörde im allgemeinen nicht verpflichtet ist, vor einem Widerruf letztlich die Verwaltungsvollstreckung einzuleiten574. Denn zum einen wäre dem Widerruf eines rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakts nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VwVfG als Reaktion auf die Nichterfüllung einer Auflage nahezu jede Bedeutung genommen, wenn er ermessensfehlerfrei erst angeordnet werden könnte, sofern eine erfolglose Zwangsvollstreckung vorausgeht. Die Widerrufsmöglichkeit nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VwVfG soll der Behörde ersichtlich eine langwierige Durchsetzung der Auflage ersparen 575. Zum anderen indiziert die Regelung des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VwVfG, wonach ein Widerruf tatbestandlich bereits möglich ist, wenn die Auflage nicht fristgerecht erfüllt wird, den Schluß, daß die Behörde bereits nach einer Fristsetzung ermessensfehlerfrei zum Widerruf berechtigt ist 576 .

57 2 Erichsen, in: Erichsen!Martens, § 17 Rdnr. 9; Maurer, § 11 Rdnr. 42; Klappstein, in: Knack, VwVfG, § 49 Rdnr. 6.2.1 f.; Kopp, VwVfG, § 49 Rdnr. 32; Obermayer, VwVfG, § 49 Rdnr. 59; Erichsen, Jura 1981, 590 (592). Vgl. auch BVerwG, NVwZ 1992, 167. A.A. wohl Achterberg, § 23 Rdnr. 81; Ule ! Laubinger, § 63 II 1 c. 573 Offengelassen von BayVGH, BayVBl. 1990, 690 (692). 57 4 Kopp, VwVfG, § 49 Rdnr. 32; Erichsen, Jura 1981, 590 (592). A.A. Maurer, § 11 Rdnr. 42; Obermayer, VwVfG, § 49 Rdnr. 59. 575 Vgl. Meyer, in: Meyer/Borgs, VwVfG, § 49 Rdnr. 25. 57 6 Kopp, VwVfG, § 49 Rdnr. 32.

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Zweiter Abschnitt: Die Voraussetzungen des Widerrufs

2. Keine unverhältnismäßigen Widerrufsfolgen Ist der Widerruf des rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakts nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VwVfG nach den aufgezeigten Grundsätzen ultima ratio, wird sein Erlaß in der Regel ermessensfehlerfrei geschehen können. Anders liegt es nur, wenn die Gefahr für die Interessen, die durch die Nichterfüllung der Auflage berührt werden, außer Verhältnis zu den Folgen eines Widerrufs der Begünstigung stehen577.

3. Der Widerruf bei verspäteter Erfüllung der Auflage In diesem Zusammenhang stellt sich ein besonderes Problem, wenn der Begünstigte die Auflage erst nach einer hierfür gesetzten Frist erfüllt 578. Da auch die verspätete Erfüllung einer Auflage, wie gesehen579, den Tatbestand des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VwVfG verwirklicht, handelt es sich um eine Ermessensfrage, unter welchen Umständen der Widerruf im Einzelfall zulässig ist. Erfüllt der Begünstigte die Auflage nach Ablauf der hierfür gesetzten Frist, aber vor Erlaß des Widerrufsbescheides, so ist die Rechtslage eindeutig: Der Widerruf wäre ermessensfehlerhaft, weil er zur Erreichung des mit der Widerrufsbefugnis nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VwVfG verbundenen Zweckes580 nicht mehr erforderlich ist. Erfüllt der Begünstigte die Auflage hingegen erst, nachdem die Behörde die Begünstigung widerrufen hat, war die Ermessensentscheidung über den Widerruf fehlerfrei 581. Eine andere Frage, der hier nicht näher nachgegangen werden soll, ist, ob der Widerruf durch die Erfüllung der Auflage möglicherweise nachträglich rechtswidrig wird oder selbst nach § 49 Abs. 1 VwVfG widerrufen werden kann.

57 7 Achterberg, § 23 Rdnr. 81; Maurer, § 11 Rdnr. 42; Ule ! Laubinger, § 63 II 1 c; Klappstein, in: Knack, VwVfG, § 49 Rdnr. 6.2.1; Kopp, VwVfG, § 49 Rdnr. 32; Meyer, in: MeyerIBorgs, VwVfG, §49 Rdnr. 25; Obermayer, VwVfG, §49 Rdnr. 59; StelkensISachs, in: Stelkens/Bonk/Leonhardt, VwVfG, § 49 Rdnr. 33. Bedenklich daher VGH Mannheim, NVwZ 1987, 520. 578 Vgl. VGH Mannheim, NVwZ 1987, 520. 579 Siehe § 4 B.IV. 580 Siehe § 4 B.I. 581 Insoweit zutreffend VGH Mannheim, NVwZ 1987, 520.

§ 8 Sonderfragen der Ermessensentscheidung

235

III. Die Berücksichtigung des Vertrauensschutzprinzips Auch unter den Voraussetzungen des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VwVfG erscheint es nicht von vornherein ausgeschlossen, daß der Begünstigte in schutzwürdiger Weise auf den Bestand des Verwaltungsakts vertraut hat 582 — z.B. dann, wenn er besondere Vorkehrungen getroffen hat, um die Erfüllung der dennoch ohne sein Verschulden nicht erfüllbaren 583 Auflage sicherzustellen. Die Behörde ist dann verpflichtet, den Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes bei der Abwägung zu berücksichtigen. Auf die Ausführungen zu der gleichgelagerten Problematik beim Vorliegen eines Widerrufsvorbehalts wird verwiesen584.

C. Die Ermessensentscheidung im Falle des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG Im Rahmen der Ermessensentscheidung über einen Widerruf aufgrund einer Tatsachenänderung nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG treten folgende Fragen auf:

I. Die den Widerruf rechtfertigenden Gesichtspunkte Es wurde nachgewiesen, daß der Tatbestand des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG erfüllt ist, wenn ein beliebiges öffentliches Interesse gefährdet ist, sofern die Gefährdung durch die nachträgliche Tatsachenänderung verursacht wird 585 . Im Rahmen der Ermessensentscheidung ist nun zusätzlich zu berücksichtigen, ob die gefährdeten öffentlichen Interessen einen sachlichen Grund für den Widerruf des Verwaltungsakts darstellen. Dies ist nur dann der Fall, wenn das betroffene öffentliche Interesse in den Schutzbereich der Norm fällt, die den Erlaß des zu widerrufenden Verwaltungsakts regelt 586. Ist diese Voraussetzung erfüllt, kommt es nach dem Grundsatz der Verhält-

582

Lange, Jura 1980, 456 (467); ders., WiVerw. 1979, 15 (26 f.). Vgl. Achterberg, § 23 Rdnr. 81; Ule!Laubinger, § 63 II 1 c; Kopp, VwVfG, § 49 Rdnr. 32; Meyer, in: Meyer!Borgs, VwVfG, § 49 Rdnr. 25. 584 Siehe § 8 A.II.2. 585 § 4 C.IV.l.b. 586 § Kopp, VwVfG, § 49 Rdnr. 38; Obermayer, VwVfG, § 49 Rdnr. 39. Vgl. auch Maurer, Boorberg-Festschrift, S. 223 (233 ff.). 583

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Zweiter Abschnitt: Die Voraussetzungen des Widerrufs

nismäßigkeit587 weiter auf den (abstrakten oder konkreten) Grad der Gefährdung und das Gewicht der betroffenen Rechtsgüter an 588 .

II. Die Berücksichtigung des Vertrauensschutzprinzips Auch im Falle des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG könnten Zweifel bestehen, ob die Behörde bei der Ermessensentscheidung über den Widerruf das Vertrauen des Begünstigten auf den Bestand des Verwaltungsakts zu beachten hat.

1. Das Vertrauen auf den Bestand des Verwaltungsakts Anders als unter den Voraussetzungen des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 VwVfG unterliegt es allerdings keinem vernünftigen Zweifel, daß sich im Falle des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG tatsächlich Vertrauen auf den Bestand des Verwaltungsakts herausgebildet haben kann — die Hypothek eines Widerrufsvorbehalts oder einer Auflage fehlt.

2. Die Schutzwürdigkeit des Vertrauens Aus zwei Gründen ist es jedoch nicht unproblematisch, ob dieses Vertrauen schutzwürdig ist.

a) Schutzwürdigkeit trotz Vorhersehbarkeit der Tatsachenänderung Der Betroffene muß mit Tatsachenänderungen, die den Bestand des Verwaltungsakts berühren, rechnen; niemand kann sich auf ein Gleichbleiben der Verhältnisse verlassen. Diese an sich richtige Feststellung vermag aber die Schutzwürdigkeit gleichwohl entstandenen Vertrauens nicht grundsätzlich in Zweifel zu ziehen589. Zum einen nämlich erkennt § 49 Abs. 5 VwVfG ausdrücklich an, daß der Betroffene im Falle des Widerrufs nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 (bis 5) VwVfG in schutzwürdiger Weise auf den Bestand des Verwaltungsakts vertraut haben kann. Zum anderen würde man den Sinn des

587 588 589

Hierzu siehe BVerwG, NVwZ 1992, 167. Meyer, in: Meyer!Borgs, VwVfG, § 49 Rdnr. 30. In diese Richtung jedoch tendierend Maurer, Boorberg-Festschrift, S. 223 (255).

§ 8 Sonderfragen der Ermessensentscheidung

237

Vertrauensschutzgedankens verkennen, wollte man die Schutzwürdigkeit des Begünstigten stets vom Gleichbleiben der Verhältnisse abhängig machen. Der Begünstigte soll sich vielmehr auf die Unabänderlichkeit staatlichen Handelns im Interesse seiner Dispositionsfähigkeit prinzipiell auch unter gewandelten tatsächlichen Verhältnissen verlassen können. Wäre dem nicht so, wäre jedem Vertrauensschutz der Boden entzogen. Es hängt folglich von den Umständen des Einzelfalles ab, ob ein Wandel der Sachlage die Schutzwürdigkeit des Vertrauens relativiert.

b) Kein Ausschluß des Bestandsschutzes durch § 49 Abs. 5 VwVfG Die Berücksichtigung des Vertrauensschutzgebotes im Rahmen der Ermessensentscheidung über den Widerruf nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG könnte aber deshalb ausgeschlossen sein, weil § 49 Abs. 5 VwVfG an das schutzwürdige Vertrauen des Begünstigten auf den Bestand des Verwaltungsakts in den Fällen des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 - 5 VwVfG einen Entschädigungsanspruch knüpft: Wenn § 49 Abs. 5 VwVfG im Hinblick auf die Bedeutung des schutzwürdigen Vertrauens eine abschließende Regelung darstellt, wäre der Vertrauensschutzgedanke bei der Entscheidung über das Ob des Widerrufs nicht zu beachten.

(1) Die Auffassungen

in Rechtsprechung und Literatur

Während die ähnlich gelagerte Problematik des § 48 Abs. 3 VwVfG bis heute Gegenstand eingehender Diskussion ist 590 und eine beachtliche Mindermeinung die Auffassung vertritt, der Entschädigungsanspruch nach § 48 Abs. 3 VwVfG schließe die Berücksichtigung des Vertrauensschutzes bei der Entscheidung über das Ob der Rücknahme (in verfassungswidriger Weise) aus591, ist eine solche Auseinandersetzung um § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 - 5 , Abs. 5 VwVfG unterblieben. Rechtsprechung und Schrifttum gehen zwar davon aus, daß der Gesetzgeber den Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes bereits in die Tatbestände des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 - 5 und Abs. 5

590

Siehe z.B. Achterberg, §23 Rdnr. 71; Erichsen, in: ErichsenIMartens, § 16 Rdnr. 20 ff.; Mayer! Kopp, § 15 III 3 b bb; Ule ! Laubinger, § 62 II 3 a; Klappstein, in: Knack, VwVfG, § 48 Rdnr. 9; Meyer, in: Meyer/Borgs, VwVfG, § 48 Rdnr. 63; Obermayer, VwVfG, § 48 Rdnr. 112; Knoke, Rücknahme, § 9 II; Frotscher, DVB1. 1976, 281; Maurer, Boorberg-Festschrift, S. 223 (236 ff.). 591 Knoke, Rücknahme, § 9 II B.

238

Zweiter Abschnitt: Die Voraussetzungen des Widerrufs

VwVfG „eingearbeitet" habe592, sehen darin aber keine Berechtigung der Behörde, ein an sich schutzwürdiges Vertrauen des Betroffenen auf den Bestand des Verwaltungsakts bei der Ermessensentscheidung über den Widerruf nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG stets zu vernachlässigen. Allerdings wird unterstellt, daß die Schutzwürdigkeit des Vertrauens im Rahmen der Ermessensentscheidung nur unter außergewöhnlichen Umständen zur Aufrechterhaltung des Verwaltungsakts führen kann. So hat das BVerwG in seinem Urteil vom 24.01.1992 ausgesprochen, das in § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 - 5 VwVfG eingeräumte Ermessen sei in Richtung auf einen Widerruf „intendiert"; aus diesem Grund könnten Vertrauensschutzgesichtspunkte „nur dann zugunsten des Betroffenen zu Buche schlagen, wenn der ihm ohnehin bereits unmittelbar kraft Gesetzes zustehende Vertrauensschutz aus besonderen Gründen nicht ausreichend erscheint"593. Im Ergebnis ähnlich argumentieren Stelkens/Sachs594.

(2) Stellungnahme Richtig ist, daß § 49 Abs. 5 VwVfG keine abschließende Bewältigung des schutzwürdigen Vertrauens des Begünstigten enthält. Die Vorschrift regelt schon nach ihrem Wortlaut nur die Rechtsfolgen eines trotz schutzwürdigen Vertrauens ausgesprochenen Widerrufs nach § 4 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 - 5 VwVfG, nicht dessen Voraussetzungen. Es fragt sich aber, ob das Vertrauen des Betroffenen tatsächlich soweit in die Regelung des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 - 5 , Abs. 5 VwVfG eingearbeitet ist, daß es im Rahmen des Ermessens nur ausnahmsweise eine Rolle spielen kann. § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG jedenfalls berücksichtigt den Aspekt des Vertrauensschutzes in seinem Tatbestand (anders als § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 VwVfG) nicht. Selbst § 49 Abs. 5 VwVfG bewerkstelligt dies nur eingeschränkt, da die Vorschrift lediglich das negative Interesse ersetzt und kein volles Äquivalent für die entzogene Rechtsposition bereithält. Bei der gebotenen restriktiven Auslegung des § 49 Abs. 2 Satz 1 VwVfG muß man daher davon ausgehen, daß die von der herrschenden Meinung gesehene Nachrangigkeit des Gebots des Vertrauensschutzes im Rahmen der Ermes-

592 BVerwG, BayVBl. 1992, 730 (731); Stelkens!Sachs, in: Stelkens!Bonk!Leonhard, VwVfG, § 49 Rdnr. 6. 593 BVerwG, BayVBl. 1992, 730 (731). 594 Stelkens ! Sachs, in: Stelkens! Bonk! Leonhardt, VwVfG, § 49 Rdnr. 6. Siehe femer OVG Münster, DÖD 1982, 110 (113); Britz, DÖV 1982, 231 (235); Kopp, GewArch. 1984, 177 (184).

§ 8 Sonderfragen der Ermessensentscheidung

239

sensentscheidung über den Widerruf nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG nicht prinzipiell, sondern nur ausnahmsweise dann besteht, wenn der Vermögensschutz nach § 49 Abs. 5 VwVfG die Rechtsposition des Betroffenen in vollem Umfang entschädigt595.

c) Die Kriterien der Schutzwürdigkeit Wenn damit nachgewiesen ist, daß das Gebot des Vertrauensschutzes im Falle des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG nicht grundsätzlich unerheblich oder nachrangig ist, bleibt zu klären, welche Umstände für die Schutzwürdigkeit des Vertrauens sprechen. Trotz der Maßgeblichkeit der Lage des Einzelfalles wird man sagen können, daß das Vertrauen des Betroffenen insbesondere schutzwürdig ist, wenn 1) der Betroffene - entsprechend der Wertung des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwVfG - von der Vergünstigung Gebrauch gemacht oder aufgrund des Verwaltungsakts Leistungen empfangen hat 596 ; 2) verfahrensbedingte oder inhaltliche Besonderheiten des Verwaltungsakts, etwa eine privatrechtsgestaltende Regelung, ein erhöhtes Vertrauen des Betroffenen in den Bestand des Verwaltungsakts rechtfertigen 597. Als nicht schutzwürdig ist der Betroffene dagegen zu betrachten, wenn er den Eintritt der Tatsachenänderung kannte oder kennen mußte598.

D. Die Ermessensentscheidung im Falle des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwVfG Die Ermessensentscheidung über den Widerruf eines rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakts wegen einer geänderten Rechtsvorschrift nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwVfG hat sich von ähnlichen Erwägungen leiten zu lassen.

595

Im Ergebnis wohl ähnlich Lange, WiVerw. 1979, 15 (18). Ule ILaubinger, § 63 II 1 d bb; Klappstein, in: Knack, VwVfG, § 49 Rdnr. 6.3.3; Kopp, VwVfG, § 49 Rdnr. 40; Stelkens ! Sachs, in: Stelkens ! Bonkl Leonhardt, VwVfG, § 49 Rdnr. 40. 597 Vgl. § 5 E. Siehe femer Klappstein, in: Knack, VwVfG, § 49 Rdnr. 6.3.3; Kopp, VwVfG, § 49 Rdnr. 36; Stelkens I Sachs, in: Stelkens I Bonkl Leonhardt, VwVfG, § 49 Rdnr. 37; Erichsen, Jura 1981, 590 (592). 598 Vgl. auch Maurer, Boorberg-Festschrift, S. 223 (255). Siehe ferner § 4 C.n.l.b. 596

240

Zweiter Abschnitt: Die Voraussetzungen des Widerrufs

I. Die den Widerruf rechtfertigenden Gesichtspunkte Der Tatbestand des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwVfG ist - wie erläutert erfüllt, wenn ein öffentliches Interesse gefährdet ist, dessen Schutz die Rechtsänderung bezweckt599. Die Gefährdung dieser Rechtsgüter wird daher auch im Rahmen der Ermessensentscheidung über den Widerruf stets einen sachlichen Grund darstellen. Im übrigen darf auf die Ausführungen zu § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG verwiesen werden 600.

II. Die Berücksichtigung des Vertrauensschutzprinzips Ferner ist wiederum zu prüfen, ob die Behörde im Rahmen der Ermessensentscheidung nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwVfG schutzwürdiges Vertrauen des Betroffenen auf den Bestand der Begünstigung zu berücksichtigen hat.

1. Schutzwürdigkeit trotz Vorhersehbarkeit der Rechtsänderung Der Inhaber einer Konzession oder der Bezieher einer öffentlichen Leistung muß damit rechnen, daß sich das geltende Recht ändert und auch die ihm gewährte Begünstigung nicht unberührt läßt. Damit ist aber die Entstehung eines von Verfassungs wegen zu schützenden Vertrauens nicht von vornherein ausgeschlossen. Denn zum einen sind Rechtsänderungen in aller Regel weder vom Begünstigten beeinflußbar noch konkret vorhersehbar. Zum anderen kann dem Begünstigten nicht zugemutet werden, seine Dispositionen stets unter dem Vorbehalt einer (für ihn völlig ungewissen) Rechtsänderung zu treffen. Es ist daher anzuerkennen, daß das Vertrauen auf den Bestand eines rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakts an sich schutzwürdig sein muß, obwohl das Risiko künftiger Rechtsänderungen besteht. § 49 Abs. 5 VwVfG bestätigt dies.

2. Kein Ausschluß des Bestandsschutzes durch § 49 Abs. 5 VwVfG Bereits erläutert wurde, daß § 49 Abs. 5 VwVfG keine abschließende Regelung über die Berücksichtigung des schutzwürdigen Vertrauens enthält.

599 600

Siehe § 4 D.V.2. Siehe § 8 C.I.

§ 8 Sonderfragen der Ermessensentscheidung

241

Auf die zu § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG gemachten Ausführungen darf verwiesen werden 601.

3. Kein Ausschluß des Bestandsschutzes durch § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwVfG Im Rahmen der Ermessensentscheidung im Falle des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwVfG stellt sich jedoch das Problem der Berücksichtigungsfähigkeit des Vertrauens aus einem weiteren Grunde. Die Bestimmung verbietet den Widerruf, ohne daß noch eine Ermessensentscheidung zu treffen wäre, soweit der Begünstigte von der Vergünstigung Gebrauch gemacht oder aufgrund des Verwaltungsakts Leistungen empfangen hat. Damit sind zwei klassische Fälle der Vertrauensbetätigung erfaßt. Es erhebt sich folglich die Frage, ob der Tatbestand des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwVfG im Hinblick auf den zu gewährenden Vertrauensschutz eine abschließende Regelung enthält, die es verbietet, das Gebot des Vertrauensschutzes in anderen Fällen zu beachten. Auch diese Frage wird man verneinen müssen602. Zum einen sind durchaus Konstellationen denkbar, in denen der Betroffene schutzwürdig ist, obwohl er weder von dem Verwaltungsakt Gebrauch gemacht noch Leistungen empfangen hat. Dies kann etwa bei Verwaltungsakten eintreten, die eine privatrechtsgestaltende Wirkung herbeiführen, ohne daß der Betroffene sein Vertrauen betätigen müßte. Wollte man dem Begünstigten in diesen Fällen den Bestandsschutz kategorisch versagen, wäre der Sinn des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwVfG, die Widerrufsmöglichkeit im Falle einer nachträglichen Rechtsänderung einzuschränken, in sein Gegenteil verkehrt. Zum anderen wäre ein Ausschluß der Berücksichtigung des Vertrauensschutzprinzips wiederum mit § 49 Abs. 5 VwVfG nicht in Einklang zu bringen, der zwar nur Vermögensschutz gewährt, jedoch die Möglichkeit des Vorliegens schutzwürdigen Vertrauens anerkennt. Anders als bei § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG ist allerdings einzuräumen, daß der Aspekt des Vertrauensschutzes in den Tatbestand des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwVfG eingearbeitet ist. Die Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwVfG indiziert daher unter regelmäßigen Umständen in der Tat die Nachrangigkeit des Vertrauensschutzgebotes603.

601

Siehe § 8 C.II.2.b. Im Ergebnis ebenso Stelkens ! Sachs, in: Stelkens / Bonk / Leonhardt, VwVfG, § 49 Rdnr. 42. 603 Vgl. BVerwG, BayVBl. 1992, 730 (731); StelkensISachs, in: Stelkens!BonkI Leonhardt, VwVfG, § 49 Rdnr. 6. 602

1 Bronnenmeyer

242

Zweiter Abschnitt: Die Voraussetzungen des Widerrufs

E. Die Ermessensentscheidung im Falle des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 VwVfG Die Ermessensentscheidung über einen Widerruf nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 VwVfG wirft keine prinzipiellen rechtsdogmatischen Probleme auf. Da an den Tatbestand der Vorschrift wie gesehen strenge Anforderungen zu stellen sind604, bleibt in der Regel lediglich abzuwägen, ob der Widerruf nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit statthaft ist. Dies wird man, liegt eine Notstandssituation vor, selbst bei schutzwürdigem Vertrauen des Betroffenen auf den Bestand des Verwaltungsakts nicht nur ohne Ermessensfehler vertreten können, sondern zu Gunsten der öffentlichen Interessen meist im Sinne einer Ermessensreduzierung auf Null bejahen müssen605.

604

Siehe § 4 E. Vgl. Ule/Laubinger, Rdnr. 36. 603

§ 63 II 2 a; Meyer,

in: Meyer/Borgs,

VwVfG, § 49

Dritter

Abschnitt

Die Rechtsfolgen des Widerrufs rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakte nach § 49 VwVfG Die Rechtsfolgen des Widerrufs rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakte ergeben sich aus §§ 49, 43 VwVfG. Es sind zu unterscheiden 1) der Wegfall der Wirksamkeit des widerrufenen Verwaltungsakts, der in §§ 49 Abs. 3, 43 Abs. 2 VwVfG geregelt ist, und 2) der in § 49 Abs. 5 VwVfG normierte Entschädigungsanspruch des vom Widerruf Betroffenen.

§ 9 Der Wegfall der Wirksamkeit des Verwaltungsakts Rechtsfolge des Widerrufs ist in jedem Falle, daß der betreffende Verwaltungsakt unwirksam wird. Dies ergibt sich aus § 43 Abs. 2 VwVfG, wonach ein Verwaltungsakt wirksam bleibt, solange und soweit er nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder erledigt ist, und aus § 49 Abs. 3 VwVfG, wonach der widerrufene Verwaltungsakt mit dem Wirksamwerden des Widerrufs unwirksam wird, wenn die Behörde keinen späteren Zeitpunkt bestimmt1. Im allgemeinen wirft die Beseitigung der Wirksamkeit rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakte nach § 49 VwVfG keine spezifisch widerrufsrechtlichen Probleme auf; es genügen daher im folgenden einige kurze Hinweise. Anders liegt es nur, wenn der Begünstigte aufgrund des widerrufenen Verwaltungsakts Leistungen empfangen hat und die Frage nach deren Erstattung auftritt.

A. Der Wegfall der Wirksamkeit im allgemeinen Zum Wegfall der Wirksamkeit des Verwaltungsakts durch Widerruf ist im allgemeinen folgendes zu bemerken:

1

16*

Vgl § 1 A.IV.

244

i t e r Abschnitt: Die e t g e n des Widerrufs

I. Die Bedeutung des Wegfalls der Wirksamkeit Der Widerruf eines rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakts beseitigt 1) die äußere Wirksamkeit des Verwaltungsakts, da er als actus contrarius dessen Existenz beendet2; 2) die auf der äußeren Wirksamkeit beruhende innere Wirksamkeit des Verwaltungsakts und damit die Geltung der mit ihm intendierten Rechtsfolgen3. Der Wegfall der Wirksamkeit eines rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakts bedeutet folglich, daß die in ihm getroffene Begründung oder Bestätigung eines Rechts oder rechtlich erheblichen Vorteils (§ 48 Abs. 1 Satz 2 VwVfG) erlischt. Der Betroffene ist z.B. nicht mehr berechtigt, eine Leistung zu fordern oder von einer Erlaubnis Gebrauch zu machen.

II. Der Umfang des Wegfalls der Wirksamkeit Der Umfang, in dem die Wirksamkeit des Verwaltungsakts entfällt, richtet sich danach, welche diesbezügliche Regelung die Behörde im Widerrufsbescheid trifft.

1. Der sachliche Umfang In sachlicher Hinsicht kann ein rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakt nach § 49 Abs. 2 Satz 1 VwVfG „ganz oder teilweise" widerrufen werden4. So ist die Behörde befugt, einen Bescheid, der eine einmalige Zuwendung gewährt hat, entweder vollständig oder nur bezüglich eines Teilbetrages zu widerrufen. Ein teilweiser Widerruf, der den Vorschriften des § 49 Abs. 2 VwVfG unterfällt, liegt nach zutreffender, aber bestrittener Meinung auch

2

Klappstein, in: Knack,, VwVfG, § 49 Rdnr. 4.5; Obermayer, VwVfG, § 49 Rdnr. 67. 3 Dazu siehe Klappstein, in: Knack, VwVfG, § 49 Rdnr. 4.5; Meyer, in: MeyerI Borgs, VwVfG, § 49 Rdnr. 9; Obermayer, VwVfG, § 49 Rdnr. 67. Vgl. ferner § 5 D.II.l. 4 Erichsen, in: Erichsen/Martens, § 17 Rdnr. 14; Klappstein, in: Knack, VwVfG, § 49 Rdnr. 4.4; Meyer, in: Meyer/Borgs, VwVfG, § 49 Rdnr. 8. Vgl. auch BVerwG, NJW 1978, 340.

§ 9 Der Wegfall der Wirksamkeit des Verwaltungsakts

245

dann vor, wenn die Behörde die getroffene Regelung nachträglich durch eine Nebenbestimmung einschränkt5. Ob der Verwaltungsakt ganz oder teilweise widerrufen wird, hängt davon ab, ob 1) die Regelung des Verwaltungsakts teilbar ist6; 2) die zwingenden Voraussetzungen des Widerrufs (insbesondere der Widerrufsgrund nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nrn. 1 - 5 VwVfG) im Hinblick auf den gesamten Verwaltungsakt oder nur für einen Teil seiner Regelung erfüllt sind (bestimmt z.B. eine gesetzliche Neuregelung, daß ein Vorhaben nur noch mit einem Höchstbetrag von 50.000,- D M gefördert werden kann, so kommt der Widerruf eines Subventionsbescheides nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwVfG nur soweit in Betracht, als der Bescheid eine höhere Summe gewährt hat); 3) die Behörde im Rahmen ihres Ermessens - z.B. aus Gründen der Verhältnismäßigkeit - einen gesamten oder einen teilweisen Widerruf für zweckmäßig hält7.

2. Der zeitliche Umfang Eine charakteristische Begrenzung der Widerrufsbefugnis nach § 49 VwVfG besteht in dem Verbot des Widerrufs für die Vergangenheit. Indes ist der Gesetzgeber im Begriff, diese - oft kritisierte 8 - Sperre zu relativieren.

a) Die derzeitige Rechtslage nach § 49 Abs. 1 und 3 VwVfG Nach § 49 Abs. 2 Satz 1 VwVfG kann die Behörde den rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakt nur „mit Wirkung für die Zukunft" widerrufen.

5 Kopp, VwVfG, § 36 Rdnr. 44; Obermayer, VwVfG, § 36 Rdnr. 57. Vgl. auch BayVGH, BayVBl. 1984, 46 (49). A.A. OVG Münster, NJW 1980, 854; Stelkens/ Sachs, in: Stelkens / Bonkl Leonhardt, VwVfG, § 49 Rdnr. 48; Scheerbarth, DVB1. 1966, 780 (781). 6 Erichsen, in: Erichsen!Martens, §17 Rdnr. 14; Obermayer, VwVfG, §49 Rdnr. 16, § 48 Rdnr. 24; Meyer, in: Meyer!Borgs, VwVfG, § 49 Rdnr. 8. 7 Siehe § 7 A. 8 Siehe z.B. Maurer, § 11 Rdnr. 40; Klappstein, in: Knack, VwVfG, § 49 Rdnr. 4.5.

246

i t e r Abschnitt: Die e t g e n des Widerrufs (1) Der Widerruf

mit Wirkung ßr die Zukunft

Die Bedeutung dieser Klausel wird näher definiert durch § 49 Abs. 3 VwVfG, wonach der widerrufene Verwaltungsakt mit dem Wirksamwerden des Widerrufs unwirksam wird, sofern die Behörde keinen späteren Zeitpunkt bestimmt. Die Behörde hat folglich die Wahl, ob sie die Wirksamkeit des begünstigenden Verwaltungsakts mit dem Wirksamwerden des Widerrufsbescheides oder (als aufschiebende Befristung des Widerrufs 9) zu einem späteren Zeitpunkt10 enden läßt. Welchen Zeitpunkt die Behörde wählt, hängt wiederum davon ab, ab wann die zwingenden Voraussetzungen des Widerrufs erfüllt sind und ein Widerruf zweckmäßig ist. Bestimmt die Behörde keinen Zeitpunkt, wird der widerrufene Verwaltungsakt nach § 49 Abs. 3 VwVfG mit dem Wirksamwerden des Widerrufs unwirksam.

(2) Kein Widerruf

mit Wirkung ßr die Vergangenheit

§ 49 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 VwVfG befugt die Behörde dagegen nicht zu einem auf einen Zeitpunkt vor seinem Wirksamwerden zurückwirkenden Widerruf. Dies ergibt sich zwar nicht zweifelsfrei aus § 49 Abs. 2 Satz 1 VwVfG, weil die „Wirkung für die Zukunft" auch an den Eintritt der zum Widerruf berechtigenden Umstände anknüpfen könnte, aber aus § 49 Abs. 3 VwVfG, der ein Unwirksamwerden des Verwaltungsakts vor Wirksamwerden des Widerrufs nicht vorsieht. Das Verbot des Widerrufs mit Wirkung ex tunc gilt nach zutreffender Meinung auch dann, wenn der Betroffene sich (z.B. durch Einwilligung in Subventionsrichtlinien) mit der Rückwirkung einverstanden erklärt hat11, da die Einschränkungen der Widerruflichkeit rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakte nicht zur Disposition der Beteiligten stehen. Verfügt die Behörde dennoch einen Widerruf mit Wirkung für die Vergangenheit, fragt sich, ob der Widerruf insoweit rechtswidrig aufhebbar oder unwirksam ist. Denn die Formulierung des § 49 Abs. 3 VwVfG, „der widerrufene Verwaltungsakt wird mit dem Wirksamwerden des Widerrufs unwirk-

9

StelkensISachs, in: StelkensIBonk!Leonhardt, VwVfG, § 49 Rdnr. 47. Erichsen, in: Erichsen!Martens, § 17 Rdnr. 14; Klappstein, in: Knack, VwVfG, § 49 Rdnr. 4.5; Kopp, VwVfG, § 49 Rdnr. 51. 11 Erichsen, in: Erichsen!Martens, § 17 Rdnr. 14. Vgl. femer Götz, NVwZ 1984, 480 (482). 10

§ 9 Der Wegfall der Wirksamkeit des Verwaltungsakts

247

sam, wenn die Behörde keinen späteren Zeitpunkt bestimmt", könnte den Schluß nahelegen, daß der widerrufene Verwaltungsakt kraft Gesetzes im Zeitpunkt des Widerrufs unwirksam wird, wenn der Widerruf keine anderweitige zulässige Regelung trifft. Diese Annahme würde jedoch das System der Nichtigkeitsgründe des § 44 VwVfG sowie das Dogma von der Wirksamkeit rechtswidriger Verwaltungsakte durchbrechen und ist zu verwerfen. Ein Widerruf ist daher, soweit er Rückwirkung anordnet, (teil-)rechtswidrig aufhebbar, nicht nichtig.

b) Die geplante Novelle des § 49 VwVfG und die Regelungen der Landesverwaltungsverfahrensgesetze Der Gesetzgeber ist seit einiger Zeit bemüht, das Verbot des rückwirkenden Widerrufs leistungsgewährender Verwaltungsakte, das er in § 49 VwVfG normiert hat, zu lockern. Diese Bestrebungen haben ihren Niederschlag unter anderem in einem § 49 VwVfG abändernden Gesetzentwurf der Bundesregierung aus dem Jahre 1988 gefunden, wonach ein leistungsgewährender Verwaltungsakt unter bestimmten Voraussetzungen auch mit Wirkung für die Vergangenheit widerrufen werden kann12. Während abzuwarten bleibt, ob, wann und mit welchem Wortlaut diese Novelle letztlich in Kraft tritt, haben die Länder Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein entsprechende Änderungen ihrer Verwaltungsverfahrensgesetze bereits in Kraft gesetzt13. In den übrigen Bundesländern sind Vorbereitungen hierzu im Gange. So enthalten z.B. die Entwürfe der Landesverwaltungsverfahrensgesetze der neuen Bundesländer entsprechende Vorschriften. Inhalt und Bedeutung dieser Gesetzesänderungen werden im Zusammenhang mit der Problematik der Erstattung gewährter Leistungen sogleich näher zu beleuchten

III. Die Abgrenzung des Wegfalls der Wirksamkeit Der Wegfall der Wirksamkeit unterscheidet den Widerruf von Maßnahmen, die die Wirksamkeit des Verwaltungsakts unberührt lassen.

12

BR-Drucksache 401/88 (= BT-Drucksache 11/3920). Hierzu siehe insbesondere Stelkens 1 Sachs, in: Stelkens/Bonk/Leonhardt, VwVfG, § 49 Rdnr. 72 ff. 13 Baden-Württemberg mit Gesetz vom 25.04.1991 (GBl. S. 223), Nordrhein-Westfalen mit Gesetz vom 24.11.1992 (GVB1. S. 446) und Schleswig-Holstein mit Gesetz vom 13.12.1991 (GVB1. S. 659). 14 Siehe § 9 B.

248

i t e r Abschnitt: Die e t g e n des Widerrufs 1. Der Unterschied zur Feststellung der Nichtigkeit

Nach § 44 Abs. 5 VwVfG kann die Behörde die Nichtigkeit eines Verwaltungsakts jederzeit feststellen; unter bestimmten Voraussetzungen ist sie dazu verpflichtet. Von dieser Feststellung der Nichtigkeit läßt sich der Widerruf (bzw. die Rücknahme) eines Verwaltungsakts rechtsdogmatisch eindeutig abgrenzen: Ein nichtiger Verwaltungsakt ist nach § 43 Abs. 3 VwVfG unwirksam. Die Feststellung der Nichtigkeit ist daher ein - die innere Wirksamkeit des Verwaltungsakts nicht tangierender - deklaratorischer Akt, der die auf § 44 Abs. 1 oder Abs. 2 VwVfG beruhende innere Unwirksamkeit des Verwaltungsakts lediglich bestätigt15. Der Widerruf (bzw. die Rücknahme) dagegen führt die äußere und innere Unwirksamkeit des Verwaltungsakts konstitutiv herbei.

2. Der Unterschied zur Berichtigung offenbarer Unrichtigkeiten Nach § 42 VwVfG kann die Behörde Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten in einem Verwaltungsakt jederzeit berichtigen. Fraglich ist, ob diese Berichtigung die Wirksamkeit des betroffenen Verwaltungsakts berührt, so daß das Verhältnis zwischen § 42 und §§ 48, 49 VwVfG zu klären wäre. Aus zwei Gründen wird man davon auszugehen haben, daß die Berichtigung offenbarer Unrichtigkeiten nach § 42 VwVfG keine Beseitigung der Wirksamkeit des Verwaltungsakts - kombiniert mit dem Neuerlaß des berichtigten Verwaltungsakts - darstellt: Zum einen befindet sich § 42 VwVfG nach seiner systematischen Stellung nicht - wie die Vorschriften über Wirksamkeit, Rücknahme und Widerruf des Verwaltungsakts - in Abschnitt 2 des Teiles ΙΠ des VwVfG, der die Bestandskraft des Verwaltungsakts behandelt, sondern in Abschnitt 1 über das Zustandekommen des Verwaltungsakts. Dies spricht dafür, daß das Gesetz in der Berichtigung offenbarer Unrichtigkeiten eine Maßnahme sieht, die die Wirksamkeit des Verwaltungsakts unberührt läßt. Zum anderen macht es das Wesen der offenbaren Unrichtigkeit nicht erforderlich, die Wirksamkeit des Verwaltungsakts anzutasten. Denn nach zutreffender Auffassung ist der offenbar unrichtige Verwaltungsakt nicht

15

Vgl. OVG Münster, NVwZ 1985, 286 (287); Knoke, Rücknahme, § 4 I 4 c.

§ 9 Der Wegfall der Wirksamkeit des Verwaltungsakts

249

rechtswidrig, sondern rechtmäßig16. Wie die amtliche Begründung hervorhebt, kann von einer offenbaren Unrichtigkeit nur dann gesprochen werden, wenn der Fehler ins Auge springt und der Widerspruch zwischen dem, was die Behörde zum Ausdruck gebracht hat und dem, was sie gewollt hat, ohne weiteres erkennbar ist17. Unter diesen Umständen ist aber der ,»richtige" Inhalt des Verwaltungsakts schon durch Auslegung feststellbar und rechtlich maßgeblich, so daß sich die Berichtigung als rein deklaratorischer Akt erweist, der eine fehlerhafte Äußerlichkeit in Einklang mit dem richtigen Inhalt des Verwaltungsakts bringt 18. Eine Beseitigung der Regelung des Verwaltungsakts durch Aufhebung ist somit im Falle der offenbaren Unrichtigkeit nicht erforderlich. Die Berichtigung offenbarer Unrichtigkeiten läßt sich folglich vom Widerruf und von der Rücknahme des Verwaltungsakts eindeutig abgrenzen, so daß sich die Frage nach dem Verhältnis der betroffenen Vorschriften nicht stellt. Wenn man dennoch annehmen wollte, daß die Berichtigung offenbarer Unrichtigkeiten ein Unterfall der Aufhebung des Verwaltungsakts wäre, könnte kaum bezweifelt werden, daß § 42 VwVfG eine gegenüber §§48, 49 VwVfG vorrangige Sonderbestimmung wäre, die die Berichtigung jederzeit zuläßt19.

3. Der Unterschied zur Neuregelung Keine Beseitigung der Wirksamkeit enthält auch die sog. Neuregelung, die damit ebenfalls nicht den Vorschriften der §§ 48, 49 VwVfG unterliegt. Hierunter werden alle Verwaltungsakte verstanden, die zwar denselben oder einen ähnlichen Sachverhalt wie ein vorher ergangener Verwaltungsakt regeln, die Wirksamkeit des früher erlassenen Verwaltungsakts jedoch nicht berühren, weil diese bereits auf andere Art und Weise (z.B. durch Eintritt einer Bedingung oder Befristung) geendet hat20.

16 OVG Bremen, DÖV 1974, 353 (354); Obermayer, VwVfG, § 42 Rdnr. 16; Dorn, DÖV 1988, 7 (9). Ebenso die Begründung, S. 62. 17 BVerwGE 40, 212 (216); Begründung, S. 62. Siehe femer Obermayer, VwVfG, § 42 Rdnr 12. 18 Obermayer, VwVfG, § 42 Rdnr. 12; Stelkens, in: StelkenslBonk!Leonhardt, VwVfG, § 42 Rdnr. 1. 19

Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Leonhardt, VwVfG, §42 Rdnr. 1; Begründung, S. 62. Vgl. auch BVerwGE, VerwRspr. 1980, 285 (287); OVG Bremen, DÖV 1974, 353 (354). 20 Vgl. Achterberg, § 23 Rdnr. 47 f.; Kopp, VwVfG, § 48 Rdnr. 20; Meyer, in: Meyer/ Borgs, VwVfG, § 49 Rdnr. 10.

250

i t e r Abschnitt: Die e t g e n des Widerrufs

Neuregelungen sind z.B. 1) die endgültige Versagung einer durch sog. vorläufigen Verwaltungsakt etwa unter dem Vorbehalt der späteren endgültigen Prüfung - gewährten Begünstigung, 2) die Versagung einer früher - durch sog. Ketten-Verwaltungsakte - mehrfach befristet gewährten Leistung.

B. Die Pflicht des Betroffenen zur Erstattung gewährter Leistungen In der Praxis von erheblicher Bedeutung ist die bereits erwähnte und vieldiskutierte21, hier freilich schon aus Raumgründen nicht erschöpfend zu behandelnde Frage, ob der Betroffene nach dem Wegfall der Wirksamkeit des gemäß § 49 VwVfG widerrufenen Verwaltungsakts verpflichtet ist, Leistungen zu erstatten, die er aufgrund der Begünstigung empfangen hat.

I. Überblick über die Rechtslage Bevor Voraussetzungen und Umfang einer auf § 49 VwVfG beruhenden Erstattungspflicht skizziert werden, ist es angebracht, ihre Bedeutung vor dem Hintergrund des § 44a BHO und der schon erwähnten Neuregelung des § 49 VwVfG zu betrachten.

1. § 44a BHO Alsbald nach Inkrafttreten des VwVfG wurde das in § 49 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 VwVfG normierte Verbot des rückwirkenden Widerrufs als Hinderungsgrund für die Durchsetzung von Erstattungsforderungen der öffentlichen Hand angesehen22. Der Gesetzgeber schuf daher im Jahre 1980 mit § 44a BHO und den nachfolgenden entsprechenden Landesgesetzen die Möglichkeit, gewisse Begünstigungen mit Wirkung für die Vergangenheit zu widerrufen 23.

21 Siehe z.B. Ehlers, DVB1. 1986, 912 (920); Götz, NVwZ 1984, 480; Jarass, DVB1. 1984, 855; Stober, DÖV 1984, 269; Weides, JuS 1985, 370. 22 Grawert, NJW 1981, 1029; Lange, WiVerw. 1979, 15 (28 f.); Oldiges, NJW 1984, 1927 (1934); Stober, DÖV 1984, 265 (268 ff.). 23 Dazu siehe OVG Lüneburg, NVwZ 1985, 120; Ule / Laubinger, § 61 VIII; Stel-

§ 9 Der Wegfall der Wirksamkeit des Verwaltungsakts

251

Freilich haben diese Vorschriften den Widerruf und die Rückforderung nach § 49 VwVfG nicht entbehrlich gemacht. Denn sie entfalten einen beschränkten Geltungsbereich24. Erstens erfassen sie lediglich die Erstattung von Zuwendungen im Sinne der Haushaltsgesetze25, deren begriffliche Umrisse in mancher Hinsicht höchst schillernd sind26, nicht aber anderer Leistungen. Zweitens greifen sie nur, wenn der Begünstigte die Zuwendung zweckwidrig verwendet oder eine mit ihr verbundene Auflage nicht erfüllt (§ 44a Abs. 1 Satz 1 BHO).

2. §§ 49 Abs. 3 und 4, 49a des Regierungsentwurfes Nachdem § 44a BHO zudem wegen des haushaltsrechtlichen Bepackungsverbots ins Zwielicht geriet 27, hat die Bundesregierung im Jahre 1988 jenen Gesetzentwurf beschlossen28, der die Problematik durch die Einführung eines neuen § 49 Abs. 3 und 4 VwVfG und eines neuen § 49a VwVfG bewältigen soll und in einzelnen Bundesländern bereits geltendes Recht ist29.

a) § 49 Abs. 3 des Entwurfes § 49 Abs. 3 des Entwurfes lautet: „Ein rechtmäßiger Verwaltungsakt, der eine einmalige oder laufende Geldleistung oder teilbare Sachleistung zur Erfüllung eines bestimmten Zweckes gewährt oder hierfür Voraussetzung ist, kann, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise auch mit Wirkung für die Vergangenheit widerrufen werden,

kenslSachs, in: Stelkens/Bonk/Leonhardt, VwVfG, § 49 Rdnr. 59 ff.; Dommach, DÖV 1981, 122; Götz, NVwZ 1984, 480; Grawert t DVB1. 1981, 1029; Stober, DÖV 1984, 265; Weides, NJW 1981, 841. 24 Vgl. auch Ehlers, VerwArch. 1983, 112 (123 f.). 25 Stelkens/Sachs, in: Stelkens!BonkILeonhardt, VwVfG, § 49 Rdnr. 63. 26 Zum Begriff der Zuwendung im Sinne des § 44a BHO vgl. etwa Ule l Laubinger, § 61 VIII; Klappstein, in: Knack, VwVfG, § 49 Rdnr. 6.6.1; Kopp, VwVfG, § 48 Rdnr. 118; Stelkens!Sachs, in: Stelkens!Bonk!Leonhardt, VwVfG, §49 Rdnr. 63; Weides, NJW 1981, 841. 27 Ehlers, DVB1. 1986, 912 (920); Grawert, DVB1. 1981, 1029 (1030 ff.); Stober, DÖV 1984, 265 (266 f.). 28 BR-Drucksache 401/88. Siehe Stelkens ! Sachs, in: Stelkens! Bonk! Leonhardt, VwVfG, § 49 Rdnr. 72 ff. 29 Siehe § 9 A.II.

252

Dritter Abschnitt: Die Rechtsfolgen des Widerrufs

1. wenn die Leistung nicht, nicht alsbald nach der Erbringung oder nicht mehr für den in dem Verwaltungsakt bestimmten Zweck verwendet wird, 2. wenn mit dem Verwaltungsakt eine Auflage verbunden ist und der Begünstigte diese nicht oder nicht innerhalb einer ihm gesetzten Frist erfüllt hat. § 48 Abs. 4 gilt entsprechend."

b) § 49 Abs. 4 des Entwurfes Der bisherige § 49 Abs. 3 VwVfG soll als künftiger Abs. 4 folgenden darauf abgestimmten Wortlaut erhalten: „Der widerrufene Verwaltungsakt wird mit dem Wirksamwerden des Widerrufs unwirksam, wenn die Behörde keinen anderen Zeitpunkt bestimmt."

c) § 49a des Entwurfes § 49a des Entwurfes schließlich lautet: „§ 49a (Erstattung, Verzinsung) (1) Soweit ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen oder widerrufen worden oder infolge Eintritts einer auflösenden Bedingung unwirksam geworden ist, sind bereits erbrachte Leistungen zu erstatten. Die zu erstattende Leistung ist durch schriftlichen Verwaltungsakt festzusetzen. (2) Für den Umfang der Erstattung mit Ausnahme der Verzinsung gelten die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung entsprechend. Auf den Wegfall der Bereicherung kann sich der Begünstigte nicht berufen, soweit er die Umstände kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte, die zur Rücknahme, zum Widerruf oder zur Unwirksamkeit des Verwaltungsaktes geführt haben. (3) Der zu erstattende Betrag ist vom Eintritt der Unwirksamkeit des Verwaltungsakts an mit 3 vom Hundert über dem jeweiligen Diskontsatz der Deutschen Bundesbank jährlich zu verzinsen. Von der Geltendmachung des Zinsanspruchs kann insbesondere dann abgesehen werden, wenn der Begünstigte die Umstände, die zur Rücknahme, zum Widerruf oder zur Unwirksamkeit des Verwaltungsaktes geführt haben, nicht zu vertreten hat und den zu erstattenden Betrag innerhalb der von der Behörde festgesetzten Frist leistet. (4) Wird eine Leistung nicht alsbald nach der Auszahlung für den bestimmten Zweck verwendet, so können für die Zeit bis zur zweckentsprechenden Verwendung Zinsen nach Abs. 3 Satz 1 verlangt werden; § 49 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 bleibt unberührt."

§ 9 Der Wegfall der Wirksamkeit des Verwaltungsakts

253

d) Zusammenfassung Auch diese Vorschriften machen, so sie in Kraft treten, eine Klärung der Problematik, inwieweit eine Erstattungspflicht nach § 49 VwVfG besteht, nicht überflüssig. Zum einen erlaubt sie eine Antwort auf die Frage, ob die geplante Änderung des VwVfG notwendig und sinnvoll ist. Zum anderen erfaßt der Anwendungsbereich auch dieser Bestimmungen nicht alle denkbaren Fälle, sondern im wesentlichen nur den Bereich der nicht zweckentsprechend verwendeten Leistungen.

II. Die rechtliche Grundlage der Erstattungspflicht § 49 VwVfG enthält anders als § 48 Abs. 2 Satz 5 - 8 VwVfG und § 44a Abs. 2 und 3 BHO sowie § 49a des Gesetzentwurfs keine Regelung der Erstattungspflicht. Rechtsgrundlage einer Erstattung beim Widerruf rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakte nach § 49 VwVfG kann somit nach zutreffender Meinung30 nur der gewohnheitsrechtlich anerkannte31 allgemeine öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch sein.

III. Die Voraussetzungen der Erstattungspflicht Voraussetzung des allgemeinen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs ist, daß eine Vermögensverschiebung im Bereich des öffentlichen Rechts stattgefunden hat, für die kein Rechtsgrund besteht32. Im Hinblick auf die Erstattung von Leistungen, die auf einem widerrufenen rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakt beruhen, besagt dies folgendes:

1. Die Vermögensverschiebung im Bereich des öffentlichen Rechts Die Erstattungspflicht hängt zunächst davon ab, daß aufgrund des widerrufenen Verwaltungsakts überhaupt eine öffentlich-rechtlich zu beurteilende Vermögensverschiebung stattgefunden hat.

30

Ule ILaubinger, § 61 VIII; Götz, NVwZ 1984, 480. A.A. (Analogie zu § 48 Abs. 2 Satz 5 - 8 VwVfG) Kopp, VwVfG, § 49 Rdnr. 59a. 31 BVerwGE 71, 85 (88). Vgl. femer z.B. Erichsen, in: Erichsen/Martens, § 30 Rdnr. 20. 32 Ossenbühl, § 55; ders., NVwZ 1991, 513.

254

Dritter Abschnitt: Die Rechtsfolgen des Widerrufs a) Die Vermögensverschiebung

Eine Vermögensverschiebung hat stattgefunden, wenn dem Begünstigten in Anlehnung an die Formulierung in § 48 Abs. 2 Satz 5 VwVfG - eine Leistung bereits gewährt worden ist. Mit der Feststellung, ob dies der Fall ist, sind in der Regel keine Probleme verbunden. Man wird sagen können, daß eine Leistung dann gewährt ist, wenn sie ins Vermögen des Begünstigten übergegangen ist33. Eine Geldleistung ist z.B. gewährt, wenn sie dem Begünstigten bar ausgezahlt oder seinem Konto gutgeschrieben wurde.

b) Die öffentlich-rechtliche Vermögensverschiebung Kein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch entsteht, wenn die gewährte Leistung ihren Rechtsgrund nicht in dem Verwaltungsakt, der widerrufen worden ist, sondern in einem privatrechtlichen Rechtsgeschäft, z.B. einem Darlehen, hat34.

2. Die Rechtsgrundlosigkeit der Vermögensverschiebung Der Erstattungsanspruch hat weiter zur Voraussetzung, daß der Widerruf des Verwaltungsakts zum Wegfall des Rechtsgrundes für die empfangene Leistung führt.

a) Der widerrufene Verwaltungsakt als Rechtsgrund der gewährten Leistung Der Widerruf eines rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakts kann nur dann die Rechtsgrundlosigkeit der gewährten Leistung zur Folge haben, wenn der betreffende Verwaltungsakt tatsächlich Rechtsgrund für die Leistung war. Dies ist der Fall, wenn der Verwaltungsakt einen Leistungsanspruch des Begünstigten begründet hat und dieser Anspruch ohne Zwischenschaltung eines weiteren Rechtsgrundes von der Behörde erfüllt wurde. Daher entsteht auch aus diesem Grunde mit dem Widerruf des Verwaltungsakts kein Erstattungsanspruch, wenn die staatliche Zuwendung ihren Rechtsgrund in einem privatrechtlichen Rechtsgeschäft hat. Dazu kann es kommen, wenn die

33

Vgl. Obermayer, VwVfG, § 48 Rdnr. 88. Vgl. BVerwGE 84, 274 (276); OssenbühU NVwZ 1991, 513 (514). A.A. OVG Lüneburg, NVwZ 1984, 500. 34

§ 9 Der Wegfall der Wirksamkeit des Verwaltungsakts

255

Behörde nach der Zwei-Stufen-Theorie über das Ob der Leistung durch Verwaltungsakt entscheidet, die Begünstigung selbst aber in privatrechtlicher Form, z.B. durch Abschluß eines Darlehensvertrages, abwickelt35. Allerdings ist zu beachten, daß allein die Auszahlung der Leistung durch ein (privates) Kreditinstitut keinen eigenständigen privatrechtlichen Rechtsgrund indiziert 36.

b) Der Wegfall des Rechtsgrundes durch den Widerruf des Verwaltungsakts Weitere Voraussetzung des Erstattungsanspruches ist, daß durch den Widerruf des Verwaltungsakts der Rechtsgrund für das Behaltendürfen der Leistung entfällt. Wann dies der Fall ist, ist in mehrfacher Hinsicht problematisch.

(1) Die Rechtmäßigkeit des widerrufenen

Verwaltungsakts

Zunächst ist der Frage nachzugehen, ob der Widerruf eines rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakts überhaupt geeignet ist, den Rechtsgrund für die erbrachte Leistung entfallen zu lassen. Denn der widerrufene Verwaltungsakt und damit auch die auf ihm beruhende Leistung sind rechtmäßig; die gewährte Zuwendung wird durch den Widerruf des Verwaltungsakts nicht rechtswidrig. Es ist indes zu beachten, daß der allgemeine öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch der Rückgängigmachung nicht notwendig rechtswidriger, sondern rechtsgrundloser Vermögensverschiebungen dient37, da er nach herrschender Meinung nicht Ausdruck des Grundsatzes der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, sondern des darüber hinausgreifenden sogenannten Erstattungsprinzips ist, „nach welchem rechtsgrundlose Vermögensverschiebungen durch Umkehrung der Vermögensbewegungen wieder auszugleichen sind"38. Wird aber eine staatliche Leistung aufgrund eines Verwaltungsakts gewährt, ist dieser, nicht das zugrundeliegende Gesetz, Causa der Vermögensverschiebung. Ihr Rechtsgrund entfällt daher mit Aufhebung des Ver-

35

Α. A. OVG Lüneburg, NVwZ 1984, 500. Vgl. BGH, NVwZ 1985, 517 (518). 37 Erichsen, in: Erichsen!Martens, § 30 Rdnr. 20; Ossenbühl, NVwZ 1991, 513 (517 f.). Vgl. auch BVerwGE 71, 85 (87 f.). 38 Erichsen, in: Erichsen!Martens, §30 Rdnr. 20; Ossenbühl, NVwZ 1991, 513 (516). 36

256

Dritter Abschnitt: Die Rechtsfolgen des Widerrufs

waltungsakts, auch wenn sie rechtmäßigerweise gewährt worden ist39. Dies gilt selbst dann, wenn der Widerruf des begünstigenden Verwaltungsakts rechtswidrig, aber nicht nichtig, also wirksam ist, solange der Widerruf nicht seinerseits aufgehoben wird. Kein Erstattungsanspruch erwächst in solchen Fällen nur, wenn ein Anspruch des Betroffenen auf Neuerlaß der Begünstigung besteht. Denn der Betroffene kann unter diesen Umständen den Einwand des dolo facit qui petit quod statim redditurus est erheben.

(2) Der Umfang des Wegfalls

des Rechtsgrundes

Der Rechtsgrund für die Leistung entfällt in dem Umfang, in dem der Verwaltungsakt widerrufen wird.

(a) Der sachliche Umfang Im Hinblick auf den sachlichen Umfang des Widerrufs wirft dies keine Schwierigkeiten auf. Ist z.B. eine Begünstigung, die eine Leistung in Höhe von 100.000,- D M zugesprochen hat, nur in Höhe von 50.000,- D M widerrufen worden, so ist eben nur dieser Betrag als rechtsgrundlos gewährt zu erstatten. (b) Der zeitliche Umfang Im Hinblick auf den zeitlichen Umfang des Widerrufs bereitet der Fall keine Probleme, daß eine Leistung, die erst künftig zu gewähren war, bereits als Vorschuß erbracht wurde und mit dem Widerruf des Verwaltungsakts für die Zukunft den Rechtsgrund verliert. Anders liegt es jedoch, wenn eine in der Vergangenheit gewährte Leistung zurückgefordert wird, weil der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft widerrufen wurde. Die Behandlung dieser Fälle ist streitig. Eine vom BVerwG mit dem bekannten Urteil vom 11.02.1983 begründete Theorie nimmt an, daß die Wirkung des Widerrufs nur für die Zukunft die Rückforderung einer in der Vergangenheit gewährten Leistung nicht ausschließt, sofern das endgültige Behaltendürfen der Leistung vom Wirksambleiben des Verwaltungakts abhängt. Dies soll bei Subventionsbescheiden in der Regel anzunehmen sein40. Eine andere Auffassung widerspricht dem41.

39 40

Vgl. Ossenbühl, § 55 1 a. BVerwG, DVB1. 1983, 810 (812); HessVGH, NVwZ 1989, 165 (166); Obermay-

§ 9 Der Wegfall der Wirksamkeit des Verwaltungsakts

257

Die ex-nunc-Wirkung des Widerrufs eines rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakts ist kein Hindernis für die Rückforderung einer gewährten Leistung, wenn der Widerruf gleichwohl den Rechtsgrund für das weitere Behaltendürfen der Leistung beseitigt. Nun könnte man der Meinung sein, mit dem Wegfall der Wirksamkeit des begünstigenden Verwaltungsakts ex nunc entfalle stets der Rechtsgrund für das künftige Behaltendürfen der Leistung. Eine solche Konstruktion wäre indes verfehlt. Denn es ist gerade der Zweck der herkömmlichen und in §§ 48, 49 VwVfG zum Ausdruck gebrachten Unterscheidung zwischen der Aufhebung eines Verwaltungsakts ex tunc einerseits und ex nunc andererseits, daß die Aufhebung nur mit Wirkung für die Zukunft die Rückforderung von in der Vergangenheit geflossenen einmaligen oder laufenden Leistungen aus Gründen des Vertrauensschutzes nicht vorsieht. Es ist daher jedenfalls prinzipiell davon auszugehen, daß der Widerruf ex nunc den Rechtsgrund für ein weiteres Behaltendürfen der Leistung unberührt läßt42 und eine Erstattung ausschließt43. Eine andere Beurteilung könnte im Einzelfall gerechtfertigt sein, wenn der betreffende begünstigende Verwaltungsakt in seinem Tenor oder in seinen Gründen deutlich macht, daß er nur solange einen Rechtsgrund für das Behaltendürfen der Leistung bildet, als er nicht seine Wirksamkeit verliert. Das ist etwa anzunehmen, wenn der Verwaltungsakt unter einem Widerrufsvorbehalt ergeht. Denn die Anordnung eines Widerrufsvorbehalts kann nur den Sinn haben, im Falle seiner Ausübung Zugriff auf die gewährte Leistung zu nehmen. Gleiches wird man für den Widerruf aufgrund einer nicht erfüllten Auflage zu akzeptieren haben. Ergeht der Verwaltungsakt mit einer Auflage, bringt er zum Ausdruck, daß bei Widerruf wegen Nichterfüllung der Auflage die Berechtigung für das weitere Behaltendürfen der Leistung endet. Der naheliegende Einwand, eine solche Interpretation der mit einem Widerrufsvorbehalt oder einer Auflage verbundenen Verwaltungsakte umgehe das Rückwirkungsverbot des § 49 VwVfG, dürfte im Ergebnis nicht durchschlagend sein. Inwieweit ein begünstigender Verwaltungsakt den Rechtsgrund für eine Leistung darstellt, folgt nicht aus den §§ 48, 49 VwVfG, sondern aus dem für seinen Erlaß maßgeblichen Recht. Gestattet dieses nach § 36 VwVfG oder einer Spezialnorm die Anordnung des Widerrufsvorbehalts bzw. der Auflage, hat es damit sein Bewenden.

er, VwVfG, § 49 Rdnr. 60a; Ehlers, DVB1. 1986, 912 (920 f.); Gündisch, NVwZ 1984, 489 (494); Jarass, DVB1. 1984, 855 (856); Weides, JuS 1985, 370. 41 Erichsen, in: Erichsen!Martens, § 30 Rdnr. 24; Grawert, DVB1. 1981, 1029 (1030); Stober, DÖV 1984, 269. 42 Erichsen, in: Erichsen!Martens, § 30 Rdnr. 24; Grawert, DVB1. 1981, 1029. 43 Ule!Laubinger, § 61 VIII. 17 Bronnenmeyer

258

Dritter Abschnitt: Die Rechtsfolgen des Widerrufs

Weitaus fraglicher ist dagegen, ob - wie das BVerwG dies annimmt44 die gleiche Einschätzung geboten ist, wenn sich der Begünstigte sogenannten Bewilligungsbedingungen unterworfen hat, die die öffentliche Hand berechtigen, die bereits gewährte Geldleistung aufgrund des Widerrufs der Zuwendung zurückzufordern, wenn der Begünstigte den Zuwendungsbedingungen zuwiderhandelt. Zwar bringt der begünstigende Verwaltungsakt auch in diesem Falle zum Ausdruck, daß er nur bedingt Rechtsgrund für das weitere Behaltendürfen der Leistung ist, doch ist zweifelhaft, ob dies zulässigerweise geschieht. Da die Schranken des § 49 VwVfG wie bereits bemerkt nicht zur Disposition der Beteiligten stehen, kann man eine solche Unterwerfungserklärung nur dann als maßgeblich ansehen, wenn sie wie ein Widerrufsvorbehalt oder eine Auflage in den Verwaltungsakt inkorporiert wurde und die Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 36 VwVfG erfüllt sind.

c) Der Wegfall des Rechtsgrundes ohne Widerruf In diesem Zusammenhang ist kurz die hier nicht unmittelbar einschlägige Frage zu streifen, ob das Entstehen eines Erstattungsanspruchs auch dann denkbar ist, wenn der zugrundeliegende Verwaltungsakt nicht - auch nicht mit Wirkung ex nunc - widerrufen werden kann. Dies ist sicherlich der Fall, wenn die Wirksamkeit des Verwaltungsakts aus anderen Gründen entfällt, etwa durch Eintritt einer auflösenden Bedingung oder Befristung 45 oder durch Erledigung46 — insbesondere bei Vorliegen eines vorläufigen Verwaltungakts, sofern man diesen als zulässig erachtet47. Streitig ist die Erforderlichkeit des Widerrufs, wenn die Leistung für einen bestimmten Zweck bewilligt worden ist und zweckwidrig verwendet wurde. Die eine Auffassung geht bei zweckgebundenen Subventionen davon aus, daß der Subventionsbescheid nur die Rechtsgrundlage für die Auszahlung der Zuwendung, nicht aber für deren endgültiges Behaltendürfen darstelle. Der Anspruch auf das endgültige Behaltendürfen hänge vielmehr davon ab, daß die Leistung zweckentsprechend verwendet wird. Sei dies nicht der Fall, so müsse sie erstattet werden, ohne daß der Bewilligungsbescheid zurückgenom-

44 45 46 47

BVerwG, DVB1. 1983, 810 (812). Obermayer, VwVfG, § 49 Rdnr. 60b; Ehlers, DVB1. 1986, 920. Vgl. BVerwGE 84, 274 (277 f.). § 4 A.II.2.b.(3).

§ 9 Der Wegfall der Wirksamkeit des Verwaltungsakts

259

men oder widerrufen werden müßte48. Nach der zutreffenden Gegenmeinung ändert das zweckwidrige Verhalten nichts daran, daß der nach wie vor gültige Verwaltungsakt einen Rechtsgrund für das Behaltendürfen der Leistung abgibt49. Zu dieser Anschauung zwingt schon der Gegenschluß aus § 44a BHO, der in seinem Abs. 2 eine Erstattung der Zuwendung selbst bei zweckwidriger Verwendung nach Abs. 1 nur vorsieht, wenn eine Aufhebung des Zuwendungsbescheids erfolgt ist. Andererseits ist zu beachten, daß die zweckwidrige Verwendung einer staatlichen Leistung eine nachträgliche Änderung der Sachlage darstellen kann, die gemäß den aufgezeigten Grundsätzen50 eventuell zur nachträglichen Rechtswidrigkeit des Bescheides führt. Die Behörde ist bei Vorliegen dieser Voraussetzung befugt, den zugrundeliegenden Bescheid nach § 48 VwVfG mit Wirkung für die Vergangenheit zu beseitigen und den Erstattungsanspruch auf § 48 Abs. 2 Satz 5 - 8 VwVfG zu stützen.

d) Ergebnis Zusammenfassend ist der zitierte Entwurf der Neuregelung des § 49 Abs. 3 Satz 1 VwVfG als eine angesichts der bestehenden Meinungsunterschiede im Interesse der Rückabwicklung zweckwidrig verwendeter Zuwendungen notwendige, wenn auch nur partielle Klarstellung zu begrüßen.

IV. Der Umfang der Erstattungspflicht Nach den für den allgemeinen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch geltenden Grundsätzen ist der Umfang der Herausgabepflicht beim Widerruf rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakte wie folgt zu bestimmen:

48 BVerwGE 62, 1 (3); VGH Mannheim, NJW 1978, 2050 (2051); Erichsen,, in: Erichsen/Martens, § 30 Rdnr. 26; Götz, NVwZ 1984, 480. 49 BVerwG, NVwZ 1984, 519; BayVGH, BayVBl. 1991, 564 (565); HessVGH, NVwZ 1990, 879 (881); Ehlers, DVB1. 1986, 920; Jarass, DVB1. 1984, 855 (857). Vgl. auch BVerwGE 67, 305 (312); OVG Münster, NVwZ 1988, 71 (72). 50 Siehe § 2 B.II.

17»

260

Dritter Abschnitt: Die Rechtsfolgen des Widerrufs 1. Die Erstattung der gewährten Leistung und der Nutzungen

Im Grundsatz herrscht Übereinstimmung, daß der Betroffene die gewählte Leistung sowie die Nutzungen herauszugeben hat51.

a) Die gewährte Leistung Der Erstattungspflichtige hat die empfangene Geldleistung zurückzuzahlen oder Besitz oder Eigentum an der gewährten Sachleistung an den Hoheitsträger zurückzuübertragen 52. Hiermit sind keine wesentlichen Probleme verbunden. b) Die Nutzungen Anders liegt es im Hinblick auf die Erstattung der Nutzungen. Unter Nutzungen sind nach §§ 99, 100 BGB die Früchte einer Sache oder eines Rechts sowie die Vorteile, welche der Gebrauch der Sache oder des Rechts gewährt, zu verstehen. Wichtigstes Beispiel sind die Zinsen als Früchte einer Geldleistung53. Zu unterscheiden sind indes gezogene und nicht gezogene Nutzungen. ( 1) Gezogene Nutzungen Gezogene Nutzungen sind solche Nutzungen, die der Betroffene tatsächlich realisiert hat. Es besteht Einigkeit, daß der Empfänger einer Geldleistung im Rahmen des allgemeinen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs auch ohne ausdrückliche gesetzliche Regelung die ihm zugeflossenen Zinsen an den Hoheitsträger herauszugeben hat54.

(2) Nicht gezogene Nutzungen Hat der Betroffene dagegen keine Nutzungen gezogen, gibt es nach der Rechtsprechung der BVerwG auf der Grundlage des allgemeinen öffentlich-

51 52 53

Ossenbühl, § 55 4. Ossenbühl, § 55 4 a. Weitere Beispiele siehe BVerwG, BayVBl. 1992, 118 (121); BayVBl. 1992, 280

(281).

54 BVerwGE 71, 85 (93); Erichsen, in: Erichsen!Martens, bühl, § 55 4 b; ders., NVwZ 1991, 513 (520).

§ 30 Rdnr. 28; Ossen-

§ 9 Der Wegfall der Wirksamkeit des Verwaltungsakts

261

rechtlichen Erstattungsanspruchs keine Verpflichtung zur Verzinsung55. Hält man eine Verzinsungspflicht für haushaltspolitisch wünschenswert, bedarf es folglich einer speziellen gesetzlichen Regelung. Während § 48 Abs. 2 Satz 6 VwVfG für den Fall der Erstattung aufgrund der Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsakts insoweit auf die Vorschriften des BGB über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung verweist, hat § 44a BHO in seinem Abs. 3 bekanntlich eine eigenständige Regelung getroffen 56. Eine solche enthält auch der bereits erwähnte Entwurf des § 49a Abs. 3 und 4 VwVfG, der im wesentlichen bestimmt, daß der zu erstattende Betrag vom Eintritt der Unwirksamkeit des Verwaltungsakts an mit 3% über dem jeweiligen Diskontsatz der Deutschen Bundesbank jährlich zu verzinsen ist. Die geplante Neuregelung hat gegenüber der von § 48 Abs. 2 Satz 6 VwVfG gewählten Verweisung auf die Vorschriften der §§ 818 ff. BGB den Vorteil der Rechtsklarheit. Denn nach den Normen des Kondiktionenrechts hängt die verschärfte Haftung des Bereicherungsschuldners für nicht gezogene Nutzungen vom Eintritt komplizierter und auf die Verhältnisse bei der Aufhebung von Verwaltungsakten nur mit Mühe übertragbarer Voraussetzungen ab57. c) Die Begrenzung durch den Wegfall der Bereicherung Die Frage, ob sich der Betroffene, ist die gewährte Leistung in seinem Vermögen nicht mehr vorhanden, im Rahmen des allgemeinen öffentlichrechtlichen Erstattungsanspruchs auf den aus dem Kondiktionenrecht überlieferten Wegfall der Bereichung berufen kann, hat das BVerwG in seiner Grundsatzentscheidung vom 12.03.1985 dahingehend beantwortet, daß es auf die Schutzwürdigkeit des Vertrauens des Begünstigten auf den Bestand der Vermögenslage ankomme58. Die §§ 818 ff. BGB fänden aufgrund der unterschiedlichen Interessenlage keine Anwendung. Dem ist nicht zuletzt deshalb zuzustimmen, da auch insoweit ein Rückgriff auf die bereicherungsrechtlichen Vorschriften des BGB nur mit Schwierigkeiten nachvollziehbar ist59.

55 BVerwGE 71, 48 (53); 71, 85 (93); 48, 133 (136); Ossenbühl, § 55 4 b; ders., NVwZ 1991, 513 (520). 56 Vgl. z.B. BayVGH, BayVBl. 1990, 310 (312). 57 Vgl. z.B. BVerwGE 71, 48 (55 ff.); VGH Mannheim, NVwZ 1985, 916. 58 BVerwGE 71, 85 (88 ff.). Vgl. femer BVerwGE 25, 72 (81 f.); BVerwG, BayVBl. 1992, 474 (476); NVwZ 1992, 769 (772); NVwZ 1989, 143 (144); Erichsen, in: Erichsen/Martens, § 30 Rdnr. 21. 59 Vgl. BVerwG, BayVBl. 1992, 118 (119 f.); BayVBl. 1992, 280; OVG Hamburg, NVwZ 1988, 73 (74).

262

Dritter Abschnitt: Die Rechtsfolgen des Widerrufs

Danach wird man davon auszugehen haben, daß eine Berufung auf den Einwand vom Wegfall der Bereicherung im Rahmen der Erstattungspflicht beim Widerruf rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakte generell ausgeschlossen ist. Denn die Schutzwürdigkeit des Vertrauens des Betroffenen auf den Bestand der Vermögenslage wurde bereits bei der Entscheidung über die Zulässigkeit des Widerrufs abschließend berücksichtigt. Es wäre unsinnig, einerseits den Widerruf des Verwaltungsakts trotz der vertrauensschützenden Kautelen des § 49 Abs. 2 VwVfG zuzulassen, um andererseits die Erstattung der gewährten Leistung mit dem Argument zu unterbinden, der Betroffene habe in schutzwürdiger Weise auf den Bestand der Vermögenslage vertraut und könne den Einwand vom Wegfall der Bereicherung erheben60. Vor diesem rechtlichen Hintergrund erscheint die in § 49a Abs. 2 Satz 2 des Entwurfes geplante Regelung, wonach sich der Begünstigte auf den Wegfall der Bereicherung nicht berufen kann, soweit er die Umstände kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte, die zum Widerruf des Verwaltungsakts geführt haben, als fehl am Platze, da sie eine im übrigen bestehende Berechtigung des Betroffenen, den Wegfall der Bereicherung einzuwenden, suggeriert.

2. Die Erstattung des Surrogats und des Wertersatzes Kann sich der Begünstigte nicht auf den Wegfall der Bereicherung berufen, hat er, wenn die gewährte Leistung in seinem Vermögen nicht mehr vorhanden ist, Wertersatz in Geld zu leisten oder das Surrogat als dasjenige herauszugeben, was er als Ersatz für die Zerstörung, Beschädigung oder Entziehung des erlangten Gegenstandes erwirbt 61.

V. Die Durchsetzung der Erstattungspflicht Nach der herrschenden, allerdings bestrittenen sogenannten Kehrseitentheorie kann der Hoheitsträger eine Leistung, die durch Verwaltungsakt festgesetzt wurde, in gleicher Weise durch Verwaltungsakt zurückfordern 62. Auch insoweit plant der Gesetzgeber mit § 49a Abs. 1 Satz 2 des Regierungsentwurfes, wonach die zu erstattende Leistung durch schriftlichen Verwaltungsakt festzusetzen ist, eine Klarstellung.

60 61 62

OssenbühU NVwZ 1991, 513 (521). Vgl. dazu BVerwG, BayVBl. 1992, 118 (120). Vgl. Erichsen, in: Erichsen!Martens, § 30 Rdnr. 29.

§ 10 Der Entschädigungsanspruch nach § 49 V VwVfG

263

§ 10 Der Entschädigungsanspruch des Betroffenen nach § 49 Abs. 5 VwVfG Als weitere Rechtsfolge des Widerrufs eines rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakts kann der in § 49 Abs. 5 VwVfG normierte Entschädigungsanspruch des Betroffenen entstehen. Dieser Anspruch wirft zahlreiche rechtliche Probleme auf, die die Gerichte bislang soweit ersichtlich jedoch nur vereinzelt beschäftigt haben. Offenbar spielt der Entschädigungsanspruch des Betroffenen im Gegensatz zum Erstattungsanspruch des Hoheitsträgers in der Praxis kaum eine Rolle 63 .

A. Die Rechtsnatur des Entschädigungsanspruchs Klärungsbedürftig ist zunächst die Rechtsnatur des Entschädigungsanspruchs nach § 49 Abs. 5 VwVfG.

I. Die Auffassungen in der Literatur Im Schrifttum herrscht über die rechtliche Einordnung des Entschädigungsanspruchs Unsicherheit. Die eine Auffassung sieht in ihm einen Anspruch auf Entschädigung wegen Enteignung64, die Gegenmeinung stuft ihn als Anspruch eigener Art ein 65 . Eine vermittelnde Theorie rückt ihn zumindest in die Nähe eines enteignungsrechtlichen Anspruchs66.

II. Stellungnahme 1. Die Herleitung aus Art. 14 GG Eine enteignungsrechtliche Qualifikation des Entschädigungsanspruchs nach § 49 Abs. 5 VwVfG kommt nur als Enteignungsentschädigungsanspruch im Sinne des Art. 14 Abs. 3 GG in Betracht, da Ansprüche wegen enteig-

63

Vgl. Obermayer, VwVfG, § 49 Rdnr. 75. Ule/Laubinger, § 63 II 3 c. 65 Meyer, in: Meyer I Borgs, VwVfG, § 49 Rdnr. 41; Obermayer, VwVfG, § 49 Rdnr. 72. 66 Klappstein, in: Knack, VwVfG, § 49 Rdnr. 7.6; Kopp, VwVfG, § 49 Rdnr. 55. Vgl. auch Schenke, NJW 1991, 1777 (1783). 64

264

Dritter Abschnitt: Die Rechtsfolgen des Widerrufs

nungsgleichen oder enteignenden Eingriffs nicht auf besonderen gesetzlichen Vorschriften, sondern auf gesetzesfortbildenden Erwägungen beruhen67. Einen Entschädigungsanspruch nach Art. 14 Abs. 3 GG kann der Anspruch nach § 49 Abs. 5 VwVfG allerdings nur insoweit darstellen, als sich die Voraussetzungen und Rechtsfolgen dieser Ansprüche decken. Dies ist in mehrfacher Hinsicht nicht der Fall. Voraussetzung des Enteigungsentschädigungsanspruchs nach Art. 14 GG ist, daß eine Enteignung vorliegt. Es wurde bereits erläutert, daß der Widerruf eines rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakts selbst in den Fällen des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 - 5 VwVfG in der Regel entweder keine eigentumskräftig verfestigte Rechtsposition entzieht oder lediglich Ausdruck der Sozialbindung des Eigentums ist68. Ein Widerruf nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 - 5 VwVfG stellt daher nur ausnahmsweise eine Enteignung im Sinne des Art. 14 GG dar. Andererseits macht § 49 Abs. 5 VwVfG die Entschädigung davon abhängig, daß der Betroffene in schutzwürdiger Weise auf den Bestand des Verwaltungsakts vertraut hat. Diese Voraussetzung stellt Art. 14 Abs. 3 GG nicht auf; die Enteignungsentschädigung ist vielmehr, wenn ein Eingriff in das Eigentum vorliegt, der nicht Ausdruck der Sozialbindung ist, unabhängig von der konkreten Schutzwürdigkeit des Betroffenen zu gewähren. Sind damit schon die Voraussetzungen der Entschädigungsansprüche nach Art. 14 Abs. 3 GG und § 49 Abs. 5 VwVfG nicht deckungsgleich, gilt dies erst recht für die Rechtsfolgen. Es wurde bereits ausgeführt, daß die nach Art. 14 Abs. 3 Satz 3 GG zu gewährende Entschädigung von § 49 Abs. 5 VwVfG meist nicht erreicht wird, weil sich letztgenannte Vorschrift auf das negative Interesse beschränkt69. Hieraus folgt, daß § 49 Abs. 5 VwVfG eine Entschädigung in der Regel unter weiteren Voraussetzungen, aber in geringerem Umfang gewährt als Art. 14 Abs. 3 GG dies vorsieht. Unter diesen Umständen kann der Anspruch nach § 49 Abs. 5 VwVfG trotz der Art. 14 Abs. 3 Satz 4 GG berücksichtigenden Rechtswegregelung des § 49 Abs. 5 Satz 3 VwVfG 7 0 nicht stets,

67

Vgl. z.B. Ossenbühl, § 22 ff. Das gleiche gilt für die im Anschluß an BVerfGE 58, 137 diskutierte ausgleichspflichtige Inhaltsbestimmung des Eigentums; vgl. Maurer, DVB1. 1991, 781. 68 Siehe § 5 B.I. Vgl. auch OLG Hamm, NVwZ 1990, 693 (694). 69 Siehe § 5 B.II.l.b. 70 Die amtliche Begründung ist sich über die rechtsdogmatische Einordnung des Entschädigungsanspruches zwar nicht sicher. Doch beruht die Rechtswegzuweisung darauf, daß mit guten Gründen die Auffassung vertreten werden könne, es handle

§ 10 Der Entschädigungsanspruch nach § 49 V VwVfG

265

sondern nur dann als Enteignungsentschädigung gedeutet werden, wenn der Widerruf des rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakts nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 - 5 VwVfG ausnahmsweise eine Enteignung darstellt, die durch § 49 Abs. 5 VwVfG in einem Umfang entschädigt wird, der Art. 14 Abs. 3 GG genügt.

2. Die Herleitung aus dem Vertrauensschutzprinzip Sind diese Voraussetzungen nicht erfüllt, kommt eine Einordnung des § 49 Abs. 5 VwVfG als Enteignungsentschädigungsregelung nicht in Betracht. Es handelt sich vielmehr in den Fällen, in denen der Widerruf keine Enteignung hervorruft oder die Entschädigung nach § 49 Abs. 5 VwVfG für eine solche nicht ausreichend (und damit der Widerruf an sich unzulässig71) ist, um eine an den Grundsatz des Vertrauensschutzes anknüpfende und Vertrauensschutz durch Vermögensschutz gewährende Billigkeitsregelung72.

3. Ergebnis Dem Anspruch nach § 49 Abs. 5 VwVfG kommt demnach eine Doppelnatur zu. Je nach den Umständen des Einzelfalles handelt es sich um eine Enteignungsentschädigung nach Art. 14 Abs. 3 GG oder um eine Billigkeitsentschädigung. Diese Regelung, die dem Entschädigungsanspruch beim Widerruf rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakte ein eigentümliches, zwischen Enteignungsrecht und Vertrauensschutzprinzip schwebendes Zwitterdasein zuweist, ist als mißglückt anzusehen, da sie die Widerrufsproblematik in unnötiger Weise mit enteignungsrechtlichen Fragen befrachtet 73. Sie sollte de lege ferenda um eine Klausel ergänzt werden, wonach eine angemessene, den Maßstäben des Art. 14 Abs. 3 Satz 3 GG genügende Entschädigung zu zahlen ist, wenn der Widerruf in der Tat eine Enteignung darstellt74.

„sich um einen Anspruch wegen enteignungsgleichen Eingriffs oder aus Aufopferung für das allgemeine Wohl" (S. 73). 71 Siehe § 5 B.II.2. 72 Vgl. Begründung, S. 73; OLG Hamm, NVwZ 1990, 693 (694); Zitzelsberger, GewArch. 1990, 153. 73 Vgl. § 5 B. 74 Hier eröffnet sich allerdings die bekannte Problematik salvatorischer Entschädigungsklauseln. Vgl. z.B. Ossenbühl, § 19 4.

266

Dritter Abschnitt: Die Rechtsfolgen des Widerrufs

B. Die Voraussetzungen des Entschädigungsanspruches Die Voraussetzungen für die Entstehung des Entschädigungsanspruches sind in § 49 Abs. 5 Satz 1 und 2 in Verbindung mit § 48 Abs. 3 Satz 5 VwVfG festgelegt. Danach müssen folgende Anforderungen erfüllt sein:

I. Der Widerruf eines rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakts nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 - 5 VwVfG § 49 Abs. 5 Satz 1 VwVfG bestimmt zunächst, daß die Behörde den Betroffenen zu entschädigen hat, wenn „ein begünstigender Verwaltungsakt in den Fällen des Abs. 2 Nr. 3 - 5 widerrufen" 75 wird. Diese Regelung bedarf in mehrfacher Hinsicht der Verdeutlichung.

1. Der Widerruf eines begünstigenden Verwaltungsakts Das Gesetz gewährt eine Entschädigung nur, wenn ein begünstigender Verwaltungsakt widerrufen worden ist. In der Literatur wird daher diskutiert, ob die Entschädigung nach § 49 Abs. 5 VwVfG auch in anderen Fällen angebracht sei.

a) Der Widerruf So vertritt Kopp die Auffassung, die Entschädigung nach § 49 Abs. 5 VwVfG komme nicht nur im Falle eines Widerrufs, sondern auch dann zum Zuge, wenn eine Zusicherung wegen einer Änderung der Sach- oder Rechtslage ihre Wirksamkeit nach § 38 Abs. 3 VwVfG von selbst verliert 76. Dem ist die herrschende Meinung im Schrifttum zu Recht entgegengetreten77. Entfällt die Wirksamkeit eines Verwaltungsakts kraft gesetzlicher Regelung, liegt kein Widerruf im Sinne des § 49 VwVfG vor, weil seine Unwirksamkeit nicht durch Aufhebung, sondern durch Erledigung eintritt. Aus § 49 Abs. 5 VwVfG folgt daher keine Entschädigungspflicht für den Fall des § 38 Abs. 3 VwVfG. Nichts anderes besagt § 38 VwVfG. § 38 Abs. 2 VwVfG

75

Gemeint sind die Fälle des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 - 5 VwVfG. Kopp, VwVfG, § 38 Rdnr. 31. 77 UleILaubinger, § 49 IV; Obermayer, VwVfG, § 38 Rdnr. 85, § 49 Rdnr. 76; Stelkens, in: Stelkens I Bonkl Leonhardt, VwVfG, § 38 Rdnr. 57; Lange, Jura 1980, 456 (467); ders., WiVerw. 1979, 15 (30). 76

§ 10 Der Entschädigungsanspruch nach § 49 V VwVfG

267

erklärt zwar, daß § 49 VwVfG entsprechende Anwendung findet, aber eben nur „auf den Widerruf der Zusicherung und unbeschadet des § 38 Abs. 3 VwVfG, wodurch ein Vorrang dieser Klausel vor § 49 Abs. 5 VwVfG bestimmt ist78. § 38 Abs. 2 VwVfG schließt somit, da eine Regelungslücke fehlt, auch eine entsprechende Anwendung des § 49 Abs. 5 VwVfG aus.

b) Der begünstigende Verwaltungsakt Nach Kopp ist eine Entschädigung in entsprechender Anwendung des § 49 Abs. 5 VwVfG ferner zu gewähren, wenn kein begünstigender, sondern ein belastender Verwaltungsakt widerrufen wird und der Betroffene im Vertrauen auf den Bestand der Belastung Aufwendungen zu ihrer Erfüllung getätigt hat, die durch den Widerruf der Belastung sinnlos werden79. Die übrige Literatur lehnt auch diese These ab 80 . Der herrschenden Meinung ist zuzugeben, daß eine direkte Anwendung des § 49 Abs. 5 VwVfG wegen des eindeutigen Wortlauts der Vorschrift nicht in Betracht kommt. Erwägt man indes eine entsprechende Anwendung des § 49 Abs. 5 VwVfG, kann kaum geleugnet werden, daß die Interessenlage beim Widerruf eines belastenden Verwaltungsakts derjenigen beim Widerruf einer Begünstigung ähnelt, wenn der Betroffene Aufwendungen zur Befolgung der Belastung erbracht hat. Erläßt die Behörde z.B. eine bauordnungsrechtliche Abrißverfügung und beauftragt der Betroffene deshalb einen Abbruchunternehmer, so scheint es nicht weniger angemessen, ihm im Falle des Widerrufs den (wegen § 649 BGB entstehenden) Schaden zu ersetzen, als wenn er im Vertrauen auf eine begünstigende Abrißgenehmigung gehandelt hätte. Da die Belastung, auf deren Bestand der Betroffene vertraut, rechtmäßig ist, wird man auch die Schutzwürdigkeit des Vertrauens nicht generell verneinen können. Insoweit liegt es anders als bei der Rücknahme eines rechtswidrigen belastenden Verwaltungsakts81.

78 Ule /Laubinger, § 49 IV; Obermayer, VwVfG, § 49 Rdnr. 76; Stelkens, in: Stelkens!Bonk!Leonhardt, VwVfG, § 38 Rdnr. 57; Lange, Jura 1980, 456 (467); ders., WiVerw. 1979, 15 (30). 79 Kopp, VwVfG, § 49 Rdnr. 14. 80 Klappstein, in: Knack, VwVfG, § 49 Rdnr. 7.1.1; Stelkens / Sachs, in: Stelkens I Bonk I Leonhardt, VwVfG, § 49 Rdnr. 50; Knoke, Rücknahme, § 7 I 2 b cc; Schenke, DÖV 1983, 320 (328 f.). 81 Hierzu siehe Knoke, Rücknahme, § 7 I 2 b cc; Schenke, DÖV 1983, 320 (328 f.).

268

Dritter Abschnitt: Die Rechtsfolgen des Widerrufs

Zweifelhaft ist dagegen die weitere Voraussetzung einer Analogie, das Vorliegen einer Regelungslücke82. Der Gesetzgeber hat den Widerruf rechtmäßiger belastender Verwaltungsakte in § 49 Abs. 1 VwVfG ausdrücklich normiert und keinen Ersatz des Vertrauensschadens vorgesehen. Wollte man diesen gewähren, würde praeter legem ein Haftungstatbestand für rechtmäßiges Handeln der öffentlichen Gewalt begründet, der im bestehenden System der staatlichen Ersatzleistungen einen Fremdkörper bildet83. Letztlich dürfte daher der herrschenden Einschätzung zuzustimmen sein. Denn trotz der festgestellten Übereinstimmung der Interessenlage sprechen keine zwingenden verfassungsrechtlichen Gründe dafür, den Widerruf rechtmäßiger belastender Verwaltungsakte hinsichtlich der Entschädigung dem Widerruf rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakte gleichzustellen. Der sachliche Unterschied, der beide Fallgruppen kennzeichnet, liegt immerhin darin, daß der Betroffene Anlaß gegeben hat, gegen ihn eine rechtmäßige Belastung zu verfügen. Wird diese Belastung aus Gründen der Zweckmäßigkeit aufgehoben, ist es vertretbar, daß der Betroffene in der Folge der ursprünglichen Belastung als Minus die Konsequenzen der Aufhebung trägt. Wird ein begünstigender Verwaltungsakt widerrufen, greifen diese Überlegungen nicht durch. 2. Der Widerruf in den Fällen des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 - 5 VwVfG Weitere Voraussetzung des Entschädigungsanspruches ist, daß die Begünstigung in den Fällen des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 - 5 VwVfG widerrufen wird. Die Frage, wann ein solcher Fall vorliegt, wird in der Literatur kaum erörtert, obwohl sie bei näherem Hinsehen nicht ohne weiteres zu beantworten ist. Ein Lösungsversuch setzt Klarheit über den Zweck der Beschränkung des Entschädigungsanspruchs auf die Fälle des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 - 5 VwVfG voraus. a) Der Sinn der Beschränkung der Entschädigung auf die Fälle des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 - 5 VwVfG § 49 Abs. 5 VwVfG zielt auf Vertrauensschutz durch Vermögensschutz ab84. Die Vorschrift begrenzt aber den Entschädigungsanspruch nicht etwa

82 83 84

Vgl. Knoke, Rücknahme, § 7 I 2 b cc. Schenke, DÖV 1983, 320 (328). Begründung, S. 73.

§ 10 Der Entschädigungsanspruch nach § 49 V VwVfG

269

deshalb auf die Fälle des Widerrufs nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 - 5 VwVfG, weil der Betroffene unter den dort genannten Voraussetzungen besonders schutzwürdig wäre. Denn die Entschädigung hängt nach § 49 Abs. 5 Satz 1 VwVfG zusätzlich von der im Einzelfall festzustellenden Schutzwürdigkeit ab. Wie sich aus der amtlichen Begründung deutlich ergibt, beruht die Beschränkung auf die Fälle des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 - 5 VwVfG vielmehr darauf, daß der Gesetzgeber den Betroffenen in den Fällen des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 VwVfG niemals als schutzwürdig ansieht85. Ratio des § 49 Abs. 5 VwVfG ist demnach die Versagung der Entschädigung unter den Voraussetzungen des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 VwVfG, nicht die Einräumung des Entschädigungsanspruchs unter den Voraussetzungen des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 - 5 VwVfG. Für die Entstehung des Entschädigungsanspruchs kommt es daher entscheidend darauf an, daß der Widerruf nicht auf einem Vorbehalt oder einer nicht erfüllten Auflage beruht.

b) Konsequenzen Daraus ergeben sich für die Entstehung des Erstattungsanspruchs im einzelnen folgende Konsequenzen:

(1) Die Maßgeblichkeit des tatsächlich erfüllten

Widerrufstatbestandes

Stellt man die Frage, ob es darauf ankommt, welchen Tatbestand die Behörde in der Begründung des Widerrufsbescheides heranzieht oder ob der in Wirklichkeit erfüllte Widerrufsgrund maßgeblich ist, gelangt man zu unterschiedlichen Ergebnissen, je nachdem, worauf man abstellt, wenn die Behörde irrig einen der Tatbestände des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 oder 2 VwVfG herangezogen hat, während die Voraussetzungen des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3, 4 oder 5 VwVfG gegeben waren, oder umgekehrt den Widerruf fälschlich auf § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3, 4 oder 5 VwVfG gestützt hat, obwohl sie ihn mit § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 oder 2 VwVfG hätte begründen können. Der Wortlaut des § 49 Abs. 5 VwVfG läßt die eine Deutung so gut wie die andere zu. Nach seinem soeben dargelegten Zweck hat man indes auf den in Wirklichkeit erfüllten Widerrufstatbestand abzustellen. Dem Charakter des § 49 Abs. 5 VwVfG als Vertrauensschutzregelung wird man nur gerecht, wenn auf die tatsächlich gegebene Sachlage abgehoben wird. Die (fälsch-

85

Begründung, S. 73. Ebenso Kopp, VwVfG, § 49 Rdnr. 55; StelkensISachs, in: Stelkens!Bonk!Leonhardt, VwVfG, § 49 Rdnr. 49.

270

Dritter Abschnitt: Die Rechtsfolgen des Widerrufs

liehe) Beurteilung der Verhältnisse durch die Behörde kann dagegen nicht maßgeblich sein.

(2) Der Ausschluß der Entschädigung in den Fällen des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 VwVfG Zum anderen tritt das Problem auf, ob ein Fall des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 - 5 VwVfG mit der Folge der Entschädigung angenommen werden kann, wenn daneben ein Widerrufsgrund nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 oder 2 VwVfG gegeben ist. Darauf, welchen Tatbestand die Behörde heranzieht, kommt es wie gesehen nicht an. Der Wortlaut des § 49 Abs. 5 Satz 1 VwVfG wäre an sich erfüllt, da (auch) ein Fall des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3, 4 oder 5 VwVfG vorliegt. Dennoch wird man § 49 Abs. 5 VwVfG nach seinem Zweck aus den erörterten Gründen einschränkend dahingehend interpretieren müssen, daß dem Betroffenen immer dann keine Entschädigung zusteht, wenn die Voraussetzungen des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 oder 2 VwVfG gegeben sind86, weil er nicht schutzwürdig ist87. Berechtigt nämlich ein Widerrufsvorbehalt oder eine nicht erfüllte Auflage zum Widerruf, ist es für die Entschädigungsfrage unerheblich, ob daneben auch ein Widerruf nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 - 5 VwVfG möglich gewesen wäre. Abgesehen davon wäre das Vertrauen des Begünstigten ohnehin regelmäßig nicht schutzwürdig, wenn die Voraussetzungen des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 oder 2 VwVfG vorliegen, so daß der Entschädigungsanspruch auch aus diesem Grunde nicht entstehen würde. Etwas anderes gilt allerdings dann, wenn das Vertrauen des Begünstigten in den Bestand des Verwaltungsakts unter den erörterten außerordentlichen Umständen88 trotz eines Widerrufsvorbehalts oder einer nicht erfüllten Auflage schutzwürdig ist. In diesem Falle besteht kein Grund, den Entschädigungsanspruch zu versagen89. Kein Entschädigungsanspruch nach § 49 Abs. 5 VwVfG entsteht jedoch nach dem klaren Wortlaut der Vorschrift, wenn nur die Voraussetzungen des

86

A.A. wohl OLG Hamm, NVwZ 1990, 693 (694); LG Detmold, NVwZ 1991, 508 (509); Kopp, VwVfG, § 49 Rdnr. 58; Meyer, in: MeyerI Borgs, VwVfG, § 49 Rdnr. 40. 87 Achterberg, § 23 Rdnr. 86; Maurer, § 11 Rdnr. 45; UleILaubinger, § 63 II 3 a; Klappstein, in: Knack, VwVfG, § 49 Rdnr. 7.1.2; Kopp, VwVfG, § 49 Rdnr. 55; Obermayer, VwVfG, § 49 Rdnr. 75. 88 Siehe § 8 A.II und § 8 B.II. Vgl. femer Kopp, VwVfG, § 49 Rdnr. 55. 89 A.A. wohl die Begründung, S. 73.

§ 10 Der Entschädigungsanspruch nach § 49 V VwVfG

271

§ 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 oder 2 VwVfG erfüllt sind. Eine entsprechende Anwendung ist mangels Regelungslücke und wegen der grundsätzlich fehlenden Schutzwürdigkeit des Betroffenen nicht angebracht. Das ist in der Literatur anerkannt90. Ist der Betroffene trotz Vorliegens eines der Tatbestände des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 oder 2 VwVfG ausnahmsweise schutzwürdig, vermag dies keinen Entschädigungsanspruch auszulösen91, jedoch bei der Ermessensscheidung über den Widerruf gegen eine Aufhebung zu sprechen92.

(3) Die Entschädigung bei NichtVorliegen

eines Widerrufstatbestandes

In diesem Zusammenhang ist ferner der Frage nachzugehen, ob der Entschädigungsanspruch nach § 49 Abs. 5 VwVfG auch dann entsteht, wenn der Widerruf des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil kein Widerrufsgrund eingreift. Nach der Ratio des zumindest entsprechend anzuwendenden § 49 Abs. 5 VwVfG ist dies grundsätzlich zu bejahen93. Da die Entschädigung nicht vom Vorliegen der Voraussetzungen des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 - 5 VwVfG, sondern vom NichtVorliegen der Voraussetzungen des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 oder 2 VwVfG abhängt, besteht keine Veranlassung, dem Betroffenen die Entschädigung zu versagen, wenn überhaupt kein Widerrufstatbestand verwirklicht ist. Freilich kann die Entschädigung in Anwendung des Rechtsgedankens des § 254 BGB zu reduzieren sein, wenn der Begünstigte es vorwerfbar versäumt, den rechtswidrigen Widerruf durch Rechtsmittel zu bekämpfen 94.

(4) Die Entschädigung im Falle eines spezialgesetzlichen

Widerrufs

Schließlich ist darüber nachzudenken, ob ein Entschädigungsanspruch nach § 49 Abs. 5 VwVfG entstehen kann, wenn der Widerruf nicht auf § 49

90 Achterberg, § 23 Rdnr. 86; Maurer, § 11 Rdnr. 45; Ule ILaubinger, § 63 II 3 a; Klappstein, in: Knack, VwVfG, § 49 Rdnr. 7.1.2; Lange, Jura 1980, 456 (467). Auch Kopp (VwVfG, § 49 Rdnr. 58) erwägt eine entsprechende Geltung des § 49 Abs. 5 VwVfG nur, wenn daneben die Widerrufsvoraussetzungen des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3, 4 oder 5 VwVfG erfüllt sind. 91 Begründung, S. 73. 92 Siehe § 8 A.II. 93 Vgl. Schenke, NJW 1991, 1777 (1783). 94 Vgl. Schenke, NJW 1991, 1777 (1783).

272

Dritter Abschnitt: Die Rechtsfolgen des Widerrufs

Abs. 2 VwVfG, sondern auf einer spezialgesetzlichen Widerrufsbefugnis beruht. Dies hängt zunächst davon ab, daß die Spezialvorschrift keine abschließende Regelung trifft, sondern für eine ergänzende Anwendung des 49 Abs. 5 VwVfG Raum läßt95. Ist dies der Fall, wird man die Anwendung des § 49 Abs. 5 VwVfG vertreten können, wenn die Spezialvorschrift den Widerruf aus Gründen zuläßt, die nicht auf fehlende Schutzwürdigkeit des Vertrauens des Begünstigten zurückgehen96.

II. Die Ursächlichkeit des Vertrauens auf den Bestand des Verwaltungsakts für den Vermögensnachteil Voraussetzung des Entschädigungsanspruchs ist nach § 49 Abs. 5 Satz 1 VwVfG ferner, daß der Betroffene wegen des Widerrufs einen Vermögensnachteil dadurch erleidet, daß er in schutzwürdiger Weise auf den Bestand des Verwaltungsakts vertraut hat. 1. Der Eintritt eines Vermögensnachteils Ob der Betroffene durch den Widerruf der Begünstigung einen Vermögensnachteil erleidet, ist unschwer durch einen Vergleich seiner Vermögenslage vor und nach dem Widerruf zu ermitteln. Ein Vermögensnachteil kann z.B. im Wegfall der Begünstigung an sich (Wertverlust eines Grundstücks durch Widerruf der Baugenehmigung), in der Entwertung von Aufwendungen (Anschaffung von Produktionsmitteln bei Widerruf einer Gewerbeerlaubnis) oder in der Vereitelung künftiger Gewinnmöglichkeiten liegen. Kein Vermögensnachteil tritt ein, soweit Aufwendungen abgeschrieben oder anderweitig verwertet bzw. verwertbar sind97. 2. Das schutzwürdige Vertrauen auf den Bestand des Verwaltungsakts Eine Entschädigung erhält der Betroffene - ähnlich wie im Falle des § 48 Abs. 3 VwVfG - nur, wenn er in schutzwürdiger Weise auf den Bestand det Verwaltungsakts vertraut hat.

95

Erichsen, Jura 1981, 590 (594). Vgl. Meyer, in: Meyer!Borgs, VwVfG, § 49 Rdnr. 40. 97 Obermayer, VwVfG, § 48 Rdnr. 119. Instruktiv OLG Hamm, NVwZ 1990, 693 (695). 96

§10 Der Entschädigungsanspruch nach § 49 V VwVfG

273

a) Das Vertrauen des Betroffenen Ob der Betroffene auf den Bestand der Begünstigung vertraut hat, ist eine Tatsachenfrage 98. Hat der Betroffene von der Begünstigung Gebrauch gemacht, indiziert dies sein Vertrauen auf ihren Fortbestand. Anhaltspunkte dafür, daß der Betroffene nicht auf die Aufrechterhaltung des Verwaltungsakts vertraut hat, gibt z.B. die Kenntnis einer bevorstehenden Tatsachen- oder Rechtsänderung.

b) Die Schutzwürdigkeit des Vertrauens Die Beantwortung der Rechtsfrage, unter welchen Umständen das Vertrauen des Betroffenen auf den Bestand des Verwaltungsakts schutzwürdig ist, hängt zunächst davon ab, ob die Schutzwürdigkeit unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse zu ermitteln ist.

(1) Keine Abwägung mit dem öffentlichen

Interesse

Das Schrifttum ist in dieser Frage uneins. Während die herrschende Meinung keine Abwägung mit dem öffentlichen Interesse vornimmt 99, vertreten Stelkens /Sachs 100 und Klappstein101 die gegenteilige Auffassung. Obwohl der Begriff der Schutzwürdigkeit die Notwendigkeit einer Abwägung nahelegt, sprechen die besseren Argumente dafür, bei der Ermittlung der Schutzwürdigkeit des Vertrauens gegenläufige öffentliche Interessen nicht zu veranschlagen. Zunächst fällt nämlich auf, daß § 49 Abs. 5 Satz 1 VwVfG die Abwägung mit dem öffentlichen Interesse anders als § 48 Abs. 3 Satz 1 VwVfG nicht erwähnt. Die Vorschrift läßt es genügen, wenn das „Vertrauen schutzwürdig ist"; § 48 Abs. 3 Satz 1 VwVfG verlangt dagegen, daß das „Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse schutzwürdig ist". Der unterschiedliche Gesetzeswortlaut bringt klar zum Ausdruck, daß im Rahmen des § 49 Abs. 5 VwVfG keine Abwägung mit dem öffentli-

98

Zur Beweislast vgl. Kopp, VwVfG, § 48 Rdnr. 56; Stelkens!Sachs, in: Stelkens! Bonk!Leonhardt, VwVfG, § 48 Rdnr. 29. 99 Erichsen, in: Erichsen! Martens, § 17 Rdnr. 16; Ule ! Laubinger, § 63 II 3 b; Kopp, VwVfG, § 49 Rdnr. 56; Johlen, NJW 1976, 2155 (2156); Maurer, BoorbergFestschrift, S. 223 (246). 100 Stelkens!Sachs, in: Stelkens!Bonk!Leonhardt, VwVfG, § 49 Rdnr. 51 f. 101 Klappstein, in: Knack, VwVfG, § 49 Rdnr. 7.3. 18 Bronnenmeyer

274

Dritter Abschnitt: Die Rechtsfolgen des Widerrufs

chen Interesse vorzunehmen ist 102 . Dies bestätigt § 49 Abs. 5 Satz 2 VwVfG, der nur auf § 48 Abs. 3 Satz 3 - 5 VwVfG, nicht aber auf § 48 Abs. 3 Satz 1 VwVfG verweist, der das Gebot der Abwägung mit dem öffentlichen Interesse enthält103. Ferner ist zu bedenken, daß öffentliche, gegen eine Entschädigung sprechende Belange - da die gegen eine Aufrechterhaltung des Verwaltungsakts sprechenden Gesichtspunkte bereits bei der (Ermessens-)Entscheidung über seinen Widerruf berücksichtigt wurden ohnehin nur in dem allgemeinen fiskalischen Interesse an der Vermeidung von Ausgaben erblickt werden kann. Diesem vermag bei der Rücknahme rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakte nach § 48 Abs. 3 VwVfG ein anderer rechtlicher Stellenwert zuzukommen als beim Widerruf rechtmäßiger Begünstigungen104. Die von § 48 Abs. 3 und § 49 Abs. 5 VwVfG vorgenommene Differenzierung beruht daher aufgrund der erhöhten Schutzwürdigkeit des von einem rechtmäßigen Verwaltungsakt Begünstigten nicht auf Willkür. (2) Die Kriterien

der Schutzwürdigkeit

Die Schutzwürdigkeit des Vertrauens ist folglich isoliert anhand des Verhaltens des Betroffenen zu beurteilen. Schutzwürdig ist das Vertrauen des Betroffenen demnach, wenn er den Eintritt der Widerrufsgründe nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 - 5 VwVfG nicht zu vertreten hat und nicht kennen muß 105 . Maßgeblich sind die Umstände des Einzelfalles. Keine Schutzwürdigkeit könnte z.B. vorliegen 1) im Falle des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG, wenn der Begünstigte die Tatsachenänderung (vorwerfbar) selbst herbeigeführt hat 106 ; 2) im Falle des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwVfG, wenn der Begünstigte (z.B. als Mitglied eines kommunalen Normsetzungsorgans) die Rechtsänderung vorhersehen kann; 3) im Falle des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 VwVfG, wenn der Begünstigte für den Eintritt der schweren Nachteile für das Gemeinwohl verantwortlich ist.

102

Kopp, VwVfG, § 49 Rdnr. 56. A.A. Stelkens /Sachs, in: Stelkens ! Bonkl Leonhardt, VwVfG, § 49 Rdnr. 52. 104 Erichsen, in: Erichsen I Martens, § 17 Rdnr. 16; Ule I Laubinger, § 63 II 3 b; Klappstein, in: Knack, VwVfG, § 49 Rdnr. 7; Maurer, Boorberg-Festschrift, S. 223 (255). 105 Vgl. Klappstein, in: Knack, VwVfG, §49 Rdnr. 7.3; Kopp, VwVfG, §49 Rdnr. 56 (der im übrigen auf § 254 BGB abstellt); Meyer, in: MeyerI Borgs, VwVfG, § 49 Rdnr. 42; Obermayer, VwVfG, § 49 Rdnr. 78; Erichsen, Jura 1981, 590 (594). 106 Ule!Laubinger, § 63 II 3 b; Kopp, VwVfG, § 49 Rdnr. 56. 103

§ 10 Der Entschädigungsanspruch nach § 49 V VwVfG

275

3. Die Ursächlichkeit des Vertrauens für den Vermögensnachteil Ein Entschädigungsanspruch entsteht nach § 49 Abs. 5 Satz 1 VwVfG nur, soweit der Betroffene den Vermögensnachteil dadurch erleidet, daß er auf den Bestand des Verwaltungsakts vertraut hat. Entschädigungsfähig sind damit nur solche Vermögensnachteile, die auf Vermögensverfügungen beruhen, die der Betroffene nach Erlaß und vor Widerruf der Begünstigung getätigt hat. Dies trifft etwa zu für die Kosten der Planung und Errichtung der genehmigten Anlage, aber auch für die Kosten ihrer Demontage107 nach Widerruf der Genehmigung. Kein entschädigungsfähiger Vermögensnachteil ist dagegen der Entzug der Begünstigung und der damit verbundenen Gewinnerwartungen 108 selbst, da dieser Nachteil nicht darauf beruht, daß der Betroffene auf den Bestand des Verwaltungsakts vertraut hat. So löst z.B. der Wertverlust des Grundstückes bei Widerruf der Baugenehmigung keine Entschädigung nach § 49 Abs. 5 VwVfG aus. Das gleiche gilt, wenn der Betroffene eine gewährte Geldleistung verbraucht und nach Widerruf des Verwaltungsakts zurückzuerstatten hätte. Dieser Anspruch des Hoheitsträgers kann kein Nachteil sein, den er nach § 49 Abs. 5 VwVfG wieder rückgängig zu machen hätte109.

III. Der fristgerechte Antrag des Betroffenen Nach § 49 Abs. 5 Satz 1 und 2 in Verbindung mit § 48 Abs. 3 Satz 5 VwVfG hängt der Entschädigungsanspruch schließlich von einem fristgerechten Antrag des Betroffenen ab.

1. Der Antrag Da eine bestimmte Form für den Antrag weder in § 49 Abs. 5 Satz 1 noch in § 48 Abs. 3 Satz 5 VwVfG vorgeschrieben ist, kann er schriftlich, mündlich oder auf andere Weise, z.B. konkludent gestellt werden 110. Dies folgt aus dem in § 10 VwVfG niedergelegten Grundsatz der Nichtförmlichkeit des

107

OLG Hamm, NVwZ 1990, 693 (696); Kopp, VwVfG, § 49 Rdnr. 56. Erichsen, in: ErichsenIMartens, § 17 Rdnr. 16; ders., Jura 1981, 590 (594). 109 Vgl. auch Klappstein, in: Knack, VwVfG, § 49 Rdnr. 7.1.3; Stelkens!Sachs, in: Stelkens!Bonk!Leonhardt, VwVfG, § 49 Rdnr. 55; Begründung, S. 73. 110 Vgl. Stelkens, in: Stelkens!Bonk!Leonhardt, VwVfG, § 22 Rdnr. 16. 108

18»

276

Dritter Abschnitt: Die Rechtsfolgen des Widerrufs

Verwaltungsverfahrens 111. Der Antrag muß an die Behörde gerichtet werden, die den Widerruf ausgesprochen hat und als inhaltliche Mindestanforderungen den Antragsteller und den Antragszweck erkennen lassen. Die zur Berechnung der Entschädigungshöhe notwendigen Tatsachen können nachgereicht werden 112.

2. Die Frist Nach § 49 Abs. 5 Satz 2 in Verbindung mit § 48 Abs. 3 Satz 5 VwVfG kann der Anspruch nur innerhalb eines Jahres geltend gemacht werden. Die Frist beginnt, sobald die Behörde den Betroffenen auf sie hingewiesen hat; ihre Berechnung ergibt sich aus § 31 VwVfG. Versäumt der Betroffene die Frist, ist unter den Voraussetzungen des § 32 VwVfG Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand möglich113. Die abweichende Auffassung von Kopp 114 findet im Gesetz keine Stütze.

C. Der Umfang des Entschädigungsanspruchs Berechnungsgrundlage für den (in Geld zu erfüllenden) Entschädigungsanspruch ist der Vermögensnachteil115, den der Betroffene durch sein schutzwürdiges Vertrauen auf den Bestand des Verwaltungsakts erlitten hat. Da § 49 Abs. 5 Satz 2 VwVfG auf § 48 Abs. 3 Satz 3 VwVfG verweist, ist der Vermögensnachteil jedoch nicht über den Betrag des Interesses hinaus zu ersetzen, den der Betroffene an dem Bestand des Verwaltungsakts hat. Das sogenannte positive Interesse bildet damit die Obergrenze des Entschädigungsanspruchs.

D. Die Durchsetzung des Entschädigungsanspruchs Die gerichtliche Durchsetzung des Entschädigungsanspruchs durch den Betroffenen geschieht nach § 49 Abs. 5 Satz 3 VwVfG auf dem Rechtsweg

111

Vgl. Stelkens, in: Stelkens / Bonkl Leonhardt, VwVfG, § 22 Rdnr. 16. Vgl. Obermayer, VwVfG, § 48 Rdnr. 127 f. 113 Meyer, in: MeyerI Borgs, VwVfG, § 48 Rdnr. 66; Obermayer, VwVfG, § 48 Rdnr. 142. 114 Kopp, VwVfG, § 48 Rdnr. 92. 115 Eine Entschädigung für immaterielle Nachteile ist nicht vorgesehen. Vgl. Klappstein, in: Knack, VwVfG, § 49 Rdnr. 7.4; Schenke, DÖV 1983, 320 (327). 112

§10 Der Entschädigungsanspruch nach § 49 V VwVfG

277

zu den ordentlichen Gerichten. Diese Zuweisung beruht auf den Bedenken des Gesetzgebers, der Entschädigungsanspruch sei enteignungsrechtlicher Natur 116 und daher nach Art. 14 Abs. 3 Satz 4 GG vor den Zivilgerichten zu verhandeln. Da über die Rechtmäßigkeit des vorangegangenen Widerrufs die Verwaltungsgerichte zu entscheiden haben, tritt - anders als bei § 48 Abs. 3, Abs. 6 VwVfG - eine Doppelspurigkeit der Rechtswege ein 117 . Eine Verpflichtungsklage nach § 42 VwGO auf Festsetzung der Entschädigung gemäß §§49 Abs. 5 Satz 2, 48 Abs. 3 Satz 4 VwVfG ist daher ebenso unzulässig118 wie eine allgemeine Leistungsklage vor dem Verwaltungsgericht auf Auszahlung einer festgesetzten Entschädigung. Statthafte Klageart vor dem ordentlichen Gericht ist die Leistungsklage, gerichtet auf Verurteilung zur Zahlung der vom Betroffenen geforderten Entschädigung. Eine Klage auf Verurteilung zur Festsetzung der Entschädigung wäre unzulässig, da es am Rechtsschutzbedürfnis fehlt. Der Kläger kann durch Leistungsklage weitergehenden Rechtsschutz erlangen.

116 117 118

Vgl. Begründung, S. 73; Ule ILaubinger, § 63 II 3 c. Kritisch dazu Achterberg, § 23 Rdnr. 86. A.A. offensichtlich Obermayer, VwVfG, § 49 Rdnr. 82.

Vierter

Abschnitt

Sonderprobleme beim Widerruf von Verwaltungsakten mit Doppelwirkung Der Widerruf von Verwaltungsakten mit sowohl begünstigender als auch belastender Wirkung - sogenannter Verwaltungsakte mit Doppelwirkung1 wirft besondere Schwierigkeiten auf, die bislang ausgeklammert blieben und nun zum Abschluß dieser Untersuchung erörtert werden sollen. Dabei sind auseinanderzuhalten Verwaltungsakte mit Mischwirkung und Verwaltungsakte mit Drittwirkung.

§ 11 Der Widerruf von Verwaltungsakten mit Mischwirkung Der Verwaltungsakt mit Mischwirkung ist dadurch gekennzeichnet, daß er die begünstigende und die belastende Rechtswirkung gegenüber demselben Betroffenen entfaltet. Als Beispiele sind Statusakte wie die Ernennung zum Beamten (Entstehung der Dienstpflicht einerseits und des Rechts auf Alimentation andererseits) und begünstigende Verwaltungsakte anzuführen, die mit einer belastenden Auflage ergehen oder einen Teil der beantragten Begünstigung ablehnen2.

A. Die Rechtslage im allgemeinen Der Widerruf von Verwaltungsakten mit Mischwirkung ist weder in § 49 VwVfG noch - anders als der Widerruf von Verwaltungsakten mit Drittwirkung - in § 50 VwVfG eigens geregelt. Es fragt sich daher, ob die Vorschriften über den Widerruf belastender oder über den Widerruf begünstigender Verwaltungsakte maßgeblich sind. Bei der Lösung des Problems ist zu differenzieren.

1 2

Zur Terminologie und zur Begriffsbestimmung siehe auch § 2 C.III. Vgl. Stelkens/Sachs, in: Stelkens/Bonk!Leonhardt, VwVfG, § 48 Rdnr. 83 ff.

er Widerruf von Verwaltungsakten mit

irkung

I. Bei Trennbarkeit der begünstigenden bzw. belastenden Regelungen Können die belastenden und die begünstigenden Elemente eines Verwaltungsaktes getrennt werden, so nimmt die herrschende Meinung an, daß die begünstigenden Regelungen nur unter den Einschränkungen der Vorschriften über den Widerruf begünstigender Verwaltungsakte, die belastenden Bestandteile dagegen nach den Bestimmungen über den Widerruf belastender Verwaltungsakte widerrufen werden können3. Dem ist zu folgen. Es besteht kein Anlaß, eine belastende (bzw. begünstigende), isoliert aufhebbare Teilregelung eines Verwaltungsakts deshalb den Vorschriften über den Widerruf begünstigender (bzw. belastender) Verwaltungsakte zu unterwerfen, weil sie mit einer Begünstigung (bzw. Belastung) in einem Verwaltungsakt zusammengefaßt ist.

II. Bei Untrennbarkeit der begünstigenden bzw. belastenden Regelungen Sind die begünstigenden und die belastenden Elemente eines Verwaltungsaktes - wie bei den Statusakten - untrennbar miteinander verbunden, wendet die herrschende Lehre stets die Vorschriften über den Widerruf begünstigender Verwaltungsakte auf den gesamten Verwaltungsakt an4, eine andere Meinung bestimmt den Gesamtcharakter des Verwaltungsakts nach der Interessenlage des Betroffenen 5. Richtigerweise wird man diese Verwaltungsakte grundsätzlich den Vorschriften über den Widerruf begünstigender Verwaltungsakte zu unterwerfen haben. Denn es wäre nicht einzusehen, daß eine Begünstigung unter den erleichterten Voraussetzungen des § 49 Abs. 1 VwVfG entziehbar sein sollte, weil sie mit einer Belastung untrennbar verbunden ist. Etwas anderes gilt allerdings, wenn der Betroffene den Widerruf des Verwaltungsakts mit Mischwirkung begehrt. Die Behörde hat hier eine Ermessensentscheidung nach § 49 Abs. 1 VwVfG zu treffen. Die Beschränkungen der Widerruflichkeit nach § 49 Abs. 2 VwVfG greifen nicht ein, da der Betroffene auf sie verzichtet hat. Zwar sind die Kautelen des § 49 Abs. 2 VwVfG grundsätzlich

3

Erichsen, in: Erichsen/Martens, § 15 Rdnr. 6; Ule/Laubinger, § 61 ΙΠ 2. Erichsen, in: Erichsen/Martens, § 15 Rdnr. 6; Ule/Laubinger, § 61 III 2; Kopp, VwVfG, § 48 Rdnr. 47; Stelkens / Sachs, in: Stelkens /Bonk/Leonhardt, VwVfG, § 48 Rdnr. 83. 5 Obermayer, VwVfG, § 48 Rdnr. 21. 4

280

Vierter Abschnitt: Widerruf von Verwaltungsakten mit Doppelwirkung

nicht disponibel6. Dies darf sich jedoch nicht zum Nachteil des Betroffenen auswirken und gilt nicht, wenn der Betroffene auf eine Begünstigung verzichtet, um eine damit verknüpfte Belastung zu beseitigen.

B· Die Verböserung eines belastenden Verwaltungsakts Eine Sonderfrage stellt sich in diesem Zusammenhang mit der sogenannten Verböserung rechtmäßiger belastender Verwaltungsakte.

I. Das Problem Nicht selten sieht sich eine Behörde veranlaßt, eine durch Verwaltungsakt ausgesprochene Belastung durch Erlaß eines weiteren, den Betroffenen stärker belastenden Verwaltungsakts zu verschärfen. Dies mag insbesondere im Abgabenrecht in Betracht kommen (z.B. wenn die Behörde erkennt, daß sie eine Gebühr zu niedrig festgesetzt hat), ist jedoch auch in anderen Bereichen denkbar. So kann etwa der Fall eintreten, daß die Bauaufsichtsbehörde zunächst die Abstützung eines baufälligen Hauses verfügt, um sodann seinen Abriß anzuordnen7. Ob ein solches Vorgehen zulässig ist, beurteilt sich zunächst nach der für den Erlaß der (neuen) Belastung geltenden materiellen Ermächtigungsgrundlage8, möglicherweise aber darüber hinaus anhand der Vorschriften der §§ 48, 49 VwVfG über die Rücknahme und den Widerruf begünstigender Verwaltungsakte. Letzteres würde voraussetzen, daß die Verböserung eines belastenden Verwaltungsakts als Aufhebung eines (auch) begünstigenden Verwaltungsakts mit Mischwirkung zu verstehen wäre. In der Regel wird sich diese Problematik im Zusammenhang mit der hier nicht weiter zu verfolgenden Rücknahme rechtswidriger Verwaltungsakte auftun. Denn meist erfolgt der Erlaß einer stärkeren Belastung deshalb, weil (wie im Falle der zu niedrig festgesetzten Gebühr) die ursprüngliche mildere Belastung rechtswidrig war. Es ist jedoch auch möglich, daß die Behörde eine rechtmäßig erlassene und rechtmäßig gebliebene Belastung aus Zweckmäßigkeitserwägungen verschärft — etwa wenn sie eine stärker belastende Ordnungsverfügung erläßt.

6 7 8

OVG Münster, DVB1. 1985, 532 (533). Vgl. Lange, WiVerw. 1979, 15 (18); Stelkens, JuS 1984, 930. Stelkens, JuS 1984, 930 (935).

er Widerruf von Verwaltungsakten mit

irkung

II. Die Auffassungen in Rechtsprechung und Literatur Die Lösung der geschilderten Frage ist umstritten. Die strengste Auffassung unterwirft die Verböserung der ursprünglichen Belastung den Schranken des direkt oder analog anwendbaren § 49 Abs. 2 und 5 VwVfG 9 . Eine andere Theorie fordert, daß die Verböserung nur unter Berücksichtung der schutzwürdigen Belange des Betroffenen im Rahmen der Ermessensentscheidung nach § 49 Abs. 1 VwVfG geschehen dürfe 10. Nach der dritten Auffassung dagegen soll die Verböserung grundsätzlich unbegrenzt möglich sein, soweit nicht das Verhältnismäßigkeitsprinzip entgegensteht11.

III. Stellungnahme Bei der Diskussion der Frage, ob die Ersetzung eines rechtmäßigen belastenden Verwaltungsakts durch einen stärker belastenden Verwaltungsakt nicht nur an der für den Erlaß der neuen Belastung maßgeblichen materiellen Rechtsgrundlage, sondern auch an den Vorschriften über den Widerruf des ursprünglichen Verwaltungsakts zu messen ist, wird man folgendes zu erwägen haben.

1. Die Anwendbarkeit der Vorschriften über den Widerruf begünstigender Verwaltungsakte Wären die Bestimmungen über den Widerruf begünstigender Verwaltungsakte anwendbar, könnte eine Belastung nur unter den Voraussetzungen des § 49 Abs. 2 VwVfG und gegebenenfalls mit der Rechtsfolge der Entschädigung nach § 49 Abs. 5 VwVfG durch eine stärkere Belastung ersetzt werden.

a) Die unmittelbare Anwendung § 49 Abs. 2 und 5 VwVfG wäre direkt anwendbar, wenn die Verböserung eines belastenden Verwaltungsakts als Widerruf eines (auch) begünstigenden Verwaltungsakts anzusehen wäre.

9 Erichsen, in: Erichsen!Martens, § 15 Rdnr. 6; Maurer, § 11 Rdnr. 15; Lange, Jura 1981, 456 (461 f.); Schenke, DÖV 1983, 320 (325 f.). 10 Lange, WiVerw. 1979, 15 (18 f.). 11 Stelkens, JuS 1984, 930. Vgl. auch BVerwGE 30, 132 (133 f.).

282

Vierter Abschnitt: Widerruf von Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (1) Das Vorliegen

eines begünstigenden Verwaltungsakts

Der zu verschärfende belastende Verwaltungsakt ist dann ein auch begünstigender Verwaltungsakt (mit Mischwirkung), wenn er für den Betroffenen ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt (§ 48 Abs. 1 Satz 2 VwVfG). Dies ist der Fall, wenn der Verwaltungsakt eine Regelung enthält, wonach die Behörde auf das (etwaige) Recht verzichtet, in gleicher Sache eine schärfere Belastung anzuordnen. Unproblematisch erfüllt ist diese Voraussetzung, wenn der Tenor eines sonst belastenden Verwaltungsakts ausdrücklich eine Regelung dieses Inhalts trifft 12. Fehlt es hieran, ist zu prüfen, ob eine stillschweigende Regelung des Inhalts, keine weitere Belastung zu treffen, vorliegt. In diesem Zusammenhang wird in der Literatur nun erwogen, ob nicht jeder belastende Verwaltungsakt konkludent zum Ausdruck bringt, daß der Betroffene in gleicher Sache nicht weiter belastet wird 13. Diese These wird man freilich nicht unterstützen können. Wollte man in jedem belastenden Verwaltungsakt gleichzeitig eine begünstigende Regelung des Inhalts erblicken, daß keine weitere Belastung erfolgt, würde man nicht nur die Unterscheidung zwischen belastenden und begünstigenden Verwaltungsakten weitgehend einebnen14 und dem Willen der Behörde Gewalt antun, sondern auch das Wesen stillschweigend erlassener Verwaltungsakte verkennen: Erforderlich ist ein eindeutiges Verhalten der Behörde, das der Betroffene als Verzicht auf weitergehende Belastungen in gleicher Sache verstehen darf 15. Solche besonderen "Umstände des Einzelfalles können z.B. erblickt werden in vorangegangenen streitigen Verhandlungen zwischen der Behörde und dem Betroffenen über die Höhe oder Art und Weise der Belastung und in Ausführungen in den Gründen des Verwaltungsakts, weshalb von einer stärkeren Belastung abgesehen werde. Fehlt es an einem derartigen Verhalten der Behörde, liegt keine still-

12

Schröder, JuS 1970, 615 (616). Erichsen, in: Erichsen!Martens, § 15 Rdnr. 6; Kopp, VwVfG, § 48 Rdnr. 48; Knoke, Rücknahme, § 3 III 1 a für gebundene Verwaltungsakte; Schenke, DÖV 1983, 320 (326) für Ermessensverwaltungakte. A.A. BayVGH, BayVBl. 1986, 499 (500); HessVGH, NJW 1981, 596 (597); OVG Lüneburg, NVwZ 1986, 780 (781); Stelkens/ Sachs, in: StelkensIBonk!Leonhardt, VwVfG, § 48 Rdnr. 85. Vgl. ferner HessVGH, NVwZ 1990, 383 (384). 13

14

Vgl. Schröder, JuS 1970, 615 (617). Konsequenterweise müßte man jeden begünstigenden Verwaltungsakt als belastend dergestalt ansehen, daß eine weitergehende Begünstigung versagt wird. 15 HessVGH, NJW 1981, 596 (597); OVG Lüneburg, NVwZ 1986, 780 (781). Vgl. femer BVerwGE 30, 132 (133); Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Leonhardt, VwVfG, § 35 Rdnr. 40 ff.; Schröder, JuS 1970, 615 (616).

er Widerruf von Verwaltungsakten mit

irkung

schweigende Begünstigung vor. Bloßes Schweigen ist kein konkludentes Handeln16. Geht der Betroffene dennoch davon aus, daß es mit der Belastung sein Bewenden habe, so manifestiert sich darin lediglich das allgemeine Vertrauen auf die Richtigkeit und Endgültigkeit staatlichen Handelns, nicht aber auf den Bestand einer im konkreten Fall getroffenen Regelung17.

(2) Die Verböserung als Widerruf Zu fragen ist ferner, ob die Ersetzung eines belastenden Verwaltungsakts durch eine stärkere Belastung überhaupt den Widerruf der ursprünglichen Belastung bedeutet18. Ohne weiteres zu bejahen ist dies, wenn die Behörde die ursprüngliche Belastung aufhebt und durch die endgültige Belastung ersetzt. Läßt die Behörde dagegen die ursprüngliche Belastung unangetastet und ergeht lediglich zusätzlich ein neuer Verwaltungsakt (z.B. ein weiterer Gebührenbescheid über die Differenz), liegt im Hinblick auf die belastende Regelung des vorangegangenen Verwaltungsakts keine Aufhebung und damit kein Widerruf vor 19. Anders ist es nur, wenn die ursprüngliche Belastung eine begünstigende Regelung des Inhalts getroffen hat, daß keine weitere Belastung erfolge. Fehlt es hieran, kann auch aus diesem Grunde keine direkte Anwendung des § 49 Abs. 2 und 5 VwVfG in Frage kommen.

b) Die entsprechende Anwendung Entfaltet der im übrigen belastende Verwaltungsakt keine (auch) begünstigende Wirkung, stellt sich die Frage der entsprechenden Geltung des § 49 Abs. 2 und 5 VwVfG.

(1) Die Regelungslücke Voraussetzung einer entsprechenden Anwendung der Vorschriften über den Widerruf begünstigender Verwaltungsakte wäre zunächst eine gesetzliche Regelungslücke im Hinblick auf die Verböserung belastender Verwaltungsakte. Ob diese bejaht werden kann, ist erheblichen Zweifeln ausgesetzt.

16 17 18 19

Vgl. Stelkens, in: StelkensIBonk!Leonhardt, VwVfG, § 35 Rdnr. 42. Im Ergebnis ebenso Schröder, JuS 1970, 615 (616 f.). Vgl. Schröder, JuS 1970, 615 (616); Stelkens, JuS 1984, 930 (931). Anders Schröder, JuS 1970, 615 (616).

284

Vierter Abschnitt: Widerruf von Verwaltungsakten mit Doppelwirkung

Beseitigt die Behörde den ursprünglichen belastenden Verwaltungsakt zugunsten der stärkeren Belastung, liegt der Widerruf eines belastenden Verwaltungsakts vor. Da aber § 49 Abs. 1 VwVfG die Widerruflichkeit der belastenden Verwaltungsakte umfassend normiert, bestehen gegen die Annahme einer Regelungslücke Bedenken, obwohl § 49 Abs. 1 VwVfG ersichtlich auf einen den Betroffenen ausschließlich begünstigenden Widerruf belastender Verwaltungsakte zugeschnitten ist. Denn nachdem der Gesetzgeber die Verböserung von (Steuer-)Verwaltungsakten in den §§172 ff. AO, nicht aber im zur selben Zeit erlassenen VwVfG einer Sonderregelung zugeführt hat, kann nicht angenommen werden, daß er die Problematik übersehen hat. Für den Bereich des VwVfG sollte es offensichtlich bei der Geltung der allgemeinen Regeln bleiben20. Beschränkt sich die Behörde dagegen darauf, den ursprünglichen Verwaltungsakt bestehen zu lassen und lediglich eine zusätzliche Belastung zu verfügen, liegt kein Widerruf der ursprünglichen Belastung vor. Die Vorschriften über den Widerruf begünstigender Verwaltungsakte wären dann entsprechend auf den Neuerlaß belastender Verwaltungsakte anzuwenden. Daß aber im Hinblick auf den Neuerlaß dieser Verwaltungsakte eine Regelungslücke vorliegt, kann nicht unterstellt werden. (2) Die sachliche Notwendigkeit

der entsprechenden Anwendung

Abgesehen davon dürfte auch keine grundsätzliche sachliche Notwendigkeit bestehen, die Verböserung (nur) belastender Verwaltungsakte an die Bestandskraft begünstigender Verwaltungsakte zu koppeln21. Denn das Vertrauen des Belasteten darauf, von einer schärferen Belastung in gleicher Sache verschont zu werden, ist dem Vertrauen des Begünstigten auf den Bestand einer Begünstigung nicht wesensgleich22. Im Falle der Begünstigung stützt sich das Vertrauen des Betroffenen auf die Unabänderlichkeit einer staatlich gesetzten Regelung. Im Falle der Belastung beruht das Vertrauen lediglich auf dem bisherigen Unterbleiben einer (stärker belastenden) Regelung, letztlich also auf einem rechtlichen Vakuum. Der ursprüngliche belastende Verwaltungsakt nämlich kann prinzipiell keinen Ansatzpunkt für schutzwürdiges Vertrauen liefern 23. Der Betroffene vertraut nicht darauf,

20

Stelkens, JuS 1984, 930 (934). A.A. Schenke, DÖV 1983, 320 (326). 22 Im Ergebnis ebenso BVerwGE 67, 129 (134). 23 Vgl. BVerwGE 67, 129 (134). - Anders kann es liegen, wenn der Betroffene im Vertrauen auf den Bestand der Belastung Aufwendungen zu ihrer Erfüllung macht (siehe § 10 B.I.l.b.). 21

er Widerruf von Verwaltungsakten mit

irkung

daß die Belastung Bestand hat, er wird vielmehr auf ihre Aufhebung hoffen. Anders verhält es sich - wie erwähnt - nur, wenn der Betroffene aufgrund besonderer Umstände davon ausgehen kann, daß es mit der ursprünglichen Belastung endgültig sein Bewenden habe24. Liegen solche Umstände vor, ist jedoch - wie ebenfalls bereits erwähnt - die Annahme eines (auch) begünstigenden Verwaltungsakts gerechtfertigt, so daß sich die Frage der entsprechenden Anwendung des § 49 VwVfG nicht stellt.

2. Die Berücksichtigung des schutzwürdigen Vertrauens auf den Bestand des belastenden Verwaltungsakts Die Problematik der Verböserung rechtmäßiger belastender Verwaltungsakte kann somit nicht nach § 49 Abs. 2 und 5 VwVfG ausgeräumt werden. Die Frage indes, ob schutzwürdige Belange des Betroffenen anderweitig gewahrt werden können, greift über die Dogmatik des Widerrufs rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakte hinaus. Es sollen daher folgende Andeutungen genügen: Eine Lösungsmöglichkeit eröffnet sich, sofern die Behörde den ursprünglichen belastenden Verwaltungsakt aufhebt, indem man das Interesse des Betroffenen, von einer stärkeren Belastung verschont zu bleiben, im Rahmen der Ermessensentscheidung nach § 49 Abs. 1 VwVfG berücksichtigt. Selbst dies wird freilich unter regelmäßigen Umständen im Ergebnis nicht zur Unzulässigkeit des Widerrufs führen. Zwar kann auch ein nach seinem Tenor belastender Verwaltungsakt Gegenstand schutzwürdigen Vertrauens sein25 und es bestehen keine Bedenken, ein Vertrauen des Betroffenen bei der Ermessensentscheidung über den Widerruf nach § 49 Abs. 1 VwVfG zu berücksichtigen26, ohne daß es hierfür einer verfassungskonformen Interpretation der Vorschrift bedürfte 27. Aber man wird davon ausgehen müssen, daß das Vertrauen des Betroffenen in den Bestand des belastenden Verwaltungsakts nur dann schutzwürdig ist, wenn besondere Umstände vorliegen, die eine Endgültigkeit der Regelung nahelegen28. Unter diesen Umständen freilich gilt - wie ausgeführt - zumeist bereits § 49 Abs. 2 und 5 VwVfG.

24

Vgl. BVerwGE 67, 129 (134); Knoke, Rücknahme, § 7 I 2 b cc. Vgl. BVerwGE 67, 129 (133); BVerwG, NVwZ 1988, 938 (940); Schröder, JuS 1970, 615 (619). 26 Knoke, Rücknahme, § 7 I 2 b cc; Lange, WiVerw. 1979, 15 (18). 27 A.A. Stelkens, JuS 1984, 930 (934 ff.). 28 Vgl. BVerwGE 67, 129 (134); BVerwG, NVwZ 1988, 938 (940). 25

286

Vierter Abschnitt: Widerruf von Verwaltungsakten mit Doppelwirkung

Hebt die Behörde dagegen den ursprünglichen belastenden Verwaltungsakt nicht auf, sondern beschränkt sie sich auf den Erlaß eines weiteren, ergänzenden belastenden Verwaltungsakts, ist eine Ermessensentscheidung nach § 49 Abs. 1 VwVfG nicht zu treffen. Eventuell schutzwürdige Belange des Betroffenen sind daher allenfalls im Rahmen der Ermessensentscheidung über den Erlaß des weiteren belastenden Verwaltungsakts nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu würdigen.

§ 12 Der Widerruf von Verwaltungsakten mit Drittwirkung Der Verwaltungsakt mit Drittwirkung zeichnet sich dadurch aus, daß die in ihm getroffene Regelung die begünstigende und die belastende Rechtswirkung gegenüber verschiedenen Personen, nämlich gegenüber dem Adressaten einerseits und dem Drittbetroffenen andererseits, hervorbringt 29. Zu unterscheiden sind zwei Spielarten, nämlich 1) Verwaltungsakte, die den Adressaten begünstigen und den Drittbetroffenen belasten (sogenannte drittbelastende Verwaltungsakte30); klassischer Fall ist die den Bauherren begünstigende, den Nachbarn belastende Baugenehmigung; 2) Verwaltungsakte, die den Adressaten belasten und den Drittbetroffenen begünstigen (sogenannte drittbegünstigende Verwaltungsakte31); als Beispiel sei die den Bauherren belastende, den Nachbarn begünstigende Abrißverfügung genannt. Keine Verwaltungsakte mit Drittwirkung sind dagegen solche Verwaltungsakte, deren drittbelastende oder drittbegünstigende Wirkungen nicht rechtlicher, sondern rein tatsächlicher Art sind32 (z.B. die rechtsreflexartigen Wirkungen einer Baugenehmigung gegenüber einem nicht benachbarten Eigentümer). Für diese Verwaltungsakte gelten keine Besonderheiten. Sie unterfallen uneingeschränkt den Vorschriften über (nur) begünstigende bzw.

29 Erichsen, in: Erichsen! Martens, § 18 Rdnr. 1; Ule ! Laubinger, § 64 I 1; Horn, Drittanfechtung, § 3 I 2 b. Siehe ferner § 2 C.III. 30 Erichsen, in: Erichsen! Martens, § 18 Rdnr. 1; Ule ! Laubinger, § 64 I 1; Horn, Drittanfechtung, § 3 I 2 b aa. 31 Erichsen, in: Erichsen! Martens, § 18 Rdnr. 1; Ule ! Laubinger, § 64 I 1; Horn, Drittanfechtung, § 3 I 2 b bb. 3 UleLaubinger, § 64 I .

er Widerruf von Verwaltungsakten mit D i r k u n g belastende Verwaltungsakte33. Der Widerruf der Verwaltungsakte mit Drittwirkung indes wirft, obwohl er in § 50 VwVfG teilweise geregelt ist, erhebliche Zweifelsfragen auf.

A. Die Rechtslage bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 50 VwVfG § 50 VwVfG ordnet an, daß § 48 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 - 4 und Abs. 6 sowie § 49 Abs. 2, 3 und 5 VwVfG nicht gelten, „wenn ein begünstigender Verwaltungsakt, der von einem Dritten angefochten worden ist, während des Vorverfahrens oder während des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens aufgehoben wird, soweit dadurch dem Widerspruch oder der Klage abgeholfen wird". Obwohl die Vorschrift nicht vom Verwaltungsakt mit Drittwirkung oder von einem Verwaltungsakt mit sowohl begünstigender als auch belastender Wirkung spricht, unterliegt es keinem vernünftigen Zweifel, daß § 50 VwVfG mit dem von ihm nur als „begünstigend" apostrophierten Verwaltungsakt auch und insbesondere den zugleich eine andere Person belastenden Verwaltungsakt meint34, denn nur dieser wird in der Regel von einem Dritten angefochten werden. Andererseits regelt § 50 VwVfG die Widerruflichkeit von Verwaltungsakten mit Drittwirkung nicht umfassend 35, sondern nur unter den zitierten Voraussetzungen. Diese bedürfen näherer Betrachtung.

I. Die Voraussetzungen des § 50 VwVfG Um die Tragweite der Tatbestandsmerkmale des § 50 VwVfG zutreffend erfassen zu können, ist es zunächst erforderlich, den Zweck der Vorschrift zu ermitteln.

33

Vgl. Erichsen, in: Erichsen/Martens, § 18 Rdnr. 4. Vgl. Erichsen, in: Erichsen/Martens, § 18 Rdnr. 5; Maurer, § 11 Rdnr. 69; Ule/Laubinger, § 64 I; Klappstein, in: Knack, VwVfG, § 50 Rdnr. 2.1, 4.3; Kopp, VwVfG, § 50 Rdnr. 7, 10; Meyer, in: Meyer! Borgs, VwVfG, § 50 Rdnr. 8; Obermayer, VwVfG, § 50 Rdnr. 6; Allesch, Widerspruchsverfahren, S. 220; Knoke, Rücknahme, § 13 I 1. 35 Ule / Laubinger, § 64 I 2. 34

288

Vierter Abschnitt: Widerruf von Verwaltungsakten mit Doppelwirkung 1. Der Zweck des § 50 VwVfG

Ohne daß man die Bedeutung der Nichtgeltung des § 49 Abs. 2, 3 und 5 VwVfG bereits an dieser Stelle eingehend analysieren müßte, kann man sagen, daß § 50 VwVfG die Widerruflichkeit rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakte erleichtern soll36. Stellt man die Frage, welchen Zweck die Vorschrift damit verfolgt, findet man im Schrifttum und in der amtlichen Begründung den Hinweis auf den Rechtsschutz des belasteten Dritten 37 und auf das Fehlen schutzwürdigen Vertrauens des Begünstigten38. Es ist indes nicht ohne weiteres plausibel, inwieweit diese Gesichtspunkte die Ratio des § 50 VwVfG, soweit er die Geltung des § 49 Abs. 2, 3 und 5 VwVfG derogiert, erklären können.

a) Die Beseitigung des Vertrauensschutzes zu Lasten des Begünstigten Es trifft sicher im Grundsatz zu, daß der Begünstigte, ficht ein Dritter den Verwaltungsakt an, mit dessen Aufhebung rechnen muß und nicht auf den Bestand der Begünstigung vertrauen kann39. Mit dieser Feststellung ist allerdings nur der legitimierende Grund für die Durchbrechung des verfassungsrechtlich abgesicherten Prinzips von der Unwiderruflichkeit rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakte40 genannt, nicht aber der Zweck des § 50 VwVfG. Denn das Fehlen schutzwürdigen Vertrauens allein gibt noch keine Veranlassung, den Verwaltungsakt tatsächlich aufzuheben.

b) Der Schutz des belasteten Dritten Es ist daher zu klären, ob § 50 VwVfG den Schutz des Begünstigten in der Tat zugunsten des belasteten Drittbetroffenen beseitigt.

36 Begründung, S. 73 f.; Erichsen, in: Erichsen!Martens, §18 Rdnr. 6; Kopp, VwVfG, § 50 Rdnr. 2. 37 Vgl. Begründung, S. 74; Klappstein, in: Knack, VwVfG, § 50 Rdnr. 3; Knoke, Rücknahme, § 11. 38 Begründung, S. 74; Kopp, VwVfG, § 50 Rdnr. 2; Meyer, in: Meyer/Borgs, VwVfG, § 50 Rdnr. 2; Allesch, Widerspruchsverfahren, S. 215. Zum Aspekt der Verfahrensökonomie vgl. Maurer, § 11 Rdnr. 69. 39 Begründung, S. 74; Maurer, § 11 Rdnr. 69; Knoke, Rücknahme, § 11. 40 Vgl. § 3 A.II.

§ 12 Der Widerruf von Verwaltungsakten mit Drittwirkung

289

Die amtliche Begründung führt aus, im Rechtsbehelfsverfahren müsse die Befugnis der Behörde zur Rücknahme und zum Widerruf erweitert werden, „soll sich der Bestandsschutz für den Begünstigten nicht als Verminderung des Rechtsschutzes anderer auswirken"41. Bereits die historische Auslegung zwingt somit zu dem Schluß, daß § 50 VwVfG den Schutz des Drittbelasteten, nicht aber des öffentlichen Interesses schlechthin bezweckt. Sie wird bestätigt von systematischen Überlegungen. Es wurde bereits erläutert 42, daß § 49 Abs. 2 VwVfG aus verfassungsrechtlichen Gründen als eng auszulegende Ausnahmevorschrift zu behandeln ist. Dies zwingt auch zu einer restriktiven Interpretation des § 50 VwVfG, soweit er den Schutz des § 49 Abs. 2 VwVfG außer Kraft setzt. Hätte aber § 50 VwVfG die Förderung beliebiger öffentlicher Interessen statt der Belange des Drittbetroffenen im Auge, hätte dies eine extensive, keine einschränkende Auslegung zur Folge. Die These, wonach § 50 VwVfG auf den Schutz des Drittbetroffenen abhebt, sieht sich allerdings zwei Einwänden gegenüber. Erstens vermag sie die von § 50 VwVfG angeordnete Nichtgeltung des § 49 Abs. 5 VwVfG nicht befriedigend zu erklären. Für den Drittbetroffenen ist es ohne Belang, ob die ihn belastende Regelung mit oder ohne Entschädigung für den Begünstigten widerrufen wird. Selbst wenn man unterstellt, daß die Behörde sich zu einem Widerruf ohne Entschädigungszahlung leichter durchringt, wird dieser Vorteil dadurch aufgewogen, daß der Begünstigte sich gegen einen entschädigungslosen Widerruf mit mehr Nachdruck zur Wehr setzt. Dieser Befund stellt gleichwohl die hier vertretene Meinung nicht ernsthaft in Frage. Dem Gesetzgeber bleibt es unbenommen, im Rahmen einer Regelung, die auf den Schutz des Drittbetroffenen abzielt, quasi nebenbei Bestimmungen zu treffen, die öffentliche Vorteile wahren, auch wenn dies als wenig folgerichtig erscheinen mag. Zweitens ist aber in Erinnerung zu rufen, daß sich § 49 VwVfG in seinem unmittelbaren Anwendungsbereich mit rechtmäßigen, nicht mit rechtswidrig gewordenen Verwaltungsakten befaßt 43. § 50 VwVfG hebt die strengen Widerrufsgrenzen des § 49 Abs. 2 und 3 VwVfG folglich in Konstellationen auf, in denen der Rechtskreis des Drittbelasteten nicht in rechtswidriger Weise verletzt wurde. Wenn der Dritte aber zu Recht durch den begünstigenden Verwaltungsakt beschwert wird, fragt sich, weshalb § 50 VwVfG die Schranken des § 49 Abs. 2 und 3 VwVfG zu seinen Gunsten aufheben sollte: § 50 VwVfG kann nicht den Vorteil eines rechtlich gänzlich schutzunwürdigen

41 42 43

Begründung, S. 74. Siehe § 3. Siehe § 2 B.

19 Bronnenmeyer

290

Vierter Abschnitt: Widerruf von Verwaltungsakten mit Doppelwirkung

Dritten im Blick haben, da dies kein sachlicher Grund wäre, dem Begünstigten den Schutz des § 49 VwVfG zu entziehen. Der Zweck des § 50 VwVfG kann folglich nur darin bestehen, die Belange des Dritten in Situationen zu wahren, in denen die Begünstigung seine Rechte zwar nicht verletzt, aber doch in einer Weise schmälert, daß die Rechte des Drittbetroffenen im Rahmen einer Ermessensentscheidung über den Erlaß bzw. die Aufhebung der Begünstigung zu berücksichtigen sind44: § 50 VwVfG dient, soweit er den Widerruf erleichtert, dem Schutz des in seinen Rechten nicht verletzten, aber betroffenen Dritten.

2. Die Voraussetzungen des § SO VwVfG im einzelnen Daraus ergibt sich für die Interpretation der Tatbestandsvoraussetzungen des § 50 VwVfG folgendes:

a) Die Anfechtung des begünstigenden Verwaltungsakts durch einen Dritten § 50 VwVfG gilt zunächst nur, wenn ein begünstigender Verwaltungsakt von einem Dritten angefochten worden ist. Diese Klausel bedarf in mehrfacher Hinsicht der Erläuterung.

(1) Der begünstigende Verwaltungsakt So ist schon fraglich, was § 50 VwVfG unter einem begünstigenden Verwaltungsakt versteht. Der Wortlaut der Vorschrift scheint in erster Linie diejenigen Verwaltungsakte zu erfassen, die ausschließlich begünstigende Rechtswirkungen im Sinne der Legaldefinition des § 48 Abs. 1 Satz 2 VwVfG hervorbringen und den anfechtenden Dritten nur faktisch, nicht rechtlich belasten. Aufgrund des soeben erarbeiteten Zwecks des § 50 VwVfG, die Belange des rechtlich betroffenen Dritten zu wahren, müssen diese Verwaltungsakte ohne Drittwirkung jedoch aus dem Anwendungsbereich der Vorschrift ausgeschieden werden. Es geht nicht an, dem Begünstigten den Schutz des § 49 VwVfG zu entziehen, obwohl kein Dritter von der Begünstigung in rechtserheblicher Weise tangiert wird 45.

44

Vgl. Erichsen, in: Erichsen/Martens, § 18 Rdnr. 12; Ule ! Laubinger, § 64 I 2 c; Allesch, Widerspruchsverfahren, S. 215; Schenke, DÖV 1983, 320 (328). 5 UleLaubinger, § 64 I 2 .

§ 12 Der Widerruf von Verwaltungsakten mit Drittwirkung

291

Es entspricht vielmehr - wie bereits erwähnt - einhelliger Auffassung, daß § 50 VwVfG auf begünstigende Verwaltungsakte mit drittbelastender Wirkung anzuwenden ist, obwohl diese Verwaltungsakte nicht nur „begünstigende" Rechtswirkungen hervorbringen. Dieser Auffassung ist zuzustimmen, da die Ratio des § 50 VwVfG - Schutz des Drittbetroffenen bei Schutzunwürdigkeit des Begünstigten - auf diese Verwaltungsakte zugeschnitten ist. Es besteht ferner keine Veranlassung, die Geltung des § 50 VwVfG für belastende Verwaltungsakte mit drittbegünstigender Wirkung zu verneinen, da kein sachlicher Grund erkennbar ist, den Drittbegünstigten besser zu stellen als den begünstigten Adressaten eines Verwaltungsakts46.

(2) Die Anfechtung durch einen Dritten Fraglich ist weiter, wann der Verwaltungsakt von einem Dritten, also einer mit dem Begünstigten nicht identischen Person47, „angefochten worden ist".

(a) Der Begriff der Anfechtung Streitig ist erstens, welche Rechtsbehelfe des Dritten begrifflich als Anfechtung im Sinne des § 50 VwVfG qualifiziert werden können. Während die herrschende Meinung nur den Widerspruch nach §§68 ff. VwGO und die Anfechtungsklage nach § 42 VwGO genügen läßt48, sieht Klappstein auch einen Antrag auf Wiederaufgreifen des Verfahrens nach § 51 VwVfG als Anfechtung an49. Zuzustimmen ist der herrschenden Meinung. Unter der Anfechtung eines Verwaltungsakts versteht die verwaltungsrechtliche und die verwaltungsprozeßrechtliche Terminologie den förmlichen Rechtsbehelf gegen Verwaltungsakte, also Widerspruch und Anfechtungsklage. Weitere Rechtsbehelfe, wie etwa der Antrag auf Wiederaufgreifen des Verfahrens, die Nichtigkeitsfest-

46

Meyer, in: MeyerIBorgs, VwVfG, § 50 Rdnr. 8; Obermayer, VwVfG, § 50 Rdnr. 7; Allesch, Widerspruchsverfahren, S. 220 f. A.A. Knoke, Rücknahme, § 13 I 1. 47 Klappstein, in: Knack, VwVfG, § 50 Rdnr. 4.3; Obermayer, VwVfG, § 50 Rdnr. 10. 48 Ule I Laubinger, § 64 I 2 a; Kopp, VwVfG, § 50 Rdnr. 2; Obermayer, VwVfG, § 50 Rdnr. 12; Stelkens!Sachs, in: Stelkens!Bonk/Leonhardt, VwVfG, § 50 Rdnr. 35. 49 Klappstein, in: Knack, VwVfG, § 50 Rdnr. 4.4. 19•

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Vierter Abschnitt: Widerruf von Verwaltungsakten mit Doppelwirkung

stellungsklage, die Klage auf Rücknahme oder Widerruf des Verwaltungsakts oder gar eine Aufsichtsbeschwerde oder Gegenvorstellung, werden davon nicht erfaßt. Die entsprechende Anwendung des § 50 VwVfG auf solche Rechtsbehelfe aber scheitert schon an der bereits erwähnten Notwendigkeit der restriktiven Interpretation der Bestimmung. Gegen die Einbeziehung des Antrags auf Wiederaufgreifen des Verfahrens spricht zusätzlich die Tatsache, daß § 50 VwVfG nur während des Vorverfahrens und während des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens gilt und soweit dem Widerspruch oder der Klage abgeholfen wird. Abgesehen davon ist schließlich zu bedenken, daß die genannten weiteren Rechtsbehelfe, insbesondere der Antrag auf Wiederaufgreifen des Verfahrens, in der Regel nach Ablauf der Anfechtungsfrist erhoben werden. Ist der Verwaltungsakt jedoch formell bestandskräftig, spricht auch das Gebot des Vertrauensschutzes zugunsten des Begünstigten gegen die Anwendung des § 50 VwVfG. Denn nach Ablauf der Rechtsbehelfsfristen kann der Begünstigte wenigstens prinzipiell darauf vertrauen, daß der Dritte gegen den Verwaltungsakt nicht mehr erfolgreich vorgehen kann50

(b) Die Einlegung des Rechtsbehelfs Streitig ist zweitens, ob Widerspruch bzw. Anfechtungsklage tatsächlich erhoben worden sein müssen, wie die herrschende Meinung dies verlangt51, oder ob es genügt, daß sie zulässigerweise noch erhoben werden können52. § 50 VwVfG trifft insoweit eine eindeutige Aussage. Die Vorschrift verlangt ausdrücklich, daß der Verwaltungsakt „angefochten worden ist" und läßt es nicht genügen, daß der Verwaltungsakt angefochten werden könnte53. Ferner ist eine Abhilfe während des Rechtsbehelfsverfahrens nur möglich, wenn ein Rechtsbehelf eingelegt ist54.

50

Kopp, VwVfG, § 50 Rdnr. 2. Erichsen, in: Erichsen!Martens, § 18 Rdnr. 13; Maurer, § 11 Rdnr. 69; Ule! Laubinger, § 64 I 2 a ; Klappstein, in: Knack, VwVfG, § 50 Rdnr. 3.5; Kopp, VwVfG, § 50 Rdnr. 11; Meyer, in: Meyer!Borgs, VwVfG, § 50 Rdnr. 9; Allesch, Widerspruchsverfahren, S. 221; Knoke, Rücknahme, § 13 I 3. Ebenso Begründung, S. 74. 52 So Horn, Drittanfechtung, § 5 IV 5; ders., DÖV 1990, 864; Schenke, DÖV 1983, 320 (324). 53 Ule ! Laubinger, § 64 I 2 a; Allesch, Widerspruchsverfahren, S. 221. 54 Ule ! Laubinger, § 64 I 2 a; Allesch, Widerspruchsverfahren, S. 221. 51

er Widerruf von Verwaltungsakten mit D i r k u n g Ob im Falle der Rechtswidrigkeit des begünstigenden Verwaltungsakts vor Eintritt seiner Unanfechtbarkeit im Hinblick auf den Aufhebungsanspruch eines in seinen Rechten verletzten Dritten etwas anderes gilt, wie dies mit guten Gründen vertreten wird 55, kann hier offen bleiben. Beim Widerruf rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakte besteht kein Aufhebungsanspruch des Dritten.

(c) Die Zulässigkeit der Anfechtung Streitig ist ferner, ob § 50 VwVfG die Zulässigkeit des vom Dritten eingelegten Rechtsbehelfs voraussetzt. Die herrschende Meinung verlangt dies56; Ule /Laubinger sind gegenteiliger Auffassung 57. Eine weitere Meinung wendet § 50 VwVfG nur an, wenn der Rechtsbehelf nicht offensichtlich unzulässig ist58. Auch insoweit muß man sich der herrschenden Einschätzung anschließen. Zum einen nämlich legt schon der Wortlaut des § 50 VwVfG nahe, die Zulässigkeit des Rechtsbehelfs zu fordern. § 50 VwVfG verlangt, daß durch die Aufhebung des Verwaltungsakts mit Drittwirkung „dem Widerspruch oder der Klage abgeholfen wird" 59. Unter Abhilfe versteht aber das Verwaltungsprozeßrecht, wie § 72 VwGO zeigt, die Aufhebung des angefochtenen Verwaltungsakts aufgrund eines zulässigen und begründeten Widerspruchs. Freilich ist dieses Argument noch nicht zwingend, weil § 50 VwVfG den Begriff der Abhilfe - wie noch zu zeigen sein wird - nicht im engen verwaltungsprozeßrechtlichen Sinne versteht. Letztlich verlangt jedoch der Zweck des § 50 VwVfG das Vorliegen einer zulässigen Anfechtung. Zunächst hängt es schon von den Umständen des Einzelfalles ab, ob der Schutz des belasteten Dritten trotz Unzulässigkeit

55

Horn, DÖV 1990, 864; Schenke, DÖV 1983, 320 (324). BVerwG, BayVBl. 1991, 121 (122); NVwZ 1983, 285; OVG Münster, NVwZ 1989, 72; Erichsen, in: Erichsen!Martens, § 18 Rdnr. 13; Maurer, § 11 Rdnr. 69; Klappstein, in: Knack, VwVfG, § 50 Rdnr. 4.1; Meyer, in: Meyer! Borgs, VwVfG, § 50 Rdnr. 11; Obermayer, VwVfG, § 50 Rdnr. 13; Allesch, Widerspruchsverfahren, S. 221 f.; Knoke, Rücknahme, § 13 II 2; Lange, Jura 1980, 456 (464); Gusy, GewArch. 1988, 322 (325). 57 Ule!Laubinger, § 64 I 2 c. 58 Kopp, VwVfG, § 50 Rdnr. 14; Stelkens!Sachs, in: Stelkens!Bonk!Leonhardt, VwVfG, § 50 Rdnr. 61. 59 Maurer, § 11 Rdnr. 69; Meyer, in: Meyer! Borgs, VwVfG, § 50 Rdnr. 11; Allesch, Widerspruchsverfahren, S. 221. 56

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Vierter Abschnitt: Widerruf von Verwaltungsakten mit Doppelwirkung

seines Rechtsbehelfs überhaupt erreichbar ist. Zu verneinen ist dies, wenn der Rechtsbehelf unzulässig ist, weil der Dritte in seinen Rechten nicht betroffen, also nicht anfechtungsbefugt ist. Zu bejahen könnte es sein, wenn der Dritte durch den angegriffenen Verwaltungsakt zwar in seinen Rechten betroffen ist, die Anfechtungsfrist jedoch versäumt hat. Fraglich ist aber, ob in diesen Fällen die weitere Prämisse des § 50 VwVfG, fehlende Schutzwürdigkeit des Begünstigten, erfüllt ist. Nun könnte man zwar argumentieren, daß bereits die Einlegung eines Rechtsbehelfs an sich geeignet ist, berechtigtes Vertrauen des Begünstigten in den Bestand des Verwaltungsakts zu zerstören, weil der Begünstigte mit der Aufhebung rechnen muß. Damit kann es aber nicht sein Bewenden haben. Denn der Betroffene darf darauf vertrauen, daß nach den Vorschriften der §§ 72, 113 VwGO nur ein zulässiger Rechtsbehelf zur Aufhebung der Begünstigung führt 60, da unzulässige Rechtsbehelfe zurückzuweisen sind, ohne daß die Behörde oder das Gericht in eine Sachprüfung eintritt 61. Deshalb ist nach der typisierenden Betrachtungsweise des § 50 VwVfG in jedem Falle die Zulässigkeit der Anfechtung zu verlangen, ohne daß es auf die konkreten Umstände und die Offensichtlichkeit der Unzulässigkeit des Rechtsbehelfs ankäme. Somit bleibt es bei der Geltung des § 49 Abs. 2, 3 und 5 VwVfG insbesondere, wenn der Rechtsbehelf des Dritten unzulässig ist, weil 1) er unstatthaft ist 62 , z.B. wenn der Drittbetroffene einen Widerspruch einlegt, obwohl das Vorverfahren nach §§68 ff. VwGO gesetzlich ausgeschlossen ist; 2) die Widerspruchs- oder Klagefrist versäumt wurde 63; 3) keine Anfechtungsbefugnis nach § 42 Abs. 2 VwGO besteht.

(d) Die Begründetheit der Anfechtung Die schließlich ebenfalls umstrittene Frage, ob § 50 VwVfG davon ausgeht, daß der Rechtsbehelf des Dritten nicht nur zulässig, sondern auch begründet ist64, kann, sofern es um die Geltung der Widerrufsregeln des § 49

60

Vgl. Allesch, Widerspruchsverfahren, S. 221; Schenke, DÖV 1983, 320 (328). Allesch, Widerspruchsverfahren, S. 222. 62 Ule / Laubinger, § 64 I 2 a. 63 Zum Eintritt der formellen Bestandskraft bei Verwaltungsakten mit Drittwirkung vgl. Erichsen/Knoke, NVwZ 1983, 185 (186 f.); Gusy, GewArch. 1988, 322. Siehe femer Klappstein, in: Knack, VwVfG, § 50 Rdnr. 4.2. 64 Vgl. BVerwG, BayVBl. 1991, 121 (122); OVG Münster, NVwZ 1989, 72 (73); Maurer, § 11 Rdnr. 69; Ule / Laubinger, § 64 I 2 c; Klappstein, in: Knack, VwVfG, 61

er Widerruf von Verwaltungsakten mit D i r k u n g Abs. 2, 3 und 5 VwVfG geht, nicht ohne weiteres beantwortet werden. Man müßte sie verneinen, wenn Widerspruch und Anfechtungsklage bei Vorliegen eines rechtmäßigen Verwaltungsakts niemals begründet sein könnten — wollte man sie unter dieser Voraussetzung bejahen, wäre § 50 VwVfG gegenstandslos, was die Derogation des § 49 Abs. 2, 3 und 5 VwVfG angeht65. In der Tat ist die Anfechtungsklage gegen einen rechtmäßigen drittbelastenden Verwaltungsakt stets unbegründet, weil § 113 VwGO auf die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts abstellt. Anders liegt es jedoch beim Widerspruch. Dieser ist nach § 68 Abs. 1 Satz 1 VwGO nicht nur begründet, wenn der Verwaltungsakt rechtswidrig ist, sondern auch, wenn er rechtmäßig, aber unzweckmäßig ist. Damit ist es denkbar, daß ein rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakt mit drittbelastender Wirkung durch einen begründeten Rechtsbehelf angefochten wird. § 50 VwVfG verbleibt folglich ein Anwendungsbereich, selbst wenn man die Begründetheit der Anfechtung verlangt66. Stellt man nun die Frage, ob § 50 VwVfG die Begründetheit des Rechtsbehelfs in diesem Sinne voraussetzt, wird man auch dies bejahen müssen. Dafür spricht nicht nur das Gebot der einschränkenden Auslegung des § 50 VwVfG und die Verwendung des an § 72 VwGO anknüpfenden Begriffs der Abhilfe in § 50 VwVfG 6 7 , sondern auch der Zweck der Bestimmung. Der Entzug des Vertrauensschutzes für den Begünstigten einerseits und der Schutz des Drittbelasteten andererseits sind nur angebracht, wenn der Dritte wenigstens in unzweckmäßiger Weise in seinen Rechten betroffen ist68. Fehlt es daran, besteht für die Aufweichung des Vertrauensschutzes zu Lasten des Begünstigten kein nach Art. 3 Abs. 1 GG ausreichender sachlicher Grund. Daraus folgt weiter, daß die Unzweckmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts gerade auf der Belastung des Drittbetroffenen beruhen69

§ 50 Rdnr. 4.1; Kopp, VwVfG, § 50 Rdnr. 14; Meyer, in: Meyer!Borgs, VwVfG, § 50 Rdnr. 12 ff.; Obermayer, VwVfG, § 50 Rdnr. 14; Stelkens ! Sachs, in: Stelkens! Bonk!Leonhardt, VwVfG, § 50 Rdnr. 59 ff.; Allesch, Widerspruchsverfahren, S. 222 ff.; Knoke, Rücknahme, § 13 II 3; Schenke, DÖV 1983, 320 (328). 65

Vgl. OVG Münster, NVwZ 1989, 72 (73); Schenke, DÖV 1983, 320 (328). Allesch, Widerspruchsverfahren, S. 224. Unzutreffend OVG Münster, NVwZ 1989, 72 (73). Vgl. auch Meyer, in: Meyer/Borgs, VwVfG, § 50 Rdnr. 13; Lange, Jura 1980, 456 (464). 67 Knoke, Rücknahme, § 13 II 3. 68 Schenke, DÖV 1983, 320 (328). Vgl. auch Erichsen, in: Erichsen!Martens, § 18 Rdnr. 13; Klappstein, in: Knack, VwVfG, § 50 Rdnr. 4.1; Kopp, VwVfG, § 50 Rdnr. 14. 69 Ähnlich Knoke, Rücknahme, § 13 II 1. A.A. wohl OVG Münster, NVwZ 1989, 72 (73); Kopp, VwVfG, § 50 Rdnr. 13; Meyer, in: Meyer!Borgs, VwVfG, § 50 Rdnr. 14. 66

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Vierter Abschnitt: Widerruf von Verwaltungsakten mit Doppelwirkung

und es für die Anwendung des 50 VwVfG, ist bereits eine Anfechtungsklage anhängig, genügen muß, daß der vorangegangene Widerspruch in der soeben definierten Weise begründet, der Verwaltungsakt also unzweckmäßig war 70. Denn es kann unter dem Aspekt des Schutzes des Drittbetroffenen keinen Unterschied machen, ob die zum Widerruf befugte Behörde71 die Unzweckmäßigkeit der Belastung während des Widerspruchsverfahrens oder erst während des Klageverfahrens erkennt.

(e) Zusammenfassung Im Ergebnis liegt eine die Anwendung des § 50 VwVfG eröffnende Anfechtung des Verwaltungsakts somit nur vor, wenn 1) der Drittbetroffene den Verwaltungsakt durch Einlegung eines Widerspruchs nach §§68 ff. VwGO oder Erhebung einer Anfechtungsklage nach § 42 VwGO tatsächlich angegriffen hat, und 2) Widerspruch oder Anfechtungsklage zulässig sind, und 3) die Belastung des Dritten als unzweckmäßig im Sinne des § 68 Abs. 1 Satz 1 VwGO angesehen werden kann.

b) Die Aufhebung während des Vorverfahrens oder während des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens Weitere Voraussetzung des Wegfalls der Schranken des § 49 VwVfG ist nach § 50 VwVfG, daß der Verwaltungsakt „während des Vorverfahrens oder während des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens" aufgehoben wird. Diese offensichtlich an der Vorstellung orientierte Regelung, daß der Entzug des Vertrauensschutzes nur während des Rechtsbehelfsverfahrens, nicht aber vorher und nachher72 gerechtfertigt ist, wirft keine sonderlichen Schwierigkeiten auf. Das Vorverfahren nach §§68 ff. VwGO beginnt mit der Einlegung des Widerspruchs bei der Behörde und endet mit der Unanfechtbarkeit eines Abhilfe- oder Widerspruchsbescheides oder mit der Erledigung

70 Vgl. Erichsen, in: Erichsen!Martens, § 18 Rdnr. 12; Maurer, § 11 Rdnr. 69; Ule!Laubinger, § 64 II 2 c; Kopp, VwVfG, § 50 Rdnr. 4, 13. A.A. Klappstein, in: Knack, VwVfG, § 50 Rdnr. 3.3; Lange, Jura 1980, 456 (464). 71 Zur fehlenden Widerrufsbefugnis der Widerspruchsbehörde nach Abschluß des Vorverfahrens vgl. § 5 E.II.3. 72 Vgl. Stelkens ! Sachs, in: Stelkens ! Bonk! Leonhardt, VwVfG, § 50 Rdnr. 56.

er Widerruf von Verwaltungsakten mit D i r k u n g des Widerspruchsverfahrens 73. Das verwaltungsgerichtliche Verfahren beginnt mit der Klageerhebung und endet durch die Rechtskraft einer gerichtlichen Entscheidung, Klagerücknahme, Abschluß eines Prozeßvergleichs oder durch übereinstimmende Erledigungserklärung 74.

c) Die Abhilfe durch den Widerruf Schließlich verlangt § 50 VwVfG, daß der Widerruf dem Widerspruch oder der Klage abhilft. Damit kann nicht die Abhilfe im rechtstechnischen Sinne des § 72 VwGO gemeint sein75, da einerseits die Abhilfeentscheidung des § 72 VwGO - wie bereits ausführlich dargestellt76 - nicht nach §§48 ff. VwVfG, sondern gemäß § 68 Abs. 1 Satz 1 VwGO nach Maßgabe des für den Erlaß des Verwaltungsakts geltenden Rechts zu treffen ist, und andererseits § 50 VwVfG keine konkurrierende Abhilfekompetenz einräumt77. § 50 VwVfG verwendet den Terminus der Abhilfe folglich untechnisch im Sinne einer Erledigung78 des Widerspruchs- bzw. Klageverfahrens durch den Widerruf. Die Bedeutung dieser Klausel erschöpft sich somit darin, die Behörde nur soweit von den Bindungen des § 49 VwVfG zu befreien, als die Anfechtung des Drittbetroffenen den begünstigenden Verwaltungsakt ergreift 79.

II. Die Rechtsfolgen des § 50 VwVfG Indem § 50 VwVfG die Geltung des § 49 Abs. 2, 3 und 5 VwVfG ausschaltet, werden die Voraussetzungen und die Rechtsfolgen des Widerrufs eines rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakts mit drittbelastender Wirkung gegenüber den allgemeinen Regeln modifiziert.

73 Vgl. Obermayer, VwVfG, § 50 Rdnr. 17; Stelkens I Sachs, in: Stelkens ! Bonk! Leonhardt, VwVfG, § 50 Rdnr. 59 ff. 74 Vgl. Obermayer, VwVfG, § 50 Rdnr. 18. 75 Obermayer, VwVfG, § 50 Rdnr. 25. 76 Siehe § 1 A.IV. 77 Erichsen, in: Erichsen!Martens, § 18 Rdnr. 9. Vgl. auch Ule/Laubinger, § 64 I 3 a; Kopp, VwVfG, § 50 Rdnr. 6. 78 Vgl. Maurer, § 11 Rdnr. 69; Kopp, VwVfG, § 50 Rdnr. 13, 17. 79 Vgl. Stelkens/Sachs, in: Stelkens/Bonk/Leonhardt, VwVfG, § 50 Rdnr. 57; Kopp, VwVfG, § 50 Rdnr. 9, 13; Meyer, in: Meyer/Borgs, VwVfG, § 50 Rdnr. 12.

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Vierter Abschnitt: Widerruf von Verwaltungsakten mit Doppelwirkung 1. Die Voraussetzungen des Widerrufs nach § 50 VwVfG

Die Voraussetzungen des Widerrufs rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakte sind in § 49 Abs. 2 VwVfG niedergelegt. Diese Vorschrift gilt nach § 50 VwVfG unter den dargestellten Voraussetzungen nicht.

a) Die Rechtsgrundlage des Widerrufs Welche Konsequenzen daraus für die Ermächtigungsgrundlage zum Widerruf von Verwaltungsakten mit Drittwirkung erwachsen, wird wiederum kontrovers diskutiert. Die eine Auffassung rügt, daß § 50 VwVfG die Rechtsgrundlage für den Widerruf von Verwaltungsakten mit Drittwirkung entgegen seiner Intention beseitige80. Diese gesetzgeberische Fehlleistung81 sei im Wege verfassungskonformer Auslegung dahin zu korrigieren, daß § 50 VwVfG nicht die Geltung des § 49 Abs. 2 VwVfG im ganzen, sondern nur der dort festgelegten Einschränkungen der Widerruflichkeit entfallen läßt82. Nach der Gegenmeinung bringt § 50 VwVfG mit der Derogation des § 49 Abs. 2 VwVfG lediglich zum Ausdruck, daß sich der Widerruf von begünstigenden Verwaltungsakten mit belastender Drittwirkung nach § 49 Abs. 1 VwVfG beurteile83. Beide Theorien kommen zum gleichen Ergebnis: Die Zulässigkeit des Widerrufs von angefochtenen Verwaltungsakten mit Drittwirkung bemißt sich nach einer den Schranken des § 49 Abs. 2 VwVfG nicht unterworfenen Ermessensentscheidung. Methodisch überzeugender läßt sich dieses Resultat allerdings mit der Anwendung des § 49 Abs. 1 VwVfG begründen, da § 50 VwVfG die Geltung des § 49 Abs. 2 VwVfG ausdrücklich ausschließt.

b) Die Voraussetzungen des Widerrufs nach § 50 VwVfG im einzelnen Nach § 49 Abs. 1 VwVfG gilt für die Zulässigkeit angefochtener rechtmäßiger Verwaltungsakte mit Drittwirkung folgendes:

80

Erichsen, in: Erichsen!Martens, §18 Rdnr. 7; Meyer, in: Meyer!Borgs, VwVfG, § 50 Rdnr. 4. 81 Erichsen, in: Erichsen!Martens, § 18 Rdnr. 7; Meyer, in: Meyer!Borgs, VwVfG, § 50 Rdnr. 4; Stelkens!Sachs, in: Stelkens!Bonk!Leonhardt, VwVfG, § 50 Rdnr. 48; Allesch, Widerspruchsverfahren, S. 224. 82 Erichsen, in: Erichsen!Martens, § 18 Rdnr. 7. 83 Ule!Laubinger, § 64 III 2; Klappstein, in: Knack, VwVfG, § 50 Rdnr. 3.2; Schenke, DÖV 1983, 320 (327 f.).

er Widerruf von Verwaltungsakten mit D i r k u n g (1) Die Entbehrlichkeit eines Widerrufsgrundes § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1-5 VwVfG

nach

Der Widerruf dieser Verwaltungsakte ist zunächst nicht an die Widerrufstatbestände des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 - 5 VwVfG gebunden84. Dies bedeutet, daß die Behörde den Verwaltungsakt insbesondere schon dann widerrufen darf, wenn es im Interesse des Drittbetroffenen erforderlich erscheint.

(2) Kein Ausschluß des Widerrufs Die oben unter §§5 und 6 behandelten Gründe für den Ausschluß des Widerrufs rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakte gelten für angefochtene Verwaltungsakte mit Drittwirkung mit folgender Maßgabe:

(a) Die allgemeinen Gründe für den Ausschluß des Widerrufs Es wurde festgestellt, daß der Widerruf eines rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakts ausgeschlossen sein kann durch die Pflicht der Behörde zum erneuten Erlaß des Verwaltungsakts85, durch Art. 14 GG 8 6 und durch vorrangige Sondervorschriften 87. Diese Verbotstatbestände werden von der Nichtgeltung des § 49 Abs. 2 VwVfG nicht berührt. Ihre Maßgeblichkeit ergibt sich vielmehr eindeutig aus § 49 Abs. 1 VwVfG, wonach der Widerruf ausgeschlossen ist, wenn ein Verwaltungsakt gleichen Inhalts erneut erlassen werden müßte oder der Widerruf aus anderen Gründen unzulässig ist88. Dies bedeutet, daß ein Verwaltungsakt, auf dessen Erlaß der Begünstigte einen Rechtsanspruch besitzt, auch unter den Voraussetzungen des § 50 VwVfG nicht widerrufen werden kann89, da andernfalls ein Verstoß gegen den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung vorläge. Außerdem kann der angefochtene Verwaltungsakt mit Drittwirkung dann nicht widerrufen werden, wenn der Widerruf eine Enteignung darstellt, für die keine Art. 14

84

Stelkens/Sachs, in: Stelkens/Bonk/Leonhardt, VwVfG, § 50 Rdnr. 52. Einschränkend Meyer, in: Meyer/Borgs, VwVfG, § 50 Rdnr. 5. 85 Siehe § 5 A. 86 Siehe § 5 B. 87 Siehe § 5 E.II. 88 Ule/Laubinger, § 64 III 2; Klappstein, in: Knack, VwVfG, § 50 Rdnr. 3.2. 89 Meyer, in: Meyer/Borgs, VwVfG, § 50 Rdnr. 13; Allesch, Widerspruchsverfahren, S. 224.

300

Vierter Abschnitt: Widerruf von Verwaltungsakten mit Doppelwirkung

Abs. 3 GG genügende Entschädigung vorgesehen ist. Da § 50 VwVfG die Entschädigung nach § 49 Abs. 5 VwVfG generell versagt, wäre der Widerruf nach § 50 VwVfG niemals möglich, wenn der Begünstigte bereits Eigentum im Sinne des Art. 14 GG erworben hat, es sei denn, man betrachtet den Widerruf eines zulässig und im Sinne der obigen Ausführungen begründet angefochtenen Verwaltungsakts als Ausdruck der Sozialbindung des Eigentums.

(b) Die Unbeachtlichkeit der Widerrufsfrist Da § 50 VwVfG auch § 49 Abs. 2 Satz 2 VwVfG suspendiert, ist die sich aus der Verweisung auf § 48 Abs. 4 VwVfG ergebende Jahresfrist für den Widerruf angefochtener Verwaltungsakte mit Drittwirkung nicht zu beachten90.

(3) Die fehlerfreie

Ermessensentscheidung

über den Widerruf

Die Behörde hat schließlich nach § 49 Abs. 1 VwVfG eine fehlerfreie Ermessensentscheidung über den Widerruf des angefochtenen Verwaltungsakts mit Drittwirkung zu treffen. Dabei sind folgende Besonderheiten zu würdigen:

(a) Die Berücksichtigung der Belange des Drittbetroffenen Die Ermessensentscheidung über den Widerruf angefochtener Verwaltungsakte mit Drittwirkung ist zunächst nur fehlerfrei, wenn die Behörde die Belange des Drittbetroffenen berücksichtigt. Freilich wird sie diesen Interessen in der Regel ohne Ermessensfehler untergeordnete Bedeutung zuweisen dürfen, da der Dritte in seinen Rechten betroffen, aber nicht verletzt ist.

(b) Die Berücksichtigung des Vertrauensschutzprinzips Bei der Beantwortung der Frage, ob die Behörde ein schutzwürdiges Vertrauen des Begünstigten auf den Bestand des Verwaltungsakts zu berücksichtigen hat91, ist davon auszugehen, daß der Begünstigte in der Regel nicht in

90 91

Stelkens I Sachs, in: Stelkens / Bonk / Leonhardt, VwVfG, § 50 Rdnr. 54. Bejahend Klappstein, in: Knack, VwVfG, § 50 Rdnr. 3.2; Kopp, VwVfG, § 50

er Widerruf von Verwaltungsakten mit D i r k u n g schutzwürdiger Weise auf den Bestand des Verwaltungsakts vertrauen kann, wenn ein Dritter die Begünstigung zulässig angefochten hat. Denn er muß mit der Aufhebung des Verwaltungsakts rechnen. Andererseits sind Konstellationen denkbar, in denen ein an sich schutzwürdiges Vertrauen des Begünstigten auf den Bestand des Verwaltungsakts entsteht. Dies kann nach den Umständen des Einzelfalles z.B. anzunehmen sein, wenn 1) der Begünstigte von der Drittanfechtung keine Kenntnis besitzt, weil die Behörde bzw. das Verwaltungsgericht ihn von der Einlegung des Rechtsbehelfs nicht unterrichtet hat; 2) die Behörde nach Einlegung des Widerspruchs nach § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO die sofortige Vollziehbarkeit der Begünstigung anordnet92; 3) eine Zusage93 der Behörde gegenüber dem Begünstigten vorliegt, den Verwaltungsakt trotz einer Anfechtung nicht oder nur im Falle seiner Rechtswidrigkeit aufzuheben; 4) der Begünstigte sein Vertrauen bereits vor Einlegung des Rechtsbehelfs betätigt hat. Auch wenn § 50 VwVfG davon ausgeht, daß der Begünstigte im Falle einer Drittanfechtung grundsätzlich nicht schutzwürdig ist, darf man der Vorschrift kein absolutes Verbot der Berücksichtigung des Vertrauensschutzprinzips in Ausnahmesituationen entnehmen. Denn § 50 VwVfG beseitigt nur den typisierenden Vertrauensschutz des § 49 Abs. 2, 3 und 5 VwVfG, nicht aber die aus § 49 Abs. 1 VwVfG resultierende Pflicht zur umfassenden Abwägung der widerstreitenden Interessen im Einzelfall 94. Etwas anderes kann wegen der verfassungsrechtlichen Verankerung des Vertrauensschutzgebots nicht unterstellt werden — nicht zuletzt deshalb, weil dem Begünstigten keine Entschädigung zusteht.

2. Die Rechtsfolgen des Widerrufs nach § 50 VwVfG Die Rechtsfolgen des Widerrufs angefochtener Verwaltungsakte mit Drittwirkung modifiziert § 50 VwVfG wie folgt:

Rdnr. 4; Meyer, in: Meyer/Borgs, VwVfG, § 50 Rdnr. 2, 17 ff.; Horn, Drittanfechtung, § 7 II 2 e. 92 Meyer, in: Meyer/Borgs, VwVfG, § 50 Rdnr. 10. 93 Liegt eine Zusicherung nach § 38 VwVfG vor, den Verwaltungsakt nicht zu widerrufen, wäre der Widerruf ausgeschlossen und rechtswidrig. 94 Schenke, DÖV 1983, 320 (328). A.A. Erichsen, in: Erichsen/Martens, § 18 Rdnr. 6.

302

Vierter Abschnitt: Widerruf von Verwaltungsakten mit Doppelwirkung a) Der Wegfall der Wirksamkeit des Verwaltungsakts

Rechtsfolge des Widerrufs eines angefochtenen Verwaltungsakts mit Drittwirkung ist selbstverständlich der Wegfall der Wirksamkeit des Verwaltungsakts. Insoweit gelten grundsätzlich keine Besonderheiten. Fraglich ist nur, ob der Widerruf auch mit Wirkung für die Vergangenheit gestattet ist, da § 50 VwVfG die Nichtgeltung des § 49 Abs. 3 VwVfG anordnet. Bejaht man dies, fügt man der Rechtsstellung des Begünstigten eine weitere gravierende Schwächung zu. So könnte z.B. eine dem Begünstigten ausgezahlte und nach den allgemeinen Regeln wegen des Rückwirkungsverbots des Widerrufs nicht zurückforderbare Subvention95 herausverlangt werden, wenn der Subventionsbescheid von einem Konkurrenten angefochten wird 96 . Die Literatur ist daher ersichtlich bemüht, insoweit eine einschränkende Auslegung zu finden 97. Der Wortlaut des § 50 VwVfG gibt auf dieses Problem keine eindeutige Antwort. Wenn die Vorschrift die Geltung des § 49 Abs. 3 VwVfG außer Kraft setzt, kann dies, da § 50 VwVfG die Beschränkungen der Widerruflichkeit abbauen soll98, an sich nur darauf abzielen, einen rückwirkenden Widerruf zuzulassen. Andererseits ist das Verbot des Widerrufs mit Wirkung für die Vergangenheit auch in dem maßgeblich bleibenden § 49 Abs. 1 VwVfG enthalten, das § 50 VwVfG jedenfalls nicht expressis verbis aufhebt. Es wird daher darauf ankommen, ob und inwieweit ein rückwirkender Widerruf unter den Aspekten des Schutzes des Drittbelasteten und des fehlenden Vertrauensschutzes des Begünstigten gerechtfertigt ist. Beides kann grundsätzlich bejaht werden. Der Schutz des Drittbelasteten kann einen sachlichen Grund darstellen, eine Begünstigung mit Wirkung für die Vergangenheit zu beseitigen. Unter Vertrauensschutzgesichtspunkten ist dies ebenfalls gerechtfertigt, da die Schutzwürdigkeit des Vertrauens bereits mit Einlegung des zulässigen Rechtsbehelfs zerstört wird. Damit ist allerdings im Regelfall die zeitliche Grenze der Rückwirkung gezogen. Ein auf den Erlaß des Verwaltungsakts zurückwirkender Widerruf wäre ermessensfehlerhaft, da mit der Weitung des § 50 VwVfG, den Vertrauensschutz erst mit Einlegung des Rechtsbehelfs zu entziehen, nicht vereinbar.

95

Siehe § 9 B. Vgl. dazu Gusy, GewArch. 1988, 322. 97 Ule!Laubinger, § 64 III 2; Stelkens!Sachs, in: Stelkens/Bonk/Leonhardt, VwVfG, § 50 Rdnr. 51. Rigoros dagegen Kopp, VwVfG, § 50 Rdnr. 18. 98 Begründung, S. 74. 96

er Widerruf von Verwaltungsakten mit D i r k u n g b) Der Entschädigungsanspruch nach § 49 Abs. 5 VwVfG Die Regelung des § 50 VwVfG, wonach § 49 Abs. 5 VwVfG nicht gilt, ist eindeutig: Der Begünstigte erhält in keinem Fall des Widerrufs eines angefochtenen Verwaltungsakts mit Drittwirkung eine Entschädigung. Wenn in der Literatur versucht wird, auch diese Bestimmung des § 50 VwVfG abzumildern", ist dem aufgrund des klaren Gesetzeswortslauts entgegenzutreten. Zwar mag die Versagung eines Entschädigungsanspruchs für den Begünstigten beim Widerruf eines Verwaltungsakts mit Drittwirkung unter dem Gesichtspunkt des Rechtsschutzes des Dritten wie bereits erwähnt nicht geboten erscheinen. Eine willkürliche und gegen das Vertrauensschutzprinzip verstoßende Regelung ist darin jedoch nicht zu erblicken, da das Vertrauen des Begünstigten unter den beschriebenen Voraussetzungen des § 50 VwVfG nicht schutzwürdig ist. Liegt im Einzelfall freilich schutzwürdiges Vertrauen vor, ist dies bei der Ermessensentscheidung über den Widerruf zu berücksichtigen.

B. Die Rechtslage außerhalb des Regelungsbereichs des § 50 VwVfG Sind die Voraussetzungen des § 50 VwVfG nicht verwirklicht, bleibt es bei der Geltung des § 49 Abs. 2, 3 und 5 VwVfG.

I. Die Voraussetzungen des Widerrufs Die Voraussetzungen des Widerrufs eines nicht von § 50 VwVfG erfaßten Verwaltungsakts mit Drittwirkung können somit wie folgt festgelegt werden:

1. § 49 Abs. 2 VwVfG als Ermächtigungsgrundlage Ist der Tatbestand des § 50 VwVfG nicht erfüllt, richtet sich der Widerruf eines Verwaltungsakts mit Drittwirkung nach § 49 Abs. 2 VwVfG, nicht nach § 49 Abs. 1 VwVfG 1 0 0 . Daß dieser Verwaltungsakt trotz seiner auch

99

Ule! Laubinger, § 64 III 2; Stelkens ! Sachs, in: Stelkens / Bonk/Leonhardt, VwVfG, § 50 Rdnr. 55. 100 Vgl. Erichsen, in: Erichsen!Martens, § 18 Rdnr. 3; Maurer, § 11 Rdnr. 68; Ule!Laubinger, § 64 I 4; Lange, Jura 1980, 456 (462 f.).

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Vierter Abschnitt: Widerruf von Verwaltungsakten mit Doppelwirkung

belastenden Wirkung als begünstigender Verwaltungsakt zu behandeln ist, ergibt sich mittelbar aus § 50 VwVfG. Wenn die Vorschrift die Geltung des § 49 Abs. 2, 3 und 5 VwVfG suspendiert, so geht sie davon aus, daß der Verwaltungsakt mit Drittwirkung an sich den Vorschriften über den Widerruf begünstigender Verwaltungsakte unterfällt 101.

2. Die Voraussetzungen des Widerrufs im einzelnen Die Zulässigkeit des Widerrufs eines Verwaltungsakts mit Drittwirkung unterliegt also, sofern § 50 VwVfG nicht eingreift, den oben dargestellten 102 allgemeinen Regeln. Das Interesse des Drittbetroffenen an der Aufhebung des Verwaltungsakts ist bei der Ermessensentscheidung über den Widerruf zu berücksichtigen103. Allerdings kommt diesem zumeist keine entscheidende Bedeutung zu, da der Drittbetroffene nicht in seinen Rechten verletzt ist und der Begünstigte aufgrund der fehlenden bzw. unzulässigen oder unbegründeten Anfechtung vollen Vertrauensschutz verdient 104.

II. Die Rechtsfolgen des Widerrufs Im Hinblick auf die Rechtsfolgen des Widerrufs eines nicht angefochtenen Verwaltungsakts mit Drittwirkung gelten keine Besonderheiten. Da die Anwendung des § 49 Abs. 3 und 5 VwVfG unberührt bleibt, ist eine rückwirkende Widerruflichkeit ausgeschlossen und der Begünstigte ist unter den Voraussetzungen des § 49 Abs. 5 VwVfG zu entschädigen.

101

Vgl. Erichsen, in: Erichsen/Martens, § 18 Rdnr. 3 f.; Maurer, § 11 Rdnr. 68; Ule / Laubinger, § 64 I 4. 102 Siehe §§3-8. 103 Maurer, § 11 Rdnr. 68. 104 Vgl. Erichsen, in: Erichsen! Martens, § 18 Rdnr. 3; Ule ! Laubinger, § 64 I 4, III 1.

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