Das Widerrufsrecht bei Kaufverträgen im Spannungsverhältnis von Opportunismus und Effektivität: Die Rückabwicklung nach Widerruf unter besonderer Berücksichtigung der Verhaltensökonomik 9783161545122, 9783161545115

Die typisierende Ausgestaltung des Widerrufsrechts bei Kaufverträgen im Rahmen von besonderen Vertriebsformen begünstigt

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German Pages 316 [318] Year 2016

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Vorwort
Inhaltsübersicht
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Einleitung
I. Effektivität des Widerrufsrechts im Widerstreit mit opportunistischem Verbraucherverhalten
II. Konzentration der Untersuchung auf Kaufverträge
III. Suche nach einer Lösung im Rückgewährschuldverhältnis
IV. Gang der Darstellung
Teil 1: Grundlagen des Spannungsverhältnisses von Opportunismus und Effektivität des Widerrufsrechts
I. Zwecke der Widerrufsrechte bei Kaufverträgen
1. Primär marktbezogene Zwecksetzungen
2. Primär verbraucherbezogene Zwecksetzungen
a) Zwecksetzungen bei Fernabsatzverträgen
b) Zwecksetzungen bei Haustürgeschäften und außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen
c) Zusammenfassung
II. Effektivität des Widerrufsrechts bei Kaufverträgen
1. Allgemeine Ausgangspunkte zum Effektivitätsgrundsatz
a) Gewährleistung eines Mindestschutzniveaus
b) Effektivität bei vollharmonisierender Richtlinie
c) Der relevante Maßstab
2. Der Effektivitätsgrundsatz bei der Ausgestaltung von Widerrufsrechten im Rückgewährschuldverhältnis
a) Ausführungen des Richtliniengebers zur Effektivität des Widerrufsrechts
aa) Gesetzgebungsauftrag durch Art. 4 Satz 4 Haustürwiderrufs-RL
bb) Aussagegehalt des Erwägungsgrundes 14 zur Fernabsatz-RL
cc) Klarstellung durch Erwägungsgrund 47 zur Verbraucherrechte-RL
b) Die maßgebenden Gerichtsentscheidungen zur Rückabwicklung von Kaufverträgen
aa) Effektivitätswidersprechender Wertersatz („Messner“)
(1) Regelung bei Fernabsatzverträgen nach der Schuldrechtsreform
(2) Keine Richtlinienkonformität von § 357 Abs. 1, 3 BGB (i.F.v. 2004)
(3) Herstellung der Richtlinienkonformität
bb) Effektivitätshindernde Hinsendekosten („Heinrich Heine“)
cc) Fazit
3. Ergebnis
III. Opportunistisches Verbraucherverhalten und Rechtsmissbrauch
1. Die Möglichkeit(en) opportunistischen Verbraucherverhaltens
2. Auswirkungen von Opportunismus
a) Interne Auswirkungen
b) Externe Auswirkungen
aa) Belastung aller Verbraucher
(1) Preiserhöhungen
(2) Umfang des Angebots und Anzahl der Anbietenden
(3) Zwischenergebnis
bb) Belastung des stationären Handels
(1) Gefahr der Entwicklung des Einzelhandels zum Vorführraum
(2) Erwägungsgrund 20 zur Verbraucherrechte-RL und die Konsequenzen
cc) Fazit
3. Opportunismus als Rechtsmissbrauch
4. Opportunismusbewältigung
IV. Opportunismus als Grenze der Verbraucherbegünstigung und Verbraucherschutz als Grenze der „Opportunismusbekämpfung“
Teil 2: Implikationen der Verhaltensökonomik für das Spannungsverhältnis von Opportunismus und Effektivität
I. Relevanz verhaltensökonomischer Erkenntnisse bei der Bestimmung der Effektivität
1. Rationales Verbraucherverhalten beim Widerruf als Ausgangspunkt
2. Das Paradoxon des „plötzlich“ rationalen Verbrauchers
3. Einsatz von Verhaltensökonomik zur Berücksichtigung realitätsgetreuen Verhaltens
a) Erkenntnismethode der Verhaltensökonomik und der Einsatz von Empirie
b) Realitätsbezogene Wertungen
4. Ergebnis
II. (Mangelnde) Effektivität des Verbraucherschutzinstruments aus verhaltensökonomischer Perspektive
1. Vermutung fehlender Effektivität des Widerrufsrechts
2. Anomalien im Verbraucherverhalten bezüglich des Widerrufsrechts
a) Schwierigkeiten beim Festlegen und Bewerten der Entscheidungsgrundlagen
aa) Der zur Prüfung notwendige Besitz führt subjektiv zu einer Sachwertsteigerung: endowment effect
(1) Besitz als Grundlage einer Wertsteigerung
(2) Auswirkungen des endowment effect bei Widerrufsrechten
bb) Der Umgang mit neuen Informationen: kognitive Dissonanzen
(1) Die Reduktion kognitiver Dissonanzen als Problem
(2) Dissonanzen bei Kaufsituationen
(a) Die Auswirkungen eines Umtauschrechts auf die Dissonanzen
(b) Dissonanzen bei Fernabsatzgeschäften
(c) Dissonanzen bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen
(3) Zwischenergebnis
cc) Die Schwierigkeit, durch Prüfung von bestehenden Eindrücken abzuweichen: priming und Anker-Effekt
dd) Verlustaversion als Hindernis richtiger Wert(ein)schätzung: loss aversion
ee) Spätere Kaufpreisrückerstattung vs. Möglichkeit jetziger Nutzung: hyperbolic discounting
b) Die Schwierigkeit, einen aktuellen Status durch Handlung zu verlassen
aa) Status quo bias
bb) Omission-commission bias
cc) Prokrastination/inertia
dd) Sunk cost fallacy
ee) Fazit
c) Zusammenfassung
III. Konsequenzen der (verhaltensökonomisch belegten) Ineffektivität und Lösungsmöglichkeiten
1. Schwebende Unwirksamkeit des Vertrages
2. Bestätigungslösung zum Ausgleich von Verhaltensanomalien
3. Auswirkungen und Ausgleich der Verhaltensanomalien im Rückgewährschuldverhältnis
IV. Möglichkeiten anreizorientierten Vorgehens bei der Verhinderung von Opportunismus
V. Optionales Widerrufsrecht bei Fernabsatzgeschäften
1. Verhaltensökonomische Aspekte
2. Erhöhtes Vorkommen von showrooming
3. Gefahr von Opportunismus zulasten des Fernabsatzes
4. Ergebnis
VI. Resümee
Teil 3: Das Rückgewährschuldverhältnis nach Widerruf im Lichte des Spannungsverhältnisses von Opportunismus und Effektivität
I. Rücksendung der Ware
1. Grundzüge der Rechtslage
2. Gefährdung der Effektivität des Widerrufsrechts?
a) Generelles Problem des vom Verbraucher zu erbringenden Aufwands
b) Effektivität bei fehlender Möglichkeit des Postversands
aa) Probleme aufgrund von Dissonanzreduktion
bb) Die Tatbestandsmerkmale des § 357 Abs. 6 Satz 3 BGB
(1) Verbesserung der Effektivität aufgrund der Möglichkeit einer engen Auslegung des Begriffes „Post“
(2) Lieferung der Ware zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses zur Wohnung des Verbrauchers bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen
cc) Bewertung der Ausnahmeregelung in Bezug auf die Effektivität des Widerrufsrechts
c) Die Verpflichtung zum Abbau aufgebauter Waren im Lichte der Effektivität des Widerrufsrechts
d) Zusammenfassung
3. Rücksendeverpflichtung des Verbrauchers als notwendiger Ausschluss von Opportunismus
4. Ergebnis
5. Rücksende- und Abbaupflicht de lege ferenda
a) Erweiterte und eingeschränkte Abholpflicht des Unternehmers
b) Abbauverpflichtung des Unternehmers
II. Versandkosten und -risiken
1. Grundzüge der Rechtslage
a) Die Kosten der Versendungen
aa) Kostenlast bezüglich der Hinsendekosten
bb) Übernahme der Rücksendekosten durch den Verbraucher
cc) Grundgedanken zu einem etwaigen Interessenausgleich
b) Transportgefahr bei der Rücksendung
2. Effektivität der Regelungen
a) Fernabsatzverträge und allgemeine Überlegungen zur Kostenverteilung
aa) Die Auferlegung der Rücksendekosten als (ungewollt große) Belastung der Verbraucher
(1) Änderung der tatsächlichen Rückgabesituation im Vergleich zum alten Recht
(2) Die irritierende Vorstellung des Europäischen Gerichtshofs und des Richtliniengebers
(3) Verhaltensökonomische Gründe für eine übermäßige Belastung der Verbraucher und Einschränkungen der Effektivität
(a) Status quo bias und loss aversion
(b) Dissonanzreduktionen
(c) Prokrastination
(d) Zwischenergebnis
(4) Das Argument „keine Effektivitätsprobleme vor Umsetzung der Verbraucherrechte-RL in den anderen Mitgliedstaaten“
(5) Erkenntnisse aus Studien zum Umgang der Verbraucher mit Rücksendekosten
(6) Zwischenergebnis
bb) Keine Notwendigkeit von Rücksendung in der Originalverpackung
cc) Besonderheiten bei Waren, die nicht per Post rückgesendet werden können
dd) Hinsendekosten als versunkene Kosten
(1) Das Konzept der versunkenen Kosten
(2) Sind Hinsendekosten versunkene Kosten?
(3) Zwischenergebnis
ee) Versandkosten und Förderung des Binnenmarktes
ff) Fazit
b) Besonderheiten bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen
aa) Zurechenbarkeit des Widerrufs bei Überrumpelung
bb) Überrumpelung hinsichtlich der Kosten für Expressversand
cc) Effektivitätseinbußen mangels hinreichender Information
dd) Die Verkürzung des Anwendungsbereichs der Widerrufsvorschriften bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen
ee) Fazit
c) Die Gefahrtragung bei Rücksendung der Ware
3. Auferlegung der Rücksendekosten als Schutzmechanismus gegenüber Opportunismus
a) Versandkosten als wirksames Mittel gegen faktische Leihe
aa) Kostenentstehung als Hindernis positiver Kosten-Nutzen-Abwägung
bb) Unterstützung der Vermutung durch Studien
cc) Schwierigkeiten bei der Feststellung von Nutzungsersatzansprüchen und Verlustminimierung auf Unternehmerseite
dd) Keine andere Handhabe bei faktischer Leihe ohne Nutzung (situational returnaholics)
b) Auswirkung auf Bestellungen zur Auswahl aus Produkten
c) Verhinderung der iterativen Bestellung gleicher Ware
d) Einschränkung des Kaufs mit geringer Bestehenswahrscheinlichkeit
e) Das Problem des Teilwiderrufs bei Sammelbestellungen
f) Gegenläufige Tendenzen: Steigerung der Attraktivität von showrooming
4. Ergebnis
5. Versandkosten de lege ferenda
a) Umkehrung der Kostentragung im Vergleich zum geltenden Recht
aa) Konstellationen ohne Hinsendekosten – hauptsächlich außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge
bb) Bewertungskategorien zu der vorgeschlagenen Lösungsmöglichkeit
(1) Unklarheit über resultierende Pflichten
(2) Veränderung der Transaktionskosten
(3) Probleme mit den Wertungen der Heinrich Heine- Rechtsprechung?
(4) Auswirkungen auf die Gestaltung der Hinsendekosten
(5) Kaum Gefahr durch zusätzlichen Opportunismus
(6) Abschwächung von Verhaltensanomalien
(7) Beseitigung von Kostenbezifferungsproblemen bei Teilwiderruf
(8) Entkräftung der typischen Argumente gegen die Tragung der Rückkosten durch den Unternehmer
cc) Notwendigkeit einer Differenzierung
b) Tragung aller Versandkosten durch den Unternehmer?
aa) Fernabsatzverträge
bb) Außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge
(1) Opportunismusverhinderung als nicht valides Argument für eine Kostentragung zulasten des Verbrauchers
(2) Vorteile der Regelung gegenüber einer Umkehrung der Kostentragung
(3) Übermäßige Belastung des Unternehmers?
(4) Besonderheiten bei faktischen Haustürgeschäften
(5) Zwischenergebnis
c) Fazit
III. Reihenfolge der Leistungsverpflichtungen: Das Zurückbehaltungsrecht des Unternehmers vor Rückzahlung
1. Grundzüge der Rechtslage
2. Einschränkungen der Effektivität
a) Notwendigkeit von Vertrauen zugunsten des Unternehmers
aa) Grundlegendes Vertrauensproblem
bb) Hinzukommende (Klage-)Risiken
cc) Auszahlungen von Unternehmern bei Rückgewähr nach Widerruf: empirische Untersuchungen
dd) Aufzwingen erhöhter Rücksendekosten bzw. Einschränkung der Versandarten
b) Die besondere Belastung finanzschwacher Verbraucher
c) Keine Überwindung der Prokrastination
d) Erweiterung des Anwendungsbereiches von § 357 Abs. 4 Satz 2 BGB zur Gewährleistung eines effektiven Widerrufsrechts
3. Opportunismusverhinderung als fragwürdiger Ausgangspunkt
4. Ergebnis
5. Zurückbehaltungsrecht de lege ferenda
IV. Wertersatz für einen Wertverlust der Ware
1. Grundzüge der Rechtslage
2. Effektivität bei speziellen Regelungsaspekten
a) Rückwirkungen entstehender und entstandener Wertersatzansprüche auf die Effektivität
b) Annäherung der Prüfungsmöglichkeit an den stationären Handel
aa) Uneindeutigkeit des Begriffes „Funktionsweise“
bb) Mit der Ware „nur so umgehen und sie nur so in Augenschein nehmen“, wie der Verbraucher dies im stationären Handel dürfte
cc) Vergleichbare Ladengeschäfte: Fachgeschäft, Discounter oder „Median Markt“?
c) Ausgangspunkt der Berechnung des Wertersatzes unter Effektivitätsgesichtspunkten
aa) Regelung bei Dienstleistungsverträgen als Basis eines Vergleichs
bb) Vergleich der Wertungen und Rückwirkung auf Kaufverträge
cc) Fazit
d) Beweislast
e) Effektivitätsfördernde Maßnahmen als Effektivitätshindernis: Prüfung und Verhaltensanomalien
f) Problem einer „alles oder nichts“-Lösung
g) Nebeneinander von Wertersatz und Sachrückgewähr: Das Problem des vollständigen Wertverlusts der Ware
h) Zusammenfassung
3. Opportunismus
a) Die wertmindernde Nutzung über die Prüfung hinaus als „Klassiker des Opportunismus“
b) Geringe abschreckende Wirkung für opportunistisch handelnde Verbraucher
aa) Schwierigkeit einer Abgrenzung der Funktionsprüfung von darüber hinausgehender Nutzung und Beweisprobleme
bb) Geringer Wertverlust durch über eine Überprüfung hinausgehenden Gebrauch
cc) Etwaige Reputationsverluste
dd) Fazit
c) Zusätzliche Information über Möglichkeiten, Wertersatzpflichten zu vermeiden
d) Zusammenfassung
4. Übernahme des Zufallsrisikos durch den Unternehmer im Spannungsverhältnis zwischen Effektivität und Opportunismus
a) Das Tragen des Zufallsrisikos durch den Unternehmer im Lichte der Effektivität
b) Entstehen von Möglichkeiten opportunistischen Verhaltens
aa) Behaupteter Diebstahl
bb) Durch zufälligen Untergang ausgelöster Widerruf
c) Zusammenfassung
5. Ergebnis
V. Nutzungsherausgabe und -ersatz
1. Grundzüge und mögliche Hintergründe der Rechtslage
a) Verzicht von Richtliniengeber und nationalem Gesetzgeber auf Nutzungsersatzansprüche und Nutzungsherausgabeansprüche
b) Schwierigkeit der Feststellung von Nutzungen und Verfolgung von Ansprüchen auf Nutzungsherausgabe
c) Rechtfertigung aufgrund typischerweise geringwertiger, sich ausgleichender Ansprüche
d) Zusammenfassung
2. Nutzungen des Verbrauchers
a) Verzicht auf Nutzungsersatz zulasten des Verbrauchers zur Gewährleistung von Effektivität?
aa) Beeinflussung der Widerrufsentscheidung aufgrund der Kosten
(1) Relevanz der Kosten (nur) bei Nutzungsersatzansprüchen
(2) Gewährleistung von Effektivität durch Angemessenheit der Kosten
(3) Gefährdung der Effektivität durch Beweislast oder Beweislasterleichterungen
bb) Gefahr der Verhinderung einer umfangreichen Prüfung
cc) Fazit
b) Gefahr von Opportunismus mangels Nutzungsersatzes
aa) Nutzung als Verstoß gegen Grundsätze des bürgerlichen Rechts
bb) Kein Anreiz zum Unterlassen einer übermäßigen Nutzung (ex post)
cc) Mangelnde Sanktionsmöglichkeit von faktischer Leihe
dd) Fazit
c) Zusammenfassung
d) Übermäßige Nutzung de lege ferenda
aa) Ausschluss des Widerrufsrechts bei übermäßiger Nutzung als Ausgleich zwischen Effektivität und Opportunismus?
(1) Entwicklungen in der Schweiz
(2) Bewertung der Ausschlussregelung
(a) Eignung zur Verhinderung opportunistischen Verhaltens
(b) Erhöhung der Transaktionskosten und Probleme hinsichtlich der Ressourcenallokation
(c) Erhöhung der abschreckenden, effektivitätseinschränkenden Wirkung auch für rechtstreue Verbraucher
(3) Zwischenergebnis
bb) Statuieren von Nutzungsersatz- und Nutzungsherausgabeansprüchen
(1) Grundlagen einer Neuregelung
(2) Potentielle Risiken
(3) Notwendigkeit einer Unterscheidung der Vertriebsformen?
(4) Zwischenergebnis
cc) Fazit
3. Nutzungen des Unternehmers
a) Nutzungen bei hinreichender Information
b) Nutzungen bei Verletzung der Informationspflichten
aa) Sanktionen im deutschen Recht
bb) Notwendigkeit des Anspruchs zur Gewährleistung der Effektivität
cc) Gefahr der Ausnutzung durch Verbraucher
(1) Kaufvertrag mit Widerrufsrecht als Geldanlagemöglichkeit
(2) Verzögerung der Widerrufserklärung
(3) Zwischenergebnis
dd) Fazit
4. Ergebnis
VI. Aufwendungsersatz
1. Ersatzansprüche hinsichtlich der Verpackung
a) Grundzüge der Rechtslage
b) Analogie zu Versandkosten zugunsten der Effektivität (insbesondere nach früherer Rechtslage)?
c) Verpackungskosten als mittelbare Kosten der Rücksendung
d) Anspruch auf Ersatz der Kosten für das Verpackungsmaterial und Informationspflichten de lege ferenda
e) Zusammenfassung
2. Verwendungsersatzansprüche des Verbrauchers
a) Grundzüge der Rechtslage
b) Verwendungen im Spannungsverhältnis von Opportunismus und Effektivität
aa) Verwendungen bei hinreichender Information
bb) Verwendungen bei Verletzung der Informationspflichten
cc) Fazit
3. Ergebnis
VII. Das Rückgewährschuldverhältnis als „beweglicheres System“
Zusammenfassung und Schlussbetrachtung
I. Generelle Zusammenfassung in Thesen
II. Thesen, die Anregungen zu Rechtsänderungen enthalten
III. Schlussbetrachtung
Literaturverzeichnis
Sachregister
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Das Widerrufsrecht bei Kaufverträgen im Spannungsverhältnis von Opportunismus und Effektivität: Die Rückabwicklung nach Widerruf unter besonderer Berücksichtigung der Verhaltensökonomik
 9783161545122, 9783161545115

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Studien zum ausländischen und internationalen Privatrecht 354 Herausgegeben vom

Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht Direktoren:

Jürgen Basedow, Holger Fleischer und Reinhard Zimmermann

Michael Höhne

Das Widerrufsrecht bei Kaufverträgen im Spannungsverhältnis von Opportunismus und Effektivität Die Rückabwicklung nach Widerruf unter besonderer Berücksichtigung der Verhaltensökonomik

Mohr Siebeck

Michael Höhne, geboren 1987; Studium der Rechtswissenschaft an der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main; 2012 Erste Juristische Staatsprüfung; 2013–16 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Internationales und Europäisches Privatrecht und Rechtsvergleichung an der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main.

D 30 e-ISBN PDF 978-3-16-154512-2 ISBN 978-3-16-154511-5 ISSN 0720-1141 (Studien zum ausländischen und internationalen Privatrecht) Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen National­bibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb. dnb.de abrufbar. © 2016  Mohr Siebeck, Tübingen. www.mohr.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwer­ tung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elek­ tronischen Systemen. Das Buch wurde von Gulde Druck in Tübingen auf alterungsbeständiges Werkdruck­ papier gedruckt und von der Buchbinderei Nädele in Nehren gebunden.

Meiner Familie

Vorwort Die nachfolgende Untersuchung wurde im Wintersemester 2015/2016 vom Fachbereich Rechtswissenschaft der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main als Dissertation angenommen. Gesetzgebung, Rechtsprechung und Literatur wurden bis zum 5.3.2016 berücksichtigt. Besonderer Dank gebührt Herrn Prof. Dr. Felix Maultzsch, LL.M. (NYU) für die stets verlässliche Betreuung der Dissertation sowie die vielfältigen Anmerkungen und die wertvollen Hinweise im gesamten Verlauf der Entstehung der Arbeit. Herrn Prof. Dr. Peter von Wilmowsky, LL.M. (Berkeley) danke ich insbesondere für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens. Es war für mich zudem ausgesprochen lehrreich, an den Lehrstühlen der beiden genannten Hochschullehrer als Wissenschaftlicher Mitarbeiter zu arbeiten. Ferner danke ich den Herausgebern sowie dem Verlag Mohr Siebeck für die Aufnahme der Arbeit in die Schriftenreihe „Studien zum ausländischen und internationalen Privatrecht“ und die Veröffentlichung. Frau Wiss. Mit. Amelie Rauser, LL.M. (UCL) danke ich für die außerordentlich aufmerksame Korrektur der Manuskriptfassung dieser Untersuchung sowie die immerwährende, unermüdliche Unterstützung. Herrn Dr. Martin Kaltwasser danke ich dafür, dass er mich vom ersten Tag unserer Zusammenarbeit an überaus wohlwollend aufgenommen und meine Entwicklung dadurch sowie durch viele Fachgespräche geprägt hat. Des Weiteren danke ich Herrn Dr. Arian Nazari-Khanachayi, LL.M. Eur. für die äußerst gründliche Durchsicht der ersten Fassung der Dissertation sowie das Teilen der Faszination für die Rechtswissenschaft. Ohne meine Eltern und meine Schwester wäre diese Untersuchung nicht möglich gewesen. Sie haben meinen Weg immer bedingungslos, in jeglicher Hinsicht und ohne Grenzen unterstützt. Dafür bin ich zutiefst dankbar. Frankfurt am Main, im März 2016

Michael Höhne

VIII

Vorwort

Inhaltsübersicht Vorwort ...................................................................................................... VII Inhaltsverzeichnis ........................................................................................ XI Abkürzungsverzeichnis ........................................................................... XXII

Einleitung................................................................................................... 1 I.

Effektivität des Widerrufsrechts im Widerstreit mit opportunistischem Verbraucherverhalten ............................................................................. 1 II. Konzentration der Untersuchung auf Kaufverträge ................................ 2 III. Suche nach einer Lösung im Rückgewährschuldverhältnis .................... 3 IV. Gang der Darstellung ............................................................................. 6

Teil 1: Grundlagen des Spannungsverhältnisses von Opportunismus und Effektivität des Widerrufsrechts ....... 7 I. II. III. IV.

Zwecke der Widerrufsrechte bei Kaufverträgen ..................................... 7 Effektivität des Widerrufsrechts bei Kaufverträgen ...............................18 Opportunistisches Verbraucherverhalten und Rechtsmissbrauch ...........30 Opportunismus als Grenze der Verbraucherbegünstigung und Verbraucherschutz als Grenze der „Opportunismusbekämpfung“ .........43

Teil 2: Implikationen der Verhaltensökonomik für das Spannungsverhältnis von Opportunismus und Effektivität ..........................................................................47 I. II.

Relevanz verhaltensökonomischer Erkenntnisse bei der Bestimmung der Effektivität ......................................................................................48 (Mangelnde) Effektivität des Verbraucherschutzinstruments aus verhaltensökonomischer Perspektive.....................................................54

X

Inhaltsübersicht

III. Konsequenzen der (verhaltensökonomisch belegten) Ineffektivität und Lösungsmöglichkeiten ...................................................................74 IV. Möglichkeiten anreizorientierten Vorgehens bei der Verhinderung von Opportunismus ...............................................................................79 V. Optionales Widerrufsrecht bei Fernabsatzgeschäften ............................81 VI. Resümee ...............................................................................................85

Teil 3: Das Rückgewährschuldverhältnis nach Widerruf im Lichte des Spannungsverhältnisses von Opportunismus und Effektivität.....................................86 I. Rücksendung der Ware .........................................................................87 II. Versandkosten und -risiken .................................................................100 III. Reihenfolge der Leistungsverpflichtungen: Das Zurückbehaltungsrecht des Unternehmers vor Rückzahlung ........162 IV. Wertersatz für einen Wertverlust der Ware .........................................175 V. Nutzungsherausgabe und -ersatz .........................................................207 VI. Aufwendungsersatz .............................................................................239 VII. Das Rückgewährschuldverhältnis als „beweglicheres System“ ...........249

Zusammenfassung und Schlussbetrachtung ...................................251 I. Generelle Zusammenfassung in Thesen ..............................................251 II. Thesen, die Anregungen zu Rechtsänderungen enthalten ....................255 III. Schlussbetrachtung .............................................................................257 Literaturverzeichnis ....................................................................................259 Sachregister ................................................................................................283

Inhaltsverzeichnis Vorwort ........................................................................................................... VII Inhaltsübersicht ................................................................................................ IX Abkürzungsverzeichnis ................................................................................. XXII

Einleitung .........................................................................................................1 I. Effektivität des Widerrufsrechts im Widerstreit mit opportunistischem Verbraucherverhalten ....................................................................................1 II. Konzentration der Untersuchung auf Kaufverträge ......................................2 III. Suche nach einer Lösung im Rückgewährschuldverhältnis ...........................3 IV. Gang der Darstellung ....................................................................................6

Teil 1: Grundlagen des Spannungsverhältnisses von Opportunismus und Effektivität des Widerrufsrechts ..........7 I. Zwecke der Widerrufsrechte bei Kaufverträgen ............................................7 1. Primär marktbezogene Zwecksetzungen .......................................................7 2. Primär verbraucherbezogene Zwecksetzungen..............................................9 a) Zwecksetzungen bei Fernabsatzverträgen ................................................9 b) Zwecksetzungen bei Haustürgeschäften und außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen ........................................... 12 c) Zusammenfassung.................................................................................. 18 II. Effektivität des Widerrufsrechts bei Kaufverträgen ..................................... 18 1. Allgemeine Ausgangspunkte zum Effektivitätsgrundsatz ........................... 19 a) Gewährleistung eines Mindestschutzniveaus ......................................... 19 b) Effektivität bei vollharmonisierender Richtlinie .................................... 20 c) Der relevante Maßstab ........................................................................... 21 2. Der Effektivitätsgrundsatz bei der Ausgestaltung von Widerrufsrechten im Rückgewährschuldverhältnis .................................................................. 22

XII

Inhaltsverzeichnis

a) Ausführungen des Richtliniengebers zur Effektivität des Widerrufsrechts ...................................................................................... 23 aa) Gesetzgebungsauftrag durch Art. 4 Satz 4 Haustürwiderrufs-RL .... 23 bb) Aussagegehalt des Erwägungsgrundes 14 zur Fernabsatz-RL ......... 23 cc) Klarstellung durch Erwägungsgrund 47 zur Verbraucherrechte-RL ...................................................................... 24 b) Die maßgebenden Gerichtsentscheidungen zur Rückabwicklung von Kaufverträgen ........................................................................................ 24 aa) Effektivitätswidersprechender Wertersatz („Messner“) ................... 24 (1) Regelung bei Fernabsatzverträgen nach der Schuldrechtsreform ..................................................................... 25 (2) Keine Richtlinienkonformität von § 357 Abs. 1, 3 BGB (i.F.v. 2004) ................................................................................ 25 (3) Herstellung der Richtlinienkonformität ...................................... 27 bb) Effektivitätshindernde Hinsendekosten („Heinrich Heine“) ............ 28 cc) Fazit .................................................................................................. 29 3. Ergebnis ....................................................................................................... 29 III. Opportunistisches Verbraucherverhalten und Rechtsmissbrauch ............... 30 1. Die Möglichkeit(en) opportunistischen Verbraucherverhaltens .................. 30 2. Auswirkungen von Opportunismus ............................................................. 32 a) Interne Auswirkungen ............................................................................ 33 b) Externe Auswirkungen........................................................................... 34 aa) Belastung aller Verbraucher ............................................................. 34 (1) Preiserhöhungen ......................................................................... 34 (2) Umfang des Angebots und Anzahl der Anbietenden .................. 36 (3) Zwischenergebnis ....................................................................... 37 bb) Belastung des stationären Handels ................................................... 37 (1) Gefahr der Entwicklung des Einzelhandels zum Vorführraum .. 37 (2) Erwägungsgrund 20 zur Verbraucherrechte-RL und die Konsequenzen ............................................................................. 39 cc) Fazit .................................................................................................. 40 3. Opportunismus als Rechtsmissbrauch ......................................................... 40 4. Opportunismusbewältigung ......................................................................... 43 IV. Opportunismus als Grenze der Verbraucherbegünstigung und Verbraucherschutz als Grenze der „Opportunismusbekämpfung“ ............. 43

Inhaltsverzeichnis

XIII

Teil 2: Implikationen der Verhaltensökonomik für das Spannungsverhältnis von Opportunismus und Effektivität .............................................................................. 47 I. Relevanz verhaltensökonomischer Erkenntnisse bei der Bestimmung der Effektivität ............................................................................................. 48 1. Rationales Verbraucherverhalten beim Widerruf als Ausgangspunkt ......... 48 2. Das Paradoxon des „plötzlich“ rationalen Verbrauchers ............................. 49 3. Einsatz von Verhaltensökonomik zur Berücksichtigung realitätsgetreuen Verhaltens .................................................................................................... 52 a) Erkenntnismethode der Verhaltensökonomik und der Einsatz von Empirie .................................................................................................. 52 b) Realitätsbezogene Wertungen ................................................................ 53 4. Ergebnis ....................................................................................................... 53 II. (Mangelnde) Effektivität des Verbraucherschutzinstruments aus verhaltensökonomischer Perspektive........................................................... 54 1. Vermutung fehlender Effektivität des Widerrufsrechts ............................... 54 2. Anomalien im Verbraucherverhalten bezüglich des Widerrufsrechts ......... 55 a) Schwierigkeiten beim Festlegen und Bewerten der Entscheidungsgrundlagen ...................................................................... 56 aa) Der zur Prüfung notwendige Besitz führt subjektiv zu einer Sachwertsteigerung: endowment effect............................................. 56 (1) Besitz als Grundlage einer Wertsteigerung................................. 56 (2) Auswirkungen des endowment effect bei Widerrufsrechten ....... 57 bb) Der Umgang mit neuen Informationen: kognitive Dissonanzen ...... 59 (1) Die Reduktion kognitiver Dissonanzen als Problem .................. 60 (2) Dissonanzen bei Kaufsituationen................................................ 61 (a) Die Auswirkungen eines Umtauschrechts auf die Dissonanzen .......................................................................... 62 (b) Dissonanzen bei Fernabsatzgeschäften ................................. 64 (c) Dissonanzen bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen ....................................................... 64 (3) Zwischenergebnis ....................................................................... 65 cc) Die Schwierigkeit, durch Prüfung von bestehenden Eindrücken abzuweichen: priming und Anker-Effekt ......................................... 66 dd) Verlustaversion als Hindernis richtiger Wert(ein)schätzung: loss aversion ..................................................................................... 67 ee) Spätere Kaufpreisrückerstattung vs. Möglichkeit jetziger Nutzung: hyperbolic discounting ..................................................... 68

XIV

Inhaltsverzeichnis

b) Die Schwierigkeit, einen aktuellen Status durch Handlung zu verlassen ............................................................................................ 69 aa) Status quo bias ................................................................................. 70 bb) Omission-commission bias ............................................................... 71 cc) Prokrastination/inertia ...................................................................... 71 dd) Sunk cost fallacy ............................................................................... 72 ee) Fazit .................................................................................................. 73 c) Zusammenfassung.................................................................................. 73 III. Konsequenzen der (verhaltensökonomisch belegten) Ineffektivität und Lösungsmöglichkeiten .......................................................................... 74 1. Schwebende Unwirksamkeit des Vertrages ................................................. 74 2. Bestätigungslösung zum Ausgleich von Verhaltensanomalien ................... 75 3. Auswirkungen und Ausgleich der Verhaltensanomalien im Rückgewährschuldverhältnis ....................................................................... 77 IV. Möglichkeiten anreizorientierten Vorgehens bei der Verhinderung von Opportunismus ...................................................................................... 79 V. Optionales Widerrufsrecht bei Fernabsatzgeschäften ................................. 81 1. 2. 3. 4.

Verhaltensökonomische Aspekte................................................................. 82 Erhöhtes Vorkommen von showrooming .................................................... 83 Gefahr von Opportunismus zulasten des Fernabsatzes ................................ 84 Ergebnis ....................................................................................................... 85

VI. Resümee ....................................................................................................... 85

Teil 3: Das Rückgewährschuldverhältnis nach Widerruf im Lichte des Spannungsverhältnisses von Opportunismus und Effektivität........................................ 86 I. Rücksendung der Ware ................................................................................ 87 1. Grundzüge der Rechtslage ........................................................................... 87 2. Gefährdung der Effektivität des Widerrufsrechts? ...................................... 87 a) Generelles Problem des vom Verbraucher zu erbringenden Aufwands ............................................................................................... 88 b) Effektivität bei fehlender Möglichkeit des Postversands ....................... 88 aa) Probleme aufgrund von Dissonanzreduktion ................................... 89 bb) Die Tatbestandsmerkmale des § 357 Abs. 6 Satz 3 BGB................. 89 (1) Verbesserung der Effektivität aufgrund der Möglichkeit einer engen Auslegung des Begriffes „Post“ .............................. 90

Inhaltsverzeichnis

XV

(2) Lieferung der Ware zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses zur Wohnung des Verbrauchers bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen ................................ 91 cc) Bewertung der Ausnahmeregelung in Bezug auf die Effektivität des Widerrufsrechts .......................................................................... 92 c) Die Verpflichtung zum Abbau aufgebauter Waren im Lichte der Effektivität des Widerrufsrechts ............................................................ 93 d) Zusammenfassung.................................................................................. 96 3. Rücksendeverpflichtung des Verbrauchers als notwendiger Ausschluss von Opportunismus ..................................................................................... 97 4. Ergebnis ....................................................................................................... 97 5. Rücksende- und Abbaupflicht de lege ferenda ............................................ 98 a) Erweiterte und eingeschränkte Abholpflicht des Unternehmers ............ 98 b) Abbauverpflichtung des Unternehmers.................................................. 98 II. Versandkosten und -risiken ....................................................................... 100 1. Grundzüge der Rechtslage ......................................................................... 100 a) Die Kosten der Versendungen ............................................................. 100 aa) Kostenlast bezüglich der Hinsendekosten ...................................... 100 bb) Übernahme der Rücksendekosten durch den Verbraucher ............. 101 cc) Grundgedanken zu einem etwaigen Interessenausgleich ............... 102 b) Transportgefahr bei der Rücksendung ................................................. 103 2. Effektivität der Regelungen ....................................................................... 104 a) Fernabsatzverträge und allgemeine Überlegungen zur Kostenverteilung .................................................................................. 104 aa) Die Auferlegung der Rücksendekosten als (ungewollt große) Belastung der Verbraucher ............................................................. 104 (1) Änderung der tatsächlichen Rückgabesituation im Vergleich zum alten Recht ........................................................................ 105 (2) Die irritierende Vorstellung des Europäischen Gerichtshofs und des Richtliniengebers ......................................................... 108 (3) Verhaltensökonomische Gründe für eine übermäßige Belastung der Verbraucher und Einschränkungen der Effektivität ................................................................................ 110 (a) Status quo bias und loss aversion ........................................ 110 (b) Dissonanzreduktionen ......................................................... 111 (c) Prokrastination .................................................................... 112 (d) Zwischenergebnis................................................................ 113 (4) Das Argument „keine Effektivitätsprobleme vor Umsetzung der Verbraucherrechte-RL in den anderen Mitgliedstaaten“ .... 113 (5) Erkenntnisse aus Studien zum Umgang der Verbraucher mit Rücksendekosten ...................................................................... 114

XVI

Inhaltsverzeichnis

(6) Zwischenergebnis ..................................................................... 116 bb) Keine Notwendigkeit von Rücksendung in der Originalverpackung ........................................................................ 116 cc) Besonderheiten bei Waren, die nicht per Post rückgesendet werden können ............................................................................... 116 dd) Hinsendekosten als versunkene Kosten.......................................... 118 (1) Das Konzept der versunkenen Kosten ...................................... 119 (2) Sind Hinsendekosten versunkene Kosten? ............................... 119 (3) Zwischenergebnis ..................................................................... 121 ee) Versandkosten und Förderung des Binnenmarktes ........................ 121 ff) Fazit ................................................................................................ 122 b) Besonderheiten bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen ............................................................................................. 123 aa) Zurechenbarkeit des Widerrufs bei Überrumpelung ...................... 123 bb) Überrumpelung hinsichtlich der Kosten für Expressversand ......... 123 cc) Effektivitätseinbußen mangels hinreichender Information ............ 125 dd) Die Verkürzung des Anwendungsbereichs der Widerrufsvorschriften bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen ................................................................ 126 ee) Fazit ................................................................................................ 128 c) Die Gefahrtragung bei Rücksendung der Ware ................................... 128 3. Auferlegung der Rücksendekosten als Schutzmechanismus gegenüber Opportunismus .......................................................................................... 129 a) Versandkosten als wirksames Mittel gegen faktische Leihe ................ 130 aa) Kostenentstehung als Hindernis positiver Kosten-NutzenAbwägung ...................................................................................... 131 bb) Unterstützung der Vermutung durch Studien ................................. 133 cc) Schwierigkeiten bei der Feststellung von Nutzungsersatzansprüchen und Verlustminimierung auf Unternehmerseite .......... 134 dd) Keine andere Handhabe bei faktischer Leihe ohne Nutzung (situational returnaholics).............................................................. 135 b) Auswirkung auf Bestellungen zur Auswahl aus Produkten ................. 136 c) Verhinderung der iterativen Bestellung gleicher Ware ........................ 138 d) Einschränkung des Kaufs mit geringer Bestehenswahrscheinlichkeit ............................................................................... 140 e) Das Problem des Teilwiderrufs bei Sammelbestellungen .................... 141 f) Gegenläufige Tendenzen: Steigerung der Attraktivität von showrooming ........................................................................................ 144 4. Ergebnis ..................................................................................................... 145 5. Versandkosten de lege ferenda .................................................................. 145 a) Umkehrung der Kostentragung im Vergleich zum geltenden Recht .... 145 aa) Konstellationen ohne Hinsendekosten – hauptsächlich außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge................................. 146

Inhaltsverzeichnis

XVII

bb) Bewertungskategorien zu der vorgeschlagenen Lösungsmöglichkeit ....................................................................... 147 (1) Unklarheit über resultierende Pflichten .................................... 147 (2) Veränderung der Transaktionskosten ....................................... 148 (3) Probleme mit den Wertungen der Heinrich HeineRechtsprechung? ....................................................................... 150 (4) Auswirkungen auf die Gestaltung der Hinsendekosten ............ 150 (5) Kaum Gefahr durch zusätzlichen Opportunismus .................... 152 (6) Abschwächung von Verhaltensanomalien ................................ 152 (7) Beseitigung von Kostenbezifferungsproblemen bei Teilwiderruf .............................................................................. 153 (8) Entkräftung der typischen Argumente gegen die Tragung der Rückkosten durch den Unternehmer................................... 154 cc) Notwendigkeit einer Differenzierung ............................................. 155 b) Tragung aller Versandkosten durch den Unternehmer? ....................... 156 aa) Fernabsatzverträge ......................................................................... 157 bb) Außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge ............... 158 (1) Opportunismusverhinderung als nicht valides Argument für eine Kostentragung zulasten des Verbrauchers ................... 158 (2) Vorteile der Regelung gegenüber einer Umkehrung der Kostentragung ........................................................................... 159 (3) Übermäßige Belastung des Unternehmers? .............................. 159 (4) Besonderheiten bei faktischen Haustürgeschäften .................... 160 (5) Zwischenergebnis ..................................................................... 160 c) Fazit ..................................................................................................... 160 III. Reihenfolge der Leistungsverpflichtungen: Das Zurückbehaltungsrecht des Unternehmers vor Rückzahlung ............. 162 1. Grundzüge der Rechtslage ......................................................................... 162 2. Einschränkungen der Effektivität .............................................................. 164 a) Notwendigkeit von Vertrauen zugunsten des Unternehmers ............... 165 aa) Grundlegendes Vertrauensproblem ................................................ 165 bb) Hinzukommende (Klage-)Risiken .................................................. 166 cc) Auszahlungen von Unternehmern bei Rückgewähr nach Widerruf: empirische Untersuchungen........................................... 168 dd) Aufzwingen erhöhter Rücksendekosten bzw. Einschränkung der Versandarten ............................................................................ 169 b) Die besondere Belastung finanzschwacher Verbraucher ..................... 170 c) Keine Überwindung der Prokrastination .............................................. 171 d) Erweiterung des Anwendungsbereiches von § 357 Abs. 4 Satz 2 BGB zur Gewährleistung eines effektiven Widerrufsrechts ......................... 171 3. Opportunismusverhinderung als fragwürdiger Ausgangspunkt ................ 172

XVIII

Inhaltsverzeichnis

4. Ergebnis ..................................................................................................... 173 5. Zurückbehaltungsrecht de lege ferenda ..................................................... 174 IV. Wertersatz für einen Wertverlust der Ware ............................................... 175 1. Grundzüge der Rechtslage ......................................................................... 176 2. Effektivität bei speziellen Regelungsaspekten........................................... 178 a) Rückwirkungen entstehender und entstandener Wertersatzansprüche auf die Effektivität ............................................................................... 178 b) Annäherung der Prüfungsmöglichkeit an den stationären Handel ....... 179 aa) Uneindeutigkeit des Begriffes „Funktionsweise“........................... 179 bb) Mit der Ware „nur so umgehen und sie nur so in Augenschein nehmen“, wie der Verbraucher dies im stationären Handel dürfte .............................................................................................. 181 cc) Vergleichbare Ladengeschäfte: Fachgeschäft, Discounter oder „Median Markt“?............................................................................ 184 c) Ausgangspunkt der Berechnung des Wertersatzes unter Effektivitätsgesichtspunkten ................................................................ 187 aa) Regelung bei Dienstleistungsverträgen als Basis eines Vergleichs ...................................................................................... 188 bb) Vergleich der Wertungen und Rückwirkung auf Kaufverträge ...... 189 cc) Fazit ................................................................................................ 190 d) Beweislast ............................................................................................ 190 e) Effektivitätsfördernde Maßnahmen als Effektivitätshindernis: Prüfung und Verhaltensanomalien ....................................................... 191 f) Problem einer „alles oder nichts“-Lösung ........................................... 192 g) Nebeneinander von Wertersatz und Sachrückgewähr: Das Problem des vollständigen Wertverlusts der Ware ....................... 193 h) Zusammenfassung................................................................................ 196 3. Opportunismus .......................................................................................... 196 a) Die wertmindernde Nutzung über die Prüfung hinaus als „Klassiker des Opportunismus“ ........................................................... 196 b) Geringe abschreckende Wirkung für opportunistisch handelnde Verbraucher ......................................................................................... 197 aa) Schwierigkeit einer Abgrenzung der Funktionsprüfung von darüber hinausgehender Nutzung und Beweisprobleme ................ 197 bb) Geringer Wertverlust durch über eine Überprüfung hinausgehenden Gebrauch .............................................................. 198 cc) Etwaige Reputationsverluste .......................................................... 199 dd) Fazit ................................................................................................ 200 c) Zusätzliche Information über Möglichkeiten, Wertersatzpflichten zu vermeiden ............................................................................................ 200 d) Zusammenfassung................................................................................ 201

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XIX

4. Übernahme des Zufallsrisikos durch den Unternehmer im Spannungsverhältnis zwischen Effektivität und Opportunismus............... 202 a) Das Tragen des Zufallsrisikos durch den Unternehmer im Lichte der Effektivität ..................................................................................... 202 b) Entstehen von Möglichkeiten opportunistischen Verhaltens ............... 203 aa) Behaupteter Diebstahl .................................................................... 203 bb) Durch zufälligen Untergang ausgelöster Widerruf ......................... 205 c) Zusammenfassung................................................................................ 206 5. Ergebnis ..................................................................................................... 207 V. Nutzungsherausgabe und -ersatz ............................................................... 207 1. Grundzüge und mögliche Hintergründe der Rechtslage ............................ 208 a) Verzicht von Richtliniengeber und nationalem Gesetzgeber auf Nutzungsersatzansprüche und Nutzungsherausgabeansprüche............ 208 b) Schwierigkeit der Feststellung von Nutzungen und Verfolgung von Ansprüchen auf Nutzungsherausgabe .................................................. 210 c) Rechtfertigung aufgrund typischerweise geringwertiger, sich ausgleichender Ansprüche ................................................................... 211 d) Zusammenfassung................................................................................ 212 2. Nutzungen des Verbrauchers ..................................................................... 212 a) Verzicht auf Nutzungsersatz zulasten des Verbrauchers zur Gewährleistung von Effektivität? ........................................................ 213 aa) Beeinflussung der Widerrufsentscheidung aufgrund der Kosten ... 213 (1) Relevanz der Kosten (nur) bei Nutzungsersatzansprüchen ....... 213 (2) Gewährleistung von Effektivität durch Angemessenheit der Kosten ....................................................................................... 214 (3) Gefährdung der Effektivität durch Beweislast oder Beweislasterleichterungen ........................................................ 214 bb) Gefahr der Verhinderung einer umfangreichen Prüfung ................ 215 cc) Fazit ................................................................................................ 216 b) Gefahr von Opportunismus mangels Nutzungsersatzes ....................... 216 aa) Nutzung als Verstoß gegen Grundsätze des bürgerlichen Rechts .. 216 bb) Kein Anreiz zum Unterlassen einer übermäßigen Nutzung (ex post) .......................................................................................... 220 cc) Mangelnde Sanktionsmöglichkeit von faktischer Leihe................. 221 dd) Fazit ................................................................................................ 222 c) Zusammenfassung................................................................................ 222 d) Übermäßige Nutzung de lege ferenda.................................................. 222 aa) Ausschluss des Widerrufsrechts bei übermäßiger Nutzung als Ausgleich zwischen Effektivität und Opportunismus?................... 223 (1) Entwicklungen in der Schweiz ................................................. 223 (2) Bewertung der Ausschlussregelung .......................................... 225

XX

Inhaltsverzeichnis

(a) Eignung zur Verhinderung opportunistischen Verhaltens .. 225 (b) Erhöhung der Transaktionskosten und Probleme hinsichtlich der Ressourcenallokation ................................. 225 (c) Erhöhung der abschreckenden, effektivitätseinschränkenden Wirkung auch für rechtstreue Verbraucher .................. 226 (3) Zwischenergebnis ..................................................................... 228 bb) Statuieren von Nutzungsersatz- und Nutzungsherausgabeansprüchen...................................................................................... 228 (1) Grundlagen einer Neuregelung ................................................. 228 (2) Potentielle Risiken .................................................................... 230 (3) Notwendigkeit einer Unterscheidung der Vertriebsformen? .... 231 (4) Zwischenergebnis ..................................................................... 232 cc) Fazit ................................................................................................ 232 3. Nutzungen des Unternehmers .................................................................... 233 a) Nutzungen bei hinreichender Information ........................................... 233 b) Nutzungen bei Verletzung der Informationspflichten .......................... 233 aa) Sanktionen im deutschen Recht ..................................................... 234 bb) Notwendigkeit des Anspruchs zur Gewährleistung der Effektivität...................................................................................... 236 cc) Gefahr der Ausnutzung durch Verbraucher.................................... 237 (1) Kaufvertrag mit Widerrufsrecht als Geldanlagemöglichkeit .... 237 (2) Verzögerung der Widerrufserklärung ....................................... 238 (3) Zwischenergebnis ..................................................................... 238 dd) Fazit ................................................................................................ 239 4. Ergebnis ..................................................................................................... 239 VI. Aufwendungsersatz .................................................................................... 239 1. Ersatzansprüche hinsichtlich der Verpackung ........................................... 240 a) Grundzüge der Rechtslage ................................................................... 240 b) Analogie zu Versandkosten zugunsten der Effektivität (insbesondere nach früherer Rechtslage)? ........................................... 241 c) Verpackungskosten als mittelbare Kosten der Rücksendung ............... 242 d) Anspruch auf Ersatz der Kosten für das Verpackungsmaterial und Informationspflichten de lege ferenda ................................................. 243 e) Zusammenfassung................................................................................ 244 2. Verwendungsersatzansprüche des Verbrauchers ....................................... 244 a) Grundzüge der Rechtslage ................................................................... 244 b) Verwendungen im Spannungsverhältnis von Opportunismus und Effektivität ........................................................................................... 245 aa) Verwendungen bei hinreichender Information ............................... 245 bb) Verwendungen bei Verletzung der Informationspflichten ............. 246 cc) Fazit ................................................................................................ 248

Inhaltsverzeichnis

XXI

3. Ergebnis ..................................................................................................... 249 VII. Das Rückgewährschuldverhältnis als „beweglicheres System“ .............. 249

Zusammenfassung und Schlussbetrachtung ...................................... 251 I. Generelle Zusammenfassung in Thesen ..................................................... 251 II. Thesen, die Anregungen zu Rechtsänderungen enthalten .......................... 255 III. Schlussbetrachtung .................................................................................... 257 Literaturverzeichnis ...................................................................................259 Sachregister ...............................................................................................283

Abkürzungsverzeichnis a.A. a.a.O. a.E. A.E.R. ABGB ABl. Abs. AcP ADR Adv. Exp. Soc. Psychol. AEUV AG AGB Alt. Am. Psychol. Am. Sociol. Rev. Anm. arg. Art. AT Aufl.

andere(r) Ansicht am angegebenen Ort am Ende American Economic Review Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch Amtsblatt der Europäischen Union Absatz Archiv für die civilistische Praxis Alternative Dispute Resolution Advances in Experimental Social Psychology Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union Amtsgericht Allgemeine Geschäftsbedingungen Alternative American Psychologist American Sociological Review Anmerkung argumentum Artikel Allgemeiner Teil Auflage

B.E.J.E.A.P. BB BBl. BDSG Bd. BeckRS Beil. BGB BGBl. BGE BGer BGH BGHZ BR-Drucks. BT-Drucks.

The B.E. Journal of Economic Analysis & Policy Betriebs-Berater Bundesblatt der Schweiz Bundesdatenschutzgesetz Band Beck-Rechtsprechung Beilage Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Leitentscheide des (Schweizerischen) Bundesgerichts (Schweizerisches) Bundesgericht Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Bundesratsdrucksachen Bundestagsdrucksachen

Abkürzungsverzeichnis Bus. Ethics Eur. Rev. Bus. Horizons bzw.

Business Ethics: A European Review

C.L.S.R. ca. Cal. L. Rev. CESL CML Rev. CR

Computer Law & Security Review circa California Law Review Common European Sales Law Common Market Law Review Computer und Recht

D.D.D.M.P. DB dens. ders. dies.

Journal of Direct, Data and Digital Marketing Practice Der Betrieb denselben derselbe dieselbe(n)

E E.J. E.J.M. ebd. Ed. EGBGB EG EGV Electron. Commer. Res. ELR endg. ERCL Erg.-Lfg. ERPL et al. EuGH Eur. J. Law Econ. EUV euvr

Entwurf The Economic Journal European Journal of Marketing ebenda Edition Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch Europäische Gemeinschaft Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft Electronic Commerce Research

XXIII

Business Horizons beziehungsweise

EuZW EWG EWiR EWS

Erasmus Law Review endgültig European Review of Contract Law Ergänzungslieferung European Review of Private Law et alii Europäischer Gerichtshof European Journal of Law and Economics Vertrag über die Europäische Union Zeitschrift für Europäisches Unternehmens- und Verbraucherrecht/ Journal of European Consumer and Market Law Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Europäische Wirtschaftsgemeinschaft Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht Europäisches Wirtschafts- & Steuerrecht

f./ff. FAGG Fla. St. U. L. Rev. Fn. FS

folgende Fern- und Auswärtsgeschäfte-Gesetz Florida State University Law Review Fußnote Festschrift

XXIV

Abkürzungsverzeichnis

GbR GEKR-E/GEK-E Geo. L. J. Ger. Law J. GKG GPR GRC GS

Gesellschaft bürgerlichen Rechts Entwurf zu einem Gemeinsamen Europäischen Kaufrecht Georgetown Law Journal German Law Journal Gerichtskostengesetz Zeitschrift für Gemeinschaftsprivatrecht Charta der Grundrechte der Europäischen Union Gedenkschrift

Halbs. Harvard Bus. Manager HGB HKK HMD Hrsg. hrsgg.

Halbsatz Harvard Business Manager

i.e. i.F.v. i.H.v. I.J.C.S.S. I.J.E.A. I.J.M.C. I.J.R.D.M. i.S. i.S.d. i.V.m.

id est in der Fassung von in Höhe von International Joint Conference on Service Sciences International Journal of Educational Administration International Journal of Management Cases International Journal of Retail & Distribution Management in Sache(n) im Sinne des/der in Verbindung mit

J. Behav. Dec. Making J. Cons. Res. J. Consum. Policy J. Econ. Behav. & Org. J. Exp. Soc. Psychol. J. Ind. Econ. J. L. & Econ. J. L. Econ. & Org. J. Legal Stud. J. Pers. Soc. Psychol. J. Retailing J. Risk Uncertain. J. Serv. Res. J. Socio.-Econ. J.A.M.S. J.B.R. J.C.A. J.E.P.

Journal of Behavioral Decision Making

Handelsgesetzbuch Historisch-kritischer Kommentar zum BGB HMD – Praxis der Wirtschaftsinformatik Herausgeber herausgegeben

Journal of Consumer Research Journal of Consumer Policy Journal of Economic Behavior & Organization Journal of Experimental Social Psychology Journal of Industrial Economics Journal of Law & Economics Journal of Law, Economics & Organization Journal of Legal Studies Journal of Personality and Social Psychology Journal of Retailing Journal of Risk & Uncertainty Journal of Service Research Journal of Social-Economics Journal of the Academy of Marketing Science Journal of Business Research Journal of Consumer Affairs Journal of Economic Perspectives

Abkürzungsverzeichnis J.M. J.M.M. J.M.R. J.P.E. J.P.P. & M. J.S.M. JBl. JIPITEC

XXV

JITE jM JR Jura jurisPR-ITR JuS JZ

Journal of Marketing Journal of Marketing Management Journal of Marketing Research Journal of Political Economy Journal of Public Policy & Marketing Journal of Services Marketing Juristische Blätter Journal of Intellectual Property, Information Technology and Electronic Commerce Law Journal of Institutional and Theoretical Economics juris – Die Monatszeitschrift Juristische Rundschau Juristische Ausbildung juris PraxisReport IT-Recht Juristische Schulung Juristenzeitung

Kap. K.P.F. K&R

Kapitel Kiplinger's Personal Finance Magazine Kommunikation und Recht

LG lit. l. Sp.

Landgericht littera linke Spalte

M. & S.O.M. m.N. m.w.N. Manag. Sci. Mark. Lett. MDR Mich. L. Rev. Minn. L. Rev. MMR

Manufacturing & Service Operations Management mit Nachweisen mit weiteren Nachweisen Management Science Marketing Letters Monatsschrift für Deutsches Recht Michigan Law Review Minnesota Law Review Multimedia und Recht

NJ NJOZ NJW NJW-RR NK Nr. NYU L. Rev. NZG NZV

Neue Justiz Neue Juristische Online-Zeitschrift Neue Juristische Wochenschrift Neue Juristische Wochenschrift – Rechtsprechungsreport NomosKommentar Nummer New York University Law Review Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht Neue Zeitschrift für Verkehrsrecht

o.A. o.Ä. ODR

ohne Angabe oder Ähnliches Online dispute resolution

XXVI OECD OGH OLG OR ORDO Org. Beh. & Hum. Dec. Processes ÖJZ

Abkürzungsverzeichnis Organisation for Economic Co-operation and Development/ Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Oberster Gerichtshof (in Österreich) Oberlandesgericht (Schweizerisches) Obligationenrecht ORDO – Jahrbuch für die Ordnung von Wirtschaft und Gesellschaft Organizational Behavior and Human Decision Processes Österreichische Juristen-Zeitung

Penn St. Int'l. L. Rev. Pers. Soc. Psychol. Bull. Psychol. Bull. Psychol. Market. Psychol. Rev.

Penn State International Law Review Personality and Social Psychology Bulletin

Q. J. Econ.

Quarterly Journal of Economics

R.E.D.C.

Revue Européenne de Droit de la Consommation / European Journal of Consumer Law Revue des Affaires Européennes Review of Economic Studies Recht der Internationalen Wirtschaft Randnummer Richtlinie Rechtssache rechte Spalte

Rev. Aff. Eur. Rev. Econ. Stud. RIW Rdnr. RL Rs. r. Sp. S. scil. Serv. Market. Q. Slg.

Psychological Bulletin Psychology & Marketing Psychological Review

SWZ

Seite scilicet Services Marketing Quarterly Amtliche Sammlung der Rechtsprechung des Gerichtshofes und des Gerichts Erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften sogenannt Spalte Stanford Law Review Strafgesetzbuch Steuer und Wirtschaft – Zeitschrift für die gesamten Steuerwissenschaften Schweizerische Zeitschrift für Wirtschafts- und Finanzmarktrecht

U. Pa. L. Rev U. Pitt. L. Rev. u.a. u.Ä. UCLA L. Rev. Unif. L. Rev. Unterabs.

University of Pennsylvania Law Review University of Pittsburgh Law Review und andere und Ähnliches UCLA Law Review Uniform Law Review Unterabsatz

sog. Sp. Stan. L. Rev. StGB StuW

Abkürzungsverzeichnis

XXVII

UrhG Urt.

Urheberrechtsgesetz Urteil

VbR verb. VersR vgl. VJH VO vol. VSBG VuR VVG

Zeitschrift für Verbraucherrecht verbundene Versicherungsrecht vergleiche Vierteljahrshefte zur Wirtschaftsforschung Verordnung volume Verbraucherstreitbeilegungsgesetz Verbraucher und Recht Versicherungsvertragsgesetz

wbl

WRP

wirtschaftsrechtliche blätter – Zeitschrift für österreichisches und europäisches Wirtschaftsrecht Wertpapier-Mitteilungen – Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht Wettbewerb in Recht und Praxis

Yale L.J.

Yale Law Journal

z.B. Z. Betriebswirtsch. ZAP ZEuP ZFP ZfPW zfs ZGB

zum Beispiel Zeitschrift für Betriebswirtschaft Zeitschrift für die Anwaltspraxis Zeitschrift für Europäisches Privatrecht Marketing – Zeitschrift für Forschung und Praxis Zeitschrift für die gesamte Privatrechtswissenschaft Zeitschrift für Schadensrecht (Schweizerisches) Zivilgesetzbuch

ZGS

Zeitschrift für das gesamte Schuldrecht (2002–2008), Zeitschrift für Vertragsgestaltung, Schuld- und Haftungsrecht (2009–2011) Zeitschrift für das Juristische Studium Zivilprozessordnung Zeitschrift für Rechtspolitik Zeitschrift für Schweizerisches Recht Zeitschrift für Vertriebsrecht Zeitschrift für Zivilprozess

WM

ZJS ZPO ZRP ZSR ZVertriebsR ZZP

Einleitung „Überhaupt erkläre ich ein für allemal, daß ich bereit bin, alles zu widerrufen […]; nur darf es mir nicht viele Mühe kosten.“1 (Heinrich Heine, Berlin, 7.6.1822)

I. Effektivität des Widerrufsrechts im Widerstreit mit opportunistischem Verbraucherverhalten I. Effektivität des Widerrufsrechts im Widerstreit mit Opportunismus

Verbraucher haben in bestimmten Situationen ein Widerrufsrecht, mithin ein Vertragslösungsrecht, für dessen Ausübung kein besonderer Grund notwendig ist. Der Verbraucher muss sich nicht einmal rechtfertigen, wenn und warum er widerruft. Durch die weitreichenden Rechte entsteht ein großes Potenzial für Widerrufe, bei denen der Verbraucher das Widerrufsrecht ausnutzt oder missbraucht. Der Verbraucher handelt dann opportunistisch, wenn er das Widerrufsrecht nicht dessen Zweck entsprechend gebraucht. Weil er in solchen Situationen den Verbraucherschutz nicht benötigt, wird versucht, opportunistisches Verhalten zu verhindern oder zu beschränken. Hierbei kommen verschiedene Möglichkeiten in Betracht. In den Vereinigten Staaten von Amerika hat sich hierzu sogar ein eigenes Forschungsfeld etabliert.2 Allerdings betreffen die Forschungen zumeist Kaufsituationen, bei denen die Vertragslösungsrechte vom Unternehmer freiwillig eingeräumt werden (z.B. im stationären Handel), sodass der Unternehmer wiederum Beschränkungen auch in großem Ausmaß einführen kann. Dies ist in der Europäischen Union bei den besonderen Vertriebsformen nicht möglich. Das Widerrufsrecht soll effektiv und wirksam sein. Es soll seine Zwecksetzungen auch auf einer tatsächlichen Ebene verwirklichen, wenn der Verbraucher schutzwürdig ist. Das Widerrufsrecht darf folglich nicht zu stark beschränkt werden. Die Effektivität des Widerrufsrechts stellt eine Grenze für die Verhinderung von opportunistischem Verbraucherverhalten dar. Es besteht

1

Heine, Reisebilder, Nachdruck 1982, S. 48. Siehe nur Davis et al., 50 Journal of Economics and Business 445 ff. (1998); Foscht et al., [2013] 41 I.J.R.D.M. 113 ff.; Harris, J. Retailing 84 (2008), 461 ff., jeweils m.w.N. 2

2

Einleitung

demnach ein – noch näher zu konkretisierendes – Spannungsverhältnis von Opportunismus und Effektivität beim Widerrufsrecht. Dieser Gegensatz spiegelt sich auch in dem eingangs genannten – und sicherlich aus dem Zusammenhang genommenen – Zitat von Heinrich Heine wider: Er möchte nur widerrufen, wenn es ihn nicht viel Mühe kostet (Effektivität); er widerruft dann aber auch alles, ohne Rücksicht darauf, ob es zweckwidrig ist oder nicht (Opportunismus).

II. Konzentration der Untersuchung auf Kaufverträge II. Konzentration der Untersuchung auf Kaufverträge

Die vorliegende Untersuchung behandelt dabei nur Widerrufsrechte, die einem Verbraucher bei Kaufverträgen im Rahmen besonderer Vertriebsformen zustehen. Auch bei Widerrufsrechten im Rahmen anderer Vertragsformen kann sich ein Verbraucher opportunistisch verhalten. Er kann beispielsweise bei einem voll valutierten Immobiliendarlehen den Darlehensvertrag widerrufen, weil er die Vorfälligkeitsentschädigung bei der Rückzahlung des Darlehens nicht tragen will.3 Die Beschränkung auf Kaufverträge wurde hier gewählt, weil sich in diesem Forschungsfeld am besten aufzeigen lässt, wie die konkrete Ausgestaltung der Vorschriften die Verhaltensweisen des Verbrauchers beeinflussen kann. Zudem sind die Regelungen zum Widerruf von Kaufverträgen durch die Umsetzung der Verbraucherrechte-RL4 sehr umfassend novelliert worden. Dabei ist bereits an diesem Punkt anzumerken, dass nun erstmals die verschiedenen Vertriebsformen, bei denen ein Widerrufsrecht bestehen soll, auf europäischer Ebene weitgehend gleich geregelt sind, was eine grundlegende Untersuchung der neuen Regelungen notwendig macht.5

3

Siehe zu diesem Problemkreis beispielsweise Rehmke/Tiffe, VuR 2014, 135 ff. Richtlinie 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25.10.2011 über die Rechte der Verbraucher, ABl. L 304 vom 22.11.2011, S. 64–88; in diesem Bereich diente die Verbraucherrechte-RL zudem als Grundlage des Entwurfs für ein Gemeinsames Europäisches Kaufrecht. 5 Trotz einer umfassenden Neuregelung soll nicht näher auf den Widerruf bei Lieferung von digitalen Inhalten eingegangen werden (§ 356 Abs. 5 BGB, § 357 Abs. 9 BGB; Umsetzung von Art. 14 Abs. 4 lit. b, Art. 16 lit. m Verbraucherrechte-RL), weil dort grundlegend andere Probleme auftreten. Siehe dazu etwa Peintinger, MMR 2016, 3 ff. 4

III. Suche nach einer Lösung im Rückgewährschuldverhältnis

3

III. Suche nach einer Lösung im Rückgewährschuldverhältnis III. Suche nach einer Lösung im Rückgewährschuldverhältnis

Gesetzgeber und Unternehmer bemühen sich in vielerlei Hinsicht, opportunistisches Verbraucherverhalten einzudämmen und zu verhindern.6 Dabei gelingt dem Gesetzgeber zunächst eine situative Beschränkung des opportunistischen Verbraucherverhaltens, indem bei bestimmten Lebenssachverhalten das Widerrufsrecht ausgeschlossen wird.7 Im harmonisierten deutschen Recht finden sich die Ausschlussgründe in § 312g Abs. 2 Satz 1 BGB (Umsetzung von Art. 16 Verbraucherrechte-RL), wobei hauptsächlich zwei Fallgruppen unterschieden werden können:8 ein Ausschluss aufgrund von Besonderheiten der Ware oder aufgrund des Verbraucherverhaltens nach Erhalt der Ware. Beispielsweise könnte ein Verbraucher mit einem Widerrufsrecht eine Zeitung kaufen, sie lesen und danach den Vertrag widerrufen. Die Zeitung hat ihren Wert aber hauptsächlich in der Zeit kurz nach ihrem Erscheinen (arg. ex § 38 Abs. 3 UrhG). Das opportunistische Verhalten kann hier nur eingeschränkt werden, indem dem Verbraucher das Widerrufsrecht nicht gewährt wird (siehe § 312g Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 BGB). Zur Vermeidung opportunistischen Verhaltens ist das Widerrufsrecht auch ausgeschlossen, wenn die Versiegelung einer Computersoftware nach dem Kauf entfernt wird (siehe § 312g Abs. 2 Satz 1 Nr. 6 BGB). Der Verbraucher könnte die Software sonst installieren und danach den Vertrag widerrufen. Zudem kann opportunistisches Verbraucherverhalten auch im Hinblick auf den zeitlichen Verlauf einer Kundenbeziehung eingedämmt werden. Zunächst steht es dem Unternehmer aufgrund der Privatautonomie frei, mit einem Verbraucher einen Vertrag abzuschließen. Die Grenze für diese freie Entscheidung bildet ein Kontrahierungszwang,9 der jedoch nur in Ausnahmefällen besteht.10

6 Der radikalste Weg wäre, auf Widerrufsrechte generell zu verzichten. Existiert kein Widerrufsrecht, kann es auch nicht ausgenutzt werden. Allerdings muss der Verbraucher geschützt werden und andere Verbraucherschutzinstrumente, wie die (vorvertragliche) Informierung des Verbrauchers, können die Zwecke des Widerrufsrechts nicht erfüllen. Angeregt wird der Verzicht auf Widerrufsrechte jedoch insbesondere von Kroll-Ludwigs, ZEuP 2010, 509 (523 ff.), wobei ihr Ausgangspunkt die fehlende Effektivität des Widerrufsrechts ist. 7 Vgl. Franck, Europäisches Absatzrecht, 2006, S. 293; Stürner, Jura 2016, 26 (29 f.); Wagner, Erasmus Law Review 3 (2010), 47 (59 f.). 8 Nicht berücksichtigt wird dabei § 312g Abs. 2 Satz 1 Nr. 10 BGB, der ein Widerrufsrecht bei bestimmten Auktionen ausschließt; es handelt sich insoweit um einen Sonderfall, der an die Art und Weise des Kaufvertragsschlusses geknüpft ist. 9 Siehe dazu ausführlich: Wolf/Neuner, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, 10. Aufl. 2012, § 45 Rdnr. 5 ff.; Medicus/Lorenz, Schuldrecht I, 21. Aufl. 2015, § 10 Rdnr. 74 ff. 10 Brönneke, MMR 2004, 127 (ebd.), bringt das Beispiel von exklusiv vertriebenen, dringend benötigten Arzneimitteln; R. Becker/Föhlisch, NJW 2008, 3751 (3755 f.), gehen davon aus, dass bei Apothekenbetreibern immer ein Kontrahierungszwang besteht (so auch

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Einleitung

Somit kann ein Unternehmer, der mit einem vorangegangenen Verhalten eines Verbrauchers unzufrieden ist, grundsätzlich von weiteren Vertragsabschlüssen absehen.11 Dieses Verhalten erscheint insbesondere dann zweckmäßig, wenn ein Verbraucher eine sehr hohe Widerrufsquote vorweist und der weitere Geschäftskontakt für den Unternehmer finanziell uninteressant oder sogar belastend ist.12 Das darüber hinausgehende Schließen eines Nutzerkontos (insbesondere im Fernabsatz) kann allerdings problematisch sein, wenn weitere Dienste mit dem Konto gekoppelt sind. Diese Dienste stehen oftmals nur in entfernterem (bei Kauf von E-Book-Readern) oder überhaupt nicht in Zusammenhang mit einem Kaufvertrag, der über das Portal des Unternehmers abgeschlossen wurde. Folglich dürfte eine Beschränkung dieser Dienste aufgrund des Retourenverhaltens bezüglich der Kaufverträge unzulässig sein.13 Daneben kann eine Regulierung von opportunistischem Verbraucherverhalten über die Länge der Widerrufsfrist stattfinden. Der Richtliniengeber statuiert (nunmehr europaweit einheitlich), dass eine Widerrufsfrist von vierzehn Tagen als angemessen angesehen wird, um die Zwecke des Widerrufsrechts zu erfüllen; Art. 9 Abs. 1 Verbraucherrechte-RL (umgesetzt in § 355 Abs. 2 Satz 1 BGB). Damit wird gleichzeitig die Zeit begrenzt, in der ein Verbraucher mit der Ware opportunistisch umgehen kann.14 Beispielsweise könnte ein Verbraucher bei einer längeren Frist den Unternehmer schädigen, wenn er Saisonware kauft und (erst) nach Ablauf der Saison widerruft. Eine zeitliche Begrenzung findet nunmehr sogar statt, wenn der Verbraucher nicht über sein Widerrufsrecht belehrt wurde. Waren dem Widerruf in derartigen Fällen lange Zeit nur die Grenzen der Verwirkung und des Rechtsmissbrauchs gesetzt,15 erlischt das Widerrufsrecht nunmehr gemäß Art. 10 Abs. 1 Verbraucherrechte-RL (umgesetzt in § 356 Abs. 3 Satz 2 BGB) nach spätestens einem Jahr und vierzehn Tagen. Hierdurch wird opportunistisches Verbraucherverhalten zeitlich eingedämmt.16 Allerdings können die zeitlichen Begrenzungen nicht verhindern, dass (zunächst) opportunistisch gehandelt wird. Unternehmer suchen deshalb nach anderen Möglichkeiten, opportunistisches Verbraucherverhalten zu verhindern.17 Mand/Könen, WRP 2006, 841 [845]), diese aber nicht stark benachteiligt seien, da dabei ein Widerrufsrecht ausgeschlossen sei (a.A. AG Köln, NJW 2008, 236 [ebd.]). 11 Vgl. Wendehorst, MünchKomm. BGB, 6. Aufl. 2012, § 312d Rdnr. 66. 12 Brönneke, MMR 2004, 127 (ebd.); Föhlisch, in: Hoeren/Sieber/Holznagel (Hrsg.), Multimedia-Recht, 41. Erg.-Lfg. 2015, Teil 13.4, Rdnr. 293. 13 Vgl. Solmecke/Czajkowski, K&R 2013, 699 (703). Zur Kontoschließung auch Johannisbauer, MMR-Aktuell 2013, 349380. Siehe nunmehr OLG Köln, Urt. vom 26.02.2016, 6 U 90/15; dazu (Stand: 05.03.2016). 14 Vgl. zum Gedanken der Begrenzung von opportunistischem Verbraucherverhalten durch die Verkürzung der Widerrufsfrist Rettenmaier/Kopf, JR 2007, 226 (231). 15 Vgl. Wendehorst, MünchKomm. BGB, 6. Aufl. 2012, § 312d Rdnr. 72. 16 Wendehorst, VbR 2014, 176 (ebd.). 17 Vgl. auch Posselt/Gerstner/Radic, 10 J. Serv. Res. 207, 209 (2008).

III. Suche nach einer Lösung im Rückgewährschuldverhältnis

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Gerade der übermäßige Gebrauch der Ware vor Widerruf belastet die Unternehmer. In diesem Zusammenhang sei auf ein Unternehmen namens local letterbox18 hingewiesen, das versucht, sich im Vereinigten Königreich zu etablieren. Die Box funktioniert wie eine kleine Postfiliale, die an einem zentralen Ort innerhalb einer Stadt aufgestellt wird, lange Öffnungszeiten vorweisen kann und – was für die Retourensituation entscheidend ist – eine Umkleidekabine enthält. Der Verbraucher kann Kleidung vor Ort anprobieren und braucht sich bei Nichtgefallen und Widerruf nicht um die (erneute) Verpackung zu kümmern. Auch der Aufwand für den Rücktransport zu einer Postfiliale entfällt. Solange der Verbraucher nicht gezwungen wird, die Entscheidung über das Behalten der Ware vor Ort zu treffen, bestehen auch kaum Bedenken bezüglich der Effektivität des Widerrufsrechts, da der Verbraucher die Möglichkeit behalten würde, vierzehn Tage über seine Entscheidung nachzudenken. Für den Unternehmer liegt der Vorteil darin, dass der Verbraucher die Ware (in der local letterbox) nicht übermäßig nutzen kann.19 Vor Ort werden dadurch opportunistische Verhaltensweisen ausgeschlossen. Ein Onlinehändler wird allerdings nicht mit allen seinen Kunden vereinbaren können, dass die Ware nicht an deren Wohnsitz gesendet wird. Deshalb wird ein Verbraucher weiterhin die Möglichkeit haben, die Ware direkt zu seiner Wohnung liefern zu lassen und dort – wie gewohnt – zu prüfen. Zudem wird der Verbraucher aufgrund der verbraucherschützenden europäischen Richtlinienvorgaben immer die Möglichkeit haben müssen, die Ware von der local letterbox zu seinem Wohnort zu bringen und dort zu testen. Es gibt demzufolge einen gewissen Anreiz gegen opportunistisches Verhalten, ein Ausschluss wird damit aber nicht zu erreichen sein. Zudem kann die local letterbox in vielen anderen Produktkategorien (z.B. bei technischen Geräten) keine hinreichende Überprüfung der Ware ermöglichen. Folglich kann opportunistisches Verbraucherverhalten so auch nicht umfassend eingeschränkt werden. Opportunismus ist nicht auf bestimmte Situationen beschränkt, die man ohne Weiteres vom Widerrufsrecht ausschließen kann. Vielmehr gibt es Formen opportunistischen Verbraucherverhaltens in jedem Warensegment, in allen Ausprägungen der Vertriebsformen und sowohl geplant (vor Vertragsschluss) als auch zunächst ungeplant (nach Vertragsschluss). Zudem kann opportunistisches Verbraucherverhalten nur teilweise zeitlich eingeengt werden. Da den Unternehmer auch sonstige individuelle Mechanismen nicht umfassend

18 Die Informationen über das Unternehmen wurden (Stand: 05.03.2016) entnommen. 19 Die Kosten für den Einsatz der local letterbox sind zunächst von den Unternehmen zu tragen. Diese müssen sich dann überlegen, ob sie diese Kosten auf den Verbraucher umlegen oder ob der Gewinn durch weniger beschädigt zurückgesendete Ware höher ist als die Kosten für den Einsatz des Systems.

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Einleitung

schützen, muss die Lösung des Problems an einer anderen Stelle gesucht werden. Gesetzgeber, Rechtsprechung und Literatur versuchen, die Lösung des Problems im Rückgewährschuldverhältnis nach Widerruf zu finden. Dieser Weg wird auch hier verfolgt. Er ist insbesondere vielversprechend, weil dabei die Möglichkeit besteht, die Opportunismusverhinderung im Detail mit der Effektivität des Widerrufsrechts abzustimmen und auszugleichen.

IV. Gang der Darstellung IV. Gang der Darstellung

Die Untersuchung ist in drei Teile gegliedert. Zunächst wird grundlegend dargestellt, dass ein Spannungsverhältnis zwischen opportunistischem Verbraucherverhalten bezüglich des Widerrufsrechts einerseits und der Effektivität des Verbraucherschutzinstruments andererseits besteht. Dabei werden insbesondere die Begriffe Opportunismus und Effektivität näher erläutert und die Interessenlagen der Marktteilnehmer beleuchtet (Teil 1). Im nächsten Schritt wird aufgezeigt, wie die Erkenntnisse der Verhaltensökonomik den gegenständlichen Lebenssachverhalt und die vorliegende Untersuchung beeinflussen. Der Verbraucherschutz bei Widerrufsrechten ist insoweit grundlegend geringer als vom Richtliniengeber bezweckt, weil der Verbraucher Verhaltensanomalien unterliegt, die ihn vom Widerruf abhalten. Möchte man nunmehr opportunistisches Verbraucherverhalten verhindern, muss man besonders vorsichtig vorgehen, um die Effektivität des Widerrufsrechts nicht noch weiter einzuschränken. Dabei ist besonders wichtig, dass der Verbraucher faktisch von seinen Rechten profitiert und Gebrauch machen kann. Gerade deshalb muss versucht werden, das Verbraucherverhalten in der Praxis zu berücksichtigen (Teil 2). In dem Spannungsverhältnis von Opportunismus und Effektivität ist die Rückabwicklung nach Widerruf auszugestalten: Alle Regelungsaspekte müssen sich sinnvoll in diesem Spannungsverhältnis einordnen lassen. Als Ausgangspunkt dieses Teils der Untersuchung wird dabei jeweils das geltende deutsche Recht nach Umsetzung der Verbraucherrechte-RL gewählt. Konkret erfolgt eine Auseinandersetzung mit der Ausgestaltung der Rücksendungsverpflichtung bezüglich der Ware, Versandkosten und -risiken, dem Zurückbehaltungsrecht des Unternehmers vor der Rückzahlung, Wertersatzpflichten des Verbrauchers, Nutzungsersatzansprüchen und Nutzungsherausgabeansprüchen sowie Aufwendungsersatzansprüchen (Teil 3). Die Arbeit endet mit zusammenfassenden Thesen, die zugleich konkrete Rechtsänderungen anregen, und einer Schlussbetrachtung.

Teil 1:

Grundlagen des Spannungsverhältnisses von Opportunismus und Effektivität des Widerrufsrechts Zunächst wird dargelegt, wie sich die Verhinderung opportunistischen Verbraucherverhaltens einerseits und der Schutz des redlichen Verbrauchers andererseits beim Widerrufsrecht gegenüberstehen und ein Spannungsverhältnis erzeugen.

I. Zwecke der Widerrufsrechte bei Kaufverträgen I. Zwecke der Widerrufsrechte bei Kaufverträgen

Dafür muss zunächst grundlegend untersucht werden, welche Zwecke durch Widerrufsrechte bei Kaufverträgen verwirklicht werden sollen. Nur an diesen Zwecken kann die Effektivität des Widerrufsrechts ausgerichtet werden. Darüber hinaus können nur diese Zwecke Ausgangspunkt einer Klassifizierung von opportunistischen Verhaltensweisen sein. 1. Primär marktbezogene Zwecksetzungen Die Richtlinien, die Widerrufsrechte bei Kaufverträgen statuieren und behandeln, werden vorrangig auf Ermächtigungsgrundlagen gestützt, die die Rechtsangleichung im Binnenmarkt betreffen.1 Insoweit sollen die Richtlinien durch die Rechtsangleichung den Binnenmarkt stärken. Daran knüpft die Frage an, ob den Widerrufsrechten als Teil der Regelungen innerhalb der Richtlinien auch eine marktbezogene Zwecksetzung zukommt. Die betroffenen Richtlinien enthalten kaum Anhaltspunkte dafür, dass speziell die Einführung der Widerrufsrechte den Binnenmarkt positiv beeinflussen soll. Gerade für Fernabsatz-

1 Die Haustürwiderrufs-RL (Richtlinie 85/577/EWG des Rates vom 20.12.1985 betreffend den Verbraucherschutz im Falle von außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen, ABl. L 372 vom 31.12.1985, S. 31–33) wurde insbesondere auf den damaligen Art. 100 EGV, die Fernabsatz-RL (Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 1997 über den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz, ABl. L 144 vom 04.06.1997, S. 19–27) insbesondere auf den damaligen Art. 100a EGV und die Verbraucherrechte-RL insbesondere auf Art. 114 AEUV gestützt.

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Teil 1: Grundlagen des Spannungsverhältnisses von Opportunismus und Effektivität

verträge wurde klargestellt, dass es hauptsächlich darum gehe, die von den Mitgliedstaaten schon eingeführten Vertragslösungsrechte zu harmonisieren.2 Allerdings wird der Markt insoweit gestärkt, als für Unternehmer ein Anreiz gesetzt wird, dem angegebenen Preis entsprechende Produkte zu liefern, da der Verbraucher anderenfalls eher von einem Widerrufsrecht Gebrauch machen wird. Dadurch wird das Marktversagen verhindert, das entstehen kann, wenn der Käufer nicht zwischen Verkäufern mit guten und schlechten Angeboten unterscheiden kann.3 Die Harmonisierung befördert zudem auch das Vertrauen des Verbrauchers in den Binnenmarkt, denn „[d]ie unangemessene Rechtszersplitterung untergräbt auch das Vertrauen der Verbraucher in den Binnenmarkt“.4 Durch (harmonisierte) Widerrufsrechte wird jedoch nicht nur das Vertrauen in den Binnenmarkt, sondern auch das Vertrauen in eine bestimmte Vertriebsform und den in diesem Rahmen vorhandenen Schutz verbessert.5 Ein Verbraucher wird dann eher unter Gebrauch dieser Vertriebsformen einkaufen. Somit wird er in eine Entscheidungssituation gebracht, in der er selbst als Mittel zur Verbesserung des Binnenmarktes genutzt wird.6

2 Siehe Erwägungsgrund 4 zur Fernabsatz-RL: „Einige Mitgliedstaaten haben bereits unterschiedliche oder abweichende Verbraucherschutzbestimmungen für den Fernabsatz erlassen, was negative Auswirkungen auf den Wettbewerb zwischen den Unternehmen im Binnenmarkt zur Folge hat. Es ist daher geboten, auf Gemeinschaftsebene eine Mindestzahl gemeinsamer Regeln in diesem Bereich einzuführen.“ 3 Grundlegend Akerlof, 84 Q. J. Econ. 488 ff. (1970); in Bezug auf Widerrufsrechte ausführlich Eidenmüller, AcP 210 (2010), 67 (75); siehe zuletzt auch Lippstreu, Wege der Rechtsangleichung im Vertragsrecht, 2014, S. 94 und 110. 4 Erwägungsgrund 7 Satz 3 zur Verbraucherrechte-RL. 5 Vgl. für den Fernabsatz Schinkels, in: Gebauer/Wiedmann (Hrsg.), Zivilrecht unter europäischem Einfluss, 2. Aufl. 2010, Kap. 8, Rdnr. 8; Eidenmüller, AcP 210 (2010), 67 (72): „Weitergehend stellt sich die Frage, ob nicht nur die Abwehr einzelner ineffizienter Verträge, sondern vielmehr abstrakt die Stärkung des Verbrauchervertrauens in eine spezifische Vertriebsform ein Nutzen sein könnte, der bei der rechtspolitischen Entscheidung für oder gegen ein bestimmtes Widerrufsrecht zu berücksichtigen ist. Dieses Motiv spielt auf Seiten des europäischen Gesetzgebers zweifellos eine wichtige Rolle. Auch ist nicht zu leugnen, dass das Verbrauchervertrauen ein maßgeblicher Faktor bei der Entwicklung bestimmter – gesamtwirtschaftlich mit Wohlfahrtsgewinnnen verbundener – Vertriebsformen ist und dass dieses Vertrauen möglicherweise durch die Gewährung von Widerrufsrechten gestärkt werden kann.“ Kritisch Schulze/Zoll, Europäisches Vertragsrecht, 2015, S. 184 f. 6 Siehe Wilhelmsson, 27 J. Consum. Policy 317, 320 (2004); Oughton/Willett, J. Consum. Policy 299, 303 (2002); vgl. zur Entwicklung der Intentionen auch Micklitz, 23 Penn St. Int'l. L. Rev. 549, 553 ff. (2005).

I. Zwecke der Widerrufsrechte bei Kaufverträgen

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2. Primär verbraucherbezogene Zwecksetzungen Nunmehr folgt eine Untersuchung der Zwecksetzungen, bei denen der Schutz des individuellen Verbrauchers im Vordergrund steht. Insoweit werden die vertriebsformspezifischen Gefährdungslagen dargelegt. a) Zwecksetzungen bei Fernabsatzverträgen Der Richtliniengeber hat sich eindeutig dazu geäußert, welche verbraucherbezogenen Ziele mit dem Widerrufsrecht bei Fernabsatzverträgen verfolgt und wie sie erreicht werden sollen. So steht in Erwägungsgrund 37 zur Verbraucherrechte-RL: „Da der Verbraucher im Versandhandel die Waren nicht sehen kann, bevor er den Vertrag abschließt, sollte ihm ein Widerrufsrecht zustehen. Aus demselben Grunde sollte dem Verbraucher gestattet werden, die Waren, die er gekauft hat, zu prüfen und zu untersuchen, um die Beschaffenheit, die Eigenschaften und die Funktionsweise der Waren festzustellen.“

Eine ähnliche Aussage fand sich schon in den Erwägungsgründen zur Fernabsatz-RL, durch die erstmals europaweit ein einheitliches Widerrufsrecht bei Fernabsatzverträgen statuiert wurde.7 Der Verbraucher soll demnach davor geschützt werden, eine Ware im Fernabsatz zu erwerben, die – wie sich nach Erhalt herausstellt – nicht seinen Vorstellungen entspricht, und diese behalten zu müssen. Damit er innerhalb der Widerrufsfrist herausfinden kann, ob er am Vertrag festhalten möchte, muss ihm eine Prüfungsmöglichkeit eingeräumt werden.8 In der Literatur wird das Widerrufsrecht durch zusätzliche Aspekte gerechtfertigt und die Schutzwürdigkeit des Verbrauchers zudem anderweitig begründet: Auch im Fernabsatz9 könne der Verbraucher unabhängig von dem Produkt und seinem diesbezüglichen (wirtschaftlichen) Interesse zum Kauf motiviert

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Erwägungsgrund 14 zur Fernabsatz-RL: „Der Verbraucher hat in der Praxis keine Möglichkeit, vor Abschluß des Vertrags das Erzeugnis zu sehen oder die Eigenschaften der Dienstleistung im einzelnen zur Kenntnis zu nehmen. Daher sollte ein Widerrufsrecht bestehen, sofern in dieser Richtlinie nicht etwas anderes bestimmt ist.“ 8 Siehe zum Ausgleich von Informationsdefiziten nur Lurger, in: Bydlinski/Lurger (Hrsg.), Die Richtlinie über die Rechte der Verbraucher, 2012, S. 53 (55); kritisch Schulze/Zoll, Europäisches Vertragsrecht, 2015, S. 184. 9 Zu den Situationen bei Haustürgeschäften u.Ä. gleich in Teil 1, I 2 b, S. 12 ff.

10 Teil 1: Grundlagen des Spannungsverhältnisses von Opportunismus und Effektivität werden.10 Er könne beispielsweise durch die Gestaltung des Online-Shops angeregt werden, impulsive Kaufentscheidungen zu treffen.11 Sonderfälle stellen dabei der Erlass von Versandkosten oder die Möglichkeit, ein bestimmtes Produkt erst ab einem bestimmten Gesamtbestellwert kaufen zu können, dar.12 Darüber hinaus kann man argumentieren, der Verbraucher könne im Internet durch personalisierte Werbung überrumpelt werden: Hat er ein bestimmtes Produkt in einem Online-Shop angeschaut, wird Werbung für diese Ware oftmals auch auf anderen Webseiten angezeigt. Klickt man nun auf diese Werbefläche, wird man direkt zu einer Erwerbsmöglichkeit umgeleitet. Die Initiative zum Abschluss des Kaufvertrages kam dann zwar vom Verbraucher, aber die Initiative für den Kaufvorgang erfolgte durch eine Überrumpelung vonseiten des Unternehmers. Die Sichtweise des Richtliniengebers hierzu ist nicht eindeutig zu erkennen oder abzuleiten. Einerseits bezieht er den psychologischen Druck zur Rechtfertigung eines Widerrufsrechts in Erwägungsgrund 37 zur Verbraucherrechte-RL nur auf außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge. Andererseits existiert ein Widerrufsrecht auch bei im Fernabsatz geschlossenen Dienstleistungsverträgen. Bei Dienstleistungen kann der Verbraucher aber auch außerhalb von Fernabsatzverträgen die Qualität des zu erbringenden Dienstes nicht einschätzen, sodass er im Fernabsatz „kein besonderes Informationsdefizit“13 aufweist. Solche Unterschiede beim Informationsdefizit könnten sich auch bei Kaufverträgen ergeben, und zwar im Rahmen der Unterscheidung der Produktkategorien Such-, Erfahrungs- und Vertrauensgüter. Suchgüter sind Güter, deren Eigenschaften vor Vertragsschluss festgestellt werden können (z.B. ein Hut), während bei Erfahrungsgütern die Eigenschaften erst nach Vertragsschluss durch eine Prüfung der Ware hervortreten (z.B. ein verpackter Rasierapparat).

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Franck, Europäisches Absatzrecht, 2006, S. 291; Luzak, 37 J. Consum. Policy 91, 97 (2014). Riesenhuber, System und Prinzipien des Europäischen Vertragsrechts, 2003, S. 328, spricht davon, dass die „alarmierende Förmlichkeit“ fehle; a.A. Wagner, Erasmus Law Review 3 (2010), 47 (58); Loos, ZEuP 2007, 5 (10); ders., in: Howells/Schulze (Hrsg.), Modernising and harmonising consumer contract law, 2009, S. 237 (247). Kroll-Ludwigs, ZEuP 2010, 509 (527), meint, der Verbraucher werde nur zum Vertragsschluss gelockt, allerdings nicht überrumpelt; siehe auch Eidenmüller, ERCL 2011, 1 (18). 11 Luzak, 37 J. Consum. Policy 91, 97 (2014); Reisch/Sandrini, Nudging in der Verbraucherpolitik, 2015, S. 92. Auch Grundmann, [2013] 18 Unif. L. Rev. 98, 105, erkennt die Möglichkeit eines Überraschungsmoments an: „the risk [sic!] of surprise and pressure are less palpable in distance-selling situations than in doorstep situations“; vgl. auch Karampatzos, in: Hopt/Tzouganatos (Hrsg.), Das Europäische Wirtschaftsrecht vor neuen Herausforderungen, 2014, S. 205 (215); kritisch T. Schäfer, in: Riesenhuber/Nishitani (Hrsg.), Wandlungen oder Erosion der Privatautonomie?, 2007, S. 187 (194). 12 Dazu später in Teil 3, II 3 e, S. 143. 13 Franck, Europäisches Absatzrecht, 2006, S. 291.

I. Zwecke der Widerrufsrechte bei Kaufverträgen

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Bei Vertrauensgütern kann man selbst nach Vertragsschluss die Eigenschaften nur schwer feststellen (z.B. Wirksamkeit bei Medikamenten).14 Eidenmüller machte als Erster die wirtschaftswissenschaftliche Unterscheidung zwischen Such-, Erfahrungs- und Vertrauensgütern für die Diskussion über Widerrufsrechte fruchtbar.15 Aus einer marktbezogenen Perspektive leitete er her, ein allgemeines und unabdingbares16 Widerrufsrecht sei beim Erwerb von Erfahrungsgütern mangels vertriebsformspezifischer Informationsdefizite im Versandhandel nicht angebracht.17 Legt man jedoch zugrunde, dass bei Fernabsatzverträgen auch ein Schutz vor überhasteten Entscheidungen erfolgen soll, ist es durchaus nachvollziehbar, wenn Widerrufsrechte auch bei Erfahrungsgütern bestehen. Unterschiedliche Behandlungen der Kategorien können sich allerdings hinsichtlich des Bestehens und des Umfangs der Prüfungsmöglichkeit ergeben. Interessant ist dabei, dass die Vertriebsform die Kategorisierung einer Ware beeinflussen kann.18 Ist beispielsweise ein Hut im stationären Handel ein Suchgut, ist er im Fernabsatzhandel ein Erfahrungsgut, weil vor Vertragsschluss die Eigenschaften (z.B. Oberflächenstruktur) nicht festgestellt werden können.19 Dies gilt mutatis mutandis auch für Güter, die außerhalb von Geschäftsräumen gekauft werden. Eine Informationsasymmetrie, die das Widerrufsrecht gerade durch die Prüfungsmöglichkeit des Verbrauchers ausgleichen will, besteht nur in Fällen, bei denen ein „Suchgut im stationären Handel“ ein „Erfahrungsgut bei besonderen Vertriebsformen“ ist. Stellt das in Rede stehende Produkt schon im stationären Handel ein Erfahrungs- oder Vertrauensgut dar, muss zwar ein Widerrufsrecht bestehen,20 eine Prüfungsmöglichkeit besteht dann allerdings

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Zu dieser Unterscheidung schon Eidenmüller, AcP 210 (2010), 67 (74); siehe grundlegend auch Darbi/Karni, 16 J. L. & Econ. 67, 68 ff. (1973); Nelson, 78 J.P.E. 311, 312 ff. (1970). 15 Eidenmüller, AcP 210 (2010), 67 (74 ff.). 16 Siehe zur Frage, ob das Widerrufsrecht nur als Option ausgestaltet werden sollte, noch in Teil 2, V, S. 81 ff. 17 Eidenmüller, AcP 210 (2010), 67 (77). 18 Eidenmüller, AcP 210 (2010), 67 (74). 19 Eidenmüller, AcP 210 (2010), 67 (74), führt dazu aus: „Güter, deren Eigenschaften ein Kunde im stationären Handel prüfen könnte, werden zu Erfahrungsgütern, wenn sie (nur) im Versandhandel vertrieben werden.“ Dabei ist der gewählte Klammerzusatz problematisch: Selbst wenn die Ware auch im stationären Handel verkauft wird, besteht die Informationsasymmetrie vor Vertragsschluss, weil der Verbraucher nicht auf die Erkundungsmöglichkeit im stationären Handel verwiesen werden kann. 20 Ein solches lässt sich allerdings nicht mit der Informationsasymmetrie beim Vergleich verschiedener Vertriebsformen begründen; vgl. diesbezüglich zu verpackten Waren Koch, GPR 2014, 128 (133). Das Widerrufsrecht ist nur in Ausnahmefällen bei Erfahrungs- und Vertrauensgütern ausgeschlossen, siehe § 312g Abs. 2 BGB.

12 Teil 1: Grundlagen des Spannungsverhältnisses von Opportunismus und Effektivität auch im stationären Handel nicht. Deshalb müssen keine Informationsasymmetrien in anderen Vertriebsformen ausgeglichen werden.21 Zudem darf nicht außer Acht gelassen werden, dass Fernabsatzverträge viele Sachverhalte umfassen. Dabei verhält es sich keineswegs so, dass bei allen Situationen die Initiative zum Vertragsschluss vom Verbraucher ausgeht. Ein Fernabsatzvertrag setzt voraus, dass für die Vertragsverhandlungen und den Vertragsschluss ein Fernkommunikationsmittel verwendet wurde, Art. 2 Nr. 7 Verbraucherrechte-RL (umgesetzt in § 312c Abs. 1 BGB). Dazu gehören entsprechend Erwägungsgrund 20 zur Verbraucherrechte-RL (umgesetzt in § 312c Abs. 2 BGB) z.B. Telefonanrufe oder E-Mails. Es liegt folglich auch ein Fernabsatzvertrag vor, wenn der Unternehmer den Verbraucher anruft und in dem Telefonat ein Vertrag geschlossen wird.22 Hier handelt es sich offensichtlich um eine Überrumpelungssituation.23 Insofern zeigt sich, dass der Richtliniengeber eher ein weites Verständnis zugrunde legt. Es geht ihm bei Fernabsatzverträgen nicht – mehr – nur um den Ausgleich von Informationsasymmetrien, sondern vielmehr auch um den Schutz vor überhasteten Entscheidungen. b) Zwecksetzungen bei Haustürgeschäften und außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen Es stellt sich nun die Frage, inwieweit bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen eine identische oder abweichende Schutzrichtung besteht. Bei diesem Vertragstyp, der durch die Verbraucherrechte-RL eingeführt wurde, handelt es sich um eine Erweiterung des Vertragstyps der Haustürgeschäfte. Nunmehr existiert ein Widerrufsrecht bei Verträgen, die bei gleichzeitiger körperlicher Anwesenheit des Verbrauchers und des Unternehmers an einem Ort geschlossen werden, der kein Geschäftsraum des Unternehmers ist (Art. 2 Nr. 8 lit. a Verbraucherrechte-RL, umgesetzt in § 312b Abs. 1 Nr. 1 BGB), und bei Verträgen, für die der Verbraucher unter den in Art. 2 Nr. 8 lit. a Verbraucherrechte-RL (bzw. § 312b Abs. 1 Nr. 1 BGB) genannten Umständen ein Angebot abgegeben hat (Art. 2 Nr. 8 lit. b Verbraucherrechte-RL, umgesetzt in § 312b Abs. 1 Nr. 2 BGB). Umfasst sind auch Verträge, die in den Geschäftsräumen des Unternehmers oder durch Fernkommunikationsmittel geschlossen werden, bei denen der Verbraucher jedoch unmittelbar zuvor außerhalb der 21

Vgl. Steennot, [2013] 29 C.L.S.R. 105, 116. Ein solches Vorgehen des Unternehmers mag zwar eine unzumutbare Belästigung i.S.d. § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG beinhalten, aber ein daran anknüpfender „Folgevertrag“ ist nicht nichtig, vgl. dazu nur Fezer, WRP 2007, 855 (858 f.) m.w.N. Vgl. zur Möglichkeit eines Anrufs auch Art. 8 Abs. 5 Verbraucherrechte-RL. 23 Vgl. auch T. Schäfer, in: Riesenhuber/Nishitani (Hrsg.), Wandlungen oder Erosion der Privatautonomie?, 2007, S. 187 (193). 22

I. Zwecke der Widerrufsrechte bei Kaufverträgen

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Geschäftsräume des Unternehmers bei gleichzeitiger körperlicher Anwesenheit des Verbrauchers und des Unternehmers persönlich und individuell angesprochen wurde (Art. 2 Nr. 8 lit. c Verbraucherrechte-RL, umgesetzt in § 312b Abs. 1 Nr. 3 BGB). Der Verbraucher kann zudem widerrufen, wenn der Vertrag auf einem Ausflug geschlossen wird, der von dem Unternehmer24 oder mit seiner Hilfe organisiert wurde, um beim Verbraucher für den Verkauf von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen zu werben und mit ihm entsprechende Verträge abzuschließen (Art. 2 Nr. 8 lit. d Verbraucherrechte-RL, umgesetzt in § 312b Abs. 1 Nr. 4 BGB).25 Für das Verständnis der Zwecksetzungen des Widerrufsrechts bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen ist es unerlässlich, die Vorgängerregelungen zu Haustürgeschäften nachzuvollziehen. Der Richtliniengeber ging davon aus, dass der Verbraucher bei Haustürgeschäften in der Regel an der Haustür (oder einem anderen Ort, wo nicht mit Vertragsschlüssen zu rechnen ist) vom Unternehmer bzw. einem seiner Mitarbeiter überrascht wird. Dies führe zu einer Einschränkung der Möglichkeit, „Qualität und Preis des Angebots mit anderen Angeboten zu vergleichen“.26 Dem Verbraucher soll durch das Widerrufsrecht die Möglichkeit eingeräumt werden, „die Verpflichtungen aus dem Vertrag noch einmal zu überdenken“.27 Der Verbraucher ist folglich schutzwürdig, weil aufgrund einer künstlich geschaffenen Überrumpelungssituation28 die Wahrscheinlichkeit von Entscheidungen, die der Verbraucher ohne die Überrumpelung nicht getroffen hätte, erhöht wird.29 Durch die Gewährung des Widerrufsrechts wird der Verbraucher in eine Situation gebracht, in der er Zeit und Ruhe zum Überlegen hat und eine möglicherweise zu hastig getroffene Entscheidung revidieren kann.30

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Dem Unternehmer stehen Personen gleich, die in seinem Namen oder Auftrag handeln, allgemein Art. 2 Nr. 2 Verbraucherrechte-RL, konkret umgesetzt in § 312b Abs. 1 Satz 2 BGB. 25 Siehe zu der vorhergehenden Ausgestaltung Art. 1 Abs. 1 Haustürwiderrufs-RL. 26 Aus den Erwägungsgründen zur Haustürwiderrufs-RL. 27 Aus den Erwägungsgründen zur Haustürwiderrufs-RL. 28 BGHZ 165, 363 (370): „situative Überrumpelung”; vgl. auch Kemper, Verbraucherschutzinstrumente, 1994, S. 243; Wagner, Erasmus Law Review 3 (2010), 47 (58). 29 BGH, NJW 2010, 2868 (2871); Tamm, Verbraucherschutzrecht, 2011, S. 466; KrollLudwigs, ZEuP 2010, 509 (529); C. Engel, in: ders. et al. (Hrsg.), Recht und Verhalten, 2007, S. 363 (380). 30 BGH NJW 2010, 2868 (2871); Kroll-Ludwigs, ZEuP 2010, 509 (529). Tamm, Verbraucherschutzrecht, 2011, S. 466, konstatiert, dass typischerweise kein Bedarf an der gekauften Sache bestehe, auch weil die Produkte meist überteuert seien. Eidenmüller, AcP 210 (2010), 67 (84), meint, dass bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen kein Mehr an psychologischem Druck auf den Verbraucher im Vergleich zum stationären Handel aufkomme. Dies spricht zwar gegen eine Ungleichbehandlung, aber nicht gegen die Notwendigkeit eines Widerrufsrechts.

14 Teil 1: Grundlagen des Spannungsverhältnisses von Opportunismus und Effektivität Eine vergleichbare Wertung scheint sich nun auch aus Erwägungsgrund 37 zur Verbraucherrechte-RL zu ergeben.31 Während für den Verbraucher im Fernabsatz wichtig ist, dass er die Ware nach Vertragsschluss untersuchen kann, scheint dies für ihn im Rahmen von außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen nicht relevant zu sein.32 Jedoch fragt sich, wie groß der Vorteil des „Sehens“ der Ware – beispielsweise im Rahmen einer Produktpräsentation – bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen ist. Einerseits ist bereits die Möglichkeit, die Ware vor Vertragsschluss zu betrachten, keineswegs sicher. Der Unternehmer kann die Ware nach dem Vertragsschluss liefern oder erst dann übergeben. Auch dann kann der Verbraucher die Ware vor Vertragsschluss nicht sehen. Zudem ist auch von der Vorstellung einer – dem Geschäftsmodell immanenten – Demonstration der Ware Abstand zu nehmen. Die Präsentation und Glorifizierung beispielsweise der Saugkraft eines Staubsaugers mag früher der Standard gewesen sein, heutzutage ist eine solche Warenpräsentation hingegen oftmals nicht mehr nötig, um den Verbraucher durch psychologische Tricks vom Kauf eines Produktes zu überzeugen. Der Verbraucher kann die Ware deshalb oftmals nicht wie im stationären Handel in Augenschein nehmen und untersuchen. In Erwägungsgrund 37 zur Verbraucherrechte-RL wird das Widerrufsrecht – zumindest bei Fernabsatzverträgen – damit begründet, dass der Verbraucher die Ware vor Vertragsschluss nicht „sehen“ könne.33 Dieses Problem gilt in Einklang mit den obigen Erwägungen zumeist gleichermaßen für außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge. Ein Unternehmer kann darüber hinaus Möglichkeiten finden, den Verbraucher von der Inspektion des Produktes abzuhalten. Insofern kann der Verbraucher möglicherweise die Ware vor Vertragsschluss sehen; solange sich die Ware beispielsweise in einer Verpackung befindet, ist der Umfang der Informationen, die der Verbraucher über die Ware hat, allerdings kaum größer als bei Fernabsatzverträgen. Dies gilt erst recht, wenn dem Verbraucher bei oder vor Vertragsschluss ein Zugriff auf die Ware unmöglich ist. Selbst wenn man davon ausgeht, dass der Verbraucher die Ware vor Ort untersuchen kann, besteht zu diesem Zeitpunkt noch die Drucksituation, die ihn auch in der hinreichenden Prüfung der Ware beeinträchtigen kann.

31 Im genauen Wortlaut: „Da der Verbraucher im Versandhandel die Waren nicht sehen kann, bevor er den Vertrag abschließt, sollte ihm ein Widerrufsrecht zustehen. Aus demselben Grunde sollte dem Verbraucher gestattet werden, die Waren, die er gekauft hat, zu prüfen und zu untersuchen, um die Beschaffenheit, die Eigenschaften und die Funktionsweise der Waren festzustellen. Bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen sollte dem Verbraucher aufgrund des möglichen Überraschungsmoments und/oder psychologischen Drucks das Recht auf Widerruf zustehen.“ 32 Vgl. zur alten Rechtslage Kroll-Ludwigs, ZEuP 2010, 509 (529). 33 Siehe zum Wortlaut Fn. 31 in Teil 1, S. 14.

I. Zwecke der Widerrufsrechte bei Kaufverträgen

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Informationsasymmetrien bestehen folglich in vielen Fällen außerhalb von Geschäftsräumen geschlossener Verträge in gleicher Weise wie bei Fernabsatzverträgen, weshalb dem Verbraucher ebenso ermöglicht werden muss, die Waren zu prüfen und zu untersuchen.34 Ein solches Verständnis des Richtliniengebers lässt sich zwar nicht aus Erwägungsgrund 37 zur VerbraucherrechteRL entnehmen, es zeigt sich aber schon in der Neuregelung des Beginns der Widerrufsfrist: Bisher war der Beginn der Widerrufsfrist bei Haustürgeschäften nur an die ordnungsgemäße Belehrung über das Widerrufsrecht geknüpft, § 355 Abs. 2 Satz 1 BGB (i.F.v. 2002).35 Für den Fristbeginn war mithin der Besitz des Verbrauchers an der Ware – entgegen der Regelung für Fernabsatzverträge – bewusst nicht entscheidend. Der Verbraucher hatte die Möglichkeit, über seinen Vertrag nachzudenken, unabhängig davon, ob er die Ware besaß oder nicht. Er war innerhalb der Widerrufsfrist nicht mehr dem Druck des Unternehmers ausgesetzt und konnte dem Zweck der nachträglichen Überlegung über den Kaufvertragsschluss gerecht werden. Nunmehr beginnt die Widerrufsfrist sowohl bei Fernabsatzverträgen als auch bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen (in Form von Kaufverträgen) gemäß Art. 9 Abs. 2 lit. b Verbraucherrechte-RL36 (umgesetzt in § 355 Abs. 2 Satz 2 BGB i.V.m. § 356 Abs. 2 Nr. 1 lit. a BGB) grundsätzlich erst mit Erhalt der Ware durch den Verbraucher (oder eines von ihm benannten Dritten, der nicht Frachtführer ist). Bei dem Beginn der Frist auf den Erhalt der Ware abzustellen, erscheint nur dann zweckmäßig, wenn es für den Verbraucher bei der Erreichung des Widerrufszwecks auf den Besitz der Ware ankommt. Dies spricht mithin für eine bewusste Entscheidung des Richtliniengebers, die dem Verbraucher nunmehr auch bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen ein vollumfängliches Prüfungsrecht an der Ware einräumt. Die dargestellte Angleichung des Fristbeginns von Fernabsatzverträgen und außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen lässt sich auch nicht unabhängig von den Aspekten der Informationsasymmetrie und der Prüfungsmöglichkeit begründen. Der Richtliniengeber konstatierte in Erwägungsgrund 40 zur Verbraucherrechte-RL zwar: „Der Umstand, dass die Widerrufsfristen derzeit sowohl zwischen verschiedenen Mitgliedstaaten als auch zwischen Verträgen im Fernabsatz und außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen unterschiedlich lang sind, verursacht Rechtsunsicherheit und Kosten. Die Widerrufsfrist sollte deshalb für sämtliche im Fernabsatz und außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge dieselbe sein.“ 34 Vgl. dazu auch Schulze, CESL Commentary, 2012, Art. 45 Rdnr. 14; auch wenn man davon ausgeht, dass das Widerrufsrecht bei Haustürgeschäften nicht geschaffen wurde, um dem Verbraucher die Prüfung zu ermöglichen (so Allix, R.E.D.C. 1993, 95 [102 f.]; dazu Drexl, Die wirtschaftliche Selbstbestimmung des Verbrauchers, 1998, S. 478 mit Fn. 122), schließt dies nicht aus, dass der Verbraucher eine Prüfung durchführen können soll. 35 Die Vorschrift beruhte auf Art. 5 Abs. 1 Haustürwiderrufs-RL. 36 Vgl. auch Satz 4 von Erwägungsgrund 40 zur Verbraucherrechte-RL.

16 Teil 1: Grundlagen des Spannungsverhältnisses von Opportunismus und Effektivität Diese Aussage ist allerdings hauptsächlich auf die Länge der Fristen bezogen, die vor Einführung der Verbraucherrechte-RL große Unterschiede aufwies; der Beginn der Widerrufsfrist wird erst später im Erwägungsgrund angesprochen. Die in Rede stehenden Kosten entstanden insbesondere Unternehmern, die in mehreren Ländern tätig waren und deshalb unterschiedliche Formulare für ihre Verträge und Widerrufsbelehrungen benötigten. Die Notwendigkeit einer Vereinheitlichung von im Fernabsatz und außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen ergibt sich aus dieser Perspektive kaum, da Unternehmer nur in den seltensten Fällen gleichzeitig in diesen beiden Feldern tätig sein dürften. Auch wäre keine Rechtsunsicherheit zu befürchten, wenn der Fristbeginn je nach Vertriebsform bei Kaufverträgen unterschiedlich beginnen würde: Die Regelungssystematik und die Formulierungen zum Fristbeginn in Art. 9 Verbraucherrechte-RL (bzw. §§ 355 f. BGB) sind keineswegs so transparent formuliert, dass eine Unterscheidung zwischen den Vertriebsformen die Verständlichkeit auffällig gestört hätte. Folglich zeigt sich ein unterschwelliger Paradigmenwechsel des Zweckes bei Verträgen, bei denen aufgrund einer Überrumpelungssituation ein Widerrufsrecht eingeräumt wird. Der Verbraucher soll nun auch bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen die Ware überprüfen können, was bisher nur für Fernabsatzverträge vorgesehen war. Dies zeigt sich zusätzlich an der Angleichung der Wertersatzansprüche (Art. 14 Abs. 2 Verbraucherrechte-RL, umgesetzt in § 357 Abs. 7 Nr. 1 BGB) bei den besonderen Vertriebsformen. Gleichwohl wurde auch der Schutz vor Überrumpelung erhöht. Zu erkennen ist dies besonders deutlich an der Situation eines Verbrauchers, der zwar formal ein Haustürgeschäft abschließt, wenn der Besuch des Unternehmers aber auf Wunsch des Verbrauchers erfolgte (sog. invited in-home selling). Während dem Verbraucher bisher aufgrund des Ausschlussgrundes in § 312 Abs. 3 Nr. 1 BGB (i.F.v. 2002) kein Widerrufsrecht zustand, findet sich ein solcher Ausschlussgrund im geltenden Recht nicht mehr.37 Vor dem Hintergrund der Rechtfertigung des Widerrufsrechts liegt es nahe, dem Verbraucher gerade dann kein Widerrufsrecht einzuräumen, wenn er objektiv nicht überrumpelt wurde.38 Jedenfalls wurde der Verbraucher nicht vom Besuch eines Unternehmers (oder dessen Vertreters) überrumpelt, wenn er den Besuch selbst initiiert hatte.39 Eine dahingehende Regelung enthielt § 312 Abs. 3 Nr. 1 BGB (i.F.v. 2002). Diese Vorschrift beruhte auf Art. 3 Abs. 3 Haustürwiderrufs-RL, der den Mitgliedstaaten ermöglichte, „Verträge über Warenlieferungen […], die unmittelbar mit der Ware oder 37

Vgl. hierzu auch Schwab/Hromek, JZ 2015, 271 (276). Vgl. dazu BAGE 109, 22 (31 ff.), wo eine am Arbeitsplatz geschlossene arbeitsrechtliche Beendigungsvereinbarung nicht als Haustürgeschäft i.S.d. § 312 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BGB (i.F.v. 2002) eingestuft wurde, weil es an einer Überrumpelungssituation fehlte. 39 Deshalb gegenüber der geltenden Regelung kritisch Kötz, Europäisches Vertragsrecht, 2. Aufl. 2015, S. 281 f. 38

I. Zwecke der Widerrufsrechte bei Kaufverträgen

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der Dienstleistung in Verbindung stehen, für die der Verbraucher den Gewerbetreibenden um einen Besuch gebeten hat“, vom Anwendungsbereich der Vorschriften auszunehmen. Deutschland, Österreich und Dänemark haben insofern den Anwendungsbereich verkürzt, während beispielsweise Italien, Frankreich und Großbritannien auf eine Verkürzung verzichtet haben.40 Zunächst fehlt es dem Verbraucher in derartigen Fällen wie bei anderen außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen an einer Überprüfungsmöglichkeit hinsichtlich der Ware. Zudem kann er auch von der konkreten Vertragsschlusssituation überrumpelt sein, wenn eine Überrumpelungssituation nicht bezüglich des Besuches vorliegt. So mag ein Verbraucher schon überhaupt nicht mit einem Kaufangebot gerechnet haben, wenn er dachte, es ginge nur um ein Informationsgespräch, oder er kann mit zusätzlichen Angeboten überrascht werden, die er nicht erwartet hat oder erwarten konnte.41 Dies liefert eine teleologische Fundierung der Neuregelung, die ein Widerrufsrecht auch in Situationen gewährt, in denen der Verbraucher den Unternehmer um den Besuch gebeten hat.42 Auch psychologische Erwägungen streiten dafür, den Verbraucher umfangreich zu schützen, selbst wenn er den Unternehmer zu sich gebeten hat. Ein Verbraucher, der einen Unternehmer zu sich bestellt, wird typischerweise davon ausgehen (müssen), dass der Unternehmer ein gewisses monetäres Eigeninteresse an dem Besuch hat. Gleichzeitig ist auch bekannt, dass Unternehmer gewisse Tricks anwenden, um Verbraucher zu einem Vertragsschluss zu bewegen. Der Verbraucher, der den Unternehmer trotzdem um einen Besuch bittet, wird sich insoweit selbst überschätzen, als er davon ausgeht, sich von dem Unternehmer gerade nicht überrumpeln oder übervorteilen zu lassen. In dieser Konstellation zeigt sich demnach ein Fall der over-confidence bias.43 Der Verbraucher müsste sich nach einem Vertragsschluss zudem beispielsweise eingestehen, dass er den Unternehmer nicht um einen Besuch hätte bitten sollen. Auch können Fairnesserwägungen den Verbraucher zu einem Kauf bewegen, weil er dem Unternehmer

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Vgl. nur Schulte-Nölke/Scheuren-Brandes, in: Schulte-Nölke et al. (Hrsg.), EC Consumer Law Compendium, 2008, S. 79 (91 f.) m.w.N. 41 Vgl. Harrison/Massi/Chalmers, 48 J.C.A. 195, 197 (2014). 42 Vgl. auch Erwägungsgrund 21 Satz 2 zur Verbraucherrechte-RL. Siehe aber bezüglich eines Ausschlusses des Widerrufsrechts noch Art. 16 lit. h Verbraucherrechte-RL bzw. § 312g Abs. 2 Satz 1 Nr. 11 und § 312g Abs. 2 Satz 2 BGB; näher dazu BT-Drucks. 17/13951, S. 63 f. (Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung – Drucksache 17/12637 – Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Verbraucherrechterichtlinie und zur Änderung des Gesetzes zur Regelung der Wohnungsvermittlung). Siehe auch zu einer Beschränkung des Anwendungsbereichs bei Verträgen über Reiseleistungen Art. 3 Abs. 3 lit. g Verbraucherrechte-RL bzw. § 312 Abs. 2 Nr. 4 lit. b BGB. 43 Vgl. Harrison/Massi/Chalmers, 48 J.C.A. 195, 201 (2014).

18 Teil 1: Grundlagen des Spannungsverhältnisses von Opportunismus und Effektivität den Aufwand des Besuchs nicht aufbürden möchte, ohne dass dieser einen Gewinn daraus erzielt. Die rationale Entscheidung des Verbrauchers über den Abschluss eines Kaufvertrages ist folglich auch dann gefährdet, wenn er den Unternehmer um den Besuch gebeten hat.44 Bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen soll der Verbraucher demnach umfangreich vor Überrumpelungen geschützt werden und gleichermaßen die Ware nach Vertragsschluss untersuchen können. c) Zusammenfassung Der durch die Verbraucherrechte-RL nunmehr erstmals bestehende, weitgehende Gleichlauf der Vorschriften über Widerrufsrechte bei Fernabsatzgeschäften und außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen rechtfertigt sich inhaltlich durch eine Konvergenz der Zwecksetzungen. Die Zwecksetzungen, die noch durch die Fernabsatz- und die Haustürwiderrufs-RL unterschiedlich vorgegeben waren, wurden nun weitgehend einander angenähert.45 Bei beiden besonderen Vertriebsformen soll der Verbraucher vor einer übereilten Entscheidung bewahrt werden, und vertriebsformspezifische Informationsdefizite sollen nach Vertragsschluss durch Prüfung der Ware aufgehoben werden können.

II. Effektivität des Widerrufsrechts bei Kaufverträgen II. Effektivität des Widerrufsrechts bei Kaufverträgen

Nach der Untersuchung der Zwecke des Widerrufsrechts wird nunmehr dargestellt, wie Verbraucherschutz mit dem Widerrufsrecht konkret verwirklicht wird. Als Ausgangspunkt wird dabei die Effektivität des Widerrufsrechts dienen, denn nur ein effektives Verbraucherschutzinstrument schützt den Verbraucher tatsächlich. Nach einer Einführung in allgemeine Ausgangspunkte des Effektivitätsgrundsatzes (1) wird anhand der Regelungen zur Rückabwicklung nach Widerruf gezeigt, wie Richtliniengeber und Europäischer Gerichtshof die Effektivität in diesem hier vornehmlich interessierenden Bereich gewährleisten wollen (2).

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Terryn, Rev. Aff. Eur. 2012, 525 (529); Office of Fair Trading, Doorstep selling: A report on the market study, 2004, abrufbar unter (Stand: 05.03.2016), S. 3, 10, 110 et passim; vgl. Harrison/Massi/Chalmers, 48 J.C.A. 195, 207 (2014). 45 Damit geht allerdings nicht einher, dass alle umfassten Lebenssachverhalte gleich behandelt werden müssen. Vielmehr differenziert schon der Richtliniengeber auch im Rückgewährschuldverhältnis (z.B. Art. 14 Abs. 1 Unterabs. 3 Verbraucherrechte-RL).

II. Effektivität des Widerrufsrechts bei Kaufverträgen

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1. Allgemeine Ausgangspunkte zum Effektivitätsgrundsatz Nationales Recht, das in Verbindung mit europäischen Regelungen steht, wird vom Europäischen Gerichtshof am Effektivitätsgrundsatz (Art. 4 Abs. 3 EUV) gemessen und ist zu ändern, wenn es gegen diesen Grundsatz verstößt.46 Ein Verstoß liegt vor, wenn die Regelungen der nationalen Rechtsordnung nicht gewährleisten können, dass eine Regelung, die der europäische Gesetzgeber erlassen hat, effektiv den mit ihr verfolgten Zweck erfüllen kann. Ein solches Effektivitätshindernis besteht dann, wenn die Ausübung des gewährten Rechts praktisch unmöglich gemacht oder übermäßig erschwert wird.47 Im Folgenden wird nun zunächst dargestellt, in welchem Umfang die Gewährleistung der Effektivität angestrebt wird (a). Danach wird untersucht, inwiefern die Effektivität im Zuge einer Vollharmonisierung relevant ist (b). Daran schließt eine kurze Einführung in die Grundlagen des Bewertungsmaßstabes an (c). a) Gewährleistung eines Mindestschutzniveaus Fraglich ist zunächst, wie groß der Umfang der Zweckverwirklichung ist, der durch den Effektivitätsgrundsatz gewährleistet werden soll. Schon der Begriff Effektivität könnte hierüber Auskunft geben: Gerade in der Unterscheidung zwischen den Begrifflichkeiten Effektivität und Effizienz zeigt sich, dass Effektivität im allgemeinen Sprachgebrauch verstanden wird als größtmögliche Erreichung eines Zieles unter Erbringen jedes noch so großen Einsatzes. Hingegen setzt Effizienz ein sinnvolles Verhältnis von Mitteln und Umfang der Zweckerreichung voraus. Daraus folgt, dass bezüglich des Effektivitätsgrundsatzes der Gedanke naheliegt, es gehe um die größtmögliche Wirksamkeit der in Rede stehenden Regelungen. Jedoch lässt sich schon an den Effektivitätsgrundsatz konkretisierenden Formulierungen, wie „nicht übermäßig erschweren“,48 erkennen, dass nicht jegliche Einschränkung der Zweckverwirklichung

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Bei dem Effektivitätsgrundsatz handelt es sich um eine Ausprägung des effet utile; vgl. Tomasic, Effet utile, 2013, S. 71 f. 47 EuGH, Rs. 33/76 (Rewe/Landwirtschaftskammer für das Saarland), Slg. 1976, 1989, Rdnr. 5; Rs. 68/79 (Just), Slg. 1980, 501, Rdnr. 25; es besteht dabei zunächst keine Konkretisierung auf das materielle Recht oder das Verfahrensrecht. Für das Verfahrensrecht findet sich nunmehr eine Ausprägung des Effektivitätsgrundsatzes im Primärrecht: Das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf ist in Art. 47 Abs. 1 GRC verankert. 48 Beispielsweise EuGH, Rs. C-413/12 (Asociación de Consumidores Independientes de Castilla y León), Rdnr. 39 = EuZW 2014, 74 (76); siehe zu anderen Formulierungen nur Reich, General principles of EU civil law, 2014, S. 91 ff.

20 Teil 1: Grundlagen des Spannungsverhältnisses von Opportunismus und Effektivität unzulässig sein soll. Vielmehr geht es nur um die Gewährleistung eines Mindestmaßes an Schutz durch Zweckerreichung, folglich um ein grundlegendes Mindestschutzniveau.49 b) Effektivität bei vollharmonisierender Richtlinie Durch das teils wortgetreue Umsetzen der Regelungen aus der Verbraucherrechte-RL ins deutsche Recht verringert sich die Wahrscheinlichkeit des Vorwurfes einer Verletzung des Effektivitätsgrundsatzes sehr. In den Bereichen, in denen der Richtliniengeber Regelungen getroffen hat und der nationale Gesetzgeber bei der Umsetzung nicht davon abweicht, kann eine Verletzung des Effektivitätsgrundsatzes kaum festgestellt werden.50 Durch die Vollharmonisierung,51 die Festlegungen in der Richtlinie zu einigen bisher strittigen Punkten, wie Tragung der Hinsendekosten, und die insgesamt auffällig hohe Regelungsdichte sowie die richtlinienkonforme, häufig wortgleiche Umsetzung des deutschen Gesetzgebers52 kann diesem eine Einschränkung der Effektivität kaum vorgeworfen werden. Insoweit muss der Rechtsgedanke der Effektivität im Folgenden abstrahiert werden. Die Effektivität des Widerrufsrechts folgt nämlich nicht nur aus der Art und Weise der Umsetzung einer Richtlinie. Es ist vielmehr vorstellbar, dass durch die Verbraucherrechte-RL Vorgaben gemacht werden, die die Effektivität des Widerrufsrechts negativ beeinflussen.53 Gerade bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen könnte die Effektivität des Widerrufsrechts darunter leiden, dass der Richtliniengeber selbst die Regelungen (im

49 Grundlegend Rott, Effektivität des Verbraucherrechtsschutzes, 2006, S. 23 ff. In EuGH, Rs. C-367/96 (Kefalas u.a.), Slg. 1998, I-2843 und EuGH, Rs. C-373/97 (Diamantis), Slg. 2000, I-1705 ging es um die volle Wirksamkeit, was einen Unterschied und eine bewusste Abstufung zur hier untersuchten Effektivität darstellt, siehe dazu Stempel, ZEuP 2010, 925 (943); vgl. auch Tomasic, Effet utile, 2013, S. 22; Hesselink, in: Leczykiewicz/Weatherill (Hrsg.), The Involvement of EU Law in Private Law Relationships, 2013, S. 131 (142); Rott, in: Leczykiewicz/Weatherill (Hrsg.), The Involvement of EU Law in Private Law Relationships, 2013, S. 181 (184); Reich, euvr 2014, 63 (65 f.); ders., in: Bernitz/Groussot/Schulyok (Hrsg.), General Principles of EU Law and European Private Law, 2013, S. 301 (302). 50 Vgl. zur Notwendigkeit einer Regelungslücke Rott, Effektivität des Verbraucherrechtsschutzes, 2006, S. 15 f.; siehe auch Kulms, Der Effektivitätsgrundsatz, 2013, S. 152. 51 Diese ergibt sich aus Art. 4 Verbraucherrechte-RL; vgl. beispielsweise auch Erwägungsgrund 7 zur Verbraucherrechte-RL; grundlegend Tonner, VuR 2014, 23 (24 ff.); siehe zum Begriff der Vollharmonisierung nur Lippstreu, Wege der Rechtsangleichung im Vertragsrecht, 2014, S. 42 ff. 52 Dazu später in Teil 3, I bis V jeweils 1, S. 87 ff. 53 Ein Beispiel aus dem Bereich des Umweltschutzes, bei dem schon die Regelungen einer Richtlinie ineffektiv waren, findet sich bei Grüner, Quantität und Qualität der europäischen Rechtsetzung, 2011, S. 115.

II. Effektivität des Widerrufsrechts bei Kaufverträgen

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Vergleich zu den damaligen Vorgaben zu Haustürgeschäften) nunmehr geändert hat. Unter Umständen zwingt der Richtliniengeber mit der vollharmonisierenden Richtlinie die nationalen Gesetzgeber, Regelungen umzusetzen, die das Widerrufsrecht ineffektiv machen. Dies soll im weiteren Verlauf der Arbeit untersucht werden. c) Der relevante Maßstab Im Folgenden wird dargelegt, anhand welchen Maßstabs die Effektivität des Verbraucherschutzinstruments Widerruf zu beurteilen ist. Der Europäische Gerichtshof verwendet, als Hüter der Effektivität, bei der Auseinandersetzung mit dem Effektivitätsgrundsatz manchmal das Begriffspaar „Wirksamkeit und Effektivität“.54 In vielen Sprachfassungen wird das Begriffspaar immer aus dem gleichen Wortstamm gebildet: Im englischen lautet das Begriffspaar „efficiency and effectiveness“, im französischen „l’efficacité et l’effectivité“ und im spanischen „la eficacia y la efectividad“. Dies könnte nahelegen, dass der Begriff „Wirksamkeit“ weniger synonym zu dem der Effektivität als vielmehr im Sinne einer Effizienz zu verstehen ist und möglicherweise demnach sogar auf Grundgedanken der ökonomischen Theorie des Rechts beruht.55 Hieraus könnten wiederum Rückschlüsse auf die Bewertungsmaßstäbe folgen, anhand derer eine Erschwerung der Rechtsausübung beurteilt wird. Der Effektivitätsgrundsatz soll hingegen – entsprechend den obigen Ausführungen – nicht eine bestmögliche Regelung hervorbringen oder gewährleisten, sondern nur das Mindestmaß der Zweckverwirklichung wahren. Wirksamkeit ist mithin nicht als Effizienz zu verstehen, sodass eine Orientierung am ökonomischen Effizienzbegriff – und damit ein Rückgriff auf ökonomische Grundlagen – nicht vorgezeichnet oder intendiert ist. Dies wiederum soll jedoch nicht bedeuten, dass Anleihen aus der ökonomischen Theorie des Rechts keinerlei Auswirkungen auf den Effektivitätsgrundsatz haben.56 Für die Beurteilung des zugrunde liegenden Bewertungsmaßstabs ist sie jedoch nicht unmittelbar von Relevanz. Als Ausgangspunkt zur Überprüfung der Effektivität dient im Verbraucherrecht das Verbraucherleitbild. Verbraucher müssen das Recht rezipieren und daraus Verhaltensweisen ableiten. Wie die (potentiellen) Verhaltensweisen eines Rezipienten aussehen (könnten), kann nur bewertet werden, wenn das mit dem Verbraucherleitbild einhergehende Verbraucherverhalten einbezogen wird.57 Diese Wertung wird wiederum benötigt, um festzustellen, ob Verbraucher aus einer Regelung einen umfangreichen Nutzen ziehen können oder ob ihnen die Ausübung eines Rechts erschwert oder praktisch unmöglich gemacht 54

So zum Widerrufsrecht: EuGH, Rs. C-489/07 (Messner), Slg. 2009, I-7315, Rdnr. 24. Zum Effizienzbegriff eingehend Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip, 4. Aufl. 2015, S. 41 ff., 55 ff. 56 Dazu später in Teil 2, I, S. 48 ff. 57 Rott, Effektivität des Verbraucherrechtsschutzes, 2006, S. 27. 55

22 Teil 1: Grundlagen des Spannungsverhältnisses von Opportunismus und Effektivität wird. Für einen durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Verbraucher58 sind insbesondere Zeit und Geld Faktoren, die ihn von der Ausübung eines Rechts abhalten können.59 Neben diesen normativen Überlegungen60 finden aber auch empirische Erkenntnisse Eingang in die Erwägungen des Europäischen Gerichtshofs.61 Ob eine nationale Regelung die Zweckverwirklichung einer europäischen Regelung behindert, wird also anhand verschiedenster Kriterien beurteilt. Es findet eine umfangreiche Analyse des Einzelfalles statt, in die unterschiedliche Erwägungen Eingang finden. Als Ausgangspunkt für die Bewertung dient die tatsächliche Behinderung des Verbraucherverhaltens, wobei das Verbraucherleitbild berücksichtigt wird. 2. Der Effektivitätsgrundsatz bei der Ausgestaltung von Widerrufsrechten im Rückgewährschuldverhältnis Der Effektivitätsgrundsatz wird vom Richtliniengeber und vom Europäischen Gerichtshof insbesondere im Zusammenhang mit der Rückabwicklung nach Widerruf konkretisiert.

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So das Leitbild des Europäischen Gerichtshofs, EuGH, Rs. C-251/95 (Sabel), Slg. 1997, I-6191, Rdnr. 23; Rs. C-210/96 (Gut Springenheide und Tusky), Slg. 1998, I-4657, Rdnr. 31; Rs. C-342/97 (Lloyd Schuhfabrik Meyer), Slg. 1999, I-3819, Rdnr. 25 f., welches hier zugrunde zu legen ist; vgl. Staudinger/Thüsing, BGB, 2012, § 312c Rdnr. 29. 59 Kalss/Lurger, JBl. 1998, 219 (224) formulieren allgemein: „Soll dem jeweiligen Berechtigten die Ausübung des Rechts als effektiver Rechtsbehelf in die Hand gegeben werden, ist nicht nur seine Kenntnis, sondern auch seine Handhabung durch den begünstigten Vertragspartner von maßgeblicher Bedeutung. Diese wird neben der Form, in der das Recht ausgeübt werden kann, wesentlich bestimmt durch die bereicherungsrechtlichen Folgen der Vertragsauflösung und die zusätzlichen Kosten, die mit der Ergreifung oder Zurverfügungstellung dieses Rechtsbehelfs für den geschützten Vertragspartner verbunden sind. Ein de iure unbehinderter Ausstieg aus einem Vertrag kann ökonomisch wertlos sein, wenn mit dem Ausstieg für den Berechtigten erhebliche Kosten einhergehen.“ 60 Normativ ist insbesondere auch die Frage zu beantworten, inwieweit die Entscheidung „übermäßig“ beeinträchtigt wird bzw. der Mindestschutzstandard gewahrt wird. 61 Hierzu verweist Rott, Effektivität des Verbraucherrechtsschutzes, 2006, S. 30, als Beispiel auf die Äußerungen von Generalanwalt Mancini, Schlussanträge vom 27.09.1983, Rs. C-199/82 (Amministrazione delle finanze dello Stato gegen SpA San Giorgio), Slg. 1983, 3616 (3626). Der Europäische Gerichtshof nahm in der dazugehörigen Entscheidung (Urt. vom 09.11.1983, Slg. 1983, 3595) nicht ausdrücklich auf die Empirie Bezug, entschied aber, dass der Effektivitätsgrundsatz verletzt gewesen sei.

II. Effektivität des Widerrufsrechts bei Kaufverträgen

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a) Ausführungen des Richtliniengebers zur Effektivität des Widerrufsrechts Sowohl die Existenz als auch die Ausgestaltung von Widerrufsrechten in nationalen Rechtsordnungen basieren größtenteils auf der Umsetzung von europäischen Richtlinien. Deshalb wird zunächst skizziert, wie der Richtliniengeber sich zur Effektivität im Zusammenhang mit Widerrufsrechten geäußert hat. aa) Gesetzgebungsauftrag durch Art. 4 Satz 4 Haustürwiderrufs-RL In der Haustürwiderrufs-RL wurde weder explizit vorgegeben, welchen Regeln die Rückabwicklung nach Widerruf zu folgen habe, noch, dass die Regelungen, die im nationalen Recht hierzu erlassen werden, dem Effektivitätsgebot genügen müssen. Mitgliedstaaten hatten aber dafür Sorge zu tragen, „dass ihre innerstaatlichen Rechtsvorschriften geeignete Maßnahmen zum Schutz des Verbrauchers vorsehen, wenn die […] vorgesehene Belehrung nicht erfolgt“.62 Es geht dabei um die rechtzeitige, schriftliche Belehrung über die Existenz des Widerrufsrechts, die Widerrufsfristen und die Angabe der Anschrift einer Person, an die die Widerrufserklärung gerichtet werden kann. Der nationale Gesetzgeber sollte demnach hier nicht (nur) unterlassen, eine Regelung festzulegen, die den Zweck einer Richtlinie einschränkt, indem sie die Ausübung eines dadurch gewährten Rechts behindert. Vielmehr sollte er selbst aktiv eine Regelung schaffen, die den Zweck einer gemeinschaftsrechtlichen Regelung fördert. Es handelt sich folglich um eine positive Ausprägung des Effektivitätsgebots.63 bb) Aussagegehalt des Erwägungsgrundes 14 zur Fernabsatz-RL Hingegen wird in der später erlassenen Fernabsatz-RL in den Erwägungsgründen eine negative Ausprägung des Effektivitätsgebotes statuiert. Im dritten Satz des 14. Erwägungsgrundes heißt es über das Widerrufsrecht: „Damit es sich um mehr als ein bloß formales Recht handelt, müssen die Kosten, die, wenn überhaupt, vom Verbraucher im Fall der Ausübung des Widerrufsrechts getragen werden, auf die unmittelbaren Kosten der Rücksendung der Waren begrenzt werden.“

Dieser Hinweis darauf, dass es sich beim Widerrufsrecht nicht um ein bloß formales Recht handeln darf, zeigt deutlich die negative Ausprägung des Effektivitätsgebots durch Konstituierung eines Mindestschutzniveaus. Eine entsprechende Ausprägung hat dies dann in Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Fernab-

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Art. 4 Satz 4 Haustürwiderrufs-RL. Zur Unterscheidung siehe Rott, Effektivität des Verbraucherrechtsschutzes, 2006, S. 2 ff. 63

24 Teil 1: Grundlagen des Spannungsverhältnisses von Opportunismus und Effektivität satz-RL a.E. erfahren. Die Ausübung des Widerrufsrechts muss ohne Strafzahlung64 durch den Verbraucher möglich sein. cc) Klarstellung durch Erwägungsgrund 47 zur Verbraucherrechte-RL Eine dem Vorstehenden sehr ähnliche Aussage findet sich in den Materialien zur aktuellen Verbraucherrechte-RL. Dort heißt es im fünften Satz von Erwägungsgrund 47: „Die Verpflichtungen des Verbrauchers im Falle des Widerrufs sollten den Verbraucher nicht davon abhalten, sein Widerrufsrecht auszuüben.“ Auch hierin ist die negative Ausprägung des Effektivitätsgebotes zu erkennen: Der nationale Gesetzgeber darf keine Vorschriften erlassen oder aufrechterhalten, die die Effektivität des Widerrufsrechts gefährden. Bei der Umsetzung einer vollharmonisierenden Richtlinie handelt es sich dabei in den meisten Regelungsbereichen nur um eine Klarstellung. Es bedarf dieser hauptsächlich für die Regelungsbereiche, die durch die Richtlinie nicht abschließend geregelt sind.65 Der Richtliniengeber stellt folglich nur Leitlinien auf, ohne ihnen genaue Konturen zu geben. Es wird kaum konkretisiert, wie die Effektivität des Widerrufsrechts gefährdet wird. b) Die maßgebenden Gerichtsentscheidungen zur Rückabwicklung von Kaufverträgen Konkretisierungen zur Frage, wann die Effektivität des Widerrufsrechts beschränkt wird, finden sich in einigen Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs, die im Folgenden dargestellt werden. aa) Effektivitätswidersprechender Wertersatz („Messner“) Die hier zunächst darzustellende Fallkonstellation betrifft eine Frage des Wertersatzes. Im Jahr 2005 hatte die Verbraucherin Messner im Internet bei dem Unternehmer Stefan Krüger einen gebrauchten Laptop gekauft. Eine hinreichende Widerrufsbelehrung erhielt sie nicht. Deshalb konnte sie auch ein Jahr später den Vertrag noch fristgemäß widerrufen (vgl. § 355 Abs. 3 Satz 2 BGB [i.F.v. 2004]). In den einbezogenen Allgemeinen Geschäftsbedingungen war vorgesehen, dass der Käufer für die durch eine bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme eingetretene Verschlechterung der Ware Wertersatz leisten müsse. Die Käuferin wollte diese Kosten allerdings nicht übernehmen. Das 64 Dieser Hinweis ist besonders wichtig, da in einem Markt mit freiwillig eingeräumten Widerrufsrechten häufig eine restocking fee, also eine Gebühr, die mit dem Widerruf anfällt, erhoben wird, vgl. für das US-amerikanische Recht Posselt/Gerstner/Radić, 10 J. Serv. Res. 207, 209 (2008). Zur Unzulässigkeit von restocking fees im Europäischen Privatrecht auch Walsh/Möhring, Harvard Bus. Manager 3/2015, 6 (8). 65 Nicht eindeutig ist der Regelungsgehalt der Richtlinie zum Nutzungsersatz, vgl. dazu Teil 3, V 1 a, S. 208 ff.

II. Effektivität des Widerrufsrechts bei Kaufverträgen

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Amtsgericht Lahr hatte das Verfahren ausgesetzt und dem Europäischen Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt: „Sind die Bestimmungen des Art. 6 Abs. 2 in Verbindung mit Abs. 1 Satz 2 der Richtlinie 97/7/EG […] dahin auszulegen, dass sie einer nationalen gesetzlichen Regelung entgegenstehen, die besagt, dass der Verkäufer im Falle des fristgerechten Widerrufes durch den Verbraucher Wertersatz für die Nutzung des gelieferten Verbrauchsgutes verlangen kann?“66

(1) Regelung bei Fernabsatzverträgen nach der Schuldrechtsreform Bevor die Antwort des Europäischen Gerichtshofs dargestellt wird, müssen die gesetzlichen Grundlagen erläutert werden. Durch das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz wurden die Regelungen der im Fernabsatzgesetz67 umgesetzten Fernabsatz-RL in das Bürgerliche Gesetzbuch überführt. Seitdem musste ein Verbraucher nach Widerruf für den auf dem Gebrauch einer Sache beruhenden Wertverlust Ersatz gemäß §§ 357 Abs. 1 Satz 1, 346 Abs. 1, 2 BGB (i.F.v. 2002) leisten. Im Unterschied zu den größtenteils parallel laufenden Regelungen zum Rücktrittsrecht musste der Verbraucher Wertersatz auch für den Wertverlust leisten, der durch die bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme entstanden war, § 357 Abs. 3 Satz 1 BGB (i.F.v. 2002). Zugrunde gelegt war dabei, dass der Verbraucher über die etwaigen Wertersatzpflichten informiert werden musste, damit die Rechtswirkungen eintreten konnten, § 357 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2 BGB (i.F.v. 2002). Für die bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme war wiederum die Ausnahme zu beachten, dass eine Wertersatzpflicht gemäß § 357 Abs. 3 Satz 3 BGB (i.F.v. 2002) nicht eintrat, wenn die Verschlechterung nur auf die Prüfung der Sache zurückzuführen war, was nach allgemeinen Beweislastregeln vom Verbraucher zu beweisen war. Zudem musste der Verbraucher über den Verweis aus § 357 Abs. 1 Satz 1 BGB (i.F.v. 2002) auf § 346 Abs. 1 BGB a.E. gezogene Nutzungen herausgeben, und über den Verweis auf § 347 Abs. 1 Satz 1 BGB war der Verbraucher gegebenenfalls sogar zum Wertersatz für nicht gezogene Nutzungen verpflichtet.68 (2) Keine Richtlinienkonformität von § 357 Abs. 1, 3 BGB (i.F.v. 2004) Bei der Beurteilung der Richtlinienkonformität der deutschen Regelungen zum Wertersatz für die Nutzung der Ware durch den Europäischen Gerichtshof spielten Erwägungen zur Effektivität des Widerrufsrechts eine große Rolle.69 66

Siehe zum Sachverhalt nur EuGH, Rs. C-489/07 (Messner), Slg. 2009, I-7315, Rdnr. 10 ff. 67 Gesetz über Fernabsatzverträge und andere Fragen des Verbraucherrechts sowie zur Umstellung von Vorschriften auf Euro vom 27.06.2000 (BGBl. I S. 897). 68 Die in diesem Absatz aufgeführten Vorschriften blieben in der für die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs relevanten Gesetzesfassung von 2004 unverändert. 69 Stempel, ZEuP 2010, 925 (932), führt zudem aus, dass der „unionsrechtliche Effektivitätsgrundsatz mit Leben gefüllt“ wurde.

26 Teil 1: Grundlagen des Spannungsverhältnisses von Opportunismus und Effektivität Die „Wirksamkeit und die Effektivität des Rechts auf Widerruf“70 dürfen nicht durch die Regelungen zum Wertersatz beeinträchtigt werden.71 Die Vorschriften sollen vielmehr gewährleisten, dass der Verbraucher „die ihm von der Richtlinie eingeräumte Bedenkzeit völlig frei und ohne jeden Druck“72 nutzen kann, um den „Nachteil […], der sich für einen Verbraucher bei einem im Fernabsatz geschlossenen Vertrag ergibt“,73 auszugleichen. Geschützt werden sollen folglich die Möglichkeit des Verbrauchers, die im Fernabsatz gekaufte Sache in Ruhe zu inspizieren, und die Entscheidung, den Vertrag zu widerrufen, wenn sich bei der Untersuchung herausstellt, dass die Ware nicht den Vorstellungen entspricht.74 Wirksamkeit und Effektivität betreffen demnach Entscheidungen zu unterschiedlichen Zeitpunkten.75 Der Verbraucher soll die im Fernabsatz gekaufte Ware prüfen können, weshalb ihm keine Kosten durch die Prüfung entstehen dürfen, und zwar auch dann nicht, wenn die Ware durch die Prüfung einen Wertverlust erleidet. Die Ausübung des Widerrufsrechts wäre ansonsten an die Zahlung eines Wertersatzes geknüpft,76 die wie eine Strafzahlung wirkt. Die Effektivität des Widerrufsrechts wird hingegen nicht automatisch gewahrt, indem eine Wertersatzverpflichtung entfällt, wenn der Wertverlust auf die Prüfung der Ware zurückzuführen ist. Vielmehr darf der Verbraucher auch nicht die Beweislast dafür tragen, dass er „die Ware während der Widerrufsfrist nicht in einer Weise benutzt hat, die über das hinausgeht, was zur zweckdienlichen Ausübung seines Widerrufsrechts erforderlich ist“.77 Ansonsten könnte die Schwierigkeit, diesen Beweis zu erbringen,78 zurückwirken auf die Entscheidung, das Widerrufsrecht auszuüben; der Wertverlust der Ware würde nämlich faktisch eine Wertersatzpflicht begründen, selbst wenn er aus der Prüfung der Ware resultiert. Die Regelung des § 357 Abs. 3 BGB (i.F.v. 2004) – mit der entsprechenden Beweislasttragung durch den Verbraucher – konnte deshalb durchaus unter dem Gesichtspunkt der Effektivität und Wirksamkeit als problematisch angesehen werden.

70

EuGH, Rs. C-489/07 (Messner), Slg. 2009, I-7315, Rdnr. 24. Eine längere Abhandlung darüber, wie der Effektivitätsgrundsatz in die Entscheidung des EuGH einzufließen habe, findet sich in den Schlussanträgen der Generalanwältin Trstenjak zur Rs. C-489/07 (Messner), Slg. 2009, I-7317, Rdnr. 34. 71 EuGH, Rs. C-489/07 (Messner), Slg. 2009, I-7315, Rdnr. 24. 72 EuGH, Rs. C-489/07 (Messner), Slg. 2009, I-7315, Rdnr. 23. 73 EuGH, Rs. C-489/07 (Messner), Slg. 2009, I-7315, Rdnr. 20. 74 Siehe dazu schon oben Teil 1, I 2 a, S. 9 ff. 75 Vgl. auch Mörsdorf, JZ 2010, 232 (235). 76 EuGH, Rs. C-489/07 (Messner), Slg. 2009, I-7315, Rdnr. 24. 77 EuGH, Rs. C-489/07 (Messner), Slg. 2009, I-7315, Rdnr. 27; vgl. dazu auch Hall/Howells/Watson, ERCL 2012, 139 (158). 78 Siehe dazu noch unten Teil 3, IV 2 d, S. 190 f.

II. Effektivität des Widerrufsrechts bei Kaufverträgen

27

Bei der Prüfung der Ware darf für den Verbraucher zudem kein Zeitdruck entstehen. Er muss die Widerrufsfrist völlig frei ausnutzen können, damit das Prüfungsrecht effektiv sein kann. Wenn er aber für die Zeit, in der er die Ware in Besitz hat, Wertersatz für – auch nicht gezogene – Nutzungen zu leisten hätte, nähme man dem Verbraucher „die Möglichkeit, die ihm von der Richtlinie eingeräumte Bedenkzeit völlig frei und ohne jeden Druck zu nutzen“.79 Je weiter der Verbraucher die Entscheidung hinauszögert, desto größer würde für ihn die mit dem Widerruf einhergehende finanzielle Belastung. Es würden Anreize für eine schnelle oder sogar überhastete Entscheidung über einen möglichen Widerruf geschaffen. Neben der Möglichkeit zur Prüfung der Ware wird auch die Entscheidung zum Widerruf geschützt, sodass gleichzeitig verhindert werden muss, dass der Verbraucher aufgrund einer Kostenbelastung in Gestalt eines Nutzungsersatzanspruches davon abgehalten wird, zu widerrufen.80 Die damalige deutsche Regelung, die eine generelle Nutzungsersatzpflicht des Verbrauchers bei Fernabsatzverträgen nach Widerruf statuierte, war damit nicht richtlinienkonform.81 (3) Herstellung der Richtlinienkonformität Der deutsche Gesetzgeber sah sich deshalb gezwungen, grundlegende Veränderungen bei den Regelungen zum Wertersatz und zum Nutzungsersatz durchzuführen. Durch die Einführung des neuen § 312e BGB (i.F.v. 2011)82 wurde gewährleistet, dass der Verbraucher bei Fernabsatzverträgen nur noch in den vom Europäischen Gerichtshof vorgegebenen, engen Rahmenbedingungen Nutzungsersatz zu leisten hatte.83 Die für die Gewährleistung von Wirksamkeit und Effektivität notwendige Beweislast des Unternehmers bezüglich der übermäßigen Nutzung der Ware wurde durch eine Umstrukturierung von § 357 Abs. 3 BGB (i.F.v. 2010) geschaffen.84 Es trat dadurch nicht mehr eine generelle Wertersatzpflicht für den Wertverlust ein, die bei bloßer Prüfung der Ware lediglich ausgeschlossen sein konnte. Von diesem Zeitpunkt an musste die 79

EuGH, Rs. C-489/07 (Messner), Slg. 2009, I-7315, Rdnr. 23. Vgl. EuGH, Rs. C-489/07 (Messner), Slg. 2009, I-7315, Rdnr. 24; siehe auch Schlussanträge der Generalanwältin Trstenjak zur Rs. C-489/07 (Messner), Slg. 2009, I-7317, Rdnr. 74. Auf dieses Problem wies Micklitz schon in der Diskussion um die Ausgestaltung der Schuldrechtsreform hin, siehe dazu Meier, in: Ernst/Zimmermann (Hrsg.), Zivilrechtswissenschaft und Schuldrechtsreform, 2001, S. 455 (456); vgl. auch Ring, zfs Sonderheft 2002, 7 (9). 81 Vgl. EuGH, Rs. C-489/07 (Messner), Slg. 2009, I-7315, Rdnr. 29. 82 Siehe Gesetz zur Anpassung der Vorschriften über den Wertersatz bei Widerruf von Fernabsatzverträgen und über verbundene Verträge vom 27.07.2011 (BGBl. I S. 1600). 83 Durch die Nichtanwendung von § 347 Abs. 1 Satz 1 BGB, die § 312e Abs. 1 Satz 2 BGB (i.F.v. 2011) vorgab, bestand ein Nutzungsersatzanspruch für nicht gezogene Nutzungen nicht mehr. 84 Zum ändernden Gesetz siehe Fn. 82 in Teil 1, S. 27. 80

28 Teil 1: Grundlagen des Spannungsverhältnisses von Opportunismus und Effektivität Pflicht zum Wertersatz durch Feststellung des Handelns über die Prüfung der Ware hinaus positiv begründet werden; siehe § 357 Abs. 3 Satz 1 BGB (i.F.v. 2011). Nur so konnte gewährleistet werden, dass der Verbraucher faktisch nur für die Nutzungen Ersatz leisten musste, die er tatsächlich durchgeführt hatte. Dies ist wiederum notwendig, um eine übermäßige Belastung zu verhindern und Effektivität zu gewährleisten. bb) Effektivitätshindernde Hinsendekosten („Heinrich Heine“) Das deutsche Recht enthielt nach der Umsetzung der Fernabsatz-RL keine ausdrückliche Regelung dazu, ob dem Verbraucher auch bereits gezahlte Hinsendekosten zu erstatten sind, wenn er den Vertrag widerruft. Der Europäische Gerichtshof hatte sich im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens mit der Auslegung von Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Satz 2 und Abs. 2 der Fernabsatz-RL auseinanderzusetzen.85 Dabei sollte entschieden werden, ob die deutsche Regelung europarechtskonform ist und Unternehmer die Rückzahlung der Hinsendekosten verweigern können. Vorausgegangen war folgender Sachverhalt: Die Handelsgesellschaft Heinrich Heine, die im Versandhandel tätig war, sah in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen vor, dass der Verbraucher einen pauschalen Versandkostenanteil von 4,95 Euro zu tragen habe, der auch bei einem Widerruf nicht erstattet werde. Die Verbraucherzentrale NordrheinWestfalen klagte daraufhin auf Unterlassung, um zu erreichen, dass den Verbrauchern im Fall des Widerrufs die Hinsendekosten rückerstattet werden müssen.86 Neben einer intensiven Wortlautauslegung der Richtlinienbestimmung87 spielte auch das Effektivitätsgebot eine große Rolle bei der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs, dass der Verbraucher gezahlte Hinsendekosten nach Ausübung des Widerrufsrechts zurückfordern können muss: „Zum anderen ergibt sich aus dem 14. Erwägungsgrund der Richtlinie 97/7 in Bezug auf die Zielsetzung von Art. 6, dass mit dem Verbot, dem Verbraucher im Fall seines Widerrufs die durch den Vertrag entstandenen Kosten aufzuerlegen, gewährleistet werden soll, dass das in dieser Richtlinie festgelegte Widerrufsrecht ‚mehr als ein bloß formales Recht‘ ist [m.N.]. Da mit Art. 6 daher eindeutig das Ziel verfolgt wird, den Verbraucher nicht von der Aus-

85 Eingehend zur Diskussion vor der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs Föhlisch, Das Widerrufsrecht im Onlinehandel, 2009, S. 315 ff. 86 Siehe zum Sachverhalt nur EuGH, Rs. C-511/08 (Heinrich Heine), Slg. 2010, I-3047, Rdnr. 16 ff. 87 Von besonderem Interesse war die Bezugnahme auf Kosten, die „infolge der Ausübung des Widerrufsrechts auferlegt werden können“, siehe EuGH, Rs. C-511/08 (Heinrich Heine), Slg. 2010, I-3047, Rdnr. 48 ff.

II. Effektivität des Widerrufsrechts bei Kaufverträgen

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übung seines Widerrufsrechts abzuhalten, liefe eine Auslegung, nach der es den Mitgliedstaaten erlaubt wäre, eine Regelung vorzusehen, die dem Verbraucher im Fall eines solchen Widerrufs die Kosten der Zusendung in Rechnung stellt, diesem Ziel zuwider.“ 88

Es bestünde die Gefahr, dass der Verbraucher durch die finanzielle Belastung (Kostentragungslast bezüglich der Hinsendekosten) vom Widerruf abgehalten werden würde.89 Das Problem einer mangelnden Wirtschaftlichkeit des Widerrufs zeigt sich besonders deutlich bei geringwertigen Gütern, zu denen der Europäische Gerichtshof sich in seinem Urteil jedoch nicht explizit geäußert hat. Da sich das Verhältnis des zurückzuerlangenden Betrages zu „verlorenem“ – also gezahltem, aber nicht zurückzugewährendem – Geld mit Geringwertigkeit der Ware immer mehr zuungunsten des zurückerlangten Betrages verschiebt, wird der Verbraucher gerade bei geringwertigen Gütern von einem Widerruf absehen, wenn er die Hinsendekosten nicht zurückerhält.90 Das deutsche Recht war folglich richtlinienkonform so auszulegen, dass der Unternehmer vom Verbraucher gezahlte Hinsendekosten rückerstatten muss.91 cc) Fazit In den dargestellten Urteilen wird nur das unmittelbare Ziel – die Förderung der unbeeinflussten Überprüfung der gekauften Ware und der Widerrufsentscheidung – untersucht. Eine Analyse der Verwirklichung entfernterer Ziele, wie die Förderung des Binnenmarktes,92 findet nicht statt, da vom Europäischen Gerichtshof vorausgesetzt wird, dass das Widerrufsrecht diese Funktion unabhängig von der Regelung des Rückgewährschuldverhältnisses erfüllt. Der Effektivitätsgrundsatz wird damit vom Europäischen Gerichtshof nur mit den verbraucherbezogenen Zielen des Widerrufsrechts verknüpft. 3. Ergebnis Die Verbraucher werden bei besonderen Vertriebsformen davor geschützt, an Kaufentscheidungen festhalten zu müssen, wenn sie die Entscheidung (nur) aufgrund der Besonderheiten der Vertriebsform getroffen haben. Dies wird mit 88 EuGH, Rs. C-511/08 (Heinrich Heine), Slg. 2010, I-3047, Rdnr. 54; eine ähnliche Argumentation findet sich schon bei den Schlussanträgen des Generalanwalts Mengozzi zur Rs. C-511/08 (Heinrich Heine), Slg. 2010, I-3049, Rdnr. 43 f. 89 Schlussanträge des Generalanwalts Mengozzi zur Rs. C-511/08 (Heinrich Heine), Slg. 2010, I-3049, Rdnr. 44; vgl. auch Krois/Lindner, WM 2011, 442 (444); Haase, VuR 2010, 291 (296). 90 Vgl. Schlussanträge des Generalanwalts Mengozzi zur Rs. C-511/08 (Heinrich Heine), Slg. 2010, I-3049, Rdnr. 44; siehe auch Hilbig, MMR 2009, 300 (303); Haase, VuR 2010, 291 (296). Hinsendekosten stehen nicht in einem linearen Verhältnis zum Wert der Ware, sondern hängen von Größe und Gewicht der Ware ab. 91 BGH NJW 2010, 2651 (2652); a.A. Krois/Lindner, WM 2011, 442 (448). 92 Dazu auch Christiansen, Effektive und effiziente Widerrufsrechte, 2011, S. 35 ff.

30 Teil 1: Grundlagen des Spannungsverhältnisses von Opportunismus und Effektivität einem Widerrufsrecht gewährleistet, das keinen besonderen Grund für eine Ausübung voraussetzt. Allerdings darf dieses Widerrufsrecht nicht zu großen Restriktionen unterliegen, damit der Verbraucher auch tatsächlich geschützt wird. Insoweit muss ein Mindestschutzniveau erreicht werden. Für die Effektivität des Widerrufsrechts ist zudem notwendig, dass der Verbraucher die vertriebsformspezifischen Informationsasymmetrien durch eine Prüfung beheben kann. Nur so kann er bestimmen, ob er an der Kaufentscheidung festhalten möchte.

III. Opportunistisches Verbraucherverhalten und Rechtsmissbrauch III. Opportunistisches Verbraucherverhalten und Rechtsmissbrauch

Nunmehr wird präzisiert, welches Verbraucherverhalten (konkret) verhindert oder beschränkt werden sollte und welche Marktteilnehmer von opportunistischem Verbraucherverhalten negativ betroffen sind. 1. Die Möglichkeit(en) opportunistischen Verbraucherverhaltens Die typisierende Ausgestaltung des Widerrufsrechts begründet die Gefahr zweckübersteigender Ausnutzung dieses Verbraucherschutzinstruments. Wenn ein Verbraucher das Widerrufsrecht in zweckübersteigender Weise ausnutzt, handelt er opportunistisch.93 Weil bei Widerrufsrechten Verbraucher in typisierten Situationen des Vertragsschlusses geschützt werden und es nicht auf die Schutzwürdigkeit im konkreten Einzelfall ankommt,94 kann es dazu kommen, dass ein Verbraucher einen Vertrag widerruft, obwohl er eigentlich nicht schutzwürdig war: „Auch der gut informierte, nicht überrumpelte und auch sonst psychologisch nicht unterlegene Kunde kann durch ein Widerrufsrecht einseitig den Vertrag auflösen […].“95

93 Vgl. Englisch, StuW 2009, 3 (12); Franck, Europäisches Absatzrecht, 2006, S. 301 f.; teilweise wird solches Verhalten auch als Missbrauch des Widerrufsrechts bezeichnet, so beispielsweise bei Kunz, Verbraucherschutz beim Internethandel in der Europäischen Union, 2010, S. 77; siehe zu der Klarstellung der Begrifflichkeiten noch Teil 1, III 3, S. 40 ff. Siehe auch Stremnitzer, [2008] 28 J. L. Econ. & Org. 381 ff., der jedoch positive Effekte von Opportunismus in den Vordergrund rückt. 94 Die Kausalität der typisierten Situation für den Vertragsschluss als Voraussetzung für ein Widerrufsrecht findet sich in § 312g Abs. 1 BGB nicht mehr; siehe zur vorangegangenen Regelung in § 312 Abs. 1 BGB (i.F.v. 2002) bei Haustürsituationen Masuch, MünchKomm. BGB, 6. Aufl. 2012, § 312 Rdnr. 36 ff. 95 Schwintowski, EWS 2001, 201 (208); siehe auch dens., in: Grundmann/Kerber/Weatherill (Hrsg.), Party Autonomy and the Role of Information in the Internal Market, 2001, S. 331 (346); vgl. zur Problematik auch Lorenz, Der Schutz vor dem unerwünschten Vertrag, 1997, S. 167; Franck, Europäisches Absatzrecht, 2006, S. 210; von Vogel, Verbraucherver-

III. Opportunistisches Verbraucherverhalten und Rechtsmissbrauch

31

Dabei ist die Vielfalt an opportunistischem Verbraucherverhalten sehr groß.96 Im weiteren Verlauf dieser Untersuchung wird eine Vielzahl solcher Varianten angesprochen. Vorab sollen allerdings beispielhaft bestimmte Situationen aufgezeigt werden, um opportunistisches Verbraucherverhalten besser umschreiben zu können. So kann es bei Fernabsatzgeschäften vorkommen, dass der Verbraucher zwar von der Ware überzeugt ist und sie seinen Vorstellungen entspricht, der Grund für den Kauf allerdings innerhalb der Widerrufsfrist wegfällt. Lebensnah erscheint hier beispielsweise der Kauf eines Verlobungsrings, wenn die Verlobung aufgrund einer Ablehnung des Heiratsantrags nicht zustande kommt. Ist der Verbraucher nicht sehr sentimental oder zuversichtlich, wird er den Kaufvertrag widerrufen. Das Widerrufsrecht will den Verbraucher bei Kaufverträgen über Ringe allerdings nicht vor dem Risiko der Ablehnung eines Heiratsantrags schützen. Allgemein soll das Widerrufsrecht nicht vor einem potentiellen Wegfall des Verwendungszweckes bewahren. Solche Konstellationen sollten vielmehr nur innerhalb der engen Grenzen des § 313 BGB behandelt werden.97 Folglich handelt der Verbraucher in derartigen Fällen opportunistisch. Denkbar ist auch, dass ein Verbraucher schon länger geplant hat, eine bestimmte Ware zu kaufen. Er kauft sie dann, als er außerhalb von Geschäftsräumen eine Kaufmöglichkeit findet, zu einem günstigen Preis, und wird dabei nicht überrumpelt. Kurze Zeit darauf ist die Ware plötzlich im stationären Handel „im Angebot“ und kostet 30 % weniger. Der Verbraucher widerruft deshalb den existierenden Vertrag und kauft die Ware nun günstiger im stationären Handel ein. Zwar soll dem Verbraucher durch das Widerrufsrecht ermöglicht werden, den Preis zwischen verschiedenen Anbietern abzugleichen, um abzusichern, nicht durch eine Überrumpelung ein schlechtes Angebot angenommen zu haben. Das Widerrufsrecht wurde aber nicht statuiert, um den Verbraucher im Fall eines Preisverfalls o.Ä. innerhalb der Widerrufsfrist zu begünstigen.98 Auch hier handelt der Verbraucher opportunistisch. In den beiden dargestellten

tragsrecht und allgemeines Vertragsrecht, 2006, S. 161 mit Fn. 128; Mankowski, Beseitigungsrechte, 2003, S. 1147; Kanzler, Verbraucherkreditgesetz: Eine Ökonomische Analyse, 1996, S. 139. 96 Der Verbraucher kann sich auch opportunistisch verhalten, weil er – im Gegensatz zu dem Unternehmer – keinen Reputationsverlust zu befürchten hat, vgl. Bebchuk/R. Posner, 104 Mich. L. Rev. 827, 830 (2006). 97 Siehe zum Beispiel der Eheringe BeckOK-BGB/Lorenz, 35. Ed. Stand: 01.03.2011, § 313 Rdnr. 64. 98 Vgl. auch Schwab, in: Riesenhuber/Nishitani (Hrsg.), Wandlungen oder Erosion der Privatautonomie?, 2007, S. 149 (173).

32 Teil 1: Grundlagen des Spannungsverhältnisses von Opportunismus und Effektivität Konstellationen ergibt sich das opportunistische Verhalten erst nach Vertragsschluss, was nunmehr als „ex post-Opportunismus“ bezeichnet wird.99 Es besteht zudem die Gefahr, dass Verbraucher eine Ware kaufen, um sie für eine Weile zu nutzen und dann den Vertrag zu widerrufen. Diese Gefahr wird häufig beklagt.100 Lebensnahe Beispiele für solche faktischen Leihen (retail borrowing) sind der Kauf eines Kleides für eine bestimmte Feierlichkeit, eines Fernsehgeräts für ein konkretes Sportgroßereignis oder der Kauf eines Buches, das der Verbraucher innerhalb kurzer Zeit lesen möchte.101 Der Verbraucher zweckentfremdet den Kauf mit dem Widerrufsrecht zu einer Leihe.102 In dieser Konstellation entsteht die Idee zum opportunistischen Verhalten schon vor dem Vertragsschluss. Der Vertrag wird nur geschlossen und widerrufen, um opportunistisch zu handeln. Im Folgenden werden derartige Konstellationen als „ex ante-Opportunismus“ bezeichnet. Opportunistische Verhaltensweisen sind demnach sehr unterschiedlich und können kaum einheitlich behandelt werden. Der opportunistische Gehalt liegt teilweise im Widerruf selbst und teilweise in einer (geplanten) Nutzung innerhalb der Widerrufsfrist. Auch muss zwischen ex ante- und ex post-Opportunismus unterschieden werden. 2. Auswirkungen von Opportunismus Nunmehr wird dargestellt, welche Marktakteure von opportunistischem Verbraucherverhalten negativ betroffen sind und wessen Interessen daher in eine Abwägung bei der Opportunismusbekämpfung einfließen müssen.

99 Zwar wird hier vom wirtschaftswissenschaftlichen Opportunismusbegriff (grundlegend Williamson, Die ökonomischen Institutionen des Kapitalismus, 1990, S. 54; vgl. auch H.-B. Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 5. Aufl. 2012, S. 428) abgewichen, gleichwohl soll deren Unterscheidung in ex ante- und ex post-Opportunismus verwendet werden. Zu dieser Unterscheidung instruktiv H.-B. Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 5. Aufl. 2012, S. 511. 100 Siehe dazu auch Posselt/Radić/Tammen, Z. Betriebswirtsch. 80 (2010), 841 (843); Speights/Hilinski, 17 Retailing Issues Letter 1, 2 (2005); Ballhausen, K&R 2009, 704 (706). Durch Widerrufsrechte wird das Verhalten erst möglich, vgl. Lo, [2008] 10 I.J.M.C. 23, 24. 101 Vgl. Luth, Behavioural Economics in Consumer Policy, 2010, S. 23; Rott, ERPL 2010, 185 (188); Schultze, Europarechtliche Grenzen für die nationale Gesetzgebung im Bereich des Electronic Commerce, 2010, S. 489; siehe auch Chu/Gerstner/Hess, 1 J. Serv. Res. 140, 142 (1998) mit einigen Beispielen. Das Problem der faktischen Leihe (retail borrowing) erhält durch neue Produkte neue Dimensionen. Beispielsweise können 3D-Drucker Gegenstände herstellen und sogar duplizieren. Insoweit entstehen zwei weitere Möglichkeiten von retail borrowing: Einerseits kann man einen 3D-Drucker, andererseits Originale, die man mit einem 3D-Drucker dupliziert (z.B. Vasen), kaufen und später zurücksenden. 102 Siehe zum Nutzungsersatz und der Möglichkeit, zumindest eine faktische Miete zu schaffen, unten Teil 3, V 2 d bb (2), S. 230 f.

III. Opportunistisches Verbraucherverhalten und Rechtsmissbrauch

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a) Interne Auswirkungen Zu unterscheiden ist bei den negativen Folgen für Unternehmer zwischen denjenigen Folgen, die sich schon aus dem Bestehen oder Ausüben eines Widerrufsrechts ergeben, und denjenigen, die erst aufgrund eines opportunistischen Verbraucherverhaltens entstehen. Schon aufgrund der Gewährung eines Widerrufsrechts entsteht für einen Unternehmer Unsicherheit darüber, ob er mit dem Vertragsschluss auch einen dauerhaft wirksamen Vertrag eingegangen ist.103 Erfolgt ein Widerruf, verliert er den erzielten Gewinn, und es muss ein oftmals sehr kostspieliges Retourenmanagement durchgeführt werden. Dabei müssen die retournierten Waren (auf Fehler) untersucht, unter Umständen hinsichtlich der Qualität aufbereitet und teils neu verpackt werden.104 Zudem können untersuchte Waren häufig nicht mehr als Neuware verkauft werden, sondern müssen mit einem Preisnachlass als Gebrauchtware ausgezeichnet werden, wodurch der Unternehmer finanziell belastet wird.105 Unabhängig davon, welche Vertragspartei die Versandkosten zu tragen hat,106 entstehen dem Unternehmer Kosten für eine Transaktion, die für ihn – wenn der Vertrag widerrufen wird – keinen finanziellen Gewinn bringt. Durch opportunistisches Verhalten von Verbrauchern entstehen aber noch deutlich darüber hinausgehende Kostenbelastungen für den Unternehmer. Eine Umfrage unter Unternehmern über die Häufigkeit von Missbrauch und dadurch entstehende Kosten bei Fernabsatzgeschäften legt nahe, dass im Jahre 2011 durch Missbrauch ca. 910 Millionen Euro an Schadenspositionen in Deutschland entstanden sind.107 Für den Unternehmer entstehen Kosten auch durch opportunistisches Verbraucherverhalten, wenn der Vertrag nur widerrufen und die Ware nicht zusätzlich beschädigt wird. Erleidet die Ware darüber hinaus einen Wertverlust, muss sich der Unternehmer um Kompensation bemühen,

103 Luth/Cseres, in: Larouche/Chirico (Hrsg.), Economic Analysis of the DCFR, 2010, S. 235 (272); vgl. auch Hoeppner, 38 Eur. J. Law Econ. 247, 256 (2014). Der Unternehmer weiß zudem vor Vertragsschluss nicht, unter welchen Bedingungen der Verbraucher widerrufen möchte, Bechtold, Die Grenzen zwingenden Vertragsrechts, 2010, S. 98 mit Fn. 312. 104 Posselt/Radić/Tammen, Z. Betriebswirtsch. 80 (2010), 841 (843); Haupt, 4 Ger. Law J. 1137, 1150 m.w.N. (2003). Anders als im stationären Handel kann der Unternehmer dem Verbraucher schwerlich ein Testobjekt zukommen lassen. Schinkels, in: Gebauer/Wiedmann (Hrsg.), Zivilrecht unter europäischem Einfluss, 2. Aufl. 2010, Kap. 8, Rdnr. 75, bezeichnet den Kaufgegenstand deshalb selbst als „Vorführgerät“. 105 H.-B. Schäfer, in: Grundmann (Hrsg.), Systembildung und Systemlücken in Kerngebieten des Europäischen Privatrechts, 2000, S. 559 (567); Haupt, 4 Ger. Law J. 1137, 1150 (2003). 106 Dazu später Teil 3, II, S. 100 ff. 107 Asdecker/Weigel, eStrategy Magazin #13 (2013), 27 (29), wobei keine konkrete Definition von Missbrauch genannt wird.

34 Teil 1: Grundlagen des Spannungsverhältnisses von Opportunismus und Effektivität wobei diese nicht in allen Fällen opportunistischen Verbraucherverhaltens gewährleistet ist. Selbst wenn die rechtliche Möglichkeit einer Kompensation besteht, muss der Unternehmer zunächst mit den Kosten der Rechtsverfolgung in Vorlage treten. Oftmals wird er vor der Wahl stehen, einen geringwertigen Anspruch kostenintensiv (gerichtlich) geltend zu machen oder unter Kosten-Nutzen-Maximierungsaspekten auf eine solche Verfolgung seiner Rechte zu verzichten. Auch Maßnahmen, die sich auf einer präventiven Ebene gegen Opportunismus richten,108 belasten den Unternehmer finanziell.109 b) Externe Auswirkungen Durch Widerrufsrechte und deren Ausnutzung werden allerdings nicht nur die an den Verträgen konkret beteiligten Unternehmer belastet, sondern auch Marktteilnehmer, die an der speziellen Transaktion nicht beteiligt sind. aa) Belastung aller Verbraucher Insbesondere ist zu befürchten, dass die für den Unternehmer entstehenden Kosten an die Gesamtheit der Verbraucher weitergegeben werden oder der Unternehmer bestimmte Produkte nicht (mehr) anbietet. Insoweit würden alle Verbraucher belastet. (1) Preiserhöhungen Unternehmer können die Kosten für Verbraucherschutz über die Preise auf alle Verbraucher umverteilen, ohne gleichzeitig an Konkurrenzfähigkeit einzubüßen. Dies gilt zumindest in den Fällen, in denen alle Unternehmer am Markt solche Verbraucherschutzkosten zu tragen haben.110 Deshalb kann vermutet

108 Siehe hierzu Hinneburg, Prävention von Kriminalität im E-Commerce, 2006, S. 164; Muris, 65 Minn. L. Rev. 521, 527 (1981). 109 Auf den ersten Blick erscheint etwa der Onlinehändler hier im Vergleich zu anderen Vertriebsmethoden nicht zusätzlich belastet zu werden. Auch im stationären Handel entstehen Kosten durch Sicherheitspersonal oder Diebstahlsicherungen. Der große Unterschied der Konstellationen ist jedoch darin begründet, dass der Unternehmer sich im stationären Handel gegen klare Rechtsbrüche absichert, während die präventiven Maßnahmen im Onlinehandel auch auf Konstellationen abzielen, in denen nur das Recht ausgeschöpft wird. 110 Siehe dazu auch die einschränkenden Ausführungen bei Mankowski, Beseitigungsrechte, 2003, S. 1146; kritisch Kalss/Lurger, Rücktrittsrechte, 2001, S. 107; vgl. auch dies., JBl. 1998, 219 (227); Luth/Cseres, in: Larouche/Chirico (Hrsg.), Economic Analysis of the DCFR, 2010, S. 235 (245).

III. Opportunistisches Verbraucherverhalten und Rechtsmissbrauch

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werden, dass zumindest in einem gewissen Umfang111 – insbesondere bei größeren Unternehmen112 – diese Möglichkeit genutzt wird.113 Die Begünstigung des Einzelnen führt daher zur Belastung aller Verbraucher. Verbraucherschutz generell wird häufig als Versicherung des Einzelnen durch die Gesamtheit der Verbraucher beschrieben.114 Auch die Kosten, die durch die Möglichkeit des Widerrufs oder durch Widerrufe an sich entstehen, können über den Preis an die Verbraucher umverteilt werden.115 Somit tragen viele Verbraucher die Kosten dafür, dass wenige Verbraucher tatsächlich widerrufen.116 Auch die Umverteilung der durch Opportunismus entstehenden Kosten findet höchstwahrscheinlich in einem gewissen Umfang zulasten aller Verbraucher statt.117 Dies gilt sowohl für die Kosten, die man im Voraus für opportunistisches Verhalten veranschlagen und kalkulieren kann, als auch für die Maßnahmen, die zur Prävention und Reaktion durchgeführt werden.118

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Vgl. dazu Tietzel, in: Ott/H.-B. Schäfer (Hrsg.), Effiziente Verhaltenssteuerung und Kooperation im Zivilrecht, 1997, S. 103 (104), der aufzeigt, dass nicht alle Kosten des Verbraucherschutzes an den Verbraucher weitergegeben werden. 112 Calliess, AcP 203 (2003), 575 (584) äußert sich zur Möglichkeit, die Kosten des Verbraucherschutzes auf die Endkunden abzuwälzen: „Diese ökonomische Laienanalyse des Rechts übersieht freilich, dass die große Mehrzahl der kleinen und mittleren Unternehmen die völlig einseitige Abwälzung aller Risiken und Kosten nicht auf gigantische Umsätze umlegen können und dass solche Risiken am Markt auch nicht versicherbar sind.“ 113 Der zu dieser Thematik häufig zitierte Aufsatz von Craswell, 43 Stan. L. Rev. 361 ff. (1991), liefert keine empirische Darstellung der tatsächlichen Lage, sondern zeigt nur Möglichkeiten auf, wie man am besten die Kosten von gesetzlichen Regelungen an den Käufer weitergeben kann. 114 Eidenmüller, AcP 210 (2010), 67 (84); Huber, ZEuP 2008, 708 (712); Loos, ZEuP 2007, 5 (18); van den Bergh, in: Ott/H.-B. Schäfer (Hrsg.), Effiziente Verhaltenssteuerung und Kooperation im Zivilrecht, S. 77 (78 f.); Völker, Verbraucherschutz im Internethandel, 2013, S. 66; vgl. Koch, JZ 2014, 758 (762), konkret für die Rücksendekosten nach Widerruf. 115 Bar-Gill/Ben-Shahar, CML Rev. 50 (2013), Issue 1/2, 109 (113); Dinges, Das Spannungsverhältnis zwischen Verbraucherschutz und Unternehmerrechten, 2014, S. 16; Cseres, in: van den Bergh/Pacces (Hrsg.), Regulation and Economics, 2012, S. 163 (182). 116 Luzak, 37 J. Consum. Policy 91, 105 (2014); vgl. H.-B. Schäfer, in: Grundmann (Hrsg.), Systembildung und Systemlücken in Kerngebieten des Europäischen Privatrechts, 2000, S. 559 (567); siehe dazu auch die empirischen Nachweise bei Posselt/Radić/Tammen, Z. Betriebswirtsch. 80 (2010), 841 (848 ff. und insbesondere 857). 117 Steennot, [2013] 29 C.L.S.R. 105, 118; Bar-Gill/Ben-Shahar, CML Rev. 50 (2013), Issue 1/2, 109 (120); Epstein, 92 Minn. L. Rev. 803, 820 (2008). 118 Muris, 65 Minn. L. Rev. 521, 527 (1981); Hinneburg, Prävention von Kriminalität im E-Commerce, 2006, S. 164; siehe auch Schlussanträge der Generalanwältin Trstenjak zur Rs. C-489/07 (Messner), Slg. 2009, I-7317, Rdnr. 73: „Dem Lieferer bleibt zur Absicherung des Risikos, dass er im Einzellfall tatsächlich mit einem Widerruf nach und trotz erfolgter Nutzung konfrontiert sein kann und dafür keinen Wertersatz verlangen kann, der Weg über die preispolitische Verhaltensweise der Mischkalkulation, die einen prozentualen Rücklauf einbezieht.“

36 Teil 1: Grundlagen des Spannungsverhältnisses von Opportunismus und Effektivität (2) Umfang des Angebots und Anzahl der Anbietenden Eine ähnliche Unterteilung lässt sich für die Gefahr einer Beschränkung des Angebots durchführen. Verbraucherschutzvorschriften sind im Allgemeinen geeignet, sich negativ auf die Vielfalt der Produktpalette bei bestimmten Vertriebsmethoden auszuwirken.119 Dies gilt schon für das Bestehen eines Widerrufsrechts.120 Hierbei sind die Ausschlussgründe für Widerrufsrechte – insbesondere im Fernabsatz – von großer Bedeutung. Würde es beispielsweise auch für verderbliche Waren ein Widerrufsrecht geben (siehe zum Ausschlussgrund § 312g Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BGB; Umsetzung von Art. 16 lit. d Verbraucherrechte-RL), bestünde die Gefahr, dass solche Waren nicht mehr über den Fernabsatz vertrieben würden, da die finanziellen Risiken zu groß wären.121 Dies wäre insbesondere deshalb unerwünscht, weil für die weniger mobilen und somit besonders schutzbedürftigen Menschen die Vielfalt der Waren, die ein Grundbedürfnis (scil. Ernährung) betreffen, eingeschränkt würde.122 Die Ausgestaltung des Widerrufsrechts kann auch jenseits der Ausschlussgründe im vorliegenden Zusammenhang relevant sein. Beispielhaft sei dabei die Wasserbetten-Entscheidung des Bundesgerichtshofs123 genannt. Nach dieser darf der Verbraucher ein im Fernabsatz gekauftes Wasserbett zur Prüfung auffüllen, ohne dadurch wertersatzpflichtig zu werden, obwohl das Wasserbett dann nicht mehr als Neuware verkauft werden kann.124 Dadurch wird die Wirtschaftlichkeit des Verkaufs von Wasserbetten im Fernabsatz gefährdet. Zwar werden auch mehrere Jahre nach der Entscheidung noch Wasserbetten im Internet zum Verkauf angeboten. Dabei liegt jedoch die Vermutung nahe, dass derartige Angebote nur noch von größeren Unternehmen gemacht werden können. Diese erzielen umfangreiche Gewinne aus anderen Verkäufen, wodurch der Verlust bei Widerruf eines genutzten Wasserbettes für den Unternehmensgewinn prozentual weniger entscheidend ist. Für kleine Unternehmen mit weniger Umsatz und geringeren Verkaufszahlen dürfte der Verkauf von Wasserbetten im Fernabsatz aber nicht mehr rentabel sein. Dies stört wiederum den

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Vgl. Magoulas, in: ders./Simon (Hrsg.), Recht und Ökonomie beim Konsumentenschutz und Konsumentenkredit, 1985, S. 23 (24). 120 Haupt, 4 Ger. Law J. 1137, 1149 m.w.N. (2003); Franck, Europäisches Absatzrecht, 2006, S. 211; Cseres, in: van den Bergh/Pacces (Hrsg.), Regulation and Economics, 2012, S. 163 (183). 121 Rekaiti/van den Bergh, 23 J. Consum. Policy 371, 395 (2000); vgl. auch Franck, Europäisches Absatzrecht, 2006, S. 211. 122 Rekaiti/van den Bergh, 23 J. Consum. Policy 371, 395 (2000). 123 BGHZ 187, 268. 124 BGHZ 187, 268 (275).

III. Opportunistisches Verbraucherverhalten und Rechtsmissbrauch

37

Wettbewerb125 am Markt, was sich für die Verbraucher über die Preispolitik der verbliebenen Verkäufer negativ auswirkt. (3) Zwischenergebnis Den Verbrauchern, die sich nicht opportunistisch verhalten, entstehen Nachteile durch Verbraucher, die sich opportunistisch verhalten. Insoweit ist es für die Gesamtheit der Verbraucher vorteilhaft, wenn opportunistisches Verbraucherverhalten schon durch die gesetzliche Konstruktion des Widerrufsrechts und damit nicht erst durch kostenintensive Unternehmensstrategien eingedämmt wird. bb) Belastung des stationären Handels (1) Gefahr der Entwicklung des Einzelhandels zum Vorführraum Der stationäre Handel wird durch ein Phänomen geschädigt, das im Zusammenhang mit den Widerrufsrechten bei besonderen Vertriebsformen steht. Es handelt sich hierbei um das sogenannte showrooming.126 Darunter versteht man das Verhalten eines Verbrauchers, sich in den stationären Handel zu begeben, um diesen ohne Vor-Ort-Kaufabsicht als Vorführraum für eine bestimmte Ware zu nutzen und die Ware bei zufriedenstellender Vorführung im Rahmen eines Fernabsatzgeschäfts zu erwerben. Im stationären Handel entstehen Kosten (für den vorgeführten Gegenstand und dessen Abnutzung, aber meist auch für die Beratung durch Verkaufspersonal), die sich in solchen Fällen nicht durch den Verkauf amortisieren.127 Für den Kunden sind die günstigeren Preise im Internet meist ein Anreiz für solches Verhalten. Vereinfacht wird dieses Verhalten durch für Smartphones programmierte Applikationen (Apps), die gezielt darauf gerichtet sind, showrooming zu begünstigen.128 Das Unternehmen Amazon entwickelte eine Applikation namens „Flow“, die sogar ohne das Scannen eines QR-Codes oder Barcodes eine Ware erkennt, die dann bei Verfügbarkeit im Online-Shop direkt bestellt werden kann.129 Während für die ak-

125 Siehe zu den Schwierigkeiten der Begriffsbestimmung des Wettbewerbs beispielsweise Kling/Thomas, Kartellrecht, 2. Aufl. 2016, S. 4 ff.; vgl. auch Müller-Graff, in: ders. (Hrsg.), Enzyklopädie Europarecht, Bd. 4, 2015, § 1 Rdnr. 57 ff. 126 Heinemann, Der neue Online-Handel, 5. Aufl. 2014, S. 261; Rösler, Europäisches Konsumentenvertragsrecht, 2003, S. 174. 127 Dieses Problem besteht insbesondere dann, wenn der Unternehmer auch nicht an den Umsätzen des Fernabsatzgeschäfts beteiligt ist, z.B. bei Kaufhäusern, die Produkte fremder Hersteller nur weiterverkaufen, aber keinen (exklusiven) Online-Vertrieb anbieten. 128 Siehe zur Entwicklung des showrooming durch Nutzung von Handys Willmott, [2014] 15 D.D.D.M.P. 229 ff. 129 Vgl. (Stand: 05.03.2016).

38 Teil 1: Grundlagen des Spannungsverhältnisses von Opportunismus und Effektivität tuelle Version von „Flow“ noch eine Warenverpackung als Erkennungsmerkmal dient, wird eine geplante App namens „Slyce“ keinerlei Einschränkungen dieser Art mehr aufweisen.130 Darüber hinaus wird die Verbindung von vergleichbarer Software und Augmented-Reality-Brillen (beispielsweise Google Glass) diese Entwicklung krönen.131 Wird eine solche Software nicht mehr im stationären Handel eingesetzt werden müssen, weil sie nicht auf der Erkennung der Verpackung, sondern des Inhalts beruht, wird die ganze Welt zum showroom. Der stationäre Handel wird zwar dann nicht mehr wie beim klassischen showrooming konkret geschädigt, aber seine Existenzberechtigung wird deutlich infrage gestellt werden. Widerrufsrechte und deren Ausgestaltung haben eine Rückwirkung auf das showrooming, weshalb eine nähere Untersuchung der Materie hier unumgänglich ist. Je schwieriger es für den Verbraucher wird, von einem Widerrufsrecht Gebrauch zu machen, desto eher wird er versuchen, im Voraus auszuschließen, widerrufen zu müssen. Dabei kann die Untersuchung der Ware vor Abschluss des Kaufvertrages hilfreich sein.132 Showrooming findet seine Entsprechung im ROPO-Effekt.133 Hierbei informiert sich ein Verbraucher online über eine Ware (beispielsweise durch Rezensionen), geht dann aber in den stationären Handel, um die Ware zu kaufen. Ein solches Verhalten ist teilweise darauf zurückzuführen, dass dem Onlinehandel nicht in gleichem Umfang vertraut wird wie dem stationären Handel. Teilweise mag es auch daran liegen, dass der Verbraucher die endgültige Kaufentscheidung erst treffen möchte, nachdem er die Ware auch körperlich wahrnehmen konnte.134 Zudem könnte ein derartiges Verbraucherverhalten in Zukunft dadurch begünstigt werden, dass ein Verbraucher über sein Smartphone

130 Siehe (Stand: 05.03.2016) und (Stand: 05.03.2016). 131 Das Unternehmen Google entwickelt eine Software („Glashion“), die den Produkterwerb mithilfe der hauseigenen Augmented-Reality-Brille ermöglichen soll, siehe dazu etwa (Stand: 05.03.2016) und (Stand: 05.03.2016). 132 Dazu näher Teil 2, V 2, S. 83 f. 133 Oder auch ROBO-Effekt, was dann entweder die Abkürzung für „Research Online, Purchase Offline“ oder „Research Online, Buy Offline“ darstellt. 134 Vgl. zu dem Phänomen auch Heinemann, Der neue Online-Handel, 5. Aufl. 2014, S. 128, allerdings ohne Erklärungsversuche.

III. Opportunistisches Verbraucherverhalten und Rechtsmissbrauch

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informiert wird, wenn er sich in der Nähe einer Kaufmöglichkeit eines Produktes befindet, das er online ausgekundschaftet hat.135 Das dargestellte, keineswegs unübliche,136 Verhalten von Verbrauchern ist einerseits für den stationären Handel vorteilhaft, andererseits für den Onlinehandel kaum direkt nachteilig, da die Bereitstellung von Informationen nicht konkret für den Verbraucher erfolgt, der sich informiert, ohne online kaufen zu wollen. Insofern ist der Verlust nur darin zu sehen, dass der Vertrag nicht online geschlossen wird. Beim showrooming entstehen für den stationären Handel aber darüber hinausgehende Kosten, sodass dies tatsächlich als Problem wahrzunehmen ist. Auch kann man nicht davon ausgehen, dass die Belastungen für den jeweiligen Handel sich durch gleichermaßen auftretendes showrooming und ROPO ausgleichen. Da showrooming aktuell gerade bei der jüngeren Generation beliebt ist,137 diesem Verhalten vom Verbraucher kaum Missbräuchliches beigemessen wird138 und es von der technischen Weiterentwicklung begünstigt wird, liegt die Vermutung nahe, dass sich das Phänomen in Zukunft noch verstärken wird. Es ist zu erwarten, dass dem stationären Handel dadurch schwere Verluste entstehen werden. (2) Erwägungsgrund 20 zur Verbraucherrechte-RL und die Konsequenzen Der Richtliniengeber positioniert sich nicht eindeutig zum showrooming und einem möglichen Versuch, dieses zu verhindern. Gewisse Anhaltspunkte zu seiner Einschätzung ergeben sich jedoch aus den Sätzen 2 und 3 des Erwägungsgrundes 20 zur Verbraucherrechte-RL zur Begriffsbestimmung eines Fernabsatzvertrages: „Diese Begriffsbestimmung [von Fernabsatzverträgen] sollte auch Situationen erfassen, in denen der Verbraucher die Geschäftsräume lediglich zum Zwecke der Information über die Waren […] aufsucht und anschließend den Vertrag aus der Ferne verhandelt und abschließt.

135 Vgl. zu dieser Entwicklung bei Google Now (Stand: 05.03.2016) und (Stand: 05.03.2016). 136 Eine Studie von Roland Berger Strategy Consultant und ECE „Dem Kunden auf der Spur: Wie wir in einer Multichannel-Welt wirklich einkaufen: Chancen für Handel und Hersteller“ unter über 40.000 Verbrauchern ergab, dass 17 % der Befragten dem ROPO-Effekt unterfallen; Studie abrufbar unter (Stand: 05.03.2016), S. 26. Eine Umfrage unter 5.000 Verbrauchern ergab allerdings, dass 57 % der Befragten dieses Verhalten schon durchgeführt haben, vgl. Enderle/Voll, Kanal total, 2011, S. 7. 137 Fast 64 % von 538 Studierenden bejahten in einer Studie aus dem Jahr 2013 die Frage danach, ob sie schon einmal eine stationäre Beratung in Anspruch genommen haben, um die Ware danach online zu bestellen; Studie abrufbar unter (Stand: 05.03.2016), S. 7. 138 Vgl. Umfrageergebnisse von Neale/Fullerton, [2010] 24 J.S.M. 476, 479.

40 Teil 1: Grundlagen des Spannungsverhältnisses von Opportunismus und Effektivität Im Gegensatz dazu sollte ein Vertrag, der in den Geschäftsräumen eines Unternehmers verhandelt und letztendlich über ein Fernkommunikationsmittel geschlossen wird, nicht als Fernabsatzvertrag gelten.“139

Der Verbraucher soll demnach nicht durch die verbraucherschützenden Vorschriften zum Fernabsatz begünstigt werden, wenn er den Vertrag im stationären Handel verhandelt hat. Gleichwohl führt die für showrooming typische bloße Informierung im stationären Handel nicht zu einer Versagung des Widerrufsrechts. Diese Aussage deutet zunächst darauf hin, dass der Richtliniengeber im showrooming kein Problem sieht. Allerdings ginge es zu weit, aus dem genannten Erwägungsgrund eine Duldung des showrooming-Problems abzuleiten. Zunächst kann der Richtliniengeber das showrooming nicht generell sanktionieren, sondern nur dann, wenn die Prüfung der Ware dazu führt, dass der Verbraucher die Ware weiterhin kaufen möchte (und dann auch im Fernabsatz kauft). Darüber hinaus bestünden insbesondere Probleme bei der Beweisbarkeit, denn solange der Verbraucher nicht in Vertragsverhandlungen eingetreten ist, wird ein Unternehmer kaum beweisen können, dass der Verbraucher die Ware vorab im stationären Handel untersucht hat.140 Insofern kann nicht geschlussfolgert werden, dass der Richtliniengeber showrooming als unproblematisch erachtet. cc) Fazit Opportunismus zeitigt sowohl intern als auch extern negative Auswirkungen auf andere Marktteilnehmer. Interessant ist dabei insbesondere, dass nicht nur die Marktteilnehmer innerhalb der besonderen Betriebsformen geschädigt werden, sondern die Effekte sogar auf grundsätzlich unabhängige andere Vertriebssysteme wie den stationären Handel übergreifen. 3. Opportunismus als Rechtsmissbrauch Die Dimension des Opportunismus-Problems zeigt sich vor allem daran, dass es kaum unmittelbar wirkende rechtliche Möglichkeiten gibt, opportunistisches Verbraucherverhalten einzudämmen. Es wurde schon dargestellt, dass es viele Varianten opportunistischen Verhaltens gibt, die nicht generell vom Widerrufsrecht ausgeschlossen werden können.141 Allerdings ließe sich überlegen, ob

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Siehe dazu auch fast wortgleich: BT-Drucks. 17/12637, S. 50 (Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Verbraucherrechte-RL und zur Änderung des Gesetzes zur Regelung der Wohnungsvermittlung). 140 Unklar bleibt auch, ob eine Identität zwischen dem Unternehmer, bei dem der Verbraucher sich informiert und eventuell auch verhandelt, und dem Unternehmer, bei dem gekauft wird, bestehen muss. Nur wenn eine solche Identität nicht verlangt wird, könnten alle Fälle von showrooming erfasst sein. 141 Siehe dazu bereits oben in der Einleitung, III, S. 3.

III. Opportunistisches Verbraucherverhalten und Rechtsmissbrauch

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Opportunismus als rechtsmissbräuchliches Verhalten sanktioniert werden kann. Bei ungewünschtem Umgang von Verbrauchern mit Widerrufsrechten wird schnell von Missbrauch gesprochen. Verbraucher missbrauchten das Widerrufsrecht, wenn sie widerrufen und den Widerruf schon vor Kaufvertragsschluss planten.142 Eine Korrektur kann im deutschen Recht aufgrund eines Rechtsmissbrauchs anhand von § 242 BGB erfolgen. Im europäischen Kontext sei darauf hingewiesen, dass ein Rechtsmissbrauch nur dann vorliegen soll, wenn der Betroffene widerrechtliche Vorteile, die mit dem Zweck des ausgeübten Rechts offensichtlich unvereinbar sind, zum Nachteil des anderen zu erlangen versucht.143 Der Einwand des Rechtsmissbrauchs soll dabei restriktiv erfolgen.144 Somit kann ein Widerruf auch aus Sicht des Bundesgerichtshofs nur in wenigen Sonderfällen über § 242 BGB aufgrund missbräuchlichen Verhaltens ausgeschlossen werden.145 In Betracht kommt beispielsweise die arglistige Täuschung durch einen Verbraucher.146 Insoweit zeigen sich Unterschiede im Hinblick auf die eingangs genannten Beispiele. Man kann den konkreten Grund für einen Widerruf äußerlich nur schwer erkennen. Objektiv ist nicht erkennbar, ob ein Widerruf durch den Wegfall des Verwendungszwecks, einen Preisverfall oder den Ausgleich von Informationsasymmetrien motiviert ist. Insoweit liegt grundsätzlich kein (beweisbarer) Rechtsmissbrauch vor, wenn der Verbraucher kein schutzwürdiges Motiv für den Widerruf hat.147 Etwas anderes mag gelten, wenn der Verbraucher beispielsweise eine Schädigungsabsicht offenbart. Generell anders könnte allerdings die faktische Leihe (retail borrowing) zu bewerten sein. In Betracht kommt hier eine arglistige Täuschung durch den 142 Vgl. nur Hilbig, MMR 2009, 300 (304); siehe auch Stellungnahme der Bundesregierung zum Grünbuch der Europäischen Kommission, Die Überprüfung des gemeinschaftlichen Besitzstands im Verbraucherschutz, 08.05.2007, abrufbar unter (Stand: 05.03.2016), S. 23. 143 Siehe nur EuGH, Rs. C-367/96 (Kefalas u.a.), Slg. 1998, I-2843, Rdnr. 28; Rs. C373/97 (Diamantis), Slg. 2000, I-01705, Rdnr. 33. 144 EuGH, Rs. C-441/93 (Pafitis u.a.), Slg. 1996, I-1347, Rdnr. 67 ff., dazu auch Rott, Effektivität des Verbraucherrechtsschutzes, 2006, S. 141; vgl. auch Fleischer, JZ 2003, 865 (868 ff.); Englisch, StuW 2009, 3 (20). 145 Vgl. BGHZ 183, 235 (242). Generell für einen Ausschluss des Widerrufsrechts bei missbräuchlichem Verhalten Pfeiffer, NJW 2012, 2609 (2612). Das Widerrufsrecht beruht auf der Umsetzung der Verbraucherrechte-RL. Deshalb muss eine Anwendung des § 242 BGB zur Einschränkung des Widerrufsrechts immer richtlinienkonform erfolgen; vgl. hierzu eingehend Domke, BB 2005, 1582 (1583 f.). 146 Vgl. BGHZ 183, 235 (242). Siehe zur Anwendung von § 242 BGB bei Verbraucherkreditverträgen in Haustürsituationen schon Graf von Westphalen/Emmerich/von Rottenburg, Verbraucherkreditgesetz, 2. Aufl. 1996, § 7 Rdnr. 14. 147 Vgl. auch Masuch, MünchKomm. BGB, 6. Aufl. 2012, § 355 Rdnr. 78.

42 Teil 1: Grundlagen des Spannungsverhältnisses von Opportunismus und Effektivität Verbraucher über subjektive Parameter: So kann der Verbraucher darüber täuschen, die Ware prüfen und eventuell behalten zu möchten, wenn er von Beginn an weiß, dass er die Sache nicht behalten wird. Zumindest, wenn in solchen Fällen die Bestellung „willkürlich und mit Schädigungsabsicht“148 aufgegeben wird, soll darin ein über § 242 BGB zu ahndender Rechtsmissbrauch zu sehen sein.149 Ob demnach typische Konstellationen der faktischen Leihe tatsächlich über § 242 BGB geahndet werden können,150 ist allerdings zweifelhaft. Zwar hat der Europäische Gerichtshof erklärt, der Verbraucher sei nicht schutzwürdig, wenn er die „gekaufte Ware auf eine mit den Grundsätzen des bürgerlichen Rechts wie denen von Treu und Glauben oder der ungerechtfertigten Bereicherung unvereinbare Art und Weise benutzt hat.“151 Dies wurde aber nur auf etwaige Ersatzansprüche des Unternehmers bezogen. Unabhängig davon, in welchem Ausmaß und mit welchen Hintergedanken der Verbraucher die Ware nutzt, wird er sein Widerrufsrecht nicht automatisch verlieren. Dies gilt sogar dann, wenn er die Ware beschädigt.152 Insoweit wohnt der Nutzung objektiv kein Rechtsmissbrauch inne. Selbst wenn ein Verbraucher ein Fernsehgerät für die Endphase der Fußball-Weltmeisterschaft kauft, alle Spiele schaut und dann widerruft, ist das Verhalten objektiv nicht widersprüchlich; die subjektive Komponente, welche den Missbrauchscharakter begründet, zeigt sich nicht eindeutig. Die Täuschung über die Möglichkeit, die Ware zu behalten, wird man kaum beweisen können.153 Es zeigt sich, dass opportunistische Verhaltensweisen keineswegs stets rechtsmissbräuchlich sind. Selbst wenn ein Verhalten rechtsmissbräuchlich wäre, bestünden Probleme der Beweislast und der Beweisbarkeit: Das materiellrechtliche Bestehen von Abwehrmöglichkeiten ist nicht sonderlich hilfreich,

148

Staudinger/Kaiser, BGB, 2012, § 355 Rdnr. 92. Staudinger/Kaiser, BGB, 2012, § 355 Rdnr. 92; Masuch, MünchKomm. BGB, 6. Aufl. 2012, § 355 Rdnr. 78. Die Beschränkung des § 242 BGB auf den Ausschluss des Rückzahlungsanspruch bezüglich der gezahlten Hinsendekosten (siehe dazu: Hilbig, MMR 2009, 300 [304]; Brönneke, MMR 2004, 127 [130]) erscheint auch eher zweifelhaft. 150 Dies in Erwägung ziehend auch Dinges, Das Spannungsverhältnis zwischen Verbraucherschutz und Unternehmerrechten, 2014, S. 146. 151 Zu Fernabsatzverträgen: EuGH, Rs. C-489/07 (Messner), Slg. 2009, I-7315, Rdnr. 26. 152 Ausdrücklich Erwägungsgrund 47 Satz 2 zur Verbraucherrechte-RL; siehe zu Wertersatzansprüchen unten Teil 3, IV, S. 175 ff. 153 Dies wirkt sich auch auf etwaige Ansprüche aus culpa in contrahendo aus; vgl. zu einer solchen Haftung in einem ähnlich gelagerten Fall auch Wendehorst, GPR 2015, 55 (62); siehe auch Dinges, Das Spannungsverhältnis zwischen Verbraucherschutz und Unternehmerrechten, 2014, S. 146; Brönneke, MMR 2004, 127 (130); Hilbig, MMR 2009, 300 (304). Siehe zum prima facie-Beweis noch Teil 3, V 2 a aa (3), S. 214 f. 149

IV. Opportunismus als Grenze der Verbraucherbegünstigung

43

denn die „materielle Rechtslage dürfte […] in aller Regel praktisch undurchsetzbar“154 sein.155 Der Unternehmer muss nach allgemeinen Grundsätzen beweisen, dass der Verbraucher rechtsmissbräuchlich gehandelt hat. Dies ist insbesondere deshalb schwierig, weil es bei den aufgezeigten Verhaltensweisen oftmals nicht die Handlung an sich ist, die den Missbrauchscharakter begründen soll, sondern vielmehr der dahinterstehende schädigungsbezogene Wille des Verbrauchers. 4. Opportunismusbewältigung Aufgrund des ihnen gewährten Widerrufsrechts haben Verbraucher die Möglichkeit, sich opportunistisch zu verhalten. Dieses Verhalten schädigt Unternehmer. Letztere können daraus wiederum Konsequenzen ziehen und entweder die ihnen entstandenen Kosten auf die Gesamtheit der Verbraucher abwälzen oder sich vom Markt zurückziehen. In beiden Fällen leiden alle Verbraucher unter dem Verhalten der schutzunwürdigen Verbraucher. Dies ist ein Zustand, der – gerade vor dem Hintergrund der marktbezogenen Zwecke des Widerrufsrechts – verhindert werden sollte. Wenn sich Unternehmer vom Markt zurückziehen (müssen), wird der Binnenmarkt geschädigt. Dies gilt gleichermaßen, wenn die Verbraucher aufgrund zu hoher Preise nicht in den Markt eintreten bzw. auf dem Markt keine Verträge abschließen. Es ist folglich in vielerlei Hinsicht wünschenswert, opportunistische Verhaltensweisen einschränken zu können. Dabei können opportunistische Verhaltensweisen gerade nicht umfangreich über den Vorwurf des Rechtsmissbrauchs reguliert werden. Zudem zeigt sich, dass es derart viele Varianten von Opportunismus gibt, dass eine allumfassende und gleichzeitig individuelle Behandlung kaum möglich ist. Deshalb sollte man versuchen, generelle Regeln zu schaffen, die Opportunismus verhindern oder erschweren. Insofern erscheint es vielversprechend, eine Verhinderung über die Ausgestaltung des Rückgewährschuldverhältnisses zu versuchen.

IV. Opportunismus als Grenze der Verbraucherbegünstigung und Verbraucherschutz als Grenze der „Opportunismusbekämpfung“ IV. Opportunismus als Grenze der Verbraucherbegünstigung

Es stellt sich nunmehr die Frage, in welchem Verhältnis der durch das Widerrufsrecht gewährte Verbraucherschutz und das Interesse daran, Opportunismus

154

Brönneke, MMR 2004, 127 (130). Föhlisch, in: Hoeren/Sieber/Holznagel (Hrsg.), Multimedia-Recht, 41. Erg.-Lfg. 2015, Teil 13.4, Rdnr. 292; Pfeiffer, ZGS 2010, 48. 155

44 Teil 1: Grundlagen des Spannungsverhältnisses von Opportunismus und Effektivität einzuschränken, genau stehen. In diesem Zusammenhang lassen sich zwei Äußerungen, die zur Rechtssache Messner156 einerseits vom Europäischen Gerichtshof und andererseits von der Generalanwältin Trstenjak ergangen sind, gegenüberstellen: Europäischer Gerichtshof:

Generalanwältin Trstenjak:

„Die Richtlinie 97/7 hat jedoch, auch wenn sie den Verbraucher in der besonderen Situation eines Vertragsabschlusses im Fernabsatz schützen soll, nicht zum Ziel, ihm Rechte einzuräumen, die über das hinausgehen, was zur zweckdienlichen Ausübung seines Widerrufsrechts erforderlich ist.“157

„Zudem ist darauf hinzuweisen, dass die Befürchtung eines Missbrauchs durch Einzelne generell nicht dazu führen darf, den Schutz der gemeinschaftsrechtlich gewährleisteten Rechte für alle einzuschränken. Denn nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs [m.N.] darf die Anwendung einer nationalen Rechtsvorschrift zur Vermeidung von Missbräuchen nicht die volle Wirksamkeit und die einheitliche Anwendung des Gemeinschaftsrechts in den Mitgliedstaaten beeinträchtigen. Insbesondere dürfen nicht die Zwecke vereitelt werden, die mit einer bestimmten gemeinschaftsrechtlichen Regelung, beispielsweise einer bestimmten Richtlinie, verfolgt werden [m.N.].“158

Die Äußerung des Europäischen Gerichtshofs zeigt, dass eine Grenze der Verbraucherbegünstigung in dem Verbraucherverhalten besteht, das über den Sinngehalt der Widerrufsrechte hinausgeht. Nach der hier benutzten Terminologie zeigt der Europäische Gerichtshof, dass opportunistische Verhaltensweisen des Verbrauchers nicht begünstigt, folglich verhindert werden sollen. Dies muss erst recht für den Missbrauch des Widerrufsrechts gelten. Somit fungiert Opportunismus als Grenze der Verbraucherbegünstigung. Die Äußerung der Generalanwältin Trstenjak bezieht sich demgegenüber darauf, dass die Bekämpfung des Opportunismus bezüglich des Widerrufsrechts eine Grenze in der Wirksamkeit der Verbraucherschutzinstrumente findet.159 Wie von der Generalanwältin auch dargelegt, enthalten wiederum Urteile des Europäischen Gerichtshofs die Aussage, dass – mitgliedstaatliche – Regelungen zur Vermeidung von Missbrauch nicht die (volle) Wirksamkeit der

156

Siehe schon oben Teil 1, II 2 b aa, S. 24 ff. EuGH, Rs. C-489/07 (Messner), Slg. 2009, I-7315, Rdnr. 25. 158 Schlussanträge der Generalanwältin Trstenjak zur Rs. C-489/07 (Messner), Slg. 2009, I-7317, Rdnr. 90. 159 Siehe hierzu auch Micklitz/Kas, ERCL 2014, 1 (53). 157

IV. Opportunismus als Grenze der Verbraucherbegünstigung

45

europäischen Regelung verhindern dürfen.160 Während die Generalanwältin in der hier gewählten Zitatstelle ausdrücklich nur von Missbrauch spricht, ergibt sich aus anderen Textstellen,161 dass es ihr auch um nach vorliegendem Verständnis opportunistische Verhaltensweisen geht. Folglich fungiert Verbraucherschutz als Grenze der Bekämpfung von Opportunismus. Zwar ist die Effektivität des Widerrufsrechts wünschenswert, aber es werden durch das Widerrufsrecht auch Interessen anderer Marktteilnehmer betroffen, die in eine Abwägung einzubeziehen sind. Es besteht dabei insbesondere ein Interesse daran, dass Verbraucher ihr Widerrufsrecht nicht über das Maß hinaus einsetzen können, welches für die Effektivität des Widerrufsrechts erforderlich ist.162 Somit existiert ein Spannungsverhältnis zwischen Opportunismus und Effektivität des Widerrufsrechts. Ausführungen zu diesem Spannungsverhältnis von Opportunismus und Effektivität des Widerrufsrechts finden sich gerade im Zusammenhang mit dem Rückgewährschuldverhältnis bereits in verschiedenen juristischen Abhandlungen. So hat Kunz zur Rückabwicklung nach Widerruf bei Fernabsatzverträgen konstatiert: „Die Entscheidung, wer die Kosten der Rücksendung zu tragen hat, ist anhand einer Abwägung zwischen dem Interesse der Verbraucher an der Beseitigung internetspezifischer Nachteile und dem Interesse des Unternehmers an der Vermeidung von Missbrauchsfällen vorzunehmen.“163

Opportunismus – verstanden als ein Umgang mit der Kaufsache innerhalb der Widerrufsfrist, der nicht mehr vom Sinn des Widerrufsrechts gedeckt ist – stellt auch für Grundmann die Begrenzung der Verbraucherbegünstigung dar: „Die Kostenfreiheit ist Eckpunkt [der Verbraucherrechte-RL], weil […] die Funktionalität des Widerrufsrechts davon abhängt, dass der Verbraucher grundsätzlich nicht nur grundlos, sondern auch kostenfrei zurücktreten und retournieren kann [m.N.]. Einerseits soll der Verbraucher nicht von der Ausübung seines Rechts abgeschreckt werden, soll es seine Funktion

160 Siehe dazu EuGH, Rs. C-441/93 (Pafitis u.a.), Slg. 1996, I-1347, Rdnr. 68; Rs. C367/96 (Kefalas u.a.), Slg. 1998, I-2843, Rdnr. 22; Rs. C-201/01 (Walcher), Slg. 2003, I8827, Rdnr. 37. 161 Schlussanträge der Generalanwältin Trstenjak zur Rs. C-489/07 (Messner), Slg. 2009, I-7317, Rdnr. 88: „Das von der Kommission vorgebrachte Argument, dass in manchen Fällen die Grenze zu ungerechtfertigter Bereicherung überschritten sein könnte, beispielsweise wenn eine Ware für einen speziellen Anlass im Fernabsatz bestellt und nach der anlassbezogenen Benutzung unter Widerruf des Vertrags wieder zurückgeschickt wird, kann nicht dafür herangezogen werden, eine alle Verbraucher belastende generelle Kostenregelung zu treffen.“ 162 Vgl. zur Begrenzung des Verbraucherschutzes schon Frotscher, Verbraucherschutz beim Kauf beweglicher Sachen, 2004, S. 214; Sedlmeier, Rechtsgeschäftliche Selbstbestimmung im Verbrauchervertrag, 2012, S. 247. 163 Kunz, Verbraucherschutz beim Internethandel in der Europäischen Union, 2010, S. 77.

46 Teil 1: Grundlagen des Spannungsverhältnisses von Opportunismus und Effektivität tatsächlich erfüllen, andererseits jedoch soll er auch keinen Freibrief für einen unvorsichtigen Umgang zu Lasten des Anbieters erhalten.“164

Die allgemeinste Darstellung des Spannungsverhältnisses bezüglich des Rückgewährschuldverhältnisses findet sich bei Franck: „Die Regelung der Rechtsfolgen, die mit der Ausübung eines Widerrufsrechts verbunden sind, muss nach zwei konkurrierenden Zielstellungen ausgerichtet werden. Die Rechtsfolgen dürfen einerseits den Widerrufsberechtigten tatsächlich nicht daran hindern, sein Widerrufsrecht auszuüben. Daher soll dieser wirtschaftlich möglichst so gestellt werden, wie er ohne das widerrufene Geschäft dastehen würde. Andererseits begünstigt genau dieses opportunistische[s] Verhalten durch den Verbraucher und schränkt damit die Effizienz des Widerrufsrechts als Regulierungsinstrument ein.“165

Bei den dargestellten Äußerungen findet allerdings selten eine nähere Untersuchung des Spannungsverhältnisses statt. Diese Lücke soll mit der vorliegenden Untersuchung geschlossen werden.

164 165

Grundmann, JZ 2013, 53 (59). Franck, Europäisches Absatzrecht, 2006, S. 301 f.

Teil 2:

Implikationen der Verhaltensökonomik für das Spannungsverhältnis von Opportunismus und Effektivität Bevor im Einzelnen darauf eingegangen wird, wie im Rückgewährschuldverhältnis die Gefahr von Opportunismus mit dem Grundsatz der Effektivität abgewogen werden kann, wird zunächst konkretisiert, welches Verbraucherverhalten als Maßstab dafür heranzuziehen ist. Es wird hierbei im Folgenden gezeigt, dass für die Bestimmung der Effektivität nicht ausschließlich rationales Verbraucherverhalten zugrunde zu legen ist (I). Verhaltensanomalien des Verbrauchers verringern die Effektivität des Verbraucherschutzinstruments Widerrufsrecht unabhängig von der Ausgestaltung des Rückgewährschuldverhältnisses (II). Diese Erkenntnis gibt aber noch keinen konkreten Weg vor, wie damit umzugehen ist. Im Folgenden werden deshalb verschiedene Vorgehensweisen untersucht (III). Dabei wird vornehmlich herausgestellt, dass bei dem Versuch, Opportunismus durch die Ausgestaltung des Rückgewährschuldverhältnisses zu verhindern, noch vorsichtiger agiert werden muss, als dies typischerweise vermutet wird. Nur so kann der Verbraucher auch tatsächlich durch das Widerrufsrecht geschützt werden. Im Anschluss wird gezeigt, dass die Verhaltensanomalien bei opportunistischen Verbrauchern in geringerer Intensität auftreten, wodurch deren Verhalten vorhersehbarer wird (IV). Auch diese Erkenntnis ist für die Ausgestaltung des Rückgewährschuldverhältnisses von großer Bedeutung. Abschließend wird noch dargelegt, wie sich Erkenntnisse der Verhaltensökonomik auf die weit verbreitete Forderung nach einem (nur) optionalen Widerrufsrecht bei Fernabsatzverträgen auswirken (V).

48

Teil 2: Implikationen der Verhaltensökonomik für das Spannungsverhältnis

I. Relevanz verhaltensökonomischer Erkenntnisse bei der Bestimmung der Effektivität I. Relevanz verhaltensökonomischer Erkenntnisse

In einigen Bereichen der verbraucherpolitischen Gesetzgebung werden Erkenntnisse der Verhaltensökonomik schon ausdrücklich berücksichtigt.1 Verhaltensanomalien werden beachtet, damit rechtliche Regelungen noch besser auf die tatsächlichen Bedürfnisse der Verbraucher abgestimmt werden können.2 Zunächst wird nun untersucht, ob (auch) anhand der Ausführungen des Richtliniengebers und des Europäischen Gerichtshofs zum Effektivitätsgrundsatz bei Widerrufsrechten der Beurteilungsmaßstab bezüglich der Effektivität konkretisiert werden kann.3 Dabei soll geklärt werden, inwiefern verhaltensökonomische Aspekte einbezogen werden. 1. Rationales Verbraucherverhalten beim Widerruf als Ausgangspunkt Der Richtliniengeber und der Europäische Gerichtshof treffen Aussagen darüber, wodurch ihrer Einschätzung nach die Entscheidungen eines Verbrauchers zur Untersuchung der Ware und zum Widerruf – und damit die Effektivität des Widerrufsrechts – über Gebühr negativ beeinflusst werden. Dabei wird davon ausgegangen, dass der Verbraucher seine Rechte kennen muss und seine Entscheidung über den Widerruf auch von seinen Pflichten im Rückgewährschuldverhältnis abhängig macht.4 Der Verbraucher lasse sich insbesondere durch entstehende Kosten von der Ausübung seines Widerrufsrechts abhalten: „Wäre dieses [Widerrufs-]Recht nämlich mit negativen Kostenfolgen verbunden, könnte dies den Verbraucher davon abhalten, von diesem Recht Gebrauch zu machen.“5

1

Vgl. nur Reisch/Oehler, VJH 3/78 (2009), 30 (32 ff.); Ramsay, Consumer Law and Policy, 3. Aufl. 2012, S. 56; Hacker, ERCL 2015, 299 (311 ff.). Interessant ist in diesem Zusammenhang auch, wie umfangreich Erkenntnisse der Verhaltensökonomik Eingang in das OECD Consumer Policy Toolkit, das für Normgeber eine praktische Anleitung für die Verbraucherrechtsgesetzgebung geben soll, gefunden haben, siehe dazu Lissowska, 34 J. Consum. Policy 393 ff. (2011); zukunftsorientiert sind die Ausführungen in Duivenvoorde, The Consumer Benchmarks in the Unfair Commercial Practices Directive, 2015, S. 165 ff. 2 Vgl. zuletzt Sibony, ERPL 2014, 901 (905). 3 Siehe zu einer vorläufigen Einordnung schon oben Teil 1, II 1 c, S. 21 f. 4 Vgl. Rott/Terryn, in: Micklitz/Stuyck/Terryn (Hrsg.), Cases, Materials and Text on Consumer Law, 2010, S. 239 (266), die prägnant formulieren: „Having a theoretical right of withdrawal is one thing. Having an actual right of withdrawal is another. Whether the exercise of a right of withdrawal will actually benefit a consumer depends to a large extent on the effects of exercising such a right and the liability in restitution.“ Siehe auch Kalss/Lurger, Rücktrittsrechte, 2001, S. 101. 5 EuGH, Rs. C-489/07 (Messner), Slg. 2009, I-7315, Rdnr. 19.

I. Relevanz verhaltensökonomischer Erkenntnisse

49

Es wird folglich zugrunde gelegt, dass ein Verbraucher vor der Ausübung des Widerrufsrechts eine rationale6 Kosten-Nutzen-Analyse durchführt. Je höher dabei die durch den Widerruf ausgelösten Kosten ausfallen, desto wahrscheinlicher ist es, dass der durch den Widerruf entstehende Nutzen geringer ist als die Kosten und der Verbraucher deshalb nicht widerruft.7 Dass ein Mensch vor einer Entscheidung eine ausschließlich gewinnmaximierend orientierte, rationale Kosten-Nutzen-Analyse durchführt, ist das wichtigste Merkmal der (ökonomischen) Vorstellung, dass ein Mensch als homo oeconomicus agiert.8 Besitzt ein Mensch alle entscheidungsrelevanten Informationen und kann er diese in eine Abwägung einbeziehen, kann er eine rationale Entscheidung treffen. Der Ausgangspunkt für die Bewertung der Effektivität ist folglich auf Grundlage des Verbraucherleitbildes ein rationales Verhalten des Verbrauchers. Insofern werden über das Verhaltensmodell, das notgedrungen einen logischen Ausgangspunkt benötigt, Überlegungen der Ökonomie bei der Entscheidung über die Effektivität berücksichtigt.9 2. Das Paradoxon des „plötzlich“ rationalen Verbrauchers Das Widerrufsrecht wird als Verbraucherschutzinstrument zum Teil eingesetzt, weil davon ausgegangen wird, dass ein Verbraucher (Kauf-)Entscheidungen trifft, die nicht rational sind.10 Besonders deutlich zeigt sich dies bei Verbrau-

6 Siehe zum Begriff des rationalen Handelns instruktiv H.-B. Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 5. Aufl. 2012, S. 96 ff. 7 Vgl. Fina, in: Haslinger et al. (Hrsg), FS Zehetner, 2009, S. 31 (44); Shulman/Couglan/Savaskan, 11 M. & S.O.M. 577, 578 (2009); Steennot, [2013] 29 C.L.S.R. 105, 117; Zimmermann, in: Eidenmüller et al. (Hrsg.), Revision des Verbraucher-acquis, 2011, S. 167 (191). Wann ein Verbraucher rationalerweise widerrufen müsste, ist mit „mathematischen“ Formeln aufgeführt bei Shulman/Couglan/Savaskan, 11 M. & S.O.M. 577, 581 (2009). Metzger, Die Umsetzung europäischer Richtlinien in Deutschland und Großbritannien am Beispiel der Fernabsatzrichtlinie, 2013, S. 245, spricht von einer möglichen „wirtschaftlichen Sinnlosigkeit“ des Widerrufsrechts. 8 Siehe nur H.-B. Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 5. Aufl. 2012, S. 96 ff. 9 Vgl. schon oben Teil 1, II 1 c, S. 21 f.; siehe auch Franck, in: Riesenhuber (Hrsg.), Europäische Methodenlehre, 3. Aufl. 2015, § 5 Rdnr. 59 ff., zu implizit ökonomischer Argumentation des Europäischen Gerichtshofs. 10 Cseres, in: van den Bergh/Pacces (Hrsg.), Regulation and Economics, 2012, S. 163 (181): „Cooling-off periods are legislated to cure consumers’ irrational decision-making, situational monopolies and information asymmetries in an environment of incomplete information and high pressure marketing.“ Vgl. auch Wiedemann/Wank, JZ 2013, 340 (341).

50

Teil 2: Implikationen der Verhaltensökonomik für das Spannungsverhältnis

cherdarlehensverträgen. Ein rationaler Verbraucher könnte alle entscheidungsrelevanten Informationen vor Vertragsschluss verarbeiten.11 Ein Verbraucherschutzinstrument, das ihn nach dem Vertragsschluss noch schützt, wäre überflüssig. Der Verbraucher wird aber regelmäßig nicht in der Lage sein, seine Entscheidung zum Abschluss eines Darlehensvertrags rational zu treffen, weshalb ein Widerrufsrecht, das nach dem Vertragsschluss eingreift, für notwendig erachtet wird.12 Auch bei Kaufvertragsabschlüssen besteht die Besorgnis, dass Verbraucher sich nicht vollständig rational verhalten.13 Dies lässt sich besonders gut am Vorliegen einer Überrumpelungssituation bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen nachvollziehen, die einen Vertragsschluss unabhängig von einer rationalen Kosten-Nutzen-Abwägung begünstigen können.14 Im Fernabsatz dagegen ist die Abweichung des Verhaltens von Rationalität nicht so offensichtlich. Dass eine Ware bei dieser Vertriebsform nicht vor Vertragsschluss untersucht werden kann, bedeutet nicht automatisch, dass eine Kaufentscheidung getroffen wird, die nicht vollständig rational ist. Allerdings wird ein Vertrag im Fernabsatz oft ohne hinreichende Bedenkzeit geschlossen, wodurch die Rationalitätsabweichung der Entscheidung befördert wird.15 Das Widerrufsrecht bei Online-Auktionen16 beruht gerade auf dem Gedanken, dass 11

Vgl. Bar-Gill, in: Swedish Competition Authority (Hrsg.), The Pros and Cons of Consumer Protection, 2012, S. 12 (28): „A rational consumer navigates complexity with ease.“ 12 Vgl. Erwägungsgrund 23 zur Richtlinie 2002/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23.09.2002 über den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen an Verbraucher und zur Änderung der Richtlinie 90/619/EWG des Rates und der Richtlinien 97/7/EG und 98/27/EG, Abl. L 271 vom 09.10.2002, S. 16–24. 13 Das Zugrundelegen von Heuristik (zum Begriff beispielsweise Gigerenzer, in: C. Engel/Gigerenzer (Hrsg.), Heuristics and the Law, 2006, S. 17 [17 ff.]) bei Entscheidungen, die die begrenzte Rationalität (bounded rationality) einer Person begründet (grundlegend Simon, 69 Q. J. Econ. 99 ff. [1955]; hierzu instruktiv H.-B. Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 5. Aufl. 2012, S. 103 f.), wird häufig nicht als „nicht-rational“ aufgefasst, vgl. Mitchell, 91 Geo. L. J. 67, 81 (2002); Smith, 34 J. Socio.-Econ. 135, 145 (2005). Eine Unterscheidung bezüglich der Rationalität soll hier jedoch nicht weiter verfolgt werden. Zum Begriff der Anomalie auch kritisch Leistner, in: Riesenhuber (Hrsg.), Das Prinzip der Selbstverantwortung, 2011, S. 101 (101 f. mit Fn. 1). Vgl. auch die Begrifflichkeiten bei Eidenmüller, AcP 210 (2010), 67 (72). 14 Eidenmüller, AcP 210 (2010), 67 (82). Terryn, Bedenktijden in het consumentenrecht, 2008, S. 546, geht davon aus, dass aggressive Verkaufstechniken zu nicht völlig rationalen Kaufentscheidungen führen können. C. Engel, in: ders. et al. (Hrsg.), Recht und Verhalten, 2007, S. 363 (379 f.), spricht in diesem Zusammenhang von „Reduktion kognitionspsychologischer Effekte“; ausführlich dazu Purnhagen, in: Mathis (Hrsg.), European Perspectives on Behavioural Law and Economics, 2015, S. 51 (59 ff.). 15 Vgl. Kalss/Lurger, Rücktrittsrechte, 2001, S. 84; siehe auch schon oben Teil 1, I 2 a, S. 9 ff. 16 Das Widerrufsrecht besteht, weil in § 312g Abs. 2 Satz 1 Nr. 10 BGB keine entsprechende Ausnahme statuiert ist. Zwar schließt Art. 16 lit. k Verbraucherrechte-RL, welcher

I. Relevanz verhaltensökonomischer Erkenntnisse

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im Fernabsatz Entscheidungen getroffen werden, die – auch im Vergleich mit dem stationären Handel – ein geringeres Maß an Rationalität aufweisen.17 Man kann folglich davon ausgehen, dass die Widerrufsrechte auch bei bestimmten Kaufverträgen gerade deshalb bestehen, weil der Verbraucher keine völlig rationalen Kaufentscheidungen trifft und gerade nicht als (rationaler) homo oeconomicus handelt.18 Der Richtliniengeber geht demzufolge davon aus, dass der Verbraucher sich bei der Kaufentscheidung nicht zwingend rational verhält. Der Verbraucher müsste dann allerdings einen Sinneswandel erleben, damit er nach Erhalt der Ware plötzlich nur noch rationale Entscheidungen trifft.19 Zwar hat die Rationalitätsabweichung der Verhaltensweisen nach Vertragsschluss nicht den gleichen Ursprung wie bei Verhaltensweisen vor dem Vertragsschluss (z.B. Überrumpelung). Aber auch nach Vertragsschluss sind die Verbraucherentscheidungen nicht rational.20 Es erscheint folglich nicht zweckmäßig, den Verbraucher zunächst zu schützen, weil er nicht völlig rational handelt, und ihn dann im Rahmen des gewährten Schutzes so zu behandeln, als sei er rational. Ein vollumfänglicher Schutz vor nicht-rational getroffenen Verbraucherentscheidungen kann nur stattfinden, wenn die Rationalitätsabweichungen über den ganzen Zeitraum des Schutzes betrachtet und beachtet werden.

der Umsetzung zugrunde liegt, nur Verträge, die auf einer öffentlichen Versteigerung geschlossen werden, aus. Aber Satz 4 von Erwägungsgrund 24 zur Verbraucherrechte-RL bestimmt ausdrücklich, dass bei der „Verwendung von Online-Plattformen, die Verbrauchern und Unternehmern zu Versteigerungszwecken zur Verfügung stehen“, keine öffentliche Versteigerung vorliegen soll. Dies entspricht auch dem Wortlaut der deutschen Fassung von Art. 2 Nr. 13 Verbraucherrechte-RL, wonach für eine öffentliche Versteigerung eine persönliche Anwesenheit der Beteiligten erforderlich ist. Kritisch vor dem Hintergrund anderer Sprachfassungen Belakouzova, Widerrufsrecht bei Internetauktionen in Europa?, 2015, S. 168 ff. 17 Zum Gedanken mangelnder Rationalität der Kaufentscheidung bei Online-Auktionen Heiderhoff, MMR 2001, 640 (641); kritisch Belakouzova, Widerrufsrecht bei Internetauktionen in Europa?, 2015, S. 143 ff., 237. 18 Loacker, in: Verschraegen (Hrsg.), Interdisziplinäre Studien zur Komparatistik und zum Kollisionsrecht (Bd. III), 2012, S. 45 (81), führt dazu aus: „Ein homo oeconomicus bedürfte derartiger cooling-off periods bestimmt nicht, denn weder hätte er Probleme mit der Komplexität bestimmter Vertragsarten und -inhalte noch würde er sich von ungünstigen situativen Rahmenbedingungen in seiner Entscheidungsfindung beeinträchtigen lassen. Abträgliche Emotionen und Konzentrationsprobleme sind einem unterkühlten Nutzenmaximierer naturgemäß ebenso fremd.“ (Hervorhebungen im Original). 19 Sovern, 75 U. Pitt. L. Rev. 333, 366 f. (2014), verfolgt zwar nicht denselben Gedanken, führt aber aus, dass die Rückabwicklung nicht an einem rationalen Verbraucher gemessen werden könne, wenn dessen Rationalität nicht vermutet werden kann; andeutend auch Eidenmüller et al., CML Rev. 48 (2011), 1077 (1102). 20 Näher dazu später Teil 2, II 2, S. 55 ff.

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Teil 2: Implikationen der Verhaltensökonomik für das Spannungsverhältnis

3. Einsatz von Verhaltensökonomik zur Berücksichtigung realitätsgetreuen Verhaltens Im Folgenden wird nunmehr gezeigt, dass der Europäische Gerichtshof bei der rechtlichen Beurteilung von Lebenssachverhalten eine präzise Anknüpfung an das realitätsgetreue Verhalten der betroffenen Rechtssubjekte begünstigt und durchführt. Dies kann auch für die Anwendung von verhaltensökonomisch belegten Erkenntnissen sprechen, weil die Verhaltensökonomik gerade versucht, das Menschenbild des homo oeconomicus realitätsbetonter zu zeichnen. a) Erkenntnismethode der Verhaltensökonomik und der Einsatz von Empirie Die vom Menschenbild des homo oeconomicus und traditionellen ökonomischen Grundideen abweichende Verhaltensökonomik leitet ihre Erkenntnisse zu systematischen Abweichungen des menschlichen Verhaltens vom Rationalitätsdogma größtenteils aus Experimenten ab. Zu Beginn des Erkenntnisprozesses steht immer eine ökonomische These, die in Labor- oder Feldversuchen auf ihre Richtigkeit beziehungsweise ihren Realitätsgehalt untersucht wird.21 Wenn die These nicht verifiziert werden kann, wird versucht, das nicht völlig rationale Verhalten zu begründen und auf einen bestimmten – allgemeingültigen – Denkprozess zurückzuführen. Die Empirie spielt mithin eine entscheidende Rolle für die Verhaltensökonomik.22 Der Europäische Gerichtshof lässt auch empirische Erkenntnisse in die Überprüfung der Effektivität einfließen23 und akzeptiert solche Erkenntnisse auch als Hilfe bei der Rechtsanwendung.24 So kann etwa eine Verbraucherbefragung dahingehend stattfinden, ob eine Werbung tatsächlich irreführen kann.25 Hierbei liefert die Empirie jedoch nur für einen konkreten Einzelfall Erkenntnisse. Allgemeinere Aussagen – beispielsweise über das Verhalten von Menschen in ähnlichen Konstellationen – werden daraus nicht abgeleitet. Dies unterscheidet sich von dem hier angeregten Einsatz der Verhaltensökonomik. Es soll dabei nicht direkt mit empirischen Daten argumentiert werden, sondern mit aus der Empirie abgeleiteten Grundsätzen der Verhaltensökonomik sollen Rückschlüsse gezogen werden auf die Bewertung von Effektivität. Der Unterschied zum Vorgehen des Europäischen Gerichtshofs liegt darin, 21

Vgl. auch Loacker, in: Verschraegen (Hrsg.), Interdisziplinäre Studien zur Komparatistik und zum Kollisionsrecht (Bd. III), 2012, S. 45 (50). 22 Vgl. dazu beispielsweise Loacker, in: Verschraegen (Hrsg.), Interdisziplinäre Studien zur Komparatistik und zum Kollisionsrecht (Bd. III), 2012, S. 45 (50). 23 Siehe oben Teil 1, II 1 c, S. 21 f. 24 Vgl. Duivenvoorde, The Consumer Benchmarks in the Unfair Commercial Practices Directive, 2015, S. 161. Zur Empirie auch EuGH, Rs. C-256/01 (Allonby), Slg. 2004, I-873, Rdnr. 81. 25 Siehe dazu EuGH, Rs. C-210/96 (Gut Springenheide und Tusky), Slg. 1998, I-4657, Rdnr. 35 f.

I. Relevanz verhaltensökonomischer Erkenntnisse

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dass die zu nutzenden Ableitungen (der Verhaltensökonomik) eben nicht speziell für die Beurteilung einer konkreten Handlungsoption erfolgen und zudem meist unter Laborbedingungen entstehen. Trotzdem handelt es sich um eine Anwendungsart von Empirie. In Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs ist demnach der Grundgedanke zu finden, dass empirische Erkenntnisse für die Bewertung von Sachverhalten herangezogen werden können. Dies legt bereits nahe, dass eine verhaltensökonomische Untersuchung der Effektivität von Widerrufsrechten keineswegs den vom Europäischen Gerichtshof zugrunde gelegten Wertungsmaßstäben widerspricht.26 b) Realitätsbezogene Wertungen Zudem beachtet der Europäische Gerichtshof bei seiner Bewertung von Wirksamkeit und Effektivität auch reale Gegebenheiten. So argumentierte der Gerichtshof bei einer Entscheidung über das Verbot der Kündigung zwischen Schwangerschaftsbeginn und Ende des Mutterschaftsurlaubs beispielsweise, dass „die für die Nichtigkeits- und Wiedereinstellungsklage geltende Ausschlussfrist von fünfzehn Tagen […] in Anbetracht u. a. der Lage, in der sich eine Frau zu Beginn der Schwangerschaft befindet, als besonders kurz anzusehen“27 ist. Hieran zeigt sich beispielhaft, dass eine Orientierung an der Realität stattfindet und nicht bloß auf rationales Verhalten abgestellt wird. Insoweit wäre es eher widersprüchlich, wenn man bei der Beurteilung einer tatsächlichen Handlungsoption die Praxis unberücksichtigt ließe. 4. Ergebnis Neben den vielen Bereichen der Verbraucherpolitik, in denen verhaltensökonomische Überlegungen in die verbraucherschutzrechtliche Gesetzgebung Eingang finden, lässt sich eine Hinwendung zur Empirie und zum Umgang mit Verhaltensanomalien auch in Ausführungen des Europäischen Gerichtshofs und Maßnahmen des Richtliniengebers zum Widerrufsrecht erkennen.28

26 Gleichwohl leitet auch der Europäische Gerichtshof aus der Empirie keine Wertungen ab. Diese Trennung von Sein und Sollen soll auch hier beachtet werden; vgl. zur Trennung beispielsweise Petersen, Der Staat 49 (2010), 435 (436 ff.) m.w.N., der jedoch selbst davon ausgeht, dass die Grenzen im Recht nicht starr sind; siehe auch C. Engel/Stark, ZEuP 2015, 32 (42). 27 EuGH, Rs. C-63/08 (Pontin), Slg. 2009, I-10467, Rdnr. 62; dazu auch Kulms, Der Effektivitätsgrundsatz, 2013, S. 61 f. 28 Auch deshalb soll nicht näher auf die Kritik an der Verhaltensökonomik eingegangen werden. Siehe zur Kritik beispielsweise H.-B. Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 5. Aufl. 2012, S. 110 ff. m.w.N.; Leistner, in: Riesenhuber (Hrsg.), Das Prinzip der Selbstverantwortung, 2011, S. 101 (112); Luth, Behavioural Economics in

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Teil 2: Implikationen der Verhaltensökonomik für das Spannungsverhältnis

Das Widerrufsrecht kann nur dann effektiv sein, wenn Verbraucher tatsächlich davon Gebrauch machen. Schon bei den Aspekten, die dies behindern könnten, ist demnach auch auf die Verhaltensökonomik zurückzugreifen. Die Erkenntnisse der Verhaltensökonomik sind deshalb bei der Bewertung und Untersuchung der Effektivität des Widerrufsrechts zu beachten.

II. (Mangelnde) Effektivität des Verbraucherschutzinstruments aus verhaltensökonomischer Perspektive II. (Mangelnde) Effektivität des Verbraucherschutzinstruments

Nachdem abgeleitet werden konnte, dass die Verhaltensökonomik für die Bewertung der Effektivität relevant ist, soll das Verbraucherschutzinstrument Widerrufsrecht nun möglichst unabhängig von der konkreten Ausgestaltung auf seine Effektivität hin untersucht werden. Es gibt Anhaltspunkte dafür, dass vergleichsweise wenige Kaufverträge widerrufen werden, was auf mangelnde Effektivität hindeuten könnte (1). Daran anschließend sollen systematisch auftretende Verhaltensanomalien aufgezeigt werden, die den Verbraucher sowohl von der Entscheidung zum Widerruf als auch von einer umfangreichen, ausreichenden Prüfung der Ware abhalten können (2). 1. Vermutung fehlender Effektivität des Widerrufsrechts Die praktische Effektivität von Widerrufsrechten wird kaum untersucht.29 Insoweit müssten zwei Aspekte unterschieden werden: Einerseits müsste analysiert werden, ob Verbraucher tatsächlich von ihrem Prüfungsrecht Gebrauch machen, andererseits, ob Verbraucher, die mit dem Produkt oder ihrer Kaufentscheidung unzufrieden waren, einen Widerruf in Erwägung gezogen haben, dann aber von einem solchen aufgrund der damit verbundenen (Kosten-)Last abgesehen haben. Allerdings haben empirische Studien gezeigt, dass die Widerrufsquoten bei Kaufverträgen nicht sehr hoch sind.30 Bei Fernabsatzverträgen sind die Wider-

Consumer Policy, 2010, S. 85 ff.; Ulen, in: Mathis (Hrsg.), European Perspectives on Behavioural Law and Economics, 2015, S. 3 (9 ff.); siehe auch R. Posner, 50 Stan. L. Rev. 1551 ff. (1998). 29 Smits, 29 Penn St. Int'l. L. Rev. 671, 672 (2010). Fina, in: Haslinger et al. (Hrsg), FS Zehetner, 2009, S. 31 (32), bezeichnet das Widerrufsrecht für Vertragsabschlüsse im OnlineHandel im Vergleich mit anderen Verbraucherschutzinstrumenten als vermutlich effizientestes, ohne dabei allerdings auf die Empirie einzugehen. 30 Bei der Regelung im Haustürwiderrufsgesetz belief sich die Widerrufsquote auf 1,8 % der abgeschlossenen Kaufverträge, vgl. BT-Drucks. 10/2876, S. 7 f. (Gesetzentwurf des Bundesrates, Entwurf eines Gesetzes über den Widerruf von Haustürgeschäften und ähnlichen Geschäften). Vgl. auch die Umfrage bei o.A., 78 Yale L. J. 618, 628 ff. (1969), wo eine

II. (Mangelnde) Effektivität des Verbraucherschutzinstruments

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rufsquoten deutlich höher als bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen. Absolut gesehen sind die Zahlen trotzdem nicht sehr hoch.31 Geringe Widerrufsquoten sind jedoch nicht zwangsläufig mit geringer Effektivität gleichzusetzen.32 Es ist denkbar, dass überhaupt nur wenige Verträge vom Verbraucher ex post unerwünscht sind. Eine Studie hat allerdings gezeigt, dass der Widerruf auch dann nicht ausgeübt wird, wenn Käufer mit ihrer Kaufentscheidung nicht zufrieden sind.33 Dies spricht in Verbindung mit den geringen Widerrufsquoten dafür, dass der Widerruf tatsächlich – gemessen an den damit verbundenen Schutzinteressen – zu selten ausgeübt wird. Folglich ist zu vermuten, dass das Widerrufsrecht bezüglich der Widerrufsentscheidung nicht effektiv ist.34 2. Anomalien im Verbraucherverhalten bezüglich des Widerrufsrechts Im Folgenden werden nun zunächst die Verhaltensanomalien dargestellt, die die Effektivität des Widerrufsrechts beeinflussen können.35 Dieser Teil der Untersuchung beschäftigt sich dabei nicht mit Verhaltensanomalien, die aus der konkreten Ausgestaltung des Rückgewährschuldverhältnisses resultieren, sondern mit solchen, die dem Widerrufsrecht immanent sind.36

geringe Widerrufsquote bei Haustürgeschäften festgestellt wurde. Sovern, 75 U. Pitt. L. Rev. 333, 350 (2014), rekurriert auf die Studie bei Public Sector Research Group, Final report of an Impact evaluation of the cooling-off period for door-to-door sales trade rule I-5 (1981), die dies für Haustürgeschäfte bestätigte. Siehe auch Eidenmüller, JZ 2005, 216 (221). 31 Die Umfrage „Betriebswirtschaftliche Auswirkungen und Missbrauch des fernabsatzrechtlichen Widerrufsrechts“ der Trusted Shops GmbH aus dem Jahr 2007 unter 588 Onlineshopbetreibern ergab, dass durchschnittlich 4,15 % der Verbraucher ihre Verträge widerrufen, Umfrage war abrufbar bis Mai 2015 unter , S. 5. Die Auswertung von 245 Fragebögen im Rahmen der Umfrage „Internationaler E-Commerce – Status quo und Bewertung aus Händlersicht“ aus dem Jahre 2016 legt nahe, dass in Deutschland zwar 12,9 % der Verträge widerrufen werden, aber in anderen Mitgliedstaaten (z.B. Frankreich) nur ca. 4 %; siehe (Stand: 05.03.2016), S. 25 32 Dazu aus einer ökonomischen Perspektive Eidenmüller, ERCL 2009, 109 (124). 33 Sovern, 75 U. Pitt. L. Rev. 333, 350 (2014), rekurriert auf die Studie bei Public Sector Research Group, Final report of an Impact evaluation of the cooling-off period for door-todoor sales trade rule I-5 (1981). 34 Über die Effektivität des Widerrufsrechts bezüglich der Prüfungsmöglichkeit werden in den dargelegten Studien allerdings keine Aussagen getroffen. 35 Ein Überblick aus der deutschsprachigen Literatur über Verhaltensanomalien unabhängig vom Widerrufsrecht findet sich bei Rühl, Statut und Effizienz, 2011, S. 102 ff. 36 Kroll-Ludwigs, ZEuP 2010, 509 (529), spricht generell von der Notwendigkeit einer „Überwindung einer erheblichen psychologischen Hürde, um sich von dem bereits geschlossenen Vertrag im Nachhinein wieder zu lösen“.

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Teil 2: Implikationen der Verhaltensökonomik für das Spannungsverhältnis

a) Schwierigkeiten beim Festlegen und Bewerten der Entscheidungsgrundlagen Zunächst wird untersucht, welche Schwierigkeiten der Verbraucher hat, die Grundlagen seiner Entscheidung über den Widerruf festzulegen und zu bewerten. aa) Der zur Prüfung notwendige Besitz führt subjektiv zu einer Sachwertsteigerung: endowment effect Als ein typisches Widerrufshindernis wird oftmals der endowment effect37 genannt.38 Im Folgenden werden die Grundlagen dieses Ansatzes und sein Bezug zu Widerrufsrechten dargestellt. (1) Besitz als Grundlage einer Wertsteigerung Der endowment effect wird auch als mere ownership effect,39 Besitzeffekt40 oder Besitztumseffekt41 bezeichnet und beruht auf Untersuchungen zu einer WTA-WTP-Differenz. Diese besteht darin, dass die Bereitschaft, Geld für ein bestimmtes Produkt zu bezahlen (WTP: willingness to pay), geringer ist als die Mindestforderung für eine Veräußerung desselben Produkts (WTA: willingness to accept), wenn dieses verkauft werden soll.42 Typischerweise wird dabei auf das grundlegende Experiment verwiesen, bei dem einem Teil einer Gruppe amerikanischer Studierender eine Tasse gegeben wurde; der andere Teil der Gruppe erhielt keine Tasse. Die Studierenden, die keine Tasse erhielten, sollten

37 Der Begriff stammt von Thaler, 1 J. Econ. Behav. & Org. 39, 44 (1980); instruktiv dazu Felser, Konsumentenpsychologie, 2014, S. 57 ff. 38 Z.B. Eidenmüller, JZ 2005, 216 (221); Franck, in: Riesenhuber (Hrsg.), Europäische Methodenlehre, 3. Aufl. 2015, § 5 Rdnr. 43; Sovern, 75 U. Pitt. L. Rev. 333, 363 (2014); Loacker, in: Verschraegen (Hrsg.), Interdisziplinäre Studien zur Komparatistik und zum Kollisionsrecht (Bd. III), 2012, S. 45 (84); siehe auch schon Thaler, 1 J. Econ. Behav. & Org. 39, 46 (1980). 39 Beggan, 62 J. Pers. Soc. Psychol. 229–237 (1992); Nesselroade/Beggan/Allison, 16 Psychol. Market. 21–34 (1999). 40 H.-B. Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 5. Aufl. 2012, S. 107. 41 Klöhn, Kapitalmarkt, Spekulation und behavioral finance, 2006, S. 97. 42 Nicht unterschlagen werden darf die Kritik am Absolutheitsanspruch des endowment effect: So wird schon seit einiger Zeit dahingehend argumentiert, die WTP-WTA-Lücke müsse nicht zwangläufig auf einen endowment effect hindeuten; siehe grundlegend Plott/Zeiler, 95 A.E.R. 530, 542 ff. (2005) und klarstellend Plott/Zeiler, 101 A.E.R. 1012, 1025 f. (2011). Ob die WTP-WTA-Lücke durch den Besitz oder andere Verzerrrungen, die mit Besitz der Ware entstehen, hervorgebracht wird, ist für diese Untersuchung allerdings nicht von Relevanz.

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dann Angebote für den Kauf einer Tasse abgeben. Diese Angebote lagen deutlich unter dem, was die anderen Studierenden für ihre Tassen forderten.43 Hieraus wird abgeleitet, dass der Besitz einer Sache dafür (mit)verantwortlich ist, dass der Wert einer Sache von einer Person höher eingestuft wird, wenn sie in ihrem Besitz ist, als wenn sie dies nicht ist.44 Man kann der Auffassung sein, dass eine Verbundenheit mit der Sache auf einer gefühlsbezogenen Ebene meist erst nach einer längeren Zeit, in der die Sache besessen wird, entsteht.45 Trotzdem spricht die kurze Widerrufsfrist nicht gegen das Eintreten eines endowment effect. Vielmehr stellt sich ein Effekt im Sinne einer Wertsteigerung direkt in dem Moment ein, in dem eine Besitzposition begründet wird (sog. instant endowment effect).46 Besitz ist hier jedoch nicht zwingend im Sinne einer tatsächlichen Sachherrschaft zu verstehen, sondern eher im Sinne einer kognitiven Empfindung.47 So scheinen Studien zu belegen, dass die subjektive Wertsteigerung schon in dem Moment beginnt, in dem die Person die Sache einer Art Eigentumssphäre48 zuordnet.49 Die Zuordnung zu einer solchen Eigentumssphäre findet beispielsweise dann bei Fernabsatzverträgen schon bei Vertragsschluss – und damit vor Lieferung – statt.50 (2) Auswirkungen des endowment effect bei Widerrufsrechten Wie sich der endowment effect in Widerrufskonstellationen auswirken kann, zeigt sich am besten, wenn man für einen Moment alle Transaktions-, Versandund Nutzungskosten ausblendet. Der Verbraucher trifft bei einem Kauf, bei dem ein Widerrufsrecht gewährt wird, zwei Entscheidungen. Zunächst muss er

43

Kahneman/Knetch/Thaler, 98 J.P.E. 1325, 1329 ff. (1990). Kahneman/Knetsch/Thaler, 5 J.E.P. 193, 194 (1991); vgl. auch Strahilevitz/Loewenstein, 25 J. Cons. Res. 276, 283 ff. (1998); Thaler, 1 J. Econ. Behav. & Org. 39, 44 (1980); vgl. Klöhn, CR 2006, 260 (263); Loacker, in: Verschraegen (Hrsg.), Interdisziplinäre Studien zur Komparatistik und zum Kollisionsrecht (Bd. III), 2012, S. 45 (84). 45 Oehler/Reisch, Behavioral Economics – eine neue Grundlage für die Verbraucherpolitik?, 2008, S. 21. 46 Vgl. Kahneman/Knetch/Thaler, 98 J.P.E. 1325, 1342 (1990); dazu auch dies., 5 J.E.P. 193, 194 ff. (1991); Tversky/Kahneman, 106 Q. J. Econ. 1039, 1041 (1991); Hanson/Kysar, 74 NYU L. Rev. 630, 734 (1999). 47 Wood, 38 J.M.R. 157, 167 (2001). 48 Loacker, in: Verschraegen (Hrsg.), Interdisziplinäre Studien zur Komparatistik und zum Kollisionsrecht (Bd. III), 2012, S. 45 (84), spricht von „virtuelle[m] Besitz“. 49 Carmon/Ariely, 27 J. Cons. Res. 360 ff. (2000). Sankar/Johnson, 24 J. Cons. Res. 105, 111 (1997), stellten fest, dass der Besitz eines Coupons für eine von mehreren – kostenlosen – Optionen diese Option deutlich attraktiver wirken lässt. 50 Becher/Zarsky, 76 Law and Contemporary Problems 63, 78 (2011), in Bezug auf Online-Transaktionen oder Bestellungen in Zusammenhang mit einem Warenkatalog. 44

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Teil 2: Implikationen der Verhaltensökonomik für das Spannungsverhältnis

sich entscheiden, ob er die Sache kaufen möchte. Später muss er sich entscheiden, ob er widerruft. In beiden Situationen sollte er abwägen, inwiefern der Kaufpreis dem Wert entspricht, den er der Sache subjektiv zuweist. Eine Kaufentscheidung wird nur erfolgen, wenn der subjektive Wert (mit hoher Wahrscheinlichkeit) den Preis egalisiert oder übersteigt. Eine Entscheidung zum Widerruf sollte rationalerweise dann erfolgen, wenn sich herausstellt, dass der subjektive Wert/Nutzen geringer ist als erwartet und unter dem Preis liegt. Durch den endowment effect wird der Sache zum Zeitpunkt der zweiten Entscheidung dann generell ein höherer Wert zugewiesen, unabhängig von Erfahrungen mit der Sache.51 Die Wahrscheinlichkeit, dass der subjektive Wert geringer ist als der (objektive) Preis, verringert sich durch den endowment effect, weil der subjektive Wert durch den besagten Effekt erhöht wird.52 Hinzu kommt, dass der Verbraucher vor oder bei der Kaufentscheidung gerade nicht in der Lage ist, den später hinzukommenden endowment effect zu erkennen.53 Verbraucher können die zukünftig durch Besitzeffekte eintretende subjektive Wertsteigerung demzufolge nicht schon im Rahmen der Kaufentscheidung berücksichtigen. Sie sind dadurch später stärker an die Sache gebunden, als sie zunächst erwartet hatten.54 Teilweise wird die Validität der Auswirkungen des endowment effect in Widerrufskonstellationen – bezogen auf das amerikanische Recht – bezweifelt, weil der Verkäufer die Kaufsache bis zum Ablauf der Widerrufsfrist nicht liefern wird und die Studien sich auf Konstellationen beziehen, in denen die Sache im tatsächlichen Besitz einer Person steht.55 Das Zurückhalten der Kaufsache bis zum Ablauf der Widerrufsfrist ist aber im harmonisierten deutschen Recht (vgl. zum Fristbeginn § 355 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 356 Abs. 2 Nr. 1 BGB, Umsetzung von Art. 9 Abs. 2 lit. b Verbraucherrechte-RL) nicht möglich. Zudem kann ein endowment effect, wie dargestellt, auch schon direkt nach Vertragsschluss entstehen. Somit ist der häufig geäußerten Vermutung, dass der endowment effect eher zu einem Verzicht auf die Ausübung des Widerrufsrechts führe,56 zuzustimmen. Das vom europäischen Gesetzgeber gewünschte Ziel, den Verbraucher in die

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Vgl. Luzak, 37 J. Consum. Policy 91, 101 (2014). Vgl. Becher/Zarsky, 76 Law and Contemporary Problems 63, 78 ff. (2011); Eidenmüller, AcP 210 (2010), 67 (95 f.). 53 Siehe Loewenstein/Adler, [1995] 105 E.J. 929, ebd. 54 Sovern, 75 U. Pitt. L. Rev. 333, 364 (2014). 55 Sovern, 75 U. Pitt. L. Rev. 333, 363 f. (2014). 56 Eidenmüller, AcP 210 (2010), 67 (95); Loacker, in: Verschraegen (Hrsg.), Interdisziplinäre Studien zur Komparatistik und zum Kollisionsrecht (Bd. III), 2012, S. 45 (84); Luzak, 37 J. Consum. Policy 91, 101 (2014); vgl. auch Becher/Zarsky, 76 Law and Contemporary Problems 63, 79 (2011). 52

II. (Mangelnde) Effektivität des Verbraucherschutzinstruments

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Lage zu versetzen, den wahren Wert/Nutzen der Ware innerhalb der Widerrufsfrist herausfinden zu können, kann folglich nicht ohne Probleme erreicht werden.57 bb) Der Umgang mit neuen Informationen: kognitive Dissonanzen Ein Mensch strebt grundsätzlich nach einem Gleichgewicht der Kognitionen (Konsonanz).58 Dissonanz soll möglichst vermieden werden. Dissonanzen kognitiver Art können auch ein Grund sein, weshalb der Verbraucher eher geneigt ist, ein Widerrufsrecht nicht auszuüben.59 Man versteht unter kognitiver Dissonanz ein Abweichen mehrerer Meinungen, Gefühle oder Werte voneinander.60 Typischerweise treten solche Dissonanzen auf, wenn eine Handlung vollzogen wurde, die sich nicht in das typische Verhaltenssystem einfügt, eine Entscheidung getroffen wurde, die nicht in das bisherige Wertesystem passt, oder allgemein Informationen aufgenommen werden, die nicht mit den bisherigen Informationen und daraus gewonnenen Erkenntnissen kompatibel sind.61 Für die Wirtschaft ist die Forschung zu kognitiven Dissonanzen von besonderem Interesse, weil eine enge Verbindung zu der Zufriedenheit des Kunden besteht,62 an der Verkäufer interessiert sein sollten. Um negative Effekte von kognitiven Dissonanzen nach einem Kauf zu vermeiden, findet teilweise auch zu diesem Zeitpunkt noch Marketing statt.63

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Luzak, 37 J. Consum. Policy 91, 101 (2014). In Bezug auf Konsistenztheorien: Felser, Werbe- und Konsumentenpsychologie, 3. Aufl. 2007, S. 280. 59 Sedlmeier, Rechtsgeschäftliche Selbstbestimmung im Verbrauchervertrag, 2012, S. 242 f.; Eidenmüller, AcP 210 (2010), 67 (94). 60 Festinger, Theorie der kognitiven Dissonanz, 2. Aufl. 2012, S. 115 ff. 61 Vgl. Festinger, Theorie der kognitiven Dissonanz, 2. Aufl. 2012, S. 18 ff.; Kind, Die Grenzen des Verbraucherschutzes durch Information, 1998, S. 475; vgl. Eidenmüller, AcP 210 (2010), 67 (94 f.). 62 Evans/Jamal/Foxall, Consumer Behaviour, 2. Aufl. 2009, S. 135, gehen davon aus, dass kognitive Dissonanz nicht mit Unzufriedenheit gleichgesetzt werden kann. Vielmehr sei Dissonanz ein Produkt von Unzufriedenheit, es könnten aber auch bei einem generell zufriedenstellenden Kauf (geringe) kognitive Dissonanzen auftreten. 63 Khosla, 2 I.J.E.A. 219, 220 f. (2010); Quester et al., Consumer Behaviour, 5. Aufl. 2008, S. 190, gehen davon aus, dass allein die Nachfrage, ob der Verbraucher mit dem Kauf zufrieden war, Dissonanzen abmildern kann. Vgl. zu Nachkaufwerbung Felser, Werbe- und Konsumentenpsychologie, 3. Aufl. 2007, S. 280, und zu Implikationen in Verbindung mit Post-Purchase Marketing Evans/Jamal/Foxall, Consumer Behaviour, 2. Aufl. 2009, S. 129– 141. 58

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Teil 2: Implikationen der Verhaltensökonomik für das Spannungsverhältnis

(1) Die Reduktion kognitiver Dissonanzen als Problem Kognitive Dissonanzen sind kein Hindernis für einen Widerruf, sondern vielmehr dessen Antrieb.64 Der Verbraucher hat eine bestimmte Vorstellung von der Ware und davon, wie er mit ihr zufrieden sein wird.65 Ein Widerruf dürfte typischerweise nur dann sinnvoll sein, wenn die Erwartungen nicht erfüllt werden und kognitive Dissonanzen auftreten.66 Die Feststellung, dass kognitive Dissonanzen entstehen können, stellt nur den ersten Schritt der Dissonanztheorie dar. Von größerem Interesse ist dabei, wie ein Mensch sich verhält, wenn ein Status eintritt oder einzutreten droht, bei dem kognitive Dissonanzen vorliegen (werden).67 Das Streben nach Konsonanz stellt sich nun als ein aktives (aber größtenteils unbewusstes) Verhalten dar.68 Es gibt viele Mechanismen, mit denen ein Mensch eine Dissonanzreduktion oder sogar eine Dissonanzbeseitigung herbeiführen kann:69 Ein mögliches Vorgehen bezieht sich auf den Umgang mit der hinzukommenden dissonanten Information. So kann diese Information schlichtweg ignoriert oder ihr Aussagegehalt verzerrt oder verändert werden.70 Auch kann das Individuum die Dissonanz dadurch abschwächen, dass die Wichtigkeit der durch die neue Information betroffenen Thematik subjektiv verringert wird.71 Weiterhin ist es möglich, den Effekt der neuen dissonanten Information abzumildern, indem gezielt Informationen gesucht werden, die konsonant sind.72 Eine weitere Möglichkeit

64 Powers/Jack, 30 Psychol. Market. 724 (2013); Luzak, 37 J. Consum. Policy 91, 103 (2014), aber mit dem Hinweis, dies gelte in Verbindung mit der omission-commission bias, dazu später näher Teil 2, II 2 b bb, S. 71. 65 Vgl. zu dem Zusammenhang nur Luzak, 37 J. Consum. Policy 91, 103 (2014). 66 Luzak, 37 J. Consum. Policy 91, 103 (2014). 67 Vgl. auch Sweeney/Hausknecht/Soutar, 17 Psychol. Market. 369, 374 (2000). 68 Vgl. Pepels, Handbuch des Marketing, 6. Aufl. 2012, S. 142. Typischerweise werden Dissonanzreduktionen als nicht-rationale Verhaltensweisen angesehen, weil sie verhindern, dass Menschen die „rational richtigen“ Lösungen finden, vgl. dazu Aronson, The Social Animal, 8. Aufl. 1999, S. 185. 69 Festinger, Theorie der kognitiven Dissonanz, 2. Aufl. 2012, S. 30 ff.; Evans/Jamal/Foxall, Consumer Behaviour, 2. Aufl. 2009, S. 135; vgl. auch Eidenmüller, AcP 210 (2010), 67 (94 f.). 70 Felser, Werbe- und Konsumentenpsychologie, 3. Aufl. 2007, S. 280. So wird sich z.B. ein leidenschaftlicher Raucher nicht intensiv mit den Warnhinweisen auf einer Zigarettenschachtel beschäftigen. 71 Ein Wanderer, der wegen der schönen Aussicht einen Berg besteigt und oben Nebel vorfindet, wird sich im Zweifelsfall davon überzeugen, dass es bei der Wanderung eigentlich um die sportliche Betätigung o.Ä. ging. 72 Beispielsweise nimmt der Käufer nach einem Autokauf vermehrt Werbung für das erworbene Produkt wahr, vgl. Schiffman/Wisenblit, Consumer Behavior, 11. Aufl. 2015, S. 189 f.

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stellt die Verhaltensänderung bzw. Verhaltensanpassung an die dissonante Information dar.73 Die verschiedenen Möglichkeiten stehen zwar nicht generell in einem klaren Stufenverhältnis zueinander, aber es fällt vielen Menschen leichter, Änderungen im Bereich der Kognitionen vorzunehmen, als das eigene Verhalten zu verändern.74 Beispielsweise ist gemeinhin bekannt, dass das Rauchen von Zigaretten ungesund ist, aber trotzdem gibt es viele Menschen, die weiterhin rauchen. (2) Dissonanzen bei Kaufsituationen Von Interesse sind im Folgenden weniger die Vorkaufdissonanzen75 als vielmehr Nachkaufdissonanzen und Dissonanzen, die während der Nutzung des gekauften Artikels entstehen.76 Zudem kann im hier relevanten Bereich auch noch eine kognitive Dissonanz entstehen, wenn eine Sache zurückgegeben werden soll. Die Herausgabe der Sache kann als dissonant angesehen werden, wenn eine gewisse Bindung zu der Sache entstanden ist, was beispielsweise durch den endowment effect eintreten kann.77 Insofern bestehen hier Korrelationen. Nachkaufdissonanz bezeichnet nur diejenige Dissonanz, die sich direkt nach dem Kauf aus dem Vergleich der Eigenschaften der gekauften Sache und der nicht gewählten Kaufoptionen ergibt, wenn auch die ausgeschlagene(n) Option(en) gewisse Vorteile erwarten ließ(en).78 Dissonanzreduktionen sind hier dann z.B. insbesondere die unbewusste Suche nach Werbung, die das gekaufte Produkt betrifft.79 Im Laufe der Nutzung der Sache kann Dissonanz hervorgerufen werden, wenn sich die Qualität als geringer als erwartet herausstellt, das soziale Umfeld den Kauf kritisch sieht o.Ä.80 Die Feststellung, ein Produkt sei weniger wert als zunächst vermutet, steht im Widerspruch mit der Selbsteinschätzung eines Verbrauchers, dass er ausreichend kompetent ist, um Wert und Nutzen eines

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Insgesamt zu dissonanzreduzierenden Maßnahmen Kind, Die Grenzen des Verbraucherschutzes durch Information, 1998, S. 476 ff.; Evans/Jamal/Foxall, Consumer Behaviour, 2. Aufl. 2009, S. 136, jedoch mit einer anderen Abstufung. 74 Aronson, The Social Animal, 8. Aufl. 1999, S. 182 ff.; Hamann/Schuchard-Ficher, ZFP 1980, 155 (ebd.). 75 Dazu Pepels, Handbuch des Marketing, 6. Aufl. 2012, S. 142. 76 Zu dieser Unterscheidung auch Pepels, Handbuch des Marketing, 6. Aufl. 2012, S. 142. 77 Dazu konkret Felser, Werbe- und Konsumentenpsychologie, 3. Aufl. 2007, S. 279. 78 Trommsdorff, Konsumentenverhalten, 8. Aufl. 2011, S. 314. 79 Schiffman/Wisenblit, Consumer Behavior, 11. Aufl. 2015, S. 189 f. 80 Nieschlag/Dichtl/Hörschgen, Marketing, 19. Aufl. 2002, S. 1026; vgl. Pepels, Handbuch des Marketing, 6. Aufl. 2012, S. 143; Khosla, 2 I.J.E.A. 219, 220 f. (2010).

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Produkts vor dem Kauf einschätzen zu können.81 Deshalb ist er geneigt, mögliche wertmindernde Aspekte des Produkts auszublenden.82 Dies spricht dafür, dass von der durch die Kaufentscheidung getroffenen Wertung psychologisch nicht ohne Weiteres abgewichen werden kann.83 Verbraucher halten an ihrer Entscheidung fest und widerrufen nicht, auch wenn sie von Aspekten erfahren, die für den Widerruf eines Vertrages sprechen.84 (a) Die Auswirkungen eines Umtauschrechts auf die Dissonanzen Hingegen wird teilweise vorgebracht, Dissonanzreduktionen könnten nur dann auftreten, wenn die Entscheidung irreversibel sei.85 Ansonsten könnte eine Person auch die negativen Emotionen über eine Entscheidung zulassen, da sie die Entscheidung rückgängig machen könne. Belegt wird diese These insbesondere mit Versuchen, bei denen Vergleichsgruppen eine konkrete Entscheidung trafen, wobei nur eine Gruppe die Entscheidung rückgängig machen bzw. eine andere Alternative wählen konnte.86 Die Gruppen wurden daraufhin nach der ersten Entscheidung bezüglich ihrer Zufriedenheit befragt. Die Zufriedenheit der Personen, die die Entscheidung nicht rückgängig machen konnten, war signifikant größer;87 die Personen mussten sich mit ihrer Entscheidung abfinden und Dissonanzen anderweitig abwenden.88 81 Latin, 41 UCLA L. Rev. 1193, 1235 (1994). Solomon/Bamossy/Askegaard/Hogg, Consumer Behavior, 5. Aufl. 2013, S. 301, beschreiben dies mit der Dissonanz zwischen den Kognitionen „Ich habe eine dumme Entscheidung getätigt“ und „Ich bin keine dumme Person“. 82 Latin, 41 UCLA L. Rev. 1193, 1235 (1994); vgl. auch Felser, Werbe- und Konsumentenpsychologie, 3. Aufl. 2007, S. 281. 83 Vgl. Eidenmüller, in: ders. et al. (Hrsg.), Revision des Verbraucher-acquis, 2011, S. 109 (152). 84 Hoeppner, 38 Eur. J. Law Econ. 247, 268 (2014); vgl. Sedlmeier, Rechtsgeschäftliche Selbstbestimmung im Verbrauchervertrag, 2012, S. 242; Kind, Die Grenzen des Verbraucherschutzes durch Information, 1998, S. 515 f.; Eidenmüller, JZ 2005, 216 (221); ders., AcP 210 (2010), 67 (95); Blumenthal, 35 Fla. St. U. L. Rev. 1, 62 (2007); Rehberg, Der Versicherungsabschluss als Informationsproblem, 2003, S. 243; vgl. auch ders., in: Eger/H.B. Schäfer (Hrsg.), Ökonomische Analyse der europäischen Zivilrechtsentwicklung, 2007, S. 284 (341). Ramsay, in: Newman (Hrsg.), The New Palgrave Dictionary of Economics and the Law, vol. 1, 1998, S. 420 (412), geht sogar davon aus, dass das System kognitiver Dissonanzen die Wirksamkeit von Widerrufsrechten insgesamt infrage stellt. 85 Frey/Rosch, 10 Pers. Soc. Psychol. Bull. 91, 91 ff. (1984); Felser, Konsumentenpsychologie, 2014, S. 96; Sweeney/Hausknecht/Soutar, 17 Psychol. Market. 369, 374 (2000). 86 Vgl. Bullens/van Harreveld/Förster, 47 J. Exp. Soc. Psychol. 800, 805 (2011). 87 Gilbert/Ebert, 82 J. Pers. Soc. Psychol. 503, 508 (2002); Becher/Zarsky, 76 Law and Contemporary Problems 63, 82 (2011); siehe dazu auch Blumenthal, 35 Fla. St. U. L. Rev. 1, 62 (2007). 88 Trommsdorff, Konsumentenverhalten, 8. Aufl. 2011, S. 314; vgl. auch Quester et al., Consumer Behaviour, 5. Aufl. 2008, S. 189.

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Diese Sichtweise kann nicht vollumfänglich überzeugen.89 Reversibilität wird dabei zu technisch verstanden. Dissonanzreduktionen können bereits entstehen, wenn eine Bindung (commitment)90 zu der Entscheidung besteht.91 Die Bindungen zur Kaufentscheidung entstehen beispielsweise schon, wenn der Käufer Zeit für das Aussuchen aufwendet und Geld bezahlt.92 Durch diese Verhaltensweisen verfestigt sich die Kaufentscheidung, und eine Bindung entsteht. Somit besteht eine solche Bindung auch bei Kaufverträgen mit Widerrufsmöglichkeit.93 Die Abkehr von der Kaufentscheidung setzt zudem voraus, eine vorangegangene Fehlentscheidung anzuerkennen, was wiederum nicht konsonant mit der Selbsteinschätzung des Verbrauchers ist und ihn vom Widerruf Abstand nehmen lassen kann.94 Die geringere Zufriedenheit in den oben dargestellten Versuchsanordnungen, wenn die Entscheidung technisch reversibel ist, belegt nur, dass dabei weniger Dissonanzreduktionen stattfinden, aber nicht deren Fehlen. Man kann argumentieren, kognitive Dissonanz sei ein Grund für das Ausüben des Widerrufsrechts, weil dadurch die Dissonanzen aufgehoben würden,95 sodass es sich dabei auch um eine Form der Dissonanzreduktion handle96 – wenn auch auf einer technischen Ebene. Jedoch kann ein Mensch bei verschiedenen verfügbaren Arten der Dissonanzreduktion auf eine leichtere Möglichkeit zurückgreifen.97 Beispielsweise kann ein Raucher jederzeit aufhören zu rauchen – die Entscheidung ist aus technischer Sicht reversibel. Trotzdem hören viele Menschen nicht mit dem Rauchen auf. Vielmehr werden zunächst die Folgen des Rauchens verharmlost. Ähnliches lässt sich auch für das Rückgängigmachen der Kaufentscheidung anbringen.98

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Kritisch zu der Sichtweise, weil keine anderen (überzeugenden) Erklärungen zugelassen werden, auch Bullens et al., 49 J. Exp. Soc. Psychol. 1093, 1098 (2013). 90 Zum Begriff Aronson, 4 Adv. Exp. Soc. Psychol. 1, 18 ff., 22 ff. (1969); Cialdini, Influence, 4. Aufl. 1993, S. 53 ff. 91 Felser, Werbe- und Konsumentenpsychologie, 3. Aufl. 2007, S. 276. 92 Vgl. Felser, Werbe- und Konsumentenpsychologie, 3. Aufl. 2007, S. 276. 93 Farnsworth, Changing your mind, 1998, S. 24; vgl. auch Walker/Ford, 34 J.M. 53, 57 (1970); mit dieser Wertung wohl auch Hamann/Schuchard-Ficher, ZFP 1980, 155 (ebd.), weil keine Rückgängigmachung/kein Widerruf ohne Kosten möglich ist. 94 Kind, Die Grenzen des Verbraucherschutzes durch Information, 1998, S. 478; vgl. auch Nieschlag/Dichtl/Hörschgen, Marketing, 19. Aufl. 2002, S. 1026; Heinbuch, Theorien und Strategien des Verbraucherschutzes, 1983, S. 96. 95 Powers/Jack, 30 Psychol. Market. 724, 725 (2013). 96 Kind, Die Grenzen des Verbraucherschutzes durch Information, 1998, S. 478. 97 Kind, Die Grenzen des Verbraucherschutzes durch Information, 1998, S. 478. 98 Hamann/Schuchard-Ficher, ZFP 1980, 155 (155 f.). Siehe zu dem Verhältnis von Widerrufsrechten und der Reduktion kognitiver Dissonanzen auch Schmolke, Grenzen der Selbstbindung im Privatrecht, 2014, S. 261.

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(b) Dissonanzen bei Fernabsatzgeschäften Die gerade angeführten Aspekte können bei Fernabsatzgeschäften auftreten. Bezüglich kognitiver Dissonanzen, die bei dieser Vertriebsform entstehen, wird wiederum argumentiert, dass der Kauf keine endgültige Entscheidung des Verbrauchers darstelle und somit keine kognitive Dissonanz entstehe. Der Verbraucher sei sich bewusst, dass er das Produkt zunächst noch ausprobieren möchte. Er binde sich infolgedessen noch nicht an die Entscheidung, und Informationen, die die Entscheidung infrage stellen, erschienen somit nicht dissonant.99 Dass eine Kaufentscheidung nicht endgültig ist, muss dem Verbraucher aber auch bewusst sein, was zumindest dann zutreffend ist, wenn der Verbraucher beispielsweise ein bestimmtes Kleidungsstück in verschiedenen Größen bestellt und er jedenfalls nur ein Stück behalten möchte.100 Da Dissonanzen nur bei Folgen eines Kaufs auftreten, welche der Verbraucher nicht vorhersehen konnte,101 kann es durchaus sein, dass bei Verbrauchern keine kognitiven Dissonanzen nach dem Kauf auftreten. Jedoch trifft das nur auf solche Verbraucher zu, die sich tatsächlich über ihre Widerrufsrechte und die mögliche Rücksendung vollkommen im Klaren sind. Zudem ist in dem angesprochenen Beispiel nicht auszuschließen, dass der Verbraucher davon ausgeht, er werde das Kleidungsstück auf jeden Fall in einer Größe behalten. Wenn sich bei der (geplanten) Anprobe herausstellt, dass der Schnitt des Kleidungsstückes unpassend ist und somit das Kleidungsstück in keiner Größe zufriedenstellt, entstehen auch weiterhin kognitive Dissonanzen. (c) Dissonanzen bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen Bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen soll durch das Widerrufsrecht vorwiegend ein Überrumpelungseffekt ausgeglichen werden.102 Damit ein Verbraucher, der wegen einer objektiv ungünstigen Kaufentscheidung eigentlich widerrufen sollte, auch wirklich widerruft, muss er sich gewissermaßen erst einmal eingestehen, tatsächlich überrumpelt worden zu 99 Eidenmüller, AcP 210 (2010), 67 (95); vgl. allgemein auch Felser, Konsumentenpsychologie, 2014, S. 96. 100 Eidenmüller, in: ders. et al. (Hrsg.), Revision des Verbraucher-acquis, 2011, S. 109 (153): „Im Unterschied zu anderen Vertragssituationen, in denen der Gesetzgeber Widerrufsrechte einräumt, wird der Verbraucher, der sich seines Widerrufsrechts bewusst ist, aber hier noch nicht das Gefühl haben, dass er bereits eine endgültige Entscheidung getroffen hat. Aus seiner Sicht handelt es sich mehr um einen ‚Kauf auf Probe‘, so dass sich gar kein Problem der kognitiven Dissonanz stellt. Dies zeigt sich auch daran, dass bei online-Bestellungen von Kleidung eine Order häufig mehrere bis auf die Größe identische Kleidungsstücke umfasst.“; ders., AcP 210 (2010), 67 (95). 101 Pepels, Handbuch des Marketing, 6. Aufl. 2012, S. 142. 102 Siehe dazu schon oben Teil 1, I 2 b, S. 12 ff.

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sein. Der Verbraucher muss beispielsweise bei faktischen Haustürgeschäften103 anerkennen, dass er eine Person in seine Privatsphäre hat eindringen lassen, um sich dann ein Produkt „andrehen“ zu lassen.104 Es führt für den Verbraucher kein Weg daran vorbei, in irgendeiner Form feststellen zu müssen, dass er den Verkaufstaktiken des Verkäufers erlegen ist. Solche Annahmen widerstreben aber meist dem Selbstbild des Verbrauchers. Daraus folgen auch hier Dissonanzreduktionen.105 Hierdurch wird das Widerrufsrecht in gewisser Weise konterkariert, weil der Verbraucher der Ware einen höheren Wert zuordnet, als dies möglicherweise tatsächlich der Fall ist.106 Ein weiterer Aspekt von Dissonanz liegt in der ursprünglichen Kaufsituation begründet. Der Verbraucher kauft gerade bei faktischen Haustürgeschäften (häufig auch) aus einem Antrieb heraus, der auf reciprocation107 beruht.108 Gemeint ist damit, dass die Verkaufsperson im Direktvertrieb in dem Verkaufsgespräch gewisse Leistungen erbringt, die sich für den Verbraucher als positiv darstellen.109 Ein Verbraucher kann dann geneigt sein, eine ausgleichende Handlung vorzunehmen, die den „Gefallen“, der ihm erwiesen wurde, erwidert. Dies ist in solchen Fällen der Kauf des Produktes. Nach dem Kauf den eigenen, ausgleichenden Gefallen rückgängig zu machen, würde insofern kognitive Dissonanz erzeugen, als man dem ureigenen Antrieb zu einer Ausgleichshandlung (reciprocation) nicht mehr gerecht werden würde.110 (3) Zwischenergebnis Die Reduktion kognitiver Dissonanzen führt folglich zu Schwierigkeiten, die Ware hinreichend zu prüfen bzw. die Ergebnisse der Prüfung unverzerrt wahrzunehmen. Dadurch kann die Entscheidung zum Widerruf nicht so unabhängig und fundiert erfolgen, wie es für die Effektivität dieses Verbraucherschutzinstrumentes wünschenswert wäre.

103 Als faktische Haustürgeschäfte werden im Folgenden solche Geschäfte bezeichnet, bei denen der Unternehmer oder einer seiner Vertreter den Verbraucher tatsächlich an der Haustür aufsucht, um die Ware vor Ort zu verkaufen. 104 Heinbuch, Theorien und Strategien des Verbraucherschutzes, 1983, S. 96; C. Engel, in: ders. et al. (Hrsg.), Recht und Verhalten, 2007, S. 363 (380); siehe auch Kroll-Ludwigs, ZEuP 2010, 509 (521). 105 Allgemein dazu Akerlof/Dickens, 72 A.E.R. 307, 308 (1982). 106 Vgl. C. Engel, in: ders. et al. (Hrsg.), Recht und Verhalten, 2007, S. 363 (380); siehe auch Harrison/Massi/Chalmers, 48 J.C.A. 195, 213 (2014). 107 Grundlegend Gouldner, 25 Am. Sociol. Rev. 161 ff. (1960). 108 Hoeppner, 38 Eur. J. Law Econ. 247, 271 et passim (2014). 109 Die Verkaufsperson kann beispielsweise hervorheben, dass sie nur um die Gesundheit des Verbrauchers besorgt sei. Es geht aber auch darum, dass oftmals eine Demonstration des Produktes stattfindet. 110 Hoeppner, 38 Eur. J. Law Econ. 247, 268 f. (2014).

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Teil 2: Implikationen der Verhaltensökonomik für das Spannungsverhältnis

cc) Die Schwierigkeit, durch Prüfung von bestehenden Eindrücken abzuweichen: priming und Anker-Effekt Weiterhin kann es für den Verbraucher schwierig sein, bei der Prüfung den „wahren“ subjektiven Wert der Ware herauszufinden. Er hat das Produkt aufgrund von Informationen gekauft, die er vor dem Kaufvertragsschluss erhalten hat – entweder durch Produktpräsentation, Erläuterung vor Ort oder durch Bilder, Beschreibungen oder Bewertungen im Internet. Jedenfalls bei Fernabsatzgeschäften wird ein Verbraucher die Ware oftmals nur dann kaufen, wenn er ihr gegenüber eine positive Erwartungshaltung hat.111 Diese positive Einstellung ist der erste Eindruck, den der Verbraucher von der Ware erlangt. Dieser Eindruck ist für spätere Entscheidungen von besonders großer Bedeutung,112 der Verbraucher hat Schwierigkeiten, davon abzuweichen, und er bewertet zukünftige Informationen immer im Lichte der ersten Information (priming).113 Die Informationen, die der Verbraucher durch die Prüfung der Ware erlangt, können folglich nicht unverzerrt verarbeitet und eingeordnet werden. Die Orientierung einer Information an einem Bezugspunkt wird auch als anchoring oder Anker-Effekt bezeichnet. So wird beispielsweise angenommen, dass ein Auto, das im Fernsehen mit Bildern von schnellen Off-Road-Fahrten beworben wird, für solche Fahrten geeignet sei. Deshalb wird es später auch außerhalb des normalen Straßenverkehrs genutzt, selbst wenn der Käufer beim Kauf hinreichende Warnhinweise erhält, die solche Nutzungsweisen verhindern sollen.114 Insoweit können Informationen, die der Verbraucher vor dem Kauf erhalten hat, durch eine Produktprüfung schwerer kontrolliert und eventuell revidiert werden, als dies für einen rationalen Menschen möglich sein müsste. Dies deutet darauf hin, dass die Prüfungsmöglichkeit bei Widerrufsrechten in der Praxis keine umfassende Prüfung der Ware durch den Verbraucher ermöglichen kann.

111 Bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen hat der Verbraucher die Ware eventuell nicht richtig wahrgenommen oder kauft die Ware bei faktischen Haustürgeschäften, um den Verkäufer „loszuwerden“. 112 Von Nitzsch, in: Köhler/Küpper/Pfingsten (Hrsg.), Handwörterbuch der Betriebswirtschaft, 6. Aufl. 2012, Sp. 375 (376), beschreibt priming als: „Der erste Eindruck ist der wichtigste“. 113 Die Implikationen des priming gehen deutlich über diesen sehr einfachen Fall hinaus, siehe dazu beispielsweise Kahneman, Schnelles Denken, langsames Denken, 2014, S. 69 ff. 114 Siehe dazu Korobkin/Ulen, 88 Cal. L. Rev. 1051, 1102 (2000).

II. (Mangelnde) Effektivität des Verbraucherschutzinstruments

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dd) Verlustaversion als Hindernis richtiger Wert(ein)schätzung: loss aversion Auch Verlustaversion (loss aversion)115 kann für die Nichtausübung des Widerrufsrechts relevant sein.116 Menschen erleben Verluste und Gewinne, die in Bezug zu einem Referenzpunkt entstehen,117 unterschiedlich: So werden Verluste subjektiv deutlich intensiver wahrgenommen, als dies bei Gewinnen der Fall ist.118 Wenn eine Entscheidung zu Verlusten und Gewinnen führt, die objektiv gleichwertig sind, tendiert der Mensch dazu, die Entscheidung zu unterlassen, da er den Verlust subjektiv verzerrt bzw. überhöht wahrnimmt.119 Auch bezüglich einer Besitzposition kann Verlustaversion auftreten.120 Insoweit zeigt sich die Nähe von loss aversion und endowment effect.121 Eine der Verlustaversion zugeordnete Abneigung gegen ein Handeln zeigt sich auch in einem Experiment, welches den klassischen Experimenten zum Aufzeigen der WTA-WTP-Differenz122 stark ähnelt: Probanden erhalten entweder eine dekorierte Tasse oder einen Schokoriegel mit gleichem Wert. Trotz der Möglichkeit, das ihnen zugewiesene Produkt fast ohne Transaktionskosten gegen das andere einzutauschen, behielten die meisten Probanden ihr Objekt, unabhängig davon, ob sie zunächst den Schokoriegel oder die Tasse erhalten hatten.123

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Der Begriff stammt von Kahneman/Tversky, 39 Am. Psychol. 341 (1984); grundlegend auch Kahneman/Knetsch/Thaler, 5 J.E.P. 193, 199 ff. (1991). 116 Loacker, in: Verschraegen (Hrsg.), Interdisziplinäre Studien zur Komparatistik und zum Kollisionsrecht (Bd. III), 2012, S. 45 (84); Luzak, 37 J. Consum. Policy 91, 100 (2014) für Fernabsatzverträge. 117 Siehe zur diesbezüglich grundlegenden prospect theory Kahneman/Tversky, 47 Econometrica 263 ff. (1979); siehe auch Fleischer/Schmolke/Zimmer, in: Fleischer/Zimmer (Hrsg.), Beitrag der Verhaltensökonomie (Behavioral Economics) zum Handels- und Wirtschaftsrecht, 2011, S. 9 (20). 118 Solomon/Bamossy/Askegaard/Hogg, Consumer Behavior, 5. Aufl. 2013, S. 348; Fleischer/Schmolke/Zimmer, in: Fleischer/Zimmer (Hrsg.), Beitrag der Verhaltensökonomie (Behavioral Economics) zum Handels- und Wirtschaftsrecht, 2011, S. 9 (20); Korobkin/Ulen, 88 Cal. L. Rev. 1051, 1108 (2000). 119 Felser, Werbe- und Konsumentenpsychologie, 3. Aufl. 2007, S. 114. 120 Solomon/Bamossy/Askegaard/Hogg, Consumer Behavior, 5. Aufl. 2013, S. 348. 121 Die genaue Beziehung beider Anomalien ist nicht hinreichend geklärt: Unterschiedliche Ansätze finden sich beispielsweise bei Loacker, in: Verschraegen (Hrsg.), Interdisziplinäre Studien zur Komparatistik und zum Kollisionsrecht (Bd. III), 2012, S. 45 (84); Fleischer/Schmolke/Zimmer, in: Fleischer/Zimmer (Hrsg.), Beitrag der Verhaltensökonomie (Behavioral Economics) zum Handels- und Wirtschaftsrecht, 2011, S. 9 (20); Korobkin/Ulen, 88 Cal. L. Rev. 1051, 1108 (2000) und Solomon/Bamossy/Askegaard/Hogg, Consumer Behavior, 5. Aufl. 2013, S. 348. 122 Siehe dazu bereits unter Teil 2, II 2 a aa (1), S. 56 f. 123 Siehe die Studie bei Knetsch, 79 A.E.R. 1277 ff. (1989); vgl. dazu auch LeBoeuf/Shafir, in: Holyoak/Morrison (Hrsg.), The Oxford Handbook of Thinking and Reasoning, 2012, S. 301 (305).

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Teil 2: Implikationen der Verhaltensökonomik für das Spannungsverhältnis

Wendet man diese Erkenntnisse auf die Entscheidungssituation des Verbrauchers vor einem Widerruf an, ist zu vermuten, dass der Verbraucher die (zukünftige) Rückgabe der Ware als (potentiellen) Verlust einordnen wird.124 Der Gewinn, den er durch den Widerruf erzielt, liegt in der Rückerstattung der geleisteten Zahlungen. Der Verbraucher verliert eine Ware im (objektiven) Wert X und erhält dafür den Wert X zurück. Der Verlust ist aber für den Verbraucher von größerer Bedeutung, sodass er geneigt ist, nicht zu widerrufen.125 Dies gilt selbst dann, wenn die Ware subjektiv einen geringeren Wert als X hat, weil dieser Wert – aufgewertet durch die Verlustaversion – immer noch größer sein kann als der (Rück-)Erhalt des Wertes X. Insoweit werden die Entscheidungsgrundlagen für die Widerrufsentscheidung verzerrt.126 ee) Spätere Kaufpreisrückerstattung vs. Möglichkeit jetziger Nutzung: hyperbolic discounting Bietet man einem Menschen an, ihm heute einen Betrag von 100,- Euro zu schenken oder 100,- Euro in einem Jahr, wird er in vielen Fällen die 100,- Euro jetzt erhalten wollen.127 Hierbei liegt keine Abweichung von rationalem Verhalten vor: Der Nutzen zu einem früheren Zeitpunkt ist in einem gewissen Umfang größer als zu einem späteren Zeitpunkt. Auch wenn man nun anbieten würde, in einem Jahr 110,- Euro zu verschenken, würden es Ökonomen – unabhängig von einer möglichen Inflation – noch als rational ansehen, die stattdessen angebotenen 100,- Euro jetzt anzunehmen.128 Die zukunftsbezogene Variante ist immer mit einem Risiko verbunden. Dieses Risiko wird in die konkrete Entscheidung einbezogen. Der Nutzen nimmt hingegen mit dem Zeitablauf nicht gleichmäßig ab, sondern wird „hyperbolisch diskontiert“ (hyperbolic discounting). Dies bedeutet: Ein Nutzen, der dem Verbraucher in der Zukunft zugute kommt, wird subjektiv als deutlich geringer eingeschätzt, als er eigentlich ist. Insoweit ist die subjek-

124 Vgl. Luzak, 37 J. Consum. Policy 91, 101 (2014), mit dem Hinweis, als negative Auswirkungen/Verluste des Widerrufs würden auch Wertersatzansprüche und Rücksendekosten angesehen. 125 Sovern, 75 U. Pitt. L. Rev. 333, 363 (2014); vgl. auch Loacker, in: Verschraegen (Hrsg.), Interdisziplinäre Studien zur Komparatistik und zum Kollisionsrecht (Bd. III), 2012, S. 45 (84). 126 Vgl. Luzak, 37 J. Consum. Policy 91, 100 (2014). 127 Vgl. H.-B. Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 5. Aufl. 2012, S. 109; siehe zu Zeitpräferenzen Eisenführ/Weber/Langer, Rationales Entscheiden, 5. Aufl. 2010, S. 339 ff. 128 Grundlegend zum discounted utility model, mit dem die rationale Abnahme eines Nutzens in der Zukunft berechnet werden kann: Samuelson, [1937] 4 Rev. Econ. Stud. 1155; dazu instruktiv Frederick/Loewenstein/O‘Donoghue, in: Loewenstein/Read/Baumeister (Hrsg.), Time and Decision, 2003, S. 13 (18 ff.).

II. (Mangelnde) Effektivität des Verbraucherschutzinstruments

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tive Abwertung des Nutzens mit relativ geringer zeitlicher Entfernung des Nutzeneintritts sehr groß; die Abwertung wird dabei immer geringer, je weiter der Nutzeneintritt zeitlich entfernt ist.129 Gerade im Vergleich mit einem Nutzen, der umgehend eintritt, wird ein (auch nur wenig) entfernter Nutzen recht niedrig anmuten.130 Die dargestellte Entscheidungsverzerrung kann Auswirkungen auf die Ausübung des Widerrufsrechts haben: Der Verbraucher ordnet der Ware und der Gebrauchsmöglichkeit selbst einen Nutzen zu. Dieser tritt nach Lieferung der Ware ein und dauert mindestens bis zum Ende der Widerrufsfrist fort. Der Nutzen davon, zu widerrufen, ist in der Rückerstattung der geleisteten Zahlungen durch den Unternehmer zu sehen.131 Die Rückerstattung tritt aber erst später ein.132 Selbst wenn der Verbraucher der Ware und dem Gebrauch einen Nutzen zuordnet, der objektiv geringer ist als der Nutzen durch Rückerhalt der Geldsumme, und damit ein Widerruf indiziert wäre, kann der zeitverzögert eintretende Nutzen (hier: die Rückerstattung) durch (sogar hyperbolische) Diskontierung so gering erscheinen, dass der aktuell vorliegende Nutzen (hier: die Ware) höher erscheint und von einem Widerruf abgesehen wird. Hyperbolic discounting kann sich folglich negativ auf die Widerrufsentscheidung auswirken.133 b) Die Schwierigkeit, einen aktuellen Status durch Handlung zu verlassen Menschen haben eine generelle Abneigung gegen das aktive Verlassen eines aktuellen Status. Dies lässt sich an verschiedenen Verhaltensanomalien aufzeigen und beeinflusst die Ausübung des Widerrufsrechts – in der Theorie – deutlich.

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Während Versuchspersonen häufig nur einen Apfel wollten, wenn ihnen ein Apfel heute oder zwei Äpfel am nächsten Tag angeboten wurde, wollten die meisten Versuchspersonen lieber zwei Äpfel in einem Jahr und einem Tag, statt einen Apfel in genau einem Jahr, siehe Thaler, 8 Economic Letters 201, 203 ff. (1981). Siehe zu zeitlich inkonsistenten Präferenzen im Rahmen von Finanzierungen Bechtold, Die Grenzen zwingenden Vertragsrechts, 2010, S. 73 ff. 130 O‘Donoghue/Rabin, 89 A.E.R. 103, 104 (1999); Fleischer/Schmolke/Zimmer, in: Fleischer/Zimmer (Hrsg.), Beitrag der Verhaltensökonomie (Behavioral Economics) zum Handels- und Wirtschaftsrecht, 2011, S. 9 (26 f.). 131 Dies setzt naturgemäß voraus, dass eine Zahlung schon erfolgt ist. Wurde die Ware beispielsweise „auf Rechnung“ bestellt, liegt der Nutzen des Widerrufs im Freiwerden von der Zahlungsverpflichtung. 132 Sogar nach geltender Rechtslage erst, wenn der Verbraucher die Ware zurückgeschickt hat, vgl. unten Teil 3, III 1, S. 162 ff. 133 Loacker, in: Verschraegen (Hrsg.), Interdisziplinäre Studien zur Komparatistik und zum Kollisionsrecht (Bd. III), 2012, S. 45 (84 f.), jedoch mit einer etwas anderen Herleitung.

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Teil 2: Implikationen der Verhaltensökonomik für das Spannungsverhältnis

aa) Status quo bias Es wird zunächst eine sogenannte status quo bias134 als mitverantwortlich für die Nichtausübung des Widerrufsrechts angesehen.135 Eine Person beurteilt Handlungsalternativen im Verhältnis zum aktuellen Standpunkt, dem status quo. Diesen kennt die Person mit Sicherheit. Die Handlungsalternativen sind aber bezüglich ihrer Ausgänge und Einzelheiten unsicher. So besteht häufig die Möglichkeit, dass die Handlungsalternative negativere Auswirkungen hat als zunächst ersichtlich. Auch deshalb wird von einer Person dem aktuellen Status eine höhere Wertschätzung zuteil; die Handlungsalternativen müssen in ihrer Attraktivität folglich deutlich gegenüber dem status quo überwiegen, damit die Person sie wählt.136 Dieses Verhalten ist deshalb nicht rational, weil „die Reihenfolge und Strukturierung der Optionen keinen Einfluss auf die Entscheidung haben dürfte“,137 wobei die Verbindung zu Verhaltensanomalien wie dem endowment effect,138 loss aversion139 oder anderen Anomalien140 nicht eindeutig ist. Der status quo – als Verhaltensoption – ist kein naturgegebener Zustand, sondern die Folge einer Reihe von vorangegangenen Entscheidungen. So ist dies auch beim Widerrufsrecht. Der Verbraucher kauft eine Ware und schafft damit einen neuen status quo. Der Widerruf ist dann eine Handlungsalternative, die mit dem status quo konkurrieren muss. Selbst wenn der Widerruf ohne Aufwand ablaufen könnte, wäre der status quo – also die Nichtausübung des Widerrufsrechts – für den Verbraucher attraktiver.141 Durch den mit dem 134

Der Begriff stammt von Samuelson/Zeckhauser, 1 J. Risk Uncertain. 7 (1988). Sovern, 75 U. Pitt. L. Rev. 333, 365 (2014); H.-B. Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 5. Aufl. 2012, S. 107, 138; Hoeppner, 38 Eur. J. Law Econ. 247, 268 (2014) für Haustürgeschäfte. 136 Zu alledem Altmann/Falk/Marklein, in: Fleischer/Zimmer (Hrsg.), Beitrag der Verhaltensökonomie (Behavioral Economics) zum Handels- und Wirtschaftsrecht, 2011, S. 63 (76). Samuelson/Zeckhauser, 1 J. Risk Uncertain. 7, 33 ff. (1988), konstatieren, die Anomalie könne aus ökonomischer Sicht mit Informationsproblemen, Unsicherheit und Risikoscheuheit erklärt werden. 137 Englerth, in: C. Engel et al. (Hrsg.), Recht und Verhalten, 2007, S. 60 (86). 138 Samuelson/Zeckhauser, 1 J. Risk Uncertain. 7, 35 ff. (1988), sehen den endowment effect als eine Facette der status quo bias. Korobkin/Ulen, 88 Cal. L. Rev. 1051, 1111 (2000), erkennen eine Möglichkeit, die WTA-WTP-Differenz mit status quo bias herzuleiten. 139 Samuelson/Zeckhauser, 1 J. Risk Uncertain. 7, 35 ff. (1988), erkennen auch loss aversion als einen Aspekt der status quo bias. Klöhn, Kapitalmarkt, Spekulation und behavioral finance, 2006, S. 97, geht davon aus, status quo bias sei eine Folge von loss aversion und mental accounting. Kahneman/Knetsch/Thaler, 5 J.E.P. 193, 197 (1991), meinen, eine Auswirkung von loss aversion sei, dass Menschen gerne im status quo verharren. 140 Hartman/Duane/Woo, 106 Q. J. Econ. 141, 143 f. (1991), bringen die status quo bias in Verbindung mit der consumer inertia. Auch zeige sich die status quo bias in der omissioncommission bias, vgl. Ritov/Baron, 5 J. Risk Uncertain. 49 ff. (1992); näher dazu sogleich Teil 2, II 2 b bb und cc, S. 71 f. 141 Vgl. Becher/Zarsky, 76 Law and Contemporary Problems 63, 81 (2011). 135

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Widerruf verbundenen Aufwand wird der status quo häufig den Nutzen des Widerrufs subjektiv überwiegen.142 bb) Omission-commission bias Menschen bewerten die Auswirkungen einer Entscheidung abhängig davon, ob die Entscheidung darin bestand, eine Handlung vorzunehmen oder eine Handlung zu unterlassen. Stellen sich negative Folgen einer Entscheidung heraus, wird dies als viel schwerer wiegend wahrgenommen, wenn dieses Ergebnis durch eine aktive Handlung als durch eine unterlassene Handlung eingetreten ist (omission-commission bias).143 Dies antizipierend, tendiert ein Mensch generell dazu, bei einer Entscheidung zwischen Handlung und Nicht-Handlung keine Handlung vorzunehmen.144 Steht der Verbraucher vor der Entscheidung, zu widerrufen, hat er die Möglichkeit, aktiv eine Handlung (Widerruf und damit verbunden die Rücksendung der Ware) vorzunehmen oder inaktiv zu bleiben. Wenn er widerruft und die Ware zurückgibt, riskiert er, sich später die Ware zurückzuwünschen, weil er den Widerruf bereut.145 Wenn er nicht widerruft, könnte sich die Ware auf Dauer als unnütz erweisen. Weil er den erstgenannten Fall mehr bereuen würde, tendiert der Verbraucher dazu, nicht zu handeln und folglich nicht zu widerrufen.146 cc) Prokrastination/inertia Ein allseits bekanntes Phänomen stellt die Prokrastination dar: Eine unliebsame Aufgabe wird aufgeschoben, anstatt erledigt zu werden.147 Diese Verhaltensanomalie kann aber noch differenzierter betrachtet werden. Menschen tendieren dazu, Handlungen nicht durchzuführen, auch wenn dabei geringe direkte 142

Vgl. für Haustürgeschäfte Hoeppner, 38 Eur. J. Law Econ. 247, 268 (2014). Baron/Ritov, 59 Org. Beh. & Hum. Dec. Processes 475, 478 (1994); Camerer et al., 151 U. Pa. L. Rev. 1211, 1224 f. (2003); Luth, Behavioural Economics in Consumer Policy, 2010, S. 52. Das Bedauern einer Handlung ist zumindest kurzfristig meist höher (z.B. fehlgeschlagene Investitionen), während auf lange Sicht das Unterlassen mehr bedauert wird (z.B. im Studium nicht im Ausland gewesen zu sein), vgl. dazu Jungermann/Pfister/Fischer, Die Psychologie der Entscheidung, 3. Aufl. 2010, S. 327. 144 Gilovich/Husted Medvec, 102 Psychol. Rev. 379, 393 (1995). 145 Vgl. Gilovich/Husted Medvec/Chen, 21 Pers. Soc. Psychol. Bull. 182, 183 (1995). 146 Luzak, 37 J. Consum. Policy 91, 102 f. (2014), für Fernabsatzgeschäfte. Eine vergleichbare Konstellation schildert Klöhn, Kapitalmarkt, Spekulation und behavioral finance, 2006, S. 101: Die omission-commission bias zeige sich daran, dass Anleger, die eine Verliereraktie verkaufen können, auch dadurch in der richtigen Verkaufsentscheidung behindert werden, weil sie eher die (aktive) Verkaufsentscheidung als das passive Behalten bedauern würden. 147 Vgl. auch Steel, 133 Psychol. Bull. 65, 66 (2007). Etwa Luth, Behavioural Economics in Consumer Policy, 2010, S. 52 f., nutzt dafür den Begriff inertia. 143

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Teil 2: Implikationen der Verhaltensökonomik für das Spannungsverhältnis

Kosten148 und in der Zukunft ein großer Nutzen entstehen würden.149 Sie nehmen die Handlung nicht vor, weil sie denken, dafür noch genug Zeit in der Zukunft zu haben; wenn die Zukunft später zur Gegenwart wird, werden Menschen wieder auf die (neue) Zukunft verweisen und die Handlung erneut nicht vornehmen.150 Menschen bleiben folglich auf lange Sicht eher inaktiv.151 Dieses Verhalten hat deutliche Auswirkungen auf einen potentiellen Widerruf. Einerseits wird der Verbraucher die unliebsame Widerrufsentscheidung (aufgrund der damit eng verknüpften Rücksendeverpflichtung) „vor sich herschieben“.152 Andererseits wird dieses Verhalten in mehrfacher Wiederholung dazu führen, dass die Widerrufsfrist ohne Widerruf abläuft.153 Die Gratifikation ist dabei durch den späteren Rückerhalt der geleisteten Zahlungen der Widerrufsentscheidung nachgelagert. Auch wird der Verbraucher durch die Widerrufsfrist nicht hinreichend zu einer schnellen Entscheidung motiviert, weil er eher geneigt ist, die Entscheidung an das Ende der Frist zu verschieben, wo er wiederum prokrastinieren kann und somit die Frist verstreichen lässt.154 Prokrastination führt folglich dazu, dass der Verbraucher von einem Widerruf eher absehen wird.155 dd) Sunk cost fallacy Schließlich kann noch darauf hingewiesen werden, dass der Verbraucher Kosten zu tragen hat, wenn er einen Vertrag eingeht. Diese sind teilweise auch immaterieller Art: Bei Fernabsatzgeschäften muss er die Ware aussuchen, er muss häufig einen Bezahlvorgang durchführen; bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen gibt es oftmals eine Produktpräsentation 148 Besonders sichtbar wird der Effekt bei größerem Aufwand der Handlung, vgl. O‘Donoghue/Rabin, 89 A.E.R. 103 (1999); siehe auch dies., 116 Q. J. Econ. 121, 150 (2001). 149 O‘Donoghue/Rabin, 116 Q. J. Econ. 121 f. (2001). Durch das Überbewerten der kurzfristigen Kosten entsteht ein starker Zusammenhang mit der Verhaltensanomalie myopia und zeitinkonsistenten Präferenzen, vgl. Bar-Gill, Seduction by contract, 2012, S. 22; O‘Donoghue/Rabin, in: Camerer/Loewenstein/Rabin (Hrsg.), Advances in Behavioural Economics, 2004, S. 223 (224). 150 Camerer et al., 151 U. Pa. L. Rev. 1211, 1225 (2003); Luth, Behavioural Economics in Consumer Policy, 2010, S. 52; Akerlof, 81 A.E.R. 1 (1991). 151 O‘Donoghue/Rabin, 89 A.E.R. 103, 104 (1999). Auch hilft Aufklärung der Verbraucher über deren Verhaltensanomalien nicht, um Prokrastination umgehen zu können, vgl. O‘Donoghue/Rabin, 116 Q. J. Econ. 121, 122 (2001). 152 Becher/Zarsky, 76 Law and Contemporary Problems 63, 81 (2011); vgl. auch O‘Donoghue/Rabin, 116 Q. J. Econ. 121, 123 (2001). 153 Vgl. Becher/Zarsky, 76 Law and Contemporary Problems 63, 81 (2011). 154 Nur zu Fristen, unabhängig vom Widerrufsrecht, Akerlof, 81 A.E.R. 1, 4 (1991). Kritisch zur nunmehr vierzehntägigen Widerrufsfrist vor dem Hintergrund, dem Verbraucher werde nicht hinreichend verdeutlicht, dass er zügig handeln muss, was zur Überwindung von Prokrastination dienlich sein könnte Luzak, 37 J. Consum. Policy 91, 104 f. (2014). 155 Luzak, 37 J. Consum. Policy 91, 104 (2014).

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und/oder Vertragsverhandlungen.156 All das kostet den Verbraucher Zeit. Diese Investition kann er niemals – weder durch Behalten der Ware noch durch einen Widerruf – zurückerlangen. Trotzdem werden diese „versunkenen“ Kosten157 in zukünftige Entscheidungen des Verbrauchers einbezogen (sunk cost fallacy).158 Der Verbraucher ist demnach eher geneigt, die angefallenen Kosten nicht dadurch „verfallen“ zu lassen, dass er widerruft. Er hält lieber an der ursprünglichen Entscheidung fest.159 ee) Fazit Die Schwierigkeit, einen aktuellen Status durch Handlung zu verlassen, zeigt sich an verschiedenen Verhaltensanomalien. Es liegen keine klaren Erkenntnisse darüber vor, inwieweit sich diese Effekte potenzieren oder addieren. Zumindest teilweise handelt es sich um verschiedene Erklärungsansätze für ein identisches Problem. Gleichwohl zeigt sich, wie intensiv der Verbraucher durch die Schwierigkeiten, einen aktuellen Status durch eine Handlung zu verlassen, vom Widerruf abgehalten werden kann. c) Zusammenfassung Es konnte gezeigt werden, wie sich Verhaltensanomalien auf Ausübungen des Widerrufsrechts negativ auswirken können. So sind einige Verhaltensweisen bei Verbrauchern vorhanden, die als nicht rationales Verhalten einzustufen sind und den Verbraucher vom Widerruf abhalten können. Dabei bestehen insbesondere Schwierigkeiten bei der Festlegung und Bewertung der Entscheidungsgrundlagen. Zudem ist es für Verbraucher schwierig, einen aktuellen Status durch Handlung zu verlassen.

156 Loacker, in: Verschraegen (Hrsg.), Interdisziplinäre Studien zur Komparatistik und zum Kollisionsrecht (Bd. III), 2012, S. 45 (83), erweitert die Kosten, die der Widerrufsentscheidung abträglich sind, beispielhaft auf „hohe Suchkosten oder lange Beratungsgespräche mit Vertretern udgl.“; vgl. auch Braun, ZGS 2008, 129 (132). 157 Dazu noch ausführlich vor dem Hintergrund der Hinsendekosten Teil 3, II 2 a dd, S. 118 ff. 158 Jolls/Sunstein/Thaler, 50 Stan. L. Rev. 1471, 1483 (1998); Arkes/Blumer, 35 Org. Beh. & Hum. Dec. Processes 124 (1985); Jungermann/Pfister/Fischer, Die Psychologie der Entscheidung, 3. Aufl. 2010, S. 73; vgl. auch Sedlmeier, Rechtsgeschäftliche Selbstbestimmung im Verbrauchervertrag, 2012, S. 243. 159 Zur Auswirkung der sunk cost fallacy bei Widerrufsrechten auch kurz Eidenmüller, JZ 2005, 216 (221).

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Teil 2: Implikationen der Verhaltensökonomik für das Spannungsverhältnis

III. Konsequenzen der (verhaltensökonomisch belegten) Ineffektivität und Lösungsmöglichkeiten III. Konsequenzen der (verhaltensökonomisch belegten) Ineffektivität

Es gibt durchaus Anhaltspunkte dafür, dass das Widerrufsrecht als Verbraucherschutzinstrument nicht effektiv ist.160 So wurde in den obigen Ausführungen dargelegt, dass verhaltensökonomisch belegte Hinderungsgründe die Effektivität von Widerrufsrechten verringern. Der Befund fehlender Effektivität gibt aber nicht automatisch einen konkreten Weg vor, wie die Situation verbessert werden kann. In Betracht kommen grundlegend unterschiedliche Konzeptionen, um die Effektivität verstärkt zu gewährleisten. 1. Schwebende Unwirksamkeit des Vertrages Eine Möglichkeit könnte sein, den rechtlichen Zustand des Vertrages bis zum Widerruf bzw. Ablauf der Widerrufsfrist zu verändern oder die rechtliche Wirkung einer abgelaufenen Widerrufsfrist umzuwandeln. Es war lange Zeit umstritten, in welchem Zustand sich ein (Kauf-)Vertrag vor dem Widerruf befindet – ob er schwebend wirksam oder schwebend unwirksam ist.161 Bei schwebender Unwirksamkeit sollten die Pflichten aus dem Kaufvertrag trotz Vertragsschluss noch keine Wirkung entfalten.162 Solange aber gewährleistet werden soll, dass der Verbraucher die gekaufte Ware prüfen kann,163 ist eine schwebende Unwirksamkeit nicht zielführend, da der Verbraucher dann gerade keinen Anspruch auf die Lieferung bzw. Übergabe der Ware hat.164 Allerdings ist die Prüfung nicht immer notwendig. Wird ein Erfahrungsgut gekauft, muss der Verbraucher dieses nicht prüfen können.165 Soll er innerhalb der Widerrufsfrist entscheiden, ob er das Erfahrungsgut wirklich benötigt, kann er dies auch ohne diese Ware im Besitz zu haben.166 Allerdings ist die schwebende Unwirksamkeit des Vertrages auch für den Kauf von Erfahrungsgütern aus mehreren Gründen kein praktikables Konzept: 160 Pfeiffer, in: Schulze (Hrsg.), New Features in Contract Law, 2007, S. 161 (164), geht davon aus, dass durch Widerrufsrechte keine ausreichend informierten Entscheidungen über das Festhalten an einem Vertrag herbeigeführt würden; siehe auch dens., NJW 2012, 2609 (2612). 161 Vgl. nur HKK/Thier, Bd. II.2, 2007, §§ 346–359 Rdnr. 46. 162 Zu historischen Grundlagen des Unwirksamkeitsmodells Reiner, AcP 203 (2003), 1, 4 ff. 163 Vgl. oben Teil 1, II 2 b aa (2), S. 25 ff. 164 Vgl. BT-Drucks. 14/2658, S. 36, 47 (Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes über Fernabsatzverträge und andere Fragen des Verbraucherrechts sowie zur Umstellung von Vorschriften auf Euro); vgl. zu dieser Ausgestaltung auch H.-B. Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 5. Aufl. 2012, S. 138. 165 Siehe dazu oben Teil 1, I 2 a, S. 10 ff. 166 Vgl. Pfeiffer, NJW 2012, 2609 (2612), der „vorgeschaltete Überlegungsfristen“ anregt, die „jedoch nur bei bestimmten Geschäftsarten überhaupt vorstellbar“ sind.

III. Konsequenzen der (verhaltensökonomisch belegten) Ineffektivität

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Ein Verbraucher wird oft nicht leicht erkennen können, ob eine bestimmte Ware ein Erfahrungsgut ist oder nicht. Diese Unterscheidung wirkt sich dann nicht mehr nur auf die Prüfungshandlung, sondern sogar auf den Lieferzeitpunkt aus. Zudem wird der Verbraucher, der eine Ware mit Sicherheit benötigt, nicht über zwei Wochen auf die Lieferung warten wollen. Darüber hinaus wird man nicht verhindern können, dass der Unternehmer die Ware vor Ablauf der Widerrufsfrist liefert. Der Verbraucher wird zwar die Ware ablehnen können, ohne in Annahmeverzug (§ 293 BGB) zu kommen; allerdings könnte er die schnelle Lieferung positiv bewerten und die Ware deshalb annehmen. Dadurch könnte jedoch ein wichtiger Aspekt der Lösung ausgehöhlt werden, weil wiederum verhaltensökonomisch belegte Hindernisse bezüglich eines Widerrufs (insbesondere endowment effect und Prokrastination) entstünden. Insoweit erscheint die Möglichkeit einer schwebenden Unwirksamkeit insgesamt nicht zielführend. 2. Bestätigungslösung zum Ausgleich von Verhaltensanomalien Genau entgegengesetzt zur schwebenden Unwirksamkeit verläuft der Ansatz der sogenannten Bestätigungslösung. Statt davon auszugehen, der Kaufvertrag sei zunächst unwirksam und werde durch den Ablauf der Widerrufsfrist ohne erfolgten Widerruf wirksam, soll bei der Bestätigungslösung der Kaufvertrag zunächst wirksam sein; bei Ablauf der Widerrufsfrist ohne zusätzliche Bestätigung des Kaufvertrages soll dann automatisch ein Widerruf angenommen werden bzw. der Vertrag nach Widerrufsvorschriften rückabgewickelt werden. Während der Widerruf in aktueller Ausgestaltung ein „opt out-System“ darstellt, läge bei der Bestätigungslösung ein „opt in-System“ vor. „Opt in-Systeme“ sind ein gängiges Mittel, um bestimmten verhaltensökonomisch belegten Effekten entgegenzuwirken. Gerade aufgrund von status quo bias und Prokrastination wird von konkreten Zuständen selten abgewichen. Das Festlegen dieses Grundzustands (default) hat folglich einen großen Einfluss darauf, ob nach einer Entscheidung weiterhin der Grundzustand oder ein anderer Zustand gegeben ist.167 Für Widerrufsrechte wird als Mittel zur Steigerung der Effektivität168 regelmäßig vorgeschlagen, dem Verbraucher eine 167

Vgl. Fleischer/Schmolke/Zimmer, in: Fleischer/Zimmer (Hrsg.), Beitrag der Verhaltensökonomie (Behavioral Economics) zum Handels- und Wirtschaftsrecht, 2011, S. 9 (28); Sibony/Alemanno, in: Alemanno/Sibony (Hrsg.), Nudge and the Law, 2015, S. 1 (14 ff.). Dazu, wie man die Ergebnisse der Verhaltensökonomik durch switching defaults, debiasing und rebiasing anwenden kann, Luth, Behavioural Economics in Consumer Policy, 2010, S. 77 ff.; siehe auch Korobkin/Ulen, 88 Cal. L. Rev. 1051, 1111 ff. (2000). Reisch/Oehler, VJH 3/78 (2009), 30 (35 f.), regen ein „[v]erbraucherfreundliches Setzen von Defaults“ an. 168 Eidenmüller, AcP 210 (2010), 67 (97), weist im Zusammenhang mit der Bestätigungslösung auf ein erhöhtes Opportunismuspotenzial hin: „Auch die Möglichkeiten und Anreize auf Kundenseite, Widerrufsrechte opportunistisch auszunutzen, würden ausgeweitet.“

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Teil 2: Implikationen der Verhaltensökonomik für das Spannungsverhältnis

Bestätigung des Vertrages bis zum Ende der Widerrufsfrist aufzubürden, wenn er am Vertrag festhalten möchte.169 Neben den schon angesprochenen Verhaltensweisen eines Verbrauchers, die sich allgemein negativ auf eine zustandsverändernde Entscheidung auswirken,170 könnten bei Widerrufsrechten noch andere Verhaltensanomalien ausgeglichen oder verringert werden:171 So wird vertreten, der endowment effect würde reduziert werden.172 Dies lässt sich damit begründen, dass der Verbraucher subjektiv eine geringere Bindung zu der Ware eingehen kann. Solange die Widerrufsfrist noch nicht abgelaufen ist, „gehört“ ihm die Ware nicht. Der reine Besitz dürfte sich dann – wie beispielsweise bei einer Leihe oder einer Verwahrung – nicht auf die Wertschätzung der Ware auswirken. Auch könnten Probleme der Dissonanzreduktion eingeschränkt werden.173 Zusätzlich müsste der Verbraucher in allen verfügbaren Optionen tätig werden (entweder Erklärung einer Bestätigung oder Rücksendung der Ware), sodass die omission-commission bias außer Kraft gesetzt werden könnte.174 Jedoch sprechen auch gewichtige Gründe gegen ein „opt in-System“ bzw. die Bestätigungslösung bei Widerrufsrechten. Hauptsächlich wird angeführt, es entstünden verglichen mit der aktuellen Regelungssystematik deutlich höhere Kosten.175 Bleibt die Zahl der widerrufenen bzw. nicht bestätigten Verträge gleich oder verringert sie sich,176 müsste viel häufiger Zeit oder Geld aufgewendet werden, um den Vertrag durch eine Bestätigung aufrecht zu erhalten.177 Würde sich die Anzahl hingegen erhöhen, müssten viel mehr Verträge rückabgewickelt werden und dafür (Versand-)Kosten aufgebracht werden. Die Steigerung der Widerrufsquote ist zwar gerade bezweckt; es ist jedoch zu befürchten, dass auch Verträge, die den Parteiinteressen entsprechen, nicht aktiv bestätigt werden und deshalb rückabgewickelt werden müssen.178 Dies könnte insbesondere dadurch befördert werden, dass im Zivilrecht das Schweigen selten eine Wirkung hat, die eine Rechtslage verändert bzw.

169 Eidenmüller, ERCL 2011, 1 (12); Franck, in: Riesenhuber (Hrsg.), Europäische Methodenlehre, 3. Aufl. 2015, § 5 Rdnr. 43; Hoeppner, 38 Eur. J. Law Econ. 247, 270 (2014); Luzak, 37 J. Consum. Policy 91, 108 (2014). 170 Vgl. schon Teil 2, II 2 b, S. 69 ff. 171 Allgemein dazu Eidenmüller, JZ 2005, 216 (222). 172 Luzak, 37 J. Consum. Policy 91, 108 (2014). 173 Dazu Eidenmüller, ERCL 2011, 1 (12); ders., AcP 210 (2010), 67 (97). 174 Luzak, 37 J. Consum. Policy 91, 103 (2014). 175 Eidenmüller, AcP 210 (2010), 67 (97). 176 Dies ist ja gerade das Ziel der Umstellung auf eine Bestätigungslösung. 177 Eidenmüller, ERCL 2011, 1 (12). 178 Man könnte deshalb den Unternehmer zusätzlich verpflichten, den Verbraucher bei dessen Untätigkeit nach Ablauf der Widerrufsfrist aktiv zu fragen, ob er wirklich am Vertrag nicht festhalten möchte. Hierdurch würden wiederum einige Kosten entstehen, die auf die Verbraucher umgelegt werden können.

III. Konsequenzen der (verhaltensökonomisch belegten) Ineffektivität

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Rechtsfolgen herbeiführt.179 So hat beispielsweise das Schweigen eines Kaufmanns gemäß § 362 HGB nur ausnahmsweise rechtsgestaltende Wirkung. Zudem gibt es die Grundsätze über das kaufmännische Bestätigungsschreiben, nach denen einem Schweigen eines Kaufmanns rechtsgestaltende Wirkung beigemessen wird. Allerdings geht es dabei gerade nicht um Verbraucher, weil diesen die Folgen eines Schweigens typischerweise nicht bekannt sein müssen.180 Bei der Bestätigungslösung soll aber durch ein Schweigen nicht nur eine Rechtslage verändert werden, sondern es sollen darüber hinaus sogar Pflichten entstehen: Der Verbraucher muss die Ware zurücksenden und eventuell Wertersatz leisten. Er erhält zwar unter Umständen auch einen Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises; aber der gesamte Rückabwicklungsvorgang bleibt kostenträchtig. Die im Zivilrecht unübliche Regelungssystematik muss sich zwangsläufig auch auf das Verständnis der Verbraucher auswirken. Daraus würde eine lange Eingewöhnungsphase für Verbraucher folgen, bis sie verstanden und verinnerlicht haben, dass Schweigen (negative) Auswirkungen haben kann. Unter diesen Gesichtspunkten erscheint auch eine Bestätigungslösung nicht erstrebenswert. 3. Auswirkungen und Ausgleich der Verhaltensanomalien im Rückgewährschuldverhältnis Es wurde gezeigt, dass das Widerrufsrecht als Verbraucherschutzinstrument nicht ohne Weiteres seinem eigenen Regelungsanspruch gerecht werden kann. Vorab wurde dargestellt, dass die Ausgestaltung des Rückgewährschuldverhältnisses sich negativ auf die Effektivität auswirken kann.181 Wenn man durch das Rückgewährschuldverhältnis die Effektivität reduzieren kann, könnte es auch möglich sein – aus einem anderen Blickwinkel –, die Effektivität zu erhöhen. Beispielsweise könnte man der Prokrastination entgegenwirken, indem man die Widerrufserklärung erleichtert oder die negativen Folgen der Erklärung verringert. Dabei stellt sich die Frage, ob man Verhaltensanomalien direkt entgegenwirken möchte. Wird untersucht, wie konkrete Regelungsmaterien ausgestaltet werden können, um dieses Ziel zu erreichen, befindet man sich schnell in der Diskussion um den zugrunde zu legenden Paternalismusbegriff.182 In Betracht kommt hier ein sanfter Paternalismus:

179 Siehe nur Schiemann, in: Beckmann (Hrsg.), Eckpfeiler des Zivilrechts, Neubearbeitung 2014, C. Rdnr. 19. 180 Siehe zu Sonderkonstellationen des sog. beredten Schweigens nur Busche, MünchKomm. BGB, 7. Aufl. 2015, § 147 Rdnr. 7. 181 Vgl. oben Teil 1, II 2, S. 22 ff. 182 Siehe zum Paternalismus nur H.-B. Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 5. Aufl. 2012, S. 116 ff.

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Teil 2: Implikationen der Verhaltensökonomik für das Spannungsverhältnis

Die Effektivität des Widerrufsrechts leidet unter den Verhaltensanomalien des Verbrauchers. Es könnte sich deshalb der Versuch anbieten, die Verhaltensanomalien gezielt zu verhindern oder abzumildern (sog. debiasing183). Überträgt man den Gedanken des Mindestschutzes der Effektivität auf die Verhaltensanomalien, könnte man eher dafür votieren, dass man kein aktives debiasing anwenden sollte, weil ansonsten ein Schutzniveau entstehen könnte, das über dem Mindeststandard liegt. Jedoch wird dieser Mindestschutz faktisch gerade nicht erreicht, weil das Widerrufsrecht selbst schon nicht umfassend effektiv ist. Insoweit kann das Effektivitätsniveau gehoben werden, ohne damit dem Grundgedanken des Mindestschutzniveaus zu widersprechen. Wenn man durch das Rückgewährschuldverhältnis nach Widerruf die Effektivität beeinflussen kann, sollte diese Chance wahrgenommen werden. Diesbezüglich wird später darzulegen sein, dass durch das Justieren bestimmter Komponenten im Rückabwicklungsverhältnis die Effektivität gesteigert bzw. (verhaltensökonomisch begründete) Einschränkungen der Effektivität verringert werden können. Weiterhin soll keine vertiefte Paternalismusdebatte stattfinden. Vielmehr ist zu erkennen, dass das Widerrufsrecht selbst einen Akt des Paternalismus darstellt:184 Der Verbraucher kann, weil er nicht vollends rational bei seiner Entscheidung ist, nur eine nicht-rationale Kaufentscheidung treffen. Durch das Widerrufsrecht soll dem Verbraucher die Rationalität der Entscheidung (im Nachhinein) ermöglicht werden. Das Widerrufsrecht an sich ist als Verbraucherschutzinstrument schon liberal paternalistisch.185 Der hier vorgeschlagene Weg der Förderung der Effektivität betrifft demnach nicht die ursprüngliche Entscheidung, paternalistisch einzugreifen,186 sondern nur die Feinheiten der Justierung. Insoweit entstehen auch Rückwirkungen auf den Ausgleich von Effektivität und Opportunismus. Man muss gerade bei dem Versuch, Opportunismus einzudämmen oder zu verhindern, besondere Vorsicht walten lassen. Der Verbraucher verhält sich nicht rational. Er unterliegt verschiedenen Verhaltensanomalien, die die Effektivität des Verbraucherschutzinstruments Widerrufsrecht verringern. Opportunismushindernde Maßnahmen müssen deshalb besonders sensibel auf mögliche Effektivitätseinbußen abgestimmt werden. 183

Hierzu eingehend Jolls/Sunstein, 35 J. Legal Stud. 199 ff. (2006); ausführlich auch Schmolke, Grenzen der Selbstbindung im Privatrecht, 2014, S. 228 f. 184 Siehe beispielsweise Blumenthal, 35 Fla. St. U. L. Rev., 1, 60 ff. (2007); Camerer et al., 151 U. Pa. L. Rev. 1211, 1224 ff. (2003); vgl. auch Schmolke, Grenzen der Selbstbindung im Privatrecht, 2014, S. 222. 185 Näher zum liberalen Paternalismus H.-B. Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 5. Aufl. 2012, S. 117; Eidenmüller, JZ 2011, 814 (814 ff.). 186 Siehe zu der Frage, wann wegen beschränkter Rationalität überhaupt eingegriffen werden soll, etwa Grundmann, in: Ackermann/Köndgen (Hrsg.), FS W.-H. Roth, 2015, S. 181 (194 f.).

IV. Möglichkeiten anreizorientierten Vorgehens

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Durch die Pflichten im Rückgewährschuldverhältnis dürfen die Verhaltensanomalien zumindest nicht verstärkt werden.187 Inwieweit es darüber hinaus möglich ist, mit dem Rückgewährschuldverhältnis die Effektivität zu befördern oder zumindest nicht einzuschränken, soll nachstehend an den konkreten Ausprägungen bei der Rückabwicklung untersucht werden.188

IV. Möglichkeiten anreizorientierten Vorgehens bei der Verhinderung von Opportunismus IV. Möglichkeiten anreizorientierten Vorgehens

Fraglich ist, wie man opportunistisches Verbraucherverhalten vermeiden kann. Dabei müssen Regelungen geschaffen werden, die den Verbraucher von diesen Verhaltensweisen abhalten können. Insoweit ist hier festzuhalten, dass man das Verhalten des opportunistisch agierenden Verbrauchers in einem gewissen Rahmen kalkulieren kann. Zwar wird man kaum auf einen abstrakten Unwertgehalt, der bei einem Verbrecher und einem opportunistischen Verbraucher gleichartig ist, abstellen und mit G. Becker189 davon ausgehen können, dass ein Akt des Verbrechens (bzw. hier: Opportunismus) rational berechnet wird.190 Aber die Grundannahme, es finde eine Kosten-Nutzen-Analyse auch bei Opportunismus statt, scheint vielen Äußerungen über opportunistisches Verhalten zugrunde zu liegen. So wird darauf hingewiesen, durch die Verbraucherrechte-RL würde opportunistischem Verhalten vorgebeugt, weil dem Verbraucher mehr Kosten (insbesondere für die Rücksendung) entstehen.191 Die Kosten müssen in eine Kosten-Nutzen-Analyse des Verbrauchers einbezogen werden, sodass bei gleichbleibendem Nutzen die Kosten im Vergleich zum alten Recht höher sind. Die Kosten-Nutzen-Analyse bei opportunistischem Verhalten verläuft nun häufiger zulasten des Nutzens. Nutzenmaximierung kann auch unter 187 In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, dass Unternehmer die Verhaltensanomalien gezielt ausnutzen (vgl. am Beispiel des Verbraucherkreditrechts Schmolke, Grenzen der Selbstbindung im Privatrecht, 2014, S. 825 ff.; siehe auch Bar-Gill, Seduction by contract, 2012, S. 2) und der Verbraucher dadurch schutzwürdiger ist. Vgl. zum Schaffen von widerrufshindernden Anreizen auch Tröger, Arbeitsteilung und Vertrag, 2012, S. 497. 188 Siehe unten Teil 3, S. 86 ff. 189 G. Becker, 76 J.P.E. 169, 176 (1968), formulierte, dass es einen rationalen Täter gibt, der eine Tat dann begeht, wenn der erwartete Nutzen der Tat den Nutzen übersteigt, der sich aus dem anderweitigen Einsatz seiner Zeit und Ressourcen ergibt; dazu Hinneburg, Prävention von Kriminalität im E-Commerce, 2006, S. 16 f. Der Ansatz erfuhr auch deutliche Kritik, vgl. Cornish/Clarke, in: Heal/Laycock (Hrsg.), Situational Crime Prevention, 1986, S. 1, (5 ff.). 190 Vgl. dazu instruktiv Wittig, Der rationale Verbrecher, 1993, S. 105 ff.; Englerth, Der beschränkt rationale Verbrecher, 2010, S. 81 ff. 191 Vgl. nur Eidenmüller, AcP 210 (2010), 67 (100); Posselt/Radić/Tammen, Z. Betriebswirtsch. 80 (2010), 841 (847); siehe auch Rekaiti/van den Bergh, 23 J. Consum. Policy 371, 381 (2000).

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Teil 2: Implikationen der Verhaltensökonomik für das Spannungsverhältnis

Zuhilfenahme von List durchaus rational sein.192 Gerade bei Verbrauchern wird oftmals von einer eher rationalen Entscheidung zum opportunistischen Handeln ausgegangen.193 Es ist gerade „rational, wenn der Verbraucher die ihm gebotenen Möglichkeiten zum Widerruf extensiv nutzt“.194 Gleichzeitig ist der opportunistisch handelnde Verbraucher, wenn auch nicht vollends rational, so doch jedenfalls rationaler als der normale Verbraucher. Er unterliegt schon in vielen Fällen nicht bestimmten Verhaltensanomalien. Insbesondere bei ex ante-opportunistischem Verhalten wird ein Verbraucher, wenn er von Beginn an plant, die Ware nicht zu behalten (vor allem bei der faktischen Leihe), keinem endowment effect unterliegen – zumindest nicht in gleichem Maß wie ein normaler Verbraucher, da er niemals das Gefühl haben wird, ihm gehöre die Ware.195 Auch kognitive Dissonanzen werden deutlich seltener auftreten, was sich insbesondere am invited in-home selling zeigt, wo die positive Einstellung gegenüber dem Unternehmer und seiner Präsentation den Verbraucher nicht von einem Widerruf abhalten dürfte.196 Die Entscheidung zum Widerruf kann schon vor der Bestellung der Ware vorbestimmt und festgelegt sein, sodass sich später entstehende, verhaltensökonomisch belegte Effekte nicht auf die längst getroffene Widerrufsentscheidung auswirken können. Die geringere Rationalitätsabweichung bei opportunistisch agierenden Verbrauchern hat zwei interessante Auswirkungen: Einerseits sind die Verhaltensanomalien, denen normale Verbraucher unterliegen, bei opportunistisch agierenden Verbrauchern deutlich seltener vorhanden, was zu einer Effektivitätsproblematik führt. Versucht man nämlich Regelungen im Rückgewährschuldverhältnis zu treffen, die Opportunismus vermeiden, können sich diese Einschränkungen aufgrund von Verhaltensanomalien für normale Verbraucher multiplizieren.197 Andererseits lässt sich aber auch besser voraussagen, wie sich konkrete Regelungen (im Rückgewährschuldverhältnis) auf den opportunistischen Verbraucher auswirken. Diese Erkenntnisse müssen für die folgende Untersuchung fruchtbar gemacht werden.

192

Siehe hierzu instruktiv Pietsch, 3 NeuroPsychoEconomics 20 ff. (2008). Fan et al., I.J.C.S.S. 185, 187 (2012). 194 Dinges, Das Spannungsverhältnis zwischen Verbraucherschutz und Unternehmerrechten, 2014, S. 118, in Bezug auf die Bestellung einer Ware in mehreren Größen bei gleichzeitiger Absicht, bestimmte Größen wieder zurückzuschicken; vgl. schon Borges, DB 2005, 319 (320); mit ähnlicher Wertung auch Harris/Daunt, [2011] 27 J.M.M. 834, 835. 195 Zu den Auswirkungen mancher hier genannter Verhaltensanomalien (z.B. Verlustaversion) auf kriminelles Verhalten (z.B. Unfallflucht): Englerth, Der beschränkt rationale Verbrecher, 2010, S. 250 ff. 196 Siehe dazu bezüglich des normalen Verbrauchers schon Teil 1, I 2 b, S. 16 ff. 197 Zur Problematik der Rücksendekosten später Teil 3, II 2 a aa (3), S. 110 ff. 193

V. Optionales Widerrufsrecht bei Fernabsatzgeschäften

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V. Optionales Widerrufsrecht bei Fernabsatzgeschäften V. Optionales Widerrufsrecht bei Fernabsatzgeschäften

Häufig wird dafür votiert, das Widerrufsrecht bei Fernabsatzgeschäften optional auszugestalten, sodass der Verbraucher selbst vor Vertragsschluss entscheiden kann, ob er das Verbraucherschutzinstrument benötigt.198 Dies würde demnach faktisch bedeuten, dass bei Teilen der Fernabsatzgeschäfte kein Widerrufsrecht besteht. Hergeleitet wird der Gedanke eines optionalen Widerrufsrechts unter anderem aus dem Sinn und Zweck der Gewährung des Widerrufsrechts bei Fernabsatzverträgen. So sei keine Notwendigkeit für ein Widerrufsrecht vorhanden, wenn der Verbraucher die Ware schon vor dem Abschluss des Fernabsatzvertrages hinreichend kennt und somit keine Informationsasymmetrie vorliegt. In solchen Fällen hätten alle Beteiligten ein Interesse daran, dass ein Widerrufsrecht nicht gewährt wird. Ein Verbraucher kann ein Interesse daran haben, gegen einen Preisnachlass das Widerrufsrecht abzuwählen,199 wenn er die Ware schon kennt.200 Gleichzeitig sind Unternehmer und alle anderen Verbraucher daran interessiert, dass nur die Verbraucher geschützt werden, die den Schutz auch benötigen. Der Unternehmer trägt bei Kaufverträgen ohne Widerrufsrecht deutlich weniger Transaktionskosten, und er hat keine Unsicherheit bezüglich des (auch zukünftigen) Bestehens des Vertrages. Die übrigen Verbraucher müssen so nicht das Widerrufsrecht eines schutzunwürdigen Verbrauchers quersubventionieren und können auf einen geringeren Preis hoffen.201 Auch

198 Wagner, Erasmus Law Review 3 (2010), 47 (59); ders., in: Eidenmüller et al. (Hrsg.), Revision des Verbraucher-acquis, 2011, S. 1 (27 ff.); M. Weller, in: Schmidt-Kessel (Hrsg.), GEK-E Kommentar, 2014, vor Art. 40 ff. Rdnr. 6; Eidenmüller et al., JZ 2012, 269 (278); Eidenmüller, in: ders. et al. (Hrsg.), Revision des Verbraucher-acquis, 2011, S. 109 (131 ff.); Jansen, Revision des Verbraucher-Acquis?, 2012, S. 42; Ben-Shahar/E. Posner, 40 J. Legal Stud. 115, 144 (2011); Karampatzos, in: Hopt/Tzouganatos (Hrsg.), Das Europäische Wirtschaftsrecht vor neuen Herausforderungen, 2014, S. 205 (216 ff.); a.A. Hörmann, Der Internethandel und die neue Richtlinie über die Rechte der Verbraucher, 2014, S. 244 ff. 199 Insofern wird hier von einer „opt out-Variante“ gesprochen. Denkbar wäre auch, dem Verbraucher beide Optionen als gleichwertig zu präsentieren; vgl. Luzak, 37 J. Consum. Policy 91, 106 (2014). Vgl. grundlegend zu Optionsmodellen Bachmann, JZ 2008, 11 ff. 200 Heiderhoff, in: Drygala et al. (Hrsg.), Private Autonomy in Germany and Poland and in the Common European Sales Law, 2012, S. 77 (88); Wendehorst, in: Schumann (Hrsg.), Das erziehende Gesetz, 2014, S. 113 (129). Ein Interesse soll auch bestehen können, wenn der Verbraucher die Ware nicht kennt, Luzak, 37 J. Consum. Policy 91, 107 (2014). 201 Vgl. zur Herleitung M. Weller, in: Schmidt-Kessel (Hrsg.), Ein einheitliches Europäisches Kaufrecht?, 2012, S. 147 (177); Smits, 29 Penn St. Int'l. L. Rev. 671, 683 (2010); Eidenmüller, ERCL 2011, 1 (11 ff.), insbesondere auch mit ökonomischen Gedanken und weiteren Argumenten auf S. 20 ff.

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Teil 2: Implikationen der Verhaltensökonomik für das Spannungsverhältnis

wenn ein Verbraucher das Widerrufsrecht abwählt, habe er andere Rechte (z.B. bei Vorliegen eines Mangels), die ihn ausreichend schützen.202 Einer solchen, zunächst überzeugend wirkenden, Sichtweise sind jedoch gewichtige Argumente entgegenzuhalten, die aus den vorstehenden Erwägungen stammen und die Diskussion um ein optionales Widerrufsrecht anreichern sollen. Dazu wird im Folgenden nun zunächst gezeigt, wie sich die Berücksichtigung von Erkenntnissen der Verhaltensökonomik auf die Fragestellungen auswirkt (1). Zudem wird dargestellt, dass durch ein optionales Widerrufsrecht opportunistische Verhaltensweisen im stationären Handel (2) sowie im Onlinehandel attraktiver werden können (3). 1. Verhaltensökonomische Aspekte Aus einer psychologischen Perspektive sollte dem Verbraucher die Wahl, ob er ein Widerrufsrecht möchte oder nicht, nicht überlassen werden. Dies ergibt sich daraus, dass Aspekte mangelnder Rationalität in zweierlei Hinsicht negativ hervortreten könnten, wenn der Verbraucher eine solche Wahl hätte. Einerseits kann der Verbraucher auch bei Fernabsatzverträgen überhastete Kaufentscheidungen getroffen haben, was der Richtliniengeber mittlerweile anerkennt.203 In solchen Konstellationen könnte auch eine Entscheidung des Verbrauchers darüber, ob er ein Widerrufsrecht benötigt, nicht völlig rational ausfallen. Der Verbraucher wäre dann völlig schutzlos. Andererseits kann der Verbraucher in bestimmten Situationen bei Vertragsschluss wissen, ob er die Ware ausreichend kennt oder nicht. Der Verbraucher hat typischerweise Gründe dafür, ein konkretes Produkt kaufen zu wollen. Oftmals wird er sich über Produkte erkundigt haben, oder er hat anderweitig positive Informationen erhalten. Der Verbraucher ist allerdings oftmals sehr und sogar übermäßig zuversichtlich hinsichtlich seiner (Einschätzungs-)Fähigkeiten (over-confidence bias).204 Insoweit könnte er überschätzen, wie gut er das Produkt kennt. Gleichzeitig kann der niedrigere Preis der Ware ein großer Anreiz sein, von einem Widerrufsrecht abzusehen. Ein Lerneffekt des Verbrauchers dahingehend, dass er nach einem enttäuschenden Kauf ohne Widerrufsrecht in Zukunft eher mit Widerrufsrecht einkauft, würde wohl nicht eintreten. Der Verbraucher müsste sich dafür nämlich eingestehen, dass seine Einschätzung, die Ware hinreichend zu kennen, falsch war. Das Eingeständnis, eine

202 Heiderhoff, in: Drygala et al. (Hrsg.), Private Autonomy in Germany and Poland and in the Common European Sales Law, 2012, S. 77 (88). 203 Näher dazu Teil 1, I 2 a, S. 9 ff. 204 Näher dazu Sutherland, Irrationality, 2007, S. 172 ff.; vgl. auch zur over-confidence bias Korobkin/Ulen, 88 Cal. L. Rev. 1051, 1091 ff. (2000); Zöchling-Jud, AcP 212 (2012), 550 (564 ff.); M. Weller, in: Schmidt-Kessel (Hrsg.), Ein einheitliches Europäisches Kaufrecht?, 2012, S. 147 (177).

V. Optionales Widerrufsrecht bei Fernabsatzgeschäften

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falsche Entscheidung getroffen zu haben, widerstrebt dem Verbraucher allerdings häufig.205 2. Erhöhtes Vorkommen von showrooming Man kann nur für die Möglichkeit des Abwählens des Widerrufsrechts votieren, wenn man davon ausgeht, dass bei dem konkreten Geschäft keine Informationsasymmetrien bestehen. Daran knüpft die Frage an, wieso im konkreten Fall diese Asymmetrien nicht vorliegen sollten. Der Richtliniengeber geht zu Recht davon aus, bei Fernabsatzgeschäften reiche es nicht aus, dass der Verbraucher sich über Rezensionen, Bilder o.Ä. über die Ware informieren könne, um Informationsdefizite zu beseitigen.206 Nach dem aktuellen Stand der Technik ist es nicht möglich, die Ware vor Lieferung haptisch oder olfaktorisch wahrzunehmen.207 Auch ist keineswegs sicher, dass möglicherweise zur Verfügung gestellte Bilder der Ware einen der Realität entsprechenden Eindruck vermitteln. Um diese Informationsasymmetrie aufzuheben, müsste der Verbraucher die Ware austesten, bevor er sie im Fernabsatz erwirbt. Dies kann jedoch nicht Sinn des Fernabsatzhandels sein.208 Es gibt mehrere Möglichkeiten, wie ein Verbraucher die Ware persönlich begutachten kann. Er kann sie bei Freunden sehen, er kann sie sich schon einmal ausgeliehen haben (z.B. Werkzeug) oder er kann gezielt im stationären Einzelhandel nach der Ware suchen und sie dort testen. Die letztgenannte Möglichkeit sollte vermieden werden, um den stationären Handel nicht weiter zu schwächen.209 Der Vorteil eines showrooming-Vorgehens wird für den Verbraucher immer leichter und erstrebenswerter. Die Vorstellung, dass ein Verbraucher mit einem Smartphone in den stationären Handel geht und sich die Ware vor Ort online bei einem anderen Unternehmer günstig bestellt und nach Hause liefern lässt, ist keineswegs abwegig. Kann er den Preis im Onlinehandel noch verringern, indem er auf sein Widerrufsrecht verzichtet, wird sein Verhalten ökonomisch gesehen noch nachvollziehbarer. Folglich würde man durch ein optionales Widerrufsrecht zusätzliche Anreize für showrooming setzen.

205

Näher zu Dissonanzreduktionen Teil 2, II 2 a bb, S. 59 ff. Siehe zu den verbraucherbezogenen Zwecken des Widerrufsrechts bei Fernabsatzverträgen ausführlich Teil 1, I 2 a, S. 9 ff. 207 Siehe zu technischen Fortschritten in diesem Zusammenhang etwa Kawakami/Goanta, in: Samoy/Loos (Hrsg.), Information and Notification Duties, 2015, S. 157 (180). 208 Es wird entgegen dieser Einschätzung teilweise sogar in Erwägung gezogen, die Verbraucher zu bevorteilen, die sich vor dem Kauf besser informieren, z.B. durch längere Widerrufsfristen, vgl. Luzak, 37 J. Consum. Policy 91, 106 (2014). 209 Vgl. schon oben Teil 1, III 2 b bb, S. 37 ff. Heiderhoff, in: Drygala et al. (Hrsg.), Private Autonomy in Germany and Poland and in the Common European Sales Law, 2012, S. 77 (88), sieht jedoch in diesem Vorgehen gerade den Grund dafür, ein optionales Widerrufsrecht anzubieten. 206

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Teil 2: Implikationen der Verhaltensökonomik für das Spannungsverhältnis

Man kann in Betracht ziehen, dass eine Entwicklung des stationären Einzelhandels – unabhängig von optionalen Widerrufsrechten – zu einem showroom nicht unwahrscheinlich ist. Bei solchen Zukunftsprognosen würde der Einzelhandel aber gezielt eine solche Entwicklung vornehmen und der Umsatz würde gerade daraus entstehen, dass man ein Multi-Channel-Verkaufssystem betreibt. Mit einer Stärkung des Onlinehandels geht zwar immer eine Schwächung des stationären Handels einher (soweit es um Produkte geht, die auf beiden Märkten angeboten werden). Durch ein optionales Widerrufsrecht würde aber eine Möglichkeit geschaffen, den stationären Handel über das notwendige Maß hinaus zu schwächen, indem die Attraktivität von showrooming erhöht wird. 3. Gefahr von Opportunismus zulasten des Fernabsatzes Eine weitere Möglichkeit, wie der Verbraucher die Ware begutachten kann, ist, die Ware zunächst mit Widerrufsrecht zu kaufen, sie dann auszutesten und zurückzusenden. Daraufhin kann er – auch bei einem anderen Anbieter – die Ware ohne Widerrufsrecht bestellen.210 Es wird argumentiert, dass ein solches opportunistisches Verhalten nur dann Sinn ergeben würde, wenn die Differenz der Preise in den verschiedenen Varianten relativ groß wäre; dies würde allerdings durch die Marktkräfte verhindert.211 Diese Sichtweise lässt jedoch unbeachtet, dass die Preise und auch Rückabwicklungsregime verschiedener Unternehmer divergieren. Unternehmer hätten deutlich weniger Anreize, das Rückgewährschuldverhältnis über das gesetzlich Gebotene hinaus zugunsten des Verbrauchers auszugestalten, weil so die Gefahr entstünde, dass man Verbrauchern die Gelegenheit gäbe, sich opportunistisch zu verhalten: Bietet ein Unternehmer eine für den Verbraucher komplett kostenlose Rückabwicklung an und ein anderer Unternehmer einen sehr günstigen Preis ohne Widerrufsrecht für das gleiche Produkt, liegt opportunistisches Verbraucherverhalten nicht fern. Fraglich ist trotzdem, ob die Differenz der Preise die Nachteile dieses Vorgehens für den Verbraucher überwiegt. Der Verbraucher muss meistens die zuerst gekaufte Ware zur Post bringen bzw. zumindest die Rücklieferung organisieren. Darüber hinaus muss er oftmals für die Rücksendung zahlen,212 wodurch der Vorteil opportunistischen Handelns deutlich verringert wird. Zudem muss der Verbraucher eine gewisse Wartezeit (hinsichtlich der Lieferung der zweiten Ware) einplanen, die ihn stören kann, zumal er die Ware, die er „haben möchte“, vor dem Widerruf bereits im Besitz hat. 210

Eidenmüller, ERCL 2011, 1 (12); ders., AcP 210 (2010), 67 (79). Eidenmüller, ERCL 2011, 1 (12); ders., AcP 210 (2010), 67 (79); Karampatzos, in: Hopt/Tzouganatos (Hrsg.), Das Europäische Wirtschaftsrecht vor neuen Herausforderungen, 2014, S. 205 (217). 212 Siehe zum geltenden Recht noch Teil 3, II 1 a bb, S. 101 f. und zu Gedanken de lege ferenda etwa Teil 3, II 5 c, S. 160 f. 211

VI. Resümee

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Demnach ist die Gefahr von opportunistischem Verbraucherverhalten grundsätzlich gegeben, allerdings nicht in einem Ausmaß, das entscheidend gegen ein optionales Widerrufsrecht bei Fernabsatzverträgen spricht. 4. Ergebnis Es ist durchaus zweifelhaft, ob das Widerrufsrecht im Fernabsatz als ein optionales Recht ausgestaltet werden sollte. Die Diskussion sollte um bisher so noch nicht ausgeführte Aspekte (showrooming, Opportunismusgefahr und psychologische Hintergründe) erweitert werden. Gerade der Anreiz für den Verbraucher, den stationären Handel auszunutzen, und verhaltensökonomische Aspekte sprechen dabei gegen eine Entwicklung hin zu einem optionalen Widerrufsrecht de lege ferenda.

VI. Resümee VI. Resümee

Erkenntnisse der Verhaltensökonomik sind für die vorliegende Untersuchung in mehrfacher Hinsicht relevant. So kann mit der Verhaltensökonomik nachvollzogen werden, inwiefern Verbraucher grundlegend von einem Widerruf abgehalten werden. Dies gilt es zugunsten der Effektivität zu vermeiden. Gleichwohl unterliegen opportunistische Verbraucher nicht gleichermaßen den Verhaltensanomalien. Man muss demnach bei der Bekämpfung von Opportunismus im Rückgewährschuldverhältnis darauf achten, die ohnehin verringerte Effektivität nicht noch empfindlicher zu beschränken. Gleichzeitig kann man versuchen, Regelungen zu finden, die dem – ansatzweise vorhersehbaren – opportunistischen Verbraucherverhalten entgegen wirken.

Teil 3:

Das Rückgewährschuldverhältnis nach Widerruf im Lichte des Spannungsverhältnisses von Opportunismus und Effektivität Anhand der bisher erzielten Erkenntnisse wird nun untersucht, ob die Rechte und Pflichten im Rückgewährschuldverhältnis zweckmäßig im Spannungsverhältnis zwischen Opportunismus und Effektivität des Widerrufsrechts positioniert und austariert sind. Dabei soll für einzelne Regelungsaspekte jeweils eine Einführung in die Grundzüge der harmonisierten deutschen Rechtslage erfolgen, eine tiefergehende Analyse der Effektivitätgewährleistung der Regelungen stattfinden und das Opportunismuspotenzial dargelegt und untersucht werden. Sofern Verbesserungsbedarf besteht, werden dann Vorschläge gemacht, wie die Rechte und Pflichten zukünftig besser im Spannungsverhältnis ausgerichtet werden könnten. Dabei beziehen sich die Vorschläge nicht primär auf eine Umsetzung durch den nationalen Gesetzgeber, sondern regen verbesserte Regelungen auf europäischer Ebene an. Nach einer Auseinandersetzung mit der Ausgestaltung der Rücksendeverpflichtung hinsichtlich der Ware (I) wird untersucht, wer die Kosten sowohl für die Hin- als auch die Rücksendung und die Transportgefahr bei der Rücksendung trägt und tragen sollte (II). Danach erfolgt eine Auseinandersetzung mit der Reihenfolge der Leistungsverpflichtungen im Rückgewährschuldverhältnis (III). Daran anknüpfend werden Wertersatzansprüche wegen des Wertverlusts der Ware (IV) und Ansprüche auf Nutzungsherausgabe und -ersatz (V) untersucht. Es folgt eine kurze Darstellung möglicher Aufwendungsersatzansprüche des Verbrauchers gegen den Unternehmer (VI). Abschließend werden die vorangegangenen Ausführungen zusammengefasst, um darauf aufbauend den Vorschlag eines „beweglich(er)en Systems“ der Rechtsfolgen des Widerrufs zu unterbreiten (VII).

I. Rücksendung der Ware

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I. Rücksendung der Ware I. Rücksendung der Ware

Zunächst werden die Regelungen zur Rücksendung der Ware untersucht. Zumindest die Rückgabepflicht hinsichtlich einer Sache findet sich in allen Rückgewährschuldverhältnissen des deutschen Zivilrechts, wenn das ursprüngliche Schuldverhältnis die Übereignung bzw. Übergabe einer Sache beinhaltete.1 1. Grundzüge der Rechtslage Der Verbraucher muss die Ware nach Widerruf grundsätzlich zurücksenden, wenn er sie schon erhalten hat, §§ 355 Abs. 3, 357 Abs. 1 BGB (Umsetzung von Art. 14 Abs. 1 Unterabs. 1 Satz 1 Verbraucherrechte-RL). Es handelt sich insoweit um eine Schickschuld des Verbrauchers i.S.d. § 269 BGB. Der Verbraucher kann die Ware zudem überobligatorisch zum Unternehmer bringen.2 Eine Ausnahme von der Rücksendeverpflichtung liegt vor, wenn bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen, bei denen die Waren zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses zur Wohnung des Verbrauchers geliefert worden sind, die Waren so beschaffen sind, dass sie normalerweise nicht per Post zurückgesendet werden können.3 In solchen Fällen muss der Unternehmer die Ware abholen, § 357 Abs. 6 Satz 3 BGB (Umsetzung von Art. 14 Abs. 1 Unterabs. 3 Verbraucherrechte-RL). Auch wenn der Unternehmer anbietet, die Ware abzuholen, ist der Verbraucher nicht verpflichtet, die empfangene Ware zurückzusenden, § 357 Abs. 5 BGB (Umsetzung von Art. 14 Abs. 1 Unterabs. 1 Satz 1 Verbraucherrechte-RL a.E.). 2. Gefährdung der Effektivität des Widerrufsrechts? Nunmehr wird dargestellt, wie sich die Verpflichtung zur Rücksendung allgemein (a) und bei fehlender Möglichkeit des Postversands (b) sowie die Verpflichtung zum Abbau der Ware, die der Rücksendung teilweise vorgeschaltet ist (c), negativ auf die Effektivität auswirken können.

1 So beispielsweise im Kaufrecht nach Rücktritt (§ 346 Abs. 1 i.V.m. § 437 Nr. 2 BGB) oder im Mietrecht nach Kündigung (§ 546 BGB). 2 Dies ergibt sich auch aus Art. 14 Abs. 1 Unterabs. 1 Verbraucherrechte-RL, der – unabhängig von der Variante einer Abholung durch den Unternehmer – dem Verbraucher eine Rücksendung oder eine Übergabe der Ware zugesteht, dazu auch BeckOK-BGB/MüllerChristmann, 37. Ed. Stand: 01.11.2015, § 357 Rdnr. 10; siehe zur Möglichkeit der Rückgabe im Ladengeschäft bei dualer Vertriebsstruktur im Versandhandel gekaufter Ware Klocke, VuR 2013, 377 ff. 3 Näher dazu Teil 3, I 2 b, S. 88 f.

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Teil 3: Das Rückgewährschuldverhältnis nach Widerruf

a) Generelles Problem des vom Verbraucher zu erbringenden Aufwands Man könnte in Erwägung ziehen, dass der Verbraucher die Mühe scheut, Ware zum Briefkasten oder zur Post zu bringen und deshalb auf einen Widerruf verzichtet, damit dahingehende Verpflichtungen zur Rücksendung der Ware nicht entstehen. Allerdings dürfte es sich hier um Sonderkonstellationen handeln, die keine Anpassung der Regelung für die gesamte Verbrauchergemeinschaft rechtfertigen können. Geringe Einschränkungen der Effektivität des Widerrufsrechts, die bei besonders trägen Menschen oder Personen fortgeschrittenen Alters tatsächlich schon aufgrund des notwendigen Gangs zur Post eintreten können, sind hinzunehmen.4 Zudem würde eine Abholung generell aller Waren beim Verbraucher einen logistischen Aufwand bedeuten, den ein Unternehmer grundsätzlich – und insbesondere im grenzüberschreitenden Handel – nicht leisten können wird, ohne entsprechende Kosten auf die Gesamtheit der Verbraucher umzuwälzen. b) Effektivität bei fehlender Möglichkeit des Postversands Nunmehr wird untersucht, ob bei den verschiedenen Möglichkeiten der Rückgabe der Ware ein interessengerechter Mittelweg gefunden wurde. Der Unternehmer muss die Ware grundsätzlich nicht beim Verbraucher abholen, und der Verbraucher muss die Ware nicht zum Unternehmer bringen. Eine Abweichung von diesem Grundsatz könnte allerdings gerechtfertigt sein, wenn der Unternehmer nicht schutzwürdig ist – etwa, weil er den Verbraucher mit dem Abschluss eines Kaufvertrages überrumpelt hat und der Verbraucher die gekaufte Ware nicht ohne hohe Kosten und entsprechenden (Arbeits-)Aufwand zurücksenden kann. Eine dahingehende Ausnahme besteht bei bestimmten außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen. Gemäß § 357 Abs. 6 Satz 3 BGB muss der Unternehmer die Ware auf eigene Kosten vom Verbraucher abholen, wenn die Ware so beschaffen ist, dass sie nicht per Post zurückgesendet werden kann und schon bei Vertragsschluss zur Wohnung des Verbrauchers geliefert wurde.5 Durch diese Regelung soll die Effektivität des Widerrufsrechts hergestellt werden. Für den Verbraucher kann die Rücksendung nämlich ein „gravierendes Hemmnis“6 hinsichtlich eines Widerrufs sein, wenn

4 Bei Personen fortgeschrittenen Alters ist dies allerdings deshalb misslich, weil sie unter Umständen von dem technischen Umfeld der Bestellung im Fernabsatz eher überfordert sind und bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen häufiger tatsächlich „überrumpelt“ sein dürften. Eine abweichende Regelung für solche Verbraucher dürfte allerdings praktisch kaum durchsetzbar sein. Die Einschränkungen der Effektivität können durch Abholdienste (beispielsweise der Paketkasten des Unternehmens DHL) verringert werden. 5 Siehe zu den Tatbestandsmerkmalen sogleich näher unter Teil 3, I 2 b bb, S. 89 ff. 6 Kolba/Leupold, Das neue Verbraucherrecht, 2014, S. 130.

I. Rücksendung der Ware

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er Waren, die nicht mit der Post zurückgesendet werden können, (kostenintensiv) zurücksenden muss. aa) Probleme aufgrund von Dissonanzreduktion Die Situation, die sich zunächst positiv darstellt, ist bei genauerem Hinsehen für den Verbraucher nicht mehr uneingeschränkt vorteilhaft. Er muss schon für eine Widerrufsentscheidung die Reduktion von Dissonanzen überwinden.7 Dabei kann es eine große Rolle spielen, dass der Verbraucher sich eingesteht, überrumpelt worden zu sein. Er müsste sich bewusst werden, dass die Vermarktungstaktik des Unternehmers funktioniert und er deshalb eine Ware gekauft hat, die er unter anderen Umständen möglicherweise nicht erworben hätte. Im Gegensatz zum Fernabsatz ist hier eine genuin persönliche Komponente zu erkennen. Der Verbraucher hatte persönlichen Kontakt mit einer dem Unternehmer zugehörigen Person. Zu dieser Person hat er innerhalb kürzester Zeit eine „Bindung“ aufgebaut, die ihn unter Aspekten der Dissonanzreduktion davon abhält, den Widerruf auszuüben. Der Verbraucher wird in derartigen Konstellationen „genötigt“, mit einer weiteren dem Unternehmer zuzuordnenden Person unmittelbar in Kontakt zu treten.8 Bei dem Verbraucher kann schon das Gefühl vorhanden sein, die beratende Person durch seinen Widerruf zu „hintergehen“ und ihren Arbeitsaufwand hinfällig zu machen. Dies muss er noch einmal im persönlichen Kontakt aufarbeiten. Dadurch könnte die Widerrufsentscheidung auch negativ beeinflusst werden. Zwar kann es somit der Fall sein, dass der Verbraucher weitere persönliche Kontakte scheut. Dieses Hindernis wird aber durch den monetären Vorteil, den er durch die Abholung erlangt, aufgewogen. Zudem steht es dem Verbraucher weiterhin jederzeit zu, die Ware dem Unternehmer selbst zu überbringen bzw. zur Vermeidung persönlicher Kontakte eine Speditionsfirma mit dem Rücktransport zu beauftragen. Darüber hinaus ist zu vermuten, dass der spätere persönliche Kontakt nicht mit der Person erfolgt, die eine Überrumpelungssituation geschaffen hat. Folglich bestehen keine schwerwiegenden Probleme aufgrund der Dissonanzreduktion bei der Abholung der Ware. Der Verbraucher wird umfassend geschützt. bb) Die Tatbestandsmerkmale des § 357 Abs. 6 Satz 3 BGB Je eher die Gesetzeslage dazu führt, dass der Unternehmer die Ware abholen muss, desto mehr wird die Effektivität des Widerrufsrechts befördert, weil der Verbraucher weniger Hindernisse hinsichtlich des Widerrufs hat. Im Folgenden soll nun untersucht werden, wann genau der Unternehmer zur Abholung 7

Siehe dazu oben Teil 2, II 2 a bb, S. 59 ff. Dies gilt nur, sofern der Unternehmer die Ware selbst abholt, was das Gesetz so zunächst vorsieht. 8

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Teil 3: Das Rückgewährschuldverhältnis nach Widerruf

verpflichtet ist, und ob die zugrunde gelegten Wertungen eine umfassende Verbesserung der Effektivität des Widerrufsrechts hervorrufen. (1) Verbesserung der Effektivität aufgrund der Möglichkeit einer engen Auslegung des Begriffes „Post“ Es stellt sich die Frage, wie die Formulierung in § 357 Abs. 6 Satz 3 BGB zu verstehen ist, die Ware könne „nicht per Post zurückgesandt werden“. Es handelt sich dabei um eine neuartige Formulierung in diesem Zusammenhang. Bisher war der Verbraucher gemäß § 357 Abs. 2 Satz 1 BGB (i.F.v. 2002) generell nicht zur Rücksendung verpflichtet, wenn die Sache nicht „durch Paket“ versandt werden konnte. Bekannt war auch schon der Ausschluss des Widerrufsrechts gemäß § 312d Abs. 4 Nr. 1 Var. 3 BGB (i.F.v. 2002) (Umsetzung von Art. 6 Abs. 3 Fernabsatz-RL), wenn die Ware aufgrund ihrer Beschaffenheit nicht für die Rücksendung geeignet war. Davon wurde auch eine faktische, den Versand betreffende Ebene erfasst. Beispielsweise wurde von der Vorschrift Heizöl erfasst, das sich mit anderem Heizöl vermischt hat und deshalb in der gelieferten „Form“ nicht mehr versandt werden konnte.9 Nunmehr wird auf die Eignung zur Rücksendung „per Post“ abgestellt, was als eine Einschränkung der generell fehlenden Eignung zur Rücksendung zu verstehen ist. Dabei stellt sich die Frage, ob Pakete auch von dem Versand „per Post“ erfasst sind, oder ob nur Briefe und Umschläge zur Versendung „per Post“ geeignet sind, die in einen üblichen Briefkasten passen. Je enger man den Begriff „Post“ auslegt, desto eher wird der einzelne Verbraucher begünstigt. Zwar handelt es sich bei der neuen Regelung um eine Einschränkung der Formulierung, die in § 312d Abs. 4 Nr. 1 Var. 3 BGB (i.F.v. 2002) zu finden war. Diese Einschränkung ist aber auf der faktischen Ebene zu verorten. Während das Widerrufsrecht nach § 312d Abs. 4 Nr. 1 Var. 3 BGB (i.F.v. 2002) auch bei Waren, die von der Größe zwar in einem Paket versandt werden konnten, aber trotzdem nicht zur Rücksendung geeignet waren, wie gebrauchte Erotikartikel,10 ausgeschlossen war, gilt die Einschränkung des § 357 Abs. 6 Satz 3 BGB nur für Waren, die tatsächlich nicht verschickt werden können. Kann der Verbraucher die Ware nicht mehr zurückschicken, muss daran eine besondere Rechtsfolge geknüpft werden. Solange er aber in der Lage ist, die Ware zu verschicken – auch in Form eines Pakets – besteht keine Notwendigkeit, eine Abweichung von seinen üblichen Pflichten vorzusehen. Dies spricht schon dafür, das Verständnis von § 357 Abs. 6 Satz 3 BGB an § 357 Abs. 2 Satz 1 BGB (i.F.v. 2002) anzunähern. Die Erwägungsgründe zur Verbraucherrechte-RL und die Bundestagsdrucksachen geben kaum Anhaltspunkte für die Auslegung der Formulierung „per 9

Vgl. Wendehorst, MünchKomm. BGB, 6. Aufl. 2012, § 312d Rdnr. 25. Vgl. nur R. Becker/Föhlisch, NJW 2005, 3377 (3379).

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I. Rücksendung der Ware

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Post“. Fraglich ist, inwieweit man die Formulierung der Bundesregierung im Gesetzentwurf zur Umsetzung der Verbraucherrechte-RL, es gehe hierbei um Waren, „die so beschaffen [sind], dass sie normalerweise nicht per Post zurückgesendet werden [können]“,11 für die Auslegung fruchtbar machen kann. Aus dem Wort „normalerweise“ lässt sich folgern, Ware könne nur dann per Post versendet werden, wenn dies nicht unter „außergewöhnlichen Bedingungen“, wie deutlich übertariflichen Kosten, möglich ist.12 Die Bundesregierung scheint nur der Gefahr vorbeugen zu wollen, dass ein Postunternehmen doch eine bestimmte außergewöhnliche Dienstleistung (z.B. im Stile eines Speditionsunternehmers) anbietet, was wiederum auf die Auslegung der Formulierung „per Post“ rückwirken könnte. Die Regierung meint offenbar, es gehe bei § 357 Abs. 6 Satz 3 BGB darum, ob eine Ware „paketversandfertig“ ist.13 Dies legt den Schluss nahe, der Verbraucher solle nur dann durch die Abholung der Ware begünstigt werden, wenn die Ware nicht in einem Paket versendet werden kann.14 Demzufolge handelt es sich um Ware, für die ein Speditionsversand vonnöten wäre.15 Eine weite Auslegung zur Förderung des Verbraucherschutzes erscheint demnach nicht möglich. (2) Lieferung der Ware zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses zur Wohnung des Verbrauchers bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen Jedoch könnte die Auslegung des anderen Tatbestandsmerkmals des § 357 Abs. 6 Satz 3 BGB (scil. Ware zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses zur Wohnung des Verbrauchers geliefert) zu einem vergrößerten Anwendungsbereich der Vorschrift führen, den Verbraucher so begünstigen und somit die Effektivität des Widerrufsrechts steigern. Allerdings lässt sich die Voraussetzung, die Ware müsse zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses zur Wohnung des Verbrauchers gebracht worden sein, schwerlich ausweiten. Die drei Komponenten sind eindeutig und einer extensiven Auslegung nicht zugänglich: Der Zeitpunkt des Vertragsschlusses kann genau bestimmt werden; die Wohnung des Verbrauchers kann gerade in Abgrenzung zu anderen außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen präzise benannt werden; die Voraussetzung des 11

BT-Drucks. 17/12637, S. 63 (vgl. Fn. 139 in Teil 1, S. 40). NK-BGB/Schulze, 8. Aufl. 2014, § 357 Rdnr. 8. 13 BT-Drucks. 17/12637, S. 82 f. (vgl. Fn. 139 in Teil 1, S. 40). 14 Schulze, CESL Commentary, 2012, Art. 44 Rdnr. 8, legt diesen Schluss für den GEKR-E nahe. 15 Dies vermutet auch Buchmann, K&R 2014, 293 (294); vgl. auch den Leitfaden der Europäischen Kommission für die Auslegung der Richtlinie, abrufbar unter (Stand: 05.03.2016), S. 50. Siehe auch Alexander, Verbraucherschutzrecht, 2015, S. 95, und Donath, Konsumentenschutzrecht, 2. Aufl. 2015, S. 57. 12

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Teil 3: Das Rückgewährschuldverhältnis nach Widerruf

„Bringens“ zur Wohnung verlangt zwar nicht, dass der Unternehmer selbst die Ware gebracht hat, aber der Anwendungsbereich von § 357 Abs. 6 Satz 3 BGB wird auch nicht deutlich weiter, wenn man die Lieferung durch zwischengeschaltete Unternehmen als tatbestandsgemäß erachtet. Zudem kann dieses Tatbestandsmerkmal auch einen nachvollziehbaren Interessenausgleich bewirken. Würde der Unternehmer generell bei allen außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Kaufverträgen die Ware abholen müssen, könnte der Unternehmer nicht eingrenzen, wo er Waren abzuholen hat. Es müsste ein weiteres Korrektiv vorgesehen werden, was den Sachverhalt nur unnötig verkomplizieren würde. cc) Bewertung der Ausnahmeregelung in Bezug auf die Effektivität des Widerrufsrechts Der Richtliniengeber unterscheidet mit der Ausnahmeregelung nicht nachvollziehbar zwischen der üblichen Schutzwürdigkeit des Verbrauchers und besonderer Schutzwürdigkeit bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen. Zwar kann die Verwendung des Begriffes „Post“ i.S.d. § 357 Abs. 6 Satz 3 BGB grundsätzlich überzeugen und die Effektivität wird dadurch auch nicht sinnwidrig eingeschränkt: Dem Verbraucher kann zugemutet werden, mit der Ware die nächste Postfiliale aufzusuchen, um sie zurückzusenden.16 Allerdings erscheint es fragwürdig, warum der Verbraucher nur dann besonders schutzwürdig sein soll, wenn der Unternehmer die Ware bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses zur Wohnung des Verbrauchers liefert. Es wirkt zunächst überzeugend, die Schutzwürdigkeit des Verbrauchers bei faktischen Haustürgeschäften als besonders hoch anzusehen. Der Verbraucher kann sich dem Einfluss des Unternehmers in diesen Situationen schlecht entziehen. Bei anderen außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen kann der Verbraucher beispielsweise einen Verkaufsstand meist leicht verlassen.17 Es fragt sich allerdings, inwieweit der Verbraucher besonders dadurch belastet wird, dass ihm die Ware bei Vertragsschluss zur Wohnung geliefert wird. Im Rahmen der Haustürwiderrufs-RL ging man noch davon aus, der Verbraucher brauche mindestens sieben Tage (Art. 5 Abs. 1 Haustürwiderrufs-RL), um eine Entscheidung zu überdenken, auch wenn er die Ware nicht im Besitz habe.18 Nun soll ein grundlegender Unterschied für die Rücksendeverpflichtung entstehen, wenn der Verbraucher beispielsweise einen Tag lang Zeit hatte, um die Entscheidung zum Vertragsschluss zu reflektieren: Wird die Ware einen Tag nach der Überrumpelung geliefert, muss der Verbraucher sie 16

Die Kostenfrage soll erst später untersucht werden; siehe dazu Teil 3, II, S. 100 ff. Eine vergleichbare Differenzierung der Lebenssachverhalte findet sich auch bei Schlösser, Druckausübung in Vertragsverhandlungen, 2014, S. 130 f. 18 Vgl. dazu schon oben Teil 1, I 2 b, S. 15. 17

I. Rücksendung der Ware

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zurücksenden; wird sie direkt geliefert, muss er das nicht.19 Es ist lebensfremd, davon auszugehen, eine derart geringe Zeitspanne würde dem Verbraucher ermöglichen, die Lieferung (und damit eine Rücksendeverpflichtung) zu verhindern.20 Ein etwaiger Widerruf muss erst einmal zugehen, und der kaufende Verbraucher wird auch nicht immer bei der Lieferung anwesend sein, sodass er den Widerruf nicht bei Lieferung erklären kann. Zudem stellt sich die Frage, ob ein Widerruf gegenüber den liefernden Personen überhaupt unmittelbar einen Zugang der Willenserklärung hervorruft, was nur der Fall wäre, wenn diese Empfangsvertreter (siehe § 164 Abs. 1, 3 BGB) und nicht nur Empfangsboten oder Erklärungsboten wären.21 Der Zeitpunkt des Zugangs der Erklärung ist dabei insbesondere für das Rücksenderisiko relevant. Auch entsteht dem Verbraucher bei direkter Lieferung kein erheblicher Nachteil bezüglich der Widerrufsfrist. Wird dem Verbraucher bei einem faktischen Haustürgeschäft eine Ware verkauft, die nicht per Post zurückgeschickt werden kann, entsteht für ihn ein Problem bei der Rücksendung auch, wenn die Ware ein, zwei oder sogar dreizehn Tage später geliefert wird.22 Zudem ist der Unternehmer nicht unterschiedlich schutzwürdig. Es ließe sich zwar argumentieren, der Unternehmer müsste bei einer etwaigen (zeitbezogenen) Ausweitung von § 357 Abs. 6 Satz 3 BGB und einem späteren Widerruf insgesamt dreimal den Verbraucher aufsuchen; allerdings kann er die Ware nach seinem Besuch auch zum Verbraucher senden und den Verbraucher dafür mit Kosten belasten. Insoweit ist eine unterschiedliche Behandlung der dargestellten Situationen nicht gerechtfertigt. c) Die Verpflichtung zum Abbau aufgebauter Waren im Lichte der Effektivität des Widerrufsrechts Vor der Rücksendung kann ein Abbau aufgebauter23 Ware notwendig sein. Für die Beantwortung der Frage, inwieweit der Verbraucher auch zum Abbau von 19 Vgl. auch Kolba/Kosesnik-Wehrle, VbR 2014, 78 (81). Kritisch etwa Leupold, in: Welser (Hrsg.), Die Umsetzung der Verbraucherrechte-Richtlinie in den Staaten Zentral- und Osteuropas, 2015, S. 83 (103). 20 Schwarzenegger, in: Schwimann/Kodek (Hrsg.), ABGB-Praxiskommentar, Bd. 5a, 4. Aufl. 2015, § 15 FAGG, Rdnr. 4, geht davon aus, dass ein Überdenken und ein Widerruf (zumindest) bei „einigem zeitlichen Abstand zwischen Vertragsschluss und Lieferung“ möglich sei, wodurch die Sonderregelung gerechtfertigt sei. 21 Vgl. zu dieser Unterscheidung beim Zugang nur Brox/Walker, Allgemeiner Teil des BGB, 39. Aufl. 2015, S. 76 f. 22 Siehe zum Hintergrund der Regelung auch Stabentheiner, VbR 2014, 108 (120 f.), dessen Ausführungen nahe legen, die Unterscheidung liege darin begründet, dass eine spätere Lieferung vom Richtliniengeber nicht bedacht wurde. 23 Die folgenden Erwägungen gelten mutatis mutandis auch für den Ein- und Ausbau von Waren.

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Teil 3: Das Rückgewährschuldverhältnis nach Widerruf

zur Prüfung aufgebauter Ware verpflichtet ist,24 können Erwägungen zur Effektivität des Widerrufsrechts ausschlaggebend sein. Im Gesetz ist diese Konstellation nicht ausdrücklich geregelt. Buchmann und Föhlisch äußerten sich zu der Fragestellung schon nach Erlass der gesetzlichen Neuregelung zum Wertersatz, die durch die Messner-Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs25 notwendig wurde: „Um die Effektivität des Widerrufsrechts nicht einzuschränken, könnte argumentiert werden, dass der Verbraucher nicht verpflichtet ist, das Möbelstück wieder zu demontieren. Stattdessen könnte er verlangen, dass es von einer Spedition abgeholt wird, denn ein Versand wird nach dem Aufbau in der Regel nicht mehr in Betracht kommen. Ist das Möbelstück verleimt oder vernagelt, ist ein Auseinanderbau zudem kaum möglich. Hier zeigt sich am Deutlichsten, dass die Regeln zum Widerrufsrecht noch nicht ausgereift sind.“26

Entsprechend dieser Bedenken zur Effektivität des Widerrufsrechts sei hier präzisierend darauf hingewiesen, dass die Rechte der Verbraucher in zweierlei Hinsicht durch eine Abbauverpflichtung eingeschränkt werden könnten. Der Verbraucher könnte von einem (kompletten) Aufbau der Ware abgehalten werden, was gerade dann nachteilig wäre, wenn der Aufbau notwendig ist, um die Ware hinreichend prüfen zu können. Zudem kann der Verbraucher vom Widerruf abgehalten werden, weil die Abbauverpflichtung rückwirkt auf die Entscheidung, die diese Pflicht erst auslöst. Die von Buchmann und Föhlisch27 vorgebrachte Argumentation lässt sich allerdings nicht mehr generell vertreten, weil das Gesetz – trotz weiterhin unterbliebener ausdrücklicher Regelung – nunmehr entgegenstehende Wertungen für bestimmte Konstellationen enthält:28 Ist der Verbraucher nämlich zur Rücksendung verpflichtet, wie es nun nach Umsetzung der Verbraucherrechte-RL der Fall ist, wäre es schon unter praktischen Gesichtspunkten fragwürdig, wenn der Unternehmer die Ware abbauen (lassen) müsste, damit der Verbraucher die Ware zurücksenden kann. Folglich ist der Abbau der aufgebauten Ware vom Pflichtenkreis des Verbrauchers umfasst, wenn dieser die Ware zurücksenden muss.29 Es gibt jedoch zwei Konstellationen, in denen der Verbraucher nicht verpflichtet ist, die Ware zurückzusenden: Der Unternehmer kann einerseits dem 24 Zu diesem Problemkreis aus aktueller Perspektive Buchmann, K&R 2014, 293 (296 f.); vgl. auch schon Buchmann/Föhlisch, K&R 2011, 433 (437). Siehe ferner zur geplanten Ausbaupflicht des Unternehmers bei der mangelbedingten Ersatzlieferung im Rahmen von Fernabsatzgeschäften Art. 10 Nr. 2 des Vorschlags für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über bestimmte vertragsrechtliche Aspekte des Online-Warenhandels und anderer Formen des Fernabsatzes von Waren vom 09.12.2015, COM(2015) 635 final. 25 Dazu schon ausführlich oben Teil 1, II 2 b aa, S. 24 ff. 26 Buchmann/Föhlisch, K&R 2011, 433 (437). 27 Buchmann/Föhlisch, K&R 2011, 433 (437). 28 Buchmann, K&R 2014, 293 (297). 29 Buchmann, K&R 2014, 293 (297); Schwab, JZ 2015, 644 (645).

I. Rücksendung der Ware

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Verbraucher anbieten, die Ware abzuholen, § 357 Abs. 5 BGB (Umsetzung von Art. 14 Abs. 1 Unterabs. 1 Satz 1 Verbraucherrechte-RL a.E.). Eine dahingehende Erklärung des Unternehmers dürfte allerdings im Zweifelsfall so auszulegen sein, dass der Unternehmer eben nur die Abholung und nicht auch zusätzlich den Abbau der Ware übernehmen möchte.30 Andererseits kann der Unternehmer auch verpflichtet sein, die Ware abzuholen. Wie bereits erörtert, ist der Unternehmer gemäß § 357 Abs. 6 Satz 3 BGB (Umsetzung von Art. 14 Abs. 1 Unterabs. 3 Verbraucherrechte-RL) bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen, bei denen die Waren zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses zur Wohnung des Verbrauchers geliefert worden sind, verpflichtet, die Waren auf eigene Kosten abzuholen, wenn die Waren so beschaffen sind, dass sie nicht per Post zurückgesendet werden können. Daran knüpft die Frage an, inwieweit der Verbraucher dadurch von seiner – grundsätzlich bestehenden – Pflicht zum Abbau der aufgebauten Ware befreit werden soll. Der Wortlaut der Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches und Art. 14 Abs. 1 Verbraucherrechte-RL zeichnen ein konkretes Auslegungsergebnis nicht vor: Der Unternehmer muss die Ware abholen. „Abholen“ deutet eher darauf hin, dass ein zusätzlicher Abbau nicht erfolgen muss. Eindeutig ist der Wortlaut allerdings nicht. Auch aus der Normgenese oder anderen Sprachfassungen lässt sich keine bestimmte Lesart ableiten. Wird allerdings eine Ware, die nicht per Post zurückgesendet werden kann, im Fernabsatz verkauft, muss der Verbraucher die Ware anderweitig zurücksenden. Dabei muss der Unternehmer den Verbraucher gemäß § 357 Abs. 6 Satz 1 BGB i.V.m. Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Halbs. 2 EGBGB (Umsetzung von Art. 14 Unterabs. 1 Satz 1 i.V.m. Art. 6 Abs. 1 lit. i Verbraucherrechte-RL) über die Kosten der Rücksendung auch in den dargestellten Situationen informieren. „In den Fällen, in denen die Kosten für die Rücksendung der Waren vom Unternehmer vernünftigerweise nicht im Voraus berechnet werden können, beispielsweise weil der Unternehmer nicht anbietet, die Rücksendung der Waren selbst zu organisieren, sollte der Unternehmer erklären, dass Kosten zu entrichten sind und diese Kosten hoch sein können, einschließlich einer vernünftigen Schätzung der Höchstkosten, die auf den Kosten der Lieferung an den Verbraucher basieren könnte.“31

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Art. 14 Abs. 1 Unterabs. 1 Satz 1 Verbraucherrechte-RL liest sich eher so, als müsste der Verbraucher keinerlei Handlungen vornehmen, wenn dort steht, er habe die Ware „an den Unternehmer oder eine von diesem zur Entgegennahme der Waren ermächtigte Person zurückzusenden oder zu übergeben, es sei denn, der Unternehmer hat angeboten, die Waren selbst abzuholen.“ Jedoch dürfte die Parteivereinbarung vorrangig sein. 31 Satz 4 von Erwägungsgrund 36 zur Verbraucherrechte-RL, wortgleich übernommen in BT-Drucks. 17/12637, S. 75 l. Sp. (vgl. Fn. 139 in Teil 1, S. 40); vgl. zu dem Problem der Schätzung auch Hoeren/Föhlisch, CR 2014, 242 (247).

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Teil 3: Das Rückgewährschuldverhältnis nach Widerruf

Der europäische Gesetzgeber und die Bundesregierung sind demnach der Auffassung, die Kosten, die für den Verbraucher durch die anderweitige Versendung entstehen, müssten hauptsächlich in dem Akt der Versendung zu sehen sein. Ansonsten wäre es zweckwidrig, eine Schätzung an den Kosten der (Hin-)Lieferung zu orientieren. Diese Wertung könnte auf die oben dargestellte Problemstellung zu übertragen sein: Auch bei einer Abholverpflichtung des Unternehmers sollte der Verbraucher nur die Kosten nicht tragen müssen, die durch den Versand entstehen. Bei Fernabsatzverträgen, bei denen der Verbraucher die Rücksendung bezahlen und organisieren muss, liegt es fern, den Unternehmer mit dem Abbau oder der Kostentragung dafür zu belasten. Der komplette Abbau zu transportierender Ware gehört nicht zum standardmäßigen Aufgabenbereich eines Speditionsunternehmers. Insoweit überzeugt es, den Verbraucher bei Fernabsatzverträgen nicht über Kosten des Abbaus (beispielsweise durch eine Speditionsfirma) informieren zu müssen, da der Verbraucher grundsätzlich selbst für den Abbau verantwortlich ist. Allerdings könnten systematische Erwägungen für ein anderes Ergebnis sprechen: Sollte der Verbraucher nur vor den konkreten Kosten der Rücksendung bewahrt werden, hätte man die Kostenlast dem Unternehmer auferlegen können. Es wurde allerdings darüber hinaus eine Abholung des Unternehmers angeordnet. Es ließe sich argumentieren, dass diese Pflicht des Unternehmers für den Verbraucher nur dann einen Unterschied darstelle, wenn der Unternehmer auch verpflichtet wird, die Ware abzubauen. Jedoch besteht auch ein wichtiger Unterschied darin, dass der Verbraucher keinen Speditionsunternehmer (aus-)suchen muss. Darüber hinaus entfällt die Bezahlung eines solchen Dritten: Entweder der Verbraucher bezahlt den Speditionsunternehmer vorab und geht damit das Risiko ein, das Geld nicht zurückzuerhalten, oder er veranlasst eine Zahlung durch den Verkäufer. Dafür muss er allerdings wiederum (immaterielle) Kosten aufwenden. Insofern bestehen große Unterschiede zwischen den dargestellten Regelungen, sodass dem Gesetz keine abweichende Wertung vom bisher gefundenen Ergebnis zu entnehmen ist. Folglich ist zu konstatieren, dass der Unternehmer auch in den Fällen des § 357 Abs. 6 Satz 3 BGB nicht zum Abbau der Ware verpflichtet ist.32 d) Zusammenfassung Vor dem Hintergrund der Effektivität des Widerrufsrechts können die Regelungen zur Rücksendung der Ware nicht uneingeschränkt überzeugen. Insbesondere die Regelungssystematik hinter § 357 Abs. 6 Satz 3 BGB bleibt unklar. Eine Abbauverpflichtung des Unternehmers besteht nicht, es sei denn, dass eine solche konkret verabredet wurde.

32

Im Ergebnis ebenso Schwab, JZ 2015, 644 (645).

I. Rücksendung der Ware

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3. Rücksendeverpflichtung des Verbrauchers als notwendiger Ausschluss von Opportunismus Wäre der Verbraucher nur zur Rückgabe, aber nicht zur Rücksendung der Ware verpflichtet, entstünden in einigen Situationen Anreize für ex ante- und teils auch für ex post-opportunistisches Verhalten. Der Verbraucher könnte vor Abschluss des Kaufvertrages planen, die Ware für eine gewisse Zeit zu nutzen, ohne jemals eine Kaufabsicht zu haben (faktische Leihe bzw. retail borrowing). Müsste der Unternehmer die Ware abholen, könnte der Verbraucher etwa vollumfänglich ohne Belastung mit Hin- oder Rücksendekosten bleiben, wenn bei einem Fernabsatzgeschäft keine Hinsendekosten berechnet werden oder er bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen den Unternehmer zu sich beordert hat (invited in-home selling). Insoweit besteht eine große Gefahr für ex ante-opportunistisches Verhalten des Verbrauchers. Deshalb scheint es zur Vermeidung solcher Verhaltensweisen angemessen, wenn der Verbraucher grundsätzlich zur Rücksendung verpflichtet ist. Gerade bei faktischen Haustürgeschäften, bei denen der Verbraucher den Unternehmer nicht zu sich bestellt hat, besteht allerdings keine Möglichkeit ex ante-opportunistischen Verhaltens. Insoweit kann der Verbraucher in diesen Situationen begünstigt werden, ohne dass dadurch ein erhöhtes Potenzial für opportunistisches Verhalten entsteht. 4. Ergebnis Die Rückgabeverpflichtung des Verbrauchers bezüglich der erhaltenen Ware befindet sich als solche nicht im Spannungsverhältnis zwischen Effektivität des Widerrufsrechts und Opportunismus. Es gibt in diesem Zusammenhang grundsätzlich33 keine Interessen, die eine Spannung erzeugen. Ein Widerrufsrecht ist ohne eine Rückgabeverpflichtung des Verbrauchers nicht denkbar. Bezüglich der Rücksendung der Ware lässt sich wiederum von einem Spannungsverhältnis sprechen. Dabei kann der getroffene Interessenausgleich für die meisten Fallgestaltungen überzeugen. Allerdings überzeugt es nicht, dass § 357 Abs. 6 Satz 3 BGB danach unterscheidet, ob die Ware bei Vertragsschluss geliefert wurde oder nicht. Der Ausschlussgrund in § 357 Abs. 6 Satz 3 BGB hat zudem nur einen geringen Anwendungsbereich. Der Verbraucher wird deshalb bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen häufig die Rücksendung kostenpflichtig betreiben müssen.

33 Siehe aber Teil 3, I 2 b aa, S. 89, zum Problem, dass ein Verbraucher nicht widerruft, weil er den – überrumpelnden – Unternehmer nicht (erneut) in seine Wohnung lassen möchte.

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Teil 3: Das Rückgewährschuldverhältnis nach Widerruf

5. Rücksende- und Abbaupflicht de lege ferenda Nunmehr wird dargestellt, ob und wie die Rücksende- und Abbaupflicht des Verbrauchers de lege ferenda besser im Spannungsverhältnis von Effektivität und Opportunismus geregelt werden können. a) Erweiterte und eingeschränkte Abholpflicht des Unternehmers Unabhängig von der Kostentragung für die Rücksendung34 muss festgelegt werden, wann der Verbraucher die Ware nicht zurücksenden muss. Kann die Ware nicht per Post gesendet werden, entstehen durch die Verpflichtung zur Rücksendung für den Verbraucher beispielsweise jedenfalls „Kosten“ aufgrund der Auswahl eines Speditionsunternehmers. Die Belastung mit diesen – immateriellen – Kosten soll dem Verbraucher allerdings gerade dann nicht auferlegt werden, wenn ihm die Situation, in der die Rücksendemöglichkeit nicht besteht, nicht zuzurechnen ist.35 Dies ist grundsätzlich bei faktischen Haustürgeschäften anzunehmen. Es würde deshalb nicht ausreichen, wenn der Verbraucher nur die Kosten der Rücksendung (durch eine Spedition) nicht zu tragen hätte, weil dadurch sein Pflichtenkreis nicht hinreichend verringert würde. Aktuell folgt die besondere Schutzwürdigkeit nach der Gesetzesregelung auch daraus, dass der Verbraucher die Ware direkt bei Vertragsschluss erhält. Diese Einschränkung kann kaum überzeugen. Der Verbraucher ist auch dann schutzwürdig, wenn bei faktischen Haustürgeschäften die Ware beispielsweise einen Tag nach Vertragsschluss geliefert wird. Insoweit sollte der Verbraucher bei faktischen Haustürgeschäften zukünftig nicht zur Rücksendung verpflichtet sein, wenn die Ware nicht per Post versandt werden kann. Eine Einschränkung muss aufgrund der Gefahr von Opportunismus allerdings für Fälle getroffen werden, in denen der Verbraucher den Unternehmer um den Besuch gebeten hat (invited in-home selling). b) Abbauverpflichtung des Unternehmers Es ließe sich überlegen, ob der Unternehmer verpflichtet werden sollte, aufgebaute Ware auch abzubauen und eingebaute Ware auszubauen, solange der Aufbau bzw. Einbau die Voraussetzung einer Prüfung war. Dadurch könnte die Effektivität des Widerrufsrechts verbessert werden: Der Verbraucher würde dann vermutlich häufiger oder zumindest unbesorgter sein Recht auf Prüfung durch Ein- bzw. Aufbauen wahrnehmen. Allerdings besteht die Gefahr, dass der Unternehmer finanziell übermäßig belastet und diese Belastung auf die Verbrauchergemeinschaft umgelegt wird. 34 35

Dazu sogleich Teil 3, II, S. 100 ff. Dazu eingehend noch später Teil 3, II 2 b aa, S. 123.

I. Rücksendung der Ware

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Es gibt allerdings nicht viele Situationen, in denen der Unternehmer belastet würde. Eine Ware einbauen zu müssen, um sie innerhalb des Prüfungsrechts hinreichend untersuchen zu können,36 ist kaum vorstellbar. Oftmals wird der Einbau nicht notwendig sein, um die vertriebsformspezifischen Informationsasymmetrien auszugleichen.37 Allerdings kann es in Einzelfällen durchaus notwendig sein, eine Ware (beispielsweise ein Wasserbett) aufzubauen, um es zu prüfen.38 Der Unternehmer sollte die Ware allerdings nur abbauen müssen, wenn er die Ware abholen muss39 und schon deshalb gehalten ist, sich zum Ort der (aufgebauten) Ware zu begeben. Ansonsten müsste der Unternehmer den Verbraucher zunächst aufsuchen, damit Letzterer die Ware danach zurücksenden kann, was ökonomisch und ökologisch wenig zielführend erscheint. Eine Einschränkung dieser Pflicht muss allerdings für Fälle gelten, in denen der Aufbau der Ware nicht vom Prüfungsrecht des Verbrauchers gedeckt war, da der Aufbau dann nicht im schutzwürdigen Bereich der Effektivität liegt. Damit der Unternehmer nicht nach § 275 BGB von seiner Pflicht befreit wird, muss der Verbraucher die Ware allerdings in einem Zustand bereithalten, in dem ein Abbau noch möglich ist. Dies dürfte beispielsweise nicht mehr der Fall sein, wenn der Verbraucher die Ware verleimt, geklebt oder vernagelt hat.40 Fraglich ist, ob darüber hinaus – in Konstellationen, in denen der Unternehmer nicht zur Abholung verpflichtet ist – ein Ersatzanspruch des Verbrauchers entstehen sollte, wenn er selbst die aufgebaute Ware abbaut oder abbauen lässt. Es besteht hier die Gefahr einer übermäßigen Belastung des Unternehmers, wenn er für jegliches Ab- und Auseinanderbauen Ersatz leisten müsste. Es sollte demnach unter mehreren Aspekten eine Einschränkung vorgenommen werden: Ein etwaiger Ersatzanspruch sollte nur entstehen, wenn die Ware nicht mit der Post versendet werden kann. In diesen Fällen muss der Verbraucher einen Speditionsunternehmer einschalten, dessen (Abbau-)Dienstleistung beziffert werden kann. Zudem ist der Abbau großer Ware schwieriger und der Verbraucher wird folgerichtig entlastet. Gleichwohl soll ein Anspruch wiederum nur entstehen, wenn der Aufbau vom Prüfungsrecht des Verbrauchers gedeckt war. Damit dürfte eine finanzielle Belastung des Unternehmers auf absolute Ausnahmefälle beschränkt werden.

36

Siehe zum Prüfungsrecht Teil 3, IV 2 b, S. 179 ff. Siehe beispielsweise zur Satellitenantenne näher Teil 3, IV 2 b bb, S. 184. 38 Hierzu auch Teil 3, IV 2 b bb, S. 181 f. 39 Vgl. schon oben Teil 3, I 2 c, S. 93 ff. 40 Zu diesem Problem Buchmann/Föhlisch, K&R 2011, 433 (437). 37

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Teil 3: Das Rückgewährschuldverhältnis nach Widerruf

II. Versandkosten und -risiken II. Versandkosten und -risiken

Durch die Regelung, dass der Verbraucher grundsätzlich zur Rücksendung der Ware verpflichtet ist, ist noch nicht vorbestimmt, wer die Kosten dieser Rücksendung und die entsprechende Transportgefahr zu tragen hat. Auch muss geregelt werden, ob dem Verbraucher etwaige Kosten für die Hinsendung zurückgezahlt werden müssen. Diese Aspekte werden nun untersucht. 1. Grundzüge der Rechtslage Dargelegt werden zunächst die Grundzüge der Rechtslage in Bezug auf die Kosten der Versendungen und die Risikoverteilung im Zusammenhang mit der Rücksendung der Ware. a) Die Kosten der Versendungen Im Fokus der folgenden Ausführungen stehen die Kosten, die dadurch entstehen, dass die Ware zunächst vom Unternehmer zum Verbraucher gebracht oder versendet wird (Hinsendekosten) und nach dem Widerruf rückgesendet werden muss (Rücksendekosten). aa) Kostenlast bezüglich der Hinsendekosten Nach einem Widerruf muss der Unternehmer etwaige Zahlungen des Verbrauchers von Hinsendekosten diesem zurückerstatten, § 357 Abs. 2 Satz 1 BGB (Umsetzung von Art. 13 Abs. 1 Unterabs. 1 Verbraucherrechte-RL). Die Kosten sind aber nur bis zur Höhe der vom Unternehmer angebotenen günstigsten Standardlieferung zu zahlen, wenn der Verbraucher eine andere Art der Lieferung gewählt hat, § 357 Abs. 2 Satz 2 BGB (Umsetzung von Art. 13 Abs. 2 Verbraucherrechte-RL).41 Hat sich der Verbraucher beispielsweise für eine Expresslieferung entschieden, erhält er die dadurch zusätzlich entstandenen Kosten nicht ersetzt.42 Dies gilt auch, wenn zusätzliche Kosten entstanden sind, weil der Verbraucher sich dafür entschieden hat, die Ware in einem Paket und nicht in einem Päckchen zugeschickt zu bekommen.43

41 Siehe zum Verständnis der Standardlieferung Schirmbacher, in: Spindler/Schuster (Hrsg.), Recht der elektronischen Medien, 3. Aufl. 2015, 3. Teil, § 357 BGB Rdnr. 8. Ausführlich zu der Frage, ob der Verbraucher über eine dahingehende Kostenlast informiert werden muss: Leupold, wbl 28 (2014), 481 (487). 42 Siehe dazu auch Satz 3 des Erwägungsgrundes 46 zur Verbraucherrechte-RL. 43 Buchmann, K&R 2013, 535 (536).

II. Versandkosten und -risiken

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bb) Übernahme der Rücksendekosten durch den Verbraucher Der Verbraucher muss die Rücksendung finanzieren; er muss die unmittelbaren Kosten der Rücksendung tragen, wenn der Unternehmer den Verbraucher über die Kostentragungspflicht aufgeklärt hat, § 357 Abs. 6 Satz 1 BGB, sich nicht bereit erklärt hat, die Kosten zu übernehmen, § 357 Abs. 6 Satz 2 BGB, und kein Fall des § 357 Abs. 6 Satz 3 BGB vorliegt (Umsetzung von Art. 14 Abs. 1 Unterabs. 2 und 3 Verbraucherrechte-RL). Der Verbraucher muss grundsätzlich auch dann für die Kosten der Rücksendung aufkommen, wenn die Ware nicht per Post versandt werden kann (arg. ex § 357 Abs. 6 Satz 3 BGB).44 „Unmittelbare“ Kosten i.S.d. § 357 Abs. 6 Satz 1 BGB sind damit auch Kosten, die durch die zur Abholung notwendige Beauftragung einer Spedition entstehen.45 Auch wenn in vielen Mitgliedstaaten schon vor der Verbraucherrechte-RL der Verbraucher bei Fernabsatzverträgen die Kosten der Rücksendung zu tragen hatte,46 handelt es sich in Deutschland um eine deutliche Umstrukturierung der vorherigen Vorschriften. Nach alter Rechtslage hatte der Unternehmer die Kosten der Rücksendung zu tragen, § 357 Abs. 2 Satz 2 BGB (i.F.v. 2002), und konnte die regelmäßigen Kosten nur bei Fernabsatzverträgen auf den Verbraucher umwälzen, wenn der Preis der zurückzusendenden Sache einen Betrag von 40,- Euro nicht überstieg oder wenn bei einem höheren Preis der Sache der Verbraucher die Gegenleistung oder eine Teilzahlung zum Zeitpunkt des Widerrufs noch nicht erbracht hatte, es sei denn, die gelieferte Ware entsprach nicht der bestellten, § 357 Abs. 2 Satz 3 BGB (i.F.v. 2002).47 Bei Haustürgeschäften war der Verbraucher grundsätzlich verpflichtet, die Ware an den Unternehmer zurückzusenden; gemäß § 357 Abs. 2 Satz 2 BGB (i.F.v. 2002) waren die Kosten aber vom Unternehmer zu tragen. Insoweit ist eine deutliche Umstrukturierung auch bei Haustürgeschäften bzw. außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen zu konstatieren. Diese wird in einigen europäischen Ländern noch größer sein, da bei der Umsetzung der

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Vgl. Bittner/Clausnitzer/Föhlisch/Bittner, Das neue Verbrauchervertragsrecht, 2014, Rdnr. 254. 45 Nicht abschließend geklärt ist, welche Kosten damit nicht „unmittelbar“ sind, vgl. Lurger, in: Bydlinski/Lurger (Hrsg.), Die Richtlinie über die Rechte der Verbraucher, 2012, S. 53 (78). Die Europäische Kommission führt in ihrem Leitfaden für die Auslegung der Richtlinie, abrufbar unter (Stand: 05.03.2016), S. 44, aus: „Der Begriff der ‚unmittelbaren Kosten‘ sollte keinerlei Verwaltungs-, Abwicklungs- oder ‚Wiederauffüllungskosten‘ einschließen, die der Unternehmer im Zusammenhang mit der Rücksendung der Waren zu tragen hat.“ Vgl. auch Stabentheiner, VbR 2014, 108 (120). 46 Vgl. Föhlisch, Das Widerrufsrecht im Onlinehandel, 2009, S. 300. 47 Lurger, in: Wendehorst/Zöchling-Jud (Hrsg.), Am Vorabend eines Gemeinsamen Europäischen Kaufrechts, 2012, S. 63 (79), empfindet diese Regelung als vorzugswürdig.

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Teil 3: Das Rückgewährschuldverhältnis nach Widerruf

Haustürwiderrufs-RL der Verbraucher häufig nur verpflichtet wurde, die Ware für eine Abholung durch den Unternehmer bereitzuhalten.48 cc) Grundgedanken zu einem etwaigen Interessenausgleich Zum Teil wird die Kostentragung für die Rücksendung durch den Verbraucher positiv gewertet, weil der Verbraucher selbst darauf Einfluss nehmen kann, ob und in welcher Höhe Kosten entstehen.49 Dabei wird insbesondere hervorgehoben, dass eine „angemessene Risikoverteilung“,50 „angemessene Kostenverteilung“51 bzw. ein „gerechter Interessenausgleich“52 entstehe.53 Beide Parteien müssen die empfangenen Leistungen zurückgewähren und die Kosten für die Rückgewähr (hinsichtlich der Ware oder geleisteter Zahlungen) tragen.54 Dies entspricht zudem der gängigen Regelungssystematik im Zivilrecht. Der Gedanke eines Ausgleichs von Hin- und Rücksendekosten, der für den Fernabsatz gelten mag,55 kann sicherlich nicht gleichzeitig in dieser Form für alle außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträge fruchtbar gemacht werden. Zu unterscheiden sind dabei grundlegend vier Situationen: Vertragsschluss in der Privatwohnung mit Übergabe der Ware am Ort des Vertragsschlusses, Vertragsschluss in der Privatwohnung mit späterer Lieferung,

48 Hierzu eingehend Rott, Die Umsetzung der Haustürwiderrufsrichtlinie in den Mitgliedstaaten, 2000: Die Aufbewahrung bis zu Abholung war geltendes Recht in Dänemark (a.a.O., S. 38), Finnland (a.a.O., S. 44), Großbritannien und Nordirland (a.a.O., S. 69), Irland (a.a.O., S. 74), Portugal (a.a.O., S. 106; wobei die Rücksendung auf Kosten des Unternehmers als Alternative vorgesehen wurde), Schweden (a.a.O., S. 114) und Spanien (a.a.O., S. 124). In Belgien (a.a.O., S. 20) und Frankreich (a.a.O., S. 54) stellte sich das Problem nicht, da Leistungen in der Widerrufsfrist nicht ausgetauscht werden durften. Rechtsvorschriften, die dem Unternehmer verboten, innerhalb eines bestimmten Zeitraums nach Vertragsabschluss Zahlung vom Verbraucher zu fordern und entgegenzunehmen, durften vom nationalen Gesetzgeber aufgrund der Öffnungsklausel in Art. 9 Abs. 3 Satz 2 Verbraucherrechte-RL aufrecht erhalten werden. 49 Für den Fernabsatz: Föhlisch, Das Widerrufsrecht im Onlinehandel, 2009, S. 303. 50 Föhlisch, Das Widerrufsrecht im Onlinehandel, 2009, S. 303. 51 Föhlisch/Dyakova, MMR 2013, 71 (75). 52 Looschelders, in: Remien/Herrler/Limmer (Hrsg.), Gemeinsames Europäisches Kaufrecht für die EU?, 2012, S. 107 (138). 53 So auch BeckOGK/Mörsdorf, BGB, Stand: 15.01.2016, § 357 Rdnr. 8.Vgl. zur Regelung im GEKR-E Schulze, CESL Commentary, 2012, Art. 45 Rdnr. 10; Looschelders, in: Remien/Herrler/Limmer (Hrsg.), Gemeinsames Europäisches Kaufrecht für die EU?, 2012, S. 107 (141). Siehe auch Grohmann/Gruschinske, EuZW 2010, 245 (246). Micklitz/Kas, ERCL 2014, 1 (53) bezeichnen die Kostenverteilung als „economically fair“. 54 Zimmermann, in: Eidenmüller et al. (Hrsg.), Revision des Verbraucher-acquis, 2011, S. 167 (190 f.). 55 Föhlisch, MMR 2009, 75 (78); vgl. auch Zimmermann, in: Eidenmüller et al. (Hrsg.), Revision des Verbraucher-acquis, 2011, S. 167 (190 f.).

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Vertragsschluss außerhalb der Privatwohnung mit Übergabe am Ort des Vertragsschlusses und Vertragsschluss außerhalb der Privatwohnung mit späterer Lieferung. Findet der Vertragsschluss außerhalb der Privatwohnung mit Übergabe am Ort des Vertragsschlusses statt, muss der Verbraucher die Ware selbst in seine Wohnung transportieren. Er erhält dafür keinen monetären Ausgleich. Dem Unternehmer entstehen diesbezüglich keine Kosten und der Verbraucher muss nicht extra zahlen; der Unternehmer muss folglich auch diesbezüglich keine Zahlungen nach Widerruf zurückerstatten. In den anderen drei Konstellationen entstehen dem Unternehmer Kosten für den Transport zum Verbraucher. Diese Kosten wird er in bestimmten Situationen wohl in irgendeiner Form dem Verbraucher aufbürden – entweder über den Preis der Ware oder über explizit angegebene Versand- oder Lieferkosten. In diesen Situationen kann eher von einem „angemessenen“ oder „gerechten“ Interessenausgleich gesprochen werden.56 Insoweit zeigt sich schon, dass eine generelle positive Bewertung aufgrund eines Interessenausgleichs nicht getroffen werden kann. b) Transportgefahr bei der Rücksendung Der Unternehmer trägt die Gefahr der Rücksendung der Waren, § 355 Abs. 3 Satz 4 BGB. Bisher fand sich diese Regelung in § 357 Abs. 2 Satz 2 BGB (i.F.v. 2002). Der Verbraucher muss allerdings bei der Verpackung der Ware beachten, dass die gewählte Verpackung zum Transport der Ware geeignet ist. Ansonsten verletzt er Schutzpflichten nach § 241 Abs. 2 BGB, was im Falle des Schadenseintritts einen Schadensersatzanspruch (§ 280 Abs. 1 BGB) begründen kann. Die Verbraucherrechte-RL enthält keine ausdrückliche57 Regelung zur Ausgestaltung der Gefahrtragung bei Rücksendung.58 Deshalb oblag es den Mitgliedstaaten, festzulegen, ob der Unternehmer oder der Verbraucher die Gefahr der Rücksendung tragen soll.

56 Kritisch auch Zimmermann, in: Eidenmüller et al. (Hrsg.), Revision des Verbraucheracquis, 2011, S. 167 (191). 57 Sie ergibt sich auch nicht schon aus einem Umkehrschluss zu den abschließend geregelten (siehe Art. 14 Abs. 5 Verbraucherrechte-RL) Wertersatzpflichten des Verbrauchers aus Art. 14 Verbraucherrechte-RL. Zum Referentenentwurf beklagten Föhlisch/Dyakova, MMR 2013, 71 (75), das Fehlen einer ausdrücklichen Regelung und die daraus entstehende Rechtsunsicherheit. 58 Siehe auch BT-Drucks. 17/12637, S. 60 r. Sp. (vgl. Fn. 139 in Teil 1, S. 40); Leitfaden der Europäischen Kommission für die Auslegung der Richtlinie, abrufbar unter (Stand: 05.03.2016), S. 58; vgl. zudem Clausnitzer/Delfs, ZVertriebsR 2015, 3 (6 f.).

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Teil 3: Das Rückgewährschuldverhältnis nach Widerruf

2. Effektivität der Regelungen Bei der folgenden Untersuchung der Effektivität der Kostenlast und Risikoverteilung wird zunächst unterschieden zwischen allgemeinen Überlegungen hinsichtlich der Kostenlast, die sich zumeist auf Fernabsatzverträge beziehen (a), und den Besonderheiten bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen (b). Daran anknüpfend erfolgt eine Bewertung der Gefahrtragung bei der Rücksendung, wobei die Vertriebsformen gemeinsam behandelt werden (c). a) Fernabsatzverträge und allgemeine Überlegungen zur Kostenverteilung Im Folgenden werden zunächst grundlegende Äußerungen zur Kostenverteilung getroffen, die sich insbesondere auf Fernabsatzverträge beziehen. aa) Die Auferlegung der Rücksendekosten als (ungewollt große) Belastung der Verbraucher Die Kosten der Rücksendung sind Kosten, die durch den Widerruf entstehen. Der Verbraucher hat zwar bis zu vierzehn Tage Zeit, um die Ware zurückzusenden, § 357 Abs. 1 BGB (Umsetzung von Art. 14 Abs. 1 Unterabs. 1 Satz 1 Verbraucherrechte-RL); dennoch sind die Kosten der Rücksendung direkt mit der Widerrufsentscheidung verbunden.59 Zwar wird der Vertrag erst widerrufen und dann – innerhalb der Frist – rückabgewickelt, aber es muss eben zwingend die Rückabwicklung stattfinden. Widerruft der Verbraucher und schickt die Ware nicht zurück, zeitigt der Widerruf auf einer tatsächlichen Ebene keine Wirkung, weil der Unternehmer von seinem Zurückbehaltungsrecht60 Gebrauch machen wird: Der Verbraucher wird seine geleisteten Zahlungen dann nicht zurückerhalten. Der Unternehmer wird auch nicht weiter agieren, da für ihn weiterhin die gewünschte Ressourcenallokation fortbesteht. Dabei darf die Belastung des Verbrauchers mit Rücksendekosten nicht unterschätzt werden. Gerade bei großen und schweren Waren kann der Versand sehr teuer sein, weshalb in solchen Fällen eine Einschränkung der Effektivität des Widerrufsrechts befürchtet werden kann.61 Hinzu kommt, dass mit der Verbraucherrechte-RL auch eine Verbesserung des grenzüberschreitenden Handels bezweckt war,62 der Verbraucher aber gerade bei Verträgen, bei denen eine

59 Aus Sicht des Europäischen Gerichtshofs ist eine solche Verknüpfung sogar bei einer ausbleibenden Rückgewähr von Hinsendekosten gegeben, vgl. EuGH, Rs. C-511/08 (Heinrich Heine), Slg. 2010, I-3047, Rdnr. 54. 60 Siehe dazu unten Teil 3, III, S. 162 ff. 61 Schultze, Europarechtliche Grenzen für die nationale Gesetzgebung im Bereich des Electronic Commerce, 2010, S. 490; Vander, MMR 2005, 139 (144). 62 Siehe nur Erwägungsgrund 4 zur Verbraucherrechte-RL.

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Ware nach Widerruf über eine Landesgrenze zurückgeschickt werden muss, besonders hohe Kosten zu tragen hat.63 Die Kosten der Rücksendung zu tragen, kann folglich negative Rückwirkungen auf die Widerrufsentscheidung haben.64 Wichtig ist, dabei zu berücksichtigen, dass der Verbraucher schon vor Vertragsschluss auf die etwaig später entstehende Kostenlast hinzuweisen ist, siehe Art. 246a § 4 Abs. 1 EGBGB (Umsetzung von Art. 6 Abs. 1 lit. i Verbraucherrechte-RL). Wenn der Unternehmer erst nach Vertragsschluss oder sogar nach Lieferung darüber informieren müsste, hätte der Verbraucher praktisch keine Möglichkeit, die Kosten durch Unterlassen eines Kaufvertragsschlusses zu vermeiden. (1) Änderung der tatsächlichen Rückgabesituation im Vergleich zum alten Recht Daran knüpft die Frage an, inwieweit die neue Rechtslage (Tragung der Rücksendekosten) für den Verbraucher in seinen tatsächlichen Verhaltensweisen Unterschiede zu einer kostenfreien Rücksendung hervorbringen kann. Unabhängig davon, ob der Verbraucher oder der Unternehmer die Kosten für die Rücksendung (im Endeffekt) zu tragen hat, ist es der Verbraucher, der die zurückzusendende Ware zur Post bringen muss65 und grundsätzlich das Geld für die Rücksendung zunächst bezahlen muss, wenn der Unternehmer seiner Sendung keinen Retourenaufkleber beigefügt hat. Die Hürde, die zu überwinden war, um den Widerruf auszuüben, war demnach auch vor der Umsetzung der Verbraucherrechte-RL unter finanziellen Gesichtspunkten schon relativ hoch. Dieses Problem wurde damals auch erkannt, und es wurden drei mögliche Lösungswege diskutiert:66 63

Siehe dazu auch die Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen: Strategie für einen digitalen Binnenmarkt für Europa {SWD(2015) 100 final} vom 06.05.2015, COM(2015) 192 final, abrufbar unter (Stand: 05.03.2016). Erhöhte Versandkosten belegt auch der Final report of the „Econometric study on parcel list prices“, Ref. Ares(2015) 5930251, abrufbar unter (Stand: 05.03.2016). 64 Powers/Jack, 30 Psychol. Market. 724, 725 (2013); Oelschlägel, MDR 2013, 1317 (1320); siehe auch Svantesson/Clarke, [2010] 26 C.L.S.R. 31, 36. 65 Ausgeblendet sind dabei die Fälle, in denen der Unternehmer die Ware abholen muss, und kostenpflichtige Abholservices, die beispielsweise von der United Parcel Service Deutschland Inc. & Co. OHG („UPS“) angeboten werden. 66 Das Problem stellt sich gleichermaßen im geltenden Recht, wenn der Unternehmer den Verbraucher nicht über die Kostentragung hinsichtlich der Rücksendekosten informiert hat. Die Verbraucherrechte-RL enthält nämlich keine Regelung, die den Verbraucher schon vor der Rücksendung von den diesbezüglichen Kosten freistellt. Vgl. zum Folgenden auch Soergel/Pfeiffer, BGB, 13. Aufl. 2010, § 357 Rdnr. 34.

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Eine Möglichkeit hätte darin bestehen können, dem Verbraucher einen Anspruch auf Kostenvorschuss zu gewähren.67 Somit hätte er die Portokosten nicht mit seinen Mitteln, sondern mit Mitteln des Unternehmers bezahlen können. Dies entspricht der Kostenverteilung, wie sie nach dem Gesetz bzw. § 357 Abs. 2 Satz 2 BGB (i.F.v. 2002) vorgegeben war. Ein solcher Anspruch ergab sich aber nicht aus § 357 Abs. 2 Satz 2 BGB (i.F.v. 2002).68 Als Anspruchsgrundlage sollte nach einer Literaturmeinung § 669 BGB in analoger Anwendung dienen.69 Dagegen wurde jedoch zu Recht vorgebracht, bei einem Rückgaberecht, § 356 BGB (i.F.v. 2002),70 sei ein Anspruch auf Kostenvorschuss zweckwidrig und eine Unterscheidung bezüglich der Rücksendemodalitäten zum Widerrufsrecht komme im Gesetz nicht zum Ausdruck.71 Es bestand insofern keine planwidrige Regelungslücke,72 sodass eine Analogie ausschied.73 Der Verbraucher hatte folglich keinen Anspruch auf Kostenvorschuss.74 Eine weitere Möglichkeit, von der Vorabzahlung der Rücksendekosten abzusehen, lag in den Händen des Verbrauchers. Er konnte die Ware „unfrei“ versenden, sodass der Empfänger (scil. der Unternehmer) die Portokosten bezahlen musste, wenn ihm die Ware geliefert wurde.75 Ein solches Vorgehen wurde nach herrschender Meinung auch als rechtlich zulässig deklariert.76 Der

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Siehe dazu Ring, Fernabsatzgesetz, 2000, Art. 2 Rdnr. 140; Uhlmann, Elektronische Verträge aus deutscher, europäischer und US-amerikanischer Sicht, 2003, S. 219; Liu, Die Rechtsfolgen nach der Ausübung des Widerrufs- und Rückgaberechts bei Verbraucherverträgen, 2005, S. 11. 68 Staudinger/Kaiser, BGB, 2012, § 357 Rdnr. 14. 69 Ring, Fernabsatzgesetz, 2000, Art. 2 Rdnr. 140; Uhlmann, Elektronische Verträge aus deutscher, europäischer und US-amerikanischer Sicht, 2003, S. 219; Liu, Die Rechtsfolgen nach der Ausübung des Widerrufs- und Rückgaberechts bei Verbraucherverträgen, 2005, S. 11. Der Gedanke zu der Analogie stammt von Bülow/Artz, NJW 2000, 2049 (2052); vgl. auch Aigner/Hofmann, Fernabsatzrecht im Internet, 2004, S. 140. 70 Weil in der Verbraucherrechte-RL keine Rückgaberechte vorgegeben sind, wird nunmehr auf dieses – dem Widerrufsrecht sehr ähnliche – Recht verzichtet. 71 Vgl. dazu Lütcke, Fernabsatzrecht, 2002, § 357 BGB Rdnr. 11; Mankowski, Beseitigungsrechte, 2003, S. 888. 72 Staudinger/Kaiser, BGB, 2012, § 357 Rdnr. 14; Lütcke, Fernabsatzrecht, 2002, § 357 BGB Rdnr. 11. Eine Gesetzeslücke bezweifelt auch Mankowski, Beseitigungsrechte, 2003, S. 888. 73 Im Ergebnis ebenso BeckOK-BGB/Müller-Christmann, 30. Ed. Stand: 01.02.2013, § 357 Rdnr. 14. 74 Im Ergebnis auch NK-BGB/Schulze, 7. Aufl. 2012, § 357 Rdnr. 4; Schirmbacher, in: Tamm/Tonner (Hrsg.), Verbraucherrecht, 2012, § 17 Rdnr. 103; BeckOK-BGB/MüllerChristmann, 30. Ed. Stand: 01.02.2013, § 357 Rdnr. 14; Masuch, MünchKomm. BGB, 6. Aufl. 2012, § 357 Rdnr. 23. 75 Nicht alle Paketdienste bieten allerdings den unfreien Versand in andere Länder an. 76 OLG Hamburg K&R 2007, 655 (556); Kaestner/Tews, WRP 2005, 1335 (1342); Staudinger/Kaiser, BGB, 2012, § 357 Rdnr. 14; BeckOK-BGB/Müller-Christmann, 30. Ed.

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Verbraucher setzte somit auf tatsächlicher Ebene das damalige Kostentragungsregime durch. Der Unternehmer konnte die „unfreie“ Sendung nicht zurückweisen, ohne in Gläubigerverzug (§ 300 BGB) zu geraten.77 Auch konnte die Möglichkeit einer „unfreien“ Rücksendung nicht vertraglich ausgeschlossen werden.78 Da der „unfreie“ Versand regelmäßig höhere Kosten verursacht als der normale Versand,79 stellte sich die Frage, ob der Unternehmer einen Ersatzanspruch in Höhe der Differenz zwischen normalem und „unfreiem“ Versand hatte.80 Ein solcher Anspruch konnte jedoch nur dann in Betracht kommen, wenn der Unternehmer andere Möglichkeiten geschaffen hatte, bei denen der Verbraucher die Kosten der Rücksendung auch nicht vorläufig tragen musste (z.B. Einrichtung einer kostenlosen Telefonnummer, die zu einer kostenlosen Abholung führt, oder Beigabe von Retourenaufklebern).81 Ein Ersatzanspruch des Unternehmers in Fällen der „unfreien“ Versendung konnte daher nur in den seltensten Fällen anzunehmen sein.82 Insofern stand dem Verbraucher eine überzeugende Variante zur Verfügung, mit der er die Kosten der Rücksendung nie – nicht einmal vorläufig – tragen musste. Als dritte Möglichkeit konnte der Verbraucher die Ware per Nachnahme versenden. Dies wurde in der Literatur als Steigerung zu einer „unfreien“ Rücksendung gesehen, sodass dieser Weg teilweise abgelehnt wurde, weil unnötige und damit keine „regelmäßigen“ Kosten (arg. ex § 357 Abs. 2 Satz 3 BGB [i.F.v. 2002]) entstanden wären.83 Jedoch ist keineswegs zwingend, dass

Stand: 01.02.2013, § 357 Rdnr. 14; Mankowski, Beseitigungsrechte, 2003, S. 886. Jauernig/Stadler, BGB, 15. Aufl. 2014, § 357 Rdnr. 4, und Masuch, MünchKomm. BGB, 6. Aufl. 2012, § 357 Rdnr. 23, sehen den Grund dafür, dass ein Anspruch auf Kostenvorschuss nicht besteht, gerade darin, dass die Ware „unfrei“ zurückgeschickt werden könne. 77 Masuch, MünchKomm. BGB, 6. Aufl. 2012, § 357 Rdnr. 23; Kaestner/Tews, WRP 2005, 1335 (1342). 78 Staudinger/Kaiser, BGB, 2012, § 357 Rdnr. 14. Zur Unwirksamkeit solcher Regelungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen OLG Hamburg WRP 2007, 674 (675); OLG Hamburg K&R 2007, 655 (656); Schirmbacher, in: Tamm/Tonner (Hrsg.), Verbraucherrecht, 2012, § 17 Rdnr. 103. 79 So bietet das Unternehmen DHL „unfreien“ Versand an. Dabei werden unabhängig von Größe und Gewicht 15,- Euro berechnet. Bei normalem Versand hat man die Wahl zwischen vier Paketvarianten, wobei das größte Paket nur 14,99 Euro kostet (Stand: 05.03.2016). 80 Vgl. R. Becker/Föhlisch, NJW 2005, 3377 (3380). Zu Obliegenheitsverletzungen durch Außerachtlassung günstigerer Versandwege Schirmbacher, in: Tamm/Tonner (Hrsg.), Verbraucherrecht, 2012, § 17 Rdnr. 102. 81 Kaestner/Tews, WRP 2005, 1335 (1344). 82 Vgl. auch Mankowski, Beseitigungsrechte, 2003, S. 886 m.w.N.; a.A. R. Becker/Föhlisch, NJW 2005, 3377 (3380). 83 Jauernig/Stadler, BGB, 15. Aufl. 2014, § 357 Rdnr. 4.

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die Sendung per Nachnahme höhere Kosten verursacht als die „unfreie“ Sendung.84 Somit konnte der Verbraucher – ohne einen Anspruch des Unternehmers auf Ersatz der Versandkosten befürchten zu müssen85 – die Ware auch per Nachnahme zurücksenden.86 Nach den alten Regelungen hatte der Verbraucher in Situationen, in denen der Unternehmer die Rücksendekosten zu tragen hatte, mehrere Möglichkeiten, das Insolvenzrisiko des Unternehmers (bezüglich der Rücksendekosten) nicht auf sich nehmen zu müssen.87 Insofern war die Hürde, die der Verbraucher nehmen musste, um seiner Rücksendeverpflichtung nachzukommen, nicht besonders hoch. Die weithin anerkannten Möglichkeiten, die Ware „unfrei“ oder per Nachnahme zurückzusenden, beruht auf der Überlegung, der Unternehmer habe im Endeffekt die Kosten der Rücksendung zu tragen, und der Verbraucher bringe den Unternehmer so dazu, die Kosten wirklich zu übernehmen. Die zugrunde zu legende Kostenverteilung ist im geltenden Recht aber anders ausgestaltet. Nun muss der Verbraucher die Rücksendekosten tragen.88 Man könnte der Meinung sein, der Verbraucher könne die erste Hürde für sein Tätigwerden weiter niedrig halten, indem er – obwohl er die Kosten schlussendlich tragen muss – die Ware zunächst „unfrei“ oder per Nachnahme zurücksendet. Er würde damit aber seine eigenen Kosten erhöhen und der Unternehmer wäre nun wohl sogar befugt, die Sendung zurückzuweisen, ohne in Annahmeverzug zu geraten (mangels tatsächlichen Angebots i.S.d. § 294 BGB).89 Der Verbraucher muss demnach de lege lata immer zunächst die Rücksendung bezahlen. Insoweit steht der Verbraucher tatsächlich schlechter als nach alter Rechtslage. (2) Die irritierende Vorstellung des Europäischen Gerichtshofs und des Richtliniengebers Nach Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Satz 2 und Abs. 2 Satz 2 Fernabsatz-RL durften dem Verbraucher nur die unmittelbaren Kosten der Rücksendung auferlegt

84 Beispielsweise kostet bei DHL die Sendung per Nachnahme 4,90 Euro Aufschlag auf jede Paketgröße (Stand: 05.03.2016), sodass man bei kleineren Paketen per Nachnahmeversand weniger zahlt als bei „unfreier“ Sendung; vgl. Fn. 79 in Teil 3, S. 107. 85 A.A. R. Becker/Föhlisch, NJW 2005, 3377 (3380). 86 So auch Mankowski, Beseitigungsrechte, 2003, S. 886; NK-BGB/Schulze, 7. Aufl. 2012, § 357 Rdnr. 4. 87 Hierzu auch Kaestner/Tews, WRP 2005, 1335 (1341). 88 Deshalb ist auch der Anspruch des Verbrauchers auf Kostenvorschuss ausgeschlossen. 89 Vgl. OLG München MMR 2012, 370, noch zum alten Recht, wobei in dem Fall die Rücksendekosten wirksam auf den Verbraucher übertragen wurden. Hingegen gehen Kaestner/Tews, WRP 2005, 1335 (1342 in Fn. 45), davon aus, dem Unternehmer stehe ein Zahlungsanspruch gegen den Verbraucher zu, der dann mit dem Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises aufgerechnet werden kann. Dies setzt aber voraus, dass der Unternehmer die Sendung entgegengenommen hat.

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werden. Auch der Europäische Gerichtshof hat bestätigt, dass bei Fernabsatzverträgen der Verbraucher gezahlte Hinsendekosten zurückerstattet bekommen müsse, weil ansonsten die Effektivität des Widerrufsrechts negativ beeinflusst würde.90 Daran zeigt sich schon ein Spannungsfeld: Es fragt sich, wieso (nicht zurückgezahlte) Hinsendekosten die Effektivität des Widerrufsrechts negativ beeinflussen sollen, aber (zu zahlende) Rücksendekosten nicht. Vermutlich wird davon ausgegangen, auch zu zahlende Rücksendekosten würden die Effektivität beeinflussen, deren Auferlegung sei aber gerechtfertigt, weil eine gewisse Einschränkung (z.B. zur Verhinderung von Opportunismus oder aufgrund eines Interessenausgleichs) möglich sein müsse. Der Richtliniengeber hätte damals allerdings auch normieren können, dass dem Verbraucher entweder die Hin- oder die Rücksendekosten auferlegt werden dürfen. Von Interesse für die vorliegende Untersuchung wäre gewesen, wie der Europäische Gerichtshof sich zur Effektivität des Widerrufsrechts geäußert hätte, wenn von einem nationalen Gesetzgeber eine Regelung getroffen worden wäre, welche die Rückerstattungsfähigkeit der Hinsendekosten nicht vorsieht, gleichzeitig aber die Rücksendekosten vom Unternehmer zu tragen gewesen wären.91 Im Widerspruch zu ausdrücklichen Regelungen in der Richtlinie hätte eine solche Regelung zumindest nicht bei Haustürgeschäften gestanden.92 Leider hat sich der Europäische Gerichtshof in der Heinrich Heine-Entscheidung93 nicht dazu geäußert, inwieweit die Effektivität des Widerrufsrechts auch in Fällen beeinträchtigt waren, in denen der Verbraucher wegen der – damals im deutschen Recht vorhandenen – 40-Euro-Klausel (§ 357 Abs. 2 Satz 3 BGB [i.F.v. 2002])94 keine Rücksendekosten zu tragen hatte oder der Unternehmer dem Verbraucher die Kosten trotz eines darunterliegenden Kaufpreises nicht auferlegte.95 Rücksendekosten könnten die Effektivität des Widerrufsrechts nachhaltig stören, was auch ein Grund dafür sein könnte, weshalb die Kostentragung für Rücksendekosten bei der Erarbeitung der Verbraucherrechte-RL umstritten war:96 Zu Beginn des Gesetzgebungsverfahrens war vorgeschlagen worden, 90

Siehe dazu schon oben Teil 1, II 2 b bb, S. 28 f. Die Regelung wäre in Bezug auf die Fernabsatz-RL sicherlich richtlinienwidrig, weil eben andere als die Rücksendekosten auferlegt werden, gleichwohl dürften die auferlegten Kosten sich – für einen rationalen Verbraucher – nicht negativer auswirken als bei einer richtlinienkonformen Regelung. 92 Für solche Geschäfte wurde den Mitgliedstaaten bei der Ausgestaltung des Rückgewährschuldverhältnisses kaum Vorgaben gemacht, vgl. Art. 7 Haustürwiderrufs-RL. 93 EuGH, Rs. C-511/08 (Heinrich Heine), Slg. 2010, I-3047. 94 Dem Verbraucher durften Rücksendekosten grundsätzlich nur auferlegt werden, „wenn der Preis der zurückzusendenden Sache einen Betrag von 40 Euro nicht übersteigt“. 95 Dies wurde angesichts der Formulierung der Vorlagefrage des BGH nicht thematisiert. 96 Darauf aufmerksam machend Unger, ZEuP 2012, 270 (291); siehe auch Hörmann, Der Internethandel und die neue Richtlinie über die Rechte der Verbraucher, 2014, S. 229; aus 91

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der Verbraucher müsse grundsätzlich die Rücksendekosten tragen.97 Später wurden sowohl eine Umkehrung der Kostentragung98 als auch eine Einschränkung (Kostentragung durch den Verbraucher nur bei einem Warenwert unter 40,- Euro)99 angeregt.100 Beide Änderungsvorschläge konnten sich nicht durchsetzen. Es bleibt daher weiterhin unklar, weshalb Hinsendekosten unbedingt zurückgezahlt werden müssen, weil sie sich negativ auf die Effektivität des Widerrufsrechts auswirken, Rücksendekosten hingegen vom Verbraucher übernommen werden können, ohne dass damit eine übermäßige Belastung des Verbrauchers, mithin eine Beschränkung der Effektivität, einhergehen soll. (3) Verhaltensökonomische Gründe für eine übermäßige Belastung der Verbraucher und Einschränkungen der Effektivität Vor dem Hintergrund einer verhaltensökonomischen Darstellung soll im Folgenden untersucht werden, ob die Effektivität des Widerrufsrechts durch die Rücksendekostentragung des Verbrauchers eventuell noch in größerem Umfang beeinträchtigt wird, als man dies bei einem rational handelnden Verbraucher vermuten würde. (a) Status quo bias und loss aversion Ein Mensch (hier: Verbraucher) nimmt Abweichungen vom status quo nicht linear wahr. Dieses Phänomen ist gerade bei Verlusten für die hier angestellte Untersuchung von Interesse. Diese stellen sich für den Verbraucher subjektiv meist höher dar, als sie objektiv sind. Dies gilt neben der Besitzposition101 auch für Geld. Objektive und subjektive Verluste verlaufen nicht linear zueinander. Vielmehr stellt sich das Abfallen konvex dar: Selbst geringe objektive Verluste stellen sich subjektiv als deutlich größer dar, während sich dieser Trend bei den zur Verfügung stehenden Unterlagen ergibt sich nicht, welche Gründe den Änderungsvorschlägen zugrunde lagen. 97 Siehe Art. 17 Abs. 1 des Vorschlags für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Rechte der Verbraucher KOM(2008) 614 endg. 98 Siehe Art. 17 Abs. 1 bei der Stellungnahme des Ausschusses für Wirtschaft und Währung für den Ausschuss für Binnenmarkt und Verbraucherschutz zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über Rechte der Verbraucher (KOM(2008)0614 – C6-0349/2008 – 2008/0196(COD)) vom 01.10.2010, siehe Plenarsitzungsdokument A7-0038/2011. 99 Siehe Art. 17 Abs. 1 in den Abänderungen des Europäischen Parlaments vom 24.03.2011 zu dem Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Rechte der Verbraucher, KOM(2008)0614 – C6-0349/2008 – 2008/0196(COD), Abl. C 247 E, 17.08.2012, S. 55 ff. 100 Eine Einschränkung der Hinsendekostenregelung war bei beiden Änderungsvorschlägen nicht intendiert. 101 Siehe zur Verlustaversion diesbezüglich Teil 2, II 2 a aa, S. 56 ff.

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höheren Verlusten nicht linear oder exponentiell steigert.102 Wirkt ein Verlust von einer Werteinheit wie ein Verlust von drei Werteinheiten, erscheint ein Verlust von 100 Werteinheiten nicht wie ein Verlust von 300 Werteinheiten, sondern sogar deutlich unter 200 Werteinheiten. Daraus folgt für die Rücksendekosten, dass diese, auch wenn sie objektiv eher gering sein sollten, subjektiv für den Verbraucher wie ein deutlich größerer Verlust erscheinen. Der (etwaige) Gewinn, der aufgrund der Rückgewähr der Sache (und damit Rückgewähr gezahlter Kosten) nach Widerruf entstehen würde, muss daher konkurrieren mit einem Verlust, der subjektiv deutlich über seinem objektiven Wert liegt. Dies ist ein großes Problem, weil der Verbraucher folglich viel mehr in seiner Entscheidungsfreiheit eingeschränkt wird, als dies auf den ersten Blick erscheint. Dies geht einher mit einer deutlichen Bevorzugung des status quo über ein rationales Maß hinaus.103 Dabei ist insbesondere zu beachten, dass diese Verzerrung auch dann eintritt, wenn mit dem Verlassen des status quo nur objektiv geringe Kosten verbunden sind.104 Insofern können auch geringe Rücksendekosten eine status quo bias hervorrufen oder verstärken.105 (b) Dissonanzreduktionen Wie bereits dargelegt wurde, hat ein Verbraucher Probleme dabei, sich auf die Möglichkeit eines Widerrufs vollends einzulassen.106 Bevor er widerruft, wird er eher neu auftretende, negative Empfindungen gegenüber der Ware unterdrücken. Diese hat damit subjektiv einen größeren Wert, als sie bei „ehrlicher“ bzw. nicht verzerrter Würdigung der Tatsachen haben müsste. Im hier interessierenden Zusammenhang ist besonders wichtig, wie die subjektive Wertzuordnung durch den Verbraucher mit der Gestaltung der Rückgabemöglichkeit verbunden ist. So wurde in einer Feldstudie aufgezeigt, dass einer Ware nach dem Kauf ein größerer Wert zugeordnet wird, wenn eine „verbraucherfeindliche“ Rückgabemöglichkeit besteht, als wenn eine „verbraucherfreundliche“ Rückgabemöglichkeit vorliegt.107 Dieses Ergebnis kann mit der Dissonanztheorie erklärt werden: Die Rückgabe als Möglichkeit der Dis-

102 Siehe dazu Kahneman/Tversky, 47 Econometrica 263, 279 (1979), mit einer instruktiven Abbildung. 103 Vgl. zur status quo bias schon oben Teil 2, II 2 b aa, S. 70 f. 104 H.-B. Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 5. Aufl. 2012, S. 107; Terryn, Bedenktijden in het consumentenrecht, 2008, S. 554. 105 Vgl. Hoeppner, 38 Eur. J. Law Econ. 247, 268 (2014). 106 Vgl. oben Teil 2, II 2 a bb, S. 59 ff. 107 Kim/Wansink, J. Retailing 88 (2012), 528 (537). Die Erläuterung der Begriffe „verbraucherfeindlich“ und „verbraucherfreundlich“ erfolgt sogleich im Text.

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sonanzreduktion steht – in der verbraucherungünstigen Konstellation – nur eingeschränkt zur Verfügung,108 weshalb der Verbraucher andere Dissonanzreduktionen vorzieht und damit den subjektiven Wert der Ware steigert.109 Die Wahrscheinlichkeit sowohl für eine umfangreiche Prüfung der Ware, die Dissonanzen hervorrufen kann, als auch für einen Widerruf wird deutlich verringert durch die Erschwerung der Rückgabe. Die benannte Studie bezog sich allerdings nicht auf Rücksendekosten. Die Verbraucherfreundlichkeit der Rückgabemöglichkeit war hier daran geknüpft worden, ob der Verbraucher nur defekte Ware oder jede Ware zurückgeben durfte.110 Dies verändert jedoch nicht die Wertungen: Treten negative Kognitionen gegenüber dem gekauften Produkt ein, konkurrieren verschiedene Möglichkeiten der Dissonanzreduktion. Wird eine der Möglichkeiten erschwert, gewinnen die anderen an Attraktivität. Besonders interessant ist insoweit, dass die Auferlegung der Rücksendekosten nicht nur die Widerrufsentscheidung beeinflusst, sondern sogar auf die Prüfungshandlung rückwirken kann. (c) Prokrastination Das Phänomen der Prokrastination tritt in größerem Umfang auf, soweit der Aufwand, der zu tätigen ist, größer ist.111 Man befördert beispielsweise eher und schneller den Papiermüll zur entsprechenden Mülltonne als Leerglas zum weiter entfernten Glascontainer. Deshalb wird in Büchern, die zur Überwindung der „Volkskrankheit“ Prokrastination beitragen wollen, regelmäßig angeregt, möglichst kleine Abschnitte zu bearbeiten und größere Aufgaben in kleine Abschnitte zu unterteilen, damit man sich eher überwinden kann, einen solchen kleinen Bereich zu bearbeiten.112 Wenn schon geringe „Kosten“, wie das Ausfüllen von Formularen,113 dazu führen, dass Personen eine an diese Handlung geknüpfte Entscheidung nicht 108

Vgl. Kim/Wansink, J. Retailing 88 (2012), 528 (530); Powers/Jack, 30 Psychol. Market. 724, 726 (2013). 109 Kim/Wansink, J. Retailing 88 (2012), 528 (529): „While lenient return policies allow consumers to resolve dissonance caused by the negative product performance easily by returning the products, restricted return policies make doing so difficult. Therefore, consumers are likely to be motivated to modify their product evaluations, which may be ambivalent due to the observed mixed attribute performance, in order to make them more consistent with their actions of keeping the products under restricted return policies.“ Vgl. Powers/Jack, 30 Psychol. Market. 724, 726 (2013). 110 Vgl. Kim/Wansink, J. Retailing 88 (2012), 528 (532). 111 Lynch/Zauberman, 25 J.P.P. & M. 67, 70 (2006); O‘Donoghue/Rabin, 89 A.E.R. 103 (1999); Steel, 133 Psychol. Bull. 65, 75 (2007). 112 Vgl. beispielsweise Rustemeyer/Callies, Aufschieben, Vermeiden, Verzögern, 2013, S. 111 f.; Rückert, Schluss mit dem ewigen Aufschieben, 8. Aufl. 2014, S. 225. 113 Madrian/Shea, 116 Q. J. Econ. 1149–1187 (2001); hierauf bereits rekurrierend Lynch/Zauberman, 25 J.P.P. & M. 67, 70 (2006).

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durchführen, ist vorstellbar, wie stark Verbraucher vom Widerruf abgeschreckt werden, wenn damit die Zahlung (und somit der sichere Verlust) von Rücksendekosten einhergeht. Durch die Verknüpfung der Widerrufsentscheidung mit der Zahlung der Rücksendekosten wird die Aufgabe „Widerruf“ für den Verbraucher schwieriger. Weil die Aufgabe schwieriger wird, besteht eine größere Gefahr, dass der Verbraucher prokrastiniert und die Widerrufsentscheidung so lange „vor sich her schiebt“,114 bis die Widerrufsfrist abgelaufen ist.115 (d) Zwischenergebnis Geht man davon aus, der Verbraucher sei rational, kann das Auferlegen der Rücksendekosten noch als angemessen erscheinen. Allerdings handelt der Verbraucher nicht vollständig rational und erfährt Beschränkungen, die ihn vom Widerruf abhalten.116 Bürdet man dem Verbraucher die Rücksendekosten auf, werden widerrufshemmende Faktoren über das Maß erhöht, das für einen rationalen Verbraucher bestünde. Vor dem Hintergrund verhaltensökonomischer Aspekte kann die genannte Kostenlast für den Verbraucher daher keineswegs überzeugen. (4) Das Argument „keine Effektivitätsprobleme vor Umsetzung der Verbraucherrechte-RL in den anderen Mitgliedstaaten“ Nicht selten wird für eine positive Bewertung der Belastung des Verbrauchers mit Rücksendekosten der Blick über die Landesgrenzen bemüht.117 Bei der Umsetzung der Fernabsatz-RL hatten viele Mitgliedstaaten es den Unternehmern ermöglicht, dem Verbraucher die Rücksendekosten aufzuerlegen.118 Es wird argumentiert, dass Verbraucher dort Rücksendekosten zahlen mussten, ohne dass Beschränkungen der Effektivität des Widerrufsrechts thematisiert wurden, woraus die Zweckmäßigkeit einer solchen Regelung folgen könne.119

114 Vgl. allgemein für Entscheidungen O‘Donoghue/Rabin, 89 A.E.R. 103 (1999); Steel, 133 Psychol. Bull. 65, 75 (2007). 115 Luzak, 37 J. Consum. Policy 91, 104 (2014), meint hingegen, der Richtliniengeber habe die Folgen von Prokrastination für die Widerrufsentscheidung hinreichend berücksichtigt, indem er dem Verbraucher die Möglichkeit einräumt, erst zu widerrufen und später die Ware zurückzusenden. Harris, [2010] 44 E.J.M. 730 (742), vermutet, je einfacher man ohne negative Konsequenzen den Vertrag rückgängig machen könne, desto eher werde dies auch durchgeführt. 116 Siehe dazu oben ausführlich Teil 2, II 2, S. 55 ff. 117 Beispielsweise Rühl, EuZW 2005, 199 (201); Föhlisch, Das Widerrufsrecht im Onlinehandel, 2009, S. 303. 118 Eingehend Schulte-Nölke/Börger, in: Schulte-Nölke et al. (Hrsg.), EC Consumer Law Compendium, 2008, S. 307 (350) m.w.N.; Rühl, EuZW 2005, 199 (201). 119 Dies scheint die Argumentationsstruktur zu sein bei Rühl, EuZW 2005, 199 (201); Föhlisch, Das Widerrufsrecht im Onlinehandel, 2009, S. 303.

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Teil 3: Das Rückgewährschuldverhältnis nach Widerruf

Allerdings kann diese Argumentation nicht überzeugen. Zwar scheint es keine negativen Berichte über die Kostentragung zu geben. Dies mag aber schon daran liegen, dass die Fernabsatz-RL eine solche Regelung ermöglicht hatte. Deshalb kam auch eine Richtlinienwidrigkeit dahingehender Regelungen nicht in Betracht, und der Europäische Gerichtshof musste sich nicht damit auseinandersetzen. Fehlende Studien und Argumente gegen eine bestimmte Regelung sprechen zudem nicht notwendigerweise für eine Regelung. Selbst wenn man die Argumentation für valide hielte, ließe sie keine Rückschlüsse auf eine Bewertung der Regelung in der Verbraucherrechte-RL zu. Während damals nämlich eine Auferlegung auf den Verbraucher ermöglicht wurde, ist nunmehr die Ausgangsposition (default) durch eine grundsätzliche Kostentragung des Verbrauchers verändert, was wiederum die Marktmechanismen hinsichtlich der tatsächlichen Kostentragung des Verbrauchers durch vertragliche Abänderung der gesetzlich vorgegebenen Ausgangssituation grundlegend umgeformt hat. Auch kann die Argumentation nicht ohne Weiteres auf außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge erweitert werden, weil bei Umsetzung der Haustürwiderrufs-RL die Rücksendung auf Kosten des Verbrauchers in keinem Mitgliedstaat vorgesehen war.120 (5) Erkenntnisse aus Studien zum Umgang der Verbraucher mit Rücksendekosten Eidenmüller beruft sich in diesem Zusammenhang auf die experimentelle Studie von Borges und Irlenbusch121 über Widerrufsrechte: „Allerdings zeigt eine empirische Studie, dass Rücksendekosten die Verbraucherentscheidung für oder gegen einen Widerruf nur marginal beeinflussen“.122 Auch Christiansen meint demzufolge, der Gesetz- bzw. Richtliniengeber könne dem Verbraucher die Rücksendekosten ohne Bedenken auferlegen, „weil der Verbraucher nicht durch diese Kosten in seiner Widerrufsentscheidung beeinflusst wird.“123 Diese Deutungen lassen sich allerdings der Studie nicht entnehmen. Die Studie trifft nämlich keinerlei Aussagen über die Widerrufsentscheidung des Verbrauchers. Vielmehr wurde in der Studie – unter anderem – untersucht, wie

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Siehe dazu schon Fn. 48 in Teil 3, S. 102. Borges/Irlenbusch, JITE 163 (2007), 84 ff.; Eidenmüller, AcP 210 (2010), 67 (99 in Fn. 67), verweist konkret auf Seite 98. 122 Eidenmüller, AcP 210 (2010), 67 (99 in Fn. 67); in ähnlicher Richtung auch Eidenmüller, in: ders. et al. (Hrsg.), Revision des Verbraucher-acquis, 2011, S. 109 (123), ders., ERCL 2011, 1 (21 in Fn. 49); Zimmermann, in: Eidenmüller et al. (Hrsg.), Revision des Verbraucher-acquis, 2011, S. 167 (191 mit Fn. 110). 123 Christiansen, Effektive und effiziente Widerrufsrechte, 2011, S. 271, vgl. auch schon a.a.O., S. 268 zur Interpretation der Studie. 121

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viele Verbraucher eine Ware bestellen, wenn sie die Rücksendekosten für einen etwaigen Widerruf tragen müssen. Dabei stellte sich tatsächlich heraus, dass ohne Rücksendekosten124 33 Personen nicht bestellten und 367 Personen die Ware bestellten; mussten die Testpersonen damit rechnen, die Rücksendekosten zu tragen, bestellten 27 Personen nicht und 365 Personen bestellten die Ware.125 Dies zeigt, dass die Übernahme möglicher Rücksendekosten Verbraucher kaum von einer Bestellung abhält; ob der Verbraucher von einem Widerruf abgehalten wird, wird aber gerade nicht untersucht. Die Studie betrifft eine Entscheidung, die zu einem völlig anderen Zeitpunkt getroffen wird, weshalb man auch keinerlei Rückschlüsse auf die Widerrufsentscheidung ziehen kann. Sie sagt somit auch nichts über den Einfluss von Verhaltensanomalien auf die Widerrufsentscheidung aus. Beispielsweise entsteht der endowment effect – als hier in Rede stehende Verhaltensanomalie – erst durch die sachliche Zuordnung (z.B. den Besitz an der Ware), folglich zu einem späterem als dem untersuchten Zeitpunkt. Die dargestellte Studie zum Einfluss der Rücksendekosten liefert folglich keine Erkenntnisse hinsichtlich der Auswirkungen der Kosten auf die Widerrufsentscheidung. Jedoch lässt eine andere Studie darauf schließen, dass der Verbraucher tatsächlich in seiner Widerrufsentscheidung beeinflusst wird. Bei einer experimentellen Studie mit 4.000 schwedischen Verbrauchern im Onlinehandel mussten 2.000 Verbraucher nach einem Widerruf für die Rücksendung nicht zahlen, die anderen 2.000 Testpersonen mussten die Kosten der Rücksendung126 übernehmen.127 In der erstgenannten Gruppe wurden 21,3 % der gekauften Waren aufgrund eines Widerrufs zurückgesendet. Von der zweitgenannten Gruppe wurden nur 18,7 % der gekauften Produkte zurückgesendet. Somit wurde die Rücksendequote durch die Rücksendekostentragung des Verbrauchers um 2,6 % verringert; innerhalb der Gruppe der Zurücksendenden nahm die Quote damit um über 10 % ab.128 Es zeigt sich folglich, wie sich die Rücksendekosten durchaus negativ auf die Rücksendequote und damit auf die Widerrufsquote bei Fernabsatzgeschäften auswirken können.

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Die Rücksendekosten waren nicht sehr hoch beziffert, vgl. Borges/Irlenbusch, JITE 163 (2007), 84 (92). 125 Borges/Irlenbusch, JITE 163 (2007), 84 (98). 126 Über die Höhe der Rücksendekosten gibt es leider keine Informationen. 127 Hjort/Lantz, [2012] 40 I.J.R.D.M. 997 ff. 128 Auch Möhring et al., HMD 52 (2015), 257 (263), zeichnen anhand einer Umfrage nach, dass Verbraucher (Kaufverträge über Modeartikel) eher widerrufen, wenn sie die Kosten der Rücksendung nicht tragen müssen.

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Teil 3: Das Rückgewährschuldverhältnis nach Widerruf

(6) Zwischenergebnis Durch die Tragung der Rücksendekosten durch den Verbraucher ist eine Einbuße an Effektivität des Widerrufsrechts zu befürchten. Entgegen mancher Stimmen in der Literatur weisen Studien eher darauf hin, dass merklich weniger Verbraucher widerrufen, wenn sie die Rücksendekosten tragen müssen. Dies steht auch im Einklang mit Erwägungen zur Verhaltensökonomik. bb) Keine Notwendigkeit von Rücksendung in der Originalverpackung Ein weiteres Problem der Effektivität des Widerrufsrechts im Zusammenhang mit den Versandkosten ist, ob der Verbraucher negativ beeinflusst wird, wenn er die Originalverpackung zur Rücksendung der Ware nutzen soll. Ist die Verpackung aufgrund einer Beschädigung nicht mehr zu gebrauchen oder nicht mehr im Besitz des Verbrauchers, könnte ihn die Verpflichtung zur Original(rück)verpackung schon von der Ausübung seines Widerrufsrechts abhalten. Vor diesem Hintergrund kann es überzeugen, dass der Verbraucher nicht verpflichtet ist, die Ware in der Originalverpackung zurückzusenden.129 Versucht der Unternehmer, dem Verbraucher diese Pflicht in seinen Allgemeinen Geschäftsbedingungen aufzuerlegen, ist dies unwirksam.130 cc) Besonderheiten bei Waren, die nicht per Post rückgesendet werden können Der Verbraucher muss Waren, die er im Fernabsatz gekauft hat, auch zurücksenden, wenn diese nicht auf dem normalen Postweg versandt werden können.131 Allein dadurch kann schon eine große Kostenlast entstehen. Der Verbraucher muss bei Fernabsatzgeschäften vom Unternehmer auch über diese (besonderen) Kosten der Rücksendung informiert werden, Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Halbs. 2 EGBGB (Umsetzung von Art. 6 Abs. 1 lit. i Verbraucherrechte-RL). Ein Verbraucher darf davon ausgehen, dass sich die zu tragenden Rücksendekosten in einem für ihn abschätzbaren Rahmen bewegen. Kann er zur Rücksendung nicht die Post bemühen, steigen die Kosten in einen Bereich, den er nicht überblicken kann. Deshalb muss ihm bei Vertragsschluss klar sein, 129

Es handelt sich bei der Transportverpackung auch nicht um eine empfangene Leistung i.S.d. § 357 Abs. 1 BGB, die zurückzugewähren wäre; vgl. Zaprianos, Die Rückabwicklung der Verbraucherverträge nach Ausübung des Widerrufsrechts, 2016, S. 153 f. Siehe zur Frage, ob dem Verbraucher für eine neue Transportverpackung ein Ersatzanspruch zusteht, noch unter Teil 3, VI 1, S. 240 ff. 130 Siehe dazu OLG Hamm NJW-RR 2005, 1582. Vgl. auch Kaestner/Tews, WRP 2005, 1335 (1340 f.), insbesondere zur Unterscheidung von Transportverpackung und Produktverpackung. 131 Siehe allerdings für außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträgen oben Teil 3, I 1, S. 87.

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welche Kosten er bei Ausübung eines Widerrufsrechts (höchstens) zu tragen hat. In der Musterwiderrufsbelehrung (Anlage 1 zu Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 2 EGBGB, Umsetzung von Anhang 1 A zur Verbraucherrechte-RL) in Gestaltungshinweis 5 b ist vorgegeben, der Unternehmer könne die höchstens möglichen Kosten schätzen, „wenn die Kosten vernünftigerweise nicht im Voraus berechnet werden können“. Zwar ist die Möglichkeit einer Schätzung in Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Halbs. 2 EGBGB nicht vorgesehen und die Musterwiderrufsbelehrung enthält keine direkte Aussagekraft für den Pflichtenkatalog des Unternehmers. Im Lichte von Erwägungsgrund 36 zur Verbraucherrechte-RL132 muss allerdings davon ausgegangen werden, der Unternehmer erfülle durch eine vernünftige Schätzung der Höchstkosten einer Rücksendung seine Informationspflichten.133 Gerade bei der hier in Rede stehenden Angabe von Kosten durch Schätzung können jedoch Interferenzen mit der Effektivität des Widerrufsrechts entstehen: Der Unternehmer könnte beispielsweise bei Rücksendekosten i.H.v. ca. 100,- Euro den Hinweis der Musterwiderrufsbelehrung folgendermaßen ausfüllen: „Sie tragen die unmittelbaren Kosten der Rücksendung der Waren. Die Kosten werden auf höchstens etwa 20.000,- Euro geschätzt.“ Für den Verbraucher ist eine solche (deutlich) zu hoch geschätzte Information nachteilig. Mit dem wiederum verhaltensökonomisch begründeten Anker-Effekt (anchoring)134 wird er davon ausgehen, der tatsächliche Betrag der Kostenlast liege in der Nähe der angegebenen Kostenlast. Gerade bei der Entscheidung zum Widerruf werden diese hohen Kosten einen negativen Einfluss haben – der Verbraucher wird nicht widerrufen.135 Der Unternehmer könnte, indem er überhöhte Rücksendekosten angibt, zwar Kaufvertragsabschlüsse negativ beeinflussen, allerdings sind Verbraucher „überoptimistisch“ bezüglich der Kenntnis der zu kaufenden Ware, was wiederum dazu führt, dass die Widerrufswahrscheinlichkeit geringer eingeschätzt wird, als sie realistisch sein müsste. Insoweit bestehen für den Unternehmer keine ureigenen Interessen daran, möglichst genau den Höchstbetrag zu schätzen. Vielmehr erhält er einen Anreiz, die Kosten höher als eigentlich erwartet anzugeben. Es stellt sich folglich die Frage der rechtlichen Bewertung einer (absichtlich) deutlich zu hohen Schätzung der Rücksendekosten. Buchmann schlägt für 132

Dort in Satz 4: „In den Fällen, in denen die Kosten für die Rücksendung der Waren vom Unternehmer vernünftigerweise nicht im Voraus berechnet werden können, beispielsweise weil der Unternehmer nicht anbietet, die Rücksendung der Waren selbst zu organisieren, sollte der Unternehmer erklären, dass Kosten zu entrichten sind und diese Kosten hoch sein können, einschließlich einer vernünftigen Schätzung der Höchstkosten, die auf den Kosten der Lieferung an den Verbraucher basieren könnte.“ 133 Vgl. Hoeren/Föhlisch, CR 2014, 242 (247). 134 Dazu beispielsweise Kahneman, 51 Org. Beh. & Hum. Dec. Processes 296, 308 m.w.N. (1992). 135 Zu diesem Problem auch Buchmann, K&R 2014, 293 (299).

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solche Fälle den Weg über das Wettbewerbsrecht vor.136 Es ließe sich durchaus überlegen, inwieweit der Unternehmer durch sein Vorgehen eine unlautere Handlung i.S.d. § 4a UWG vornimmt, weil der Verbraucher in seiner Widerrufsentscheidung beeinflusst werden kann. Man gelangt allerdings schon mit den Vorschriften zum Widerrufsrecht zu einem angemessenen Interessenausgleich: Richtlinienkonform ist eine Möglichkeit zur Schätzung der Rücksendekosten als „vernünftige[n] Schätzung der Höchstkosten“137 zu verstehen. Eine Begünstigung des Unternehmers durch eine Erleichterung seiner Informationsverpflichtungen ist nur angebracht, wenn er auf einer tatsächlichen Ebene nicht in der Lage ist, die genauen Kosten vorherzusagen. Er muss aber vernünftig schätzen. Ansonsten wird er seiner Informationspflicht nicht gerecht und muss die Rücksendekosten tragen, § 357 Abs. 6 Satz 1 BGB.138 Der Unternehmer muss gleichzeitig darauf achten, die Höchstkosten nicht zu niedrig einzuschätzen, auch wenn dadurch keine Effektivitätsprobleme entstehen. Ist die Schätzung – nachweisbar – zu gering, kommt der Unternehmer seinen Pflichten aus Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Halbs. 2 EGBGB wiederum nicht nach, sodass der Verbraucher die Rücksendekosten nicht tragen muss.139 dd) Hinsendekosten als versunkene Kosten Fraglich ist des Weiteren, ob es unter ökonomischen Aspekten überzeugend ist, dem Verbraucher einen Anspruch auf Rückgewähr der Hinsendekosten zu

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Buchmann, K&R 2014, 293 (299). Erwägungsgrund 36 Satz 4 zur Verbraucherrechte-RL. 138 A.A. Rätze, in: Solmecke (Hrsg.), Handel im Netz, 2014, S. 149 (170), der davon ausgeht, die Interessen der Beteiligten seien schon ausgeglichen, weil der Verbraucher nur den geringeren Betrag zahlen müsse. 139 Buchmann, K&R 2014, 293 (299), sowie Rätze, in: Solmecke (Hrsg.), Handel im Netz, 2014, S. 149 (170), gehen davon aus, dass der Verbraucher in solchen Fällen nur die zu niedrig genannten Rücksendekosten zu zahlen hat. Dies lässt sich aus § 357 Abs. 6 Satz 1 BGB allerdings nicht ableiten. Der Verbraucher muss nämlich nach dieser Vorschrift die Rücksendekosten tragen, „wenn“ und nicht „soweit“ er von dieser Pflicht unterrichtet wurde. Auch die deutsche und andere Sprachfassungen der Verbraucherrechte-RL legen eine solche Differenzierung nahe. Weil der Verbraucher seine Informationspflicht nicht erfüllt, dürfte auch § 312d Abs. 1 Satz 2 BGB nicht eingreifen. Will der Unternehmer dem Verbraucher nur einen Teil der Rücksendekosten auferlegen (hiermit argumentiert Buchmann, K&R 2014, 293 [299]), kann er dies schwerlich mit einer Schätzung der entstehenden Rücksendekosten in Einklang bringen, ohne zu verdeutlichen, welche Kosten für den Verbraucher konkret entstehen sollen. Siehe zu den Konsequenzen falscher Schätzung auch Schirmbacher, in: Spindler/Schuster (Hrsg.), Recht der elektronischen Medien, 3. Aufl. 2015, 3. Teil, § 357 BGB, Rdnr. 13. 137

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gewähren.140 Möglicherweise wird der Verbraucher nämlich nicht vom Widerruf abgeschreckt, wenn er die Hinsendekosten nicht zurückerstattet bekommt. Dafür müsste es sich bei den Hinsendekosten um sogenannte versunkene Kosten handeln. (1) Das Konzept der versunkenen Kosten Zunächst wird nun das Konzept der versunkenen Kosten dargelegt. Erstreckt sich die Verhaltensweise eines Marktteilnehmers über einen gewissen Zeitraum und sind innerhalb dieses Zeitraums Entscheidungen zu treffen, wird ein rationaler Marktteilnehmer auf die Zukunft gerichtete Entscheidungen nicht davon beeinflussen lassen, dass in der Vergangenheit Kosten entstanden sind, die bei allen Handlungsalternativen nicht reversibel sind.141 Nur künftige Folgen können die rationale Entscheidung beeinflussen.142 Irreversibilität liegt dabei vor, wenn die Ressourcen, die für die vorab getroffene Entscheidung aufgewendet wurden, nicht ohne Wertverlust durch eine weitere Entscheidung zurückzuerhalten sind.143 Beispielsweise sind Kosten für die Werbung zur Einführung eines Produktes144 nicht reversibel und dürfen folglich – für einen rationalen Entscheider145 – nicht ausschlaggebend sein für die spätere Frage, ob das Produkt am Markt verbleiben soll oder nicht. (2) Sind Hinsendekosten versunkene Kosten? Die deutsche Regierung äußerte sich vor dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs zur Rechtssache „Heinrich Heine“146 dahingehend, dass die Effektivität des Widerrufsrechts durch die deutsche Regelung mit Tragung der Hinsendekosten durch den Verbraucher nicht eingeschränkt werde. Diese Kosten seien nämlich versunkene Kosten, die keinen Einfluss auf die zukunftsorien-

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Kritisch zur Regelung in der Verbraucherrechte-RL vor dem Hintergrund der versunkenen Kosten Christiansen, Effektive und effiziente Widerrufsrechte, 2011, S. 317. 141 Vgl. Piekenbrock/Henning, Einführung in die Volkswirtschaftslehre und Mikroökonomie, 2. Aufl. 2013, S. 141, die von verschiedenen Planperioden sprechen; zur Definition auch Hauer, Versunkene Kosten, 1990, S. 48. Loacker, in: Verschraegen (Hrsg.), Interdisziplinäre Studien zur Komparatistik und zum Kollisionsrecht (Bd. III), 2012, S. 45 (61), spricht von „Kosten, die bereits unwiederbringlich verloren sind“. 142 Arkes/Blumer, 35 Org. Beh. & Hum. Dec. Processes 124, 127 (1985). 143 Von Interesse sind dabei nicht die Handlungen, sondern nur die Ressourcen, Hauer, Versunkene Kosten, 1990, S. 47 f. Arkes/Blumer, 35 Org. Beh. & Hum. Dec. Processes 124, 126 (1985), weisen darauf hin, dass es viele nicht-monetäre versunkene Kosten gebe. 144 Zu diesem Beispiel Piekenbrock/Henning, Einführung in die Volkswirtschaftslehre und Mikroökonomie, 2. Aufl. 2013, S. 141. 145 Gleichwohl werden versunkene Kosten häufig bei Entscheidungen berücksichtigt; vgl. schon oben Fn. 158 in Teil 2, S. 73. 146 Siehe dazu schon oben Teil 1, II 2 b bb, S. 28 f.

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tierte Entscheidung zum Widerruf habe. Vom Europäischen Gerichtshof wurden die Ausführungen der deutschen Regierung folgendermaßen wiedergegeben: „Im Übrigen könne die Tragung der Zusendungskosten durch den Verbraucher diesen nicht an der Ausübung seines Widerrufsrechts hindern. Zum einen werde er nämlich vor Vertragsschluss über die Höhe dieser Kosten unterrichtet. Zum anderen sei die Entscheidung, den Vertrag zu widerrufen, von diesen Kosten unabhängig, da diese bereits angefallen seien.“147

Mit dieser (ökonomischen) Bewertung der Sachlage steht die deutsche Regierung nicht allein. Im Schrifttum wird diese Einschätzung häufig geteilt.148 Die rationale Widerrufsentscheidung des Verbrauchers werde demnach durch die Tragung der Hinsendekosten nicht beeinflusst.149 Hinsendekosten können allerdings überhaupt nur dann versunkene Kosten darstellen, wenn sie nicht bei Ausübung des Widerrufsrechts zurückgezahlt werden.150 Der Aussagegehalt dieser Äußerung mag auf den ersten Blick trivial erscheinen; trotzdem wurde dieser Punkt in der Diskussion bislang nicht geäußert. Insofern ist bezüglich der Argumentation durchaus eine Besonderheit zu verzeichnen: Es wird dafür votiert, dass die Hinsendekosten nicht zurückgezahlt werden sollen, da sie, wenn sie nicht zurückgezahlt würden, für die zukünftige Entscheidung irrelevant wären. Die Auswirkungen der Variante einer Rückzahlung der Hinsendekosten werden hingegen nicht beleuchtet und gewürdigt. Aus einer ökonomischen Perspektive wird der Verbraucher den Widerruf durchführen, wenn der Nutzen des Widerrufs größer ist als der Nutzen des Behaltens der Ware. In einer Modellrechnung (ohne Rücksendekosten, nicht-monetären Aufwand und Wertersatzprobleme) würde das Folgendes bedeuten: Die Ware hat den Preis 100, die Hinsendekosten belaufen sich auf den Wert 20. Die Kaufentscheidung wird – rationalerweise – getroffen, weil der erwartete Nutzen mindestens den Wert 120 hat.151 Durch die Prüfung findet der Verbraucher nun heraus, dass die Ware für ihn nur den Nutzen von 110 hat. Behält er die Ware, hat er für eine Ware, der er einen Nutzen von 110 zuordnet, den Wert 120 bezahlt. Der durch den Kaufvorgang eintretende Verlust beläuft sich somit auf 10. Widerruft er, obwohl er die Hinsendekosten tragen muss, bekommt er den Preis zurück, aber nicht die Hinsendekosten. Der Verbraucher 147

EuGH, Rs. C-511/08 (Heinrich Heine), Slg. 2010, I-3047, Rdnr. 37. Christiansen, Effektive und effiziente Widerrufsrechte, 2011, S. 270; Hilbig, MMR 2009, 300 (303); Pfeiffer, ZGS 2008, 48 (53); Lantz/Hjort, Electron. Commer. Res. 13 (2013), 183 (186); vgl. auch Hess/Chu/Gerstner, 7 Mark. Lett. 307, 310 (1996). 149 Hilbig, MMR 2009, 300 (303); Pfeiffer, ZGS 2008, 48 (53). 150 Ansonsten könnte der Verbraucher durch seinen Widerruf die diesbezüglichen Ressourcen zurückgewinnen. 151 In den folgenden Berechnungen wird angenommen, dass der erwartete Nutzen genau den Wert 120 hat. 148

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muss die Ware zurückgeben und erhält den Wert 100 zurück. Gleichwohl entsteht ein Verlust in Höhe der nicht zurückzuerstattenden Hinsendekosten, folglich im Wert von 20. Rational gesehen dürfte der Verbraucher demnach in dieser Konstellation nicht widerrufen, weil der Verlust beim Behalten der Ware geringer ist (hier: 10) als wenn der Vertrag widerrufen würde (hier: 20). Müsste der Unternehmer hingegen auch die Hinsendekosten zurückzahlen, würde der Verbraucher rechnerisch überhaupt keinen Verlust durch einen Widerruf erleiden. Folglich wäre diese Option auch finanziell vorteilhafter als die Ware zu behalten. Insoweit zeigt sich, dass die etwaige Rückerstattung der Hinsendekosten über die Variable des zurückerstatteten Wertes Eingang in die (rationale) Widerrufsentscheidung findet. (3) Zwischenergebnis Die Argumentation der deutschen Regierung ist nicht überzeugend, weil es sich bei den Hinsendekosten nicht um versunkene Kosten handelt; sie können auch nicht als solche behandelt werden. Die Widerrufsentscheidung des Verbrauchers ist immanent damit verbunden, welche Kosten und in welcher Höhe er diese Kosten erstattet bekommt. Man kann nicht einen Teil der Kosten nicht zurückerstatten, um diese vom Verbraucher dann als versunkene Kosten behandeln zu lassen. Dann bräuchte der Verbraucher auch keinen Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises. Der Kaufpreis wäre nämlich versunken und würde sich auf die Widerrufsentscheidung nicht auswirken. Man merkt an diesem Punkt besonders deutlich die Brüchigkeit der Argumentation der deutschen Regierung. Folglich hat sich der Richtliniengeber richtig entschieden, indem er einen Anspruch auf Erstattung gezahlter Hinsendekosten zugunsten des Verbrauchers geschaffen hat.152 ee) Versandkosten und Förderung des Binnenmarktes Zu bedenken ist zudem, dass die hier untersuchten Maßnahmen des Richtliniengebers auch die Förderung des Binnenmarktes bezwecken. Verbraucher sollen dabei angeregt werden, grenzüberschreitend in anderen Mitgliedstaaten einzukaufen.153 Eine Befragung von über 5.000 deutschen Internetnutzern im Mai 2015 legt nahe, dass etwaige Kosten bei einer möglichen Rückabwicklung eines grenzüberschreitend abgeschlossenen Vertrags einen Verbraucher vom Vertragsschluss abhalten können. So gaben 51,5 % der Befragten an, es spre-

152 Dies gilt zumindest, wenn der Verbraucher die Rücksendekosten tragen muss, vgl. zur Möglichkeit einer Umkehrung der Kostentragung de lege ferenda noch Teil 3, II 5 a, S. 145 ff. 153 Siehe dazu bereits Teil 1, I 1, S. 7 f.

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che gegen einen internationalen Online-Kauf, wenn das etwaige „Umtauschen/Zurücksenden“ teuer werden kann, was nur wenig unter den 62,8 % liegt, die hohe Versandkosten als abschreckend empfinden.154 Verbraucher können folglich vom grenzüberschreitenden Vertragsschluss abgehalten werden, wenn die Rückabwicklung nach Widerruf finanziell ungünstig ist. Die bezweckte Förderung des Binnenmarktes würde nicht vollumfänglich erfolgen. Allerdings zeigt die genannte Umfrage gleichermaßen, dass gut 83 % der (über 3.000) Befragten, die international online einkaufen, von Preisen, die günstiger als in Deutschland sind, zum Kauf angeregt werden.155 Eine Begünstigung der Verbraucher hinsichtlich der Versandkosten nach Widerruf könnte hier Probleme auslösen: Es ist nämlich zu vermuten, dass Unternehmer auch die Kostentragung bezüglich der Versandkosten (zumindest teilweise) auf die Verbrauchergemeinschaft umlegen.156 Zudem sind bei internationalem Versand die Versandkosten typischerweise höher als beim Versand innerhalb eines Mitgliedstaats. Entlastet man nun den einzelnen Verbraucher im grenzüberschreitenden Handel bezüglich der Versandkosten, steigt der Warenpreis wohl eher an als bei nationalem Handel. Dies wiederum hält Verbraucher vermutlich vom grenzüberschreitenden Kauf ab, und auch der Binnenmarkt wird nicht umfassend gefördert. Insoweit kann die gewünschte Förderung des Binnenmarktes nicht ohne Weiteres als Argument bei der Zuteilung der Versandkostentragung fruchtbar gemacht werden. ff) Fazit Bei Fernabsatzverträgen ist die Effektivität des Widerrufsrechts erheblich gefährdet, wenn der Verbraucher – wie im geltenden Recht – die Rücksendekosten tragen muss. Als positiv ist jedoch einzustufen, dass dem Verbraucher gezahlte Hinsendekosten rückerstattet werden müssen, weil es sich dabei nicht um versunkene Kosten handelt. Inwieweit durch die Ausgestaltung der Versandkostenlast eine Verbesserung des Binnenmarkts möglich erscheint, kann hier nicht abschließend beurteilt werden. Die Verwirklichung von verbraucherbezogenen Zwecksetzungen des Widerrufsrechts wird allerdings eindeutig behindert, sodass die Verteilung der Versandkostenlast bei Fernabsatzverträgen nicht vollends überzeugen kann.

154 Siehe Studie im Auftrag der Internet World Messe „Shopping ohne Grenzen: Weltweit einkaufen via Internet“, abrufbar unter (Stand: 05.03.2016), S. 15. 155 Siehe zur Studie a.a.O. (siehe vorige Fn. 154), S. 12. 156 Siehe dazu bereits Teil 1, III 2 b aa (1), S. 34 f.

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b) Besonderheiten bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen Zwar werden Fernabsatzverträge und außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge durch die Vorschriften des geltenden Rechts hinsichtlich der Rücksendekosten größtenteils gleich behandelt. Unter dem Aspekt der Effektivität sind jedoch deutliche Unterschiede zu erkennen.157 aa) Zurechenbarkeit des Widerrufs bei Überrumpelung Es fragt sich zunächst, ob der Verbraucher bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen mehr durch die Auferlegung der Rücksendekosten belastet wird als bei Fernabsatzgeschäften. Zwar haben sich die Zwecke der Widerrufskonstellationen einander angenähert, es lässt sich allerdings nicht leugnen, dass bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen der Überrumpelungsschutz eher im Vordergrund steht. Es sind bei solchen Geschäften einige Konstellationen denkbar, in denen der Verbraucher noch zusätzlich belastet wird. So werden etwa bei faktischen Haustürgeschäften, die nicht unter § 357 Abs. 6 Satz 3 BGB zu subsumieren sind, dem Verbraucher die Rücksendekosten „aufgezwungen“, ohne dass er eine hinreichende Schutzmöglichkeit hat: Durch die Überrumpelung vor Ort kann er zum Vertragsschluss bewegt werden; erfolgt die Lieferung kurz darauf oder bei Ware, die per Post rückgesendet werden kann, auch direkt bei Vertragsschluss, muss der Verbraucher für die Rücksendung aufkommen, ohne die ernsthafte Chance gehabt zu haben, durch einen Widerruf die Lieferung abwenden zu können.158 Der Verbraucher wird bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen daher – häufig ohne zurechenbares Zutun159 – in eine Situation gebracht, die für ihn negative Auswirkungen hat (scil. Vertragsschluss ohne Möglichkeit, sich leicht davon zu lösen). bb) Überrumpelung hinsichtlich der Kosten für Expressversand Fraglich ist auch, ob Verbraucher bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen hinsichtlich der konkreten Hinsendekosten, die ihnen erstattet werden, hinreichend geschützt werden. Bei allen besonderen Vertriebsformen muss der Unternehmer nur die Kosten der Standardlieferung und nicht etwa die Kosten einer Express-Lieferung erstatten, § 357 Abs. 2 BGB.160 157 Allgemein gegen eine Kostentragungspflicht für die Rücksendung bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen Schulze/Morgan, in: Dannemann/Vogenauer (Hrsg.), The Common European Sales Law in Context, 2013, S. 294 (335). 158 Siehe zu Informationsproblemen noch gleich unter Teil 3, II 2 b cc, S. 125 f. 159 Vgl. Riesenhuber, System und Prinzipien des Europäischen Vertragsrechts, 2003, S. 326. 160 Siehe dazu schon oben Teil 3, II 1 a aa, S. 100.

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Während der Europäische Gerichtshof noch entschieden hatte, Richtlinienkonformität bezüglich der Fernabsatz-RL liege nur dann vor, wenn der Unternehmer jegliche Hinsendekosten zurückgewähre,161 ist die Rückerstattungspflicht des Unternehmers nun deutlich eingeschränkt.162 Der Unternehmer ist durch den Kaufvertragsschluss (zumindest bei Fernabsatzverträgen typischerweise) verpflichtet, dem Verbraucher die Ware zu liefern. Eine Expresslieferung ist nicht Teil seiner Verpflichtung und stellt damit eine zusätzliche „Leistung“ dar, die vom Verbraucher zu vergüten ist. Insofern wird die Auffassung vertreten, diese Vergütung müsse deshalb auch bei einem Widerruf bestehen bleiben. Dies entspreche auch der Wertung, die in der Verbraucherrechte-RL bezüglich des Ausschlusses des Widerrufs für vollständig erbrachte Dienstleistungen getroffen wurde (Art. 16 lit. a Verbraucherrechte-RL, umgesetzt in § 356 Abs. 4 Satz 1 BGB).163 Der Verbraucher müsse folglich die Differenz zwischen Standardlieferung und gewählter Lieferart zahlen, wodurch gewährleistet werde, dass „der Verbraucher den Unternehmer nicht treuwidrig mit Mehrkosten belastet“.164 Vor dem Hintergrund einer Überrumpelung des Verbrauchers können diese Wertungen allerdings kaum überzeugen. Wenn der Verbraucher durch eine Überrumpelung zu einem Vertragsschluss gedrängt werden kann, wird ein Unternehmer den Verbraucher auch davon überzeugen können, dass dieser die Ware unbedingt umgehend benötigt. Soweit der Unternehmer die Ware nicht direkt übergeben kann, wird der Verbraucher mit der Möglichkeit einer Express-Lieferung konfrontiert. Es erscheint keineswegs unwahrscheinlich, dass der Verbraucher unter Einfluss einer Überrumpelungssituation davon überzeugt werden kann, zusätzliche Kosten für eine Express-Lieferung aufzuwenden. Die finanzielle Belastung fehlender Rückgewähr von Kosten einer ExpressLieferung ist zwar für Verbraucher in beiden besonderen Vertriebsformen gleich, allerdings kann bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen ein höherer psychischer Druck auf den Verbraucher als bei Fernabsatzverträgen bestehen. Insoweit ist der Verbraucher schutzwürdiger. Der Ausgleich der Drucksituation und damit die Effektivität des Widerrufsrechts werden hier im geltenden Recht nicht umfassend gewährleistet.

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EuGH, Rs. C-511/08 (Heinrich Heine), Slg. 2010, I-3047, Rdnr. 59; hierzu auch Haase, VuR 2010, 291 (292): „Portokosten, Speditionskosten, Expresszuschläge sowie Nachnahmekosten“. 162 In Bezug auf den GEKR-E Schulze/Morgan, in: Dannemann/Vogenauer (Hrsg.), The Common European Sales Law in Context, 2013, S. 294 (330). 163 M. Weller, in: Schmidt-Kessel (Hrsg.), Ein einheitliches Europäisches Kaufrecht?, 2012, S. 147 (166). 164 Föhlisch/Dyakova, MMR 2013, 71 (75).

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cc) Effektivitätseinbußen mangels hinreichender Information Wenn gekaufte Waren aufgrund ihrer Beschaffenheit nicht auf dem normalen Postweg zurückgesendet werden können, muss der Verbraucher nur dann über die Kosten der Rücksendung informiert werden, wenn ein Fernabsatzgeschäft vorliegt, Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Halbs. 2 EGBGB (Umsetzung von Art. 6 Abs. 1 lit. i Verbraucherrechte-RL). Eine solche Pflicht besteht für außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge nicht. Der Verbraucher muss dann nur generell über die Kostentragung informiert werden, Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Halbs. 1 EGBGB. Gleichwohl besteht bei solchen Verträgen die Möglichkeit, dass der Verbraucher nicht zur Rücksendung verpflichtet ist, § 357 Abs. 6 Satz 3 BGB (Umsetzung von Art. 14 Abs. 1 Unterabs. 3 Verbraucherrechte-RL). Wie bereits gezeigt wurde, hat § 357 Abs. 6 Satz 3 BGB jedoch nur einen engen Anwendungsbereich.165 Der Ausschluss der Rücksendepflicht nach § 357 Abs. 6 Satz 3 BGB findet bereits nur bei faktischen Haustürgeschäften und nicht bei sonstigen außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen Anwendung. Zudem müsste eine Ware, die nicht mit der Post versandt werden kann, auch (zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses) zur Wohnung des Verbrauchers gebracht werden. Allerdings wird ein Unternehmer Waren, die sich gerade nicht für den „einfachen“ Transport eignen, selten bei sich führen. Dies gilt insbesondere für sperrige Waren.166 Der Verbraucher wird folglich bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen häufig die Ware kostenpflichtig zurücksenden müssen, auch wenn die Ware nicht mit der Post versandt werden kann. Über die Kosten der Rücksendung muss er in diesen häufigen Konstellationen allerdings nicht informiert werden. Gerade in den dargestellten Fällen wäre es jedoch besonders wichtig für den Verbraucher, seinen Pflichtenkanon im Widerrufsfall umfassend zu kennen, da zwischen der Überrumpelungssituation und der Lieferung der Ware ein Zeitfenster entsteht, in dem er über den Vertragsschluss nachdenken kann. Kommt er zu dem Ergebnis, die etwaigen Rücksendekosten nicht tragen zu wollen, kann er möglicherweise die Lieferung noch verhindern. Für eine solche Abwägung müsste er jedoch wissen, wie umfangreich die Kosten einer etwaigen Rücksendung ausfallen können. Informiert der Unternehmer den Verbraucher nur über dessen Kostentragungspflicht bezüglich der Rücksendung, muss dieser die Kosten auch tragen, arg. ex § 357 Abs. 6 Satz 1 BGB (Umsetzung von Art. 14 Abs. 1 Unterabs. 2 Verbraucherrechte-RL).167 Ein besonderer Informationsumfang könnte sich 165

Siehe schon Teil 3, I 2 b bb, S. 89 ff. Vgl. Unger, ZEuP 2012, 270 (292), der dem Ausschlussgrund auch geringe praktische Relevanz bescheinigt; dazu auch Rott, R.E.D.C. 2012, 371 (387). 167 Die Musterwiderrufsbelehrung zu Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 2 EGBGB sieht in Gestaltungshinweis 5 b auch nicht vor, dass bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen 166

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nur aus einer analogen Anwendung des Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Halbs. 2 EGBGB auf außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge ergeben. Bei strikter Gesetzesanwendung wird dem Unternehmer allerdings eine doppelte Überrumpelung ermöglicht. Zunächst wird der Verbraucher beim Vertragsschluss überrumpelt. Später wird der Verbraucher von der Tatsache „überrumpelt“, dass er für die Rücksendung der Ware umfangreiche Kosten tragen muss. Diese Kostentragung, die in ihrem Umfang kaum vorhersehbar ist, wird Rückwirkungen auf die Widerrufsentscheidung haben. Dadurch ist die Effektivität des Widerrufsrechts gefährdet. In Verbindung mit dem Zurückbehaltungsrecht des Unternehmers ist auch die Situation denkbar, dass zwar ein Widerruf erfolgt, eine Rücksendung aufgrund der Kosten jedoch ausbleibt und somit der Widerruf faktisch wirkungslos und demnach ineffektiv ist. dd) Die Verkürzung des Anwendungsbereichs der Widerrufsvorschriften bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen Im Zusammenhang mit den Rücksendekosten steht auch die Verkürzung des Anwendungsbereichs der Widerrufsvorschriften bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen. Ein Verbraucher hat kein Widerrufsrecht bei solchen Verträgen, wenn die Leistung bei Abschluss der Verhandlungen sofort erbracht und bezahlt wird und das vom Verbraucher zu zahlende Entgelt 40,Euro nicht überschreitet, § 312 Abs. 2 Nr. 12 BGB.168 Diesbezüglich hat sich die Rechtslage in Deutschland durch die Umsetzung der Verbraucherrechte-RL kaum verändert, eine ähnliche Vorschrift fand sich für Haustürgeschäfte bereits in § 312 Abs. 3 Nr. 2 BGB (i.F.v. 2002). Während die aktuelle Vorschrift durch die Öffnungsklausel in Art. 3 Abs. 4 Verbraucherrechte-RL ermöglicht wurde, beruhte die alte Rechtslage auf der Öffnungsklausel in Art. 3 Abs. 1 Haustürwiderrufs-RL. Die Begründung der aktuellen Rechtslage erfolgt mit dem Hinweis auf die Vermeidung von „unverhältnismäßige[m] Verwaltungsaufwand“,169 ohne dies näher zu spezifizieren. So ist schon unklar, ob es sich um Aufwand für Gerichte (wegen Verringerung der Gerichtsverfahren), Unternehmer (wegen verringerter Informationspflichten) oder Verbraucher (aufgrund unterbleibender Rückabwicklung) handeln soll. Deutsche Gesetzgebungsorgane haben sich bei Einführung der damaligen Rechtslage intensiver mit den zugrunde liegenden Interessen beschäftigt: Verträgen, bei denen der Postversand nicht möglich ist, eine spezielle Information erfolgt. Zur Informationspflicht bei fehlender Möglichkeit der Rücksendung per Post auch Tamm, in: Brönneke/Tonner (Hrsg.), Das neue Schuldrecht, 2014, S. 97 (105). 168 Zur ähnlichen Regelung in Art. 40 Abs. 1 lit. b GEKR-E Schulze, in: Schulte-Nölke et al. (Hrsg.), Der Entwurf für ein optionales europäisches Kaufrecht, 2012, S. 151 (156). 169 BT-Drucks. 17/12637, S. 47 (vgl. Fn. 139 in Teil 1, S. 40).

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„Schließlich sollen vom Widerrufsrecht bestimmte sofort erfüllte Bagatellgeschäfte ausgenommen werden. Solche Bagatellgeschäfte belasten den Kunden wirtschaftlich nur geringfügig und sind in der verschiedenartigsten Gestalt so häufig, daß die Einführung eines Widerrufsrechts und die Rückabwicklung zu einem unangemessenen Aufwand führen würden, der in keinem Verhältnis zur Belastung des Kunden stehen würde, die sich für ihn aus der Verbindlichkeit des Geschäfts ergibt.“170

Dabei wird auch ausdrücklich Bezug genommen auf die Interessen des Verbrauchers: „Es wäre nicht verhältnismäßig, wollte man auch für solche Geschäfte allgemein ein Widerrufsrecht einführen, zumal ihre Rückabwicklung den Kunden regelmäßig mehr belasten als ihm nennenswerte wirtschaftliche Vorteile bringen dürfte.“171

Der Ausschluss des Widerrufsrechts wird infolgedessen – zumindest auch – damit begründet, dass der Verbraucher kaum wirtschaftliche Vorteile durch den Widerruf erlange. Dies kann aus mehreren Gründen nicht überzeugen: Ist die Ware für den Verbraucher wertlos, kann er einen wirtschaftlichen Verlust von bis zu 40,- Euro erleiden, wenn er den Vertrag nicht widerrufen kann. Könnte er widerrufen, wäre sein wirtschaftlicher Verlust – wenn er die Ware nicht übermäßig genutzt/geprüft hat – nur in der Zahlung der Rücksendekosten zu sehen. Inwieweit und wie häufig der subjektive Wert der Ware für den Verbraucher geringer ist als der gezahlte Preis minus (etwaig zu zahlende) Rücksendekosten172 kann man nicht pauschal sagen, sodass die Aussage, dies sei „regelmäßig“173 nicht der Fall, nicht überzeugen kann. Zudem wird der Ausschluss des Widerrufsrechts als größte Einschränkung der Effektivität mit einer anderen Einschränkung der Effektivität des Widerrufsrechts begründet. Muss der Verbraucher die Rücksendekosten – zumindest in den in Rede stehenden Situationen – nämlich nicht tragen,174 wäre für ihn ein Widerruf eher „regelmäßig“175 begünstigend, weil er nur die immateriellen Kosten der Rückabwicklung tragen müsste. Geht man darüber hinaus davon aus, der Verbraucher lasse sich von zu hohen Rückabwicklungskosten von einem Widerruf abschrecken,176 besteht auch nur eine geringe Gefahr, dass der Verbraucher tatsächlich widerruft, wenn die finanzielle Belastung durch einen Widerruf sehr groß wäre. Er sollte demnach

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BT-Drucks. 7/4078, S. 9 (Gesetzentwurf des Bundesrates, Entwurf eines Gesetzes über den Widerruf von Haustürgeschäften und ähnlichen Geschäften). 171 BT-Drucks. 10/2876, S. 12 (vgl. Fn. 30 in Teil 2, S. 54). 172 Dann wäre es rational, zu widerrufen. 173 Vgl. BT-Drucks. 10/2876, S. 12 (vgl. Fn. 30 in Teil 2, S. 54), wobei der Begriff nicht konkretisiert wird. 174 Siehe dazu noch Teil 3, II 5, S. 145 ff. 175 Wenn der Verbraucher die Versandkosten nicht zahlen muss, ist es schon kostenrational zu widerrufen, sobald der tatsächliche Nutzen nicht dem Kaufpreis entspricht. 176 Vgl. schon Teil 1, II 2, S. 22 ff.

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selbst darüber entscheiden können, ob für ihn die Vor- oder die Nachteile eines Widerrufs überwiegen.177 Gerade im Vergleich mit anderen Vertriebsformen zeigt sich keine besondere Schutzwürdigkeit des Unternehmers bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen: Argumentiert man mit erhöhtem Verwaltungsaufwand, müsste dies in gleicher Weise für Fernabsatzverträge gelten. Bei diesen ist der Unternehmer sogar schutzwürdiger, weil er nicht derart stark – durch Überrumpelung – aktiv auf den Vertragsschluss hinwirkt wie ein Unternehmer, der Verträge außerhalb von Geschäftsräumen abschließt. Ex ante-opportunistische Verhaltensweisen ergeben sich für den Verbraucher zudem nur bei invited in-home selling, weil der Verbraucher hierbei den Kaufvertragsabschluss im Voraus planen kann. Für invited in-home selling könnte man allerdings eine Sonderregelung treffen. Der Gesetzgeber zeichnet somit eine Unternehmensstrategie vor, bei der ein Unternehmer den Verbraucher überrumpelt und gezielt geringwertige und geringpreisige Ware verkauft, damit kein Widerrufsrecht besteht. Im Spannungsverhältnis von Effektivität und Opportunismus kann die Verkürzung des Anwendungsbereiches nicht überzeugen, weil die Effektivität in einem Bereich ausgehebelt wird, in dem kein erhöhtes Opportunismuspotenzial besteht. Möchte man den Verbraucher vor (verhältnismäßig) zu hohen Kosten für die Rückabwicklung schützen, könnte man dies auch bei Fernabsatzgeschäften andenken. ee) Fazit Gerade bei faktischen Haustürgeschäften verstärkt sich die Einschränkung der Effektivität des Widerrufsrechts – im Vergleich zu Fernabsatzverträgen – sehr. Sollten dazu noch Unklarheiten über die Inhalte der Informationspflichten bestehen, führt dies schnell zu einem nicht überzeugenden Zustand. Der Verbraucher wird sich aufgrund der hohen (und überraschenden) Kosten in solchen Situationen oftmals nicht vom Vertrag lösen (können). Durch die Verkürzung des Anwendungsbereichs bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen wird der Verbraucherschutz noch weiter verringert. c) Die Gefahrtragung bei Rücksendung der Ware Zumindest die deutsche Vorschrift zur Gefahrtragung bei Rücksendung der Ware (§ 355 Abs. 3 Satz 4 BGB) kann vor dem Hintergrund der Effektivität überzeugen: Müsste der Verbraucher die Gefahr bei Rücksendung der Ware tragen, wäre es rational, aus Sorge über den Verlust auf die Rücksendung zu verzichten. Zwar könnte der Verbraucher unter Umständen das Paket versi-

177

Vgl. zu den alten Vorschriften Staudinger/Thüsing, BGB, 2012, § 312 Rdnr. 177.

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chern lassen. Dies würde aber Kosten hervorrufen, die wiederum die Widerrufsentscheidung negativ beeinflussen können.178 Unter dem Aspekt der Effektivität ist es demnach notwendig, die Gefahr der Rücksendung dem Unternehmer aufzuerlegen. Die aktuelle deutsche Regelung ist somit zu befürworten. Der Richtliniengeber hätte dies auch in der Verbraucherrechte-RL statuieren sollen.179 3. Auferlegung der Rücksendekosten als Schutzmechanismus gegenüber Opportunismus Die Auferlegung der Rücksendekosten auf den Verbraucher und die negativen Auswirkungen auf die Effektivität wären dann zu rechtfertigen, wenn durch die neue Regelung überwiegend solche Verbraucher von der Ausübung des Widerrufsrechts abgehalten würden, die das Widerrufsrecht ausnutzen wollen und nach alter Rechtslage – ohne Auferlegung der Rücksendekosten – die Möglichkeit dazu hatten.180 In der Diskussion der letzten Jahre um die Kostentragung wird die Kostenlast des Verbrauchers mit Rücksendekosten häufig gerade deshalb positiv bewertet, weil dadurch Möglichkeiten opportunistischen Verbraucherverhaltens eingeschränkt würden.181 Ausdrücklich äußerte sich unter anderem Eidenmüller zum Ausgleich von Effektivität und Opportunismus durch die Auferlegung der Rücksendekosten auf den Verbraucher: „Zur Eindämmung opportunistischen Verbraucherverhaltens ist es daher im Ergebnis gerechtfertigt, eine Überbürdung der Rücksendekosten auf den widerrufenden Verbraucher zuzulassen, obwohl dies die Ausübung des Widerrufsrechts auch in den Fällen ineffizienter Verträge etwas erschwert.“182

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Vgl. Kolba/Leupold, Das neue Verbraucherrecht, 2014, S. 124. Siehe zur Möglichkeit der Mitgliedstaaten, diesen Punkt individuell zu regeln, schon Teil 3, II 1 b, S. 103. 180 Vgl. Eidenmüller, AcP 210 (2010), 67 (100); vgl. auch Posselt/Radić/Tammen, Z. Betriebswirtsch. 80 (2010), 841 (847); Eichelberger, VuR 2010, 279 (280). 181 Beispielsweise Härting, Fernabsatzgesetz, 2000, Anh. § 3 Rdnr. 51; R. Becker/Föhlisch, NJW 2005, 3377 (3380); Föhlisch, Das Widerrufsrecht im Onlinehandel, 2009, S. 303 f.; in Bezug auf Verhinderung von Opportunismus Bechtold, Die Grenzen zwingenden Vertragsrechts, 2010, S. 98 f.; siehe auch schon die Empfehlungen der Ausschüsse vom 01.03.2005 zu dem Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Vorschriften über Fernabsatzverträge bei Finanzdienstleistungen (BR-Drucks. 84/1/04, S. 5); vgl. auch Loos, in: Howells/Schulze (Hrsg.), Modernising and harmonising consumer contract law, 2009, S. 237 (267); Unger, ZEuP 2012, 270 (292), meint, die Rücksendekostenauferlegung führe zu einer Vermeidung „missbräuchlicher Testkäufe“. 182 Eidenmüller, in: ders. et al. (Hrsg.), Revision des Verbraucher-acquis, 2011, S. 109 (158); aus dem Zusammenhang ergibt sich, dass mit opportunistischem Verhalten die faktische Leihe gemeint ist. 179

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Genauere Ausführungen oder Präzisierungen zu Einschränkungsmöglichkeiten opportunistischen Verbraucherverhaltens finden sich allerdings sehr selten.183 Eine dahingehende Analyse findet sich daher im Folgenden.184 a) Versandkosten als wirksames Mittel gegen faktische Leihe Es kann vorkommen, dass ein Verbraucher ein Produkt objektiv kauft, aber subjektiv eine Leihe vornehmen will. Der Verbraucher will hierbei einen Nutzen aus der Sache ziehen in der Zeit, in der er die Sache im Besitz hat, sie aber auch nach einer gewissen Zeit wieder zurückgeben.185 Typischerweise wird die Entscheidung zu einem solchen Verhalten schon vor dem Abschluss des Kaufvertrags getroffen, sie ist aber auch noch nach dem Vertragsschluss denkbar.186 Im Zusammenhang mit den hier untersuchten Widerrufsrechten ist gerade bei Fernabsatzgeschäften ein solches Verhalten vorstellbar.187 Durch die – für Deutschland neue – Gewährung des Widerrufsrechts bei invited in-home selling188 kann der Verbraucher aber auch bei faktischen Haustürgeschäften eine faktische Leihe (retail borrowing) betreiben. Da ein solches Verhalten des Verbrauchers für Unternehmer ohne Nutzen und sogar schädlich ist, wird bereits untersucht, welche persönlichen und situationsbezogenen Kategorien für ein

183

In BT-Drucks. 15/3870, S. 2 (Unterrichtung durch den Bundesrat, Gesetz zur Änderung der Vorschriften über Fernabsatzverträge bei Finanzdienstleistungen – Drucksachen 15/2946, 15/3483 – Anrufung des Vermittlungsausschusses) wird allerdings in Bezug auf eine vertragliche Auferlegung mit Rücksendekosten dargelegt: „Die Zahl der nicht ernsthaften Bestellungen und der Bestellungen einer Vielzahl von Waren, von denen allenfalls eine gekauft wird, kann so erheblich reduziert werden.“ Zu dem letztgenannten Punkt auch A. Mayer, NJ 2014, 364 (367); siehe auch Kötz, Europäisches Vertragsrecht, 2. Aufl. 2015, S. 285. 184 Teilweise scheint davon ausgegangen zu werden, die Ware werde auch weniger genutzt und nur in den zulässigen Grenzen ausprobiert, wenn der Verbraucher die Rücksendekosten zahlen muss: „If the buyer must transport the goods back to the store, then he bears some of the cost of return and accordingly will be deterred from excessive use and inspection of goods at the margin. In the case of distance contracts, sellers can produce the same effect by requiring the buyer to bear the cost of shipping the goods.“, Ben-Shahar/E. Posner, 40 J. Legal Stud. 115, 138 f. (2011). Diese Vermutung erscheint jedoch – zumindest für ex postOpportunismus – so nicht nachvollziehbar. 185 Vgl. schon Teil 1, III 1 und 3, S. 30 ff.; siehe auch Ben-Shahar/E. Posner, 40 J. Legal Stud. 115, 138 (2011); Heiman et al., 54 J.B.R. 71, 74 (2001); Piron/Young, [2000] 28 I.J.R.D.M. 27. Wachter et al., [2012] 21 Bus. Ethics Eur. Rev. 115, 116, gehen sogar davon aus, dass es Verbraucher gibt, die ein Produkt bei Firma A kaufen, später zurückgeben, um das Produkt dann bei Firma B zu kaufen, wobei es dort auch zurückgegeben wird, usw. 186 Piron/Young, [2000] 28 I.J.R.D.M. 27. 187 Vgl. Bechtold, Die Grenzen zwingenden Vertragsrechts, 2010, S. 97. 188 Siehe dazu Teil 1, I 2 b, S. 16 ff.

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solches opportunistisches Verhalten relevant sind.189 Davon erhofft man sich, Abwehrmöglichkeiten herauszufinden. aa) Kostenentstehung als Hindernis positiver Kosten-Nutzen-Abwägung Bezüglich der Voraussetzungen für eine Rückgabe und das Rückgewährschuldverhältnis wird oftmals davon ausgegangen, eine Vereinfachung der Rückgabemöglichkeit führe zu mehr opportunistischem Verhalten.190 Aus Sicht einer rationalen Kosten-Nutzen-Abwägung ist dies durchaus nachvollziehbar, da für einen Verbraucher ein opportunistisches Verhalten mit der Rückgabe des Produktes von Vorteil ist, wenn die Nutzung der Sache – innerhalb der Widerrufsfrist – einen höheren Wert hat als die Kosten, die durch die Rückgabe der Sache und das „Ausleihgeschäft“ entstehen.191 Zwar sind solche Überlegungen bei opportunistischem Verhalten nicht notwendigerweise gegeben und selbst dann nicht die einzigen Faktoren, die für ein Fehlverhalten des Verbrauchers verantwortlich sind. Auf persönliche Motive kann der Gesetzgeber aber kaum Einfluss nehmen. Deshalb könnte man an die Rückgabemöglichkeit spezifische, erhöhte Anforderungen stellen, um opportunistisches Verhalten zu verhindern oder zu mindern.192 Dabei werden gerade für den statio-

189 Eine Übersicht über die diesbezüglich durchgeführten Studien findet sich bei Harris, J. Retailing 84 (2008), 461 (463). Als Gründe werden z.B. Einkommen, Alter, Geschlecht, Erziehung u.Ä. untersucht. Aus der jüngeren Vergangenheit noch Foscht et al., [2013] 41 I.J.R.D.M. 113, 118 ff. 190 Wood, 38 J.M.R. 157 (2001); Droms, [2013] 34 Serv. Market. Q. 67, 69; vgl. Davis et al., 50 Journal of Economics and Business 445, 446 ff. (1998); Piron/Young, [2000] 28 I.J.R.D.M. 27, 30; a.A. Wirtz/Kum, 21 J.A.M.S. 159, 169 (2004); Powers/Jack, 30 Psychol. Market. 724, 732 (2013). 191 Wachter et al., [2012] 21 Bus. Ethics Eur. Rev. 115, 117; Davis et al., 50 Journal of Economics and Business 445, 450 (1998); vgl. Che, [1999] 44 J. Ind. Econ. 17, 23. Allgemein dazu, dass mit geringeren Kosten eher Rückgaben bzw. Widerrufe stattfinden, Shulman/Coughlan/Savaskan, 29 Marketing Science 1071, 1074 (2010). 192 Die Aussagen betreffen jeweils den Unternehmer an einem Markt, an dem er selbst über seine return policy entscheiden kann, King/Dennis/Wright, [2008] 24 J.M.M. 185, 196. Chu/Gerstner/Hess, 1 J. Serv. Res. 140, 142 ff. (1998), gehen sogar davon aus, es sei eine Beschränkung notwendig, um zu verhindern, dass grundsätzlich nicht-opportunistische Verbraucher zu opportunistischem Verhalten übergehen. Die Idee einer Verschärfung der Rückgabemodalitäten ist vereinbar mit der Vermutung, dass ein wichtiger Grund dafür, ob ein Verbraucher sich in den genannten Konstellationen opportunistisch verhält oder nicht, die „wahrgenommene Verhaltenskontrolle“ sei (King/Dennis/Wright, [2008] 24 J.M.M. 185, 190 f. und 196 sprechen von „Perceived Behavioural Control“). Damit ist gemeint, dass Verhaltensweisen auch daran orientiert werden, wie leicht oder schwierig sich ein bestimmtes Verhalten für die Person darstellt. Dabei spielen vorrangig die Erfahrungen eine große Rolle, dass der Verbraucher selbst noch nie einer opportunistischen Handlung bezüglich einer Rückgabe überführt wurde, vgl. King/Dennis/Wright, [2008] 24 J.M.M. 185, 190.

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nären Handel durch Studien verschiedene Möglichkeiten angeregt, die teilweise mittlerweile praktiziert werden: die Voraussetzung, dass sich die Ware in der Originalverpackung befindet,193 der Nachweis des Kaufes durch einen Kaufbeleg,194 die Auferlegung von Bearbeitungsgebühren195 oder anderweitige Kostentragungsregelungen.196 Diese Überlegungen lassen sich jedoch nicht uneingeschränkt auf das europäische Verbraucherschutzrecht bei besonderen Vertriebsformen übertragen. Hierbei dürfen dem Verbraucher Bearbeitungsgebühren für einen Widerruf nicht auferlegt werden, und auch ein Originalverpackungserfordernis ist unzulässig.197 Das Vorliegen eines Kaufnachweises als Voraussetzung eines wirksamen Widerrufs ist darüber hinaus untauglich, um das hier behandelte opportunistische Verbraucherverhalten einzuschränken, weil der Verbraucher die Ware bei dem Unternehmer zurückgeben möchte, bei dem er die Ware erworben hat. Auch finden sich in den (unternehmensbezogenen) Studien keine Aussagen darüber, welche Möglichkeiten zur Einschränkung des opportunistischen Verhaltens als besonders zweckmäßig erachtet werden. Dies führt wieder zurück zur Frage, ob Verbraucher von einer faktischen Leihe abgehalten werden, wenn sie die Rücksendekosten zahlen müssen. Faktische Leihe (retail borrowing) ist für Verbraucher immer mit Aufwand verbunden. Dieser Aufwand muss – zumindest für einen rationalen Menschen – durch den Gewinn, der aufgrund des Opportunismus entsteht, gedeckt sein. Zu dem Aufwand, den der Verbraucher durch den Opportunismus tragen muss, können materielle Kosten hinzukommen. Je höher diese Kosten sind, desto eher wird der (rationale) Verbraucher auf eine faktische Leihe verzichten.198 Andere Ursachen können hier nicht berücksichtigt werden.

193 Vgl. Foscht et al., [2013] 41 I.J.R.D.M. 113, 115; Heiman et al., 54 J.B.R. 71, 73 (2001). 194 Vgl. Heiman et al., 54 J.B.R. 71, 73 (2001). 195 Sog. restocking fees, vgl. Wachter et al., [2012] 21 Bus. Ethics Eur. Rev. 115, 117; Chu/Gerstner/Hess, 1 J. Serv. Res. 140, 152 (1998). 196 Eventuell im Sinne eines „partial refund“, d.h., dass nur ein Teil der Kosten erstattet wird (wozu insbesondere bei einem Kauf aufgrund eines Kataloges auch Versandkosten zählen können), vgl. Davis et al., 50 Journal of Economics and Business 445, 447 (1998); Chu/Gerstner/Hess, 1 J. Serv. Res. 140, 152 (1998). 197 Siehe zum deutschen Recht nur LG Düsseldorf MMR 2006, 833. 198 Hess/Chu/Gerstner, 7 Mark. Lett. 307, 313 (1996); Hjort/Lantz, [2012] 40 I.J.R.D.M. 997, 1001. Siehe auch schon die Stellungnahme der Bundesregierung zum Grünbuch der Europäischen Kommission, Überprüfung des gemeinschaftlichen Besitzstands im Verbraucherschutz, 08.05.2007, abrufbar unter (Stand: 05.03.2016), S. 23 f.

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bb) Unterstützung der Vermutung durch Studien Ob eine Pflicht zur Tragung der Rücksendekosten faktische Leihen (retail borrowing) einschränken kann, wird anhand der folgend dargestellten experimentellen Studie199 untersucht. Die Studie hat einen für die vorliegende Situation relevanten Fall untersucht: Ein Verbraucher kauft eine Sache und weiß schon beim Kauf, dass er sie auf jeden Fall zurückgeben wird. Sein Ziel ist es, die Sache in einem bestimmten Zeitraum zu nutzen (beispielsweise soll ein Fernsehgerät zum Anschauen nur eines wichtigen Sportereignisses ausgeliehen werden).200 An diese Situation werden zwei Konstellationen angeknüpft, wobei der Verbraucher in beiden Situationen die Hinsendekosten zu tragen hat. In der ersten Konstellation muss er nach der Nutzung die Rücksendekosten nicht, in der zweiten Konstellation muss er die Rücksendekosten tragen.201 Die Anzahl der Personen, die sich dafür entschieden, einen Kaufvertrag eingehen zu wollen, unterschied sich dabei jedoch nicht signifikant zwischen den beiden Konstellationen.202 Mithin wird durch diese Studie indiziert, dass die Auferlegung der Rücksendekosten für einen Verbraucher, der sich schon vor der Kaufentscheidung seines späteren opportunistischen Widerrufs gewiss ist, kaum von Belang ist und ihn nicht von dem opportunistischen Verhalten abhält. Interessante Einblicke gewährt zudem eine Feldstudie mit 4.000 schwedischen Verbrauchern, die das Einkaufs- und Rückgabeverhalten im Onlinehandel untersucht. Die Verbraucher wurden in vier Gruppen unterteilt: Jeweils 1.000 Verbraucher bestellen ohne Lieferkosten (Hinsendekosten) und ohne Retourkosten (Rücksendekosten), nur ohne Retourkosten, nur ohne Lieferkosten oder mit allen Kosten. In der Auswertung wurde unterschieden zwischen den Werten für Party-Kleider und dem restlichen Sortiment. Diese Unterteilung wurde basierend auf der Annahme vorgenommen, dass Party-Kleider ein Segment darstellen, in dem sich faktische Leihen mehr anbieten und deshalb auch häufiger durchgeführt werden.203 Die Auswirkungen der Auferlegung von Rücksendekosten sind im Bereich der Party-Kleider sehr auffällig. Unabhängig von den Hinsendekosten, sinkt die Häufigkeit der aufgrund einer Vertragsauflösung zurückgesendeten Kleider von 33,5 % auf 29,3 %, also um 4,2 %.204 199 Borges/Irlenbusch, JITE 163 (2007), 84-101. Kritik an der Erkenntnisgewinnung und der zusammenfassenden Wertung findet sich bei Rockenbach, JITE 163 (2007), 106 (107); Kritik an der Struktur des Versuchs bei Güth/von Wangenheim, JITE 163 (2007), 102 (103). 200 Borges/Irlenbusch, JITE 163 (2007), 84 (89). 201 Die Rücksendekosten sind dabei nicht besonders hoch angesetzt. 202 Borges/Irlenbusch, JITE 163 (2007), 84 (98). Siehe zu den konkreten Ergebnissen schon Teil 3, II 2 a aa (5), S. 114 f. 203 Hjort/Lantz, [2012] 40 I.J.R.D.M. 997 ff.; siehe auch Luth, Behavioural Economics in Consumer Policy, 2010, S. 23. 204 Hjort/Lantz, [2012] 40 I.J.R.D.M. 997, 1005. Gleichzeitig wurde eine geringere Anzahl an Party-Kleidern bestellt (424 zu 389), was mit dem Gedanken einer Kosten-NutzenRechnung bei ex ante-Opportunismus korrespondiert.

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Teil 3: Das Rückgewährschuldverhältnis nach Widerruf

Dies deutet darauf hin, die Auferlegung der Rücksendekosten sei ein taugliches Mittel, um faktische Leihen zu ver- oder zumindest zu behindern. Der konkrete Umfang der Eindämmung ist jedoch unklar. Während in allen übrigen Produktkategorien die Widerrufsquote um 2 % absank, ist der Rückgang bei PartyKleidern mit 4,2 % mehr als doppelt so groß. Daraus kann aber nicht sicher abgeleitet werden, ob tatsächlich auch faktische Leihen verhindert wurden. Es wird nur festgestellt, dass zu zahlende Rücksendekosten den Verbraucher bei Party-Kleidern verstärkt in seiner Widerrufsentscheidung beeinflusst haben. Dies könnte auch an dem Wert der Ware und dem Verhältnis zu den Rücksendekosten liegen. Da aber Party-Kleider nicht sehr geringpreisig sind, dürfte dies kein entscheidender Faktor sein. Ob die zurückgesendeten Kleider tatsächlich genutzt wurden, wurde zudem nicht untersucht. Deshalb kann die Studie zwar als Anhaltspunkt gesehen werden, darf gleichzeitig aber in ihrer Aussagekraft nicht überbewertet werden. Aus den beiden genannten Studien lassen sich keine eindeutigen Schlussfolgerungen ziehen. Faktische Leihen ließen zwar in der erstgenannten Studie nicht drastisch nach. Dies kann allerdings auch daran liegen, dass die Rücksendekosten vergleichsweise niedrig waren. Durch Umfragen und Feldstudien kann die „Heilsbringer“-Rolle der Rücksendekosten bezüglich faktischer Leihen folglich nicht nachgewiesen werden. cc) Schwierigkeiten bei der Feststellung von Nutzungsersatzansprüchen und Verlustminimierung auf Unternehmerseite Die Auferlegung der Rücksendekosten auf den Verbraucher sorgt dafür, dass diese Kosten auch im Falle der faktischen Leihe (retail borrowing) nicht vom Unternehmer zu tragen sind. In diesem Zusammenhang darf eine der wenigen Auseinandersetzungen aus der deutschsprachigen Literatur zu der Thematik nicht unbeachtet bleiben: „Schließlich ist grundsätzlich fraglich, ob sich missbräuchliche Bestellungen über eine Regelung hinsichtlich der Kostentragung für die Warenrücksendung tatsächlich ausbremsen lassen, da sich eine ganze Reihe von Verbrauchern durch die bloße ‚Gefahr‘ einer Kostentragung nicht abschrecken lassen werden, insbesondere hochwertige und hochpreisige Geräte zu ordern. In diesem Zusammenhang ist etwa auf die anzutreffende Unsitte hinzuweisen, vor allem vor sportlichen Großereignissen großflächige Fernsehgeräte bzw. Beamer zu ordern, um diese dann nach Beendigung des Ereignisses wieder zurückzugeben. Im Ergebnis nutzen die Kunden das fernabsatzrechtliche System in diesen Fällen als sehr günstige Ausleihmöglichkeit. Soweit die Verbraucher jedoch die Kosten der Rücksendung zu tragen haben, wird zumindest die finanzielle Belastung der Unternehmer in Bezug auf die Portokosten ausgeräumt. Der logistische Aufwand und das Problem der Weiterveräußerung bereits geöffneter Waren, also die eigentliche finanzielle Gefahr missbräuchlicher Bestellungen, werden durch die Kostentragungsregelung allerdings nicht ausgeglichen.“205

205

Vander, MMR 2005, 139 (144).

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Inwieweit bezüglich der Rücksendekosten bei „missbräuchlichen Bestellungen“ nur eine „Gefahr“ der Kostentragung bestehen soll, bleibt unklar. Interessant ist dabei aber, wie aufgezeigt wird, dass die Auferlegung der Rücksendekosten eben nicht nur aktiv das Opportunismusrisiko verhindern können soll, sondern auch eine (angemessene) Kostenverteilung hervorrufen kann. Dies könnte positiv zu sehen sein, weil nach den aktuellen Regelungen zum Rückgewährschuldverhältnis kein Nutzungsersatz mehr vom Verbraucher gefordert werden kann.206 Wenn dieser Anspruch bestünde, könnte es trotzdem Probleme bei der Durchsetzung geben, weil die Nutzung schwer nachgewiesen werden kann.207 Insofern kann faktische Leihe unter Umständen durch Nutzungsersatzansprüche des Unternehmers nicht ausreichend sanktioniert werden. Das Problem der Beweisbarkeit besteht hinsichtlich der Rücksendekosten hingegen nicht. Insoweit kann zumindest über die Kostenlastverteilung eine Besserstellung des Unternehmers bei Opportunismus stattfinden. dd) Keine andere Handhabe bei faktischer Leihe ohne Nutzung (situational returnaholics) Berry und Seiders prägten den Begriff von situational returnaholics. Sie verstehen darunter Personen, die eine Ware für einen bestimmten Anlass kaufen, aber – im Unterschied zur klassischen faktischen Leihe (retail borrowing) – nicht sicher sind, ob der Anlass auch eintritt. Unabhängig davon, ob die Ware dann benötigt wird bzw. eingesetzt wird, erfolgt die Rückgabe an den Verkäufer.208 Dinges bezeichnet dieses Verhalten als „Anlasskäufe“ und fasst darunter – mit gleichem Unwertgehalt wie klassische faktische Leihen – Fälle, bei denen Waren „vorsorglich gekauft und dann unbenutzt zurückgeschickt werden, wie beispielsweise ein Schlitten, der in den Winterurlaub mitgenommen wird, dann aber mangels Schnee nicht benutzt wird“.209 Dieses Phänomen zeigt sich beispielsweise auch bei Stromgeneratoren, die kurz vor einem starken Sturm gekauft werden, wenn der Sturm aber nicht zwangsläufig zu einem Stromausfall führen muss. In den Fällen, in denen die Ware tatsächlich genutzt wird, gelten die gleichen Argumente und Wertungen wie bei klassischen faktischen Leihen. Allerdings kann ein Unternehmer keinerlei Wert- oder Nutzungsersatzansprüche geltend machen, wenn die Ware keinen Wertverlust erlitten hat und der Verbraucher die Ware nicht genutzt hat. Obwohl die Verluste des Unternehmers gering sein dürften, stellt sich die Frage, inwieweit er die entstandenen Kosten allein tragen soll. Es kann daher

206

Dazu noch näher unten Teil 3, V 1 a, S. 208 f. Vgl. unten Teil 3, V 1 b, S. 210 f. 208 Siehe nur Berry/Seiders, 51 Bus. Horizons, 29, 34 (2008). 209 Dinges, Das Spannungsverhältnis zwischen Verbraucherschutz und Unternehmerrechten, 2014, S. 145. 207

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durchaus angebracht sein, den Verbraucher mit Versandkosten zu belasten, damit Unternehmer nicht durch das Verhalten von situational returnaholics übermäßig belastet werden. b) Auswirkung auf Bestellungen zur Auswahl aus Produkten Von Interesse sind auch Konstellationen, in denen ein Verbraucher ein bestimmtes Produkt in mehrfacher, ähnlicher Ausführung kauft, wobei die Vermutung nahe liegt, er möchte nur eine behalten. Gerade im Segment der Bekleidung kann dieses Phänomen dergestalt auftreten: Ein Verbraucher kauft ein Kleidungsstück in mehr als einer Größe, um in Ruhe auszutesten, welche Größe am besten passt. Er nutzt sein Heim wie eine Umkleidekabine.210 Vergleichbare Situationen können auch bei jeder anderen Produktkategorie auftreten. Ein Verbraucher kann sich mehrere Betten, Fernsehgeräte oder Ferngläser kaufen, wenn ihm bewusst ist, dass er nur eines davon benötigt, aber alle testen möchte.211 Dieses Verhalten wird oftmals als opportunistisch angesehen.212 Teilweise wird die Vermutung angestellt, die Attraktivität der hier dargestellten Verhaltensweisen könne – im Vergleich zur alten Rechtslage mit der 40-Euro-Klausel213 – durch die grundsätzliche Auferlegung der Rücksendekosten verringert werden.214 Dies ist insoweit nachvollziehbar, als der Verbraucher von Beginn an weiß, dass er sogar wenn ihm ein Modell der Ware gefällt, Rücksendekosten zu tragen hat.215 Die Veränderungen im Bestellverhalten lassen sich anhand einer Studie nachzeichnen.216 Hierbei wurde eine Situation nachgestellt, in der die Versuchspersonen eine bestimmte Ware (Kleidung) in einer bestimmten Größe benötigten. Welche Größe dies war, wussten sie vor 210 Bei einer Umfrage von deals.com (nunmehr RetailMeNot) im April 2014 gaben 28 % der 1.000 Teilnehmer an, Waren schon einmal zurückgesendet zu haben, weil bewusst mehrere Ausführungen (z.B. in Bezug auf Größe oder Farbe) einer Ware im Fernabsatz gekauft wurden, um die endgültige Auswahlentscheidung zu Hause vornehmen zu können. Die Umfrage ist abrufbar unter (Stand: 05.03.2016). 211 Zu diesem Problem ausführlich Borges, DB 2005, 319 (320). 212 Dinges, Das Spannungsverhältnis zwischen Verbraucherschutz und Unternehmerrechten, 2014, S. 118; vgl. auch Borges, DB 2005, 319 (320). Siehe zudem BT-Drucks. 15/3870, S. 2 (vgl. Fn. 183 in Teil 3, S. 130), wo das dargestellte Verhalten als missbräuchlich aufgezeigt wird. 213 C. Mayer, Vollharmonisierung im Privatrecht, 2013, S. 37, äußert sich allerdings schon positiv zur 40-Euro-Klausel: „Die Regelung im BGB hat nicht nur die Zahl der nicht ernsthaften Bestellungen zurückgedrängt, sondern ebenso die missbräuchliche Bestellung einer Mehrzahl von Waren, von denen nur eine gekauft wird.“ Eine empirische Absicherung fehlt allerdings. 214 BR-Drucks. 84/1/04, S. 5 (vgl. Fn. 181 in Teil 3, S. 129). 215 Borges, DB 2005, 319 (320); nicht berücksichtigt bleiben Fälle, in denen der Verbraucher in Betracht zieht, alle Modelle zu behalten. 216 Siehe Borges/Irlenbusch, JITE 163 (2007), 84 ff.

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der Bestellung nicht. Die Ware stand in mehreren Größen zur Bestellung zur Verfügung. Die Versuchspersonen konnten nun entscheiden, ob sie die Ware nicht kaufen, zunächst nur eine Größe bestellen (und im Fall der falsch bestellten Größe erneut bestellen) oder von Anfang an mehrere Größen bestellen. Mussten die Personen Rücksendekosten tragen, bestellten sie seltener die Waren gleichzeitig, als wenn sie die Rücksendekosten nicht bezahlen sollten. Die Umverteilung fand dann zugunsten der iterativen Bestellung der Waren statt. Die Anzahl der Personen, die keine Bestellung vornahm, veränderte sich nicht auffällig.217 Fälle der gleichzeitigen Bestellungen fanden mit Auferlegung der Rücksendekosten damit insgesamt zu 15 % seltener statt. Auch eine Befragung von Verbrauchern zur Rechtsänderung durch die Umsetzung der Verbraucherrechte-RL kam zu ähnlichen Ergebnissen. Von 1.000 Befragten gaben 18 % an, aufgrund der Übernahmepflicht hinsichtlich der Rücksendekosten bei Fernabsatzgeschäften von der Bestellung einer Ware in mehreren Ausführungen (z.B. Farbe oder Größe) absehen zu wollen.218 Die Auferlegung der Rücksendekosten führt daher anscheinend dazu, dass der Verbraucher schon vor der Bestellung (genauer) überlegt, welches Verhalten in Bezug auf gleichzeitige oder nacheinander erfolgende Bestellungen ökonomischer ist. Bei iterativer Bestellung kann es sein, dass der Verbraucher schon durch die erste Bestellung die ideale Ware erhält. Diese Hoffnung erlangt mehr Bedeutung für den Verbraucher, wenn er einen wirtschaftlichen Nachteil durch die (sichere) Rücksendung erleidet. Zunächst scheint es ein Fortschritt zu sein, wenn der Verbraucher nicht mehrere Waren zur Ansicht bestellt. Allerdings kann dies für den Unternehmer auch nachteilig sein. Wenn der Verbraucher zunächst nur eine Ausführung der Ware bestellt und ihm diese nicht zusagt (z.B. aufgrund der Größe), sollte er widerrufen. Ob der Verbraucher dann eine weitere Ausführung bestellt, ist keineswegs klar. Ohne weitere Bestellung war der Bestellvorgang für den Unternehmer nicht vorteilhaft. Zudem besteht die Gefahr, dass der Verbraucher iterativ verschiedene Ausführungen bestellt und zurücksendet, bis er die richtige

217 Borges/Irlenbusch, JITE 163 (2007), 84 (95). Es gab bei der Studie zudem noch zwei verschiedene Gruppen: Eine Gruppe ging davon aus, dass eine der bestellten Größen definitiv den Anforderungen genügt, und die andere Gruppe wusste, dass eventuell alle Modelle zurückgeschickt werden müssen. In der ersten Gruppe war die Verteilung folgendermaßen: keine Bestellung: 10, gleichzeitige Bestellung: 309, iterative Bestellung: 131 (ohne Rücksendekosten); keine Bestellung: 8, gleichzeitige Bestellung: 223, iterative Bestellung: 210 (mit Rücksendekosten). Auch in der zweiten Gruppe ging die Anzahl der gleichzeitigen Bestellungen zurück: keine Bestellung: 95, gleichzeitige Bestellung: 266, iterative Bestellung: 39 (ohne Rücksendekosten); keine Bestellung: 94, gleichzeitige Bestellung: 217, iterative Bestellung: 81 (mit Rücksendekosten). 218 Umfrage abrufbar unter (Stand: 05.03.2016); siehe schon Fn. 210 in Teil 3, S. 136.

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Ausführung gefunden hat. Wiederholt sich der Vorgang, muss der Unternehmer häufiger die Kosten des Retourenmanagements219 tragen, als wenn der Verbraucher direkt mehrere Ausführungen bestellt hätte. Der Unternehmer kann allerdings das Verhalten des Verbrauchers hinsichtlich der „Umkleidekabinenkäufe“ gut steuern. So steht es ihm schon frei, mit dem Verbraucher nur einen Kaufvertrag über eine Ausführung der Ware zu schließen. Insoweit sollte dieser Aspekt für die Ausgestaltung der Tragung der Rücksendekosten nicht ausschlaggebend sein. c) Verhinderung der iterativen Bestellung gleicher Ware Nicht mit dem Problem der Bestellung zur Auswahl von Produkten verwechselt werden darf die (opportunistische) iterative Bestellung, bei der ein Verbraucher eine Ware bestellt, probiert, widerruft und später die gleiche Ware erneut oder eine ähnliche Ware bestellt. Die möglichen Motive des Verbrauchers sind dabei variabel: Der Verbraucher kann etwa Kleidungsstücke zunächst zum normalen Preis kaufen und widerrufen, obwohl er die Ware eigentlich erwerben möchte, weil sich innerhalb der Widerrufsfrist eine Preissenkung der Ware einstellt oder sich diese aufgrund eines „Saison-Wechsels“ antizipieren lässt. Später – also im Rahmen des zweiten Kaufvertrages – könnte ihm die Ware nicht mehr so gut gefallen wie vorher, sodass er erneut widerrufen möchte. Ein weiterer Anreiz für iterative Bestellungen könnte eine Unterart der faktischen Leihe (retail borrowing) sein, bei der ein Verbraucher die Ware jeweils nur innerhalb des Prüfungsrechts nutzt. Der Nutzen des dargestellten opportunistischen Verhaltens verringert sich, wenn der Verbraucher im Zusammenhang mit dem Widerruf Zahlungen tätigen muss. Insoweit kann der Anreiz zu solchem opportunistischen Verhalten verringert werden, indem man dem Verbraucher die Rücksendekosten auferlegt. Allerdings stellt sich die Frage, ob der Unternehmer bezüglich der iterativen Bestellung gleicher oder ähnlicher Ware durch die Ausgestaltung des Rückgewährschuldverhältnisses geschützt werden muss. Einerseits könnte er wiederum von einem zweiten Vertragsschluss absehen, wodurch ihm jedoch ein Gewinn entgehen würde. Andererseits könnte man überlegen, ob dem Verbraucher beim zweiten Vertrag überhaupt noch ein Widerrufsrecht zusteht. In einem vom AG Berlin Mitte zu entscheidenden Fall hatte ein Verbraucher eine Lederjacke gekauft, den Kaufvertrag widerrufen, nach einer gewissen Zeit die Jacke erneut bestellt und auch diesen Kaufvertrag wieder widerrufen. Nach Rechtsauffassung des Amtsgerichts liegt beim zweiten Kauf die für ein Fernabsatzgeschäft grundlegende Informationsasymmetrie nicht (mehr) vor, da der Verbraucher schon im Rahmen des ersten Kaufs die Sache prüfen konnte. Die 219

Vgl. zu den Kosten in diesem Zusammenhang auch Posselt/Radić/Tammen, Z. Betriebswirtsch. 80 (2010), 841 (843).

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Vorschriften über Fernabsatzverträge wurden daher als nicht anwendbar angesehen.220 Der Verbraucher hatte damit aufgrund einer teleologischen Reduktion von § 312d Abs. 1 Satz 1 BGB (i.F.v. 2002)221 beim zweiten Kauf kein Widerrufsrecht mehr. Die zugrunde gelegte Argumentation bezüglich der Schutzwürdigkeit wegen einer Informationsasymmetrie wurde auch vom Berufungsgericht geteilt.222 Jedoch sei gerade bei Kleidungsstücken zu beachten, dass es bei der Prüfung nicht nur um eine allgemeine, sondern um eine individuelle Prüfung ginge, die auch umfasst, inwieweit sich das Kleidungsstück den Körperproportionen anpasst. Deshalb könne eine zweite Bestellung desselben Kleidungsstückes angebracht und eine erneute Prüfung zweckmäßig sein: „Nur diese zeitnahe Information gewährleistet nämlich für den Erwerber, dass nicht nur das Kleidungsstück an sich sein[en] Gefallen findet, sondern auch mit seinem Körper, der im Laufe von Wochen durchaus Schwankungen unterliegt, harmoniert.“223 Insoweit können bestimmte Kleidungsstücke (Schuhe für Erwachsene wohl beispielsweise nicht) eine Fallgruppe darstellen, in der die Informationsasymmetrie nach einer Zeit immer wieder auftreten kann.224 Aber auch bei anderen Produktgruppen erscheint es sehr schwierig, iterative Bestellungen zu verhindern, da der Verbraucher bei folgenden Kaufverträgen nur eine leicht abweichende Ware wählen muss, damit wieder von einer vollen Informationsasymmetrie auszugehen ist.225 Die Verneinung des Fernabsatzgeschäftes kann das Problem der iterativen Bestellung gleicher Ware verhindern, bei ähnlicher Ware scheitert der Verhinderungsmechanismus allerdings. Dabei kann der Unternehmer das Problem be-

220

AG Berlin Mitte, Urt. vom 24.01.2012, 14 C 464/10, siehe (Stand: 05.03.2016). 221 Wendehorst, in: Schumann (Hrsg.), Das erziehende Gesetz, 2014, S. 113 (137), schildert hingegen den Fall eines Kaufvertrages über „zehn Flaschen Persil-Waschmittel“, bei denen der Verbraucher auch – bei direkter Gesetzesanwendung – ein Widerrufsrecht hat, obwohl er das Produkt längst gut kennt. Sie sagt, dass eine – normalerweise durchgeführte – teleologische Reduktion in dieser Situation nicht möglich sei, „weil der europäisches Gesetzgeber bewusst typisierende Tatbestandsmerkmale verwendet und weil Gerichte der Mitgliedsstaaten an die Richtlinienvorgaben gebunden sind“. 222 LG Berlin BeckRS 2013, 07065; auch besteht in solchen Fällen keine zweite „Überrumpelung“ des Verbrauchers im Fernabsatz, die ein Widerrufsrecht rechtfertigen könnte. 223 LG Berlin BeckRS 2013, 07065. 224 Der Gedanke des erneuten Auftretens einer Informationsasymmetrie ist eng verbunden mit der Frage, was genau überprüft werden soll. So kann beispielsweise nicht mit jeder neuen Wandfarbe überprüft werden, ob eine Couch nun in das Wohnzimmer passt. 225 Der Verbraucher kann beispielsweise nicht wissen, ob der neue Laptop mit verdoppeltem Arbeitsspeicher wirklich schneller arbeitet oder ob sich die geringerwertige Grafikkarte auch als ausreichend herausstellt.

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Teil 3: Das Rückgewährschuldverhältnis nach Widerruf

kämpfen, indem er dem Verbraucher keine ähnliche Ware nach einem Widerruf verkauft. Darüber hinaus würde das Problem dadurch eingeschränkt, dass Verbraucher die Rücksendekosten tragen müssen. d) Einschränkung des Kaufs mit geringer Bestehenswahrscheinlichkeit Negativ aufgefasst wird auch, wenn Verbraucher eine Ware im Fernabsatz kaufen, obwohl ein Widerruf sehr wahrscheinlich226 erscheint.227 Der Verbraucher solle die Rücksendekosten tragen, damit solche „Missbräuche“ eingedämmt werden.228 Aus dem Zweck der Widerrufsrechte ergibt sich nicht, wie sehr ein Verbraucher davon überzeugt sein soll, dass der Vertrag wirksam bleibt, damit der Schutz gerechtfertigt ist. Zudem gibt es Produktkategorien, die naturgemäß eine größere Gefahr des Nichtgefallens mit sich bringen bzw. schlechter online ausgekundschaftet werden können (beispielsweise Schuhe). Im Unterschied zur faktischen Leihe (retail borrowing) geht der Käufer zwar davon aus, es sei eher unwahrscheinlich, dass das Produkt seinen Wünschen entspricht; er zieht aber in Erwägung, das Produkt könne ihn später – vor Ort – überzeugen. Gleichzeitig ist der Nutzen der Bestellung nicht in der Nutzung der Ware zu sehen, sondern liegt im Anstieg eines Komforts, weil der Verbraucher eben auch zur Auswahl des Produkts das Haus nicht verlassen muss. Hierbei ist schon unklar, ob dies überhaupt ein ernsthaft unerwünschtes Verhalten darstellt. Das Widerrufsrecht hat nämlich zunächst zu einem Vertragsschluss beigetragen und ist somit seiner marktbezogenen Funktion (scil. Schaffen von Vertrauen in den Onlinehandel) gerecht geworden. Zudem ist ein Verbraucher, bei dem das Behalten der Ware nicht ausgeschlossen ist, anfällig für die oben angesprochenen Verhaltensanomalien. Somit besteht bei der Entscheidung 226

Asdecker/Weigel, Der Betriebswirt 2013, 20 (ebd.), nennen als opportunistisches Verhalten auch die Bestellung völlig ohne Kaufabsicht („Spaßbestellung“); allerdings fragt es sich, worin genau der Spaß bzw. die Motivation für ein solches Handeln liegen soll. 227 Borges, DB 2005, 319 (320); Härting, Fernabsatzgesetz, 2000, Anh. § 3 Rdnr. 51; R. Becker/Föhlisch, NJW 2005, 3377 (3380). Rühl, EuZW 2005, 199 (200), wählt die Formulierung von „nicht ernst gemeinten Bestellungen“; ähnlich BT-Drucks. 15/3870, S. 2 (vgl. Fn. 183 in Teil 3, S. 130). Eidenmüller, AcP 210 (2010), 67 (86), erkennt eine Gefahr von Verbraucherverhalten, „alles und jedes erst einmal zu ordern, weil man in jedem Fall widerrufen kann“. Vgl. auch Woll, ORDO 1965, 467 (481); Kanzler, Verbraucherkreditgesetz: Eine Ökonomische Analyse, 1996, S. 139. 228 Föhlisch, Das Widerrufsrecht im Onlinehandel, 2009, S. 303; BT-Drucks. 15/3870, S. 2 (vgl. Fn. 183 in Teil 3, S. 130); vgl. auch Martens, Die Entwicklung der Widerrufsrechte des Verbrauchers bis zur Umsetzung der Richtlinie 2008/48/EG, 2010, S. 208 f. Allgemein zu dem Problem äußert sich Scholz, ORDO 1981, 185 (193): „Je mehr der Verbraucher darauf vertrauen kann, sich einseitig ohne Nachteil von eingegangenen Verpflichtungen wieder lösen zu können, desto weniger sorgfältig wird er bei Geschäftsabschlüssen vorgehen; solcher Sorglosigkeit Vorschub zu leisten wäre jedoch eine schlechte Verbraucherpolitik und entspräche nicht der Forderung nach dem mündigen und aufgeklärten Verbraucher.“

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zum Widerruf eine größere Wahrscheinlichkeit dafür, dass die Ware behalten wird, als der Verbraucher dies bei Vertragsschluss vermutet. Unabhängig davon, ob Opportunismus vorliegt, ist zu vermuten, ein Anstieg der Kosten des Bestell- und Rücksendevorgangs führe dazu, dass der Nutzen des Widerrufs seltener höher ist als die Kosten, die damit einhergehen. Verbraucher werden vermehrt versuchen, Verträge einzugehen, bei denen das Bestehen des Vertrages nicht unwahrscheinlich ist.229 Eine Umfrage unter 1.000 Verbrauchern zeigte, dass von denjenigen, die schon einmal – nach alter Rechtslage – ein Produkt im Fernabsatz gekauft haben, obwohl sie wussten, dass sie es aller Voraussicht nach zurückschicken werden (614 Personen), nur 8 % an ihrem Bestellverhalten nichts ändern wollen, wenn sie Rücksendekosten zu tragen haben. Dabei gaben 27 % an, sich mehr Gedanken darüber machen zu wollen, ob sie das Produkt wirklich brauchen, und nur in diesem Fall auch zu kaufen. Die restlichen Antworten fielen auf eine geplante Abwanderung zum stationären Handel.230 Damit werden die obigen Ausführungen gestützt.231 e) Das Problem des Teilwiderrufs bei Sammelbestellungen Im Fernabsatz ergibt sich eine weitere Möglichkeit für den Verbraucher, opportunistisch zu handeln, wenn der Unternehmer anbietet, dass ab einer bestimmten Höhe des Gesamtkaufpreises keine Hinsendekosten bezahlt werden müssen. Ein opportunistisch handelnder Verbraucher könnte die Gelegenheit ausnutzen und weitere Ware(n) ordern, die er aber auf keinen Fall behalten möchte, um auf den Betrag für die Versandkostenfreiheit zu gelangen. Später widerruft er den Kaufvertrag über diese Waren. Ist ein Teilwiderruf zulässig und bleibt der restliche Vertrag bestehen (siehe dazu § 139 BGB),232 ist der widerrufene Teil nach § 357 BGB rückabzuwickeln, wobei der Verbraucher von den kompletten Hinsendekosten nach der Gesetzeslage befreit bleibt.233 229 Härting, Fernabsatzgesetz, 2000, Anh. § 3 Rdnr. 51; R. Becker/Föhlisch, NJW 2005, 3377 (3380); vgl. BR-Drucks. 84/1/04, S. 5 (vgl. Fn. 181 in Teil 3, S. 129). 230 Siehe die Antworten auf Frage 1 und 2 unter (Stand: 05.03.2016). 231 Beachte aber Mankowski, Beseitigungsrechte, 2003, S. 1147, der den Verbraucher, der einen Vertrag sorglos abschließt, weil er sich ohne Weiteres davon lösen könne, als „unrealistisches Zerrbild“ deklariert; für den Verbraucher sei das Lösen vom Vertrag immer mit (immateriellen) Kosten verbunden, er könne sich einer reibungslosen Rückabwicklung niemals sicher sein, und zudem bestehe eine „psychologische Hemmschwelle“ bezüglich des Fehlverhaltens. 232 Vgl. Fritsche, MünchKomm. BGB, 7. Aufl. 2016, § 355 Rdnr. 25. 233 Vgl. zum ähnlichen Problem der Umgehung der 40-Euro-Regelung bei Verhinderung der Auferlegung von Rücksendekosten im alten Recht Gaertner/Gierschmann, DB 2000, 1601 (1604); Härting/Schirmbacher, MDR 2000, 917 (921); Marx, WRP 2000, 1227 (1234); Neumann, Bedenkzeit vor und nach Vertragsabschluss, 2005, S. 389.

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Teil 3: Das Rückgewährschuldverhältnis nach Widerruf

Teilweise wird vermutet, ein Anreiz für das dargestellte opportunistische Verhalten würde entfallen, wenn der Verbraucher die Rücksendekosten übernehmen muss.234 Dies kann insoweit nicht überzeugen, als die Rücksendekosten (die ja nur für den Teil entstehen, der zurückgeschickt werden muss) deutlich geringer sein können als die Hinsendekosten (für die Ware, die der Verbraucher behält). Für einen rationalen Opportunisten kann der Anreiz somit auch nach geltendem Recht noch gegeben sein. Allerdings wird er deutlich gemindert. Fraglich ist, ob der Unternehmer aber den Schutz über die Rücksendekosten benötigt. In Betracht kommt hier, dass ein Unternehmer zumindest anteilig die Hinsendekosten – im Nachhinein – ersetzt verlangt. Das Bürgerliche Gesetzbuch enthält keine Vorschrift, die explizit die Verteilung der Hinsendekosten bei Teilwiderrufen regelt.235 Der Unternehmer muss folglich vertraglich festhalten,236 die Versandkostenfreistellung solle entfallen, wenn der Verbraucher von seiner Sammelbestellung so viel widerruft, dass der Kaufpreis der restlichen Ware unter dem Betrag bleibt, der ursprünglich eine Versandkostenfreistellung herbeiführen konnte.237 Die zu zahlenden Beträge sollten anhand der Fiktion, wie hoch die Bestellkosten gewesen wären, wenn nur die Waren bestellt worden wären, die tatsächlich behalten wurden, berechnet werden.238 Eine solche Regelung wird dabei als „ohne Weiteres zulässig“239 angesehen, da die Versandkostenfreiheit eine von Unternehmerseite freiwillige Begünstigung des Verbrauchers ist, deren konkrete Ausformung der Unternehmer selbst bestimmen kann.240 Dies erscheint aus Sicht einer Verhinderung von opportunistischem Verhalten und auch unter dem Gesichtspunkt der Interessenabwägung zunächst gerechtfertigt. Bezieht man jedoch in die Überlegung ein, der

234

Eichelberger, VuR 2010, 279 (280). Im hier behandelten Fall ließe sich allenfalls an einen Verwendungsersatzanspruch des Unternehmers im Rückgewährschuldverhältnis denken, der jedoch nicht im Gesetz vorgesehen ist. Schon im Recht vor Umsetzung der Verbraucherrechte-RL gab es Verwendungsersatzansprüche nur für den Verbraucher; näher dazu unter Teil 3, VI 2, S. 244 ff. 236 Zumindest nach bisheriger Rechtslage war dies in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen möglich. Zu beachten ist hierbei aufgrund der komplexen Materie insbesondere, dass dem Transparenzgebot (§ 307 Abs. 1 Satz 2 BGB) entsprochen wird, da die Klausel ansonsten unwirksam wäre (siehe etwa Föhlisch, in: Hoeren/Sieber/Holznagel [Hrsg.], MultimediaRecht, 41. Erg.-Lfg. 2015, Teil 13.4, Rdnr. 306a). Buchmann, K&R 2015, 615 (620), geht für das geltende Recht wegen § 312a Abs. 3 Satz 2 BGB (Umsetzung von Art. 22 Verbraucherrechte-RL) davon aus, dass eine ausdrückliche Vereinbarung außerhalb der AGB notwendig sei. 237 Ultsch, K&R 2010, 394 (397). 238 Ultsch, K&R 2010, 394 (397). 239 Buchmann, K&R 2010, 458 (460). 240 Buchmann, K&R 2010, 458 (460). 235

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Verbraucher lasse sich von der Geltendmachung des Widerrufsrechts abbringen, wenn er gezahlte Hinsendekosten nicht zurückerhält oder eine Versandkostenpauschale einbehalten wird,241 müsste man auch davon ausgehen, dass sich das Entstehen von Hinsendekosten durch Widerruf ähnlich negativ auswirke. Zwar wird Opportunismus eingeschränkt, aber die Geltendmachung für den redlichen Verbraucher wird (deutlich) erschwert. Gleichzeitig ist der Unternehmer bei Sammelbestellungen nicht besonders schutzwürdig. Er selbst eröffnet die Möglichkeit für dieses opportunistische Verhalten. Dies macht er (zumindest auch), um Käufer von geringpreisigen Waren zum Kauf weiterer Produkte zu animieren, die der Verbraucher sonst nicht gekauft hätte. Der Verbraucher wird dann oftmals von der Idee „überrumpelt“, sich einen Vorteil in Form von Hinsendekosteneinsparung zu verschaffen. Wie gezeigt, ist die Motivation zum Widerruf nach Erhalt der Ware deutlich geringer, als sie bei rationalem Verhalten wäre. Durch erhöhte Anforderungen an die vom Verbraucher zu erbringenden Leistungen wird die Hürde, die der Verbraucher überwinden muss, um den status quo zu verlassen, drastisch erhöht. Genau in diese Situation wurde der redliche Verbraucher gezielt gebracht. Aus einer teleologischen Sicht vor dem Hintergrund der Wertungen zum effektiven Widerrufsrecht dürfte eine – oben dargestellte – Vereinbarung in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen einer Überprüfung nicht standhalten. Es ist schwer nachzuvollziehen, weshalb der Unternehmer schutzwürdiger als der Verbraucher sein soll, wenn der Unternehmer selbst seine Schutzwürdigkeit herabsetzt. Unternehmern werden dadurch zwar Anreize genommen, eine gestaffelte Versandkostenfreiheit bei Sammelbestellungen anzubieten. Für die Gesamtheit der Verbraucher sind die dadurch entstehenden Nachteile aber vernachlässigbar. Der Wettbewerb unter den Unternehmern müsste dazu führen, dass der einzelne Unternehmer seine Preise senkt, um konkurrenzfähig zu bleiben. Inwieweit sich ein solcher Anreiz auf das Angebot von geringpreisiger Ware negativ auswirken würde, vermag hier nicht beurteilt zu werden. Noch stärker zu weiteren Bestellungen angeregt wird der Verbraucher dann, wenn bestimmte (geringpreisige) Produkte überhaupt erst ab einem konkreten Gesamtbestellwert bestellt werden können.242 Bei einer etwaigen teilweisen Rückabwicklung entsteht dann das Problem der Berechnung eines fiktiven Einzelversandes, der jedoch niemals stattgefunden hätte. 241

Siehe dazu oben Teil 1, II 2 b bb, S. 28 f. Beispielsweise bietet das Unternehmen Amazon sogenannte PLUS Produkte an, die nur dann bestellt werden können, wenn ein Mindestbestellwert von (aktuell) 20,- Euro durch mehrere Produktbestellungen erreicht wird. Hierbei stellt sich dann schon die Frage, ob man überhaupt einen Teilwiderruf durchführen kann. Dies leitet sich aus dem Willen der Parteien ab, wobei insbesondere die Regelungen in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen Hinweise geben dürften. Geht man davon aus, dass der Unternehmer grundsätzlich ein Interesse an weiterhin bestehenden Verträgen hat, geht die Vermutung dahin, dass ein Teilwiderruf auch in solchen Fällen möglich sein muss. 242

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Teil 3: Das Rückgewährschuldverhältnis nach Widerruf

Nach herrschender Literaturauffassung243 kann der Unternehmer die Ausnutzung von Versandkostenfreiheit ab einem Mindestbestellwert wirksam verhindern. Diese Möglichkeit besteht nach hier vertretener Meinung allerdings nicht. Trotzdem kann dies nicht eine Notwendigkeit begründen, durch die Auferlegung der Rücksendekosten das opportunistische Verbraucherverhalten (finanziell) unattraktiver zu machen. Es wurde gerade begründet, dass der Unternehmer in den hier in Rede stehenden Konstellationen nicht schutzwürdiger ist als der Verbraucher. Deshalb darf die Auferlegung der Rücksendekosten zulasten der Verbraucher nicht mit dem Problem der Kosten bei Teilwiderrufen gerechtfertigt werden. f) Gegenläufige Tendenzen: Steigerung der Attraktivität von showrooming Es stellt sich aber die Frage, ob aus der Pflicht zur Tragung der Rücksendekosten nicht andere Formen opportunistischen Verhaltens entstehen können. Verbraucher könnten versuchen, die (für das Behalten) entscheidenden Informationen über die Ware unabhängig vom Fernabsatzgeschäft zu erlangen. Ein Verbraucher, der showrooming betreibt, verringert die Wahrscheinlichkeit, nach dem Abschluss eines Fernabsatzgeschäftes von der Ware enttäuscht zu werden und widerrufen zu müssen. Je höher nun die Kosten für die Ausübung des Widerrufsrechts und die Rückabwicklung ausfallen, desto eher wird dem Verbraucher ein Anreiz dafür gesetzt, sich möglichst sicher zu sein, die Ware tatsächlich auch behalten zu wollen. Ein solcher Anreiz erhöht die Wahrscheinlichkeit dafür, dass ein Verbraucher, der nicht auf den attraktiven Preis im Onlinehandel verzichten möchte, sich vorab im stationären Handel ausreichend informiert. Somit können die Kosten im Rückgewährschuldverhältnis mittelbar das Aufkommen von showrooming beeinflussen. Es liegt dabei nicht fern, die Informationsasymmetrien im stationären Handel auszugleichen, um danach eine Ware im Fernabsatz zu erwerben.244 Gestützt wird diese Vermutung durch eine Umfrage, die im Zusammenhang mit der Rechtsänderung in Deutschland im Juni 2014 der Frage nachging, wie die 1.000 befragten Verbraucher auf die Übernahme der Rücksendekosten bei Fernabsatzgeschäften reagieren (wollen). Dabei gaben 20 % der Teilnehmer an, dass sie verstärkt die Ware im stationären Handel austesten und begutachten wollen, die Ware aber dann im Fernabsatz bestellen wollen.245 Folglich kann die Versandkostenverteilung showrooming beeinflussen. In der genannten Studie über das Verhalten der Verbraucher aufgrund der nunmehr bestehenden Auferlegung der Rücksendekosten gaben allerdings auch 42 % der Befragten an, häufiger im stationären Handel einkaufen gehen 243

Siehe nur Ultsch, K&R 2010, 394 (397); Buchmann, K&R 2010, 458 (460). Popova, ZJS 2013, 552 (554). 245 Umfrage abrufbar unter (Stand: 05.03.2016). 244

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zu wollen. Dies könnte dafür sprechen, dass zwar das showrooming-Problem größer wird, insgesamt aber die Lage für den stationären Handel verbessert wird. Zumindest kann anhand der Studie die Auferlegung der Kosten nicht eindeutig negativ oder positiv bewertet werden. Insoweit muss konstatiert werden, dass Nachteile für den stationären Handel nicht hinreichend belegt werden können, wenn Verbraucher die Rücksendekosten tragen müssen. Die Auswirkungen bleiben unklar. Deshalb sollte dieser Aspekt nicht negativ in die Bewertung der Kostentragungsregelung eingehen. 4. Ergebnis Die obigen Ausführungen zeigen, dass keineswegs nachgewiesen ist, die Auferlegung der Rücksendekosten auf den Verbraucher könne opportunistisches Verbraucherverhalten generell verhindern. Zudem besteht die Gefahr von Einschränkungen der Effektivität des Widerrufsrechts. Diese Gefahr ist erhöht, weil Verhaltensanomalien, die den Verbraucher vom Widerruf abhalten können, verstärkt werden. Ein überzeugender Ausgleich ist insbesondere bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen nicht auszumachen. Bei solchen Geschäften besteht deutlich weniger Gefahr für Opportunismus: Die dargestellten opportunistischen Verhaltensweisen verlangen zumeist eine Planung vom Verbraucher ex ante. Eine solche widerspricht allerdings dem Dogma einer Überrumpelung des Verbrauchers bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen. Insofern kann die Kostentragung, soweit sie auf die Verhinderung von Opportunismus zurückzuführen ist, hierbei nicht überzeugen. Dies gilt insbesondere für faktische Haustürgeschäfte. Ausnahmen in Bezug auf das Opportunismuspotenzial bestehen wiederum bei invited in-home selling. 5. Versandkosten de lege ferenda An diese Aufarbeitung und die Kritik am geltenden Recht anknüpfend wird nun untersucht, ob Effektivität und Opportunismus bei der Verteilung der Versandkosten besser ausbalanciert werden können. a) Umkehrung der Kostentragung im Vergleich zum geltenden Recht Zu denken ist zunächst an eine Umkehrung der Kostentragung bezüglich der Versandkosten.246 Der Verbraucher müsste auf eine Erstattung gezahlter Hinsendekosten verzichten, dafür müsste der Unternehmer allerdings die Rücksendekosten tragen. Dabei dürften bezüglich des Interessenausgleichs gerade keine Nachteile im Vergleich zur geltenden Rechtslage entstehen. Allerdings

246

Vgl. auch schon Fn. 98 in Teil 3, S. 110, mit dazugehörigem Text.

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könnten sich gerade vor dem Hintergrund verhaltensökonomischer Aspekte positive Konsequenzen ergeben. aa) Konstellationen ohne Hinsendekosten – hauptsächlich außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge Vor dem Hintergrund der obigen Ausführungen erscheint die Übernahme der Rücksendekosten durch den Unternehmer und der Verzicht auf eine Rückgewähr der Hinsendekosten an den Verbraucher insbesondere bei den Fällen verbraucherschutzfördernd, bei denen der Verbraucher keine Hinsendekosten gezahlt hat, weil er dann nicht negativ davon beeinflusst wird, wenn die Hinsendekosten nicht zurückgezahlt werden. Dies gilt zunächst für Konstellationen, in denen der Unternehmer im Fernabsatz die Hinsendekosten erlassen hat. Möchte der Unternehmer einen Kaufanreiz für die Verbraucher setzen, muss er die Konsequenzen selbst tragen und ist den Marktmechanismen unterworfen. Er ist daher weniger schutzbedürftig. Hauptsächlich ist dabei jedoch an Verträge zu denken, die außerhalb von Geschäftsräumen geschlossen werden. Wenn der Verbraucher die Kosten der Rücksendung zu tragen hat, kann der Unternehmer dem Verbraucher diese Kosten durch Überrumpelung aufzwingen. Der Verbraucher hat keine ernsthafte und faire Chance, diese Kosten zu vermeiden. Allerdings ist zu beachten, dass nicht bei allen außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen keine Hinsendekosten zu zahlen sind. Zumeist dürften Hinsendekosten nicht extra veranschlagt werden bei Geschäften, bei denen die Ware im Zusammenhang mit dem Vertragsschluss übergeben wird. Dies kann sowohl im Heim des Verbrauchers (faktisches Haustürgeschäft) als auch in sonstigen außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen eintreten. Bezüglich des Aspekts der Überrumpelung mit Rücksendekosten lässt sich ein Vergleich mit § 241a BGB anführen, der auch einen europarechtlichen Hintergrund hat.247 Gemäß § 241a Abs. 1 BGB wird ein Verbraucher nicht verpflichtet, wenn ihm von einem Unternehmer ohne Bestellung eine bewegliche Sache geliefert wird, soweit die Ware nicht aufgrund von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen oder anderen gerichtlichen Maßnahmen verkauft, oder damit eine sonstige Leistung durch einen Unternehmer an den Verbraucher erbracht wird. Diese Regelung soll einerseits präventiv den Unternehmer davon abhalten, unbestellte Leistungen zu erbringen, aber gleichzeitig auch den Verbraucher individuell vor unerwünschten bzw. aufgedrängten Verpflichtungen schützen.248 Dabei geht es zwar primär um vertragliche Pflichten (z.B. Zah-

247

Mit der Einführung des § 241a BGB wurde Art. 9 Fernabsatz-RL umgesetzt. Nähere Definitionen der Zielsetzung ergeben sich auch nicht aus Erwägungsgrund 5 zur Fernabsatz-RL oder den dort genannten Nummern 18 und 19 des Anhangs zur Entschlie248

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lung), aber der Verbraucher wird auch vor einer Verpflichtung zur Rücksendung einer Ware bewahrt.249 Zwar übergibt/liefert der Unternehmer bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen nicht völlig ohne vertragliche Abrede, aber diese Abrede ist aufgrund einer Überrumpelung geschlossen worden. Der Verbraucher wird auch hier erst im Nachhinein erfahren können, ob er die Ware tatsächlich kaufen möchte. Vor dem Hintergrund dieser Ähnlichkeit ließe es sich durchaus als wertungskonsistent erachten, wenn der Verbraucher bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen zumindest nicht für die Kosten der Rücksendung aufkommen muss. Schön lässt sich gerade im Vergleich mit § 241a BGB eine Konstellation aufzeigen, in der die Wertungen vom bisher Dargestellten abweichen: nämlich wenn der Verbraucher den Unternehmer zu sich bestellt. Nach geltender Rechtslage verbleibt dem Verbraucher – überzeugender Weise250 – auch in solchen Fällen ein Widerrufsrecht. Der Verbraucher könnte daher, wenn er opportunistisch handeln möchte (beispielsweise Durchführen von faktischen Leihen bzw. retail borrowing), den Unternehmer kostenfrei zu sich ordern und später kostenfrei widerrufen. Der Unternehmer könnte sich gegen diese Art von opportunistischem Verhalten – zu dem durchaus Anreize gesetzt werden würden – nicht effektiv zur Wehr setzen.251 Insoweit müssten die Regelungen hier eventuell angepasst werden.252 bb) Bewertungskategorien zu der vorgeschlagenen Lösungsmöglichkeit Die vorgeschlagene Lösung der Umkehrung der Kostentragung bezüglich der Versandkosten ist generell differenziert zu betrachten. Die Argumente werden im Folgenden in Bewertungskategorien unterteilt. (1) Unklarheit über resultierende Pflichten Bezüglich der Hinsendekosten wäre die Rechtslage einfach formuliert: Der Verbraucher erhält gezahlte Hinsendekosten nicht erstattet. Allerdings ist allein aufgrund der Tragung der Rücksendekosten durch den Unternehmer keineswegs geklärt, welche Pflichten der Unternehmer und welche Pflichten der Verbraucher hat. Insoweit würden eine vergleichbare Rechtslage und eine ver-

ßung des Rates vom 14.04.1975 über das erste Programm der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft für eine Politik zum Schutz und zur Information der Verbraucher (ABl. Nr. C 92 vom 25.04.1975, S. 1). 249 Vgl. zum Ausschluss von §§ 985, 812 BGB nur Kohler, AcP 204 (2004), 606 (607 f.) m.w.N. 250 Siehe dazu oben Teil 1, I 2 b, S. 16 ff. 251 Er könnte natürlich den Verbraucher nicht aufsuchen. Damit würde man naturgemäß diese Vertriebsmethode (invited in-home selling) deutlich erschweren. 252 Siehe dazu unten Teil 3, II 5 a cc, S. 155 f..

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gleichbare Rechtsunsicherheit geschaffen, wie sie vor Umsetzung der Verbraucherrechte-RL bestand. Es könnte wiederum umstritten sein, ob der Verbraucher verpflichtet ist oder sein sollte, die günstigste Versandart zu wählen oder Retourenaufkleber zu benutzen, die der Unternehmer eventuell zur Verfügung stellen muss. Auch müsste geklärt werden, ob der Verbraucher eine Ware „unfrei“ oder per Nachnahme zurücksenden darf bzw. ob der Unternehmer alle daraus entstehenden Kosten zu tragen hätte.253 Diese Punkte könnten allerdings in einer neuerlichen Regelung eindeutig und möglicherweise auch interessengerecht geregelt werden. (2) Veränderung der Transaktionskosten Es könnte ein Problem in Form von erhöhten Transaktionskosten auftreten. Erhöhte Transaktionskosten sind insofern problematisch, als diese den (Widerrufs-)Vorgang mit Kosten aufladen, die eine der beteiligten Parteien oder die Gemeinschaft der Verbraucher tragen muss. Ohne näher in eine ökonomische Analyse des Vorschlags eintreten zu müssen, kann schon das Ziel konstatiert werden, Transaktionskosten nicht unermesslich anwachsen zu lassen. Der Aufwand des Unternehmers für die Rückerstattung von gezahlten Hinsendekosten ist gering, wenn gleichzeitig der gezahlte Preis rückerstattet wird. Insoweit werden Transaktionskosten durch den Wegfall einer Rückerstattungspflicht nicht umfassend gemindert. Wenn der Unternehmer die Kosten der Rücksendung übernehmen muss, stellt sich die Frage, wie er die Kosten faktisch trägt. Eine bloße Rückerstattung im Nachhinein wird dem Ziel der Effektivität des Widerrufsrechts nicht vollumfänglich gerecht.254 Jedoch entstehen bei anderen Varianten zunächst zusätzliche Kosten: 255 Wird dem Verbraucher ein Anspruch auf Kostenvorschuss zugebilligt, sollte er diesen vor der Rücksendung geltend machen; der Unternehmer wird demnach – soweit an einem Zurückbehaltungsrecht bis zur Rücksendung der Ware festgehalten wird256 – zwei unterschiedliche Zahlungsvorgänge durchführen (müssen). Zunächst wird er das Geld zur Rücksendung der Ware dem Verbraucher verschaffen und später den Preis rückerstatten müssen. Es entstehen infolgedessen zusätzliche Transaktionskosten, weil nicht mehr nur ein Rückzah-

253

Siehe zu diesem Komplex schon Teil 3, II 2 a aa (1), S. 105 ff. Siehe dazu oben Teil 3, II 2 a aa (1), S. 105. 255 Vor diesem Hintergrund sind die Äußerungen zu sehen, es sei gut, wenn jeder die Kosten zu übernehmen habe, die er selbst beeinflussen kann; in dieser Richtung beispielsweise Koch, JZ 2014, 758 (762). 256 Verzichtet man auf das Zurückbehaltungsrecht des Unternehmers (dazu sogleich unter Teil 3, III 5, S. 174 f.), müssen etwaige Wertersatzansprüche im Nachhinein abgerechnet werden, wodurch Transaktionskosten wiederum erhöht werden. 254

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lungsvorgang stattfindet. Ermöglicht man dem Verbraucher hingegen die „unfreie“ Versendung oder eine Sendung per Nachnahme, treten dabei typischerweise Kosten auf, die über das hinausgehen, was für eine „einfache“ Postsendung bezahlt werden müsste. Insoweit werden auch hier Transaktionskosten erhöht. Des Weiteren könnte man dem Unternehmer auferlegen, dem Verbraucher Retourenaufkleber zur Verfügung stellen zu müssen. Für den Verbraucher würden sich die Transaktionskosten bei der Rücksendung minimieren. Zudem kann diese Pflicht auch für den Unternehmer positiv sein. Zwar muss er sich um die Bereitstellung der Retourenaufkleber kümmern (und dies auch in Fällen, in denen nicht widerrufen wird), aber typischerweise wird er mit Lieferdiensten günstigere Konditionen als der Verbraucher aushandeln können, sodass im Ergebnis der Unternehmer eine geringere Kostenlast zu tragen hätte.257 Eine Verpflichtung des Unternehmers, Retourenaufkleber bereitzustellen, könnte aber seinen Sinn nur dann umfänglich erfüllen, wenn der Verbraucher auch verpflichtet wäre, die Retourenaufkleber zu nutzen.258 Damit dabei wiederum die Effektivität des Widerrufsrechts nicht gefährdet wird, müsste gewährleistet sein, dass ein Verlust des mitgelieferten Retourenaufklebers den Verbraucher nicht vom Widerruf abhält.259 Dies könnte durch eine Möglichkeit zum Abruf eines neuen Retourenaufklebers im Internet ermöglicht werden. Allerdings setzt dies einen Internetzugang und die Möglichkeit zum Drucken des Retourenaufklebers voraus. Internetzugang dürfte zumindest bei den meisten Personen vorhanden sein, die eine Ware im Fernabsatz bestellt haben, jedoch kann nicht angenommen werden, dass in jedem Haushalt eine Möglichkeit zum Drucken des Aufklebers besteht. Der Verlust des Retourenaufklebers birgt demnach praktische Schwierigkeiten. Insoweit kann es nicht uneingeschränkt überzeugen, den Unternehmer zu verpflichten, Retourenaufkleber zur Verfügung zu stellen. Zudem können sich gerade für Unternehmer, die grenzüberschreitend tätig werden, Probleme bei der Bereitstellung der Retourenaufkleber ergeben. Hier dürften etwa die Verhandlungen mit Lieferdiensten schwieriger werden.

257 Schultze, Europarechtliche Grenzen für die nationale Gesetzgebung im Bereich des Electronic Commerce, 2010, S. 490, weist darauf hin, dass der Unternehmer durch den Einsatz von Retourenaufklebern geringere Kosten zu tragen hat, als wenn ein Verbraucher die Rücksendung initiiert. 258 Ansonsten entstünde wieder das Problem zusätzlicher Transaktionskosten wie bei „unfreier“ Versendung, Sendung per Nachnahme oder Kostenvorschusspflichten, wobei dann aber noch zusätzlich die Kosten des Unternehmers für die Bereitstellung der Retourenaufkleber anfallen würden. 259 Vgl. hierzu OLG Hamm NJW-RR 2005, 1582 (1582 f.). Für vertraglich eingeräumte Rückgaberechte, und konkret auf Widerrufsrechte bezogen Kaestner/Tews, WRP 2005, 1335 (1342).

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Teil 3: Das Rückgewährschuldverhältnis nach Widerruf

Es gibt folglich keine Möglichkeit, dem Unternehmer die Zahlung der Rücksendekosten vor dem Hintergrund der Effektivität des Widerrufsrechts aufzuerlegen, ohne dass dadurch erhöhte Transaktionskosten und praktische Schwierigkeiten entstehen. (3) Probleme mit den Wertungen der Heinrich Heine-Rechtsprechung? Der Europäische Gerichtshof geht davon aus, dass die Effektivität des Widerrufsrechts negativ beeinflusst sei, wenn der Verbraucher gezahlte Hinsendekosten nicht zurückerhalte.260 Der Richtliniengeber hat sich dieser Sichtweise nunmehr erkennbar angeschlossen.261 Hin- und Rücksendekosten haben allerdings typischerweise einen ähnlichen Umfang.262 Die Belastung des Verbrauchers ist demnach ähnlich, wenn er Rücksendekosten tragen muss, aber Hinsendekosten erstattet bekommt, oder wenn ohne Rückzahlung der Hinsendekosten der Unternehmer die Rücksendekosten trägt.263 Folglich wird die Effektivität des Widerrufsrechts mit der hier angedachten Ausgestaltung nicht negativer beeinflusst. Insofern bestünden keine Widersprüche zu den Wertungen der Heinrich Heine-Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs. (4) Auswirkungen auf die Gestaltung der Hinsendekosten Wenn der Unternehmer die Hinsendekosten nicht zurückzahlen muss, kann das bezüglich der Gestaltung der Hinsendekosten zwei Auswirkungen zuungunsten der Verbraucher haben. Zunächst bestehen für den Unternehmer weniger Anreize, die Verbraucher von den Hinsendekosten zu befreien. Es könnte sein, dass die meisten Unternehmer – entgegen aktueller Praktiken – auch ab einem gewissen Mindestbestellwert keine Befreiung von den Hinsendekosten ermöglichen würden. Insoweit bestünde wiederum die Gefahr einer Quersubventionierung. Alle Verbraucher müssen die Hinsendekosten zahlen, weil die widerrufenden Verbraucher

260

EuGH, Rs. C-511/08 (Heinrich Heine), Slg. 2010, I-3047, Rdnr. 54; vgl. schon oben Teil 1, II 2 b bb, S. 28 f. 261 Siehe Art. 13 Abs. 1 Unterabs. 1 Verbraucherrechte-RL und oben Teil 3, II 1 a aa, S. 100. 262 Auch wenn der Verbraucher mit einer Sendung mehrere Waren erhalten hat und davon nur eine zurückschickt, werden die Rücksendekosten immer höher sein, als die anteiligen Kosten der Hinsendung für die Ware, die später zurückgesendet wird, weil der Einzelversand mehrerer Waren immer teurer ist; siehe aber zum Problem, dass der Unternehmer die Hinsendekosten überhöhen kann, unten Teil 3, II 5 a bb (4), S. 151 f. 263 In der Entscheidung EuGH, Rs. C-511/08 (Heinrich Heine), Slg. 2010, I-3047, wird nicht näher darauf eingegangen, ob die Hinsendekosten den Verbraucher auch dann vom Widerruf abhalten können, wenn er die Rücksendekosten nicht zu tragen hat, vgl. dazu schon oben Teil 3, II 2 a aa (2), S. 109.

II. Versandkosten und -risiken

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ansonsten weder für Hin- noch für Rücksendekosten aufkommen würden. Insoweit wäre der Verbrauchergemeinschaft wieder nicht geholfen. Eine Regelung, die zu ihren Gunsten erfolgt, wendet sich im Ergebnis gegen sie. Zudem ist die Befreiung des Verbrauchers von Hinsendekosten auch für den konkreten Verbraucher nicht uneingeschränkt positiv zu sehen. Der Verbraucher wird dadurch zum Vertragsschluss gelockt. Nachdem der Verbraucher die Ware erhalten hat, setzen verhaltensökonomische Effekte ein, die den Verbraucher vom Widerruf abhalten. Gerade vor diesem Hintergrund erscheint es möglich, dass Unternehmer weiterhin Verbraucher von den Hinsendekosten befreien. Dies kann auch als „Belohnung“ des Verbrauchers genutzt werden, wenn dieser vorangegangene Kaufverträge nicht widerrufen hat. Ein weiteres Problem liegt darin begründet, dass Unternehmer versuchen könnten, im Vertrag die Hinsendekosten deutlich höher zu beziffern als sie tatsächlich sind. Diese Geldwerte könnten sie auch bei einem Widerruf einbehalten, wodurch der Verlust der Unternehmer minimiert würde. Versandkosten sind nicht nur Kosten, die direkt durch den Versand (beispielsweise durch die Post) entstehen, sondern können auch Vorbereitungshandlungen des Versandes erfassen. Dadurch werden die Kosten intransparent, und dem Verbraucher müssen beim Kauf hohe Hinsendekosten nicht zwangsläufig negativ auffallen. Zudem wird ein Verbraucher beim Kauf überhöhte Kosten nicht unbedingt bemerken, da sich der Gesamtkaufpreis nicht verändern muss; der Unternehmer kann bei Überhöhung der Versandkosten den eigentlichen Preis der Ware entsprechend niedriger darstellen, als er eigentlich wäre. Kommt es nicht zum Widerruf, hat der Unternehmer den gleichen Gewinn erzielt. Sollte der Verbraucher widerrufen, kann der Unternehmer mehr Geld einbehalten. Der Verbraucher wird dabei oftmals nicht bemerken, dass der zu zahlende Betrag sich „ungewöhnlich“ zusammensetzt bzw. welche Konsequenzen dies für ihn – bei einem Widerruf – zeitigt. Dies wird insbesondere bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen durch die bestehende Überrumpelungssituation noch stark begünstigt. Beabsichtigt der Verbraucher zu widerrufen, müsste er feststellen, dass er nur einen unerheblichen Teil von dem gezahlten Preis (scil. angegebener Warenwert) zurückerhalten kann. Dies wird ihn sicherlich häufig vom Widerruf abhalten. Diese Konstellation müsste verhindert werden. Fraglich ist dabei, ob ein überzeugendes Regulativ eingeführt werden kann. Man könnte versuchen zu verhindern, dass der Unternehmer zu hohe Hinsendekosten verlangt. Zwar gibt es – gerade im Zusammenhang mit Widerrufsrechten – Vorschriften, die eine den Verbraucher begünstigende Rechtsfolge daran knüpfen, dass ein vom Unternehmer verlangter Preis „unverhältnismäßig hoch“ ist (Art. 14 Abs. 3 Verbraucherrechte-RL bzw. § 357 Abs. 8 Satz 5 BGB). Allerdings dürfte es schon schwer sein, eine Unverhältnismäßigkeit zu bestimmen, weil ein Vergleichsmaßstab fehlt. So hat die Versendung keinen eindeutig bestimmbaren Marktwert, weil der Unternehmer mehrere Beträge in

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Teil 3: Das Rückgewährschuldverhältnis nach Widerruf

den Preis einkalkulieren muss (z.B. Kosten für die Post, individuelle Verpackungsdienstleistungen).264 Auch wird es schwerlich möglich sein, zu erkennen, ob die Berechnung der Kosten an die realen Kosten gekoppelt ist. Insoweit wird der Verbraucher das Prozessrisiko tragen müssen, wenn er die Hinsendekosten herausverlangt und der Unternehmer eine Unverhältnismäßigkeit bestreitet. Demnach bleibt unklar, ob man dieses Problem beheben könnte. (5) Kaum Gefahr durch zusätzlichen Opportunismus Die oben aufgezeigten Möglichkeiten, durch die Versandkosten Opportunismus einzudämmen,265 gelten nicht spezifisch für Hin- oder Rücksendekosten. Die Kosten-Nutzen-Rechnung des opportunistisch handelnden Verbrauchers ist nicht daran gebunden, wodurch die Kosten entstehen. Insoweit würden die obigen Ausführungen bei einer Umkehrung der Versandkostentragung gleichermaßen fortwirken. Gerade der Verbraucher, der ex ante ein opportunistisches Vorgehen plant, sieht den Vorgang – mit der Rückabwicklung – zwangsläufig als einheitlichen Vorgang, sodass die später entstehenden Kosten nicht wie bei einem normalen Verbraucher geringer erscheinen. Allerdings entstehen zusätzliche Anreize für den Verbraucher, bei invited in-home selling opportunistisch zu handeln, weil er den Unternehmer zu sich einladen und den abgeschlossenen Kaufvertrag später widerrufen kann, ohne Versandkosten tragen zu müssen.266 (6) Abschwächung von Verhaltensanomalien Später entstehende Kosten werden im Vergleich zu direkt eintretenden Kosten subjektiv erheblich diskontiert, folglich als geringer angesehen.267 Vor allem im Lichte (solcher) zeitinkonsistenter Präferenzen könnte durch die Umkehrung der Versandkostentragung eine Abmilderung von Verhaltensanomalien geschaffen werden.

264 Kompliziert, aber denkbar ist es, dass ein Unternehmer nur die Differenz aus gezahltem Preis (mit Hinsendekosten) und Marktwert der Ware einbehalten darf bzw. diese Differenz als Maßstab für eine Unverhältnismäßigkeit der Kosten herangezogen wird. Bisher wurde zugrunde gelegt, dass der Unternehmer, um sich am Markt behaupten zu können, den Kaufpreis gezielt verringert. Dies könnte verhindert werden. Allerdings könnte ein Unternehmer gerade bei einer Überrumpelung auch hohe Hinsendekosten veranschlagen, ohne dass der Kaufpreis reduziert würde. Dieses Problem bestünde folglich weiterhin. 265 Siehe Teil 3, II 3, S. 129 ff. 266 Siehe dazu schon Teil 3, II 5 a aa, S. 147. 267 Lynch/Zauberman, 25 J.P.P. & M. 67, 68 (2006), formulieren dazu: „A future cost may seen less of a burden than a present one because opportunity costs are greater in the present or because a person expects to have more wealth in the future.“

II. Versandkosten und -risiken

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Für den Verbraucher erscheint ein späterer Nicht-Rückerhalt von gezahlten Hinsendekosten weniger schlimm als die frühere Zahlung von Rücksendekosten, auch wenn beide einen vergleichbaren Betrag haben. Dabei ist zudem zu beachten, dass der subjektive Zugewinn an später zurückgezahlten Leistungen durch Rückzahlung der Hinsendekosten nicht linear zum objektiven Zugewinn verläuft. Vielmehr wird einem objektiven Zugewinn ein geringerer subjektiver Nutzen zugeordnet. Die Rückzahlung der Hinsendekosten erscheint dem Verbraucher folglich nicht – verhältnismäßig – positiv. Deshalb entstehen Vorteile, wenn die Kostenlast umgekehrt wird. Zudem wird die psychologische Hürde zum aktiven Tätigwerden durch eine derartige Regelung der Versandkosten herabgesetzt. Der Initialakt (i.e. Rücksendung) ist mit deutlich weniger Aufwand verbunden. Das finanzielle Risiko des Widerrufs und der damit verbundenen Rückabwicklung ist geringer, weil der potentielle Verlust (i.e. keine vollständige Rückzahlung der geleisteten Zahlungen) nicht noch um die Rücksendekosten erweitert wird. Dies spricht dafür, dass beispielsweise die Prokrastination in geringerem Umfang auftreten müsste. Insoweit spricht eine Abschwächung der Verhaltensanomalien für eine Umkehrung der Kostentragung bezüglich der Versandkosten. (7) Beseitigung von Kostenbezifferungsproblemen bei Teilwiderruf Bei einem Teilwiderruf von Sammelbestellungen muss ein Unternehmer die Hinsendekosten nicht generell in voller Höhe rückerstatten.268 Im konkreten Fall kann sich die Bezifferung der Kosten allerdings als schwierig herausstellen: So muss überlegt werden, inwieweit es angemessen ist, dem Verbraucher gezahlte Hinsendekosten für einen Teil der Sammelbestellung rückzuerstatten, der die Hinsendekosten nicht erhöht hat.269 Geht man davon aus, eine dahingehende Rückerstattung würde opportunistisches Verhalten befördern, muss zudem beachtet werden, dass es im konkreten Fall durchaus schwierig sein kann, festzustellen, ob die Hinsendekosten tatsächlich durch ein weiteres Produkt erhöht wurden oder nicht. Dieses Problem tritt bei einer Umkehrung der Kostentragung nicht auf. Rücksendekosten sind nämlich immer nur für den Teil zu entrichten, der tatsächlich zurückgeschickt wird.270 Insofern würde auch hier durch die vorgeschlagenen Veränderungen eine Verbesserung im Vergleich zum geltenden Recht eintreten.

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Vgl. oben Teil 3, II 3 e, S. 141 ff. Dies wird bei kleineren Gegenständen häufig der Fall sein. 270 Gleichwohl müsste man überlegen, inwieweit der Verbraucher verpflichtet wäre, die Rücksendekosten möglichst gering zu halten – in Bezug auf die Größe der Verpackung. So könnte man es für unzulässig erachten, wenn der Verbraucher den Original-Versandkarton 269

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Teil 3: Das Rückgewährschuldverhältnis nach Widerruf

(8) Entkräftung der typischen Argumente gegen die Tragung der Rückkosten durch den Unternehmer Nicht selten werden bestimmte Argumente dagegen vorgebracht, dass der Unternehmer die Kosten der Rücksendung tragen soll. Diese Argumente können allerdings nicht uneingeschränkt gegen die Umkehrung der Versandkostenlast angeführt werden, wie im Folgenden gezeigt wird. Es wird vorgebracht, alle Verbraucher müssten die Rücksendekosten über den Preis mitbezahlen, obwohl nur wenige Verbraucher widerrufen, was unbillig sei.271 Allerdings stellt es für den Unternehmer – finanziell – zunächst keinen Unterschied dar, ob der widerrufende Verbraucher die Hinsendekosten zurückerhält, aber die Rücksendekosten trägt (so im geltenden Recht), oder ob der Unternehmer die Hinsendekosten einbehält und dafür den Rückversand bezahlen muss (so der vorliegende Vorschlag). Jedoch entstehen etwas höhere Transaktionskosten insgesamt, weil der Unternehmer mehrfach Zahlungen tätigen muss.272 Insoweit findet durch die Umkehrung der Kostentragung eine veränderte finanzielle Belastung der Parteien statt, sodass der Unternehmer die zusätzlichen Kosten wahrscheinlich auf die Gesamtheit der Verbraucher abwälzen wird. Diese Kosten dürften allerdings gering sein und somit nicht entscheidend gegen die dargestellte Regelungssystematik sprechen. Auch wird der Wettbewerb unter den Unternehmen nicht eingeschränkt, wie dies für die Auferlegung der Rücksendekosten befürchtet wird.273 Die Kostentragung trifft kleine und große Unternehmen gleich. Große Unternehmen haben eventuell mehr Anreize, die Hinsendekosten zu übernehmen, was allerdings nicht durch die Regelungen zur Rückabwicklung nach Widerruf, sondern durch den Markt an sich begründet ist, weil große Unternehmen meist weniger Gewinn pro verkaufter Ware benötigen, um konkurrenzfähig zu bleiben. Zudem besteht auch nicht die Gefahr, die Entscheidung des Verbrauchers über verschiedene Varianten der Verkaufsmodalitäten werde eingeschränkt.274 Ein Verbraucher, der sich sicher ist, nicht widerrufen zu wollen, kann mit einen Unternehmer kontrahieren, der ihm die Hinsendekosten erlässt. Der Verbraucher hat demzufolge Möglichkeiten, durch die Rücksendekostentragung des Unternehmers nicht negativ belastet zu werden.

zur Rücksendung nutzt, auch wenn der zurückgesendete Artikel mit einem kleineren und weniger Kosten auslösenden Paket zurückgesendet werden könnte. 271 Rühl, EuZW 2005, 199 (200); Sparmann, Das Widerrufsrecht im Fernabsatz als Kauf auf Probe, 2010, S. 175 f. 272 Vgl. schon oben Teil 3, II 5 a bb (2), S. 148 ff. 273 So beispielsweise Rühl, EuZW 2005, 199 (200 f.); Sparmann, Das Widerrufsrecht im Fernabsatz als Kauf auf Probe, 2010, S. 176. 274 Für die Rücksendekostentragung generell allerdings Rühl, EuZW 2005, 199 (201).

II. Versandkosten und -risiken

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cc) Notwendigkeit einer Differenzierung Für Fernabsatzverträge lässt sich kein eindeutiger Vorteil der angedachten Lösung im Vergleich zur geltenden Rechtslage ausmachen. Zwar würde mit einer Umkehrung der Versandkostentragung wohl eine (kleine) Steigerung der Effektivität des Widerrufsrechts bezüglich der Widerrufsentscheidung einhergehen, weil der nicht rationale Verbraucher die verschiedenen Kostenkonstellationen unterschiedlich bewertet. Allerdings treten damit gleichzeitig einige Probleme auf, die nicht so einfach gelöst werden können. So ist beispielsweise eine Erhöhung der Transaktionskosten unumgänglich. Das kann wiederum Rückwirkungen auf die marktbezogenen Zwecksetzungen der Widerrufsrechte haben. Eine Abwägung positiver und negativer Aspekte einer Neuordnung der Versandkosten bei Fernabsatzverträgen führt nicht eindeutig zu einer positiven Bewertung der dargestellten Lösung, sodass auf eine derartige generelle Umgestaltung bei Fernabsatzgeschäften zu verzichten ist. Dieses Ergebnis der Abwägung gilt jedoch nicht für Verträge, die außerhalb von Geschäftsräumen geschlossen werden. Hier überwiegen die positiven Effekte deutlich – zumindest, wenn der Verbraucher keine Hinsendekosten zu zahlen hatte. Dem Verbraucher dürfen keine Kosten aufgezwungen werden, die nach dem Widerruf nicht ausgeglichen werden.275 Nur so kann die Effektivität des Widerrufsrechts gewährleistet werden. Zudem erscheint es in diesen Konstellationen auch eher möglich, dem Unternehmer die Pflicht aufzuerlegen, einen Retourenaufkleber zur Verfügung zu stellen. Im Gegensatz zu den Konstellationen bei Fernabsatzverträgen ist ein Unternehmer, der grenzüberschreitend Verträge außerhalb von Geschäftsräumen abschließt, in dem anderen Land anwesend und konkret geschäftlich tätig. Insoweit ist es ihm viel eher zuzumuten, mit den Lieferdiensten vor Ort in Kontakt zu treten, um eine Abrede über Retourenaufkleber zu treffen. Auch kommen die oben dargestellten Möglichkeiten opportunistischen Verbraucherverhaltens keineswegs für alle außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträge in Betracht. Vielmehr wird grundsätzlich nur bei invited in-home selling Möglichkeit zum ex ante-Opportunismus gegeben.276 Für diese Fälle könnte man eine Sonderregelung treffen bzw. die aktuelle Kostentragung beibehalten.277

275

Vgl. auch Riesenhuber, System und Prinzipien des Europäischen Vertragsrechts, 2003, S. 342. 276 Für den Verbraucher ist in den anderen Situationen gerade nicht planbar, dass es zu einem Vertragsschluss kommen wird, weshalb er auch im Voraus kein opportunistisches Verhalten beabsichtigen kann. 277 Dadurch dürfte ein angemessener Interessenausgleich bestehen in Bezug auf eine mögliche – zusätzliche – Überrumpelung des Verbrauchers während des Verkaufsgesprächs und die Möglichkeit des Verbrauchers, opportunistisch zu handeln. Vgl. zu einer Unterschei-

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Teil 3: Das Rückgewährschuldverhältnis nach Widerruf

Es müsste allerdings eine Vorschrift geschaffen werden, die den Unternehmer davon abhält, überhöhte Hinsendekosten einzubehalten, weil dies ansonsten die Effektivität des Widerrufsrechts unterminieren würde. Die bisherigen Ausführungen zu Fernabsatzverträgen legen zugrunde, dass der Vertrag auf Initiative des Verbrauchers hin geschlossen wurde und somit ein ex ante-opportunistisches Verhalten möglich ist. Allerdings sind auch Situationen denkbar, in denen der Unternehmer den Verbraucher kontaktiert und einen Fernabsatzvertrag schließt.278 In diesen Konstellationen wird der Verbraucher oftmals den Vertrag nicht gezielt abschließen, um opportunistisch zu handeln. Deshalb stellt sich die Frage, ob für Fernabsatzverträge danach unterschieden werden sollte, auf wessen Initiative hin der Vertrag zustande kommt. Es ließe sich überlegen, aufgrund der Überrumpelung den Verbraucher wie bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen zu behandeln, wenn die Initiative vom Unternehmer ausgeht, also der Unternehmer den Verbraucher für den Vertragsschluss kontaktiert. Eine solche Gleichbehandlung ginge allerdings zu weit. Im Gegensatz zu Situationen bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen bestehen für den Verbraucher weniger soziale Gepflogenheiten, freundlich oder zuvorkommend zu sein. Der Verbraucher kann sich folglich leichter von der Drucksituation befreien, indem er beispielsweise das Telefonat beendet. Zudem ist die Kontaktaufnahme durch den Unternehmer oftmals gemäß § 7 UWG unlauter,279 sodass in der Praxis Unternehmer von einem solchen Verhalten abgehalten werden. Es handelt sich folglich bei Fernabsatzverträgen, die auf Initiative des Unternehmers hin zustande kommen, um Sonderkonstellationen, die selten vorkommen dürften und die über das Wettbewerbsrecht sanktioniert werden können (vgl. z.B. § 20 Abs. 1 Nr. 1 UWG). Darüber hinaus wird sich schwer nachweisen lassen, wer den Vertragsschluss initiiert hat, sodass Rechtsunsicherheit durch unklare Rechtsfolgen vermieden werden kann. Gesonderte Wertungen im Widerrufsrecht durchzuführen, wäre nach hier vertretener Ansicht künstlich und unnötig. b) Tragung aller Versandkosten durch den Unternehmer? Darüber hinaus könnte es zweckmäßig sein, dem Verbraucher jegliche Kostenlast bezüglich der Versandkosten abzunehmen. Insofern gäbe es diesbezüglich keine Kosten mehr, die den Verbraucher vom Widerruf abhalten würden. Dies müsste sich sehr positiv auf die Effektivität des Widerrufsrechts auswirken.

dung verschiedener Situationen bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen in Bezug auf die Tragung der Hinsendekosten Leupold, in: Welser (Hrsg.), Die Umsetzung der Verbraucherrechte-Richtlinie in den Staaten Zentral- und Osteuropas, 2015, S. 83 (103). 278 Siehe dazu bereits oben Teil 1, I 2 a, S. 12. 279 Vgl. hierzu bereits Fn. 22 in Teil 1, S. 12.

II. Versandkosten und -risiken

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Empirische Nachweise, die diese These unterstützen, liegen zwar nicht vor.280 Es besteht aber eine große Wahrscheinlichkeit für eine erhöhte Widerrufsquote im Vergleich zu Fällen, in denen der Verbraucher Kosten jeglicher Art zu tragen hat.281 aa) Fernabsatzverträge Wie schon dargestellt wurde, ist die Übernahme der Rücksendekosten durch den Unternehmer jedoch mit einigen Problemen verbunden, die sich insbesondere bei Fernabsatzverträgen auswirken.282 Es würden Anreize zum ex anteOpportunismus in einigen Fällen entstehen bzw. größer werden. So kann der Verbraucher eine Ware frei von materiellen Kosten ausleihen und in einem gewissen Umfang nutzen (faktische Leihe/retail borrowing). Dies ist zunächst unabhängig von etwaigen Wertersatz- oder Nutzungsersatzansprüchen, da dem Verbraucher meist eine Nutzungsmöglichkeit durch sein Prüfungsrecht zusteht. Dabei sind Situationen vorstellbar, in denen ein opportunistischer Verbraucher schon von der Prüfung im Rahmen seines Prüfungsrechts umfassend profitieren kann. Gesteht man beispielsweise einem Verbraucher zu, mit einer Bohrmaschine zur Prüfung derselben ein Loch zu bohren,283 könnten Verbraucher die Ware „ausleihen“, wenn sie nur ein Loch bohren wollen (z.B. für ein Bild mit schwerem Bilderrahmen). Für jeden weiteren Bohrvorgang könnte der Verbraucher sogar eine (andere) Bohrmaschine bestellen, „prüfen“ und danach von seinem Widerrufsrecht Gebrauch machen, ohne ersatzpflichtig zu werden. Muss er nun Hin- oder Rücksendekosten (dauerhaft) tragen, wird dieses Verhalten finanziell uninteressanter. Häufiges Vorkommen von faktischer Leihe ist zudem erst zu vermuten, wenn durch die Nutzung über die Prüfung hinaus keine Ersatzpflicht für den Verbraucher entsteht. Nur dann dürfte der Nutzen des zweckwidrigen Vorgehens größer sein als der Aufwand, der teilweise auch immateriell ist (z.B. Ware zur Post bringen). Ein Verbraucher könnte – wenn er keinerlei Versandkosten bei Widerruf tragen muss – die Ware sogar ordern, wenn er sie nur unter Umständen benötigt (situational returnaholic), ohne finanzielle Einbußen befürchten zu müssen. Zudem ist aus Unternehmerperspektive auch zu befürchten, Bestellungen zur

280

Freilich unterscheiden Hjort/Lantz, [2012] 40 I.J.R.D.M. 997, 1005, in ihrer Studie noch zwischen Situationen mit freier Hinsendung und Situationen, in denen die Hinsendekosten zu tragen waren. Allerdings wurden dabei Hinsendekosten von Beginn an nicht erhoben und nicht im Nachhinein zurückerstattet. Insoweit können diese Ergebnisse nicht herangezogen werden. 281 Ben-Shahar/E. Posner, 40 J. Legal Stud. 115, 128 (2011). 282 Siehe zum Problem der Transaktionskosten Teil 3, II 5 a bb (2), S. 148 ff. 283 So Staudinger/Kaiser, BGB, 2012, § 357 Rdnr. 47; Schinkels, ZGS 2009, 539 (541 f.).

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Teil 3: Das Rückgewährschuldverhältnis nach Widerruf

Auswahl von Produkten könnten zunehmen. Zumindest würde es deutlich weniger (finanzielle) Anreize geben, dieses Verhalten zu unterlassen.284 Auch ist nicht zu vermuten, eine solche Rechtslage würde als „fairer Ausgleich“ zwischen Verbraucher- und Unternehmerinteressen angesehen.285 Es läge wohl keine „ausgewogene Risikoverteilung“286 vor. Es besteht die Gefahr, für Unternehmer würden bestimmte Vertriebswege nicht mehr rentabel sein, sodass die Unternehmer sich vom Markt zurückziehen könnten, es sei denn, sie wälzten die Kosten auf die Verbrauchergemeinschaft ab. Der Binnenmarkt könnte in beiden Fällen geschädigt werden.287 Bei Fernabsatzverträgen sollten demnach den Unternehmern nicht jegliche Versandkosten auferlegt werden. bb) Außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge Bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen ist allerdings eine andere Argumentation durchschlagend. (1) Opportunismusverhinderung als nicht valides Argument für eine Kostentragung zulasten des Verbrauchers Geht man davon aus, der Verbraucher werde „überrumpelt“, bedeutet dies auch, dass er den Vertragsschluss schwerlich vorab voraussehen kann. Insofern kann er allerdings auch nicht strategisch opportunistisches Verhalten (ex ante) planen. Er befindet sich gerade ungeplant in einer Situation, in der ihm ein Vertragsschluss angeboten wird. Der Verbraucher hat folglich bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen generell keine Möglichkeiten zum geplanten Opportunismus – etwas anderes gilt nur für das invited in-home selling.

284

Siehe aber Hilbig, MMR 2009, 300 (304), zum alten Recht: „Auch vor Missbrauch seitens der Verbraucher wird gewarnt, da sie so von Hin- und (weitgehend auch) Rücksendekosten befreit dazu verleitet werden könnten, ad libitum Waren zu bestellen in der festen Absicht, diese zwei Wochen später wieder zurückzusenden. Dies überzeugt nicht. Es bedarf einer gewissen Ausdauer und viel überflüssiger Zeit, um systematisch Waren zu bestellen, die Lieferung entgegenzunehmen oder von der Post zu holen und unter Wahrung der Frist die Waren zur Post zu tragen. Eine Flut von vorneherein geplanten Widerrufen ist nicht zu erwarten.“ 285 Schon vor der Umsetzung der Verbraucherrechte-RL wurde kritisiert, dass der Unternehmer bei Fernabsatzverträgen bei einem Warenwert über 40,- Euro alle Versandkosten zu tragen habe, siehe beispielsweise Föhlisch, MMR 2009, 75 (78). 286 Eine solche verneinte der EuGH, Rs. C-511/08 (Heinrich Heine), Slg. 2010, I-3047, Rdnr. 57, explizit für Fernabsatzverträge, bei denen der Verbraucher alle Versandkosten zu tragen habe. Eine Ausgewogenheit dürfte dann aus dieser Perspektive auch nicht gegeben sein, wenn der Unternehmer alle Versandkosten zu tragen hätte. 287 Vgl. auch Teil 3, II 2 a ee, S. 121 f.

II. Versandkosten und -risiken

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(2) Vorteile der Regelung gegenüber einer Umkehrung der Kostentragung Wie schon gezeigt wurde, hat es viele Vorteile, wenn der Verbraucher die Rücksendung bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen nicht finanzieren muss. Allerdings kann der Verbraucher auch mit den Hinsendekosten überrumpelt werden. Insbesondere wenn diese sehr hoch sind – was den Verbraucher gerade zum Widerruf motivieren könnte, weil er bei vergleichbaren Anbietern geringere Hinsendekosten zahlen müsste – kann es negativ sein, diese Kosten nicht erstattet zu bekommen. Der Verbraucher hat generell keine hinreichende Bedenkzeit, um zu bemerken, dass er die Hinsendekosten nicht erstattet bekommt. Deshalb kann er zumeist nicht schon vor Erhalt der Ware vollumfänglich von seinem Widerrufsrecht Gebrauch machen. Wenn der Unternehmer auch die gezahlten Hinsendekosten zurückerstatten muss, entfallen Opportunismusmöglichkeiten für den Unternehmer. Es ist beispielsweise nicht (mehr) zielführend, den zu zahlenden Preis aus einem geminderten Kaufpreis und erhöhten Hinsendekosten zu entwickeln,288 weil der Unternehmer alle Kosten zurückzahlen muss. Man würde insoweit eine dahingehende Überprüfung der Kosten289 entbehrlich machen. Die Vorzüge zugunsten der Effektivität des Widerrufsrechts sind offensichtlich: Je weniger der Verbraucher zu zahlen hat, desto eher wird er widerrufen. Ein Wermutstropfen ist allerdings darin zu sehen, dass wiederum Kostenbezifferungsprobleme bei Teilwiderruf entstünden, soweit der Verbraucher Hinsendekosten zu zahlen hatte. (3) Übermäßige Belastung des Unternehmers? Es stellt sich zudem die Frage, ob der Unternehmer bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen durch eine derartige Regelung der Versandkosten übermäßig belastet würde. Dabei ist zu bemerken, dass nur insoweit ein Unterschied im Vergleich zur Umkehrung der Kostentragung auftritt, als bei dem Geschäft Hinsendekosten entstanden sind. Der Unternehmer hat folglich schon – in gewissem Umfang – die Möglichkeit, diese Kosten zu vermeiden, indem er den Kaufgegenstand bei Vertragsschluss übergibt. Gerade bei größeren Waren dürfte dies schwer möglich sein, weil der Unternehmer beispielsweise nicht mit mehreren Möbeltransportern umherfahren kann, um möglichst viele faktische Haustürgeschäfte abzuschließen. Immer wenn es für ihn schwierig ist, die Ware bei Vertragsschluss zu übergeben, ist mit höheren Versandkosten zu rechnen. Diese Kosten können den Verbraucher mehr belasten und eher vom Widerruf abhalten, wenn er sie nicht zurückerstattet bekommt. Vor diesem Hintergrund sollten dem Unternehmer auch diese Kosten auferlegt werden.

288 289

Siehe zu diesem Problem schon Teil 3, II 5 a bb (4), S. 151 f. Siehe dazu auch oben Teil 3, II 5 a bb (4), S. 151 f.

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Teil 3: Das Rückgewährschuldverhältnis nach Widerruf

(4) Besonderheiten bei faktischen Haustürgeschäften Möchte man den Verbraucher nicht generell bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen von den Versandkosten freistellen, muss man ihn zumindest bei faktischen Haustürgeschäften von den Versandkosten befreien. Während der Verbraucher bei allen anderen Vertragsanbahnungssituationen außerhalb von Geschäftsräumen recht einfach den jeweiligen Ort verlassen kann, um sich dem Einwirkungsbereich des Unternehmers zu entziehen, ist dies bei faktischen Haustürgeschäften nicht möglich. Der Verbraucher hat oftmals nur eine ernstzunehmende Chance, den Unternehmer – ohne Zwang – aus seinen Wohnräumen zu verweisen, nämlich die Ware zu kaufen. Denkbar ist dies insbesondere bei älteren Verbrauchern, die sich der aggressiven Vertriebsmethoden nicht anderweitig erwehren können. Dem Verbraucher kann hier nur hinreichend geholfen werden, wenn er völlig ohne negative Folgen vom Vertrag Abstand nehmen kann. Gleichzeitig darf wegen der Gefahr des Opportunismus allerdings das invited in-home selling nicht begünstigt werden. (5) Zwischenergebnis Bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen – zumindest bei faktischen Haustürgeschäften, ohne Einladung des Verbrauchers – sollte der Unternehmer gezahlte Hinsendekosten zurückerstatten und dem Verbraucher die Rücksendung bezahlen. Zwar ist zu befürchten, damit gehe wiederum eine Quersubventionierung einher, welche die Verbrauchergemeinschaft über einen erhöhten Preis belastet. Allerdings wird ein Verbraucher zumeist durch die Bindung an den Vertrag belastet, wenn er (faktisch) gezwungen ist, daran festzuhalten. Aus Sicht des Richtliniengebers handelt es sich um Verträge, die ohne die Überrumpelung wohl nicht (so) zustande gekommen wären. Legt man dies zugrunde, spricht eine etwaige Preiserhöhung nicht ausschlaggebend gegen die vorgeschlagene Kostenverteilung. c) Fazit Vor dem Hintergrund des Spannungsverhältnisses von Effektivität und Opportunismus erscheint die geltende Rechtslage zur Tragung der Versandkosten nur für Fernabsatzverträge erträglich, weil eine überzeugendere Regelung für diese Lebenssachverhalte nicht in Aussicht steht. Bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen muss jedoch dringend eine Änderung der Kostentragung auf europäischer Ebene vorgenommen werden. Insoweit müssen die Vertriebswege unterschiedlich geregelt werden. Durch die Gleichbehandlung wird die Effektivität des Widerrufsrechts bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen über Gebühr und ohne hinreichende Rechtfertigung eingeschränkt. Die Rücksendekosten müssen vom Unternehmer getragen werden. Zweckmäßig erscheint es dabei auch,

II. Versandkosten und -risiken

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dem Verbraucher einen Anspruch auf Rückgewähr gezahlter Hinsendekosten zuzugestehen. Dabei sollten dem Verbraucher auch etwaige zusätzliche Kosten für eine (aufgedrängte) Express-Lieferung erstattet werden.290 Möchte man dem Verbraucher nicht generell bei allen außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen einen Anspruch auf Rückgewähr gezahlter Hinsendekosten bei gleichzeitiger Entlastung von Rücksendekosten zugestehen, muss eine solche umfassende Kostenfreistellung zumindest für die faktischen Haustürgeschäfte gelten. Um die Effektivität besonders in den Vordergrund zu rücken, könnte den Unternehmern die Pflicht auferlegt werden, dem jeweiligen Verbraucher einen Retourenaufkleber zur Verfügung zu stellen. Gerade bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen besteht die Gefahr, dass unter dem Eindruck der Überrumpelung der Retourenaufkleber entsorgt wird.291 Ein Verbraucher hat zudem nicht zwangsläufig die Möglichkeit, einen neuen Retourenaufkleber auszudrucken. Darüber hinaus würde der (nachträgliche) Versand eines Retourenaufklebers übermäßige Transaktionskosten hervorrufen. Damit der Verbraucher nicht von einem Widerruf absieht, wenn er den Retourenaufkleber nicht mehr besitzt, sollte der Verbraucher den Aufkleber folglich nicht nutzen müssen. Dadurch entstehen allerdings einerseits erhöhte Transaktionskosten, die die Verbrauchergemeinschaft belasten können. Andererseits besteht die Gefahr, dass ein Verbraucher – mit Schädigungsabsicht – den Retourenaufkleber nicht benutzt. Insoweit könnte es zweckmäßiger sein, wenn der Verbraucher die Rücksendekosten schon vor der Rücksendung erstattet bekommt. Praktisch läge eine solche Regelung nahe, wenn der Unternehmer dem Verbraucher vor der Rücksendung auch die sonstigen Kosten erstatten müsste, weil dann nicht mehrere Überweisungsvorgänge stattfinden müssen.292 Einzig beim invited in-home selling drängt sich keine Änderung des status quo auf. Da bei diesem Vertriebsweg ein Vertrag mithilfe einer – typischerweise fernmündlich abgegebenen – Bestellung durch den Verbraucher zum Besuch zustande kommt, kann auch auf einer tatsächlichen Ebene eine Ähnlichkeit zu Fernabsatzverträgen erkannt werden. Insoweit ist es legitim und notwendig, diesen Vertriebsweg weiterhin dem Fernabsatz entsprechend zu regeln. Dies zeigt sich besonders deutlich, wenn man die Möglichkeiten (ex ante-)opportunistischen Verhaltens vergleicht. Der Verbraucher hat auch bei invited in-home selling viele der für Fernabsatzgeschäfte dargestellten Möglichkeiten, sich opportunistisch zu verhalten.

290

Siehe zu diesem Aspekt bereits oben Teil 3, II 2 b bb, S. 123 f. Vgl. zu dem ähnlichen Problem bei der Versandverpackung unter Teil 3, VI 1 d, S. 243 f. 292 Siehe zur „Umkehrung“ des Zurückbehaltungsrechts noch Teil 3, III 5, S. 174 f. 291

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Teil 3: Das Rückgewährschuldverhältnis nach Widerruf

III. Reihenfolge der Leistungsverpflichtungen: Das Zurückbehaltungsrecht des Unternehmers vor Rückzahlung III. Reihenfolge der Leistungsverpflichtungen

Im Folgenden wird untersucht, ob die Pflicht des Verbrauchers zur Rücksendung bzw. Rückgabe der Ware oder die Pflicht des Unternehmers zur Rückzahlung der geleisteten Zahlungen zuerst erbracht werden muss. Im System des Zivilrechts sind für zwei gegenüberstehende Leistungspflichten sowohl ein Zurückbehaltungsrecht eines Beteiligten bei einseitiger Vorleistungspflicht des anderen Beteiligten als auch Zurückbehaltungsrechte der beiden Beteiligten denkbar. Die letztgenannte Situation kann dann zu einer Erfüllung der Pflichten Zug um Zug führen (siehe hierfür § 322 Abs. 1 BGB). 1. Grundzüge der Rechtslage Der Unternehmer muss die Rückzahlung der vom Verbraucher geleisteten Zahlungen innerhalb von vierzehn Tagen nach Widerruf tätigen, § 357 Abs. 1 und 2 BGB (Umsetzung von Art. 13 Abs. 1 Unterabs. 1 Verbraucherrechte-RL).293 Allerdings besteht bei einem Verbrauchsgüterkauf294 ein Zurückbehaltungsrecht zugunsten des Unternehmers so lange, bis er die Ware zurückerhalten hat oder der Verbraucher den Nachweis erbracht hat, dass er die Ware abgesendet hat, § 357 Abs. 4 Satz 1 BGB (Umsetzung von Art. 13 Abs. 3 Verbraucherrechte-RL).295 Wenn der Unternehmer angeboten hat, die Ware abzuholen, besteht das Zurückbehaltungsrecht nicht, § 357 Abs. 4 Satz 2 BGB (Umsetzung von Art. 13 Abs. 3 Verbraucherrechte-RL a.E.).

293 Damit der Verbraucher auch tatsächlich zurückerhält, was er geleistet hat, muss der Unternehmer bei der Rückgewähr grundsätzlich „dasselbe Zahlungsmittel verwenden, das der Verbraucher bei der Zahlung verwendet hat“, § 357 Abs. 3 Satz 1 BGB (Umsetzung von Art. 13 Abs. 1 Unterabs. 2 Verbraucherrechte-RL). 294 Die Beschränkung auf Verbrauchsgüterkäufe – und damit auf Kaufverträge über bewegliche Sachen (§ 474 Abs. 1 Satz 1 BGB) – ist richtlinienkonform, obwohl der umgesetzte Art. 13 Abs. 3 Verbraucherrechte-RL nur von Kaufverträgen spricht. Dies liegt daran, dass Verträge über die Begründung, den Erwerb oder die Übertragung von Eigentum oder anderen Rechten an Immobilien gemäß Art. 3 Abs. 3 lit. c Verbraucherrechte-RL (umgesetzt in § 312 Abs. 2 Nr. 2 BGB) schon vom hier relevanten Anwendungsbereich auch hinsichtlich der Widerrufsrechte ausgenommen sind. 295 Im Entwurf zur Verbraucherrechte-RL war das Zurückbehaltungsrecht des Unternehmers noch durch die Unterschiede bei den Rückgabe-/Rückzahlungsfristen faktisch begründet (Art. 16 Abs. 2 Verbraucherrechte-RL-E [In diesem Stil werden hier die Vorschriften zitiert, die dem Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Rechte der Verbraucher KOM(2008) 614 endg. entstammen.]): Während der Unternehmer dreißig Tage Zeit zur Rückzahlung hatte (Art. 16 Abs. 1 Verbraucherrechte-RL-E),

III. Reihenfolge der Leistungsverpflichtungen

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Nach alter Rechtslage musste Zug um Zug erfüllt werden (mangels Sonderregelung: § 357 Abs. 1 Satz 1 BGB [i.F.v. 2002], § 348 BGB). Nunmehr wird dem Verbraucher eine Vorleistungspflicht auferlegt.296 Ein Problem der alten Regelung war, dass im Fernabsatz der persönliche Kontakt untypisch ist, sodass die klassische Zug-um-Zug-Erfüllung schwer durchzuführen war. Eine der beiden Vertragsparteien musste faktisch vorleisten, obwohl sie nicht dazu verpflichtet war.297 Die neue Regelung löst diese missliche Lage zugunsten des Unternehmers auf. Dafür sprechen zunächst hauptsächlich ökonomische Aspekte:298 Der Unternehmer kann in bestimmten Situationen neben der Herausgabe der Sache auch einen Wertersatzanspruch gegen den Verbraucher geltend machen. Ob und in welcher Höhe ein solcher Anspruch besteht, kann der Unternehmer nur dann feststellen, wenn er die Ware untersucht hat. Stellt er fest, dass ein Anspruch zu seinen Gunsten besteht, kann er in Deutschland gemäß §§ 387 ff. BGB aufrechnen und muss nicht den kompletten Kaufpreis auszahlen. Ähnliche materiellrechtliche Institute finden sich in vielen europäischen Ländern.299 Somit wird verhindert, dass zwischen den Parteien Geldbeträge fließen und Transaktionskosten erhöht werden. Jedoch wird diese Zwecksetzung der Regelung unterminiert, indem das Zurückbehaltungsrecht auch schon ausgeschlossen ist, wenn der Verbraucher nachgewiesen hat, die Ware abgesendet zu haben, § 357 Abs. 4 Satz 1 BGB a.E.300 Folglich ist die Regelung bezüglich der dargestellten, zugrunde liegenden Wertungen nicht stringent.301 Durch später geltend gemachte Wertersatzansprüche werden Transaktionskosten dann weiter erhöht. Insofern kann die Regelung schon unabhängig von dem Spannungsverhältnis von Effektivität und Opportunismus nicht überzeugen. Das Zurückbehaltungsrecht besteht nur, wenn der Verbraucher schon Zahlungen erbracht hat, da der Unternehmer nur dann zu einer Rückzahlung ver-

musste der Verbraucher spätestens nach vierzehn Tagen zurücksenden (Art. 17 Abs. 1 Verbraucherrechte-RL-E). Vgl. zu diesem Missverhältnis Micklitz/Reich, CML Rev. 46 (2009), 471 (500). 296 Zur Regelung im GEKR-E: Looschelders, in: Remien/Herrler/Limmer (Hrsg.), Gemeinsames Europäisches Kaufrecht für die EU?, 2012, S. 107 (138). 297 Föhlisch, MMR 2009, 75 (78), bezeichnet dies als „Henne-Ei-Problem”. Aigner/Hofmann, Fernabsatzrecht im Internet, 2004, S. 137, sprechen von einer „Patt-Situation”. 298 Zur Gefahr, der Verbraucher könne die Ware einbehalten, noch später Teil 3, III 3, S. 172 f.. 299 Ausführlich dazu Magnus, in: Leible (Hrsg.), Das Grünbuch zum Internationalen Vertragsrecht, 2004, S. 209 (212 ff.). 300 Dazu noch näher Teil 3, III 3, S. 172 f. 301 Buchmann, K&R 2014, 293 (ebd.). Hingegen geht Koch, JZ 2014, 758 (762), davon aus, durch diese Möglichkeit werde gerade ein Interessenausgleich geschaffen. Ähnl. Hörmann, Der Internethandel und die neue Richtlinie über die Rechte der Verbraucher, 2014, S. 227.

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Teil 3: Das Rückgewährschuldverhältnis nach Widerruf

pflichtet sein kann (arg. ex § 357 Abs. 1 BGB und Art. 13 Abs. 1 Verbraucherrechte-RL). Gemäß § 271 Abs. 1 BGB ist eine Zahlungsverpflichtung sofort zu erbringen, wenn für die Leistung eine Zeit weder bestimmt noch aus den Umständen zu entnehmen ist. Allerdings gilt für Verbrauchsgüterkäufe (zur Definition: § 474 Abs. 1 Satz 1 BGB) seit Umsetzung der Verbraucherrechte-RL etwas anderes: Nunmehr muss der Käufer die Zahlung nur unverzüglich (siehe § 121 Abs. 1 Satz 1 BGB) erbringen, wenn keine abweichende Parteivereinbarung vorliegt, § 474 Abs. 3 Satz 1 BGB.302 Gleichwohl ist der Grundzustand bei Kaufverträgen in besonderen Vertriebsformen, dass der Verbraucher die Zahlung tätigt, bevor er über den Widerruf entscheidet.303 Demnach würde dem Zurückbehaltungsrecht des Unternehmers ein großer Stellenwert zukommen. Ob durch Parteivereinbarungen und erst später entstehende Zahlungspflichten das Zurückbehaltungsrecht in der Praxis seltener relevant wird, kann hier nicht beurteilt werden. 2. Einschränkungen der Effektivität Die Neuregelung des Zurückbehaltungsrechts wird teilweise positiv bewertet.304 Häufig wird sie kritisiert.305 Die Kritik bezieht sich teilweise schon auf die zugrunde liegende Interessenabwägung, kann aber vollumfänglich auf die Ebene der Effektivität bezogen werden. Insbesondere die Verknüpfung mit der Auferlegung der Rücksendekosten306 ist hierbei problematisch. Zwar konnte bei dem Rückgaberecht gemäß § 356 BGB (i.F.v. 2002) eine Situation geschaffen werden, in der ein Verbraucher eine Vorleistungspflicht hatte, dies wurde 302

Siehe zur Anwendung bei Verbraucherpflichten konkret BT-Drucks. 17/12637, S. 36 r. Sp. (vgl. Fn. 139 in Teil 1, S. 40); Art. 18 Abs. 1 Verbraucherrechte-RL schreibt jedoch nur vor, dass der Unternehmer „unverzüglich“ leisten muss; dazu auch Windorfer, VuR 2014, 216 (220). 303 Eine Studie aus dem Jahr 2015 zeigt, dass von dreißig umsatzstarken deutschen Online-Shops nur zwölf Händler überhaupt einen Kauf auf Rechnung uneingeschränkt anbieten; vgl. o.A., Finanztest 12/2015, 22 (26). Nach der Öffnungsklausel in Art. 9 Abs. 3 Satz 2 Verbraucherrechte-RL konnten Mitgliedstaaten im Rahmen der Umsetzung der Verbraucherrechte-RL „bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen innerstaatliche Rechtsvorschriften aufrechterhalten, die dem Unternehmer verbieten, innerhalb eines bestimmten Zeitraums nach Vertragsabschluss Zahlung vom Verbraucher zu fordern und entgegenzunehmen.“ Da eine solche Regelung in Deutschland nicht existierte, war die Öffnungsklausel für die Umsetzung der Richtlinie in Deutschland irrelevant. 304 Z.B. Loos, in: Howells/Schulze (Hrsg.), Modernising and harmonising consumer contract law, 2009, S. 237 (267); Hericks, Die Rechtsfolgen des Verbraucherwiderrufs im deutschen und europäischen Recht, 2014, S. 149; Koch, JZ 2014, 758 (762). 305 Siehe zu Kritikpunkten etwa Micklitz/Rott, in: Dauses (Hrsg.), Hdb. EU-WirtschaftsR, 35. Erg.-Lfg. 2014, H. V., Rdnr. 235; Steennot, [2013] 29 C.L.S.R. 105, 118; Rott, R.E.D.C. 2012, 371 (384); Redaction Committee of the Acquis Group, in: Schulte-Nölke/Tichý (Hrsg.), Perspectives for European Consumer Law, 2010, S. 157 (177). 306 Dazu Teil 3, II 1 a bb, S. 101 f.

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aber gerade dadurch kompensiert, dass der Verbraucher die Kosten der Rücksendung keinesfalls zu tragen hatte.307 a) Notwendigkeit von Vertrauen zugunsten des Unternehmers Für ein effektives Widerrufsrecht ist es notwendig, dass der Verbraucher den Vertrag widerruft, wenn er dies möchte. In seine Erwägungen zieht er die Folgen seines Entschlusses mit ein. Er muss aber auch darauf vertrauen können, dass diese Folgen eintreten. Seine eigenen Verhaltensweisen kann er gut einplanen. Wie der Unternehmer sich verhält, lässt sich jedoch im Voraus schwer beurteilen. Aufgrund des Zurückbehaltungsrechts des Unternehmers muss der Verbraucher Vertrauen dahingehend haben, dass der Unternehmer sich entsprechend seinen Pflichten verhält. aa) Grundlegendes Vertrauensproblem Wäre der Verbraucher nicht vorleistungspflichtig, würde dies auf die Entscheidung zum Widerruf positiv rückwirken, da er dann schon zu diesem Zeitpunkt weiß, dass keine Situation auftreten kann, in der er ohne Ware und ohne Geld verbleibt. Zwar ist die Entscheidung, die Ware zurückzuschicken, eine neue Entscheidung, die nicht schon durch die Entscheidung zum Widerruf vorweggenommen wird; die Entscheidung zur Rücksendung ist allerdings vorbestimmt, weil der Widerruf sonst überflüssig wäre. Insoweit muss der Verbraucher, wenn er vorleistungspflichtig ist, schon bei seiner Entscheidung zum Widerruf einkalkulieren, dass er eventuell völlig ohne Ware und Gegenwert verbleibt. Er hat bei etwaigen Unstimmigkeiten kein Druckmittel (mehr).308 Damit er trotzdem widerruft, benötigt er Vertrauen dahingehend, der Unternehmer werde die Geldbeträge zurückzahlen, wenn der Verbraucher selbst seiner Pflicht zur Warenrücksendung nachkommt.309

307

Staudinger/Kaiser, BGB, 2012, § 356 Rdnr. 4. Micklitz/Rott, in: Dauses (Hrsg.), Hdb. EU-WirtschaftsR, 35. Erg.-Lfg. 2014, H. V., Rdnr. 235. 309 Steennot, [2013] 29 C.L.S.R. 105, 118. Vgl. auch in Bezug auf die Gründe für die Vorleistungspflicht des Unternehmers in Art. II – 5:105 (3) DCFR Zimmermann, in: Eidenmüller et al. (Hrsg.), Revision des Verbraucher-acquis, 2011, S. 167 (176). Siehe auch Rott, R.E.D.C. 2012, 371 (384). Nicht näher soll hier darauf eingegangen werden, inwieweit die Problematik durch Unternehmer, die als Dritte in die Vertragsbeziehungen eintreten (z.B. die Trusted Shops GmbH), sich für die Vertrauenswürdigkeit der Unternehmer „verbürgen“ und das finanzielle Risiko des Verbrauchers abmildern, verhindert oder aufgelöst wird. Es kann nämlich nicht überzeugen, eine rechtliche Regelung danach zu bewerten, dass sich Unternehmer darauf spezialisieren, Probleme der rechtlichen Regelungen zu einer Unternehmensstrategie zu entwickeln. Die Europäische Kommission hatte bei der Einführung von Widerrufsrechten zunächst vor, einen Sicherungsfonds anzulegen, durch den die Verbraucher abgesichert werden, vgl. HKK/Schmoeckel, Bd. II.2, 2007, vor §§ 312 ff. Rdnr. 150. 308

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Teil 3: Das Rückgewährschuldverhältnis nach Widerruf

Gleichzeitig muss der Verbraucher in einer weiteren Hinsicht auf das rechtmäßige Verhalten des Unternehmers vertrauen: Da dieser die Möglichkeit hat, eine Aufrechnung mit seinen Wertersatzansprüchen zu erklären, muss der Verbraucher auch darauf vertrauen, der Unternehmer werde diese Ansprüche richtig und fair berechnen, damit der Verbraucher zurück erhält, was ihm zusteht.310 Zwar hat der Verbraucher grundsätzlich keinerlei konkrete Anhaltspunkte dafür, der Unternehmer werde seinen Verpflichtungen nicht nachkommen; trotzdem kann fehlendes Vertrauen aufgrund allgemeinen Misstrauens die Effektivität des Widerrufsrechts gefährden.311 Es ist aber zu vermuten, dass Verbraucher sich sorgen, geleistete Zahlungen nach dem Widerruf nicht zurückzuerhalten, und sie dadurch in ihrer Entscheidung zum Widerruf beeinflusst werden.312 Dies muss nicht zwingend in Zusammenhang mit bösem Willen des Unternehmers stehen: Der Verbraucher ist auch der Gefahr ausgesetzt, dass der Unternehmer insolvent ist oder wird.313 bb) Hinzukommende (Klage-)Risiken Wäre eine Vorleistungspflicht des Verbrauchers ausgeschlossen, könnte der Unternehmer niemals wissen, wie hoch ein potentieller Wertersatzanspruch ist, bevor er die vom Verbraucher geleisteten Zahlungen an diesen – komplett – zurückgewährt hätte. Der Unternehmer könnte deshalb nicht aufgrund einer Aufrechnung seiner Rückzahlungspflicht nur teilweise nachkommen. Er 310

Vgl. Steennot, [2013] 29 C.L.S.R. 105, 118. Siehe zu dem Aspekt der Effektivität im vorliegenden Zusammenhang beispielsweise Redaction Committee of the Acquis Group, in: Schulte-Nölke/Tichý (Hrsg.), Perspectives for European Consumer Law, 2010, S. 157 (177). Schärtl, JuS 2014, 577 (581), zu dem Problem, dass der Verbraucher die Ware zurücksenden muss, ohne sicher Geld zurückzuerhalten: „Dies könnte gerade bei grenzüberschreitenden Fernabsatzgeschäften mittelbar dazu führen, dass der Verbraucher auf die Ausübung seines Verbraucherwiderrufsrechts verzichtet, was den Kernanliegen der VRRL diametral widerspricht.“ 312 Siehe Terryn, Bedenktijden in het consumentenrecht, 2008, S. 624, mit Verweis auf Annex L (consumer survey) zu Office of Fair Trading, Doorstep selling: A report on the market study, 2004, abrufbar unter (Stand: 05.03.2016), S. 50 f. 313 BeckOK-BGB/Müller-Christmann, 37. Ed. Stand: 01.11.2015, § 357 Rdnr. 6; Zimmermann, in: Eidenmüller et al. (Hrsg.), Revision des Verbraucher-acquis, 2011, S. 167 (177). Popova, ZJS 2013, 552 (554), schlägt vor, in Fällen insolvenzgefährdeter Unternehmer eine Ausnahme von der Vorleistungspflicht anzustreben. In Österreich wird hierbei die Unsicherheitseinrede nach § 1052 Satz 2 ABGB angeregt, siehe Docekal et al., in: DeixlerHübner/Kolba, Handbuch Verbraucherrecht, 2015, S. 101 (120) m.w.N. Artz/Brinkmann/Ludwigkeit, jM 2014, 222 (228), und BeckOK-BGB/Müller-Christmann, 37. Ed. Stand: 01.11.2015, § 357 Rdnr. 6, streben eine Korrektur der Vorleistungspflicht über § 242 BGB an. Worin genau ein Verstoß gegen Treu und Glauben gesehen werden soll, wird dabei allerdings nicht ausgeführt. 311

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müsste vielmehr in einem zweiten Schritt den Wertersatzanspruch geltend machen. Geht der Verbraucher davon aus, dass der Wertersatzanspruch unbegründet ist, kann er eine Zahlung unterlassen und sich auf einen Rechtsstreit einlassen. Diese Möglichkeiten hat der Verbraucher in der Regel de lege lata nicht. Folglich muss der Verbraucher im Regelfall entscheiden, ob er seine Ansprüche kostenintensiv außergerichtlich oder sogar gerichtlich weiter verfolgt, wenn der Unternehmer (mindestens) einen Teil der geleisteten Zahlungen nicht zurückerstattet.314 Zwar muss der Unternehmer weiterhin beweisen, dass der Verbraucher ihm Wertersatz schuldet. Der Verbraucher könnte allerdings den Rechtsweg scheuen.315 Dies dürfte insbesondere für kleinere Beträge gelten, weil der immaterielle Aufwand verhältnismäßig größer ist. Zudem muss der Verbraucher Klage einreichen und deshalb gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GKG zunächst die Verfahrensgebühr leisten.316 Der Verbraucher wird, wenn er sich diesbezüglich rational verhält, eine Kosten-Nutzen-Analyse vornehmen und auf einen Rückzahlungsanspruch in geringer Höhe eher verzichten, als diesen zeit- und kostenaufwendig zu verfolgen.317 Ob Möglichkeiten alternativer Streitbeilegung, wie sie nun in Europa eingerichtet werden,318 die Stellung des Verbrauchers hinsichtlich der dargestellten Risiken tatsächlich verbessern, ist zweifelhaft.319 Zwar sollen Verbraucherschlichtungen für den Verbraucher grundsätzlich kostenfrei sein,320 und durch 314

Vgl. Leupold, wbl 28 (2014), 481 (487). Vgl. Rott, ERPL 2010, 185 (190); Steennot, [2013] 29 C.L.S.R. 105, 118; Kolba/Leupold, Das neue Verbraucherrecht, 2014, S. 119; Leupold, in: Welser (Hrsg.), Die Umsetzung der Verbraucherrechte-Richtlinie in den Staaten Zentral- und Osteuropas, 2015, S. 83 (102). 316 Siehe zum „Zurückbehaltungsrecht als verfahrensstrategisches Instrument“ insbesondere Ahrens, Zivilrechtliche Zurückbehaltungsrechte, 2003, S. 28 ff. 317 Nur mit dem Hinweis, der Verbraucher habe die Möglichkeit, die Sache auf sich beruhen zu lassen Hill, Cross-border consumer contracts, 2008, S. 56. 318 Hierbei sind die grundlegenden Rechtsakte auf europäischer Ebene einerseits die ADR-RL (Richtlinie 2013/11/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21.05.2013 über die alternative Beilegung verbraucherrechtlicher Streitigkeiten und zur Änderung der Verordnung [EG] Nr. 2006/2004 und der Richtlinie 2009/22/EG, Abl. L 165 vom 18.06.2013, S. 63–79) und andererseits die ODR-VO (Verordnung [EU] Nr. 524/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21.05.2013 über die Online-Beilegung verbraucherrechtlicher Streitigkeiten und zur Änderung der Verordnung [EG] Nr. 2006/2004 und der Richtlinie 2009/22/EG, Abl. L 165 vom 18.06.2013, S. 1–12). 319 Vgl. schon dazu, ob die Rückabwicklung von den entsprechenden Vorschriften mitgeregelt wird, Meller-Hannich, in: Althammer (Hrsg.), Verbraucherstreitbeilegung, 2015, S. 19 (27). 320 Siehe nur Erwägungsgrund 41 zur ADR-RL; vgl. auch M. Engel, NJW 2015, 1633 (1635). Siehe nunmehr auch § 23 Abs. 1 VSBG; das Gesetz über die alternative Streitbeilegung in Verbrauchersachen (Verbraucherstreitbeilegungsgesetz – VSBG) wurde am 25.02.2016 im Bundesgesetzblatt verkündet (BGBl. I Nr. 9/2016, 254 ff.) und tritt weitgehend am 01.04.2016 in Kraft (vgl. Art. 24 des Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie über 315

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Teil 3: Das Rückgewährschuldverhältnis nach Widerruf

eine Online-Plattform kann der Zugang zur Schlichtung verbessert werden,321 wodurch die Hemmschwelle für den Eintritt in eine Schlichtung minimiert wird.322 Aber Unternehmer sind nicht generell verpflichtet, an einem Schlichtungsverfahren teilzunehmen,323 und sie müssen dem Schlichtungsvorschlag der Schlichtungsstelle auch nicht zustimmen.324 Insoweit wären Verbraucher wiederum mit den oben genannten Risiken belastet. cc) Auszahlungen von Unternehmern bei Rückgewähr nach Widerruf: empirische Untersuchungen Die Sorge davor, ein Unternehmer werde seiner Verpflichtung zur Rückgewähr geleisteter Zahlungen nicht nachkommen, ist zudem in der Praxis keineswegs unbegründet. Mehrere empirische Studien indizieren, dass im Onlinehandel nach einem Widerruf der zu erstattende Betrag häufig nicht vollständig ausgezahlt wird. Im Jahr 2011 wurden in verschiedenen Online-Shops in Europa im Rahmen einer Studie 340 Kaufverträge abgeschlossen. In 94 % der Fälle hat der Verbraucher die Ware erhalten. Nach Widerruf und Rücksendung der Ware wurde in 10 % der Fälle der Kaufpreis nicht rückerstattet.325 In den Fällen, in denen der Kaufpreis rückerstattet wurde, wurde trotzdem – entgegen damals geltendem Recht – in 57 % der Fälle auf eine Rückzahlung der gezahlten Hinsendekosten verzichtet.326 Im Jahr 2003 erfolgte bei einer (deutlich kleiner angelegten)327 Studie sogar nur bei 68 % der zurückgesendeten Waren eine Rückerstattung des Preises.328 Die empirischen Daten indizieren somit, dass der Verbraucher sich (zu Recht) Sorgen machen muss, ob er geleistete Zahlungen vom Unternehmer nach einem Widerruf zurückerhält.

alternative Streitbeilegung in Verbraucherangelegenheiten und zur Durchführung der Verordnung über Online-Streitbeilegung in Verbraucherangelegenheiten, BGBl. I Nr. 9/2016, 274). 321 Siehe Art. 1 der ODR-VO; vgl. auch Rühl, ZRP 2014, 8 (10). 322 Vgl. M. Engel, NJW 2015, 1633 (ebd.). 323 Art. 2 ADR-RL; siehe Rühl, ZZP 127 (2014), 61 (97); vgl. auch dies., RIW 2013, 737 (740). Vgl. nun auch § 15 Abs. 2 VSBG (siehe Fn. 320 in Teil 3, S. 167 f.) 324 Vgl. § 19 Abs. 3 Satz 2 VSBG (siehe Fn. 320 in Teil 3, S. 167 f.). 325 The European Consumer Centres’ Network: Online cross-border mystery shopping – state of the e-UNION aus dem September 2011, abrufbar unter (Stand: 05.03.2016), S. 37. 326 The European Consumer Centres’ Network: Online cross-border mystery shopping – state of the e-UNION aus dem September 2011, abrufbar unter (Stand: 05.03.2016), S. 38. 327 In dieser Studie gab es nur 75 Kaufvorgänge und es wurden auch nur 57 Produkte an den Unternehmer zurückgeschickt. 328 Realities of the European online marketplace – cross-border e-commerce project by ECC-Net, May 2003, abrufbar unter (Stand: 05.03.2016), S. 13.

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dd) Aufzwingen erhöhter Rücksendekosten bzw. Einschränkung der Versandarten Auf den ersten Blick scheinen die Interessen des Verbrauchers durch die Möglichkeit aus § 357 Abs. 4 Satz 1 BGB a.E. (Umsetzung von Art. 13 Abs. 3 Verbraucherrechte-RL), mit dem Versandnachweis das Zurückbehaltungsrecht „auszuhebeln“, hinreichend gewahrt.329 Allerdings ist fraglich, ob der Verbraucher – gerade unter Gesichtspunkten der Effektivität des Widerrufsrechts – tatsächlich ausreichend begünstigt wird und die Interessen der Beteiligten gut gegeneinander abgewogen wurden. Der Verbraucher könnte genötigt sein, eine bestimmte Versandart zu wählen, um einen ausreichenden Versandnachweis zu erhalten. Darüber hinaus könnte diese Versandart für den Verbraucher teurer oder umständlicher sein und ihn somit von seinem Widerruf abhalten, weil der Verbraucher nicht warten möchte, bis die Ware beim Unternehmer eingetroffen ist und er erst dann das Geld ausgezahlt bekommt. Eine Erhöhung der Rücksendekosten ist bei Päckchen oder Paketen nicht zu befürchten. Bei diesen beiden Versandvarianten erhält der Verbraucher bei Versandunternehmen eine Einlieferungsquittung. Diese soll ausreichen, um den Nachweis über die Absendung zu erbringen.330 Allerdings erhält der Verbraucher bei Briefen typischerweise keinen Einlieferungsbeleg. Es handelt sich insofern auch nicht um ein Scheinproblem, da durchaus teure Ware in einem Briefumschlag versendet werden kann. Hierbei hat der Verbraucher allerdings die Möglichkeit, die Ware als Brief mit Einschreiben zu versenden. Dann erhält er zumindest eine Sendungsnummer, mit der im Internet verfolgt werden kann, wo genau sich die abgesendete Ware auf dem Weg zum Empfänger befindet. An dieser Stelle wird dafür votiert, die Übermittlung einer validen Sendungsnummer an den Unternehmer/Verkäufer als Nachweis i.S.d. § 357 Abs. 4 Satz 1 BGB a.E. einzustufen.331 Es stellt sich folglich die Frage, ob der Verbraucher sich bei Ware, die in Form eines Briefes zurückgesendet werden kann, veranlasst fühlen könnte, einen teureren Versandweg zu wählen. Allerdings darf dabei nicht unbeachtet bleiben, dass der Verbraucher zwar nicht die Gefahr der Rücksendung der Ware trägt (§ 355 Abs. 3 Satz 4 BGB), jedoch für die Absendung der Ware beweispflichtig ist. Das Problem, einen Nachweis zu 329

In dieser Richtung Koch, JZ 2014, 758 (762). BT-Drucks. 17/12637, S. 63 l. Sp. (vgl. Fn. 139 in Teil 1, S. 40); siehe auch BeckOKBGB/Müller-Christmann, 36. Ed. Stand: 01.11.2014, § 357 Rdnr. 6; Hörmann, Der Internethandel und die neue Richtlinie über die Rechte der Verbraucher, 2014, S. 227. 331 Somit dürfte die Übermittlung eines zusätzlichen „Screenshots“ nach Eingabe der Sendungsnummer auf der Webseite des Postunternehmers überflüssig sein. Dem Unternehmer kann zugemutet werden, die Sendungsnummer selbst im Internet zu überprüfen. Zudem entstehen weniger Fälschungsprobleme bezüglich des Nachweises. Vgl. zum Nachweis durch Übermittlung einer Sendungsnummer auch Zaprianos, Die Rückabwicklung der Verbraucherverträge nach Ausübung des Widerrufsrechts, 2016, S. 209. 330

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Teil 3: Das Rückgewährschuldverhältnis nach Widerruf

erlangen, entsteht folglich nicht erst durch das Zurückbehaltungsrecht oder die Möglichkeiten dieses abzuwenden, sondern liegt schon in der Beweislast des Verbrauchers für die Rücksendung begründet. Diese Beweislast lässt sich praktisch schwer verändern, weil der Unternehmer kaum den Beweis über eine negative Tatsache (fehlende Absendung) erbringen kann. Zur Verbesserung der Effektivität lässt sich nur andenken, ob nicht Verbraucherschutzorganisationen ein Muster eines Einlieferungszettels für Briefe entwickeln, den Versand- oder Postunternehmen abstempeln können. So könnten Verbraucher – zumindest wenn sie die Ware bei dem Unternehmen und nicht in einem Briefkasten „abgeben“ – nachweisen, die Ware zurückgesendet zu haben.332 Ähnliche Probleme könnten auch für Päckchen und Pakete entstehen, wenn sie nicht direkt bei einem Postunternehmen abgegeben werden. Allerdings erhält man auch einen Einlieferungsbeleg, wenn man ein Paket über eine Packstation absendet. Nutzt man einen Paketkasten, den man an einer bestimmten Stelle (typischerweise vor der Haustür) aufbaut und von dem das Postunternehmen das Paket abholt, erhält man wiederum eine Sendungsnummer, mit der der Status des Pakets nachverfolgt werden kann. Dies genügt nach hier vertretener Sichtweise den Anforderungen an § 357 Abs. 4 Satz 1 BGB a.E. Die Möglichkeit, einen Nachweis über die Absendung zu erbringen, um das Zurückbehaltungsrecht des Unternehmers zu verhindern bzw. zu beenden (§ 357 Abs. 4 Satz 1 BGB a.E.), verbessert die Situation des Verbrauchers nur und löst keine neuen Probleme aus. b) Die besondere Belastung finanzschwacher Verbraucher Der Richtliniengeber statuiert eine Regelung, die in besonderem Maße die finanzschwachen Verbraucher benachteiligt, obwohl diese besonders schutzwürdig sind. Insbesondere einen Verbraucher, der geringe finanzielle Mittel zur Verfügung hat, wird die Sorge vor einem potentiellen (dauerhaften) Verlust von Kaufpreis und Ware davon abhalten, die Ware freiwillig abzugeben, ohne einen Gegenwert zu erhalten. Der Verbraucher muss nach geltendem Recht darüber hinaus zunächst die Rücksendekosten zahlen,333 um den Kaufpreises zurückerhalten zu können. Dieser Rückerhalt ist allerdings nicht gesichert. 332

Vgl. auch die Aussage im Leitfaden der Europäischen Kommission für die Auslegung der Richtlinie, abrufbar unter (Stand: 05.03.2016), S. 55: „Der Begriff des ‚erbrachten Nachweises, dass die Waren zurückgeschickt wurden‘ ist für die Anwendung von Artikel 13 Absatz 3 zweifellos recht wichtig. Grundsätzlich sollte es sich bei diesem ‚Nachweis‘ um einen schriftlichen Beleg eines etablierten Spediteurs oder Anbieters von Postdiensten handeln, in dem Absender und Empfänger genannt sind“ (im Original mit Hervorhebungen). Diesen Anforderungen müsste es auch genügen, wenn die offizielle Stelle einen Vordruck ausfüllt und unterschreibt. 333 Siehe dazu ausführlich oben Teil 3, II 1 a bb, S. 101 f.

III. Reihenfolge der Leistungsverpflichtungen

171

Vielmehr muss der Verbraucher darauf vertrauen, der Unternehmer werde seine Rückzahlungspflicht erfüllen. Auch ist für finanzschwache Verbraucher der Rechtsweg an sich schon weniger attraktiv. c) Keine Überwindung der Prokrastination Vor dem Hintergrund in dieser Untersuchung dargestellter, auf die Verhaltensökonomik bezogener Aspekte, muss darauf hingewiesen werden, dass Luzak von einer Überwindung der Verbraucherprokrastination gerade durch das Zurückbehaltungsrecht des Unternehmers ausgeht: „Considering consumers’ tendency to procrastinate with completion of the task, the trader’s right to withhold consumer’s money until he receives the goods back seems justified, as well [m.N.]. This could encourage consumers to finalize the withdrawal by promptly sending the goods back.“334

Die zugrunde liegenden Wertungen können bezüglich der Effektivität des Widerrufsrechts nicht überzeugen. Wie bereits dargestellt wurde, wird die Hemmschwelle zum Widerruf gerade erhöht. Die Zurückbehaltung geleisteter Zahlungen bis zur Rückgewähr der Ware in Verbindung mit der Rücksendekostentragung der Verbraucher ruft Prokrastination bezüglich der Widerrufsentscheidung demnach viel eher hervor, als Prokrastination hinsichtlich der Rücksendung der Ware verhindert wird. Auch diesbezüglich erscheint der Interessenausgleich folglich misslungen. d) Erweiterung des Anwendungsbereiches von § 357 Abs. 4 Satz 2 BGB zur Gewährleistung eines effektiven Widerrufsrechts Die Belastung der Verbraucher kann jedoch möglicherweise verringert werden, indem der Anwendungsbereich von § 357 Abs. 4 Satz 2 BGB vergrößert wird: Der Unternehmer hat kein Zurückbehaltungsrecht, wenn er angeboten hat, die Ware abzuholen, § 357 Abs. 4 Satz 2 BGB (Umsetzung von Art. 13 Abs. 3 Verbraucherrechte-RL a.E.).335 Es handelt sich dabei um den einzigen Ausschluss des Zurückbehaltungsrechts. Demnach müsste ein Zurückbehaltungsrecht des Unternehmers sogar dann bestehen, wenn er gemäß § 357 Abs. 6 Satz 3 BGB (Umsetzung von Art. 14 Abs. 1 Unterabs. 3 Verbraucherrechte-RL) verpflichtet ist, die Ware bei dem Verbraucher abzuholen. Es ist jedoch nicht ersichtlich, wieso die genannten Fälle bezüglich des Zurückbehaltungsrechts unterschiedlich behandelt werden sollten. Für den Verbraucher entstehen keine Unterschiede, wenn der Unternehmer zur Abholung 334

Luzak, 37 J. Consum. Policy 91, 104 (2014). Als Grundzustand müsste dann wiederum eine Zug-um-Zug-Verpflichtung eintreten. Der Unternehmer ist verpflichtet, die Ware abzuholen, und muss (spätestens) bei Abholung die geleisteten Zahlungen an den Verbraucher zurückgeben, weil dieser sonst berechtigt ist, die Herausgabe der Ware zu verweigern. 335

172

Teil 3: Das Rückgewährschuldverhältnis nach Widerruf

aufgrund einer vertraglichen Abrede oder wenn er aufgrund der gesetzlichen Rückabwicklungsregelungen verpflichtet ist, sodass ein vergleichbarer Tatbestand vorliegt. Fraglich ist, ob eine Regelungslücke als Voraussetzung einer Analogie vorliegt. Möglicherweise ist § 357 Abs. 4 Satz 2 BGB jedoch nur eine klarstellende Vorschrift und der Verbraucher ist schon über die anderen Vorschriften – auch in Fällen des § 357 Abs. 6 Satz 3 BGB – hinreichend geschützt. Dies ließe sich eventuell damit begründen, dass die Rechtsfolgen in den hier relevanten Fällen gleich sind, unabhängig davon, ob das Zurückbehaltungsrecht entfällt oder nicht. Die Pflicht zur Abholung ist unabhängig vom Zurückbehaltungsrecht. Entfällt das Zurückbehaltungsrecht, muss der Unternehmer die vom Verbraucher geleisteten Zahlungen (spätestens) bei Abholung der Ware zurückgewähren. Bleibt das Zurückbehaltungsrecht bestehen, muss der Unternehmer ebenfalls das Geld übergeben, wenn er die Ware „zurückerhalten hat“ (§ 357 Abs. 4 Satz 1 BGB), was wiederum bei Abholung der Ware geschieht. Jedoch enthält § 357 Abs. 6 Satz 3 BGB keine Regelung darüber, wann der Unternehmer die Ware abholen muss. Während der Verbraucher bei § 357 Abs. 4 Satz 2 BGB einen Anspruch auf Rückzahlung der geleisteten Zahlungen innerhalb von vierzehn Tagen hat (§ 357 Abs. 1 BGB), ist für Fälle des § 357 Abs. 6 Satz 3 BGB nicht eindeutig geklärt, in welchem Zeitraum die Abholung durch den Unternehmer erfolgen muss, wann also die Rückzahlungspflicht des Verbrauchers entsteht.336 Insoweit ist auch von einer Regelungslücke auszugehen. Weder die Verbraucherrechte-RL noch deren Vorgänger oder das deutsche Umsetzungsgesetz geben Auskunft darüber, warum nur der Verbraucher geschützt werden soll, der gegen den Unternehmer einen Anspruch aus einer vertraglichen Abrede haben soll, sodass eine planwidrige Regelungslücke vorliegt. Es müsste demzufolge möglich sein, eine analoge Anwendung des § 357 Abs. 4 Satz 2 BGB in Fällen des § 357 Abs. 6 Satz 3 BGB zu bejahen. 3. Opportunismusverhinderung als fragwürdiger Ausgangspunkt Erwägungsgrund 32 des Richtlinienvorschlags KOM(2008) 614 endg. zeigt die Ziele der Einführung eines Zurückbehaltungsrechts des Unternehmers. So soll der Unternehmer davor geschützt werden, den Preis zurückzahlen zu müssen, wenn die Ware nicht zurückgesendet wurde und eventuell auch später nicht zurückgesendet wird. Fraglich ist dabei schon, woher die Sorge vor einem solchen Verbraucherverhalten kommt. Die finanzielle Belastung des Unternehmers durch einen nicht zurücksendenden Kunden dürfte zudem geringer sein, als der Ausfall für 336 Man könnte darüber nachdenken, die Fristen des § 357 Abs. 1 BGB entsprechend anzuwenden; daran knüpft allerdings die Frage an, ob es dem Unternehmer zuzumuten ist, die Abholung innerhalb von vierzehn Tagen durchzuführen, was gerade im grenzüberschreitenden Handel schwierig sein könnte.

III. Reihenfolge der Leistungsverpflichtungen

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einen Verbraucher ist, der sein Geld vom Unternehmer nicht erhält; der Unternehmer hat typischerweise mehr Einnahmen, die er mit den Verlusten verrechnen kann.337 Auch hat der Unternehmer die Möglichkeit, die Risiken in seine Preisgestaltung aufzunehmen,338 wodurch allerdings die Verbrauchergemeinschaft aufgrund erhöhter Preise Nachteile erleidet. Zudem ist nicht uneingeschränkt nachvollziehbar, inwieweit ein Schutz des Unternehmers über die bisherige Zug-um-Zug-Erfüllung hinaus erforderlich ist. Auch bei einer Zug-um-Zug-Erfüllung trägt der Unternehmer das Risiko, ein Verbraucher werde die Ware nicht zurückschicken, (zumindest theoretisch) nicht.339 Vermutet der Unternehmer, der Verbraucher werde die Ware nicht absenden, kann er sie immer noch beim Verbraucher abholen lassen. In der Praxis ist ein solches Vorgehen etwa bei besonders wertvollen Gegenständen denkbar. Es soll zudem de lege lata schon genügen, dass der Verbraucher dem Unternehmer anzeigt, die Ware zurückgeschickt zu haben, damit das Zurückbehaltungsrecht entfällt, § 357 Abs. 4 Satz 1 BGB a.E. Dabei wird der Unternehmer höchstens nachvollziehen können, dass ein Paket abgesendet wurde; welchen Inhalt dieses hat, ist nicht klar.340 Es ist folglich denkbar, dass ein Verbraucher einen leeren Karton absendet, um das Zurückbehaltungsrecht auszuhöhlen.341 Ein solches Verhalten wäre allerdings strafbar (vollendeter oder versuchter Betrug; § 263 Abs. 1 StGB bzw. § 263 Abs. 1, 2 i.V.m. § 23 Abs. 1 StGB), sodass von einer gewissen Abschreckungswirkung auszugehen ist. Diese Abschreckungswirkung entsteht aber gerade nicht durch die zivilrechtlichen Vorschriften. 4. Ergebnis Das Zurückbehaltungsrecht kann gerade in der gewählten Ausgestaltung wenig überzeugen. Zwar werden Interessen miteinander abgewogen, ein Interessenausgleich findet hingegen nicht statt.

337

Diese Erwägung schließt Prozesskosten und Risiken bezüglich Insolvenz mit ein. Vgl. zur Zurücksendung falscher Ware Hinneburg, Prävention von Kriminalität im E-Commerce, 2006, S. 37. 339 Zimmermann, in: Eidenmüller et al. (Hrsg.), Revision des Verbraucher-acquis, 2011, S. 167 (177 f.). 340 Vgl. schon Unger, ZEuP 2012, 270 (291). 341 Buchmann, K&R 2014, 293 (ebd.), und Hörmann, Der Internethandel und die neue Richtlinie über die Rechte der Verbraucher, 2014, S. 227, gehen davon aus, die zugrunde liegende Zwecksetzung der Regelung sei, dem Unternehmer zumindest die Ware zurück zu verschaffen. Jedoch wird dies gerade nicht gewährleistet. Auch Koch, JZ 2014, 758 (762), meint, durch die Neuregelung sei der Unternehmer davor geschützt, dass der Verbraucher wahrheitswidrig angibt, die Ware zurückgesendet zu haben. Dies kann er allerdings weiterhin – zumindest unter Aufwendung von Versandkosten. 338

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Teil 3: Das Rückgewährschuldverhältnis nach Widerruf

5. Zurückbehaltungsrecht de lege ferenda Sollte die aktuelle Kostentragung beibehalten werden, muss das Zurückbehaltungsrecht reformiert werden. In Betracht kommen dabei die Verpflichtung zu einer Zug-um-Zug-Erfüllung oder ein Zurückbehaltungsrecht des Verbrauchers bis zur Rückgewähr der von ihm zuvor geleisteten Zahlungen. Beide Varianten kranken daran, dass der Unternehmer erst nach der Rückzahlung des kompletten Geldbetrages die Ware auf etwaige Schäden untersuchen kann. Eine Aufrechnung mit Wertersatzansprüchen würde deshalb nicht möglich sein; Transaktionskosten würden bei der Rückabwicklung erhöht, was grundsätzlich zu vermeiden ist. Bei einer Leistung Zug um Zug bestünde wiederum das Problem, dass einer der Beteiligten „den ersten Schritt“ machen muss, ohne dazu verpflichtet zu sein.342 Gerade wenn beide Beteiligte davon ausgehen (müssen), das jeweilige Gegenüber werde seine Leistungspflicht aus dem Rückgewährschuldverhältnis nicht erbringen, wäre es nachvollziehbar, wenn beide ihre Leistung möglichst lange hinauszögern. Es könnte sich folglich anbieten, dem Verbraucher ein Zurückbehaltungsrecht einzuräumen, bis der Unternehmer seiner Rückzahlungspflicht343 nachgekommen ist oder einen Nachweis darüber erbracht hat. Die Effektivität des Widerrufsrechts würde dadurch – insbesondere für finanzschwache Verbraucher – gefördert. Gleichzeitig werden keine zusätzlichen Anreize für opportunistische Verhaltensweisen gesetzt.344 Allenfalls rechtswidrige Verhaltensweisen (Unterlassen der Rücksendung) des Verbrauchers würden ermöglicht. Es ist jedoch einerseits unklar, inwieweit solche Verhaltensweisen in der Realität ein Problem wären. Ein Unternehmer sollte zudem in der Lage sein, seine Forderungen – zur Not auch gerichtlich – durchzusetzen. Der Unternehmer trägt dann zwar auch das Insolvenzrisiko des Verbrauchers.345 Die finanzielle Belastung ist für Unternehmer insoweit geringer als für Verbraucher, weil ihnen 342

Vgl. schon Fn. 297 in Teil 3, S. 163. Nach hier vertretener Ansicht könnte dem Verbraucher dann direkt ein Kostenvorschuss für die Rücksendung zugeleitet werden, vgl. oben Teil 3, II 5 c, S. 160 f. 344 Alle dargestellten opportunistischen Verhaltensweisen können nur durch eine Verringerung der Pflichten des Verbrauchers begünstigt werden. Das Zurückbehaltungsrecht ändert zunächst nur die Abfolge der zu erbringenden Pflichten. Zwar ließe sich überlegen, ob der Verbraucher aufgrund eines eigenen Zurückbehaltungsrechts eher geneigt sein könnte, die Ware übermäßig zu nutzen, weil er zunächst vollständig den Kaufpreis zurückerhält. Allerdings muss der Verbraucher damit rechnen, auch später noch den Wertersatz leisten zu müssen, sodass auch insoweit kein Anreiz für opportunistisches Verbraucherverhalten gesetzt wird. 345 Der Forderung des Unternehmers auf Herausgabe der Ware kommt im Insolvenzverfahren keine Sonderstellung zu. Da der Widerruf nicht die dingliche Ebene des Geschäfts betrifft, ist der Unternehmer nicht mehr Eigentümer der Ware. Er hat nur einen schuldrechtlichen Anspruch auf Rückgabe der Ware, der ihn nicht zur Aussonderung nach § 47 InsO 343

IV. Wertersatz für einen Wertverlust der Ware

175

typischerweise mehr Geld zur Verfügung steht bzw. eine Umlagerung der Kosten besser möglich erscheint. Die generelle Erhöhung der Transaktionskosten tritt nur in solchen Fällen ein, bei denen der Verbraucher sich nicht mehr innerhalb seines Prüfungsrechts bewegt hat und dadurch Probleme entstanden sind. Es ist zu hoffen und zu vermuten, dass dies eher Ausnahmefälle sind, sodass die Transaktionskosten bezogen auf die ganze Vertriebsform nicht deutlich ansteigen dürften. Insoweit erscheint ein Zurückbehaltungsrecht des Verbrauchers zweckmäßig. Sollte man an dem Zurückbehaltungsrecht des Unternehmers festhalten wollen, muss zumindest eine ausdrückliche Erweiterung einer Art. 13 Abs. 3 Verbraucherrechte-RL a.E. bzw. § 357 Abs. 4 Satz 2 BGB entsprechenden Vorschrift für die Fälle vorgenommen werden, in denen der Unternehmer zur Abholung verpflichtet ist.

IV. Wertersatz für einen Wertverlust der Ware IV. Wertersatz für einen Wertverlust der Ware

Nunmehr wird dargestellt, unter welchen Voraussetzungen dem Unternehmer aufgrund des Wertverlusts der Ware ein Anspruch gegen den Verbraucher zusteht und wie dieser Anspruch im Spannungsverhältnis von Effektivität und Opportunismus austariert ist. Das Spannungsverhältnis bei Ansprüchen auf Wertersatz hat Grundmann prägnant zusammengefasst: „Einerseits soll der Verbraucher nicht von der Ausübung seines Rechts abgeschreckt werden, soll es seine Funktion tatsächlich erfüllen, andererseits soll er auch keinen Freibrief für einen unvorsichtigen Umgang zu Lasten des Anbieters erhalten.“346

Im Folgenden werden diese Aspekte näher untersucht. Nach einer Darstellung der Grundzüge der Rechtslage (1) wird die Effektivität hinsichtlich spezieller Regelungsaspekte der Wertersatzpflicht behandelt (2). Danach wird dargelegt, wie mit Wertersatzansprüchen auf Opportunismus reagiert werden kann (3). Daran schließt eine Untersuchung des Zufallsrisikos im Zusammenhang mit der Effektivität des Widerrufsrechts und opportunistischen Verhaltensweisen an (4). Zuletzt erfolgt eine Zusammenfassung (5). berechtigt (vgl. Brinkmann, in: Uhlenbruck [Hrsg.], Insolvenzordnung, 14. Aufl. 2015, § 47 Rdnr. 63). Anders wäre dies nur, wenn der Unternehmer zum Zeitpunkt der Geltendmachung des Herausgabeanspruchs noch Eigentümer wäre. Deshalb könnte der Unternehmer einen Eigentumsvorbehalt ausbedingen (siehe nur Oetker/Maultzsch, Vertragliche Schuldverhältnisse, 4. Aufl. 2013, S. 198 ff.). Die Widerrufsfrist beginnt schon zu laufen, wenn der Verbraucher die Ware erhalten hat, § 356 Abs. 2 Nr. 1 lit. a BGB, nicht erst, wenn er Eigentümer geworden ist. Der Eigentumsvorbehalt müsste dann aber auch an den Ablauf der Widerrufsfrist geknüpft sein; wird der Verbraucher sonst schon Eigentümer, wenn er den Kaufpreis bezahlt, hat der Unternehmer zumeist keinen Vorteil mehr im Falle der Insolvenz des Verbrauchers. 346 Grundmann, JZ 2013, 53 (59).

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Teil 3: Das Rückgewährschuldverhältnis nach Widerruf

1. Grundzüge der Rechtslage Der Unternehmer hat gegen den Verbraucher nur dann einen Anspruch auf Wertersatz für einen Wertverlust der Ware, wenn der Wertverlust durch einen Umgang mit der Ware eingetreten ist, der zur Prüfung der Beschaffenheit, der Eigenschaften und der Funktionsweise347 der Waren nicht notwendig war (§ 357 Abs. 7 Nr. 1 BGB) und der Verbraucher vom Unternehmer nach Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EGBGB über sein Widerrufsrecht unterrichtet wurde (§ 357 Abs. 7 Nr. 2 BGB).348 Bezüglich der Wertersatzpflicht traten durch die Umsetzung der Verbraucherrechte-RL kaum Änderungen ein: Schon in dem 2011 neu gefassten § 357 Abs. 3 BGB (i.F.v. 2011)349 war die Wertersatzpflicht an eine Überschreitung des Prüfungsrechts und besondere Informationspflichten des Unternehmers (Information über etwaige Wertersatzpflichten, § 357 Abs. 3 Nr. 2 BGB [i.F.v. 2011]) geknüpft. Diese Neuregelung war aufgrund der Messner-Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs notwendig,350 weshalb sie der deutsche Gesetzgeber bei der Gesetzgebung berücksichtigte.351 Der Grund für nunmehr kaum feststellbare Unterschiede zwischen den deutschen Gesetzesfassungen ist die damalige Orientierung des deutschen Gesetzgebers an dem Entwurf zur Verbraucherrechte-RL,352 dessen grundlegende Wertungen bezüglich des Wertersatzes im europäischen Gesetzgebungsprozess nicht mehr verändert wurden.

347

Zum Verständnis des Begriffs Funktionsweise Teil 3, IV 2 b aa, S. 179 ff. Die Regelungen gehen auf Art. 14 Abs. 2 Verbraucherrechte-RL zurück, der in vielen Teilen wortgleich ist. 349 Siehe Gesetz zur Anpassung der Vorschriften über den Wertersatz bei Widerruf von Fernabsatzverträgen und über verbundene Verträge vom 27.07.2011 (BGBl. I S. 1600). 350 Vgl. schon oben Teil 1, II 2 b aa (2), S. 25 ff. 351 BT-Drucks. 17/5097, S. 1 (Gesetzentwuf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes zur Anpassung der Vorschriften über den Wertersatz bei Widerruf von Fernabsatzverträgen und über verbundene Verträge). 352 Siehe BT-Drucks. 17/5097, S. 12 r. Sp. (vgl. vorige Fn. 351); vgl. auch Looschelders, in: Remien/Herrler/Limmer (Hrsg.), Gemeinsames Europäisches Kaufrecht für die EU?, 2012, S. 107 (138 f.); Tonner, in: Reich et al. (Hrsg.), European Consumer Law, 2. Aufl. 2014, 393 (408). 348

IV. Wertersatz für einen Wertverlust der Ware

177

Allerdings ist nicht eindeutig, ob der Richtliniengeber hinsichtlich der Informationspflicht von den Wertungen dieses Judikats des Europäischen Gerichtshofs353 abweichen wollte,354 und der Unternehmer den Verbraucher nicht mehr über die etwaige Wertersatzpflichten informieren muss.355 Der Anspruch auf Wertersatz steht dem Unternehmer nur dann zu, wenn er den Verbraucher nach Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EGBGB über sein Widerrufsrecht unterrichtet hat, § 357 Abs. 7 Nr. 2 BGB (Umsetzung von Art. 14 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Art. 6 Abs. 1 lit. h Verbraucherrechte-RL). Der Wortlaut von § 357 Abs. 7 Nr. 2 BGB deutet darauf hin, der Unternehmer habe den Verbraucher nur über die Existenz des Widerrufsrechts zu informieren. Auch in Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EGBGB findet sich keine konkrete Ausführung zur Wertersatzpflicht, weshalb vertreten wird, der Unternehmer müsse den Verbraucher nicht über etwaige Wertersatzpflichten informieren, damit ein Wertersatzanspruch entstehen kann.356 Teilweise wird aber auch Gegenteiliges ausgeführt: Der Unternehmer sei durchaus zu einer Information über etwaige Wertersatzpflichten des Verbrauchers verpflichtet.357 Zwar sollte der Verbraucher, 353

Der Europäische Gerichtshof hatte für Fernabsatzgeschäfte entschieden (EuGH, Rs. C-489/07 [Messner], Slg. 2009, I-7315, Rdnr. 26), dass der Verbraucher für die (Ab-)Nutzung nur Ausgleichsleistungen zahlen muss, wenn er die „gekaufte Ware auf eine mit den Grundsätzen des bürgerlichen Rechts wie denen von Treu und Glauben oder der ungerechtfertigten Bereicherung unvereinbare Art und Weise benutzt hat.“ Als der deutsche Gesetzgeber seine Vorschriften dem Judikat anpasste, ging er zu Recht davon aus, ein Verstoß gegen Treu und Glauben könne in der konkreten Nutzung nur liegen, wenn der Verbraucher wüsste, dass er zu der spezifischen Nutzung nicht befugt ist, BT-Drucks. 17/5097, S. 15 r.Sp. (vgl. Fn. 351 in Teil 3, S. 176); vgl. auch schon zur früheren Vorschrift über die Ersatzpflicht bei bestimmungsgemäßer Ingebrauchnahme, BT-Drucks. 14/6040, S. 199 r. Sp. (Begründung des Regierungsentwurfs, Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts). 354 Kritisch zur Ausgestaltung des Erfordernisses der Kenntnis in diesem Urteil Stempel, ZEuP 2010, 925 (933). Tillkorn, Der Nutzungsersatz im Kaufrecht, 2013, S. 260, meint, dem Judikat sei nicht zu entnehmen, Kenntnis vom Widerrufsrecht sei „notwendige Voraussetzung für den Anspruch auf Wertersatz“. 355 Zur Unklarheit der neuen Regelungen auch Möller, BB 2014, 1411 (1415). 356 Weiler, Schuldrecht AT, 3. Aufl. 2015, § 18 Rdnr. 39; Thum, Wertberechnung bei der Rückabwicklung von Kaufverträgen, 2014, S. 29 in Fn. 102; Mätzig, Jura 2015, 233 (240); Schwab, JZ 2015, 644 (650); Fritsche, MünchKomm. BGB, 7. Aufl. 2016, § 357 Rdnr. 31; NK-BGB/Schulze, 8. Aufl. 2014, § 357 Rdnr. 10; BeckOK-BGB/Müller-Christmann, 37. Ed. Stand: 01.11.2015, § 357 Rdnr. 27; Rätze, in: Solmecke (Hrsg.), Handel im Netz, 2014, S. 149 (171). Janal, WM 2012, 2314 (2321) und Hörmann, Der Internethandel und die neue Richtlinie über die Rechte der Verbraucher, 2014, S. 237, zu der dem geltenden Recht zugrunde liegenden Regelung der Verbraucherrechte-RL. Donath, Konsumentenschutzrecht, 2. Aufl. 2015, S. 57, zum österreichischen Recht. 357 Zaprianos, Die Rückabwicklung der Verbraucherverträge nach Ausübung des Widerrufsrechts, 2016, S. 248 f.; Koch, JZ 2014, 758 (763); Vander, MMR 2015, 75 (76); Stabentheiner, VbR 2014, 108 (121); Palandt/Grüneberg, 75. Aufl. 2016, § 357 Rdnr. 10;

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Teil 3: Das Rückgewährschuldverhältnis nach Widerruf

wenn er zumindest über die Existenz des Widerrufsrechts informiert ist, davon ausgehen, die Ware eventuell zurückgeben zu müssen, und deshalb sorgsam mit der Ware umgehen.358 Ein erhöhter Sorgfaltsmaßstab wird allerdings durch eine Information über etwaige Wertersatzpflichten eher hervorgerufen. Zudem erscheint vor dem Hintergrund tiefgreifender Änderungen hinsichtlich der Regelungsmaterie der Informationspflichten im europäischen Gesetzgebungsverfahren359 nicht unwahrscheinlich, dass ein ausdrücklicher Verweis zwar in der Musterwiderrufsbelehrung (Gestaltungshinweis 5 c in Anhang I A zur Verbraucherrechte-RL, umgesetzt als Gestaltungshinweis 5 c in Anlage 1 zu Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 2 EGBGB) aufgenommen, in den zwingenden Vorschriften aber vergessen wurde.360 Dies spricht dafür, eine konkrete Informationspflicht zu befürworten. 2. Effektivität bei speziellen Regelungsaspekten Im Folgenden wird die Effektivität hinsichtlich des Wertersatzanspruches des Unternehmers untersucht. a) Rückwirkungen entstehender und entstandener Wertersatzansprüche auf die Effektivität Zu Recht wird davon ausgegangen, dass Wertersatzansprüche sich in verschiedenen Hinsichten negativ auf die Effektivität des Widerrufsrechts auswirken können.361 So kann den Verbraucher die Sorge davor, Wertersatzansprüche durch sein Verhalten auszulösen, davon abhalten, die gekaufte Ware hinreichend zu untersuchen. Dabei ist insbesondere darauf zu achten, Ersatzpflichten nicht nur an die Zeitdauer zu knüpfen, in der ein Verbraucher die Ware im Besitz hat. Ansonsten könnte er sich veranlasst fühlen, eine schnelle Entschei-

BeckOGK/Mörsdorf, BGB, Stand: 15.01.2016, § 357 Rdnr. 72; wohl auch Micklitz/Rott, in: Dauses (Hrsg.), Hdb. EU-WirtschaftsR, 35. Erg.-Lfg. 2014, H. V., Rdnr. 236. Twigg-Flesner/Schulze, in: Howells et al. (Hrsg.), Handbook of Research on International Consumer Law, 2010, S. 130 (156), sprechen sich dafür aus, dass der Verbraucher dahingehend informiert werden sollte. Janal, VuR 2015, 43 (46 f.), leitet eine solche Pflicht erst aus einer Analogie zu § 357 Abs. 6 Satz 1, Abs. 8 Satz 2 BGB ab. 358 Vgl. dazu M. Weller, in: Schmidt-Kessel (Hrsg.), Ein einheitliches Europäisches Kaufrecht?, 2012, S. 147 (168 f.); Erman/Koch, BGB, 14. Aufl. 2014, § 357 Rdnr. 16; a.A. BeckOGK/Mörsdorf, BGB, Stand: 15.01.2016, § 357 Rdnr. 72. 359 In Grundzügen Schmidt/Brönneke, VuR 2013, 448 (451 f.). 360 Hoeren/Föhlisch, CR 2014, 242 (247), vermuten, ein ausdrücklicher Verweis könne wohl nur durch Zufall entfallen sein, und für sie erscheine „ein derartiges ‚Redaktionsversehen‘ äußerst sorgfaltslos und damit höchst erstaunlich“. 361 Näher dazu schon oben Teil 1, II 2 b aa, S. 24 ff.

IV. Wertersatz für einen Wertverlust der Ware

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dung über den Widerruf herbeizuführen. Eine überhastete Entscheidung widerspräche wiederum einem zeitdruckfreien Widerrufsrecht.362 Auch ist es möglich, dass der Verbraucher durch entstandene Wertersatzpflichten in seiner Entscheidung zum Widerruf negativ beeinflusst wird. Allerdings gebietet die Effektivität wiederum nicht, „dass der Unternehmer die Folgen jeglichen exzessiven Gebrauchs durch den Verbraucher trägt.“363 b) Annäherung der Prüfungsmöglichkeit an den stationären Handel Die Prüfungsmöglichkeit des Verbrauchers bei besonderen Vertriebsformen ist dadurch gerechtfertigt, dass der Verbraucher nicht – wie im stationären Handel – die Ware vor dem Kauf untersuchen kann. Diese Unterschiede bezüglich der Informationslage sollen ausgeglichen werden.364 Die Verbraucherrechte-RL gibt vor, dass bei der Prüfung eine Orientierung am stationären Handel erfolgen soll: „Wenn er [hier: der Verbraucher] Beschaffenheit, Eigenschaften und Funktionsweise der Waren feststellen will, sollte der Verbraucher mit ihnen nur so umgehen und sie nur so in Augenschein nehmen, wie er das in einem Geschäft tun dürfte. So sollte der Verbraucher beispielsweise ein Kleidungsstück nur anprobieren, nicht jedoch tragen dürfen. Der Verbraucher sollte die Waren daher während der Widerrufsfrist mit der gebührenden Sorgfalt behandeln und in Augenschein nehmen.“365

aa) Uneindeutigkeit des Begriffes „Funktionsweise“ Die Umrandungen des Begriffes Funktionsweise i.S.d. Art. 14 Abs. 2 Verbraucherrechte-RL (und damit i.S.d. § 357 Abs. 7 Nr. 1 BGB) sind unscharf. Dies könnte dazu führen, dass der Richtliniengeber eine umfangreichere Prüfung ermöglicht hat, als aufgrund der Informationsasymmetrien ausgeglichen werden sollte. Insbesondere Terryn äußert Kritik an der Wortwahl: „One may nevertheless wonder whether both the Court and the directive do not go beyond what is necessary to ensure the effectiveness of the right of withdrawal. In case of distance selling and sometimes also doorstep selling […], the right of withdrawal can compensate an information deficit, caused by the fact that the consumer has less information than in a normal shop when concluding a contract. It should therefore be sufficient for the consumer to have the same possibilities to examine the goods he would have in a normal shop to cure this

362

Vgl. zu diesem Problemkreis Luzak, 37 J. Consum. Policy 91, 96 (2014). Schinkels, ZGS 2005, 179 (180). 364 Besonders effektiv wäre das Widerrufsrecht, wenn der Verbraucher die Ware ohne Beschränkungen testen könnte. So wird man bei Schuhen erst nach mehrstündigem Tragen feststellen können, ob ein Schuh an einer Stelle drückt oder aufschürft, weshalb es überzeugend sein könnte, eine solche Prüfungsmöglichkeit zu gewähren; vgl. Ben-Shahar/E. Posner, 40 J. Legal Stud. 115, 121 (2011). Allerdings ist dies nicht mehr vom Ausgleich der Informationsunterschiede zwischen den Vertriebsformen gedeckt. 365 Erwägungsgrund 47 Satz 3 bis 5 zur Verbraucherrechte-RL. 363

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Teil 3: Das Rückgewährschuldverhältnis nach Widerruf

information asymmetry. Allowing the consumer to also test the functioning of the goods goes beyond his possibilities in a normal shop and carries an inherent risk of abuse, especially given the generous 14-day period for withdrawal.“366

Zunächst stellt sich die Frage, ob der Richtliniengeber dem Verbraucher ermöglichen wollte, die Ware dahingehend zu untersuchen, ob sie mangelhaft ist. Da der Verbraucher dies im stationären Handel nicht (direkt am gekauften Produkt) überprüfen kann, könnte er übermäßig begünstigt werden. Während Funktionalität, Funktionstüchtigkeit367 oder Funktionsfähigkeit368 als Begriffe beschreiben, ob eine Sache funktioniert, beschreibt der Begriff Funktionsweise beispielsweise einen technischen Vorgang, folglich, wie eine Sache funktioniert.369 Auch der Wortlaut anderer Sprachfassungen legt nahe, es gehe hierbei mehr um die Funktionsweise als um die Funktionsfähigkeit.370 Eindeutig positioniert sich schließlich der Leitfaden der Europäischen Kommission für die Auslegung der Verbraucherrechte-RL: „Zu beachten ist, dass in diesem Zusammenhang die ‚Feststellung der Funktionsweise‘ der Waren etwas anderes ist als die Überprüfung dessen, dass sie in jeder Hinsicht fehlerfrei sind.“371 Folglich ist davon auszugehen, dass der Verbraucher die Funktionsfähigkeit nicht generell überprüfen darf.372 Dieses Ergebnis ist auch insoweit interessengerecht, als dem Verbraucher bei Mangelhaftigkeit der Ware weitere Rechte (in Deutschland gemäß den §§ 437 ff. BGB) zustehen.

366

Terryn, Rev. Aff. Eur. 2012, 525 (536) (Hervorhebungen im Original). Dieser Begriff wird in Art. 45 GEKR-E deutscher Sprachfassung gewählt. In anderen Sprachfassungen wird die Begrifflichkeit der Verbraucherrechte-RL beibehalten. 368 Kamphausen, in: Hahn (Hrsg.), Gemeinsames Europäisches Kaufrecht, 2012, S. 167 (178), wählt im Zusammenhang mit der Prüfungsmöglichkeit im GEKR-E bei Widerruf den Begriff Funktionsfähigkeit. 369 Vgl. Duden: Deutsches Universalwörterbuch, hrsgg. von der Dudenredaktion, 7. Aufl. 2014, S. 653 (Stichwort Funktionsweise). 370 In der englischen Sprachfassung „functioning“, in der spanischen „funcionamiento“. Zudem ist die Formulierung wohl auch kein Zufall, wie sich daran erkennen lässt, dass im Zusammenhang mit digitalen Inhalten die Begriffe „functionality“ und „funcionalidad“ (Erwägungsgrund 19 Verbraucherrechte-RL; in der deutschen Sprachfassung auch „Funktionsweise“) benutzt werden, die vom Wortsinn deutlich eher eine Funktionsfähigkeit beschreiben. Der Richtliniengeber erweitert aber sogar diesen Begriff im dargestellten Zusammenhang in Richtung des „Wie“ des Funktionierens: „Der Begriff der Funktionsweise sollte sich darauf beziehen, wie digitale Inhalte verwendet werden können, etwa für die Nachverfolgung des Verhaltens des Verbrauchers; er sollte sich auch auf das Vorhandensein bzw. Nichtvorhandensein von technischen Beschränkungen wie den Schutz mittels digitaler Rechteverwaltung oder Regionalcodierung beziehen.“ 371 Leitfaden der Europäischen Kommission für die Auslegung der Richtlinie, abrufbar unter (Stand: 05.03.2016), S. 57. 372 A.A. Stabentheiner, VbR 2014, 108 (121), der dem Verbraucher einen Test der Funktionstauglichkeit insbesondere bei allen elektrischen Geräten zugestehen will. 367

IV. Wertersatz für einen Wertverlust der Ware

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Es bleibt jedoch unklar, wann ein Verbraucher überhaupt die Funktionsweise einer Sache im stationären Handel untersuchen kann. Zudem ist es fraglich, ob eine Prüfung der Funktionsweise notwendig ist, um Informationsasymmetrien auszugleichen, und somit die Effektivität des Widerrufsrechts zu gewährleisten. Bei allen elektronischen Geräten wäre für das Testen des „Wie“ des Funktionierens eventuell sogar eine Überprüfung der Schaltkreise notwendig, bei mechanischen Geräten ein genaues Nachvollziehen beispielsweise der Hebelwirkungen. Vorstellbar ist dies eventuell bei einem Fahrrad: Man kann nachvollziehen, wie die Tretbewegung eine Kette und damit das Hinterrad bewegt. Dabei geht aber die Prüfung der Funktionsweise auch nicht über den Ausgleich der Informationsasymmetrien hinaus, weil man im stationären Handel auch diese Informationen über die Wirkungen der Tretbewegung erhalten könnte. Insoweit ist aufgrund der Orientierung des Vergleichs am stationären Handel keine restriktive Auslegung des Tatbestandsmerkmals „Funktionsweise“ notwendig; der Vergleich schränkt das zu weit geratene Merkmal hinreichend ein. Allerdings erscheint die eigenständige Bedeutung als Maßstab neben dem Testen der Beschaffenheit und Eigenschaften der Waren gering zu sein. bb) Mit der Ware „nur so umgehen und sie nur so in Augenschein nehmen“, wie der Verbraucher dies im stationären Handel dürfte Es stellt sich zudem die Frage, wie der Ausspruch des Richtliniengebers zu verstehen ist, der Verbraucher solle mit der gekauften Ware „nur so umgehen und sie nur so in Augenschein nehmen, wie er das in einem Geschäft tun dürfte.“373 Die Formulierung mit dem Zusatz „nur“, die sich auch vergleichbar in anderen Sprachfassungen findet,374 deutet darauf hin, die Prüfungsmöglichkeit im stationären Handel sei als eine starre Grenze statuiert. Dies könnte im Widerspruch mit Wertungen stehen, die der Bundesgerichtshof noch zur Fernabsatz-RL in seiner Wasserbetten-Entscheidung375 aufgeworfen hat: „Der Vergleich mit den Prüfungsmöglichkeiten beim Kauf im Ladengeschäft kann aber nicht alleiniger Prüfungsmaßstab sein. Denn beim Kauf von Waren durch Vertragsabschluss im Fernabsatz bleibt gegenüber dem Kauf im Ladengeschäft auch dann ein Nachteil, wenn der Kunde die gekaufte Ware im Ladengeschäft nicht auspacken, aufbauen und ausprobieren kann. Für den Kauf im Ladengeschäft ist typisch, dass dort zumindest Musterstücke ausgestellt sind, die es dem Kunden ermöglichen, sich einen unmittelbaren Eindruck von der Ware

373 Erwägungsgrund 47 Satz 4 zur Verbraucherrechte-RL. Die Formulierung mit dem Begriff „nur“ wurde auch im Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Verbraucherrechte-RL und zur Änderung des Gesetzes zur Regelung der Wohnungsvermittlung (BT-Drucks. 17/12637, S. 63) übernommen. 374 Englisch: „only“, spanisch: „solo“, französisch: „uniquement“. 375 Der Verbraucher hatte vor seinem Widerruf das gekaufte Wasserbett aufgebaut, das für den Unternehmer – bis auf die Heizung – nicht mehr verwertbar war.

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Teil 3: Das Rückgewährschuldverhältnis nach Widerruf

zu verschaffen und diese auch auszuprobieren. Das ist bei einem Vertragsabschluss im Fernabsatz, bei dem der Verbraucher sich allenfalls Fotos der Ware anschauen kann, nicht der Fall.“376

Ähnliche Ausführungen hat auch die Bundesregierung im Entwurf eines Gesetzes zur Anpassung der Vorschriften über den Wertersatz bei Widerruf von Fernabsatzverträgen getätigt, wobei zusätzlich das Fehlen von Beratungs- und Vergleichsmöglichkeiten als ausgleichsbedürftig erachtet wurde.377 Bei einer Lesart, die das Wort „nur“ in den Erwägungsgründen als ausschlaggebend ansieht,378 könnte man aus dem Erwägungsgrund zwei Schlussfolgerungen zur Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ableiten: Einerseits könnte man argumentieren, der Vergleich mit den Prüfungsmöglichkeiten beim Kauf im Ladengeschäft sei eben doch alleiniger Prüfungsmaßstab für den Umfang der Prüfung des Verbrauchers – womit der Sichtweise des Bundesgerichtshofs entgegengetreten worden wäre und die Wertungen für das geltende Recht nicht mehr aussagekräftig wären. Andererseits könnte sogar ein von der Bundesregierung angestrebter Ausgleich fehlender Informationsmöglichkeiten (z.B. durch Beratungsleistungen) unzulässig sein. Eine solch enge Lesart könnte insbesondere auf die Änderung des Wortlauts des Erwägungsgrundes im Gesetzgebungsverfahren gestützt werden. So fand sich in Erwägungsgrund 31 des Vorschlags für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Rechte der Verbraucher KOM(2008) 614 endg. eine dem Erwägungsgrund 47 Satz 4 zur Verbraucherrechte-RL sehr ähnliche Formulierung bezüglich des Vergleichs zum stationären Handel – bis auf das Wort „nur“.379 Daraus könnte hergeleitet werden, die Formulierung wäre gezielt in dieser Form gewählt worden. Die Bedeutung dieser Formulierungsänderung darf jedoch insoweit nicht überhöht werden, als eine vergleichbare Formulierung zu „nur“ in anderen Sprachfassungen des oben genannten Vorschlags (schon) vorhanden war. Gleichwohl kann einer engen Auslegung nicht mit dem Argument entgegentreten werden, manche Artikel gebe es nicht im stationären Handel, weshalb

376

BGHZ 187, 268 (275). „Der Umstand, dass bei einer Prüfung der Ware zu Hause die im stationären Handel vielfach üblichen Beratungs-, Vergleichs- und Vorführmöglichkeiten fehlen, ist durch angemessene Prüfungsmöglichkeiten zu Hause auszugleichen. Der Verbraucher dürfe also mit der Ware grundsätzlich so umgehen und sie so ausprobieren, wie er das in einem Geschäft hätte tun dürfen.“, BT-Drs. 17/5097, S. 15 r. Sp. (vgl. Fn. 351 in Teil 3, S. 176); vgl. dazu auch Alexander, JR 2011, 415 (419); Unger, ZEuP 2012, 270 (293 mit Fn. 109). 378 Ein Widerspruch zum Judikat des Bundesgerichtshofs wird aufgezeigt bei Looschelders, in: Remien/Herrler/Limmer (Hrsg.), Gemeinsames Europäisches Kaufrecht für die EU?, 2012, S. 107 (139). 379 Zur Prüfung „sollte der Verbraucher mit ihr [scil. der Ware] so umgehen oder sie so ausprobieren, wie er das in einem Geschäft tun dürfte.“ 377

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ein Vergleich unmöglich sei.380 In solchen Fällen kann eine wertende Fiktion anhand von ähnlichen Produkten erfolgen, wodurch eruiert werden kann, welche Prüfungsmöglichkeiten im stationären Handel existierten, wenn die Ware dort verkauft würde. Fraglich ist demnach, inwiefern der Richtliniengeber die Prüfungsmöglichkeit begrenzen wollte. Dabei ist zu unterscheiden zwischen der Ware, die als Vergleichsmaßstab gewählt wird, und dem Ausgleich konkreter Informationsdefizite. Bei letzterem geht der Richtliniengeber offenbar davon aus, dass fehlende Beratungs- und Vergleichsmöglichkeiten nicht durch eine umfangreichere Prüfung bei besonderen Vertriebsformen ausgeglichen werden müssen. Damit weicht er von zuvor von der Bundesregierung geäußerten Wertungen381 ab. Eine umfangreiche Einschränkung der Effektivität ist hierbei allerdings nicht zu befürchten, weil der Verbraucher im Fernabsatz (typischerweise Internet) der Beratung vergleichbare Informationsmöglichkeiten hat (z.B. ausführliche Beschreibungen und Bewertungen anderer Kunden). Bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen besteht zumeist ein persönlicher Kontakt, der zur Information genutzt werden kann. Insoweit ist der Verbraucher hier nicht umfassend schutzbedürftig. Die praktische Relevanz der Fragestellung zeigt sich beispielsweise an dem Prüfungsumfang bei Kleidung. Die Bundesregierung meinte hierzu: „Regelmäßig zulässig dürfte es jedoch sein, wenn der Verbraucher das Kleidungsstück innerhalb der Widerrufsfrist zu Hause mehrfach anprobiert.“382 Der Richtliniengeber konnte auf diesen Zusatz verzichten, denn die einfache Anprobe reicht schon aus, um die vertriebsformbezogenen Informationsasymmetrien aufzuheben, weil der Verbraucher auch im stationären Handel die Ware nicht mehrfach anprobieren würde.383 Allerdings stellt sich weiterhin die Frage, ob der Richtliniengeber den Verbraucher auf die Prüfungsmöglichkeit hinsichtlich der gekauften Ware oder auch eines möglichen Ausstellungsstücks verweisen wollte. Eine Beschränkung auf die Prüfungsmöglichkeit der Waren, die später auch verkauft würden, würde die Prüfungsmöglichkeiten deutlich verkürzen, weil bei vielen (gerade hochwertigen) Produkten das Auspacken verpackter Ware nicht möglich ist. Kann der Verbraucher im stationären Handel eine Sache (beispielsweise ein Bett) ausführlich ausprobieren, muss dies zugunsten der Effektivität auch bei

380 Föhlisch, MMR 2009, 75 (78 f.); ders., Das Widerrufsrecht im Onlinehandel, 2009, S. 348, will in solchen Fällen weitergehende Prüfungsmöglichkeiten eröffnen. 381 BT-Drs. 17/5097, S. 15 r. Sp. (vgl. Fn. 351 in Teil 3, S. 176). 382 BT-Drucks. 17/5097, S. 15 r. Sp. (vgl. Fn. 351 in Teil 3, S. 176). Alexander, JR 2011, 415 (420), möchte dem Verbraucher die mehrfache Anprobe auch in Kombination mit anderen Kleidungsstücken zugestehen. 383 Auf Beweisschwierigkeiten soll an dieser Stelle nicht weiter eingegangen werden.

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Fernabsatzverträgen möglich sein.384 Die Wertungen sind dann auch auf außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge übertragbar.385 Nur so können Informationsasymmetrien abgebaut werden. Folglich beschränkt der Richtliniengeber zwar das Prüfungsrecht, eine Einschränkung der Effektivität ist aber nicht zu befürchten. Vielmehr konturiert er die Grenzen des Prüfungsrechts präziser. Zudem scheint eine zweckmäßige Begrenzung des sehr weiten Begriffes „Funktionsweise“386 geschaffen zu werden, indem die Prüfungsmöglichkeit ausschließlich am stationären Handel orientiert wird. Allerdings ist fraglich, wie der Verbraucher mit Waren umgehen darf, die im stationären Handel (sogar in einem Fachgeschäft) nicht hinreichend untersucht werden können, wie beispielsweise eine Fernsehantenne. Ob diese eine gute Bildqualität der Fernsehübertragung gewährleisten kann, wird erst am Ort des Aufstellens der Antenne überprüft werden können. Diesbezüglich liegt aber gerade kein Unterschied zum Erwerb einer Antenne im stationären Handel vor, sodass das Anschließen einer Fernsehantenne nicht vom Prüfungsrecht gedeckt sein dürfte.387 cc) Vergleichbare Ladengeschäfte: Fachgeschäft, Discounter oder „Median Markt“? Nicht erläutert wird vom Richtliniengeber, welche Art stationären Handels als Vergleichsmaßstab herangezogen werden soll.388 Dabei gibt es drei Ansatzpunkte: Fachgeschäft, Discounter oder „Median Markt“. Als „Median Markt“ wird hier ein Markt verstanden, der von allen Märkten, in denen die Produktgruppe verfügbar ist, den Mittelwert darstellt. Der Zusammenhang der Unterscheidung mit der Effektivität des Widerrufsrechts ist deutlich:389 Je umfangreicher der Verbraucher prüfen darf (wohl Fachgeschäft), desto effektiver kann er Informationsasymmetrien abbauen, und desto weniger entstehen durch den 384 Zudem mit dem Hinweis darauf, dass ansonsten bei Waren, die einen Zusammenbau erfordern, nur eine „Besichtigung“ der Einzelteile möglich wäre, die wiederum keine Prüfung sein könnte Föhlisch, NJW 2011, 30 (31). 385 Vgl. dazu schon Teil 1, I 2 b, S. 14 ff. 386 Vgl. dazu schon Teil 3, IV 2 b aa, S. 179 ff. 387 Noch zum Recht vor Umsetzung der Verbraucherrechte-RL a.A. C. Lapp/T. Lapp, CR 2008, S. 649 (653); vgl. auch Föhlisch, Das Widerrufsrecht im Onlinehandel, 2009, S. 347. Trotzdem dürfte der Verbraucher nicht völlig ohne Schutz verbleiben. So kommt in Betracht, dass es sich bei minderwertiger Bildqualität um einen Mangel i.S.d. § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB handelt. 388 Zwar sind die Prüfungsmöglichkeiten von vielen Aspekten im Einzelfall abhängig (vgl. Föhlisch, NJW 2011, 30 [32]), jedoch ist eine gewisse Typisierung unerlässlich. 389 Gleichzeitig dient der Maßstab auch als Verhinderung von Opportunismus. Allerdings soll im Folgenden gezeigt werden, dass selbst unter Gesichtspunkten der Effektivität des Widerrufsrechts nicht zwangsläufig die umfangreichste Prüfung gerechtfertigt ist.

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Prüfungsvorgang Kosten, die den Verbraucher von einem Widerruf abhalten könnten. Gleichwohl entstehen höhere Kosten, die über den Kaufpreis wahrscheinlich auf die Gesamtheit der Käufer umgelegt werden. Der Umfang der Prüfung kann je nach Auswahl des Vergleichsgeschäfts sehr unterschiedlich sein.390 Insoweit ist die fehlende Konkretisierung durch den Richtliniengeber problematisch und einer Lösung zuzuführen. Dabei ist zunächst zugrunde zu legen, dass eine Produktkategorie391 potentiell in allen drei Vergleichsmärkten erworben werden kann (z.B. ein Fernsehgerät). Kann eine Ware beispielsweise nur im Fachhandel erworben werden (z.B. ein Auto),392 steht der Vergleichsmaßstab fest. Ist eine Ware allerdings in mehreren Vergleichsmärkten zu erwerben, ist nicht eindeutig, welcher Vergleichsmarkt zu berücksichtigen ist. Zunächst kommt in Betracht, Discounter als Vergleichsmaßstab heranzuziehen. Dies liegt insbesondere bei Fernabsatzverträgen nicht fern: Verbraucher kaufen zumindest oft auch deshalb im Internet ein, weil es dort Waren häufig günstiger zu erwerben gibt als im stationären Handel.393 Zudem versuchen Verbraucher häufig, den günstigsten Preis für eine Ware im Fernabsatz zu erzielen. Insoweit könnte es angebracht sein, die Prüfungsmöglichkeiten mit denen bei einem Discounter zu vergleichen.394 Allerdings nutzt schon der Richtliniengeber als Beispiel für eine Prüfung, wie er sie für angemessen erachtet, die Anprobe von Kleidung.395 Das Anprobieren von Kleidung ist jedoch typischerweise nicht Teil der Verkaufsstruktur von Discountern.396 Zwar wird es bei manchen Produkten (z.B. Schuhen oder Jacken) möglich sein, die Ware anzuziehen, aber zumeist sind weder Umkleidekabinen noch – zum Überprüfen der

390 Alexander, JR 2011, 415 (419); Föhlisch, MMR 2009, 75 (78 f.); C. Lapp/T. Lapp, CR 2008, 649 (653); Föhlisch, Das Widerrufsrecht im Onlinehandel, 2009, S. 347 f. 391 Denkbar wäre auch, darüber hinaus danach zu unterscheiden, wo das konkrete Produkt gekauft werden kann. Allerdings dürfte dies schon auf einer faktischen Ebene schwierig sein. Zudem ist unklar, ob ein teures Fernsehgerät, das (eventuell) nicht beim Discounter gekauft werden kann, umfangreicher geprüft werden können soll als ein billiges Fernsehgerät. 392 Unberücksichtigt sollten jedoch etwaige Sonderkonstellationen bleiben, bei denen die Produktkategorie auch in anderen Vergleichsmärkten, allerdings ohne Anschauungsobjekt vor Ort, gekauft werden kann. So konnte etwa ein Auto als besonderes Angebot schon bei der Handelskette Tchibo erworben werden. 393 Vgl. Buchmann/Föhlisch, K&R 2011, 433 (435). 394 In dieser Richtung Föhlisch, NJW 2011, 30 (32). Jedoch ist hier schon zu konstatieren, dass eine gleichartige Herleitung für außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge nicht möglich ist. Insoweit hat die dargestellte Sichtweise ein Legitimationsdefizit, weil die genannte Vertriebsform mit dem Fernabsatz gleich behandelt werden soll. Schwab, JZ 2015, 644 (649), befürwortet hingegen eine Differenzierung der Maßstäbe bei den Vertriebsformen. 395 Erwägungsgrund 47 Satz 4 zur Verbraucherrechte-RL. 396 Zu einer fehlenden Möglichkeit der Anprobe C. Lapp/T. Lapp, CR 2008, 649 (653).

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Ware am Körper gedachte – Spiegel im Discounter vorhanden.397 Insofern kann der Discounter nicht als Vergleichsmaßstab dienen.398 Aber auch bei der Unterscheidung zwischen Fachgeschäft und „Median Markt“ gibt es noch große Unterschiede. Dies zeigt sich gut am – häufig genannten – Beispiel des Kaufs einer Kaffee- oder Espressomaschine: So wird teilweise davon ausgegangen, man dürfe zur zulässigen (wertersatzfreien) Prüfung der Espressomaschine einen (Test-)Espresso brühen, weil in manchen Fachgeschäften das Probebrühen möglich sei.399 Hingegen besteht in einem „Median Markt“ keine Möglichkeit, einen Espresso zur Probe zu brühen.400 Deshalb wird auch vertreten, ein Probebrühen gehöre nicht zur zulässigen Prüfungshandlung und führe zu Wertersatzpflichten.401 Die Effektivität des Widerrufsrechts wird erhöht, wenn dem Verbraucher möglichst umfangreiche Prüfungsrechte wie in einem Fachgeschäft zur Verfügung stehen. Auch die Bundesregierung ging bei der Umsetzung der MessnerEntscheidung des Europäischen Gerichtshofs 2011 davon aus, der Vergleichsmaßstab sei ein Fachgeschäft.402 Anders lässt es sich nicht erklären, dass sie im Zusammenhang mit dem Vergleichsgeschäft die „vielfach üblichen Beratungs-, Vergleichs- und Vorführmöglichkeiten“403 nannte.404 Eine solche Sichtweise ist auch in der Literatur vorherrschend, was sich daran erkennen lässt, dass dem Verbraucher sehr umfangreiche Prüfungsbefugnisse zugebilligt wurden und werden. Insbesondere bei Elektronikwaren zeigt sich, wie umfangreich

397

Buchmann, K&R 2014, 293 (296): „Wer versucht denn ernsthaft, in der Non-Food Abteilung eines Discounters eine Hose anzuprobieren?“ 398 Tillkorn, Der Nutzungsersatz im Kaufrecht, 2013, S. 267. 399 Schinkels, ZGS 2005, 179 (182); vgl. ders. ZGS 2009, 539 (541). Ohne Hinweis auf sonstige Prüfungsmöglichkeiten Bartholomä, NJW 2012, 1761 (1762); vgl. Schirmbacher, BB 2011, 83 (ebd.). 400 Rott, ERPL 2010, 185 (191). 401 Rott, ERPL 2010, 185 (191); Hericks, Die Rechtsfolgen des Verbraucherwiderrufs im deutschen und europäischen Recht, 2014, S. 179 (für Kaffeemaschinen). Nicht eindeutig sind die Äußerungen im Leitfaden der Europäischen Kommission für die Auslegung der Richtlinie, abrufbar unter (Stand: 05.03.2016), S. 57: „Der Verbraucher könnte normalerweise Haushaltstechnik wie Küchengeräte nicht in der Praxis ausprobieren, da ihre praktische Benutzung unweigerlich Spuren hinterlässt.“ Zwar wirkt die Aussage zunächst so, als sei ein Prüfungsrecht ausgeschlossen. Aber es fragt sich, ob tatsächlich durch einen einfachen Probelauf automatisch Spuren davon am Gerät auftreten, die als Grund der Einschränkung der Prüfungsmöglichkeit genannt werden. 402 So auch Buchmann/Föhlisch, K&R 2011, 433 (435); Tillkorn, Der Nutzungsersatz im Kaufrecht, 2013, S. 267. 403 BT-Drucks. 17/5097, S. 15 r. Sp. (vgl. Fn. 351 in Teil 3, S. 176). 404 Vgl. auch Tillkorn, Der Nutzungsersatz im Kaufrecht, 2013, S. 267.

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der Verbraucher testen können soll: So soll es zulässig sein, Computer anzuschalten und auszutesten,405 Kameras testweise für Foto- oder Filmaufnahmen zu nutzen,406 Sim-Karten in ein Mobiltelefon einzulegen, um den Empfang zu überprüfen,407 und Mobiltelefone auch ansonsten umfassend durch Anschalten und Überprüfen der wichtigsten Funktionen zu testen.408 Dabei wird zumeist mit den vergleichbaren Prüfungsmöglichkeiten im stationären Handel argumentiert, die allerdings in einem „Median Markt“ gerade nicht bestehen, sondern nur in einem Fachgeschäft gewährleistet sind. Beachtet man die oben herausgearbeiteten Wertungen des Richtliniengebers, erscheint es zur Gewährleistung der Effektivität des Widerrufsrechts zwangsläufig notwendig, die Prüfungsmöglichkeiten beim Widerrufsrecht an denjenigen in einem Fachgeschäft zu orientieren. Dadurch erübrigt sich zudem die nicht ganz einfache konkrete Bestimmung eines „Median Marktes“. c) Ausgangspunkt der Berechnung des Wertersatzes unter Effektivitätsgesichtspunkten Im Bürgerlichen Gesetzbuch und in der Verbraucherrechte-RL ist nicht ausdrücklich geregelt, ob bei der Berechnung von Wertersatzansprüchen der objektive Wert der Ware oder der vereinbarte Preis ausschlaggebend ist.409 Es wird dabei vertreten, bei der Berechnung des Wertersatzes sei der objektive Wert der Ware zugrunde zu legen, weil man den Verbraucher sonst – bei einem überhöhten Preis – „gerade an dem Vertrag festhalten würde, von dem er sich lösen will.“410 Insoweit würde der Schutzzweck des Widerrufsrechts nicht erreicht werden können.411 Dies zeige sich insbesondere bei Haustürgeschäften,

405

Buchmann/Föhlisch, K&R 2011, 433 (437). Buchmann/Föhlisch, K&R 2011, 433 (437); Kaestner/Tews, WRP 2005, 1335 (1346 f.). 407 Tillkorn, Der Nutzungsersatz im Kaufrecht, 2013, S. 269. 408 Buchmann/Föhlisch, K&R 2011, 433 (437). 409 Zu der vergleichbaren Problematik im GEKR-E Jaeger, AcP 213 (2013), 507 (529); zwischen üblichen und deutlich überhöhten Kaufpreisen differenzierend Stabentheiner, VbR 2014, 108 (121). 410 Zimmermann, in: Eidenmüller et al. (Hrsg.), Revision des Verbraucher-acquis, 2011, S. 167 (183); so wohl auch Raue, Jura 2015, 326 (335). Siehe zu Problemen bei der Berechnung Benicke, ZGS 2002, 369, 374 (allerdings zum Rücktrittsrecht). 411 Vgl. Zimmermann, in: Eidenmüller et al. (Hrsg.), Revision des Verbraucher-acquis, 2011, S. 167 (183); Hellwege, Die Rückabwicklung gegenseitiger Verträge als einheitliches Problem, 2004, S. 568. Faust, JuS 2009, 481 (487), zum vergleichbaren Problem bei Rücktritt. Vgl. auch Arnold/Dötsch, NJW 2003, 187 (188); Schinkels, ZGS 2005, 179 (183 f.); a.A. Giesen, in: Söllner et al. (Hrsg.), GS Heinze, 2005, S. 233 (246 ff.). 406

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bei denen der Verbraucher mit dem Verkauf einer überteuerten Ware überrumpelt wird.412 Im Folgenden werden aus der Verbraucherrechte-RL Wertungen dahingehend abgeleitet, ob bei Kaufverträgen etwaige Wertersatzansprüche anhand des objektiven Werts der Ware oder des vereinbarten Preises berechnet werden sollen. aa) Regelung bei Dienstleistungsverträgen als Basis eines Vergleichs Zwar wurde in Art. 14 Abs. 2 Verbraucherrechte-RL (siehe auch die Umsetzung in § 357 Abs. 7 BGB) kein Maßstab für die Berechnung des Wertersatzes niedergelegt. Jedoch findet sich ein solcher Maßstab in Art. 14 Abs. 3 Satz 2 Verbraucherrechte-RL413 (Umsetzung in § 357 Abs. 8 Satz 4 BGB) normiert für Fälle, in denen für den Verbraucher vor dem Widerruf eine Dienstleistung durchgeführt wurde. Demnach ist für den Wertersatz grundsätzlich414 der vereinbarte Preis zugrunde zu legen. Dies könnte darauf hindeuten, dass aus einem Umkehrschluss abgeleitet werden muss, bei Kaufverträgen müsse der objektive Wert als Maßstab zur Berechnung gelten.415 Der Bundesgerichtshof hatte zur alten Rechtslage noch ausgeführt, dass die Effektivität des Widerrufsrechts gefährdet sei, wenn der Wertersatzanspruch bei Dienstleistungsverträgen am Preis orientiert würde: „Die Ausübung des Widerrufsrechts wäre insbesondere im Bereich der Dienstleistungen in vielen Fällen wirtschaftlich sinnlos und somit dieses Recht wesentlich entwertet, wenn der Verbraucher für die an ihn erbrachten Unternehmerleistungen das vertraglich vereinbarte Entgelt entrichten müsste. Auf diese Weise wäre er nämlich trotz des Widerrufs letztlich doch zur Zahlung des vereinbarten Entgelts verpflichtet; der Zweck des Widerrufsrechts, der dem Verbraucher gerade die Möglichkeit geben will, sich von einem nachteiligen, unter Beeinträchtigung seiner Entschließungsfreiheit zu Stande gekommenen Vertrag wieder lösen zu können, würde verfehlt. Daher kann das Recht des Verbrauchers, seine auf Abschluss eines Vertrags in einer ‚Haustürsituation‘ gerichtete Willenserklärung zu widerrufen, effektiv nur ausgeübt werden, wenn die vertragliche Entgeltregelung für die Bemessung des Wertersatzes nicht maßgebend ist [m.N.].“416

412 Thum, Wertberechnung bei der Rückabwicklung von Kaufverträgen, 2014, S. 32; Zimmermann, in: Eidenmüller et al. (Hrsg.), Revision des Verbraucher-acquis, 2011, S. 167 (183 f.). 413 Vgl. auch Erwägungsgrund 50 zur Verbraucherrechte-RL. 414 Eine Ausnahme gilt nach Art. 14 Abs. 3 Satz 3 Verbraucherrechte-RL bzw. § 357 Abs. 8 Satz 5 BGB, wenn der vereinbarte Preis unverhältnismäßig hoch ist. Dann wird auf den objektiven Wert abgestellt. 415 Diesen Weg gehen Artz/Brinkmann/Ludwigkeit, jM 2014, 222 (227); Schwab, JZ 2015, 644 (650); Fritsche, MünchKomm. BGB, 7. Aufl. 2016, § 357 Rdnr. 33; BeckOGK/Mörsdorf, BGB, Stand: 15.01.2016, § 357 Rdnr. 73. 416 BGHZ 185, 192 (204).

IV. Wertersatz für einen Wertverlust der Ware

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Der Verbraucher ist allerdings nunmehr im deutschen Recht bei Dienstleistungen nur dann zum Wertersatz verpflichtet, wenn er vom Unternehmer ausdrücklich verlangt hat, dass dieser mit der Leistung vor Ablauf der Widerrufsfrist beginnt und gemäß Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 EGBGB darüber informiert wurde, dass er einen angemessenen Betrag (nach § 357 Abs. 8 BGB) zu zahlen hat, § 357 Abs. 8 Satz 1, 2 BGB.417 Bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen muss das Verlangen sogar auf einem dauerhaften Datenträger übermittelt werden, § 357 Abs. 8 Satz 3 BGB. Insoweit ist die Überrumpelungsgefahr bezüglich des Preises in dreierlei Hinsicht eingedämmt: Erstens wird der Verbraucher zusätzlich über eine Kostenpflicht und deren ungefähre Höhe unterrichtet. Zweitens muss er den Unternehmer ausdrücklich zum Beginn der Dienstleistung auffordern. Drittens kann vom Grundsatz, dass der Wertersatz am vereinbarten Preis ausgerichtet wird, abgewichen werden, wenn der Preis unverhältnismäßig hoch ist.418 Der Richtliniengeber, auf den die Regelungen zurückgehen (vgl. Art. 14 Abs. 3 Verbraucherrechte-RL) geht davon aus, dass diese Einschränkungen der Regelung die Effektivität des Widerrufsrechts hinreichend gewährleisten können. Diese Regelung erscheint auch unter Gesichtspunkten des Spannungsverhältnisses von Effektivität und Opportunismus zweckmäßig. So kann opportunistisches Verhalten dergestalt verhindert werden, dass Verbraucher die (nur ein wenig überteuerte) Dienstleistung in Anspruch nehmen, obwohl sie schon vor Vertragsschluss einen Widerruf planten. Marktmechanismen bezüglich der Preisgestaltung würden dadurch ausgehebelt. bb) Vergleich der Wertungen und Rückwirkung auf Kaufverträge Es stellt sich jedoch die Frage, inwiefern sich die Äußerungen zur Effektivität des Widerrufsrechts bei Dienstleistungsverträgen auf die Effektivität des Widerrufsrechts bei Kaufverträgen übertragen lassen. Hierzu führt Kaiser überzeugend aus: „Eine Wertersatzpflicht in Höhe der Gegenleistung hielte den Verbraucher bei Dienstleistungs- und Gebrauchsüberlassungsverträgen trotz seines Widerrufs wertmäßig in jedem Fall am Vertrag fest, weil die empfangene Leistung immer durch Wertersatz zurückzugewähren ist; das widerspräche dem Zweck des § 355 [BGB (i.F.v. 2002)], dem Verbraucher über den Widerruf die Lösung vom Vertrag zu ermöglichen. Hingegen befreit der Widerruf den Verbraucher bei Verträgen über Sachleistungen grundsätzlich vom Vertrag – gegen Rückgabe der Sache. Nur wenn der Verbraucher die Sache aus Gründen nicht zurückgeben kann, die aus seinem Verantwortungsbereich stammen, schuldet er Wertersatz.“ 419

417

Zudem muss der Verbraucher auch entsprechend Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 EGBGB über die Bedingungen, die Fristen und das Verfahren für die Ausübung des Widerrufsrechts informiert werden. 418 Siehe schon Fn. 414 in Teil 3, S. 188. 419 Staudinger/Kaiser, BGB, 2012, § 357 Rdnr. 35.

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Teil 3: Das Rückgewährschuldverhältnis nach Widerruf

Die Effektivität des Widerrufsrechts bei Kaufverträgen wird demnach nicht dadurch beeinflusst, dass der Wertersatz am Kaufpreis orientiert wird: Die am Preis orientierte Wertersatzpflicht wirkt sich nämlich nicht negativ auf den Ausgleich einer Überrumpelungssituation aus. Unabhängig davon, wie hoch der Wertersatz sein sollte, kann der Verbraucher reflektieren, ob eine Ware im Preis überhöht ist. Solange der Verbraucher die Ware innerhalb seines Untersuchungsrechts prüft, besteht keine Gefahr einer finanziellen Belastung. Der Verbraucher wird demzufolge auch nicht in seinem Prüfungsrecht beschnitten. Handelt er bei der Prüfung innerhalb des ihm gewährten Schutzbereiches, entstehen keine Kosten, die den Verbraucher vom Widerruf abhalten können. Typischerweise dürften Wertersatzansprüche auch eher gering ausfallen. Sollten sie einen größeren Umfang haben, geht damit zwingend ein größeres „Fehlverhalten“ des Verbrauchers einher. Entgegen der Situation bei Dienstleistungsverträgen muss der Verbraucher daher immer außerhalb der schützenswerten Interessen tätig werden, damit eine Wertersatzpflicht entsteht. Ab diesem Moment der Überschreitung des Prüfungsrechts muss die Effektivität des Widerrufsrechts hinsichtlich der Prüfung nicht mehr gewahrt werden. In diese Richtung weist auch die Aussage des Europäischen Gerichtshofs, die Wirksamkeit und die Effektivität des Rechts auf Widerruf wären beeinträchtigt, „wenn die Höhe eines Wertersatzes […] außer Verhältnis zum Kaufpreis der fraglichen Ware stünde“420. Insoweit geht es um das Verhältnis zum Kaufpreis. Folglich ist es daher aus Effektivitätsgründen nicht geboten, die Berechnung des Wertersatzes bei Kaufverträgen am objektiven Wert vorzunehmen. Aus diesen Ausführungen folgt, dass keineswegs ein Umkehrschluss zu § 357 Abs. 8 Satz 4 und 5 BGB,421 sondern vielmehr ein erst-recht-Schluss angewendet werden muss: Wenn der Richtliniengeber schon für Dienstleistungen grundsätzlich eine Orientierung am Preis vorgibt, muss dies erst recht für Kaufverträge gelten, bei denen die Aspekte der Effektivität des Widerrufsrechts keine andere Sichtweise rechtfertigen können. cc) Fazit Auch nach geltendem Recht muss bei Wertersatzansprüchen im Rahmen von Kaufverträgen zur Berechnung der Preis der Ware zugrunde gelegt werden. Einen Widerspruch zur Effektivität des Widerrufsrechts stellt dies nicht dar. d) Beweislast Es besteht die Gefahr, der Verbraucher werde – wenn er die Beweislast trägt – vom Widerruf abgehalten, weil er Sorge hätte, nicht beweisen zu können, dass 420 421

EuGH, Rs. C-489/07 (Messner), Slg. 2009, I-7315, Rdnr. 27. Vgl. dazu Fn. 415 in Teil 3, S. 188.

IV. Wertersatz für einen Wertverlust der Ware

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er die Ware nicht übermäßig genutzt hat und die Wertminderungen nicht auf eine übermäßige Nutzung zurückzuführen sind.422 In den Schlussanträgen der Generalanwältin Trstenjak zur Rechtssache Messner wird umfassend ausgeführt, dass auch die Sorge vor einem Rechtsstreit über die hier diskutierte Frage die Effektivität des Widerrufsrechts beeinflussen kann.423 Der Unternehmer trägt nunmehr die Beweislast für die Verschlechterung und dafür, dass diese aus einer Nutzung, die zur Prüfung nicht (mehr) notwendig gewesen wäre, resultiert.424 Die Beweislastregelung steht folglich im Einklang mit den überzeugenden Ausführungen des Europäischen Gerichtshofs zur Effektivität des Widerrufsrechts.425 e) Effektivitätsfördernde Maßnahmen als Effektivitätshindernis: Prüfung und Verhaltensanomalien Möglicherweise hat eine möglichst umfangreiche Prüfung der Ware nicht uneingeschränkt positive Auswirkungen auf die Verbraucherentscheidung zum Widerruf. Hierbei ist zu unterscheiden zwischen der Zeit, die dem Verbraucher zur Verfügung steht, und dem konkreten Umfang des Prüfungsrechts. Durch die Verbraucherrechte-RL wurde die Widerrufsfrist auf vierzehn Tage festgelegt, was in einigen Mitgliedstaaten eine Verlängerung der bisherigen Fristen bedeutete. Es wird daran anknüpfend befürchtet, diese Regelung könne sich negativ auswirken, da mit jedem Tag, den der Verbraucher die Ware besitzt, der endowment effect426 erhöht werde.427 Auch Studien indizieren, dass der Verbraucher nicht widerruft, wenn er die Ware lange im Besitz hatte.428 422

EuGH, Rs. C-489/07 (Messner), Slg. 2009, I-7315, Rdnr. 27. M. Weller, in: SchmidtKessel (Hrsg.), Ein einheitliches Europäisches Kaufrecht?, 2012, S. 147 (167 f.), spricht sich für eine Beweislasttragung des Unternehmers im GEKR-E trotz fehlender Normierung, aber wegen der aufgezeigten EuGH-Rechtsprechung aus. 423 Schlussanträge der Generalanwältin Trstenjak zur Rs. C-489/07 (Messner), Slg. 2009, I-7317, Rdnr. 77. 424 Dies folgt aus allgemeinen Beweislastregeln und ist nicht ausdrücklich normiert. Unter Umständen können dem Unternehmer Erleichterungen (z.B. ein prima facie-Beweis) zugute kommen; Palandt/Grüneberg, 75. Aufl. 2016, § 357 Rdnr. 12; vgl. schon BR-Drucks. 855/10, S. 19 (Entwurf eines Gesetzes zur Anpassung der Vorschriften über den Wertersatz bei Widerruf von Fernabsatzverträgen und über verbundene Verträge vom 31.12.2010). 425 Vgl. schon oben Teil 1, II 2 b aa (2), S. 26. 426 Siehe hierzu schon oben Teil 2, II 2 a aa, S. 56 ff. 427 Luzak, 37 J. Consum. Policy 91, 102 (2014); vgl. zum erhöhten endowment effect Strahilevitz/Loewenstein, 25 J. Cons. Res. 276, 286 (1998). 428 Wang, B.E.J.E.A.P. 9 (2009), Issue 1 (Topics), Art. 38., 1 ff., berichtet von einer experimentellen Studie (137 Studierende) im stationären Handel und ohne Rücksendekosten, aber mit Rückgabemöglichkeit (vgl. a.a.O., S. 7). Bei dieser bestätigten sich die Hypothesen (1 und 3), es würde ein instant endowment effect entstehen und bei langer Rückgabemöglichkeit werde seltener zurückgegeben, weil die Ware höher bewertet wird (vgl. die Werte a.a.O., S. 13).

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Teil 3: Das Rückgewährschuldverhältnis nach Widerruf

Insoweit könnte eine lange Widerrufsfrist sogar kontraproduktiv sein. Allerdings sind vierzehn Tage generell keine lange Zeit, in der ein großer Anstieg des endowment effect zu befürchten ist. Eine deutlich kürzere Zeitspanne zur Verminderung des endowment effect dürfte zudem nicht mehr ausreichen, um eine umfangreiche Prüfung durch den Verbraucher zu gewährleisten. Etwaig auftretende Erschwernisse der Widerrufsentscheidung durch die längere Frist dürften folglich hinzunehmen sein. Darüber hinaus könnte durch eine (inhaltlich) umfangreiche Prüfung eine stärkere Bindung zu der geprüften Ware entstehen. Durch diese Bindung steigt der Wert der Ware subjektiv an. Die persönliche Bindung lässt sich insbesondere bei Elektronikartikeln nachvollziehen. Schaltet man beispielsweise einen Laptop erstmalig ein, muss man regelmäßig verschiedene Grundeinstellungen wählen (z.B. das Layout-Design). Dieser Vorgang gehört zur Überprüfung der Ware. Gleichzeitig wird das Zugehörigkeitsgefühl des Verbrauchers zu der Ware verstärkt.429 Der subjektive Wert der Ware steigert sich, und der Verbraucher sieht eher von einem Widerruf ab. Obwohl die „Kosten“ der Untersuchung nie zurückerlangt werden können, neigen Verbraucher eher dazu, die versunkenen Kosten zulasten eines Widerrufs zu berücksichtigen.430 Höhere Kosten können sich damit auch negativer auf die Widerrufsentscheidung auswirken. Insoweit entsteht hier ein Spannungsfeld zwischen zwei Aspekten der Effektivität: Je umfangreicher man die Prüfung (zeitlich und inhaltlich) ermöglicht, desto eher vergrößert sich der subjektive Wert der Ware, wodurch die rationale Widerrufsentscheidung beeinträchtigt wird. Trotzdem ist die umfangreiche Prüfung eine Grundlage des effektiven Widerrufsrechts. Solange die Widerrufsentscheidung nicht deutlich konterkariert wird, dürften die positiven Aspekte einer umfangreichen Prüfung die negativen überwiegen. f) Problem einer „alles oder nichts“-Lösung Teilweise wurde für die Wertersatzregelung im Entwurf für ein Gemeinsames Europäisches Kaufrecht (Art. 45 Abs. 3 GEKR-E) vorgebracht, der Wortlaut ließe eine Deutung dahingehend zu, dass der Verbraucher für den kompletten Wertverlust aufkommen müsse, wenn seine Nutzung über das Maß hinausgehe, das zur Funktionsprüfung erforderlich ist.431 Insoweit würde der Verbraucher auch für den Wertverlust aufkommen müssen, der durch die Prüfung entstanden ist. Wie auch § 357 Abs. 7 BGB geht Art. 45 Abs. 3 GEKR-E auf Art. 14 Abs. 2 Verbraucherrechte-RL zurück, sodass ein solches Problem auch im 429

Hierzu unter Verwendung eines ähnlichen Beispiels Trevisan, The Irrational Consumer, 2013, S. 42 f. 430 Siehe zur sunk cost fallacy schon unter Teil 2, II 2 b dd, S. 72 f. 431 M. Weller, in: Schmidt-Kessel (Hrsg.), Ein einheitliches Europäisches Kaufrecht?, 2012, S. 147 (168).

IV. Wertersatz für einen Wertverlust der Ware

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deutschen Recht bestehen könnte. Nach Art. 14 Abs. 2 Verbraucherrechte-RL haftet der Verbraucher „für einen etwaigen Wertverlust der Waren nur, wenn dieser Wertverlust auf einen zur Prüfung der Beschaffenheit, Eigenschaften und Funktionsweise der Waren nicht notwendigen Umgang mit den Waren zurückzuführen ist.“432 Ob der Wortlaut der deutschen Fassungen (Verbraucherrechte-RL und GEKR-E) ein solches „alles oder nichts“-Problem tatsächlich hervorruft, ist schon fragwürdig.433 Andere Sprachfassungen zeigen, dass nur die Wertverluste ersetzt werden sollen, die nach der Überschreitung der Schwelle des zur Prüfung Notwendigen eingetreten sind.434 Durch eine andere Sichtweise würden zudem große Effektivitätsprobleme entstehen. Der Verbraucher könnte aus Sorge vor einer Überschreitung der Haftungsschwelle auf eine umfangreiche und vollumfängliche Prüfung verzichten.435 Er würde folglich nicht in dem (vollen) Umfang prüfen, der ihm vom Richtliniengeber eingeräumt werden soll. Ein Überschreiten der Haftungsschwelle ist nach richtiger Lesart der Vorschriften deutlich weniger problematisch für die Effektivität, da ein Großteil des Wertverlustes gerade durch die Prüfungshandlung eintritt. Insoweit wird eine geringe Überschreitung der Haftungsschwelle auch nur eine Haftung in geringem Umfang auslösen können. g) Nebeneinander von Wertersatz und Sachrückgewähr: Das Problem des vollständigen Wertverlusts der Ware Auf den ersten Blick erscheint es zweckmäßig, den Wertersatzanspruch des Unternehmers neben den Anspruch auf Rückgewähr der Ware zu stellen: Der Unternehmer erhält eine Ware in vermindertem Wert zurück und wird für den 432

Die Formulierung wurde in Art. 45 Abs. 3 GEKR-E komplett übernommen; in § 357 Abs. 7 BGB ist der Satzbau leicht verändert, und es heißt nicht „dieser Wertverlust“, sondern „der Wertverlust“. 433 Freilich spricht sich auch M. Weller, in: Schmidt-Kessel (Hrsg.), Ein einheitliches Europäisches Kaufrecht?, 2012, S. 147 (168), nicht für eine Sichtweise aus, er erarbeitet nur die möglicherweise bestehende Problemstellung. Für eine Kompensation der gesamten Wertminderung im Rahmen der österreichischen Umsetzung der Verbraucherrechte-RL spricht sich hingegen Schwarzenegger, in: Schwimann/Kodek (Hrsg.), ABGB-Praxiskommentar, Bd. 5a, 4. Aufl. 2015, § 15 FAGG, Rdnr. 21, aus. 434 Etwa die englische Fassung der Verbraucherrechte-RL lautet diesbezüglich: „The consumer shall only be liable for any diminished value of the goods resulting from the handling of the goods other than what is necessary to establish the nature, characteristics and functioning of the goods.“ Art. 45 Abs. 3 GEKR-E lautet in der englischen Fassung: „The consumer is liable for any diminished value of the goods only where that results from handling of the goods in any way other than what is necessary to establish the nature, characteristics and functioning of the goods.“ 435 Vgl. zu einer ähnlichen Problematik bei der Umsetzung der Fernabsatz-RL Föhlisch, Das Widerrufsrecht im Onlinehandel, 2009, S. 348.

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Teil 3: Das Rückgewährschuldverhältnis nach Widerruf

Wertverlust (zumindest teilweise) entschädigt. Der Verbraucher erhält grundsätzlich mindestens einen Teil der geleisteten Zahlungen zurück. Der Anspruch auf Rückzahlung ist jedoch ausnahmsweise (fast)436 wertlos, wenn der Unternehmer ihm einen Wertersatzanspruch in Höhe des Warenwerts entgegenhalten kann. Dies ist dann der Fall, wenn die Ware einen vollständigen Wertverlust erlitten hat und dieser nicht auf die zulässige Prüfung der Ware zurückzuführen ist. Ein solcher Wertverlust kann beispielsweise bei der erstmaligen Benutzung eines Rasierapparates entstehen, wenn dieser danach nicht mehr zum Weiterverkauf geeignet ist.437 Der Unternehmer hat zusätzlich noch den Anspruch auf Rückgabe/Rücksendung der Ware (§ 357 Abs. 1 BGB),438 für die der Verbraucher nunmehr finanziell aufkommen muss. Für den Verbraucher ist die Situation mithin denkbar ungünstig: Er hat in die Abwicklung eines Vertrages Zeit und Geld investiert und dabei nur Verluste erlitten.439 Der Verbraucher würde hingegen faktisch begünstigt, wenn ein Ausschluss des Widerrufsrechts (gegen ihn) eingreifen würde, weil er dann zumindest die Ware weiterhin benutzen könnte.440 Gerade in Fällen, in denen ein Weiterverkauf durch den Unternehmer nicht möglich ist, kann die Ressourcenallokation zwischen den Vertragsparteien nicht überzeugen: Die Ware befindet sich am Ende des Vorgangs beim Unternehmer und damit an einer Stelle, an der ihr kein Nutzen abgewonnen werden kann, wohingegen der Verbraucher die Ware noch benutzen könnte. Weil sowohl für die Herausgabepflicht als auch für den Wertersatzanspruch Rechtsgrundlagen existieren, handelt es sich auch nicht um eine ungerechtfertigte Bereicherung des Unternehmers.441 Vielmehr könnte eine „ungerechte Bereicherung“ vorliegen.442 Diese rechtfertigt jedoch nur in Ausnahmefällen ein Eingreifen auf europäischer Ebene,443 weshalb im vorliegenden Fall nicht aufgrund eines allgemeinen Rechtsgrundsatzes zugunsten des Verbrauchers eingegriffen werden kann. Auch das deutsche Bereicherungsrecht gewährt dem 436

Der Verbraucher erhält noch gezahlte Hinsendekosten zurück. Siehe zu diesem Beispiel Buchmann/Föhlisch, K&R 2011, 433 (435); vgl. auch Föhlisch/Dyakova, MMR 2013, 71 (75). 438 Aufgrund der restriktiven Auslegung der Ausnahmen vom Widerrufsrecht (vgl. nur EuGH, Rs. C-481/99 [Heininger], Slg. 2001, I-9945, Rdnr. 31) wird man wohl beispielsweise bei dem Rasierer nicht von einem Ausschlussgrund aufgrund fehlender Eignung zur Rückgabe aus Gründen der Hygiene i.S.d. § 312g Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BGB ausgehen können; siehe dazu auch Föhlisch/Dyakova, MMR 2013, 71 (72). Zudem sind andere Konstellationen vollständigen Wertverlusts denkbar, bei denen ein Ausschlussgrund generell nicht in Betracht kommt. 439 Buchmann/Föhlisch, K&R 2011, 433 (435); Föhlisch/Dyakova, MMR 2013, 71 (75). 440 Föhlisch/Dyakova, MMR 2013, 71 (72). 441 Siehe zu dem Begriff nur EuGH, Rs. C-47/07 (Masdar UK), Slg. 2008, I-9761, Rdnr. 44 ff.; vgl. auch Wendehorst, GPR 2015, 55 (62). 442 Siehe grundlegend zu dieser Differenzierung Wendehorst, GPR 2015, 55 (62). 443 Wendehorst, GPR 2015, 55 (62). 437

IV. Wertersatz für einen Wertverlust der Ware

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Verbraucher in solchen Situationen keinen Herausgabeanspruch, weil ein Rechtsgrund für seine Leistung existiert. Dieser Zustand wird als ungelöstes Problem angesehen.444 Gleichwohl zeigt sich an der Rechtsprechung zur Effektivität des Widerrufsrechts bei Wertersatzansprüchen,445 wie durch die fehlende Effektivität im dargestellten Fall das Problem in der Praxis aufgelöst werden sollte: Es wird davon ausgegangen, der Verbraucher könne sich von hohen Kosten, die ihm im Rückgewährschuldverhältnis entstehen können, vom Widerruf abhalten lassen. Kosten, die den finanziellen Nutzen des Widerrufs übersteigen, sind als hoch anzusehen. Der Verbraucher sollte demnach aus einem ureigenen Antrieb heraus von der Ausübung seines Widerrufsrechts abgehalten werden.446 Damit stellt sich – zumindest aus der Perspektive des Europäischen Gerichtshofs – das dargestellte Problem bei vollständigem Wertverlust in der Praxis kaum, wenn der Verbraucher vor Ausübung des Widerrufs weiß, dass er Wertersatz leisten muss. Sollte ein Verbraucher trotzdem widerrufen, könnte ihm zumindest ein Anfechtungsrecht zur Seite stehen, mit dem er die Nichtigkeit des Widerrufs hervorrufen könnte.447 Er könnte die Ware dann wiederum herausverlangen. Der Verbraucher hat sich über die wirtschaftliche Verwertbarkeit der Ware für den Unternehmer geirrt. Eine solche Fehlvorstellung stellt jedoch keinen Irrtum über verkehrswesentliche Eigenschaften i.S.d. § 119 Abs. 2 BGB dar.448 In Betracht kommt des Weiteren ein beachtlicher Rechtsfolgenirrtum als Inhaltsirrtum i.S.d. § 119 Abs. 1 BGB. Nach der Rechtsprechung besteht ein Inhaltsirrtum, wenn „infolge Verkennung oder Unkenntnis seiner rechtlichen Bedeutung ein Rechtsgeschäft erklärt ist, das nicht die mit seiner Vornahme erstrebte, sondern eine davon wesentlich verschiedene Rechtswirkung, die nicht gewollt ist, hervorbringt“.449 Demgegenüber liegt kein beachtlicher Irrtum vor, „wenn ein rechtsirrtumfrei erklärtes und gewolltes Rechtsgeschäft außer der mit seiner

444

Buchmann/Föhlisch, K&R 2011, 433 (435); vgl. auch Föhlisch/Dyakova, MMR 2013, 71 (75). In Einzelfällen könnte man über eine analoge Anwendung von Ausschlussgründen nachdenken (siehe zur Analogiefähigkeit von Ausnahmevorschriften nur Würdinger, AcP 206 [2006], 947 [956 ff.]); gleichwohl dürfte es zumindest schwierig sein, einen ähnlichen Tatbestand zu begründen. 445 Vgl. oben Teil 1, II 2 b aa, S. 24 ff. 446 Steennot, [2013] 29 C.L.S.R. 105, 118, weist generell darauf hin, dass Wertersatzpflichten teils sehr umfangreich sein können, eine Abschreckung des Verbrauchers dementsprechend groß sein könnte. 447 Siehe zur Anfechtbarkeit einseitiger Rechtsgeschäfte nur Staudinger/Roth, BGB, 2015, § 142 Rdnr. 24. 448 BGHZ 16, 54 (57); Staudinger/Singer, BGB, 2012, § 119 Rdnr. 100. 449 Grundlegend RGZ 88, 278 (284); 95, 112 (115).

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Teil 3: Das Rückgewährschuldverhältnis nach Widerruf

Vornahme erstrebten Rechtswirkung noch andere, nicht erkannte und nicht gewollte Rechtswirkungen hervorbringt“.450 Bei einer hinreichenden Widerrufsbelehrung wird der Verbraucher schon nicht geltend machen können, die Rückgabepflicht und etwaige Wertersatzpflichten als Konsequenz seines Widerrufs nicht gekannt zu haben. Auch scheint die unmittelbare Rechtsfolge des Widerrufs (Lösung vom Vertrag) eingetreten zu sein. Jedoch bezweckt ein Widerruf gleichzeitig den Eintritt in ein Rückgewährschuldverhältnis. Dieses Schuldverhältnis soll für den Verbraucher irgendwie geartete (rechtliche) Vorteile im Vergleich zum Festhalten am Vertrag bringen. In Fällen des vollständigen Wertverlustes findet allerdings faktisch keine gegenseitige Rückabwicklung statt. Hiermit lässt sich möglicherweise ein beachtlicher Rechtsfolgenirrtum begründen. Der Verbraucher könnte dann durch Anfechtung des Widerrufs zumindest die Ware zurückerhalten. Bei künftigen Änderungen der europäischen Vorgaben sollte dieses Problem allerdings europaweit einheitlich geregelt werden. h) Zusammenfassung Die in der Verbraucherrechte-RL getroffenen Regelungen zur Wertersatzpflicht können vor dem Hintergrund der Effektivität des Widerrufsrechts grundsätzlich überzeugen.451 Allerdings hätte der Richtliniengeber bei einigen Formulierungen deutlicher seinen Willen zum Ausdruck bringen können. 3. Opportunismus Im Folgenden wird der Wertersatzanspruch vor dem Hintergrund des Opportunismus untersucht. a) Die wertmindernde Nutzung über die Prüfung hinaus als „Klassiker des Opportunismus“ Der Richtliniengeber selbst setzt sich mit Opportunismus bezüglich des Widerrufsrechts auseinander: „Manche Verbraucher üben ihr Widerrufsrecht aus, nachdem sie die Waren in einem größeren Maß genutzt haben, als zur Feststellung ihrer Beschaffenheit, ihrer Eigenschaften und ihrer Funktionsweise nötig gewesen wäre. In diesem Fall sollte der Verbraucher das Widerrufsrecht nicht verlieren, sollte aber für einen etwaigen Wertverlust der Waren haften.“452

Diese Formulierung deutet darauf hin, dass nur die Konsequenzen nach der übermäßigen Nutzung geregelt werden sollen. Gleichwohl kommt den Wertersatzansprüchen durchaus ein präventiver Charakter zu. Der Verbraucher soll 450

RGZ 88, 278 (284); siehe auch BGHZ 134, 152 (156). Siehe zur speziellen Frage des Zufallsrisikos noch später Teil 3, IV 4, S. 202 ff. 452 Erwägungsgrund 47 zur Verbraucherrechte-RL. 451

IV. Wertersatz für einen Wertverlust der Ware

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innerhalb der Widerrufsfrist mit der Ware sorgsam umgehen, wozu er mit dem Inaussichtstellen ansonsten entstehender Wertersatzansprüche angehalten wird.453 Der Richtliniengeber bezieht sich in seiner Äußerung eher auf das nach Vertragsschluss auftretende ex post-opportunistische Verhalten.454 Jedoch kann man durch Wertersatzansprüche gleichwohl auch dem ex ante-Opportunismus entgegenwirken. So ist es beispielsweise nicht ausgeschlossen, dass die Ware durch übermäßige Nutzung nach der Prüfung einen weiteren Wertverlust erleidet und für einen potentiell opportunistisch handelnden Verbraucher eine faktische Leihe (retail borrowing) ungünstiger wird. „Leiht“ ein Verbraucher einen Großbildfernseher für ein Sportgroßereignis und nutzt das Fernsehgerät in der Widerrufsfrist häufig, geht dies über die Prüfung der Ware hinaus.455 Der Verbraucher kann nicht vorab ausschließen, dass ein Wertverlust – für den er haftet – entstehen wird. b) Geringe abschreckende Wirkung für opportunistisch handelnde Verbraucher Allerdings stellt sich durchaus die Frage, ob durch die Regelung tatsächlich Verbraucher von opportunistischem Verhalten abgehalten werden. Eine Abschreckungswirkung besteht nur dann, wenn der Verbraucher die praktische Realisierbarkeit des Wertersatzanspruchs erkennt.456 In der Praxis sprechen aber mehrere Gründe dafür, dass Wertersatzansprüche nicht hinreichend verfolgt werden, und zwar gerade in den klassischen Fällen von Opportunismus, also bei geringen Wertverlusten der Ware. aa) Schwierigkeit einer Abgrenzung der Funktionsprüfung von darüber hinausgehender Nutzung und Beweisprobleme Der Unternehmer muss beweisen, dass der Verbraucher die Ware in einem größeren Maße genutzt hat, als zur Feststellung ihrer Beschaffenheit, ihrer Eigenschaften und ihrer Funktionsweise nötig gewesen wäre. Darüber hinaus ist er beweispflichtig für den Nachweis, dass ein Wertverlust der Ware vorliegt und

453

Vgl. Franck, Europäisches Absatzrecht, 2006, S. 304. Vgl. Hoeppner, 38 Eur. J. Law Econ. 247, 256 (2014), der die Wertersatzansprüche auch in Verbindung mit dem ex post-Opportunismus bringt. Siehe auch Asdecker/Weigel, Der Betriebswirt 2013, 20 (20 f.). 455 Buchmann/Föhlisch, K&R 2011, 433 (437). Siehe zu einer – für ein Testen – zu langen Benutzungsdauer eines Flachbildmonitors OGH VuR 2006, 242 (244). 456 Vgl. allgemein zum Zusammenhang von Opportunismus und Entdeckungsrisiko Fisk et al., [2010] 24 J.S.M. 417, 419 f.; vgl. auch Joshi/Arnold, 14 Psychol. Market. 823, 824 (1997). 454

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Teil 3: Das Rückgewährschuldverhältnis nach Widerruf

dieser nicht durch die Prüfung der Ware entstanden ist.457 Dies sind umfangreiche Anforderungen, die der Unternehmer erfüllen muss.458 Die schon aufgezeigten Schwierigkeiten bei der Abgrenzung von Funktionsprüfung und darüber hinausgehender Nutzung wirken sich dabei zusätzlich negativ aus, weil der Unternehmer oftmals keine klare Grenze aufzeigen oder nachweisen kann. Somit wird man in Zweifelsfällen zugunsten des Verbrauchers davon ausgehen müssen, der Wertverlust sei noch durch die Prüfung entstanden.459 Gerade bei elektronischen Geräten werden zudem durch mehrfaches Einschalten keine „Gebrauchsspuren“ entstehen, die dem Unternehmer die Beweisführung erleichtern könnten.460 Der Verbraucher wird demnach weniger von einer übermäßigen Nutzung abgehalten; er wird nur angehalten – insbesondere, wenn die Prüfungshandlung vollendet ist – sorgsam mit der Ware umzugehen, damit kein Wertverlust entsteht. Ein Verbraucher kann daher einen Großbildfernseher ohne negative Konsequenzen nutzen, solange er sorgfältig damit umgeht. Faktische Leihe (retail borrowing) kann demnach durch Wertersatzansprüche in vielen Fällen nicht verhindert oder sanktioniert werden.461 bb) Geringer Wertverlust durch über eine Überprüfung hinausgehenden Gebrauch Selbst wenn der Unternehmer nachweisen kann, dass ein Wertverlust nicht mehr durch die Prüfung entstanden ist, wird der daraus folgende Wertersatzanspruch bei opportunistischen Verhaltensweisen nicht sonderlich hoch sein. Der größte Teil des Wertverlustes tritt typischerweise durch die Prüfungshandlung ein.462 Auch insoweit entsteht für den Verbraucher wenig Anreiz, opportunistisches Verhalten zu unterlassen, weil selbst beim „Entdecken“ der Verhaltensweise durch den Unternehmer die Konsequenzen für den Verbraucher gering sind.

457

Siehe dazu schon oben Teil 3, IV 2 d, S. 190 f. Vgl. schon zum Recht vor Umsetzung der Verbraucherrechte-RL Tillkorn, Der Nutzungsersatz im Kaufrecht, 2013, S. 276 ff. 459 Riesenhuber, EU-Vertragsrecht, 2013, S. 145, nennt zudem das Beispiel, dass der Unternehmer kaum nachweisen kann, ob ein Kleid zerknittert ist, weil der Verbraucher es anprobiert hat oder auf einer Feier getragen hat. 460 Vgl. auch Föhlisch/Buchmann, MMR 2010, 3 (7). 461 Dies aufgrund der Beweisschwierigkeiten implizierend Riesenhuber, EU-Vertragsrecht, 2013, S. 145; a.A. wohl Karampatzos, in: Hopt/Tzouganatos (Hrsg.), Das Europäische Wirtschaftsrecht vor neuen Herausforderungen, 2014, S. 205 (217 f.). 462 Schulze, CESL Commentary, 2012, Art. 45 Rdnr. 16. 458

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Dies zeigt sich an dem häufig genannten Beispiel der Nutzung eines Fotoapparats/einer Videokamera im Urlaub:463 Der Wertverlust an der Ware entsteht durch das Auspacken und Anschalten. Dies ist typischerweise im stationären Handel anhand von Testobjekten möglich, folglich vom Prüfungsrecht umfasst. Auch wird man dem Verbraucher Probeaufnahmen zugestehen, um ihm die Überprüfung der Bildqualität zu ermöglichen.464 Macht der Verbraucher nun im Urlaub nicht nur drei Testbilder, sondern dreihundert Bilder, wird er dafür kaum Wertersatz leisten müssen, weil die Aufbereitung des Apparates zum Wiederverkauf nicht merklich kostspieliger wird und daher kaum ein zusätzlicher Wertverlust eingetreten ist. Der Wertersatzanspruch des Unternehmers wird sehr gering sein.465 Je geringer der Wertersatzanspruch des Unternehmers ist, desto geringer dürfte die Abschreckungswirkung für den Verbraucher sein. Zudem existieren Waren, die durch eine (weitere) Nutzung keinerlei Wertverlust erleiden. Zu denken ist dabei an Einrichtungs- und Dekorationsgegenstände (z.B. Vasen).466 Auch solche Gegenstände können allerdings Gegenstand von ex ante-Opportunismus, wie faktischer Leihe (retail borrowing), sein. Beispielsweise kann es für (Hochzeits-)Feiern angebracht sein, einen Raum nur für eine gewisse Zeit zu dekorieren. Der Wertersatzanspruch ermöglicht dem Unternehmer hierbei keine Handhabe.467 Der Verbraucher wird folglich nicht von solchem opportunistischen Verhalten abgeschreckt. cc) Etwaige Reputationsverluste Teilweise wird angemerkt, Wertersatzansprüche seien wenig wirksam, da der Unternehmer aus Sorge vor Reputationsverlusten auf deren Geltendmachung verzichten würde.468 Dies ändert allerdings nichts daran, dass dem Unternehmer diese Wertersatzansprüche zustehen müssen. Geltend gemachte Wertersatzansprüche schädigen die Reputation nicht mehr oder weniger als andere Ansprüche, die der Unternehmer gegen den Verbraucher durchsetzt.

463 Siehe nur Kaestner/Tews, WRP 2005, 1335 (1346 f.); Rekaiti/van den Bergh, 23 J. Consum. Policy 371, 382 (2000); Zöchling-Jud, AcP 212 (2012), 550 (567). 464 Kaestner/Tews, WRP 2005, 1335 (1346). 465 Kaestner/Tews, WRP 2005, 1335 (1346 f.). Schulze, CESL Commentary, 2012, Art. 45 Rdnr. 16, geht davon aus, bei Nutzung über die Prüfung hinaus trete typischerweise ein Wertverlust ein. Rekaiti/van den Bergh, 23 J. Consum. Policy 371, 382 (2000), sprechen sich für solche Fälle trotzdem gegen einen reinen Nutzungsersatz aus. 466 Härting, in: ders. (Hrsg.), Internetrecht, 5. Aufl. 2014, E. Fernabsatzrecht, Rdnr. 1104. 467 Vgl. zu diesen Verhaltensweisen und Nutzungsersatzansprüchen Teil 3, V 2 b, S. 216 ff. 468 Asdecker/Weigel, eStrategy Magazin #13 (2013), 27 (27 f.).

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dd) Fazit Der Unternehmer muss einige Hürden überwinden, um einen Anspruch gegen opportunistisch handelnde Verbraucher geltend machen zu können. Dieser Anspruch wird in vielen Fällen gering sein, sodass der Unternehmer davon absehen könnte, Zeit und Geld aufzuwenden, weil die Kosten sich selbst bei Erfolg der Bemühungen nicht amortisieren.469 Dies kann dazu führen, dass ein Verbraucher sich gerade nicht von opportunistischen Verhaltensweisen (ex ante) abschrecken lässt. Die geltende Regelung des Wertersatzanspruchs ist somit nicht geeignet, den bekanntesten Fall der Ausnutzung des Widerrufsrechts – die faktische Leihe – umfassend einzuschränken. Auch andere opportunistische Verhaltensweisen, die (nur) an der Nutzung ansetzen, wie beispielsweise der Umkleidekabinenkauf,470 können gerade nicht verhindert werden. Eine Regelung, die nicht nur an die Nutzungshandlung anknüpft, sondern einen Wertverlust verlangt, kann opportunistische Verhaltensweisen, die nur an der Nutzung ansetzen, nicht beeinflussen. c) Zusätzliche Information über Möglichkeiten, Wertersatzpflichten zu vermeiden Hall, Howells und Watson äußern sich zur Abschreckungswirkung der aktuellen Ausgestaltung des Wertersatzanspruches vor dem gerade dargestellten Hintergrund nicht uneingeschränkt positiv, sehen jedoch Möglichkeiten einer Verbesserung: „The consumer’s obligation is therefore likely to be seen more as a warning – which would be even more effective if the trader was required to make a statement informing him how to avoid the risk of incurring it.“471

Sie gehen folglich davon aus, der Verbraucher würde von opportunistischem Verhalten absehen, wenn er darüber informiert würde, wie er Wertersatzansprüche vermeiden kann. Insoweit wird eine Regelung befürwortet, die durch die Schuldrechtsreform in Deutschland geltendes Recht war: Gemäß § 357 Abs. 3 Satz 1 BGB (i.F.v. 2002) musste der Verbraucher für bestimmte Wertverluste nur dann Ersatz leisten, „wenn er spätestens bei Vertragsschluss in Textform auf diese Rechtsfolge und eine Möglichkeit hingewiesen worden ist,

469 Vgl. insbesondere mit Bezug zu den Beweisschwierigkeiten Hall/Howells/Watson, ERCL 2012, 139 (161). 470 Siehe oben Teil 3, II 3 b, S. 136 ff. 471 Hall/Howells/Watson, ERCL 2012, 139 (161).

IV. Wertersatz für einen Wertverlust der Ware

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sie zu vermeiden.“472 Das Erfordernis einer Information über Vermeidungsmöglichkeiten wurde allerdings im Jahr 2011 gestrichen, weil es „in der Praxis schwer handhabbar“473 war. Dieses Problem zeigt sich auch im aktuell geltenden Regelungszusammenhang: Um den Verbraucher tatsächlich zu schützen, müsste der Hinweis darüber hinausgehen, dem Verbraucher anzuraten, die Ware nur zu prüfen und nicht darüber hinaus zu nutzen.474 Insofern müsste dem Verbraucher dargelegt werden, welches Verhalten im konkreten Fall angebracht ist, also keine Wertersatzansprüche auslöst. Wie schwierig dies in Einzelfällen sein kann, wurde schon aufgezeigt.475 Vor dem Hintergrund, dass Gesetzgeber und Gerichte keine eindeutigen Maßstäbe definieren und in Einzelfällen voneinander abweichen, stellt sich die Frage, wie einem Unternehmer diese Pflicht zweckmäßig auferlegt werden soll, insbesondere weil an eine unterbliebene Information Rechtsfolgen anzuknüpfen wären (z.B. kein Entstehen von Wertersatzansprüchen). Der Unternehmer würde oftmals vor unüberwindbare Hürden gestellt. Zudem ist unklar, inwieweit überhaupt durch die zusätzliche Information Opportunismus verhindert werden sollte. Es würde sich dabei vielmehr um eine genaue Anleitung handeln, welche Aspekte der trotzdem opportunistisch Handelnde einhalten muss, damit er sein Ziel weiterverfolgen kann. d) Zusammenfassung Es zeigt sich, dass der Unternehmer in der Praxis trotz etwaig bestehender Wertersatzansprüche keine sehr wirksame Handhabe gegen Opportunismus erhält. Sein Vorgehen wird er auf wenige eindeutige Ausnahmefälle beschränken müssen. Allerdings ist dies kein Fehler, der aus der konkreten Ausgestaltung der Wertersatzansprüche folgt. Vielmehr handelt es sich um ein Problem, das dem Regelungskomplex allgemein innewohnt. Einzig eine Beweislastumkehr würde dem Unternehmer eine deutlich bessere Ausgangsposition zuordnen. Eine solche hat der Europäische Gerichtshof aber gerade ausgeschlossen, denn nur so wird die Effektivität des Widerrufsrechts gewährleistet.

472

Siehe dazu auch BT-Drucks. 14/6040, S. 199 f. (vgl. Fn. 353 in Teil 3, S. 177). Diese Funktion erfüllt der Wortlaut von § 357 Abs. 7 Nr. 1 BGB und der Musterwiderrufsbelehrung (Gestaltungshinweis 5 c in Anlage 1 zu Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 2 EGBGB) hinreichend. Eine positive Formulierung des Prüfungsrechts ist deshalb nicht notwendig. 473 BT-Drucks. 17/5097, S. 17 r. Sp. (vgl. Fn. 351 in Teil 3, S. 176). 474 Die Kenntnis diesbezüglich ergibt sich schon aus der Information über die etwaige Wertersatzpflicht. 475 Vgl. oben Teil 3, IV 2 b, S. 179 ff.

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Teil 3: Das Rückgewährschuldverhältnis nach Widerruf

4. Übernahme des Zufallsrisikos durch den Unternehmer im Spannungsverhältnis zwischen Effektivität und Opportunismus Der Unternehmer trägt das Risiko, dass sich die Ware, auch wenn sie in der Obhut des Verbrauchers ist, zufällig verschlechtert oder untergeht.476 Dies ergibt sich aus der Kombination von mangelnder Wertersatzpflicht des Verbrauchers infolge des Umgangs mit der Ware, § 357 Abs. 7 BGB (Umsetzung von Art. 12 Abs. 2 Satz 1 Verbraucherrechte-RL), und dem Ausschluss weitergehender Ansprüche, § 361 Abs. 1 BGB (Umsetzung von Art. 14 Abs. 5 Verbraucherrechte-RL). Insoweit wird im deutschen Recht von der Grundregel des Gefahrübergangs mit Übergabe der Sache an den Käufer, § 446 Satz 1 BGB, abgewichen. a) Das Tragen des Zufallsrisikos durch den Unternehmer im Lichte der Effektivität Die Frage der Interessengerechtigkeit bei der Belastung mit der Zufallsgefahr wurde schon vor der Rechtsänderung durch Umsetzung der Verbraucherrechte-RL diskutiert.477 Dabei wurde insbesondere darauf hingewiesen, dass durch die Tragung der Zufallsgefahr seitens des Verbrauchers ein Problem der Effektivität des Widerrufsrechts entstehen würde.478 Das Problem wurde jedoch unterschiedlich hergeleitet und dargestellt. Die finanzielle Belastung durch eine Wertersatzpflicht wurde teilweise als Hindernis einer möglichen Ausübung des Widerrufsrechts erkannt.479 Auch sollte schon das Ausprobieren

476 Erman/Koch, BGB, 14. Aufl. 2014, § 357 Rdnr. 14; Palandt/Grüneberg, 75. Aufl. 2016, § 357 Rdnr. 9; zur entsprechenden Regelung im GEKR-E M. Weller, in: Schmidt-Kessel (Hrsg.), Ein einheitliches Europäisches Kaufrecht?, 2012, S. 147 (169). Steennot, [2013] 29 C.L.S.R. 105, 112, geht davon aus, dass die Frage der Haftung für Zufall nicht durch die Richtlinie vorgezeichnet ist. Ders., in: Claeys/Feltkamp (Hrsg.), The Draft Common European Sales Law, 2013, S. 115 (137), meint, dass die Vorschriften keine hinreichende Klärung der Frage für die vergleichbare Regelung im GEKR-E ermöglichten. Zur Verbraucherrechte-RL Unger, ZEuP 2012, 270 (293); unentschlossen Rott, in: Terryn et al. (Hrsg.), Landmark cases of EU consumer law, 2013, S. 523 (536). 477 Für eine Zufallsgefahrtragung durch den Verbraucher Grigoleit, NJW 2002, 1151 (1154); Kohler, JZ 2001, 325 (336); dagegen Schinkels, in: Gebauer/Wiedmann (Hrsg.), Zivilrecht unter europäischem Einfluss, 2. Aufl. 2010, Kap. 8, Rdnr. 81. Grundlegend M. Weller, in: Schmidt-Kessel (Hrsg.), Ein einheitliches Europäisches Kaufrecht?, 2012, S. 147 (169), und Zimmermann, in: Eidenmüller et al. (Hrsg.), Revision des Verbraucher-acquis, 2011, S. 167 (181). Vgl. zur Diskussion instruktiv HKK/Thier, Bd. II.2, 2007, §§ 346–359 Rdnr. 51. 478 Hager, in: Ernst/Zimmermann (Hrsg.), Zivilrechtswissenschaft und Schuldrechtsreform, 2001, S. 445 f.; Özfirat-Skubinn, NJOZ 2010, 2006 (2016); a.A. Seiler, Verbraucherschutz auf elektronischen Märkten, 2006, S. 380. 479 Schinkels, ZGS 2005, 179 (183); nunmehr auch Apathy, ÖJZ 2014, 719 (722).

IV. Wertersatz für einen Wertverlust der Ware

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der Ware beschränkt werden.480 Teilweise wurde davon ausgegangen, der Verbraucher werde sowohl von der Überprüfung der Ware als auch dem etwaigen Widerruf bei Missfallen der Ware abgeschreckt.481 Tatsächlich kann gerade bei zufälligem Untergang (und auch bei Verschlechterung) ein Ersatzanspruch entstehen, der durch die Höhe Rückwirkungen auf die Widerrufsentscheidung zeitigt. Auch bei einer sorgfaltsgemäßen Prüfung besteht die Möglichkeit, dass die Ware „zufällig“ untergeht. Zudem kann die Sache eher „zufällig“ untergehen, wenn ein Verbraucher die Ware nutzt bzw. prüft, als wenn sie beispielsweise eingepackt im Schrank liegt. Darüber hinaus sind weitere Überlegungen zur fehlenden Effektivität angebracht. Der Verbraucher kann nämlich die Wahrscheinlichkeit eines ersatzpflichtigen Schadenseintritts an der Ware durch Zufall in der Zeit seiner Obhut verringern, indem er diese Zeitspanne möglichst gering gestaltet. Dies kann er durch einen möglichst zügigen Widerruf erreichen.482 Dadurch würde der Sinn der vierzehntägigen Widerrufsfrist unterlaufen, weil der Verbraucher künstlich die Zeit verkürzt, in der er seine Kaufentscheidung reflektieren und die Ware prüfen kann.483 Um dies zu verhindern und dadurch die Effektivität zu gewährleisten, ist es erforderlich, dem Unternehmer die Zufallsgefahr aufzuerlegen.484 Hinzu kommt, dass der Verbraucher gerade bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen überrumpelt worden sein kann und damit auch mit dem Zufallsrisiko überrascht werden könnte. Der Verbraucher ist hier folglich hinsichtlich dieses Risikos besonders schutzwürdig.485 b) Entstehen von Möglichkeiten opportunistischen Verhaltens Es stellt sich allerdings die Frage, ob dem Verbraucher mit dieser Regelung nicht Möglichkeiten opportunistischen Verhaltens eingeräumt werden. aa) Behaupteter Diebstahl Der Verbraucher könnte wahrheitswidrig behaupten, ihm sei die Ware gestohlen worden. Dafür könnte er verschiedene Gründe haben: Einerseits könnte er

480

Mörsdorf, JZ 2010, 232 (240). Özfirat-Skubinn, NJOZ 2010, 2006 (2016). 482 Insofern besteht die Besonderheit, dass der Verbraucher zu einer schnellen Entscheidung zugunsten eines Widerrufs angeregt wird und nicht umgekehrt davon abgehalten wird. 483 Zimmermann, in: Eidenmüller et al. (Hrsg.), Revision des Verbraucher-acquis, 2011, S. 167 (181 f.), geht hingegen davon aus, die Schutzzwecke der Widerrufsrechte (bei Fernabsatzverträgen) sprächen nicht gegen eine Risikotragung des Verbrauchers. Den Zeitaspekt bei der Widerrufsentscheidung hervorhebend Luzak, 37 J. Consum. Policy 91, 96 (2014). 484 A.A. Seiler, Verbraucherschutz auf elektronischen Märkten, 2006, S. 380. 485 Siehe M. Weller, in: Schmidt-Kessel (Hrsg.), GEK-E Kommentar, 2014, Art. 45 Rdnr. 7. 481

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Teil 3: Das Rückgewährschuldverhältnis nach Widerruf

verhindern wollen, dass er eine Ware zurückschicken und aufgrund übermäßiger Nutzung Wertersatz zahlen muss. Andererseits könnte er generell ein Interesse daran haben, die Ware zu behalten, aber den Kaufpreis erstattet zu bekommen. Der Vorteil der Behauptung, die Ware sei gestohlen worden, liegt zunächst darin, keinen Wertersatz leisten zu müssen. Fraglich ist dabei schon, ob es sich bei Verlust der Ware überhaupt um einen Wertverlust i.S.d. § 357 Abs. 7 BGB handelt. Zwar geht die Bundesregierung davon aus, der vollständige Wertverlust sei auch umfasst,486 allerdings verliert die Ware an sich nicht an Wert. Insoweit müsste zunächst die Frage beantwortet werden, ob die dargestellten Situationen gleichzustellen sind. Im Rahmen der Wertersatzregelungen bei Rücktritt kann der Diebstahl der Ware nicht unter die Tatbestandsmerkmale des § 346 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BGB, Verschlechterung oder Untergang des Gegenstandes, subsumiert werden. Gleichwohl wird der Diebstahl einem vollständigen Wertverlust bzw. einem Untergang der Ware durch entsprechende Anwendung der genannten Vorschrift gleichgestellt.487 Wenn ein Diebstahl nicht mehr unter den Untergang der Ware i.S.d. § 346 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BGB subsumiert werden kann, dürfte es folglich auch schwerfallen, den Diebstahl unter den Wertverlust i.S.d. § 357 Abs. 7 BGB zu subsumieren. Gegen eine entsprechende Anwendung von § 357 Abs. 7 BGB spricht bei den Widerrufsregelungen § 361 Abs. 1 BGB (Umsetzung von Art. 14 Abs. 5 Verbraucherrechte-RL). Eine Wertersatzpflicht des Verbrauchers beim Widerruf scheitert zumindest daran, dass die Störung im Rückgewährschuldverhältnis nicht „auf einen Umgang mit den Waren zurückzuführen ist“ (§ 357 Abs. 7 Nr. 1 BGB). Der Unternehmer hat gegen den Verbraucher folglich keinen Wertersatzanspruch. Allerdings ist der Widerruf, der ausgeübt wird, um unter Zuhilfenahme einer Lüge den Kaufpreis zurückzuerlangen, rechtsmissbräuchlich (§ 242 BGB) und strafbar (vollendeter oder versuchter Betrug; § 263 Abs. 1 StGB bzw. § 263 Abs. 1, 2 i.V.m. § 23 Abs. 1 StGB). Aufgrund der Rechtsmissbräuchlichkeit dürfte es schon nicht zu einer Rückabwicklung kommen. Jedoch wird der Unternehmer die Lüge des Verbrauchers schwerlich beweisen können. Deshalb könnte es in der Praxis folglich trotzdem zu einer Rückabwicklung kommen. Darüber hinaus könnte dem Verbraucher ein Sorgfaltspflichtverstoß i.S.d. § 241 Abs. 2 BGB vorgeworfen werden, durch den der Diebstahl erst ermöglicht wurde. Allerdings trifft den Unternehmer hierbei die Beweislast, sodass der Verbraucher seine Lüge zunächst nur gut durchdenken muss, um den Vorwurf eines Sorgfaltspflichtverstoßes entkräften zu können. Unklar ist zudem, ob ein Verbraucher durch die Strafbarkeit des Verhaltens hinreichend von der Lüge abgeschreckt werden kann. 486 BT-Drucks. 17/12637, S. 63 r. Sp. (vgl. Fn. 139 in Teil 1, S. 40); siehe auch schon oben Teil 3, IV 2 g, S. 193 ff. 487 Siehe nur Gaier, MünchKomm. BGB, 7. Aufl. 2016, § 346 Rdnr. 43.

IV. Wertersatz für einen Wertverlust der Ware

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Gleichwohl dürfte das Problem fälschlich behaupteter Diebstähle in der Praxis kaum auftreten. Im Gegensatz zur durch Zufall entstehenden Verschlechterung der Ware kann der Verbraucher (zumindest seiner Aussage nach) die Ware in dem hier geschilderten Fall nicht herausgeben. Der Verbraucher ist allerdings gemäß § 357 Abs. 1 BGB zur Herausgabe der Sache grundsätzlich verpflichtet. Eine Ausnahme ist in § 275 Abs. 1 BGB zu sehen, die den Verbraucher von seiner Herausgabepflicht befreit, wenn ihm die Herausgabe unmöglich ist. Diese Unmöglichkeit muss der Schuldner des Anspruchs (hier: der Verbraucher) wiederum beweisen.488 Dies dürfte dem – lügenden – Verbraucher einige Schwierigkeiten bereiten. Zudem hat der Unternehmer de lege lata ein Zurückbehaltungsrecht bis zur Rückgabe der Ware.489 Dies dürfte in der Praxis dazu führen, dass der Unternehmer den Kaufpreis nicht erstattet, bis der Verbraucher den Diebstahl der Ware glaubhaft gemacht hat. Für den Verbraucher ist die erste Lüge (hinsichtlich des Diebstahls) folglich nur gewinnbringend, wenn er weitere immaterielle Kosten (z.B. Strafanzeige stellen, um einen Diebstahl zu simulieren) aufwendet. Zudem muss der Verbraucher auch weitere Konsequenzen einer zweiten Lüge einkalkulieren. Stellt er beispielsweise eine Strafanzeige, obwohl ihm die Ware nicht gestohlen wurde, kann er sich nach § 145d StGB wegen des Vortäuschens einer Straftat strafbar machen. Wenn er in einem Gerichtsverfahren lügt, kann er sich wegen eines Aussagedelikts (§ 153 ff. StGB) strafbar machen. Die zivilrechtlichen Regelungen beschränken demnach die Opportunismusgefahr bezüglich des vorgetäuschten zufälligen Verlusts der Ware sinnvoll. Darüber hinaus werden auch über das Strafrecht für den Verbraucher Anreize gesetzt, den Verlust der Ware nicht zu erfinden. Weitere Schutzmechanismen dürften nicht erforderlich sein. bb) Durch zufälligen Untergang ausgelöster Widerruf Eine weitere Möglichkeit opportunistischen Verhaltens könnte darin zu sehen sein, dass der Verbraucher den Kaufvertrag zunächst nicht widerrufen wollte, dann allerdings die Ware zufällig untergeht oder beschädigt wird und er deshalb doch widerruft. „[Es] ist freilich auch hier darauf hinzuweisen, dass die Rechtsordnung nicht opportunistisches Verhalten eines Käufers prämiieren sollte, der den Kaufvertrag nur deshalb widerruft, weil der bei ihm befindliche Kaufgegenstand untergegangen ist. Der Verkäufer würde sonst faktisch zum Sachversicherer des Käufers. Gegenüber diesem Argument lassen sich auch für Fernabsatzgeschäfte nicht die Schutzzwecke mobilisieren, die das durch die Fernabsatz-RL eingeräumte Widerrufsrecht tragen [m.N.].“490

488

Ernst, MünchKomm. BGB, 7. Aufl. 2016, § 275 Rdnr. 165. Siehe dazu schon ausführlich Teil 3, III, S. 162 ff. 490 Zimmermann, JBl. 2010, 205 (212). 489

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Teil 3: Das Rückgewährschuldverhältnis nach Widerruf

Verhindern lässt sich ein solches Verhalten des Verbrauchers kaum, wenn er das Zufallsrisiko nicht trägt. Vielmehr ist ein solches Verhalten unter ökonomischen Gesichtspunkten gut nachvollziehbar. Fraglich bleibt allerdings, ob die Zwecke des Widerrufsrechts tatsächlich nicht gegen die dargestellten Bedenken vorgebracht werden können.491 Der Verbraucher soll (mindestens) vierzehn Tage über seinen Kaufentschluss nachdenken können. In dieser Zeit darf er auch Meinungsschwankungen unterliegen. Ist er sich beispielsweise nach zehn Tagen sicher, die Ware behalten zu wollen, darf er trotzdem nach zwölf Tagen widerrufen, wenn sich seine Meinung geändert hat. Folglich ist niemals ausgeschlossen, dass der Verbraucher in der Zeit nach Verwirklichung des Zufallsrisikos seine Meinung noch geändert hätte. Freilich darf daneben der Vergleich zum stationären Handel nicht überstrapaziert werden. Zwar trägt der Unternehmer im stationären Handel gleichermaßen das Risiko, dass die Ware zufällig untergeht oder sich verschlechtert, auch wenn der Verbraucher die Ware gerade untersucht.492 Aber der Verbraucher wird nicht vierzehn Tage im Laden des Unternehmers verbringen. Zudem wird der Vergleich zum stationären Handel auch nur auf den Umfang des Prüfungsrechts und nicht auf die gesamte Prüfungssituation bezogen.493 Demnach besteht das Risiko, der Verbraucher werde bei einem zufälligen Untergang oder zufälliger Beschädigung nur widerrufen, weil sich die Ware verschlechtert hat oder untergegangen ist. Allerdings wird man niemals wissen können, ob der Verbraucher innerhalb der Widerrufsfrist nicht aus anderen Gründen widerrufen hätte, wodurch der opportunistische Gehalt des Vorgehens schlichtweg unklar wird. Zudem dürfte der zufällige Untergang oder die zufällige Verschlechterung in der Praxis eher selten auftreten, sodass der Unternehmer dieses Risiko auf die Verbrauchergemeinschaft umlegen kann, ohne dass diese davon übermäßig negativ beeinflusst wird.494 c) Zusammenfassung Bei dem Zufallsrisiko ist zu unterscheiden zwischen dem Risiko einer zufälligen Verschlechterung der Ware und dem Risiko eines zufälligen Verlusts der Ware. Nach hier vertretener Sichtweise sollten dem Verbraucher beide Risiken nicht aufgebürdet werden. Anders argumentieren ließe sich vor dem Hintergrund einer Opportunismusgefahr allenfalls für das Risiko des zufälligen Verlusts der Ware. Jedoch wird die Opportunismusgefahr hier nicht als sonderlich hoch eingeschätzt, weil der Verbraucher genügend rechtliche Anreize hat, von 491 Siehe allgemein zu den Vorzügen hinsichtlich der Effektivität des Widerrufsrechts, indem dem Unternehmer das Zufallsrisiko aufgebürdet wird, Teil 3, IV 4 a, S. 202 f. 492 M. Weller, in: Schmidt-Kessel (Hrsg.), GEK-E Kommentar, 2014, Art. 45 Rdnr. 7. 493 Vgl. dazu oben Teil 3, IV 2 b bb, S. 181; a.A. wohl M. Weller, in: Schmidt-Kessel (Hrsg.), GEK-E Kommentar, 2014, Art. 45 Rdnr. 7. 494 Vgl. zum Umlegen der Kosten Apathy, ÖJZ 2014, 719 (722).

V. Nutzungsherausgabe und -ersatz

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den dargestellten Verhaltensweisen abzusehen. Insoweit kann die Verteilung des Zufallsrisikos überzeugen. 5. Ergebnis Die aufgrund der Verbraucherrechte-RL eingeführten Vorschriften über den Wertersatz gewährleisten die Effektivität und beschränken die Möglichkeiten für Opportunismus. Zwar werden viele opportunistische Verhaltensweisen durch etwaige Wertersatzverpflichtungen nicht verhindert; dies liegt aber darin begründet, dass diese Verhaltensweisen nicht am Wertverlust der Ware anknüpfen. Insoweit können die Vorschriften zum Wertersatz überzeugen, und es wird ein nachvollziehbarer Ausgleich der Interessen geschaffen.

V. Nutzungsherausgabe und -ersatz V. Nutzungsherausgabe und -ersatz

Im Folgenden wird der Regelungskomplex der Herausgabe und des Ersatzes von Nutzungen (siehe § 100 BGB) behandelt. Die Nutzung einer Sache gebührt grundsätzlich dem Eigentümer (vgl. § 903 Satz 1 BGB). Wenn ein Besitzer, der nicht zum Besitz berechtigt ist, die Sache herausgeben muss (§ 985 BGB), können deshalb vom Eigentümer unter bestimmten Voraussetzungen auch Nutzungsersatz- und Nutzungsherausgabeansprüche geltend gemacht werden (§§ 987 f. BGB). Solche Ansprüche finden sich im deutschen Zivilrecht zudem an vielen weiteren Stellen. Nutzungsersatz- und Nutzungsherausgabeansprüche sind insbesondere statuiert bei der Rückabwicklung von Verträgen (z.B. § 346 Abs. 1 BGB a.E., § 347 Abs. 1 BGB, siehe auch § 818 Abs. 1 BGB) und im Zusammenhang mit (auf andere Werte/Sachen gerichteten) Herausgabeansprüchen (z.B. § 2020 BGB, § 2184 BGB oder auch § 439 Abs. 4 i.V.m. §§ 346 f. BGB495), wenn die Wertung zugrunde liegt, dass die Nutzung einer anderen Person zugestanden hätte. Vor der Messner-Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs496 mussten sowohl Verbraucher als auch Unternehmer im deutschen Recht nach Widerruf Nutzungen herausgeben bzw. ersetzen: § 357 Abs. 1 Satz 1 BGB (i.F.v. 2002) verwies auf die Regelungen über den gesetzlichen Rücktritt. Dadurch mussten gezogene (§ 346 Abs. 1 BGB a.E.) und unter Umständen auch nicht gezogene Nutzungen (§ 347 Abs. 1 BGB) herausgegeben werden. Während sich die Verpflichtung des Unternehmers nicht änderte, wurden die Pflichten des Verbrauchers durch die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs und die daran anknüpfenden Gesetzesänderungen deutlich eingeschränkt.497 495 Beachte hierzu die Einschränkungen in § 474 Abs. 5 Satz 1 BGB für Verbrauchsgüterkäufe. 496 Siehe dazu schon oben Teil 1, II 2 b aa, S. 24 ff. 497 Ausführlich dazu schon oben Teil 1, II 2 b aa (3), S. 27 f.

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Teil 3: Das Rückgewährschuldverhältnis nach Widerruf

Nach einer zusammenfassenden Darstellung der geltenden Rechtslage (1) werden die Nutzungen, die der Verbraucher zieht (2),498 und die Nutzungen des Unternehmers (3) im Spannungsverhältnis von Opportunismus und Effektivität des Widerrufsrechts untersucht. Nutzungen des Unternehmers sind dabei Zinsen, die er aus den vom Verbraucher geleisteten Zahlungen erlangt oder erlangen kann. 1. Grundzüge und mögliche Hintergründe der Rechtslage Nachfolgend wird die geltende Rechtslage dargestellt. Zudem werden mögliche Hintergründe der neuen (Nicht-)Regelung erörtert. a) Verzicht von Richtliniengeber und nationalem Gesetzgeber auf Nutzungsersatzansprüche und Nutzungsherausgabeansprüche In § 357 BGB wird auf eine ausdrückliche Regelung zum Nutzungsersatz verzichtet.499 Zudem wird auch nicht mehr auf die §§ 346 ff. BGB verwiesen, sodass in den deutschen Regelungen zum Widerruf keine Ansprüche hinsichtlich der Nutzung vorgesehen sind. Wie schon in der Fernabsatz- und der Haustürwiderrufs-RL äußert sich auch die Verbraucherrechte-RL nicht explizit dazu, ob es Nutzungsersatzansprüche geben soll oder nicht. Dass kein Ersatz von Nutzungen des Verbrauchers möglich sein soll, ergibt sich auf europäischer Ebene allerdings aus Art. 14 Abs. 5 VerbraucherrechteRL, der weitergehende – nicht explizit normierte – Ansprüche gegen den Verbraucher ausschließt (umgesetzt in § 361 Abs. 1 BGB).500 Bezüglich des Entwurfs zur Richtlinie und dessen Art. 17 wurde vertreten, es sei noch möglich, bei der Umsetzung durch die Mitgliedstaaten Nutzungsersatzansprüche zu normieren, was sich auch aus Erwägungsgrund 31 zum Entwurf ergebe.501 Das 498 Es geht hier nur um Konstellationen, die unabhängig von einem Wertverlust der Ware sind. Die Begrifflichkeiten bei der Unterscheidung von Nutzungsersatz und Wertersatz sind unterschiedlich: In den Schlussanträgen der Generalanwältin Trstenjak zur Rs. C-489/07 (Messner), Slg. 2009, I-7317, Rdnr. 52, wird beispielsweise unterschieden zwischen Nutzungswertersatz und Abnutzungswertersatz. 499 In Art. 45 Abs. 4 GEKR-E ist die Entscheidung zum Auschluss des Nutzungsersatzes (gegen den Verbraucher) noch deutlicher; dazu auch Schulze/Morgan, in: Dannemann/Vogenauer (Hrsg.), The Common European Sales Law in Context, 2013, S. 294 (332). 500 M. Weller, in: Schmidt-Kessel (Hrsg.), Ein einheitliches Europäisches Kaufrecht?, 2012, S. 147 (170 f.); vgl. auch Schulze, CESL Commentary, 2012, Art. 45 Rdnr. 15; zweifelnd Hörmann, Der Internethandel und die neue Richtlinie über die Rechte der Verbraucher, 2014, S. 233 ff. 501 Hericks, Die Rechtsfolgen des Verbraucherwiderrufs im deutschen und europäischen Recht, 2014, S. 240; nicht eindeutig ist die Positionierung bei Hörmann, Der Internethandel und die neue Richtlinie über die Rechte der Verbraucher, 2014, S. 233 ff. Teils wurde beklagt, der Entwurf zur Verbraucherrechte-RL sei unklar bezüglich etwaiger Nutzungsansprüche, siehe Position 14 des Position Papers Vienna Conference on the Proposal for a Directive

V. Nutzungsherausgabe und -ersatz

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Verbot von zusätzlichen Ansprüchen gegen den Verbraucher wurde allerdings explizit in folgenden Richtlinienentwürfen und der Richtlinie aufgenommen.502 Entgegen der alten Rechtslage503 kann der Verbraucher nun – ohne negative rechtliche Folgen erwarten zu müssen – die Ware über die Prüfungshandlung hinaus benutzen, solange kein Wertverlust an der Ware eintritt. Da der entscheidende Wertverlust meist schon durch die Prüfung eintritt, können dem Verbraucher somit beachtliche Vorteile entstehen.504 Die neuen Regelungen zum Widerrufsrecht sehen auch keine Ansprüche gegen den Unternehmer auf Herausgabe von Zinsen vor. Der Unternehmer muss (nur) „alle Zahlungen, die er vom Verbraucher erhalten hat,“ (Art. 13 Abs. 1 Unterabs. 1 Verbraucherrechte-RL) bzw. die „empfangenen Leistungen“ (§ 357 Abs. 1 BGB) zurückgewähren. Aus dem Wortlaut der Vorschriften ergibt sich folglich nicht, dass der Unternehmer auch Zinsen erstatten muss. Allerdings existiert keine dem Art. 14 Abs. 5 Verbraucherrechte-RL entsprechende Vorschrift für weitere Ansprüche gegen den Unternehmer. Dies spricht dafür, dass nationale Vorschriften, die dem Verbraucher einen Anspruch auf Nutzungsersatz gegen den Unternehmer gewähren, richtlinienkonform sind.505 Im geltenden deutschen Recht kann eine zusätzliche Pflicht des Unternehmers auch nicht außerhalb von § 357 BGB begründet werden, sodass es hier nicht relevant ist, ob die Vollharmonisierung etwaigen Ansprüchen gegen den Unternehmer entgegensteht.506 Denkbar wäre zwar, über das Kondiktionsrecht und mit der Rechtsfolge des § 818 Abs. 1 BGB eine Herausgabeverpflichtung hinsichtlich der Nutzungen zu begründen. Jedoch besteht schon kein Anspruch: Der rechtliche Grund i.S.d. § 812 BGB besteht zunächst (§ 812 Abs. 1 of the European Parliament and of the Council on Consumer Rights, COM(2008) 614 final bei Jud/Wendehorst, in: Jud/Wendehorst (Hrsg.), Neuordnung des Verbraucherprivatrechts in Europa?, 2009, S. 189 (193). Rott, ERPL 2010, 185 (194), sieht den Entwurf kritisch, gerade weil Wertersatz für die bloße Nutzung möglich sei und insoweit Effektivitätsprobleme im Widerspruch zur EuGH-Rechtsprechung entstehen könnten. 502 Eingeführt wurde der Gedanke durch Art. 2a der Abänderungen des Europäischen Parlaments vom 24.03.2011 zu dem Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Rechte der Verbraucher (vgl. Fn. 99 in Teil 3, S. 110), S. 55 ff. 503 Siehe zur Rechtslage vor Einführung von § 312e BGB (i.F.v. 2011) Föhlisch/Buchmann, MMR 2010, 3 (3 ff.), und zur Rechtslage danach Wendehorst, NJW 2011, 2551 (2552 ff.). 504 Zum parallelen Regelungskomplex im GEKR-E M. Weller, in: Schmidt-Kessel (Hrsg.), Ein einheitliches Europäisches Kaufrecht?, 2012, S. 147 (170); vgl. Leier, VuR 2013, 457 (459). 505 Siehe auch Kolba/Leupold, Das neue Verbraucherrecht, 2014, S. 118. Die Beschränkung der Verbraucherpflichten wurde erst im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens eingeführt (vgl. Fn. 502 in Teil 3, S. 209). Wäre eine Beschränkung der Unternehmerpflichten bezweckt worden, hätte es nahe gelegen, diese in dieser Abänderung aufzunehmen. 506 Siehe allerdings zum österreichischen Recht nach Umsetzung der Verbraucherrechte-RL Kolba/Leupold, Das neue Verbraucherrecht, 2014, S. 118 f.

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Teil 3: Das Rückgewährschuldverhältnis nach Widerruf

Satz 1 BGB) und fällt auch nicht später weg (§ 812 Abs. 1 Satz 2 Var. 1 BGB), weil das Schuldverhältnis (scil. der Kaufvertrag) in ein gesetzliches Rückgewährschuldverhältnis umgewandelt wird. Somit liegen die anspruchsbegründenden Voraussetzungen nicht vor. b) Schwierigkeit der Feststellung von Nutzungen und Verfolgung von Ansprüchen auf Nutzungsherausgabe Bei der Argumentation gegen Nutzungsersatzansprüche des Unternehmers wird auf die Schwierigkeit, den Wert von tatsächlich gezogenen Nutzungen zu bestimmen, abgestellt. Schon der Nachweis, dass eine Nutzung stattgefunden habe, falle oftmals schwer.507 Diesen eher anwendungsorientierten Argumenten kann allerdings mit einem Argument, das an der Praxis anknüpft, entgegengetreten werden: Es existieren Möglichkeiten und es werden weiterhin Möglichkeiten entwickelt, mit denen in wichtigen Bereichen508 des Handels festgestellt werden kann, wie lange eine Sache in Benutzung war:509 Weithin bekannt ist eine solche Technik für das Auto (Kilometerzähler). Gängig ist auch für elektronische Waren jedweder Art ein Betriebsstundenzähler.510 Aber auch für nicht-elektronische oder nicht-mechanische Ware lassen sich Lösungen finden. So arbeitet(e)511 die Fashion Controller GbR an einem Chip, der sich an Kleidung anbringen lässt und anhand der Körperwärme festhält, wie lange die Kleidung tatsächlich getragen wurde.512 Auf Seiten des Unternehmers fallen

507 Vgl. Zimmermann, in: Eidenmüller et al. (Hrsg.), Revision des Verbraucher-acquis, 2011, S. 167 (188); ders., JBl. 2010, 205 (214); Riesenhuber, EU-Vertragsrecht, 2013, S. 147. Lehmann, GPR 2011, 218 (223), zur „feasibility study“ der Expert Group on European Contract Law. Vgl. zur Schwierigkeit, den Wert von Nutzungen zu bestimmen (unabhängig vom Widerrufsrecht), Martens, AcP 210 (2010), 689 (712 ff.). 508 Aufgrund eines hohen Marktanteils an der umgesetzten Ware. 509 Selbst wenn diesen Mechanismen keine Beweisqualität zukommt, können sie im Rahmen einer Schätzung von § 287 ZPO relevant werden. 510 Siehe dazu insbesondere für die Relevanz in Bezug auf einen Nutzungsersatzanspruch am Beispiel eines Flachbildmonitors: OGH VuR 2006, 242 (244); siehe auch Metzger, Die Umsetzung europäischer Richtlinien in Deutschland und Großbritannien am Beispiel der Fernabsatzrichtlinie, 2013, S. 239. 511 Seit Anfang 2014 lässt sich die Homepage des Unternehmens nicht mehr aufrufen. Es ist gut möglich, dass die Erforschung der technischen Möglichkeiten aufgrund der damals noch kommenden Rechtslage bezüglich des Nutzungsersatzes eingestellt wurde. Ein praktischer Nutzen im Onlinehandel besteht für einen solchen Chip in Europa aktuell fast nicht. Einzig der Abschluss zukünftiger Verträge könnte daran ausgerichtet werden, wie lange eine zuvor zurückgesendete Ware tatsächlich getragen wurde. 512 Siehe dazu (Stand: 05.03.2016).

V. Nutzungsherausgabe und -ersatz

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meist513 Kosten an, wenn er eine Gelegenheit schaffen möchte, zu erfahren, wie lange ein Produkt genutzt wurde. Eventuell kann er die Ware selbst mit einem entsprechenden Messgerät ausstatten, ein solches durch den Produzenten anbringen lassen oder nur Ware verkaufen, bei denen das Gerät schon eingebaut ist.514 Auch wenn die Verfolgung der Ansprüche oftmals nicht ökonomisch sein sollte,515 ist nicht nachvollziehbar, warum man dem Unternehmer die Entscheidung über den Nutzen des Vorgehens nimmt. Weil weitere Ansprüche gegen den Verbraucher ermöglicht werden, müsste die Widerrufsbelehrung erweitert werden. Die dadurch entstehenden Kosten sind jedoch als gering und nicht ausschlaggebend anzusehen. Etwaige Ansprüche gegen den Unternehmer unterliegen zudem nicht gleichermaßen diesen Beweisschwierigkeiten. Über die Vereinbarungen mit der Bank des Unternehmers kann abgeleitet werden, welche Zinsbeträge ihm gutgeschrieben wurden. Auch eine abstrakte Bezifferung der Zinsen, wie sie beispielsweise in § 288 Abs. 1 BGB angeordnet ist, erscheint möglich. Insoweit kann es nicht überzeugen, wenn generell die Schwierigkeit der Feststellung von Nutzungen und Verfolgung von Ansprüchen auf Nutzungsersatz als Argument für den Verzicht auf solche Ansprüche herangezogen wird. c) Rechtfertigung aufgrund typischerweise geringwertiger, sich ausgleichender Ansprüche Gerade dadurch, dass Nutzungsersatzansprüche nach Widerruf gegen den Verbraucher an die hinreichende Widerrufsbelehrung gekoppelt waren (§ 312e Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BGB [i.F.v. 2011]), konnte auch keine verlängerte Widerrufsfrist eingreifen. Dadurch waren Nutzungsersatzansprüche meist auf keine großen Beträge gerichtet.516 Insofern entstanden wiederum für beide Parteien grundsätzlich (nur) gleich- und geringwertige Ansprüche gegeneinander. Es liegt deshalb nicht fern, vollständig auf Nutzungsersatzansprüche zu verzichten.517 513

Der Kilometerzähler gehört bei jedem Auto zur Standardausstattung und ist deshalb nicht auf eine konkrete Entscheidung des Unternehmers zurückzuführen, das Produkt mit einem solchen Messgerät auszustatten. 514 Auch in diesen Fällen wird der Produzent die Kosten über den Einkaufspreis weitergeben. 515 Föhlisch, Das Widerrufsrecht im Onlinehandel, 2009, S. 322; Buchmann/Föhlisch, K&R 2011, 433 (ebd.). 516 Vgl. M. Weller, in: Schmidt-Kessel (Hrsg.), Ein einheitliches Europäisches Kaufrecht?, 2012, S. 147 (171); Zimmermann, JBl. 2010, 205 (214); siehe auch Buchmann/Föhlisch, K&R 2011, 433 (ebd.). 517 M. Weller, in: Schmidt-Kessel (Hrsg.), Ein einheitliches Europäisches Kaufrecht?, 2012, S. 147 (171); ders., in: Schmidt-Kessel (Hrsg.), GEK-E Kommentar, 2014, Art. 45 Rdnr. 10; Zimmermann, JBl. 2010, 205 (214); Riesenhuber, EU-Vertragsrecht, 2013, S. 147.

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Teil 3: Das Rückgewährschuldverhältnis nach Widerruf

Die grundsätzlich gegebene Gering- und Gleichwertigkeit potentieller Ansprüche können jedoch kaum ausreichen, um zu begründen, dass die Ansprüche generell entfallen sollen. Soweit die Ansprüche tatsächlich gleichwertig sind, kann durch eine Aufrechnung der gleiche Zustand wie beim Fehlen normierter Ansprüche hergestellt werden. Gleichzeitig sind Situationen denkbar, in denen der Verbraucher auch innerhalb von vierzehn Tagen umfangreiche Vorteile durch das Nutzen der Ware erlangen kann und diese sogar (aufgrund eines Produktionsvorgangs) danach noch erhalten bleiben. Zu denken ist hier beispielsweise an DVD-Rekorder oder 3D-Drucker. Geht man davon aus, der Wertverlust entstehe auch hier hauptsächlich durch die Inbetriebnahme, könnte der Verbraucher noch den Rest der vierzehn Tage DVDs/Produkte herstellen, die eine lange Lebensdauer haben. Hinzu kommt, dass Ansprüche gegen den Unternehmer nicht von einer hinreichenden Information über das Widerrufsrecht abhängen sollten. Der Unternehmer würde sonst durch sein eigenes Fehlverhalten begünstigt. Somit kann – durch Verlängerung der Zeit, in der ein Widerruf möglich ist, gemäß § 356 Abs. 3 Satz 1, 2 BGB (Umsetzung von Art. 10 Verbraucherrechte-RL) – ein großer Zeitraum entstehen, in dem der Unternehmer vom Verbraucher geleistete Zahlungen nutzen kann. Die Zinserträge können folglich hoch sein.518 d) Zusammenfassung Aus Gründen der Interessenabwägung oder aufgrund von praktischen Erwägungen ist es keineswegs zwingend, bei der Rückabwicklung nach Widerruf von Kaufverträgen auf Ansprüche bezüglich Nutzungsherausgabe oder -ersatz zu verzichten. 2. Nutzungen des Verbrauchers Zunächst wird dargestellt, ob es zur Gewährleistung der Effektivität des Widerrufsrechts notwendig ist, auf Nutzungsersatzansprüche gegen den Verbraucher zu verzichten (a). Danach wird das Risiko von Opportunismus aufgrund eines solchen Verzichts aufgezeigt (b). Daran knüpfen – nach einer Zusammenfassung (c) – Ausführungen zum Vorschlag einer neuen Berücksichtigung der Nutzungen des Verbrauchers im Rückgewährschuldverhältnis an (d).

Kritisch gegenüber Nutzungsersatzansprüchen vor dem Hintergrund typischerweise kurzer Widerrufsfristen Grundmann, Europäisches Schuldvertragsrecht, 1999, S. 216. 518 Vgl. auch Kolba/Leupold, Das neue Verbraucherrecht, 2014, S. 118.

V. Nutzungsherausgabe und -ersatz

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a) Verzicht auf Nutzungsersatz zulasten des Verbrauchers zur Gewährleistung von Effektivität? Zunächst wird untersucht, inwieweit es notwendig ist, auf Nutzungsherausgabe- oder Nutzungsersatzansprüche zu verzichten, um Effektivität gewährleisten zu können. Effektivität besteht, wenn der Verbraucher die Ware angemessen untersuchen kann und sich nicht durch nach einem Widerruf zu erbringende Leistungen von einem Widerruf abhalten lässt. aa) Beeinflussung der Widerrufsentscheidung aufgrund der Kosten Der Verbraucher als zumindest teilweise rational agierender Mensch wird die Folgen einer Ausübung des Widerrufsrechts in die Entscheidung einbeziehen. Geht ein Verbraucher davon aus, er müsse nach dem Widerruf für die Nutzung der Ware zahlen, kann ihn diese Kostentragungslast von der Ausübung seines Rechts abhalten.519 (1) Relevanz der Kosten (nur) bei Nutzungsersatzansprüchen Im deutschen Recht versteht man Nutzungen als Früchte einer Sache und Gebrauchsvorteile, § 100 BGB. Gebrauchsvorteile können nicht in natura herausgegeben werden, weshalb hierauf gerichtete Ansprüche typischerweise nur Nutzungsersatzansprüche sein können.520 Liegen Früchte einer Sache (§ 99 Abs. 1, 3 BGB) vor (z.B. Beeren von einem erworbenen Strauch), können diese eventuell tatsächlich herausverlangt werden. Insoweit stellt sich die Frage, ob der Verbraucher überhaupt bei Nutzungsherausgabeansprüchen in seiner Widerrufsentscheidung beeinflusst sein kann, also ob die Herausgabe von Früchten den Verbraucher finanziell belastet. Zwar können etwa durch die Verpackung (der Früchte) neue Kosten entstehen, diese dürften jedoch einen marginalen Umfang haben.521 Der reine Verlust der Früchte stellt für den Verbraucher keine Belastung dar, da er den Wert vor dem Bestellvorgang noch nicht in seinem Vermögen hatte. Ein Anspruch auf Herausgabe von Nutzungen, der nur auf die Herausgabe von Früchten abzielen kann, ist nicht geeignet, die Entscheidung zum Widerruf unangemessen negativ zu beeinflussen.522 Allerdings ist der Wirkungsbereich von Ansprüchen auf Herausgabe von Früchten, gerade bei Fernabsatz- oder Haustürgeschäften, als gering einzuschätzen. So erzeugen Waren, die über diese Vertriebsstrukturen verkauft werden, nur selten organische Produkte, die 519

Dazu deutlich OGH VuR 2006, 242 (244). Staudinger/Jickeli/Stieber, BGB, 2012, § 100 Rdnr. 2. 521 Der Verbraucher muss die Ware zurückschicken. Etwaige Früchte kann er wohl meist in einem Paket mitschicken, sodass die zusätzlichen Versandkosten gering bleiben. 522 In diese Richtung geht die saldierende Betrachtung bei Hericks, Die Rechtsfolgen des Verbraucherwiderrufs im deutschen und europäischen Recht, 2014, S. 179. 520

214

Teil 3: Das Rückgewährschuldverhältnis nach Widerruf

vorher Bestandteil der Kaufware waren, ohne dass die Verarbeitung eines weiteren Produkts erfolgte.523 (2) Gewährleistung von Effektivität durch Angemessenheit der Kosten Der Europäische Gerichtshof geht davon aus, die Effektivität des Widerrufsrechts sei gefährdet, wenn der Verbraucher Nutzungsersatz zu leisten habe, der nicht im Verhältnis zum Kaufpreis der fraglichen Ware stehe.524 Unklar ist, ob eine Unverhältnismäßigkeit in diesem Sinne auch vorliegen kann, wenn der Wert des Kaufpreises nicht überschritten wird.525 Der Wert des Kaufpreises wird zumindest dann nicht erreicht, wenn man für die Berechnung des Nutzungsersatzes die zeitanteilige lineare Wertminderung, die anhand des Verhältnisses von tatsächlicher Dauer der Nutzung und der absehbaren Gesamtnutzungsdauer berechnet wird,526 zugrunde legt.527 Der Verbraucher muss nämlich dann nur für den Wert der Nutzung aufkommen, der seinem Vermögen tatsächlich zugewachsen ist. (3) Gefährdung der Effektivität durch Beweislast oder Beweislasterleichterungen Die Gefahr, der Verbraucher könne sich durch potentiell entstehende Kosten vom Widerruf abhalten lassen, würde erhöht, wenn er selbst beweisen müsste, die Ware nicht über die Prüfung hinaus genutzt zu haben.528 Zwar besteht die Möglichkeit einer Schätzung gemäß § 287 ZPO. Gemäß § 287 Abs. 2 ZPO, der für Nutzungsersatzansprüche gilt, kann aber nur die Höhe des Anspruchs geschätzt werden. Der Verbraucher wird deshalb nicht übermäßig belastet, weil der Unternehmer beweispflichtig dafür bleibt, dass die Nutzung nicht mehr von der Prüfung erfasst war. Jedoch muss man bei Anwendbarkeit und Umfang des 523 Zu einem solchen Verständnis von Erzeugnissen i.S.d. § 99 Abs. 1 Var. 1 BGB Staudinger/Jickeli/Stieber, BGB, 2012, § 99 Rdnr. 6 f. Auch können die angesprochenen Waren nicht Grundlage einer sonstigen Ausbeute i.S.d. § 99 Abs. 1 Var. 2 BGB sein. 524 EuGH, Rs. C-489/07 (Messner), Slg. 2009, I-7315, Rdnr. 27. 525 Vgl. Tillkorn, Der Nutzungsersatz im Kaufrecht, 2013, S. 284. Zumindest soll die Effektivität des Widerrufsrechts (bei einem Realkreditvertrag) nicht negativ betroffen sein, wenn der Verbraucher nach Widerruf marktübliche Zinsen für den Zeitram bis zum Widerruf zahlen muss (EuGH, Rs. C-350/03 [Schulte], Slg. 2005, I-9215, Rdnr. 91 ff.), welche durchaus hoch sein können. 526 BGHZ 115, 47 (54 f.); BGH NJW 1996, 250 (252 f.); Gaier, MünchKomm. BGB, 7. Aufl. 2016, § 346 Rdnr. 26 m.w.N.; Föhlisch, Das Widerrufsrecht im Onlinehandel, 2009, S. 322 f. Zu Fällen, in denen eine Orientierung am Mietpreis zweckmäßig erscheint BeckOK-BGB/Grothe, 37. Ed. Stand: 01.11.2015, § 346 Rdnr. 36. 527 BT-Drucks. 17/5097, S. 16 l. Sp. (vgl. Fn. 351 in Teil 3, S. 176); vgl. auch Hericks, Die Rechtsfolgen des Verbraucherwiderrufs im deutschen und europäischen Recht, 2014, S. 188. 528 EuGH, Rs. C-489/07 (Messner), Slg. 2009, I-7315, Rdnr. 27.

V. Nutzungsherausgabe und -ersatz

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prima facie-Beweises vorsichtig sein. Dieser sollte zwar dem Unternehmer helfen, die anspruchsbegründenden Voraussetzungen beweisen zu können, weil er die Ware nicht im Besitz hatte und oftmals die tatsächliche Nutzung nicht nachweisen kann.529 Mit einem überdurchschnittlichen Maß an Gebrauchsspuren soll tatsächlicher Gebrauch dann bewiesen werden können.530 Zu weit geht allerdings die Vorstellung der Bundesregierung, auch aus der Gesamtsituation des Bestellvorgangs könne ein prima facie-Beweis dahingehend eingreifen, es habe eine Nutzung stattgefunden. Das von der Bundesregierung zum Entwurf eines Gesetzes zur Anpassung der Vorschriften über den Wertersatz bei Widerruf von Fernabsatzverträgen vorgetragene Beispiel, ein Kommunionkleid werde aufgrund eines Widerrufs nach dem Weißen Sonntag zurückgesendet,531 zeigt exemplarisch die Schwächen der dargestellten Sichtweise. So streitet die Tatsache, dass das Kleid am Weißen Sonntag im Besitz des Verbrauchers war, nicht dafür, dass es getragen wurde. Der Verbraucher kann für eine Kommunion mehrere Kleider gekauft haben, um in Ruhe ein Kleid auszusuchen, oder er hat sich gegen das im Fernabsatz erworbene Kleid entschieden, weil es eben nicht den Vorstellungen entsprochen hat.532 Zudem kann ein Kommunionkleid auch bei anderen Festlichkeiten getragen werden. Insoweit kann schon die Verknüpfung der Art des Kleides mit dem konkreten Tag nicht überzeugen. Durch zu weite Beweislasterleichterungen würden die Anforderungen des Europäischen Gerichtshofs an die Beweislast und damit die Effektivität des Widerrufsrechts ausgehöhlt. bb) Gefahr der Verhinderung einer umfangreichen Prüfung Der Widerrufsentscheidung vorgeschaltet, aber nicht komplett davon abtrennbar, ist die Entscheidung, die Ware ausführlich zu überprüfen. Schon in der Phase zwischen dem Erlangen der Ware und dem potentiellen Widerruf kann die Effektivität des Widerrufsrechts unterminiert werden. Muss der Verbraucher befürchten, schon durch die Prüfung der Ware Ansprüchen ausgesetzt zu werden, wird er auf die Prüfung verzichten. Problematisch ist in diesem Zusammenhang die Schwierigkeit der Abgrenzung von Prüfung und darüber hinausgehendem Gebrauch. Auch für den Verbraucher ist nicht leicht zu erkennen, wann und wo genau sein Prüfungsrecht endet, und wann er beginnt, die Ware darüber hinaus zu nutzen. Daraus kann 529

Özfirat-Skubinn, NJOZ 2010, 2006 (2011). Tillkorn, Der Nutzungsersatz im Kaufrecht, 2013, S. 278, geht davon aus, der Anscheinsbeweis werde oftmals nicht hilfreich sein. 530 BT-Drucks. 17/5097, S. 15 l. Sp. (vgl. Fn. 351 in Teil 3, S. 176); vgl. auch Mörsdorf, JZ 2010, 232 (238). 531 BT-Drucks. 17/5097, S. 15 l. Sp. (vgl. Fn. 351 in Teil 3, S. 176). 532 Buchmann/Föhlisch, K&R 2011, 433 (436); Metzger, Die Umsetzung europäischer Richtlinien in Deutschland und Großbritannien am Beispiel der Fernabsatzrichtlinie, 2013, S. 239 f.; Hullen, jurisPR-ITR 18/2011 Anm. 2.

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Teil 3: Das Rückgewährschuldverhältnis nach Widerruf

eine so große Sorge vor Überschreitung dieser Grenze entstehen, dass der Verbraucher nicht bis zur Grenze geht, sondern in (vermutetem) Sicherheitsabstand zur Grenze verbleibt: Der Verbraucher prüft die Ware nicht umfänglich. Die Sorgen des Verbrauchers vor einer zu umfangreichen Prüfung können aber klein gehalten werden, indem die Grenze zulässiger Prüfung nicht als „alles oder nichts“-Situation (Entstehung von harten Rechtsfolgen/hohen Kosten) ausgestaltet wird. Der Verbraucher traut sich eher sein Prüfungsrecht umfassend auszufüllen, wenn bei einer (unbewussten) Überschreitung der Grenze der zulässigen Prüfung die daraus folgenden Kosten (scil. Nutzungsersatzpflichten) zunächst gering sind und dann graduell ansteigen. Auch dies ist durch die Orientierung an der linearen Teilwertabschreibung gewährleistet.533 Gleichzeitig ist es wichtig, dass ein Nutzungsersatz an den tatsächlich gezogenen Nutzungen orientiert ist, da der Verbraucher sonst geneigt sein könnte, möglichst schnell eine Entscheidung über den Widerruf herbeizuführen, um im Fall des Widerrufs keine zu großen Kosten tragen zu müssen. Der Schutzzweck der Widerrufsfrist würde ausgehöhlt, wenn der Verbraucher schon für die Nutzungsmöglichkeit Ersatz leisten müsste.534 cc) Fazit Um die Effektivität des Widerrufsrechts gewährleisten zu können, ist es nicht notwendig, auf Nutzungsersatzansprüche zu verzichten. Vielmehr kann man durch die konkrete Ausgestaltung des Anspruches verhindern, dass die Effektivität negativ beeinflusst wird. b) Gefahr von Opportunismus mangels Nutzungsersatzes Indem Nutzungsherausgabe und/oder -ersatzansprüche gewährt werden, kann opportunistisches Verhalten verhindert oder im Nachhinein sanktioniert werden.535 Insoweit kann man den Verzicht auf Nutzungsersatzregelungen kritisch sehen.536 Dies wird im Folgenden näher dargestellt. aa) Nutzung als Verstoß gegen Grundsätze des bürgerlichen Rechts Entsprechend den Aussagen zum Wertersatz soll der Sinn und Zweck des Widerrufsrechts den Verbraucher dann nicht mehr vor Ersatzansprüchen schützen, wenn der Verbraucher die „gekaufte Ware auf eine mit den Grundsätzen

533

Siehe zum Problem einer „alles oder nichts“-Lösung schon Teil 3, IV 2 f, S. 192 f. Vgl. EuGH, Rs. C-489/07 (Messner), Slg. 2009, I-7315, Rdnr. 23. 535 Steennot, [2013] 29 C.L.S.R. 105, 118. 536 So z.B. Hericks, Die Rechtsfolgen des Verbraucherwiderrufs im deutschen und europäischen Recht, 2014, S. 178; Schneider/Vierkötter, ZAP Fach 3, 283, 286 (2014). 534

V. Nutzungsherausgabe und -ersatz

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des bürgerlichen Rechts wie denen von Treu und Glauben oder der ungerechtfertigten Bereicherung unvereinbare Art und Weise benutzt hat.“537 Es gibt demnach Situationen, in denen der Verbraucher – aus Sicht des Europäischen Gerichtshofs – nicht mehr schutzwürdig ist, was vom Richtliniengeber jedoch nicht umfangreich umgesetzt wurde. Die Nutzung der Ware durch den Verbraucher ist nicht mehr notwendig für die Effektivität des Widerrufsrechts, wenn Beschaffenheit, Eigenschaften und Funktionsweise der Ware schon geprüft wurden.538 Insofern stellt sich die Frage, ob der Verbraucher nicht allein durch die weitere Nutzung der Ware ausgleichspflichtig werden sollte. Nach Aussage des Europäischen Gerichtshofs muss eine Nutzung auch mit den Grundsätzen des bürgerlichen Rechts unvereinbar sein, damit eine Ausgleichspflicht angezeigt ist. Beispielhaft werden Treu und Glauben oder ungerechtfertigte Bereicherung genannt.539 Insoweit stellt sich die Frage, wann eine Nutzung einen Verstoß gegen Grundsätze des bürgerlichen Rechts darstellt.540 Teilweise wird argumentiert, ein Verstoß gegen Treu und Glauben würde in den Fällen vorliegen, in denen der Verbraucher noch nicht weiß, ob er von seinem Widerrufsrecht Gebrauch machen wird oder nicht, und trotzdem über die Prüfungshandlung hinaus nutzt. Dies folge aus der Pflicht, auf die Interessen des Unternehmers Rücksicht zu nehmen, die sich aus § 241 Abs. 2 BGB oder dem Grundsatz von Treu und Glauben ergebe.541 Diese Sichtweise ist jedoch unter zwei Aspekten zu kritisieren. Einerseits wird es so dargestellt, als habe der Unternehmer jeweils im konkreten Fall ein Interesse daran, dass der Verbraucher die Ware nicht weiter nutzt. Was dieses Interesse – bei fehlendem Wertverlust der Ware – umfasst, wird nicht konkretisiert.542 Andererseits erscheint die Eingrenzung auf Fälle, in denen der Verbraucher sich über die Ausübung seines Widerrufsrechts nicht im Klaren ist, unter Wertungsgesichtspunkten nicht überzeugend: Weiß der Verbraucher, dass er sein Widerrufsrecht ausüben wird, ist eine weitere Nutzung der Ware jedenfalls (noch) treuwidriger.

537

Zu Fernabsatzverträgen EuGH, Rs. C-489/07 (Messner), Slg. 2009, I-7315, Rdnr. 26. Zöchling-Jud, AcP 212 (2012), 550 (567). 539 Zu Fernabsatzverträgen EuGH, Rs. C-489/07 (Messner), Slg. 2009, I-7315, Rdnr. 26. Zu dem Verständnis der „Grundsätze des bürgerlichen Rechts“ Stempel, ZEuP 2010, 925 (933). Siehe auch Hartkamp, RabelsZ 75 (2011), 241 (256); Weatherill, ERCL 2011, 74 (78). 540 Kritisch zur unklaren Formulierung des EuGH etwa Riehm, in: Gsell/Hau (Hrsg.), Zivilgerichtsbarkeit und Europäisches Justizsystem, 2012, S. 203 (207): „in geradezu kryptischer Weise“. 541 BR-Drucks. 855/10, S. 14 (vgl. Fn. 424 in Teil 3, S. 191). 542 Sogar ein Verbraucher, der weiß, dass er noch widerrufen wird, ist keineswegs gezwungen, sofort zu widerrufen. Insoweit kann auch kein treuwidriges Verhalten darin gesehen werden, dass der Verbraucher die Widerrufsfrist zeitlich ausreizt. 538

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Teil 3: Das Rückgewährschuldverhältnis nach Widerruf

Deshalb könnte man zu der Auffassung neigen, jegliche Nutzung, die nicht mehr von der Prüfungshandlung umfasst ist, verstoße gegen die Grundsätze des bürgerlichen Rechts.543 Jedoch muss der Verbraucher dafür zumindest wissen, dass er ein Widerrufsrecht besitzt,544 da man ihm sonst nicht vorwerfen kann, die Ware wie Eigentum behandelt zu haben.545 Ein Verstoß gegen Grundsätze des bürgerlichen Rechts findet insbesondere dann statt, wenn der Verbraucher schon vor Abschluss des Vertrages nur das Ziel hat, Nutzen aus der Ware zu ziehen und den Vertrag nicht aufrecht zu erhalten.546 Eine solche Handlung kann auch aus Sicht des Europäischen Gerichtshofs sanktioniert werden,547 die Möglichkeit eines Nutzungsersatzes beschränkt sich aber nicht darauf. Die Nutzung der Ware über das zur Prüfung Notwendige hinaus könnte auch als ungerechtfertigte Bereicherung des Verbrauchers anzusehen sein, für die aus Sicht des Europäischen Gerichtshofs ein Nutzungsersatzanspruch möglich wäre. Zum Vorliegen einer ungerechtfertigten Bereicherung hat der Europäische Gerichtshof sich in der Quelle-Entscheidung548 geäußert. Dieser Entscheidung lag der Kauf eines „Herd-Sets“ durch eine Verbraucherin bei dem Unternehmen Quelle zugrunde. Das sich eineinhalb Jahre später als defekt und irreparabel herausstellende Gerät wurde von Quelle ersetzt, wobei das Unternehmen allerdings einen Nutzungsersatzanspruch gegen die Käuferin für die Nutzung des defekten Geräts geltend machte, was es nach deutschen Recht durfte.549 Zu untersuchen war, ob dies europarechtskonform war, da Art. 3 der Verbrauchsgüterkauf-RL550 die Verbraucherrechte bei Lieferung mangelhafter Ware (z.B. auf Nachlieferung) grundsätzlich ohne finanzielle Belastung gewährte. „Was zum anderen das Vorbringen […] angeht, es stelle eine ungerechtfertigte Bereicherung dar, wenn der Verbraucher aufgrund des Austauschs eines vertragswidrigen Verbrauchsguts über ein neues Verbrauchsgut verfüge, ohne dass er eine finanzielle Entschädigung hätte leisten müssen, ist daran zu erinnern, dass nach Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie der Verkäufer 543 In dieser Richtung Hericks, Die Rechtsfolgen des Verbraucherwiderrufs im deutschen und europäischen Recht, 2014, S. 186. 544 Gsell, EWiR 2010, 277 (278); Hörmann, Der Internethandel und die neue Richtlinie über die Rechte der Verbraucher, 2014, S. 235 f.; Heinig, JR 2010, 461 (467). Die Kenntnis muss nicht notwendigerweise durch eine Belehrung über das Widerrufsrecht geschehen, wobei Beweisschwierigkeiten evident sind, vgl. Faust, JuS 2009, 1049 (1052). 545 BT-Drucks. 17/5097, S. 15 r. Sp. (vgl. Fn. 351 in Teil 3, S. 176). 546 Metzger, Die Umsetzung europäischer Richtlinien in Deutschland und Großbritannien am Beispiel der Fernabsatzrichtlinie, 2013, S. 239; Buchmann/Föhlisch, K&R 2010, 3 (7). 547 Vgl. EuGH, Rs. C-489/07 (Messner), Slg. 2009, I-7315, Rdnr. 26. 548 EuGH, Rs. C-404/06 (Quelle), Slg. 2008, I-2685. 549 Zum Sachverhalt siehe EuGH, Rs. C-404/06 (Quelle), Slg. 2008, I-2685, Rdnr. 12 ff. 550 Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25.05.1999 zu bestimmten Aspekten des Verbrauchsgüterkaufs und der Garantien für Verbrauchsgüter, Abl. L 171 vom 07.07.1999, S. 12–16.

V. Nutzungsherausgabe und -ersatz

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dem Verbraucher für jede Vertragswidrigkeit haftet, die zum Zeitpunkt der Lieferung des Verbrauchsguts besteht. Wenn der Verkäufer ein vertragswidriges Verbrauchsgut liefert, erfüllt er die Verpflichtung, die er im Kaufvertrag eingegangen ist, nicht ordnungsgemäß und muss daher die Folgen dieser Schlechterfüllung tragen. Der Verbraucher, der seinerseits den Kaufpreis gezahlt und damit seine vertragliche Verpflichtung ordnungsgemäß erfüllt hat, wird durch die Erlangung eines neuen Verbrauchsguts als Ersatz für das vertragswidrige Verbrauchsgut nicht ungerechtfertigt bereichert. Er erhält lediglich verspätet ein den Vertragsbestimmungen entsprechendes Verbrauchsgut, wie er es bereits zu Beginn hätte erhalten müssen.“551

Diese Aussagen widersprechen allerdings nicht einer Sichtweise, die eine Nutzung der Ware beim Widerruf als ungerechtfertigte Bereicherung des Verbrauchers ansieht. Der Europäische Gerichtshof verneint nämlich für die Nachlieferung eine ungerechtfertigte Bereicherung aufgrund einer Nutzung nicht wegen fehlenden Bestehens einer Bereicherung, sondern weil diese Bereicherung nicht „ungerechtfertigt“ sei. Die Grundlage für einen potentiellen Nutzungsersatzanspruch ist ein Fehlverhalten des Unternehmers: Würde der Unternehmer nicht mangelhaft leisten, könnte und müsste der Verbraucher die zunächst gekaufte Ware nicht zurückgeben. Ein solches Fehlverhalten begeht der Unternehmer in einer Konstellation mit Widerrufsrecht nicht. Selbst wenn der Unternehmer alle seine Verpflichtungen (z.B. auch Informationspflichten) ordnungsgemäß erbringt, kann der Verbraucher die Ware in einem Umfang nutzen, der die Grenze desjenigen, was für die Effektivität des Widerrufsrechts (hier: Prüfung) notwendig ist, überschreitet. Insoweit widerspricht es der Quelle-Entscheidung nicht, die Nutzung, die über das zur Prüfung Notwendige vor einem Widerruf hinausgeht, als ungerechtfertigte Bereicherung und damit als Verstoß gegen Grundsätze des bürgerlichen Rechts anzusehen.552 Allerdings kann dem Unternehmer ein Vorwurf gemacht werden, wenn er seinen Informationspflichten nicht nachgekommen ist. Dadurch entstehen wiederum andere Wertungen hinsichtlich eines Nutzungsersatzes. Vor dem Hintergrund der Quelle-Entscheidung ist diesbezüglich folgende Äußerung der Generalanwältin Trstenjak zur Messner-Entscheidung hinsichtlich der Zulässigkeit von Nutzungsersatzansprüchen zu lesen: „Fraglich ist jedoch, was das für die Fälle bedeutet, in denen der Verbraucher durch den Lieferer nicht oder nicht adäquat über sein Widerrufsrecht belehrt worden ist. In solchen Fällen ist absehbar, dass der Vertrag häufig erst nach einer Nutzungsphase der Ware widerrufen werden wird, nämlich erst dann, wenn die Information über das Widerrufsrecht erfolgt ist. Der Verbraucher konnte sein Verhalten mangels Information nicht auf die Situation der Probe in Abgrenzung von einer Nutzung einstellen. Soll der Verbraucher in dieser Situation für das zu seinem Schutz gedachte verlängerte Widerrufsrecht quasi ‚bezahlen‘, indem er

551

EuGH, Rs. C-404/06 (Quelle), Slg. 2008, I-2685, Rdnr. 40 f. Generell schließt der Europäische Gerichtshof schon Nutzungsersatz im Rückgewährschuldverhältnis nicht aus, sondern bezieht sich auf die Ersatzlieferung. Vgl. zu dieser Thematik in Bezug auf die Rückabwicklung nach Rücktritt BGHZ 182, 241 (244 f.). 552

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Teil 3: Das Rückgewährschuldverhältnis nach Widerruf

regelmäßig Wertersatz für die Nutzung des gelieferten Verbrauchsguts zu zahlen hat? […] Mit dem Verbraucherschutzziel der Richtlinie wäre es […] nicht vereinbar, dass der Verbraucher bei Pflichtverletzung des Lieferers den zeitlich verlängerten Schutz am Ende durch eine Nutzungsgebühr bezahlen muss.“553

Die Interessenabwägung zugunsten des Unternehmers gilt folglich nur, solange der Unternehmer seinen Pflichten vollumfänglich nachkommt. Dabei ist zu beachten, dass die Information über das Widerrufsrecht und eine Widerrufsbelehrung, welche die regelmäßige Widerrufsfrist in Gang setzen kann, nicht zwangsläufig deckungsgleich sind. Die Nutzung, die über das hinausgeht, was zur Prüfung der Ware notwendig war, verstößt – den obigen Ausführungen entsprechend – gegen Grundsätze des bürgerlichen Rechts nur, wenn der Verbraucher zumindest über sein Widerrufsrecht belehrt und die regelmäßige Widerrufsfrist in Gang gesetzt wird. bb) Kein Anreiz zum Unterlassen einer übermäßigen Nutzung (ex post) Dem Verbraucher wird durch die Gewissheit, für die Nutzung der Ware über die Prüfungshandlung hinaus keinen Ersatz zahlen zu müssen, solange kein weiterer Wertverlust an der Ware eintritt, die Möglichkeit zum ex post-Opportunismus eingeräumt. Ist er sich (aufgrund der Prüfung der Ware) gewiss, widerrufen zu wollen, kann er sich über die Prüfung hinausgehende Gebrauchsvorteile aneignen. Der Verbraucher erhält keinen Anreiz, eine solche Handlung zu unterlassen.554 Gleichzeitig erscheint die Belastung des Unternehmers durch die weitere Nutzung eher gering zu sein.555 Der einzige Nachteil, der dem Unternehmer durch den dargestellten ex post-Opportunismus entstehen kann, ist, dass der Verbraucher die Widerrufsfrist aufgrund weiterer Nutzung ausreizt556 553

Schlussanträge der Generalanwältin Trstenjak zur Rs. C-489/07 (Messner), Slg. 2009, I-7317, Rdnr. 92 f. 554 Ein solcher Anreiz wird für Fälle vermutet, in denen der Verbraucher Miete zahlen müsste, siehe Cseres, in: van den Bergh/Pacces (Hrsg.), Regulation and Economics, 2012, S. 163 (183). Vgl. zum Gedanken einer Mietzahlung auch Rekaiti/van den Bergh, 23 J. Consum. Policy 371, 382 (2000), und Stuart, in: Skogh (Hrsg.), Law and Economics, 1978, S. 155 (163). Steennot, [2013] 29 C.L.S.R. 105, 118, zweifelt, ob ein Nutzungsersatz Verbraucher von der Nutzung abhält. Maultzsch, ZfPW 2015, 282 (298), vermutet Anreizwirkungen für opportunistisches Verhalten, weil der Unternehmer die exzessive Nutzung oftmals nicht beweisen kann. 555 Unklar ist, was damit gemeint ist, wenn von „berechtigten Interessen“ des Unternehmers in Bezug auf den Nutzungsersatz gesprochen wird, siehe dazu Unger, ZEuP 2012, 270 (294 f.). Tillkorn, Der Nutzungsersatz im Kaufrecht, 2013, S. 266, postuliert ein Interesse des Unternehmers an möglichst geringer Nutzung. 556 Faust, JuS 2009, 1049 (1052), geht davon aus, dass ein treuwidriges Verhalten des Verbrauchers nur insoweit denkbar ist, als der Unternehmer nicht hinreichend über das Widerrufsrecht belehrt hat, der Verbraucher aber anderweitig informiert ist und die Ausübung des Widerrufsrechts hinauszögert.

V. Nutzungsherausgabe und -ersatz

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und der Unternehmer dadurch länger im Ungewissen über das Fortbestehen des Vertrags bleibt. Der Unternehmer muss aber generell einberechnen, dass der Verbraucher die Widerrufsfrist vollumfänglich ausnutzt, weshalb hier keine besondere Schutzbedürftigkeit des Unternehmers entsteht. Er scheint zunächst durch Wertersatzregelungen ausreichend geschützt. Der Unternehmer hat zudem – durch Einhaltung seiner Informationspflichten – die Möglichkeit, die Widerrufsfrist kurz zu halten und damit die Gefahr von Opportunismus zu minimieren.557 cc) Mangelnde Sanktionsmöglichkeit von faktischer Leihe Jedoch ist zu beachten, dass durch einen fehlenden Anspruch auf Nutzungsersatz ex ante-Opportunismus in Form der faktischen Leihe (retail borrowing)558 kaum Einhalt zu gewähren ist. Man setzt durch den Verzicht auf Nutzungsersatzansprüche gerade keinen Anreiz gegen Opportunismus, sondern eher dafür.559 Die faktische Leihe ist für den Unternehmer ein großes Problem, da die Verbraucher schon vor Vertragsschluss wissen, dass sie den Vertrag nach der Nutzung nicht aufrechterhalten möchten, der Unternehmer dies aber nicht weiß und somit eine Informationsasymmetrie zu seinen Ungunsten vorliegt,560 gegen die er sich – insbesondere durch Geltendmachung von Wertersatzansprüchen – nicht wehren kann. Beispielsweise tritt bei einem Kleid in den meisten Fällen kein Wertverlust dadurch ein, dass es bei einem bestimmten Anlass getragen wird. Auch bei einem Großbildfernseher führt die über die Prüfung hinausgehende Nutzung (z.B. für die Endphase der Fußball-WM) selten zu einem Wertverlust.561 Hätte der Unternehmer die Möglichkeit, einen Nutzungsersatzanspruch geltend zu machen, würde der Nachteil zumindest abgemildert werden. Wenn die Nutzung einer Sache verhindert werden soll, ist es auch der grundsätzlich richtige Weg, die Nutzung mit einer Sanktion oder Rechtsfolge zu verbinden.562 So könnte man aus der faktischen Leihe zumindest eine faktische Miete machen. Geht der Verbraucher allerdings davon aus, dass seine Nutzung nicht erkannt und/oder nachgewiesen wird und er deshalb auch keinen Ersatz zahlen 557

Andere Wertungen ergeben sich möglicherweise bei Mängelgewährleistungsrechten aufgrund langer Verjährungsfristen (§ 438 BGB), siehe zum Missbrauchsgedanken bei Rücktritt Bruns, NZV 2006, 640 (641); Herresthal, NJW 2008, 2475 (2477). 558 Siehe dazu bereits Teil 1, III 1, S. 32. 559 Özfirat-Skubinn, NJOZ 2010, 2006 (2008); siehe auch Büßer, Das Widerrufsrecht des Verbrauchers, 2001, S. 239; vgl. ferner Franck, Europäisches Absatzrecht, 2006, S. 210 f. 560 Vgl. Bechtold, Die Grenzen zwingenden Vertragsrechts, 2010, S. 98. 561 Dies sind die zwei klassischen Beispiele für die faktische Leihe. 562 Vgl. Bechtold, Die Grenzen zwingenden Vertragsrechts, 2010, S. 98 f.; Mörsdorf, JZ 2010, 232 (236); Buchmann, K&R 2008, 505 (ebd.).

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Teil 3: Das Rückgewährschuldverhältnis nach Widerruf

muss, ist der Nutzungsersatz kein wirksames Mittel mehr, um Opportunismus zu verhindern. Die „spezialpräventive“ Wirkung einer solchen Regelung ginge fehl.563 Insoweit zeitigt die Schwierigkeit, Nutzungen nachzuweisen, erneut Wirkungen. Allerdings findet die Bekämpfung der faktischen Leihe de lege lata – gerade ohne Nutzungsersatzansprüche – nicht zielgerichtet564 statt.565 dd) Fazit Obwohl es durchaus möglich wäre, dem Verbraucher Ersatzverpflichtungen für die Nutzung in einem gewissen Rahmen aufzuerlegen, hat der Richtliniengeber sich dagegen entschieden. Dadurch werden verschiedene opportunistische Verhaltensweisen begünstigt, gegen die sich der Unternehmer nunmehr nicht mehr mit den Mitteln des Rechts wehren kann. Insbesondere bei bestimmten Produktgruppen oder gebrauchter Ware entsteht hier ein großes Potenzial für opportunistisches Verhalten. Ein Wertverlust wird hierbei nämlich noch schwieriger festzustellen sein, sodass der Unternehmer seltener einen Wertersatzanspruch geltend machen können wird. c) Zusammenfassung Durch den Verzicht auf Nutzungsherausgabeansprüche und Nutzungsersatzansprüche wird die Effektivität des Widerrufsrechts – wenn überhaupt – nur marginal positiv beeinflusst. Dafür entstehen gleichzeitig Möglichkeiten für den Verbraucher, opportunistisch zu handeln. Das Problem besteht dabei hauptsächlich in der Möglichkeit zum ex ante-Opportunismus. So kann der Kaufvertrag mit einem Widerrufsrecht pervertiert werden, indem der Verbraucher schon bei Vertragsschluss den späteren Widerruf einplant und einen Nutzen generiert, der nicht vom Vertragszweck gedeckt ist. d) Übermäßige Nutzung de lege ferenda Nunmehr wird dargestellt, ob es de lege ferenda möglich sein sollte, die übermäßige Nutzung und damit opportunistisches Verhalten zu verhindern oder zu sanktionieren. Dabei kommen zwei grundlegend verschiedene Möglichkeiten 563 Siehe aber Buchmann, K&R 2008, 505 (ebd.): „Die ‚Drohung‘ mit der Forderung des Ersatzes der gezogenen Nutzungen ist das einzige wirksame Mittel für Onlinehändler, sich vor angeblichen Kunden zu schützen, die die Ware nur bestellen, um sie zu einem besonderen Anlass zu nutzen und im Anschluss daran wieder an den Händler zurückzusenden.“ 564 Siehe zu den Auswirkungen der Rücksendekostenverpflichtung schon oben Teil 3, II 3 a, S. 130 ff. 565 In Amerika wird retail borrowing im stationären Handel eingegrenzt, indem der Zeitraum bis zur Rückgabe drastisch verkürzt wird oder für manche Artikel zu bestimmten Zeiten überhaupt keine Rückgabemöglichkeit besteht (z.B. Großbildfernseher in der letzten Phase der Playoffs der National Football League), vgl. dazu Longo, 49 K.P.F. 103 (1995); diese Möglichkeit besteht in den hier untersuchten Bereichen für den Unternehmer nicht.

V. Nutzungsherausgabe und -ersatz

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in Betracht. Entweder man entzieht dem Verbraucher das Widerrufsrecht (aa) oder man gewährt dem Unternehmer einen Anspruch auf Nutzungsherausgabe oder -ersatz (bb). aa) Ausschluss des Widerrufsrechts bei übermäßiger Nutzung als Ausgleich zwischen Effektivität und Opportunismus? Ein möglicher Weg, dem dargestellten opportunistischen Verhalten entgegenzuwirken, ist, dem Verbraucher zu signalisieren, dass opportunistisches Verhalten sehr drastische Folgen hat. So wirkt es auf den ersten Blick überzeugend, dem Verbraucher beispielsweise das Widerrufsrecht zu entziehen, wenn er die Ware übermäßig nutzt.566 (1) Entwicklungen in der Schweiz In der Schweiz, wo lange Zeit kein gesetzlich eingeräumtes Widerrufsrecht bei Fernabsatzverträgen existierte, sollte 2014 aufgrund einer parlamentarischen Initiative mit der Einführung eines solchen Widerrufsrechts gleichzeitig eine Regelung geschaffen werden, die sich direkt gegen ein potentielles opportunistisches Verhalten hinsichtlich des Widerrufsrechts richtet und auch für das schon vorher vorhandene Widerrufsrecht bei Haustürgeschäften gilt.567 So erlischt das Widerrufsrecht gemäß Art. 40i lit. a OR-E, wenn „die Sache vom Konsumenten in einer Weise gebraucht oder benützt wird, die über die Prüfung ihrer Vertragsmässigkeit und Funktionsfähigkeit hinausgeht“. Die Kommission für Rechtsfragen des Ständerates zeigte dabei in dem Bericht zu dem Gesetzesvorschlag vom 14.11.2013568 durchaus deutlich, es könne Opportunismus entgegen dem vorangegangenen Vorschlag569 nur durch eine andere – die oben genannte – Vorschrift eingeschränkt werden. So heißt es in dem Dokument auf Seite 20: „Mit der nun beantragten Regelung, die keine ausdrückliche Entsprechung im Gemeinschaftsrecht hat (vgl. gerade Erwägungsgrund 47 sowie aber auch Art. 14 Abs. 2 Verbraucherrechte-RL), wird den in der Vernehmlassung berechtigterweise vorgebrachten Bedenken Rechnung getragen, dass ein Widerrufsrecht andernfalls unangemessen zu Lasten der 566 Zöchling-Jud, AcP 212 (2012), 550 (567); vgl. auch Loos, ZEuP 2007, 5 (15). Eine solche Regelung für die faktische Leihe befürwortend Dinges, Das Spannungsverhältnis zwischen Verbraucherschutz und Unternehmerrechten, 2014, S. 146. In Erwägungsgrund 47 Satz 2 zur Verbraucherrechte-RL wird ausdrücklich festgelegt, dass der Verbraucher aufgrund übermäßiger Nutzung sein Widerrufsrecht nicht verlieren sollte. 567 Siehe zu den Entwicklungen auch Widmer, K&R 2013, 30 f. und dies., K&R 2014, 577 ff. 568 Abrufbar unter (Stand: 05.03.2016). 569 Abrufbar unter (Stand: 05.03.2016).

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Teil 3: Das Rückgewährschuldverhältnis nach Widerruf

Anbieter gehen würde und seitens der Konsumenten missbräuchlich ausgeübt werden könnte, indem im Fernabsatzgeschäft gerade teure Gegenstände bestellt und nach einmaligem, über eine Funktionsprüfung jedenfalls hinausgehendem Gebrauch gestützt auf das Widerrufsrecht wieder zurückgegeben werden.“

Der Art. 40k OR des Vorentwurfes von der Bundesversammlung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 23.08.2012570 enthielt in Absatz 3 noch die Unterscheidung zwischen der Nutzung, für die ein Entgelt zu zahlen sein soll, und der Herbeiführung einer Verschlechterung der Sache, die eine Entschädigung nach sich ziehen sollte.571 Die unterschiedliche Behandlung von Nutzung und Herbeiführung einer Verschlechterung wird im Schweizer Obligationenrecht schon seit längerer Zeit für widerrufene Haustürgeschäfte vorgenommen. Für den Gebrauch einer Sache schuldet der Käufer nach Art. 40f Abs. 2 OR die Zahlung eines angemessenen Mietzinses. Die Rückabwicklung nach Widerruf folgt den Regeln der ungerechtfertigten Bereicherung.572 Bei Untergang oder Wertverlust der Sache, der auf einer Nutzung, die über den üblichen Gebrauch hinausgeht, beruht, muss ein Ausgleich gezahlt werden, soweit der Käufer ordnungsgemäß über sein Widerrufsrecht belehrt wurde, Art. 97 ff. OR.573 Da die Unterscheidung zwischen Ersatz für Nutzung und Ersatz für Wertverlust aufgehoben werden sollte, musste der Ausschluss nach Art. 40i lit. a OR-E auch bei einer reinen Nutzung gelten, die keinen Wertverlust der Sache nach sich zieht. Dies ergibt sich auch daraus, dass durch den Entwurf vom 14.11.2013 ausdrücklich die Unternehmer besser gestellt werden sollten, und bei einer Sichtweise, die eine reine Nutzung außen vor ließe, keinerlei Sanktionierung über Entgelt- und Mietzinszahlung ermöglicht würde, wodurch der Verbraucher begünstigt würde. Im Rahmen der Überlegungen der parlamentarischen Initiative sollte das Widerrufsrecht erlöschen, wenn der Verbraucher bei dem Kauf einer Sache bei Haustür- oder Fernabsatzgeschäften die Sache in

570

Siehe Fn. 569 in Teil 3, S. 223. Art. 40k Abs. 3 OR-Vorentwurf lautet: „Hat der Konsument eine Sache bereits gebraucht, so schuldet er dem Anbieter ein angemessenes Entgelt. Zudem ist eine angemessene Entschädigung für die Verschlechterung oder den Untergang der Sache zu bezahlen, wenn die Sache in einer Art und Weise genutzt wurde, die über die Prüfung der Eigenschaften und der Funktionsweise der Sache hinausgeht.“ 572 Botschaft zu einem Bundesgesetz über die Förderung der Konsumenteninformation und zu einem Bundesgesetz über die Aenderung des Obligationenrechts (Die Entstehung der Obligationen) vom 07.05.1986 (BBl. 1986 II S. 395); BGer BGE 137 III 243, 4.5. (S. 252); vgl. auch von der Crone/Monferrini, SZW 2011, 485 (487). 573 Siehe dazu auch Schwenzer, Schweizerisches Obligationenrecht AT, 6. Aufl. 2012, Rdnr. 28.73; Dornier, Das Widerrufsrecht bei Haustürgeschäften und ähnlichen Verträgen (Art. 40a-g OR), 1994, S. 114; Heierli/Schnyder, Basler Kommentar OR I, 5. Aufl. 2011, Art. 40f Rdnr. 3; Botschaft zu einem Bundesgesetz über die Förderung der Konsumenteninformation und zu einem Bundesgesetz über die Aenderung des Obligationenrechts (Die Entstehung der Obligationen) vom 07.05.1986 (BBl. 1986 II S. 395). 571

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einer Weise nutzt, die über die Prüfung ihrer Vertragsmäßigkeit und Funktionsfähigkeit hinausgeht.574 Obwohl der Nationalrat die Einführung eines Widerrufsrechts im Onlinehandel abgelehnt hat575 und der Entwurf nicht zum geltenden Schweizer Recht wird, soll die Ausschlussregelung untersucht und bewertet werden, da sie eine Möglichkeit darstellen könnte, auch europäisches Recht in diese Richtung fortzuentwickeln. (2) Bewertung der Ausschlussregelung Fraglich ist, ob diese Ausschlussregelung positiv zu bewerten ist. Dies wird nun untersucht. (a) Eignung zur Verhinderung opportunistischen Verhaltens Weil Art. 40i lit. a OR-E nicht auf eine Wertminderung der Ware abstellt, sondern die reine Nutzung mit dem Verlust des Widerrufsrechts sanktioniert, scheint eine faktische Leihe (retail borrowing) als opportunistisches Handeln tatsächlich zunächst unmöglich. Zumindest wird durch eine solche Regelung ein deutliches Signal an potentielle Opportunisten gesendet. Gleichzeitig betrifft die Regelung aber nicht nur ex ante-Opportunismus, sondern gleichermaßen solche Verbraucher, die während der Nutzung der Ware entscheiden, dass sie sich nicht auf die Prüfung beschränken, sondern die Ware darüber hinaus nutzen. Diese Art von Opportunismus ist jedoch deutlich seltener zu vermuten und dürfte auch für die Ausgestaltung der gesetzlichen Regelung nicht ausschlaggebend gewesen sein. (b) Erhöhung der Transaktionskosten und Probleme hinsichtlich der Ressourcenallokation Der Unternehmer hat ein Zurückbehaltungsrecht bis zum Erhalt der Sache oder eines Nachweises über die Rücksendung, Art. 40m OR-E. Für die Rücksendung hat der Verbraucher grundsätzlich die Kosten zu tragen, Art. 40n Abs. 2 OR-E. Findet der Unternehmer nun heraus, dass die Ware übermäßig genutzt wurde, kann er den Kaufpreis behalten, da der Kaufvertrag nicht mangels Widerrufs erloschen ist. Gleichzeitig ist er im Besitz der Ware und muss diese nun

574 Der Unternehmer müsste dabei gemäß Art. 8 ZGB beweisen, dass das Recht erloschen ist, folglich eine übermäßige Nutzung stattfand, vgl. Walter, Berner Kommentar, 2012, Art. 8 ZGB Rdnr. 279. 575 Siehe nur (Stand: 05.03.2016). Die Ablehnung geschah im Rahmen der von Widmer, K&R 2014, 577 ff., erwähnten, damals noch ergebnisoffenen Vorlage.

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Teil 3: Das Rückgewährschuldverhältnis nach Widerruf

(erneut) an den Verbraucher liefern, weil der Kaufvertrag besteht. Zwar entfallen im Vergleich zur Handhabung unter der Verbraucherrechte-RL die Kosten für die Rückzahlung des (um die Höhe des Wertersatzanspruchs verringerten) Kaufpreises, dies ist aber ein eher geringer Wert im Vergleich zu den Versandkosten, die im Vorschlag zu einem neuen Schweizer Recht zusätzlich entstehen. Zudem resultieren neben Versandkosten auch Transportrisiken, die wiederum einer Vertragspartei interessengerecht auferlegt werden müssen. Das Abwicklungsverhältnis wird um einen weiteren Versand erweitert. Dies geschieht jedoch mit einem – bezüglich der Ressourcenallokation – ungewöhnlichen Ergebnis: Der Verbraucher möchte die Ware nicht mehr, hat aber trotzdem Kosten aufgewendet, um die Ware zurückzusenden, und ist im Vergleich zu einem Unternehmer weniger gut in der Lage, die Ware aufzubereiten und zu verkaufen. Gleichzeitig muss der Unternehmer die Ware aufgrund der kaufvertraglichen Verpflichtung – oder zumindest aufgrund bereicherungsrechtlicher Anspruchsgrundlagen576 – an den Verbraucher herausgeben. Auch die wirtschaftliche Situation des Unternehmers ist damit nicht zwingend besser, als wenn er die Ware und zudem einen Ausgleich für etwaige Verschlechterung erhält. Der Vorschlag für eine neue Rechtslage eröffnet dem Unternehmer zunächst nicht die Möglichkeit, die Ware zu behalten und „nur“ einen Wertersatzanspruch geltend zu machen. Es wäre zu überlegen, inwieweit die Vertragsparteien eine vertragliche Abrede treffen können, die dazu führt, dass das Widerrufsrecht nicht erlischt, wenn der Verbraucher die Ware nutzt, er aber dann Wertersatz zu leisten hat. Fraglich ist dabei insbesondere, ob der Verbraucher durch eine solche Abrede begünstigt oder benachteiligt wird, weil er wiederum Schuldner eines Wertersatzanspruchs würde. (c) Erhöhung der abschreckenden, effektivitätseinschränkenden Wirkung auch für rechtstreue Verbraucher In der Schweiz ist ebenfalls anerkannt, dass die Regelungen zum Rückgewährschuldverhältnis nach Widerruf den Verbraucher nicht übermäßig beschweren dürfen.577 Insoweit kommt spiegelbildlich der Wunsch nach Effektivität des Widerrufsrechts zum Ausdruck. Dem widerspricht jedoch eine Regelung wie Art. 40i lit. a OR-E unter mehreren Gesichtspunkten: Einerseits ist die Entscheidung zum Widerruf erschwert, auch wenn der Verbraucher redlich gehandelt und objektiv nur eine Prüfung vorgenommen hat. Er geht nämlich mit dem Widerruf ein Risiko ein. Das Resultat seines Widerrufs kann sein, dass er in 576 Dies gilt, falls argumentiert werden sollte, der Unternehmer habe seine Verpflichtung aus dem Kaufvertrag schon einmal erfüllt und müsste seiner vertraglichen Verpflichtung nicht erneut nachkommen. 577 In Bezug darauf, dass die Wertersatzregeln nicht zu belastend sein dürfen, damit die Ausübung des Widerrufsrechts nicht „praktisch verunmöglicht wird“, Hartmann, ZSR 2008 I, 307 (320).

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Bezug auf die Ware seine Position nicht verbessert, aber noch Kosten für die Rücksendung der Ware an den Unternehmer angefallen sind. Das Risiko, dass der Unternehmer von einer übermäßigen Nutzung der Ware ausgeht, lässt sich für den Verbraucher schwer kalkulieren, da er selbst zwar seinen Umgang mit der Ware, aber nicht die genauen Grenzen zwischen normaler und übermäßiger Nutzung kennt. Auf der anderen Seite ist keineswegs gewährleistet, dass der Verbraucher in vollem Umfang von seiner Prüfungsmöglichkeit Gebrauch macht. Um die Möglichkeit des Widerrufs (möglichst gesichert) aufrecht zu erhalten, könnte der Verbraucher die Ware in eher geringem Umfang prüfen, damit er auf keinen Fall die Grenze zur übermäßigen Nutzung überschreitet.578 Der Verbraucher muss diesbezüglich eher besorgt sein als bei den Regelungen der Verbraucherrechte-RL, da dort nur eine Wertersatzpflicht entstehen kann, die sich jedoch gerade nicht auf die endgültige Güterzuordnung hinsichtlich der Kaufsache auswirkt. Auch in der Verbraucherrechte-RL sind Konstellationen normiert, in denen ein Widerrufsrecht nicht existiert. Zumeist besteht das Widerrufsrecht in solchen Konstellationen von Anfang an nicht und entfällt nicht erst später durch Verhaltensweisen des Verbrauchers.579 In Einzelfällen sind dabei die Abgrenzungen, ob ein Widerrufsrecht besteht oder nicht, zwar auch im Rahmen der Verbraucherrechte-RL keineswegs leicht durchzuführen.580 Allerdings muss der Verbraucher eine klar definierte Grenze überschreiten, damit er in Konstellationen, in denen er das Widerrufsrecht im Nachhinein verlieren kann, tatsächlich das Widerrufsrecht verliert (z.B. Entfernen einer Versiegelung, Art. 16 lit. e Verbraucherrechte-RL, umgesetzt in § 312g Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BGB). Weil der Verbraucher über den etwaigen Verlust des Widerrufsrechts und über die Umstände, unter denen der Verbraucher ein zunächst bestehendes Widerrufsrecht verliert, informiert werden muss (Art. 6 Abs. 1 lit. k Verbraucherrechte-RL, umgesetzt in § 312d Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 246a § 1 Abs. 3 Nr. 2 EGBGB), kann er sein Verhalten im Umgang mit der Ware daran anpassen. Im Vorschlag für ein neues Schweizer Recht zeigt sich die Besonderheit, dass zwar der Unternehmer beweisen muss, der Verbraucher habe die Ware übermäßig genutzt, der (redliche) Verbraucher ist aber seinerseits gehalten, Entscheidungen bezüglich des Umfangs der Nutzung zu treffen. Dabei handelt es sich aber gerade um keine eindeutige Grenze. Vielmehr fällt es in vielen

578

Vgl. Zaprianos, Die Rückabwicklung der Verbraucherverträge nach Ausübung des Widerrufsrechts, 2016, S. 262. Siehe zum Problem einer „alles oder nichts“-Lösung schon Teil 3, IV 2 f, S. 192 f. 579 Zu Sonderkonstellationen, in denen das Verbraucherverhalten das Widerrufsrecht ausschließt, kurz schon in der Einleitung, III, S. 3. 580 Vgl. etwa zu den uneindeutigen Begriffen in § 312g Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BGB (Umsetzung von Art. 16 lit. e Verbraucherrechte-RL), wie z.B. Hygiene, Schmidt/Brönneke, in: Brönneke/Tonner (Hrsg.), Das neue Schuldrecht, 2014, S. 75 (76 f. mit Fn. 9).

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Teil 3: Das Rückgewährschuldverhältnis nach Widerruf

Konstellationen schwer, die Grenzen des Prüfungsrechts festzulegen und zu erkennen. (3) Zwischenergebnis Das Erlöschen des Widerrufsrechts in einer der parlamentarischen Initiative zum Schweizer Recht entsprechenden Ausprägung ist durchaus geeignet, opportunistisches Verhalten einzudämmen. Trotzdem erscheint die Regelung nicht als überzeugender Ausgleich mit der Effektivität des Widerrufsrechts, weil der Verbraucher von einer umfassenden Prüfung abgeschreckt wird. Zudem verstärkt sich das Problem der Abgrenzung von Nutzung zur Prüfung und darüber hinausgehender Nutzung aufgrund der Rigidität der daran angeknüpften Rechtsfolgen. Insoweit kann der Ausschluss des Widerrufsrechts bei übermäßiger Nutzung kaum überzeugen. bb) Statuieren von Nutzungsersatz- und Nutzungsherausgabeansprüchen Im Spannungsverhältnis von Effektivität des Widerrufsrechts und Opportunismus kann man Nutzungsersatz- und Nutzungsherausgabeansprüche gegen den Verbraucher überzeugend austarieren. (1) Grundlagen einer Neuregelung Der Verbraucher ist oder war in irgendeiner Form durch die Nutzung bereichert. Diese Nutzung war nicht Teil der vertraglichen Abrede zwischen Unternehmer und Verbraucher, sodass ein Anspruch des Unternehmers naheliegen könnte.581 Die Effektivität des Widerrufsrechts wird dadurch nicht unterminiert, solange es auf die tatsächliche Nutzung durch den Verbraucher ankommt und die Prüfung der Ware möglich ist, ohne dass Ansprüche bezüglich einer Nutzung entstehen.582 Gerade in Fällen, bei denen die dargestellten opportunistischen Verhaltensweisen – insbesondere ex ante – möglich erscheinen, also bei Fernabsatzverträgen und beim invited in-home selling, wäre es durchaus angebracht, dem Unternehmer die Möglichkeit zu geben, Nutzungsherausgabe oder Nutzungsersatz zu verlangen. Ob er den Aufwand für die typischerweise eher geringwertigen Ansprüche bei auch eher geringen Erfolgschancen583 tragen möchte

581 Vgl. Steennot, [2013] 29 C.L.S.R. 105, 117 f. Schinkels, ZGS 2005, 179 (182), geht allerdings davon aus, der Unternehmer habe „kein legitimes Interesse daran […], in einer privaten Umgebung eine Trennung von Prüfung und Nutzung nach einem Ausschließlichkeitskriterium vorzunehmen“. Dies lässt sich für ex post-Opportunismus gut vertreten, jedoch wird ex ante-Opportunismus dabei nicht hinreichend berücksichtigt. 582 EuGH, Rs. C-489/07 (Messner), Slg. 2009, I-7315, Rdnr. 22 f. 583 Vgl. dazu Teil 3, V 1 b und c, S. 210 ff.

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oder nicht, sollte er selbst entscheiden können. Diese Entscheidung darf ihm nicht in einem Akt von überflüssigem Paternalismus genommen werden.584 Nicht überzeugen kann in diesem Zusammenhang auch die Aussage, die Möglichkeit, das Widerrufsrecht im Fernabsatz auszunutzen, dürfe nicht als Rechtfertigung eines Nutzungsersatzanspruchs dienen, weil ein vergleichbarer Opportunismus auch im stationären Handel stattfinde, wo regelmäßig kein Nutzungsersatz verlangt werde.585 Der Vergleich mit dem stationären Handel geht schon fehl, weil dort kein zwingendes Widerrufsrecht vorgeschrieben ist. Wenn Unternehmer die Möglichkeit zur kostenfreien Rückgabe einräumen, können sie die Voraussetzungen dergestalt festlegen, dass auch im stationären Handel Nutzungsersatzansprüche möglich wären. Inwieweit man Wertungen für den Fernabsatz (und dann eventuell auch für außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge) aus den privaten Abreden von Rückgaberechten im stationären Handel ableiten können soll, bleibt unklar. Die Nutzungsherausgabe- und Nutzungsersatzpflicht sollte jedenfalls unter dem Vorbehalt stehen, dass der Verbraucher über etwaige Pflichten, die aus der Nutzung resultieren, informiert586 und die regelmäßige Widerrufsfrist in Gang gesetzt wird. Sonst würde der Unternehmer aus einer verlängerten Widerrufsfrist Vorteile (scil. Nutzungsherausgabe- und Nutzungsersatzansprüche) erzielen können, was im Widerspruch zu den Wertungen der Quelle-Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs587 stünde. Zudem können Nutzungsersatzansprüche keine hohen Beträge umfassen, wenn die Ware nur innerhalb der kurzen Widerrufsfrist genutzt werden kann. Insoweit können kaum Kosten entstehen, die den Verbraucher vom Widerruf abhalten. Auch dieser Aspekt der Effektivität ist damit gewahrt. Darüber hinaus ließe sich überlegen, ob man eine doppelte Kompensation der Nutzung bei gebrauchsbedingtem Verschleiß verhindern möchte: Wenn der Verbraucher die Ware über das Prüfungsrecht hinaus nutzt und dadurch die Ware an Wert verliert, müsste der Verbraucher für die Vorteile der Nutzung und den daraus folgenden Wertverlust Ersatz leisten.588 Diese doppelte Inanspruchnahme könnte den Verbraucher gerade dann übermäßig belasten, wenn 584 Zudem würde auch die Widerrufsbelehrung nicht umfangreich erweitert werden müssen und dadurch unübersichtlich. Für Nutzungsersatzansprüche sind kaum grundlegend neue Informationen aufzunehmen. Die entscheidende Grenze für das Entstehen von Ansprüchen gegen den Verbraucher würde weiterhin die ausreichende Prüfungsmöglichkeit bleiben. 585 Dies vertritt Ehlen, Nutzungsersatz im kaufvertraglichen Mängelgewährleistungs- und Widerrufsrecht, 2012, S. 185 f. 586 Siehe zu den Unklarheiten im geltenden Recht bei der Information über Wertersatzpflichten schon Teil 3, IV 1, S. 176 ff. 587 EuGH, Rs. C-404/06 (Quelle), Slg. 2008, I-2685, Rdnr. 40 f.; vgl. dazu auch schon oben Teil 3, V 2 b aa, S. 218 f. 588 Siehe zuletzt Schwab, JZ 2015, 644 (646 f.), zur gleichen Thematik nach alter Rechtslage.

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Teil 3: Das Rückgewährschuldverhältnis nach Widerruf

der Unternehmer nicht generell zur Verzinsung der erhaltenen Kosten verpflichtet wäre, und der Verbraucher Nutzungen des Unternehmers nicht erstattet bekommt.589 Man könnte deshalb für solche Konkurrenzfälle die entsprechenden Vorschriften dahingehend anpassen, dass dem Unternehmer entweder ein Wertersatz- oder ein Nutzungsersatzanspruch zusteht. Eine weitere Möglichkeit wäre, dem Unternehmer ein Wahlrecht hinsichtlich beider Ansprüche einzuräumen.590 Gleichwohl dürfte die finanzielle Belastung von Verbrauchern durch doppelte Kompensation der Nutzung innerhalb der Widerrufsfrist nicht sehr umfassend ausfallen, weil nur eine kurze Zeit zur Verfügung steht und der Großteil des Wertverlusts der Ware meist schon durch die Prüfungshandlung eintritt. Insoweit ließe sich auch gut vertreten, zur Abschreckung vor Überschreitung des Prüfungsrechts und damit zur Verhinderung von Opportunismus eine doppelte Kompensation der Nutzung bei gebrauchsbedingtem Verschleiß zu ermöglichen. (2) Potentielle Risiken Mit dem Statuieren von Nutzungsersatzansprüchen möchte man zwei Aspekte erreichen. Einerseits soll der Verlust des Unternehmers gering gehalten werden, wenn der Vertrag widerrufen wird. Andererseits sollen insbesondere Anreize gegen ex ante-opportunistisches Verbraucherverhalten gesetzt werden. Dies soll darin resultieren, dass weniger Verbraucher die Ware bestellen, um sie (über die Prüfung hinaus) zu nutzen und dann zu widerrufen. Mit Nutzungsersatzansprüchen könnte man die faktische Leihe zu einer faktischen Miete umwandeln.591 Hierdurch könnten sich allerdings soziale Normen verändern. Während Verbrauchern bewusst ist, dass faktische Leihe unerwünscht ist,592 zahlt der Verbraucher bei einer faktischen Miete für die Leistung, die er erhält. Aus Verbrauchersicht könnte dies wie ein weiteres Geschäftsmodell des Unternehmers wirken und gerade nicht wie ein (sozial) unerwünschtes Verhalten. So zeigte sich in einer Feldstudie beispielsweise, dass mehr Eltern ihre Kinder verspätet aus der Kindertagesstätte abgeholt haben, wenn sie für die Verspätung zahlen mussten.593 Die Zahlung wurde nicht wie

589

Siehe hierzu sogleich Teil 3, V 3 a, S. 233. Vgl. Hähnchen, ZJS 2009, 726 (728). So für die alte Rechtslage Wendehorst, MünchKomm. BGB, 6. Aufl. 2012, § 312e Rdnr. 18 f. 591 Siehe dazu bereits oben Teil 3, V 2 b cc, S. 221 f. 592 Verbraucher selbst erkennen dieses Verhalten als unzulässig und unsozial an. 98,6 % der Befragten beurteilten bei einer Studie das Verhalten als unzulässig und unsozial, der Wert lag noch über dem für den Diebstahl aus einem Geschäft (98,3 %), siehe Wilkes, 42 J.M. 67, 71 (1978). 593 Gneezy/Rustichini, 92 J. Legal Stud. 1, 5 ff. (2000). 590

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eine Strafe, sondern vielmehr wie ein Preis für eine Leistung wahrgenommen, wodurch das Verhalten als sozialadäquat wahrgenommen wurde.594 Insbesondere bei Kleidung für besondere Anlässe findet die faktische Leihe statt. Gerade weil sich in diesem Bereich schon Geschäftsmodelle zur Miete (im Internet) etabliert haben,595 müsste der Verbraucher auch weiterhin erkennen, dass sein Miet-Verhalten bei einem eigentlichen Kauf unerwünscht ist, er nur die Nutzung an sich abgilt und nicht sein ganzes Verhalten gerechtfertigt wird. Zudem könnte man ein dahingehendes Bewusstsein auch in dem Muster für die Widerrufsbelehrung schärfen, indem man ausdrücklich erklärt, dass die Nutzung über die Prüfung hinaus unzulässig ist. Opportunistische Verbraucher sollten zwar einerseits durch die finanzielle Belastung von ihrem Verhalten abgehalten werden, könnten aber andererseits gerade eine soziale Rechtfertigung für ihr Verhalten erlangen. Inwiefern diese Vorgänge die Anzahl faktischer Leihen beeinflusst, kann hier nicht abschließend beurteilt werden. Gleichwohl könnte der finanzielle Verlust des Unternehmers bei solchen Verhaltensweisen jedenfalls verringert werden. (3) Notwendigkeit einer Unterscheidung der Vertriebsformen? Teilweise wird angeregt, bei der Nutzungsersatzpflicht zwischen Vertriebsformen zu unterscheiden:596 Bei Fernabsatzverträgen hat der Verbraucher den Vertragsschluss „ohne einen mißbilligten Einfluß des anderen Teils […] selbst mit herbeigeführt“.597 Läge jedoch eine solche Überrumpelungssituation598 vor, so sei der Widerruf dem Verbraucher nicht allein zuzurechnen,599 weshalb er keinen Nutzungsersatz leisten solle.600 Fraglich ist, ob die der Unterscheidung zugrunde liegende Wertung mit dem hier aufbereiteten Spannungsverhältnis in Einklang gebracht werden kann. Unproblematisch erscheint dies für ex anteOpportunismus. Dieser ist – abgesehen vom invited in-home selling – bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen kaum möglich. Somit ist in den klassischen Fällen dieser Lebenssachverhalte ein Anspruch auf Nutzungsersatz nicht nötig, um dem Opportunismus zu begegnen. Allerdings gilt 594

Gneezy/Rustichini, 92 J. Legal Stud. 1, 14 (2000). Siehe z.B. oder (Stand: 05.03.2016). 596 Z.B. von Vogel, Verbrauchervertragsrecht und allgemeines Vertragsrecht, 2006, S. 160 f. 597 Riesenhuber, System und Prinzipien des Europäischen Vertragsrechts, 2003, S. 341. Siehe allerdings auch schon oben Teil 1, I 2 a, S. 12. 598 Die Aussagen wurden getätigt für Haustürgeschäfte. Die zugrunde liegenden Wertungen sind jedoch größtenteils auf außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge übertragbar. 599 Riesenhuber, System und Prinzipien des Europäischen Vertragsrechts, 2003, S. 341. 600 Von Vogel, Verbrauchervertragsrecht und allgemeines Vertragsrecht, 2006, S. 161; wohl auch Riesenhuber, System und Prinzipien des Europäischen Vertragsrechts, 2003, S. 341. 595

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dies keineswegs für ex post-Opportunismus. Dieser ist unabhängig von der Vertriebsform möglich und ist gleichermaßen zu unterbinden. Die „Zurechnung“ des Widerrufs erscheint hier nicht als tragfähiges Unterscheidungsmerkmal bezüglich einer Schutzwürdigkeit des Verbrauchers in Bezug auf Nutzungsersatzansprüche. (4) Zwischenergebnis Der Verbraucher sollte de lege ferenda gezogene Nutzungen herausgeben oder dafür Ersatz leisten müssen, wenn er die Ware über ein Maß hinaus genutzt hat, das zur Prüfung notwendig war, und er über diese etwaige Pflicht vorab informiert wurde. Dabei sollte nicht zwischen den Vertriebsformen unterschieden werden. Sowohl bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen als auch bei Fernabsatzgeschäften wird die Effektivität des Widerrufsrechts nicht negativ beeinflusst, wenn bestimmte Kriterien erfüllt sind. Hingegen lassen sich bestimmte opportunistische Verhaltensweisen des Verbrauchers zielgerichtet angehen. Zwar wird der Unternehmer häufig schwerlich beweisen können, dass der Verbraucher die Ware übermäßig genutzt hat. Allerdings könnten solche Ansprüche (gerade zukünftig) zur Vermeidung von faktischer Leihe (retail borrowing) dienlich sein. Mit technischen Mitteln ließe sich nachweisen, wie lange ein Kleidungsstück getragen wurde, und Betriebsstundenzähler könnten dokumentieren, wie lange ein elektronisches Gerät betrieben wurde. Somit sind Nachweismöglichkeiten bezüglich einer Nutzung in zwei wichtigen Bereichen der faktischen Leihe denkbar. cc) Fazit Die Ideen einer Reform zum Widerrufsrecht in der Schweiz basieren größtenteils auf Erwägungen zur Opportunismusvermeidung. Dabei wird die Effektivität des Widerrufsrechts nicht hinreichend beachtet. Der Ausschluss des Widerrufsrechts bei übermäßiger Nutzung stellt keine nachvollziehbare Interessenabwägung dar. Allerdings kann eine solche hergestellt werden, indem dem Unternehmer Nutzungsherausgabe- und Nutzungsersatzansprüche gewährt werden. Damit kann insbesondere verschiedenen Ausprägungen des ex anteOpportunismus entgegengewirkt werden, so kann etwa faktische Leihe verhindert oder sanktioniert werden.

V. Nutzungsherausgabe und -ersatz

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3. Nutzungen des Unternehmers Nunmehr wird untersucht, ob es vor dem Hintergrund des Spannungsverhältnisses von Effektivität und Opportunismus richtig ist, auf Nutzungsersatzansprüche gegen den Unternehmer zu verzichten.601 a) Nutzungen bei hinreichender Information Nach geltendem Recht steht dem Verbraucher zumindest kein Nutzungsersatzoder Nutzungsherausgabeanspruch gegen den Unternehmer zu, wenn der Unternehmer seine Informationspflichten erfüllt. Ein solcher Anspruch wäre vorwiegend auf die Herausgabe von Zinsen gerichtet, weil diese durch die Nutzung des vom Verbraucher gezahlten Kaufpreises entstehen können.602 Der Verzicht auf einen dahingehenden Anspruch führt allerdings zu keinen umfassenden Problemen hinsichtlich der Effektivität des Widerrufsrechts. Würde man dem Verbraucher einen solchen Anspruch zugestehen, könnte der finanzielle Anreiz zum Widerruf zwar erhöht werden, weil der Verbraucher aufgrund des Widerrufs mehr Geld erstattet bekommen könnte. Allerdings kann der Verbraucher nur vierzehn Tage lang widerrufen, wenn der Unternehmer seine Informationspflichten erfüllt hat, § 355 Abs. 2 Satz 1 BGB i.V.m. § 356 Abs. 3 Satz 1 BGB (Umsetzung von Art. 9 Abs. 2 lit. b, Art. 10 Verbraucherrechte-RL). Insoweit kann der Unternehmer die an ihn vom Verbraucher geleisteten Zahlungen nicht lange nutzen; folglich könnte ein Anspruch auf Herausgabe der Zinsen bei Kaufverträgen nur auf einen geringen Wert gerichtet sein.603 Der Verbraucher wird nicht vom Widerruf abgehalten, wenn er einen so geringen Betrag nicht herausverlangen kann. Demnach ist es vor dem Hintergrund des Spannungsverhältnisses von Effektivität und Opportunismus gerechtfertigt, dem Verbraucher keinen generellen Anspruch auf Nutzungsersatz oder Nutzungsherausgabe gegen den Unternehmer zu gewähren. b) Nutzungen bei Verletzung der Informationspflichten Besonders relevant wird ein etwaiger Anspruch bezüglich der Zinsen, wenn die Widerrufsfrist nicht zu laufen beginnt. Dieser Fall tritt ein, wenn der Unternehmer seine Informationspflichten verletzt, § 356 Abs. 3 BGB (Umsetzung von Art. 10 Verbraucherrechte-RL).

601 Vgl. schon oben Teil 3, V 1 a, S. 209 f., zu der Frage, ob der Richtliniengeber weitere Ansprüche gegen den Unternehmer ausschließen wollte. 602 Vgl. BeckOK-BGB/Fritzsche, 37. Ed. Stand: 01.08.2015, § 100 Rdnr. 7. 603 Vgl. Leupold, in: Welser (Hrsg.), Die Umsetzung der Verbraucherrechte-Richtlinie in den Staaten Zentral- und Osteuropas, 2015, S. 83 (106).

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Teil 3: Das Rückgewährschuldverhältnis nach Widerruf

aa) Sanktionen im deutschen Recht Demnach stellt sich die Frage, ob Ansprüche bezüglich der Zinsen gegen den Unternehmer angezeigt erscheinen, um eine unzureichende Informierung des Verbrauchers zu ahnden,604 und ob solche Ansprüche im deutschen Recht schon begründet werden können. Die Verbraucherrechte-RL sieht einen solchen Anspruch nicht explizit vor. Art. 24 Abs. 1 Satz 1 Verbraucherrechte-RL statuiert, dass die Mitgliedstaaten für Verstöße gegen die aufgrund der Verbraucherrechte-RL erlassenen innerstaatlichen Vorschriften Sanktionen festlegen und die zu ihrer Anwendung erforderlichen Maßnahmen treffen können. Somit können nationale Gesetzgeber auch Sanktionen bei Verletzungen der Informationspflichten festlegen,605 solange die Sanktionen wirksam, angemessen und abschreckend sind, Art. 24 Abs. 1 Satz 2 Verbraucherrechte-RL. Nationale Gesetzgeber könnten folglich das Fehlverhalten neben einer verlängerten Zeit, in der ein Widerruf möglich ist (vgl. Art. 10 Verbraucherrechte-RL) und dem Ausschluss von Wertersatzansprüchen (vgl. Art. 14 Abs. 2 Satz 2 Verbraucherrechte-RL) noch zusätzlich sanktionieren. Fraglich ist, ob Art. 24 Verbraucherrechte-RL auch (zusätzliche) Sanktionen im Verhältnis zwischen den Vertragsparteien zulässt oder nur wettbewerbsrechtliche Konsequenzen u.Ä. gemeint sind, weil der Richtliniengeber die Sanktionen zwischen den Parteien schon umfassend geklärt hat. Gleichwohl scheinen weitere Ansprüche gegen den Unternehmer grundsätzlich zulässig (arg. ex Art. 14 Abs. 5 Verbraucherrechte-RL; § 361 Abs. 1 BGB).606 Zudem legte der Europäische Gerichtshof im Jahr 2005 für Haustürsituationen die Notwendigkeit eines (Schadens-)Ersatzanspruchs des Verbrauchers bei Informationspflichtverletzungen durch den Unternehmer nahe.607 Denkbar ist demnach hier ein Schadensersatzanspruch bezüglich der Zinsen wegen Verletzung einer Informationspflicht (§§ 280

604 Vgl. Kolba/Leupold, Das neue Verbraucherrecht, 2014, S. 118. Eine solche Sanktionierung ergab sich aus Sicht des Bundesgerichtshofs bei der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung nach einem (ex tunc-wirkenden) Widerspruch bei Versicherungsverträgen (§ 5a VVG [i.F.v. 1994]) aufgrund von § 818 Abs. 1 BGB, siehe BGH NJW-RR 2004, 751 (753). Schon aufgrund der Spezialität von § 357 BGB kann hier der Weg über das Bereicherungsrecht nicht gewählt werden. 605 Vgl. Koch, MDR 2014, 1421 (1423). 606 Vgl. auch Brox/Walker, Allgemeines Schuldrecht, 39. Aufl. 2015, S. 190. 607 Vgl. EuGH, Rs. C-350/03 (Schulte), Slg. 2005, I-9215, Rdnr. 96 ff.; siehe auch Masuch, MünchKomm. BGB, 6. Aufl. 2012, § 360 Rdnr. 41 ff.; Oechsler, NZG 2008, 368 (368 f.). Der Europäische Gerichtshof stellte dabei auch auf die Pflicht der Mitgliedstaaten zur Sanktionierung von Informationspflichtverletzungen des Unternehmers (damals aus Art. 4 Abs. 3 Haustürwiderrufs-RL) ab, siehe EuGH, Rs. C-350/03 (Schulte), Slg. 2005, I9215, Rdnr. 95.

V. Nutzungsherausgabe und -ersatz

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Abs. 1, 241 Abs. 2, 311 Abs. 2 BGB).608 Der Verbraucher soll zunächst so gestellt werden wie bei Nichteintritt des zum Ersatz verpflichtenden Umstands (§ 249 Abs. 1 BGB). Einem solchen Anspruch liegt die Idee zugrunde, dass der Verbraucher bei Kenntnis vom Widerrufsrecht hätte widerrufen können, er demnach den gezahlten Kaufpreis zurückerhalten hätte und dieses Geld gewinnbringend hätte anlegen können. Dabei stellt sich zunächst die Frage, ob der Verbraucher mit der Widerrufsbelehrung tatsächlich widerrufen hätte und ein etwaiger Schaden demnach kausal auf der Informationspflichtverletzung beruhen kann. Hierfür ist der Verbraucher grundsätzlich beweispflichtig. Eine Ausnahme könnte allerdings vorliegen, wenn dem Verbraucher die sogenannte Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens zugute kommt. Dann würde eine Beweislastumkehr zu seinen Gunsten eintreten und ein Widerruf würde vermutet.609 Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs legt allerdings nahe, dass der Verbraucher sich in solchen Konstellationen nicht auf diese Vermutung berufen kann.610 Zwar würde der Verbraucher umfangreicher geschützt, wenn ihm die Vermutung zugute kommen würde, weil er sich dann immer auf den Standpunkt stellen könnte, dass er widerrufen hätte. Aber gerade vor dem Hintergrund der Nutzungen der Vertragsparteien zeigt sich eine gewisse Unstimmigkeit: Der Unternehmer würde möglicherweise Zinsen für den Kaufpreis schulden, weil der Verbraucher widerrufen hätte (können). Der Verbraucher muss jedoch keinen Nutzungsersatz leisten, weil er den Vertrag noch nicht widerrufen hat und im Rückgewährschuldverhältnis begünstigt wird.611 Diese Begünstigung würde allerdings nicht eintreten, wenn man den Verbraucher so stellen würde, als habe er innerhalb von vierzehn Tagen nach Lieferung der Ware widerrufen. Eine generelle Beweislastumkehr würde den Verbraucher folglich übermäßig begünstigen. Soweit der Verbraucher sich somit nicht auf eine Beweislastumkehr berufen kann, müsste er begründen, dass er den Vertrag widerrufen hätte. Kann der Verbraucher dies beweisen, bleibt die Frage bestehen, ob und in welchem Umfang er mit dem Geld einen Zinsgewinn erwirtschaftet hätte, der 608

Grundlegend zur Einstufung als Informationspflicht nur EuGH, Rs. C-350/03 (Schulte), Slg. 2005, I-9215, Rdnr. 94 ff.; siehe auch Wiese, in: Schmidt-Kessel et al. (Hrsg.), Perspektiven des Verbrauchsgüterkaufs, 2015, S. 63 (69 f.). 609 Vgl. zur dogmatischen Einordnung der Vermutung nur Bassler, WM 2013, 544 (545 f.) m.w.N. 610 Siehe BGHZ 169, 109 (121 f.); BGH NJW 2008, 1585 (1588). Die Rechtsprechungsänderung zum aufklärungsrichtigen Verhalten bei mehreren hypothetischen Entscheidungsmöglichkeiten aus dem Jahr 2012 (BGHZ 193, 159) dürfte sich für das Widerrufsrecht nicht auswirken, weil die Abweichung für Kapitalanlagefälle mit der Unterscheidung danach, wer sich auf den Entscheidungskonflikt beruft, begründet wird (BGHZ 193, 159 [169 f.]) und die Widerrufskonstellation normativ eher der Aufklärungspflichtverletzung bei Arzthaftungsfällen zuzuordnen ist. 611 Siehe dazu bereits Teil 3, V 1 a, S. 208 f.

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Teil 3: Das Rückgewährschuldverhältnis nach Widerruf

ihm nun i.S.d. § 252 BGB entgangen ist. Auch hierfür ist der Verbraucher beweispflichtig.612 Folglich dürfte ein Schadensersatzanspruch des Verbrauchers gegen den Unternehmer wegen entgangener Zinsen nur in seltenen Fällen bestehen. Ein gesicherter Anspruch steht dem Verbraucher faktisch jedenfalls nicht zu. bb) Notwendigkeit des Anspruchs zur Gewährleistung der Effektivität Es fragt sich jedoch, ob ein Anspruch auf Herausgabe der Nutzungen/Zinsen notwendig ist, um die Effektivität des Widerrufsrechts zu gewährleisten. Zur Konkretisierung der Problemstellung wird im Folgenden auf ein praxisnahes Beispiel zurückgegriffen: Eine Verbraucherin kauft ein Kleid für 300,- Euro. Das Kleid fällt etwas kleiner aus als erwartet und passt der Verbraucherin deshalb nicht. Die Verbraucherin würde widerrufen, wenn sie von ihrem Widerrufsrecht wüsste. Der Aufwand für einen Weiterverkauf ist ihr zu groß, gerade im Verhältnis zum erwarteten Gewinn. Deshalb entschließt sie sich, abzuwarten, ob ihr das Kleid, das ihr doch gut gefällt, später passen wird. Ein Jahr später erfährt sie von ihrem Widerrufsrecht. Das Kleid hat noch den gleichen Marktwert wie zuvor, allerdings hatte die Verbraucherin auch den Kaufpreis nicht zur Verfügung, um eine Verzinsung herbeizuführen. Widerruft sie nun den Vertrag, verliert sie den Zinswert, es sei denn, sie hat einen Anspruch auf Herausgabe der Nutzungen gegen den Unternehmer. Wenn Unternehmer einen verzinsten Kaufpreis zurückzahlen müssten, würde die Kosten-Nutzen-Abwägung von Verbrauchern, die dem Widerruf zugrunde liegt, häufiger zugunsten eines Widerrufs ausfallen, weil der Nutzen höher ist. Dies könnte dafür sprechen, den Anspruch zugunsten der Effektivität zu gewähren. Allerdings ist der Anspruch hinsichtlich der Zinsen in Bezug auf die Effektivität nicht zwingend erforderlich, weil durch das Widerrufsrecht nur gewährleistet werden muss, dass der Verbraucher den Wert der Ware in Relation zum (unverzinsten) Kaufpreis setzen kann.613 Auf die Prüfungshandlung des Verbrauchers dürfte sich der Anspruch zudem nicht positiv auswirken. Wenn der Verbraucher nicht hinreichend über das Widerrufsrecht informiert ist, entsteht zwar ein Anreiz, die Ware länger zu behalten,614 auf den Umfang der Prüfung hat dies allerdings keine Auswirkung. Für die Effektivität des Widerrufsrechts ist der dargestellte Anspruch somit nicht unerlässlich. Allerdings kann er einen größeren finanziellen Anreiz zum Widerruf liefern. Dies könnte wiederum eingesetzt werden, um generell fehlender Effektivität aufgrund von Verhaltensanomalien615 entgegenzuwirken. 612

Siehe zu den Schwierigkeiten dieses Nachweises auch BGH NJW 2012, 2266 (ebd.). Vgl. zu den verbraucherbezogenen Zwecksetzungen des Widerrufsrechts oben Teil 1, I 2, S. 9 ff. 614 Siehe dazu sogleich Teil 3, V 3 b cc, S. 237 f. 615 Vgl. dazu oben Teil 2, II, S. 54 ff. 613

V. Nutzungsherausgabe und -ersatz

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Wie umfangreich man Einschränkungen der Effektivität entgegentreten würde, hinge dann jedoch von der Zeit ab, in der ein Verbraucher die Ware im Besitz hätte. Weil die Zinserträge gleichmäßig ansteigen, würde Effektivitätsbeschränkungen auch mit Zeitablauf immer mehr entgegengewirkt. Die verhaltensökonomisch belegten Beschränkungen der Effektivität (z.B. status quo bias) werden aber nicht gleichmäßig größer.616 Insoweit würde der Ausgleich effektivitätsbehindernder Verhaltensanomalien zu verschiedenen Zeitpunkten unterschiedlich umfangreich ausfallen. Dies widerspricht einer tragfähigen Legitimation eines solchen Konzepts zur Förderung der Effektivität. cc) Gefahr der Ausnutzung durch Verbraucher Untersucht wird nunmehr, ob der Verbraucher die Situation zudem ausnutzen könnte, wenn er vom Unternehmer einen Nutzungsersatz verlangen könnte. Auch wenn der Verbraucher nicht hinreichend über das Widerrufsrecht informiert ist, kann er seine Rechte kennen und ausnutzen. (1) Kaufvertrag mit Widerrufsrecht als Geldanlagemöglichkeit In Betracht kommt zunächst, den Kaufvertrag mit einem Widerrufsrecht als Geldanlagemöglichkeit zu nutzen. Der Verbraucher könnte etwa sein Geld im Fernabsatzhandel investieren, um später zu widerrufen und einen – möglicherweise entsprechend § 247 Abs. 1 BGB – verzinsten Betrag zurückzuerhalten. Ein solches Vorgehen würde finanziell nur dann hinreichend vorteilhaft sein, wenn der Zeitraum zwischen Vertragsschluss und Widerruf lang ist.617 In einem kurzen Zeitraum können Zinsen nur marginal sein. Damit der Zeitraum allerdings länger als wenige618 Wochen ist, müsste der Unternehmer seinen Informationspflichten nicht umfassend nachgekommen sein, § 356 Abs. 3 Satz 1 BGB (Umsetzung von Art. 10 Verbraucherrechte-RL). Zwar könnte ein Verbraucher versuchen zu recherchieren, ob bestimmte Unternehmer dafür bekannt sind, unzureichend zu informieren. Gewissheit wird ein Verbraucher allerdings im Voraus selten erlangen können. Schon deshalb erscheint die Gefahr eines solchen (ex ante-)opportunistischen Verbraucherverhaltens nicht sehr groß.

616 Es ist auch (bisher) kein linearer Anstieg des endowment effect nachgewiesen, der ein debiasing anregen könnte. Vgl. zum endowment effect oben Teil 2, II 2 a aa, S. 56 ff. 617 Für den Verbraucher entstehen jedenfalls immaterielle Kosten durch die Geltendmachung von Ansprüchen. Diese Kosten müsste der Verbraucher vom Gewinn abziehen. 618 Es sind oftmals mehr als zwei Wochen, weil die Widerrufsfrist nicht schon bei Vertragsschluss zu laufen beginnt, § 355 Abs. 2 Satz 2 BGB i.V.m. § 356 Abs. 2 BGB.

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Teil 3: Das Rückgewährschuldverhältnis nach Widerruf

(2) Verzögerung der Widerrufserklärung Der Verbraucher erhält jedoch in bestimmten Konstellationen einen Anreiz, die Widerrufserklärung zu verzögern. Es steht dem Verbraucher frei, den Zeitpunkt seiner Widerrufserklärung zu wählen. Zunächst beschränkt ihn allerdings zeitlich die Widerrufsfrist. Belehrt der Unternehmer den Verbraucher nicht (hinreichend) über das Widerrufsrecht, kann der Verbraucher bis zu einem Jahr und vierzehn Tagen nach Beginn der Widerrufsfrist widerrufen (§ 356 Abs. 3 Satz 2 BGB; Umsetzung von Art. 10 Verbraucherrechte-RL). Weiß der Verbraucher nun, dass er widerrufen will, kann er bei fehlerhafter Belehrung die Widerrufserklärung sehr lange verzögern. Erhält er nach dem Widerruf sogar neben den geleisteten Zahlungen auch Zinsen zurückgezahlt, wird er sich mit der Widerrufserklärung nicht beeilen (müssen). Solange er selbst nicht wertersatzpflichtig wird, könnte er sein Geld als „gut angelegt“ betrachten. Der Richtliniengeber zeigt, indem er die Höchstfrist für den Widerruf verkürzt und europaweit vorgibt, dass die Rechtssicherheit über den Bestand des Vertrages für die Vertragsparteien besonders relevant ist.619 Das Eintreten dieser Rechtssicherheit verzögert der Verbraucher möglicherweise unbillig. Allerdings spricht dies nicht generell gegen einen Nutzungsersatzanspruch zulasten des Unternehmers. Vielmehr müsste bei der konkreten Ausgestaltung darauf geachtet werden, dass der Verbraucher nicht übermäßig begünstigt wird. Gerade bei nicht gezogenen Nutzungen könnte dies in Anlehnung an § 347 BGB bedeuten, dass man auf eine generelle Verzinsungspflicht für Geld verzichtet.620 Dadurch könnte der Verbraucher seinen Zinsgewinn nicht mehr planen. Eine (treuwidrige) Verzögerung wäre finanziell nicht mehr automatisch attraktiv. (3) Zwischenergebnis Gewährt man dem Verbraucher einen Anspruch gegen den Unternehmer auf Nutzungsersatz in Form einer Herausgabe von Zinsen, entstehen kleinere Risiken von opportunistischem Verhalten. Diese Verhaltensweisen können allerdings überhaupt nur dann rentabel für den Verbraucher sein, wenn der Unternehmer seinen Informationspflichten nicht umfassend nachgekommen ist. Insoweit kann der Unternehmer durch eine umfassende Information selbst opportunistisches Verbraucherverhalten verhindern.

619

Siehe auch Erwägungsgrund 43 Satz 2 zur Verbraucherrechte-RL. Siehe zu der früher bestehenden Verzinsungspflicht in § 347 Satz 3 BGB a.E. (i.F.v. 2000) nur Gaier, MünchKomm. BGB, 6. Aufl. 2012, § 347 Rdnr. 8. 620

VI. Aufwendungsersatz

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dd) Fazit Für die Effektivität des Widerrufsrechts ist es auch bei der Verletzung von Informationspflichten nicht zwingend notwendig, dem Verbraucher einen Anspruch auf Nutzungsherausgabe zu gewähren. Zwar wird der finanzielle Anreiz zum Widerruf etwas größer, allerdings dürften in der Praxis keine zu großen Werte in Rede stehen. Geht es in Sonderkonstellationen doch um größere Beträge, könnte ein Schadensersatzanspruch wegen einer Informationspflichtverletzung geltend gemacht und versucht werden, die notwendigen Beweise zu erbringen. Zudem entstünden mit einem generellen Anspruch gegen den Unternehmer auch geringe Risiken für opportunistisches Verbraucherverhalten. Darüber hinaus erscheint der Unternehmer für Informationspflichtverletzungen schon hinreichend dadurch sanktioniert, dass er innerhalb der verlängerten Zeit, in der ein Widerruf möglich ist (vgl. Art. 10 Verbraucherrechte-RL), keine Wertersatzansprüche geltend machen kann (vgl. Art. 14 Abs. 2 Satz 2 Verbraucherrechte-RL). 4. Ergebnis Zur Vermeidung von Opportunismus sollten gegen den Verbraucher Nutzungsherausgabe- und Nutzungsersatzansprüche geltend gemacht werden können, wenn der Verbraucher hinreichend über die Widerrufsmöglichkeit und etwaige Folgen des Widerrufs informiert wurde. Gleichwohl erscheint es nicht notwendig, dem Verbraucher auch Ansprüche dieser Art gegen den Unternehmer zu gewähren. Dies führt nach hier vertretener Sichtweise nicht zu einer zu geringen Berücksichtigung der Verbraucherinteressen. Während derartige Ansprüche gegen den Verbraucher nicht bestehen sollen, wenn der Verbraucher nicht hinreichend informiert ist, würden Ansprüche gegen den Unternehmer erst bei unterbliebener Informierung finanziell interessant. Gerade weil der Unternehmer weitere Einbußen in dieser Zeit tragen muss, muss eine zusätzliche Begünstigung des Verbrauchers nicht erfolgen.

VI. Aufwendungsersatz VI. Aufwendungsersatz

Es wird nun untersucht, ob dem Verbraucher gegen den Unternehmer Ansprüche, die auf den Ersatz von Aufwendungen gerichtet sind, zustehen können. Aufwendungen sind freiwillige Vermögensopfer. Im deutschen Zivilrecht treten Ansprüche hinsichtlich des Ersatzes von Aufwendungen insbesondere in zwei Ausprägungen auf: Einerseits sollen Aufwendungen unter bestimmten Voraussetzungen ersetzt werden, wenn diese im Interesse einer anderen Person

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Teil 3: Das Rückgewährschuldverhältnis nach Widerruf

getätigt wurden oder eine andere Person dadurch bereichert wurde.621 Andererseits werden Aufwendungen ersetzt, wenn in einem Schuldverhältnis ein Fehlverhalten (Pflichtverletzung oder Verzug) dazu führt, dass getätigte Aufwendungen nutzlos622 oder zusätzliche Aufwendungen erforderlich werden.623 Freiwillige Vermögensopfer, die einem Leistungsgegenstand zugute kommen, nennt man Verwendungen.624 Für den Ersatz von Verwendungen wird häufig auf die Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 683 f. BGB),625 das Bereicherungsrecht (§§ 812 ff. BGB)626 oder die entsprechenden Regelungen zur Vindikationslage (§§ 994 ff. BGB)627 zurückgegriffen.628 Konkret wird im Folgenden nun untersucht, ob dem Verbraucher in Bezug auf die neue Verpackung der Ware für die Rücksendung ein Ersatzanspruch zusteht (1) und ob dem Verbraucher Ersatzansprüche zustehen, wenn er vor dem Widerruf Verwendungen tätigt (2). 1. Ersatzansprüche hinsichtlich der Verpackung a) Grundzüge der Rechtslage In den meisten Fällen ist der Verbraucher nach Widerruf zur Rücksendung der Ware verpflichtet.629 Dieser Rücksendung wird in vielen Fällen das Verpacken der Ware vorausgehen müssen, weil der Verbraucher die Ware ausgepackt und untersucht hat.630 Da der Verbraucher nicht verpflichtet ist, die Ware in der Originalversandverpackung zu retournieren,631 ist es legitim, wenn der Verbraucher diese Verpackung entsorgt. Zumindest dann entstehen ihm aber Kosten für eine neue Verpackung.632 Zudem entsteht auch Arbeitslast durch den

621

Diese Ausprägung findet sich beispielsweise in § 670 BGB, § 970 BGB, § 1835 BGB, § 347 Abs. 2 Satz 2 BGB oder § 812 Abs. 1 Satz 1 Var. 2 BGB. 622 Siehe § 284 BGB, der auch über den Verweis in § 437 Nr. 3 Var. 2 BGB angewendet wird. 623 Besonders gut kommt dies bei § 304 BGB zum Ausdruck. Siehe auch § 536a Abs. 2 Nr. 2 BGB. 624 Siehe nur Looschelders, Schuldrecht Allgemeiner Teil, 12. Aufl. 2014, S. 104. 625 Hierauf verweisen § 539 Abs. 1 BGB, § 601 Abs. 2 Satz 1 BGB, § 1049 Abs. 1 BGB und § 1216 Satz 1 BGB. 626 Direkter Verweis in § 683 Satz 1 BGB. 627 Hierauf verweist beispielsweise § 850 BGB. 628 Eigenständige Regelungen finden sich beispielsweise in § 459 BGB, § 601 Abs. 1 BGB und § 347 Abs. 2 BGB. 629 Siehe zu Ausnahmen aufgrund fehlender Versandfähigkeit Teil 3, I 2 b, S. 88 ff. 630 Oftmals muss der Verbraucher auch eine aufgebaute Ware wieder abbauen; vgl. schon Teil 3, I 2 c, S. 93 ff. 631 Vgl. dazu Teil 3, II 2 a bb, S. 116. 632 Siehe auch Soergel/Pfeiffer, BGB, 13. Aufl. 2010, § 357 Rdnr. 34.

VI. Aufwendungsersatz

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Verpackungsvorgang. Dafür sieht das Gesetz keinerlei Ausgleichsmöglichkeiten in Form von Aufwendungsersatzansprüchen vor.633 b) Analogie zu Versandkosten zugunsten der Effektivität (insbesondere nach früherer Rechtslage)? Für das seit der Schuldrechtsreform bis zum 13.06.2014 geltende Recht wurde vor dem Hintergrund von Effektivitätserwägungen möglicherweise angeregt, der Verbraucher solle die Kosten der Neuverpackung und Neuauszeichnung nicht zu tragen haben: Rott stellte zunächst fest, dass der Unternehmer keinen Anspruch (aus § 361a Abs. 2 BGB [i.F.v. 2000]) gegen den Verbraucher auf Zahlung der ihm (dem Unternehmer) entstandenen Kosten für Neuverpackung und Neuauszeichnung habe – zumindest, soweit der Verbraucher die ursprüngliche Verpackung zur Prüfung habe öffnen müssen.634 Dem Verbraucher könnten diese Kosten auch nicht durch vertragliche Abreden auferlegt werden.635 Unter Bezugnahme auf Rott befürwortete Tamm eine „notwendige Kostenfreistellung des Verbrauchers von den Aufwendungen der Neuverpackung und der Neuauszeichnung“.636 Die gewählte Formulierung wirkt so, als werde von Kosten gesprochen, die dem Verbraucher entstehen und von denen er aktiv freigestellt werden muss, sodass ein Aufwendungsersatzanspruch durch analoge Anwendung von § 357 Abs. 2 Satz 2 BGB (i.F.v. 2010)637 gegeben sein soll.638 Andererseits wird auch davon gesprochen, dass die in Rede stehenden Kosten nicht auf den Verbraucher (aktiv) „abgewälzt“639 werden können sollten, sodass eher davon auszugehen ist, Tamm wollte nicht über die Aussagen von Rott hinausgehen. Allerdings ließe sich durchaus überlegen, ob mit ähnlicher Begründung ein Aufwendungsersatzanspruch befürwortet werden könnte. Wenn der Verbraucher die Ware untersuchen können soll, dürften die ihm aufgrund dieser Handlung entstehenden Kosten (z.B. eigenes Neuverpacken) nicht auferlegt werden, weil dies die Effektivität des Widerrufsrechts hindern könnte. Der Verbraucher 633

Vgl. auch BeckOGK/Mörsdorf, BGB, Stand: 15.01.2015, § 357 Rdnr. 39. Rott, in: Micklitz et al. (Hrsg.), Schuldrechtsreform und Verbraucherschutz, 2001, S. 249 (269 f.). 635 Rott, in: Micklitz et al. (Hrsg.), Schuldrechtsreform und Verbraucherschutz, 2001, S. 249 (269). 636 Tamm, Verbraucherschutzrecht, 2011, S. 407. Bei den Kosten der „Neuauszeichnung“ könnte es sich im Wesentlichen um immaterielle Kosten handeln, die beispielsweise durch das Frankieren entstehen. 637 Siehe Tamm, Verbraucherschutzrecht, 2011, S. 407. 638 Fraglich ist dabei schon, ob eine planwidrige Regelungslücke als Voraussetzung einer Analogie vorliegt, da der Verbraucher über § 357 Abs. 1 Satz 1 BGB (i.F.v. 2010) i.V.m. § 347 Abs. 2 Satz 2 BGB Aufwendungen ersetzt verlangen konnte, soweit der Gläubiger durch diese bereichert wurde. 639 Tamm, Verbraucherschutzrecht, 2011, S. 407. 634

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Teil 3: Das Rückgewährschuldverhältnis nach Widerruf

könnte vor dem Auspacken und damit vor einer Prüfung der Ware aus Sorge vor der daraus resultierenden finanziellen Last im Falle des Widerrufs zurückschrecken. Dagegen spricht allerdings, dass der Verbraucher die Ware irgendwann auspacken muss, um sie zu benutzen. Der Verbraucher wird die Ware wahrscheinlich nicht erst gezielt nach Ablauf der Widerrufsfrist auspacken. Jedoch könnte er auch aufgrund der Kosten, die durch das Neuverpacken entstehen, von der Ausübung des Widerrufsrechts abgehalten werden. Die immateriellen Kosten des Verpackens dürften allerdings gering und kaum bezifferbar sein. Der Verbraucher dürfte folglich dadurch nicht vom Widerruf abgehalten werden. Der Erwerb einer neuen Verpackung (z.B. Paket) kann jedoch recht kostspielig sein. Insbesondere bei großen, aber geringwertigen Waren können die Verpackungskosten relativ hoch erscheinen. Dabei ist zu befürchten, dass ein Hindernis zur Rücksendung entstehen kann, weil die Kosten von Rücksendung und Verpackungsmaterial kumuliert werden. Zumindest nach geltendem Recht erscheint es allerdings nicht möglich, zugunsten des Verbrauchers640 einen Aufwendungsersatzanspruch durch eine Analogie zu begründen. Vor der Umsetzung der Verbraucherrechte-RL ließ sich – bei einem weitem Verständnis – ein ähnlicher Tatbestand zwischen der Übernahme der Kosten für die Rücksendung der Ware durch den Unternehmer (§ 357 Abs. 2 Satz 2 BGB [i.F.v. 2002]) und den der Rücksendung vorgeschalteten Verpackungskosten begründen. Da aber nunmehr der Verbraucher die unmittelbaren Kosten der Rücksendung zu tragen hat (§ 357 Abs. 6 Satz 1 BGB), wird sich ein vergleichbarer Tatbestand kaum herleiten lassen. c) Verpackungskosten als mittelbare Kosten der Rücksendung Jedoch ließe sich für das geltende Recht argumentieren, Verpackungskosten seien mittelbare Kosten der Rücksendung, die der Verbraucher nicht zu tragen habe, arg. ex § 357 Abs. 6 Satz 1 BGB. Insofern könnte man eventuell doch einen Erstattungsanspruch konstruieren. Auch wenn nicht abschließend geklärt ist, welche Kosten „mittelbar“ i.S.d. § 357 Abs. 6 Satz 1 BGB sind,641 scheint es vorrangig um Kosten zu gehen, die typischerweise nicht automatisch beim Verbraucher, sondern beim Unternehmer entstehen.642 Es handelt sich bei Verpackungskosten des Verbrauchers eher nicht um Kosten, die „mittelbar“ durch die Rücksendung der Ware (beim Unternehmer), sondern vielmehr „mittelbar“

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Insoweit stünde zumindest § 361 Abs. 1 BGB nicht entgegen. Auch Art. 14 Abs. 1 Unterabs. 2 Verbraucherrechte-RL nutzt diesen Begriff ohne Erläuterung. Zudem ergibt sich aus den Erwägungsgründen keine Konkretisierung der Begrifflichkeit. Siehe zu der Problematik auch schon Fn. 45 in Teil 3, S. 101. 642 Vgl. den Leitfaden der Europäischen Kommission für die Auslegung der Richtlinie, abrufbar unter (Stand: 05.03.2016), S. 53 641

VI. Aufwendungsersatz

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durch den Widerruf (beim Verbraucher) entstehen. Für solche Kosten enthält § 357 Abs. 6 Satz 1 BGB keine den Unternehmer belastende Regelung. d) Anspruch auf Ersatz der Kosten für das Verpackungsmaterial und Informationspflichten de lege ferenda Daran knüpft die Frage an, ob dem Verbraucher de lege ferenda zumindest die Kosten für das Verpackungsmaterial ersetzt werden sollten. Für die Effektivität des Widerrufsrechts wäre dies sicher förderlich, wenn der Verbraucher die ursprüngliche Verpackung bereits entsorgt hat. Allerdings ist zu beachten, dass durch einen Anspruch auf Ersatz der Materialkosten auch Möglichkeiten ex post-opportunistischen Verhaltens geschaffen werden, die jedoch nicht an der Entscheidung zum Widerruf ansetzen. Ein Verbraucher, der widerrufen möchte, könnte entweder eine neue Verpackung kaufen, obwohl er die alte nicht entsorgt hat,643 oder einen Aufwendungsersatzanspruch geltend machen, obwohl er keine neue Verpackung kauft.644 Einerseits wird der Unternehmer dadurch unnötig belastet, andererseits wird der Verbraucher ohne überzeugenden Grund begünstigt, weil er das neue Paket oder den Aufwendungsersatzanspruch nicht benötigt. Ob der Verbraucher im konkreten Fall eine neue Verpackung benötigt, wird der Unternehmer kaum beurteilen können. Zudem erscheint es dem Verbraucher zumutbar, eine gelieferte Versandverpackung bis zum Ende der Widerrufsfrist aufzuheben, wenn er über sein Widerrufsrecht informiert ist.645 Allerdings sollte der Unternehmer zusätzlich verpflichtet werden, den Verbraucher darüber zu informieren, dass weiteres Verpackungsmaterial nicht ersetzt wird und der Verbraucher die Originalverpackung innerhalb der Widerrufsfrist aufbewahren sollte, um keine weiteren Kosten im Falle des Widerrufs zu erleiden. Bei einer Verletzung dieser Informationspflicht müsste ein Aufwendungsersatzanspruch entstehen. Gerade bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen könnte der Verbraucher die Originalverpackung jedoch unter der Einwirkung der Überrumpelung entsorgen. Darüber hinaus wird es bei solchen Verträgen auch Situationen geben, bei denen die Ware direkt oder kurz nach Vertragsschluss übergeben wird, wobei die Ware sich nicht in einer versandfähigen Verpackung befindet (z.B. oftmals Plüschtiere). Der Verbraucher wird dann immer eine Verpackung erwerben müssen. Folglich ließe sich überlegen, ob zumindest bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen ein 643 Ein altes Paket kann durchaus anderweitig verwendet werden (z.B. zur Lagerung oder im Rahmen anderer Versandvorgänge). 644 Der Unternehmer könnte hier untersuchen, ob es sich bei der Versandverpackung um die ursprünglich von ihm gesendete Verpackung handelt. 645 Im Gegensatz zum Verlust von Retourenaufklebern (vgl. Teil 3, II 5 a bb (2), S. 149) würde der Verbraucher nicht eine fremde Pflicht übernehmen (scil. Rücksendekosten), sondern nur die Erfüllung seiner eigene Pflicht (scil. Verpackung) erschweren.

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Teil 3: Das Rückgewährschuldverhältnis nach Widerruf

Anspruch auf Kostenersatz hinsichtlich des Verpackungsmaterials statuiert werden sollte. Allerdings besteht auch bei solchen Verträgen generell die dargestellte Gefahr von ex post-Opportunismus. Praktisch würde sich eine (theoretisch überzeugende) Unterscheidung danach, ob der Verbraucher schon eine versandfähige Verpackung hatte oder nicht, ohnehin kaum umsetzen lassen. Zudem entsteht nach hier vertretener Ansicht das Kumulationsproblem nicht, weil der Verbraucher die Rücksendekosten de lege ferenda bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen nicht tragen sollte.646 Etwaige (geringe) Einbußen der Effektivität, die möglicherweise durch einen Verzicht auf Aufwendungsersatzansprüche entstehen, können folglich mit der Opportunismusgefahr rechtfertigt werden. e) Zusammenfassung Der Verbraucher kann Verpackungskosten nicht ersetzt verlangen. Bei den immateriellen Verpackungskosten handelt es sich um Kosten von geringem Umfang, von denen der Verbraucher nicht freigestellt werden muss. Zudem ist es dem Verbraucher zuzumuten, die Originalversandverpackung für die Zeit der Widerrufsfrist aufzubewahren. Insofern muss der Verbraucher sich (faktisch) oftmals nur überwinden, die Ware zu verpacken. Eine umfangreiche Einschränkung der Effektivität des Widerrufsrechts dürfte damit nicht einhergehen. Soweit die Effektivität durch Kumulationseffekte gefährdet ist, sollte vielmehr darauf verzichtet werden, dem Verbraucher die Rücksendekosten aufzuerlegen. 2. Verwendungsersatzansprüche des Verbrauchers a) Grundzüge der Rechtslage Im geltenden deutschen Recht und in der Verbraucherrechte-RL ist ein Verwendungsersatzanspruch des Verbrauchers gegen den Unternehmer nicht ausdrücklich geregelt. Dies ist ein erheblicher Unterschied zur deutschen Rechtslage vor Umsetzung der Verbraucherrechte-RL. Hier konnte der Verbraucher nach § 357 Abs. 1 Satz 1 BGB (i.F.v. 2011) i.V.m. § 347 Abs. 2 Satz 1 BGB notwendige Verwendungen und über § 357 Abs. 1 Satz 1 BGB (i.F.v. 2011) i.V.m. § 347 Abs. 2 Satz 2 BGB auch andere wertsteigernde Aufwendungen (und damit auch Verwendungen) ersetzt verlangen.647 Verwendungen sind

646

Vgl. hierzu ausführlich oben Teil 3, II 5, S. 145 ff. Auch vor 2011 gab es in den deutschen Regelungen zur Rückabwicklung nach Widerruf Verwendungsersatzansprüche; vgl. dazu nur Bülow, WM 2000, 2361 (2362). 647

VI. Aufwendungsersatz

245

dann notwendig, wenn sie der Erhaltung, Verbesserung oder Wiederherstellung der Sache dienlich sind648 oder wenn ohne sie der Gegenstand nicht genutzt werden kann.649 b) Verwendungen im Spannungsverhältnis von Opportunismus und Effektivität Im Folgenden wird nun untersucht, ob ein Verwendungsersatzanspruch des Verbrauchers im Spannungsverhältnis von Opportunismus und Effektivität eingepasst werden kann oder sogar sollte. Unterschieden wird dabei zwischen Verwendungen bei hinreichender Information (aa) und Verwendungen bei Verletzung von Informationspflichten (bb). aa) Verwendungen bei hinreichender Information Zunächst werden nun die Verwendungen des Verbrauchers bei hinreichender Information und damit dem Ingangsetzen der regelmäßigen Widerrufsfrist untersucht. Hierbei kann zwischen notwendigen, nützlichen und sonstigen Verwendungen unterschieden werden. Vorstellbar ist, dass der Verbraucher eine Ware erwirbt, die generell oder aufgrund von besonderen Umständen einer bestimmten Pflege/Behandlung innerhalb der Widerrufsfrist bedarf, durch die eine Erhaltung, Verbesserung oder Wiederherstellung der Sache gewährleistet wird. Wenn der Verbraucher beispielsweise einen Bonsai im Rahmen der besonderen Vertriebsformen kauft und geliefert bekommt, sollte dieser innerhalb der vierzehntägigen Widerrufsfrist gegossen werden, damit er möglichst lang blüht.650 Gleichwohl dürften die Kosten für das Gießwasser (als notwendige Verwendung) recht gering sein. Allgemein dürfte es bei Kaufverträgen kaum Konstellationen geben, in denen ein Widerrufsrecht besteht und innerhalb der Widerrufsfrist teure/umfangreiche Verwendungen des Verbrauchers erforderlich sind. In Betracht kommt jedoch die Befüllung eines Wasserbettes zur Prüfung als notwendige Verwendung.651 Die dafür benötigte Wassermenge ist deutlich größer als die für das Gießen einer Pflanze. Sehr hohe Kosten sind allerdings auch in diesem Fall nicht zu befürchten.

648

Vgl. BGHZ 10, 171 (177 f.); 41, 157 (160 f.); 64, 333 (339); siehe auch Staudinger/Kaiser, BGB, 2012, § 347 Rdnr. 26 m.w.N. 649 Vgl. BGHZ 87, 104 (107); 10, 171 (177 f.); siehe auch Staudinger/Kaiser, BGB, 2012, § 347 Rdnr. 29 m.w.N. 650 Bei Pflanzen ist das Widerrufsrecht nicht generell aufgrund schneller Verderblichkeit gemäß § 312g Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BGB (Umsetzung von Art. 16 lit. d Verbraucherrechte-RL) ausgeschlossen. 651 Vgl. Staudinger/Kaiser, BGB, 2012, § 357 Rdnr. 81.

246

Teil 3: Das Rückgewährschuldverhältnis nach Widerruf

Ist der Wert notwendiger Verwendungen grundsätzlich gering, entstehen auch keine merkbaren Einschränkungen der Effektivität, wenn dem Verbraucher kein Verwendungsersatzanspruch zusteht. Insoweit kann auf einen Verwendungsersatzanspruch bei notwendigen Verwendungen verzichtet werden, solange der Verbraucher hinreichend über sein Widerrufsrecht informiert ist.652 Die dargelegte Argumentation kann nicht gleichermaßen für wertsteigernde und sonstige Verwendungen angebracht werden, da die Zeitkomponente hier keine Auswirkungen auf die Höhe der Aufwendungen hat: Der Verbraucher kann auch innerhalb von kurzer Zeit in großem Umfang Verwendungen tätigen, die nicht notwendig sind. Dann könnte eine ausbleibende Erstattung auch erkennbare Einschränkungen der Effektivität hervorrufen, weil der Verbraucher den materialisierten Gegenwert der Verwendungen durch Rückgabe der Ware verliert. Trotzdem sollte dem Verbraucher auch bezüglich solcher Verwendungen kein Ersatzanspruch zugestanden werden, weil er weiß, dass er den Vertrag noch widerrufen kann und dann die Ware zurückgeben muss.653 Insofern sollte dem Verbraucher vor allem zugemutet werden, mit wertsteigernden Verwendungen bis nach Ablauf der Widerrufsfrist zu warten. Zudem kann der Verbraucher in Einzel- und Notfällen mit dem Unternehmer Kontakt aufnehmen und das weitere Vorgehen in Bezug auf möglicherweise notwendige Verwendungen abstimmen. Des Weiteren muss man mit dem Verzicht auf den Anspruch auch – unter Wertungsgesichtspunkten schwer zu entscheidende – Fragen der Ausgestaltung des Anspruchs nicht beantworten. Beispielsweise müsste festgelegt werden, ob man die Wertsteigerung objektiv oder subjektiv (ausgerichtet am Nutzen für den Unternehmer) bestimmt.654 bb) Verwendungen bei Verletzung der Informationspflichten Die bisher vorgebrachten Argumente können allerdings dann nicht mehr uneingeschränkt überzeugen, wenn der Verbraucher nicht über die Existenz seines Widerrufsrechts informiert wurde: Zunächst entsteht (durch Verlängerung der Widerrufsfrist) ein längerer Zeitraum, in dem der Verbraucher Verwendun-

652 Vgl. Zaprianos, Die Rückabwicklung der Verbraucherverträge nach Ausübung des Widerrufsrechts, 2016, S. 305. Schwab, JZ 2015, 644 (651), regt jedoch auch für diese Konstellationen eine analoge Anwendung von § 347 Abs. 2 BGB an. Gerade für Situationen, in denen Verwendungen notwendig sind, um die Ware zu püfen, dürfte der Verbraucher umfangreich dadurch geschützt sein, dass er nicht wertersatzpflichtig wird; siehe zum Wasserbett bereits Teil 1, III 2 b aa (2), S. 36 f. 653 Ähnliche Wertungen für den Verwendungsersatz bei Bestehen einer Vindikationslage finden sich in § 996 BGB. Vgl. auch Fn. 358 in Teil 3, S. 178, (mit dazugehörigem Text) im Zusammenhang mit der Informationspflicht bei Wertersatzansprüchen. 654 Siehe etwa zu den Problemen des Maßstabs bei § 996 BGB Staudinger/Gursky, BGB, 2012, § 996 Rdnr. 5 ff.

VI. Aufwendungsersatz

247

gen tätigen kann (siehe § 356 Abs. 3 BGB; Umsetzung von Art. 10 Verbraucherrechte-RL). Des Weiteren weiß der Verbraucher beim Tätigen der Verwendungen nicht zwangsläufig, dass er die Ware später unter Umständen zurückgeben muss. Folglich kann ihm kein Vorwurf gemacht werden, wenn er mit der Ware wie mit dauerhaft eigenem Eigentum umgeht. Insoweit können Einschränkungen der Effektivität des Widerrufsrechts befürchtet werden, wenn dem Verbraucher kein Ersatzanspruch hinsichtlich der (eventuell umfangreichen) Verwendungen zusteht: Der Verbraucher wendet Vermögenswerte auf, die im Wert der Ware aufgehen. Wenn er nun die Ware zurückgeben muss, verliert er auch die Verkörperung dieser Vermögenswerte. Dies zeigt sich insbesondere bei wertsteigernden Verwendungen, die gemeinsam mit der Ware herausgegeben werden müssen. Ein Verbraucher wird zumeist keine Verwendungen tätigen, ohne die entsprechende Ware zu nutzen. Für die Nutzung muss er allerdings (jedenfalls) wegen der Verletzung der Informationspflichten keinen Ersatz leisten.655 Dies könnte aus einer umfassenden Betrachtung des Rückgewährschuldverhältnisses gegen einen Anspruch des Verbrauchers sprechen, weil der Verbraucher ansonsten doppelt begünstigt würde.656 Diese Argumentation lässt sich jedoch nur für manche notwendige Verwendungen anbringen.657 Wertsteigernde Verwendungen werden durch die Nutzung der Ware nicht kompensiert und sie können den finanziellen Vorteil einer Nutzung deutlich übersteigen. Die Gesamtsystematik des Rückgewährschuldverhältnisses spricht deshalb nicht generell gegen einen Verwendungsersatzanspruch. Ein Anspruch auf Ersatz von (zumindest nützlichen) Verwendungen erscheint zur Gewährleistung der Effektivität des Widerrufsrechts förderlich. Erhöhtes Potenzial für opportunistisches Verbraucherverhalten ist zudem nicht ersichtlich, weil der Verbraucher nur etwaige Verluste ausgleichen und keine zusätzlichen Gewinne erlangen kann. Ein Verbraucher, der trotz fehlender Belehrung sein Widerrufsrecht kennt, erzielt etwa keine finanziellen Vorteile, wenn er den Unternehmer zielgerichtet (und mit Schädigungsabsicht) mit Verwendungsersatzansprüchen belastet, weil die Verwendungen zunächst Kosten hervorbringen. Auf eine ausdrückliche Regelung der Verwendungsersatzansprüche bei Verletzung von Informationspflichten hat der deutsche Gesetzgeber verzichtet, obwohl er wohl gemäß Art. 24 Abs. 1 Satz 2 Verbraucherrechte-RL dazu befugt

655

Siehe dazu auch Teil 3, V 2 d bb (1), S. 229. Siehe dazu, dass Nutzungen und Verwendungen „zusammengehören“, nur Kaiser, JZ 2001, 1057 (1069). 657 Vgl. auch die Wertungen in § 994 Abs. 1 Satz 2 BGB; dazu Baldus, MünchKomm. BGB, 6. Aufl. 2013, § 994 Rdnr. 37. 656

248

Teil 3: Das Rückgewährschuldverhältnis nach Widerruf

gewesen wäre.658 Gleichwohl kann der Verbraucher wegen der Informationspflichtverletzung einen Schadensersatzanspruch geltend machen.659 Dabei muss er allerdings beweisen, dass er die Verwendungen bei ausreichender Widerrufsbelehrung vor der Entscheidung über den Widerruf nicht getätigt hätte. Dies dürfte sich insbesondere bei notwendigen Verwendungen schwierig gestalten. Bei anderen Verwendungen erscheint hingegen eine Beweisbarkeit (gegebenenfalls im Wege eines Anscheinsbeweises) möglich. Die Beweisprobleme verringern die Praxisrelevanz des Anspruchs. Zudem dürften in diesem Bereich viele Besonderheiten der einzelstaatlichen Rechtsordnungen auf das Bestehen oder Nichtbestehen einwirken, sodass die Effektivität des Widerrufsrechts in den Mitgliedstaaten unterschiedlich intensiv gewährleistet wird. De lege ferenda sollte ein einheitlicher Anspruch auf Verwendungsersatz ausgestaltet werden für Fälle, in denen aufgrund einer Informationspflichtverletzung die regelmäßige Widerrufsfrist nicht in Gang gesetzt wurde. Dadurch könnten vor allem Unterschiede in der Rechtsanwendung verhindert werden, die entstehen, weil Verbraucher die Kausalität im Rahmen eines Schadensersatzanspruches unterschiedlich gut beweisen können. Der Anspruch sollte jedoch nur notwendige und nützliche Verwendungen umfassen. Um eine doppelte Begünstigung des Verbrauchers zu vermeiden, sollten entsprechend § 994 Abs. 1 Satz 2 BGB gewöhnliche Erhaltungskosten nicht ersatzfähig sein.660 Bei der Bestimmung der Nützlichkeit der Verwendungen kann auf die objektive Werterhöhung abgestellt werden. Diese verbraucherbegünstigende Regelung ist angemessen, weil der Anspruch erst entstehen kann, wenn der Unternehmer eine (Informations-)Pflicht verletzt. Verwendungen, die weder notwendig noch nützlich sind, sollten schon nicht ersetzt werden müssen, um keine strengere Haftung als im restlichen Bürgerlichen Gesetzbuch zu statuieren. cc) Fazit Dem Verbraucher stehen nach geltendem Recht keine ausdrücklich geregelten Verwendungsersatzansprüche zu. Wenn der Unternehmer seine Informationspflichten umfassend erfüllt, benötigt der Verbraucher keinen Anspruch auf Verwendungsersatz. Ist der Verbraucher allerdings nicht darüber informiert, dass er den Vertrag widerrufen kann, wären Ansprüche hinsichtlich des Ersatzes von Verwendungen der Gewährleistung der Effektivität des Widerrufsrechts dienlich. 658

Vgl. dazu bereits Teil 3, V 3 b aa, S. 234. Siehe dazu auch Zimmermann, in: Eidenmüller et al. (Hrsg.), Revision des Verbraucher-acquis, 2011, S. 167 (189). 660 Schwab, JZ 2015, 644 (651), regt für das geltende deutsche Recht eine Analogie zu § 347 Abs. 2 BGB (auch für Konstellationen erfüllter Informationspflichten) an. Dabei wird insbesondere diese doppelte Begünstigung des Verbrauchers nicht problematisiert. 659

VII. Das Rückgewährschuldverhältnis als „beweglicheres System“

249

3. Ergebnis Weder in der Verbraucherrechte-RL noch im Bürgerlichen Gesetzbuch finden sich ausdrückliche Regelungen zu Aufwendungsersatzansprüchen bei der Rückabwicklung nach Widerruf. Das Ausbleiben der Regelung ist in vielen Bereichen auch vor dem Hintergrund des Spannungsverhältnisses von Opportunismus und Effektivität des Widerrufsrechts nachvollziehbar. Bei dem Regelungskomplex der Verwendungsersatzansprüche des Verbrauchers bei unterbliebener Widerrufsbelehrung könnte eine ausdrückliche Regelung Unsicherheiten und Unterschiede bei der Rechtsanwendung vermeiden.

VII. Das Rückgewährschuldverhältnis als „beweglicheres System“ VII. Das Rückgewährschuldverhältnis als „beweglicheres System“

In seinem vielbeachteten661 Gutachten für den 69. Deutschen Juristentag sprach sich Micklitz für ein bewegliches System bezüglich des Verbraucherrechts aus. Er sieht ein Problem in verschiedenen Verbrauchertypen, die auch unterschiedlich behandelt werden müssen. „Die Lösung könnte in einem beweglichen System von Rechtsregeln und begrifflichen Beschreibungen liegen, mit Hilfe dessen sich je spezifisch auf die unterschiedlichen Verbrauchertypen reagieren lässt. Ein solches System schließt die Entwicklung eines in sich denklogischen kohärenten Verbraucherrechts nicht aus.“662

Die Reichweite der vorgeschlagenen Änderungen ist groß (z.B. Statuierung eines Sondergesetzes nach Auslagerung des Verbraucherrechts) und soll an dieser Stelle nicht nachvollzogen werden. Unabhängig davon, ob man das Verbraucherrecht insgesamt als bewegliches System ausgestalten möchte, wurde in den bisherigen Ausführungen immer wieder latent für ein bewegliches System der Rechtsfolgen im Rahmen des Rückgewährschuldverhältnisses plädiert. Die Vorgaben des Rechts müssen so beweglich sein, dass mit ihnen auf die jeweilige Zwangslage des Verbrauchers individuell eingegangen werden kann. Dabei müssen sich diese Vorgaben zweckmäßig im Spannungsverhältnis zwischen Effektivität und Opportunismus bewegen. Die Schutzwürdigkeit des Verbrauchers differiert bei Fernabsatzgeschäften (insbesondere Vertragsschlüssen im Internet) und außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen. Dies sollte sich in unterschiedlichen Ausgestaltungen der Rückgewähr widerspiegeln. Eine Unterscheidung trifft der Richtliniengeber trotz weitgehender Gleichregelung sogar ansatzweise: So wird der Verbraucher bei manchen faktischen Haustürgeschäften privilegiert, indem er 661 So auch Hondius, in: Purnhagen/Rott (Hrsg.), Varieties of European Economic Law and Regulation, 2014, S. 599 (ebd.). 662 Micklitz, Gutachten A zum 69. DJT, 2012, A 106 (Hervorhebungen im Original).

250

Teil 3: Das Rückgewährschuldverhältnis nach Widerruf

nicht verpflichtet wird, die Ware zurückzusenden (Art. 14 Abs. 1 Unterabs. 3 Verbraucherrechte-RL; umgesetzt in § 357 Abs. 6 Satz 3 BGB). Die erhöhte Schutzbedürftigkeit beruht allerdings auf einer besonderen Überrumpelung und nicht auf einer direkten Lieferung der Ware. Diese Konstellationen wurden bei der Sonderregelung nicht berücksichtigt.663 Auch ein weiterer Versuch, die Vertriebsformen unterschiedlich zu regeln, ist nicht gelungen: So ist die „neue“ 40-Euro-Regelung bei der Begrenzung des Anwendungsbereiches von außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen (§ 312 Abs. 2 Nr. 12 BGB)664 kaum nachvollziehbar. Eine geringere Schutzwürdigkeit des Verbrauchers lässt sich für solche Konstellationen nicht herleiten. Folglich sollte man die Beschränkung aufheben.665 Bezüglich der Schutzwürdigkeit wird dann auch bei den Versandkosten nicht hinreichend differenziert. Gerade bei faktischen Haustürgeschäften wird der Verbraucher über Gebühr belastet, wenn er für die Rücksendung bezahlen muss. Zudem bestehen bei solchen Verkaufssituationen viele Möglichkeiten des ex ante-Opportunismus nicht, weshalb „opportunismusbegrenzende“ Rücksendekosten nicht notwendig sind. Eine Sonderkonstellation im Rahmen von außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen stellt das invited in-home selling dar. Hier handelt der Verbraucher eher vergleichbar dem Fernabsatzgeschäft; er hat zudem ähnliche Möglichkeiten, ex ante-opportunistisch zu handeln. Deshalb sollte ein derart handelnder Verbraucher in einem beweglichen System wie bei Fernabsatzgeschäften behandelt werden. Auch dies wird vom Richtliniengeber nicht hinreichend berücksichtigt. Dem Richtliniengeber gelingt es nicht, die Schutzwürdigkeit der Parteien in Einklang zu bringen. Insoweit kann hier nicht von einem (uneingeschränkt) beweglichen System gesprochen werden; vielmehr handelt es sich um ein „behäbiges System“.666 Daran anknüpfend wird hier für ein „beweglicheres System“ der Rechtsfolgen plädiert.

663

Siehe auch Teil 3, I 5 a, S. 98. Die Vorschrift beruht auf der Öffnungsklausel in Art. 3 Abs. 4 Verbraucherrechte-RL. Dem Richtliniengeber muss daher vorgeworfen werden, die Öffnungsklausel in dieser Form erlassen zu haben. 665 Siehe auch Teil 3, II 2 b dd, S. 126 ff. 666 Auch Micklitz, NJW-Beil. 2012, 77 (ebd.), spricht von einem „behäbigen[n] […] Verbraucherschutzrecht“, bezieht dies allerdings nur auf „die 70er und 80er Jahre des 20. Jahrhunderts“. 664

Zusammenfassung und Schlussbetrachtung Zum Abschluss erfolgt eine Zusammenfassung der Bearbeitung in Thesen und eine Schlussbetrachtung der untersuchten Thematik. Bei der Zusammenfassung in Thesen wird unterschieden zwischen Thesen, die einen generellen Überblick der hier erarbeiteten Ergebnisse liefern sollen, und Thesen, die Anregungen zu Rechtsänderungen enthalten. Insbesondere diese zukunftsorientierten Thesen könnten dabei im Rahmen weiterer Rechtsakte des europäischen Gesetzgebers fruchtbar gemacht werden.

I. Generelle Zusammenfassung in Thesen I. Generelle Zusammenfassung in Thesen

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Der Europäische Gerichtshof gewährleistet, dass bei der Umsetzung von Richtlinienrecht die Effektivität des Widerrufsrechts nicht übermäßig beeinträchtigt wird (Teil 1, II 1, S. 19 ff.). Bei der Effektivität geht es hauptsächlich um verbraucherbezogene Zwecksetzungen des Widerrufsrechts (Teil 1, II 2, S. 22 ff.), die sich für die besonderen Vertriebsformen nunmehr einander annähern, ohne allerdings deckungsgleich zu sein (Teil 1, I, S. 7 ff.). Das Gewähren eines Widerrufsrechts eröffnet Möglichkeiten opportunistischen Verhaltens des Verbrauchers. Diese Möglichkeiten sollten eingeschränkt werden (Einleitung, I, S. 1 f., Teil 1, III, S. 30 ff.). Durch opportunistisches Verbraucherverhalten werden die Marktteilnehmer (Unternehmer und Verbraucher) in den besonderen Vertriebsformen geschädigt. Es ergeben sich aber auch Möglichkeiten, unbeteiligte Marktteilnehmer – insbesondere im stationären Handel – durch opportunistisches Verbraucherverhalten zu schädigen (Teil 1, III 2, S. 32 ff.). Verbraucher nutzen den stationären Handel häufig als Vorführraum (sog. showrooming) und kaufen die untersuchte Ware später im Fernabsatz. Ein solches Verhalten kann dadurch verstärkt werden, dass der Widerruf für den Verbraucher finanziell uninteressant ist und er deshalb vor Abschluss des Kaufvertrages die Informationsasymmetrien beheben muss/will (Teil 1, III 2 b bb, S. 37 ff.).

252 6.

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Zusammenfassung und Schlussbetrachtung

Der Unternehmer selbst hat abgesehen von den Ansprüchen im Rückgewährschuldverhältnis kaum Möglichkeiten, opportunistischem Verhalten Einhalt zu gebieten (Einleitung, III, S. 3 ff., Teil 1, III 3, S. 40 ff.). Opportunismus ist eine Grenze der Verbraucherbegünstigung, Verbraucherschutz ist eine Grenze der Opportunismusbekämpfung. Demnach entsteht ein Spannungsverhältnis zwischen Opportunismus und der Effektivität des Widerrufsrechts (Teil 1, IV, S. 43 ff.) In Ausführungen des Europäischen Gerichtshofs und Maßnahmen des Richtliniengebers zum Widerrufsrecht lässt sich eine Hinwendung zur Empirie und zum Umgang mit Verhaltensanomalien erkennen. Insoweit sollten verhaltensökonomische Aspekte bei der Untersuchung des Widerrufsrechts berücksichtigt werden (Teil 2, I, S. 48 ff.). Das Verbraucherschutzinstrument Widerrufsrecht ist bei Kaufverträgen vor dem Hintergrund verhaltensökonomischer Effekte nicht als vollumfänglich effektiv einzustufen (Teil 2, II, S. 54 ff.). Durch die Ausgestaltung des Widerrufsrechts und der Widerrufsfolgen kann die Effektivität allerdings gesteigert werden (Teil 2, III 3, S. 77 ff.). Dabei kann auch Opportunismus begrenzt werden (Teil 2, IV, S. 79 f.). Andere Mechanismen mit dem Ziel, der fehlenden Effektivität des Widerrufrechts entgegenzuwirken (z.B. die Bestätigungslösung), können nicht überzeugen (Teil 2, III 1 und 2, S. 74 ff.). Die Einführung eines optionalen Widerrufsrechts bei Fernabsatzverträgen erscheint vor dem Hintergrund der damit verbundenen Förderung des showrooming und aufgrund verhaltensökonomischer Erwägungen nicht erstrebenswert (Teil 2, V, S. 81 ff.). Der Verbraucher ist grundsätzlich zur Rücksendung der Ware nach Widerruf verpflichtet. In Fällen des § 357 Abs. 6 Satz 3 BGB (Umsetzung von Art. 14 Abs. 1 Unterabs. 3 Verbraucherrechte-RL) muss der Unternehmer die Ware abholen. Der Unternehmer ist nicht verpflichtet, aufgebaute Ware abzubauen (Teil 3, I 1 und 2, S. 87 ff.). Es ist nicht möglich, die Formulierung „per Post“ eng auszulegen und dadurch den Anwendungsbereich des § 357 Abs. 6 Satz 3 BGB weit zu verstehen. Die Vorschrift hat einen Ausnahmecharakter. Der Verbraucher wird folglich bei einem Großteil der außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträge die Ware zurücksenden müssen. Dabei wird er nach geltender Rechtslage jedoch nicht über die konkreten Kosten der Rücksendung informiert, wodurch große Einbußen der Effektivität des Widerrufsrechts zu befürchten sind (Teil 3, I 2 b, S. 88 ff.). Der Verbraucher trägt die Kosten der Rücksendung der Ware, erhält allerdings gezahlte Hinsendekosten – für die Standardlieferung – zurück. Für Fernabsatzgeschäfte mag dies aus praktischen Erwägungen noch

I. Generelle Zusammenfassung in Thesen

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253

überzeugen. Bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen kann der Verbraucher so (auch) in Bezug auf die Rücksendekosten überrumpelt werden (Teil 3, II 1 und 2, S. 100 ff.). Rücksendekosten wirken auf den Verbraucher deutlich abschreckender, als dies rational wäre. Insoweit kann der Verbraucher vom Widerruf abgehalten werden, wenn er die Rücksendekosten zahlen muss (Teil 3, II 2 a aa, S. 104 ff.). Möglicherweise können Verbraucher von opportunistischen Verhaltensweisen abgeschreckt werden, indem ihnen die Rücksendekosten auferlegt werden. Die Kosten erschweren die (Rück-)Abwicklung des Kaufvertrages. Diese Erschwernis kann einen opportunistischen Verbraucher vom Ausnutzen des Widerrufsrechts abhalten. Insoweit werden unerwünschte Verhaltensweisen jedoch zumeist nicht zielgerichtet angegangen (Teil 3, II 3, S. 129 ff.). Wiederum gibt es bei situational returnaholics keinen besseren Anknüpfungspunkt als die Versandkosten, weil der Verbraucher die Ware oftmals innerhalb der Widerrufsfrist nicht nutzt (Teil 3, II 3 a dd, S. 135 f.). Durch die teilweise Verkürzung des Anwendungsbereiches der Widerrufsregelungen bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen auf Verträge, bei denen das vom Verbraucher zu zahlende Entgelt 40,- Euro überschreitet, erhalten Unternehmer einen Anreiz, Vertriebsformen zu entwickeln, bei denen viele Verbraucher überrumpelt werden und aufgrund des geringen Preises nicht widerrufen können. Dies kann nicht überzeugen (Teil 3, II 2 b dd, S. 126 ff.). Der Unternehmer hat ein Zurückbehaltungsrecht (Teil 3, III 1, S. 162 ff.), das allerdings analog § 357 Abs. 4 Satz 2 BGB (Umsetzung von Art. 13 Abs. 3 Verbraucherrechte-RL a.E.) auch in Fällen des § 357 Abs. 6 Satz 3 BGB (Umsetzung von Art. 14 Abs. 1 Unterabs. 3 Verbraucherrechte-RL) entfällt (Teil 3, III 2 d, S. 171 f.). Die aktuellen Vorschriften zum Wertersatz und der Gefahrtragung können überzeugen (Teil 3, IV, S. 175 ff., Teil 3, II 2 c, S. 128 f.); der Unternehmer trägt im deutschen Recht die Gefahr der Rücksendung (Teil 3, II 1 b, S. 103). Der Vergleichsmaßstab für das Prüfungsrecht des Verbrauchers ist ein Fachgeschäft und nicht ein Discounter oder ein „Median Markt“ (Teil 3, IV 2 b cc, S. 184 ff.). Bei der Berechnung von Wertersatzansprüchen muss der Preis der Ware zugrunde gelegt werden (Teil 3, IV 2 c, S. 187 ff.). Der Verzicht auf Nutzungsersatzansprüche gegen Verbraucher ist durch die Verbraucherrechte-RL vorgegeben, allerdings nicht notwendig zur Gewährleistung eines effektiven Widerrufsrechts. Gleichzeitig könnten

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Zusammenfassung und Schlussbetrachtung

durch Nutzungsersatzansprüche gegen den Verbraucher opportunistische Verhaltensweisen verhindert und sanktioniert werden (Teil 3, V 1 und 2, S. 208 ff.). Der zwischenzeitlich in der Schweiz angeregte Ausschluss des Widerrufsrechts bei übermäßiger Nutzung zur Vermeidung von Opportunismus kann nicht überzeugen, weil rechtstreue Verbraucher wahrscheinlich faktisch umfassend in ihrem Prüfungsrecht eingeschränkt werden würden (Teil 3, V 2 d aa, S. 223 ff.). Nutzungsersatzansprüche gegen den Unternehmer sind nicht nötig – auch nicht, um einen angemessenen Interessenausgleich hervorzurufen (Teil 3, V 3, S. 233 ff.). Ebenso wenig sollte dem Verbraucher ein Aufwendungsersatzanspruch für das Verpacken der rückzusendenden Ware zugestanden werden. Hierbei überwiegt die Gefahr opportunistischen Verhaltens die Gefährdung der Effektivität (Teil 3, VI 1, S. 240 ff.). Verwendungsersatzansprüche des Verbrauchers sind im geltenden deutschen Recht nicht vorgesehen. Bei Verletzung der Informationspflichten kann dem Verbraucher ein Schadensersatzanspruch bezüglich der Verwendungen zustehen (Teil 3, VI 2, S. 244 ff.). Gerade vor dem Hintergrund des Spannungsverhältnisses von Effektivität des Widerrufsrechts und Opportunismus zeigt sich eine Abstufung der Schutzwürdigkeit des Verbrauchers: Besonders schutzwürdig ist er, wenn er bei faktischen Haustürgeschäften Ware geliefert bekommt, die er nicht mit der Post zurücksenden kann. Wenig schutzwürdig ist ein Verbraucher, der den Unternehmer zu sich bestellt, um dort einen Vertrag abzuschließen. Dazwischen liegen die restlichen außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträge. Während der Richtliniengeber die erstgenannte Gruppe zumindest ansatzweise überzeugend privilegiert (Art. 14 Abs. 1 Unterabs. 3 Verbraucherrechte-RL, umgesetzt in § 357 Abs. 6 Satz 3 BGB), gelingt es ihm nicht, die Schutzwürdigkeit des Unternehmers bei invited in-home selling in den Vordergrund zu rücken (Teil 3, VII, S. 249 f.). Des Weiteren ist eine Aufteilung der Rechtsfolgen nach Widerruf bezüglich der verschiedenen Vertriebsformen notwendig, insbesondere hinsichtlich der Kostenlast bezüglich der Versandkosten (Teil 3, II 5 c, S. 160 f., Teil 3, VII, S. 249 f.). Invited in-home selling ist bei einer etwaigen Aufteilung eher wie ein Fernabsatzvertrag zu behandeln (Teil 3, VII, S. 250, et passim). Die Verhaltensökonomik ist für die Gesetzgebung von erheblicher Bedeutung, wie am Thema der Rückabwicklung nach Widerruf von Kaufverträgen gezeigt wurde.

II. Thesen, die Anregungen zu Rechtsänderungen enthalten

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II. Thesen, die Anregungen zu Rechtsänderungen enthalten II. Thesen, die Anregungen zu Rechtsänderungen enthalten

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Die Verkürzung des Anwendungsbereiches bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen, bei denen die Leistung bei Abschluss der Verhandlungen sofort erbracht und bezahlt wird und das vom Verbraucher zu zahlende Entgelt 40,- Euro nicht überschreitet, sollte aufgehoben werden. Der Verbraucher muss selbst entscheiden können, ob er widerrufen möchte oder nicht (Teil 3, II 2 b dd, S. 126 ff.). Eine Art. 14 Abs. 1 Unterabs. 3 Verbraucherrechte-RL bzw. § 357 Abs. 6 Satz 3 BGB entsprechende Vorschrift sollte nicht auf Fälle beschränkt werden, in denen die Lieferung bei Vertragsschluss erfolgt; vielmehr sollte die Vorschrift für alle faktischen Haustürgeschäfte gelten, bei denen der Postversand nicht möglich ist (Teil 3, I 5 a, S. 98). Ausgeschlossen werden müssen allerdings Situationen des invited in-home selling. Es muss zumindest eine Informationspflicht vorgesehen werden, im Rahmen derer der Unternehmer die Kosten der Rücksendung darlegt bzw. schätzt, wenn bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen die Ware nicht per Post zurückgesendet werden kann und nicht bei Vertragsschluss zur Wohnung des Verbrauchers gebracht wurde (vgl. Teil 3, II 2 b cc, S. 125 f.). Der Unternehmer sollte verpflichtet werden, die aufgebaute Ware abzubauen, wenn er gesetzlich verpflichtet ist, die Ware abzuholen und der Verbraucher mit dem Aufbau nur seinem Prüfungsrecht nachgekommen ist. Des Weiteren sollten die Kosten für das Abbauen einer aufgebauten Ware – zumindest, wenn ein Postversand nicht möglich ist – vom Unternehmer zu tragen sein, soweit der Verbraucher mit dem Aufbau innerhalb seines Prüfungsrechts bleibt. Es ist ein Ersatzanspruch des Verbrauchers diesbezüglich zu statuieren (Teil 3, I 5 b, S. 98 f.). Die Kombination von Rücksendekostentragung durch den Verbraucher und Zurückbehaltungsrecht des Unternehmers ist in dieser Form kaum tragbar, weil der Verbraucher dadurch zu sehr belastet wird. Vielmehr sollte der Verbraucher ein Zurückbehaltungsrecht bis zur Rückgewähr geleisteter Zahlungen durch den Unternehmer erhalten. Die Transaktionskosten dürften – durch später etwaig geltend gemachte Wertersatzansprüche des Unternehmers – insoweit nicht deutlich ansteigen, als die Wertersatzansprüche nur in Ausnahmefällen bestehen (Teil 3, III 5, S. 174 f.). Möchte man das Zurückbehaltungsrecht des Unternehmers beibehalten, sollte eine Art. 13 Abs. 3 Verbraucherrechte-RL a.E. bzw. § 357 Abs. 4 Satz 2 BGB entsprechende Vorschrift explizit um Fälle des Art. 14 Abs. 1 Unterabs. 3 Verbraucherrechte-RL bzw. § 357 Abs. 6 Satz 3 BGB erweitert werden (Teil 3, III 5, S. 175).

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44.

Zusammenfassung und Schlussbetrachtung

Der Verbraucher darf bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen nicht mit den Rücksendekosten belastet werden. Entweder sollte der Unternehmer Retourenaufkleber zur Verfügung stellen müssen, zu deren Verwendung der Verbraucher allerdings nicht verpflichtet werden dürfte, oder der Unternehmer sollte – möglicherweise geschätzte – Rücksendekosten vor der Rücksendung an den Verbraucher zahlen müssen (Teil 3, II 5 a cc, S. 155 f., Teil 3, II 5 b bb (5), S. 160, Teil 3, II 5 c, S. 160 f.). Insbesondere bei faktischen Haustürgeschäften darf der Verbraucher weder mit Hin- noch mit Rücksendekosten belastet werden. Von einem Anspruch auf Rückzahlung der Hinsendekosten müssen auch Kosten einer Express-Lieferung umfasst sein (Teil 3, II 5 c, S. 160 f.). Während die Vorschriften über den Wertersatz größtenteils beibehalten werden können, sollte im Gesetz verdeutlicht werden, dass der Unternehmer über die möglicherweise entstehende Wertersatzverpflichtung informieren muss, damit ihm ein Wertersatzanspruch zustehen kann (zum Problem: Teil 3, IV 1, S. 176 ff.). Einheitlich und ausdrücklich geregelt werden sollte auch das Problem vollständigen Wertverlusts aufgrund einer Handlung, die über das zur Prüfung Notwendige hinausgeht. Der Verbraucher kann vom Unternehmer oftmals erst nach der Rücksendung der Ware darüber informiert werden, dass Wertersatzansprüche entstanden sind, die im Wege der Aufrechnung mit dem Rückzahlungsanspruch des Verbrauchers verrechnet werden. Der Verbraucher erfährt erst dann, dass er geleistete Zahlungen nicht rückerstattet bekommt. Dies ist problematisch, weil der Verbraucher die Ware zurückgeben musste, obwohl er sie noch nutzen könnte, und die Ware für den Unternehmer wertlos ist. Denkbar ist hier als Lösung ein Anspruch des Verbrauchers auf Rückgewähr der Ware, weil die Ware für ihn noch einen Nutzen hat. Man sollte nicht darauf vertrauen, dass der Verbraucher aufgrund etwaiger Wertersatzpflichten vom Widerruf abgehalten wird (Teil 3, IV 2 g, S. 193 ff.). Dem Unternehmer sollten Nutzungsherausgabe- und Nutzungsersatzansprüche gegen den Verbraucher zustehen. Die Ausgestaltung der Ansprüche muss an der existierenden Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ausgerichtet werden (Teil 3, V 2 d bb, S. 228 ff.). Der Verbraucher sollte darauf hingewiesen werden müssen, dass er die Materialkosten einer Verpackung bei einem möglichen Widerruf tragen muss und es deshalb angezeigt sein kann, die ursprüngliche Versandverpackung vor Ablauf der Widerrufsfrist nicht zu entsorgen. Wenn der Unternehmer diese Informationspflicht verletzt, sollte er Aufwendungsersatz für das Verpackungsmaterial leisten müssen. (Teil 3, VI 1 d, S. 243 f.).

III. Schlussbetrachtung

45.

257

Zur Förderung der Effektivität des Widerrufsrechts könnten Verwendungsersatzansprüche zugunsten des Verbrauchers statuiert werden. Konkret sollten notwendige Verwendungen, soweit es sich dabei nicht um gewöhnliche Erhaltungskosten handelt, und nützliche Verwendungen ersetzt werden müssen. Die Ansprüche sollten jedoch nur bestehen, wenn der Verbraucher keine hinreichende Widerrufsbelehrung erhalten hat und die regelmäßige Widerrufsfrist damit nicht in Gang gesetzt wurde (Teil 3, VI 2 b bb, S. 246 ff.).

III. Schlussbetrachtung III. Schlussbetrachtung

Durch das mit der Verbraucherrechte-RL verfolgte Prinzip der Vollharmonisierung und die hohe Regelungsdichte verbleibt dem nationalen Gesetzgeber oftmals nur über Öffnungsklauseln Spielraum bei der Umsetzung der Richtlinie. Damit steigen allerdings auch die Erwartungshaltung gegenüber der Normsetzung auf europäischer Ebene und das an sie zu stellende Anforderungsprofil. Diese Erwartungen werden allerdings durch die Verbraucherrechte-RL enttäuscht. Nicht alles, was vollharmonisiert wurde, harmoniert, und nicht jede Rechtsvereinheitlichung führt zu einer Rechtseinheit. Gerade bei der Rückabwicklung nach Widerruf von Kaufverträgen in besonderen Vertriebsformen wurde zu viel vereinheitlicht bzw. einheitlich geregelt. Zwar scheinen sich die Zwecke der Widerrufsrechte immer mehr einander anzunähern; es kann aber nicht geleugnet werden, dass die Grundprinzipien der Schutzbedürftigkeit bei Fernabsatzgeschäften und außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen unterschiedlich sind. Diese Abweichungen finden in der derzeitigen Regelungen des Rückgewährschuldverhältnisses kaum ein Äquivalent. Zudem wird die Verhaltensökonomik bei der Gestaltung des Rückgewährschuldverhältnisses entgegen sonstiger Tendenzen in der europäischen Verbraucherpolitik kaum beachtet. Auch dadurch fehlt eine Anbindung an die Realität, wodurch die Vorschriften zum Widerrufsrecht einer flexiblen Verbindung zwischen ihrem Zweck und Regelungsgegenstand ermangeln. Die Vorschriften sind damit nicht in der Lage, den psychologischen Hintergründen der Verbraucherentscheidungen ausreichend Rechnung zu tragen. Statt eines differenzierten Vorgehens, das dem Verbraucher in seiner individuellen Zwangslage hilft, schafft die Verbraucherrechte-RL einen Zustand, in dem Ungleiches gleich behandelt wird. In manchen Bereichen sind es nur Nuancen, anhand derer sich die Situationen unterscheiden lassen, in manchen Bereichen gibt es große Unterschiede. Das Gesetz sollte diesen Unterschieden jedenfalls gerecht werden. Während der Richtliniengeber mit der Verbraucherrechte-RL einige Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs zu Widerrufsrechten aufgreift und

258

Zusammenfassung und Schlussbetrachtung

für alle Mitgliedstaaten gerade vor dem Hintergrund der Effektivität des Widerrufsrechts präzisiert, finden die Ausführungen des Europäischen Gerichtshofs zu opportunistischem Verhalten zu wenig Widerhall. Dadurch gelingt es nicht, dem Widerrufsrecht im Spannungsverhältnis von Opportunismus und Effektivität einen zweckmäßigen und sicheren Platz einzuräumen. In Zukunft muss der Platz neu ausgerichtet werden. Es sollten sogar verschiedene Plätze für verschiedene Lebenssachverhalte gefunden werden.

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Sachregister Abbau aufgebauter Ware – Abbauverpflichtung des Unternehmers de lege ferenda 98 f. – Abbauverpflichtung des Verbrauchers im geltenden Recht 93 ff. – Einschränkungen der Effektivität 93 f. Abholung der Ware, siehe Rücksendung der Ware ADR-RL 167 f. alternative Streitbeilegung 167 Anfechtung des Widerrufs 195 f. Anlasskauf 135 Annahmeverzug 75, 107 f. Anwendungsbereich der Widerrufsvorschriften bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen, Verkürzung 126 ff., 250, 253, 255 Aufwendungsersatz 239 ff. – Analogie zu Versandkosten 241 f. – Anspruch hinsichtlich der Verpackungskosten im geltenden Recht 242 f. – Beweisschwierigkeiten 248 – Effektivität 241, 243, 246 ff. – Information über Behalten der Versandverpackung 243, 256 – Opportunismus 243, 247 – Schadensersatz bei Verletzung von Informationspflichten 248, 254 – Verpackungskosten 240 ff. – Verpackungskosten als mittelbare Kosten der Rücksendung 242 f. – Verpackungskosten de lege ferenda 243 f. – Verwendungen bei hinreichender Information 245 f.

– Verwendungen bei Verletzung von Informationspflichten 254, 257 Augmented-Reality-Brillen 38 Ausbau eingebauter Ware, siehe Abbau aufgebauter Ware Ausschluss des Widerrufsrechts – Ausschlussgründe im geltenden Recht 3, 36, 124, 194 – bei übermäßiger Nutzung der Ware de lege ferenda 223 ff., 254 außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge – Haustürgeschäfte, siehe dort – Konstellationen von Vertragsschluss und Übergabe der Ware 102 f. Besitzeffekt (endowment effect) 56 ff., 61, 67, 70, 75, 80, 115, 191 Bestätigungslösung 75 ff., 252 beweglich(er)es System, das Rückgewährschuldverhältnis als 249 f. Binnenmarktförderung 7 f., 29, 121 f. debiasing 75, 78, 237 Dienstleistungsverträge – Bestehen eines Widerrufsrechts 10 – Regelungen zur Berechnung des Wertersatzes als Ausgangspunkt eines Vergleiches mit Kaufverträgen 188 ff. Dissonanzen, kognitive 59 ff., 76, 80, 83, 89, 111 f. Effektivität – bei Vollharmonisierung 20 f. – Einbußen mangels hinreichender Information über Rücksendekosten 125 f.

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Sachregister

– Einschränkungen durch Ausgestaltung der Widerrufsfolgen 18 ff., 87 ff., 104 ff., 164 ff., 213 ff., 236 f. – Einschränkung durch Verhaltensanomalien 55 ff., 110 ff. – Gewährleistung unbeeinflusster Widerrufsentscheidung 18 ff. – Mindestschutzniveau 19 f. – Prüfung der Ware 24 ff., 98, 178 ff. – Relevanz verhaltensökonomischer Erkenntnisse 48 ff., 252 – Studien zu fehlender Effektivität 54 f. – Vorgaben durch Richtlinien 23 f. Effizienz 19, 21 Erfahrungsgüter 10 f., 74 f. ex ante-Opportunismus 32, 80, 97, 128, 152, 155, 157 f., 197, 199, 221, 225, 228 ff., 237, 250 ex post-Opportunismus 32, 97, 197, 220 f., 231 f., 243 faktische Leihe, siehe retail borrowing faktische Miete 221, 230 f. Gefahrübergang 202 grenzüberschreitender Handel 88, 104, 121 f., 149, 155, 172 Haustürgeschäfte – faktische 65, 92 f., 97 f., 123, 125, 146, 159 ff., 249 f. – invited in-home selling, siehe dort Haustürwiderrufs-RL 12 ff., 16, 23, 92, 102, 114, 126, 208 Heinrich Heine-Entscheidung des EuGH 28 f., 109, 120, 124, 150 Hinsendekosten, siehe Versandkosten homo oeconomicus, siehe rationales Verhalten Informationsasymmetrien 11 ff., 81, 83, 99, 138 f., 144, 179 ff., 251 Informationspflichten – bezüglich des Behaltens der Versandverpackung 243, 256 – bezüglich Rücksendekosten 101, 116 ff., 125 f. – bezüglich Wertersatz 177 f.

– Effektivitätseinbußen mangels hinreichener Informationspflicht hinsichtlich Rücksendekosten 125 f. invited in-home selling – Opportunismuspotenzial 97 f., 128, 130, 152, 155, 158, 160, 231, 250, 254 f. – Schutzbedürftigkeit des Verbrauchers 16 ff., 80 local letterbox 5 Messner-Entscheidung des EuGH 24 ff., 44, 94, 176, 186, 207, 214 ff. Musterwiderrufsbelehrung 117, 178 Nutzerkonten, Schließung 4 Nutzungsherausgabe und -ersatz 207 ff. – Anreiz zum Unterlassen einer übermäßigen Nutzung 220 f. – Anspruch im geltenden Recht, Verzicht 208 ff. – Ausschluss des Widerrufsrechts bei übermäßiger Nutzung de lege ferenda 223 ff. – Beeinflussung der Widerrufsentscheidung 213 ff. – Effektivität 213 ff., 215 f., 233, 236 f. – faktische Miete 221, 230 f. – Gefährdung der Effektivität und Beweislast 214 f. – Geldanlagemöglichkeit 237 – geringwertige und sich ausgleichende Ansprüche 211 f. – Gewährleistung von Effektivität durch Angemessenheit der Kosten 214 – gezogene Nutzungen 207, 210, 216, 232 – Grundsätze des bürgerlichen Rechts, Nutzung als Verstoß 216 ff. – lineare Teilwertabschreibung 214, 216 – nicht gezogene Nutzungen 25 ff., 207, 238 – Nutzungsersatz- und -herausgabe de lege ferenda 222 ff., 239, 256 – Opportunismus 216 ff., 237 f.

Sachregister

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– retail borrowing 221 ff., 225, 230 f. – Schweiz, Entwicklungen, siehe dort – Schwierigkeit der Feststellung von Nutzungen 210 f. – Unterscheidung der Vertriebsformen 231 f. – Verhinderung umfangreicher Prüfung 215 f. – Verletzung der Informationspflichten 211 f., 218, 233 ff. – Verzögerung der Widerrufserklärung, treuwidrige 238

– Verhinderung durch Auferlegen von Versandkosten 129 ff. optionales Widerrufsrecht bei Fernabsatzverträgen 81 ff. – Förderung von showrooming 83 f. – Opportunismus zulasten des Fernabsatzes 84 f. – Preisnachlass 81 – verhaltensökonomische Aspekte 82 f. opt in-System 75 ff. Österreich, Rechtslage 166, 193, 209

ODR-VO 167 f. Online-Auktionen, Widerrufsrecht 50 Opportunismus – opportunistisches Verbraucherverhalten, siehe dort – opportunistisches Unternehmerverhalten 117 f., 151 opportunistisches Verbraucherverhalten – Auswirkungen 32 ff. – ex ante-Opportunismus 32, 80, 97, 128, 152, 155, 157 f., 197, 199, 221, 225, 228 ff., 237, 250 – ex post-Opportunismus 32, 97, 197, 220 f., 231 f., 243 – iterative Bestellung gleicher Ware 136 ff. – Kauf mit geringer Bestehenswahrscheinlichkeit 140 f. – keine Möglichkeit ex ante-opportunistischen Verhaltens bei faktischen Haustürgeschäften 155, 158 – Opportunismusverhinderung als nicht valides Argument für eine Kostentragung zulasten des Verbrauchers bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen 158 – rationales Ausnutzen 79 f. – Rechtsmissbrauch 40 ff., 204 – retail borrowing, siehe dort – showrooming, siehe dort – situational returnaholics 135 f., 253 – strafbare Handlungen 173, 204 f. – Umkleidekabinenkauf 136 ff., 200 – Verhinderungsmaßnahmen 3 ff., 40 ff., 79 f., 129 ff., 163, 172 f., 196 ff., 216 ff.

Paternalismus 77 ff., 229 Preisverfall 31, 41 Privatautonomie 3 Prüfung der Ware 24 ff., 98, 178 ff. Quelle-Rechtsprechung des EuGH 218 f., 229 rationales Verhalten – Ausgangspunkt beim Widerruf 48 f. – bei Opportunismus 79 f., 152 – Kosten-Nutzen-Abwägung 48 f., 79 f., 131 f., 152, 167 – Paradoxon des „plötzlich“ rationalen Verbrauchers 49 ff. Rechtsmissbrauch 40 ff., 204 reciprocation 65 Reihenfolge der Leistungsverpflichtungen 162 ff. – Abholverpflichtung des Unternehmers, kein Zurückbehaltungsrecht bei 171 f., 175 – Angebot zum Abholen der Ware 171 – Aufrechnung 163, 166, 174 – Aufzwingen erhöhter Rücksendekosten 179 f. – Effektivität, Einschränkungen der 174 ff. – Empirie zur Rückzahlung 168 – finanzschwache Verbraucher, besondere Belastung 170 f. – Insolvenzgefahr 166, 174 – Klagerisiken 167 – Muster eines Einlieferungszettels für Briefe 169

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Sachregister

– Nachweis des Absendens der Ware 162, 169 – Opportunismus 172 f. – Opportunismusverhinderung als fragwürdiger Ausgangspunkt der Regelung 172 f. – Prokrastination 171 – Sendungsnummer als valider Nachweis der Absendung 169 – strafbare Handlungen 173 – Verbraucherschutzorganisationen 170 – Verbrauchsgüterkauf 162 – Vertrauen des Verbrauchers 165 f. – Zahlung vor Erhalt der Ware 164 – Zug um Zug 162, 173 f. – Zurückbehaltungsrecht des Unternehmers vor Rückzahlung im geltenden Recht 162 ff. – Zurückbehaltungsrecht des Verbrauchers bis zur Rückzahlung de lege ferenda 174 f. retail borrowing 32, 41 f., 80, 97, 129 ff., 138, 140, 147, 157, 197 f., 221, 225, 230 – Kauf ohne Kauf- aber mit Nutzungsabsicht 32 – Nutzungsersatzanspruch 221, 230 – Versandkosten als Mittel gegen retail borrowing 129 ff., 157 – Wertersatz, Auswirkungen von Anspruch auf 197 f. Retourenmanagement 33, 138 Richtlinienwidrigkeit – keine Rückzahlung gezahlter Hinsendekosten 28 f. – Wert- und Nutzungsersatzersatz bei Prüfung der Ware 25 ff. ROPO-Effekt 38 Rückgewährschuldverhältnis nach Widerruf – Aufwendungsersatz, siehe dort – beweglich(er)es System, das Rückgewährschuldverhältnis als 249 f. – Nutzungsherausgabe- und Ersatz, siehe dort – Reihenfolge der Leistungsverpflichtungen, siehe dort – Rücksendung der Ware, siehe dort

– Versandkosten, siehe dort – Wertersatz, siehe dort Rücksendekosten, siehe Versandkosten Rücksendung der Ware 87 ff. – Abbau aufgebauter Ware, siehe dort – Abholpflicht des Unternehmers de lege ferenda, Erweiterung und Einschränkung 98 – Abholung der Ware 87 ff., 95, 97 ff. – Auslegung des Begriffes „Post“ 90 f. – fehlende Möglichkeit des Postversands bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen 88 ff. – Effektivität 87 ff., 98 – Lieferung der Ware zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses zur Wohnung des Verbrauchers bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen 91 f. – Opportunismus 97 f. – Rückgabepflicht 87, 97 – Rücksendepflicht des Verbrauchers im geltenden Recht 87 – Versandkosten, siehe dort Schadensersatzpflicht – des Unternehmers wegen Verletzung von Informationspflichten 234 f., 248 – des Verbrauchers wegen Verletzung von Schutzpflichten 103 Schuldrechtsreform 25, 200, 241 Schutzpflichten, Verletzung 103 schwebende Unwirksamkeit des Vertrags 75 Schweigen, rechtliche Wirkungen 76 f. Schweiz, Entwicklungen – abschreckende Wirkung für rechtstreue Verbraucher 226 ff. – Ausschluss des Widerrufs bei übermäßiger Nutzung 223 ff. – Transaktionskosten, Erhöhung von 225 f. – Widerrufsrecht bei Fernabsatzverträgen 223 showrooming – Auswirkungen von Rücksendekostenlast 144 f.

Sachregister – Einzelhandel als Vorführraum 37 ff. – optionales Widerrufsrecht bei Fernabsatzverträgen 83 f. – Verschlechterung der Situation durch technische Neuerungen 37 f. Spannungsverhältnis von Opportunismus und Effektivität des Widerrufsrechts – Ausführungen aus der Literatur 45 f. – Äußerungen zur Rechtssache Messner 44 – Grundlagen 1 f., 7 ff. – Rückabwicklung nach Widerruf 5 f., 86 ff. Spedition 89, 91, 94, 98 f., 101 stationärer Handel – als Vergleichsmaßstab für den Umfang des Prüfungsrechts 179 ff. – freiwillig gewährtes Vertragslösungsrecht 229 – showrooming, siehe dort Studien und Umfragen – zu Bestellungen zur Auswahl von Produkten 136 – zu Länge der Widerrufsfrist und endowment effect 191 – zu Missbrauch des Widerrufsrechts 33 – zu Nutzungsersatz als Preis für eine sozialadäquate Handlung 230 – zu ROPO 39 – zu Rückgewährschuldverhältnis und Wertzumessung 111 f. – zu Rücksendekosten und Effektivität 114 f. – zu Rückzahlungen von Unternehmern nach Widerruf 168 – zu showrooming 39 – zu Versandkosten und grenzüberschreitendem Kauf 121 f. – zu Versandkosten und Steigerung der Attraktivität von showrooming 144 f. – zu Versandkosten und Verhinderung von Kauf mit geringer Bestehenswahrscheinlichkeit 141 – zu Versandkosten und Verhinderung von retail borrowing 133 f. – zu Versandkosten und Verhinderung von Umkleidekabinenkäufen 137

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– zu Widerrufsquoten 54 ff. Suchgüter 10 f. Teilwiderruf 141 ff., 153, 159 Telefon, Vertragsschluss 12, 156 teleologische Reduktion der Widerrufsvorschriften 139 Transportgefahr, siehe Versandrisiken Umkleidekabinenkauf (Bestellung zur Auswahl von Produkten) 136 ff., 200 unbestellte Leistungen 146 f. Unmöglichkeit der Rückgabe 205 Überrumpelungssituation 9 ff., 50 – Zurechenbarkeit des Widerrufs bei Überrumpelung 123, 231 f. Verbraucherschlichtung 167 f. Verbraucherschutz – Umverteilung der Kosten 34 f., 122, 175 Verbrauchsgüterkauf 162 Verbrauchsgüterkauf-RL 218 Verhaltensökonomik – Belastung des Verbrauchers mit Rücksendekosten aus Sicht der Verhaltensökonomik 110 ff. – Empirie 52 f. – Erkenntnismethode 52 f. – Implikationen für das Spannungsverhältnis von Opportunismus und Effektivität 47 ff. – Verhaltensanomalien, siehe dort Verhaltensanomalien – Anker-Effekt (anchoring) 66, 117 – endowment effect 56 ff., 61, 67, 70, 75, 80, 115, 191 – hyperbolic discounting 68 f. – inertia 71 f. – kognitive Dissonanzen 59 ff., 76, 80, 83, 89, 111 f. – loss aversion 67 f., 70, 110 f. – omission-commission bias 71, 76 – over-confidence bias 17, 82 – priming 66 – Prokrastination 71 f., 75, 77, 112 f., 153, 171 – status quo bias 70 f., 75, 110 f., 237 – sunk cost fallacy 72 f., 192

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Sachregister

Verlustaversion (loss aversion) 67 f., 70, 110 f. Verpackung, zur Rücksendung geeignet 103 Verpackungskosten bei Rücksendung 240 ff. Versandkosten 100 ff. – außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge 101 f., 114, 123 ff., 126, 151, 155 f., 158 ff. – Änderung der tatsächlichen Rückgabesituation im Vergleich zum alten Recht 105 ff. – Binnenmarkt, Förderung vom 121 f. – Differenzierung zwischen Fernabsatzgeschäften und außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen, Notwendigkeit einer 155 f., 160 f. – Dissonanzreduktionen 111 f. – Effektivität 104 ff., 128 f., 155 f. – Expresslieferung, keine Erstattung der Kosten 100, 123 – Expresslieferung, Überrumpelung hinsichtlich der Kosten 123 f., 161, 256 – faktische Haustürgeschäfte 123, 125, 130, 145 f., 159 ff. – Fernabsatzverträge 101 ff., 104 ff., 130 ff., 155 f., 157 f. – Heinrich Heine-Entscheidung des EuGH 28 f., 109, 120, 124, 150 – Information über Tragung der Rücksendekosten 101, 116 ff. – invited in-home selling, siehe dort – iterative Bestellung gleicher Ware 138 ff. – Kauf mit geringer Bestehenswahrscheinlichkeit, Einschränkung 140 f. – keine Effektivitätsprobleme vor Umsetzung der Verbraucherrechte-RL in anderen Mitgliedstaaten 113 f. – Kostenlast des Unternehmers hinsichtlich aller Versandkosten bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen de lege ferenda 158 ff. – Kostenvorschuss 106, 148 – loss aversion 110 f.

– Nachnahme, Rücksendung 107 f., 148 f. – Opportunismus 129 ff., 152, 158 – Opportunismusverhinderung als nicht valides Argument für eine Kostentragung zulasten des Verbrauchers bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen 158 – Preisgrenze für Kostentragung 101, 110, 158 – Prokrastination 112 f. – retail borrowing, Versandkosten als Gegenmittel 129 ff., 157 – Retourenaufkleber 105, 148 f., 155, 161 – showrooming, Steigerung 144 f. – Rücksendekostentragung durch den Verbraucher im geltenden Recht 101 f. – Rückzahlungspflicht hinsichtlich der Hinsendekosten im geltenden Recht 100 – Schwierigkeiten bei der Feststellung von Nutzungsersatzansprüchen 134 f. – situational returnaholics, Beschränkung 135 f. – status quo bias 110 f. – Standardlieferung 100, 123 – Studien zur Reaktion der Verbraucher auf Rücksendekostenauferlegung 114 f. – Teilwiderruf, Beseitigung von Kostenbezifferungsproblemen 153 – Transaktionskosten de lege ferenda, Veränderungen 148 ff. – Umkehrung der Kostentragung de lege ferenda 145 ff. – Umkleidekabinenkauf, Verhinderung 136 ff. – „unfreie“ Rücksendung 106 ff., 148 – unmittelbare Kosten 101, 108, 117 – Überhöhung der Hinsendekosten 151 f. – übermäßige Belastung des Verbrauchers durch die Auferlegung der Rücksendekosten 110 ff. – Verhaltensökonomik und Rücksendekosten 110 ff.

Sachregister – versunkene Kosten, Hinsendekosten 118 ff. Versandrisiken – Schutzpflichtenverletzung 103 – Transportgefahr bei der Rücksendung 103 versunkene Kosten (sunk costs) 72 f., 118 ff. 192 Vertrauensgüter 10 f. Verwendungsersatz 244 ff. Vollharmonisierung 20 f., 209, 257 Vorleistungspflicht, siehe Reihenfolge der Leistungsverpflichtungen Wasserbetten-Entscheidung des BGH 36 f., 181 f. Wegfall des Verwendungszwecks 31, 41 Werbung, personalisierte 10 Wertersatz 175 ff. – Abgrenzung der Funktionsprüfung von darüber hinausgehender Nutzung 179 ff., 197 f. – abschreckende Wirkung 197 ff. – „alles oder nichts“-Lösung 192 f. – Annäherung der Prüfungsmöglichkeit an den stationären Handel 179 ff. – Anspruch im geltenden Recht 176 ff. – Ausgangspunkt der Berechnung 187 ff. – bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme 25 – Beweislast 26, 190 f. – Beweisprobleme 197 f. – Effektivität 24 ff., 178 ff. – Diebstahl, behaupteter 203 ff. – Dienstleistungsvertrag, Wertersatzberechnung 188 f. – Discounter 184 ff., 253 – Fachgeschäft 184 ff., 253

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– „Funktionsweise“, Uneindeutigkeit des Begriffes 179 ff. – Informationspflicht 177 f. – Information über Möglichkeiten der Wertersatzpflichtvermeidung 200 f. – „Median Markt“ 184 ff., 253 – Opportunismus 196 ff. – Prüfung der Ware 24 ff., 98, 178 ff. – retail borrowing 197 ff. – strafbare Handlungen 204 f. – Umfang des Prüfungsrechts 179 ff. – vergleichbares Ladengeschäft 184 ff. – Verhaltensanomalien 191 f. – vollständiger Wertverlust 193 ff. – Zufallsrisiko 202 ff. Widerrufsfolgen, siehe Rückgewährschuldverhältnis nach Widerruf Widerrufsfrist – als Mittel zur Eindämmung von Opportunismus 4 – Fristbeginn 15 f. WTA-WTP-Differenz 56, 67 Zufallsrisiko 202 ff. Zurückbehaltungsrecht, siehe Reihenfolge der Leistungsverpflichtungen Zwecke des Widerrufsrechts – bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen 12 ff. – bei Fernabsatzverträgen 9 ff. – Binnenmarktförderung 7 f. zweckwidriges Verhalten, siehe opportunistisches Verbraucherverhalten 3D-Drucker 32, 212 40-Euro-Klausel – Anwendungsbereich bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen 250, 253, 255 – Rücksendekostentragung 101, 109, 136, 158