Der Weg zu einer eigenständigen Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Russischen Föderation: Probleme des Verwaltungsrechtsschutzes im modernen Russland [1 ed.] 9783428536962, 9783428136964

Die Russische Föderation musste nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion einen gewaltigen Transformationsprozess durchlauf

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German Pages 321 [322] Year 2015

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Der Weg zu einer eigenständigen Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Russischen Föderation: Probleme des Verwaltungsrechtsschutzes im modernen Russland [1 ed.]
 9783428536962, 9783428136964

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Tübinger Schriften zum Staats- und Verwaltungsrecht Band 98

Der Weg zu einer eigenständigen Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Russischen Föderation Probleme des Verwaltungsrechtsschutzes im modernen Russland

Von Christina Maier

Duncker & Humblot · Berlin

CHRISTINA MAIER

Der Weg zu einer eigenständigen Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Russischen Föderation

Tübinger Schriften zum Staats- und Verwaltungsrecht Herausgegeben von Wo l f g a n g G r a f V i t z t hu m in Gemeinschaft mit J o c h e n v o n B e r n s t o r f f , M a r t i n He c k e l K a r l -He r m a n n K ä s t n e r, F e r d i n a n d K i r c h h o f H a n s v o n M a n g o l d t , M a r t i n Ne t t e s h e i m T h o m a s O p p e r m a n n , G ü nt e r P ü t t n e r Ba rba ra Remmer t, Michael Ronel lenf itsch J o h a n n e s S a u r e r, C h r i s t i a n S e i l e r sämtlich in Tübingen

Band 98

Der Weg zu einer eigenständigen Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Russischen Föderation Probleme des Verwaltungsrechtsschutzes im modernen Russland

Von Christina Maier

Duncker & Humblot · Berlin

Die Juristische Fakultät der Eberhard Karls Universität Tübingen hat diese Arbeit im Wintersemester 2010/2011 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

D 21 Alle Rechte vorbehalten

© 2015 Duncker & Humblot GmbH, Berlin

Fremddatenübernahme: TextFormA(r)t, Daniela Weiland, Göttingen Druck: buchbücher.de gmbH, Birkach Printed in Germany ISSN 0935-6061 ISBN 978-3-428-13696-4 (Print) ISBN 978-3-428-53696-2 (E-Book) ISBN 978-3-428-83696-3 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Für meine Eltern, Torsten und Anna

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Wintersemester 2010/2011 von der Juristischen Fakultät der Eberhard Karls Universität Tübingen als Dissertation angenommen. Für die Veröffentlichung wurde die Dissertation leicht bearbeitet und um einen Nachtrag ergänzt, der die Neuorganisation der obersten Gerichtsbarkeit sowie die Entwicklungen der wesentlichen Reform- bzw. Gesetzesvorhaben bis März 2015 berücksichtigt. Für eine eigenständige Verwaltungsgerichtsbarkeit hat sich der russische Gesetzgeber (bislang) nicht entschieden. Kurz vor der Drucklegung wurde aber mit der Annahme des Kodex der Verwaltungsgerichtsbarkeit der Russischen Föderation, der am 15. September 2015 in Kraft treten soll, ein über 15 Jahre währender Reformprozess zu (vorerst nur) einem kodifikatorischen Abschluss gebracht. Diese Arbeit konnte nur entstehen, weil mir viele Menschen dabei zur Seite standen. Eine besondere Verbundenheit besteht zu meinem Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Michael Ronellenfitsch. Ihm gebührt an erster Stelle mein aufrichtiger und herzlicher Dank. Und das nicht nur für die Unterstützung bei dieser Arbeit,­ sondern auch für die vielen prägenden und schönen Jahre an seinem Lehrstuhl, welche durch seine fast väterliche und erfrischend unkonventionelle Art ein wirklich großer Gewinn für mich waren. Ich danke ihm außerdem für die wertvolle Zusammenarbeit und Unterstützung, die auch nach meiner Lehrstuhltätigkeit nicht aufgehört haben. Letztlich kann ich es aber nicht treffender als Elvis Presley sagen: Thank you, thank you very much. Ebenso gilt mein bester Dank Herrn Prof. Dr. Dr. h. c. Wolfgang Graf Vitzthum für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens und die freundliche Aufnahme meiner Arbeit in die vorliegende Schriftenreihe. Ein herzliches Dankeschön möchte ich meinem Ehemann Torsten Glässner sagen, der mit Hingabe nicht nur seine sprachliche Expertise bei der Manuskript­ erstellung eingebracht hat, sondern mir ein wertvoller Wegbegleiter ist. Meine liebe Mutter Luba Maier war mir fortwährend eine große Hilfe bei den Übersetzungen aus dem Russischen. Mit vielen spannenden Gesprächen hat mir Frau Dr. Valeria Sedelnik die Themensuche sehr erleichtert. Herrn Prof. Dr. Viktor Skitowitsch möchte ich danken für das Ermöglichen meines Lehr- und Forschungsaufenthaltes in Moskau und seine hilfreiche Unterstützung vor Ort. Auch Tobias Schilling soll nicht unerwähnt bleiben, der immer ein Auge für Details hatte. Reutlingen, März 2015

Christina Maier

Inhaltsübersicht Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25

1. Kapitel Grundlagen

28

A. Bedeutung der Verwaltungsgerichtsbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 B. Historische Entwicklung der Verwaltungsgerichtsbarkeit in Deutschland . . . . . . . . . . 30 C. Formen der Verwaltungsgerichtsbarkeit in Europa . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36

2. Kapitel

Historischer Überblick

49

A. Entstehung von Verwaltungsstrukturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 B. Entwicklung der Verwaltungsgerichtsbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53

3. Kapitel

Gegenwärtige Rechtslage

98

A. Russische Verwaltungsgerichtsbarkeit als Rechtsinstitut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 B. Formen des gegenwärtigen Verwaltungsrechtsschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118

4. Kapitel Entwicklungsmöglichkeiten

185

A. Notwendigkeit der Einführung der Verwaltungsgerichtsbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 B. Reformansätze auf dem Weg zu einer modernen Verwaltungsgerichtsbarkeit . . . . . . . 209

5. Kapitel Schlussbetrachtung

228

A. Anregungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 B. Schlusswort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232

10

Inhaltsübersicht 6. Kapitel

Nachtrag

234

A. Änderung der Gerichtsstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 B. Stand der Gesetzgebungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 C. Kodex der Verwaltungsgerichtsbarkeit der Russischen Föderation . . . . . . . . . . . . . . . . 235 D. Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237



Dokumentarischer Anhang

239

A. Gesetzestexte und Übersetzungen aus dem Russischen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 B. Tabellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273 C. Gesetzes- und Entscheidungsregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290 Personen- und Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317

Inhaltsverzeichnis Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25

1. Kapitel Grundlagen

28

A. Bedeutung der Verwaltungsgerichtsbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 B. Historische Entwicklung der Verwaltungsgerichtsbarkeit in Deutschland . . . . . . . . . . 30 C. Formen der Verwaltungsgerichtsbarkeit in Europa . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 I. Bundesrepublik Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 1. Verfassungsrechtliche Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 2. Rechtsschutz durch die Verwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 3. Gerichtlicher Rechtsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 II. Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 1. Verhältnis der Verwaltungsgerichtsbarkeit zur Exekutive . . . . . . . . . . . . . . . 43 2. Objektive Funktion der Verwaltungsgerichtsbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 III. Vereinigtes Königreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 1. Rechtsschutz durch Tribunale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 2. Gerichtlicher Rechtsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47

2. Kapitel

Historischer Überblick

49

A. Entstehung von Verwaltungsstrukturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 I. Kiewer Rus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 II. Reich der Goldenen Horde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 III. Moskauer Staat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 B. Entwicklung der Verwaltungsgerichtsbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 I. Kaiserreich Russland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 1. Funktionale Entwicklung des Regierenden Senats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 a) Regierender Senat zur Zeit Peters des Großen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 b) Senat in der nachpetrinischen Zeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54

12

Inhaltsverzeichnis c) Reformen unter Alexander I. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 d) Justizreform von 1864 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 aa) Lokale Verwaltungsjustiz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 bb) Funktionale Einschränkungen der Senatstätigkeit . . . . . . . . . . . . . . . 60 2. Personelle und organisatorische Senatsstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 a) Interner Senatsaufbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 b) Personelle Struktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 aa) Ausbildungsstand der Senatoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 bb) Allgemeine Missstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 3. Von der objektiven Rechtskontrolle zum Individualrechtsschutz . . . . . . . . . 65 a) Abstrakte Normenkontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 b) Beschwerdeverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 c) Rechtsauskunft des Senats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 d) Anfänge des Individualrechtsschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 II. Februarrevolution von 1917 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 1. Allgemeine Entwicklungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 2. Konzeption der allgemeinen Verwaltungsgerichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 a) Vom Gesetzentwurf zum Inkrafttreten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 b) Gerichtsaufbau und -organisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 aa) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 bb) Gerichtsstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 c) Zuständigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 aa) Sachliche Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 bb) Instanzielle Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 d) Verfahrensgrundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 e) Vollendung des Verwaltungsrechtsschutzes? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 III. Sowjetische Ära . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 1. Militanter Kommunismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 2. „Goldene zwanziger Jahre“ des Sowjetkommunismus . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 a) Anfangsstadium der Lehre und der Rechtspraxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 b) Allgemeines Beschwerderecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 aa) Verfahrensvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 bb) Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 cc) Wirkungen der Beschwerde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 c) Verwaltungskontrolle durch die Staatsanwaltschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 aa) Errichtung der Staatsanwaltschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 bb) Kontrollmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 cc) Effizienz der Kontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81

Inhaltsverzeichnis

13

d) Errichtung von Arbitragekommissionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 e) Gerichtsähnliche Institutionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 3. Stalin-Diktatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 4. Tauwetter-Periode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 a) Zustand der Rechtslehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 aa) Wiederaufleben der Diskussion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 bb) System der subjektiven Rechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 b) Institut der Verwaltungsbeschwerde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 c) Verwaltungsrechtsschutz vor den Zivilgerichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 d) Staatsarbitrage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 IV. Zusammenbruch der Sowjetunion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 1. Neuregelung des Beschwerdeverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 a) Sachurteilsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 aa) Klagegegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 bb) Klagebefugnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 cc) Anderweitige Sachurteilsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 b) Begründetheit der Klage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 aa) Entscheidung des Gerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 bb) Prüfungsumfang des Gerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 c) Prozessgrundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 2. Einschätzung in der deutschen Rechtsliteratur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 3. Bewertung durch die sowjetische Lehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96

3. Kapitel

Gegenwärtige Rechtslage

98

A. Russische Verwaltungsgerichtsbarkeit als Rechtsinstitut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 I. Terminologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 1. Anfänge der Diskussion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 2. Verwaltungsjustiz als Oberbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 a) Klassische Definition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 b) Stand der heutigen Rechtslehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 aa) Weiter Begriff der Verwaltungsjustiz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 bb) Enger Begriff der Verwaltungsjustiz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 cc) Zivilprozess vs. Verwaltungsgerichtsbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 3. Terminus der Verwaltungsgerichtsbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 a) Normative Bestandsaufnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 aa) Verfassung der RF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105

14

Inhaltsverzeichnis bb) Wirtschaftsprozessordnung der RF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 cc) Zivilprozessordnung der RF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 dd) Ordnungswidrigkeitenkodex der RF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 b) Rechtsprechung des Verfassungsgerichts der RF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 c) Definitionen im Schrifttum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 4. Begriff des Verwaltungsprozesses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 5. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 II. Funktionen der Verwaltungsgerichtsbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 1. Kontrollfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 2. Individualrechtsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 3. Wiedergutmachungsfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 4. Sonstige Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117

B. Formen des gegenwärtigen Verwaltungsrechtsschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 I. Verwaltungsgerichtliche Verfahren innerhalb der Wirtschaftsgerichtsbarkeit . . . 118 1. Gerichtsaufbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 2. Zuständigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 a) Sachliche Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 aa) Allgemeine Zuständigkeitszuweisung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 bb) Zivilrechtliche Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 cc) Verwaltungsrechtliche Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 dd) Sonstige Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 ee) Abgrenzungsschwierigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 (1) Verhältnis zur ordentlichen Gerichtsbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . 125 (2) Abgrenzung zur Verfassungsgerichtsbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . 126 (3) Exkurs: Abstrakte Normenkontrolle vor dem Verfassungsgericht der RF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 b) Örtliche Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 c) Instanzielle Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 aa) Wirtschaftsgerichte der Föderationssubjekte der RF . . . . . . . . . . . . . 129 bb) Appellationswirtschaftsgerichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 cc) Kassationswirtschaftsgerichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 dd) Oberstes Wirtschaftsgericht der RF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 d) Funktionelle Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 3. Verfahrensbeteiligte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 a) Parteien, Antragsteller und Dritte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 b) Staatliche Organe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 c) Sonderrolle der Staatsanwaltschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 4. Prozess- und Postulationsfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134

Inhaltsverzeichnis

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5. Prozessmaximen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 6. Vorverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 7. Klageverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 a) Annahme der Klageschrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 b) Vorbereitung der Verhandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 c) Gerichtsverhandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 aa) Streitiges Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 bb) Verfahren der gütlichen Einigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 8. Verwaltungsrechtssachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 a) Besonderheiten des verwaltungsrechtlichen Verfahrens . . . . . . . . . . . . . . 143 aa) Bezeichnung der Beteiligten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 bb) Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 cc) Analogieanwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 dd) Sonstiges . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 b) Anfechtung normativer Rechtsakte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 aa) Antragsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 bb) Antragsbefugnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 cc) Verfahrensgang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 dd) Prüfungsmaßstab und Entscheidungswirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 c) Anfechtung nichtnormativer Rechtsakte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 aa) Antragsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 bb) Antragsbefugnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 cc) Verfahrensgang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 dd) Prüfungsmaßstab und Entscheidungswirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 d) Ordnungswidrigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 e) Beitreibung von Pflichtabgaben und Sanktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 9. Sonstige Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 a) Verfahren bzgl. Tätigkeit staatlicher Korporationen . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 b) Entschädigungsverfahren gem. Art. 222.1. ff. WiPO . . . . . . . . . . . . . . . . 155 aa) Neuregelung und ihre Entstehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 bb) Verfahrensgang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 cc) Besonderheiten im Vollstreckungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 10. Vollstreckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 11. Rechtsbehelfsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 a) Appellationsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 b) Kassationsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 c) Aufsichtsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 d) Wiederaufnahmeverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 12. Gerichtsakte der Wirtschaftsgerichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164

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Inhaltsverzeichnis II. Verwaltungsverfahren innerhalb der ordentlichen Gerichtsbarkeit . . . . . . . . . . . 165 1. Gerichtsaufbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 2. Zuständigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 a) Sachliche Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 b) Örtliche Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 c) Instanzielle Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 aa) Friedensrichter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 bb) Rayongerichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 cc) Ordentliche Gerichte auf der Ebene der Subjekte der RF . . . . . . . . . 169 dd) Oberstes Gericht der RF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 d) Funktionelle Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 3. Verfahrensbeteiligte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 4. Prozess- und Postulationsfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 5. Verfahrensgrundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 6. Verfahrensablauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 7. Verwaltungsrechtssachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 a) Anfechtung normativer Rechtsakte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 aa) Antragsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 bb) Antragsbefugnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 cc) Verfahrensgang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 dd) Prüfungsmaßstab und Entscheidungswirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 b) Anfechtung von Einzelfallentscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 aa) Antragsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 bb) Antragsbefugnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 cc) Verfahrensgang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 dd) Prüfungsmaßstab und Entscheidungswirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 c) Verfahren zum Schutz der Wahlrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 d) Unterbringungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 e) Ordnungswidrigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 8. Vollstreckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 9. Rechtsbehelfsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 a) Appellationsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 b) Kassationsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 c) Aufsichtsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 d) Wiederaufnahmeverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 10. Gerichtsakte der ordentlichen Gerichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 III. Gerichtliches Beschwerdeverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 IV. Verwaltungsverfahren vor den Militärgerichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184

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4. Kapitel Entwicklungsmöglichkeiten 185 A. Notwendigkeit der Einführung der Verwaltungsgerichtsbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 I. Verfassungsrechtliche Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 1. Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 a) Gewaltenteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 b) Gesetzmäßigkeit der Verwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 c) Rechtssicherheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 2. Verfassungsrechtliche Verankerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 II. Praxisbezogene Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 1. Effizienz des Rechtssystems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 2. Entwicklungstendenzen von öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten . . . . . . . . . 192 3. Bekämpfung der Korruption . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 a) Begriff der Korruption . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 b) Verbreitung der Korruption . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 c) Reformbemühungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 d) Korruptionsgesetz im Detail . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 e) Notwendigkeit weiterer Reformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 4. Entlastung der Zivil- und Wirtschaftsgerichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 5. Defizite des derzeit geltenden Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 a) Gestaltung und Systematik der Kodifikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 b) Einheitlichkeit der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 c) Verfahrens- und Vollstreckungsdauer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 d) Ausgleichsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 6. Selbstkontrolle der Verwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 III. Außenpolitische Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 1. Anpassung an internationale Standards . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 2. Zugehörigkeit zu einer Rechtsfamilie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 B. Reformansätze auf dem Weg zu einer modernen Verwaltungsgerichtsbarkeit . . . . . . . 209 I. Geplante Novellierungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 1. Entwurf des Föderalen Verfassungsgesetzes „Über die föderalen Verwaltungsgerichte der Russischen Föderation“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 a) Chronologie des Gesetzgebungsverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 b) Struktur der Verwaltungsgerichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 c) Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 aa) Sachliche Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 bb) Örtliche Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212

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Inhaltsverzeichnis cc) Instanzielle Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 (1) Friedensrichter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 (2) Zwischen-Rayonverwaltungsgerichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 (3) Gerichtskollegien für Verwaltungssachen bei den Gerichten der Subjekte der RF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 (4) Kreisverwaltungsgerichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 (5) Gerichtskollegium für Verwaltungssachen beim Obersten Gericht der RF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 dd) Funktionelle Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 d) Problemlagen des Gesetzes „Über die Verwaltungsgerichte“ . . . . . . . . . . 216 aa) Eigenständigkeit der Verwaltungsgerichtsbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . 216 bb) Friedensrichter innerhalb der Verwaltungsgerichtsbarkeit . . . . . . . . . 217 cc) Instanzenzug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 dd) Abgrenzungsschwierigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 (1) Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 (2) Verfassungsrechtliche Streitigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 (3) Verwaltungssachen vor den Wirtschaftsgerichten . . . . . . . . . . . . 220 2. Entwurf des Föderalen Gesetzes „Kodex der Verwaltungsgerichtsbarkeit der Russischen Föderation“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 a) Chronologie des Gesetzgebungsverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 b) Aufbau des Gesetzentwurfs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 c) Einzelne Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 aa) Verfahrensprinzipien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 bb) Vorverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 (1) Funktionen des Vorverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 (2) Obligatorisches Vorverfahren vs. Wahlrecht . . . . . . . . . . . . . . . . 223 cc) Problemfelder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 3. Weitere Entwürfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 II. Bewertung der Reformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226

5. Kapitel Schlussbetrachtung 228 A. Anregungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 B. Schlusswort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232

Inhaltsverzeichnis

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6. Kapitel Nachtrag 234 A. Änderung der Gerichtsstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 B. Stand der Gesetzgebungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 C. Kodex der Verwaltungsgerichtsbarkeit der Russischen Föderation . . . . . . . . . . . . . . . . 235 I. Aufbau des Kodex . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 II. Anwendbarkeit des Kodex . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 D. Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237



Dokumentarischer Anhang

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A. Gesetzestexte und Übersetzungen aus dem Russischen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 I. Verordnung vom 30. Mai 1917 „Über die Gerichte in administrativen Angelegenheiten“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 II. Gesetz der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken über das Verfahren der gerichtlichen Anfechtung rechtswidriger und die Rechte der Bürger verletzender Handlungen von Amtspersonen vom 30. Juni 1987 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 III. Entwurf des Föderalen Verfassungsgesetzes „Über die föderalen Verwaltungsgerichte der Russischen Föderation“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258 IV. Entwurf des Föderalen Gesetzes „Kodex der Verwaltungsgerichtsbarkeit der Russischen Föderation“ (Inhaltsverzeichnis) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 B. Tabellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273 Tabelle 1: Vor den Wirtschaftsgerichten in erster Instanz verhandelte Verwaltungsrechtssachen der Jahre 2007–2010 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273 Tabelle 2: Chronologische Übersicht des Gesetzgebungsverfahrens zum Gesetzentwurf „Über die Verwaltungsgerichte“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275 Tabelle 3: Chronologische Übersicht des Gesetzgebungsverfahrens zum Gesetzentwurf „Kodex der Verwaltungsgerichtsbarkeit der Russischen Föderation“ . . . . . . . . 276 Tabelle 4: Chronologische Übersicht des Gesetzgebungsverfahrens zum Gesetzentwurf „Über die Verwaltungsgerichte“, aktualisiert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277 Tabelle 5: Chronologische Übersicht des Gesetzgebungsverfahrens zum Gesetzent­ wurf „Kodex der Verwaltungsgerichtsbarkeit der Russischen Föderation“ (alte Fassung), aktualisiert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278 Tabelle 6: Chronologische Übersicht des Gesetzgebungsverfahrens zum Gesetzent­ wurf „Kodex der Verwaltungsgerichtsbarkeit der Russischen Föderation (Regulie­ rung des Verfahrens der Verwaltungsgerichtsbarkeit durch die ordentlichen Gerichte)“ (neue Fassung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279

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Inhaltsverzeichnis

C. Gesetzes- und Entscheidungsregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 I. Gesetzentwürfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 II. Gesetze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 III. Ukase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285 IV. Entscheidungen des Verfassungsgerichts der Russischen Föderation . . . . . . . . . 285 V. Entscheidungen und Briefe des Obersten Wirtschaftsgerichts der Russischen Föderation sowie des Obersten Gerichts der Russischen Föderation . . . . . . . . . . . 287 VI. Sonstiges . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289 VII. Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte . . . . . . . . 289

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290 Personen- und Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317

Abkürzungsverzeichnis a. A. anderer Ansicht Amtsblatt der Europäischen Union ABl. Abs. Absatz Abt. Abteilung alte Fassung a. F. AHK Außenhandelskammer ALR Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten Archiv des öffentlichen Rechts AöR Aus Politik und Zeitgeschichte APuZ Art. Artikel ASOZD Awtomatisirowannaja sistema obespetschenija sakonodatelnoj dejatelnosti [Automatisiertes Bereitstellungssystem der gesetzgeberischen Tätigkeit] Aufl. Auflage Bd. Band Bürgerliches Gesetzbuch BGB BGBl. Bundesgesetzblatt BT-Drucks. Bundestagsdrucksache BVerfG Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts BVerfGE BVerfGG Bundesverfassungsgerichtsgesetz BVerwG Bundesverwaltungsgericht BVerwGE Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts bzgl. bezüglich CPI Corruption Preceptions Index CPO Civilprozessordnung DDR Deutsche Demokratische Republik ders. derselbe d. h. das heißt dop. dopolnenija [Ergänzung] Die Öffentliche Verwaltung DÖV DR Deutsches Recht Deutsche Rechts-Zeitschrift DRZ DtZ Deutsch-Deutsche Rechts-Zeitschrift Datenschutz und Datensicherheit DuD DV Deutsche Verwaltung DVBl. Deutsches Verwaltungsblatt EGMR Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte EL Ergänzungslieferung Europäische Menschenrechtskonvention EMRK EU Europäische Union EuGRZ Europäische Grundrechte-Zeitschrift

22

Abkürzungsverzeichnis

und folgende f. ff. und folgende FGO Finanzgerichtsordnung FischersZ Fischers Zeitschrift für Verwaltungsrecht Fn. Fußnote forost Forschungsverbund Ost- und Südosteuropa GBl. Gesetzblatt gem. gemäß GG Grundgesetz GiP Gosudarstwo i prawo [Staat und Recht] Graschdanskij prozesualnyj kodeks [Zivilprozesskodex] GPK Graschdanskij prozesualnyj kodeks Rossijskoj Sowjetskoj Federatiwnoj­ GPK RSFSR Sozia­listitscheskoj Respubliki [Zivilprozesskodex der Russischen Sozialis­ tischen Föderativen Sowjetrepublik] Group of States against Corruption GRECO GS Gesetz-Sammlung für die Königlich-Preußischen Staaten GUlag Glawnoje uprawlenije isprawitelno-trudowych lagerej i kolonij [Haupt­verwal­ tung der Arbeitsbesserungslager und Kolonien] GUS Gemeinschaft Unabhängiger Staaten GVBl. Gesetz- und Verordnungsblatt GVG RF Gerichtsverfassungsgesetz der Russischen Föderation GwG Geldwäschegesetz Halbbd. Halbband Hrsg. Herausgeber HS Halbsatz HStR Handbuch des Staatsrechts Historische Zeitschrift HZ i. d. R. in der Regel inkl. inklusive Internationale Politik IP IpB Informationen zur politischen Bildung Praxis des Internationalen Privat- und Verfahrensrechts IPRax ismenenija [Änderung] ism. in Verbindung mit i. V. m. Jg. Jahrgang JO Journal Officiel JOR Jahrbuch für Ostrecht JöR Jahrbuch des öffentlichen Rechts der Gegenwart Juristische Ausbildung Jura JuS Juristische Schulung JZ Juristenzeitung Kap. Kapitel KorruptG Korruptionsgesetz lit. littera MDR Monatsschrift für Deutsches Recht MRVO Militärregierungsverordnung mit weiteren Nachweisen m. w. N. N nomer [Nummer]

Abkürzungsverzeichnis

23

North Atlantic Treaty Organization NATO neue Fassung n. F. NJW Neue Juristische Wochenschrift No. Number NÖP Neue Ökonomische Politik Nr. Nummer NRR NATO-Russland-Rat Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht NVwZ ohne Angabe o. A. OWiG RF Ordnungswidrigkeitengesetz der Russischen Föderation Partnerschafts- und Kooperationsabkommen PKA Pos. posizija [Position] PreußOVGE Entscheidungen des Preußischen Oberverwaltungsgerichts Prot. Protokoll redakzija [Redaktion] red. RegBl. Regierungsblatt RF Rossijskaja Federazija [Russische Föderation] oder Russische Föderation RG Rossijskaja gaseta [Russische Zeitung] RGBl. Reichsgesetzblatt Recht der Internationalen Wirtschaft RIW Rossijskaja justizija [Russische Justiz] RJu Rn. Randnummer ROW Recht in Ost und West RSFSR Russische Sozialistische Föderative Sowjetrepublik oder Rossijskaja Sowjet­ skaja Federatiwnaja Sozialistitscheskaja Respublika [Russische Sozialistische Föderative Sowjetrepublik] Rspr. Rechtsprechung RuPrVBl. Reichsverwaltungsblatt und Preußisches Verwaltungsblatt S. Seite Sächsische Verwaltungsblätter SächsVBl. SBZ Sowjetische Besatzungszone SGG Sozialgerichtsgesetz SGiP Sowjetskoje gosudarstwo i prawo [Sowjetischer Staat und Recht] Süddeutsche Juristenzeitung SJZ sog. sogenannt Sowjetskaja Sozialistitscheskaja Respublika [Sozialistische Sowjetrepublik] SSR SSSR Sojus Sowjetskich Sozialistitscheskich Respublik [Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken] Sobranije usakonenij i rasporjaschenij [Sammlung von Gesetzen und VerSUiR fügungen] SUiR USSR Sobranije usakonenij i rasporjaschenij Ukrainskoj Sowjetskoj Sozialistitsches­ koj Respubliki [Sammlung von Gesetzen und Verfügungen der Ukrainischen Sozialistischen Sowjetrepublik] SZ Sobranije sakonodatelstwa Rossijskoj Federazii [Gesetzsammlung der Russischen Föderation] tt. tomy [Bände] u. a. unter anderem oder und andere UdSSR Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken

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Abkürzungsverzeichnis

United Nations United Nations Convention against Corruption Ukrainskaja Sowjetskaja Sozialistitscheskaja Respublika [Ukrainische Sozia­ listische Sowjetrepublik] VBl. Verordnungsblatt Verwaltungsblätter für Baden-Württemberg VBlBW VDRW Vereinigung für deutsch-russisches Wirtschaftsrecht Verfassungsgerichtsgesetz der Russischen Föderation VerfGG RF Verfassung der Russischen Föderation Verf RF Verf UdSSR Verfassung der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken VerwArch Verwaltungsarchiv VGG Verwaltungsgerichtsgesetz vgl. vergleiche VO Verordnung Vol. Volume Vorb. Vorbemerkung vs. versus Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer VVDStRL VwGO Verwaltungsgerichtsordnung VwGO RF Verwaltungsgerichtsordnung der Russischen Föderation WahlO Wahlordnung WAS RF Werchownyj Arbitraschnyj Sud Rossijskoj Federazii [Oberstes Wirtschaftsgericht der Russischen Föderation] Westnik KS RF Westnik Konstituzionnogo Suda Rossijskoj Federazii [Anzeiger des Verfassungsgerichts der Russischen Föderation] Westnik WAS RF Westnik Werchownogo Arbitraschnogo Suda Rossijskoj Federazii [Anzeiger des Obersten Wirtschaftsgerichts der Russischen Föderation] WiGG Wirtschafsgerichtsgesetz WiPO Wirtschaftsprozessordnung WiRO Wirtschaft und Recht in Osteuropa WRV Weimarer Reichsverfassung Wedomosti Werchownogo Sowjeta Rossijskoj Federazii [Anzeiger des ObersWWS RF ten Rates der Russischen Föderation] Wedomosti Werchownogo Sowjeta Sojusa Sowjetskich Sozialistitscheskich WWS SSSR Respublik [Anzeiger des Obersten Sowjets der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken] Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht ZaöRV zum Beispiel z. B. ZGB Zivilgesetzbuch Ziff. Ziffer ZK der KPdSU Zentralkomitee der Kommunistischen Partei der Sowjetunion ZPO Zivilprozessordnung ZPO RF Zivilprozessordnung der Russischen Föderation ZPO RSFSR Zivilprozessordnung der Russischen Sozialistischen Föderativen Sowjet­ republik ZPO UdSSR Zivilprozessordnung der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken z. T. zum Teil UN UNCAC USSR

Vorbemerkung Die Russische Föderation1 gehört zu den Staaten, die nach dem Zusammenbruch der kommunistischen Herrschaftssysteme Osteuropas die Folgen eines umfang­ reichen Transformationsprozesses zu bewältigen haben. Kurzerhand wurde das gesamte Wertesystem des Verfassungslebens umgekrempelt. Demokratie, Rechtsstaat, Menschenrechte, freie Marktwirtschaft und Integration in die Völkerrechtsordnung nach westlichem Vorbild wurden „fast über Nacht“ zu den propagierten Leitwerten.2 Das anfangs bekundete Interesse an der deutschen Rechtsstaatskonzeption sorgt jedoch nicht zwangsläufig dafür, dass man Russland als einen Rechtsstaat westlicher Ausprägung charakterisieren kann. Demokratiedefizite erlauben heute allenfalls die Bezeichnung gelenkte Demokratie.3 Außenpolitisch verbindet Russland und Deutschland eine Modernisierungspartnerschaft. Nicht zuletzt wegen wirtschaftlicher Abhängigkeiten ist gegenseitiger Austausch Merkmal der deutsch-russischen Zusammenarbeit. Auf dem Wachstumsmarkt Russland ist es gerade für deutsche Unternehmen und Investoren von Belang, dass effektive Rechtsschutzmöglichkeiten und ein funktionierendes Justiz­system bestehen. Deutsche Unternehmer, aber auch Privatpersonen kommen nicht selten mit russischen Behörden in Berührung und sehen sich deren Willkür ausgeliefert. Eine eigenständige Verwaltungsgerichtsbarkeit gibt es in Russland bis heute noch nicht. Es liegen der Duma zwar Entwürfe zur Einführung von Verwaltungsgerichten und einer entsprechenden Prozessordnung vor. Als Teil der Reformierungsprozesse ist die Neuordnung des Verwaltungs- und Verwaltungsprozessrechts allerdings ins Stocken geraten. Der weitere Fortgang des Gesetzgebungsprozesses ist derzeit nicht absehbar.4 Die vorliegende Arbeit erforscht systematisch die Entwicklung des Verwaltungsrechtsschutzes von den historischen Anfängen bis zum heutigen Stand und gibt einen Ausblick auf die Möglichkeiten der Ausgestaltung der Verwaltungsgerichts 1 Art. 1 der russischen Verfassung normiert zwei offizielle Bezeichnungen des russischen Staates  – die Russische Föderation [Rossijskaja Federazija] und Russland [Rossija]. Wie in offiziellen staatlichen, internationalen, rechtlichen Dokumenten, den Massenmedien, Lehrbüchern und im alltäglichen Sprachgebrauch werden auch in dieser Dissertation beide Bezeichnungen gleichbedeutend verwendet. 2 So auch Luchterhandt, in: Luchterhandt (Hrsg.), Verwaltung und Verwaltungsrecht im Erneuerungsprozess Osteuropas, 2001, S. 15. 3 Ronellenfitsch, Louis L’Amour und das Völkerrecht (Public International Law), 2008, S. 197. 4 Beachte 6. Kapitel – Nachtrag.

26

Vorbemerkung

barkeit. Dabei wird besonders auf Problemlagen des modernen Verwaltungsrechtsschutzes und die daraus resultierende Notwendigkeit gesetzgeberischen Handelns eingegangen. Es handelt sich bei der gewählten Thematik nicht um einen Rechtsvergleich. Die methodische Vorgehensweise beschränkt sich vorwiegend auf die funktionale Betrachtung der Problematik in der Russischen Föderation und zieht nur an einigen Stellen Parallelen zum deutschen Recht. Eine rechtsvergleichende Untersuchung wurde unter dem Gesichtspunkt der im adäquaten Entwicklungsstadium fehlenden Vergleichsordnung verworfen. Auch nach dem Ende des „sozialistischen Sonderwegs“ sind die Unterschiede der russischen Justiz im Vergleich zu der westeuropäischer Staaten noch immer beachtlich.5 Eine umfassende deutschsprachige Darstellung zum gerichtlichen Verwaltungsrechtsschutz in der Russischen Föderation liegt bisher nicht vor. Einzelne Publikationen beschränken sich lediglich auf ausgewählte Aspekte. Die russischsprachige Literatur zu diesem Thema ist weit umfangreicher. Es gibt zahlreiche Veröffentlichungen in Fachzeitschriften, Dissertationen sowie Lehrbücher. Die russische Art einer fachlichen Auseinandersetzung mit der Thematik ist in Umfang und dog­ matischer Tiefe kaum mit der deutschen vergleichbar. Die Literaturbeschaffung erwies sich als schwieriges Unterfangen, da Gesetzestexte, Gerichtsentscheidungen und Kommentare nur schwer zugänglich sind. Zunehmend werden sie jedoch in digitalisierter Form der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt. Eine zusätzliche Schwierigkeit stellte das generelle Problem des weiten Spielraums bei Übersetzungen aus dem Russischen dar. Von einer einheitlichen Verwendung der Termini kann aus diesem Grund in der deutschsprachigen Literatur nicht ausgegangen werden. Gleiches gilt für die Transliteration. Vorliegend wurde nicht auf die Transliteration gem. DIN 1460 zurückgegriffen, sondern die aussprachenahe Transkription nach Duden gewählt. Die Arbeit beginnt mit grundlegenden Ausführungen zur Verwaltungsgerichtsbarkeit im 1.  Kapitel. Ausgehend von der Bedeutung der Verwaltungsgerichts­ barkeit wird die historische Entwicklung in Deutschland überblicksartig nachgezeichnet, da sie teils Parallelen zur russischen Historie aufweist: namentlich zwischen dem Kaiserreich und dem Zarenreich, dem Nationalsozialismus und dem Stalinismus sowie den Anfängen der BRD und denen der GUS. Es schließen sich die europäischen Formen der Verwaltungsgerichtsbarkeit an. Einen epochengeleiteten historischen Überblick über die Entstehung von Verwaltungsstrukturen und die Entwicklung der Verwaltungsgerichtsbarkeit in Russland gibt das 2. Kapitel. Die Darstellung der gegenwärtigen Rechtslage im 3. Kapitel gliedert sich in die theoretische Betrachtung der russischen Verwaltungsgerichtsbarkeit als Rechtsinstitut und die praktische Betrachtung der Formen des gegenwärtigen Verwal 5 Steinbach, Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Urteile und Schiedssprüche in der Russischen Föderation, 2003, S. 277.

Vorbemerkung

27

tungsrechtsschutzes. Erstere widmet sich insbesondere der Terminologie und den Funktionen, letztere befasst sich hauptsächlich mit den gerichtlichen Verfahren vor den Wirtschaftsgerichten und den ordentlichen Gerichten. Das 4. Kapitel stellt die Notwendigkeit einer eigenständigen Verwaltungsgerichtsbarkeit heraus sowie untersucht und bewertet umfassend die geplanten Novellierungen. Abschließend gibt das 5. Kapitel thesenartig Anregungen in Bezug auf die Einführung einer eigenständigen Verwaltungsgerichtsbarkeit. Das 6. Kapitel wurde vor Drucklegung als Nachtrag ergänzt und nimmt die Neuorganisation der obersten Gerichtsbarkeit auf. Es beschreibt außerdem den Fortgang der geschilderten Gesetzentwürfe sowie die zuletzt unternommenen Schritte auf dem historisch langen Weg. Im dokumentarischen Anhang sind einschlägige Verordnungen, Gesetze und Gesetzentwürfe sowie Tabellen abgedruckt.

1. Kapitel

Grundlagen A. Bedeutung der Verwaltungsgerichtsbarkeit „Der Schlußstein wurde dem Rechtsstaat aber erst mit der Verwaltungsgerichtsbarkeit eingefügt.“ 

Gustav Radbruch1

„Verwaltungsgerichtsbarkeit, verstanden als über die Verwaltung ausgeübte­ Gerichtsbarkeit, ist historisch entstanden als Instrument zur Sicherung des Rechtsstaates, d. h. zur Gewährleistung der Normengebundenheit staatlicher Tätigkeit und der Freiheitsrechte des einzelnen.“2 Heute ist die Verwaltungsgerichtsbarkeit für einen demokratischen Rechtsstaat unverzichtbar und beruht auf der Idee des Rechtsschutzes eines Individuums gegen die öffentliche Gewalt.3 Ohne Gerichtsschutz ist Rechtsstaatlichkeit undenkbar.4 Das Vorhandensein einer Verwaltungsgerichtsbarkeit gilt dabei als Indikator für den Entwicklungsstand des Rechtsschutzes der Rechte und gesetzlichen Interessen der Bürger.5 „Die öffentliche Gewalt drängt sich mehr und mehr in die Sphäre des Bürgers; dies bedingt aber andererseits eine allumfassende und wirkungsvolle Verwaltungsgerichtsbarkeit als Damm gegen jedwelchen Mißbrauch.“6 Der soziale Rechtsstaat mit einer modernen Industrie- und Dienstleistungsgesellschaft erfordert von der Verwaltung auch die Bewältigung leistender, gewährender und planerischer Aufgaben, was unweigerlich zu einer stärkeren Verflechtung zwischen Staat und Bürger führt. Insofern unterstreicht die Begründung zur deutschen Verwaltungsgerichtsordnung von 1954: „Je mehr Verwaltungshandeln, desto notwendiger die Verwaltungsrechtspflege.“7

1

Radbruch, Einführung in die Rechtswissenschaft, 1910, S. 90 (Herv. i. O.). Kuss, Gerichtliche Verwaltungskontrolle in Osteuropa, 1990, S. 17; ders., JöR 34 (1985), S. 589 (590). 3 Selenzow/Radtschenko, Administratiwnaja justizija w Rosii: Istorija i sowremennost [Die Verwaltungsjustiz in Russland: Geschichte und Gegenwart], 2002, S. 4. 4 Brenner, Die Verwaltung 1998, S. 1 (4). 5 Wlasow, RJu 2002, Nr. 11, S. 17. 6 Begründung des Entwurfs der VwGO von 1954, BT-Drucks. 02/462, S. 26, Spalte 2. 7 Rumpf, VVDStRL 14 (1956), S. 136 (137). 2

A. Bedeutung der Verwaltungsgerichtsbarkeit

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In der Bundesrepublik Deutschland ist die Verwaltungsgerichtsbarkeit etabliert und fest verankert.8 Jeder Bürger kann auf die Durchsetzung seiner Rechte und Freiheiten vertrauen und sich gegen unrechtmäßiges Handeln der Verwaltung wehren. Die Bundesrepublik wird aufgrund dessen  – zumeist mit kritischem Unterton – als „Weltmeister im Verwaltungsrechtsschutz“ bezeichnet, was einerseits mit der deutschen Neigung zum Perfektionismus, andererseits mit der jüngeren Vergangenheit zu erklären ist.9 Dagegen befindet sich in Russland ein unabhängiges Justizwesen noch in der Aufbauphase.10 Art. 1 Abs. 1 der russischen Verfassung vom 12. Dezember 1993 (Verf  RF)11 definiert die Russische Föderation als einen demokratischen föde­ rativen Rechtsstaat mit republikanischer Regierungsform. Um diese Verfassungsvorgaben umzusetzen, werden zwar Anstrengungen zur Festigung der Justiz und zur Umgestaltung der Gerichte in Rechte und Freiheiten der Bürger sichernde ­Institutionen unternommen. Doch wird der russische Bürger fortwährend mit dem Formalismus der Behörden und vor allem mit der Korruptionsanfälligkeit kon­frontiert. Der Einzelne ist im Verhältnis zum Staat der „schwächere Teil“.12 Insbesondere unter diesem Gesichtspunkt erscheint die Forderung der russischen Rechtslehre nach einer eigenständigen Verwaltungsgerichtsbarkeit umso dringender.

8 Schenke, in: Sok (Hrsg.), Rechtsfragen der modernen öffentlich-rechtlichen Theorie, 2003, S. 110 (144). 9 Pietzcker, in: Schmidt-Aßmann/Hoffmann-Riem (Hrsg.), Die Verwaltungskontrolle, 2001, S. 89 (91); Sendler, NJW 1994, S. 1518 (1518 f.). 10 Simon, in: Brunner (Hrsg.), Politische und ökonomische Transformation in Osteuropa, 2002, S. 133 (135). 11 Konstituzija Rossijskoj Federazii ot 12.12.1993 (s utschetom poprawok, wnesennych sakonami Rossijskoj Federazii o poprawkach k Konstituzii Rossijskoj Federazii ot 30.12.2008, N 6-FKS i ot 30.12.2008, N 7-FKS) [Die Verfassung der Russischen Föderation vom 12.12.1993, unter Berücksichtigung von Abänderungen, eingebracht durch Gesetze zur Abänderung der Verfassung der Russischen Föderation vom 30.12.2008, Nr.  6-FKS und vom 30.12.2008, Nr.  7-FKS], SZ 2009, Nr.  4, Pos.  445. Deutsche Übersetzung der ursprünglichen Fassung Frenzke, in: Roggemann (Hrsg.), Die Verfassungen Mittel- und Osteuropas, 1999, S. 777 ff. Vgl. auch Göckeritz, ROW 1994, S. 53 ff. Zur Entstehungsgeschichte Schweisfurth, EuGRZ 1994, S. 473 ff.; Mommsen, in: Höhmann/Schröder (Hrsg.), Russland unter neuer Führung, Politik, Wirtschaft und Gesellschaft am Beginn des 21. Jahrhunderts, 2001, S. 44 (45 ff.). 12 Grundlegend Jellinek, Verwaltungsrecht, 3. Aufl., 1931, S. 289.

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1. Kap.: Grundlagen

B. Historische Entwicklung der Verwaltungsgerichtsbarkeit in Deutschland Rechtsschutz gegenüber der Verwaltung ist in Deutschland verbunden mit einer langen Geschichte.13 Bereits bei den Germanen lag die allererste Aufgabe der Fürsten, die von der Landgemeinde gewählt wurden, in der Ordnung der Rechtsbeziehungen ihrer Region.14 Die frühen Formen einer Verwaltungsgerichtsbarkeit in Gestalt von spezifischen unabhängigen Rechtsschutzorganen sind in der Zeit des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation zu finden.15 Den Untertanen standen bereits mit dem 1495 in Frankfurt am Main gegründeten Reichskammergericht und dem 1501 in Wien eingerichteten Reichshofrat Institutionen des Rechtsschutzes gegen die Landesherren zur Verfügung.16 Diese Gerichte hatten u. a. über Streitigkeiten zu entscheiden, die nach gegenwärtigem Rechtsverständnis dem Öffentlichen Recht zuzuordnen sind.17 Eine strikte Trennung zwischen dem Öffentlichen und Privatrecht hatte sich damals noch nicht herausgebildet.18 Der Schutz durch Reichsgerichte entfiel mit dem Ende des ersten deutschen Reichs 1806.19 Die Verwaltungsrechtspflege fand zunächst durch die Verwaltung selbst statt, sollte intern das objektive Recht kontrollieren („dans l’intérêt de la loi“) und wurde schrittweise zu einer „Administrativjustiz“ subjektiven Rechtsschutzes ausgebaut.20 Der Rechtsschutz durch das verwaltungsinterne Rekursverfahren war ebenso effektiv wie innerhalb der ordentlichen Gerichtsbarkeit. Dies ist auf die faktische Unabhängigkeit der Behörden zurückzuführen, die durch den Behördenaufbau bedingt war.21 13 Schmidt-Aßmann, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner (Hrsg.), VwGO, Kommentar, 18. Aufl., 2009, Einleitung Rn. 70. 14 Ronellenfitsch, DÖV 2010, S. 373 m. w. N.  15 Würtenberger, Verwaltungsprozessrecht, 2. Aufl., 2006, Rn. 37. 16 So Schmidt-Aßmann, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner (Hrsg.), VwGO, Kommentar, 18. Aufl., 2009, Einleitung Rn. 71; Würtenberger, Verwaltungsprozessrecht, 2. Aufl., 2006 Rn. 37. 17 Zahlreiche Beispiele zu den sog. Untertanenprozessen in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhun­ derts bei Heusinger, Vom Reichskammergericht, seinen Nachwirkungen und seinem Verhältnis zu den heutigen Zentralgerichten, 1972, S. 6 ff. In den Rechtsschutzverfahren begehrten die Untertanen zunehmend den Schutz ihrer natürlichen und bürgerlichen Freiheiten. Die natürliche Freiheit umfasste mannigfaltige Lebensbereiche wie z. B. die Baufreiheit, die Niederlassungsfreiheit oder die Gewerbefreiheit. Zudem beschäftigte sich das Reichskammergericht mit Fragen der Pressefreiheit und Zensur sowie Eingriffen in das Eigentum und die körperliche Unversehrtheit. 18 Statt vieler zur Unterscheidung im geschichtlichen Wandel Bullinger, Öffentliches Recht und Privatrecht, 1968, S. 16 ff. 19 Auf dem Wiener Kongress 1815 verhinderten die süddeutschen Staaten die Errichtung eines einheitlichen Bundesgerichts für den deutschen Bund. Schroeder, in: Kern/Schroeder (Hrsg.), Eduard von Simson (1810–1899), 2001, S. 1 (18). 20 Dazu Ronellenfitsch, DÖV 2010, S. 373 (374); Ronellenfitsch, in: Korea Public Land Law Association (Hrsg.), Korea Public Land Law Review, Vol. 47, December, 2009, S. 85 sowie Sellmann, in: Külz/Naumann (Hrsg.), Staatsbürger und Staatsgewalt, Bd. 1, 1963, S. 25 (50 ff.); Brohm, Die Verwaltung 1991, S. 137; Sydow, VerwArch 92 (2001), S. 389 (391). 21 Ronellenfitsch, DÖV 2010, S. 373 (374).

B. Historische Entwicklung der Verwaltungsgerichtsbarkeit in Deutschland 

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Die Entwicklung in den deutschen Ländern in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts lässt sich sehr gut am Beispiel Preußens22 darlegen. Im Polizeistaat w ­ aren Hoheitsakte nicht der Justiz zugänglich.23 Die Kontrolle sollte die Verwaltung selbst vornehmen. Dem Bürger war es nur eingeschränkt möglich, Rechtsschutz durch Gerichte zu erlangen. Nach den §§ 81 f. II, 14 ALR konnte dieser bei einem schädigenden Verwaltungshandeln vor ordentlichen Gerichten Entschädigung vom Fiskus beanspruchen, wobei das Gericht den Hoheitsakt gleichwohl nicht kassieren und ebenso wenig die Rechtswidrigkeit im Urteil feststellen konnte. Letztlich wurde eine nahezu reine Selbstkontrolle der Verwaltung beibehalten.24 Die Frankfurter Nationalversammlung entschied im Dezember 1848: „Die Verwaltungsrechtspflege hört auf; über alle Rechtsverletzungen entscheiden die Gerichte.“25 Diese Bestimmung des Grundrechtskatalogs, die später wortgleich in § 182 der Paulskirchenverfassung zu finden war, bedeutete eine Abkehr von der Rechtsprechung durch Verwaltungsbehörden.26 Die Forderung der Paulskirchen 22

Vgl. Rüfner, DÖV 1963, S.  719 (721 f.); ders., in: Erichsen/Hoppe/von Mutius (Hrsg.), System des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes, 1985, S. 3 ff. Zu den jeweiligen Entwicklungen in anderen deutschen Ländern: Baden vgl. Rüfner, DÖV 1963, S. 719 (725 f.); Montag, VBlBW 1992, S. 194 (197 f.); Rüfner, in: Jeserich/Pohl/von Unruh (Hrsg.), Deutsche Verwaltungsgeschichte, Bd. 3, 1984, S. 909 (915 f.); Sydow, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit des ausgehenden 19. Jahrhunderts, S. 55 ff.; Bayern vgl. Rüfner, DÖV 1963, S. 719 (724); Braunwart, Blätter für administrative Praxis LXXI (1921), S. 1 ff.; Dyroff, RuPrVBl. 50 (1929), S. 630 f.; Löwen­thal, RuPrVBl. 51 (1930), S. 148 ff.; Rüfner, in: Jeserich/Pohl/von Unruh (Hrsg.), Deutsche Verwaltungsgeschichte, Bd. 3, 1984, S. 909 (918 ff.); Sydow, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit des ausgehenden 19. Jahrhunderts, S. 61 ff.; Bremen vgl. Jellinek, VVDStRL 2 (1925), S. 8 (23 f.); Hamburg vgl. Quast, Die Entstehungsgeschichte der hamburgischen Verwaltungsgerichtsbarkeit, 1974, S. 131 ff.; Jellinek, VVDStRL 2 (1925), S. 8 (20 f.); Hessen vgl. Rüfner, in: Jeserich/Pohl/ von Unruh (Hrsg.), Deutsche Verwaltungsgeschichte, Bd. 3, 1984, S. 909 (926 ff.); MecklenburgSchwerin und Mecklenburg-Strelitz vgl. Jellinek, VVDStRL 2 (1925), S. 8 (18 f.); Oldenburg vgl. Rüfner, DÖV 1963, S. 719 (722); Rüfner, in: Jeserich/Pohl/von Unruh (Hrsg.), Deutsche Verwaltungsgeschichte Bd. 3, S. 909 (928 f.); Sachsen vgl. Rüfner, DÖV 1963, S. 719 (722); Jestaedt, SächsVBl., 1993, S. 49 (50 m. w. N.); Rüfner, in: Jeserich/Pohl/von Unruh (Hrsg.), Deutsche Verwaltungsgeschichte Bd. 3, S. 909 (920 f.); Thüringen vgl. Jellinek, VVDStRL 2 (1925), S. 8 (18); Buchmann, RuPrVBl. 53 (1932), S. 785 ff.; Württemberg vgl. Rüfner, DÖV 1963, S. 719 (724); Rüfner, in: Jeserich/Pohl/von Unruh (Hrsg.), Deutsche Verwaltungsgeschichte Bd.  3, S.  909 (916 ff.); Sydow, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit des ausgehenden 19.  Jahrhunderts, S.  58 ff.; Österreich vgl. Winkler, in: Külz/Naumann (Hrsg.), Staatsbürger und Staatsgewalt, Bd. 1, S. 279 (282 ff.); übrige kleinere Staaten Norddeutschlands (Anhalt, Lippe, Braunschweig, Lübeck und thüringische Staaten) vgl. Rüfner, in: Jeserich/Pohl/von Unruh (Hrsg.), Deutsche Verwaltungsgeschichte, Bd. 3, 1984, S. 909 (929 f.). 23 Dazu Rüfner, Verwaltungsrechtsschutz in Preußen von 1749 bis 1842, S. 146 ff. 24 Ibler, Rechtspflegender Rechtsschutz im Verwaltungsrecht, 1999, S. 7. 25 § 49 des Frankfurter Grundrechtskatalogs findet sich später in § 182 Abs. 1 der Verfassung des Deutschen Reiches vom 28.  März 1849. Olechowski, in: Polaschek/Ziegerhofer (Hrsg.), Recht ohne Grenzen – Grenzen des Rechts, 1998, S. 137 (144). 26 Dazu Sydow, VerwArch 92 (2001), S. 389 (397); Menger, DÖV 1963, S. 726; a. A. Sellmann, DVBl. 1956, S. 845 (846 ff.), der seine Auffassung im späteren Beitrag nicht mehr aufgreift. Vgl. aber auch Sellmann, in: Külz/Naumann (Hrsg.), Staatsbürger und Staatsgewalt, Bd.  1, 1963, S. 50 (75 ff.).

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1. Kap.: Grundlagen

verfassung wurde jedoch nach dem Scheitern der Revolution 1848/49 zunächst in dieser Form nicht erfüllt.27 Die Rechtsbindung der Verwaltung ohne die Beteiligung einer unabhängigen Gerichtsbarkeit wurde vor allem von den Anhängern eines liberalen Rechtsstaates als „unvollkommen“ kritisiert.28 Dies führte zu theoretischen Auseinandersetzungen29 mit der Frage, ob eine justizstaatliche Lösung, bei der die ordentlichen Gerichte mit der Kontrolle der öffentlichen Verwaltung betraut werden, oder eine unabhängige Verwaltungsgerichtsbarkeit zu bevorzugen sei.30 Der Rechtsschutzgedanke stand in diesem Zusammenhang noch nicht im Vordergrund, erlangte aber im Zuge der Ausprägung des Rechtsstaatsprinzips zunehmend an Bedeutung.31 Es setzte sich bald der Gedanke einer Rechtskontrolle der Verwaltung durch fachkundige Verwaltungsgerichte durch,32 der später in der Weimarer Reichsverfassung33 und im Grundgesetz verankert wurde. Als erstes Land hatte das Großherzogtum Baden am 5. Oktober 186334 ein von der Verwaltung unabhängiges Gericht – den Verwaltungsgerichtshof mit Sitz in Karlsruhe – eingeführt.35 ­Preußen folgte diesem Beispiel 1872/187536 und die anderen deutschen Länder schlossen

27 Ibler, Rechtspflegender Rechtsschutz im Verwaltungsrecht, 1999, S.  7; Ronellenfitsch, DuD 2005, S. 354; grundlegend Anschütz, in: Hinneberg (Hrsg.), Die Kultur der Gegenwart, Teil 2, Abt. 8, 2. Aufl., 1913, S. 372 ff. 28 Würtenberger, Verwaltungsprozessrecht, 2. Aufl., 2006, Rn. 41. 29 Einer der populärsten preußischen Juristen des 19. Jahrhunderts war Rudolf von Gneist, der sich eingehend mit dem englischen Friedensrichtertum beschäftigte und dieses als vorbildlich für Preußen darstellte. Von Gneist, Der Rechtsstaat und die Verwaltungsgeschichte in Deutschland, 2. Aufl., 1879, S. 46 ff.; S. 293 ff. Zur Rolle von Rudolf von Gneist bereits Otto Bähr: „Es ist namentlich Gneist, welcher in seinem vortrefflichen Werke über das englische Verfassungsrecht die Nothwendigkeit der Schaffung von Gerichtshöfen des öffentlichen Rechts für unsere deutschen Verhältnisse betont.“ Bähr, Der Rechtsstaat, 1864, S.  71, Fn.  17. Ausführlich zur Bedeutung von Gneists vgl. Ule, VerwArch 87 (1996), S. 535 ff.; ferner Jellinek, Verwaltungsrecht, 3. Aufl., 1931, S. 92. Vgl. aus russischer Sicht Losina-­Losinskij, Schurnal ministrerstwa justizii 1907, Nr. 1, S. 28 ff. Der aus Kurhessen stammende Otto Bähr, der bisweilen als Vertreter der justizstaatlichen Konzeption gilt, hatte jedoch auch schon die Schlussfolgerung gezogen: „Wenn […] die Entscheidungen der Verwaltungsbehörden über öffentliche Rechte nicht als Richterspruch gelten können, man diesen Richterspruch aber auch nicht den gewöhnlichen Gerichten anvertrauen will, so bleibt nur ein Drittes übrig […]: man schaffe Gerichte des öffentlichen Rechts.“ Bähr, Der Rechtsstaat, 1864, S. 70 f. 30 Vgl. Sydow, VerwArch 92 (2001), S. 389 (390 ff.); Ule, VerwArch 87 (1996), S. 535 (538 ff.); Bachof, DRZ 1950, S. 169. 31 Ronellenfitsch, DÖV 2010, S. 373 (374). 32 Dazu Ule, VerwArch 87 (1996), S. 535 (540); Anschütz, in: Anschütz/Berolzheimer/­Jellinek (Hrsg.), Handbuch der Politik, Bd. 1, 3. Aufl., 1920, S. 302 (305 f.). 33 Vgl. Art. 107 WRV. 34 Gesetz, die Organisation der inneren Verwaltung betreffend vom 5. Oktober 1863, RegBl. S. 399. 35 Bachof, DRZ 1950, S. 169; Jellinek, Verwaltungsrecht, 3. Aufl., 1931, S. 92 f.; Fleiner,­ Institutionen des Deutschen Verwaltungsrechts, 8. Aufl., 1928, S. 242. 36 Weiterführend von Unruh, Jura 1982, S. 113 ff.

B. Historische Entwicklung der Verwaltungsgerichtsbarkeit in Deutschland 

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sich in den nachfolgenden Jahrzehnten an.37 In Nord- und Süddeutschland waren abweichende Entwicklungen zu verzeichnen, die allerdings zum Ende des 19. Jahrhunderts in gleich­artigen Ergebnissen mündeten.38 Dabei standen sich bezüglich der Ausgestaltung des Rechtsschutzes das preußische System,39 das die objektive Rechtskontrolle in den Vordergrund stellte, und die auf den Schutz der Individualrechte gerichtete süddeutsche Lehre40 gegenüber.41 Beide Positionen sind nicht unbedingt gegensätzlich. Der Schutz des Einzelnen resultiert auch aus einer objektiven Kontrolle der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, so wie zugleich eine allgemeine Rechtskontrolle aus einem gerichtlichen Individualschutz.42 In der Zeit der Weimarer Republik traten führende Verwaltungsrechtler nachdrücklich für die Rechtsschutzfunktion der Verwaltungsgerichtsbarkeit ein. Die Reichsverwaltungsgerichtsbarkeit ist erstmals durch Art. 107 WRV von 1919 festgeschrieben und garantiert worden.43 Das seinerzeit entstandene System hatte im Kern bis in die Zeit des Zweiten Weltkriegs Bestand und bildete zudem eine Anknüpfungsgrundlage nach 1945.44 Das Dritte Reich stellt für die Verwaltungsgerichtsbarkeit ein dunkles Kapitel der geschichtlichen Entwicklung dar und führte zu deren schrittweisem Abbau.45 Die 37 Hessen – 1874/1875; Österreich – 1875; Württemberg – 1876; Bayern – 1878; Anhalt – 1888; Braunschweig  – 1895; Sachsen-Meiningen  – 1897; Lippe  – 1898; Sachsen-Coburg und Gotha – 1899; Sachsen – 1900; Oldenburg – 1906; Thüringen – 1910; Lübeck – 1916; Hamburg  – 1921; Mecklenburg-Schwerin  – 1922; Mecklenburg-Strelitz  – 1922; abschließend Bremen – 1924. Umfassende Zusammenstellung der Gesetze bei Jellinek, Verwaltungsrecht, 3. Aufl., 1931, S. 92 f.; Fleiner, Institutionen des Deutschen Verwaltungsrechts, 8. Aufl., 1928, S.  242 ff., Fn.  17. Zur historischen Entwicklung in Deutschland aus russischer Sicht vgl. Korf, Administratiwnaja justizija w Rossii [Verwaltungsjustiz in Russland], Bd. 3, 1910, S. 428 ff. 38 Rüfner, DÖV 1963, S. 719 (720). 39 Kreisordnung für die Provinzen Preußen, Brandenburg, Pommern, Posen, Schlesien und Sachsen vom 13. Dezember 1872 (GS S. 661). Vgl. auch Hatschek/Kurtzig, Lehrbuch des deutschen und preußischen Verwaltungsrechts, 7./8. Aufl., 1931, S. 393. 40 Die Lehre des subjektiven Rechtsschutzes wurde namentlich in Baden (Gesetz, die Organisation der inneren Verwaltung betreffend vom 5. Oktober 1863, RegBl. S. 399), Hessen (Gesetz, betreffend die innere Verwaltung und Vertretung der Kreise und der Provinzen vom 12.  Juni 1874, RegBl. S.  251), Württemberg (Gesetz über die Verwaltungsrechtspflege vom 16.  Dezember 1876, RegBl. S.  485), Bayern (Gesetz, betreffend die Errichtung eines Verwaltungsgerichtshofes und des Verfahrens in Verwaltungsrechtssachen vom 8. August 1878, GVBl. S.  369) und Sachsen (Gesetz über die Verwaltungsrechtspflege vom 19.  Juli 1900, GVBl. S. 486) entwickelt. 41 Ronellenfitsch, Beschleunigung und Vereinfachung der Anlagezulassungsverfahren, 1994, S. 60; ferner Menger, DÖV 1963, S. 726 (727). 42 Brohm, Die Verwaltung 1991, S. 137 (138). 43 Pagenkopf, NJW 2002, S. 2442 (2447). 44 Menger, DÖV 1963, S. 726 (727). 45 „Die Jahre von 1933 bis 1945 bedeuten einen Zusammenbruch unserer Rechtskultur, wie ihn unsere lange Geschichte in dieser Form niemals gekannt hat.“ Coing, Epochen der Rechtsgeschichte in Deutschland, 4. Aufl., 1981, S. 114.

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1. Kap.: Grundlagen

nationalsozialistische Ideologie46 sah die Verwaltungsgerichtsbarkeit als Hemmnis, das mit dem sog. Führerprinzip unvereinbar sei, und wandte sich mit Nachdruck gegen einen Schutz des Rechtsstaates sowie subjektiv-öffentlicher Rechte.47 Die verwaltungsgerichtliche Kontrolle wurde jedoch nicht gänzlich ausgeschaltet, sondern in politisch neutralen Bereichen beibehalten. Rechtsnormen, Anordnungen, aber auch Entscheidungen und Akte der Verwaltung mit staatspolitischem Einschlag waren von der gerichtlichen Überprüfung ausgeschlossen. Kennzeichnend für diese Zeit war zudem die sog. „unbegrenzte Auslegung“ von nationalsozialis­ tischen Generalklauseln, die zur „Überlagerung und Unterwanderung“ der Gesetze führte.48 Die verwaltungsgerichtliche Klage wurde mit Führererlass vom 28. August 193949 durch die verwaltungsinterne Beschwerde ersetzt. Der Verwaltungsrechtsweg anstelle des Beschwerdeweges konnte nur durch die Beschwerdebehörde zugelassen werden.50 Die Verwaltungsgerichtsbarkeit wurde damit beinahe vollständig blockiert.51 Dennoch galt diese als „Zufluchtsort für Liberale und Konservative, die wenigstens den Kern des Rechtsstaats zu bewahren suchten“.52 Durch Art. I und IV des Gesetzes Nr. 2 der Militärregierung verloren die Verwaltungsgerichte bei Kriegsende ihre Amtsgewalt und wurden geschlossen.53 Die wieder einsetzende Tätigkeit der Verwaltung, vor allem auf der lokalen Ebene, machte allerdings deren gerichtliche Kontrolle notwendig.54 Die Neu- bzw. Wiedererrichtung der Verwaltungsgerichtsbarkeit in den einzelnen Besatzungszonen und in Berlin legte das Gesetz Nr.  36 des Kontrollrats über Verwaltungsgerichte vom 10. Oktober 194655 fest. Obgleich das Gesetz nicht einheitlich umgesetzt wurde, lassen sich drei wesentliche Entwicklungslinien herausarbeiten.56 46 Als Beispiel für die ideologische Durchdringung der Gerichte PreußOVGE 99, S. 96 (98): „Ein Merkmal der nationalsozialistischen Weltanschauung ist doch gerade, daß kein Gebiet des öffentlichen und auch kaum ein Gebiet des privaten Lebens der politischen Beeinflussung entzogen bleiben darf, daß sie vielmehr alle von einem einheitlichen politischen Gedanken durchtränkt werden müssen.“ 47 Besonders deutlich Schmitt, DV 1934, S. 35 (40 f.); Schönfeld zieht in seinem Aufsatz in den „Feldzug gegen das subjektive Recht“, Schönfeld, Zeitschrift der Akademie für Deutsches Recht, 1937, S.  107 ff.; ausführlich Scheerbarth, DÖV 1963, S.  729 ff.; Ehlers, in: Schoch/ Schmidt-Aßmann/Pietzner (Hrsg.), VwGO, Kommentar, 18. Aufl., 2009, § 40 Rn. 2. 48 Sendler, VBlBW 1989, S. 41 (46). 49 Erlaß des Führers und Reichskanzlers über die Vereinfachung der Verwaltung vom 28.08.1936, RGBl. 1939 I, S. 1535. Vgl. dazu Reuß, VerwArch 45 (1940), S. 154 ff. 50 Menger, DÖV 1963, S. 726 (729). Ausführlich dazu Reuß, DR 1942, S. 1345 (1350 ff.). 51 Würtenberger, Verwaltungsprozessrecht, 2. Aufl., 2006, Rn. 49; Kirchberg, VBlBW 1981, S. 370 (373); Reuß, DR 1942, S. 1345 (1350). 52 Stolleis, in: Diestelkamp/Stolleis (Hrsg.), Justizalltag im Dritten Reich, 1988, S. 26 (28). 53 Ule, in: Erichsen/Hoppe/von Mutius (Hrsg.), System des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes, 1985, S. 81 ff. Grundlegend zur Rechtsordnung in den Jahren 1945–1949 Stolleis, in: Horn (Hrsg.), Europäisches Rechtsdenken in Geschichte und Gegenwart, 1982, Bd. 1, S. 383 ff. 54 Schmidt-Aßmann, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner (Hrsg.), VwGO, Kommentar, 18. Aufl., 2009, Einleitung Rn. 82. 55 Amtsblatt des Kontrollrats 1946, Nr. 11, S. 183. 56 Lorenz, Verwaltungsprozessrecht, 2000, § 2 Rn. 14.

B. Historische Entwicklung der Verwaltungsgerichtsbarkeit in Deutschland 

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In der amerikanischen Besatzungszone57 wurden im September/Oktober 1946 Verwaltungsgerichtsgesetze (VGG)58 in Kraft gesetzt, die hinsichtlich des Inhalts übereinstimmten. In den Gesetzen waren ein zweistufiger Gerichtsaufbau sowie die Einbeziehung von Laienbeisitzern an den Entscheidungen der ersten Instanz bestimmt. Der Rechtsweg wurde über die Generalklausel des § 22 VGG59 eröffnet. Die Anfechtungsklage, die es zuvor schon gab, wurde mit § 35 Abs. 2 VGG um die Untätigkeitsklage ergänzt. Ferner wurde die Normenkontrolle untergesetzlicher Rechtsnormen aufgenommen (§ 25 VGG).60 In den Ländern der britischen Besatzungszone61 wurde die Entwicklung erst später vollzogen. Mit der Militärregierungsverordnung Nr. 165 vom 15. September 1948 (MRVO 165)62 erfolgte die Einführung der Generalklausel des § 22 Abs. 1 MRVO  165 sowie der Untätigkeits- und Vornahmeklage gem. § 24 MRVO  165, de facto schon die Verpflichtungsklage.63 Eine vollkommen andere Entwicklung fand in der sowjetischen Besatzungszone und der späteren DDR statt. Bereits kurz nach Kriegsende wurden in Thüringen64 und 1947 dem Befehl Nr. 173/47 der sowjetischen Militäradministration folgend auch in Mecklenburg, Brandenburg und Sachsen wieder Verwaltungsgerichte eingerichtet.65 Das bedeutete allerdings nicht, dass dem Bürger der mit Art. 138 der Verfassung der DDR vom 7. Oktober 194966 festgeschriebene verwaltungsgerichtliche Rechtsschutz gegen rechtswidrige Maßnahmen der Verwaltung gewährt wurde.67 Mit der Abschaffung der Länder im Jahr 1952 wurden die Verwaltungsgerichte aufgelöst.68 Die Verwaltungsgerichtsbarkeit verschwand dann gänzlich 57 Ausführlich zur Verwaltungsgerichtsbarkeit in der amerikanischen Zone vgl. Jellinek, DRZ 1948, S. 269 ff. 58 In Bayern (Gesetz Nr. 39 über die Verwaltungsgerichtsbarkeit vom 25. September 1946, GVBl. 1946, S. 281); in Württemberg-Baden (Gesetz Nr. 110 über die Verwaltungsgerichtsbarkeit vom 16. Oktober 1946, RegBl. 1946, S. 221); in Hessen (Gesetz über die Verwaltungsgerichtsbarkeit vom 31.  Oktober 1946, GVBl. 1946, S.  194). Bremen folgte nach Wiedervereinigung mit der amerikanischen Zone (Gesetz über die Verwaltungsgerichtsbarkeit vom 5. August 1947, GBl. 1947, S. 171). 59 Wiedergegeben bei Jellinek, DRZ 1948, S. 269 (271). 60 Lorenz, Verwaltungsprozessrecht, 2000, § 2 Rn. 15. 61 Grundlegend zur Verwaltungsgerichtsbarkeit in der britischen Zone vgl. Jellinek, DRZ 1948, S. 470 ff.; Lehmann, DV 1948, S. 101 ff.; S. 133 ff.; Sieveking, MDR 1948, S. 315 ff. 62 VBl. für die Britische Zone 1948, Nr. 41, S. 263. 63 Lorenz, Verwaltungsprozessrecht, 2000, § 2 Rn. 16. 64 Für eine umfassende Darstellung der Verwaltungsgerichtsbarkeit in Thüringen in den Nachkriegsjahren vgl. Heil, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit in Thüringen 1945–1952, 1996. 65 Ausführlich Wentker, Justiz in der SBZ/DDR 1945–1953, 2001, S.  190 ff.; Müller, in: Wilke (Hrsg.), Die Anatomie der Parteizentrale, S. 337 (401); Meyer, DVBl. 1950, S. 561 (562). 66 Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik vom 7. Oktober 1949, Gesetzblatt der Deutschen Demokratischen Republik 1949, S. 5 ff. 67 Zur Rechtslage in der ehemaligen DDR vgl. Stelkens, DtZ 1990, S. 305 (306). 68 Lammich, VerwArch 64 (1973), S. 249; Kuss, ROW 1989, S. 209 (210).

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1. Kap.: Grundlagen

aus der Verfassung von 1968.69 Eine lediglich eingeschränkte Kontrolle von Verwaltungshandeln wurde erst durch das Gesetz zur Nachprüfung von Verwaltungsentscheidungen vom 14. Dezember 198870 wieder ermöglicht71.72 In der neugegründeten Bundesrepublik fand die Phase des Wiederaufbaus der Verwaltungsgerichtsbarkeit ihren Abschluss im Gesetz über das Bundesverwaltungsgericht vom 23.  September 1952.73 Mit der Schaffung des Bundesverwaltungsgerichts als Revisionsinstanz trug das Gesetz erheblich zur Rechtseinheit der in den einzelnen Ländern verschieden ausgestalteten Gerichtsorganisation und­ Zuständigkeiten bei. Mit dem Inkrafttreten des Grundgesetzes, dem Erlass der bundeseinheitlichen Verwaltungsgerichtsordnung vom 21. Januar 1960 (VwGO)74 sowie der fortwährenden Entwicklung der verwaltungsrechtlichen Rechtsprechung kann gegenwärtig von „prozessual lückenlosem“ verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutz gesprochen werden.75 Durch die historischen Rahmenbedingungen konnte sich in Deutschland im Laufe der Zeit eine moderne Verwaltungsgerichtsbarkeit etablieren und festigen. Ausdrücklich sind es die Bindung der Verwaltung an gesetzlich normiertes Verwaltungsrecht, eine gerichtliche Kontrolle der Auslegung des Verwaltungsrechts, ein unabhängiger und selbstbewusster Richterstand, der Distanz zu politischen Forderungen wahrt, sowie eine organisatorische Trennung zwischen Verwaltungsgerichtsbarkeit und Verwaltung.76

C. Formen der Verwaltungsgerichtsbarkeit in Europa I. Bundesrepublik Deutschland 1. Verfassungsrechtliche Grundlagen Verwaltungsrechtsschutz ist in der Bundesrepublik Deutschland durch staatliche Gerichte gewährter Rechtsschutz gegen Maßnahmen öffentlicher Gewalt.77 Gezielt und ausdrücklich äußert sich das Grundgesetz nicht zum Thema „Verwaltungsrechts­ 69 Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik vom 6. April 1968, Gesetzblatt der Deutschen Demokratischen Republik 1968 I, S. 199 ff. 70 Gesetz über die Zuständigkeit und das Verfahren der Gerichte zur Nachprüfung von Verwaltungsentscheidungen, NVwZ 1989, S. 441. Vgl. dazu ausführlich Lohmann, NVwZ 1989, S. 429 (431 ff.). 71 Pohl, in: König (Hrsg.), Verwaltungsstrukturen der DDR, 1991, S. 263 (270 ff.); dazu auch Stelkens, DtZ 1990, S. 305 (306). 72 Lorenz, Verwaltungsprozessrecht, 2000, § 2 Rn. 17. 73 BGBl. 1952 I, S. 625. 74 BGBl. 1960 I, S. 17. Grundlegend dazu Bachof, DRZ 1950, S. 341 ff.; van Husen, DVBl. 1950, S. 546 ff.; van Husen, DVBl. 1951, S. 558 ff.; Naumann, DVBl. 1952, S. 584 ff. 75 Menger, DÖV 1955, S. 587 (592), ders., DÖV 1963, S. 726 (729). 76 Würtenberger, Verwaltungsprozessrecht, 2. Aufl., 2006, Rn. 36. 77 Grupp, in: Burmeister (Hrsg.), Die verfassungsrechtliche Stellung der Verwaltung in Frankreich und in der Bundesrepublik Deutschland, 1991, S. 97.

C. Formen der Verwaltungsgerichtsbarkeit in Europa

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schutz“. Doch können die „grundsätzliche Entscheidung zugunsten des Individualrechtsschutzes“ in Art. 19 Abs. 4 GG78 sowie das Rechtsprechungsmonopol der Gerichte mit den entsprechenden Rechtsschutzstandards nach Art. 92, 97, 101 GG als verfassungsrechtliche sowie konzeptionelle Grundlagen des Verwaltungsprozesses betrachtet werden, die es gilt unter Berücksichtigung der anderen rechtsstaatlichen Grundsätze und der bundesstaatlichen Organisation zu entfalten.79 Art.  19 Abs.  4 GG80 ist die „öffentlich-rechtliche lex specialis des allgemeinen Justizgewährleistungsanspruchs“ und gewährleistet Rechtsschutz durch die Gerichte gegen jegliche Maßnahmen der öffentlichen Gewalt.81 Dieser Rechtsschutz muss effektiv, d. h. wirksam und ausgewogen ausgestaltet sein.82 Demzufolge ist Art. 19 Abs. 4 GG die Zentralnorm des Verwaltungsrechtsschutzes, wonach für jeden der Rechtsweg eröffnet wird, der durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt wird, d. h. der Weg zum unabhängigen, nur dem Recht verpflichteten Richter.83 Das diesbezügliche materielle Recht leitet sich allerdings nicht aus dieser Norm selbst ab, sondern wird darin vorausgesetzt.84 Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, wird in Art. 19 Abs. 4 Satz 2 GG auf die subsidiäre Zuständigkeit der ordentlichen Gerichtsbarkeit verwiesen.85 Dessen ungeachtet vertraut das Grundgesetz die Kontrolle der Verwaltung der Verwaltungsgerichtsbarkeit als einen der fünf verfassungsmäßig garantierten Zweige der Rechtspflege an.86 Die Verwaltungsgerichtsbarkeit untergliedert sich dabei in die allgemeine und die besondere Verwaltungsgerichtsbarkeit, was in Art. 95 Abs. 1 GG durch die Errichtung der obersten Bundesgerichte für die Gebiete der ordentlichen, der Verwaltungs-, der Finanz-, der Arbeits- und der Sozial­gerichtsbarkeit­ 78 Grundlegend Krebs, in: Erichsen/Hoppe/von Mutius (Hrsg.), System des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes, 1985, S. 191 (197); Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), GG, Kommentar, 57. EL, 2010, Art. 19 Abs. 4 Rn. 8; Schenke, in: Dolzer (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Stand: August 2009, Art. 19 Abs. 4 Rn. 30; Schenke, in: Sok (Hrsg.), Rechtsfragen der modernen öffentlich-rechtlichen Theorie, 2003, S. 110 (113 ff.); Friesenhahn, DV 1949, S. 478 (481). 79 So Schmidt-Aßmann, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner (Hrsg.), VwGO, Kommentar, 18. Aufl., 2009, Einleitung Rn. 1. 80 Zum speziellen Schutzgehalt von Art. 19 Abs. 4 GG vgl. BVerfGE 83, 182 (194). 81 Dazu Ronellenfitsch, DÖV 2010, S. 373 (375).  82 Zum effektiven (vorläufigen) Rechtsschutz BVerfGE 35, 263 (274); seither ständige Rspr. BVerfGE 40, 272 (274 f.); 41, 23 (26); 46, 166 (178); 49, 329 (340); 54, 94 (96 f.); 65, 76 (90 f.); 96, 27 (39); 88, 118 (123); 94, 166 (216, 226); 96, 27 (39 f.); 97, 298 (315); 104, 220 (232); 107, 395 (401); 112, 185 (207). 83 Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), GG, Kommentar, 57. EL, 2010, Art. 19 Abs. 4 Rn. 173 ff.; Friesenhahn, DV 1949, S. 478; Ipsen, Jura 1987, S. 123 (124); ausführlich zur richterlichen Unabhängigkeit Ronellenfitsch, DuD 2005, S. 354 ff. 84 Dazu BVerfGE 15, 275 (281 f.); Preu, Subjektivrechtliche Grundlagen des öffentlichrechtlichen Drittschutzes, 1992, S. 131; Classen, Die Europäisierung der Verwaltungsgerichtsbarkeit, 1996, S. 10. 85 Friesenhahn, DV 1949, S. 478 (483); Ipsen, Jura 1987, S. 123 (124); Loening, DÖV 1949, S. 324. 86 Kuhla/Hüttenbrink, Der Verwaltungsprozess, 1995, S. 1.

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1. Kap.: Grundlagen

anschaulich belegt wird.87 Das Grundgesetz verankert hier unverkennbar das Prinzip besonderer Verwaltungsgerichte.88 Das System deutscher Verwaltungsgerichte ist insofern durch die Eigenständigkeit als Rechtsprechungszweig sowie die Gleichwertigkeit neben der ordentlichen Gerichtsbarkeit89 gekennzeichnet. 2. Rechtsschutz durch die Verwaltung Dem gerichtlichen Rechtsschutzverfahren steht ein vorgeschaltetes Verwaltungsverfahren nicht entgegen, das ebenfalls der Rechtsschutzgewährung dient.90 Der Rechtsschutz allein durch die Verwaltungsbehörden würde aber weder den Anforderungen des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG noch den Anforderungen des Rechtsstaatsprinzips genügen. Das Verwaltungsverfahren darf lediglich nicht derart gestaltet sein, dass es den gerichtlichen Rechtsschutz untergräbt oder behindert.91 Von Verfassungs wegen bestanden keine Hinderungsgründe, auch bei der Formulierung der neuen Verwaltungsgerichtsordnung von 1960 ein obligatorisches vorgerichtliches Widerspruchsverfahren weiterhin zu verankern. In den §§ 68 ff. VwGO wurde ein im Wesentlichen einheitliches Vorverfahren bei Anfechtungsund Verpflichtungsklagen eingeführt.92 Die Vorschaltung eines besonderen Verwaltungsverfahrens, das vor Erhebung der gerichtlichen Klage durchlaufen werden muss, stellt keine unzulässige Rechtswegerschwerung dar.93 Besteht nach Maßgabe des Gesetzes ein Widerspruchsverfahren, so kann die Erhebung der gerichtlichen Klage nicht von seiner endgültigen Durchführung abhängig gemacht werden. Dem trägt § 75 VwGO Rechnung, wonach nach Ablauf einer angemessenen Frist eine Untätigkeitsklage zulässig ist.94 Das Vorverfahren erfüllt wichtige Rechtsschutz- und Entlastungsfunktionen.95 Die Wirksamkeit eines von der Verwaltung gewährten Rechtsschutzes wird in erheb 87 Keine Entscheidung trifft das GG über die Verwaltungsgerichtsbarkeit auf Länderebene sowie die Ressortzuständigkeit der allgemeinen und besonderen Verwaltungsgerichte. Bachof, DRZ 1950, S. 169. 88 Loening, DÖV 1949, S. 324. 89 Friesenhahn, DV 1949, S. 478 (479). 90 Dazu Schenke, in: Dolzer (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Stand: Februar 2009, Art. 19 Abs. 4 Rn. 172 ff.; Ronellenfitsch, DÖV 2010, S. 373 (375).  91 BVerfGE 22, 49 (81 f.); 61, 82 (110); Ronellenfitsch, DÖV 2010, S. 373 (375). 92 Dazu Grupp, in: Burmeister (Hrsg.), Die verfassungsrechtliche Stellung der Verwaltung in Frankreich und in der Bundesrepublik Deutschland, 1991, S. 97 (103). Vergleichbare Regelungen finden sich im sozialgerichtlichen Verfahren in den §§ 78 ff. SGG (BGBl. 1975 I, S. 2535) und für das finanzgerichtliche Verfahren in § 44 Abs. 1 FGO (BGBl. 2001 I, S. 442, 2262; 2002 I, S. 679). 93 Dazu BVerfGE 35, 65 (72); 40, 237 (256 f.) 94 Schenke, in: Dolzer (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Stand: Februar 2009, Art. 19 Abs. 4 Rn. 174. 95 Aus der Begründung zum Entwurf der Verwaltungsgerichtsordnung lässt sich entnehmen, dass das Vorverfahren in erster Linie der Entlastung der Gerichte dienen soll, aber auch die bedeutende Rechtsschutzfunktion zu erfüllen hat: Da im Widerspruchsverfahren die ur-

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lichem Maße dadurch gesteigert, dass der Widerspruch gem. § 80 Abs. 1 VwGO im Regelfall die Vollziehbarkeit des belastenden Verwaltungsaktes hemmt. Zudem kann der Betroffene im Allgemeinen durch das Vorverfahren schneller und mit einem geringeren Kostenrisiko Rechtsschutz erlangen als durch eine Anrufung der Gerichte.96 3. Gerichtlicher Rechtsschutz Dem von der Verwaltung im Rahmen des Vorverfahrens gewährten Rechtsschutz kommt stets ergänzende Funktion zu. Eine faktisch sowie rechtlich größere Bedeutung weist der gerichtliche Rechtsschutz auf. Durch die verwaltungsgerichtliche Generalklausel (§ 40 VwGO) wird dieser Schutz prinzipiell den Verwaltungsgerichten übertragen.97 Der Verwaltungsrechtsweg ist danach für alle öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten nichtverfassungs­ rechtlicher Art gegeben,98 soweit die Streitigkeiten nicht durch Bundesgesetz einem anderen Gericht ausdrücklich zugewiesen sind. Der Ausschluss der ver­ fassungsrechtlichen Streitigkeiten betrifft Streitigkeiten, bei welchen auf beiden Seiten unmittelbar am Verfassungsleben Beteiligte mitwirken (sog. „doppelte Ver­fassungsunmittelbarkeit“).99 Daneben existieren öffentlich-rechtliche Streitigkeiten, die kraft bundes- oder landesgesetzlicher Sonderzuweisung ausdrücklich der Zivilgerichtsbarkeit zur Entscheidung übertragen werden.100 Weitere Sonderzuweisungen gelten für besondere Verwaltungsbereiche.101 Die Zulässigkeit der Anfechtungs- oder Verpflichtungsklage ist mit § 42 Abs. 2 VwGO davon abhängig, ob der Kläger geltend machen kann, in seinen Rechten sprüngliche Verwaltungsentscheidung vollständig überprüft wird, findet in jedem Fall eine umfassende Kontrolle durch die – der Ausgangsbehörde in der Regel übergeordnete – Wider­ spruchsbehörde statt, selbst wenn die gerichtliche Nachprüfungsbefugnis eingeschränkt ist. Vgl. zu § 70 VwGO, BT-Drucks. 01/4278, S.  40, Spalte  2. So auch Kopp, in: Bender/ Breuer/Ossenbühl (Hrsg.), Rechtsstaat zwischen Sozialgestaltung und Rechtsschutz, 1993, S. 543 ff.; Schmidt-Aßmann, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner (Hrsg.), VwGO, Kommentar, 18. Aufl., 2009, Einleitung Rn. 200. 96 Schenke, in: Dolzer (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Stand: Februar 2009, Art. 19 Abs. 4 Rn. 172. Dennoch wird zunehmend über die Abschaffung des Widerspruchs­ verfahrens in der Bundesrepublik Deutschland diskutiert. Dazu Allesch, in: Heckmann (Hrsg.), Modernisierung von Justiz und Verwaltung, 2007, S. 15 (16 ff.). 97 Dazu Classen, Die Europäisierung der Verwaltungsgerichtsbarkeit, 1996, S. 10. 98 Vgl. Ipsen, Jura 1987, S. 123 (124). 99 Hufen, Verwaltungsprozessrecht, 7. Aufl., 2008, § 11 Rn. 49; Pietzner/Ronellenfitsch, Das Assessorexamen im Öffentlichen Recht, 12. Aufl., 2010, § 5 Rn. 4; Ipsen, Allgemeines Verwaltungsrecht, 5. Aufl., 2007, Rn. 79; 100 Dazu zählen z. B. Ansprüche wegen Amtspflichtverletzung gem. Art. 34 Satz 3 GG, § 839 BGB; Aufopferungsansprüche gem. § 40 Abs.  2 Satz  1 VwGO; Ansprüche aus öffentlich-­ rechtlicher Verwahrung nach § 40 Abs.  2 VwGO; Ansprüche aus Enteignungsentschädigung gem. Art. 14 Abs. 3 Satz 4 GG. 101 Sozialgerichtliche Auseinandersetzungen sind den Sozialgerichten gem. § 52 SGG, steuer­ rechtliche den Finanzgerichten nach § 33 FGO zugewiesen.

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1. Kap.: Grundlagen

verletzt zu sein. Für das deutsche Verwaltungsprozessrecht gilt diese Vorschrift als eine der zentralen Bestimmungen.102 Sie unterstreicht die Entscheidung für ein Rechtsschutzsystem, das auf den Individualschutz ausgerichtet ist.103 Eine allgemeine Rechtsverletzung genügt daher nicht, um die Befugnis zur Klage als wesentliche Sachurteilsvoraussetzung zu begründen. Die Regelung zielt darauf ab, den Rechtsschutz vor den Verwaltungsgerichten auf Verletztenklagen zu beschränken, was vereinfacht den Ausschluss von Popularklagen bedeutet.104 Die VwGO gewährt den Betroffenen Rechtsschutz nur im Rahmen bestimmter Klage- und Antragsarten. Diese bilden keinen Enumerationskatalog.105 Hierbei ist die VwGO nicht abschließend zu begreifen. Eingehend befasst sie sich nur mit speziellen Klage- und Antragsarten. Aus § 40 VwGO lässt sich zweifelsfrei herleiten, dass auch „atypische“ bzw. „(allgemeine) Klagearten“, die nicht direkt geregelt sind, statthaft sein können.106 Ganz allgemein unterscheidet die VwGO zwischen Leistungs-, Gestaltungs- und Feststellungsklagen (§ 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO).107 Das Ziel der Leistungsklage ist die Durchsetzung eines subjektiven Rechts, der Gestaltungsklage die Veränderung und der Feststellungsklage die Klärung eines Rechtsverhältnisses. Von besonderer Bedeutung ist im Verwaltungsprozess die Gestaltungsklage.108 Durch sie soll typischerweise die Veränderung von Rechtsverhältnissen erzielt werden, die entscheidend durch Verwaltungsakte bestimmt sind. Daher lässt sich erklären, dass Gestaltungs- und Leistungsklagen in der VwGO typisierend nur ausgeführt werden, soweit der Bezug zu einem Verwaltungsakt besteht. Dahingegen ist die allgemeine Feststellungsklage ausdrücklich geregelt. Das Normenkontrollverfahren nach § 47 VwGO ist ein besonderer Fall der Feststellungsklage109. In der Fortsetzungsfeststellungsklage finden sich dann Merkmale aller drei Klagearten.110 Bei besonderer Eilbedürftigkeit des Klagebegehrens stehen dem Betroffenen nach der VwGO zwei Verfahren im vorläufigen Rechtsschutz, zum einen das Aus 102

Uerpmann, Das öffentliche Interesse, 1999, S. 88. Martens, DÖV 1976, S.  457 (463); Wahl/Schütz, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner (Hrsg.), VwGO, Kommentar, 18. Aufl., 2009, § 42 Abs. 2 Rn. 6. 104 Pietzner/Ronellenfitsch, Das Assessorexamen im Öffentlichen Recht, 12. Aufl., 2010, § 14 Rn. 1; BVerwGE 19, 269. 105 Maurer, in: Bachof (Hrsg.), Tübinger Festschrift für Eduard Kern, 1968, S. 275 (306). 106 So Pietzner/Ronellenfitsch, Das Assessorexamen im Öffentlichen Recht, 12. Aufl., 2010, § 8 Rn. 1; vgl. dazu auch Hufen, Verwaltungsprozessrecht, 7. Aufl., 2008, § 13 Rn. 5. 107 Zur Klassifizierung der Klagearten Pietzcker, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner (Hrsg.), VwGO, Kommentar, 18. Aufl., 2009, Vorbemerkung § 42 Abs. 1 Rn. 1 ff.; ferner Schenke, in: Sok (Hrsg.), Rechtsfragen der modernen öffentlich-rechtlichen Theorie, 2003, S. 110 (127 ff.); Schmidt, JuS 1986, S. 35 ff.; Hufen, Verwaltungsprozessrecht, 7. Aufl., 2008, § 13. Lorenz, Verwaltungsprozessrecht, 2000, § 14. 108 So Pietzner/Ronellenfitsch, Das Assessorexamen im Öffentlichen Recht, 12. Aufl., 2010, § 8 Rn. 2. 109 Detterbeck, Streitgegenstand und Entscheidungswirkungen im Öffentlichen Recht, 1993, S. 244; BVerwGE 69, 303 (310). 110 Pietzner/Ronellenfitsch, Das Assessorexamen im Öffentlichen Recht, 12. Aufl., 2010, § 8 Rn. 2. 103

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setzungs-, zum anderen das Anordnungsverfahren, zur Verfügung. Diese richten sich danach, ob in der Hauptsache eine Anfechtungsklage oder eine sonstige Klage statthaft ist bzw. ein Antrag im Normenkontrollverfahren gestellt werden muss.111 Der Betroffene kann sich gegen einen belastenden Verwaltungsakt mit der Erhebung von Widerspruch und Klage wenden. Beiden kommt i. d. R. gem. § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO aufschiebende Wirkung zu, d. h., der Verwaltungsakt kann bis zur Rechtskraft der Entscheidung grundsätzlich nicht vollzogen werden (sog. Suspensiveffekt).112 Diese aufschiebende Wirkung kann jedoch durch die Anordnung der sofortigen Vollziehung aufgrund öffentlichen oder eines sonstigen überwiegenden Interesses verhindert werden. In Fällen des § 80 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 VwGO entfällt die aufschiebende Wirkung kraft Gesetzes.113 Hier ist für den Betroffenen die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes mit Anträgen gem. § 80 Abs. 4 und § 80 Abs. 5 VwGO möglich.114 Widerspruch und Anfechtungsklage reichen gewöhnlich nicht aus, wenn der Betroffene ein Tätigwerden der Verwaltung oder die vorläufige Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsaktes bzw. des (Nicht-)Bestehens eines Rechts­ verhältnisses begehrt. In diesem Fall kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung mit dem entsprechenden Inhalt treffen (§ 123 VwGO). Für den vorläufigen Rechtsschutz nach § 47 Abs.  6 VwGO im Normenkontrollverfahren gilt dies ebenso.115 Der Verwaltungsprozess in der Bundesrepublik Deutschland wird dadurch gekennzeichnet, dass neben der Gewährleistung des subjektiven Rechtsschutzes der einzelnen Bürger zugleich eine objektive Rechtskontrolle ermöglicht werden soll (Art. 20 Abs. 3 GG). Im Rahmen des Klagebegehrens ist das Gericht unter Berufung auf die Inquisitionsmaxime berechtigt und verpflichtet, den wahren Sachverhalt zu ermitteln.116 Aus diesen Gründen stellt der Amtsermittlungsgrundsatz einen der wichtigsten Unterschiede zwischen Verwaltungsgerichtsbarkeit und Zivilgerichtsbarkeit dar, der dem Grundgedanken des Art. 19 Abs. 4 GG nach prozessualer „Waffengleichheit“ Rechnung trägt.117 Ein weiterer allgemeiner Verfahrens 111 Pietzner/Ronellenfitsch, Das Assessorexamen im Öffentlichen Recht, 12. Aufl., 2010, § 51 Rn. 2. 112 Welche konkrete rechtliche Wirkung vom Suspensiveffekt ausgeht, ist umstritten. Hier stehen die sog. Vollziehbarkeitstheorie und die Wirksamkeitstheorie – die allerdings in viel­ fachen Variationen vorzufinden sind  – im Widerstreit. Dazu ausführlich Pietzner/Ronellenfitsch, Das Assessorexamen im Öffentlichen Recht, 12. Aufl., 2010, § 53 Rn. 2 ff. m. w. N. 113 Pietzner/Ronellenfitsch, Das Assessorexamen im Öffentlichen Recht, 12. Aufl., 2010, § 51 Rn. 3. 114 Ronellenfitsch, Beschleunigung und Vereinfachung der Anlagezulassungsverfahren, 1994, S. 67. 115 Pietzner/Ronellenfitsch, Das Assessorexamen im Öffentlichen Recht, 12. Aufl., 2010, § 51 Rn. 2. 116 Dazu von Unruh/Greve/Schliesky, Grundkurs Öffentliches Recht, 6. Aufl., 2003, Rn. 610. 117 Schmitt Glaeser/Horn, Verwaltungsprozeßrecht, 15. Aufl., 2000, Rn. 540 ff.; Ule, Verwaltungsprozessrecht, 9. Aufl., 1987, S. 133 ff.

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1. Kap.: Grundlagen

grundsatz ist die richterliche Aufklärungs- oder Hinweispflicht. Der Vorsitzende hat gem. § 86 Abs. 3 VwGO u. a. darauf hinzuwirken, dass die Prozessbeteiligten etwaige Formfehler beseitigen, sachdienliche Anträge stellen oder die zur Aufklärung des Sachverhalts wesentlichen Erklärungen abgeben.118 Sowohl im Verwaltungsprozess als auch im Zivilprozess gilt die Dispositionsmaxime. Sie umfasst die Befugnis, über den Streitgegenstand zu verfügen. Dies äußert sich schon darin, dass ein verwaltungsgerichtliches Verfahren nur durch Klageerhebung (§ 81 VwGO) oder einen Antrag im Beschluss- oder Normenkontrollverfahren, und nicht etwa von Amts wegen (Offizialmaxime), eröffnet werden kann.119 Die bereits erwähnten Maximen werden durch weitere Verfahrensgrundsätze ergänzt, die aus unterschiedlichen Beweggründen erwachsen sind. Mündlichkeit,120 Unmittelbarkeit121 und Beschleunigung122 als Prozessmerkmal im Sinne einer Grundentscheidung stehen neben dem der Rechtsstaatstradition entstam­ menden Öffentlichkeitsgrundsatz123 und dem rechtlichen Gehör,124 der Parteien­ 118

Vgl. von Unruh/Greve/Schliesky, Grundkurs Öffentliches Recht, 6. Aufl., 2003, Rn. 614. Breuning, in: Posser/Wolff (Hrsg.), Beck’scher Online-Kommentar, VwGO, Stand: 01.01.2010, § 86 Rn. 5. 120 Wie auch im Zivilprozess bildet die mündliche Verhandlung im Verwaltungsprozess den „Kern des Verfahrens“. In beiden Prozessordnungen steht daher die mündliche Verhandlung im Zentrum des Gerichtsverfahrens. § 101 Abs. 1 VwGO beinhaltet eine abschließende Regelung des Grundsatzes der Mündlichkeit für den Verwaltungsprozess und „verdrängt“ damit § 128 Abs.  1 ZPO. Meissner, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner (Hrsg.), VwGO, Kommentar, 18. Aufl., 2009, § 173 Rn. 144; BVerwG, NJW 1980, S. 1482; BVerwG, Buchholz 310 § 101 VwGO Nr. 24; Redeker/von Oertzen, VwGO, Kommentar, 15. Aufl., 2010, § 101 Rn. 6; Hartmann, in: Baumbach/Lauterbach/Albers (Hrsg.), ZPO, Kommentar, 68. Aufl., § 128 Rn. 40. 121 Dieses Prinzip besagt, dass die gesamte Verhandlung einschließlich einer etwaigen Beweisaufnahme (§ 96 Abs. 1 VwGO) direkt vor dem erkennenden Gericht zu erfolgen hat und das Gericht die Entscheidung nur auf der Grundlage von Erkenntnissen fällen darf, die von ihm selbst gewonnen und nicht von dritter Seite vermittelt wurden. Lorenz, Verwaltungsprozessrecht, 2000, § 30 Rn.  47 m. w. N.; Kopp/Schenke, VwGO, Kommentar, 16. Aufl., 2009, § 96 Rn. 1; Geiger, in: Eyermann/Fröhler/Geiger (Hrsg.), VwGO, Kommentar, 12. Aufl., 2006, § 96 Rn. 3; Redeker/von Oertzen, VwGO, Kommentar, 15. Aufl., 2010, § 96 Rn. 1. 122 Die Garantie eines rechtzeitigen Rechtsschutzes folgt direkt aus Art. 19 Abs. 4 GG, aber auch aus dem Rechtsstaatsprinzip allgemein und aus anderen Grundrechten. Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), GG, Kommentar, 57.  EL, 2010, Art.  19 Abs.  4 Rn.  263; Schmidt-­ Aßmann, EuGRZ 1988, S. 577 (583); Kirchhof, in: Hailbronner/Ress/Stein (Hrsg.), Staat und Völkerrechtsordnung, 1989, S. 439 (451 f.). 123 Der in den §§ 169, 171 a bis 175 GVG normierte und gewährleistete Grundsatz der Öffentlichkeit des Verfahrens ist – auch wenn er kein Verfassungsgrundsatz ist – ein Leitgedanke des Prozessrechts. BVerfGE 15, 303 (307). Öffentlichkeit bedeutet, dass grundsätzlich jedermann Zutritt zum Gerichtssaal haben muss. 124 „Das Recht auf Gehör steht jedermann zu, natürlichen Personen ebenso wie juristischen Personen und solchen nicht rechtsfähigen Vereinigungen, Vermögensmassen oder Einheiten, die unter eigenem Namen klagen und verklagt werden können.“ Statt vieler Schmidt-Aßmann, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner (Hrsg.), VwGO, Kommentar, 18.  Aufl., 2009, Ein­ leitung Rn. 45. 119

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gleichheit sowie dem fairen Verfahren125, die in unterschiedlicher Ausprägung durch die Verfassung garantiert werden.126

II. Frankreich 1. Verhältnis der Verwaltungsgerichtsbarkeit zur Exekutive In Frankreich stellt sich das Verhältnis zwischen Verwaltungsgerichtsbarkeit und Exekutive als eine „originelle rechtliche Konstellation“ da, die verfassungsrechtlich allerdings im französischen Rechtssystem nicht verankert ist.127 Die Verwaltungsgerichtsbarkeit ist durch ihre lange Tradition und kontinuierliche historische Entwicklung geprägt.128 Das Prinzip der Gewaltenteilung, das 1790 per Gesetz und 1791 zum Verfassungsgrundsatz erklärt wurde, wird rigoros umgesetzt.129 Verwal 125 Das Recht auf ein faires Verfahren („Fair Trial“) sichert die Einhaltung prozessualer­ Mindeststandards. In seiner generalklauselartigen Weite enthält es keine in allen Einzelheiten feststehenden Gebote und Verbote, sondern bedarf der verfahrensspezifischen, die unterschiedlichen Interessenkonstellationen beachtenden Konkretisierung, die in erster Linie Aufgabe des Gesetzgebers und im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften des zuständigen Gerichts ist. BVerfG, NJW 1993, S. 1190 (1191); Degenhart, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. 5, 3. Aufl., Heidelberg, 2007, § 115 Rn. 19; Tettinger, Fairneß und Waffengleichheit, 1984, S. 4 f. 126 Kaufmann, Untersuchungsgrundsatz und Verwaltungsgerichtsbarkeit, 2002, S. 2. 127 Woehrling, Verwaltungsgerichtlicher Rechtsschutz in Frankreich auf dem Gebiet des Umweltrechts, 1986, S. 4. 128 Die rechtsprechende Gewalt ging im mittelalterlichen Königreich und im Absolutismus vom König aus („toute justice émane du roi“); er war alleiniger Inhaber der öffentlichen Gewalt. Bei wichtigen Entscheidungen zog er Vasallen als Berater, ab dem 11. Jahrhundert den Conseil du Roi, den Vorläufer des heutigen Conseil d’État (Staatsrat), als Beratungsorgan hinzu. Unter dem Conseil du Roi wurden 14 unabhängige Provinzgerichte („Parlements“) eingerichtet, die ausschließlich für Streitigkeiten zwischen Bürgern zuständig waren. Die Streitigkeiten öffentlich-rechtlicher Natur wurden allerdings 1661 an vom König abhängige, so auch verwaltungsinterne Instanzen übertragen, sodass bei Entscheidungen von Verwaltungsangelegenheiten bereits vor der Revolution eine funktionelle und organisatorische Trennung von der ordentlichen Gerichtsbarkeit bestand. Diese wurde auch nach 1789 erhalten. Die Gewaltenteilung nach Montesquieu sah zwar eine Unabhängigkeit der Richter von Exekutive und Legislative vor, eine Kontrolle der beiden anderen Gewalten war dagegen nicht beabsichtigt. Vorrevolutionäre Erfahrungen führten dazu, die Verwaltung jedweder Art von Gerichtsbarkeit zu entziehen, um das Einmischen in die Tätigkeit der Verwaltung zu verhindern. Die Verwaltung richtete nunmehr über sich selbst. Für Rechtsschutz der Bürger sollten bestimmte geschaffene Rechts­ mittel sorgen. Die historischen Wurzeln haben sich im Laufe der Entwicklung der französischen Verwaltungsgerichtsbarkeit im Grunde erhalten. Koch, Verwaltungsrechtsschutz in Frankreich, 1998, S. 20 ff. m. w. N.; Müller, AöR 117 (1992), S. 337 (339 ff.); Fromont, Rechtsschutz gegenüber der Verwaltung in Deutschland, Frankreich und den Europäischen Gemeinschaften, 1967, S. 193; vgl. ferner Schlette, Die verwaltungsgerichtliche Kontrolle von Ermessensakten in Frankreich, 1991, S. 23 ff.; Woehrling, NVwZ 1985, S. 21 ff. Aus russischer Sicht vgl. Korf, Administratiwnaja justizija w Rossii [Verwaltungsjustiz in Russland], Bd. 3, 1910, S. 397. 129 Rüfner, DÖV 1963, S. 719 (720).

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1. Kap.: Grundlagen

tung und Verwaltungsgerichtsbarkeit stehen in einem Verhältnis zueinander, das die Befugnisse der Verwaltungsgerichte streng auf eine nachträgliche Überprüfung bereits ergangener Verwaltungsentscheidungen beschränkt. Zudem kommt im Öffentlichen Recht den subjektiven Rechten nur eine untergeordnete Bedeutung zu. Die Verwaltungsgerichte dürfen nicht in den geschützten Bereich der Verwaltung eingreifen oder dieser gar Anordnungen („injonction“)130 erteilen und erkennen somit im Allgemeinen die Eigenständigkeit der Verwaltung und gerade den weiten exekutiven Ermessensbereich,131 der für das französische Verwaltungsrecht kennzeichnend ist, an.132 Aufgrund der geringen Kontrolldichte gegenüber der Verwaltung können die Verwaltungsgerichte Entscheidungen der Verwaltung nur aufheben, sofern einer der Aufhebungsgründe vorliegt.133 Entsprechend der vom Conseil d’État (Staatsrat)134 vorgenommenen Aufteilung ergeben sich als Klage- und Aufhebungsgründe die fehlende „légalité externe“ sowie „légalité interne“. Die „légalité externe“ ist im Grunde vergleichbar mit der formellen Rechtmäßigkeit im deutschen Recht 130 Das französische Verwaltungsprozessrecht kennt daher keine anderen Klagearten als die Anfechtungsklage (inkl. abstrakter Normenkontrolle, da im französischen Verwaltungsrecht alle Akte der Verwaltung Verwaltungsakte [„actes administratifs“] sind)  und die Schadensersatzklage. Woehrling, Verwaltungsgerichtlicher Rechtsschutz in Frankreich auf dem Gebiet des Umweltrechts, 1986, S. 5. Erst das Gesetz vom 8. Februar 1995 (Gesetz Nr. 95–125 vom 08.02.1995, JO, 09.02.1995, S. 2175) hat der französischen Verwaltungsgerichtsbarkeit in beschränktem Maße die Grundlage geschaffen, der Verwaltung Anordnungen zu erteilen und Verpflichtungen auszusprechen, statt auf die Aufhebung rechtswidriger Verwaltungsmaßnahmen beschränkt zu sein. Grundsätzlich sind alle Verwaltungsakte gerichtlich anfechtbar. Der gerichtlichen Kontrolle sind lediglich sog. „actes du govermenent“ sowie bestimmte Gnadenentscheidungen vollständig entzogen. Pache, Tatbestandliche Abwägung und Beurteilungsspielraum, 2001, S. 199. Detailliert zur Rechtslage nach Inkrafttreten des Gesetzes vgl. Koch, Verwaltungsrechtsschutz in Frankreich, 1998, S. 189 ff. 131 Tonne, Effektiver Rechtsschutz durch staatliche Gerichte als Forderung des Europäischen Gemeinschaftsrechts, 1997, S. 76 f. 132 Pache, Tatbestandliche Abwägung und Beurteilungsspielraum, 2001, S.  198 f.; Mayer, Theorie des Französischen Verwaltungsrechts, 1886, S. 90 ff. 133 Da Prozessrecht und materielles Recht, charakteristisch für das französische Verwaltungsrecht, eng verbunden sind, stimmen diese Aufhebungsgründe mit den Klagegründen überein, die die Rechtsprechung entwickelt hat. Die „cas d’ouverture“ sind auch „cas d’annulation“.­ Pache, Tatbestandliche Abwägung und Beurteilungsspielraum, 2001, S.  201; Koch, Verwaltungsrechtsschutz in Frankreich, 1998, S. 160 ff.; Fromont, Rechtsschutz gegenüber der Verwaltung in Deutschland, Frankreich und den Europäischen Gemeinschaften, 1967, S. 237 ff.; Degen, Die Verwaltung 1981, S. 157 (166). 134 „Der Conseil d’État, der noch heute die oberste Verwaltungskontrollinstanz bildet, kann als die Mutter aller Verwaltungsgerichtshöfe bezeichnet werden, aber er selbst ist kein echtes Gericht: Seine Mitglieder können theoretisch vom Staatsoberhaupt frei ein- und abgesetzt werden und verfügen über keine Privilegien, die ihre Unabhängigkeit garantieren. Faktisch ist es jedoch noch nie in der Geschichte des Conseil zu einer Absetzung gekommen. Die Beschlüsse des Conseil bedürfen bis zum heutigen Tag der Unterschrift des Staatsoberhaupts, doch handelt es sich dabei längst nur mehr um einen Formalakt.“ Olechowski, in: Polaschek/Zieger­hofer (Hrsg.), Recht ohne Grenzen – Grenzen des Rechts, 1998, S. 137 (141).

C. Formen der Verwaltungsgerichtsbarkeit in Europa

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und meint die formellen Rechtsmängel135 wie Unzuständigkeit („incompétence“) sowie Form- und Verfahrensfehler („vice de forme et de procédure“). Die ­„légalité interne“ andererseits stimmt in etwa mit der materiellen Rechtmäßigkeit nach dem Verständnis des deutschen Verwaltungsrechts überein und erfasst die materiellrechtlichen Mängel136 wie Ermessensmissbrauch („détournement de pouvoir“) und Verletzung einer Rechtsnorm („violation de la loi“).137 Ist eine Klage begründet, wird die Entscheidung der Verwaltung aufgehoben. Die Aufhebung wirkt ex tunc und erga omnes.138 2. Objektive Funktion der Verwaltungsgerichtsbarkeit Die originäre Aufgabe der französischen Verwaltungsgerichte stellt die objektive Kontrolle der Verwaltungstätigkeit im öffentlichen Interesse, nicht der Schutz oder die Durchsetzung individueller Rechtspositionen dar.139 Der Verwaltungsrichter hat die Aufgabe, eine objektive Rechtsverletzung zu beenden und diese zu sanktionieren.140 Im Gegensatz zur deutschen Konzeption dient das Verfahren vor den Verwaltungsgerichten in Frankreich nicht der Verteidigung subjektiver Rechtspositionen, sondern der Verteidigung der Allgemeininteressen. Einen positiven Gesichtspunkt bei dieser objektiven Nachprüfungsfunktion sieht Woehrling in der weit gefassten Klagebefugnis. Jeder, der ein persönliches Interesse („intérêt“) an der Aufhebung der Verwaltungsentscheidung hat, kann diese Entscheidung anfechten.141 Sind alle übrigen Zulässigkeitsvoraussetzungen erfüllt, wird aufgrund der Klagegründe eine „abstrakte“ Rechtmäßigkeitskontrolle bewirkt.142 Auf der anderen Seite ist negativ zu bewerten, dass der Schutz des allgemeinen Interesses, und nicht der des Individuums, im Vordergrund steht. Die französische Verwaltungsgerichtsbarkeit versteht sich vielmehr als „Vorgesetzter“ der Verwaltung.143 135 Ausführlich dazu Schlette, Die verwaltungsgerichtliche Kontrolle von Ermessensakten in Frankreich, 1991, S. 175 ff.; Koch, Verwaltungsrechtsschutz in Frankreich, 1998, S. 164 ff. 136 Detailliert Koch, Verwaltungsrechtsschutz in Frankreich, 1998, S. 171 ff. 137 Pache, Tatbestandliche Abwägung und Beurteilungsspielraum, 2001, S. 201; Koch, Verwal­ tungsrechtsschutz in Frankreich, 1998, S. 162. 138 Hübner/Constantinesco, Einführung in das französische Recht, 2001, S. 119 f. 139 Ausführlich dazu Schwarze, NVwZ 1996, S. 22 (23 f.); Woehrling, NVwZ 1998, S. 462 (463). 140 Woehrling, Verwaltungsgerichtlicher Rechtsschutz in Frankreich auf dem Gebiet des Umweltrechts, 1986, S. 10. 141 So ist bereits ein annähernd bestimmbares Interesse ausreichend, ohne dass an die „Indi­ vidualisierbarkeit“ oder „Direktheit“ dieses Interesses hohe Anforderungen gestellt werden. Einwohner einer Gemeinde beispielsweise, die Steuerzahler derselbigen sind, können jegliche Entscheidungen von Verwaltungsorganen der Gemeinde anfechten. Woehrling, Verwaltungsgerichtlicher Rechtsschutz in Frankreich auf dem Gebiet des Umweltrechts, 1986, S. 12. 142 Koch, Verwaltungsrechtsschutz in Frankreich, 1998, S. 108. 143 Woehrling, Verwaltungsgerichtlicher Rechtsschutz in Frankreich auf dem Gebiet des Umweltrechts, 1986, S. 14.

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1. Kap.: Grundlagen

III. Vereinigtes Königreich Eine völlig andere historische Entwicklung144 als auf dem europäischen Konti­nent hat in Großbritannien zu einer anderen Ausgestaltung des Verwaltungsrechtsschutzes geführt. Eine rechtsdogmatische Unterscheidung zwischen dem Öffentlichen und Privatrecht und die darauf aufbauende Vorstellung einer Sondergerichtsbarkeit für die Staatstätigkeit sind dem englischen Rechtsdenken fremd. Daraus folgert man in Großbritannien den Grundsatz der umfassenden Rechtsprechung der ordentlichen Gerichte, der einer eigenständigen Verwaltungsgerichtsbarkeit entgegensteht. Die Grundlage der gerichtlichen Verwaltungskontrolle ist formell weder eine Verfassung noch ein Verwaltungsgerichtsgesetz. Vielmehr entstammt die Anerkennung als Teil der Staatsverfassung dem Gewohnheitsrecht.145 So kennt auch das materielle Verfassungsrecht keine allgemeine Garantie wirksamen Rechtsschutzes gegenüber der Verwaltung. Es ergeben sich daraus nur einzelne Prozessgrundsätze bzw. werden diese von dort hergeleitet, wie etwa Prozessgarantien aus den Prin­ zipien der „natural justice“ oder das „right to a fair hearing“.146 1. Rechtsschutz durch Tribunale Verwaltungsrechtsschutz wird in Großbritannien zum einen durch die ordentliche Gerichtsbarkeit gewährt. Auf der anderen Seite wird ein erheblicher Teil der Rechtsschutzfunktionen von den „tribunals“147 wahrgenommen, die verfassungsrechtlich jedoch der Exekutive zugeordnet werden.148 Die Tribunale decken fast alle Bereiche des Öffentlichen Rechts ab und sind vergleichweise uneinheitlich ausgestaltet. Gleichwohl lassen sie sich als „Spruchkörper, die in streitigen Verfahren bindend entscheiden und (grundsätzlich) unabhängig von ihrer Mutter­behörde sind“149, definieren. 144

In der angelsächsischen Rechtsentwicklung ist ein mehr oder weniger gleichmäßiger Evolutionsprozess zu erkennen, der nicht durch gewaltsame Umbrüche und Revolutionen gestört wurde. Radbruch, Der Geist des englischen Rechts, 3. Aufl., 1956, S. 5. Aus russischer Sicht vgl. Korf, Administratiwnaja justizija w Rossii [Verwaltungsjustiz in Russland], Bd. 3, 1910, S. 422 ff. 145 So Kuss, Gerichtliche Verwaltungskontrolle in Osteuropa, 1990, S. 41 f. 146 Pache, Tatbestandliche Abwägung und Beurteilungsspielraum, 2001, S. 222. 147 Vor der Gewährung von Rechtsschutz durch Gerichte erfolgt in der Mehrzahl der Fälle die Einschaltung sog. „administrative tribunals“ oder „statutory tribunals“. Damit lässt sich auch erst erklären, dass die Kontrolldichte der ordentlichen Gerichtsbarkeit quantitativ und qualitativ geringfügig ist. Spoerr, VerwArch 82 (1991), S. 25 (33). 148 Ausführliche Darstellung des Tribunal-Systems bei Wade/Forsyth, Administrative Law, 9th edition, 2004, S. 905 ff.; umfassende Untersuchung Wraith/Hutchesson, Administrative Tribunals, 1973. 149 Spoerr, VerwArch 82 (1991), S.  25 (32); ähnlich Wade/Forsyth, Administrative Law, 9th edition, 2004, S. 909 ff.

C. Formen der Verwaltungsgerichtsbarkeit in Europa

47

Der Unterschied der Tribunale im Vergleich zum gerichtlichen Rechtsschutz liegt in der Möglichkeit, eine Verwaltungsentscheidung durch die eigene ersetzen zu können, wohingegen die Gerichte lediglich eine Entscheidung aufheben oder den Erlass einer solchen anordnen können. Nach deutschem Rechtsverständnis überprüfen die Tribunale die Rechtmäßigkeit wie auch die Zweckmäßigkeit von Verwaltungsentscheidungen.150 Gegen Entscheidungen der Tribunale bestimmt eine Vielzahl von Gesetzen einen Rechtsbehelf bei einem Tribunal zweiter Instanz. Sofern ein „appeal on a point of law“ an die Gerichte eröffnet ist, was oftmals ausdrücklich der Fall ist, unterliegt dieser „appeal“ nicht selten der Zulassung, entweder durch das Tribunal selbst oder aber das zuständige Gericht.151 Insoweit liegt ein Annahme­ermessen vor, das beispielsweise bei gravierenden Auswirkungen der Entscheidung auf Dritte oder bei zu erwartenden besonderen Schwierigkeiten in der Verwaltung zur Ablehnung­ führen kann.152 Es gibt überdies auch Fälle, in denen kein gerichtlicher Rechtsschutz möglich ist.153 2. Gerichtlicher Rechtsschutz Eine eigenständige Verwaltungsgerichtsbarkeit existiert in Großbritannien bis zum heutigen Tage nicht, der gerichtliche Verwaltungsrechtsschutz erfolgt durch den High Court in einem vereinheitlichten Verfahren. Dieses Verfahren des „judicial review“ ist statthaft, sofern es um ein „public law right“ geht, d. h. Gegenstand der Anfechtung eine Maßnahme ist, durch welche die Verwaltung hoheitlich tätig geworden ist, und zwar auf gesetzlicher oder gewohnheitsrechtlicher Grundlage.154 Rechtsschutz durch die ordentlichen Gerichte gegen Entscheidungen der Verwaltung gewähren eine große Zahl von Gesetzen.155 Wird, wie oben bereits dargestellt, der Rechtsweg von den Tribunalen zu den Gerichten eröffnet, d. h. die Klage an 150

Spoerr, VerwArch 82 (1991), S. 25 (33 f.). Gemeinhin wird in der britischen Rechtslite­ ratur die Unterscheidung anhand der umfassenden Überprüfung einer Verwaltungsentscheidung („on the merits“) durch die Tribunale und der Beschränkung auf die Überprüfung der Rechtmäßigkeit durch die Gerichte („supervisory jurisdiction“) vorgenommen. Kritisch zu dieser Unterscheidung, die einer grundsätzlichen Gegenüberstellung von „appeal“ und „review“ folgt, Spoerr, VerwArch 82 (1991), S. 25 (33), der das wesentliche Unterscheidungsmerkmal in der Kontrolldichte sieht. Dazu auch Cane, An Introduction to Administrative Law, 1986, S. 282 ff. 151 Spoerr, VerwArch 82 (1991), S. 25 (34). 152 Pache, Tatbestandliche Abwägung und Beurteilungsspielraum, 2001, S. 224. 153 Teilweise kann hinsichtlich einer Entscheidung der Tribunale lediglich eine Beschwerde beim zuständigen Minister eingelegt werden. Spoerr, VerwArch 82 (1991), S. 25 (34). 154 Dazu Pache, Tatbestandliche Abwägung und Beurteilungsspielraum, 2001, S. 222 f. 155 Dazu gehören Bereiche der Schulverwaltung, öffentlichen Gesundheit, öffentlichen Wohnungsverwaltung, des Gaststättenrechts, Enteignungsrechts sowie Planungs- und Baurechts. Spoerr, VerwArch 82 (1991), S. 25 (37).

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1. Kap.: Grundlagen

genommen, ist die gerichtliche Ermessenskontrolle auf die bloße Rechtmäßigkeitsprüfung begrenzt. Eine potentielle Rechtswidrigkeit kann insbesondere aus der offensichtlichen Unsinnigkeit der Ermessensausübung, einer Verletzung des­ Vertrauensschutzes oder einer ungenügenden Beachtung der gesetzgeberischen Absicht bei der Ermessenseinräumung resultieren.156 Neben gesetzlich ausdrücklich vorgesehenen Rechtsschutzmöglichkeiten leitet sich die allgemeine „supervisory jurisdiction“ aus dem Common Law her, d. h., sie beruht unabhängig von parlamentarischer Verleihung auf dem ultra-vires-­ Prinzip.157

156

Pache, Tatbestandliche Abwägung und Beurteilungsspielraum, 2001, S. 225 f. Spoerr, VerwArch 82 (1991), S. 25 (32); Evans, De Smith’s Judicial Review of Administrative Action, 4th edition, 1980, S.  94 f. Ursprünglich wurde die ultra-vires-Doktrin für­ Common Law Corporations entwickelt. Erst später wurde sie auf Organe der örtlichen Selbstverwaltung und schließlich auf die Krone und ihre Bediensteten, also den Staat angewandt. 157

2. Kapitel

Historischer Überblick Der Kampf um den Schutz des Einzelnen gegenüber Handlungen der Verwaltung ist schon so alt wie die Verwaltungsstrukturen selbst. Er liegt historisch weit vor einer systematischen Herausbildung des Verwaltungsrechts.1

A. Entstehung von Verwaltungsstrukturen I. Kiewer Rus Die Anfänge der russischen Verwaltung liegen in der Epoche der Einzelfürstentümer im 10. Jahrhundert. Die Fürsten befehdeten sich gegenseitig und schwächten damit die Machtstellung des Landes. Bereits vor Ankunft der normannischen Waräger sind politisch gegliederte Strukturen, die eine eigene Führung hatten, entstanden. Jeder Stamm besaß zudem seine eigene Verwaltung („knjaschenije“). Über den Verwaltungsaufbau der Ostslawen ist allerdings nur wenig bekannt.2 Das anfangs aus Einzelfürstentümern bestehende Großreich entwickelte sich zu einem allgemeinen Verband, der Kiewer Rus3. Ihre Blütezeit erreichte sie unter den Großfürsten Wladimir der Heilige (978–1015) und Jaroslaw der Weise (1019– 1054).4 In dieser Zeit wurde die ostslawische Gesetzgebung reformiert und erstmals schriftlich in der ersten russischen Gesetzessammlung („Russkaja Prawda“)5 festgehalten. Über deren Entstehung und Charakter gehen die Meinungen der 1 Schmidt-Aßmann, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner (Hrsg.), VwGO, Kommentar, 18. Aufl., 2009, Einleitung Rn. 70. 2 Schultz, Russische Rechtsgeschichte, 1951, S. 21. 3 Die Kiewer Rus als Zusammenschluss der slawisch-warägischen Herrschaftsgebiete in Osteuropa entstand bereits im 9. Jahrhundert. Zur Kontroverse um den Charakter des Kiewer Reiches Kappeler, Kleine Geschichte der Ukraine, 2000, S. 37: „Das Kiever Reich war kein ukrainischer oder russischer Nationalstaat, sondern wie die meisten vormodernen Herrschaftsbildungen ein Vielvölkerreich, das nicht nur von Slawen, sondern auch von finnisch-, baltischund turksprachigen Stämmen bewohnt war. In der Elite spielten zunächst Normannen, dann auch Griechen und Südslawen eine bedeutende Rolle“. 4 In dieser Periode breitete sich in der Rus, ausgehend von Byzanz, das Christentum aus. Die orthodoxe Ausrichtung führte langfristig zur Abtrennung vom lateinisch-christlichen Teil Europas, wo Reformation, Renaissance und Aufklärung entwicklungsbestimmend waren. Schröder, IpB, 2003, Heft 281, S. 8 ff. 5 Äußerst ausführlich und detailliert Feldbrugge, Law in Medieval Russia, 2009, S. 33 ff.

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2. Kap.: Historischer Überblick

Wissenschaftler weit auseinander. Die russischen Forscher sind sich dahingehend einig, dass die „Russkaja Prawda“ kein fürstliches Gesetzbuch ist. Es handelt sich vielmehr um eine private Aufzeichnung, die möglicherweise von einem Richter angelegt wurde.6 Sie ist eine Mischung byzantinischer Gesetze und slawischen Gewohnheitsrechts. Im Verlauf der Zeit wurde der ursprüngliche Text immer wieder durch neue Rechtsnormen ergänzt und so erweitert.7 Aufgrund dessen kann in der „Russkaja Prawda“ noch keine verbindliche materielle Rechtsgrundlage für die russische Fürstenherrschaft gesehen werden. Die älteste Fassung des Kodex enthält nur Rechtsnormen des Straf- und Strafprozessrechts, die späteren nehmen auch Zivilrecht auf. Keine der Ausgaben der „Russkaja Prawda“ enthält Normen, die dem heutigen Verwaltungsrecht zuzuordnen wären. Zudem ist in der ersten Fassung noch kein fürstliches Gericht erwähnt. Es ist lediglich die Rede von einem Gemeindegericht, das wohl mit zwölf Volksrichtern besetzt war. In der zweiten Redaktion der „Russkaja Prawda“ wird dieses Gemeindegericht vom Fürsten als oberster Gerichtsherr verdrängt.8 So konnte sich bereits eine staatliche, vom Fürsten geregelte Rechtspflege herausbilden. Nach dem Tod des Großfürsten Wladimir Monomach (1125) begann der Zerfall des Kiewer Reiches.9 Nicht zuletzt durch die Konflikte zwischen den Fürsten wurde der Einfall der Mongolo-Tartaren zu Beginn des 13. Jahrhunderts begünstigt, der nach und nach zur Unterwerfung der ostslawischen Fürstentümer führte.10

II. Reich der Goldenen Horde Das über mehr als zwei Jahrhunderte bestehende Reich der Goldenen Horde („Tatarenjoch“) stellte für Russland einen tiefen, sowohl wirtschaftlichen und politischen als auch kulturellen Einschnitt dar („Sammeln der Länder der Goldenen Horde“).11 Auffallend für diese Zeit war die Rechtsstellung der Fürsten. Nach den chinesischen Grundsätzen übten die Mongolenherrscher keinen Einfluss auf die inneren Angelegenheiten des russischen Volkes aus. Sie hatten dennoch die höchste äußere Macht und bestätigten die russischen Fürsten in ihren Ämtern.12 Hierzu erteilte der Khan nach persönlicher Ehrerweisung und beträchtlichen ­Geschenken besondere Gnadenurkunden („jarlyk“).13 Infolgedessen waren 6

So auch Schultz, Russische Rechtsgeschichte, 1951, S. 47. Schultz, Russische Rechtsgeschichte, 1951, S. 48 f. 8 Schultz, Russische Rechtsgeschichte, 1951, S. 50 ff. 9 Vgl. dazu ausführlich Stökl, Russische Geschichte, 7. Aufl., 2009, S. 83 ff. 10 Schultz, Russische Rechtsgeschichte, 1951, S. 78. 11 Kappeler, Russland als Vielvölkerreich, 2. Aufl., 2008, S. 25 ff.; ders., Russische Geschichte, 5. Aufl., 2008, S. 67 f. 12 Schultz, Russische Rechtsgeschichte, 1951, S. 78. 13 Heller, Russische Wirtschafts- und Sozialgeschichte, 1987, S. 77. 7

A. Entstehung von Verwaltungsstrukturen

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die Fürsten der Willkür der Mongolenherrscher ausgesetzt. Der Khan sprach zudem als oberster Richter nach mongolischen Gesetzen Recht. Um die Fürsten zu kontrollieren, schickte er besoldete Beamte („baskaki“), die sich dauerhaft in der Nähe der Fürsten aufhielten.14 Die Tataren übten in den Fürstentümern keine direkten politisch-administrativen Funktionen aus. Ihre Beamten führten lediglich die Oberaufsicht im tatarischen Tributsystem und bei der Rekrutierung.15 Trotz der mongolo-tatarischen Herrschaft konnten sich bereits die ersten Verwaltungs­ strukturen herausbilden. Erst im Jahre 1480 gelang Russland nach dem „Großen Gegenüberstehen an der Ugra“ („Welikoje stojanie na reke Ugre“) die Befreiung vom schweren Ta­ tarenjoch16. Wieder zerfiel das Land in einzelne Fürstentümer und demokratisch-­ aristokratisch regierte Städte.17

III. Moskauer Staat In den Folgejahren förderte die geistige Einheit, sowohl durch die gemeinsame Sprache als auch die Zugehörigkeit zur orthodoxen Kirche, die Entstehung eines einheitlichen russischen Staatsgebildes unter der Vormachtstellung Moskaus. Erst aufgrund des Übergangs vom Senioratsprinzip zu einer patrimonialen Herrschaftsauffassung wurde das „Sammeln russischen Landes“ möglich.18 Die Autokratie als Herrschaftsform wurde im Grunde bis zur bürgerlichen­ Februarrevolution von 1917 erhalten. Sie war damit beständiger und maßgeblicher Kern der russischen Staatstheorie und das Ergebnis verschiedener Einflüsse. Neben den charakteristisch russischen Wurzeln führten auch die mongolo-tatarische Willkürherrschaft, der byzantinische Cäsaropapismus und der westliche Absolutismus zur Herausbildung der Selbstherrschaft („samoderschawije“) des Zaren.19 Diese Selbstherrschaft der Moskauer Großfürsten bedeutete eine unkontrollierte Unterdrückung des gesamten Landes und der Bevölkerung. Der Herrschafts­ auffassung eigen war die Verschmelzung von privater und öffentlicher Gewalt. Privilegien einzelner Personen, Gemeinschaften oder Regionen wurden abgeschafft und ständische Eigenrechte nicht eingeräumt.20 14

Schultz, Russische Rechtsgeschichte, 1951, S. 79. Heller, Russische Wirtschafts- und Sozialgeschichte, 1987, S. 77 f. m. w. N. 16 Kappeler, Russland als Vielvölkerreich, 2. Aufl., 2008, S. 28. Schultz, Russische Rechtsgeschichte, 1951, S. 103. 17 Zu den ersten zählten Moskau, Twer, Rjasan, Ssusdal und Smolensk; später Nowgorod und Pskow. 18 Pipes, Russland vor der Revolution, 1977, S.  67 ff.; Heller, Russische Wirtschafts- und­ Sozialgeschichte, 1987, S. 82. 19 So Kuss, Gerichtliche Verwaltungskontrolle in Osteuropa, 1990, S.  66; ders., JöR 34 (1985), S. 589 (591). 20 Dazu Heller, Russische Wirtschafts- und Sozialgeschichte, 1987, S. 82. 15

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2. Kap.: Historischer Überblick

In der langen Regierungszeit Iwans III. (1462–1505)21 wurde das zersplitterte positive Recht im für das ganze Reich geltenden, einheitlichen Gesetzbuch von 1497 zusammengefasst. Der Kodex war mit seinen 49 Artikeln, die zum überwiegenden Teil Prozessrecht regelten, relativ knapp. Doch waren auch Normen des Straf-, Zivil-, Handels- und sogar des Verwaltungsrechts darin enthalten.22 Die Rechtsstellung der obersten Organe der Staatsgewalt beruhte während des vierhundertjährigen Bestehens des Moskauer Staates weiterhin auf faktischer Rechtsausübung und Gewohnheitsrecht.23 Der Staats- und Verwaltungsapparat war seinerzeit erstaunlich einfach strukturiert: Das absolute Oberhaupt des Staates war der Zar. Neben ihm waren in begrenztem Maße Vertreter bestimmter Volksschichten an der Ausübung der Staatsgeschäfte in Form einer Landesversammlung („semskij ssobor“)24 und der Bojarenduma25 beteiligt. Beide Institutionen hatten rein konsultative Funktion, da der Zar seine Interessen immer auch gegen die Beschlüsse der Volksvertretungen durchsetzen konnte.26 Die Landesversammlung diente einerseits als Informa­tionsquelle des ­Zaren, um über die Meinung der breiten Gesellschaftsschichten der r­ ussischen Bevölkerung unterrichtet zu sein, auf der anderen Seite als Informationsmedium, um das Volk von den Plänen und Ideen des Zaren in Kenntnis zu setzen.27 Die Mit­ glieder der Landesversammlungen28 konnten Petitionen und Beschwerden an den Zaren richten. Gegenstand waren vorwiegend Willkür und Befangenheit von Beamten sowie Bestechlichkeit und Langsamkeit von Richtern.29 Den Verwaltungs- und Gerichtsverfassungsangelegenheiten wurde bereits im 16.  Jahrhundert beachtliche Aufmerksamkeit zuteil.30 So bestand zwar eine Gerichtsbarkeit, doch gab es keine Verwaltungsgerichtsbarkeit. Demzufolge kann von einer effektiven Kontrolle über die Verwaltung keineswegs die Rede sein. 21

Auch Iwan III. der Große genannt. Er verwendete als Erster den Titel „russischer Großfürst und Zar“. Der Bezug zur Bezeichnung „Caesar“ sollte die Gleichwertigkeit mit dem Kaisertum des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation unterstreichen. Schröder, IpB, 2003, Heft 281, S. 8. 22 Dazu Schultz, Russische Rechtsgeschichte, 1951, S. 130. 23 Schultz, Russische Rechtsgeschichte, 1951, S. 107. 24 Die Landesversammlungen haben ihren Ursprung in der Mitte des 16. Jahrhunderts und wurden bis zur Mitte des 17.  Jahrhunderts einberufen. Schultz, Russische Rechtsgeschichte, 1951, S. 110. 25 Bojaren waren russische Adlige, die dem höheren Adel angehörten oder von Fürsten abstammten. Der Bojarenrat beriet lediglich den Zaren in Angelegenheiten der Verwaltung, Gesetzgebung und Gerichte. Schultz, Russische Rechtsgeschichte, 1951, S. 112 f., detailliert zum Adelsstand S. 115 f. 26 Schultz, Russische Rechtsgeschichte, 1951, S. 107. 27 Grundlegend dazu Schultz, Russische Rechtsgeschichte, 1951, S. 109 ff. 28 Mitglieder des „Ssobor“ waren: der Zar als Vorsitzender, die persönlich berufene höhere Geistlichkeit sowie Vertreter der Dienstleute (der geladene höhere, mittlere und niedere Adel, Beamte der Verwaltungsämter sowie gewählte Vertreter der Kaufleute und der Gewerbetreibenden) und der Städter. Schultz, Russische Rechtsgeschichte, 1951, S. 110. 29 Schultz, Russische Rechtsgeschichte, 1951, S. 111. 30 Schultz, Russische Rechtsgeschichte, 1951, S. 111.

B. Entwicklung der Verwaltungsgerichtsbarkeit

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B. Entwicklung der Verwaltungsgerichtsbarkeit Die Ursprünge der russischen Verwaltungsgerichtsbarkeit gehen in die Zeit des zaristischen Russlands zurück. Die Verwaltungsrechtslehre entstand und entwickelte sich unter dem Einfluss westeuropäischer Literatur.31

I. Kaiserreich Russland Ein „rationell durchgliederter, zentralisierter Staats- und Beamtenapparat“ wurde in Russland erst durch Peter den Großen geschaffen.32 Er modernisierte die alt­ russischen Gesellschaftsformen der Moskauer Zeit und führte rigoros Reformen nach westeuropäischem Vorbild in allen Bereichen des sozialen, kulturellen sowie wirtschaftlichen Lebens durch. Dieser Modernisierungsprozess ließ jedoch die Möglichkeiten der russischen Realität unberücksichtigt.33 In diese schwierige Umschwungszeit gehen die Anfänge der russischen Verwaltungsgerichtsbarkeit zurück. 1. Funktionale Entwicklung des Regierenden Senats a) Regierender Senat zur Zeit Peters des Großen Peter der Große beseitigte die alten Institutionen des Moskauer Staates, die Bojarenduma und die Landesversammlung, um sodann 1711 den Regierenden Senat („prawitelstwujuschtschij senat“)34 zu konzipieren. Als höchstes Organ der aktiven Verwaltung und „Hüter der Gesetze“ sollte der Senat weitreichendere Ziele als die bloße Aufsicht über die Verwaltung verfolgen.35 Seine Zuständigkeiten variierten stets. Deren Entwicklung bis 1917 spiegelte neben der politischen Zeitgeschichte immer auch die Eigenheiten des jeweiligen Zaren wieder.36 Die Kompetenz des Regierenden Senats während der petrinischen Zeit erstreckte sich im Staat auf weite Gebiete: Verwaltung, Gesetzgebung und Rechtsprechung.37 Anfangs (1711–1718) war dem Senat im Bereich des Verwaltungswesens die gesamte oberste Verwaltung des Staates untergeordnet. Der Senat erteilte den Gouverneuren Anweisungen und kontrollierte diese wie auch das ge 31

Ausführlich Starilov, Osteuropa-Recht 2003, S. 397 (399). Fincke, JOR 1965, Bd. VI/2, S. 165 (168). 33 Schröder, IpB, 2003, Heft 281, S. 8 (9). 34 Die Bezeichnung „prawitelstwujuschtschij“ wird wörtlich als regierend übersetzt, z. T. ist jedoch eine Übersetzung als „Dirigierender Senat“ vorzufinden. 35 Tschistjakow, Sakonodatelstwo perwoj polowiny XIX weka [Gesetzgebung der 1. Hälfte des 19. Jahrhunderts], Bd. 6, 1988, S. 48 ff. 36 Fincke, JOR 1965, Bd. VI/2, S. 165 (168). 37 Brunner, in: Kipp/Mayer/Steinkamm (Hrsg.), Um Recht und Freiheit, 1977, S. 103 (108). 32

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2. Kap.: Historischer Überblick

samte Finanz- und Polizeiwesen. Eine Hauptaufgabe des Regierenden Senats lag in der Aufsicht darüber, ob Verfahren und Entscheidungen der Verwaltungsorgane im Reich der Gesetzmäßigkeit entsprachen.38 Auf der anderen Seite wies Peter der Große dem Senat auch weitgehende Rechte im Bereich der Gesetzgebung zu. Zunehmend bildete sich ein Instanzenzug heraus. Der Beschwerdeführer, der sich durch örtliche Beamte in seinen Rechten verletzt glaubte, konnte sich zunächst an den Stadtkommandanten bzw. an den „Landrichter“ wenden, gegen deren Entscheidung an den Gouverneur und schließlich an den Senat.39 Der Senat fungierte insofern auf dem Gebiet der Justiz als oberstes Gericht sowie letzte­ Instanz im Beschwerdeverfahren.40 Als erste Instanz lagen die Angelegenheiten in seiner Zuständigkeit, die vom Kaiser41 selbst eingebracht wurden, außerdem schwerwiegende politische Delikte.42 Im Jahre 1718 wurden im Senat Kollegien nach schwedischem Vorbild eingeführt, die Verwaltungsbefugnisse in gesonderten Ressort-Kollegien wahrnahmen. Der Senat behielt – zumindest formell – die oberste Aufsicht über die Kollegien.43 Nach 1722 wurde das Aufsichtsrecht des Regierenden Senats wieder gestärkt, vor allem das Recht bekräftigt, Senatoren in die Gouvernements zur Durchführung von Revisionen bei den lokalen Behörden zu entsenden.44 Aufgrund der Neuschaffung der Staatsanwaltschaft45 im gleichen Jahr ging die Aufsicht auf den Generalprokureur (Generalstaatsanwalt)46 über. Die Gesetzgebungsbefugnisse wurden dem Senat entzogen, er besaß nun lediglich das Recht der Gesetzesinitiative.47 b) Senat in der nachpetrinischen Zeit In der nachpetrinischen Zeit ging die Bedeutung des Senats deutlich zurück. Er wurde während der Herrschaftszeit Katharinas I. und der Kaiserin Anna vom neu gegründeten „geheimen Rat“ und dem Ministerkabinett verdrängt. Katharina  II. schränkte die Rechte des Senats aus Angst um ihre Selbstherrschaft beachtlich 38

Schultz, Russische Rechtsgeschichte, 1951, S. 169 f. So Chomjakow, Administratiwnyj sud w Rossijskoj Federazii [Verwaltungsgericht in der Russischen Föderation], 2001, Rn. 5.2. 40 Baberowski, Autokratie und Justiz, 1996, S. 16. 41 Zar Peter der Große nahm 1721 den Titel „Imperator“ (Kaiser) an, und dieser wurde seither in der westeuropäischen Diplomatie und bei Hofe auch als solcher anerkannt. Vgl. Wagener (Hrsg.), Staats- und Gesellschafts-Lexikon, Bd. 17, 1864, S. 558. 42 Schultz, Russische Rechtsgeschichte, 1951, S. 170. 43 Dazu Fincke, JOR 1965, Bd. VI/2, S. 165 (169). 44 Fincke, JOR 1965, Bd. VI/2, S. 165 (170). 45 Grundlegend dazu Korf, Administratiwnaja justizija w Rossii [Verwaltungsjustiz in Russland], Bd. 2, 1910, S. 333 ff.; Zur Bedeutung Korfs in der russischen Lehre Belskij, GiP 2007, Nr. 3, S. 76 ff. 46 Ausführlicher unter 2. Kapitel, B. I. 2. b). 47 Schultz, Russische Rechtsgeschichte, 1951, S. 170. 39

B. Entwicklung der Verwaltungsgerichtsbarkeit

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ein.48 Zur Beschleunigung der dem Senat übertragenen Geschäfte wurde eine neue Organisationsform geschaffen.49 Mit Manifest vom 15.  Dezember 1763 wurde der Senat in sechs Departements („departamenty“) aufgeteilt, die formal gleichgestellt und voneinander unabhängig waren.50 In der Folgezeit verlor der Senat immer mehr an Einfluss, zumal 1795 mit dem Gesetz über die Gouvernementsverfassung eine große Anzahl von Rechtssachen in die Zuständigkeit lokaler Verwaltungsbehörden überging und damit dem Senat entzogen wurde.51 Auch die viel­versprechenden Anfänge im 18.  Jahrhundert führten somit nicht dazu, dass sich der Regierende Senat vollständig behaupten konnte. c) Reformen unter Alexander I. Mit den grundlegenden Reformen Alexanders I. kam es zu entscheidenden­ Veränderungen. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurde der gesamte Staatsaufbau umgestaltet,52 es folgten Verwaltungs- und Gerichtsreformen.53 Im Jahre 1802 wurden die Rechte des Senats zwar wiederhergestellt, allerdings gelang es dem Senat zu keiner Zeit wieder seine alte Machtposition einzunehmen.54 Gem. Art.  224 der Senatsverfassung war der Senat die oberste Behörde, der in Bezug auf Justiz, Verwaltung und Vollstreckung sämtliche Dienststellen und Institutionen des Staates unterstellt waren, sofern Spezialgesetze keine Ausnahmen vorsahen. Ferner oblag dem Senat die höchste Aufsicht über die Verwaltung und Vollstreckung.55 Faktisch, vor allem vor dem Hindergrund der Neuschaffung von zahlreichen Ministerien, übte der Regierende Senat nur noch einen sehr geringen Einfluss auf die Staatsgeschäfte aus. Die tatsächliche Verwaltungsgewalt ging auf das Ministerkomitee und die einzelnen Minister über. Das Aufsichts- und Kontrollrecht blieb dem Senat nur über die lokalen Behörden erhalten.56 Die gesetzgebende Gewalt des Senats wurde auf den Reichsrat übertragen, sodass dem Senat lediglich eine Registrierungspflicht zukam. Gesetze oder Verord 48 Grundlegend zur Tätigkeit des Regierenden Senats während der Herrschaftszeit von Katharina II. Korf, Administratiwnaja justizija w Rossii [Verwaltungsjustiz in Russland], Bd. 1, 1910, S. 3 ff. 49 Engelmann, Das Staatsrecht des Kaiserthums Rußland, 1889, S. 48 f. 50 Liessem, Verwaltungsgerichtsbarkeit im späten Zarenreich, 1996, S. 21. 51 Schultz, Russische Rechtsgeschichte, 1951, S. 171. 52 Smirnowa, Stanowlenije i raswitije administratiwnoj justizii w Rossijskoj Federazii [Entstehung und Entwicklung der Verwaltungsjustiz in der russischen Föderation], 2007, S. 50. 53 Ausführlich zu den Reformen von 1802 Korf, Administratiwnaja justizija w Rossii [Verwaltungsjustiz in Russland], Bd.  1, 1910, S.  193 ff.; Tschistjakow, Sakonodatelstwo perwoj­ polowiny XIX weka [Gesetzgebung der 1. Hälfte des 19. Jahrhunderts], Bd. 6, 1988, S. 50 ff. 54 Brunner, in: Kipp/Mayer/Steinkamm (Hrsg.), Um Recht und Freiheit, 1977, S. 103 (108). 55 Schultz, Russische Rechtsgeschichte, 1951, S. 171. 56 Dazu Tschistjakow, Sakonodatelstwo perwoj polowiny XIX weka [Gesetzgebung der 1. Hälfte des 19. Jahrhunderts], Bd. 6, 1988, S. 50.

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2. Kap.: Historischer Überblick

nungen traten erst dann in Kraft, wenn sie vom Senat registriert und veröffentlicht wurden.57 Der formale Verkündungsakt war lediglich ein Mittel zur Schaffung von Rechtssicherheit. Der Umfang des Verkündungsprivilegs erstreckte sich nicht auf die inhaltliche Kontrolle, da die Reichsduma und der Reichsrat als oberste, dem Senat im Rang gleichstehende Reichsorgane keiner Aufsicht durch den Regierenden Senat unterlagen.58 Dem Senat blieb allein die Funktion der Revisions- und Appellationsinstanz für die nachgeordneten Gerichte sowie der ersten Instanz für Dienstvergehen der höchsten Staatsbeamten. Für die Senatoren selbst war diesbezüglich das Senatsplenum zuständig. Die Willkürlichkeit in der Urteilsfindung konnte jedoch durch die Überprüfung im Revisions- und Appellationsverfahren meist nicht aufgehoben werden, weil sich die Entscheidung des Senats auf das von den unteren Instanzen ermittelte Beweismaterial stützte.59 d) Justizreform von 1864 Unter Nikolaj I. gab es keine umfangreichen Reformen der Justiz, da der Zar die Stabilität der politischen Ordnung bedroht sah.60 Unter dem Druck der russischen Niederlage im Krimkrieg entschloss sich hingegen Alexander II. in den sechziger Jahren des 19. Jahrhunderts zu längst überfälligen Reformen – Bauernbefreiung, Gerichtsverfassung, Selbstverwaltung in Land und Stadt.61 Die wichtigsten Eckpfeiler der Reformdebatte stellten die Modernisierung der Zivil- und Strafprozessordnung, des Strafgesetzbuchs für Friedensrichter sowie des Gerichtsverfassungsgesetzes dar. Vor den Reformen von 1864 war die russische Justiz mit Mängeln behaftet.62 Mit der beinahe vollständigen Umstrukturierung sollte das Zarenreich ökonomisch wie auch politisch in Richtung der Länder des Westens modernisiert werden.63 Damit kamen gleichermaßen Prinzipien wie das der Gewaltenteilung nach Russland. Man orientierte sich vorzugsweise an Frankreich, England oder Preußen und schuf Gerichte, die nicht nur unabhängig in ihrer Tätigkeit, sondern auch von der Verwaltung waren. Außerdem erlangte auch die Anwaltschaft zunehmend Unab­ 57

Siehe dazu Engelmann, Das Staatsrecht des Kaiserthums Rußland, 1889, S. 52 f. Liessem, Verwaltungsgerichtsbarkeit im späten Zarenreich, 1996, S. 31 f. 59 Kaiser, Die russische Justizreform von 1864, 1972, S. 13 f. 60 Baberowski, Autokratie und Justiz, 1996, S. 39. 61 Dazu Kuss, JöR 34 (1985), S. 589 (593). Ausführlich zur Justizreform von 1864 vgl. Wilenskij, Rossijskoje sakonodatelstwo X–XX wekow, Sudebnaja reforma [Russische Gesetzgebung vom 10. bis zum 20. Jahrhundert, Gerichtsreform], Bd. 8, 1991, S. 5 ff.; Losina-Losinskij, Schurnal ministrerstwa justizii 1907, Nr. 2, S. 122 (151). 62 Rabe, in: Schramm (Hrsg.), Handbuch der Geschichte Russlands, Bd. 3, 2. Halbbd., 1992, S. 1528. 63 Baberowski, Autokratie und Justiz, 1996, S. 54. 58

B. Entwicklung der Verwaltungsgerichtsbarkeit

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hängigkeit. Daneben wurden Geschworenengerichte und durch die örtliche Selbstverwaltung eine Rechtsprechung auf lokaler Ebene in Form von Friedensrichtern eingerichtet.64 In einer Vielzahl von Fällen wurde an der „administrativen Justiz“, d. h., dass die Verwaltung Streitigkeiten und Straffälle entscheidet, festgehalten.65 Es handelte sich hierbei meist um Angelegenheiten, die in Deutschland insbesondere während der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts allmählich einer besonderen Verwaltungsgerichtsbarkeit unterstellt wurden. Die Frage nach der Errichtung eines Systems von Verwaltungsgerichten war demgegenüber in Russland nicht in den Kreis der Reformen einbezogen worden.66 Die Justizreform bedeutete zugleich die politische Kontroverse zwischen den­ reformierten Gerichten und der Verwaltung, die in veralteten Strukturen verharrte.67 Die Reformer waren der Überzeugung, die Idee der Gesetzlichkeit und des Rechtsstaates werde über die Tradition autokratischer Willkürherrschaft triumphieren.68 Sie übersahen dabei, dass die Umsetzung des Rechtsstaatsgedankens mit der vormodernen Rechtswirklichkeit in Russland nur schwer vereinbar war. Die Reform hatte viele Unwegsamkeiten zu überwinden: ein weit verbreiteter Analphabetismus, fehlendes juristisch ausgebildetes Personal und wenig ausgestaltete Verwaltungsstrukturen sowie die geringe Bevölkerungsdichte, große Entfernungen und kaum vorhandene Kommunikations- und Verkehrsverbindungen. Infolgedessen weitete sich die „rechtliche Kluft“, zum einen zwischen Stadt und Land, zum anderen zwischen den unterschiedlichen Ethnien des Reiches.69 aa) Lokale Verwaltungsjustiz Bei der ordentlichen Gerichtsbarkeit erfolgte das Filtern der Angelegenheiten quasi über zwei untere Gerichtsinstanzen. Dagegen hatte sich der Regierende Senat mit einer endlosen Flut von Bagatellfällen zu befassen.70 Funktionale Ausrichtung und Organisationsstrukturen qualifizierten den Senat, zumindest in Ansätzen, als eine gerichtliche Einrichtung. Bei den untergeordneten

64 Smirnowa, Stanowlenije i raswitije administratiwnoj justizii w Rossijskoj Federazii [Entstehung und Entwicklung der Verwaltungsjustiz in der russischen Föderation], 2007, S. 54. Vgl. ausführlich zu den einzelnen Reformen Baberowski, Autokratie und Justiz, 1996, S. 39 ff. 65 Kaiser, Die russische Justizreform von 1864, 1972, S. 475. 66 Dazu Selenzow/Radtschenko, Administratiwnaja justizija w Rosii: Istorija i sowremennost [Die Verwaltungsjustiz in Russland: Geschichte und Gegenwart], 2002, S. 29; ausführlich zu den Reformen des Regierenden Senats vgl. Korf, Administratiwnaja justizija w Rossii [Verwaltungsjustiz in Russland], Bd. 2, 1910, S. 22 ff. 67 Baberowski, Autokratie und Justiz, 1996, S. 58. 68 Wilenskij, Sudebnaja reforma [Gerichtsreform], Bd. 8, 1991, S. 5. 69 Baberowski, Autokratie und Justiz, 1996, S. 58 f. 70 Liessem, Verwaltungsgerichtsbarkeit im späten Zarenreich, 1996, S. 129.

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2. Kap.: Historischer Überblick

Institutionen war dies fragwürdig.71 Die Entscheidung von verwaltungsrechtlichen Streitigkeiten in erster Instanz oblag sog. Gemischten Kammern auf Gouverne­ment­ ebene („smeschannoje gubernskoje prisutstwije“).72 Allgemein betrachtete man sie zwar nicht als Gerichte,73 wies ihnen aber einzelne administrativ-­gerichtliche Kompetenzen zu.74 Fast allen Gemischten Kammern kamen neben verwaltungsgerichtlichen Kompetenzen auch Aufgaben der aktiven Verwaltung zu.75 Die Kammern bestanden aus verschiedenen Repräsentanten der lokalen Behörden, ordentlicher Gerichte sowie der Standes- und Selbstverwaltungskörperschaften, bei denen der Gouverneur den Vorsitz innehatte.76 Die Entscheidungen in der Kammer wurden mit einfacher Mehrheit getroffen, wobei jedem Mitglied das gleiche Stimmrecht zukam.77 Die Mitglieder waren dabei zumindest formal nicht an Weisungen gebunden und konnten sich ihre Meinung frei bilden. Nur bei Stimmengleichheit entschied das Votum des Gouverneurs.78 In der Praxis übte der Gouverneur allerdings einen sehr starken Einfluss auf die Kammermitglieder aus,79 da er das Recht hatte, dem Regierenden Senat die seines Erachtens rechtswidrigen Entscheidungen zur Überprüfung vorzulegen.80 Bei der Debatte des Gesetzesprojektes über die Einführung einer städtischen Selbstverwaltung wurde zum ersten Mal eine ausführliche Grundsatzdiskussion um die Notwendigkeit lokaler Verwaltungsgerichtsorgane geführt.81 Die letztlich durchgesetzte Einführung der Kammern für Angelegenheiten der städtischen Verwaltung („prisutstwije po delam gorodskogo uprawlenija“) war eine wichtige

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Liessem, Verwaltungsgerichtsbarkeit im späten Zarenreich, 1996, S. 129. Starilow, Administratiwnaja justizija: teorija, istorija, perspektiwy [Die Verwaltungs­ justiz: Theorie, Geschichte und Perspektiven], 2001, S. 1. 73 Statt vieler Chomjakow, Administratiwnyj sud w Rossijskoj Federazii [Verwaltungsgericht in der Russischen Föderation], 2001, Rn. 5.2 m. w. N. 74 Liessem, Verwaltungsgerichtsbarkeit im späten Zarenreich, 1996, S.  129. Ausführlich dazu Engelmann, Das Staatsrecht des Kaiserthums Rußland, 1889, S. 126 ff. 75 Brunner, in: Kipp/Mayer/Steinkamm (Hrsg.), Um Recht und Freiheit, 1977, S. 103 (112); Kuss, Gerichtliche Verwaltungskontrolle in Osteuropa, 1990, S. 71. 76 Selenzow/Radtschenko, Administratiwnaja justizija w Rosii: Istorija i sowremennost [Die Verwaltungsjustiz in Russland: Geschichte und Gegenwart], 2002, S. 31. 77 Selenzow, in: Radtschenko (Hrsg.), Problemy sastschity publitschnych i tschastnych interesow w administratiwnych sudach [Die Probleme des Schutzes der öffentlichen und privaten Interessen vor den Verwaltungsgerichten], 2001, S. 64 (89). 78 Dazu Liessem, Verwaltungsgerichtsbarkeit im späten Zarenreich, 1996, S. 132. 79 Zum Verhältnis zwischen der Verwaltung und Rechtsprechung unter dem Einfluss der Gouverneure vgl. Baberowski, Autokratie und Justiz, 1996, S. 28 f. 80 Selenzow, in: Radtschenko (Hrsg.), Problemy sastschity publitschnych i tschastnych interesow w administratiwnych sudach [Die Probleme des Schutzes der öffentlichen und ­privaten Interessen vor den Verwaltungsgerichten], 2001, S. 64 (89); Selenzow/Radtschenko, Administratiwnaja justizija w Rosii: Istorija i sowremennost [Die Verwaltungsjustiz in Russland:­ Geschichte und Gegenwart], 2002, S. 32. 81 Selenzow/Radtschenko, Administratiwnaja justizija w Rosii: Istorija i sowremennost [Die Verwaltungsjustiz in Russland: Geschichte und Gegenwart], 2002, S. 30. 72

B. Entwicklung der Verwaltungsgerichtsbarkeit

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Weichenstellung für die gesamte kommende Entwicklung der Verwaltungsgerichts­ barkeit.82 In der Folgezeit wurde eine Vielzahl immer neuer Gouvernements­ kollegien für die jeweiligen Sachgebiete geschaffen,83 wie z. B. Militärkammern,84 Steuerkammern85 sowie Manufaktur- und Bergbaukammern.86 Eine bedeutende Rolle spielten dabei die neuen Kollegien auf dem Gebiet der Steuer- und Finanzverwaltung („gubernskoje po promyschlowomu nalogu prisuts­ twije“). Zu ihrer Kompetenz zählte die Überprüfung von Beschwerden von Steuer­ schuldnern über die staatlichen Steuerbescheide. Dieses Gremium zeichnete sich dadurch aus, dass es über keinerlei administrative Befugnisse verfügte, sondern als eine reine Gerichtsinstanz agierte.87 So bestand Ende des 19. Jahrhunderts in Russland ein wirres System von Or­ ganen der lokalen Verwaltungsjustiz. Diese wurden in der Rechtslehre zum Teil als „Surrogate“ der Verwaltungsgerichtsbarkeit, zum Teil  als „quasi-gerichtliche Instanzen“ charakterisiert.88 Diese kollegialen Einrichtungen waren unter zwei Gesichtspunkten problematisch: Zum einen waren ihre judikativen Kompetenzen stark mit rein administrativen Aufgaben vermischt. Zum anderen bereitete ihre personelle Zusammensetzung erhebliche Bedenken. Die Besetzung solcher Kammern unter Beteiligung von administrativen Vertretern gewährleistete keine notwendige Objektivität und Unabhängigkeit. Zudem brachte die Machtstellung des Gouverneurs enorme Schwierigkeiten mit sich.89

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Liessem, Verwaltungsgerichtsbarkeit im späten Zarenreich, 1996, S. 133. Dazu Selenzow, in: Radtschenko (Hrsg.), Problemy sastschity publitschnych i tschastnych interesow w administratiwnych sudach [Die Probleme des Schutzes der öffentlichen und privaten Interessen vor den Verwaltungsgerichten], 2001, S. 64 (92); Selenzow/Radtschenko, Administratiwnaja justizija w Rosii: Istorija i sowremennost [Die Verwaltungsjustiz in Russland: Geschichte und Gegenwart], 2002, S. 34. 84 Ausführlich dazu Korf, Administratiwnaja justizija w Rossii [Verwaltungsjustiz in Russland], Bd. 2, 1910, S. 145 ff. 85 Vgl. Korf, Administratiwnaja justizija w Rossii [Verwaltungsjustiz in Russland], Bd. 2, 1910, S. 209 ff. 86 Eingehend zur geschichtlichen Entwicklung der Manufaktur- und Bergbaukammern vgl. Korf, Administratiwnaja justizija w Rossii [Verwaltungsjustiz in Russland], Bd.  2, 1910, S. 171 ff.; sowie zu den Kammern selbst Korf, Administratiwnaja justizija w Rossii [Verwaltungsjustiz in Russland], Bd. 2, 1910, S. 284 ff. 87 Korf, Administratiwnaja justizija w Rossii [Verwaltungsjustiz in Russland], Bd. 2, 1910, S. 209. 88 Selenzow, in: Radtschenko (Hrsg.), Problemy sastschity publitschnych i tschastnych in­ teresow w administratiwnych sudach [Die Probleme des Schutzes der öffentlichen und privaten Interessen vor den Verwaltungsgerichten], 2001, S. 64 (96). 89 Brunner, in: Kipp/Mayer/Steinkamm (Hrsg.), Um Recht und Freiheit, 1977, S. 103 (112). 83

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2. Kap.: Historischer Überblick

bb) Funktionale Einschränkungen der Senatstätigkeit Der mittlerweile aus verschiedenen Departements mit teils Kassations-, teils Administrativbefugnissen ausgestattete, „bunt zusammengewürfelte“ Senat wurde von den Rechtsgelehrten zunehmend als „Anomalie“ kritisiert. Ein „Sammel­surium an Kompetenzen“ aus unterschiedlichen Bereichen und die Undurchsichtigkeit dieser Zuständigkeitsverteilung prägten das Bild des Regierenden Senats.90 Trotz Fortbestehens des Art.  34 des Ministerstatutes vom 25.  Juni 1811, der beim Vorliegen der enumerativ aufgeführten Fälle die Minister verpflichtete, eine Entscheidung des Senats einzuholen, behielt der Senat auch nach der Gerichtsreform von 1864 faktisch nur die Funktion eines obersten Kassationsgerichts. Mit Ukas vom 19. März 1866 wies Alexander II. die Einrichtung jeweils eines Strafund eines Zivilkassationsdepartements im Regierenden Senat an.91 Auch Ent­ scheidungen der Friedensrichter92 waren einer Kassation zugänglich. Zudem besaß der Senat nur noch das Recht der Gesetzesauslegung und der Veröffentlichung der­ Gesetze in der „Sammlung der Gesetze und Verordnungen“. Bis zur bolschewis­ tischen Revolution agierte der Senat in diesem begrenzten Raum.93 2. Personelle und organisatorische Senatsstruktur Bei der praktischen Tätigkeit der administrativen Senatsdepartements kam dem 1.  Departement94 die größere Bedeutung zu, da es verwaltungsrechtliche Entscheidungen auf allen Gebieten zu treffen hatte, ausgenommen Bauernstreitigkeiten, deren Behandlung nach der Stolypinschen Agrarreform von 190695 dem 2. Departement zukam.96 90

Liessem, Verwaltungsgerichtsbarkeit im späten Zarenreich, 1996, S. 25. Liessem, Verwaltungsgerichtsbarkeit im späten Zarenreich, 1996, S. 24. 92 Ausführlich hierzu Baberowski, Autokratie und Justiz, 1996, S. 233 ff. (252). 93 Schultz, Russische Rechtsgeschichte, 1951, S. 171 f. 94 Grundlegend zu den Kompetenzen des 1.  Departements vgl. Korf, Administratiwnaja­ justizija w Rossii [Verwaltungsjustiz in Russland], Bd. 2, 1910, S. 354. 95 Dazu Kuss, Gerichtliche Verwaltungskontrolle in Osteuropa, 1990, S. 70 m. w. N.; ders., JöR 34 (1985), S. 589 (594); Chomjakow, Administratiwnyj sud w Rossijskoj Federazii [Ver­ waltungsgericht in der Russischen Föderation], 2001, Rn. 5.2; Frolow, Stanowlenije instituta administratiwnoj justizii w dorevoljuzionnoj Rossii [Entstehung des Instituts der Verwaltungsjustiz im vorrevolutionären Russland], 2005, S. 132 ff. 96 Zur Organisationsstruktur des Senats ausführlich Engelmann, Das Staatsrecht des Kai­ser­ thums Rußland, 1889, S. 50 ff.; Selenzow/Radtschenko, Administratiwnaja justizija w Rosii: Istorija i sowremennost [Die Verwaltungsjustiz in Russland: Geschichte und Gegenwart], 2002, S.  45 ff.; Selenzow, in: Radtschenko (Hrsg.), Problemy sastschity publitschnych i tschastnych interesow w administratiwnych sudach [Die Probleme des Schutzes der öffentlichen und privaten Interessen vor den Verwaltungsgerichten], 2001, S.  64 (101 ff.); Korf, Administratiwnaja justizija w Rossii [Verwaltungsjustiz in Russland], Bd.  2, 1910, S. 314 ff., 382 ff. 91

B. Entwicklung der Verwaltungsgerichtsbarkeit

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a) Interner Senatsaufbau Die Departements des Regierenden Senats wiesen eine elementare Aufgabenverteilung zwischen dem eigentlichen Spruchkörper („prisutstwije“) und der angegliederten Kanzlei („kanzelarija“) unter dem Vorsitz des Oberstaatsanwalts auf.97 Den Kanzleien oblag die gesamte Sitzungsvorbereitung des entsprechenden Departements. „Ohne Kanzlei sind die Senatoren wie ohne Hände.“98 Zu den Hauptaufgaben der Kanzlei zählte einerseits das Führen jeglichen Schriftverkehrs mit den Beschwerdeführern sowie mit anderen Behörden.99 Den Senatoren stand lediglich ein Recht auf Akteneinsicht zu.100 Andererseits hatte die Kanzlei das Recht, die Tagesordnung der einzelnen Sitzungen zu bestimmen, was ein in der Praxis außerordentlich relevantes Vorrecht bedeutete. Grundsätzlich wurde der Eingang einer Beschwerde in einem Registraturbuch vermerkt. Danach bestimmte sich in der Regel auch die Reihenfolge, in der die Angelegenheiten zu verhandeln waren. Das Senatsstatut sah jedoch Regelungen vor, die einigen Verfahrensarten einen Vorrang vor der eigentlich registrierten Reihenfolge gaben.101 Die Senatoren selbst konnten allerdings keinen Einfluss auf die Abfolge nehmen, auch nicht, wenn sie einer Sache besondere Bedeutung zumaßen oder eine ordnungswidrige Verzögerung bei der Kanzlei sahen. Sie konnten lediglich dis­ ziplinarisch gegen den Kanzleibeamten vorgehen und sich mit der Bitte an den Justizminister wenden, die Verhandlungsgegenstände wieder in die rechtmäßige Reihenfolge zu bringen.102 Jede eingehende Beschwerde wurde von den Kanzleibeamten mit dem bisherigen Gang des Verfahrens sowie den einschlägigen Gesetzen und Verordnungen versehen.103 Im Anschluss wurde ein Entscheidungsentwurf gefertigt, der den ­Senatoren im Rahmen ihrer Sitzungen lediglich zur Abstimmung vorgelegt wurde. Die Entscheidungsfindung im eigentlichen Sinne lag in den Verwaltungs­ departements insofern bei der Kanzlei. Bei den Kassationsdepartements hingegen 97

Selenzow/Radtschenko, Administratiwnaja justizija w Rosii: Istorija i sowremennost [Die Verwaltungsjustiz in Russland: Geschichte und Gegenwart], 2002, S. 47. 98 So übersetzt bei Liessem, Verwaltungsgerichtsbarkeit im späten Zarenreich, 1996, S. 69 m. w. N. 99 Liessem, Verwaltungsgerichtsbarkeit im späten Zarenreich, 1996, S. 69 m. w. N.; Selenzow/­ Radtschenko, Administratiwnaja justizija w Rosii: Istorija i sowremennost [Die Verwaltungsjustiz in Russland: Geschichte und Gegenwart], 2002, S. 53. 100 Dazu Liessem, Verwaltungsgerichtsbarkeit im späten Zarenreich, 1996, S. 69. 101 Liessem, Verwaltungsgerichtsbarkeit im späten Zarenreich, 1996, S. 69 f. 102 Losina-Losinskij, Schurnal ministrerstwa justizii 1907, Nr. 2, S. 122 (145); Liessem, Verwaltungsgerichtsbarkeit im späten Zarenreich, 1996, S. 69 f. 103 Selenzow, in: Radtschenko (Hrsg.), Problemy sastschity publitschnych i tschastnych inte­ resow w administratiwnych sudach [Die Probleme des Schutzes der öffentlichen und privaten Interessen vor den Verwaltungsgerichten], 2001, S. 64 (109); Selenzow/Radtschenko, Administratiwnaja justizija w Rosii: Istorija i sowremennost [Die Verwaltungsjustiz in Russland:­ Geschichte und Gegenwart], 2002, S. 53.

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2. Kap.: Historischer Überblick

wurden die Urteile von den Senatoren selbst verfasst.104 Was den Vollzug der Entscheidung nach Abschluss des Verfahrens angeht, waren auch hier die Kanzleibeamten für dessen Überwachung zuständig.105 Die Kanzlei des 1. Departements war thematisch nach Sachgebieten in insgesamt sechs sog. Expeditionen („ekspedizija“) unterteilt.106 Diese wiederum gliederten sich in Untereinheiten, die „Tische“ („stoly“). Die Binnengliederung der Kanzlei förderte eine Spezialisierung der Obersekretäre und Sekretäre auf bestimmten Fachgebieten und trug so zur Verbesserung der Entscheidungsqualität bei.107 Ein besonderes Beweiserhebungsverfahren als solches gab es in der Senatspraxis nicht.108 Bei der Verhandlung angefochtener Entscheidungen gemischter örtlicher Gremien waren ausschließlich rechtliche Fragen Gegenstand der Überprüfung durch das 1. Departement, was den Urteilen gewissermaßen Kassationscharakter verlieh. Dies führte dazu, dass unbeabsichtigt der Eindruck entstand, es handele sich faktisch um einen verwaltungsgerichtlichen Instanzenzug außerhalb der gesetzlichen Regelung.109 b) Personelle Struktur Alle Senatoren des Regierenden Senats wurden vom Kaiser ernannt.110 Die Senatsmitglieder der administrativen Departements benötigten im Gegensatz zu den übrigen keine juristische Ausbildung, sondern zählten zu Vertretern des Adels und der hohen Beamtenschaft.111 Eine Besonderheit im Vergleich zu den Sena­toren der Kassationsdepartements bestand zudem darin, dass die Senatoren der administrativen Departements keine richterliche Unabsetzbarkeit genossen.112 Auch mussten sie nicht alle Ämter niederlegen, um die nötige Unparteilichkeit

104

Liessem, Verwaltungsgerichtsbarkeit im späten Zarenreich, 1996, S. 71. Liessem, Verwaltungsgerichtsbarkeit im späten Zarenreich, 1996, S. 73. 106 Genauer zu den einzelnen Expeditionen Selenzow/Radtschenko, Administratiwnaja jus­ tizija w Rosii: Istorija i sowremennost [Die Verwaltungsjustiz in Russland: Geschichte und­ Gegenwart], 2002, S. 48 f. 107 Liessem, Verwaltungsgerichtsbarkeit im späten Zarenreich, 1996, S. 75. 108 Brunner, in: Kipp/Mayer/Steinkamm (Hrsg.), Um Recht und Freiheit, 1977, S. 103 (111). 109 Liessem, Verwaltungsgerichtsbarkeit im späten Zarenreich, 1996, S. 72. 110 Korf, Administratiwnaja justizija w Rossii [Verwaltungsjustiz in Russland], Bd. 2, 1910, S. 315. 111 Selenzow, in: Radtschenko (Hrsg.), Problemy sastschity publitschnych i tschastnych interesow w administratiwnych sudach [Die Probleme des Schutzes der öffentlichen und privaten Interessen vor den Verwaltungsgerichten], 2001, S. 64 (102); Selenzow/Radtschenko, Administratiwnaja justizija w Rosii: Istorija i sowremennost [Die Verwaltungsjustiz in Russland: Geschichte und Gegenwart], 2002, S. 46. 112 Selenzow/Radtschenko, Administratiwnaja justizija w Rosii: Istorija i sowremennost [Die Verwaltungsjustiz in Russland: Geschichte und Gegenwart], 2002, S. 46. 105

B. Entwicklung der Verwaltungsgerichtsbarkeit

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zu gewährleisten, sondern konnten zugleich als Senatoren und z. B. als Gouverneure in Angelegenheiten des Gouvernements auf beiden Seiten in einem Prozess auftreten. Die eigentliche Leitung des Regierenden Senats führte der dem schwedischen Vorbild entlehnte Generalprokureur.113 Im Auftrag des Zaren und als sein persönlicher Vertrauter kontrollierte er die Arbeit des ganzen Senats.114 Er überwachte folglich jede Senatstätigkeit und besaß ein Veto-Recht gegen sämtliche Beschlüsse. Er konnte zudem Beratungen über die Notwendigkeit neuer Gesetze einleiten.115 Somit hatte der Generalstaatsanwalt, nur vom Kaiser abhängig, eine überaus beachtliche Position im Senat und verkörperte das „scharfe Auge des Zaren“.116 Dieses hohe Amt des Generalprokureuers wurde meist vom Justizminister, der zugleich Finanz- und Innenangelegenheiten wahrnahm, in Personalunion mitverwaltet.117 Dem Generalstaatsanwalt war für jedes Departement ein Oberprokureur zugewiesen, der für dasselbige die Aufsicht über die Gesetzmäßigkeit des Verfahrens und der Urteile innehatte.118 Zugleich agierte er als unmittelbarer Vorgesetzter für die Senatsbeamten und als Vertreter des Departements. Im Unterschied zu allen anderen stand dem 1.  Departement als offizieller Vorsitzender kein Senator vor. Dieser Sonderfall liegt historisch in der Annahme begründet, dass dieser Funktion nur der Zar würdig sei. Auch wenn der Vorsitz offiziell nicht bei einem Senator lag, übernahm in der Praxis faktisch doch ein langjähriger Senator mit entsprechender persönlicher Autorität die Leitung in den Sitzungen.119 aa) Ausbildungsstand der Senatoren Die Bedeutung und die Effektivität des Regierenden Senats dürfen nicht überschätzt werden. Charakteristisch – sowohl für das russische Justizwesen als auch für den Beamtenapparat – war der niedrige Ausbildungsstand, der die durchdachten Absichten des Staates vereitelte.120

113

Engelmann, Das Staatsrecht des Kaiserthums Rußland, 1889, S. 48. Liessem, Verwaltungsgerichtsbarkeit im späten Zarenreich, 1996, S. 78. 115 Schultz, Russische Rechtsgeschichte, 1951, S. 170. 116 Fincke, JOR 1965, Bd. VI/2, S.  165 (176); Schultz, Russische Rechtsgeschichte, 1951, S. 170 f.; Liessem, Verwaltungsgerichtsbarkeit im späten Zarenreich, 1996, S. 78. 117 Tschistjakow, Sakonodatelstwo perwoj polowiny XIX weka [Gesetzgebung der 1. Hälfte des 19. Jahrhunderts], Bd. 6, 1988, S. 48. 118 So Engelmann, Das Staatsrecht des Kaiserthums Rußland, 1889, S. 51. 119 Liessem, Verwaltungsgerichtsbarkeit im späten Zarenreich, 1996, S. 81. 120 Tschistjakow, Sakonodatelstwo perwoj polowiny XIX weka [Gesetzgebung der 1. Hälfte des 19. Jahrhunderts], Bd. 6, 1988, S. 16; Korf, Administratiwnaja justizija w Rossii [Verwaltungsjustiz in Russland], Bd. 2, 1910, S. 315. 114

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2. Kap.: Historischer Überblick

Die Personalstruktur wies erhebliche Mängel auf. Zu Regierungszeiten Katharinas II. waren Senatoren im Senat tätig, die in der Mehrzahl kaum lesen noch schreiben konnten.121 Noch im Jahre 1841 besaßen lediglich sechs Beamte aller Departements eine Universitätsausbildung.122 Dass ohne Sachkenntnis eine effek­ tive Verwaltungskontrolle kaum möglich ist, erkannten die staatlichen Funktionsträger erst spät.123 Die ersten juristischen Fakultäten wurden 1835 an den Universitäten St. Petersburg, Moskau, Kasan und Charkow sowie 1842 auch in Kiew eingerichtet,124 die dann zu Beginn der sechziger Jahre des 19. Jahrhunderts großen Zulauf bekamen. Der Eintritt in den Staatsdienst über ein attraktives Einstiegsamt im Senat war meist nur den Absolventen von Eliteschulen, wie das „AlexanderLyceum“ oder die „Kaiserliche Rechtsschule“125 in St. Petersburg, zugänglich.126 Der Bedarf an gut ausgebildeten Juristen für die zaristische Verwaltung sowie die Gerichtsbarkeit konnte allerdings mit den Absolventen der Eliteschulen nicht gedeckt werden.127 bb) Allgemeine Missstände Die zaristische Bürokratie war umständlich und langsam sowie willkürlich und gleichgültig gegenüber den Interessen der Untertanen.128 Das Handeln russischer Gerichte und Behörden „geriet zum Synonym für Ungerechtigkeit, Gesetzlosigkeit und Willkür“.129 Rechtsnihilismus wurde nahezu zur Volksideologie Russlands, sodass zahlreiche Konflikte entweder mit Hilfe von Selbstjustiz oder durch Bestechungen (sog. „Fütterung“) gelöst wurden. Der Regierende Senat blieb von diesem Phänomen nicht verschont. Die Korruption im Senat erfuhr am Anfang der fünfziger Jahre des 19. Jahrhunderts ihre vorläufig größte Ausbreitung. Laut Baberowski befand sich die Aktenver 121

Baberowski, Autokratie und Justiz, 1996, S. 17. Kaiser, Die russische Justizreform von 1864, 1972, S. 26. 123 Baberowski, Autokratie und Justiz, 1996, S. 19. 124 Kaiser, Die russische Justizreform von 1864, 1972, S. 98. 125 Prinz Peter von Oldenburg wurde zum Begründer der Rechtsschule, da er sich als Senator 1834 für die Einrichtung der besonderen Rechtsschule bei Nikolaus I. einsetzte und dafür mehr als eine Million Rubel stiftete. 126 Baberowski, Autokratie und Justiz, 1996, S. 34; Liessem, Verwaltungsgerichtsbarkeit im späten Zarenreich, 1996, S. 109. Die Besonderheit dieser Schulen lag in der Verbindung einer juristischen Ausbildung mit der allgemeinen Gymnasialausbildung. In den letzten drei Schuljahren wurden die Eliteschüler gezielt in den wichtigsten juristischen Fächern in Anlehnung an westeuropäische Rechtsmodelle unterrichtet, sodass sie das Gymnasium mit einem dem ab­ geschlossenen Universitätsstudium gleichwertigen Abschluss absolvierten. 127 Tschistjakow, Sakonodatelstwo perwoj polowiny XIX weka [Gesetzgebung der 1. Hälfte des 19. Jahrhunderts], Bd. 6, 1988, S. 16. 128 Luchterhandt, in: Luchterhandt (Hrsg.), Verwaltung und Verwaltungsrecht im Erneuerungsprozess Osteuropas, 2001, S. 15 (24). 129 Baberowski, Autokratie und Justiz, 1996, S. 29. 122

B. Entwicklung der Verwaltungsgerichtsbarkeit

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waltung „im Zustand völliger Verwahrlosung“. Neben der andauernden Unterschlagung von Gerichtsgebühren gingen aus Nachlässigkeit fortwährend Akten verloren. Im Jahre 1852 betraf das die Hälfte aller beim Senat registrierten Fälle.130 Eine der Hauptursachen für den desolaten Zustand des Justizwesens war die kärgliche Besoldung der Beamten.131 Bestechungsfälle wurden zudem nachlässig verfolgt, was dem Bestechungswesen Vortrieb leistete. Im Falle einer Verurteilung belief sich die Strafe meist auf eine Geldstrafe und wurde von den Betroffenen als geringes Übel angesehen, das innerhalb kürzester Zeit durch neue Bestechungs­gelder ausgeglichen werden konnte. Damit war das Recht auf der Seite des Meistbietenden, das Justizwesen ein Markt für die Güter und die Freiheit der Menschen.132 3. Von der objektiven Rechtskontrolle zum Individualrechtsschutz a) Abstrakte Normenkontrolle Dem Regierenden Senat kam gem. Art.  62 Reichsdumastatut und Art.  60 Reichsratstatut ausweislich keine materielle Prüfungskompetenz für die Gesetzgebungsakte der Duma und des Reichsrates zu, da Duma und Reichsrat als höchste Reichsorgane dem Senat nicht untergeordnet waren. Formelle Gesetze konnten deshalb nicht angegriffen werden.133 Mit Hilfe einer abstrakten Normenkontrolle konnten hingegen Rechtsverordnungen und Runderlasse, sog. Zirkulare der Minister auf ihre Rechtswirksamkeit überprüft werden. Prüfungsgegenstand der abstrakten Normenkontrolle waren stets die von einem Minister mit allgemeingesetzlicher Befugnis, sprich ohne besondere Einzelgenehmigung des Zaren herausgegebenen Erlasse. Das betraf letztlich alle Zirkulare, unabhängig davon, ob sie in Form interner Verwaltungsvorschriften lediglich an die untergeordnete Verwaltung oder direkt an die Bevölkerung gerichtet waren. Diese konnten nur an den Gesetzen gemessen werden, wie sie vom Reichsrat beraten und vom Kaiser erlassen wurden.134 b) Beschwerdeverfahren Privatpersonen stand lediglich die Möglichkeit einer Beschwerde zu, wenn ihre Rechte im weitesten Sinne durch Gouvernementsbehörden oder Minister verletzt wurden.135 130

Baberowski, Autokratie und Justiz, 1996, S. 31. Dazu Kaiser, Die russische Justizreform von 1864, 1972, S. 29. 132 Kaiser, Die russische Justizreform von 1864, 1972, S. 34. 133 Dazu Liessem, Verwaltungsgerichtsbarkeit im späten Zarenreich, 1996, S. 52. 134 Liessem, Verwaltungsgerichtsbarkeit im späten Zarenreich, 1996, S. 52. 135 Engelmann, Das Staatsrecht des Kaiserthums Rußland, 1889, S. 54. 131

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2. Kap.: Historischer Überblick

In der Praxis währten derartige Privatbeschwerden verhältnismäßig lang und hatten kaum Aussicht auf Erfolg.136 Ein strenges Zitiergebot der verletzten Gesetzesbestimmung, eine den Beschwerdeführern drohende Bestrafung bei Nichterweislichkeit der vorgebrachten Vorwürfe, lange Prozessdauer und die verbleibende Ungewissheit bei einem Prozesserfolg, ob der Senatserlass von den unteren Verwaltungsbehörden pflichtgemäß vollzogen würde, stellten massive Hinderungs­gründe für ein Vorgehen Privater gegen administratives Unrecht dar.137 Die Verfahren waren nicht öffentlich, selbst die Beschwerdeführer wurden nicht gehört und hatten keine Möglichkeit, Erklärungen abzugeben.138 Nachteilig für den Beschwerdeführer war ferner die Tatsache, dass von der Beschwerde kein Suspensiveffekt ausging, d. h., für die angefochtenen Verwaltungsentscheidungen bestand während des Verfahrens keine Vollzugshemmung. Da die Vollzugsfolgen des Verwaltungsunrechts häufig nicht mehr beseitigt werden konnten, war die Effektivität einer ­erfolgreichen Beschwerde beim Senat erheblich gemindert.139 Beschwerden im Bereich der Selbstverwaltung bildeten den größten Anteil verwaltungsrechtlicher Streitigkeiten vor dem Regierenden Senat. Das betraf zum einen Streitigkeiten zwischen der Selbstverwaltung und der gouvernementalen Verwaltung und zum anderen Privatbeschwerden gegen Selbstverwaltungsorgane. Im Gegensatz zu Verfahren gegen die zentralstaatliche Verwaltung erhofften sich die Bürger bei letztgenannten Beschwerden bessere Erfolge.140 Die Entscheidungen der Senatsdepartements waren generell keiner Appellation zugänglich, konnten aber im Wege einer direkten Beschwerde an den Kaiser angegriffen werden.141 Die Beschwerde musste bei der Bittschriftenkommission­ eingelegt werden und durchlief bis zur Entscheidung des Kaisers in einem kom­ plizierten Verfahren das Plenum des Senats, die Konsultation des Justizministers, das Gesetzesdepartement und das Plenum des Reichsrates.142 Die Komplexität und Ineffektivität eines solchen Verfahrens – vor allem im Hinblick auf Willkürlichkeit der zaristischen Entscheidungsfindung – führte zur äußerst begrenzten Verbreitung des Rechtsbehelfs.

136 Selenzow/Radtschenko, Administratiwnaja justizija w Rosii: Istorija i sowremennost [Die Verwaltungsjustiz in Russland: Geschichte und Gegenwart], 2002, S. 53. 137 Dazu Chomjakow, Administratiwnyj sud w Rossijskoj Federazii [Verwaltungsgericht in der Russischen Föderation], 2001, Rn. 5.2. 138 Brunner, in: Kipp/Mayer/Steinkamm (Hrsg.), Um Recht und Freiheit, 1977, S. 103 (111). 139 Liessem, Verwaltungsgerichtsbarkeit im späten Zarenreich, 1996, S. 66. 140 Liessem, Verwaltungsgerichtsbarkeit im späten Zarenreich, 1996, S. 67. 141 Selenzow/Radtschenko, Administratiwnaja justizija w Rosii: Istorija i sowremennost [Die Verwaltungsjustiz in Russland: Geschichte und Gegenwart], 2002, S. 54. 142 Kaiser, Die russische Justizreform von 1864, 1972, S. 41.

B. Entwicklung der Verwaltungsgerichtsbarkeit

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c) Rechtsauskunft des Senats Die ständige Rechtskontrolle des Regierenden Senats löste zwar bei den be­ troffenen Ministern gelegentlich Unmut aus. In bestimmten Sachlagen machten sie aber von ihrem Privileg zur Vorlage allgemeiner Rechtsfragen an den ­Senat Gebrauch. Das Recht gem. Art.  176 Punkt  6 Ministerstatut, den Senat um eine allgemeine Rechtsauskunft zu bitten, stand nur den Ministern und dem Ministerkomitee zu. Zuweilen wurde dieses Sonderrecht von einigen Ministern auch als Pflicht interpretiert.143 Verfahren der objektiven Auslegung von Gesetzen verloren jedoch im Zuge der Idee, der Senat sei einzig ein von der aktiven Verwaltung getrenntes Organ des subjektiven Rechtsschutzes, folglich ihre Berechtigung. Der Regierende Senat selbst reagierte mit einer restriktiveren Auslegung des ministeriellen Vorlagerechts.144 Vermehrt wurden Stimmen laut, die eine Abschaffung aller Verfahren forderten, an denen die Beschwerdeführer nicht beteiligt waren, und sich schließlich vor der allgemeinen Dumaversammlung zur Senatsreform behaupten konnten.145 Dies war die Geburtsstunde des Individualschutzes. d) Anfänge des Individualrechtsschutzes Im 19. Jahrhundert stand zunächst die Belangung der Beamten, entweder diszi­ plinarisch oder gar strafrechtlich, im Vordergrund. Die Frage nach der Rechtmäßig­ keit des Verwaltungshandelns und die korrigierende Abänderung der administrativen Akte hatten sich noch nicht etabliert. Traditionell ging diese „Disziplinargerichtsbarkeit“ letzten Endes auf den Schutz „der objektiven, staatlichen Ordnung gegen interne Störungen“ zurück.146 Basierend auf der Rezeption zeitgenössischer deutscher Verwaltungsrechtswissenschaft,147 und damit der Lehre von den subjektiven öffentlichen Rechten, rückte der Individualrechtsschutz auch in der russischen Rechtswissenschaft zunehmend in den Vordergrund. Die russische Gesetzgebung blieb jedoch auf dem von Rechtswissenschaft und Senat beschrittenen Weg zurück.148 Paradoxerweise entwickelte sich in Russland ein Individualrechtsschutz, bevor es überhaupt ge 143

Liessem, Verwaltungsgerichtsbarkeit im späten Zarenreich, 1996, S. 55 f. Liessem, Verwaltungsgerichtsbarkeit im späten Zarenreich, 1996, S. 59. 145 Dazu zählte Baron Aleksander Feliksowitsch Mejendorf, der diesen Vorschlag 1914 in der zweiten Lesung des Projekts zur Senatsreform vor der allgemeinen Dumaversammlung­ unterbreitete. Graf Bennigsen schloss sich dem an und forderte die Minister auf, „in der Verwaltungspraxis ruhig mehr zu riskieren, aber dann dafür gegenüber den betroffenen Privatpersonen vor Gericht auch geradezustehen“. Liessem, Verwaltungsgerichtsbarkeit im späten Zarenreich, 1996, S. 60 f. 146 So Liessem, Verwaltungsgerichtsbarkeit im späten Zarenreich, 1996, S. 62. 147 Dazu bereits unter 1. Kapitel, B. 148 Liessem, Verwaltungsgerichtsbarkeit im späten Zarenreich, 1996, S. 63. 144

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2. Kap.: Historischer Überblick

setzlich garantierte Individualrechte gab. Die Berührung von Interessen im weitesten Sinne reichte für das Einlegen einer Beschwerde aus. Für die damalige Zeit ist dies recht außergewöhnlich, gerade in Anbetracht der Verhältnisse in Deutschland, wo sich Jellineks System des subjektiven öffentlichen Rechts149 als notwendige Voraussetzung der Klagebefugnis bereits durchgesetzt hatte. Sofern nicht als Recht vom Gesetzgeber ausgestaltet, genügten Interessen allein nicht. In Russland war der Rechtsschutz daher sehr viel weitreichender, fast uferlos.150

II. Februarrevolution von 1917 1. Allgemeine Entwicklungen Zu Beginn der Februarrevolution des Jahres 1917 war im zaristischen Russland bereits ein Geflecht von zahlreichen quasi-gerichtlichen Institutionen vorhanden, die zum Teil  auch verwaltungsgerichtliche Funktionen wahrnahmen. An deren Spitze stand der Regierende Senat, der durch das 1. und 2. Departement die Funktionen eines obersten Verwaltungsgerichtes erfüllte.151 Die Situation war allerdings von unerträglichen Missständen in personeller und prozessualer Struktur sowohl bei den quasi-gerichtlichen Organen als auch beim Regierenden Senat152 geprägt. Dennoch sah es nach dem Sturz des Zarenregimes so aus, als ob sich die Verwaltungsrechtspflege, die in Ansätzen vorhanden war, tatsächlich zu einer richtigen Verwaltungsgerichtsbarkeit weiterentwickeln könnte.153 Die im Zuge der Revolution von der Duma eingesetzte Provisorische Regierung unternahm den Versuch, diese Unzulänglichkeiten zu beseitigen, indem sie eine weitreichende, bis dahin in Russland ungekannte Reform der Verwaltungsgerichtsbarkeit durch Verordnung „Über die Gerichte in administrativen Angelegenheiten“ vom 30. Mai 1917154 durchsetzte.155 Die Neuerungen bedeuteten kein Mehr 149 Dazu Jellinek, System der subjektiven öffentlichen Rechte, 1892; Bühler, Die subjektiven öffentlichen Rechte und ihr Schutz in der deutschen Verwaltungsrechtsprechung, 1914, S. 1 f. 150 Liessem, Verwaltungsgerichtsbarkeit im späten Zarenreich, 1996, S. 52 f. 151 Selenzow, in: Radtschenko (Hrsg.), Problemy sastschity publitschnych i tschastnych interesow w administratiwnych sudach [Die Probleme des Schutzes der öffentlichen und privaten Interessen vor den Verwaltungsgerichten], 2001, S. 64 (101). 152 Siehe oben 2. Kapitel, B. I. 2. b). 153 Brunner, in: Kipp/Mayer/Steinkamm (Hrsg.), Um Recht und Freiheit, 1977, S. 103 (114). 154 Poloschenie ot 30.05.1917 „O sudach po administratiwnym delam“ [Verordnung vom 30.05.1917 „Über die Gerichte in administrativen Angelegenheiten“], SUiR 127, Pos.  692. Siehe dokumentarischer Anhang A. I. Zudem abgedruckt in: Selenzow, in: Radtschenko (Hrsg.), Problemy sastschity publitschnych i tschastnych interesow w administratiwnych sudach [Die Probleme des Schutzes der öffentlichen und privaten Interessen vor den Verwaltungsgerichten], 2001, S. 64 (143 ff.); Selenzow/Radtschenko, Administratiwnaja justizija w Rosii: Istorija i sowremennost [Die Verwaltungsjustiz in Russland: Geschichte und Gegenwart], 2002, S. 99 ff. 155 Chomjakow, Administratiwnyj sud w Rossijskoj Federazii [Verwaltungsgericht in der Russischen Föderation], 2001, Rn.  5.2; Selenzow/Radtschenko, Administratiwnaja justizija

B. Entwicklung der Verwaltungsgerichtsbarkeit

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an struktureller Unabhängigkeit des Senats gegenüber der Regierung, sondern­ öffneten den Zugang zum Verfahren für Privatparteien.156 Dies wurde durch die Einführung des Öffentlichkeitsgrundsatzes erreicht. Die Machtstellung des Oberprokureurs wurde deutlich gemindert und seine Rechte wurden ein­geschränkt. Die Reform sah zudem eine Erhöhung der Personalzahl im administrativen Senat vor.157 2. Konzeption der allgemeinen Verwaltungsgerichte a) Vom Gesetzentwurf zum Inkrafttreten Sowohl der Eindruck, dass der Senat als höchstes „Administrativgericht“ wie eine „Kuppel ohne Gebäude und Fundament“158 über dem Reich schwebte, als auch die immer stärker zum Vorschein kommenden Nöte hatten Dimensionen angenommen, die zweifelsohne zum Handeln zwangen.159 Demzufolge war der Aufbau von judikativen Instanzen auf unteren Ebenen dringend erforderlich. Die Provisorische Regierung berief im Innenministerium eine Sonderkommission zur Umgestaltung der örtlichen Verwaltung („osoboje soweschtschanije po mestnomu samouprawleniju“) ein.160 Diese Kommission betonte die grundsätzliche Notwendigkeit unabhängiger lokaler Verwaltungsgerichte und wich zum­ ersten Mal vom früher vertretenen Junktim ab, dass zunächst die Verwaltung umgestaltet werden müsse, bevor die Einrichtung unabhängiger Gerichte möglich sei. Um die Reformen voranzutreiben, wurde aus der Mitte der Kommission ein spezieller Ausschuss für Fragen der lokalen Verwaltungsgerichtsbarkeit gebildet. Nach „nur zweiwöchigen Beratungen (!)“ konnte am 15. April 1917 ein detailliertes Konzept für die Einführung allgemeiner Verwaltungsgerichte als Ersatz für die Gemischten Kammern vorgelegt werden.161

w Rosii: Istorija i sowremennost [Die Verwaltungsjustiz in Russland: Geschichte und Gegenwart], 2002, S. 56 ff.; Selenzow, in: Radtschenko (Hrsg.), Problemy sastschity publitschnych i tschastnych interesow w administratiwnych sudach [Die Probleme des Schutzes der öffentlichen und privaten Interessen vor den Verwaltungsgerichten], 2001, S. 64 (112 ff.). 156 Hartwig, in: Luchterhandt (Hrsg.), Verwaltung und Verwaltungsrecht im Erneuerungs­ prozess Osteuropas, 2001, S. 345 (346). 157 Liessem, Verwaltungsgerichtsbarkeit im späten Zarenreich, 1996, S. 161 ff. 158 Tarasow, Lekzii po polizejskomu prawu [Vorlesungen im Polizeirecht], 1910, S. 241, zit. nach Kuss, Gerichtliche Verwaltungskontrolle in Osteuropa, 1990, S. 71. 159 Dazu Selenzow, in: Radtschenko (Hrsg.), Problemy sastschity publitschnych i tschastnych interesow w administratiwnych sudach [Die Probleme des Schutzes der öffentlichen und privaten Interessen vor den Verwaltungsgerichten], 2001, S. 64 (96). 160 Dazu Starilow, Administratiwnaja justizija: teorija, istorija, perspektiwy [Die Verwaltungsjustiz: Theorie, Geschichte und Perspektiven], 2001, S. 5. 161 Liessem, Verwaltungsgerichtsbarkeit im späten Zarenreich, 1996, S. 169.

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2. Kap.: Historischer Überblick

Zur Überprüfung des Gesetzentwurfs wurde wiederum eine neue Kommission zur Frage der Verwaltungsgerichte („soweschtschanije po woprosu ob administratiwnych sudach“) im Justizministerium einberufen. Der einzige Korrekturvorschlag sah an Stelle der geplanten Richterkollegien die Einführung von Einzelrichtern als unterste Instanz vor. Der Weg zur eigenständigen Verwaltungsgerichtsbarkeit wurde mit der Ver­ ordnung „Über die Gerichte in administrativen Angelegenheiten“162 geebnet. Diese trat am 31.  Mai 1917 in Kraft, die praktische Umsetzung wurde jedoch von den Ereignissen der Oktoberrevolution von 1917 vereitelt.163 Nichtsdestotrotz beinhaltete die Verordnung bemerkenswerte Aspekte und schuf zumindest für einige Monate die Grundlage für die Errichtung erster Verwaltungsgerichte in Russland. b) Gerichtsaufbau und -organisation Die Organisation und die prozessualen Tätigkeitsformen der Verwaltungsgerichte von 1917 sind bisher kaum erforscht worden. Doch wurde die Verordnung „Über die Gerichte in administrativen Angelegenheiten“ in der damaligen Rechtslite­ ratur als ein weitreichendes Ereignis für die Anfänge eines russischen Rechtsstaates ­gefeiert.164 aa) Allgemeines Die Konzeption der Verwaltungsgerichtsbarkeit von 1917 ging von folgenden elementaren Grundsätzen aus: (1) die Verwaltungsgerichte sind Gerichte im eigentlichen Sinne und Bestandteil der rechtsprechenden Gewalt; (2) das Verwaltungsgericht entscheidet über Streitigkeiten zwischen der lokalen Selbstverwaltung und zentralen Verwaltungsorganen sowie zwischen Privatpersonen und Verwaltungsbehörden; (3) der Verwaltungsprozess schützt Öffentliches Recht sowie der Zivilprozess das Privatrecht;

162

Russischer Originaltext der Verordnung siehe dokumentarischer Anhang A. I. So auch Starilow, in: Starilow (Hrsg.), Administratiwnaja justizija: konez XIX – natschalo XX weka [Verwaltungsjustiz: Ende des 19. – Anfang des 20. Jahrhunderts], Teil 1, 2004, S. 6 (8). 164 Selenzow, in: Radtschenko (Hrsg.), Problemy sastschity publitschnych i tschastnych interesow w administratiwnych sudach [Die Probleme des Schutzes der öffentlichen und privaten Interessen vor den Verwaltungsgerichten], 2001, S. 64 (66). 163

B. Entwicklung der Verwaltungsgerichtsbarkeit

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(4) die Verwaltungsstreitigkeiten werden im gerichtlichen Verfahren mit dem Ziel der Wiederherstellung der verletzten Rechte in vollem Umfang und mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln entschieden.165 Die Verwaltungsgerichtsbarkeit wurde als eigenständige Gerichtsbarkeit innerhalb des allgemeinen Gerichtssystems konzipiert.166 Insofern wurde die bereits bestehende Klassifikation der Gerichtsbarkeit in privatrechtliche und strafrechtliche um eine weitere Form ergänzt. Jeder Art der Gerichtsbarkeit wurden ihre prozessualen Besonderheiten und Ziele zugeschrieben. bb) Gerichtsstruktur Die Verordnung „Über die Gerichte in administrativen Angelegenheiten“ sah ein dreistufiges Verwaltungsgerichtssystem vor, an dessen Spitze der Regierende Senat stand.167 Gem. Art.  2 dieser Verordnung wurden auf der unteren Verwaltungsebene („ujesd“) durch das Bezirksgericht ein oder mehrere Gerichtsbezirke („utschastki“) eingerichtet, die anschließend vom 1.  Departement des Regierenden Senats bestätigt wurden. Dem in der Unterinstanz tätigen Einzelrichter kamen die gleichen Befugnisse, Rechte und Pflichten168 wie den Bezirksrichtern zu. Bei den Bezirksgerichten wurden separate Verwaltungskammern („administratiw­nyje otdelenija“) eingerichtet.169 Sie setzten sich aus dem Vorsitzenden des Bezirks­ gerichts und mindestens zwei Richtern zusammen, die ausdrücklich zu Verwaltungsrichtern ernannt wurden.170 Das 1.  Departement des Regierenden Senats wurde von den Reformen ebenfalls erfasst und erfuhr durch die Verordnung einige organisatorische Umstrukturierungen. Der Regierende Senat sollte nunmehr die Funktion des Obersten Verwaltungsgerichts übernehmen.171

165 Kulischow, Prawo 1917, Nr. 29–30, S. 1106; Selenzow/Radtschenko, Administratiwnaja justizija w Rosii: Istorija i sowremennost [Die Verwaltungsjustiz in Russland: Geschichte und Gegenwart], 2002, S. 57. 166 Dazu Karadshe-Iskrow, JöR 23 (1936), S. 136 (139). 167 Brunner, in: Kipp/Mayer/Steinkamm (Hrsg.), Um Recht und Freiheit, 1977, S. 103 (114); Kuss, JöR 34 (1985), S.  589 (598); Kuss, Gerichtliche Verwaltungskontrolle in Osteuropa, 1990, S. 75; Karadshe-Iskrow, JöR 23 (1936), S. 136 (139). 168 Dazu zählten Einstellung, Entlassung, Immunität, Teilnahme an Sitzungen der Bezirksgerichte usw. 169 Kuss, Gerichtliche Verwaltungskontrolle in Osteuropa, 1990, S. 75. 170 Selenzow, in: Radtschenko (Hrsg.), Problemy sastschity publitschnych i tschastnych interesow w administratiwnych sudach [Die Probleme des Schutzes der öffentlichen und privaten Interessen vor den Verwaltungsgerichten], 2001, S. 64 (115 f.). 171 Starilow, Administratiwnaja justizija: teorija, istorija, perspektiwy [Die Verwaltungs­ justiz: Theorie, Geschichte und Perspektiven], 2001, S. 5.

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2. Kap.: Historischer Überblick

c) Zuständigkeiten aa) Sachliche Zuständigkeit Die Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte wurde enumerativ in Art. 10 der Verordnung „Über die Gerichte in administrativen Angelegenheiten“ geregelt. Die Normierung enthält eine ungewöhnliche Systematik: Statt einer Abgrenzung nach Rechtsgebieten wurde ein Katalog der an den verwaltungsrechtlichen Streitig­ keiten beteiligten Rechtssubjekte erstellt. Art. 10 der Verordnung sah folgende Fälle vor, die vor den Verwaltungsgerichten statthaft waren: (1) Rechtssachen im Bereich des Protestes von Kommissaren gegen die Verfügungen („postanowlenije“), Anordnungen („rasporjaschenije“), Handlungen und Unterlassungen von Institutionen und Amtspersonen der Stadt-, Land- und Siedlungsverwaltung; (2) Rechtssachen über die Beschwerden von Staatsinstitutionen und Amtspersonen gegen die im Punkt (1) genannten Verfügungen, Anordnungen, Handlungen und Unterlassungen; (3) Rechtssachen über die Beschwerden der Stadträte, der ländlichen Versammlungen und Siedlungsversammlungen sowie von Privatpersonen, Personengesellschaften und Behörden gegen die im Punkt (1) genannten Verfügungen, Anordnungen, Handlungen und Unterlassungen, wie auch von Kommissaren, ihren Hilfspersonen und ihnen unterstellten Personen und (4) Rechtssachen, die ausdrücklich durch ein Gesetz an die Verwaltungsgerichte zugewiesen wurden. Das Fehlen einer Generalklausel machte die Regelung des Art. 10 Nr. 4 der Verordnung notwendig. So wurden z. B. die Rechtsstreitigkeiten gegen die Akte der Zentralbehörden nicht erfasst, konnten aber auf der Grundlage des Art. 10 Nr. 4 der Verordnung in Verbindung mit einem Spezialgesetz durchaus der Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte zugewiesen werden.172

172

Selenzow, in: Radtschenko (Hrsg.), Problemy sastschity publitschnych i tschastnych interesow w administratiwnych sudach [Die Probleme des Schutzes der öffentlichen und privaten Interessen vor den Verwaltungsgerichten], 2001, S. 64 (118); Karadshe-Iskrow, JöR 23 (1936), S. 136 (139).

B. Entwicklung der Verwaltungsgerichtsbarkeit

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bb) Instanzielle Zuständigkeit Als unterste Instanz sollte ein vom Justizminister ernannter Einzelrichter agieren, was im Unterschied zu den gewählten Friedensrichtern nunmehr ein völliges Novum im russischen Rechtssystem darstellte. Appellation (Berufung) gegen Urteile der Einzelrichter konnte innerhalb von zwei Wochen nach Verkündung gem. Art.  70 der Verordnung eingelegt werden. Die Neuverhandlung umfasste eine eigene Beweisaufnahme und lag in der Zuständigkeit der Sonderabteilung für Verwaltungsrecht am Bezirksgericht („osoboje administratiwnoje otdelenije okruschnogo suda“) der Gouvernementshauptstadt, die es galt einzurichten. Diese verwaltungsrechtliche Abteilung war ferner Eingangsinstanz für alle Streitigkeiten, die nicht zum Kompetenzbereich der Einzelrichter gehörten (Art. 13 der Verordnung).173 Die Urteile, die von der verwaltungsrechtlichen Abteilung des Bezirksgerichts in 1. Instanz entschieden wurden, waren innerhalb einer Monatsfrist nach Verkündung der Entscheidungen vor dem Regierenden Senat der Appellation zugänglich.174 Klagen, gerichtet gegen den Gouverneur persönlich, waren von diesem In­stan­ zen­zug nicht umfasst und wurden direkt beim 1. Departement des Regierenden Senats verhandelt.175 Urteile des Bezirksgerichts, die zweitinstanzlich gefasst wurden, konnten lediglich noch revisionsrechtlich vom Senat überprüft werden.176 Eine Kassation (Revision) war zulässig, wenn (1) die klare Verletzung des direkten Gesetzessinns bzw. die unrichtige Auslegung eines Gesetzes, (2) ein erheblicher Verfahrensfehler oder (3) eine Kompetenzüberschreitung seitens des Bezirksgerichts gerügt wurden (Art. 72 der Verordnung). d) Verfahrensgrundsätze Die wichtigsten Verfahrensgrundsätze waren Öffentlichkeit, Mündlichkeit, rechtliche Gleichheit der Parteien sowie die Dispositionsmaxime.177 173

Liessem, Verwaltungsgerichtsbarkeit im späten Zarenreich, 1996, S. 171. Selenzow, in: Radtschenko (Hrsg.), Problemy sastschity publitschnych i tschastnych interesow w administratiwnych sudach [Die Probleme des Schutzes der öffentlichen und privaten Interessen vor den Verwaltungsgerichten], 2001, S. 64 (138). 175 Liessem, Verwaltungsgerichtsbarkeit im späten Zarenreich, 1996, S. 171. 176 Liessem, Verwaltungsgerichtsbarkeit im späten Zarenreich, 1996, S. 171. 177 Ausführlich zu den einzelnen Prinzipien Selenzow, in: Radtschenko (Hrsg.), Problemy sastschity publitschnych i tschastnych interesow w administratiwnych sudach [Die Probleme des Schutzes der öffentlichen und privaten Interessen vor den Verwaltungsgerichten], 2001, S. 64 (130 ff.). 174

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2. Kap.: Historischer Überblick

Die Verordnung sah neben der schriftlichen auch die mündliche Beschwerde vor. Ziel war es, den Rechtsschutz für bäuerliche Schichten zu verbessern. Die so eingelegte Beschwerde war zu protokollieren, im Anschluss vorzulesen und wenn möglich vom Kläger zu unterschreiben (Art.  21 der Verordnung). Sollte eine Protokollierung unterbleiben, konnte der Kläger fordern, dies schriftlich zu bestätigen.178 Soweit die Verordnung „Über die Gerichte in administrativen Angelegenheiten“ nichts anderes bestimmte, sollten für das Verfahren die Regeln des Zivilprozesses gelten.179 e) Vollendung des Verwaltungsrechtsschutzes? Bemerkenswert ist der weite Rahmen, den die Verordnung „Über die Gerichte in administrativen Angelegenheiten“ verwaltungsrechtlichen Klagen eröffnete. Art.  11 der Verordnung ließ unter anderem nicht nur Klagen wegen Langsamkeit und Untätigkeit der Verwaltung zu.180 Mehr noch war Beschwerden gegen Er­ messensentscheidungen der Verwaltung der Weg bereitet, sofern der Kläger der Ansicht war, die konkrete Anwendung der durch Gesetz gegebenen Vollmachten entspräche nicht den Absichten des Gesetzgebers.181 Der Beschwerdeführer konnte das Verwaltungsgericht unabhängig vom Vor­ liegen einer subjektiven Rechtsverletzung anrufen. Ausweislich des Art.  11 der Verordnung genügte lediglich eine Beeinträchtigung der Klägerinteressen. Eine derart weite gerichtliche Überprüfbarkeit von Verwaltungsakten stand bewusst im Gegensatz zur Dogmatik, wie sie damals in Europa und vor allem in Deutschland verbreitet war.182 Die russischen Rechtsgelehrten befürworteten die weiten Rechtsschutzmöglichkeiten und feierten die Verwaltungsprozessreform als die Vollendung der hundertjährigen Entwicklung der Verwaltungsjustiz.183 Bei ungehindertem Verlauf der Reform, ohne den Einfluss der historischen Ereignisse des Oktobers 1917, hätten die ersten allgemeinen Verwaltungsgerichte Russlands ihre Arbeit aufnehmen können.

178

Liessem, Verwaltungsgerichtsbarkeit im späten Zarenreich, 1996, S. 170 f. Kuss, Gerichtliche Verwaltungskontrolle in Osteuropa, 1990, S. 75; Karadshe-Iskrow, JöR 23 (1936), S. 136 (139). 180 Karadshe-Iskrow, JöR 23 (1936), S. 136 (139). 181 Dazu Liessem, Verwaltungsgerichtsbarkeit im späten Zarenreich, 1996, S. 172. 182 So Liessem, Verwaltungsgerichtsbarkeit im späten Zarenreich, 1996, S. 172. 183 Liessem, Verwaltungsgerichtsbarkeit im späten Zarenreich, 1996, S. 173 m. w. N. 179

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III. Sowjetische Ära 1. Militanter Kommunismus Die Oktoberrevolution von 1917 und die damit einhergehenden Entwicklungen ließen die Reformen der Provisorischen Regierung, die aus bürgerlich-liberalen Grundvorstellungen hervorgingen, hinter sich.184 Alle positiven Ansätze zur Einführung einer eigenständigen Verwaltungsgerichtsbarkeit wurden durch die Revolution beseitigt und neue politisch-ideologische Vorstellungen zur Organisation der Staatsgewalt verbreitet.185 Im Winter 1917 hoben die Bolschewiki innerhalb weniger Tage die Organe der zaristischen Justiz, die unabhängigen Gerichte, Prokuratur und Advokatur beinahe ohne Widerstand auf. Die Geschichte der reformierten Justiz endete mit dem Dekret über das Gerichtswesen eher „unspektakulär“.186 Durch die zahlreichen neuen Dekrete fanden beträchtliche Umwälzungen statt, wie z. B. das Verbot der Anwendung des alten russischen Rechts, die entschädigungslose Enteignung des Grundeigentums, der Übergang vom Eigentumsrecht zum Nutzungsrecht, die Beseitigung des Erbrechts  – als alleiniger Erbe wurde stets der Staat eingesetzt – sowie der Übergang der Banken, Eisenbahnen, größerer Handelsunternehmen und sämtlicher Produktionsmittel in Staatseigentum.187 Der Sowjetregierung bereiteten in den ersten Revolutionsjahren die Ausweitung und das Funktionieren der Staatsadministration enorme Schwierigkeiten. Grundlage für die Entscheidungen der Beamten und Richter bildete nicht nur die Vielzahl an neu erlassenen und meist sehr lückenhaften Normen, sondern auch das „revolutionäre Rechtsbewusstsein“. Es liegt auf der Hand, dass damit jedwede Rechtssicherheit verlorenging.188 Sowohl die sowjetische Verwaltung als auch die Justiz waren mangels Erfahrung mit den zu bewältigenden Aufgaben gänzlich überfordert. Die Beamten verfügten nicht über die notwendigen Kenntnisse und verhielten sich passiv, was durch die Begriffe „Bürokratismus“ und „Amts­ schimmel“ („wolokita“) zum Ausdruck gebracht wurde.189

184

Kuss, Gerichtliche Verwaltungskontrolle in Osteuropa, 1990, S. 75. Skitowitsch, Sudebnaja wlast i administratiwnyi akt: problemy jurisdikzyonnogo kontrola [Die rechtsprechende Gewalt und der Verwaltungsakt: Die Probleme der Kontrolle der Gerichtsbarkeit], 1999, S. 124. 186 Baberowski, Autokratie und Justiz, 1996, S. 1. 187 Dazu Chomjakow, Administratiwnyj sud w Rossijskoj Federazii [Verwaltungsgericht in der Russischen Föderation], 2001, Rn. 5.2; Schultz, Russische Rechtsgeschichte, 1951, S. 267 f.; Starilov, Osteuropa-Recht 2003, S. 397 (405). 188 Kuss, Die Verwaltung 1985, S.  437 (443); Karadshe-Iskrow, JöR 23 (1936), S.  136 (150 f.). 189 Dazu Bilinsky, JOR 1972, Bd. XIII/1, S. 77 (78); Kuss, ROW 1985, S. 128. 185

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2. Kap.: Historischer Überblick

2. „Goldene zwanziger Jahre“ des Sowjetkommunismus a) Anfangsstadium der Lehre und der Rechtspraxis In den zwanziger Jahren waren Beschwerden und Anträge der Bürger gegen administrative Entscheidungen kaum zu verzeichnen.190 Dagegen konnte sich die Rechtslehre in der politischen Atmosphäre der Neuen Ökonomischen Politik (NÖP) relativ frei entfalten, sodass in rechtswissenschaftlichen Fachzeitschriften vielfach die Einführung der Verwaltungsgerichte gefordert wurde. Die Mehrzahl der damaligen Verwaltungsrechtslehrbücher stellte die Verwaltungsgerichts­barkeit als nur einen Schritt von der praktischen Umsetzung entfernt dar;191 ferner stehe sie nicht im Widerspruch zu den sowjetischen Grundsätzen.192 So befürwortete die Mehrheit der Rechtwissenschaftler sogar die Einführung einer Verwaltungsgerichtsbarkeit, die nach westeuropäischem Muster ausgestaltet war.193 Die wissenschaftlichen Impulse hatten aber keien Einfluss auf die Beschlüsse oder Normativakte.194 Die sowjetische Staatslehre setzte sich zunehmend durch und sah in der Verwaltungsjustiz eine „Ausgeburt des bourgeoisen Herrschaftssystems“,195 die naturgemäß mit der kommunistischen Ideologie nicht vereinbar war.196 Die sozialistische Staatstheorie ging davon aus, dass mit der Herrschaftsübernahme durch das Volk prinzipiell die Interessen von Staat, Gesellschaft und Individuum übereinstimmten.197 Ein Antagonismus zwischen dem Einzelnen und dem Kollektiv könne wegen dieser Solidarität der Staatsinteressen mit den Interessen der Bürger nicht existieren. Da es somit kein Spannungsverhältnis zwischen dem Einzelnen und der staatlichen Gewalt gebe, bedürfe es keiner gesonderten­ Regelung.198

190

Bilinsky, JOR 1972, Bd. XIII/1, S. 77 (79 f.). Brunner, in: Kipp/Mayer/Steinkamm (Hrsg.), Um Recht und Freiheit, 1977, S. 103 (114) m. w. N.; Tschetschot, SGiP 1972, Nr. 1, S. 40. 192 Dazu Starilow, Administratiwnaja justizija: teorija, istorija, perspektiwy [Die Verwaltungsjustiz: Theorie, Geschichte und Perspektiven], 2001, S. 7 m. w. N. 193 Mit weiteren Belegen Kuss, ROW 1985, S. 128 (129). 194 Kuss, ROW 1985, S. 128 (129); ders., JöR 34 (1985), S. 589 (601). 195 Hartwig, in: Luchterhandt (Hrsg.), Verwaltung und Verwaltungsrecht im Erneuerungs­ prozess Osteuropas, 2001, S. 345 (346). 196 So Chomjakow, Administratiwnyj sud w Rossijskoj Federazii [Verwaltungsgericht in der Russischen Föderation], 2001, Rn.  5.2; Selenzow/Radtschenko, Administratiwnaja jus­ tizija w Rosii: Istorija i sowremennost [Die Verwaltungsjustiz in Russland: Geschichte und­ Gegenwart], 2002, S. 6; Selenzow, in: Radtschenko (Hrsg.), Problemy sastschity publitschnych i tschastnych interesow w administratiwnych sudach [Die Probleme des Schutzes der öffentlichen und privaten Interessen vor den Verwaltungsgerichten], 2001, S. 64 (66). 197 Mögelin, Die Transformation von Unrechtsstaaten in demokratische Rechtsstaaten, 2003, S. 182. 198 Hartwig, in: Luchterhandt (Hrsg.), Verwaltung und Verwaltungsrecht im Erneuerungs­ prozess Osteuropas, 2001, S. 345 (346). 191

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Der Sowjetbürger war insofern gegenüber der staatlichen Gewalt, wie Brunner zutreffend formulierte, „in mikroskopischen Größenordnungen“ geschützt.199 Dennoch standen den Bürgern zumindest auf dem Papier zwei Rechtsbehelfe zur­ Verfügung: die allgemeine Beschwerde einerseits, der gerichtliche Verwaltungsrechtsschutz vor den ordentlichen Gerichten andererseits. b) Allgemeines Beschwerderecht Die neue Staatsmacht war bemüht, den Bürgern zu demonstrieren, dass der Umgang mit ihnen im Gegensatz zur Verwaltung im Zarenreich nicht bürokratisch geprägt sein werde. Dazu wurde den Bürgern ein Beschwerde- und Antragsrecht („prawo schaloby i sajawlenija“) eingeräumt, das weder subjektiv oder sachlich noch auf die eigene Interessenverfolgung oder bestimmte Verwaltungsorgane beschränkt war.200 Diese allgemeine Beschwerdemöglichkeit201 stellte de facto ein formalistisches Petitionsrecht dar.202 Dieser einerseits zwar universelle Rechtsbehelf203 war andererseits wenig effektiv.204 aa) Verfahrensvoraussetzungen Das Beschwerderecht war als Popularbeschwerde ausgestaltet, d. h., die Beschwerdebefugnis kam nicht nur den Geschädigten, sondern jedermann zu.205 Die Erklärung dafür liegt im Verständnis von menschlichen Beziehungen, die in der sozialistischen Gesellschaft auf „brüderlicher Zusammenarbeit“ und „kameradschaftlicher gegenseitiger Hilfe“ basieren. Beschwerdeberechtigt waren zudem Bürgergruppen, Staatsorgane und Amtspersonen.206

199

Brunner, in: Kipp/Mayer/Steinkamm (Hrsg.), Um Recht und Freiheit, 1977, S. 103. Dazu Kuss, ROW 1985, S. 128; ders., JöR 34 (1985), S. 589 (600). 201 Regelungen zum Recht auf Beschwerde existierten in allen sozialistischen Ländern. Zu den einzelen gesetzlichen Grundlagen siehe Luchterhandt, in: Westen/Meissner/Schroeder (Hrsg.), Der Schutz individueller Rechte und Interessen im Recht sozialistischer Staaten, 1980, S. 35 (52), Fn. 51. 202 Brunner, in: Kipp/Mayer/Steinkamm (Hrsg.), Um Recht und Freiheit, 1977, S.  103; Brunner, Berichte des Bundesinstituts für ostwissenschaftliche und internationale Studien, Nr. 55/1968, S. 2; Mögelin, Die Transformation von Unrechtsstaaten in demokratische Rechtsstaaten, 2003, S. 187. 203 Ausführlich zum Beschwerderecht vgl. Sagrjaschkow, Administratiwnaja justizija i prawo schaloby w teorii i sakonodatelstwe [Verwaltungsjustiz und Beschwerderecht in Theorie und Gesetzgebung], 2. Aufl., 1925, S. 96 ff. 204 Brunner, in: Kipp/Mayer/Steinkamm (Hrsg.), Um Recht und Freiheit, 1977, S. 103. 205 So auch Fincke, JOR 1965, Bd. VI/2, S. 165 (183). 206 Bilinsky, JOR 1972, Bd. XIII/1, S. 77 (92). 200

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2. Kap.: Historischer Überblick

Die Beschwerden waren weder form- noch fristgebunden.207 Sie konnten gegen Verwaltungshandlungen aller Art beim übergeordneten Verwaltungsorgan, der Staatsanwaltschaft oder dem Vorsitzenden des Obersten Sowjets erhoben werden. Die Bürger hatten die Möglichkeit, diese entweder schriftlich oder mündlich während der Sprechstunden ohne vorherige Anmeldung zu Protokoll ein­zureichen. bb) Entscheidung Die Entscheidung über die Beschwerde hatte innerhalb von 20 Tagen zu er­ folgen. Dabei war der Beschwerdeführer nicht anwesend, da ansonsten die Arbeit und „Operativität“ der Verwaltungsorgane beeinträchtigt würde.208 Nach der sowjetischen Rechtsauffassung handelten die Amtspersonen strikt nach den Gesetzen, wodurch ein Ermessensspielraum ausgeschlossen sei.209 Jede Lebenssituation buchstäblich zu erfassen, ist aber kein Gesetz in der Lage. Wurde bei der Entscheidung die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Ver­ waltungsaktes210 festgestellt, führte das zur Aufhebung und überdies zur Bestrafung der entsprechenden Amtsperson.211 Gemeinhin wurde den Beschwerden der Beschwerdeführer damit oftmals abgeholfen, jedoch erfolgte die Gewährung des Beschwerderechts ohne dass ein (individueller) Rechtsanspruch anerkannt wurde.212 Zudem wurde die Wirksamkeit der Verwaltungsbeschwerde wesentlich dadurch gemindert, dass die Entscheidung in der Verwaltungsbehörde getroffen wurde, die auch Anlass für die Beschwerde gegeben hatte.213

207 Detailliert dazu Studenikin/Wlasow/Jewtichiew (Hrsg.), Sowjetskoje administratiwnoje prawo [Sowjetisches Verwaltungsrecht], 1950, S. 221 ff.; Brunner, Berichte des Bundesinstituts für ostwissenschaftliche und internationale Studien, Nr. 55/1968, S. 5. 208 Dazu Bilinsky, JOR 1972, Bd. XIII/1, S. 77 (96) m. w. N. 209 Bilinsky, JOR 1972, Bd. XIII/1, S. 77 (96). 210 Die sowjetische Verwaltungslehre unterschied zwei Arten von Verwaltungsakten. Zum einen Normativakte, die Rechtsnormen enthielten, zum anderen individuelle Verwaltungsakte, sprich Verwaltungsakte im eigentlichen Sinne. Nur letztgenannte waren im Beschwerdeverfahren anfechtbar. Bilinsky, JOR 1972, Bd. XIII/1, S. 77 (91), Fn. 41. 211 Bilinsky, JOR 1972, Bd. XIII/1, S. 77 (95). 212 Dazu Mögelin, Die Transformation von Unrechtsstaaten in demokratische Rechtsstaaten, 2003, S. 187; speziell zur DDR Kaschkat, in: Westen/Meissner/Schroeder (Hrsg.), Der Schutz individueller Rechte und Interessen im Recht sozialistischer Staaten, 1980, S. 65 (70). 213 Brunner, Berichte des Bundesinstituts für ostwissenschaftliche und internationale Studien, Nr. 55/1968, S. 3.

B. Entwicklung der Verwaltungsgerichtsbarkeit

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cc) Wirkungen der Beschwerde Die Beschwerde hatte keine aufschiebende Wirkung. Grund war die Annahme, dass durch eine gebühren- und kostenfreie Beschwerde jeder die Verwaltungstätigkeit behindern könnte.214 Das allgemeine Beschwerderecht war nicht auf einen verwaltungsinternen In­ dividualrechtsschutz ausgerichtet, sondern diente vielmehr der Information der Verwaltungsaufsicht.215 Beabsichtigt war, dass die Bürger dabei mitwirken sollten, die gesellschaftlichen Zustände zu gestalten und zu verbessern.216 Die damaligen Verwaltungsrechtler hoben die Aufdeckung von Missständen im Staatsapparat als primäres Ziel hervor. Der Schutz von Bürgerinteressen wurde damit nicht verfolgt. Insofern war das Beschwerde- und Antragsrecht kein Äquivalent zu einer gerichtlichen Verwaltungskontrolle.217 Zudem verringerte die permanente Missachtung der Verfahrensvorschriften in der Verwaltungspraxis  – beispielsweise die Nichteinhaltung der vorgesehenen Fristen, die bürokratische Ablehnung meist mit einer formelhaften Begründung218 oder sonstige Mängel – die ohnehin geringe Effek­ tivität des Beschwerderechts drastisch. c) Verwaltungskontrolle durch die Staatsanwaltschaft aa) Errichtung der Staatsanwaltschaft In Russland und später in der UdSSR war die Kontrolle durch die Staatsanwaltschaft „eine historische Kontinuität“.219 Es steht fest, dass in vielen Bereichen des Staatsapparats die alten Lösungen und Kader noch lange eine entscheidende Rolle spielten, obgleich laut sowjetischer Auffassung nach der Oktoberrevolution 1917 der alte Staatsapparat vollkommen zerschlagen und durch einen neuen ersetzt wurde.220 So auch bei der Staatsanwaltschaft („prokuratura“),221 die eine der bedeutendsten Positionen hinsichtlich der Rechtmäßigkeit bei der Ausführung 214

Bilinsky, JOR 1972, Bd. XIII/1, S. 77 (94) m. w. N. Brunner, in: Kipp/Mayer/Steinkamm (Hrsg.), Um Recht und Freiheit, 1977, S. 103. 216 Dazu Mögelin, Die Transformation von Unrechtsstaaten in demokratische Rechtsstaaten, 2003, S. 187. 217 Kuss, ROW 1985, S. 128 (129). 218 Das Gesetz sah nicht ausdrücklich eine schriftliche Begründung vor. Brunner, Berichte des Bundesinstituts für ostwissenschaftliche und internationale Studien, Nr. 55/1968, S. 6. 219 Mögelin, Die Transformation von Unrechtsstaaten in demokratische Rechtsstaaten, 2003, S. 186. 220 Szawlowski, Osteuropa-Recht 1963, S. 81 (85). 221 Ausführlich zur Organisation und zum Aufgabenbereich der sowjetischen Staatsanwaltschaft vgl. Hastrich, Osteuropa-Recht 1972, S. 225 ff.; Kengyel, Osteuropa-Recht 1993, S. 198 (204). Zu den einzelnen Entstehungsetappen der Prokuratura Fincke, JOR 1965, Bd.  VI/2, S. 165 (185 ff.). 215

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2. Kap.: Historischer Überblick

von Verwaltungstätigkeiten der sowjetischen Organe übernahm.222 Ihr Aufgabenbereich bestand in der Verwirklichung der revolutionären Gesetzlichkeit, worunter die totale Rechtsaufsicht über jegliches Verhalten aller gesellschaftlichen Lebensbereiche fiel. Diese Rechtsstellung der Staatsanwaltschaft wurde in der sowje­ tischen Rechtswissenschaft als eine originär sowjetisch-sozialistische Schöpfung gerühmt und auf einen Brief Lenins „Über doppelte Unterstellung und Gesetz­ lichkeit“ vom 22. Mai 1922 gestützt.223 Tatsächlich stellte die Errichtung der sow­ jetischen Staatsanwaltschaft im Jahre 1922 eine Wiederbelebung der zaristischen Institution dar. bb) Kontrollmöglichkeiten Jeder Bürger konnte sich mit einer Beschwerde an die Staatsanwaltschaft wenden, welche die Rechtmäßigkeit der angegriffenen Maßnahme mit dem objektiven Recht beurteilte.224 Die Staatsanwaltschaft konnte gegen einzelne Verwaltungsakte Protest bei der Stelle, die den Hoheitsakt der öffentlichen Verwaltung (Befehle, Instruktionen, Beschlüsse, Verfügungen, Verordnungen, Verwaltungsvorschriften und Verwaltungsakte im engeren Sinne) erlassen hatte, oder bei der vorgesetzten Stelle einlegen.225 Das Protestrecht im Aufsichtsverfahren war an keine bestimmte Frist seitens der Staatsanwaltschaft gebunden. Über die Protesterhebung musste die betroffene Stelle gleichwohl innerhalb von zehn Tagen entscheiden. Wurde der Protest abgelehnt, konnte die Staatsanwaltschaft dagegen einen erneuten Protest bei der­ Instanz einreichen, die dem ablehnenden Organ übergeordnet war.226 Zudem stand der Staatsanwaltschaft das Mittel der Vorstellung gegen ein ihrer Ansicht nach rechtswidriges Verwaltungshandeln zur Verfügung. Gegenstand der Vorstellung konnte nur ein fortgesetztes Verwaltungshandeln oder eine Unterlassung der Verwaltung sein. Wiederum musste sich die Staatsanwaltschaft entweder an das zuständige Organ oder die nächsthöhere Instanz wenden und die Beseitigung des rechtswidrigen Verhaltens fordern. Beide hatten die Pflicht, die Vorstel-

222

Starilov, Osteuropa-Recht 2003, S. 397 (405); Starilow, in: Starilow (Hrsg.), Administra­ tiwnaja justizija: konez XIX – natschalo XX weka [Verwaltungsjustiz: Ende des 19. – Anfang des 20. Jahrhunderts], Teil 1, 2004, S. 6 (10); Buchholz, FischersZ 1931, Bd. 67, S. 1 (32 ff.);­ Machonin, Sowetskoje administratiwnoje prawo [Sowjetisches Verwaltungsrecht], 1977, S. 270 ff.; Studenikin/Wlasow/Jewtichiew (Hrsg.), Sowjetskoje administratiwnoje prawo [Sowjetisches Verwaltungsrecht], 1950, S. 208. 223 Zu den Hintergründen Fincke, Osteuropa-Recht 1972, S.  268 ff.; Kuss, Die Verwaltung 1985, S. 437 (444 f.). 224 Bilinsky, JOR 1972, Bd. XIII/1, S. 77 (85). 225 Dazu Hastrich, Osteuropa-Recht 1972, S. 225 (229); Meder, VerwArch 53 (1962), S. 255 (258). 226 Meder, VerwArch 53 (1962), S. 255 (260).

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lungen der Staatsanwaltschaft mit einer Frist von einem Monat zu prüfen und die geltend gemachten Rechtsverletzungen zu beseitigen.227 Die Staatsanwaltschaft übernahm insofern lediglich „Hilfsfunktionen“ bei der „innerinstanzlichen Rechtskontrolle (Dienstaufsicht)“; sie war quasi „Vorprüfungs­ instanz“ im Beschwerdeverfahren.228 Für die Bürger war diese Art von subjektivem Rechtsschutz wenig effektiv, da ihnen kein Anspruch auf Eingreifen der Staatsanwaltschaft zustand. Da sie nicht zwangsläufig am Beschwerdeverfahren beteiligt waren, mussten die Bürger darauf vertrauen, dass die Staatsanwaltschaft ihre Rechte schützen würde.229 cc) Effizienz der Kontrolle Der Staatsanwaltschaft stand nicht das Recht zu, in der Sache zu entscheiden bzw. die Vollziehung oder gar die Aufhebung eines rechtswidrigen Aktes der Verwaltung anzuordnen.230 Somit erscheint das Mittel des Protestes und der Vorstellung erstmal wenig von Nutzen, da die Erhebung den angefochtenen Hoheitsakt, mit Ausnahme von Strafverfügungen, nicht suspendierte. In der sowjetischen Rechtswirklichkeit entsprachen allerdings die meisten Verwaltungsorgane den Protesten bereits in der ersten Instanz. Zu den Druckmitteln der Staatsanwaltschaft beim Vorgehen gegen rechtswidriges Verwaltungshandeln gehörte die Möglichkeit, ein strafgerichtliches Verfahren bei Vorliegen eines strafrechtlich relevanten Verhaltens der Amtspersonen, ein Disziplinarstrafverfahren oder ein Ordnungswidrigkeitenverfahren einzuleiten.231 Ungeachtet dessen war die Staatsanwaltschaft nicht in der Lage ihren umfänglichen Kontrollauftrag zu bewältigen. Ursächlich war mit Sicherheit die enorme Ausdehnung der Kontrollgegenstände, die angesichts eines totalen Regimes in alle Bereiche der Staatsverwaltung und Wirtschaft sowie Kultur und Gesellschaft hinein­reichte. Der Maßnahmecharakter der Gesetze bedingte einen fehlenden Kontrollmaßstab, der juristisch präzise fassbar gewesen wäre, und zwang die Staatsanwaltschaft dazu, Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit abzuwägen. Dafür fehlten ihr allerdings die sachlichen Voraussetzungen.232

227

Meder, VerwArch 53 (1962), S. 255 (261). Bilinsky, JOR 1972, Bd. XIII/1, S. 77 (85). 229 Dazu Mögelin, Die Transformation von Unrechtsstaaten in demokratische Rechtsstaaten, 2003, S. 186. 230 Buchholz, FischersZ 1931, Bd. 67, S. 1 (34). 231 Meder, VerwArch 53 (1962), S. 255 (260 f.). 232 So Brunner, in: Kipp/Mayer/Steinkamm (Hrsg.), Um Recht und Freiheit, 1977, S. 103 (106). 228

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2. Kap.: Historischer Überblick

d) Errichtung von Arbitragekommissionen In den zwanziger Jahren kam es mit der NÖP zu einer gewissen Liberalisierung. Zur Lösung von Konflikten zwischen staatlichen Wirtschaftseinheiten, die in der stark zentralistisch organisierten Volkswirtschaft nicht selbstständig agierten, wurden 1922 zunächst Arbitragekommissionen geschaffen. Diese wiederum wurden Ende 1929 zu den Staatlichen Arbitragekommissionen beim Rat für Arbeit und Verteidigung. Zu ihren Aufgaben gehörte neben der „Entscheidung von Streitigkeiten zwischen staatlichen Wirtschaftseinheiten“ auch die „Umgestaltung von Leistungsbeziehungen im Wirtschaftsverkehr“.233 Nach Verabschiedung des ersten Fünfjahresplans 1928 und dem Ende der NÖP 1931 wurden die Arbitragekommissionen wieder aufgelöst.234 e) Gerichtsähnliche Institutionen Eine Parallele zu den Gemischten Behörden der Zarenzeit stellten vereinzelte „gerichtsähnliche Organe“ dar, die mit der Entscheidung bestimmter verwaltungsrechtlicher Streitigkeiten betraut wurden. Die wichtigsten dieser gerichtsähnlichen Institutionen waren die „gerichtlichen Bodenkommissionen“ („semelnyje sudebnyje komissii“), die Verwaltungsrechtler der zwanziger Jahre oftmals als „echte Formen der Verwaltungsgerichtsbarkeit“ auffassten.235 Diese wurden 1922 gegründet und ihre Zuständigkeit lag in Sachen der Bodenordnung und -nutzung. Da der gesamte Grund und Boden zu jener Zeit verstaatlicht war und den Bauern nur die Möglichkeit der unentgeltlichen Nutzung eingeräumt wurde, waren diese Streitigkeiten überwiegend öffentlich-rechtlicher Natur. Alle Entscheidungen der Bodenverwaltung konnten vor der gerichtlichen Bodenkommission angefochten werden. Den häufigsten Fall stellte der Entzug des Nutzungsrechts dar, der einer Ent­eignung gleichkam. Bei diesen Entscheidungen befand die Bodenkommission­ zugleich über die Höhe der Entschädigung.236 Auf diesem Gebiet war die Zuständigkeit der Bodenkommission ausschließlich, das Verfahren richtete sich nach Normen des Zivilprozesses und war demnach gerichtsförmig ausgestaltet. Dennoch gewährleistete die starke Verflechtung mit der Exekutive keinerlei richterliche Unabhängigkeit. Die Bodenkommissionen wie-

233 Ausführlich dazu Stampe, Der Funktionsbereich der russischen Wirtschaftsgerichtsbarkeit, 2000, S. 4 f. 234 Roggemann, Die Zivilprozeßordnung der RSFSR, 1965, S. 32. 235 Brunner, in: Kipp/Mayer/Steinkamm (Hrsg.), Um Recht und Freiheit, 1977, S. 103 (116). 236 Bilinsky, JOR 1972, Bd.  XIII/1, S.  77 (83); Brunner, in: Kipp/Mayer/Steinkamm (Hrsg.), Um Recht und Freiheit, 1977, S. 103 (116 f.); Starilow, Administratiwnaja justizija:­ teorija, isto­rija, perspektiwy [Die Verwaltungsjustiz: Theorie, Geschichte und Perspektiven], 2001, S. 7.

B. Entwicklung der Verwaltungsgerichtsbarkeit

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sen einen dreistufigen Behördenaufbau mit einem „Besonderen Kollegium für die Oberste Kontrolle über Bodenstreitigkeiten“ an der Spitze auf. Dieses Kollegium war für Kassationsbeschwerden und die Aufsicht über alle Kommissionen auf der Bezirks- und Gebietsebene zuständig.237 Die verschiedenen gemischten Gremien gingen im Zuge der Neuen Ökonomischen Politik unter. Auch die gerichtlichen Bodenkommissionen fielen der Zwangskollektivierung der Landwirtschaft zum Opfer. Die Aufgaben und Kompetenzen wurden zum einen von den Bodenbehörden, zum anderen von den ordentlichen Gerichten übernommen. Die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte beschränkte sich lediglich auf zivilrechtliche Streitigkeiten über die Bodennutzung. Die Verwaltungsakte, die Sachen der Bodenordnung betrafen, konnten künftig nur im verwaltungsinternen Beschwerdeverfahren angefochten werden.238 3. Stalin-Diktatur Nach den Jahren des Kriegskommunismus herrschte ein verhältnismäßig freier wissenschaftlicher Diskurs, der auf die Entfaltung der sowjetischen Rechtslehre im Zuge der NÖP zurückging.239 Anfang der dreißiger Jahre begann allerdings Stalin, der seit 1922 das Amt des ersten Parteisekretärs Russlands und der späteren UdSSR innehatte, mit der systematischen Errichtung einer totalitären Diktatur und der Einführung der Planwirtschaft.240 Gegner des Systems, d. h. „Gutsbesitzer, Kapitalisten, Kulaken, Schädlinge, Spione, alle […] Söldlinge der kapitalistischen Unterwelt“241 wurden in Schauprozessen der Jahre 1936–1938 zum Zwecke der politischen Säuberung („tschistka“) in die sibirischen Arbeitslager („GULag“) verschleppt.242 Die sowjetische Rechtswissenschaft war mit ihren zuvor vollzogenen Entwicklungen dem nicht mehr zweckdienlich.243 Nun wurden die Reden und Arbeiten Stalins, die insbesondere von Wyschinskij in nahezu „großinquisitorischer“ Manier244 ausgelegt wurden, für die sowjetische Rechtslehre richtungsweisend und

237

Ausführlich dazu Brunner, in: Kipp/Mayer/Steinkamm (Hrsg.), Um Recht und Freiheit, 1977, S. 103 (117). 238 Brunner, in: Kipp/Mayer/Steinkamm (Hrsg.), Um Recht und Freiheit, 1977, S. 103 (119); Starilow, Administratiwnaja justizija: teorija, istorija, perspektiwy [Die Verwaltungsjustiz: Theorie, Geschichte und Perspektiven], 2001, S. 7. 239 Geilke, Einführung in das Sowjetrecht, 2. Aufl., 1983, S. 76. 240 Dazu Schröder, IpB, 2003, Heft 281, S. 8 (11). 241 ZK der KPdSU (Hrsg.), Geschichte der Kommunistischen Partei der Sowjetunion (Bolschewiki), 1945, S. 4. 242 Diesen „Säuberungsaktionen“ fiel nahezu die gesamte militärische und politische Elite zum Opfer. Schröder, IpB, 2003, Heft 281, S. 8 (11 f.) 243 Geilke, Einführung in das Sowjetrecht, 2. Aufl., 1983, S. 76. 244 Ausführlich zur Person Wyschinskijs vgl. Holm, Die Zeit, Nr. 34 vom 26.08.1954, abrufbar unter: http://www.zeit.de/1954/34/Dr-jur-Andrej-J-Wyschinskij (Stand: 31.12.2011).

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2. Kap.: Historischer Überblick

Kritiker zu Volksfeinden.245 Die Debatte um die Einführung einer gerichtlichen Verwaltungskontrolle verstummte schlagartig. In der Zeit der totalitären stalinistischen Diktatur wurden Mitteilungen und­ Beschwerden gegen die Verwaltungsbehörden von der Bevölkerung mehr als Denunziationen empfunden, weniger als ein legitimes Mittel des Rechtsschutzes. Vielmehr hing der Erfolg dieser privaten Rechtsmittel davon ab, ob die Führung des Staates die Absicht hatte, die Mitteilungen und Beschwerden gegen politische Gegner einzusetzen.246 So ist davon auszugehen, dass zu Zeiten des sog. Personenkults der Missbrauch von Popularbeschwerden durch die Staatsführung nicht nur gebilligt, sondern eher angeregt wurde, um mittels bewusst falscher Anschuldigungen gegen politisch unerwünschte Funktionäre vorzugehen.247 Im Jahre 1936 wurde die sog. Stalin-Verfassung verabschiedet, mit der keinerlei Grundlage für einen Verwaltungsrechtsschutz des Bürgers geschaffen wurde. Zumindest wurde am 11. April 1937 eine Verordnung erlassen, welche administrative Vollstreckungsmaßnahmen in das Vermögen zur Beitreibung von staatlichen und örtlichen Steuern, Pflichtversicherungsbeiträgen, Pflichtablieferungen von Naturalien sowie von gegen Kolchosen, handwerklich-gewerbliche Genossenschaften und einzelne Bürger verhängten Geldstrafen

einer Bestätigung durch das Gericht unterwarf.248 Einzelne Rechtswissenschaftler249 sahen in dieser Verordnung die Möglichkeit, die in den zwanziger Jahren­ geführte Debatte über einen gerichtlichen Verwaltungsrechtsschutz wieder aufzunehmen. Sie konnten sich allerdings nicht gegen die resistente herrschende Lehre durchsetzen, die eine Verwaltungsgerichtsbarkeit strikt ablehnte.250 Jeder förderlichen Diskussion und in weiten Teilen auch freien Meinungsäußerung war für viele Jahre der Boden entzogen.251

245 Zum Selbstverständnis der sozialistischen Staats- und Rechtsordnung ausführlich Mögelin, Die Transformation von Unrechtsstaaten in demokratische Rechtsstaaten, 2003, S. 158 ff.; vgl. außerdem Geilke, Einführung in das Sowjetrecht, 2. Aufl., 1983, S. 77 f.; Kuss, Die Verwaltung 1985, S. 437 (446 ff.). 246 Meder, VerwArch 53 (1962), S. 255 (263). 247 Meder, VerwArch 53 (1962), S. 255 (274). 248 Kuss, JOR 1987, Bd. XXVIII/2, S. 271 (272); Kuss, Die Verwaltung 1985, S. 437 (451 f.); Kuss, ROW 1985, S. 128 (130). 249 Darunter Polumordwinow, SGiP 1947, Nr. 5, S. 48 ff. 250 Kuss, JOR 1987, Bd. XXVIII/2, S. 271 (272). 251 Geilke, Einführung in das Sowjetrecht, 2. Aufl., 1983, S. 78.

B. Entwicklung der Verwaltungsgerichtsbarkeit

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4. Tauwetter-Periode a) Zustand der Rechtslehre Nach dem Tod Stalins 1953 folgte eine nach dem gleichnamigen Roman von Ehrenburg benannte „Tauwetter-Periode“, eine Phase der zunehmenden Auflockerung und Entstalinisierung. Die aufkommende Liberalisierung machte sich auch in der Rechtswissenschaft bemerkbar. Die russischen Verwaltungswissenschaftler begannen zunehmend, das bestehende System kritisch zu betrachten. aa) Wiederaufleben der Diskussion Es wurden vereinzelt Stimmen laut, die die Einführung von Verwaltungsgerichten forderten. Nach Schargorodskij kann und muss nur ein System der Verwaltungsgerichte […] auf Beschwerde interessierter Personen und Organisationen über alle Verletzungen der Gesetzlichkeit befinden, das verletzte Recht wiederherstellen und Verwaltungsstrafen nicht nur gegen Organe und Institutionen, sondern auch gegen die unmittelbar schuldigen Personen verhängen […] [sowie] die Gesetzlichkeit im Fall der Verletzung der Rechte der Bürger effektiv sicherstellen.252

Andere gaben sich mit einer Erweiterung der Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte bei Verwaltungsstreitigkeiten zufrieden.253 Die herrschende sowjetische Lehre sah weiterhin kein Erfordernis für die Einführung von Verwaltungsjustiz und des Verwaltungsprozesses in der Sowjetunion.254 Die wissenschaftliche Debatte wurde dennoch belebt, was aber nichts an der Rechtspraxis zu ändern vermochte. Diese bestand darin, dass die ordentlichen Gerichte einige Funktionen255 der Verwaltungsgerichtsbarkeit übernahmen. Und das, obwohl die Gerichte grundsätzlich keine Aufsicht über die Verwaltungstätigkeit hatten und auch über Verwaltungsakte weder entscheiden noch diese aufheben oder aussetzen konnten.256

252

Schargorodskij, in: Alekseev/Sluzkij/Schargorodskij (Hrsg.), Woprosy ugolownogo prawa: Uchenye sapiski Leningradskogo gosudarstwennogo uniwersiteta, N  202 [Fragen des Strafrechts und -prozesses: Lehraufzeichnungen der Leningrader Universität, Nr. 202], 1956, S. 3 (20). Deutsche Übersetzung: Bilinsky, JOR 1972, Bd. XIII/1, S. 77 (98). 253 Näheres zu den bestehenden Zuständigkeiten der ordentlichen Gerichte unter 2. Kapitel, B. III. 4. c). 254 Bilinsky, JOR 1972, Bd. XIII/1, S. 77 (98). Siehe auch Ausführungen unter 2.  Kapitel, B. III. 4. a). 255 Zu den einzelnen Ausnahmen wie z. B. Klagen gegen die Unrichtigkeit von Wählerlisten oder Klagen gegen die rechtswidrige Ausstellung von Wohnraumzuweisungen vgl. Bilinsky, JOR 1972, Bd. XIII/1, S. 77 (83 f.). 256 Bilinsky, JOR 1972, Bd. XIII/1, S. 77 (83) m. w. N.

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2. Kap.: Historischer Überblick

bb) System der subjektiven Rechte Mit dem Beginn der sechziger Jahre erfuhr der Staatsbegriff eine Wandlung. Als Organ der Volksmacht wurde die Rolle des Staates in der Unterstützung der Gesellschaft bei der Durchführung sozialer und ökonomischer Prozesse und dem Aufbau des Kommunismus gesehen. Weiter bestanden die Funktionen des Staates im Schutz der Freiheit und Gleichheit der Bürger sowie der Rechtsordnung, in der Verteidigung und der Außenpolitik. Der Schutz der Freiheit und Gleichheit der Bürger ist besonders hervorzuheben, bedeutet das doch eine wichtige Weiter­entwicklung im Vergleich zum Staatsbegriff257 bei Stalin. Für die sowjetische Verwaltungsgerichtsbarkeit liegt hier gleichermaßen die staatstheoretische Grundlage.258 Die Rechtswissenschaft fand ihren Ansatz für die Entwicklung des Schutzes der Rechte und Interessen der Bürger in der kritischen Auseinandersetzung mit der Missachtung der Gesetze während der Stalin-Ära und der These der „ständigen Verschärfung des Klassenkampfes“,259 die eine derartige Nichtbeachtung recht­ fertigen sollte.260 Nach 1956 erfolgte eine Rückbesinnung auf den Begriff der subjektiven Rechte der Bürger („subjektiwnyje prawa graschdan“), der zuletzt Ende der zwanziger Jahre verwendet worden war. Nach Ketschekjan treffen in einer Vielzahl von­ Fällen die Verpflichtungen von Amtspersonen und Institutionen, also insgesamt die Verpflichtungen des Staates, auf die subjektiven Rechte der Bürger261. Der sowjetischen Rechtstheorie gelang durch die Schaffung einer Rechtsbeziehung­ zwischen Staat und Bürger eine entscheidende Weiterentwicklung. Im Gegensatz zur Stalin-Ära sah man in den Grundrechten262 nicht die Teilhabeposition, sondern den gegen den Staat bestehenden persönlichen Anspruch des Bürgers.263

257

Zum Staatsbegriff unter Stalin ausführlich Kuss, Die Verwaltung 1985, S. 437 (446 ff.). Kuss, Die Verwaltung 1985, S. 437 (453). 259 Ost-Probleme 1956, Nr. 19, S. 699 f.: „In ein unerschütterliches Dogma verwandelt wurde die von J. W. Stalin im Jahre 1937, also nach dem Siege des Sozialismus, ausgegebene falsche These, daß der Klassenkampf sich nach Maßgabe unserer Erfolge immer mehr verschärfen werde. […] Diese Schlußfolgerung diente als ‚theoretische‘ Begründung für Verletzungen der sozialistischen Gesetzlichkeit, die stattgefunden haben.“ 260 Kuss, Die Verwaltung 1985, S. 437 (454). 261 Ketschekjan, Prawootnoschenija w sozialistitscheskom obschestwe [Rechtsbeziehungen in der sozialistischen Gesellschaft], 1958, S. 68. 262 Zur ausführlichen Grundrechtediskussion der siebziger Jahre in der Sowjetunion vgl. Blankenagel, JOR 1976, Bd. XVII/2, S. 27 ff.; Luchterhandt, Entwicklung und Schwerpunkte der ­sowjetischen Grundrechtsdiskussion, 1977, S.  6 ff.; Kuss, Die Verwaltung 1985, S.  437 (456 f.). 263 Kuss, Die Verwaltung 1985, S. 437 (455 f.). 258

B. Entwicklung der Verwaltungsgerichtsbarkeit

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b) Institut der Verwaltungsbeschwerde Dem behördlichen Beschwerdeverfahren kam in der Sowjetunion eine besondere Bedeutung zu. Die Regelungen bezüglich des Beschwerdeverfahrens aus den dreißiger Jahren264 wurden zwar für veraltet gehalten, fanden aber dennoch bis 1968 Anwendung. Am 12. April 1968 verabschiedete das Präsidium des Obersten Sowjets der UdSSR den Erlass „Über das Verfahren der Bearbeitung von Vorschlägen, Eingaben und Beschwerden der Bürger“,265 durch den die bisherige Rechtslage im Großen und Ganzen verankert wurde.266 Dessen ungeachtet veranlasste die Einführung des Erlasses einige Rechtswissenschaftler dazu, diesen Normativakt als die Einführung eines Verwaltungsprozesses zu verstehen.267 Insgesamt blieb der Rechtsbehelf in der Praxis weiterhin wenig wirkungsvoll, da entweder die Beschwerden überhaupt nicht, verspätet oder ohne die Angabe von Gründen beschieden wurden. Auch im Falle einer zumindest ordentlichen Antwort auf die Beschwerde, wurde dieser oft nicht abgeholfen.268 c) Verwaltungsrechtsschutz vor den Zivilgerichten Anfang der sechziger Jahre wurde der gerichtliche Verwaltungsrechtsschutz eingeschränkt nun vor den ordentlichen Gerichten gewährt. Art. 25 Abs. 1 Nr. 3 der Zivilprozessordnung der Russischen Sozialistischen Föderativen Sowjet­repu­ blik (ZPO RSFSR)269 von 1964 eröffnete den Zivilrechtsweg im Grundsatz auch für „aus verwaltungsrechtlichen Beziehungen resultierende Angelegenheiten“, reduzierte ihn jedoch zugleich auf die in Art.  231 ZPO  RSFSR aufgezählten Fallgruppen:

264

Ausführlich siehe oben 2. Kapitel, B. III. 2. b). Ukas Presidiuma Werchownogo Sowjeta SSSR ot 12.04.1968, N 2534-VII „O porjadke rassmotrenija predloschenij, sajawlenij i schalob graschdan“ [Ukas des Präsidiums des Obersten Sowjets der UdSSR vom 12.04.1968, Nr.  2534-VII „Über das Verfahren der Bearbeitung von Vorschlägen, Eingaben und Beschwerden der Bürger“], WWS SSSR 1968, Nr. 17, Pos. 144. 266 Hier sei auf die Ausführungen unter 2. Kapitel, B. III. 2. b) verwiesen sowie Bilinsky, JOR 1972, Bd. XIII/1, S. 77 (91). Vor Inkraftreten der Beschwerdeordnung war das Beschwerde­ verfahren in verschiedenen gesetzlichen Regelungen, unionsrechtlich wie auch republiksrechtlich, normiert, sodass die Regeln oftmals analog auf die einzelnen Verwaltungsorgane angewendet werden mussten. Brunner, Berichte des Bundesinstituts für ostwissenschaftliche und interna­tionale Studien, Nr. 55/1968, S. 7. 267 Bilinsky, JOR 1972, Bd. XIII/1, S. 77 (104). 268 Vgl. dazu auch 2. Kapitel, B. III. 2. b) cc) sowie Hastrich, Osteuropa-Recht 1972, S. 225 (245) m. w. N. 269 Graschdanskij prozessualnyj kodeks RSFSR ot 11.06.1964 [Zivilprozesskodex der RSFSR vom 11.06.1964], WWS RSFSR 1964, Nr. 24, Pos. 407. Deutsche Übersetzung: Roggemann, Die Zivilprozeßordnung der RSFSR, 1965, S. 74 ff. 265

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2. Kap.: Historischer Überblick

(1) Klagen gegen Unrichtigkeit von Wählerlisten, (2) Klagen gegen Handlungen von Verwaltungsorganen, (3) Verfahren zur Beitreibung von Steuer-, Abgaben- oder Pflichtversicherungsrückständen.270 Für diese Streitkategorien stellte die ZPO  RSFSR in den Art.  233–244 spezielle Verfahrensvorschriften zur Verfügung, welche nun systematisch unter dem Begriff Verwaltungsrechtsstreitigkeiten („proiswodstwo po delam wosnikajuschtschim is administratiwno-prawowych otnoschenij“)271 zusammengefasst wurden.272 Zu den in der ZPO RSFSR nach dem Enumerationsprinzip bestimmten Zuständigkeiten kamen Tatbestände aus Spezialgesetzen oder dem Zivilgesetzbuch hinzu. Die in der Praxis bedeutsamsten Fallgruppen bildeten die Wohnungszwangsbewirtschaftung, Verwaltungsstraf­sachen sowie Staatshaftungs­ange­ legenheiten.273 Besonders zu erwähnen ist „eine Art richterlicher Normenkontrolle“ innerhalb der Zivilgerichte im Rahmen ihrer Entscheidungskompetenz gem. Art. 25 Abs. 1 Nr. 3 ZPO RSFSR.274 Art. 10 Abs. 1 ZPO RSFSR verpflichtete die Gerichte auch zur ­Anwendung von Normativakten anderer Organe der Staatsgewalt und der staatlichen Verwaltung, die diese in den Grenzen ihrer Zuständigkeit erlassen hatten. Daraus wurde ein Prüfungsrecht von nicht gesetzesrangigen Normen durch die Zivilgerichte gegenüber den Behörden hergeleitet.275 Das gerichtliche Verfahren wurde durch eine Klage des Bürgers eingeleitet und auf der Grundlage der zivilprozessualen Verfahrensprinzipien verhandelt,276 zu denen Öffentlichkeit, Unmittelbarkeit und Mündlichkeit von Verhandlung, Beweiserhebung sowie Gleichstellung der Parteien gehörten.277 Die Klage war an das unterste ordentliche Gericht, das Volksgericht, zu richten. Im Gegensatz zum

270 Zu den einzelnen Streitkategorien vgl. Kuss, AöR 111 (1986), S. 128 (131 ff.); ferner Westen, Die Entwicklung des sowjetischen Zivil- und Zivilprozessrechts seit Stalins Tod, 1963, S. 19; Brunner, in: Meissner/Brunner (Hrsg.), Gruppeninteressen und Entscheidungsprozess in der Sowjetunion, 1975, S. 91 ff.; Komissarow, Sowetskij graschdanskij prozess [Sowjetischer Zivilprozess], 1978, S. 285 ff. 271 Wörtlich: „Verfahren in aus verwaltungsrechtlichen Rechtsverhältnissen resultierenden Angelegenheiten“. 272 Chomjakow, Administratiwnyj sud w Rossijskoj Federazii [Verwaltungsgericht in der Russischen Föderation], 2001, Rn. 5.2; Ginsburgs, Osteuropa-Recht 1968, S. 1 (5 ff.). 273 Ginsburgs, Osteuropa-Recht 1968, S.  1  (3 ff.); Brunner, in: Kipp/Mayer/Steinkamm (Hrsg.), Um Recht und Freiheit, 1977, S. 103 (104); Kuss, AöR 111 (1986), S. 128 (130). 274 Dazu Roggemann, Die Zivilprozeßordnung der RSFSR, 1965, S. 41 m. w. N. 275 Roggemann, Die Zivilprozeßordnung der RSFSR, 1965, S. 41. 276 Westen, Die Entwicklung des sowjetischen Zivil- und Zivilprozessrechts seit Stalins Tod, 1963, S. 19 f. 277 Ausführlich zum erstinstanzlichen Gerichtsverfahren vor den ordentlichen Gerichten vgl. Roggemann, Osteuropa-Recht 1967, S. 1 (2 ff.).

B. Entwicklung der Verwaltungsgerichtsbarkeit

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deutschen Zivilrichter war der sowjetische Volksrichter verpflichtet, „sich nicht auf vorgelegte Materialien und Erklärungen zu beschränken“ (Art.  14 Abs.  1 ZPO RSFSR), sondern den streiterheblichen Sachverhalt umfassend zu ermitteln und ggf. aus eigener Initiative Beweise zu erheben (Art. 50 Abs. 2 ZPO RSFSR).278 Den Hauptanwendungsfall stellten Klagen gegen Maßnahmen im Verwaltungszwangsverfahren dar. Lediglich die Vollstreckung weniger öffentlich-rechtlicher Forderungen unterlag hier der beschränkten gerichtlichen Kontrolle.279 Fortschrittlich war in diesem Bereich Ende der zwanziger Jahre die Ukraine, „wo das rechtsstaatliche Bewußtsein traditionell stärker ausgeprägt war als in Rußland“.280 Dort konnten die Bürger gem. Art. 158 des Verwaltungskodexes der Ukrainischen SSR vom 12.  Oktober 1927281 alle wichtigen Vollstreckungsmaßnahmen, mit Ausnahme von Forderungen steuerrechtlicher Natur, anfechten.282 In der Russischen Sozialistischen Föderativen Sowjetrepublik konnte sich diese für den Bürger weitreichende Regelung nicht durchsetzen. d) Staatsarbitrage Aus einem mehrgliedrigen System von Arbitragekommissionen283 entstanden im Frühjahr 1931 Organe der Staatsarbitrage.284 Diese hatten im sowjetischen Gerichtssystem die Aufgabe, Streitigkeiten zwischen unterschiedlichen Staatsbetrieben wie Kolchosen, Sowchosen und Kombinaten beizulegen. Dabei ging es in erster Linie um Planerfüllung und nicht um Konflikte des freien Wettbewerbs. Die Staatsarbitrage der Sowjetunion war ermächtigt, Verfahren von Amts wegen einzuleiten und somit nicht an die Anträge der Parteien gebunden. Auf diese Weise war sie mit weitreichenden Kontroll- und Regelungskompetenzen ausgestattet. Angesichts der Bildung und Kontrolle durch vollziehende und ver 278 Kuss, AöR 111 (1986), S. 128 (130). Das entspricht dem in § 68 Abs. 1 VwGO normierten Prinzip der Amtsermittlung des deutschen Verwaltungsprozesses. 279 Brunner, in: Kipp/Mayer/Steinkamm (Hrsg.), Um Recht und Freiheit, 1977, S. 103 (115 f.) m. w. N. 280 Brunner, in: Kipp/Mayer/Steinkamm (Hrsg.), Um Recht und Freiheit, 1977, S. 103 (116). 281 Administratiwnjy Kodeks USSR ot 12.10.1927 [Verwaltungskodex der USSR vom 12. Oktober 1927], SUiR USSR 1927, Nr. 63–65, Pos. 239–240. Der Verwaltungskodex regelte viele Bereiche, wie z. B. Verwaltungsstrafen, die Staatsbürgerschaft, die Religion, die Kontrolle der Industrie und des Handels sowie das Beschwerderecht gegen Maßnahmen der Verwaltung. Dazu Starilov, Osteuropa-Recht 2003, S. 397 (405); Karadshe-Iskrow, JöR 23 (1936), S. 136 (144). 282 Brunner, in: Kipp/Mayer/Steinkamm (Hrsg.), Um Recht und Freiheit, 1977, S. 103 (116). 283 Vgl. oben 2. Kapitel, B. III. 2. d). 284 Näher dazu Schakarjan (Hrsg.), Arbitrasch w SSSR [Die Staatsarbitrage in der UdSSR], 1981, S. 61 ff.; Schaljupa/Donde, Gosudarstwennaj arbitrasch w SSSR [Die Staatsarbitrage in der UdSSR], 2. Aufl., 1959, S. 28; Resch, Unternehmensrecht in Russland zwischen Privatisierung und Staatswirtschaft, 2006, S. 147; Abowa, GiP 2000, Nr. 9, S. 5 (6 f.).

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2. Kap.: Historischer Überblick

fügende Organe wie den Ministerrat sowie in Anbetracht des stark administrativ geprägten Aufgabenbereichs wurde die sowjetische Arbitrage überwiegend nicht als Gerichtsbarkeit, sondern als Verwaltungsorgan mit Streitentscheidungsaufgaben eingeordnet.285

IV. Zusammenbruch der Sowjetunion 1. Neuregelung des Beschwerdeverfahrens Die UdSSR besaß bis 1987 kein Verwaltungsgerichtsgesetz. Nur ausgewählte Akte der Exekutive konnten im Rahmen des Zivilprozesses überprüft werden.286 Zwar sah eine Bestimmung in Art.  58 der sowjetischen Verfassung von 1977287 (Verf UdSSR)288 das Recht des Einzelnen vor, seine Ansprüche gegen den Staat wegen Verletzung in eigenen Rechten gerichtlich durchzusetzen.289 Doch blieb dies für ein Jahrzehnt lang lediglich Deklaration.290 Mit den Reformen durch Gorbatschow 1987 wurde von der Ermächtigung des Art. 58 Verf UdSSR Gebrauch gemacht und das Gesetz „Über das Verfahren der gerichtlichen Anfechtung rechtswidriger und die Rechte der Bürger verletzender Handlungen von Amtspersonen“ vom 30. Juni 1987 (Gesetz „Über das Verfahren

285 Bilinsky, Das sowjetische Wirtschaftsrecht, 1968, S. 399; Pistor, Review of Central and East European Law 1996, No. 1, S. 55 (68); Jessel, Die sowjetische Wirtschaftsarbitrage, 1974, S. 138 ff. 286 Wie bereits oben unter 2. Kapitel, B. III. 4. c). 287 Konstituzija (Osnownoj Sakon) Sojus Sowetskich Sozialistitscheskich Respublik ot 07.10.1977 [Verfassung (Grundgesetz) der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken vom 07.10.1977], WWS SSSR 1977, Nr. 41, Pos. 617. 288 Art.  58 der Verfassung der UdSSR vom 07.10.1977 lautete: „Die Bürger der UdSSR haben das Recht, gegen Handlungen von Amtsträgern, staatlichen und gesellschaftlichen Organen Beschwerde einzulegen. Die Beschwerden müssen in den gesetzlich festgelegten Verfahren fristgemäß geprüft werden. Handlungen von Amtsträgern, die unter der Verletzung eines Gesetzes oder Überschreitung von Amtsbefugnissen Rechte der Bürger beeinträchtigen, können im gesetzlich festgelegten Verfahren vor Gericht angefochten werden. Die Bürger der UdSSR haben das Recht auf Ersatz des Schadens, der ihnen durch ungesetzliche Handlungen staatlicher und gesellschaftlicher Organisationen oder auch von Amtsträgern bei der Ausübung ihrer Dienstpflichten zugefügt worden ist.“ Hartwig, in: Luchterhandt (Hrsg.), Verwaltung und Verwaltungsrecht im Erneuerungsprozess Osteuropas, 2001, S. 345 (347), Fn. 7; Nikiforow, Administratiwno-prawowyje spory w sudach obschtschej jurisdikzii [Die verwaltungsrechtlichen Streitigkeiten vor den ordentlichen Gerichten], 2004, S. 60. 289 Dazu Smirnowa, Stanowlenije i raswitije administratiwnoj justizii w Rossijskoj Federazii [Entstehung und Entwicklung der Verwaltungsjustiz in der russischen Föderation], 2007, S. 64; Chamanewa, Saschtschita praw graschdan w sfere ispolnitelnoj wlasti [Der Schutz der Bürgerrechte im Bereich der vollziehenden Gewalt], 1997, S. 88. 290 So auch Starilow, Administratiwnaja justizija: teorija, istorija, perspektiwy [Die Verwaltungsjustiz: Theorie, Geschichte und Perspektiven], 2001, S. 22.

B. Entwicklung der Verwaltungsgerichtsbarkeit

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der gerichtlichen Anfechtung“)291 verabschiedet.292 Blankenagel führt diese Verzö­ gerung auf die „Periode der Erstarrung“ zurück.293 Das nur zwölf Artikel umfassende Gesetz regelte alle zentralen Punkte wie Klage­ gegenstand, Klagebefugnis, sonstige Zulässigkeitsvoraussetzungen, Begründetheit der Klage und Rechtsmittel.294 Am 20.  Oktober 1987 beschloss der Oberste ­Sowjet eine Änderung des Gesetzes, die auch dem Bürger das Rechtsmittel der­ Berufung („kassazionnaja schaloba“)295 einräumte und zudem kleinere Novellierungen vorsah.296 a) Sachurteilsvoraussetzungen aa) Klagegegenstand Der Klagegegenstand war in Art. 1 Abs. 2, Art. 2 sowie Art. 3 des Gesetzes „Über das Verfahren der gerichtlichen Anfechtung“ nach der in Art. 1 Abs. 1 des Gesetzes aufgeführten Klagebefugnis normiert. Gem. Art.  1 Abs.  2 des Gesetzes konnten vor Gericht nur Handlungen angefochten werden, welche von einzelnen Amtspersonen im eigenen Namen oder im Namen des vertretenen Organs vorgenommen worden sind. Was das Gesetz unter dem Begriff der Amtsperson („dolschnostnoje lizo“) verstand, war nicht genau definiert. Die sowjetische Rechtslehre kannte keinen einheitlichen Beamtenbegriff.297 Zu den Amtspersonen gehörten die Leiter und operativen Mitarbeiter der Ab­teilungen und Verwaltungen innerhalb der lokalen Verwaltungsorgane, der sog. Exekutivkomitees,298 sowie alle Personen, die in Ausübung „organisatorisch-­ 291 Sakon SSSR ot 30.06.1987, N 7287-XI „O porjadke obschalowanija w sud neprawomern­ chych dejstwij dolschnostnych liz, uschtschemljajuschtschich prawa graschdan“ [Gesetz der UdSSR vom 30.06.1987, Nr.  7287-XI „Über das Verfahren der gerichtlichen Anfechtung rechtswidriger Handlungen von Amtspersonen, die Rechte der Bürger einschränken“], WWS SSSR 1987, Nr. 26, Pos. 388. Deutsche Übersetzung siehe dokumentarischer Anhang A. II. unter Berücksichtigung der durch Beschluss des Obersten Sowjets vom 20.10.1987 eingefügten Änderungen. Ausführlich dazu Kuss, AöR 115 (1990), S. 64 ff.; umfangreiche Analyse des Gesetzes bereits bei Kuss, JOR 1987, Bd. XXVIII/2, S. 274 ff. 292 Vgl. Mögelin, Die Transformation von Unrechtsstaaten in demokratische Rechtsstaaten, 2003, S. 185; Kuss, JOR 1987, Bd. XXVIII/2, S. 271; Chomjakow, Administratiwnyj sud w Rossijskoj Federazii [Verwaltungsgericht in der Russischen Föderation], 2001, Rn. 5.2; Schakarjan, Graschdanskij prozess [Der Zivilprozess], 1993, S. 317 f. 293 Blankenagel, Die Verwaltung 1989, S. 93 (95). 294 Sofern abweichend vom Zivilprozess. Blankenagel, Die Verwaltung 1989, S. 93 (96). 295 Im Russischen ist der Begriff „Kassationsbeschwerde“ üblich. 296 Starilow, Administratiwnaja justizija: teorija, istorija, perspektiwy [Die Verwaltungsjustiz: Theorie, Geschichte und Perspektiven], 2001, S. 22; Kuss, JOR 1987, Bd. XXVIII/2, S. 271 (291). 297 Ausführlich zum seinerzeitigen Stand der Diskussion zum Beamten- und Staatsangestelltenbegriff vgl. Bilinsky, ROW 1981, S. 41 (50 ff.). 298 Dazu Kuss, JOR 1987, Bd. XXVIII/2, S. 271 (275 ff.).

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2. Kap.: Historischer Überblick

verfügender Funktionen“ oder „staatlich-hoheitlicher Befugnisse“ mit Auswirkung auf den Bürger rechtlich handelten. Dies traf allerdings auch auf leitende Mitarbeiter im zentralen Staatsapparat, in Organisationen, Betrieben und Institutionen zu und ging damit weit über die lokalen Verwaltungsorgane hinaus.299 Ein Großteil der Entscheidungen wurde indes von Kollegialorganen getroffen.300 Die ganz beträchtliche Einschränkung des Kontrollumfangs auf die Anfechtung von Handlungen einzelner Amtspersonen bedeutete folglich, dass viele Entscheidungen der Verwaltung einer gerichtlichen Überprüfung entzogen waren. Der Verwaltung war so vom sowjetischen Gesetzgeber überdies die Möglichkeit geschaffen worden, Entscheidungen der gerichtlichen Kontrolle zu entziehen, indem diese einem Kollegialorgan übertragen wurden.301 Am 2. November 1989 wurde dieses Dilemma durch eine Gesetzesänderung beseitigt: Das Gesetz „Über das Verfahren der gerichtlichen Anfechtung“ sah nunmehr die Möglichkeit der Überprüfung von Handlungen der Verwaltungsorgane, d. h. auch der Kollegialorgane vor. Art. 2 des Gesetzes konkretisierte sodann die Handlungen, die der gerichtlichen Anfechtung unterlagen. Das waren solche Handlungen, die unter Verletzung eines Gesetzes oder Überschreitung von Kompetenzen Rechte der Bürger beeinträchtigten. Dies war dann der Fall, wenn die Handlungen den Bürger seiner Möglichkeit der Rechtsausübung vollständig oder teilweise beraubten oder den Bürger zu etwas verpflichteten. Die Regelung des Art.  2 umfasste in Anbetracht der unmittelbaren Regelung in den dort aufgeführten Fällen lediglich Einzelfallentscheidungen, also Verwaltungsakte nach deutschem Verwaltungsverständnis302. Die Verpflichtungsklage nach deutschem Verwaltungsprozessrecht war auf den ersten Blick nicht erfasst. Gleichwohl deuten einerseits die sowjetische Wahrnehmung subjektiver Rechte, die auf Beteiligung und Verteilung ausgerichtet war, sowie andererseits Art.  7 Abs. 2 des Gesetzes, wonach die Amtsperson zur Beseitigung der Rechtsverletzung verurteilte wurde, darauf hin, dass Art. 2 auf die Versagung bzw. Unterlassung begünstigender Entscheidungen ausgeweitet wurde.303 Der Klagegegenstand wurde zusätzlich durch den Vorrang spezialgesetzlich geregelter Anfechtungsverfahren (Art.  3 des Gesetzes) begrenzt. Das Gesetz kam 299

So Kuss, JOR 1987, Bd. XXVIII/2, S. 271 (281) m. w. N. Starilow, Administratiwnaja justizija: teorija, istorija, perspektiwy [Die Verwaltungs­ justiz: Theorie, Geschichte und Perspektiven], 2001, S. 22. Ausführliche Aufzählung von Einzel- und Kollegialorganen Kuss, JOR 1987, Bd. XXVIII/2, S. 271 (276 f.). 301 Blankenagel, Die Verwaltung 1989, S. 93 (98); Kuss, JOR 1987, Bd. XXVIII/2, S. 271 (277 ff.). 302 Das sowjetische Verwaltungsrecht kannte keine so detailliert ausgeprägte Rechtsformenlehre wie das deutsche Verwaltungsrecht. Vgl. Smirnowa, Stanowlenije i raswitije administratiwnoj justizii w Rossijskoj Federazii [Entstehung und Entwicklung der Verwaltungsjustiz in der russischen Föderation], 2007, S. 64. 303 So Blankenagel, Die Verwaltung 1989, S. 93 (99). 300

B. Entwicklung der Verwaltungsgerichtsbarkeit

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dann nicht zur Anwendung, wenn andere Anfechtungsverfahren zur Verfügung standen.304 Die Angelegenheiten der Sicherstellung der Verteidigungsfähigkeit des Landes und der Staatssicherheit blieben ebenfalls außerhalb der gerichtlichen Kontrolle. bb) Klagebefugnis Gem. Art. 1 Abs. 1 des Gesetzes „Über das Verfahren der gerichtlichen Anfechtung“ war der Bürger befugt, den gerichtlichen Klageweg zu beschreiten, wenn er der Ansicht war, durch die Handlung einer Amtsperson in seinen Rechten beeinträchtigt worden zu sein. Für die Erhebung der Klage hatte der sowjetische Gesetzgeber auf das klassische Konzept des subjektiven Rechtsschutzes von Bähr und Gneist zurückgegriffen, wonach der Kläger die Verletzung eines subjek­tiven Rechts geltend machen muss.305 Die „Wahrnehmung einer Rechtsverletzung“ durch den Bürger stimmte mit dem Klägerhorizont der Möglichkeitstheorie306 im deutschen Verwaltungsprozessrecht überein.307 Ob für die Klagebefugnis eine Verletzung eines einfachgesetzlichen Rechts oder in der Verfassung niedergelegter Rechte ausreichte, beschäftigte mangels einer ausdrücklichen Regelung die damalige sowjetische Rechtslehre. Der direkte Anschluss der Klagebefugnisregelung an die Präambel (Abs. 1 und Abs. 3) des Ge­ setzes ließ den Schluss zu, dass Grundrechte und einfachgesetzliche Rechte die Klagebefugnis begründeten.308 cc) Anderweitige Sachurteilsvoraussetzungen Das Gesetz stellte mit der Novellierung vom 20.  Oktober 1987 dem Bürger frei, ob er ein verwaltungsinternes Vorverfahren durchführt oder sich direkt an das Gericht wendet, Art.  4 des Gesetzes „Über das Verfahren der gerichtlichen Anfechtung“. Diese Wahlmöglichkeit geht zurück auf den in Russland traditionell mangelnden Geist der Gewaltenteilung. Zudem werden verwaltungsinterne 304 Anfechtungsverfahren nach Straf- und Zivilprozess; der Gesetzgebung über das Verfahren der Überprüfung von Arbeitsstreitigkeiten; über Entdeckungen, Erfindungen und Rationalisatorenvorschläge; über Ordnungswidrigkeiten; über individuelle Arbeitstätigkeit oder sonstige Gesetzgebungsakte der Union oder Unionsrepubliken. 305 Kuss, JOR 1987, Bd. XXVIII/2, S. 271 (283); auch Blankenagel, Die Verwaltung 1989, S. 93 (96). 306 Dazu Kopp/Schenke, VwGO, Kommentar, 13. Aufl., 2003, § 42 Rn. 66. 307 Blankenagel, Die Verwaltung 1989, S. 93 (96 f.). 308 So Blankenagel, Die Verwaltung 1989, S. 93 (97); a. A. Kuss, JOR 1987, Bd. XXVIII/2, S. 271 (284); Kuss, AöR 115 (1990), S. 64 (73), der aus Art. 2 des Gesetzes folgert, dass die Grundrechte keine Klagebefugnis darstellten. Die sowjetische Lehre war sich in diesem Punkt unschlüssig.

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2. Kap.: Historischer Überblick

Beschwerde und gerichtliche Klage im Russischen gleichlautend Beschwerde („schaloba“) genannt.309 Die Klage musste gem. Art. 5 Abs. 1 des Gesetzes innerhalb eines Monats nach Kenntniserlangung von der rechtswidrigen Handlung oder nach Zugang des Verwaltungsaktes bzw. des Beschwerdebescheides eingelegt werden. Bei Fristversäumung aus triftigen Gründen konnte eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand angeordnet werden, Art. 5 Abs. 2 des Gesetzes.310 b) Begründetheit der Klage aa) Entscheidung des Gerichts Das Gericht fällte gem. Art. 7 Abs. 1 des Gesetzes „Über das Verfahren der gerichtlichen Anfechtung“ sein Urteil nach den Ergebnissen der Verhandlung. Folglich war das Gericht zu einer Entscheidung gezwungen und konnte die Klage nicht an die Verwaltung zur erneuten Entscheidung zurückverweisen, was zweifellos eine positive Regelung in Anbetracht des Usus beim behördlichen Beschwerdeverfahren311 bedeutete.312 Wurde die angefochtene Handlung der Amtsperson durch das Gericht für rechtswidrig befunden, so sprach es im Urteil die Verpflichtung der jeweiligen Amtsperson aus, die eingetretene Verletzung des Rechts des Bürgers zu beseitigen, Art. 7 Abs. 2 des Gesetzes. Anderenfalls wies das Gericht die Klage ab, Art. 7 Abs. 3 des Gesetzes. Nach Art. 7 Abs. 4 des Gesetzes waren der Bürger und das Gericht innerhalb eines Monats über die in Vollziehung des Gerichtsurteils ergriffenen Maßnahmen zu informieren. Wurde das Urteil nicht vollzogen, so konnte das Gericht die in der geltenden Gesetzgebung vorgesehenen Maßnahmen ergreifen, Art. 7 Abs. 5. Damit standen dem Gericht aufgrund der Verweisung in Art. 6 Abs. 1 des Gesetzes die Zwangsmittel des Zivilprozesses313 zur Verfügung.314 bb) Prüfungsumfang des Gerichts Die Überprüfungskompetenz der Gerichte beschränkte sich auf die Prüfung der Rechtmäßigkeit. Die sowjetische Rechtstheorie schloss die Zweckmäßigkeitsprüfung einer angefochtenen Amtshandlung gänzlich aus, da die Rechtsprechungs 309

So Kuss, JOR 1987, Bd. XXVIII/2, S. 271 (286 f.). Zur Frist im Detail Kuss, JOR 1987, Bd. XXVIII/2, S. 271 (287). 311 Dazu bereits oben unter 2. Kapitel, B. III. 2. b) und 4. b). 312 So Blankenagel, Die Verwaltung 1989, S. 93 (102). 313 Gem. Art. 406 ZPO RSFSR konnte das Gericht bei erstmaliger Untätigkeit der Behörde und jeder weiteren Fristüberschreitung ein Zwangsgeld anordnen. 314 Vgl. Kuss, JOR 1987, Bd. XXVIII/2, S. 271 (290 f.). 310

B. Entwicklung der Verwaltungsgerichtsbarkeit

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funktion der Gerichte nicht zu einer Verwaltungsfunktion werden dürfe. Dem­ gemäß waren Ermessensentscheidungen, die auf Erwägungen der Zweckmäßigkeit basierten, keiner gerichtlichen Kontrolle zugänglich. Der Verwaltungsrechtsschutz wurde in diesem Zusammenhang durch die Tatsache stark eingeschränkt, dass das materielle Recht eher eine „unscharfe“ als „präzise“ Grundlage des Verwaltungshandelns war.315 c) Prozessgrundsätze Im sowjetischen Verwaltungsprozess stand der Beschleunigungsgrundsatz im Vordergrund. Art.  6 Abs.  2 des Gesetzes „Über das Verfahren der gerichtlichen­ Anfechtung“ sah vor, dass die Klage durch das Gericht innerhalb von zehn ­Tagen verhandelt wurde, und zwar in öffentlicher Sitzung unter Teilnahme des Klägers und der Amtsperson, deren Handlung angefochten worden war. Zudem galt der Untersuchungsgrundsatz, wonach das Gericht den streitentscheidenden Sach­ verhalt umfassend ermitteln und gegebenenfalls aus eigener Initiative Beweise erheben musste (Art.  50 Abs.  2 ZPO  RSFSR). Nach Art.  6 Abs.  6 des Gesetzes konnte das Gericht Materialien der im Instanzenzug übergeordneten Amts­ personen oder Organe überprüfen, andere Personen anhören sowie notwendige Dokumente und sonstige Beweise erheben. Art. 6 Abs. 1 verwies explizit auf die Regeln des Zivilprozesses, sodass sich daraus auch für den Verwaltungsprozess die grundlegenden Prinzipien Öffentlichkeit, Unmittelbarkeit und Mündlichkeit von Verhandlung und Beweiserhebung, Gleichheit der Parteien, richterliche Unabhängigkeit sowie kurze Entscheidungsfristen ergaben.316 Die beim Gericht eingereichten Klagen der Bürger gegen Handlungen von Amtspersonen unterlagen gem. Art.  11 des Gesetzes keiner Gebührenpflicht. Hierbei ist der sowjetische Gesetzgeber dem ukrainischen Verwaltungsrechtler Schtscherbak dahingehend gefolgt, dass „es nicht logisch sei, wenn der Staat aus Rechtsverletzungen seiner Bediensteten Einkünfte erziele“317. Das Gericht konnte aber nach Art. 12 des Gesetzes die Erstattung von durch Verhandlung der Klage entstandenen Kosten – wenn es ein klageabweisendes Urteil erließ – dem Bürger oder – wenn sich die Handlung als ungesetzlich erwies – der Amtsperson auferlegen.

315

So Kuss, JOR 1987, Bd. XXVIII/2, S. 271 (289 f.). Vgl. Kuss, JOR 1987, Bd. XXVIII/2, S. 271 (287 f.) m. w. N. 317 Schtscherbak, Prawowaja otwetstwennost dolschnostnych liz apparata gosudarstwennogo uprawlenija [Die rechtliche Verantwortlichkeit der Amtspersonen des staatlichen Verwaltungsapparats], 1980, S. 128, zit. nach Kuss, JOR 1987, Bd. XXVIII/2, S. 271 (289). 316

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2. Kap.: Historischer Überblick

2. Einschätzung in der deutschen Rechtsliteratur Die Sicht der deutschen Rechtsgelehrten, die sich mit dem russischen Gesetz „Über das Verfahren der gerichtlichen Anfechtung“ befassten, war überwiegend positiv, die Kritik blieb gleichwohl nicht aus. Blankenagel betrachtete das Gesetz als eine ausdrückliche Entscheidung für den subjektiven Rechtsschutz, hielt es trotzdem für „kein besonders gutes Gesetz“. Im Vergleich zu anderen Verwaltungsgesetzen und unter Berücksichtigung des Entwicklungsstadiums der Verwaltungsgerichtsbarkeit wäre es auch „nicht schlechter“, zumal sich gezeigt hat, dass derartige Gesetze tatsächlich zu einer effektiven Verwaltungskontrolle fortentwickelt wurden.318 Das lässt sich auch in der deutschen Rechtsgeschichte319 erkennen. Die gerichtliche Kontrolle staatlichen Handelns muss eine Gesellschaft stets im Widerstreit mit dem politischen System durchsetzen, was in Deutschland mit Art. 19 Abs. 4 GG als Ergebnis ausgesprochen gut gelungen war. Entsprechende Maßstäbe durften zu jener Zeit allerdings nicht an das sowjetische Kontrollsystem angelegt werden.320 Für Blankenagel lag die Problematik der Kontrolleffizienz in Wirklichkeit im materiellen Recht. Die unzureichenden Anworten der Dogmatik auf Fragen wie gebundene Verwaltung oder Ermessensausübung und -fehler waren der Grund für die fehlende Leistungsfähigkeit des Kontrollmaßstabs.321 Die zahlreichen Mängel zeigte auch Kuss auf, der jedoch als Fazit eine positive Prognose bestärkt sah. Die sowjetische Staatsordnung würde sich von der „sozialistischen Gesetzlichkeit“ zum „sozialistischen Rechtsstaat“ entwickeln und damit den Weg hinter sich bringen, der von Westen im gleichnamigen Aufsatz als „Rußlands langer Marsch zur Herrschaft des Rechts“322 bezeichnet wurde.323 3. Bewertung durch die sowjetische Lehre Der Gelehrtenrat des Instituts für Staat und Recht bei der Akademie der­ Wissenschaften der UdSSR324 sah in der Einführung eines gerichtlichen Verwaltungsrechtsschutzes einen Fortschritt in der Entfaltung der sozialistischen Demo 318

Blankenagel, Die Verwaltung 1989, S. 93 (112). Dazu bereits oben 1. Kapitel, B. 320 So Blankenagel, Die Verwaltung 1989, S. 93 (110). 321 Blankenagel, Die Verwaltung 1989, S. 93 (110 f.). 322 Westen, Osteuropa-Recht 1984, S. 83 ff. 323 So Kuss, JOR 1987, Bd. XXVIII/2, S. 271 (292). Zur These der Entwicklung in Russland als „langwieriger, mühseliger und in vieler Hinsicht überflüssiger Umweg“ vgl. Westen, Die Kommunistische Partei der Sowjetunion und der Sowjetstaat, Köln, 1968, S. 329. 324 Die Bewertung durch den Gelehrtenrat hatte eine gewisse Bedeutung, da einige Mitarbeiter des Instituts in der Gesetzgebungskommission mitgearbeitet hatten. Kuss, JOR 1987, Bd. XXVIII/2, S. 271 (274). 319

B. Entwicklung der Verwaltungsgerichtsbarkeit

97

kratie. Unter Berufung auf Art. 4 Abs. 1 Verf UdSSR325 stellte man heraus, dass die Rechte und Freiheiten der Bürger, die verfassungsgemäß auf Grundlage der sozialistischen Gesetzlichkeit zu schützen waren, notwendigerweise einer rechtlichen Sicherung bedurften. Die Vorteile des gerichtlichen Verfahrens gegenüber dem verwaltungsinternen Beschwerdeverfahren wurden in den Prozessgrundsätzen wie Öffentlichkeit, Unmittelbarkeit und Mündlichkeit von Verhandlung und Beweiserhebung, Gleichheit der Parteien, richterliche Unabhängigkeit und kurze Entscheidungsfristen gesehen. Melnikow hob in diesem Zusammenhang die prozessuale Gleichheit der Parteien hervor, also die übereinstimmenden Möglichkeiten von Bürger und Amtsperson, Anspruch und Einwand zu begründen326. Für ­Muradjan war das Recht des Bürgers, Klage zu erheben, die „allerhöchste rechtliche Garantie“, wobei der gewährte Rechtsschutz nicht nur dem Bürger selbst, sondern auch der gesamten Gesellschaft zugute kommen würde327.328 Im Allgemeinen betrachtete die sowjetische Wissenschaft,329 die sich damit begnügte, dass der Verfassungsauftrag des Art.  58 Abs.  2 Verf  UdSSR330 schlussendlich umgesetzt wurde, das neue Gesetz eher positiv. Große Kritik wurde im Detail jedoch vor allem an der gesetzgeberischen Ungenauigkeit und am Kontrollumfang der Handlungen von Amtspersonen geübt. Trotz dieser Einwände war sich die Rechtswissenschaft seinerzeit nicht bewusst, welche rechtsdogmatischen Probleme in prozessualer wie auch materiell-rechtlicher Hinsicht in der Zukunft noch bevorstehen würden, sollte der Verwaltungsrechtsschutz nachdrücklich voran­ getrieben werden.331

325 Art. 4 Abs. 1 Verf UdSSR lautete: „Der Sowjetstaat und alle seine Organe handeln auf der Grundlage der sozialistischen Gesetzlichkeit, sie gewähren den Schutz der Rechtsordnung, der Interessen der Gesellschaft und der Rechte und Freiheiten der Bürger“. 326 Melnikow, SGiP 1978, Nr. 11, S. 68 ff. 327 Muradjan, SGiP 1978, Nr. 11, S. 75 ff. 328 Kuss, JOR 1987, Bd. XXVIII/2, S. 271 (274 f.) m. w. N. 329 Zu differenzierten Fragestellungen und Ergebnissen aus zahlreichen Interviews mit sowjetischen Juristen Blankenagel, Die Verwaltung 1989, S. 93 (104 ff.). 330 Vgl. weiter oben unter 1. 331 So Blankenagel, Die Verwaltung 1989, S. 93 (108).

3. Kapitel

Gegenwärtige Rechtslage Die Verfassung der Russischen Föderation bestimmt in Kapitel 7 (Art. 118–129 Verf  RF) das Gerichtssystem der Russischen Föderation. Gem. Art.  118 Abs.  2 Verf  RF wird funktional zwischen der Verfassungsgerichtsbarkeit, der Zivilgerichtsbarkeit, der Verwaltungsgerichtsbarkeit und der Strafgerichtsbarkeit unterschieden.1 Der gerichtliche Aufbau stimmt allerdings nicht mit dieser funktionalen Zuordnung überein.2 Gegenwärtig haben sich drei Bereiche herausgebildet: die Verfassungsgerichtsbarkeit3 gem. Art. 125 Verf RF (Verfassungsgericht der Russischen Föderation und Verfassungsgerichte der Subjekte der Russischen Föderation), die Wirtschaftsgerichtsbarkeit4 gem. Art. 127 Verf RF sowie die ordentliche Gerichtsbarkeit5 gem. Art. 126 Verf RF. 1 Vgl. Lippott, RIW 1996, S. 106; Resch, Unternehmensrecht in Russland zwischen Privatisierung und Staatswirtschaft, 2006, S. 145. 2 Gemmel/Maier, RIW 2009, S. 208 (209). 3 Im vorrevolutionären Russland und auch während der nahezu gesamten Zeit des Bestehens der Sowjetunion (bis 21. bzw. 26. Dezember 1991) gab es keine gerichtliche Verfassungskontrolle. Der Kommunismus und seine vorherrschende Ideologie boten keinen Raum für die Durchsetzung der Idee einer Verfassungsgerichtsbarkeit. Die Verfassungsmäßigkeit staatlichen Handelns wurde erstmals durch das Komitee für Verfassungsaufsicht der UdSSR überprüft, das mit Gesetz vom 23. Dezember 1989 geschaffen wurde und mit nur sehr geringen Kompetenzen ausgestattet war. Weitreichendere Befugnisse hatte dann das am 30.  Oktober 1991 gegründete Verfassungsgericht. Das Gericht verweigerte dem damaligen Präsidenten Jelzin die Unterstützung, als dieser den Obersten Sowjet mit militärischer Gewalt auflösen wollte. Durch Präsidentenerlass vom 7. Oktober 1993 wurde daraufhin die Tätigkeit des Verfassungsgerichts ausgesetzt. Erst die Annahme der neuen Verfassung am 12. Dezember 1993 und die Verabschiedung eines neuen Verfassunggerichtsgesetzes vom 23. Juli 1994 führten dazu, dass das Gericht seine Entscheidungstätigkeit im Februar 1995 wieder aufnehmen konnte. Zur Verfassungsgerichtsbarkeit vgl. u. a. Brunner, ZaöRV 53 (1993), S. 819 ff.; Krjažkov/Lazarev, Verfassungsgerichtsbarkeit in der Russischen Föderation, 2001; Hartwig, EuGRZ 1996, S. 177 ff.; Morščakova, in: Kutter/Schröder (Hrsg.), Die Rechtsprechung des russischen Verfassungsgerichts, S. XIX; Schroeder, JZ 1998, S. 132 f.; Roggemann, ROW 1996, S. 177 ff.; Luchterhandt, AöR 118 (1993), S. 237 ff.; Schweisfurth, EuGRZ 1992, S. 281 ff.; Schaich, Exekutive Normsetzung in der Russischen Föderation, 2004, S.  228 ff.; Maier, Osteuropa-Recht 2006, S. 84 (85). 4 Bei den sog. russischen „Arbitragegerichten“ handelt es sich um staatliche Wirtschaftsgerichte. Die Bezeichnung wird für den russischen Ausdruck „arbitraschnye sudy“ verwendet und birgt eine Verwechslungsgefahr mit den Schiedsgerichten. In der russischen Rechtsterminologie werden die Schiedsgerichte mit „tretejskije sudy“ übersetzt. Vgl. Pismo Wysschego Arbitraschnogo Suda RF ot 01.03.1996, N OM-37 „Ob ispolnenii reschenij arbitraschnych sudow odnogo gosudarstwa na territorii drugogo gosudarstwa“ [Brief des Obersten Wirtschafts-

3. Kap.: Gegenwärtige Rechtslage

99

Im Rahmen des gegenwärtigen Gerichtsaufbaus werden Verwaltungsstreitigkeiten vor den allgemeinen Zivilgerichten und Wirtschaftsgerichten verhandelt. Die ordentlichen Gerichte entscheiden auf der Grundlage der Zivilprozessordnung der RF (ZPO RF)6 und des Kodex über verwaltungsrechtliche Ordnungswidrigkeiten der RF (OWiG RF)7. Die Wirtschaftsgerichte entscheiden über Wirtschafts- und Verwaltungsangelegenheiten unter Zugrundelegung der Wirtschaftsprozessordnung (WiPO)8. Die Streuung der prozessualen Normen auf mehrere Gesetzbücher 5

gerichts der RF vom 01.03.1996, Nr. OM-37 „Über die Vollstreckung von Entscheidungen der Wirtschaftsgerichte eines Staates auf dem Territorium eines anderen Staates“], Westnik WAS RF 1996, Nr. 12. Die Einrichtung der Wirtschaftsgerichtsbarkeit im Jahre 1991 war zugleich die „Renaissance der Handelsgerichte“. Ein Handelsgericht wurde erstmals im 12.  Jahrhundert in Novgorod Velikij erwähnt. Mit dem Zollgerichtsgesetz aus dem Jahre 1727 wurden in einigen russischen Städten Gerichte geschaffen, die über Handelsstreitigkeiten entschieden. Die Verbreitung war hingegen eingeschränkt, da derartige Streitigkeiten oftmals vor den allgemeinen Gerichten verhandelt wurden. Zar Nikolaus I. erließ schließlich 1832 einen Ukas zur Schaffung von Handelsgerichten und einer Handelsgerichtsbarkeit. Die Handelsgerichte bestanden bis zur Oktoberrevolution von 1917. Zwischen Revolution und Einführung der NÖP im Jahre 1922, die es erforderlich machte, waren Wirtschaftsstreitigkeiten nicht gerichtlich entscheidbar. Die mit der Jusitzreform von 1991 errichteten Wirtschaftsgerichte sehen ihren Ursprung in den vorrevolutionären Handelsgerichten. Jakovlev, in: Schroeder (Hrsg.), Justizreform in Osteuropa, 2004, S. 225 (226 f.). Die Wirtschaftsgerichte sind im zeitlichen Verlauf die direkten Nachfolger der Staatsarbitrage, die ihrerseits ihren Ursprung in den 1922 geschaffenen Arbitragekommissionen hat. Vgl. Schakarjan (Hrsg.), Arbitrasch w SSSR [Die Staatsarbitrage in der UdSSR], 1981, S. 61 ff.; Schaljupa/Donde, Gosudarstwennaj arbitrasch w SSSR [Die Staatsarbitrage in der UdSSR], 2. Aufl., 1959, S. 28 sowie die Ausführungen unter 2. Kapitel, B. III. 2. d) und 4. d). Weiterführend zur Wirtschaftsgerichtsbarkeit vgl. Lebedev/Girgla, WiRO 1993, S. 217 ff.; Lippott, RIW 1996, S. 106 ff.; Steininger, Osteuropa-Recht 1997, S. 281 ff.; Wölk, Wirtschaftsgerichtsbarkeit in der Russischen Föderation, 1997; Stampe, Der Funktionsbereich der russischen Wirtschaftsgerichtsbarkeit, 2000; Lentz, Die internationale Wirtschaftsschiedsgerichtsbarkeit in der Russischen Föderation, 2000, S. 41 ff.; Pashechenko, OsteuropaRecht 2002, S. 241 ff.; Reitemeier, Osteuropa-Recht 2003, S. 121 ff.; Jakovlev, in: Schroeder (Hrsg.), Justizreform in Osteuropa, 2004, S.  225 ff.; Piksin/Dethloff, Osteuropa-Recht 2006, S. 1 ff.; Resch, Unternehmensrecht in Russland zwischen Privatisierung und Staatswirtschaft, 2006, S. 144 ff.; Gemmel/Maier, RIW 2009, S. 208 (209 ff.). 5 Vgl. u. a. Steininger, Osteuropa-Recht 1997, S. 281 (290 ff.); Starilow, Gerichtliche Verwaltungskontrolle im System des russischen Staats- und Verwaltungsrechts, 1999, S.  61 f.; Steinbach, Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Urteile und Schiedssprüche in der Russischen Föderation, 2003, S. 278 ff.; Gemmel/Maier, RIW 2009, S. 208 (211 ff.). 6 Graschdanskij prozesualnyj kodeks Rossijskoj Federazii ot 14.11.2002, N 138-FS (red. ot 23.10.2002) [Zivilprozesskodex der Russischen Föderation vom 14.11.2002, Nr. 138-FS, in der Redaktion vom 23.10.2002], SZ 2002, Nr. 46, Pos. 4532. 7 Kodeks Rossijskoj Federazii ob administratiwnych prawonaruschenijach ot 30.12.2001, N 195-FS (red. ot 27.07.2010, s ism. i dop., wstupajuschtschimi w silu s 23.09.2010) [Kodex der Russischen Föderation über verwaltungsrechtliche Ordnungswidrigkeiten vom 30.12.2001, Nr.  195-FS, in der Redaktion vom 27.07.2010, mit Änderungen und Ergänzungen, die zum 23.09.2010 in Kraft treten], SZ 2002, Nr. 1, Pos. 1. 8 Arbitraschnyj prozessualnyj kodeks Rossijskoj Federazii ot 24.07.2002, N  95-FS (red. ot 30.04.2010) [Die Wirtschaftsprozessordnung der Russischen Föderation vom 24.07.2002, Nr. 95-FS, in der Redaktion vom 30.04.2010], SZ 2002, Nr. 30, Pos. 3012.

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3. Kap.: Gegenwärtige Rechtslage

sowie die lückenhaften und nicht aufeinander abgestimmten Regelungen der prozessualen Verfahren erschweren die Arbeit der Gerichte und führen zu einer uneinheitlichen Rechtsprechung, Normauslegung und -anwendung. Die daraus entstehenden Problemlagen, vor allem im Bereich des Rechtsschutzes der Bürger sind offenkundig.

A. Russische Verwaltungsgerichtsbarkeit als Rechtsinstitut I. Terminologie Die Möglichkeit der gerichtlichen Kontrolle über die Verwaltung wird in der RF normalerweise als „administratiwnaja justizija“, also als „Verwaltungsjustiz“, weniger häufig als „Gerichtsbarkeit in Verwaltungssachen“ bezeichnet.9 Zudem werden die Begriffe „Verwaltungsgerichtsbarkeit“, „Verwaltungsjurisdiktion“ und „Verwaltungsprozess“ im russischen Rechtsschrifttum zum Teil  synonym, zum Teil differenzierend verwendet. Eine einheitliche Konzeption wurde bislang noch nicht gefunden. Dies ist jedoch substanzielle Voraussetzung für eine fachliche Diskussion auf diesem Gebiet. Ferner können keine fundierten gesetzlichen Regelungen getroffen werden, wenn sich die juristische Lehre über Begrifflichkeiten streitet. Verwaltungsgerichtsbarkeit wird überwiegend als ein notwendiger Bestandteil des komplexen Oberbegriffs10 der Verwaltungsjustiz, als seine prozessuale Komponente verstanden.11 Die Verwaltungsjustiz ist dabei als Kontrolle über die Gesetzmäßigkeit des Handelns mit administrativ-rechtlichem Charakter zu begreifen.12

9

Starilow, Gerichtliche Verwaltungskontrolle im System des russischen Staats- und Verwaltungsrechts, 1999, S. 72; ders., Administratiwnyje sudy w Rossii. Nowyje argumenty „sa“ i „protiw“ [Verwaltungsgerichte in Russland. Neue Argumente „pro“ und „contra“], 2004, S. 54. 10 Artamonow, Formirowanije i raswitije organow administratiwnoj justizii [Die Einführung und Entwicklung der Organe der Verwaltungsjustiz], 2004, S. 18. 11 Nikolajewa/Solowjewa, Administratiwnaja justizija i administratiwnoje sudoproiswodstwo [Die Verwaltungsjustiz und Verwaltungsgerichtsbarkeit], 2004, S. 17; Chamanewa, Administratiwnoje prawo Rossijskoj Federazii [Das Verwaltungsrecht der Russischen Föderation], 2005, S. 322. 12 Skitowitsch, Sudebnaja wlast i administratiwnyi akt: problemy jurisdikzyonnogo kontrola [Die rechtsprechende Gewalt und der Verwaltungsakt: Die Probleme der Kontrolle der Gerichtsbarkeit], 1999, S. 31; Chamanewa, Administratiwnoje prawo Rossijskoj Federazii [Das Verwaltungsrecht der Russischen Föderation], 2005, S. 313.

A. Russische Verwaltungsgerichtsbarkeit als Rechtsinstitut 

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1. Anfänge der Diskussion Die zaghaften Anfänge der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit der Thematik begannen in den sich vom Stalinismus befreienden fünfziger Jahren. Einzelne Verwaltungsrechtler wagten nun die Frage nach der Existenz der Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Sowjetunion in den Raum zu stellen. Vom Vorhandensein einzelner Elemente der Verwaltungsjustiz in der UdSSR gingen manche Wissenschaftler aus, soweit man unter Verwaltungsjustiz eine besondere Art der Tätigkeit der ordentlichen Gerichte hinsichtlich der Beilegung von Streitigkeiten aus dem Bereich der Verwaltung versteht, also der Gerichte, die berufen sind, in Sachen aus Verwaltungsrechtsverhältnissen Recht zu sprechen.13 Andere leugneten das Bestehen einer Verwaltungsjustiz in Russland sowohl zu den Zeiten des Zaren als auch in der Sowjetunion.14 Die Nichtexistenz wurde damit begründet, dass die Entscheidungen der Gerichte nicht auf verwaltungs­ prozessrechtlichen, sondern auf den Bestimmungen der ZPO  UdSSR beruhen. Dem wurde entgegengehalten, dass es in der UdSSR tatsächlich kein kodifiziertes Verwaltungsprozessrecht gibt, jedoch einzelne Normen mit verwaltungsprozessualem Charakter in verschiedenen Gesetzen enthalten sind.15 2. Verwaltungsjustiz als Oberbegriff Die Verwaltungsjustiz wird in der russischsprachigen Verwendung vom lateinischen „administratio“ (Verwaltung) und „justitia“ (Gerechtigkeit) hergeleitet. Die grundsätzliche Unterscheidung zwischen Verwaltung und Gerechtigkeit, sowohl nach ihren Tätigkeitsinhalten als auch nach den äußeren Erscheinungsformen, stand der Synthese beider Ausdrücke nicht im Wege. Dies veranlasste jedoch Tschetschot bereits in den siebziger Jahren dazu, die Verwaltungsjustiz als in sich widersprüchlich und doppeldeutig zu bezeichnen.16

13 Tschetschot, SGiP 1972, Nr.  1, S.  40 (43); Koslow, Predmet sowetskogo administratiwnogo prawa [Gegenstand des sowjetischen Verwaltungsrechts], 1967, S.  83 ff.; sehr fortschrittlich damals schon Salischtschewa, Graschdanin i administratiwnaja jurisdikzija w SSSR [Der Bürger und die Verwaltungsjurisdiktion in der UdSSR], 1970, S. 137. 14 Salischtschewa, Administratiwnyj prozess w SSSR [Verwaltungsprozess in der UdSSR], 1964, S. 137 ff. 15 Bilinsky, JOR 1972, Bd. XIII/1, S. 77 (100 f.). 16 Tschetschot, Administratiwnaja justizija [Verwaltungsjustiz], 1973, S. 27 f.

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3. Kap.: Gegenwärtige Rechtslage

a) Klassische Definition Die klassische Definition des Begriffs der Verwaltungsjustiz wurde von ­Tschetschot entwickelt und genießt in Russland heute noch hohes Ansehen. Er versteht darunter einen Vorgang der Prüfung und Entscheidung von Streitigkeiten in Form eines Gerichtsverfahrens, von Streitigkeiten, die im Bereich der administrativen Verwaltung zwischen Bürgern oder juristischen Personen einerseits und Verwaltungsorganen anderseits entstehen, ein[en] Vorgang, der durch jurisdiktionelle, speziell für die Beilegung von Rechtsstreitigkeiten geschaffene Organe vollzogen wird.17

b) Stand der heutigen Rechtslehre Die Meinungen der russischen Wissenschaftler gehen gegenwärtig weit auseinander und lassen sich kaum in Theorien zusammenfassen. Es wird nichtsdestotrotz versucht, Ansichten zu klassifizieren. Das Spektrum reicht von einem extrem weiten Verständnis der Verwaltungsjustiz18 bis hin zur Gleichsetzung mit anderen Rechtsinstituten.19 Es wird im Folgenden zwischen dem weiten und dem engen Begriff der Verwaltungsjustiz unterschieden. aa) Weiter Begriff der Verwaltungsjustiz Unter der Verwaltungsjustiz im weiteren Sinne wird die gesamte Einheit der Organe der Verwaltungsjustiz, die Art ihres Aufbaus, ihrer Funktionsweise und der Beilegung der verwaltungsrechtlichen Streitigkeiten verstanden. Dies bedeutet, dass bei dieser weit gehenden Betrachtung alle materiellen, organisatorischen und prozessualen Elemente des Rechtsinstituts in der Struktur der Verwaltungs­justiz mit umfasst werden.20 Ebenso weit definiert Salischtschewa Verwaltungsjustiz: Sie sieht darin das „System einer äußeren Kontrolle“ des Verwaltungshandelns und der damit befassten Amtspersonen gegenüber dem Bürger.21 Der weite Begriff der Verwaltungsjus-

17 Tschetschot, Administratiwnaja justizija [Verwaltungsjustiz], 1973, S.  31. So übersetzt bei Starilow, Gerichtliche Verwaltungskontrolle im System des russischen Staats- und Verwaltungsrechts, 1999, S. 74. Tschetschot, SGiP 1972, Nr. 1, S. 40 (42). 18 Usanow, Problemy formirowanija administratiwnoj justizii w Rossijskoj Federazii [Probleme der Formierung der Verwaltungsjustiz in der Russischen Föderation], 1999, S. 42. 19 Bachrach, GiP 2003, Nr. 10, S. 31 (38). 20 Statt vieler Artamonow, Formirowanije i raswitije organow administratiwnoj justizii [Die Einführung und Entwicklung der Organe der Verwaltungsjustiz], 2004, S. 19. 21 Starilow, Gerichtliche Verwaltungskontrolle im System des russischen Staats- und Verwaltungsrechts, 1999, S. 74 m. w. N.

A. Russische Verwaltungsgerichtsbarkeit als Rechtsinstitut 

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tiz umfasst nicht nur gerichtliche Organe, sondern auch sog. „quasi-gerichtliche“ Organe der Verwaltungsjustiz. Zum Teil  werden die Verwaltungsjurisdiktion  – verstanden als reines Ordnungswidrigkeitenrecht – sowie die aufsichtsrechtlichen Beschwerdemöglichkeiten miteinbezogen. Die weite Definition reflektiert laut Starilow „ihre Zweckbestimmung im System der Gewährleistung der Rechte und Freiheiten der Bürger“.22 bb) Enger Begriff der Verwaltungsjustiz Chamanewa versteht den Begriff der Verwaltungsjustiz in einem engeren Sinne, als System spezieller Organe, die die Kontrolle im Verwaltungsbereich ausüben und dem Schutz der subjektiven Rechte der Bürger dienen. Sie hebt die Notwendigkeit eines integralen Systems von Verwaltungsgerichten und dessen Errichtung, losgelöst vom allgemeinen Gerichtsverfahren, hervor.23 Unter der Gerichtsbarkeit in Verwaltungsangelegenheiten soll dagegen die Tätigkeit der ordentlichen Gerichte im Bereich der verwaltungsrechtlichen Streitigkeiten zu verstehen sein. Diese ist nach Chamanewa streng von der Verwaltungsjustiz zu unterscheiden, die ausschließlich aus Verwaltungsgerichten oder aus „quasi-gerichtlichen“ Organen, die auch in den Verwaltungsaufbau integriert sein können,24 besteht. Von der Verwaltungsjustiz wird das Ordnungswidrigkeiten- sowie Beschwerderecht nicht erfasst. Zum Teil  werden auch Entscheidungen von „quasi-gerichtlichen“ Organen vom Begriffsumfang ausgeschlossen.25 cc) Zivilprozess vs. Verwaltungsgerichtsbarkeit Nach der zivilprozessualen Lehrmeinung ist die Verwaltungsjustiz ein Bestandteil des Zivilprozesses.26 Sie ist als Verhandlung der Beschwerden vor Gericht gegen Akte der Subjekte der öffentlichen Gewalt27 als wichtigster Teil der gerichtlichen Kontrolle über die Gesetzlichkeit der Verwaltung zu verstehen.28 22 Starilow, Gerichtliche Verwaltungskontrolle im System des russischen Staats- und Verwaltungsrechts, 1999, S. 74. 23 Chamanewa, GiP 1998, Nr. 12, S. 29 (35). 24 Prischennikowa, Administratiwnoje sudoproiswodstwo w Rossijskoj Federazii [Die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Russischen Föderation], 2005, S. 33. 25 Artamonow, Formirowanije i raswitije organow administratiwnoj justizii [Die Einführung und Entwicklung der Organe der Verwaltungsjustiz], 2004, S. 23. 26 Skitowitsch, GiP 1995, Nr. 8, S. 22. 27 Bachrach, Administratiwnoje prawo Rossii [Das Verwaltungsrecht Russlands], 2000, S. 156. 28 Dazu Bachrach, RJu 2003, Nr.  2, S. 10; Bachrach, GiP 2005, Nr.  2, S. 19 ff.; Bonner,­ Isbrannyje trudy po graschdanskomu prozessu [Ausgewählte Werke im Zivilprozess], 2005, S. 922.

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3. Kap.: Gegenwärtige Rechtslage

Dagegen betrachtet Starilow das Institut der Verwaltungsjustiz ausschließlich im Zusammenhang mit dem Verwaltungsrecht. Er kommt zu dem Schluss, dass es sich dabei um die Gerichtsbarkeit im Bereich der ausführenden Gewalt und der Organe der örtlichen Selbstverwaltung handelt, d. h. um Verwaltungsgerichtsbarkeit. Die Verwaltungsjustiz wird durch die von anderen Gerichtszweigen selbstständigen Organe ausgeübt, die die Kontrolle über die Verwaltung und ihre Amtspersonen durchführen.29 Nach Starilow ist es zweckmäßig und sachgerecht, den prinzipiell ungeklärten Terminus der Verwaltungsjustiz durch den Begriff der Verwaltungsgerichtsbarkeit, verstanden als Verwaltungsprozess, zu ersetzen.30 Diese Modifikation ist keine bloße Umbenennung. Sie erlaubt die Logik des Rechtsstaatsprinzips, der Gewaltenteilung und die besondere Bedeutung der rechtsprechenden Gewalt besser zu erkennen.31 Die Ansichten stehen sich konträr gegenüber und sind Gegenstand einer hitzigen Diskussion in der Fachliteratur.32 Beide Seiten bezeichnen den jeweils anderen Standpunkt als „nicht überzeugend“ bis hin zu „fehlerhaft“ und „falsch“. Bachrach sieht die Verwaltungsjustiz als ein Teil der Zivilgerichtsbarkeit, was dem momentanen russischen Rechtszustand durchaus entspricht. Starilow orientiert sich stark am deutschen Recht und setzt die Verwaltungsjustiz mit den Termini „Verwaltungsgerichtsbarkeit“ und „Verwaltungsprozess“ gleich. Bachrachs Ansicht ist zu starr und steht neuen Entwicklungen nicht offen gegenüber. Die Umbenennung bzw. Gleichsetzung der Rechtsinstitute könnte schrittweise erfolgen, wenn der Entwicklungsprozess dies erlaubt. Als Zwischenergebnis lässt sich festhalten, dass der Gesetzgeber keine Normierung des Begriffs „Verwaltungsjustiz“ vorgenommen hat. In der gesamten russischen Normenvielfalt ist keinerlei Erwähnung zu finden. Es handelt sich dabei um ein rein wissenschaftliches Problem, das in der Rechtslehre noch immer ungelöst ist. Einerseits widerspricht eine weite Herangehensweise an den Begriff der Verwaltungsjustiz dem engen Begriff nicht, sondern integriert diesen.33 Dennoch überzeugt die extrem weite Auffassung nicht, da die gerichtlichen und „quasi-ge-

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Starilow, Gerichtliche Verwaltungskontrolle im System des russischen Staats- und Verwaltungsrechts, 1999, S. 75 ff.; ders., Administratiwnaja justizija: teorija, istorija, perspektiwy [Die Verwaltungsjustiz: Theorie, Geschichte und Perspektiven], 2001, S. 59. 30 Nikolajewa/Solowjewa, Administratiwnaja justizija i administratiwnoje sudoproiswodstwo [Die Verwaltungsjustiz und Verwaltungsgerichtsbarkeit], 2004, S. 17; Galligan/Polanskij/ Starilow, Administratiwnoje prawo. Istorija raswitija i osnownyje sowremennyje konzepzii [Verwaltungsrecht. Geschichte der Entwicklung und grundlegende moderne Konzeptionen], 2002, S. 368. 31 Starilow, Ot administratiwnoj justizii k administratiwnomu sudoproiswodstwu [Von der Verwaltungsjustiz zur Verwaltungsgerichtsbarkeit], 2003, S. 13. 32 Bachrach, GiP 2005, Nr. 2, S. 19 ff.; Starilow, GiP 2004, Nr. 6, S. 5 ff. 33 Dazu Selenzow, in: Radtschenko (Hrsg.), Problemy sastschity publitschnych i tschastnych interesow w administratiwnych sudach [Die Probleme des Schutzes der öffentlichen und privaten Interessen vor den Verwaltungsgerichten], 2001, S. 64 (72).

A. Russische Verwaltungsgerichtsbarkeit als Rechtsinstitut 

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richtlichen“ Organe unter Zugrundelegung des Gewaltenteilungsprinzips getrennt betrachtet werden sollten. Auch die Ausweitung auf das Beschwerdeverfahren ist nicht nachzuvollziehen. In der russischen Rechtstheorie erscheint der enge Begriff folgerichtiger. Deshalb wird vorgeschlagen, die Verwaltungsjustiz durch einige traditionelle Merkmale zu kennzeichnen. Darunter fällt die Entscheidung von verwaltungsrechtlichen Streitigkeiten aus einem Subordinationsverhältnis durch unabhängige Rechtspflegeorgane, die auf der Grundlage von prozessualen Verfahrensregeln und zugunsten des Individualrechtsschutzes erfolgt. Zu erfassen sind ebenfalls die organisatorischen Aspekte, da der Begriff der Justiz sowohl die organisatorischen als auch prozessualen Bestandteile beinhaltet. 3. Terminus der Verwaltungsgerichtsbarkeit a) Normative Bestandsaufnahme Die Verwaltungsgerichtsbarkeit („administratiwnoje sudoproiswodstwo“) als das wichtigste verwaltungsrechtliche Mittel der Rechtsgewährung und des Rechtsschutzes der öffentlichen Interessen hat bis zum heutigen Tag noch keine normative Begriffsbestimmung gefunden.34 aa) Verfassung der RF Die Verfassung der RF hat gem. Art. 15 Abs. 1 Verf RF die höchste juristische Rechtskraft und ist somit die ranghöchste Rechtsquelle. Die Verwaltungsgerichtsbarkeit wird darin neben der Verfassungsgerichtsbarkeit, der Zivilgerichtsbarkeit und der Strafgerichtsbarkeit in Art. 118 Abs. 2 Verf RF genannt. Die Verfassung geht von der Existenz der Verwaltungsgerichtsbarkeit aus, eine Legaldefinition oder nähere Ausgestaltung der Gerichtsbarkeit sucht man darin vergebens. Art. 126 Verf RF nennt das Oberste Gericht der RF als höchstes Gerichtsorgan für Zivil-, Straf-, Verwaltungs- und andere Rechtssachen, für die die Gerichte der ordentlichen Gerichtsbarkeit zuständig sind.35 Es führt die Aufsicht über deren Tätigkeit in den durch ein Bundesgesetz vorgesehenen prozessualen Formen und gibt Erläuterungen zu Fragen der Rechtsprechung. Der Begriff der Verwaltungsrechtssachen wird ebenfalls nicht definiert. 34 Starilow, Administratiwnyje sudy w Rossii. Nowyje argumenty „sa“ i „protiw“ [Verwaltungsgerichte in Russland. Neue Argumente „pro“ und „contra“], 2004, S. 45. 35 Vgl. Absaljamow, Administratiwnoje sudoproiswodstwo w arbitraschnom sude. Teoretiko-metodologitscheskije aspekty [Die Verwaltungsgerichtsbarkeit innerhalb der Wirtschaftsgerichte. Theoretisch-methodologische Aspekte], 2009, S. 134.

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3. Kap.: Gegenwärtige Rechtslage

Eine weitere Regelung ist bei den Zuständigkeitsvorschriften der gemeinsamen Gesetzgebung in Art. 72 Abs. 1 lit. k) Verf RF zu finden. Zur gemeinsamen Zuständigkeit der Russischen Föderation und der Subjekte der RF gehören demnach die Verwaltungs-, Verwaltungsprozess-, Arbeits-, Familien-, Wohnungs-, Boden-, Wasser- und Forstgesetzgebung sowie die Gesetzgebung über Bodenschätze und Umweltschutz. In den letzten Jahren wurden Familien-,36 Wald-,37 Boden-,38 Wasser-39 und Arbeitskodizes40 erlassen. Die Verwaltungs- oder Verwaltungsprozessgesetzgebung befindet sich noch in der Entwurfsphase. Es ist festzuhalten, dass die Verfassung der RF die Verwaltungsgerichtsbarkeit als eine der Formen der Ausübung der rechtsprechenden Gewalt bestimmt, die dazu berufen ist, den Schutz der Bürger vor der Willkür der Verwaltung zu gewährleisten.41 Gerichtsbarkeit ist dabei die Verhandlung und Entscheidung der Gerichte in einer Rechtssache, die durch ein gesetzliches Verfahren festgelegt ist.42 Die unterschiedlichen Arten der Gerichtsbarkeit hängen von der Bestimmung des entsprechenden Gerichts und des Rechtscharakters der zu entscheidenden Rechtsstreitigkeiten ab. bb) Wirtschaftsprozessordnung der RF In der Wirtschaftsprozessordnung vom 5. Mai 199543 fehlten sowohl ein selbstständiger Abschnitt, der die „Gerichtsbarkeit, die aus verwaltungsrechtlichen und anderen öffentlichen Rechtsbeziehungen entsteht“, normierte, als auch der Begriff 36 Semejnyj kodeks Rossijskoj Federazii ot 29.12.1995, N 223-FS (red. ot 30.06.2008, s ism. i dop., wstupajuschtschimi w silu s 01.09.2008) [Das Familiengesetzbuch der Russischen Föderation vom 29.12.1995, Nr. 223-FS, in der Redaktion vom 30.06.2008, mit Änderungen und Ergänzungen, die zum 01.09.2008 in Kraft treten], SZ 1996, Nr. 1, Pos. 16. 37 Lesnoj kodeks Rossijskoj Federazii ot 04.12.2006, N 200-FS (red. ot 22.07.2010) [Das Waldgesetzbuch der Russischen Föderation vom 04.12.2006, Nr. 200-FS, in der Redaktion vom 22.07.2010], SZ 2006, Nr. 50, Pos. 5278. 38 Semelnyj kodeks Rossijskoj Federazii ot 25.10.2001, N 136-FS (red. ot 22.07.2010) [Das Bodengesetzbuch der RF vom 25.10.2001, Nr.  136-FS, in der Redaktion vom 22.07.2010], SZ 2001, Nr. 44, Pos. 4147. 39 Wodnyj kodeks Rossijskoj Federazii ot 03.06.2006, N 74-FS (red. ot 27.12.2009, s ism. i dop., wstupajuschtschimi w silu s 01.04.2010) [Das Wassergesetzbuch der Russischen Föderation vom 03.06.2006, Nr. 74-FS, in der Redaktion vom 27.12.2009, mit Änderungen und Ergänzungen, die zum 01.04.2010 in Kraft treten], SZ 2006, Nr. 23, Pos. 2381. 40 Trudowoj kodeks Rossijskoj Federazii ot 30.12.2001, N 197-FS (red. ot 25.11.2009, s ism. i dop., wstupajuschtschimi w silu s 01.01.2010) [Das Arbeitsgesetzbuch der Russischen Föderation vom 30.12.2001, Nr. 197-FS, in der Redaktion vom 25.11.2009, mit Änderungen und Ergänzungen, die zum 01.01.2010 in Kraft treten], SZ 2002, Teil I, Nr. 1, Pos. 3. 41 Wlasow, RJu 2002, Nr. 11, S. 17. 42 Artamonow, Formirowanije i raswitije organow administratiwnoj justizii [Die Einführung und Entwicklung der Organe der Verwaltungsjustiz], 2004, S. 24. 43 Arbitraschnyj prozessualnyj kodeks Rossijskoj Federazii ot 05.05.1995, N  70-FS [Die Wirtschaftsprozessordnung der Russischen Föderation vom 05.05.1995, Nr. 70-FS], SZ 1995, Nr. 19, Pos. 1709.

A. Russische Verwaltungsgerichtsbarkeit als Rechtsinstitut 

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selbst.44 Die Wirtschaftsprozessordnung von 2002 hat dagegen das Problem der Begrifflichkeiten juristisch am besten gelöst. Art. 29 WiPO enthält die Formulierung „Verfahren der Verwaltungsgerichtsbarkeit“. Zudem spricht Art. 189 Abs. 1 WiPO ebenfalls von den „Regeln der Verwaltungsgerichtsbarkeit“. Die Aufnahme des Begriffs der Verwaltungsgerichtsbarkeit sowohl als Terminus wie auch als entsprechenden Verfahrensgang für Rechtsstreitigkeiten, die aus verwaltungsrechtlichen und anderen öffentlichen Rechtsbeziehungen entstehen, wird mit der Notwendigkeit einer exakten Differenzierung zwischen den einzelnen Verfahrensarten bei den Wirtschafsgerichten begründet.45 cc) Zivilprozessordnung der RF Die russische Zivilprozessordnung beinhaltet den Begriff „Verwaltungsgerichtsbarkeit“ nicht und ist daher für die normative Bestandsaufnahme wenig hilfreich.46 Art. 5 ZPO RF definiert lediglich die Zivilgerichtsbarkeit und versteht darunter Gerichtsbarkeit über die zivilen Rechtssachen, die nur von den allgemeinen Gerichten nach den vom Gesetzgeber vorgegebenen Verfahren wahrgenommen wird. Ein solches Verfahren ist in Art. 22 Abs. 1 Nr. 3 ZPO RF festgelegt. Danach sind Zivilgerichte für „Rechtssachen, die aus öffentlichen Rechtsverhältnissen entstehen“, zuständig. Die Art. 245 ff. ZPO RF, die im Unterkapitel III aufgeführt sind, konkretisieren diese Rechtssachen. dd) Ordnungswidrigkeitenkodex der RF Das Ordnungswidrigkeitengesetz der RF verwendet in mehreren Paragraphen den Terminus der „Gerichtsbarkeit in Rechtssachen der verwaltungsrechtlichen Ordnungswidrigkeiten“.47 Der Begriff der Verwaltungsgerichtsbarkeit ist darin jedoch nicht zu finden.48 Das Gesetz wurde 2001 erlassen. Die Problematik der Begriffsbestimmung bzw. -abgrenzung war also dem Gesetzgeber bereits bekannt.49 Es kann davon ausgegangen werden, dass die Nichtnennung der Verwaltungsgerichtsbarkeit im OWiG  RF kein redaktionelles Versehen war, sondern eine 44 Dazu Bonner, Isbrannyje trudy po graschdanskomu prozessu [Ausgewählte Werke im Zivilprozess], 2005, S. 920. 45 Bojkow, RJu 2002, Nr. 10, S. 2 ff. 46 Starilow, Administratiwnyje sudy w Rossii. Nowyje argumenty „sa“ i „protiw“ [Verwaltungsgerichte in Russland. Neue Argumente „pro“ und „contra“], 2004, S. 48. 47 Zur verwaltungsrechtlichen Ordnungswidrigkeit grundlegend Belskij, GiP 1999, Nr. 12, S. 12 ff. 48 Starilow, Administratiwnyje sudy w Rossii. Nowyje argumenty „sa“ i „protiw“ [Verwaltungsgerichte in Russland. Neue Argumente „pro“ und „contra“], 2004, S. 52. 49 Starilow, Administratiwnyje sudy w Rossii. Nowyje argumenty „sa“ i „protiw“ [Verwaltungsgerichte in Russland. Neue Argumente „pro“ und „contra“], 2004, S. 57.

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3. Kap.: Gegenwärtige Rechtslage

gezielte Entscheidung für die Unterscheidung der Begriffe der Verwaltungsgerichtsbarkeit und der Gerichtsbarkeit in Rechtssachen der verwaltungsrechtlichen Ordnungswidrigkeiten. Insgesamt zeigt sich, dass die aufgeführten gesetzlichen Regelungen zwar von der Existenz der Verwaltungsgerichtsbarkeit ausgehen. Eindeutige Schlüsse im Hinblick auf das zugrunde liegende Begriffsverständnis des Gesetzgebers können jedoch nicht gezogen werden. b) Rechtsprechung des Verfassungsgerichts der RF Das Verfassungsgericht der RF als Hüter der Verfassung hat sich auf keinen eindeutigen Standpunkt festgelegt. Einerseits ging es in seinem Urteil vom 28. Mai 1999 davon aus, dass die derzeitige Gesetzgebung im Bereich der verwaltungsrechtlichen Ordnungswidrig­keiten bei der Entscheidung der Rechtssachen über die Zuständigkeiten im Bereich der verwaltungsrechtlichen Ordnungswidrigkeiten vorsieht, dass die Gerichte (Richter) im Rahmen der Wahrnehmung der Verwaltungsgerichtsbarkeit über die Zuständigkeiten verfügen, sowohl im Bereich der Verhandlung der verwaltungsrechtlichen Ordnungswidrigkeiten und der Heranziehung zur verwaltungsrechtlichen Verantwortung als auch im Bereich der Kontrolle der Gesetzmäßigkeit und der Begründetheit der Urteile auf dem Gebiet der Verwaltungsstrafe, die von anderen zuständigen Organen (Amtspersonen) verhängt wurden.50

Das Verfassungsgericht der RF versteht in dieser Entscheidung die Verwaltungsgerichtsbarkeit lediglich als Gerichtsbarkeit in Rechtssachen der verwaltungsrechtlichen Ordnungswidrigkeiten.51 In der Verfassungsgerichtsentscheidung vom 12. Mai 1998 wird daneben ausgeführt, aus Art. 118 Abs. 2 Verf RF geht hervor, dass die Gerichtsbarkeit in den Rechtssachen der verwaltungsrechtlichen Ordnungswidrigkeiten keinen zivilrechtlichen, sondern einen öffentlich-rechtlichen Charakter besitzt. Demnach muss sie zur Verwaltungsgerichtsbarkeit gezählt werden, unabhängig davon, ob die Rechtssachen von ordentlichen Gerichten oder Wirtschaftsgerichten judiziert werden.52 50 Postanowlenije Konstituzionnogo Suda RF ot 28.05.1999, N  9-P „Po delu o prowjerke konstituzionnosti tschasti wtoroj statji 266 i punkta 3 tschasti perwoj statji 267 Kodeksa RSFSR ob administratiwnych prawonaruschenijach w swjasi s schalobami graschdan E. A. Arbusowoj, O. B. Kolegowa, A. D. Kutyrewa, R. T. Nasibulina i W. I. Tkatschuka“ [Urteil des Verfassungsgerichts der RF vom 28.05.1999, Nr. 9-P „Über die Rechtssache der Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit des Art. 266, Abs. 2 und Art. 267, Abs. 1, Nr. 3 des Kodex RSFSR über die verwaltungsrechtlichen Ordnungswidrigkeiten in Verbindung mit den Beschwerden der Bürger E. A. Arbusowa, O. B. Kolegow, A. D. Kutyrew, R. T. Nasibulin und W. I. Tkatschuk], SZ 1999, Nr. 23, Pos. 2890. 51 Starilow, Administratiwnyje sudy w Rossii. Nowyje argumenty „sa“ i „protiw“ [Verwaltungsgerichte in Russland. Neue Argumente „pro“ und „contra“], 2004, S. 55. 52 Vgl. Postanowlenije Konstituzionnogo Suda RF ot 12.05.1998, N 14-P „Po delu o prowjerke konstituzionnosti otdelnych poloschenij absaza schestogo statji 6 i absatza wtorogo

A. Russische Verwaltungsgerichtsbarkeit als Rechtsinstitut 

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In seinem Urteil vom 16. Juni 1998 geht das russische Verfassungsgericht dagegen von Folgendem aus: Die Art. 76, 118, 120, 125, 126, 127 und 128 Verf RF schließen das Recht des Gesetzgebers nicht aus, ausdrücklich die Zuständigkeiten der ordentlichen Gerichte oder Wirtschaftsgerichte im Rahmen einer Verwaltungsgerichtsbarkeit zu konzipieren, die die Übereinstimmung der in Art. 125 Abs. 2 a und b Verf RF aufgeführten und im Rang unter den Föderalen […] Gesetzen liegenden Normativakte kontrolliert; ausgenommen davon wird die Verfassung selbst.53

Eine interessante Entwicklung ist in einer späteren Entscheidung des Verfassungsgerichts der RF zu beobachten. Darin wird angeführt, dass die Überprüfung der Verfassungskonformität der Verfassungen (Statute) der Subjekte der RF nur im Rahmen der Verfassungsgerichtsbarkeit stattfindet und nicht von der Verwaltungsgerichtsbarkeit oder der Zivilgerichtsbarkeit durchgeführt wird. Die Verfassungen und Statute der Subjekte der RF stehen danach in einer besonderen Beziehung zu der Verfassung der RF und sind nicht als Modifikationen der Normativakte anzusehen, welche der Gesetzlichkeitskontrolle im Rahmen der ordentlichen Gerichtsbarkeit oder der Verwaltungsgerichtsbarkeit zugänglich sind.54 Dies geht aus der Verfassung selbst hervor, die die Verfassungen (Statute) und andere Normativakte der Subjekte der RF strikt unterscheidet.55 Auf diese Weise wird die Verwaltungsgerichtsbarkeit nun mit der Überprüfung der Normativakte in Verbindung tschasti perwoj statji 7 Sakona Rossijskoj Federazii ot 18 ijunja 1993 goda ‚O primenenii kontrolno-kassowych maschyn pri osuschtschetwlenii deneschnych rastschotow s naseleniem‘ w swjasi s saprosom Dmitrowskogo rayonnogo suda Moskowskoj oblasti i schalobami graschdan“ [Urteil des Verfassungsgerichts der RF vom 12.05.1998, Nr. 14-P „Über die Rechtssache der Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit einzelner Bestimmungen des Art.  6, Abs.  6 und Art. 7, Abs. 2, Nr. 1 des Gesetzes der Russischen Föderation vom 18. Juni 1993 ‚Über die Verwendung von Kontrollkassen bei der Durchführung von Zahlungsverkehr mit der Bevölkerung‘ in Verbindung mit der Anfrage des Dmitrowskij Rayongerichts des Moskauer Gebiets und der Beschwerden von Bürgern“], SZ 1998, Nr. 20, Pos. 2173. 53 Postanowlenije Konstituzionnogo Suda RF ot 16.06.1998, N 19-P „Po delu o tolkowanii otdelnych poloschenij statjej 125, 126 i 127 Konstituzii Rossijskoj Federazii“ [Urteil des Verfassungsgerichts der RF vom 16.06.1998, Nr. 19-P „Über die Rechtssache der Auslegung einzelner Bestimmungen der Art. 125, 126 und 127 der Verfassung der Russischen Föderation“], SZ 1998, Nr. 25, Pos. 3004. 54 Postanowlenije Konstituzionnogo Suda RF ot 18.07.2003, N 13-P „Po delu o prowerke konstituzionnosti poloschenij statej 115 i 231 GPK RSFSR, statej 26, 251 i 253 GPK Rossijskoj Federazii, statej 1, 21 i 22 Federalnogo sakona ‚O prokurature Rossijskoj Federazii‘ w swjasi s saprosami Gosudarstwennogo Sobranija – Kurultaja Respubliki Baschkortostan, gosudarstwennogo Soweta Respubliki Tatarstan i Wechownogo Suda Respubliki Tatarstan“ [Urteil des Verfassungsgerichts der RF vom 18.07.2003, Nr. 13-P „Über die Rechtssache der Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit der Bestimmungen der Art.  115 und 231  ZPO  RSFSR, Art. 26, 251 und 253 ZPO der Russischen Föderation, Art. 1, 21 und 22 des Föderalen Gesetzes ‚Über die Staatsanwaltschaft der Russischen Föderation‘ auf Anfragen der Volksversammlung  – Kurultai der Republik Baschkortostan, des Staatsrats der Republik Tatarstan und des Obersten Gerichts der Republik Tatarstan“], SZ 2003, Nr. 30, Pos. 3101. 55 Postanowlenije Konstituzionnogo Suda RF ot 18 ijula 2003, N 13-P [Urteil des Verfassungsgerichts der RF vom 18. Juli 2003, Nr. 13-P], SZ 2003, Nr. 30, Pos. 3101.

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3. Kap.: Gegenwärtige Rechtslage

gebracht, d. h. mit dem gerichtlichen Anfechtungsverfahren dieser Akte.56 In dieser Entscheidung erklärt das russische Verfassungsgericht Normen der ZPO RF57 für verfassungswidrig, soweit diese die Zuständigkeiten der ordentlichen Gerichte zur Überprüfung der Verfassungen und Statute der Subjekte der RF regeln. Das Verfassungsgericht der RF unterscheidet danach zwei verschiedene Arten der Verwaltungsgerichtsbarkeit: die Rechtssachen im Bereich der Ordnungswidrigkeiten und diejenigen im Bereich der Gesetzmäßigkeitskontrolle von Akten der öffentlichen Gewalt.58 Diese Differenzierung findet sich in den Bezeichnungen „verwaltungsdeliktische Gerichtsbarkeit“ und „verwaltungsprozessuale Gerichtsbarkeit“ wieder.59 In der neueren Rechtsprechung ist tendenziell eine Entwicklung zu letzterem Verständnis zu beobachten. c) Definitionen im Schrifttum Die Verwaltungsgerichtsbarkeit wird derzeit von den ordentlichen Gerichten und Wirtschaftsgerichten wahrgenommen. Sie bildet nach einer auf der Rechtsprechung des Verfassungsgerichts der RF basierenden Meinung im Schrifttum einen Unterfall sowohl der Zivil- als auch der Wirtschaftsgerichtsbarkeit.60 Dem ist die Regelung des Art. 118 Abs. 2 Verf RF entgegenzuhalten. Der Gesetzgeber hat dort nicht ohne Grund die Verwaltungsgerichtsbarkeit neben der Zivilgerichtsbarkeit aufgenommen.61 Auf der anderen Seite findet man in der russischen Literatur Vertreter, die die Begriffe „verwaltungsrechtliche Ordnungswidrigkeit“, „verwaltungsrechtliche Verantwortlichkeit“ und „Organe der Verwaltungsjustiz“ mit der Verwaltungsgerichtsbarkeit gleichsetzen.62 Die Zusammensetzung der Begrifflichkeiten scheint einen 56

Dazu Starilow, GiP 2004, Nr. 6, S. 5 (12). Art. 26 Abs. 1 Nr. 2; 251 Abs. 1, 2 und 4; 253 Abs. 2 und 3 ZPO RF. 58 Artamonow, Formirowanije i raswitije organow administratiwnoj justizii [Die Einführung und Entwicklung der Organe der Verwaltungsjustiz], 2004, S. 25. 59 Bachrach, RJu 2003, Nr. 2, S. 10. 60 Absaljamow, Problemy administratiwnogo sudoproiswodstwa w arbitraschnom prozesse [Die Probleme der Verwaltungsgerichtsbarkeit im Wirtschaftsprozess], 2000, S.  5; Lebedew, RJu 2000, Nr. 9, S. 2 (4); a. A. Artamonow, Formirowanije i raswitije organow administratiwnoj justizii [Die Einführung und Entwicklung der Organe der Verwaltungsjustiz], 2004, S. 26. 61 Popowa, Sudoproiswodstwo po delam, wosnikajuschtschim is publitschno-prawowych otnoschenij: teoretitscheskije problemy [Gerichtsbarkeit in Rechtssachen, die aus öffentlichrechtlichen Rechtsverhältnissen entstehen: Theoretische Probleme], 2002, S. 15. 62 Tichomirow, Administratiwnoje prawo i prozess: polnyj kurs [Verwaltungsrecht und Prozess: ein Gesamtkurs], 2. Aufl., 2005, S.  603; ders., GiP 1998, Nr.  1, S.  5 (12 f.); Prischennikowa, Administratiwnoje sudoproiswodstwo w Rossijskoj Federazii [Die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Russischen Föderation], 2005, S. 52; für die Einbeziehung der Ordnungswidrigkeiten unter den Begriff der Verwaltungsgerichtsbarkeit auch Rossinskij, in: Radtschenko (Hrsg.), Problemy sastschity publitschnych i tschastnych interesow w administratiwnych­ sudach [Die Probleme des Schutzes der öffentlichen und privaten Interessen vor den Verwaltungsgerichten], 2001, S. 184 (185). 57

A. Russische Verwaltungsgerichtsbarkeit als Rechtsinstitut 

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willkürlichen Charakter zu haben. Die „verwaltungsrechtliche Ordnungswidrigkeit“ und die „verwaltungsrechtliche Verantwortlichkeit“ stellen einen untrennbaren Teil der verwaltungsjurisdiktionellen Tätigkeit dar. Die Formulierungen vereint nur ihre weitläufige Zugehörigkeit zur verwaltungsrechtlichen Sphäre. Die Verknüpfung der Verwaltungsgerichtsbarkeit mit den „Organen der Verwaltungsjustiz“ ist dagegen nachvollziehbar, da es sich dabei um zwei eng verbundene und gegenseitig bedingte Elemente eines Ganzen – des Instituts der Verwaltungsjustiz – handelt.63 In Anlehnung an diese Auffassung gibt es wiederum Positionen, die unter den Begriff der Verwaltungsgerichtsbarkeit lediglich das Verfahren nach den Normen des OWiG RF subsumieren.64 Hierfür wird als argumentative Grundlage die Verfassung selbst herangezogen, die in Art. 118 Verf RF vier Arten der Gerichtsbarkeit65 normiert, denen jeweils ein prozessualer Komplex entspricht. Demnach sollen die Bestimmungen der Verwaltungsgerichtsbarkeit im OWiG RF zu finden sein.66 Vorherrschend wird dagegen unter der Verwaltungsgerichtsbarkeit das gerichtliche Verfahren zur Überprüfung der Gesetzlichkeit der Tätigkeit von Amtspersonen, von Organen der Verwaltung und der örtlichen Selbstverwaltung, d. h. aller Akte, die von ihnen erlassen werden, verstanden.67 Kürzer formuliert ist die Verwaltungsgerichtsbarkeit das gerichtliche Verfahren in Verwaltungsrechtssachen. Der Begriff der Verwaltungsrechtssache wurde in die Verfassung der RF aufgenommen, um die Rechtsstreitigkeiten über die Gesetzlichkeit der Rechtsakte und der Handlungen bzw. Unterlassen der Organe der öffentlichen Verwaltung, die einer gerichtlichen Überprüfung unterliegen, zu bestimmen.68 Die materiell-rechtliche Legalisierung der Kategorie „Verwaltungsrechtssachen“ lässt sich in Art. 126 Verf RF, in Art. 19 des Gesetzes „Über das Gerichtssystem der RF“69 (GVG RF) 63 So Artamonow, Formirowanije i raswitije organow administratiwnoj justizii [Die Ein­ führung und Entwicklung der Organe der Verwaltungsjustiz], 2004, S. 24. 64 Panowa, GiP 2001, Nr. 10, S. 13 (14); Jakimow, Status subjekta administratiwnoj jurisdikzii i problemy jego realisazii [Der Status des Subjektes der Verwaltungsjurisdiktion und Probleme seiner Realisierung], 1996, S. 4 ff.; Nikolajewa/Solowjewa, Administratiwnaja justizija i administratiwnoje sudoproiswodstwo [Die Verwaltungsjustiz und Verwaltungsgerichtsbarkeit], 2004, S. 92; Luparjew, Administratiwno-prawowyje spory [Die verwaltungsrechtlichen Streitigkeiten], 2005, S. 304. 65 Vgl. Ausführungen in der Einleitung zu 3. Kapitel. 66 Baglai, Konstituzionnoje prawo Rossijskoj Federazii [Das Verfassungsrecht der Russischen Föderation], 1998, S. 619. 67 Serkow, RJu 2003, Nr. 12, S. 54; Usanow, Administratiwnaja justizija w Rosii i sarubeznych gosudarstwach [Die Verwaltungsjustiz in Russland und im Ausland], 1999, S. 98; Knemeyer, in: Horn (Hrsg.), Recht im Pluralismus, Festschrift für Walter Schmitt Glaeser zum 70. Geburtstag, 2003, S. 597 (614). 68 Nikolajewa/Solowjewa, Administratiwnaja justizija i administratiwnoje sudoproiswodstwo [Die Verwaltungsjustiz und Verwaltungsgerichtsbarkeit], 2004, S. 96. 69 Federalnyj konstituzionnyj sakon ot 31.12.1996, N  1-FKS (red. ot 27.12.2009, s ism. i dop., wstupajuschtschimi w silu s 12.03.2010) „O sudebnoj sisteme Rossijskoj Federazii“ [Föderales Verfassungsgesetz vom 31.12.1996, Nr. 1-FKS, in der Redaktion vom 27.12.2009, mit Änderungen und Ergänzungen, die zum 12.03.2010 in Kraft treten „Über das Gerichts­ system der Russischen Föderation“], SZ 1997, Nr. 1, Pos. 1.

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3. Kap.: Gegenwärtige Rechtslage

und in Art. 7 des Gesetzes „Über die Militärgerichte der RF“70 finden.71 Zum ersten Mal wurde auf der Ebene eines Föderalen Verfassungsgesetzes der Versuch unternommen, die Bezeichnungen „Rechtssachen im Bereich der verwaltungsrechtlichen Ordnungswidrigkeiten“ und „Verwaltungsrechtssachen“ exakt zu differenzieren. Letztere sind gem. Art. 7 Abs. 1 Nr. 1 und 3 des Gesetzes „Über die Militärgerichte der RF“ Rechtssachen im Bereich des Schutzes der beeinträchtigten und/oder angefochtenen Rechte, Freiheiten und der vom Gesetz geschützten Interessen der Armeeangehörigen gegen Handlungen bzw. Unterlassen der Organe der Militärverwaltung, der Militäramtsträger und die von ihnen erlassenen Entscheidungen. Jede Verwaltungsrechtssache beinhaltet einen Rechtsstreit, der auf dem Gebiet des Öffentlichen Rechts entsteht.72 Es wird gleichwohl vorgeschlagen, den mehrdeutigen Begriff der Verwaltungsrechtssache bei der Schaffung einer gesetzlichen Grundlage durch den exakteren Terminus der „öffentlich-rechtlichen Streitigkeit“ zu ersetzen. Dieser vermag die Vielzahl der streitigen öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnisse besser widerzuspiegeln.73 4. Begriff des Verwaltungsprozesses Ferner sind die Termini Verwaltungsgerichtsbarkeit und Verwaltungsprozess („administratiwnyj prozess“) abzugrenzen. Hier sei erneut auf einen Teil der Literatur verwiesen, der beide Begriffe gleichsetzt.74 Der juristische Prozess ist danach eine prozessuale Form der Tätigkeit der rechtsprechenden Gewalt.75 70 Federalnyj konstituzionnyj sakon ot 23.06.1999, N 1-FKS (red. ot 30.04.2010) „O wojennych sudach Rossijskoj Federazii“ [Föderales Verfassungsgesetz vom 23.06.1999, Nr. 1-FKS, in der Redaktion vom 30.04.2010 „Über die Militärgerichte der Russischen Föderation“], SZ 1999, Nr. 26, Pos. 3170. 71 Chasanow, in: Radtschenko (Hrsg.), Problemy sastschity publitschnych i tschastnych interesow w administratiwnych sudach [Die Probleme des Schutzes der öffentlichen und privaten Interessen vor den Verwaltungsgerichten], 2001, S. 188. 72 Skitowitsch, Sudebnaja wlast i administratiwnyi akt: problemy jurisdikzyonnogo kontrola [Die rechtsprechende Gewalt und der Verwaltungsakt: Die Probleme der Kontrolle der Gerichtsbarkeit], 1999, S. 52; Chamanewa/Salischtschewa, Administratiwnaja justizija i administratiwnoje sudoproiswodstwo w Rossijskoj Federazii [Die Verwaltungsjustiz und Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Russischen Föderation], 2001, S. 44. 73 Nikolajewa/Solowjewa, Administratiwnaja justizija i administratiwnoje sudoproiswodstwo [Die Verwaltungsjustiz und Verwaltungsgerichtsbarkeit], 2004, S. 97. 74 Vgl. unter 3.  Kapitel, A. I. 3.  c)  sowie Nikolajewa/Solowjewa, Administratiwnaja justizija i administratiwnoje sudoproiswodstwo [Die Verwaltungsjustiz und Verwaltungsgerichtsbarkeit], 2004, S. 17; Galligan/Polanskij/Starilow, Administratiwnoje prawo. Istorija ­raswitija i ­osnownyje sowremennyje konzepzii [Verwaltungsrecht. Geschichte der Entwicklung und grundlegende moderne Konzeptionen], 2002, S. 368; Starilow, Administratiwnyje sudy w Rossii. Nowyje argumenty „sa“ i „protiw“ [Verwaltungsgerichte in Russland. Neue Argumente „pro“ und „contra“], 2004, S.  12; ders., Ot administratiwnoj justizii k administratiwnomu sudoproiswodstwu [Von der Verwaltungsjustiz zur Verwaltungsgerichtsbarkeit], 2003, S. 13. 75 So Starilow, GiP 2004, Nr. 6, S. 5 (7).

A. Russische Verwaltungsgerichtsbarkeit als Rechtsinstitut 

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Dagegen wendet Bachrach ein, dass der russische Begriff „prozess“ grundsätzlich als Verfahren zu verstehen ist. Das Adjektiv „administratiwnyj“ weist darauf hin, dass es sich um ein Verwaltungsverfahren handelt, also ein Verfahren innerhalb der Verwaltung.76 Das Wortlautargument greift nicht, da im russischen Sprachgebrauch die Adjektive „administratiwnyj“ und „uprawlentscheskij“ für den Begriff „Verwaltungs[…]“ verwendet werden. Die letztere Bezeichnung wird vom Terminus „uprawlenije“ (Verwaltung) abgeleitet und bezieht sich tatsächlich auf rein verwaltungsinterne Angelegenheiten. Insofern ist der Begriff „administratiwnyj“ weiter gefasst. In Anlehnung an den juristischen Sprachgebrauch im Deutschen, der die Verwaltungsgerichtsbarkeit bzw. das Verwaltungsgerichtsverfahren und den Verwaltungsprozess synonym verwendet, ist der Teil  der Lehre überzeugender, der die Gleichsetzung der Begriffe befürwortet. Gemeint ist beim Verwaltungsprozess das Verfahren der Verwaltungsgerichte, nicht das Vorgehen der Verwaltung.77 5. Fazit Im Folgenden wird die Verwaltungsgerichtsbarkeit als ein untrennbares prozessuales sowie funktionelles Element des Instituts der Verwaltungsjustiz im engeren Sinne verstanden. Die Verknüpfung des Ordnungswidrigkeitenverfahrens mit der Verwaltungsgerichtsbarkeit erscheint unbegründet.78 Die normative Bestandsaufnahme79 hat gezeigt, dass der Gesetzgeber beim Erlass des OWiG  RF das Ordnungswidrigkeitenrecht nicht zur Verwaltungsgerichtsbarkeit gezählt hat, da sie keinerlei Erwähnung im OWiG  RF findet.80 Zudem wurde bereits beim Beitritt Russlands zum Europarat angemerkt, dass sich in den europäischen Ländern ein Verständnis der Verwaltungsgerichtsbarkeit durchgesetzt hat, das von der Trennung zwischen Rechtsschutz der Bürger im Bereich der Verwaltungsrechtsverhältnisse und Verfolgung der Ordnungswidrigkeiten sowie Verhängung von Strafen ausgeht.81 Verwaltungsgerichtsbarkeit ist ein gerichtliches Verfahren durch unabhängige Gerichte auf dem Gebiet des Verwaltungsrechts, das der Wiederherstellung der subjektiv-öffentlichen Rechte der Bürger und der juristischen Personen dient. Der gerichtliche Schutz der Rechte und Freiheiten der Menschen und Bürger, 76

Bachrach, RJu 2003, Nr. 2, S. 10; ders., GiP 1992, Nr. 3, S. 13 ff. Vgl. Hufen, Verwaltungsprozessrecht, 6. Aufl., 2005, § 1 Rn. 2. 78 Nikolajewa/Solowjewa, Administratiwnaja justizija i administratiwnoje sudoproiswodstwo [Die Verwaltungsjustiz und Verwaltungsgerichtsbarkeit], 2004, S. 92. 79 Siehe oben unter 3. Kapitel, A. I. 3. a). 80 Popowa, Sudoproiswodstwo po delam, wosnikajuschtschim is publitschno-prawowych otnoschenij: teoretitscheskije problemy [Gerichtsbarkeit in Rechtssachen, die aus öffentlichrechtlichen Rechtsverhältnissen entstehen: Theoretische Probleme], 2002, S. 15. 81 Tumanow, GiP 1998, Nr. 12, S. 6. 77

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3. Kap.: Gegenwärtige Rechtslage

der in der Verfassung der RF und dem Völkerrecht verankert ist, steht dabei im Mittelpunkt.82 Überwiegend wird die Problematik der Einführung von eigenständigen Verwaltungsgerichten in der RF entweder im Allgemeinen unter dem Begriff der Verwaltungsjustiz oder differenzierter unter dem Terminus der Verwaltungsgerichtsbarkeit diskutiert. Die angeführte Vielzahl an Standpunkten der Rechtsgelehrten und der Rechtsprechung zeigt die Notwendigkeit der Herausarbeitung des Begriffs. Eine endlose Diskussion über die wissenschaftliche Polemik ist nicht zweckdienlich.83 Eine praktische Konzeption ist zu entwickeln. Dieser Pflicht sollte sich der Gesetzgeber stellen und die Problematik durch eine Legaldefinition lösen.

II. Funktionen der Verwaltungsgerichtsbarkeit Dem Verwaltungsgerichtsverfahren kommen zwei Hauptfunktionen zu. Die Kontrollfunktion in einem praktischen Sinne zielt auf die Mäßigung der Exekutivmacht im System der Gewaltenverschränkung. In dogmatischer Hinsicht lässt sich die subjektiv-rechtliche Funktion des Individualrechtsschutzes der objektiven Kontrollfunktion gegenüberstellen.84 Dabei ist offensichtlich, dass die Gewährung von Individualrechtsschutz durch die Gerichte bedeutet, dass auch gleichzeitig objektive Verwaltungskontrolle erfolgt.85 Daher sind subjektiv-rechtlicher und objektiv-rechtlicher Schutz nicht als Alternativen aufzufassen.86 Beide bezeichnen vielmehr verschiedene Zielsetzungen einer Rechtskontrolle des staatlichen Handelns.87 Eine gerichtliche Kontrolle des Staatshandelns kann als objektive Rechtskontrolle, in der der Schutz subjektiver Rechte eingeschlossen ist,88 oder als Individualrechtsschutz eingerichtet sein, der die objektive Rechtskontrolle lediglich als „eine erwünschte Nebenfolge“89 leistet.90 Die Festlegung einer Rechtskontrolle auf 82 Nikolajewa/Solowjewa, Administratiwnaja justizija i administratiwnoje sudoproiswodstwo [Die Verwaltungsjustiz und Verwaltungsgerichtsbarkeit], 2004, S. 36. 83 So Popowa, Sudoproiswodstwo po delam, wosnikajuschtschim is publitschno-­prawowych otnoschenij: teoretitscheskije problemy [Gerichtsbarkeit in Rechtssachen, die aus öffentlichrechtlichen Rechtsverhältnissen entstehen: Theoretische Probleme], 2002, S. 34. 84 So Schmidt-Aßmann, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner (Hrsg.), VwGO, Kommentar, 18. Aufl., 2009, Einleitung Rn. 165 f. 85 Dazu Schmidt-Aßmann, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner (Hrsg.), VwGO, Kommentar, 18. Aufl., 2009, Einleitung Rn. 170; auch schon Rumpf, VVDStRL 14 (1956), S. 136 (139 f.). 86 So Lorenz, Der Rechtsschutz des Bürgers und die Rechtsweggarantie, 1973, S. 130. 87 Dazu Krebs, in: Erichsen/Hoppe/von Mutius (Hrsg.), System des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes, 1985, S. 191. 88 Die französische Verwaltungsgerichtsbarkeit beruht auf der Konzeption der objektiven Legalitätskontrolle. Dazu Woehrling, NVwZ 1998, S. 462 ff. 89 Menger, DÖV 1955, S. 587 (591). 90 So Krebs, in: von Münch/Kunig (Hrsg.), GG-Kommentar, Bd. 1, 5. Aufl., 2000, Art. 19 Rn. 58.

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eine der Funktionen ist, laut Krebs, im Zusammenhang mit „deren Umfang, Verfahren und Organisation so folgenreich, [dass] man sie als Entscheidung für das eine oder andere ‚System‘ bezeichnen kann“.91 In Deutschland wurde diese Systementscheidung zugunsten der Garantie des Individualrechtsschutzes in Art. 19 Abs. 4 GG getroffen.92 Die russische Lehre befindet sich in diesem Punkt noch in der Entwicklungsphase. Eine eindeutige Entscheidung für die eine oder andere Funktion ist noch nicht gefallen. Ein Teil der russischen Gelehrten schreibt der Verwaltungsgerichtsbarkeit entweder eine rein subjektive oder lediglich objektive Funktion zu.93 Andere dagegen gehen von einem Nebeneinander beider Funktionen aus.94 Durch den Art.  46 Verf  RF wird aber deutlich, dass der Schwerpunkt in Russland wie auch in Deutschland auf der subjektiv-rechtlichen Komponente liegt. 1. Kontrollfunktion Die Verwaltungsgerichtsbarkeit nimmt als Hauptfunktion95 die gerichtliche Kontrolle der Verwaltung wahr. Die Kontrollfunktion dient der Gewaltbeschränkung der Verwaltung und der Kongruenz der Verwaltungspraxis mit den rechtsstaatlichen Standards.96 Innerhalb der Strukturen von parlamentarischen, politischen oder auch Kontrollen in der Verwaltung sichert die Kontrollfunktion des Verwaltungsprozesses die Gebundenheit der Verwaltung an Recht und Gesetz.97 Das Gebot der Gesetzmäßigkeit des Verwaltungshandelns ergibt sich in Russland aus Art. 15 Verf RF.98 Die Aufgabe der Gerichte besteht darin, die Gesetz-

91 Krebs, in: Erichsen/Hoppe/von Mutius (Hrsg.), System des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes, 1985, S. 191 (192). 92 Schenke, JZ 1988, S.  317; Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.), GG-Kommentar, Bd.  1, 2. Aufl., 2004, Art. 19 IV Rn. 43. 93 Statt vieler Utkin, Administratiwnoje sudoproiswodstwo w sowremennom prawowom­ gosudarstwe [Die Verwaltungsgerichtsbarkeit im modernen Rechtsstaat], 2004, S. 82 f. 94 Chamanewa/Salischtschewa, Administratiwnaja justizija i administratiwnoje sudoprois­ wodstwo w Rossijskoj Federazii [Die Verwaltungsjustiz und Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Russischen Föderation], 2001, S. 44; Starilow, Administratiwnyje sudy w Rossii. Nowyje argumenty „sa“ i „protiw“ [Verwaltungsgerichte in Russland. Neue Argumente „pro“ und „contra“], 2004, S. 37. 95 Skitowitsch, Sudebnaja wlast i administratiwnyi akt: problemy jurisdikzyonnogo kontrola [Die rechtsprechende Gewalt und der Verwaltungsakt: Die Probleme der Kontrolle der Gerichtsbarkeit], 1999, S. 50. 96 Starilow, Administratiwnyje sudy w Rossii. Nowyje argumenty „sa“ i „protiw“ [Verwaltungsgerichte in Russland. Neue Argumente „pro“ und „contra“], 2004, S. 34. 97 So Schmidt-Aßmann, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner (Hrsg.), VwGO, Kommentar, 18. Aufl., 2009, Einleitung Rn. 165. 98 Hartwig, in: Luchterhandt (Hrsg.), Verwaltung und Verwaltungsrecht im Erneuerungs­ prozess Osteuropas, 2001, S. 345 (358).

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3. Kap.: Gegenwärtige Rechtslage

mäßigkeit des Handelns von Verwaltungsorganen zu überprüfen.99 Jedoch ist es kein Selbstzweck der Gerichtstätigkeit, sondern ein Mittel zur Beilegung der verwaltungsrechtlichen Streitigkeiten und zum Schutz der subjektiven Rechte der Bürger.100 2. Individualrechtsschutz In Art. 46 Abs. 1 Verf RF wird das Recht auf gerichtlichen Rechtsschutz verankert. Abs. 2 desselben Artikels konkretisiert diesen Grundsatz und sieht ein Klagerecht bei Gericht gegen Entscheidungen und Handlungen (oder Unterlassen) der Organe der staatlichen Gewalt, der Organe der örtlichen Selbstverwaltung, der gesellschaftlichen Vereinigungen und der Amtspersonen vor.101 Diese Konkretisierung findet ihren Ausdruck überwiegend in den Regelungen der WiPO und der ZPO RF sowie im Gesetz der RF „Über die Beschwerdeführung bei Gericht über Handlungen und Entscheidungen, die die Rechte und Freiheiten der Bürger ver­ letzen“ (Gesetz „Über die Beschwerdeführung“).102 Ein Bürger hat das Recht zur Anrufung des Gerichts, sobald er der Meinung ist, dass seine Rechte und Freiheiten durch Handlungen oder Entscheidungen von Verwaltungsorganen, Amtspersonen, Staats- oder Munizipalbediensteten verletzt worden sind. Somit dient das Verwaltungsgerichtsverfahren originär dem Schutz subjektiver Rechte.103 Der Individualschutz ist die Primärfunktion des Verwaltungsprozesses104 und verpflichtet den Gesetzgeber, die Verfahrensordnung so auszugestalten, dass die klägerischen Rechte nicht nur Anstoß, sondern der eigentliche Gegenstand des Verfahrens sind.105

99 Starilow, Administratiwnaja justizija: teorija, istorija, perspektiwy [Die Verwaltungs­ justiz: Theorie, Geschichte und Perspektiven], 2001, S. 75. 100 Selenzow, in: Radtschenko (Hrsg.), Problemy sastschity publitschnych i tschastnych interesow w administratiwnych sudach [Die Probleme des Schutzes der öffentlichen und privaten Interessen vor den Verwaltungsgerichten], 2001, S. 64; Artamonow, Formirowanije i raswitije organow administratiwnoj justizii [Die Einführung und Entwicklung der Organe der Verwaltungsjustiz], 2004, S. 34. 101 Vgl. van Schyndel, WiRO 1994, S. 209 (210). 102 Sakon Rossijskoj Federazii ot 27.04.1993, N 4866-1 (red. ot 09.02.2009) „Ob obschalowanii w sud dejstwij i reschenij, naruschajuschtschich prawa i swobody graschdan“ [Gesetz der russischen Föderation vom 27.04.1993, Nr. 4866-1, in der Redaktion vom 09.02.2009 „Über die Beschwerdeführung bei Gericht über Handlungen und Entscheidungen, die die Rechte und Freiheiten der Bürger verletzen], WWS RF 1993, Nr. 19, Pos. 685; deutsche Übersetzung der ursprünglichen Gesetzesfassung bei van Schyndel, WiRO 1994, S. 209 (S. 212 ff.). 103 Schenke, Verwaltungsprozessrecht, 12. Aufl., 2009, § 1 Rn. 8. 104 Papier, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. 6, 1989, § 154 Rn. 2. 105 Krebs, in: Erichsen/Hoppe/von Mutius (Hrsg.), System des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes, 1985, S. 191 (197).

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Der Individualrechtsschutz ist der Schutz des Individuums und der Rechtsstellungen, die mit seiner Person verbunden sind.106 Traditionell werden durch das System der Rechte und Freiheiten der Menschen und Bürger politische, soziale, ökonomische, bürgerliche, kulturelle und persönliche Rechte erfasst.107 Die höchsten Rechte und Freiheiten werden in der Verfassung der RF anerkannt und garantiert (Art. 17 Abs. 1 Verf RF). Sie sind unveräußerlich und gelten unmittelbar (Art. 17 Abs. 2; Art. 18 Verf RF). Die Rechtsschutzgarantie des Art. 46 Abs. 1 Verf RF wird vor allem auf die Grundrechte angewandt, erstreckt sich aber auch, so die mehrheitlich vertretene Meinung in der Literatur, auf jegliche Rechte, die per Gesetz verliehen werden.108 „Der Besitz der Rechte und Freiheiten sichert dem Individuum die Möglichkeit einer Existenz als selbstständiges […] Mitglied der Gesellschaft.“109 3. Wiedergutmachungsfunktion In der Wiederherstellung des „administrativen Unrechts“ sieht Usanow die Hauptaufgabe der Verwaltungsgerichtsbarkeit. In erster Linie tritt das Verwaltungsunrecht durch die Handlungen der Amtspersonen, die die subjektiven Rechte der Bürger verletzen, in Erscheinung.110 Erfasst werden sowohl subjektive Rechte und gesetzliche Interessen der Bürger als auch objektives Recht.111 Die Wieder­ herstellung des objektiven Rechts kann mit Hilfe der Außerkraftsetzung des unrechtmäßigen Aktes der Verwaltung erreicht werden.112 4. Sonstige Funktionen Zum Kontrollauftrag über die Verwaltung und zum subjektiven Rechtsschutz kommen weitere Aufgaben der Verwaltungsgerichtsbarkeit hinzu. Die Funktionen der Verwaltungsgerichtsbarkeit als Teil der staatlichen Gewalt im System der Ge-

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So Schmidt-Aßmann, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner (Hrsg.), VwGO, Kommentar, 18. Aufl., 2009, Einleitung Rn. 21. 107 Starilow, Administratiwnaja justizija: teorija, istorija, perspektiwy [Die Verwaltungs­ justiz: Theorie, Geschichte und Perspektiven], 2001, S. 63. 108 Hartwig, in: Luchterhandt (Hrsg.), Verwaltung und Verwaltungsrecht im Erneuerungs­ prozess Osteuropas, 2001, S. 345 (349). 109 Starilow, Gerichtliche Verwaltungskontrolle im System des russischen Staats- und Verwaltungsrechts, 1999, S. 6. 110 Dazu Usanow, Administratiwnaja justizija w Rosii i sarubeznych gosudarstwach [Die Verwaltungsjustiz in Russland und im Ausland], 1999, S. 26. 111 Artamonow, Formirowanije i raswitije organow administratiwnoj justizii [Die Einführung und Entwicklung der Organe der Verwaltungsjustiz], 2004, S. 30. 112 Solowjowa, Administratiwnaja justizija w Rossii [Verwaltungsjustiz in Russland], 1999, S. 98.

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3. Kap.: Gegenwärtige Rechtslage

waltenteilung stimmen mit den allgemeinen Funktionen der anderen Gerichtsbarkeiten überein.113 Im Verwaltungsprozess werden die streitigen Rechte, Kompetenzen oder Interessen der Beteiligten geklärt und in einer bindenden Entscheidung bestätigt (sog. Befriedungsfunktion). In der zumeist durch die Gerichte geschaffenen letzt­ verbindlichen normativen Grundlage, auf der Entscheidungen der Verwaltung beruhen, liegt die Stabilisierungsfunktion. Durch ihren hohen Abstraktionsgrad müssen Gesetze durch Gerichte konkretisiert werden. Damit geht die Akzeptanzsicherung, eine weitere Funktion der Verwaltungsgerichtsbarkeit, einher. Ferner wird durch die Konkretisierung als Kernpunkt der Stabilisierungsfunktion die Rechtsfortbildung114 befördert.115

B. Formen des gegenwärtigen Verwaltungsrechtsschutzes Für die Beilegung von verwaltungsrechtlichen Streitigkeiten stehen den Beteiligten in Russland nach dem gegenwärtigen Gerichtssystem sowohl die ordentliche Gerichtsbarkeit als auch die Wirtschaftsgerichtsbarkeit zur Verfügung. Zudem beschäftigen sich Militärgerichte mit verwaltungsrechtlichen Verfahren.

I. Verwaltungsgerichtliche Verfahren innerhalb der Wirtschaftsgerichtsbarkeit Die Wirtschaftsgerichte befassen sich mit fast allen wirtschaftlich entscheidenden Rechtsgebieten, den strafrechtlichen Bereich ausgenommen.116 Das deutsche Rechtsverständnis zugrunde gelegt, agieren sie nicht nur als Kammern für Handelssachen, sondern als Amts- und Landgerichte in Zivilverfahren, aber auch zum großen Teil als Verwaltungs- und Finanzgerichte. Mehr als die Hälfe aller Verfahren ist öffentlich-rechtlicher Natur.117

113 Nikolajewa/Solowjewa, Administratiwnaja justizija i administratiwnoje sudoproiswodstwo [Die Verwaltungsjustiz und Verwaltungsgerichtsbarkeit], 2004, S. 19. 114 Grundlegend zur Rechtsfortbildung Schmidt-Aßmann, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner (Hrsg.), VwGO, Kommentar, 18. Aufl., 2009, Einleitung Rn. 175. 115 Zu den Funktionen Schmidt-Aßmann, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner (Hrsg.), VwGO, Kommentar, 18. Aufl., 2009, Einleitung Rn. 165. 116 Piksin/Dethloff, Die Wirtschaftsprozeßordnung der Russischen Föderation, 2005, S. 29. 117 So Piksin/Dethloff, Die Wirtschaftsprozeßordnung der Russischen Föderation, 2005, S. 29.

B. Formen des gegenwärtigen Verwaltungsrechtsschutzes 

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1. Gerichtsaufbau Die rechtsprechende Gewalt wird in der RF vertikal durch Gerichte der Födera­ tionssubjekte118 und Föderationsgerichte119 ausgeübt.120 Die Wirtschaftsgerichte gehören gem. Art. 1 des Gesetzes „Über die Wirtschaftsgerichte der Russischen Föderation“ (WiGG)121 als Föderationsgerichte zum einheitlichen Gerichtssystem der RF. Die russische Wirtschaftsgerichtsbarkeit besteht aus vier Gerichtsebenen, die in Art. 3 WiGG geregelt und in den Art. 23–25 GVG RF bestätigt werden: (1) Wirtschaftsgerichte der Föderationssubjekte, (2) Appellationswirtschaftsgerichte, (3) Kassationswirtschaftsgerichte und (4) Oberstes Wirtschaftsgericht der Russischen Föderation122.123 Den untersten Gerichtszweig der Wirtschaftsgerichtsbarkeit bilden die Wirtschaftsgerichte der Föderationssubjekte („arbitraschnyje sudy Rossijskoj Federazii“), die in den Art. 3, 34 Abs. 1 WiGG definiert sind. Es handelt sich dabei um Wirtschaftsgerichte der Republiken, Regionen, Gebiete, Städte föderaler Bedeutung, autonomer Kreise sowie autonomer Gebiete.124 Bedarfsabhängig können dabei mehrere Föderationssubjekte ein gemeinsames Wirtschaftsgericht schaffen oder in einem Subjekt mehrere Wirtschaftsgerichte errichtet werden.125 Im Zuge der Novellierung der WiPO von 2002 und des WiGG von 2003 wurde eine Appellationsinstanz (Berufung) vor der Kassationsinstanz (Revision) eingeführt. Damit sind in Russland zusätzlich 20 Appellationswirtschaftsgerichte („arbitraschnyje apellazionnyje sudy“)126 errichtet worden. Als nächsthöhere Instanz der Wirt 118 Dazu zählen sog. Verfassungsgerichte der Föderationssubjekte sowie Friedensrichter. Erstere überprüfen regionale Rechtsakte auf ihre Vereinbarkeit mit der jeweiligen Subjekts­ verfassung und befassen sich mit der Auslegung der Subjektsverfassung. Vgl. Art. 27 GVG RF. Näher zu Friedensrichtern unter 3. Kapitel, B. II. 2. c) aa). 119 Vgl. Art. 4 Abs. 3 GVG RF. 120 Stampe, Der Funktionsbereich der russischen Wirtschaftsgerichtsbarkeit, 2000, S. 18. 121 Federalnyj konstituzionnyj sakon ot 28.04.1995, N 1-FKS (red. ot 30.04.2010) „Ob arbitraschnych sudach w Rossijskoj Federazii“ [Föderales Verfassungsgesetz vom 28.04.1995, Nr. 1-FKS, in der Redaktion vom 30.04.2010 „Über die Wirtschaftsgerichte der Russischen Föderation“], SZ 1995, Nr. 18, Pos. 1589. 122 Beachte 6. Kapitel – Nachtrag. 123 Vgl. Gemmel/Maier, RIW 2009, S. 208 (209). 124 Vgl. Bednarz, in: Schroeder (Hrsg.), Die neuen Kodifikationen in Russland, 2.  Aufl., 1999, S. 161 (168). 125 Stampe, Der Funktionsbereich der russischen Wirtschaftsgerichtsbarkeit, 2000, S. 19. 126 Diese werden numerisch bezeichnet, wie z. B. 1.  Wirtschaftsappellationsgericht, 2., 3. usw. Ihren Sitz haben sie in Wladimir, Kirow, Krasnojarsk, Tschita, Wladiwostok, Chabarowsk, Tomsk, Omsk, Moskau (Stadt Moskau), Moskau (Gebiet Moskau), Samara, Saratow, St. Petersburg, Wologda, Rostow am Don, Jessentuki, Perm, Tscheljabinsk, Woronesch und Tula. Vgl. http://www.arbitr.ru/as/appeal/ (Stand: 31.12.2011).

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3. Kap.: Gegenwärtige Rechtslage

schaftsgerichte fungieren 10 Kassationsgerichte („federalnyje arbitraschnyje sudy okrugow“).127 An der Spitze der wirtschaftsgerichtlichen Hierarchie steht gem. Art. 23 GVG RF das Oberste Wirtschaftsgericht der RF („Wysschyj Arbitraschnyj Sud Rossijskoj Federazii“).128 2. Zuständigkeiten a) Sachliche Zuständigkeit aa) Allgemeine Zuständigkeitszuweisung Die allgemeine Zuweisung der Streitigkeiten an die Wirtschaftsgerichte erfolgt auf der Grundlage des Art. 27 WiPO. Besondere Zuständigkeitszuweisungen werden in den Art. 28–33 WiPO getroffen. Art. 27 Abs. 1 WiPO besagt, dass die Wirtschaftsgerichte für Rechtssachen über wirtschaftliche Streitigkeiten und andere Rechtssachen zuständig sind, die im Zusammenhang mit der Ausübung unternehmerischer und anderer wirtschaftlicher Tätigkeit stehen. Diese Zuständigkeit liegt vor, wenn es sich bei den Parteien um juristische Personen oder staatlich registrierte Einzelunternehmer oder um staatliche Organe handelt (Art. 27 Abs. 2 WiPO).129 Für die Zuständigkeitsbestimmung ist also ein Doppelkriterium geregelt: Zum einen muss eine wirtschaftliche Streitigkeit vorliegen, zum anderen besteht eine Abhängigkeit vom Rechtsstatus der Beteiligten.130 Auf der einen Seite sind die Wirtschaftsgerichte somit ausschließlich für die Entscheidung wirtschaftlicher Streitigkeiten und anderer Angelegenheiten zu­

127 Diese befinden sich in Nischnij Nowgorod, Irkutsk, Chabarowsk, Tjumen, Moskau, Kasan, St. Petersburg, Krasnodar, Jekaterinburg und Brjansk. Übersicht unter http://www.arbitr. ru/as/okrug/ (Stand: 31.12.2011). Ihre örtliche Zuständigkeit stimmt nicht mit den Verwaltungsgrenzen überein. Damit sollten bei der Errichtung im Jahre 1996 die Befürchtungen um die Voreingenommenheit der Gerichte ausgeräumt werden. Bednarz, in: Schroeder (Hrsg.), Die neuen Kodifikationen in Russland, 2. Aufl., 1999, S. 161 (168). 128 Vgl. Gemmel/Maier, RIW 2009, S. 208 (210). 129 Vor der Reformierung der WiPO im Jahre 2002 richtete sich die Zuständigkeit nicht nach der Sachmaterie, sondern war lediglich vom Rechtsstatus der Beteiligten abhängig, was zu Abgrenzungsschwierigkeiten zwischen den Wirtschaftsgerichten und den ordentlichen Gerichten führte. Dieses Problem wurde jedoch in der neuen WiPO unzureichend gelöst, so Reitemeier, Osteuropa-Recht 2003, S. 121 (127). 130 Zur früheren Rechtslage vgl. Stampe, Der Funktionsbereich der russischen Wirtschaftsgerichtsbarkeit, 2000, S. 102; zur aktuellen Entwicklung vgl. Reitemeier, Osteuropa-Recht 2003, S. 121 (127); Piksin/Dethloff, Die Wirtschaftsprozeßordnung der Russischen Föderation, 2005, S.  32; Rusakowa, in: Kraschennikow (Hrsg.), Postatejnyj kommentarij, arbitraschnyj prozessualnyj kodeks Rossijskoj Federazii [Artikelweiser Kommentar, Wirtschaftsprozess­ ordnung der Russischen Föderation], 2007, S. 61 ff.; Gemmel/Maier, RIW 2009, S. 208 (209).

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ständig, die mit der Ausübung unternehmerischer und anderer wirtschaftlicher Tätigkeit verbunden und nicht ausschließlich der Privatsphäre eines Unternehmers zuzuordnen sind.131 Der Begriff der wirtschaftlichen Streitigkeit ist nicht legaldefiniert. Die russische Lehre greift für die Bestimmung des Begriffs auf den Art. 2 Abs. 1 Zivilgesetzbuch der RF (ZGB)132 zurück.133 Bei der unternehmerischen Tätigkeit handelt es sich um jede Tätigkeit, die selbstständig und auf eigene Gefahr ausgeübt wird, auf regelmäßige Erzielung von Gewinn aus der Nutzung von Vermögensgegenständen, dem Verkauf von Waren oder der Ausführung von Tätigkeiten gerichtet ist und von Personen ausgeübt wird, die als Unternehmer registriert sind.134 Auf der anderen Seite enthält Art. 27 Abs. 2 WiPO das zweite „klassische“ Abgrenzungskriterium.135 Wirtschaftsgerichte sind danach nur zuständig, wenn am Verfahren unternehmerische Rechtssubjekte beteiligt sind. Das können juristische Personen oder staatlich registrierte Einzelunternehmer sein.136 D. h., sind an den Streitigkeiten Behörden oder Organisationen, die keine juristischen Personen sind, oder Bürger, die keine Einzelunternehmer sind, beteiligt, kommt eine Zuständigkeit der Wirtschaftsgerichte nur in Betracht, wenn dies ausdrücklich durch Gesetz vorgesehen ist.137

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Vgl. Postanowlenije Plenuma Werhownogo Suda RF, N 6, Plenuma Werhownogo Arbitraschnogo Suda RF, N 8 ot 01.07.1996 „O nekotorych woprosach, swjasanych s primenenijem tschasti perwoj Graschdanskogo kodeksa Rossijskoj federazii“ [Plenarbeschluss des Obersten Gerichts der RF, Nr.  6, des Obersten Wirtschaftsgerichts, Nr.  8 vom 01.07.1996 „Über einige Fragen der Anwendung des ersten Teils des Zivilgesetzbuchs der RF“], RG Nr. 151 vom 10.08.1996; Resch, Unternehmensrecht in Russland zwischen Privatisierung und Staatswirtschaft, 2006, S. 151. 132 Graschdanskij kodeks Rossijskoj Federazii (tschast perwaja)  ot 30.11.1994, N  51-FS (red. ot 27.12.2009) [Zivilgesetzbuch der Russischen Föderation (Erster Teil) vom 30.11.1994, Nr. 51-FS, in der Redaktion vom 27.12.2009], SZ 1994, Nr. 32, Pos. 3301. 133 Absaljamow, Administratiwnoje sudoproiswodstwo w arbitraschnom sude. Teoretikometodologitscheskije aspekty [Die Verwaltungsgerichtsbarkeit innerhalb der Wirtschaftsgerichte. Theoretisch-methodologische Aspekte], 2009, S. 150; Steininger, Osteuropa-Recht 1997, S. 281 (286); Lentz, Die internationale Wirtschaftsschiedsgerichtsbarkeit in der Russischen Föderation, 2000, S. 45. 134 Resch, Unternehmensrecht in Russland zwischen Privatisierung und Staatswirtschaft, 2006, S. 151. 135 Rusakowa, in: Kraschennikow (Hrsg.), Postatejnyj kommentarij, arbitraschnyj prozessualnyj kodeks Rossijskoj Federazii [Artikelweiser Kommentar, Wirtschaftsprozessordnung der Russischen Föderation], 2007, S. 64. 136 Das Verfahren der Registrierung ist durch Federalnyj sakon ot 08.08.2001, N  129-FS (red. ot 19.05.2010) „O gosudarstwennoj registrazii juriditscheskich liz i indiwidualnych predprinimatelej“ [Föderales Gesetz vom 08.08.2001, Nr.  129-FS, in der Redaktion vom 19.05.2010 „Über die staatliche Registrierung von juristischen Personen und Einzelunternehmen“], SZ 2001, Nr. 33 (Teil I), Pos. 3431 geregelt. 137 Piksin/Dethloff, Die Wirtschaftsprozeßordnung der Russischen Föderation, 2005, S. 32.

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3. Kap.: Gegenwärtige Rechtslage

bb) Zivilrechtliche Verfahren Einen der Schwerpunkte der wirtschaftsgerichtlichen Zuständigkeiten bilden Streitigkeiten, die aus zivilrechtlichen Rechtsbeziehungen138 entstehen. Hierfür sind gem. Art. 28 WiPO die Regeln des allgemeinen Klageverfahrens (Art. 125 ff. WiPO) anzuwenden.139 Das doppelte Zuständigkeitskriterium wird nochmals für das zivilrechtliche Verfahren wiederholt.140 cc) Verwaltungsrechtliche Verfahren Einen weiteren Tätigkeitszweig der Wirtschaftsgerichte bilden verwaltungsrechtliche Verfahren. Art. 29 WiPO zählt die Rechtsstreitigkeiten, die im öffentlich-rechtlichen Bereich entstehen, enumerativ auf und definiert den administrativen Zuständigkeitsbereich. Wirtschaftsgerichte verhandeln danach wirtschaftliche Streitigkeiten, die aus verwaltungsrechtlichen und anderen öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnissen hervorgehen, und andere Rechtssachen, die mit Ausübung unternehmerischer und anderer wirtschaftlicher Tätigkeit durch Organisationen und Bürger verbunden sind: (1) Anfechtung normativer Akte, welche Rechte und gesetzliche Interessen des Antragstellers im Bereich unternehmerischer und anderer wirtschaftlicher Tätigkeit berühren, wenn deren Verhandlung den Wirtschaftsgerichten durch ein Föderales Gesetz zugewiesen ist; (2) Anfechtung nichtnormativer Akte der Staatsorgane der Russischen Föderation, der Staatsorgane ihrer Subjekte, der Organe der kommunalen Selbstverwaltung, der Entscheidungen und Handlungen bzw. Unterlassungen der Staatsorgane, der Organe der örtlichen Selbstverwaltung, anderer Organe und Amtspersonen, welche die Rechte und gesetzlichen Interessen des Antragstellers im Bereich unternehmerischer und anderer wirtschaftlicher Tätigkeit berühren; (3) Verwaltungsrechtliche Ordnungswidrigkeiten, wenn deren Verhandlung den Wirtschaftsgerichten durch ein Föderales Gesetz zugewiesen ist; (4) Vollstreckung der Pflichtabgaben und Sanktionen gegenüber den Organisationen und Bürgern, wenn kein anderes Verfahren der Vollstreckung durch ein Föderales Gesetz vorgesehen ist; 138 Gem. Art.  4 Abs.  6 WiPO können lediglich Streitigkeiten aus Zivilrechtsbeziehungen durch Parteivereinbarung an ein Schiedsgericht („tretjeskij sud“) abgegeben werden. Ausführlich zur Abgrenzung von zivilrechtlichen Rechtsstreitigkeiten vor den Wirtschaftsgerichten zu den ordentlichen Gerichten und Schiedsgerichten Stampe, Der Funktionsbereich der russischen Wirtschaftsgerichtsbarkeit, 2000, S. 137 ff. Für Ausführungen die Abgrenzungsproblematik öffentlich-rechtlicher Streitigkeiten betreffend vgl. unter 3. Kapitel, B. I. 2. a) ee). 139 Reitemeier, Osteuropa-Recht 2003, S. 121 (127). 140 Piksin/Dethloff, Die Wirtschaftsprozeßordnung der Russischen Föderation, 2005, S. 32.

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(5) andere Rechtssachen, die aus verwaltungsrechtlichen und anderen öffentlichrechtlichen Rechtsbeziehungen entstehen, wenn deren Verhandlung den Wirtschaftsgerichten durch ein Föderales Gesetz zugewiesen ist. Die Regelung des Art. 29 WiPO enthält kein subjektives Kriterium und erstreckt sich daher auch auf wirtschaftliche Streitigkeiten mit Beteiligung von sonstigen Organisationen und von Bürgern.141 Aufgrund spezieller Verfahrensvorschriften der Art. 192 Abs. 1 und Art. 198 Abs. 1 WiPO gilt dies nur für die Anfechtung von normativen und nichtnormativen Akten.142 Der Wortlaut der Normen sieht explizit ein Antragsrecht der „Bürger, Organisationen und anderer Personen“ vor, wenn die geltend gemachte Rechtsverletzung im Zusammenhang mit der Ausübung unternehmerischer und anderer wirtschaftlicher Tätigkeit steht. Für das Ordnungswidrigkeitenverfahren wird in den Art. 202 Abs. 1, 207 Abs. 2 WiPO sowie Art. 23.1. Abs. 3 OWiG RF klargestellt, dass die Subjektseigenschaft nach Art.  27 Abs.  2 WiPO als Zuständigkeitskriterium vorliegen muss. Danach werden nur juristische Personen und Einzelunternehmer zur administrativen Verantwortung aufgrund begangener Ordnungswidrigkeiten herangezogen.143 dd) Sonstige Verfahren Durch ein Föderales Gesetz können den Wirtschaftsgerichten gem. Art.  27 Abs.  3 WiPO weitere Zuständigkeiten zugewiesen werden. Diese Sonderzuweisung besteht unabhängig vom Status der Beteiligten.144 Die Wirtschaftsgerichte sind ferner für Verfahren der Feststellung rechtserheblicher Tatsachen gem. Art. 30 WiPO, Verfahren der Anfechtung und Vollstreckbarkeitserklärung von russischen Schiedsgerichtsentscheidungen gem. Art. 31 WiPO sowie der Anerkennung und Erteilung von Vollstreckbarkeitserklärungen von ausländischen Urteilen und Schiedssprüchen gem. Art. 32 WiPO zuständig. Zudem werden weitere spezielle (ausschließliche)  Zuständigkeiten der Wirtschaftsgerichte numerisch in Art. 33 WiPO geregelt.145 Diese Norm wurde durch 141

Piksin/Dethloff, Die Wirtschaftsprozeßordnung der Russischen Föderation, 2005, S. 32. Zur Anfechtung nichtnormativer Akte vgl. explizit Nikitin, in: Schylin (Hrsg.), Postatejnyj kommentarij, arbitraschnyj prozessualnyj kodeks Rossijskoj Federazii [Artikelweiser Kommentar, Wirtschaftsprozessordnung der Russischen Föderation], 2. Aufl., 2008, Art. 198 Rn. 1. 143 So auch Piksin/Dethloff, Die Wirtschaftsprozeßordnung der Russischen Föderation, 2005, S. 33. 144 Vgl. Opredelenije Presidiuma Werhownogo Suda RF ot 04.02.2004, N  91 pw03 „Dela ob ospariwanii normatiwnych prawowych aktow regionalnych energetitscheskich komissij po­ gosudarstwennomu regulirowaniju tarifow na elektritscheskuju i teplowuju energiju nesawisimo ot subjekta opsariwanija podwedomstwenny arbitraschnym sudam [Beschluss des Presidiums des Obersten Gerichts der RF vom 04.02.2004, Nr. 91 pw03], Bulletin 2004, Nr. 7, S. 2. 145 Diese sollen im Weiteren als besondere Verfahren bezeichnet werden. Vgl. Ausführungen 3. Kapitel, B. I. 9. 142

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3. Kap.: Gegenwärtige Rechtslage

das Änderungsgesetz vom 19.  Juli 2009 wesentlich geändert.146 Damit sind folgende Fallgruppen der Wirtschaftsgerichtsbarkeit zugewiesen: (1) Insolvenzverfahren; (2) Gesellschaftsrechtliche Streitigkeiten nach Art. 225.1. WiPO (n. F.); (3) Streitigkeiten bzgl. der staatlichen Registrierung juristischer Personen und Einzelunternehmer; (4) Streitigkeiten in Bezug auf die Tätigkeit von Depositaren, die mit der Berücksichtigung von Rechten an Aktien und Wertpapieren und mit der Ausübung anderer im Föderalen Gesetz vorgesehener Rechte und Pflichten zusammenhängt (n. F.); –– Streitigkeiten, die aus der Tätigkeit von staatlichen Korporationen hervor­ gehen und mit ihrer Rechtsstellung, Verwaltung, Gründung, Reorganisation, Liquidation und Organisation sowie mit der Ermächtigung ihrer Organe und der Haftung ihrer Amtspersonen zusammenhängen (n. F.); (5) Verfahren zum Schutz der geschäftlichen Reputation; (6) andere Rechtssachen, die bei der Ausübung der wirtschaftlichen Tätigkeit entstehen und durch ein Föderales Gesetz vorgesehen sind. Art.  33 Abs.  2 WiPO bestimmt die Zuständigkeit der Wirtschaftsgerichte unabhängig von der Unternehmereigenschaft der Beteiligten.147 An den in Art.  33 WiPO aufgeführten Verfahren können also Vereinigungen, die keine juristischen Personen sind, oder nicht als Einzelunternehmer registrierte Bürger als Parteien teilnehmen.148 Die allgemein aufgestellten Zuständigkeitskriterien des Art. 27 Abs. 1 WiPO müssen für die Begründung der Sonderzuständigkeit jedoch vorliegen.149 146 Siehe Federalnyj sakon ot 19.07.2009, N 205-FS „O wnesenii ismenenij w otdelnyje sakonodatelnyje akty Rossijskoj Federazii [Föderales Gesetz vom 19.07.2009, Nr. 205-FS „Über die Einbringung von Änderungen in einzelne Gesetzgebungsakte der Russischen Föderation], SZ 2009, Nr. 29, Pos. 3642. 147 Vgl. Reitemeier, Osteuropa-Recht 2003, S. 121 (127); Piksin/Dethloff, Die Wirtschaftsprozeßordnung der Russischen Föderation, 2005, S. 33. 148 Im Gegensatz zu oben 3. Kapitel, B. I. 2. a) aa). Rusakowa, in: Kraschennikow (Hrsg.), Postatejnyj kommentarij, arbitraschnyj prozessualnyj kodeks Rossijskoj Federazii [Artikelweiser Kommentar, Wirtschaftsprozessordnung der Russischen Föderation], 2007, S. 68; Schujkow, in: Schylin (Hrsg.), Postatejnyj kommentarij, arbitraschnyj prozessualnyj kodeks Rossijskoj Federazii [Artikelweiser Kommentar, Wirtschaftsprozessordnung der Russischen Föderation], 2. Aufl., 2008, Art. 33 Rn. 1. 149 Ausführlich zur Problematik Piksin/Dethloff, Die Wirtschaftsprozeßordnung der Russischen Föderation, 2005, S.  33 f.; klarstellend Postanowlenije Plenuma Wysschego Arbitraschnogo Suda Rossijskoj Federazii ot 09.12.2002, N  11 „O nekotorych woprosach, swjasanych s wwedenijem w dejstwije Arbitraschnogo prozessualnogo kodeksa Rossijskoj Federazii“ [Plenarbeschluss des Obersten Wirtschafsgerichts der Russischen Föderation vom 09.12.2002, Nr. 11 „Über einige Fragen, betreffend die Einführung der Wirtschafsgerichtsordnung der Russischen Föderation“], Westnik WAS RF 2003, Nr. 2, Rn. 5; a. A. Reitemeier, Osteuropa-Recht 2003, S. 121 (127).

B. Formen des gegenwärtigen Verwaltungsrechtsschutzes 

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ee) Abgrenzungsschwierigkeiten (1) Verhältnis zur ordentlichen Gerichtsbarkeit Die Abgrenzung zwischen ordentlichen Gerichten und Wirtschaftsgerichten hinsichtlich der Zuständigkeit gestaltet sich – auch nach den Reformen von 2002 – äußerst schwierig.150 Die Zuordnung von Rechtsstreitigkeiten an die ordentliche Gerichtsbarkeit erfolgt auf der Grundlage des Art. 22 ZPO RF. Unter Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen Rechtsweggarantie des Art. 46 Verf RF kommt der ordentlichen Gerichtsbarkeit die Funktion einer „Auffanggerichtsbarkeit“ zu.151 Danach gilt für die Abgrenzung zur Wirtschaftsgerichtsbarkeit folgende von der russischen Rechtsprechung und Literatur entwickelte „Ausschlussmethode“:152 Die ordentlichen Gerichte sind grundsätzlich für Zivil-, Straf- und Verwaltungssachen zuständig, soweit diese nicht ausdrücklich in den besonderen Zuständigkeitsbereich der Wirtschaftsgerichte fallen.153 Alle Streitigkeiten, die mit einer unternehmerischen Tätigkeit in Zusammenhang stehen, sowie Streitigkeiten aus diesem Geschäftsbereich gehören in die Zuständigkeit der Wirtschaftsgerichte (Art. 27–31 WiPO). Aufgrund der Tatsache, dass die Überprüfung normativer sowie nichtnormativer Akte nicht nur den Wirtschaftsgerichten obliegt, sondern auch von ordentlichen Gerichten wahrgenommen wird, spielt die Zuständigkeitsabgrenzung bei öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten eine entscheidende Rolle. Juristisches Neuland im Wirtschaftsgerichtsverfahren liegt in der Kompetenz der Wirtschaftsgerichte für die Anfechtung normativer Akte (Art.  29 Abs.  1 WiPO). Diese wurde im Jahr 2002 in die WiPO aufgenommen.154 Zuvor war die Überprüfung von Normativakten lediglich den ordentlichen Gerichten vorbehalten.155 Gerade hier entstehen zahlreiche Problemfelder: So kann ein und dieselbe Norm einen Bürger und gleichfalls ein Unternehmen in seinen Rechten verletzen. Das führt dazu, dass die Zuständigkeit bei zwei unterschiedlichen Gerichten liegt und beide über die Vereinbarkeit der Rechtsnorm mit dem höherrangigen Recht entscheiden – ohne hiervon gegenseitig in Kenntnis gesetzt zu werden.156 Die Unzulänglichkeiten einer möglichen divergenten Rechtsprechung und die damit verbundene Rechtsunsicherheit liegen auf der Hand.157 150

Reitemeier, Osteuropa-Recht 2003, S. 121 (126). Dazu Stampe, Der Funktionsbereich der russischen Wirtschaftsgerichtsbarkeit, 2000, S. 138 m. w. N. 152 Steininger, Osteuropa-Recht 1997, S. 281 (291). 153 Resch, Unternehmensrecht in Russland zwischen Privatisierung und Staatswirtschaft, 2006, S. 146. 154 Zu den Schwierigkeiten des Gesetzgebungsverfahrens detailliert Reitemeier, OsteuropaRecht 2003, S. 121 (133). 155 Piksin/Dethloff, Die Wirtschaftsprozeßordnung der Russischen Föderation, 2005, S. 39. 156 So Reitemeier, Osteuropa-Recht 2003, S. 121 (127). 157 Hierzu genauer unter 4. Kapitel, A. II. 5. b). 151

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3. Kap.: Gegenwärtige Rechtslage

(2) Abgrenzung zur Verfassungsgerichtsbarkeit Das verwaltungsgerichtliche Normenkontrollverfahren158 ist von der verfassungsrechtlichen Normenkontrolle abzugrenzen. Grundsätzlich verhandeln Wirtschaftsgerichte gem. Art.  29 Abs.  1 und 191 Abs.  3 WiPO die Anfechtung normativer Akte, wenn die Erörterung aufgrund des Föderalen Gesetzes in ihre Zuständigkeit fällt,159 es sei denn, die Zuständigkeit ist ausschließlich dem Verfassungsgericht der RF zugewiesen.160 Das Verfassungsgericht der RF entscheidet über die Verfassungsmäßigkeit von Normen und hat bei ihrer Verfassungswidrigkeit eine Verwerfungsbefugnis, welche weder den ordentlichen noch den Wirtschaftsgerichten zukommt. Die Frage der Verfassungsmäßigkeit, d. h. die Vereinbarkeit des Normativaktes mit der Verfassung, dient dabei als Abgrenzungskriterium für die Kompetenzbestimmung. Das Verfassungsgericht der RF hat mehrmals betont, dass die ordentlichen Gerichte – nach neuer Rechtslage auch die Wirtschaftsgerichte entsprechend ihrer Zuständigkeit161 – nur dann für die Anfechtung normativer Akte zuständig sind, wenn dabei die Frage der Verfassungsmäßigkeit des Aktes oder des Gesetzes, auf dessen Grundlage der Normativakt erlassen wurde, nicht berührt wird.162 Die ordentlichen 158

Vgl. Ausführungen unter 3. Kapitel, B. I. 8. b). Beispiele hierfür sind Art. 138 Abs. 2 des Nalogowyj kodeks Rossijskoj Federazii (tschast perwaja)  ot 31.07.1998, N  146-FS (red. ot 28.09.2010) [Steuergesetzkodex der Russischen Föderation (Erster Teil) vom 31.07.1998, Nr.  146-FS, in der Redaktion vom 28.09.2010], SZ 1998, Nr. 31, Pos. 3824; Art. 78 des Federalnyj sakon ot 06.10.2003, N 131-FS (red. ot 28.09.2010) „Ob obschtschich prinzipach organisazii mestnogo samouprawlenija w Rossijskoj Federazii“ [Föderales Gesetz vom 06.10.2003, Nr. 131-FS, in der Redaktion vom 28.09.2010 „Über die allgemeinen Prinzipien der Organisation der örtlichen Selbstverwaltung in der Russischen Föderation“], SZ 2003, Nr. 40, Pos. 3822. Vgl. auch Informazionnoje pismo Presidiuma Wysschego Arbitraschnogo Suda Rossijskoj Federazii ot 13.08.2004, N 80 „O nekotorych woprosach, wosnikajuschtschich w sudebnoj praktike pri rassmotrenii arbitraschnymi sudami del ob ospariwanii normatiwnych prawowych aktow“ [Informationsschreiben des Plenums des Obersten Wirtschafsgerichts der Russischen Föderation vom 13.08.2004, Nr. 80 „Über einige Fragen, die in der Gerichtspraxis bei der Verhandlung der Anfechtung normativer Rechtsakte durch die Wirtschaftsgerichte entstehen“], Westnik WAS RF 2004, Nr. 10. 160 Absaljamow, Administratiwnoje sudoproiswodstwo w arbitraschnom sude. Teoretiko-­ metodologitscheskije aspekty [Die Verwaltungsgerichtsbarkeit innerhalb der Wirtschaftsgerichte. Theoretisch-methodologische Aspekte], 2009, S. 153; Rasukowa, in: Kraschennikow (Hrsg.), Postatejnyj kommentarij, arbitraschnyj prozessualnyj kodeks Rossijskoj Federazii [Artikelweiser Kommentar, Wirtschaftsprozessordnung der Russischen Föderation], 2007, S. 369. 161 Die Urteile des Verfassungsgerichts der RF wurden vor der WiPO-Reform getroffen, als lediglich ordentliche Gerichte für die Normenkontrolle zuständig waren. Die Bindungswirkung der Verfassungsurteile erstreckt sich derzeit auch auf die Wirtschaftsgerichte. Rasukowa, in: Kraschennikow (Hrsg.), Postatejnyj kommentarij, arbitraschnyj prozessualnyj kodeks Rossijskoj Federazii [Artikelweiser Kommentar, Wirtschaftsprozessordnung der Russischen Föderation], 2007, S. 36. Zum Umfang der Bindungswirkung vgl. Maier, Osteuropa-Recht 2006, S. 84 (87). 162 Postanowlenije Konstituzionnogo Suda RF ot 16.06.1998, N 19-P „Po delu o tolkowanii otdelnych poloschenij statej 125, 126 i 127 Konstituzii Rossijskoj Federazii“ [Urteil des Ver 159

B. Formen des gegenwärtigen Verwaltungsrechtsschutzes 

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Gerichte und Wirtschaftsgerichte sind danach auch nicht zu einer Überprüfung von Normativakten auf ihre Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht befugt.163 (3) Exkurs: Abstrakte Normenkontrolle vor dem Verfassungsgericht der RF Die Kontrolle der Verfassungsmäßigkeit von Normativakten zählt  – neben der konkreten Normenkontrolle, der Verfassungsbeschwerde sowie dem Organ­ streit164 – zu den typischen und grundlegenden Zuständigkeiten der Verfassungsgerichtsbarkeit.165 Die abstrakte Normenkontrolle ist in Art. 125 Abs. 2 lit. a Verf RF aufgeführt und im 9. Kapitel des Verfassungsgerichtsgesetzes (VerfGG RF)166 detailliert ausgestaltet. Das Verfassungsgericht der RF wird im Rahmen des abstrakten Normenkontroll­ verfahrens gem. Art. 3 Abs. 1 Nr. 1 VerfGG RF zum Schutz der Grundlagen der

fassungsgerichts der RF vom 16.06.1998, Nr. 19-P „Über die Rechtssache der Auslegung einzelner Bestimmungen der Art. 125, 126 und 127 der Verfassung der Russischen Föderation“], SZ 1998, Nr. 25, Pos. 3004; Postanowlenije Konstituzionnogo Suda RF ot 11.04.2000, N 6-P „Po delu o prowerke konstituzionnosti otdelnych poloschenij punkta 2 statji 1, punkta 1 statji 21 i punkta 3 statji 22 Federalnogo sakona ‚O prokurature Rossijskoj Federazii‘ w swjasi s saprosom Sudebnoj kollegii po graschdanskim delam Werchownogo Suda Rossijskoj Federazii“ [Urteil des Verfassungsgerichts der RF vom 11.04.2000, Nr. 6-P „Über die Rechtssache der Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit einzelner Bestimmungen der Art. 1 Abs. 2, Art. 21 Abs. 1 und Art. 22 Abs. 3 des Föderalen Gesetzes ‚Über die Staatsanwaltschaft der Russischen‘ auf Anfrage des Zivilsenats des Obersten Gerichts der Russischen Föderation“], SZ 2000, Nr. 16, Pos. 1774; Postanowlenije Konstituzionnogo Suda RF ot 18.07.2003, N 13-P „Po delu o prowerke konstituzionnosti poloschenij statej 115 i 231 GPK RSFSR, statej 26, 251 i 253 GPK Rossijskoj Federazii, statej 1, 21 i 22 Federalnogo sakona ‚O prokurature Rossijskoj Federazii‘ w swjasi s saprosami Gosudarstwennogo Sobranija – Kurultaja Respubliki Baschkortostan, gosudarstwennogo Soweta Respubliki Tatarstan i Wechownogo Suda Respubliki Tatarstan“ [Urteil des Verfassungsgerichts der RF vom 18.07.2003, Nr. 13-P „Über die Rechtssache der Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit der Bestimmungen der Art. 115 und 231 ZPO RSFSR, Art. 26, 251 und 253 ZPO der Russischen Föderation, Art. 1, 21 und 22 des Föderalen Gesetzes ‚Über die Staatsanwaltschaft der Russischen Föderation‘ auf Anfragen der Volksversammlung  – Kurultai der Republik Baschkortostan, des Staatsrats der Republik Tatarstan und des Obersten Gerichts der Republik Tatarstan“], SZ 2003, Nr. 30, Pos. 3101. 163 Eingehende Besprechung des oben genannten Urteils des Verfassungsgerichts vom 16.06.1998 bei Schaich, Exekutive Normsetzung in der Russischen Föderation, 2004, S. 205 ff. 164 Ferner kann das Verfassungsgericht der RF auf Antrag die Verfassung authentisch auslegen, es hat bestimmte Prüfungskompetenzen im Verfahren der Präsidentenklage sowie ein Gesetzgebungsinitiativrecht. Hartwig, EuGRZ 1996, S. 177 (181). 165 Krjažkov/Lazarev, Verfassungsgerichtsbarkeit in der Russischen Föderation, 2001, S. 53. 166 Federalnyj konstituzionnyj sakon ot 21.07.1994, N  1-FKS (red. ot 02.06.2009) „O Konstituzionnom Sude Rossijskoj Federazii“ [Föderales Verfassungsgesetz vom 21.07.1994 Nr.  1-FKS, in der Redaktion vom 02.06.2009 „Über das Verfassungsgericht der Russischen Föderation“], SZ 1994, Nr. 13, Pos. 1447. Deutsche Übersetzung von Hartwig, EuGRZ 1996, S. 219 ff.

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3. Kap.: Gegenwärtige Rechtslage

Verfassungsordnung, der Grundrechte der Menschen und Bürger und zur Sicherung des Vorrangs und der unmittelbaren Anwendbarkeit der Verfassung der RF tätig. Gegenstand der abstrakten Normenkontrolle sind danach Föderationsgesetze und normative Akte des Präsidenten, des Föderationsrates, der Regierung oder der Staatsduma, die Verfassungen und alle normativen Akte der Subjekte der Föderation167 sowie innerstaatliche Verträge. Ferner können völkerrechtliche Verträge bis zu ihrem Inkrafttreten auf die Vereinbarkeit mit der russischen Verfassung überprüft werden.168 Rechtsakte der Ministerien und Behörden werden vom Kontrollumfang des Verfassungsgerichts der RF aber nicht umfasst.169 Ihre Überprüfung wird vielmehr durch die Wirtschaftsgerichte und ordentlichen Gerichte vorgenommen. Das Verfahren der abstrakten Normenkontrolle kann auf Ersuchen des Präsidenten der RF, des Föderationsrates, der Staatsduma, eines Fünftels der Mitglieder des Föderationsrates oder der Abgeordneten der Staatsduma, der Regierung der RF, des Obersten Gerichts der RF, des Obersten Wirtschaftsgerichts der RF und der Organe der gesetzgebenden und vollziehenden Gewalt der Subjekte der RF beantragt werden.170 Kennzeichnend hierfür ist der Verzicht auf das Merkmal des Betroffenseins. Der ausschließliche Maßstab der abstrakten Normenkontrolle ist die Verfassung der Russischen Föderation.171 So wird bei der Überprüfung von Rechtsakten der Subjekte der RF nicht auf das einfache Föderationsrecht zurückgegriffen.172 b) Örtliche Zuständigkeit Die örtliche Zuständigkeit der Wirtschaftsgerichte ist gem. Art. 35 WiPO grundsätzlich nach dem Wohnsitz bzw. Geschäftssitz des Beklagten173 zu ermitteln. Gem. Art. 36 WiPO hat der Kläger in den dort geregelten Fällen ein Wahlrecht. Es besteht zudem die Möglichkeit einer vertraglichen Gerichtsstandsvereinbarung (Art. 37 WiPO). Den ausschließlichen Gerichtsstand regelt Art. 38 WiPO.

167 Es wird hierbei jedoch eine Einschränkung vorgenommen: Normative Akte der Subjekte der RF unterliegen der verfassungsgerichtlichen Kontrolle, soweit sie der ausschließlichen Zuständigkeit der Föderation oder der gemeinsamen Zuständigkeit von Föderation und Subjekten der RF zugewiesen sind. 168 Auf den Völkerrechtsverkehr wird insofern Rücksicht genommen. Hartwig, EuGRZ 1996, S. 177 (182). 169 So auch Schaich, Exekutive Normsetzung in der Russischen Föderation, 2004, S. 233. 170 Vgl. Art. 84 VerfGG RF. 171 Art.  125 Abs.  2 Verf  RF; Art.  85 VerfGG  RF. Vgl. detailiert zum Prüfungsmaßstab Schaich, Exekutive Normsetzung in der Russischen Föderation, 2004, S. 235 ff.; zur den Arten der Entscheidungen des Verfassungsgerichts Maier, Osteuropa-Recht 2006, S. 84 (86 f.). 172 Kutter/Schröder, Die Rechtsprechung des russischen Verfassungsgerichts, S. 5. 173 Vgl. Art. 20, 54 Abs. 2 ZGB.

B. Formen des gegenwärtigen Verwaltungsrechtsschutzes 

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Bei örtlicher Unzuständigkeit regelt Art.  39 WiPO die Abgabe der Sache zur Erörterung an das zuständige Gericht. Diese ergeht in Form einer Verfügung, die zusammen mit der Rechtssache innerhalb von fünf Tagen dem entsprechenden Wirtschaftsgericht zugesandt wird. c) Instanzielle Zuständigkeit aa) Wirtschaftsgerichte der Föderationssubjekte der RF Der Instanzenzug innerhalb der Wirtschaftsgerichtsbarkeit beginnt auf der Ebene der Föderationssubjekte der RF.174 Gem. Art.  34 Abs.  1 WiPO, Art.  36 Abs. 1 WiGG werden die derzeit 81 Wirtschaftsgerichte der Föderationssubjekte der RF in erster Instanz grundsätzlich bei allen Streitigkeiten tätig, die in den sachlichen Zuständigkeitsbereich der Wirtschaftsgerichte allgemein fallen, mit Ausnahme von den Streitigkeiten, die dem Obersten Wirtschaftsgericht der RF und den föderalen Regional-Wirtschaftsgerichten175 ausdrücklich zugewiesen sind.176 Die Wirtschaftsgerichte der Föderationssubjekte der RF werden im Allgemeinen erstinstanzlich zivilrechtlich, verwaltungsrechtlich und in sonstigen Rechtssachen tätig.177 Zu den sonstigen Aufgaben der Wirtschaftsgerichte der Föderationssubjekte der RF zählen Wiederaufnahmeverfahren,178 Vorlagen an das Verfassungsgericht der RF im Falle einer konkreten Normenkontrolle, Untersuchung und Aufbereitung der Gerichtspraxis, Vorbereitung von Vorlagen zur Vervollkommnung von Gesetzen und anderen normativen Akten und Analyse der gerichtlichen Statistiken (Art. 36 Nr. 4–7 WiGG).

174 Art. 65 der Verf RF zählt die 83 Subjekte, aus denen die Russische Föderation besteht, namentlich auf. Es sind 21 Republiken, 9 Regionen (Kraj), 46 Gebiete (Oblast), 2 Städte föderalen Ranges (Moskau und St. Petersburg), 1 Autonomes Gebiet und 4 Autonome Kreise. 175 Der Zusatz „und föderale Regional-Wirtschaftsgerichte“ wurde durch das Änderungsgesetz vom 30.04.2010 in Art.  34 Abs.  1 WiPO eingeführt. Eine entsprechende Änderung in Art.  36 Abs.  1 WiGG wurde jedoch nicht vorgenommen. Vgl. Federalnyj sakon ot 30.04.2010, N 69-FS „O wnessenii ismenenij w otdelnyje sakonodatelnyje akty Rossijskoj Federazii w swjasi s prinjatiem Federalnogo sakona ‚O kompensazii sa naruschenija prawa na­ sudoproiswodstwo w rasumnyj srok ili prawa na ispolnenije sudebnogo akta w rasumnyj srok‘“ [Föderales Gesetz vom 30.04.2010, Nr. 69-FS „Über die Einbringung von Änderungen in einzelne Gesetzgebungsakte der Russischen Föderation im Zusammenhang mit dem Erlass des Gesetzes ‚Über Entschädigung aufgrund der Verletzung des Rechts auf ein Gerichtsverfahren innerhalb angemessener Frist oder des Rechts auf Vollstreckung einer Gerichtsentscheidung innerhalb angemessener Frist‘“], SZ 2010, Nr. 18, Pos. 2145. 176 Vgl. Gemmel/Maier, RIW 2009, S. 208 (209 f.). 177 Vgl. dazu 3. Kapitel, B. I. 2. a). 178 Dazu ausführlich unter 3. Kapitel, B. I. 11. d).

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3. Kap.: Gegenwärtige Rechtslage

bb) Appellationswirtschaftsgerichte Die Wirtschaftsappellationsgerichte sind gem. Art.  33.1. Abs.  1, 33.3.  Nr.  1 WiGG Gerichte, die die Überprüfung der Gesetzmäßigkeit und der Schlüssigkeit der gerichtlichen Akte der Wirtschaftsgerichte vornehmen, die in der ersten Instanz entschieden wurden und noch nicht rechtskräftig geworden sind. Somit werden die Wirtschaftsappellationsgerichte überwiegend als Berufungsinstanzen gegen erstinstanzliche Urteile tätig. Des Weiteren decken sich ihre sonstigen Aufgaben mit dem Aufgabenbereich der Wirtschaftsgerichte der ersten Instanz.179 cc) Kassationswirtschaftsgerichte Die dritte Ebene des Instanzenzuges bilden die föderalen Regional-Wirtschaftsgerichte.180 Sie agieren gem. Art. 24 Abs. 1, 26 Abs. 1 WiGG als Revisionsinstanzen gegen rechtskräftig gewordene erstinstanzliche Urteile der Wirtschaftsgerichte der Föderationssubjekte sowie Berufungsurteile der Wirtschaftsappellationsgerichte.181 Zunächst war ein Verfahren in erster Instanz bei den föderalen Regional-Wirtschaftsgerichten nicht vorgesehen.182 Durch das Änderungsgesetz vom 30. April 2010 wurde nun eine erstinstanzliche Ebene bei den Kassationswirtschaftsgerichten geschaffen. Sie entscheiden in erster Instanz über die Entschädigung aufgrund der Verletzung des Rechts auf ein Gerichtsverfahren in angemessener Frist oder des Rechts auf Erlass einer Gerichtsentscheidung in angemessener Frist (Art. 34 Abs. 3 WiPO, Art. 26 Abs. 7 WiGG). Das Verfahren ist in Kapitel 27.1. der WiPO näher ausgestaltet.183 Neu eingeführt wurde ferner die Regelung des Art. 24 Abs. 1 2. HS, 26 Abs. 1 2. HS WiGG, wonach sie auch als Kassationsinstanz in bestimmten vom Föderalen Gesetz vorgesehenen Fällen184 gegen Entscheidungen der Kassationsgerichte tätig werden.185 Ansonsten nehmen sie, wie bereits die Vorinstanzen, die sonstigen Aufgaben wahr (Art. 26 Abs. 2–5 WiGG). 179

Art. 36 Nr. 3–7 WiGG ist mit dem Art. 33.3. Nr. 2–6 WiGG identisch. Eine Übersetzung mit „Bezirkswirtschaftsgericht“ ist ebenfalls möglich. 181 Resch, Unternehmensrecht in Russland zwischen Privatisierung und Staatswirtschaft, 2006, S. 149; vgl. auch Informationen des Obersten Wirtschaftsgerichts der RF, abrufbar unter: http://www.arbitr.ru/as/struct.htm (Stand: 31.12.2011); Gemmel/Maier, RIW 2009, S. 208 (210). 182 Starilow, Gerichtliche Verwaltungskontrolle im System des russischen Staats- und Verwaltungsrechts, 1999, S. 59. 183 Dazu näher unter 3. Kapitel, B. I. 9. b). 184 Bisher fallen nur die Entschädigungsverfahren gem. Federalnyj sakon ot 30.04.2010, N  68-FS „O kompensazii sa naruschenija prawa na sudoproiswodstwo w rasumnyj srok ili prawa na ispolnenije sudebnowo akta w rasumnyj srok“ [Föderales Gesetz vom 30.04.2010, Nr. 68-FS „Über die Entschädigung aufgrund der Verletzung des Rechts auf ein Gerichtsverfahren innerhalb angemessener Frist oder des Rechts auf Vollstreckung einer Gerichtsentscheidung innerhalb angemessener Frist“], SZ 2010, Nr. 18, Pos. 2144 darunter. 185 Vgl. Federalnyj sakon ot 30.04.2010, N 69-FS „O wnessenii ismenenij w otdelnyje sako­ nodatelnyje akty Rossijskoj Federazii w swjasi s prinjatiem Federalnogo sakona ‚O kom 180

B. Formen des gegenwärtigen Verwaltungsrechtsschutzes 

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dd) Oberstes Wirtschaftsgericht der RF Das Oberste Wirtschaftsgericht der RF186 mit Sitz in Moskau ist gem. Art. 127 Verf  RF die oberste Instanz innerhalb der Wirtschaftsgerichtsbarkeit, die wirtschaftliche Streitigkeiten und andere Rechtssachen, die von den Wirtschaftsgerichten entschieden wurden, verhandelt.187 In erster Instanz ergibt sich gem. Art. 34 Abs. 2 WiPO für das Oberste Wirtschaftsgericht der RF die Zuständigkeit für die Anfechtung sowohl von nichtnormativen Akten als auch Normativakten des Präsidenten, des Föderationsrates, der Duma oder der Regierung, vorausgesetzt, wirtschaftliche Belange sind berührt.188 Erfasst sind auch Wirtschaftstreitigkeiten zwischen der Russischen Föderation und ihren Subjekten sowie zwischen den Subjekten untereinander. Insbesondere ist das Oberste Wirtschaftsgericht der RF für Aufsichtsverfahren zuständig, durch welche rechtskräftig gewordene Entscheidungen aller Wirtschaftsgerichte aufgehoben werden können.189 Zudem kann es das Wiederaufnahmeverfahren190 bei Vorliegen von neuen Tatsachen durchführen. Eine Besonderheit des russischen Gerichtssystems liegt darin, dass das Oberste Wirtschaftsgerichts der RF nicht nur als reines Rechtsprechungsorgan, sondern auch rechtspolitisch und rechtsfortbildend agiert, indem es Gesetze und Vorschriften interpretiert.191 Das Gericht gibt regelmäßig Informationsbriefe heraus, die allerdings nicht bindend sind, und ist damit bestrebt, dass die Gesetze einheitlich ausgelegt werden.192 Überdies hat es ein Gesetzesinitiativrecht.193

pensazii sa naruschenija prawa na sudoproiswodstwo w rasumnyj srok ili prawa na ispolnenije sudebnogo akta w rasumnyj srok‘“ [Föderales Gesetz vom 30.04.2010, Nr. 69-FS „Über die Einbringung von Änderungen in einzelne Gesetzgebungsakte der Russischen Föderation im Zusammenhang mit dem Erlass des Gesetzes ‚Über Entschädigung aufgrund der Verletzung des Rechts auf ein Gerichtsverfahren innerhalb angemessener Frist oder des Rechts auf Vollstreckung einer Gerichtsentscheidung innerhalb angemessener Frist‘“], SZ 2010, Nr. 18, Pos. 2145. 186 Beachte 6. Kapitel – Nachtrag. 187 Vgl. Resch, Unternehmensrecht in Russland zwischen Privatisierung und Staatswirtschaft, 2006, S. 149; Gemmel/Maier, RIW 2009, S. 208 (211). 188 Vgl. Steininger, Osteuropa-Recht 1997, S. 281 (288); Reitemeier, Osteuropa-Recht 2003, S. 121 (128); Piksin/Dethloff, Die Wirtschaftsprozeßordnung der Russischen Föderation, 2005, S. 35; Gemmel/Maier, RIW 2009, S. 208 (211). 189 Dazu unter 3. Kapitel, B. I. 11. c). 190 Vgl. ausführlich 3. Kapitel, B. I. 11. d). 191 Resch, Unternehmensrecht in Russland zwischen Privatisierung und Staatswirtschaft, 2006, S. 150. 192 Wedde, Russland-Analysen 2004, Nr. 32, S. 7. 193 Lippott, RIW 1996, S. 106 (107).

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3. Kap.: Gegenwärtige Rechtslage

d) Funktionelle Zuständigkeit Die Zusammensetzung der Wirtschaftsgerichte ist in Art. 17 WiPO grundlegend geregelt.194 Die Grundentscheidung ist zugunsten des Einzelrichters getroffen worden, der erstinstanzlich in der Mehrzahl der Fälle verhandelt, mit Ausnahme der gesetzlich in Art. 17 Abs. 2 und Abs. 3 WiPO195 bestimmten Zuweisungen an die Kollegialbesetzung. So ist die Kollegialbesetzung bei Sachen des Obersten Wirtschaftsgerichts der RF in erster Instanz, bei der Anfechtung normativer Rechtsakte, beim Insolvenzverfahren sowie bei der Zurückweisung im Rechtsmittelverfahren vorgesehen. Ferner wird in den Appellations- und Kassationsverfahren sowie im Aufsichtsverfahren kollegial erörtert.196 Bei Wirtschaftsgerichten erster Instanz besteht die Kollegialbesetzung aus drei Richtern oder aus einem Richter und zwei Wirtschaftsbeisitzern. Für die erstinstanzlichen Verfahren beim Obersten Wirtschaftsgericht der RF sind keine Beisitzer vorgesehen.197 Die Beiziehung von Laienrichtern198 kann auf Antrag der Parteien auch im Verfahren vor dem Einzelrichter erreicht werden, was jedoch nicht für Verfahren aus verwaltungsgerichtlichen und anderen öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnissen sowie für Verfahren der Kollegialbesetzung des Art. 17 Abs. 2 WiPO gilt. Wirtschaftsgerichte aller Gerichtsebenen weisen eine Unterteilung der Spruchkörper in zwei Kategorien auf: Richterkollegien für zivilrechtliche Streitigkeiten und Richterkollegien für öffentlich-rechtliche Streitigkeiten. Diese gliedern sich wiederum in Kammern bzw. Senate, die jeweils eine Spezialisierung erfahren haben.199

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Zur Rechtslage vor der WiPO-Reform 2002 vgl. Reitemeier, Osteuropa-Recht 2003, S. 121 (125 f.); Steininger, Osteuropa-Recht 1997, S. 281 (288 f.). 195 Informazionnoje pismo Presidiuma Wysschego Arbitraschnogo Suda Rossijskoj Federazii ot 22.12.2005, N 99 „O otdelnych woprosach praktiki primenenija Arbitraschnogo kodeksa Rossijskoj Federazii“ [Informationsschreiben des Plenums des Obersten Wirtschafsgerichts der Russischen Föderation vom 22.12.2005, Nr. 99 „Über einzelne Fragen der Anwendungspraxis des Wirtschaftsprozessordnung der Russischen Föderation“], Westnik WAS RF 2006, Nr. 3. 196 Vgl. Art. 17 Abs. 4 WiPO. 197 Reschetnikowa, in: Kraschennikow (Hrsg.), Postatejnyj kommentarij, arbitraschnyj prozessualnyj kodeks Rossijskoj Federazii [Artikelweiser Kommentar, Wirtschaftsprozessordnung der Russischen Föderation], 2007, S. 36.  198 Grundlegend dazu Pashechenko, Osteuropa-Recht 2002, S.  241 ff.; Piksin/Dethloff, Die Wirtschaftsprozeßordnung der Russischen Föderation, 2005, S. 31. 199 So verhandelt beim Obersten Wirtschaftsgericht der RF beispielsweise der 4. Senat die Verwaltungsrechtssachen und der 5. Senat die Steuersachen. Vgl. ferner Art. 11 WiGG.

B. Formen des gegenwärtigen Verwaltungsrechtsschutzes 

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3. Verfahrensbeteiligte Die russische WiPO zählt zu den Subjekten des wirtschaftsgerichtlichen Verfahrens das Gericht, die Personen, die an der Rechtssache beteiligt sind, sowie andere Prozessbeteiligte, die unterstützend tätig werden, z. B. Zeugen, Dolmetscher, Sachverständige, Prozessvertreter.200 Die an der Rechtssache Beteiligten werden in Art.  40 WiPO aufgeführt. Das sind die Parteien, die Antragsteller und interessierte Personen, dritte Personen, der Staatsanwalt sowie staatliche Organe. a) Parteien, Antragsteller und Dritte Gem. Art. 44 WiPO nehmen als Parteien Kläger und Beklagter am Verfahren teil. Bei Rechtssachen des besonderen Verfahrens, des Insolvenzverfahrens oder in sonstigen durch die WiPO normierten Fällen sind Antragsteller und sog. interessierte Personen beteiligt. Zu den Rechtssachen, die gesetzlich besonders geregelt sind, zählt insbesondere das verwaltungsgerichtliche Verfahren. Im Wirtschaftsprozess ist ferner die Beteiligung Dritter vorgesehen. Hierfür gibt es unterschiedliche Konstellationen, beispielsweise die Streitgenossenschaft oder Hauptintervention.201 b) Staatliche Organe Nach Maßgabe der Regelungen der WiPO und anderer Föderaler Gesetze können staatliche Organe, Organe der örtlichen Selbstverwaltung und andere Organe am Verfahren beteiligt sein.202 Das sind die Russische Föderation, ihre Subjekte, Kommunen, staatliche Organe, Organe der örtlichen Selbstverwaltung, sonstige Organe sowie Amtspersonen. Auch Behörden können im verwaltungsgerichtlichen Verfahren als Beteiligte auftreten (Art. 40, 53 i. V. m. Art. 192 Abs. 2, 198 Abs. 2, 202 Abs. 2, 212 Abs. 2 WiPO).203 200 Dazu Reschetnikowa, in: Kraschennikow (Hrsg.), Postatejnyj kommentarij, arbitraschnyj prozessualnyj kodeks Rossijskoj Federazii [Artikelweiser Kommentar, Wirtschaftsprozessordnung der Russischen Föderation], 2007, S.  116; Absaljamow, Administratiwnoje sudo­ proiswodstwo w arbitraschnom sude. Teoretiko-metodologitscheskije aspekty [Die Verwaltungsgerichtsbarkeit innerhalb der Wirtschaftsgerichte. Theoretisch-methodologische Aspekte], 2009, S. 142. 201 Näher dazu Stampe, Der Funktionsbereich der russischen Wirtschaftsgerichtsbarkeit, 2000, S. 33. 202 Stampe, Der Funktionsbereich der russischen Wirtschaftsgerichtsbarkeit, 2000, S. 34; Piksin/Dethloff, Die Wirtschaftsprozeßordnung der Russischen Föderation, 2005, S. 32. 203 Piksin/Dethloff, Die Wirtschaftsprozeßordnung der Russischen Föderation, 2005, S. 32.

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3. Kap.: Gegenwärtige Rechtslage

c) Sonderrolle der Staatsanwaltschaft Aus deutscher Sicht befremdlich erscheint die Tatsache, dass die Staatsanwaltschaft in einem selbstständigen Wirtschaftsgerichtszweig mitwirken darf (Art. 40, 52 WiPO).204 Der Staatsanwalt kann hinsichtlich eines beschränkten Katalogs von Angelegenheiten, in denen ein staatliches oder öffentliches Interesse besteht, den Eintritt in das Verfahren beantragen. Es handelt sich dabei entweder um die Anfechtung von Normativakten und behördlicher Einzelfallentscheidungen oder um Klagen zum Schutz staatlichen oder kommunalen Vermögens.205 Die Stellung des Staatsanwalts wurde nach der Reform der Wirtschaftsprozessordnung von 2002 jedoch deutlich abgeschwächt. Dies ist auf die etablierte Gerichtspraxis zurückzuführen, wonach die Staatsanwaltschaft immer seltener in ein wirtschaftsgerichtliches Verfahren eingeschaltet ist.206 So machten die Verfahren unter Beteiligung der Staatsanwaltschaft im Jahr 2008 gerade 1,8 % aller Verfahren vor den Wirtschaftsgerichten aus. Im Jahr 2009 waren es – trotz einer Zunahme um 4,7 % im Vergleich zum Vorjahr – nur noch 1,3 %.207 4. Prozess- und Postulationsfähigkeit Sowohl juristische als auch natürliche Personen sind im Wirtschaftsgerichtsprozess gem. Art. 43 Abs. 1 WiPO prozessfähig, soweit sie wirtschaftsgerichtliche Beteiligtenfähigkeit besitzen.208 Die Prozesshandlungsfähigkeit gibt den Beteiligten die Möglichkeit, eigene prozessuale Rechte auszuüben, also aktiv am Prozessgeschehen teilzunehmen. Die Verfahrensbeteiligten können den Prozess persönlich oder durch Vertreter führen (Art. 59 Abs. 1 WiPO). Das russische Verwaltungsprozessrecht kennt keinen Anwaltszwang. Auch nach der umfassenden WiPO-Reform von 2002 wurde keine entsprechende Regelung ins Gesetz aufgenommen.209 Nach wie vor können sich die Beteiligten selbst vertreten oder durch die von ihnen beauftragten

204 Zur alten Rechtslage ausführlich Starilow, Gerichtliche Verwaltungskontrolle im System des russischen Staats- und Verwaltungsrechts, 1999, S. 129 ff. m. w. N.; Stampe, Der Funktionsbereich der russischen Wirtschaftsgerichtsbarkeit, 2000, S. 116 ff.; Reitemeier, OsteuropaRecht 2003, S. 121 (128). 205 Solotych, WiRO 2002, S. 309 (310). 206 Zum Rückgang der Verfahren mit Beteiligung der Staatsanwaltschaft vgl. Piksin/Dethloff, Die Wirtschaftsprozeßordnung der Russischen Föderation, 2005, S. 35; Reitemeier, OsteuropaRecht 2003, S. 121 (128). 207 Vgl. Informationen des Obersten Wirtschaftsgerichts der RF, abrufbar unter: http://www. arbitr.ru:80/_upimg/CAC3F0FB8C4F76440605581884468FDE_9.pdf (Stand: 31.12.2011). 208 Eine genaue Differenzierung zwischen Partei- und Prozessfähigkeit wie im deutschen Recht kennt die WiPO nicht. 209 Näher dazu Reitemeier, Osteuropa-Recht 2003, S. 121 (128).

B. Formen des gegenwärtigen Verwaltungsrechtsschutzes 

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Vertreter – nicht notwendigerweise Rechtsanwälte – vertreten lassen.210 Postula­ tionsfähig ist jeder, der die nötige Prozessfähigkeit besitzt. Dies gilt selbst vor dem Obersten Wirtschaftsgericht der RF. 5. Prozessmaximen Aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 1 Nr. 1 Verf RF) wird hergeleitet, dass sich das Verfahren vor den Wirtschaftsgerichten an bestimmten Verfahrensgrundsätzen zu orientieren hat.211 Gem. Art. 6 WiGG sind das Gesetzlichkeit, Unabhängigkeit der Richter,212 prozessuale Gleichberechtigung der Parteien, Verhandlungsgrundsatz und Öffentlichkeit der Gerichtsverhandlung. Daneben gilt im Wirtschaftsprozess die Dispositionsmaxime. Das wirtschaftsgerichtliche Verfahren wird zudem durch den Mündlichkeitsgrundsatz, den Grundsatz des rechtlichen Gehörs und den Effizienzgrundsatz geprägt.213 Insofern sind für das russische Gerichtsverfahren vor den Wirtschaftsgerichten die Grundsätze bestimmt, wie sie auch im deutschen Prozessrecht entsprechend gelten.214 Der Verhandlungsgrundsatz oder Grundsatz der streitigen Verhandlung („sostjasatelnost“) gem. Art. 9 WiPO – der zudem in Art. 123 Abs. 3 Verf RF verfassungsrechtlich garantiert ist – hat im russischen Wirtschaftsprozess einen großen Stellenwert.215 Einerseits tragen die Beteiligten für ihre vorgenommenen Prozesshandlungen bzw. ihre Nichtvornahme sowie ihre Beweisbeibringung das Folgerisiko, andererseits werden richterliche Aufklärungs- und Hinweispflichten bestimmt. Die Wirtschaftsgerichte wirken auf eine umfassende Beibringung des Tatsachen- und Beweisstoffs hin und informieren die Beteiligten über die Konsequenzen ihres prozessualen Handelns bzw. Untätigbleibens.216 Sowohl für Zivilals auch für Verwaltungsrechtssachen gilt der Grundsatz der streitigen Verhandlung.217 Dies stellt bei Letzteren einen bedeutenden Unterschied zum im deutschen Verwaltungsprozess geltenden Untersuchungsgrundsatz dar.218 Ausnahmen sind nur im Anfechtungsverfahren der nichtnormativen Akte und im Verfahren der Beitreibung von Pflichtabgaben und Sanktionen normiert.219 210

Piksin/Dethloff, Die Wirtschaftsprozeßordnung der Russischen Föderation, 2005, S. 35. Stampe, Der Funktionsbereich der russischen Wirtschaftsgerichtsbarkeit, 2000, S. 28. 212 Kritisch dazu Morščakova, Osteuropa-Recht 2007, S. 2 (4 ff.). 213 Gemmel/Maier, RIW 2009, S. 208 (211). 214 Resch, Unternehmensrecht in Russland zwischen Privatisierung und Staatswirtschaft, 2006, S. 152. 215 Reitemeier, Osteuropa-Recht 2003, S. 121 (125). 216 Piksin/Dethloff, Die Wirtschaftsprozeßordnung der Russischen Föderation, 2005, S. 30. 217 Stampe, Der Funktionsbereich der russischen Wirtschaftsgerichtsbarkeit, 2000, S. 29. 218 Zum Untersuchungsgrundsatz vgl. Dawin, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner (Hrsg.), VwGO, Kommentar, 18. Aufl., 2009, § 86 Rn. 2; Breuning, in: Posser/Wolff (Hrsg.), Beck’scher Online-Kommentar, VwGO, Stand: 01.01.2010, § 86 Rn. 1 ff.; Schmieszek, in: Brandt/Sachs (Hrsg.), Handbuch Verwaltungsverfahren und Verwaltungsprozess, 3. Aufl., 2009, S. 360. 219 Vgl. Art. 200 Abs. 6 WiPO, Art. 215 Abs. 5 WiPO. 211

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3. Kap.: Gegenwärtige Rechtslage

Neu aufgenommen wurde das Gebot der angemessenen Verfahrensdauer in Art. 6.1. Abs. 1 WiPO, wonach das Gerichtsverfahren bei den Wirtschaftsgerichten und die Vollstreckung der gerichtlichen Entscheidung innerhalb einer angemessenen Frist zu erfolgen haben.220 Der Begriff der Angemessenheit ist ein ausfüllungsbedürftiger unbestimmter Rechtsbegriff.221 Die Bestimmung obliegt für jeden konkreten Einzelfall dem Gericht. Es wird dabei Umstände wie die rechtlichen und tatsächlichen Schwierigkeiten des Verfahrens, das Verhaltens der Parteien, die Effektivität der Tätigkeit des Gerichts sowie weitere Umstände des Sachverhalts berücksichtigen (Art. 6.1. Abs. 3 WiPO).222 Es bleibt in der Rechtspraxis nun abzuwarten, ob das Gebot der angemessenen Verfahrensdauer effektiv zur Verfahrensbeschleunigung beitragen wird. 6. Vorverfahren Das Durchführen eines Vorverfahrens223 ist im Wirtschaftsprozess grundsätzlich nicht zwingend erforderlich, es sei denn, ein vorgerichtliches Verfahren ist gesetzlich ausdrücklich vorgeschrieben224 oder wurde durch die Parteien vertraglich 220 Ausführungen zum Entschädigungsverfahren bei Verletzung des Rechts auf ein Gerichtsverfahren innerhalb angemessener Frist oder des Rechts auf Vollstreckung einer Gerichtsentscheidung innerhalb angemessener Frist unter 3. Kapitel, B. I. 9. b). 221 Zum Begriff der Angemessenheit im Rahmen des Art. 19 Abs. 4 GG vgl. Schlette, Anspruch auf gerichtliche Entscheidung in angemessener Frist, 1999, S. 28. 222 Der russische Gesetzgeber orientiert sich hier stark an der einzelfallbezogenen Auslegung des EGMR. Zu den einzelnen Kriterien der Bemessung der Angemessenheit durch den EGMR vgl. Brett, Verfahrensdauer bei Verfassungsbeschwerden im Horizont der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu Art. 6 Abs. 1 S. 1 EMRK, 2008, S. 254 ff. 223 Vgl. Art.  4 Abs.  5 WiPO. Erfasst sind im Gegensatz zum deutschen Rechtsverständnis nicht nur behördliche Vorverfahren, sondern auch andere vorgerichtliche Regulierungsmöglichkeiten zwischen den streitenden Parteien. 224 Das vorgerichtliche Verfahren ist vor allem im Bereich der Transport- und Netzdienstleistungen sowie in der Steuergesetzgebung festgeschrieben. Es ist u. a. in folgenden Fällen zwingend erforderlich: Art.  55 Abs.  4 Federalnyj sakon ot 07.07.2003, N  126-FS (red. ot 29.06.2010) „O swjasi“ [Föderales Gesetz vom 07.07.2003, Nr. 126-FS, in der Redaktion vom 29.06.2010 „Über das Fernmeldewesen“], SZ 2003, Nr. 28, Pos. 2895; Art. 37 Federalnyj sakon ot 17.07.1999, N 176-FS (red. ot 28.06.2009) „O potschtowoj swjasi“ [Föderales Gesetz vom 17.07.1999, Nr. 176-FS, in der Redaktion vom 28.06.2009 „Über das Postwesen“], SZ  1999, Nr.  29, Pos.  3697; Art.  120 Federalnyj sakon ot 10.01.2003, N  18-FS (red. ot 23.07.2008) „Ustaw schelesnodoroschnogo transporta Rossijskoj Federazii“ [Föderales Gesetz vom 10.01.2003, Nr. 18-FS, in der Redaktion vom 23.07.2008 „Satzung des Eisenbahnwesens der Russischen Föderation“], SZ 2003, Nr. 2, Pos. 170; Art. 161 Kodeks wnutrennego wodnogo transporta Rossijskoj Federazii ot 07.03.2001, N 24-FS (red. ot 27.12.2009) [Kodex des Binnenschiffsverkehrs der Russischen Föderation vom 07.03.2001, Nr. 24-FS, in der Redaktion vom 27.12.2009], SZ 2001, Nr. 11, Pos. 1001 sowie Art. 104 Abs. 1 des Steuergesetzkodex der RF. Weitere Beispiele Stampe, Der Funktionsbereich der russischen Wirtschaftsgerichtsbarkeit, 2000, S. 151 ff.

B. Formen des gegenwärtigen Verwaltungsrechtsschutzes 

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festgeschrieben.225 Ist die Durchführung eines Vorverfahrens zwingend erforderlich und wurde sie vor der Klageerhebung nicht vorgenommen, so genügt die Klageschrift den Formerfordernissen nicht, was das Ruhen des Verfahrens zur Folge hat.226 Wurde die Klageschrift dennoch angenommen, erörtert das Wirtschaftsgericht den Klageantrag gem. Art.  148 Abs.  1 Nr.  2 WiPO nicht.227 Gleichwohl schließt keine der genannten Folgen die erneute Möglichkeit der Einreichung des wesensgleichen Klageantrags aus, wenn die Anforderungen an die Durchführung eines vorgerichtlichen Verfahrens nachträglich erfüllt wurden. 7. Klageverfahren Das Klageverfahren beim Wirtschaftsgericht der ersten Instanz ist detailliert im zweiten Abschnitt der WiPO, also den Art. 125 ff. WiPO normiert. Darin sind Regelungen zur Klageerhebung, zur Vorbereitung der Gerichtsverhandlung, zum Verfahren der gütlichen Einigung, zur Durchführung der Gerichtsverhandlung sowie zur Beendigung des Verfahrens enthalten. Das Verfahren vor den Wirtschaftsgerichten in erster Instanz gliedert sich in drei Phasen: Annahme der Klageschrift, Vorbereitung der Gerichtsverhandlung und die eigentliche Gerichtsverhandlung.228 a) Annahme der Klageschrift Das Verfahren wird durch die schriftliche Klageerhebung gem. Art. 125 WiPO eingeleitet. Dabei muss die Klageschrift den Anforderungen der Art.  125 und 126  WiPO genügen. Über die Frage der Annahme des Klageantrags entscheidet der Einzelrichter innerhalb von fünf Tagen ab Eingang des Klageantrags.229 Bei Nichtbeachtung der Formalien ordnet das Wirtschaftsgericht durch einen Be-

225 Absaljamow, Administratiwnoje sudoproiswodstwo w arbitraschnom sude. Teoretikometodologitscheskije aspekty [Die Verwaltungsgerichtsbarkeit innerhalb der Wirtschaftsgerichte. Theoretisch-methodologische Aspekte], 2009, S. 154; Rasukowa, in: ­Kraschennikow (Hrsg.), Postatejnyj kommentarij, arbitraschnyj prozessualnyj kodeks Rossijskoj Federazii [Artikelweiser Kommentar, Wirtschaftsprozessordnung der Russischen Föderation], 2007, S. 365; Schewzow, Dosudebnyj porjadok uregulirowanija sporow [Vorgerichtliches Verfahren der Streitregulierung], Aktuelle Mitteilungen des Krasnogwardejskij Regionalgerichts des Belgorodskij Gebiets vom 28.09.2007, abrufbar unter: http://krasnogvardeisky.blg.sudrf.ru/modules. php?name=press_dep&op=1&did=5 (Stand: 31.12.2011). 226 Vgl. Art. 128 WiPO sowie Ausführungen unter 3. Kapitel, B. I. 6.  227 Rasukowa, in: Kraschennikow (Hrsg.), Postatejnyj kommentarij, arbitraschnyj prozessualnyj kodeks Rossijskoj Federazii [Artikelweiser Kommentar, Wirtschaftsprozessordnung der Russischen Föderation], 2007, S. 16. 228 Piksin/Dethloff, Die Wirtschaftsprozeßordnung der Russischen Föderation, 2005, S. 37. 229 Art. 127 Abs. 1 WiPO.

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3. Kap.: Gegenwärtige Rechtslage

schluss das Ruhen des Verfahrens an und bestimmt eine Frist, innerhalb derer der Kläger die Umstände zu beseitigen hat (Art. 128 WiPO). Dies soll der Verfahrensbeschleunigung dienen, denn nach der alten Rechtslage war in diesen Fällen eine Zurückweisung des Klageantrags möglich.230 Das Gericht prüft sodann die Klage auf ihre Zulässigkeit. Liegen die Zu­ lässigkeitsvoraussetzungen nicht vor, weist es die Klage ohne Verhandlung ab.231 Sind die Zulässigkeitsvoraussetzungen erfüllt, nimmt es die Klage durch Beschluss an und beginnt mit den vorbereitenden Maßnahmen zur mündlichen Verhandlung.232 Der Kläger ist nach Art. 125 Abs. 3 WiPO verpflichtet, die Klageschrift an alle Verfahrensbeteiligten per Übergabeeinschreiben zu senden.233 Der Beklagte hat auf die Klageerhebung zu erwidern.234 b) Vorbereitung der Verhandlung In der Vorbereitungsphase beraumt das Gericht einen Vorverhandlungstermin an.235 Die Parteien sind hierzu zu laden. Allerdings findet die Verhandlung bei Nichterscheinen der geladenen Personen auch in ihrer Abwesenheit statt.236 Im vorbereitenden Verhandlungstermin bearbeitet das Gericht die Anträge der Parteien, prüft die vorgelegten Beweise auf ihre Vollständigkeit, wirft Fragen zur Erörterung auf und nimmt weitere prozessvorbereitende Handlungen vor. Die Parteien haben in der Vorverhandlung sämtliche Beweismittel vollständig vorzulegen. Zusätzliche Beweise sind in den späteren Verhandlungsstadien nur unter bestimmten Voraussetzungen zulässig.237 Nach Abschluss aller in der Vorverhandlung aufgeworfenen Fragen entscheidet der Wirtschaftsrichter unter Berücksichtigung der Meinungen der Parteien, ob die Rechtssache zur Gerichtsverhandlung vorbereitet ist (Art. 136 Abs. 5 WiPO). Das Gericht setzt sodann gem. Art. 134 WiPO die mündliche Verhandlung inner-

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Reitemeier, Osteuropa-Recht 2003, S. 121 (130). Vgl. Art. 129 WiPO; Lippott, RIW 1996, S. 106 (107). 232 Dazu Gemmel/Maier, RIW 2009, S. 208 (210). 233 Das Zustellungserfordernis führte bereits bei der alten Rechtslage durch die lange und unsichere Zustelldauer russischer Post zu erheblichen Verzögerungen des Beginns der mündlichen Verhandlung. Zu Zustellungsproblemen bei einem im Ausland ansässigen Beklagten vgl. Kopylov/Hofmann, IPRax 2010, S. 268 (269 f.). 234 Die Verletzung dieser in Art.  131 Abs.  1 WiPO normierten Verpflichtung sieht jedoch keine Sanktionen vor. An die Klageerwiderung sind dieselben Zustellungserfordernisse wie an die Klageerhebung geknüpft. Reitemeier, Osteuropa-Recht 2003, S. 121 (130). 235 Vgl. die ausführliche Regelung des Art. 136 WiPO. 236 Vgl. Reitemeier, Osteuropa-Recht 2003, S. 121 (130). 237 Zum neuen Beweisrecht vgl. Reitemeier, Osteuropa-Recht 2003, S. 121 (132). 231

B. Formen des gegenwärtigen Verwaltungsrechtsschutzes 

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halb einer vom ihm nach den konkreten Umständen des Einzelfalls zu bestimmenden Frist238 an. c) Gerichtsverhandlung aa) Streitiges Verfahren Der Gang der Gerichtsverhandlung hat durch die WiPO-Reform im Jahr 2002 in den Art.  153 ff. WiPO eine sehr detaillierte und zugleich formalistische Ausgestaltung erhalten. Die bisher gängige, sehr formelle Verhandlungspraxis wurde nun gesetzlich festgeschrieben. Dies zeigt sich beispielsweise in Art. 154 Abs. 2 WiPO, wonach sich die Verfahrensbeteiligten des wirtschaftsgerichtlichen Prozesses an das Gericht stets stehend und mit der Anrede „Hohes Gericht!“ („uwaschajemyj sud“)239 zu wenden haben. Auch beim Eintritt der Richter in den Sitzungssaal müssen sich alle Anwesenden erheben.240 Die mündliche Verhandlung kann im Einvernehmen mit den Parteien in mehreren Sitzungen abgehalten werden, wobei die nächstfolgende Sitzung innerhalb von fünf Tagen durchzuführen ist (Art. 160 WiPO). Eine Unterbrechung der Sitzung für eine Dauer von höchstens fünf Tagen ist gem. Art. 163 WiPO auf Antrag der Verfahrensbeteiligten oder von Amts wegen möglich. In der gerichtlichen Praxis ist die Verhandlung in mehreren Sitzungen eher die Regel, obwohl die gesetzgeberische Konzeption von der Durchführung eines einzigen Verhandlungstermins ausging.241 Das russische Wirtschaftsprozessrecht kennt kein Versäumnisurteil. Gem. Art. 156 Abs. 3 WiPO ist das Gericht berechtigt, die Sache auch in Abwesenheit der ordnungsgemäß geladenen Prozessparteien zu erörtern. Das Gericht muss während der Verhandlung Bedingungen gewährleisten, die für die allseitige und vollständige Untersuchung der Beweismittel und Umstände 238 Bis Mitte 2009 betrug diese Frist zwei Monate nach Eingang der Klage. Erfahrungsgemäß war diese Frist in der Praxis aufgrund einer enormen Arbeitsbelastung der Wirtschaftsgerichte wesentlich länger. Vgl. Art. 10 Abs. 22 des Föderalen Gesetzes vom 19.07.2009, Nr. 205-FS „Über die Einbringung von Änderungen in einzelne Gesetzgebungsakte der Russischen Föderation“. Nach einem Plenarbeschluss des Obersten Wirtschaftsgericht der RF blieb für die Fristberechnung die Zeit unberücksichtigt, in der das Verfahren ausgesetzt wurde. Vgl. Postanowlenije Plenuma WAS RF ot 09.12.2002, N  11 „O nekotorych woprosach, swjasanych s wwedenijem w dejstwije Arbitraschnogo prozessualnogo kodeksa Rossijskoj Federazii“ [Plenarbeschluss des Obersten Wirtschafsgerichts der RF vom 09.12.2002, Nr.  11 „Über einige Fragen, betreffend die Einführung der Wirtschafsgerichtsordnung der Russischen Föderation“], Westnik WAS RF 2003, Nr. 2, Rn. 15. 239 Wörtliche Übersetzung „Verehrtes Gericht“. 240 Vgl. auch Piksin/Dethloff, Die Wirtschaftsprozeßordnung der Russischen Föderation, 2005, S. 38; Reitemeier, Osteuropa-Recht 2003, S. 121 (131). 241 So Reitemeier, Osteuropa-Recht 2003, S. 121 (131).

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3. Kap.: Gegenwärtige Rechtslage

sowie für die Erörterung der Prozessanträge notwendig sind. Nach Abschluss der Untersuchung aller Beweise findet die gerichtliche Verhandlung ihren formalisierten Abschluss in den Plädoyers („sudebnyje prenija“) der Parteien gem. Art. 164 WiPO.242 Die abschließenden Stellungnahmen der Verfahrensbeteiligten, ähnlich formal geregelt wie im deutschen Strafprozess, sind zunächst vom Kläger und/ oder seinem Vertreter vorzutragen. Dann folgen die Plädoyers von Dritten, die einen selbstständigen Anspruch im Verfahren geltend machen. Das Recht der letzten Erwiderung steht, wiederum vergleichbar dem „letzten Wort“ des Angeklagten, dem Beklagten und/oder seinem Vertreter zu. Aus deutscher Sicht befremdlich erscheint die Verpflichtung des Art. 164 Abs. 4 WiPO, wonach sich die an den Plädoyers Beteiligten nur auf Umstände berufen dürfen, die vom Gericht untersucht, festgestellt und nicht für unzulässig erklärt wurden.243 Nach der Untersuchung der Beweismittel und nach den Plädoyers erklärt der Vorsitzende die Sache für beendet und das Wirtschaftsgericht zieht sich zum Erlass des Urteils zurück (Art. 166 WiPO). Das erstinstanzliche Urteil ist sehr ausführlich im Kapitel 20, den Art. 167 ff. WiPO normiert. Beachtung verdient die Neuregelung, die Art. 152 WiPO „Frist zur Erörterung der Sache und zum Erlass des Urteils“ durch das Änderungsgesetz vom 30. April 2010 mit Inkrafttreten zum 4. Mai 2010 erfahren hat.244 Ursprünglich musste das Wirtschaftsgericht eine Sache innerhalb einer Frist von einem Monat ab dem Erlass der Verfügung zur Anberaumung des Gerichtstermins erörtern und ein Urteil erlassen. Die Verfahrensgesamtdauer wurde sodann Mitte 2009 auf drei Monate verlängert und zudem vom Eingang der Klageschrift an berechnet. Die aktuelle Fassung von Art. 152 WiPO ist insofern gleich geblieben. Sie wurde lediglich um zwei Absätze erweitert. Gem. Art. 152 Abs. 2 WiPO kann die Frist des Abs. 1 aufgrund der Komplexität einer Sache oder einer großen Anzahl von Verfahrensbeteiligten auf bis zu sechs Monate verlängert werden. Der verhandelnde Richter muss diese Verlängerung gegenüber dem Vorsitzenden des Wirtschaftsgerichts in einem Motivationsschreiben begründen. Der dritte Absatz greift die bereits oben erwähnte Rechtsprechung des Obersten Wirtschaftsgerichts der RF

242

Piksin/Dethloff, Die Wirtschaftsprozeßordnung der Russischen Föderation, 2005, S. 38. Äußerst kritisch dazu Piksin/Dethloff, Die Wirtschaftsprozeßordnung der Russischen Föderation, 2005, S. 38. 244 Vgl. Federalnyj sakon ot 30.04.2010, N  69-FS „O wnessenii ismenenij w otdelnyje sakonodatelnyje akty Rossijskoj Federazii w swjasi s prinjatiem Federalnogo sakona ‚O­ kompensazii sa naruschenija prawa na sudoproiswodstwo w rasumnyj srok ili prawa na ispolnenije sudebnogo akta w rasumnyj srok‘“ [Föderales Gesetz vom 30.04.2010, Nr. 69-FS „Über die Einbringung von Änderungen in einzelne Gesetzgebungsakte der Russischen Föderation im Zusammenhang mit dem Erlass des Gesetzes ‚Über Entschädigung aufgrund der Verletzung des Rechts auf ein Gerichtsverfahren innerhalb angemessener Frist oder des Rechts auf Vollstreckung einer Gerichtsentscheidung innerhalb angemessener Frist‘“], SZ 2010, Nr. 18, Pos. 2145. 243

B. Formen des gegenwärtigen Verwaltungsrechtsschutzes 

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auf,245 wonach Verfahrensunterbrechungen bei der Fristberechnung unberücksichtigt bleiben. Es bleibt abzuwarten, ob diese Neuerung in Verbindung mit dem neu eingeführten Entschädigungsverfahren246 zur Prozessbeschleunigung führt. bb) Verfahren der gütlichen Einigung Die Parteien können den Streit auch durch einen Vergleichsabschluss oder durch andere Verfahren der gütlichen Einigung beenden, wenn dies keinem Föderalen Gesetz widerspricht. Das Verfahren der gütlichen Einigung247 ist in den Art. 138 ff. WiPO ausführlich normiert. Bemerkenswert erscheint die Regelung des Art. 139 Abs.  1 WiPO, nach der die Parteien in jedem Stadium des wirtschaftsgerichtlichen Prozesses, auch während der Vollstreckung, einen Vergleich abschließen können.248 Art. 140 WiPO sieht bezüglich Form und Inhalt des Vergleichs exakte Anforderungen vor. Der gerichtliche Vergleich ist in einer hierfür anberaumten Sitzung vom Wirtschaftsgericht zu bestätigen. Diese den Vergleich bestätigende Verfügung kann gem. Art. 141 Abs. 8 WiPO innerhalb eines Monats in der Kassationsinstanz angefochten werden.249 Nach der alten Rechtslage war für verwaltungsrechtliche Rechtssachen keine Möglichkeit einer gütlichen Einigung vorgesehen.250 Nun finden gem. Art.  190 WiPO sowohl das Verfahren der gütlichen Einigung als auch andere Streitbeilegungsverfahren auf verwaltungsrechtliche Rechtsverhältnisse Anwendung, soweit 245 Nach einem Plenarbeschluss des Obersten Wirtschaftsgericht der RF blieb für die Fristberechnung die Zeit unberücksichtigt, in der das Verfahren ausgesetzt wurde. Vgl. Postanowlenije Plenuma WAS RF ot 09.12.2002, N  11 „O nekotorych woprosach, swjasanych s wwedenijem w dejstwije Arbitraschnogo prozessualnogo kodeksa Rossijskoj Federazii“ [Plenarbeschluss des Obersten Wirtschafsgerichts der RF vom 09.12.2002, Nr.  11 „Über einige Fragen, betreffend die Einführung der Wirtschafsgerichtsordnung der Russischen Föderation“], Westnik WAS RF 2003, Nr. 2, Rn. 15. 246 Vgl. zudem Ausführungen unter 3. Kapitel, B. I. 9. b). 247 Zur Gesetzgebungsdiskussion vgl. Reitemeier, Osteuropa-Recht 2003, S. 121 (131); Piksin/Dethloff, Die Wirtschaftsprozeßordnung der Russischen Föderation, 2005, S. 38 f. 248 Auch Piksin/Dethloff, Die Wirtschaftsprozeßordnung der Russischen Föderation, 2005, S. 38. 249 Kulikowa, in: Kraschennikow (Hrsg.), Postatejnyj kommentarij, arbitraschnyj prozessualnyj kodeks Rossijskoj Federazii [Artikelweiser Kommentar, Wirtschaftsprozessordnung der Russischen Föderation], 2007, S. 263. 250 Postanowlenije Plenuma Wysschego Arbitraschnogo Suda Rossijskoj Federazii ot 31.10.1996, N 13 (red. ot 09.07.1997) „O primenenii Arbitraschnogo prozessualnogo kodeksa Rossijskoj Federazii pri rassmotrenii del w sude perwoj instanzii“ [Plenarbeschluss des Obersten Wirtschafsgerichts der Russischen Föderation vom 31.10.1996, Nr. 13, in der Redaktion vom 09.07.1997 „Über die Anwendung des Wirtschafsprozesskodex der Russischen Föderation bei der Verhandlung von Rechtssachen bei den Gerichten der ersten Instanz“], RG Nr. 227 vom 27.11.1996; Absaljamow, Administratiwnoje sudoproiswodstwo w arbitraschnom sude. Teoretiko-metodologitscheskije aspekty [Die Verwaltungsgerichtsbarkeit innerhalb der Wirtschaftsgerichte. Theoretisch-methodologische Aspekte], 2009, S. 149.

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3. Kap.: Gegenwärtige Rechtslage

nichts anderes durch ein Föderales Gesetz bestimmt ist. Dabei dürfen staatliche Organe ihre vom Gesetzgeber vorgegebenen Kompetenzen nicht überschreiten.251 8. Verwaltungsrechtssachen Die Vorschriften der WiPO sahen bis zur Reform im Jahr 2002 keine eigenständigen Regelungen für die Verwaltungsstreitigkeiten innerhalb der Wirtschaftsgerichtsbarkeit vor. Einige Sonderregelungen ausgenommen, galt für Verwaltungsrechtssachen das allgemeine Klageverfahren, sodass die Besonderheiten des Öffentlichen Rechts im Wirtschaftsprozess kaum Berücksichtigung fanden.252 Derzeit sind die Verfahren in Sachen, die aus verwaltungsrechtlichen und anderen öffentlich-rechtlichen Rechtsbeziehungen hervorgehen, gesondert und detailliert in Abschnitt III, Kapitel 22–26 WiPO normiert. Die Grundkonzeption wurde dennoch beibehalten: Die allgemeinen Vorschriften des Klageverfahrens finden Anwendung, sofern die Art.  189 ff. WiPO keine Sonderregelungen vorsehen.253 Die Notwendigkeit einer umfangreichen Novellierung ergab sich aus einer Zu­ ständigkeitserweiterung, die wiederum einen enormen Anstieg von öffentlichrechtlichen Streitigkeiten zur Folge hatte und immer noch hat.254 Zu den verwaltungsrechtlichen und anderen öffentlich-rechtlichen Verfahren sind die Anfechtung normativer Rechtsakte (Art. 191 ff. WiPO), die Anfechtung nichtnormativer Rechtsakte (Art. 197 ff. WiPO), die verwaltungsrechtlichen Ordnungswidrigkeiten (Art. 202 WiPO) sowie die Beitreibung von Pflichtabgaben und Sanktionen zu zählen. 251

Rasukowa, in: Kraschennikow (Hrsg.), Postatejnyj kommentarij, arbitraschnyj prozessualnyj kodeks Rossijskoj Federazii [Artikelweiser Kommentar, Wirtschaftsprozessordnung der Russischen Föderation], 2007, S.  365; Postanowlenije Plenuma Wysschego Arbitraschnogo Suda Rossijskoj Federazii ot 09.12.2002, N  11 „O nekotorych woprosach, swjasanych s wwedenijem w dejstwije Arbitraschnogo prozessualnogo kodeksa Rossijskoj Federazii“ [Plenarbeschluss des Obersten Wirtschafsgerichts der Russischen Föderation vom 09.12.2002, Nr. 11 „Über einige Fragen, betreffend die Einführung der Wirtschafsgerichtsordnung der Russischen Föderation“], Westnik WAS RF 2003, Nr. 2. 252 Dazu Reitemeier, Osteuropa-Recht 2003, S. 121 (132); Piksin/Dethloff, Die Wirtschaftsprozeßordnung der Russischen Föderation, 2005, S.  39; Absaljamow, Administratiwnoje­ sudoproiswodstwo w arbitraschnom sude. Teoretiko-metodologitscheskije aspekty [Die Verwaltungsgerichtsbarkeit innerhalb der Wirtschaftsgerichte. Theoretisch-methodologische Aspekte], 2009, S. 149; Tschutschunowa, Differenzirowannyj porjadok rassmotrenija arbitraschnymi sudami sporow, wosnikajuschtschich is publitschnych prawootnoschenij [Differenzierte Verfahren der Verhandlung von Rechtssachen, die aus öffentlich-rechtlichen Verhältnissen entstehen, vor den Wirtschaftsgerichten], Moskau, 2007, S. 18. 253 Vgl. Art. 189 Abs. 1 WiPO. 254 Im Jahr 2009 ist die Zahl der Verfahren in Verwaltungsrechtssachen insgesamt um 20,2 % im Vergleich zum Vorjahr gestiegen. Vgl. Informationen des Obersten Wirtschaftsgerichts der RF, abrufbar unter: http://www.arbitr.ru:80/_upimg/CAC3F0FB8C4F76440605581884468FD E_9.pdf (Stand: 31.12.2011).

B. Formen des gegenwärtigen Verwaltungsrechtsschutzes 

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a) Besonderheiten des verwaltungsrechtlichen Verfahrens Die Mehrzahl der Regelungen des allgemeinen Klageverfahrens gelten auch für die verwaltungsgerichtlichen Verfahren, so beispielsweise das Verfahren der Einreichung und Annahme von Klageschriften, die Verfahrensmaximen, der Gang der Gerichtsverhandlung sowie die Möglichkeiten der Verfahrensbeendigung.255 Dennoch weist die Wirtschaftsprozessordnung zahlreiche Modalitäten für Verwaltungsrechtssachen auf. aa) Bezeichnung der Beteiligten Das Verwaltungsgerichtsverfahren ist als Antragsverfahren ausgestaltet.256 Insofern werden die Parteien in Verwaltungsrechtssachen vor den Wirtschaftsgerichten grundsätzlich als Antragsteller bezeichnet. Sog. interessierte Personen sind Personen, die aufgrund der Regelungen der WiPO als solche charakterisiert werden. Insbesondere im Verfahren der Anfechtung normativer Akte werden die Antragsteller als interessierte Personen bezeichnet (Art. 191 Abs. 2, Art. 192 Abs. 3, Art. 194 Abs. 8 WiPO). Der russische Gesetzgeber ist in seiner Terminologie jedoch inkonsequent. So ist in Art. 194 Abs. 2 WiPO der Begriff der interessierten Personen als „Dritte“ im Klageverfahren zu verstehen: „Das Wirtschaftsgericht benachrichtigt das Organ, das den angefochtenen normativen Rechtsakt erlassen hat, sowie andere interessierte Personen über Zeit und Ort der Sitzung“.257 bb) Beweislast Das gerichtliche Verfahren der Verwaltungsrechtssachen ist sowohl von der Dispositions- als auch von der Verhandlungsmaxime geprägt, wonach das Wirtschaftsgericht nicht befugt ist, sich aus eigener Initiative in die Beweisbeibringung einzuschalten.258 Der russische Gesetzgeber sieht hiervon einige Ausnahmen vor (Art. 66 Abs. 5, 200 Abs. 6, 205 Abs. 5, 210 Abs. 5, 215 Abs. 5 WiPO). Werden die für die Erörterung und Entscheidung der Sache erforderlichen Beweise von den Verfahrensbeteiligten nicht vorgelegt, kann das Wirtschaftsgericht diese in den genannten Fällen von Amts wegen anfordern. 255 Rasukowa, in: Kraschennikow (Hrsg.), Postatejnyj kommentarij, arbitraschnyj prozessualnyj kodeks Rossijskoj Federazii [Artikelweiser Kommentar, Wirtschaftsprozessordnung der Russischen Föderation], 2007, S. 364. 256 Reitemeier, Osteuropa-Recht 2003, S. 121 (132). 257 Reschetnikowa, in: Kraschennikow (Hrsg.), Postatejnyj kommentarij, arbitraschnyj prozessualnyj kodeks Rossijskoj Federazii [Artikelweiser Kommentar, Wirtschaftsprozessordnung der Russischen Föderation], 2007, S. 117. 258 Kraschennikow, in: Kraschennikow (Hrsg.), Postatejnyj kommentarij, arbitraschnyj prozessualnyj kodeks Rossijskoj Federazii [Artikelweiser Kommentar, Wirtschaftsprozessordnung der Russischen Föderation], 2007, S. 159.

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3. Kap.: Gegenwärtige Rechtslage

Die allgemeine Beweislastregelung ist in Art. 65 WiPO enthalten, wonach jeder Verfahrensbeteiligte die Umstände beweisen muss, auf die er sich zur Begründung seiner Ansprüche und Einwendungen beruft. Mit der WiPO-Reform von 2002 wurde nun für alle Verwaltungsrechtssachen259 eine Beweislastumkehr in die Art. 65 Abs. 1 2. HS, 189 Abs. 3 WiPO aufgenommen. Nach dieser Beweistragungsregelung ist die Beweislast den Staatsorganen, den Organen der örtlichen Selbstverwaltung, anderen Organen und Amtspersonen, die den Rechtsakt erlassen haben, auferlegt. Sie umfasst nach dem Gesetzeswortlaut die Umstände, die den Grund für den Erlass eines angefochtenen Aktes sowie für die Gesetzlichkeit einer angefochtenen Entscheidung oder Handlung bzw. Unterlassung darstellen. Das Erstrecken der Beweislast auf die Gesetzlichkeit erscheint fragwürdig, da die Rechtsfindung – also auch die Entscheidung über die Rechtmäßigkeit – beim Gericht liegt.260 cc) Analogieanwendung Grundsätzlich sind im Wirtschaftsprozess – wie auch im Zivilprozess – die Prinzipien sowohl der Gesetzes- als auch der Rechtsanalogie als Methoden der Rechtsprechung verankert.261 Bei Fehlen anwendbarer Normen, Parteivereinbarungen oder Handelsbräuche wendet das Wirtschaftsgericht nach der gesetzlichen Regelung Rechtsnormen an, die ähnliche Beziehungen regeln (sog. Gesetzesanalogie). Bei Fehlen solcher Normen erörtert das Gericht die Sache unter Rückgriff auf die allgemeinen Grundsätze und den Sinn Föderaler Gesetze und anderer normativer Rechtsakte (sog. Rechtsanalogie). Beide Rechtsmethoden finden nur auf materielle, nicht jedoch prozessuale Rechtsfragen Anwendung. Im Verfahren der Verwaltungsrechtssachen ist die Heranziehung der Analogien jedoch ausgeschlossen.262 dd) Sonstiges Bei Nichterscheinen der Prozessparteien sowohl im Vorbereitungs- als auch im Haupttermin kann vor den Wirtschaftsgerichten grundsätzlich auch in Abwesenheit verhandelt werden.263 Wurde das Erscheinen von Vertretern staatlicher bzw. munizipaler Organe oder von Amtspersonen durch das Wirtschaftsgericht angeordnet, wird die Verhandlung bei ihrer Abwesenheit vertagt. Dabei kann 259

Zuvor galt diese Beweislastverlagerung lediglich für die Anfechtung von Einzelfallentscheidungen der Verwaltung. Reitemeier, Osteuropa-Recht 2003, S. 121 (132). 260 So Reitemeier, Osteuropa-Recht 2003, S. 121 (132). 261 Vgl. Art. 13 Abs. 6 WiPO; ferner Piksin/Dethloff, Die Wirtschaftsprozeßordnung der Russischen Föderation, 2005, S. 31. 262 Rasukowa, in: Kraschennikow (Hrsg.), Postatejnyj kommentarij, arbitraschnyj prozessualnyj kodeks Rossijskoj Federazii [Artikelweiser Kommentar, Wirtschaftsprozessordnung der Russischen Föderation], 2007, S. 30. 263 Ausführungen dazu unter 3. Kapitel, B. I. 7. b) und c) aa).

B. Formen des gegenwärtigen Verwaltungsrechtsschutzes 

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das Wirtschaftsgericht der nicht erschienenen Partei ein Ordnungsgeld nach den Art. 119 ff. WiPO auferlegen.264 Die Beiziehung von Wirtschaftsbeisitzern auf Antrag einer Partei ist für verwaltungsrechtliche Verfahren – wie bereits oben erwähnt265 – ausgeschlossen. b) Anfechtung normativer Rechtsakte Das Normenkontrollverfahren ist aufgrund der enormen Anzahl266 an untergesetzlichen Normativakten in der russischen Praxis äußerst bedeutsam. Problematisch aus deutscher Sicht erscheint dabei die Tatsache, dass zahlreiche Entscheidungen, die den Bürger oder Unternehmen direkt betreffen, als normative Rechtsakte ergehen. Für die Delegation von Gesetzgebungskompetenzen existiert in Russland keine präzise Rechtslehre.267 Ferner stieg jeweils im Vergleich zum Vorjahr die Zahl der Anfechtungsverfahren normativer Akte vor den Wirtschaftsgerichten 2007 um 10 %, 2008 um 15,3 % und 2009 um 31,5 % an.268 aa) Antragsgegenstand Prüfungsgegenstand können Normativakte als Ganzes oder einzelne in ihnen enthaltene Regelungen sein. Auf eine Legaldefinition des Normativaktes („norma­ tivnyj prawowoj akt“) hat der russische Gesetzgeber verzichtet.269 Unter einem normativen Rechtsakt versteht die Rechtslehre einen durch die ermächtigten staatlichen Organe, Organe der kommunalen Selbstverwaltung oder Amtspersonen ordnungsgemäß erlassenen Akt,270 der für eine Mehrzahl von Personen bindende 264 Rasukowa, in: Kraschennikow (Hrsg.), Postatejnyj kommentarij, arbitraschnyj prozessualnyj kodeks Rossijskoj Federazii [Artikelweiser Kommentar, Wirtschaftsprozessordnung der Russischen Föderation], 2007, S. 364. 265 Art. 17 Abs. 3 WiPO. Vgl. zudem Ausführungen unter 3. Kapitel, B. I. 2. d). 266 Vgl. Informationen des Ministeriums der Justiz der RF, abrufbar unter: http://zakon.scli. ru/ru/legal_ texts/index.php (Stand: 31.12.2011). 267 Reitemeier, Osteuropa-Recht 2003, S. 121 (133). 268 Vgl. Informationen des Obersten Wirtschaftsgerichts der RF, abrufbar unter: http://www. arbitr.ru:80/_ upimg/CAC3F0FB8C4F76440605581884468FDE_9.pdf (Stand: 31.12.2011). 269 Dennoch existieren eine gefestigte Rechtsprechung durch die Wirtschaftsgerichte sowie zahlreiche Kommentierungen in der Rechtslehre zur Abgrenzung zwischen Einzelakten und Normativakten. Reitemeier, Osteuropa-Recht 2003, S. 121 (134). 270 Ukas Presidenta RF ot 23.05.1996, N 763 (red. ot 28.06.2005) „O porjadke opublikowanija i wstuplenija w silu aktow Presidenta Rossijskoj Federazii, prawitelstwa Rossijskoj Federazii i normativnych prawowych aktow federalnych organow ispolnitelnoj wlasti“ [Ukas des Präsidenten der RF vom 23.05.1996, Nr. 763, in der Redaktion vom 28.06.2005 „Über das Verfahren der Bekanntgabe und des Inkraftretens der Akte des Präsidenten der Russischen Föderation, der Regierung der Russischen Föderation und normativer Rechtsakte föderaler Organe

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3. Kap.: Gegenwärtige Rechtslage

rechtliche Normen und Verhaltensregeln festsetzt, die auf eine mehrfache Anwendung gerichtet sind, und ihre Geltung entfalten, unabhängig davon, ob die darin vorgesehenen konkreten Rechtsverhältnisse entstanden oder bereits beendet sind.271 Die wesentlichen Merkmale eines Normativaktes sind danach: –– normativer Charakter, –– rechtlicher Akt, –– Ergebnis der Rechtsetzung, –– Allgemeingültigkeit, –– Ausfertigung in der gesetzlich vorgeschriebenen Form. Eine Übertragung von deutschen Maßstäben272 auf die russische Terminologie ist kaum möglich, da die russische Lehre beispielsweise gänzlich auf das Merkmal der Außenwirkung verzichtet. Erschwerend hinzu kommt die gängige Verwaltungspraxis, die sich spärlich an die Normdefinitionen hält und oftmals nichtnormative Akte als Normativakte deklariert. bb) Antragsbefugnis Gem. Art. 192 Abs. 1 WiPO sind alle wirtschaftlich tätigen Bürger, Organisationen und anderen Personen antragsberechtigt, die der Ansicht sind, dass der angefochtene normative Rechtsakt oder einzelne seiner Regelungen rechtswidrig sind und sie dadurch in ihren Rechten und gesetzlichen Interessen im Bereich unternehmerischer und sonstiger wirtschaftlicher Tätigkeit verletzen. Die Antragsbefugnis steht auch nichtkommerziellen Organisationen zu, die gem. Art.  50 Abs. 3 ZGB befugt sind, unternehmerisch oder in sonstiger wirtschaftlicher Weise tätig zu werden.273 der ausübenden Gewalt“], SZ 1996, Nr. 22, Pos. 2663. Das Verfahren der Bekanntgabe und des Inkraftretens normativer Rechtsakte staatlicher Organe der Subjekte der RF oder Organe der kommunalen Selbstverwaltung wird von den Organen selbst festgelegt. 271 Rasukowa, in: Kraschennikow (Hrsg.), Postatejnyj kommentarij, arbitraschnyj prozessualnyj kodeks Rossijskoj Federazii [Artikelweiser Kommentar, Wirtschaftsprozessordnung der Russischen Föderation], 2007, S. 368. Zu den zahlreichen Definitionsversuchen in der russischen Lehre siehe Schaich, Exekutive Normsetzung in der Russischen Föderation, 2004, S. 5, Fn. 1. 272 Zum herkömmlichen deutschen Normverständnis – ungeachtet terminologischer Divergenzen – vgl. statt vieler Gerhardt/Bier, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner (Hrsg.), VwGO, Kommentar, 18. Aufl., 2009, Vorb. § 47 Rn. 2 m. w. N. Zur Begriffsbestimmtung durch die Rechtsprechung BVerfGE 25, 371 (396); BVerwG, NVwZ 1988, 1119 (1120); BVerwGE 100, 262 (269). 273 Informazionnoje pismo Presidiuma Wysschego Arbitraschnogo Suda Rossijskoj Federazii ot 13.08.2004, N 80 „O nekotorych woprosach, wosnikajuschtschich w sudebnoj praktike pri rassmotrenii arbitraschnymi sudami del ob ospariwanii normatiwnych prawowych aktow“ [Informationsschreiben des Plenums des Obersten Wirtschafsgerichts der Russischen Föderation vom 13.08.2004, Nr. 80 „Über einige Fragen, die in der Gerichtspraxis bei der Verhandlung der Anfechtung normativer Rechtsakte durch die Wirtschaftsgerichte entstehen“], Westnik WAS RF 2004, Nr. 10, Rn. 16.

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Zudem steht der Staatsanwaltschaft, den Staatsorganen der RF und ihrer Subjekte sowie den Organen der örtlichen Selbstverwaltung ein entsprechendes Antragsrecht zu (Art. 192 Abs. 2 WiPO).274 Der Antragsteller muss geltend machen, durch den angegriffenen normativen Akt in seinen Rechten verletzt worden zu sein. Im wirtschaftsgerichtlichen Verfahren ist erforderlich, dass die Möglichkeit einer Rechtsverletzung oder -schmälerung für den Antragsteller im Bereich unternehmerischer und sonstiger wirtschaftlicher Tätigkeit besteht (Art. 192 Abs. 1 WiPO). Der Rechtverletzung wird des Weiteren die ungesetzliche Auferlegung einer Verpflichtung oder das Schaffen von anderen Hindernissen bei der Verwirklichung wirtschaftlicher oder anderer ökonomischer Tätigkeit gleichgestellt.275 cc) Verfahrensgang Das Normenkontrollverfahren wird, abgesehen von wenigen Ausnahmen, nach allgemeinen Vorschriften des Klageverfahrens durchgeführt.276 Das Verfahren der Anfechtung normativer Rechtsakte wird mit der schriftlichen Antragstellung eingeleitet. Der Antrag auf Unwirksamkeitserklärung eines normativen Rechtsaktes muss, zu den allgemeinen Formanforderungen, zusätzliche Kriterien gem. Art. 193 Abs. 1 WiPO erfüllen. Exakt anzugeben und zu bezeichnen sind vor allem das den Normativakt erlassende Organ, der angefochtene Rechtsakt, die geltend gemachten Rechte und gesetzlichen Interessen sowie der normative Rechtsakt des höherrangigen Rechts, mit dem der angefochtene Akt auf Übereinstimmung überprüft werden soll. Eine Kopie des angefochtenen Normativaktes ist dem Antrag beizufügen.277 Diese formalen „Mehr-Anforderungen“ an die Antragstellung sollen dem ordnungsgemäßen und zügigen Gerichtsverfahren dienen.278 Angesichts des fehlenden Anwaltszwangs im russischen Wirtschaftsprozess sollte jedoch bedacht werden, dass hierdurch für einen juristisch unkundigen Bürger der Zugang zu den Gerichten zusätzlich erschwert wird.

274 Absaljamow, Administratiwnoje sudoproiswodstwo w arbitraschnom sude. Teoretikometodologitscheskije aspekty [Die Verwaltungsgerichtsbarkeit innerhalb der Wirtschaftsgerichte. Theoretisch-methodologische Aspekte], 2009, S. 153. 275 Art. 198 Abs. 1 letzter HS WiPO sieht eine identische Formulierung für die Anfechtung nichtnormativer Akte vor. 276 Vgl. oben 3. Kapitel, B. I. 7. Die Ausnahmen von den Regelungen des allgemeinen Klageverfahrens sind in Art. 194 WiPO zu finden. 277 Art. 193 Abs. 2 WiPO, wonach ferner die in Art. 126 Ziff. 1–5 WiPO genannten Schriftstücke erforderlich sind. 278 Absaljamow, Administratiwnoje sudoproiswodstwo w arbitraschnom sude. Teoretiko-metodologitscheskije aspekty [Die Verwaltungsgerichtsbarkeit innerhalb der Wirtschaftsgerichte. Theoretisch-methodologische Aspekte], 2009, S. 155.

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3. Kap.: Gegenwärtige Rechtslage

Die Einreichung der Anträge im Rahmen des Normenkontrollverfahrens ist ferner – im Unterschied zur Anfechtung nichtnormativer Akte279 – an keine Frist gebunden. Die Antragstellung entfaltet jedoch keine aufschiebende Wirkung auf die Geltung des angegriffenen normativen Rechtsaktes (Art. 193 Abs. 3 WiPO). Im Unterschied zum Grundsatz des Einzelrichters entscheiden die Wirtschaftsgerichte im Normenkontrollverfahren kollegial, d. h. in der Besetzung von drei Richtern, unabhängig davon, in welcher Instanz die Sache anhängig ist.280 Einen Abschluss findet das Verfahren innerhalb einer Frist von drei Monaten ab Antragseinreichung, einschließlich der Vorbereitung der Sache und der Entscheidung (Art. 194 Abs. 1 WiPO). Diese Fristbestimmung ist gegenüber Art. 152 WiPO spezieller.281 dd) Prüfungsmaßstab und Entscheidungswirkung Das Wirtschaftsgericht stellt fest, ob der angegriffene Normativakt im Wider­ spruch zum Gesetz oder zu einem anderen höherrangigen normativen Akt282 steht. Als Prüfungsmaßstab für die Rechtmäßigkeit des Normativaktes fungiert Art. 194 Abs. 4 WiPO. Danach untersucht das Gericht die Übereinstimmung des angefochtenen Normativaktes mit Föderalen Verfassungsgesetzen, Föderalen Gesetzen und anderen höherrangigen Normativakten sowie Kompetenzen des die Norm erlassenden Organs. Die Nichtnennung der Verfassung als Prüfungsmaßstab283 ist nicht auf ein eventuelles redaktionelles Versehen oder den Vorrang der Verfassung in Art. 4 Abs. 2 Verf RF zurückzuführen, sondern resultiert aus der Zuständigkeitsabgrenzung zur Verfassungsgerichtsbarkeit.284

279

Vgl. Art. 198 Abs. 4 WiPO und Ausführungen unter 3. Kapitel, B. I. 8. c) cc). Vgl. Art. 194 Abs. 1 WiPO, Art. 17 Abs. 2 WiPO; Rasukowa, in: Kraschennikow (Hrsg.), Postatejnyj kommentarij, arbitraschnyj prozessualnyj kodeks Rossijskoj Federazii [Artikelweiser Kommentar, Wirtschaftsprozessordnung der Russischen Föderation], 2007, S. 372. 281 Vgl. Art. 152 Abs. 1 letzer HS WiPO; Rasukowa, in: Kraschennikow (Hrsg.), Postatejnyj kommentarij, arbitraschnyj prozessualnyj kodeks Rossijskoj Federazii [Artikelweiser Kommentar, Wirtschaftsprozessordnung der Russischen Föderation], 2007, S. 373. 282 Ausführlich zur Normenhierarchie in der Russischen Föderation vgl. Spitsa/Lowitzsch, WiRO 2000, S. 138 ff. 283 Reitemeier hinterfragt dies vor dem Hintergrund, dass die Verfassungsbeschwerden nur gegen formelle Gesetze möglich sind, Art. 125 Abs. 4 Verf RF. Siehe Reitemeier, OsteuropaRecht 2003, S. 121 (133 f.), Fn 26. 284 Dazu bereits unter 3. Kapitel, B. I. 2. a) ee) (2). 280

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Das wirtschaftsgerichtliche Normenkontrollverfahren ist als prinzipale Normenkontrolle285 ausgestaltet: Gem. Art. 194 Abs. 5 und 8 WiPO kann das Gericht den Normativakt in vollem Umfang überprüfen. Dem steht die Rücknahme des Antrags nicht entgegen. Hält das Richterkollegium den angegriffenen Normativakt für rechtswidrig, so erklärt es diesen für mit dem höherangigen Recht unvereinbar und insgesamt oder teilweise für unwirksam. Den Wirtschaftsgerichten steht hierbei keine Verwerfungsbefugnis zu.286 Ab Eintritt der Rechtskraft287 des Gerichtsurteils, d. h. ex nunc, darf der normative Rechtsakt nicht mehr angewandt werden (Art.  195 Abs. 5 WiPO). Außerdem ist der rechtswidrige Normativakt von dem Organ oder der Person, die ihn erlassen hat, in Einklang mit dem Gesetz oder höherrangigen Recht zu bringen.288 Die getroffene Gerichtsentscheidung ist unverzüglich zu veröffentlichen.289 c) Anfechtung nichtnormativer Rechtsakte Die Anfechtungsverfahren von Einzelakten nehmen von Jahr zu Jahr an Bedeutung zu. So ist die Zahl der Anfechtungsverfahren von nichtnormativen Akten vor den Wirtschaftsgerichten in den letzten Jahren stetig gestiegen. Es ergab sich 2007 ein Anstieg um 17,7 %, 2008 um 4,1 % und 2009 sogar um 28,0 % (jeweils im Vergleich zum Vorjahr).290 285 Grundlegend Bethge, in: Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein (Hrsg.), BVerfGG, 31.  EL, 2009, § 31 Rn. 125 ff. m. w. N. 286 So auch Reitemeier, Osteuropa-Recht 2003, S. 121 (134); Schaich, Exekutive Normsetzung in der Russischen Föderation, 2004, S. 225. 287 Gem. Art.  195 Abs.  4 WiPO werden Urteile über die Anfechtung normativer Akte sofort nach ihrem Erlass rechtskräftig. Der Begriff der Rechtskraft nach russischem Rechtsverständnis weicht bedeutend von der deutschen Rechtsterminologie ab. Unter Rechtskraft wird in Russland die „Rechtsgeltung einer Gerichtsentscheidung [verstanden], die das Vorhandensein oder Fehlen von Rechten sowie der zugrunde liegenden Tatsachen unwiderruflich feststellt.“ Dazu ausführlich Moyseenko/Wedde, Osteuropa-Recht 2007, S. 161 (164 f.). Zudem ist sie Voraussetzung für die Vollstreckung (vgl. Art. 318 Abs. 1 WiPO). Gemeint ist aber keine Unanfechtbarkeit, also keine formelle Rechtskraft nach deutschem Rechtsverständnis, sondern lediglich, dass die Entscheidung durch dasselbe Gericht nicht mehr abgeändert werden kann. Lippott, RIW 1996, S. 106 (108); vgl. auch Piksin/Dethloff, Die Wirtschaftsprozeßordnung der Russischen Föderation, 2005, S. 45 m. w. N.; Steinbach, Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Urteile und Schiedssprüche in der Russischen Föderation, 2003, S. 89. 288 Vgl. Wortlaut des Art. 195 Abs. 5 WiPO; Absaljamow, Problemy administratiwnogo sudoproiswodstwa w arbitraschnom prozesse [Die Probleme der Verwaltungsgerichtsbarkeit im Wirtschaftsprozess], 2000, S. 157. Dies übersieht Schaich, Exekutive Normsetzung in der Russischen Föderation, 2004, S. 225. 289 Umfangreiche Regelungen bezüglich der Art der Zusendung und der Veröffentlichung von Gerichtsurteilen sehen Art. 195 Abs. 6 WiPO und Art. 196 WiPO vor. 290 Vgl. Informationen des Obersten Wirtschaftsgerichts der RF, abrufbar unter: http://www. arbitr.ru: 80/_upimg/CAC3F0FB8C4F76440605581884468FDE_9.pdf (Stand: 31.12.2011).

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3. Kap.: Gegenwärtige Rechtslage

aa) Antragsgegenstand Es können gem. Art. 197 Abs. 1 WiPO nichtnormative Akte, Entscheidungen und Handlungen bzw. Unterlassen291 der staatlichen Organe, Organe der örtlichen Selbstverwaltung, sonstiger Organe und Amtspersonen angefochten werden, wenn sie die Rechte und gesetzlichen Interessen von Parteien im Bereich wirtschaftlicher oder anderer ökonomischer Tätigkeit berühren. Der russische Gesetzgeber unterscheidet beim Antragsgegenstand bewusst zwischen nichtnormativen Rechtsakten einerseits und Entscheidungen („reschenije“) sowie Handlungen oder Unterlassen andererseits.292 Eine Legaldefinition oder erschöpfende Aufzählung der einzelnen Merkmale dieser Begriffe enthält die WiPO nicht.293 Im Allgemeinen wird unter einem nichtnormativen Rechtsakt („nenormatiwnyj prawowoj akt“) ein individueller Akt eines staatlichen oder munizipalen Organs verstanden, der an eine konkrete Person gerichtet ist und bestimmte verpflichtende Regelungen einseitig aufstellt.294 Man kann hierbei von „Einzelfallentscheidungen“ sprechen. Die Gleichsetzung mit der deutschen Terminologie des Verwaltungsaktes soll aber unterbleiben, da es erhebliche Abweichungen in bestimmten Bereichen gibt.295 Zur Abgrenzung der Begriffe ist das Formerfordernis als Kriterium heranzuziehen. Ein nichtnormativer Akt ist von strengen Formerfordernissen geprägt, wogegen Entscheidungen an keine bestimmte Form gebunden sind.296 Bei den nichtnormativen Akten handelt es sich im Allgemeinen um schriftliche Akte, die vom Organleiter bzw. seinem Stellvertreter unterschrieben sind. Weitergehende Anforderungen können spezialgesetzlich vorgeschrieben werden.297

291 Sie wurden im Zuge der WiPO-Reform zum Prüfungsgegenstand hinzugefügt. Davor hielten die Wirtschaftsgerichte Unterlassen nicht für anfechtbar und entschieden in der Praxis oftmals gegen die eindeutige Formulierung von Art. 46 Abs. 2 Verf RF, wonach der Rechtsweg gegen Entscheidungen und Handlungen (oder die Untätigkeit) der Organe der Staatsgewalt, der Organe der örtlichen Selbstverwaltung, der gesellschaftlichen Vereinigungen und Amtsträger offensteht. So auch Reitemeier, Osteuropa-Recht 2003, S. 121 (134). 292 Vgl. z. B. Art. 197 Abs. 2 WiPO, Art. 198 Abs. 1 und 3 WiPO. 293 Nikitin, in: Schylin (Hrsg.), Postatejnyj kommentarij, arbitraschnyj prozessualnyj kodeks Rossijskoj Federazii [Artikelweiser Kommentar, Wirtschaftsprozessordnung der Russischen Föderation], 2. Aufl., 2008, Art. 197 Rn. 2. 294 Dazu Rasukowa, in: Kraschennikow (Hrsg.), Postatejnyj kommentarij, arbitraschnyj prozessualnyj kodeks Rossijskoj Federazii [Artikelweiser Kommentar, Wirtschaftsprozessordnung der Russischen Föderation], 2007, S. 376. 295 Sehr detailliert zu den Merkmalen nichtnormativer Akte vgl. Stampe, Der Funktionsbereich der russischen Wirtschaftsgerichtsbarkeit, 2000, S. 178 ff. 296 Dazu Absaljamow, Problemy administratiwnogo sudoproiswodstwa w arbitraschnom prozesse [Die Probleme der Verwaltungsgerichtsbarkeit im Wirtschaftsprozess], 2000, S. 158. 297 Stampe, Der Funktionsbereich der russischen Wirtschaftsgerichtsbarkeit, 2000, S. 183.

B. Formen des gegenwärtigen Verwaltungsrechtsschutzes 

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bb) Antragsbefugnis Antragsbefugt sind nach Art.  198 Abs.  1 WiPO alle wirtschaftlich tätigen­ Privatrechtssubjekte, wenn sie der Meinung sind, eine der eben aufgeführten Maßnahmen der Verwaltung entspreche nicht höherrangigem Recht und verletze sie in ihren Rechten und gesetzlichen Interessen im Bereich unternehmerischer und anderer wirtschaftlicher Tätigkeit.298 Wie auch im Normenkontrollverfahren steht der Rechtsverletzung die ungesetzliche Auferlegung einer Verpflichtung oder das Schaffen von anderen Hindernissen bei der Ausübung unternehmerischer und anderer ökonomischer Tätigkeit gleich.299 Ein nichtnormativer Akt muss nicht zwingend vom Adressaten der Einzelfallentscheidung angefochten werden. Verletzt der Rechtsakt auch Rechte Dritter, so können sie sich gegen diesen wehren.300 Über ein Antragsrecht verfügen ferner die Staatsanwaltschaft, die Organe der örtlichen Staatsverwaltung und andere staatliche Organe (Art. 198 Abs. 2 WiPO). cc) Verfahrensgang Das Anfechtungsverfahren orientiert sich mit einigen Ausnahmen wiederum an den allgemeinen Vorschriften301 des Klageverfahrens. Wie im Normenkontrollverfahren gelten im Anfechtungsverfahren strengere Formvorschriften an die Antragstellung (Art. 199 WiPO). Einen wichtigen Unterschied zum Normenkontrollverfahren302 stellt Art.  198 Abs. 4 WiPO dar. Die Einreichung der Anträge ist hiernach an eine Frist von drei Monaten gebunden. Die Frist beginnt ab dem Tag, an welchem dem Bürger oder der Organisation die Verletzung ihrer Rechte und gesetzlichen Interessen bekannt wurde, es sein denn, ein Föderales Gesetz bestimmt etwas anderes. Bei der Frist handelt es sich um eine prozessuale Frist, die bei Fristversäumung aus wichtigem Grund zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand303 führen kann. Vor der Novellierung der WiPO im Jahr 2002 wurden die Anfechtungen von nichtnormativen Akten kollegial verhandelt. Heute unterliegen sie dem Grundsatz des Einzelrichterzuständigkeit, was auf die stets steigenden Verfahrenszahlen bei Anfechtungen nichtnormativer Rechtsakte und der daraus folgenden hohen Ar-

298

Vgl. Reitemeier, Osteuropa-Recht 2003, S. 121 (134). Vgl. Art. 198 Abs. 1 letzter HS WiPO. So bereits im 3. Kapitel, B. I. 8. b) bb). 300 Absaljamow, Problemy administratiwnogo sudoproiswodstwa w arbitraschnom prozesse [Die Probleme der Verwaltungsgerichtsbarkeit im Wirtschaftsprozess], 2000, S. 159. 301 So gilt gem. Art. 200 Abs. 5 und 6 WiPO die bereits in Art. 189 Abs. 3 WiPO geregelte Beweislastumkehr zu Lasten der Verwaltungsorgane. 302 Vgl. Ausführungen oben 3. Kapitel, B. I. 8. b) cc). 303 Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand richtet sich nach Art. 117 WiPO. 299

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3. Kap.: Gegenwärtige Rechtslage

beitsbelastung der Wirtschaftsgerichte zurückzuführen ist.304 Dennoch ist das Verfahren – wie auch schon das Normenkontrollverfahren – innerhalb einer Frist von drei Monaten ab Antragseinreichung, einschließlich der Vorbereitung der Sache und der Entscheidung, durchzuführen (Art. 200 Abs. 1 Satz 1 WiPO). Eine Neuregelung wurde durch das Änderungsgesetz vom 30. April 2010 in Satz 2 Art. 200 Abs.  1 der Vorschrift aufgenommen. Danach kann die Frist aufgrund der Komplexität der Sache oder einer großen Anzahl von Verfahrensbeteiligten auf bis zu sechs Monate verlängert werden.305 dd) Prüfungsmaßstab und Entscheidungswirkung Stellt der Einzelrichter fest, dass der angefochtene nichtnormative Rechtsakt, die Entscheidung oder die Handlung bzw. Unterlassung nicht mit dem Gesetz oder mit einem anderen normativen Rechtsakt übereinstimmt und die Rechte und gesetzlichen Interessen des Antragstellers verletzt, so erklärt er den nichtnormativen Akt für unwirksam, während er die Entscheidung und Handlung bzw. Unterlassung für rechtswidrig erklärt (Art. 201 Abs. 2 WiPO). Der angefochtene Einzelakt findet gem. Art. 201 Abs. 8 WiPO mit Erlass der Gerichtsentscheidung keine Anwendung mehr.306 Die Entscheidung des Wirtschaftsgerichts ist sofort vollstreckbar, wenn das Urteil keine andere Fristen bestimmt.307 Das Gericht kann zudem anordnen, dass das entsprechende Organ die Vollziehung der Gerichtsentscheidung mitteilt. d) Ordnungswidrigkeiten Die Neuaufnahme der Ordnungswidrigkeitenverfahren („dela ob administra­tiw­ nych prawonaruschenijach“)308 in die WiPO neben den Regelungen des OWiG RF führt in der Praxis zu Abgrenzungs- und Anwendungsschwierigkeiten. Die Vorschriften über die Ordnungswidrigkeiten sind im 25. Kapitel der WiPO zu finden. Diese gliedern sich in zwei Unterkapitel: Art. 202–206 WiPO „Haftung für administrative Rechtsverletzungen (Ordnungswidrigkeiten)“ und Art. 207–211 304 Die Einzelrichterentscheidung folgt bereits aus Art. 17 Abs. 1 WiPO, sodass der Art. 200 Abs. 1 WiPO an sich überflüssig erscheint. So auch Reitemeier, Osteuropa-Recht 2003, S. 121 (135). 305 Vgl. Ausführungen zu Art. 152 WiPO unter 3. Kapitel, B. I. 7. c) aa). 306 Absaljamow, Problemy administratiwnogo sudoproiswodstwa w arbitraschnom prozesse [Die Probleme der Verwaltungsgerichtsbarkeit im Wirtschaftsprozess], 2000, S. 164. 307 Vgl. Art. 201 Abs. 7 WiPO. 308 Wörtlich übersetzt sind es „Rechtssachen administrativer Rechtsverletzungen“. Dabei handelt es sich um eine Kategorie von Gesetzesverstößen, sodass die Bezeichnung als Ordnungswidrigkeit die russische Terminologie am besten wiedergibt.

B. Formen des gegenwärtigen Verwaltungsrechtsschutzes 

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WiPO „Anfechtung von Entscheidungen der Verwaltungsorgane über die Heranziehung zur administrativen Haftung“. Diese Gliederung ist auf die Klassifikation der Ordnungswidrigkeiten in zwei Arten zurückzuführen. Kann die eine Art von den Behörden direkt geahndet werden, so ist die Sanktion der anderen Art lediglich im gerichtlichen Verfahren auf Antrag der zuständigen Verwaltungsbehörde möglich.309 Im 1. Unterkapitel wird das gerichtliche Verfahren der Auferlegung von Ordnungswidrigkeiten geregelt, wogegen die Art. 207–211 WiPO die gerichtliche Anfechtungsmöglichkeit von im Verwaltungsverfahren verhängten Sanktionen näher bestimmen. Letzteres wurde in vielen Bereichen an das seit langer Zeit vor den ordentlichen Gerichten geltende Ordnungswidrigkeitenverfahren angepasst.310 So ist der Antrag innerhalb einer Frist von zehn Tagen beim Wirtschaftsgericht zu stellen (Art. 208 Abs. 2 WiPO). Bei Fristversäumung aus wichtigem Grund kann Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden.311 Diese kurze Frist gilt auch für die Antragstellung durch die Staatsanwaltschaft.312 Auf Antrag des Antragstellers kann das Wirtschaftsgericht die Vollstreckung der angefochtenen Entscheidung aussetzen (Art. 208 Abs. 3 WiPO). Neu ist die Fristregelung des Art. 210 Abs. 1 WiPO, die im Rahmen des Ände­ rungsgesetzes vom 30. April 2010 geändert wurde. Zuvor betrug die Frist für die gerichtliche Behandlung der Rechtssache, d. h. einschließlich der Vorbereitung der Sache und der Entscheidung selbst, lediglich zehn Tage.313 Nun wurde die Fristdauer an die der anderen Verfahren angenähert und auf zwei Monate verlängert. Das Wirtschaftsgericht entscheidet über die Anfechtung durch Einzelrichter. Eine Besonderheit des Ordnungswidrigkeitenverfahrens stellt die Gebührenfreiheit nach Art. 208 Abs. 4 WiPO dar.

309

Piksin/Dethloff, Die Wirtschaftsprozeßordnung der Russischen Föderation, 2005, S. 40. So Reitemeier, Osteuropa-Recht 2003, S. 121 (136). 311 Dazu Rasukowa, in: Kraschennikow (Hrsg.), Postatejnyj kommentarij, arbitraschnyj prozessualnyj kodeks Rossijskoj Federazii [Artikelweiser Kommentar, Wirtschaftsprozessordnung der Russischen Föderation], 2007, S. 390. 312 Vgl. Postanowlenije Plenuma Wysschego Arbitraschnogo Suda Rossijskoj Federazii ot 09.12.2002, N  11 „O nekotorych woprosach, swjasanych s wwedenijem w dejstwije Arbi­ traschnogo prozessualnogo kodeksa Rossijskoj Federazii“ [Plenarbeschluss des Obersten Wirtschafsgerichts der Russischen Föderation vom 09.12.2002, Nr.  11 „Über einige Fragen, betreffend die Einführung der Wirtschafsgerichtsordnung der Russischen Föderation“], Westnik WAS RF 2003, Nr. 2. 313 Zur alten Rechtslage vgl. Reitemeier, Osteuropa-Recht 2003, S. 121 (136). 310

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3. Kap.: Gegenwärtige Rechtslage

e) Beitreibung von Pflichtabgaben und Sanktionen Im Jahr 2009 machte die Beitreibung von Pflichtabgaben und Sanktionen gem. Art. 212 ff. WiPO mehr als die Hälfte aller verwaltungsrechtlichen Verfahren vor den Wirtschaftsgerichten aus.314 Hierbei handelt es sich um öffentlich-rechtliche Zahlungsverpflichtungen, vor allem im Energie- und Telekommunikationsdienstleistungssektor, aber auch im Sozial- und Rentenversicherungsbereich. Nach russischem Recht können gewisse Pflichtabgaben und Sanktionen nicht behördlich festgesetzt bzw. verhängt werden, sondern müssen im Wege eines Gerichtsverfahrens eingefordert werden.315 Meist betrifft dies unstreitige Forderungen.316 Das Verfahren wird auf Antrag des zuständigen Staatsorgans oder Organs der örtlichen Selbstverwaltung eingeleitet und richtet sich nach den allgemeinen Vorschriften des Klageverfahrens. Besonderheiten sind in den Art.  212 ff. WiPO normiert. 9. Sonstige Verfahren Auf sonstige in der WiPO geregelte Verfahren wird nur insofern eingegangen, als sie nach deutschem Rechtsverständnis öffentlich-rechtliche Bezüge aufweisen. a) Verfahren bzgl. Tätigkeit staatlicher Korporationen Rechtsstreitigkeiten über die Gründung, Tätigkeit, Reorganisation, Auflösung von staatlichen Korporationen317 sowie Befugnisse und Haftung ihrer Organe fallen gem. Art. 33 Abs. 1 Nr. 4.1. WiPO seit Oktober 2009 erstmals in den speziellen ­Zuständigkeitsbereich der Wirtschaftsgerichte. 314

Vgl. Informationen des Obersten Wirtschaftsgerichts der RF, abrufbar unter: http://www. arbitr.ru: 80/_upimg/CAC3F0FB8C4F76440605581884468FDE_9.pdf (Stand: 31.12.2011). 315 Reitemeier, Osteuropa-Recht 2003, S. 121 (136). 316 Piksin/Dethloff, Die Wirtschaftsprozeßordnung der Russischen Föderation, 2005, S. 41. 317 Eine Legaldefinition der staatlichen Korporationen („gosudarstwennaja korporazija“) findet sich in Art. 7.1. des Föderalen Gesetzes „Über nichtkommerzielle Organisationen“ – Federalnyj sakon ot 12.01.1996, N 7-FS (red. ot 22.07.2010, s ism. i dop., wstupajuschtschimi w silu s 01.10.2010) „O nekommertscheskich organisazijach“ [Föderales Gesetz vom 12.01.1996, Nr.  7-FS, in der Redaktion vom 22.07.2010, mit Änderungen und Ergänzungen, die zum 01.10.2010 in Kraft treten „Über nichtkommerzielle Organisationen“], SZ 1996, Nr. 3, Pos. 145. Danach handelt es sich „um eine mit der Einlage der Russischen Föderation zum Zwecke der Ausübung von sozialen, administrativen oder sonstigen gemeinnützigen Funktionen gegründete nichtkommerzielle Organisation ohne mitgliedschaftliche Struktur.“ Das Korporationsvermögen ist nicht Eigentum des Staates, weshalb auch keine Kontrollmöglichkeit für die Rechnungs-

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Die Bedeutung dieser Rechtssachen ist aber äußerst gering. Gegenwärtig gibt es in Russland lediglich sieben staatliche Korporationen.318 Im Laufe des Jahres 2010 sollen einige von ihnen Medwedjew zufolge entweder aufgelöst oder in­ Aktiengesellschaften mit dem Staat als Mehrheitseigener umgewandelt werden.319 b) Entschädigungsverfahren gem. Art. 222.1. ff. WiPO aa) Neuregelung und ihre Entstehung Trotz recht kurzer Fristen im russischen Wirtschaftsprozess nehmen die gerichtlichen Verfahren sowie deren Vollstreckung ausgesprochen lange Zeit in Anspruch. Das russische Gerichtssystem war unlängst in die Kritik des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) geraten.320 Nach der Entscheidung des EGMR in der Sache Burdov gegen Russland (Nr. 2) vom 15. Januar 2009321 weist die überlange Dauer der Gerichts- und Vollstreckungsverfahren in Russland einen

kammer eröffnet ist. Es besteht keine gegenseitige Haftung, weder der Staatskorporationen für Verbindlichkeiten der RF noch der RF für die Verbindlichkeiten der Staatskorporationen. Für die Staatsunternehmen gelten nur wenige Berichtspflichten. So sind sie nur der Regierung rechenschaftspflichtig. Zudem sind die Vorschriften des Föderalen Gesetzes „Über die Insolvenz“ – Federalnyj sakon ot 26.10.2002, N 127-FS (red. ot 27.07.2010) „O nesostojatelnosti (bankrotstwe)“ [Föderales Gesetz vom 26.10.2002, Nr. 127-FS, in der Redaktion vom 27.07.2010 „Über die­ Insolvenz (Bankrott)“], SZ 2002, Nr. 43, Pos. 4190 nicht anwendbar. Germany Trade and Invest (Hrsg.), Rechtsnews 2/2010, S. 27 f., abrufbar unter: www.gtai.de (Stand: 31.12.2011); vgl. ferner zum Rechtsstatus der staatlichen Korporationen Mosolin, Schurnal rossijskogo prawa 2009, Nr. 1, S. 20 ff. 318 Diese wurden jeweils durch Einzelgesetze geschaffen und sind namentlich: Olympiabaugesellschaft SC Olimpstroy; Agentur für Einlagensicherung, die Bank für Entwicklung und außenwirtschaftliche Tätigkeit; Rosnano, staatliches Unternehmen für Nanotechnologien; ­Rostekhnologii, staatliches Unternehmen für Technologien; Rosatom, staatliches Unternehmen für Kernenergie sowie als Staatsunternehmen organisierter Fonds für Wohnungs- und Kommunalwirtschaft. Zuletzt wurde im Juli 2009 Rosavtodor, ein weiteres staatliches Unternehmen für den Straßenbau geschaffen, welches allerdings abweichend als „staatliche Gesellschaft“ („gosudarstwennaja kompanija“) bezeichnet wird. Zur Errichtung vgl. Göckeritz, VDRW-­Mitteilungen 35/2007, S. 23 (27 f.); ferner Germany Trade and Invest (Hrsg.), Rechtsnews 2/2010, S. 28, abrufbar unter: www.gtai.de (Stand: 31.12.2011). 319 So bezeichnete Medwedjew die staatlichen Korporationen, die während Putins Präsidentschaft gegründet wurden, als „perspektivlos“. Dazu Nienhuysen, Süddeutsche Zeitung, Nr. 262 vom 13.11.2009, S. 1; vgl. Medwedjew, Jahresansprache an das Parlament am 12.11.2009, abrufbar unter: http://www.kremlin.ru/transcripts/5979 (Stand: 31.12.2011). 320 Dieser Kritik muss sich auch Deutschland aussetzen. Seit 2007 wurde Deutschland in 80 % aller Fälle vom EGMR wegen überlanger Gerichtsverfahren verurteilt. Vgl. Pressemitteilung des Bundesministeriums der Justiz vom 18.08.2010, abrufbar unter: http://www. bmj.bund.de/enid/88b78e065bf5ced56a18c60888011c39,74b503636f6e5f6964092d09373 13537093a095f7472636964092d0936373437/Pressestelle/Pressemitteilungen_58.html (Stand: 31.12.2011). 321 EGMR, Urteil vom 15.01.2009, Application no. 33509/04 – Burdov/Russia (No. 2).

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3. Kap.: Gegenwärtige Rechtslage

symptomatischen Charakter auf.322 Der Russischen Föderation wurde daraufhin die Auflage erteilt, einen rechtlichen Mechanismus zu schaffen, der der betroffenen Partei einen gerechten Ausgleich bei Verletzung der angemessenen Fristen garantiert. Dieser Anordnung ist der russische Gesetzgeber gefolgt und hat am 30. April 2010 das Föderale Gesetz „Über die Entschädigung aufgrund der Verletzung des Rechts auf ein Gerichtsverfahren innerhalb angemessener Frist oder des Rechts auf Vollstreckung einer Gerichtsentscheidung innerhalb angemessener Frist“ (Gesetz „Über die Entschädigung“)323 verabschiedet. Dieses Gesetz ist am 4. Mai 2010 in Kraft getreten. bb) Verfahrensgang Die detaillierten Bestimmungen zu Voraussetzungen und Verfahrensverlauf des Entschädigungsverfahrens finden sich sowohl im Gesetz „Über die Entschädigung“, in den Art. 222.1. ff. WiPO als auch in den Art. 244.1. ff. ZPO RF.324 Danach kann eine Person bei Verletzung des Gebots der angemessenen Verfahrens 322 Der EGMR beschäftigte sich erneut mit der Sache Burdov gegen Russland. Dieser war nach dem Reaktorunfall in Tschernobyl als Armeeangehöriger an den Rettungsarbeiten be­ teiligt und erlitt dabei erhebliche Gesundheitsschäden, aufgrund derer ihm Sozialleistungen zustanden, die aber nicht zeitgerecht oder nicht in entsprechender Höhe von den zuständigen Behörden bezahlt wurden. Mehrere erfolgreiche Klagen blieben unterschiedlich lang unvollstreckt. Bereits im Urteil des EGMR vom 07.05.2002, Application  no. 59498/00  – Burdov/­ Russia, wurde eine Verletzung von Art.  6 Abs.  1 EMRK und Art.  1 1.  Prot. EMRK festgestellt, da die Behörden jahrelang die zugunsten von Burdov stattgegebenen Urteile nicht vollstreckten. Der EGMR erkennt in seinem aktuellen Urteil wiederholt eine Verletzung von Art. 6 EMRK und Art. 1 1. Prot. EMRK wegen verspäteter Vollstreckung innerstaatlicher Urteile an. Zudem liegt eine Verletzung des Art. 13 EMRK wegen Ineffektivität innerstaatlicher Rechtsbehelfe vor. Gem. Art. 41 EMRK wurde dem Beschwerdeführer eine Entschädigung in Höhe von 6.000 Euro zugesprochen. Zur ausführlichen Besprechung des EGMR, Urteil vom 07.05.2002, Application no. 59498/00 – Burdov/Russia, vgl. Shyrynski, Osteuropa-Recht 2003, S. 145 ff. Grundlegend zum Anwendungsbereich des Art. 6 Abs. 1 EMRK vgl. Brett, Verfahrensdauer bei Verfassungsbeschwerden im Horizont der Rechtsprechung des Europäischen­ Gerichtshofs für Menschenrechte zu Art. 6 Abs. 1 S. 1 EMRK, 2008, S. 218 ff.   323 Federalnyj sakon ot 30.04.2010, N 68-FS „O kompensazii sa naruschenija prawa na sudo­ prois-wodstwo w rasumnyj srok ili prawa na ispolnenije sudebnowo akta w rasumnyj srok“ [Föderales Gesetz vom 30.04.2010, Nr. 68-FS „Über die Entschädigung aufgrund der Verletzung des Rechts auf ein Gerichtsverfahren innerhalb angemessener Frist oder des Rechts auf Vollstreckung einer Gerichtsentscheidung innerhalb angemessener Frist“], SZ  2010, Nr.  18, Pos.  2144. In Deutschland wurde am 18.08.2010 ebenfalls ein Gesetzentwurf über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren vom Bundeskabinett beschlossen. Vgl. Pressemitteilung des Bundesministeriums der Justiz vom 18.08.2010, abrufbar unter: http://www.bmj.bund.de/enid/88b78e065bf5ced56a18c 60888011c 39,74b503636f6e5f6964092d0937313537093a095f7472636964092d0936373437/Presse stelle/Pressemitteilungen_58.html (Stand: 31.12.2011). 324 Das gleichlaufende Verfahren ist sowohl vor den Wirtschaftsgerichten als auch vor den­ ordentlichen Gerichten statthaft, abhängig davon, welches Gericht die angemessene Verfahrensdauer missachtet hat.

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dauer325 einen finanziellen Ausgleich vor dem Wirtschaftsgericht beantragen, wenn die Verletzung der Verfahrens- oder der Vollstreckungsfrist im wirtschaftsgerichtlichen Verfahren stattgefunden hat (Art. 3 Abs. 1 Nr. 2 und Art. 3 Abs. 2 Nr. 2 des Gesetzes „Über die Entschädigung“). Die Höhe der Entschädigung ist gesetzlich nicht festgelegt, sondern richtet sich nach dem konkreten Einzelfall. Das Gesetz „Über die Entschädigung“ sieht jedoch eine Art „Orientierungshilfe“ für die russischen Gerichte vor, nach der für die Höhe die Praxis des EGMR in vergleichbaren Fällen maßgeblich ist.326 Voraussetzung ist allerdings, dass der Antragsteller seinerseits aktiv am Verfahren mitgewirkt hat. Er muss Beweise dafür vorlegen, dass er durch Verzögerungsrügen an das Gericht Versuche zur Beschleunigung des Prozesses unternommen hat. Die Entscheidung über die Entschädigung hat innerhalb von zwei Monaten zu erfolgen (Art. 222.7. WiPO). Sie ist sofort vollstreckbar.327 cc) Besonderheiten im Vollstreckungsverfahren Im Vollstreckungsverfahren beschränken sich die Entschädigungszahlungen­ lediglich auf die Vollstreckung gegen staatliche oder kommunale Haushalte.328 Betroffen sind demnach nur Verfahren, an denen Staatsorgane oder kommunale Selbstverwaltungsorgane als Schuldner beteiligt sind. Eine Entschädigung ist­ allerdings ausgeschlossen, wenn die Nichteinhaltung der angemessenen Frist von der antragstellenden Partei selbst zu verantworten ist. Positiv ist anzumerken, dass es für die Zuerkennung der Entschädigung unerheblich ist, ob die Fristversäumnis von staatlichen Organen verschuldet wurde.329 Es bleibt abzuwarten, wie diese Neuerungen in der Rechtspraxis umgesetzt und ob sie zur Verfahrensbeschleunigung beitragen werden. An sich ist das präventive Element der Verzögerungsrüge geeignet, überlange Prozesse zu verhindern. Dennoch können die Entschädigungsverfahren eine Mehrbelastung der Justiz bedeuten und demzufolge dem Bürger in Hinblick auf den Rechtsschutz mehr Nachteile als Nutzen bringen. Mit ersten Erfahrungsberichten aus dem russischen Gerichtsalltag ist aufgrund der Aktualität des Problems bald zu rechnen.

325

Siehe 3. Kapitel, B. I. 5.  Art. 2 Abs. 2 des Gesetzes „Über die Entschädigung“. 327 Art. 4 Abs. 4 des Gesetzes „Über die Entschädigung“. 328 Vgl. Art. 4 Abs. 3 des Gesetzes „Über die Entschädigung“. 329 Art. 1 Abs. 3 des Gesetzes „Über die Entschädigung“. 326

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3. Kap.: Gegenwärtige Rechtslage

10. Vollstreckung Die Vollstreckung von wirtschaftsgerichtlichen Entscheidungen ist in Abschnitt VII, Art. 318 ff. WiPO normiert. Die Vorschriften wurden durch zahlreiche Änderungen an das Vollstreckungsgesetz330 angeglichen. Gerichtsentscheidungen der Wirtschaftsgerichte sind, außer in Fällen der sofortigen Vollstreckbarkeit, gem. Art. 318 Abs. 1 WiPO bei Eintritt ihrer Rechtskraft331 vollstreckbar. Die Zwangsvollstreckung erfolgt auf der Grundlage einer vom Wirtschaftsgericht ausgestellten Vollstreckungsurkunde („ispolnitelnyj list“), die innerhalb von drei Jahren zur Vollstreckung vorgelegt werden kann.332 Die Entscheidungen und Handlungen (Unterlassen) des Gerichtsvollziehers können gerichtlich angefochten werden. Die Anfechtung von Vollstreckungshandlungen richtet sich nach den Vorschriften der Anfechtung nichtnormativer Rechtsakte.333 11. Rechtsbehelfsverfahren Im Abschnitt VI der WiPO sind „Verfahren der Überprüfung von Gerichtsakten der Wirtschaftsgerichte“ normiert. Zu den wirtschaftsgerichtlichen Rechtsmitteln zählen die Appellationsbeschwerde (Art.  257 ff. WiPO), die Kassationsbeschwerde (Art. 273 ff. WiPO) sowie das Aufsichtsverfahren (Art. 292 ff. WiPO). Ein weiterer Rechtsbehelf vor den Wirtschaftsgerichten ist das Wiederaufnahmeverfahren gem. Art. 309 ff. WiPO. a) Appellationsverfahren Nicht rechtskräftige Entscheidungen der Wirtschaftsgerichte erster Instanz können mit einer der Berufung vergleichbaren Appellationsbeschwerde angegriffen werden. Sie kann von den Prozessbeteiligten, aber auch von Nichtbeteiligten, über deren Rechte und Pflichten das Wirtschaftsgericht entschieden hat, erhoben werden. Die Einlegung ist innerhalb eines Monat nach Verkündung der angegriffenen Entscheidung möglich (Art. 259 Abs. 1 WiPO).334 Die Appellationsschrift ist beim 330 Federalnyj sakon ot 02.10.2007, N 229-FS (red. ot 27.07.2010) „Ob ispolnitelnom proiswodstwe“ [Föderales Gesetz vom 02.10.2007, Nr. 229-FS, in der Redaktion vom 27.07.2010 „Über das Vollstreckungsverfahren“], SZ 2007, Nr. 41, Pos. 4849. 331 Vgl. zum Begriff der Rechtskraft bereits oben unter 3. Kapitel, B. I. 8. b) dd). 332 Vgl. Art. 321 Abs. 1 Nr. 1 WiPO. Auch Reitemeier, Osteuropa-Recht 2003, S. 121 (138); Piksin/Dethloff, Die Wirtschaftsprozeßordnung der Russischen Föderation, 2005, S. 47 f. 333 Vgl. Art. 329 Abs. 1 WiPO, der explizit auf Vorschriften des 24. Kapitels der WiPO verweist. Dazu Ausführungen unter 3. Kapitel, B. I. 8. c). 334 Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist bei Versäumung der Frist zur Erhebung der Appellationsbeschwerde gem. Art. 259 Abs. 2 und 3 i. V. m. Art. 117 WiPO ausdrücklich möglich, wenn hierfür beachtliche Gründe gegeben sind. Liegen diese vor, kann der Antrag noch bis spätestens sechs Monate nach Erlass der erstinstanzlichen Entscheidung gestellt werden.

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Wirtschaftsgericht einzureichen, welches das Urteil erlassen hat. Dieses leitet die Rechtssache sodann innerhalb von drei Tagen an das zuständige Wirtschaftsgericht der Appellationsinstanz weiter.335 Den Beteiligten steht mit der Appellation eine Tatsachen- und Rechtsinstanz zur Verfügung.336 Die Angelegenheit wird daher komplett neu, unter Berücksich­tigung der in der Akte vorhandenen und ausnahmsweise neu hinzugekommenen Beweismittel, verhandelt. Neues Beweisvorbringen wird nur insofern berücksichtigt, als es den Verfahrensbeteiligten unmöglich war, die Beweise bereits im Verfahren der ersten Instanz vorzulegen und das Gericht die Gründe als beachtlich anerkennt (Art. 269 Abs. 2 WiPO). Das Appellationsgericht verhandelt die Rechtssache entweder vollumfänglich oder es beschränkt sich auf die Behandlung einzelner Fragen.337 Letzteres steht zur Disposition der anfechtungsberechtigten Parteien, die nach Art.  268 Abs.  5 WiPO nur einen Teil des Urteils anfechten können, wenn keiner der anderen Verfahrensbeteiligten Einwände dagegen erhebt. Auch in diesem Fall wird jedoch das erstinstanzliche Urteil in vollem Umfang auf die Verletzung prozessualer Normen überprüft (Art. 268 Abs. 6 WiPO). Im Rahmen der Reform von April 2010 wurde Art. 268 Abs. 6.1. WiPO neu eingeführt, der eine Verhandlung der Appellationsbeschwerde nach Vorschriften über das Verfahren der ersten Instanz ermöglicht.338 Ferner ist eine Verfahrensdauer von höchstens drei Monaten für die sog. absoluten Aufhebungsgründe339 des Art. 270 Abs. 4 WiPO vorgesehen.340 Dies stellt eine 335 Art. 257 Abs. 2 WiPO. Anders als im deutschen Recht ist die Appellationsbeschwerde bereits zu begründen (Art. 260 Abs. 2 WiPO). Eine Trennung zwischen der Berufungseinlegung und der Berufungsbegründung wie in den §§ 519 Abs. 2, 520 ZPO; § 124a Abs. 2 und 3 VwGO kennt das russische Recht nicht. 336 Lippott, RIW 1996, S. 106 (108); Starilow, Gerichtliche Verwaltungskontrolle im System des russischen Staats- und Verwaltungsrechts, 1999, S. 59. 337 Dazu Gemmel/Maier, RIW 2009, S. 208 (210). 338 Eine vergleichbare Regelung war in Art. 270 Abs. 5 WiPO a. F. vorgesehen. Dieser ist im Zuge der Reform durch das Änderungsgesetz vom 30.04.2010 außer Kraft getreten. 339 In Art. 270 WiPO werden die Aufhebungsgründe detailliert geregelt. Abs. 4 normiert abschließend die Aufhebungsgründe, die unerlässlich zur Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils führen. Dabei handelt es sich um bestimmte Verletzungen prozessualen Rechts. Ausführlich dazu Reschetnikowa, in: Kraschennikow (Hrsg.), Postatejnyj kommentarij, arbitraschnyj prozessualnyj kodeks Rossijskoj Federazii [Artikelweiser Kommentar, Wirtschaftsprozessordnung der Russischen Föderation], 2007, S. 465 ff. 340 Die Norm wurde an die Vorschriften des Kassationsverfahrens angepasst. Vgl. dazu unter 3. Kapitel, B. I. 11. b). Art. 268 Abs. 6.1. WiPO lautet: „Beim Vorliegen von in Art. 270 Abs. 4 WiPO vorgesehenen Gründen erörtert das Wirtschaftsgericht der Appellationsinstanz die ­Sache nach den für die Erörterung der Sache beim Wirtschaftsgericht der ersten Instanz bestimmten Vorschriften innerhalb einer Frist von höchsten drei Monaten ab dem Tag des Eingangs der Beschwerde zusammen mit den Verfahrensakten beim Wirtschaftsgericht der Appellationsinstanz. Über den Übergang zum Verfahren nach Vorschriften des Gerichts der ersten Instanz ergeht eine Verfügung mit Angabe von Handlungen der Verfahrensbeteiligten und Fristen innerhalb derer diese vorzunehmen sind.“

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Ausnahme zu der allgemeinen Frist des Art.  267 WiPO dar, der ebenfalls eine grundlegende Änderung erfahren hat. Danach ist die Appellationsbeschwerde gegen das erstinstanzliche Urteil innerhalb von zwei Monaten341 ab dem Tag des Eingangs der Beschwerde zusammen mit den Verfahrensakten beim Wirtschaftsgericht der Appellationsinstanz zu erörtern, einschließlich der Frist zur Vorbereitung der Sache, der Verhandlung und des Erlasses des Gerichtsaktes. Diese Frist kann bei Vorliegen einer komplexen Rechtssache oder einer großen Anzahl von Verfahrensbeteiligten auf Grundlage eines Motivationsschreibens auf sechs Monate verlängert werden. Das Wirtschaftsgericht der Appellationsinstanz ist berechtigt, die erstinstanzliche Entscheidung aufrechtzuerhalten und die Appellationsbeschwerde zurückzuweisen, sie insgesamt oder teilweise aufzuheben bzw. selbst in der Rechtssache zu entscheiden. Zudem kann das Appellationsgericht die Sache aufheben und an die erste Instanz zurückverweisen.342 Die Entscheidung des Appellationsgerichts ergeht als Beschluss und wird gem. Art. 271 Abs. 5 WiPO sofort rechtskräftig. b) Kassationsverfahren Der Kassation sind rechtskräftige Urteile343 der Wirtschaftsgerichte erster Instanz – mit Ausnahme solcher des Obersten Wirtschaftsgerichts RF – sowie Beschlüsse der Appellationsinstanz zugänglich. Wie im deutschen Revisionsverfahren lässt das Kassationsverfahren gem. Art. 273 ff. WiPO lediglich eine rechtliche Überprü 341

Bis zum Föderalen Gesetz vom 19.07.2009, Nr. 205-FS „Über die Einbringung von Änderungen in einzelne Gesetzgebungsakte der Russischen Föderation“ betrug die Frist lediglich einen Monat. 342 Vgl. Opredelenije Konstituzionnogo Suda RF ot 15.01.2009, N  144-O-P „Po schalobe Upolnomotschennogo po prawam tscheloweka w Rossijskoj Federazii na naruschenije konstituzionnych praw graschdanki Chalimbekowoj Schamaly Schabutdinowny poloschenijami tschasti 4 statji 39, statjej 270, 288 i 304 Arbitraschnogo prozessualnogo kodeksa Rossijskoj Federazii“ [Beschluss des Verfassungsgerichts der RF vom 15.01.2009, Nr. 144-O-P „Über die Beschwerde des Bevollmächtigten für Menschenrechte in der Russischen Föderation gegen die Verletzung verfassungsrechtlicher Rechte der Frau Chalimbekowaja Schamala Schabutdinowna durch die Bestimmungen der Art. 39 Abs. 4, 270, 288 und 304 des Wirtschaftsprozessordnung der Russischen Föderation“], SZ 2009, Nr. 18 (Teil 2), Pos. 2267. 343 Bei erstinstanzlichen Urteilen tritt die Rechtskraft gem. Art. 180 Abs. 1 WiPO nach Ablauf eines Monats seit dem Erlass des Urteils ein, es sein denn, es wird eine Appellationsbeschwerde erhoben. In diesem Fall wird das Urteil erst nach Ablauf des Appellationsverfahrens rechtskräftig. Dieser Grundsatz gilt mit Ausnahme gesetzlich geregelter Fälle: so sind Urteile des Obersten Wirtschaftsgerichts der RF und Urteile im Normenkontrollverfahren unverzüglich rechtskräftig. Eine Besonderheit ist auch im Ordnungswidrigkeitenverfahren zu finden (vgl. Art. 206 Abs. 4 WiPO), wonach die Urteile erst nach zehn Tagen ab ihrem Erlass in Rechtskraft erwachsen, es sei denn, dagegen wird eine Appellationsbeschwerde erhoben. Dann erlangen sie wiederum erst nach Ablauf des Appellationsverfahrens Rechtskraft.

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fung der Vorinstanz auf Richtigkeit der Anwendung der materiell- und prozessual­ rechtlichen Normen zu.344 Eine erneute Beweisaufnahme ist damit ausgeschlossen.345 Beschwerdegegenstand sind nur Entscheidungen der Wirtschaftsgerichte, die in Rechtskraft346 erwachsen sind. Das Kassationsverfahren kann von Prozessbeteiligten oder Nichtbeteiligten, über deren Rechte und Pflichten entschieden wurde, eingeleitet werden. Kassationsbeschwerden sind bei dem Wirtschaftsgericht einzureichen, das die anzufechtende Entscheidung getroffen hat (Art. 275 Abs. 1 WiPO). Die Frist zur Einreichung des Kassationsantrags beträgt zwei Monate ab dem Eintritt der Rechtskraft.347 Das Gericht verhandelt über die Kassationsbeschwerde – wie auch im Appellationsverfahren – innerhalb einer Frist von höchstens zwei Monaten348 nach Eingang der Akten beim Wirtschaftsgericht der Kassationsinstanz.349 Die Überprüfung kann vollumfänglich oder in materieller sowie zum Teil prozessualer Hinsicht beschränkt erfolgen (Art. 286 Abs. 1 und 2 WiPO). Von Amts wegen werden dennoch die in Art. 288 Abs. 4 WiPO normierten absoluten Revisionsgründe geprüft.350 Der Beschluss des Kassationsgerichts wird am Tag seines Erlasses rechtskräftig (Art. 289 Abs. 1 und 5 WiPO). c) Aufsichtsverfahren Das Aufsichtsverfahren („proiswodstwo w porjadke nadsora“)351 bildet faktisch eine vierte Instanz der Wirtschaftsgerichtsbarkeit.352 Vor dem Obersten Wirtschaftsgericht der RF kann das Aufsichtsverfahren gem. Art. 292 ff. WiPO durchgeführt werden, durch das rechtskräftige gerichtliche Entscheidungen aller Wirt 344 Bednarz, in: Schroeder (Hrsg.), Die neuen Kodifikationen in Russland, 2. Aufl., 1999, S. 161 (169). 345 Steininger, Osteuropa-Recht 1997, S. 281 (287); Gemmel/Maier, RIW 2009, S. 208 (210). 346 Zum Begriff der Rechtskraft vgl. bereits weiter oben unter 3. Kapitel, B. I. 8. b) dd). 347 Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist bei Versäumung der Frist zur Erhebung der Kassationsbeschwerde – wie im Appellationsverfahren – gem. Art. 276 Abs. 2–4 i. V. m. Art. 117 WiPO möglich. 348 Bis zum Änderungsgesetz vom 30.04.2010 betrug die Frist lediglich einen Monat. 349 Die Frist schließt die Vorbereitung der Sache, die Verhandlung und den Erlass des Gerichtsaktes mit ein. Sie kann wie im Appellationsverfahren bei Vorliegen einer komplexen Rechtssache oder einer großen Anzahl von Verfahrensbeteiligten auf Grundlage eines Motivationsschreibens auf sechs Monate verlängert werden. Vgl. Art. 285 WiPO. 350 Dazu Piksin/Dethloff, Die Wirtschaftsprozeßordnung der Russischen Föderation, 2005, S. 45. 351 Das aus deutscher Sicht befremdlich wirkende Aufsichtsverfahren stammt aus der sowjetischen Zeit und hat seine Wurzeln in der vorrevolutionären Zarenzeit. Vgl. 2. Kapitel, B. III. 2. c). Die Zielsetzung des Verfahrens liegt heute in der Rechtmäßigkeitskontrolle und der Einheitlichkeit der wirtschaftsgerichtlichen Rechtsprechung. Dazu Stampe, Der Funktionsbereich der russischen Wirtschaftsgerichtsbarkeit, 2000, S. 40. 352 Dazu Moyseenko/Wedde, Osteuropa-Recht 2007, S. 161 (167); Gemmel/Maier, RIW 2009, S. 208 (211).

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3. Kap.: Gegenwärtige Rechtslage

schaftsgerichte aufgrund von Anträgen der Prozessbeteiligten oder auf Antrag des Generalstaatsanwalts353 überprüft werden können.354 Für das Oberste Wirtschaftsgericht der RF besteht jedoch keine Möglichkeit, Rechtsakte auf eigene Initiative dem Aufsichtsverfahren zu unterwerfen. Die Antragsfrist beträgt drei Monate ab Rechtskraft der zuletzt getroffenen Entscheidung über die Rechtssache.355 Die Zulassung des Antrags auf Überprüfung im Rahmen des Aufsichtsverfahrens ist nur dann möglich, wenn sonstige Möglichkeiten der gerichtlichen Überprüfung der Gesetzlichkeit des rechtskräftigen Gerichtsaktes ausgeschöpft sind.356 Wird von der Appellations- und der Kassationsbeschwerde kein Gebrauch gemacht und laufen die Fristen hierfür ab, so ist eine Überprüfung erstinstanzlicher Urteile im Wege der Aufsicht nicht ausgeschlossen.357 Das Oberste Wirtschaftsgericht der RF kann dem Auslassen der Vorinstanzen entgegenwirken, indem es gem. Art. 299 Abs. 6 WiPO die Rechtssache zur Erörterung an das Wirtschaftsgericht der Kassationsinstanz verweist, wenn kein Aufhebungsgrund im Aufsichtsverfahren vorliegt, aber materielle oder prozessuale Normen unrichtig angewandt wurden und die Sache nicht schon im Kassa­ tionsverfahren überprüft wurde.358 Die zur Überprüfung vorgelegte Entscheidung kann vom Obersten Wirtschaftsgericht der RF aufgehoben werden, wenn Aufhebungsgründe des Art. 304 WiPO vorliegen. Dies ist der Fall, wenn der angefochtene Rechtsakt gegen die Einheitlichkeit der Auslegung und Anwendung von Rechtsnormen durch die Wirtschafts 353 Das Antragsrecht des Staatsanwalts ist lediglich auf die Fälle des Art.  52 WiPO beschränkt. Vgl. 3. Kapitel, B. I. 3. c). Außer den genannten Personen sind auch nicht am Prozess Beteiligte, über deren Rechte und Pflichten entschieden wurde, berechtigt, ein Aufsichtsverfahren einzuleiten. Vgl. Art. 292 Abs. 1 WiPO. 354 Steinbach, Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Urteile und Schiedssprüche in der Russischen Föderation, 2003, S.  284; Moyseenko/Wedde, Osteuropa-Recht 2007, S.  161 (167). 355 Das Protestrecht im Aufsichtsverfahren war bis zur Reform der WiPO von 2002 an keine Frist gebunden, was mit erheblicher Rechtsunsicherheit verbunden war. Die Staatsanwaltschaft konnte mehrere Jahre später rechtskräftige Urteile zur Überprüfung und ggf. zur Aufhebung bringen. Ausführlich Reitemeier, Osteuropa-Recht 2003, S.  121 (139); Piksin/Dethloff, Die Wirtschaftsprozeßordnung der Russischen Föderation, 2005, S.  45 f.; Steininger, OsteuropaRecht 1997, S. 281 (288). Im Gegensatz zu den Vorinstanzen ist im Aufsichtsverfahren kein Wiedereinsetzen in den vorigen Stand möglich. Fursow, in: Schylin (Hrsg.), Postatejnyj kommentarij, arbitraschnyj prozessualnyj kodeks Rossijskoj Federazii [Artikelweiser Kommentar, Wirtschaftsprozesskodex der Russischen Föderation], 2. Aufl., 2008, Art. 292 Rn. 3. 356 Art. 292 Abs. 3 WiPO. 357 Andrejewa, in: Kraschennikow (Hrsg.), Postatejnyj kommentarij, arbitraschnyj prozes­ sualnyj kodeks Rossijskoj Federazii [Artikelweiser Kommentar, Wirtschaftsprozessordnung der Russischen Föderation], 2007, S. 486. 358 Durch das Änderungsgesetz vom 30.04.2010 wurde Art.  299 Abs.  6.1. WiPO eingeführt, der für das Entschädigungsverfahren bei Verletzung angemessener Fristen ebenfalls eine Verweisung wie im Abs.  6 vorsieht. Wird die Rechtssache geändert oder aufgehoben und an das Kassationsgericht verwiesen, ist dieses an die Anordnungen des Präsidiums gebunden (vgl. Art. 305 Abs. 3 WiPO).

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gerichte verstößt, Rechte und Freiheiten des Menschen und Bürgers entsprechend den allgemein anerkannten Prinzipien und Normen des Völkerrechts, die völkerrechtlichen Verträge der Russischen Föderation sowie Rechte und gesetzliche Interessen eines unbestimmten Personenkreises oder andere öffentliche Interessen verletzt. Das Vorliegen dieser Gründe, welches eine Verletzung der angemessenen Fristen zur Folge hatte, führt zu einer Entschädigung nach dem neu eingeführten Verfahren gem. Art. 221.1. ff. WiPO.359 Das Aufsichtsverfahren verläuft in drei Stufen: Zunächst entscheidet ein Einzelrichter des Obersten Wirtschaftsgerichts der RF innerhalb von fünf Tagen nach Eingang des Antrags über dessen Annahme (Art. 295 Abs. 1 WiPO). Dann wird der Antrag innerhalb eines Monats in Kollegialbesetzung ohne Hinzuziehung der Verfahrensbeteiligten auf das Vorliegen der Aufhebungsgründe des Art. 304 WiPO überprüft (Art. 299 Abs. 1 WiPO). In der letzten Phase wird die Rechtssache bei Vorliegen der Aufhebungsgründe an das Präsidium des Obersten Wirtschaftsgerichts der RF weitergeleitet. Ansonsten wird der Antrag abgelehnt.360 Wird die Sache an das Präsidium des Obersten Wirtschaftsgerichts der RF abgegeben, so muss dieses innerhalb von drei Monaten einen Beschluss fassen (Art. 303 Abs. 2 WiPO). Bei der Überprüfung des Gerichtsaktes ist das Präsidium nicht an das Vorbringen der Parteien beschränkt, kann also den Akt vollumfänglich überprüfen.361 Die Entscheidungen des Präsidiums des Obersten Wirtschaftsgerichts der RF werden sofort rechtskräftig. Sie sind den Verfahrensbeteiligten innerhalb von fünf Tagen zuzusenden. Ferner unterliegen sie gem. Art. 307 Abs. 3 WiPO einer Veröffentlichungspflicht und sind im Anzeiger des Obersten Wirtschaftsgerichts der RF („Westnik Werchownogo Arbitraschnogo Suda Rossijskoj Federazii“) bekanntzumachen. d) Wiederaufnahmeverfahren Innerhalb aller Instanzen können rechtskräftige Entscheidungen von den jeweiligen Wirtschaftsgerichten selbst aufgrund neu bekanntgewordener Tatsachen in vollem Umfang nochmals überprüft werden (sog. Wiederaufnahmeverfahren) . Die Prozessbeteiligten können auf Antrag innerhalb von drei Monaten362 nach Kenntnis des Wiederaufnahmegrundes das Verfahren einleiten. Die Überprüfung 359

Art. 304 Abs. 2 WiPO. Das Gericht kann bei unrichtiger Anwendung materieller oder prozessualer Normen die Rechtssache an das Wirtschaftsgericht der Kassationsinstanz verweisen. Vgl. Art. 299 Abs. 6 und 6.1. WiPO. 361 Wölk, Wirtschaftsgerichtsbarkeit in der Russischen Föderation, 1997, S. 65. 362 Die Frist kann durch Wiedereinsetzen in den vorigen Stand bei Fristversäumnis gem. Art. 312 Abs. 2 i. V. m. Art. 117 WiPO gewährt werden. 360

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3. Kap.: Gegenwärtige Rechtslage

von Gerichtsakten bei Bekanntwerden neuer Tatsachen erfolgt, wenn Wiederaufnahmegründe des Art. 311 WiPO vorliegen.363 Dazu zählen insbesondere: –– Vorliegen von sachbezogenen Tatsachen, die zum Zeitpunkt der zu überprüfenden Gerichtsentscheidung dem Antragsteller weder bekannt waren noch bekannt sein konnten; –– die Feststellung, dass das rechtskräftige Urteil auf der Grundlage von Beweisfälschungen, absichtlich falschen Zeugenaussagen, Sachverständigengutachten oder Übersetzungen ergangen ist; –– das Wegfallen der Grundlage der Gerichtsentscheidung durch Aufhebung eines Urteils oder durch Unwirksamkeit eines Rechtsgeschäfts; –– die Erklärung eines der Entscheidung zugrunde liegenden Gesetzes für verfassungswidrig durch das Verfassungsgericht der RF; –– die Feststellung einer Verletzung der EMRK durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Mit dem Wiederaufnahmeverfahren schafft der Gesetzgeber einen Weg, um die Rechtskraft der Gerichtsentscheidungen in Ausnahmefällen zu durchbrechen.364 Es soll die Möglichkeit bestehen, schwere Verfahrensfehler oder gravierende inhaltliche Mängel, die gegen den Bestand des Gerichtsurteils sprechen, zu korrigieren.365 12. Gerichtsakte der Wirtschaftsgerichte Die Entscheidungsformen der Wirtschaftsgerichte sind in Art.  15 WiPO abschließend geregelt.366 Danach erlässt das Wirtschaftsgericht Gerichtsakte in Form von Urteilen („reschenije“), Beschlüssen („postanowlenije“) und Verfügungen („opredelenije“). Gerichtsakte, die als Sachentscheidungen in erster Instanz ergangen sind, heißen Urteile. Als Beschlüsse werden Gerichtsakte bezeichnet, die von den Wirtschaftsgerichten der Appellations- und Kassationsinstanz im Ergebnis der Erörterung von Appellations- und Kassationsbeschwerden erlassen werden, sowie Gerichtsakte, die vom Präsidium des Obersten Wirtschaftsgerichts RF im Ergebnis der Überprüfung im Aufsichtsverfahren erlassen werden. Andere Akte, die im Laufe des Gerichtsverfahrens ergehen, sind Verfügungen.367

363 Dazu Piksin/Dethloff, Die Wirtschaftsprozeßordnung der Russischen Föderation, 2005, S. 47. 364 Detailiert Braun, in: Rauscher/Wax/Wenzel (Hrsg.), Münchener Kommentar zur ZPO, 3. Aufl., 2007, Vorb. §§ 578 ff. Rn. 1 f. 365 Dazu Musielak, in: Musielak (Hrsg.), ZPO, Kommentar, 7. Aufl., 2009, § 578 Rn. 1. 366 Piksin/Dethloff, Die Wirtschaftsprozeßordnung der Russischen Föderation, 2005, S. 30. 367 Vgl. Art. 15 Abs. 2 WiPO.

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II. Verwaltungsverfahren innerhalb der ordentlichen Gerichtsbarkeit Die ordentlichen Gerichte („sudy obschtschej jurisdikzii“) entscheiden Rechtsstreitigkeiten in Zivil-, Straf- und Verwaltungssachen. Dies ergibt sich für das Oberste Gericht der RF ausdrücklich aus Art. 126 Verf RF und gilt für die unter­ geordneten Instanzen entsprechend. Die hier zu untersuchenden verwaltungsrechtlichen Streitigkeiten werden – nach Maßgabe der Kompetenzabgrenzung,368 d. h., soweit sie keinen unternehmerischen oder anderen wirtschaftlichen Bezug aufweisen, – auf der Grundlage der ZPO RF verhandelt. Generell gelten für die Verfahren vor den ordentlichen Gerichten jedoch ähnliche Grundsätze wie vor den Wirtschaftsgerichten.369 1. Gerichtsaufbau Das ordentliche Gerichtssystem weist vier Gerichtsebenen auf: (1) Friedensgerichte, (2) Ordentliche Gerichte auf der Rayon-Ebene (sog. Rayongerichte), (3) Oberste Gerichte auf der Ebene der Subjekte der RF, (4) Oberstes Gericht der RF.370 Die erste Instanz bilden die im Jahre 1996 in Russland wieder eingeführten Friedensgerichte („mirowyje sudy“),371 welche bei einfachen Verfahren als Eingangsinstanz agieren.372

368 Hinsichtlich der Abgrenzung von ordentlichen Gerichten und Wirtschaftsgerichten siehe 3. Kapitel, B. I. 2. a) ee) (1). 369 Micheler, in: Breidenbach/Baller/Blankenagel (Hrsg.), Handbuch Wirtschaft und Recht in Osteuropa, Bd. 3, 67. EL, 2006, Länderteil Russland, Kap. D.XII Rn. 87. 370 Beachte 6. Kapitel – Nachtrag. 371 Vgl. Federalnyj konstituzionnyj sakon ot 31.12.1996, N  1-FKS (red. ot 27.12.2009, s ism. i dop., wstupajuschtschimi w silu s 12.03.2010) „O sudebnoj sisteme Rossijskoj Federazii“ [Föderales Verfassungsgesetz vom 31.12.1996, Nr.  1-FKS, in der Redaktion vom 27.12.2009, mit Änderungen und Ergänzungen, die zum 12.03.2010 in Kraft treten „Über das Gerichtssystem der Russischen Föderation“], SZ 1997, Nr.  1, Pos.  1; Federalnyj sakon ot 17.12.1998, N  188-FS (red. ot 11.02.2010) „O mirowych sudjach w Rossijskoj Federazii“ ­[Föderales Gesetz vom 17.12.1998, Nr. 188-FS, in der Redaktion vom 11.02.2010 „Über die Friedensrichter der Russischen Föderation“], SZ 1998, Nr. 51, Pos. 6270 (Friedensrichter­ gesetz RF). 372 Grundlegend zur Wiedereinführung von Friedensrichtern in Russland vgl. Pashchenko, Osteuropa-Recht 1999, S. 319 ff.; ferner Knaul/Ries, WiRO 1999, S. 155; Steinbach, Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Urteile und Schiedssprüche in der Russischen Föderation, 2003, S. 278; Gemmel/Maier, RIW 2009, S. 208 (212).

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In jedem Verwaltungsbezirk („rayon“) finden sich dann die Rayongerichte („rajonnyje sudy“)373. Diesen sind die städtischen, interkommunalen oder Kreisgerichte gleichgestellt, die vereinzelt eingerichtet sind.374 Im Rahmen ihrer gesetzlich zugewiesenen Zuständigkeiten werden die Rayongerichte als Gerichte erster Instanz und gegenüber den Friedensrichtern als zweite sog. Appellationsinstanz tätig.375 Auf der nächsthöheren Stufe stehen gem. Art. 20 GVG RF die ordentlichen Gerichte der Föderationssubjekte der RF, sog. oberste Gerichte der Subjekte („werhownyje sudy“).376 Sie fungieren in gesetzlich vorgesehenen Fällen als Gerichte erster Instanz. Ferner sind sie Kassationsinstanzen gegen die Urteile und Entscheidungen, die in erster Instanz bei den Rayongerichten ergangen sind. Außerdem werden sie im Aufsichtsverfahren tätig. Das Oberste Gericht der RF mit seinem Sitz in Moskau ist gem. Art. 126 Verf RF und Art. 19 GVG RF das höchste Gerichtsorgan für zivil-, straf-, verwaltungsrechtliche und andere Rechtssachen, die in die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichtsbarkeit fallen. 2. Zuständigkeiten a) Sachliche Zuständigkeit Die allgemeine Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte wird durch Art.  22 ZPO RF konkretisiert. Danach fallen Vertragsstreitigkeiten, bürgerliche Streitigkeiten sowie Streitigkeiten auf dem Gebiet des Familien- und Arbeitsrechts in den Aufgabenbereich der ordentlichen Gerichte.377 Die ZPO  RF unterscheidet vier Kategorien erstinstanzlicher Verfahren: sog. Befehlsverfahren,378 Klageverfahren, Verfahren in öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten379 und sog. besondere Verfahren.380 373 Der Instanzenzug beginnt vor den ordentlichen Gerichten im Gegensatz zu den Wirtschaftsgerichten nicht auf Ebene der Föderationssubjekte, sondern i. d. R. auf der RayonEbene, vergleichbar mit den deutschen Landkreisen bzw. Stadtbezirken. Auch zu den Volksgerichten vgl. Steininger, Osteuropa-Recht 1997, S. 281 (292). 374 Steinbach, Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Urteile und Schiedssprüche in der Russischen Föderation, 2003, S. 278. 375 Vgl. Art. 21 GVG RF. 376 Entspricht nach deutschem Verständnis den Oberlandesgerichten. 377 Starilow, Gerichtliche Verwaltungskontrolle im System des russischen Staats- und Verwaltungsrechts, 1999, S. 61. 378 Das sog. Befehlsverfahren ist dem deutschen Mahnverfahren ähnlich, gilt aber nur für bestimmte Arten von Forderungen. 379 Darunter fallen auch Normenkontrollverfahren sowie Verfahren, die nach deutschem Verständnis der Finanz- und der Sozialgerichtsbarkeit zugewiesen sind. 380 Dazu zählen die Feststellung rechtserheblicher Tatsachen, Entmündigung, Anträge auf Zwangseinweisung in eine psychiatrische Anstalt, Adoptionen, Kraftloserklärung von Urkunden u. a. Solotych, WiRO 2003, S. 55 (56).

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Gem. Art.  22 Abs.  1 Nr.  3 i. V. m. Art.  245 ZPO  RF sind die ordentlichen­ Gerichte für „Rechtssachen, die aus öffentlichen Rechtsverhältnissen entstehen“ zuständig. In den Art. 245 ff. ZPO RF, die im 3. Unterkapitel aufgeführt sind, werden die verwaltungsrechtlichen Verfahren näher ausgestaltet. Ordentliche Gerichte verhandeln gem. Art. 245 ZPO RF Rechtssachen, die aus öffentlichen Rechtsverhältnissen entstehen: (1) auf Antrag der Bürger, der Organisationen, des Staatsanwalts über die teilweise oder vollständige Anfechtung normativer Akte, wenn nicht ein anderes Gericht durch Föderales Gesetz zuständig ist; (2) auf Antrag über die Anfechtung der Entscheidungen und Handlungen bzw. des Unterlassens der Organe der Staatsgewalt, der Organe der örtlichen Selbst­ verwaltung, der Amtspersonen, der staatlichen und munizipalen Beamten; (3) auf Antrag über den Schutz der Wahlrechte oder des Rechts auf Teilnahme am Referendum der Bürger der RF; (4) auf Antrag über die vorübergehende Unterbringung ausländischer Bürger oder Staatenloser in der hierzu bestimmten speziellen Anstalt des föderalen Organs der Exekutive für Migration, die der Übergabe durch die RF an einen ausländischen Staat entsprechend internationalen Verträgen der RF über die Rückübernahme („Readmission“) unterliegen oder die der Aufnahme durch die RF von einem ausländischen Staat entsprechend internationalen Verträgen der RF über die Rückübernahme übergeben worden sind und die kein gesetzliches Aufenthaltsrecht besitzen; (5) andere Rechtssachen, die aus öffentlichen Rechtsverhältnissen entstehen und durch ein Föderales Gesetz dem Gericht zugewiesen sind. Das Rückübernahmeverfahren des Art.  245 Abs.  4 ZPO  RF wurde durch das Änderungsgesetz vom 23. Juli 2010 neu eingeführt.381 b) Örtliche Zuständigkeit Die örtliche Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte unterscheidet sich nicht von der der Wirtschaftsgerichte. Grundsätzlich richtet sie sich nach dem Wohnort bzw. Geschäftssitz des Beklagten (Art. 28 ZPO RF). In den in Art. 29 ZPO RF normierten Fällen steht dem Kläger ein Wahlrecht zu. Auch vor den ordentlichen Gerichten ist eine vertragliche Gerichtsstandsvereinbarung (Art.  32 ZPO  RF) möglich. Art. 30 ZPO RF regelt ferner den ausschließlichen Gerichtsstand. 381 Federalnyj sakon ot 23.07.2010, N  178-FS „O wnesenii ismenenij w Grashdanskij­ prozessualnyj kodeks Rossijskoj Federazii“ [Föderales Gesetz vom 23.07.2010, Nr.  178-FS „Über die Änderung des Zivilprozessgesetzbuches der Russischen Föderation“], SZ  2010, Nr. 30, Pos. 4009. Das Änderungsgesetz Nr. 178-FS ist 10 Tage nach seiner Veröffentlichung am 07.08.2010 in Kraft getreten. Genauer zum Verfahren vgl. 3. Kapitel, B. II. 7. d).

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3. Kap.: Gegenwärtige Rechtslage

Hat das örtlich zuständige Gericht die Rechtssache zur Verhandlung angenommen, haben sich aber die Zuständigkeit begründenden Umstände geändert, so ist das Gericht gem. Art. 33 Abs. 1 ZPO RF verpflichtet, über die Sache zu entscheiden.382 Die Ausnahmen von diesem Grundsatz regelt Art. 33 Abs. 2 ZPO RF, wonach die Sache bei örtlicher Unzuständigkeit zur Erörterung an das zuständige Gericht abgegeben werden kann. Die Abgabe erfolgt in Form einer Verfügung, die im Wege einer privaten Beschwerde („tschasnaja schaloba“)383 angegriffen werden kann. c) Instanzielle Zuständigkeit aa) Friedensrichter Das Institut der Friedensrichter weist eine sehr lange Tradition auf.384 Den Republiken, Regionen, Gebieten, Städten von föderaler Bedeutung sowie den autonomen Gebieten und Bezirken steht es jeweils frei, das Amt des Friedensrichters einzuführen.385 Die meisten Regionen haben von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht. Trotz ihrer Rechtsnatur als Subjektsgerichte gehören die Friedensgerichte vollständig der ordentlichen Gerichtsbarkeit an, obwohl ihre Einsetzung  – im­ Gegensatz zu den Föderationsgerichten – wahlweise geschieht und die Bestellung durch Subjektsgesetze geregelt ist.386 Mit dem Föderalen Gesetz vom 11. Februar 2010387 wurde die Zuständigkeit der Friedensrichter neu geregelt. Sie verhandeln als Gerichte erster Instanz vermögensrechtliche Streitigkeiten bis zu einem Klagewert von 50.000 Rubel (ca. 1.200 Euro). Zuvor waren sie bis zu einer Höhe von 100.000 Rubel zuständig.388 Zudem fallen 382

Sabartschuk (Hrsg.), Kommentarij k graschdanskomu prozessualnomu kodeksu Rossij­ skoj Federazii [Kommentar zum Zivilprozesskodex der Russischen Föderation], 2009, S. 22. 383 Vergleichbar dem Rechtsbehelf der sofortigen Beschwerde im deutschen Zivilprozessrecht. 384 Im Zuge der Gerichtsreform von 1864 wurde unter Zar Alexander II. das Institut der Friedensrichter eingerichtet. Ausführlich Beckhaus, Unsere Zeit 1868, Vierter Jg., Zweite Hälfte, S. 783 ff. Zur Einführung der Friedensrichter in der Russischen Föderation vgl. Pashchenko, Osteuropa-Recht 1999, S. 319 ff. 385 Steinbach, Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Urteile und Schiedssprüche in der Russischen Föderation, 2003, S. 279. 386 Resch, Unternehmensrecht in Russland zwischen Privatisierung und Staatswirtschaft, 2006, S. 145; aber auch schon Starilow, Gerichtliche Verwaltungskontrolle im System des russischen Staats- und Verwaltungsrechts, 1999, S. 63; Steininger, Osteuropa-Recht 1997, S. 281 (291 f.). 387 Federalnyj sakon ot 11.02.2010, N 6-FS „O wnesenii ismenenij w statju 3 Federalnogo­ sakona ‚O mirowych sudjach w Rossijskoj Federazii‘ i statju 23 Grashdanskogo prozessual­ nogo kodeksa Rossijskoj Federazii“ [Föderales Gesetz vom 11.02.2010, Nr. 6-FS „Über die Änderung von Artikel 3 des Föderalen Gesetzes ‚Über die Friedensrichter in der Russischen Föderation‘ sowie Artikel 23 des Zivilprozessgesetzbuches der Russischen Föderation“], SZ 2010, Nr. 7, Pos. 701. 388 Streitigkeiten über das Erbschaftsvermögen und Streitigkeiten im Zusammenhang mit der Entstehung und Benutzung von Ergebnissen geistiger Tätigkeit sind bei der Zuständigkeit ausgenommen. Himmelreich, WiRO 2010, S. 184 (185).

B. Formen des gegenwärtigen Verwaltungsrechtsschutzes 

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die Ausstellung gerichtlicher Verfügungen und die Mehrzahl familienrechtlicher­ Angelegenheiten in ihren Kompetenzbereich.389 Der Zuständigkeitsbereich der­ Friedensrichter wurde sukzessive um arbeitsrechtliche Streitigkeiten und einige familienrechtliche Streitigkeiten, darunter die Feststellung der Unwirksamkeit einer Ehe und die Beschränkung der Elternrechte, reduziert.390 Im Bereich der Verwaltungsrechtsverletzungen (Ordnungswidrigkeiten) entscheiden Friedensrichter Rechtssachen, die gemäß dem OWiG RF ausdrücklich ihrer Zuständigkeit unterfallen.391 Gegen Entscheidungen von Friedensrichtern kann Berufung beim zuständigen Gericht der Rayon-Ebene eingelegt werden. bb) Rayongerichte Eine weitere Ebene bilden die Rayongerichte. In der Mehrzahl der Fälle agieren die Rayongerichte als Eingangsinstanz, sofern nicht die Zuständigkeit der Friedensgerichte (Art. 23 ZPO RF), der Militär- und Spezialgerichte (Art. 25 ZPO RF), der Obersten Gerichte auf Subjektebene der RF (Art.  26 ZPO  RF) sowie des Obersten Gerichts der RF (Art. 27 ZPO RF) gegeben ist.392 Gegenüber den Entscheidungen der Friedensrichter kann vor den Rayongerichten ein Berufungsverfahren (Appellation) durchgeführt werden. cc) Ordentliche Gerichte auf der Ebene der Subjekte der RF Die ordentlichen Gerichte der Föderationssubjekte der RF entscheiden beispielsweise im Normenkontrollverfahren gem. Art. 26, 254 ZPO RF sowie in anderen gesetzlich vorgesehenen Fällen393 erstinstanzlich. Gegen Urteile und Entscheidungen, die in erster Instanz bei den Rayongerichten ergangen sind, kann ein Kassationsverfahren eingeleitet werden. Bei diesem wird unter Berücksichtigung der vorhandenen und ausnahmsweise neu hinzugekommenen Beweismittel erneut über die Sache verhandelt.394 Die Entscheidung im Kassationsverfahren wird am Tag ihres Erlasses rechtskräftig und kann nur noch im Wege des Aufsichtsverfahrens angefochten werden.395 389

Solotych, forost Arbeitspapier 2002, Nr. 6, S. 50. Himmelreich, WiRO 2010, S. 184 (185). 391 Ausführlich dazu Babajewa, Administratiwnoje sudoproiswodstwo kak forma dejatelnosti mirowych sudej [Verwaltungsgerichtsbarkeit als Tätigkeitsform der Friedensrichter], 2007, S. 96 ff. 392 Dazu Gemmel/Maier, RIW 2009, S. 208 (212). 393 So z. B. Art. 410 ZPO RF für die Vollstreckbarerklärung ausländischer Urteile. Steinbach, Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Urteile und Schiedssprüche in der Russischen Föderation, 2003, S. 279. 394 Art. 320 ff. ZPO RF. 395 Art. 376 ff. ZPO RF. 390

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3. Kap.: Gegenwärtige Rechtslage

dd) Oberstes Gericht der RF Das Oberste Gericht der RF396 wird in gesetzlich bestimmten Fällen397 erstinstanzlich tätig, wie z. B. bei Nichtigkeitserklärungen von nichtnormativen Akten und Normativakten des Präsidenten, des Föderationsrates, der Duma oder der Regierung. Zudem ist es Kassationsgericht für die erstinstanzlichen Entscheidungen der Gerichte der Föderationssubjekte.398 Daneben kann wie beim Obersten Wirtschaftsgericht der RF ein Aufsichtsverfahren durchgeführt werden. Wie diesem kommen dem Obersten Gericht der RF umfangreiche Aufgaben auf dem Gebiet der Interpretation und Rechtsfort­bildung zu.399 d) Funktionelle Zuständigkeit Die Grundentscheidung bei der Besetzung der Gerichte ist – ebenfalls wie bei den Wirtschaftsgerichten – nach Art. 7 ZPO RF zugunsten des Einzelrichters gefallen. So entscheiden die ordentlichen Gerichte in erster Instanz, mit Ausnahme von gesetzlich bestimmten Zuweisungen an die Kollegialbesetzung, durch Einzelrichter.400 Über die Appellationsbeschwerde gegen die Entscheidungen von Friedensrichtern wird ebenfalls durch den Einzelrichter verhandelt.401 In der Kassa­ tionsinstanz und im Aufsichtsverfahren wird stets kollegial, d. h. in der Besetzung von drei Richtern, entschieden. Bei den ordentlichen Gerichten findet man eine Aufteilung in Richterkollegien für Strafsachen, Zivilsachen und Militärsachen. Kollegien für öffentlich-rechtliche Streitigkeiten gibt es innerhalb der ordentlichen Gerichtsbarkeit nicht. 3. Verfahrensbeteiligte Gem. Art. 34 ZPO RF zählen zu den Verfahrensbeteiligten die Parteien (Kläger und Beklagter), Dritte, der Staatsanwalt sowie Personen, die sich zum Schutz von Rechten, Freiheiten und berechtigten Interessen anderer Personen ans Gericht wenden oder ins Verfahren eintreten, um einen Abschluss des Verfahrens zu bewirken.402

396

Beachte 6. Kapitel – Nachtrag. Vgl. Art. 19 Abs. 3 GVG RF, Art. 27 ZPO RF. 398 Vgl. Art. 19 GVG RF, ferner Starilow, Gerichtliche Verwaltungskontrolle im System des russischen Staats- und Verwaltungsrechts, 1999, S. 65. 399 Dazu Micheler, in: Breidenbach/Baller/Blankenagel (Hrsg.), Handbuch Wirtschaft und Recht in Osteuropa, Bd. 3, 67. EL, 2006, Länderteil Russland, Kap. D.XII Rn. 86. 400 Für Friedensrichter ergibt sich dies, zusätzlich zu Art. 7 Abs. 1 ZPO RF, aus Art. 3 Abs. 3 Friedensrichtergesetz RF. 401 Art. 7 Abs. 3 ZPO RF. 402 Vgl. Art. 4, 46 und 47 ZPO RF. 397

B. Formen des gegenwärtigen Verwaltungsrechtsschutzes 

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In Verwaltungsrechtssachen sowie in besonderen Verfahren spricht das Gesetz von Antragstellern bzw. Beschwerdeführern und sog. interessierten Personen.403 Die Besonderheit der Bezeichnung ist darauf zurückzuführen, dass das Normenkontrollverfahren als Antragsverfahren und das Anfechtungsverfahren von nichtnormativen Akten als Beschwerdeverfahren ausgestaltet ist. Die Rolle der Staatsanwaltschaft wurde im Zivilprozess stark eingeschränkt. Die Staatsanwaltschaft darf lediglich zum Schutz öffentlicher Interessen oder Rechte einer Vielzahl von Personen agieren. Ausnahmen von diesem Grundsatz sind die Vertretung einzelner Personen vor Gericht, sofern jene selbst dazu nicht in der Lage sind, sowie Rechtsschutz von Bürgern in besonders sensiblen Belangen, bei deren Verhandlung der Staatsanwalt überparteilich beteiligt ist.404 4. Prozess- und Postulationsfähigkeit Hinsichtlich der Beteiligten- und Prozessfähigkeit verhält es sich wie im Wirtschaftsprozess. Im russischen Zivilprozessrecht besteht ebenfalls kein Anwaltszwang. Gem. Art.  49, 51  ZPO  RF kann jede geschäftsfähige, entsprechend bevollmächtigte Partei als Vertreter vor den ordentlichen Gerichten auftreten, mit Ausnahme von Richtern, Staatsanwälten oder Kriminalbeamten.405 5. Verfahrensgrundsätze Da das Verfahren vor den ordentlichen Gerichten vom Prinzip der Naturalpartei gekennzeichnet ist, wird in der Praxis die anwaltliche Vertretung selten in Anspruch genommen.406 Die richterliche Prozessleitung hingegen ist sehr ausgeprägt.407 Im Großen und Ganzen stimmen die wesentlichen Verfahrensmaximen mit den Prinzipien der Wirtschaftsgerichtsbarkeit überein.408 403

Abuschenko, in: Netschajew (Hrsg.), Kommentarij k graschdanskomu prozessualnomu kodeksu Rossijskoj Federazii [Kommentar zum Zivilprozesskodex der Russischen Föderation], 3. Aufl., 2008, S. 60. 404 Dazu Art.  45 ZPO  RF sowie Sabartschuk (Hrsg.), Kommentarij k graschdanskomu prozes­sualnomu kodeksu Rossijskoj Federazii [Kommentar zum Zivilprozesskodex der Russischen Föderation], 2009, S. 91 ff; Solotych, WiRO 2003, S. 55 (56). Zur Rechtslage vor der ZPO-Reform im Jahr 2002 vgl. Treuschnikow, Graschdanskij prozess [Der Zivilprozess], 2000, S. 70 ff. 405 Micheler, in: Breidenbach/Baller/Blankenagel (Hrsg.), Handbuch Wirtschaft und Recht in Osteuropa, Bd. 3, 67. EL, 2006, Länderteil Russland, Kap. D.XII Rn. 87. 406 Steinbach, Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Urteile und Schiedssprüche in der Russischen Föderation, 2003, S. 280. 407 Kowalenko/Mochowa/Filippowa (Hrsg.), Graschdanskij prozess [Zivilprozess], 2008, S. 30. 408 So Rusakowa, in: Kraschennikow (Hrsg.), Postatejnyj kommentarij, arbitraschnyj prozessualnyj kodeks Rossijskoj Federazii [Artikelweiser Kommentar, Wirtschaftsprozessordnung der Russischen Föderation], 2007, S. 13. Siehe ferner 3. Kapitel, B. I. 5.

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3. Kap.: Gegenwärtige Rechtslage

Für das verwaltungsrechtliche Verfahren vor den ordentlichen Gerichten gelten jedoch einige Besonderheiten. Dem Beschleunigungsgrundsatz wird bei Verwaltungssachen besonders Rechnung getragen. Prinzipiell beträgt die Verfahrensdauer gem. Art. 154 Abs. 1 ZPO RF zwei Monate. Bei Verwaltungsrechtssachen gelten kürzere Fristen. Das Normenkontrollverfahren findet seinen Abschluss innerhalb einer Frist von einem Monat, mit Ausnahme von Verfahren vor dem Obersten Gericht der RF, die innerhalb von drei Monaten durchzuführen sind (Art. 252 Abs. 2 ZPO RF). Für die Anfechtung von nichtnormativen Akten sieht Art. 257 Abs. 1 ZPO RF, bis auf die Verfahren vor dem Obersten Gericht der RF, sogar eine Verfahrensdauer von lediglich zehn Tagen vor. Die Wählerschutzverfahren erfolgen differenziert nach Beschwerdegegenstand innerhalb einer Frist von drei Tagen bis zu zwei Monaten.409 Die fast übertriebene Straffung des verwaltungsrechtlichen Verfahrens ist noch ein Überrest der sowjetischen Zeit, um den Bürgern zur Durchsetzung ihrer Rechte zu verhelfen.410 Die Beschleunigung muss nicht zwanghaft das Ziel sein. Bei besonders komplexen Gerichtsverfahren sollte vielmehr die vertiefte Auseinandersetzung mit der verwaltungsrechtlichen Materie und eine darauf aufbauende umfangreiche und sachgerechte Entscheidung des­ Gerichts im Vordergrund stehen. Hervorzuheben ist des Weiteren die Beweislastumkehr gem. Art.  249 Abs.  1 ZPO RF bei verwaltungsrechtlichen Verfahren. Danach sind Staatsorgane, Organe der örtlichen Selbstverwaltung, andere Organe sowie Amtspersonen, die den Rechtsakt erlassen haben, beweispflichtig.411 Ferner wurde im Verwaltungsverfahren eine Abkehr vom Beibringungsgrundsatz bestimmt.412 Die ordentlichen Gerichte können aus eigener Initiative Nachforschungen zur Aufklärung der Rechtssache einleiten. 6. Verfahrensablauf Der Ablauf des Verfahrens unterscheidet sich kaum vom Verfahren vor den Wirtschaftsgerichten. So wird das Verfahren ebenfalls durch schriftliche Klage­ erhebung eingeleitet. Ein Durchlaufen des Vorverfahrens ist gem. Art. 247 Abs. 2 ZPO  RF für verwaltungsgerichtliche Streitigkeiten ausdrücklich nicht erforderlich.413 Die Klageschrift muss den Anforderungen der Art.  131 Abs.  2 ZPO  RF­ genügen, um vom Gericht zur Gerichtsverhandlung angenommen zu werden. 409 Vgl. detaillierte Regelung des Art. 260 Abs. 6–11 ZPO RF. Für das neu eingeführte Unterbringungsverfahren gilt eine Verfahrensdauer von fünf Tagen (Art. 261.3. ZPO RF). 410 Kritisch zur Lage in der UdSSR Blankenagel, Die Verwaltung 1989, S. 93 (101). 411 Vgl. zur entsprechenden Lage im Wirtschaftsprozess 3. Kapitel, B. I. 8. a) bb). Auch Alchimenko, Administratiwnaja justizija w sapadno-jewropejskich stranach i w Rossii [Verwaltungsjustiz in westeuropäischen Staaten und Russland], 2003, S. 148. 412 Art. 249 Abs. 2 ZPO RF. 413 Kulikowa, in: Netschajew (Hrsg.), Kommentarij k graschdanskomu prozessualnomu kodeksu Rossijskoj Federazii [Kommentar zum Zivilprozesskodex der Russischen Föderation], 3. Aufl., 2008, S. 291.

B. Formen des gegenwärtigen Verwaltungsrechtsschutzes 

173

Der Richter entscheidet innerhalb einer Frist von fünf Tagen ab Eingang der­ Klageschrift über die Annahme zur Gerichtsverhandlung und ordnet die weitere Vorbereitung der Sache zur mündlichen Verhandlung an (Art.  133 ZPO  RF). In der darauf folgenden Vorbereitungsphase gem. Art. 147 ff. ZPO RF erfolgen seitens des Gerichts die Zustellung der Abschriften der Klageschrift und Anlagen an den Beklagten, die Klärung der Ansichten der Parteien, die Bearbeitung der­ Anträge, die Unterstützung bei der Einholung von Beweisen und weitere vorbe­ reitende Maßnahmen.414 Hat der Richter die Rechtssache für ausreichend vorbereitet erklärt, so bestimmt er durch Beschluss einen Termin für die mündliche Verhandlung.415 Im mündlichen Haupttermin wird der Streitgegenstand ausführlich erörtert. Die Parteien haben dabei Gelegenheit zu Stellungnahmen sowie zum Vorbringen der Beweismittel. Im Gegensatz zum wirtschaftsgerichtlichen Verfahren ist eine­ gütliche Einigung im Rahmen der verwaltungsrechtlichen Streitigkeiten vor den ordentlichen Gerichten nicht vorgesehen.416 Den Abschluss der mündlichen Verhandlung bilden sodann die Plädoyers der Parteien, woraufhin das Gericht seine Entscheidung verkündet.417 7. Verwaltungsrechtssachen a) Anfechtung normativer Rechtsakte Das Normenkontrollverfahren ist im Kapitel 24 der ZPO RF umfangreich normiert. Die Anfechtung normativer Rechtsakte ist vor den ordentlichen Gerichten statthaft, wenn sie weder der Kompetenz des Verfassungsgerichts der RF418 noch der Wirtschaftsgerichte unterfällt.419

414

Gemmel/Maier, RIW 2009, S. 208 (212 f.). Surkowa/Tschernikowa/Smuschkin (Hrsg.), Graschdanskij prozess: Utschebnoje posobije [Zivilprozess: Ein Lehrbuch], 2008, S. 167. 416 Vgl. Postanowlenije Plenuma Werchownogo Suda RF ot 10.02.2009, N  2 „O praktike rassmotrenija sudami del ob ospariwanii reschenij, dejstwij (besdejstwij) organow gosudarstwennoj wlasti, organow mestnogo samouprawlenija, dolschnostnych liz, gosudarstwennych i munizipalnych sluschaschtschich“ [Plenarbeschluss des Obersten Gerichts der RF vom 10.02.2009, Nr. 2 „Über die Gerichtspraxis der Verhandlung von Anfechtungen der Ent­ scheidungen, Handlungen (Unterlassen) der Staatsorgane, Organe örtlicher Selbstverwaltung, Amtspersonen, Staats- sowie Munizipalbediensteten“], Bulletin des Obersten Gerichts der RF 2009, Nr. 4, Rn. 27. 417 Ausführlich Art. 154 ff. ZPO RF; ferner Kowalenko/Mochowa/Filippowa (Hrsg.), Graschdanskij prozess [Zivilprozess], 2008, S. 165 ff. 418 Art. 251 Abs. 3 ZPO RF. 419 Sabartschuk (Hrsg.), Kommentarij k graschdanskomu prozessualnomu kodeksu Rossijskoj Federazii [Kommentar zum Zivilprozesskodex der Russischen Föderation], 2009, S. 411. Zur Abgrenzung siehe 3. Kapitel, B. I. 2. a) ee). 415

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3. Kap.: Gegenwärtige Rechtslage

aa) Antragsgegenstand Der Antragsgegenstand ist gem. Art. 251 Abs. 1 ZPO RF sehr weit gefasst. Danach sind alle Normen, die von Staatsorganen, Organen der kommunalen Selbstverwaltung oder Amtspersonen erlassen werden, im Wege der Normenkontrolle anfechtbar. Die Normativakte können im Ganzen oder teilweise angegriffen werden. Sie müssen jedoch ordnungsgemäß veröffentlicht worden sein.420 bb) Antragsbefugnis Gem. Art. 251 Abs. 1 ZPO RF sind Bürger und Organisationen antragsberechtigt, die der Ansicht sind, dass der angefochtene normative Rechtsakt oder einzelne seiner Regelungen sie in ihren Rechten und gesetzlichen Interessen verletzen. Die geschützten Rechte und gesetzlichen Interessen werden durch die Verfassung, Gesetze und andere Normativakte der RF garantiert. Ferner sind die Staatsanwaltschaft im Rahmen ihrer Zuständigkeit gem. Art. 45 ZPO RF sowie die Staatsorgane der RF, ihre Subjekte und Organe der örtlichen Selbstverwaltung antragsbefugt (Art. 251 Abs. 1 2. HS; Abs. 2 ZPO RF). Die antragsberechtigten Staatsorgane müssen geltend machen, dass ihre Kompetenzen durch den angefochtenen Normativakt verletzt werden.421 cc) Verfahrensgang Für die einfachgesetzliche Normenkontrolle gelten die allgemeinen Vorschriften des zivilprozessualen Klageverfahrens.422 Den Antragsunterlagen ist ferner eine Kopie des angefochtenen Normativaktes mit Hinweis auf die Art und Weise seiner Veröffentlichung beizufügen (Art. 251 Abs. 5 ZPO RF).

420 Gem. Art.  15 Abs.  3 Verf  RF werden nicht veröffentlichte Normen nicht angewandt. Vgl. auch Opredelenije Konstituzionnogo Suda RF ot 02.03.2006, N  58-O „Po schalobe graschdanina Smerdowa Sergeja Dmitriewitscha na naruschenije ego konstituzionnych praw tschastju 251 Graschdanskogo prozessualnogo kodeksa Rossijskoj Federazii“ [Beschluss des Verfassungsgerichts der RF vom 02.03.2006, Nr.  58-O „Über die Beschwerde des Herrn­ Smerdow Sergej Dmitrijewitsch gegen die Verletzung seiner verfassungsrechtlichen Rechte durch Art.  251 des Zivilprozesskodex der Russischen Föderation“], Westnik KS RF 2006, Nr.  4. Eine nicht ordnungsgemäß veröffentlichte Rechtsnorm kann jedoch nach Grundsätzen der Anfechtung nichtnormativer Akte gem. Art. 254 ff. ZPO RF angegriffen werden. Kulikowa, in: Netschajew (Hrsg.), Kommentarij k graschdanskomu prozessualnomu kodeksu Rossijskoj Federazii [Kommentar zum Zivilprozesskodex der Russischen Föderation], 3. Aufl., 2008, S. 294. 421 Schaich, Exekutive Normsetzung in der Russischen Föderation, 2004, S. 216. 422 Dies folgt aus dem Verweis des Art. 251 Abs. 5 ZPO RF auf die Formvorschriften des Art. 131 ZPO RF.

B. Formen des gegenwärtigen Verwaltungsrechtsschutzes 

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Im Normenkontrollverfahren können die Anträge – ebenso wie im Wirtschaftsprozess  – unbefristet eingereicht werden.423 Die Verfahrensdauer im Normenkontrollverfahren beträgt, mit Ausnahme der Verfahren vor dem Obersten Gericht der RF, die innerhalb von drei Monaten abzuschließen sind, einen Monat (Art.  252 Abs.  2 ZPO  RF). Auf die Fortgeltung des angegriffenen Normativaktes entfaltet die Antragstellung keine aufschiebende Wirkung (Art. 251 Abs. 7 ZPO RF). dd) Prüfungsmaßstab und Entscheidungswirkung Stellt das Gericht fest, dass der angegriffene Normativakt im Widerspruch zum Gesetz oder einem anderen höherrangigen normativen Akt steht, so erklärt es diese Norm gem. Art. 253 Abs. 2 ZPO RF insgesamt oder teilweise für unwirksam. Im Unterschied zu den Wirtschaftsgerichten steht den ordentlichen Gerichten Ver­ werfungsbefugnis zu.424 Die früher umstrittene Frage der Urteilswirkung,425 d. h., ob die Urteile im Normenkontrollverfahren ex-nunc- oder ex-tunc-Wirkung entfalten, ist mittlerweile durch das Verfassungsgericht der RF geklärt worden. Im Urteil vom 27.  Januar 2004 hat das Verfassungsgericht festgestellt, dass die für rechtswidrig erklärte Norm die Rechtskraft ab ihrem Erlass verliert und ab diesem Moment nicht mehr angewandt werden darf.426 Die Entscheidung wird nach den allgemeinen Regeln des Art. 209 ZPO RF427 rechtskräftig (Art. 253 Abs. 3 ZPO RF). Zugleich verlieren alle auf dem verworfenen Normativakt beruhenden Normen ihre Geltung.428 Die

423

Vgl. 3. Kapitel, B. I. 8. b) cc). Schaich, Exekutive Normsetzung in der Russischen Föderation, 2004, S. 225. 425 Zur früheren Problematik vgl. ausführlich Schaich, Exekutive Normsetzung in der Russischen Föderation, 2004, S. 219. 426 Vgl. Postanowlenije Konstituzionnogo Suda RF ot 27.01.2004, N  1-P „Po delu o prowerke konstituzionnosti otdelnych poloschenij punkta 2 tschasti perwoj statji 27, tschastjej perwoj, wtoroj o tschetwertoj statji 251, tschstjej wtoroj i tretjej statji 253 Graschdanskogo prozessualnogo kodeksa Rossijskoj Federazii w swjasi s saprowom Prawitelstwa Rossijskoj Federazii“ [Urteil des Verfassungsgerichts der RF vom 27.01.2004, Nr. 1-P „Über die Rechtssache der Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit der einzelnen Bestimmungen der Art.  27 Abs. 1 Ziff. 2; Art. 251 Abs. 1, 2 und 4; Art. 253 Abs. 2 und 3 Zivilporozesskodex der Russischen Föderation im Zusammenhang mit der Anfrage der Regierung der Russischen Föderation“], SZ 2004, Nr. 5, Pos. 403. 427 Grundsätzlich werden Entscheidungen der ordentlichen Gerichte mit Ablauf der Appel­ lations- oder Kassationsfrist rechtskräftig, wenn keine Appellation oder Kassation eingelegt wurde. Im Falle einer Appellationsbeschwerde tritt die Rechtskraft sofort ein, wenn die Entscheidung aufgehoben wurde; wenn dies nicht der Fall ist, nach Ablauf des Appellationsverfahrens. Bei einer Kassationsbeschwerde gilt Entsprechendes. 428 Dies gilt nicht für Einzelfallentscheidungen. Schaich, Exekutive Normsetzung in der Russischen Föderation, 2004, S. 219. 424

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3. Kap.: Gegenwärtige Rechtslage

getroffene Gerichtsentscheidung oder Anmerkung zur dieser ist in der amtlichen Sammlung, in der der Normativakt erschienen ist, zu veröffentlichen.429 b) Anfechtung von Einzelfallentscheidungen aa) Antragsgegenstand Vor den ordentlichen Gerichten können im Anfechtungsverfahren Entscheidungen und Handlungen bzw. Unterlassen der staatlichen Organe, Organe der örtlichen Selbstverwaltung, sonstiger Organe und Amtspersonen angegriffen werden. Diese sind in Art. 255 ZPO RF konkretisiert. Gegenstand des Antrags können einzeln oder kollegial getroffene Entscheidungen sein. Maßgebend dabei ist, dass durch die Entscheidung, Handlung bzw. Unterlassung Rechte und Freiheiten der Bürger verletzt werden, die Ausübung von Rechten und Freiheiten erschwert oder dem Bürger ungesetzlich eine Verpflichtung auferlegt wird. bb) Antragsbefugnis Antragsbefugt sind Bürger und Organisationen, die der Meinung sind, durch eine Maßnahme der Verwaltung in ihren Rechten und gesetzlichen Interessen verletzt zu sein. Ferner verfügen die Staatsanwaltschaft, die Organe der örtlichen Selbstverwaltung und andere staatliche Organe über ein Antragsrecht.430 cc) Verfahrensgang Der Verfahrensablauf ist im Anfechtungsverfahren an die allgemeinen Vorschriften des Klageverfahrens angelehnt. Im Gegensatz zum Normenkontrollverfahren ist die Antragstellung jedoch fristgebunden. Gem. Art. 256 Abs. 1 ZPO RF ist der Antrag innerhalb von drei Monaten ab Kenntniserlangung der Rechtsverletzung einzureichen. Das Gericht ist verpflichtet, über die Rechtssache innerhalb 429 Vgl. Art.  253 Abs.  3 ZPO  RF, ferner Kowalenko/Mochowa/Filippowa (Hrsg.), Graschdanskij prozess [Zivilprozess], 2008, S. 211; Ryschakow, Kommentarij k Graschdanskomu prozessualnomu kodeksu Rossijskoj Federazii [Kommentar zur Zivilprozessordnung der Russischen Föderation], 2. Aufl., 2004, S. 399. 430 Vgl. Postanowlenije Plenuma Werchownogo Suda RF ot 10.02.2009, N  2 „O praktike rassmotrenija sudami del ob ospariwanii reschenij, dejstwij (besdejstwij) organow gosudarstwennoj wlasti, organow mestnogo samouprawlenija, dolschnostnych liz, gosudarstwennych i munizipalnych sluschaschtschich“ [Plenarbeschluss des Obersten Gerichts der RF vom 10.02.2009, Nr. 2 „Über die Gerichtspraxis der Verhandlung von Anfechtungen der Ent­ scheidungen, Handlungen (Unterlassen) der Staatsorgane, Organe örtlicher Selbstverwaltung, Amtspersonen, Staats- sowie Munizipalbediensteten“], Bulletin des Obersten Gerichts der RF 2009, Nr. 4, Rn. 12 f.

B. Formen des gegenwärtigen Verwaltungsrechtsschutzes 

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einer Frist von zehn Tagen zu entscheiden. Ist die Rechtssache vor dem Obersten Gericht der RF anhängig, beträgt die Verfahrensdauer maximal zwei Monate (Art. 257 Abs. 1 ZPO RF). dd) Prüfungsmaßstab und Entscheidungswirkung Stimmt die angefochtene Entscheidung, Handlung bzw. Unterlassung nicht mit dem Gesetz oder einem anderen normativen Rechtsakt überein und verletzt sie Rechte und gesetzliche Interessen des Antragstellers, so erklärt das Gericht sie für rechtswidrig.431 Dabei spricht es eine Verpflichtung an das entsprechende Organ aus, die Rechtsverletzung innerhalb einer vom Gericht zu bestimmenden Frist in vollem Umfang zu beseitigen (Art. 258 Abs. 1 ZPO RF).432 Innerhalb eines Monats nach Erlass der Gerichtsentscheidung ist sowohl dem Gericht als auch dem Antragsteller Anzeige über die Durchsetzung des Urteils zu erstatten.433 Das Urteil erwächst nach den allgemeinen Regeln in Rechtskraft434. c) Verfahren zum Schutz der Wahlrechte Verfahren über den Schutz der Wahlrechte oder des Rechts auf Teilnahme am Referendum der Bürger der RF unterfallen den Kompetenzen der ordentlichen Gerichtsbarkeit, sind aber im 26. Kapitel der ZPO RF den öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten zugeordnet.435 Die Art. 259–261 ZPO RF regeln zahlreiche Fälle des Schutzes der Wahlrechte. Geschützt ist dabei sowohl das aktive als auch passive Wahlrecht.436 In der Rechtspraxis sind die Aufhebung der Registrierung eines Wahlkandidaten und die Er­ klärung einer Wahl für ungültig am häufigsten. 431

Vgl. Postanowlenije Plenuma Werchownogo Suda RF ot 10.02.2009, N 2 „O praktike rassmotrenija sudami del ob ospariwanii reschenij, dejstwij (besdejstwij) organow gosudarstwennoj wlasti, organow mestnogo samouprawlenija, dolschnostnych liz, gosudarstwennych i munizipalnych sluschaschtschich“ [Plenarbeschluss des Obersten Gerichts der RF vom 10.02.2009, Nr. 2 „Über die Gerichtspraxis der Verhandlung von Anfechtungen der Entscheidungen, Handlungen (Unterlassen) der Staatsorgane, Organe örtlicher Selbstverwaltung, Amtspersonen, Staatssowie Munizipalbediensteten“], Bulletin des Obersten Gerichts der RF 2009, Nr. 4, Rn. 28. 432 Kulikowa, in: Netschajew (Hrsg.), Kommentarij k graschdanskomu prozessualnomu kodeksu Rossijskoj Federazii [Kommentar zum Zivilprozesskodex der Russischen Föderation], 3. Aufl., 2008, S. 300; Kowalenko/Mochowa/Filippowa (Hrsg.), Graschdanskij prozess [Zivilprozess], 2008, S. 213.  433 Art. 258 Abs. 3 ZPO RF. 434 Vgl. zum Begriff der Rechtskraft bereits oben unter 3. Kapitel, B. I. 8. b) dd). 435 Grundlegend zum Schutz der Wahlrechte Matejkowitsch, GiP 2003, Nr. 4, S. 33 ff.; Nikiforow, Administratiwno-prawowyje spory w sudach obschtschej jurisdikzii [Die verwaltungsrechtlichen Streitigkeiten vor den ordentlichen Gerichten], 2004, S. 129 ff.  436 Kowalenko/Mochowa/Filippowa (Hrsg.), Graschdanskij prozess [Zivilprozess], 2008, S. 214.

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3. Kap.: Gegenwärtige Rechtslage

Aufgrund der zahlreichen Regelungsalternativen ist es zweckmäßig, die Antragsberechtigten in zwei Gruppen zu unterteilen. Einerseits sind es die Wähler, die Teilnehmer des Referendums, die Kandidaten und ihre Vertrauenspersonen, Wählervereinigungen und ihre Vertrauenspersonen, die politischen Parteien und ihre regionalen Abteilungen, andere öffentliche Vereinigungen, sonstige Gruppen, Wahlbeobachter sowie der Staatsanwalt. Andererseits sind die zentrale Wahlkommission der RF, die Wahlkommissionen der Subjekte der RF sowie kommunalen Wahlkommissionen antragsbefugt. Das Antragsrecht setzt die Geltendmachung einer Gesetzesverletzung im Bereich von Wahlen und Referenden voraus. Der Antrag kann je nach Beschwerdegegenstand differenziert innerhalb einer Frist von zehn Tagen bis zu einem Jahr nach Kenntnis der Rechtsverletzung beim Gericht eingereicht werden (Art. 260 Abs. 1–5 ZPO RF). Die Verfahrensdauer ist sehr kurz und beträgt je nach Verfahrensalternative zwischen drei Tagen und zwei Monaten (Art.  260 Abs.  6–11 ZPO  RF). Wird vom Gericht eine Verletzung der Wahlrechte festgestellt, so wird die angefochtene Entscheidung, Handlung oder Unterlassung für rechtswidrig erklärt und das entsprechende Organ verpflichtet, diese vollständig zu beseitigen. d) Unterbringungsverfahren Das Verfahren der vorübergehenden Unterbringung wurde durch das Föderale Gesetz vom 23. Juli 2010437 den öffentlich-rechtlichen Verfahren der ordentlichen Gerichtsbarkeit hinzugefügt. Die Regelungen der Art.  261.1.  ff. ZPO  RF sehen ein gerichtliches Verfahren vor gegen vorübergehende Unterbringung in speziellen Anstalten des Föderalen Migrationsdienstes, gegen die Übergabe an einen aus­ ländischen Staat oder auf Aufnahme durch die RF entsprechend internationalen Verträgen über die Rückübernahme438 von ausländischen Bürgern oder Staatenlosen, die kein gesetzliches Aufenhaltsrecht besitzen. Der Antrag wird durch die föderalen Exekutivorgane für Migration eingelegt und hat innerhalb von 48 Stunden zu erfolgen.439 Die Verfahrensdauer beträgt insgesamt fünf Tage (Art. 261.3. ZPO RF). 437 Federalnyj sakon ot 23.07.2010, N 178-FS „O wnesenii ismenenij w Grashdanskij prozes­ sualnyj kodeks Rossijskoj Federazii“ [Föderales Gesetz vom 23.07.2010, Nr.  178-FS „Über die Änderung des Zivilprozessgesetzbuches der Russischen Föderation“], SZ  2010, Nr.  30, Pos. 4009. 438 Ein Rückübernahmeabkommen wurde zwischen der EU und der Russischen Föderation durch den Beschluss des Rates vom 19.04.2007, ABl. L 129 vom 17.05.2007, verabschiedet. Das Abkommen ist am 01.06.2007 in Kraft getreten. Darin werden die Modalitäten für die Rückübernahme zwischen den Vertragsparteien festgelegt. 439 Art. 261.1. ZPO RF, Art. 261.2. Abs. 1 und 2 ZPO RF. Aus dem Wortlaut der genannten Normen lässt sich nicht herleiten, ob auch dem ausländischen Bürger oder dem Staatenlosen ein Antragsrecht zusteht. Mit den ersten Erfahrungen in der Rechtspraxis ist in absehbarer Zeit zu rechnen, sodass es sich zeigen wird, ob es sich hierbei um ein Versehen handelt oder so vom Gesetzgeber beabsichtigt ist.

B. Formen des gegenwärtigen Verwaltungsrechtsschutzes 

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e) Ordnungswidrigkeiten Die ZPO RF sieht im Gegensatz zur WiPO kein eigenständiges Ordnungswidrigkeitenverfahren vor. Gegenwärtig kann daher gerichtlich nach den Regeln des OWiG RF in Form von Beschwerden gegen die Heranziehung aufgrund von Ordnungswidrigkeiten vorgegangen werden. Das Verfahren richtet sich nach den Art. 30.1. ff. OWiG RF, wird aber auch unter Berücksichtigung der allgemeinen Grundsätze des 23. Kapitels der ZPO RF durchgeführt, soweit keine spezialgesetzlichen Regelungen vorhanden sind.440 8. Vollstreckung Die Eigenschaft der Vollstreckbarkeit erwerben gerichtliche Akte der ordentlichen Gerichte nach den allgemeinen Regeln, d. h. mit dem Eintritt der Rechtskraft441. Eine Ausnahme davon bilden die Fälle der sofortigen Vollstreckbarkeit (Art. 210 ZPO RF). Die Grundlage der Zwangsvollstreckung stellt eine gem. Art.  428, 429  ZPO RF ausgestellte Vollstreckungsurkunde oder ein Mahnbescheid gem. Art.  121 ff. ZPO RF dar. Weitere vollstreckbare Titel sind im Vollstreckungsgesetz normiert. Wie auch im Wirtschaftsprozess können Entscheidungen, Handlungen und Unterlassen des Gerichtsvollziehers gerichtlich angefochten werden (Art. 441 ZPO RF). Da Art. 441 Abs. 3 ZPO RF explizit auf das Verfahren der Anfechtung von Einzelfallentscheidungen (25. Kapitel der ZPO RF) verweist, richtet sich das Verfahren nach oben dargestellten Grundsätzen.442 9. Rechtsbehelfsverfahren Die Arten der zivilprozessualen Rechtsmittel unterscheiden sich nicht vom Wirtschaftsprozess. Es gibt die Appellationsbeschwerde (Art. 320 ff. ZPO RF), die Kassationsbeschwerde (Art. 336 ff. ZPO RF) und das Aufsichtsverfahren (Art. 376 ZPO RF). Zudem können rechtskräftige Entscheidungen der ordentlichen Gerichte aufgrund neu bekanntgewordener Tatsachen in vollem Umfang nochmals überprüft werden (Art. 392 ZPO RF).

440 Surkowa/Tschernikowa/Smuschkin (Hrsg.), Graschdanskij prozess: Utschebnoje posobije [Zivilprozess: Ein Lehrbuch], 2008, S. 261; Ryschakow, Kommentarij k Graschdanskomu prozessualnomu kodeksu Rossijskoj Federazii [Kommentar zur Zivilprozessordnung der Rus­ sischen Föderation], 2. Aufl., 2004, S. 383. 441 Vgl. zum Begriff der Rechtskraft bereits oben unter 3. Kapitel, B. I. 8. b) dd). 442 Vgl. 3. Kapitel, B. II. 7. b).

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3. Kap.: Gegenwärtige Rechtslage

a) Appellationsverfahren Das Rechtsmittel gegen Urteile der Friedensrichter ist die Appellationsbeschwerde, die im Zuge der Gerichtsreform von 2002 in die russische ZPO aufgenommen wurde. Dadurch wurde das Verfahren vor den Zivilgerichten an das der Wirtschaftsgerichte angeglichen. Die Appellation kann sowohl durch die Parteien, die Verfahrensbeteiligten als auch die Staatsanwaltschaft eingelegt werden. Sie ist an den zuständigen Friedensrichter zu richten.443 Dabei ist gem. Art. 321 ZPO RF eine Frist von zehn Tagen seit der endgültigen Entscheidung einzuhalten. Wurden die Frist- und Formerfordernisse gewahrt, so leitet der zuständige Friedensrichter die Appellationsbeschwerde an das Rayongericht weiter (Art. 325 ZPO RF). Das Appellationsverfahren stellt für die Beteiligten eine neue Tatsacheninstanz dar.444 Gegen die Appellationsentscheidung kann regelmäßig nur im Wege des Kassations- sowie Aufsichtsverfahrens vorgegangen werden. Bei Bekanntwerden neuer Tatsachen ist ferner die Überprüfung rechtskräftiger Gerichtsakte gem. Art. 392 ZPO RF möglich.445 b) Kassationsverfahren Alle nicht rechtskräftigen erstinstanzlichen Urteile der ordentlichen Gerichte, mit Ausnahme von Urteilen der Friedensrichter, können im Wege der Kassa­ tionsbeschwerde überprüft werden. Beschlüsse hingegen können nur dann Gegenstand der Kassationsbeschwerde sein, wenn die ZPO  RF dies ausdrücklich vorsieht oder der Beschluss einen verfahrensabschließenden Charakter hat (Art. 371 ZPO  RF).446 Vorlageberechtigt sind gem. Art.  336 ZPO  RF die Verfahrensparteien, die in sonstiger Weise am Verfahren beteiligten Personen sowie die Staatsanwaltschaft.447 Das Rechtsmittel muss innerhalb von zehn Tagen nach der Urteils­ ausfertigung eingelegt werden. Über die Beschwerde entscheidet das jeweils höhere Gericht, d. h. bei Entscheidungen der Rayongerichte die obersten Gerichte der Subjekte, bei Entscheidungen der obersten Gerichte auf der Subjektebene das Oberste Gericht der RF sowie bei

443

Ausführlich Kowalenko/Mochowa/Filippowa (Hrsg.), Graschdanskij prozess [Zivilprozess], 2008, S. 263. 444 Gemmel/Maier, RIW 2009, S. 208 (213). 445 Steinbach, Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Urteile und Schiedssprüche in der Russischen Föderation, 2003, S. 279. 446 Steinbach, Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Urteile und Schiedssprüche in der Russischen Föderation, 2003, S. 280. 447 Surkowa/Tschernikowa/Smuschkin (Hrsg.), Graschdanskij prozess: Utschebnoje posobije [Zivilprozess: Ein Lehrbuch], 2008, S. 286.

B. Formen des gegenwärtigen Verwaltungsrechtsschutzes 

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denen des Kollegiums für Zivilsachen des Obersten Gerichts der RF das Kassa­ tionskollegium des Obersten Gerichts der RF (Art. 337 Abs. 1 ZPO RF). Das Kassationsgericht überprüft die erstinstanzliche Entscheidung auf ihre­ Gesetzmäßigkeit und Begründetheit. Prüfungsgrundlage hierfür bilden die in der Kassationsbeschwerde vorgebrachten Beweise und Einwendungen. Neue Beweise würdigt das Gericht nur, wenn es den Verfahrensbeteiligten unmöglich war, die Beweise bereits im Verfahren der ersten Instanz vorzulegen (Art. 347 Abs. 1 ZPO  RF). Bei Vorliegen besonderen Interesses an der Gesetzmäßigkeit ist das Kassationsgericht berechtigt, die erstinstanzliche Entscheidung vollumfänglich zu prüfen.448 Die Appellations- sowie Kassationsbeschlüsse werden sofort rechtskräftig. c) Aufsichtsverfahren Im Rahmen des in Art. 376 ff. ZPO RF geregelten Aufsichtsverfahrens können rechtskräftige Entscheidungen der Zivilgerichte, mit Ausnahme der Beschlüsse des Obersten Gerichts der RF, nochmals einer inhaltlichen Überprüfung unterzogen werden. Ein Aufsichtsverfahren ist nur dann zulässig ist, wenn der durch die ZPO RF vorgesehene Rechtsweg ausgeschöpft wurde. Die Zuständigkeit der Aufsichtsgerichte ergibt sich jeweils nach der erstinstanzlichen Zuständigkeit. Danach ist stets das nächsthöhere Gericht zuständig (Art. 377 ZPO RF). Die Aufsichtsbeschwerde ist direkt an dieses Gericht zu richten.449 Bis zur ZPO-Reform von 2002 war lediglich die Staatsanwaltschaft berechtigt, ein Aufsichtsverfahren einzuleiten. Dies war in erster Linie vor dem Hintergrund der Dispositionsmaxime überaus bedenklich.450 Derzeit sind die Parteien, andere am Prozess beteiligte Personen sowie Dritte, deren Rechte oder gesetzliche Interessen durch die Gerichtsentscheidung verletzt wurden, antragsberechtigt. Die Staatsanwaltschaft451 verfügt nur dann über ein Vorlagerecht, wenn sie am erst­ instanzlichen Verfahren beteiligt war.452 Das Aufsichtsverfahren war zunächst ohne zeitliche Begrenzung möglich, sodass Urteile nach Jahren noch aufgehoben oder geändert werden konnten.453 Diese 448

Gemmel/Maier, RIW 2009, S. 208 (213). Kowalenko/Mochowa/Filippowa (Hrsg.), Graschdanskij prozess [Zivilprozess], 2008, S. 290. 450 Steinbach, Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Urteile und Schiedssprüche in der Russischen Föderation, 2003, S. 280. 451 Gem. Art. 377 Abs. 4 ZPO RF sind dies der Generalstaatsanwalt der RF und seine Stellvertreter sowie der Generalstaatsanwalt eines Subjekts der RF. 452 Moyseenko/Wedde, Osteuropa-Recht 2007, S. 161 (165). 453 Dieser Zustand wurde in der russischen Lehre insbesondere in Hinblick auf die enorme Rechtsunsicherheit und die Unvereinbarkeit der Rechtslage mit Art. 6 EMRK kritisiert. Naschatejewa, Meschdunarodnji graschdanskij prozess [Internationaler Zivilprozess], 2001, S. 209. 449

182

3. Kap.: Gegenwärtige Rechtslage

Rechtsunsicherheit wurde beseitigt und eine Antragsfrist von einem Jahr eingeführt.454 Aktuell beträgt die Antragsfrist sechs Monate.455 Das Aufsichtsgericht überprüft bei der Verhandlung der angefochtenen Gerichtsentscheidung, ob wesentliche Verstöße gegen Vorschriften des materiellen Rechts und des Prozessrechts bestehen. Die Rechtsprechung greift dabei auf die Begriffe des Kassationsverfahrens zurück; die Art. 363 und 364 ZPO RF sehen lediglich „einfache“ Verstöße oder die falsche Anwendung der materiell- und prozessrechtlichen Normen vor.456 Für das Merkmal der Wesentlichkeit wurde durch das Änderungsgesetz vom 4. Dezember 2007457 eine Orientierungshilfe aufgenommen, aber zugleich die Anzahl der Aufhebungsgründe eingeschränkt (Art.  387 ZPO  RF). Wesentlich sind diejenigen Normverletzungen, die den Ausgang des Verfahrens beeinflussen, ohne deren Beseitigung die Wiederherstellung und der Schutz der verletzten Rechte, Freiheiten und berechtigten Interessen sowie der Schutz der vom Gesetz vorgesehenen öffentlichen Interessen unmöglich sind. Das Verfahren ist innerhalb der gesetzlich vorgesehenen Fristen abzuschließen. Gem. Art.  382 Abs.  1 und 2  ZPO  RF beträgt die Frist grundsätzlich einen Monat bzw. zwei Monate, bei den Verfahren vor dem Obersten Gericht der RF ent­sprechend zwei bzw. drei Monate.458 Sie kann bei Vorliegen einer komplexen Rechtssache um höchstens zwei Monate verlängert werden. Die vom Aufsichtsgericht getroffene Entscheidung ergeht als Beschluss und wird sofort rechtskräftig.

454 Vgl. zur damaligen Situation Micheler, in: Breidenbach/Baller/Blankenagel (Hrsg.), Handbuch Wirtschaft und Recht in Osteuropa, Bd. 3, 67. EL, 2006, Länderteil Russland, Kap. D.XII Rn. 85; Moyseenko/Wedde, Osteuropa-Recht 2007, S. 161 (165). 455 Ausführlich zur Fristberechnung vgl. Postanowlenije Plenuma Werchownogo Suda RF ot 12.02.2008, N 2 „O primenenii norm graschdanskogo prozessualnogo sakonodatjelstwa w ­ akona sude nadsornoj instanzii w swjasi s prinjatijem i wwedenijem w dejstwije Federalnogo S ot 4 dekabrja 2007 g. N  330-FS ‚O wnesenii ismenenij w Grashdanskij prozessualnyj kodeks Rossijskoj Federazii‘“ [Plenarbeschluss des Obersten Gerichts der RF vom 12.02.2008, Nr. 2 „Über die Normanwendung der zivilprozessualen Gesetzgebung vor den Gerichten der Aufsichtsinstanz im Zusammenhang mit der Verabschiedung und des Inkrafttretens des Föderalen Gesetzes vom 04.  Dezember 2007, Nr.  330-FS ‚Über die Änderung des Zivilprozessgesetzbuches der Russischen Föderation‘“], Bulletin des Obersten Gerichts der RF 2008, Nr. 4 Rn. 1. 456 Vgl. bereits Moyseenko/Wedde, Osteuropa-Recht 2007, S. 161 (166). 457 Federalnyj sakon ot 04.12.2007, N 330-FS „O wnesenii ismenenij w Grashdanskij prozessualnyj kodeks Rossijskoj Federazii“ [Föderales Gesetz vom 04.12.2007, Nr. 330-FS „Über die Änderung des Zivilprozessgesetzbuches der Russischen Föderation“], SZ  2007, Nr.  50, Pos. 6243. 458 In Abhängigkeit davon, ob nach vorliegenden Antragsunterlagen gem. Art.  384 Abs.  1 ZPO  RF entschieden wird oder ob zusätzlich die Akten der Vorinstanz angefordert werden müssen (Art. 381 Abs. 1 ZPO RF). Es erweist sich in der Praxis jedoch als äußerst schwierig, die Rechtssache nur auf Grundlage der Begründung der Aufsichtsbeschwerde und ohne eingehende Auseinandersetzung mit der Sache zu entscheiden. Terechowa, Nadsornoje proiswodstwo w graschdanskom prozesse: problemy raswitija i sowerschenstwowanija [Aufsichtsverfahren im Zivilprozess: Probleme der Entwicklung und Ausgestaltung], 2009, S. 60.

B. Formen des gegenwärtigen Verwaltungsrechtsschutzes 

183

d) Wiederaufnahmeverfahren Die Wiederaufnahme von Gerichtsentscheidungen im Zusammenhang mit dem Bekanntwerden neuer Tatsachen ist in den Art. 392 ff. ZPO RF normiert.459 Hier steht den Prozessbeteiligten sowie der Staatsanwaltschaft eine erneute Möglichkeit der Überprüfung rechtskräftiger Gerichtsakte zur Verfügung. 10. Gerichtsakte der ordentlichen Gerichte Die ordentlichen Gerichte entscheiden gem. Art. 13 Abs. 1 ZPO RF in Form von Mahnbescheiden („sudebnyj prikas“), Urteilen („reschenije“) und Verfügungen („opredelenije“), die überbegrifflich als Beschlüsse („postanowlenije“) bezeichnet werden. Gerichtsentscheidungen in erster Instanz, die als Sachentscheidungen ergehen, sind Urteile.460 Das Appellationsverfahren kann gem. Art. 329 Abs. 1 ZPO RF sowohl mit einem Urteil als auch einer Verfügung abgeschlossen werden. Wird das Urteil des Friedensrichters abgeändert, so ergeht ein Appellationsurteil. Ist dies nicht der Fall, dann wird eine Appellationsverfügung erlassen. Die Kassationsverfahren sowie Aufsichtsverfahren schließen mit einer Verfügung ab. Verfahrensregelnde Gerichtsakte werden in Form von Verfügungen erlassen.

III. Gerichtliches Beschwerdeverfahren Das Gesetz „Über die Beschwerdeführung bei Gericht über Handlungen und Entscheidungen, die die Rechte und Freiheiten der Bürger verletzen“ vom 27. April 1993 (Gesetz „Über die Beschwerdeführung“)461 knüpft an das Vorgängergesetz – Gesetz „Über das Verfahren der gerichtlichen Anfechtung rechtswidriger und die Rechte der Bürger verletzender Handlungen von Amtspersonen“ vom 30. Juni 1987 (Gesetz „Über das Verfahren der gerichtlichen Anfechtung“)462 – an.

459 Die Wiederaufnahmeverfahren vor den Wirtschaftsgerichten und vor den ordentlichen­ Gerichten sind gleichlaufend. Um unnötige Wiederholungen zu vermeiden, sei an dieser Stelle nach oben verwiesen. Vgl. 3. Kapitel, B. I. 11. d). 460 Kowalenko/Mochowa/Filippowa (Hrsg.), Graschdanskij prozess [Zivilprozess], 2008, S. 184. 461 Sakon Rossijskoj Federazii ot 27.04.1993, N 4866-1 (red. ot 09.02.2009) „Ob obschalowanii w sud dejstwij i reschenij, naruschajuschtschich prawa i swobody graschdan“ [Gesetz der Russischen Föderation vom 27.04.1993, Nr. 4866-1, in der Redaktion vom 09.02.2009 „Über die Beschwerdeführung bei Gericht über Handlungen und Entscheidungen, die die Rechte und Freiheiten der Bürger verletzen], WWS RF 1993, Nr. 19, Pos. 685. Vgl. Ausführungen oben 3. Kapitel, A. II. 2.  462 Ausführlich unter 2. Kapitel, B. IV. 1. 

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3. Kap.: Gegenwärtige Rechtslage

Das Gesetz „Über die Beschwerdeführung“ regelt die gerichtliche Nachprüfbarkeit von Verwaltungsentscheidungen, d. h. jegliche Handlungen und Entscheidungen von Staatsorganen, Organen der örtlichen Selbstverwaltung, staatlichen Einrichtungen und Unternehmen, Amtspersonen und Staatsbediensteten sowie gesellschaftlichen Vereinigungen. Es erfüllt die Funktion eines Auffanggesetzes. Gem. Art. 3 des Gesetzes untersuchen die Gerichte Beschwerden über beliebige Handlungen (Entscheidungen), die die Rechte und Freiheiten der Bürger verletzen, es sei denn, die Gesetzgebung sieht hierfür ein anderes gerichtliches Verfahren vor. Somit sind die Verfahren nach Maßgabe der WiPO und ZPO RF vorrangig. Das Gesetz „Über die Beschwerdeführung“ kommt nur dann zur Anwendung, wenn die Rechtssache nicht von den oben dargestellten Regelungen und Verfahren463 erfasst wird. Ein selbstständiges Gerichtsverfahren ist jedoch im Gesetz nicht vorgesehen, sodass die Normen der ZPO  RF zur Anwendung kommen (Art.  6 des Gesetzes „Über die Beschwerdeführung“).

IV. Verwaltungsverfahren vor den Militärgerichten Am Rande sind die Militärgerichte zu erwähnen, die ebenfalls Rechtssachen aus verwaltungsrechtlichen Rechtsbeziehungen entscheiden. Die Militärgerichte sind der ordentlichen Gerichtsbarkeit zuzurechnen464 und unterstehen damit der Hoheit des Obersten Gerichts der RF.465 Sie werden jeweils an den Truppenstandorten eingerichtet und verhandeln im Rahmen ihrer Zuständigkeit Rechtssachen sowohl erst- als auch zweitinstanzlich, ferner als Aufsichtsinstanz und im Wiederaufnahmeverfahren (Art. 22 Abs. 2 GVG  RF). Die Befugnisse, Art der Zusammensetzung und Tätigkeit der Militärgerichte ist näher im Föderalen Gesetz „Über die Militärgerichte der RF“466 normiert. Früher bestand die Hauptaufgabe der Militärgerichte hauptsächlich in der Entscheidung von Strafsachen und Ordnungswidrigkeiten. Die Anzahl von Rechtssachen im Bereich der Verletzung von Rechten, Freiheiten und durch Gesetz geschützter Interessen der Armeeangehörigen gegen unrechtmäßige Handlungen und Entscheidungen der Militärverwaltung und der Armeevorgesetzten nimmt weiter an Bedeutung zu.467 463

Vgl. 3. Kapitel, B. I. und II. Artamonow, Formirowanije i raswitije organow administratiwnoj justizii [Die Einführung und Entwicklung der Organe der Verwaltungsjustiz], 2004, S.  103; Stampe, Der Funktionsbereich der russischen Wirtschaftsgerichtsbarkeit, 2000, S. 18, Fn. 98. 465 Art. 19 Abs. 2 GVG RF. Auch Steininger, Osteuropa-Recht 1997, S. 281 (294). 466 Vgl. unter 3. Kapitel, A. I. 3. c). 467 Artamonow, Formirowanije i raswitije organow administratiwnoj justizii [Die Einführung und Entwicklung der Organe der Verwaltungsjustiz], 2004, S. 103. 464

4. Kapitel

Entwicklungsmöglichkeiten „Чтобы достичь совершенства, надо прежде многого не понимать! А слишком скоро поймем, так, пожалуй, и не хорошо поймем.“ 

Фёдор Михайлович Достоевский1

Bereits vor seiner Wahl zum Präsidenten hatte Medwedjew programmatische Justizreformen angekündigt und zur Chefsache erklärt.2 Dabei scheint der russische Gesetzgeber Dostojewskijs Worte als handlungsleitende Maxime zu verstehen. Zwar wird das russische Gerichtssystem seit Jahrzehnten fortwährend reformiert, doch sind die Ergebnisse kaum sichtbar. Zum Teil wurden die bestehenden Möglichkeiten einer gerichtlichen Kontrolle, beispielsweise im Bereich der Normenkontrolle, ausgeweitet. Doch gehen mit den Reformbestrebungen neue, ungelöste Probleme einher. Ferner ist die Akzeptanz für die Reformbemühungen in derzeitiger Form sowohl bei den russischen Juristen als auch der Bevölkerung gering ausgeprägt. Es wird wiederholt eine umfassendere Gerichtsreform gefordert, die sich vor allem dem Problem der Schaffung einer Verwaltungsgerichtsbarkeit stellen soll.3 Die Verwaltungsgerichtsbarkeit konnte sich in Russland, wie bereits dargestellt, zu keiner eigenständigen institutionellen Form entwickeln. Die Unentbehrlichkeit einer solchen Institution wird von russischen Rechtswissenschaftlern jedoch fast überwiegend bekräftigt.4

1 „Um Vollkommenheit zu erreichen, muss man erst vieles nicht begriffen haben! Begreifen wir zu schnell, so begreifen wir wahrscheinlich nicht gründlich.“ Aus Dostojewskijs Roman „Der Idiot“, Dostojewskij, Sobranije sotschinenij w 15-ti tomach [Gesammelte Werke in 15 Bänden], Bd. 6, 1988, Vierter Teil, Kapitel VII. 2 Er wollte u. a. gegen den Rechtsnihilismus und die Korruption ankämpfen sowie eine­ unabhängige Justiz schaffen. Dabei müssten aber auch die Bürger das Rechtsstaatsprinzip­ anerkennen. Teltschik, Frankfurter Allgemeine Zeitung, Nr. 106 vom 07.05.2008, S. 7; Ronellenfitsch, Louis L’Amour und das Völkerrecht (Public International Law), 2008, S. 197. 3 Statt vieler Chamanewa, GiP 2006, Nr. 11, S. 5 (7); Radtschenko, in: Radtschenko (Hrsg.), Problemy sastschity publitschnych i tschastnych interesow w administratiwnych sudach [Die Probleme des Schutzes der öffentlichen und privaten Interessen vor den Verwaltungsgerichten], 2001, S. 10. 4 Vgl. die zahlreichen Beiträge in Radtschenko (Hrsg.), Problemy sastschity publitschnych i tschastnych interesow w administratiwnych sudach [Die Probleme des Schutzes der öffentlichen und privaten Interessen vor den Verwaltungsgerichten], 2001; Tichomirow, GiP 1998,

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4. Kap.: Entwicklungsmöglichkeiten

A. Notwendigkeit der Einführung der Verwaltungsgerichtsbarkeit I. Verfassungsrechtliche Vorgaben 1. Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit Die Russische Föderation wird in Art.  1 Abs.  1 Verf  RF als demokratischer, föderativer Rechtsstaat mit republikanischer Regierungsform charakterisiert. Damit wird bereits im 1. Kapitel der russischen Verfassung das Prinzip der Rechts­ staatlichkeit neben dem Demokratie-5 und Bundesstaatsprinzip als Verfassungs­ maxime genannt.6 Der russische Rechtsstaatsgrundsatz findet in Art. 15 Verf RF seine grundsätzliche Verankerung und die weitere Ausprägung in zahlreichen Bestimmungen der Verfassung.7 Der Begriff der Rechtsstaatlichkeit („prawowoje gosudarstwo“)8 entspricht grundsätzlich der Definition des Rechtsstaates nach europäischer Tradition. D. h., unter dem Begriff werden die Eigenschaften einer Staats- und Rechtsordnung vereint, die eine Begrenzung staatlicher Macht durch Verfassung und Gesetze sowie die Sicherung der Grund- und Menschenrechte der Bürger zum Ziel haben.9 Als fundamentale Prinzipien eines Rechtsstaates werden insbesondere die Gewaltenunterscheidung und -trennung, die Bindung der staatlichen Gewalt an Recht und Gesetz, die Gewährleitung von Rechtssicherheit sowie die Garantie eines umfassenden gerichtlichen Rechtsschutzes angeführt.10 Den Rechtsstaat Nr. 1, S. 5 (14); Starilow, Gerichtliche Verwaltungskontrolle im System des russischen Staatsund Verwaltungsrechts, 1999, S. 79; Chamanewa, Administratiwnoje prawo Rossijskoj Federazii [Das Verwaltungsrecht der Russischen Föderation], 2005, S. 322. 5 Dazu Martyschin, GiP 1994, Nr. 10, S. 32 ff. 6 Zu den Grundprinzipien der Verf RF Schweisfurth, EuGRZ 1994, S. 473 (481 ff.); Geistlinger, in: Hofmann/Küpper (Hrsg.), Kontinuität und Neubeginn, 2001, S. 180 f. 7 Schweisfurth, EuGRZ 1994, S. 473 (482). 8 Sucharew/Krutskij, Bolschoj juriditscheskij slowar [Großes juristisches Wörterbuch], 2. Aufl., 2004, S.  466: „Rechtsstaat ist die Charakteristik des verfassungsrechtlichen Status eines Staates, die sich folgenden Prinzipien unterordnet: Volkssouveränität, Existenz von Freiheits- und Gleichheitsrechten, Gesetzmäßigkeit (Vorrang und Vorbehalt der Verfassung), Gewaltenteilung, Legitimationskette, Unabhängigkeit der Richter und Vorrang völkerrechtlicher vor nationalen Normen.“ Der russische Begriff entstammt der Übersetzung des deutschen Wortes „Rechtsstaat“. Russland importierte den Begriff im späten 19.  Jahrhundert aus Deutschland. Verwendet wurde dieser dann bis zur Oktoberrevolution. Hussner, Die Umsetzung von Art. 6 Abs. 3 EMRK in der neuen Strafprozessordnung Russlands, 2008, S. 63. 9 Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd.  1, 2.  Aufl., 1984, § 20, S. 759 ff.; Trunk, in: Höhmann/Schröder (Hrsg.), Russland unter neuer Führung, Politik, Wirtschaft und Gesellschaft am Beginn des 21. Jahrhunderts, 2001, S. 267 (268). 10 Ronellenfitsch, Louis L’Amour und das Völkerrecht (Public International Law), 2008, S. 126; Schmidt-Jortzig, NJW 1994, S. 2569 (2571).

A. Notwendigkeit der Einführung der Verwaltungsgerichtsbarkeit 

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kennzeichnen dementsprechend ausgestaltete Gesetze und die praktische Umsetzung rechtsstaatlicher Grundsätze.11 Das Rechtsstaatsprinzip wird in Russland als eines der wichtigsten verfassungsrechtlichen Argumente für die Einführung der Verwaltungsgerichtsbarkeit herangezogen.12 Zu einem funktionierenden Rechtsstaat gehört sowohl ein leistungsfähiger öffentlicher Dienst als auch eine funktionstüchtige Gerichtsorganisation.13 Dazu zählt nach Starilow unbedingt auch ein „durchgestaltetes“ Verwaltungsgerichtsverfahren zur Sicherung der subjektiven Rechte und Freiheiten der Bürger sowie der juristischen Personen.14 In Deutschland ist es seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts selbstverständlich, dass die Verwaltungsgerichtsbarkeit einen der elementaren Bestandteile des Rechtsstaatsgrundsatzes bildet.15 Russland muss diese Rechtstradition erst entwickeln und letztlich das Rechtsstaatsbewusstsein verinnerlichen. a) Gewaltenteilung Historisch ist der Grundsatz der Gewaltenteilung vor allem auf Montesquieu und seine Gewaltenteilungsidee16 zurückzuführen, wonach die Missbrauchsabwehr staatlicher Gewalt durch Teilung der Gewalten erreicht werden soll.17 Die Judika 11 Trunk, in: Höhmann/Schröder (Hrsg.), Russland unter neuer Führung, Politik, Wirtschaft und Gesellschaft am Beginn des 21. Jahrhunderts, 2001, S. 267 (268). 12 Vgl. Absaljamow, Administratiwnoje sudoproiswodstwo w arbitraschnom sude. Teoretiko-metodologitscheskije aspekty [Die Verwaltungsgerichtsbarkeit innerhalb der Wirtschaftsgerichte. Theoretisch-methodologische Aspekte], 2009, S. 135; Chamanewa, GiP 2006, Nr. 11, S. 5 (7); Radtschenko, RJu 2004, Nr. 3, S. 2 ff.; Tichomirow, in: Radtschenko (Hrsg.), Problemy sastschity publitschnych i tschastnych interesow w administratiwnych sudach [Die Probleme des Schutzes der öffentlichen und privaten Interessen vor den Verwaltungsgerichten], 2001, S. 26 (28). 13 Ronellenfitsch, Louis L’Amour und das Völkerrecht (Public International Law), 2008, S. 126. 14 Starilow, Gerichtliche Verwaltungskontrolle im System des russischen Staats- und Verwaltungsrechts, 1999, S. 84; Vgl. auch Radtschenko, RJu 2004, Nr. 3, S. 2 ff. 15 Von Unruh, Verwaltungsgerichtsbarkeit im Verfassungsstaat, 1984, S. 9.  16 „Tout seroit perdu si le même homme ou le même Corps des Principaux, ou des Nobles, ou du Peuple, exerçoient ces trois pouvoirs, celui de faire des Loix, celui d’exécuter les résolutions publiques, & celui de juger les crimes ou les différends des particuliers.“ Montesquieu, De L’Esprit des Loix, 1749, Buch XI, Kap. 6. 17 Die Staatslehre war schon immer mit der Erkenntnis befasst, dass Macht Gefahren birgt und ihr Missbrauch nicht ausgeschlossen ist. Die Frage, wie dem entgegengewirkt werden kann, beschäftigte namhafte Philosophen der Antike wie Platon und Aristoteles, später vor­ allem im 17. und 18. Jahrhundert als Antwort auf die absolutistische Monarchie Gelehrte wie Althusius, von Pufendorf, Thomasius und Locke. Die „klassische Gewaltenteilungslehre“ von Montesquieu war richtungsweisend für die moderne Staatslehre weltweit und bedeutete zugleich die Abkehr von Hobbes’ Leviathan, eines übermächtigen Staates geprägt durch Angst und ohne jegliche individuelle Freiheit. Maurer, Staatsrecht I, 5. Aufl., 2007, § 12 Rn.  7 f.;­ Herzog/Grzeszick, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), GG, Kommentar, 57. EL, 2010, Art. 20 Rn. 3.

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4. Kap.: Entwicklungsmöglichkeiten

tive ist elementarer Bestandteil der Staatsgewalt und verkörpert den rechtsstaatlichen Charakter durch die Art und Weise ihrer Ausgestaltung. Sie ist die eigentliche Gewähr des Gewaltenteilungsprinzips, da beinahe alle Hoheitsakte der beiden anderen Gewalten ihrer Kontrolle unterliegen.18 Die russische Verfassung schreibt die Gewaltentrennung in Art. 10 Verf RF fest. Darin heißt es wörtlich: Die Staatsgewalt in der Russischen Föderation wird auf der Grundlage der Aufteilung in­ gesetzgebende, vollziehende und rechtsprechende Gewalt ausgeübt. Die Organe der gesetzgebenden, vollziehenden und rechtsprechenden Gewalt sind selbstständig.

Ferner sieht das GVG RF in Art. 1 Abs. 2, konkretisiert in Art. 5, die Unabhängigkeit der gerichtlichen Gewalt als tragendes Organisations- und Funktionsprinzip vor.19 Dies impliziert auch die richterliche Unabhängigkeit.20 Sowohl in der Bundesrepublik Deutschland als auch im Großteil der westlichen Staaten kommt der Verfassungsgerichtsbarkeit und Verwaltungsgerichtsbarkeit eine besondere Rolle im Verfassungssystem zu.21 Es kann als Anhaltspunkt für einen höheren Entwicklungsstand der Gerichtsbarkeit im Sinne einer „poly­systemaren Gerichtsorganisation“ gewertet werden, wenn eine Verwaltungsgerichtsbarkeit eingerichtet ist.22 Demnach wäre die derzeitige Ausgestaltung des russischen Gerichtssystems ein Indiz für dessen Rückständigkeit. Insofern ist für die Fortentwicklung eine Spezialisierung des Systems notwendig. Die Schaffung einer Verwaltungsgerichtsbarkeit ist für ein ausgewogenes Verhältnis zwischen den Gewalten unabdingbar. Sie soll dabei die Rolle eines Gegengewichts zur ­Exekutive und Legislative einnehmen. In Russland kann derzeit noch nicht von einem funktionierenden System von checks and balances ausgegangen werden.

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Ausführlich dazu Rschewskij/Tschepurnowa, RJu 1997, Nr.  7, S.  3; Fokow, GiP 2000, Nr. 10, S. 51 ff.; Dmitrijew/Tscheremnych, GiP 1997, Nr. 8, S. 44 ff; Lebedew, in: Radtschenko (Hrsg.), Problemy sastschity publitschnych i tschastnych interesow w administratiwnych­ sudach [Die Probleme des Schutzes der öffentlichen und privaten Interessen vor den Verwaltungsgerichten], 2001, S. 7 (8). 19 Suchareva/Mel’nikova/Nozdračev, Osteuropa-Recht 2005, S. 447 (458). 20 Polakow, GiP 2000, Nr. 10, S. 85 ff. Vgl. grundlegend zur richterlichen Unabhängigkeit in Deutschland Ronellenfitsch, DuD 2005, S. 354 ff; Ronellenfitsch, Louis L’Amour und das Völkerrecht (Public International Law), 2008, S. 129 ff; Hoffmann-Riem, JZ 1997, S. 1 f. Speziell zur Unabhängigkeit der Verwaltungsrichter vgl. Jellinek, DÖV 1950, S. 513 (515); Brohm, Die Verwaltung 1991, S. 137 (151 ff.). 21 Herzog/Grzeszick, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), GG, Kommentar, 57.  EL, 2010, Art.  20 Rn. 36. 22 Dazu Bojzowa/Bojzow, GiP 1994, Nr. 5, S. 42 (43).

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b) Gesetzmäßigkeit der Verwaltung Das Prinzip der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung ist in Art. 15 Abs. 2 Verf RF normiert. Danach sind Organe der Staatsgewalt, Organe der örtlichen Selbstverwaltung, Amtsträger, Bürger und ihre Vereinigungen verpflichtet, die Verfassung der Russischen Föderation zu achten und im Rahmen der Gesetze zu handeln.23 Bei der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung geht es um die Frage, „ob die Verwaltung eine dem Recht unterworfene Gewalt ist“.24 Als staatliche Macht ist sie nach Vorgaben und in Grenzen des Rechts zu organisieren und auszuüben.25 Dieser Grundgedanke bringt die Forderung nach einer „effektiven Kontrolle, Einbindung und Beherrschung“ der Verwaltung mit sich.26 Er kann nur im Wege einer gerichtlichen Überprüfung der Verwaltung auf der Grundlage von spezifisch ausgestalteten Normen sowohl im Verwaltungs- als auch Verwaltungsgerichtsverfahren verwirklicht werden.27 c) Rechtssicherheit Ein wesentlicher Bestandteil des Rechtsstaatsprinzips ist die Gewährleistung der Rechtssicherheit, die aus der Sicht des Bürgers in erster Linie Vertrauensschutz bedeutet.28 Durch den Grundsatz des Vertrauensschutzes wird das Vertrauen des Bürgers in die „Kontinuität von Recht im Sinne individueller Erwartungssicherheit“ geschützt.29 Vertrauensschutz markiert hierbei die subjektiv-rechtliche Seite, das ­Interesse des Bürgers an Verlässlichkeit, wohingegen Rechtssicherheit als Konkretisierung des rechtsstaatlichen Prinzips die objektiv-rechtliche Seite darstellt und auf 23 Dazu Korenew, Administratiwnoje prawo Rossii. Utschebnik [Verwaltungsrecht Russlands: Ein Lehrbuch], Bd.  1, 1999, S.  221. Vgl. ausführlich zur Exekutive innerhalb der Gewaltenteilung Bachrach, GiP 1992, Nr. 3, S. 13 ff.; Batschilo/Meljuchin/Salischtschewa, GiP 1996, Nr. 8, S. 3 ff. 24 Rupp, Grundfragen der heutigen Verwaltungsrechtslehre, 1991, S. 129 (Herv. i. O.). 25 Ausführlich Badura, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd.  7, 1992, § 163 Rn.  1 ff.; Schmidt-Aßmann, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd.  2, 3. Aufl., 2004, § 26 Rn.  21 f.;­ Herzog/Grzeszick, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), GG, Kommentar, 57. EL, 2010, Art. 20 Rn. 1 ff. 26 Grundlegend Dreier, Hierarchische Verwaltung im demokratischen Staat, 1991, S. 103. 27 Vgl. zum verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutz in Europa Brenner, Die Verwaltung 1998, S. 1 (5). 28 Zum Vertrauensschutz in Deutschland u. a. BVerfGE 7, 89 (92); 13, 215 (224); 13, 261 (271); 15, 313 (324); 18, 429 (439); 23, 12 (32); 24, 220 (230); 27, 231 (238); 30, 367 (386); 31, 222 (225); 45, 142 (168); 50, 244 (250); 51, 356 (362 f.); 59, 128 (164); 63, 215 (223); 71, 1 (11 f.); ferner Pieroth, Rückwirkung und Übergangsrecht, 1981, S. 118, 144, 383; Pieroth, JZ 1990, S. 279 ff.; Blanke, Vertrauensschutz im deutschen und europäischen Verwaltungsrecht, 2000; Schwarz, Vertrauensschutz als Verfassungsprinzip, 2002. 29 Grzeszick, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), GG, Kommentar, 57. EL, 2010, Art. 20 Rn. 69; dazu Kisker, VVDStRL 32 (1974), S. 149 (161 ff.).

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4. Kap.: Entwicklungsmöglichkeiten

die Dauerhaftigkeit sowie Stetigkeit der Rechtsordnung, den Rechtsfrieden und die Rechtsklarheit abzielt.30 Diese Leitideen setzen nicht nur voraus, dass das gerichtliche Verfahren geordnet verläuft, sondern auch die Rechtsbeständigkeit der Gerichtsentscheidungen.31 Die Qualität der russischen Rechtsprechung lässt sich kaum an deutschen Maßstäben messen: Aufgrund einer sehr hohen Arbeits­ belastung, der knapp bemessenen Fristen sowie unzureichender Rahmenbedingungen fallen die russischen Urteile in Umfang und Begründung vergleichsweise knapp aus. Eine dogmatische Auseinandersetzung fehlt gänzlich.32 Insgesamt lässt sich festhalten, dass in Russland noch immer Demokratiedefi­ zite, Menschenrechtsverletzungen und fehlende Rechtssicherheit vorherrschen. Der Rechtsstaat ist bislang eher ein Verfassungsziel als Realität.33 2. Verfassungsrechtliche Verankerung Die Verwaltungsgerichtsbarkeit hat im Jahr 1993 Einzug in die russische Verfassung gehalten. In Art. 118 Abs. 2 Verf RF wird sie explizit neben der Verfassungs-, Zivil- und Strafgerichtsbarkeit verankert.34 Sowohl die Zivilgerichtsbarkeit als auch die Strafgerichtsbarkeit konnten nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion auf eine lange Tradition zurückblicken und sich weiterentwickeln. Die Verfassungsgerichtsbarkeit hat sich seit Mitte der neunziger Jahre ebenfalls erfolgreich etabliert. Für eine Harmonisierung der rechtsprechenden Gewalt gem. Art.  118 Abs.  2 Verf RF ist die Notwendigkeit von Verwaltungsgerichten in Russland offenkundig. Eine Integration der einzelnen Komponenten, d. h. vorliegend der Verwaltungsgerichtsbarkeit, in das bestehende einheitliche Gerichtssystem ist ohne dessen „übermäßige Aufblähung“ möglich.35 Die Errichtung von Verwaltungsgerichten führt laut Starilow zur Ausdifferenzierung des gerichtlichen Systems und „zu seiner logischen Vollendung“.36 30

So Pieroth, JZ 1984, S. 971 (977 f.); ausführlich zum Vertrauensschutz vgl. auch Ossenbühl, DÖV 1972, S. 25 ff. 31 Rupp, in: Bachof (Hrsg.), Tübinger Festschrift für Eduard Kern, 1968, S. 403. 32 So auch Wedde, Russland-Analysen 2004, Nr. 32, S. 7. 33 Krjažkov/Lazarev, Verfassungsgerichtsbarkeit in der Russischen Föderation, 2001, S. 5; Zum Herrschaftssystem vgl. Schewzowa, in: Höhmann/Schröder (Hrsg.), Russland unter neuer Führung, Politik, Wirtschaft und Gesellschaft am Beginn des 21. Jahrhunderts, 2001, S. 33 ff. 34 Zur normativen Bestimmung des Begriffs bereits unter 3. Kapitel, A. I. 3. a) aa). Ferner Suchareva/Mel’nikova/Nozdračev, Osteuropa-Recht 2005, S. 447 (456). 35 Poljanskij verwendet hierfür den medizinischen Begriff der „Hypertrophie“. Poljanskij, in: Radtschenko (Hrsg.), Problemy sastschity publitschnych i tschastnych interesow w adminis­ tratiwnych sudach [Die Probleme des Schutzes der öffentlichen und privaten Interessen vor den Verwaltungsgerichten], 2001, S. 243 (244). 36 Starilow, Gerichtliche Verwaltungskontrolle im System des russischen Staats- und Verwaltungsrechts, 1999, S. 90.

A. Notwendigkeit der Einführung der Verwaltungsgerichtsbarkeit 

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II. Praxisbezogene Aspekte Seit Ende der achtziger Jahre befindet sich Russland in einem ständigen politischen, wirtschaftlichen sowie rechtlichen Wandel. Sowohl die Politik, die Verwaltung als auch der Bürger stehen einer stets schneller werdenden und immer komplexeren Gesellschaft gegenüber. Dabei kommt einer umfassenden gesellschaftlichen Kontrolle praktischer Verwaltungstätigkeit eine tragende Rolle zu. 1. Effizienz des Rechtssystems Durch die Einführung einer eigenständigen Verwaltungsgerichtsbarkeit kann einer Verkomplizierung des bestehenden, zunehmend komplexer werdenden Rechtssystems entgegengewirkt werden. Zwar wird teilweise eingewandt, dass es für einen Rechtshilfe suchenden Bürger durch eine Vielzahl von Gerichtszweigen beschwerlicher sein wird, Rechtsschutz zu bekommen.37 Doch bietet sich – gerade vor dem Hintergrund der bereits herrschenden Abgrenzungsprobleme bei der Zuständigkeitsbestimmung – die Möglichkeit, ein übersichtliches Gerichtswesen zu konzipieren. Ferner würde eine Spezialisierung der Gerichte auf bestimmte Kategorien von Streitsachen dazu führen, dass deren Verhandlung auf einer professionelleren Grundlage erfolgt.38 Eine spezialisierte Justiz gewährleistet eine kompetentere, rechtlich adäquatere und gerechtere Entscheidung.39 Die Verwaltungsgerichte sind hierbei auf spezifisch ausgestaltete Normen sowohl im Verwaltungs- als auch Verwaltungsgerichtsverfahren angewiesen. Diese müssen erlassen werden und würden einerseits zu einer stärkeren Bindung der Verwaltung an Recht und Gesetz beitragen sowie andererseits das bestehende Gerichtssystem effizienter gestalten.40

37 So Semenichin, Nesawisimaja gaseta vom 20.10.2000, abrufbar unter: http://www.ng.ru/ regions/2000-10-20/4_court.html (Stand: 31.12.2011); Poljakow, in: Radtschenko (Hrsg.), Problemy sastschity publitschnych i tschastnych interesow w administratiwnych sudach [Die Probleme des Schutzes der öffentlichen und privaten Interessen vor den Verwaltungsgerichten], 2001, S. 154 (158); Filipow, Nesawisimaja gaseta vom 17.05.2005, abrufbar unter: http://www. ng.ru/ideas/2005-05-17/11_pravo.html (Stand: 31.12.2011). 38 Jakowlew, Schurnal rossijskogo prawa 1997, Nr. 7, S. 11. 39 Pilipenko/Karimullin, Schurnal rossijskogo prawa, 1998, Nr.  1, S.  29; Gromowa, Administratiwnaja justizija [Die Verwaltungsjustiz], 2002, S. 87. 40 Ähnlich Batschilo/Meljuchin/Salischtschewa, GiP 1996, Nr. 8, S. 3 (27).

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4. Kap.: Entwicklungsmöglichkeiten

2. Entwicklungstendenzen von öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten In der russischen Literatur wird mittels vieler verschiedener Statistiken teilweise ein enormer Anstieg,41 teilweise eine gleichbleibende oder zurückgehende Entwicklungstendenz öffentlich-rechtlicher Streitigkeiten42 zu belegen versucht. Das Problem besteht bereits in der Frage, was man unter verwaltungsrechtlichen Streitigkeiten subsumiert.43 Da schon hier kein Konsens in der Lehre besteht, ist die Argumentation unter Bezugnahme auf die jeweilige Statistik zu hinterfragen. Vorliegend sollen am Beispiel der Wirtschaftsgerichtsbarkeit aktuelle Tendenzen der Entwicklung von öffentlich-rechtlichen Rechtsstreitigkeiten aufgezeigt werden.44 Seit dem Jahr 2007 ist ein allgemeiner Anstieg der Gesamtzahl von Verwaltungsrechtsstreitigkeiten zu beobachten. In den einzelnen Kategorien haben Verfahren der Anfechtung von nichtnormativen Akten und der Beitreibung von Pflichtabgaben und Sanktionen deutlich zugenommen. Ferner ist bei den Normenkontrollverfahren ein leichter Anstieg zu verzeichnen. Alleine Steuerrechtssachen weisen eine leicht rückläufige Tendenz auf. Die gestiegene Anzahl der öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten geht mit der­ Zunahme der insgesamt verhandelten Rechtssachen der Wirtschaftsgerichte einher. Insofern ist nur eine prozentuale Betrachtung gemessen an der Gesamtzahl der verhandelten Rechtssachen aussagekräftig. Sowohl bei der Anfechtung von normativen als auch nichtnormativen Akten ist eine beinahe gleichbleibende Tendenz festzustellen. Die Beitreibung von Pflichtabgaben und Sanktionen nimmt fortwährend prozentual leicht zu, wogegen die Zahl der Steuerangelegenheiten seit 2007 bis heute um mehr als die Hälfte abgenommen hat. Da die Bedingungen für den effektiven Rechtsschutz gegen staatliches Handeln in Russland noch nicht vollkommen gewährleistet sind, weisen die Statistiken kaum Aussagegehalt auf. In Bezug auf die Wirtschaftsgerichtsbarkeit lässt sich ­lediglich auf deren stabile Entwicklung und allmähliche Akzeptanz schließen. 41

Vgl. statt vieler Absaljamow, Administratiwnoje sudoproiswodstwo w arbitraschnom sude. Teoretiko-metodologitscheskije aspekty [Die Verwaltungsgerichtsbarkeit innerhalb der Wirtschaftsgerichte. Theoretisch-methodologische Aspekte], 2009, S.  134 f.; Lebedew,RJu 2000, Nr. 9, S. 2 ff.; zum allgemeinen Anstieg Trunk, in: Höhmann/Schröder (Hrsg.), Russland unter neuer Führung, Politik, Wirtschaft und Gesellschaft am Beginn des 21. Jahrhunderts, 2001, S. 267 (269) m. w. N. 42 Sehr kritisch Filipow, Nesawisimaja gaseta vom 17.05.2005, abrufbar unter: http://www. ng.ru/ideas/2005-05-17/11_pravo.html (Stand: 31.12.2011). 43 Vgl. oben 3. Kapitel, A. I. 44 Dazu dokumentarischer Anhang B., Tabelle 1 unter Zugrundelegung der Informationen des Obersten Wirtschaftsgerichts der RF. Entsprechende Zahlen des Obersten Gerichts der RF für die Zivilgerichtsbarkeit liegen nicht vor, da verwaltungsrechtliche Rechtssachen zu zivilrechtlichen Streitigkeiten gezählt werden. Innerhalb der ordentlichen Gerichte wird lediglich eine Unterscheidung in Straf- und Zivilgerichtsbarkeit vorgenommen.

A. Notwendigkeit der Einführung der Verwaltungsgerichtsbarkeit 

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3. Bekämpfung der Korruption



„Man müsste sich die Unbestechlichkeit bezahlen lassen können.“ Werner Schneyder45

Korruption zählt in Russland nach wie vor zu den zentralen Problemen des­ Landes. Neben organisierter Kriminalität ist sie zum „Synonym für die postsowjetische Transformation“ geworden.46 Auf dem am 17. November 2009 veröffentlichten jährlichen Korruptionswahrnehmungsindex (CPI – Corruption Perceptions Index) von Transparency International belegt Russland Platz 146 von 180 berücksichtigten Staaten.47 Gerade in Zeiten der Wirtschaftskrise verschärft sich die­ Korruptionsproblematik noch zusätzlich. a) Begriff der Korruption Der Begriff der Korruption ist in Deutschland nicht allgemeinverbindlich definiert, wird aber meist an die strafrechtlichen Gegebenheiten angelehnt.48 Unter Korruption wird danach der Missbrauch eines öffentlichen Amtes, einer Funktion in der Wirtschaft oder eines politischen Mandats zugunsten eines Anderen, auf dessen Veranlassung oder Eigeninitiative, zur Erlangung eines Vorteils für sich oder einen Dritten, mit Eintritt oder in Erwartung des Eintritts eines Schadens oder Nachteils für die Allgemeinheit […] oder für ein Unternehmen […]49

verstanden. Diese weit angelegte Definition erfasst kriminologisch zahlreiche Erscheinungsformen. b) Verbreitung der Korruption Das Phänomen der Korruption ist in Russland äußerst vielschichtig und erstreckt sich auf alle Lebensbereiche. Es erfasst Verwaltung, Justiz, Wirtschaft sowie Politik. 45

Schneyder, in: Drews (Hrsg.), Das endgültige zynische Lexikon, 1998, S. 154. Pleines, in: Höhmann/Schröder (Hrsg.), Russland unter neuer Führung, Politik, Wirtschaft und Gesellschaft am Beginn des 21. Jahrhunderts, 2001, S. 281. 47 Zusammen mit Kamerun, Ecuador, Kenia, Sierra Leone, Timor-Leste, Simbabwe und der Ukraine. Vgl. Transparency International (Hrsg.), Corruption Perceptions Index 2009, abrufbar unter: http://www.transparency.org/policy_research/surveys_indices/cpi/2009/cpi_2009_ table (Stand: 31.12.2011). 48 Herzog, in: Herzog (Hrsg.), GwG, Kommentar, 2010, Einleitung Rn. 101; Bannenberg, in: Wabnitz/Janovsky (Hrsg.), Handbuch des Wirtschafts- und Steuerstrafrechts, 3. Aufl., 2007, 10. Kapitel Rn. 8. 49 Bundeskriminalamt (Hrsg.), Korruption, Bundeslagebild 2008, S. 4, abrufbar unter: http:// www.bka.de/lageberichte/ko/blkorruption2008.pdf (Stand: 31.12.2011). 46

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4. Kap.: Entwicklungsmöglichkeiten

Die Korruption hat zwischenzeitlich in Russland gewaltige Ausmaße angenommen und sich zu einer als alltäglich wahrgenommenen Erscheinung entwickelt. Der jährliche Schaden in Euro, der durch Korruption verursacht wird, lässt sich nur ansatzweise beziffern und geht in Bereiche zwei- bis dreistelliger Milliardensummen. Die unabhängige Vereinigung der Menschenrechtsanwälte Russlands­ („Assoziazija adwokatow Rossii sa prawa tscheloweka“) schätzt ihn auf die Hälfte des russischen Bruttoinlandsprodukts.50 So ist auch die durchschnittliche Höhe der Bestechungsgelder, die an korrupte Mitarbeiter der Justiz, der Polizei oder der­ öffentlichen Verwaltung in Russland gezahlt wurde, in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen.51 Auch das russische Gerichtssystem bleibt vom Korruptionsphänomen nicht verschont. Dort hat sich eine Methode von Vermittlungsleistungen durch sog. „schwarze Anwälte“ etabliert. Diese haben sich darauf spezialisiert, Rechtssachen bei bestimmten Richtern gegen entsprechende Entlohnung einer gezielten Entscheidung zuzuführen. Bei den Anwälten handelt es sich meist um Freunde oder Verwandte der Richter. Oft empfehlen die Richter selbst „schwarze Anwälte“ oder wirken unmissverständlich auf einen Anwaltswechsel hin. Beauftragt die Partei einen solchen Anwalt nicht, wird sie in der Regel den Prozess verlieren.52 Ein solches Vorgehen ist kaum nachzuweisen und dementsprechend strafrechtlich schwer zu verfolgen. Die brisanten Beispiele der Vereinigung der Menschenrechtsanwälte53 zeigen, dass Gerichtsakte ohne die teilweise gesetzlich vorgeschriebene 50 Vereinigung der Menschenrechtsanwälte (Hrsg.), Nachrichten vom 18.08.2010, Objemy korrupzii w Rossii bjut rekordy [Das Ausmaß der Korruption in Russland bricht alle Rekorde], abrufbar unter: http://bestlawyers.ru/php/news/newsnew.phtml?id=172&idnew=38244&start=0 (Stand: 31.12.2011). 51 Nach Angaben der Abteilung für wirtschaftliche Sicherheit im Innenministerium der RF stieg die durchschnittliche Höhe der Bestechungsgelder im ersten Halbjahr 2010 deutlich auf 44.000 Rubel (= etwa 1.100 EUR). Interfax, Meldung vom 27.07.2010, Rasmer wsjatok w Rossii uwilichilsja wdwojne [Der Umfang der Bestechungen in Russland hat sich verdoppelt], abrufbar unter: http://www.interfax.ru/russia/146853 (Stand: 31.12.2011). Im Jahr 2007 soll die durchschnittliche Bestechungssumme noch 8.000 Rubel betragen haben. AHK (Hrsg.), Wirtschaftskrise verschärft Korruption in Russland, abrufbar unter: http://russland.ahk.de/ publikationen/inhalt-impuls-2010/wirtschaftskrise-verschaerft-korruption-in-russland/ (Stand: 31.12.2011). 52 Vereinigung der Menschenrechtsanwälte Russlands (Hrsg.), Doklad Korrupzija w Rossii, Nesawisimyj godowoj ottschet wserossijskoj antikorrupzionnoj obschtschestwennoj prijemnoj tschistye ruki, 02 ijulja 2009 – 30 ijulja 2010 [Bericht Korruption in Russland, Unabhängiger Jahresbericht der russlandweiten öffentlichen Antikorruptionsempfangsstelle Saubere Hände, 02. Juli 2009 – 30. Juli 2010], 2010, S. 5 ff., abrufbar unter: http://rusadvocat.com/doklad2010. doc (Stand: 31.12.2011). 53 Vereinigung der Menschenrechtsanwälte Russlands (Hrsg.), Doklad Korrupzija w Rossii, Nesawisimyj godowoj ottschet wserossijskoj antikorrupzionnoj obschtschestwennoj prijemnoj tschistye ruki, 02 ijulja 2009 – 30 ijulja 2010 [Bericht Korruption in Russland, Unabhängiger Jahresbericht der russlandweiten öffentlichen Antikorruptionsempfangsstelle Saubere Hände, 02. Juli 2009 – 30. Juli 2010], 2010, S. 6 ff., abrufbar unter: http://rusadvocat.com/doklad2010. doc (Stand: 31.12.2011).

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Anhörung von Sachverständigen zur selbstständigen Anfertigung von Urteilen bzw. Beschlüssen oder prozessualen Verfügungen an Anwälte übergeben worden sind. Noch weitreichender sind die Gesetzesverstöße in Fällen, bei denen Entscheidungen des Gerichts ergehen, ohne dass jemals ein Verfahren eingeleitet worden ist. Hierbei handelt es sich meist um Feststellungen von Eigentumsrechten. c) Reformbemühungen Aufgrund internationaler Verpflichtungen Russlands54 und der zunehmend steigenden Korruptionsproblematik waren praktische Lösungsansätze gefragt. Nach zahlreichen gescheiterten Versuchen, ein Antikorruptionsgesetz zu verabschieden, hat Russland den seit 1992 andauernden Prozess nun beendet.55 Am 25. Dezember 2008 ist das Gesetz „Über die Verhinderung der Korruption“ (KorruptG)56 in Kraft getreten. Mit dem Antikorruptionsgesetz gingen zahlreiche Änderungen weiterer Gesetze einher.57 So wurden u. a. das Gesetz „Über die Rechtsstellung der R ­ ichter“,58

54 Bereits 2006 ratifizierte die Russische Föderation das Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen Korruption (UNCAC – United Nations Convention against Corruption) und das Strafrechtsübereinkommen des Europarats über Korruption (Criminal Law Convention on Corruption). Ferner ist Russland seit 2007 Mitglied der vom Europarat gegründeten Staatengruppe gegen Korruption (GRECO – Group of States against Corruption). Vgl. http://www.unodc.org/ unodc/en/treaties/CAC/signatories.html (Stand: 31.12.2011); http://conventions.coe.int/Treaty/ Commun/ChercheSig.asp?NT=173&CM=8&DF=&CL= GER (Stand: 31.12.2011); http://www. coe.int/t/dghl/monitoring/greco/general/members_en.asp (Stand: 31.12.2011). 55 Ein Gesetzentwurf wurde schon 1992 in die Duma eingebracht. Der mehrfach über­ arbeitete Entwurf wurde unter dem Vorwand der begrifflichen Ungenauigkeit und der daraus resultierenden Unvereinbarkeit mit der Verfassung und anderen Föderalen Gesetzen abgelehnt. Auch die Gesetzesvorhaben der Jahre 2002, 2004, 2005 sowie 2006 waren erfolglos. Nachmann/Wienold, WiRO 2009, S.  146. Positiv ist dennoch anzumerken, dass in den Jahren 2003–2007 der Rat zur Bekämpfung der Korruption beim Präsidenten der Russischen­ Föderation („Sowjet pri Presidente Rossijskoj Federazii po borbje s korrupzijej“) seine beratende Funktion wahrgenommen hat. Mit dem Ukas Presidenta RF ot 19.05.2008, N 815 (red. ot 01.07.2010) „O merach po protiwodejstwiju korrupzii“ [Ukas des Präsidenten der RF vom 19.05.2008, Nr.  815, in der Redaktion vom 01.07.2010 „Über die Maßnahmen zur Verhinderung der Korruption“], SZ 2008, Nr. 21, Pos. 2429 wurde dann der Rat zur Verhinderung der Korruption beim Präsidenten der Russischen Föderation („Sowjet pri Presidente Rossijskoj Federazii po protiwodejstwiju korrupzii“) gegründet. Burawlew, GiP 2008, Nr. 11, S. 98 (99); zur früheren Rechtslage vgl. Luneew, GiP 2007, Nr. 11, S. 20 ff.; ders., GiP 2000, Nr. 11, S. 23 ff. 56 Federalnyj sakon ot 25.12.2008, N 273-FS „O protiwodejstwii korrupzii“ [Föderales Gesetz vom 25.12.2008, Nr. 273-FS „Über die Verhinderung der Korruption], SZ 2008, Nr. 52 (Teil I), Pos. 6228. Deutsche Übersetzung des Gesetzes bei Nachmann/Wienold, WiRO 2009, S. 146 ff. 57 Neben dem KorruptG wurden drei weitere Änderungsgesetze verabschiedet, die Modifikationen in insgesamt 24 Gesetzesakten vorsehen. 58 Sakon Rossijskoj Federazii ot 26.06.1992, N 3132-1 (red. ot 29.03.2010) „O statuse sudjej w Rossijskoj Federazii“ [Gesetz der Russischen Föderation vom 26.05.1992, Nr. 3132-1, in der Redaktion vom 29.03.2010 „Über die Rechtsstellung der Richter“], RG Nr.  170 vom 29.07.1992.

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4. Kap.: Entwicklungsmöglichkeiten

das Gesetz „Über die Rechtsstellung der Mitglieder des Föderationsrats und der Abgeordneten der Staatsduma“,59 das Gesetz „Über die Zentralbank“60 sowie das Gesetz „Über den Rechnungshof“61 angepasst. Danach sind beispielsweise alle Richter sowie staatliche und kommunale Angestellte zur Offenlegung ihrer Einkünfte, Vermögensverhältnisse und Forderungen mit Vermögenscharakter verpflichtet. Ferner müssen entsprechende Angaben der Ehepartner sowie minderjähriger Kinder veröffentlicht werden.62 d) Korruptionsgesetz im Detail Die gesetzliche Grundlage der Korruptionsbekämpfung bildet im Detail seit 2008 das KorruptG. Dessen Verabschiedung geht mit Präsident Medwedjews Erklärung des „entschiedenen Kampfes gegen die Korruption“ als eine der bedeutsamsten Aufgaben Russlands einher.63 Der russische Gesetzgeber hat in Art. 1 Abs. 1 KorruptG eine Legaldefinition verankert. Das KorruptG definiert die Korruption als Amtsmissbrauch, Gewährung von Bestechungsgeldern, Annahme von Bestechungsgeldern, Missbrauch von Befugnissen, kommerzielle Bestechung oder sonstige unerlaubte Ausnutzung der Amtsbefugnisse durch eine natürliche Person entgegen den gesetzlichen Interessen der Gesellschaft und des Staates zum Zwecke der Erlangung von Vorteilen in Form von Geld, Wertgegenständen, anderem Vermögen oder Leistungen mit Vermögenscharakter, sonstigen Vermögensrechten für sich selbst oder Dritte oder die ungesetzliche Gewährung eines solchen Vorteils durch die betreffende Person an Dritte. Dem sind Ausführungen derartiger Handlungen im Namen oder Interesse juristischer Personen gleichgestellt. Um die tatsächlichen russischen Verhältnisse zu verstehen, ist es zweckmäßig von einem weiten Verständnis hinsichtlich des Begriffs „Missbrauch“ auszugehen. Folglich sind dann nicht nur die direkten Transfers von Bestechungszahlungen er 59 Federalnyj sakon ot 08.05.1994, N 3-FS (red. ot 27.07.2010) „O statuse tschlena Sowjeta Federazii i statuse deputata Gosudarstwennoj Dumy Federalnogo Sobranija Rossijskoj Federazii“ [Föderales Gesetz vom 08.05.1994, Nr. 3-FS, in der Redaktion vom 27.07.2010 „Über die Rechtsstellung der Mitglieder des Föderationsrats und der Abgeordneten der Staatsduma der Föderalen Versammlung der Russischen Föderation“], SZ 1994, Nr. 2, Pos. 74. 60 Federalnyj sakon ot 10.07.2002, N  86-FS (red. ot 25.11.2009) „O Zentralnom banke­ Rossijskoj Federazii (Banke Rossii)“ [Föderales Gesetz vom 10.07.2002, Nr.  86-FS, in der­ Redaktion vom 25.11.2009 „Über die Zentralbank der Russischen Föderation (Bank Rossii)“], SZ 2002, Nr. 28, Pos. 2790. 61 Federalnyj sakon ot 11.01.1995, N  4-FS (red. ot 05.04.2010) „O Stschetnoj palate Rossijskoj Federazii“ [Föderales Gesetz vom 11.01.1995, Nr.  4-FS, in der Redaktion vom 05.04.2010 „Über den Rechnungshof der Russischen Föderation“], SZ 1995, Nr. 3, Pos. 167. 62 Vgl. Himmelreich, WiRO 2009, S. 115 f. 63 Frankfurter Allgemeine Zeitung, Nr.  264 vom 13.11.2008, S.  1; Burawlew, GiP 2008, Nr. 11, S. 98 (99) m. w. N.

A. Notwendigkeit der Einführung der Verwaltungsgerichtsbarkeit 

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fasst, sondern vielmehr das zugrunde liegende gegenseitige Vertrauensverhältnis und eine generelle Bestechlichkeit vieler Staatsbeamter.64 Im KorruptG werden wesentliche Prinzipien der Korruptionsbekämpfung festgeschrieben. Die Hauptausrichtung des Gesetzes liegt bei den präventiven Maßnahmen zur Korruptionsvorbeugung. Ferner werden die Ziele für die Bekämpfung der Korruption im Bereich der staatlichen Politik sowie rechtliche Grundlagen für die Errichtung von Koordinationsorganen (Art. 5 Abs. 5 KorruptG) festgelegt. Einen Schwerpunkt des Gesetzes bilden vor allem Präventionsmaßnahmen gegen alle kommunalen und staatlichen Bediensteten, wie z. B. die Offenlegungsverpflichtung der Einkommens- und Eigentumsverhältnisse. Zudem müssen diese alle Versuche der Bestechung an den Arbeitgeber, die Behörden der Staatsanwaltschaft oder andere Staatsorgane melden.65 e) Notwendigkeit weiterer Reformen Eine weitere grundlegende Möglichkeit der Bekämpfung von Korruption sehen viele russische Rechtswissenschaftler in der Einrichtung von eigenständigen Verwaltungsgerichten.66 Die Errichtung eines spezialisierten Verwaltungsgerichtsverfahrens und die Schaffung von Verwaltungsgerichten bezeichnet Starilow als „bremsenden Faktor“ bei der Ausbreitung von Korruption, unter der die Einstellung zu Recht und Gesetz leidet und die zum Verfall der Demokratie führt. Insofern sieht Starilow die Rechtsordnung, d. h. auch die Gewährleistung der Rechte und Freiheiten der Bürger, in Gefahr.67 Die Verwaltungsgerichte könnten mit ihrer speziellen Ausrichtung nicht nur den gerichtlichen Schutz der Rechte und Freiheiten der Bürger gewährleisten, sondern hätten ebenso eine psychologische Präventivfunktion.68 Eine stabile und einheitliche Rechtsprechung im Bereich der Verwaltungsstreitigkeiten, die derzeit in Russland noch nicht gegeben ist, würde möglicherweise das Vertrauen der Bürger stärken.69 Die Wiederherstellung ver 64 So Pleines, in: Höhmann/Schröder (Hrsg.), Russland unter neuer Führung, Politik, Wirtschaft und Gesellschaft am Beginn des 21. Jahrhunderts, 2001, S. 281 (282). Pleines beschreibt Korruption demnach nicht nur als „Summe einzelner Bestechungsakte“, sondern unter den­ russischen Umständen vielmehr als „Organisationsprinzip innerhalb einer Gesellschaft.“ 65 Nachmann/Wienold, WiRO 2009, S. 146. 66 So Starilow, Gerichtliche Verwaltungskontrolle im System des russischen Staats- und Verwaltungsrechts, 1999, S. 105. 67 Starilow, Gerichtliche Verwaltungskontrolle im System des russischen Staats- und Verwaltungsrechts, 1999, S. 106 ff. 68 Dazu Starilow, Gerichtliche Verwaltungskontrolle im System des russischen Staats- und Verwaltungsrechts, 1999, S. 108. 69 Nach einer Untersuchung des Soziologischen Instituts der Russischen Akademie der Wissenschaften in Zusammenarbeit mit der Friedrich-Ebert-Stiftung haben 53 % der russischen Bevölkerung kein Vertrauen gegenüber Gerichten. Vertrauen zum Justizsystem haben nur 19 % der Bevölkerung (2008: 22 %, 2009: 20 %). Krumm, Russland-Analysen 2010, Nr. 205, S. 3 ff.

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4. Kap.: Entwicklungsmöglichkeiten

letzter Rechte und Freiheiten70 sowie die Durchsetzung von öffentlich-rechtlichen Ansprüchen durch die Verwaltungsgerichte könnten dauerhaft  – auch wenn es einen langen Prozess des Umdenkens in der Bevölkerung erfordert – zu einer Verringerung der Korruptionsfälle führen. Ein wichtiger Grund für die Verbreitung der Korruption im Staatsdienst liegt u. a. im unterbezahlten Verwaltungsapparat.71 Ferner sind die Schwächen und die fehlende Systematik der Gesetzgebung auf dem Gebiet der Staats- und Munizipalorgane72 eine der Hauptursachen für die Ausbreitung.73 Ohne eine Reformierung und die Transparenz des Staats- und Munizipaldienstes ist die erfolgreiche Bekämpfung der Korruption nahezu undenkbar.74 Insgesamt ist festzuhalten, dass die aufgezeigten Gesetzesvorstöße allenfalls ein Signal senden. Diese versuchen zwar, die Symptome der Korruption zu bekämpfen, setzen aber nicht bei den Ursachen an. Solange Anreize in Form lukrativer Nebeneinkünfte bestehen, werden sicherlich auch in Zukunft Auswege gefunden werden. Es bedarf vielmehr eines durch Sanktionen geprägten Rechtsbewusstseins sowie einer Abkehr vom Status der Normalität, den Korruption in der russischen Gesellschaft besitzt. Dies ist nur im Wege der Durchbrechung eingespielter­ Strukturen möglich. Ferner sind eine effektive Kontrolle durch die emanzipierte Beteilung der Öffentlichkeit sowie eine freie Medienlandschaft unerlässlich.75 Die Bevölkerung erwartet einerseits vom Staat rechtsstaatliche Regeln, sieht in ihm, seinen Beamten und Rechtsschutzorganen jedoch auch – gerade wegen der verbreiteten Korruption – das größte Hindernis im Modernisierungsprozess.76 Solange die Bereitschaft besteht, dafür zu zahlen, dass man selbst keine Nachteile­ erfährt oder schneller zu seinem Recht kommt, lässt sich das Phänomen der Korruption nur schwer beseitigen. 70 Über 60 % der russischen Bevölkerung sind in Bezug auf die Beziehung zwischen Bürgern und Obrigkeit nicht der Meinung, dass sie ihre Interessen oder Rechte einklagen können, wenn diese verletzt werden. Quelle: Umfragen des Lewada-Zentrums vom 18.–22.06.2010, http:// www.levada.ru/press/2010062501.html (Stand: 31.12.2011). 71 So auch Wolff, Systemtransformation in der Theorie und in der Praxis am Beispiel Russlands, 2007, S. 23. Vgl. auch Nachmann/Wienold, WiRO 2009, S. 146; Trunk, in: Höhmann/ Schröder (Hrsg.), Russland unter neuer Führung, Politik, Wirtschaft und Gesellschaft am Beginn des 21. Jahrhunderts, 2001, S. 267 (270). 72 Zum Staatsdienst in der Russischen Föderation vgl. Starilow, Neue Reformansätze im­ russischen Dienstrecht, 2. Aufl., 1994; ders., Osteuropa-Recht 1997, S. 122 ff. 73 Ausführlich dazu Burawlew, GiP 2008, Nr.  11, S.  98  ff; Starilow, Gerichtliche Verwaltungskontrolle im System des russischen Staats- und Verwaltungsrechts, 1999, S. 109. 74 Absaljamow, Administratiwnoje sudoproiswodstwo w arbitraschnom sude. Teoretiko-meto­ dologitscheskije aspekty [Die Verwaltungsgerichtsbarkeit innerhalb der Wirtschaftsgerichte. Theoretisch-methodologische Aspekte], 2009, S. 135. 75 Vgl. auch Nachmann/Wienold, WiRO 2009, S. 146 ff. 76 Nach einer Umfrage des Soziologischen Instituts der Russischen Akademie der Wissenschaften in Zusammenarbeit mit der Friedrich-Ebert-Stiftung erwarten 38 % der Bürger von der Modernisierung den Kampf gegen Korruption, 49 % sehen die Bekämpfung der Korruption sogar als Hauptziel der Modernisierungsprozesse an. Krumm, Russland-Analysen 2010, Nr. 205, S. 3 f.

A. Notwendigkeit der Einführung der Verwaltungsgerichtsbarkeit 

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Korruptionsbekämpfung ist keine Frage der Ausgestaltung des Gerichtssystems, sondern vielmehr der Ausrichtung und Stabilität des gesamten politischen Systems.77 Grundsätzlich sind in diesem Hinblick zwei Wege aus dem Dilemma denkbar – entweder durch die autokratische oder die freiheitlich demokratische Herrschaftsform. Russland hat sich bisher weder für die eine noch die andere Richtung entschieden. Zu Recht wird die Russische Föderation oft als gelenkte Demokratie charakterisiert. Auch die Einführung von Verwaltungsgerichten wird an dem Phänomen der Bestechlichkeit wenig ausrichten können. Die gewohnten Strukturen werden sich ebenfalls bei einer neuen Art von Gerichten schnell etablieren können. Ein unbestechliches System ist entgegen Schneyders zynischem Wunsch einfach unbezahlbar. 4. Entlastung der Zivil- und Wirtschaftsgerichte Die Überlastung der Gerichte führt zu einer ernsthaften Einschränkung prozessualer Garantien der Bürger, vor allem des Rechts auf effektiven Rechtsschutz. Eine sehr hohe Arbeitsbelastung der Richter, unzumutbare Arbeitsbedingungen, eine unzureichende Ausstattung mit technischen Mitteln sowie veraltete Methoden der Bearbeitung und Führung von Prozessakten gehören in Russland zum Gerichtsalltag.78 Daher verwundert es nicht, dass sich die Mehrzahl der Richter für die Schaffung von eigenständigen Verwaltungsgerichten ausspricht.79 Ferner liegt der Zweispurigkeit des russischen Gerichtssystems mit ordentlicher Gerichtsbarkeit und Wirtschaftsgerichtsbarkeit offenbar nicht die Gleichartigkeit der Rechtsbeziehungen zugrunde.80 Demzufolge ist es zweckmäßiger, die Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte nach der Art der zu entscheidenden Streitigkeit, d. h. nach­ öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Natur zu bestimmen und zwar unabhängig davon, welche Parteien beteiligt sind. 77

Zum Zusammenhang von politischem System und Korruption vgl. Lederman/Loayza/ Soares, Economics & Politics 2005, Vol. 17, No. 1, S. 1 ff. 78 Bei einem Forschungsaufenthalt in Moskau konnte die Arbeit des Moskauer Rayon­ gerichts verfolgt werden. Die Sitzungen fanden zum Teil in Richterzimmern statt, während vier bis fünf andere Richter im selben Raum parallel arbeiteten. Die Gerichtsverhandlungen waren in einem Abstand von fünfzehn Minuten angesetzt. Dies führte dazu, dass sich die Folgetermine um mehrere Stunden verzögern konnten. Für die wartenden Parteien und Zeugen gab es keinerlei Aufenthalts- oder Sitzmöglichkeiten. Das Problem der Überlastung von Gerichten ist bereits seit den neunziger Jahren offenkundig. Vgl. Reschenije Sowjeta po sudebnoj reforme pri Presidente RF ot 12.03.1997, N 4 „Ob obespetschenii dostupnosti prawosudija i­ bystroty ego osuschestwlenija“ [Entscheidung des Rats für die Gerichtsreform beim Präsidenten der RF vom 12.03.1997, Nr. 4 „Über die Gewährleistung des Zu­gangs zur Rechtsprechung und die Schnelligkeit ihrer Durchführung“], RJu 1997, Nr. 6, S. 6. Ferner Wedde, RusslandAnalysen 2004, Nr. 32, S. 7. 79 So auch Salischtschewa/Chamanewa, GiP 2002, Nr. 1, S. 5 (7). 80 Radtschenko, RJu 2004, Nr. 3, S. 2 (4); Starilov, Osteuropa-Recht 1998, S. 217 (245).

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4. Kap.: Entwicklungsmöglichkeiten

Die Schaffung eines Verwaltungsgerichtsverfahrens in eigenständigen spe­ zialisierten Gerichten kann dazu beitragen, die Überlastung von Richtern der ordentlichen Gerichtsbarkeit und der Wirtschaftsgerichtsbarkeit abzubauen sowie Arbeitsbedingungen zu optimieren.81 Daneben ist eine positive Wirkung auf die Qualität der Verhandlungen und die Garantie einer gesetzmäßigen Recht­ sprechung möglich. Im Verlauf eines Reformprozesses erscheint auch die schrittweise Errichtung weiterer besonderer Verwaltungsgerichte sinnvoll, wie z. B. Finanz- oder Sozial­ gerichte, die auf bestimmte Bereiche der öffentlichen Verwaltung ausgerichtet sind. 5. Defizite des derzeit geltenden Rechts a) Gestaltung und Systematik der Kodifikationen Seit Beginn der neunziger Jahre ist Russland in einem ständigen Reformierungsprozess. Davon ist vor allem die Gesetzgebung betroffen. Das neue politische System erforderte eine Vielzahl neuer Gesetze, die in kürzester Zeit konzipiert werden mussten. Die mangelnde Tradition einer rechtsdogmatischen Auseinandersetzung hat das zeitliche Problem zusätzlich verschärft. Im derzeit geltenden Recht sind die Folgen noch immer deutlich erkennbar. So ist das russische Rechtssystem geprägt durch eine unpräzise Konzeption und Formulierung der Gesetze, eine ­unausgereifte Gesetzgebungstechnik und die widersprüchliche Einbindung der Gesetze in das bestehende Normensystem.82 Der russische Gesetzgeber neigt dazu, Gesetze ihrem Stil nach lehrbuchhaft und für Laien zu formulieren, was allerdings nicht mit einer leichteren Verständlichkeit einhergeht. Nach amerikanischem Vorbild werden häufig Begriffe am Anfang der Gesetze ausführlich definiert. Die teils unpräzisen Definitionen, der übermäßige Umfang sowie die Detailliertheit der Regelungen genügen kaum den Anforderungen an den Grundsatz der Normenbestimmtheit und Normenklarheit. Dies lässt der gesetzesausführenden Verwaltung viel Spielraum bei der Auslegung und Anwendung der Normen.83 Ein weiteres typisches Merkmal des russischen Rechtssystems stellt die Vielzahl gesetzlicher und untergesetzlicher Normen dar. Im Zuge des Transforma­ 81 Starilow, Gerichtliche Verwaltungskontrolle im System des russischen Staats- und Verwaltungsrechts, 1999, S. 105. Allgemein zum Aspekt der Überlastung der Rechtspflege vgl. auch Schmidt-Jortzig, NJW 1994, S. 2569 (2573). 82 Dazu auch Nußberger, Russland-Analysen 2004, Nr. 32, S. 2 (3). 83 Detailliert auch Nußberger, Russland-Analysen 2004, Nr. 32, S. 2 (3). Zum rechtsstaatlichen Gebot der Normenbestimmtheit und Normenklarheit vgl. BVerfGE 83, 130 (145); 86, 288 (311); 108, 52 (75); 110, 33 (57).

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tionsprozesses entstanden Widersprüche, die einerseits auf die gleichzeitige Geltung von Rechtsakten verschiedener Gesetzgebungsgenerationen zurückzuführen sind. Andererseits ergeben sich Unsicherheiten aus den teilweise parallel ergangenen Gesetzgebungsakten föderaler sowie regionaler Gesetzgebung.84 Insofern wird die in Art. 15, 76 Verf RF verankerte Normenhierarchie faktisch außer Kraft gesetzt. Überdies werden Ukase des Präsidenten und Regierungsverordnungen wiederholt unter Missachtung des für bestimmte Fälle vorgesehenen Gesetzes­ vorbehalts erlassen.85 b) Einheitlichkeit der Rechtsprechung Das russische Gerichtssystem ist bei der Verhandlung von öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten durch eine Zweiteilung zwischen den ordentlichen Gerichten und Wirtschaftsgerichten geprägt. Diese Aufspaltung führt zwangsläufig zu einer uneinheitlichen Rechtsprechung. Häufig verhandeln sowohl die ordentlichen Gerichte als auch die Wirtschaftsgerichte auf der Grundlage derselben materiellen Normen. Nicht selten kommen sie in ihren Urteilen zu widersprüchlichen Ergebnissen. Auf dieses Phänomen, das zur Diskreditierung des Gerichtssystems führt, machte bereits 2002 der damalige Präsident Putin aufmerksam.86 Am besten lässt sich die Problematik am Beispiel der Normenkontrolle auf­ zeigen. Neben den ordentlichen Gerichten sind auch die Wirtschaftsgerichte für das Normenkontrollverfahren zuständig. Werden durch dieselbe Rechtsnorm ein Bürger und ein Unternehmen gleichzeitig in ihren Rechten berührt, so überprüfen verschiedene Gerichte diese Norm darauf, ob sie mit höherrangigem Recht vereinbar ist. Dies kann bei widersprüchlichen Urteilen zu gravierenden Rechtsunsicherheiten führen.87 Verschärft wird dieser Umstand ferner durch die unterschiedliche Befugnisweite der jeweiligen Gerichte. Im Gegensatz zu den Wirtschaftsgerichten verfügen die ordentlichen Gerichte über eine Verwerfungsbefugnis. Die Wirtschaftsgerichte können lediglich mit der Erklärung der Rechtswidrigkeit bzw. der Unvereinbarkeit der angefochtenen Rechtsnorm mit­ höherrangigem Recht eine Verpflichtung an das zuständige Organ aussprechen.

84 Trunk, in: Höhmann/Schröder (Hrsg.), Russland unter neuer Führung, Politik, Wirtschaft und Gesellschaft am Beginn des 21. Jahrhunderts, 2001, S. 267 (269); Spitsa/Lowitzsch, WiRO 2000, S. 138 f. Diese Unsicherheiten ergeben sich teils aus dem Bestreben der einzelnen Föderationssubjekte vor allem nach größerer wirtschaftlicher Unabhängigkeit, teils aus der­ größeren Reformbereitschaft der Subjekte der RF. 85 Spitsa/Lowitzsch, WiRO 2000, S. 138 (139). 86 Putin, RG Nr. 71 vom 19.04.2002. 87 Dazu bereits oben 3.  Kapitel, B. I. 2.  ee)  (1). Vgl. Reitemeier, Osteuropa-Recht 2003, S.  121 (127); Wedde, Russland-Analysen 2004, Nr.  32, S.  7; Piksin/Dethloff, Die Wirt­ schaftsprozeßordnung der Russischen Föderation, 2005, S.  40; ferner Schenke, DÖV 1982, S. 709 ff.

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4. Kap.: Entwicklungsmöglichkeiten

Dieses muss daraufhin den rechtswidrigen Akt mit dem höherrangigen Recht in Einklang bringen.88 Für die Lösung des Problems wurde teils ein gemeinsames oberstes Gericht, teils ein eigenständiger Verwaltungsgerichtszweig vorgeschlagen. Allein durch informelle Absprachen der Gerichte kann ein Auseinanderdriften in der Rechtsprechung nicht erreicht werden,89 da die entscheidenden Gerichte meist keine Kenntnis von parallel laufenden Verfahren haben. Der russische Gesetzgeber hat sich jüngst für einen anderen Weg entschieden. Durch das Änderungsgesetz vom 29. März 201090 wurde Art. 12 WiGG um einen Absatz erweitert, der die Durchführung gemeinsamer Sitzungen91 der Plenen des Obersten Gerichts der RF und des Obersten Wirtschaftsgerichts der RF vorsieht, wenn es für notwendig erachtet wird. c) Verfahrens- und Vollstreckungsdauer Nach BVerfG bedeutet wirksamer Rechtsschutz „zumal auch Rechtsschutz innerhalb angemessener Zeit“.92 Zwar sind in der Russischen Föderation recht enge gesetzliche Fristen für die Gerichtsurteile vorgesehen, doch ist deren Einhaltung nicht immer gewährleistet. Gleichwohl ist eine positive Tendenz vor den Appellations- und Kassationsinstanzen zu verzeichnen. Nach Angaben des Obersten Wirtschaftsgerichts der RF wurden im ersten Halbjahr 2010 in der ersten Instanz 7,3 %, in der Appellationsinstanz 3,5 % und in der Kassationsinstanz 3,3 % der Rechtssachen unter Verstoß gegen die gesetzlichen Fristen verhandelt.93 88 Vgl. Ausführungen unter 3. Kapitel, B. II. 7. a) sowie dd). Nach derzeit geltendem Recht der RF haben die Gerichte ferner keine Möglichkeit, rechtswidrige Verwaltungsentscheidungen zu beseitigen. Die Entscheidung des Gerichts über die Anfechtung nichtnormativer Akte beschränkt sich lediglich auf die Feststellung der Rechtswidrigkeit des Aktes und die Auferlegung einer Verpflichtung zur Beseitigung der Rechtsverletzung an das handelnde Verwaltungsorgan. Absaljamow, Administratiwnoje sudoproiswodstwo w arbitraschnom sude. Teoretiko-metodologitscheskije aspekty [Die Verwaltungsgerichtsbarkeit innerhalb der Wirtschaftsgerichte. Theoretisch-methodologische Aspekte], 2009, S. 132. 89 A. A. Wedde, Russland-Analysen 2004, Nr. 32, S. 7. 90 Federalnyj konstituzionnyj sakon ot 29.03.2010, N 2-FKS „O wnessenije ismenenija w statju 12 Federalnogo konstituzionnogo sakona ‚Ob arbitraschnych sudach w Rossijskoj Federazii‘“ [Föderales Verfassungsgesetz vom 29.03.2010, Nr. 2-FKS „Über die Änderung des Art. 12 des Föderalen Gesetzes ‚Über die Wirtschaftsgerichte in der Russischen Föderation‘“], SZ 2010, Nr. 14, Pos. 1548. 91 Mit Art. 12 Abs. 4 WiGG ist eine gesetzliche Grundlage für die Durchführung gemeinsamer Sitzungen geschaffen worden. Allerdings fanden solche auch schon in der Vergangenheit zum Festlegen einheitlicher rechtlicher Standpunkte statt. Himmelreich, WiRO 2010, S. 216. 92 BVerfGE 55, 349 (369). 93 Im ersten Halbjahr 2009 betrug der Anteil in der ersten Instanz 6,6 %, in der Appella­tions­ instanz 10,1 % und in der Kassationsinstanz 10,9 %. Vgl. Informationen des Obersten Wirtschaftsgerichts der RF, abrufbar unter: http://www.arbitr.ru/_upimg/667B035EB4C14ADF163720095 AADBEF1_%D0 % BD%D0 %B0 %D1 %80 %D1 %83 %D1 %88 %D0 %B5 %D0 %BD%D0 % B8 %D0 %B5 %20 %D1 %81 %D1 %80 %D0 %BE%D0 %BA%D0 %BE%D0 %B2.pdf (Stand: 31.12.2011).

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In Russland kann vergleichsweise94 schnell ein Endurteil erlangt werden. Dagegen dauert die Vollstreckung, insbesondere gegen den russischen Staat,95 ausgesprochen lange. Die Überlastung und Willkür der Gerichtsvollzieher sowie die ungenügende Ausstattung beeinträchtigen die Vollstreckung enorm.96 Abhilfe soll das Gesetz „Über die Entschädigung“ schaffen und damit mehr Rechtsschutz bieten. Die Fristen in den Prozessgesetzen werden nicht verändert, sondern dem ­Bürger wird ein Ausgleichsmechanismus bei Fristüberschreitung zur Seite gestellt. Mangels des Anwaltszwangs vor Gerichten aller Instanzen erscheint es zweifelhaft, ob das Entschädigungsverfahren mehr Rechtsschutz für die zumeist rechtsunkundigen Bürger bedeutet. Denn künftig müssen sie aktiver am Verfahren mitwirken und Verzögerungen unverzüglich rügen, um einen späteren Ausgleichsanspruch geltend machen zu können. Russland ist gefordert, weitere durchgreifende Reformen im Bereich des Gerichtsvollstreckungssystems durchzuführen. Es hat den Anschein, dass Russland lieber Entschädigungszahlungen leistet als grundlegend etwas an der Sache zu ändern.97 d) Ausgleichsmöglichkeiten Dem Föderationsrat zufolge stehen ca. 20 % der regionalen Rechtsakte im Widerspruch zur föderalen Gesetzgebung.98 Bei der Gestaltung der Gesetze ist in erster Linie der Gesetzgeber gefragt. Doch vor allem im Rahmen des Normenkontrollverfahrens könnten Verwaltungsgerichte auf eine einheitliche Auslegung, Norminterpretation und Rechtsprechung hinwirken. Allein die Errichtung eines gemeinsamen Obersten Gerichts kann der Problematik zwar entgegenarbeiten, doch völlig beseitigt wird sie dadurch nicht. Ungelöst bleibt der Aspekt der Widersprüchlichkeit bei den unterinstanzlichen Gerichten. Der Bürger wäre gezwungen, stets den gesamten Instanzenzug bis zum gemeinsamen Obersten Gericht zu durchschreiten, um eine endgültige gerichtliche Klärung herbeizuführen. Die Neuregelung zur Durchführung gemeinsamer Sitzungen ist bereits ein Schritt in die richtige Richtung. Sie geht aber nicht weit genug, da Art. 12 Abs. 4 2. HS WiGG („sofern sie notwendig ist“) einen zu weiten Spielraum für die Gerichte einräumt. 94 In der Bundesrepublik Deutschland dauern die erstinstanzlichen Verfahren vor den Verwaltungsgerichten im Bundesdurchschnitt 12,3 Monate. In den einzelnen Ländern weichen die Zahlen jedoch deutlich vom Bundesdurchschnitt ab. Die kürzeste durchschnittliche Verfahrensdauer beträgt 5,1 Monate, die längste 32,0 Monate. Vgl. Informationen des Bundesminis­ teriums der Justiz, abrufbar unter: http://www.bmj.bund.de/enid/Rechtspflege/Rechtsschutz_ bei_ueberlanger_Verfahrensdauer_1ot.html (Stand: 31.12.2011). 95 Dazu bereits Ausführungen unter 3. Kapitel, B. I. 9. b). 96 So auch Wedde, Russland-Analysen 2004, Nr. 32, S. 7. 97 Nußberger/Marenkov, Russland-Analysen 2007, Nr. 140, S. 5 (6). 98 Spitsa/Lowitzsch, WiRO 2000, S. 138 (139);

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4. Kap.: Entwicklungsmöglichkeiten

Die Vereinheitlichung der Gerichte hat das Potenzial, widersprüchlichen Entscheidungen in jeder Instanz entgegenzuwirken. So können Verwaltungsgerichte einen idealen Ausgleich zwischen dem Gebot des umfassenden Rechtsschutzes für den Einzelnen und der Einheitlichkeit der Entscheidungen herstellen.99 Da auch im modernen Russland die ausführende Gewalt im staatlichen Gefüge an Einfluss und Macht gewonnen hat, bedarf es einer Kontrollinstanz, die in Form einer ­unabhängigen Verwaltungsgerichtsbarkeit realisiert werden kann.100 6. Selbstkontrolle der Verwaltung Die Verwaltungsrechtsprechung übernimmt in einem komplementären Verhältnis zur Selbstkontrolle der Verwaltung die Fremdkontrolle im Interesse des Einzelnen und der Gesellschaft.101 Das Durchlaufen eines Vorverfahrens ist in Russland vor den Wirtschaftsgerichten sowie vor den ordentlichen Gerichten in äußerst wenigen Fällen obligatorisch.102 Den Beteiligten bleibt es überlassen, ob sie ein zeitintensives behördliches Verfahren durchlaufen oder sich sofort an eine unabhängige Instanz wenden. Faktisch geht ihnen jedoch bei Letzterem eine Instanz verloren. Ein direkter ­Zugang zu den Gerichten ist zwar als ein starkes rechtsstaatliches Mittel anzusehen, fördert aber die Selbstkontrollfunktion der Verwaltung kaum. Die damit nur unzureichend ausgestaltete Selbstkontrolle der russischen Verwaltung sollte durch eine verwaltungsgerichtliche Fremdkontrolle kompensiert werden. Auch vor dem Hintergrund der stark verbreiteten Korruption103 scheint eine judikative Fremdkontrolle als Ergänzung zur Selbstkontrolle sinnvoll.

III. Außenpolitische Aspekte 1. Anpassung an internationale Standards Seit dem Ende der bipolar ausgerichteten Weltordnung unterliegt Russland einem außenpolitischen Wandel, der durch die Suche nach der eigenen Position im Werte- und Systemwettbewerb bestimmt ist. Mit einer ambitionierten strate 99

Zur Diskussion in der Bundesrepublik vgl. Baur, DRZ 1949, S. 395 ff. Zur Kontrollfunktion einer unabhängigen Verwaltungsgerichtsbarkeit in Deutschland vgl. Bachof, DRZ 1950, S. 169 (170). 101 Ausführlich zum Verhältnis der Komplementarität Jochum, Verwaltungsverfahrensrecht und Verwaltungsprozeßrecht, 2004, S. 60 ff.; weiterführend Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. 5, 3. Aufl., 2007, § 99 Rn. 231 ff. 102 Ausführungen dazu unter 3. Kapitel, B. I. 6. sowie II. 6.  103 Vgl. dazu unter 4. Kapitel, A. II. 3.  100

A. Notwendigkeit der Einführung der Verwaltungsgerichtsbarkeit 

205

gischen Ausrichtung sieht Russland nun seine Rolle als „aktiver und angesehener Teilnehmer“, aber auch als Großmacht in der multipolaren Weltordnung.104 Mit der Übernahme völkerrechtlicher Rechte und Pflichten der ehemaligen UdSSR durch die Russische Föderation als Fortsetzerstaat erfolgte die Weiterführung der Mitgliedschaft im Sicherheitsrat und in anderen Organen der Vereinten Nationen.105 Bereits seit 1991 arbeitet Russland im Bereich der Verteidigungsund Sicherheitspolitik mit der NATO zusammen. In diesem Rahmen wurde im Mai 2002 der NATO-Russland-Rat (NRR) gegründet. Der NRR hatte seine Arbeit aufgrund des Georgienkonflikts im August 2008 vorübergehend eingestellt, am 29. Juni 2009 aber wieder aufgenommen.106 Außenpolitisch sind für Russland überdies die Gründung der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) im Jahr 1991, der Beitritt zum Europarat im Jahr 1996 und die darauf folgende Unterzeichnung der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK)107 sowie der Abschluss des Partnerschafts- und Kooperations­ 104

Medwedjew, Rossija, wperjod! [Russland, vorwärts!], abrufbar unter: http://kremlin.ru/ news/5413 (Stand: 31.12.2011). Zu den nach Medwedjew realisierbaren Plänen gehören der „Entwicklungsplan für die Russische Föderation“ (Strategie 2020), das neue außenpolitische Konzept und die neue nationale Sicherheitsstrategie. Monaghan, IP September/Oktober 2010, S. 50 ff. sowie Ronellenfitsch, Louis L’Amour und das Völkerrecht (Public International Law), 2008, S. 197. 105 Obwohl vom Rat der Staatschefs bei seinem Treffen am 20.03.1992 in Kiew festgestellt wurde, dass die neuen Staaten der GUS gleichberechtigte Nachfolger der UdSSR sind (Dismembration), konnte die Russische Föderation die Stelle der ehemaligen UdSSR einnehmen, da sowohl die UN als auch ihre Mitgliedsstaaten dies stillschweigend akzeptierten. Dazu­ Hailbronner, in: Graf Vitzthum (Hrsg.), Völkerrecht, 5. Aufl., 2010, III Rn. 185; Klein, in: Graf Vitzthum (Hrsg.), Völkerrecht, 5. Aufl., 2010, IV Rn. 71. 106 Vgl. Länderinformationen des Auswärtigen Amtes, abrufbar unter: http://www.auswaer tiges-amt.de/diplo/de/Laenderinformationen/RussischeFoederation/Aussenpolitik.html (Stand: 31.12.2011). 107 Am 13.03.1998 hat der Föderationsrat der Föderalen Versammlung Russlands die Ratifikation der EMRK gebilligt. In diesem Zusammenhang wurde in Russland durch einen Ukas des Präsidenten das Amt eines Bevollmächtigten der Russischen Föderation beim Euro­päischen Gerichtshof für Menschenrechte geschaffen. Vgl. Ukas Presidenta RF ot 29.03.1998, N 310 (red. ot 06.07.2010) „Ob Upolnomotschennom Rossijskoj Federazii pri Jewroperjskom sude po prawam tscheloweka – samestitele Ministra justizii Rossijskoj Federazii“ [Ukas des Präsidenten der RF vom 29.03.1998, Nr. 310, in der Redaktion vom 06.07.2010 „Über den Bevollmächtigten der Russischen Föderation beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte  – den Stellvertretenden Justizminister der Russischen Föderation“], SZ 1998, Nr.  14, Pos. 1540. Zudem Schroe­der, Die Rechtsordnung Russlands und die Anforderungen der Europäischen Menschenrechtskonvention, 1996, S.  5 ff. Als letzter Mitgliedsstaat des Europarats hat die Russische Föderation erst am 15.01.2010 das 14. Zusatzprotokoll zur EMRK ratifiziert, durch welches die Arbeitsweise des EGMR effizienter werden soll. Die Ratifikation des 6. Zusatzprotokolls zur EMRK, das die Abschaffung der Todesstrafe vorsieht, steht noch immer aus. Doch wird in Russland die Todesstrafe seit 1996 nicht mehr verhängt. Das russische Verfassungsgericht hat nun klargestellt, dass trotz anderslautender nationaler Rechtsgrundlagen die internationalen Verpflichtungen auch ohne Ratifikation bindend sind. Das Verfassungsgericht der RF war angerufen worden, da das Moratorium zur Todesstrafe vom 02.10.1999 mit dem

206

4. Kap.: Entwicklungsmöglichkeiten

abkommens zwischen Russland und der Europäischen Union (PKA) 1994, ratifiziert 1997,108 von besonderer Bedeutung.109 Derzeit sind die Beziehungen zwischen der Russischen Föderation und der EU durch eine Strategische Partnerschaft geprägt, die sich jedoch zu einer Modernisierungspartnerschaft entwickeln soll.110 Den Kurswechsel will Präsident Medwedjew durch notwendige innenpolitische Reformen herbeiführen. Die Übernahme zahlreicher internationaler Verpflichtungen111 sowie die Aner­ kennung der verbindlichen Rechtsprechung des EGMR bieten zwar den russischen Bürgern neue Möglichkeiten des Rechtsschutzes.112 Allerdings ist das nationale

01.01.2010 ausgelaufen wäre. Vgl. Opre­delenije Konstituzionnogo Suda RF ot 19.11.2009 N  1344-O-P „O rasjasnenii punkta 5 resolutiwnoj tschasti Postanowlenija Konstituzionnogo Suda Rossijskoj Federazii ot 2 fewralja 1999 goda N  3-P po delu o prowerke konstitizionnosti poloschenij statji 41 i tschasti tretjej statji 42 Ugolowno-prozessualnogo kodeksa RSFSR, punktow 1 i 2 Postanowlenija Werchownogo Soweta Rossijskoj Federazii ot 16 ijulja 1993 goda ‚O porjadke wwedenija w dejstwije Sakona Rossijskoj Federazii ‚O wnesenii ismenenij i dopolnenij w Sakon RSFSR ‚O sudoproiswodstwe RSFSR‘, Ugolowno-prozessualnyj kodeks RSFSR, Ugolownyj kodeks RSFSR i kodeks RSFSR ob administratiwnych prawonaruschenijach‘“ [Beschluss des Verfassungsgerichts der RF vom 19.11.2009, Nr. 1344-O-P „Über die Klärung des Punktes 5 des resolutiven Teils des Urteils des Verfassungsgerichts der Russischen Föderation vom 02.02.1999, Nr. 3-P über die Sache der Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit der Bestimmungen der Art. 41 und Art. 42 Abs. 3 des Strafprozesskodex der RSFSR, der Punkte 1 und 2 des Beschlusses des Obersten Rats der Russischen Föderation vom 16.07.1993 ‚Über das Verfahren des Inkrafttretens des Gesetzes der ­Russischen Föderation ‚Über die Einbringung von Änderungen und Ergänzungen in das Gesetz der RSFSR ‚Über das Gerichtswesen der RSFSR‘, des Strafprozesskodex der RSFSR und des Kodex RSFSR über die Ordnungswidrigkeiten‘“], SZ 2009, Nr. 48, Pos. 5867. 108 Vgl. ABl. L 327 vom 28.11.1997, S. 1 ff. Das Abkommen lief zwar 2007 aus, verlängert sich aber automatisch jeweils um ein weiteres Jahr, solange es nicht von einer Vertragspartei gekündigt wird. Im Rahmen des EU-Russland-Gipfels in Chanty-Mansijsk wurde im Juni 2008 eine Vereinbarung über Verhandlungen zu einem neuen umfassenden Rahmenübereinkommen getroffen. Das „Neue Abkommen“ soll die Zusammenarbeit zwischen der EU und Russland auf den Gebieten der Wirtschaft, Politik, Kultur und Gesellschaft sowie bei inter­ nationalen Fragen verstärken. Vgl. Länderinformationen des Auswärtigen Amtes, abrufbar unter: http://www.auswaertiges-amt.de/diplo/de/Laenderinformationen/RussischeFoede-ration/ Aussenpolitik.html (Stand: 31.12.2011). 109 Trunk, in: Höhmann/Schröder (Hrsg.), Russland unter neuer Führung, Politik, Wirtschaft und Gesellschaft am Beginn des 21. Jahrhunderts, 2001, S. 267 (277). 110 Zum „ergebnislosen“ EU-Russland-Gipfel in Rostow am Don, auf dem Russland vor­ allem auf ein Reiseabkommen drängte, Bidder, Spiegel online vom 01.06.2010, abrufbar unter: http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,698088,00.html (Stand: 31.12.2011). Zur strategischen Partnerschaft vgl. Götz, APuZ 2006, Nr. 11, S. 14 ff. 111 Im PKA zwischen der EU und Russland, das auch die Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Rechts fördert, verpflichtet sich Russland, sein Rechtssystem nach Möglichkeit passend zu dem der EU zu gestalten. Trunk, in: Höhmann/Schröder (Hrsg.), Russland unter neuer Führung, Politik, Wirtschaft und Gesellschaft am Beginn des 21. Jahrhunderts, 2001, S. 267 (277). 112 Starilow, Gerichtliche Verwaltungskontrolle im System des russischen Staats- und Verwaltungsrechts, 1999, S. 89.

A. Notwendigkeit der Einführung der Verwaltungsgerichtsbarkeit 

207

Gerichtssystem gefordert, jedem Bürger einen effektiven, schnellen und verlässlichen Rechtsschutz vor den russischen Gerichten zu gewährleisten. Die Existenz einer Verwaltungsgerichtsbarkeit würde die Anpassung des nationalen Rechtssystems an die internationalen Standards fördern.113 Sie gilt insbesondere als Indikator für die Konformität mit den überstaatlichen Standards der Garantie der Rechte und Freiheiten der Bürger, des effektiven Zugangs zur Rechtspflege s­ owie der Herausbildung entsprechender Gerichtsorgane.114 2. Zugehörigkeit zu einer Rechtsfamilie Seit der Auflösung der ehemaligen Sowjetunion richtete sich der Blick bei der Neuorientierung nach Westen. Vorbilder wurden gesucht. Europäisch, aber nicht europazentrisch lautete die Lösung.115 Die Frage nach der bestmöglichen Form der Verwaltungsgerichtsbarkeit für Russland ist nicht neu.116 Dabei werden die euro­päischen Rechtssysteme auf ihre Umsetzbarkeit für Russland hin erforscht. In der russischen Lehre haben sich unterschiedliche Richtungen herausgebildet, die jeweils die Vorzüge eines bestimmten europäischen Systems betonen. Zum Teil wird das französische Modell favorisiert, da es dem strikten Gewalten­ teilungsprinzip gerecht wird und dem Gericht nicht die Möglichkeit bietet, Herr über die Verwaltung zu werden. Teilweise wird das englische System mit der Übernahme der Funktionen der Verwaltungsgerichtsbarkeit durch die ordentlichen Gerichte vorgezogen. Diese verfügen über umfassende Zuständigkeiten und bieten dem Bürger prinzipiell einen sehr weiten Rechtsschutz.117 Die Mehrheit der russischen Verwaltungsrechtler spricht sich gleichwohl für das deutsche System aus. Sie unterstreicht die Vorzüge sowohl des Rechtsstaatsprinzips in seiner deutschen Ausprägung als auch des vorrangigen Rechtsschutzes  der subjektiven öffentlichen Rechte gegenüber der objektiven Rechtskon 113

Absaljamow, Administratiwnoje sudoproiswodstwo w arbitraschnom sude. Teoretiko-meto­ dologitscheskije aspekty [Die Verwaltungsgerichtsbarkeit innerhalb der Wirtschaftsgerichte. Theoretisch-methodologische Aspekte], 2009, S. 135. 114 So Starilow, Gerichtliche Verwaltungskontrolle im System des russischen Staats- und Verwaltungsrechts, 1999, S. 87 f. 115 Dazu Ronellenfitsch, Louis L’Amour und das Völkerrecht (Public International Law), 2008, S. 197. 116 Sie wird in der juristischen Fachliteratur bereits seit den siebziger Jahren des 19.  Jahrhunderts diskutiert. Selenzow, in: Radtschenko (Hrsg.), Problemy sastschity publitschnych i tschastnych interesow w administratiwnych sudach [Die Probleme des Schutzes der öffentlichen und privaten Interessen vor den Verwaltungsgerichten], 2001, S. 64 (74). 117 Statt vieler Selenzow, in: Radtschenko (Hrsg.), Problemy sastschity publitschnych i tschastnych interesow w administratiwnych sudach [Die Probleme des Schutzes der öffentlichen und privaten Interessen vor den Verwaltungsgerichten], 2001, S. 64 (75 f.; 80 m. w. N.). Vgl. Ausführungen unter 1. Kapitel, C. II. und III.

208

4. Kap.: Entwicklungsmöglichkeiten

trolle.118 Die Anhänger des deutschen Modells kritisieren beispielsweise an der französischen Doktrin, dass sich diese zwar auf den Gewaltenteilungsgrundsatz beruft, inhaltlich aber die Exekutive mit Funktionen der rechtsprechenden Gewalt ausstattet.119 In Abgrenzung zum angelsächsischen System wird hervorgehoben, dass im Gegensatz zum Common Law, das als gemeines Recht typischerweise auf ungeschriebenen Gewohnheiten beruht und durch richterliche Entscheidungen fortgebildet wird, auf dem europäischen Kontinent vorwiegend das geschriebene Recht Quelle des Rechts ist.120 Letzteres spricht dafür, auch Russland der kontinentalen Rechtstradition zuzuordnen. Gestützt wird die Zuordnung ferner durch das Vorhandensein und die Ausgestaltung mehrerer Gerichtsbarkeiten, was Merkmal der kontinentaleuropäischen Rechtssysteme ist.121 Insgesamt scheint der „deutsche Typ“ der Verwaltungsgerichtsbarkeit den in Russland bestehenden Vorgaben am besten zu entsprechen.122 Die Nähe zum­ deutschen Rechtssystem kann darüber hinaus mit der russischen Verfassungsgerichtsbarkeit belegt werden. Deren Entstehung und Entwicklung wurde in besonderem Maße durch westeuropäische und vor allem deutsche Erkenntnisse begünstigt.123 Besonders spürbar ist das deutsch-österreichische Modell der Verfassungsgerichtsbarkeit124 in der Sonderstellung des Verfassungsgerichts der RF einerseits als Verfassungsorgan und andererseits als Gericht.125

118 Erschow, in: Radtschenko (Hrsg.), Problemy sastschity publitschnych i tschastnych intere­ sow w administratiwnych sudach [Die Probleme des Schutzes der öffentlichen und privaten Interessen vor den Verwaltungsgerichten], 2001, S. 33 (40); Selenzow, in: Radtschenko (Hrsg.), Problemy sastschity publitschnych i tschastnych interesow w administratiwnych sudach [Die Probleme des Schutzes der öffentlichen und privaten Interessen vor den Verwaltungsgerichten], 2001, S. 64 (78 ff.). 119 Selenzow, in: Radtschenko (Hrsg.), Problemy sastschity publitschnych i tschastnych interesow w administratiwnych sudach [Die Probleme des Schutzes der öffentlichen und privaten Interessen vor den Verwaltungsgerichten], 2001, S. 64 (79). 120 Artamonow, Formirowanije i raswitije organow administratiwnoj justizii [Die Einführung und Entwicklung der Organe der Verwaltungsjustiz], 2004, S. 138. 121 Zur Ausgestaltung der Gerichtsbarkeiten vgl. Ausführungen unter 3.  Kapitel. Auf Einflüsse kontinentaleuropäischer Rechtsordnungen weisen beispielsweise Artamonow, Formi­ rowanije i raswitije organow administratiwnoj justizii [Die Einführung und Entwicklung der Organe der Verwaltungsjustiz], 2004, S.  138; Skitowitsch, GiP 1995, Nr.  8, S.  22 (29); Steininger, Osteuropa-Recht 1997, S. 281 (289); Solotych, forost Arbeitspapier 2006, Nr. 35, S. 7 hin. 122 Starilow, Gerichtliche Verwaltungskontrolle im System des russischen Staats- und Verwaltungsrechts, 1999, S. 140. 123 Dazu Morščakova, in: Kutter/Schröder (Hrsg.), Die Rechtsprechung des russischen Verfassungsgerichts, S. XIX. 124 Vgl. Cappelletti/Ritterspach, JöR 20 (1971), S. 65 (90); Böckenförde, NJW 1999, S. 9 (14). 125 Maier, Osteuropa-Recht 2006, S. 84 (85).

B. Reformansätze auf dem Weg zu einer modernen Verwaltungsgerichtsbarkeit 

209

B. Reformansätze auf dem Weg zu einer modernen Verwaltungsgerichtsbarkeit Seit einiger Zeit hat sich in Russland die Erkenntnis durchgesetzt, dass eine eigene Verwaltungsgerichtsbarkeit für Entscheidungen öffentlich-rechtlicher Streitigkeiten erstrebenswert ist. An einem entsprechenden Gesetzespaket zur Etablierung von Verwaltungsgerichten sowie einer darauf zugeschnittenen Prozess­ ordnung wird seit mehr als einer Dekade gearbeitet.126

I. Geplante Novellierungen Rechtsschöpferische Vorarbeit wurde bereits geleistet. Gesetzliche Basis für die Errichtung von Verwaltungsgerichten sowie deren Funktionsfähigkeit bilden der Entwurf des Föderalen Verfassungsgesetzes „Über die föderalen Verwaltungsgerichte der Russischen Föderation“ (Gesetz „Über die Verwaltungsgerichte“),127 der Entwurf des Föderalen Gesetzes „Kodex der Verwaltungsgerichtsbarkeit der Russischen Föderation“ (VwGO RF),128 der Entwurf des Föderalen Verfassungsgesetzes über die Einbringung von Ergänzungen in das Föderale Verfassungsgesetz „Über das Gerichtssystem der Russischen Föderation“129 sowie der Entwurf des Föderalen Verfassungsgesetzes über die Einbringung von Änderungen und Ergänzungen in das Föderale Verfassungsgesetz „Über die Militärgerichte der Russischen Föderation“.130 Doch sind die Gesetzentwürfe bis heute nicht über das Entwurfsstadium hinausgekommen. Ferner sind wesentliche Fragen noch immer ungeklärt. Vorwegzunehmen ist, dass mittelfristig von einem Ruhen der Gesetzgebungs­ verfahren ausgegangen werden kann, da der bereits verabschiedete Finanzhaushalt bis 2011 keine Mittel für eine umfassende Gerichtsreform vorsieht. 126

Beachte 6. Kapitel – Nachtrag. Projekt Federalnogo konstituzionnogo sakona, N 7886-3 „O federalnych administratiw­ nych sudach w Rossijskoj Federazii“ [Entwurf des Föderalen Verfassungsgesetzes, Nr. 7886-3 „Über die föderalen Verwaltungsgerichte in der Russischen Föderation“], ASOZD, abrufbar unter: http://asozd.duma.gov.ru/ (Stand: 31.12.2011). Deutsche Übersetzung siehe dokumentarischer Anhang A. III. 128 Projekt Federalnogo sakona, N 381232-4 „Kodex administratiwnogo sudoproiswodstwa Rossijskoj Federazii“ [Entwurf des Föderalen Gesetzes, Nr.  381232-4 „Kodex der Verwaltungsgerichtsbarkeit der Russischen Föderation“], RJu 2004, Nr. 3, S. 6 ff. 129 Projekt Federalnogo konstituzionnogo sakona, N 7900-3 „O wnesenii dopolnenij w federalnyj konstituzionnyj sakon ‚O sudebnoj sisteme Rossijsoj Federazii‘“ [Entwurf des Föderalen Verfassungsgesetzes, Nr. 7900-3 „Über die Einbringung von Ergänzungen in das Föderale Verfassungsgesetz ‚Über das Gerichtssystem der Russischen Föderation‘“], ASOZD, abrufbar unter: http://asozd.duma.gov.ru/ (Stand: 31.12.2011). 130 Projekt Federalnogo konstituzionnogo sakona, N 7902-3 „O wnesenii izmenenij i dopolnenij w federalnyj konstituzionnyj sakon ‚O wojennych sudach Rossijsoj Federazii‘“ [Entwurf des Föderalen Verfassungsgesetzes, Nr. 7902-3 „Über die Einbringung von Änderungen und Ergänzungen in das Föderale Verfassungsgesetz ‚Über die Militärgerichte der Russischen­ Föderation‘“], ASOZD, abrufbar unter: http://asozd.duma.gov.ru/ (Stand: 31.12.2011). 127

210

4. Kap.: Entwicklungsmöglichkeiten

1. Entwurf des Föderalen Verfassungsgesetzes „Über die föderalen Verwaltungsgerichte der Russischen Föderation“ a) Chronologie des Gesetzgebungsverfahrens Am 19.  September 2000 wurde der Entwurf des Gesetzes „Über die Verwaltungsgerichte“ in die Staatsduma der RF eingebracht.131 Ausgearbeitet wurde das Gesetz vom Obersten Gericht der RF, dem ein Recht zur Gesetzesinitiative gem. Art. 104 Abs. 1 Satz 2 Verf RF in Fragen seiner Zuständigkeit zusteht.132 Nach der Einbringung des Gesetzentwurfs hat das Komitee, das für die fachliche Begutachtung dieser Vorlage verantwortlich ist, mit der Beratung begonnen.133 Am 22. November 2000 wurde der Entwurf in erster Lesung durch die Duma angenommen. Sodann wurde das Verfahren bis zur Ausarbeitung eines entsprechenden Entwurfs der Verwaltungsgerichtsordnung vorübergehend eingestellt. Befürwortet wurde eine gemeinsame gesetzgeberische Diskussion und Verabschiedung dieser Gesetze.134 Derzeit befindet sich das Verfahren in der Phase der zweiten Lesung.135 b) Struktur der Verwaltungsgerichte Das Gesetz „Über die Verwaltungsgerichte“ regelt in 18 Artikeln den Aufbau, die Zuständigkeitsverteilung der neu zu errichtenden Verwaltungsgerichte sowie die Stellung, Ernennung und Entlassung der Verwaltungsrichter. Der Gesetzentwurf gliedert die Verwaltungsgerichte in die ordentliche Gerichtsbarkeit ein.136 Beabsichtigt wird ein gemischtes System. Dabei weisen zwei Gerichtsebenen völlig eigenständige Strukturen auf, die anderen beiden sollen als Kollegien bei bereits bestehenden ordentlichen Gerichten (bei den obersten Gerichten der Subjekte der RF und beim Obersten Gericht der RF) eingerichtet werden. Eine solche Gestaltungsweise ist kaum nachvollziehbar. Zu erklären ist sie allen 131 Alle Gesetzentwürfe müssen gem. Art. 104 Abs. 2 Verf RF zunächst der Duma vorgelegt werden. Eine Besonderheit des russischen Gesetzgebungsverfahrens besteht in der Gültigkeit der Gesetzentwürfe über die Legislaturperiode hinaus. 132 Im Gegensatz zu Deutschland, wo lediglich dem Bundestag, dem Bundesrat sowie der Bundesregierung ein Initiativrecht zusteht, besitzen in Russland der Präsident der RF, der­ Föderationsrat, die Mitglieder des Föderationsrats, die Abgeordneten der Staatsduma, die­ Regierung der RF, die gesetzgebenden (Vertretungs-)Organe der Subjekte der RF sowie das Verfassungsgericht der RF, das Oberste Gericht der RF und das Oberste Wirtschaftsgericht im Rahmen ihrer Zuständigkeiten ein solches Recht. 133 Vgl. ausführlich zum Gesetzgebungsprozess in der RF Schneider, Das politische System der Russischen Föderation, 2. Aufl., 2001, S. 110 ff. 134 So Absaljamow, Administratiwnoje sudoproiswodstwo w arbitraschnom sude. Teoretiko-­ metodologitscheskije aspekty [Die Verwaltungsgerichtsbarkeit innerhalb der Wirtschaftsgerichte. Theoretisch-methodologische Aspekte], 2009, S. 133. 135 Zum chronologischen Gesetzgebungsverfahren siehe dokumentarischer Anhang  B., Tabelle 2. Beachte Tabelle 4. 136 Art. 1 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 des Gesetzes „Über die Verwaltungsgerichte“.

B. Reformansätze auf dem Weg zu einer modernen Verwaltungsgerichtsbarkeit 

211

falls mit finanziellen Erwägungen des russischen Gesetzgebers und einer etappenweisen Einführung der Verwaltungsgerichte.137 Gem. Art. 2 des Gesetzes „Über die Verwaltungsgerichte“ ergibt sich folgender Aufbau: (1) föderale Zwischen-Rayonverwaltungsgerichte („federalnyje meschrajonnyje administratiwnyje sudy“); (2) Gerichtskollegien für Verwaltungssachen bei den obersten Gerichten der Re­ publiken, den Gerichten der Regionen, der Gebiete, der Städte föderaler Be­ deutung, der autonomen Gebiete sowie der autonomen Kreise, also bei den Subjekten der RF („sudebnyje kollegii po administratiwnym delam werchow­ nych sudow respublik, krajewych, oblastnych sudow, sudow gorodow federalnogo snatschenija, sudow awtonomnoj oblasti i awtonomnych okrugow“); (3) föderale Kreisverwaltungsgerichte („federalnyje okruschnyje sudy“); (4) Gerichtskollegium für Verwaltungssachen beim Obersten Gericht der RF („Sudebnaja kollegija po administratiwnym delam Werchownogo Suda Rossijskoj Federazii“). Erstaunlich aus deutscher Sicht erscheint die Eingliederung der Friedensgerichte in das Verwaltungsgerichtssystem. Die Friedensrichter sind in Art. 3 Abs. 5 und Art. 13 des Gesetzes „Über die Verwaltungsgerichte“ erwähnt. Danach bilden die Zwischen-Rayongerichte die nächsthöhere Instanz im Bereich der verwaltungsrechtlichen Streitigkeiten, die vor den Friedensrichtern verhandelt werden. Somit ergibt sich insgesamt ein fünfgliedriger Aufbau der Verwaltungsgerichte. Ordentliche Gerichtsbarkeit Gerichtskollegium beim OG der RF

Friedensgerichte

ZwischenRayongerichte Friedensgerichte (?)

Föderale Kreiswirtschaftsgerichte

Wirtschaftsappellationsgerichte

Wirtschaftsrechtssachen

Gerichtskollegien

Verwaltungsrechtssachen

Kreisverwaltungsgerichte

Oberstes Wirtschaftsgericht der RF

Verwaltungsrechtssachen

Rayongerichte

Verwaltungsgerichtsbarkeit

Zivilrechtssachen

Oberstes Gericht der RF Oberste Gerichte der Subjekte der RF

Wirtschaftsgerichtsbarkeit

Wirtschaftsgerichte der Subjekte der RF

Schaubild 1: Geplante russische Lösung 137 Sucharewa, in: Radtschenko (Hrsg.), Problemy sastschity publitschnych i tschastnych interesow w administratiwnych sudach [Die Probleme des Schutzes der öffentlichen und privaten Interessen vor den Verwaltungsgerichten], 2001, S. 43 (49).

212

4. Kap.: Entwicklungsmöglichkeiten

c) Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte aa) Sachliche Zuständigkeit Verwaltungsgerichte haben über Verwaltungssachen („administratiwnyje dela“) zu entscheiden. In Art. 1 Abs. 2 des Gesetzes „Über die Verwaltungsgerichte“ sind die Verwaltungssachen legaldefiniert. Diese sind danach Rechtssachen über die Anfechtung von Entscheidungen und Handlungen (oder Unterlassen) staatlicher Organe, der Organe örtlicher Selbstverwaltung, öffentlich-rechtlicher Vereinigungen sowie von Amtspersonen. Ferner fallen Rechtssachen über Streitigkeiten, die im Zusammenhang mit der Gesetzgebung zu Wahlen und mit der Steuergesetzgebung entstehen, sowie über Streitigkeiten der staatlichen Organe und Organe der örtlichen Selbstverwaltung untereinander in den Zuständigkeitsbereich der Verwaltungsgerichte. Zu ihren Zuständigkeiten zählen außerdem Rechtssachen über die Einstellung und Beendigung der Tätigkeit öffentlich-rechtlicher Vereinigungen. Ausdrücklich ausgenommen sind verfassungsrechtliche, zivilrechtliche sowie strafrechtliche Streitigkeiten. Anerkennenswert ist die Entscheidung des russischen Gesetzgebers, bei der Legaldefinition verwaltungsrechtliche Ordnungswidrigkeiten nicht einzubeziehen.138 bb) Örtliche Zuständigkeit Zur örtlichen Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte sind im Gesetzentwurf keine ausdrücklichen Regelungen getroffen. Im ursprünglichen Entwurf des Obersten Gerichts der RF war eine detaillierte territoriale Festlegung der Gerichtskreise vorgesehen.139 In der durch die Duma in erster Lesung angenommenen Fassung ist die Einteilung in Gerichtskreise aus dem Gesetzentwurf ausgegliedert und soll durch ein Föderales Gesetz erfolgen (Art. 10 des Gesetzes „Über die Verwaltungsgerichte“). Dies ist sachgerecht.

138

Teilweise wird das in der russischen Lehre kritisiert und die Aufnahme von Ordnungswidrigkeiten in den Zuständigkeitsbereich der Verwaltungsgerichte befürwortet. Suchareva/ Mel’nikova/Nozdračev, Osteuropa-Recht 2005, S. 447 (457). Der Streitstand ist auf das unterschiedliche verwaltungsrechtliche Grundverständnis zurückzuführen. Vgl. bereits Ausführungen unter 3. Kapitel, A. I. 3. c). 139 Projekt Federalnogo konstituzionnogo sakona, N 7886-3 „O federalnych administratiw­ nych sudach w Rossijskoj Federazii“ [Entwurf des Föderalen Verfassungsgesetzes, Nr. 7886-3 „Über die föderalen Verwaltungsgerichte in der Russischen Föderation“], ASOZD, abrufbar unter: http://asozd.duma.gov.ru/ (Stand: 31.12.2011).

B. Reformansätze auf dem Weg zu einer modernen Verwaltungsgerichtsbarkeit 

213

cc) Instanzielle Zuständigkeit (1) Friedensrichter Der Gesetzentwurf regelt in Art. 3 des Gesetzes „Über die Verwaltungsgerichte“ den verwaltungsgerichtlichen Instanzenzug. Teilweise sollen Friedensrichter als erste Instanz agieren. Ihre Zuständigkeit ist im Gesetzentwurf nicht geregelt. Hingegen sieht Art. 28 Abs. 1 GVG RF die Friedensrichter als erste Instanz für zivilrechtliche, öffentlich-rechtliche und strafrechtliche Streitigkeiten im Rahmen ­ihrer Zuständigkeit vor. Den näheren Kompetenzbereich der Friedensrichter legt das Friedensrichtergesetz der RF fest.140 (2) Zwischen-Rayonverwaltungsgerichte Die Bezeichnung „Zwischen“-Rayonverwaltungsgericht soll auf die Nichtübereinstimmung der Gerichtsbezirke mit den verwaltungsrechtlichen Bezirken („rayon“) hinweisen.141 Eine derartige Gliederung ist zunächst für die Russische Föderation ungewohnt, soll aber der Verflechtung von Gerichten und Verwaltung und damit der Korruption entgegenwirken. Die Festsetzung und Änderung des­ territorialen Geltungsbereichs der Zwischen-Rayongerichte erfolgt durch ein Föderales Gesetz (Art. 10 Abs. 2 des Gesetzes „Über die Verwaltungsgerichte“). Die Zwischen-Rayongerichte sind den Friedensrichtern übergeordnet und verhandeln alle Verwaltungsstreitigkeiten, die nicht in den Kompetenzbereich anderer Verwaltungsgerichte bzw. der Gerichtskollegien für Verwaltungssachen fallen.142 (3) Gerichtskollegien für Verwaltungssachen bei den Gerichten der Subjekte der RF Als nächsthöhere Instanzebene sind die Gerichtskollegien für Verwaltungssachen bei den obersten Gerichten der Republiken, den Gerichten der Regionen, der Gebiete, der Städte föderaler Bedeutung, der autonomen Gebiete sowie der autonomen Kreise vorgesehen. Diese sollen je nach Notwendigkeit durch die Präsidien dieser Gerichte eingerichtet werden.143 Die Gerichtskollegien für Verwaltungssachen der obersten Gerichte der Subjekte der RF werden erstinstanzlich in den von Art. 6 Abs. 3 des Gesetzes „Über die Verwaltungsgerichte“ vorgesehenen Fällen tätig. Dazu zählen Verfahren im 140

Vgl. Ausführungen unter 3. Kapitel, B. II. 2. c) aa). Dazu Salischtschewa/Chamanewa, GiP 2002, Nr.  1, S.  5 (7); Chamanewa, GiP 2006, Nr. 11, S. 5 (8). 142 Art. 3 Abs. 5, Art. 7 des Gesetzes „Über die Verwaltungsgerichte“.  143 Art. 2 Abs. 3 des Gesetzes „Über die Verwaltungsgerichte“. 141

214

4. Kap.: Entwicklungsmöglichkeiten

Zusammenhang mit Staatsgeheimnissen sowie Anfechtungsverfahren von normativen Akten der Subjekte der RF, es sei denn, diese sind höheren Instanzen zugewiesen. Außerdem sind die Gerichtskollegien der obersten Föderationsgerichte für Anfechtungen der nichtnormativen Akte der höchsten Amtspersonen der Föderationssubjekte sowie für Rechtssachen über die Einstellung und Beendigung der Tätigkeit wegen Gesetzesverstößen zwischenregionaler und regionaler öffentlich-rechtlicher Vereinigungen zuständig. Zudem können die obersten Gerichte der Subjekte der RF Entscheidungen aufgrund neu bekanntgewordener Tatsachen in vollem Umfang nochmals überprüfen. Die Gerichtskollegien für Verwaltungssachen der obersten Gerichte der Subjekte der RF fungieren als Appellationsinstanz für die nicht rechtskräftigen Urteile und Verfügungen der Zwischen-Rayongerichte. Das Präsidium der obersten Föderationsgerichte wird als Kassationsinstanz für rechtskräftige Entscheidungen der Zwischen-Rayongerichte tätig. Weitere Zuständigkeiten können durch Föderales Verfassungsgesetz in den Zuständigkeitsbereich der obersten Gerichte der­ Subjekte der RF übertragen werden. (4) Kreisverwaltungsgerichte Die nächste instanzielle Ebene bilden die föderalen Kreisverwaltungsgerichte.144 Deren Zuständigkeit ist in Art.  5 des Gesetzes „Über die Verwaltungsgerichte“ normiert. Als Gerichte erster Instanz entscheiden sie über Anfechtungsverfahren von normativen Akten der gesetzgebenden (Vertretungs-)Organe der Subjekte der RF, der höchsten Amtspersonen der Subjekte der RF und der höchsten exekutiven Organe der Staatsgewalt der Subjekte der RF, die in den örtlichen Zuständigkeitsbereich des Gerichtskreises („sudebnyj okrug“) fallen, sowie der föderalen Exekutivorgane und anderer föderaler Staatsorgane. Außerdem sind sie für die Anfechtung von Entscheidungen und Handlungen (Unterlassen) von Wahlkommissionen der Republiken, Regionen, Gebiete, Städte föderaler Bedeutung, autonomer Gebiete und autonomer Kreise sowie von Kreiswahlkommissionen über die Wahlen der föderalen Staatsorgane, Organe der Staatsgewalt der Subjekte der RF und von entsprechenden Referendumswahlkommissionen zuständig.145 Ferner unterliegen den Kreisverwaltungsgerichten Organstreitverfahren zwischen den Organen der Staatsgewalt der Föderationssubjekte, die sich im Gerichtskreis befinden. Weitere erstinstanzliche Zuständigkeiten können wiederum durch ein Föderales Verfassungsgesetz begründet werden. In zweiter Instanz können nicht rechtskräftige Urteile und Verfügungen der obersten Gerichte der Subjekte der RF nachgeprüft werden. Wiederaufnahmeverfahren sind vor den Kreisverwaltungsgerichten ebenfalls statthaft. 144

Art. 3 Abs. 3 des Gesetzes „Über die Verwaltungsgerichte“.  Davon ausgenommen sind die Anfechtungen von Entscheidungen und Handlungen (Unter­ lassen) von untergeordneten Wahlkommissionen sowie Referendumskommissionen. 145

B. Reformansätze auf dem Weg zu einer modernen Verwaltungsgerichtsbarkeit 

215

(5) Gerichtskollegium für Verwaltungssachen beim Obersten Gericht der RF An der Spitze des verwaltungsgerichtlichen Instanzenzuges steht gemäß Gesetzentwurf das Oberste Gericht der RF (Art. 3 Abs. 2 des Gesetzes „Über die Verwaltungsgerichte“). Das Gerichtskollegium für Verwaltungssachen beim Obersten Gericht der RF agiert als erste und zweite Instanz. Ferner ist es für Aufsichts- und Wiederaufnahmeverfahren zuständig. Erstinstanzlich verhandelt das Gerichtskollegium beim Obersten Gericht der RF über Anfechtungen von normativen als auch nichtnormativen Rechtsakten des Präsidenten der RF und der Regierung der RF sowie über die Einstellung und Be­endigung der Tätigkeit wegen Gesetzesverstößen gesamtrussischer, aber auch internationaler, auf dem Gebiet der Russischen Föderation tätiger öffentlichrechtlicher Vereinigungen. Zudem können Entscheidungen, Handlungen sowie Unterlassen der Zentralen Wahlkommission der Russischen Föderation angefochten werden. Das Gerichtskollegium wird überdies tätig in Organstreitverfahren zwischen den Organen der Staatsgewalt der RF und denen der Subjekte der RF sowie zwischen den Organen der Staatsgewalt der Subjekte der RF untereinander, die durch den Präsidenten gem. Art. 85 Verf RF an das Oberste Gericht der RF übergeben wurden. Als Auffangzuständigkeit für alle Verwaltungsrechtssachen mit großer staatlicher und innerstaatlicher Bedeutung ist Art. 4 Abs. 3 Nr. 5 des Gesetzes „Über die Verwaltungsgerichte“ konzipiert. Auf der Grundlage eines­ Föderalen Verfassungsgesetzes können weitere erstinstanzliche Zuständigkeiten an das Gerichtskollegium übertragen werden. Das Kassationskollegium des Obersten Gerichts der RF überprüft nicht rechtskräftige Urteile des Gerichtskollegiums für Verwaltungssachen beim Obersten Gericht der RF, das Präsidium des Obersten Gerichts der RF wiederum die Verfügungen des Kassationskollegiums sowie rechtskräftige Urteile und Verfügungen des Gerichtskollegiums. dd) Funktionelle Zuständigkeit Grundsätzlich erörtern die Zwischen-Rayongerichte alle Verwaltungsrechtssachen in Einzelrichterbesetzung. Bei den höheren Verwaltungsgerichten besteht die Besetzung gewöhnlich aus drei Berufsrichtern, unabhängig davon, als welche Instanz das jeweilige Verwaltungsgericht agiert (Art. 12 des Gesetzes „Über die Verwaltungsgerichte“).

216

4. Kap.: Entwicklungsmöglichkeiten

d) Problemlagen des Gesetzes „Über die Verwaltungsgerichte“ Das Gesetz „Über die Verwaltungsgerichte“ ist mit 18 Artikeln zwar recht kurz, teilweise aber von unnötigen Wiederholungen,146 unklaren Formulierungen sowie grammatikalischen Ungenauigkeiten geprägt. Der Entwurf des Gesetzes ist der erste Schritt in die richtige Richtung, bedarf aber noch sowohl inhaltlicher als auch redaktioneller Überarbeitung. Im Gesetzentwurf sind Bestimmungen enthalten, die nach deutschem Recht durch unterschiedliche Gesetze geregelt sind. So werden Bereiche der Gerichtsverfassung, des Richtergesetzes sowie der Verwaltungsgerichtsordnung in einem Gesetz vermischt. Dagegen ist an sich nichts einzuwenden. Überlegenswert ist jedoch zumindest die Heraustrennung der Regelungen zur Ernennung und Entlassung von Verwaltungsrichtern. Diese sind zweckmäßigerweise in das Gesetz „Über die Rechtsstellung der Richter“ einzubeziehen. aa) Eigenständigkeit der Verwaltungsgerichtsbarkeit Der Gesetzentwurf schreibt in Art. 1 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 des Gesetzes „Über die Verwaltungsgerichte“ die Einordnung der Verwaltungsgerichte in die ordentliche Gerichtsbarkeit fest. Dem ist ausdrücklich zu widersprechen. Die Verwaltungsgerichtsbarkeit unterscheidet sich dem Inhalt, der Rechtsnatur sowie den Zielen, Aufgaben und Prinzipien nach von der ordentlichen Gerichtsbarkeit.147 Die Andersartigkeit der Verwaltungsgerichtsbarkeit ergibt sich daraus, dass sie die Exekutive kontrolliert und deshalb zwischen Parteien ungleichen Gewichts entscheidet. Diese Beziehung ist im Öffentlichen Recht durch das Überund Unterordnungsverhältnis von Hoheitsträgern und privaten Rechtssubjekten gekennzeichnet.148 So werden die Träger von Staatsgewalt nicht in Wahrnehmung unabgeleiteter, ursprünglicher menschlicher Freiheit, sondern in Ausübung von übertragenen Kompetenzen tätig.149 Zudem ist die Verwaltungsgerichts­barkeit bei ihren Entscheidungen auch politischen Einflüssen ausgesetzt. Im Zivil­prozess wird typischerweise Rechtsschutz durch die Herstellung der Voraussetzungen 146 Beispielsweise sind Art. 3 Abs. 4 und Art. 6 Abs. 6 des Gesetzes „Über die Verwaltungsgerichte“ beinahe identisch. 147 Dazu Starilow, Gerichtliche Verwaltungskontrolle im System des russischen Staats- und Verwaltungsrechts, 1999, S. 134; Reitemeier, Konstituzionnoje prawo 2002, Nr. 3, S. 108. Der Rechtsdualismus der Rechtsordnung ist dem russischen System nicht fremd. 148 Die Zweiteilung der Rechtsordnung in Öffentliches Recht und Privatrecht ist auf den Grundgedanken der Unterschiedlichkeit von Staat und Gesellschaft zurückzuführen. Vgl. grundlegend Sodan, in: Sodan/Ziekow (Hrsg.), VwGO, Großkommentar, 3.  Aufl., 2010, § 40 Rn.  57 ff.; Ehlers, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner (Hrsg.), VwGO, Kommentar, 18. Aufl., 2009, § 40 Rn. 18 ff. 149 BVerfGE 61, 82 (101); 68, 193 (206).

B. Reformansätze auf dem Weg zu einer modernen Verwaltungsgerichtsbarkeit 

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für die gegebenenfalls zwangsweise Durchsetzung privater Rechte gewährt.150 Der Verwaltungsprozess ist dem Schutz der subjektiven öffentlichen Rechte der Bürger, der Wiederherstellung der von der Exekutive verletzten Rechte sowie der Gewährleistung der objektiven Rechtsordnung verpflichtet.151 Aus diesem Grunde ist Skitowitsch zuzustimmen, dass über den Anspruch der Privatperson gegen eine Amtsperson, d. h. ein Rechtsstreit über subjektive öffentliche Rechte und Pflichten, nicht effektiv in den traditionellen Formen des zivilrechtlichen Klage­verfahrens ent­schieden werden kann, welche auf den Schutz der Rechte der Teilnehmer des von der Zivilgesetzgebung geregelten Vermögens-, Warenund Geldver­kehrs ausgelegt sind.152 Eigene Gerichte sind besser im Stande, das Öffentliche Recht als Sonderrecht der öffentlichen Verwaltung anzuwenden und damit Verfahrensmaximen zu entwickeln, die der besonderen Interessenlage an­ gemessen sind.153 Das Öffentliche Recht tritt ferner dem Verwaltungsrichter auf verschiedenen Norm­ebenen entgegen. Es ist eine Domäne des Verwaltungsrichters, die Vereinbarkeit der anzuwendenden Normen mit höherrangigem Recht zu prüfen. Die eigenständige Verwaltungsgerichtsbarkeit dient damit der Herausbildung einer­ besonderen Sensibilität für die Normenhierarchie und deren Einhaltung. bb) Friedensrichter innerhalb der Verwaltungsgerichtsbarkeit Eine offene Frage bleibt die Einbindung der Friedensrichter in das Verwaltungsgerichtssystem. Weder die systematische Stellung der Friedensrichter innerhalb der Verwaltungsgerichtsbarkeit noch der Charakter der von den Friedensrichtern erörterten Verwaltungsrechtssachen sind im Gesetz „Über die Verwaltungsgerichte“ festgeschrieben.154 Radtschenko schlägt einen begrenzten Zuständigkeitsbereich der Friedensrichter für Beschwerden gegen Ordnungswidrigkeiten und für die Anfechtung von Handlungen örtlicher Selbstverwaltungsorgane unterhalb der Rayon-Ebene

150

Lorenz, Verwaltungsprozessrecht, 2000, § 1 Rn. 6. So und weiter gehend Starilow, Gerichtliche Verwaltungskontrolle im System des rus­ sischen Staats- und Verwaltungsrechts, 1999, S. 134. 152 Skitowitsch, GiP 1995, Nr. 8, S. 22 (28 f.). 153 Spoerr, VerwArch 82 (1991), S. 25 (36). 154 Ofizialnyj otsyw Prawitelswa RF ot 28.11.2000 na projekt Federalnogo konstituzionnogo sakona „O federalnych administratiwnych sudach w Rossijskoj Federazii“, wnessenyj Werchownym Sudom Rossijskoj Federazii i prinjatyj Gosudarstwennoj Dumoj w perwom t­ schtenii 22 nojabrja 2000 g [Offizielle Stellungnahme der Regierung der RF vom 28.11.2000 zum Entwurf des Föderalen Verfassungsgesetzes „Über die Verwaltungsgerichte in der Russischen­ Föderation“, durch das Oberste Gericht der Russischen Föderation eingebracht und durch die Staatsduma in erster Lesung am 22. November 2000 angenommen], ASOZD, abrufbar unter: http://asozd.duma.gov.ru/ (Stand: 31.12.2011). 151

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4. Kap.: Entwicklungsmöglichkeiten

vor.155 Dieser Vorschlag geht über die Grenzen des Gesetzes „Über die Verwaltungsgerichte“ hinaus und müsste gegebenenfalls Änderungen der Kompetenzen im Friedensrichtergesetz RF nach sich ziehen. Zweckmäßig ist eine solche Einbeziehung von Friedensrichtern als unterste Instanz jedoch nicht. Einerseits sind Ordnungswidrigkeitenverfahren aus dem Anwendungsbereich des Gesetzes „Über die Verwaltungsgerichte“ ausdrücklich ausgeschlossen (Art. 1 Abs. 2), andererseits wäre es sinnvoll, die verbleibenden Zuständigkeiten in den Bereich der­ Zwischen-Rayongerichte zu verlagern, um Zuständigkeitskollisionen vorzubeugen. Die Aufnahme der Friedensrichter in das System der Verwaltungsgerichte und damit eine verwaltungsgerichtliche Struktur mit fünf unterschiedlichen Gerichtsebenen erscheint unzweckmäßig. cc) Instanzenzug Der Gesetzgeber hat sich im Gesetzentwurf, nicht zuletzt wegen der russischen Rechtstradition, für einen mehrstufigen Instanzenzug entschieden. Grundsätzlich ist zu überlegen, ob es wie in Deutschland zweier Tatsacheninstanzen bedarf oder ob man nicht mit einem zweistufigen Aufbau, zumindest in der Anfangsphase, auskommen würde. Eine Abkürzung des Rechtswegs geht mit einer zeitlichen Verkürzung des Verfahrens bis zu einem rechtskräftigen Abschluss einher. Das Verwaltungsgerichtsverfahren ist durch den Ermittlungsgrundsatz geprägt, sodass die maßgeblichen Tatsachen in der Regel feststehen oder sich unschwer ermitteln lassen. Andererseits bedeutet die Mehrstufigkeit des Instanzenzuges eine Entlastung der Rechtsmittelinstanz und gewährleistet dem Bürger außerdem effektiven Rechtsschutz. Angesichts dessen sind zwei Instanzen zu wenig, eine Mehrstufigkeit ist auf lange Sicht zu befürworten. dd) Abgrenzungsschwierigkeiten Der Gesetzentwurf wirft weitere Fragen auf. Vor allem sind die Normierung der verwaltungsgerichtlichen Zuständigkeiten sowie die Abgrenzung zu den bereits etablierten Gerichten unausgereift. 155

Radtschenko, in: Radtschenko (Hrsg.), Problemy sastschity publitschnych i tschastnych in­ teresow w administratiwnych sudach [Die Probleme des Schutzes der öffentlichen und privaten Interessen vor den Verwaltungsgerichten], 2001, S. 10 (11). Radtschenko war von 1989–2008 erster stellvertretender Vorsitzender am Obersten Gericht der RSFSR, später am Obersten Gericht der RF. Auf seine Mitwirkung gehen die Entwürfe des Föderalen Verfassungsgesetzes „Über die föderalen Verwaltungsgerichte der Russischen Föderation“ sowie des Föderalen Gesetzes ­„Kodex der Verwaltungsgerichtsbarkeit der Russischen Föderation“ zurück. Ferner Tschepurnowa, in: Radtschenko (Hrsg.), Problemy sastschity publitschnych i tschastnych interesow w administratiwnych sudach [Die Probleme des Schutzes der öffentlichen und privaten Interessen vor den Verwaltungsgerichten], 2001, S. 55 (62).

B. Reformansätze auf dem Weg zu einer modernen Verwaltungsgerichtsbarkeit 

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(1) Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs Bereits die unpräzise Legaldefinition der Verwaltungssache wird häufig kritisiert. Sie soll den Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten eröffnen. Art. 1 Abs. 2 des Gesetzes „Über die Verwaltungsgerichte“ ist tatsächlich unglücklich formuliert. Das Komitee der Staatsduma der RF hat in seiner Schlussfolgerung vom 22. Oktober 2000 angeregt, den Begriff in Anlehnung an Art. 1 des Gesetzes „Über die Militärgerichte der RF“ und an Art. 1 des Friedensrichtergesetzes dechiffriert und detaillierter zu gestalten.156 Nach amerikanischem Vorbild sollen ausführliche Definitionen in den Gesetzen vorangestellt werden.157 Allerdings trägt dies nicht zwangsläufig zur Normenklarheit bei. In Deutschland hat sich seit langem die Generalklausel des § 40 VwGO bei der Festlegung der Rechtswegzuständigkeit zu den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit bewährt.158 Sie ermöglicht einen­ lückenlosen Rechtsschutz, da einerseits zukünftige Problemstellungen erfasst werden können und andererseits verhindert werden kann, dass bestimmte Anwendungsbereiche durch ungenaue Formulierungen ausgeschlossen werden. Als ausschließliches Abgrenzungskriterium ist auch in Russland die Zugehörigkeit der Materie zum Öffentlichen Recht und damit eine Anlehnung an die deutsche Generalklausel empfehlenswert. Gem. Art.  1 Abs.  2 des Gesetzes „Über Verwaltungsgerichte“ sind namentlich verfassungsrechtliche, zivilrechtliche, strafrechtliche Streitigkeiten sowie verwaltungsrechtliche Ordnungswidrigkeiten ausgenommen. Pragmatischer für die Charakterisierung der Ausnahmen wäre die Formulierung „soweit die Streitigkeit nicht durch Föderales Gesetz einem anderen Gericht ausdrücklich zugewiesen ist“. (2) Verfassungsrechtliche Streitigkeiten Die vorgesehene Ausnahmeregelung wurde im Gesetzentwurf selbst nicht konsequent umgesetzt. Schwierigkeiten ergeben sich bei der Abgrenzung zur Verfassungsgerichtsbarkeit. So wendet Kraźkov zu Recht ein, dass der Gesetzentwurf den Verwaltungsgerichten zu weitreichende Zuständigkeiten einräumt, zu denen

156 Sakljutschenije Komiteta Gosudarstwennoj Dumy po gosudarstwennomu stroitjelswu ot 21.11.2000, N 3.3-983 po projektu Federalnogo sakona „O federalnych administratiwnych­ sudach w Rossijskoj Federazii“ [Schlussfolgerung des Komitees der Staatsduma zum Staatsaufbau vom 21.10.2000, Nr. 3.3-983 zum Projekt des Föderalen Gesetzes „Über die föderalen Verwaltungsgerichte in der Russischen Föderation“], ASOZD, abrufbar unter: http://asozd. duma.gov.ru/ (Stand: 31.12.2011). 157 Vgl. Ausführungen unter 4. Kapitel, A. II. 5. a). 158 Als Kernpunkt der deutschen Verwaltungsgerichtsbarkeit bezeichnet Jellinek die Gene­ ralklausel. Jellinek, DÖV 1950, S.  513 (515); ferner Schmieszek, in: Brandt/Sachs (Hrsg.), Handbuch Verwaltungsverfahren und Verwaltungsprozess, 3. Aufl., 2009, S. 354. Kritisch dazu­ Loening, SJZ 1950, S. 255 (260).

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4. Kap.: Entwicklungsmöglichkeiten

auch Verfahren mit verfassungsrechtlichen Elementen zählen.159 Hierzu gehören beispielsweise Organstreitverfahren zwischen den Organen der Staatsgewalt der RF und denen der Subjekte der RF oder zwischen den Organen der Staatsgewalt der Subjekte der RF untereinander (Art. 4 Abs. 3 Nr. 4 und Art. 5 Abs. 2 Nr. 4 des Gesetzes „Über die Verwaltungsgerichte“) sowie die Anfechtung normativer Rechtsakte der Parlamente der Föderationssubjekte (Art. 5 Abs. 1 Nr. 1 1. HS des Gesetzes „Über die Verwaltungsgerichte“). Diese Regelungen bieten schon jetzt Anlass zur Nachbesserung. (3) Verwaltungssachen vor den Wirtschaftsgerichten Nach derzeitigem Stand bleiben alle, d. h. auch verwaltungsrechtliche und andere öffentlich-rechtliche Streitigkeiten mit wirtschaftlichem Charakter den Wirtschaftsgerichten erhalten. Die gegenwärtigen Abgrenzungsprobleme zwischen den ordentlichen Gerichten und Wirtschaftsgerichten160 werden nicht gelöst, sondern lediglich in die Verwaltungsgerichtsbarkeit verlagert. Wie bereits dargestellt, nehmen bei den Wirtschaftsgerichten öffentlich-rechtliche Verfahren fast die Hälfte aller verhandelten Rechtssachen ein.161 Zur Entlastung der Wirtschaftsgerichte sowie unter dem Gesichtspunkt der Einheitlichkeit der Rechtsprechung162 ist es sachgerecht, die öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten mit Wirtschafts­charakter den Verwaltungsgerichten zu übertragen. In diesem Kontext ist auf das Paradoxon des russischen Rechtssystems hinzuweisen, dass ein komplett ausgebildetes Wirtschaftsgerichtssystem besteht, in der Verfassung jedoch die Wirtschaftsgerichtsbarkeit nicht erwähnt ist. Die Verwaltungsgerichtsbarkeit hingegen ist in der Verfassung vorgesehen, Verwaltungsgerichte gibt es allerdings nicht.163

159

Kražkov, in: Brunner (Hrsg.), Der russische Föderalismus, 2004, S. 207 (223 f.). So auch Tschepurnowa, in: Radtschenko (Hrsg.), Problemy sastschity publitschnych i tschastnych interesow w administratiwnych sudach [Die Probleme des Schutzes der öffentlichen und privaten Interessen vor den Verwaltungsgerichten], 2001, S.  55 (60); Nadolskaja, Administra­tiwnoje­ sudoproiswodstwo w sowremennom prawowom gosudarstwe [Die Verwaltungsgerichtsbarkeit im modernen Rechtsstaat], 2004, S. 70. 160 Vgl. Ausführungen unter 3. Kapitel, B. I. 2. a) ee) (1). 161 Siehe dokumentarischer Anhang B., Tabelle 1. 162 Vgl. Ausführungen unter 4. Kapitel, A. II. 5. b). 163 So auch Artamonow, Formirowanije i raswitije organow administratiwnoj justizii [Die Einführung und Entwicklung der Organe der Verwaltungsjustiz], 2004, S. 149 f.

B. Reformansätze auf dem Weg zu einer modernen Verwaltungsgerichtsbarkeit 

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2. Entwurf des Föderalen Gesetzes „Kodex der Verwaltungsgerichtsbarkeit der Russischen Föderation“ Mit der Einrichtung von Verwaltungsgerichten ergibt sich konsequenterweise die Notwendigkeit einer adäquaten Prozessordnung. Die rechtsschöpferische Arbeit im Hinblick auf den Entwurf des Föderalen Gesetzes „Kodex der Verwaltungsgerichtsbarkeit der Russischen Föderation“ ist bereits aufgenommen worden. a) Chronologie des Gesetzgebungsverfahrens Im März 2003 wurde der Gesetzentwurf – von einer Arbeitsgruppe des Obersten Gerichts der RF unter der Leitung Radtschenkos schon seit 2002 vorbereitet – vor dem Rat für Fragen der Weiterentwicklung der Rechtspflege beim Präsidenten der RF beraten. Im Anschluss ist der von einer Arbeitsgruppe der Präsidialverwaltung überarbeitete Entwurf der russischen Verwaltungsgerichtsordnung im März 2004 veröffentlicht worden, um eine öffentliche Diskussion des interessierten Publikums anzuregen.164 Hervorzuheben ist, dass der Entwurf der russischen VwGO den Europarat durchlaufen hat und dort befürwortet wurde. Die Überarbeitung des Entwurfs wurde von europäischen, vor allem auch deutschen Verwaltungsrechtlern in zahlreichen Expertentreffen, Arbeitsgesprächen und Konferenzen begleitet. Schließlich wurde der erneut überarbeitete Gesetzentwurf am 29. Dezember 2006 in die Duma eingebracht. Seitdem befindet er sich im Stadium der vorbereitenden Prüfung.165 b) Aufbau des Gesetzentwurfs Die VwGO RF soll insgesamt 247 Artikel beinhalten und in 26 Kapitel unterteilt sein. Diese wiederum werden in 6 Abschnitte zusammengefasst.166 Systematisch orientiert sich die VwGO  RF am Aufbau der WiPO und der ZPO  RF. Der Entwurf regelt nahezu das gesamte Gerichtsverfahrensrecht, einschließlich der Teile, die nach deutschem Rechtsverständnis in anderen Fach­ gesetzen geregelt wären.167 Mit dieser Konzentration im Prozessrecht kann insbesondere der Gefahr einer Zersplitterung des Prozessrechts begegnet werden. Dagegen ist nichts einzuwenden. 164

Absaljamow, Administratiwnoje sudoproiswodstwo w arbitraschnom sude. Teoretiko-meto­ dologitscheskije aspekty [Die Verwaltungsgerichtsbarkeit innerhalb der Wirtschaftsgerichte. Theoretisch-methodologische Aspekte], 2009, S. 133. 165 Vgl. dokumentarischer Anhang B., Tabelle 3. Beachte Tabelle 5. 166 Vgl. dokumentarischer Anhang A. IV. 167 Der Entwurf enthält Regelungen, die dem deutschen Gerichtsverfassungsgesetz, der Zivil­ prozessordnung, dem Zwangsvollstreckungsgesetz, dem Richtergesetz sowie dem Gerichtskostengesetz zuzuordnen wären.

222

4. Kap.: Entwicklungsmöglichkeiten

Der Entwurf hat mit 247 Artikeln zwar einen beachtlichen Umfang angenommen, kann aber weitgehend auf Verweisungen verzichten.168 Die große Anzahl der Artikel findet ihre Rechtfertigung in der Vollständigkeit der Regelung und im berechtigten Bestreben, einer noch unerfahrenen Verwaltungsgerichtsbarkeit eine solide, den Großteil aller denkbaren Verfahrenssituationen abdeckende Handlungsanweisung zu geben. Aus gleichem Grund erfolgt auch die überwiegende Anwendung des Enumerationsprinzips anstelle der Generalklauseln sowie die Wiederholung bestimmter Regelungen statt einer Verweisung auf die bereits bestehenden Normen. Ob eine spätere Vereinfachung des Gesetzes möglich ist, wird die Zukunft zeigen. Die deutschen Erfahrungen geben in dieser Hinsicht kaum Anlass zu Optimismus.169 c) Einzelne Aspekte aa) Verfahrensprinzipien Die grundlegenden rechtsstaatlichen Elemente wie z. B. das Gebot des fairen Verfahrens, des gesetzlichen Richters, des rechtlichen Gehörs, die Mündlichkeit sowie die Unmittelbarkeit werden in der VwGO RF berücksichtigt. Der prinzipiell schwächeren Stellung des rechtsuchenden Bürgers gegenüber der mit besonderen Befugnissen ausgestatteten öffentlichen Gewalt wird gebührend Rechnung getragen, indem einzelne Vorschriften ausdrücklich die Rechte des Bürgers stärken und damit der Rechtsschutz im Vordergrund steht. Der Entwurf enthält aber auch Elemente einer objektiven Verwaltungskontrolle. Er ist somit eine Synthese zwischen den beiden in Europa vorherrschenden Grundtendenzen, die bei der Definition der Aufgaben der Verwaltungsgerichtsbarkeit entweder den Schutz subjektiver Rechte des Einzelnen oder die objektive Rechtmäßigkeit der Verwaltung betonen. bb) Vorverfahren Der Entwurf der russischen VwGO sieht kein verwaltungsinternes Widerspruchsverfahren vor. Für bestimmte Arten von Verwaltungsrechtssachen wäre die generelle Einführung eines obligatorischen Vorverfahrens erwägenswert. Das außergerichtliche Verwaltungsverfahren darf nicht so angelegt sein, dass es den gerichtlichen Rechtsschutz vereitelt oder unzumutbar erschwert.170 168

Eine der wenigen Ausnahmen ist beispielsweise die Verweisung in Art.  182 Abs.  3 VwGO RF auf das Vollstreckungsgesetz der RF. 169 Immerhin enthielt beispielsweise die deutsche Civilprozessordnung von 1877 (CPO), aus der alle späteren deutschen Prozessordnungen abgeleitet sind, bereits bei ihrem Erscheinen 872 Paragraphen, deren Zahl bis heute auf 1109 angewachsen ist. Vgl. Civilprozessordnung vom 30. Januar 1877, RGBl. 1877, S. 83 ff. sowie Zivilprozessordnung vom 12. September 1950 (ZPO), in der Fassung der Bekanntmachung vom 5. Dezember 2005 (BGBl. 2005 I, S. 3202; 2006 I, S. 431; 2007 I, S. 1781), zuletzt geändert am 24. September 2009 (BGBl. I S. 3145). 170 Dazu BVerfGE 22, 49 (81 f.); 61, 82 (110).

B. Reformansätze auf dem Weg zu einer modernen Verwaltungsgerichtsbarkeit 

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(1) Funktionen des Vorverfahrens Das Vorverfahren ist ein zweckmäßiges Verfahren mit mehrfach positiven Wirkungen. Es dient dem Rechtsschutz des Bürgers, der Selbstkontrolle der Verwaltung und der Entlastung der Gerichte.171 In einem außergerichtlichen Vorverfahren eröffnet die Kontrollfunktion der Ausgangs- sowie der Widerspruchsbehörde die Möglichkeit, ihr eigenes Handeln unter Berücksichtigung der tatsächlichen und rechtlichen Auffassungen erneut zu überprüfen. Zudem kann die „Filterfunktion“ des Vorverfahrens eine Entlastung der Gerichte mit sich bringen. Das be­deutet, dass unnötige Prozesse vermieden werden sollen, da die Gerichte nur solche Verfahren erreichen, in denen das Widerspruchsverfahren für den Bürger erfolglos war.172 Im Rechtsschutz des Bürgers liegt jedoch die wichtigste Funktion des Vor­ verfahrens. Sie äußert sich dahingehend, dass die Entscheidung der Verwaltung erneut in vollem Umfang auf ihre Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit hin überprüft wird.173 Damit ist der Prüfungsmaßstab der Verwaltung weiter gehend als der der Gerichte.174 Ferner macht der Bürger zunächst auch ohne Einschaltung des Gerichts von seinem Rechtsschutz Gebrauch, denn während des Widerspruchsverfahrens entfaltet der Widerspruch aufschiebende Wirkung und der angegriffene belastende Verwaltungsakt kann von der Behörde nicht vollzogen werden. Bei besonderer Dringlichkeit sind die Behörden ermächtigt, die sofortige Vollziehbarkeit anzuordnen, wogegen aber wiederum Rechtsschutz vor den Verwaltungsgerichten gewährt wird. (2) Obligatorisches Vorverfahren vs. Wahlrecht Das vor den Zivilgerichten und Wirtschaftsgerichten derzeit geltende Wahlrecht des Bürgers zwischen einem behördlichen und einem gerichtlichen Verfahren erfüllt zum Teil  die aufgeführten Funktionen. Unter dem Gesichtspunkt der Kontroll- und Entlastungsfunktion ist ein solches Wahlrecht jedoch nicht sinnvoll, da ein fakultatives Vorverfahren kaum zur Erfüllung dieser Funktionen beiträgt. De-

171 Pietzner/Ronellenfitsch, Das Assessorexamen im Öffentlichen Recht, 12.  Aufl., 2010, § 24 Rn. 3; Dolde/Porsch, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner (Hrsg.), VwGO, Kommentar, 18. Aufl., 2009, Vorbemerkung § 68 Rn. 1; Hufen, Verwaltungsprozessrecht, 7. Aufl., 2008, § 5 Rn. 2; BVerfGE 35, 65 (76); 40, 237 (256); BVerwG 40, 25 (28); 51, 310 (314). 172 Statt vieler Pietzner/Ronellenfitsch, Das Assessorexamen im Öffentlichen Recht, 12. Aufl., 2010, § 24 Rn. 3. 173 Dolde/Porsch, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner (Hrsg.), VwGO, Kommentar, 18. Aufl., 2009, Vorbemerkung § 68 Rn. 1; a. A. Presting, DÖV 1976, S. 269 ff. 174 So auch Dolde/Porsch, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner (Hrsg.), VwGO, Kommen­tar, 18. Aufl., 2009, Vorbemerkung § 68 Rn. 1. Zur Rechtslage in Deutschland vgl. § 68 Abs. 1 S. 1 VwGO gegenüber § 114 VwGO.

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4. Kap.: Entwicklungsmöglichkeiten

ren Erfüllung liegt dagegen im öffentlichen Interesse und kann dem Bürger nicht freigestellt werden.175 Die Einführung eines obligatorischen Vorverfahrens bereitet verfassungsrechtlich im Hinblick auf Art.  46 Verf  RF keine Bedenken.176 Für die Aufnahme des außergerichtlichen Vorverfahrens spricht zudem die verfahrensrechtliche Prozessökonomie. Doch sind momentan die Hemmnisse eines obligatorischen Vorverfahrens, vor allem unter Berücksichtigung der russischen Gegebenheiten, wie einer unzureichenden Ausstattung der Behörden, der gewohnheitsmäßigen Willkür sowie der Korruption, nicht zu übersehen. Fraglich ist auch, ob die Selbstkontrolle der Verwaltung in Russland effektiv durchgeführt wird. Durch das Vorverfahren wird den Bürgern zwar faktisch eine Instanz geschaffen, doch kann dies zugleich eine Verlängerung des Verfahrens und eine Mehrbelastung durch das aufwendige und bürokratische Verwaltungsverfahren bedeuten. Allerdings sind die Befriedungsfunktion, eine qualitative Verbesserung des Verfahrens sowie eine Entlastung der Verwaltungsgerichte in vielen Fällen unbestritten.177 Erfordernis, Funktion und Wirksamkeit des Widerspruchsverfahrens stehen in unmittelbarem Zusammenhang mit der generellen Ausgestaltung des Rechtsschutzes.178 Das Vorverfahren kann den gerichtlichen Rechtsschutz nicht ersetzen,179 diesen aber ergänzen, indem es dem Bürger schnelleren, einfacheren, kostengünstigeren und umfassenderen Rechtsschutz bietet. Unter Annahme der Etablierung einer Verwaltungsgerichtsbarkeit ist mit einer positiven Entwicklung und Steigerung der Akzeptanz des Vorverfahrens in der Bevölkerung zu rechnen. cc) Problemfelder Im vorliegenden Entwurf lassen sich viele Problemfelder ausmachen. Auf eine kommentarmäßige Aufbereitung des Gesetzentwurfs wird verzichtet, dennoch soll ein Eindruck anhand einzelner Beispiele vermittelt werden. Der Entwurf der VwGO  RF ist stellenweise gekennzeichnet durch ungenaue Formulierungen; teilweise sind die Regelungen wiederum zu detailliert. Dies betrifft insbesondere die Bestimmungen der Zuständigkeiten, der Fristberechnung und der Zustellungen. Auch Wiederholungen sind nicht selten. Der Gesetzentwurf lässt in einigen Fällen Ausnahmeregelungen zu den Regelbestimmungen ver­missen. 175 Dolde/Porsch, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner (Hrsg.), VwGO, Kommentar, 18. Aufl., 2009, Vorbemerkung § 68 Rn. 16 b. 176 Stampe, Der Funktionsbereich der russischen Wirtschaftsgerichtsbarkeit, 2000, S. 155 f. 177 Dolde/Porsch, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner (Hrsg.), VwGO, Kommentar, 18. Aufl., 2009, Vorbemerkung § 68 Rn. 16. 178 Dolde/Porsch, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner (Hrsg.), VwGO, Kommentar, 18. Aufl., 2009, Vorbemerkung § 68 Rn. 17. 179 Hufen, Verwaltungsprozessrecht, 7. Aufl., 2008, § 5 Rn. 2.

B. Reformansätze auf dem Weg zu einer modernen Verwaltungsgerichtsbarkeit 

225

Der verwaltungsgerichtliche Prozess ist insgesamt sehr bürgerfreundlich. Die Normen orientieren sich in der Regel am Bürger, was auch dazu führt, dass entsprechende Regelungen für die Verwaltungsseite fehlen. Eine Besonderheit stellen die generell kurzen Fristen dar.180 Dies ist jedoch keine Eigenart des russischen Verwaltungsverfahrens, sondern unter Berücksichtigung des geltenden Rechtssystems konsequent. In Hinblick auf die Komplexität der verwaltungsrechtlichen Streitigkeiten sowie auf die Entschädigungsverfahren bei Verletzung des Gebots der angemessenen Verfahrensdauer ist eine Verlängerung der Fristen jedoch empfehlenswert.181 Geprägt ist das Verwaltungsgerichtsverfahren vom strengen Unmittelbarkeitsgrundsatz. In mancher Hinsicht ist der Ablauf des Gerichtsverfahrens damit zu unflexibel und ineffizient gestaltet, was die Gerichte unnötig belastet und an die Grenze ihrer Kapazität führt.182 Ausnahmen von der strengen Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme erscheinen sinnvoll. Insbesondere bei Sachverständigengutachten sollte ein Urkundsbeweis zulässig sein, bei denen der persönliche Eindruck nur eine geringe Bedeutung hat, soweit dadurch keine Rechte anderer Verfahrens­ beteiligter verletzt werden.183 Überaus verwunderlich ist außerdem, dass das Verwaltungsgericht neben den Verfahrensbeteiligten berechtigt ist, auf Eigeninitiative ein Aufsichtsverfahren einzuleiten (Art.  160 Abs.  2 VwGO  RF). Dieses traditionell der Staatsanwaltschaft zustehende Recht ist im Entwurf nicht geregelt.184 Kurios ist ferner, dass im Aufsichtsverfahren kein Protokoll geführt wird (Art. 171 Abs. 6 VwGO RF). Aus Gründen der Rechtsstaatlichkeit und Rechtssicherheit sollte das Aufsichts­ verfahren einer gründlichen Erörterung unterzogen werden. 180

Für die Prüfung der Sachurteilsvoraussetzungen und das Verfassen eines Unzulässigkeitsbeschlusses steht dem Verwaltungsrichter lediglich ein Zeitraum von sieben Tagen zur Verfügung (Art. 23 Abs. 1, 77 Abs. 1, 78 Abs. 2, 79 Abs. 2 VwGO RF). Die Frist für die Vorbereitung der Hauptverhandlung beträgt einen Monat (Art. 85 Abs. 2 VwGO RF). Die Urteils­ verkündung erfolgt unverzüglich nach Abschluss der Gerichtsverhandlung oder innerhalb der folgenden zwei Wochen (Art. 122 VwGO RF). Im Vergleich zu diesen recht kurzen Fristen erscheinen drei Monate, die dem Bürger seit Bekanntwerden der Rechtsverletzung für die Klageerhebung eingeräumt werden, verhältnismäßig lang. Dagegen muss die Berufungsbeschwerde innerhalb von vierzehn Tagen erfolgen und bereits mit einer Berufungsbegründung versehen sein (Art. 139 Abs. 1, 140 Abs. 1 d) VwGO RF). Im Aufsichtsverfahren sind die Fristregelungen unklar: Der Beschluss über die Einleitung eines Aufsichtsverfahrens ist innerhalb eines Monats zu verfassen. Das Aufsichtsverfahren ist innerhalb von drei Monaten durchzuführen (Art. 166 VwGO RF). Unklar ist, ob diese Frist die Gerichtsentscheidung mit einschließt. 181 Vgl. Ausführungen unter 3. Kapitel, B. I. 9. b). 182 Beispielsweise müssen gem. Art. 116 Abs. 1 VwGO RF Sachverständigengutachten in der Gerichtsverhandlung verlesen werden. Bei umfangreichen Gutachten wird einerseits die Verhandlung unnötig in die Länge gezogen, andererseits wird das Erfassen der relevanten Schlussfolgerungen des Gutachtens erschwert. 183 Domgörgen/Wegner, in: Brandt/Sachs (Hrsg.), Handbuch Verwaltungsverfahren und Verwaltungsprozess, 3. Aufl., 2009, S. 611. 184 Vgl. Art. 32 VwGO RF sowie Ausführungen unter 3. Kapitel, B. I. 11. c) sowie II. 9. c).

226

4. Kap.: Entwicklungsmöglichkeiten

Des Weiteren bedarf die Akteneinsicht einer verbesserten Form. Den Bürgern steht ein verfassungsmäßig garantierter Anspruch auf Datenschutz und Akten­ einsicht zu (Art.  24 Verf  RF).185 Allerdings wird in der russischen Rechtspraxis der Zugang zu den klageerheblichen Dokumenten häufig erschwert. Den Bürgern und Anwälten muss die Möglichkeit eröffnet werden, Akten an das nächstgelegene Gericht übersenden zu lassen oder Auszüge und Kopien anfertigen zu können. Es stellt ein zusätzliches erzieherisches Instrument dar, wenn die Verwaltung verpflichtet ist, die Akten nicht nur dem Gericht, sondern auch der klagenden ­Partei und somit der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Dies führt dazu, dass der aus rechtsstaatlicher Sicht erwünschte Druck auf die Verwaltung, ihre Entscheidungen sachlich und nachvollziehbar zu begründen und sich nicht von sachfremden Erwägungen leiten zu lassen, erhöht wird. 3. Weitere Entwürfe Die Gesetzentwürfe über die Einbringung von Ergänzungen in das Föderale Verfassungsgesetz „Über das Gerichtssystem der Russischen Föderation“ sowie die Einbringung von Änderungen und Ergänzungen in das Föderale Verfassungsgesetz „Über die Militärgerichte der Russischen Föderation“ wurden jeweils am 21.  September 2000 in die Duma eingebracht. Der erstgenannte Entwurf sieht­ entsprechende Anpassungen im bestehenden Gerichtssystem der RF vor, die bei der Einführung des Verwaltungsprozesskodex und des Gesetzes „Über die Verwaltungsgerichte“ notwendig werden, und befindet sich im Stadium der 2. Lesung. Demgemäß soll auch das Gesetz „Über die Militärgerichte“ angepasst werden. Der dazugehörige Entwurf wird jedoch noch im Rat der Staatsduma vorbereitend geprüft.

II. Bewertung der Reformen Die Kontrolle der Verwaltung und der Individualrechtsschutz sind Aufgaben der Verwaltungsgerichtsbarkeit und werden, wie bereits ausgeführt, auf der Grundlage des derzeit geltenden Systems erfüllt. Entsprechend der aktuellen Verfahrensgesetzgebung erstreckt sich die Verhandlung öffentlich-rechtlicher Streitigkeiten auf fast alle Gerichtszweige. Es steht fest, dass ordentliche Gerichtsbarkeit und Wirtschaftsgerichtsbarkeit in weiten Teilen parallel nebeneinander judizieren. Die Spezifik verwaltungsrechtlicher Rechtssachen erfordert einheitliche pro 185 Art. 24 Abs. 2 der Verf RF lautet: „Die Organe der staatlichen Gewalt und die Organe der örtlichen Selbstverwaltung sowie ihre Amtsträger sind verpflichtet, jedem die Möglichkeit zur Einsicht in Dokumente und Materialien, die unmittelbar seine Rechte und Freiheiten berühren, zu gewährleisten, wenn ein anderes nicht durch Gesetz vorgesehen ist.“ A. A. Kugelmann, Die informatorische Rechtsstellung des Bürgers, 2001, S.  180, der lediglich von einem einfach­ gesetzlichen Anspruch auf Akteneinsicht ausgeht.

B. Reformansätze auf dem Weg zu einer modernen Verwaltungsgerichtsbarkeit 

227

zessuale Normen, die in einem Gesetz zusammengefasst sind. Erstrebenswert sind damit eine Ausgliederung der Verwaltungsrechtssachen aus den bestehenden Ordnungen sowie die Errichtung einer Verwaltungsgerichtsbarkeit und ihre Eigenständigkeit als Gerichtszweig. Die Notwendigkeit liegt auf der Hand. Das vom russischen Gesetzgeber vorbereitete Gesetzespaket stellt ein solides Fundament für die teilweise Umsetzung dieser Ziele dar. In manchen Bereichen ist es noch verbesserungswürdig. Dies betrifft insbesondere den Aufbau, die Struktur und die Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte. Trotz der geäußerten Kritik am gesetzgeberischen Paket ist vor allem der Entwurf der VwGO RF eine be­ eindruckende kodifikatorische Leistung. Er nimmt die in Westeuropa historisch gewachsenen Ausprägungen des Rechtsstaats auf und verbindet diese überzeugend mit Elementen der Prozessführung, die russisches Denken und russische Tra­dition widerspiegeln. Damit erhält der Entwurf einen durchaus authentischen nationalen Charakter. Offen bleibt gleichwohl, ob der eine Dekade andauernde Gesetzgebungsprozess mit dem Streben nach Vollkommenheit im Sinne Dostojewkis zu erklären oder vielmehr politisch motiviert ist.

5. Kapitel

Schlussbetrachtung A. Anregungen Die westeuropäische Praxis hat gezeigt, dass eine spezialisierte Verwaltungsgerichtsbarkeit sehr gut geeignet ist, ihr Ziel zu erreichen, gleichgültig, ob man dieses Ziel darin sieht, die Verwaltung entweder nach dem französischen Modell des objektiven Rechtsschutzes im allgemeinen Interesse des Staates oder nach dem deutschen Modell des subjektiven Rechtsschutzes im Interesse des Bürgers zu kontrollieren. Aus der dargestellten momentanen Rechtslage in der Russischen Föderation und den herausgearbeiteten Problemfeldern lassen sich thesenartig folgende sieben Anregungen für die Einführung einer eigenständigen Verwaltungsgerichts­ barkeit zusammenfassen: (1) Nach dem Inkrafttreten neuer Verfassungen dauert es in der Regel einige Jahre bis die ersten Kodifikationen im Bereich der Verwaltung und der Verwaltungsgerichtsbarkeit verabschiedet werden. Es hat beinahe den Anschein, dass es einer „verfassungskonkretisierenden Reifezeit“ von mindestens zehn bis fünfzehn Jahren bedarf.1 In dieser Hinsicht hat Russland mit einem Zeitraum von siebzehn Jahren seit der verfassungsrechtlichen Verankerung einer Verwaltungsgerichtsbarkeit und dem Bekenntnis zum demokratischen Rechtsstaat den europäischen Durchschnitt bereits überschritten. Vor allem aber verwundert die gesetzgeberische Unentschlossenheit. Die Gesetzentwürfe zur Schaffung der Verwaltungsgerichte und der entsprechenden Gerichtsordnung sind teils seit über zehn Jahren ausgearbeitet. Es fehlt lediglich der Schritt der Umsetzung. Der russische Gesetzgeber sollte diesen auch gehen. Gleichzeitig gilt es die bereits herausgestellten Defizite zu beseitigen. Richtig und von unabhängigen Richtern angewandt, werden diese Gesetze und die etablierten Verwaltungsgerichte den erforderlichen Rahmen bilden, um Russlands gleichberechtigte Teilnahme an der europäischen Gesamtrechtsordnung zu gewährleisten und das Vertrauen der Bevölkerung in die Justiz im eigenen Land wiederherzustellen. 1

Sommermann, DÖV 2002, S. 133 (135).

229

A. Anregungen

(2) Die beabsichtigte Eingliederung der Verwaltungsgerichtsbarkeit in die ordentliche Gerichtsbarkeit erscheint an sich schon problematisch.2 Unter den russischen Gegebenheiten, dass etwa die Hälfte aller öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten weiterhin vor den Wirtschaftsgerichten verhandelt wird, werden diese Probleme verschärft. Zwar kann sich die gerichtliche Verwaltungskontrolle auf eine vorhandene und funktionierende Gerichtsbarkeit stützen, doch sollte sie samt Infrastruktur auf Dauer aus der ordentlichen Gerichtsbarkeit, aber auch aus der Wirtschaftsgerichtsbarkeit ausgegliedert werden und in einer Gerichtsbarkeit verschmelzen.

Rayongerichte

Föderale Kreiswirtschaftsgerichte

Wirtschaftsappellationsgerichte

Wirtschaftsrechtssachen

Oberste Gerichte der Subjekte der RF

Oberstes Wirtschaftsgericht der RF Verwaltungsrechtssachen

Zivilrechtssachen

Oberstes Gericht der RF

Wirtschaftsgerichtsbarkeit

Verwaltungsrechtssachen

Ordentliche Gerichtsbarkeit

Wirtschaftsgerichte der Subjekte der RF

Friedensgerichte

Verwaltungsgerichtsbarkeit

Schaubild 2: Eigenständigkeit der Verwaltungsgerichtsbarkeit

Die derzeit vom russischen Gesetzgeber vorgesehene Struktur wird das Dilemma der Parallelität der Gerichtsbarkeiten und der uneinheitlichen Rechtsprechung nicht lösen. Als Übergangskonzept in der Aufbauphase wäre sie­ allerdings gut geeignet. (3) Folgerichtig sind sowohl Änderungen der ZPO RF als auch der WiPO unter Aufhebung entsprechender Normen notwendig, die derzeit spezifisch verwaltungsrechtliche Streitigkeiten regeln. Ein weiterer Schritt sollte die Heraus­ 2

Vgl. Ausführungen unter 4. Kapitel, B. I. 1. d) aa).

230

5. Kap.: Schlussbetrachtung

lösung der Finanz- und Sozialrechtssachen, zumindest aber ihre Überführung in spezialisierte Kammern bzw. Senate sein. Durch die Bildung solcher spe­ zialisierter Spruchkörper ist eine höhere Fachkompetenz der Verwaltungs­ richter möglich. (4) Die Verwaltungsgerichtsreform hat in Russland nicht nur Befürworter, sondern auch Kritiker. Gegen die Errichtung von Verwaltungsgerichten werden vorwiegend praktische Erwägungen vorgebracht. Der Zugang zur Rechtspflege könnte für die Bürger durch Verkomplizierung des bestehenden Gerichtssystems zusätzlich erschwert werden. Besser sollten Anstrengungen zur Vervollkommnung und Effizienzsteigerung der rechtsprechenden Gewalt insgesamt unternommen werden.3 Eine jede Reform geht zwangsläufig mit Änderungen des Systems einher. Veränderungen bedeuten Chancen; einerseits einer Harmonisierung des Gerichtssystems und einer transparenten Gestaltung des Rechtsschutzes, andererseits eines leichteren Zugangs zu den Gerichten. (5) Der Eigenständigkeit der Verwaltungsgerichtsbarkeit stellen sich praktische Probleme in Form von finanzieller, materieller sowie personeller Ressourcenknappheit in den Weg. Beim derzeit reformresistent erscheinenden Gerichtsaufbau könnte ein ein­ facher Kunstgriff angewandt werden, indem die Wirtschaftsgerichte in Verwaltungsgerichte umgewandelt werden. Dafür spricht die Tatsache, dass aktuell die Wirtschaftsgerichte in beinahe der Hälfte der Fälle als Verwaltungsgerichte agieren.4 Ausgehend von einer nicht nur bloßen Umetikettierung, sollten öffentlich-rechtliche Streitigkeiten aus der ordentlichen Gerichtsbarkeit in die Wirtschaftsgerichtsbarkeit übertragen werden. Im Gegenzug sind alle Wirtschaftsstreitigkeiten nicht verwaltungsrechtlicher Natur unter Beibehaltung der angepassten Wirtschaftsprozessordnung als besondere Zivilgerichts­barkeit in die ordentliche Gerichtsbarkeit zu überführen. Dabei kann auf vorhandene Strukturen sowie materielle und personelle Kapazitäten zurückgegriffen werden. Insofern handelt es sich bei dieser Variante der Umgestaltung um eine­ kosteneffiziente und praktikable Lösung. Das generelle Problem der Überlastung sowohl der ordentlichen Gerichte als auch der Wirtschaftsgerichte kann nur durch die personelle Aufstockung der Richterschaft gelöst werden. Was den Bereich des Verwaltungsrechtsschutzes anbelangt, kann die Einführung eines obligatorischen Vorverfahrens als Entlastungsfaktor wirken.5

3 So Poljakow, in: Radtschenko (Hrsg.), Problemy sastschity publitschnych i tschastnych interesow w administratiwnych sudach [Die Probleme des Schutzes der öffentlichen und privaten Interessen vor den Verwaltungsgerichten], 2001, S. 154 (156). 4 Vgl. dokumentarischer Anhang B., Tabelle 1. 5 Vgl. Ausführungen unter 4. Kapitel, B. I. 2. c) bb).

231

A. Anregungen

Ordentliche Gerichtsbarkeit

Friedensgerichte

Föderale Kreiswirtschaftsgerichte

Wirtschaftsappellationsgerichte

Verwaltungsrechtssachen

Rayongerichte

Oberstes Wirtschaftsgericht der RF

Wirtschaftsrechtssachen

Oberste Gerichte der Subjekte der RF

Verwaltungsrechtssachen

Zivilrechtssachen

Oberstes Gericht der RF

Wirtschaftsgerichtsbarkeit

Wirtschaftsgerichte der Subjekte der RF

Verwaltungsgerichtsbarkeit

Schaubild 3: Pragmatische Lösung

(6) Eine qualifizierte Verwaltungsgerichtsbarkeit wirkt erzieherisch auf die Verwaltung und stärkt somit deren Effizienz und die Rechtsstaatlichkeit. In An­betracht heutiger Rechtsordnungen, die zunehmend eine komplexe und globalisierte Gegenwart regulieren, ist die Frage der Qualifikation und Spezialisierung der Richter von großer Bedeutung. Ein und derselbe Richter ist unmöglich in der Lage, tiefgründige Sachkunde auf allen Rechtsgebieten zu erlangen. Ein Richter, der öffentlich-rechtliche Streitigkeiten entscheidet, muss zweifelsohne mit dem Verwaltungsrecht, der aktuellen Verwaltungsgesetzgebung, aber auch mit der facettenreichen und vielschichtigen Verwaltungspraxis vertraut sein. Dies gilt es bei der Errichtung einer Verwaltungsgerichtsbarkeit zu berücksichtigen. (7) Einen Beitrag zur sachlichen und persönlichen Unabhängigkeit der Verwaltungsrichter und folglich zur Minderung der Korruptionsanfälligkeit leistet die Verbesserung der wirtschaftlichen Situation der Richter. Trotz finanzieller Mehraufwendungen für den Staatshaushalt sollte gerade an dieser Stelle nicht gespart werden. Auch die positive Wirkung auf die Attraktivität des Berufsbilds ist nicht zu verkennen.

232

5. Kap.: Schlussbetrachtung

B. Schlusswort „Eure Mühen, Eure Leiden sind unsere Lehren.“ 

Alexander I. Herzen6

Russland kann bei der Entwicklung einer eigenständigen Verwaltungsgerichtsbarkeit auf die Modelle anderer Länder zurückgreifen, von den Erfahrungen profitieren und gegebenenfalls erkannte Fehler vermeiden. Für den Gesetzgebungsprozess liegt hier ein scheinbarer Vorteil. Es sind genuine Probleme der Transformation und der Modernisierung, mit denen sich die Russische Föderation noch immer auseinandersetzen muss. Denn „weder ihre eigene Geschichte, noch die frühere Entwicklung anderer Länder haben sie […] für die Aufgaben der nationalen Entwicklung vorbereitet“.7 Es ist auch eine Frage der russischen Mentalität. Eine umfassende Gerichtsreform ist auf die Akzeptanz und Unterstützung der gesamten Gesellschaft angewiesen. Dazu muss sich ein freiheitlich-demokratisches Rechtsgefühl in der Bevölkerung verfestigen. Eine entscheidende Rolle spielen zweifellos unabhängige Medien und eine kritische Öffentlichkeit. Momentan scheint es offenbar eine Machtfrage zu sein, ob man fähig oder gewillt ist, Reformen voranzutreiben. Historisch gesehen hat Russland durchaus eigene Erfahrungen vorzuweisen. Die Wurzeln des russischen Verwaltungsrechtsschutzes liegen im Kaiserreich des 18. Jahrhunderts. Wesentlich älter sind die Verwaltungsstrukturen, die bis in die Kiewer Rus zurückreichen. Gemeinhin gilt der Regierende Senat Peters des Großen als Ursprung der Verwaltungskontrolle. Unter den nachfolgenden Regenten verlor der Senat schrittweise an Einfluss und Bedeutung. Im Zuge der Februarrevolution von 1917 wurde eine eigenständige Verwaltungsgerichtsbarkeit eingeführt, deren praktische Umsetzung aber von den Ereignissen der Oktoberrevolution vereitelt wurde. In der Sowjet­union konnten sich zaghafte Diskussionsansätze nicht durchsetzen. Während des Stalinistischen Terrors verstummten sie gänzlich. Mit dem Ende der sechziger Jahre lebten sowohl die gesetzgeberische Tätigkeit als auch die wissenschaftliche Debatte wieder auf. Erst kurz vor dem Zusammenbruch der Sowjetunion entwickelte sich aus einem Beschwerdeverfahren die gerichtliche Kontrolle staatlichen Handelns. 6 Gerzen, Polnoje sobranije sotschinenij i pisem. Pod red. M. K. Lemke w 21 tt [Gesammelte Werke und Briefe. Unter der Redaktion von M. K. Lemke in 21 Bänden], Bd. 8, 1919, S. 151. So übersetzt bei Hildermeier, HZ 244 (1987), S. 557 (577). Herzen (russischer Philosoph und Publizist, 1812–1870) sah in der Rückständigkeit Russlands die Möglichkeit, aus den Fehlern anderer Länder zu lernen und gleichzeitig die Chance, einen völlig anderen Weg in der Entwicklung zu gehen als der Westen. Er bezeichnete das als Ungerechtigkeit der ­Geschichte, die den Nachzüglern einen historischen Vorteil gewährt. Dazu Hildermeier, HZ 244 (1987), S.  557 (577 f.); Gerschenkron, Economic Backwardness in Historical Perspective, 1962, S. 168. 7 Bendix, Freiheit und historisches Schicksal, 1982, S. 131. Mit Bezug auf Herzen.

B. Schlusswort

233

Mit der verfassungsrechtlichen Verankerung wurde die Diskussion über die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Russischen Föderation erneut in Gang gesetzt. Nach gegenwärtiger Rechtslage verhandeln neben den Militärgerichten hauptsächlich Wirtschaftsgerichte sowie ordentliche Gerichte öffentlich-rechtliche Streitig­keiten. Seit der Jahrtausendwende liegt ein Gesetzentwurf über die Verwaltungsgerichte vor, der einige Jahre später um den Entwurf einer entsprechenden Prozessordnung ergänzt wurde. Über das Entwurfsstadium sind beide Gesetze bis dato nicht hinausgegangen. Misst man Russlands Rechtstaatlichkeit an deutschen Maßstäben, ist es insge­ samt ein umfangreicher Modernisierungsprozess, der der Russischen Föderation selbst im zwanzigsten Jahr ihrer Gründung noch bevorsteht. Das verfassungsmäßige Ziel der Rechtsstaatlichkeit kann nicht erreicht werden, ohne einen gewissen Weg der Entwicklung zurückzulegen. Im Vergleich zu westlichen Staaten prägen andere historische wie auch soziokulturelle Voraussetzungen eine solche Entwicklung. Insofern gehört auch der sprichwörtliche Weg mit zum Ziel. Für das Ziel der Einführung einer eigenständigen Verwaltungsgerichtsbarkeit gilt das­ allerdings nicht. Hier geht der praktischen Umsetzung zwangsläufig die Einführung voraus. Russland wird damit nicht den Radbruchschen Schlussstein des Rechtsstaates setzen können. Dafür müsste ein tragfähiges Fundament vorhanden sein. Eine Verwaltungsgerichtsbarkeit allein vermag es nicht, einem kompletten Gerichtssystem rechtsstaatlichen Charakter zu verleihen. Noch weniger lässt sich Rechtsstaat­ lichkeit über Nacht einführen. Dennoch sollte mehr Entschlossenheit im Hinblick auf die hier proklamierte eigenständige Verwaltungsgerichtsbarkeit gezeigt werden. Mit Medwedjews Worten bleibt nur noch zu sagen: Россия, вперёд!8

8

Russland, vorwärts!

6. Kapitel

Nachtrag A. Änderung der Gerichtsstruktur Eine wichtige strukturelle Änderung wurde vom russischen Gesetzgeber Anfang 2014 mit der Zusammenlegung des Obersten Wirtschaftsgerichts der RF mit dem Obersten Gericht der RF, mit neuem Sitz in St. Petersburg, vollzogen. Mit den Gesetzen vom 05. Februar 2014 „Über die Änderung der Verfassung der RF“,1 „Über das Oberste Gericht der RF“2 sowie „Über die Änderungen des Gesetzes über das Gerichtssystem der RF“3 wurde festgelegt, dass das Oberste Gericht der Russischen Föderation die letzte Instanz auf den Gebieten der Zivil-, Straf- und Verwaltungsgerichtsbarkeit ist. Damit wurde mit einer 6-monatigen Übergangsregelung das Oberste Wirtschaftsgericht der RF abgeschafft. Die Zusammen­ legung des Obersten Wirtschaftsgerichts der RF mit dem Obersten Gericht der RF wurde durch Schaffung eines Senats für Wirtschaftsangelegenheiten beim Obersten Gericht der RF vollzogen.

B. Stand der Gesetzgebungsverfahren Das Gesetzgebungsverfahren zum Gesetzentwurf „Über die Verwaltungsgerichte“ ist vom russischen Gesetzgeber beendet worden.4 Ähnliche Vorhaben werden aktu­ell nicht verfolgt. Dafür wurde der Gesetzentwurf „Kodex der Verwaltungsgerichtsbarkeit der Russischen Föderation (Regulierung des Verfahrens der Ver 1 Sakon RF o poprawke k Konstituzii RF ot 05.02.2014, N 2-FKS „O Werhownom Sude Rossijskoj Federazii i prokurature Rossijskoj Federazii“ [Gesetz der RF über die Änderung der Verfassung der RF vom 05.02.2014, Nr.  2-FKS „Über das Oberste Gericht der Rus­ sischen Föderation und die Staatsanwaltschaft der Russischen Föderation“], RG Nr. 27 vom 07.02.2014. 2 Federalnyj konstituzionnyj sakon ot 05.02.2014, N 3-FKS (red. ot 04.11.2014) „O Werhownom Sude Rossijskoj Federazii“ [Föderales Verfassungsgesetz vom 05.02.2014, Nr.  3FKS, in der Redaktion vom 04.11.2014 „Über das Oberste Gericht der Russischen Föde­ ration“], RG Nr. 27 vom 07.02.2014. 3 Federalnyj konstituzionnyj sakon ot 05.02.2014, N 4-FKS „O wnesenii ismenenij w Fede­ ralnyj konstituzionnyj sakon ‚O sudebnoj sisteme Rossijskoj Federazii‘“ [Föderales Verfassungsgesetz vom 05.02.2014, Nr. 4-FKS „Über die Einführung der Änderungen in das Föderale Verfassungsgesetz ‚Über das Gerichtssystem der Russischen Föderation‘“], RG Nr. 27 vom 07.02.2014. 4 Siehe dokumentarischer Anhang B., Tabelle 4.

C. Kodex der Verwaltungsgerichtsbarkeit der Russischen Föderation 

235

waltungsgerichtsbarkeit durch die ordentlichen Gerichte)“5 am 25.  Februar 2015 verabschiedet.6 Das Föderale Gesetz „Kodex der Verwaltungsgerichtsbarkeit der Russischen Föderation“7 vom 8. März 2015, tritt am 15. September 2015 in Kraft, ausgenommen einzelner Regelungen, die jeweils zum im Föderalen Gesetz „Über das Inkrafttreten des Kodex der Verwaltungsgerichtsbarkeit der Russischen Föderation“8 vorgesehenen Termin in Kraft treten. Der Kodex stellt das Ergebnis eines viele Jahre andauernden Reformvorhabens dar.

C. Kodex der Verwaltungsgerichtsbarkeit der Russischen Föderation Mit dem Kodex der Verwaltungsgerichtsbarkeit RF wird nunmehr das verwaltungsgerichtliche Verfahren vor den ordentlichen Gerichten geregelt. Der Kodex gilt jedoch nicht für Verfahren vor den Wirtschaftsgerichten, vor dem Verfassungsgericht und den Landesverfassungsgerichten.

I. Aufbau des Kodex Der Kodex der Verwaltungsgerichtsbarkeit RF ist im Vergleich zum ersten Gesetzentwurf von 2006 von ursprünglich 247 Artikeln auf 365 sowie von 26 Kapiteln auf 39 angewachsen. Eine Vereinfachung des Verwaltungsprozesses ist daher nicht zu beobachten. Der russische Gesetzgeber strebt mit der Kodifizierung eine weitgehend allumfassende Regelungsvollständigkeit an. Ob ihm dies mit dem ­Kodex der Verwaltungsgerichtsbarkeit RF gelungen ist, wird erst die Anwendungspraxis zeigen.

5 Projekt Federalnogo sakona, N 246960-6 „Kodex administratiwnogo sudoproiswodstwa Rossijskoj Federazii (regulirowanie porjadka osuschtschastwlenija sudami obsschtschej jurisdikzii administratiwnogo sudoproiswodstwa)“ [Entwurf des Föderalen Gesetzes, Nr. 246960-6 „Kodex der Verwaltungsgerichtsbarkeit der Russischen Föderation (Regulierung des Verfahrens der Verwaltungsgerichtsbarkeit durch die ordentlichen Gerichte)“], ASOZD, abrufbar unter: http://asozd.duma.gov.ru/ (Stand: 10.03.2015). 6 Siehe dokumentarischer Anhang B., Tabelle 6. Für das eingestellte Gesetzgebungsverfahren zum Kodex in alter Fassung vgl. dokumentarischer Anhang B., Tabelle 5. 7 Federalnyj sakon ot 08.03.2015, N 21-FS „Kodeks administatiwnogo sudoproiswodstwa Rossijskoj Federazii“ [Föderales Gesetz vom 08.03.2015, Nr. 21-FS „Kodex der Verwaltungsgerichtsbarkeit der Russischen Föderation“], abrufbar unter http://publication.pravo.gov.ru/Document/View/0001201503090041 (Stand: 10.03.2015). 8 Federalnyj sakon ot 08.03.2015, N 22-FS „O wwedenii w dejstwije Kodeksa administatiwnogo sudoproiswodstwa Rossijskoj Federazii“ [Föderales Gesetz vom 08.03.2015, Nr. 22FS „Über das Inkrafttreten des Kodex der Verwaltungsgerichtsbarkeit der Russischen Föde­ ra­ tion“], abrufbar unter http://publication.pravo.gov.ru/Document/View/0001201503090004 (Stand: 10.03.2015).

236

6. Kap.: Nachtrag

II. Anwendbarkeit des Kodex Wie bereits im Entwurf von 2006 wird vielfach die Enumeration anstelle von Generalklauseln verwendet. Gem. Art. 1 Abs. 2 ff. findet der Kodex nach dem Gesetzeswortlaut auf verwaltungsrechtliche Angelegenheiten zur Verteidigung der verletzten und bestrittenen Rechte, Freiheiten, gesetzlichen Interessen von Bürgern und Organisationen Anwendung, insbesondere: –– die Anfechtung normativer Rechtsakte im Ganzen oder teilweise; –– die Anfechtung von Entscheidungen, Handlungen (Unterlassen) der Organe der staatlichen Gewalt, anderer Staatsorgane, Organe der Militärverwaltung, der kommunalen Selbstverwaltungsorgane, der Beamten, der staatlichen und kommunalen Bediensteten; –– die Anfechtung von Entscheidungen, Handlungen (Unterlassen) der nicht­ kommerziellen Organisationen, die mit staatlichen und anderen öffentlichen Befugnissen beliehen sind, einschließlich Selbstregulierungsorganisationen; –– die Anfechtung von Entscheidungen, Handlungen (Unterlassen) der qualifizierten Richterkollegien; –– die Anfechtung von Entscheidungen, Handlungen (Unterlassen) der Obersten Prüfungskommission für die Abnahme des qualifizierten Examens für das Richteramt und der Prüfungskommissionen der Subjekte der Russischen Föderation für die Abnahme des qualifizierten Examens für das Richteramt; –– über den Schutz von Wahlrechten und Rechten der Bürger der Russischen Föderation, an einem Referendum teilzunehmen; –– über Entschädigungsleistungen betreffend die  Verletzung des Rechts auf ein Gerichtsverfahren innerhalb angemessener Frist in Angelegenheiten, für die­ ordentliche Gerichte zuständig sind, oder des Rechts auf Vollstreckung eines Gerichtsaktes der ordentlichen Gerichte innerhalb angemessener Frist. Ferner findet der neue Kodex dem Wortlaut nach auf folgende verwaltungsrechtliche Angelegenheiten Anwendung, die mit der Wahrnehmung der richterlichen Kontrolle zur Einhaltung der Rechte und Freiheiten der Menschen und Bürger, Rechte der Organisationen bei der Wahrnehmung einzelner Verwaltungsbegehren gegenüber natürlichen Personen und Organisationen zusammenhängen, insbesondere: –– über die Einstellung der Tätigkeit und Auflösung von politischen Parteien, ihrer regionalen Unterorganisationen oder anderen Unterorganisationen sowie über das Verbot der Tätigkeit einer öffentlichen Vereinigung oder einer religiösen Organisation ohne den Status einer juristische Person; über die Löschung der Eintragung einer nichtkommerziellen Organisation aus dem staatlichen Register; –– über die Einstellung der Tätigkeit von Informationsmedien;

D. Ausblick

237

–– über die Erhebung von Geldforderungen, gesetzlichen Pflichtzahlungen, Geldbußen von natürlichen Personen. Außerdem sind Angelegenheiten über die Ausweisung oder Rückübernahme von ausländischen Bürgern, über die Aufsicht der Haftentlassenen sowie über die Unterbringung in psychiatrischen oder Tuberkuloseanstalten im Kodex der Verwaltungsgerichtsbarkeit RF geregelt. Ausdrücklich von der Anwendbarkeit des neuen Kodex ausgenommen sind solche verwaltungsrechtliche Angelegenheiten, die ausdrücklich der Zuständigkeit des Verfassungsgerichts der Russischen Föderation, der Verfassungsgerichte der Subjekte der RF sowie der Wirtschaftsgerichte unterliegen, oder in einen besonderen prozessualen Verfahren vor dem Obersten Gericht der RF oder den ordentlichen Gerichten geregelt sind. Auch hat sich der russische Gesetzgeber gegen die Aufnahme von Ordnungswidrigkeiten in den Kodex entschieden. Im Zuge des Gesetzgebungsverfahrens wurde ebenfalls das Gesetz „Über das Inkrafttreten des Kodex der Verwaltungsgerichtsbarkeit der Russischen Föderation“ verabschiedet, welches das Inkrafttreten zum 15. September 2015 festlegt. Danach werden keine Übergangsfristen vorgesehen, sondern der 15.  September 2015 wird als Stichtag für die Anwendung des Kodex bestimmt. Davon sind gem. Art. 3 Abs. 2 des Gesetzes „Über das Inkrafttreten des Kodex der Verwaltungsgerichtsbarkeit der Russischen Föderation“ Appellations-, Kassations- und Aufsichtsangelegenheiten ausgenommen; sie werden noch nach der zuvor geltenden Verfahrensordnung entschieden.

D. Ausblick Das ursprüngliche Vorhaben und die Einführung von Verwaltungsgerichten in der Russischen Föderation wurden vom russischen Gesetzgeber nun vorerst verworfen. Grundsätzlich ist der Vorstoß, eine Kodifizierung der verwaltungsgerichtlichen Ordnung zu schaffen, zu begrüßen. Die in der vorliegenden Arbeit angesprochenen Problemlagen werden alleine durch die Einführung eines Kodex der Verwaltungsgerichtsbarkeit RF nicht beseitigt. Es liegt nunmehr eine Prozessordnung vor, ohne dass gerichtliche Instanzen, namentlich eigenständige Verwaltungsgerichte, geschaffen wurden. Die Verwaltungsgerichtsbarkeit der Russischen Föderation bleibt weiter eine Verwaltungsgerichtsbarkeit ohne­ Verwaltungsgerichte. Mit der Kodifizierung einer Verwaltungsgerichtsordnung hat die nun mehr als 15  Jahre andauernde Reform zumindest teilweise ihren Abschluss gefunden. Es bleibt jedoch abzuwarten, wie sich die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung entwickelt und in der Rechtswissenschaft, Praxis und bei der Bevölkerung angenommen wird. Es werden im Laufe der kommenden Jahre sicherlich Anpas­ sungen, Konkretisierungen und Verbesserungen des Kodex notwendig sein.

238

6. Kap.: Nachtrag

Es wird sich weiter zeigen müssen, ob und inwieweit sich die Zusammenlegung der beiden Obersten Gerichte der RF auf die Rechtsprechung, insbesondere in Verwaltungsangelegenheiten, auswirken wird. Vor allem vor dem Hintergrund, dass der 2015 eingeführte Kodex über die Verwaltungsgerichtsbarkeit keine Anwendung in Verfahren der Wirtschaftsgerichte findet, sowie der Tatsache, dass die Zusammenlegung nur die obersten, nicht dagegen die unteren Instanzen betrifft, ist es primär nicht zu erwarten, dass sich die Rechtsprechung vereinheitlichen wird.

Dokumentarischer Anhang

A. Gesetzestexte und Übersetzungen aus dem Russischen I. Verordnung vom 30. Mai 1917 „Über die Gerichte in administrativen Angelegenheiten“1 ПОЛОЖЕНИЕ О СУДАХ ПО АДМИНИСТРАТИВНЫМ ДЕЛАМ I. Об административных судах 1. Власть судебная по делам административным принадлежит: административным ­судьям, окружным судам и Правительствующему Сенату. 2. В уездах состоят административные судьи по одному или по несколько в каждом уезде. Число административных судей по уездам определяется особым расписанием, утвержденным в законосательном порядке. Установление границ подведомственным административным судьям участков производится административным отделением подлежащего окружного суда. Определения суда по этому предмету утверждаются Первым Департаментом Правительствующего Сената. 3. Административный судья есть влать единоличная. 4. По своим служебным правам и преимуществам и в порядке определения и увольнения, а также служебной ответственности административный судья приравнивается к членам окружного суда. 5. Административному судье предоставляется право принимать участие в общих собраниях окружного суда, но он не может привлекаться к участию в ­разрешении гражданских и уголовных дел и на него не может быть возлагаемо исполнение ­поручений по назначенным делам. 6. Для заведования делопроизводством при каждом административном судье состоит, под непосредственным его надзором, секретарь, определяемый к ­должности административным судьей. По своим служебным правам и обязанностям, а также в отношении служебной ответственности секретарь административного судьи приравнивается к секретарю мирового судьи. 1 Poloschenie ot 30.05.1917 „O sudach po administratiwnym delam“ [Verordnung vom 30.05.1917 „Über die Gerichte in administrativen Angelegenheiten“], SUiR 127, Pos. 692. Abgedruckt in: Selenzow, in: Radtschenko (Hrsg.), Problemy sastschity publitschnych i tschastnych interesow w administratiwnych sudach [Die Probleme des Schutzes der öffentlichen und privaten Interessen vor den Verwaltungsgerichten], 2001, S.  64 (143 ff.); Selenzow/­ Radtschenko, Administratiwnaja justizija w Rosii: Istorija i sowremennost [Die Verwaltungsjustiz in Russland: Geschichte und Gegenwart], 2002, S. 99 ff.

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Dokumentarischer Anhang

7. Для разрешения административных делах в губернии или области в составе окружных судов, находящихся в губернских и областных городах, образуются ­особые административные отделения, в составе товарища председателя и членов суда, определяемых при самом назначении к присутствованию именно в административном отделении окружного суда. Примечание: В городе Одессе образуется административное отделение окружного суда для разрешения дел по назначенному городу. 8. На должности товарища председателя и члена окружного суда по административному определению, а равно на должность административного судьи могут быть назначены или лица, удовлетворяющие установленным в законе требованиям для назначения на должность товарища председателя или члена окружного суда, или же лица, получившие высшее юридическое образование и обладающие достаточным административным опытом. 9. Правила, относящиеся до внутреннего распорядка и делопроизводства у административных судей и в административных отделених окружного суда, составляются подлежащими административными отделениями при участии всех административных судей данной губернии или области и включаются в особые наказы окружных судов. II. Опорядке производства у административных судей и окружных судей 1) О подсудности 10. Администратиному суду подсудны: 1) дела по протестам комиссаров на постановления, распоряжения, действия и упущения учреждений и должностных лиц городского, земского (губернского, уездного и волостного) и поселкового управления; 2) дела по жалобам правительственных установлений и должностных лиц на постновления, распоряжения, действия и упущения, указанные в пункте 1; 3) дела по жалобам городских дум, земских и поселковых собраний и частных лиц, обществ и установлений на постновления, распоряжения, действия и упущения, указанных в пункте 1 учреждений и лиц, а также комиссаров, их помощников и подчиненных им лиц, и 4) дела, особо предоставленные законом ведению административного суда. 11. Основанием для протестов и жалоб могут быть: 1) неправильности, состоящие либо в нарушении закона или обязательного распоряжения властей, либо в осуществлении полномочий с нарушением той цели, для которой оно предоставлено; 2) уклонение от исполнения действия, предписанного законом или обязательным распоряжением власти, и 3) медленность. Жалоба может быть принесена теми лицами, обществами и установлениями, интересы или права коих нарушены постановлением, распоряжением, действием или упущением. 12. Административному суду приносятся протесты и жалобы на все учреждения и на всех должностных лиц городского, земского и поселкового управления, за исключением протестов и жалоб на должностных лиц, подчиненных управам, протесты и жалобы, на которых приносятся последним.

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13. Дела по протестам и жалобам на учрежденя и должностных лиц волостного и поселкового управления рассматриваются административными судьями. Все прочие дела за исключением возникших по жалобам на губернских комиссаров, рассматриваются окружными судами. 14. Дела по жалобам на губернских комиссаров рассматриваются Первым Департаментом Правительствующего Сената. 15. Пререкания о подсудности между административными судьями, а также между окружными судами, возникающие по жалобам сторон или по протестам комиссаров, пререкания между административными судьями той же губернии разрешаются местным окружным судом по административному отделению, а между аминистративными судьями разных губерний – административным отделением окружного суда той губернии, где дело первоначально возникло. Пререкания между окружными судами разрешаются Первым Департаментом Правительствующего Сената. 16. Административные места и лица почитающие, что дело, принятое к своему рассмотрению административным судьей или административным отделением окружного суда, подлежит их ведению, сообщают о том судье или окружному суду. Пререкания, возникшие между административным местом и административным судьей, разрешаются окружным судом по административному отделению. Пререкания между административными учреждениями и окружными судами разрешаются Первым Департаментом Правительствующего Сената.

2) О поверенных 17. Поверенными сорон в административном суде могут быть лица, допускаемые учреждением судебных установлений и уставом гражданского судопроизводства к ведению гражданских дел в судебных местах. К поверенным по делам, производящимся у административных судей, применяются постановления устава гражданского судопроизводства, относящиеся к поверенным у мировых судей, а к поверенным по делам, производящимся в административных отделениях окружного суда  – постановления того же устава, касающиеся поверенных в общих судебных местах.

3) О протестах и жалобах 18. Протесты и жалобы на учреждения и должностных лиц городского, земского и поселкового управления приносятся в сроки, установленные действующими законами, а в тех случаях, когда сроков не установлено – в месячный срок, считая с того дня, когда подлежащее опротестованию или обжалованию постановление или распоряжение было объявлено или, если оно не подлежало объявлению, с того дня, когда постановление или распоряжение, а равно действие или упущение стало известно комиссару или заинтересованному лицу. То же правило применяется к жалобам, приносимым на комиссаров, их помощников и подчиненных им должностных лиц. По отношению к постановлениям городских дум, а также земских и поселковых собраний срок для протеста исчисляется со времени сообщения копии постановления комиссару. Подача протестов и жалоб на медленность не ограничена никаким сроком.

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19. Жалоба направляется непосредственно в полежащий административный суд. Тем же порядком подается протест на медленность и уклонение от исполнения законных обязанностей. Прочие протесты направляются через то учреждение или лицо, на которое приносятся и представляются этим учреждением или лицом, в двухнедельный срок, в случае надобности с их объяснениями, в надлежащий административный суд. Представляемые при протесте копии его и приложения к нему оставляются у того учреждения или лица, на которое протест принесен. В случае неимения означенных копий, на это указывается в представлении. 20. Жалоба, приносимая административному судье или в административное отделение окружного суда, должна быть написана на имя подлежащего административного суда и включать в себя: 1) обозначение имени и фамилии или прозвища лица, приносящего жалобу; 2) указание места жительства жалобщика; 3) указание того установления или должностного лица, на которое жалоба приносится; 4) изложение обстоятельств и доводов, служащих основанием жалобы; 5) указание требований жалобщика, а в делах о выдаче или изыскании денежной суммы – точное определение её размера; 6) подпись лица, приносящего жалобу, или же лица, им для сего уполномоченного, а также перевод сей подписи на жалобе, если она сделана не на русском языке. 21. Жалоба, приносимая административному судье, может быть письменная или словесная. Словесная жалоба, по записи её административным судьей в протокол, прочитывается жалобщику и подписывается им, если он грамотный. 22. Жалоба может быть подана лично самим жалобщиком или его уполномоченным, или же прислана по почте. Полномочия на подачу жалобы может быть означено на ней самой. 23. При жалобе представляются: 1) подлинные документы, на которых жалобшик основывает свое ходатайство, и копии, или же выписки из них; 2) переводы документов, писанных не на русском языке; 3) доверенность или полномочие, когда жалоба подается поверенным или уполномоченным; 4) обжалованное постановление или распоряжение, если оно облечено в письменную форму, или копия его; 5) две копии жалоб и всех приложений к ней; 24. Относительно представления документов соблюдаются следующие правила: 1) в жалобе, или в особой описи, должно быть означено, какие именно документы и приложения при ней представляются;

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2) вместо подлинных документов жалобщик имеет право представить копии их, засвидетельствованные установленным порядком или же самим жалобщиком; 3) вместо обширных, как-то: счетных книг, реестров и т.п., дозволяется представлять выписки тех именно статей, на которых основано право жалобщика; 4) жалобщик, не имеющий возможности, по каким либо препятствиям, представить ни подлинных документов, на которые он в жалобе ссылается, ни копий их, обязан изложить в жалобе их сущность и объяснить препятствия, вследствие которых документы не могли быть представлены. 25. Все распоряжения по поступившим в окружной суд жалобам производятся товарищем председателя окружного суда по административному отделению. 26. Жалоба не принимается и возвращается лицу, принесшему ее, с объявлением о причине неприятия: 1) когда она написана с отступлением от правил, установленых в пунктах 1, 2, 3, 5 и 6 ст. 20; 2) когда при жалобе, принесенной по уполномочию, не приложено акта, удостоверяющего полномочия. В случаях, указанных в сей статье, жалоба вручается наличному жалобщику непосредственно, а отсутствующему – отсылается через судебного рассыльного или же, через почту при объявлении с объяснением причин непринятия жалобы. О непринятии словесной жалобы принесшему ее выдается, по его желанию, письменное удостоверение. 27. На распоряжение о возвращении жалобы, принесший ее может подать жалобу в двухнедельный срок со времени объявления ему сего распоряжения. 28. Жалоба оставляется без движения впредь до получения от жалобщика приложений или сведений: 1) когда при жалобе не оказалось упоминаемых в ней приложений; 2) когда не представлены 2 копии жалобы и всех приложенных к ней документов; 3) когда не означено место жительства жалобщика; 4) когда жалоба, копия ее и копии представленных документов написаны без соблюдения правил о гербовом сборе. 29. В случаях обозначенных в пунктах 1, 2 и 4 статьи 28, жалобщику назначается семидневный срок с поверстным для доставления недостающих сведений или приложений. По истечении этого срока жалоба возвращается жалобщику, и дело может быть возобновлено не иначе, как подачею новой жалобы. При не обозначении в жалобе места жительства жалобщика, о непринятии его жалобы выставляется объявление в приемной комнате суда в продолжении одного месяца, а самая жалоба оставляется в канцелярии до явки жалобщика в течение назначеного для сего срока. 30. При неоплате или неполной оплате гербовым сбором жалобы, а также представленных при ней приложений, от административного суда зависит не останавливать движения жалобы. В таком случае причитающийся с жалобщика гербовый сбор взыскивается с него в исполнительном порядке.

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31. Протест, приносимый комиссаром административному судье или в административное отделение окружного суда, должен быть подаваем применительно к правилам установленным в статьях 19 и 20, в пунктах 1, 2 и 4 статьи 23 и в статье 24 сего положения. 32. При протесте представляются копии его и всех к нему приложений. 33.  Протест возвращается в случаях, указанных в пункте 1 статьи 26, и оставляется без движения порядком в статье 29 установленным, в случаях: 1) когда при протесте не сказалось упоминаемых в нем приложений и 2) когда не представлена копия протеста во всех приложенных к нему документов. 34. Протест приостанавливает исполнение опротестованного постановления, распоряжения или действия в тех только случаях, когда в протесте включено соответствующее указание. Суду предоставляется разрешить привести в исполнение приостановленное комиссаром постановление, распоряжение или действие. Жалоба не приостанавливает исполнение, но суду предоставляется постановить о приостановлении исполнении. 4) О производстве до слушания дела 35. По поступлении протеста или жалобы в окружной суд товарищ председателя окружного суда по административному отделению поручает дело, по особой очереди, наблюдению одного из членов суда, в качестве докладчика. 36. По поступлении протеста административный судья или товарищ председателя окружного суда по административному отделению делает распоряжение о сообщении комиссару, при повестке, копии объяснения того учреждения или лица, на которое был принесен протест, если такое объяснение было представлено вместе с протестом, а также копии со всех приложений к этому объяснению. 37. По поступлении протеста на медленность либо на уклонение от исполнения законной обязанности, а также по поступлении жалобы, административный судья или товарищ председателя административного суда по административному отделению делает распоряжение о сообщении при повестке, тому учреждению или лицу, на которое протест или жалоба принесена, копии протеста или жалобы и всех приложений к ним. 38. Копия протеста и жалобы на постановление городской думы, а также земского и поселкового собрания сообщается городской, земской или поселковой управе по принадлежности. 39. Копия поступившей жалобы и приложений к ней, а также всех других бумаг, поступивших по делу, возникшему по жалобе, препровождается комиссару. Он может вступить в дело в любое время в течение производства его и пользуется всеми правами стороны. 40. По делам, производящимся без истребования письменного объяснения, административный судья или товарищ председателя окружного суда по административному отделению назначает день заседания, к которому и вызывает участвующих в деле лиц. Этот день должен быть назначен с таким расчетом, чтобы между ним и днем вру-

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чения тому учреждению или лицу, на которое принесены протест или жалоба, повестки о вызове – прошло не менее семи дней и не более месяца, с причислением поверстного срока. В случае сношения суда с участвующими в деле лицами через почту, днем вручения повестки считается означенный почтовым штемпелем на уведомлении о поручении день отправления этого уведомления в суд. 41. Поверстный срок полагается по обыкновенным дорогам по пятидесяти, а по линиям железных дорог по триста верст в сутки. 42. По делам, требующим неотлагательного решения, если то учреждение или лицо, на которое принесены протест или жалоба, находятся от суда на расстоянии не более 25 верст, заседание может быть назначено и ранее указанного в статье 40 срока. 43. Товарищ председателя окружного суда по административному отделению может при самом вызове предложить тому учреждению или лицу, на которое принесены протест или жалоба, подать письменное объяснение, если усмотрит в этом надобность по свойству дела, указывая при этом на те обстоятельства, которые требуют выяснения или подтверждения доказательствами. На подачу объяснения назначается срок от двух недель до одного месяца с причислением поверстного срока. Срок этот исчисляется по правилам ст. 40. 44. Требование письменного объяснения означается по повестке о вызове в суд. 45. По получении письменного объяснения или по истечении срока на его представление (ст.43) товарищ председателя окружного суда по административному отделению назначает заседание для слушанья дела соблюдением правил ст.40. О назначенном дне заседания извещаются участвующие в деле лица, с сообщением жалобщику копий поступившего объяснения и приложенных к нему документов. 46. Если до дня заседания будут представлены письменные объяснения по делу, производящемуся без истребования таких объяснений, то суду предоставляется заслушать дело или отложить его рассмотрение; в последнем случае вторичное заседание назначается с соблюдением правил ст.45. Подача участвующими вделе лицами после этого каких-либо письменных объяснений не служит основанием для дальнейшего отложения дела. 47. Повестки и все дальнейшие сообщения суда, а равно бумаги противной стороны посылаются жалобщику по месту жительства его, указанному в жалобе. 48. Комиссар, а также участвующие в деле лица и их поверенные или уполномоченные, имеют право обозревать в канцелярии административного судьи или окружного суда производство дела. 5) О слушании дела 49. Доклад дела и словесное состязание сторон происходит в открытом заседании суда. 50. Если, по особому свойству дела, публичность заседания может быть предосудительна для религии, общественного порядка или нравственности, то суд может постановить, чтобы заседание было при закрытых дверях. Распоряжение о том всегда объявляется публично.

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51. В административном отделении окружного суда доклад производится членом окружного суда. При рассмотрении дела административным судьей особого доклада не производится. 52. По объяснении докладчиком существа дела, выслушиваются объяснения участвующих в деле лиц и их поверенных или уполномоченных. 53. Неявка участвующих в деле лиц в заседание суда не останавливает рассмотрения дела, но от суда зависит потребовать явки жалобщика, лично или через лицо им упомянутое, если по обстоятельствам дела окажется необходимостью в его словесных объяснениях с указанием тех обстоятельств, по которым таковые необходимы. В случае неисполнения жалобщиком сего требования, суд может прекратить производство дела, разве бы противная сторона просила о постановлении по делу решения. 54. Суду предоставляется, независимо от указаний участвующих в деле лиц, принимать меры к выяснению обстоятельств дела, собирать относящиеся к нему доказательства; требовать от судебных, правительственных, частных и общественных учреждений и от третьих лиц представления необходимых ему документов и сведений; постановлять о вызове и допросе свидетелей, участвующими в деле лицами не указанных, и об истребовании заключения следующих лиц; назначать осмотр на месте; объявлять участвующим в деле лицам, какие доказательства должны быть ими представлены, для чего, в случае надобности, снабжать их надлежащим свидетельством. 55. Административному суду предоставляется, на общем основании, производить проверку доказательств, не ограничиваясь при этом теми доказательствами, по которым объявлен спор. 56. Решение дела на основании присяги участвующих в деле лиц не допускается. 57. Признание участвующих в деле лиц для суда не обязательно и доказательная его сила определяется судом на общем основании.

6) О решении суда 58. Суд постановляет свое решение по внутреннему своему убеждению, основанному на законе и на совокупности всех обстоятельств дела, при чем суд не ограничен доводами участвующих в деле лиц и теми фактическими данными, на которые они ссылались. Решение суда может касаться предметов, которые в требовании участвующих в деле лиц не указаны, поскольку все предметы неразрывно связаны с заявленными требованиями. 59. Административный суд может постановить: 1) об оставлении протеста или жалобы без последствий; 2) об отмене опротестованных или обжалованных постановлений, распоряжений или действий, с предписанием, в подлежащих случаях, издать вместо отмененного акта иное постановление или распоряжение или совершить иное действие, сообразно с преподанными по данному случаю указаниями; 3) о предписании подлежащему учреждению или должностному лицу либо выполнить определенное действие, если оно предписано ему законом или обязательным для него распоряжением власти или если оно необходимо для восстановления законного порядка или прав жалобщика, либо воздержаться от определенных действий, и 4) об измене-

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нии опротестованного или обжалованного постановления или распоряжения в том случае, если этим изменением затрагиваются права только участвующих в деле лиц, и если при том суд признает, что обстоятельства дела им вполне выяснены, и что из них прямо вытекает необходимость по закону определенного нового постановления или распоряжения взамен опротестованного или обжалованного. 60. Возникший вопрос о наличности в опротестованных или обжалованных действиях признаков уголовного преступления или возбуждение уголовного преследования по преступлению должности не останавливают рассмотрения дела по протесту или жалобе. 61. Рассмотрение судом дела по протесту или жалобе не служит препятствием для отмены или для изменения опротестованного или обжалованного постановления, распоряжения или действия как самим тем учреждением или лицом, от которого они исходили так и высшего над ними властью. 62. Если административный суд усмотрит, что постановление, распоряжение или действие, на которое принесены протест или жалоба, отменено или изменено так, что основание принесеного протеста или жалобы отпало, то суд прекращает производство дела. 63. Решение административных судей и окружных судов по административному отделению объявляются частным лицам применительно к порядку, установленному для объявления решения мировых судей и окружных судов по делам гражданским. Объявление решений участвующим в деле правительственным установлениям, комиссару, а равно учреждениям и должностным лицам городского, земского или поселкового управления производится путем сообщения им копии решения. 7) О судебных приказах 64. Если на основании поданной административному судье или в окружной суд жалобы, административный судья или товарищ председателя окружного суда по административному отделению убедятся в достаточной обоснованности требования, то он может мотивированным приказом, без всякого дальнейшего производства, удовлетворить заявленное требование. 65. Судебные приказы не могут быть издаваемы в отношении постановлений городской думы, земского и поселкового собраний, комиссаров и их помощников, а равно по делам о составлении избирательных списков о выборах. 66. В приказе должно быть указано: 1) время его составления; 2) имя, отчество и фамилия жалобщика и наименование учреждения или лица, на которое принесена жалоба; 3) предмет жалобы; 4) основания по коим жалоба признана заслуживающей уважения, с указанием на соответствующие статьи законов; 5) сущность приказа.

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67. Кроме обстоятельств, упомянутых в ст. 66, в приказе должно быть объяснено, что участвующие в деле лица и комиссар имеют право, в двухнедельный со дня объявления им приказа срок, потребовать разбирательства дела в судебном заседании. 68. Приказ препровождается в то учреждение, на действия которого была принесена жалоба; копия его сообщается комиссару и выдается жалобщику, если он заявит о том ходатайство. 69. Если в течение указанного в ст. 67 двухнедельного срока участвующие в деле лица и комиссар не заявили об устном разбирательстве дела у административного судьи или в заседании административного отделения окружного суда, то приказ получает силу судебного решения, которое может быть обжаловано на общем основании. III. О порядке обжалования решений административных судей и окружных судов 70. Протесты и жалобы на решение административного суда подаются через того административного судью, который решил дело, в административное отделение окружного суда в двухнедельный срок со дня объявления решения. 71. Протесты и жалобы на решение административного отделения окружного суда приносятся через это отделение в Первый Департамент Правительствующего Сената в месячный срок со дня объявления решения. 72. Протесты и жалобы по делам, возникшим в окружном суде, могут быть приносимы по существу дела, а по делам, рассмотреным окружным судом в качестве второй инстанции, только: 1) в случае явного нарушения прямого смысла закона или неправильного его толкования; 2) в случае нарушения обрядов и форм судопроизводства столь существенны, что вследствие несоблюдения их невозможно признать приговор в силе судебного решения; 3) в случае нарушения пределов ведомства или власти, законом предоставленных административному суду. 4) При просьбе об отмене решения никакого залога не представляется. 73. Просьбы о пересмотре решения суда по делам административным допускаются в случае открытия новых обстоятельств или в случае подлога, обнаруженного в актах, на коих решение основано. 74. Срок на подачу просьбы о пересмотре решения назначается месячный и исчисляется, в случае открытия нового обстоятельства, с того дня, когда жалобщику сделалось известно новое обстоятельство, служащее основанием просьбы о пересмотре решения, а в случае подлога – с того дня, когда втупил в законную силу приговор уголовного суда о признании акта подложным. 75. Протесты, жалобы и просьбы о пересмотре решения возвращаются при объявлении: 1) когда они представлены по миновании установленных сроков;

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2) когда жалоба и просьба о пересмотре принесены лицами, не уполномоченными на принесение их. 76. Протесты, жалобы и просьбы о пересмотре решения оставляются без движения, когда к ним не приложены копии их в надлежащем числе экземпляров. 77. При подаче, возвращении и оставлении без движения протеста, жалобы и просьбы о пересмотре, сверх правил, указаных в ст. ст. 73 и 74, соблюдаются правила, установленные в статьях 20 и 22–33 настоящего положения. 78. По принятии протеста или жалобы, административный судья или товарищ председателя окружного суда по административному отделению сообщает копии их противной стороне для представления по ним объяснений в высший суд. 79. На представление объяснения назначается двухнедельный, со дня получения копии протеста или жалобы, срок, с причислением поверстного до места нахождения высшего суда. 80. Объяснения принимаются и по истечении указанного в ст. 79 срока до дня, назначенного для слушания дела в высшем суде, но в таком случае жалобщик имеет право просить об отсрочке заседания. 81. Признанные подлежащими принятию протесты и жалобы на решения административных судов представляются принявшим их судом высшему суду не позже двух недель со дня получения вторых экземпляров повесток, при которых копии протестов или жалоб вручены участвующим в деле лицам. 82. Просьба о пересмотре решения разрешается судом, коим решение было постановлено, с соблюдением правил, указанных в статьях 78–80. В случаях признания просьбы заслуживающего уважения суд входить в новое рассмотрение дела на общем основании. IV. О судебных издержках 83. Судебные издержки по производству дел административных судов трех родов: 1) гербовые пошлины; 2) канцелярские пошлины; 3) сборы по производству дела. 84. Правительственные установления, а равно учреждения и должностные лица городского, земского и поселкового управления освобождаются от гербового сбора и от платежа канцелярских пошлин, но подчиняются, на общем основании, представлению сборов по производству дела. 85. От взноса судебных издержек изымаются лица, за которыми признано право бедности. 86. Если проверка доказательств назначена по усмотрению самого суда или по требованию комиссара, то соответствующие расходы относятся на счет казны. В остальных случаях расходы взыскиваются с той стороны, которая просила произвести проверку. 87. Издержки по ведению дела, понесенные стороной, в пользу которой постановлено решение, возмещению не подлежат.

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Dokumentarischer Anhang V. Об исполнении решений административных судей и окружных судов

88. Решение вступает в законную силу: 1) когда оно постановлено административным судом или окружным судом в качестве первой инстанции и на него не принесено в установленный срок протеста или жалобы; 2) когда оно постановлено окружным судом в качестве второй инстанции. 89. Решение обращается к исполнению немедленно по вступлении его в законную силу. Предварительное исполнение решения не допускается. Приостановленное исполнение решения, об отмене которого принесена просьба в Правительствующий Сенат, допускается лишь по распоряжению последнего. 90. Обращение решения к исполнению совершается путем сообщения административным судьей или товарищем председателя окружного суда по административному отделению тому учреждению или лицу, по протесту или по жалобе, на которое дело возникло, о том, что состоявшееся решение вступило в законную силу. Одновременно с этим о том же извещается комиссар. 91. Просьба об истолковании решения подлежит рассмотрению суда, постановившего решение. 92. Случаи, в которых административный суд встретил затруднения в порядке судопроизводства, разрешаются им по соображениям настоящего положения с правилами устава гражданского судопроизводства. При этом административные судьи руководствуются правилами, содержащимися в означенном уставе для мировых судей, а административные отделения окружных судов – правилами для общих судебных мест. Подписали: Министр- Председатель Князь Львов Министр Юстиции П. Переверзев. 30 мая 1917 года

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II. Gesetz der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken über das Verfahren der gerichtlichen Anfechtung rechtswidriger und die Rechte der Bürger verletzender Handlungen von Amtspersonen vom 30. Juni 19872 Die Bürger der UdSSR besitzen die ganze Fülle sozial-ökonomischer, politischer und persön­licher Rechte und Freiheiten, welche von der Verfassung der UdSSR und den sowje­ tischen Gesetzen verkündet und garantiert werden. Die Persönlichkeit der Bürger zu achten und ihre Rechte und Freiheiten zu schützen, ist die Pflicht aller staatlichen Organe, gesellschaftlichen Organisationen und Amtspersonen. Die Gesetzgebung der Union und der Unionsrepubliken verankert das Recht der Bürger, sich zur Verteidigung der ihnen zustehenden persönlichen, Vermögens-, Familien-, Arbeits-, Raumund sonstigen Rechte und Freiheiten an das Gericht zu wenden. Das vorliegende Gesetz regelt das Verfahren der gerichtlichen Anfechtung rechtswidriger und die Rechte der Bürger verletzender Handlungen von Amtspersonen.

Artikel 1 Das Recht auf Klage zum Gericht Der Bürger hat das Recht, eine Klage zum Gericht zu erheben, wenn er meint, daß seine Rechte durch Handlungen einer Amtsperson verletzt worden seien. Vor Gericht können Handlungen angefochten werden, welche von einzelnen Amtspersonen im eigenen Namen oder im Namen des vertretenen Organs vorgenommen worden sind.

Artikel 2 Handlungen von Amtspersonen, die der gerichtlichen Anfechtung unterliegen Zu den Handlungen von Amtspersonen, welche unter Verletzung eines Gesetzes oder Überschreitung von Amtsbefugnissen Rechte der Bürger verletzen, gehören Handlungen, durch welche: –– der Bürger auf ungesetzliche Weise der Möglichkeit beraubt worden ist, ein ihm durch ein­ Gesetz oder einen sonstigen Normativakt gewährtes Recht vollständig oder teilweise aus­ zuüben; –– dem Bürger auf ungesetzliche Weise irgendeine Verpflichtung auferlegt worden ist.

2 Sakon SSSR ot 30.06.1987, N 7287-XI „O porjadke obschalowanija w sud neprawomern­ chych dejstwij dolschnostnych liz, uschtschemljajuschtschich prawa graschdan“ [Gesetz der UdSSR vom 30.06.1987, Nr.  7287-XI „Über das Verfahren der gerichtlichen Anfechtung rechtswidriger Handlungen von Amtspersonen, die Rechte der Bürger einschränken“], WWS SSSR 1987, Nr. 26, Pos. 388 unter Berücksichtigung der durch Beschluss des Obersten Sowjets vom 20.10.1987 eingefügten Änderungen. Deutsche Übersetzung abgedruckt in: Kuss, JOR 1987, Bd. XXVIII/2, S. 425 ff.

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Dokumentarischer Anhang Artikel 3 Grenzen der Geltung des vorliegenden Gesetzes

Nach dem vorliegenden Gesetz können nicht solche Handlungen von Amtspersonen gerichtlich angefochten werden, für welche die Straf- und Zivilprozeßgebung; die Gesetzgebung über das Verfahren der Überprüfung von Arbeitsstreitigkeiten; über Entdeckungen, Erfindungen und Rationalisatorenvorschläge; über Ordnungswidrigkeiten; über individuelle Arbeitstätigkeit oder sonstige Gesetzgebungsakte der Union oder der Unionsrepubliken ein anderes Anfech­ tungsverfahren bereitstellen, sowie auch nicht solche Handlungen, die mit der Sicherstellung der Verteidigungsfähigkeit des Landes und der Staatssicherheit verbunden sind.

Artikel 4 Einreichung der Klage Die Klage gegen Handlungen einer Amtsperson kann mit dem Ermessen des Bürgers entweder nach Anfechtung dieser Handlungen zur im Instanzen eng übergeordneten Amtsperson oder zum übergeordneten Organ oder unmittelbar bei Gericht eingereicht werden. Die Klage gegen Handlungen einer Amtsperson kann bei Gericht von dem Bürger, seinem Stellvertreter und auch – auf Bitte des Bürgers – von den entsprechend bevollmächtigten Vertretern der gesellschaftlichen Organisation oder des Arbeitskollektivs eingereicht werden. Die Klage gegen Handlungen einer Amtsperson wird beim Rayon-(Stadt-)Volksgericht am Arbeitsort der Amtsperson, deren Handlungen angefochten werden, eingereicht.

Artikel 5 Klagefrist Die Klage kann innerhalb einer Monatsfrist eingelegt werden, welche mit dem Tage beginnt, an dem der Bürger von den ihm gegenüber rechtswidrigen Handlungen der Amtsperson Kenntnis erlangt oder an dem er die Ablehnung seiner Beschwerde durch die im Instanzenzug übergeordnete Amtsperson oder das übergeordnete Organ erhält oder mit dem die für die Überprüfung der Beschwerde gesetzlich festgelegte Frist abläuft. Ist die Frist für die Klageerhebung aus triftigem Grund versäumt worden, so kann das Gericht die Wiedereinsetzung anordnen. Gegen den Beschluß des Richters über Verwerfung der Klage kann nach den Regeln des Zivilprozeßes Beschwerde und Protest eingelegt worden.

Artikel 6 Verhandlung der Klage Verhandlung der Klage vor Gericht und Vollstreckung des Gerichtsurteils erfolgen nach den Regeln des Zivilprozeßes, wobei diejenigen Ausnahmen und Ergänzungen zu berücksichtigen sind, welche im vorliegenden Gesetz und in sonstigen Gesetzgebungsakten der Union und der Unionsrepubliken festgelegt sind.

A. Gesetzestexte und Übersetzungen aus dem Russischen

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Die Klage wird vom Gericht innerhalb von 10 Tagen verhandelt, im Regelfall in öffentlicher Sitzung unter Teilnahme des Klage führenden Bürgers und der Amtsperson, deren Handlungen angefochten worden sind. Können der Bürger oder die Amtsperson, dessen Handlungen angefochten worden sind, aus triftigen Gründen vor Gericht nicht erscheinen, so kann die Sache unter Teilnahme eines Stellvertreters des Klage führenden Bürgers oder eines Vertreters der Amtsperson verhandelt werden. Nehmen der Klage führende Bürger oder die Amtsperson, deren Handlungen angefochten worden sind, oder ihre Vertreter ohne triftigen Grund an der gerichtlichen Sitzung nicht teil, so ist dies kein Hindernis für die Verhandlung der Klage: jedoch kann das Gericht das Erscheinen des Klage führenden Bürgers oder der Amtsperson, deren Handlungen angefochten worden sind, für verbindlich erklären. An der gerichtlichen Verhandlung können Vertreter der gesellschaftlichen Organisationen und Arbeitskollektive sowie auch Amtspersonen der im Instanzenzug übergeordneten Organe oder deren Vertreter teilnehmen. Das Gericht überprüft Materialien der im Instanzenzug übergeordneten Amtspersonen oder Organe, welche die angefochtenen Handlungen der Amtsperson für gesetzmäßig erklärt haben, und kann auch andere Personen anhören sowie notwendige Dokumente und sonstige Beweise erheben.

Artikel 7 Urteil des Gerichts Nach den Ergebnissen der Verhandlung der Klage fällt das Gericht sein Urteil. Erachtet das Gericht die angefochtenen Handlungen der Amtsperson für rechtswidrig, so spricht es im Urteil die Begründetheit der Klage und die Verpflichtung der jeweiligen Amtsper­ son aus, die eingetretene Verletzung des Rechts des Bürgers zu beseitigen. Wenn das Gericht feststellt, daß die angefochtenen Handlungen in Übereinstimmung mit dem Gesetz und innerhalb der Grenzen der Befugnisse der Amtsperson vorgenommen worden sind und das Recht des Bürgers nicht verletzen, so spricht es im Urteil die Verwerfung der Klage aus. Ein auf Beseitigung der eingetretenen Verletzungen eines Gesetzes oder eines sonstigen Normativakten lautendes Urteil wird der Amtsperson, deren Handlungen angefochten worden sind, oder dem im Instanzenzug übergeordneten Organ oder der übergeordneten Amtsperson zugeleitet. Über in Vollziehung des Gerichtsurteils ergriffene Maßnahmen sind dem Gericht und dem Bürger nicht später als innerhalb eines Monats nach Erlaß des Urteils Mitteilung zu machen. Wird das Urteil nicht vollzogen, so ergreift das Gericht die in der geltenden Gesetzgebung vorgesehenen Maßnahmen.

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Dokumentarischer Anhang Artikel 8 Gerichtskritik

Wenn das Gericht bei Verhandlung der Klage zu dem Schluß gelangt, daß das gesetzlich festgelegte Verfahren der Überprüfung von Vorschlägen, Anträgen und Beschwerden der Bürger verletzt worden ist, oder daß Amtsschimmel, Unterdrückung von Kritik oder Verfolgung wegen Kritik sowie auch sonstige Verletzungen der Gesetzlichkeit stattgefunden haben, so erläßt es einen Kritikbeschluß und übermittelt ihn der im Instanzenzug übergeordneten Amtsperson oder dem übergeordneten Organ. Die genannte Amtsperson oder das Organ sind verpflichtet, dem Gericht innerhalb eines Monats Mitteilung über die auf den Beschluß hin ergriffenen Maßnahmen zu machen. Wenn das Gericht bei Verhandlung der Klage in den Handlungen der Amts- oder einer sonstigen Person Merkmale einer Straftat aufdeckt, so setzt es den Staatsanwalt davon in Kenntnis oder leitet ein Strafverfahren ein.

Artikel 9 Einlegung von Berufung und Protest gegen das Gerichtsurteil Gegen das Urteil des Gerichts über die Klage kann nach den Regeln des Zivilprozeßes Beschwerde und Protest eingelegt werden. Die Einlegung eines Protestes hemmt die Vollziehung des Urteils.

Artikel 10 Verantwortlichkeit des Bürgers für Einreichung einer Kluge in verleumderischer Absicht Reicht der Bürger eine Klage in verleumderischer Absicht ein, so zieht dies die Verantwort­ lichkeit nach der geltenden Gesetzgebung nach sich.

Artikel 11 Gebührenfreiheit Beim Gericht eingereichte Klagen der Bürger gegen Handlungen von Amtspersonen unter­ lie­gen nicht der Gebührenpflicht.

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Artikel 12 Verteilung der durch Verhandlung der Klage entstandenen Kosten Die Erstattung von durch Verhandlung der Klage entstandenen Kosten kann das Gericht, wenn es ein klageabweisendes Urteil erläßt, dem Bürger oder, wenn die Handlungen sich als ungesetzlich erwiesen haben, der Amtsperson auferlegen. Moskau. Kreml, den 30. Juni 1987 Der Vorsitzende des Präsidiums des Obersten Sowjets der UdSSR A. Gromyko Der Sekretär des Präsidiums des Obersten Sowjets der UdSSR T. Menteschaschwili

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Dokumentarischer Anhang

III. Entwurf des Föderalen Verfassungsgesetzes „Über die föderalen Verwaltungsgerichte der Russischen Föderation“3 Art. 1 Die Verwaltungssachen werden vor den ordentlichen Gerichten, einschließlich föderaler Verwaltungsgerichte und entsprechender Gerichtskollegien für Verwaltungssachen, erörtert. Zu den Verwaltungssachen gehören Rechtssachen (ausgenommen Rechtssachen, die nach Maßgabe verfassungsrechtlicher, zivilrechtlicher und strafrechtlicher Verfahren erörtert werden, und Rechtssachen im Bereich verwaltungsrechtlicher Ordnungswidrigkeiten) über die­ Anfechtung von Entscheidungen und Handlungen (oder Unterlassen) staatlicher Organe, der Organe örtlicher Selbstverwaltung, öffentlich-rechtlicher Vereinigungen und von Amts­ personen, ferner Rechtssachen über Streitigkeiten, die im Zusammenhang mit der Anwendung der Wahlgesetzgebung, der Steuergesetzgebung entstehen, sowie über Streitigkeiten der Staatsorgane und Organe der örtlichen Selbstverwaltung untereinander. Zu den Zuständigkeiten der Verwaltungsgerichte zählen außerdem Rechtssachen über die Einstellung und Beendigung der Tätigkeit öffentlich-rechtlicher Vereinigungen.

Art. 2 Zu den föderalen Verwaltungsgerichten gehören: das Gerichtskollegium für Verwaltungssachen beim Obersten Gericht der Russischen Föderation, föderale Kreisverwaltungsgerichte, Gerichtskollegien für Verwaltungssachen bei den obersten Gerichten der Republiken, den Gerichten der Regionen, der Gebiete, der Städte föderaler Bedeutung, der autonomen Gebiete sowie der autonomen Kreise, welche durch die Präsidien dieser Gerichte je nach Notwendigkeit eingerichtet werden, föderale Zwischen-Rayonverwaltungsgerichte.

Art. 3 1. Die föderalen Verwaltungsgerichte gehören zum System der ordentlichen Gerichtsbarkeit. 2. Das Oberste Gericht der Russischen Föderation ist die unmittelbar nächsthöhere Gerichtsinstanz gegenüber den föderalen Kreisverwaltungsgerichten. 3. Die föderalen Kreisverwaltungsgerichte sind die unmittelbar nächsthöheren Gerichtsinstanzen in Verwaltungssachen, die vor den zum Gerichtskreis gehörenden obersten Gerich-

3

Projekt Federalnogo konstituzionnogo sakona, N  7886-3 „O federalnych administratiwnych sudach w Rossijskoj Federazii“ [Entwurf des Föderalen Verfassungsgesetzes, Nr. 7886-3 „Über die föderalen Verwaltungsgerichte in der Russischen Föderation“], ASOZD, abrufbar unter: http://asozd.duma.gov.ru/ (Stand: 31.12.2011). Eigene Übersetzung.

A. Gesetzestexte und Übersetzungen aus dem Russischen

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ten der Republiken, Gerichten der Regionen, der Gebiete, der Städte föderaler Bedeutung, der autonomen Gebiete sowie der autonomen Kreise erörtert wurden. 4. Die obersten Gerichte der Republiken, die Gerichte der Regionen, der Gebiete, der Städte föderaler Bedeutung, der autonomen Gebiete sowie der autonomen Kreise sind die unmittelbar nächsthöheren Gerichtsinstanzen gegenüber den föderalen Zwischen-Rayonverwaltungsgerichten auf dem Territorium des entsprechenden Subjekts der Russischen Föderation. 5. Das föderale Zwischen-Rayonverwaltungsgericht ist die nächsthöhere Gerichtsinstanz in Verwaltungssachen, die vor den Friedensrichtern erörtert wurden. Art. 4 1. Das Präsidium des Obersten Gerichts der Russischen Föderation erörtert Rechtssachen über den Protest gegen die Verfügungen des Kassationskollegiums des Obersten Gerichts der Russischen Föderation sowie gegen rechtskräftige Urteile und Verfügungen des Gerichtskollegiums für Verwaltungssachen beim Obersten Gericht der Russischen Föderation. 2. Das Kassationskollegium des Obersten Gerichts der Russischen Föderation erörtert Rechtssachen über die Beschwerden gegen nicht rechtskräftige Urteile des Gerichtskollegiums für Verwaltungssachen beim Obersten Gericht der Russischen Föderation. 3. Das Gerichtskollegium für Verwaltungssachen beim Obersten Gericht der Russischen Föderation erörtert Rechtssachen als Gericht zweiter Instanz und im Aufsichtsverfahren, als Gericht erster Instanz Rechtssachen: 1) über die Anfechtung normativer und nichtnormativer Rechtsakte des Präsidenten der Russischen Föderation und der Regierung der Russischen Föderation; 2) über die Einstellung und Beendigung der Tätigkeit gesamtrussischer, ferner internationaler öffentlich-rechtlicher Vereinigungen, die auf dem Territorium der Russischen Föderation tätig sind, im Falle von deren Verstößen gegen die Gesetzgebung der Russischen Föderation; 3) über die Anfechtung von Entscheidungen und Handlungen (Unterlassen) der Zentralen Wahlkommission der Russischen Kommission (ausgenommen sind die Entscheidungen über die Annahme von Beschwerden gegen die Entscheidungen, Handlungen (Unterlassen) von untergeordneten Wahlkommissionen und Referendumskommissionen); 4) über die Beilegung der Streitigkeiten zwischen den Organen der Staatsgewalt der Russischen Föderation und den Organen der Staatsgewalt der Subjekte der Russischen Föderation, ferner zwischen den Organen der Staatsgewalt der Subjekte der Russischen Föderation, die durch den Präsidenten der Russischen Föderation an das Oberste Gericht der Russischen Föderation gem. Art. 85 der Verfassung der Russischen Föderation übergeben wurden; 5) sonstige Verwaltungssachen mit großer staatlicher und internationaler Bedeutung, wenn diese nicht in den unteren Gerichtsinstanzen erörtert werden können. 4. Durch Föderale Verfassungsgesetze können auch andere Verwaltungssachen in den Zuständigkeitsbereich des Obersten Gerichts der Russischen Föderation als Gericht erster Instanz übertragen werden. 5. Das Oberste Gericht der Russischen Föderation erörtert Rechtssachen bei neu bekanntgewordenen Tatsachen.

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Dokumentarischer Anhang Art. 5

1. Das föderale Kreisverwaltungsgericht erörtert Verwaltungssachen als Gericht erster Instanz sowie bei neu bekanntgewordenen Tatsachen. 2. Das föderale Kreisverwaltungsgericht erörtert als Gericht erster Instanz Rechtssachen: 1) über die Anfechtung normativer Rechtsakte der gesetzgebenden (Vertretungs-)Organe der Staatsgewalt der Subjekte der Russischen Föderation, normativer Rechtsakte der höchsten Amtspersonen der Subjekte der Russischen Föderation, normativer Rechtsakte der höchsten exekutiven Organe der Staatsgewalt der Subjekte der Russischen Föderation, die sich im Gerichtskreis befinden; 2) über die Anfechtung normativer Rechtsakte der föderalen Organe der exekutiven Gewalt und anderer föderaler Staatsorgane; 3) über die Anfechtung von Entscheidungen und Handlungen (Unterlassen) der Wahlkommission der Republik, der Region, des Gebiets, der Stadt föderaler Bedeutung, des autonomen Gebiets, des autonomen Kreises sowie der Kreiswahlkommission über die Wahlen der föderalen Organe der Staatsgewalt, der Organe der Staatsgewalt der Subjekte der Russischen Föderation, von entsprechenden Referendumswahlkommissionen (mit Ausnahme von Entscheidungen über die Annahme von Beschwerden gegen die Entscheidungen, Handlungen (Unterlassen) von untergeordneten Wahlkommissionen und Referendumskommissionen); 4) über die Streitigkeiten zwischen den Organe der Staatsgewalt der Subjekte der Russischen Föderation, die sich im Gerichtskreis befinden. Im Fall der Entstehung einer Streitigkeit zwischen den Staatsorganen der Subjekte der Russischen Föderation, die in verschiedenen Gerichtskreisen liegen, bestimmt das Gerichtskollegium für Verwaltungssachen beim Obersten Gericht der Russischen Föderation die Zuständigkeit der Rechtssache. 3. Durch ein Föderales Verfassungsgesetz können auch andere Verwaltungssachen in den Zuständigkeitsbereich des föderalen Kreisverwaltungsgerichts als Gericht erster Instanz übertragen werden. 4. Das föderale Kreisverwaltungsgericht erörtert als Gericht zweiter Instanz Verwaltungssachen über die Beschwerden gegen nicht rechtskräftige Urteile und Verfügungen der obersten Gerichte der Republiken, der Gerichte der Regionen, der Gebiete, der Städte föderaler Bedeutung, der autonomen Gebiete sowie der autonomen Kreise.

Art. 6 1. Das Präsidium des obersten Gerichts der Republik, des Gerichts der Region, des Gebiets, der Stadt föderaler Bedeutung, des autonomen Gebiets sowie des autonomen Kreises erörtert Rechtssachen über die Proteste gegen die Kassationsverfügungen dieser Gerichte, gegen rechtskräftige Urteile und Verfügungen der föderalen Zwischen-Rayongerichte. 2. Das Gerichtskollegium für Verwaltungssachen beim obersten Gericht der Republik, beim Gericht der Region, des Gebiets, der Stadt föderaler Bedeutung, des autonomen Gebiets sowie des autonomen Kreises erörtert Rechtssachen über die Beschwerden gegen nicht rechtskräftige Urteile und Verfügungen der föderalen Zwischen-Rayongerichte.

A. Gesetzestexte und Übersetzungen aus dem Russischen

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3. Das Gerichtskollegium für Verwaltungssachen beim obersten Gericht der Republik, beim Gericht der Region, des Gebiets, der Stadt föderaler Bedeutung, des autonomen Gebiets sowie des autonomen Kreises erörtert als Gericht erster Instanz Rechtssachen: 1) im Zusammenhang mit Staatsgeheimnissen, mit Ausnahme von Rechtssachen, die in den Zuständigkeitsbereicht höherer Gerichte fallen; 2) über die Anfechtung normativer Rechtsakte der Organe der Staatsgewalt und der Amtspersonen der Subjekte der Russischen Föderation (mit Ausnahme von Rechtssachen, die in den Zuständigkeitsbereicht des föderalen Kreisverwaltungsgerichts fallen); 3) über die Anfechtung nichtnormativer Akte höchster Amtspersonen der Subjekte der Russischen Föderation; 4) über die Einstellung und Beendigung der Tätigkeit zwischenregionaler und regionaler öffentlich-rechtlicher Vereinigungen im Falle von deren Verstößen gegen die Gesetzgebung der Russischen Föderation. 4. Durch ein Föderales Verfassungsgesetz können auch andere Verwaltungssachen in den Zuständigkeitsbereich des obersten Gerichts der Republik, des Gerichts der Region, des Gebiets, der Stadt föderaler Bedeutung, des autonomen Gebiets sowie des autonomen Kreises als Gericht erster Instanz übertragen werden. 5. Das oberste Gericht der Republik, das Gericht der Region, des Gebiets, der Stadt föderaler Bedeutung, des autonomen Gebiets sowie des autonomen Kreises erörtert Rechtssachen bei neu bekanntgewordenen Tatsachen. 6. Das oberste Gericht der Republik, das Gericht der Region, des Gebiets, der Stadt föderaler Bedeutung, des autonomen Gebiets sowie des autonomen Kreises ist die unmittelbar nächsthöhere Gerichtsinstanz gegenüber den föderalen Zwischen-Rayonverwaltungsgerichten auf dem Territorium des entsprechenden Subjekts der Russischen Föderation.

Art. 7 Das föderale Zwischen-Rayonverwaltungsgericht erörtert Verwaltungssachen, mit Ausnahme der in Art. 4–6 dieses Föderalen Verfassungsgesetzes aufgeführten Rechtssachen.

Art. 8 Die Zuständigkeit der Verwaltungssachen vor den Militärgerichten bestimmt sich nach dem Föderalen Verfassungsgesetz „Über die Militärgerichte der Russischen Föderation“.

Art. 9 Die föderalen Kreisverwaltungsgerichte und föderalen Zwischen-Rayon­verwaltungs­gerichte werden durch ein Föderales Gesetzes errichtet und aufgelöst.

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Dokumentarischer Anhang Art. 10

Die Grenzen des Gerichtskreises können nur durch ein Föderales Gesetz geändert werden. Das Gebiet der Gerichtskreise, auf das sich die Geltung der Gerichtsbarkeit der föderalen Zwischen-Rayonverwaltungsgerichte erstreckt, kann nur durch ein Föderales Gesetz eingerichtet und geändert werden.

Art. 11 1. Die Vorsitzenden, stellvertretenden Vorsitzenden und Richter der föderalen Kreisverwaltungsgerichte werden auf Vorschlag des Vorsitzenden des Obersten Gerichts der Russischen Föderation, begründet durch ein Gutachten des Obersten Qualifikationskollegiums der Richter der Russischen Föderation, durch den Präsidenten der Russischen Föderation ernannt. 2. Das Dienstverhältnis der Vorsitzenden, stellvertretenden Vorsitzenden und Richter föderaler Kreisverwaltungsgerichte kann nur durch eine Entscheidung des Obersten Qualifikationskollegiums der Richter der Russischen Föderation ruhen oder beendet werden. 3. Die Richter der föderalen Zwischen-Rayonverwaltungsgerichte werden auf Vorschlag des Vorsitzenden des Obersten Gerichts der Russischen Föderation, begründet durch ein Gutachten des Qualifikationskollegiums der Richter des Subjekts der Russischen Föderation, durch den Präsidenten der Russischen Föderation ernannt. 4. Die Ernennung des Richters eines Rayongerichts zum Richter eines föderalen ZwischenRayonverwaltungsgerichts erfolgt durch den Präsidenten der Russischen Föderation auf Vorschlag des Vorsitzenden des Obersten Gerichts der Russischen Föderation. 5. Die Vorsitzenden und stellvertretenden Vorsitzenden der föderalen Zwischen-Rayonverwaltungsgerichte werden durch den Vorsitzenden des Obersten Gerichts der Russischen Föderation, begründet durch ein Gutachten des Qualifikationskollegiums der Richter des Subjekts der Russischen Föderation, ernannt und aus ihrem Dienstverhältnis des Vorsitzenden oder stellvertretenden Vorsitzenden entlassen.

Art. 12 Die Verwaltungssachen vor den föderalen Zwischen-Rayonverwaltungsgerichten werden durch den Einzelrichter, vor den höheren Gerichten in Besetzung von drei Berufsrichtern erörtert.

Art. 13 Die nicht rechtskräftigen Gerichtsurteile der Friedensrichter im Bereich der Verwaltungssachen werden im Appellationsverfahren durch den Einzelrichter des föderalen Zwischen-Rayonverwaltungsgerichts erörtert, wenn ein solches Gericht nicht errichtet wurde  – durch den Einzelrichter des entsprechenden Rayongerichts.

A. Gesetzestexte und Übersetzungen aus dem Russischen

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Art. 14 Es wird festgesetzt, dass neben den Personen, denen ein Recht auf die Einlegung des Protestes gegen rechtskräftige Urteile, Verfügungen und Beschlüsse im Bereich der Verwaltungssachen zusteht, ein solches Recht dem Vorsitzenden des föderalen Kreisverwaltungsgerichts zukommt, der die Proteste im Wege der Aufsicht an das Präsidium des obersten Gerichts der Republik, des Gerichts der Region, des Gebiets, der Stadt föderaler Bedeutung, des autonomen Gebiets sowie des autonomen Kreises einbringt.

Übergangs- und Schlussvorschriften Art. 15 Bis zur Errichtung der Verwaltungsgerichte erfolgt das Verfahren der Verwaltungssachen vor entsprechenden Gerichten der ordentlichen Gerichtsbarkeit nach den allgemeinen Regeln. Die Verwaltungssachen, deren Verhandlung vor den entsprechenden Gerichten begonnen hat, werden von diesen Gerichten erörtert.

Art. 16 Rechtssachen, deren Verfahren vor der Errichtung der Verwaltungsgerichte auf einem bestimmten Gebiet eingeleitet wurden, werden vor den Gerichten erörtert, die die Rechtssache angenommen haben.

Art. 17 Die Regierung der Russischen Föderation hat die Finanzierung der föderalen Kreisverwaltungsgerichte und der föderalen Zwischen-Rayonverwaltungsgerichte aus Mitteln des föderalen Haushalts zu gewährleisten. Das Gerichtsdepartement beim Obersten Gericht der Russischen Föderation hat die Maßnahmen für die personelle, finanzielle, materiell-technische und andere Ressourcenausstattung für die Tätigkeit der föderalen Kreisverwaltungsgerichte und der föderalen Zwischen-Rayonverwaltungsgerichte zu ergreifen.

Art. 18 Das vorliegende Föderale Verfassungsgesetz ist zum 1. Januar 2001 in Kraft zu setzen. Präsident der Russischen Föderation W. Putin

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Dokumentarischer Anhang

IV. Entwurf des Föderalen Gesetzes „Kodex der Verwaltungsgerichtsbarkeit der Russischen Föderation“ (Inhaltsverzeichnis)4 I. Allgemeine Bestimmungen 1. Kapitel: Grundlegende Bestimmungen Art. 1. Art. 2. Art. 3. Art. 4. Art. 5. Art. 6. Art. 7. Art. 8. Art. 9. Art. 10. Art. 11. Art. 12.

Gegenstand des vorliegenden Kodex Gesetzgebung über das Verwaltungsgerichtsverfahren Aufgaben der Verwaltungsgerichtsbarkeit Recht auf Anrufung des Gerichts Grenzen der Verwaltungsgerichtsbarkeit Unabhängigkeit der Richter Gleichheit vor dem Gesetz und dem Gericht Grundsatz der streitigen Verhandlung und der Gleichheit der Parteien Vorrang der Interessen des Bürgers Öffentlichkeit der Gerichtsverhandlung Verbindlichkeit der Gerichtsurteile Sprache des Verwaltungsgerichtsverfahrens

2. Kapitel: Besetzung des Gerichts. Ablehnungen Art. 13. Art. 14. Art. 15. Art. 16.

Besetzung des Gerichts Ablehnung eines Richters Ablehnung eines Sachverständigen, Dolmetschers, Protokollführers Örtliche Zuständigkeit

3. Kapitel: Kompetenzen der Gerichte für die Erörterung von Verwaltungssachen Art. 17. Art. 18. Art. 19. Art. 20. Art. 21. Art. 22. Art. 23.

Durchführung des Verwaltungsgerichtsverfahrens durch den Friedensrichter Zuständigkeit vor Zwischen-Rayongerichten Zuständigkeit vor Kreisgerichten Zuständigkeit vor dem Obersten Gericht der Russischen Föderation Zuständigkeit der Militärgerichte Bestimmung der Zuständigkeit Verweisung der Rechtssache an das zuständige Gericht

4 Projekt Federalnogo sakona, N 381232-4 „Kodex administratiwnogo sudoproiswodstwa Rossijskoj Federazii“ [Entwurf des Föderalen Gesetzes, Nr.  381232-4 „Kodex der Verwaltungsgerichtsbarkeit der Russischen Föderation“], RJu 2004, Nr. 3, S. 6 ff. Eigene Übersetzung.

A. Gesetzestexte und Übersetzungen aus dem Russischen

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4. Kapitel: Verfahrensbeteiligte Art. 24. Verfahrensbeteiligte Art. 25. Rechte des Klägers und des Beklagten Art. 26. Rechtsfähigkeit Art. 27. Prozessfähigkeit Art. 28. Subjektive Klagehäufung Art. 29. Modellverfahren Art. 30. Parteiwechsel Art. 31. Anrufung des Gerichts zum Schutz fremder Rechte, Freiheiten und Interessen Beteiligung der Staatsanwaltschaft am Gerichtsverfahren Art. 32.

5. Kapitel: Vertretung vor Gericht Vertretung vor den Verwaltungsgerichten Art. 33. Art. 34. Prozessbevollmächtigung

6. Kapitel: Beweise Art. 35. Beweise Art. 36. Erheblichkeit und Zulässigkeit der Beweise Verpflichtung der Beweiserhebung Art. 37. Art. 38. Freistellung von der Beweiserhebung Art. 39. Vorlage und Einfordern der Beweise Art. 40. Untersuchung der Beweise Art. 41. Rechtshilfeersuchen Art. 42. Beweissicherung Art. 43. Beweiswürdigung Art. 44. Zeugenaussagen Art. 45. Rechte und Pflichten der Zeugen Art. 46. Schriftliche Beweise Rückgabe von schriftlichen Beweisen Art. 47. Art. 48. Sachbeweise Art. 49. Verwahrung von Sachbeweisen Untersuchung und Prüfung von schnellverderblichen Sachbeweisen Art. 50. Art. 51. Ortsbesichtigung Art. 52. Verfügung über Sachbeweise Bestellung eines Sachverständigengutachtens und eines Sachverständigen Art. 53. Art. 54. Verfahren zur Anordnung eines Sachverständigengutachtens Art. 55. Rechte und Pflichten des Sachverständigen Art. 56. Sachverständigengutachten

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Dokumentarischer Anhang 7. Kapitel: Prozessuale Fristen

Art. 57. Art. 58. Art. 59. Art. 60. Art. 61. Art. 62.

Berechnung der Prozessfristen Ende der Prozessfrist Folgen des Fristversäumnisses Unterbrechung von Prozessfristen Verlängerung der Prozessfristen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand

8. Kapitel: Gerichtliche Zustellungen und Ladungen Art. 63. Art. 64. Art. 65. Art. 66. Art. 67.

Gerichtliche Zustellungen und Ladungen Inhalt der Zustellungen und Ladungen Zustellung und Aushändigung der Ladung Folgen der Annahmeverweigerung Wohnsitzwechsel während des Gerichtsverfahrens

9. Kapitel: Gerichtskosten Art. 68. Gerichtskosten Art. 69. Besonderheiten der Zahlung der staatlichen Gebühr im Verwaltungsgerichtsverfahren Art. 70. Befreiung von der Gebührenpflicht Art. 71. Auslagen Art. 72. Zeugen-, Sachverständigen-, Fachleute- und Dolmetscherkosten Art. 73. Auslagenverteilung

II. Verfahren vor dem Gericht erster Instanz 10. Kapitel: Klageerhebung Art. 74. Klageerhebung Art. 75. Inhalt der Klage Art. 76. Der Klage beizufügende Dokumente Art. 77. Annahme der Klage Art. 78. Verweigerung der Klageannahme Art. 79. Zurückweisung der Klage Art. 80. Ruhenlassen der Klage

11. Kapitel: Vorläufiger Rechtsschutz Art. 81. Art. 82. Art. 83.

Maßnahmen des vorläufigen Rechtsschutzes der Klageforderungen Vollstreckung der Verfügung über die Maßnahmen des vorläufigen Rechtsschutzes Ersetzung einer Maßnahme des vorläufigen Rechtsschutzes durch eine andere sowie deren Aufhebung

A. Gesetzestexte und Übersetzungen aus dem Russischen

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12. Kapitel: Vorbereitung der Sache für die Gerichtsverhandlung Art. 84. Art. 85. Art. 86.

Vorläufige Benachrichtigung der Verfahrensbeteiligten Handlungen des Richters zur Vorbereitung der Sache für die Gerichtsverhandlung Anberaumung der Gerichtsverhandlung

13. Kapitel: Gerichtsverhandlung Art. 87. Gerichtssitzung Art. 88. Vorsitzender Richter in der Gerichtssitzung Unmittelbarkeit und Mündlichkeit der Gerichtsverhandlung Art. 89. Ordnung in der Gerichtssitzung Art. 90. Art. 91. Ordnungsmittel Art. 92. Eröffnung der Gerichtssitzung Belehrung des Dolmetschers über seine Pflichten Art. 93. Art. 94. Klärung der Frage der Gerichtsbesetzung, der Selbstablehnung und der Ablehnung Art. 95. Entfernung des Zeugen aus dem Gerichtssaal Art. 96. Belehrung der Verfahrensbeteiligten über ihre Rechte und Pflichten Art. 97. Entscheidung über die Anträge der Verfahrensbeteiligten Folgen des Nichterscheinens der Verfahrensbeteiligten und ihrer Vertreter Art. 98. Folgen des Nichterscheinens der Zeugen, Sachverständigen und Fachleute Art. 99. Art. 100. Klagerücknahme und Anerkennung durch den Beklagten Art. 101. Vertagung der Gerichtsverhandlung Art. 102. Vernehmung der Zeugen im Falle der Unterbrechung oder Vertagung der Gerichtsverhandlung Art. 103. Belehrung der Sachverständigen und Fachleute über ihre Rechte und Pflichten Art. 104. Erklärungen der Verfahrensbeteiligten Art. 105. Belehrung über die Folgen der unrechtmäßigen Zeugnisverweigerung und die­ Folgen wahrheitswidriger Aussagen Art. 106. Verfahren der Zeugenvernehmung Art. 107. Verwendung von schriftlichen Unterlagen durch den Zeugen Art. 108. Vernehmung eines minderjährigen Zeugen Art. 109. Verkündung von Zeugenaussagen Art. 110. Untersuchung von schriftlichen Beweisen Art. 111. Verkündung des privaten Schriftverkehrs und der telegraphischen Nachrichten der Bürger Art. 112. Untersuchung von Sachbeweisen Art. 113. Untersuchung vor Ort Art. 114. Wiedergabe von Tonband- und Videoaufnahmen und ihre Untersuchung Art. 115. Erklärung über die Unechtheit der Beweise Art. 116. Untersuchung eines Sachverständigengutachtens Art. 117. Anordnung eines zusätzlichen oder erneuten Sachverständigengutachtens Art. 118. Erklärungen der Fachleute Art. 119. Abschlussberatungen Art. 120. Wiedereintritt in die Beweisaufnahme Art. 121. Änderung der Anträge im Verlauf der Verhandlung Art. 122. Abschluss der Gerichtsverhandlung

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Dokumentarischer Anhang 14. Kapitel: Beschluss des Gerichts

Art. 123. Beschlussfassung Art. 124. Klärung der Fragen bei der Beschlussfassung Art. 125. Ausführung des Beschlusses Art. 126. Abweichende Meinung eines Richters Art. 127. Inhalt des Beschlusses Art. 128. Formen der Wiederherstellung von verletzten Rechten, Freiheiten und gesetzlich geschützten Interessen der Bürger Art. 129. Ergänzender Gerichtsbeschluss Art. 130. Berichtigung des Beschlusses bei Schreibfehlern und offensichtlichen Rechen­ fehlern Art. 131. Erläuterung des Beschlusses Art. 132. Vollstreckungsaufschub oder Vollstreckung eines Gerichtsbeschlusses in Raten, Änderung der Art und des Verfahrens der Vollstreckung des Gerichtsbeschlusses Art. 133. Eintritt der Rechtskraft des Beschlusses Art. 134. Recht des Gerichts auf Anordnung der sofortigen Vollstreckbarkeit Art. 135. Verfügungen des Gerichts Art. 136. Protokoll der Gerichtssitzung

III. Verfahren der Überprüfung der Gerichtsbeschlüsse 15. Kapitel: Kassationsverfahren Art. 137. Beschwerderecht Art. 138. Kompetenzen des Gerichts zweiter Instanz Art. 139. Frist zur Vorlage einer Kassationsbeschwerde Art. 140. Inhalt einer Kassationsbeschwerde Art. 141. Ruhenlassen einer Kassationsbeschwerde Art. 142. Handlungen des Gerichts erster Instanz nach dem Erhalt der Kassationsbeschwerde Art. 143. Rücknahme einer Kassationsbeschwerde Art. 144. Gerichtsverhandlung vor dem Gericht zweiter Instanz Art. 145. Beginn der Gerichtsverhandlung Art. 146. Bekanntgabe der Gerichtsbesetzung und Belehrung über das Ablehungsrecht Art. 147. Belehrung der Verfahrensbeteiligten über ihre Rechte und Pflichten Art. 148. Folgen des Nichterscheinens von Vertretern der Verfahrensbeteiligten Art. 149. Erörterung der Anträge von Verfahrensbeteiligten durch das Gericht Art. 150. Vortrag der Rechtssache Art. 151. Aufnahme neuer Unterlagen und deren Untersuchung Art. 152. Verfahren der Untersuchung von Unterlagen Art. 153. Befugnisse des Gerichts zweiter Instanz Art. 154. Entscheidungsfassung des Gerichts zweiter Instanz Art. 155. Inhalt des Beschlusses (der Verfügung) des Gerichts zweiter Instanz Art. 156. Gründe für die Aufhebung oder Änderung des erstinstanzlichen Beschlusses im Kassationsverfahren Art. 157. Anfechtung von Verfügungen des Gerichts erster Instanz

A. Gesetzestexte und Übersetzungen aus dem Russischen

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16. Kapitel: Aufsichtsverfahren Art. 158. Art. 159. Art. 160. Art. 161. Art. 162. Art. 163. Art. 164. Art. 165. Art. 166. Art. 167. Art. 168. Art. 169. Art. 170. Art. 171. Art. 172. Art. 173.

Beschlüsse und Verfügungen, die im Wege des Aufsichtsverfahrens überprüft werden können Einlegung der Aufsichtsbeschwerde Gründe für die Einleitung des Aufsichtsverfahrens Umfang der Überprüfung von Gerichtsbeschlüssen im Aufsichtsverfahren Inhalt der Aufsichtsbeschwerde Rücknahme der Aufsichtsbeschwerde Verfahren der Einleitung eines Aufsichtsverfahrens Inhalt des Beschlusses (der Verfügung) über die Einleitung des Aufsichtsverfahrens Fristen der Erörterung von Aufsichtsbeschwerden Benachrichtigung der Personen, die keine Aufsichtsbeschwerde eingelegt haben, sowie Dritter Gang des Verfahrens Gründe zur Aufhebung der Gerichtsbeschlüsse im Aufsichtsverfahren Kompetenzen des Gerichts im Aufsichtsverfahren Gang des Verfahrens in der Aufsichtsinstanz Inhalt der Entscheidung des Gerichts im Aufsichtsverfahren Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung des Gerichts im Aufsichtsverfahren

17. Kapitel: Wiederaufnahmeverfahren Art. 174. Art. 175. Art. 176. Art. 177. Art. 178.

Gründe der Wiederaufnahme Gerichte, die gerichtliche Entscheidungen aufgrund neu bekanntgewordener Tatsachen überprüfen Einreichung des Antrags Erörterung des Antrags Verfügung des Gerichts über die Wiederaufnahme

IV. Besondere Verfahren 18. Kapitel: Wiederherstellung verlorengegangener Akte Art. 179. Art. 180. Art. 181.

Wiederherstellung verlorengegangener Akte Verfahren bei der Wiederherstellung verlorengegangener Akte Fristen des Antrags auf Wiederherstellung verlorengegangener Akte

V. Vollstreckungsverfahren 19. Kapitel: Vollstreckung gerichtlicher Urteile Art. 182. Vollstreckung gerichtlicher Beschlüsse Art. 183. Vollstreckungsunterlagen Art. 184. Ausstellung einer Vollstreckungsurkunde durch das Gericht Art. 185. Ausstellung einer Kopie der Vollstreckungsurkunde durch das Gericht

270 Art. 186. Art. 187. Art. 188. Art. 189. Art. 190. Art. 191. Art. 192. Art. 193.

Dokumentarischer Anhang Fristen zur Vorlage der Vollstreckungsurkunde Fristunterbrechung bei der Vorlage der Vollstreckungsurkunde Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei der Vorlage der Vollstreckungsurkunde Pflicht des Gerichts, die Vollstreckung zu unterbrechen Recht des Gerichts, die Vollstreckung zu unterbrechen Fristen der Vollstreckungsunterbrechung Einstellung des Vollstreckungsverfahrens Erörterung von Fragen zur Vollstreckungsunterbrechung oder -einstellung

VI. Besonderheiten bei Erörterung und Entscheidung der Einzelkategorien von Rechtssachen 20. Kapitel: Allgemeine Bestimmungen Art. 194. Art. 195.

Rechtssachen, deren Erörterung die in diesem Abschnitt festgelegten Besonder­ heiten beinhaltet Gang des Verfahrens und Entscheidung

21. Kapitel: Besonderheiten der Verfahren im Zusammenhang mit Wahlrechten und Teilnahmerechten am Referendum Art. 196. Recht auf Anrufung des Gerichts Art. 197. Erstattung der Gerichtsauslagen Art. 198. Maßnahmen des vorläufigen Rechtsschutzes Art. 199. Zuständigkeit der Verfahren Art. 200. Besetzung des Gerichts Art. 201. Besonderheiten der Erörterung der Rechtssachen Art. 202. Gerichtsbeschluss Art. 203. Verfahren vor dem Gericht zweiter Instanz Art. 204. Fristen der Beschwerdeeinlegung im Aufsichtsverfahren

22. Kapitel: Besonderheiten des Verfahren über die Anfechtung normativer Rechtsakte Art. 205. Art. 206. Art. 207. Art. 208. Art. 209. Art. 210. Art. 211. Art. 212. Art. 213. Art. 214.

Anwendungsbereich dieses Abschnitts Örtliche Zuständigkeit Frist zur Einreichung des Antrags Form und Inhalt des Antrags Maßnahmen des vorläufigen Rechtsschutzes Annahme des Antrags Verbindung von Verfahren Beweise. Besonderheiten der Beweisführung Umfang der Erörterung des Antrags Einstellung des Verfahrens über die Anfechtung normativer Rechtsakte im Falle des Außerkrafttretens

A. Gesetzestexte und Übersetzungen aus dem Russischen

271

Art. 215. Gerichtsbeschluss Art. 216. Sofortige Vollstreckbarkeit Art. 217. Folgen der Unvereinbarkeitserklärung des normativen Rechtsaktes oder seiner Teile mit geltendem Recht Art. 218. Anfechtung der Gerichtsbeschlüsse im Aufsichtsverfahren

23. Kapitel: Besonderheiten des Verfahrens über Anfechtung der Entscheidungen und Handlungen (Unterlassen) in Sachen der An- und Aberkennung des Status des Flüchtlings und des Vertriebenen Art. 219. Beschwerdeeinlegung Art. 220. Erörterung der Beschwerde Art. 221. Fristen der Erörterung der Rechtssache und der Anfechtung des Gerichtsbeschlusses Art. 222. Verfahren vor dem Gericht zweiter Instanz Art. 223. Anfechtung rechtskräftiger gerichtlicher Entscheidungen

24. Kapitel: Besonderheiten des Verfahrens über Anfechtung von Ordnungswidrigkeiten Art. 224. Anwendungsbereich dieses Abschnitts Art. 225. Anfechtungsgericht eines Beschlusses (einer Verfügung) Art. 226. Beschwerdeeinlegung Art. 227. Frist der Erörterung der Beschwerde Art. 228. Besetzung des Gerichts Art. 229. Gerichtsbeschluss Art. 230. Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung des Gerichts Art. 231. Besonderheiten der Fristberechnung

25. Kapitel: Besonderheiten des Verfahrens über die Anfechtung der Entscheidungen und Handlungen (Unterlassen), die aus steuerrechtlichen Verhältnissen unter Beteiligung von natürlichen Personen und nichtkommerzieller Organisationen entstehen Art. 232. Art. 233. Art. 234. Art. 235. Art. 236. Art. 237. Art. 238.

Anwendungsbereich dieses Abschnitts Besonderheiten der Vertretung Anforderungen an den Antrag über die Beitreibung von Pflichtabgaben und Sanktionen Maßnahmen des vorläufigen Rechtsschutzes Besetzung des Gerichts Fristen und Besonderheiten des gerichtlichen Verfahrens Entscheidung des Gerichts in der Sache

272

Dokumentarischer Anhang 26. Kapitel: Besonderheiten des Verfahrens über die Anfechtung der Entscheidungen, die mit staatlicher Registrierung oder Ablehnung staatlicher Registrierung der gesellschaftlichen oder religiösen Vereinigungen, der politischen Parteien, gesellschaftlicher Bewegungen, Fonds, Organe der gesellschaftlichen Eigeninitiative verbunden sind, ferner der Entscheidungen über die Liquidation, das Verbot, die zeitweise Einstellung oder andere Einschränkungen ihrer Tätigkeit

Art. 239. Art. 240. Art. 241. Art. 242. Art. 243.

Art. 244. Art. 245.

Art. 246. Art. 247.

Anwendungsbereich dieses Abschnitts Örtliche Zuständigkeit Recht auf Einlegung der Beschwerde (des Antrags) Anforderungen an die Beschwerde (den Antrag) Maßnahmen des vorläufigen Rechtsschutzes der beantragten Forderungen über die Liquidation, das Verbot der Tätigkeit der Vereinigungen, welche die Gesetzgebung zur Terrorismusbekämpfung verletzen oder das Leben und die Gesundheit der Menschen unmittelbar beeinträchtigen Unterbrechung des Verfahrens über die Liquidation, das Verbot, die zeitweise Einstellung oder andere Einschränkungen der Tätigkeit der Vereinigungen Erörterung von Rechtssachen über die Liquidation, das Verbot der Tätigkeit der Vereinigungen, welche die Gesetzgebung zur Terrorismusbekämpfung verletzen oder das Leben und die Gesundheit der Menschen unmittelbar beeinträchtigen Gerichtsbeschluss über die Beschwerde (den Antrag) Sofortige Vollstreckbarkeit des Beschlusses

273

B. Tabellen

B. Tabellen Tabelle 1 Vor den Wirtschaftsgerichten in erster Instanz verhandelte Verwaltungsrechtssachen der Jahre 2007–2010a)

567

Gesamtzahl ­ verhandelter Rechtssachen

1. Halb­ jahr 2009

2. Halb­ jahr 2009

2009 ­ (gesamt)

1. Halb­ jahr 2010

970.152

548.903

860.600

1.409.503

621.291

444.296

472.359

185.457

382.242

567.699

192.729

49,1 %

48,7 %

33,8 %

44,4 %

40,3 %

31,0 %

2007

2008

905.211

davon: Verwaltungs­ rechtssachen Anteil am Gesamt­ aufkommen davon: Steuersachenb) Anteil an Verwaltungsrechtssachen Nichtnormative Rechtsakte Anteil an Verwaltungsrechtssachen Normative ­ Rechtsakte Anteil an Verwaltungsrechtssachen Beitreibung von Pflichtabgaben und Sanktionenc)

115.031 25,9 % 37.956 8,5 % 1.131

99.681 21,1 % 39.505 8,4 % 1.304

43.252 23,3 % 21.946 11,8 % 954

44.620 11,7 % 28.629 7,5 % 761

87.872 15,5 % 50.575 8,9 % 1.715

46.305 24,0 % 29.767 15,5 % 947

0,3 %

0,3 %

0,5 %

0,2 %

0,3 %

0,5 %

199.704

233.445

70.568

259.083

329.651

68.644

(Fortsetzung nächste Seite) a)

Zusammengestellt nach den Informationen des Obersten Wirtschaftsgerichts der RF, abrufbar unter: http://www.arbitr.ru:80/_upimg/CAC3F0FB8C4F76440605581884468FDE_9.pdf und http://www.arbitr. ru:80/_upimg/A91A39F09AB6D8411AE6035C0AB4A9D4_админист ративные%20дела.pdf (Stand: 31.12.2011). Für die Appellations- und Kassationsinstanzen sind entsprechende Zahlen nicht verfügbar. b) Nach deutschem Rechtsverständnis sind diese Rechtssachen der Finanzgerichtsbarkeit­ zuzuordnen. c) Nach deutschem Rechtsverständnis sind diese Rechtssachen der Sozialgerichtsbarkeit­ zuzuordnen.

274

Dokumentarischer Anhang

(Fortsetzung Tabelle 1)

Anteil an Verwaltungsrechtssachen

2007

2008

1. Halb­ jahr 2009

2. Halb­ jahr 2009

2009 ­ (gesamt)

1. Halb­ jahr 2010

44,9 %

49,4 %

38,1 %

67,8 %

58,1 %

35,6 %

Ordnungs­ widrigkeiten

82.666

88.746

43.538

42.935

86.473

40.850

Anteil an Verwaltungsrechtssachen

18,6 %

18,8 %

23,5 %

11,2 %

15,2 %

21,2 %

Sonstige Verfahren

7.808

9.678

5.199

6.214

11.413

6.216

Anteil an Verwaltungsrechtssachen

1,8 %

2,0 %

2,8 %

1,6 %

2,0 %

3,2 %

275

B. Tabellen Tabelle 2 Chronologische Übersicht des Gesetzgebungsverfahrens zum Gesetzentwurf „Über die Verwaltungsgerichte“a) 8910

Datum

Vorgang

21.09.2000

Registrierung und Weiterleitung des Gesetzentwurfs an den Vorsitzenden der Staatsduma

21.09.2000

Weiterleitung an das Komitee der Staatsduma

29.09.2000

Vorstellung des Projekts beim Rat der Staatsduma

03.10.2000

Vorbereitende Prüfung im Rat der Staatsduma –– Bestimmung des federführenden Komitees –– Vorstellung der Rückmeldungen, Vorschläge und Stellungnahmen zum Gesetzentwurf –– Vorbereitung des Projekts zur Erörterung in der Staatsduma –– Weiterleitung des Entwurfs zur Begutachtung durch die Regierung der RFb)

03.11.2000

Neufassung des Gesetzentwurfs (Oberstes Gericht der RF)

13.11.2000

Vorstellung des Projekts beim Rat der Staatsduma (erste Lesung )

16.11.2000

Einbringung des Gesetzentwurfs zur Beratung (vorgesehenes Datum: 22.11.2000) in die Staatsduma (erste Lesung )

22.11.2000

Annahme des Gesetzentwurfs in erster Lesung durch die Staatsduma

20.01.2004

Bestimmung des federführenden Komitees (zweite Lesung)c)

05.02.2008

Bestimmung des federführenden Komitees (zweite Lesung)

a)

Zusammengestellt nach den Informationen des ASOZD, abrufbar unter: http://asozd.duma. gov.ru/ (Stand: 31.12.2011). b) Gem. Art. 104 Abs. 3 der Verf RF können Gesetzentwürfe über die Einführung oder Abschaffung von Steuern, die Steuerbefreiungen, die Ausgabe von Staatsanleihen, die Änderung finanzieller Verpflichtungen des Staates und andere Gesetzentwürfe, die Ausgaben zu Lasten des Bundeshaushaltes vorsehen, nur bei Vorliegen eines Gutachtens der Regierung der RF eingebracht werden. c) Erfolgt in zweiter Lesung die Annahme des Entwurfs, wird die Gesetzesvorlage durch die Staatsduma wieder an das federführende Komitee verwiesen. Dieses soll dann Widersprüche beseitigen, Kohärenz herstellen und redaktionelle Korrekturen vornehmen. Dabei wird das Komitee von der Rechtsabteilung der Staatsduma unterstützt. Im Anschluss daran geht die Ge­ setzesvorlage an den Rat der Staatsduma, der einen Termin für die dritte Lesung bestimmt, bei der keine Änderungen oder Erörterungen mehr zulässig sind. Es besteht jedoch in Einzelfällen die Möglichkeit, dass die Mehrheit der Abgeordneten beim Vorsitzenden der Staatsduma eine Abstimmung über die erneute zweite Lesung anregen kann. Schneider, Das politische System der Russischen Föderation, 2. Aufl., 2001, S. 116 f.

276

Dokumentarischer Anhang Tabelle 3 Chronologische Übersicht des Gesetzgebungsverfahrens zum Gesetzentwurf „Kodex der Verwaltungsgerichtsbarkeit der Russischen Föderation“a) 11

Datum

Vorgang

29.12.2006

Registrierung und Weiterleitung des Gesetzentwurfs an den Vorsitzenden der Staatsduma

29.12.2006

Weiterleitung an das Komitee der Staatsduma

13.11.2007

Gutachten der Regierung der RF

13.11.2007

Vorschlag, das federführende Komitee zu bestimmen

15.11.2007

Vorbereitende Prüfung im Rat der Staatsduma –– Bestimmung des federführenden Komitees –– Vorstellung der Rückmeldungen, Vorschläge und Stellungnahmen zum Gesetz­entwurf –– Vorbereitung des Projekts zur Erörterung in der Staatsduma (Februar 2008)

24.12.2007

Bestimmung des federführenden Komitees (vorbereitende Prüfung)

a) Zusammengestellt nach den Informationen des ASOZD, abrufbar unter: http://asozd. duma.gov.ru/ (Stand: 31.12.2011).

277

B. Tabellen Tabelle 4 Chronologische Übersicht des Gesetzgebungsverfahrens zum Gesetzentwurf „Über die Verwaltungsgerichte“, aktualisierta) 12

Datum

Vorgang

21.09.2000

Registrierung und Weiterleitung des Gesetzentwurfs an den Vorsitzenden der Staatsduma

21.09.2000

Weiterleitung an das Komitee der Staatsduma

29.09.2000

Vorstellung des Projekts beim Rat der Staatsduma

03.10.2000

Vorbereitende Prüfung im Rat der Staatsduma –– Bestimmung des federführenden Komitees –– Vorstellung der Rückmeldungen, Vorschläge und Stellungnahmen zum Gesetzentwurf –– Vorbereitung des Projektes zur Erörterung in der Staatsduma –– Weiterleitung des Entwurfs zur Begutachtung der Regierung der RF

03.11.2000

Neufassung des Gesetzentwurfs (Oberstes Gericht der RF)

13.11.2000

Vorstellung des Projekt beim Rat der Staatsduma (erste Lesung )

16.11.2000

Einbringung des Gesetzentwurfs zur Beratung (vorgesehenes Datum: 22.11.2000) in die Staatsduma (erste Lesung )

22.11.2000

Annahme des Gesetzentwurfs in erster Lesung durch die Staatsduma

20.01.2004

Bestimmung des federführenden Komitees (zweite Lesung)

05.02.2008

Bestimmung des federführenden Komitees (zweite Lesung)

12.01.2012

Bestimmung des federführenden Komitees (zweite Lesung)

03.06.2013

Das federführende Komitee (zweite Lesung): Vorschlag, den Gesetzentwurf abzulehnen

10.06.2013

Rat der Staatsduma (zweite Lesung): Einbringung des Gesetzentwurfs zur Beratung in die Staatsduma

11.06.2013

Staatsduma (zweite Lesung): Ablehnung des Gesetzentwurfs und Beendigung des Gesetzgebungsverfahrens

a) Zusammengestellt nach den Informationen des ASOZD, abrufbar unter: http://asozd. duma.gov.ru/ (Stand: 10.03.2015).

278

Dokumentarischer Anhang Tabelle 5 Chronologische Übersicht des Gesetzgebungsverfahrens zum Gesetzentwurf „Kodex der Verwaltungsgerichtsbarkeit der Russischen Föderation“ (alte Fassung), aktualisierta) 13

Datum

Vorgang

29.12.2006

Registrierung und Weiterleitung des Gesetzentwurfs an den Vorsitzenden der Staatsduma

29.12.2006

Weiterleitung an das Komitee der Staatsduma

13.11.2007

Gutachten der Regierung der RF

13.11.2007

Vorschlag, das federführende Komitee zu bestimmen

15.11.2007

Vorbereitende Prüfung im Rat der Staatsduma –– Bestimmung des federführenden Komitees –– Vorstellung der Rückmeldungen, Vorschläge und Stellungnahmen zum­ Gesetzentwurf –– Vorbereitung des Projekts zur Erörterung in der Staatsduma (Februar 2008)

24.12.2007

Bestimmung des federführenden Komitees (vorbereitende Prüfung)

12.01.2012

Rat der Staatsduma (vorbereitende Prüfung)

05.06.2013

Registrierung der Stellungnahmen

10.06.2013

Das federführende Komitee (erste Lesung): Vorschlag, das Gesetzgebungsverfahren zu beenden aufgrund der Rücknahme der Gesetzgebungsinitiative durch das einbringende Organ

17.06.2013

Beendigung des Gesetzgebungsverfahrens aufgrund der Rücknahme der­ Gesetzgebungsinitiative durch das einbringende Organ

a) Zusammengestellt nach den Informationen des ASOZD, abrufbar unter: http://asozd. duma.gov.ru/ (Stand: 10.03.2015).

279

B. Tabellen Tabelle 6 Chronologische Übersicht des Gesetzgebungsverfahrens zum Gesetzentwurf „Kodex der Verwaltungsgerichtsbarkeit der Russischen Föderation (Regulierung des Verfahrens der Verwaltungsgerichtsbarkeit durch die ordentlichen Gerichte)“ (neue Fassung)a) 14

Datum

Vorgang

26.03.2013

Registrierung und Weiterleitung des Gesetzentwurfs an den Vorsitzenden der Staatsduma

27.03.2013

Weiterleitung an das Komitee der Staatsduma

28.03.2013

Vorschlag des Komitees der Staatsduma, das Gesetzgebungsverfahren einzu­ leiten

08.04.2013

Vorbereitende Prüfung im Rat der Staatsduma –– Bestimmung des federführenden Komitees –– Vorstellung der Rückmeldungen, Vorschläge und Stellungnahmen zum­ Gesetzentwurf –– Vorbereitung des Projekts zur Erörterung in der Staatsduma –– Aufnahme des Gesetzentwurfs in das vorläufige Programm –– Ernennung eines Fachausschusses

13.05.2013

Rat der Staatsduma (erste Lesung): Vertagung

13.05.2013

Das federführende Komitee (erste Lesung)

16.05.2013

Rat der Staatsduma (erste Lesung)

21.05.2013

Staatsduma (erste Lesung)

11.02.2015

Das federführende Komitee (zweite Lesung)

16.02.2015

Rat der Staatsduma (zweite Lesung)

17.02.2015

Staatsduma (zweite Lesung)

18.02.2015

Das federführende Komitee (dritte Lesung)

19.02.2015

Rat der Staatsduma (dritte Lesung)

20.02.2015

Staatsduma (dritte Lesung)

21.02.2015

Registrierung des Gesetzes beim Föderationsrat

24.02.2015

Föderationsrat (vorbereitende Prüfung)

25.02.2015

Prüfung des Gesetzes durch den Föderationsrat –– Verabschiedung des Gesetzes –– Weiterleitung des Gesetzes an den Präsidenten der RF –– Benachrichtigung der Staatsduma

a) Zusammengestellt nach den Informationen des ASOZD, abrufbar unter: http://asozd. duma.gov.ru/ (Stand: 10.03.2015).

280

Dokumentarischer Anhang

C. Gesetzes- und Entscheidungsregister I. Gesetzentwürfe Projekt Federalnogo konstituzionnogo sakona, N  7886-3 „O federalnych administratiwnych sudach w Rossijskoj Federazii“ [Entwurf des Föderalen Verfassungsgesetzes, Nr.  7886-3 „Über die föderalen Verwaltungsgerichte in der Russischen Föderation“], ASOZD, abrufbar unter: http://asozd.duma.gov.ru/ (Stand: 31.12.2011). Projekt Federalnogo konstituzionnogo sakona, N 7900-3 „O wnesenii dopolnenij w federalnyj konstituzionnyj sakon ‚O sudebnoj sisteme Rossijsoj Federazii‘“ [Entwurf des Föderalen Verfassungsgesetzes, Nr. 7900-3 „Über die Einbringung von Ergänzungen in das Föderale Verfassungsgesetz ‚Über das Gerichtssystem der Russischen Föderation‘“], ASOZD, abrufbar unter: http://asozd.duma.gov.ru/ (Stand: 31.12.2011). Projekt Federalnogo konstituzionnogo sakona, N 7902-3 „O wnesenii izmenenij i dopolnenij w federalnyj konstituzionnyj sakon ‚O wojennych sudach Rossijsoj Federazii‘“ [Entwurf des Föderalen Verfassungsgesetzes, Nr.  7902-3 „Über die Einbringung von Änderungen und ­ Ergänzungen in das Föderale Verfassungsgesetz ‚Über die Militärgerichte der Russischen Föderation‘“], ASOZD, abrufbar unter: http://asozd.duma.gov.ru/ (Stand: 31.12.2011). ­ os­ Projekt Federalnogo sakona, N 381232-4 „Kodex administratiwnogo sudoproiswodstwa R sijskoj Federazii“ [Entwurf des Föderalen Gesetzes, Nr. 381232-4 „Kodex der Verwaltungsgerichtsbarkeit der Russischen Föderation“], RJu 2004, Nr. 3. Projekt Federalnogo sakona, N  246960-6 „Kodex administratiwnogo sudoproiswodstwa Rossijskoj Federazii (regulirowanie porjadka osuschtschastwlenija sudami obsschtschej juris­ dikzii administratiwnogo sudoproiswodstwa)“ [Entwurf des Föderalen Gesetzes, Nr.  246960-6 „Kodex der Verwaltungsgerichtsbarkeit der Russischen Föderation (Regulierung des Verfahrens der Verwaltungsgerichtsbarkeit durch die ordentlichen Gerichte )“], ASOZD, abrufbar unter: http://asozd.duma.gov.ru/ (Stand: 10.03.2015).

II. Gesetze Konstituzija (Osnownoj Sakon) Sojus Sowetskich Sozialistitscheskich Respublik ot 07.10.1977 [Verfassung (Grundgesetz) der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken vom 07.10.1977], WWS SSSR 1977, Nr. 41, Pos. 617. Konstituzija Rossijskoj Federazii ot 12.12.1993 (s utschetom poprawok, wnesennych sakonami Rossijskoj Federazii o poprawkach k Konstituzii Rossijskoj Federazii ot 30.12.2008, N  6-FKS i ot 30.12.2008, N  7-FKS) [Die Verfassung der Russischen Föderation vom 12.12.1993, unter Berücksichtigung von Abänderungen, eingebracht durch Gesetze zur Abänderung der Verfassung der Russischen Föderation vom 30.12.2008, Nr. 6-FKS und vom 30.12.2008, Nr. 7-FKS], SZ 2009, Nr. 4, Pos. 445. Administratiwnjy Kodeks USSR ot 12.10.1927 [Verwaltungskodex der USSR vom 12. Oktober 1927], SUiR USSR 1927, Nr. 63–65, Pos. 239–240.

C. Gesetzes- und Entscheidungsregister

281

Arbitraschnyj prozessualnyj kodeks Rossijskoj Federazii ot 05.05.1995, N 70-FS [Die Wirtschaftsprozessordnung der Russischen Föderation vom 05.05.1995, Nr. 70-FS], SZ 1995, Nr. 19, Pos. 1709. Arbitraschnyj prozessualnyj kodeks Rossijskoj Federazii ot 24.07.2002, N  95-FS (red. ot 30.04.2010) [Die Wirtschaftsprozessordnung der Russischen Föderation vom 24.07.2002, Nr. 95-FS, in der Redaktion vom 30.04.2010], SZ 2002, Nr. 30, Pos. 3012. Graschdanskij kodeks Rossijskoj Federazii (tschast perwaja) ot 30.11.1994, N 51-FS (red. ot 27.12.2009) [Zivilgesetzbuch der Russischen Föderation (Erster Teil) vom 30.11.1994, Nr. 51-FS, in der Redaktion vom 27.12.2009], SZ 1994, Nr. 32, Pos. 3301. Graschdanskij prozessualnyj kodeks RSFSR ot 11.06.1964 [Zivilprozesskodex der RSFSR vom 11.06.1964], WWS RSFSR 1964, Nr. 24, Pos. 407. Graschdanskij prozesualnyj kodeks Rossijskoj Federazii ot 14.11.2002, N  138-FS (red. ot 23.10.2002) [Zivilprozesskodex der Russischen Föderation vom 14.11.2002, Nr. 138-FS, in der Redaktion vom 23.10.2002], SZ 2002, Nr. 46, Pos. 4532. Kodeks Rossijskoj Federazii ob administratiwnych prawonaruschenijach ot 30.12.2001, N 195FS (red. ot 27.07.2010, s ism. i dop., wstupajuschtschimi w silu s 23.09.2010) [Kodex der Russischen Föderation über verwaltungsrechtliche Ordnungswidrigkeiten vom 30.12.2001, Nr. 195-FS, in der Redaktion vom 27.07.2010, mit Änderungen und Ergänzungen, die zum 23.09.2010 in Kraft treten], SZ 2002, Nr. 1, Pos. 1. Kodeks wnutrennego wodnogo transporta Rossijskoj Federazii ot 07.03.2001, N 24-FS (red. ot 27.12.2009) [Kodex des Binnenschiffsverkehrs der Russischen Föderation vom 07.03.2001, Nr. 24-FS, in der Redaktion vom 27.12.2009], SZ 2001, Nr. 11, Pos. 1001. Lesnoj kodeks Rossijskoj Federazii ot 04.12.2006, N 200-FS (red. ot 22.07.2010) [Das Waldgesetzbuch der Russischen Föderation vom 04.12.2006, Nr. 200-FS, in der Redaktion vom 22.07.2010], SZ 2006, Nr. 50, Pos. 5278. Nalogowyj kodeks Rossijskoj Federazii (tschast perwaja)  ot 31.07.1998, N  146-FS (red. ot 28.09.2010) [Steuergesetzkodex der Russischen Föderation (Erster Teil) vom 31.07.1998, Nr. 146-FS, in der Redaktion vom 28.09.2010], SZ 1998, Nr. 31, Pos. 3824. Semejnyj kodeks Rossijskoj Federazii ot 29.12.1995, N 223-FS (red. ot 30.06.2008, s ism. i dop., wstupajuschtschimi w silu s 01.09.2008) [Das Familiengesetzbuch der Russischen Föderation vom 29.12.1995, Nr. 223-FS, in der Redaktion vom 30.06.2008, mit Änderungen und Ergänzungen, die zum 01.09.2008 in Kraft treten], SZ 1996, Nr. 1, Pos. 16. Semelnyj kodeks Rossijskoj Federazii ot 25.10.2001, N 136-FS (red. ot 22.07.2010) [Das Bodengesetzbuch der RF vom 25.10.2001, Nr.  136-FS, in der Redaktion vom 22.07.2010], SZ 2001, Nr. 44, Pos. 4147. Trudowoj kodeks Rossijskoj Federazii ot 30.12.2001, N 197-FS (red. ot 25.11.2009, s ism. i dop., wstupajuschtschimi w silu s 01.01.2010) [Das Arbeitsgesetzbuch der Russischen Föderation vom 30.12.2001, Nr. 197-FS, in der Redaktion vom 25.11.2009, mit Änderungen und Ergänzungen, die zum 01.01.2010 in Kraft treten], SZ 2002, Teil I, Nr. 1, Pos. 3. Wodnyj kodeks Rossijskoj Federazii ot 03.06.2006, N 74-FS (red. ot 27.12.2009, s ism. i dop., wstupajuschtschimi w silu s 01.04.2010) [Das Wassergesetzbuch der Russischen Föderation vom 03.06.2006, Nr. 74-FS, in der Redaktion vom 27.12.2009, mit Änderungen und Ergänzungen, die zum 01.04.2010 in Kraft treten], SZ 2006, Nr. 23, Pos. 2381.

282

Dokumentarischer Anhang

Federalnyj konstituzionnyj sakon ot 21.07.1994, N 1-FKS (red. ot 02.06.2009) „O Konsti­tu­zi­ onnom Sude Rossijskoj Federazii“ [Föderales Verfassungsgesetz vom 21.07.1994 Nr. 1-FKS, in der Redaktion vom 02.06.2009 „Über das Verfassungsgericht der Russischen Föderation“], SZ 1994, Nr. 13, Pos. 1447. Federalnyj konstituzionnyj sakon ot 28.04.1995, N  1-FKS (red. ot 30.04.2010) „Ob arbitraschnych sudach w Rossijskoj Federazii“ [Föderales Verfassungsgesetz vom 28.04.1995, Nr. 1-FKS, in der Redaktion vom 30.04.2010 „Über die Wirtschaftsgegerichte der Russischen Föderation“], SZ 1995, Nr. 18, Pos. 1589. Federalnyj konstituzionnyj sakon ot 31.12.1996, N 1-FKS (red. ot 27.12.2009, s ism. i dop., wstupajuschtschimi w silu s 12.03.2010) „O sudebnoj sisteme Rossijskoj Federazii“ [Föderales Verfassungsgesetz vom 31.12.1996, Nr. 1-FKS, in der Redaktion vom 27.12.2009, mit Änderungen und Ergänzungen, die zum 12.03.2010 in Kraft treten „Über das Gerichts­ system der Russischen Föderation“], SZ 1997, Nr. 1, Pos. 1. Federalnyj konstituzionnyj sakon ot 23.06.1999, N 1-FKS (red. ot 30.04.2010) „O wojennych sudach Rossijskoj Federazii“ [Föderales Verfassungsgesetz vom 23.06.1999, Nr.  1-FKS, in der Redaktion vom 30.04.2010 „Über die Militärgerichte der Russischen Föderation“], SZ 1999, Nr. 26, Pos. 3170. Federalnyj konstituzionnyj sakon ot 29.03.2010, N 2-FKS „O wnessenije ismenenija w statju 12 Federalnogo konstituzionnogo sakona ‚Ob arbitraschnych sudach w Rossijskoj Federazii‘“ [Föderales Verfassungsgesetz vom 29.03.2010, Nr. 2-FKS „Über die Änderung des Art.  12 des Föderalen Gesetzes ‚Über die Wirtschaftsgerichte in der Russischen Föderation‘“], SZ 2010, Nr. 14, Pos. 1548. Federalnyj konstituzionnyj sakon ot 05.02.2014, N 3-FKS (red. ot 04.11.2014) „O Werhownom Sude Rossijskoj Federazii“ [Föderales Verfassungsgesetz vom 05.02.2014, Nr. 3-FKS, in der Redaktion vom 04.11.2014 „Über das Oberste Gericht der Russischen Föderation“], RG Nr. 27 vom 07.02.2014. Federalnyj konstituzionnyj sakon ot 05.02.2014, N 4-FKS „O wnesenii ismenenij w Federalnyj konstituzionnyj sakon ‚O sudebnoj sisteme Rossijskoj Federazii‘“ [Föderales Verfassungsgesetz vom 05.02.2014, Nr. 4-FKS „Über die Einführung der Änderungen in das Föderale Verfassungsgesetz ‚Über das Gerichtssystem der Russischen Föderation‘“], RG Nr. 27 vom 07.02.2014. Federalnyj sakon ot 08.05.1994, N 3-FS (red. ot 27.07.2010) „O statuse tschlena Sowjeta Federazii i statuse deputata Gosudarstwennoj Dumy Federalnogo Sobranija Rossijskoj Federazii“ [Föderales Gesetz vom 08.05.1994, Nr. 3-FS, in der Redaktion vom 27.07.2010 „Über die Rechtsstellung der Mitglieder des Föderationsrats und der Abgeordneten der Staatsduma der Föderalen Versammlung der Russischen Föderation“], SZ 1994, Nr. 2, Pos. 74. Federalnyj sakon ot 11.01.1995, N 4-FS (red. ot 05.04.2010) „O Stschetnoj palate Rossijskoj Federazii“ [Föderales Gesetz vom 11.01.1995, Nr. 4-FS, in der Redaktion vom 05.04.2010 „Über den Rechnungshof der Russischen Föderation“], SZ 1995, Nr. 3, Pos. 167. Federalnyj sakon ot 12.01.1996, N 7-FS (red. ot 22.07.2010, s ism. i dop., wstupajuschtschimi w silu s 01.10.2010) „O nekommertscheskich organisazijach“ [Föderales Gesetz vom 12.01.1996, Nr. 7-FS, in der Redaktion vom 22.07.2010, mit Änderungen und Ergänzungen, die zum 01.10.2010 in Kraft treten „Über nichtkommerzielle Organisationen“], SZ 1996, Nr. 3, Pos. 145.

C. Gesetzes- und Entscheidungsregister

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Federalnyj sakon ot 17.12.1998, N 188-FS (red. ot 11.02.2010) „O mirowych sudjach w Rossijskoj Federazii“ [Föderales Gesetz vom 17.12.1998, Nr. 188-FS, in der Redaktion vom 11.02.2010 „Über die Friedensrichter der Russischen Föderation“], SZ  1998, Nr.  51, Pos. 6270. Federalnyj sakon ot 17.07.1999, N 176-FS (red. ot 28.06.2009) „O potschtowoj swjasi“ [Föderales Gesetz vom 17.07.1999, Nr. 176-FS, in der Redaktion vom 28.06.2009 „Über das Postwesen“], SZ 1999, Nr. 29, Pos. 3697. Federalnyj sakon ot 08.08.2001, N 129-FS (red. ot 19.05.2010) „O gosudarstwennoj registrazii juriditscheskich liz i indiwidualnych predprinimatelej“ [Föderales Gesetz vom 08.08.2001, Nr. 129-FS, in der Redaktion vom 19.05.2010 „Über die staatliche Registrierung von juristischen Personen und Einzelunternehmen“], SZ 2001, Nr. 33 (Teil I), Pos. 3431. Federalnyj sakon ot 10.07.2002, N 86-FS (red. ot 25.11.2009) „O Zentralnom banke Rossijskoj Federazii (Banke Rossii)“ [Föderales Gesetz vom 10.07.2002, Nr.  86-FS, in der Redaktion vom 25.11.2009 „Über die Zentralbank der Russischen Föderation (Bank Rossii)“], SZ 2002, Nr. 28, Pos. 2790. Federalnyj sakon ot 26.10.2002, N  127-FS (red. ot 27.07.2010) „O nesostojatelnosti (bankrotstwe)“ [Föderales Gesetz vom 26.10.2002, Nr. 127-FS, in der Redaktion vom 27.07.2010 „Über die Insolvenz (Bankrott)“], SZ 2002, Nr. 43, Pos. 4190. Federalnyj sakon ot 10.01.2003, N 18-FS (red. ot 23.07.2008) „Ustaw schelesnodoroschnogo transporta Rossijskoj Federazii“ [Föderales Gesetz vom 10.01.2003, Nr. 18-FS, in der Redaktion vom 23.07.2008 „Satzung des Eisenbahnwesens der Russischen Föderation“], SZ 2003, Nr. 2, Pos. 170. Federalnyj sakon ot 07.07.2003, N 126-FS (red. ot 29.06.2010) „O swjasi“ [Föderales Gesetz vom 07.07.2003, Nr. 126-FS, in der Redaktion vom 29.06.2010 „Über das Fernmeldewesen“], SZ 2003, Nr. 28, Pos. 2895. Federalnyj sakon ot 06.10.2003, N 131-FS (red. ot 28.09.2010) „Ob obschtschich prinzipach organisazii mestnogo samouprawlenija w Rossijskoj Federazii“ [Föderales Gesetz vom 06.10.2003, Nr. 131-FS, in der Redaktion vom 28.09.2010 „Über die allgemeinen Prinzipien der Organisation der örtlichen Selbstverwaltung in der Russischen Föderation“], SZ 2003, Nr. 40, Pos. 3822. Federalnyj sakon ot 02.10.2007, N 229-FS (red. ot 27.07.2010) „Ob ispolnitelnom proiswodstwe“ [Föderales Gesetz vom 02.10.2007, Nr. 229-FS, in der Redaktion vom 27.07.2010 „Über das Vollstreckungsverfahren“], SZ 2007, Nr. 41, Pos. 4849. Federalnyj sakon ot 04.12.2007, N 330-FS „O wnesenii ismenenij w Grashdanskij prozessualnyj kodeks Rossijskoj Federazii“ [Föderales Gesetz vom 04.12.2007, Nr. 330-FS „Über die Änderung des Zivilprozessgesetzbuches der Russischen Föderation“], SZ 2007, Nr. 50, Pos. 6243. Federalnyj sakon ot 25.12.2008, N 273-FS „O protiwodejstwii korrupzii“ [Föderales Gesetz vom 25.12.2008, Nr.  273-FS „Über die Verhinderung der Korruption], SZ  2008, Nr.  52 (Teil I), Pos. 6228. Federalnyj sakon ot 19.07.2009, N 205-FS „O wnesenii ismenenij w otdelnyje sakonodatelnyje akty Rossijskoj Federazii [Föderales Gesetz vom 19.07.2009, Nr. 205-FS „Über die Einbringung von Änderungen in einzelne Gesetzgebungsakte der Russischen Föderation], SZ 2009, Nr. 29, Pos. 3642.

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Dokumentarischer Anhang

Federalnyj sakon ot 11.02.2010, N 6-FS „O wnesenii ismenenij w statju 3 Federalnogo sakona ‚O mirowych sudjach w Rossijskoj Federazii‘ i statju 23 Grashdanskogo prozessualnogo kodeksa Rossijskoj Federazii“ [Föderales Gesetz vom 11.02.2010, Nr. 6-FS „Über die Änderung von Artikel 3 des Föderalen Gesetzes ‚Über die Friedensrichter in der Russischen Föderation‘ sowie Artikel 23 des Zivilprozessgesetzbuches der Russischen Föderation“], SZ 2010, Nr. 7, Pos. 701. Federalnyj sakon ot 30.04.2010, N 68-FS „O kompensazii sa naruschenija prawa na sudoproiswodstwo w rasumnyj srok ili prawa na ispolnenije sudebnowo akta w rasumnyj srok“ [Föderales Gesetz vom 30.04.2010, Nr. 68-FS „Über die Entschädigung aufgrund der Verletzung des Rechts auf ein Gerichtsverfahren innerhalb angemessener Frist oder des Rechts auf Vollstreckung einer Gerichtsentscheidung innerhalb angemessener Frist“], SZ  2010, Nr. 18, Pos. 2144. Federalnyj sakon ot 30.04.2010, N 69-FS „O wnessenii ismenenij w otdelnyje sakonodatelnyje akty Rossijskoj Federazii w swjasi s prinjatiem Federalnogo sakona ‚O kompensazii sa naruschenija prawa na sudoproiswodstwo w rasumnyj srok ili prawa na ispolnenije sudebnogo akta w rasumnyj srok‘“ [Föderales Gesetz vom 30.04.2010, Nr. 69-FS „Über die Einbringung von Änderungen in einzelne Gesetzgebungsakte der Russischen Föderation im Zusammenhang mit dem Erlass des Gesetzes ‚Über Entschädigung aufgrund der Verletzung des Rechts auf ein Gerichtsverfahren innerhalb angemessener Frist oder des Rechts auf Vollstreckung einer Gerichtsentscheidung innerhalb angemessener Frist‘“], SZ 2010, Nr. 18, Pos. 2145. Federalnyj sakon ot 23.07.2010, N 178-FS „O wnesenii ismenenij w Grashdanskij prozessualnyj kodeks Rossijskoj Federazii“ [Föderales Gesetz vom 23.07.2010, Nr. 178-FS „Über die Änderung des Zivilprozessgesetzbuches der Russischen Föderation“], SZ 2010, Nr. 30, Pos. 4009. Federalnyj sakon ot 08.03.2015, N 21-FS „Kodeks administatiwnogo sudoproiswodstwa Rossijskoj Federazii“ [Föderales Gesetz vom 08.03.2015, Nr. 21-FS „Kodex der Verwaltungsgerichtsbarkeit der Russischen Föderation“], abrufbar unter http://publication.pravo.gov.ru/ Document/View/0001201503090041 (Stand: 10.03.2015). Federalnyj sakon ot 08.03.2015, N 22-FS „O wwedenii w dejstwije Kodeksa administatiwnogo sudoproiswodstwa Rossijskoj Federazii“ [Föderales Gesetz vom 08.03.2015, Nr.  22-FS „Über das Inkrafttreten des Kodex der Verwaltungsgerichtsbarkeit der Russischen Föderation“], abrufbar unter http://publication.pravo.gov.ru/Document/View/0001201503090004 (Stand: 10.03.2015). Sakon Rossijskoj Federazii ot 26.06.1992, N 3132–1 (red. ot 29.03.2010) „O statuse sudjej w Rossijskoj Federazii“ [Gesetz der Russischen Föderation vom 26.05.1992, Nr. 3132–1, in der Redaktion vom 29.03.2010 „Über die Rechtsstellung der Richter“], RG Nr. 170 vom 29.07.1992. Sakon Rossijskoj Federazii ot 27.04.1993, N  4866–1 (red. ot 09.02.2009) „Ob obschalowanii w sud dejstwij i reschenij, naruschajuschtschich prawa i swobody graschdan“ [Gesetz der Russischen Föderation vom 27.04.1993, Nr. 4866–1, in der Redaktion vom 09.02.2009 „Über die Beschwerdeführung bei Gericht über Handlungen und Entscheidungen, die die Rechte und Freiheiten der Bürger verletzen], WWS RF 1993, Nr. 19, Pos. 685. Sakon RF o poprawke k Konstituzii RF ot 05.02.2014, N 2-FKS „O Werhownom Sude Rossijskoj Federazii i prokurature Rossijskoj Federazii“ [Gesetz der RF über die Änderung der Verfassung der RF vom 05.02.2014, Nr. 2-FKS „Über das Oberste Gericht der Russischen Föderation und die Staatsanwaltschaft der Russischen Föderation“], RG Nr. 27 vom 07.02.2014.

C. Gesetzes- und Entscheidungsregister

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Sakon SSSR ot 30.06.1987, N  7287-XI „O porjadke obschalowanija w sud neprawomernchych dejstwij dolschnostnych liz, uschtschemljajuschtschich prawa graschdan“ [Gesetz der UdSSR vom 30.06.1987, Nr. 7287-XI „Über das Verfahren der gerichtlichen Anfechtung rechtswidriger Handlungen von Amtspersonen, die Rechte der Bürger einschränken“], WWS SSSR 1987, Nr. 26, Pos. 388. Poloschenie ot 30.05.1917 „O sudach po administratiwnym delam“ [Verordnung vom 30.05.1917 „Über die Gerichte in administrativen Angelegenheiten“], SUiR 127, Pos. 692.

III. Ukase Ukas Presidenta RF ot 23.05.1996, N 763 (red. ot 28.06.2005) „O porjadke opublikowanija i wstuplenija w silu aktow Presidenta Rossijskoj Federazii, prawitelstwa Rossijskoj Federazii i normativnych prawowych aktow federalnych organow ispolnitelnoj wlasti“ [Ukas des Präsidenten der RF vom 23.05.1996, Nr. 763, in der Redaktion vom 28.06.2005 „Über das Verfahren der Bekanntgabe und des Inkraftretens der Akte des Präsidenten der Russischen Föderation, der Regierung der Russischen Föderation und normativer Rechtsakte föderaler Organe der ausübenden Gewalt“], SZ 1996, Nr. 22, Pos. 2663. Ukas Presidenta RF ot 29.03.1998, N 310 (red. ot 06.07.2010) „Ob Upolnomotschennom Rossijskoj Federazii pri Jewroperjskom sude po prawam tscheloweka  – samestitele Ministra justizii Rossijskoj Federazii“ [Ukas des Präsidenten der RF vom 29.03.1998, Nr. 310, in der Redaktion vom 06.07.2010 „Über den Bevollmächtigten der Russischen Föderation beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte  – den Stellvertretenden Justizminister der Russischen Föderation“], SZ 1998, Nr. 14, Pos. 1540. Ukas Presidenta RF ot 19.05.2008, N 815 (red. ot 01.07.2010) „O merach po protiwodejstwiju korrupzii“ [Ukas des Präsidenten der RF vom 19.05.2008, Nr. 815, in der Redaktion vom 01.07.2010 „Über die Maßnahmen zur Verhinderung der Korruption“], SZ 2008, Nr.  21, Pos. 2429. Ukas Presidiuma Werchownogo Sowjeta SSSR ot 12.04.1968, N 2534-VII „O porjadke rassmotrenija predloschenij, sajawlenij i schalob graschdan“ [Ukas des Präsidiums des Obersten Sowjets der UdSSR vom 12.04.1968, Nr. 2534-VII „Über das Verfahren der Bearbeitung von Vorschlägen, Eingaben und Beschwerden der Bürger“], WWS SSSR 1968, Nr. 17, Pos. 144.

IV. Entscheidungen des Verfassungsgerichts der Russischen Föderation Postanowlenije Konstituzionnogo Suda RF ot 12.05.1998, N 14-P „Po delu o prowjerke konstituzionnosti otdelnych poloschenij absaza schestogo statji 6 i absatza wtorogo tschasti perwoj statji 7 Sakona Rossijskoj Federazii ot 18 ijunja 1993 goda ‚O primenenii kontrolno-kassowych maschyn pri osuschtschetwlenii deneschnych rastschotow s naseleniem‘ w swjasi s saprosom Dmitrowskogo rayonnogo suda Moskowskoj oblasti i schalobami graschdan“ [Urteil des Verfassungsgerichts der RF vom 12.05.1998, Nr.  14-P „Über die Rechtssache der Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit einzelner Bestimmungen des Art. 6, Abs. 6 und Art. 7, Abs. 2, Nr. 1 des Gesetzes der Russischen Föderation vom 18. Juni

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Dokumentarischer Anhang

1993 ‚Über die Verwendung von Kontrollkassen bei der Durchführung von Zahlungsverkehr mit der Bevölkerung‘ in Verbindung mit der Anfrage des Dmitrowskij Rayongerichts des Moskauer Gebiets und der Beschwerden von Bürgern“], SZ 1998, Nr. 20, Pos. 2173. Postanowlenije Konstituzionnogo Suda RF ot 16.06.1998, N 19-P „Po delu o tolkowanii otdelnych poloschenij statjej 125, 126 i 127 Konstituzii Rossijskoj Federazii“ [Urteil des Verfassungsgerichts der RF vom 16.06.1998, Nr. 19-P „Über die Rechtssache der Auslegung einzelner Bestimmungen der Art. 125, 126 und 127 der Verfassung der Russischen Föderation“], SZ 1998, Nr. 25, Pos. 3004. Postanowlenije Konstituzionnogo Suda RF ot 28.05.1999, N 9-P „Po delu o prowjerke kon­ stituzionnosti tschasti wtoroj statji 266 i punkta 3 tschasti perwoj statji 267 Kodeksa RSFSR ob administratiwnych prawonaruschenijach w swjasi s schalobami graschdan E. A. Arbusowoj, O. B.  Kolegowa, A. D.  Kutyrewa, R. T.  Nasibulina i W. I.  Tkatschuka“ [Urteil des Verfassungsgerichts der RF vom 28.05.1999, Nr. 9-P „Über die Rechtssache der Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit des Art. 266, Abs. 2 und Art. 267, Abs. 1, Nr. 3 des Kodex RSFSR über die verwaltungsrechtlichen Ordnungswidrigkeiten in Verbindung mit den Beschwerden der Bürger E. A. Arbusowa, O. B. Kolegow, A. D. Kutyrew, R. T. Nasibulin und W. I. Tkatschuk], SZ 1999, Nr. 23, Pos. 2890. Postanowlenije Konstituzionnogo Suda RF ot 11.04.2000, N 6-P „Po delu o prowerke konstituzionnosti otdelnych poloschenij punkta 2 statji 1, punkta 1 statji 21 i punkta 3 statji 22 Federalnogo sakona ‚O prokurature Rossijskoj Federazii‘ w swjasi s saprosom Sudebnoj kollegii po graschdanskim delam Werchownogo Suda Rossijskoj Federazii“ [Urteil des Verfassungsgerichts der RF vom 11.04.2000, Nr. 6-P „Über die Rechtssache der Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit einzelner Bestimmungen der Art. 1 Abs. 2, Art. 21 Abs. 1 und Art. 22 Abs. 3 des Föderalen Gesetzes ‚Über die Staatsanwaltschaft der Russischen‘ auf Anfrage des Zivilsenats des Obersten Gerichts der Russischen Föderation“], SZ 2000, Nr. 16, Pos. 1774. Postanowlenije Konstituzionnogo Suda RF ot 18.07.2003, N 13-P „Po delu o prowerke konstituzionnosti poloschenij statej 115 i 231 GPK RSFSR, statej 26, 251 i 253 GPK Rossijskoj Federazii, statej 1, 21 i 22 Federalnogo sakona ‚O prokurature Rossijskoj Federazii‘ w swjasi s saprosami Gosudarstwennogo Sobranija – Kurultaja Respubliki Baschkortostan, gosudarstwennogo Soweta Respubliki Tatarstan i Wechownogo Suda Respubliki Tatarstan“ [Urteil des Verfassungsgerichts der RF vom 18.07.2003, Nr. 13-P „Über die Rechtssache der Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit der Bestimmungen der Art. 115 und 231 ZPO RSFSR, Art. 26, 251 und 253 ZPO der Russischen Föderation, Art. 1, 21 und 22 des Föderalen Gesetzes ‚Über die Staatsanwaltschaft der Russischen Föderation‘ auf Anfragen der Volksversammlung – Kurultai der Republik Baschkortostan, des Staatsrats der Republik Tatarstan und des Obersten Gerichts der Republik Tatarstan“], SZ 2003, Nr. 30, Pos. 3101. Postanowlenije Konstituzionnogo Suda RF ot 27.01.2004, N  1-P „Po delu o prowerke konstituzionnosti otdelnych poloschenij punkta 2 tschasti perwoj statji 27, tschastjej perwoj, wtoroj o tschetwertoj statji 251, tschstjej wtoroj i tretjej statji 253 Graschdanskogo prozessualnogo kodeksa Rossijskoj Federazii w swjasi s saprowom Prawitelstwa Rossijskoj Federazii“ [Urteil des Verfassungsgerichts der RF vom 27.01.2004, Nr. 1-P „Über die Rechtssache der Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit der einzelnen Bestimmungen der Art. 27 Abs. 1 Ziff. 2; Art. 251 Abs. 1, 2 und 4; Art. 253 Abs. 2 und 3 Zivilporozesskodex der Russischen Föderation im Zusammenhang mit der Anfrage der Regierung der Russischen Föderation“], SZ 2004, Nr. 5, Pos. 403.

C. Gesetzes- und Entscheidungsregister

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Opredelenije Konstituzionnogo Suda RF ot 02.03.2006, N  58-O „Po schalobe graschdanina Smerdowa Sergeja Dmitriewitscha na naruschenije ego konstituzionnych praw tschastju 251 Graschdanskogo prozessualnogo kodeksa Rossijskoj Federazii“ [Beschluss des Verfassungsgerichts der RF vom 02.03.2006, Nr. 58-O „Über die Beschwerde des Herrn Smerdow Sergej Dmitrijewitsch gegen die Verletzung seiner verfassungsrechtlichen Rechte durch Art. 251 des Zivilprozesskodex der Russischen Föderation“], Westnik KS RF 2006, Nr. 4. Opredelenije Konstituzionnogo Suda RF ot 15.01.2009, N 144-O-P „Po schalobe Upolnomotschennogo po prawam tscheloweka w Rossijskoj Federazii na naruschenije konstituzionnych praw graschdanki Chalimbekowoj Schamaly Schabutdinowny poloschenijami tschasti 4 statji 39, statjej 270, 288 i 304 Arbitraschnogo prozessualnogo kodeksa Rossijskoj Federazii“ [Beschluss des Verfassungsgerichts der RF vom 15.01.2009, Nr. 144-O-P „Über die Beschwerde des Bevollmächtigten für Menschenrechte in der Russischen Föderation gegen die Verletzung verfassungsrechtlicher Rechte der Frau Chalimbekowaja Schamala Scha­ butdinowna durch die Bestimmungen der Art. 39 Abs. 4, 270, 288 und 304 des Wirtschaftsprozessordnung der Russischen Föderation“], SZ 2009, Nr. 18 (Teil 2), Pos. 2267. Opredelenije Konstituzionnogo Suda RF ot 19.11.2009 N  1344-O-P „O rasjasnenii punkta 5 resolutiwnoj tschasti Postanowlenija Konstituzionnogo Suda Rossijskoj Federazii ot 2 fewralja 1999 goda N  3-P po delu o prowerke konstitizionnosti poloschenij statji 41 i tschasti tretjej statji 42 Ugolowno-prozessualnogo kodeksa RSFSR, punktow 1 i 2 Postanowlenija Werchownogo Soweta Rossijskoj Federazii ot 16 ijulja 1993 goda ‚O porjadke wwedenija w dejstwije Sakona Rossijskoj Federazii ‚O wnesenii ismenenij i dopolnenij w Sakon RSFSR ‚O sudoproiswodstwe RSFSR‘, Ugolowno-prozessualnyj kodeks RSFSR, Ugolownyj kodeks RSFSR i kodeks RSFSR ob administratiwnych prawonaruschenijach‘“ [Beschluss des Verfassungsgerichts der RF vom 19.11.2009, Nr. 1344-O-P „Über die Klärung des Punktes 5 des resolutiven Teils des Urteils des Verfassungsgerichts der Russischen Föderation vom 02.02.1999, Nr.  3-P über die Sache der Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit der Bestimmungen der Art.  41 und Art.  42 Abs.  3 des Strafprozesskodex der RSFSR, der Punkte 1 und 2 des Beschlusses des Obersten Rats der Russischen Föderation vom 16.07.1993 ‚Über das Verfahren des Inkrafttretens des Gesetzes der Russischen Föderation ‚Über die Einbringung von Änderungen und Ergänzungen in das Gesetz der RSFSR ‚Über das Gerichtswesen der RSFSR‘, des Strafprozesskodex der RSFSR und des Kodex RSFSR über die Ordnungswidrigkeiten‘“], SZ 2009, Nr. 48, Pos. 5867.

V. Entscheidungen und Briefe des Obersten Wirtschaftsgerichts der Russischen Föderation sowie des Obersten Gerichts der Russischen Föderation Postanowlenije Plenuma Werhownogo Suda RF ot 01.07.1996, N 6, Plenuma Werhownogo Arbitraschnogo Suda RF, N 8 „O nekotorych woprosach, swjasanych s primenenijem tschasti perwoj Graschdanskogo kodeksa Rossijskoj federazii“ [Plenarbeschluss des Obersten Gerichts der RF vom 01.07.1996, Nr. 6, des Obersten Wirtschaftsgerichts, Nr. 8 „Über einige Fragen der Anwendung des ersten Teils des Zivilgesetzbuchs der RF“], RG Nr. 151 vom 10.08.1996. Postanowlenije Plenuma Werchownogo Suda RF ot 12.02.2008, N 2 „O primenenii norm graschdanskogo prozessualnogo sakonodatjelstwa w sude nadsornoj instanzii w swjasi s prinjateem i wwedenijem w dejstwije Federalnogo Sakona ot 4 dekabrja 2007 g. N 330-FS ‚O wnese-

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Dokumentarischer Anhang

nii ismenenij w Grashdanskij prozessualnyj kodeks Rossijskoj Federazii‘“ [Plenar­beschluss des Obersten Gerichts der RF vom 12.02.2008, Nr. 2 „Über die Normanwendung der zivilprozessualen Gesetzgebung vor den Gerichten der Aufsichtsinstanz im Zusammenhang mit der Verabschiedung und des Inkrafttretens des Föderalen Gesetzes vom 04. Dezember 2007, Nr. 330-FS ‚Über die Änderung des Zivilprozessgesetzbuches der Russischen Föderation‘“], Bulletin des Obersten Gerichts der RF 2008, Nr. 4 Rn. 1. Postanowlenije Plenuma Werchownogo Suda RF ot 10.02.2009, N 2 „O praktike rassmotrenija sudami del ob ospariwanii reschenij, dejstwij (besdejstwij) organow gosudarstwennoj wlasti, organow mestnogo samouprawlenija, dolschnostnych liz, gosudarstwennych i munizipalnych sluschaschtschich“ [Plenarbeschluss des Obersten Gerichts der RF vom 10.02.2009, Nr. 2 „Über die Gerichtspraxis der Verhandlung von Anfechtungen der Entscheidungen, Handlungen (Unterlassen) der Staatsorgane, Organe örtlicher Selbstverwaltung, Amtspersonen, Staats- sowie Munizipalbediensteten“], Bulletin des Obersten Gerichts der RF 2009, Nr. 4. Postanowlenije Plenuma Wysschego Arbitraschnogo Suda Rossijskoj Federazii ot 31.10.1996, N  13 (red. ot 09.07.1997) „O primenenii Arbitraschnogo prozessualnogo kodeksa Rossijskoj Federazii pri rasmotrenii del w sude perwoj instanzii“ [Plenarbeschluss des Obersten Wirtschafsgerichts der Russischen Föderation vom 31.10.1996, Nr. 13, in der Redaktion vom 09.07.1997 „Über die Anwendung des Wirtschafsprozesskodex der Russischen Föderation bei der Verhandlung von Rechtssachen bei den Gerichten der ersten Instanz“], RG Nr. 227 vom 27.11.1996. Postanowlenije Plenuma Wysschego Arbitraschnogo Suda Rossijskoj Federazii ot 09.12.2002, N  11 „O nekotorych woprosach, swjasanych s wwedenijem w dejstwije Arbitraschnogo prozessualnogo kodeksa Rossijskoj Federazii“ [Plenarbeschluss des Obersten Wirtschafsgerichts der Russischen Föderation vom 09.12.2002, Nr. 11 „Über einige Fragen, betreffend die Einführung der Wirtschafsgerichtsordnung der Russischen Föderation“], Westnik WAS RF 2003, Nr. 2. Opredelenije Presidiuma Werhownogo Suda RF ot 04.02.2004, N 91 pw03 „Dela ob ospariwanii normatiwnych prawowych aktow regionalnych energetitscheskich komissij po gosudarstwennomu regulirowaniju tarifow na elektritscheskuju i teplowuju energiju nesawisimo ot subjekta opsariwanija podwedomstwenny arbitraschnym sudam [Beschluss des Presi­ diums des Obersten Gerichts der RF vom 04.02.2004, Nr. 91 pw03], Bulletin des Obersten Gerichts der RF 2004, Nr. 7. Informazionnoje pismo Presidiuma Wysschego Arbitraschnogo Suda Rossijskoj Federazii ot 13.08.2004, N 80 „O nekotorych woprosach, wosnikajuschtschich w sudebnoj praktike pri rassmotrenii arbitraschnymi sudami del ob ospariwanii normatiwnych prawowych aktow“ [Informationsschreiben des Plenums des Obersten Wirtschafsgerichts der Russischen Föderation vom 13.08.2004, Nr. 80 „Über einige Fragen, die in der Gerichtspraxis bei der Verhandlung der Anfechtung normativer Rechtsakte durch die Wirtschaftsgerichte entstehen“], Westnik WAS RF 2004, Nr. 10. Informazionnoje pismo Presidiuma Wysschego Arbitraschnogo Suda Rossijskoj Federazii ot 22.12.2005, N 99 „O otdelnych woprosach praktiki primenenija Arbitraschnogo kodeksa Rossijskoj Federazii“ [Informationsschreiben des Plenums des Obersten Wirtschafsgerichts der Russischen Föderation vom 22.12.2005, Nr.  99 „Über einzelne Fragen der Anwendungspraxis des Wirtschaftsprozessordnung der Russischen Föderation“], Westnik WAS RF 2006, Nr. 3.

C. Gesetzes- und Entscheidungsregister

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Pismo Wysschego Arbitraschnogo Suda RF ot 01.03.1996, N OM-37 „Ob ispolnenii reschenij arbitraschnych sudow odnogo gosudarstwa na territorii drugogo gosudarstwa“ [Brief des Obersten Wirtschaftsgerichts der RF vom 01.03.1996, Nr. OM-37 „Über die Vollstreckung von Entscheidungen der Wirtschaftsgerichte eines Staates auf dem Territorium eines anderen Staates“], Westnik WAS RF 1996, Nr. 12.

VI. Sonstiges Ofizialnyj otsyw Prawitelswa RF ot 28.11.2000 na projekt Federalnogo konstituzionnogo sakona „O federalnych administratiwnych sudach w Rossijskoj Federazii“, wnessenyj Werchownym Sudom Rossijskoj Federazii i prinjatyj Gosudarstwennoj Dumoj w perwom tschtenii 22 nojabrja 2000 g [Offizielle Stellungnahme der Regierung der RF vom 28.11.2000 zum Entwurf des Föderalen Verfassungsgesetzes „Über die Verwaltungsgerichte in der Russischen Föderation“, durch das Oberste Gericht der Russischen Föderation eingebracht und durch die Staatsduma in erster Lesung am 22. November 2000 angenommen], ASOZD, abrufbar unter: http://asozd.duma.gov.ru/ (Stand: 31.12.2011). Reschenije Sowjeta po sudebnoj reforme pri Presidente RF ot 12.03.1997, N 4 „Ob obespetschenii dostupnosti prawosudija i bystroty ego osuschestwlenija“ [Entscheidung des Rats für die Gerichtsreform beim Präsidenten der RF vom 12.03.1997, Nr. 4 „Über die Gewährleistung des Zugangs zur Rechtsprechung und die Schnelligkeit ihrer Durchführung“], RJu 1997, Nr. 6. Sakljutschenije Komiteta Gosudarstwennoj Dumy po gosudarstwennomu stroitjelswu ot 21.11.2000, N 3.3–983 po projektu Federalnogo sakona „O federalnych administratiwnych sudach w Rossijskoj Federazii“ [Schlussfolgerung des Komitees der Staatsduma zum Staatsaufbau vom 21.10.2000, Nr. 3.3–983 zum Projekt des Föderalen Gesetzes „Über die föderalen Verwaltungsgerichte in der Russischen Föderation“], ASOZD, abrufbar unter: http://asozd.duma.gov.ru/ (Stand: 31.12.2011).

VII. Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte EGMR, Urteil vom 07.05.2002, Application no. 59498/00 – Burdov/Russia, abrufbar unter: http:/ cmiskp.echr.coe.int/tkp197/view.asp?action=html&documentId=6983 26&potal=hbkm& source=externalbydocnumber&table=F69A27FD8FB86142BF01C1166DEA398649 (Stand: 31.12.2011). EGMR, Urteil vom 15.01.2009, Application no. 33509/04 – Burdov/Russia (No. 2), abrufbar unter: http://cmiskp.echr.coe.int/tkp197/view.asp?action=html&document Id=845494&portal= hbkm&source=externalbydocnumber&table=F69A27FD8FB86142BF01C1166DEA398649 (Stand: 31.12.2011).

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Personen- und Sachverzeichnis Abstrakte Normenkontrolle  65, 127 Abwesenheit  138, 139, 144 Administrativjustiz 30 Alexander II.  60 Amtsperson  91, 94, 95 Analogie 144 Anfechtung nichtnormativer Akte  122, 125, 131, 135, 142, 148, 149, 150, 151, 152, 171, 172, 192, 214, 215 Anfechtung normativer Akte  122, 125, 126, 131, 132, 142, 143, 145, 147, 167, 173, 192, 214, 215, 220 Antragsbefugnis  77, 123, 146, 151, 174, 176, 178 Antragsgegenstand  145, 150, 174, 176 Antragsteller 143 Anwaltszwang  134, 147, 171, 203 Appellation  56, 66, 73, 119, 130, 132, 158, 162, 164, 169, 170, 179, 180, 183, 202, 214 Arbitragekommissionen  82, 89 Aufschiebende Wirkung  41, 66, 79, 148, 175, 223 Aufsichtsverfahren  80, 131, 132, 158, 161, 164, 166, 169, 170, 179, 180, 181, 183 Auslegung  36, 60, 67, 73, 100, 131, 162, 200, 203 Außenwirkung 146 Befriedungsfunktion  118, 224 Beisitzer  35, 132, 145 Besatzungszonen 34 Beschwerderecht  77, 78, 79, 103 Beschwerdeverfahren  54, 65, 81, 83, 87, 94, 97, 105, 171, 183, 232 Beweislast 144 Beweislastumkehr  144, 172 Bodenkommissionen 82 Bojarenduma  52, 53 Bundesverwaltungsgericht 36

DDR 35 Demokratie  25, 29, 186, 190, 197, 199, 232 Departement  55, 60, 61, 62, 64, 66, 68, 71 Dostojewskij, Fjodor M.  185 Drittes Reich  33 Duma  56, 65, 67, 68, 128, 131, 170, 196, 212, 219, 221 Effizienz  81, 96, 135, 191, 231 Einzelrichterentscheidung  71, 73, 132, 137, 151, 153, 163, 170, 215 Entschädigungsverfahren  130, 141, 156, 157, 163, 203, 225 Entscheidungsformen –– Beschluss  160, 164, 182 –– Urteil  164, 183 –– Verfügung  129, 164, 168, 183 Entscheidungswirkung  149, 152, 175, 177 Enumerationsprinzip  60, 72, 88, 122, 222, 236 Ermessen  44, 45, 48, 74, 78, 95, 96 Ermittlungsgrundsatz  41, 218 Europäische Menschenrechtskonvention, EMRK 164 Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte, EGMR  155, 157, 164 Europarat  113, 221 Februarrevolution  68, 232 Föderationssubjekte  119, 129, 130, 166, 169, 170, 214, 220 Formerfordernis  137, 150, 180 Frankfurter Nationalversammlung  31 Friedensrichter  56, 60, 73, 166, 168, 169, 170, 180, 183, 213, 217, 219 Frist  73, 80, 81, 94, 137, 139, 140, 141, 148, 151, 153, 157, 158, 160, 161, 162, 163, 172, 173, 176, 177, 178, 180, 182 –– Angemessene  130, 136, 156 –– Fristversäumnis  94, 151, 153

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Personen- und Sachverzeichnis

Gemischte Kammern  58, 62, 69, 82, 83 Generalklausel  34, 35, 39, 72, 219, 222, 236 Generalprokureur  54, 63 Gerichtliches Anfechtungsverfahren, 1987  90, 96, 97 Gerichtsaufbau  35, 71, 99, 119, 165 Gesetzmäßigkeit der Verwaltung  33, 115, 189 Gewaltenteilung  43, 56, 104, 118, 187 –– Gewaltenverschränkung 114 Goldene Horde  50 Gorbatschow, Michail S.  90 Gütliche Einigung  141, 173 Herzen, Alexander I.  232 High Court  47 Individualrechtsschutz  33, 37, 67, 79, 105, 114, 116 Jaroslaw der Weise  49 Kaiserin Anna  54 Kammer  59, 71, 132 Kanzlei des Senats  61 Kassation  60, 62, 73, 83, 119, 130, 132, 141, 158, 160, 162, 164, 166, 169, 170, 179, 180, 183, 202, 214 Khan 50 Kiewer Rus  49, 232 Klagebefugnis  45, 68, 93 Klageerhebung  42, 137, 172 Klagegegenstand 91 Kollegialentscheidung  132, 148, 163, 170, 215 Kollegien  54, 59, 70, 83, 132, 213, 215 Kontrollfunktion  114, 115, 204 Korruption  29, 64, 193, 198, 204, 224 –– Bekämpfung  195, 196, 197, 199, 213, 231 Kosten  79, 95, 153 Landesversammlung  52, 53 Lenin, Wladimir I.  80 Medwedjew, Dmitrij A.  155, 185, 196, 233 Menschenrechtsverletzungen 190 Monomach, Wladimir W.  50

Moskauer Staat  51, 53 Mündliche Verhandlung  138, 139, 173 NATO-Russland-Rat, NRR  205 Neue Ökonomische Politik, NÖP  82, 83 Nichtnormativer Rechtsakt  150 Normativakt 145 Normenkontrollverfahren  35, 40, 88, 126, 129, 145, 147, 149, 151, 169, 171, 172, 173, 174, 175, 185, 192, 201, 203 Oberstes Gericht der RF  105, 165, 170, 180, 215, 234 Oberstes Wirtschaftsgericht der RF  119, 131, 162, 234 Objektiver Rechtsschutz  33, 41, 45, 114 Oktoberrevolution  70, 74, 79, 232 Ordnungswidrigkeiten  103, 108, 110, 113, 123, 142, 152, 169, 179, 217, 237 Ordnungswidrigkeitengesetz der RF  99, 107 Ordnungswidrigkeitenverfahren  113, 123, 152, 179, 218 Peter der Große  53, 232 Plädoyer  140, 173 Postulationsfähigkeit 135 Preußen  31, 32 Prozessfähigkeit  134, 171 Prüfungsmaßstab  148, 152, 175, 177, 223 Putin, Wladimir W.  201 Radbruch, Gustav  28, 233 Rayongericht  165, 169, 180, 213, 214, 215, 218 Rechtsbehelf  47, 66, 77, 87, 158, 179 Rechtsfortbildung  118, 170 Rechtskraft  41, 158, 160, 161, 162, 163, 164, 169, 175, 177, 179, 181, 182 –– Begriff 149 Rechtsprechung, einheitliche  100, 197, 201, 203, 220, 238 Rechtssicherheit  125, 186, 189 Rechtsstaat  25, 28, 34, 57, 70, 135, 186, 188, 189, 198, 222, 231, 233 Rechtsstatus  120, 123 Reformen  159, 185, 197, 200 –– Gerichtsreform (2002)  119, 125, 134, 139, 142, 144, 151, 180, 181

Personen- und Sachverzeichnis –– Historisch  49, 53, 55, 56, 60, 68, 69, 71, 74, 90 Regierender Senat  53, 54, 55, 57, 60, 61, 62, 63, 64, 65, 67, 68, 69, 71, 73, 232 Reichsrat  55, 65, 66 Ruhen des Verfahrens  137, 138 Russkaja Prawda  49 Schneyder, Werner  193 Selbstkontrolle der Verwaltung  31, 204, 223, 224 Senat  132, 234 Senatoren  54, 56, 61, 62, 64 Spezialisierung  188, 191, 197, 200, 231 Spruchkörper  46, 61, 132 Staatsanwaltschaft  54, 78, 79, 134, 147, 151, 153, 171, 174, 176, 180, 181 Staatsarbitrage 89 Stabilisierungsfunktion 118 Stalin, Josef W.  83, 85 Stalinismus  86, 101, 232 Strafgerichtsbarkeit  98, 105, 190 Streitige Verhandlung  135 Subjektive Rechte  40, 67, 86, 93, 103, 113, 114, 116, 117, 187, 217 Tatarenjoch 50 Tribunal, Großbritannien  46 Tschetschot, Dmitrij M.  101, 102 Unabhängigkeit der Richter  82, 95, 97, 135, 188, 231 Unternehmer  120, 124 –– Unternehmerische Tätigkeit  121, 122, 125, 151 Verfahrensbeschleunigung  136, 138, 141, 157, 172 Verfahrensbeteiligte  133, 170 Verfahrensdauer  136, 140, 157, 159, 172, 175, 177, 178, 225 Verfahrensgrundsätze  41, 73, 95, 97, 135, 143, 171, 181, 217, 222, 225 Verfassung der RF  29, 98, 105, 109, 110, 114, 116, 125, 128, 135, 148, 174, 186, 188, 189, 190, 220 Verfassungsgericht der RF  98, 108, 110, 126, 127, 129, 164, 173, 175

319

Verfassungsgerichtsbarkeit  98, 105, 109, 127, 190 Vertrauensschutz  48, 189 Verwaltungsgerichtsbarkeit –– Deutschland  29, 30, 36 –– Frankreich  43, 45 –– Kaiserreich Russland  53, 70 –– Russische Föderation  98, 100, 105, 107, 108, 110, 113, 190 –– Sowjetunion 76 Verwaltungsgerichtsgesetz, VGG  35 Verwaltungsgerichtsordnung, VwGO  28, 36, 38, 39, 219 –– Russische Föderation  216, 221, 222, 224 –– n. F. (2015)  235 Verwaltungsjurisdiktion  100, 103, 111 Verwaltungsjustiz  59, 74, 76, 85, 100, 101, 102, 103, 110, 113 Verwaltungsprozess  40, 70, 85, 95, 100, 104, 112, 115, 116, 217 Verwaltungsrechtspflege  28, 30, 31, 68 Verwaltungsrechtssache  105, 111, 142, 143, 212, 219, 222 Verwaltungsrechtsschutz –– Deutschland  29, 36 –– Großbritannien  46, 47 –– Kaiserreich Russland  74 –– Russische Föderation  118, 230, 232 –– Sowjetunion  77, 84, 87, 96 Verwerfungsbefugnis  126, 149, 175, 201 Völkerrecht  25, 114, 163, 205 Volksrichter  50, 89 Vollstreckung  55, 89, 122, 136, 141, 153, 155, 157, 158, 179, 203 Vorbereitung der Sache  138, 148, 152, 153, 160, 173 Vorläufiger Rechtsschutz  40 Vorverfahren  38, 39, 223 –– Russische Föderation  136, 172, 204, 222, 223, 230 –– Sowjetunion 93 Weimarer Republik  33 Wiederaufnahmeverfahren  129, 131, 158, 163, 183, 184, 214, 215 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand  94, 151, 153, 180 Wiedergutmachungsfunktion 117

320

Personen- und Sachverzeichnis

Willkür  25, 51, 52, 56, 64, 66, 106, 203, 224 Wirtschaftliche Streitigkeit  120, 122, 131 Wirtschaftsprozessordnung, WiPO  99, 106, 143 Wladimir der Heilige  49 Wyschinskij, Andrej J.  83 Zar  51, 53, 56, 63 Zivilgerichtsbarkeit  98, 105, 107, 190

Zivilgesetzbuch der RF, ZGB  121 Zivilprozessordnung der RF, ZPO RF  99, 107 Zulässigkeit  39, 45, 138 Zuständigkeit  37, 88, 106 –– Funktionelle  132, 170, 215 –– Instanzielle  73, 129, 130, 131, 168, 169, 170, 213 –– Örtliche  128, 167, 212 –– Sachliche  72, 120, 122, 123, 166, 212

SUMMARY After the collapse of the Soviet Union, the Russian Federation had to go through a daunting transformation process that also affected the entire legal system. However, Russia still has no separate administrative jurisdiction. In this study, the author systematically describes the development of administrative legal protection from its historical beginnings in the Kievan Rus through the Russian Empire and the Soviet Union up to the present. In the process, forms of contemporary administrative legal protection are described in detail from a legal perspective. Administrative proceedings take place primarily within the economic and ordinary courts. The necessity and advantages of separate administrative courts in the Russian Federation are obvious, for example regarding the development of rule-of-law principles and practical aspects. The reform attempts in 2000 and 2006, in particular the respective legislative drafts that foresaw separate administrative courts, are discussed in depth. This is followed by a depiction of various possibilities for the future design of administrative jurisdiction. The current development in the legislative process is taken into consideration in the afterword, as only recently have Russian lawmakers halted the legislative procedures for introducing administrative courts, deciding against the establishment of separate administrative jurisdiction. Still, as a result of the reform process that lasted for several years, there is now a Code for Administrative Legal Procedures in the Russian Federation that will take effect as of 15 September 2015.

РЕЗЮМЕ После распада Советского Союза Российская Федерация прошла очень сложный трансформационный процесс, который затронул также всю правовую систему. Тем не менее, в России все ещё отсутствует самостоятельное административное судопроизводство. В настоящей работе автор систематически описывает развитие административноправовой защиты, начиная с исторических истоков Киевской Руси, затем во времена империи и Советского Союза и до настоящего времени. При этом последовательно и подробно с юридической точки зрения исследуются современные формы административно-правовой защиты. Рассмотрение административных дел в зависимости от их значимости подведомственно судам общей юрисдикции и арбитражным судам. Необходимость и преимущества самостоятельных административных судов в Российской Федерации становятся очевидными, в том числе учитывая развитие государственноправовых принципов и практические аспекты. Подробно рассматриваются проекты реформ 2000 года и 2006 года и связанные с ними законопроекты, предусматривающие самостоятельные административные суды. В завершении предлагаются различные возможности развития административного судопроизводства в будущем. Автор рассматривает в приложении актуальное развитие законодательного процесса и подчеркивает, что в настоящее время российский законодатель завершил законодательный процесс по введению административных судов и отказался от идеи создания самостоятельных административных судов. Тем не менее, результатом многолетнего продолжительного процесса реформ стало принятие порядка осуществления административного судопроизводства - Кодекса административного судопроизводства Российской Федерации, вступающего в силу с 15 сентября 2015 г.