Der Unternehmer als Erfüllungsgehilfe des Staates: Einsparpotentiale im internationalen Vergleich [1 ed.] 9783428490530, 9783428090532

Indem der Staat die Unternehmen gesetzlich zur unentgeltlichen Übernahme von Verwaltungsarbeiten verpflichtet, bürdet er

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German Pages 354 Year 1997

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Der Unternehmer als Erfüllungsgehilfe des Staates: Einsparpotentiale im internationalen Vergleich [1 ed.]
 9783428490530, 9783428090532

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VERÖFFENTLICHUNGEN DES FORSCHUNGSINSTITUTS FÜR WIRTSCHAFTSPOLITIK AN DER UNIVERSITÄT MAINZ

Herausgegeben von HARTWIG BARTLING W ALTER HAMM

WERNER ZOHLNHÖFER HELMUT DIEDERICH

Schriftleiter PETER VEST

BAND

54

Das Forschungsinstitut für Wirtschaftspolitik an der Universität Mainz hat ein doppeltes Ziel: Es möchte die Grundlagen der Ordnung der Wirtschaft - Geld, Eigentum und Wettbewerb - untersuchen und hofft, Verbesserungen der geltenden Ordnung vorschlagen zu können. Daneben will das Institut von dem gewonnenen Standpunkt aus zu aktuellen Spezialfragen der Wirtschaftspolitik Stellung nehmen. Es dient weder Interessenten noch Interessentenorganisationen. Die Ergebnisse der wissenschaftlichen Arbeit des Instituts einem breiteren Kreis zugänglich zu machen, ist der Sinn dieser Schriftenreihe.

Der Unternehmer als Erfüllungsgehilfe des Staates Einsparpotentiale im internationalen Vergleich

Von

Dr. Sven Halldorn

DUNCKER & HUMBLOT / BERLIN

CIP-Titelaufnahme der Deutschen Bibliothek Halldorn, Sven: Der Unternehmer als Erfüllungsgehilfe des Staates: Einsparpotentiale im internationalen Vergleich / von Sven Halldorn. - Berlin : Duncker und Humblot, 1997 (Veröffentlichungen des Forschungsinstituts für Wirtschaftspolitik an der Universität Mainz; Bd. 54) Zug!.: Mainz, Univ., Diss., 1995/96 ISBN 3-428-09053-5

Alle Rechte vorbehalten © 1997 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Satz: FfW Mainz Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0542-1497 ISBN 3-428-09053-5

Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

e

Vorwort

Die vorliegende Arbeit fertigte ich während meiner Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Forschungsinstitut für Wirtschaftspolitik an der Universität Mainz e. V. (FfW Mainz) als Gutachten im Auftrag des rhein land-pfälzischen Ministeriums für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau an. Im März 1996 wurden die Ergebnisse der Studie im Rahmen einer Pressekonferenz der Öffentlichkeit vorgestellt. Die Arbeit wurde im Wintersemester 1995/96 vom Fachbereich der Johannes Gutenberg-Universität Mainz als Dissertation angenommen. An dieser Stelle möchte ich all denjenigen meinen Dank aussprechen, die mich während der Entstehung und Vollendung der Studie am FfW Mainz begleiteten. Dieser Dank gilt zunächst der wissenschaftlichen Leitung des Instituts, vor allem meinem Doktorvater, Herrn Universitätsprofessor Dr. Hartwig Bartling. Mit ihm führte ich viele ergiebige Gespräche und erhielt manchen kostbaren Verbesserungsvorschlag. Ebenso bedanke ich mich bei dem Zweitgutachter der Studie, Herrn Universitätsprofessor Dr. Werner Zohlnhöfer, für wertvolle Anregungen und zahlreiche gute Ratschläge. Bedanken möchte ich mich auch bei dem Institutssekretariat; Frau Renate Simon, die viele Schreibarbeiten für das Gutachten und noch mehr Satzarbeiten für die Endfassung mit großer Geduld erledigte, sowie Frau Edith Beyer, die die eine oder andere redaktionelle Unzulänglichkeit in der Studie aufdeckte. Ganz herzlich bedanke ich mich bei Frau Margitta Hetzius, die in vielfältiger Weise eine große Stütze war. Mein besonderer Dank gilt meinen Kolleginnen und Kollegen, die nicht nur in fachlicher Hinsicht immer ein offenes Ohr hatten, sondern vor allem wesentlich zu angenehmen und unvergeßlichen eineinhalb Jahren am FfW Mainz beigetragen haben. Auch möchte ich bei meiner Danksagung die Vertreter von Behörden, Verbänden und Unternehmen nicht unerwähnt lassen, die im Rahmen von - teilweise sehr zeitintensiven - Expertengesprächen diese Arbeit an mancher Stelle entscheidend vorangebracht haben. Schließlich darf ich meine liebe Frau Sonja nicht vergessen, die lernen mußte, mit dem Auf und Ab während einer solchen Arbeit hautnah umzugehen. Mainz, im Dezember 1996 Sven Halldorn

Inhaltsverzeichnis Tabellenverzeichnis ................................................................ XIV Abbildungsverzeichnis ........................................................... XIV Übersichtsverzeichnis ............................................................. XIV Einleitung ................................................................................... . 1. Problemstellung, Untersuchungsziel und Aufbau der Studie ..................................................................................... . 1.1 Problemstellung und Untersuchungsziel.. ...................... .. 1.2 Zum Aufbau der Studie. ........ ............ .............................. 3 2. Begriffsabgrenzungen und Defmitionen .................................. 6 2.1 Bürokratie, Bürokratisierung, Verrechtlichung ............... 6 2.2 Defmition des Untersuchungsgegenstandes............ ......... 8 2.3 Entbürokratisierung ....................................................... 11 2.4 Versteckter öffentlicher Bedarf.......... ...... ...... ................ 13 Teil I: Theoretische Grundlegung ............................................ 15 1. Systematisierung der Formen bürokratiebedingter Dienste ... 15

1.1 Arten der Verlagerung öffentlicher Verwaltungsarbeiten .......................................................................... 15 1.1.1 Überblick ............................ ...... ................ ............ 15 1.1.2 Steuerrechtsbedingte Arbeiten.. ...... .............. ........ 16 1.1.3 Sozialrechtsbedingte Arbeiten.............................. 18 1.1.4 Statistikbedingte Dienste...................................... 19 1.2 Abgrenzung der Verlagerung öffentlicher Verwaltungsarbeiten von anderen Belastungsfaktoren ............ .......... 20 1.3 Aufgabenzuweisung infolge eines primären Interesses an der Aufgabenerftlllung? ............................................ 23 2. Stand der Diskussion über die Belastungen durch Verlagerung öffentlicher Verwaltungsarbeiten .......................... ........ 27 3. Überblick über vorliegende empirische Untersuchungen und Zusammenfassung wichtiger Ergebnisse ........................ 32 3.1 Einordnung der vorliegenden Studien in die Phasenbetrachtung ...................................................................... 32 3.2 Zur Konzeption und Methodik ausgewählter Studien ... 33

VIII

Inhaltsverzeichnis

3.3 Darstellung wichtiger quantitativer Resultate ................ 37 3.4 Analyse struktureller Aspekte der vorliegenden Untersuchungen ...................................................................... 40 3.4.1 Belastungswirkung und Unternehmensgröße ....... 40 3.4.2 Belastungsverteilung nach Wirtschaftszweigen .... 43 3.5 Zusammenfassende Würdigung der vorliegenden Studien ........................................................................... 45 4. Darstellung des Analyserahmens ........................................... 49 4.1 Einzel- und gesamtwirtschaftliche Konsequenzen der Überwälzung öffentlicher Verwaltungsarbeiten ...... 49 4.1.1 Einzelwirtschaftliche Wirkungen .......................... 49 4.1.2 Gesamtwirtschaftliche Wirkungen ........................ 52 4.1.2.1 Mögliche Auswirkungen der Verlagerung öffentlicher Verwaltungsarbeiten auf Wachstum, Stabilität und Beschäftigung ........................................................ 52 4.1.2.2 Wettbewerbswirkungen der Verlagerung öffentlicher Verwaltungsarbeiten .. ......... 54 4.2 Beurteilung der Verlagerung öffentlicher Verwaltungsarbeiten ......................................................................... 57 4.2.1 Der Bewertungsrahmen ....................................... 57 4.2.2 Entwicklung eines Beurteilungskriteriums ........... 59 Teil 11: Analyse von Belastungsschwerpunkten .......... ........... 62

1. Ennittlung der Belastungsschwerpunkte ............................... 62 1.1 Die Infonnationsquellen .............. .................................. 62 1.2 Zu den Unternehmens befragungen ................................ 64 1.3 Die Belastungsschwerpunkte ....................................... 67 2. Steuerrechtsbedingte Belastungsschwerpunkte ..................... 70 2.1 Überblick über die administrativen Belastungen des Steuerbereichs ................................................................ 70 2.1.1 Besonderheiten der steuerbedingten Plichtdienste ................................................................... 70 2.1.2 Auswirkungen des Ziels der steuerlichen Gerechtigkeit auf die administrativen Belastungen der Unternehmen .................................................. 73

Inhaltsverzeichnis

IX

2.2 Umsatzsteuerbedingte Arbeiten ..................................... 80 2.2.1 Bedeutung der Umsatzsteuer und Umfang der damit verbundenen Pflichdienste.......................... 80 2.2.2 Belastungen durch administrative Pflichtdienste innerhalb des deutschen Besteuerungsverfahrens. 82 2.2.3 Die Mehrarbeiten des europäischen Übergangssystems .................................................................. 83 2.2.3.1 Überblick über zusätzliche Belastungen 83 2.2.3.2 Ökonomische Folgen des zusätzlichen Verwaltungsaufwands ...... ................ ...... 88 2.2.3.3 Ein möglicher Lösungsansatz ................. 89 2.2.4 Zur Effizienz des deutschen Umsatzsteuerverfahrens .................................................................. 92 2.2.4.1 Die Aufgabenverteilung bei der Umsatzsteuer ................................................ 92 2.2.4.2 Analyse der Aufgabendurchführung ....... 93 2.2.4.3 Verwaltungsaufwand im deutschen Umsatzsteuersystem im Vergleich zu anderen europäischen Systemen ..................... 96 2.2.5 Resümee ................................................................ 98 2.3 Arbeiten im Zusammenhang mit der steuerlichen BetriebspTÜfung (AußenpTÜfung) .................................. 99 2.3.1 Grundzüge der steuerlichen BetriebspTÜfung in Deutschland..... .... ......... ....... ..... ....... ......... ........ 99 2.3.2 Aufgaben der allgemeinen AußenpTÜfung ............ lOi 2.3.3 Mitwirkungspflichten im Rahmen der AußenpTÜfung ................................................................ 102 2.3.4 Zum Mehrergebnis der AußenpTÜfung ................. 105 2.3.5 Zur Effizienz des BetriebspTÜfungssystems in Deutschland .......................................................... 108 2.3.5.1 Die ökonomischen Wirkungen der PTÜfungsbedingten Verwaltungsarbeiten im Unternehmen ..................................... 108 2.3.5.2 Einfluß des Steuerrechts auf den Umfang der AußenpTÜfung ........................... 111

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Inhaltsverzeichnis

2.3.5.3 Zur Effizienz der Aufgabenverteilung in Verbindung mit dem Zielerreichungsgrad der Prüfungspraxis .......................... 112 2.3.5.4 Einflußfaktoren auf die Effizienz der AufgabendurchfUhrung ........................... 115 2.3.6 Resümee ................................................................ 119 2.4 Die Arbeiten im Zusammenhang mit dem Lohnsteuerabzug .............................................................................. 121 2.4.1 Bedeutung der Lohnsteuer in Deutschland ........... 121 2.4.2 Die lohnsteuerbedingten Pflichtdienste der Unternehmen ........................................................ 125 2.4.3 Zur Effizienz der Lohnsteuerverwaltung in Deutschland .......................................................... 13 1 2.4.3.1 Die ökonomischen Wirkungen der lohnsteuerbedingten Arbeiten im Unternehmen ......................................................... 131 2.4.3.2 Zur Effizienz der Aufgabenverteilung .... 133 2.4.3.2.1 Die Effizienz verschiedener Steuerentrichtungsverfahren unter besonderer Berücksichtigung der Selbstveranlagungin der Schweiz ........................ 133 2.4.3.2.2 Verlagerung des Lohnsteuerjahresausgleichs ..................... 141 2.4.3.2.3 Das PAYE-Verfahren als Alternative zum deutschen Lohnsteuerabzug? ................. 141 2.4.3.3 Zur Effizienz der AufgabendurchfUhrung ......................................................... 143 2.4.4 Resümee ................................................................ 148 3. Sozialrechtsbedingte Belastungsschwerpunkte ..................... 150 3.1 Überblick über wesentliche administrative Belastungen des Sozialbereichs ................................................... 150 3.2 Pflichtdienste im Zusammnehang mit dem Mutterschutzgesetz ................................................................... 155

Inhaltsverzeichnis

XI

3.2.1 Darstellung des Mutterschutzes ............................ 155 3.2.2 Der Verwaltungsaufwand im Unternehmen ......... 157 3.2.3 Zur Effizienz der Arbeiten im Zusammenhang mit dem Mutterschutz ........................................... 159 3.2.3.1 Zu den ökonomischen Wirkungen .......... 159 3.2.3.2 Zur Effizienz der Aufgabenverteilung .... 162 3.2.3.3 Zur Effizienz der Aufgabendurchführung ......................................................... 165 3.2.4 Resümee ................................................................ 170 3.3 Pflichtdienste im Zusammenhang mit dem Schwerbehindertengesetz ............................................................. 172 3.3.1 Darstellung des Schwerbehindertenschutzes ........ 172 3.3.2 Der Verwaltungsaufwand im Unternehmen ......... 173 3.3.3 Zur Effizienz der Arbeiten im Zusammenhang mit dem Schwerbehindertenschutz ....................... 175 3.3.3.1 Zu den ökonomischen Wirkungen .. ,....... 175 3.3.3.2 Zur Effizienz der Aufgabenverteilung .... 176 3.3.3.3 Zur Effizienz der Aufgabendurchführung ......................................................... 178 3.3.4 Resümee ................................................................ 180 3.4 Arbeiten im Zusammenhang mit den Bescheinigungspflichten ......................................................................... 181 3.4.1 Die Vielzahl der Arbeits- und Verdienstbescheinigungen ....................................................... 181 3.4.2 Belastungswirkungen der Bescheinigungspflichten ................................................................ 183 3.4.3 Zur Effizienz der Bescheinigungspflichten .......... 185 3.4.3.1 Zu den ökonomischen Wirkungen .......... 185 3.4.3.2 Zur Effizienz der Aufgabenverteilung .... 187 3.4.3.3 Zur Effizienz der Aufgabendurchführung ................................................... 188 3.4.4 Resümee ................................................................ 190 4. Statistikbedingte Arbeiten ....................................................... 191

XII

Inhaltsverzeichnis

4.1 Das Spannungsfeld der Statistik aus Unternehmenssicht .............................................................................. 191 4.2 Die amtliche Statistik in Deutschland - Organisation, Rechtsgrundlagen, Aufgaben ....................................... 193 4.3 Pflichten der Unternehmen im Zusammenhang mit den statistikbedingten Diensten ............................... 195 4.4 Die Kritik der Wirtschaft an der amtlichen Statistik ...... 196 4.5 Zur Effizienz der statistikbedingten Arbeiten ................ 199 4.5.1 Vorgehensweise und ökonomische Wirkungen .... 199 4.5.2 Zur Effizienz der Aufgabenverteilung .................. 202 4.5.3 Privatisierung amtlicher Statistik .......................... 207 4.5.4 Zusammenarbeit zwischen amtlicher Statistik und privater Forschung ......................................... 209 4.5.5 Bedarfsorientiertes Statistikprogramm ................. 213 4.5.6 Weitere Vorschläge zur Statistikvereinfachung ... .219 4.6 Resümee ......................................................................... 221

Teil III:

Bekämpfung ineffizienter Verlagerung öffentlicher Verwaltungsarbeiten durch dynamische Korrekturimpulse .................................................. 227

I. Vorgehensweise ..................................................................... 227 2. Beweggründe und Ziele einer Entlastungspolitik .................. 228 3. Generelle Ansätze für Entlastungsmaßnahmen ..................... 230 3.1 Überblick ....................................................................... 230 3.2 Maßnahmen des europäischen Auslandes mit dem Ziel permanenter Verwaltungsentlastungen der Unternehmen ...................................................................... 235 3.2.1 Das Folgenabschätzungssystem in den Niederlanden ................................................................... 235 3.2.2 Die umfassende Entlastungsstrategie Großbritanniens ................................................................. 239 3.3 Die Entlastungspolitik der Bundesregierung ................. 242 3.4 Beurteilung der deutschen Entlastungsmaßnahmen als Grundlage für eine Rahmensetzung mit Korrekturimpulsen ............................................................................. 244

Inhaltsverzeichnis

XIII

4. Vorschlag fiir ständige Anreize zur Korrektur ineffizienter Verlagerung öffentlicher Verwaltungsarbeiten .......... 248 4.1 Allgemeine Anforderungen an eine Rahmensetzung mit dynamischen Entlastungswirkungen ....................... 248 4.2 Spezielle Bestandteile eines dynamisch wirkenden Entlastungsrahmens ....................................................... 251 4.2.1 Informelle Korrekturimpulse durch die Institutionalisierung eines Folgenabschätzungsverfahrens .................................................................. 251 4.2.2 Materielle Kompensation der Verlagerungskosten ................................................................... 260 4.2.2.1 Die Idee eines Vergütungssystems ......... 260 4.2.2.2 Vorhandene Abgeltungen administrativer Belastungen in der Praxis ................. 263 4.2.2.3 Die Ausgestaltung eines Vergütungssystems fiir Unternehmen ....................... 266 4.2.2.3.1 Theoretische Anforderungen an ein Vergütungssystem ....... 266 4.2.2.3.2 Möglichkeiten der Umsetzung eines Vergütungssystems ....... 269 4.2.3 Korrekturimpulse durch persönliche Sanktlonen? ...................................................................... 276 4.2.4 Beispiele fiir die Kompensationsmöglichkeit bürokratiebedingter Dienste ................................. 283 4.2.4.1 Auszahlung des Kindergeldes durch den Arbeitgeber ...................................... 283 4.2.4.2 Die lohnsteuerbedingten Ptlichtdienste .. 290 4.2.5 Typisierung der Verlagerung öffentlicher Verwaltungsarbeiten nach den prinzipiellen Möglichkeiten einer Vergütungsbemessung ................ 294 5. Abschließende Bemerkungen ............................................... .300 Literaturverzeichnis .................................................................. 309 Anhang ....................................................................................... 325

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1:

Gesamtwirtschaftliche Kosten der Verlagerung öffentlicher Verwaltungsarbeiten ......................... 38

Tabelle 2:

Durchschnittlicher bürokratiebedingter Aufwand je Beschäftigten.......... .................................... ...... 44

Tabelle 3:

Verdienstbescheinigungspflichten des Arbeit gebers .................................................................... 183

Tabelle 4:

Entwicklung der Gesetzgebung des Bundes ......... 248

Tabelle 5:

Zuordnung von Verlagerungsbereichen nach der VergUtungsmöglichkeit .................................. 299

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Ursachen ftlr die Verlagerung öffentlicher Verwaltungsarbeiten............................................. 11 Abbildung 2: Anfall steuerbedingter Arbeiten............................ 17 Abbildung 3: Mitwirkungspflichten im Rahmen der steuerlichen Betriebsprüfung .......................................... 104 Abbildung 4: Relation der Kosten- und Aufkommensanteile beim Fiskus nach Steuerarten ............................... 122

Übersichtsverzeichnis

Übersicht 1: Überschlägiger Mehrergebnis-lKosten-Vergleich pro Prüfer/Jahr in DM ........................................... 107

Einleitung 1. Problemstellung, Untersuchungsziel und Aufbau der Studie

I.I Problemstellung und Untersuchungsziel

Der Staat beteiligt sich in vielfältiger Weise am wirtschaftlichen Geschehen. Auf der einen Seite belastet er zur Erfüllung seiner Aufgaben die Bürger mit Steuern und Abgaben, auf der anderen Seite fließen Transferzahlungen in den privaten Sektor zurück. Durch die Beschäftigung von Arbeitskräften, den Einsatz von Kapital und die Nutzung vorhandener Ressourcen beansprucht er zudem einen Teil der Faktorausstattung in der Volkswirtschaft. Außerdem erläßt der Staat Gesetze und Rechtsverordnungen und veraniaßt seine Bürger auf diese Weise, bestimmte Handlungen auszuführen oder zu unterlassen. Die Aktivitäten des Staates sind - soweit sie zu Ausgaben führen - grundsätzlich in den öffentlichen Haushalten wiederzufinden und somit einer demokratischen Kontrolle zugänglich. Insbesondere die Kosten für die Tätigkeit der öffentlichen Verwaltung spiegeln sich prinzipiell in den Staatsausgaben wider. Anders sieht es allerdings aus, wenn sich die staatlichen Verwaltungsinstanzen über entsprechende Vorschriften der Mithilfe ihrer Bürger bedienen. Durch die Verlagerung von Verwaltungsarbeiten des Staates auf die Privatwirtschaft werden vor allem die Unternehmen zum Erfüllungsgehilfen staatlicher Aufgabenwahrnehmung und damit der staatlichen Politik. Die entsprechenden Dienste der Unternehmen müssen aufgrund rechtlicher Vorschriften unentgeltlich erbracht werden und dienen im wesentlichen der Entlastung und der Unterstützung öffentlicher Verwaltungsinstanzen. Ökonomisch bedeutet der Vollzug derartiger Rechtsvorschriften, daß knappe Ressourcen nicht in die betriebliche Leistungserstellung fließen, sondern vielmehr "betriebsfremd" und damit - aus der Sicht der Privaten unproduktiv verbraucht werden. Es entstehen somit einzelwirtschaftliche Kosten, die nicht ohne Auswirkungen auf die gesamte Volkswirtschaft bleiben können. Unstrittig ist, daß der Staat in vielen Fällen auf die Mitwirkung der Privaten bei der Erfüllung bestimmter Aufgaben angewiesen ist. Gerade in letzter Zeit beklagen sich die Unternehmen jedoch verstärkt über eine unzumutbare Belastung durch administrative

2

Einleitung

Pflichtdienste für staatliche Instanzen. 1 Kostentreibend und teilweise sogar prohibitiv wirkt sich die Vielzahl von Vorschriften insbesondere für kleine Unternehmen und Existenzgründer aus. 2 Nicht nur die Arbeiten als solche, sondern auch die häufige Änderung bestehender bzw. die Einführung neuer Verpflichtungen verursachen teilweise erhebliche Belastungen. Die Verlagerung der Arbeiten auf die Privaten ist für den Staat reizvoll, da er in diesem Fall selbst keine Kosten zu tragen hat. Die Entwicklung staatlicher Reglementierung ist in der Vergangenheit wiederholt mit Begriffen wie "Inflation des Rechts", "ausufernde Gesetzesflut" und "Verrechtlichung" umschrieben worden. Dabei ist zu beachten, daß nicht allein Gesetze die Grundlage für das erzwungene Handeln bilden, sondern auch Vorschriften, Erlasse und Verordnungen zusammen mit Gerichtsurteilen den Arbeitsaufwand der Unternehmen in vielfaltiger Weise bestimmen. Daß die Zahl der Vorschriften - z. B. im Steuerrecht - kontinuierlich ansteigt, gilt als empirisch belegt. 3 Eine derartige Entwicklung wurde in der Vergangenheit häufiger mit dem stetig zunehmenden Umfang des Bundesgesetzblattes oder der jährlichen Produktion zusätzlicher Rechtsvorschriften auf Bundes- und Landesebene dokumentiert. 4 Während der letzten drei Wahlperioden sind allein auf Bundesebene 1169 neue Gesetze und 3208 Rechtsverordnungen verabschiedet worden. 5 Wird noch die Entwicklung der Gesetzgebung der Bundesländer und die Rechtsnormsetzung auf EU-Ebene betrachtet, so bleibt festzuhalten, daß die Rege-

1 Vgl. WEIDENfELD, U., KESSLER, M., MARSCHALL, B., Nicht mehr witzig, in: Wirtschaftswoche, Jg. 48, Nr. 16, 1994, S. 14-20. 2 Vgl. HERZ, W., Neue Unternehmer braucht das Land, in: Die Zeit, Nr. 41, 6.10.1995, S. 21. 3 Vgl. BAUER, E.R., Was kostet die Steuererhebung: eine kritische Analyse des Steuersystems, Göttingen 1988, S. 57. 4 Vgl. TÄUBER, G., Folgekosten der Besteuerung: eine theoretische und empirische Analyse, Spardorf 1984, S. 21 fT., u. BORELL, R., SCHEMMEL, L., Steuervereinfachung, Karl-Bräuer-Institut, Heft 60, Wiesbaden 1986, S. 33 ff. 5 Vgl. CLEMENS, R., KOKALJ, L., Bürokratie - ein Kostenfaktor, Eine Selastungsuntersuchung bei mittelständischen Unternehmen, Schriften zur Mittelstandsforschung, N.F., Nr. 66, Stuttgart 1995, S. 10.

1. Aufbau der Studie

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lungsdichte auf allen Gesetzgebungsebenen im Laufe der Zeit erheblich gestiegen ist. 6 Ziel dieser Arbeit ist es, eine ökonomische Beurteilung der aus der Verlagerung von Verwaltungsarbeiten auf die privaten Unternehmen entstehenden Folgelasten vorzunehmen. Das entscheidende Beurteilungskriterium dieser Analyse wird die Wirtschaftlichkeit der praktizierten Aufgabendurchführung und -verteilung sein. Dabei ist im einzelnen zu prüfen, wer konkrete Dienste für eine anzustrebende Qualität mit den volkswirtschaftlich geringsten Kosten erbringen kann. Vor diesem Hintergrund werden Vereinfachungsmöglichkeiten und Einsparpotentiale diskutiert und im Einzelfall identifiziert. Da jeder einzelne Ptlichtdienst für sich genommen in der Regel ein durchaus erträgliches Ausmaß an Arbeitsaufwand bedeutet, ist es vor allem die Kumulation verlagerter Verwaltungarbeiten, die den Unternehmen zu schaffen macht. 7 Daher wird in dieser Studie erstmals umfassend geprüft, ob durch Rahmenregelungen Anreize geschaffen werden können, die eine Expansion der Ptlichtdienste vorbeugend verhindern bzw. deren Umfang reduzieren können. 1.2 Zum Aufbau der Studie

Die Zielsetzung der Untersuchung legt folgenden Aufbau nahe: Im ersten Teil der Studie sind diejenigen Verwaltungsarbeiten, die die Unternehmen für den Staat zu erbringen haben, systematisch zu erfassen. Die identifizierten Arbeiten werden nach bestimmten Kriterien klassifiziert und in einem Aufgabenkatalog zusammengestellt. Der Aufgabenkatalog bildet dann die Grundlage für eine im weiteren Verlauf vorzunehmende Schwerpunktbildung. Abgrenzend wird geklärt, warum bestimmte Verwaltungsarbeiten im Rahmen dieser Studie nicht zu den administrativen Ptlichtdiensten gezählt werden, obwohl sie einen teilweise erheblichen Belastungsfaktor für die Unternehmen darstellen.

6 Vgl. ebenda, S. 15. 7 Vgl. KLIMASCH, R., 53.157 Mark zahlt jede Finna p.a. rur Staatsbürokratie, in: Impulse, Heft 12, Dezember 1994, S.19. 2 Halldom

4

Einleitung

Ebenso Bestandteil des ersten Teils sind die Auswertung bereits abgeschlossener Studien zum Thema sowie eine Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse. Ein besonderes Augenmerk wird dabei auf die bereits erforschten Belastungsunterschiede durch die bürokratiebedingten Dienste je nach Unternehmensgröße und Wirtschaftszweig gerichtet. Dabei stellt sich heraus, daß internationale Vergleiche der Bürokratiebelastungen in der Literatur weitgehend ausgespart sind. Somit können bisher so gut wie keine Aussagen über die Wirkung der Bürokratiebelastungen auf die internationale Wettbewerbsfiihigkeit der Unternehmen in der Bundesrepublik Deutschland gemacht werden. Daher wird mit der vorliegenden Arbeit angestrebt, sich dieser Fragestellung zumindest anzunähern. Abgeschlossen wird der erste Teil mit einer grundsätzlichen Darstellung der aus verlagerten Verwaltungsarbeiten resultierenden ökonomischen Wirkungszusammenhänge. Es ist zu hinterfragen, welche einzel- und gesamtwirtschaftlichen Konsequenzen die - sich als Kosten niederschlagenden - bürokratiebedingten Dienste nach sich ziehen können. Vor dem Hintergrund dieser generellen Ausführungen wird schließlich ein Beurteilungsraster entwickelt, das die Aufgabenverteilung zwischen Staat und Wirtschaft im Einzelfall bewerten soll. Im Mittelpunkt des zweiten Teils der Studie steht die Analyse der Belastungswirkungen konkreter administrativer Ptlichtdienste. Im ersten Schritt werden - u.a. gestützt auf Expertengespräche internationaler tätiger Unternehmen - Arbeiten identifiziert, die Unternehmen als besonders belastend empfinden. Dazu wird einleitend - in der gebotenen Knappheit - auf die geführten Gespräche und ihren Beitrag zur Schwerpunktbildung einzugehen sein. Die ermittelten Belastungsschwerpunkte werden einer fundierten Effizienzanalyse unterzogen. Überprüft wird dabei sowohl die bestehende Aufgabenverteilung zwischen staatlicher Verwaltung und Unternehmen als auch die praktizierte Aufgabendurchführung. Ein wichtiger Maßstab für die Beurteilung ist die Abwicklung der entsprechenden Dienste im - von der Wirtschaftskraft her vergleichbaren - Ausland. Möglicherweise sind hier Anregungen für Verbesserungsmöglichkeiten im Hinblick auf die deutsche Praxis zu gewinnen. Im Ergebnis werden die Einzelfalldiskussionen je-

J. Aufbau der Studie

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weils mit dem Aufzeigen konkreter Einsparpotentiale abgeschlossen. Die Vorschlagspalette reicht dabei von Verfahrensvereinfachungen über den Wegfall überflüssiger Teilaufgaben bis zur Rückverlagerung von Pflichtdiensten. Im dritten Teil der Studie schließlich wird grundsätzlich geprüft, ob mit Rahmenregelungen solche Anreize geschaffen werden können, die den Staat dazu veranlassen, die Bürokratiebelastungen tUr Unternehmen vorbeugend zu verhindern oder deren Umfang und Struktur im Sinne einer Entlastung der Unternehmen zu verändern. Grundlage für eine entsprechende Überprüfung bilden dabei die derzeit international diskutierten und teilweise praktizierten Entlastungsmaßnahmen für Unternehmen. Insbesondere wird die deutsche Entlastungspolitik einer genaueren Betrachtung unterzogen. Dabei wird zu prüfen sein, inwieweit die in Deutschland eingesetzten Mittel geeignet sind, die administrativen Belastungen für Unternehmen dauerhaft zu reduzieren. Letztlich wird angestrebt, eine Rahmensetzung zu entwickeln, die eine für die Unternehmen entlastende Wirkung zu entfalten verspricht. Dies kann über die Institutionalisierung eines Folgenabschätzungsverfahrens und davon ausgehende informative Korrekturimpulse auf staatliche Entscheidungen erreicht werden. Ein solches Verfahren soll über die systematische Bewertung von Regelungsentwürfen, die speziell den Unternehmensbereich betreffen, im vorhinein Belastungen aufdecken und kenntlich machen. Eine Alternative zur Folgenabschätzung stellt die materielle Kompensation der Bürokratiebelastungen von Unternehmen dar. Diese Lösung sieht vor, daß die Unternehmen ein Entgelt für ihre Leistungsverpflichtung erhalten. Da ein derartiges Vergütungssystem durch eine entsprechende Ausgestaltung jedoch auch Anreize zur Vermeidung bzw. zum Abbau solcher administrativer Belastungen hervorbringt, wird es als Bestandteil einer Entlastungsrahmensetzung diskutiert. In der vorhandenen Literatur wird eine außergewöhnliche Vielfalt an Begriffen, mit der die Verlagerung von Verwaltungsarbeiten auf Private erfaßt werden soll, verwandt. Generell ist im folgenden zunächst eine Klärung von Definitionen und begrifflichen Abgrenzungen vorzunehmen, die Grundlage für die nachfolgenden Teile der Studie sind.

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Einleitung

2. Begriffsabgrenzungen und Definitionen 2. J Bürokratie, Bürokratisierung, Verrechtlichung Der Bürokratiebegriff geht zurück auf Max Weber und beschreibt eine Organisationsfonn, die durch Merkmale wie Arbeitsteilung, Regeln und Unpersönlichkeit gekennzeichnet ist.8 Je stärker diese Merkmale in der jeweiligen Organisation ausgeprägt sind, desto komplizierter wirkt deren Aufbau. Aus diesem Grunde wird eine bürokratisierte Organisation häufig auch als "komplizierte" oder "komplexe" Organisation bezeichnet. 9 Bürokratie kann unter diesem Aspekt sowohl im staatlichen als auch im privaten Bereich existieren. Im institutionellen Sinne soll unter Bürokratie eine Organisation verstanden werden, die nicht auf Gewinnerzielung ausgerichtet ist und die sich nicht durch den Verkauf ihrer Leistungen auf Märkten, sondern durch ein Budget finanziert. 10 Nach dieser Definition sind in erster Linie die staatlichen Verwaltungen Bürokratien. Bürokratisierung beschreibt zunächst wertfrei den Prozeß der Veränderung einer vonnals unbürokratischen Organisationsfonn in eine Bürokratie. Dabei kann jede marginale Zunahme an Bürokratie als Bürokratisierung beschrieben werden. In diesem Sinne bedeutet Bürokratisierung also eine Ausdehnung der Bürokratie. Zahlen - wie die Erhöhung der Staatsquote oder die Entwicklung der im staatlichen Sektor Beschäftigten - illustrieren eine Tendenz zur Bürokratisierung. 11 Bürokratieexpansion ist somit ein real beobachtbarer Vorgang, der eine Erklärung aus den Wechselwirkungen zwischen Bürokratie und Gesetzgebung bekommt. Mehr Gesetze müssen verwaltet werden, und mehr staatliche Verwaltung schafft mehr Vorschriften. 12 Da den wesentlichen Anteil der zu8 Vgl. WITTKÄMPER, G.W., BUrokratisierung und EntbUrokratisierung, Schriften des Wissenschaftlichen Instituts öffentlicher Dienst e. V., Bd. I, Regensburg 1982, S. 7. 9 V gl. ebenda. 10 Vgl. ROPPEL, U., Ökonomische Theorie der BUrokratie, Freiburg i. Sr. 1979, S. 1. 11 Vgl. CLEMENS, KOKAu, 1995, S. 2. 12 Im Rahmen dieser Studie soll keine vertiefte Diskussion Uber die Ursachen der Surokratieexpansion erfolgen. Hierzu wird auf die einschlägige Literatur zu

2. Begriffsabgrenzungen und Definitionen

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nehmenden Zahl von Nonnen die Rechtsverordnungen ausmachen und diese ein Ausfluß der sogenannten "administrativen Gesetzgebung" durch die Bürokratie sind, wird der beschriebene Zusammenhang nochmals deutlich. 13 Rechtsvorschriften haben einen statischen Charakter. Indem sie bestimmte Ordnungen festlegen, erwächst aus dem Zusammenspiel von Bürokratisierung und der Expansion des Rechts (Verrechtlichung) möglicherweise eine Gefahr für eine an Stabilitäts- und Wachstumszielen orientierte Volkswirtschaft. Diese erfordert dynamische Entwicklungen, die wiederum entscheidend von der Flexibilität und Anpassungsfähigkeit der handelnden Akteure geprägt sind. Nur wenn diese Voraussetzungen in ausreichendem Maß gegeben sind, ist eine hinreichend schnelle Reaktion auf sich verändernde Umweltbedingungen - wie Konjunkturlagen, Strukturwandel, technischer Fortschritt - möglich. 14 Eine derartige Reaktionsfähigkeit ist die einzig denkbare Garantie fur dauerhaften Wohlstand. Ein stark außenwirtschaftlich orientiertes Land, wie es die Bundesrepublik Deutschland darstellt, muß besonders auf flexibel handhabbare institutionelle Arrangements achten, damit die Volkswirtschaft auf geänderte internationale Bedingungen zügig reagieren kann. 15

diesem Thema verwiesen. Diese erklärt die Ausdehnung der Bürokratie im wesentlichen mit den wachsenden Aufgaben des Staates, dem zunehmenden Anspruchsdenken in der Gesellschaft und der Eigendynamik bürokratischer Systeme. Stellvertretend seien an dieser Stelle drei grundlegende Werke genannt: PARKINSON, C.W., Parkinsons neues Gesetz, Düsseldorf, Wien 1982; NISKANEN, W.A., Bureaucracy and Representative Government, Chicago 1971; MEYER, M.W. , et al., Limits of Bureaucratic Growth, Berlin, New York 1985, insbes. S.109ff.

\3 Vgl. hierzu ausfilhrlicher TÄüBER, G., 1984, S. 35 ff. Rechtsverordnungen sind Regelungen, die die Exekutive zur Ausfilllung von Handlungsspielräumen der Gesetze erlassen kann. Sie sind rur Private ebenso bindend wie Gesetze und dienen - von ihrer Idee her - dazu, Zeit- und Informationskosten langwieriger parlamentarischer Gesetzgebungsverfahren einzusparen. 14 Vgl. GESELLSCHAFT ZUR FORDERUNG DER ENTBüROKRATISIERUNG (GFE) (Hrsg.), Zunehmende Bürokratisierung in Unternehmen als Folge staatlicher Eingriffe, Abdruck einer Diplomarbeit v. Pool, K., Bonn 1985, S. 37. 15 Vgl. SIEBERT, H., Standortwettbewerb - nicht Industriepolitik, in: DIE WELTWIRTSCHAFT, Heft 4,1992, S. 421.

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Einleitung

2.2 Definition des Untersuchungsgegenstandes

Die vorliegende Untersuchung befaßt sich mit den Tätigkeiten, die die Privatwirtschaft zur Unterstützung oder Entlastung der staatlichen Bürokratie zu erbringen hat. Dieses Phänomen wurde erstmals von Harner mit dem Begriff "Bürokratieüberwälzung" belegt. 16 Zwar kann die Bürokratie als solche nicht überwälzt werden, aber einzelne Aufgaben, die der staatlichen Verwaltung zugeordnet werden oder die diese - mit Hilfe der Rechtsverordnungen verursacht, können an Dritte weitergegeben werden. Dementsprechend werden die vom "Staat auf die Privatwirtschaft durch Gesetze oder Rechtsverordnungen überwälzten Verwaltungsarbeiten, die zudem noch unentgeltlich zu erbringen sind, als Bürokratieüberwälzung bzw. -verlagerung bezeichnet".17 Daneben besteht auch die Möglichkeit, Verwaltungsaufgaben zwischen staatlichen Ebenen oder innerhalb hierachischer Ordnungen auf andere Abteilungen zu verlagern. 18 Da diese Überwälzungsbereiche in der vorliegenden Studie nur eine untergeordnete Rolle spielen, ist die obige Definition rur die Untersuchungszwecke hinreichend. Der Begriff Bürorkratieverlagerung birgt einen kritischen Unterton in sich, da er zunächst impliziert, daß eine ganze Organisation, der bestimmte Merkmale zugeordnet werden, auf andere überwälzt wird. Die Eigenschaften, die der Bürokratie im allgemeinen zugeordnet werden, sind wesentlich durch die Bürokratietheorie geprägt und beschreiben eine eigendynamische Organisationsform, die auf Ausdehnung angelegt ist. 19 Im Gegensatz dazu soll in den folgenden Abschnitten wertfrei von der Verlagerung öffentlicher Verwaltungsarbeiten die Rede sein. Die Verlagerung öffentlicher Verwaltungsarbeiten auf die Wirtschaft bedeutet fur die Unternehmen zunächst einmal eine Einbuße 16 Vgl. HAMER, E., BOrokratieOberwälzung auf die Wirtschaft, Schriftenreihe des Mittelstandsinstituts Niedersachsen-Bremen e.V., Bd. 2, Hannover 1979.

17 WITTKÄMPER, G. W., BOrokratieverlagerung, Ursachen, Folgen und Möglichkeiten eines Abbaus, in: Wirtschaftsdienst, Heft 2, 1984, S. 96.

18 Vgl. PAPPERMANN, E., BOrokratieOberwälzung auf die kommunale Ebene, in: DICKERTMANN; KÖNIG; WITTKÄMPER (Hrsg.), BOrokratieOberwälzung: Stand, Ursachen, Folgen und Abbau, Regensburg 1982, S. 66 ff. 19 Vgl. stellvertretend die Literaturangaben der Fn 12.

2. Begri.f{sabgrenzungen und Definitionen

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an ökonomischer Dispositionsfreiheit und somit eine Belastung. 20 Dies ist gleichbedeutend mit dem Entstehen von Kosten. Die Kosten der Verlagerung öffentlicher Verwaltungsarbeiten resultieren aus der Verpflichtung, bestimmte Dienste zu erbringen. Daher wird insbesondere im finanzwissenschaftlichen Schrifttum von den "Folgekosten der Gesetze" gesprochen. 21 Dieser Begriff stammt aus der Steuerwirkungstheorie, die die Belastungen der Unternehmen aufgrund hoheitlicher Normen in Zahllast (Steuern, Abgaben) und Folgelast unterteilt. Üblicherweise werden die Folgelasten bzw. -kosten weiter untergliedert in direkte, indirekte und psychische Lasten. Direkte Folgekosten sind mit einem Geldstrom verbunden. Als Adressat dieses monetären Stroms kommen private Haushalte (z. B. Arbeitgeberzuschuß aufgrund des Vermögensbildungsgesetzes) oder nicht-staatliche Zwangsgemeinschaften (z. B. Beiträge zur Berufsgenossenschaft) in Frage. Die indirekten Folgekosten sind die Kosten des Gesetzesvollzugs durch den Einsatz von Personal, Sachmitteln oder externen Dienstleistern. Psychische Kosten spiegeln sich wider in dem Ärger und Verdruß, die dem Unternehmer bei der Erfüllung der Pflichtdienste bereitet werden. Der Begriff "Folgekosten der Gesetze" erfaßt somit mehr Bestandteile als nur die aus der Verlagerung der Arbeiten entstehenden Kosten. Diese werden im wesentlichen mit den indirekten Folgekosten abgedeckt, wenn unterstellt wird, daß psychische Kosten kaum meßbar sind. Ist im weiteren Verlauf der Studie von den Folgekosten der Gesetze die Rede, so sind die in der Privatwirtschaft anfallenden Gesetzesvollzugskosten - und damit die Kosten der Verlagerung öffentlicher Verwaltungsarbeiten - gemeint. Ein weiterer Begriff, der in der Literatur Verwendung findet, sind die "Befolgungskosten".22 Diese entstehen der Wirtschaft 20 Vgl. KERN, G., Die gruppenspezifische Be- und Entlastung von Klein-, Mittel- und Großunternehmen durch staatliche Abgaben und Transferzahlungen, Mainz 1984. 21 Vgl. hierzu z.B. TAuBER, G., 1984, S. 55 ff., oder RECKTENWALD, H.C., Neue Analytik der Steuerwirkungen, in: WiSt, Heft 8,13. Jg., 1984, S. 393-400. 22 Vgl. RApPEN, H., Vollzugskosten der Steuererhebung und der Gewährung öffentlicher Transfers, in: RWI-MITTEILUNGEN, Jg. 40, Heft 3, 1989, S.222 oder FLOEHR, R., TIEPELMANN, K., Die Belastung der Unternehmen durch Nebenpflichten im Rahmen der Steuer- und Sozialabgaben-Erhebung, Diskussionsbeiträge der öffentlichen Wirtschaft, Nr. 14, Duisburg 1985, S. 3.

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Einleitung

durch die Befolgung der ihnen auferlegten Pflichten. Befolgungslasten bzw. -kosten sind eine Umschreibung der Folgekosten der Verlagerung von öffentlichen Verwaltungsarbeiten im hier verwendeten Sinn. 23 Da allerdings die Befolgung vieler Vorschriften und nicht nur die Überwälzung von Arbeiten Lasten bzw. Kosten flir die Betroffenen mit sich bringt, ist der Begriff mißverständlich. Deshalb wird im Verlauf der Studie in aller Regel von den Kosten (bzw. Folgekosten) der Verlagerung öffentlicher Verwaltungsarbeiten bzw. von den Verlagerungskosten die Rede sein. 24 In der juristischen Literatur existiert mit der "Indienstnahme Privater" ein Begriff, der von seiner Bedeutung her der Verlagerung öffentlicher Verwaltungsarbeiten entspricht. Ein besonderes Kennzeichen ist dabei, daß der "Indienstgenommene Unternehmer" Tätigkeiten im Sinne staatlicher Verwaltungsaufgaben verrichten muß. Im juristischen Sinne bedeutet dies, daß keine direkte Beziehung zu der üblichen Tätigkeit des Unternehmens besteht. 25 Abbildung 1 soll den Zusammenhang zwischen Bürokratisierung, Verrechtlichung und "Bürokratieverlagerung" verdeutlichen. Bürokratie und Recht bedingen sich gegenseitig, da der Vollzug zusätzlicher Normen Bürokratie erfordert, die wiederum ihrerseits weitere Normen schafft. Basierend auf diesen Wechselwirkungen kommt es zu Expansionstendenzen, die wiederum die Phänomene Bürokratisierung und Verrechtlichung hervorbringen. 26 Ergebnis dieses Zusammenspiels ist zunächst einmal die direkte Einschränkung von Handlungsspielräumen der Unternehmen am Markt. Daneben kommt es aber auch noch zu einer indirekten Beschrän23 Im englischen Sprachraum ist der Begriff "compliance costs" eingefllhrt. Compliance costs können mit "Erfllllungskosten" oder Befolgungskosten übersetzt werden. Vgl. SANDFORD, C., Economic aspects of compliance costs, in: PEACOCK, A., FORTE, F., The Political Economy of Taxation, Oxford 1981, S. 163 ff. 24 Der Begriff "Befolgungskosten" wird lediglich dann in Ausnahmetl!llen Verwendung finden, wenn der Zusammenhang mit den administrativen Pflichtdiensten unzweideutig ist. 25 Vgl. TÄUBER, G., 1984, S. 59 f.

26 Denkbar sind aber auch Rechtsvereinfachungsregelungen, die eine Entbürokratisierung bedingen. Ein Beispiel dafllr sind Deregulierungsgesetze. Dennoch wird in dieser Studie davon ausgegangen, daß in der Summe neue Rechtsvorschriften ein komplexeres Rechtssystem bedingen.

2. BegrifJsabgrenzungen und Definitionen

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kung der Spielräume über die Verlagerung von Verwaltungsarbeiten auf die Unternehmen. Das Phänomen der Überwälzung öffentlicher Verwaltungsarbeiten zeigt, daß Bürokratie aufgrund der - einer solchen Organisation immanenten - Eigendynamik nicht nur nach innen wächst,27 sondern sich auch nach außen ausdehnt. Die Expansion von Bürokratie bedeutet insofern gleichzeitig, daß auch das Überwälzungspotential steigt. 28 Abbildung 1:

Ursachen für die Verwaltungsarbeiten

-r,-=

Verlagerung

1----1 Wechselwirkungen L-. Bürokratie _J ....I--------t.~ L

öffentlicher

1

r-------~

Recht