Der Tatbestand der betriebsbedingten Kündigung nach § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG und sein Verhältnis zu dem Dogma der freien Unternehmerentscheidung [1 ed.] 9783428524044, 9783428124046

Der Autor kommt abweichend von der herrschenden Meinung zu dem Ergebnis, dass die betriebsbedingte Kündigung eine doppel

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German Pages 276 Year 2007

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Der Tatbestand der betriebsbedingten Kündigung nach § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG und sein Verhältnis zu dem Dogma der freien Unternehmerentscheidung [1 ed.]
 9783428524044, 9783428124046

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Schriften zum Sozial- und Arbeitsrecht Band 258

Der Tatbestand der betriebsbedingten Kündigung nach § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG und sein Verhältnis zu dem Dogma der freien Unternehmerentscheidung

Von

Uwe Dathe

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

UWE DATHE

Der Tatbestand der betriebsbedingten Kündigung nach § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG und sein Verhältnis zu dem Dogma der freien Unternehmerentscheidung

Schriften zum Sozial- und Arbeitsrecht Band 258

Der Tatbestand der betriebsbedingten Kündigung nach § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG und sein Verhältnis zu dem Dogma der freien Unternehmerentscheidung

Von

Uwe Dathe

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

Der Fachbereich Rechtswissenschaft der Freien Universität Berlin hat diese Arbeit im Jahre 2006 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

D 188 Alle Rechte vorbehalten # 2007 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme: Klaus-Dieter Voigt, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-0227 ISBN 978-3-428-12404-6 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Meinen lieben Eltern in Dankbarkeit und innerer Verbundenheit

Vorwort Die Arbeit lag dem Fachbereich Rechtswissenschaft der Freien Universität Berlin im Frühjahr 2006 als Dissertation vor und entstand während meiner Tätigkeit als Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Volkswirtschaftslehre und Wirtschaftsrecht an der Technischen Universität Berlin. Ganz besonders herzlich möchte ich mich an dieser Stelle bei meinem Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Axel Hunscha, bedanken. Von ihm stammt die Idee für diese Arbeit. Trotz seiner vielfältigen Aufgaben in Forschung, Lehre und in der akademischen Selbstverwaltung konnte ich mit ihm immer den Stand meiner Forschungen diskutieren, die durch seine fachlichen Hinweise bereichert wurden. Zu der Zeit, als sich die Arbeit noch nicht zu einem Ganzen schloss und ich an den unvereinbar scheinenden Teilproblemen zu verzweifeln drohte, war er es, der mir bestätigte, auf dem richtigen Weg zu sein, und mich durch sein wohlwollendes Interesse an meinen Teilerergebnissen ermunterte, diesen Weg weiter zu gehen. Nicht zuletzt möchte ich vor allem wegen Herrn Prof. Dr. Axel Hunscha meine Zeit an der Technischen Universität Berlin nicht missen; mit seiner witzigen, geistreichen und lebensbejahenden Art ist er mir nicht nur in fachlicher Hinsicht ein Vorbild. Mein Dank gilt zugleich Herrn Prof. Dr. Jochem Schmitt für die Übernahme und zügige Erstellung des Zweitgutachtens. Meinem Vater und Herrn Frank Piegeler danke ich für die sorgfältige und rasche Durchsicht des Manuskripts. Berlin, im November 2006

Uwe Dathe

Inhaltsübersicht A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

17

B. Bedingtheit der Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse . . . . . .

19

C. Verhältnis des Ergebnisses zu Rechtsprechung und Literatur . . . . . . . . . . . . . . . 102 D. Behandlung von Kündigungen, denen das betriebliche Erfordernis fehlt . . . . . 136 E. Angreifbarkeit der Rechtsprechung des BAG vor dem BVerfG . . . . . . . . . . . . . 139 F.

Exkurs: Klarstellungen zu Beurteilungszeitpunkt und Prognoseprinzip . . . . . . . 148

G. Exkurs: Zur Abgrenzung der personen- von der verhaltensbedingten Kündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 H. Ausgewählte Einzelfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 I.

Zusammenfassung, Prüfungsschema . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269

Inhaltsverzeichnis A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

17

B. Bedingtheit der Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse

19

I.

II.

Bedingtsein der Kündigung durch einen Kündigungsgrund . . . . . . . . . . .

19

1. Einleitende Analyse des Wortlautes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

19

2. Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit i. w. S. . . . . . . . . . . . . . . . . . .

20

3. Erforderlichkeit der Kündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

22

Betriebliches Erfordernis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

23

1. Einleitende Analyse des Wortlauts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

23

2. Identifizierung des betrieblichen Erfordernisses . . . . . . . . . . . . . . . . . .

24

a) Kündigung als betriebliches Erfordernis? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

24

b) Beseitigung eines Arbeitskräfteüberhangs als betriebliches Erfordernis? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

25

c) Betriebliche Umgestaltung als betriebliches Erfordernis? . . . . . . .

29

3. Betriebliches Erfordernis und unternehmerische Entscheidung . . . . .

33

a) Struktur des Begriffs Erfordernis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

33

b) Unternehmerische Entscheidungen: Zwecksetzungs- und Mittelentscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

34

c) Korrektur des Ergebnisses durch das Dogma von der Freiheit der Unternehmerentscheidung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

34

aa) Verfassungsrechtliche Begründung der Freiheit der Unternehmerentscheidung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

36

bb) Beurteilungsspielraum des Arbeitgebers? . . . . . . . . . . . . . . . . .

46

(1) Beurteilungsspielräume im Zivilrecht? . . . . . . . . . . . . . . . .

47

(2) Beurteilungsspielraum bei der betriebsbedingten Kündigung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

52

(3) Beurteilungsspielraum des öffentlichen Dienstherrn? . . .

56

cc) Unzumutbares Schadensrisiko wegen Überforderung der Gerichte? Abhängigkeit des Risikos von der gesetzlichen Beweislastverteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

59

dd) Wirtschaftsrisiko des Arbeitgebers? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

62

ee) Vermutung sinnvoller Entscheidungen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

63

ff) Wertungswiderspruch zu den §§ 111, 112, 112a BetrVG? . .

64

gg) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

66

12

Inhaltsverzeichnis

III.

IV.

V.

VI.

VII.

4. Die Betrieblichkeit des Erfordernisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 5. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 Störungstatbestand für die betriebsbedingte Kündigung (betriebsbedingter Kündigungsgrund) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 1. Regelfall (Erfordernis einer betrieblich-organisatorischen Umgestaltung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 2. Sonderfall (Betriebliches Erfordernis erschöpft sich in der Kündigung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 Doppelte Erforderlichkeitsprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 1. Erforderlichkeit einer betrieblichen Umgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . 74 2. Erforderlichkeit der Kündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 Dringlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 1. Dringlichkeit der betrieblichen Veränderung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 2. Dringlichkeit des verfolgten Zwecks? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 3. Dringlichkeit der Erforderlichkeit? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 a) Angemessenheit der betrieblichen Veränderung? . . . . . . . . . . . . . . 80 b) Absolut mildestes Mittel? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 c) Besondere Geeignetheit? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 4. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 Überprüfung der Angemessenheit der Kündigung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 1. Regelfall (Erfordernis einer betrieblich-organisatorischen Umgestaltung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 2. Sonderfall (Betriebliches Erfordernis erschöpft sich in der Kündigung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 3. Exkurs: Verhältnismäßigkeit i. e. S. und das Prinzip der Güter- und Interessenabwägung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101

C. Verhältnis des Ergebnisses zu Rechtsprechung und Literatur . . . . . . . . . . . I. Zur freien Unternehmerentscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Was bedeutet Freiheit der Unternehmerentscheidung? . . . . . . . . . . . . 2. Auswirkungen des Dogmas von der Freiheit der Unternehmerentscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Zur doppelten Erforderlichkeitsprüfung und zum Mittel-Zweck-Denken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Zum Begriff der inneren und äußeren Gründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Zur Dringlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Zum Verfassungsrang des Zwecks des Kündigungsschutzgesetzes . . . . . VI. Zur unternehmensbezogenen Weiterbeschäftigungspflicht . . . . . . . . . . . .

102 102 102 110 117 121 126 127 131

D. Behandlung von Kündigungen, denen das betriebliche Erfordernis fehlt 136 E. Angreifbarkeit der Rechtsprechung des BAG vor dem BVerfG . . . . . . . . . . 139

Inhaltsverzeichnis

13

F. Exkurs: Klarstellungen zu Beurteilungszeitpunkt und Prognoseprinzip . . 148 G. Exkurs: Zur Abgrenzung der personen- von der verhaltensbedingten Kündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Vertragspflichtverletzung auch Voraussetzung der personenbedingten Kündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Willensgesteuertheit als alleiniges Abgrenzungskriterium . . . . . . . . . . . . III. Konsequenzen, insbesondere für die betriebsbedingte Kündigung . . . . . H. Ausgewählte Einzelfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Kündigung, um den Personalbestand auf Dauer zu reduzieren . . . . . . . . II. Ausgliederung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Umwandlung von Arbeitsverhältnissen in freie Mitarbeiterverhältnisse IV. Kündigung zu Gunsten von Leiharbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Betriebsstilllegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Kündigung lediglich zur Gewinnsteigerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Änderungskündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vorüberlegung zur Tatbestandsstruktur der Änderungskündigung und ihrem Verhältnis zur Beendigungskündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Änderungskündigung statt Beendigungskündigung? . . . . . . . . . . . . . . a) Rein kündigungsschutzrechtliche Betrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . b) Berücksichtigung von § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB III . . . . . . . . 3. Änderungskündigung zur Entgeltkürzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Änderungskündigung zur Aufteilung eines Vollzeitarbeitsplatzes . . . 5. Verlegung des Betriebes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VIII. Änderung des Anforderungsprofils für einen Arbeitsplatz . . . . . . . . . . . . IX. Einführung von Kurzarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Rein kündigungsschutzrechtliche Betrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Berücksichtigung von § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB III . . . . . . . . . . . I.

154 154 156 162 165 165 181 192 197 198 202 206 206 215 216 218 222 233 239 240 241 242 245

Zusammenfassung, Prüfungsschema . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269

Abkürzungsverzeichnis a. A. a. a. O. Abs. AcP AiB Anm. AöR AP AR-Blattei ArbG ArbuR Art. AuA AuR BAG BAGE BB Bd. BetrVG BGB BGH b+p BT-Drucks. BVerfG BVerfGE bzw. DB ders. d. h. dies. Diss. DZWIR E Einl. ErfK EuGH

anderer Ansicht am angegebenen Ort Absatz Archiv für civilistische Praxis Arbeitsrecht im Betrieb Anmerkung Archiv des öffentlichen Rechts Arbeitsrechtliche Praxis Arbeitsrechts-Blattei Arbeitsgericht Arbeit und Recht Artikel Arbeit und Arbeitsrecht Arbeit und Recht Bundesarbeitsgericht Sammlung der Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts Betriebs-Berater Band Betriebsverfassungsgesetz Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgerichtshof Betrieb und Personal Drucksache des Deutschen Bundestages Bundesverfassungsgericht Sammlung der Entscheidungen des BVerfG beziehungsweise Der Betrieb derselbe das heißt dieselbe Dissertation Deutsche Zeitschrift für Wirtschaft- und Insolvenzrecht Entscheidung (in der amtlichen Sammlung) Einleitung Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht Europäischer Gerichtshof

Abkürzungsverzeichnis EWG EWiR EzA f. ff. Fn. FS GewO GG GmbH GrS Habil. h. M. Hrsg. hrsg. i. e. S. JA JbAR Jura JuS JZ KR KSchG LAG MDR MüKo MünchArbR NJ NJW Nr. n. v. NVwZ NZA NZA-RR RdA Rn. S. s. s. a. SAE SGB s. o.

Europäische Wirtschaftsgemeinschaft Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht Entscheidungssammlung zum Arbeitsrecht folgende fortfolgende Fußnote Festschrift Gewerbeordnung Grundgesetz Gesellschaft mit beschränkter Haftung Großer Senat Habilitation herrschende Meinung Herausgeber herausgegeben im engeren Sinn Juristische Arbeitsblätter Jahrbuch des Arbeitsrechts Juristische Ausbildung Juristische Schulung Juristenzeitung Gemeinschaftskommentar zum Kündigungsschutzgesetz Kündigungsschutzgesetz Landesarbeitsgericht Monatsschrift für Deutsches Recht Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht Neue Justiz Neue Juristische Wochenzeitung Nummer nicht veröffentlicht Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht NZA-Rechtsprechungs-Report Arbeitsrecht Recht der Arbeit Randnummer Seite siehe siehe auch Sammlung arbeitsrechtlicher Entscheidungen Sozialgesetzbuch siehe oben

15

16 TzBfG u. a. usw. v. vgl. WiB z. B. ZfA ZIAS ZIP zit. ZPO ZTR

Abkürzungsverzeichnis Teilzeit- und Befristungsgesetz und andere, unter anderem und so weiter vom, von vergleiche Wirtschaftsrechtliche Beratung zum Beispiel Zeitschrift für Arbeitsrecht Zeitschrift für ausländisches und internationales Arbeits- und Sozialrecht Zeitschrift für Wirtschaftsrecht zitiert Zivilprozessordnung Zeitschrift für Tarifrecht

A. Einleitung Gegenstand dieser Untersuchung ist der Tatbestand der betriebsbedingten Kündigung nach § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG.1 Der Umfang der Voraussetzungen für eine betriebsbedingte Kündigung, insbesondere die Frage, ob die Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit unternehmerischer Entscheidungen, die zu Kündigungen führen, geprüft werden müssen, wird von einigen Stimmen in der Literatur als eines der umstrittensten Probleme des Arbeitsrechts bezeichnet.2 Dementsprechend gibt es zu diesem Thema eine fast unüberschaubare Anzahl von Veröffentlichungen. Allerdings wird der Versuch, zur Antwort durch eine bloß vergleichende Zusammenschau der vorhandenen Rechtsprechung und Literatur beizutragen, scheitern müssen. Überzeugungskraft kann eine Lösung nur haben, wenn sie an Maßstäbe anknüpft, deren Geltung weitgehend anerkannt ist. Da es sich bei der Frage nach dem Tatbestand der betriebsbedingten Kündigung gemäß § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG um eine Frage der Auslegung dieser Vorschrift handelt, bietet sich eine Besinnung auf die in der juristischen Methodenlehre anerkannten Auslegungskriterien an. Es soll daher versucht werden, die Lösung anhand einer konsequenten Analyse des Wortlauts, des Zusammenhangs, der Entstehungsgeschichte und des Zwecks von § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG zu entwickeln. Die Erkenntnis, dass nur die anerkannten Grundsätze der Methodenlehre ein Ergebnis zu legitimieren vermögen, hat zur Folge, dass das Dogma von der Freiheit der Unternehmerentscheidung nicht unhinterfragt als Ausgangspunkt der Überlegungen akzeptiert werden kann. Dieser Lehrsatz wird vielmehr nur insoweit aufrechterhalten werden und damit Bedeutung für die Lösung haben können, als es gelingt, ihn methodisch einwandfrei zu begründen.3 Der Versuch einer Bestimmung des Tatbestandes der betriebsbedingten Kündigung mit Hilfe der klassischen Auslegungsmethoden beinhaltet auch, die Analyse möglichst frei von eigenen politischen Überzeugungen zu halten. Politische Überzeugungen – wenn sie nicht die des Gesetzgebers sind – sind kein Aus-

1 In dieser Arbeit bleibt demnach bei der Bestimmung des Tatbestandes der betriebsbedingten Kündigung die Sozialauswahl nach § 1 Abs. 3 KSchG außer Betracht. 2 Vgl. Bitter, DB 1999, 1214, 1219; Diekhoff, AuR 1957, 197. 3 So auch Preis, Ulrich, Prinzipien, S. 493, Schlussthese 7, der darauf hinweist, dass der Gesichtspunkt der unternehmerischen Entscheidungsfreiheit keine selbständige Auslegungsmaxime im kodifizierten Kündigungsrecht sei.

18

A. Einleitung

legungskriterium.4 Im Gegenteil gehört es zum sauberen rechtswissenschaftlichen Arbeiten, die eigene politische Auffassung nicht in die Auslegung der Tatbestandsmerkmale hineinzutragen. In allen Wissenschaften gilt es, offen für jedes Ergebnis zu sein. Eine von der eigenen politischen Ansicht möglichst unabhängige Auslegung ist in der Rechtswissenschaft auch im Hinblick auf den Grundsatz der Gewaltenteilung wichtig. Die politischen Grundentscheidungen trifft der Gesetzgeber. Dies würde vereitelt, wenn der Richter oder Rechtswissenschaftler die eigene politische Überzeugung – sei es offen oder versteckt – der Auslegung des Gesetzes zu Grunde legte. Es ist Sache des Gesetzgebers, nicht die des Richters oder Rechtsgelehrten, das Gesetz zu ändern.

4 Ähnlich Kühling, AuR 2003, 92, 95, der darauf hinweist, dass sich wirtschaftspolitische Einwendungen an den Gesetzgeber richten müssen.

B. Bedingtheit der Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse Nach § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG ist die betriebsbedingte Kündigung sozial ungerechtfertigt, wenn sie nicht durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers im Betrieb entgegenstehen, bedingt ist. Es fragt sich, was die einzelnen Tatbestandsmerkmale bedeuten.

I. Bedingtsein der Kündigung durch einen Kündigungsgrund Nach § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG muss die Kündigung durch personen-, verhaltens- oder betriebsbedingte Gründe bedingt sein, um sozial gerechtfertigt sein zu können. Es ist zu klären, welche Bedeutung das Merkmal „bedingt“ hat.

1. Einleitende Analyse des Wortlautes Dass die Kündigung durch einen Kündigungsgrund bedingt sein muss, kann auch so formuliert werden, dass der Kündigungsgrund die Kündigung bedingen muss. Dass etwas ein anderes bedingt, kann bedeuten, dass jenes etwas dieses andere verursacht, bewirkt oder zur Folge hat. Es kann aber auch bedeuten, dass jenes etwas dieses andere erfordert; dabei meint erfordern „notwendig machen“ bzw. „erforderlich machen“.5 Die zweite Bedeutungsvariante – nach der ein Kündigungsgrund die Kündigung bedingt, wenn er sie erforderlich macht – ist vorzuziehen. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG ist als Definition der sozialen Rechtfertigung der Kündigung darauf ausgelegt, diese zu legitimieren. Es ist daher anzunehmen, dass auch das Merkmal „bedingt“ zu dieser Legitimation beitragen soll. Dafür muss in ihm eine wertende Aussage bezüglich des Verhältnisses von Kündigungsgrund und Kündigung enthalten sein. Eine Erforderlichkeitsbeziehung hat aber größeren legitimatorischen Gehalt als eine Kausalbeziehung, die der Rechtfertigung der Kündigung über das bloße Vorliegen des Kündigungsgrundes hinaus kaum etwas hinzuzufügen vermag. 5 Vgl. Duden, Das große Wörterbuch der deutschen Sprache, unter den Stichwörtern „bedingen“, „erfordern“ und „notwendig“.

20

B. Bedingtheit der Kündigung durch betriebliche Erfordernisse

Die Deutung des Bedingtseins der Kündigung als Erforderlichkeit derselben wird dadurch gestützt, dass in Rechtsprechung und Literatur als Beurteilungsgrundlage für die Rechtmäßigkeit einer Kündigung ausschließlich die objektiven Verhältnisse im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungserklärung angesehen werden; das subjektive Wissen des Arbeitgebers soll unerheblich sein.6 Diese Ansicht wäre jedoch nicht haltbar, wenn „bedingen“ Verursachung der Kündigung durch den Kündigungsgrund bedeutete, weil dann der Arbeitgeber den Kündigungsgrund schon zum Zeitpunkt der Kündigung kennen müsste. Die Kündigung beim Arbeitgeber veranlassen können nämlich nur ihm bekannte Kündigungsgründe. Für die vorgeschlagene Deutung spricht auch, dass die Kündigung nach h. M. bei allen drei Kündigungsgründen als Reaktion auf dieselben erforderlich sein muss.7 Will man den Grundsatz der Erforderlichkeit im Wortlaut des Gesetzes verankern und nicht lediglich aus allgemeinen Rechtsgrundsätzen herleiten, bietet sich das Tatbestandsmerkmal „bedingt“ an, weil es für jede der drei Kündigungsarten gilt. Bedingtsein der Kündigung durch einen Kündigungsgrund bedeutet somit nicht nur, dass ein Kündigungsgrund überhaupt vorliegt, sondern auch, dass die Kündigung als Reaktion auf diesen erforderlich ist.8

2. Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit i. w. S. Schon an dieser Stelle wird deutlich, dass der Begriff der Erforderlichkeit eine zentrale Rolle im Recht des Kündigungsschutzes spielt. Dass etwas erforderlich ist, bedeutet, dass etwas für einen bestimmten Zweck unbedingt notwendig bzw. unerlässlich ist.9 Diese Beziehung zwischen dem erforderlichen Etwas und dem Zweck ist Gegenstand vielfältiger rechtswissenschaftlicher Untersuchungen geworden. Dabei wird das erforderliche Etwas in aller Regel „Mittel“ genannt. Bei der Untersuchung der Erforderlichkeit geht es also um die Untersuchung einer Mittel-Zweck-Beziehung. 6 Vgl. BAG 18.9.1997, AP BGB § 626 Nr. 138, II 2 a; ErfK/Ascheid, § 1 KSchG, Rn. 155; v. Hoyningen-Huene/Linck, § 1 KSchG, Rn. 155. Das zeigt sich insbesondere daran, dass der Arbeitgeber ihm zum Zeitpunkt der Kündigung nicht bekannte Kündigungsgründe nachschieben kann, vgl. BAG 18.9.1997, AP BGB § 626 Nr. 138, II 2 a; BAG 11.4.1985, AP BetrVG 1972 § 102 Nr. 39, Leitsatz 1 und unter B I 1 der Gründe; KR/Etzel, § 1 KSchG, Rn. 243. 7 BAG 30.5.1978, AP BGB § 626 Nr. 70, III 2 b; ErfK/Ascheid, § 1 KSchG, Rn. 123; Stahlhacke/Preis, Rn. 918. 8 So auch APS/Dörner, § 1 KSchG, Rn. 65; Stahlhacke/Preis, Rn. 918; HK/Dorndorf, § 1 KSchG, Rn. 275; KDZ/Kittner, § 1 KSchG, Rn. 49; v. Hoyningen-Huene, Arbeitsrecht und Arbeitsgerichtsbarkeit, S. 215, 224; Hinze, S. 50; Polzer, S. 157; Oetker, Anm. zu BAG 18.1.1990, SAE 1991, 15, 16; Stein, KJ 2001, 282, 290; Stückmann/ Kohlepp, RdA 2002, 331, 335. 9 Vgl. Duden, Das große Wörterbuch der deutschen Sprache, unter dem Stichwort „erforderlich“.

I. Bedingtsein der Kündigung durch einen Kündigungsgrund

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Sichtet man die Literatur über diese Mittel-Zweck-Beziehung, fällt auf, dass allgemein der Grundsatz der Erforderlichkeit als Teilgrundsatz des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit im weiteren Sinn angesehen wird. Um einen klaren Blick auf den Begriff der Erforderlichkeit zu bekommen, ist es sinnvoll zu zeigen, wie sich die Erforderlichkeit zur Verhältnismäßigkeit im weiteren Sinn verhält. Zu diesem Zweck soll der Begriff der Verhältnismäßigkeit im weiteren Sinn, wie er vom Bundesverfassungsgericht und der Literatur konkretisiert worden ist, kurz dargestellt werden.10 Die Verhältnismäßigkeit im weiteren Sinn setzt sich aus drei Teilgrundsätzen zusammen, und zwar aus dem der Geeignetheit, dem der Erforderlichkeit und dem der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinn.11 Geeignetheit bedeutet, dass es möglich ist, durch das Mittel den ins Auge gefassten Zweck zu fördern.12 Das Gebot der Erforderlichkeit verlangt, dass unter mehreren gleich geeigneten Mitteln dasjenige gewählt wird, das den von dem Mittel Betroffenen am wenigsten belastet.13 Gleichbedeutend mit dem Grundsatz der Erforderlichkeit sind insbesondere der Grundsatz der Notwendigkeit, der des mildesten Mittels und das ultima-ratio-Prinzip. Verhältnismäßigkeit im engeren Sinn bedeutet, dass das Mittel nicht außer Verhältnis zum Zweck stehen darf.14 Das heißt, dass der Vorteil des Mittels (die Förderung des Zwecks) in einem vernünftigen Verhältnis zu seinen Nachteilen (der Belastung des Betroffenen) stehen muss.15 Synonyme sind insbesondere die Grundsätze der Angemessenheit, der Zumutbarkeit und der Interessenabwägung.

10 Vgl. dazu die erhellende Übersicht bei Preis, Ulrich, Prinzipien, S. 265 f., die insbesondere dadurch, dass sie die zahlreichen Synonyme zu den einzelnen Begriffen aufführt, Klarheit schafft. Vgl. außerdem ErfK/Dieterich, GG Einl., Rn. 27; ErfK/ Ascheid, § 1 KSchG, Rn. 123; v. Hoyningen-Huene/Linck, § 1 KSchG, Rn. 140; APS/ Dörner, § 1 KSchG, Rn. 65 f.; Jarass/Pieroth-Jarass, Art. 20 GG, Rn. 83 ff. 11 BVerfG 26.4.1995, E 92, 262, 273, B I 3 b; BVerfG 8.10.1985, E 70, 278, 286, B I 2 b; BVerfG 20.6.1984, E 67, 157, 173, C II; BVerfG 15.12.1983, E 65, 1, 54, C III 1 c. 12 BVerfG 10.4.1997, E 96, 10, 23, II 2 a cc; BVerfG 20.6.1984, E 67, 157, 173 ff., C II 1. 13 BVerfG 31.10.1984, E 68, 193, 219, C I 2 c; BVerfG 20.6.1984, E 67, 157, 176 ff., C II 2; BVerfG 16.1.1980, E 53, 135, 145, II 1 c aa. 14 BVerG 26.4.1995, E 92, 262, 273, B I 3 b; BVerfG 11.6.1958, E 7, 377, 407, B IV 3 d. 15 BVerfG 12.5.1987, E 76, 1, 51, C I 5 b aa; BVerfG 15.5.1995, E 92, 277, 327, C V 1.

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B. Bedingtheit der Kündigung durch betriebliche Erfordernisse

3. Erforderlichkeit der Kündigung Es stellt sich die Frage, in welcher Weise ein Kündigungsgrund die Kündigung bedingt, also erforderlich macht. Eine wichtige Erkenntnis auf dem Weg zur Lösung ist die Feststellung, dass nach § 1 Abs. 2 KSchG nicht nur betriebsbedingte, sondern auch personen- und verhaltensbedingte Gründe die Kündigung bedingen können. Aus systematischen Gründen ist es daher wünschenswert, eine Beschreibung des Bedingtseins der Kündigung durch einen Kündigungsgrund zu finden, die für alle drei Kündigungsgründe gleichermaßen zutrifft. Gemeinsam haben alle drei Kündigungsgründe, dass sie Störungen des Arbeitsverhältnisses bzw. eine Beeinträchtigung betrieblicher Interessen beschreiben.16 Beim personen- und verhaltensbedingten Grund liegt die Störung in einer Nicht- oder Schlechtleistung des Arbeitnehmers. Diese Gründe setzen mit anderen Worten voraus, dass es zu einer objektiven Verletzung von Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis gekommen ist.17 Personen- und verhaltensbedingte Kündigungsgründe unterscheiden sich dadurch, dass beim verhaltensbedingten Grund die Störung des Arbeitsverhältnisses vom Arbeitnehmer willentlich steuerbar ist, beim personenbedingten hingegen nicht.18 Diese Kündigungsgründe machen die Kündigung erforderlich, wenn dieselbe geeignet und das mildeste Mittel ist, um die durch die Kündigungsgründe umschriebene Störung zu beseitigen. Dabei stellt die Geeignetheit der Kündigung kein Problem dar: Wird dem Arbeitnehmer gekündigt, kann es infolge der Beendigung der Vertragsbeziehungen zu keinen weiteren Verletzungen von Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis kommen. Die Erforderlichkeit hängt damit im Einzelfall davon ab, ob die Kündigung das mildeste Mittel ist, um zukünftige Vertragspflichtverletzungen zu verhindern. Beim betriebsbedingten Kündigungsgrund wird die Störung des Arbeitsverhältnisses in der Literatur19 darin gesehen, dass der AG keine Beschäftigungsmöglichkeiten mehr anbietet.20 Die Kündigung ist geeignet, diese Störung zu 16 Vgl. ErfK/Ascheid § 1 KSchG Rn. 114 ff.; v. Hoyningen-Huene/Linck, § 1 KSchG, Rn. 120; KDZ/Kittner, § 1 KSchG, Rn. 46; BAG 25.11.1982, AP KSchG 1969 § 1 Krankheit Nr. 7, B I 3. 17 Vgl. dazu unten Kapitel G.I., S. 154 ff. 18 Vgl. dazu unten Kapitel G.II., S. 156 ff. 19 Vgl. ErfK/Ascheid, § 1 KSchG Rn. 115, 118; wohl auch Stahlhacke/Preis, Rn. 924. 20 Ob dies im Einzelnen richtig ist, kann an dieser Stelle nicht sinnvoll geklärt werden. Die Frage, worin die Störung beim betriebsbedingten Kündigungsgrund liegt, hängt unmittelbar mit der Frage zusammen, was unter einem betriebsbedingten Kündigungsgrund, also einem dringenden betrieblichen Erfordernis, zu verstehen ist. Sie kann daher eingehend erst beantwortet werden, wenn der Begriff des betrieblichen Erfordernisses geklärt ist, vgl. unten Kapitel B.III., S. 70 ff. Für die hier zu klärende

II. Betriebliches Erfordernis

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beseitigen: Mit dem Ende des Beschäftigungsverhältnisses entfällt die Pflicht des Arbeitgebers, den Arbeitnehmer zu beschäftigen. Auch bei der betriebsbedingten Kündigung hängt also die Erforderlichkeit der Kündigung davon ab, ob sie das mildeste Mittel ist, um die fehlende Beschäftigungsmöglichkeit zu beseitigen. Nach alledem kann man sagen, dass die Kündigung durch einen Kündigungsgrund bedingt ist, wenn (1.) ein Kündigungsgrund überhaupt vorliegt, d. h. wenn ein vom jeweiligen Grund umschriebener Störungstatbestand existiert, und (2.) wenn die Kündigung geeignet und das mildeste Mittel ist, um diesen Störungstatbestand zu beseitigen. Veranschaulicht man dieses Ergebnis mit Hilfe der Mittel-Zweck-Relation, wird deutlich, wie das Gesetz einen wesentlichen Teil der Kündigungskontrolle erreicht: Die Kündigung als Mittel darf nicht jeden beliebigen Zweck verfolgen, sondern zulässiger Zweck der Kündigung ist lediglich, einen von einem der Kündigungsgründe umschriebenen Störungstatbestand zu beseitigen.21

II. Betriebliches Erfordernis Nach § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG muss die betriebsbedingte Kündigung durch betriebliche Erfordernisse bedingt sein. Es muss also geklärt werden, was unter einem betrieblichen Erfordernis zu verstehen ist.

1. Einleitende Analyse des Wortlauts Im allgemeinen Sprachgebrauch ist ein Erfordernis eine erforderliche Bedingung bzw. Voraussetzung für etwas.22 Aus dem Merkmal des Erfordernisses Frage, wie die Kündigungsgründe die Kündigung erforderlich machen, genügt allerdings die Erklärung, dass beim betriebsbedingten Kündigungsgrund in der Regel der Arbeitgeber nicht genügend Beschäftigungsmöglichkeiten für seine Arbeitnehmer anbietet. 21 Insofern geht Ulrich Preis’ (Prinzipien, S. 311) „Leitlinie“ für die Bestimmung des zulässigen Zwecks einer Kündigung, wonach der Arbeitgeber nur Zwecke verfolgen darf, die der Wahrung seiner betrieblichen, vertraglichen und wirtschaftlichen Belange bezogen auf das konkrete Vertragsverhältnis dienen, in die richtige Richtung, ist aber noch zu weit gefasst. Der Kündigungsschutz wird dadurch erreicht, dass nur personen-, verhaltens- oder betriebsbedingte Gründe für die soziale Rechtfertigung anerkannt werden. Lässt man für die Kündigung noch einen anderen Zweck zu als die Beseitigung der in diesen Gründen umschriebenen Störungen des Arbeitsverhältnisses, werden die gesetzlichen Konkretisierungen wieder aufgeweicht. Ansonsten wäre z. B. auch eine Austauschkündigung mit dem Zweck, zufriedenstellend arbeitenden Arbeitnehmern zu kündigen, um besser oder billiger arbeitende Arbeitnehmer einzustellen, möglich, da dieser Zweck ohne Zweifel wirtschaftlichen Belangen bezogen auf das konkrete Arbeitsverhältnis dient.

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B. Bedingtheit der Kündigung durch betriebliche Erfordernisse

kann also entnommen werden, dass nicht jeder Grund für eine betriebsbedingte Kündigung ausreichen soll, sondern dass es sich um einen erforderlichen Grund handeln muss. Wie bereits erwähnt wurde, bedeutet erforderlich, dass etwas für einen bestimmten Zweck unbedingt notwendig bzw. unerlässlich ist.23 Ein Erfordernis ist immer ein Erfordernis zu etwas für einen bestimmten Zweck.

2. Identifizierung des betrieblichen Erfordernisses Nach dieser Analyse stellt sich die Frage, was dieses Etwas sein soll, das für einen bestimmten Zweck notwendig bzw. unerlässlich ist. a) Kündigung als betriebliches Erfordernis? Es drängt sich der Gedanke auf, dass das gesuchte Etwas die Kündigung sein könnte, die dann für einen bestimmten betrieblichen Zweck erforderlich sein müsste. Dementsprechend wird teilweise in Rechtsprechung24 und Literatur25 von einem betrieblichen Erfordernis zur Kündigung gesprochen. Dies erscheint auf den ersten Blick folgerichtig, da es ja um die soziale Rechtfertigung der Kündigung geht. Vergegenwärtigt man sich aber den Wortlaut von § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG, so würde die dargestellte Betrachtungsweise die komplexe Struktur dieser Vorschrift auf eine Redundanz reduzieren. Konkretisiert man nämlich in § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG das Wort „Erfordernis“ als Erfordernis zur Kündigung, würde § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG aussagen, dass die Kündigung sozial ungerechtfertigt ist, wenn sie nicht durch ein dringendes betriebliches Erfordernis zur Kündigung bedingt ist. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG wäre dann auf die Aussage reduziert, dass die Kündigung sozial ungerechtfertigt ist, wenn sie nicht dringend betrieblich erforderlich ist. Wie oben26 dargestellt wurde, verlangt aber schon das Tatbestandsmerkmal „bedingt“, dass die Kündigung erforderlich sein muss, um einen betrieblichen Störungstatbestand zu beheben. Soll das Merkmal „betriebliches Erfordernis“ eine eigenständige Funktion haben, muss in ihm eine Information enthalten sein, die über die Anordnung der Erforderlichkeit der Kündigung hinausgeht.27 22 Vgl. Duden, Das große Wörterbuch der deutschen Sprache, unter dem Stichwort „Erfordernis“. 23 Vgl. Duden, Das große Wörterbuch der deutschen Sprache, unter dem Stichwort „erforderlich“. 24 Vgl. BAG 17.6.1999, 2 AZR 141/98, NZA 1999, 1098, 1100; auch BAG 30.5.1985, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 24, B II 1, spricht von betrieblichen Erfordernissen für eine Kündigung. 25 APS/Kiel § 1 KSchG Rn. 461. 26 Vgl. Kapitel B.I.3., S. 22 ff.

II. Betriebliches Erfordernis

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Das KSchG beschränkt sich nicht auf die pauschale Aussage, dass die Kündigung erforderlich sein muss. Vielmehr wurde schon oben28 erwähnt, dass der Kündigungsschutz durch das KSchG dadurch erreicht wird, dass die Kündigungsgründe abschließend die Störungstatbestände beschreiben, die eine Kündigung erforderlich machen können. Die Erforderlichkeit der Kündigung ist also Folge des Kündigungsgrundes und kann daher nicht dieser selbst sein. Sieht man das betriebliche Erfordernis in einem Erfordernis zur Kündigung, ist zudem nicht klar, worin der spezifische Störungstatbestand der betriebsbedingten Kündigung bestehen soll, denn ein betriebliches Erfordernis zur Kündigung besteht auch beim personen- und verhaltensbedingten Kündigungsgrund.29 Die vom Gesetz angestrebte Konkretisierung wäre damit fehlgeschlagen. Die personen- und verhaltensbedingten Kündigungsgründe würden zu Unterfällen des betriebsbedingten Kündigungsgrunds, obwohl der Wortlaut von § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG von drei selbständigen, von einander abgrenzbaren Gründen ausgeht. Gegen die Deutung des betrieblichen Erfordernisses als ein Erfordernis zur Kündigung spricht auch die Anordnung in § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG, wonach das betriebliche Erfordernis einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers im Betrieb entgegenstehen muss. Dass Gesetz geht offenbar davon aus, dass es betriebliche Erfordernisse gibt, die einer Weiterbeschäftigung entgegenstehen und andere betriebliche Erfordernisse, bei denen das nicht der Fall ist. Ein betriebliches Erfordernis zur Kündigung stünde einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers im Betrieb aber stets entgegen. Nach alledem ist es nicht sinnvoll, das betriebliche Erfordernis als ein Erfordernis zur Kündigung zu bestimmen.30 b) Beseitigung eines Arbeitskräfteüberhangs als betriebliches Erfordernis? Auf den ersten Blick spricht einiges dafür, das gesuchte betriebliche Erfordernis immer dann anzunehmen, wenn ein Arbeitskräfteüberhang im Betrieb 27 Dass die Deutung des betrieblichen Erfordernisses als ein Erfordernis zur Kündigung auf eine funktionslose Verdoppelung des Wortlautes von § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG hinausliefe, kann auch an der schon herausgearbeiteten Struktur verdeutlicht werden. Oben (vgl. Kapitel B.I.3., S. 22 ff.) wurde dargelegt, dass Bedingtsein der Kündigung durch einen Kündigungsgrund bedeutet, dass ein Kündigungsgrund überhaupt vorliegt und dass dieser die Kündigung erforderlich macht. Bei der betriebsbedingten Kündigung ist der Kündigungsgrund das dringende betriebliche Erfordernis. Bestimmte man nun das betriebliche Erfordernis als ein Erfordernis zur Kündigung, bedeutete dies, dass die Kündigung durch ein Erfordernis zur Kündigung erforderlich würde. 28 Vgl. Kapitel B.I.3., S. 22 ff. 29 Zu dem Umstand, dass alle Kündigungsgründe einen Bezug zum Betrieb haben und in diesem Sinne betriebsbezogen sind, s. Stahlhacke/Preis, Rn. 924. 30 So auch MünchArbR/Berkowsky, § 138, Rn. 31.

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B. Bedingtheit der Kündigung durch betriebliche Erfordernisse

vorhanden ist.31 Das betriebliche Erfordernis wäre dann stets das Erfordernis zur Beseitigung eines Arbeitskräfteüberhangs. Ein Arbeitskräfteüberhang liegt vor, wenn es zu wenig Arbeit für die Arbeitnehmer im Betrieb gibt, wenn also der Personalbestand höher ist als der Personalbedarf.32 Der Begriff des Arbeitskräfteüberhangs ist weitgehend33 deckungsgleich mit dem von Rechtsprechung und Literatur oft parallel verwendeten Begriff des Entfallens des Beschäftigungsbedürfnisses bzw. der Beschäftigungsmöglichkeit34: Ist der Personalbestand höher als der Personalbedarf, fehlt es für den Arbeitgeber an der Möglichkeit, eine sich aus der Differenz beider Kennzahlen ergebende Anzahl von Arbeitnehmern zu beschäftigen bzw. entfällt zumindest sein Bedürfnis zu deren Beschäftigung. Die Bestimmung des betrieblichen Erfordernisses als Erfordernis zur Beseitigung eines Arbeitskräfteüberhangs hat deswegen Überzeugungskraft, weil der Umstand, dass es nicht genug Arbeit für die Arbeitskräfte im Betrieb gibt, zwangsläufig dazu führt, dass Arbeitnehmer bezahlt werden müssen, ohne dass sie Arbeit verrichten können. Es kann aber stets als betriebliches Erfordernis angesehen werden, „Lohn ohne Arbeit“ zu vermeiden. Zudem ist das Erforder31 Vgl. BAG 13.3.1987, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 37, III 2 a der Gründe; BAG 30.5.1985, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 24, unter B II 1 der Gründe; ErfK/Ascheid, § 1 KSchG, Rn. 381; APS/Kiel, § 1 KSchG, Rn. 461; KDZ/Kittner, § 1 KSchG, Rn. 254; Brox/Rüthers/Henssler, Arbeitsrecht, Rn. 518; Dütz, Arbeitsrecht, Rn. 336; Backmeister/Trittin/Mayer-Mayer, § 1 KSchG, Rn. 298; Krause, § 12, Rn. 29; HWK/Quecke, § 1 KSchG, Rn. 262 ff.; Quecke, DB 2000, 2429, 2430 und NZA 1999, 1247, 1248; Franzen, NZA 2001, 805, 809; Ehmann/Sutschet, Jura 2001, 145, 148, unter 4 der Ausführungen; Gilberg, NZA 2003, 817, 821, unter III 2 a der Ausführungen; im Ergebnis auch Stahlhacke/Preis, Rn. 924, 931, 963 u. 999. 32 BAG 30.5.1985, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 24, unter B II 1 der Gründe, stellt klar, dass nicht der konkrete Arbeitsplatz des betroffenen Arbeitnehmers weggefallen sein muss, sondern dass es ausreicht, wenn ein Überhang an Arbeitskräften entsteht. Ansonsten wäre eine Sozialauswahl unmöglich, da dann immer dem Arbeitnehmer gekündigt werden müsste, dessen Arbeitsplatz weggefallen ist. 33 Teilweise – insbesondere bei einigen Fällen der Änderungskündigung – passt der Begriff des Entfallens der Beschäftigungsmöglichkeit besser als der des Arbeitskräfteüberhangs bzw. muss dieser entsprechend präzisiert werden, vgl. dazu unten Kapitel H.VII.1., S. 206 ff., insbesondere S. 208 f. 34 Vgl. BAG 13.3.1987, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 37, III 2 a; BAG 30.5.1985, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 24, Leitsatz 1 und B II 1; ErfK/Ascheid, § 1 KSchG, Rn. 381; Stahlhacke/Preis, Rn. 955; v. Hoyningen-Huene/Linck, § 1 KSchG, Rn. 372 f. Teilweise wird anstelle des Entfallens von Beschäftigungsmöglichkeiten auch vom Wegfall von Arbeitsplätzen gesprochen. Dazu, dass das nicht ganz richtig bzw. zumindest irreführend ist, vgl. unten Kapitel H.I., S. 165 ff., insbesondere S. 167 ff. Berkowsky (Betriebsbedingte Kündigung, § 5, Rn. 65 und Rn. 8) weist darauf hin, dass es sich meist um eine sinnbildliche Ausdrucksweise bzw. nur um eine griffige Umschreibung des Arbeitskräfteüberhangs handele, wenn vom Wegfall von Arbeitsplätzen gesprochen werde.

II. Betriebliches Erfordernis

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nis zur Beseitigung eines Arbeitskräfteüberhangs auch tauglich, die Kündigung zu bedingen. Eine oder auch mehrere Kündigungen sind nämlich stets ein geeignetes Mittel, um einen Personalüberhang zu beseitigen. Dennoch ist es zweifelhaft, ob der Gesetzgeber mit dem betrieblichen Erfordernis im Sinne von § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG das betriebliche Erfordernis zur Beseitigung eines Arbeitskräfteüberhangs meint. Dagegen spricht, dass das Gesetz in § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG anordnet, dass das betriebliche Erfordernis dringend sein muss.35 Der Begriff des Erfordernisses muss also so interpretiert werden, dass sowohl dringende als auch nicht dringende betriebliche Erfordernisse denkbar sind.36 Wie gesagt, wird man aber das Bestreben, einen Arbeitskräfteüberhang und damit Lohn ohne Arbeit im Betrieb zu vermeiden, immer als ein dringendes betriebliches Erfordernis ansehen müssen. Ein nicht dringendes Bedürfnis, eine Entlohnung von Arbeitskräften zu vermeiden, die dem Betrieb keinen Nutzen bringen, ist kaum denkbar.37 Zwar könnte man nach der Größe des Arbeitskräfteüberhangs differenzieren und denken, dass es z. B. dringender ist, einen Arbeitskräfteüberhang von drei als einen von zwei Arbeitnehmern zu vermeiden. Bezogen auf die einzelne Kündigung ist das aus dem Arbeitskräfteüberhang folgende betriebliche Erfordernis aber immer gleich dringend; ein zahlenmäßig größerer Arbeitskräfteüberhang rechtfertigt lediglich mehrere Kündigungen. Würde das betriebliche Erfordernis allein in der Beseitigung eines Arbeitskräfteüberhangs gesehen, wäre demnach das Tatbestandsmerkmal „dringende“ in § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG ohne Funktion.38 Ähnliches gilt für die Wendung im Gesetz, dass das betriebliche Erfordernis „einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers [im] Betrieb entgegenstehen“ muss. Auch dieser Wortlaut des Gesetzes wäre funktionslos, wenn man das betriebliche Erfordernis im Arbeitskräfteüberhang sähe. Denn dieser steht – wenn er bis zum Ablauf der Kündigungsfrist besteht – der Weiterbeschäftigung einer entsprechenden Anzahl von Arbeitnehmern stets entgegen. Wäre die Interpretation des betrieblichen Erfordernisses als Erfordernis zur Beseitigung eines Personalüberhangs richtig, wäre der Gesetzeswortlaut nach alledem unnötig kompliziert. Selbst die im Begriff des Erfordernisses enthaltene 35 Siehe genauer zur Dringlichkeit des betrieblichen Erfordernisses unten Kapitel B.V., Seite 76 ff. 36 Colneric, Betriebsbedingte Kündigungen im Widerstreit, S. 11, 33. 37 Man könnte zwar auf den Gedanken kommen, die Dringlichkeit des Erfordernisses zur Beseitigung eines Arbeitskräfteüberhangs zu verneinen, wenn es der Arbeitgeber wirtschaftlich verkraften kann, Arbeitnehmer, die er nicht sinnvoll einsetzen kann, zu entlohnen. Nach unserer Wirtschaftsauffassung ist es aber auf lange Sicht aus Gründen der Konkurrenzfähigkeit für alle – und nicht nur für wirtschaftlich schwache – Unternehmen dringend betrieblich erforderlich, effektiv zu wirtschaften und damit unnötige Kosten zu vermeiden. 38 Im Ergebnis ebenso Stein, AuR 2003, 99, 102.

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B. Bedingtheit der Kündigung durch betriebliche Erfordernisse

Anordnung der Überprüfung der Erforderlichkeit wäre überflüssig, da die Beseitigung eines Arbeitskräfteüberhangs immer ein betriebliches Erfordernis ist. Der Gesetzgeber hätte dann für den Fall der betriebsbedingten Kündigung formulieren können, dass eine Kündigung sozial ungerechtfertigt ist, wenn sie nicht durch einen Arbeitskräfteüberhang im Betrieb bedingt ist. Zudem sprechen systematische Erwägungen gegen eine Gleichsetzung von Arbeitskräfteüberhang und betrieblichem Erfordernis. In Rechtsprechung und Literatur werden nämlich Fallgruppen der betriebsbedingten Kündigung auch ohne Arbeitskräfteüberhang anerkannt. So wird eine betriebsbedingte Änderungskündigung zur Minderung des Entgelts wegen wirtschaftlicher Existenzgefährdung des Betriebs für möglich gehalten, und das auch dann, wenn der bisherige Tätigkeitsbereich der Arbeitnehmer fortbesteht und alle Arbeitnehmer in der bisherigen Einsatzweise weiter benötigt werden.39 Bei der Änderungskündigung wird also eine Kündigung aus dringenden betrieblichen Erfordernissen auch ohne Arbeitskräfteüberhang für möglich gehalten. Es wäre systematisch zumindest unbefriedigend, für die Änderungskündigung einen anderen Begriff des betrieblichen Erfordernisses zu verwenden als für die Beendigungskündigung, zumal § 2 Abs. 1 Satz 1 KSchG ausdrücklich auf die soziale Rechtfertigung nach § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG verweist.40 Ebenso ist anerkannt, dass das Arbeitsverhältnis eines Arbeitnehmers, für dessen Einstellung der Betriebsrat die Zustimmung nach § 99 Abs. 2 BetrVG verweigert, aus betriebsbedingten Gründen gekündigt werden kann.41 Auch in diesem Fall liegt der Kündigung in der Regel – anderes kann in Fällen des § 99 Abs. 2 Nr. 3 BetrVG gelten – kein Arbeitskräfteüberhang zu Grunde. Vielmehr zeigt der Arbeitgeber durch den Abschluss des Arbeitsvertrages gerade, dass er Bedarf an zusätzlichen Arbeitskräften hat. Auch in diesem Fall kann das betriebliche Erfordernis also nicht als Erfordernis zum Abbau eines Arbeitskräfteüberhangs bestimmt werden. Das gleiche gilt für die sog. echte Druckkündigung, bei welcher der Druck des Dritten nicht auf Umstände zurückgeht, die einen personen- oder verhaltensbedingten Kündigungsgrund begründen können, wenn man mit der Rechtsprechung42 und einem Teil der Literatur43 der Ansicht ist, dass diese unter engen Voraussetzungen als betriebsbedingte Kündigung zugelassen werden kann. Bei der Druckkündigung liegt kein Arbeitskräfteüberhang vor, weil die

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Vgl. ErfK/Ascheid, § 2 KSchG, Rn. 64. Zur Änderungskündigung im Einzelnen siehe unten Kapitel H.VII., S. 206 ff. 41 Vgl. ErfK/Kania, § 99 BetrVG, Rn. 45. 42 Vgl. BAG 4.10.1990, AP BGB § 626 Druckkündigung Nr. 12, II 1; BAG 19.6. 1986, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 33, B II 2 a. 43 Vgl. Löwisch/Spinner, § 1 KSchG, Rn. 334. 40

II. Betriebliches Erfordernis

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Arbeitskraft des betroffenen Arbeitnehmers noch benötigt wird.44 Die Kündigung erfolgt lediglich, weil der Druck Ausübende für den Fall, dass nicht gekündigt wird, erhebliche Nachteile für das Unternehmen androht. Im Rahmen dieser Arbeit kann nicht umfassend geklärt werden, ob es sinnvoll ist, die Druckkündigung als Fall der betriebsbedingten Kündigung anzusehen und ob es nicht sogar richtig ist, das Institut der Druckkündigung gänzlich zu verwerfen.45 Nur so viel soll gesagt werden: Die Auffassung in der Literatur, die die Druckkündigung als Fall der verhaltens- oder personenbedingten Kündigung ansehen will46, ist insofern plausibel, als der Druck des Dritten – sofern er nicht völlig willkürlich ist – in der Regel an ein Verhalten oder an bestimmte nicht steuerbare Eigenschaften des betroffenen Arbeitnehmers anknüpft. Dies spricht dafür, die Druckkündigung den personenbzw. verhaltensbedingten Kündigungsgründen zuzurechnen. Dabei wird jedoch nicht ausreichend berücksichtigt, dass es für diese Kündigungsgründe nicht genügt, wenn der Arbeitnehmer irgendein steuerbares Verhalten oder irgendwelche persönlichen Merkmale zeigt, vielmehr muss es zu einer objektiven Verletzung der Vertragspflichten des Arbeitnehmers gekommen und eine solche auch in Zukunft zu besorgen sein, sei es in der Form der Nicht- oder Schlechtleistung, sei es in der Form einer Schutzpflichtverletzung.47 Das Bedürfnis der Rechtsfigur der Druckkündigung besteht aber gerade für die Fallgruppen, in denen es zu keiner Verletzung von Vertragspflichten des Arbeitnehmers gekommen ist. Führt der Druck des Dritten dazu, dass schwere wirtschaftliche Schäden oder im Extremfall sogar eine Existenzgefährdung des Betriebes drohen, so liegt es wenigstens vom Wortlaut nahe, es als ein dringendes betriebliches Erfordernis anzusehen, dem betroffenen Arbeitnehmer auch ohne objektive Vertragspflichtverletzung kündigen zu können.

Es ist nach alledem nicht sachgerecht, das betriebliche Erfordernis als ein Erfordernis zur Beseitigung eines Arbeitskräfteüberhangs anzusehen. c) Betriebliche Umgestaltung als betriebliches Erfordernis? Nachdem die Versuche der Beschränkung des Begriffs des betrieblichen Erfordernisses auf das Erfordernis zur Kündigung und das Erfordernis zur Beseitigung eines Arbeitskräfteüberhangs nicht weitergeführt haben, erscheint es sinnvoll, den Begriff des betrieblichen Erfordernisses zunächst denkbar weit zu 44 Der fehlende Arbeitskräfteüberhang ist ein wesentliches Argument der Stimmen in der Literatur, die die Zuordnung der Druckkündigung zur betriebsbedingten Kündigung ablehnen, vgl. Stahlhacke/Preis Rn. 985; APS/Kiel, § 1 KSchG, Rn. 521; HK/ Dorndorf, § 1 KSchG, Rn. 997; Berkowsky, Betriebsbedingte Kündigung, § 5, Rn. 85; Richter, Kapitel F I. 45 Das Institut der echten Druckkündigung gänzlich ablehnend Stahlhacke/Preis Rn. 747, 985; HK/Dorndorf, § 1 KSchG, Rn. 997. 46 Vgl. ErfK/Ascheid, § 1 KSchG, Rn. 277; APS/Kiel, § 1 KSchG, Rn. 521; v. Hoyningen-Huene/Linck, § 1 KSchG, Rn. 205; Berkowsky, Betriebsbedingte Kündigung, § 5, Rn. 85; Richter, Kapitel F III. 47 Vgl. unten Kapitel G.I., S. 154 ff.

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B. Bedingtheit der Kündigung durch betriebliche Erfordernisse

fassen. Als weite Definition soll hier vorgeschlagen werden, unter einem betrieblichen Erfordernis das Erfordernis zu irgendeinem Tun bzw. zu irgendeiner betrieblichen Maßnahme zu verstehen. Mit anderen Worten: Das betriebliche Erfordernis soll als Erfordernis einer betrieblichen Umgestaltung oder Veränderung angesehen werden.48 Oben49 wurde herausgearbeitet, dass nach allgemeinem Sprachverständnis ein Erfordernis immer ein Erfordernis zu etwas für einen bestimmten Zweck ist. Dementsprechend liegt nach der hier vorgeschlagenen Lösung ein betriebliches Erfordernis nicht schon dann vor, wenn eine betriebliche Umgestaltung bzw. Veränderung irgendwie zu einem Arbeitskräfteüberhang führt, sondern erst dann, wenn die betriebliche Umgestaltung erforderlich, also das mildeste Mittel ist, um einen vom Unternehmer gesetzten Zweck zu erreichen. Der Schwerpunkt der gesetzlichen Kontrolle wird damit vom Arbeitskräfteüberhang zu den Ursachen desselben verschoben. Dies entspricht einem von der Kenntnis herrschender Rechtsprechung und Literatur unbelasteten Verständnis des Gesetzeswortlauts. Besteht z. B. die betriebliche Veränderung in einer Rationalisierungsmaßnahme – etwa der Einführung einer automatisierten Fertigungsstraße –, die dazu führt, dass weniger Arbeitnehmer benötigt werden, widerstrebt es dem unbefangenem Sprachverständnis, die Kündigung der betroffenen Arbeitnehmer auch dann als durch betriebliche Erfordernisse bedingt anzusehen, wenn die Rationalisierungsmaßnahme selbst nicht erforderlich oder gar ungeeignet ist, den von ihr verfolgten Zweck zu erreichen. Diente die Rationalisierungsmaßnahme etwa ausschließlich dem Zweck, Kosten zu reduzieren, ist sie dazu aber nicht geeignet oder erhöht sie sogar die Produktionskosten, wird man vom ersten Eindruck des Wortlauts von § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG dazu gehalten, das Bedingtsein der Kündigung durch ein betriebliches Erfordernis zu verneinen und im Gegenteil zu sagen, dass es geradezu ein betriebliches Erfordernis gewesen sei, die Rationalisierung und damit auch die Kündigung zu unterlassen.50 Diese Auslegung des betrieblichen Erfordernisses als Erfordernis zu einer betrieblichen Umgestaltung passt auch zum übrigen Wortlaut von § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG. Zum einen wird durch sie dem Umstand Rechnung getragen, dass § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG anordnet, dass das betriebliche Erfordernis einer Wei48 Auch Kaiser (NZA Beilage 2005, Nr. 1, S. 31, 34) ist der Ansicht, dass das betriebliche Erfordernis in einer umgesetzten betriebsorganisatorischen Maßnahme besteht, verlangt allerdings nicht, dass diese Maßnahme erforderlich sein muss, um ein betriebliches Erfordernis darstellen zu können. 49 Vgl. Kapitel B.II.1., S. 23. 50 Colneric (Betriebsbedingte Kündigungen im Widerstreit, S. 11) berichtet, dass ein französischer Richterkollege die Interpretation von § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG durch die deutschen Gerichte, nach der unternehmerische Entscheidungen nicht auf ihre Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit überprüft werden dürfen, spontan als Rechtbruch bewertet hat, weil in dieser Vorschrift „dringende Erfordernisse“ steht.

II. Betriebliches Erfordernis

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terbeschäftigung des Arbeitnehmers im Betrieb entgegenstehen muss. Das Gesetz geht damit – will man es nicht als redundant betrachten – davon aus, dass dies nicht bei allen betrieblichen Erfordernissen der Fall ist.51 Und in der Tat steht nicht jede erforderliche betriebliche Umgestaltung der Weiterbeschäftigung von Arbeitnehmern im Betrieb entgegen. Vielmehr gibt es betriebliche Veränderungen, die beschäftigungsneutral sind, andere – etwa die Ausweitung der Produktion –, die den Personalbedarf sogar erhöhen. Zum anderen eignet sich das Erfordernis zu einer betrieblichen Umgestaltung – im Gegensatz zum Erfordernis zur Beseitigung eines Arbeitskräfteüberhangs52 – als Anknüpfungspunkt für das Tatbestandmerkmal der Dringlichkeit. Ohne dass an dieser Stelle schon auf die genaue Auslegung dieses Merkmals eingegangen werden soll53, ist schon nach allgemeinem Sprachverständnis einsichtig, dass es betriebliche Umgestaltungen gibt, die dringend sind, andere die es nicht sind. Zudem sind einige betriebliche Maßnahmen dringender als andere. Auch in systematischer Hinsicht hat die Deutung des betrieblichen Erfordernisses als Erfordernis zu irgendeiner betrieblich-organisatorischen Maßnahme Vorteile. Anders als die Ansicht, die das betriebliche Erfordernis dann und nur dann annimmt, wenn ein Arbeitskräfteüberhang im Betrieb besteht54, kann die hier vorgeschlagene Auslegung auch die Änderungskündigung zur Entgeltkürzung wegen wirtschaftlicher Existenzgefährdung des Betriebes, die Kündigung eines Arbeitnehmers, für dessen Einstellung der Betriebsrat die Zustimmung nach § 99 Abs. 2 BetrVG verweigert, und die Druckkündigung unter einen einheitlichen Begriff des betrieblichen Erfordernisses fassen und damit ohne systematischen Bruch als Fälle der betriebsbedingten Kündigung ansehen. Irgendeine betrieblich-organisatorische Maßnahme ist nämlich auch die Kündigung selbst, so dass in Einzelfällen ein dringendes betriebliches Erfordernis auch dann vorliegen kann, wenn außer der Kündigung keine andere Maßnahme ersichtlich ist. Dagegen wird der Leser des Vorangegangenen einwenden, dass dann der Sache nach das Erfordernis zur Kündigung überprüft wird, was nach dem oben Gesagten55 nicht sinnvoll ist, da eine Überprüfung der Erforderlichkeit der Kündigung vom Wortlaut des § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG schon durch das Tatbestandmerkmal „bedingt“ angeordnet wird. Dem soll an dieser Stelle nur entgegnet werden, dass im Gegensatz zur Ansicht, die das betriebliche Erfordernis stets als ein Erfordernis zur Kündigung bestimmt, in den meisten Fällen eben nicht nur die Kündigung als betrieblich-organisatorische Umgestaltung identifizierbar ist. Gibt es aber eine andere Maßnahme als eine Kündigung, die der Weiterbeschäftigung von Arbeitnehmern im Betrieb entgegensteht,

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Vgl. dazu oben Kapitel B.II.2.a), S. 25 und Kapitel B.II.2.b), S. 27. Vgl. dazu oben Kapitel B.II.2.b), S. 27. Dazu genauer Kapitel B.V., S. 76 ff. Siehe oben Kapitel B.II.2.b), S. 28 f. Siehe oben Kapitel B.II.2.a), S. 24 f.

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B. Bedingtheit der Kündigung durch betriebliche Erfordernisse

muss nach der hier vertretenen Auslegung diese auf ihre Erforderlichkeit überprüft werden. Die Überprüfung nur der Erforderlichkeit der Kündigung ist damit ein Ausnahmefall mit einer eigenen Prüfungsstruktur, der unten56 noch gesondert behandelt werden wird.

Fraglich ist, ob die hier vertretene Auslegung auch dem Willen des historischen Gesetzgebers entspricht. In der Literatur wird teilweise unter Berufung auf die Erläuterungen zum Entwurf des Kündigungsschutzgesetzes57 vertreten, dass die Zielsetzung dieses Gesetzes darin bestehe, dem Arbeitnehmer den Arbeitsplatz und die Betriebszugehörigkeit in den Grenzen des sozial und wirtschaftlich Vertretbaren zu sichern.58 Würde das zutreffen, wäre ein ganz entscheidendes Argument für das bisherige Ergebnis dieser Arbeit, dass betriebliche Umgestaltungen auf ihre Erforderlichkeit überprüft werden müssen, gewonnen. Wirtschaftlich vertretbar ist es nämlich ohne weiteres, auf betrieblich-organisatorische Maßnahmen zu verzichten, die nicht geeignet sind, den bezweckten unternehmerischen Erfolg herbeizuführen, oder auf solche, die sich zwar dazu eignen, aber zu denen es gleichermaßen geeignete, weniger belastende Alternativmaßnahmen gibt. Der genannte Zweck lässt sich dem Kündigungsschutzgesetz aber nicht mit Sicherheit entnehmen. Das Ziel, dem Arbeitnehmer den Arbeitsplatz und die Betriebszugehörigkeit im Rahmen des sozial und wirtschaftlich Vertretbaren zu sichern, wird in der Begründung des KSchG nämlich lediglich im Rahmen der Erläuterung zu § 7 KSchG a. F. erwähnt59, der im Wesentlichen dem heutigen § 9 KSchG entspricht. Der genannte Zweck liegt damit nur der Abfindungsregelung im KSchG, nicht aber dem ganzen Gesetz zu Grunde. Er bezieht sich damit auf die Fallkonstellation, dass die Unwirksamkeit der Kündigung schon festgestellt ist. Dann soll dem Arbeitnehmer der Arbeitsplatz und die Betriebszugehörigkeit im Rahmen des sozial und wirtschaftlich Vertretbaren erhalten bleiben und nur ausnahmsweise eine Auflösung des Arbeitsverhältnisses verbunden mit einer Abfindung in Frage kommen. Nicht aber kann der Begründung des KSchG entnommen werden, dass dieser Zweck bei der Prüfung, ob die Kündigung wirksam ist oder nicht, zu Grunde zu legen ist. Der allgemeine Zweck des KSchG ist in der Begründung des KSchG konsequenterweise unter der Überschrift „Allgemeines“ enthalten.60 Danach ist das durch das Gesetz geschützte „Rechtsgut“ der Arbeitsplatz und die Betriebszugehörigkeit des Arbeitnehmers als Grundlagen seiner wirtschaftlichen und sozialen 56

Siehe Kapitel B.VI.2., S. 95 ff. Vgl. RdA 1951, 63 ff. 58 Stahlhacke/Preis, Rn. 914; KDZ/Kittner, § 1 KSchG, Rn. 256b; Stein, BB 2000, 457, 460. 59 Vgl. RdA 1951, 64. 60 Vgl. Erläuterung zum Entwurf des Kündigungsschutzgesetzes, RdA 1951, 63 unter „Allgemeines“. 57

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Existenz. Dieses Rechtsgut soll nicht gegen Entlassungen, die aus triftigen Gründen erforderlich sind, sondern lediglich gegen solche Kündigungen, die hinreichender Begründung entbehren und deshalb als willkürliche Durchschneidung des Bandes der Betriebszugehörigkeit erscheinen, geschützt werden. Aus der Angabe dieses Zweckes lassen sich entscheidende Erkenntnisse für die Auslegung des Tatbestandes von § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG allerdings nicht entnehmen, insbesondere weil die Begriffe des triftigen Grundes und der hinreichenden Begründung nicht aussagekräftiger sind als der Begriff des Bedingtseins der Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse. Der Eine wird schon das Vorliegen eines Arbeitskräfteüberhangs als triftigen Grund für eine Kündigung ansehen, der Andere wird erst in der Rechtfertigung auch der Ursachen des Arbeitskräfteüberhangs eine hinreichende Begründung sehen. Jedenfalls kann aber festgestellt werden, dass der genannte Zweck des Kündigungsschutzgesetzes der in dieser Arbeit gefundenen Auslegung nicht entgegensteht. Nach alledem wird in der Folge davon ausgegangen, dass es sinnvoll ist, unter einem betrieblichen Erfordernis ein Erfordernis zu einer betrieblichen Veränderung zu verstehen. Ein betriebliches Erfordernis liegt also vor, wenn eine betriebliche Umgestaltung erforderlich ist, um einen bestimmten Zweck zu erreichen.

3. Betriebliches Erfordernis und unternehmerische Entscheidung a) Struktur des Begriffs Erfordernis Schon bei der ersten am Wortlaut orientierten Auslegung des Begriffs „Erfordernis“ wurde deutlich, dass das Vorliegen eines Erfordernisses nicht ohne Rücksicht auf einen bestimmten Zweck beurteilt werden kann. Ein Erfordernis ist immer ein Erfordernis zu etwas für einen bestimmten Zweck. Oben wurde herausgearbeitet, dass dieses „Etwas“ stets eine betrieblich-organisatorische Maßnahme ist. Ist eine konkrete Maßnahme im Blick, wird diese als Erfordernis bezeichnet, wenn sie erforderlich ist, um einen vorgegebenen Zweck zu erreichen. Man spricht z. B. von einem Erfordernis zur Rationalisierung oder von einem Erfordernis zur Erneuerung der technischen Mittel, wenn diese Maßnahmen für einen bestimmten Zweck, etwa zur Steigerung der Erträge, notwendig sind. Daran wird deutlich, dass im Begriff des Erfordernisses eine MittelZweck-Relation enthalten ist.

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B. Bedingtheit der Kündigung durch betriebliche Erfordernisse

b) Unternehmerische Entscheidungen: Zwecksetzungs- und Mittelentscheidungen Betriebliche Maßnahmen geschehen in der Regel nicht automatisch oder zufällig, vielmehr liegen ihnen unternehmerische Entscheidungen zu Grunde. Ebenso beruhen die mit einer betrieblichen Maßnahme verfolgten Zwecke auf unternehmerischen Entscheidungen. Schon an dieser Stelle ist erkennbar, dass es sinnvoll sein wird, unternehmerische Entscheidungen, die einen Zweck setzen, von Entscheidungen, die die Maßnahmen festlegen, mit denen dieser Zweck erreicht werden soll, zu unterscheiden. Diese Unterscheidung ist unmittelbar im oben erläuterten Begriff des Erfordernisses und damit im Wortlaut von § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG verankert. In der Folge sollen unternehmerische Entscheidungen, die Zwecke setzten, Zwecksetzungsentscheidungen, unternehmerische Entscheidungen, die die Maßnahmen bestimmen, mit denen diese Zwecke erreicht werden sollen, Mittelentscheidungen genannt werden. c) Korrektur des Ergebnisses durch das Dogma von der Freiheit der Unternehmerentscheidung? Bei manchem Leser wird sich ein Vorbehalt gegen die hier vorgeschlagene Auslegung des Begriffs des betrieblichen Erfordernisses eingestellt haben. Wie ohne weiteres ersichtlich ist, führt sie dazu, dass die betrieblich-organisatorische Maßnahme selbst überprüft wird – und zwar auf ihre Erforderlichkeit in Bezug auf einen vom Unternehmer gesetzten Zweck. Da betriebliche Maßnahmen aber auf unternehmerischen Entscheidungen beruhen, verstößt die skizzierte Auslegung des betrieblichen Erfordernisses gegen das herrschende Dogma von der Freiheit der Unternehmerentscheidung. Nach diesem Dogma bedeutet Freiheit der Unternehmerentscheidung, dass sie nicht auf ihre Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit, sondern lediglich auf Missbrauch überprüft werden darf.61 Notwendigkeit der Unternehmerentscheidung bezeichnet in der Terminologie dieser Arbeit deren Erforderlichkeit, Zweckmäßigkeit insbesondere deren Geeignetheit.62 Freiheit der Unternehmerentscheidung heißt also, dass nicht überprüft wird, ob die Entscheidung geeignet und ob sie erforderlich ist, den mit ihr verfolgten Zweck zu erreichen.63 61 BAG 27.9.2001, RdA 2002, 372, 373 f., Leitsatz 4 und I 1 c bb, I 2 b; BAG 26.6.1997, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 86, II 1; KR/Etzel, § 1 KSchG, Rn. 522; APS/Kiel, § 1 KSchG, Rn. 463. – Vgl. dazu im Einzelnen unten Kapitel C.I.1., S. 102 ff. 62 Dazu, dass Zweckmäßigkeit der Unternehmerentscheidung auch so verstanden werden kann, dass die Entscheidung wirtschaftlich sinnvoll sein muss, vgl. unten Kapitel B.V.4., S. 86 f., insbesondere S. 87. 63 So ausdrücklich BAG 24.10.1979, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 8, II 1 a; BAG 17.6.1999, 2 AZR 456/98, NZA 1999, 1157, 1160, III 2 b;

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Gleich am Anfang der Auseinandersetzung mit dem Dogma von der Freiheit der Unternehmerentscheidung ist es unerlässlich, sich vor Augen zu führen, dass es sich bei diesem Grundsatz nicht um ein Prinzip handelt, dass aus sich selbst heraus Geltung beanspruchen kann.64 Vielmehr ist es erforderlich, den Geltungsanspruch dieses Prinzips mit den anerkannten Regeln der juristischen Methodenlehre zu begründen. Gelingt dies nicht oder nicht in vollem Umfang, muss der Grundsatz der Unüberprüfbarkeit der Unternehmerentscheidung insoweit aufgegeben werden. Es ist nicht ersichtlich, wie das Prinzip der Freiheit der Unternehmerentscheidung aus dem Wortlaut von § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG hergeleitet werden könnte. Es kann nur festgestellt werden, dass betrieblich-organisatorische Maßnahmen, deren Durchführung betrieblich erforderlich sein kann, in der Regel auf unternehmerischen Entscheidungen beruhen. Solange die Unüberprüfbarkeit der Unternehmerentscheidung selbst nicht nachvollziehbar begründet ist, folgt daraus aber noch nicht, dass diese Maßnahmen nicht auf ihre Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit überprüft werden können. Auch ist es nicht richtig, aus dem Umstand, dass betrieblichen Umgestaltungen in der Regel unternehmerische Entscheidungen zu Grunde liegen, den Schluss zu ziehen, dass der Begriff der unternehmerischen Entscheidung und nicht der der betrieblichen Umgestaltung der zentrale Begriff bei der Auslegung von § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG und damit auch die unternehmerische Entscheidung selbst als betriebliches Erfordernis anzusehen sei.65 Unmittelbar betrieblich erforderlich ist die betriebliche Umgestaltung, die unternehmerische Entscheidung als solche bleibt, solange sie nicht umgesetzt wird, bloßer Wunsch und kann alleine betrieblichen Erfordernissen nicht gerecht werden. Dagegen kann sich eine betriebliche Veränderung im Ausnahmefall auch ohne unternehmerische Entscheidung vollziehen, etwa wenn die Belegschaft eigenmächtig den Betriebsablauf umgestaltet oder der Betrieb auf Grund eines behördlichen Verbotes eingeschränkt oder stillgelegt wird. Auch aus dem Kontext sowie Sinn und Zweck66 des Kündigungsschutzgesetzes lässt sich die Unüberprüfbarkeit unternehmerischer Entscheidungen nicht entnehmen.

BAG 30.4.1987, AP KschG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 42, III 2 b; Reinecke, ZIAS 2000, 17, 21; Singer/v. Finckenstein, SAE 2000, 279, 283. 64 Ebenso Annuß, S. 97; Preis, Ulrich, Prinzipien, S. 215 f. 65 In diese Richtung gehen aber die Äußerungen bei ErfK/Ascheid, § 1 KSchG, Rn. 371 f. 66 Läge der Zweck des Kündigungsschutzgesetzes überwiegend im Schutz der unternehmerischen Handlungsfreiheit, könnte man daran denken, das Dogma von der Freiheit der Unternehmerentscheidung methodisch in den Rahmen einer teleologischen Reduktion einzuordnen. Das Kündigungsschutzgesetz dient aber dem Schutz der Arbeitnehmerinteressen.

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B. Bedingtheit der Kündigung durch betriebliche Erfordernisse

In der Folge soll untersucht werden, ob die von Literatur und Rechtsprechung angebotenen Begründungen für die Freiheit der Unternehmerentscheidung stichhaltig sind. aa) Verfassungsrechtliche Begründung der Freiheit der Unternehmerentscheidung? Nach der Rechtsprechung und einem Teil der Lehre gewährleisten die Berufsfreiheit des Art. 12 GG und die Eigentumsfreiheit des Art. 14 GG, dass unternehmerische Entscheidungen frei getroffen werden können.67 Es fragt sich, was dieser Verweis auf die Grundrechte des Arbeitgebers methodisch bedeutet. Wenn der objektivierte Wille des Gesetzgebers mit Hilfe der herkömmlichen Auslegungsmethoden68 hinreichend deutlich ermittelt werden kann, darf das Verfassungsrecht in keinem Fall dazu benutzt werden, einen verfassungsrechtlich zulässigen Willen des Gesetzgebers durch eine andere verfassungsrechtlich mögliche Regelung zu ersetzen.69 Das gilt auch, wenn die andere Regelung einen „besseren“ Schutz bzw. Ausgleich betroffener Grundrechte ermöglichen würde. Im Hinblick auf den Grundsatz der Gewaltenteilung muss der Wille des 67 Vgl. BAG 27.9.2001, RdA 2002, 372, 373, I 1 c bb; BAG 17.6.1999, 2 AZR 522/98, NZA 1999, 1095, 1097, II 1 b bb; v. Hoyningen-Huene/Linck, § 1 KSchG, Rn. 371a; Küfner-Schmitt/Schmitt, S. 101; Hromadka/Maschmann, § 10, Rn. 194; Rost, JbAR 39 (2002), 83, 86; Schaub/Linck, § 131, Rn. 31; Walker, ZfA 2004, 501, 509 ff., 514 f.; Schrader/Schubert, NZA-RR 2004, 393, 396; BBDW/Bram, § 1 KSchG, Rn. 260; H/S-Hümmerich/Holthausen, § 10, Rn. 344; Holthausen, S. 11 ff. 68 Mit den herkömmlichen bzw. klassischen Auslegungsmethoden sind die Auslegung aus dem Wortlaut der Norm (grammatische Auslegung), aus ihrem Zusammenhang (systematische Auslegung), aus ihrem Zweck (teleologische Auslegung) und aus den Gesetzesmaterialien und der Entstehungsgeschichte (historische Auslegung) gemeint, vgl. Jarass/Pieroth-Jarass, Einl., Rn. 5. 69 So auch Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 138, wo ausgeführt wird, dass sich die Auslegung wegen der Bindung der Richter an das Gesetz über die erkennbare Regelungsabsicht und die bewusst getroffenen Wertentscheidungen des historischen Gesetzgebers nicht hinwegsetzen darf. Vgl. im selben Werk auf S. 161 f., wo auf den verfassungsrechtlichen Konkretisierungsprimat des Gesetzgebers verwiesen wird, der nur bei Verfassungswidrigkeit der gesetzlichen Regelung durchbrochen werden dürfe. Auch Oetker (S. 44 und RdA, 9, 20) weist darauf hin, dass der Richter auf eine subsidiäre Konkretisierungskompetenz beschränkt sei, die ihn nicht dazu legitimiere, einen vom Gesetzgeber spezialgesetzlich geschaffenen Ausgleich unter Hinweis auf konkurrierende Grundrechtspositionen zu korrigieren. Allerdings ist Oetker (S. 43) der Auffassung, dass § 1 KSchG eine auf die der Kündigung zugrundeliegende unternehmerische Entscheidung bezogene Überprüfungsnotwendigkeit nicht aufstelle. Ebenso betont Christoph J. Müller (S. 101, 272), dass der Richter an eine verfassungskonforme gesetzgeberische Wertung gebunden sei und diese nicht durch eigene Vorstellungen über den Schutzgehalt der Grundrechte ersetzen dürfe. Er habe sich primär an der gesetzgeberischen Wertung zu orientieren und die Grundrechte als äußerste Grenze einer noch zulässigen Auslegung zu begreifen. Ähnlich Polzer, 24, 182 f.

II. Betriebliches Erfordernis

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Gesetzgebers respektiert werden. Er trifft die politischen Grundentscheidungen und hat dabei einen weiten Gestaltungsspielraum.70 Dabei muss er nicht den bestmöglichen Ausgleich zwischen den betroffenen Grundrechten herbeiführen, sondern darf bei der Bewertung der Interessenlage die entgegenstehenden Belange bis zur Grenze der Verfassungswidrigkeit selbständig gewichten und ihre Schutzbedürftigkeit bestimmen.71 Daraus folgt, dass bei der Auslegung zunächst der objektivierte Wille des Gesetzgebers nach den herkömmlichen Auslegungsmethoden ermittelt werden muss.72 Nur wenn insoweit Unklarheiten bestehen oder das gefundene Ergebnis verfassungswidrig ist, können die Grundrechte zur Korrektur herangezogen werden. Es ist methodisch verfehlt, die Auslegung mit grundrechtlichen Überlegungen zu beginnen. Ist nach den herkömmlichen Auslegungsmethoden ein Ergebnis gefunden, kann aber mit Blick auf das Verfassungsrecht eine Korrektur erforderlich sein.73 Zum einen können die Grundrechte im Rahmen einer verfassungskonformen Auslegung Bedeutung erlangen.74 Dies setzt voraus, dass das mit Hilfe der herkömmlichen Auslegungsmethoden gefundene Ergebnis verfassungswidrig ist, dass also das Gesetz, so ausgelegt, nichtig wäre. Ist dann noch eine andere Auslegung methodisch möglich, muss diese gewählt werden, auch wenn dem subjektiven Willen des Gesetzgebers eine andere als die nach der Verfassung zulässige Auslegung des Gesetzes eher entsprochen hätte.75 Bleiben mehrere Auslegungen methodisch und verfassungsrechtlich möglich, muss aber diejenige gewählt werden, die von der Absicht des Gesetzgebers das Maximum dessen aufrechterhält, was nach der Verfassung aufrechterhalten werden kann.76 Zum anderen sind die Wertentscheidungen des Grundgesetzes bei der Auslegung einfachen Rechts zu berücksichtigen (sog. verfassungsorientierte Auslegung).77 Diese Wertentscheidungen sind selbst objektiv-teleologisches Ausle70

Vgl. Dieterich, RdA 1995, 129, 134. Vgl. BVerfG 27.1.1998, E 97, 169, 176, B I 3 a. 72 Vgl. APS/Kiel, § 1 KSchG Rn. 452; auch Hergenröder (ZfA 2002, 355, 382) weist darauf hin, dass es zuvorderst Sache des einfachen Rechts sei, Kündigung und Kündigungsschutz zu regeln. 73 Vgl. Jarass/Pieroth-Jarass, Einl. Rn. 6. 74 Zur verfassungskonformen Auslegung vgl. Schlaich/Korioth, Rn. 442 ff.; Voßkuhle, AöR 125 (2000), 177, 180 ff.; Lüdemann, JuS 2004, 27, insbesondere S. 28 f., unter 2 b der Ausführungen. 75 Vgl. Jarass/Pieroth-Jarass, Art. 20, Rn. 34. 76 Vgl. Larenz/Canaris, S. 161; BVerfG 3.6.1992, E 86, 288, 320, C II 4 a; 25.4. 1972, E 33, 52, 70, C II 1 d. Plastisch kann man daher sagen, dass die verfassungskonforme Auslegung eine Art geltungserhaltende Reduktion des Willens des Gesetzgebers auf das gerade noch verfassungsrechtlich Mögliche ist. 77 Zur verfassungsorientierten Auslegung vgl. Schlaich/Korioth, Rn. 448; Voßkuhle, AöR 125 (2000), 177, 180 ff.; BK/Stern, Art. 93 GG, Rn. 693; Lüdemann, JuS 2004, 27, insbesondere S. 28, 2 a der Ausführungen. 71

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B. Bedingtheit der Kündigung durch betriebliche Erfordernisse

gungskriterium.78 Das bedeutet, dass, wenn nach den herkömmlichen Auslegungsmethoden noch Unklarheit besteht, welche Auslegungsmöglichkeit vorzugswürdig ist, diejenige Auslegung den Vorzug verdient, die mit den Prinzipien der Verfassung am besten übereinstimmt. Im Zweifel ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber eine Regelung gewollt hat, die den betroffenen Grundrechten am besten gerecht wird. Nach dem oben Gesagten könnten die Grundrechte im Rahmen einer verfassungskonformen Auslegung relevant werden.79 Das setzt voraus, dass das mit Hilfe der herkömmlichen Auslegungsmethoden gefundene Ergebnis verfassungswidrig ist, dass also das so ausgelegte Gesetz verfassungswidrig wäre.80 Mit Hilfe dieser Auslegungsmethoden wurde in der vorliegenden Arbeit der Begriff des betrieblichen Erfordernisses in § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG so interpretiert, dass ein solches vorliegt, wenn eine betrieblich-organisatorische Maßnahme erforderlich ist, um einen vom Unternehmer bestimmten Zweck zu erreichen. Betriebliche Umgestaltungen müssen danach – sofern sie Kündigungen nach sich ziehen – auf ihre Erforderlichkeit hin überprüft werden. Fraglich ist, ob der so ausgelegte § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG verfassungswidrig wäre.81 Dann müsste eine Beeinträchtigung des Schutzbereichs eines Grundrechts vorliegen, die nicht durch Grundrechtsschranken gerechtfertigt ist.82 Es muss also zunächst festgestellt werden, ob unternehmerische Entscheidungen, die sich auf betriebliche Umgestaltungen beziehen, in den Schutzbereich von Grundrechten fallen. Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG gewährleistet das Recht des Arbeitgebers, seinen Beruf frei zu wählen und auszuüben. Zur Berufsausübung eines Unternehmers gehört es, dass er den Betrieb nach seinen Vorstellungen gestalten kann.83 Die Entscheidung des Unternehmers zur Umgestaltung des Betriebes fällt also in den Schutzbereich von Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG. Art. 14 GG gewährleistet das Eigentum des Unternehmers bzw. Unternehmens an den gegenständlichen Produktionsmitteln. Geschützt ist insbesondere die Nutzung 78 Vgl. Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 153 ff. und 159 ff. 79 Vgl. APS/Kiel, § 1 KSchG, Rn. 462, der die Rechtsprechung des BAG zur freien Unternehmerentscheidung als eine unausgesprochene, in sehr groben Zügen vorgenommene verfassungskonforme Interpretation des § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG ansieht; ebenso Bitter, DB 2000, 1760, 1762; Kiel/Koch, Die betriebsbedingte Kündigung, Rn. 99. 80 Vgl. Voßkuhle, AöR 2000, 177, 180 f.; Lüdemann, JuS 2004, 27, 28 f., unter II 2 b der Ausführungen. 81 Der folgende Prüfungsaufbau wird durch das Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 12.1.2005 (NZA 2005, 627, 630 ff., Leitsatz 1 und V) bestätigt. In dieser Entscheidung hat der 5. Senat geprüft, ob § 1a AEntG verfassungswidrig ist, weil er gegen die in Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Unternehmerfreiheit verstößt, und dabei ähnlich aufgebaut. 82 Vgl. Jarass/Pieroth-Jarass, Vorb. vor Art. 1, Rn. 16. 83 Vgl. Beuthien, ZfA 1988, 1 f.

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der Eigentumsposition.84 Wenn – was sehr oft der Fall sein wird – bei betrieblichen Umgestaltungen auch Art und Umfang der Nutzung der gegenständlichen Produktionsmittel geändert wird, ist damit an sich auch Art. 14 GG betroffen. Die Anordnung betrieblicher Umgestaltungen fällt ebenfalls in den Schutzbereich des Art. 2 Abs. 1 GG, da dieser auch die unternehmerische Handlungsfreiheit schützt.85 Da der Schutzbereich mehrerer Grundrechte betroffen ist, stellt sich das Problem der Grundrechtskonkurrenz.86 Dabei wird angenommen, dass die Eigentumsgarantie von Art. 12 Abs. 1 GG verdrängt wird, wenn eher die Freiheit der individuellen Erwerbs- und Leistungsfähigkeit als die Innehabung und Verwendung vorhandener Vermögensgüter betroffen ist, was bei der Freiheit in Bezug auf betriebliche Umgestaltungen der Fall sein dürfte. Zudem wird vertreten, dass Art. 12 Abs. 1 gegenüber Art. 2 Abs. 1 GG lex specialis ist.87 Jedoch kann im Einzelfall, wenn die Voraussetzungen einer Beeinträchtigung der Berufsfreiheit nicht vorliegen, etwa wenn der personale Schutzbereich des Deutschen-Grundrechts des Art. 12 Abs. 1 GG bei ausländischen Arbeitgebern nicht eingreift, Art. 2 Abs. 1 GG betroffen sein. Die Frage der Grundrechtskonkurrenz muss in der vorliegenden Arbeit nicht vertieft werden, da alle drei genannte Grundrechte unter Gesetzesvorbehalt stehen. Wird die hier vertretene Auslegung des betrieblichen Erfordernisses der Berufsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG gerecht, würde sie auch nicht an den beiden anderen Grundrechten scheitern.88 Legt man die in dieser Arbeit vertretene Auslegung zu Grunde, greift § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG in die Berufsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG89, jedenfalls 84

Vgl. Jarass/Pieroth-Jarass, Art. 14, Rn. 17. Vgl. Jarass/Pieroth-Jarass, Art. 2, Rn. 4. 86 Vgl. Jarass/Pieroth-Jarass, Vorb. vor Art. 1, Rn. 22. 87 Vgl. zu beidem Jarass/Pieroth-Jarass, Art. 12, Rn. 3. 88 Auch das BVerfG lässt offen, ob bei unternehmerischen Entscheidungen die Berufsfreiheit im Sinne von Art. 12 Abs. 1 GG oder die durch Art 2 Abs. 1 GG geschützte wirtschaftliche Betätigungsfreiheit betroffen ist, vgl. BVerfG 27.1.1998, E 97, 169, 176, B I 3 a. Zudem führt das BVerfG aus, dass die verfassungsrechtliche Beurteilung von Regelungen der Berufsausübung nach Art 12 Abs. 1 GG derjenigen der Inhalts- und Schrankenbestimmung nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG entspricht, vgl. BVerfG 1.3.1979, E 50, 290, 364 f., C III 3 a bb. 89 Problematisch ist lediglich, dass ein Eingriff in Art. 12 Abs. 1 GG voraussetzt, dass die betreffende Regelung Berufsbezug oder zumindest berufsregelnde Tendenz hat (vgl. dazu Jarass/Pieroth-Jarass, Art. 12 GG, Rn. 11 ff.). Die berufsregelnde Tendenz fehlt bei Vorschriften, die an bestimmte Tätigkeiten unabhängig davon anknüpfen, ob sie beruflich ausgeübt werden oder nicht. Das Kündigungsschutzgesetz gilt aber auch für Arbeitgeber, die ihre Funktion nicht im Rahmen eines Berufs ausüben (z. B. die öffentliche Hand als Arbeitgeber, Vereine und Stiftungen ohne Gewinnerzielungsabsicht). Allerdings kann berufsregelnde Tendenz auch Normen zukommen, die nicht allein Berufstätige als Adressaten haben, wenn sie nach Entstehungsgeschichte und Inhalt im Schwerpunkt Tätigkeiten betreffen, die typischerweise beruflich ausge85

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aber in die durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützte wirtschaftliche Betätigungsfreiheit ein, weil dann betriebliche Umgestaltungen – sofern sie Kündigungen bedingen – auf ihre Erforderlichkeit hin überprüft werden.90 Der Unternehmer kann danach den Betrieb nicht mehr beliebig umgestalten, sondern er ist auf erforderliche Umgestaltungen eingeschränkt. Es stellt sich die Frage, ob dieser Eingriff von den Schranken der beiden Grundrechte gedeckt ist. Sowohl die Berufsausübung als auch die wirtschaftliche Betätigungsfreiheit stehen nach den Art. 12 Abs. 1 Satz 2 und Art. 2 Abs. 1 GG91 unter Gesetzesvorbehalt. Als die beiden Grundrechte einschränkendes Gesetz kommt § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG in Betracht. Dabei ist zu beachten, dass ein Gesetz nur dann eine wirksame Schranke eines Grundrechts sein kann, wenn es einen verhältnismäßigen Eingriff in das Grundrecht darstellt (Verhältnismäßigkeit als sog. Schranken-Schranke).92 Fraglich ist also, ob der Eingriff durch § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG, wenn ihm die hier vertretene Auslegung des betrieblichen Erfordernisses zu Grunde gelegt wird, verhältnismäßig ist. Um einen verhältnismäßigen Eingriff in Art. 12 GG darstellen zu können, müsste das Kündigungsschutzgesetz zunächst einen zulässigen Zweck verfolgen. Dabei ist zu beachten, dass es sich bei der Kontrolle betrieblicher Umgestaltungen auf ihre Erforderlichkeit um einen Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit des Arbeitgebers und nicht um einen Eingriff in dessen Berufswahlfreiheit handelt. Nach der sog. Drei-Stufen-Theorie des Bundesverfassungsgerichts kommt bei Eingriffen lediglich in die Berufsausübungsfreiheit jede vernünftige Erwägung des Gemeinwohls als zulässiger Gesetzeszweck in Betracht.93 Zweck übt werden (BVerfG 27.1.1998, E 97, 228, 254, B II 1 b; Jarass/Pieroth-Jarass, Art. 12, Rn. 12). Das kann für das Kündigungsschutzgesetz wohl bejaht werden. Zudem läge, wenn man einen Eingriff in Art. 12 Abs. 1 GG mangels berufsregelnder Tendenz des Kündigungsschutzgesetzes verneinen wollte, ein Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit in ihrer Ausgestaltung als wirtschaftliche Betätigungsfreiheit vor, vgl. BVerfG 5.3.1974, E 37, 1, 17 f., C I 2. 90 Vgl. dazu, dass der Arbeitgeber geltend machen kann, dass das Kündigungsschutzrecht in seine Berufsfreiheit eingreift, wenn er gegen das geltende Kündigungsrecht vorgeht mit dem Ziel, es völlig zu beseitigen oder auch nur – wie hier – seinen Anwendungsbereich einzuschränken, Jarass, FS 50 Jahre Bundesverfassungsgericht, 35, 41ff. 91 Zur verfassungsmäßigen Ordnung im Sinne von Art. 2 Abs. 1 GG gehören alle formell und materiell verfassungsmäßigen Gesetze, vgl. Jarass/Pieroth-Jarass, Art. 2 GG, Rn. 17. 92 Vgl. Jarass/Pieroth-Jarass, Vorb. vor Art. 1, Rn. 44. 93 Vgl. Jarass/Pieroth-Jarass, Art. 12 GG, Rn. 24 f., 35 f. Canaris (Grundrechte und Privatrecht, S. 22 f.) hält es für verfehlt, bei der verfassungsrechtlichen Prüfung von privatrechtlichen Normen, welche die Berufsfreiheit einschränken, im Rahmen der Anwendung von Art. 12 GG auf Aspekte des Gemeinwohls abzuheben, wie man es nach der Stufentheorie gewöhnt ist. Statt des Schutzes eines Gemeinschaftsguts müsse auch der Schutz eines privaten Individualinteresses die Grundrechtseinschränkung legitimieren können, vgl. Canaris, AcP 1984, 201, 215. Ob

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des KSchG ist es, den Arbeitsplatz und die Betriebszugehörigkeit des Arbeitnehmers als Grundlagen seiner wirtschaftlichen und sozialen Existenz vor Kündigungen, die einer hinreichenden Begründung entbehren und deshalb als willkürlich erscheinen, zu schützen.94 Dies ist eine vernünftige Erwägung des Gemeinwohls, insbesondere fördert der genannte Zweck den sozialen Frieden. Zur Sicherung des Arbeitsplatzes des Arbeitnehmers ist eine Überprüfung der Erforderlichkeit arbeitsplatzschädlicher betrieblicher Umgestaltungen auch geeignet und erforderlich. Es könnte aber dennoch ein unverhältnismäßiger Eingriff in die Art. 12 Abs. 1 bzw. Art. 2 Abs. 1 GG vorliegen, wenn in Bezug auf den Zweck des KSchG die Berufsausübungs- bzw. wirtschaftliche Betätigungsfreiheit des Arbeitgebers unangemessen intensiv beeinträchtigt würden (Prüfung der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinn). Bei der Prüfung der Angemessenheit des Eingriffs ist auf der einen Seite das Gewicht des gesetzlichen Zwecks von Bedeutung. Auf der anderen Seite ist zu berücksichtigen, wie stark in das jeweilige Grundrecht eingegriffen wird.95 Was das Gewicht des gesetzlichen Zwecks bzw. der den Eingriff rechtfertigen Gründe betrifft, ist hier zu beachten, dass das Ziel, dem Arbeitnehmer den Arbeitsplatz und die Betriebszugehörigkeit zu sichern, nicht nur irgendeine vernünftige Erwägung des Gemeinwohls ist, sondern selbst Verfassungsrang genießt. Auch der Arbeitnehmer kann sich auf Art. 12 GG berufen. Art. 12 Abs. 1 GG garantiert die freie Wahl des Arbeitsplatzes und schützt den Arbeitnehmer insbesondere vor staatlichen Maßnahmen, die ihn zur Aufgabe eines bestimmten Arbeitsplatzes zwingen.96 Dabei ist allerdings zu beachten, dass § 1 Abs. 2 Satz 1 dieser Ansicht allgemein zu folgen ist, kann offen bleiben, da – wie im Folgenden gezeigt wird – hier sogar eine vernünftige Erwägung des Allgemeinwohls vorliegt. Ferner weist auch Canaris (Grundrechte und Privatrecht, S. 89 f.) darauf hin, dass die Gesetzesvorbehalte und das Übermaßverbot – das ja im Rahmen von Art. 12 GG durch die Drei-Stufen-Theorie konkretisiert wird – bei privatrechtlichen Normen dann relevant würden, wenn der Gesetzgeber einer Partei mehr Schutz gewährt als grundrechtlich geboten ist. Ein solcher Fall könnte hier vorliegen. 94 Vgl. dazu die Erläuterung zum Entwurf des Kündigungsschutzgesetzes, RdA 1951, 63 unter „Allgemeines“. 95 Vgl. Jarass/Pieroth-Jarass, Vorb. vor Art. 1 GG, Rn. 44. 96 Vgl. Jarass/Pieroth-Jarass, Art. 12 GG, Rn. 9; ErfK/Dieterich, Art. 12 GG, Rn. 11; BVerfG 27.1.1998, E 97, 169, 175, B I 1; BVerfG 10.3.1992, E 85, 360, 372 f., C III 1 a. Art. 12 Abs. 1 GG schützt also den Bestand des Arbeitsplatzes. Das übersieht Lindner (RdA 2005, 166, 167 f., unter III 1 der Ausführungen). Lindner möchte offenbar aus dem Umstand, dass Art. 12 Abs. 1 GG weder einen Anspruch gegen den Staat auf Bereitstellung eines Arbeitsplatzes noch einen Anspruch auf Einstellung durch einen privaten Arbeitgeber gibt, schließen, dass er auch keinen Bestandsschutz gewähre. Auch wenn Lindner (a. a. O., dort in Fn. 25) das Bundesverfassungsgericht (BVerfG 27.1.1998, E 97, 169, 175, B I) zitiert, wonach mit Art. 12 Abs. 1 GG keine Bestandsgarantie für den einmal gewählten Arbeitsplatz verbunden sei, folgt daraus nichts anderes. Bestandsschutz ist weniger als eine Bestandsgarantie. Der Bestand wird schon dann geschützt, wenn Eingriffe in ihn erschwert werden.

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KSchG als staatliches Gesetz nicht in die Berufswahlfreiheit des Arbeitnehmers eingreift, weil es diese Position nicht verkürzt, sondern erst ihren gesetzlichen Schutz begründet.97 Auch die Kündigung durch den Arbeitgeber kann nicht zu einem Eingriff in Art. 12 Abs. 1 GG führen, da die Grundrechte nicht unmittelbar zwischen Privaten gelten.98 Auf Seiten des Arbeitnehmers ist also die Abwehrfunktion der Grundrechte nicht betroffen. Über die Abwehrfunktion hinaus können den Grundrechten jedoch auch objektive Wertentscheidungen entnommen werden. Diese objektiven Grundrechtsgehalte sind auch bei der Gesetzgebung und bei der Auslegung der Gesetze durch die Gerichte zu beachten. Wird durch ein Gesetz auf dem Gebiet des Privatrechts auf einer Seite in Grundrechte eingegriffen, ist auf der anderen Seite oft der objektive Gehalt eines Grundrechts von Belang.99 Zum Schutz der Grundrechte der einen Seite – hier des Arbeitnehmers – wird in die Grundrechte der anderen Seite – hier des Arbeitgebers – eingegriffen. Dabei verleiht der bezweckte Schutz von Grundrechten der einen Partei dem gesetzlichen Zweck ein besonderes Gewicht, so dass der Gesetzgeber weit in die Grundrechte der anderen Partei eingreifen kann. Das grundrechtlich verstärkte Gewicht des gesetzlichen Zwecks führt aber nicht dazu, dass dem Gesetzgeber die Tiefe des Eingriffs verfassungsrechtlich genau vorgeschrieben ist. Der Schutz des zu fördernden Grundrechts oder Verfassungsguts ist nämlich nur in einem Kernbereich verfassungsrechtlich vorgegeben.100 Die Förderung eines Grundrechtes kann den Eingriff in ein anderes Grundrecht rechtfertigen, legt aber Art und Umfang des Eingriffs noch nicht fest. Dies führt zu einem weiten Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers.101 Ins97 Vgl. in Bezug auf die Kleinbetriebsklausel BVerfG 27.1.1998, E 97, 169, 175 f., B I 2. 98 Vgl. Canaris, Grundrechte und Privatrecht, S. 34 ff.; Oetker, RdA 2004, 8, 10 f. 99 Vgl. dazu und zum Folgenden Jarass, FS 50 Jahre Bundesverfassungsgericht, S. 35, 41 f.; Canaris, Grundrechte und Privatrecht, S. 20, wo ausdrücklich auf den Kündigungsschutz nach dem KSchG verwiesen wird, und S. 37 ff. 100 Eine Beeinträchtigung der Schutzfunktion liegt erst dann vor, wenn die öffentliche Gewalt Schutzvorkehrungen entweder überhaupt nicht getroffen hat oder die getroffenen Regelungen und Maßnahmen gänzlich ungeeignet oder völlig unzulänglich sind, das gebotene Schutzziel zu erreichen, oder erheblich dahinter zurückbleiben, vgl. BVerfG 10.1.1995, E 92, 26, 46, B II 2 b aa; Jarass/Pieroth-Jarass, Vorb. vor Art. 1, Rn. 52. Das Schutzminimum wird sich mit dem Wesensgehalt nach Art. 19 Abs. 2 GG decken. Vgl. Jarass/Pieroth-Jarass, Art. 19, Rn. 6; v. Münch/Kunig-Krebs, Art. 19, Rn. 23, 26, wo darauf hingewiesen wird, dass Art. 19 Abs. 2 GG auch für den objektiv- und leistungsrechtlichen Gehalt der Grundrechte gelte. 101 Vgl. Jarass/Pieroth-Jarass, Vorb. vor Art. 1, Rn. 52; Canaris, Grundrechte und Privatrecht, S. 20. Jarass (Jarass/Pieroth, Vorb. vor Art. 1, Rn. 49; AöR 1985, 363, 382 ff.) macht deutlich, dass bei der Beschränkung eines Grundrechts durch kollidierendes Verfassungsrecht sich für den Ausgleich ein Spielraum aus dem Umstand ergebe, dass das einzuschränkende Grundrecht bis zur Grenze der Verhältnismäßigkeit beschränkt werden könne, während der Schutz des zu fördernden Grundrechts oder Verfassungsguts

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besondere kann er das zu fördernde Grundrecht durch entsprechende Gesetze in einem Umfange schützen, der über das verfassungsrechtliche Schutzminimum weit hinausgeht.102 Es liegt in der politischen Verantwortung des Gesetzgebers, die entgegenstehenden grundrechtlichen Belange zu gewichten und im Wege sog. praktischer Konkordanz zu einer möglichst weitgehenden Wirkung zu bringen.103 Dem Zweck des Kündigungsschutzgesetzes, dem Arbeitnehmer den Arbeitsplatz und die Betriebszugehörigkeit zu sichern, wird auch durch das Sozialstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1 GG) Verfassungsrang verliehen. Zu den grundlegenden Inhalten dieses Prinzips gehören insbesondere das Recht auf Bestandsschutz des Arbeitsplatzes104 und eine prinzipielle Sicherung gegen Arbeitslosigkeit105. Funktion des Sozialstaatsprinzips ist es insbesondere, dem Gesetzgeber zur Verwirklichung sozialpolitischer Ziele eine Legitimation für Eingriffe in grundrechtlich geschützte Positionen zu verschaffen.106 nur in einem Kernbereich verfassungsrechtlich vorgegeben sei. Dieser Gedanke muss auch für Grundrechte, die einen Gesetzesvorbehalt aufweisen, gelten, vgl. Jarass/Pieroth-Jarass, Vorb. vor Art. 1, Rn. 47. Ebenso Dieterich (Betriebsbedingte Kündigungen im Widerstreit, S. 126), der darauf hinweist, dass das Kündigungsschutzgesetz sich in dem großen Spielraum arbeitsplatzschützender Rechtspolitik bewege und auch anders aussehen könne. Art. 12 GG schütze auf der einen Seite den Arbeitgeber nur gegen übermäßige, also unverhältnismäßige Beschränkungen, auf der anderen Seite Arbeitnehmer nur gegen unverhältnismäßige Vernachlässigungen ihrer Bedürfnisse, also Untermaßverletzungen. 102 Auch Canaris (Grundrechte und Privatrecht, S. 84 f.) weist darauf hin, dass der Gesetzgeber sich grundsätzlich das Ziel setzen dürfe, ein über dem grundrechtlichen Minimum liegendes Schutzniveau zu erreichen und nennt insbesondere das Beispiel von mehr Arbeitnehmerschutz. Man könne sogar davon ausgehen, dass sich die Verwirklichung von Schutzgeboten durch das einfache Recht, die zu dessen ebenso elementaren wie „alltäglichen“ Aufgaben gehörten, sich in der Regel nicht auf die Umsetzung des verfassungsrechtlich erforderlichen Schutzminimums beschränke. Nach alledem kann aus dem Umstand, dass das BVerfG (21.2.1995, E 92, 140, 150, C I 1) offenbar davon ausgeht, dass nach dem derzeitigen Verständnis des Kündigungsschutzgesetzes die aus Art. 12 Abs. 1 GG folgende Schutzpflicht des Gesetzgebers in Bezug auf die Berufswahlfreiheit des Arbeitnehmers bereits ausreichend berücksichtigt sei, nicht geschlossen werden, das zum Schutz des Arbeitnehmers der Gesetzgeber nicht weiter in die Grundrechte des Arbeitgebers eingreifen könnte. Das Bundesverfassungsgericht hat damit nicht über die hier interessierende Frage entschieden, ob eine Auslegung des KSchG, nach der dieses stärker als bei herrschender Auslegung in die Grundrechte des Arbeitgebers eingreift, verfassungsrechtlich möglich ist, sondern lediglich zum Ausdruck gebracht, dass die herrschende Auslegung des KSchG den grundrechtlich gebotenen Mindestschutz nicht verletzt. 103 Vgl. BVerfG 27.1.1998, E 97, 169, 176 f., B I 3 a; BVerfG 18.12.1985, NJW 1986, 1601, Leitsatz 1, wo es heißt, dass es Art. 12 Abs. 1 GG nicht gebiete, Berufsausübungsregelungen so zu gestalten und auszulegen, dass sie die unternehmerische Entscheidungsfreiheit unberührt lassen, sondern Raum dafür lasse, eine Konkordanz der Berufsfreiheit des Unternehmers und der bei ihm beschäftigten Arbeitnehmer herbeizuführen. 104 Vgl. Neuner, S. 253 ff. 105 Degenhart, Rn. 567.

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Es fragt sich, wie intensiv § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG in Art. 12 Abs. 1 GG bzw. Art. 2 Abs. 1 GG eingreift, wenn ihm die in dieser Arbeit erarbeitete Auslegung des betrieblichen Erfordernisses zu Grunde gelegt wird. Wird die Erforderlichkeit von betrieblich-organisatorischen Maßnahmen in Bezug auf einen bestimmten, vom Unternehmer gesetzten Zweck überprüft, betrifft dies nur Unternehmerentscheidungen als Mittelentscheidungen. Wird nämlich nur die Erforderlichkeit und nicht die Angemessenheit107 einer betrieblichen Umgestaltung überprüft, kann der Unternehmer den von ihm ins Auge gefassten Zweck weiter erreichen. Er muss lediglich auf andere geeignete betrieblich-organisatorische Maßnahmen ausweichen, wenn diese die betroffenen Arbeitnehmer weniger belasten. Gibt es keine Alternativmaßnahme als milderes Mittel, darf er den verfolgten Zweck mit der von ihm gewählten Maßnahme verfolgen. Durch die hier vertretene Auslegung des Begriffs des betrieblichen Erfordernisses werden also lediglich Mittelentscheidungen auf ihre Erforderlichkeit hin überprüft, die Zwecksetzungsentscheidungen bleiben unangetastet. Das bedeutet, dass die Intensität des Eingriffs in die unternehmerische Freiheit gering ist. Denn der Kern unternehmerischer Freiheit besteht darin, dass der Unternehmer weitgehend frei ist in der Wahl seiner Ziele und diese auch verwirklichen kann. Die Beschränkung des Kreises der zulässigen Mittel stellt, solange ein taugliches Mittel übrigbleibt, einen vergleichsweise geringen Eingriff in die Unternehmerfreiheit dar und ist auch keine Besonderheit des Arbeitsrechts. Bei der Wahl seiner Mittel muss der Unternehmer unzählige gesetzliche Vorschriften beachten, die seinen Handlungsspielraum einschränken.108 Die Intensität des Eingriffs in die unternehmerische Freiheit ist erst recht gering, wenn auf die Prüfung der Geeignetheit betrieblicher Umgestaltungen abgestellt wird. Es ist kein grundrechtlich geschütztes Interesse des Unternehmers ersichtlich, ungeeignete Maßnahmen durchzuführen. Die Angemessenheit des Eingriffs von § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG in Art. 12 Abs. 1 GG bzw. Art. 2 Abs. 1 GG muss nach alledem bejaht werden.109 Zum 106

Vgl. Degenhart, Rn. 577 f. Vgl. dazu unten B.VI.1., S. 93 ff. 108 Auch Kittner (NZA 1997, 968, 975 und KDZ, § 1 KSchG, Rn. 256c) weist darauf hin, dass außerhalb des Kündigungsschutzgesetzes in vielen Bereichen vom rechtsfreien Primat einer unternehmensorganisatorischen Sphäre nicht mehr viel zu spüren sei und nennt als Beispiele das Gesellschaftsrecht, das öffentliche Recht, insbesondere das umweltbezogene Technikrecht, das die Unternehmen zwinge, Betriebsabläufe an rechtlichen Vorgaben auszurichten, das Wettbewerbsrecht und das Arbeitsschutzgesetz. Ähnlich Stein, AuR 2003, 99; Lakies, NJ 1999, 666. 109 Im Ergebnis ebenso Kühling (AuR 2003, 92, 96), der der Ansicht ist, dass das Kündigungsschutzgesetz eine Überprüfung unternehmerischer Entscheidungen verlange und dass ein solcher gesetzlicher Kündigungsschutz zweifellos eine gerechtfertigte Einschränkung der unter Gesetzesvorbehalt stehenden grundrechtlich geschützten unternehmerischen Freiheit sei. Ähnlich Boeddinghaus (AuR 2001, 2001, 8, 11), der zutreffenderweise auf die Parallele zum sog. Mitbestimmungsurteil des Bundesverfas107

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einen erlaubt der Schutz der Berufswahlfreiheit des Arbeitnehmers einen weitreichenden Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit des Arbeitgebers. Zum anderen wird die Berufsausübungsfreiheit des Arbeitgebers durch die Überprüfung von Mittelentscheidungen auf ihre Erforderlichkeit nur gering beeinträchtigt. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG ist also nicht verfassungswidrig, wenn man den in dieser Arbeit vertretenen Begriff des betrieblichen Erfordernisses zu Grunde legt. Für die Korrektur des gefundenen Ergebnisses im Wege einer verfassungskonformen Auslegung besteht also kein Raum.110 Nach dem oben Gesagten kann das Grundgesetz aber nicht nur im Rahmen einer verfassungskonformen Auslegung Bedeutung erlangen. Vielmehr sind die Wertentscheidungen des Grundgesetzes bei der Auslegung einfachen Rechts zu berücksichtigen. Um den (objektiven) Willen des Gesetzgebers nicht zu unterlaufen, setzt diese sog. verfassungsorientierte Auslegung aber voraus, dass der Wille des Gesetzgebers nach den herkömmlichen Auslegungsmethoden noch nicht zweifelsfrei feststeht und dass, wenn verschiedene Deutungsmöglichkeiten verbleiben, aus dem Grundgesetz entnommen werden kann, dass eine der Auslegungsmöglichkeiten mit der Verfassung besser übereinstimmt als die anderen. An beiden Voraussetzungen der verfassungsorientierten Auslegung fehlt es hier. Zum einen steht nach den herkömmlichen Auslegungsmethoden hinreichend sicher fest, dass nach dem KSchG eine Überprüfung arbeitsplatzschädlicher betrieblicher Umgestaltungen auf ihre Erforderlichkeit gewollt ist.111 Zum anderen ist, selbst wenn man unterstellte, dass dies nicht mit Sicherheit angenommen werden kann, nicht ersichtlich, das es verfassungsfreundlicher wäre, auf eine solche Erforderlichkeitsprüfung zu verzichten. Denn einerseits kann der Arbeitgeber kein besonders starkes grundrechtsrelevantes Interesse daran haben, Umgestaltungen durchzuführen, die nicht geeignet oder nicht erforderlich sind, anderseits hat der Arbeitnehmer ein starkes Interesse daran, dass der Arbeitgeber nicht erforderliche arbeitsplatzschädliche betriebliche Veränderungen unterlässt. Nach dem Grundgesetz wäre also, wenn nach der Auslegung mit Hilfe der herkömmlichen Auslegungsmethoden noch Zweifel verblieben, wohl sogar die in dieser Arbeit vertretene Auslegung vorzugswürdig.

sungsgerichts v. 1.3.1979 hinweist. In diesem Urteil hat das Bundesverfassungsgeicht entschieden (BVerfGE 50, 290, 365, C III 3 a bb), dass die Einschränkung der Berufsfreiheit durch das Mitbestimmungsgesetz durch sachgerechte und vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls gerechtfertigt sei. Boeddinghaus ist der Ansicht, dass, wenn das Mitbestimmungsgesetz in zulässiger Weise in die Freiheit des Eigentums und in die Berufsausübungsfreiheit des Unternehmers eingreife, dies auch für das Kündigungsschutzgesetz in einer Auslegung, die entgegen der h. M. zur Überprüfung von Unternehmerentscheidungen führt, gelten müsse. 110 Im Ergebnis ebenso Annuß, S. 25 ff.; Tenczer, S. 23 ff. 111 Vgl. oben Kapitel B.II.2., S. 24 ff.

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B. Bedingtheit der Kündigung durch betriebliche Erfordernisse

bb) Beurteilungsspielraum des Arbeitgebers? Man könnte auf die Idee kommen, die Unüberprüfbarkeit der Unternehmerentscheidung damit zu rechtfertigen, dass dem Arbeitgeber ein sog. Beurteilungsspielraum in Bezug auf die Geeignetheit und Erforderlichkeit einer beabsichtigten betrieblichen Umgestaltung zukomme.112 So deutet die des öfteren vom Bundesarbeitsgericht verwendete Formulierung, es sei nicht Sache des Arbeitsgerichts, dem Arbeitgeber eine „bessere“ oder „richtigere“ Unternehmenspolitik vorzuschreiben113, darauf hin, dass das BAG dem Unternehmer einen unüberprüfbaren Entscheidungsspielraum zubilligen möchte. Überdies spricht das Bundesarbeitsgericht teilweise nicht von unternehmerischer Freiheit, sondern von unternehmerischem Ermessen.114 Da es jedoch bei der unternehmerischen Freiheit um die Überprüfbarkeit der Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit der betrieblichen Maßnahme und damit um den Tatbestand der betriebsbedingten Kündigung geht, ist die Bezeichnung als Ermessen ungenau. Jedenfalls in der Verwaltungsrechtsdogmatik werden nur Entscheidungsspielräume auf der Rechtsfolgenseite als Ermessen, Entscheidungsspielräume auf der Tatbestandsseite dagegen als Beurteilungsspielräume bezeichnet.115 Käme dem Arbeitgeber ein Beurteilungsspielraum zu, wäre er materiellrechtlich zwar verpflichtet, nur erforderliche arbeitsplatzschädliche Umgestaltungen durchzuführen; ob eine von ihm vorgenommene betriebliche Veränderung aber tatsächlich erforderlich war, könnte dann gerichtlich nur eingeschränkt überprüft werden.116 Dafür muss zunächst geklärt werden, ob Beurteilungsspielräume im Zivilrecht, insbesondere im Arbeitsrecht, überhaupt anerkannt werden können. Wenn diese Frage bejaht wird, muss untersucht werden, ob § 1 Abs. 2 112 Der Begriff „Beurteilungsspielraum“ taucht im Register des Großkommentars zum Kündigungsrecht (zitiert: APS) unter den Stichwörtern Unternehmerentscheidung und Beurteilungsspielraum auf, ohne dann allerdings in den angegebenen Fundstellen ausdrücklich erwähnt zu werden. 113 Vgl. BAG 17.6.1999, 2 AZR 522/98, NZA 1999, 1095, 1097, II 1 b bb. 114 Vgl. BAG 24.4.1997, AP KSchG 1969 § 2 Nr. 42, II 2 der Gründe; BAG 20.2.1986, AP KSchG 1969 § 1 Nr. 11, B II 2 b. 115 Vgl. Kopp/Ramsauer, § 40 VwVfG, Rn. 10. Das hat auch das Bundesarbeitsgericht in seiner Entscheidung vom 18.10.1984 (EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 34, B II 4 a) bei der Frage, ob dem Arbeitgeber bei der Sozialauswahl nach § 1 Abs. 3 KSchG ein Beurteilungsspielraum zusteht, gesehen und klargestellt. Offenbar ist diese Differienzierung zwischen Beurteilungs- und Ermessensspielraum beim Bundesarbeitsgericht kurz darauf wieder in Vergessenheit geraten. 116 Nach Ansicht Feudners (NZA 2000, 1136, 1138) verknüpft das BAG methodisch unbefriedigend materiell-rechtliche und prozessuale Aspekte bei der Differenzierung, welche Unternehmerentscheidungen überprüfbar sind und welche nicht. Es handele sich vorrangig um ein materiellrechtliches Abgrenzungsproblem. Dem wird zuzustimmen sein, wenn gerichtlich – also prozessual – nur eingeschränkt überprüfbare Beurteilungsspielräume des Arbeitgebers abzulehnen sind.

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Satz 1 KSchG dem Arbeitgeber einen Beurteilungsspielraum zubilligt und was dies gegebenenfalls für die gerichtliche Überprüfbarkeit der Erforderlichkeit betrieblicher Veränderungen bedeutet. (1) Beurteilungsspielräume im Zivilrecht? Zur Klärung der Frage, ob Beurteilungsspielräume im Privatrecht anerkannt werden können, lohnt der Blick ins Verwaltungsrecht.117 Dort erkennt die h. M. bei einigen unbestimmten Rechtsbegriffen einen Beurteilungsspielraum an. Allerdings wird mit Blick auf Art. 19 Abs. 4 GG betont, dass grundsätzlich auch unbestimmte Rechtsbegriffe gerichtlich voll überprüfbar sein müssen. Das Vorliegen eines solchen Begriffs allein reiche nicht aus, um einen gerichtlich nicht voll überprüfbaren Beurteilungsspielraum anzunehmen, und zwar auch dann nicht, wenn eine Bestimmung oder die Anwendung eines Rechtsbegriffs eine Gegenüberstellung und Abwägung verschiedener, zum Teil gegenläufiger Gesichtspunkte, Interessen usw. erfordere oder wenn zu einer Frage auch unter den Sachverständigen allgemein sehr unterschiedliche Auffassungen bestünden. Ein Beurteilungsspielraum könne nur angenommen werden, wenn die Behörde durch das jeweilige Gesetz zur abschließenden Beurteilung ermächtigt sei (sog. normative Ermächtigungslehre).118 Darüber hinaus wird teilweise angenommen, dass auch eine solche gesetzliche Ermächtigung zur abschließenden Beurteilung durch die Verwaltungsbehörden allein nicht genüge, da Art. 19 Abs. 4 GG nicht unter Gesetzesvorbehalt stehe. Vielmehr müsse zusätzlich ein Ausnahmefall vorliegen, bei dem eine gerichtliche Überprüfung auf sachlich und auf rechtlich unüberwindbare Grenzen stoße.119 Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kann ein Beurteilungsspielraum nur in folgenden Ausnahmefällen angenommen werden: Bei Prüfungsentscheidungen und prüfungsähnlichen Entscheidungen, bei beamtenrechtlichen Beurteilungen, bei Entscheidungen wertender Art durch weisungsfreie, mit Sachverständigen und/oder Interessenvertretern besetzte Ausschüsse, bei Prognoseentscheidungen und Risikobewertungen vor allem im Bereich des Umwelt- und Wirtschaftsrechts und bei Entscheidungen bezüglich einzelner, dem unbestimmten Rechtsbegriff vorgegebener Faktoren insbesondere verwaltungspolitischer Art.120 Fraglich ist, ob diese Erkenntnisse aus dem Verwaltungsrecht für das Arbeitsrecht nutzbar gemacht werden können. Zunächst könnte man, da Art. 19 Abs. 4 GG nur vor Rechtsverletzungen der öffentlichen Gewalt schützt, auf die Idee 117

So auch Nipperdey, DB 1977, 1093. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 7 Rn. 32 ff.; Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 40, Rn. 72 f.; Kopp/Schenke, VwGO, § 114, Rn. 24 a (vorletzter Absatz) und Rn. 24 b. 119 Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 7, Rn. 62. 120 Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 7, Rn. 37 ff. 118

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B. Bedingtheit der Kündigung durch betriebliche Erfordernisse

kommen, dass Beurteilungsspielräume im Privatrecht unter geringeren Voraussetzungen anerkannt werden können als im Verwaltungsrecht. Diese Überlegung läuft jedoch ins Leere, weil für privatrechtliche Streitigkeiten der aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) abgeleitete allgemeine Justizgewährleistungsanspruch einschlägig ist121, der grundsätzlich ebenfalls eine vollständige gerichtliche Überprüfung unbestimmter Rechtsbegriffe fordert. Damit steht fest, dass der Rechtsschutz im Privatrecht nicht schwächer sein wird als im öffentlichen Recht. Fraglich ist aber, ob er im Privatrecht nicht sogar stärker sein muss, weil nur eingeschränkt überprüfbare Beurteilungsspielräume dort gänzlich abzulehnen sind. Zunächst ist schon nicht einzusehen, warum im Privatrecht der Gesetzgeber auf der einen Seite tatbestandlich formulierte Regeln aufstellen und auf der anderen Seite dem Privatrechtssubjekt, dessen Freiheit er durch ein Tatbestandsmerkmal Grenzen setzt, einen Beurteilungsspielraum einräumen sollte. Dann wäre es einfacher und würde überflüssige Regelungen vermeiden, wenn der Gesetzgeber gänzlich auf eine Regelung verzichtete. Auf die hier interessierende Problematik der betriebsbedingten Kündigung bezogen, ist es nicht einsichtig, warum der Gesetzgeber zunächst als Voraussetzung der betriebsbedingten Kündigung die Erforderlichkeit arbeitsplatzschädlicher betrieblicher Umgestaltungen fordern sollte, um dann diese Voraussetzung durch Einräumen eines Beurteilungsspielraums des Arbeitgebers wieder zu relativieren. Sonst hätte er gleich etwa formulieren können, dass eine betriebsbedingte Kündigung sozial gerechtfertigt sein soll, wenn sie durch einen Arbeitskräfteüberhang im Betrieb bedingt ist. Dann käme es von vornherein nicht darauf an, wie es zu dem Arbeitskräfteüberhang gekommen ist.

Das ist im Verwaltungsrecht anders. Dort haben Gesetze nicht nur die Funktion, dem Bürger gegenüber der Verwaltung subjektive Rechte einzuräumen, vielmehr dienen sie auch als Handlungsanweisungen für die Verwaltung. Durch die Gesetze nimmt der demokratisch legitimierte Gesetzgeber Einfluss auf die Exekutive. Im Verwaltungsrecht richten sich die Gesetze an die vollziehende Gewalt als eine der drei Staatsgewalten. Dort macht es durchaus Sinn, Gesetze zu formulieren, nach denen sich die Verwaltung richten soll und trotzdem nicht zu wollen, dass ihr Handeln in vollem Umfang gerichtlich kontrolliert wird. Zum einen kann man nämlich bei einer Staatsgewalt davon ausgehen, dass sie sich auch ohne gerichtliche Kontrolle an den Gesetzen orientieren wird, zum anderen findet eine Kontrolle nicht nur gerichtlich, sondern auch durch Aufsichtsbehörden statt, die für die Kontrolle gesetzliche Vorschriften benötigen. Im Verwaltungsrecht ist es deswegen, wenn eine volle gerichtliche Überprüfung nicht gewollt ist, nicht immer sinnvoll, auf eine tatbestandliche Regelung zu

121 Vgl. Jarass/Pieroth-Jarass, Art. 19 GG, Rn. 23 und Art. 20 GG, Rn. 89 ff.; Kühling, AuR 2003, 92, 96, unter C II 3 der Ausführungen.

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verzichten, weil damit auch die in ihr enthaltene Handlungsanweisung verloren ginge. Zudem wird im Verwaltungsrecht ungern zu Formulierungen gegriffen, die einen Beurteilungsspielraum ausdrücklich einräumen, wie z. B. „wenn die Behörde der Auffassung ist“ oder „wenn die Behörde feststellt“.122 Dies hat seinen Grund wohl darin, dass dies die Vorschriften verkomplizieren und suggerieren würde, dass der Entscheidung der Behörde eine gewisse Beliebigkeit zukommt, obwohl der Gesetzgeber eigentlich will, dass die Behörde die „eine zutreffende Antwort“123 findet, und lediglich nicht möchte, dass die Entscheidung der Behörde in vollem Umfang gerichtlich kontrolliert wird. Will dagegen der Gesetzgeber im Zivilrecht eine Beurteilung einer Partei überlassen, kann er dies deutlich ausdrücken124 oder auf eine tatbestandliche Bestimmung gänzlich verzichten, weil ein Bedürfnis wie im Verwaltungsrecht, einerseits möglichst präzise, tatbestandlich bestimmte Handlungsanweisungen zu geben, andererseits die Einhaltung dieser Anweisungen im Kern allein der Behörde zu überantworten, nicht besteht. Es gibt noch einen anderen Grund, warum es im Verwaltungsrecht ein Bedürfnis für Beurteilungsspielräume bei unbestimmten Rechtsbegriffen gibt. Unbestimmte Rechtsbegriffe sind insbesondere Begriffe, bei deren Auslegung und Anwendung auf den Einzelfall eine Wertung oder Abwägung erforderlich ist125, so dass oft mehrere Auslegungen vertretbar sind. Durch die Annahme eines Beurteilungsspielraums bei solchen Begriffen wird im Verwaltungsrecht vermieden, dass die vertretbare Auslegung einer staatlichen Stelle (der Behörde) durch eine abweichende vertretbare Entscheidung einer anderen staatlichen Stelle (des Gerichts) ersetzt wird. Ein entsprechendes Bedürfnis tritt im Zivilrecht nicht auf. Zum einen, weil es dort nicht um Entscheidungen staatlicher Stellen geht, und zum anderen, weil dort die Vertretbarkeit der Entscheidung eines Privatsubjekts oft schon zum Begriff des in Rede stehenden Tatbestandmerkmals gehört. Letzteres wird man auch bei dem hier interessierenden Begriff des betrieblichen Erfordernisses annehmen müssen. Ein betriebliches Erfordernis liegt vor, wenn eine betrieblich-organisatorische Maßnahme erforderlich ist, um einen bestimmten Zweck zu erreichen. Bei der Auslegung des Begriffs des betrieblichen Erfordernisses muss aber berücksichtigt werden, dass im Bereich der Unternehmensführung oft schnell gehandelt werden muss und dass über das übliche Maß 122

Vgl. Kopp/Schenke, VwGO, § 114 Rn. 24. Vgl. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 7, Rn. 29 f. 124 Dies ist z. B. in § 315 BGB geschehen. Ein Beispiel aus dem Arbeitsrecht ist § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG. Bei der Gewichtung der Sozialdaten hat der Arbeitgeber einen Wertungsspielraum. Dieser ergibt sich aus der Formulierung des Gesetzes, nach welcher der Arbeitgeber soziale Gesichtspunkte lediglich ausreichend berücksichtigen muss, vgl. ErfK/Ascheid, § 1 KSchG, Rn. 492; APS/Kiel, § 1 KSchG, Rn. 726. 125 Vgl. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 7, Rn. 29. 123

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B. Bedingtheit der Kündigung durch betriebliche Erfordernisse

hinausgehende Analysen betrieblicher Maßnahmen arbeits- und damit kostenintensiv sind. Ein betriebliches Erfordernis kann daher nicht schon dann verneint werden, wenn sich eine betriebliche Maßnahme im Nachhinein nach Auswertung des gesamten theoretisch verfügbaren Wissens als nicht erforderlich darstellt, sondern erst dann, wenn ein vernünftiger Durchschnittsunternehmer die Maßnahme zum Zeitpunkt ihrer Vornahme als nicht erforderlich angesehen hätte.126 Oder positiv ausgedrückt: Ein betriebliches Erfordernis liegt vor, wenn ein vernünftiger Durchschnittsunternehmer zum Zeitpunkt der Durchführung der Maßnahme davon ausgehen durfte, dass sie erforderlich ist, um einen bestimmten Zweck zu erreichen.127 Das wird immer dann der Fall sein, wenn die Entscheidung zur Realisierung der Maßnahme vertretbar war. Die Vertretbarkeit wird aber von den Arbeitsgerichten voll überprüft. Ein solcher objektiv-abstrakter Maßstab für die Beurteilung des Vorliegens eines Tatbestandsmerkmals, der auf den durchschnittlichen vernünftigen Vertreter einer bestimmten für das Merkmal maßgebenden Personengruppe abstellt, ist kein Ausnahmefall, der nur bei der betriebsbedingten Kündigung vorkommt. So hat das Bundesarbeitsgericht anlässlich einer verhaltensbedingten Kündigung den allgemeinen Grundsatz ausgesprochen, dass als zureichender Kündigungsgrund nur ein solcher Umstand anzusehen sei, der einen verständig urteilenden Arbeitgeber zur Kündigung bestimmen kann. Es müsse von einem objektivierten Arbeitgeberinteresse ausgegangen werden.128 Aber auch sonst im Recht wird des öfteren ein objektiv-abstrakter Maßstab zu Grunde gelegt. So wird bei § 276 Abs. 2 BGB die Erforderlichkeit der Sorgfalt danach bestimmt, was nach dem Urteil beson126 Schon das LAG Stuttgart hat in einer Entscheidung v. 19.5.1954 (BB 1954, 806) die gerichtliche Nachprüfbarkeit von Unternehmermaßnahmen bejaht und als Maßstab für die Nachprüfung die Handlungsweise eines sachlich und vernünftig urteilenden Arbeitgebers mit der Begründung vorgeschlagen, dass mehr keinem Arbeitgeber zugemutet werden könne. Was den Beurteilungszeitpunkt betrifft, so hat das Bundesarbeitsgericht jedenfalls für den Fall, dass die betrieblich-organisatorische Maßnahme in einer Änderung von Ort bzw. Zeit der Arbeitsleistung besteht, entschieden, dass für die Beurteilung der Weisung des Arbeitgebers auf den Zeitpunkt der Ausübung des Direktionsrechts und nicht auf die tatsächliche nachträgliche Entwicklung bis zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung abzustellen sei; vgl. BAG 23.9.2004, DB 2005, 559, 560, IV 2 c; BAG 7.12.2000, NZA 2001, 780, 782, IV 2. Wie hier auf den Zeitpunkt der Vornahme der Maßnahme abstellend, Gottschalk, S. 99 f. 127 Erfolgt die Kündigung vor Durchführung der Maßnahme ist Beurteilungszeitpunkt freilich der allgemeine Zeitpunkt für die Beurteilung der Wirksamkeit einer Kündigung, also der Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungserklärung (vgl. dazu unten Kapitel F., S. 148 ff.). Stellt sich erst nach Zugang der Kündigungserklärung heraus, dass die Maßnahme nicht erforderlich ist und wird sie deshalb nicht durchgeführt, ändert das nichts an der Wirksamkeit der Kündigung. Der Arbeitnehmer wird dann aber in der Regel einen Wiedereinstellungsanspruch haben (zum Wiedereinstellungsanspruch s. APS/Kiel, § 1 KSchG, Rn. 799 ff.; APS/Preis, Grundlagen H., Rn. 80; APS/ Dörner, § 1 KSchG, Rn. 74 ff.). 128 BAG 2.11.1961, E 11, 357, 364, II 3; BAG 7.10.1954 E 1, 99, 101 f.

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nener und gewissenhafter Angehöriger des in Betracht kommenden Verkehrskreises zu beachten ist.129 Bei § 242 BGB soll die Wortverbindung „Treu und Glauben“ den in der Gemeinschaft herrschenden sozialethischen Wertvorstellungen Eingang in das Recht verschaffen.130 Auch im Verwaltungsrecht wird z. B. bei der Bestimmung der Unzuverlässigkeit eines Gewerbetreibenden nach § 35 Abs. 1 Satz 1 GewO darauf abgestellt, ob ein vernünftig urteilender und um eine ordnungsgemäße Betriebsführung bemühter Gewerbetreibender in der zu beurteilenden Situation den Gewerbebetrieb nicht fortführen würde.131 Gleichzeitig wird in diesem Fall nach h. M. ein Beurteilungsspielraum der Behörde abgelehnt, weil eine solche Einschränkung der richterlichen Überprüfungsmöglichkeit in verfassungsrechtlich zu beanstandender Weise in das Grundrecht der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) eingreifen würde.132 Teilweise wird im Arbeitsrecht bei der Beurteilung der Erforderlichkeit einer Freistellung von der Arbeit nach § 37 Abs. 2 BetrVG ein Beurteilungsspielraum zugestanden.133 Die Annahme eines Beurteilungsspielraums ist jedoch auch bei dieser Vorschrift nicht notwendig. Vielmehr kann dem Bedürfnis, die Verantwortungsfreude des Betriebsrats durch die finanziellen Risiken einer Fehlbeurteilung nicht allzu sehr zu beschränken134, dadurch Rechnung getragen werden, dass der Prüfungszeitpunkt für die Erforderlichkeit auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Betriebsratsmitglieds bezogen wird.135 Dies ist auch das Fazit, welches das BAG aus dem vermeintlichen Beurteilungsspielraum zieht, nämlich dass sich die gerichtliche Kontrolle darauf beschränken müsse, ob ein vernünftiger Dritter unter den im Zeitpunkt der Beschlussfassung gegebenen Umständen ebenfalls eine derartige Entscheidung getroffen hätte.136 In einer neueren Entscheidung vermeidet das BAG konsequenterweise den Begriff des Beurteilungsspielraums und stellt klar, dass sich die Nachprüfung der Entscheidung

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Vgl. Palandt/Heinrichs, § 276, Rn. 16. Bei § 276 Abs. 2 ist es nicht ausgeschlossen, die Sorgfaltsanforderungen wegen besonderer Kenntnisse und Fähigkeiten des Schuldners zu erhöhen, da die Objektivierung des Sorgfaltsmaßstabs dem Schutz des Verkehrs dient (vgl. Palandt/Heinrichs, § 276, Rn. 15). Entsprechend sollten bei § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG aus Gründen des Arbeitnehmerschutzes die Anforderungen an die Erforderlichkeit arbeitsplatzschädlicher Maßnahmen erhöht werden, wenn der Arbeitgeber über Sonderwissen verfügt. 130 Vgl. Palandt/Heinrichs, § 242, Rn. 3. 131 Vgl. BVerwG 2.2.1982, GewArch 1982, 301. 132 Vgl. Friauf, Kommentar zur Gewerbeordnung, § 35 GewO, Rn. 49. 133 ErfK/Eisemann § 37 BetrVG Rn. 4; MünchArbR/Joost, § 308, Rn. 15; Richardi, § 37 BetrVG, Rn. 25; Fitting, § 37 BetrVG, Rn. 38. 134 Vgl. Richardi, § 37 BetrVG, Rn. 25; Nipperdey, DB 1977, 1093, 1095. 135 Aufschlussreich Richardi (§ 37 BetrVG, Rn. 25), der aus dem Umstand, dass nicht ausschlaggebend ist, ob bei einer nachträglichen Beurteilung die objektive Notwendigkeit der Freistellung von der Arbeit zu verneinen ist, folgert, dass das Betriebsratsmitglied einen Beurteilungsspielraum habe. Bezieht man den Prüfungszeitpunkt auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Betriebsratsmitglieds, fällt das Bedürfnis für die Annahme eines Beurteilungsspielraums weg. 136 BAG 16.3.1988 AP Nr. 63 zu § 37 BetrVG 1972.

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B. Bedingtheit der Kündigung durch betriebliche Erfordernisse

des Betriebsratsmitglieds entgegen der Ansicht der Vorinstanz nicht auf eine Missbrauchskontrolle beschränke.137

Nach alledem ist es nicht sinnvoll anzunehmen, dass es im Privatrecht Tatbestandsmerkmale gesetzlicher Vorschriften gibt, die nicht voll gerichtlich überprüfbar sind.138 Aufschlussreich ist, dass innerhalb der Verwaltungsrechtslehre wie selbstverständlich davon ausgegangen wird, dass für den Bereich der Zivilgerichtsbarkeit niemand auf den Gedanken komme, die Gerichte bei der Auslegung oder Anwendung von Generalklauseln oder unbestimmten Rechtsbegriffen einzuschränken.139 Der Begriff des Beurteilungsspielraums sollte im Zivilrecht, sofern er sich auf ein Privatrechtssubjekt bezieht140, vermieden werden. (2) Beurteilungsspielraum bei der betriebsbedingten Kündigung? Aber selbst wenn man entgegen dem oben erarbeiteten Ergebnis davon ausgehen wollte, dass Beurteilungsspielräume im Privatrecht grundsätzlich möglich sind, wird man einen solchen Spielraum nicht bei jedem Tatbestandsmerkmal, sondern nur bei unbestimmten Rechtsbegriffen, und auch bei diesen – angelehnt an die normative Ermächtigungslehre im Verwaltungsrecht – nur ausnahmsweise annehmen können. Es ist schon fraglich, ob der Begriff des betrieblichen Erfordernisses überhaupt ein unbestimmter Rechtsbegriff ist. Unbestimmte Rechtsbegriffe sind insbesondere Begriffe, bei deren Auslegung und Anwendung auf den Einzelfall eine Wertung oder Abwägung erforderlich ist.141 Versteht man den Begriff des betrieblichen Erfordernisses als die Erforderlichkeit einer betrieblichen Maßnahme in Bezug auf einen bestimmten Zweck, weist er keine über das übliche Maß bei Rechtsbegriffen hinausgehende Unbestimmtheit auf: Entweder ist eine Maßnahme erforderlich oder nicht – d. h. es gibt entweder ein milderes Mittel oder nicht – eine Abwägung oder Wertung ist nicht erforderlich. Das wäre anders, wenn es um die Angemessenheit der betrieblichen Maßnahme ginge. Der Begriff der Angemessenheit erfordert in der Tat eine

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BAG 15.3.1995 NZA 1995, 961, 963. A. A. Annuß (S. 109 f.), der der Ansicht ist, dass sich die verwaltungsrechtliche Figur des Beurteilungsspielraums nicht nur auf den Bereich des Privatrechts übertragen lasse, sondern ihre Anwendung auf diesem Gebiet sogar weniger Schwierigkeiten bereite. Annuß begründet seine Auffassung damit, dass anders als im Verwaltungsrecht die Gewährung eines Beurteilungsspielraums im Privatrecht nicht mit dem Prinzip der Gesetzesbindung der Verwaltung konfligiere, sondern nichts anderes als eine Rückverweisung auf die Individualautonomie der handelnden Subjekte enthalte. Dieses Argument geht jedoch ins Leere, da nicht nur die Verwaltung, sondern auch Privatpersonen an Gesetze gebunden sind, wenn diese sich an sie richten. 139 Vgl. Maurer, Hartmut, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 7, Rn. 58. 140 Der Beurteilungsspielraum der gerichtlichen Tatsacheninstanz gegenüber der Revisionsinstanz wird von obigen Ausführungen freilich nicht berührt. 141 Vgl. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 7, Rn. 29. 138

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komplizierte Bewertung und Abwägung der widerstreitenden Interessen von Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Beim Begriff des betrieblichen Erfordernisses geht es aber lediglich um die Geeignetheit und Erforderlichkeit der Maßnahme. Aber auch wenn man im Begriff des betrieblichen Erfordernisses einen unbestimmten Rechtsbegriff sehen wollte, stünde damit noch nicht fest, dass dem Arbeitgeber ein Beurteilungsspielraum eingeräumt ist. Vielmehr ist dann – parallel zur normativen Ermächtigungslehre im Verwaltungsrecht – zu prüfen, ob der in Rede stehenden Vorschrift im Wege der Auslegung der Wille des Gesetzgebers entnommen werden kann, einem Privatrechtssubjekt einen Beurteilungsspielraum zuzugestehen.142 Dabei wird man im Zweifel allerdings von einer vollen gerichtlichen Überprüfbarkeit ausgehen müssen. Der Annahme eines Beurteilungsspielraums steht zwar zunächst prinzipiell der Einwand entgegen, dass, wenn der Gesetzgeber einen Beurteilungsspielraum des Betroffenen gewollt hätte, es einfacher gewesen wäre, auf eine Einschränkung der Freiheit durch eine entsprechende gesetzliche Regelung gänzlich zu verzichten.143 Über diesen Einwand muss man, wenn man entgegen der in dieser Arbeit vertretenen Auffassung Beurteilungsspielräume im Privatrecht für möglich hält, hinwegsehen, etwa mit dem Hinweis darauf, dass nicht angenommen werden kann, dass der Gesetzgeber bei der Formulierung von Gesetzen stets den einfachsten Weg wählt.

Die hier interessierende Frage, ob der Gesetzgeber dem Arbeitgeber im Rahmen des § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG bei der Beurteilung, ob eine betriebliche Veränderung in Bezug auf einen unternehmerischen Zweck erforderlich ist, einen Beurteilungsspielraum einräumen wollte, muss nach der schon erfolgten Auslegungsarbeit verneint werden. Das Ziel des Gesetzgebers, den Arbeitsplatz und die Betriebszugehörigkeit des Arbeitnehmers vor Kündigungen, die einer hinreichenden Begründung entbehren und deshalb als willkürlich erscheinen, zu schützen, kann nur erreicht werden, wenn durch gerichtliche Kontrolle gewährleistet wird, dass der Arbeitgeber auf arbeitsplatzschädliche, nicht erforderliche Umgestaltungen verzichtet. Dieses Ergebnis wird dadurch bestätigt, dass auch bei den personen- und verhaltensbedingten Kündigungsgründen kein Beurteilungsspielraum des Arbeitgebers angenommen wird, und das, obwohl diese Begriffe sogar unbestimmter sind als der des betrieblichen Erfordernisses. Personen- und verhaltensbedingte Gründe setzten nämlich eine Vertragspflichtverletzung voraus144, die, wenn die in Rede stehende Pflicht nicht ausdrücklich geregelt ist, nur unter Rückgriff auf § 242 BGB bzw. auf den Rechtsgedanken 142 So im Ergebnis Nipperdey, Peter, Grundfragen des Beurteilungsspielraums bei unbestimmten Rechtsbegriffen im Betriebsverfassungsrecht, DB 1977, 1093, 1095. So nimmt das Bundesarbeitsgericht bei der Sozialauswahl einen Bewertungsspielraum an, weil der Arbeitgeber nach § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG soziale Gesichtspunkte nur „ausreichend“ berücksichtigen muss, vgl. BAG 18.10.1984, EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 34, B II 4 a. 143 Siehe dazu schon oben Kapitel B.II.3.c)bb)(1), S. 47 ff., insbesondere S. 48 f. 144 Vgl. unten Kapitel G., S. 154 ff.

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von § 315 Abs. 3 BGB bestimmt werden kann. Beide Vorschriften enthalten mit den Generalklauseln „Treu und Glauben“ und „Billigkeit“ aber ohne Zweifel unbestimmte Rechtsbegriffe. Wollte man dem Arbeitgeber beim Begriff des betrieblichen Erfordernisses einen Beurteilungsspielraum zugestehen, müsste man dies konsequenterweise erst recht bei den personen- und verhaltensbedingten Kündigungsgründen tun.145 Allerdings kann nicht übersehen werden, dass die Beurteilung der Erforderlichkeit betrieblicher Umgestaltungen große Ähnlichkeit mit der Fallgruppe der Prognoseentscheidungen und Risikobewertungen im Bereich des Wirtschaftsrechts hat, die im Verwaltungsrecht als Ausnahme von der grundsätzlich vollen Überprüfbarkeit unbestimmter Rechtsbegriffe anerkannt ist. Viele betriebliche Veränderungen werden z. B. den Zweck haben, die Ertragslage des Unternehmens zu verbessern. Zu diesem Zweck werden oft kostenintensive Umgestaltungen vorgenommen, von denen der Unternehmer hofft, dass sie sich in Zukunft rentieren werden. Ob diese Hoffnung berechtigt ist, hängt von einer Zukunftsprognose ab, die zwangsläufig mit einem Risiko verbunden ist, weil sich z. B. der Absatz- oder Rohstoffmarkt ändern kann. Die Verwaltungsrechtslehre nimmt bei Prognoseentscheidungen, also bei Entscheidungen, bei denen das Gesetz auf Grundlage anerkannter Erfahrungssätze einen Schluss von bestimmten feststellbaren Tatsachen auf den wahrscheinlichen Eintritt eines künftigen Sachverhaltes verlangt, einen Planungsspielraum an.146 Soweit Prognosen erforderlich sind, sei von den Gerichten lediglich nachzuprüfen, ob die Behörde bei ihrer Prognose von zutreffenden Abgrenzungen, Daten, Werten, Zahlen usw. ausgegangen ist, alle erreichbaren Daten berücksichtigt, sich einer wissenschaftlich vertretbaren Methode bedient und ihre Entscheidung in einer der Materie angemessenen und methodisch einwandfreien Weise erarbeitet hat. Erweise sich die Prognose infolge späterer Entwicklungen oder aus anderen Gründen, etwa wegen neuer Erkenntnisse als überholt, unzutreffend oder unrealistisch, so berühre dies ihre ursprüngliche Rechtmäßigkeit nicht. Daran wird deutlich, dass selbst der von der Verwaltungsrechtslehre angenommene Planungsspielraum nicht bedeutet, dass die Entscheidung der Verwaltungsbehörde gar nicht kontrolliert wird. Im Arbeitsrecht lässt sich – wie oben147 bereits näher ausgeführt – ein entsprechendes Ergebnis methodisch befriedigender durch den richtigen Beurteilungszeitpunkt und -maßstab erzielen148: Eine betriebliche Umgestaltung ist 145

Ähnlich schon Diekhoff, AuR 1957, 197, 198. Vgl. Kopp/Schenke, VwGO, § 114, Rn. 37 f. und 37c f.; Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 40, Rn. 77 und Rn. 90. 147 Siehe dazu schon oben Kapitel B.II.3.c)bb)(1), S. 47 ff., insbesondere S. 48 f. 148 Auch das Bundesarbeitsgericht hat in seiner Entscheidung vom 29.8.1979 (E 32, 85, 95) darauf hingewiesen, dass die Ungewissheit einer prognostischen Bewertung als solche nicht ausreiche, dem Arbeitgeber einen der gerichtlichen Kontrolle nicht zugänglichen Ermessensspielraum zu eröffnen. Prognosen enthielten stets ein Wahrscheinlichkeitsurteil, dessen Grundlagen ausgewiesen werden müssten. Sie seien einer 146

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erforderlich, wenn ein vernünftiger Arbeitgeber zum Zeitpunkt ihrer Vornahme davon ausgehen durfte, dass sie geeignet und das mildeste Mittel war, um einen bestimmten unternehmerischen Zweck zu erreichen. Darüber hinaus würde sich die von der h. M. im Arbeitsrecht vertretene Beschränkung der gerichtlichen Überprüfung auf eine bloße Missbrauchskontrolle unternehmerischer Entscheidungen, die sich auf betriebliche Umgestaltungen beziehen, auch durch die – höchst zweifelhafte – Annahme eines Beurteilungsspielraums gar nicht begründen lassen.149 Auch Beurteilungsentscheidungen sind nach der Verwaltungsrechtslehre nicht von jeder gerichtlichen Kontrolle frei, eine bloße Missbrauchskontrolle ist nicht ausreichend. Insbesondere muss die Behörde die Beurteilungsgrundlage sachgerecht ermitteln. Dazu sind sämtliche Gesichtspunkte zu erheben und in die Abwägung einzustellen, die dem Zweck der Beurteilungsermächtigung entsprechen, anderenfalls liegt ein sogenanntes Beurteilungsdefizit vor. Soweit diese Ermittlungen ein besonderes Fachwissen voraussetzen, muss die Behörde Fachleute und gegebenenfalls auch externe Sachverständige heranziehen.150 Die gerichtliche Kontrolle erstreckt sich auch bei Beurteilungsspielräumen darauf, ob eine Überschreitung des Beurteilungsrahmens vorliegt. Eine solche Überschreitung wird in der Verwaltungsrechtsliteratur insbesondere dann angenommen, wenn die Beurteilung unverhältnismäßig war.151 Im Verwaltungsrecht findet also selbst dann, wenn der Behörde Ermessen oder ein Beurteilungsspielraum eingeräumt ist, eine Verhältnismäßigkeitskontrolle – und damit auch eine Kontrolle der Geeignetheit und Erforderlichkeit – statt. Übertrüge man diese Maßstäbe ins Arbeitsrecht, müsste der Arbeitgeber, auch wenn ihm ein Beurteilungsspielraum eingeräumt wäre, zumindest den von ihm verfolgten Zweck angeben und darlegen, dass er alles getan hat, um sich von der Erforderlichkeit der betrieblichen Veränderung in Bezug auf diesen Zweck zu überzeugen. Dass Geeignetheit und Erforderlichkeit der betrieblichen Maßnahme gar nicht gerichtlich überprüft werden, lässt sich mit einem Beurteilungsspielraum des Arbeitgebers nicht begründen.

Beurteilung nicht entzogen. Bei einer solchen Rechtslage müsse der Tatsachenrichter alle ihm vorgetragenen Erkenntnisquellen ausschöpfen und wie eine verständige und verantwortungsbewusste Partei eine sachgerechte und vertretbare Beurteilung sowie die voraussichtlichen Auswirkungen so zuverlässig wie möglich nachvollziehen. Ebenso Preis, Ulrich, Prinzipien des Kündigungsrechts bei Arbeitsverhältnissen, S. 338. 149 Das deutet auch Annuß (S. 111) an, wenn er darauf hinweist, dass die Lehre vom Beurteilungsspielraum nicht als Lehre der Begründungsfreiheit missverstanden werden dürfe. 150 Vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 40, Rn. 86 ff., insbesondere Rn. 89. 151 Vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 40, Rn. 87, wo darauf hingewiesen wird, dass die Überschreitung des Beurteilungsrahmens im Wesentlichen vergleichbar ist mit der Ermessensüberschreitung, und Rn. 65, wo ausgeführt wird, dass eine Ermessensüberschreitung bei einer unverhältnismäßigen Entscheidung vorliegt.

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B. Bedingtheit der Kündigung durch betriebliche Erfordernisse

Die Annahme eines Beurteilungsspielraums des Unternehmers in Bezug auf die Erforderlichkeit betrieblicher Veränderungen im Rahmen von § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG ist nach alledem nicht angängig, zumindest aber überflüssig. Schwierigkeiten bei der Ermittlung der Erforderlichkeit betrieblicher Umgestaltungen und auch eine besondere Sachkunde des Unternehmers können und müssen im Rahmen der auf den Zeitpunkt der Kündigung bezogenen Beweiswürdigung152, insbesondere bei der Bestimmung des Maßstabs für die Beurteilung des Vorliegens des betrieblichen Erfordernisses153 und bei der Verteilung der Beweislast154 berücksichtigt werden. (3) Beurteilungsspielraum des öffentlichen Dienstherrn? Fraglich ist, ob bei der betriebsbedingten Kündigung im öffentlichen Dienst eine andere Beurteilung geboten ist, ob also ein Beurteilungsspielraum des öffentlichen Dienstherrn anzunehmen ist. Schließlich liegt es nahe, auf den öffentlichen Dienstherrn als Teil der Verwaltung verwaltungsrechtliche Rechtsfiguren wie die des Beurteilungsspielraums anzuwenden, auch wenn der Rechtsstreit vor den Arbeitsgerichten ausgetragen wird. Und in der Tat können all die Argumente, die gegen eine Übertragung der Lehre vom Beurteilungsspielraum aus dem Verwaltungsrecht ins Zivilrecht sprechen155, bei der betriebsbedingten Kündigung im öffentlichen Dienst nicht herangezogen werden. Hier könnte es wie im Verwaltungsrecht sinnvoll sein, die Entscheidung einer staatlichen Stelle (der öffentlichen Dienststelle) nicht durch die Entscheidung einer anderen staatlichen Stelle (des Arbeitsgerichts) zu ersetzen. Es ist deshalb nicht verwunderlich, dass der Große Senat des Bundesarbeitsgerichts erstmals bei einer Kündigung im öffentlichen Dienst ausgesprochen 152 Kopp/Schenke (VwGO §114 Rn. 24 b) weist sogar für das Verwaltungsrecht darauf hin, dass, wenn das Recht nicht ausdrücklich oder konkludent einen Beurteilungsspielraum anordne, die Anerkennung eines gerichtsfreien Beurteilungsspielraums überflüssig sei, da die Gerichte die dafür als Grund angegebenen Gesichtspunkte, z. B. besondere Sachkunde eines fachlich qualifizierten Gremiums, die Unwiederholbarkeit von Situationen, das Vorliegen von in der Sache wichtigen, jedoch von Dritten schwer zutreffend berücksichtigbaren Imponderabilien usw., ohnehin im Rahmen der Beweiswürdigung unmittelbar – und nicht, wie die Rechtsprechung dies tue, „schematisch“ – berücksichtigen könnten und müssten. 153 Vgl. oben Kapitel B.II.3.c)bb)(1), S. 47 ff., insbesondere S. 49. Auch das Bundesarbeitsgericht (18.10.1984, EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 34, B II 4 a, hat im Zusammenhang mit der Sozialauswahl darauf hingewiesen, dass gewisse Spielräume des Arbeitgebers daraus folgen können, dass der Bewertungsmaßstab ungenau ist, ohne deshalb gleich einen gerichtsfreien Beurteilungsspielraum anzunehmen. 154 Vgl. zur sog. abgestuften Beweislast unten Kapitel B.II.3.c)cc), S. 59 ff., insbesondere S. 60 f. 155 Vgl. oben Kapitel B.II.3.c)bb)(1), S. 47 ff.

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hat, dass die Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit organisatorischer Maßnahmen, welche Arbeitsposten entbehrlich machen, nicht der richterlichen Nachprüfung unterlägen.156 Eigenartigerweise begründet das Bundesarbeitsgericht diese sehr bedeutsame Aussage nicht. Möglicherweise hat aber die Lehre von den Beurteilungsspielräumen im Verwaltungsrecht das Bundesarbeitsgericht beeinflusst. Aber selbst wenn die Annahme eines Beurteilungsspielraums des öffentlichen Dienstherrn bei der betriebsbedingten Kündigung nicht wie beim privaten Arbeitgeber grundsätzlich ausgeschlossen ist, so steht damit noch nicht fest, dass ein Beurteilungsspielraum speziell bei § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG angenommen werden kann. Vielmehr muss nach der normativen Ermächtigungslehre geprüft werden, ob angenommen werden kann, dass der Gesetzgeber bei der konkreten Vorschrift einen Beurteilungsspielraum einräumen wollte. Insofern gilt das oben157 allgemein zum Beurteilungsspielraum bei der betriebsbedingten Kündigung Gesagte entsprechend. Danach ist die Annahme eines Beurteilungsspielraums auch beim öffentlichen Dienstherrn abzulehnen.158

156

BAG GrS 28.11.1956, AP KSchG § 1 Nr. 20, III 3. Auch Bitter (DB 1999, 1214, 1219, unter VII 1 der Ausführungen) und Feudner (NZA 2000, 1136, 1138 f., unter V 3 der Ausführungen) weisen darauf hin, dass die Ausgangsrechtsprechung des BAG zur sog. freien Unternehmerentscheidung und ihrer nur eingeschränkten Überprüfbarkeit Fallsituationen aus dem öffentlichen Dienst bei haushaltsbedingten Kürzungen der öffentlichen Hand betraf. Ihre naht- und kritiklose Übertragung auf Fälle aus der Privatwirtschaft sei nicht gerechtfertigt. Das Problem der Übertragung stellt sich jedoch nur, wenn die eingeschränkte Überprüfbarkeit im öffentlichen Dienst gerechtfertigt ist. 157 Vgl. oben Kapitel B.II.3.c)bb)(2), S. 52 ff. 158 Vgl. dazu die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 27.7.1961 (E 11, 225, 231, IV), die allerdings nur bedingt aussagekräftig ist, weil sie das Verwaltungsprivatrecht betrifft. Es geht dort um einem Fall, in dem ein Kreistag die Kündigung eines Chefarztes eines Kreiskrankenhauses beschlossen hat. Das Bundesarbeitsgericht hat die Ansicht der Revision, eine richterliche Nachprüfung der Kündigung anhand des Kündigungsschutzgesetzes schränke in unzulässiger Weise den Ermessens- und Beurteilungsspielraum des Kreistages als eines demokratisch gewählten Gremiums ein, als „ganz unzutreffend“ bezeichnet. Die Revision verkenne, dass der beklagte Landkreis sich zur Erfüllung seiner öffentlichen Aufgaben freiwillig auf den Boden des Privatrechts gestellt habe, weswegen er sich wie jeder Bürger behandeln und es sich gefallen lassen müsse, dass seine bürgerlich-rechtlichen Maßnahmen von den Gerichten unbeschränkt auf ihre Rechtmäßigkeit geprüft werden. Ein der richterlichen Prüfung verschlossener Beurteilungsspielraum widerspräche rechtsstaatlichen Grundsätzen, weil dadurch der Arbeitgeber insoweit Richter in eigener Sache wäre und dem Arbeitnehmer in diesem Umfang der Rechtsschutz entzogen würde. Entgegen Feudner (Anmerkung zu BAG 18.11.1999, AP KSchG 1969 § 2 Nr. 55, 3 b) gilt für den öffentlichen Dienstherrn aber auch kein schärferer Prüfungsmaßstab. Feudners Ansicht beruht auf dem Argument, dass sich der Arbeitgeber im öffentlichen Dienst anders als der private Arbeitgeber nicht auf die Freiheitsgarantien des Art. 12 GG berufen könne. Diese Begründung geht jedoch ins Lehre, da eine verfassungsrechtliche Rechtfertigung der Lehre von der Freiheit der Unternehmerentscheidung nicht möglich ist, s. o. Kapitel B.II.3.c)aa), S. 36 ff.

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B. Bedingtheit der Kündigung durch betriebliche Erfordernisse

Zur Klarstellung sei darauf hingewiesen, dass die Ablehnung eines Beurteilungsspielraums auch bei der betriebsbedingten Kündigung im öffentlichen Dienst nicht die Aussage des Großen Senats des Bundesarbeitsgerichts berührt, dass es als ein dringendes betriebliches Erfordernis im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG anzusehen sei, wenn im Haushaltsgesetz bestimmte, genau bezeichnete Stellen gestrichen werden.159 Diese Ausnahme von der sonstigen Prüfung der betriebsbedingten Kündigung beruht darauf, dass das Haushaltsgesetz als – wie es der Große Senat formuliert – „Entscheidung des für die Staatsführung verantwortlichen Parlaments“ aus Gründen der Gewaltenteilung akzeptiert werden muss.160 Dieser Sonderfall kann der im Verwaltungsrecht anerkannten Fallgruppe zugeordnet werden, in der zwar der unbestimmte Rechtsbegriff selbst voll gerichtlich überprüfbar ist, das Vorliegen dieses Tatbestandmerkmals aber von einem Faktor abhängt, der mit einer Beurteilungsermächtigung ausgestattet ist, insbesondere weil er dem Bereich der Verwaltungspolitik zugehört.161 Die Zuordnung zu diesem Sonderfall vermag zu erklären, warum es sachgerecht ist, wenn der Große Senat des Bundesarbeitsgerichts es als ein dringendes betriebliches Erfordernis im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG ansieht, wenn im öffentlichen Dienst durch den Haushaltsplan bestimmte, nach sachlichen Merkmalen bezeichnete Stellen für Dienststellen oder für Betriebe gestrichen werden, wohingegen das für allgemeine Anordnungen von Stelleneinsparungen, die davon absehen, genau bestimmte, nach sachlichen Merkmalen bezeichnete Stellen als wegfallend zu bezeichnen, nicht gelten soll162: Da der Begriff des dringenden betrieblichen Erfordernisses gerichtlich voll überprüfbar ist und lediglich der politische Faktor des Haushaltsgesetzes mit einer Beurteilungsermächtigung ausgestattet ist, kann die Beschränkung der gerichtlichen Prüfungsbefugnis nur soweit gehen, wie der konkrete Regelungsgehalt des Haushaltsgesetzes reicht.163

159 160

BAG GrS 28.11.1956, AP KSchG § 1 Nr. 20, Leitsatz 1 und III 1. So auch APS/Kiel, § 1 KSchG, Rn. 533; Frabotta/Korinth, AuA 2000, 415,

416. 161 Vgl. BVerwG 25.1.1967, E 25, 65, 75 ff.; BVerwG 9.2.1972, E 39, 291, 299; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 7, Rn. 42. 162 Vgl. BAG GrS 28.11.1956, AP KSchG § 1 Nr. 20 (Leitsatz 1 und 2). 163 Auch das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG 25.1.1967, E 26, 65, 77) betont, dass es im Einzelfall prozessentscheidend sein könne, ob ein Gericht sich hinsichtlich der Beurteilung eines Tatbestandsmerkmals von einer vollen Nachprüfung für ausgeschlossen betrachtet oder ob es das Vorliegen dieses Merkmals selbst voll nachvollzieht und lediglich hinsichtlich eines einzelnen der dabei in Betracht kommenden Faktoren eine von ihm nur beschränkt kontrollierte verwaltungspolitische oder wertende Entscheidung der Behörde zu Grunde legt.

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cc) Unzumutbares Schadensrisiko wegen Überforderung der Gerichte? Abhängigkeit des Risikos von der gesetzlichen Beweislastverteilung Die Unüberprüfbarkeit von Unternehmerentscheidungen wird auch damit begründet, dass eine Kontrolle von Unternehmerentscheidungen die Gerichte überfordern164 und damit zu einer Quelle von Fehlentscheidungen führen würde. Teilweise wird darauf hingewiesen, dass das Land die Schäden, die aus Fehlentscheidungen entstehen, dem Arbeitgeber in Amtshaftung ersetzen müsste.165 Ein solches Risiko einer ausufernden Amtshaftung durch gerichtliche Fehlentscheidungen besteht jedoch nicht. Auch für die Staatshaftung aus Art. 34 Satz 1 GG besteht das Urteilsprivileg des § 839 Abs. 2 Satz 1 BGB, wonach der Richter für Amtspflichtverletzungen bei dem Urteil in einer Rechtssache nur verantwortlich ist, wenn die Pflichtverletzung in einer Straftat besteht.166 Eine Straftat wird bei Fehlentscheidungen in der Regel aber nicht vorliegen; insbesondere setzt eine Rechtsbeugung nach § 339 StGB Vorsatz voraus. Häufige Fehlentscheidungen infolge einer Überforderung der Gerichte und daraus entstehende Schäden für den Arbeitgeber würden aber möglicherweise zu einer unzumutbaren Belastung der Unternehmen führen, auch deshalb, weil diese – wie oben dargelegt – kaum Aussicht auf Erfolg hätten, sich im Wege von Amtshaftungsklagen schadlos zu halten.167 Rechtsmethodisch ist es allerdings auch im Hinblick auf die Gewaltenteilung sehr zweifelhaft, ob die Rechtsprechung, wenn eine Überprüfung unternehmerischer Entscheidungen durch den Gesetzgeber gewollt ist, sich mit dem Hinweis auf ihre Überlastung und drohende Schäden ihrer von der Legislativen zugewiesenen Aufgabe entziehen kann. Zunächst soll aber geklärt werden, ob die Arbeitsgerichte durch eine Überprüfung der Erforderlichkeit betrieblicher Umgestaltungen tatsächlich überfordert sind und ob eine über das übliche Maß bei gerichtlichen Entscheidungen hinausgehende Häufung von Fehlentscheidungen zu erwarten ist. Dabei sollte man sich vorab Klarheit darüber verschaffen, was man unter einer Fehlentscheidung verstehen will. Darunter kann eine Entscheidung verstanden werden, die zu einem unrichtigen Ergebnis kommt, man kann darunter aber auch eine Entscheidung verstehen, bei der das Gericht einen Fehler ge164 BAG 9.5.1996, NZA 1996, 1145, 1150, B I 2 c bb; BAG 24.10.1979 AP Nr. 8 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung, II 1 b. 165 Gamillscheg, Franz, Arbeitsrecht I, S. 626 f. 166 Vgl. Palandt/Sprau, § 839 BGB, Rn. 12, 63 ff. 167 Vgl. APS/Kiel, § 1 KSchG, Rn. 563; in diesem Sinne muss wohl der Hinweis des BAG (17.6.1999, 2 AZR 522/98, NZA 1999, 1095, 1096) verstanden werden, dass es nicht Sache des Arbeitsgerichts sei, dem Arbeitgeber eine „bessere“ oder „richtigere“ Unternehmenspolitik vorzuschreiben und damit in die Kostenkalkulation des Arbeitgebers einzugreifen, insbesondere weil dafür das Arbeitsgericht auch nicht die Haftung übernehme.

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macht hat. Erstere Entscheidungen sollen in der Folge unrichtige Entscheidungen, letztere fehlerhafte Entscheidungen genannt werden. Unrichtige Entscheidungen können auch ohne Fehler des Gerichts zustande kommen. Das Gericht muss sich nach dem Verhandlungsgrundsatz auf die Prüfung der von den Parteien unterbreiteten Tatsachen bzw. der von ihnen vorgebrachten Angriffs- und Verteidigungsmittel beschränken. Ist dieses Parteivorbringen lücken- oder fehlerhaft, kann es zu einer unrichtigen Entscheidung kommen, ohne dass das Gericht einen Fehler gemacht hat. Zudem muss das Gericht über streitiges erhebliches Parteivorbringen, wenn es nicht gelingt, den Sachverhalt restlos aufzuklären, nach den Regeln der Beweislast entscheiden. Dabei kann es vorkommen, dass eine fehlerfrei nach Beweislastregeln getroffene Entscheidung mit der Wirklichkeit nicht übereinstimmt, also zu einer unrichtigen Entscheidung führt. Das Risiko von unrichtigen Entscheidungen und damit verbundenen Schäden zu Lasten einer Partei hängt wesentlich von der gesetzlichen Beweislastverteilung ab. Trägt die andere Partei die Beweislast, wird es nur selten vorkommen, dass sie das Gericht von einer in Wirklichkeit nicht vorliegenden ihr günstigen Tatsache zum Schaden der nicht beweisbelasteten Partei überzeugen kann. Für die hier interessierende Frage, ob den Unternehmen unzumutbare Schäden drohen, wenn die Erforderlichkeit betrieblicher Umgestaltungen gerichtlich überprüft wird, ist also entscheidend, wer für den Nachweis der Erforderlichkeit die Beweislast trägt. Nach § 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG trägt der Arbeitgeber die Beweislast für die Tatsachen, die die Kündigung bedingen. Der Arbeitgeber muss also auch das Vorliegen eines betrieblichen Erfordernisses und damit beweisen, dass eine arbeitsplatzschädliche betriebliche Umgestaltung erforderlich ist, um einen von ihm verfolgten Zweck zu erreichen. Was die Geeignetheit der betrieblichen Umgestaltung angeht, ist nicht ersichtlich, dass der entsprechende Beweis für den Arbeitgeber unzumutbar schwer zu erbringen ist. Will der Arbeitgeber etwa eine Rationalisierungsmaßnahme zum Zweck der Kostenersparnis durchführen, muss er diesen Zweck angeben und im Rahmen einer betriebswirtschaftlichen Rechnung die Kosten der Maßnahme den zu erwartenden Einsparungen gegenüberstellen. Eine solche Berechnung ist für den Arbeitgeber keine unzumutbare Belastung, vielmehr wird er sie in der Regel schon im eigenen Interesse durchführen müssen bzw. längst durchgeführt haben. Was die Erforderlichkeit der Maßnahme, also das Nichtvorliegen milderer Mittel, betrifft, wäre es allerdings in der Tat für den Arbeitgeber kaum möglich, alle in Betracht kommenden milderen Mittel aufzulisten und zu begründen, warum sie ausscheiden. Hier kann und muss dem Arbeitgeber geholfen werden, indem die Beweislast nach § 138 Abs. 2 ZPO abgestuft wird. Dabei ist zu berücksichtigen, dass es beim Beweis der Erforderlichkeit der Sache nach um den Beweis des Nichtvorliegens von Tatsachen geht. Der Arbeitgeber muss beweisen, dass es keine milderen Alternativmaßnahmen gibt, die den von ihm verfolgten Zweck ebenso erreichen. Zwar ändert die Schwierigkeit eines sol-

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chen sog. Negativbeweises grundsätzlich nicht die Verteilung der Beweislast. Der Beweis darf aber in einer durch die Beweisschwierigkeit bedingten Weise geführt werden. Im Rahmen des Zumutbaren kann vom Prozessgegner das substantiierte Bestreiten der negativen Tatsache unter Darlegung der für das Positivum sprechenden Tatsachen und Umstände verlangt werden.168 Der Arbeitnehmer müsste also eine andere Maßnahme benennen, die er sich als ebenso geeignet vorstellt. Erst dann wäre es Sache des Arbeitgebers, darzulegen und zu beweisen, warum diese Maßnahme als milderes Mittel ausscheidet.169 Werden diese Maßstäbe zu Grunde gelegt, ist nicht ersichtlich, dass es für den Arbeitgeber unzumutbar schwierig ist, die Erforderlichkeit betrieblicher Umgestaltungen zu beweisen. Insbesondere gehen Prognoseschwierigkeiten nicht zu Lasten des Arbeitgebers, weil lediglich gefragt wird, wie ein vernünftiger Arbeitgeber zum Zeitpunkt der Kündigung die Erforderlichkeit der betrieblichen Veränderung beurteilt hätte.170 Daraus folgt, dass kein unzumutbar hohes Risiko unrichtiger Entscheidungen zu Lasten des Arbeitgebers besteht, wenn die Erforderlichkeit betrieblich-organisatorischer Maßnahmen gerichtlich überprüft wird. Wer die gesetzliche Beweislastverteilung dennoch als unzumutbar belastend für den Arbeitgeber empfindet, muss sich politisch de lege ferenda für eine Änderung derselben engagieren. Die Gerichte sollten aus Gründen der Gewaltenteilung den Willen des Gesetzgebers akzeptieren. Jedenfalls ist es zu weitgehend, wenn man mit der h. M. dem Arbeitnehmer den Beweis fehlender Erforderlichkeit betrieblicher Veränderungen gänzlich abschneidet. Dann wäre es schon sachgerechter – mit welcher Begründung auch immer – dem Arbeitnehmer entgegen § 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG die volle Beweislast für das Nichtvorliegen der Erforderlichkeit aufzuerlegen. Geht man von der oben dargelegten Verteilung der Beweislast aus, ist nicht erkennbar, wie es zu einer Überforderung der Gerichte und damit zu einer über das übliche Maß hinausgehenden Anzahl von fehlerhaften Entscheidungen, kommen sollte.171 Auch sonst entscheiden Richter über hochkomplexe Sachver168

Zöller/Greger, Vor § 284 ZPO, Rn. 24. Die Anforderungen an die Darlegungs- und Beweislast sind also vergleichbar mit denen bei dem vom Arbeitgeber zu führenden Beweis, dass es keine andere mögliche und zumutbare Beschäftigung für den Arbeitnehmer gibt, vgl. dazu ErfK/Ascheid, § 1 KSchG Rn. 428; APS/Kiel § 1 KSchG Rn. 648; Stahlhacke/Preis, Rn. 929, der darauf hinweist, dass es sich bei der sogenannten Abstufung der Darlegungs- und Beweislast, die das Bundesarbeitsgericht bei der anderweitigen Beschäftigungsmöglichkeit und der Sozialauswahl vornimmt, um nichts anderes als um eine Anwendung des § 138 ZPO handelt; ebenso Ascheid, Beweislastfragen, S. 214. 170 Vgl. oben Kapitel B.II.3.c)bb)(1), S. 47 ff., insbesondere S. 49 f. 171 In der Literatur (Reinecke, ZIAS, 2000, 17, 27 f.; Stein, BB 2000, 457, 458 f.; Colneric, Betriebsbedingte Kündigungen im Widerstreit, 11 ff.) wird darauf verwiesen, dass in Frankreich eine weitreichende Kontrolle unternehmerischer Entscheidungen stattfinde; dort werde auch der Anlass, bzw. das Motiv für arbeitsplatzschädliche unternehmerische Maßnahmen überprüft. Die Erfahrungen in Frankreich zeigten, dass 169

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halte. Man denke z. B. an das Arzthaftungsrecht. Auch dort gibt es keine „freie Arztentscheidung“, vielmehr wird z. B. voll gerichtlich überprüft, ob eine komplizierte Operation notwendig und zweckmäßig war. Im Bereich des Verwaltungsrechts kontrollieren die Gerichte die unternehmerische Entscheidung zum Bau einer bestimmten Anlage darauf, ob Sicherheits- oder Umweltstandards eingehalten wurden, auch wenn dies teurer ist und damit die Kostenkalkulation eines Unternehmens betrifft. Fehlt dem Gericht die Sachkunde, holt es entsprechende Gutachten ein.172 Praktische Schwierigkeiten beim Hinzuziehen von Sachverständigen sind kein Grund, den Rechtsschutz einzuschränken.173 Überzeugen die Gutachten das Gericht nicht, verliert die beweisbelastete Partei den Prozess. Hat eine Partei – hier der Arbeitgeber – besondere Sachkunde, kann dies bei der Beweiswürdigung berücksichtigt werden. Die Frage der Erforderlichkeit einer betrieblichen Veränderung in Bezug auf einen bestimmten Zweck erscheint im Vergleich zu den sonstigen Fragen, die vor Gericht geklärt werden, eher einfach. Der Zweck einer betrieblichen Umgestaltung wird häufig in einer Ertragssteigerung oder in einer Qualitätsverbesserung liegen. Ob dies durch die betriebliche Veränderung zu erwarten ist, wird sich relativ einfach, notfalls durch Gutachten, häufig aber auch durch Verweis auf schon durchgeführte ähnliche Maßnahmen, klären lassen. Selbst wenn man eine starke Belastung der Gerichte annehmen würde, ist es methodisch kaum begründbar, daraus die Konsequenz zu ziehen, auf die Überprüfung der Erforderlichkeit zu verzichten. Was die Gerichte zu überprüfen haben, entscheidet der Gesetzgeber. Zwar wird im Verwaltungsrecht teilweise der Umstand, dass die gerichtliche Kontrolle an ihre Funktionsgrenzen stößt, als Ausnahmefall für die Annahme eines Beurteilungsspielraums angesehen.174 Aber abgesehen davon, dass gewichtige Gründe gegen die Annahme von Beurteilungsspielräumen im Privatrecht sprechen175, kann keine Rede davon sein, dass die Arbeitsgerichte durch die Überprüfung der Erforderlichkeit betrieblicher Umgestaltungen an ihre Funktionsgrenzen stoßen würden. dd) Wirtschaftsrisiko des Arbeitgebers? Teilweise wird die Freiheit von Unternehmerentscheidungen damit begründet, dass der Unternehmer das Wirtschaftsrisiko einschließlich des Insolvenzrisikos die Gerichte mit einer sachangemessenen Überprüfung betriebsbedingter Kündigungen keineswegs überfordert seien, vgl. Kühling, AuR 2003, 92. 93. 172 Darauf weisen schon Diekhoff, AuR 1957, 197, 198 und Molitor, BB 1953, 34, 35, hin. 173 Vgl. BVerfG 17.4.1991, E 84, 34, 55; Kühling AuR 2003, 92, 96. 174 Vgl. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht § 7 Rn. 36; Kopp/Schenke VwGO § 114 Rn. 24. 175 Vgl. dazu oben Kapitel B.II.3.c)bb)(1), S. 47 ff.

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trage.176 Aus diesem Umstand soll offenbar das Recht des Unternehmers folgen, auch ungeeignete Maßnahmen oder nicht erforderliche betriebliche Veränderungen durchzuführen. Dazu ist jedoch zu sagen, dass aus der Tatsache, dass jemand das wirtschaftliche Risiko einer Handlung trägt, nicht automatisch das Recht folgt, diese Handlung auch durchzuführen. Trägt jemand etwa das finanzielle Risiko einer neuen chemischen Produktionsmethode, folgt daraus nicht automatisch das Recht, die Umwelt, das Leben und die Gesundheit der Bevölkerung zu gefährden. Inwieweit ein Unternehmer durch seine Handlungen die Interessen der Allgemeinheit und Einzelner beeinträchtigen darf, entscheidet der Gesetzgeber in einem politischen Prozess. Im Ergebnis wird er dabei die Interessen des Unternehmers und die entgegenstehenden Allgemein- bzw. Individualinteressen zu einem Ausgleich bringen. Für den Bereich des Kündigungsschutzes hat der Gesetzgeber im KSchG einen Ausgleich zwischen den Interessen des Arbeitgebers und den Interessen des Arbeitnehmers vorgenommen. Diese Entscheidung darf durch den Richter ebenso wenig mit dem pauschalen Hinweis auf das Wirtschaftsrisiko des Arbeitgebers wie etwa mit dem Hinweis auf die existentielle Angewiesenheit des Arbeitnehmers auf seinen Arbeitsplatz wieder aufgehoben werden.177 ee) Vermutung sinnvoller Entscheidungen? Bitter178 meint, dass sich die Einschränkung der Überprüfung einer innerbetrieblichen Unternehmerentscheidung in einem ersten Zugriff mit dem allgemeinen Erfahrungssatz begründen lasse, dass sich normalerweise niemand ohne Not selbst schädigt. Im Regelfall werde ein nicht offensichtlich unvernünftiger Arbeitgeber nur diejenigen innerbetrieblichen Maßnahmen treffen, die zur Erhaltung und Gesundung des Unternehmens – und damit letztlich auch zur Erhaltung verbleibender Arbeitsplätze – notwendig seien. Diese Vermutung ist jedoch, was die Erforderlichkeit betrieblicher Veränderungen betrifft, nicht haltbar.179 Zwar wird ein Unternehmer, wenn er einen bestimmten Zweck verfolgt, im eigenen Interesse versuchen, eine Maßnahme zu ergreifen, die geeignet ist, den angestrebten Zweck zu erreichen. Wenn aber mehrere, annähernd gleich geeignete Maßnahmen zur Verfügung stehen, von denen einige mehr Arbeitsplätze vernichten als andere, ist nicht ersichtlich, warum eine Vermutung dafür bestehen sollte, dass der Arbeitgeber diejenige 176 Vgl. BAG 21.6.1995, AP KSchG 1969 § 15 Nr. 36, B II 2 a bb; APS/Kiel, § 1 KSchG, 1. Aufl., Rn. 466; Wettzel, S. 81 ff., 224. 177 Ebenso Kühling, AuR 2003, 92, 96. 178 Bitter, DB 1999, 1214, 1216. 179 Auch Stein (Anm. zu ArbG Magdeburg 22.5.2002, ArbuR 2002, 472, 473) ist der Ansicht, dass die Vermutung, dass die unternehmerische Entscheidung auf sachlichen Gründen beruhe, empirisch nicht nahe liegend sei.

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Maßnahme ergreift, die möglichst viele Arbeitsplätze erhält – zumal wenn ihm bekannt ist, dass die Erforderlichkeit der betrieblichen Umgestaltung ohnehin nicht gerichtlich überprüft wird. Der Arbeitgeber schädigt sich gerade nicht selbst, wenn er eine geeignete, lediglich die Arbeitnehmerseite mehr als erforderlich belastende Maßnahme durchführt. Abgesehen davon könnte eine bloße Vermutung nicht rechtfertigen, dass die Geeignetheit und Erforderlichkeit betrieblicher Umgestaltungen gar nicht überprüft wird; sie könnte sich allenfalls bei der Verteilung der Darlegungs- und Beweislast zu Gunsten des Arbeitgebers auswirken. Auch das Bundesarbeitsgericht180 verwendet die Vermutung, dass die durchgeführte Betriebsänderung aus sachlichen Gründen erfolgt ist, nicht, um zu begründen, dass die innerbetriebliche Maßnahme nicht auf ihre Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit zu überprüfen ist. Dies begründet – wie oben181 schon behandelt – das Bundesarbeitsgericht mit der Überforderung der Gerichte und mit dem Hinweis auf die Grundrechte des Arbeitgebers. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts findet aber, obwohl es unternehmerische Entscheidungen nicht auf ihre Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit überprüft, eine Missbrauchskontrolle statt, bei der der Arbeitnehmer die Beweislast tragen soll. Nur zur Begründung, dass der Arbeitnehmer für den Missbrauch, also für den Umstand, dass die unternehmerische Entscheidung offenbar unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist, die Beweislast tragen soll, wird vom Bundesarbeitsgericht die Vermutung, dass die betriebliche Umgestaltung aus sachlichen Gründen erfolgt sei, herangezogen. Dass Bitter diese Vermutung auch auf die Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit unternehmerischer Maßnahmen bezieht, liegt daran, dass er fälschlicherweise davon ausgeht, das Bundesarbeitsgericht prüfe innerhalb der Missbrauchskontrolle auch die Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit.182 ff) Wertungswiderspruch zu den §§ 111, 112, 112a BetrVG? Teilweise wird die nur eingeschränkte gerichtliche Überprüfbarkeit von Unternehmerentscheidungen mit der Ausgestaltung der Beteiligungsrechte des Betriebsrats bei Betriebsänderungen nach den §§ 111, 112, 112a BetrVG begründet. Aus dem Umstand, dass nach diesen Vorschriften der unternehmerische Willensbildungsprozess keinem erzwingbaren Mitbestimmungsrecht unterliegt, weil ein sich auf die Durchführung der unternehmerischen Entscheidung beziehender Interessenausgleich nur auf freiwilliger Basis erzielt werden kann, wird

180 181 182

Vgl. BAG 24.10.1979, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 8. Vgl. oben Kapitel B.II.3.c)aa), S. 36 ff. und Kapitel B.II.3.c)cc), S. 59 ff. Vgl. dazu im Einzelnen unten Kapitel C.I.1., S. 102 ff.

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eine allgemeine Wertung entnommen, der eine uneingeschränkte justizielle Kontrolle unternehmerischer Entscheidungen widersprechen würde.183 Diese Argumentation kann nicht überzeugen.184 Zwar ist das Prinzip der Gleichbehandlung des gemäß den allgemeinen Wertungen der Rechtsordnung Gleichartigen in der Tat ein objektiv-teleologisches Auslegungskriterium von großem Gewicht.185 Im Rahmen einer teleologischen Reduktion könnte dieses Kriterium dazu führen, die vom Wortlaut des § 1 Abs. 2 Satz 1 geforderte Überprüfung der Erforderlichkeit betrieblicher Umgestaltungen fallen zu lassen. Das Prinzip der Gleichbehandlung fordert aber nur die Gleichbehandlung von Gleichartigem. In Bezug auf das in Rede stehende Problem bedeutet das, dass der Regelungsgegenstand des KSchG und der des BetrVG gleichartig sein müssten. Das ist jedoch nicht der Fall. Es handelt sich um zwei unterschiedliche Rechtsgebiete, die verschiedenartige Zwecke verfolgen. Es ist kein Grund ersichtlich, wieso der Kündigungsschutz nicht weiter gehen dürfen sollte als die betriebliche Mitbestimmung. Es ist ohne weiteres eine Rechtsordnung denkbar, in der es gar keine betriebliche Mitbestimmung, dennoch aber einen weitreichenden Kündigungsschutz gibt. Auch sonst kann aus dem Umstand, dass in einer bestimmten Frage keine über bloße Informations- und Anhörungs- bzw. Beratungsrechte hinausgehende betriebliche Mitbestimmung besteht, nicht geschlossen werden, dass keine gerichtliche Kontrolle stattfinden soll. So hat z. B. der Betriebsrat nach § 102 Abs. 3 BetrVG kein Widerspruchsrecht, wenn er geltend machen will, die Kündigung sei sittenwidrig. Dennoch kann die Sittenwidrigkeit einer Kündigung ohne Zweifel gerichtlich überprüft werden. Darüber hinaus würde eine erzwingbare betriebliche Mitbestimmung bei Betriebsänderungen dazu führen, dass nicht nur – wie beim Kündigungsschutz – das Ergebnis des unternehmerischen Willensbildungsprozesses, sondern dieser Prozess selbst beeinflusst würde. Das würde bedeuten, dass der Betriebsrat nicht nur – wie bei der Überprüfung der Erforderlichkeit betrieblicher Umgestaltungen – Einfluss auf die Mittelentscheidungen des Unternehmers, sondern auch auf dessen Zwecksetzungsentscheidungen hätte. Da die Wahl der Zwecke 183 Vgl. KR-Etzel, § 1 KSchG Rn. 525; APS/Kiel, 1. Aufl., § 1 KSchG Rn. 467; Polzer, S. 184 f.; Dornbusch/Wolff-Dornbusch/Volk; § 1 KSchG, Rn. 365; Rappenecker, BB 1958, 47, 49. Zwar kann der Betriebsrat nach § 112 Abs. 4 BetrVG einen Sozialplan erzwingen. Dieser bezieht sich aber im Gegensatz zum Interessenausgleich nicht darauf, ob und in welchem Umfang eine betriebliche Veränderung durchgeführt wird, sondern lediglich auf die wirtschaftlichen Folgen der Betriebsänderung für den Arbeitnehmer (vgl. § 112 Abs. 1 Satz 2 BetrVG). 184 Im Ergebnis ebenso Bitter, DB 2000, 1760, 1765, unter IV 10 der Ausführungen; Feudner, NZA 2000, 1136, 1138, unter V 3 der Ausführungen; Annuß, S. 106 f.; Pauly, ZTR, 113, 116; v. Finckenstein, Freie Unternehmerentscheidung, S. 208 ff.; Diller, Umstrukturierung von Betrieb und Unternehmen im Arbeitsrecht, S. 157, 160. 185 Vgl. Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 155.

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die unternehmerische Freiheit zu einem wesentlichen Teil ausmacht, würde durch eine erzwingbare Mitbestimmung bei Betriebsänderungen ganz erheblich in die unternehmerische Entscheidungsfreiheit eingegriffen. Aus dem Umstand, dass der Gesetzgeber diesen schwereren Eingriff in die Freiheit des Unternehmers nicht gewollt hat, kann nicht geschlossen werden, dass er auch den geringeren Eingriff durch eine Überprüfung der Erforderlichkeit betrieblicher Veränderungen im Rahmen des Kündigungsschutzes nicht wollte.186 Auch was die Mittelentscheidungen des Unternehmers betrifft, würde eine erzwingbare betriebliche Mitbestimmung die unternehmerische Freiheit in stärkerem Maße beeinträchtigen als dies die Erforderlichkeitsprüfung bei betrieblichen Veränderungen tut. Denn es ist durchaus denkbar, dass mehrere gleich geeignete und in gleichem Maße arbeitsplatzschädliche Maßnahmen in Betracht kommen, um einen unternehmerischen Zweck zu erreichen. Durch die Erforderlichkeitsprüfung wird dem Unternehmer nicht das Recht genommen, zwischen diesen Maßnahmen frei zu wählen. Lediglich wenn es eine gleich geeignete, weniger belastende Maßnahme gibt, muss er zu dieser greifen. Bei einer erzwingbaren betrieblichen Mitbestimmung könnte der Betriebsrat dagegen auch Einfluss auf die Wahl zwischen mehreren gleich belastenden Maßnahmen nehmen. gg) Ergebnis Nach alledem ist das Dogma von der Freiheit der Unternehmerentscheidung nicht haltbar.187 Es kann daher nicht zur Begründung dafür herangezogen werden, dass betriebliche Maßnahmen, die zu einem Arbeitskräfteüberhang führen, nicht auf ihre Geeignetheit und Erforderlichkeit überprüft werden können.

4. Die Betrieblichkeit des Erfordernisses Nach § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG darf die Kündigung, um sozial gerechtfertigt zu sein, nicht durch beliebige, sondern muss durch betriebliche Erfordernisse bedingt sein. In der Literatur wird das Merkmal der Betrieblichkeit teilweise als Argument gegen einen intensivierten Kündigungsschutz – also einen Kündigungsschutz, der die unternehmerische Entscheidung nicht nur auf Missbrauch, sondern auf

186

Ähnlich Wolter, S. 104 ff. Ebenso Kühling (AuR 2003, 92, 98, unter E der Ausführungen), der der Ansicht ist, das im KSchG der Rückzug der Gerichte auf eine „freie“ unternehmerische Entscheidung nicht angelegt sei und auch verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht standhalte. 187

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Geeignetheit und Erforderlichkeit überprüfen will – herangezogen.188 Diese Ansicht beruht auf einem Denkfehler. Das Merkmal der Betrieblichkeit gehört zum Tatbestand der betriebsbedingten Kündigung, stellt also zusätzliche Anforderungen an die Wirksamkeit derselben. Ein zusätzliches Tatbestandsmerkmal kann den Kündigungsschutz nie abschwächen, sondern allenfalls verschärfen. Schon sprachlogisch ist es unmittelbar einsichtig, dass eine Kündigung, die durch betriebliche Erfordernisse bedingt sein muss, strengeren Anforderungen unterliegt als eine Kündigung, die durch beliebige Erfordernisse bedingt sein kann. Diese Erkenntnis wird durch die folgende Analyse bestätigt. Im Arbeitsrecht wird der Betriebsbegriff vom Unternehmensbegriff abgegrenzt. Damit liegt nahe, dass mit der Betrieblichkeit des Erfordernisses gemeint ist, dass lediglich auf das Unternehmen bezogene Erfordernisse die Kündigung nicht bedingen können. Vergegenwärtigt man sich, dass ein Erfordernis im Sinne von § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG vorliegt, wenn eine Maßnahme erforderlich ist, um einen bestimmten Zweck zu erreichen, dann muss sich das Merkmal der Betrieblichkeit auf die Maßnahme oder auf den mit ihr verfolgten Zweck oder auf beides beziehen. Da eine ausschließlich auf das Unternehmen bezogene Maßnahme nicht denkbar ist, vielmehr unternehmerische Maßnahmen sich immer auch betrieblich auswirken, muss sich die Betrieblichkeit des Erfordernisses auf den mit der Maßnahme verfolgten Zweck beziehen. Ansonsten wäre das Merkmal der Betrieblichkeit funktionslos. In der Literatur wird angenommen, dass die grundlegende Definition des Betriebes im Betriebsverfassungsrecht in der Regel auch für das Kündigungsrecht gelte.189 Diese Annahme wird dadurch gestützt, dass in der Begründung des Regierungsentwurfs des Kündigungsschutzgesetzes in Bezug auf den Begriff der dringenden betrieblichen Erfordernisse ausgeführt wird, dass das, was als Betrieb anzusehen sei, sich nach den Vorschriften des Betriebsräterechts bestimme und damit die Einheit sei, für die ein Betriebsrat zu bestellen sei.190 Ein Betrieb unterscheidet sich dadurch vom Unternehmen, dass jener arbeitstechnische, dieses dagegen wirtschaftliche oder ideelle Zwecke verfolgt.191 Würde streng an diese Begrifflichkeit angeknüpft, hätte dies zur Folge, dass nur arbeitstechnische Zwecke – wie etwa eine Verbesserung der Produktqualität – zur Rechtfertigung der Kündi188 Reuter, RdA 2004, 161, 165, unter 3 b der Ausführungen; Rieble, Anm. zu BAG EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 101 und 102, S. 23 unten. 189 ErfK/Ascheid, § 23 KSchG, Rn. 4. 190 RdA 1951, 63. – Die Begründung des Regierungsentwurfs ist ein entscheidendes Argument gegen die Ansicht von Joost (S. 360), der die Abgrenzung des Betriebsvom Unternehmensbegriff für § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG aufgeben möchte und zu den betrieblichen Erfordernissen alle Umstände rechnet, welche die unternehmerischen Interessen des Arbeitgebers betreffen, die also durch den Tätigkeitsbereich des Arbeitgebers im Unterschied zur Sphäre des Arbeitnehmers veranlasst sind. 191 Vgl. ErfK/Eisemann, § 1 BetrVG, Rn. 7 ff.; BAG 24.2.1976, AP BetrVG 1972 § 4 Nr. 2, III 2.

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gung in Betracht kämen. Wirtschaftliche Zwecke wie der der Kostenreduzierung kämen dagegen nicht in Frage.192 Fraglich ist jedoch, ob eine solche enge Interpretation der Betrieblichkeit sachgerecht ist. Reuter ist der Ansicht, dass es zu den Grundlehren des Arbeitsrechts gehöre, dass der arbeitsrechtliche Sprachgebrauch grundsätzlich zwischen Unternehmen und Betrieben unterscheidet, so dass dies auch für den Begriff des betrieblichen Erfordernisses im Sinne von § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG gelte, dieser also eng im Sinne einer arbeitstechnischen Notwendigkeit verstanden werden müsse.193 Dem kann jedoch nicht zugestimmt werden. Es ist eine hermeneutische Grunderkenntnis, dass gleiche Wörter in verschiedenen Zusammenhängen Verschiedenes bedeuten können. Dementsprechend wird auch in der juristischen Methodenlehre darauf verwiesen, dass Hinweise, die sich aus dem Bedeutungszusammenhang des Gesetzes ergeben, nicht überschätzt werden dürfen; nur im Zweifel sind die einzelnen Normen so auszulegen, dass die Übereinstimmung gewahrt wird.194 Auch der Verweis auf eine Grundlehre des Arbeitsrechts kann eine Begründung dafür, dass der übliche arbeitsrechtliche Sprachgebrauch, was den Begriff des betrieblichen Erfordernisses betrifft, auch im Rahmen von § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG sachgerecht ist, nicht ersetzen. Zweifel an einer engen Auslegung ergeben sich zunächst daraus, dass, wenn man § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG in seiner Gesamtheit betrachtet, der Begriff des betrieblichen Erfordernisses in einer Aufzählung mit den personen- und verhaltensbedingten Kündigungsgründen steht, so dass er zuallererst als Abgrenzungsbegriff zur Personen- und Verhaltensbedingtheit und nicht zur Unternehmensbedingtheit erscheint. Zudem würde eine enge Interpretation der Betrieblichkeit mit dem Zweck des Kündigungsschutzgesetzes kollidieren. Zweck des Kündigungsschutzgesetzes ist es, den Arbeitsplatz und die Betriebszugehörigkeit des Arbeitnehmers vor Kündigungen, die hinreichender Begründung entbehren und deshalb als willkürlich erscheinen, zu schützen, nicht aber Entlassungen zu verhindern, die aus triftigen Gründen erforderlich sind. Oft werden aber gerade wirtschaftliche Gründe eine Kündigung besonders einsichtig machen können, weswegen es eigenartig wäre, diese aus dem Kreis triftiger Gründe auszuschließen. Es gibt also gute Gründe dafür, die Betrieblichkeit des Erfordernisses weit auszulegen, zumindest aber bestehen erhebliche Zweifel an einer engen Auslegung. Kommen die herkömmlichen Auslegungsmethoden nicht zu einem ein-

192 An dieser Stelle wird deutlich, dass ein enger Betriebsbegriff entgegen Reuter (vgl. oben Fn. 188) nicht nur kein Argument gegen eine Intensivierung des Kündigungsschutzes ist, sondern im Gegenteil eine erhebliche Ausweitung des Kündigungsschutzes zur Folge hätte. Darauf weisen auch Ulrich Preis (Stahlhacke/Preis, Rn. 935; RdA 2000, 257, 275) und Lammermann (S. 18) hin. 193 Vgl. Reuter, RdA 2004, 161, 165, unter 3 b der Ausführungen. 194 Vgl. Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 164 (Kapitel 4, 2 f).

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deutigen Ergebnis, können die Grundrechte im Rahmen einer verfassungsorientierten Auslegung herangezogen werden.195 Durch eine enge Auslegung der Betrieblichkeit würden die Zwecksetzungsentscheidungen196 des Unternehmers betroffen und damit die unternehmerische Freiheit unangemessen stark beeinträchtigt. Der Kernbereich unternehmerischer Freiheit besteht darin, dass der Unternehmer weitgehend frei ist in der Wahl seiner Ziele. Darüber hinaus betreffen gerade wirtschaftliche Zielsetzungen das Wesen unternehmerischer Tätigkeit. Nach alledem ist es sachgerecht, den Begriff der Betrieblichkeit in Rahmen von § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG denkbar weit auszulegen.197 Danach scheiden nur spezifisch unternehmensbezogene Zwecke aus, deren Verfolgung ausschließlich im Unternehmensinteresse liegt und die Funktionsfähigkeit des Betriebes nicht verbessert. Soll etwa rationalisiert werden, ohne dass eine Verbesserung der Produktqualität oder eine Verringerung der Produktionskosten zu erwarten ist, aus keinem anderen Grund, als um den Erwartungen der Aktionäre gerecht zu werden und damit den Shareholder Value zu steigern, wäre das ein rein unternehmensbezogener Zweck, der mangels Betrieblichkeit des Erfordernisses eine Kündigung nicht rechtfertigen kann.198 Dass dieser Zweck unternehmensspezifisch ist, ergibt sich schon daraus, dass er nur bei der Aktiengesellschaft auftritt. Dagegen können alle Zwecke, die sich nach allgemeiner Ansicht auf die Funktionsfähigkeit einer betrieblichen Einheit beziehen und deren Effektivität betreffen, in einem weiten Sinn auch als betriebliche Zwecke angesehen 195

Vgl. oben Kapitel B.II.3.c)aa), S. 37. Zum Begriff der Zwecksetzungsentscheidung vgl. oben Kapitel B.II.3.b), S. 34. 197 Colneric (Betriebsbedingte Kündigungen im Widerstreit, S. 11, 32; ihr folgend Kühling (AuR 2003, 92, 97, unter D II 2 a der Ausführungen) sieht die Betrieblichkeit im Sinne von § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG sogar als auf den Betrieb im betriebswirtschaftlichen Sinn bezogen an. Es handele sich um eine Einheit, die wirtschaftliche und nicht lediglich arbeitstechnische Zwecke verfolge. Begründen tut sie das mit dem zutreffenden Hinweis, dass in § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG in der vom 1.1.1999 bis 31.12.2003 geltenden Fassung, der Begriff „betrieblich“ als Oberbegriff für die Begriffe „betriebstechnisch“ und „wirtschaftlich“ verwendet wurde. Es bestehe keine Veranlassung, den Betriebsbegriff in § 1 Abs. 2 KSchG anders zu interpretieren als in § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG. Dagegen ist jedoch zu sagen, dass mit dieser Interpretation das Merkmal der Betrieblichkeit weitgehend funktionslos würde. Es bestünde kein Unterschied mehr zum Unternehmensbegriff, so dass auch der allgemein anerkannte Grundsatz der lediglich betriebsbezogenen Sozialauswahl aufgegeben werden und diese auf das gesamte Unternehmen erstreckt werden müsste. 198 Feudner (DB 1999, 742, 745) bezeichnet die Frage, ob eine einzig und allein den Shareholder-Interessen dienende Zielsetzung Beendigungs- oder Änderungskündigungen als dringend betrieblich erforderlich im Sinne des deutschen Kündigungsschutzrechts rechtfertigen kann, als bisher ungelöst. Ein weiteres Beispiel für einen rein unternehmensbezogenen Zweck ist die Verwertung des Betriebsgrundstücks, wenn dafür der existenzfähige Betrieb stillgelegt werden muss. Beispiel nach Ulrich Preis (NZA 1995, 241, 250, unter III 4 g der Ausführungen), der diesen Fall allerdings als Problem der Willkür behandelt. 196

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B. Bedingtheit der Kündigung durch betriebliche Erfordernisse

werden, auch wenn sie bei einem engen Betriebsbegriff unter die wirtschaftlichen Zwecke fallen würden. Danach kann insbesondere der Zweck, mit geringen Kosten zu produzieren, in einem weiten Sinn auch als betrieblicher Zweck angesehen werden, an dem sich jede effektiv arbeitende betriebliche Organisation orientieren muss.

5. Ergebnis Zusammenfassend ist zu sagen, dass ein betriebliches Erfordernis vorliegt, wenn eine betriebliche Maßnahme für einen bestimmten Zweck erforderlich ist: Ein betriebliches Erfordernis ist die Erforderlichkeit einer betrieblichen Maßnahme in Bezug auf einen bestimmten Zweck. Die Erforderlichkeit der Maßnahme ist also Voraussetzung der betriebsbedingten Kündigung und wird daher gerichtlich voll überprüft.199 Lediglich der mit der Maßnahme verfolgte Zweck ist – solange er nicht gegen ein gesetzliches Verbot verstößt und nicht sittenwidrig ist – vom Unternehmer frei wählbar. Seine Wahl wird im Rahmen von § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG nicht überprüft.200

III. Störungstatbestand für die betriebsbedingte Kündigung (betriebsbedingter Kündigungsgrund) Nachdem geklärt ist, was unter einem betrieblichen Erfordernis zu verstehen ist, kann genauer darauf eingegangen werden, worin der Störungstatbestand für die betriebsbedingte Kündigung – also der betriebsbedingte Kündigungsgrund – besteht. Ein betriebliches Erfordernis, also die Erforderlichkeit einer betrieblichen Veränderung, begründet für sich allein noch keinen Störungstatbestand, der durch eine Kündigung beseitigt werden kann. Es gibt zahlreiche betriebliche Umgestaltungen, die keine Kündigungen erforderlich machen. Dementsprechend wird nach dem Wortlaut von § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG die Kündigung nicht durch alle dringenden betrieblichen Erfordernisse bedingt, sondern lediglich durch solche, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers im Betrieb entgegenstehen. Fraglich ist, in welcher Weise eine erforderliche betriebliche 199 Was das Ergebnis betrifft, geht die Ansicht von Annuß (S. 111) in die gleiche Richtung, dass geprüft werden müsse, ob dem wirtschaftlichen Interesse des Unternehmers durch andere, die betroffenen Arbeitnehmer weniger belastende Maßnahmen, Rechnung getragen werden kann, so dass es zu einer Überprüfung der betrieblichen Umsetzungsakte durch die Arbeitsgerichte komme. Allerdings leitet Annuß seine Auffassung aus dem Tatbestandsmerkmal der Dringlichkeit in § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG ab und relativiert sie, indem er dem Arbeitgeber insoweit einen Beurteilungsspielraum zugesteht. 200 Allerdings erfolgt eine gewisse Bewertung des Nutzens der Zweckverfolgung durch das Tatbestandsmerkmal der Dringlichkeit, vgl. unten Kapitel B.V., S. 76 ff.

III. Störungstatbestand für die betriebsbedingte Kündigung

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Veränderung der Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers im Betrieb entgegenstehen kann.

1. Regelfall (Erfordernis einer betrieblich-organisatorischen Umgestaltung) Eine betriebliche Umgestaltung steht einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers entgegen, wenn sie zu einem Arbeitskräfteüberhang führt. Dann steht nämlich fest, dass es für eine entsprechende Anzahl von Arbeitnehmern keine sinnvolle Beschäftigung mehr gibt. Müsste der Arbeitgeber die Arbeitnehmer dennoch weiterbeschäftigen, müsste er ihnen Lohn zahlen, ohne dafür betriebliche Vorteile realisieren zu können. Hier wird deutlich, dass das Vorliegen eines Arbeitskräfteüberhangs nicht, wie dies eine starke Mehrheit in der Literatur meint201, zum Tatbestandsmerkmal „betriebliche Erfordernisse“ gehört. Vielmehr wird im Regelfall erst durch einen Arbeitskräfteüberhang der Störungstatbestand für die betriebsbedingte Kündigung begründet. Zum betriebsbedingten Kündigungsgrund gehört eben nicht nur das betriebliche Erfordernis, sondern auch der Umstand, dass es der Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers im Betrieb entgegenstehen muss. Der betriebsbedingte Kündigungsgrund ist weder allein die betriebliche Veränderung202 noch allein der Arbeitskräfteüberhang203. Ein betriebsbedingter Kündigungsgrund liegt demnach vor, wenn eine dringend erforderliche betriebliche Veränderung zu einem Arbeitskräfteüberhang führt.

2. Sonderfall (Betriebliches Erfordernis erschöpft sich in der Kündigung) Allerdings gibt es auch Fälle der betriebsbedingten Kündigung, bei denen ein Arbeitskräfteüberhang fehlt. Es handelt sich dabei um die Änderungskündigung zur Entgeltreduzierung, um die Kündigung eines Arbeitnehmers, zu dessen Einstellung der Betriebsrat die Zustimmung nach § 99 Abs. 2 BetrVG verweigert, und um die echte Druckkündigung.204 Ferner kann die Verdachtskündigung zu diesen Fällen gezählt werden.205 Für diese Fälle ist charakteristisch, dass es keine betriebliche Veränderung gibt, die von der Kündigung zu unterscheiden ist; das betriebliche Erfordernis erschöpft sich dort also ausnahmsweise in dem 201

Vgl. oben Kapitel B.II.2.b), S. 25. So aber Ehmann/Sutschet, Jura 2001, 145, 147 (Schaubild). 203 So aber Franzen, NZA 2001, 805, 811, nach dem der Personalüberhang den eigentlich entscheidenden Kündigungsgrund bildet. 204 Vgl. oben Kapitel B.II.2.b), S. 25 ff., insbesondere S. 28 ff. 205 Vgl. unten Kapitel G.III., S. 162 ff., insbesondere S. 163. 202

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B. Bedingtheit der Kündigung durch betriebliche Erfordernisse

Erfordernis zur Kündigung. Es wäre systematisch befriedigend, den Störungstatbestand für die betriebsbedingte Kündigung so allgemein fassen zu können, dass er auch diese Fälle zu integrieren vermag. Als übergreifende Beschreibung bietet sich an, den Störungstatbestand darin zu sehen, dass die unveränderte Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers ein Hindernis bei der Verwirklichung eines dringenden betrieblichen Erfordernisses ist. Im Regelfall, in dem das betriebliche Erfordernis im Erfordernis einer von der Kündigung unterscheidbaren betrieblich-organisatorischen Maßnahme besteht, geschieht dies wie oben beschrieben dadurch, dass die betriebliche Veränderung zu einem Arbeitskräfteüberhang führt, der betrieblich nutzlose Kosten verursacht, so dass, könnte er nicht abgebaut werden, auch die Verwirklichung der betrieblichen Veränderung gefährdet oder jedenfalls weit weniger attraktiv wäre. Erschöpft sich das betriebliche Erfordernis ausnahmsweise im Erfordernis zur Kündigung, ist die Weiterbeschäftigung ohne weiteres ein unüberwindbares Hindernis bei der Umsetzung dieses Erfordernisses.206 Die oben vorgenommene Analyse macht es möglich, die in der Literatur geäußerte Auffassung, dass bei der betriebsbedingten Kündigung die Störung vom Arbeitgeber ausgehe, weil er keine Beschäftigungsmöglichkeiten mehr anbiete, zu beurteilen.207 Teilweise wird im Schrifttum behauptet, dass bei der betriebsbedingten Kündigung die Kündigungsursache aus der Verantwortungssphäre des Kündigenden selbst stamme.208 Selbst wenn diese Feststellung uneingeschränkt richtig wäre, folgte aus ihr noch nicht, dass es auch methodisch sinnvoll ist, den Arbeitgeber als störend im Sinne des Störungstatbestandes der betriebsbedingten Kündigung zu betrachten. Die Funktion des Störungstatbestandes der drei Kündigungsgründe besteht darin, die Kündigung zu bedingen. Willkürliche Kündigungen sollen vermieden werden, indem abschließend festgelegt ist, welchen Zweck die Kündigung haben darf: Unmittelbarer Zweck der Kündigung darf nur sein, einen der drei Störungstatbestände zu beseitigen. Wird dies berücksichtigt, wäre es eigenartig, die vom Arbeitgeber ausgehende betriebliche Veränderung als störend und den Arbeitnehmer als gestört zu betrachten. Dann würde sich nämlich die Kündigung gar nicht gegen den Störenden, sondern gegen den Gestörten richten. Demgegenüber ist es sachgerechter, bei Vorliegen eines dringenden betrieblichen Erfordernisses nicht den Arbeitgeber, der dieses betriebliche Erfordernis durchsetzt, sondern den Arbeitnehmer als denjenigen, der die Durchsetzung dieses betrieblichen Erfordernisses behindert, als störend zu betrachten. Mag dies für den Regelfall der betriebsbedingten Kündigung, bei dem das betriebliche Erfordernis in der Erforderlichkeit einer betrieblichen Um206 Dazu, dass die mangelnde Bestimmtheit des Tatbestandes der betriebsbedingten Kündigung im Sonderfall durch eine verschärfte Interessenabwägung ausgeglichen wird, vgl. unten Kapitel B.VI.2., S. 95 ff. 207 Vgl. ErfK/Ascheid, § 1 KSchG Rn. 115, 118. 208 Stahlhacke/Preis, Rn. 924; Junker, Rn. 371.

IV. Doppelte Erforderlichkeitsprüfung

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gestaltung besteht, noch ein Streit um Worte sein, so wird es in den Ausnahmefällen der betriebsbedingten Änderungskündigung zur Entgeltkürzung und der Druckkündigung oft gar nicht möglich sein, die Störung als vom Arbeitgeber ausgehend zu betrachten. Die mittelbare Störung geht in diesen Fällen vielmehr von dritter Seite oder von der wirtschaftlichen Situation des Unternehmens aus, die vom Arbeitgeber nicht zwingend zu verantworten sein muss. Unmittelbar kann man aber auch in diesen Fällen ohne Schwierigkeiten den Arbeitnehmer als störend betrachten, weil seine Weiterbeschäftigung einer dringend erforderlichen betrieblichen Reaktion, nämlich seiner Kündigung, im Wege steht. Nach alledem ist auch die Ansicht nicht haltbar, die soziale Rechtfertigung der Kündigung erfordere hinsichtlich aller Kündigungsgründe eine Beeinträchtigung des Arbeitsverhältnisses in dem Sinne, dass eine Partei nicht mehr ihren vertraglichen Pflichten nachkomme.209 Diese Auffassung beruht auf der oben entkräfteten Annahme, dass bei der betriebsbedingten Kündigung stets der Arbeitgeber störe, indem er keine Beschäftigungsmöglichkeiten mehr anbiete. Anders als bei personen- und verhaltensbedingten Kündigungsgründen reicht es aber beim betriebsbedingten Kündigungsgrund in den erwähnten Ausnahmefällen aus, wenn eine Störung betrieblicher Interessen feststellbar ist. Lediglich im Regelfall der betriebsbedingten Kündigung, wenn das betriebliche Erfordernis in der Erforderlichkeit einer von der Kündigung unterscheidbaren betrieblichen Veränderung besteht, werden auch vertragliche Pflichten verletzt, weil der Arbeitgeber nicht mehr genügend Beschäftigungsmöglichkeiten anbietet.

IV. Doppelte Erforderlichkeitsprüfung Angesichts der bisherigen Analyse des Wortlauts von § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG ist es sinnvoll, eine für das Verständnis des Regelfalls der betriebsbedingten Kündigung eminent wichtige Eigenheit näher zu betrachten. Oben wurde deutlich, dass das Tatbestandsmerkmal „bedingt“ auf die Erforderlichkeit der Kündigung verweist. Die Kündigung ist durch den betriebsbedingten Kündigungsgrund bedingt, wenn sie erforderlich ist, um den von diesem Kündigungsgrund beschriebenen Störungstatbestand zu beseitigen. Bei der Auslegung des Merkmals „Erfordernis“ wurde gezeigt, dass ein Erfordernis vorliegt, wenn eine betriebliche Maßnahme erforderlich ist, um einen bestimmten vom Unternehmer gesetzten Zweck zu erreichen. Sowohl mit dem Merkmal „bedingt“ als auch mit dem Merkmal „Erfordernis“ wird also auf das Verhältnis der Erforderlichkeit verwiesen. Dabei ist es jedoch wichtig zu erkennen, dass es um zwei verschiedene Erforderlichkeitsbeziehungen geht: einerseits um die Erforderlichkeit der Kündigung als Reaktion auf den Arbeitskräfteüberhang, andererseits um die Er209

Vgl. ErfK/Ascheid, § 1 KSchG Rn. 114 f. und Rn. 118.

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B. Bedingtheit der Kündigung durch betriebliche Erfordernisse

forderlichkeit der betrieblichen Maßnahme, die zum Arbeitskräfteüberhang geführt hat. Legt man die Wortwahl des § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG zu Grunde, heißt das, dass die Kündigung durch die (durchgeführte) betriebliche Maßnahme, diese wiederum durch den vom Unternehmer verfolgten Zweck bedingt sein muss. Dies ist eine Besonderheit bei der betriebsbedingten Kündigung: Es findet eine doppelte Erforderlichkeitsprüfung statt. Dies gilt allerdings nur im Regelfall der betriebsbedingten Kündigung, bei dem das betriebliche Erfordernis in der Erforderlichkeit einer betrieblichen Veränderung besteht, die von der Kündigung unterscheidbar ist. Die nachfolgenden Ausführungen gelten daher nur für diesen Regelfall. Auf den Sonderfall, bei dem sich das betriebliche Erfordernis in einem Erfordernis zur Kündigung erschöpft, wird unten210 genauer eingegangen. Hat man die Notwendigkeit der doppelten Erforderlichkeitsprüfung erkannt, fragt es sich, ob über den Unterschied hinaus, dass einmal die Erforderlichkeit der betrieblichen Umgestaltung, das andere Mal die Erforderlichkeit der Kündigung geprüft wird, noch weitere Unterschiede herausgearbeitet werden können, die zur Erkenntnis der Struktur von § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG beitragen. Im Rahmen einer Erforderlichkeitsprüfung wird untersucht, ob es ein anderes Mittel gibt, das sich ebenso eignet, den verfolgten Zweck zu erreichen, und gleichzeitig milder ist, d. h. weniger nachteilige Auswirkungen für die von ihm Betroffenen hat.211 Daraus ergibt sich, dass sich Erforderlichkeitsbeziehungen auch in Bezug auf die verfolgten Zwecke und in Bezug auf den Maßstab, nach dem die nachteiligen Auswirkungen eines Mittels bemessen werden, unterscheiden können.

1. Erforderlichkeit einer betrieblichen Umgestaltung Was die Erforderlichkeit der betrieblichen Veränderung betrifft, so ist der Arbeitgeber in der Wahl seiner Zwecke weitgehend frei. Eine betrieblich-organisatorische Maßnahme kann etwa den Zweck haben, den Ertrag des Unternehmens zu steigern oder die Qualität der hergestellten Produkte zu verbessern. Die Nachteile einer Maßnahme für die Arbeitnehmer werden daran gemessen, wie groß der Arbeitskräfteüberhang ist, der durch die Maßnahme hervorgerufen wird. Ein Arbeitskräfteüberhang liegt vor, wenn der Personalbestand höher ist als der Personalbedarf. Diese Aussage ist präzisierungsbedürftig. Personalbedarf kann nämlich nicht den Bedarf einer bestimmten feststehenden Zahl einzelner Arbeitnehmer meinen, da er durch Vollzeitkräfte oder durch eine entsprechend größere Anzahl von Teilzeitkräften gedeckt werden kann. Personalbedarf bedeutet vielmehr die – durch die betrieblichen Gegebenheiten bestimmte – Nach210 211

Vgl. Kapitel B.VI.2., S. 95 ff. Vgl. oben Kapitel B.I.2., S. 20 f.

IV. Doppelte Erforderlichkeitsprüfung

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frage nach Arbeitskraft im Sinne von durch Arbeitnehmer zu leistenden Arbeitsstunden. Entsprechend ist es sinnvoll, unter Personalbestand nicht eine bestimmte Anzahl von Arbeitnehmern, sondern die Gesamtheit der von den Arbeitnehmern zu leistenden Arbeitsstunden zu verstehen; schließlich kann ein Arbeitskräfteüberhang nicht nur durch eine Reduzierung der Arbeitnehmeranzahl, sondern auch durch eine Verringerung der Arbeitszeit abgebaut werden. Daraus folgt, dass ein Arbeitskräfteüberhang vermieden werden kann, entweder indem die Nachfrage nach von Arbeitnehmern zu leistenden Arbeitsstunden erhöht oder indem die Anzahl der von den Arbeitnehmern geschuldeten Arbeitsstunden verringert wird. Kennzeichnend für arbeitsplatzschädliche betriebliche Umgestaltungen ist, dass sie die Nachfrage nach menschlicher Arbeitskraft verringern und dadurch einen Arbeitskräfteüberhang verursachen. Im Rahmen der Erforderlichkeitsprüfung in Bezug auf die betriebliche Umgestaltung wird also gefragt, ob es eine gleich geeignete betriebliche Veränderung gibt, die die Nachfrage nach menschlicher Arbeitskraft weniger reduziert.

2. Erforderlichkeit der Kündigung Bezüglich der Prüfung der Erforderlichkeit der Kündigung fragt es sich, was als Zweck der Kündigung angesehen werden sollte. Das ist problematisch, weil die Kündigung ein Hindernis für die Verwirklichung einer erforderlichen arbeitsplatzschädlichen betrieblichen Veränderung – nämlich die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers – aus dem Weg räumt und damit mittelbar auch dem Zweck der betrieblichen Veränderung dient. Dennoch ist es methodisch sinnvoll, den Zweck der Kündigung und den Zweck der betrieblichen Umgestaltung zu unterscheiden. Das Kündigungsschutzgesetz realisiert den Kündigungsschutz gerade, indem es die möglichen Zwecke, die eine Kündigung verfolgen darf – und damit auch die Möglichkeit zur Kündigung –, beschränkt. Es definiert mit den drei Kündigungsgründen Störungstatbestände und bestimmt, dass die Kündigung durch einen dieser Gründe bedingt sein muss. Das bedeutet, dass die Kündigung lediglich den Zweck haben darf, den vom Kündigungsgrund umschriebenen Störungstatbestand zu beseitigen. Wie oben212 herausgearbeitet wurde, wird der Störungstatbestand im Regelfall der betriebsbedingten Kündigung durch den Arbeitskräfteüberhang begründet, der durch eine dringend erforderliche betriebliche Veränderung hervorgerufen wurde. Zulässiger Zweck der betriebsbedingten Kündigung ist im Regelfall also lediglich die Beseitigung des Arbeitskräfteüberhangs. Wird die Erforderlichkeit der Kündigung geprüft, muss demnach gefragt werden, ob es mildere Mittel zur Beseitigung des Arbeitskräfteüberhangs gibt.

212

Vgl. Kapitel B.III.1., S. 71.

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B. Bedingtheit der Kündigung durch betriebliche Erfordernisse

Anders als die betriebliche Veränderung im Sinne eines betrieblichen Erfordernisses nimmt die Kündigung nicht Einfluss auf den Arbeitskräfteüberhang, indem sie die Nachfrage nach menschlicher Arbeitskraft ändert, sondern indem sie das Angebot der von den Arbeitnehmern geschuldeten Arbeitsstunden verringert: Wird einem Arbeitnehmer gekündigt, schuldet er nach Ablauf der Kündigungsfrist keine Arbeitsleistung mehr. Auch die milderen Mittel zur Kündigung – will man sie von betrieblich-organisatorischen Maßnahmen, die unter den Begriff des betrieblichen Erfordernisses fallen, unterscheiden – sind daran zu erkennen, dass sie nicht die Nachfrage nach Arbeitskraft betreffen, sondern die Gesamtzahl der dem Arbeitgeber zur Verfügung stehenden Arbeitsstunden seiner Arbeitnehmer reduzieren. Eine Verringerung der geschuldeten Arbeitsstunden im vom Arbeitskräfteüberhang betroffenen Betrieb auch ohne Kündigung ist insbesondere dadurch möglich, dass Arbeitnehmer aus dem Bereich, in dem ein Arbeitskräfteüberhang besteht, herausgenommen werden und an anderer Stelle im Unternehmen, an der noch Arbeitskräftebedarf besteht – gegebenenfalls auch nach einer Änderungskündigung oder Umschulungs- bzw. Fortbildungsmaßnahmen – weiterbeschäftigt werden.213 Eine Verringerung des Angebots an Arbeitsstunden ist ferner durch den Abbau von Überstunden und Leiharbeitsverhältnissen möglich.214 Zudem kommen unter Umständen die Anordnung von Kurzarbeit215 und die Vorverlegung von Werksferien216 in Betracht. Es sei noch einmal klargestellt, dass die erwähnten milderen Mittel mildere Mittel gegenüber der Kündigung, nicht aber mildere Mittel gegenüber der betrieblichen Veränderung im Sinne des betrieblichen Erfordernisses sind, weil sie nicht die Nachfrage nach menschlicher Arbeitskraft betreffen. Systematisch gehören sie zur Erforderlichkeit der Kündigung, also zu der Frage, ob das Angebot an menschlicher Arbeitskraft nicht auch auf andere, weniger belastende Weise als durch Kündigung vermindert werden kann.

V. Dringlichkeit Nach § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG darf die betriebsbedingte Kündigung nicht durch beliebige, sondern muss durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt sein. Um die Bedeutung des Tatbestandmerkmals „dringend“ zu bestimmen, ist es zunächst notwendig, sich vor Augen zu führen, worauf sich dieses 213

Vgl. dazu im Einzelnen Stahlhacke/Preis, Rn. 1003 ff. Vgl. dazu im Einzelnen Stahlhacke/Preis, Rn. 1023; APS/Kiel, § 1 KSchG, Rn. 567 ff. 215 Zur Kurzarbeit als milderes Mittel siehe im Einzelnen Kapitel H.VII.5., S. 239 ff., insbesondere S. 245 f. 216 Vgl. Stahlhacke/Preis, Rn. 1024. 214

V. Dringlichkeit

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Adjektiv bezieht. Dringend muss nach § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG das betriebliche Erfordernis – nicht die Kündigung – sein.217 Oben wurde herausgearbeitet, dass ein betriebliches Erfordernis vorliegt, wenn eine betriebliche Veränderung für einen bestimmten Zweck erforderlich ist.218 Daraus ergeben sich mehrere Bezugspunkte für die Dringlichkeit. Ein dringendes betriebliches Erfordernis ist denkbar, wenn die betriebliche Veränderung dringend, wenn der verfolgte Zweck dringend oder wenn die Erforderlichkeit – also die Mittel-Zweck-Beziehung – dringend ist.

1. Dringlichkeit der betrieblichen Veränderung? Bezieht man die Dringlichkeit auf die betriebliche Veränderung, fragt es sich, wie eine betrieblich-organisatorische Maßnahme dringend sein kann. Nach allgemeinem Sprachgebrauch ist etwas dringend, wenn es keinen Aufschub duldet oder eilige Erledigung verlangt.219 Keinen Aufschub dulden betriebliche Veränderungen, wenn sie als Reaktion auf nachteilige Veränderungen des außerbetrieblichen Umfeldes oder aus Gründen der Wettbewerbsfähigkeit erforderlich sind, wenn ohne sie dem Unternehmen ein Nachteil droht. Danach wäre eine betriebliche Maßnahme dringend, wenn ein Unterlassen der Maßnahme sich als betriebswirtschaftlicher Fehler darstellte. Eine solche enge Auslegung mag einem unbefangenen Verständnis des Wortlautes entsprechen.220 Es liegt nahe, ein dringendes betriebliches Erfordernis zum Handeln nur bei drohenden Nachteilen für das Unternehmen, nicht aber bei bloßer Verbesserung der Chancen anzunehmen.221 Wenn ein Unternehmen funktioniert, d. h. mit Gewinn arbeitet, erscheint es auf den ersten Blick wirtschaftlich vertretbar, auf betriebliche Veränderungen, die die Situation des Un217 Das übersehen ErfK/Ascheid, § 1 KSchG, Rn. 123; v. Hoyningen-Huene/Linck, § 1 KSchG, Rn. 378; Hueck/Nipperdey, S. 638; Zwanziger, NJW 1995, 916, 918; Reichold, § 10, Rn. 61; Barnhofer, S. 52 f.; Preis, Ulrich, Prinzipien, S. 306 ff., deutlich auch S. 214, wo Preis ausführt, dass zu prüfen sei, ob die nachgewiesenen betrieblichen Umstände die „Entlassung“ des Arbeitnehmers „dringend erforderlich“ machen; Stahlhacke/Preis, Rn. 1019, wo davon gesprochen wird, dass die Kündigung dringend erforderlich sein müsse. 218 Vgl. oben Kapitel B.II., S. 23 ff. 219 Vgl. Duden, Das große Wörterbuch der deutschen Sprache, unter dem Stichwort „dringend“. 220 Auch Boeddinghaus (AuR 2001, 8, 9, unter 1 der Ausführungen) ist der Ansicht, dass der Wortlaut von § 1 Abs. 2 KSchG eine Beurteilung nahe lege, wonach objektiv eine gewisse betriebliche Zwangslage zu fordern sei. Er macht jedoch nicht deutlich, an welchem Tatbestandsmerkmal von § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG er diese Interpretation anknüpfen möchte. 221 So Stahlhacke/Preis, Rn. 952 f.; Schmidt, RdA 1954, 170, 173 f. Vgl. im Einzelnen zur Kündigung lediglich zur Gewinnsteigerung mit weiteren Nachweisen zu Literatur und Rechtsprechung unten Kapitel H.VI., S. 202 ff.

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B. Bedingtheit der Kündigung durch betriebliche Erfordernisse

ternehmens lediglich verbessern sollen, zu verzichten. Indessen zeigt sich in der Praxis, dass Unternehmen, die es versäumen, aktiv auch ohne Not zu handeln und ihre Position ständig zu verbessern, langfristig Wettbewerbsnachteile drohen, die bis zur Existenzgefährdung gehen können. Vor allem aber sprechen grundrechtliche Wertungen gegen eine Interpretation der Dringlichkeit als Reaktionszwang auf drohende Nachteile. Eine solche Auslegung würde wie die Überprüfung der Erforderlichkeit222 betrieblicher Veränderungen in die Berufsfreiheit des Arbeitgebers nach Art. 12 Abs. 1 GG, jedenfalls aber in seine durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützte wirtschaftliche Betätigungsfreiheit eingreifen. Im Gegensatz zu einer bloßen Erforderlichkeitsprüfung würde eine Prüfung der Dringlichkeit betrieblicher Maßnahmen aber einen sehr intensiven Eingriff in die unternehmerische Entscheidungsfreiheit darstellen. Sie würde nämlich nicht nur die unternehmerische Entscheidung als Mittelentscheidung, sondern auch als Zwecksetzungsentscheidung betreffen.223 Der Arbeitgeber wäre in der Wahl seiner Zwecke nicht mehr frei, sondern auf den Zweck, Nachteile vom Unternehmen abzuwenden, beschränkt. Er könnte also lediglich gleichsam passiv auf äußere Veränderungen reagieren und nicht mehr – wenn dies zu Lasten von Arbeitsplätzen geht – kreativ das Unternehmen umgestalten. Der Kernbereich unternehmerischer Freiheit besteht aber gerade darin, dass der Unternehmer weitgehend frei ist in der Wahl seiner Ziele. Eine bloße Reaktion auf Sachzwänge ist das Gegenteil freiheitlichen Handelns. Die Interpretation der Dringlichkeit als Reaktionszwang auf drohende Nachteile würde also einen erheblichen Eingriff in die unternehmerische Entscheidungsfreiheit darstellen, der auch unter Berücksichtigung der grundrechtlich geschützten Interessen der Arbeitnehmer als zu intensiv erscheint. Im Rahmen dieser Arbeit muss nicht entschieden werden, ob ein solcher Eingriff verfassungsrechtlich überhaupt möglich wäre, wenn er vom Gesetzgeber eindeutig gewollt wäre. Jedenfalls müssen die Grundrechte des Arbeitgebers im Rahmen verfassungsorientierter Auslegung berücksichtigt werden.224 Da nach den herkömmlichen Auslegungsmethoden nicht zweifelsfrei ermittelt werden kann, was der Gesetzgeber mit dem Tatbestandsmerkmal der Dringlichkeit anordnen wollte, führt die Berücksichtigung der Grundrechte des Arbeitgebers dazu, dass eine Interpretation der Dringlichkeit als Reaktionszwang auf drohende Nachteile ausscheidet.

222

Vgl. dazu oben Kapitel B.II.3.c)aa), S. 36 ff. Zum Begriff der Mittel- und Zwecksetzungsentscheidung vgl. oben Kapitel B.II.3.b), S. 34 f. 224 Zur verfassungsorientierten Auslegung vgl. oben Kapitel B.II.3.c)aa), S. 36 ff., insbesondere S. 37. 223

V. Dringlichkeit

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2. Dringlichkeit des verfolgten Zwecks? Man kann die Dringlichkeit auch auf den mit der betrieblichen Maßnahme verfolgten Zweck beziehen in dem Sinne, dass der angestrebte Zweck ein gewisses Gewicht haben muss.225 Es fragt sich dann aber, welche Anforderungen an das Gewicht des vom Unternehmer verfolgten Zwecks gestellt werden müssen. Darüber macht das Kündigungsschutzgesetz keine Aussage. Daher ist bei dieser Frage im Rahmen verfassungsorientierter Auslegung wiederum auf die Grundrechte zurückzugreifen. Dabei ist zu beachten, dass eine Überprüfung des Zwecks unmittelbar die Zwecksetzungsentscheidungen des Unternehmers betrifft. Weitgehende Anforderungen an den Zweck stellen daher einen sehr intensiven Eingriff in die unternehmerische Entscheidungsfreiheit dar. Angesichts dieser verfassungsrechtlichen Vorgaben erscheint es sinnvoll, ein ausreichendes Gewicht des unternehmerischen Zwecks nur abzulehnen, wenn nach verständiger Würdigung eines sorgfältigen Unternehmers zum Zeitpunkt der Kündigung die Vorteile der Zweckverfolgung so gering sind, dass sie als nutzlos bezeichnet werden muss. Positiv ausgedrückt muss ein schutzwürdiges Eigeninteresse des Unternehmers erkennbar sein, den angestrebten Zweck zu erreichen.226 Mit dieser Interpretation der Dringlichkeit wird nicht unverhältnismäßig in die unternehmerische Entscheidungsfreiheit eingegriffen. Obwohl sie die Zwecksetzungsentscheidung des Unternehmers betrifft und damit grundsätzlich den Kernbereich unternehmerischer Freiheit berührt, ist die Intensität des Eingriffs denkbar gering. Jedenfalls mit Rücksicht darauf, dass der den Eingriff rechtfertigende Zweck des Kündigungsschutzgesetzes, dem Arbeitnehmer den Arbeitsplatz und die Betriebszugehörigkeit zu sichern, selbst Verfassungsrang genießt, muss das Interesse des Arbeitgebers, auch Maßnahmen durchzuführen, deren Nutzen er selbst nicht nachvollziehbar darlegen kann, hinten anstehen. Es fragt sich jedoch, ob eine intensivere Überprüfung der Interessen des Arbeitgebers stattzufinden hat. Das könnte der Fall sein, wenn es möglich ist, die Dringlichkeit auf die Erforderlichkeit der betrieblichen Umgestaltung zu beziehen.

3. Dringlichkeit der Erforderlichkeit? Bezieht man die Dringlichkeit auf die Erforderlichkeit der betrieblichen Veränderung, so muss das bedeuten, dass die Erforderlichkeit über ihr normales 225 Ähnlich Stahlhacke/Preis, Rn. 950, der darauf verweist, dass das Merkmal der Dringlichkeit ein Merkmal zur Bewertung der Gewichtigkeit des betrieblichen Interesses sei. 226 So wäre z. B. eine betriebliche Umgestaltung, die eine jährliche Ertragssteigerung von lediglich 100,– A mit sich bringt, nicht dringend betrieblich erforderlich.

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B. Bedingtheit der Kündigung durch betriebliche Erfordernisse

Maß hinausgehen soll. Eine Steigerung der Erforderlichkeit ist allerdings auf den ersten Blick schwer denkbar: Ein Mittel ist entweder mildestes Mittel, um einen bestimmten Zweck zu erreichen, oder nicht. Dennoch ergeben sich einige Differenzierungsmöglichkeiten. a) Angemessenheit der betrieblichen Veränderung? Vergegenwärtigt man sich, dass das Prinzip der Erforderlichkeit Teilprinzip des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit i. w. S. ist und daher mit dem Merkmal der Erforderlichkeit in gewisser Weise auch auf das Verhältnismäßigkeitsprinzip verwiesen wird, so drängt sich der Gedanke auf, dass mit der Forderung dringender Erforderlichkeit eine Angemessenheitsprüfung angeordnet sein könnte.227 Schließlich setzt die Angemessenheitsprüfung eine Erforderlichkeitsprüfung voraus und kann gegenüber dieser als intensivere Prüfung der Verhältnismäßigkeit verstanden werden. Eine betriebliche Veränderung wäre danach dringend erforderlich, wenn ihre Durchführung nicht nur erforderlich, sondern auch angemessen ist, also ihre Vorteile für den Arbeitgeber in einem angemessenen Verhältnis zu den Nachteilen für die Arbeitnehmerseite stehen. Allerdings erscheint die obige Argumentation vom Standpunkt eines natürlichen Sprachverständnisses aus sehr formal. Es ist ein erhebliches Wissen über die Struktur des Verhältnismäßigkeitsprinzips und die Stellung des Grundsatzes der Erforderlichkeit innerhalb desselben notwendig, um die Anordnung der Dringlichkeit als Forderung einer Angemessenheitsprüfung zu verstehen. Nach natürlichem Sprachverständnis stellt das Tatbestandsmerkmal „dringende betriebliche Erfordernisse“ keinen Bezug zu Arbeitnehmerinteressen her. Ob eine Maßnahme betrieblich erforderlich ist oder nicht, ist nach allgemeinem Sprachverständnis unabhängig davon, wie stark von ihr die Arbeitnehmerseite betroffen wird. Ulrich Preis vertritt sogar die Ansicht, dass das Merkmal „Erfordernisse“ eine Reduzierung des allgemeinen Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit i. w. S. auf den Teilgrundsatz der Erforderlichkeit bedeute, womit zugleich eine Verhältnismäßigkeitsprüfung i. e. S., also eine darüber hinausgreifende Abwägung ausgeschlossen sei.228 Eine solche Auslegung würde in der Tat nahe liegen, wenn 227 Vgl. Stein, BB 2000, 457, 464 f.; ders., AuR 2003, 99, 101, unter I 3 b (3) der Ausführungen; Kühling, AuR 2003, 92, 98, unter D II 2 d der Ausführungen. Vgl. auch ErfK/Ascheid, § 1 KSchG, Rn. 397, der der Ansicht ist, dass anhand des Maßstabs der Verhältnismäßigkeit zu ermitteln sei, ob die zur Kündigung vorgetragenen Erfordernisse dringend sind. Insbesondere verlange die Verhältnismäßigkeit i. e. S., dass das mit der Maßnahme bezweckte Ziel nicht außer Verhältnis zu der mit der Maßnahme verbundenen Beeinträchtigung stehen dürfe. Ascheid übersieht allerdings, dass diese Ansicht im Widerspruch zu der auch von ihm vertretenen (vgl. ErfK/ Ascheid, § 1 KSchG, Rn. 401) Freiheit der Unternehmerentscheidung steht.

V. Dringlichkeit

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das Merkmal „Erfordernisse“ im Tatbestand von § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG isoliert stünde. Berücksichtigt man aber das Merkmal „dringende“, das sich auf das Merkmal „Erfordernisse“ bezieht, so ist es durchaus möglich, dass damit der Gesetzgeber Anforderungen an die Prüfung der Mittel-Zweck-Beziehung stellen wollte, die über eine bloße Erforderlichkeitsprüfung hinausgehen. Die Forderung der Dringlichkeit des betrieblichen Erfordernisses könnte damit ein auch von Ulrich Preis229 für möglich gehaltener ausdrücklicher gesetzlicher Hinweis auf eine Angemessenheitsprüfung sein. Teilweise wird in der Literatur230 vertreten, dass aus der Begründung des KSchG231 zu entnehmen sei, dass das Gesetz den Zweck verfolge, dem AN den Arbeitsplatz und die Betriebszugehörigkeit im Rahmen des sozial und wirtschaftlich Vertretbaren zu sichern. Würde das zutreffen, wäre dies ein gewichtiges Argument für eine Überprüfung der Angemessenheit betrieblicher Veränderungen. In dem genannten Zweck wird nämlich eine Beziehung zwischen den Arbeitnehmer- und den Arbeitgeberinteressen hergestellt, verbunden mit der Aussage, dass die Arbeitnehmerinteressen vorgehen sollen, soweit das wirtschaftlich vertretbar ist. Der erwähnte Zweck liegt dem KSchG aber in Wirklichkeit gar nicht zu Grunde. Zweck des KSchG ist es vielmehr, den Arbeitsplatz und die Betriebszugehörigkeit des Arbeitnehmers vor Kündigungen, die einer hinreichenden Begründung entbehren und deshalb als willkürlich erscheinen, zu schützen.232 Wirklich notwendige Kündigungen sollen dagegen nicht verhindert oder auch nur erschwert werden. Dieser Zweck ist pauschaler und lässt einen weit geringeren Schutz der Interessen der Arbeitnehmer als der von der Literatur angenommene zu. Die Notwendigkeit einer Angemessenheitsprüfung betrieblicher Umgestaltungen kann aus ihm nicht entnommen werden. Im Gegenteil deutet der Umstand, dass notwendige Kündigungen nicht erschwert werden sollen, darauf hin, dass auch notwendige betriebliche Veränderungen nicht verhindert werden sollen. Das spricht für eine reine Erforderlichkeitsprüfung betrieblicher Umgestaltungen. Gegen eine Prüfung der Angemessenheit betrieblicher Veränderungen könnten zudem praktische Erwägungen sprechen. So einleuchtend es auf den ersten Blick scheinen mag, Arbeitgeberinteressen nur anzuerkennen, wenn sie die Interessen der Arbeitnehmerseite überwiegen, so schwierig wird die Abwägung im Einzelfall sein. Die Schwierigkeit besteht darin, dass bei einer Abwägung nicht nur sowohl die Arbeitgeber- als auch die Arbeitnehmerinteressen für sich bewertet, sondern auch in Beziehung zueinander gesetzt werden müssen. Wenn 228 229 230 231 232

Preis, Ulrich, Prinzipien, S. 305. Preis, Ulrich, Prinzipien, S. 292. Vgl. Stahlhacke/Preis, Rn. 914; Stein, BB 2000, 457, 460. RdA 1951, 61 ff. Vgl. dazu im Einzelnen oben Kapitel B.II.2.c), S. 29 ff., insbesondere S. 32 ff.

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B. Bedingtheit der Kündigung durch betriebliche Erfordernisse

ein Vergleich aber nicht dem subjektiven Empfinden des Vergleichenden überlassen werden, sondern nach nachvollziehbaren allgemeinen Maßstäben erfolgen soll, müssen die zwei zu vergleichenden Dinge in einem wesentlichen Aspekt – dem sog. tertium comparationis233 – übereinstimmen. Eine solche charakteristische Gemeinsamkeit, ist aber bei den Arbeitnehmer- und Arbeitgeberinteressen nicht zu finden.234 Am ehesten bietet sich noch als Gemeinsamkeit an, dass sowohl die Arbeitnehmer- als auch die Arbeitgeberinteressen sich in geldwerten Vor- bzw. Nachteilen auswirken können. So wurden von der älteren Rechtsprechung im Rahmen einer Interessenabwägung teilweise die sich aus der Änderung der Arbeitsorganisation ergebende Kostenersparnis des Arbeitgebers den finanziellen Nachteilen des Arbeitnehmers gegenübergestellt.235 Das kann jedoch nicht überzeugen.236 Zum einen stehen die Nachteile für den Arbeitnehmer zum Zeitpunkt der Kündigung – dem maßgebenden Zeitpunkt für die Beurteilung der Wirksamkeit derselben – noch gar nicht fest, da sie insbesondere davon abhängen, wie schnell und zu welchem Gehalt der Arbeitnehmer wieder Arbeit findet. Zum anderen ist ein wesentlicher Teil der Nachteile für den Arbeitnehmer gar nicht materieller, sondern immaterieller Natur. Fehlt aber ein Vergleichsmaßstab, müsste eine Angemessenheitsprüfung zwangsläufig auf eine reine Billigkeitsrechtsprechung hinauslaufen und damit zu Lasten der Rechtssicherheit gehen. Es fragt sich allerdings, inwieweit Praktikabilitätserwägungen als Auslegungskriterium zu berücksichtigen sind. Der demokratisch legitimierte Gesetzgeber kann sich durchaus zu Lasten der Rechtssicherheit für mehr Einzelfallgerechtigkeit entscheiden und zu diesem Zweck es der Rechtsprechung überlassen, die Interessen der streitenden Parteien gegeneinander abzuwägen, auch wenn es dafür keine festen Maßstäbe gibt. Kann sicher ermittelt werden, dass die gesetzgebende Gewalt eine bestimmte Lösung gewollt hat, kann diese Lösung nicht mit dem Hinweis, dass eine andere Lösung praktikabler sei, ersetzt werden. Die Legislative kann praktische Schwierigkeiten bewusst in Kauf nehmen, um ein politisches Ziel zu erreichen. Auch wenn der Wille des Gesetzgebers nicht sicher zu ermitteln ist, geht nicht automatisch die praktikablere Lösung vor. Ist aber – wie hier – nicht erkennbar, inwieweit die unpraktikablere Auslegungsmöglichkeit zu nachvollziehbarer Einzelfallgerechtigkeit führt, werden die Praktikabilitätserwägungen den Ausschlag geben müssen. Darüber hinaus würde eine Angemessenheitsprüfung sehr intensiv in die unternehmerische Entscheidungsfreiheit eingreifen, so dass eine dahingehende 233

Vgl. Hügli, Philosophielexikon, unter dem Stichwort „tertium comparationis“. Vgl. auch Preis, Ulrich, Prinzipien, S. 219, der ebenfalls der Meinung ist, dass die Interessen des Arbeitgebers und die des Arbeitnehmers völlig unvergleichbare (inkommensurable) Größen sind. 235 Vgl. BAG 3.5.1978, E 30, 272, 277 f. 236 Ablehnend auch Preis, Ulrich, Prinzipien, S. 219, Fn. 219. 234

V. Dringlichkeit

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Auslegung der Dringlichkeit im Rahmen einer verfassungsorientierten Auslegung ausscheidet. Wie bei der oben237 diskutierten Prüfung der Dringlichkeit als Reaktionszwang auf drohende Nachteile wären nicht nur die Mittelentscheidungen, sondern auch die Zwecksetzungsentscheidungen des Unternehmers betroffen. Wenn nämlich ein betriebliches Erfordernis vorliegt, steht nach der in dieser Arbeit vertretenen Auslegung fest, dass die ins Auge gefasste betriebliche Veränderung schon das mildeste Mittel ist, um den verfolgten unternehmerischen Zweck zu erreichen. Würde nun noch die Angemessenheit der betrieblichen Maßnahme überprüft und gegebenenfalls verneint, führte dies dazu, dass nicht nur die betriebliche Umgestaltung, sondern auch die Verfolgung des unternehmerischen Zwecks aufgegeben werden müsste. Wird nämlich sogar die Angemessenheit der mildesten Maßnahme verneint, wird man gar keinen angemessenen Weg finden, um den angestrebten Zweck zu erreichen. Der Kern unternehmerischer Freiheit besteht aber gerade darin, dass der Unternehmer weitgehend frei ist in der Wahl seiner Ziele und diese auch verwirklichen kann. Nach alledem würde, wenn nicht nur die Erforderlichkeit, sondern auch die Angemessenheit unternehmerischer Maßnahmen überprüft würde, so erheblich in die unternehmerische Entscheidungsfreiheit eingegriffen, dass dies auch unter Berücksichtigung der grundrechtlich geschützten Interessen der Arbeitnehmer als unangemessen erscheint. Als Ergebnis einer verfassungsorientierten Auslegung ist eine Angemessenheitsprüfung betrieblich-organisatorischer Maßnahmen daher abzulehnen.238 Auf den ersten Blick mag es überraschen, dass eine Erforderlichkeitsprüfung betrieblicher Maßnahmen einer verfassungsrechtlichen Betrachtung standhalten soll, eine Angemessenheitsprüfung dagegen nicht. Das liegt aber zum einen daran, dass eine Angemessenheitsprüfung ungleich tiefer in die unternehmerische Entscheidungsfreiheit eingreift als eine Erforderlichkeitsprüfung, weil sie auch die Zwecksetzungsentscheidungen des Arbeitgebers betrifft. Zum anderen – und das ist der entscheidende Gesichtspunkt – ordnet das Kündigungsschutzgesetz eine Erforderlichkeitsprüfung eindeutig an, während es unklar bleibt, ob das Tatbestandsmerkmal der Dringlichkeit auf eine Prüfung der Angemessenheit zielt. Daher könnte die vom Gesetz gewollte Erforderlichkeitsprüfung lediglich durch eine verfassungskonforme Auslegung korrigiert werden, wohingegen die Frage, ob die Angemessenheit betrieblicher Veränderungen zum Tatbestand der betriebsbedingten Kündigung gehört, einer verfassungsorientierten Auslegung offen steht. Bei der verfassungsorientierten Auslegung ist es im Gegensatz zur verfassungskonformen Auslegung nicht notwendig, dass die auszuscheidende Auslegungsmöglichkeit – hier die Angemessenheitsprüfung – verfassungswidrig 237

Vgl. Kapitel B.V.1., S. 77 f. Im Ergebnis ebenso BAG 27.9.2001, RdA 2002, 372, 374, Leitsatz 4 und unter I 2 b; BAG 30.4.1987, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 42, Leitsatz 2 und unter IV. 238

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B. Bedingtheit der Kündigung durch betriebliche Erfordernisse

ist, es genügt vielmehr, wenn die andere Deutungsmöglichkeit verfassungsrechtlich vorzugswürdig ist. Deswegen musste die Frage, ob eine gesetzliche Regelung, nach der betrieblich-organisatorische Maßnahmen auf ihre Angemessenheit überprüft werden müssen, verfassungswidrig wäre, nicht entschieden werden. Der Verfasser ist allerdings der Ansicht, dass eine entsprechende gesetzliche Regelung vom weiten Gestaltungsspielraum des demokratischen Gesetzgebers durchaus umfasst wäre. b) Absolut mildestes Mittel? Eine Dringlichkeit der Erforderlichkeit ist auch in der Weise denkbar, dass nicht nur das mildeste Mittel gesucht wird, sondern ein Mittel, zu dem es gar keine sinnvolle Alternative gibt.239 Bei einer klassischen Erforderlichkeitsprüfung wird das Mittel, um dessen Erforderlichkeit es geht, nur mit anderen, mindestens ebenso geeigneten Mitteln verglichen.240 Die Erforderlichkeit wird also nur in Bezug auf die Eignung des Mittels untersucht (sog. Relativität der Erforderlichkeit). Dem gegenüber könnte die Forderung dringender Erforderlichkeit bedeuten, dass in den Vergleich auch Mittel einbezogen werden, die zwar nicht im selben Maße, dennoch aber geeignet sind, den angestrebten Zweck zu erreichen oder wenigstens zu fördern. Absolut mildestes Mittel wäre dann dasjenige, das den Zweck noch irgendwie fördert und dabei am wenigsten nachteilige Auswirkungen hat. Eine betriebliche Maßnahme wäre danach, auch wenn sie den vom Arbeitgeber verfolgten Zweck am besten fördert, nicht dringend erforderlich, wenn es eine Alternativmaßnahme gibt, die den Zweck zwar weniger fördert, dafür aber einen geringeren Arbeitskräfteüberhang nach sich zieht. Die Suche nach dem absolut mildesten Mittel beruht auf einem zutreffenden Gedanken. Es kann nicht richtig sein, ein milderes Mittel nur deshalb abzulehnen, weil es weniger geeignet ist, obwohl der Nacheil dieses Mittels gegenüber dem geeigneteren so gering ist, dass kein schutzwürdiges Interesse des Unternehmers anzuerkennen ist, die belastendere Maßnahme durchzuführen.241 Ande239 In diesem Sinne versteht Ulrich Preis (Prinzipien, S. 306 ff., S. 402, siehe auch S. 273 f.) die Anordnung der Dringlichkeit. 240 So Wank (RdA 1987, 129, 136) für die nach ihm aus dem Merkmal der Dringlichkeit folgende Erforderlichkeitsprüfung, die er allerdings fälschlicherweise auf die Kündigung und nicht auf die betriebliche Veränderung bezieht; ihm folgend BAG 27.9.2001 (RdA 2002, 372, 374, I 2 a), obwohl das Gericht kurz anmerkt, dass bei einer Prüfung der Erforderlichkeit die von der Arbeitgeberin getroffene Organisationsentscheidung in unzulässiger Weise auf ihre Zweckmäßigkeit hin überprüft würde. Ebenso APS/Kiel, § 1 KSchG, Rn. 562. 241 Beispiel: Wenn eine betriebliche Veränderung eine Ertragssteigerung von 6000 A bringt, eine alternative Maßnahme dagegen nur 5990 A erzielt, dafür aber mehr Arbeitsplätze erhält, dann wird der Unternehmer nicht mit dem Argument, die zweite

V. Dringlichkeit

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rerseits wird man den Unternehmer nicht auf die absolut mildeste Maßnahme verweisen können, wenn der zusätzliche Vorteil der belastenderen Maßnahme gegenüber der absolut mildesten ein solches Gewicht hat, dass er allein eine betriebliche Umgestaltung rechtfertigen könnte.242 Der Sache nach läuft die Frage, ob der Unternehmer das mildeste geeignete Mittel verwirklichen darf oder auf eine weniger geeignete, dafür aber auch weniger belastende Maßnahme verwiesen werden kann, auf eine versteckte Bewertung des Vorteils für den Unternehmer hinaus. Dieser Vorteil kann entweder im Rahmen einer versteckten Angemessenheitsprüfung243, oder er kann für sich, ohne ihn zu den zusätzlichen Nachteilen für die Arbeitnehmer ins Verhältnis zu setzen, bewertet werden. Bei einer Prüfung der Angemessenheit muss der zusätzliche Vorteil, der sich aus der Vornahme der geeigneteren Maßnahme statt der weniger geeigneten für den Arbeitgeber ergibt, zu den zusätzlichen Nachteilen der geeigneteren Maßnahme ins Verhältnis gesetzt werden. Eine solche Angemessenheitsprüfung ist allerdings aus denselben Gründen wie bei der Prüfung der Angemessenheit des relativ mildesten Mittels innerhalb der klassischen Verhältnismäßigkeitsprüfung244 abzulehnen. Insbesondere müsste bei dem Verdikt der Unangemessenheit der Arbeitgeber sein Ziel, mit der relativ mildesten Maßnahme zusätzlichen Vorteil gegenüber der absolut mildesten zu erzielen, völlig aufgeben. Das würde die unternehmerische Entscheidungsfreiheit unverhältnismäßig stark beeinträchtigen. Bewertet man den zusätzlichen Vorteil der relativ mildesten gegenüber der absolut mildesten Maßnahme, ohne ihn zu den zusätzlichen Nachteilen für die Arbeitnehmer ins Verhältnis zu setzen, sollte die Bewertung nach denselben Kriterien wie bei der Bewertung des Vorteils der Zweckverfolgung einer einzelnen Maßnahme erfolgen.245 Der Arbeitgeber kann also nur dann auf das absolut mildeste Mittel verwiesen werden, wenn der Vorteil der Vornahme des relativ mildesten Mittels statt des absolut mildesten so gering ist, dass kein schützenswertes Eigeninteresse erkennbar ist. Dieses Ergebnis ist auch sachgerecht. Es macht für den Arbeitgeber keinen Unterschied, ob es um den betrieblichen Vorteil geht, der daraus entsteht, dass er überhaupt eine betriebliche Maßnahme Maßnahme sei weniger geeignet und daher bei der Erforderlichkeitsprüfung nicht als Vergleichsmaßnahme heranzuziehen, die geeignetere Veränderung durchführen dürfen. 242 Beispiel: Wenn man eine Ertragssteigerung von 5.000 A als ausreichenden Vorteil anerkennt, so kann es keinen Unterschied machen, ob der Arbeitgeber eine Maßnahme durchführt, die 5.000 A Vorteil bringt, oder ob er eine Maßnahme, die eine Ertragssteigerung von 11.000 A erzielt, einer Maßnahme, die 6.000 A einbringt, vorzieht, auch wenn diese weniger belastend ist. 243 So versteht Annuß (S. 102) die Frage nach dem absolut mildesten Mittel. 244 Vgl. oben Kapitel B.V.3.a), S. 80 ff. 245 Vgl. oben Kapitel B.V.2., S. 79.

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B. Bedingtheit der Kündigung durch betriebliche Erfordernisse

durchführt, oder ob der Vorteil daraus folgt, dass er eine Maßnahme einer anderen vorzieht. c) Besondere Geeignetheit? Man könnte auch auf den Gedanken kommen, die Dringlichkeit auf den Aspekt der Geeignetheit innerhalb der Erforderlichkeitsprüfung zu beziehen. Eine Maßnahme wäre danach erst dann ein dringendes Erfordernis, wenn sie in ausreichendem Maße geeignet ist, den verfolgten Zweck zu fördern. Dies ist durchaus ein richtiger Gedanke, der jedoch keine sachlichen, sondern lediglich sprachliche Unterschiede zu der in dieser Arbeit vertretenen Auffassung enthält, derzufolge mit dem Merkmal der Dringlichkeit eine Überprüfung des Gewichts des verfolgten Zwecks angeordnet ist. Die Geeignetheit einer Maßnahme wird nämlich nur nach dem Ausmaß des Nutzens der Zweckverfolgung bewertet werden können. Z. B. ist in Bezug auf den Zweck der Ertragssteigerung eine Maßnahme geeigneter, wenn sie eine Steigerung von 10.000 A als wenn sie nur eine von 9.000 A erzielt.

4. Ergebnis Die in § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG angeordnete Prüfung der Dringlichkeit des betrieblichen Erfordernisses hat zur Folge, dass der mit der betrieblichen Veränderung verfolgte Zweck ein gewisses Gewicht haben muss. Das ist schon dann der Fall, wenn nach verständiger Würdigung eines durchschnittlichen Unternehmers zum Zeitpunkt der Durchführung der betrieblichen Veränderung ein nachvollziehbarer betrieblicher Nutzen dieser Maßnahme erkennbar ist. Betriebswirtschaftlich kaum ins Gewicht fallende Vorteile können danach eine betriebliche Umgestaltung zu Lasten der Arbeitnehmer nicht rechtfertigen.246 Der gleiche Maßstab ist anzulegen, wenn es um die Frage geht, ob der Arbeitgeber statt der geplanten betrieblichen Veränderung zu einer weniger geeigneten greifen muss. Die geplante Maßnahme ist nur dann dringend betrieblich erforderlich, wenn sie gegenüber der weniger geeigneten einen nachvollziehbaren betrieblichen Vorteil bietet. An dieser Stelle zeigt sich endgültig, dass die Ansicht der h. M., dass unternehmerische Entscheidungen und die auf sie zurückgehenden betrieblichen

246 Im Ergebnis ähnlich KR/Etzel, § 1 KSchG, Rn. 523; APS/Kiel, § 1 KSchG, Rn. 469, nach denen eine Unternehmerentscheidung offenbar unvernünftig sein soll, wenn sie keinen erkennbaren wirtschaftlichen Sinn hat. Allerdings wird damit unnötigerweise die Prüfung des wirtschaftlichen Sinns vom Tatbestand der betriebsbedingten Kündigung in die Missbrauchsprüfung verlagert. Dazu, dass eine solche Verlagerung nicht sinnvoll ist, vgl. unten Kapitel C.I.1., S. 102 ff.

VI. Überprüfung der Angemessenheit der Kündigung?

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Maßnahmen nicht auf ihre Zweckmäßigkeit überprüft werden können, nicht haltbar ist. Versteht man Zweckmäßigkeit im Sinne von Geeignetheit – was nahe liegt, da die Zweckmäßigkeit von der h. M. im Zusammenhang mit der Notwendigkeit, also der Erforderlichkeit genannt wird – muss sie gerichtlich voll überprüft werden.247 Der Begriff der Zweckmäßigkeit kann aber auch so verstanden werden, dass ein Nutzen der Zweckverfolgung erkennbar, dass diese sinnvoll sein muss.248 Dementsprechend wird teilweise vertreten, dass Freiheit der Unternehmerentscheidung bedeute, dass nicht geprüft werden könne, ob der Entschluss des Unternehmers, der betrieblich umgesetzt wurde, wirtschaftlich sinnvoll war.249 Aber auch wenn diese Deutung zu Grunde gelegt wird, ist die Aussage, dass betriebliche Maßnahmen nicht auf ihre Zweckmäßigkeit überprüft werden können, nach dem oben Gesagten nicht zutreffend, da eine Bewertung des Nutzens der Zweckverfolgung stattzufinden hat. Die im Dogma von der Freiheit der Unternehmerentscheidung enthaltene Bezugnahme auf die Grundrechte des Arbeitgebers findet allerdings eine gewisse Bestätigung darin, dass die Berücksichtigung der unternehmerischen Entscheidungsfreiheit im Rahmen einer verfassungsorientierten Auslegung des Merkmals der Dringlichkeit dazu führt, dass die Anforderungen an den Vorteil der betrieblichen Veränderung gering anzusetzen sind.

VI. Überprüfung der Angemessenheit der Kündigung? Nachdem oben250 gezeigt wurde, dass in Bezug auf die betriebliche Umgestaltung keine Angemessenheitsprüfung stattfindet, fragt es sich, ob die Angemessenheit der Kündigung zu prüfen ist. Schließlich zeichnet den Regelfall der betriebsbedingten Kündigung eine doppelte Erforderlichkeitsprüfung aus251, so dass es auch einen zweifachen Ansatz für eine Angemessenheitsprüfung gibt. Zudem ist allgemein anerkannt, dass bei der personen- und verhaltensbedingten Kündigung eine Interessenabwägung stattzufinden hat252, so dass sich der Ge-

247 Vgl. oben Kapitel B.II., S. 23 ff. Das ergibt sich daraus, dass die vom Gesetz angeordnete Erforderlichkeitsprüfung eine Prüfung der Geeignetheit voraussetzt. Eine Maßnahme ist erforderlich, wenn sie die mildeste geeignete Maßnahme ist. 248 Der Begriff der Zweckmäßigkeit ist in der Tat doppeldeutig (vgl. Duden, Das große Wörterbuch der deutschen Sprache, unter dem Stichwort „zweckmäßig“) und müsste deswegen von der h. M. präzisiert werden. Er bedeutet einerseits, dass etwas so geartet ist, dass es seinen Zweck gut erfüllt. In dieser Bedeutungsvariante ist er deckungsgleich mit dem Begriff der Geeignetheit. Andererseits kann Zweckmäßigkeit bedeuten, dass etwas sinnvoll bzw. in einem gegebenen Zusammenhang nützlich ist. Diese Bedeutung zielt auf eine Bewertung des verfolgten Zwecks. 249 Vgl. ErfK/Ascheid, § 1 KSchG, Rn. 401. 250 Vgl. Kapitel B.V.3.a), S. 80 ff. 251 Vgl. oben Kapitel B.IV., S. 73 ff.

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B. Bedingtheit der Kündigung durch betriebliche Erfordernisse

danke aufdrängt, dass dies bei der betriebsbedingten Kündigung genauso sein könnte. Der Wortlaut von § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG spricht davon, dass die Kündigung durch einen der drei Kündigungsgründe „bedingt“ sein muss, um sozial gerechtfertigt zu sein. Daraus kann lediglich die Anordnung einer Erforderlichkeitsprüfung der Kündigung, nicht aber auch die einer Angemessenheitsprüfung derselben entnommen werden.253 Man könnte aber auf die Idee kommen, dass im Begriff der sozialen Rechtfertigung selbst eine Abwägung der Interessen des Arbeitgebers mit denen des von der Kündigung betroffenen Arbeitnehmers angelegt ist. Dann müsste dieser Begriff eigenständigen Inhalt haben können. Das wäre nicht der Fall, wenn der Gesetzgeber den Begriff der sozialen Rechtfertigung in § 1 Abs. 2, Abs. 3 KSchG abschließend definiert hätte. Dann würde es sich um einen bloßen sogenannten rechtstechnischen Begriff handeln. An der Definition der sozialen Rechtfertigung in § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG fällt auf, dass sie nicht positiv aussagt, wann die soziale Rechtfertigung einer Kündigung vorliegt, sondern lediglich bestimmt, wann eine Kündigung nicht sozial gerechtfertigt ist: Die soziale Rechtfertigung fehlt, wenn die Kündigung nicht durch einen Kündigungsgrund bedingt ist. Aus dieser Aussage kann nicht geschlossen werden, dass die Kündigung sozial gerechtfertigt ist, wenn die Kündigung durch einen Kündigungsgrund bedingt ist.254 Aus ihr kann nur gefolgert werden, dass, wenn die Kündigung sozial gerechtfertigt ist, sie dann zwingend durch einen Kündigungsgrund bedingt ist. Damit erweist sich der Wortlaut von § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG nicht – wie man vielleicht zunächst denken mag – als unnötig kompliziert oder gar missglückt255, sondern offenbart inhaltliche Funktion: Das Bedingtsein der Kündigung durch einen Kündigungsgrund ist lediglich notwendige, nicht aber hinreichende Bedingung für die soziale Rechtfertigung der Kündigung. Indem § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG das Bedingtsein der Kündigung durch einen Kündigungsgrund bloß als notwendige Bedingung formuliert, weist er über diese von ihm genannten Voraussetzungen für die soziale Rechtfertigung hinaus. Das führt zu der Frage, wie die hinreichende Bedingung für die soziale Rechtfertigung beschaffen sein muss, welche Voraussetzungen also zum Bedingtsein der Kündigung durch einen Kündigungsgrund hinzukommen muss, damit die Kündigung sozial gerechtfertigt ist. Da252 Vgl. ErfK/Ascheid, § 1 KSchG, Rn. 141; APS/Dörner, § 1 KSchG, Rn. 80; Stahlhacke/Preis, Rn. 922. 253 Vgl. oben Gliederungpunkt B.I.1., S. 19. 254 So auch BAG 20.10.1954, E 1, 117, 119. A. A. Preis, Ulrich, Prinzipien, S. 198, der aus § 1 Abs. 2 KSchG folgern möchte, dass es positiv wie negativ nur auf das Vorliegen der in § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG aufgeführten Gründe ankomme; Diekhoff, AuR 1957, 197. 255 So aber Feudner, DB 2000, 476, 477; Preis, Ulrich, Prinzipien, S. 58.

VI. Überprüfung der Angemessenheit der Kündigung?

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rüber gibt das Gesetz selbst keine Auskunft. Es macht lediglich klar, dass die von ihm genannten Voraussetzungen für die soziale Rechtfertigung nicht abschließend sein müssen, und gestattet damit Rechtsprechung und Lehre, über die Bedingtheit der Kündigung durch einen Kündigungsgrund hinaus, weitere Voraussetzungen für die soziale Rechtfertigung herauszuarbeiten.256 Der Gesetzgeber hat den Begriff der sozialen Rechtfertigung also nicht abschließend definiert. Diese Erkenntnis wird dadurch ermöglicht, dass er diesen Begriff zusätzlich zu dem der Rechtsunwirksamkeit verwendet.257 Wäre lediglich formuliert worden, dass die Kündigung rechtsunwirksam ist, wenn sie nicht durch personen-, verhaltens- oder betriebsbedingte Gründe bedingt ist, wäre die negative Struktur des Wortlauts nicht besonders informativ. Denn es ist eine Selbstverständlichkeit, dass die genannten Kündigungsgründe nur notwendige und nicht hinreichende Bedingung für die Wirksamkeit einer Kündigung sind, da es noch zahlreiche andere Wirksamkeitsvoraussetzungen – etwa Zugang und Schriftform der Kündigung – gibt. Es könnte dann kaum auf einen Willen des Gesetzgebers geschlossen werden, es Rechtsprechung und Lehre zu überlassen, weitere als die gesetzlich geregelten Wirksamkeitsvoraussetzungen zu entwickeln. Aus der Tatsache aber, dass der Gesetzgeber das Zwischenglied der sozialen Rechtfertigung als Wirksamkeitsvoraussetzung einer Kündigung nach dem KSchG eingeführt und deren Voraussetzungen nicht abschließend genannt hat, muss gefolgert werden, dass er die vollständige Definition Rechtsprechung und Lehre überlassen wollte.258 Nach alledem sollte vermieden werden, den Begriff der sozialen Rechtfertigung als rein rechtstechnischen Begriff zu bezeichnen.259 Wenn mit dieser Bezeichnung ausgedrückt werden soll, dass der Begriff der sozialen Rechtfertigung 256 Irrig daher Ulrich Preis (Prinzipien, S. 306), der aus dem Gesetzeswortlaut schließen möchte, dass der Gesetzgeber sich gegen eine Angemessenheitsprüfung entschieden habe. Der Wortlaut des Gesetzes lässt aber entgegen Preis logisch durchaus Raum, ihn auch ohne ausdrückliche Anordnung des Gesetzgebers folgendermaßen zu ergänzen: „Sozial ungerechtfertigt ist die Kündigung, wenn sie nicht durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt ist oder diese nicht als verhältnismäßiges Mittel zum verfolgten Zweck erscheint.“ Preis übersieht, dass das Gesetz keine abschließende Aussage darüber trifft, wann eine Kündigung sozial gerechtfertigt ist, sondern lediglich eine notwendige Voraussetzungen dafür – das Bedingtsein der Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse – nennt. Darüber hinaus würde Preis’ Argument in gleicher Weise die personen- und verhaltensbedingte Kündigung treffen, wo aber auch er eine Interessenabwägung für möglich hält, vgl. Preis, Ulrich, a. a. O., S. 308 f. 257 A. A. Wank, RdA 1987, 135; Preis, Ulrich, Prinzipien, S. 58 f.; beide sind der Ansicht, dass der Begriff „sozial ungerechtfertigt“ gegenüber dem der schlichten „Unwirksamkeit“ nichts zur Erkenntnis oder besseren Anwendung beitrage. Ebenso Boewer, FS für Dieter Gaul, 19, 29. 258 Dieses Ergebnis beruht entgegen Ulrich Preis (Prinzipien, S. 197 f.) nicht auf einer isolierten Betrachtung der sozialen Rechtfertigung, sondern folgt aus der logischen Struktur der Definition derselben in § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG.

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B. Bedingtheit der Kündigung durch betriebliche Erfordernisse

nicht als selbständiges, isoliert zu betrachtendes Tatbestandsmerkmal angesehen werden kann, sondern bei seiner Anwendung seine Teildefinition in § 1 Abs. 2, Abs. 3 KSchG beachtet werden muss260, so ist dies richtig, allerdings auch eine Selbstverständlichkeit, die unmittelbar aus dem Umstand folgt, dass gesetzliche Regelungen – hier § 1 Abs. 2, Abs. 3 KSchG – beachtet werden müssen. Jedenfalls ist die Bezeichnung als bloßer rechtstechnischer Begriff missverständlich. Diese Kennzeichnung sollte Begriffen vorbehalten werden, die reine Nominaldefinitionen sind, also keinen Rest eigenständigen Inhalts haben, weil sie abschließend definiert sind und sich daher in ihrer Definition erschöpfen.261 Dies ist aber bei dem Begriff der sozialen Rechtfertigung nach obigen Ausführungen gerade nicht der Fall. Vielmehr liegt es nahe, bei der Suche nach der abschließenden hinreichenden Definition der sozialen Rechtfertigung auf die Bedeutung zurückzugreifen, die dieser Begriff im allgemeinen Sprachgebrauch haben könnte.262 Als ein wesentliches Merkmal sozialen Verhaltens wird man die Bereitschaft ansehen müssen, bei einer unvermeidlichen Interessenkollision eigene Interessen fremden Interessen unterzuordnen, wenn diese erkennbar ein wesentlich höheres Gewicht haben.263 Dem Begriff des Sozialen ist also die Bereitschaft zu einer Interessenabwägung immanent. Weitere Voraussetzung der sozialen Rechtfertigung könnte danach durchaus die Angemessenheit der Kündigung sein.264 Eine Kündigung wäre dann sozial gerechtfertigt, wenn sie durch einen der drei Kündigungsgründe bedingt und sie ein angemessenes Mittel wäre, um den vom jeweiligen Kündigungsgrund umschriebenen Störungstatbestand zu beseitigen. Etwas anderes folgt auch nicht aus der Entstehungsgeschichte des Kündigungsschutzgesetzes. In der Begründung zum Entwurf des Kündigungsschutzgesetzes265 heißt es, dass, wenn kein Kündigungsgrund vorliege, der Schutz des 259 So aber einhellig Literatur und Rechtsprechung, vgl. BAG 20.1.1961, BAGE 10, 323, 326; ErfK/Ascheid, § 1 KSchG Rn. 107; Stahlhacke/Preis, Rn. 915; APS/Kiel, § 1 KSchG, Rn. 651. 260 In diesem Sinne wohl ErfK/Ascheid, § 1 KSchG, Rn. 107 f. 261 Vgl. Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 47; Preis, Ulrich, Prinzipien des Kündigungsschutzes bei Arbeitsverhältnissen, S. 197. 262 Ähnlich Ascheid (ErfK, § 1 KSchG Rn. 108), der der Ansicht ist, dass dem Begriff „sozial gerechtfertigt“, insbesondere dem Sozialbezug des § 1 Abs. 1 KSchG, eine für die Normauslegung bestimmende Bedeutung zukomme. 263 Vgl. Wolff, FS für Wilhelm Sauer, S. 103, 112 f.; ders., FS für Walter Jellinek, S. 33, 37, der das Gebot, auf die Verfolgung eigener Interessen insoweit zu verzichten, als dadurch die Befriedigung objektiv wertvollerer Interessen anderer Menschen vereitelt werden würde, als „oberstes Prinzip des Rechts“ bzw. „ethisches Rechtsgesetz“ bezeichnet. 264 Ähnlich BAG 20.10.1954, E 1, 117, 119, wo ausgeführt wird, dass das Merkmal „sozial“ strengere Anforderungen an den Begriff der sozial gerechtfertigten Kündigung als die des bloßen Vorliegens eines Kündigungsgrundes stellt und dass dem Tatbestand des § 1 Abs. 2 KSchG eine Interessenabwägung immanent sei.

VI. Überprüfung der Angemessenheit der Kündigung?

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Gesetzes einsetze, ohne dass noch für eine Abwägung Raum wäre, ob der Verlust des Arbeitsplatzes aus sonstigen, außerhalb des Arbeitsverhältnisses liegenden Gründen den Arbeitnehmer mehr oder weniger hart treffen würde. Damit wird lediglich klargestellt, dass dann, wenn ein Kündigungsgrund fehlt, die Kündigung ohne weiteres unwirksam ist, auch wenn eine Interessenabwägung ergäbe, dass der Verlust des Arbeitsplatzes den Arbeitnehmer kaum träfe, etwa weil er sofort eine gleichwertige Arbeit fände.266 Nicht aber folgt aus der Begründung des Kündigungsschutzgesetzes, dass dann, wenn ein Kündigungsgrund vorliegt, die Kündigung auch ohne Interessenabwägung sozial gerechtfertigt ist.267 Dieses Ergebnis steht auch im Einklang mit der Erläuterung in der Begründung des Kündigungsschutzgesetzes, dass der Schutz des Arbeitnehmers mit der Regelung des Entwurfs verbessert werde.268 Würde bei Vorliegen eines Kündigungsgrundes auf eine Interessenabwägung verzichtet, wäre dies eine Verschlechterung der Position des Arbeitnehmers gegenüber der vor der Geltung des Kündigungsschutzgesetzes in den meisten deutschen Ländern üblichen Prüfung der unbilligen Härte einer Kündigung.269 Gegen eine Angemessenheitsprüfung bei der betriebsbedingten Kündigung spräche es jedoch, wenn dem Kündigungsschutzgesetz der Wille des Gesetzgebers zu entnehmen wäre, dass eine Interessenabwägung bei ihr nicht stattzufinden hat. Dass ein solcher Wille des Gesetzgebers zu respektieren ist, folgt unmittelbar aus dem Grundsatz der Bindung der Rechtsprechung an das Gesetz (Art. 20 Abs. 3 GG).270 Die Schwierigkeit der Auslegung besteht darin, dass aus dem Umstand, dass der Gesetzgeber einen Interessenkonflikt gesehen und 265

Abgedruckt in RdA 1951, 61, 63. Dies wird durch den Passus in der Begründung zum Entwurf des Kündigungsschutzgesetzes (RdA 1951, 61, 63) gestützt, dass Schutzgut des KSchG im Gegensatz zu früher nicht mehr das allgemeine wirtschaftliche Interesse des Arbeitnehmers, sondern dessen Arbeitsplatz und Betriebszugehörigkeit sei. Stellt man auf das allgemeine wirtschaftliche Interesse des Arbeitnehmers ab, kann dieses nämlich trotz Fehlens eines Kündigungsgrundes nicht oder kaum betroffen sein, so dass die Kündigung trotzdem wirksam sein kann. 267 Ähnlich Annuß (S. 96) der feststellt, dass sich aus der angeführten Passage in der Begründung zum Entwurf des Kündigungsschutzgesetzes unmittelbar nur die Unverzichtbarkeit eines Kündigungsgrundes ableiten lasse, nicht aber, dass die sonstigen Umstände generell keine Bedeutung erlangen. A. A. v. Hoyningen-Huene/Linck, § 1 KSchG, Rn. 136; Preis, Ulrich (Prinzipien, S. 201), nach dem die Begründung des Kündigungsschutzes bestätigt, dass nur noch die im KSchG bezeichneten Kündigungsgründe eine Kündigung zu rechtfertigen vermögen würden, ohne dass es auf darüber hinausgehende allgemeine Erwägungen ankäme. 268 RdA 1951, 61, 63. 269 A. A. APS/Kiel, § 1 KSchG, Rn. 651, der aus dem Umstand, dass der Begriff der „unbilligen Härte“ aus § 56 AOG nicht in das KSchG übernommen wurde, schließen möchte, dass damit eine Interessenabwägung ausgeschlossen sei. 270 Vgl. Preis, Ulrich, Prinzipien, S. 186 f. 266

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B. Bedingtheit der Kündigung durch betriebliche Erfordernisse

einer gesetzlichen Regelung zugeführt hat, noch nicht geschlossen werden kann, dass gar keine darüber hinausgehende Interessenabwägung stattfinden soll. Ein Interessenkonflikt kann nämlich auch nur teilweise gesetzlich geregelt werden.271 Deswegen muss aus der gesetzlichen Regelung auch entnommen werden können, dass sie den Interessenkonflikt abschließend erfassen soll. In der Literatur wird angenommen, dass bei der betriebsbedingten Kündigung im Gegensatz zur personen- und verhaltensbedingten Kündigung eine abschließende Interessenbewertung des Gesetzgebers stattgefunden habe.272 Bei der betriebsbedingten Kündigung seien durch das Merkmal der „dringenden betrieblichen Erfordernisse“ sowie dem Erfordernis der Sozialauswahl nach § 1 Abs. 3 KSchG die widerstreitenden Interessen genau subsumierbar erfasst, weswegen eine darüber hinausgehende Interessenabwägung nicht vorgenommen werden dürfe. Dem kann jedoch nicht zugestimmt werden. Aus dem Umstand, dass bei der Feststellung, ob dringende betriebliche Erfordernisse vorliegen, nicht auf eine Interessenabwägung zurückgegriffen werden darf,273 kann nicht geschlossen werden, dass auch die Angemessenheit der Kündigung nicht zu prüfen ist. Ein solcher Schluss geht entgegen der hier vertretenen Lösung davon aus, dass es bei der betriebsbedingten Kündigung nur eine Verhältnismäßigkeitsbeziehung gibt. Richtig ist es jedoch, eine doppelte Erforderlichkeitsprüfung anzunehmen, die grundsätzlich auch zwei Anknüpfungspunkte für eine Angemessenheitsprüfung bietet. Nur weil die Angemessenheit der das betriebliche Erfordernis darstellenden betrieblichen Veränderung nicht zu prüfen ist, heißt dies nicht, dass auch die der Kündigung keine Tatbestandsvoraussetzung ist. Auch aus dem Erfordernis der Sozialauswahl des § 1 Abs. 3 KSchG kann eine abschließende Interessenbewertung des Gesetzgebers nicht folgen. Voraussetzung dafür, dass aus einer gesetzlichen Regelung eine abschließende Interessenbewertung gefolgert werden kann, ist, dass der Gesetzgeber den Interessenkonflikt, um den es geht, überhaupt behandelt hat. Bei der hier interessierenden Frage, ob die Angemessenheit der Kündigung zu prüfen ist, geht es um den Konflikt zwischen dem 271 So regelt der hier interessierende § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG, dass die Kündigung sozial ungerechtfertigt ist, wenn kein betriebsbedingter Kündigungsgrund vorliegt. Dies ist ohne Zweifel eine teilweise Regelung des Interessenkonfliktes zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer dahingehend, dass das Interesse des Arbeitnehmers an der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses in jedem Fall überwiegen soll, wenn kein betriebsbedingter Kündigungsgrund vorliegt. Wie oben gezeigt wurde, kann daraus aber noch nicht ohne weiteres geschlossen werden, dass das Interesse des Arbeitgebers an der Auflösung des Arbeitsverhältnisses in jedem Fall überwiegen soll, wenn ein betriebsbedingter Kündigungsgrund vorliegt, der eine Kündigung erforderlich macht. Ein solcher Schluss wäre nur möglich, wenn eine entsprechender Wille des Gesetzgebers erkennbar wäre. 272 Stahlhacke/Preis, Rn. 922; Preis, Ulrich, Prinzipien, S. 208 f., 221; KüfnerSchmitt/Schmitt, S. 109; ErfK/Ascheid § 1 KSchG Rn. 141, v. Hoyningen-Huene/ Linck, § 1 KSchG, Rn. 136 f.; Herschel, DB 1984, 1523, 1524. 273 Vgl. oben Kapitel B.V.3.a), S. 80 ff.

VI. Überprüfung der Angemessenheit der Kündigung?

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Interesse des Arbeitgebers an der Auflösung und dem Interesse des Arbeitnehmers am Fortbestand des Arbeitsverhältnisses.274 Bei der Sozialauswahl nach § 1 Abs. 3 KSchG werden aber gar nicht die Interessen von Arbeitgeber und Arbeitnehmer gegeneinander abgewogen, sondern die Interessen des gekündigten mit denen – vergleichbarer – nicht gekündigter Arbeitnehmer.275 Auch dem Argument, dass die Überprüfung der Sozialauswahl eine Prüfung der Angemessenheit der Kündigung überflüssig mache, weil Arbeitnehmer, die eine Kündigung besonders hart treffen würde, regelmäßig besonders günstige Sozialdaten hätten und damit bereits über die Sozialauswahl nach § 1 Abs. 3 KSchG aus dem Kreis der zu kündigenden Arbeitnehmer herausfallen würden276, kann nicht gefolgt werden. Dass besonders schutzwürdige Arbeitnehmer schon aufgrund der Sozialauswahl von der Kündigung verschont bleiben, gilt eben nur regelmäßig und kann deshalb eine Überprüfung der Angemessenheit der Kündigung nicht prinzipiell ausschließen. Es ist durchaus denkbar, dass ein Betrieb existiert, in dem überwiegend besonders schutzbedürftige Arbeitnehmer beschäftigt sind, so dass bei umfangreichen Kündigungen auch solche Arbeitnehmer betroffen sind. Zudem kann der Angemessenheit der Kündigung nicht nur der Umstand entgegenstehen, dass der betroffene Arbeitnehmer besonders schutzwürdig ist, sondern auch der Umstand, dass das Interesse des Arbeitgebers, das Arbeitsverhältnis zu beenden, besonders gering ist. Der Gesetzgeber hat also weder mit dem Merkmal der dringenden betrieblichen Erfordernisse noch mit der Anordnung der Sozialauswahl nach § 1 Abs. 3 KSchG den Konflikt zwischen dem Interesse des Arbeitgebers an der Auflösung und dem Interesse des Arbeitnehmers am Fortbestand des Arbeitsverhältnisses abschließend behandelt. Aus diesem Grund ist eine abweichende Behandlung der betriebsbedingten gegenüber der personen- und verhaltensbedingten Kündigung in Bezug auf die Interessenabwägung nicht gerechtfertigt. Nach alledem muss die Angemessenheit der Kündigung auch dann geprüft werden, wenn ein betriebsbedingter Kündigungsgrund vorliegt.277

1. Regelfall (Erfordernis einer betrieblich-organisatorischen Umgestaltung) Vielleicht folgt aber aus der Struktur der betriebsbedingten Kündigung, dass die Interessenabwägung typischerweise zu einem bestimmten Ergebnis kommt. Dabei soll zunächst der Regelfall der betriebsbedingten Kündigung betrachtet

274 275 276 277

So auch Preis, Ulrich, Prinzipien, S. 204. So auch Preis, Ulrich, Prinzipien, S. 193 f. Vgl. Preis, Ulrich, Prinzipien, S. 220. Im Ergebnis ebenso Wollenschläger, Rn. 448.

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B. Bedingtheit der Kündigung durch betriebliche Erfordernisse

werden, in dem das betriebliche Erfordernis in einem Erfordernis zu einer von der Kündigung unterscheidbaren betrieblichen Veränderung besteht. Der Zweck der betriebsbedingten Kündigung im Regelfall ist immer der gleiche, nämlich der, einen – durch die Umsetzung eines dringenden betrieblichen Erfordernisses geschaffenen – Arbeitskräfteüberhang abzubauen und damit „Lohn ohne Arbeit“ zu vermeiden.278 Lohn ohne Arbeit zu vermeiden ist aber stets ein sehr gewichtiges betriebliches Interesse. Das ist der Grund, weswegen in aller Regel das Interesse des Arbeitgebers das des Arbeitnehmers, den Arbeitsplatz zu behalten, überwiegt.279 Eine Abweichung von dieser Regel wird nur möglich sein, wenn das Interesse des Arbeitgebers an der Kündigung ausnahmsweise gering ist. Da der Nachteil einer trotz Arbeitskräfteüberhangs untersagten Kündigung für den Arbeitgeber immer der gleiche ist, nämlich der, dass er einem überzähligen Arbeitnehmer Lohn zahlen muss, ohne dessen Arbeitskraft sinnvoll nutzen zu können, wird eine Quantifizierung des Nachteils sinnvoll nur in zeitlicher Hinsicht möglich sein. Die Angemessenheit wird deswegen bei der betriebsbedingten Kündigung nur in seltenen Ausnahmefällen fehlen, etwa wenn zum Zeitpunkt der Kündigungserklärung für den Arbeitgeber schon absehbar ist, dass kurz – z. B. 2 Wochen280 – nach Ablauf der Kündigungsfrist erneuter Arbeitskräftebedarf bestehen wird.281

278

Siehe oben Kapitel B.IV.2., S. 75. Auch Schwerdtner (ZIP 1984, 10, 12) wendet sich gegen eine Interessenabwägung bei der betriebsbedingten Kündigung mit dem Argument, dass diese Abwägung dazu führe, dass der Arbeitgeber unter Umständen zur Weiterzahlung des Entgelts ohne Arbeitsleistung bis zum demnächst bevorstehenden Eintritt in das Rentenalter oder bis zum Freiwerden einer anderen Stelle verpflichtet werde und insoweit gewissermaßen an die Stelle der Arbeitslosenversicherung rücke. Schwerdtner übersieht aber, dass dieses Argument nicht in allen Fällen zutrifft. 280 Genauer zur zeitlichen Grenze vgl. unten Kapitel F., S. 148 ff., insbesondere S. 151 ff. Dort wird als Ergebnis vorgeschlagen, dass eine Kündigung unangemessen ist, wenn zum Zeitpunkt der Kündigungserklärung vorhersehbar war, dass innerhalb dreier Monate nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses wieder Beschäftigungsbedarf bestehen wird. 281 Ähnlich BAG 30.4.1987, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 42, unter I der Gründe; BAG 16.1.1987, BB 1987, 2302, 2303, I 3 b, wo darauf hingewiesen wird, dass sich die bei der betriebsbedingten Kündigung notwendige umfassende Interessenabwägung nur in seltenen Ausnahmefällen zugunsten des Arbeitnehmers auswirken könne. Insbesondere könne eine zumeist nur vorübergehende Weiterbeschäftigung dem Arbeitgeber dann zuzumuten sein, wenn der Arbeitnehmer auf Grund schwerwiegender persönlicher Umstände besonders schutzbedürftig ist. Im Ergebnis ebenso ErfK/Ascheid, § 1 KSchG Rn. 397: Der Arbeitgeber habe geringfügige Schwankungen des Personalbedarfs hinzunehmen, selbst wenn er sie nicht durch Einführung von Kurzarbeit auffangen könne. Allerdings leitet Ascheid dieses Ergebnis nicht aus einer Interessenabwägung in Bezug auf die Kündigung, sondern aus dem Merkmal der Dringlichkeit ab, welches auf eine Verhältnismäßigkeitsprüfung im engeren Sinn verweise. 279

VI. Überprüfung der Angemessenheit der Kündigung?

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Dieses Ergebnis wird auch durch eine verfassungsorientierte Auslegung gestützt. Eine Interessenabwägung in Bezug auf die Kündigung kann zu einer Beeinträchtigung der Zwecksetzungsentscheidungen des Unternehmers führen. Geht nämlich die Abwägung zu Ungunsten des Arbeitgebers aus, bedeutet das für ihn, dass er, wenn er die betriebliche Veränderung durchführt, „Lohn ohne Arbeit“ in Kauf nehmen muss, also dem Arbeitnehmer weiter Lohn zahlen muss, ohne seine Arbeitskraft nutzen zu können. Dies führt dazu, dass sinnvolle betriebliche Veränderungen für den Arbeitgeber weniger attraktiv werden. Wenn der Vorteil der betrieblichen Umgestaltung geringer ist als die Belastung durch die Lohnzahlungspflicht, wird der Unternehmer die Zweckverfolgung sogar ganz aufgeben müssen.282 Auch aus verfassungsrechtlichen Gründen ist es daher sinnvoll, dem Unternehmer die Kündigung wegen fehlender Angemessenheit allenfalls dann zu versagen, wenn der Ausschluss der Kündigung ihn nur so unwesentlich belastet, dass eine Beeinträchtigung der unternehmerischen Zwecksetzungsentscheidung denkbar gering ist. Das wird nur dann der Fall sein, wenn der Unternehmer den Arbeitnehmer nach Ablauf der Kündigungsfrist nur kurze Zeit ohne sinnvolle Einsatzmöglichkeit weiterbeschäftigen muss. Nach alledem kann die Angemessenheitsprüfung im Regelfall der betriebsbedingten Kündigung aus strukturellen und verfassungsrechtlichen Gründen nur in seltenen Ausnahmefällen zu Ungunsten des Arbeitgebers ausgehen. Ein solcher Ausnahmefall liegt vor, wenn für den Arbeitgeber schon zum Zeitpunkt der Kündigungserklärung voraussehbar ist, dass zum Zeitpunkt des Ablaufs der Kündigungsfrist zwar ein Arbeitskräfteüberhang bestehen, kurze Zeit später aber wieder Beschäftigungsbedarf entstehen wird.283

2. Sonderfall (Betriebliches Erfordernis erschöpft sich in der Kündigung) Wie bereits erwähnt wurde, existieren Sonderfälle der betriebsbedingten Kündigung, in denen es keine erforderliche betriebliche Veränderung gibt, die zu 282 Dieses Problem kann auch nicht dadurch gelöst werden, dass man eine Interessenabwägung zu Ungunsten des Unternehmers nur zulässt, wenn die Vorteile aus der betrieblichen Umgestaltung so groß sind, dass sie den Nachteil durch die Belastung der Lohnzahlungspflicht übersteigen. Das würde zu dem Wertungswiderspruch führen, dass eine Kündigung ausgerechnet dann zu versagen wäre, wenn die betriebliche Umgestaltung besonders vorteilhaft, also das betriebliche Erfordernis – nach dem in dieser Arbeit vertretenen Verständnis der Dringlichkeit – besonders dringend ist. 283 Dieses Ergebnis könnte wohl zwar nicht nur über eine Interessenabwägung, sondern auch über das Prognoseprinzip erzielt werden, da nach diesem Prinzip eine Kündigung ausgeschlossen ist, wenn voraussehbar ist, das der Störungstatbestand in der Zukunft entfallen wird. Das Prognoseprinzip erweist sich aber bei näherem Hinsehen als Unterfall der Interessenabwägung, vgl. unten Kapitel F., S. 148 ff., insbesondere S. 149 ff.

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B. Bedingtheit der Kündigung durch betriebliche Erfordernisse

einem Arbeitskräfteüberhang führen und damit die Kündigung bedingen kann.284 Das betriebliche Erfordernis erschöpft sich dann in einem Erfordernis zur Kündigung. Es stellt sich die Frage, ob auch in diesem Sonderfall die Interessenabwägung aus strukturellen Gründen zu einem typischen Ergebnis kommt. Der Grund dafür, dass die Interessenabwägung im Regelfall der betriebsbedingten Kündigung regelmäßig zugunsten des Arbeitgebers ausgeht, liegt darin, dass der Zweck der Kündigung – nämlich der, einen Arbeitskräfteüberhang zu beseitigen – und damit auch das Gewicht der Interessen des Arbeitgebers in diesem Fall immer gleich sind. Ein nicht beseitigter Arbeitskräfteüberhang bedeutet für den Arbeitgeber, dass er Lohn zahlen muss, ohne die Arbeitskraft sinnvoll nutzen zu können.285 Dieser Grund kann im Sonderfall nicht angeführt werden, weil es in diesem Fall keinen Arbeitskräfteüberhang gibt. Die vom Arbeitgeber verfolgten Zwecke können höchst unterschiedlich sein. Damit wird sich auch das jeweilige Gewicht des verfolgten Zwecks unterscheiden, so dass es von daher keinen typischen Ausgang der Interessenabwägung geben kann. Vielleicht ergeben sich aber aus den strukturellen Besonderheiten des Sonderfalls Erkenntnisse für die bei ihm vorzunehmende Interessenabwägung. Den Regelfall der betriebsbedingten Kündigung zeichnet eine doppelte Erforderlichkeitsprüfung aus. Im Sonderfall gibt es keine von der Kündigung unterscheidbare Maßnahme, deren Erforderlichkeit geprüft werden könnte. Es gibt nur eine Erforderlichkeitsbeziehung; geprüft werden kann lediglich die Erforderlichkeit der Kündigung. Diese Erkenntnis lässt das Tatbestandsmerkmal „dringende“ im Sonderfall in einem anderen Licht erscheinen als im Regelfall. Im Regelfall muss die Forderung der Dringlichkeit auf den Zweck der betrieblichen Umgestaltung bezogen werden.286 Im Sonderfall kann die Dringlichkeit mangels einer betrieblichen Veränderung nur auf den Zweck der Kündigung bezogen werden. Das bedeutet, dass bei der Interessenabwägung die Interessen des Arbeitgebers besonderes Gewicht haben müssen, weswegen die Abwägung in der Regel zu 284 Es handelt sich dabei um die Änderungskündigung lediglich zur Entgeltkürzung, um die Kündigung, wenn der Betriebsrat nach Abschluss des Arbeitsvertrags die Zustimmung zur Einstellung nach § 99 BetrVG verweigert und um die Druckkündigung – soweit man diese als relevanten Kündigungsgrund anerkennen will. Vgl. dazu oben Kapitel B.II.2.b), S. 25 ff. Ferner ist es sinnvoll, zu diesen Fällen die Verdachtskündigung zu zählen, vgl. dazu unten Kapitel G.III., S. 162 ff. Zum Störungstatbestand für die betriebsbedingte Kündigung im Sonderfall vgl. oben Kapitel B.III.2., S. 71 ff. Auch HWK/Quecke, § 1 KSchG, Rn. 261 f., 265, 326 unterscheidet zwischen einem Hauptfall der betriebsbedingten Kündigung, bei dem ein Personalüberhang bestehe, und einem Ausnahmefall, der durch unveränderten Beschäftigungsbedarf gekennzeichnet sei. Quecke weist darauf hin, dass im Ausnahmefall eine betriebsbedingte Kündigung nur in engen Grenzen anerkannt werden könne und nennt insbesondere das Beispiel der Änderungskündigung zur Entgeltkürzung. 285 Vgl. dazu den vorigen Kapitel B.VI.1., S. 93 ff. 286 Vgl. oben Kapitel B.V.4., S. 86.

VI. Überprüfung der Angemessenheit der Kündigung?

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Gunsten des Arbeitnehmers ausgehen wird. Das typische Ergebnis der Interessenabwägung ist im Sonderfall also umgekehrt wie im Regelfall. Dieses Ergebnis kann auch am Wortlaut von § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG veranschaulicht werden. Im Sonderfall erschöpft sich das dringende betriebliche Erfordernis in einem Erfordernis zur Kündigung. Legt man den Wortlaut von § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG zu Grunde, ist die Kündigung sozial ungerechtfertigt, wenn sie nicht durch das dringende betriebliche Erfordernis zur Kündigung bedingt – also erforderlich geworden – ist. Beseitigt man die in dieser Aussage vorhandene Redundanz, kann umformuliert werden, dass die Kündigung sozial ungerechtfertigt ist, wenn sie nicht dringend betrieblich erforderlich ist. Diese Formulierung, in der sich das Merkmal „dringende“ auf die Kündigung bezieht, legt nah, dass bei der Angemessenheitsprüfung die betrieblichen Interessen ein besonderes Gewicht haben müssen. Die vorstehende Analyse wird auch durch eine verfassungsorientierte Auslegung gestützt. Der Gesetzgeber hat mit dem Kündigungsschutzgesetz die kollidierenden Grundrechte des Arbeitgebers und des Arbeitnehmers zu einem Ausgleich gebracht. Einerseits ist dem Kündigungsschutzgesetz zu entnehmen, dass erforderliche betriebliche Veränderungen dem Interesse des Arbeitnehmers, seinen Arbeitsplatz dauerhaft zu behalten, grundsätzlich vorgehen. Andererseits wird dem Schutz der Grundrechte des Arbeitnehmers dadurch Genüge getan, dass eben nicht jede betriebliche Umgestaltung, sondern nur eine erforderliche Veränderung, die zu einem Arbeitskräfteüberhang führt, die Kündigung bedingen kann. Gibt es keine von der Kündigung unterscheidbare betriebliche Veränderung, fällt dieser Schutz der Grundrechte des Arbeitnehmers weg. Das wird dadurch ausgeglichen, dass bei der Interessenabwägung hohe Anforderungen an das Gewicht des vom Arbeitgeber verfolgten Zwecks gestellt werden. An die Stelle der doppelten Erforderlichkeitsprüfung im Regelfall der betriebsbedingten Kündigung tritt im Sonderfall die verschärfte Interessenabwägung zu Gunsten des Arbeitnehmers. Das gefundene Ergebnis ist auch sachgerecht. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG geht mit seiner Formulierung, dass die Kündigung durch ein betriebliches Erfordernis bedingt sein kann, davon aus, dass das betriebliche Erfordernis im Regelfall kein Erfordernis zur Kündigung ist. Ansonsten wäre der Wortlaut in den meisten Anwendungsfällen redundant. Der Fall, dass sich das betriebliche Erfordernis in einem Erfordernis zur Kündigung erschöpft, kann aber nur dann ein Ausnahmefall der betriebsbedingten Kündigung bleiben, wenn in diesem Fall besonders hohe Anforderungen an den mit der Kündigung verfolgten Zweck gestellt werden. Würde jeder nachvollziehbar betriebliche Zweck genügen, würde über die Hintertür der betriebsbedingten Kündigung der Kündigungsschutz ausgehöhlt. So könnte etwa auch das durchaus nachvollziehbare Interesse des Arbeitgebers, einen fehlerfrei arbeitenden Arbeitnehmer gegen einen

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B. Bedingtheit der Kündigung durch betriebliche Erfordernisse

Arbeitnehmer auszutauschen, der bereit ist, für weniger Vergütung zu arbeiten, kündigungsrelevant werden. Mit dem gefundenen Ergebnis lassen sich die bekannten Fälle, in denen eine Kündigung auch ohne betriebliche Umgestaltung, die zu einem Arbeitskräfteüberhang führt, möglich ist, ohne Probleme in das System der betriebsbedingten Kündigung integrieren. Bei einer Kündigung, weil der Betriebsrat nach Abschluss des Arbeitsvertrags gemäß § 99 BetrVG der Einstellung des Arbeitnehmers widerspricht, ergibt sich das besondere betriebliche Interesse daraus, dass es dem Arbeitgeber in diesem Fall untersagt ist, den Arbeitnehmer zu beschäftigen. Es besteht stets ein erhebliches betriebliches Interesse, sich von Arbeitskräften, die dauerhaft nicht beschäftigt werden dürfen, zu lösen. Bei der Druckkündigung ergibt sich das besondere Gewicht der betrieblichen Interessen daraus, dass diese nur unter der Voraussetzung anerkannt wird, dass dem Unternehmen erhebliche Nachteile durch den Dritten drohen, wenn dem betroffenen Arbeitnehmer nicht gekündigt wird. Bei der Änderungskündigung lediglich zur Entgeltkürzung folgt das besondere betriebliche Interesse daraus, dass diese – wenn sie nicht damit begründet wird, dass sie milderes Mittel gegenüber einer möglichen Beendigungskündigung ist – nur zulässig ist, wenn es ansonsten zu einer Existenzgefährdung des Unternehmens kommt.287

3. Exkurs: Verhältnismäßigkeit i. e. S. und das Prinzip der Güter- und Interessenabwägung Wie schon erwähnt wurde, soll nach h. M. jedenfalls bei der personen- und verhaltensbedingten Kündigung eine umfassende bzw. allgemeine Interessenabwägung zur Feststellung der Sozialwidrigkeit erforderlich sein.288 Es fragt sich, ob diese allgemeine Interessenabwägung identisch ist mit der Prüfung der Verhältnismäßigkeit i. e. S.. Der Unterschied zwischen beiden Prinzipien wird in Literatur und Rechtsprechung oft gar nicht thematisiert, geschweige denn herausgearbeitet. Teilweise wird allerdings vertreten, dass die Verhältnismäßigkeit i. e. S. lediglich ein Anwendungsfall des Prinzips der Güter- und Interessenabwägung bezeichne, weil bei ihr die Abwägung auf die Relation zwischen Mittel und Zweck einer Maßnahme beschränkt sei.289 Dagegen werden bei einer umfassenden Güter- und Interessenabwägung alle wesentlichen Umstände, die für und gegen den Mitteleinsatz sprechen, ins Verhältnis zueinander gesetzt.290 287 Vgl. im Einzelnen zur Änderungskündigung mit dem Ziel der Lohnkürzung unten Kapitel H.VII.3., S. 222 ff. 288 Vgl. ErfK/Ascheid, § 1 KSchG, Rn. 141; APS/Dörner, § 1 KSchG, Rn. 80. 289 Lerche, S. 22; ihm folgend Auffermann, S. 106. Vgl. auch ErfK/Ascheid, § 1 KSchG, Rn. 398, der zwischen Verhältnismäßigkeit i. e. S. und allgemeiner Interessenabwägung unterscheidet, allerdings nicht deutlich macht, worin der Unterschied bestehen soll.

VI. Überprüfung der Angemessenheit der Kündigung?

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Hirschberg hat demgegenüber vertreten, dass beide Prinzipien austauschbar seien.291 Da ein Vergleichsmaßstab fehle, mit dem sowohl das Mittel als auch der Zweck bewertet werden könnten, laufe auch die Prüfung der Verhältnismäßigkeit i. e. S. darauf hinaus, dass alle für und gegen den Einsatz des Mittels sprechenden wesentlichen Umstände einander gegenübergestellt und abgewogen werden müssten.292 Die Kritik Hirschbergs an einer Trennung der beiden genannten Grundsätze ist insofern berechtigt, als ihre Vertreter nicht anschaulich machen, wie eine auf die Relation zwischen Mittel und Zweck einer Maßnahme beschränkte Abwägung auszusehen habe. Dennoch ist eine solche isolierte Abwägung denkbar. Es ist möglich, bei der Verhältnismäßigkeit i. e. S. nur die in der Förderung des Zwecks bestehenden Vorteile des Mitteleinsatzes zu den Nachteilen für die von ihm Betroffenen ins Verhältnis zu setzen. Dass dies nicht deckungsgleich mit einer allgemeinen Interessenabwägung sein muss, soll am Beispiel der verhaltensbedingten Kündigung veranschaulicht werden. Bei dieser können nach h. M. im Rahmen einer umfassenden Interessenabwägung Faktoren wie ein etwaiges Mitverschulden des Arbeitgebers oder die Dauer der Betriebszugehörigkeit des Arbeitnehmers berücksichtigt werden,293 obwohl sie weder einen zusätzlichen Vorteil der Kündigung für den Arbeitgeber noch einen zusätzlichen Nachteil für den Arbeitnehmer begründen. Bei dem eben erläuterten engen Verständnis der Verhältnismäßigkeit i. e. S. würden diese Faktoren also nicht dazu führen, dass die Verhältnismäßigkeit der Kündigung entfällt, wohl aber, dass sie einer allgemeinen Interessenabwägung nicht standhält. Für eine einheitliche Betrachtung von Verhältnismäßigkeit i. e. S. und umfassender Interessenabwägung im Sinne Hirschbergs spricht allerdings, dass die gängige Definition der Verhältnismäßigkeit i. e. S., nach der das Mittel nicht außer Verhältnis zum Zweck stehen darf,294 Raum dafür lässt, neben den Vorteilen und Nachteilen der Maßnahme noch weitere Faktoren in die Interessenabwägung einzubeziehen. Ferner mag es allgemeinem Sprachverständnis entsprechen, schon die Verhältnismäßigkeit eines Mittels zu verneinen, wenn sein Einsatz etwa durch ein Verschulden des von ihm Gebrauch Machenden veranlasst ist. Eine Trennung der Verhältnismäßigkeit i. e. S. von der allgemeinen Interes290

Vgl. APS/Dörner, § 1 KSchG, Rn. 80. Hirschberg, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, S. 83 ff., 247; unklar Preis, Ulrich, Prinzipien, S. 271, Fn. 117, wo er Hirschberg zustimmt, obwohl er zuvor die völlige Deckungsgleichheit von Verhältnismäßigkeit i. e. S. und Interessenabwägung abgelehnt und das einschlägige Kapitel mit „Die Verhältnismäßigkeit (i. e. S.) als Teilmenge des Prinzips der Güter- und Interessenabwägung“ überschrieben hat. 292 Vgl. Hirschberg, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, S. 79. 293 Vgl. APS/Dörner, § 1 KSchG, Rn. 433. 294 BVerfG 12.5.1987, E 76, 1, 51, C I 5 b aa; BVerfG 15.5.1995, E 92, 277, 327, C V 1. 291

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B. Bedingtheit der Kündigung durch betriebliche Erfordernisse

senabwägung ist aber dennoch aus systematischen Gründen sinnvoll. Umstände, die nichts mit den Vorteilen und Nachteilen des Mitteleinsatzes zu tun haben, können in der Regel in die Nähe schon bekannter Rechtsfiguren gerückt werden. So kann die Berücksichtigung eines Mitverschuldens des Arbeitgebers bei der verhaltensbedingten Kündigung mit dem Rechtsgedanken des § 162 Abs. 2 BGB begründet werden. Die Rücksicht auf die Dauer der Betriebszugehörigkeit beruht wohl auf dem Gedanken, dass das geschützte Rechtsgut – der Arbeitsplatz und die Betriebszugehörigkeit des Arbeitnehmers295 – um so schutzbedürftiger ist, je länger es der Arbeitnehmer innehat; der Arbeitnehmer erwirbt also eine Art Bestandsschutz. Eine Loslösung dieser Gesichtspunkte von der Abwägung der Vor- und Nachteile der Kündigung hat den Vorteil, dass damit das Erfordernis, ihre Einbeziehung in die allgemeine Interessenabwägung besonders zu rechtfertigen, deutlich wird. Es soll daher vorgeschlagen werden, den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit i. w. S. mit seinen Teilgrundsätzen dem Prinzip der allgemeinen Interessen- und Güterabwägung unterzuordnen. Zu dem Verhältnis der Grundsätze zueinander, das mitunter als ungeklärt bezeichnet wird,296 soll hier nur soviel gesagt werden: Jeder übergeordnete Grundsatz setzt voraus, dass die untergeordneten Prinzipien erfüllt sind. Eine Maßnahme kann einer allgemeinen Güter- und Interessenabwägung nicht standhalten, wenn sie nicht verhältnismäßig i. e. S. ist, also ihre aus der Zweckverfolgung erwachsenden Vorteile nicht in einem vernünftigen Verhältnis zu ihren Nachteilen stehen. Nur eine erforderliche Maßnahme kann verhältnismäßig i. e. S. sein. Eine ungeeignete Maßnahme kann nicht erforderlich sein. Das Verhältnismäßigkeitsprinzip hat die umfassende Interessenund Güterabwägung also weder ergänzt noch ersetzt,297 sondern stellt lediglich eine Konkretisierung derselben dar.298 Die Aufgliederung der allgemeinen Interessenabwägung in ihre Teilgrundsätze dient der Systematisierung der einzelnen Prüfungsschritte. Für alle vier Grundsätze gilt, dass auf sie nur zurückgegriffen werden darf, wenn dies dem Willen des Gesetzgebers entspricht. Zudem müssen sowohl bei der umfassenden Interessenabwägung als auch bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit i. e. S. schon vollzogene gesetzliche Wertungen berücksichtigt werden.299 Dies ist im Grunde eine Selbstverständlichkeit, die daraus folgt, dass

295

Vgl. Erläuterung zum Entwurf des KSchG, RdA 1951, 63. Vgl. Bitter/Kiel, RdA 1994, 333, 338; MünchArbR/Berkowsky, § 134, Rn. 56. 297 Bitter/Kiel, RdA 1994, 333, 338 stellen die Frage, ob das der Fall sei. 298 A. A. Hinze (S. 45, 83), der der Ansicht ist, dass die untergliederte Verhältnismäßigkeitsmaxime das selbständige Prinzip der umfassenden Interessenabwägung zu ersetzen vermag; Gentges, S. 81 f. 299 Vgl. Preis, Ulrich, Prinzipien, S. 184 ff., zusammenfassend S. 192; v. Hoyningen-Huene/Linck, § 1 KSchG, Rn. 136. 296

VII. Ergebnis

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der Wille des Gesetzgebers bis zur Grenze der Verfassungswidrigkeit beachtet werden muss. Was die Prüfung der Angemessenheit der betriebsbedingten Kündigung anbelangt, so bleibt es bei den oben festgestellten Ergebnissen. Die Aufteilung der Angemessenheit in die Verhältnismäßigkeit i. e. S. und eine umfassende Güterund Interessenabwägung wäre nur dann relevant, wenn sich aus dem Gesetz eine unterschiedliche Behandlung beider Prinzipien ergäbe. Das ist aber nicht der Fall.

VII. Ergebnis Als Ergebnis kann festgehalten werden, dass im Regelfall eine betriebsbedingte Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt ist, wenn (1.) eine dringend erforderliche betriebliche Veränderung zu einem Arbeitskräfteüberhang führt und (2.) die Kündigung geeignet und erforderlich ist, um diesen Arbeitskräfteüberhang zu beseitigen. Ferner folgt aus dem Begriff der sozialen Rechtfertigung in Verbindung mit der logischen Struktur von § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG, dass die Kündigung auch angemessen sein muss, um den Arbeitskräfteüberhang zu beseitigen.

C. Verhältnis des Ergebnisses zu Rechtsprechung und Literatur Ein wissenschaftliches Ergebnis wird nur dann wirklich überzeugen können, wenn es sich in einer Auseinandersetzung mit schon vorhandenen Lösungen bewährt. In der Folge soll daher auf ausgewählte Standpunkte in Rechtsprechung und Literatur eingegangen werden.

I. Zur freien Unternehmerentscheidung 1. Was bedeutet Freiheit der Unternehmerentscheidung? Wenn man sich über die Bedeutung des Lehrsatzes von der Freiheit der Unternehmerentscheidung klar werden will, ist es angebracht zu klären, was genau die h. M. unter diesem Grundsatz versteht. Nach dem Bundesarbeitsgericht und der h. M. innerhalb der Literatur ist mit Freiheit der Unternehmerentscheidung gemeint, dass deren Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit nicht überprüft wird.300 Es soll lediglich eine Missbrauchskontrolle stattfinden, bei der geprüft wird, ob die unternehmerische Entscheidung offenbar unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist. Für den Missbrauch soll grundsätzlich der Arbeitnehmer die Beweislast tragen.301 Bitter versteht dagegen die Rechtsprechung des BAG so, dass die Missbrauchskontrolle die Prüfung der Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit der unternehmerischen Entscheidung mit umfasse. Danach würde im Ergebnis die Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit überprüft werden.302 So formuliert Bitter in 300 BAG 27.9.2001, RdA 2002, 372, 373 f., Leitsatz 4 und I 1 c bb, I 2 b; BAG 26.6.1997, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 86, II 1 der Gründe; KR/Etzel, § 1 KSchG, Rn. 522; APS/Kiel, § 1 KSchG, Rn. 463; Eberl, BB 1954, 447; Galperin, BB 1954, 1117, 1118 f. 301 Vgl. BAG 27.9.2001, RdA 2002, 372, 373, I 1 c bb; BAG 24.3.1983, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 12, B II 1; ErfK/Ascheid, § 1 KSchG, Rn. 427. 302 Ausgehend von diesem Verständnis der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts möchte Bitter die Beweislast bei der Missbrauchskontrolle, die nach der Rechtsprechung der Arbeitnehmer trägt, geändert wissen (deutlich DB 2000, 1760, 1764, unter IV 4 der Ausführungen mit Verweis in Fn. 21 auf die Ausführungen in DB 1999, 1214 ff.). Auf die Beweislastverteilung bei der Missbrauchskontrolle wird in dieser Arbeit nicht näher eingegangen, weil nach der hier vertretenen Auffassung Ge-

I. Zur freien Unternehmerentscheidung

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Bezug auf die Zweckmäßigkeit, dass sich nach dem Bundesarbeitsgericht die Darlegungs- und Beweislast des Arbeitnehmers für die missbräuchliche Ausübung auf offensichtlich unzweckmäßige Maßnahmen erstrecke und beruft sich auf ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 24.10.1979.303 Mit dem Verweis auf dieses Urteil unterliegt Bitter jedoch einem Missverständnis. In dem erwähnten Urteil stellt das Gericht nämlich ausdrücklich klar, dass die Missbrauchskontrolle nicht dazu führen dürfe, mit einer anderen Begründung in Wahrheit die den Gerichten verwehrte Prüfung der Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit der organisatorischen Maßnahme nachzuholen. Es reiche deswegen nicht aus, dass eine Maßnahme offenbar unzweckmäßig sei.304 Damit ist deutlich gemacht, dass die Unzweckmäßigkeit gar nicht geprüft wird, und zwar weder die „einfache“ noch die offenbare Unzweckmäßigkeit.305 Das wird unterstrichen durch den Hinweis, dass der Anwendungsbereich der Missbrauchskontrolle – also der Prüfung, ob die Maßnahme offenbar unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist – sich im Wesentlichen auf die Fälle beschränke, in denen die Kündigung nicht durch die Betriebsänderung, sondern die Betriebsänderung durch den Wunsch des Arbeitsgebers bedingt sei, sich von einem missliebigen Arbeitnehmer zu trennen.306 Auch in Bezug auf die Notwendigkeit der Maßnahme geht Bitter irrig davon aus, dass nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts die Missbrauchskontrolle die Prüfung der Notwendigkeit der Maßnahme umfasse. Am Beispiel der Kündigung einer Sekretärin wegen Einrichtung eines Schreibpools führt Bitter aus, dass es, wenn der Arbeitgeber erst einmal Sinn und Zweck der Einrichtung des Schreibpools dargestellt habe, es eignetheit und Erforderlichkeit der betrieblichen Maßnahme nicht erst Gegenstand der Missbrauchskontrolle sind, sondern schon zum Tatbestand der betriebsbedingten Kündigung gehören, den nach § 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG der Arbeitgeber beweisen muss, wobei ihm allerdings durch eine Abstufung der Beweislast geholfen wird (vgl. Kapitel B.II.3.c)cc), S. 60 f.). Es soll hier nur kurz angemerkt werden, dass es allgemeinen Rechtsgrundsätzen entspricht (darauf verweist auch das BAG in seiner Entscheidung vom 24.10.1979, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 8, II 2 a), dass der Arbeitnehmer für den Missbrauchseinwand die Beweislast trägt. Dieser geht nämlich der Sache nach auf das allgemeine Verbot des Rechtsmissbrauchs (so auch BAG 30.4.1987, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 42, I) und damit auf § 242 BGB zurück, den der Arbeitnehmer als für ihn günstige Vorschrift beweisen muss (vgl. Jauernig/Mansel, § 242 BGB, Rn. 36). Daher ist es, wenn man entgegen der in dieser Arbeit vertretenen Auffassung eine bloße Missbrauchsprüfung unternehmerischer Entscheidungen für richtig hält, entgegen Bitter (DB 1999, 1214, 1216, unter IV der Ausführungen) in keiner Weise ein „juristischer Trick“ des Bundesarbeitsgerichts, den Arbeitnehmer für den Missbrauch die Beweislast tragen zu lassen, sondern eine methodische Selbstverständlichkeit. 303 Bitter, DB 1999, 1214, 1216 (unter III 6 der Ausführungen am Ende). 304 BAG 24.10.1979 AP Nr. 8 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung, II 2 a. 305 So auch KDZ/Kittner, § 1 KSchG, Rn. 268. 306 BAG 24.10.1979 AP Nr. 8 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung, II 2 a der Gründe.

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C. Verhältnis des Ergebnisses zu Rechtsprechung und Literatur

Sache der gekündigten Sekretärin sei, die Notwendigkeit dieser Maßnahme substantiiert zu bestreiten.307 Nach dem Bundesarbeitsgericht werden die Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit aber gar nicht geprüft. Es würde der Sekretärin also nicht einmal etwas nützen, wenn sie die fehlende Notwendigkeit und die fehlende Zweckmäßigkeit voll beweisen könnte. Der Arbeitgeber muss nach dem Bundesarbeitsgericht lediglich darlegen und gegebenenfalls beweisen, dass er die Arbeitsorganisation so umgestaltet hat, dass ein Arbeitskräfteüberhang entstanden ist, dass also das Bedürfnis für die Beschäftigung einer Sekretärin weggefallen ist. Wenn die Abteilungsleiter Sekretariatsaufgaben wie z. B. Kaffeekochen und Terminverwaltung übernehmen sollen und dies auch möglich308 ist, kann die gekündigte Sekretärin nach dem Bundesarbeitsgericht gerade nicht mit dem Einwand durchdringen, dass dies unzweckmäßig sei, weil es etwa zu Chaos führe und die Qualität der Arbeit der Abteilungsleiter verschlechtere. Bemerkenswert an der Ansicht Bitters – der noch zum Zeitpunkt des Erlasses der drei kontrovers diskutierten Entscheidungen vom 17.6.1999309 Mitglied des 2. Senats des Bundesarbeitsgerichts war – ist, dass sie im Ergebnis weitgehend mit der in dieser Arbeit vertretenen Meinung übereinstimmt. Auch er sieht, dass Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit betrieblicher Maßnahmen überprüft werden müssen, vertritt prozessual diesbezüglich eine abgestufte Beweislast und hält es jedenfalls in besonderen Fällen für angebracht, dass der Arbeitgeber die Beweislast bei einem „non liquet“ tragen soll. Der Weg, den Bitter einschlägt, um dieses Ergebnis zu begründen, ist jedoch m. E. methodisch nicht gangbar. Er ist bestrebt, die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts aufrecht zu erhalten und dessen verfehlte materiellrechtliche Weichenstellung über den Umweg der Beweislast zu korrigieren.310 Das ist jedoch nicht möglich. Wenn materiellrechtlich ein bestimmter Umstand – hier die Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit der betrieblichen Umgestaltung – nicht Tatbestandsvoraussetzung ist, dann kann die Beweislast keine Rolle mehr spielen. Der Umstand wird dann gar nicht gerichtlich geprüft, auch nicht „abgeschwächt“, so dass es zu der Frage der Beweislast nicht mehr kommen kann. Bewiesen werden können nur Tatbestandsvoraussetzungen.

307

Bitter, DB 1999, 1214, 1216 f. (unter IV 2 der Ausführungen). Vgl. zur Möglichkeit der betrieblich-organisatorischen Maßnahme unten Kapitel H.I., S. 165 ff., insbesondere S. 175 ff. 309 Vgl. zu diesen Entscheidungen unten Kapitel H.I., S. 165 ff. 310 Vgl. Bitter (DB 2000, 1760, 1764, unter IV 6 der Ausführungen), wo er die Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts vom 17.6.1999 verteidigt und der Bemerkung Planders (EWiR 2000, 135, 136, unter 3 der Ausführungen), dass das Bundesarbeitsgericht sich in diesen Entscheidungen veranlasst gesehen habe, die von ihm nach materiellem Recht postulierte weitgehende Entscheidungsfreiheit des Arbeitgebers mit prozessualen Mitteln ein Stück weit einzudämmen, zustimmt. 308

I. Zur freien Unternehmerentscheidung

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Es sei an dieser Stelle betont, dass methodisch drei Fragen unterschieden werden müssen. Zuerst muss materiellrechtlich geklärt werden, was die Tatbestandsvoraussetzungen eines Gesetzes sind; bezogen auf die hier interessierende Problematik bedeutet das, dass untersucht werden muss, ob Geeignetheit und Erforderlichkeit betrieblicher Veränderungen zum Tatbestand der betriebsbedingten Kündigung gehören oder nicht. Nur wenn diese erste Frage bejaht wird, stellen sich die beiden anderen Fragen. Erst dann kann zum einen thematisiert werden, ob einem von der gesetzlichen Regelung Betroffenen ein Beurteilungsspielraum eingeräumt ist311. Würde dies beim Tatbestand der betriebsbedingten Kündigung bejaht, stünde an dieser Stelle zwar fest, dass der Arbeitgeber materiellrechtlich nur geeignete und erforderliche betriebliche Umgestaltungen durchführen darf, es könnte aber gerichtlich nur eingeschränkt überprüft werden, ob er dies tatsächlich getan hat. Zum anderen stellt sich die Frage der Beweislast, zu der es – wie im vorigen Absatz ausgeführt – ebenfalls nur kommt, wenn der Arbeitgeber materiellrechtlich die Geeignetheit und Erforderlichkeit betrieblicher Maßnahmen beachten muss. Die Diskussion innerhalb der h. M. leidet darunter, dass diese drei Fragen nicht auseinandergehalten werden und dass insbesondere dem Vorrang der Frage nach dem (materiellrechtlichen) Tatbestand der betriebsbedingten Kündigung nicht ausreichend Rechnung getragen wird.312 So spricht das Bundesarbeitsgericht teilweise von unternehmerischem Ermessen313, was so verstanden werden kann, dass es dem Arbeitgeber einen Beurteilungsspielraum einräumen will, teilweise verweist es aber zur Begründung der freien Unternehmerentscheidung auf Grundrechte des Arbeitgebers314, was eher für eine verfassungskonforme Reduktion des Tatbestandes der betriebsbedingten Kündigung, also dafür spricht, dass der Tatbestand schon materiellrechtlich korrigiert werden soll. Letztlich ergibt sich aber aus der Klarstellung des Bundesarbeitsgerichts, dass Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit der betrieblichen Maßnahme gar nicht überprüft werden sollen, dass eine materiellrechtliche Lösung gemeint ist. Ein bloßer Beurteilungsspielraum würde nämlich die gerichtliche Kontrolle nicht ausschließen, sondern nur einschränken.315

311

Vgl. oben Kapitel B.II.3.c)bb), S. 46 ff. Auch Feudner (NZA 2000, 1136, 1138) weist darauf hin, dass die Frage, ob eine Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt ist, eine materiellrechtlich Frage sei. Die in der BAG-Rechtsprechung von Anfang an vorgenommene Verknüpfung von materiellrechtlichen und prozessualen Aspekten habe weitgehend den Blick darauf verstellt, dass es sich bei der Abwägung der fundamental kollidierenden Betätigungsinteressen von Arbeitgeber und Arbeitnehmer vorrangig um ein materiellrechtliches Abgrenzungsproblem handele. 313 Vgl. BAG 24.4.1997, AP KSchG 1969 § 2 Nr. 42, II 2; BAG 20. 2. 1986, AP KSchG 1969 § 1 Nr. 11, unter II 2 b. 314 Vgl. BAG 27.9.2001, RdA 2002, 372, 373, I 1 c bb; BAG 17.6.1999, 2 AZR 522/98, NZA 1999, 1095, 1097, II 1 b bb. 315 Vgl. oben Kapitel B.II.3.c)bb)(2), S. 52 ff., insbesondere S. 55 f. 312

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C. Verhältnis des Ergebnisses zu Rechtsprechung und Literatur

Auch Bitter ist sich wohl bewusst, dass Gesichtspunkte, die keine Tatbestandsvoraussetzung sind, dem Beweis nicht zugänglich sind. Es ist anzunehmen, dass er deswegen versucht, die vom Bundesarbeitsgericht erwähnte Missbrauchsprüfung auf die Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit der betrieblichen Maßnahme zu erstrecken.316 Dies widerspricht aber nicht nur – wie oben dargestellt – der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, sondern überfordert auch die Möglichkeiten der auf § 242 BGB zurückgehenden Rechtsmissbrauchsprüfung. In der Literatur wird vertreten, dass diese Prüfung bei Dauerschuldverhältnissen die Verhältnismäßigkeit der Rechtsausübung und damit auch die Prüfung von Geeignetheit und Erforderlichkeit umfasse.317 Allerdings wird danach eben nur das Recht selbst – also hier die Kündigung – auf Geeignetheit und Erforderlichkeit überprüft, nicht aber die der Kündigung vorausgehende betriebliche Umgestaltung. Die Kündigung selbst ist aber – wenn mildere Mittel zum Abbau des Arbeitskräfteüberhangs ausscheiden – erforderlich, um den Arbeitskräfteüberhang zu beseitigen. Zwar können auch die Voraussetzungen eines Rechts daraufhin überprüft werden, ob sie vom Berechtigten in missbilligenswerter Weise selbst geschaffen wurden.318 Niemand darf aus einer von ihm treuwidrig herbeigeführten Lage Vorteile ziehen (Rechtsgedanke des § 162 Abs. 2 BGB).319 Das bedeutet auf die betriebsbedingte Kündigung bezogen, dass der Arbeitskräfteüberhang vom Arbeitgeber nicht in zu missbilligender Weise herbeigeführt sein darf. Fraglich ist aber, ob der bloße Umstand, dass die zum Personalüberhang führende betriebliche Maßnahme nicht geeignet oder nicht erforderlich war, um den mit ihr verfolgten Zweck zu erreichen, zur Treuwidrigkeit führen kann. Das muss verneint werden. § 242 BGB dient lediglich zur Korrektur von vom Gesetz nicht erfassten Fallkonstellationen. Eine speziel316 Allerdings gehört die Missbrauchsprüfung nicht zum Tatbestand der betriebsbedingten Kündigung, sondern beruht auf der Prüfung des Tatbestandes von § 242 BGB. Weil Bitter dies nicht berücksichtigt, stellt er die Frage (DB 1999, 1214, 1216, unter IV der Ausführungen), ob es wirklich richtig sei, dass abweichend von § 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG bei innerbetrieblichen Gründen die Darlegungs- und Beweislast für die missbräuchliche Ausübung der Unternehmerfreiheit beim Arbeitnehmer liegt. Diese Frage geht von falschen Voraussetzungen aus. § 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG bezieht sich auf den Tatbestand der betriebsbedingten Kündigung, nicht auf die Prüfung des Rechtsmissbrauchs. Mit dem Missbrauchseinwand beruft sich der Arbeitnehmer auf § 242 BGB. Es entspricht aber allgemeinen Beweislastregeln, dass die Tatbestandsvoraussetzungen einer Rechtsnorm von der Partei zu beweisen sind, die sich auf sie beruft; vgl. dazu auch BAG 24.10.1979, AP § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 8, II 2 a. 317 Vgl. MüKo/Roth, § 242 BGB, Rn. 380; ErfK/Ascheid, § 1 KSchG, Rn. 123; Palandt/Heinrichs, § 242 BGB, Rn. 54. 318 Vgl. MüKo/Roth, § 242 BGB, Rn. 228 ff. Zum Unterschied zwischen der missbilligten Ausübung des Rechts selbst und missbilligtem früheren Verhalten vgl. MüKo/Roth, § 242 BGB, Rn. 211 ff., insbesondere Rn. 217; Jauernig/Mansel, § 242 BGB, Rn. 37 ff., Rn. 44 ff. 319 Vgl. Jauernig/Mansel, § 242 BGB, Rn. 45; MüKo/Westermann, § 162 BGB, Rn. 18; MüKo/Roth, § 242 BGB, Rn. 229.

I. Zur freien Unternehmerentscheidung

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lere gesetzliche Regelung verdrängt die allgemeine Regelung des § 242 BGB, der nur subsidiär zur Anwendung kommt.320 Wenn also die h. M. bei der Auslegung von § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG zu dem Ergebnis kommt, dass arbeitsplatzschädliche betriebliche Veränderungen nicht auf ihre Erforderlichkeit zu überprüfen sind, kann dieses Ergebnis nicht über die Missbrauchsprüfung wieder ausgehebelt werden. Das gilt in besonderem Maße, weil die h. M. ihre Auslegung mit der grundrechtlich geschützten unternehmerischen Freiheit begründet. Wenn nach h. M. die Grundrechte des Arbeitgebers dazu führen, dass entgegen dem Wortlaut von § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG betriebliche Maßnahmen nicht auf ihre Geeignetheit und Erforderlichkeit überprüft werden können, dann müssen die Grundrechte des Arbeitgebers erst recht bei § 242 BGB eine solche Prüfung ausschließen. Bei § 242 bedarf es keiner verfassungskonformen Auslegung, um die Grundrechte zur Geltung zu bringen, sondern diese Vorschrift ist als Generalklausel Einbruchstelle für die Grundrechte ins Privatrecht und ermöglicht daher eine mittelbare Drittwirkung derselben zwischen Privatpersonen.321 Für die Missbrauchsprüfung wird damit nur übrig bleiben zu prüfen, ob der Arbeitgeber den Arbeitskräfteüberhang allein deshalb herbeiführt, um kündigen zu können. Das wäre der Fall, wenn der Arbeitgeber nicht kündigt, weil durch eine betriebliche Umgestaltung ein Arbeitskräfteüberhang entstanden ist, sondern er im Gegenteil die betriebliche Umgestaltung nur deshalb durchführt, um kündigen zu können (Rechtsgedanke des § 162 Abs. 2 BGB).322 Das Problematische an Bitters Ansicht, dass die Missbrauchsprüfung auf die Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit betrieblich-organisatorischer Maßnahmen zu erstrecken sei, wird noch verstärkt, wenn man sie im Zusammenhang mit seinem Vorschlag betrachtet, die Beweislast für den Missbrauch dem Arbeitgeber aufzuerlegen323. Es macht nämlich keinen Sinn, mit dem Dogma von der Freiheit der Unternehmerentscheidung erst zu begründen, dass die Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit betrieblicher Veränderungen nicht zum Tatbestand der betriebsbedingten Kündigung gehören, um sie dann der Missbrauchprüfung zuzuordnen und auch noch dem Arbeitgeber entgegen allgemeinen Rechtsgrundsätzen324 die Beweislast für den Rechtsmissbrauch aufzuerlegen. Eine solche Lösung ist im Ergebnis identisch mit einer Tatbestandslösung und bedeutet die Aufgabe des Lehrsatzes von der Freiheit der Unternehmerentscheidung. Sie ist

320

Vgl. Erman/Hohloch, § 242, Rn. 27. Vgl. Erman/Hohloch, § 242, Rn. 29 f. 322 Dann ist nämlich – um die Worte des Bundesarbeitsgerichts (BAG 24.10.1979, AP § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 8, II 2 a) zu benutzen – nicht die Kündigung durch die Betriebsänderung, sondern die Betriebsänderung durch den Kündigungswunsch des Arbeitgebers bedingt. 323 Vgl. Bitter, DB 2000, 1760, 1764, unter IV 4 der Ausführungen; DB 1999, 1214, 1216 f. 324 Vgl. oben Fn. 302 und Fn. 316. 321

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C. Verhältnis des Ergebnisses zu Rechtsprechung und Literatur

aber im Vergleich zu einer Lösung über den Tatbestand unnötig kompliziert und kann wohl nur mit dem Bestreben Bitters erklärt werden, die bisherige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts so weit wie möglich aufrechtzuerhalten. Allerdings ist nicht zu übersehen, dass die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts Argumentationswege wie die Bitters geradezu provoziert. Es wäre deutlicher gewesen, wenn das Bundesarbeitsgericht immer nur von einer Missbrauchskontrolle, nicht aber von einer Prüfung der offenbaren Unsachlichkeit, Unvernünftigkeit und Willkür gesprochen hätte.325 Insbesondere der Begriff der Unvernünftigkeit kann durchaus so verstanden werden, dass in ihm der Begriff der Unzweckmäßigkeit enthalten ist326, so dass es – wenn das Bundesarbeitsgericht diese Deutung nicht ausdrücklich ausgeschlossen hätte – in der Tat nahe läge, die Rechtsprechung wie Bitter so zu interpretieren, dass die Zweckmäßigkeit der Maßnahme nun doch innerhalb der Missbrauchskontrolle geprüft werden könne. Darüber hinaus ist der Begriff der Offenbarheit der Unsachlichkeit, Unvernünftigkeit und Willkür irreführend. Er suggeriert, dass die genannten Begriffe zwar geprüft werden müssen, allerdings bloß abgeschwächt. Bei näherem Hinsehen kann dem Begriff der Offenbarheit aber, wenn man ihn in die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts integrieren will, keine sinnvolle Bedeutung zugewiesen werden. Offenbar bedeutet im allgemeinen Sprachgebrauch „offen zutage tretend, klar ersichtlich“. Offenbar kann also eigentlich nur bedeutenden, dass der Rechtsmissbrauch auf den ersten Blick erkennbar sein muss. Soll das bedeuten, dass nur besonders plumper Rechtsmissbrauch, nicht aber vom Arbeitgeber geschickt verschleierter zur Unwirksamkeit der Kündigung führen soll? Wäre das sachgerecht? Oder ist mit Offenbarheit Offenkundigkeit im Sinne von § 291 ZPO gemeint? Wohl auch nicht, sonst müsste das Bundesarbeitsgericht nicht betonen, dass der Arbeitnehmer für den Rechtsmissbrauch die Beweislast trage, da offenkundige Tatsachen gerade keines Beweises bedürfen. Der Begriff der Offenbarheit ist also in dem in Rede stehenden Zusammenhang lediglich ein bedeutungsloses, Verwirrung stiftendes Füllwort und sollte daher aufgegeben werden. Unklarheit entsteht auch dadurch, dass in der neueren Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts eine Formulierung zu finden ist, aus der sich ergibt, dass das Gericht die Geeignetheit von Unternehmerentscheidungen überprüfen will. In einem der Urteile vom 17.6.1999 führt das Bundesarbeitsgericht aus, dass die Vergabe von bisher im Betrieb durchgeführten Abbruch- und Stemmarbeiten 325 Auch Möhn (ZTR 1995, 356) ist der Ansicht, dass die Merkmale „unsachlich“, „unvernünftig“ und „willkürlich“ keine klare Inhaltsbestimmung zulassen. 326 So schon Weitnauer, SAE 1975, 137, 138, unter I 1 der Ausführungen, auf dessen Kritik sich das BAG in seiner Entscheidung vom 24.10.1979 (AP Nr. 8 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung, II 2 a) bei seiner Klarstellung, dass Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit der betrieblichen Maßnahme gar nicht geprüft werden, bezieht.

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an einen Unternehmer zur selbständigen Durchführung eine die Arbeitsgerichte bindende Unternehmerentscheidung sei, die zum Wegfall von Beschäftigungsmöglichkeiten führe.327 Es könne dem Arbeitgeber nicht angesonnen werden, die früher von eigenen Arbeitnehmern erbrachten Abbruch- und Stemmarbeiten weiterhin von ihnen ausüben zu lassen, wenn er sie aus Kostengründen von darauf spezialisierten Subunternehmern günstiger ausführen lassen wolle und könne.328 Daraus ergibt sich im Umkehrschluss, dass dem Arbeitgeber die Vergabe der Abbruch- und Stemmarbeiten gerichtlich verwehrt werden kann, wenn es nicht möglich ist, durch sie Kosten zu sparen. Das bedeutet aber, dass das Bundesarbeitsgericht überprüfen will, ob die Vergabe der Arbeiten geeignet ist, den mit ihr verfolgten Zweck – die Kostenreduzierung – zu erreichen. Es fragt sich, wie die Äußerungen des Bundesarbeitsgerichts zu deuten sind. Man könnte in ihnen den Anfang einer – möglicherweise auf Bitter zurückgehenden – Änderung der Rechtsprechung dahingehend sehen, dass die Geeignetheit von Unternehmerentscheidungen nunmehr doch geprüft werden soll. Dagegen spricht jedoch, dass die Äußerung eher nebenbei erfolgte. Eine derart bedeutsame Änderung der Rechtsprechung wäre vom Bundesarbeitsgericht ausdrücklich hervorgehoben worden. Es ist daher wahrscheinlicher, dass sie auf einem Versehen beruht. Dann hätte sich in der Formulierung des Bundesarbeitsgerichts unbeabsichtigt ein natürliches Verständnis des Wortlautes von § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG durchgesetzt, nach dem ein dringendes betriebliches Erfordernis, das Kündigungen bedingt, nur dann vorliegt, wenn die betriebliche Veränderung, die zur Kündigung führt, geeignet ist, den mit ihr verfolgten Zweck zu erreichen. Zusammenfassend ist zu sagen, dass dem Dogma von der Freiheit der Unternehmerentscheidung nur dann ein sinnvoller Inhalt gegeben werden kann, wenn es so verstanden wird, dass Unternehmerentscheidungen und die auf sie zurückgehenden betrieblichen Maßnahmen gar nicht auf ihre Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit überprüft werden können. Mit anderen Worten bedeutet das, dass die Geeignetheit und Erforderlichkeit betrieblicher Umgestaltungen keine Tatbestandsvoraussetzung der betriebsbedingten Kündigung sind. Es ist methodisch nicht möglich, den Lehrsatz von der Freiheit der Unternehmerentscheidung – wie Bitter es versucht – aufrechtzuerhalten und über die Missbrauchsprüfung oder die Beweislast zu korrigieren. Wenn man der Ansicht ist, dass betriebliche Veränderungen auf ihre Geeignetheit und Erforderlichkeit überprüft werden sollen, ist man gezwungen, die h. M. aufzugeben. Es muss dann – wie in dieser Arbeit versucht wurde – begründet werden, dass die Geeignetheit und

327 Schon dieser Aussage des Bundesarbeitsgerichts kann jedoch nicht zugestimmt werden, vgl. unten Kapitel H.II., S. 181 ff. 328 Vgl. BAG 17.6.1999, 2 AZR 522/98, NZA 1999, 1095, 1097, II 1 b bb.

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C. Verhältnis des Ergebnisses zu Rechtsprechung und Literatur

Erforderlichkeit betrieblicher Maßnahmen zum Tatbestand der betriebsbedingten Kündigung gehören.

2. Auswirkungen des Dogmas von der Freiheit der Unternehmerentscheidung Wie im vorigen Abschnitt dargelegt, können nach der überwiegenden Ansicht in Rechtsprechung und Literatur betriebliche Veränderungen nicht auf ihre Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit überprüft werden. Zu diesem Ergebnis kommt es, weil der Begriff der freien unternehmerischen Entscheidung unhinterfragt zum zentralen Ausgangspunkt der Diskussion der betriebsbedingten Kündigung gemacht wird. Das ist jedoch methodisch nicht haltbar und bringt die Diskussion in eine fatale Schieflage. Die Auslegung einer Vorschrift hat beim Wortlaut ihren Ausgang zu nehmen und den Zusammenhang, den Zweck und die Entstehungsgeschichte der Norm zu berücksichtigen.329 Kommt die Auslegung zum Ergebnis, dass bestimmte Tatbestandsvoraussetzungen vorliegen müssen und hängen diese von menschlichen Handlungen und damit auch von menschlichen Entscheidungen ab, so werden diese Handlungen und Entscheidungen mittelbar notwendigerweise mit kontrolliert, was zu einer Einschränkung der Handlungs- und Entscheidungsfreiheit führt.330 Das ist mitnichten eine Besonderheit des Arbeitsrechts. Entscheidet sich ein Unternehmer etwa, eine neue Maschine einzusetzen, überprüft die zuständige Behörde, ob Umweltschutz- und Sicherheitsvorschriften eingehalten werden; ist dies nicht der Fall, muss der Unternehmer seine Entscheidung, die Maschine so einzusetzen, aufgeben. Alle Gesetze beziehen sich letztlich auf menschliche Handlungen und nehmen damit auch auf die den Handlungen zu Grunde liegenden Entscheidungen Einfluss. Methodisch kann eine Einschränkung der Handlungsfreiheit durch ein Gesetz nur relevant werden, wenn in grundrechtlich geschützte Freiheiten eingegriffen wird – was zumindest in Bezug auf die nach Art. 2 Abs. 1 GG geschützte allgemeine Handlungsfreiheit regelmäßig der Fall sein wird – und dieser Eingriff nicht durch die Schranken der betroffenen Grundrechte gerechtfertigt ist, was selten der Fall sein wird. 329 Das berücksichtigt auch Gamillscheg, Katharina, S. 148 ff., nicht, die die Wirksamkeit einer Kündigung, die auf Rationalisierungsmaßnahmen zurückgeht, an den Grundrechten des Arbeitgebers misst, ohne § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG auch nur zu erwähnen. Damit läuft ihre Mahnung, dass bei der Anwendung der Grundrechte der Gesetzgeber zu respektieren sei (S. 31 ff.), ins Leere. 330 Das übersieht Annuß (S. 100 f.), wenn er der Ansicht ist, dass von einer Unüberprüfbarkeit der Unternehmerentscheidung bzw. von einem unternehmerischen Ermessen hinsichtlich der Betriebsgestaltung auszugehen sei, weil betriebliche Erfordernisse ausschließlich aus einer entsprechenden Organisationsentscheidung des Arbeitgebers resultieren könnten, weswegen sie der Erforderlichkeitsprüfung als Datum zu Grunde zu legen seien.

I. Zur freien Unternehmerentscheidung

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Entscheidend ist also nicht der Eingriff in Grundrechte als solcher, sondern dessen fehlende verfassungsrechtliche Rechtfertigung.331 Ferner kann auf grundrechtliche Wertungen dann zurückgegriffen werden, wenn die Auslegung nach den herkömmlichen Auslegungsmethoden zu keinem eindeutigen Ergebnis kommt. Nach alledem könnte die Freiheit der Unternehmerentscheidung methodisch nur relevant werden, um die Unüberprüfbarkeit der auf eine unternehmerische Handlung zurückgehenden betrieblichen Veränderung zu begründen. Sie ist also ein bloßer Hilfsbegriff und eignet sich nicht als methodischer Ausgangspunkt. Vielleicht schöpft das Dogma von der Freiheit der Unternehmerentscheidung seine Suggestivkraft daraus, dass es verdeckt, dass es gar nicht um die unternehmerische Entscheidungsfreiheit, sondern um die Freiheit des unternehmerischen Handelns und damit um die betrieblicher Veränderungen geht. Bloße Entscheidungen, die sich nicht auswirken, sind ohnehin rechtlich irrelevant. Auch in Bezug auf den Unternehmer gilt, dass die (bloßen) Gedanken frei sind. Dementsprechend wird auch innerhalb der Grundrechtsdogmatik nicht von allgemeiner bzw. unternehmerischer Entscheidungs-, sondern von allgemeiner bzw. unternehmerischer Handlungsfreiheit bzw. wirtschaftlicher Betätigungsfreiheit gesprochen.332 Diese methodischen Grundsätze werden in der Literatur geradezu umgekehrt. So erkennt Wank333, dass unternehmerische Entscheidungen im Rahmen von § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG zu betrieblichen Veränderungen und daraufhin zu Kündigungen führen. Er erkennt auch, dass sich das Gesetz auf die der unternehmerischen Entscheidung nachgelagerten Merkmale – damit muss Wank die betriebliche Veränderung (!) und die Kündigung meinen – bezieht. Aus diesem Umstand folgert er aber ohne weitere Begründung, dass die unternehmerische Entscheidung grundsätzlich der gerichtlichen Überprüfung entzogen sein soll. Das ist methodisch fragwürdig. Die gesetzlich angeordnete Überprüfung der „nachgelagerten Merkmale“ darf nicht unterlaufen werden. Das ist nur möglich, wenn Umstände, mit denen diese Merkmale notwendigerweise zusammenhängen – hier unternehmerische Entscheidungen –, mittelbar mit überprüft werden. Die Konzentration auf die unternehmerische Entscheidung verzerrt den Blick der h. M. So wird etwa beklagt, dass das Gesetz auf die Frage, ob und gegebenenfalls in welchen Grenzen die unternehmerische Entscheidung, die zum Weg331 Das berücksichtigt auch der 5. Senat des Bundesarbeitsgerichts in seinem Urteil vom 12.1.2005 (NZA 2005, 627, 630 ff., Leitsatz 1 und V) bei der Prüfung, ob § 1a AEntG verfassungswidrig ist, weil er gegen die in Art. 12 Abs. 1 GG gewährleistete Unternehmerfreiheit verstößt. Der Senat bejaht dort einen Eingriff von § 1a AEntG in Art. 12 Abs. 1 GG (V 1 der Gründe), bejaht aber dessen Zulässigkeit (V 2 der Gründe). 332 Vgl. Jarass/Pieroth-Jarass, Art. 2 GG, Rn. 4; BVerfG 1.3.1979, E 50, 290, 366, C III 3 b. 333 Rechtsfortbildung im Kündigungsrecht, RdA 1987, 129, 135.

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C. Verhältnis des Ergebnisses zu Rechtsprechung und Literatur

fall von Arbeitsplätzen führt, einer justiziellen Kontrolle unterworfen werden soll, keine eindeutige Antwort gibt.334 Auch abgesehen davon, dass die aufgeworfene Frage den Schwerpunkt der Betrachtung methodisch verfehlt auf die unternehmerische Entscheidung legt, ist dies nicht richtig. Das Kündigungsschutzgesetz ordnet an, dass betriebliche Veränderungen geeignet und erforderlich sein müssen, um Kündigungen bedingen zu können.335 Da betriebliche Veränderungen in aller Regel auf unternehmerische Entscheidungen zurückgehen, werden auch diese mittelbar auf ihre Geeignetheit und Erforderlichkeit überprüft. Käme die Auslegung des Kündigungsschutzgesetzes dagegen zu Tatbestandsvoraussetzungen, die die menschliche Handlungs- und damit Entscheidungsfreiheit nicht beträfen, so könnte daraus geschlossen werden, dass durch das Kündigungsschutzgesetz unternehmerische Entscheidungen – abgesehen von denen, die sich auf die Kündigung als solche beziehen – keiner justiziellen Kontrolle unterworfen werden sollen. Die mangelnde methodische Verankerung des Begriffs der unternehmerischen Entscheidung führt dazu, dass Teile der h. M. die unternehmerische Entscheidung kurzerhand zur zusätzlichen ungeschriebenen Tatbestandsvoraussetzung von § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG machen.336 Besonders deutlich sagt dies Gilberg, der der Ansicht ist, dass die Unternehmerentscheidung die vielleicht praxisrelevanteste und erste Voraussetzung einer rechtmäßigen betriebsbedingten Kündigung sei, die freilich in keinem Gesetz zu lesen sei. Nach einer solchen Aussage erwartet man geradezu reflexartig Ausführungen zur Analogie oder teleologischen Extension, und das umso mehr, als es um eine ungeschriebene Tatbestandvoraussetzung zu Lasten grundrechtlich geschützter Interessen des Arbeitnehmers geht. Es ist befremdlich und methodisch beunruhigend, dass dennoch kaum Anstrengungen gemacht werden, diese vermeintliche ungeschriebene Voraussetzung mit den anerkannten Regeln der Methodenlehre zu rechtfertigen.

334 Vgl. KR/Etzel, § 1 KSchG, Rn. 521; v. Finckenstein, Freie Unternehmerentscheidung, S. 160; Gericke, S. 30. 335 Vgl. oben Kapitel B.II., S. 23 ff. 336 Vgl. Wank, Rechtsfortbildung im Kündigungsrecht, RdA 1987, 129, 135; Boemke, § 14, Rn. 107; v. Hoyningen-Huene, 50 Jahre Bundesarbeitsgericht, S. 369, 370; Breuckmann, S. 77 f.; v. Finckenstein, Freie Unternehmerentscheidung, S. 106 f.; Dies., Jahrbuch Junger Zivilrechtswissenschaftler, S. 233, 242; Thum, S. 27; Rolfs, § 1 KSchG, Rn. 51; wohl auch das BAG, das jedenfalls bei innerbetrieblichen Gründen voll nachprüfen will, ob eine unternehmerische Entscheidung vorliegt, vgl. BAG 17.6.1999, 2 AZR 522/98, NZA 1999, 1095, 1096; widersprüchlich Ulrich Preis, der zwar einerseits daran erinnert, dass die freie Unternehmerentscheidung weder ausdrückliches noch ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal des § 1 KSchG ist (vgl. Stahlhacke/Preis, Rn. 933), andererseits aber das Vorliegen einer unternehmerischen Entscheidung in sein Prüfungsraster zur Konkretisierung des betriebsbedingten Kündigungsgrundes aufnimmt (vgl. Stahlhacke/Preis, Rn. 957, auch Rn. 949).

I. Zur freien Unternehmerentscheidung

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Darüber hinaus macht es selbst auf dem Boden der h. M. gar keinen Sinn, die unternehmerische Entscheidung als zusätzliches ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal anzusehen, da ein solches die Freiheit des Unternehmers nur einschränken kann. In Wirklichkeit ist für die h. M. gar nicht die unternehmerische Entscheidung als solche, sondern deren vermeintliche Freiheit entscheidend. Der Sache nach – ohne dass dies hinreichend deutlich gemacht wird – hat sie die Funktion zu begründen, dass betriebliche Veränderungen entgegen dem Wortlaut von § 1 Abs. 2 Satz 2 KSchG nicht auf ihre Geeignetheit und Erforderlichkeit überprüft werden müssen; sie dient also nicht der Erweiterung, sondern der Reduktion der Voraussetzungen der betriebsbedingten Kündigung. Und in der Tat, würde das Dogma von der Freiheit der Unternehmerentscheidung zutreffen, könnte diese Freiheit nur erreicht werden, indem auch die betrieblichen Veränderungen, die ja in aller Regel auf unternehmerische Entscheidungen zurückgehen, nicht gerichtlich kontrolliert werden. Im Ergebnis führt das dazu, dass nach der h. M. der betriebsbedingte Kündigungsgrund immer vorliegt, wenn nachgewiesen werden kann, dass bis zum Ablauf der Kündigungsfrist ein Arbeitskräfteüberhang im Betrieb vorliegt. Die anderen von der h. M. teilweise ins Feld geführten Voraussetzungen – das Vorliegen der unternehmerischen Entscheidung und von inneren und äußeren Gründen – sind überflüssig und verschleiern nur das eigentliche Ergebnis. Es ist nämlich kaum ein Fall denkbar, in dem ein Arbeitskräfteüberhang im Betrieb vorliegt, dieser aber nicht auf eine unternehmerische Entscheidung und auf innere oder äußere Gründe zurückgeht. Es ist aber nutzlos, Tatbestandsvoraussetzungen zu prüfen, die immer dann vorliegen, wenn eine andere Voraussetzung vorliegt.337 Wollte man einen Wortlaut finden, der der h. M. gerecht wird, könnte man § 1 Abs. 2 Satz 1 Fall 3 KSchG folgendermaßen umformulieren: Sozial ungerechtfertigt ist die Kündigung, wenn sie nicht durch einen Arbeitskräfteüberhang im Betrieb bedingt ist. Der Sache nach sieht damit die h. M. das betriebliche Erfordernis im Sinne von § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG in einem Erfordernis zur Beseitigung eines Arbeitskräfteüberhangs. Wie oben338 dargestellt wurde, sprechen schon gegen dieses Ergebnis als solches gute Gründe. Noch entschiedener spricht aber gegen die h. M., dass sie dieses Ergebnis auf methodisch unzulässigem Weg erreicht. Sie weicht einer Auslegung des Wortlauts von § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG aus 337 In den Fällen, in denen es doch ausnahmsweise ohne unternehmerische Entscheidung zu einem Arbeitskräfteüberhang im Betrieb kommt, wird auch die h. M. dem Unternehmer nicht die betriebsbedingte Kündigung versagen wollen. Wird etwa ein Betrieb kraft behördlicher Verfügung gegen den Willen des Unternehmers dauerhaft geschlossen, etwa weil bestimmte Sicherheitsvorschriften nicht erfüllt werden, besteht ein Arbeitskräfteüberhang, der nicht auf eine unternehmerische Entscheidung zurückgeht. Eine betriebsbedingte Kündigung wird aber in einem solchen Fall ohne Zweifel möglich sein. Entscheidend kann nach der h. M. also nur der Arbeitskräfteüberhang sein. 338 Vgl. Kapitel B.II.2.b), S. 25 ff.

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C. Verhältnis des Ergebnisses zu Rechtsprechung und Literatur

und vermeidet klare Aussagen darüber, was jedes einzelne Tatbestandsmerkmal, insbesondere das des betrieblichen Erfordernisses, bedeuten soll. Mittelbar bestätigt sie mit dem Rückgriff auf das Dogma der freien unternehmerischen Entscheidung sogar, dass die in dieser Arbeit vertretene Auslegung des betrieblichen Erfordernisses zutrifft, nach der betriebliche Veränderungen, die zu einem Arbeitskräfteüberhang führen, auf ihre Geeignetheit und Erforderlichkeit überprüft werden müssen. Denn würde es schon nach dem Wortlaut des Kündigungsschutzgesetzes nur auf das Vorliegen des Arbeitskräfteüberhangs ankommen, müsste die Figur der freien unternehmerischen Entscheidung gar nicht bemüht werden, um zu begründen, dass keine Überprüfung der Geeignetheit und Erforderlichkeit betrieblicher Maßnahmen stattfindet. Es wäre dann egal, wie es zu dem Arbeitskräfteüberhang gekommen ist. Das Hinzuziehen des Dogmas von der freien unternehmerischen Entscheidung macht nur Sinn, wenn mit ihm eine nach dem Wortlaut geforderte Einschränkung der unternehmerischen Freiheit zurückgedrängt werden soll. Mit ihrem zentralen Lehrsatz von der Freiheit der Unternehmerentscheidung verstrickt sich die h. M. in Widersprüche. Nicht nur betriebliche Veränderungen, auch die Kündigung geht auf eine unternehmerische Entscheidung zurück. Wenn es richtig wäre, dass sich die Freiheit der Unternehmerentscheidung in jedem Fall durchsetzte, wäre Kündigungsschutz gar nicht möglich, weil dann auch die Kündigung frei wäre. Dieser Widerspruch wird auch von der Literatur339 und vom Bundesarbeitsgericht gesehen, die versuchen, ihn einer Lösung zuzuführen. In einer älteren Entscheidung340 geht das Bundesarbeitsgericht das dargestellte Problem über eine Definition der unternehmerischen Entscheidung an, nach der die Kündigung nicht erfasst würde. Das BAG erkennt, dass jede Disposition, die der Arbeitgeber in seinem Betrieb trifft, wörtlich genommen eine Unternehmerentscheidung ist, insbesondere jede Kündigung. Dennoch liege klar zutage, dass im Sinne des Kündigungsschutzgesetzes die arbeitgeberseitige Kündigung selbst keine Unternehmerentscheidung sei, anderenfalls das Kündigungsschutzgesetz keinen Bestandsschutz gewähren, vielmehr der Arbeitgeber die ausgesprochene Kündigung erfolgreich mit dem Hinweis verteidigen können würde, die Kündigung sei eine nicht zu überprüfende Unternehmerentscheidung. Das, was kündigungsschutzrechtlich mit dem unternehmerischem Ermessen gemeint sei, könne als „Bestimmung der der Geschäftsführung zu Grunde liegenden Unternehmenspolitik“ bezeichnet werden. Hierzu ist zu sa339 Vgl. v. Hoyningen-Huene/Linck, § 1 KSchG, Rn. 370; KDZ/Kittner, § 1 KSchG, Rn. 256; Berkowsky, Betriebsbedingte Kündigung, § 5, Rn. 38; Wank RdA 1987, 129, 136; Preis, Ulrich, NZA 1995, 241, 242; ders., NZA 1998, 449, 457; Hillebrecht, ZfA 1991, 87, 106. 340 Vgl. BAG 20.2.1986, AP Nr. 11 zu § 1 KSchG 1969, B II 2 b; die genannte Definition wurde wieder aufgegriffen von BAG 24.4.1997, AP Nr. 42 zu § 2 KSchG 1969, II 2.

I. Zur freien Unternehmerentscheidung

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gen, dass die angebotene Definition der unternehmerischen Entscheidung denkbar nichtssagend ist. Insbesondere leistet sie nicht das, wozu sie geschaffen wurde, nämlich unternehmerische Entscheidungen, die sich auf Kündigungen beziehen, von solchen, die nicht überprüfbaren betrieblichen Maßnahmen zu Grunde liegen, abzugrenzen. Es ist nicht erkennbar, warum etwa die Entscheidung, möglichst vielen Arbeitnehmern zu kündigen, nicht Inhalt einer Unternehmenspolitik sein können sollte. Will man aber die Definition so verstehen, dass nur allgemeine Zweckbestimmungen unter den Begriff der unternehmerischen Entscheidung fallen sollen341, nicht aber konkrete Entscheidungen wie der Kündigungsentschluss, würden auch betriebliche Umgestaltungen nicht unter den Begriff der unternehmerischen Entscheidung fallen. Diese Konsequenz zieht das Bundesarbeitsgericht indessen nicht, sondern wendet den Begriff der freien unternehmerischen Entscheidung – entgegen seiner eigenen Definition – weiter auf konkrete betrieblich-organisatorische Maßnahmen an, um zu begründen, dass diese nicht auf ihre Erforderlichkeit überprüft werden können. Abgesehen davon muss das Unterfangen, einen Begriff – hier den der Unternehmerentscheidung – abweichend vom allgemeinen Sprachverständnis zu definieren, ohne ihm im Wortlaut des Gesetzes zu verankern oder ihn an Grundrechte anzuknüpfen, von vornherein scheitern. Richtigerweise muss davon ausgegangen werden, dass auch der Kündigung eine unternehmerische Entscheidung zu Grunde liegt. Unter einer unternehmerischen Entscheidung muss jede Entscheidung eines Unternehmers, die sich auf das Unternehmen bezieht, verstanden werden. In neuerer Zeit nimmt auch das BAG an, dass die Kündigung eine Unternehmerentscheidung ist, ohne allerdings seine alte Rechtsprechung ausdrücklich aufzugeben. Dem erwähnten Widerspruch möchte das BAG mit der Bemerkung entgehen, dass sich die Kündigung an den Vorschriften des Kündigungsschutzgesetzes messen lassen müsse und deshalb keine freie Unternehmerentscheidung sei.342 Auch dieser Lösungsversuch des BAG kann nicht überzeugen. Es ist zwar richtig, dass die Kündigung keine freie Unternehmerentscheidung ist, weil sie sich an den Vorschriften des Kündigungsschutzgesetzes messen lassen muss. Dasselbe gilt aber auch für betriebliche Veränderungen. Auch diese müssen, wenn sich das Kündigungsschutzgesetz auf sie bezieht, den gesetzlichen Anforderungen gerecht werden.343 An dieser Stelle wirkt sich wiederum fatal aus, dass das BAG nicht präzise definiert, was unter einem betrieblichen Erfordernis 341 Eine solche Interpretation drängt sich bei der Definition der unternehmerischen Entscheidung als Bestimmung der der Geschäftsführung zu Grunde liegenden Unternehmenspolitik in der Tat auf. Sie hätte dann erstaunliche Ähnlichkeit mit dem in dieser Arbeit verwendeten Begriff der Zwecksetzungsentscheidung (vgl. oben Kapitel B.II.3.b), S. 34) und würde das Ergebnis bestätigen, dass nicht jede unternehmerische Entscheidung, insbesondere nicht Mittelentscheidungen, sondern eben nur Zwecksetzungsentscheidungen frei sind. 342 Vgl. BAG 17.6.1999, 2 AZR 141/98, NZA 1999, 1098, 1100.

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C. Verhältnis des Ergebnisses zu Rechtsprechung und Literatur

im Sinne von § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG zu verstehen ist. Dass aber das Kündigungsschutzgesetz mit dem Begriff des betrieblichen Erfordernisses die Überprüfung der Erforderlichkeit betrieblicher Veränderungen anordnet, spürt wohl auch das Bundesarbeitsgericht. Ansonsten wäre – wie schon oben erwähnt – der Rückgriff auf die Freiheit der Unternehmerentscheidung gar nicht nötig. Eine weitere Ungereimtheit der h. M. liegt in dem Umstand, dass nach ihr bei der Änderungskündigung zur Entgeltkürzung der Arbeitgeber einen umfassenden Sanierungsplan vorlegen muss, der alle gegenüber der beabsichtigten Änderungskündigung milderen Mittel ausschöpft.344 Zu diesen zu prüfenden milderen Mitteln sollen auch in Betracht kommende Rationalisierungsmaßnahmen gehören – ohne Zweifel Maßnahmen, denen nach h. M. bei der Beendigungskündigung eine freie unternehmerische Entscheidung zu Grunde liegt und bei denen deswegen nicht gerichtlich überprüft werden kann, ob es notwendig und zweckmäßig ist, sie durchzuführen oder nicht. Es ist nicht nachvollziehbar, warum das Dogma von der Freiheit der Unternehmerentscheidung, wenn es gerechtfertigt wäre, bei der Änderungskündigung zur Entgeltkürzung nicht gelten sollte. Insbesondere die Begründung dieses Grundsatzes mit der Behauptung, dass die Gerichte durch die Überprüfung unternehmerischer Konzepte überfordert seien,345 müsste ebenso bei der Änderungskündigung zur Herabsetzung des Arbeitsentgelts gelten. Bei dem von der Rechtsprechung geforderten umfassenden Sanierungsplan wird es sich sogar in aller Regel um eine besonders komplexe unternehmerische Entscheidung mit hohem Prognosegehalt handeln. Nach alledem muss festgehalten werden, dass die Diskussion der betriebsbedingten Kündigung in Schieflage geraten ist, weil Literatur und Rechtsprechung in methodisch nicht zu vertretender Weise auf den Begriff der unternehmerischen Entscheidung fixiert sind. Wenn dieser Begriff einerseits nicht im Wortlaut verankert wird, andererseits aber die zentrale Rolle in der Diskussion einnimmt, führt dies zwangsläufig dazu, dass sich die Rechtsprechung der Kontrolle durch den Gesetzeswortlaut entzieht und sich verselbständigt. Das ist wegen der Bindung des Richters an Recht und Gesetz (Art. 20 Abs. 3 GG) sehr bedenklich. 343 Das beachtet auch ErfK/Ascheid, § 1 KSchG, Rn. 403 nicht. Er erkennt zwar, dass die Umstände der Umsetzung der Unternehmerentscheidung unter dem Gesichtspunkt der dringenden Erforderlichkeit voll überprüft werden müssen. Er übersieht aber, dass die Unternehmerentscheidung nicht erst mit der Kündigung, sondern schon mit der betrieblichen Veränderung umgesetzt wird. Man wird sogar die betriebliche Umgestaltung als unmittelbare und die Kündigung als bloß mittelbare Umsetzung der Unternehmerentscheidung ansehen müssen. 344 Vgl. BAG 20.8.1998, NZA 1999, 255, 256, II 1 d; BAG 27.9.2001, NZA 2002, 750, 754, B III 1 b, mit Verweis auf KR/Rost, § 2 KSchG, Rn. 107c. 345 Vgl. BAG 9.5.1996, NZA 1996, 1145, 1150, B I 2 c bb; BAG 24.10.1979, AP Nr. 8 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung, II 1 b. Zu dem Argument der Überforderung der Gerichte s. o. Kapitel B.II.3.c)cc), S. 59 ff.

II. Zur doppelten Erforderlichkeitsprüfung

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II. Zur doppelten Erforderlichkeitsprüfung und zum Mittel-Zweck-Denken Es liegt wohl auch an der Fixierung auf den Begriff der freien Unternehmerentscheidung und der damit zusammenhängenden fehlenden Analyse des Wortlautes von § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG, dass der h. M. eine für das Verständnis der betriebsbedingten Kündigung eminent wichtige Struktur entgeht, nämlich die doppelte Erforderlichkeitsbeziehung.346 Die h. M. prüft lediglich, ob die Kündigung erforderlich ist, um den – durch eine betriebliche Veränderung hervorgerufenen – Arbeitskräfteüberhang zu beseitigen. Sie prüft nicht, ob die betriebliche Veränderung selbst erforderlich ist, um einen unternehmerischen Zweck zu erreichen. Wenn man aber zwischen beiden Erforderlichkeitsbeziehungen nicht unterscheidet, führt dies dazu, dass man der Sache nach davon ausgeht, dass das betrieblichen Erfordernis in einem Erfordernis zur Kündigung oder in einem Erfordernis zur Beseitigung eines Arbeitskräfteüberhangs besteht.347 Auf den ersten Blick scheint die hier vertretene Ansicht – dass auch die Erforderlichkeit der betrieblichen Veränderung an einem vom Unternehmer weitgehend frei zu wählenden Zweck überprüft werden muss oder, mit anderen Worten, dass nur die Zwecksetzungsentscheidungen nicht aber die Mittelentscheidungen348 des Unternehmers frei sind – schon von Ulrich Preis349 formuliert worden zu sein, wenn er die Auffassung vertritt, dass das BAG lediglich den unternehmerischen Zweck einer betrieblich-organisatorischen Maßnahme nicht überprüfen wolle, diesen Zweck also als gegeben voraussetze, andererseits aber die Notwendigkeit (Erforderlichkeit) der betrieblich-organisatorischen Maßnahme an diesem (vorgegebenen) unternehmerischen Zweck messe. Kurz vorher schreibt Ulrich Preis jedoch, das BAG sage in Kurzform ausgedrückt, dass es die Notwendigkeit einer betrieblich-organisatorischen Maßnahme – isoliert betrachtet – nicht überprüfe, sehr wohl aber deren Notwendigkeit im Blick auf die konkrete Kündigung. Dem Widerspruch, dass nach der einen Aussage die Notwendigkeit der Maßnahme überprüft werden soll, nach der anderen nicht, meint Ulrich Preis offenbar mit dem Hinweis entgehen zu wollen, dass die Notwendigkeit der Maßnahme nur „im Blick auf die konkrete Kündigung“ überprüft werde. Dem ist allerdings zu entgegnen, dass nicht verständlich ist, was die Notwendigkeit einer betrieblich-organisatorischen Maßnahme im Blick auf die konkrete Kündigung sein soll. Die Notwendigkeit bzw. Erforderlichkeit einer Maßnahme kann nur in Bezug auf den von ihr verfolgten Zweck überprüft 346

Vgl. dazu oben Kapitel B.IV., S. 73. Dazu, dass dies nicht richtig sein kann, vgl. oben Kapitel B.II.2.a), S. 24 bzw. Kapitel B.II.2.b), S. 25 ff. 348 Zu den Begriffen der Zwecksetzungs- und Mittelentscheidung vgl. oben Kapitel B.II.3.b), S. 34. 349 Preis, Ulrich, Prinzipien, S. 217; teilweise wortgleich Stahlhacke/Preis, Rn. 947 f. 347

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C. Verhältnis des Ergebnisses zu Rechtsprechung und Literatur

werden. Die Kündigung ist aber im Regelfall gerade nicht der Zweck der betrieblich organisatorischen Maßnahme. Im Gegenteil wäre die betrieblich-organisatorische Maßnahme rechtsmissbräuchlich, würde sie lediglich die Kündigung bezwecken. Die Notwendigkeit bzw. Erforderlichkeit einer betrieblich-organisatorischen Maßnahme am vorgegebenen Zweck kann nur dann gemessen werden, wenn diese Maßnahme selbst in Frage gestellt wird, indem gefragt wird, ob der vorgegebene Zweck auch durch eine andere betrieblich-organisatorische Maßnahme erreicht werden kann.350 Ulrich Preis stellt die Maßnahme selbst aber gerade nicht zur Disposition, sondern setzt diese als gegeben voraus351 und fragt nach ihrer „Notwendigkeit im Blick auf die konkrete Kündigung“. In Wirklichkeit fragt Ulrich Preis dann aber gerade nicht nach der Notwendigkeit der betrieblich-organisatorischen Maßnahme, sondern nur nach der Notwendigkeit der Kündigung.352 Daran wird deutlich, dass Ulrich Preis im Ergebnis nicht von der in dieser Arbeit vertretenen doppelten Erforderlichkeitsprüfung ausgeht – auch wenn er ihre Berechtigung gespürt haben mag –, sondern allein die Erforderlichkeit der Kündigung prüft. Ulrich Preis sieht offenbar, dass es sachgerecht ist, den Arbeitgeber lediglich bei der Wahl seiner unternehmerischen Zwecke als frei anzusehen. Daraus folgt aber, dass die Maßnahmen, mit denen diese Zwecke erreicht werden sollen, auf ihre Geeignetheit und Erforderlichkeit überprüft werden müssen. Versucht man dagegen wie Ulrich Preis, die Erkenntnis, dass lediglich Zwecksetzungsentscheidungen des Arbeitgebers frei sind, mit der h. M., dass auch Mittelentscheidungen frei sind, zu vereinbaren, muss dies zwangsläufig zu Widersprüchen führen. So formuliert Ulrich Preis353, dass der Arbeitgeber frei bleibe, die unternehmerischen Zwecke einer Maßnahme allein zu bestimmen. Nicht überprüft werden könne, ob die Produktionseinstellung oder -verminderung sinnvoll, rentabel oder wirtschaftlich vernünftig ist. Ob aber der Zweck einer Rationalisierung oder Veränderung der Arbeitsmethoden auch ohne Kündigung durch andere betrieblich-organisatorische Maßnahmen erreicht werden kann, unterliege arbeitsgerichtlicher Kontrolle. Dagegen ist zu sagen, dass der Zweck einer Ra350 So definiert auch Ulrich Preis die Notwendigkeit bzw. Erforderlichkeit, vgl. Stahlhacke/Preis, Rn. 947. 351 Dies meint Ulrich Preis wohl damit, dass die betrieblich-organisatorische Maßnahme – isoliert betrachtet – nicht überprüft werde. 352 Eine ähnliche begriffliche Ungenauigkeit unterläuft Ascheid (NZA 1991, 873, 874), wenn er formuliert, es werde vom Arbeitsgericht nicht die Erforderlichkeit der Unternehmerentscheidung im Hinblick auf Motiv und Zweckverfolgung des Unternehmers geprüft, wohl aber die Erforderlichkeit zwischen Unternehmerentscheidung und Kündigung. Diese Formulierung suggeriert, dass es bei der letzteren Erforderlichkeitsbeziehung immer noch um die Erforderlichkeit der Unternehmerentscheidung geht. In Wirklichkeit handelt es sich aber bei der „Erforderlichkeit zwischen Unternehmerentscheidung und Kündigung“ um die Erforderlichkeit der Kündigung. 353 Stahlhacke/Preis, Rn. 948, vgl. auch Rn. 949; ähnlich auch Preis, Ulrich, Prinzipien, S. 218, wo er die h. M. in einer entsprechenden Formel zusammenfasst.

II. Zur doppelten Erforderlichkeitsprüfung

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tionalisierung sehr häufig gerade ihre Rentabilität sein wird. Wenn eine Rationalisierung rentabel ist, kann das nur bedeuten, dass sie geeignet ist, den Zweck der Rentabilität zu fördern. Es ist daher gar nicht möglich, einerseits nicht zu überprüfen, ob die betriebliche Veränderung rentabel ist, andererseits aber zu kontrollieren, ob der Zweck der Maßnahme – ihre Rentabilität – durch andere, weniger belastende betrieblich-organisatorische Maßnahmen erreicht werden kann. Ansonsten müsste man eine Erforderlichkeitsprüfung ohne Geeignetheitsprüfung für möglich halten. Bei der Prüfung der Erforderlichkeit wird aber gefragt, ob es andere ebenso geeignete Maßnahmen gibt, die den Betroffenen weniger belasten. Eine solche Prüfung ist nur möglich, wenn die Eignung der zu überprüfenden Maßnahme schon bejaht wurde. Gegenüber einer ungeeigneten Maßnahme ist jede weniger belastende Maßnahme milderes Mittel, insbesondere die Unterlassung der Maßnahme. Die Erforderlichkeitsprüfung baut auf der Geeignetheitsprüfung auf und ist ohne diese nicht denkbar.354 Auch Kiel spürt wohl die doppelte Mittel-Zweck-Relation bei der betriebsbedingten Kündigung. Er differenziert zwischen begrenzt zu überprüfender Unternehmerentscheidung auf der Gestaltungsebene und voll zu überprüfender Unternehmerentscheidung auf der personellen Umsetzungsebene.355 Auf der Gestaltungsebene, die er als erste Ebene bezeichnet, gehe es darum, ob der Kündigung nicht durch weniger belastende Mittel auf technischem, organisatorischem oder wirtschaftlichem Gebiet entsprochen werden könne. Bei der Umsetzungsebene, die er als zweite Ebene bezeichnet, gehe es darum, ob die Kündigung durch eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers an anderer Stelle vermieden werden könne.356 Kiel übersieht allerdings, dass er, obwohl er sachlich richtig zwei Ebenen unterscheidet, auf ihnen dann doch nur dasselbe, nämlich die Erforderlichkeit der Kündigung, prüft. Er untersucht nämlich auch auf der Gestaltungsebene, ob der Kündigung durch mildere Mittel entsprochen werden kann. Ebenso geht es bei der Frage, die Kiel auf der Umsetzungsebene stellt, der Frage der Weiterbeschäftigungsmöglichkeit, der Sache nach um ein milderes Mittel gegenüber der Kündigung. Inhaltlich unterscheiden wird man beide Ebenen nur können, wenn man auf der Gestaltungsebene die Erforderlichkeit der betrieblichen Veränderung selbst, auf der Umsetzungsebene die der Kündigung prüft. Darüber hinaus ist die Bezeichnung der beiden Ebenen als Gestaltungs- und Umsetzungsebene irreführend und sollte vermieden werden. Gerade auch die Gestaltungsebene erfordert eine betriebliche Umsetzung: Es reicht nicht, dass der Unternehmer sich etwa zu einer Rationalisierungsmaßnahme bloß entschließt, er muss sie auch verwirklichen, also umsetzen. 354

Vgl. dazu schon oben Kapitel B.VI.3., S. 98 ff., insbesondere S. 100. Vgl. APS/Kiel, § 1 KSchG, Rn. 461 f. und Rn. 467; ähnlich auch KDZ/Kittner, § 1 KSchG, Rn. 284 ff., der zwischen Unternehmensebene und Umsetzungsebene unterscheidet, ohne allerdings beide Ebenen deutlich voneinander abzugrenzen. 356 Vgl. APS/Kiel, § 1 KSchG, Rn. 559. 355

120

C. Verhältnis des Ergebnisses zu Rechtsprechung und Literatur

Die von der h. M. gewollte alleinige Überprüfung der Erforderlichkeit der Kündigung wird von ihr nicht deutlich formuliert und deswegen auch nur widersprüchlich verwirklicht. So findet sich in ständiger Rechtsprechung357 und in der Literatur358 im Zusammenhang mit dem Tatbestandsmerkmal der Dringlichkeit die Formulierung, dass es dem Arbeitgeber nicht möglich sein dürfe, der betrieblichen Lage durch andere Maßnahmen auf technischem, organisatorischem oder wirtschaftlichem Gebiet als durch eine Kündigung zu entsprechen. Der Begriff der „anderen Maßnahme auf technischem, organisatorischem oder wirtschaftlichem Gebiet“ ist aber so weit, dass er jedwede betriebliche Veränderung erfasst. Es müssten danach auch Maßnahmen als mildere Mittel gegenüber der Kündigung geprüft werden, die nach h. M. frei sein sollen, die also gerade nicht gerichtlich überprüft werden dürfen. Eine andere Maßnahme auf technischem, organisatorischem oder wirtschaftlichem Gebiet wäre etwa auch die Ausweitung der Produktion oder die Einführung einer kostenneutralen aber arbeitsintensiveren Produktionsmethode – ohne Zweifel Maßnahmen, denen nach der h. M. eine freie Unternehmerentscheidung zu Grunde liegt. Letztlich wäre sogar das Unterlassen oder Rückgängigmachen einer Rationalisierung eine andere Maßnahme auf technischem, organisatorischem oder wirtschaftlichem Gebiet, so dass mittelbar auch die Rationalisierung selbst überprüfbar würde. Nach alledem muss also auch auf dem Boden der h. M. ein Kriterium gefunden werden, mit dem entschieden werden kann, ob eine Alternativmaßnahme als milderes Mittel gegenüber der Kündigung in Betracht kommt und damit gerichtlich überprüfbar ist, oder ob diese Alternativmaßnahme zu den unternehmerischen Maßnahmen gehört, die frei sein sollen. Wie oben359 dargelegt, führt dabei der Versuch der h. M. einer Abgrenzung über eine einschränkende Definition der Unternehmerentscheidung als Bestimmung der der Geschäftsführung zu Grunde liegenden Unternehmenspolitik nicht weiter. Als das gesuchte Kriterium bietet sich vielmehr die unterschiedliche Auswirkung auf den Arbeitskräfteüberhang an: Während betrieblich-organisatorische Maßnahmen im Sinne des betrieblichen Erfordernisses die Nachfrage nach menschlicher Arbeitskraft reduzieren, verringern die Kündigung und die gegenüber ihr in Betracht kommenden milderen Mittel das Angebot an geschuldeter Arbeitsleistung. Auch die h. M. muss also die dieser Arbeit zu Grunde liegende Unterscheidung360 zwischen einerseits der Kündigung und den gegenüber ihr in Betracht kommenden milderen Mitteln und andererseits betrieblichen Veränderungen im Sinne des betrieblichen Erfordernisses und den gegenüber ihnen in Betracht kommenden 357 BAG 17.6.1999, 2 AZR 141/98, NZA 1999, 1098, 1099 (unter II 1 b der Gründe); BAG 18.1.1990 AP § 2 KSchG 1969 Nr. 27 (unter B I 2 b der Gründe). 358 Vgl. APS/Kiel, § 1 KSchG Rn. 559, 562; auch ErfK/Ascheid, § 1 KSchG, Rn. 396. 359 Vgl. Kapitel C.I.2., S. 114 ff. 360 Vgl. oben Kapitel B.IV.1. und B.IV.2., S. 74 ff.

III. Zum Begriff der inneren und äußeren Gründe

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milderen Mitteln anerkennen. Würden bei der von der h. M. geforderten Prüfung der Erforderlichkeit der Kündigung ohne Unterschied alle in Betracht kommenden milderen Mittel herangezogen, bliebe keine unternehmerische Freiheit übrig. Einige in der Literatur genannte Beispiele für gerichtlich voll zu überprüfende Alternativmaßnahmen zur Kündigung sind danach auf dem Boden der h. M. nicht haltbar. Als milderes Mittel gegenüber der Kündigung wird etwa die Entscheidung des Unternehmers angesehen, für eine gewisse Zeit auf Lager zu arbeiten.361 Ebenso wird verlangt, dass bei einer Kündigung wegen Rohstoffoder Energiemangels gerichtlich zu überprüfen sei, ob die Möglichkeit bestand, den Energiebedarf anders zu decken.362 Beide Alternativmaßnahmen betreffen aber die Nachfrage nach menschlicher Arbeitskraft und müssten daher, wenn man der h. M. folgt, zu den freien unternehmerischen Entscheidungen gehören. Im Ergebnis ist es allerdings richtig, auch die Möglichkeit, für eine gewisse Zeit auf Lager zu arbeiten und die Möglichkeit, den Energiebedarf anders zu decken, als mildere Mittel zu prüfen, allerdings dann nicht als mildere Mittel gegenüber der Kündigung, sondern gegenüber der unternehmerischen Maßnahme, die Produktion zu drosseln bzw. einzustellen. Das wird aber nur möglich sein, wenn – wie in dieser Arbeit vertreten –, nicht nur die Kündigung, sondern auch die betrieblichen Maßnahmen, die zum Arbeitskräfteüberhang geführt haben, auf ihre Erforderlichkeit überprüft werden.

III. Zum Begriff der inneren und äußeren Gründe In Literatur und Rechtsprechung wird darauf hingewiesen, dass sich betriebliche Erfordernisse aus inneren oder äußeren Gründen ergeben können. Außerbetriebliche Gründe sollen z. B. Auftragsmangel oder Umsatzrückgang sein.363 Es fragt sich, was unter innerbetrieblichen Gründen zu verstehen ist. In der älteren Rechtsprechung werden als Beispiele für innerbetriebliche Umstände Rationalisierungsmaßnahmen oder Umstellung oder Einschränkung der Produktion genannt.364 In der neueren Rechtsprechung wird dagegen gesagt, dass innere Gründe Unternehmerentscheidungen wie z. B. Rationalisierungsmaßnahmen oder Umstellung oder Einschränkung der Produktion seien.365 Dieser auf den 361

So Stahlhacke/Preis, Rn. 1019. Vgl. Preis, Ulrich, Prinzipien, S. 312, Fn. 334. 363 Vgl. z. B. BAG 17.6.1999, 2 AZR 141/98, NZA 1098, 1099; Stahlhacke/Preis, Rn. 942; Stahlhacke, DB 1994, 1362, 1361. 364 Vgl. BAG 17.10.1980, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 10; BAG 7.12.1978, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 6. 365 Vgl. BAG 20.2.1986, AP KSchG 1969 § 1 Nr.11, B II 2 a; BAG 17.6.1999, 2 AZR 141/98, NZA 1098, 1099, II 1 a. 362

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C. Verhältnis des Ergebnisses zu Rechtsprechung und Literatur

ersten Blick kaum auffallende Wechsel der Betrachtung weg von der betrieblichen Maßnahme als solcher hin zu der zu Grunde liegenden unternehmerischen Entscheidung verdient in doppelter Hinsicht Beachtung. Zum einen ist bemerkenswert, dass die ältere Rechtsprechung, was den Begriff des betrieblichen Erfordernisses betrifft, in einem wesentlichen Punkt mit der in dieser Arbeit vertretenen Auffassung übereinstimmt. Auch sie sieht in Bezug auf den inneren Grund den Anknüpfungspunkt für das betriebliche Erfordernis in der durchgeführten betrieblichen Maßnahme selbst, also in der betrieblichen Veränderung. Allerdings zieht sie aus dieser Erkenntnis nicht die notwendigen Konsequenzen. Wer einmal die betriebliche Umgestaltung als Grundlage des Begriffs des betrieblichen Erfordernisses ansieht, kann sich eigentlich kaum der Einsicht verschließen, dass es die Bedeutung des Begriffs „Erfordernis“ sprengt, wenn man auch nicht erforderliche oder sogar schädliche betriebliche Veränderungen als betriebliches Erfordernis ansieht. Dieser Erkenntnis entzieht sich die Rechtsprechung jedoch durch begriffliche Unklarheit, insbesondere durch mangelnde Zuordnung der von ihr genannten Voraussetzungen für die soziale Rechtfertigung der betriebsbedingten Kündigung zu den einzelnen Tatbestandsvoraussetzungen von § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG. So wird etwa formuliert, dass eine betriebsbedingte Kündigung gerechtfertigt sei, wenn durch innerbetriebliche Veränderungen die Zahl der Arbeitsplätze verringert wird.366 Es bleibt unklar, ob die Voraussetzung des Arbeitskräfteüberhangs zum Begriff des betrieblichen Erfordernisses gehören und in welchem Verhältnis sie zum inneren Grund stehen soll. Da ein Arbeitskräfteüberhang letztlich immer auf innere oder äußere Gründe zurückgeht, würde es keinen Sinn machen, neben dem Arbeitskräfteüberhang noch das bloße Vorliegen dieser Gründe zu prüfen. Auf diese Gründe abzustellen, ist deshalb nur sinnvoll, wenn man an sie über ihr bloßes Vorliegen hinaus noch weitere Anforderungen stellt, etwa in Bezug auf die inneren Gründe die, dass sie erforderlich sein müssen. Da die Rechtsprechung die Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit des inneren Grundes aber gerade nicht überprüfen möchte, entwertet sie die von ihr selbst genannte Voraussetzung für das betriebliche Erfordernis – die inneren und äußeren Gründe – und macht sie, abgesehen vom Anknüpfungspunkt für die Missbrauchskontrolle, zur überflüssigen Voraussetzung. Es kommt dann nur noch auf das Vorliegen des Arbeitskräfteüberhangs an, das betriebliche Erfordernis wird zum Erfordernis der Beseitigung des Arbeitskräfteüberhangs. Zum anderen ist interessant, wie sich am Begriff des inneren Grundes die fatale Verlagerung des Schwerpunktes der Betrachtung von der betrieblichen Maßnahme als solcher hin zur zu Grunde liegenden unternehmerischen Entscheidung vollzieht, ohne freilich konsequent durchgehalten werden zu können. Bei der älteren Rechtsprechung ist noch der richtige Ansatzpunkt vorhanden, 366

Vgl. BAG 17.10.1980, AP KSchG 1969 § 1 Nr. 10, unter 3 b der Gründe.

III. Zum Begriff der inneren und äußeren Gründe

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dass es beim betrieblichen Erfordernis auf die betriebliche Veränderung ankommt. Das zeigt sich z. B. daran, dass die ältere Rechtsprechung bei der Erläuterung, wann die soziale Rechtfertigung einer betriebsbedingten Kündigung vorliegt, ohne den Begriff der unternehmerischen Entscheidung auskommt. Statt dessen wird von unternehmerischen bzw. organisatorischen Maßnahmen gesprochen.367 Dieser richtige Ausgangspunkt wird durch die Formulierung der neueren Rechtsprechung verdeckt, dass der innerbetriebliche Grund die Unternehmerentscheidung sei.368 Der Begriff der unternehmerischen Entscheidung, der der älteren Rechtsprechung lediglich zur Begründung diente, dass die betriebliche Umgestaltung nicht auf ihre Zweckmäßigkeit und Notwendigkeit überprüft werden dürfe, wird damit kurzerhand zur zusätzlichen Tatbestandsvoraussetzung. Dennoch kommt auch die neuere Rechtsprechung nicht ohne den Gedanken der betrieblichen Umgestaltung aus. Schließlich kann die bloße unternehmerische Entscheidung nicht zu dem auch von der neueren Rechtsprechung für notwendig gehaltenen Arbeitskräfteüberhang führen. Das kommt etwa in der Formulierung zum Ausdruck, dass eine Kündigung aus innerbetrieblichen Gründen gerechtfertigt sei, wenn sich der Arbeitgeber im Unternehmensbereich zu einer organisatorischen Maßnahme entschließt, bei deren innerbetrieblicher Umsetzung das Bedürfnis zur Weiterbeschäftigung eines oder mehrerer Arbeitnehmer entfällt.369 Es kann festgehalten werden, dass im Begriff des inneren Grundes der Schlüssel zur Bestimmung des Begriffs des betrieblichen Erfordernisses enthalten ist, wenn mit der älteren Rechtsprechung auf die betriebliche Veränderung abgestellt wird. Allerdings hat der Begriff des inneren Grundes in der Vergangenheit diese Erkenntnis eher verdeckt als gefördert, so dass überlegt werden sollte, ihn aufzugeben. Nachteilig wirkt sich insbesondere aus, dass mit der Differenzierung in innere und äußere Gründe suggeriert wird, dass sich betriebliche Erfordernisse auch allein aus äußeren Gründen ergeben können. In Wirklichkeit wirken sich aber äußere Gründe nur in seltenen Ausnahmefällen direkt auf die Nachfrage nach menschlicher Arbeitskraft aus. In aller Regel wird mit einer Veränderung der betrieblichen Organisation auf diese Gründe reagiert.370 So kann etwa der Unternehmer als Reaktion auf mangelnde Nachfrage den Betrieb 367 Vgl. BAG 7.12.1978, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 6, II 1; BAG 17.10.1980, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 10, 2 b. 368 Vgl. BAG 20.2.1986, AP KSchG 1969 § 1 Nr. 11, II 2 a; BAG 17.6.1999, 2 AZR 141/98, NZA 1098, 1099, II 1 a. 369 Vgl. BAG 17.6.1999, 2 AZR 522/98, NZA 1095, 1096. 370 Vgl. v. Hoyningen-Huene/Linck, § 1 KSchG, Rn. 368 f.; v. Hoyningen-Huene, NZA 1994, 1009, 1011, unter II 3 der Ausführungen; Stahlhacke/Preis, Rn. 942. Vgl. auch Dütz, Arbeitsrecht, Rn. 336, der sogar davon ausgeht, dass außerbetriebliche Umstände für sich allein nie zu einem verringerten Personalbedarf führen können; ErfK/ Ascheid, § 1 KSchG, Rn. 380, nach dem ein Wegfall einer Beschäftigungsmöglichkeit für einen Arbeitnehmer ohne Willensakt des Arbeitgebers nicht denkbar ist.

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C. Verhältnis des Ergebnisses zu Rechtsprechung und Literatur

so umorganisieren, dass weniger produziert, er kann ihn aber auch so gestalten, dass auf Lager produziert wird. Und selbst in den seltenen Fällen, in denen sich äußere Gründe zwingend auf die Arbeitsnachfrage auswirken, entfällt nur die der betrieblichen Veränderung zu Grunde liegende unternehmerische Entscheidung, nicht aber die betriebliche Veränderung selbst. So führen etwa behördliche Produktionsverbote oder der Mangel eines für die Produktion unerlässlichen Rohstoffes ohne Zweifel zu betrieblichen Veränderungen, nur mit der Besonderheit, dass es für den Unternehmer keine alternative Handlungsmöglichkeit gibt. Ferner haben die Begriffe der inneren und äußeren Gründe kaum etwas zur Verdeutlichung des Begriffs des betrieblichen Erfordernisses beigetragen. Das gilt umso mehr, als die Rechtsprechung eine präzise Definition des betrieblichen Erfordernisses vermeidet. Es wird nur gesagt, dass sich betriebliche Erfordernisse aus inneren oder äußeren Gründen ergeben können, nicht aber was ein betriebliches Erfordernis ist. Rechtswissenschaftlich ist aber nicht entscheidend, woraus sich Tatbestandsvoraussetzungen kausal ergeben, sondern wann sie vorliegen, d. h. was ihre Voraussetzungen sind. Diese Unklarheiten in Verbindung mit der unangebrachten Betonung des Begriffs der unternehmerischen Entscheidung haben Anlass zu Missverständnissen und Widersprüchen in der Literatur gegeben. So führt Ulrich Preis aus, dass die kündigungsbegründende Unternehmerentscheidung auf unterschiedlichen Ursachen beruhen könne, nämlich innerund außerbetrieblichen Ursachen.371 Kurz danach schreibt Ulrich Preis, dass die innerbetrieblichen Ursachen regelmäßig mit der gestaltenden unternehmerischen Entscheidung372 zusammenfallen, auf die der Arbeitgeber die Kündigung stützt.373 Wenn aber einerseits nach Ulrich Preis der innerbetriebliche Grund die Ursache der Unternehmerentscheidung sein soll, andererseits aber die innerbetriebliche Ursache mit der gestaltenden Unternehmerentscheidung zusammenfallen soll, dann müsste die gestaltende Unternehmerentscheidung Ursache ihrer selbst sein. Das ist sogar in gewissem Sinne richtig, da die gestaltende Unternehmerentscheidung gerade nicht kausal, sondern final determiniert ist; einer Verdeutlichung des Tatbestandes der betriebsbedingten Kündigung dienen solche Erläuterungen aber nicht. Auch der in der Literatur zu findenden Ansicht, die Unterscheidung zwischen inner- und außerbetrieblichen Gründen sei sinnvoll, weil von ihr der Umfang der Darlegungs- und Beweislast im Prozess abhänge,374 kann nicht gefolgt werden. Sie stellt sich in Wirklichkeit als eine auf dem Boden der h. M. systemwid371

Vgl. Stahlhacke/Preis, Rn. 940. Zum Begriff der gestaltenden und selbstbindenden Unternehmerentscheidung vgl. ErfK/Ascheid, § 1 KSchG, Rn. 388 ff. 373 Vgl. Stahlhacke/Preis, Rn. 941. 374 Vgl. Ascheid, NZA 1991, 873, 876, II 4 der Ausführungen; ihm folgend Stahlhacke/Preis, Rn. 939. 372

III. Zum Begriff der inneren und äußeren Gründe

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rige Durchbrechung des Grundsatzes von der Freiheit der Unternehmerentscheidung dar. So ist Ascheid der Auffassung, dass, wenn der Unternehmer einen außerbetrieblichen Grund wie z. B. den Rückgang der Aufträge um 40 % geltend mache, er „selbst bindend“ handele. Er habe dann darzutun, dass erstens der Grund, auf den er sich beruft, z. B. der Rückgang der Aufträge um 40 %, tatsächlich vorliegt und zweitens, dass dieser Grund sich unmittelbar zwingend auf Beschäftigungsmöglichkeiten auswirkt.375 Äußere Gründe wirken sich aber, wie oben gezeigt wurde, in aller Regel nicht von selbst auf die Beschäftigungsmöglichkeiten aus, sondern sind lediglich Anlass für eine auf eine unternehmerische Entscheidung zurückgehende betriebliche Veränderung, die zu einem Rückgang derselben führt. Das erkennt der Sache nach auch Ascheid an, wenn er davon spricht, dass die Kündigungen im genannten Beispiel des 40-prozentigen Auftragsrückgangs die zwangsläufige Folge betrieblicher Anpassung an den Rückgang sein müssten. Mit der Zwangsläufigkeit der Anpassung kann aber nur gemeint sein, dass sich der Unternehmer bei seinen betrieblichen Veränderungen als Reaktion auf den äußeren Grund auf das Erforderliche beschränken muss. Damit werden die betriebliche Umgestaltung und die ihr zu Grunde liegende Unternehmerentscheidung auf ihre Erforderlichkeit in Bezug auf den genannten Zweck, sich der veränderten äußeren Lage anzupassen, überprüft. Das kann aber, wenn man wie die h. M., der auch Ascheid folgt,376 der Ansicht ist, dass betrieblich-organisatorische Maßnahmen nicht auf ihre Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit überprüft werden dürfen, nicht richtig sein. Auch der Hinweis Ascheids, dass, wer sich an Zwänge binde, auch eine Nachprüfung dieser Zwänge dulden müsse,377 kann nicht überzeugen. Im Prozess ist allein entscheidend, ob die Voraussetzungen der betriebsbedingten Kündigung vorliegen. Hält der Arbeitgeber darüber hinaus irrig zusätzlichen Tatsachenvortrag für erforderlich und kann dieser Vortrag nicht überzeugen, schadet dies nicht, da es sich um unerheblichen Vortrag handelt. Behauptet der Arbeitgeber etwa, dass seine Kündigung eine Rechtsbehelfbelehrung enthalten habe, ist es nicht von Belang, wenn es in Wirklichkeit an der Belehrung fehlt. Eine Selbstbindung an gesetzlich nicht vorgesehene Voraussetzungen ist im Prozessrecht nicht vorgesehen. Wenn man also wie die h. M. der Ansicht ist, dass betriebliche Veränderungen nicht auf ihre Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit überprüft werden dürfen, kann es dem Arbeitgeber nicht zum Nachteil gereichen, wenn er überflüssigerweise als Zweck seiner betrieblichen Umorganisation die Anpassung an die geänderte äußere Lage angibt, dann aber mehr verändert, als für diesen Zweck erforderlich ist.

375 376 377

Vgl. Ascheid, NZA 1991, 873, 876, II 4 b der Ausführungen. Vgl. Ascheid, NZA 1991, 873 f. Vgl. Ascheid, NZA 1991, 873, 876, II 4 b der Ausführungen.

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C. Verhältnis des Ergebnisses zu Rechtsprechung und Literatur

Nach alledem sollte der Begriff der inneren und äußeren Gründe aufgegeben werden. Statt dessen sollte der Begriff der betrieblich-organisatorischen Maßnahme (bzw. der betrieblichen Veränderung) als Ursache für den Arbeitskräfteüberhang und – wenn man der in dieser Arbeit vertreten doppelten Erforderlichkeitsprüfung folgt – als Anknüpfungspunkt für die Erforderlichkeitsprüfung verwendet werden.

IV. Zur Dringlichkeit Die Rechtsprechung378 und ein Teil der Literatur379 nehmen die Dringlichkeit betrieblicher Erfordernisse an, wenn es dem Arbeitgeber nicht möglich ist, der betrieblichen Lage durch andere Maßnahmen auf technischem, organisatorischem oder wirtschaftlichem Gebiet als durch eine Kündigung zu entsprechen. Das bedeute, dass die Kündigung wegen der betrieblichen Lage unvermeidbar sein müsse. Diese Interpretation des Merkmals der Dringlichkeit ist jedoch fragwürdig. Indem sie fordert, dass Alternativmaßnahmen zur Kündigung zu suchen sind und die Kündigung unvermeidbar sein muss, umschreibt sie nichts anderes als die Erforderlichkeit der Kündigung. Das Tatbestandsmerkmal „dringende“ in § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG bezieht sich aber auf die betrieblichen Erfordernisse und nicht auf die Kündigung.380 Zudem wäre das Merkmal der Dringlichkeit überflüssig, wenn aus ihm lediglich die Anordnung der Erforderlichkeit der Kündigung zu entnehmen wäre. Diese folgt nämlich schon aus dem Tatbestandmerkmal „bedingt“.381 Außerdem ist im Merkmal der Dringlichkeit eine Quantifizierung angelegt: Einige Maßnahmen sind dringender als andere. Dieser Inhalt des Begriffs der Dringlichkeit läuft jedoch leer, wenn unter derselben die Erforderlichkeit oder Vermeidbarkeit der Kündigung verstanden wird: Eine Kündigung ist entweder vermeidbar oder nicht, eine Quantifizierung ist nicht denkbar. Dass aber auch der Gesetzgeber davon ausgegangen ist, dass mit dem Merkmal der Dringlichkeit ein Gewichtung der betrieblichen Interessen verbunden ist, ergibt sich aus der Entstehungsgeschichte des Kündigungsschutzgeset378 BAG 17.6.1999, 2 AZR 141/98, NZA 1999, 1098, 1099, II 1 b der Gründe; BAG 30.5.1985, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 24, B II 1. 379 ErfK/Ascheid, § 1 KSchG, Rn. 396; APS/Kiel, § 1 KSchG, Rn. 562; Schaub/ Linck, § 131, R. 13; Müller, Gerhard, DB 1962, 1570. 380 Vgl. oben Kapitel B.V., S. 76 f. 381 Vgl. oben Kapitel B.I., S. 19 ff. Ähnlich Stein, BB 2000, 457, 460, der darauf hinweist, dass an der Auslegung der h. M. auffallend sei, dass nach ihr das wertende Element „dringend“ ersatzlos wegfalle. Das Kriterium „dringend“ gehe nach h. M. in der Kausalitätsprüfung dahingehend auf, ob in einem logischen Sinn die Kündigung die zwingende Folge der unternehmerischen Entscheidung sei, obwohl für die Prüfung der kausalen Verknüpfung zwischen betrieblicher Maßnahme und Kündigung bereits das Merkmal „bedingt“ zur Verfügung stehe.

V. Zum Verfassungsrang des Zwecks des Kündigungsschutzgesetzes

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zes.382 Im sog. Hattenheimer Entwurf, der auf Grund von Besprechungen zwischen den Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden zustande gekommen war, hieß es, dass die Kündigung sozial ungerechtfertigt sein solle, wenn sie nicht durch „zwingende“ betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist.383 Demgegenüber änderte der Regierungsentwurf das Wort „zwingende“ in „dringende“.384 Den Änderungsvorschlag des Bundesrates, wieder zur Formulierung „zwingende“ zurückzukehren, lehnte die Bundesregierung mit der Bemerkung ab, dass die Fassung der Regierungsvorlage einen wirksamen sozialen Schutz gewährleiste.385 Daraus ergibt sich, dass die Bundesregierung davon ausging, dass das Merkmal „dringend“ ausreichenden sozialen Schutz durch eine Gewichtung des betrieblichen Interesses sicherstelle, auch wenn diese Gewichtung quantitativ geringer ausfällt als dies mit dem Merkmal „zwingende“ der Fall gewesen wäre.386

V. Zum Verfassungsrang des Zwecks des Kündigungsschutzgesetzes Oben wurde vertreten, dass der Zweck des Kündigungsschutzgesetzes, dem Arbeitnehmer den Arbeitsplatz und die Betriebszugehörigkeit als die Grundlagen seiner wirtschaftlichen und sozialen Existenz zu sichern, Verfassungsrang genieße.387 Demgegenüber ist Reuter der Ansicht, dass es zwar eine Schutzpflicht des Staates in Bezug auf die Freiheit des Arbeitnehmers zur Wahl des Arbeitsplatzes gebe, die auch den Entschluss umfasse, den Arbeitsplatz beizubehalten. Die Freiheit des Arbeitnehmers sei aber nur dann betroffen, wenn auf ihn Druck ausgeübt werde, selbst zu kündigen, nicht aber, wenn der Arbeitgeber kündige. Freiheitsschutz und Besitzstandsschutz schlössen sich aus.388 Dem kann nicht gefolgt werden. Die Freiheit eines Menschen wird nicht nur dann beeinträchtigt, wenn er eine Handlungsmöglichkeit (hier Beibehaltung des Arbeitsplatzes) hat, auf ihn aber Druck ausgeübt wird, sie aufzugeben, sondern sie wird sogar in besonders starker Weise betroffen, wenn ihm die Handlungsmöglichkeit als solche genommen wird. Anderenfalls wäre z. B. die gesetzliche Erschwerung einer Verhaltensweise grundrechtsrelevant, ein gesetzliches Verbot 382 Vgl. zur Entstehungsgeschichte des KSchG Monjau, BB 1967, 1211 f.; Stein, BB 2000, 457, 460. 383 Vgl. RdA 1950, 63. 384 Vgl. RdA 1951, 58 f. 385 Vgl. RdA 1951, 178, 179. 386 Auch Hueck (RdA 1949, 331, 334) geht davon aus, dass durch das Wort „dringend“ eine Verstärkung des Kündigungsschutzes herbeigeführt wird. 387 Vgl. oben Kapitel B.II.3.c)aa), S. 41 f. 388 Vgl. Reuter, RdA 2004, 161, 165, 3 a cc der Ausführungen.

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C. Verhältnis des Ergebnisses zu Rechtsprechung und Literatur

dagegen nicht. Zudem schließen sich entgegen Reuter Freiheits- und Besitzstandsschutz nicht aus. Freiheitsgrundrechte sind primär durch ihre Abwehrfunktion gekennzeichnet,389 die auch vor Eingriffen in Besitzstände schützt. Das wird besonders deutlich an Art. 14 GG.390 Auch Reuters Begründung, die Ableitung des Kündigungsschutzes aus der Freiheit zur Wahl des Arbeitsplatzes sei handgreiflich falsch, weil sie das Grundrecht im Verhältnis zum Arbeitgeber von einem Freiheits- in ein Leistungsgrundrecht verwandele, obwohl das Bundesverfassungsgericht Leistungsansprüche aus Art. 12 GG gegenüber dem Staat in ständiger Rechtsprechung ablehne,391 kann nicht überzeugen. In ihr ist zwar ein richtiger Gedanke enthalten. Wenn nämlich schon bei Leistungsansprüchen gegenüber dem Staat Zurückhaltung geboten ist392, dann sollte erst recht nur in Ausnahmefällen angenommen werden können, dass die Schutzpflicht des Staates darauf gerichtet ist, einer Privatperson gegenüber einer anderen Leistungsansprüche zuzuweisen. Reuter irrt aber, wenn er der Ansicht ist, das Grundrecht der Arbeitsplatzwahlfreiheit habe im Verhältnis zum Arbeitgeber die Funktion eines Leistungsgrundrechts. In der Grundrechtsdogmatik sind die Freiheitsgrundrechte durch ihre Abwehrfunktion gekennzeichnet; diese wiederum ist daran erkennbar, dass ein Unterlassen erstrebt wird.393 Dagegen zielen die Leistungsgrundrechte auf ein Handeln des Adressaten ab.394 Der Arbeitnehmer erstrebt aber mit dem Kündigungsschutz gerade ein Unterlassen des Arbeitgebers, nämlich das der Kündigung.395 Vielleicht beruht der Irrtum Reuters darauf, dass er die spezifisch grundrechtliche Begrifflichkeit außer Acht lässt und den zivilrechtlichen Leistungsbegriff, nach dem auch eine Unterlassung Leistung sein kann (vgl. § 241 Abs. 1 Satz 2 BGB), auf das Verfassungsrecht überträgt. Als weiteres Argument führt Reuter ins Feld, dass es nicht zulässig sei, den Kündigungsschutz des Arbeitnehmers mit dem gleichen Interesse zu rechtfertigen, dass der Arbeitsuchende als Gegeninteresse in die Waagschale werfen kann, nämlich mit dem Interesse des Arbeitnehmers am Arbeitsplatz als seiner 389

Vgl. Jarass/Pieroth-Jarass, Vorb. vor Art. 1, Rn. 5. Vgl. Jarass/Pieroth-Jarass, Art. 14 GG, Rn. 2. 391 Vgl. Reuter, RdA 2004, 161, 165, unter 3 a cc der Ausführungen. 392 Bei den meisten Grundrechten dominiert die Abwehrfunktion (vgl. Jarass/Pieroth-Jarass, Vorb. vor Art. 1, Rn. 5 ff.). Dementsprechend wird bei Art. 12 Abs. 1 GG ein Recht auf Bereitstellung eines Arbeitsplatzes abgelehnt (vgl. Jarass/Pieroth-Jarass, Art. 12 GG, Rn. 17). 393 Vgl. Jarass/Pieroth-Jarass, Vorb. vor Art. 1, Rn. 5. 394 Vgl. Jarass/Pieroth-Jarass, Vorb. vor Art. 1, Rn. 10. 395 Das übersieht auch Lindner (RdA 2005, 166, 167 f., unter III 1 der Ausführungen), wenn er der Ansicht ist, dass sich die vom Bundesverfassungsgericht geforderte Schutzpflicht der Sache nach wohl nicht gegen den interessenverkürzenden Arbeitgeber richte, sondern einen konditionierten Anspruch gegen den Arbeitgeber auf über die Kündigung hinaus fortgesetzten Bestand des Arbeitsplatzes impliziere. 390

V. Zum Verfassungsrang des Zwecks des Kündigungsschutzgesetzes

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Existenzgrundlage.396 Dem ist zunächst zu entgegnen, dass auch Reuter für die betriebsbedingte Kündigung das Fehlen einer sinnvollen Beschäftigungsmöglichkeit fordert und lediglich bis zur Missbrauchsgrenze nicht prüfen möchte, aus welchem Grund diese entfallen ist.397 Auch nach Reuters Konzept – das dem der h. M. entspricht – sind also Austauschkündigungen nicht möglich, so dass sich keine verbesserten Einstellungschancen für Arbeitsuchende ergeben können, weil auf die betriebsbedingte Kündigung eines Arbeitnehmers wegen des Arbeitskräfteüberhangs nicht die Neueinstellung eines Arbeitsuchenden folgt. Im Gegenteil muss der Arbeitsuchende nunmehr auch noch mit den nach der Kündigung ebenfalls arbeitsuchenden gekündigten Arbeitnehmern um einen Arbeitsplatz konkurrieren.398 Darüber hinaus kann die Gleichwertigkeit der Interessen von Arbeitnehmern und Arbeitsuchenden lediglich eine Pattsituation ergeben, die die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers gerade nicht einschränken kann.399 Zudem geht es dem Arbeitsuchenden darum, einen Arbeitsplatz, den er noch nicht hat, zu bekommen; es geht ihm also um eine Handlung des Arbeitgebers – die Einstellung – und damit um eine Leistung. Dagegen geht es dem Arbeitnehmer beim Kündigungsschutz um den Erhalt seines Arbeitsplatzes; es geht ihm um eine Unterlassung des Arbeitgebers – nämlich der Kündigung – und damit um die Abwehr von Eingriffen in seinen Besitzstand. Wenn man auf das Gegeninteresse der Arbeitsuchenden abstellt, verwandelt man ihr Grundrecht der Arbeitsplatzwahlfreiheit – um die Worte Reuters zu benutzen – im Verhältnis zum Arbeitgeber von einem Freiheits- in ein Leistungsgrundrecht. Der von Reuter selbst aufgeworfene Gedanke, dass es nicht sinnvoll ist anzunehmen, dass die Schutzpflicht des Staates darauf gerichtet ist, durch gesetzliche Regelungen einer Privatperson gegenüber einer anderen Leistungsansprüche zuzuweisen, spricht damit sogar für einen Vorrang der Grundrechtsposition der Arbeitnehmer vor der der Arbeitsuchenden.400 396 Vgl. Reuter, RdA 2004, 161, 164. Ähnlich Dorndorf, in: Betriebsbedingte Kündigungen im Widerstreit, S. 94 f. 397 Vgl. Reuter, RdA 2004, 161, 167, unter 4 der Ausführungen. 398 Lediglich eine erleichterte personen- oder verhaltensbedingte Kündigung würde die Chancen der Arbeitsuchenden verbessern, da bei diesen Kündigungsgründen der bestehende Arbeitsplatz nach der Kündigung in der Regel neu besetzt wird. 399 Die Gleichwertigkeit der Interessen der an einem Rechtsgut Interessierten ist auch keine Besonderheit des Arbeitsrechts. So geht etwa im Wohnraummietrecht der Kündigungsschutz des Mieters zu Lasten des Wohnungssuchenden. Es ist auch durchaus sinnvoll, einmal erworbene Rechtspositionen (Arbeitsplatz, Wohnung) zu schützen, um zu verhindern, dass die stärkere Vertragspartei (Arbeitgeber, Vermieter) die Konkurrenzsituation der schwächeren Partei (Arbeitnehmer, Mieter) ausnutzen kann, um mit der Drohung einer Kündigung auf eine Abänderung der Vertragsbedingungen zu ihren Gunsten hinzuwirken. 400 Allerdings sei noch einmal klargestellt, dass bei genauem Hinsehen auch beim Arbeitnehmer nicht die Abwehrfunktion, sondern die Schutzfunktion seiner Grundrechte betroffen ist, da die Grundrechte unmittelbar nur gegenüber dem Staat, nicht aber gegenüber Privatpersonen wirken. Dem Arbeitnehmer geht es um den Schutz sei-

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C. Verhältnis des Ergebnisses zu Rechtsprechung und Literatur

Nach alledem muss entgegen Reuter davon ausgegangen werden, dass die Schutzpflicht des Staates in Bezug auf die Arbeitsplatzwahlfreiheit des Arbeitnehmers auch den Schutz vor Kündigungen durch den Arbeitgeber umfasst. Aber selbst wenn dem nicht so wäre, würde das Kündigungsschutzgesetz mit der in ihm angeordneten Erforderlichkeitsprüfung arbeitsplatzschädlicher betrieblicher Veränderungen nicht unverhältnismäßig in die unternehmerische Entscheidungsfreiheit eingreifen. Gesetzeszwecke müssen nämlich in der Regel nicht aus der Verfassung abgeleitet oder mit dieser gerechtfertigt werden, sie dürfen ihr lediglich nicht widersprechen. Anders ist dies nur bei den Grundrechten ohne Gesetzesvorbehalt, bei denen ein Eingriff nur durch kollidierendes Verfassungsrecht gerechtfertigt werden kann.401 Die unternehmerische Entscheidungsfreiheit steht aber, wenn man sie aus der Berufsausübungsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 Satz 2 ableitet, unter einfachem Gesetzesvorbehalt, wobei nach der Drei-Stufen-Theorie des Bundesverfassungsgerichts bei Eingriffen in die Berufsausübungsfreiheit jedes vernünftige Gemeinwohlinteresse als Gesetzeszweck genügt. Ein Verfassungsrang desselben ist nicht erforderlich.402 Der Gesetzgeber hat einen weiten Gestaltungsspielraum bei der Wahl seiner Zwecke und der Ausgestaltung der Gesetze, mit denen er sie verfolgt. Gesetzeszwecke müssen nicht aus der Verfassung folgen, sie dürfen lediglich nicht der Verfassung widersprechen.403 In den Erläuterungen zum Entwurf des Kündigungsschutzgesetzes ist aber in aller Deutlichkeit dargelegt, dass der Entwurf als „geschütztes Rechtsgut“ „den Arbeitsplatz und die Betriebszugehörigkeit des Arbeitnehmers“ ansieht, „die die Grundlagen seiner wirtschaftlichen und sozianer Grundrechtspositionen durch staatliche Maßnahmen – hier durch den Erlass des Kündigungsschutzgesetzes –, die vor Beeinträchtigung durch den Arbeitgeber schützen. Dennoch ist es sinnvoll anzunehmen, dass es auch bei der Schutzfunktion der Grundrechte primär um den Schutz vor Beeinträchtigungen durch Private (hier Kündigung durch den Arbeitgeber) und nicht um den Schutz durch die Gewährung von Leistungen Privater (hier Einstellung des Arbeitsuchenden durch den Arbeitgeber) geht. Auch nach Badura (RdA 1999, 8, 11) hat das Grundrecht des Art. 12 Abs. 1 GG größeres Gewicht für einen gewissen Bestandsschutz des eingenommenen Arbeitsplatzes als für den Bewerber, der den Zugang zu einem Arbeitplatz sucht. Badura begründet dies mit der arbeitsrechtlichen Vertragsfreiheit und verweist auf § 105 GewO). 401 Vgl. dazu Pieroth/Schlink, Rn. 314, 325 ff. Auch wenn keine gesetzliche Regelung besteht und der Schutz des Arbeitnehmers allein aus seinen im Rahmen der Auslegung von § 242 BGB mittelbar anzuwendenden Grundrechten begründet werden soll, muss aus diesen eine Schutzpflicht abgeleitet werden können. Eine solche Fallkonstellation lag z. B. in der von Reuter (vgl. RdA 2004, 161, 163, unter 3 a bb der Ausführungen) ebenfalls angegriffenen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Kündigungsschutz im Kleinbetrieb (vgl. BVerfG 27.1.1998, E 97, 169) vor, die aber nicht mit der Frage der Auslegung und Verfassungsmäßigkeit des Kündigungsschutzgesetzes vermengt werden darf. 402 Entsprechendes gilt, wenn die unternehmerische Entscheidungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG abgeleitet wird. 403 Auch Gamillscheg, Franz (S. 21) weist darauf hin, dass dem Gesetzgeber die Berücksichtigung grundrechtsunabhängiger Ziele nicht verwehrt ist.

VI. Zur unternehmensbezogenen Weiterbeschäftigungspflicht

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len Existenz bilden“.404 Selbst wenn man wie Reuter annimmt, dass der Schutz dieses Rechtsguts nicht aus dem Grundgesetz folgt, muss er als Zweck des Kündigungsschutzgesetzes akzeptiert werden, es sei denn, er wäre verfassungswidrig. Das ist jedoch nicht der Fall. Die Grundrechte des Arbeitgebers können durch den bloßen Zweck des Arbeitsplatzschutzes noch nicht unangemessen beeinträchtigt werden. Maßgebend ist insoweit die konkrete gesetzliche Ausgestaltung, durch die dieser Zweck gefördert werden soll. Wie oben405 dargelegt ist das Kündigungsschutzgesetz aber nicht verfassungswidrig, wenn man es wie in dieser Arbeit vertreten so auslegt, dass arbeitsplatzschädliche betriebliche Veränderungen auf ihre Erforderlichkeit überprüft werden müssen. Der Umstand, dass der Zweck des Kündigungsschutzgesetzes Verfassungsrang genießt, ist innerhalb der verfassungsrechtlichen Prüfung lediglich eine entbehrliche Pointe, durch die die Weite des Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers besonders drastisch vor Augen geführt wird.406

VI. Zur unternehmensbezogenen Weiterbeschäftigungspflicht Oben407 wurde vertreten, dass eine betriebsbedingte Kündigung nicht erforderlich ist, wenn der Arbeitnehmer, dem auf Grund eines betrieblichen Arbeitskräfteüberhangs gekündigt werden soll, an einer anderen Stelle im Unternehmen, an der noch Arbeitskräftebedarf besteht, weiterbeschäftigt werden kann. Demgegenüber ist Annuß der Ansicht, dass Beschäftigungsmöglichkeiten in einem anderen Betrieb des Unternehmens der Wirksamkeit einer Beendigungskündigung nicht entgegenstünden, wenn der Betriebsrat der Kündigung nicht wegen eines der in § 1 Abs. 2 Sätze 2, 3 KSchG genannten Gründe widersprochen habe. Annuß begründet seine Ansicht damit, dass der Kündigungsschutz nach § 1 Abs. 2 KSchG abgesehen von den in den Sätzen 2 und 3 normierten Ausnahmen keinen Unternehmensbezug aufweise, sondern die Kündigungsfreiheit des Arbeitgebers grundsätzlich nur insoweit beschränke, als unter Berücksichtigung des konkreten Arbeitsvertrags eine Weiterbeschäftigung in demselben Betrieb in Betracht komme.408 Dem ist jedoch zu entgegnen, dass sich aus dem 404 Vgl. Erläuterung zum Entwurf des Kündigungsschutzgesetzes, RdA 1951, 63 unter „Allgemeines“. Das übersieht Reuter, wenn er der Ansicht ist, die Entstehungsgeschichte des Kündigungsschutzgesetzes sei unergiebig (vgl. RdA 2004, 161, 165, unter 3 b aa der Ausführungen) und der Zweck des Kündigungsschutzgesetzes könne nicht im Schutz der Existenzgrundlage des Arbeitnehmers bestehen (vgl. RdA 2004, 161, 167, unter 4 der Ausführungen). Darüber hinaus wirkt sich ungünstig aus, dass Reuter aufgrund seiner Fehldeutung des Begriffs der Betrieblichkeit die Aussage von § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG verfehlt (vgl. oben Kapitel B.II.4., S. 66 ff.). 405 Vgl. Kapitel B.II.3.c)aa), S. 36 ff. 406 Vgl. oben Kapitel B.II.3.c)aa), S. 36 ff., insbesondere S. 41 f. 407 Kapitel B.IV.2., S. 75 ff., insbesondere S. 76.

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C. Verhältnis des Ergebnisses zu Rechtsprechung und Literatur

in § 1 Abs. 2 KSchG enthaltenen Merkmal des Bedingtseins der Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse ergibt, dass die Kündigung erforderlich sein muss, um den durch eine betriebliche Veränderung hervorgerufenen Arbeitskräfteüberhang zu beseitigen.409 Das ist aber nicht der Fall, wenn der Arbeitnehmer in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann.410 Milderes Mittel ist nämlich jedes dem Arbeitgeber – also dem Unternehmen – zur Verfügung stehende, ebenso zur Beseitigung des Arbeitskräfteüberhangs geeignete Mittel.411 Durch die Voraussetzung, dass die Kündigung erforderlich sein muss, wird also entgegen Annuß sehr wohl ein Arbeitgeber- bzw. Unternehmensbezug hergestellt.412 Annuß lehnt die Anwendung des Verhältnismäßigkeitsprinzips zur Begründung einer Obliegenheit des Arbeitgebers, die Möglichkeit anderweitiger Beschäftigung des von der Kündigung bedrohten Arbeitnehmers zu berücksichtigen, ab, weil er dieses Prinzip lediglich im Merkmal der Dringlichkeit verankert sieht. Durchaus konsequent zieht er dann aus dem Umstand, dass sich das Merkmal der Dringlichkeit auf das Tatbestandsmerkmal der betrieblichen Erfordernisse bezieht, den Schluss, „dass die Frage der anderweitigen Beschäftigungsmöglichkeit nicht Gegenstand der Dringlichkeitsprüfung, sondern ihr nach der gesetzlichen Grundkonzeption vorgelagert“ sei.413 Er übersieht aber, dass sich schon aus dem in § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG normierten Merkmal des Bedingtseins der Kündigung ergibt, dass diese erforderlich sein muss, um einen durch einen der Kündigungsgründe umschriebenen Störungstatbestand zu beseitigen.414 Das ist erstaunlich, weil Annuß zuvor selbst herausgearbeitet hat, dass 408

Annuß, S. 121. Vgl. oben Kapitel B.I., S. 19 ff. 410 Ebenso Hinze, S. 150 f. 411 Darin liegt der Unterschied zu einer Weiterbeschäftigungsmöglichkeit bloß im Konzern, da dann das mildere Mittel nicht dem Arbeitgeber, sondern einem Dritten – nämlich dem anderen Konzernunternehmen – zur Verfügung steht. Das kann allerdings anders sein, wenn der Arbeitgeber mittels seines bestimmenden Einflusses imstande ist, die in Betracht kommende Weiterbeschäftigung in einem anderen Konzernunternehmen durchzusetzen, vgl. dazu im Einzelnen Hinze, S. 155 ff. 412 Auf den Arbeitgeberbezug verweisen auch BAG 17.5.1984, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 21, III 3 c cc; BAG 15.12.1994, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 66, B II 1; Preis, Ulrich, Prinzipien, S. 295 f. 413 Vgl. Annuß, S. 118. Auf diesen Textabschnitt verweist Annuß in der Fn. 425, S. 123. Vgl. auch Annuß, S. 117, wo er ausführt, dass die Annahme einer Verpflichtung des Arbeitgebers, vor Ausspruch einer betriebsbedingten Beendigungskündigung zu prüfen, ob er den Arbeitnehmer nicht auf einem anderen Arbeitsplatz versetzten könne, sich jedenfalls nicht mit einer allgemeinen Berufung auf das ultima-ratio-Prinzip begründen lasse, da auch dieses der Wirksamkeit der Kündigung nur insoweit entgegenstehe, als es im Gesetz Verankerung gefunden habe. 414 Annuß (S. 118 f., Fn. 403) ist der Ansicht, dass das Merkmal „bedingt“ ohne Aussagewert sei. „Bedingt“ sei eine betriebsbedingte Kündigung schon immer, wenn 409

VI. Zur unternehmensbezogenen Weiterbeschäftigungspflicht

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auf Grund einer Erforderlichkeitsprüfung zu beurteilen sei, ob die Kündigung zur Umsetzung einer neuen Betriebsstruktur geeignet und ob kein gleich geeignetes milderes Mittel vorhanden sei, und dabei betont, dass diese Erforderlichkeitsprüfung nichts mit dem Tatbestandsmerkmal der Dringlichkeit zu tun habe.415 Auch wenn Annuß andeutet, dass sich eine reine Betriebsbezogenheit des Kündigungsschutzes aus dem Wortlaut von § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG ergebe, nach dem die betrieblichen Erfordernisse einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers „in diesem Betrieb“ entgegenstehen müssen416, kann dem aus den gleichen Gründen nicht gefolgt werden. Daraus ergibt sich zwar unmittelbar, dass dem Arbeitnehmer, wenn er im Betrieb weiterbeschäftigt werden kann, nicht gekündigt werden darf, nicht aber, dass dem Arbeitnehmer gekündigt werden darf, wenn er in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann. Das bloße Vorliegen von dringenden betrieblichen Erfordernissen, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers im Betrieb entgegenstehen, reicht nach § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG gerade nicht, sondern sie müssen die Kündigung bedingen, also erforderlich machen. Aus dem Wortlaut von § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG ergibt sich lediglich, dass nur denjenigen Arbeitnehmern gekündigt werden kann, in deren Betrieb der Arbeitskräfteüberhang besteht. Aus ihm folgt also nicht die Betriebsbezogenheit der Weiterbeschäftigungspflicht, sondern lediglich die Betriebsbezogenheit der Sozialauswahl.417 Ein sehr gewichtiges Argument führt Annuß allerdings mit dem Hinweis an, dass der Gesetzgeber des KSchG 1951 die Problematik der Weiterbeschäftigungsmöglichkeit in einem anderen Betrieb des Unternehmens gesehen und sich bewusst dagegen entschieden habe, entsprechende Kündigungshindernisse anzuerkennen.418 In der Tat wird in den Erläuterungen zum Regierungsentwurf „dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung in diesem Betrieb entgegenstehen“ vorliegen. Annuß übersieht dabei, dass das bloße Vorliegen eines betriebsbedingten Kündigungsgrundes für die soziale Rechtfertigung einer Kündigung gerade noch nicht reicht, sondern er die Kündigung bedingen, also erforderlich machen muss. Ansonsten hätte § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG lauten müssen, dass die Kündigung sozial ungerechtfertigt ist, wenn keine dringenden betrieblichen Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers im Betrieb entgegenstehen, vorliegen. 415 Annuß, S. 99 f. Einen Hinweis darauf, aus welchem Tatbestandsmerkmal genau er die von ihm aufgezeigte Erforderlichkeitsprüfung ableiten möchte, bleibt Annuß allerdings schuldig. 416 Annuß, S. 113. Ähnlich in diesem Punkt, allerdings nicht im Ergebnis, MünchArbR/Berkowsky, § 140, Rn. 4, der der Ansicht ist, dass eine bloße Auslegung von § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG für eine Unternehmensbezogenheit der anderweitigen Beschäftigungspflicht deshalb nicht in Betracht komme, weil dort die Betriebsbezogenheit des Kündigungsschutzes ausdrücklich normiert worden sei und der Begriff des „Betriebes“ nicht im Wege der extensiven Auslegung als „Unternehmen“ gelesen werden könne. 417 Ebenso KR/Etzel, § 1 KSchG, Rn. 608.

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C. Verhältnis des Ergebnisses zu Rechtsprechung und Literatur

des Kündigungsschutzgesetzes ausgeführt, dass ein dringendes betriebliches Erfordernis nicht mit der Begründung verneint werden könne, dass die Möglichkeit bestehe, den Arbeitnehmer in anderen Betrieben des gleichen Arbeitgebers weiter zu beschäftigen.419 Diese Aussage ist zwar an sich mit der oben vertretenen Auslegung von § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG vereinbar, da, wenn der Arbeitnehmer in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann, nicht das dringende betriebliche Erfordernis, sondern die Erforderlichkeit der Kündigung als Reaktion auf den durch dieses Erfordernis geschaffenen betrieblichen Arbeitskräfteüberhang verneint werden muss. Allerdings wird dann mit einem Sinngehalt des Wortlauts argumentiert, über dem sich der Regierungsentwurf nicht im Klaren war. Offenbar geht der Entwurf davon aus, dass es der Wirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung nicht entgegensteht, wenn der zu kündigende Arbeitnehmer in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann. Folgt man der in dieser Arbeit vertretenen Analyse des Wortlauts von § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG, widersprechen sich demnach Wortlaut und Entstehungsgeschichte der Vorschrift, was die Frage der Wirksamkeit der Kündigung bei einer Möglichkeit der Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in einem anderen Betrieb des Unternehmens betrifft. Das führt dazu, dass der Regelungsgehalt von § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG insoweit unklar ist. Führen die klassischen Auslegungsmethoden aber nicht zu einem eindeutigen Ergebnis, können die Grundrechte im Wege verfassungsorientierter Auslegung zur Bestimmung des Normbefehls einer Regelung herangezogen werden.420 Damit eröffnet sich die Möglichkeit, auf Art. 3 Abs. 1 GG zurückzugreifen. Dabei muss berücksichtigt werden, dass nach § 1 Abs. 2 Satz 2 KSchG die Kündigung sozial ungerechtfertigt ist, wenn der Betriebsrat ihr widersprochen hat, weil der Arbeitnehmer in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann, wobei davon auszugehen ist, dass der Gesetzgeber mit dieser Regelung keine Einschränkung des Kündigungsschutzes nach § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG herbeiführen wollte.421 Eine Differenzierung der Reichweite des Kündigungsschutzes allein danach, ob ein Widerspruch des Betriebsrates gemäß § 1 Abs. 2 Satz 2 KSchG vorliegt, wird aber der in Art. 3 Abs. 1 GG enthaltenen objektiven Wertentscheidung nicht gerecht.422 Nach einer ver418

Annuß, S. 122. Vgl. RdA 1951, 63. 420 Vgl. oben Kapitel B.II.3.c)aa), S. 36 ff., insbesondere S. 37. 421 Vgl. dazu Annuß, S. 114 ff. 422 Auch Annuß (S. 119 f.) geht darauf ein, dass gegen die in § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG einerseits und § 1 Abs. 2 Sätze 2, 3 KSchG andererseits vorgenommene Differenzierung mit Blick auf Art. 3 Abs. 1 GG gewisse Bedenken bestehen, weist diese aber zurück. Das ist aus seiner Sicht konsequent, da er den Wortlaut von § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG für eindeutig betriebsbezogen hält, so dass es ihm nicht möglich ist, auf eine verfassungsorientierte Auslegung zurückzugreifen. Die Korrektur eines nach den klassischen Auslegungsmethoden eindeutig ermittelten Ergebnisses könnte nur im 419

VI. Zur unternehmensbezogenen Weiterbeschäftigungspflicht

135

fassungsorientierten Auslegung muss also dem Wortlaut von § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG gegenüber seiner Entstehungsgeschichte der Vorrang gegeben werden, weswegen von einer unternehmensbezogenen Weiterbeschäftigungspflicht auszugehen ist.

Wege verfassungskonformer Auslegung vorgenommen werden, die voraussetzt, dass das gefundene Ergebnis verfassungswidrig ist, wohingegen es für die verfassungsorientierte Auslegung ausreicht, wenn eine der möglichen Auslegungen den Wertungen der Verfassung besser entspricht (vgl. näher zum Unterschied von verfassungskonformer und verfassungsorientierter Auslegung oben Kapitel B.II.3.c)aa), S. 36 ff., insbesondere S. 37 f.). Aus diesem Grund ist auch die Ansicht Erdmanns (S. 142 ff.), dass die Abhängigkeit der Reichweite des Kündigungsschutzes vom Widerspruch des Betriebsrates nicht verfassungswidrig sei, kein Argument gegen die in dieser Arbeit vorgenommene verfassungsorientierte Auslegung.

D. Behandlung von Kündigungen, denen das betriebliche Erfordernis fehlt Die in dieser Arbeit vertretene Lösung – derzufolge für die soziale Rechtfertigung des Regelfalls der betriebsbedingten Kündigung nicht nur ein Arbeitskräfteüberhang vorliegen, sondern die betriebliche Umgestaltung, die den Arbeitskräfteüberhang hervorgerufen hat, auch erforderlich gewesen sein muss – führt zu dem Problem, dass sie auf den ersten Blick eine erhebliche finanzielle Belastung des Arbeitgebers nach sich zieht, wenn er versehentlich eine nicht erforderliche arbeitplatzschädliche betriebliche Veränderung vornimmt. Die Kündigung ist nämlich nicht sozial gerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber eine betriebliche Veränderung durchführt, die einen Arbeitskräfteüberhang verursacht, zum Zeitpunkt der Veränderung für einen vernünftigen Arbeitgeber aber erkennbar war, dass diese nicht erforderlich ist. Das ändert aber nichts daran, dass der Betrieb nun einmal umgestaltet wurde und deswegen der Arbeitskräfteüberhang besteht. Wenn nun der Arbeitnehmer mit seiner Kündigungsschutzklage Erfolg hat, wird seine sinnvolle Weiterbeschäftigung nur möglich sein, wenn die betriebliche Veränderung wieder rückgängig gemacht wird. Das wird aber oft mit einem beträchtlichen finanziellen Aufwand verbunden sein. Wird etwa als Rationalisierungsmaßnahme eine Maschine aufgestellt, wird der Arbeitgeber diese gekauft haben oder wird er sie jedenfalls aufgrund vertraglicher Verpflichtungen nicht kostenneutral zurückgeben können. Darüber hinaus wird die Demontage der Maschine Kosten verursachen. Selbst dann, wenn die Rationalisierungsmaßnahme keinen Vorteil oder sogar wirtschaftliche Nachteile gebracht hat, wird es oft noch größere Nachteile bringen, die einmal durchgeführte Maßnahme rückgängig zu machen. Aber auch die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers trotz Arbeitskräfteüberhangs wird – wenn sie überhaupt möglich ist – für den Arbeitgeber eine erhebliche finanzielle Belastung darstellen, da er dann Lohn für nicht benötigte Arbeitskraft zahlen muss. Das könnte dazu führen, dass Unternehmer aus Angst vor gerichtlichen Auseinandersetzungen mit ungewissem Ausgang auch erforderliche betriebliche Veränderungen unterlassen. Es kann nämlich durchaus passieren, dass Unternehmer bei der Umgestaltung ihres Unternehmens Fehler machen und erkennbar ungeeignete Maßnahmen oder solche durchführen, zu denen es ersichtlich eine für die Arbeitnehmer weniger belastendere Alternative gibt. Würden solche Fehler dazu führen, dass die betrieblichen Veränderungen rückgängig gemacht werden oder die betroffenen Arbeitnehmer dauerhaft unnötigerweise weiterbeschäftigt werden müssten, könnte dies zur Folge haben,

D. Behandlung von Kündigungen ohne betriebliche Erfordernis

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dass die Risiko- und damit auch die Investitionsbereitschaft der Unternehmen beeinträchtigt würde. Die drohende Belastung des Arbeitgebers hängt damit zusammen, dass das deutsche Kündigungsschutzrecht gegen unwirksame Kündigungen Bestandsschutz gewährt. Bei einer reinen Abfindungsregelung träte nämlich das Problem nicht auf, dass der Unternehmer nach nicht dringend betrieblich erforderlichen arbeitsplatzschädlichen betrieblichen Umgestaltungen den Arbeitnehmer dauerhaft weiter entlohnen muss, ohne dessen Arbeitskraft sinnvoll nutzen zu können. Der Umstand, dass das deutsche Recht gegen unwirksame Kündigungen Bestandsschutz gewährt, wohingegen im französischen Recht lediglich eine Abfindung vorgesehen ist, wird teilweise sogar als Grund dafür angesehen, dass die deutsche – anders als die französische – Rechtsprechung davor zurückschreckt, die Anforderungen an die Voraussetzungen der betriebsbedingten Kündigung enger zu fassen und unternehmerische Maßnahmen auf ihre Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit zu überprüfen.423 Bei der Lösung des geschilderten Problems ist zunächst zu berücksichtigen, dass der Wille des Gesetzgebers aus Gründen der Gewaltenteilung zu akzeptieren ist. Politisch oder wirtschaftlich unerwünschte Folgen eines Gesetzes können als Auslegungskriterium grundsätzlich keine Rolle spielen.424 Wem die Folgen eines Gesetzes unangebracht erscheinen, muss man versuchen, dies in den Prozess politischer Willensbildung einzubringen und das Gesetz zu ändern. Bevor man allerdings an eine Änderung des Gesetzes denkt, ist es sinnvoll zu überlegen, ob die unerwünschten Folgen einer Vorschrift mit den Mitteln des bestehenden Gesetzes behoben werden können. Als Lösung bietet sich hier § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG an. Nach dieser Vorschrift hat das Gericht, wenn die Kündigung unwirksam ist, auf Antrag des Arbeitgebers das Arbeitsverhältnis aufzulösen und den Arbeitgeber zur Zahlung einer angemessenen Abfindung zu verurteilen, wenn Gründe vorliegen, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht erwarten lassen. Dem Wortlaut nach greift § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG in den Fällen des geschilderten Problems ein. Besteht im Betrieb ein Arbeitskräfteüberhang, der nur mit großem finanziellen Aufwand wieder behoben werden kann, liegen ohne Zweifel Gründe vor, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht erwarten lassen. Es dient nicht den Betriebszwecken, einen Arbeitnehmer weiterzubeschäftigen, für den es keine sinnvolle Einsatzmöglichkeit mehr gibt. Allerdings wird in Rechtsprechung und Literatur vertreten, dass wirt423 Vgl. Reinecke, ZIAS 2000, 17, 28; Weiss, Diskussionsbeitrag in: Betriebsbedingte Kündigungen im Widerstreit, S. 91; Junker, Diskussionsbeitrag in: Betriebsbedingte Kündigungen im Widerstreit, S. 103. 424 Vgl. Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 185.

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D. Behandlung von Kündigungen ohne betriebliche Erfordernis

schaftliche Schwierigkeiten und andere allein betriebliche Gegebenheiten, die keinen Bezug zur Person oder zum Verhalten des Arbeitnehmers haben, als Auflösungsgrund nicht ausreichten, da § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG die Kündigungsvoraussetzungen nach § 1 Abs. 2 KSchG nicht auf dem Umweg über die Auflösung erleichtern solle.425 Diese Ansicht geht jedoch von der h. M. aus, nach der es für eine betriebsbedingte Kündigung – von Missbrauchsfällen abgesehen – ausreicht, wenn ein Arbeitskräfteüberhang im Betrieb vorliegt, egal wie es zu diesem gekommen ist. Sind die Anforderungen an eine betriebsbedingte Kündigung derart gering, ist es sachgerecht, sie über § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG im Ergebnis nicht noch weiter zu lockern. Wenn aber – wie in dieser Arbeit vertreten – der Arbeitskräfteüberhang durch eine dringend erforderliche betriebliche Veränderung entstanden sein muss, ist nichts dagegen einzuwenden, bei einem Arbeitskräfteüberhang, der die Voraussetzungen für eine betriebsbedingte Kündigung nicht erfüllt, § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG anzuwenden. Immerhin sind dann die Anforderungen an § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG immer noch so hoch wie die Anforderungen der h. M. für eine betriebsbedingte Kündigung. Jedenfalls würde das Kind mit dem Bade ausgeschüttet, wenn mit dem Hinweis auf den gebotenen Schutz des Arbeitnehmers die Anwendung von § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG abgelehnt und die dadurch entstehenden Schwierigkeiten für den Arbeitgeber als Argument gegen den in dieser Arbeit vertretenen intensivierten Kündigungsschutz verwendet würde. Für den Arbeitnehmer ist ein intensivierter Kündigungsschutz verbunden mit einer Anwendung von § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG immer noch besser als die Anwendung der h. M., da er dann bei einem durch eine nicht erforderliche betriebliche Maßnahme hervorgerufenen Arbeitskräfteüberhang immerhin eine Abfindung erhält, wohingegen er nach h. M. abfindungslos gekündigt werden kann. Bedenken, dass eine solche Lösung vom Arbeitgeber dazu genutzt werden könnte, bewusst nicht erforderliche, arbeitsplatzschädliche betriebliche Veränderungen durchzuführen, um sich von missliebigen Arbeitnehmern – wenn auch unter Zahlung einer Abfindung – zu trennen, ist zu entgegnen, dass dem Arbeitgeber entsprechend § 162 BGB die Auflösung des Arbeitsverhältnisses versagt werden kann, wenn er den Auflösungsgrund treuwidrig herbeiführt.426

425 Vgl. ErfK/Ascheid, § 9 KSchG, Rn. 22; Lowisch/Spinner, § 9 KSchG, Rn. 61; BAG 14.10.1954, AP KSchG 1951 § 1 Nr. 56, Leitsatz 2 und unter 4 der Gründe. 426 Vgl. ErfK/Ascheid, § 9 KSchG, Rn. 23; v. Hoyningen-Huene/Linck, § 9 KSchG, Rn. 42.

E. Angreifbarkeit der Rechtsprechung des BAG vor dem BVerfG Nach der in dieser Arbeit vertretenen Auffassung müssen betrieblich-organisatorische Maßnahmen, um eine betriebsbedingte Kündigung sozial rechtfertigen zu können, nicht nur zu einem Arbeitskräfteüberhang führen, sondern auch geeignet und das mildeste Mittel sein, den mit ihnen bezweckten Erfolg zu fördern.427 Folgt man dieser Ansicht, so ist die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Freiheit der Unternehmerentscheidung, nach der betriebliche Maßnahmen nicht auf ihre Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit, sondern lediglich auf Missbrauch überprüft werden können428, falsch. Damit drängt sich die Frage auf, ob, wenn das Bundesarbeitsgericht seine Rechtsprechung nicht von sich aus ändert, diese vor dem Bundesverfassungsgericht von einem betroffenen Arbeitnehmer im Wege der Verfassungsbeschwerde angegriffen werden kann. Es besteht Einigkeit darüber, dass das Bundesverfassungsgericht keine Superrevisionsinstanz ist und daher nicht die Möglichkeit besteht, jedes falsche letztinstanzliche Urteil vor dem Bundesverfassungsgericht anzugreifen. Eine verfassungsgerichtliche Überprüfung soll nicht schon dann möglich sein, wenn das Fachgericht bei der Anwendung einfachen Rechts Fehler gemacht, sondern nur dann, wenn es spezifisches Verfassungsrecht verletzt hat.429 Da die Formel von der Verletzung spezifischen Verfassungsrechts wenig aussagekräftig ist430, haben das Bundesverfassungsgericht und die Rechtslehre Fallgruppen herausgearbeitet, in denen bei der Auslegung und Anwendung einfachen Rechts durch die Fachgerichte eine solche Verletzung vorliegen soll: Zum einen, wenn das Fachgericht den Einfluss des Verfassungsrechts ganz oder doch grundsätzlich verkannt hat,431 zum anderen, wenn die Rechtsanwendung grob und offensichtlich will427

Vgl. oben Kapitel B.II.5., S. 70. Vgl. oben Kapitel C.I.1., S. 102 ff. 429 Vgl. BVerfG 10.6.1964, E 18, 85, 92 f., B II 3 a; BVerfG 18.9.1952, E 1, 418, 420, II B 1 a; v. Münch/Kunig-Meyer, Art. 93 GG, Rn. 61; MKS/Voßkuhle, Art. 93 GG, Rn. 54; Schmidt-Bleibtreu/Schmidt-Bleibtreu/Hopfauf, Art. 93 GG, Rn. 124. 430 Insbesondere verletzt an sich jedes fehlerhafte Urteil die in Art. 2 Abs. 1 GG geschützte allgemeine Handlungsfreiheit, da es nicht von der „verfassungsmäßigen Ordnung“ gedeckt ist, vgl. MKS-Voßkuhle, Art. 93, Rn. 55; Roth, AöR 1996 (121), 544, 547; Pieroth/Aubel, JZ 2003, 504, 506. 431 Bei einer gesteigerten Intensität des Grundrechtseingriffs lässt das Bundesverfassungsgericht auch Fehler ausreichen, die noch keine grundsätzliche Verkennung der Grundrechte darstellen, vgl. MKS/Voßkuhle, Art. 93, Rn. 62. Ablehnend gegenüber diesem „Schwerekriterium“ Roth, AöR 121 (1996), 544, 550 ff. 428

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E. Angreifbarkeit der Rechtsprechung des BAG vor dem BVerfG

kürlich ist, schließlich, wenn die Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung überschritten werden.432 Hier könnte schon die erste Fallgruppe eingreifen. Mit seinem Dogma von der Freiheit der Unternehmerentscheidung lässt das Bundesarbeitsgericht die Grundrechte der Arbeitnehmerseite ganz oder doch grundsätzlich außer Acht.433 Sein Hinweis auf die grundrechtlich geschützte Freiheit unternehmerischer Entscheidungen434 berücksichtigt zwar, dass eine Überprüfung betrieblicher Maßnahmen auf ihre Geeignetheit und Erforderlichkeit in die nach den Art. 12 Abs. 1, 2 Abs. 1 geschützte unternehmerische Entscheidungsfreiheit eingreift, übersieht aber, dass dieser Eingriff gerechtfertigt sein könnte und dass für die Rechtfertigung auf der Arbeitnehmerseite der objektive Gehalt des Grundrechts auf freie Wahl des Arbeitsplatzes nach Art. 12 Abs. 1 GG von Belang ist.435 Damit müsste der Weg für eine Verfassungsbeschwerde eröffnet sein. Dieses Ergebnis ist jedoch nicht unproblematisch. Bedenken ergeben sich daraus, dass die Angreifbarkeit der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts darauf beruht, dass das Gericht sich bei der Begründung seiner Ansicht mit dem Dogma von der Freiheit der Unternehmerentscheidung auf die Grundrechte des Arbeitgebers beruft. Hätte es sein Ergebnis allein mit den herkömmlichen Auslegungsmethoden begründet, wäre weder der Eingriff in die Arbeitgebergrundrechte noch die Rechtfertigung dieses Eingriffs durch den objektiven Gehalt der Grundrechte der Arbeitnehmer Thema geworden. Der bloße Umstand, dass eine Auslegung von § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG mit den herkömmlichen Auslegungsmethoden, die zu dem Ergebnis kommt, dass arbeitsplatzschädliche 432 Vgl. Jarass/Pieroth-Jarass, Art. 93, Rn. 73; MKS/Voßkuhle, Art. 93, Rn. 61, 64 f. Die letzten beiden Fallgruppen liegen wohl nicht vor. Auch wenn es dem Verfasser dieser Arbeit evident erscheint, dass eine ungeeignete oder nicht erforderliche betriebliche Maßnahme, die zu einem Arbeitskräfteüberhang führt, nicht die Voraussetzungen eines betrieblichen Erfordernisses im Sinne von § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG erfüllt, so kann sich die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts auf eine gefestigte h. M. in Literatur und Rechtsprechung berufen. Schon aus diesem Grund bestehen wenig Aussichten für den Willküreinwand. Was die Grenzen der Rechtsfortbildung betrifft, so geht das Bundesarbeitsgericht wohl davon aus, sich im Rahmen des Wortsinns von § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG zu bewegen. Auch dies wird vertretbar sein. 433 So auch Kühling, AuR 2003, 92, 95, der auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts v. 16.11.1993 (BVerfGE, 89, 276, 286, Leitsatz 1 und C I 1) verweist, nach der bei Vorschriften, die grundrechtliche Schutzpflichten erfüllen sollen, das maßgebende Grundrecht dann verletzt ist, wenn ihre Auslegung und Anwendung den vom Grundrecht vorbezeichneten Schutzzweck grundlegend verfehlt. Nach Kühling (a. a. O.) ist dies, was die Doktrin von der freien Unternehmerentscheidung und die aus ihr folgende Beschränkung auf eine reine Willkürkontrolle unternehmerischen Handelns betrifft, „zweifellos der Fall“. 434 Vgl. BAG 17.6.1999, 2 AZR 141/98, NZA 1999, 1095, 1097, II 1 b bb; BAG 27.9.2001, RdA 2002, 372, I 1 c bb. 435 Vgl. dazu oben Kapitel B.II.3.c)aa), insbesondere S. 40 ff.

E. Angreifbarkeit der Rechtsprechung des BAG vor dem BVerfG

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betriebliche Maßnahmen nicht auf ihre Erforderlichkeit überprüft werden müssen, fehlerhaft ist, würde nicht zur Angreifbarkeit vor dem Bundesverfassungsgericht führen. Es handelte sich nämlich lediglich um eine fehlerhafte Auslegung einfachen Rechts. Damit stellt sich die Frage, ob es reicht, wenn ein Gericht auf dem Weg zu seinem Auslegungsergebnis (beim Auslegungsvorgang) Grundrechte falsch anwendet oder ob das Ergebnis als solches Grundrechte verletzen muss.436 Das kann jedoch dahinstehen, wenn auch das Ergebnis der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts gegen Verfassungsrecht verstößt.437 Ein Auslegungsergebnis verstößt gegen Verfassungsrecht, wenn die Auslegung als Gesetz gedacht gegen die Verfassung verstieße.438 Fraglich ist also, ob ein Kündigungsschutzgesetz, nach dem betriebliche Maßnahmen, die zu einem Arbeitskräfteüberhang führen, nicht auf Geeignetheit und Erforderlichkeit überprüft werden müssten, sondern die Voraussetzung der sozialen Rechtfertigung einer betriebsbedingten Kündigung sich auf das Vorliegen eines Arbeitskräfteüberhangs beschränkte, verfassungsrechtlich möglich wäre. Mit anderen Worten: Wäre eine gesetzliche Regel mit dem Wortlaut „Eine betriebsbedingte Kündigung ist sozial gerechtfertigt, wenn sie durch einen Arbeitskräfteüberhang im Betrieb bedingt ist“ möglich, oder würde sie Grundrechte der Arbeitnehmerseite unzulässig beeinträchtigen? Dabei ist zu beachten, dass aus Arbeitnehmersicht nicht die Abwehrfunktion von Art. 12 Abs. 1 GG, sondern lediglich dessen Schutzfunktion zum Tragen kommt. Denn der Arbeitnehmer möchte nicht weniger staatliche Regelung, sondern er verlangt vom Gesetzgeber einen stärkeren gesetzlichen Schutz vor Kündigungen des Arbeitgebers.439 Eine unzulässige Beeinträchtigung der Schutzfunktion eines Grundrechts liegt aber erst dann vor, wenn die öffentliche Gewalt Schutzvorkehrungen entweder überhaupt nicht getroffen hat oder die getroffene Regelungen und Maßnahmen gänzlich ungeeignet oder völlig unzulänglich sind, das gebotene Schutzziel zu erreichen, oder erheblich dahinter zurückbleiben.440 Dabei kommt dem Gesetzgeber bei der Erfüllung der Schutzpflichten ein weiter Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsbereich zu.441 Nach alledem wäre eine gesetzliche Regelung, die der jetzigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts entspricht, verfassungsrechtlich 436

Vgl. Roth, AöR 1996 (121), 544, 545 f. Vgl. BVerfG 14.2.1973, E 34, 269, 280, C I 1. Das Bundesverfassungsgericht kann immer überprüfen, ob das Entscheidungsergebnis selbst Grundrechte des Beschwerdeführers verletzt. Wenn dies der Fall ist, kommt es auf den Weg, auf dem das Fachgericht zu diesem Ergebnis gelangt ist, nicht mehr an. 438 Vgl. BK/Stern, Art. 93 GG, Rn. 693. Stern geht davon aus, dass eine verfassungsrechtlich mögliche Auslegung eine solche ist, die als Norm gedacht nicht verfassungswidrig wäre. Vgl. auch Canaris, Grundrechte und Privatrecht, S. 26 f. 439 Zur Abgrenzung vgl. Jarass, FS 50 Jahre Bundesverfassungsgericht, S. 35, 41 ff.; Canaris, Grundrechte und Privatrecht, S. 37 ff. 440 Vgl. BVerfG 10.1.1995, E 92, 26, 46, B II 2 b aa; Jarass/Pieroth-Jarass, Vorb. vor Art. 1, Rn. 52. 437

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E. Angreifbarkeit der Rechtsprechung des BAG vor dem BVerfG

möglich.442 Das muss jedenfalls dann gelten, wenn die wirtschaftlichen Folgen eines Arbeitsplatzverlustes durch geeignete soziale Sicherungssysteme abgemildert werden. So hat auch das Bundesverfassungsgericht schon mehrfach entschieden, dass die geltenden Kündigungsvorschriften der aus Art. 12 Abs. 1 GG folgenden Schutzpflicht des Staates Rechnung tragen.443 Dabei ist davon auszugehen, dass das Bundesverfassungsgericht die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur betriebsbedingten Kündigung kennt und daher die geltenden Kündigungsvorschriften in der Gestalt des Auslegungsergebnisses der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts meint.444 Nach alledem verstößt das Ergebnis der Auslegung von § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG durch das Bundesarbeitsgericht als solches nicht gegen Verfassungsrecht. Es kommt also darauf an, ob die Rechtsprechung eines Fachgerichts allein deshalb mit der Verfassungsbeschwerde angegriffen werden kann, weil das Gericht beim Vorgang der Auslegung Grundrechte falsch angewendet hat. Das wird in der Literatur teilweise verneint. Nach der sog. Schumannschen Formel ist die Interpretationsverfassungsbeschwerde nur dann erfolgreich, wenn der angefochtene Richterspruch eine Rechtsfolge annimmt, die der einfache Gesetzgeber nicht als Norm erlassen dürfte.445 Danach findet lediglich eine Kontrolle des Auslegungsergebnisses statt.446 Dem ist jedoch das Bundesverfassungsgericht nicht gefolgt. Wie schon erwähnt, kann ein letztinstanzliches Urteil nach 441 Vgl. BVerfG 29.10.1987, E 77, 170, 214 f., Leitsatz 2 und B I 2 b cc; BVerfG 27.1.1998, E 97, 169, 176 f., B I 3 a; Jarass/Pieroth-Jarass, Vorb. vor Art. 1, Rn. 52; Canaris, Grundrechte und Privatrecht, S. 20, der ausdrücklich auf den Fall des Kündigungsschutzes bei der betriebsbedingten Kündigung hinweist. 442 Annuß (S. 18 ff., insbesondere S. 24) ist sogar der Ansicht, dass der Gesetzgeber zur Etablierung eines materiellen Bestandsschutzes zugunsten der Arbeitnehmer gar nicht verpflichtet ist. Nach Annuß (S. 25 ff., 392) lässt sich aus der Verfassung weder die Notwendigkeit eines allgemeinen materiellen Kündigungsschutzes, noch ein Verbot der Überprüfung von zu betriebsbedingten Kündigungen führenden Unternehmerentscheidungen begründen. 443 Vgl. BVerfG 27.1.1998, E 97, 169, 175, B I 1; BVerfG 10.1.1995, E 92, 140, 150, C I 1; BVerfG 24.4.1991, E 84, 133, 146 f., B III 1. 444 Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass dem Bundesverfassungsgericht bewusst ist, dass der Weg, wie das Bundesarbeitsgericht zur Auslegung von § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG kommt, fehlerhaft ist. Soweit ersichtlich, hatte das Bundesverfassungsgericht bisher noch keinen Anlass, diesen Weg zu überprüfen. 445 Vgl. Schumann, Verfassungs- und Menschenrechtsbeschwerde gegen richterliche Entscheidungen, S. 207, 334. Auch MKS/Voßkuhle, Art. 93 GG, Rn. 66 möchte jedenfalls in einem dreigestuften Rechtsmittelsystem aus Eingangs-, Revisions- und Verfassungsinstanz den Prüfungsumfang rigoros beschränken auf grundsätzliche Auslegungsfragen im Sinne der Schumannschen Formel. 446 Auch Canaris, Grundrechte und Privatrecht, S. 28 ff., hält eine Entschärfung der Superrevisionsproblematik durch eine Prüfung lediglich des Ergebnisses der fachgerichtlichen Entscheidung und nicht auch der Begründung auf verfassungsrechtliche Fehler für möglich, räumt aber ein, dass auch für die Gegenansicht gute Gründe sprechen.

E. Angreifbarkeit der Rechtsprechung des BAG vor dem BVerfG

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der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts schon dann angegriffen werden, wenn das Fachgericht bei der Auslegung den Einfluss der Grundrechte ganz oder doch grundsätzlich verkannt hat. In der sog. Blinkfüer-Entscheidung447 hatte eine Verfassungsbeschwerde Erfolg, bei der sich der Beschwerdeführer – wie bei der hier interessierenden Problematik – lediglich auf die Schutzfunktion eines Grundrechts berufen konnte.448 In diesem Fall hatte der Bundesgerichtshof als Beschwerdegegner dem Beschwerdeführer (Kläger vor dem Bundesgerichtshof) den Schutz des § 823 Abs. 1 BGB mit Hinweis auf das Grundrecht der Meinungsfreiheit der Beklagten versagt und dabei übersehen, dass auch der Kläger sich auf Art. 5 GG berufen konnte. In einer neueren Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts449 hatte eine Urteilsverfassungsbeschwerde Erfolg, obwohl das Zivilgericht die Grundrechte beider Parteien gesehen und zwischen ihnen eine Abwägung vorgenommen hatte. Es hatte lediglich die Grundrechte einer Partei falsch gewichtet und damit seinen Abwägungsspielraum falsch bestimmt. Dabei hatte das Bundesverfassungsgericht gegen das Ergebnis der fachgerichtlichen Entscheidung nichts einzuwenden. Es hat die angegriffene Entscheidung aufgehoben und die Sache an das Landgericht zurückverwiesen, lediglich weil nicht ausgeschlossen werden konnte, dass das Landgericht bei Ausschöpfung seines Abwägungsspielraums zu einem anderen Ergebnis gelangen würde. Wenn nach dem Bundesverfassungsgericht eine fachgerichtliche Entscheidung schon dann angreifbar ist, wenn die Grundrechte einer Partei grundsätzlich falsch gewichtet werden, dann muss das erst recht gelten, wenn – wie bei dem Dogma von der Freiheit der Unternehmerentscheidung – Grundrechte einer Partei völlig übersehen werden. Darüber hinaus gibt es in der Literatur Stimmen, die die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts noch als zu restriktiv ansehen.450 Die fachgerichtliche Entscheidung soll danach bei jeder vorfrageweisen Relevanz von Verfassungsrecht für die Auslegung des einfachen Rechts überprüft werden können, also nicht nur, wenn das Fachgericht die Bedeutung des Verfassungsrechts ganz oder grundsätzlich verkannt hat.451 447

BVerfG 26.2.1969, E 25, 256, 267 ff., B II 2. Dazu, dass es in der Blinkfüer-Entscheidung dogmatisch gesehen um die Schutzfunktion ging, vgl. Canaris, Grundrechte und Privatrecht, S. 56 ff., 96; Jarass, FS 50 Jahre Bundesverfassungsgericht, S. 35, 43. 449 BVerfG 6.5.1997, E 96, 56, 65 f., B II 2 c. 450 Vgl. Roth, AöR 121 (1996), 544, 567 f. 451 Wenn Roth (AöR 121 (1996), 544, 568, Fn. 105) sich darauf beruft, dass seine Ansicht im Ergebnis schon von Schumann vertreten worden sei, unterliegt er einem Missverständnis. Wie oben schon erwähnt, ist nach Schumann ein fachgerichtliches Urteil nur dann mit der Verfassungsbeschwerde angreifbar, wenn das Auslegungsergebnis als solches gegen Verfassungsrecht verstößt (so versteht auch BK/Stern, Art. 93 GG, Rn. 691, die Schumannsche Formel). Nach Schumann (Verfassungs- und Menschenrechtsbeschwerde gegen richterliche Entscheidungen, S. 199 ff.) führt nicht jede fehlerhafte Auslegung von Verfassungsrecht, sondern lediglich die Fehlinterpretation verfassungsbestimmter bzw. verfassungsgeprägter Begriffe zur Angreifbarkeit fachge448

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E. Angreifbarkeit der Rechtsprechung des BAG vor dem BVerfG

Es würde den Umfang dieser Arbeit sprengen, allgemein zu klären, wie weit die Kompetenz des Bundesverfassungsgerichts zur Überprüfung fachgerichtlicher Urteile gehen sollte. Die hier interessierende Problematik der Nachprüfbarkeit der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgericht zu den Voraussetzungen einer betriebsbedingten Kündigung weist jedoch eine Eigenart auf, die in besonderem Maße für eine Angreifbarkeit dieser Rechtsprechung vor dem Bundesverfassungsgericht spricht. Diese Besonderheit liegt – wie schon angesprochen – darin, dass das Bundesarbeitsgericht sich zur Begründung seiner Ansicht auf die unternehmerische Entscheidungsfreiheit und damit auf die Grundrechte des Arbeitgebers beruft. Es fragt sich, was diese Bezugnahme auf die Grundrechte des Arbeitgebers methodisch bedeutet. Die Grundrechte können bei der Auslegung des einfachen Rechts in zweifacher Weise Bedeutung erlangen: Zum einen im Rahmen der verfassungsorientierten und zum anderen bei der verfassungskonformen Auslegung.452 Bei der verfassungsorientierten Auslegung kommt die Auslegung mit den herkömmlichen Auslegungsmethoden – ohne Berücksichtigung des Verfassungsrechts – zu keinem eindeutigen Ergebnis. Unter den in Frage kommenden Auslegungsergebnissen zieht die verfassungsorientierte Auslegung dasjenige vor, das mit den Prinzipien der Verfassung am besten übereinstimmt, ohne aber die anderen Auslegungsmöglichkeiten mit dem Verdikt der Verfassungswidrigkeit zu versehen. Dagegen verwirft die verfassungskonforme Auslegung ein mit den herkömmlichen Auslegungsmethoden gefundenes Ergebnis als verfassungswidrig und ersetzt es durch ein anderes Ergebnis, das nach dem Wortlaut der Vorschrift möglich ist und den ursprünglichen Willen des Gesetzgebers so weit wie möglich aufrecht erhält. Werden diese Unterschiede berücksichtigt, stellt sich der Hinweis des Bundesarbeitsgerichts auf die unternehmerische Entscheidungsfreiheit der Sache nach als verfassungskonforme Auslegung dar.453 Dieser Hinweis kann nur so verstanden werden, dass das Bundesarbeitsgericht der Ansicht ist, eine Überprüfung der Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit betrieblicher Maßnahmen, die zu einem Arbeitskräfteüberhang führen, würde in unzulässiger Weise in die Grundrechte des Arbeitgebers eingreifen. Eine schärfere Kontrolle wird vom Bundesarbeitsgericht abgelehnt, weil richtlicher Entscheidungen. Verfassungsbestimmte Begriffe sind nach Schumann Begriffe, die von den uneinschränkbaren Grundrechten verwendet werden, weswegen sie von der Verfassung abschließend inhaltlich geprägt seien und daher durch Gesetze oder andere im Rang unter der Verfassung stehende Normen nicht näher präzisiert, eingeschränkt oder erweitert werden könnten. Nur ihre Verkennung macht nach Schumann das Ergebnis der Auslegung als solches fehlerhaft. 452 Vgl. Schlaich/Korioth, Rn. 442 ff. und Rn. 448; Voßkuhle, AöR 125 (2000), 177, 180 ff. Vgl. dazu auch schon oben Kapitel B.II.3.c)aa), insbesondere S. 37. 453 So auch Bitter (DB 2000, 1760, 1762, unter III 2 der Ausführungen), nach dem es sich bei der Rechtsprechung des BAG zur freien Unternehmerentscheidung im weitesten Sinne um eine verfassungskonforme Interpretation des § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG handelt. Ebenso APS/Kiel, § 1 KSchG, Rn. 462; Kiel/Koch, Die betriebsbedingte Kündigung, Rn. 99.

E. Angreifbarkeit der Rechtsprechung des BAG vor dem BVerfG

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diese unmittelbar die unternehmerische Freiheit berühre.454 Damit kann das Gericht nur meinen, dass eine schärfere Kontrolle verfassungswidrig wäre.455 Die Beurteilung der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts als verfassungskonforme Auslegung wird auch dadurch gestützt, dass sich das Gericht kaum um eine Auslegung des Tatbestandes von § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG mit Hilfe der herkömmlichen Auslegungsmethoden, insbesondere anhand des Wortlautes, bemüht hat. Das wäre bei einer verfassungsorientierten Auslegung ein schwerer methodischer Fehler, da dort zunächst der Wille des Gesetzgebers zu akzeptieren ist und die Grundrechte nur dann zu Hilfe genommen werden können, wenn dieser Wille nicht zweifelsfrei ermittelt werden kann. Wird dagegen ein bestimmtes Auslegungsergebnis für verfassungswidrig gehalten, ist es methodisch eher hinnehmbar, auf eine saubere einfachgesetzliche Auslegungsarbeit zu verzichten und im Rahmen einer verfassungskonformen Auslegung nur kurz darauf zu verweisen, dass die in Betracht kommende Auslegung sowieso verfassungswidrig wäre. Beruht aber die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu den Voraussetzungen einer betriebsbedingten Kündigung der Sache nach auf einer fehlerhaften verfassungskonformen Auslegung, muss sie vor dem Bundesverfassungsgericht angreifbar sein. Bei der verfassungskonformen Auslegung ergibt sich nämlich eine bestimmte Rechtsfolge – und zwar die, dass ein Auslegungsergebnis aufgrund seiner Verfassungswidrigkeit aus dem Kreis möglicher Auslegungsergebnisse auszuschließen ist – unmittelbar aus der Verfassung, weswegen das Ergebnis nicht allein auf den einfachgesetzlichen Auslegungsmethoden beruht. Das ist bei der bloß verfassungsorientierten Auslegung anders. Diese kann als Teil der teleologischen Auslegung angesehen werden, da im Zweifel davon auszugehen ist, dass der Gesetzgeber ein Ergebnis bezweckt hat, das der Wertordnung der Verfassung bestmögliche Geltung verschafft.456 Die Wertentscheidungen des Grundgesetzes werden bei der verfassungsorientierten Auslegung also lediglich zur Bestimmung des Inhalts des Gesetzeszwecks herangezogen. Das Ergebnis der Auslegung wird aber weiterhin nur durch die Anwendung der einfachgesetzlichen Auslegungsmethoden bestimmt.457 Deswegen wäre es vertretbar, die verfassungsorientierte Auslegung noch 454 Vgl. BAG 17.6.1999, 2 AZR 141/98, NZA 1999, 1095, 1097, II 1 b bb; BAG 27.9.2001, RdA 2002, 372, 373, I 1 c bb. 455 Das Bundesarbeitsgericht kann damit nicht meinen, dass ein bloßer Eingriff in die unternehmerische Entscheidungsfreiheit vorliegt. Das ist nämlich eine Selbstverständlichkeit und wäre auch kein Argument gegen eine schärfere Kontrolle. Gemeint sein kann deshalb nur, dass ein verfassungsrechtlich nicht zu rechtfertigender Eingriff vorliegt. 456 Vgl. Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 153 ff. und 159 ff., wo darauf verwiesen wird, dass die Wertentscheidungen des Grundgesetzes objektiv-teleologisches Auslegungskriterium sind. 457 Ähnlich BK/Stern, Art. 93 GG, Rn. 693, der darauf hinweist, dass die verfassungsorientierte Auslegung im sie kennzeichnenden Unterschied zur verfassungskonformen Auslegung im engeren Sinne nur eine Auslegungsmaxime neben anderen, die

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E. Angreifbarkeit der Rechtsprechung des BAG vor dem BVerfG

zur Auslegung einfachen Rechts zu zählen mit der Folge, dass ihre Fehlerhaftigkeit keine Verletzung spezifischen Verfassungsrechts wäre und nicht vor dem Bundesverfassungsgericht angegriffen werden könnte.458 Logisch kann zwar auch die verfassungskonforme Auslegung als Teil der teleologischen Auslegung angesehen werden. Es kann nämlich angenommen werden, dass der Gesetzgeber keine Regelung bezweckt, die verfassungswidrig ist. Das ändert aber nichts daran, dass die Rechtsfolge der Verfassungswidrigkeit und damit auch ein Teil des Auslegungsergebnisses unmittelbar aus der Verfassung folgen.

Fehler bei einer verfassungskonformen Auslegung verletzen daher immer spezifisches Verfassungsrecht. Das muss nicht nur dann gelten, wenn eine gebotene verfassungskonforme Auslegung unterlassen459, sondern auch dann, wenn – wie im Falle der hier interessierenden Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur betriebsbedingten Kündigung – das Auslegungsergebnis mit einer verfassungskonformen Auslegung begründet wird, deren Voraussetzungen nicht vorliegen.460 Spezifisches Verfassungsrecht wird verletzt, wenn eine verfassungsrechtliche Rechtsfolge behauptet wird, die in Wirklichkeit nicht Platz greift. Für dieses Ergebnis spricht auch der Rechtsgedanke der Regelung des Art. 100 GG. Aus dieser Vorschrift ergibt sich, dass der Ausspruch der Nichtigkeit von Gesetzen wegen ihrer Verfassungswidrigkeit Sache des Bundesverfassungsgerichts sein soll. Logisch kann aber die Korrektur des Auslegungsergebnisses im Wege verfassungskonformer Auslegung als Teilnichtigkeitserklärung der zu Grunde liegenden Norm betrachtet werden.461 Deswegen wird in der Literatur teilweise vertreten, dass eine Kompetenz der Fachgerichte zur verfassungskonformen Auslegung abzulehnen, diese vielmehr nach Art. 100 GG dem Bundesverfassungsgericht vorbehalten sei.462 Aber auch wenn man so weit grundsätzlich gleich zu behandeln seien, sei. Allerdings stellt Stern deswegen nicht die verfassungsgerichtliche Überprüfbarkeit der verfassungsorientierten Auslegung in Frage, sondern zieht im Gegenteil den Schluss, dass eine Überprüfung durch das Bundesverfassungsgericht die Gewichtung der verfassungsorientierten Auslegung gegenüber den anderen Methoden überprüfen und damit den gesamten Auslegungsvorgang erfassen müsse. 458 A. A. Roth, AöR 1996 (121), 544, 567 ff., der der Ansicht ist, dass das Bundesverfassungsgericht bei jeder vorfrageweisen Relevanz von Verfassungsrecht für die Auslegung des einfachen Rechts diese insoweit überprüfen und gegebenenfalls selbst vornehmen müsse; BK/Stern, Art. 93 GG, Rn. 693, s. dazu oben Fn. 457. 459 Dieser Fall ist unproblematisch, da dann schon das Auslegungsergebnis als solches verfassungswidrig ist. Vgl. BK/Stern, Art. 93 GG, Rn. 691. 460 So ausdrücklich Roth (AöR 121 [1996], 544, 570), der darauf verweist, dass eine Verfassungsbeschwerde Erfolg haben muss, wenn die vom Fachgericht im Wege verfassungskonformer Auslegung verworfene Auslegungsmöglichkeit nicht als verfassungswidrig auszuscheiden war. 461 Voßkuhle, AöR 125 (2000), 177, 181 f.; Schlaich/Korioth, Rn. 446; Skouris, Teilnichtigkeit von Gesetzen, S. 108 f. 462 Vgl. Skouris, Teilnichtigkeit von Gesetzen, S. 112 f.; Burmeister, Die Verfassungsorientierung der Gesetzesauslegung, S. 124 f.; Ossenbühl, Richterrecht im demokratischen Rechtsstaat, S. 24.

E. Angreifbarkeit der Rechtsprechung des BAG vor dem BVerfG

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nicht gehen will, so kann doch aus Art. 100 GG die Wertung entnommen werden, dass das letzte Wort in Fragen der Verfassungswidrigkeit das Bundesverfassungsgericht haben soll. Wenn also der Anwendungsbereich der konkreten Normenkontrolle durch die Möglichkeit verfassungskonformer Auslegung durch die Fachgerichte eingeschränkt wird, ist es sachgerecht, im Gegenzug dem von der verfassungskonformen Auslegung nachteilig betroffenen Bürger zu ermöglichen, deren Richtigkeit durch das Bundesverfassungsgericht im Rahmen der Verfassungsbeschwerde überprüfen zu lassen.463 Nach alledem kann ein Arbeitnehmer, wenn ein Gericht für Arbeitssachen die Geeignetheit und Erforderlichkeit einer betrieblich-organisatorischen Maßnahme, die zu einem Arbeitskräfteüberhang führt, nicht überprüft, eine Überprüfung aber zum Erfolg der Kündigungsschutzklage geführt hätte464, nach Ausschöpfung des Rechtswegs die Entscheidung vor dem Bundesverfassungsgericht mit der Verfassungsbeschwerde angreifen.465

463 Eine ähnliche Begründung verwendet Roth (NVwZ 1998, 563, 565, unter II 1 c der Ausführungen) als Argument dafür, dass eine verfassungsgerichtliche Überprüfung verfassungskonformer Auslegung im Wege abstrakter Normenkontrolle möglich sein muss. 464 Zum Erfordernis der Kausalität zwischen der gerügten Grundrechtsverletzung und der angefochtenen Gerichtsentscheidung vgl. Maunz/Schmidt-Bleibtreu, § 90 BVerfGG, Rn. 154 mwN. 465 Darüber hinaus kommt eine verfassungsgerichtliche Überprüfung der fehlerhaften verfassungskonformen Auslegung des Bundesarbeitsgerichts im Wege abstrakter Normenkontrolle nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG in Betracht, vgl. Roth, NVwZ 1998, 563 ff.; ebenso Schlaich/Korioth, Rn. 133.

F. Exkurs: Klarstellungen zu Beurteilungszeitpunkt und Prognoseprinzip Beurteilungszeitpunkt für die Wirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung ist – wie grundsätzlich bei anderen Kündigungen auch – der Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungserklärung.466 Das ist unproblematisch, wenn die Voraussetzungen der betriebsbedingten Kündigung, insbesondere der Arbeitskräfteüberhang, schon zu diesem Zeitpunkt vorliegen. Ist die betriebliche Veränderung, die zu dem Arbeitskräfteüberhang führen wird, zum Zeitpunkt der Kündigungserklärung allerdings erst geplant, muss der Arbeitgeber nachweisen (§ 1 Abs. Abs. 2 Satz 4 KSchG), dass zum maßgebenden Beurteilungszeitpunkt – eben dem Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungserklärung – erkennbar war, dass zum Zeitpunkt des Ablaufs der Kündigungsfrist der Arbeitskräfteüberhang bestehen wird. Dieser Nachweis gelingt dem Arbeitgeber nach h. M., wenn er nachweisen kann, dass die betriebliche Umgestaltung zum Zeitpunkt der Kündigungserklärung schon „greifbare Formen“ angenommen hatte.467 Der Umstand, dass zum Zeitpunkt des Ablaufs der Kündigungsfrist ein Arbeitskräfteüberhang vorliegen muss, obwohl der Beurteilungszeitpunkt für die Wirksamkeit der Kündigung der Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungserklärung ist, wird in der Literatur mit dem Prognoseprinzip begründet, das sich aus der Zukunftsbezogenheit der Kündigungsgründe ergebe. Voraussetzung für die soziale Rechtfertigung einer ordentlichen Kündigung sei stets die zukünftige Beeinträchtigung des Arbeitsverhältnisses.468 Bei der betriebsbedingten Kündigung sei deswegen ein künftiger Personalüberhang Voraussetzung.469 Bei näherem Hinsehen erweist sich diese Begründung mittels der Zukunftsbezogenheit der Kündigungsgründe jedoch als unnötig kompliziert. Nach § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG muss die Kündigung durch einen der drei Kündigungs466

v. Hoyningen-Huene/Linck, § 1 KSchG, Rn. 406. Vgl. BAG 19.6.1991, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 53, Leitsatz 1 und I 1; v. Hoyningen-Huene/Linck, § 1 KSchG, Rn. 406, 416; APS/Preis, Grundlagen H, Rn. 79; Preis, Ulrich, Prinzipien, S. 330; Fleddermann, Anm. zu BAG 18.1.2001, EWiR 20002, 739 f. 468 Vgl. v. Hoyningen-Huene/Linck, § 1 KSchG, Rn. 130 f.; APS/Preis, Grundlagen H, Rn. 74. 469 Vgl. v. Hoyningen-Huene/Linck, § 1 KSchG, Rn. 130e. Auch APS/Preis, Grundlagen H, Rn. 79, ordnet den Umstand, dass spätestens mit Ablauf der einzuhaltenden Kündigungsfrist der Arbeitnehmer entbehrt werden können müsse, dem Prognoseprinzip zu; ebenso Annuß/Hammer, JA 1997, 377, 380 f. 467

F. Exkurs: Klarstellungen zum Beurteilungszeitpunkt

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gründe bedingt sein. Das bedeutet, dass die Kündigung geeignet und erforderlich sein muss, um den vom jeweiligen Kündigungsgrund umschriebenen Störungstatbestand zu beseitigen.470 Liegt zum Zeitpunkt des Ablaufs der Kündigungsfrist – und damit zum Zeitpunkt des Eintritts der Wirkung der Kündigung als rechtsvernichtende Einwendung – aber gar kein Störungstatbestand vor, fehlt es an der Geeignetheit bzw. an der Erforderlichkeit der Kündigung: Ist der Störungstatbestand zum Zeitpunkt des Ablaufs der Kündigungsfrist schon wieder entfallen und wird er auch nicht nochmals eintreten, ist die Kündigung nicht geeignet, den Störungstatbestand durch die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu beseitigen. Besteht der Störungstatbestand zum Zeitpunkt des Ablaufs der Kündigungsfrist noch nicht, wird er aber zu einem späteren Zeitpunkt eintreten, so ist die Kündigung zwar geeignet, die zukünftig eintretende Störung zu beheben, aber nicht erforderlich. Der Arbeitnehmer kann dann nämlich bis zum Eintritt des Störungstatbestandes weiterbeschäftigt werden. Eine Kündigung mit entsprechend längerer Kündigungsfrist ist deshalb ein ebenso geeignetes milderes Mittel. Der Umstand, dass der Arbeitskräfteüberhang zum Zeitpunkt des Ablaufs der Kündigungsfrist vorliegen muss, stellt sich damit als ein Problem der Geeignetheit bzw. der Erforderlichkeit der Kündigung heraus. Die Wirksamkeit einer Kündigung soll aber nach Stimmen aus Literatur und Rechtsprechung auch dann am Prognoseprinzip scheitern, wenn zwar zum Zeitpunkt des Ablaufs der Kündigungsfrist der Störungstatbestand vorliegt, zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungserklärung aber ersichtlich war, dass der Störungstatbestand in absehbarerer Zeit nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses auch ohne Kündigung entfallen würde.471 In diesem Fall kann die Unwirksamkeit der Kündigung nicht mit ihrer mangelnden Geeignetheit begründet werden. Denn schließlich wird mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ein vorhandener Störungstatbestand beseitigt. Dennoch ist ein Rückgriff auf das Prognoseprinzip nicht notwendig. Würde der Störungstatbestand nach Ablauf der Kündigungsfrist auch ohne Kündigung entfallen, ist das Interesse des Arbeitgebers an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses geringer als wenn die Störung des Arbeitsverhältnisses bestehen bliebe. Je länger der Störungstatbestand ohne Kündigung bestehen bleibt, desto größer ist das Interesse des Arbeitgebers an der Kündigung. Damit erweist sich diese Fallkonstellation eines bloß vorübergehenden Störungstatbestandes als ein Problem der Interessenabwägung. Die Lösung über die Interessenabwägung kann die auftretenden Probleme besser lösen als das Prognoseprinzip. Allein mit dem Prognoseprinzip lässt sich nämlich kaum begründen, wann und warum eine zeitliche Grenze gezogen werden muss, ab der die Kündigung trotz voraussehbaren Wegfalls der Störung des 470

Vgl. oben Kapitel B.I., S. 19 ff. Vgl. APS/Preis, Grundlagen H, Rn. 79; BAG 7.3.1996, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 76, II 2 b dd. 471

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F. Exkurs: Klarstellungen zum Beurteilungszeitpunkt

Arbeitsverhältnisses wirksam ist. So wird z. B. dem Arbeitgeber eine personenbedingte Kündigung nicht verwehrt werden können, bloß weil sicher voraussehbar ist, dass fünf Jahre nach Ablauf der Kündigungsfrist der Arbeitnehmer wieder gesund sein wird. Dass es eine zeitliche Grenze geben muss, lässt sich dagegen mit dem Prinzip der Interessenabwägung leicht begründen: Je länger der Arbeitgeber den Arbeitnehmer beschäftigen muss, ohne ihn einsetzen zu können, desto größer wird der Vorteil der Kündigung für ihn, so dass irgendwann sein Interesse, die Kündigung auszusprechen, das Interesse des Arbeitnehmers, weiterbeschäftigt zu werden, überwiegt. Allein nach dem Prognoseprinzip müsste dagegen an sich jeder auch noch so weit in der Zukunft liegende sicher voraussehbare zukünftige Wegfall des Störungstatbestandes der Kündigung entgegenstehen. Eine zeitliche Grenze lässt sich dann nur ziehen, indem zusätzlich zum Prognoseprinzip das Prinzip der Zumutbarkeit zu Hilfe genommen wird.472 Damit wird aber, da der Grundsatz der Zumutbarkeit im Prinzip der Interessenabwägung aufgeht473, deutlich, dass das Prognoseprinzip systematisch der Interessenabwägung untergeordnet werden kann. Eines Rückgriffs auf die Zukunftsbezogenheit der Kündigungsgründe bedarf es nicht. Bei der betriebsbedingten Kündigung äußert sich das Problem eines bloß vorübergehenden Störungstatbestandes naturgemäß in einem bloß vorübergehenden Arbeitsmangel. In der Literatur wird angenommen, dass bei vorübergehendem Arbeitskräfteüberhang eine sog. Arbeitsstreckung – eine Herabsetzung der Arbeitsmenge pro Mitarbeiter und Zeiteinheit – als milderes Mittel gegenüber einer Kündigung in Betracht komme.474 Ein zeitlich begrenzter Arbeitsmangel ist jedoch kein Problem der Erforderlichkeit, sondern eines der Angemessenheit der Kündigung. Mildere Mittel sind nämlich nur Mittel, die ebenso oder zumindest ähnlich geeignet sind wie dasjenige, dessen Erforderlichkeit in Rede steht. Die Arbeitsstreckung ist aber gar nicht geeignet, den Arbeitskräfteüberhang zu beseitigen, sondern sie ist eine Möglichkeit, wie der Arbeitgeber den Personalüberhang ohne Gegenmaßnahme hinnehmen kann. Es macht keinen Unterschied, ob der Arbeitgeber den Arbeitskräfteüberhang in der Weise hinnimmt, dass er einen einzelnen Arbeitnehmer gar nicht mehr einsetzt, oder ob er den Arbeitsmangel bei der Arbeitsstreckung auf mehrere Arbeitnehmer verteilt, indem er die Arbeitsmenge pro Mitarbeiter und Zeiteinheit herabsetzt. Beides 472 So APS/Kiel, § 1 KSchG, Rn. 577. Vgl. zum ähnlichen Problem der Zumutbarkeit von Überbrückungsmaßnahmen bei der personenbedingten Kündigung, ErfK/ Ascheid, § 1 KSchG, Rn. 218 ff.: Wenn feststeht, dass der Arbeitnehmer irgendwann genesen wird, entfällt nicht allein deswegen die negative Zukunftsprognose, sondern es wird darauf abgestellt, wie lange dem Arbeitgeber Überbrückungsmaßnahmen zumutbar sind. 473 Vgl. Preis, Ulrich, Prinzipien, S. 150 ff. 474 Vgl. APS/Kiel, § 1 KSchG, Rn. 577; Stahlhacke/Preis, Rn. 1019; Berkowsky, Betriebsbedingte Kündigung, § 5, Rn. 162; ähnlich auch BAG 17.10.1980, AP KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 10, 2 b.

F. Exkurs: Klarstellungen zum Beurteilungszeitpunkt

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läuft darauf hinaus, dass der Arbeitgeber weiterhin den vollen Lohn zahlen muss, ohne die ihm zur Verfügung stehende Arbeitskraft voll nutzen zu können. Die Frage, ob es dem Arbeitgeber trotz bestehenden Arbeitskräfteüberhangs zuzumuten ist, diesen für einen begrenzten Zeitraum im Interesse des Arbeitnehmers am Fortbestand des Arbeitsverhältnisses hinzunehmen, kann damit nur ein Problem der Interessenabwägung sein. Aber auch wenn die Zuordnung des Problems eines bloß vorübergehenden Arbeitskräfteüberhangs zur Erforderlichkeit der Kündigung nicht richtig ist, so enthält sie doch einen richtigen Ansatz, nämlich den, dass dieses Problem nicht über die Zukunftsbezogenheit der Kündigungsgründe, sondern über den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im weiteren Sinne zu lösen ist.475 Mittelbar wird damit die in dieser Arbeit vertretene Unterordnung des Prognoseprinzips unter den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz bestätigt.476 Liegt ein bloß vorübergehender Arbeitsmangel vor, stellt sich die Frage, wie lange diesen der Arbeitgeber ohne Kündigung hinnehmen muss. Der in Literatur und Rechtsprechung teilweise zu findende Hinweis, dass ein vorübergehender Arbeitsmangel eine auf Beendigung des Arbeitsverhältnisses gerichtete Kündigung ausschließe477, ist in seiner Allgemeinheit nicht haltbar. Es kann nicht richtig sein, dem Arbeitgeber eine betriebsbedingte Kündigung zu verwehren, bloß weil voraussehbar ist, dass z. B. in drei Jahren wieder ein ausreichender Bedarf an Arbeitskräften bestehen wird. Es muss eine zeitliche Grenze geben, ab der es dem Arbeitgeber nicht mehr zumutbar ist, einen vorübergehenden Arbeitskräfteüberhang hinzunehmen. Die oben herausgearbeitete Erkenntnis, dass es sich bei dieser Frage um ein Problem der Interessenabwägung handelt, macht Parallelen zur personenbedingten Kündigung sichtbar und legt es nahe, die bei dieser für vergleichbare Probleme entwickelten zeitlichen Grenzen auf die betriebsbedingte Kündigung zu übertragen. Auch bei der personenbedingten Kündigung wegen Krankheit stellt sich nämlich bei der Interessenabwägung die Frage, wie lange der Arbeitgeber den an sich bestehenden Störungstatbestand – den Umstand, dass der Arbeitnehmer infolge der Krankheit seine Arbeitspflicht nicht erfüllen kann – hinnehmen muss, ohne ihn durch Kündigung zu beseitigen. Es bietet sich an, die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Kündigung wegen häufiger Kurzerkrankungen, wenn die Beeinträchtigung des Arbeitgebers allein auf Entgeltfortzahlungskosten beruht, auf die Problema-

475 Auch ErfK/Ascheid, § 1 KSchG, Rn. 397 ordnet das Problem des vorübergehenden Arbeitskräfteüberhangs der Verhältnismäßigkeit zu, ohne allerdings den einschlägigen Teilgrundsatz zu nennen. 476 Dafür spricht auch, dass in der Literatur bei der Frage des vorübergehenden Arbeitskräfteüberhangs abwechselnd von Negativprognose und ultima-ratio-Prinzip gesprochen wird, vgl. APS/Kiel, § 1 KSchG, Rn. 577. 477 Vgl. BAG 26.6.1997, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 86, II 2 b; ErfK/Ascheid, § 1 KSchG, Rn. 450.

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tik des vorübergehenden Arbeitskräfteüberhangs zu übertragen.478 Denn auch bei der betriebsbedingten Kündigung wegen eines bloß vorübergehenden Arbeitsmangels liegt die Belastung des Arbeitgebers allein in dem Nachteil, den Lohn zahlen zu müssen, ohne die Arbeitskraft sinnvoll nutzen zu können.479 Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts hält die Kündigung eines Arbeitnehmers wegen häufiger Kurzerkrankungen, wenn die Beeinträchtigung des Arbeitgebers allein auf Entgeltfortzahlungskosten beruht, einer Interessenabwägung nur dann stand, wenn diese Kosten außergewöhnlich hoch sind. Das hat das Bundesarbeitsgericht in einem Fall angenommen, in dem Entgeltfortzahlungskosten für durchschnittlich 60 Arbeitstage zu erwarten waren.480 Es ist sachgerecht, diese zeitliche Grenze auf die betriebsbedingte Kündigung wegen bloß vorübergehenden Arbeitsmangels zu übertragen und damit einen Arbeitsmangel von drei Monaten ab Ablauf der Kündigungsfrist ausreichen zu lassen.481 Der in der Literatur vertretene Zeitraum von einem halben Jahr482 erscheint als zu lang. Zusammenfassend ist zu sagen, dass das Prognoseprinzip dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz untergeordnet werden kann. Die Prognose, dass der Störungstatbestand bis zum Zeitpunkt des Ablaufs der Kündigungsfrist fortbestehe, ist ein Problem der Geeignetheit. Die Prognose, dass die Störung erst nach Ablauf der Kündigungsfrist eintreten werde, betriff die Erforderlichkeit. Schließlich ist

478

Vgl. zu dieser Fallgruppe v. Hoyningen-Huene/Linck, § 1 KSchG, Rn. 236a. Deswegen kann nicht die Fallgruppe der Kündigung wegen langandauernder Erkrankung als Parallele herangezogen werden. Bei dieser liegt nämlich die Beeinträchtigungen des Arbeitgebers nicht so sehr im wirtschaftlichen Bereich, weil die Entgeltfortzahlungspflicht nach sechs Wochen endet (vgl. v. Hoyningen-Huene/Linck, § 1 KSchG, Rn. 247). Bei der Kündigung wegen langandauernder Erkrankung sind daher feste Abwartzeiten abzulehnen (vgl. v. Hoyningen-Huene/Linck, § 1 KSchG, Rn. 250). 480 BAG 5.7.1990, AP KSchG 1969 § 1 Krankheit Nr. 26, II 3 a. 481 Zwar besteht ein gewisser Wertungsunterschied insofern, als bei der betriebsbedingten Kündigung der vorübergehende Arbeitsmangel in der Regel zunächst nur einmalig bestehen wird, während bei der Kündigung wegen häufiger Kurzerkrankungen das Risiko besteht, dass diese sich in mehreren Folgejahren wiederholen werden. Dieser Umstand spricht isoliert betrachtet dafür, den Ausfall von 60 Arbeitstagen bei der Kündigung wegen häufiger Kurzerkrankungen als gewichtiger anzusehen. Andererseits muss bei dieser Kündigung berücksichtigt werden, dass statistisch betrachtet bei jedem Arbeitnehmer Fehlzeiten wegen Krankheit zu erwarten sind. Der relevante Nachteil für den Arbeitgeber besteht bei der Kündigung wegen Krankheit damit nur in den Fehlzeiten, die über die im Betrieb vorhandenen durchschnittlichen Krankheitstage hinausgehen. Darüber hinaus betrifft der personenbedingte Kündigungsgrund der Krankheit in der Regel nur einzelne Arbeitnehmer, während ein Arbeitsmangel mehrere Arbeitnehmer gleichzeitig betreffen und damit den Arbeitgeber stärker belasten kann. Diese Umstände sprechen isoliert betrachtet dafür, den Ausfall von 60 Arbeitstagen bei der betriebsbedingten Kündigung als gewichtiger anzusehen. Bei einer Zusammenschau der Wertungsunterschiede ist es sachgerecht anzunehmen, dass diese sich ausgleichen. 482 Vgl. Stahlhacke/Preis, Rn. 1019. 479

F. Exkurs: Klarstellungen zum Beurteilungszeitpunkt

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die Prognose, dass der Störungstatbestand auch ohne Kündigung bald nach Ablauf der Kündigungsfrist entfallen werde, eine Frage der Angemessenheit der Kündigung.483 Die Annahme eines eigenständigen Prognoseprinzips ist demzufolge überflüssig. Eine unnötige Verdoppelung von Prinzipien sollte aber aus systematischen Gründen vermieden werden, da sie Verwirrung stiftet und die Funktion der Prinzipien, Komplexität zu reduzieren, konterkariert. Darüber hinaus ermöglicht die Herleitung des Prognoseprinzips aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, der seinerseits im Wortlaut von § 1 Abs. 2 Satz 1 verankert ist484, eine Legitimation dieses Prinzips.

483 Damit erweist sich die in Rechtsprechung und Literatur bei der personenbedingten Kündigung zu findende Aussage, dass die Negativprognose zum Kündigungsgrund gehöre (vgl. BAG 7.11.1985, AP KSchG 1969 § 1 Krankheit Nr. 17; v. HoyningenHuene/Linck, § 1, Rn. 231; ErfK/Ascheid, § 1 KSchG, Rn. 195), als irreführend. Ein Kündigungsgrund bzw. der von diesem beschriebene Störungstatbestand kann auch vorliegen, wenn es an einer Negativprognose fehlt. Die Kündigung ist in diesem Fall allerdings nicht geeignet bzw. kein angemessenes Mittel, den Störungstatbestand zu beseitigen. 484 Vgl. oben Kapitel B.I., S. 19 ff. und Kapitel B.VI., S. 87 ff.

G. Exkurs: Zur Abgrenzung der personen- von der verhaltensbedingten Kündigung In dieser Arbeit wird vertreten, dass sich der verhaltens- und der personenbedingte Kündigungsgrund die gemeinsame Voraussetzung einer objektiven Vertragspflichtverletzung teilen und nur insofern unterscheiden, als die Vertragspflichtverletzung beim verhaltensbedingten Grund willensgesteuert ist.485 Demgegenüber wird teilweise vertreten, dass lediglich die verhaltensbedingte Kündigung eine Vertragspflichtverletzung voraussetze.486 Zudem wird zum Teil der Unterschied des verhaltensbedingten Grundes zum personenbedingten nicht in der Willensgesteuertheit, sondern in der Schuldhaftigkeit der Vertragsstörung gesehen.487

I. Vertragspflichtverletzung auch Voraussetzung der personenbedingten Kündigung Wenn beim personenbedingten Kündigungsgrund statt einer Vertragspflichtverletzung eine erhebliche Beeinträchtigung betrieblicher oder vertraglicher Interessen verlangt wird488, so wird übersehen, dass in einer solchen Beeinträchtigung stets die Verletzung einer vertraglichen Nebenpflicht liegen wird. Nach der Schuldrechtsreform ist mit § 241 Abs. 2 BGB klargestellt, dass auch die Verletzung der Rücksicht auf die Interessen des Vertragspartners eine Verletzung vertraglicher Nebenpflichten darstellen kann.489 Auf der Grundlage dieser Erkenntnis erweisen sich Versuche, den verhaltensund personenbedingten Kündigungsgrund über das Merkmal der Vertragswidrigkeit abzugrenzen, als widersprüchlich.490 Das wird z. B. sichtbar an den Äußerungen Etzels, der der Ansicht ist, dass eine verhaltensbedingte Kündigung in Betracht komme, wenn der Arbeitnehmer gegen Pflichten aus dem Arbeitsver-

485

Vgl. oben Kapitel B.I.3., S. 22. Vgl. Stahlhacke/Preis, Rn. 1168a, 1193; KR/Etzel, § 1 KSchG, Rn. 395. 487 KR/Fischermeier, § 626 BGB, Rn. 139; HaKo/Fiebig, § 1 KSchG, Rn. 195; Löwisch/Spinner, § 1 KSchG, Rn. 96. 488 Vgl. Stahlhacke/Preis, Rn. 1189, 1193. 489 So auch BAG 24.6.2004, NJW 2005, 619, 621, B III 1, allerdings im Zusammenhang mit einer verhaltensbedingten Kündigung. 490 So auch HK/Dorndorf, § 1 KschG, Rn. 530. 486

I. Vertragspflichtverletzung

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trag verstoßen habe. Liege keine Verletzung von Haupt- oder Nebenpflichten aus dem Arbeitsvertrag vor, sei nur eine personenbedingte Kündigung möglich.491 Die personenbedingte Kündigung setze voraus, dass der Arbeitnehmer die Fähigkeit und Eignung nicht besitze, die geschuldete Arbeitsleistung ganz oder teilweise zu erbringen.492 Dem ist zu entgegnen, dass, wenn die geschuldete Arbeitsleistung ganz oder teilweise nicht erbracht werden kann, ein Fall vollständiger oder teilweiser Unmöglichkeit der Arbeitsleistung vorliegt. Das stellt aber immer eine objektive Vertragspflichtverletzung dar. Eine Abgrenzung von personen- und verhaltensbedingten Kündigungsgründen über das Merkmal der Vertragsverletzung ist also nicht möglich.493 Das Gleiche gilt mit fast identischer Begründung entgegen Ulrich Preis auch für außerdienstliches Fehlverhalten. Ulrich Preis ist der Ansicht, dass nicht vertragsbezogenes und nicht vertragswidriges Privatverhalten eine verhaltensbedingte Kündigung nicht rechtfertigen, in Ausnahmefällen aber eine personenbedingte Kündigung auslösen könne, wenn durch das Privatverhalten die Eignung oder die Fähigkeit zur Erbringung der geschuldeten Arbeitsleistung entfalle.494 Wenn aber die Eignung oder die Fähigkeit, die geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen, entfällt, führt dies stets zur Unmöglichkeit der Erfüllung der Vertragspflichten des Arbeitnehmers oder wenigstens – wenn die Beschäftigung des Arbeitnehmers zwar möglich, aber dem Arbeitgeber nicht zumutbar ist – zu einer Vereitelung des Vertragszwecks.495 Eine Unmöglichkeit der Leistung und damit eine Nichtleistung bzw. eine Vereitelung des Vertragszwecks stellen aber immer eine objektive Vertragspflichtverletzung dar und sind damit vertragswidrig.496 Dabei ist zu beachten, dass auch eine Unzuverlässigkeit des Schuldners mit sachlichem Bezug zu der geschuldeten Leistung den Leistungserfolg und den Vertragszweck gefährden und damit eine Vertragspflichtverletzung darstellen kann, wenn sie so schwer wiegt, dass dadurch ein zur Abwicklung notwendiges Vertrauensverhältnis erschüttert und dem anderen Teil die Vertragsfortsetzung unzumutbar 491

KR/Etzel, § 1 KSchG, Rn. 395. KR/Etzel, § 1 KSchG, Rn. 266. 493 Ähnlich HaKo/Fiebig, § 1 KSchG, Rn. 196, der allerdings nicht der Ansicht ist, dass bei personenbedingten Gründen immer eine objektive Vertragsverletzung vorliegen müsse, sondern lediglich, dass eine solche bei diesen Gründen häufig sei. 494 Stahlhacke/Preis, Rn. 1190 f.; auch Stahlhacke/Preis, Rn. 1211, 748. 495 Ulrich Preis (Stahlhacke/Preis, Rn. 1189; Arbeitsrecht I, S. 732) selber ist der Ansicht, dass entscheidend für den personenbedingten Grund sei, dass die Erreichung des Vertragszwecks nicht nur vorübergehend unmöglich geworden ist, da die Fähigkeit oder Eignung des Arbeitnehmers, die vertraglich geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen, entfallen ist. 496 Vgl. MüKo/Roth, § 241 BGB, Rn. 67, nach dem der Schuldner alles tun und unterlassen muss, damit der Eintritt des Leistungserfolgs und die Verwirklichung des Vertragszwecks nicht gefährdet oder beeinträchtigt werden. Ulrich Preis (Stahlhacke/Preis, Rn. 748) selber spricht davon, dass bei personenbedingten Gründen eine objektive Leistungsstörung vorliege, die die Vertragsgrundlage berühre. Eine objektive Leistungsstörung ist aber immer vertragswidrig. 492

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G. Exkurs: Abgrenzung personen-/verhaltensbedingte Kündigung

wird.497 Auch auf die fehlende Vertragsbezogenheit des außerdienstlichen Fehlverhaltens kann nicht abgestellt werden. Ein Bezug zum Arbeitsvertrag kann nur bestehen auf Grund von Haupt- oder Nebenpflichten.498 Werden diese Pflichten durch außerdienstliches Verhalten verletzt, ist auch dieses Verhalten vertragsbezogen. Nach alledem kommt weder ein verhaltens- noch ein personenbedingter Kündigungsgrund in Betracht, wenn das Verhalten bzw. die Eigenschaften des Arbeitnehmers nicht zu einer Vertragspflichtverletzung führen.499

II. Willensgesteuertheit als alleiniges Abgrenzungskriterium Wenn aber auch der personenbedingte Kündigungsgrund eine Verletzung vertraglicher Pflichten voraussetzt, bleibt als sinnvolles Abgrenzungsmerkmal zum verhaltensbedingten Grund nur die fehlende Willenssteuerbarkeit der Vertragspflichtverletzung übrig.500 Demgegenüber wird von Etzel vertreten, dass fehlende Steuerbarkeit kein Kriterium der personenbedingten Kündigung sei. Diese setze lediglich voraus, dass der Arbeitnehmer im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung und voraussichtlich auch alsbald danach die Fähigkeit und Eignung nicht besitzt, die geschuldete Arbeitsleistung ganz oder teilweise zu erbringen.501 Diese Äußerungen Etzels sind jedoch widersprüchlich. Fehlt die Fähigkeit und Eignung, die geschuldete Arbeitsleistung ganz oder teilweise zu erbringen, mangelt es zwangsläufig auch an der Steuerbarkeit der Vertragspflichtverletzung. Der Umstand, dass ein Verhalten willensgesteuert, also willensmäßig beeinflussbar ist, setzt voraus, dass die Fähigkeit und Eignung vorhanden sind, auch anders zu handeln. Das Fehlen der Fähigkeit und Eignung ist also gleichbedeutend mit dem Nichtvorhandensein der Steuerbarkeit.502 497

Vgl. MüKo/Roth, § 241 BGB, Rn. 76. Ähnlich, allerdings in Bezug auf die verhaltensbedingte Kündigung, ErfK/ Ascheid, § 1 KSchG, Rn. 288. 499 Ebenso ErfK/Ascheid, § 1 KSchG, Rn. 118 und Rn. 170, der sowohl für den personen- als auch für den verhaltensbedingten Grund eine Nicht- oder Schlechtleistung des Arbeitnehmers voraussetzt. 500 Vgl. v. Hoyningen-Huene/Linck, § 1 KSchG, Rn. 185b, 270; auf die Steuerbarkeit als Abgrenzungsmerkmal stellen auch Berkowsky, Personen- und verhaltensbedingte Kündigung, § 4, Rn. 1 ff., und APS/Dörner, § 1 KSchG, Rn. 119 f., ab, letzterer allerdings neben dem Kriterium der Vertragswidrigkeit. 501 KR/Etzel, § 1 KSchG, Rn. 266. 502 Auch die von Etzel (KR/Etzel, § 1 KSchG, Rn. 396) genannten Beispiele, in denen angeblich trotz fehlender Steuerbarkeit eine personenbedingte Kündigung ausscheide, aber dennoch Bedürfnis für eine verhaltensbedingte Kündigung bestehe, überzeugen nicht. Etzel nennt zum einen das Beispiel, dass ein mit einfachen Arbeiten be498

II. Willensgesteuertheit als alleiniges Abgrenzungskriterium

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In der Literatur wird teilweise nicht auf die Willensgesteuertheit der Vertragspflichtverletzung abgestellt, sondern darauf, ob sie vom Arbeitnehmer verschuldet ist. Das wird zum einen mit dem Argument begründet, dass ansonsten eine eindeutige Abgrenzung zur Kündigung aus Gründen in der Person des Gekündigten nicht möglich sei.503 Dem ist jedoch zu entgegnen, dass eine eindeutige Abgrenzung über das Merkmal der Willenssteuerung ebenso möglich ist. In den Fällen außerdienstlichen Fehlverhaltens ist die Abgrenzung über die Steuerbarkeit sogar überzeugender. Führt etwa eine private Trunkenheitsfahrt zum Entzug einer für die geschuldete Arbeitsleistung notwendigen Fahrerlaubnis oder gar zu Strafhaft, so wird darin allgemein ein personenbedingter Kündigungsgrund gesehen.504 Das ist auf den ersten Blick eigenartig, da die Trunkenheitsfahrt als solche in der Regel sowohl willensgesteuert als auch schuldhaft sein wird, so dass an sich ein verhaltensbedingter Kündigungsgrund nahe läge. Stellt man aber auf die eigentliche Vertragspflichtverletzung ab – die Unmöglichkeit der Arbeitsleistung aufgrund des Entzugs der Fahrerlaubnis bzw. der Strafhaft –, wird deutlich, dass es nicht vom Willen des Arbeitnehmers abhängt, diese zu unterlassen, da er zum Zeitpunkt der geschuldeten Arbeitsleistung gegen den Entzug der Fahrerlaubnis bzw. die Strafhaft nichts mehr ausrichten kann. Dagegen ist die Unmöglichkeit der Arbeitsleistung ohne Zweifel wegen der Trunkenheitsfahrt verschuldet.505 Nur das Abgrenzungsmerkmal der Willenssteuerung führt also ohne Schwierigkeiten zur Annahme eines personenbedingten Kündigungsgrundes. schäftigter Arbeiter wegen unverschuldeter partieller Zurechnungsfähigkeit Firmeneigentum beschädigt oder Vorgesetzte tätlich angreift, seine generelle Eignung zur Erfüllung der arbeitsvertraglichen Pflichten aber fortbestehe, weswegen eine personenbedingte Kündigung ausscheide. Dazu ist zu sagen, dass, wenn wirklich die Eignung des Arbeitnehmers fortbesteht, der Ausschluss einer Kündigungsmöglichkeit sachgerecht ist. Besteht allerdings Wiederholungsgefahr (negative Zukunftsprognose), so ist das Vertrauen des Arbeitgebers in den Arbeitnehmer zerstört, so dass seine Eignung zur Erfüllung der arbeitsvertraglichen Pflichten entfällt. Eine personenbedingte Kündigung ist dann möglich, des Rückgriffs auf eine verhaltensbedingte Kündigung bedarf es nicht. Auch das zweite Beispiel, dass ein alkoholkranker Arbeitnehmer keine so hohen Fehlzeiten aufzuweisen hat, dass eine krankheitsbedingte Kündigung gerechtfertigt wäre, er aber alkoholbedingt dem Arbeitgeber bei der Arbeit wiederholt hohe Schäden zufügt, weswegen eine verhaltensbedingte Kündigung gerechtfertigt sein müsse, kann nicht überzeugen. Etzel übersieht, dass eine personenbedingte Kündigung wegen krankhaften Alkoholkonsums nicht nur aus dem Aspekt krankheitsbedingter Fehlzeiten, sondern auch aus dem Gesichtspunkt sonstiger alkoholbedingter Pflichtverletzungen begründet sein kann (so auch HaKo/Fiebig, § 1 KSchG, Rn. 197). 503 KR/Fischermeier, § 626 BGB, Rn. 139; HaKo/Fiebig, § 1 KSchG, Rn. 195. 504 KR/Fischermeier, § 626 BGB, Rn. 135; HaKo/Gallner, § 1 KSchG, Rn. 497; APS/Dörner, § 1 KSchG, Rn. 242, 246. 505 Zwar wäre es möglich, zwischen unmittelbar und bloß mittelbar verschuldeten Vertragspflichtverletzungen zu unterscheiden und nur im ersteren Fall einen verhaltensbedingten Kündigungsgrund anzunehmen. Eine solche Abgrenzung wäre aber zum einen unnötig kompliziert und müsste letztlich doch wieder auf das Merkmal der Willenssteuerung zurückgreifen.

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G. Exkurs: Abgrenzung personen-/verhaltensbedingte Kündigung

Teilweise wird bei der verhaltensbedingten Kündigung Verschulden des Arbeitnehmers mit dem Argument gefordert, dass das Gesetz das Bestandsschutzinteresse des Arbeitnehmers hinter das Auflösungsinteresse des Arbeitgebers nur dann zurücktreten lassen wolle, wenn dem Arbeitnehmer sein vertragswidriges Verhalten auch als Verschulden zur Last gelegt werden könne.506 Dem ist jedoch entgegen zu halten, dass nicht einzusehen ist, wieso das Gesetz bei der personenbedingten Kündigung das Bestandsschutzinteresse des Arbeitnehmers auch ohne Verschulden desselben zurücktreten lassen will, bei der verhaltensbedingten dagegen nicht. Die Frage, ob das Merkmal für die Abgrenzung der personen- von den verhaltensbedingten Gründen in der Willensgesteuertheit oder im Verschulden zu sehen ist, hat allerdings, wenn man die in dieser Arbeit vertretene Ansicht teilt, dass beide Gründe eine Vertragspflichtverletzung voraussetzen, kaum praktische Bedeutung. Liegt eine Vertragspflichtverletzung vor, steht damit fest, dass – Verhältnismäßigkeit der Kündigung und die aus ihr folgenden Voraussetzungen wie Abmahnung und negative Zukunftsprognose507 vorausgesetzt – entweder personen- oder verhaltensbedingt gekündigt werden kann. Wenn man das Verschulden als Abgrenzungskriterium ansieht, kommt dann eben bei fehlendem Verschulden eine personenbedingte Kündigung in Betracht.508 Eine Entscheidung wie die der Vorinstanz der Entscheidung des BAG v. 21.1.1999, die einen verhaltensbedingten Kündigungsgrund – und damit eine Vertragspflichtverletzung – bejaht, aber die Kündigung mangels Verschuldens für unwirksam erachtet hat509, ist dann gar nicht möglich. Wenn jemand schon bei fehlendem Verschulden eine personenbedingte Kündigung annehmen will, ändert dies auch nichts an den Rechtsfolgen der Vertragspflichtverletzung. Für die sonstigen Wirksamkeitsvoraussetzungen der Kündigung ist es nämlich nicht entscheidend, ob ein personen- oder ob ein verhaltensbedingter Kündigungsgrund vorliegt, weil sie nicht zum Kündigungsgrund gehören, sondern aus dem Erfordernis der Verhältnismäßigkeit der Kündigung folgen.510 Das gilt insbesondere für die Notwendigkeit einer Abmahnung. Die Abmahnung gehört systematisch nicht zu dem durch den Kündigungsgrund umschriebenen Störungstatbestand – eben der Vertragspflichtverletzung –, sondern 506

Löwisch/Spinner, § 1 KSchG, Rn. 96. Vgl. dazu, dass das Prognoseprinzip aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz folgt, oben Kapitel F., S. 148 ff. 508 So auch HaKo/Fiebig, § 1 KSchG, Rn. 198, der für die verhaltensbedingte Kündigung stets Verschulden voraussetzt, bei fehlendem Verschulden aber eine personenbedingte Kündigung annimmt. 509 Vgl. BAG 21.1.1999, AP BGB § 626 Nr. 151, I. 510 Auch KR/Etzel, § 1 KSchG, Rn. 397, ist der Ansicht, dass die Abgrenzung zwischen personen- und verhaltensbedingter Kündigung für die materielle Rechtfertigung der Kündigung ohne größere Bedeutung sei. 507

II. Willensgesteuertheit als alleiniges Abgrenzungskriterium

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zur Erforderlichkeit der Kündigung, Pflichtverletzungen dieser Art in Zukunft zu vermeiden.511 Die Kündigung ist stets ein geeignetes Mittel, um zukünftige Vertragsstörungen zu verhindern: Wird dem Arbeitnehmer gekündigt, kann er wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses keine Pflichten mehr verletzten. In einigen Fällen ist aber die Abmahnung ein ähnlich geeignetes Mittel, das im Vergleich zur Kündigung milder ist, weil es den Arbeitnehmer kaum belastet. Wird nämlich dem Arbeitnehmer der Pflichtenverstoß vor Augen geführt und die Kündigung angedroht, so kann davon ausgegangen werden, dass er auch ohne Kündigung weitere Pflichtenverstöße unterlassen wird. Das setzt aber voraus, dass die zukünftigen Vertragsstörungen von seinem Willen abhängen. Ist dies nicht der Fall, fehlt es an der Geeignetheit der Abmahnung, künftige Pflichtenverstöße zu vermeiden; die Abmahnung geht dann gleichsam ins Leere. Damit knüpft auch die Abmahnung an das Moment der Willensgesteuertheit der Vertragspflichtverletzung an. Man könnte deshalb auf die Idee kommen, dass die Abmahnung nur bei verhaltensbedingten Kündigungsgründen – also willensgesteuerten Vertragspflichtverletzungen – einen Sinn macht. Das ist jedoch nicht richtig, weil der zeitliche Bezugspunkt ein anderer ist. Während nämlich die Abgrenzung der Kündigungsgründe darauf abstellt, ob die Vertragspflichtverletzung, wegen der gekündigt wird, steuerbar war oder nicht, kommt es bei der Abmahnung darauf an, ob zukünftige Störungen des Arbeitsverhältnisses vom Willen des Arbeitnehmers abhängen.512 Zwar werden in der Regel, wenn schon die die Kündigung auslösende Vertragspflichtverletzung willensgesteuert war, auch zukünftige Vertragsverletzungen vom Willen des Arbeitnehmers abhängen. Andererseits wird es selten sein, dass eine Pflichtverletzung zunächst nicht willensgesteuert ist, in der Zukunft aber vom Arbeitnehmer abgestellt werden kann. Regelmäßig wird daher nur bei der verhaltensbedingten Kündigung eine Abmahnung in Betracht kommen. Das gilt aber eben nur für den Regelfall. Ausnahmen sind denkbar. Z. B. kann es sein, dass ein Arbeitnehmer wegen fehlender Arbeitserlaubnis oder fehlender Eignung nicht arbeiten kann.513 Es liegt dann ein personenbedingter Kündigungsgrund vor, da die eigentliche Pflichtverletzung – die Unmöglichkeit der Arbeitsleistung – bis zur Erteilung der Arbeitserlaubnis bzw. bis zum Erwerb der Eignung nicht vom Willen des Arbeitnehmers abhängt.514 Dennoch kann eine Abmahnung sinnvoll 511 So auch Stahlhacke/Preis, Rn. 1172. A. A. KR/Fischermeier, § 626 BGB, Rn. 260, der der Ansicht ist, dass die Abmahnung für den Kündigungsgrund mit konstitutiv sei. 512 Das übersieht v. Hoyningen-Huene/Linck, § 1 KSchG, Rn. 185a, der davon ausgeht, dass bei personenbedingten Kündigungsgründen die Abmahnung nie ihre Erinnerungs- und Warnfunktion erfüllen könne. 513 Beispiel nach KR/Etzel, § 1 KSchG, Rn. 269. 514 Dagegen nimmt Ulrich Preis (Stahlhacke/Preis, Rn. 1211) bei Eignungsmängeln, die vom Arbeitnehmer (in Zukunft) abstellbar sind, stets eine verhaltensbedingte Kündigung an (wohl auch HaKo/Fiebig, § 1 KSchG, Rn. 199). Das ist systematisch

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G. Exkurs: Abgrenzung personen-/verhaltensbedingte Kündigung

sein, wenn die Arbeitserlaubnis noch beantragt werden und mit ihrer Erteilung gerechnet werden kann oder wenn die Eignung durch den Besuch einer Fortbildungsveranstaltung hergestellt werden kann. Wenn die Vertragspflichtverletzung zum Zeitpunkt der Kündigung nicht willensgesteuert war, aber in der Zukunft vom Willen des AN abhängt, kommt also auch bei der personenbedingten Kündigung eine Abmahnung in Betracht.515 Nach dem Vorhergehenden hat die Abgrenzung von personen- und verhaltensbedingten Gründen – sofern man für beide eine Vertragspflichtverletzung voraussetzt – kaum rechtliche Bedeutung. Wenn man beide Gründe dennoch voneinander abgrenzen möchte, etwa um der nun einmal in § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG enthaltenen Differenzierung gerecht zu werden, ist es sinnvoll, an den im allgemeinen Sprachgebrauch verwendeten Begriff des Verhaltens anzuknüpfen. Nach allgemeinem Sprachgebrauch ist kaum ein nicht willensgesteuertes, aber sehr wohl ein schudloses Verhalten denkbar. Menschliches Verhalten unterscheidet sich gerade dadurch von bloß kausalem Getriebensein, dass es willensmäßig beeinflussbar ist. Das Merkmal der Willensgesteuertheit ist daher das sachgerechtere Abgrenzungskriterium. Wenn nach alledem der Ansicht, dass der verhaltensbedingte Kündigungsgrund stets Verschulden des Arbeitnehmers voraussetze, dogmatisch nicht gefolgt werden kann, so werden doch in der Praxis Steuerbarkeit und Schuldhaftigkeit der Vertragspflichtverletzung in aller Regel zusammenfallen. Das liegt zum einen daran, dass bei fehlender Willenssteuerung kein Verschulden begründet werden kann. Verantwortlichkeit für ein Verhalten setzt voraus, dass es dem Willen des Betreffenden unterlegen hat, auch anders zu handeln bzw. das Verhalten zu unterlassen. Fehlt es an der Steuerbarkeit des Verhaltens, mangelt es nicht nur an der für die Verschuldensfähigkeit nach § 827 Satz 1 BGB erforderlichen Freiheit der Willensbestimmung, sondern an der Willensbestimmung überhaupt. Zum anderen werden die denkbaren Fälle schuldloser Pflichtverletzungen trotz Steuerbarkeit selten sein.516 Ernsthaft in Betracht kommen allenebenso möglich und führt zum selben Ergebnis. Es erscheint jedoch konsequenter, sauber zwischen dem Kündigungsgrund einerseits und der Verhältnismäßigkeit der Kündigung andererseits zu trennen. Dann liegt es aber näher, den personen- und verhaltensbedingten Kündigungsgrund nach dem Zeitpunkt der Vertragspflichtverletzung abzugrenzen und den Umstand, ob zukünftige Vertragsverstöße eintreten können, der Verhältnismäßigkeit der Kündigung zuzuordnen. 515 So auch KR/Etzel, § 1 KSchG, Rn. 269; im Ergebnis auch BAG 4.6.1997, E 86, 95, 102 f., II 1 d. 516 Zweifelhaft ist, ob es sinnvoll ist, Fälle anzunehmen, in denen es zwar an der Freiheit der Willensbestimmung und damit an der Verschuldensfähigkeit im Sinne von § 827 Satz 1 BGB fehlt, das Handeln aber dennoch willensgesteuert im Sinne eines verhaltensbedingten Kündigungsgrundes ist (so aber v. Hoyningen-Huene, Anm. zu BAG AP BGB § 626 Nr. 151, unter 2 der Ausführungen, der der Ansicht ist, dass das zur Abgrenzung von verhaltens- und personenbedingter Kündigung entwickelte Institut der Steuerbarkeit des arbeitsbezogenen Verhaltens nicht erfordere, dass auch ein Han-

II. Willensgesteuertheit als alleiniges Abgrenzungskriterium

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falls Vertragsverletzungen, die auf einem unverschuldeten Rechtsirrtum beruhen. In diesen Fällen wird aber die Frage, ob unverschuldete Vertragsverstöße einen verhaltensbedingten Kündigungsgrund abgeben können, gar nicht entscheidungsrelevant, da die Kündigung meist schon aus anderen Gründen unwirksam sein wird. Bei einem ersten Pflichtenverstoß, der auf einem schuldlosen Rechtsirrtum beruht, scheitert eine verhaltensbedingte Kündigung schon an der fehlenden Abmahnung. Schließlich ist davon auszugehen, dass der Arbeitnehmer weitere Vertragverletzungen unterlassen wird, wenn sein Rechtsirrtum aufgeklärt und ihm im Wiederholungsfall die Kündigung angedroht wird. Ein trotz Abmahnung erfolgender zweiter Verstoß wird aber auf Grund der Abmahnung oft zumindest fahrlässig sein, so dass sich das Problem einer verhaltensbedingten Kündigung trotz fehlenden Verschuldens nicht stellt. In den seltenen Fällen, in denen auch ein wiederholter Pflichtenverstoß trotz Abmahnung schuldlos bleibt – etwa weil der Rechtsirrtum des Arbeitnehmers auf einer gefestigten höchstrichterlichen Rechtsprechung beruht517 – fehlt es an der negativen Zukunftsprognose, weil nicht davon ausgegangen werden kann, dass der Arbeitnehmer sich nach Aufklärung seines Irrtums weiter pflichtwidrig verhalten wird.518

deln in freier Willensbestimmung vorliege, wie es die §§ 276 Abs. 1 Satz 2, 827 BGB voraussetzten; wohl auch Stahlhacke/Preis, Rn. 1168a). Es ist schon problematisch, ob willensbestimmtes, aber unfreies Handeln überhaupt denkbar ist oder ob nicht vielmehr zum Begriff des menschlichen Willens die Fähigkeit gehört, nach vernünftigen Erwägungen und damit frei zu handeln. So wird in den Motiven davon ausgegangen, dass unwillkürliche Handlungen als juristische Handlungen überhaupt nicht in Betracht kommen, und als Anwendung dieses Grundsatzes der Fall genannt, dass eine Person des Vernunftgebrauchs beraubt ist (Motive II, S. 731; vgl. auch MüKo/Wagner, § 827 BGB, Rn. 1; anders noch v. Kübel (in: Schubert, Vorlagen für die erste Kommission, Recht der Schuldverhältnisse, Teil 1, S. 692) der annimmt, dass es Willensund Handlungsfähigkeit trotz fehlender Freiheit der Willensbestimmung gibt). Es ist deshalb sachgerecht, in diesem Fall auch kein Verhalten im juristischen Sinne anzunehmen. Die Entscheidung des BAG v. 21.1.1999, die von v. Hoyningen-Huene als ein Fall willensgesteuerten, aber nicht schuldfähigen Handelns angesehen wird, taugt nicht als Beispiel. So ist v. Hoyningen-Huene (Anm. zu BAG AP BGB § 626 Nr. 151, unter 2 der Ausführungen) selbst der Ansicht, dass sich die dort kündigungsrelevanten beleidigenden Schreiben nicht als Merkmal der Geisteskrankheit selbst darstellten und nicht zwangsläufige Folge derselben seien. Das kann aber nur bedeuten, dass in Bezug auf die konkrete Vertragspflichtverletzung sich die das Verschulden ausschließende Krankheit nicht ausgewirkt hat, so dass insoweit Verschuldensfähigkeit des Arbeitnehmers anzunehmen ist. Auch das Bundesarbeitsgericht zweifelt in seiner Entscheidung die Aussage des Sachverständigen an, dass der Arbeitnehmer nicht schuldhaft gehandelt habe (BAG 21.1.1999, AP BGB § 626 Nr. 151, II 4 e). 517 Vgl. dazu BAG 12.4.1973, EZA BGB § 611 Nr. 12. 518 So auch ErfK/Ascheid, § 1 KSchG, Rn. 292. A. A. APS/Dörner, § 1 KSchG, Rn. 277, 286, der den unverschuldeten Rechtsirrtum erst bei der Interessenabwägung berücksichtigen will. Richtigerweise ist aber nur der verschuldete Rechtsirrtum bei der Interessenabwägung zu berücksichtigen (so auch BAG 12.4.1973, EZA BGB § 611 Nr. 12; v. Hoyningen-Huene/Linck, Rn. 279a; HaKo/Fiebig, § 1 KSchG, Rn. 201).

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G. Exkurs: Abgrenzung personen-/verhaltensbedingte Kündigung

Zusammenfassend ist zu sagen, dass die Abgrenzung zwischen verhaltensund personenbedingter Kündigung danach zu erfolgen hat, ob die Vertragspflichtverletzung, wegen der dem Arbeitnehmer gekündigt wird, willensgesteuert war oder nicht. Ob die Vertragsverletzung in der Zukunft, insbesondere zum Zeitpunkt des Ablaufs der Kündigungsfrist, vom Willen des Arbeitnehmers abhängt, ist eine Frage der Erforderlichkeit der Abmahnung, die in Ausnahmefällen auch bei der personenbedingten Kündigung notwendig ist.

III. Konsequenzen, insbesondere für die betriebsbedingte Kündigung Nur wenn für die verhaltens- und personenbedingte Kündigung eine Vertragspflichtverletzung als Voraussetzung gefordert wird, können diese Gründe einen konkreten Störungstatbestand begründen. Das ist wichtig, weil nur eine Störung des Arbeitsverhältnisses eine Kündigung „bedingen“, also erforderlich machen kann. Der Wortlaut von § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG enthält damit die Aufforderung, hinreichend bestimmte Voraussetzungen für die in dieser Vorschrift genannten Kündigungsgründe herauszuarbeiten. Das Kündigungsschutzgesetz erreicht den Kündigungsschutz, indem es mit den Kündigungsgründen Störungstatbestände beschreibt und als zulässigen Zweck der Kündigung lediglich anerkennt, diese Tatbestände zu beseitigen. Sind die Voraussetzungen der Kündigungsgründe zu unbestimmt, führt das dazu, dass zunächst beinahe jede beliebige Zweckverfolgung für die Kündigung in Frage kommt und der Kündigungsschutz in die Interessenabwägung verlagert wird. Das muss zwangsläufig zu Lasten der Rechtssicherheit gehen. Wenn man auch für den personenbedingten Kündigungsgrund eine Vertragspflichtverletzung voraussetzt, hat dies allerdings zur Folge, dass dieser Grund nicht mehr als Auffangtatbestand dienen kann.519 Diese Funktion muss und kann nach der in dieser Arbeit vertretenen Auffassung dann die betriebsbedingte Kündigung übernehmen. Dass diese Lösung auch sachgerecht ist, soll am Beispiel der Verdachtskündigung gezeigt werden. Die Verdachtskündigung wird überwiegend der personenbedingten Kündigung zugeordnet.520 Das ist nach der in dieser Arbeit entwickelten Definition des personenbedingten Kündigungsgrundes nicht möglich, da bei der Verdachtskündigung der Nachweis einer Vertragspflichtverletzung gerade nicht gelingt. Aber auch auf dem Boden der 519 Auf die Funktion der personenbedingten Kündigung als Auffangtatbestand verweisen Stahlhacke/Preis, Rn. 1190 und KR/Etzel, § 1 KSchG, Rn. 267. 520 Stahlhacke/Preis, Rn. 755; v. Hoyningen-Huene/Linck, § 1 KSchG, Rn. 261; Löwisch/Spinner, § 1 KSchG, Rn. 94, 232. A. A. KR/Etzel, der die Verdachtskündigung der verhaltensbedingten Kündigung zuordnet, wogegen aber die gleichen Gründe sprechen.

III. Konsequenzen

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h. M., die zwar keine Verletzung des Vertrags, aber eine erhebliche Beeinträchtigung vertraglicher oder betrieblicher Interessen aufgrund persönlicher Umstände des Arbeitnehmers fordert, kann eine Zuordnung der Verdachtskündigung zum personenbedingten Kündigungsgrund nicht überzeugen. Im Falle eines bloßen Verdachts gelingt dem nach § 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG beweisbelasteten Arbeitgeber nämlich gerade nicht der Nachweis, dass die Beeinträchtigung seiner Interessen kausal auf persönliche Umstände des Arbeitnehmers zurückzuführen ist. Wenn in der Literatur darauf verwiesen wird, dass der Verdacht auf der Person des Arbeitnehmers hafte521, so ist das zu unbestimmt. Mit dieser Begründung ließe sich jede Kündigung rechtfertigen. Schließlich knüpfen immer irgendwelche Vorstellungen des Arbeitgebers an die Person des Arbeitnehmers an. Das kann aber für einen persönlichen Umstand des Arbeitnehmers auch im Sinne der h. M. nicht reichen.522 Nach der in dieser Arbeit vertretenen Auffassung vom betriebsbedingten Kündigungsgrund kann die Verdachtskündigung aber diesem untergeordnet werden. Das gilt zwar nicht für den Regelfall der betriebsbedingten Kündigung, in dem eine von der Kündigung zu unterscheidende betriebliche Maßnahme zu einem Arbeitskräfteüberhang führt.523 Schließlich besteht bei der Verdachtskündigung nicht der Verdacht eines Arbeitskräfteüberhangs, sondern der einer Vertragspflichtverletzung. Es ist aber der Sonderfall der betriebsbedingten Kündigung einschlägig, bei dem sich das betriebliche Erfordernis in einem dringenden betrieblichen Erfordernis zur Kündigung erschöpft.524 Im Gegensatz zur personenbedingten Kündigung muss die Beeinträchtigung betrieblicher Interessen bei der betriebsbedingten Kündigung nicht kausal auf die Person des Arbeitnehmers zurückzuführen sein. Die beim Sonderfall der betriebsbedingten Kündigung vorzunehmende verschärfte Interessenabwägung525 vermag die von Rechtsprechung und Lehre aufgestellten strengen Anforderungen an die Verdachtskündigung526 zu begründen. Damit wird deutlich, dass der in dieser Arbeit entwickelte Sonderfall der betriebsbedingten Kündigung eine überzeugende Behandlung von Sachverhalten ermöglicht, in denen weder eine Vertragspflichtverletzung des Arbeitnehmers noch ein Arbeitskräfteüberhang im Betrieb feststellbar ist. Die Lösung dieser Fälle über den Sonderfall der betriebsbedingten Kündigung als Auffangtatbestand hat den Vorteil, dass der Ausnahmecharakter dieser Sachverhalte vor 521

Vgl. Stahlhacke/Preis, Rn. 755. Sonst wäre es auch ein persönlicher Umstand, dass an die Person des Arbeitnehmers der Kündigungswunsch des Arbeitgebers anknüpft. 523 Das ist der Grund, weswegen die h. M., die für den betriebsbedingten Kündigungsgrund stets einen Arbeitskräfteüberhang voraussetzt, bei der Verdachtskündigung nicht auf diesen zurückgreifen kann. 524 Vgl. zum Sonderfall der betriebsbedingten Kündigung oben Kapitel B.III.2., S. 71 ff. 525 Vgl. dazu oben Kapitel B.VI.2., S. 95 ff. 526 Vgl. dazu etwa Stahlhacke/Preis, Rn. 760 ff. 522

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G. Exkurs: Abgrenzung personen-/verhaltensbedingte Kündigung

Augen geführt und das Fehlen der genannten Voraussetzungen durch die beim Sonderfall vorzunehmende verschärfte Interessenabwägung ausgeglichen wird. Darüber hinaus muss dann nicht mehr der personenbedingte Kündigungsgrund als Auffangtatbestand herhalten. Das eröffnet erst die Möglichkeit, dessen Definition von Widersprüchen zu befreien und ihm mit der Voraussetzung einer Vertragspflichtverletzung Bestimmtheit zu verleihen.

H. Ausgewählte Einzelfälle Ein Lösungsvorschlag wird nur dann überzeugen können, wenn er praktische Probleme zu lösen vermag. Kommt er zum selben Ergebnis wie andere Lösungsversuche, muss seine Begründung einleuchtender oder einfacher und frei von Widersprüchen sein. In der Folge soll auf ausgewählte Probleme mit Hilfe der in dieser Arbeit entwickelten Ergebnisse eingegangen werden.

I. Kündigung, um den Personalbestand auf Dauer zu reduzieren Nach der jüngeren Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, insbesondere nach den drei Entscheidungen vom 17.6.1999527, und einem Teil der Literatur528 gehört die Entscheidung des Arbeitgebers, den Personalbestand auf Dauer zu reduzieren, zu den sogenannten unternehmerischen Maßnahmen, die zum Wegfall von Arbeitsplätzen führen und damit den entsprechenden Beschäftigungsbedarf entfallen lassen können. Diese Ansicht steht im Gegensatz zur bisherigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts und ist inhaltlich nicht haltbar. Schon sprachlich ist es eigenartig, eine bloße Entscheidung – hier die, den Personalbestand auf Dauer zu reduzieren – als Maßnahme zu bezeichnen, die zum Wegfall von Arbeitsplätzen führen kann. Unmittelbar zum Wegfall von Arbeitplätzen führen nur tatsächliche betriebliche Veränderungen, nicht aber die bloße Entscheidung zu selbigen.529 Zwar ist es möglich zu sagen, dass nicht nur die betriebliche Umgestaltung, sondern mittelbar auch die ihr zu Grunde liegende Entscheidung zum Wegfall von Arbeitsplätzen führt, aber nur, wenn eine tatsächliche betriebliche Umgestaltung auch wirklich durchgeführt wird bzw. greifbare Formen angenommen hat.530 Die bloße Entscheidung, den Personalbestand auf Dauer zu reduzieren, bezieht sich aber noch gar nicht auf eine 527 BAG 17.6.1999, NZA 1999, 1095 ff. (2 AZR 522/98), 1098 ff. (2 AZR 141/ 98), 1157 ff. (2 AZR 456/98). 528 KDZ/Kittner, § 1 KSchG, Rn. 273a ff.; Stahlhacke, FS für Peter Schwerdtner, S. 199, 205; v. Finckenstein, Freie Unternehmerentscheidung, S. 141 ff., 150 ff.; Lieb, S. 115, Rn. 364 a; Sowka, MDR 1995, 1195. 529 Hier wirkt sich die Verlagerung des Schwerpunktes der Betrachtung von der betrieblichen Maßnahme als solcher auf die zu Grunde liegende unternehmerischen Entscheidung nachteilig aus. Vgl. dazu schon oben Kapitel C.I.2., S. 110 ff.

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H. Ausgewählte Einzelfälle

konkrete betriebliche Veränderung. Sie ist viel zu allgemein und sollte daher nicht als Entscheidung, sondern als Wunsch bezeichnet werden. Dieser Wunsch ist Teil des Ziels, das wohl die meisten Unternehmer haben: Mit möglichst wenig sächlichen, persönlichen und finanziellen Mitteln möglichst hohe Gewinne zu erwirtschaften. Darüber hinaus unterläuft dem Bundesarbeitsgericht mit seiner Ansicht, dass die Entscheidung, den Personalbestand auf Dauer zu reduzieren, dazu führen kann, dass Beschäftigungsbedarf entfällt, ein logischer Fehler. Die genannte Entscheidung bezieht sich – wie unmittelbar aus ihrem Wortlaut hervorgeht – auf den Personalbestand, nicht aber den Personalbedarf. Die Entscheidung, den Personalbestand auf Dauer zu reduzieren, führt nicht dazu, dass Beschäftigungsbedarf entfällt, sondern die Möglichkeit, diese Entscheidung – etwa durch Kündigung – dauerhaft zu verwirklichen, setzt vielmehr voraus, dass ein Arbeitskräfteüberhang schon besteht, also Beschäftigungsbedarf schon entfallen ist.531 Ist der Beschäftigungsbedarf noch nicht entfallen, muss der Arbeitgeber alsbald nach der Kündigung eines Arbeitnehmers eine Neueinstellung vornehmen, so dass er den Personalbestand eben nicht auf Dauer reduzieren kann. Die Entscheidung den Personalbestand, auf Dauer zu reduzieren, lässt allenfalls den (subjektiven) Beschäftigungswunsch, nicht aber die (objektive) Beschäftigungsmöglichkeit bzw. das Beschäftigungsbedürfnis entfallen. Bei diesem Denkfehler des Bundesarbeitsgerichts mag mitgewirkt haben, dass es die Begriffe Arbeitsplatz und Beschäftigungsbedarf nicht definiert. Das 530 Darauf weisen auch Ehmann/Krebber hin, Anm. zu BAG 17.6.1999 (2 AZR 141/99 und 2 AZR 522/98), AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 101 und 102. 531 Auf diesen entscheidenden Denkfehler des Bundesarbeitsgerichts weist Quecke (DB 2000, 2429, 2430, unter III 2 der Ausführungen und NZA 1999, 1247, 1248, unter II der Ausführungen) hin. Die Replik Bitters (DB 2000, 1760, 1763, unter IV 2 der Ausführungen) auf die Ausführungen Queckes kann nicht überzeugen. So meint Bitter, dass nicht nur die Entscheidung den Personalbestand auf Dauer zu reduzieren, sondern auch eine klassische Rationalisierungsmaßnahme im Allgemeinen ebenfalls keinen Rückgang der Arbeitsmenge erzeuge, sondern einen Personalüberhang erst schaffe. Diese Äußerung ist schon in sich widersprüchlich, da das Erzeugen eines Rückgangs der Arbeitsmenge und das Schaffen eines Personalüberhangs nicht – wie in Bitters Formulierung vorausgesetzt – im Gegensatz zueinander stehen: Ein Personalüberhang wird geschaffen, wenn die Arbeitsmenge bei einer gleichbleibenden Anzahl von Arbeitnehmern zurückgeht. Darüber hinaus ist die Äußerung Bitters, dass eine klassische Rationalisierungsmaßnahme keinen Rückgang der Arbeitsmenge erzeuge, nur verständlich, wenn man davon ausgeht, dass Bitter unter Arbeitsmenge Arbeit im physikalischen Sinne versteht, so dass dann auch Maschinen (z. B. der von Bitter als Beispiel genannte Seitenfertiger im Straßenbau) Arbeit verrichten können, die vorher von Menschen erledigt wurde. Im hier interessierenden Zusammenhang ist es aber sachgerecht, unter Arbeitsmenge nur die Menge der von Menschen zu verrichtenden Arbeit zu verstehen: Je größer die Arbeitsmenge ist, um so größer ist der Personalbedarf. Wie Quecke auch Franzen, NZA 2001, 805, 810, unter 1 der Ausführungen.

I. Kündigung, um den Personalbestand auf Dauer zu reduzieren

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Bundesarbeitsgericht geht davon aus, dass die Entscheidung, den Personalbestand auf Dauer zu reduzieren, zum Wegfall von Arbeitsplätzen und damit zum Entfallen von Beschäftigungsbedarf führt.532 Mit „damit“ kann das Bundesarbeitsgericht nur meinen, entweder dass der Wegfall von Arbeitsplätzen das Gleiche ist wie der Rückgang des Beschäftigungsbedarfs, oder dass er kausal ist für diesen. Beides ist jedoch nicht zutreffend. In Rechtsprechung und Literatur wird zwar in der Tat teilweise der Wegfall von Arbeitsplätzen und das Entfallen des Beschäftigungsbedarfs synonym gebraucht.533 Das ist jedoch nicht ganz richtig.534 Wenn der Beschäftigungsbedarf zurückgeht, muss das nicht zwangsläufig dazu führen, das Arbeitsplätze entfallen. Der Arbeitgeber kann den Arbeitsplatz nämlich trotzdem erhalten, z. B. weil er auf eine bessere Auftragslage hofft oder aus sozialen Erwägungen mehr Arbeitnehmer beschäftigen möchte als er benötigt. So schillernd der Begriff Arbeitsplatz im allgemeinen Sprachgebrauch auch sein mag, kündigungsrechtlich wird es sinnvoll sein, unter ihm das konkret ausgeformte Rechtsverhältnis zu verstehen, das Inhalt, Ort und Zeit der gewünschten Arbeitsleistung konkretisiert. Der Arbeitsplatz ist also das konkrete Arbeitsverhältnis.535 Als Rechtsverhältnis hängt Begründung und Ende des Arbeitsplatzes vom Willen des Arbeitgebers ab. Der Begriff Beschäftigungsbedarf bezeichnet dagegen die durch die betrieblichen Gegebenheiten – also insbesondere durch die vom Arbeitgeber gewählte Organisation – objektiv bestimmte Nachfrage nach menschlicher Arbeitskraft.536 Damit stehen die Begriffe des Beschäftigungsbedarfs bzw. der Beschäftigungsmöglichkeit in direktem Zusammenhang mit dem Begriff des Arbeitskräfteüberhangs: Entfällt der Beschäftigungsbedarf, kommt es – wenn das Angebot an menschlicher Arbeitskraft gleich bleibt – zu einem Arbeitskräfteüberhang; entsteht Beschäftigungsbedarf, führt dies zu einem Arbeitskräftemangel. Sind die Begriffe geklärt, wird deutlich, dass der erste Teil des Leitsatzes des Bundesarbeitsgerichts, dass die Ent532

Vgl. BAG 17.6.1999, 2 AZR 141/98, NZA 1999, 1098 (Leitsatz 1). Vgl. z. B. BAG 30.5.1985, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 24, B II 1; KR/Etzel, § 1 KSchG, Rn. 534. 534 Auch ErfK/Ascheid, § 1 KSchG, Rn. 376 weist darauf hin, dass die Beschäftigungsmöglichkeit umgangssprachlich mit dem Begriff Arbeitsplatz umschrieben werde, dass dies aber ungenau sei. 535 Dafür spricht auch das Arbeitsplatzschutzgesetz, das den Schutz des Arbeitsplatzes durch Ruhen des Arbeitsverhältnisses während des Wehrdienstes (§ 1 Abs. 1 ArbPlSchG) und durch einen Schutz vor Kündigung des Arbeitsverhältnisses (§ 2 ArbPlSchG) erreicht. 536 Unklar ErfK/Ascheid, § 1 KSchG, Rn. 376, der die Beschäftigungsmöglichkeit im Sinne des Kündigungsrechts als die vertragliche Anbindung an bestimmte Verrichtungen bezeichnet. Damit wird der Unterschied zwischen vertraglich bestimmtem Arbeitsplatz und der durch die betrieblichen Gegebenheiten festgelegten Nachfrage nach menschlicher Arbeitskraft verwischt. So kann durch eine betriebliche Veränderung die Nachfrage nach menschlicher Arbeitskraft steigen und damit eine Beschäftigungsmöglichkeit entstehen, ohne dass schon eine „vertragliche Anbindung“ dieser Nachfrage besteht. 533

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H. Ausgewählte Einzelfälle

scheidung, den Personalbestand auf Dauer zu reduzieren, zum Fortfall von Arbeitsplätzen führt, richtig ist, allerdings in der Form einer bloßen Redundanz. Der Personalbestand kann nämlich gar nicht anders verringert werden, als durch die Beendigung von Arbeitsverhältnissen. Die Reduzierung des Personalbestandes ist identisch mit dem Abbau von Arbeitsplätzen. Wahrscheinlich schöpft der Leitsatz des Bundesarbeitsgerichts aus dieser Redundanz seine Suggestivkraft. Dagegen ist der zweite Teil des Leitsatzes, dass der Wegfall von Arbeitsplätzen zum Entfallen des Beschäftigungsbedarfs führt, nicht zutreffend. Das Bundesarbeitsgericht kehrt mit ihm die Richtung der Kausalverlaufs um. Nicht der Abbau von Arbeitsplätzen kann zum Fortfall von Beschäftigungsbedarf führen, sondern es kann umgekehrt nur die Abnahme des Beschäftigungsbedarfs kausal sein für den Wegfall von Arbeitsplätzen. Der Beschäftigungsbedarf kann nur durch eine betriebliche Umgestaltung fortfallen, die die Nachfrage nach menschlicher Arbeitskraft herabsetzt. Der dadurch entstehende Arbeitskräfteüberhang eröffnet gegebenenfalls die Möglichkeit zu einer betriebsbedingten Kündigung, durch die Arbeitsplätze wegfallen. Oder anders formuliert: Zum Tatbestand der betriebsbedingten Kündigung gehört nicht der Fortfall von Arbeitplätzen, sondern das Bestehen eine Arbeitskräfteüberhangs, also der Wegfall von Beschäftigungsbedarf. Der Fortfall von Arbeitsplätzen gehört vielmehr zur Rechtsfolge von § 1 Abs.1 Satz 1 KSchG: Durch eine wirksame Kündigung werden dauerhaft Arbeitsplätze abgebaut. Unmittelbar kann durch eine betrieblich-organisatorische Maßnahme also nur der Beschäftigungsbedarf wegfallen, dies kann erst mittelbar – wenn der Arbeitgeber sich zur Kündigung entschließt – zum Wegfall von Arbeitsplätzen führen. Ist man sich dieses Verhältnisses der Begriffe zueinander bewusst, ist nichts dagegen einzuwenden, den Begriff des Wegfalls von Arbeitsplätzen an Stelle des Begriffs des Entfallens von Beschäftigungsbedarf zu verwenden. Auch in dieser Arbeit wird von arbeitsplatzschädlichen betrieblichen Maßnahmen gesprochen, weil die Formulierung der beschäftigungsbedarfsschädlichen Maßnahme gestelzt wirkt. Weiterhin wirkt sich ungünstig aus, dass Rechtsprechung und Lehre kein Konzept haben, um zu beurteilen, ob eine Maßnahme zu den unüberprüfbaren unternehmerischen Entscheidungen gehört oder ob gerichtlich überprüft werden muss, ob sie als milderes Mittel gegenüber der Kündigung in Betracht kommt. Auch nach h. M. muss nämlich die Erforderlichkeit bzw. Vermeidbarkeit der Kündigung voll kontrolliert werden.537 Maßnahmen, die zu den freien Unternehmerentscheidungen gehören, wird die h. M. nur dann von der Kündigung 537 Vgl. BAG 17.6.1999, 2 AZR 141/98, NZA 1999, 1098, 1099, II 1 b; BAG 18.1.1990 AP § 2 KSchG 1969 Nr. 27, B I 2 b; APS/Kiel, § 1 KSchG Rn. 559, 562; auch ErfK/Ascheid, § 1 KSchG, Rn. 396. Vgl. zu diesem Problem schon oben Kapitel C.II., S. 117 ff., besonders S. 120 f. Insbesondere der Versuch einer Lösung über eine einschränkende Definition der Unternehmerentscheidung als Bestimmung der der Geschäftsführung zu Grunde liegenden Unternehmenspolitik führt nicht weiter, vgl. oben Kapitel C.I.2., S. 114 ff.

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und den gegenüber ihr in Betracht kommenden milderen Mitteln unterscheiden können, wenn sie die in dieser Arbeit entwickelte Abgrenzung betrieblicher Veränderungen im Sinne des betrieblichen Erfordernisses von der Kündigung und ihren Alternativmaßnahmen übernimmt.538 Man wird also annehmen müssen, dass sich freie Unternehmerentscheidungen dadurch auszeichnen, dass sie die Nachfrage nach menschlicher Arbeitskraft verringern und damit zum Entstehen eines Arbeitskräfteüberhangs führen, wohingegen die Kündigung und ihre Alternativmaßnahmen den Arbeitskräfteüberhang beseitigen, indem sie die geschuldete Arbeitsleistung verringern. Wird diese Differenzierung anerkannt, gehört der Entschluss, den Personalbestand auf Dauer zu reduzieren, zu den Entscheidungen, die der Kündigung und ihren Alternativmaßnahmen zu Grunde liegen, weswegen er keine freie unternehmerische Entscheidung sein kann. Der Entschluss, den Personalbestand auf Dauer zu reduzieren, betrifft nämlich gar nicht die Nachfrage nach menschlicher Arbeitskraft (den Personalbedarf), sondern – wie unmittelbar aus der Bezeichnung der Entscheidung hervorgeht – den Personalbestand, also das Angebot an menschlicher Arbeit.539 Der Leitsatz des Bundesarbeitsgerichts kann nach alledem nicht aufrechterhalten werden. Richtig müsste es im Gegenteil heißen: Die bloße Entscheidung des Arbeitgebers, den Personalbestand auf Dauer zu reduzieren, ist keine unternehmerische Maßnahme, die den Beschäftigungsbedarf entfallen lässt.540 Erforderlich ist vielAuch Kühling (AuR 2003, 92, 94, unter C I 3 der Ausführungen) rügt, dass das Bundesarbeitsgericht keine eindeutigen Kriterien für die Abgrenzung gestaltender Unternehmerentscheidungen von den Kündigungsentscheidungen entwickelt habe. 538 Vgl. oben Kapitel B.IV., S. 73 ff. 539 Insofern ist die Bemerkung des BAG (17.6.1999, 2 AZR 141/98, NZA 1999, 1098, 1100, II 2 e), dass sich im Fall der Entscheidung, den Personalbestand auf Dauer zu reduzieren, Unternehmerentscheidung und Kündigung nicht voneinander trennen lassen, richtig. Es werden aber die falschen Konsequenzen gezogen. Es liegt eben noch gar keine kündigungsbegründende Unternehmerentscheidung – eine Unternehmerentscheidung, die zu einem Arbeitskräfteüberhang führt und damit die Kündigung bedingen kann – vor, sondern nur ein bloßer Kündigungswunsch. 540 Pikanterweise hat dies der Sache nach schon das Bundesarbeitsgericht in seiner Entscheidung vom 21.5.1957 (AP KSchG § 1 Nr. 31), die den 3. Leitsatz des Beschlusses des Großen Senats des Bundesarbeitsgerichts v. 28.11.1956 (AP KSchG § 1 Nr. 20) konkretisiert, im ersten Leitsatz klargestellt. Dort heißt es nämlich, dass der Erlass eines Ministers, der lediglich die Einsparung mehrerer Kanzleiangestellten bei einer bestimmten Dienststelle vorsieht, keine betriebsorganisatorische Maßnahme im Sinne einer Änderung der Verwaltungs- oder Arbeitsorganisation innerhalb der Dienststelle oder des Betriebes, die Arbeitsplätze entbehrlich macht, sei. Inhaltlich ist die Entscheidung eines Ministers zur Einsparung mehrerer Kanzleiangestellter sehr ähnlich dem Beschluss, den Personalbestand auf Dauer zu reduzieren. Sie ist allenfalls sogar konkreter, so dass, wenn schon sie keine betriebsorganisatorische Maßnahme sein kann, dies für die Entscheidung zur dauerhaften Personalreduzierung erst recht gelten muss. Auch der Umstand, dass die Entscheidung auf dem Gebiet des öffentlichen Dienstrechts getroffen wurde, kann keine Rolle spielen, da die Anforderung an den privaten Arbeitgeber allenfalls strenger sein können (vgl. oben Kapitel B.II.3.c) bb)(3), S. 56 ff.).

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mehr die Entscheidung zu einer konkreten organisatorischen oder technischen Maßnahme, deren Umsetzung die Nachfrage nach menschlicher Arbeitskraft verringert.541 Auch nach der älteren Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts muss sich der Arbeitgeber – soll die Kündigung aus innerbetrieblichen Gründen gerechtfertigt sein – zu einer organisatorischen Maßnahme entschließen, bei deren innerbetrieblichen Umsetzung das Bedürfnis für die Weiterbeschäftigung eines oder mehrerer Arbeitnehmer entfällt.542 Aus dieser Äußerung geht hervor, dass der Entschluss des Unternehmers nicht die Maßnahme selber ist, sondern sich vielmehr auf die organisatorische Maßnahme bezieht. Darüber hinaus muss die Maßnahme so konkret sein, dass sie umgesetzt, also verwirklicht werden kann und durch diese Verwirklichung der Maßnahme muss das Bedürfnis für die Weiterbeschäftigung eines oder mehrerer Arbeitnehmer entfallen, also ein Arbeitskräfteüberhang entstehen.543 Alle diese Umstände – ob eine (konkrete) unternehmerische Entscheidung tatsächlich vorliegt und durch ihre Umsetzung das Beschäftigungsbedürfnis für einzelne Arbeitnehmer entfallen ist – sind vom Gericht voll nachzuprüfen.544 Wenn man dagegen mit der neueren Rechtsprechung die These aufstellt, dass schon die bloße Entscheidung, den Personalbestand auf Dauer zu reduzieren, zum Entfallen des Beschäftigungsbedarfs führt, könnten Arbeitgeber mit der Behauptung, eine solche Entscheidung getroffen zu haben, jede betriebsbedingte Kündigung rechtfertigen; alle anderen Begründungen einer betriebsbedingten Kündigung würden überflüssig. Diese Problematik sieht auch das Bundesarbeitsgericht545 und korrigiert deswegen das Ergebnis über die Missbrauchsprüfung. Innerhalb dieser Missbrauchsprüfung – der Prüfung ob die Unternehmerentscheidung offensichtlich unsachlich, unvernünftig oder willkür541

So auch Stahhacke/Preis, Rn. 933. Vgl. BAG 29.3.1990, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 50, B II 1; BAG 7.12.1978, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 6, Leitsatz 1, 2 und unter II 1 a der Gründe. 543 Zum Erfordernis des Arbeitskräfteüberhangs vgl. BAG 13.3.1987, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 37, III 2 a; BAG 30.5.1985, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 24, B II 1. 544 Auf den kausalen Zusammenhang zwischen außer- oder innerbetrieblichen Gründen und einem betrieblichen Überhang an Arbeitskräften stellen auch folgende Autoren ab: KR/Etzel, § 1 KSchG, Rn. 534; Franzen, NZA 2001, 805, 810; Köhne, ARBlattei SD 1020.4, Rn. 38, 44. 545 Vgl. BAG 17.6.1999, 2 AZR 141/98, NZA 1999, 1098, 1100, II 2 e, wo darauf hingewiesen wird, dass verhindert werden müsse, dass sich die Anforderungen an den vom Arbeitgeber zu erbringenden Tatsachenvortrag auf Null reduzieren; a. a. O., S. 1101, unter II 2 f der Gründe, wo ausgeführt wird, dass mit der pauschalen Behauptung, den Personalbestand auf Dauer reduzieren zu wollen, ebenso die Notwendigkeit der Entlassung von zwei, drei oder x-beliebig vielen Baufacharbeitern gerechtfertigt werden könne. 542

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lich ist – sei die Entscheidung, den Personalbestand auf Dauer zu reduzieren, hinsichtlich ihrer organisatorischen Durchführbarkeit und hinsichtlich des Begriffs „Dauer“ zu verdeutlichen.546 Das Bundesarbeitsgericht übersieht aber, dass mit dieser Voraussetzung der dauerhaften organisatorischen Durchführbarkeit der Sache nach innerhalb der Missbrauchsprüfung das Vorliegen einer konkreten organisatorischen Maßnahme, die zu einem Arbeitskräfteüberhang führt, geprüft wird – ein Umstand der nach der älteren Rechtsprechung schon zum Tatbestand der betriebbedingten Kündigung gehört.547 Die organisatorische Durchführbarkeit wird nämlich nur verdeutlicht werden können, wenn die konkreten organisatorischen Maßnahmen aufgezeigt werden, mit denen der Wunsch, den Personalbestand auf Dauer zu reduzieren, verwirklicht werden soll. Die Dauerhaftigkeit der Personalreduzierung wird nur dargelegt werden können, wenn einsichtig gemacht werden kann, dass durch die konkreten organisatorischen Maßnahmen wirklich ein Arbeitskräfteüberhang entsteht. Ansonsten werden nämlich Neueinstellungen erforderlich. Diese Verlagerung der Prüfung einer konkreten Maßnahme, die zu einem Arbeitskräfteüberhang führt, vom Tatbestand in die Missbrauchsprüfung wird vom Bundesarbeitsgericht nicht deutlich gemacht. Aus den Urteilen vom 17.6.1999 ergibt sich vielmehr, dass sich der 2. Senat einer Änderung der Rechtsprechung gar nicht bewusst ist, weil er übersieht, dass schon nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts der Arbeitgeber immer voll zu beweisen hatte, dass ein Beschäftigungsbedürfnis für den Arbeitnehmer entfallen ist. Im 3. Leitsatz einer der Entscheidungen vom 17.6.1999548 heißt es, dass der Arbeitgeber um so mehr durch Tatsachenvortrag verdeutlichen müsse, dass ein Beschäftigungsbedürfnis für den Arbeitnehmer entfallen sei, je näher die eigentliche Organisationsentscheidung an den Kündigungsentschluss rücke.549 Aus diesem Leitsatz ergibt sich zum einen, dass das Bundesarbeitsgericht davon ausgeht, dass bei vom Kündigungsentschluss entfernten – was auch immer mit „entfernt“ gemeint sein soll550 – Organisationsentscheidungen, der Arbeitgeber kaum verdeutlichen muss, dass für den Arbeitnehmer ein Beschäftigungsbedürfnis entfallen ist, und zum anderen, dass es eine Neuerung ist, dass dies der Ar546 Vgl. BAG 17.6.1999, 2 AZR 141/98, NZA 1999, 1098, Leitsatz 2, ferner S. 1100, II 2 b. 547 Eine solche Lösung über die Missbrauchskontrolle hat im Ergebnis auch Stein (BB 2000, 457, 465) vorgeschlagen. 548 Vgl. BAG 17.6.1999, 2 AZR 141/98, NZA 1999, 1098. 549 Dies bezeichnet Bitter als „Kernsatz“ der Entscheidung, vgl. DB 2000, 1760, 1762, unter III 4 der Ausführungen. 550 Die Unterscheidung von dem Kündigungsentschluss nahen und fernen Organisationsentscheidungen beruht darauf, dass die Rechtsprechung keinen Maßstab hat, um betriebliche Maßnahmen, die die Kündigung bedingen können, von Maßnahmen abzugrenzen, die als milderes Mittel gegenüber der Kündigung in Betracht kommen, vgl. oben S. 168 f.

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beitgeber bei „nahen“ Organisationsentscheidungen tun muss. Beides steht aber im Widerspruch zur bisherigen Rechtsprechung. Nach dieser ist nämlich immer – unabhängig von der Nähe oder Ferne der Organisationsentscheidung vom Kündigungsentschluss – voll vom Arbeitgeber zu beweisen, dass durch innere oder äußere Gründe ein Beschäftigungsbedürfnis für den Arbeitnehmer entfallen ist.551 Pikanterweise zitiert das Bundesarbeitsgericht in den Entscheidungsgründen der genannten Entscheidung eben diese Rechtsprechung und setzt sich damit in Widerspruch zu seinem eigenen Leitsatz. In den Entscheidungsgründen heißt es nämlich unter Bezugnahme auf die bisherige Rechtsprechung, dass bei Kündigungen aus innerbetrieblichen Gründen der Arbeitgeber darlegen müsse, welche organisatorischen oder technischen Maßnahmen er angeordnet hat und wie sich die von ihm behaupteten Umstände unmittelbar oder mittelbar auf die Beschäftigungsmöglichkeit auswirken.552 Wie der 2. Senat des Bundesarbeitsgerichts lässt auch Bitter die bisherige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts außer Acht. Bitter war zum Zeitpunkt der Entscheidungen vom 17.6.1999 regelmäßiger Vertreter des Vorsitzenden des 2. Senats und hat sich vor553 und nach554 den Entscheidungen intensiv mit der behandelten Problematik auseinandergesetzt. Es kann vermutet werden, dass seine Ansichten nicht ohne Einfluss auf die Entscheidungen vom 17.6.1999 geblieben sind, zumal er diese verteidigt und die Stellen, an denen er anderer Meinung als die Mehrheit des Senats ist, deutlich macht. Bitter ist sich offenbar nicht bewusst, dass schon nach der älteren Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts der Arbeitgeber bei inneren Gründen eine konkrete organisatorische oder technische Entscheidung und ihre Auswirkung auf die Arbeitsmenge darlegen musste. Das wird daran deutlich, dass er Besgen555 in dessen Diagnose zustimmt, dass es nach den Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts vom 17.6.1999 für die Rechtfertigung einer betriebsbedingten Kündigung mit der Feststellung einer Unternehmerentscheidung allein nicht mehr sein Bewenden habe; der Arbeitgeber müsse genaue Angaben dazu machen, wie sich seine konkrete organisatorische oder technische Entscheidung auf die Verringerung der Produktion und damit auf die Arbeitsmenge auswirke und in welchem Umfang dadurch ein konkreter Arbeitskräfteüberhang entstehe.556 Diese Gedanken sind aber – wie oben dargelegt – keine Neuerungen der Entscheidungen vom 17.6. 1999, sondern waren schon davor ständige Rechtsprechung. Die Vernachlässigung der älteren Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts durch Bitter wird 551 Vgl. BAG 7.12.1978, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 6 (Leitsatz 1, 2 und II 1 b der Gründe). 552 BAG 17.6.1999, 2 AZR 141/98, NZA 1999, 1098, 1099, II 1 b. 553 Vgl. Bitter, DB 1999, 1214 ff. 554 Vgl. Bitter, DB 2000, 1760 ff. 555 Vgl. b + p 1999, 499 ff. 556 Vgl. Bitter, DB 2000, 1760, 1763, unter IV 1 der Ausführungen.

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auch an folgendem Missverständnis deutlich. Nach Bitter schlagen außerbetriebliche Faktoren direkt auf die Beschäftigungsmöglichkeit der Arbeitnehmer durch und seien daher unbestritten gemäß § 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG vom Arbeitgeber zu belegen. Das müsse bei innerbetrieblichen Unternehmerentscheidungen im Hinblick auf die unternehmerische Freiheit (Art. 2, 12, 14 GG) eingeschränkt werden. Diese Einschränkung sei gerade der Sinn der Unterscheidung von inner- und außerbetrieblichen Faktoren.557 Das ist jedoch eine Fehldeutung. Auch bei innerbetrieblichen Gründen muss nach der älteren Rechtsprechung vom Arbeitgeber voll dargelegt werden, dass eine sich auf eine konkrete organisatorische Maßnahme beziehende Unternehmerentscheidung tatsächlich vorliegt und durch ihre Umsetzung – d. h. durch die Verwirklichung der organisatorischen Maßnahme – das Beschäftigungsbedürfnis entfallen ist. Die Lehre von der Freiheit der Unternehmerentscheidung hat nicht zur Folge, dass die unternehmerische Entscheidung und ihre Auswirkung auf die Beschäftigungsmöglichkeit nicht dargelegt, sondern lediglich, dass die Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit der Entscheidung nicht verdeutlicht werden müssen.558 Die Lösung der neueren Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, die Prüfung einer konkreten organisatorischen Maßnahme, die zu einem Arbeitskräfteüberhang führt, vom Tatbestand der betriebsbedingten Kündigung in die Missbrauchsprüfung zu verlagern, widerspricht nicht nur der älteren Rechtsprechung, sondern ist auch nicht sachgerecht.559 Gegen einen Rückgriff auf eine Missbrauchsprüfung, die systematisch auf § 242 BGB beruht, spricht zunächst, dass ausdrückliche Gesetzesbestimmungen einen Rückgriff auf § 242 ausschließen, mit anderen Worten, dass Auslegung vor Missbrauchskontrolle geht.560 Schon die Auslegung ergibt aber, dass zum Tatbestand der betriebsbedingten Kündigung im Regelfall das Vorliegen eines Arbeitskräfteüberhangs gehört.561 Wäre das nicht der Fall, bliebe unklar, was genau der Störungstatbestand – und damit 557

Vgl. Bitter DB 2000, 1760, 1766, unter IV 11 der Ausführungen. Ganz deutlich BAG 19.5.1993, AP KSchG 1969 § 2 Nr. 31, wo (unter II 2 der Gründe) das BAG ausdrücklich klarstellt, dass die beschränkte Überprüfung aufgrund der Freiheit der Unternehmerentscheidung nichts an der Darlegungslast des Arbeitgebers ändere, substantiiert schildern zu müssen, inwiefern die Durchführung des unternehmerischen Organisationsaktes zu einem Wegfall der bisherigen Beschäftigungsmöglichkeit für einzelne Arbeitnehmer führt, und wo (unter II 3 der Gründe) die Rechtssache an das Landesarbeitsgericht zur Überprüfung, ob durch die vom Arbeitgeber behauptete Maßnahme ein Arbeitskräfteüberhang im Betrieb tatsächlich entstanden ist, zurückverwiesen wird. 559 So auch Franzen, NZA 2001, 805, 810 f.; Stahlhacke/Preis, Rn. 934; Rommé/ Pauker, NZA-RR 2000, 281, 287 f. und 291. Vgl. zum ähnlichen Problem der Verlagerung der Prüfung der Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit betrieblicher Maßnahmen in die Missbrauchsprüfung oben Kapitel C.I.1, S. 102 ff., insbesondere S. 106 ff. 560 Vgl. Erman/Hohloch, § 242, Rn. 27. 561 Vgl. oben Kapitel B.III.1., S. 71. 558

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auch der Zweck – der betriebsbedingten Kündigung sein sollte. Zweck der Kündigung ist im Regelfall die Beseitigung eines Arbeitskräfteüberhangs.562 Fiele dieser Zweck weg, könnte die Kündigung letztlich jeden Zweck verfolgen und das Kündigungsschutzgesetzt seine Funktion, Kündigungsschutz durch Konkretisierung des Kündigungszwecks – Beseitigung des Störungstatbestandes des jeweiligen Kündigungsgrundes – zu gewähren, nicht mehr erfüllen. Die Kündigung wäre dann sozial gerechtfertigt, wenn sie zur Verfolgung eines beliebigen Zweckes dringend erforderlich wäre, das betriebliche Erfordernis würde sich in einem Erfordernis zur Kündigung erschöpfen.563 Ferner wären, wenn die Auslegung ergäbe, dass der Tatbestand der betriebsbedingten Kündigung nicht das Vorliegen eines Arbeitskräfteüberhanges fordert, anerkannte Fälle unwirksamer betriebsbedingter Kündigungen, z. B. der der Austauschkündigung, nicht mehr nachzuvollziehen. Allein die Missbrauchsprüfung würde nicht weiter führen. Schließlich können gewichtige wirtschaftliche Gesichtspunkte dafür sprechen, teuren oder durchschnittlich arbeitenden Arbeitnehmern zu kündigen, um dafür billigere oder besser arbeitende Arbeitnehmer einzustellen. Auch der Rückgriff auf Grundrechte des Arbeitnehmers würde dann nicht helfen. Im Hinblick auf die Gestaltungsbefugnis des demokratisch legitimierten Gesetzgebers muss es möglich sein, auch umfangreiche Kündigungsfreiheit im Arbeitsrecht gesetzlich festzuschreiben. So wird der Gesetzgeber wohl auch Austauschkündigungen ohne Arbeitskräfteüberhang zulassen können, jedenfalls dann, wenn den grundrechtlich geschützten Interessen der Arbeitnehmer durch soziale Sicherungssysteme Rechnung getragen wird. Der Schutz der Arbeitnehmer kann letztlich nur durch den Tatbestand eines Kündigungsschutzgesetzes sichergestellt werden. Das hat der Gesetzgeber – wie in dieser Arbeit dargelegt – mit dem Kündigungsschutzgesetz in der derzeitigen Fassung getan. Welche Verwirrung die Verlagerung der Prüfung des Arbeitskräfteüberhangs vom Tatbestand in die Missbrauchsprüfung gestiftet hat, wird an der Auseinandersetzung in der Literatur darüber deutlich, ob die Entscheidungen vom 17.6.1999 eine Verschärfung oder Lockerung des Kündigungsschutzes darstellen. Die einen legen ihr Augenmerk darauf, dass die Missbrauchsprüfung erweitert wird und sehen darin eine Verschärfung des Kündigungsschutzes.564 Die anderen stellen darauf ab, dass beim Kündigungsgrund nicht mehr geprüft wird, ob eine betrieblich-organisatorische Maßnahme zu einem Arbeitskräfteüberhang geführt hat und betrachten dies als eine Stärkung der Unternehmerfreiheit und damit eine Lockerung des Kündigungsschutzes.565 Beide Gruppen übersehen 562

Vgl. oben Kapitel B.IV.2., S. 75 f. Vgl. dazu, dass das betriebliche Erfordernis kein Erfordernis zur Kündigung sein kann, oben Kapitel B.II.2.a), S. 24 ff. 564 Vgl. Feudner, DB 1999, 2566, 2567; Rieble, Anm. zu EzA KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 101 und 102; Klette, Anm. zu BAG 17.6.1999, DStR 2000, 438, 439; Schrader, NZA 2000, 401, 404; Hölzel, S. 90 f. 563

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jedoch, dass es sich um eine bloße Verlagerung der Prüfung handelt, die sich im praktischen Ergebnis kaum auswirkt.566 Im Wesentlichen besteht der Unterschied darin, dass den Tatbestand der betriebsbedingten Kündigung gemäß § 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG der Arbeitgeber, den auf § 242 zurückgehenden Rechtsmissbrauch dagegen nach allgemeinen Beweislastregeln der Arbeitnehmer beweisen muss. Insofern war die ältere Rechtsprechung für den Arbeitnehmer etwas günstiger. Wenn sich allerdings Bitter mit seiner Forderung, dass die Beweislast für den Missbrauch nicht mehr der Arbeitnehmer tragen soll567, durchsetzen sollte – eine Frage, die das Bundesarbeitsgerichts in den Entscheidungen vom 17.6.1999 ausdrücklich offen gelassen hat568 – bestünde gar kein praktischer Unterschied mehr. Wenn dann noch – wie Bitter es für richtig hält569 – die Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit der betrieblichen Veränderung innerhalb des Rechtsmissbrauchs geprüft würde, wäre das eine Lösung, die im Ergebnis mit der in dieser Arbeit vertretenen übereinstimmt. Dennoch ist eine Erweiterung der Prüfung des Rechtsmissbrauchs aus den oben dargestellten Gründen abzulehnen. Sie trägt zudem die Gefahr einer Billigkeitsjustiz in sich und ist damit Ausdruck der im Hinblick auf die Gewaltenteilung bedenklichen Tendenz, sich um den Willen des Gesetzgebers nicht mehr zu kümmern. Nimmt man die Bindung des Richters an das Gesetz ernst, muss zunächst eine Lösung über die Auslegung der Gesetze versucht werden; nur ergänzend sollte auf die Figur des Rechtsmissbrauchs und damit auf § 242 BGB zurückgegriffen werden. Dazu kommt noch, dass eine Entscheidung, die letztlich mit § 242 BGB begründet wird, nicht die Überzeugungskraft haben kann wie eine Entscheidung, die über eine systematische Auslegung der Tatbestandsmerkmale der betriebsbedingten Kündigung gewonnen wird. Wenn das Bundesarbeitsgericht das Erfordernis der organisatorischen Durchführbarkeit in die Missbrauchsprüfung verlagert, ist es nicht verwunderlich, dass dieses Erfordernis von Rieble als von der Rechtsprechung erfundenes neues Sozialwidrigkeitskriterium aufgefasst570 und durchaus konsequent gerügt wird, dass das Kündigungsschutzgesetz, wenn es 565

Vgl. Zepter, DB 2000, 474 ff., insbesondere S. 475 f., unter III 1 der Ausführun-

gen. 566 So auch Franzen (NZA 2001, 805 ff., insbesondere S. 812, unter VII der Ausführungen), der der Ansicht ist, dass die Problematik der Fallgestaltungen der Urteile des BAG vom 17.6.1999 durch eine Rückbesinnung auf die bislang anerkannten Grundsätze des Rechts der betriebsbedingten Kündigung hätte bewältigt werden können. Ähnlich Backmeister, AiB, 2000, 694, 696. 567 Vgl. Bitter, DB 2000, 1760, 1764, unter IV 4 der Ausführungen, vgl. dazu oben Fn. 316. 568 Vgl. BAG 17.6.1999, 2 AZR 141/98, NZA 1999, 1098, 1101, II 2 f. 569 Vgl. oben Kapitel C.I.1., S. 102 ff. 570 Vgl. Rieble, Anm. zu BAG EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 101 und 102, S. 10.

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eine entsprechende Begründungs- und Rechtfertigungspflicht des Arbeitgebers wollte, dies ausdrücklich anordnen müsste571. Wird dagegen das Erfordernis der organisatorischen Durchführbarkeit aus dem Tatbestand der betriebsbedingten Kündigung hergeleitet, steht fest, dass der Gesetzgeber des Kündigungsschutzgesetzes, der dem Arbeitgeber nach § 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG die Beweislast für diese Tatbestandsvoraussetzungen auferlegt hat, eine entsprechende Darlegungslast des Arbeitgebers wollte. Wie oben572 schon kurz erwähnt wurde, folgt die Voraussetzung der organisatorischen Durchführbarkeit tatsächlich aus dem Tatbestand der betriebsbedingten Kündigung, und zwar aus der Voraussetzung des Arbeitskräfteüberhangs. Zu einem Arbeitskräfteüberhang kann es nur durch eine betriebliche Veränderung, also ein konkrete organisatorische Maßnahme kommen. In den Worten der älteren Rechtsprechung: Der Arbeitgeber muss sich zu einer organisatorischen Maßnahme entschließen, bei deren innerbetrieblichen Umsetzung das Bedürfnis für die Weiterbeschäftigung eines oder mehrerer Arbeitnehmer entfällt.573 Gehört damit das Vorliegen einer organisatorischen Maßnahme zum Tatbestand der betriebsbedingten Kündigung, so muss deren Durchführung auch möglich sein. Eine Maßnahme, deren Durchführung nicht möglich ist, kann nicht umgesetzt werden und damit auch nicht zu einem Arbeitskräfteüberhang führen. Diese Analyse wirft auch neues Licht auf die Kritik Riebles an der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur kündigungsrechtlichen Reflexwirkung von Vorschriften, die zwar nicht den gekündigten Arbeitnehmer schützen, aber zum Schutz anderer Arbeitnehmer die Weiterbeschäftigung des Gekündigten verlangen. Rieble kritisiert, dass, wenn die Verletzung solcher Vorschriften zur Unwirksamkeit der Kündigung führe, über den individuellen Kündigungsschutz eine allgemeine Tarifrechts- und Vertragsaufsicht über den Arbeitgeber ausgeübt werde, die abzulehnen sei.574 Dagegen verteidigt Bitter die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts gegen die Kritik Riebles mit dem Hinweis, dass der Schutzzweck des § 1 Abs. 2 KSchG auch den Schutz des Arbeitnehmers vor arbeits-, gesetz- oder tarifwidrigen unternehmerischen Konzepten umfasse. Eine vertrags-, gesetz- oder tarifwidrige Unternehmermaßnahme verliere ihre Privilegierung im Hinblick auf Art. 2, 12 und 14 GG im Verhältnis zum gekündigten Arbeitnehmer.575 Zu diesem Streit ist zu sagen, dass eine Lösung nur über die 571 So Rieble, Anm. zu BAG EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 101 und 102, S. 23. 572 Vgl. oben S. 170 f. 573 Vgl. BAG 29.3.1990, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 50, B II 1. 574 So Rieble, Anm. zu BAG EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 101 und 102, S. 26. 575 Vgl. Bitter, DB 2000, 1760, 1766. Ebenso im Ergebnis Kaiser (NZA Beilage 2005, Nr. 1, S. 31, 37); Schiefer, NZA-RR 2005, 1, 5; allerdings beide ohne Begründung.

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Auslegung von § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG gefunden werden kann. Der pauschale Hinweis Bitters auf die Grundrechte des Arbeitgebers hilft insoweit nicht weiter. Der Konflikt zwischen den Grundrechten des Arbeitgebers und den Grundrechten des Arbeitnehmers wird durch das Kündigungsschutzgesetz gelöst. Solange die Lösung des Kündigungsschutzgesetzes nicht verfassungswidrig ist, muss der Wille des Gesetzgebers akzeptiert werden. Die Auslegung des Kündigungsschutzgesetzes ergibt, dass der Arbeitnehmer vor betriebsbedingten Kündigungen geschützt ist, bei denen zum Zeitpunkt des Ablaufs der Kündigungsfrist kein Arbeitskräfteüberhang vorliegt. Wie oben dargelegt wurde, kann ein Arbeitskräfteüberhang nur durch eine organisatorische Maßnahme hervorgerufen werden, die auch durchführbar ist. Der Begriff der Durchführbarkeit setzt allerdings lediglich tatsächliche, nicht aber rechtliche Möglichkeit voraus. Daraus ergibt sich, dass es in der Tat zu weit geht, wie Bitter anzunehmen, dass das Kündigungsschutzgesetz den Arbeitnehmer in vollem Umfang gegen rechtswidrige unternehmerische Konzepte schütze. Muss etwa zur Einführung einer Rationalisierungsmaßnahme eine neue Halle gebaut werden und wird dafür im Verstoß gegen Umweltrecht ein Baum gefällt, wird dies nicht zwangsläufig zur Rechtswidrigkeit der Kündigung führen können. Dennoch ist entgegen Rieble ein Verstoß gegen Vertrags- oder Rechtsvorschriften nicht irrelevant. Ein solcher Verstoß kann nämlich zur tatsächlichen Unmöglichkeit der Verwirklichung der unternehmerischen Maßnahme führen.576 Ist etwa in obigem Beispiel schon absehbar, dass die zuständige Behörde unter allen Umständen verhindern will, dass der Baum gefällt wird, und lässt sich die Rationalisierungsmaßnahme anders nicht durchführen, kann dies zur Unmöglichkeit der betrieblichen Veränderung führen. Ein Verstoß gegen Rechtsvorschriften wird sogar in aller Regel ein Indiz dafür sein, dass eine betriebliche Maßnahme nicht dauerhaft durchführbar ist. Da der Arbeitgeber nach § 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG die Darlegungs- und Beweislast für die Durchführbarkeit seiner Maßnahme trägt, wird er, wenn der Arbeitnehmer einen Verstoß gegen vertragliche, tarifliche oder gesetzliche Vorschriften rügt, darlegen müssen, warum es trotzdem (tatsächlich) möglich sein soll, sein Konzept durchzuführen. Damit lässt sich auch das Problem des „Re576 Darauf, ob die verletzte Vorschrift nach ihrem Schutzzweck auch dem arbeitsrechtlichen Bestands- und Inhaltsschutz dient, kommt es bei der Frage der fehlenden sozialen Rechtfertigung einer betriebsbedingten Kündigung mangels Durchführbarkeit der arbeitsplatzschädlichen Maßnahme nicht an. Dient eine Norm schon nach ihrem Schutzzweck dem Bestands- bzw. Inhaltsschutz, führt ihre Verletzung, ohne dass es noch auf die soziale Rechtfertigung der Kündigung ankommt, schon nach § 134 BGB zur Unwirksamkeit der Kündigung. A. A. BAG 7.10.2004, NZA 2005, 352, 354, Leitsatz 3 und unter B I 3 b aa; BAG 7.12.2000, NZA 2001, 495, 497 f., B III 3 a. In der letzteren Entscheidung verweist das Bundesarbeitsgericht fälschlicherweise auf sein Urteil vom 17.6.1999 (2 AZR 456/98, NZA 1999, 1157). In dieser Entscheidung hielt das Bundesarbeitsgericht aber noch die Reflexwirkung einer verletzten quantitativen Besetzungsregelung für möglich (a. a. O., Leitsatz 1 und S. 1161, III 2 d cc), obwohl es vorher (a. a. O., Leitsatz 1 und S. 1158 f., II) verneint hatte, dass diese Regelung bezwecke, den Arbeitsplatz der von Kündigung betroffenen Hilfskraft zu schützen.

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flex-Kündigungsschutzes“ von Vorschriften lösen, die an sich nicht den Gekündigten, sondern andere Arbeitnehmer schützen. Führt etwa die Kündigung eines Arbeitnehmers dazu, dass in der Folge quantitative Besetzungsregeln verletzt werden, so ist dies ein Indiz dafür, dass die vom Arbeitgeber gewollte Änderung der betrieblichen Organisation nicht dauerhaft durchführbar sein wird. Nur wenn der Arbeitgeber darlegen und beweisen kann, dass die betroffenen Arbeitnehmer, der Betriebsrat und die Gewerkschaft die Verletzung der tariflichen Vorschrift dulden werden – etwa weil der Betrieb sich in einer wirtschaftlichen Notlage befindet (Riebles Beispiel: Holzmann) – wird er das Gericht davon überzeugen können, dass er sein Konzept trotz der Verletzung des Tarifrechts durchführen kann. Dieses Ergebnis wird auch durch die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 17.6.1999 zum Reflexkündigungsschutz gestützt. Das Bundesarbeitsgericht führt dort aus, dass der gekündigte Arbeitnehmer sich auf eine quantitative tarifliche Besetzungsklausel im Wege einer Reflexwirkung berufen könne, wenn seine Tätigkeit als Druckhelfer umfangmäßig oder wegen ihrer Notwendigkeit im Einzelfall nicht nur marginale, zu vernachlässigende Bedeutung hätte.577 Käme es alleine auf die Rechtmäßigkeit des Konzepts an, wäre dieses Ergebnis kaum begründbar, da eine Rechtsverletzung unabhängig vom Umfang ihrer Auswirkungen eine Rechtsverletzung bleibt. Dagegen sind die Auswirkungen einer Rechtsverletzung durchaus bedeutsam für die Frage, ob das unternehmerische Konzept letztlich an der Gegenwehr derjenigen scheitern wird, die sich auf die Rechtsverletzung berufen können. Nicht nur das Merkmal der organisatorischen Durchführbarkeit, sondern auch das Merkmal der Dauerhaftigkeit der Personalreduzierung führt zu Begründungs- und Folgeproblemen, wenn es nicht im Tatbestand der betriebsbedingten Kündigung, sondern in der Missbrauchsprüfung verankert wird. Bitter begründet das Merkmal der Dauerhaftigkeit damit, dass mit ihm der Willkür Einhalt geboten werden solle, einen bestimmten Arbeitnehmer bzw. Arbeitnehmerkreis zu kündigen, um alsbald danach billigere Kräfte einzustellen, also eine Austauschkündigung auszusprechen.578 Wie oben579 dargelegt wurde, ist es aber gar nicht ohne weiteres nachvollziehbar, warum es – wenn keine entgegenstehende gesetzliche Regelung vorläge – willkürlich sein sollte, eine Austauschkündigung auszusprechen. Schließlich ist es grundsätzlich ein nachvollziehbares und legitimes unternehmerisches Interesse, Kosten durch den Einsatz billigerer oder besserer Arbeitnehmer zu sparen. Die Unzulässigkeit einer Austauschkündigung wird sich überzeugend nur mit dem Tatbestand von § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG begründen lassen. Die Lösung des Problems liegt wiederum in dem Umstand, dass der Tatbestand der betriebsbedingten Kündigung voraussetzt, dass ein Ar577 578 579

Vgl. BAG 17.6.1999, 2 AZR 456/98, NZA 1999, 1157, 1161, III 2 d cc. Vgl. Bitter, DB 2000, 1760, 1766. S. 174 f.

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beitskräfteüberhang vorliegt. Besteht ein Arbeitskräfteüberhang, ist also der Personalbestand wirklich größer als der Personalbedarf, wird es nach einer entsprechenden Anpassung nicht zu Neueinstellungen kommen, da für neue Arbeitskräfte eben kein Bedarf besteht. Nur wenn kein Arbeitkräfteüberhang vorliegt, also einem Arbeitnehmer gekündigt wird, obwohl seine Arbeitskraft benötigt wird, wird es zu einer Neueinstellung kommen. Das Merkmal der Dauerhaftigkeit der Personalreduzierung kann also ohne Schwierigkeiten aus dem Erfordernis eines Arbeitskräfteüberhangs abgeleitetet werden. Die Herleitung der Dauerhaftigkeit aus dem Verbot des Rechtsmissbrauchs führt – abgesehen davon, dass sie nicht überzeugen kann – zu dem Folgeproblem, wie lange die Personalreduzierung andauern muss, um als dauerhaft zu gelten, ab welchem Zeitpunkt also neue vergleichbare Arbeitnehmer eingestellt werden dürfen.580 Da das Merkmal dann nicht im Tatbestand der betriebsbedingten Kündigung sondern im Missbrauchseinwand verankert wird, wird eine Antwort nur im Wege der Billigkeitsrechtssprechung gefunden werden können. So meint Bitter, dass man sich zur Lösung dieser Frage „möglicherweise“ an den längsten gesetzlichen oder tariflichen Kündigungsfristen orientieren könne.581 Wird das Problem der Austauschkündigung hingegen über das Merkmal des Arbeitskräfteüberhangs gelöst, kann es systematisch überzeugend eingeordnet werden: Der Arbeitskräfteüberhang muss zum Zeitpunkt des Ablaufs der Kündigungsfrist des jeweils gekündigten Arbeitnehmers vorliegen. Eine Kündigung ohne Arbeitskräfteüberhang ist selbst dann unwirksam, wenn der Arbeitgeber über einen längeren Zeitraum keine neuen Arbeitnehmer einstellt, etwa weil er seine übrigen Beschäftigten Überstunden machen lässt. Dagegen schadet es grundsätzlich nicht, wenn nach Ablauf der Kündigungsfrist aufgrund betrieblicher Veränderungen wieder Beschäftigungsbedarf entsteht. Unbilligkeiten eines zur Zeit der Kündigung voraussehbaren bloß vorübergehenden Arbeitskräfteüberhangs können in engen Grenzen über die auch bei der betriebsbedingten Kündigung vorzunehmende Interessenabwägung gelöst werden.582 Die Rechtsprechung, dass eine Unternehmerentscheidung auch darin liegen könne, künftig auf Dauer mit weniger Personal zu arbeiten, hat sich am Fall der

580 Vgl. Rieble, Anm. zu BAG EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 101 und 102, S. 21, der ausführt, dass das Bundesarbeitsgericht als Konsequenz seines Betonens der Dauerhaftigkeit einen kündigungsrechtlichen Planungszeitraum – etwa von einem Jahr – vorgeben müsse. 581 Vgl. Bitter, DB 2000, 1760, 1766. 582 Vgl. zum Problem des vorübergehenden Arbeitskräfteüberhangs oben Kapitel F., S. 148 ff., insbesondere S. 151 f., wo vorgeschlagen wurde, dass eine Kündigung unangemessen ist, wenn zum Zeitpunkt der Kündigungserklärung vorhersehbar war, dass innerhalb dreier Monate nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses wieder Beschäftigungsbedarf bestehen wird. Dazu, dass auch bei der betriebsbedingten Kündigung eine Interessenabwägung vorzunehmen ist, vgl. oben Kapitel B.VI.1., S. 93 ff.

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Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 24.4.1997 entwickelt, wo Personal nicht im Produktionsbereich, sondern im Servicebereich reduziert wurde.583 Das ist kein Zufall. Im Produktionsbereich ist der Personalbedarf – allerdings im Rahmen subjektiver, vom Unternehmer frei zu wählender Ziele – in der Regel objektiv bestimmt: Will der Unternehmer mit bestimmten Maschinen eine bestimmte Anzahl von Produkten in einer bestimmten Qualität herstellen, benötigt er eine bestimmte Anzahl von Arbeitnehmern. Unterschreitet der Unternehmer die erforderliche Anzahl von Arbeitnehmern, wird es ihm nicht möglich sein, die gewünschte Stückzahl oder Qualität zu produzieren. Eine Reduzierung des Personalbedarfs wird im Produktionsbereich oft nur durch eine Veränderung der Produktionsmittel – etwa durch eine klassische Rationalisierungsmaßnahme – möglich sein.584 Dagegen ist im Servicebereich, z. B. im Verkauf, eine Reduzierung des Personals in einem gewissen Umfang oft problemlos auch ohne Veränderung der Arbeitsmittel möglich. Setzt der Unternehmer weniger Verkäufer ein, wird es eventuell zu Wartezeiten bei Kunden und damit zu Unzufriedenheit kommen, der Verkauf bleibt aber weiter möglich. An diesem weiten Spielraum bei der Organisation der Personalstruktur im Servicebereich585 liegt es, dass es auf den ersten Blick so aussieht, als bestünde die eigentliche kündigungsrechtlich relevante Organisationsentscheidung in der Festsetzung der Personalstärke. Nach der oben durchgeführten Analyse kann kündigungsrechtlich von Bedeutung aber nur eine Maßnahme sein, die zu einem Arbeitskräfteüberhang führt und damit Kündigungen bedingen kann. Dieses Kriterium erfüllt – wie oben gezeigt wurde – die Entscheidung, den Personalbestand zu reduzieren, nicht, da sie nicht den Personalbedarf entfallen lässt, sondern allenfalls den Personalbestand dem schon auf andere Weise entfallenen Personalbedarf anpasst. Ist dies richtig, muss auch bei Personalreduzierungen im Servicebereich eine organisatorische Maßnahme identifizierbar sein, die Beschäftigungsmöglichkeiten entfallen lässt. Als eine solche Maßnahme stellt sich die Umverteilung der Arbeit heraus: Es muss entschieden werden, von welchen Beschäftigten die bisher von den entfallenden Arbeitnehmern erledigten Aufgaben zusätzlich übernommen 583

Vgl. BAG 24.4.1997, AP KSchG 1969 § 2 Nr. 42, II 2 a. Allerdings gibt es auch im Produktionsbereich Fälle, in denen der Personalbedarf lediglich durch eine Änderung der Arbeitsorganisation gesenkt werden kann. War die Arbeit ineffektiv verteilt, gab es z. B. zwangsweise Pausen, in denen Arbeitnehmer auf die Zuarbeit anderer Arbeitnehmer warten mussten, und werden diese Pausen durch geschickte Umorganisation beseitigt, können die Aufgaben möglicherweise durch weniger Arbeitnehmer erledigt werden. 585 Dieser Spielraum ergibt sich daraus, dass die Zwecksetzung des Betriebes im Service und Managementbereich leichter geändert werden kann. Der Unternehmer kann sich entscheiden, mehr oder weniger serviceorientiert zu arbeiten. Änderungen in der Zwecksetzung sind zwar auch im Produktionsbereich möglich. Der Unternehmer kann sich – wie oben schon angedeutet – etwa entscheiden, eine schlechtere Qualität der Produkte in Kauf zu nehmen. Der Spielraum wird aber in der Regel wesentlich enger sein als im Service- und Managementbereich. 584

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werden sollen (sog. Leistungsverdichtung) oder ob bestimmte Aufgaben ganz aufgegeben werden. Erst diese Änderung der Aufgabenverteilung ist eine organisatorische Maßnahme, die, wenn sie durchführbar ist, den Beschäftigungsbedarf entfallen lässt. Die Umverteilung der Arbeit ist im Servicebereich oft so evident möglich, dass sie kaum in den Blick kommt und die Stellenreduzierung als die relevante Organisationsentscheidung erscheinen lässt.586 Arbeiten etwa drei Verkäufer in einer Schicht und wird einem von ihnen gekündigt, ist klar, dass die anderen beiden die Arbeit des Gekündigten übernehmen müssen und in der Regel können. Dennoch lässt erst die Entscheidung, dass die beiden anderen Verkäufer die Aufgaben des Entlassenen übernehmen sollen, den Beschäftigungsbedarf für diesen entfallen.

II. Ausgliederung Nach dem Bundesarbeitsgericht stellen die Auflösung eines betriebsinternen Dienstes und die Vergabe der in ihm ausgeführten Arbeiten an ein Unternehmen zur selbständigen Ausführung eine Rationalisierungsmaßnahme und somit ein betriebliches Erfordernis i. S. des § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG dar.587 Abgesehen davon, dass nach der in dieser Arbeit vertretenen doppelten Erforderlichkeitsprüfung die Auflösung des betriebsinternen Dienstes und die Vergabe der in ihm ausgeführten Arbeiten auf ihre Erforderlichkeit überprüft werden müssen588, ist die Aussage des Bundesarbeitsgerichts selbst auf dem Boden der h. M. ungenau. Auch nach h. M., die der Sache nach das betriebliche Erfordernis in einem Erfordernis zur Beseitigung eines Arbeitskräfteüberhangs sieht,589 kann eine Maßnahme nur dann ein betriebliches Erfordernis begründen, wenn sie zu einem Arbeitskräfteüberhang im Betrieb führt. Dabei wird auch die h. M. fordern müssen, dass der Arbeitskräfteüberhang in der Weise entsteht, dass die Nachfrage nach menschlicher Arbeitskraft – also das Beschäftigungsbedürfnis – zurückgeht.590 Diese Voraussetzungen erfüllt die Auflösung eines Betriebsteils, nicht aber die bloße Vergabe der in ihm ausgeführten Arbeiten. Die Vergabe von Arbeiten lässt für sich genommen noch nicht das Beschäftigungsbedürfnis 586 Auch Franzen (NZA 2001, 805, 811) weist darauf hin, dass die Rede vom „reinen Personalbbau als Unternehmerentscheidung“ die eigentliche hinter dem Personalabbau stehende unternehmerische Entscheidung verdecke. 587 BAG 30.4.1987, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 42, III 2 a, für den Fall der Ausgliederung von Reinigungsarbeiten. 588 Auch Annuß (S. 112) nimmt die Ausgliederung nicht als gegeben hin, sondern ist der Ansicht, dass Kündigungen in Fällen der Aufgabenverlagerung nur wirksam seien, wenn der Arbeitgeber ein ausreichendes unternehmerisches Interesse an der Verlagerung dartun könne. 589 Vgl. oben Kapitel B.II.2.b), S. 25 ff. 590 Vgl. dazu oben Kapitel C.II., S. 117 ff., insbesondere S. 120 f.; auch Kapitel H.I., S. 165 ff., insbesondere S. 168 f.

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entfallen, wenn der betriebsinterne Dienst in vollem Umfang weiter betrieben wird. Es kommt also allein auf die Auflösung oder mit anderen Worten die Stilllegung des betriebsinternen Dienstes an. Nur diese ist eine Rationalisierungsmaßnahme. Ist der betriebsinterne Dienst nicht aufgelöst, kann die bloße Vergabe von Arbeiten eine betriebsbedingte Kündigung nicht rechtfertigen.591 Durch die vorstehende Analyse wird die sog. Crewing-Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts592 bestätigt. In diesem Fall musste entschieden werden, ob die Anheuerung einer Schiffsbesatzung von einer ausländischen Crewing-Firma eine betriebsbedingte Kündigung rechtfertigen kann, wenn der Unternehmer die Schiffe weiter bereedert, insbesondere gegenüber den Beschäftigten im Wesentlichen weiterhin selbst die für die Durchführung der Arbeit erforderlichen Weisungen erteilt. In seiner Entscheidung verneint das Bundesarbeitsgericht die Wirksamkeit der Kündigung eines Kapitäns mit der zutreffenden Begründung, dass die Beschäftigungsmöglichkeit der Kapitäne weiterhin in dem Bereich, den die Beklagte selbst betrieblich organisiere, bestehe. Durch die Anheuerung bei der Crewing-Firma sollten lediglich die eigenen Beschäftigten durch ausgeliehene Arbeitnehmer ersetzt werden. Es liege eine unwirksame Austauschkündigung vor.593 Bei dem Entschluss eines Unternehmers zur Lohnkostensenkung durch Verringerung der Heuern handele es sich ebenso wenig um eine „freie Unternehmerentscheidung“, die die Arbeitsgerichte binde, wie bei dem Kündigungsentschluss als solchem.594 Damit stellt auch das Bundesarbeitsgericht darauf ab, dass durch die Anheuerung von der Crewing-Firma keine Beschäftigungsmöglichkeiten entfallen, also dadurch die Nachfrage nach menschlicher Arbeitskraft nicht sinkt. Durch die Anheuerung bei der Crewing-Firma möchte der Unternehmer lediglich den bei ihm vorhanden Beschäftigungsbedarf anders als mit eigenen Arbeitnehmern decken. Insofern geht auch der Hinweis des Bundesarbeitsgerichts, dass eine unwirksame Austauschkündigung vorliege, in die richtige Richtung. Zwar liegt eine Austauschkündigung im engeren Sinne nur vor, wenn Arbeitnehmer gekündigt werden, um neue Arbeitnehmer einzustellen bzw. wenn neue Arbeitnehmer eingestellt werden, um dann vorhandenen Arbeitnehmern zu kündigen. Dennoch trifft das Bundesarbeitsgericht mit dem Hinweis auf die Austauschkündigung das Wesentliche. Auch bei der Austauschkündigung – jedenfalls wenn erst die 591 Insoweit ist es ein Rückschritt gegenüber der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 30.4.1987 (vgl. oben Fn. 587), wenn in neueren Urteilen zwar auf diese Entscheidung verwiesen, aber nicht mehr auf die Auflösung eines betriebsinternen Dienstes, sondern nur noch auf die Vergabe von bisher im Betrieb durchgeführten Arbeiten abgestellt wird; vgl. BAG 17.6.1999, 2 AZR 522/98, NZA 1095, 1097, II 1 b bb; BAG 26.9.1996, NZA 1997, 202, 203, II 2 c. 592 BAG 26.9.1996, NZA 1997, 202 ff. 593 Vgl. BAG 26.9.1996, NZA 1997, 202, 203, II 2 d. 594 Vgl. BAG 26.9.1996, NZA 1997, 202, 203, II 3 b.

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Neueinstellung und dann die Kündigung der vorhandenen Arbeitnehmer erfolgt595 – wird nämlich der Arbeitskräfteüberhang nicht durch eine Reduzierung der Nachfrage nach menschlicher Arbeitskraft, sondern durch eine Erhöhung des Angebots an Arbeitskräften erzeugt. Ein betriebliches Erfordernis im Sinne von § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG liegt aber nur vor, wenn eine erforderliche betriebliche Maßnahme die Nachfrage nach Arbeitskraft verringert.596 Der Unternehmer soll nach dem Kündigungsschutzgesetz alle erforderlichen betrieblichen Veränderungen vornehmen können, auch wenn sie zum Verlust von Beschäftigungsmöglichkeiten führen. Solange aber die Beschäftigungsmöglichkeiten existieren, muss er seinen Bedarf mit den vorhandenen Arbeitnehmern decken. Damit trifft auch der Hinweis des Bundesarbeitsgerichts, dass keine freie Unternehmerentscheidung vorliege, den Kern der Sache. Wenn man nämlich überhaupt freie Unternehmerentscheidungen anerkennt, so wird man diese von der unfreien, weil voll überprüfbaren Kündigung abgrenzen müssen. Das ist aber nur überzeugend möglich, wenn man lediglich diejenigen Unternehmerentscheidungen als frei ansieht, die sich auf betriebliche Maßnahmen beziehen, durch die die Nachfrage nach menschlicher Arbeitskraft sinkt.597 Die Erkenntnis der Crewing-Entscheidung, dass die bloße Vergabe von Tätigkeiten an ein externes Unternehmen keine freie Unternehmerentscheidung darstellen kann, solange die Beschäftigungsmöglichkeit in dem die Tätigkeit vergebenden Betrieb noch fortbesteht, ist in der neueren Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts in Vergessenheit geraten.598 Im sog. Rheumaklinik-Urteil führt das Bundesarbeitsgericht aus, dass die Unternehmerentscheidung des Betreibers eines Krankenhauses, bestimmte Teilbereiche (Küche, Reinigungsdienst) nicht mehr durch eigene Arbeitskräfte wahrnehmen zu lassen, sondern damit ein Drittunternehmen zu beauftragen, grundsätzlich nicht auf ihre sachliche Rechtfertigung oder ihre Zweckmäßigkeit zu überprüfen sei.599 Damit geht das Gericht davon aus, dass diese Entscheidung eine „an sich freie“ Unternehmerentscheidung sei.600 Das unternehmerische Konzept sei jedoch rechtsmissbräuchlich, wenn nach wie vor Beschäftigungsbedarf bestehe.601 Wie in den Entscheidungen vom 17.6.1999, die sich mit dem Entschluss des Arbeitgebers 595 Erfolgt erst die Kündigung der vorhandenen Arbeitnehmer und dann die Neueinstellung, ist die Kündigung schon deshalb unwirksam, weil zum Zeitpunkt der Kündigung noch kein Arbeitskräfteüberhang besteht. 596 Vgl. oben Kapitel B.IV.1., S. 74. 597 Vgl. zu diesem Problem schon oben Kapitel C.II., S. 117 ff., besonders S. 120 f. und Kapitel H.I., S. 165 ff., besonders S. 168. 598 Auch Reuter (RdA 2004, 161, 161, unter 1 a der Ausführungen) weist darauf hin, dass es verwundert, dass das Bundesarbeitsgericht im Rheumaklinik-Urteil nicht an die Crewing-Entscheidung anknüpft. 599 BAG 26.9.2002, NZA 2003, 549, 551, II e aa. 600 Vgl. BAG 26.9.2002, NZA 2003, 549, 551, II d. 601 Vgl. BAG 26.9.2002, NZA 2003, 549, 551, II e cc.

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befassen, den Personalbestand auf Dauer zu reduzieren,602 verlagert das Bundesarbeitsgericht damit im Rheumaklinik-Urteil die Voraussetzung einer betrieblichen Maßnahme, die zum Wegfall von Beschäftigungsmöglichkeiten führt, vom Tatbestand der betriebsbedingten Kündigung in die Missbrauchsprüfung. Obwohl im Ergebnis – außer der offenen Frage der Beweislast – kein Unterschied besteht603, ist eine Lösung mit Hilfe des Einwands des Rechtsmissbrauchs abzulehnen. Abgesehen davon, dass ohnehin gewichtige Gründe gegen eine Missbrauchsprüfung sprechen, wenn die Lösung schon über eine Auslegung der Tatbestandsmerkmale gefunden werden kann,604 war im entschiedenen Fall unstreitig die Klinik in wirtschaftlichen Schwierigkeiten und hätte durch die geplante Umstrukturierung eine Ersparnis von über 1,6 Millionen DM erzielt. Wie bei einem solchen handfesten Eigeninteresse Rechtsmissbrauch vorliegen soll, kann kaum einsichtig gemacht werden.605 Zu der Verlagerung der Prüfung einer betrieblichen Maßnahme, die zum Wegfall von Beschäftigungsmöglichkeiten führt, vom Tatbestand in die Missbrauchsprüfung606 kommt es im Rheumaklinik-Urteil, weil das Bundesarbeitsgericht in methodisch unzulässiger Weise den Schwerpunkt der Betrachtung auf die bloße Entscheidung des Arbeitgebers legt, Teilbereiche seines Betriebes stillzulegen und auf ein anderes Unternehmen zu übertragen. Richtigerweise 602

Siehe oben Kapitel H.I., S. 165 ff., insbesondere S. 170 ff. Siehe dazu oben Kapitel H.I., S. 165 ff., insbesondere S. 174 f. 604 Siehe dazu oben Kapitel H.I., S. 165 ff., insbesondere S. 173 ff. Adomeit (SAE 2003, 237, 238, unter 4. der Ausführungen) weist zutreffenderweise darauf hin, dass eine Lösung über den Rechtsmissbrauch gegenüber der bloßen Verneinung des Tatbestandes der betriebsbedingten Kündigung unnötigerweise ein Unwerturteil enthalte und den Eindruck erwecke, als sollte die betriebliche Veränderung als solche – im Fall des Rheumaklinik-Urteils die Gründung der der Klinik eingegliederten Organgesellschaft und die Übertragung der Arbeiten der betroffenen Abteilungen auf diese – für unzulässig erklärt werden. 605 Ebenso Bengelsdorf, Anm. zu BAG 26.9.2002, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 124, C I der Ausführungen; Annuß, NZA 2003, 783, 785. Auch Annuß weist darauf hin, dass die schlichte Konkretisierung des einfachgesetzlichen Tatbestandes gegenüber einer Lösung über den Rechtsmissbrauch und einem unmittelbaren Rückgriff auf Verfassungsgrundsätze vorzugswürdig sei. Er möchte die Lösung allerdings über das Tatbestandsmerkmal der Dringlichkeit suchen. 606 Thüsing/Stelljes (Anm. zu BAG EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 124) legen ihr Augenmerk lediglich auf die Erweiterung der Missbrauchsprüfung und sehen daher im Rheumaklinik-Urteil eine bedeutsame Einschränkung der Freiheit der Unternehmerentscheidung. Als erste Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts, in der ein Missbrauch der freien Unternehmerentscheidung bejaht wurde, sei das Rheumaklinik-Urteil die wichtigste Entscheidung des Kündigungsschutzrechts seit einigen Jahren. Thüsing/Stelljes übersehen dabei, dass es sich der Sache nach um eine bloße Verlagerung der Prüfung des Wegfalls der Beschäftigungsmöglichkeit vom Tatbestand in die Missbrauchsprüfung handelt, weswegen das Rheumaklinik-Urteil im Ergebnis keine Neuerung darstellt. Diese Verlagerung wurde vom Bundesarbeitsgericht schon in den Entscheidungen v. 17.6.1999 vorgenommen und führte damals schon zu ähnlichen Missverständnissen, vgl. oben Kapitel H.I., S. 165 ff., insbesondere S. 174 f. 603

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kommt es aber auf die tatsächliche Stilllegung und Übertragung an.607 Wie schon bei der Entscheidung, den Personalbestand auf Dauer zu reduzieren,608 und im Widerspruch zur älteren Rechtsprechung609 geht das Bundesarbeitsgericht davon aus, dass grundsätzlich die Entscheidung des Unternehmers unhinterfragt hinzunehmen sei, so dass erst einmal davon auszugehen sei, dass durch die Entscheidung selbst Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten entfallen.610 Offenbar soll schon die bloße Unternehmerentscheidung und nicht erst die tatsächliche betriebliche Veränderung den Tatbestand der betriebsbedingten Kündigung erfüllen können. Betrachtet man die Dinge so, dann kann in der Tat erst in der Missbrauchsprüfung untersucht werden, ob tatsächlich Beschäftigungsmöglichkeiten entfallen sind, etwa weil der Betrieb tatsächlich stillgelegt wurde. Richtigerweise liegt aber schon der Tatbestand der betriebsbedingten Kündigung – also ein dringendes betriebliches Erfordernis, das Kündigungen bedingt – nur vor, wenn zum Zeitpunkt der Kündigung absehbar ist, dass es durch eine tatsächliche betriebliche Veränderung zum Zeitpunkt des Ablaufs der Kündigungsfrist zum Wegfall von Beschäftigungsmöglichkeiten kommt. Die bloße Entscheidung oder der bloße Wunsch zu einer solchen Veränderung genügen nicht. Obwohl die Crewing-Entscheidung die Lösung über den Tatbestand der betriebsbedingten Kündigung, das Rheumaklinik-Urteil dagegen über die Missbrauchsprüfung sucht, so stellen doch beide Entscheidungen übereinstimmend richtigerweise darauf ab, ob die Beschäftigungsmöglichkeit im Betrieb tatsächlich weiterhin besteht.611 Wenn Aufgaben an ein externes Unternehmen zur selbständigen Ausführung vergeben werden, stellt sich jedoch das Problem, ob die Beschäftigungsmöglichkeit weiter im übertragenden Unternehmen besteht oder ob sie ins externe Unternehmen verlagert wurde. Formal betrachtet erle607 Auch Reuter (RdA 2004, 161, 161 f., 167, unter 1 und 4 der Ausführungen) weist richtigerweise darauf hin, dass die beklagte Rheumaklinik nicht ihre unternehmerische Freiheit missbraucht, sondern allenfalls eine in Wirklichkeit nicht vorliegende unternehmerische Entscheidung – zur Betriebsstilllegung – vorgetäuscht habe. Es komme aber darauf an, dass eine (Teil-)Betriebsstilllegung nicht nur dem rechtskonstruktiven Schein, sondern dem realen Sein nach vorliege. 608 Siehe oben Kapitel H.I., S. 165 ff. 609 Siehe oben Kapitel H.I., S. 165 ff., insbesondere S. 170 ff. 610 Vgl. BAG 26.9.2002, 549, 551, II 1 e aa, wo das Bundesarbeitsgericht auf den konzernbezogenen Kündigungsschutz eingeht, weil es davon ausgeht, dass Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten im Betrieb bzw. Unternehmen durch die bloße Entscheidung des Arbeitgebers, Teilbereiche seines Betriebes stillzulegen und auf ein anderes Unternehmen zu übertragen, entfallen seien. Vgl. auch BAG 17.6.1999, 2 AZR 522/98, NZA 1999, 1095, 1097, II 1 b bb, wo das Bundesarbeitsgericht ausführt, dass in der Vergabe von bisher im Betrieb durchgeführten Arbeiten an einen Unternehmer zur selbständigen Durchführung eine die Arbeitsgerichte bindende Unternehmerentscheidung zu sehen sei, die zum Wegfall von Beschäftigungsmöglichkeiten führe. 611 Vgl. BAG 26.9.1996, NZA 1997, 202, 203, II 2 d; BAG 26.9.2002, NZA 2003, 549, 551 f., II 1 e cc und dd.

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digt dieses Unternehmen dann die anfallenden Aufgaben, so dass man der Ansicht sein könnte, dass bei ihm der Beschäftigungsbedarf besteht. Das mag so sein, wenn es um reine Dienstleistungstätigkeiten wie Bewachungs- und Reinigungsaufgaben geht. Problematisch ist es jedoch, wenn für die Tätigkeit Betriebsmittel wesentlich sind und das externe Unternehmen mit den alten Betriebsmitteln weiterarbeitet. Wenn nämlich weiterhin „dieselben Arbeiten an derselben Betriebsstätte“612 verrichtet werden, kann man der Ansicht sein, dass die Beschäftigungsmöglichkeiten an die Betriebsmittel gebunden sind. Zur Lösung der Frage, ob in einem solchen Fall die Beschäftigungsmöglichkeiten beim übertragenden oder beim externen Unternehmen bestehen, stellt das Bundesarbeitsgericht darauf ab, wer die Organisations- und Leitungsmacht über die Betriebsmittel und die an ihnen tätig werdenden Arbeitnehmer hat.613 Dem ist zuzustimmen. Behält das übertragende Unternehmen die Organisations- und Leitungsmacht, wird es auch entscheiden können, wie es die Nachfrage nach menschlicher Arbeitskraft deckt. Es wird dann – wenn es nur will – auch seine bisherigen Arbeitnehmer weiterbeschäftigen können; eine betriebsbedingte Kündigung ist mangels Wegfalls von Beschäftigungsmöglichkeiten unwirksam. Verliert dagegen das übertragende Unternehmen die Leitungsmacht, bestehen die Beschäftigungsmöglichkeiten beim externen Unternehmen. Der Arbeitnehmer genießt dann allerdings den Schutz des § 613a BGB. Diese Betrachtungsweise ist nicht nur in sich stimmig, sondern führt auch zu sachgerechten Ergebnissen. Sie lässt sich insbesondere sehr gut mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes zum Betriebsübergang vereinbaren. Verlagert sich nämlich die Leitungsmacht über die Betriebsmittel zum externen Unternehmen, wird – wenn die Betriebsmittel für die auszuführende Tätigkeit wesentlich sind – nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes ein Betriebsübergang nach § 613a BGB vorliegen, so dass für den betroffenen Arbeitnehmer keine Rechtsschutzlücke entsteht. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, der sich das Bundesarbeitsgericht angeschlossen hat614, liegt ein Betriebsübergang vor, wenn eine wirtschaftliche Einheit ihre Identität bewahrt. Eine wirtschaftliche Einheit liegt vor, wenn eine organisierte Gesamt612

BAG 26.9.2002, NZA 2003, 549, 551 f., II 1 e cc. Im Falle der Crewing-Entscheidung behielt die Reederei weitgehend das Direktionsrecht über die Arbeitnehmer. Im Falle des Rheumaklinik-Urteils war die Klinik zwar nicht unmittelbar gegenüber den Arbeitnehmern weisungsberechtigt, sie übertrug aber die Tätigkeiten auf eine unselbständige, von ihr weitgehend abhängige Organgesellschaft, so dass ihre Leitungsmacht mittelbar durch ihren Einfluss auf die Organgesellschaft bestand. A. A. Moll, Anm. zu BAG 26.9.2002, EWiR 2003, 779, 780, der die Ansicht vertritt, dass die Dienstleistungs-GmbH im Fall des Rheumaklink-Urteils angesichts ihrer Gesellschafterstruktur und der Entscheidungsbefugnisse der Gesellschaftergesamtheit ein anderes Unternehmen mit eigener Betriebsleitungsmacht darstelle. 614 Vgl. BAG 22.5.1997, NZA 1997, 1050, 1052, B II 2 c; BAG 13.11.1997, NZA 1998, 249, 250, II 1. 613

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heit von Personen und Sachen besteht, und zwar zur Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit mit eigener Zielsetzung. Ob eine wirtschaftliche Einheit ihre Identität bewahrt, also weiter besteht, ist anhand sämtlicher den betreffenden Vorgang kennzeichnenden Tatsachen zu beurteilen. Dabei haben sich durch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs bestimmte Kriterien herausgebildet.615 Diesen Kriterien kommt je nach der ausgeübten Tätigkeit und auch nach den Produktions- oder Betriebsmethoden, die in dem betreffenden Unternehmen, Betrieb oder Betriebsteil angewendet werden, unterschiedliches Gewicht zu. So kann bei Tätigkeiten, bei denen es im Wesentlichen auf die menschliche Arbeitskraft ankommt, der Übergang der Hauptbelegschaft genügen.616 Bei betriebsmittelbezogenen Tätigkeiten, das heißt bei Tätigkeiten, für die die materiellen Betriebsmittel wesentlich oder sogar unerlässlich sind, kann der Übergang dieser Betriebsmittel reichen.617 Wendet man diese Grundsätze auf die Crewing-Entscheidung und das Rheumaklinik-Urteil an, so handelt es sich in beiden Fällen wohl um betriebsmittelbezogene Tätigkeiten, so dass die wirtschaftliche Einheit an die Betriebsmittel geknüpft ist.618 Da die Betriebsmittel weiter betrieben werden, besteht demnach auch die wirtschaftliche Einheit fort. Ein Betriebsübergang scheiterte in beiden Fällen lediglich daran, dass die wirtschaftliche Einheit nicht auf einen anderen Inhaber übergegangen ist.619 Das 615 Vgl. EuGH 20.11.2003, NZA 2003, 1385, 1386, Rn. 29–33 – Abler u. a. Nach dem EuGH gehören zu diesen Kriterien die Art des betreffenden Unternehmens oder Betriebs, der etwaige Übergang der materiellen Betriebsmittel wie Gebäude und bewegliche Güter, der Wert der immateriellen Aktiva im Zeitpunkt des Übergangs, die etwaige Übernahme der Hauptbelegschaft durch den neuen Inhaber, der etwaige Übergang der Kundschaft sowie der Grad der Ähnlichkeit zwischen den vor und nach dem Übergang verrichteten Tätigkeiten und die Dauer einer eventuellen Unterbrechung dieser Tätigkeiten. Ebenso BAG 22.7.2004, NZA 2004, 1383, 1385, B II 1. 616 Vgl. EuGH 11.3.1997, NZA 1997, 433, 434, Rn. 21 – Ayse Süzen. 617 Vgl. EuGH 20.11.2003, NZA 2003, 1385, 1387, Rn. 34–37 – Abler u. a. Vgl. auch BAG 22.7.2004, NZA 2004, 1383, Leitsatz und unter B II 2 b bb (6) der Gründe, wo klargestellt wird, dass der Nichtübernahme von Personal grundsätzlich nur bei betriebsmittelarmen Betrieben den Tatbestand des Betriebsübergangs ausschließende Bedeutung zukommen kann. 618 Das Bundesarbeitsgericht (Urteil v. 25.5.2000, 8 AZR 337/99, n. v., B II 1 f) hat in einem ähnlichen Fall der Übernahme einer Betriebskantine ohne Übernahme des Personals einen Betriebsübergang nach § 613a BGB bejaht. Es müssten nicht immer sämtliche Kriterien für den Übergang einer wirtschaftlichen Einheit vorliegen, ihnen komme je nach der ausgeübten Tätigkeit unterschiedliches Gewicht zu. Die Übernahme der Belegschaft sei dementsprechend nicht unabdingbare Voraussetzung für einen Betriebsübergang. Dem Bundesarbeitsgericht folgend ErfK/Preis, § 613a BGB, Rn. 29. 619 A. A. Adam, Anm. zu BAG 26.9.2002, DZWIR 2003, 240, 244 f., der im Fall des Rheumaklinik-Urteils einen Betriebsübergang bejaht. Der Umstand, dass die Betriebsmittel im Eigentum des Übertragenden verbleiben, steht einem Übergang der Betriebsmittel und des Betriebes nicht entgegen, vgl. EuGH 20.11.2003, NZA 2003, 1385, 1386, Rn. 34–37 – Abler u. a.; BAG 11.12.1997, DB 1998, 885, B I.

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setzt nämlich nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts voraus, dass der neue Inhaber den Betrieb führt, also die Leitungsmacht über die wirtschaftliche Einheit übernimmt.620 Der bisherige Unternehmer muss seine wirtschaftliche Betätigung in dem Betrieb oder Betriebsteil einstellen. Entscheidend ist damit, ob der Erwerber die Betriebsleitung erhalten hat.621 Das war aber in beiden Fällen nicht so.622 Wenn aber die wirtschaftliche Einheit weiter betrieben 620 Vgl. BAG 18.3.1999, AP BGB § 613a Nr. 189, II 1; BAG 12.11.1998, NZA 1999, 310, 310 f., B I 1; BAG 25.5.2000, 8 AZR 337/99, n. v., B I; Schmitt, Anm. zu EuGH 7.3.1996 – Merckx u. Neuhuys, WiB 1996, 742, 744. Allerdings geht der Europäische Gerichtshof in seiner Entscheidung vom 20.11. 2003 (NZA 2003, 1385, 1387 – Abler u. a.) lediglich auf den Fortbestand der wirtschaftlichen Einheit, nicht aber darauf ein, ob der neue Auftragnehmer den Betrieb führt. Das ist problematisch, weil die Leitungsmacht und damit die Betriebsführung von vornherein beim Auftraggeber geblieben sein könnte. Es bleibt offen, ob der Europäische Gerichtshof, der in dieser Entscheidung einen Betriebsübergang bejaht, auf einen Wechsel in der Betriebsführung nicht eingeht, weil ein solcher für ihn selbstverständlich war, oder ob er einen Wechsel in der Leitungsmacht für den Übergang eines Betriebes gar nicht für erforderlich hält, sondern lediglich auf den Fortbestand der wirtschaftlichen Einheit abstellen will (auch Diller/Grzyb, Anm. zu EuGH 20.11.2003, EWiR 2004, 85, 86, weisen darauf hin, dass das Urteil des EuGH dazu einlade, die Rechtsprechung des BAG zu hinterfragen, nach der ein Betriebsübergang beim Auftragswechsel voraussetzt, das dem Auftragnehmer die Betriebsmittel zur eigenwirtschaftlichen Nutzung überlassen sind). Das hätte zur Folge, dass ein Betriebsübergang schon dann bejaht werden müsste, wenn die wirtschaftliche Einheit fortbesteht und die Arbeitgeberstellung lediglich formal wechselt (so interpretieren Schnitker/Grau, Anm. zu EuGH 20.11.2003, BB 2004, 275 und Willemsen/Annuß, DB 2004, 134, 135, die Entscheidung des EuGH). Dann würde nach der neuesten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes auch in den Fällen der Crewing-Entscheidung und des Rheumaklinik-Urteils ein Betriebsübergang vorliegen. In dieser Arbeit wird aber davon ausgegangen, dass für einen Betriebsübergang ein Wechsel in der Betriebsführung notwendig ist (im Ergebnis ebenso Bauer, NZA 2004, 14, 17, der allerdings schon die Eigenschaft als Betriebsmittel in Frage stellt, wenn es an der Eigenwirtschaftlichkeit der Nutzung desselben fehlt). Dafür spricht insbesondere, dass ansonsten der Betrieb nicht eindeutig einem Unternehmen zugeordnet werden könnte, wenn Arbeitnehmer mehrerer Unternehmen in einem Betrieb tätig sind. 621 Vgl. ErfK/Preis, § 613a BGB, Rn. 52. Die Aussage des Bundesarbeitsgerichts (BAG 12.11.1998, NZA 1999, 310, 311, Leitsatz und unter B I 1 der Gründe, bestätigt durch BAG 22.7.2004, B II 1), dass es einer besonderen Übertragung der Leitungsmacht nicht bedürfe, muss so verstanden werden, dass sie keinen Einwand gegen das Erfordernis eines Wechsels in der Betriebsleitung darstellen, sondern lediglich deutlich machen soll, dass kein gesonderter Übertragungsakt erforderlich ist. Das kann schon daraus entnommen werden, dass das Bundesarbeitsgericht Betriebsinhaberschaft und Leitungsmacht gleichsetzt (vgl. BAG 12.11.1998, NZA 1999, 310, 311, B I 2 a). Darüber hinaus deckt sich letztlich auch das Merkmal der Eigenwirtschaftlichkeit der Nutzung von im fremden Eigentum stehenden Betriebsmitteln (im Gegensatz zur bloßen Leistung an fremden Betriebsmitteln), auf das das Bundesarbeitsgericht abstellt (vgl. BAG 11.12.1997, DB 1998, 885 f.; BAG 25.5.2000, 8 AZR 337/99, n. v., B I), mit dem Merkmal der Leitungsmacht: Nur wenn jemand die Leitungsmacht über die Betriebsmittel hat, wird er sie auch eigenwirtschaftlich nutzen können. Das wird auch daran deutlich, dass nach dem Bundesarbeitsgericht wichtige Kriterien für die Eigenwirtschaftlichkeit sind, ob der neue Inhaber über Art und Umfang der Betriebsmittel bestimmen kann und von Wei-

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wird und mangels eines Wechsels der Leitungsmacht nicht auf einen neuen Inhaber übergegangen ist, dann kann sie sich denknotwendig nur beim ursprünglichen Inhaber befinden. Dann müssen aber auch die Arbeitsplätze – die Beschäftigungsmöglichkeiten – noch im ursprünglichen Unternehmen vorhanden sein, da sie an die wirtschaftliche Einheit geknüpft sind. Schließlich ist der Begriff der wirtschaftlichen Einheit vom Europäischen Gerichtshof entwickelt worden, um die Kontinuität der im Rahmen dieser Einheit bestehenden Arbeitsverhältnisse unabhängig von einem Inhaberwechsel zu gewährleisten.623 Das bedeutet, dass die Beschäftigungsmöglichkeiten an die wirtschaftliche Einheit gebunden sind und so lange existieren wie diese besteht. Damit genießt der Arbeitnehmer, solange die wirtschaftliche Einheit mit ihren Beschäftigungsmöglichkeiten weiterbesteht, den lückenlosen Schutz des § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG: Entweder unmittelbar, wenn die wirtschaftliche Einheit sich weiter beim ursprünglichen Arbeitgeber befindet, oder, wenn sie auf einen anderen Inhaber übergeht, in Verbindung mit § 613a BGB. Das ist auch sachgerecht. Wenn nämlich der Arbeitnehmer sogar dann geschützt ist, wenn die wirtschaftliche Einheit übergeht, dann muss dies erst recht gelten, wenn die wirtschaftliche Einheit mangels Wechsels in der Leitungsmacht beim ursprünglichen Arbeitgeber verbleibt. In der Literatur wird zum Rheumaklink-Urteil im Gegensatz zu der hier vertretenen Lösung die Ansicht vertreten, dass der Weg über die Verneinung des betrieblichen Erfordernisses schlechterdings verschlossen gewesen sei, weil für die Annahme eines Fortbestands der betrieblichen Organisation von Küche und Servierbereich bei der beklagten Rheumaklinik jeder Anhaltspunkt fehle.624 Diese Ansicht will offenbar aus dem Untergang der betrieblichen Organisation bei der beklagten Klinik schließen, dass ein betriebliches Erfordernis, das Kündigungen bedingt, vorliegt. Das ist jedoch nicht zutreffend. Zunächst kann schon nicht zugestimmt werden, dass die betriebliche Organisation bei der Beklagten untergegangen ist. Alleine auf den Umstand abzustellen, dass versucht wurde, die Arbeitgeberstellung zu wechseln, ist zu schematisch. Auch das Gesetz geht davon aus, dass ein Betrieb nicht untergeht, wenn der Inhaber wechselt, ansonsten wäre ein Betriebsübergang nach § 613a BGB nicht möglich.625 Im Rheumaklinik-Urteil besteht der Betrieb als solcher aber sungen des bisherigen Inhabers abhängig ist (vgl. BAG 25.5.2000, 8 AZR 337/99, n. v., B I bzw. B II d aa). 622 s. o., Fn. 613. Im Rheumaklinik-Urteil weist das Bundesarbeitsgericht darauf hin, dass durch die Übertragung der betrieblichen Dienste auf eine unselbständige Organgesellschaft die beklagte Klinik einen Betriebsübergang nach § 613a BGB vermeiden wolle, vgl. BAG 26.9.2002, NZA 2003, 549, 552, II 1 e dd. 623 Vgl. EuGH 20.11.2003, NZA 2003, 1385, 1386, Rn. 29 – Abler u. a.; vgl. auch Preis, Ulrich, Arbeitsrecht I, S. 886. 624 Vgl. Annuß, NZA 2003, 783, 784. 625 Vgl. ErfK/Preis § 613a BGB, Rn. 57.

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fort, da dieselben Arbeiten an derselben Betriebsstätte weiter verrichtet werden. Wenn aber die betriebliche Organisation als solche noch besteht und mangels Übergangs der Leitungsmacht nicht auf ein anderes Unternehmen übergegangen ist, muss sie beim ursprünglichen Unternehmen weiterbestehen.626 Man wird also – ähnlich wie in Bezug auf die wirtschaftliche Einheit – annehmen müssen, dass ein Betrieb, auch wenn nunmehr ein anderer Arbeitgeber in ihm tätig wird, beim ursprünglichen Arbeitgeber weiterbestehen kann, nämlich dann, wenn dieser die Leitungsmacht behält. Aber selbst wenn man der Ansicht sein sollte, dass der Betrieb kündigungsschutzrechtlich immer bei dem Rechtsträger anzusiedeln ist, der in ihm tätig ist – was allerdings bedeuten würde, dass die Betriebszuordnung nach § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG und die nach § 613a BGB auseinander fielen –, so ist entscheidend für das betriebliche Erfordernis im Sinne von § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG gar nicht der Wegfall der betrieblichen Organisation beim Arbeitgeber, sondern der Wegfall von Beschäftigungsmöglichkeiten. Der Begriff der betrieblichen Organisation taucht im Begriff des betriebsbedingten Kündigungsgrundes nicht auf. Dieser liegt vor, wenn eine erforderliche betriebliche Veränderung zum Wegfall von Beschäftigungsmöglichkeiten führt.627 Wenn Beschäftigungsmöglichkeiten wegfallen, ist dies zwar nur denkbar, wenn sich auch die betriebliche Organisation ändert, die ursprüngliche betriebliche Organisation also in gewissem Sinne wegfällt. Umgekehrt gilt dies jedoch nicht: Ist die ursprüngliche betriebliche Organisation weggefallen, heißt das nicht automatisch, dass auch die Beschäftigungsmöglichkeiten entfallen sind.628 Diese können z. B. im Rahmen einer anderen betrieblichen Organisation weiterbestehen bzw. neu entstanden sein. Letztlich ist aber für die Frage, bei welchem Arbeitgeber eine Beschäftigungsmöglichkeit besteht, gar nicht die betriebliche Organisation, sondern der Umstand entscheidend, wer die Macht hat zu bestimmen, mit welchem Arbeitnehmer ein bestehender Arbeitsplatz besetzt wird. Deswegen fällt die Beschäftigungsmöglichkeit beim ursprünglichen Arbeitgeber nicht weg, wenn er weiter einen bestimmenden Einfluss auf den Betrieb ausübt, in dem die Beschäftigungsmöglichkeit vorhanden ist. Damit wird wieder das Kriterium der Leitungsmacht zum entscheidenden Umstand. Es sei klargestellt, dass es bei diesem Lösungsweg, den im Ansatz auch das Bundesarbeitsgericht – allerdings innerhalb 626 In diesem Sinne hat nach der Zusammenfassung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. BAG 26.9.2002, NZA 2003, 549, 550, I) die Vorinstanz, das LAG Schleswig-Holstein, argumentiert. Das LAG ist der Ansicht, dass bei der beklagten Rheumaklinik gar keine Teilbetriebsstillegung vorliege, da die Beklagte ihre Befugnisse als Arbeitgeberin und Unternehmerin in den betroffenen Betriebsbereichen nicht vollständig aufgegeben, sondern in wesentlichen Funktionen beibehalten habe. 627 Vgl. oben Kapitel B.III.1., S. 71. 628 Mit anderen Worten ist der Wegfall der ursprünglichen betrieblichen Organisation lediglich notwendige, nicht aber hinreichende Bedingung dafür, dass ein betriebliches Erfordernis im Sinne von § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG vorliegt.

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der Missbrauchsprüfung – gewählt hat629, nicht darum geht, dem ursprünglichen Arbeitgeber den Beschäftigungsbedarf beim neuen Arbeitgeber zuzurechnen, sondern darum, dass die Beschäftigungsmöglichkeit noch beim ursprünglichen Arbeitgeber besteht.630 Im Ergebnis kann nach alledem der Arbeitnehmer seinen Kündigungsschutz nur verlieren, wenn die wirtschaftliche Einheit untergeht. Das wird bei Tätigkeiten, bei denen es im Wesentlichen auf die menschliche Arbeitskraft ankommt, der Fall sein, wenn das neue Unternehmen nicht einen wesentlichen Teil des Personals übernimmt und auch die übrigen Kriterien für den Fortbestand der wirtschaftlichen Einheit nicht erfüllt sind. Bei betriebsmittelbezogenen Tätigkeiten wird die wirtschaftliche Einheit in der Regel nur dann untergehen, wenn der Unternehmer, auf den die bisher im Betrieb ausgeführten Tätigkeiten übertragen werden, mit neuen Betriebsmitteln arbeitet. Arbeitet er mit den alten Betriebsmitteln, liegt ein Betriebsübergang vor, wenn er die Leitungsmacht übernimmt. Bleibt die Leitungsmacht beim ursprünglichen Unternehmen – wie in den Fällen der Crewing-Entscheidung und des Rheumaklink-Urteils –, kann dieses Unternehmen im Rahmen seiner Leitungsmacht dafür sorgen, dass die alten Arbeitnehmer weiterbeschäftigt werden. Damit bleiben die Beschäftigungsmöglichkeiten im ursprünglichen Betrieb, so dass eine betriebsbedingte Kündigung mangels eines betrieblichen Erfordernisses, das Kündigungen bedingen kann, ausscheidet. Diese Analyse wirft neues Licht auf das vom Bundesarbeitsgericht im Rheumaklinik-Urteil angesprochene Problem des konzernbezogenen Kündigungsschutzes.631 Dieses Problem kann sich nur stellen, wenn keine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit mehr im Betrieb bzw. im Unternehmen besteht. Nur dann ist es sinnvoll, darüber nachzudenken, ob eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit im Konzern besteht und ob diese zu berücksichtigen ist.632 Besteht nämlich eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit im Betrieb, ist der Arbeitnehmer entweder über § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG oder über § 613a BGB geschützt. Auf das Problem des konzernbezogenen Kündigungsschutzes kann es nur ankommen, wenn die wirtschaftliche Einheit untergegangen ist, wenn z. B. Reinigungsaufgaben auf ein Unternehmen übertragen werden, das zum gleichen Konzern gehört, und

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Vgl. BAG 26.9.2002, NZA 549, 551, II 1 e cc. A. A. Annuß, der die in der Tat unklaren Äußerungen des Bundesarbeitsgerichts dahingehend versteht, dass es bemüht sei, der beklagten Rheumaklinik den bei der Service-GmbH bestehenden Beschäftigungsbedarf zuzurechnen. 631 Vgl. BAG 26.9.2002, NZA 2003, 549, 551, II 1 e aa. 632 Das Bundesarbeitsgericht geht unnötigerweise auf den konzernbezogenen Kündigungsschutz ein, weil es fälschlicherweise der Ansicht ist, dass schon durch die bloße Entscheidung des Arbeitgebers, Teilbereiche seines Betriebes stillzulegen und auf ein anderes Unternehmen zu übertragen, Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten im Betrieb entfallen, vgl. dazu oben S. 184. 630

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H. Ausgewählte Einzelfälle

dieses Unternehmen mit eigenen Betriebsmitteln arbeitet und auch nicht einen wesentlichen Teil der Belegschaft übernimmt.

III. Umwandlung von Arbeitsverhältnissen in freie Mitarbeiterverhältnisse In der sog. Weight-Watchers-Entscheidung633 hat das Bundesarbeitsgericht die Ansicht vertreten, dass die Umgestaltung von Arbeitsverhältnissen in freie Mitarbeiterverhältnisse eine innerbetriebliche Umstrukturierungsmaßnahme darstelle, die zum Wegfall von Beschäftigungsmöglichkeiten führe. Diese Ansicht wird von Ulrich Preis mit dem Argument angegriffen, dass bei der Umwandlung von Arbeitsverhältnissen in freie Mitarbeiterverhältnisse eine unzulässige Austauschkündigung vorliege, weil weiterhin ein Beschäftigungsbedürfnis bestehe und auch die Mitarbeiter weitgehend die gleichen blieben. Der Arbeitgeber wolle lediglich den gleichen Arbeitskräftebedarf zu anderen rechtlichen Bedingungen befriedigen. Das Umgestalten von Arbeitsverhältnissen in freie Mitarbeiterverhältnisse sei ebenso zu beurteilen wie der bloß formale Wechsel des Arbeitgebers in der Crewing-Entscheidung.634 Ulrich Preis ist zuzustimmen, dass die bloße Umwandlung von Arbeitsverhältnissen in freie Mitarbeiterverhältnisse noch nicht dazu führt, dass Beschäftigungsmöglichkeiten entfallen.635 Beschäftigungsmöglichkeiten entfallen nur dann, wenn eine Beschäftigung von Arbeitnehmern in der beim Arbeitgeber vorhandenen Arbeitsorganisation nicht mehr möglich ist. Ist es dem Arbeitgeber möglich, im Rahmen seiner Organisation sowohl Arbeitnehmer als auch freie Mitarbeiter einzusetzen oder tut er dies bereits, kann er seinen Arbeitnehmern nicht betriebsbedingt kündigen, wenn sie sich weigern, in ein freies Mitarbeiterverhältnis zu wechseln.636 Allerdings können im Rahmen der Umgestaltung von Arbeitsverhältnissen in freie Mitarbeiterverhältnisse sehr wohl Beschäftigungsmöglichkeiten entfallen, und zwar dann, wenn eine betriebliche Tätigkeit vollständig auf freie Mitarbeiter übertragen wird. Das bedeutet nämlich gleichzeitig, dass der Arbeitgeber diese betriebliche Tätigkeit aufgibt und insoweit eine Stilllegung des Betriebs oder Betriebsteils vorliegt. So war es auch im Fall der Weight-Watchers-Ent633

BAG 9.5.1996, NZA 1996, 1145 ff. Vgl. Stahlhacke/Preis, Rn. 963 f. 635 A. A. Hesse (S. 184), der der Ansicht ist, dass das betriebliche Erfordernis nicht wie bisher als „Wegfall des Beschäftigungsbedürfnisses“, sondern als „Wegfall des Beschäftigungsbedürfnisses im Rahmen von Arbeitsverhältnissen“ zu definieren sei. 636 Das übersieht Bernd Preis (ArbuR 1997, 60, 65), wenn er die Ansicht vertritt, dass es durch die Beschäftigung von freien Mitarbeitern keine Beschäftigungsmöglichkeiten mehr für Arbeitnehmer gebe. 634

III. Umwandlung von Arbeitsverhältnissen in freie Mitarbeiterverhältnisse

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scheidung. Die Beklagte hatte ein Trainingsprogramm zur Gewichtsabnahme entwickelt, das sie in Lehrgängen an den Endkunden weitergab. Die jeweiligen Lehrgangsleiter waren Arbeitnehmer der Beklagten. Später bot die Beklagte die Lehrgänge nicht mehr durch eigene Arbeitnehmer an, sondern überließ die Vermittlung ihres Trainingskonzepts an den Endkunden vollständig selbständigen Vertragspartnern. Das muss so verstanden werden, dass die Beklagte damit die Tätigkeit des Anbietens von Lehrgängen vollständig aufgab. Das Einstellen dieser Tätigkeit ließ dann auch entsprechende Beschäftigungsmöglichkeiten bei der Beklagten entfallen.637 Folgt man der Ansicht des Bundesarbeitsgerichts im Fall der Weight-Watchers-Entscheidung, dass dort die freien Mitarbeiter wirklich selbständig waren638, vermittelten nunmehr diese das Trainingskonzept an den Endkunden, nicht mehr die Beklagte. Nur wenn die Beklagte sich umfassenden Einfluss auf das Angebot der Lehrgänge vorbehalten hätte, würde sie bei wertender Betrachtung weiterhin das Trainingskonzept an Endkunden vermitteln und bestünde damit bei ihr die Beschäftigungsmöglichkeit weiter; dann würde es allerdings auch an der Selbständigkeit der Vertragspartner fehlen, diese wären in Wirklichkeit Arbeitnehmer.639 Der Wunsch der Beklagten, die Tätigkeit auf freie Mitarbeiter zu übertragen, wäre dann nicht verwirklicht worden. Das macht auch entgegen Ulrich Preis den Unterschied zwischen dem Crewing- und dem Weight-Watchers-Fall deutlich. Während sich bei jenem die Reederei weiterhin umfassenden Einfluss auf die auszuübende Tätigkeit vorbehielt, gab die Beklagte in diesem weitgehend ihre Leitungsmacht in Bezug auf das Anbieten von Lehrgängen auf, indem sie diese Tätigkeit auf selbständige Anbieter übertrug.640

637 A. A. neben Ulrich Preis auch Franzen (NZA 2001, 805, 808, unter IV 1 der Ausführungen), der der Ansicht ist, dass im Fall der Weight-Watchers-Entscheidung der Personalbedarf unvermindert weiterbestanden habe. Franzen stimmt allerdings trotzdem im Ergebnis der Weight-Watchers-Entscheidung zu, weil er die Auffassung vertritt, dass es grundsätzlich Sache des Unternehmers sei, zu entscheiden, in welchen rechtlichen Formen – mit Hilfe eigener Arbeitnehmer oder im Wege der Beauftragung von Subunternehmen – er bestimmte Güter und Dienstleistungen am Markt nachfragt. Dieses Aussage ist allerdings in ihrer Allgemeinheit nicht haltbar. Aus dem Kündigungsschutzgesetz ergibt sich, dass der Arbeitgeber, solange es in seinem Betrieb Nachfrage nach menschlicher Arbeitskraft gibt, er diese mit den vorhandenen eigenen Arbeitnehmern decken muss. Ansonsten könnte der Arbeitgeber z. B. auch eigenen Arbeitnehmern kündigen, weil er seinen Arbeitbedarf in Zukunft in der rechtlichen Form der Leiharbeit decken möchte (vgl. dazu unten Kapitel H.IV., S. 197 ff.). Nur wenn der Arbeitgeber eine betriebliche Tätigkeit völlig einstellt und auf einen selbständigen Unternehmer überträgt, der dann allerdings auch wirklich selbständig sein – also die Leitungsmacht über die Tätigkeit erhalten (vgl. dazu oben Kapitel H.II., S. 181 ff.) – muss, fallen Beschäftigungsmöglichkeiten wirklich weg und kann gegebenenfalls betriebsbedingt gekündigt werden. 638 Vgl. BAG 9.5.1996, NZA 1996, 1145, 1147 ff., B I 2 c aa. 639 Ähnlich Reuter, RdA 2004, 161, 161 f., unter 1 b der Ausführungen. 640 Ähnlich APS/Kiel, § 1 KSchG, Rn. 527.

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H. Ausgewählte Einzelfälle

Diese Analyse wird dadurch bestätigt, dass es möglich ist, eine betriebliche Tätigkeit einzustellen und auf einen selbständigen Unternehmer zu übertragen.641 Durch die Einstellung der betrieblichen Tätigkeit entfallen die Beschäftigungsmöglichkeiten beim Übertragenden. Problematisch ist lediglich, ob ein Betriebsübergang nach § 613a BGB vorliegt. Wenn es aber möglich ist, eine betriebliche Tätigkeit einzustellen und auf einen selbständigen Unternehmer zu übertragen, dann muss es auch möglich sein, diese auf mehrere Selbständige zu übertragen. Nach alledem kann bei der vollständigen Einstellung einer betrieblichen Tätigkeit und ihrer Übertragung auf freie Mitarbeiter der Schutz der gekündigten Arbeitnehmer auf dem Boden der h. M., die der Sache nach das betriebliche Erfordernis in einem Erfordernis zur Beseitigung eines Arbeitskräfteüberhangs sieht642, nicht über § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG erreicht werden, da beim übertragenden Unternehmen die entsprechenden Beschäftigungsmöglichkeiten wegfallen.643 Die gekündigten Arbeitnehmer könnten allenfalls den Schutz des § 613a Abs. 4 Satz 1 BGB genießen. Das hat das Bundesarbeitsgericht in der WeightWatchers-Entscheidung abgelehnt und damit begründet, dass die mangelnde Bereitschaft eines Arbeitnehmers, den freien Mitarbeitervertrag anzunehmen, wie ein Widerspruch gegen den Betriebsübergang wirke. Der Arbeitnehmer vereitele damit selbst den Betriebsübergang, so dass der Schutzzweck des § 613 Abs. 4 Satz 1 BGB nicht eingreife.644 Diese Begründung des Bundesarbeitsgerichts kann nicht überzeugen.645 Schließlich erfolgte im Weight-Watchers-Fall erst die Kündigung mit Angebot des freien Mitarbeitervertrags und dann die Ablehnung des Arbeitnehmers.646 Beurteilungszeitpunkt für die Wirksamkeit 641

Vgl. oben Kapitel H.II., S. 181 ff. Vgl. oben Kapitel C.I.2., S. 110 ff., insbesondere S. 113. 643 Nach der in dieser Arbeit vertretenen doppelten Erforderlichkeitsprüfung muss freilich die betriebliche Veränderung – die Einstellung der betrieblichen Tätigkeit und ihre Übertragung auf freie Mitarbeiter – auf ihre Erforderlichkeit überprüft werden. Dabei ist allerdings der Zweck der genannten Umgestaltung im Rahmen der Gesetze frei wählbar, so dass es z. B. genügt, wenn sie geeignet und das mildeste Mittel ist, um Kosten einzusparen. 644 Vgl. BAG 9.5.1996, NZA 1996, 1145, 1150, B I 4. 645 Schon formal betrachtet ist die Aussage des Bundesarbeitsgerichts zumindest ungenau. Die vom Gericht suggerierte Rechtsfigur des Widerspruchs eines Arbeitnehmers gegen einen Betriebsübergang gibt es nämlich gar nicht. Der Arbeitnehmer kann lediglich nach § 613 Abs. 6 BGB – wenn der Betriebsübergang erfolgt ist – der Rechtsfolge des Übergangs seines Arbeitsverhältnisses widersprechen. Auch das vom Bundesarbeitsgericht zum Beleg angeführte Urteil des Europäischen Gerichtshofs betriff nicht den Widerspruch des Arbeitnehmers gegen den Übergang des Betriebes, sondern gegen den Übergang des Arbeitsverhältnisses (vgl. EuGH 7.3.1996 – Merckx u. Neuhuys, NJW 1996, 1199, 1200, Überschrift zu Rn. 33 ff.). Außerdem hindert der Widerspruch gar nicht den „Betriebsübergang“ als Übertragung der bisherigen Tätigkeit auf freie Mitarbeiter. Die Übertragung erfolgt lediglich nicht auf den das freie Mitarbeiterverhältnis ablehnenden Arbeitnehmer. 642

III. Umwandlung von Arbeitsverhältnissen in freie Mitarbeiterverhältnisse

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der Kündigung ist der Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung, eine nachträglich erklärte Ablehnung des Arbeitnehmers kann eine nach § 613a Abs. 4 Satz 1 BGB unwirksame Kündigung nicht wirksam machen. Es wäre zudem eine leere Förmelei, vom Arbeitnehmer zu verlangen, das freie Mitarbeiterverhältnis anzunehmen, nur um den Schutz des § 613a Abs. 4 Satz 1 BGB nicht zu verlieren. Darüber hinaus ist im Gegensatz zu sonstigen Fällen des „Betriebsübergangs“, in denen das Arbeitsverhältnis kraft Gesetzes übergeht, ein solcher Übergang bei einer Umwandlung von Arbeitsverhältnissen in freie Mitarbeiterverhältnisse nicht möglich, da der ehemalige Arbeitnehmer nicht in einer Person der neue Arbeitgeber und dessen (einziger) Arbeitnehmer sein kann. Eine Umwandlung in freie Mitarbeiterverhältnisse ist daher ohne Kündigung bzw. Aufhebungsvertrag gar nicht durchführbar, so dass die Kündigung – wenn ein Betriebsübergang bejaht werden müsste – im wahrsten Sinne des Wortes „wegen“ des Betriebsübergangs erfolgt wäre und somit ein Anwendungsfall von § 613a Abs. 4 Satz 1 BGB gegeben sein könnte. Es muss also überlegt werden, ob in der vollständigen Aufgabe einer betrieblichen Tätigkeit und ihrer Übertragung auf freie Mitarbeiter, die die Tätigkeit vorher als Arbeitnehmer ausgeübt haben, ein Betriebsübergang im Sinne von § 613a BGB zu sehen ist. Ein Betriebsübergang liegt vor, wenn eine wirtschaftliche Einheit ihre Identität bewahrt und durch Rechtsgeschäft auf einen anderen Inhaber übergeht. Die Frage, ob eine wirtschaftliche Einheit ihre Identität bewahrt, ist anhand sämtlicher den betreffenden Vorgang kennzeichnenden Tatsachen zu beurteilen, so dass an sich auf den Einzelfall abgestellt werden muss und eine allgemeine Antwort nicht möglich ist.647 Im Fall der Umwandlung von Arbeitsverhältnissen in freie Mitarbeiterverhältnisse lassen sich jedoch strukturelle Besonderheiten feststellen, die generell gegen einen Betriebsübergang sprechen. Zum einen wird, wenn der nunmehrige freie Mitarbeiter keine früheren Arbeitskollegen einstellt, auch bei Tätigkeiten, bei denen es im Wesentlichen auf die menschliche Arbeitskraft ankommt, nicht auf den Übergang der Belegschaft abgestellt werden können. Denn der freie Mitarbeiter kann sich nicht selbst als Arbeitnehmer übernehmen, er kann nicht gleichzeitig Arbeitgeber und Arbeitnehmer in einer Person sein. Zum anderen ist eines der Kriterien, nach denen beurteilt wird, ob eine wirtschaftliche Einheit ihre Identität wahrt, die Ähnlichkeit der Tätigkeit vor und nach der Übernahme. Dabei ist allerdings nicht auf die bloße Tätigkeit abzustellen, sondern darauf, ob und inwieweit Betriebsmethoden und Arbeitsorganisation gleich bleiben oder geändert werden.648 646 Wenn der freie Mitarbeitervertrag ohne Kündigung angeboten würde, läge gleichzeitig das Angebot eines Aufhebungsvertrages vor, da das Arbeitsverhältnis noch fortbestünde. Auch dieser Aufhebungsvertrag wäre aber, wenn eine Kündigung nach § 613a Abs. 4 Satz 1 BGB unwirksam wäre, wegen Umgehung dieses Kündigungsverbotes unwirksam, vgl. ErfK/Preis, § 613a BGB, Rn. 154. 647 Vgl. dazu oben Kapitel H.II., S. 181 ff., insbesondere S. 186 ff.

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H. Ausgewählte Einzelfälle

Wenn aber mehrere Arbeitnehmer eine betriebliche Tätigkeit ausüben und diese Tätigkeit dann auf sie als freie Mitarbeiter übertragen wird, wird darin in der Regel der Untergang der bisherigen Arbeitsorganisation zu sehen sein. Es wird nämlich eine betriebliche Organisation gegeben haben, die die Tätigkeit der einzelnen Arbeitnehmer steuerte und untereinander abstimmte. Diese existiert nicht mehr, wenn die Tätigkeit von selbständigen freien Mitarbeitern ausgeübt wird, die unabhängig voneinander tätig werden. Darüber hinaus wird man ohnehin annehmen müssen, dass eine einheitliche betriebliche Organisation untergeht, wenn die in ihr ausgeübten Tätigkeiten auf mehrere Selbständige übertragen werden. Eine andere Beurteilung führte zu unlösbaren Problemen bei der Anwendung von § 613a BGB. Würde nämlich ein Betriebsübergang bejaht, könnten übriggebliebene Arbeitnehmer ihre Beschäftigung bei den Betriebserwerbern verlangen. Bei mehreren selbständigen „Erwerbern“ eines einheitlichen Betriebes könnte aber gar nicht entschieden werden, gegen wen der Beschäftigungsanspruch bestehen soll. Zusammenfassend ist zu sagen, dass die bloße Umwandlung von Arbeitsverhältnissen in freie Mitarbeiterverhältnisse – ähnlich wie bei der Ausgliederung649 die bloße Vergabe einer betrieblichen Tätigkeit – noch keine Beschäftigungsmöglichkeiten entfallen lässt und damit auch nicht als betriebsbedingter Kündigungsgrund angesehen werden kann. Ein betriebliches Erfordernis im Sinne von § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG ist allerdings – wiederum wie bei der Ausgliederung – in der vollständigen Auflösung einer betrieblichen Tätigkeit zu sehen. Der Wirksamkeit einer Kündigung kann es dann nicht entgegenstehen, wenn den gekündigten Arbeitnehmern im Zusammenhang mit dieser Auflösung ein freies Mitarbeiterverhältnis angeboten wird.650 Indes kann, wenn eine abgrenzbare betriebliche Tätigkeit auch in Zukunft vom Arbeitgeber ausgeübt wird, nicht lediglich einzelnen Arbeitnehmern gekündigt werden, wenn sie es ablehnen, in ein freies Mitarbeiterverhältnis zu wechseln, da es in diesem Fall an der Auflösung eines betriebsinternen Dienstes und damit am Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit fehlt.651 648 Vgl. ErfK/Preis, § 613a BGB, Rn. 32 f.; BAG 18.3.1999, AP BGB § 613a Nr. 189, II 4; BAG 11.9.1997, AP Nr. 16 zu EWG-Richtlinie Nr. 77/187, B 2. 649 Vgl. dazu oben Kapitel H.II., S. 181 ff. 650 Das ist auch sachgerecht, da ansonsten der bisherige Arbeitgeber gezwungen wäre, sich andere freie Mitarbeiter zu suchen und damit die gekündigten Arbeitnehmer schlechter stünden. Im Gegenteil wird man annehmen müssen, dass der Arbeitgeber sogar aus § 242 BGB verpflichtet ist, den für eine selbständige Tätigkeit geeigneten Arbeitnehmern die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses als freies Mitarbeiterverhältnis anzubieten, vgl. APS/Kiel, § 1 KSchG, Rn. 526. 651 Ähnlich differenzierend APS/Kiel, § 1 KSchG, Rn. 529, der allerdings die Umwandlung nur einzelner Arbeitsverhältnisse in freie Mitarbeiterverhältnisse akzeptieren will, wenn dafür nachvollziehbare Gründe vorliegen. Entscheidend kann aber nur sein, ob ein betrieblicher Dienst wirklich stillgelegt wird und damit die Beschäftigungsmöglichkeit weggefallen ist. Nur wenn innerhalb einer betrieblichen Organisation mehrere

IV. Kündigung zu Gunsten von Leiharbeit

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IV. Kündigung zu Gunsten von Leiharbeit In der Literatur wird die Auffassung vertreten, dass ein betriebliches Erfordernis zur Kündigung in dem Entschluss des Arbeitgebers liege, überhaupt nicht mehr mit eigenem Personal zu arbeiten, sondern nur noch mit Leiharbeitern, weil dadurch die Beschäftigungsmöglichkeiten für eigene Arbeitnehmer wegfielen.652 Dem kann nicht zugestimmt werden. Beschäftigungsmöglichkeiten fallen im Betrieb nur weg, wenn die Nachfrage nach menschlicher Arbeitskraft zurückgeht. Das ist aber bei einem Einsatz von Leiharbeitnehmern nicht der Fall, vielmehr wird dadurch der Bedarf an Arbeitskräften geradezu bestätigt. Die Beschäftigungsmöglichkeit besteht auch nicht beim Verleiher. Knüpft man an die Ergebnisse bei der Ausgliederung653 an, würde das nämlich voraussetzen, dass der Verleiher die Organisations- und Leitungsmacht über die Betriebsmittel und die an ihnen tätig werdenden Arbeitnehmer übernommen hätte. Die Leiharbeit ist aber gerade dadurch gekennzeichnet, dass die entliehenen Arbeitskräfte vollständig in den Betrieb des Entleihers eingegliedert sind und ihre Arbeiten allein nach dessen Weisungen durchführen. Die Vertragspflicht des Verleihers beschränkt sich auf die Auswahl der Leiharbeitnehmer.654 Der Entleiher behält also die Organisations- und Leitungsmacht über die wirtschaftliche Einheit, so dass auch nur bei ihm die Beschäftigungsmöglichkeiten bestehen können.655 Die Stimmen in der Literatur, die Kündigungen zu Gunsten von Leiharbeit für möglich halten656, verweisen zur Begründung ihrer Ansicht übereinstimmend auf ein Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 28.6.1996657. Dieses Urteil betrifft aber gar nicht den Fall der Leiharbeit, sondern den der vollständiwirtschaftliche Einheiten unterschieden werden können, ist es möglich, lediglich einer Arbeitnehmergruppe zu kündigen, nämlich der, die zur stillgelegten Einheit gehört. 652 APS/Kiel, § 1 KSchG, Rn. 523; ErfK/Ascheid, § 1 KSchG, Rn. 453. 653 Vgl. oben Kapitel H.II., S. 181 ff. 654 Vgl. BAG 9.11.1994, NZA 1995, 572, 574, Leitsatz 2 und unter III 2 a der Gründe. 655 Auch das Landesarbeitsgericht Bremen (DB 1998, 1338 f., unter 4 der Gründe) ist der Ansicht, dass die Entscheidung des Arbeitgebers, nur mit Entleiharbeitnehmern weiterzuarbeiten, nicht als betriebsbedingter Kündigungsgrund akzeptiert werden könne, wenn die Leitungskräfte nicht entliehen seien und nach dem eigenen Vortrag des Arbeitgebers die Verleihgesellschaft nicht in der Lage ist, das Unternehmen zu führen. Letzteres wird bei Leiharbeit immer der Fall sein. Führt die Verleihgesellschaft das Unternehmen, wird kein Arbeitnehmerüberlassungsverhältnis, sondern ein Dienstoder Werkvertrag vorliegen. A. A. Bertzbach (FS für Peter Hanau, 1999, 173, 180), der der Ansicht ist, dass in Ausnahmefällen die Aufgabe der Arbeitgeberstellung und der gleichzeitige Einsatz eines Leiharbeitnehmers nicht ausgeschlossen sei. Für den Regelfall argumentiert Bertzbach allerdings ähnlich wie der Verfasser der vorliegenden Arbeit. 656 APS/Kiel, § 1 KSchG, Rn. 523; ErfK/Ascheid, § 1 KSchG, Rn. 453. 657 AR-Blattei ES, 1020.4, Nr. 2.

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H. Ausgewählte Einzelfälle

gen Umwandlung von Arbeitsverhältnissen in freie Mitarbeiterverhältnisse.658 Anders als bei dieser kann aber bei der Beschäftigung von Leiharbeitnehmern keine zum Wegfall von Beschäftigungsmöglichkeiten führende Teilbetriebsstilllegung angenommen werden, und zwar auch dann nicht, wenn alle Arbeitnehmer durch Leiharbeitnehmer ersetzt werden. Entscheidend für die Annahme einer Teilbetriebsstilllegung im Fall der vollständigen Umwandlung von Arbeitsverhältnissen in freie Mitarbeiterverhältnisse ist nämlich die Selbständigkeit der freien Mitarbeiter, die zur Folge hat, dass diese nunmehr die vom bisherigen Arbeitgeber ausgeführte Tätigkeit erledigen.659 Leiharbeitnehmer sind aber gerade nicht selbständig, sondern unterliegen den Weisungen des Entleihers. Als Ergebnis ist festzuhalten, dass eine betriebsbedingte Kündigung zu Gunsten von Leiharbeit nicht möglich ist, und zwar auch dann nicht, wenn alle Arbeitnehmer durch Leiharbeitnehmer ersetzt werden sollen.660

V. Betriebsstilllegung In der Literatur wird die Betriebsstilllegung teilweise besonders behandelt. Die Betriebsstilllegung als solche wird als ein dringendes betriebliches Erfordernis gewertet, das Kündigungen bedingt. Dabei sei unerheblich, aus welchem Grunde die Betriebsstilllegung erfolge.661 Nach h. M. wird die Stilllegung wie 658 Zur Umwandlung von Arbeitsverhältnissen in freie Mitarbeiterverhältnisse vgl. oben Kapitel H.III., S. 192 ff. 659 Auch Kiel (APS/Kiel, § 1 KSchG, Rn. 523), der eine Kündigung zu Gunsten von Leiharbeit für möglich hält, weist darauf hin, dass die Fremdvergabe von Dienstleistungen in Anbetracht des KSchG nur dann eine zulässige Form unternehmerischer Entscheidung sei, wenn der Arbeitgeber die bisherigen Arbeiten einem Dritten zur selbständigen Erledigung übertrage. Von einer solchen Vertragsgestaltung könne aber dann keine Rede sein, wenn sich die Vergabe von Dienstleistungen ausschließlich auf die Gestellung des Personals beschränke. Kiel übersieht allerdings, dass letzteres bei der Leiharbeit immer der Fall ist. Der Verleiher stellt dem Entleiher lediglich die Leiharbeitnehmer zur Verfügung. Weisungsbefugt und zuständig für die Organisation des Betriebes, in dem die Leiharbeitnehmer tätig werden, ist der Entleiher. 660 Das sieht auch das Bundesarbeitsgericht so. In der Crewing-Entscheidung (NZA 1997, 202, 203, II 2 d) begründet es die Unwirksamkeit der Kündigung gegenüber dem Kapitän – dem die beklagte Crewing-Firma angeboten hatte, ein neues Heuerverhältnis mit der ausländischen Crewing-Firma zu vermitteln – damit, dass die Beklagte dann dem Kapitän gegenüber die gleiche Stellung wie ein Unternehmer gegenüber einem ausgeliehenen, in seinem Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer hätte. Das kann nur bedeuten, dass das Bundesarbeitsgericht davon ausgeht, dass eine Kündigung mit dem Zweck, den gekündigten Arbeitnehmer durch Leiharbeitnehmer zu ersetzen, unwirksam ist. So hat auch das Landesarbeitsgericht Bremen in seinem Urteil vom 2.12.1997 (EWiR 1998, 425, 1. Leitsatz) die Crewing-Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts verstanden. Im Ergebnis ebenso Stahlhacke/Preis, Rn. 964. 661 Stahlhacke/Preis, Rn. 971; Löwisch/Spinner, § 1 KSchG, Rn. 328; Plander, NZA 1999, 505, 512.

V. Betriebsstilllegung

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andere betrieblich-organisatorische Maßnahmen auch nicht auf ihre Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit überprüft.662 Diese Auffassung der Betriebsstilllegung wird selbst von den Stimmen in der Literatur geteilt, die sonstige Umgestaltungen bzw. Umorganisationen des Betriebs oder Unternehmens und die ihnen zu Grunde liegenden Organisationsentscheidungen einer gerichtlichen Prüfung unterziehen wollen, die über eine bloße Rechtsmissbrauchsprüfung hinausgeht.663 Darüber hinaus wird teilweise vertreten, dass die sonst nach h. M. stattfindende Missbrauchskontrolle auf die Prüfung beschränkt werden müsse, ob der Betrieb nur deshalb stillgelegt wird, um ihn alsbald mit neuer Belegschaft wieder zu eröffnen.664 Begründet wird die Sonderstellung der Betriebsstilllegung mit dem Verweis auf Art. 2, 12 und 14 GG, die einem Unternehmer nicht nur die Freiheit garantierten, einen Betrieb bzw. ein Unternehmen zu eröffnen, sondern auch wieder zu schließen.665 Es fragt sich, ob die Betriebsstilllegung auch in dem in dieser Arbeit entwickelten Konzept der Prüfung einer betriebsbedingten Kündigung eine Sonderstellung einzunehmen hat. An sich ist die Stilllegung eines Betriebes eine gewöhnliche betrieblich-organisatorische Maßnahme, die zu einem Arbeitskräfteüberhang führt und nach der in dieser Arbeit vertretenen Auffassung nur dann ein betriebliches Erfordernis im Sinne von § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG darstellen kann, wenn sie geeignet und erforderlich ist, den vom Unternehmer ins Auge gefassten Zweck zu erreichen.666 Der Unternehmer muss also den Zweck, den er mit der Betriebsstilllegung verfolgt, nach § 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG angeben, weswegen es entgegen der h. M. durchaus erheblich ist, aus welchem Grund die Stilllegung durchgeführt wird. Ist etwa der Grund der Stilllegung die Unrentabilität des Betriebes und könnte diese z. B. durch Änderungskündigungen zur Entgeltkürzung667 behoben werden, sind die wegen der Stilllegung ausgesprochenen betriebsbedingten Kündigungen unwirksam, da es mildere Mittel gibt, um den Zweck der Stilllegung zu erreichen.668

662

BAG 22.5.1986, EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 22, B I 2 a. Vgl. Feudner, NZA 2000, 1136 ff.; zur Stilllegung S. 1139 ff., unter VI der Ausführungen, insbesondere VI 4; zur sonst gebotenen, über eine Missbrauchsprüfung hinausgehenden Kontrolle S. 1142, unter VII 4 der Ausführungen. 664 Vgl. APS/Kiel, § 1 KSchG, Rn. 487. Vom Bundesarbeitsgericht wurde ausdrücklich offengelassen, ob die gerichtliche Missbrauchskontrolle auch hinsichtlich einer Betriebsstilllegung zu erfolgen habe oder ob der Unternehmer völlig frei über die Fortführung oder Aufgabe seines Betriebes entscheiden kann, vgl. BAG 27.2.1987, NZA 1987, 700, 701 f., II 3 a, und BAG 27.9.1984, NZA 1985, 493, 495, B III 3 a. 665 Vgl. APS/Kiel, § 1 KSchG, Rn. 487; Feudner, NZA 2000, 1136, 1140, VI 4 der Ausführungen. 666 Vgl. oben Kapitel B.II.5., S. 70. 667 Vgl. zur Änderungskündigung zur Entgeltkürzung unten Kapitel H.VII.3., S. 222 ff. 663

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H. Ausgewählte Einzelfälle

Diesem vorläufigen Ergebnis könnten aber in der Tat die Grundrechte des Arbeitgebers, insbesondere Art. 12 Abs. 1 GG, entgegenstehen. Zu der nach Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG geschützten Freiheit der Berufswahl gehört nicht nur die Entscheidung, überhaupt einen Beruf zu ergreifen, sondern auch die, ihn aufzugeben.669 Es gibt also auch eine negative Berufswahlfreiheit.670 Fraglich ist jedoch, ob durch eine Überprüfung der Geeignetheit und Erforderlichkeit von Betriebsstilllegungen überhaupt in die negative Berufswahlfreiheit des Arbeitgebers eingegriffen würde. Das muss verneint werden. Nach der in dieser Arbeit vertretenen Auffassung kann der Zweck der betrieblich-organisatorischen Maßnahme weitgehend frei gewählt werden. Es spricht also nichts dagegen, als zulässigen Zweck der Stilllegung auch den der Berufsaufgabe des Arbeitgebers zu akzeptieren. Problematisch ist lediglich, ob die Betriebsstilllegung, wenn sie eine Berufsaufgabe bezweckt, als betriebliches Erfordernis angesehen werden kann.671 Bedenkt man jedoch, dass Zweck des Kündigungsschutzgesetzes lediglich ist, den Arbeitsplatz und die Betriebszugehörigkeit des Arbeitnehmers vor Kündigungen, die hinreichender Begründung entbehren und deshalb als willkürlich erscheinen, zu schützen672, so ist es zumindest zweifelhaft, die Berufsaufgabe aus dem Kreis hinreichender Begründung auszuschließen. Ist die Auslegung nach 668 Das Bundesarbeitsgericht widerspricht sich in einer frühen Entscheidung (BAG 17.9.1957, AP KSchG § 13 Nr. 8, Leitsatz 1) selbst, wenn es einerseits sagt, dass es letztlich der Entscheidung des Unternehmers unterliege, ob er zum Mittel der Betriebsstilllegung schreite oder andere Ausweichmöglichkeiten wie Betriebsferien oder Kurzarbeit wähle, andererseits aber der Ansicht ist, dass das Ermessen des Unternehmers insoweit eingeschränkt sei, dass er nicht zu dem für die Arbeitnehmer besonders schwerwiegenden Schritt der Betriebsstilllegung schreiten dürfe, wenn die Überwindung einer Krisenzeit auf andere, nicht so einschneidende Weise möglich und zumutbar sei. Letztere Aussage ist eine Umschreibung dafür, dass, wenn feststeht, dass ein milderes Mittel geeignet ist, den gleichen Zweck wie die Betriebsstilllegung zu erreichen – d. h. wenn sein erfolgreicher Einsatz „möglich und zumutbar“ ist –, es auch vom Arbeitgeber eingesetzt werden muss. Der Sache nach formuliert das Bundesarbeitsgericht damit die Notwendigkeit einer Erforderlichkeitsprüfung der Stilllegung. 669 Vgl. Jarass-Pieroth-Jarass, Art. 12 GG, Rn. 8; Maunz/Dürig-Scholz, Art. 12 GG, Rn. 274. 670 Zieht man die Parallele zur positiven Berufswahlfreiheit, so wären Beeinträchtigungen der negativen Berufswahlfreiheit durch das Kündigungsschutzgesetz besonders schwerwiegend, da sie nicht an subjektive Merkmale des Arbeitgebers anknüpfen und somit als objektive negative Berufswahlbeschränkungen anzusehen wären. Objektive Berufswahlbeschränkungen stellen nach der Drei-Stufen-Lehre zu Art. 12 Abs. 1 GG einen besonders intensiven Eingriff dar und sind nur zulässig, wenn sie zur Abwehr nachweisbarer oder höchst wahrscheinlicher schwerer Gefahren für ein überragend wichtiges Gemeinschaftsgut zwingend geboten sind. Es ist fraglich, ob der mit dem Kündigungsschutzgesetz bezweckte Schutz des Arbeitplatzes und der Betriebszugehörigkeit des Arbeitnehmers einen derart schwerwiegenden Eingriff rechtfertigen könnte. 671 Dieses Problem spricht auch Kühling (AuR 2003, 92, 97, unter D II 2 a der Ausführungen) an, macht jedoch keinen Lösungsvorschlag. 672 Vgl. Erläuterung zum Entwurf des Kündigungsschutzgesetzes, RdA 1951, 63.

V. Betriebsstilllegung

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den herkömmlichen Auslegungsmethoden unklar, können aber die Grundrechte als Auslegungshilfe im Wege verfassungsorientierter Auslegung herangezogen werden. Dabei gebietet die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte negative Berufswahlfreiheit des Arbeitgebers, die Berufsaufgabe als zulässigen betrieblichen Zweck anzuerkennen. Wird die Berufsaufgabe als zulässiger Zweck anerkannt, hindert dies allerdings entgegen der h. M. nicht, die Erforderlichkeit der Betriebsstilllegung zu überprüfen. Findet sich etwa für den Betrieb ein Kaufinteressent und lehnt der Arbeitgeber einen Verkauf ohne triftigen Grund ab, fehlt es an der Erforderlichkeit der Stilllegung.673 Denn eine Berufsaufgabe des Arbeitgebers ist auch möglich, wenn er den Betrieb verkauft. Der Arbeitgeber kann also auf im Vergleich zur Stilllegung mildere Mittel verwiesen werden, wenn diese seinem Ziel, seinen Beruf aufzugeben, nicht im Wege stehen. Dieses Ergebnis, nach dem eine Sonderbehandlung der Betriebsstilllegung nur insofern geboten ist, als der Zweck der Berufsaufgabe es erfordert, wird auch in der Literatur ansatzweise vertreten. So wird darauf hingewiesen, dass der Entschluss des Arbeitgebers, nur einen von mehreren Betrieben aufzugeben, der Missbrauchskontrolle wie alle anderen Fälle der unternehmerischen Entscheidung auch unterliege, weil der Arbeitgeber in diesem Fall – anders als bei der Stilllegung aller seiner oder seines einzigen Betriebes – seinen durch Art. 12 GG geschützten Beruf nicht aufgebe.674 Das ist richtig, muss aber konsequenterweise auch für andere Fälle gelten, in denen eine Überprüfung der Stilllegung die negative Berufswahlfreiheit des Arbeitgebers nicht beeinträchtigt. In Rechtsprechung675 und Literatur676 wird vertreten, dass nur die dauerhafte Betriebsstilllegung ein dringendes betriebliches Bedürfnis im Sinne des § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG darstellen könne. Eine Betriebsstilllegung liege nur vor, wenn der Arbeitgeber beabsichtige, den bisherigen Betriebszweck dauernd oder für eine ihrer Dauer nach unbestimmte, wirtschaftlich nicht unerhebliche Zeitspanne nicht weiterzuverfolgen. Die bloße Betriebsunterbrechung oder Betriebspause könne regelmäßig eine betriebsbedingte Kündigung nicht rechtfertigen. Eine eigenständige Voraussetzung der Dauerhaftigkeit der Betriebsstilllegung ist jedoch systematisch überflüssig und sollte daher vermieden werden. Den Unterschieden zwischen dauerhafter und bloß vorübergehender Stilllegung kann durch Anwendung der in dieser Arbeit aufgestellten allgemeinen Prinzipien ausreichend Rechnung getragen werden. Letztlich ist die von der h. M. geforderte Dauerhaftigkeit der Stilllegung ein Ausgleich dafür, dass diese ohne weiteres 673

So auch Kühling, AuR 2003, 92, 98, unter D II 2 c der Ausführungen. Vgl. APS/Kiel, § 1 KSchG, Rn. 487 und Rn. 498. 675 Vgl. BAG 22.5.1997, NZA 1997, 1050, 1051, B I 2 a. 676 Stahlhacke/Preis, Rn. 971; APS/Kiel, § 1 KSchG, Rn. 488; Berkowsky, Betriebsbedingte Kündigung, § 6, Rn. 115. 674

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H. Ausgewählte Einzelfälle

eine betriebsbedingte Kündigung soll rechtfertigen können. Mit Rücksicht auf die Arbeitnehmerinteressen muss dann die Stilllegung der zusätzlichen Voraussetzung der Dauerhaftigkeit unterliegen, da sonst der Arbeitgeber durch eine kurzfristige Betriebsstilllegung seine Arbeitnehmerschaft austauschen könnte. Muss jedoch – wie in dieser Arbeit vertreten – die Erforderlichkeit der Stilllegung geprüft werden, ist dem Schutz der Arbeitnehmerinteressen Genüge getan. Ist eine vorübergehende Betriebsstilllegung wirklich erforderlich – etwa wegen einer Naturkatastrophe oder eines Unfalls, die den Betrieb völlig lahm legen – ist nicht einzusehen, warum der Arbeitgeber seinen Arbeitnehmern nicht betriebsbedingt kündigen dürfen und sie weiterbezahlen müssen sollte. Allerdings muss nach allgemeinen Regeln zum Zeitpunkt der Kündigung prognostizierbar sein, dass der Arbeitskräfteüberhang noch zum Zeitpunkt des Ablaufs der Kündigungsfrist vorliegen wird.677 Ist voraussehbar, dass kurz nach Ablauf der Kündigungsfrist wieder Arbeitskräftebedarf bestehen wird, kann das innerhalb der auch bei der betriebsbedingten Kündigung vorzunehmenden Interessenabwägung berücksichtigt werden.678 Es ist sachgerecht, dabei auf die in dieser Arbeit679 entwickelte allgemeine Frist bei bloß vorübergehendem Arbeitskräfteüberhang zurückzugreifen und anzunehmen, dass eine betriebsbedingte Kündigung nur dann unangemessen ist, wenn innerhalb dreier Monate nach Ablauf der Kündigungsfrist wieder Beschäftigungsmöglichkeiten entstehen. Darüber hinaus wird eine betriebsbedingte Kündigung bei einer vorübergehenden Betriebsunterbrechung oft daran scheitern, dass Kurzarbeit als milderes Mittel gegenüber einer Kündigung in Betracht kommt.680

VI. Kündigung lediglich zur Gewinnsteigerung Teilweise wird die Ansicht vertreten, dass eine betriebsbedingte Kündigung, die ohne wirtschaftliche Notwendigkeit allein zur Gewinnsteigerung ausgesprochen wird, nicht möglich sei.681 Diese Aussage ist insofern richtig, als der 677

Vgl. oben Kapitel F., S. 148 ff. Zur Interessenabwägung vgl. oben Kapitel B.VI., S. 87 ff., insbesondere S. 95. Stahlhacke/Preis, Rn. 971, vertritt die Ansicht, dass eine vorübergehende Betriebsstilllegung nur dann ausnahmsweise ein dringendes betriebliches Bedürfnis darstellen könne, wenn im Kündigungszeitpunkt der Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit bei Ablauf der Kündigungsfrist für einen Zeitraum von z. B. 1/2 bis 3/4 Jahr zu erwarten sei. Ein derart langer Zeitraum des Ausschlusses betriebsbedingter Kündigungen wird aber selbst mit einer Interessenabwägung nicht zu rechtfertigen sein. In der Regel wird der Arbeitgeber nämlich schon durch die erforderliche vorübergehende Betriebsstilllegung wirtschaftlich getroffen werden. Eine derartig lange Verpflichtung zur Entlohnung all seiner Arbeitnehmer trotz der Betriebsstilllegung würde den Arbeitgeber unzumutbar belasten und oft seine wirtschaftliche Existenz bedrohen. 679 Vgl. oben Kapitel F., S. 148 ff., insbesondere S. 151 f. 680 Zur Kurzarbeit als milderes Mittel vgl. unten Kapitel H.VII.5., S. 239 ff., insbesondere S. 245 f. 678

VI. Kündigung lediglich zur Gewinnsteigerung

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bloße Wunsch zur Gewinnsteigerung kein betriebliches Erfordernis im Sinne von § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG, das Kündigungen bedingen kann, darstellt. Ein betriebliches Erfordernis liegt vor, wenn es auf Grund einer für einen bestimmten Zweck erforderlichen betrieblichen Veränderung zu einem Arbeitskräfteüberhang im Betrieb kommt. Die Gewinnsteigerung ist aber als bloßer Zweck noch gar nicht auf eine betriebliche Umgestaltung bezogen und verursacht noch keinen Arbeitskräfteüberhang. Soll allein zur Steigerung des Unternehmensgewinns einer bestimmten Zahl von Beschäftigten gekündigt werden, handelt es sich der Sache nach um den bloßen Entschluss des Arbeitgebers, den Personalbestand auf Dauer zu reduzieren. Dieser Entschluss für sich genommen kann jedoch nach dem oben Gesagten eine betriebsbedingte Kündigung nicht rechtfertigen.682 Allerdings kann die Gewinnsteigerung als Zweck Anlass für eine betriebliche Veränderung sein, die zu einem Arbeitskräfteüberhang führt.683 Ist die betriebliche Veränderung erforderlich, also geeignetes mildestes Mittel, um den bezweckten Gewinn zu erzielen, liegt nach der in dieser Arbeit vertretenen Auffassung ein betriebliches Erfordernis im Sinne von § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG vor. Gegen die Gewinnsteigerung als Zweck ist nichts einzuwenden684, da der Arbeitgeber im Rahmen der Gesetze sein Zwecke weitgehend frei wählen kann. Es ist zu berücksichtigen, dass der Zweck der Gewinnerzielung wohl jeder unternehmerischen Tätigkeit zu Gunde liegt. Jeder andere Zweck wie der der Verbesserung der Produktqualität, der Erweiterung des Kundenstamms oder der Stärkung der eigenen Marktposition dient letztlich langfristig der Gewinnerzielung. Fraglich ist jedoch, ob sich aus dem Tatbestandsmerkmal der Dringlichkeit Einschränkungen ergeben. Nach Ulrich Preis legitimiert das Merkmal der Dringlichkeit die Arbeitsgerichte, die mit der betriebsbedingten Kündigung zusammenhängende Unternehmerentscheidung einer beschränkten justiziellen Kontrolle zu unterziehen. Ein im Kündigungszeitpunkt rentabel arbeitendes Unternehmen müsse darlegen, dass die personalreduzierende Maßnahme im Interesse der Erhaltung der Ertragsfähigkeit notwendig sei.685 Dem muss jedoch ent681 Vgl. Stahlhacke/Preis, Rn. 952; KDZ/Kittner, § 1 KSchG, Rn. 341; Däubler, Rn. 1033; Annuß, S. 112. A. A. APS/Kiel, § 1 KSchG, Rn. 471; v. Hoyningen-Huene/ Linck, § 1 KSchG, Rn. 382. 682 Vgl. oben Kapitel H.VI., S. 165 ff. 683 Auch Stahlhacke/Preis, Rn. 952, weist darauf hin, dass die Gewinnmaximierung das Motiv für eine nachvollziehbare, betrieblich-organisatorisch umgesetzte Unternehmerentscheidung sein kann. Ähnlich auch Stahlhacke/Preis, Rn. 997 f. 684 So auch APS/Kiel, § 1 KSchG, Rn. 471. 685 Vgl. Stahlhacke/Preis, Rn. 953. Ähnlich, jedoch ohne Verankerung im Tatbestandsmerkmal der Dringlichkeit, Feudner (NZA 2000, 1136, 1143) der für die Unternehmensgewinne Obergrenzen und Beschränkungen festlegen will, z. B. orientiert an einer angemessenen Eigenkapitalverzin-

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H. Ausgewählte Einzelfälle

gegen gehalten werden, dass es verfehlt ist, das Merkmal der Dringlichkeit so auszulegen, dass nur betriebliche Veränderungen möglich sein sollen, mit denen auf drohende Nachteile reagiert wird, nicht aber solche, mit denen zusätzliche Vorteile realisiert werden. Insoweit kann auf das schon oben zur Dringlichkeit Gesagte verwiesen werden.686 Gerade auf dem Boden der h. M., die unter Hinweis auf die Grundrechte des Arbeitgebers noch nicht einmal die Geeignetheit und Erforderlichkeit betrieblicher Veränderungen überprüfen will, ist es nicht zu rechtfertigen, den Zweck der Steigerung der Unternehmensgewinne bei schon rentabel wirtschaftenden Unternehmen auszuschließen. Denn eine Einflussnahme auf die Zwecksetzungsentscheidungen des Unternehmers ist ein erheblicher Eingriff in die Berufsfreiheit des Arbeitgebers nach Art. 12 Abs. 1 GG bzw. in seine durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützte wirtschaftliche Betätigungsfreiheit. Der Kern unternehmerischer Freiheit besteht gerade darin, die gewählten Zwecke verwirklichen zu können. Wer keine verfassungsrechtlichen Bedenken an einer Kontrolle des vom Unternehmer verfolgten Zwecks hat, müsste erst recht die Überprüfung der Geeignetheit und Erforderlichkeit betrieblicher Veränderungen für möglich halten. Durch eine Erforderlichkeitsprüfung wird nämlich der Kern unternehmerischer Freiheit gar nicht beeinträchtigt: Der Unternehmer kann seinen Zweck weiter verfolgen und muss lediglich gegebenenfalls zu einem milderen Mittel greifen. Allerdings bedeutet das Merkmal der Dringlichkeit, dass der mit der betrieblichen Veränderung verfolgte Zweck ein gewisses Gewicht haben muss.687 Das heißt, dass nach verständiger Würdigung eines sorgfältigen Unternehmers zum Zeitpunkt der Kündigung ein nachvollziehbarer betrieblicher Nutzen der Maßnahme erkennbar sein muss. Wendet man dies auf den Zweck der Gewinnerzielung an, können betriebliche Veränderungen, die keine oder nur sehr geringe, nicht ins Gewicht fallende Ertragsverbesserungen erzielen, kein dringendes betriebliches Erfordernis darstellen.688 Im Ergebnis ist es also gerade nicht so, dass die zu hohe, sondern im Gegenteil, dass die zu niedrige oder erkennbar nicht gelingende Gewinnsteigerung eine Kündigung unwirksam machen kann.

sung. Ein Unternehmen, das schon angemessenen Gewinn erzielt, soll danach nicht betriebsbedingt kündigen können, um die Gewinne weiter zu steigern. Ähnlich auch ArbG Gelsenkirchen 28.10.1997, NZA 1998, 944, das allerdings auch nicht am Merkmal der Dringlichkeit anknüpft, sondern die Entscheidung zum Stellenabbau trotz herausragender Gewinnsteigerungen als willkürlich ansieht. Der Entscheidung des ArbG Gelsenkirchen im Ergebnis zustimmend Däubler, Anm. zu ArbG Gelsenkirchen 28.10.1997, ArbuR 1999, 38 ff.; Bontrup/Dammann, AuA 1999, 399, 402. 686 Vgl. oben Kapitel B.V.1., S. 77 ff. 687 Vgl. oben Kapitel B.V., S. 76 ff. 688 Das BAG hat in seiner Entscheidung v. 12.11.1998 (NZA 1999, 471, 472 f., B I 5) ausdrücklich offengelassen, ob eine Rationalisierungsmaßnahme, die zum Wegfall von Arbeitsmöglichkeiten führt, auch im Falle ihrer Kostenneutralität als dringend im Sinne eines betriebsbedingten Kündigungsgrundes anzusehen ist.

VI. Kündigung lediglich zur Gewinnsteigerung

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Dieses Ergebnis ist auch sachgerecht. Die Umgestaltung eines Unternehmens zur Steigerung des Gewinns kann – wenn keine gleich geeignete arbeitsplatzintensivere Alternativmaßnahme in Betracht kommt – auch nach einem unbefangenen Verständnis des Wortlautes von § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG durchaus als ein dringendes betriebliches Erfordernis angesehen werden. Nimmt nämlich ein Unternehmen die Möglichkeit einer Gewinnsteigerung nicht wahr, besteht das Risiko, dass nationale oder internationale Wettbewerber dadurch einen Vorteil erlangen, der langfristig zur Gefährdung des Unternehmens führt.689 Darüber hinaus bleibt es dem Staat, wenn er meint, dass es möglich ist, arbeitsplatzintensiv und gewinnarm zu wirtschaften und dennoch auf Dauer ohne Verluste am Markt zu bestehen, unbenommen, selbst am Wirtschaftsleben teilzunehmen und dadurch Arbeitsplätze zu schaffen. Das wäre auch aus Gründen der Verhältnismäßigkeit besser als private Arbeitgeber durch das Kündigungsschutzgesetz mittelbar zum Verzicht auf höhere Gewinne zu zwingen. Entgegen dem Arbeitsgericht Gelsenkirchen in seinem Urteil vom 28.10. 1997690 widerspricht ein Abbau des Personalbestandes trotz herausragender Gewinnsteigerungen nicht dem Sozialstaatsgebot der Art. 20, 28 GG oder § 2 SGB III. Aufgrund seiner Unbestimmtheit dient das Sozialstaatsprinzip vorwiegend der Legitimation von Eingriffen in grundrechtlich geschützte Positionen und erweitert damit den Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers, trägt aber bei unklarer gesetzlicher Regelung kaum etwas zur Lösung bei.691 Zwar kann die Sozialstaatsklausel mittelbar bei der Auslegung von Gesetzen herangezogen werden.692 Wenn aber bei der Auslegung ohnehin der (objektivrechtliche) Gehalt von Grundrechten beachtet werden muss – wie hier Art. 12 Abs. 1 GG zu Gunsten des Arbeitnehmers –, setzen die Grundrechte den konkreteren Maßstab, hinter den das Sozialstaatsprinzip zurücktritt.693 Das nach Abwägung der widerstreitenden Grundrechtspositionen von Arbeitgeber und Arbeitnehmer im Wege verfassungsorientierter Auslegung gefundene Ergebnis kann also nicht wegen des Sozialstaatsprinzips korrigiert werden. Auch der Hinweis des Arbeitsgerichts Gelsenkirchen in seiner Entscheidung vom 28.10.1997694 auf § 2 SGB III kann nicht überzeugen. Zwar haben nach § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB III die Arbeitgeber bei ihren Entscheidungen verantwor689 So gesehen kann man die Gewinnmaximierung entgegen Ulrich Preis (Stahlhacke/Preis, Rn. 952) durchaus grundsätzlich als wirtschaftliche Notwendigkeit ansehen. Werden Marktchancen durch ein Unternehmen nicht wahrgenommen, wird es sein Wettbewerber tun. 690 NZA 1998, 944, 945. 691 Vgl. Ruffert, S. 275. 692 Degenhart, Rn. 575. 693 Vgl. BVerfG 27.1.1998, E 97, 169, 185, B III; v. Finckenstein, Freie Unternehmerentscheidung, S. 196 f. 694 NZA 1998, 944, 945.

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H. Ausgewählte Einzelfälle

tungsvoll deren Auswirkungen auf die Beschäftigung der Arbeitnehmer und von Arbeitslosen und damit die Inanspruchnahme von Leistungen der Arbeitsförderung einzubeziehen. Darüber, was verantwortungsvoll sein soll und was nicht, trifft aber § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB III keine Aussage, so dass offen bleibt, ob eine Rationalisierungsmaßnahmen zur Steigerung des Gewinns verantwortungsvoll im Sinne dieser Vorschrift ist. Allerdings wird § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB III durch § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB III konkretisiert, wonach Arbeitgeber vorrangig durch betriebliche Maßnahmen die Inanspruchnahme von Leistungen der Arbeitsförderungen sowie Entlassungen von Arbeitnehmern vermeiden sollen. Aus dieser Vorschrift kann jedoch nicht entnommen werden, dass der Arbeitgeber Nachteile in Kauf nehmen oder auf Vorteile verzichten muss, um Entlassungen zu vermeiden. Die Formulierung, dass er „vorrangig“ durch betriebliche Maßnahmen Entlassungen vermeiden soll, ist vielmehr lediglich eine Umschreibung des Grundsatzes der Erforderlichkeit – also des ultima-ratio-Prinzips – und damit des Grundsatzes, dass der Arbeitgeber an Stelle von Entlassungen zu gleich geeigneten milderen Mitteln greifen soll.695 Gibt es zu einer gewinnsteigernden Rationalisierungsmaßnahme und den durch sie notwendig werden Kündigungen keine gleich geeigneten milderen Mittel, kann auch § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB III einer Kündigung nicht entgegen stehen.696

VII. Änderungskündigung 1. Vorüberlegung zur Tatbestandsstruktur der Änderungskündigung und ihrem Verhältnis zur Beendigungskündigung Nach § 2 Satz 1 KSchG kann der Arbeitnehmer, wenn der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis kündigt und ihm im Zusammenhang mit der Kündigung die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu geänderten Arbeitsbedingungen anbietet, dieses Angebot unter dem Vorbehalt annehmen, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen nicht sozial ungerechtfertigt ist. Als Rechtsfolge ordnet die Vorschrift damit abweichend von § 150 Abs. 2 BGB an, dass der Arbeitnehmer das Änderungsangebot auch unter Erklärung eines Vorbehalts annehmen kann, 695 Ebenso Rolfs, NZA 1998, 17, 18 f.; Preis, Ulrich, NZA 1998, 449, 454 f.; Hamacher, Anm. zu ArbG Gelsenkirchen 28.10.1997, EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 100. 696 Da die Erforderlichkeit der Kündigung und – nach der in dieser Arbeit vertretenen Auffassung – die Erforderlichkeit arbeitsplatzschädlicher betrieblicher Veränderungen ohnehin zu prüfen sind, kann der Streit, ob § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 ein für den Arbeitgeber verbindlicher Rechtssatz ist, oder ob dies Vorschrift als unverbindlicher Programmsatz ohne arbeitsrechtliche Auswirkungen angesehen werden muss, offen bleiben. Vgl. zu diesem Streit etwa APS/Kiel, § 1 KSchG, Rn. 564 f. mit weiteren Nachweisen. Offengelassen von BAG 12.11.1998, NZA 1999, 471, 474, B II 4.

VII. Änderungskündigung

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wenn die Tatbestandsvoraussetzungen des Ausspruchs einer Beendigungskündigung sowie ein damit zusammenhängendes Änderungsangebot vorliegen.697 Versteckt enthält § 2 Satz 1 KSchG aber auch eine Aussage über die Voraussetzungen der Änderungskündigung, wenn er bestimmt, dass sich der Vorbehalt des Arbeitnehmers auf die soziale Rechtfertigung der Änderungen der Arbeitsbedingungen beziehen muss. Da es bei dem Vorbehalt um die Wirksamkeit der Änderungskündigung geht, kann daraus entnommen werden, dass eine Änderungskündigung unwirksam ist, wenn die Änderung der Arbeitsbedingungen nicht sozial gerechtfertigt ist. Es liegt nahe, unter dem Begriff der sozialen Rechtfertigung bei der Änderungskündigung das Gleiche zu verstehen wie bei der Beendigungskündigung. Überträgt man die in dieser Arbeit für die betriebsbedingte Beendigungskündigung entwickelten Ergebnisse auf die Änderungskündigung, ergeben sich zwei Fallgruppen ihrer möglichen sozialen Rechtfertigung.698 Zum einen für den Regelfall der betriebsbedingten Änderungskündigung, wenn eine dringend erforderliche betriebliche Veränderung zu einem Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit (zu den vertraglich vereinbarten Arbeitsbedingungen) führt und die Änderung der Arbeitsbedingungen zur Wiederherstellung der Beschäftigungsmöglichkeit erforderlich und angemessen ist. Zum andern für den Sonderfall der betriebsbedingten Änderungskündigung, wenn zwar keine betriebliche Veränderung identifizierbar ist, die zum Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit (zu den vertraglich vereinbarten Arbeitsbedingungen) führt, die Änderung der Arbeitsbedingungen aber einer verschärften Interessenabwägung standhält.699 Der einzige Unterschied der Prüfung einer betriebsbedingten Änderungs- zu der einer Beendigungskündigung besteht danach darin, dass bei jener die Änderung der Arbeitsbedingungen, bei dieser die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt sein muss.700 Mit anderen Worten ist bei der Beendigungs- und der Än697

Vgl. Annuß, S. 264. Vgl. zu den zwei Fallgruppen der sozialen Rechtfertigung bei der Beendigungskündigung insbesondere oben Kapitel B.III., S. 70 ff. 699 Zur Notwendigkeit einer verschärften Interessenabwägung im Sonderfall der betriebsbedingten Kündigung vgl. oben Kapitel B.VI.2., S. 95 ff. 700 Ebenso im Ergebnis Rücker (S. 142 ff.), die der Ansicht ist, dass eine betriebsbedingte Änderungskündigung dann sozial gerechtfertigt sei, wenn sie durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt ist, die der Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers im Betrieb zu den bisherigen Arbeitsbedingungen entgegenstehen. Allerdings hält sie dafür eine analoge Anwendung von § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG für notwendig, da nach dieser Vorschrift die dringenden betrieblichen Erfordernisse der Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers entgegenstehen müssen, bei der Änderungskündigung der Arbeitnehmer aber gerade weiterbeschäftigt werden soll. Meines Erachtens ist es aber nach allgemeinem Sprachverständnis durchaus möglich anzunehmen, dass ein Umstand der Weiterbeschäftigung nicht nur dann entgegensteht, wenn die Weiterbeschäftigungsmöglichkeit vollständig wegfällt, sondern schon dann, wenn sie teilweise wegfällt. Ein teilweiser Wegfall der Weiterbeschäftigungsmöglichkeit kann aber angenommen werden, wenn eine Beschäftigung zu den vertraglichen vereinbarten Bedin698

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H. Ausgewählte Einzelfälle

derungskündigung nicht der Prüfungsmaßstab, sondern der Prüfungsgegenstand ein anderer. Anlässlich der Betrachtung der Tatbestandsstruktur der betriebsbedingten Änderungskündigung bietet es sich an, den Begriff des Arbeitskräfteüberhangs zu präzisieren. Nicht ohne Grund wurde in obiger Definition der sozialen Rechtfertigung der betriebsbedingten Änderungskündigung nicht der Begriff des Arbeitskräfteüberhangs, sondern der des Wegfalls der Beschäftigungsmöglichkeit zu den vertraglich vereinbarten Arbeitsbedingungen verwendet. Es gibt nämlich Fälle auch des Regelfalls der betriebsbedingten Kündigung, z. B. den der Aufteilung eines Vollzeitarbeitsplatzes und den der Verlegung des Betriebes701, in denen auf den ersten Blick kein Arbeitskräfteüberhang besteht, wenn man – wie es bei einem unbefangenen Verständnis nahe liegt – einen Arbeitskräfteüberhang nur dann annimmt, wenn der Personalbestand höher ist als der Personalbedarf.702 Schließlich wird in diesen Fällen die Arbeitskraft eines Arbeitnehmers weiter benötigt, der betroffene Arbeitnehmer kann lediglich aufgrund des Inhalts seines Arbeitsvertrags für die nachgefragten Leistungen nicht eingesetzt werden. Oder mit anderen Worten: Nicht die Beschäftigungsmöglichkeit an sich, sondern lediglich die zu den Bedingungen des Arbeitsvertrages ist weggefallen. Es ist daher sinnvoll, den Begriff des Arbeitskräfteüberhangs entsprechend anzupassen und unter ihm nicht lediglich die Differenz zwischen der Anzahl der vorhandenen und der der benötigten Arbeitskräfte zu verstehen. Vielmehr ist es sachgerecht, einen Arbeitskräfteüberhang schon dann anzunehmen, wenn Arbeitnehmer vom Arbeitgeber nicht sinnvoll eingesetzt werden können, gleichgültig ob das daran liegt, dass die Nachfrage nach menschlicher Arbeitskraft an sich zu niedrig ist, oder daran, dass der Arbeitnehmer aufgrund seines Arbeitsvertrages oder aufgrund sonstiger Hindernisse703 nicht beschäftigt werden kann. Es kommt also nicht darauf an, ob der Arbeitgeber Bedarf an gungen nicht mehr möglich ist. Auch Rückers Hinweis (S. 146), dass § 1 Abs. 2 Satz 3, 2. Alt. KSchG, nach dem eine Kündigung sozial ungerechtfertigt ist, wenn eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Arbeitsbedingungen möglich ist und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hiermit erklärt hat, bei der Änderungskündigung sinnwidrig sei, weil jede Änderungskündigung die Arbeitsbedingungen des Arbeitnehmers verändere, vermag nicht zu überzeugen. Nach Rücker (S. 143) ist § 1 Abs. 2 Satz 3, 2. Alt. bei einer direkten, wortwörtlichen Anwendung widersinnig, da der Satz dann angeblich lauten müsste: „Eine Änderungskündigung ist auch dann sozial ungerechtfertigt, wenn dem Arbeitnehmer die Weiterbeschäftigung unter geänderten Arbeitsbedingungen möglich ist“. Rücker übersieht dabei, dass es in § 1 Abs. 2 Satz 3, 2. Alt nicht heißt „die Weiterbeschäftigung“, sondern „eine Weiterbeschäftigung“. § 1 Abs. 2 Satz 3, 2. Alt. KSchG kann so verstanden werden, dass eine Änderungskündigung unwirksam ist, wenn es eine für den Arbeitnehmer weniger belastende Änderung der Arbeitsbedingungen gibt, die ebenso wie die vom Arbeitgeber angebotene Änderung geeignet ist, die Beschäftigungsmöglichkeit wiederherzustellen. § 1 Abs. 2 Satz 3, 2. Alt. KSchG ist damit eine Konkretisierung des Erforderlichkeitsgrundsatzes. 701 Vgl. dazu unten Kapitel H.VII.4., S. 233 ff. und Kapitel H.VII.5., S. 239 ff., auch die Änderung des Anforderungsprofils für einen Arbeitsplatz (vgl. unten Kapitel H.VIII., S. 240 ff.) gehört zu diesen Fällen. 702 Beispiel: Ein Arbeitnehmer ist als Halbtagskraft eingestellt, wobei im Arbeitsvertrag vereinbart ist, dass er vormittags zu arbeiten hat. Aufgrund einer dringend erforderlichen betrieblichen Umgestaltung besteht in Zukunft nur noch nachmittags Arbeitsbedarf.

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irgendwelcher Arbeitsleistung hat, sondern ob er die vom jeweiligen Arbeitnehmer geschuldete Arbeitsleistung benötigt.704 Eine solche Anpassung der Definition des Arbeitskräfteüberhangs ist sinnvoll, da der durch diesen im Regelfall der betriebsbedingten Kündigung begründete Störungstatbestand darin besteht, dass der Arbeitgeber, gäbe es für ihn nicht die Möglichkeit einer betriebsbedingten Kündigung, weiter den Lohn zahlen müsste, ohne die Arbeitskraft sinnvoll nutzen zu können.705 Eine solche Situation besteht aber auch dann, wenn der Arbeitnehmer lediglich aufgrund des Inhalts seines Arbeitsvertrages nicht eingesetzt werden kann.

Im Gegensatz zu der oben vertretenen Auffassung vertritt das Bundesarbeitsgericht die Ansicht, dass für die Beurteilung der sozialen Rechtfertigung der Änderungskündigung ein anderer Maßstab als für die der Beendigungskündigung gelte.706 Das ist jedoch nicht nachzuvollziehen, da auch das Bundesarbeitsgericht verlangt, dass dringende betriebliche Erfordernisse gemäß § 1 Abs. 2 KSchG das Änderungsangebot bedingen.707 Darüber hinaus widerspricht das Bundesarbeitsgericht sich selbst, wenn es einerseits einen anderen Prüfungsmaßstab für die Änderungskündigung fordert, andererseits aber klargestellt hat, dass für die Änderungskündigung kein milderer Maßstab als für die Beendigungskündigung gelte708 und dass die Änderungskündigung gegenüber der Beendigungskündigung milderes Mittel sei709. Letzteres ist nämlich nur möglich, wenn für die Änderungskündigung kein strengerer Wirksamkeitsmaßstab als für die Beendigungskündigung gilt; ansonsten würde die Eignung der Änderungskündigung als milderes Mittel an ihrer fehlenden rechtlichen Möglichkeit scheitern. Gibt es für die Änderungskündigung aber weder einen milderen noch einen strengeren Maßstab, muss er notwendigerweise mit dem der Beendigungskündigung identisch sein. Den Widerspruch des Bundesarbeitsgerichts vermeiden Stimmen in der Literatur, die an die Änderungskündigung zwar ebenfalls andere, aber geringere Anforderungen als an eine Beendigungskündigung stellen wollen. So soll die soziale Rechtfertigung einer betriebsbedingten Änderungskündigung etwa schon dann vorliegen, wenn das Interesse des Arbeitgebers an der Vornahme der Änderung das Interesse des Arbeitnehmers an deren Unterlassung überwiegt710, oder sogar schon dann, wenn ein sachliches 703 Ein solcher Fall ist der der Aufteilung eines Vollzeitarbeitsplatzes auf zwei gleichzeitig arbeitende Halbtagskräfte, vgl. unten Kapitel H.VII.4., S. 233 ff. 704 Ähnlich HWK/Quecke, § 1 KSchG, Rn. 263 f., der formuliert, dass in diesen Fällen der Arbeitsbedarf nicht mehr mit der vertraglich gebundenen Arbeitsleistung übereinstimme; ebenso Berkowsky, Betriebsbedingte Änderungskündigung, S. 37. 705 Vgl. oben Kapitel B.III.1., S. 71. 706 BAG 20.3.1986, AP KSchG 1969 § 2 Nr. 14, B IV 3. 707 BAG 20.3.1986, AP KSchG 1969 § 2 Nr. 14, B IV 3 a. Darauf weist auch Annuß (S. 257) hin. 708 BAG 25.10.1984 – 2 AZR 455/83, n. v., II 2 b cc. 709 BAG 27.9.1984, AP KSchG 1969 § 2 Nr. 8 (Leitsatz 1 und 2 b). 710 Löwisch, NZA 1988, 633, 636. Ähnlich Wiedemann, RdA 1961, 1, 5; Willemsen, in: Hromadka, Änderung von Arbeitsbedingungen, S. 169, 177.

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H. Ausgewählte Einzelfälle

Interesse des Arbeitgebers von einigem Gewicht vorliegt und das Änderungsangebot einer eingeschränkten Erforderlichkeitsprüfung standhält711. Nach Wallner soll eine Änderung der Arbeitsbedingungen dann sozial gerechtfertigt sein, wenn der Abstand zwischen den alten und neuen Arbeitsbedingungen durch eine Störung im Arbeitsverhältnis begründet ist und einer umfassenden Erforderlichkeitsprüfung standhält.712 Alle genannten Lösungsversuche bleiben allerdings eine stichhaltige Begründung dafür schuldig, warum der Begriff der sozialen Rechtfertigung bei der Änderungskündigung etwas anderes bedeuten soll als bei der Beendigungskündigung. Im Zweifel sind Normen so auszulegen, dass den in ihnen verwendeten gleichlautenden Wörtern auch der gleiche begriffliche Inhalt gegeben wird.713 Ein abweichender Sprachgebrauch bedarf besonderer Begründung. Dieser Grundsatz wird in § 2 Satz 1 KSchG noch dadurch verstärkt, dass der Begriff der sozialen Rechtfertigung nicht nur genannt, sondern in Klammern auf die Regelung des § 1 Abs. 2 Satz 1 bis 3, Abs. 3 Satz 1 und 2 verwiesen wird.714 Dieser Verweis kann nur so verstanden werden, dass der Begriff der sozialen Rechtfertigung, wie er in den genannten Vorschriften verwendet wird, auch bei der Änderungskündigung anzuwenden ist. Gegenüber diesen klaren gesetzlichen Vorgaben können die Begründungen für im Vergleich zur Beendigungskündigung geringere Anforderungen an die soziale Rechtfertigung einer Änderungskündigung nicht überzeugen. Löwischs Argument, dass eine Änderung der Arbeitsbedingungen erfolgen können muss, wenn sie betrieblich dringend notwendig und dem Arbeitnehmer zumutbar ist715, kann zwar für sich genommen zugestimmt werden, trägt aber nichts zur Lösung bei, da es den entscheidenden Punkt gerade offen lässt, wann denn eine Änderung der Arbeitsbedingungen betrieblich dringend notwendig ist und ob dies anders zu beantworten ist als die Frage, wann eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses betrieblich dringend notwendig ist. Der Gesichtspunkt, dass bei der Änderungskündigung nur der Inhalt des Arbeitsvertrages auf dem Spiel stehe, nicht aber

711

Brenneis, S. 109, 138 ff., 200. Wallner, Die ordentliche Änderungskündigung des Arbeitgebers, S. 181 ff., 195, 270 ff.; ders., Die Änderungskündigung, Rn. 380 und 382. Wenn Wallner allerdings die Ansicht vertritt, dass bei der betriebsbedingten Änderungskündigung der Wegfall des Bedürfnisses nach unveränderter Weiterbeschäftigung keine Voraussetzung sei (Die ordentliche Änderungskündigung des Arbeitgebers, S. 233, 272), so widerspricht dies der auch von ihm geforderten Störung im Arbeitsverhältnis. Es ist nicht ersichtlich, wie eine solche Störung vorliegen soll, wenn beim Arbeitgeber weiterhin ein Bedürfnis nach unveränderter Beschäftigung des Arbeitnehmers besteht. 713 Vgl. Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 164 (Kapitel 4, 2 f). 714 Darauf weist auch Annuß, S. 264 hin. A. A. ohne Begründung Wallner, Die ordentliche Änderungskündigung des Arbeitgebers, S. 151, der der Ansicht ist, dass die partielle Verweisung in Form eines Klammerzusatzes gegen eine direkte Anwendung des § 1 KSchG und seines Maßstabes spreche. 715 Löwisch, NZA 1988, 633, 636. 712

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das Arbeitsverhältnis selbst, weshalb die Anforderungen an die Zumutbarkeit der Hinnahme des Angebots geringer seien,716 vermag allenfalls die rechtspolitische Forderung zu begründen, de lege ferenda an die Änderungskündigung geringere Anforderungen zu stellen, nicht aber die eindeutige Regelung des § 2 Satz 1 KSchG zu revidieren. Darüber hinaus kann der Umstand, dass die Anforderungen an die Zumutbarkeit der Hinnahme des Angebots geringer sind als die an die Zumutbarkeit einer Beendigungskündigung, bei der auch bei der betriebsbedingten Kündigung vorzunehmenden Interessenabwägung717 berücksichtigt werden. Auch die Begründung Wallners, dass man dem Instrument „Änderungskündigung“ im Verhältnis zur Beendigungskündigung eine eigenständige Bedeutung abspräche und § 2 KSchG entgegen seinem Regelungsinhalt auf eine schlichte Verfahrensnorm reduzierte718, wenn man die Maßstäbe der Beendigungskündigung an die Änderungskündigung legte, kann nicht überzeugen. Zum einen bleibt die Änderung der Arbeitsbedingungen gegenüber der Beendigung des Arbeitsvertrages eine eigenständige – und zwar mildere – Reaktionsmöglichkeit auf den durch den betriebsbedingten Kündigungsgrund umschriebenen Störungstatbestand, auch wenn die Änderungskündigung den gleichen Voraussetzungen unterliegt wie die Beendigungskündigung. Zum anderen besteht die materiellrechtliche Bedeutung von § 2 Satz 1 KSchG gerade darin klarzustellen, dass die Änderungskündigung in gleicher Weise sozial gerechtfertigt sein muss wie die Beendigungskündigung und ein schwächerer Maßstab – wie er ohne die Regelung des § 2 KSchG Satz 1 denkbar wäre –, etwa eine bloße Billigkeits- oder Angemessenheitsprüfung, nicht ausreicht. Auch das Argument, dass Prüfungsgegenstand der sozialen Rechtfertigung die geänderten Arbeitsbedingungen und damit das Änderungsangebot sei719, ist nicht stichhaltig. Selbst wenn dem so wäre, folgte daraus kein anderer Maßstab für die soziale Rechtfertigung der Änderungskündigung, sondern es läge im Gegenteil darin der Auftrag an die Auslegung, einen Begriff der sozialen Rechtfertigung zu finden, der gleichermaßen auf die Beendigungskündigung wie auf das Änderungsangebot anwendbar ist.720 Darüber hinaus ist die Behauptung, dass sich der Wortlaut von § 2 Satz 1 KSchG auf die „geänderten Arbeitsbedingungen“ beziehe, nicht zutreffend. Nach § 2 Satz 1 KSchG muss die „Änderung der Arbeitsbedingungen“ sozial gerechtfertigt sein. Der Begriff der Änderung der Arbeitsbedingungen bezeichnet aber den Vorgang der Änderung, wohingegen sich der Begriff 716

Löwisch/Spinner, § 2 KSchG, Rn. 41; Wiedemann, RdA 1961, 1, 5. Vgl. dazu oben Kapitel B.VI., S. 87 ff. 718 Wallner, Die ordentliche Änderungskündigung des Arbeitgebers, S. 162. Ähnlich Ascheid, Rn. 489. 719 Wallner, Die ordentliche Änderungskündigung des Arbeitgebers, S. 270; Ascheid, Rn. 489. 720 Auch Precklein (S. 140) weist darauf hin, dass die Ausrichtung der Prüfung an der Änderung der Arbeitsbedingungen nicht bedeute, dass ein anderer Prüfungsmaßstab gelte. 717

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H. Ausgewählte Einzelfälle

der geänderten Arbeitsbedingungen lediglich auf das Ergebnis der Änderung bezieht.721 Mit dem Begriff der Änderung der Arbeitsbedingungen bezieht sich § 2 Satz 1 KSchG auf die zuvor in ihm erwähnte Beendigungskündigung im Zusammenhang mit dem Änderungsangebot zurück. Das mit der Änderung der Arbeitsbedingungen nicht bloß das Änderungsangebot gemeint ist, wird auch dadurch bestätigt, dass § 2 Satz 1 KSchG ansonsten hätte lauten können, dass der Arbeitnehmer das Änderungsangebot unter dem Vorbehalt annehmen kann, dass es – statt „die Änderung der Arbeitsbedingungen“ – nicht sozial ungerechtfertigt ist. Wenn man der hier vertretenen Ansicht folgt, dass der Begriff der sozialen Rechtfertigung bei Änderungs- und Beendigungskündigung den gleichen Inhalt hat, stellt sich die Frage, ob bei der Änderungskündigung die Änderung der Arbeitsbedingungen oder bloß die mit ihr zusammenhängende Beendigungskündigung sozial gerechtfertigt sein muss722, als ein Scheinproblem heraus. Denn auch wenn nur die Wirksamkeit der Beendigungskündigung geprüft würde, müsste die Möglichkeit der Wiederherstellung der weggefallenen Beschäftigungsmöglichkeit durch eine Änderung der Arbeitsbedingungen im Rahmen der Erforderlichkeitsprüfung der Kündigung berücksichtigt werden. Geht man nämlich – wie es der ganz h. M. entspricht – davon aus, dass die Änderungskündigung milderes Mittel gegenüber der Beendigungskündigung ist, so ist der Ausspruch einer Beendigungskündigung ohne Änderungsangebot, obwohl eine Wiederherstellung der weggefallenen Beschäftigungsmöglichkeit durch eine Änderung der Arbeitsbedingungen möglich und zumutbar wäre, nicht erforderlich und damit nicht sozial gerechtfertigt.723 Dasselbe muss gelten, wenn zwar ein 721 Auch Annuß (S. 265) weist darauf hin, dass § 2 Satz 1 KSchG als Gegenstand der Kontrolle nicht die „geänderten Arbeitsbedingungen“, sondern die „Änderung der Arbeitsbedingungen“ nennt, schließt aber daraus, dass damit nur die Tatsache des Abrückens von den ursprünglich geltenden Arbeitsbedingungen gemeint sein kann. Auch diese Interpretation von Annuß wird allerdings dem Begriff der Änderung nicht gerecht. Eine Änderung setzt sich zusammen aus dem Abrücken von einem alten Zustand und dem Übergang zu einem neuen Zustand. Es kann also festgehalten werden, dass sowohl der ausschließliche Blick auf das Änderungsangebot, als auch die isolierte Betrachtung des „Abrückens“ von den alten Arbeitsbedingungen – also der Beendigungskündigung – den Begriff der Änderung verfehlen. 722 Vgl. BAG 7.6.1973, E 25, 213, 219, II 2 b; v. Hoyningen-Huene/Linck, § 2 KSchG, Rn. 54 ff. 723 Vgl. Stahlhacke/Preis, Rn. 1007 ff.; APS/Kiel, § 1 KSchG, Rn. 623 ff. BAG 27.9.1984, AP KSchG 1969 § 2 Nr. 8 (Leitsatz 1 und 2 b). A. A. Annuß, S. 268, und NZA 2005, 443, 447, vgl. dazu den nächsten Absatz im Haupttext. An dieser Stelle wird deutlich, dass, wenn sowohl eine Beendigungs- als auch eine Änderungskündigung geeignet ist, den aus der weggefallenen Beschäftigungsmöglichkeit (zu den bisherigen Arbeitsbedingungen) resultierenden Arbeitskräfteüberhang zu beseitigen, nur eine Änderungskündigung wirksam ist. Das liegt aber nicht daran, dass die Änderungskündigung geringeren Wirksamkeitsanforderungen unterliegt, sondern dass der sowohl für die Beendigungs- als auch für die Änderungskündigung geltende

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Änderungsangebot ausgesprochen wurde, aber ein ebenso geeignetes weniger belastendes Änderungsangebot möglich wäre.724 Ein milderes Mittel gegenüber dem milderen Mittel zu einer Maßnahme ist nämlich auch milderes Mittel gegenüber der Maßnahme selbst. Für die Änderungskündigung gibt es also kein selbständiges Prüfungsschema. Wie bei der Beendigungskündigung725 ist es aus Gründen der Übersichtlichkeit sinnvoll, die Prüfung in zwei Schritte zu zerlegen: Eine Änderungskündigung ist wirksam, wenn (1.) eine dringend erforderliche betriebliche Veränderung zum Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit führt und (2.) das Änderungsangebot erforderlich ist, also die Beschäftigungsmöglichkeit auf die den Arbeitnehmer am wenigsten belastende Weise wiederherstellt; ferner muss das Änderungsangebot angemessen726 sein. Dieser Prüfungsaufbau der Änderungskündigung kann mit dem zweistufigen Aufbau der h. M. in Übereinstimmung gebracht werden – nach dem die Änderungskündigung wirksam ist, wenn (1.) dringende betriebliche Erfordernisse das Änderungsangebot bedingen und (2.) der Arbeitgeber sich bei einem an sich anerkennenswerten Anlass zur Änderungskündigung darauf beschränkt hat, nur solche Änderungen vorzuschlagen, die der Arbeitnehmer billigerweise hinnehmen muss727 –, wenn man Erforderlichkeitsgrundsatz verlangt, dass das für den Arbeitnehmer mildere Mittel der Änderungskündigung angewendet wird. Die vom Bundesarbeitsgericht in seiner Entscheidung vom 27.9.1984 (AP KSchG 1969 § 2 Nr. 8, Leitsatz 3 und unter B II 3 d aa) zusätzlich aufgestellte Voraussetzung, dass der Arbeitnehmer im Kündigungsschutzprozess vortragen müsse, dass er einem vor Ausspruch einer Beendigungskündigung möglichen und zumutbaren Änderungsangebot des Arbeitgebers zumindest unter Vorbehalt zugestimmt hätte, weil ohne die Zustimmung des Arbeitnehmers die Änderung der Arbeitsbedingungen nicht möglich und damit auch kein geeignetes milderes Mittel sei, hat das Bundesarbeitsgericht in seinem Urteil vom 21.4.2005 (NZA 2005, 1289, 1294, Leitsatz 4 und unter B II 4 c gg) als bedenklich bezeichnet. Gegen die ältere Rechtsprechung schon Stahlhacke/ Preis, Rn. 1013; APS/Kiel, § 1 KSchG, Rn. 633. 724 Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass, wenn es kein zur Wiederherstellung der Beschäftigungsmöglichkeit geeignetes weniger belastendes Änderungsangebot gibt, die fehlende Geeignetheit, Angemessenheit oder rechtliche Möglichkeit des tatsächlich ausgesprochenen Änderungsangebots der Wirksamkeit der Änderungs- bzw. Beendigungskündigung nicht entgegenstehen kann. Der Arbeitgeber muss nämlich nur zu geeigneten milderen Mitteln greifen. Gibt es kein Änderungsangebot, das geeignet und angemessen ist, die Beschäftigungsmöglichkeit wiederherzustellen, darf der Arbeitgeber den aus der weggefallenen Beschäftigungsmöglichkeit resultierenden Arbeitskräfteüberhang mit einer Beendigungskündigung beseitigen. Macht der Arbeitgeber aber, obwohl er eine isolierte Beendigungskündigung aussprechen dürfte, zusätzlich ein – wenn auch ungeeignetes oder unangemessenes – Änderungsangebot, ist dies für den Arbeitnehmer lediglich ein Vorteil, der die Kündigung nicht unwirksam machen kann. 725 Vgl. oben Kapitel B.VII., S. 101. 726 Im Regelfall der Änderungskündigung wird die Angemessenheitsprüfung nur in seltenen Ausnahmefällen zur Unwirksamkeit der Kündigung führen, vgl. entsprechend oben Kapitel B.VI.1., S. 93 ff. 727 BAG 20.3.1986, AP KSchG 1969 § 2 Nr. 14, B IV 4; BAG 23.11.2000, AP KSchG 1969 § 2 Nr. 62, unter II 1; APS/Künzl, § 2 KSchG, Rn. 235.

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H. Ausgewählte Einzelfälle

annimmt, dass der Schwerpunkt der Billigkeitsprüfung in einer Erforderlichkeitsprüfung besteht, also in der Prüfung, ob sich der Arbeitgeber darauf beschränkt hat, dem Arbeitnehmer die am wenigsten belastendende Änderung der Arbeitsbedingungen anzubieten.728 Auch Annuß geht davon aus, dass der Begriff der sozialen Rechtfertigung bei Änderungs- und Beendigungskündigung den gleichen Inhalt hat.729 Er ist allerdings der Ansicht, dass bei der Änderungskündigung nur die Beendigungskomponente sozial gerechtfertigt sein muss. Die Änderungskomponente bzw. das Ausmaß der Änderung soll nach ihm nicht überprüft werden.730 Nach Annuß betrifft § 2 Satz 1 KSchG somit nur freiwillige Änderungsangebote des Arbeitgebers, die dem Arbeitnehmer im Zusammenhang mit einer ihm gegenüber ausgesprochenen Beendigungskündigung als Alternative zu einem vollständigen Verlust des Arbeitsplatzes gemacht werden.731 Im Ergebnis läuft diese Auffassung darauf hinaus, dass immer dann, wenn eine Änderungskündigung wirksam ist – und kein Fall von § 1 Abs. 2 Satz 3, Alt. 2 KSchG vorliegt –, auch eine Beendigungskündigung wirksam gewesen wäre.732 Annuß’ Ansicht beruht auf 728 In diesem Sinne KR/Rost, § 2 KSchG, Rn. 98 f.; APS/Künzl, § 2 KSchG, Rn. 235. Geht man davon aus, dass die Billigkeitsprüfung des Änderungsangebots im Wesentlichen in einer Erforderlichkeitsprüfung besteht, kann der Ansicht Annuß’ (S. 257 und NZA 2005, 444), dass die von der h. M. geforderte Billigkeit des Änderungsangebots als zusätzliche Wirksamkeitsvoraussetzung erscheine, so dass eine Änderungskündigung im Vergleich zur Beendigungskündigung nicht unter erleichterten, sondern im Gegenteil nur unter erschwerten Voraussetzungen zulässig wäre, nicht gefolgt werden. Wie oben gezeigt wurde, ist nämlich die Erforderlichkeitsprüfung des Änderungsangebots mit derjenigen der Beendigungskündigung identisch. Das Änderungsangebot ist lediglich eines der möglichen milderen Mittel, die bei der Erforderlichkeitsprüfung der Beendigungskündigung berücksichtigt werden müssen. Das Bundesarbeitsgericht untersucht innerhalb der Billigkeitsprüfung, ob das Änderungsangebot gegen das Diskriminierungsverbot des § 4 TzBfG bzw. gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz verstößt (vgl. BAG 24.4.1997, WiP 1997, 1251, 1252, mit zustimmender Anmerkung von Schmitt, S. 1252 f.). Verstößt das Änderungsangebot gegen Rechtsvorschriften, muss jedoch die Billigkeitsprüfung nicht bemüht werden. Die Kündigung ist dann schon wegen Verstoßes gegen § 134 BGB unwirksam (vgl. ErfK/Preis, § 4 TzBfG, Rn. 72, für Verstöße gegen § 4 TzBfG; ErfK/Preis, § 611 BGB, Rn. 749, für Verstöße gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz). Ferner ist ein rechtswidriges Änderungsangebot schon kein geeignetes Mittel, um die Beschäftigungsmöglichkeit wieder herzustellen. 729 Annuß, S. 263 ff. 730 Annuß, S. 265 ff. 731 Annuß, S. 270. 732 Unklar Holthausen (S. 134), der einerseits die Ansicht vertritt, dass eine betriebsbedingten Änderungskündigung nur in den Fällen gerechtfertigt sei, in denen auch eine Beendigungskündigung des Arbeitsverhältnisses rechtswirksam erklärt werden kann, andererseits aber einräumt, dass das Änderungsangebot unter Beachtung des ultima-ratio-Grundsatzes ein Teilelement einer wirksamen Kündigung darstelle. Lezteres kann nur bedeuten, dass, wenn es möglich ist, durch ein Änderungsangebot die weggefallene Beschäftigungsmöglichkeit wieder herzustellen, eben gerade keine wirk-

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der Annahme, dass die Änderungskündigung gegenüber der Beendigungskündigung kein milderes Mittel ist, dass also der Grundsatz von dem Vorrang der Änderungskündigung gegenüber der Beendigungskündigung abzulehnen ist.733 Er sieht zwar selber, dass dieser Grundsatz aus dem ultima-ratio-Prinzip folgt734, ist jedoch der Ansicht, dass dieses Prinzip wiederum im geltenden Recht nicht verankert werden könne. Dabei übersieht Annuß, dass das ultimaratio-Prinzip in dem Tatbestandsmerkmal der Bedingtheit der Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse seine Rechtfertigung findet735: Eine Beendigungskündigung ist nicht durch den im Kündigungsgrund umschriebenen Störungstatbestand bedingt, wenn es nicht erforderlich ist, die Störung durch eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu beseitigen, weil es ein milderes geeignetes Mittel gibt.736 Ein solches milderes Mittel ist eine Änderungskündigung, wenn der Arbeitskräfteüberhang nicht nur durch die Beendigung des Arbeitsverhältnisses, sondern auch durch eine Änderung der Arbeitsbedingungen beseitigt werden kann. Entgegen Annuß folgt also der Vorrang der Änderungs- vor der Beendigungskündigung sehr wohl aus § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG, auf den § 2 Satz 1 KSchG verweist. Dieses Ergebnis wird auch durch den Wortlaut von § 2 Satz 1 KSchG bestätigt. Wäre es nämlich richtig, dass das Änderungsangebot für die Wirksamkeit der Änderungskündigung irrelevant ist, der Arbeitgeber also auch ein für den Arbeitnehmer ungünstigeres Änderungsangebot oder sogar eine Beendigungskündigung hätte aussprechen können, hätte es in § 2 Satz 1 KSchG nicht lauten müssen, dass der Arbeitnehmer das Angebot unter dem Vorbehalt annehmen kann, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen, sondern dass eine Änderung der Arbeitsbedingungen sozial gerechtfertigt ist.

2. Änderungskündigung statt Beendigungskündigung? Nach dem Bundesarbeitsgericht gehört es zum unternehmerischen Ermessen, ob ein umfangmäßig konkretisierter Dienstleistungsbedarf nur mit Volltagsoder teilweise auch mit Halbtagsbeschäftigungen abgedeckt werden soll. Der Unternehmer soll daher im Ergebnis bis zur Grenze der Willkür und der Umgehung des Kündigungsschutzgesetzes frei entscheiden können, ob er statt wenigen Beendigungskündigungen mehrere Änderungskündigungen bzw. ob er statt same reine Beendigungskündigung ausgesprochen werden kann (so auch APS/Künzl, § 2 KSchG, Rn. 186). Eine Beendigungskündigung unter Bezugnahme auf ein Änderungsangebot ist aber begrifflich keine Beendigungskündigung mehr, sondern eine Änderungskündigung. 733 Annuß, S. 268; Annuß, NZA 2005, 443, 447. 734 Vgl. Annuß, NZA 2005, 443. 735 Annuß unterläuft damit bei der Frage des Vorrangs der Änderungs- vor der Beendigungskündigung der gleiche Fehler wie bei dem Problem der unternehmensbezogenen Weiterbeschäftigungspflicht, vgl. dazu oben Kapitel C.VI., S. 131 ff. 736 Vgl. oben Kapitel B.I.3., S. 22 ff.

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mehreren Änderungskündigungen weniger Beendigungskündigungen ausspricht.737 Dies ist im Ergebnis nur bei einer rein kündigungsschutzrechtlichen Betrachtung richtig; allerdings ist auch bei solch einer eingeschränkten Betrachtung die Begründung mit der Freiheit der Unternehmerentscheidung nicht haltbar. Wenn man § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB III berücksichtigt, ergibt sich darüber hinaus, dass in der Regel mehrere Änderungskündigungen wenigen Beendigungskündigungen vorzuziehen sind. a) Rein kündigungsschutzrechtliche Betrachtung Wird bei der Frage, ob der Arbeitgeber zwischen wenigen Beendigungskündigungen oder mehreren Änderungskündigungen frei wählen kann, § 2 Abs. 2 SGB III nicht berücksichtigt, ist es zwar im Ergebnis richtig, eine entsprechende Wahlfreiheit des Arbeitgebers anzunehmen, diese kann jedoch nicht mit dem Dogma von der Freiheit der Unternehmerentscheidung begründet werden, und zwar auch dann nicht, wenn man dieses Dogma für richtig hält. Bei der Begründung der Wahlfreiheit des Arbeitgebers mit der unternehmerischen Entscheidungsfreiheit wirkt sich wiederum nachteilig aus, dass das Bundesarbeitsgericht und die h. M. kein tragfähiges Konzept haben, um Maßnahmen, die frei sein sollen, von der Kündigung und ihren Alternativmaßnahmen, die voll am KSchG überprüfbar sein sollen, abzugrenzen.738 Die vom Bundesarbeitsgericht zur Lösung angebotene Definition, dass alles was zur Unternehmenspolitik gehöre, frei sei,739 führt nicht weiter, da letztlich alle Entscheidungen zur Unternehmenspolitik gehören können. So kann etwa auch der Plan, teuren Arbeitnehmern zu kündigen, um billigere einzustellen, Gegenstand einer Unternehmenspolitik sein. Richtig ist es demgegenüber – wenn man am Dogma von der Freiheit der Unternehmerentscheidung festhalten will – nur Maßnahmen als frei anzusehen, die den Arbeitskräftebedarf verringern, wohingegen Maßnahmen, die das Angebot an menschlicher Arbeitskraft reduzieren, also den Personalbestand dem gesunkenen Personalbedarf anpassen, Maßnahmen sind, die die gleiche Funktion wie die Kündigung haben und daher im Rahmen einer Verhältnismäßigkeitsprüfung mit dieser verglichen und damit voll überprüft werden müssen.740 Legt man diese Abgrenzungskriterien zu Grunde, dann ist die Entscheidung, ob der Personalbestand durch eine Beendigungskündigung oder durch eine Änderungskündigung abgebaut werden soll, keine freie Maß737 Vgl. BAG 24.4.1997, AP KSchG 1969 § 2 Nr. 42, II 2 a; BAG 19.5.1993, AP KSchG 1969 § 2 Nr. 31, II 2 e bb. 738 Vgl. dazu oben Kapitel C.II., S. 117 ff., insbesondere S. 120 f.; auch Kapitel H.I., S. 165 ff., insbesondere S. 168 f. 739 Vgl. BAG 19.5.1993, AP KSchG 1969 § 2 Nr. 31, II 2 e aa, vgl. dazu schon oben Kapitel C.I.2., S. 110 ff., insbesondere S. 114 ff. 740 Vgl. oben Kapitel B.IV., S. 73 ff.

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nahme741, sondern gehört zu den Alternativmaßnahmen zur Kündigung. Diese Entscheidung ist nämlich keine Maßnahme, die den Personalbedarf reduziert, sondern die die Verringerung des Personalbestands betrifft. Grundsätzlich ist daher der Arbeitgeber bei der Alternative, anstelle einer geringeren Zahl von Beendigungskündigungen eine größere Zahl von Änderungskündigungen bzw. anstelle einer größeren Anzahl von Änderungskündigungen eine geringere Anzahl von Beendigungskündigungen auszusprechen, gerade nicht frei, sondern muss den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachten.742 Da die Änderungskündigung im Vergleich zu einer Beendigungskündigung milderes Mittel ist, würde an sich auf den ersten Blick der im Verhältnismäßigkeitsprinzip enthaltenen Grundsatz der Erforderlichkeit verlangen, statt wenigen Beendigungskündigungen mehrere Änderungskündigungen auszusprechen, vorausgesetzt allerdings, dass diese ebenso wie jene zur Beseitigung des Arbeitskräfteüberhangs geeignet und für den Arbeitgeber ohne Nachteil durchführbar sind. Dennoch kann sich der Arbeitgeber im Ergebnis frei entscheiden, weil sich das Problem, ob eine Beendigungs- oder eine Änderungskündigung vorzugswürdig ist, mit Hilfe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nicht lösen lässt. Auf diesen Grundsatz kann sich nämlich nicht nur derjenige Arbeitnehmer berufen, der meint, dass seine Beendigungskündigung durch mehrere Änderungskündigungen vermieden werden könnte, sondern es können sich dann auch die von den Änderungskündigungen bedrohten Arbeitnehmer darauf berufen, dass ihre Kündigung mit der Beendigungskündigung des in Rede stehenden Arbeitnehmers vermieden werden könnte. Es entsteht also eine Pattsituation. Aus Sicht des Arbeitgebers zieht in einer solchen Situation die Entlastung des einen Arbeitnehmers in der Regel die Belastung eines anderen Arbeitnehmers nach sich, so dass nicht entschieden werden kann, welche Kündigungsmöglichkeit das mildere Mittel ist. Daraus ergibt sich, dass bei einer rein kündigungsschutzrechtlichen Betrachtung milderes Mittel nicht der nachteilige Eingriff in Rechte anderer Arbeitnehmer sein kann.743 Das ist nur ausnahmsweise anders, wenn für den Arbeitgeber ersichtlich ist, dass die betroffenen Arbeitnehmer dem Eingriff zustimmen werden – etwa weil sie ohnehin Teilzeit arbeiten wollten –, da sie 741 Auf diesen Umstand hat die vom Bundesarbeitsgericht aufgehobene Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Hamburg richtigerweise hingewiesen, wie sich aus I der Gründe der Entscheidung des BAG v. 19.5.1993 ergibt (BAG AP KSchG 1969 § 2 Nr. 31). 742 Auch das Bundesarbeitsgericht (BAG 19.5.1993, AP KSchG 1969 § 2 Nr. 31, II 3 b) wendet in Bezug auf diese Alternative den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz an. Damit setzt es sich in Widerspruch zu seiner zuvor aufgestellten Behauptung, dass die Entscheidung zwischen beiden Möglichkeiten der freien unternehmerischen Entscheidung unterliege; denn Freiheit der Unternehmerentscheidung soll doch nach dem BAG gerade bedeuten, dass Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit, also Erforderlichkeit und Geeignetheit der Maßnahme nicht überprüft werden (vgl. oben Kapitel C.I.1., S. 102 ff.). 743 So auch Waas, Anm. zu BAG AP KSchG 1969 § 2 Nr. 31, 1 c bb.

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dann auf die Anwendung des Erforderlichkeitsprinzips zu ihren Gunsten verzichten.744 Auch § 1 Abs. 3 KSchG gibt – worauf das Bundesarbeitsgericht richtigerweise abstellt745 – keine Antwort auf die Frage, ob mehrere Änderungskündigungen oder weniger Beendigungskündigungen vorzugswürdig sind. Diese Vorschrift setzt nämlich schon voraus, dass eine bestimmte Anzahl von Beendigungs- bzw. Änderungskündigungen ausgesprochen werden kann und regelt lediglich die Auswahl der Adressaten. Nach dieser Analyse steht fest, dass die Frage, ob mehrere Änderungskündigungen oder weniger Beendigungskündigungen auszusprechen sind, vom Tatbestand des KSchG gar nicht betroffen wird. Das bedeutet, dass die Kündigungsfreiheit des Arbeitgebers insoweit nicht beschränkt ist. Es ist aber missverständlich, insoweit von Ermessensfreiheit des Arbeitgebers zu sprechen. Von Ermessensfreiheit bzw. Beurteilungsspielräumen sollte nur gesprochen werden, wenn zwar eine gesetzliche Regelung besteht, einem von der Regelung Betroffenen aber ein Spielraum bei der Bestimmung der Rechtsfolge bzw. der Tatbestandsvoraussetzungen eingeräumt wird. Besteht gar keine gesetzliche Regelung bzw. erfasst – wie hier – diese einen bestimmten Fall nicht, ist es deutlicher, von Handlungsfreiheit zu sprechen. b) Berücksichtigung von § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB III Die nach dem KSchG bestehende Handlungsfreiheit des Arbeitgebers könnte jedoch durch § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 Alt. 2 SGB III eingeschränkt sein. Nach dieser Vorschrift sollen Arbeitgeber vorrangig durch betriebliche Maßnahmen Entlassungen von Arbeitnehmern vermeiden. Damit sind alle möglichen betrieblichen Maßnahmen, die als milderes Mittel gegenüber Entlassungen in Betracht kommen, zu prüfen. § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 Alt. 2 SGB III ordnet also eine Erforderlichkeitsprüfung von Entlassungen an. Milderes Mittel gegenüber Entlassungen sind aber auch Änderungskündigungen, wenn diese Beendigungskündigungen vermeiden.746 Damit ist die Pattsituation, die die Unanwendbarkeit 744 Für diese Ausnahme sind auch Preis, Ulrich, Prinzipien, S. 318 f. und Preis, Bernd, NZA 1997, 625, 631. 745 Vgl. BAG 19.5.1993, AP KSchG 1969 § 2 Nr. 31, II 3 a aa. 746 Eine Prüfung der Erforderlichkeit von Entlassungen geht damit weiter als eine Erforderlichkeitsprüfung bloß der Kündigung. Würde § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 Alt. 2 SGB III lediglich eine Erforderlichkeitsprüfung von Kündigungen anordnen, wäre die Änderungskündigung eines Arbeitnehmers gegenüber der Beendigungskündigung eines anderen Arbeitnehmers aus der Sicht des Arbeitgebers nicht von vornherein das mildere Mittel, da beides Kündigungen sind. Das ist bei einer Erforderlichkeitsprüfung von Entlassungen anders. Da nur die Beendigungskündigung eine Entlassung darstellt, ist die Änderungskündigung vor der Beendigungskündigung vorzugswürdig. Möglicherweise kann so dem Hinweis in der Gesetzesbegründung zu § 2 Abs. 1 SGB III

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des Erforderlichkeitsprinzips zu Gunsten des von der Beendigungskündigung betroffenen Arbeitnehmers bei einer rein kündigungsschutzrechtlichen Betrachtung verhindert, aufgehoben. Der in § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 Alt. 2 SGB III ausgedrückte Wille des Gesetzgebers, Entlassungen möglichst zu vermeiden, führt dazu, dass sich der von der Änderungskündigung betroffene Arbeitnehmer nicht in gleichem Maße auf das Erforderlichkeitsprinzip berufen kann wie der von der Beendigungskündigung Betroffene, weswegen der Arbeitgeber die Möglichkeit mehrerer Änderungskündigungen als milderes Mittel gegenüber einer Beendigungskündigung berücksichtigen muss.747 Zwar ist umstritten, ob § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 Alt. 2 SGB III ein für den Arbeitgeber verbindlicher Rechtssatz ist748, oder ob diese Vorschrift als unverbindlicher Programmsatz ohne arbeitsrechtliche Auswirkungen angesehen werden muss749. Letztere Ansicht wird vor allem damit begründet, dass der Gesetzgeber § 2 Abs. 2 Satz 2 SGB III bewusst als Soll-Verpflichtung ausgestaltet hat. Dieser Streit ist für die im vorigen Absatz dargestellte Lösung jedoch nicht relevant, da diese nicht an die Verpflichtung des Arbeitgebers anknüpft, sondern dem von der Änderungskündigung betroffenen Arbeitnehmer die Möglichkeit nimmt, sich in gleicher Weise wie der von einer Entlassung betroffene Arbeitnehmer auf das Erforderlichkeitsprinzip zu berufen. Die Verpflichtung – oder genauer: die Obliegenheit750 – des Arbeitgebers, zum Entlassungen vermeidenden Mittel der Änderungskündigung zu greifen, ergibt sich dann schon aus der (vgl. BT-Drucks. 13/4941, S. 152) Sinn gegeben werden, dass die in dieser Vorschrift enthaltene Regelung über das geltende Recht hinausgehe. 747 Selbstverständlich gilt dies nur, wenn dem Arbeitgeber der Ausspruch einer Änderungskündigung rechtlich möglich ist. Ansonsten fehlt es schon an deren Geeignetheit als Alternativmaßnahme zur Beendigungskündigung. Voraussetzung der Wirksamkeit einer Änderungskündigung ist insbesondere die Zumutbarkeit des Änderungsangebotes für den Arbeitnehmer. Dies wird bei einer Änderungskündigung zur Arbeitszeitreduzierung voraussetzen, dass dem betroffenen Arbeitnehmer genügend Restarbeitszeit und damit Entlohnung verbleibt, um seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Vgl. dazu BAG 19.5.1993, AP KSchG 1969 § 2 Nr. 31, II 2 e bb, wo das Gericht allerdings systematisch irreführend nicht erst die Zumutbarkeit des Änderungsangebots, sondern schon die sachlich begründbaren betrieblichen Erfordernisse verneinen möchte, wenn der verbleibende Arbeitsverdienst unterhalb des Arbeitslosengeldanspruchs bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses verbliebe. 748 So Schaub, NZA 1997, 810 f., Bieback, ArbuR 1999, 209, 211; Bepler, ArbuR 1999, 219, 220 ff.; Fischermeier, NZA 1007, 1089, 1091; Löwisch, NZA 1998, 729. 749 So Niesel, NZA 1997, 580, 584; Bauer/Haussmann, NZA 1997, 1100, 1101; Ettwig, NZA 1997, 1152 f. 750 Der von der Beendigungskündigung betroffene Arbeitnehmer hat keinen Anspruch gegen den Arbeitgeber, einem anderen Arbeitnehmer die Änderungskündigung auszusprechen. Ist eine solche Änderungskündigung jedoch möglich gewesen, macht das die Beendigungskündigung unwirksam. Dazu, dass die Wahrung der Erscheinungsformen des Verhältnismäßigkeitsprinzips lediglich eine Obliegenheit des Arbeitgebers ist, vgl. auch Preis, Ulrich, NZA 1998, 449, 455, unter III 4 c der Ausführungen.

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in § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG angeordneten Erforderlichkeitsprüfung der Kündigung. Des Rückgriffs auf eine möglicherweise auch in § 2 Abs. 2 Satz 2 SGB III enthaltene Verpflichtung des Arbeitgebers bedarf es nicht.751 Nach Ulrich Preis kann ein Arbeitnehmer trotz § 2 Abs. Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB III weiterhin prinzipiell nicht verlangen, dass statt einer Beendigungskündigung mehrere Änderungskündigungen ausgesprochen werden.752 Er begründet dies damit, dass ein von der Beendigungskündigung betroffener Arbeitnehmer nicht fordern könne, dass zur Vermeidung seiner Kündigung in Rechte anderer Arbeitnehmer eingegriffen wird. Dies ergebe sich aus der individualrechtlichen, zweiseitigen und strikt arbeitsvertragsbezogen Konzeption des Kündigungsschutzes.753 Im Arbeitsrecht könne es deswegen nur um die Suche nach milderen Mitteln innerhalb der zweiseitigen Vertragsbeziehung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer gehen.754 Dem ist jedoch zu entgegnen, dass milderes Mittel gegenüber der Kündigung jede ebenso geeignete Maßnahme des Arbeitgebers ist, die den Arbeitnehmer weniger belastet.755 Dazu gehören grundsätzlich auch Maßnahmen, die die Rechtspositionen anderer Arbeitnehmer betreffen. Lediglich wenn der Eingriff in Rechte Dritter dem Arbeitgeber nicht möglich ist, scheidet die Maßnahme mangels Geeignetheit aus.756 Dass der Arbeitnehmer 751 Auch für die in dieser Arbeit behandelte Frage, ob nur die Kündigung erforderlich sein muss, um den Arbeitskräfteüberhang zu beseitigen, oder ob auch die Maßnahme, die zu dem Arbeitskräfteüberhang geführt hat, auf ihre Erforderlichkeit überprüft werden muss, kann offen bleiben, ob § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 Alt. 2 SGB III den Arbeitgeber verpflichtet. Die Notwendigkeit einer Erforderlichkeitsprüfung arbeitsplatzschädlicher betrieblicher Veränderungen ergibt sich nämlich schon aus dem in § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG enthaltenen Tatbestandsmerkmal des betrieblichen Erfordernisses (vgl. oben Kapitel B.II., S. 23 ff.), so dass § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 Alt. 2 SGB III nicht herangezogen werden muss. Nur nebenbei soll angemerkt werden, dass darüber hinaus – selbst wenn § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 Alt. 2 SGB III eine Verpflichtung des Arbeitgebers zu einer Erforderlichkeitsprüfung begründete – damit noch nicht gesagt wäre, dass sich diese Verpflichtung auch auf betriebliche Veränderungen, die zu einem Arbeitskräfteüberhang führen, bezöge. § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 Alt. 2 SGB III ordnet nach seinem Wortlaut nämlich lediglich eine Erforderlichkeitsprüfung von Entlassungen an. Es ist damit durchaus möglich, dass der Gesetzgeber – anknüpfend an die h. M. zur Prüfung der betriebsbedingten Kündigung – nur die Prüfung der Erforderlichkeit von Entlassungen als Reaktion auf einen betrieblichen Arbeitskräfteüberhang, nicht aber auch von betrieblichen Maßnahmen, die zu dem Arbeitskräfteüberhang geführt haben, anordnen wollte. In diese Richtung geht auch der Hinweis von Bauer/ Haußmann (NZA 1997, 1100, 1102), dass sich das ultima ratio-Prinzip auf die Folgen einer unternehmerischen Entscheidung und nicht auf die Entscheidung selbst beziehe. 752 Preis, Ulrich, NZA 1998, 449, 457. 753 Preis, Ulrich, NZA 1998, 449, 457 mit Verweis in Fn. 100 auf Preis, Ulrich, Prinzipen, S. 318. Preis bestätigend BAG 19.5.1993, AP KSchG 1969 § 2 Nr. 31, II 3 b. 754 Preis, Ulrich, Prinzipien, S. 314. 755 Vgl. oben Kapitel B.I.2., S. 20 ff. 756 Das sieht im Grunde auch Ulrich Preis (NZA 1998, 449, 457), wenn er kurz nach der Feststellung, dass der Eingriff in Rechte anderer Arbeitnehmer dazu führt,

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sich grundsätzlich nicht auf einen möglichen Eingriff in Rechte anderer Arbeitnehmer als milderes Mittel berufen kann, folgt nicht aus dem Eingriff als solchem, sondern daraus, dass sich aufgrund des Eingriffs auch der von diesem betroffene Arbeitnehmer auf das Erforderlichkeitsprinzip berufen kann und deswegen eine Pattsituation entsteht. Darüber hinaus wäre, selbst wenn es die von Ulrich Preis angeführte strikt arbeitsvertragsbezogene Konzeption des Kündigungsschutzes gegeben hätte, diese durch den zeitlichen späteren § 2 Abs. Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB III aufgehoben worden.757 Nach § 2 Abs. Abs. 1 SGB III spielen nämlich im Kündigungsschutz nunmehr nicht mehr nur die Interessen der Vertragsparteien, sondern auch das Interesse der Allgemeinheit an Vollbeschäftigung und dem schonenden Umgang mit Leistungen der Arbeitsförderung eine Rolle. Auch Ulrich Preis’758 Hinweis, dass ein Rechtssatz mit dem Inhalt, dass eine Kündigung dann sozial ungerechtfertigt ist, wenn diese durch Eingriffe in die Rechte anderer Arbeitnehmer hätte vermieden werden können, nicht existiere, führt nicht weiter. Ein solcher Rechtssatz ist nicht nötig, da sich die Unwirksamkeit der Kündigung schon aus deren mangelnden Erforderlichkeit ergibt, wenn sie durch die Belastung anderer Arbeitnehmer vermieden werden kann und diese sich nicht ebenfalls auf das Erforderlichkeitsprinzip berufen können. Nach alledem führt § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Alt. 2 SGB III dazu, dass der Arbeitgeber, soweit es ihm rechtlich möglich ist, statt wenigen Beendigungskündigungen mehrere Änderungskündigungen aussprechen muss.759

dass der Arbeitnehmer statt seiner Beendigungskündigung nicht mehrere Änderungskündigungen verlangen könne, ausführt, dass davon zu unterscheiden Maßnahmen seien, die der Arbeitgeber auf der Basis vertraglicher oder kollektivvertraglicher Instrumente durchsetzen könne. Preis übersieht dabei allerdings, dass auch die Änderungskündigung eine Maßnahme ist, die – wenn ihre Voraussetzungen vorliegen – der Arbeitgeber durchsetzen kann. 757 Das übersieht auch Feudner (NZA 2000, 1136, 1140) wenn er die Ansicht vertritt, dass die Analogiefähigkeit von § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB III in Anwendung des § 1 KSchG vor allem deshalb auszuschließen sei, weil es nach den amtlichen Erläuterungen zum Kündigungsschutzgesetz alleine auf die Abwägung der Arbeitgeberund Arbeitnehmerinteressen und nicht auf die Einbeziehung von Interessen der Sozialgemeinschaft ankomme. Darüber hinaus handelt es sich entgegen Feudner nicht um eine analoge Anwendung von § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SBG III, da sämtliche Tatbestandsvoraussetzungen dieser Vorschrift erfüllt sind, wenn z. B. wenige Beendigungskündigungen durch mehrere Änderungskündigungen vermieden werden können. 758 Vgl. Stahlhacke/Preis, Rn. 1022. Ebenso APS/Kiel, § 1 KSchG, Rn. 578. 759 Im Ergebnis ebenso Gagel/Bepler, § 2 SGB III, Rn. 45.

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3. Änderungskündigung zur Entgeltkürzung Im vorhergehenden Abschnitt ging es um die Frage, ob ein im Betrieb bestehender Arbeitskräfteüberhang durch Beendigungs- oder Änderungskündigung abzubauen ist. Es gibt aber auch Fälle der Änderungskündigung, in denen gar kein Arbeitskräfteüberhang im Betrieb besteht, der Arbeitnehmer also weiter benötigt wird, und lediglich seine Vergütung herabgesetzt werden soll. Anlass dafür ist der Wunsch des Arbeitgebers, Personalkosten zu reduzieren. Die Voraussetzungen der betriebsbedingten Änderungskündigung zur Entgeltkürzung werden überzeugend nur geklärt werden können, wenn es gelingt, sie an die allgemeinen Voraussetzungen der betriebsbedingten Kündigung anzuknüpfen.760 Ausgangspunkt ist dabei die Erkenntnis, dass die Änderungskündigung zur Entgeltkürzung zu den Sonderfällen der betriebsbedingten Kündigung gehört, in denen abweichend vom Regelfall kein Arbeitskräfteüberhang besteht, der auf eine erforderliche betriebliche Veränderung zurückgeht.761 Der Umstand, dass damit die Voraussetzung des Arbeitskräfteüberhangs und die Erforderlichkeitsprüfung der zu diesem führenden betrieblichen Veränderung wegfallen, die im Regelfall den Schutz der Arbeitnehmerrechte gewährleisten, wird dadurch ausgeglichen, dass bei der vorzunehmenden Interessenabwägung der vom Arbeitgeber verfolgte Zweck ein besonderes Gewicht haben muss.762 Die Anforderungen an das Gewicht der Arbeitgeberinteressen werden darüber hinaus im Fall der Änderungskündigung zur Entgeltkürzung noch dadurch verschärft, dass bei der Interessenabwägung berücksichtigt werden muss, dass grundsätzlich einmal geschlossene Verträge einzuhalten sind und anerkannt ist, dass Geldmangel den Schuldner nicht entlastet763, weswegen es nur ausnahmsweise zulässig sein kann, die vereinbarte Vergütung herabzusetzen. Es ist daher sachgerecht, die Änderungskündigung zur Entgeltkürzung im Interesse des Arbeitgebers grundsätzlich nur bei wirtschaftlicher Existenzgefährdung des Unternehmens zuzulassen.764 Allerdings kann die Interessenabwägung nicht nur we760 A. A. Stoffels (ZfA 2002, 401, 411 ff.), der die Änderungskündigung zum Zwecke der Entgeltreduzierung als eigenständiges, von den engen Tatbestandsmerkmalen des § 1 Abs. 2 KSchG losgelöstes Rechtsinstitut betrachten möchte. 761 Vgl. dazu oben Kapitel B.II.2.c), insbesondere S. 31 ff.; Kapitel B.III.2., S. 71 ff. und Kapitel B.VI.2., S. 95 ff. Aus diesem Grund lehnt Berkowsky, der für eine betriebsbedingte Änderungskündigung stets einen Wegfall des bisherigen Arbeitsplatzes verlangt (Berkowsky, Betriebsbedingte Änderungskündigung, S. 37), die Zulässigkeit einer betriebsbedingten Änderungskündigung mit dem Ziel der Entgeltkürzung ab (Berkowsky, Betriebsbedingte Änderungskündigung, S. 109 ff.). 762 Vgl. dazu oben Kapitel B.VI.2., S. 95 ff. 763 Vgl. BAG 12.11.1998, NZA 1999, 471, 472, B I 4; Stahlhacke/Preis, Rn. 1272. 764 Rücker (S. 167 f.) hält es mit Blick auf die Grundrechte des Arbeitgebers für unangemessen, wenn ein Unternehmen dazu gezwungen wird, den Lauf der Dinge abzuwarten, bis eine akute Gefährdung des Betriebes besteht. Ausreichend müsse es viel-

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gen eines besonderen Gewichts der Arbeitgeberinteressen eine Änderungskündigung gestatten, sondern auch deswegen, weil gar kein nachteiliger Eingriff in die Rechte des Arbeitnehmers vorliegt, da die Änderungskündigung für ihn vorteilhaft ist.765 Das wird immer dann der Fall sein, wenn ohne die Änderungskündigung dem Arbeitnehmer gegenüber eine Beendigungskündigung ausgesprochen werden könnte und würde. Die Änderungskündigung ist dann gegenüber der Beendigungskündigung milderes Mittel. Auf der Grundlage der vorstehenden Analyse kann zu ausgewählten Aussagen in Bezug auf die Voraussetzungen der Änderungskündigung zur Entgeltreduzierung Stellung genommen werden. Teilweise wird in der Literatur die Existenzgefährdung des Unternehmens nicht als eigenständiger Rechtfertigungsgrund anerkannt, sondern lediglich darauf abgestellt, ob durch die Änderungskündigung als milderes Mittel Beendigungskündigungen vermieden werden. Weder die Unrentabilität eines Betriebes noch die Insolvenz eines Unternehmens könnten jeweils für sich genommen Kündigungen sozial rechtfertigen, weil auch ein in wirtschaftlichen Schwierigkeiten befindlicher Schuldner grundsätzlich an die von ihm geschlossenen Verträge gebunden bleibe.766 Dazu ist zu sagen, dass der Grundsatz „pacta sunt servanda“ eben nur grundsätzlich gilt solange keine gesetzliche Regelung oder ein übergeordnetes Rechtsprinzip eingreifen, die ihn durchbrechen. Als eine solche gesetzliche Regelung kommt § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG in Verbindung mit § 2 KSchG in Betracht. Wie im vo-

mehr sein, wenn die Änderungskündigung zur Wiederherstellung der Rentabilität, der Erzielung eines Mindestgewinnes oder der Wiedererlangung der Wettbewerbsfähigkeit dient. Andererseits sollen mit Blick auf die Grundrechte des Arbeitnehmers triftige Rentabilitätsinteressen, sachliche Interessen oder Gründe von einigem Gewicht nicht ausreichen. Dazu ist zu sagen, dass die Merkmale des Mindestgewinns und der entfallenen Wettbewerbsfähigkeit nicht ohne den Begriff der Existenzgefährdung bestimmt werden können: Der Mindestgewinn ist erst dann unterschritten und die Wettbewerbsfähigkeit ist erst dann gestört, wenn das Unternehmen so nicht mehr am Markt bestehen kann, also seine Existenz gefährdet ist. Diese Gesichtspunkte sind also kein geeigneter Ersatz für das Merkmal der Existenzgefährdung, sondern lediglich Konkretisierungen desselben. So auch Rücker zuvor (S. 118 ff.) selber. 765 Ebenso auf die Gesichtspunkte einerseits der Existenzgefährdung und andererseits des milderen Mittels gegenüber einer Beendigungskündigung abstellend ErfK/ Ascheid, § 2 KSchG, Rn. 64. Allerdings spricht Ascheid von einer Existenzgefährdung lediglich des Betriebes, nicht des Unternehmens. Dazu, dass das nicht richtig ist, vgl. unten S. 227 f. Ähnlich APS/Künzl, § 2 KSchG, Rn. 259, der allerdings fordert, dass ohne die Änderung der finanziellen Arbeitsbedingungen Beendigungskündigungen ausgesprochen werden müssten. Nach dem Prinzip des milderen Mittels reicht es aber aus, dass der Arbeitgeber Beendigungskündigungen hätte erklären können und dies auch getan hätte. Berkowsky (Betriebsbedingte Kündigung, § 10, Rn. 58 ff. und Rn. 94 ff.) nennt plastisch die Änderungskündigung im Interesse des Arbeitgebers offensiv, diejenige im Interesse des Arbeitnehmers defensiv. Er fasst allerdings insgesamt die Voraussetzungen der Änderungskündigung zur Lohnkürzung enger. 766 Vgl. Fischermeier, NZA 2000, 737, 742, unter VI 5 der Ausführungen.

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rigen Absatz dargelegt, ergibt die Auslegung von § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG, dass es Fälle der betriebsbedingten Kündigung gibt, in denen eine Kündigung auch ohne Arbeitskräfteüberhang möglich ist, wenn die Interessen des Arbeitgebers ein besonderes Gewicht erreichen. Folgt man dieser Interpretation, wird die Existenzgefährdung des Unternehmens als Fall der Änderungskündigung zur Vergütungsherabsetzung anerkannt werden müssen. Ein höheres Gewicht der Interessen des Arbeitgebers als das, eine Existenzgefährdung seines Unternehmens zu vermeiden, wird kaum denkbar sein. Auf den ersten Blick scheint das eben dargestellte Problem kaum praktische Bedeutung zu haben. Schließlich wird in aller Regel die Gefährdung der Existenz eines Unternehmens, wenn ihr nicht durch geeignete Maßnahmen begegnet werden kann, zu Beendigungskündigungen führen.767 Somit werden auch im Fall der Existenzgefährdung mit der Änderungskündigung zur Entgeltreduzierung, wenn sie geeignet ist, die Gefährdung abzustellen, Beendigungskündigungen vermieden. Der Gesichtspunkt der Vermeidung einer Existenzgefährdung des Unternehmens wäre damit als selbständiger Gesichtspunkt neben dem der Vermeidung von Beendigungskündigungen überflüssig. Die Anerkennung beider Aspekte als voneinander unabhängige Möglichkeiten der Rechtfertigung einer Änderungskündigung zur Vergütungsherabsetzung wird aber für die Bestimmung des Kreises der von ihr betroffenen Arbeitnehmer relevant. Wird nämlich die Änderungskündigung zur Entgeltreduzierung lediglich darauf gestützt, dass mit ihr als milderem Mittel Beendigungskündigungen vermieden werden, kann die Änderungskündigung auch nur den Arbeitnehmern gegenüber erklärt werden, denen gegenüber eine Beendigungskündigung überhaupt möglich gewesen wäre. Wenn die Änderungskündigung etwa erklärt wird, statt eine arbeitsplatzschädliche Rationalisierungsmaßnahme durchzuführen, dann kann nur den Arbeitnehmern mit der Änderungskündigung der Lohn gekürzt werden, die – nach Vornahme der Sozialauswahl – von einer Beendigungskündigung betroffen gewesen wären. Wird z. B. die Änderungskündigung statt der Stilllegung eines Betriebes erklärt – obwohl die Existenz des Unternehmens nicht gefährdet ist – kann die Änderungskündigung zur Entgeltkürzung nur den Arbeitnehmern des betroffenen Betriebes gegenüber ausgesprochen werden, da auch nur diese aufgrund der Betriebsbezogenheit der Sozialauswahl von einer Beendigungskündigung bedroht sind. Da die Änderungskündigung in diesen Fällen gleichsam eine mildere, abgeschwächte Beendigungskündigung ist, müssen die Voraussetzungen der Beendigungskündigung in der Person desjenigen Arbeitnehmers, dem gegenüber die Änderungskündigung erklärt wird, vorgelegen haben. Ansonsten wäre die Änderungskündigung diesem Arbeitnehmer gegenüber gerade kein 767 Der theoretisch denkbare Fall, dass ein existenzgefährdetes Unternehmen verkauft wird und beim Erwerber ohne Rationalisierungsmaßnahmen weitergeführt wird – so dass die Arbeitsverhältnisse nach § 613a BGB erhalten bleiben – wird praktisch kaum vorkommen.

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milderes Mittel. Bei der vorzunehmenden Interessenabwägung geht es lediglich um das Interesse der Vertragsparteien an der Vornahme bzw. Unterlassung der Maßnahme, nicht aber um die Interessen Dritter oder der Allgemeinheit.768 Gegenüber einem nicht von der Beendigungskündigung bedrohten Arbeitnehmer kann die Änderungskündigung daher nicht damit begründet werden, dass sie einen Vorteil für andere, von einer Beendigungskündigung bedrohte Arbeitnehmer bringt. Die darin liegende Ungleichbehandlung bzw. Schlechterstellung der von der Änderungskündigung zur Entgeltkürzung betroffenen Arbeitnehmer findet ihren sachlichen Grund darin, dass nur diese Arbeitnehmer von einer Beendigungskündigung bedroht sind. Wird dagegen die Änderungskündigung zur Herabsetzung der Vergütung auf eine Existenzgefährdung des Unternehmens gestützt, kann der Arbeitgeber sie gegenüber allen seinen Arbeitnehmern aussprechen. Da dann nämlich der Grund der Änderungskündigung in den Interessen des Arbeitgebers liegt, besteht kein sachlicher Grund, nur einzelne Gruppen von Arbeitnehmern mit dem Nachteil einer Änderungskündigung zu belasten. Nur wenn die Änderungskündigung mit dem Gesichtspunkt der Existenzgefährdung des Unternehmens gerechtfertigt werden kann, kann nach alledem der in Rechtsprechung und Literatur vertretenen Ansicht gefolgt werden, dass unter Gleichbehandlungsgesichtspunkten bei der Änderungskündigung mit dem Ziel der Lohnkostensenkung ein Sanierungsbeitrag nicht allein von den in der betroffenen Abteilung beschäftigten Arbeitnehmern verlangt werden könne, während die Vergütung der übrigen Belegschaft unangetastet bleibe.769 Nach dem Bundesarbeitsgericht ist eine Änderungskündigung zur Lohnsenkung mangels Dringlichkeit nur dann begründet, wenn bei einer Aufrechterhaltung der bisherigen Personalstruktur weitere, betrieblich nicht mehr auffangbare Verluste entstehen, die absehbar zu einer Reduzierung der Belegschaft oder sogar zu einer Schließung des Betriebes führen.770 Diese Aussage ist in zweifacher Hinsicht klarstellungsbedürftig. Zum einen sind, wenn auf den Gesichtspunkt der Vermeidung von Beendigungskündigungen abgestellt wird, betriebliche Verluste nicht erforderlich, um eine Änderungskündigung zur Entgelt768 Eine andere Betrachtung ergibt sich auch nicht aus § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 Fall 2 SGB III. Bei der Änderungskündigung zur Entgeltkürzung fehlt es an der grundsätzlich für eine betriebsbedingte Kündigung erforderlichen Voraussetzung eines Arbeitskräfteüberhangs. Statt dessen muss als Voraussetzung dieser Kündigung eine verschärfte Interessenabwägung vorgenommen werden. Bei dieser kann aber § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 Fall 2 SGB III nicht als für die Kündigung sprechender Umstand berücksichtigt werden. Diese Vorschrift begründet nämlich nicht die (rechtliche) Möglichkeit betrieblicher Maßnahmen, sondern verpflichtet den Arbeitgeber lediglich, wenn die Möglichkeit einer Entlassungen vermeidenden Maßnahme gegeben ist, diese auch vorzunehmen. 769 BAG 12.11.1998, NZA 1999, 471, 473, B I 6; BAG 20.8.1998, AP KSchG 1969 § 2 Nr. 50 (Leitsatz 2 und unter II 2 e der Gründe); Stahlhacke/Preis, Rn. 1272. 770 Vgl. BAG 12.11.1998, NZA 1999, 471, 472, B I 4 der Gründe; BAG 20.3.1986, NZA 1986, 824, 825, B IV 3 a.

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reduzierung zu rechtfertigen.771 Nach der in dieser Arbeit vertretenen Auffassung können arbeitsplatzschädliche Rationalisierungsmaßnahmen nicht nur dann ein dringendes betriebliches Erfordernis darstellen, wenn sie Verluste verringern, sondern auch dann, wenn sie Gewinne steigern.772 Wenn also durch eine arbeitsplatzschädliche Rationalisierungsmaßnahme eine bestimmte Kostenersparnis erzielt werden soll, die ausreichend groß ist, um die Dringlichkeit des betrieblichen Erfordernisses zu begründen773, ist es unerheblich, ob durch die Kostenersparnis Verluste ausgeglichen oder Gewinne gesteigert werden sollen. Nun muss aber nach der in dieser Arbeit vertretenen doppelten Erforderlichkeitsprüfung untersucht werden, ob die Rationalisierungsmaßnahme durch gleich geeignete, weniger belastende Mittel vermieden werden kann. Folgt man dem, kommt auch eine Änderungskündigung zur Entgeltkürzung als milderes Mittel in Betracht. Ist eine Änderungskündigung zur Vergütungsherabsetzung geeignet, die gleiche Kostenersparnis zu erzielen wie eine Rationalisierungsmaßnahme, dann ist diese nicht erforderlich und kann ein betriebliches Erfordernis nicht begründen. Ist es aber bei der Rationalisierungsmaßnahme nicht von Belang, ob mit ihr Verluste ausgeglichen oder Gewinne gesteigert werden sollen, muss dies auch für das mildere Mittel der Änderungskündigung gelten. Zur Klarstellung sei angemerkt, dass die vorstehenden Ausführungen für alle Rationalisierungsmaßnahmen im weitesten Sinne, also für alle arbeitsplatzschädlichen betrieblichen Veränderungen gelten: Eine betriebliche Umgestaltung ist nicht erforderlich und kann damit kein betriebliches Erfordernis begründen, wenn der mit ihr verfolgte Zweck der Kostenreduzierung in gleicher Weise durch eine Änderungskündigung zur Vergütungsherabsetzung erreicht werden kann. Wenn der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts – wie von Stimmen in der Literatur behauptet774 – die Aussage zu entnehmen wäre, dass eine Änderungskündigung zur Entgeltreduzierung bzw. zur Verschlechterung der Arbeitsbedingungen nur dann für zulässig zu erklären ist, wenn anderenfalls eine

771 Das stellt der Sache nach auch das Bundesarbeitsgericht klar, wenn es in seinem Urteil vom 12.11.1998 (NZA 1999, 471, 472, B I 5) einen Absatz weiter formuliert, dass ein dringendes betriebliches Erfordernis zur Entgeltsenkung neben der Fallkonstellation, dass das schlechte wirtschaftliche Ergebnis einer Betriebsabteilung auf den Gesamtbetrieb durchzuschlagen droht, grundsätzlich auch dann vorliegen könne, wenn der Arbeitgeber statt der freien Unternehmerentscheidung zur Stilllegung einer Abteilung und der Fremdvergabe der dort erledigten Arbeiten zum milderen Mittel der Änderungskündigung zur Vergütungsherabsetzung greife. Damit korrigiert das Bundesarbeitsgericht seine Aussage, dass eine Änderungskündigung zur Lohnsenkung nur dann begründet sei, wenn nicht mehr auffangbare Verluste entstehen. Anstelle von „nur dann, wenn“ hätte es logisch richtig heißen müssen „insbesondere dann, wenn“. 772 Vgl. oben Kapitel H.VI., S. 202 ff. 773 Vgl. dazu oben Kapitel B.V., S. 76 ff. 774 Vgl. Henssler, Kündigung und Kündigungsschutz in der betrieblichen Praxis, S. 107 f., Rn. 36; Brox/Rüthers/Henssler, Rn. 573.

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Betriebs(teil)stilllegung droht, so könnte dieser Rechtsprechung nicht gefolgt werden.775 Zum anderen ist die Aussage des Bundesarbeitsgerichts, dass eine Änderungskündigung zur Lohnsenkung nur dann begründet sei, wenn bei einer Aufrechterhaltung der bisherigen Personalstruktur weitere, betrieblich nicht mehr auffangbare Verluste entstehen, die absehbar zu einer Reduzierung der Belegschaft oder sogar zu einer Schließung des Betriebes führen, insofern klarstellungsbedürftig, als Verluste eines Betriebes nicht ausreichen, um eine Änderungskündigung zur Entgeltreduzierung zu rechtfertigen. Wird auf den Gesichtspunkt der Vermeidung von Beendigungskündigungen abgestellt, ist es nämlich durchaus denkbar, dass der Arbeitgeber bewusst langandauernde Verluste einzelner Betriebe seines Unternehmens in Kauf nimmt, ohne daran zu denken, diese Betriebe stillzulegen oder in ihnen Arbeitsplätze abzubauen. Wenn etwa das Unternehmen sich einen neuen Geschäftszweig erschließen bzw. einen Konkurrenten durch niedrige Preise aus dem Markt drängen möchte, wird das oft damit verbunden sein, dass der betroffene Betrieb für längere Zeit Verluste erwirtschaftet. Es wäre nicht sachgerecht, in den genannten Fällen den Arbeitnehmern für die Strategie des Arbeitgebers Lohneinbußen zuzumuten. Wird auf den Gesichtspunkt der Existenzgefährdung des Unternehmens abgestellt, ist es zwar richtig, dass sich eine solche Gefährdung an dauerhaften Verlusten bemerkbar macht, allerdings reicht es dann nicht, dass der Betrieb Verluste macht, sondern es müssen solche des Unternehmens vorliegen.776 Von einer Existenzgefährdung des Unternehmens kann aber keine Rede sein, solange andere Betriebe die Verluste ausgleichen können. In diesem Fall kann die verschärfte Interessenabwägung nicht zu Gunsten des Arbeitgebers ausgehen, weil es bei ihr nicht um die Abwägung der betrieblichen Interessen gegen die Interessen des Arbeitnehmers geht, sondern um die Abwägung der Interessen des Arbeitgebers – also die des 775 Eine solche Interpretation der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist auch nicht zwingend. Die Stilllegung eines Gesamtbetriebes oder einer Betriebsabteilung mit aus ihnen folgenden Beendigungskündigungen werden vom Bundesarbeitsgericht ausdrücklich nur als Beispiele für betriebliche Maßnahmen genannt, die durch eine Änderungskündigung vermieden werden können (vgl. BAG 12.11.1998, NZA 1999, 471, 472, B I 3). Zudem hält das Gericht eine Änderungskündigung zur Lohnsenkung bei betrieblich nicht mehr auffangbaren Verlusten nicht nur dann für zulässig, wenn es ohne die Änderungskündigung zu einer Schließung des Betriebes, sondern auch dann, wenn es zu einer bloßen Reduzierung der Belegschaft käme (vgl. BAG 12.11.1998, NZA 1999, 471, 472, B I 4). Diese Formulierung lässt Raum, die Änderungskündigung als milderes Mittel auch gegenüber einer geplanten arbeitplatzschädlichen Rationalisierungsmaßnahme anzuerkennen. 776 Allerdings trifft das Bundesarbeitsgericht die Aussage, dass betriebliche Verluste vorliegen müssen, wohl vor allem, um zu begründen, dass eine abteilungsspezifische Betrachtung nicht ausreicht (vgl. BAG 12.11.1998, NZA 1999, 471, 472, B I 2) – was richtig ist. Dadurch, dass das Bundesarbeitsgericht aber lediglich von der Unrentabilität und der wirtschaftlichen Situation des Betriebes spricht, entsteht der Eindruck, dass eine betriebsbezogene Betrachtung ausreiche.

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H. Ausgewählte Einzelfälle

Unternehmens – an der Durchführung der Änderungskündigung gegen die Interessen des Arbeitnehmers an deren Unterlassung.777 Nach alledem werden lediglich langandauernde Verluste eines Unternehmens, deren Ende nicht absehbar ist, zu dessen Existenzgefährdung führen, weswegen nur sie eine Änderungskündigung zur Entgeltreduzierung rechtfertigen können. Verluste eines Betriebes des Unternehmens können für sich genommen – also ohne dass betriebliche Veränderungen geplant sind, die zu einem Arbeitskräfteüberhang führen würden – eine Änderungskündigung zur Lohnkürzung nur dann rechtfertigen, wenn sie zu Verlusten des Unternehmens führen. In der Literatur wird teilweise behauptet, dass nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts eine Beendigungskündigung auf Grund eines plausiblen unternehmerischen Konzepts wesentlich weniger strengen Anforderungen als eine Änderungskündigung zur Lohnkostensenkung unterliege.778 In dem Umstand, dass angeblich eine Beendigungskündigung leichter möglich sein soll als eine Änderungskündigung, wird zum Teil ein Wertungswiderspruch779 oder zumindest ein der Beschäftigungsförderung entgegenstehender Umstand780 gesehen. Worin ein etwaiger Wertungswiderspruch liegen könnte, wird erst deutlich, wenn man die in der Literatur genannten Beispiele genauer betrachtet. So nennt Franzen die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 12.11.1998, in der das Gericht eine Änderungskündigung zur Lohnkostensenkung für sozial nicht gerechtfertigt gehalten hat, weil lediglich die betroffene Betriebsabteilung unrentabel gearbeitet hatte und dies nicht auf das Ergebnis des Gesamtbetriebs durchgeschlagen war.781 Franzen meint, dass der Arbeitgeber in diesem Fall besser beraten gewesen wäre, wenn er an seinem ursprünglichen Plan zur Fremdvergabe der in dieser Betriebsabteilung durchgeführten Arbeiten festgehalten hätte. Analysiert man dieses Beispiel, so wird deutlich, dass es in Wirklichkeit nicht um eine betriebliche Lage geht, in der eine Beendigungskündigung leichter möglich sein soll als eine Änderungskündigung, sondern dass es um zwei verschiedene betriebliche Situationen geht. Einmal die Situation, dass in dem ent777 A. A. Rücker (S. 170 f.), die aus dem Umstand, dass § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG von betrieblichen Erfordernissen spricht, schließen möchte, dass eine betriebsbezogene Betrachtung ausreiche. Dazu ist jedoch zu sagen, dass die Änderungskündigung zur Entgeltreduzierung zu den Sonderfällen der betriebsbedingten Kündigung gehört, in denen das Merkmal des betrieblichen Erfordernisses keine Funktion hat, weil keine betriebliche Veränderung identifizierbar ist, durch die Möglichkeit der Weiterbeschäftigung zu den vertraglich vereinbarten Arbeitsbedingungen entfällt. Die zum Ausgleich vorzunehmende verschärfte Interessenabwägung kann sich demnach nur auf die Kündigung beziehen und betrifft damit die Interessen des Kündigenden – also des Arbeitgebers – im Verhältnis zu demjenigen, dem gekündigt werden soll. Auch Walden (S. 160 ff.) spricht lediglich von einer Existenzgefahr für den Betrieb. 778 Vgl. Franzen, NZA 2001, 805, 811, unter VI 2 der Ausführungen. 779 Vgl. Preis, Ulrich, NZA 1995, 241, 249, unter III 4 c der Ausführungen. 780 Vgl. Hanau/Adomeit, Rn. 24. 781 Vgl. Franzen, NZA 2001, 805, 811, VI 2 der Ausführungen.

VII. Änderungskündigung

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sprechenden Betrieb eine Abteilung Verluste macht, aber die Arbeitnehmer weiter benötigt werden. Bei dieser Sachlage ist nach dem Bundesarbeitsgericht konsequenterweise mangels Arbeitskräfteüberhangs keine Beendigungskündigung und mangels einer ungünstigen wirtschaftlichen Lage des Gesamtbetriebes auch keine Änderungskündigung zur Entgeltreduzierung möglich. Zum anderen enthält das Beispiel die hypothetische Situation der Fremdvergabe der in der Betriebsabteilung durchgeführten Arbeiten. Bei dieser Sachlage kann es, wenn die Fremdvergabe zur Stilllegung der Betriebsabteilung führt782, zu einem Arbeitskräfteüberhang kommen, so dass in der Tat Beendigungskündigungen möglich werden. Nimmt man in dieser Lage – wie die h. M. – die Fremdvergabe der Arbeiten als gegeben und nicht auf ihre Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit überprüfbar hin, ist eine Änderungskündigung zur Entgeltkürzung gar kein geeignetes milderes Mittel, da sie den durch die Stilllegung der Betriebsabteilung entstehenden Arbeitskräfteüberhang nicht beseitigen kann. Es kann also auch kein Wertungswiderspruch darin liegen, dass in dieser Situation nur eine Beendigungskündigung nicht aber eine Änderungskündigung zur Vergütungsherabsetzung möglich ist. Erst wenn man berücksichtigt, dass es sich um zwei verschiedene betriebliche Situationen handelt, wird deutlich, dass der behauptete Wertungswiderspruch nicht darin besteht, dass in ein und derselben Kündigungssituation eine Beendigungskündigung leichter möglich ist als eine Änderungskündigung, sondern dass es eigenartig ist, dass der Arbeitgeber ohne Schwierigkeiten von einer Situation, in der er weder zur Beendigungs- noch zur Änderungskündigung greifen darf, zu einer anderen Situation wechseln kann, in der er eine Beendigungskündigung aussprechen darf, obwohl eine Änderungskündigung in der ursprünglichen Situation für den Arbeitnehmer weniger belastend gewesen wäre. Dieser Wertungswiderspruch löst sich auf, wenn man von der in dieser Arbeit vertretenen doppelten Erforderlichkeitsprüfung ausgeht.783 Dann müssen nämlich, um bei dem im vorstehenden Absatz analysierten Beispiel zu bleiben, die Stilllegung der Betriebsabteilung und die Fremdvergabe der in ihr durchgeführten Arbeiten auf ihre Erforderlichkeit überprüft werden. Der Zweck der Fremd782

Vgl. dazu oben Kapitel H.II., S. 181 ff. Ulrich Preis (NZA 1995, 241, 249, unter III 4 c der Ausführungen) weist darauf hin, dass der von ihm aufgezeigte Wertungswiderspruch nur auftritt, wenn die Anforderungen an eine Beendigungskündigung zu gering sind. Als Lösung schlägt er allerdings nicht die in dieser Arbeit vertretene doppelte Erforderlichkeitsprüfung, sondern eine engere Fassung des Tatbestandmerkmals der Dringlichkeit vor. Auch Kittner (NZA 1997, 968 f., unter I der Ausführungen) stellt fest, dass der Wertungswiderspruch, dass Beendigungskündigungen leichter möglich sein sollen als Änderungskündigungen, nicht nur dadurch gelöst werden könne, dass die Anforderungen an die Änderungskündigung gesenkt, sondern auch dadurch, dass die Voraussetzungen der Beendigungskündigung verschärft werden. Das führe zu der Frage ob es nach den derzeitigen, von der Rechtsprechung formulierten Anforderungen nicht zu leicht sei, ein Arbeitsverhältnis endgültig zu kündigen. 783

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H. Ausgewählte Einzelfälle

vergabe bestand in der Kostenreduzierung. Kann die gleiche Senkung der Kosten mit einer Änderungskündigung zur Herabsetzung des Lohnes erreicht werden, ist die Stilllegung nicht erforderlich, weil die Änderungskündigung milderes Mittel ist.784 Wird die Fremdvergabe dennoch durchgeführt, sind wegen ihr erklärte Beendigungskündigungen mangels eines betrieblichen Erfordernisses unwirksam. Damit wird deutlich, dass der von der Literatur aufgespürte Wertungswiderspruch in Wahrheit darin liegt, dass nicht geprüft wird, ob es an der Erforderlichkeit der betrieblichen Veränderung785 – der Stilllegung der Betriebsabteilung und der Fremdvergabe der in ihr durchgeführten Arbeiten – fehlt, weil sie durch eine Änderungskündigung zur Entgeltreduzierung hätte vermieden werden können. In dem Wertungswiderspruch äußert sich demnach ein Unbehagen an dem Dogma von der Freiheit der Unternehmerentscheidung.786 Interessant ist, dass in der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts der von der Literatur behauptete Wertungswiderspruch, dass Änderungskündigungen strengeren Anforderungen unterliegen als Beendigungskündigungen, gar nicht auftritt. Das Gericht stellt im Urteil vom 12.11. 1998 ausdrücklich klar, dass eine betriebsbedingte Änderungskündigung, die eine sonst erforderlich werdende Beendigungskündigung – z. B. wegen Stilllegung des Gesamtbetriebes oder einer Betriebsabteilung – vermeidet, grundsätzlich möglich sei.787 Auch das Bundesarbeitsgericht lässt damit die Änderungskündigung als milderes Mittel gegenüber einer auszusprechenden Beendigungskündigung zu, fordert aber, 784 An dieser Stelle muss insbesondere geprüft werden, ob eine Änderungskündigung, die den Arbeitslohn so weit herabsetzt, dass die gleiche Kostenersparnis wie mit der Fremdvergabe erzielt wird, überhaupt möglich ist. Das ist nicht der Fall, wenn die Lohnhöhe gesetzlich oder tarifvertraglich (darauf weist Reuter, RdA 2004, 161, 162, unter 2 der Ausführungen hin) vorgeschrieben ist oder wenn dem Arbeitnehmer nur ein unzumutbar niedriger Arbeitslohn verbleibt. Es fehlt dann an der Geeignetheit der Änderungskündigung. 785 Die betriebliche Veränderung ist der im vorigen Absatz beschriebene Wechsel von der einen betrieblichen Situation zur anderen. 786 Teilweise (vgl. Henssler, Kündigung und Kündigungsschutz in der betrieblichen Praxis, S. 108 f., Rn. 37; Franzen, NZA 2001, 805, 811 f.) wird in dem Umstand, dass Beendigungskündigungen leichter möglich sein sollen als Änderungskündigungen und damit ein Zwang zur Beendigungskündigung bestehe, kein Wertungswiderspruch gesehen, da der Unternehmer bei der Beendigungskündigung auch auf die unternehmerischen Chancen verzichten müsse, die mit dem Arbeitplatz verbunden sind. Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts beruhe auf der zutreffenden Prämisse, kein vernünftiger Unternehmer werde eine erfolgversprechende Aktivität am Markt ohne sachlichen Grund aufgeben, sondern die sich ihm bietenden Geschäftschancen nutzen. Diese Argumentation geht aber am Problem vorbei. Sie begründet lediglich, warum es sachgerecht sein soll, dass in einer bestimmten betrieblichen Situation eine betriebsbedingte Beendigungskündigung geringen Anforderungen unterliegen soll. Sie geht aber nicht auf das eigentliche Problem ein, warum der Arbeitgeber, statt einer Rationalisierungsmaßnahme, die zu Beendigungskündigung führt, nicht zum gleich geeigneten milderen Mittel der Änderungskündigung zur Entgeltreduzierung greifen darf. 787 Vgl. BAG 12.11.1998, NZA 1999, 471, 472, B I 3 und B I 5.

VII. Änderungskündigung

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dass im Rahmen einer hypothetischen Betrachtung geprüft wird, ob Beendigungskündigungen, wenn der Betrieb bzw. die Abteilung geschlossen worden wären, überhaupt sozial gerechtfertigt gewesen wären.788 Das ist konsequent, da ein Mittel nur gegenüber einer möglichen Maßnahme milder sein kann. Das Bundesarbeitsgericht verneint lediglich im konkreten Fall der Entscheidung vom 12.11.1998 die Wirksamkeit der Änderungskündigung, weil es der beklagten Arbeitgeberin nicht gelungen war darzulegen, dass eine Beendigungskündigung wegen beabsichtigter Stilllegung der betroffenen Abteilung sozial gerechtfertigt gewesen wäre.789 Die Wirksamkeit der Änderungskündigung wurde vom Bundesarbeitsgericht also nicht aus rechtlichen, sondern aus tatsächlichen Gründen verneint. Hervorzuheben ist auch, dass das Bundesarbeitsgericht in der Entscheidung vom 12.11.1998 der Sache nach sogar die in dieser Arbeit vertretene Prüfung der Erforderlichkeit der betrieblichen Veränderung formuliert hat. Es führt nämlich nicht nur aus, dass eine betriebsbedingte Änderungskündigung, die eine sonst erforderlich werdende Beendigungskündigung – z. B. wegen Stilllegung des Gesamtbetriebes oder einer Betriebsabteilung – vermeidet, grundsätzlich zulässig, sondern auch, dass sie sogar oft das einzige dem Arbeitgeber zur Verfügung stehende Mittel sei. Damit hat das Bundesarbeitsgericht klargestellt, dass der Arbeitgeber nicht nur zum milderen Mittel der Änderungskündigung greifen darf, sondern auch, dass er es muss. Allerdings ist die Formulierung des Bundesarbeitsgerichts, dass mit der betriebsbedingten Änderungskündigung gegebe788

Vgl. BAG 12.11.1998, NZA 1999, 471, 472, B I 5. Vgl. BAG 12.11.1998, NZA 1999, 471, 472, B II 3. Das Bundesarbeitsgericht stellt insbesondere darauf ab, dass in der Stilllegung der Betriebsabteilung und der Fremdvergabe der in ihr erledigten Arbeiten möglicherweise ein Betriebsübergang nach § 613a zu sehen sei (vgl. BAG 12.11.1998, NZA 1999, 471, 472, B II 3 b). Weil bei einem Betriebsübergang die Arbeitsverhältnisse beim Erwerber weiterbestehen und Beendigungskündigungen bei diesem – wenn er keine arbeitsplatzschädlichen Rationalisierung plant – nicht möglich sind, kann die Änderungskündigung zur Vergütungsherabsetzung bei einem Betriebsübergang kein milderes Mittel gegenüber einer Beendigungskündigung sein. Auf diesen Gesichtspunkt stellt die Vorinstanz ab, wenn sie ausführt, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers bei einer Auslagerung des Anzeigensatzes möglicherweise nicht beendet worden, sondern im Wege eines Betriebsübergangs gemäß § 613a BGB auf die L-GmbH übergegangen wäre (vgl. Zusammenfassung der Gründe des Landesarbeitsgerichts Berlin im Urteil des Bundesarbeitsgerichts v. 12.11.1998, NZA 1999, 471, 472, A). Dagegen stellt das Bundesarbeitsgericht darauf ab, dass ein Teilbetriebsübergang nach § 613a BGB dazu führen würde, dass sich die von der Beklagten beabsichtigte Kostensenkung jedenfalls kurzfristig in dem gewünschten Maß gar nicht hätte realisieren lassen (vgl. BAG 12.11.1998, NZA 1999, 471, 472, B II 3 b). Damit argumentiert das Bundesarbeitsgericht pikanterweise sogar mit dem Gesichtspunkt, dass die Stilllegung der Betriebsabteilung und die Fremdvergabe der in ihr durchgeführten Arbeiten möglicherweise gar nicht geeignet gewesen wären, die mit ihnen bezweckte Kostensenkung zu erreichen, und verstößt damit gegen das von ihm selbst aufgestellte Dogma von der Freiheit der Unternehmerentscheidung, nach dem betriebliche Maßnahmen nicht auf ihre Geeignetheit überprüft werden dürfen. 789

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H. Ausgewählte Einzelfälle

nenfalls eine sonst erforderlich werdende Beendigungskündigung vermieden werden könne, klarstellungsbedürftig. In Wirklichkeit geht es nämlich unmittelbar gar nicht um den Vorrang der Änderungskündigung zur Entgeltreduzierung vor der Beendigungskündigung790, sondern um den Vorrang der Änderungskündigung gegenüber der geplanten betrieblichen Veränderung – der vom Bundesarbeitsgericht als Beispiel erwähnten Stilllegung des Gesamtbetriebs oder einer Betriebsabteilung.791 Diese betriebliche Umgestaltung ist nicht erforderlich, wenn ihr Zweck – die Kostenreduzierung – mit dem milderen Mittel der Änderungskündigung zur Entgeltreduzierung erreicht werden kann.792 Lediglich mittelbar werden mit der Verhinderung der Stilllegung des Gesamtbetriebes oder einer Betriebsabteilung auch Beendigungskündigungen vermieden, wenn diese nach einer entsprechenden betrieblichen Veränderung möglich gewesen und vom Arbeitgeber erklärt worden wären. Dieses Ergebnis ist bedeutsam, da die Stilllegung des Gesamtbetriebs oder einer Betriebsabteilung betriebliche Veränderungen sind, denen nach der sonstigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts eine freie Unternehmerentscheidung zu Grunde liegt und die deswegen nicht auf ihre Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit überprüfbar sein sollen. Muss aber geprüft werden, ob sie durch das mildere Mittel der Änderungskündigung zur Entgeltreduzierung vermieden werden können, bedeutet das eine zumindest teilweise Aufgabe des Dogmas von der Freiheit der Unternehmerentscheidung. Es ist zudem kaum zu begründen, weshalb nur die Änderungskündigung zur Lohnkostensenkung, nicht aber andere Maßnahmen als mildere Mittel gegenüber einer Stilllegung des Gesamtbetriebs oder einer Betriebsabteilung geprüft werden sollen. Eine solche Beschränkung der zu prüfenden milderen Mittel auf die Änderungskündigung ist auch logisch gar nicht möglich, wenn die Rechtsprechung bei der Änderungskündigung zur Vergütungsherabsetzung fordert, dass der Arbeitgeber einen umfassenden Sanierungsplan vorlegt, der alle gegenüber der beabsichtigten Änderungskündigung milderen Mittel ausschöpft.793 Wenn nämlich die Änderungskündigung zur Entgeltreduzierung als 790 Das wäre nur dann der Fall, wenn es sich um eine betriebliche Situation handelte, auf die sowohl mit der Änderungskündigung zur Entgeltreduzierung als auch mit der Beendigungskündigung reagiert werden könnte. Schon in obiger Analyse des von der Literatur behaupteten Wertungswiderspruchs wurde aber herausgearbeitet, dass es sich nicht um eine, sondern um zwei verschiedene betriebliche Situationen handelt. 791 Wenn erst einmal stillgelegt ist, ist die Änderungskündigung zur Lohnkostensenkung gegenüber der Beendigungskündigung kein geeignetes milderes Mittel, da sie den entstandenen Arbeitskräfteüberhang nicht beseitigen kann. 792 Auch das Bundesarbeitsgericht formuliert, dass durch den Ausspruch der Änderungskündigung die vom Arbeitgeber erwogene Abteilungs-(Betriebs-)Schließung vermieden werden soll (vgl. BAG 12.11.1998, NZA 1999, 471, 474, B II 3 a. 793 Vgl. BAG 20.8.1998, NZA 1999, 255, 256, II 1 d; BAG 27.9.2001, NZA 2002, 750, 754, B III 1 b, mit Verweis auf KR/Rost, § 2 KSchG, Rn. 107c. Vgl. dazu, dass schon die Forderung eines umfassenden Sanierungsplans für sich genommen nicht mit dem Dogma von der Freiheit der Unternehmerentscheidung vereinbar ist, oben Kapitel C.I.2., S. 110 ff., insbesondere S. 116.

VII. Änderungskündigung

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milderes Mittel gegenüber arbeitsplatzschädlichen betrieblichen Maßnahmen zu prüfen ist, werden mittelbar alle milderen Mittel gegenüber der Änderungskündigung auch als mildere Mittel gegenüber der betrieblichen Maßnahme geprüft. Mit seiner Rechtsprechung zur Änderungskündigung zur Vergütungsherabsetzung hat das Bundesarbeitsgericht demnach – allerdings wohl ohne sich dessen bewusst zu sein – den Abschied vom Dogma der Freiheit der Unternehmerentscheidung eingeleitet.

4. Änderungskündigung zur Aufteilung eines Vollzeitarbeitsplatzes Nach einer neueren Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 22.4.2004 unterliegt eine Organisationsentscheidung des Arbeitgebers zur Änderung der Arbeitszeitgestaltung, die zu einer Aufteilung des Arbeitsplatzes einer Vollzeitkraft auf zwei gleichzeitig tätige Halbtagskräfte führt, im Kündigungsschutzverfahren nur einer Missbrauchskontrolle.794 Vom Standpunkt der h. M. aus gesehen ist dies konsequent, da nach ihr betrieblich-organisatorische Maßnahmen nicht auf ihre Erforderlichkeit, sondern nur auf Missbrauch überprüft werden können. Bei einer Beendigungskündigung wird lediglich geprüft, ob die betriebliche Veränderung tatsächlich stattgefunden und ob sie zu einem Arbeitskräfteüberhang und damit zu einem Wegfall von Beschäftigungsmöglichkeiten geführt hat. Entsprechend prüft das Bundesarbeitsgericht bei der Änderungskündigung zur Aufteilung eines Vollzeitarbeitsplatzes, ob eine organisatorische Änderung tatsächlich vorgenommen wurde und ob aufgrund dieser Änderung die Beschäftigungsmöglichkeit zu den bisherigen Arbeitsbedingungen weggefallen ist, so dass ein „realer Änderungsbedarf“ besteht.795 Im Fall des Urteils vom 22.4. 2004 war die Möglichkeit der Weiterbeschäftigung der Klägerin, die für zwei Vorgesetzte gearbeitet hatte, als Vollzeitkraft in der Tat weggefallen, weil nach der geänderten Arbeitsorganisation die Tätigkeiten für beide Vorgesetzte zeitgleich vormittags erbracht werden sollten. Ob aber diese Änderung der Arbeitsorganisation erforderlich war oder ob der mit ihr verfolgte Zweck nicht ebenso gut erreicht werden konnte, wenn die Klägerin weiterhin ganztags arbeitete, wurde vom Bundesarbeitsgericht in Anwendung der h. M. nicht geprüft.796

794

Vgl. BAG 22.4.2004, AP KSchG 1969 § 2 Nr. 74. Vgl. BAG 22.4.2004, AP KSchG 1969 § 2 Nr. 74, B I 5. 796 Auch in der Literatur (vgl. ErfK/Ascheid, § 2 KSchG, Rn. 61; APS/Künzl, § 2 KSchG, Rn. 238; HWK/Molkenbur, § 2 KSchG, Rn. 58) wird die Ansicht vertreten, dass die Gestaltung der Arbeitszeitstruktur wegen der Freiheit der Unternehmerentscheidung nur auf Missbrauch zu überprüfen sei. Voll zu überprüfen ist danach lediglich, ob das geänderte organisatorische Konzept dazu führt, dass die zu erledigende Arbeit nur bei geänderter Arbeitszeit sinnvoll verrichtet werden kann. 795

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H. Ausgewählte Einzelfälle

Dagegen muss nach der in dieser Arbeit entwickelten Lösung die Änderung der Arbeitsorganisation auf ihre Geeignetheit und Erforderlichkeit überprüft werden. Der Arbeitgeber muss dann angeben, welchen Zweck er mit der Änderung der Arbeitsorganisation verfolgt, und darlegen, dass sie geeignet und erforderlich ist, diesen Zweck zu erreichen. An der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 22.4.2004 wird in besonderem Maße sichtbar, dass die Lösung der h. M. nicht sachgerecht ist. Zum einen spricht das Bundesarbeitsgericht in diesem Urteil die Konsequenzen der h. M. sehr klar aus. So weist es die Ausführungen der Vorinstanz zur Begründung der Unwirksamkeit der Änderungskündigung zurück, nach denen die Änderung der Arbeitsorganisation nicht zwingend notwendig gewesen sei, weil die frühere zeitliche Aufteilung zu keinen Nachteilen geführt habe. Nach dem Bundesarbeitsgericht macht allein der Umstand, dass es auch anders hätte gehen können, dass also die beklagte Arbeitgeberin die früheren Arbeitsabläufe hätte beibehalten können, die Reorganisation nicht zu einer missbräuchlichen Unternehmerentscheidung.797 Es widerstrebt aber einem unbefangenen Verständnis des Wortlauts von § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG, eine Änderung der Arbeitsbedingungen, die auf eine nicht notwendige betriebliche Umgestaltung zurückgeht und keinerlei betriebliche Vorteile bringt, als durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt anzusehen. In Wirklichkeit dürfte, wenn es der Arbeitnehmerin wirklich gelungen ist, das Gericht zu überzeugen, dass schon zum Zeitpunkt der Vornahme der Änderung der Arbeitsbedingungen deren Nutzlosigkeit erkennbar war, sogar die auch nach h. M. geltende Willkürgrenze erreicht sein. Was soll Willkür sein, wenn nicht der Umstand, dass es genauso gut auch hätte anders gehen können, aber ohne nachvollziehbaren Grund zu Lasten des Arbeitnehmers gerade so gemacht wurde? Zum anderen wird die Schwäche eines der Argumente, das von der h. M. sonst zur Rechtfertigung der Freiheit der Unternehmerentscheidung vorgebracht wird, nämlich dem, dass die Gerichte bei der Überprüfung unternehmerischer Entscheidungen überfordert seien, an dem entschiedenen Fall besonders gut sichtbar. Es ist nicht ersichtlich, was an einer Prüfung der Behauptung des Arbeitgebers, durch eine Änderung der Arbeitsorganisation entstünden betriebliche Vorteile, außergewöhnlich schwierig sein sollte. Abgesehen davon enthält die Entscheidung vom 22.4.2004 auch auf dem Boden der h. M. einen Fehler. Die Vorinstanz hat die Unwirksamkeit der Kündigung unter anderem damit begründet, dass das Argument der beklagten Arbeitgeberin, zwei Halbtagskräfte seien leistungsfähiger als eine Vollzeitkraft, unsachlich sei, weil die Klägerin in der Vergangenheit die gesamte Arbeitsmenge unbeanstandet bewältigt habe.798 Demgegenüber ist das Bundesarbeitsgericht 797 798

Vgl. BAG 22.4.2004, AP KSchG 1969 § 2 Nr. 74, B I 5 und B I 6. Vgl. BAG 22.4.2004, AP KSchG 1969 § 2 Nr. 74, A.

VII. Änderungskündigung

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der Ansicht, dass es nicht darauf ankomme, ob die von der Beklagten vorgetragene Überlegung, zwei Teilzeitkräfte leisteten mehr als eine Vollzeitkraft, in betriebswirtschaftlichem Sinn die getroffene Umstrukturierung trage, weil die Zweckmäßigkeit dieser Umstrukturierung vom Gericht nur beschränkt nachprüfbar sei.799 Dabei übersieht das Bundesarbeitsgericht jedoch, dass das Landesarbeitsgericht mit dem Hinweis auf die Unsachlichkeit gerade auf die auch nach h. M mögliche Missbrauchsprüfung zielt. Auch der vom Bundesarbeitsgericht angebrachte Verweis auf die Darlegungs- und Beweislast der Parteien kann keine Rolle spielen, da das in Rede stehende Argument von der beklagten Arbeitgeberin selber vorgebracht wurde. Im Ergebnis ist dem Landesarbeitsgericht zuzustimmen. Wenn der erwähnte Gesichtspunkt, dass zwei Halbtagskräfte leistungsfähiger als eine Vollzeitkraft seien, ausschlaggebender Punkt für die betriebliche Umgestaltung war, würde es sich um einen Fall einer nach h. M. offensichtlich unsachlichen innerbetrieblichen Strukturmaßnahme handeln.800 Es ist nämlich offensichtlich unsachlich, eine betriebsbedingte Kündigung mit auf die Leistungsfähigkeit des betroffenen Arbeitnehmers bezogenen Argumenten zu begründen. Umstände, die die Erfüllung der Vertragspflichten durch den Arbeitnehmer betreffen, können allenfalls eine personen- oder verhaltenbedingte Kündigung rechtfertigen.801 Für einen personen- oder verhaltensbedingten Kündigungsgrund würde aber der Umstand, dass es einen Bewerber gibt, der mehr leisten würde als ein vorhandener Arbeitnehmer, nicht ausreichen, solange dieser Arbeitnehmer seine Vertragspflichten voll erfüllt. Bei einer auf diesen Umstand gestützten Kündigung würde es sich um eine unzulässige Austauschkündigung handeln. Eine personen- oder verhaltensbedingte Kündigung setzt eine objektive Vertragspflichtverletzung voraus. Daran würde sich auch nichts ändern, wenn der leistungsfähigere Bewerber nur halbtags arbeiten wollte und deswegen dem betroffenen Arbeitnehmer nur eine personen- bzw. verhaltensbedingte Änderungskündigung mit dem Angebot einer Halbtagsstelle erklärt würde. Es handelt sich dann eben um eine teilweise Austauschkündigung. Das gleiche muss gelten, wenn der Bewerber nur deshalb leistungsfähiger ist, weil er noch nicht einen halben Tag gearbeitet hat, sondern ausgeruht an die Arbeit geht. Wenn aber demnach eine personen- oder verhaltensbedingte Änderungskündigung nicht mit dem Argument begründet werden kann, zwei Teilzeitkräfte seien leistungsfähiger als eine Vollzeitkraft, dann ist es rechtsmissbräuchlich, wenn der Arbeitgeber diesen Gedanken zum Anlass nimmt, den Betrieb so umzugestalten, dass nur noch zwei Teilzeitkräfte in ihm arbeiten können, um dann eine 799

Vgl. BAG 22.4.2004, AP KSchG 1969 § 2 Nr. 74, B I 6. Der Umstand, dass es auch dem Bundesarbeitsgericht unterlaufen kann, die offenbare Unsachlichkeit einer Strukturmaßnahme zu übersehen, zeigt einmal mehr, dass dem Merkmal der Offenbarheit keine sinnvolle Bedeutung gegeben werden kann. Vgl. dazu schon oben Kapitel C.I.1., S. 108. 801 Vgl. oben Kapitel G., S. 154 ff. 800

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H. Ausgewählte Einzelfälle

betriebsbedingte Änderungskündigung aussprechen zu können. Der Arbeitgeber umgeht damit die Voraussetzungen der personen- bzw. verhaltensbedingten Änderungskündigung.802 Es handelt sich dann um einen Fall, in dem die Kündigung nicht durch die Betriebsänderung, sondern die Betriebsänderung durch den Wunsch des Arbeitgebers bedingt ist, dem Arbeitnehmer die Änderungskündigung aussprechen zu können – pikanterweise ist das ein Fall aus dem engen Kreis der Fälle, auf den sich nach älterer Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts die Missbrauchsprüfung im Wesentlichen beschränkte.803 Zur Klarstellung sei angemerkt, dass sich anders als bei der Frage, ob der Arbeitgeber auf einen Arbeitskräfteüberhang statt mit wenigen Beendigungskündigungen mit mehreren Änderungskündigungen reagieren darf804, eine Handlungsfreiheit des Arbeitgebers in Bezug auf die Aufteilung eines Vollzeitarbeitsplatzes auch nicht mit der Unanwendbarkeit des Erforderlichkeitsprinzips begründen lässt.805 In jenem Fall beruhte die Unanwendbarkeit des Erforderlichkeitsprinzips darauf, dass das Unterlassen der Änderungskündigung des einen Arbeitnehmers zwar diesem gegenüber milderes Mittel, dem dann von der Beendigungskündigung betroffenen Arbeitnehmer gegenüber aber belastenderes Mittel wäre. Da sich beide Arbeitnehmer dem Arbeitgeber gegenüber auf das Erforderlichkeitsprinzip berufen können, entsteht eine Pattsituation, die eine entsprechende Handlungsfreiheit des Arbeitgebers begründet. Im Fall der Aufteilung eines Vollzeitarbeitsplatzes verhindert die Änderungskündigung des Vollzeitarbeitnehmers aber nicht die Belastung eines anderen Arbeitnehmers, sondern führt zur Neueinstellung eines Teilzeitarbeitnehmers. Das Erforderlichkeitsprinzip ist damit aus zwei Gründen nicht anwendbar. Zum einen dient dieses Prinzip zur Abwehr unnötiger Belastungen und nicht zur Begründung von Vorteilen bzw. Ansprüchen. Zum anderen kann sich der Anwärter auf die Teilzeitstelle dem Arbeitgeber gegenüber noch nicht auf das Erforderlichkeitsprinzip berufen, weil er noch nicht Arbeitnehmer ist, also in keiner Sonderverbindung zum Arbeitgeber steht. Eine andere Betrachtung ergibt sich auch nicht aus § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB III. Zwar hat der Arbeitgeber nach dieser Vorschrift bei 802 Auch das Bundesarbeitsgericht weist in seiner Entscheidung vom 22.4.2004 (DB 2004, 1890, 1891, B I 4) darauf hin, dass die Missbrauchskontrolle dazu dient, Umgehungsfälle zu vermeiden, übersieht aber, dass im entschiedenen Fall ein Umgehungsfall vorliegt. 803 Vgl. BAG 24.10.1979 AP Nr. 8 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung, II 2 a. 804 Vgl. oben Kapitel H.VII.2., S. 215 ff. 805 Diese Klarstellung ist auch deshalb geboten, weil das Bundesarbeitsgericht in den Gründen der Entscheidung vom 22.4.2004 (DB 2004, 1890, 1891, B I 2) erwähnt, dass es dem Arbeitgeber nach der Rechtsprechung des Gerichts freistehe, auf einen Rückgang des Beschäftigungsvolumens statt mit Beendigungskündigungen mit einer entsprechend größeren Zahl an Änderungskündigungen zu reagieren. Dadurch entsteht der Eindruck, zwischen diesem Fall und dem Fall der Aufteilung eines Vollzeitarbeitsplatzes bestünden keine Unterschiede.

VII. Änderungskündigung

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seinen Entscheidungen verantwortungsvoll deren Auswirkungen auch auf die Beschäftigung von Arbeitslosen zu berücksichtigen, so dass man auf die Idee kommen könnte, darin eine Rechtfertigung der Änderungskündigung von Vollzeitkräften mit dem Ziel der Einstellung von (arbeitslosen) Teilzeitkräften zu sehen. § 2 SGB III begründet aber nicht die rechtliche Möglichkeit von Maßnahmen des Arbeitgebers, sondern legt ihm lediglich nahe, wenn die Möglichkeit mehrerer Entscheidungen schon besteht, die beschäftigungsfreundlichere zu wählen. Im übrigen handelt es sich bei den beiden Fällen – einerseits der Änderungskündigung statt Beendigungskündigung, andererseits der Aufteilung eines Vollzeitarbeitsplatzes – um systematisch zwei völlig unterschiedliche Probleme. Das wird allerdings nur in vollem Umfang sichtbar, wenn man die in dieser Arbeit herausgearbeitete Struktur der doppelten Erforderlichkeitsprüfung bei der betriebsbedingten Kündigung zu Grunde legt.806 Im Fall der Aufteilung eines Vollzeitarbeitsplatzes geht es darum, ob die betriebliche Organisation – die Aufteilung des Arbeitsplatzes einer Vollzeitkraft auf zwei gleichzeitig tätige Halbtagskräfte – dringend betrieblich erforderlich war. Wenn dies bejaht wird, ist die Erforderlichkeit der Änderungskündigung nicht problematisch – es sei denn, es kommt z. B. die Weiterbeschäftigung der Vollzeitkraft mit der einen Hälfte der Arbeitszeit auf einem anderen Arbeitsplatz in Betracht. Es geht also um die Erforderlichkeit der betrieblich-organisatorischen Maßnahme selbst. Bei der Frage, ob der Arbeitgeber auf einen Rückgang des Beschäftigungsvolumens statt mit Beendigungskündigungen mit einer entsprechend größeren Zahl an Änderungskündigungen reagieren darf, geht es dagegen allein um die Erforderlichkeit der Kündigung und nicht darum, ob die betriebliche Veränderung, die zu dem Arbeitskräfteüberhang geführt hat, erforderlich war. Das Urteil des Bundesarbeitsgericht vom 22.4.2004 macht mittelbar eine praktische Schwäche der h. M. sichtbar. Eine bloße Missbrauchsprüfung betrieblicher Veränderungen, für die der Arbeitnehmer die Darlegungs- und Beweislast trägt, wird Umgestaltungen, die lediglich den Zweck haben, sich von missliebigen Arbeitnehmern zu trennen, kaum verhindern können.807 Wenn der Arbeitgeber den Zweck der betrieblichen Veränderung sowie deren Geeignetheit und Erforderlichkeit nicht darlegen muss, wird Rechtsmissbrauch nur aufgedeckt werden können, wenn der Arbeitgeber oder sein Anwalt einen Fehler machen. So war es auch im entschiedenen Fall: Der Rechtsmissbrauch wäre gar nicht erkennbar geworden, wenn die beklagte Arbeitgeberin nicht vorgetragen hätte, sie habe die betriebliche Organisation geändert, weil zwei Teilzeitkräfte mehr leisteten als eine Vollzeitkraft. Wenn in Zukunft von der Rechtsprechung erkannt und entschieden wird, dass diese Erwägung offensichtlich unsachlich ist, wird 806

Vgl. dazu oben Kapitel B.IV., S. 73 ff. Vgl. Preis, Bernd, DB 2000, 1122, der die Missbrauchskontrolle als Papiertiger und als bloße Floskel bezeichnet, die stets mitgeschleppt werde, aber keine praktische Nutzanwendung habe. 807

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H. Ausgewählte Einzelfälle

kein Anwalt sie mehr vorbringen, zumal er die Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit der betrieblich-organisatorischen Maßnahme nach h. M. ohnehin nicht begründen muss. Es ist dann aber gar nicht erkennbar, ob der Arbeitgeber mit der betriebsbedingten Kündigung Zwecke verfolgt, die der personen- und verhaltensbedingten Kündigung vorbehalten sind. Dagegen gewährleistet die in dieser Arbeit vertretene Lösung, nach der betriebliche Veränderungen auf ihre dringende Erforderlichkeit zu überprüfen sind, einen wirksamen Schutz des Arbeitnehmers vor rechtsmissbräuchlichen bzw. willkürlichen betrieblichen Veränderungen. Um die Erforderlichkeit der betrieblich-organisatorischen Maßnahme darzulegen, muss der Arbeitgeber den Zweck derselben angeben und aufzeigen, dass sie geeignet ist, diesen Zweck zu erreichen. Nur wenn der Zweck angegeben werden muss, werden unzulässige Zwecke erkennbar.808 Insbesondere können Zwecke ausgesondert werden, die die Verbesserung der Erfüllung der Vertragspflichten durch den Arbeitnehmer betreffen und damit zu den personen- und verhaltensbedingten Kündigungsgründen gehören. Der Fall der Änderungskündigung zur Aufteilung eines Vollzeitarbeitsplatzes ist auch deshalb interessant, weil bei ihm die in dieser Arbeit vertretene Auffassung und die h. M. in der Praxis zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen. Das ist nicht immer so. Auch wenn man wie der Verfasser dieser Arbeit der Ansicht ist, dass Geeignetheit und Erforderlichkeit der betrieblich-organisatorischen Maßnahme überprüft werden müssen, wird es dem Arbeitnehmer bei einer klassischen Rationalisierungsmaßnahme im Rahmen der abgestuften Beweislast nur selten gelingen, deren Erforderlichkeit erfolgreich anzugreifen. Die Erforderlichkeit der Rationalisierungsmaßnahme ist nämlich schon dann anzunehmen, wenn ein vernünftiger Durchschnittsunternehmer zum Zeitpunkt der Durchführung der Maßnahme davon ausgehen durfte, dass sie erforderlich ist, um den angegebenen Zweck zu erreichen.809 In aller Regel wird aber der Zweck der Rationalisierungsmaßnahme in einer Qualitätsverbesserung oder einer Kostenreduzierung liegen und erst im Nachhinein erkennbar sein, dass dieser Zweck nicht erreicht werden kann, weil unvorhersehbare Probleme eintreten. Dagegen wird es dem Arbeitgeber bei der Aufteilung eines Vollzeitarbeitsplatzes auf zwei Teilzeitarbeitsplätze schon schwer fallen, einen zulässigen Zweck dieser Maßnahme anzugeben. Wie oben gezeigt wurde, scheidet der Zweck der Erhöhung der Leistung einer vertragsgemäß arbeitenden Vollzeitkraft von vornherein aus. Bei anderen vom Arbeitgeber angegebenen Zwecken wird es dem Arbeitnehmer oft gelingen nachzuweisen, dass die Aufteilung des Vollzeitarbeitsplatzes zum Erreichen des Zwecks nicht dringend erforderlich ist. So haben in der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 22.4.2004 die sonstigen von der 808 809

Verweis nach oben, Kapitel B.IV.1. Vgl. oben Kapitel B.II.3.c)bb)(1), S. 47 ff., insbesondere S. 50.

VII. Änderungskündigung

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Arbeitgeberin zur Rechtfertigung der Aufteilung des Vollzeitarbeitsplatzes angegebenen Zwecke – eine Verbesserung der Vertretungsmöglichkeit und eine bessere Nutzung der „Hauptfunktionszeit“ – die Vorinstanz nicht überzeugt, weil diese festgestellt hatte, dass auch sonst ausreichende Vertretungsmöglichkeiten bestünden, und wohl weil der Zweck der Nutzung der Hauptfunktionszeit zu unsubstantiiert war. Darüber hinaus wird bei der Dringlichkeit810 des verfolgten Zwecks, also bei dessen nachvollziehbarem Gewicht bzw. Nutzen für den Arbeitgeber, im Fall der Entscheidung vom 22.4.2004 zu berücksichtigen sein, dass die nach Ansicht der Arbeitgeberin vorliegende schlechte Vertretungsmöglichkeit und mangelnde Ausnutzung der Hauptfunktionszeit schon bei Einstellung der Klägerin bestand. Wenn das die Arbeitgeberin aber nicht an der Einstellung einer Vollzeitkraft gehindert hat, hat sie diesen Umständen offenbar selbst kein ausschlaggebendes Gewicht beigemessen, so dass, selbst wenn die Verbesserung der Vertretungsmöglichkeit und eine bessere Nutzung der Hauptfunktionszeit erforderlich sein sollten, es jedenfalls an ihrer Dringlichkeit fehlen würde. Die dringende Erforderlichkeit der Aufteilung des Arbeitsplatzes einer Vollzeitkraft auf zwei gleichzeitig tätige Halbtagskräfte wird nach alledem nur selten vom Arbeitgeber dargelegt werden können. Ein solcher Ausnahmefall ist etwa denkbar, wenn ein wichtiger Kunde Dienstleistungen in Zukunft nur noch vormittags abrufen will, so dass dann weniger Arbeitskräftebedarf am Nachmittag und erhöhter am Vormittag besteht.

5. Verlegung des Betriebes Bei der Fallgruppe der Verlegung des Betriebes ist auf eine Besonderheit hinzuweisen. An sich ist die Betriebsverlegung eine gewöhnliche betrieblich-organisatorische Maßnahme, die nach der in dieser Arbeit vertretenen Auffassung, wenn sie Kündigungen nach sich zieht, auf ihre Erforderlichkeit in Bezug auf den vom Unternehmer verfolgten Zweck zu prüfen ist.811 Insoweit bestehen keine Besonderheiten. Allerdings führt die bloße Verlegung des Betriebes – d. h. die Verlegung des Betriebes ohne arbeitsplatzschädliche Veränderung, z. B. Rationalisierung – auf den ersten Blick812 nicht zu einem Arbeitskräfteüberhang: An der neuen Betriebsstätte wird die gleiche Anzahl von Arbeitnehmern benö810

Vgl. oben Kapitel B.V., S. 76 ff. A. A. BAG 27.9.2001, RdA 2002, 372, 373, I 1 c bb, wo das Gericht unter konsequenter Anwendung der h. M. ausführt, dass wegen der Freiheit der Unternehmerentscheidung Veränderungen der betrieblichen Organisation – zu der auch die Festlegung, an welchem Standort welche arbeitstechnischen Ziele verfolgt werden, gehöre – lediglich einer gerichtlichen Missbrauchskontrolle unterlägen. 812 Vgl. dazu, dass es sinnvoll ist, den Begriff des Arbeitskräfteüberhangs so zu präzisieren, dass auch Fälle darunter fallen, in denen der Arbeitgeber keinen Bedarf mehr an der vom Arbeitnehmer geschuldeten Arbeitsleistung hat, oben Kapitel H.VII.1., S. 206 ff., insbesondere S. 208. 811

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H. Ausgewählte Einzelfälle

tigt wie an der alten. Ist es nach dem Arbeitsvertrag möglich, dass der Arbeitgeber sein Direktionsrecht dahingehend ausübt, dass die Arbeitnehmer an der neuen Betriebsstätte weiterzuarbeiten haben, entstehen keine Probleme. Erst wenn der Arbeitsvertrag bzw. die Auslegung desselben ergibt, dass der betroffene Arbeitnehmer an der neuen Betriebsstätte nicht eingesetzt werden kann, ergibt sich für den Arbeitgeber das Bedürfnis zur betriebsbedingten Kündigung. Da bei der Verlegung des Betriebes die Beschäftigungsmöglichkeit für die betroffenen Arbeitnehmer nur dann fortfällt, wenn sie nach dem Arbeitsvertrag an der neuen Betriebsstätte nicht eingesetzt werden können, kommt als milderes Mittel gegenüber der Beendigungskündigung stets die Änderungskündigung in Betracht: Der Arbeitgeber kann dem Arbeitnehmer kündigen, allerdings nur verbunden mit dem Angebot eines Arbeitsvertrags, der den Arbeitnehmer zur Arbeit an der neuen Betriebsstätte verpflichtet, ansonsten aber inhaltsgleich mit dem alten Arbeitsvertrag ist.

VIII. Änderung des Anforderungsprofils für einen Arbeitsplatz Die Änderung des Anforderungsprofils für einen Arbeitsplatz ist eine betrieblich-organisatorische Maßnahme, durch die, wenn es einem Arbeitnehmer nicht möglich ist, das Anforderungsprofil zu erfüllen, seine Beschäftigungsmöglichkeit wegfallen kann. Nach der in dieser Arbeit vertretenen Auffassung muss diese Maßnahme wie andere arbeitsplatzschädliche Maßnahmen auch auf ihre Geeignetheit und Erforderlichkeit überprüft werden. Dagegen ist das Bundesarbeitsgericht der Ansicht, dass es grundsätzlich der freien unternehmerischen Entscheidung unterliege, das Anforderungsprofil für einen veränderten Arbeitsplatz festzulegen.813 Allerdings formuliert das Bundesarbeitsgericht einen Satz nach dieser Aussage, dass, soweit die Erfüllung bestimmter Voraussetzungen für die sachgerechte Erledigung der Arbeitsaufgaben erforderlich ist, die unternehmerische Entscheidung nur daraufhin überprüft werden könne, ob sie offenbar unsachlich ist. Damit widerspricht sich das Gericht selbst, da Freiheit der Unternehmerentscheidung gerade bedeutet, dass diese nicht auf ihre Geeignetheit und Erforderlichkeit überprüft werden darf. Mit der Voraussetzung, dass die Änderung des Anforderungsprofils für die Erledigung der Arbeitsaufgaben erforderlich sein muss, verneint das Bundesarbeitsgericht also in Wahrheit die Freiheit der Unternehmerentscheidung und stimmt mit der in dieser Arbeit vertretenen doppelten Erforderlichkeitsprüfung überein. Das ist auch sachgerecht. Könnte der Arbeitgeber auch nicht erforderliche neue Voraussetzungen für eine be813 BAG 16.12.2004, NZA 2005, 761, 784, Leitsatz 3 und unter B II 4 a; BAG 24.6.2004, AP KSchG 1969 § 1 Nr. 76, B II 2 a; BAG 10.11.1994, NZA 1995, 566, 568, B I 3.

IX. Einführung von Kurzarbeit

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stimmte Tätigkeit festlegen, würden Austauschkündigungen möglich: Der Arbeitgeber könnte einen durchschnittlich arbeitenden Arbeitnehmer kündigen, indem er die Leistungsanforderungen für dessen Arbeitplatz heraufsetzt, und danach einen leistungsfähigeren Bewerber einstellen.

IX. Einführung von Kurzarbeit An sich kommt Kurzarbeit als milderes Mittel gegenüber einer betriebsbedingten Beendigungskündigung in Betracht. Wenn nämlich ein Arbeitskräfteüberhang besteht, kann dieser nicht nur durch Kündigung, sondern auch durch die Verkürzung der Arbeitszeit beseitigt werden. In Bezug auf diejenigen Arbeitnehmer, die von einer Beendigungskündigung betroffen wären, ist Kurzarbeit dann ein milderes Mittel.814 Im Schrifttum wird jedoch teilweise vertreten, dass der Entschluss des Arbeitgebers, Kurzarbeit einzuführen oder nicht, der unternehmerischen Entscheidungsfreiheit unterfalle, so dass er – wie sonstige freie unternehmerische Entscheidungen nach h. M. auch – nur auf offenbare Unsachlichkeit, Unvernunft und Willkür zu überprüfen sei.815 Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist insoweit unklar. Einerseits soll in Abkehr von der früheren Rechtsprechung816 die Frage, ob eine ausgesprochene Kündigung durch die Anordnung von Kurzarbeit hätte vermieden werden können, nur einer Missbrauchskontrolle unterliegen.817 Andererseits hat in einer neueren Entschei814 So auch Stahlhacke/Preis, Rn. 1021; ErfK/Ascheid, § 1 KSchG, Rn. 450; Löwisch/Spinner, § 1 KSchG, Rn. 304; Löwisch, FS für Günther Wiese, S. 249, 255 ff.; ders., Betriebsbedingte Kündigungen im Widerstreit, S. 45, 59 ff., MünchArbR/Berkowsky, § 138, Rn. 150; KR/Etzel, § 1 KSchG, Rn. 531. 815 v. Hoyningen-Huene/Linck, § 1 KSchG, Rn. 388a; HK/Dorndorf, § 1 KSchG, Rn. 936; Rieble, Rn. 1011; KPK-Schiefer/Meisel, S. 268, Rn. 1042; Alp, S. 141 ff. Thum, S. 203 ff., der allerdings selbst eine Willkürprüfung als überflüssig ablehnt (S. 173 ff.). Widersprüchlich APS/Kiel, § 1 KSchG, Rn. 392 ff. Einerseits sagt Kiel, dass die Frage, ob materiellrechtlich ein nur vorübergehender Arbeitsmangel vorlag, dem mit Kurzarbeit hätte begegnet werden können, voll nachprüfbar sei (a. a. O., Rn. 393). Andererseits ist er der Ansicht, dass der Arbeitgeber lediglich dartun müsse, dass nach seiner nachvollziehbaren wirtschaftlichen Betrachtung der Lage ein Dauermangel vorliege; dann unterliege die unternehmerische Entscheidung, keine Kurzarbeit einzuführen, wie auch sonst nur einer Missbrauchskontrolle (a. a. O., Rn. 396). 816 Vgl. BAG 25.6.1964, AP KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 14, Leitsatz 3 und unter II der Gründe. Allerdings ordnet dort das Bundesarbeitsgericht die Frage der Möglichkeit von Kurzarbeit der inzwischen (vgl. BAG 30.4.1987, DB 1987, 2207) bei der betriebsbedingten Kündigung nur noch in Ausnahmefällen angewendeten Interessenabwägung zu. Richtigerweise handelt es sich bei der Kurzarbeit aber um ein mögliches milderes Mittel und damit um das Problem der Erforderlichkeit. 817 BAG 4.3.1986, AP BetrVG 1972 § 87 Nr. 3, B II 3 g; BAG 11.9.1986, BB 1987, 1882, 1884, I 4 c bb. Schon in der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 7.2.1985 (NZA 1986, 260, III 5 b) wird darauf hingewiesen, dass die Prüfung, ob die Kündigung durch Ein-

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H. Ausgewählte Einzelfälle

dung das Bundesarbeitsgericht im Zusammenhang mit der Diskussion der Kurzarbeit die Ansicht vertreten, dass ein nur vorübergehender Arbeitsmangel eine auf Beendigung des Arbeitsverhältnisses gerichtete Kündigung ausschließe818, woraus sich mittelbar entnehmen lässt, dass Kurzarbeit ein milderes geeignetes Mittel bei vorübergehendem Arbeitsmangel sein soll.819 Wie schon oben820 bei der Frage, ob der Arbeitgeber statt wenigen Beendigungskündigungen mehrere Änderungskündigungen aussprechen muss, empfiehlt es sich, zunächst eine rein kündigungsschutzrechtliche Lösung zu suchen und erst dann § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB III zu berücksichtigen. Das ermöglicht eine Beurteilung der älteren Rechtsprechung vor Inkrafttreten des § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB III und der Rechtsfolgen einer etwaigen Aufhebung dieser Vorschrift.

1. Rein kündigungsschutzrechtliche Betrachtung Der Verweis auf die Freiheit der Unternehmerentscheidung kann nicht überzeugen. Nach der in dieser Arbeit vertretenen Auffassung steht die unternehmerische Entscheidungsfreiheit der Überprüfung der Erforderlichkeit betrieblicher Maßnahmen ohnehin nicht entgegen.821 Aber selbst auf dem Boden der h. M. ist es nicht haltbar, mit dem Hinweis auf die unternehmerische Entscheidungsfreiheit Kurzarbeit als in Betracht kommendes milderes Mittel auszuschließen. Auch nach h. M. sind nämlich – wie schon mehrfach erwähnt – die Kündigung und ihre Alternativmaßnahmen nicht frei, sondern werden im vollen Umfang von den Gerichten auf ihre Erforderlichkeit überprüft. Das kommt in der von Bundesarbeitsgericht822 und Literatur823 verwendeten Formulierung zum Ausdruck, dass es dem Arbeitgeber nicht möglich sein dürfe, der betrieblichen Lage durch andere Maßnahmen auf technischem, organisatorischem oder wirtschaftlichem Gebiet als durch eine Kündigung zu entsprechen. Ansonsten müsste konsequenterweise auch die Entscheidung des Arbeitgebers, ob er den Arbeitnehmer auf einem anderen geeigneten freien Arbeitsplatz weiterbeschäftigt, frei sein und nur auf Missbrauch überprüft werden können. Das wird aber führung von Kurzarbeit hätte abgewendet werden können, zu einer weitergehenden als nunmehr vom Senat gebilligten gerichtlichen Nachprüfung von Unternehmerentscheidungen führe. 818 BAG 26.6.1997, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 86, II 2 b. 819 So auch Stahlhacke/Preis, Rn. 1020; APS/Kiel, § 1 KSchG, Rn. 571. 820 Vgl. Kapitel H.VII.2., S. 215 ff. 821 Vgl. oben Kapitel B.II.5., S. 70. 822 BAG 17.6.1999, 2 AZR 141/98, NZA 1999, 1098, 1099; BAG 18.1.1990 AP § 2 KSchG 1969 Nr. 27. 823 Vgl. APS/Kiel, § 1 KSchG Rn. 559, 562; Stahlhacke/Preis, Rn. 948; auch ErfK/Ascheid, § 1 KSchG, Rn. 396.

IX. Einführung von Kurzarbeit

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von niemandem vertreten. Wenn aber die Kündigung nach h. M. voll auf ihre Erforderlichkeit überprüft wird, besteht die Notwendigkeit eines Kriteriums, mit dem beurteilt werden kann, ob eine Maßnahme als milderes Mittel gegenüber der Kündigung in Betracht kommt und damit überprüfbar ist, oder ob eine Maßnahme zu dem Bereich freier unternehmerischer Entscheidungen gehört und deswegen gerichtlich nur auf Missbrauch kontrolliert werden kann. Wie oben824 dargelegt, führt der Versuch, dieses Kriterium über eine Definition der unternehmerischen Entscheidung zu gewinnen, nicht weiter. Als sicheres Abgrenzungskriterium kommt allein die unterschiedliche Auswirkung auf den Arbeitskräfteüberhang in Betracht: Während die Kündigung und die gegenüber ihr in Betracht kommenden milderen Mittel das Angebot an menschlicher Arbeitskraft verringern, reduzieren betriebliche Veränderungen, die nach h. M. frei sein sollen, die Nachfrage nach menschlicher Arbeitskraft.825 Legt man dieses Kriterium zu Grunde, so ist klar erkennbar, dass die Anordnung von Kurzarbeit zu den voll überprüfbaren Alternativmaßnahmen gegenüber der Kündigung gehört. Kurzarbeit reduziert ebenso wie die Kündigung das Angebot an menschlicher Arbeit. Der Hinweis auf die unternehmerische Entscheidungsfreiheit als Argument für die Unüberprüfbarkeit der Kurzarbeit als milderes Mittel kann also auch auf der Grundlage der h. M. nicht überzeugen.826 Dennoch bestehen aus anderen Gründen Bedenken, bei der Prüfung der Erforderlichkeit der Kündigung Kurzarbeit generell zu berücksichtigen. Diese Bedenken ergeben sich daraus, dass nachteilig in die Rechte anderer Arbeitnehmer eingegriffen werden kann, wenn Kurzarbeit angeordnet wird, um die Kündigung eines oder mehrerer Arbeitnehmer zu verhindern. Mit der Verkürzung der Arbeitszeit geht nämlich grundsätzlich eine Lohnkürzung einher, die durch das Kurzarbeitergeld nur teilweise ausgeglichen wird (vgl. § 178 SGB III). Wie schon oben827 dargelegt wurde, ist eine Prüfung der Erforderlichkeit nicht möglich, wenn durch das in Betracht kommende mildere Mittel in Rechte anderer Arbeitnehmer desselben Arbeitgebers eingegriffen wird. Diese Arbeitnehmer können sich nämlich ebenso auf das Prinzip des milderen Mittels berufen, so dass eine Pattsituation entsteht. Beruft sich ein Arbeitnehmer darauf, dass gegenüber seiner betriebsbedingten Kündigung die Einführung von Kurzarbeit milderes Mittel ist, können sich die von der Kurzarbeit betroffenen Arbeitnehmer darauf berufen, dass die Kurzarbeit durch Kündigung des betroffenen Arbeitnehmers vermieden werden kann.828 Diese Pattsituation hat zur Folge, dass 824

Vgl. oben Kapitel C.I.2., S. 110 ff., insbesondere S. 114 ff. Vgl. oben Kapitel B.IV.2., S. 75 ff., insbesondere S. 76. 826 Im Ergebnis ebenso Stahlhacke/Preis, Rn. 1021. 827 Vgl. oben Kapitel H.VII.2.a), S. 216 ff., insbesondere S. 217 f. 828 Schon das Bundesarbeitsgericht verweist in seiner Entscheidung vom 25.6.1964 (AP KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 14, III) darauf, dass bei der Interessenabwägung die Schwierigkeit bedacht und gewürdigt werden müsse, die dem Arbeit825

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H. Ausgewählte Einzelfälle

das Prinzip der Erforderlichkeit nicht anwendbar ist, so dass es den Arbeitgeber in seiner Entscheidungsfreiheit nicht einschränken kann. Das wird besonders deutlich, wenn die Kurzarbeit ohnehin nur durch Änderungskündigungen durchgesetzt werden könnte. In diesem Fall kann in vollem Umfang auf die Ausführungen zur Frage verwiesen werden, ob ein Arbeitnehmer gegen seine Beendigungskündigung einwenden kann, dass sie durch Änderungskündigungen auch anderer Arbeitnehmer hätte vermieden werden können.829 Aber auch sonst hat bei einer rein kündigungsschutzrechtlichen Betrachtung die grundsätzliche Unanwendbarkeit des Erforderlichkeitsprinzips zur Folge, dass der Arbeitgeber nicht versuchen muss, Kurzarbeit einzuführen oder an der Einführung von Kurzarbeit mitzuwirken. Dass die auf dem Eingriff in Rechte anderer Arbeitnehmer beruhende Pattsituation ausschlaggebender Gesichtspunkt für die Unanwendbarkeit des Erforderlichkeitsprinzips auf die Kurzarbeit als milderes Mittel ist, wird mittelbar durch die in der Literatur verbreitete Ansicht gestützt, dass Voraussetzung für die Eignung der Kurzarbeit als milderes Mittel der vorübergehende Arbeitsmangel sei.830 An sich ist nämlich die Einführung von Kurzarbeit auch bei dauerhaftem Arbeitsmangel geeignet, den Arbeitskräfteüberhang zu beseitigen.831 Dass der Arbeitsausfall vorübergehend ist, ist lediglich Voraussetzung für die Gewährung des Kurzarbeitergeldes (vgl. §§ 170 Abs. 1 Nr. 2, 169 SGB III), also dafür, dass die Arbeitnehmer nur eine vergleichsweise geringe Lohneinbuße in Kauf nehmen müssen. Wird kein Kurzarbeitergeld gezahlt, ist der Fall der Einführung von Kurzarbeit nicht mehr unterscheidbar vom Fall der allgemeinen Arbeitszeitverkürzung. Individualarbeitsrechtlich betrachtet ist nämlich Kurzarbeit nichts anderes als eine vorübergehende Verkürzung der Arbeitszeit mit entsprechendem Entgeltausfall.832 Eine allgemeine Arbeitszeitverkürzung wird aber in der Literatur als in Betracht kommendes milderes Mittel gegenüber einer betriebsbedingten Kündigung überwiegend abgelehnt – und zwar auch von denjenigen, geber droht, wenn er Kurzarbeit einführt, anstatt einem Arbeitnehmer ordentlich zu kündigen. Wenn der Arbeitgeber dann zur Durchsetzung der Kurzarbeit zu Änderungskündigungen genötigt sei, könnten die davon betroffenen Arbeitnehmer zur Begründung einer Kündigungsschutzklage geltend machen, nicht Kurzarbeit, sondern die Entlassung eines Arbeitnehmers sei der richtige Weg, um dem Arbeitsmangel abzuhelfen. Dieser entscheidende Denkansatz wurde im Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 7.2.1985 (NZA 1986, 260, III 5 a) noch einmal kurz erwähnt, ist aber nicht weiter ausgebaut worden. 829 Vgl. oben Kapitel H.VII., S. 206 ff. 830 Vgl. Stahlhacke/Preis, Rn. 1021; v. Hoyningen-Huene/Linck, § 1 KSchG, Rn. 385; ErfK/Ascheid, § 1 KSchG, Rn. 449; Zöllner/Loritz, S. 297. 831 Irrig Stahlhacke/Preis, Rn. 1021, der der Meinung ist, dass der Arbeitgeber das Mittel der Kurzarbeit nicht weiter zu erwägen brauche, wenn der Arbeitsmangel nicht vorübergehend ist, weil es dann nicht geeignet sei, das betriebliche Bedürfnis zu befriedigen. 832 Vgl. HWK/Peters-Lange, § 169 SGB III, Rn. 2.

IX. Einführung von Kurzarbeit

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die Kurzarbeit als milderes Mittel anerkennen –, weil ein Rechtssatz mit dem Inhalt, dass eine Kündigung dann sozial ungerechtfertigt ist, wenn diese durch Eingriffe in die Rechte anderer Arbeitnehmer hätte vermieden werden können, nicht existiere.833 Offenbar geht die Literatur davon aus, dass es wegen des Kurzarbeitergeldes nicht zum Eingriff in die Rechte anderer Arbeitnehmer kommt, übersieht dabei aber, dass durch das Kurzarbeitergeld nicht die volle Lohneinbuße ausgeglichen wird. Es gibt allerdings mehrere Fälle, in denen schon bei einer rein kündigungsschutzrechtlichen Betrachtung nach dem Erforderlichkeitsprinzip geprüft werden muss, ob Kurzarbeit als milderes Mittel in Betracht kommt. Wie dargelegt, beruht die grundsätzliche Unanwendbarkeit des Erforderlichkeitsgrundsatzes bei der Frage, ob Beendigungskündigungen durch Kurzarbeit hätten vermieden werden können, darauf, dass auch die von Kurzarbeit betroffenen Arbeitnehmer sich auf das Erforderlichkeitsprinzip berufen können, weil durch die Einführung von Kurzarbeit nachteilig in ihre Rechte eingegriffen würde und dieser Eingriff durch die in Rede stehenden Beendigungskündigungen vermieden werden kann. Daraus ergibt sich, dass zum einen Kurzarbeit als milderes Mittel gegenüber einer Kündigung in Betracht kommt, wenn alle Arbeitnehmer mit der Einführung von Kurzarbeit einverstanden sind. Darüber hinaus ist Kurzarbeit als milderes Mittel vom Arbeitgeber zu berücksichtigen, wenn es um die Beendigungskündigung aller Arbeitnehmer, etwa im Rahmen einer vorübergehenden Betriebsstilllegung, geht. In diesem Fall ist Kurzarbeit für alle betroffenen Arbeitnehmer das mildere Mittel.834 Außerdem liegt ein nachteiliger Eingriff in Rechte anderer Arbeitnehmer nicht vor, wenn arbeits-, tarifvertraglich oder durch Betriebsvereinbarung eine Nettogarantie vereinbart ist, nach der der trotz Kurzarbeitergeld bestehende Lohnausfall vom Arbeitgeber auszugleichen ist.835

2. Berücksichtigung von § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB III Abgesehen von den oben erwähnten Fällen, bei denen schon bei einer rein kündigungsschutzrechtlichen Betrachtung die Einführung von Kurzarbeit als 833 Vgl. Stahlhacke/Preis, Rn. 1022; Preis, Ulrich, NZA 1998, 449, 457; APS/Kiel, § 1 KSchG, Rn. 578. 834 Genauer zum Problem der Betriebsstilllegung siehe oben Kapitel H.V., S. 198 ff., insbesondere S. 201 f. zur Frage der vorübergehenden Betriebsstilllegung. 835 Zwar stellt die Anordnung von Kurzarbeit selbst dann einen Eingriff in Rechte der Arbeitnehmer dar, wenn eine Nettogarantie vereinbart ist, da schon die Verkürzung der Arbeitszeit als solche Eingriffscharakter hat, wenn sie gegen den Willen des betroffenen Arbeitnehmers eingeführt wird. Dennoch wird man bei wertender Betrachtung die Nachteiligkeit des Eingriffs verneinen können, jedenfalls dann, wenn genügend Arbeitszeit zur Erhaltung der Qualifikation bestehen bleibt oder die Einführung der Kurzarbeit nur von kurzer Dauer ist.

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H. Ausgewählte Einzelfälle

milderes Mittel gegenüber einer Beendigungskündigung in Betracht kommt, hat § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 Alt. 2 SGB III zur Folge, dass Kurzarbeit als milderes Mittel immer dann berücksichtigt werden muss, wenn ihre Einführung dem Arbeitgeber möglich ist.836 Die grundsätzliche Unanwendbarkeit der Kurzarbeit als milderes Mittel beruht nämlich nach den Ausführungen im vorherigen Abschnitt darauf, dass auch der von der Einführung der Kurzarbeit nachteilig betroffene Arbeitnehmer sich auf das Erforderlichkeitsprinzip mit dem Hinweis berufen kann, dass die Anordnung von Kurzarbeit durch eine entsprechende Anzahl von Beendigungskündigungen abgewendet werden könne. Die daraus resultierende Pattsituation begründet die Freiheit des Arbeitgebers, zwischen der Möglichkeit der Beendigungskündigung und der Einführung von Kurzarbeit zu wählen. Diese Pattsituation wird durch § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 Alt. 2 SGB III aufgehoben.837 § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 Alt. 2 SGB III ordnet nämlich eine Erforderlichkeitsprüfung von Entlassungen an. Milderes Mittel gegenüber Entlassungen ist aber auch die Einführung von Kurzarbeit, wenn diese Beendigungskündigungen vermeidet. Dieses Ergebnis steht in Übereinstimmung mit der Gesetzesbegründung zu § 2 Abs. 2 SGB III, wo ausdrücklich als Beispiel erwähnt wird, dass Entlassungen durch die Inanspruchnahme von Kurzarbeitergeld vermieden werden sollen.838 Ist die Einführung von Kurzarbeit möglich, obliegt es danach dem Arbeitgeber, wenn ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats besteht, zu versuchen, mit diesem eine Vereinbarung zur Einführung von Kurzarbeit herbeizuführen. Verhindert der Betriebsrat die Einführung von Kurzarbeit, scheidet diese als geeignetes milderes Mittel aus, so dass der Arbeitgeber Beendigungskündigungen aussprechen kann. Besteht kein Betriebsrat, muss der Arbeitgeber von sich aus die Möglichkeit der Einführung von Kurzarbeit prüfen und diese, wenn eine Einigung mit seinen Arbeitnehmern nicht zu Stande kommt, durch Änderungskündigung einführen.839 Entgegen der älteren Rechtsprechung des Bundesar-

836 Im Ergebnis ebenso Preis, Ulrich, NZA 1998, 449, 445 f.; Gagel/Bepler, § 2 SGB III, Rn. 45; Gagel, Arbeitsrecht und Arbeitsgerichtsbarkeit, S. 521, 526. 837 Vgl. dazu im Einzelnen oben Kapitel H.VII.2.b), S. 218 ff. 838 BT-Drucks. 13/4941, S. 152. 839 In Literatur (APS/Kiel, § 1 KSchG, Rn. 574; HK-Weller/Dorndorf, Rn. 935) und Rechtsprechung (BAG 7.2.1985, NZA 1986, 260, III 5; BAG 25.6.1964, AP KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 14, III ) wird dagegen die Ansicht vertreten, dass vom Arbeitgeber nicht verlangt werden könne, statt der beabsichtigten Beendigungskündigung eine Vielzahl von Änderungskündigungen auszusprechen, weil er sich damit dem Risiko von Änderungsschutzprozessen mit ungewissem Ausgang aussetze. Der Ausgang der Änderungsschutzprozesse ist aber nur ungewiss, wenn die Änderungskündigung nicht eindeutig das mildere Mittel ist, weil sich auch die von ihr betroffenen Arbeitnehmer auf das Erforderlichkeitsprinzip berufen können. Das ist aber unter der Geltung von § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 Alt. 2 SGB III gerade nicht der Fall.

IX. Einführung von Kurzarbeit

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beitsgerichts840 hat der Arbeitgeber nach § 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG zu beweisen, dass die Einführung von Kurzarbeit nicht möglich war.841 Es sei hier noch auf zwei weitere Probleme hingewiesen, bei denen Klärungsbedarf besteht. Zum einen auf den Fall, dass Kurzarbeit zum Zeitpunkt der Kündigung schon eingeführt ist. Dieser Fall ist kein Problem der Erforderlichkeit, sondern des Störungstatbestandes der betriebsbedingten Kündigung, des Arbeitskräfteüberhangs.842 Kündigt der Arbeitgeber trotz Einführung von Kurzarbeit betriebsbedingt, liegt kein Arbeitskräfteüberhang vor, wenn die Kurzarbeit das Angebot an Arbeitskraft schon entsprechend reduziert hat. Lediglich, wenn das Angebot an Arbeitskraft trotz der Kurzarbeit immer noch die Nachfrage übersteigt, ist weiterhin ein Arbeitskräfteüberhang vorhanden und bleiben betriebsbedingte Kündigungen möglich.843 Zum anderen können sich Schwierigkeiten ergeben, wenn für den Arbeitgeber zum für die Beurteilung der Wirksamkeit der Kündigung maßgebenden Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungserklärung noch nicht ersichtlich ist, ob es zu einer Einführung von Kurzarbeit kommen wird, etwa weil der Betriebsrat dies ablehnt. Dieses Problem kann aber nach allgemeinen Regeln gelöst werden. Der Arbeitgeber kann zunächst betriebsbedingt kündigen, da es an einer Vereinbarung über Kurzarbeit noch 840 Vgl. BAG 25.6.1964, AP KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 14 (Leitsatz 3 und unter III der Gründe). Der vom Bundesarbeitsgericht dort aufgestellte Grundsatz, dass einem Arbeitsmangel in der Regel nur durch Entlassungen und nur ausnahmsweise durch allgemeine Kurzarbeit abzuhelfen sei, ist nicht nachzuvollziehen, jedenfalls kann er nicht als Grundlage für einen Anscheinsbeweis dienen. 841 Zu den nach § 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG vom Arbeitgeber zu beweisenden Tatsachen, die die Kündigung bedingen, gehört auch das Fehlen milderer Mittel. So auch Stahlhacke/Preis, Rn. 1036. 842 Ähnlich ErfK/Ascheid, § 1 KSchG, Rn. 450, der darauf verweist, dass Kurzarbeit im Hinblick auf die Beendigungskündigung nicht nur eine mildere Maßnahme ist, sondern bei der Einführung von Kurzarbeit der für eine Beendigungskündigung notwendige Dauermangel der Arbeitsmenge fehle. Allerdings geht Ascheid davon aus, dass der Arbeitskräfteüberhang schon entfalle, wenn die Voraussetzungen für die Einführung von Kurzarbeit vorliegen. Ein Arbeitskräfteüberhang liegt aber vor, wenn die Nachfrage nach menschlicher Arbeitskraft geringer ist als das tatsächliche Angebot an Arbeitskraft. Deswegen kann ein Arbeitskräfteüberhang erst entfallen, wenn das Angebot an menschlicher Arbeit tatsächlich zurückgeht, also die Kurzarbeit schon eingeführt ist bzw. sicher voraussehbar ist, dass sie zum Zeitpunkt des Ablaufs der Kündigungsfrist eingeführt sein wird, und nicht schon dann, wenn die Voraussetzungen zur Einführung von Kurzarbeit vorliegen, die Einführung von Kurzarbeit also bloß möglich ist. 843 Im Ergebnis ähnlich BAG 26.6.1997 (AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 86, II 2 a) und BAG 17.10.1989 (AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 10, Leitsatz 2 und unter 3 d), wo darauf hingewiesen wird, dass eine betriebsbedingte Kündigung im Zusammenhang mit einer vom Arbeitgeber bereits eingeführten Kurzarbeit gemäß § 1 Abs. 2 KSchG nur dann gerechtfertigt sei, wenn über die Gründe hinaus, die zur Einführung von Kurzarbeit geführt haben, weitergehende inner- oder außerbetriebliche Gründe vorliegen, die auf Dauer für den gekündigten Arbeitnehmer das Weiterbeschäftigungsbedürfnis entfallen lassen.

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H. Ausgewählte Einzelfälle

fehlt und er daher zunächst davon ausgehen kann, dass zum Zeitpunkt des Ablaufs der Kündigungsfrist ein Arbeitskräfteüberhang im Betrieb bestehen wird. Kommt mit dem Betriebsrat vor Ablauf der Kündigungsfrist eine Einigung über Kurzarbeit zustande, hat der betroffene Arbeitnehmer gegebenenfalls einen Wiedereinstellungsanspruch.844

844 Zum Wiedereinstellungsanspruch s. APS/Kiel, § 1 KSchG, Rn. 799 ff.; APS/ Preis, Grundlagen H., Rn. 80; APS/Dörner, § 1 KSchG, Rn. 74 ff.

I. Zusammenfassung, Prüfungsschema In Zusammenfassung der in dieser Arbeit entwickelten Ergebnisse ergibt sich folgendes Prüfungsschema für den Regelfall845 des Tatbestands der betriebsbedingten Kündigung nach § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG: 1. Liegt ein Arbeitskräfteüberhang zum Zeitpunkt des Ablaufs der Kündigungsfrist vor? 2. Welche betrieblich-organisatorische Maßnahme führt zu diesem Arbeitskräfteüberhang bzw. hat zu ihm geführt? 3. Was ist der vom Arbeitgeber mit dieser Maßnahme verfolgte Zweck? 4. Ist die Maßnahme geeignet und erforderlich (mildestes Mittel) in Bezug auf diesen Zweck? Bei der Beurteilung der Erforderlichkeit ist folgender Maßstab und Beurteilungszeitpunkt zu Grunde zu legen: Eine betriebliche Veränderung ist erforderlich, wenn ein vernünftiger Durchschnittsunternehmer zum Zeitpunkt der Durchführung der Maßnahme davon ausgehen durfte, dass sie erforderlich ist, um den angegebenen Zweck zu erreichen.846 Die Beweislast für die Geeignetheit und Erforderlichkeit trägt nach § 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG der Arbeitgeber. Allerdings gilt eine sog. abgestufte Beweislast, weswegen der Arbeitnehmer, will er die Erforderlichkeit der Maßnahme in Zweifel ziehen, in Betracht kommende weniger belastende Maßnahmen benennen muss.847

5. Liegt die Dringlichkeit des verfolgten Zwecks vor? Diese liegt vor, wenn nach verständiger Würdigung eines durchschnittlichen Unternehmers zum Zeitpunkt der Durchführung der betrieblichen Veränderung ein nachvollziehbarer betrieblicher Nutzen dieser Maßnahme erkennbar ist.848

6. Ist die Kündigung geeignet, erforderlich (und angemessen849), um den Arbeitskräfteüberhang zu beseitigen?

845 Vgl. zum Sonderfall der betriebsbedingten Kündigung, bei dem ein Arbeitskräfteüberhang fehlt, oben Kapitel B.II.2.b), S. 25 ff., insbesondere S. 28 f., 31 f., Kapitel B.III.2., S. 71 ff. und Kapitel B.VI.2., S. 95 ff. 846 Vgl. oben Kapitel B.II.3.c)bb)(1), S. 47 ff., insbesondere S. 50. 847 Vgl. oben Kapitel B.II.3.c)cc), S. 59 ff., insbesondere S. 60 f. 848 Vgl. oben Kapitel B.V., S. 76 ff. 849 Die Angemessenheitsprüfung führt im Regelfall der betriebsbedingten Kündigung allerdings nur in seltenen Ausnahmefällen zur Unwirksamkeit der Kündigung, vgl. oben Kapitel B.VI.1., S. 93 ff.

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I. Zusammenfassung, Prüfungsschema

Ein betriebsbedingter Kündigungsgrund liegt danach vor, wenn eine dringend erforderliche betriebliche Veränderung zu einem Arbeitskräfteüberhang führt (Prüfungspunkte 1–5). Dieser Kündigungsgrund bedingt die Kündigung, d. h. er macht sie erforderlich, wenn sie geeignet und mildestes Mittel ist, um den Arbeitskräfteüberhang zu beseitigen (Prüfungspunkt 6). Der wesentliche Unterschied dieses Prüfungsschemas zu der Prüfung des Tatbestandes der betriebsbedingten Kündigung nach h. M. besteht in der doppelten Erforderlichkeitsprüfung: Nicht nur die Kündigung wird auf ihre Erforderlichkeit zur Beseitigung des Arbeitskräfteüberhangs überprüft, sondern auch die betriebliche Maßnahme, die zu dem Arbeitskräfteüberhang führt, muss erforderlich sein.850 Damit kommen auch die Ursachen des Arbeitskräfteüberhangs in den Blick. Diese Lösung steht in Übereinstimmung mit einem unbefangenen Verständnis des Wortlautes von § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG, dem es widerstrebt, eine Kündigung, die etwa auf eine nicht erforderliche Rationalisierungsmaßnahme zurückgeht, als durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt anzusehen. Das diesem Ergebnis entgegenstehende Dogma von der Freiheit der Unternehmerentscheidung, nach dem unternehmerische Entscheidungen und die auf diese zurückgehenden betrieblichen Maßnahmen nicht auf ihre Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit überprüft werden können, kann nicht überzeugen. Das gilt insbesondere für die Begründung dieses Dogmas mit den Grundrechten des Arbeitgebers. Die Auslegung einer Vorschrift hat vom Wortlaut ihren Ausgang zu nehmen und den Zusammenhang, die Entstehungsgeschichte und den Zweck der Regelung zu berücksichtigen. Führt die Anwendung dieser Auslegungsmethoden – wie hier beim Tatbestand der betriebsbedingten Kündigung – zu einem eindeutigen Ergebnis, kann das Verfassungsrecht nur im Rahmen einer verfassungskonformen Auslegung unter der Voraussetzung relevant werden, dass das gefundene Ergebnis verfassungswidrig ist. Das ist jedoch bei der hier vertretenen Erforderlichkeitsprüfung arbeitsplatzschädlicher betrieblicher Umgestaltungen nicht der Fall.851 Es ist ein gerade im Arbeitsrecht verbreiteter methodischer Fehler, auf das Verfassungsrecht zurückzugreifen, ohne sich zunächst konsequent um eine Auslegung der gesetzlichen Regelung mit Hilfe der klassischen Auslegungsmethoden bemüht zu haben, oder gar die Auslegung mit verfassungsrechtlichen Überlegungen zu beginnen. Ein solches Vorgehen verstößt gegen die Gesetzesbindung der Rechtsprechung (Art. 20 Abs. 3 GG). Der Wille des Gesetzgebers ist bis zur Grenze der Verfassungswidrigkeit zu akzeptieren,

850

Vgl. oben Kapitel B.IV., S. 73 ff. Legt man obiges Prüfungsschema zu Grunde, werden nach h. M. die Prüfungspunkte 3–5 nicht geprüft und wird auch der Prüfungspunkt 2 nur für die Darlegung und den Beweis des Arbeitskräfteüberhangs benötigt. 851 Vgl. oben Kapitel B.II.3.c)aa), S. 36 ff., insbesondere S. 38 ff.

I. Zusammenfassung, Prüfungsschema

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auch wenn ein Richter oder Rechtsgelehrter der Ansicht sein sollte, dass eine andere Lösung den Wertungen der Verfassung „besser“ entspräche. Die fehlgehende Begründung des Lehrsatzes von der Freiheit der Unternehmerentscheidung mit den Grundrechten des Arbeitgebers muss als Verletzung spezifischen Verfassungsrechts angesehen werden. Letztinstanzliche gerichtliche Entscheidungen, die auf der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts beruhen, sind daher von den betroffenen Arbeitnehmern vor dem Bundesverfassungsgericht mit der Verfassungsbeschwerde angreifbar.852 Auf den ersten Blick mag das in dieser Arbeit entwickelte Ergebnis, das auf umfangreichere Wirksamkeitsvoraussetzungen der betriebsbedingten Kündigung hinausläuft, nicht zur derzeit wohl herrschenden politischen Mode passen, die auf eine Deregulierung des Arbeitsmarktes zielt. Politische Überzeugungen sind jedoch kein Auslegungskriterium.853 Wer der Ansicht ist, dass die bestehenden Gesetze zu sehr die unternehmerische Entscheidungsfreiheit beeinträchtigen, muss sich dafür einsetzen, dass sie geändert werden, genauso wie sich derjenige, der der Auffassung ist, dass das geltende Recht die Rechte der Arbeitnehmer nicht ausreichend schützt, für eine Gesetzesänderung engagieren muss. Das ist aber eine politische, keine rechtswissenschaftliche Problematik. Rechtswissenschaftlich kann nur festgestellt werden, dass eine Änderung von § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG in der Weise, dass er der h. M. entspräche, verfassungsrechtlich durchaus möglich wäre.854 Eine Formulierung des Tatbestands der betriebsbedingten Kündigung, die mit der h. M. übereinstimmte, würde dann etwa lauten: Eine betriebsbedingte Kündigung ist sozial ungerechtfertigt, wenn sie nicht durch einen Arbeitskräfteüberhang im Betrieb bedingt ist. Abgesehen davon, dass politische Betrachtungen ohnehin einem rechtswissenschaftlich plausibel begründeten Ergebnis nicht entgegenstehen können, werden ungeachtet der weit reichenden dogmatischen Differenzen die Unterschiede zwischen der Lösung der h. M. und der in dieser Arbeit vertretenen doppelten Erforderlichkeitsprüfung was das Ergebnis betrifft im Allgemeinen gering sein. Eine überzeugende Geeignetheitsprüfung betrieblicher Maßnahmen wird der Arbeitgeber nämlich schon im eigenen Interesse durchführen müssen und damit auch vor Gericht plausibel darlegen können. Aber auch die Erforderlichkeit betrieblicher Veränderungen anzugreifen, wird dem Arbeitnehmer nur selten gelingen, zum einen, da es infolge der abgestuften Beweislast an ihm ist, eine gleichermaßen geeignete arbeitsplatzfreundlichere Alternativmaßnahme zu benennen855, zum anderen, weil lediglich geprüft wird, ob ein vernünftiger Unternehmer zum Zeitpunkt der Durchführung der Maßnahme diese Alternative er852 853 854 855

Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.

oben oben oben oben

Kapitel Kapitel Kapitel Kapitel

E., S. 139 ff. A., S. 17 f. E., S. 139 ff., insbesondere S. 141 f. B.II.3.c)cc), S. 59 ff., insbesondere S. 60 f.

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I. Zusammenfassung, Prüfungsschema

kannt hätte856. Der einzige erkennbare Fall, in dem die in dieser Arbeit vertretene Auffassung zu einem von der Rechtsprechung abweichenden Ergebnis führt, ist der der Änderungskündigung zur Aufteilung eines Vollzeitarbeitsplatzes.857 Ansonsten wird sich die doppelte Erforderlichkeitsprüfung vor allem dahingehend praktisch auswirken, dass der auch nach h. M. zu prüfende Rechtsmissbrauch auf Seiten des Arbeitgebers leichter erkennbar und damit schon im Vorfeld vermieden wird: Nur wenn der Arbeitgeber den Zweck der betrieblichen Maßnahme sowie deren Geeignetheit darlegen muss, wird sichtbar, ob er mit ihr in Wirklichkeit andere Zwecke verfolgt, insbesondere den, sich von missliebigen Arbeitnehmern zu trennen. Es kann also festgehalten werden, dass sich die veränderten Anforderungen an eine betriebsbedingte Kündigung durch die doppelte Erforderlichkeitsprüfung praktisch weniger stark auswirken als es auf den ersten Blick scheinen mag. Die in dieser Arbeit vertretene Auffassung ist für den Arbeitgeber sogar günstiger als eine reine Abfindungsregelung – bei der an die Wirksamkeit der Kündigung zwar kaum Anforderungen gestellt werden, der Arbeitgeber aber auch bei wirksamer Kündigung eine Abfindung zahlen muss – wie sie für die betriebsbedingte Kündigung teilweise vorgeschlagen wird.858 Gelingt dem Arbeitgeber nämlich der Nachweis, dass sowohl die betriebliche Veränderung als auch die Kündigung erforderlich waren, kann er kündigen, ohne eine Abfindung zahlen zu müssen.859 Dem verbleibenden Problem, dass es einem Arbeitgeber unterlaufen kann, eine arbeitsplatzschädliche Maßnahme durchzuführen, obwohl es für einen vernünftigen durchschnittlichen Unternehmer erkennbar gewesen wäre, dass diese nicht geeignet oder nicht erforderlich war, kann über die Anwendung von § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG begegnet werden.860 Ist in einem solchen Fall die betriebliche Veränderung nämlich schon durchgeführt und kann sie nur unter unzumutbarem Aufwand wieder rückgängig gemacht werden, 856

Vgl. oben Kapitel B.II.3.c)bb)(1), S. 47 ff., insbesondere S. 50. Vgl. BAG 22.4.2004, AP KSchG 1969 § 2 Nr. 74. Vgl. dazu oben Kapitel H.VII.4., S. 233 ff., insbesondere S. 238 f. Bei der Frage, ob arbeitsplatzschädliche betriebliche Veränderungen – insbesondere Betriebs- oder Abteilungsstilllegungen – durch eine Änderungskündigung zur Entgeltreduzierung vermieden werden können, kommt es zu keinen unterschiedlichen Ergebnissen, weil dort auch das Bundesarbeitsgericht der Sache nach eine doppelte Erforderlichkeitsprüfung durchführt (vgl. oben Kapitel H.VII.3., S. 222 ff., insbesondere S. 231 ff.). 858 Vgl. Hromadka, ZfA 2002, 383, 397; ders., AuA 2002, 261, 264; Rüthers, NJW 2002, 1601, 1608 f., unter IV 3 der Ausführungen; ders., NJW 2003, 546, 549. Auch Ulrich Preis (RdA 2003, 65, 72 f. u.78) schlägt vor, dem Arbeitnehmer einen Abfindungsanspruch auch bei gerechtfertigter Kündigung zu geben. 859 Auch v. Hoyningen-Huene (Arbeitsrecht und Arbeitsgerichtsbarkeit, S. 215, 239) lehnt ein reines Abfindungsrecht ab, weil dem Arbeitgeber damit auch Kündigungen erschwert würden, die als interessengerecht anzusehen sind. 860 Vgl. oben Kapitel D., S. 136 ff. 857

I. Zusammenfassung, Prüfungsschema

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muss der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nicht trotz Arbeitskräfteüberhangs dauerhaft weiter beschäftigen und entlohnen. Die Kündigung ist dann zwar unwirksam, der Arbeitgeber kann aber nach § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG die Auflösung des Arbeitsverhältnisses beantragen und muss lediglich eine Abfindung zahlen. Diese Lösung ist für den Arbeitgeber nicht belastender als eine reine Abfindungsregelung und für den Arbeitnehmer günstiger als die Anwendung der h. M., da er dann bei nicht erforderlichen betrieblichen Veränderungen wenigstens eine Abfindung erhält. Aber auch wenn jemand der doppelten Erforderlichkeitsprüfung nicht folgen und den Boden der h. M. nicht verlassen will, kann er in dieser Arbeit verwertbare Ergebnisse finden. Zum einen muss auch nach h. M. die Kündigung auf ihre Erforderlichkeit überprüft werden. Damit müssen Maßnahmen, die als milderes Mittel gegenüber der Kündigung in Betracht kommen und damit gerichtlich überprüfbar sind, von den freien, also nicht überprüfbaren sonstigen betrieblichen Maßnahmen abgegrenzt werden.861 Es ist der h. M. aber bisher nicht gelungen, ein überzeugendes Abgrenzungskriterium zu entwickeln.862 Als das gesuchte Kriterium bietet sich die unterschiedliche Auswirkung auf den Arbeitskräfteüberhang an: Eine Maßnahme ist im Sinne der h. M. frei, wenn sie einen Personalüberhang durch eine Verringerung der Nachfrage nach menschlicher Arbeitskraft hervorruft. Dagegen müssen Maßnahmen, die den Arbeitskräfteüberhang durch eine Reduzierung des Angebots an menschlicher Arbeit abbauen und damit die gleiche Funktion wie eine Kündigung haben, als Alternativmaßnahmen zu ihr gerichtlich geprüft werden.863 Zum Zweiten sollte derjenige, der weiter den Tatbestand der betriebsbedingten Kündigung nach h. M. prüfen will, diesen von den überflüssigen und damit verwirrenden zusätzlichen Voraussetzungen der inneren und äußeren Gründe bzw. dem Vorliegen einer Unternehmerentscheidung befreien. Da nämlich einerseits auch die h. M. als Voraussetzung der betriebsbedingten Kündigung das Vorliegen eines Arbeitskräfteüberhangs fordert, andererseits aber kein relevanter Fall denkbar ist, in dem der Arbeitskräfteüberhang nicht auf unternehmerische Entscheidungen bzw. innere oder äußere Gründe zurückgeht, macht es keinen Sinn, diese Merkmale neben dem Arbeitskräfteüberhang als zusätzliche Voraussetzungen zu prüfen.864 Der 861

Vgl. dazu oben Kapitel C.II., S. 117 ff., insbesondere S. 120 f. Insbesondere der Versuch über eine einschränkende Definition der Unternehmerentscheidung als Bestimmung der der Geschäftsführung zu Grunde liegenden Unternehmenspolitik führt nicht weiter, vgl. oben Kapitel C.I.2., S. 110 ff., insbesondere S. 114 ff. 863 Damit wird die in dieser Arbeit entwickelte Abgrenzung zwischen einerseits betrieblichen Maßnahmen im Sinne des betrieblichen Erfordernisses und andererseits den als mildere Mittel gegenüber der Kündigung in Betracht kommenden Maßnahmen übernommen, vgl. oben Kapitel B.IV.1. und B.IV.2., S. 74 ff. 864 Vgl. oben Kapitel C.I.2., S. 110 ff., insbesondere S. 113 f.; und Kapitel C.III., S. 121 ff., insbesondere S. 122. 862

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I. Zusammenfassung, Prüfungsschema

Sache nach muss damit die h. M. das Merkmal des betrieblichen Erfordernisses im Tatbestand von § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG als Erfordernis zur Beseitigung eines Arbeitskräfteüberhangs auslegen.865 Auch wenn man von der h. M. ausgeht, muss also dem Arbeitgeber für das Vorliegen eines Arbeitskräfteüberhangs zum Zeitpunkt des Ablaufs der Kündigungsfrist die Beweislast auferlegt werden. Tendenzen der neueren Rechtsprechung, die Prüfung des Arbeitskräfteüberhangs in die Missbrauchsprüfung zu verlagern, beruhen auf einem Missverständnis der älteren Rechtsprechung und sind auch auf dem Boden der h. M. nicht haltbar.866

865 Dazu, dass diese Auslegung an sich abzulehnen ist vgl. oben Kapitel B.II.2.b), S. 25 ff. 866 Vgl. dazu oben Kapitel H.I., S. 165 ff., insbesondere S. 170 ff.; auch Kapitel H.II., S. 181 ff., insbesondere S. 183 ff.

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Sachwortverzeichnis Abbau von Überstunden und Leiharbeitsverhältnissen 76 Abfindung – des Arbeitnehmers bei Kündigung, der das betriebliche Erfordernis fehlt 136 ff. – reine Abfindungsregelung 137, 252 f. abgestufte Darlegungs- und Beweislast 60 f., 104, 238 Abgrenzung (vermeintlich) freier von überprüfbaren Unternehmerentscheidungen 74 ff., 114 ff., 120 f., 168 f., 216 f., 243 Abmahnung 158 ff. absolut mildestes Mittel 84 ff. abstrakte Normenkontrolle 147 Abwägung von Arbeitgeber- und Arbeitnehmerinteressen, s. allgemeine Interessenabwägung Abwehrfunktion der Grundrechte 42 f., 128 ff., 141 allgemeine Interessenabwägung, s. Güterund Interessenabwägung Amtshaftung 59 Änderung des Anforderungsprofils an einen Arbeitsplatz 240 f. Änderungskündigung 206 ff. – „Änderungskomponente“ 214 – anstelle von Beendigungskündigung 215 ff. – Prüfungsmaßstab 207 f., 209 f. – strengere Anforderungen als Beendigungskündigung 228 ff. – Tatbestandsstruktur 206 ff. – Vorrang vor der Beendigungskündigung 212, 214 f., 217 ff., 231 f., 240 – wegen Verlegung des Betriebes 239 f.

– zur Aufteilung eines Vollzeitarbeitsplatzes 233 ff. – zur Entgeltreduzierung 28, 31, 98, 116, 222 ff. Anforderungsprofil an einen Arbeitsplatz 240 f. Angemessenheit – allgemeine Interessenabwägung 98 ff. – Begriff 21 – der betrieblichen Umgestaltung 80 ff. – der Kündigung 87 ff. – Prognoseprinzip 149 ff., 152 f. – Sozialauswahl 92 f. Angreifbarkeit der Rechtsprechung des BAG 139 ff. Arbeitsförderungsgesetz – Kurzarbeitergeld 243 f. – Vorrang betrieblicher Maßnahmen vor Entlassungen 205 f., 218 ff., 225, 236 f., 245 ff. Arbeitskräfteüberhang – Begriff 26, 74 f., 208 f. – betriebliches Erfordernis 25 ff., 113 f. – nach unwirksamer Kündigung 136 ff. – Prüfung in Missbrauchsprüfung 170 ff., 183 ff. – vorübergehender 150 ff., 244 Arbeitsmangel, s. Arbeitskräfteüberhang Arbeitsmenge 166 Arbeitsplatz 166 ff. arbeitsplatzschädliche Maßnahmen 168 Arbeitsplatzwahlfreiheit 41 ff., 127 ff., 140 Arbeitsstreckung 150 Arbeitssuchende 128 ff. Auffangtatbestand 162 ff. Auflösung eines Betriebsteils 181 ff.

270

Sachwortverzeichnis

Auflösungsantrag des Arbeitgebers 137 f. Aufteilung eines Vollzeitarbeitsplatzes 233 ff. Auftragsmangel 121 Ausgliederung 181 ff., 196 f. Auslegung – Methoden 36 – verfassungskonforme 37 ff., 83 f., 144 ff. – verfassungsorientierte, s. dort – Verfassungsrecht 36 ff. außerbetriebliche Gründe 121 ff., 173 äußere Gründe 121 ff., 173 Austauschkündigung 23, 129, 174, 178 f., 182, 192, 235, 240 f. Bedingtsein der Kündigung 19 ff., 215 Berufsfreiheit – Arbeitgeber 36, 38 ff., 78, 130, 200 f., 204 – Arbeitsplatzinhaber 41 ff., 127 ff., 140 – Berufsaufgabe durch Arbeitgeber 200 f. – Gegeninteresse der Arbeitssuchenden 128 ff. Beschäftigungsbedürfnis 26, 166 ff. Beschäftigungsmöglichkeit 26, 166 ff. Bestandsschutz 41, 43, 100, 114, 127 ff., 137, 142 Betriebliches Erfordernis 23 ff. – Arbeitskräfteüberhang 25 ff., 113 f. – Begriff 33, 70 – betriebliche Umgestaltung 29 ff. – Beurteilungsmaßstab 50, 54 f. – Beurteilungsspielraum, s. dort – Beurteilungszeitpunkt 50, 54 f. – dringendes 76 ff., 96 f., 126 f., 203 ff. – Kündigung 24 f. – Nichtvorhandensein trotz Arbeitskräfteüberhangs 136 ff. – unternehmerische Entscheidung 33 ff. Betrieblichkeit des Erfordernisses 66 ff., 200 f.

betriebsbedingter Kündigungsgrund – als Auffangtatbestand 162 ff. – im Regelfall 70 f. – im Sonderfall 71 f. Betriebsbezogenheit des Kündigungsschutzes 131 ff. betriebsorganisatorische Maßnahme im Sinne des betrieblichen Erfordernisses – Abgrenzung zu milderen Mitteln gegenüber der Kündigung 74 ff., 114 ff., 120 f., 168 f., 216 f., 243 Betriebsrat – Einführung von Kurzarbeit 246 – Zustimmungsverweigerung zur Einstellung 28, 31, 98 Betriebsstilllegung 182, 184 f., 192, 198 ff. Betriebsübergang 186 ff., 194 ff. Betriebsverfassungsgesetz 28, 31, 64 ff., 98, 246 Betriebsverlegung 239 f. Beurteilungsmaßstab für die Erforderlichkeit betrieblicher Veränderungen 50, 54 f. Beurteilungsspielraum 46 ff., 105 – des öffentlichen Dienstherrn 56 ff. – Haushaltsgesetz 58 – im Zivilrecht 47 ff. Beurteilungszeitpunkt – Erforderlichkeit betrieblicher Veränderungen 50, 54 f. – Wirksamkeit der Kündigung 148 ff. Beweislast – abgestufte 60 f., 104, 238 – betriebliches Erfordernis 60 ff., 171 f., 175 – Durchführbarkeit 175 f., 177 f. – Entfallen des Beschäftigungsbedürfnisses 171 f. – inner- und außerbetriebliche Gründe 124 ff., 173 – Korrektur des materiellen Rechts mit prozessualen Mitteln 104 f. – Kurzarbeit 246 f.

Sachwortverzeichnis – Missbrauch 64, 102 ff., 175 – organisatorische Durchführbarkeit 175 f., 177 f. Blinkfüer-Entscheidung 143 Crewing-Entscheidung 198

182 f., 192 ff.,

Darlegungs- und Beweislast, s. Beweislast dauerhafte Personalreduzierung 165 ff. Dauerhaftigkeit – der Betriebsstilllegung 201 f. – der Personalreduzierung 171, 178 f. Doppelte Erforderlichkeitsprüfung 73 ff., 117 ff., 237 Dringlichkeit 76 ff., 96 f., 126 f., 203 ff. Drittwirkung der Grundrechte 42 f., 107 Druckkündigung 28 f., 31, 98 Durchführbarkeit der Personalreduzierung 170 f., 176 ff. eingeschränkte gerichtliche Überprüfbarkeit, s. Freiheit der Unternehmerentscheidung Eingriff in Rechte Dritter als milderes Mittel 217 f., 220 f., 243 ff. Energiemangel 121 Entgeltkürzung durch Änderungskündigung 222 ff. Entscheidung, unternehmerische, s. Unternehmerentscheidung Entstehungsgeschichte des KSchG 90 f., 126 f., 130 f. Erforderlichkeit 19 ff. – Begriff 21 – der betrieblichen Umgestaltung 29 f., 50, 54 f., 73 ff. – der Kündigung 22 f., 73 f., 75 f. – doppelte 73 ff., 117 ff., 237 – Eingriff in Rechte Dritter als milderes Mittel 217 f., 220 f., 243 ff. – Prognoseprinzip 148 f., 152 f.

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Erfordernis – betriebliches, s. dort – Betrieblichkeit des Erfordernisses 66 ff., 200 f. – Struktur des Begriffs 33 Ermessen 46, 114, 218 Fehlentscheidungen der Gerichte 59 ff. – fehlerhafte Entscheidungen 59 f. – unrichtige Entscheidungen 59 ff. Fortbildungsmaßnahmen 76, 160 französisches Kündigungsrecht 61 f., 137 freie Mitarbeiterverhältnisse 192 ff. Freiheit der Unternehmerentscheidung – Abgrenzung (vermeintlich) freier von überprüfbaren Entscheidungen 74 ff., 114 ff., 120 f., 168 f., 216 f., 243 – Angemessenheit der betrieblichen Veränderung 80 ff. – Auswirkungen 110 ff. – Begriff 34, 102 ff. – Begründungsversuche 36 ff. – betriebliches Erfordernis 33 ff. – Beurteilungsspielraum 46 ff., 105 – Dringlichkeit 78 f., 87, 203 ff. – Missbrauchskontrolle 102 ff. – teilweise Aufgabe des Dogmas durch das Bundesarbeitsgericht 108 f., 231 ff., 240 f. – Verfassungsbeschwerde des Arbeitnehmers 139 ff. – Verfassungsrecht 36 ff., 110 f., 139 ff. Freiheit der Willensbestimmung 160 f. Fremdvergabe von Arbeiten 181 ff., 196 Geeignetheit – Begriff 21 – Prognoseprinzip 148 f., 152 f. – Überprüfung durch das BAG 108 f. Gegeninteresse der Arbeitssuchenden 128 ff. Generalklauseln 52, 54, 107

272

Sachwortverzeichnis

gesetzeswidrige Unternehmerentscheidung 176 ff. Gesetzgeber, Gestaltungsspielraum 37, 42 f., 84, 130 f., 141, 174, 205 gestaltende Unternehmerentscheidung 124 Gestaltungsebene 119 Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers 37, 42 f., 84, 130 f., 141, 174, 205 Gewaltenteilung 18, 36 f., 58 f., 61, 137, 175 Gewinnsteigerung 77 f., 202 ff., 226 Grundrechte – Abwehrfunktion 42 f., 128 ff., 141 – Arbeitgeber 36, 38 ff., 68 f., 78, 82 f., 87, 95, 130, 200 f., 204 – Arbeitsplatzinhaber 41 ff., 97, 127 ff., 134 f., 140 – Arbeitssuchende 128 ff. – mittelbare Drittwirkung 42 f., 107 – objektive Wertentscheidungen 42 f., 134, 140 f. – praktische Konkordanz 43 – Schutzfunktion 42 f., 127 ff., 140 ff. – Verfassungsrecht, s. dort Güter- und Interessenabwägung 98 ff. Haushaltsgesetz 58 Hattenheimer Entwurf 127 innerbetriebliche Gründe 121 ff., 170, 172 f. Interessenabwägung, s. Angemessenheit Je-näher-Formel 171 f. klassische Auslegungsmethoden 36 Kleinbetrieb, Kündigungsschutz 130 konzernbezogener Kündigungsschutz 185, 191 f. Kündigung – als betriebliches Erfordernis 24 f. – als Unternehmerentscheidung 114 ff. Kurzarbeit 76, 202, 241 ff.

Lager, auf Lager arbeiten 121, 123 f. Leiharbeit 76, 197 f. Leistungsverdichtung 180 f. Leitungsmacht 186 ff., 197 Maßstab für die Beurteilung der Erforderlichkeit betrieblicher Veränderungen 50, 54 f. mildere Mittel, s. a. Erforderlichkeit – gegenüber arbeitsplatzschädlicher betrieblicher Veränderung 73 ff. – gegenüber Kündigung 73 f., 75 ff. Missbrauchskontrolle – Beurteilungsspielraum 55 – Beweislast 64, 102 ff., 175 – Gegenstand 102 ff. – praktische Schwäche 237 f. – Verlagerung der Prüfung der Tatbestandsvoraussetzungen in die Missbrauchskontrolle 170 ff., 183 ff. – Vorrang der Auslegung 173 f. mittelbare Drittwirkung der Grundrechte 42 f., 107 Mittelentscheidungen 44 f., 65 f., 78, 83, 115, 117 f. – Begriff 34 Mitverschulden des Arbeitgebers 99 f. negative Zukunftsprognose 148 ff., 157, 161 Notwendigkeit, s. Erforderlichkeit objektive Wertentscheidungen 42 f., 134, 140 f. Offenbarheit der Unsachlichkeit, Unvernunft oder Willkür 108 Organisationsmacht 186 ff., 197 organisatorische Durchführbarkeit der Personalreduzierung 170 f., 176 f. Outsourcing, s. Ausgliederung Personalabbau, s. Personalreduzierung Personalbedarf 74 f., 166 Personalbestand 74 f., 166

Sachwortverzeichnis Personalreduzierung 165 ff. – Dauerhaftigkeit 171, 178 f. – organisatorische Durchführbarkeit 171, 176 ff. – Produktionsbereich 180 f. – Servicebereich 180 f. Personalüberhang, s. Arbeitskräfteüberhang personenbedingte Kündigung 22, 154 ff., 162 ff. politische Wertungen 17 f., 36 f., 43, 137 Praktikabilitätserwägungen 81 f. praktische Konkordanz 43 Prognoseprinzip 148 ff., 157, 161 Prüfungsmaßstab – für die Änderungskündigung 207 f., 209 f. – für die Erforderlichkeit betrieblicher Veränderungen 50, 54 f.

quantitative Besetzungsregeln 177 f.

Rationalisierungsmaßnahmen 30, 226 – Abgrenzung zur Kündigung und deren Alternativmaßnahmen 74 ff., 114 ff., 120 f., 168 f., 216 f., 243 Rechtsirrtum 161 Rechtsmissbrauchskontrolle, s. Missbrauchskontrolle rechtstechnischer Begriff 88 ff. Reederei-Entscheidung 182 f., 192 ff., 198 Reflexwirkung 176 ff. Regelfall der betriebsbedingten Kündigung – Angemessenheit der Kündigung 93 ff. – betriebsbedingter Kündigungsgrund 70 f. Regierungsentwurf des KSchG 32 f., 40 f., 67 f., 81, 90 f., 100, 127, 130 f., 133 ff. reine Abfindungsregelung 137, 252 f. Rentabilität 118 f.

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Rheumaklinik-Urteil 183 ff. Rohstoffmangel 121, 124 Sachverständige 55, 62 Sanierungsplan 116, 232 f. Schumannsche Formel 142 ff. Schutzfunktion der Grundrechte 42 f., 127 ff., 140 ff. Schutzgut des KSchG 32 f., 91, 130 f. selbstbindende Unternehmerentscheidung 124 f. Shareholder Value 69 Sonderfall der betriebsbedingten Kündigung – als Auffangtatbestand 162 ff. – Angemessenheit der Kündigung 95 ff. – Anwendungsfälle 28 f., 71 f., 162 f., 222 ff. – betriebsbedingter Kündigungsgrund 71 f. Sozialauswahl 17, 92 f., 133, 218 soziale Rechtfertigung 88 ff. Sozialgesetzbuch III – Kurzarbeitergeld 243 f. – Vorrang betrieblicher Maßnahmen vor Entlassungen 205 f., 218 ff., 225, 236 f., 245 ff. Sozialstaatsprinzip 43, 205 Stilllegung 182, 184 f., 192, 198 ff. Störungstatbestand – Abmahnung 158 f. – Bedingtsein 23, 162 – betriebsbedingte Kündigung 22 f., 70 ff., 209 – betriebsbedingter Kündigungsgrund, s. dort – personenbedingte Kündigung 22, 154 ff. – verhaltensbedingte Kündigung 22, 154, 156 ff. – Verhältnismäßigkeit 148 ff. – vorübergehender 149 ff.

274

Sachwortverzeichnis

tarifwidrige Unternehmerentscheidung 176 ff. Teilzeit – Arbeitskräfteüberhang 74 f. – Aufteilung eines Vollzeitarbeitsplatzes 233 ff. – statt Beendigungskündigung 215 ff. Überforderung der Gerichte 59 ff. Übermaßverbot, s. Verhältnismäßigkeit Überprüfbarkeit der Unternehmerentscheidung, s. Freiheit der Unternehmerentscheidung Überstunden 76 ultima-ratio-Prinzip, s. Erforderlichkeit umfassende Güter- und Interessenabwägung 98 ff. Umsatzrückgang 121 Umschulungs- und Fortbildungsmaßnahmen 76 Umsetzungsebene 119 unbestimmter Rechtsbegriff 47 ff. – Angemessenheit 52 f. – Begriff 49 – betriebliches Erfordernis 52 f. Unsachlichkeit, s. Missbrauchskontrolle unternehmensbezogene Weiterbeschäftigungspflicht 131 ff. Unternehmerentscheidung – Begriff 114 f. – Freiheit der, s. dort – gesetzeswidrige 176 ff. – gestaltende 124 – innerer Grund 122 f. – Kündigung 114 ff. – Missbrauchskontrolle, s. dort – Mittelentscheidungen, s. dort – Selbstbindung 124 f. – tarifwidrige 176 ff. – ungeschriebene Tatbestandsvoraussetzung 112 f. – Unüberprüfbarkeit, s. Freiheit der Unternehmerentscheidung

– Unvernunft 108, s. a. Missbrauchskontrolle – Zwecksetzungsentscheidungen, s. dort Unüberprüfbarkeit der Unternehmerentscheidung, s. Freiheit der Unternehmerentscheidung Unvernunft der Unternehmerentscheidung 108, s. a. Missbrauchskontrolle Unwirksamkeit der Kündigung trotz Arbeitskräfteüberhangs 136 ff. unzumutbares Schadensrisiko 59 ff. Verdachtskündigung 71 f., 95 f., 162 f. Verfassungsbeschwerde des Arbeitnehmers 139 ff. verfassungskonforme Auslegung 37 ff., 83 f., 144 ff. verfassungsorientierte Auslegung – Angemessenheit der betrieblichen Veränderung 82 ff. – Angemessenheit der Kündigung 95, 97 – Begriff 37 f. – betriebliches Erfordernis 45, 83 f., 144 ff. – Betrieblichkeit des Erfordernisses 68 f. – Dringlichkeit 78 f., 82 f., 87 – Weiterbeschäftigungspflicht 134 f. Verfassungsrecht – Angreifbarkeit der Rechtsprechung des BAG 139 ff. – Auslegung 36 ff. – Betriebliches Erfordernis 36 ff. – Freiheit der Unternehmerentscheidung 36 ff., 110 f., 139 ff. – Gewaltenteilung 18, 36 f., 58 f., 61, 137, 175 – Grundrechte, s. dort – spezifisches Verfassungsrecht 139 ff. – verfassungskonforme Auslegung 37 ff., 83 f., 144 ff. – verfassungsorientierte Auslegung, s. dort – Zweck des KSchG 41 ff., 127 ff.

Sachwortverzeichnis Vergabe von Arbeiten 181 ff., 196 verhaltensbedingte Kündigung 22, 154, 156 ff. Verhältnismäßigkeit – i. e. S., s. Angemessenheit – i. w. S. 20 f., 100 f. – Prognoseprinzip 148 ff. Verlegung des Betriebes 239 f. Vermutung sinnvoller Entscheidungen des Arbeitgebers 63 f. Verschulden des Arbeitnehmers 154, 157 f., 160 f. Vertragspflichtverletzung 22 f., 29, 53, 73, 154, 235, 238 Vollzeitarbeitsplatz, Aufteilung 233 ff. Vorrang – betrieblicher Maßnahmen vor Entlassungen 205 f., 218 ff., 225, 236 f., 245 ff. – der Änderungs- vor der Beendigungskündigung 212, 214 f., 217 ff., 231 f., 240 vorübergehender Arbeitsmangel 150 ff., 244

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Weight-Watchers-Entscheidung 192 ff. Weiterbeschäftigungsmöglichkeit 76 Weiterbeschäftigungspflicht 131 ff. Willensgesteuertheit 22, 154, 156 ff. Willkürkontrolle, s. Missbrauchskontrolle Wirtschaftsrisiko des Arbeitgebers 62 f.

Zukunftsbezogenheit der Kündigungsgründe 148, 150 f. Zukunftsprognose 148 ff., 157, 161 Zumutbarkeit, s. Angemessenheit Zweck – der betrieblichen Umgestaltung 70, 74 – der Kündigung 21, 75 – des KSchG 32 f., 40 f., 81, 127 ff., 200 Zweckmäßigkeit der Unternehmerentscheidung 34, 87 Zwecksetzungsentscheidungen 44, 65, 69, 74, 78 f., 83, 95, 115, 117 f., 204 – Begriff 34