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German Pages 223 [256] Year 1950
Sammlung Göschen Band
1148
Der polyphone Satz i
Der c a n t u s - f i r m u s - S a t z Von
Ernst Pepping
Zweite
WALTER
Auflage
DE QRUYTER
vormals O. J. Oöschen'sche Verlagshandlung bucbhandlung • O e o r g Reimer
•
• Karl J . Trübner
Berlin
1950
& CO
J. Guttenlag, Verlags, • Veit & Comp.
Alle Rechte, insbesondere das (Jbersetzungsrecht, von der Verlagshandlang vorbehalten
Archiv-Nr. 111 143 Druck von F. W. Gadow &, Sohn in Hildburghausen Printed in Germany
I N H A L T
Seite
Vorschau 1. Homophonie / Polyphonie gestern und heute
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2. Die Tonleiter als Ordnungsgrundlage der Musik
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3. Methodische Grundsätze
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Die Weisen
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Die Übungsausschnitte der Weisen
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I. Kapitel: Der zweistimmige Satz C.-f.-Obung
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Liedsatz
70
II. Kapitel: Der dreistimmige Satz C.-f.-Übung Liedsatz
98 131
III. Kapitel: Der vierstimmige Satz C.-f.-Übung
150
Liedsatz
182
Anhang: Der vielstimmige Vokalsatz
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Verzeichnis der Liedsätze
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Sachverzeichnis
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V e r f a ß t Winter 1942
Vorschau 1. Homophonie / Polyphonie gestern und heute Dem weiten Feld der Strukturmöglichkeiten des mehrstimmigen Satzes sind zwei Grenzlinien gesetzt, die, nur theoretisch flxierbar, von der musikalischen Wirklichkeit nie völlig erreicht werden können. Sieht man die eine in der extremen Möglichkeit einer völligen Verschmelzung der Stimmen zum Akkord, derart, daß die Logik des musikalischen Geschehens einzig im Ablauf der Akkordfolge beschlossen läge, so ergänzt sich diese Vorstellung im Bild eines entgegengesetzt gelagerten Gefüges, das unbeschwert von harmonischen Gewichten allein von der melodischen Triebkraft der Stimmen getragen wäre. Tatsächlich ist solche absolut homophone oder polyphone Gestaltung nicht möglich: Das Nacheinander der Akkorde bedarf der melodischen, das Zueinander der Stimmen der harmonischen Bindung. Dort ergänzen sich die melodischen Schritte von Akkordton zu Akkordton zur Linie, die als melodische Trägerin der harmonischen Idee in Erscheinung tritt und zu mehr oder weniger bewußtem Eigenleben gelangen will, hier führt die von Stimme zu Stimme reichende Intervallbindung zwangsläufig zur Bildung des Akkordes, dessen Eigenkraft nach Geltung strebt und Anteil an der Prägung der Form zu erlangen sucht Die Kräfte lösen sich gegenseitig aus, gleich welches Ventil sie öffnet; und so schwankt der Charakter des mehrstimmigen Satzes zwischen melodischer Verbindung der Harmonien und harmonischer Verflechtung der Stimmen, und es scheint nicht möglich, eine klare Grenze zwischen Homophonie und Polyphonie zu ziehen. Gleichwohl verrät der Fluß des Satzes seine Quelle. Die Stimmigkeit der primär vom Akkord bestimmten Musik ist eine andere als die der linear konzipierten, ebenso wie deren Klanglichkeit ein anderes Gepräge zeigt als jene. Voraussetzung und Kennzeichen der vordergründigen Stellung des harmonischen Geschehens ist die Gruppierung der Harmonien nach den kontrastierenden Klang-
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Vorschau
werten T o n i k a und D o m i n a n t e , wie sie seit etwa Mitte des 17. Jahrhunderts allmählich Platz greift und in der Klassik volle Schlagkraft gewinnt. Denn da jedes Formelement der Spannung der Gegensätzlichkeit bedarf, um fruchtbar zu werden — der Ton ist hoch oder tief, betont oder unbetont, die Melodie steigend oder fallend, der Zusammenklang konsonant oder dissonant —, erlangt auch der Akkord erst durch seine Beziehung auf eine polar bestimmte Ordnung sein entscheidendes Gewicht. Dieses f u n k t i o n e l l e Harmoniesystem stellt einem ruhenden Akkord, dem Dreiklang des Tonleitergrundtons, nach oben und unten seine Quintklänge als treibende Akkorde gegenüber und versteht die Verbindung der Klänge als Resultat einer harmonischen Bewegung, die vorwärtsgerichtet zur Oberdominante, rückwärts zur Unterdominante führt. Antriebskraft der Bewegung ist die zum Tonikaakkord zielende Tendenz der Oberdominantharmonie als der Besitzerin der dem Tonleitergrundton benachbarten und melodisch nach diesem gerichteten Leittöne. Sie löst sich aus in dem Quintfall (Kadenz) V—I (analog I—IV), der somit Grundform und Richtungsanzeiger der Bewegung ist, unverhüllt erkennbar insbesondere in der Sequenz, dem „Leerlauf" der funktionellen Akkordreihung. Die Ordnung, in welcher die Akkorde der übrigen Tonleiterstufen, die Nebenklänge, nach Art ihres Tonbesitzes auf die drei Hauptklänge bezogen sind, weist jedem Ton seine harmonische Bedeutung innerhalb der Tonleiter zu. Die Skala hat damit im Grunde den Charakter einer melodischen Stufenfolge verloren, denn sie stellt nunmehr den zur Tonreihe aufgerollten Inhalt der Hauptdreiklänge dar, ist zu einem harmonischen Begriff geworden: Entstanden sind — je nach dem Klanggeschlecht der Hauptharmonien — die Tonsysteme des D u r und M o l l . In ihnen steht alle Stimmigkeit in der Hut der die harmonische Verbindung bestimmenden Kadenzformeln V—I, IV—I, IV—V—I, die selbst das dichteste Satzgewebe als Muster durchziehen. Klar und ungebrochen in der Klassik,
Homophonie / Polyphonie Beethoven, Streichquartett op. 132
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verschleiert und oft bis hart an die Grenze des Systems vorstoßend in der Romantik. Reger, Streichquartett op. 109
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Vorschau
Hierbei handelt es sich keineswegs nur um den harmonischen Rahmen, in dem die Stimmen sich bewegen, sondern vielmehr um eine Kraft, die weit in das Innere des melodischen Aulbaues vordringt. Der harmonische Gegensatz Dominante — Tonika spiegelt sich wider im periodischen Aufbau der Linie: Ein melodisches Teilstfick spannt sich zur Dominante, ihm folgt ein ähnlich gebautes Gegenstück, das zur Tonika hinabführt. Vordersatz und Nachsatz solcher Periode zeigen in sich gleiche Teilung, die Hälften wiederum ,und so fort. Oder, umgekehrt gesehen: Das kleinste Teilstück, das Motiv, entwickelt sich innerhalb gewisser Grenzen in geometrischer Progression zu immer größeren Gebilden, so daß bei regelmäßiger Bildung die Taktzahlen 1, 2, 4, 8, 16 usw. die Wellenschläge der harmonischen Grundkraft anzeigen. Haydn, Streichquartett op. 76, 4 rfc-J',.
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Dies Formgesetz, in seinem Wesenskern hier fast handgreiflich faßbar, beansprucht aber keine Allgemeingültigkeit. Die vorbachsche Musik jedenfalls ist ihm nicht unterworfen. Man würde dem Satz
Homophonie / Polyphonie Josquin, Missa da pacem
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Gewalt antun, wollte man ihn in das Schema der Kadenzgliederung zwängen. Der Vorwurf der klanglichen Primitivität, der oft gegen die vorklassische Musik erhoben wurde, erweist sich als Fehlfolgerung solchen Versuches, mit fremdem Maß zu messen. Tatsächlich erübrigt es sich, nach einer klanglichen Ordnung im Sinne der Klassik zu suchen, weil die Voraussetzung einer gegensätzlichen Schichtung der Akkorde nicht gegeben ist. Die Harmonien zeigen keine Gruppenbildung, sind vielmehr einander gleichberechtigt nebengeordnet. Ihre Verbindung entbehrt daher der eigengesetzlichen Kraft, und die Prägung der Form bleibt im wesentlichen dem unmittelbaren Willen der Melodie überlassen, Josquin, Missa pange lingua
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Vorschau
die sich frei vom harmonisch bedingten Zwang der Periodizität entfaltet. (Gelegentlich erscheinende periodische Aufteilungen haben ebenso wie äußerlich der klassischen Ordnung entsprechende Akkordreihungen nur zufällige Bedeutung.) Durch diese Untersuchung der Formgesetze klärt sich also das Verhältnis von Melodie und Harmonie, eine klare Begriffsbestimmung wird tatsächlich möglich: H o m o p h o n , gleichtönend, ist die Musik, die über eine funktionell gegliederte Akkordfolge verfügt, denn in ihr zeigt sich das Miteinander der Stimmen gleichgerichtet, sind die melodischen Fasern des harmonischen Bandes parallellaufend. P o l y p h o n , vieltönend, die Musik, die frei von solcher zentralen Akkordordnung verläuft, denn in ihr ist das individuelle Leben der Stimmen nicht gleichgeschaltet, nährt die Bewegung des lockeren Stimmenverbandes sich vielmehr vom Gegeneinander der vielfältigen melodischen Spannungen. Die zwischen den Stilen vermittelnde Praxis des Generalbaßspiels prägt zwar die nackte Gestalt des Akkordes aus, rechnet in ihren Anfängen jedoch nicht mit eigengesetzlichem Sinn der Harmonieverbindung. Eine Musik wie Schütz, Kleines geistliches Konzert, 1636
Homophonie / Polyphonie
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kann daher nicht homophon genannt werden, vielmehr handelt es sich hier um einen klanglich ausgefüllten zweistimmig-polyphonen Satz. Es liegt in der Natur der Entwicklung, daß zur Zeit der Klassik, in dem Moment also, in dem die funktionelle Harmonik unmißverständlich sich das Zentrum der Musik eroberte, die Generalbaßnotation ihre vereinfachende Bedeutung verliert, ja nunmehr sogar sinnstörend wirkt und daher aufgegeben wird, denn die Schrumpfung der Mannigfaltigkeit der polyphonen Akkordverbindung zur Einheitlichkeit der Homophonie trägt in sich die Notwendigkeit der stimmlichen Auflockerung des starren Akkordgerüstes, der melodischen Nuancierung der Klangformel, verlangt also nach unabgekürzter Darstellung des Satzes, dessen freizügiges Generalbaßstenogramm früher dem musikantischen Ermessen des Interpreten überlassen werden konnte. In der Musik J. S. Bachs drängen sich noch einmal die Zeiten zusammen, bevor sie sich endgültig scheiden. Vollendet ist der neue Bau, doch ist in ihm den alten Geistern letzte Wohnstatt gewährt. Der Wille der neuen Ordnung zeigt sich vielleicht nirgends deutlicher als in jenen Chorsätzen, in denen alte, dem polyphonen Stil entstammende Choralweisen umgebogen und ins Dur und Moll gepreßt werden. In diesen Tonsystemen aber ist
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Vorschau
noch die ganze Buntheit der schweifenden Klangkombination alter P r ä g u n g eingefangen, und die Musik quillt von einer Fülle des Akkordbesitzes, der seiner H e r k u n f t nach eine stilistische Enderscheinung darstellt, in seiner neuen Bewertung jedoch, von der K l a m m e r der Kadenz zusammengepreßt, weit in die Zukunft wei t und an Reichtum der F o r m e n innerhalb der Entwicklung der neuen Stilperiode erst in der Spätromantik sein Gegenbild findet. Die Melodie, deutlich dem periodischen Gezeitenwechsel unterworfen, stemmt sich gegen ihn mit allem Ballast der Vergangenheit, und gleicherweise formen sich Rhythmus, Taktbewertung und architektonischer A u f r i ß der Musik im Miteinander von alten und neuen Kräften. Dieses Zwiegesicht d e r Bachschen Musik verleiht ihr einerseits Heimatrecht in der neu anbrechenden Zeit der Homophonie, läßt sie anderseits im Blickfeld dieser Zeit als Ziel der der Homophonie angeborenen Sehnsucht nach Befreiung aus den akkordischen Fesseln erscheinen; beides gibt ihr die Möglichkeit, von der Musiktheorie des 19. J a h r h u n d e r t s innerhalb der hier als Supplement z u r Harmonielehre fungierenden Lehre des Kontrapunkts als das g r o ß e Schulungsbeispiel in Geltung gesetzt zu werden. Diese Geltung w i r d ihr auch die G e g e n w a r t nicht streitig machen wollen. Doch hat der stilistische Umbruch u n s e r e r Zeit den Blick über das Gebirge des Bachschen Werkes hinaus in ein weites Literaturfeld freigelegt, dem bis vor k u r z e m das Interesse n u r kleiner Kreise gehörte. Diese vorbachsche Musik, plötzlich mit Leidenschaft z u r Diskussion gestellt, eben weil sich das Heute ihr in m a n c h e r Beziehung verwandt fühlt, darf in reinerem Sinne polyphon genannt w e r d e n als die geniale Kontraktion verschiedenartiger Stilmomente im Werke Bachs und w i r d daher dem Suchen u n s e r e r Zeit klarere Orientier u n g s h i n w e i s e geben können als dieses. Wenn es nämlich zutrifft, d a ß die Musik der G e g e n w a r t aus dem Bereich der Homophonie, also des D u r und Moll, fort zu einem neuen Tonsystem strebt — und ein gewichtiger Teil der neuen Literatur, vom Lied bis zum weiträumigen
Homophonie / Polyphonie
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Orchesterwerk, scheint dies zu bestätigen —, so ergibt sich hierbei von selbst die Bundesgenossenschaft der alten Musik, deren polyphone Ordnung zwar gewiß nicht das Ziel, wohl aber vielleicht die Marschrichtung anzugeben vermag. Mit welchem Gepäck dieser Marsch angetreten wird, weiß heute niemand zu sagen. Z w a r wirft eine Stilwende alles über Bord, was sie daran hindert, die alte Quantität in eine neue Qualität umzuwerten, doch nie zu irgendeiner Zeit hat sie sich gänzlich des übernommenen Besitzes entäußert, nie die Verbindung gelöst zum Gestern, dessen Bestand vielmehr in gleichsam unterirdisch glimmender Kraft an der Prägung der neuen Form Teil nimmt. Gleiches wird für den Stilwandel der Gegenwart Geltung haben, und mag der schaffende Musiker für sich Weg und Klangmaterial kennen, die Theorie ist im Moment gewiß noch nicht in der Lage, die Erscheinungen eindeutig zu scheiden und zu ordnen. Solange sie es nicht vermag, ist es ihre selbstverständliche Aufgabe, neben dem heute noch zur Unvollkommenheit verurteilten Versuch einer neuen Lehre des polyphonen Satzes den Reichtum der vergangenen Zeit der Homophonie in der ihr eigentümlichen Bestandaufnahme, der Harmonielehre, ati den werdenden Musiker weiterzureichen. Allerdings zeigt sich bereits, daß die Disziplinen anderer Bewertung unterliegen als zuvor. Während bislang die Harmonielehre ihre Ausweitung und Ergänzung in kontrapunktischen Übungen fand, in der Unterrichtsmethode vorangestellt wurde, ist hierfür heute kein vernünftiger Grund mehr einzusehen. Vielmehr erscheint es natürlich, die polyphone Schulung als grundlegend anzusehen, mit ihr also zu beginnen, um während ihres Verlaufes die Lehre des homophonen Satzes einzuschalten. Die wünschenswerte Vereinigung beider Disziplinen zu einem in sich widerspruchslosen System sei der stilistisch geklärten Situation späterer Zeiten überlassen.
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Vorschau
2. Die Tonleiter als Ordnungsgrundlage der Musik*). Ordnungsschema des Tonmaterials ist die Tonleiter, in der europäischen Musik eine Tonreihe, die in sieben Schritten den Oktavraum, das Schwingungszahlverhältnis 1:2, durchschreitet. Der Bau dieser Reihe gliedert sich im Wechsel der Schrittlänge derart, daß fünf Ganztonschritten zwei Halbtonstufen gegenüberstehen und beide Größen in möglichst gleichmäßiger Mischung kombiniert sind. Sechs Kombinationsmöglichkeiten solcher gleichmäßigen Verteilung entsprechen den Kirchentönen der alten Musik (die unterstrichene Zahl gibt die Folge der Ganztöne an), 2 13 1
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während die siebente, leztmögliche Mischformel 1. _2 1 _3 zu einer mit dem Defekt der verminderten Grundtonquint behafteten Reihe führt und daher von der Praxis nicht verwertet worden ist. *) In Anlehnung an Gedankengänge meiner Schrift „Stilwende der Musik", B. Schott's Söhne, Mainz 1934.
Die Tonleiter als Ordnungsgrundlage Es ist aus fünf Leitern möglich
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leicht einzusehen, daß die Konstruktion weiterer Ganzton- und zwei Halbtonschritten bestehenden nur in unregelmäßiger Gruppierung der Werte ist. Solche Bildungen, etwa
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kranken aber daran, daß sie neben dem unvermeidlichen tritonus-Verhältnis zweier Töne, das sich auch in den genannten Tonleitern findet, andere übermäßige und verminderte Intervalle enthalten und daher der sich aus der Obertonreihe natürlich ergebenden Baustützen der reinen Quint und Quart ermangeln. Sie schalten damit f ü r die Praxis zwar nicht grundsätzlich aus, doch wird man ihnen normativen Wert nicht beilegen und sie kaum über die gelegentliche „Reiz"-Ausnahme hinaus der Melodiebildung zugrunde legen können. Ebensowenig führt eine andere Oktaveinteilung als die in fünf Ganz- und zwei Halbtonstufen zu einem befriedigenden Ergebnis. Die Molltonleiter ist, wenn man von der bereits berührten Tatsache absieht, da es sich bei ihr, wie auch der Durleiter, nicht um eine melodische Reihe, sondern um den linearen Auszug der drei Hauptdreiklänge handelt, hierfür Beispiel.
IV I V In ihr klafft nach drei Ganz- und drei Halbtonschritten die Lücke der übermäßigen Sekunde, und es ist bekannt, daß die melodische Unzulänglichkeit dieses Intervalls zur Bildung der auf die 5—2-Einteilung zurückkehrenden „melodischen" Molleiter führte, deren beide Formen jedoch gleichfalls harmonisch bedingt sind, da die Aufwärtstendenz der einen dominantiges, die Abwärtsrichtung der anderen subdominantiges Ziel hat.
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Vorschau
V ^ IV Die sechs genannten Kirchentöne also können, w a s die ä u ß e r e A n o r d n u n g der Werte anbelangt, als O p t i m a l f o r m e n der siebenstuflgen Oktaveinteilung betrachtet werden. Sie sind es mit noch g r ö ß e r e m Recht vermöge einer durch diese A n o r d n u n g bewirkten Eigentümlichkeit des Baues, die von tiefer Bedeutung f ü r die Beziehungen i h r e r Teile ist: Die beiden Halbtonschritte, je einer Mehrheit von Ganztönen beigegeben, l i n d e n diese zu Gruppen zusammen, und so kristallisiert sich um sie in jeder der Reihen ein P a a r einander kongruenter Tonleiterstücke. Im Ionischen (siehe Übersicht Seite 14) sind es die Stufenfolgen c'—f' und g'—c", im Dorischen d'—g' und a'—d", im Phrygischen e ' — a ' und h ' — e " , im Lydischen f " — c " und c"—g', im Mixolydischen g"—d" und d " — a ' bzw. g ' — c " und c " — f " , im Äolischen a " — e " und e " — h ' bzw. a ' — d " und d " — g " , wobei als Eckpfeiler dieser Einteilung deutlich Quint und Q u a r t des Grundtones in Erscheinung treten (ausgenommen die übermäßige lydische Quart). Damit nun ist wiederum das Zeugungsmoment der Form berührt, das hier die tote O r d n u n g s r e i h e der Tonleiter zu einem lebenden O r g a n i s m u s erhöht: D e r befruchtende Gegensatz Ganzton — Halbton, der auf die e i n z e l n e n T e i l e der Leiter gerichtet ist, erweitert sich im Rahmen des G e s a m t b a u e s z u r Gegenüberstellung der beiden durch Quint und Q u a r t getrennten Gruppen. In ihnen ist jedem Ton seine Stellung, seine melodische Funktion innerhalb d e r auf den Grundton errichteten Reihe zugewiesen. D a s O r d n u n g s c h e m a wandelt sich zum t o n a l e n B e z i e h u n g s k r e i s mit dem Mittelpunkt Grundton und dem Radius Grundton-Quint bzw. Grundion-Quart, und jede Tonfolge, die in diesem Kreise beheimatet ist, erhält melodisches Leben eben durch das Bewußtsein des Ruhepunktes Grundton und der Span-
Die Toni iter als Ordnungsgrundlage
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nung der Quint-Quart-Hebung, die ein Sich-Entfernen vom Zuhause des Kreiszentrums bedeutet. Dies natürlich nicht im Sinne der harmonischen Funktionen I, IV, V, sondern in einer der Melodie eigent mlichen und eigengesetzlichen Art, die, vielgestaliger als jene, durch mannigfaltige Verschleierungen der Gestalt hindurchblickt. Quintund Quart*) sind die Kulminationspunkte der melodischen Bewegung, eine Tatsache, die bereits die Theorie der alten Musik kennt, wenn sie flnalis (Grundton) und repercussa (zumeist als Quint verstanden) gegenüberstellt. Senfl, Sancte pater o*— r - f f 4
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Der Unentrinnbarkeit der in der überlieferten siebenstufigen Leiter verschweißten Ordnung hat sich die neue Musik in bewegten Jahren des Experiments erfolglos zu entziehen versucht. Auch die Theorie würde einen •) von denen die Q u i n t als das physikalisch e l e m e n t a r e r e Intervall bevorzugte Stellung genießt; neben ihnen tritt bei „ e i n h ä u s i g e r " , im Quintbereich v e r h a r r e n d e r Melodik die Sekunde a l s Peripetiepunkt hervor. P e p p i n g , D e r polyphone Satz I 2
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Vorschau
schwerwiegenden Irrtum begehen, wollte sie ihre moderne Gesinnung durch Aufgabe dieser „veralteten" Reihen erweisen, sie etwa durch die Fiktion der chromatischen Zwölftonleiter ersetzen. In ihr sind die unterschiedlichen Stufenhöhen Ganz- und Halbtonschritt zur flachen Einförmigkeit nivelliert, die Gruppenpaare aufgelöst, ein lebender Organismus in seine Teile zerschlagen, die, wieder zu einer Reihe a n e i n a n d e r g e l e g t , sich nicht über den Wert eines toten Zählmechanismus, eines Lexikons der Tonhöhen erheben können. Erkennen w i r also die Kirchentöne als die alle stilistische Entwicklung der Musik überdauernden Ordnungen an so soll damit nicht gesagt sein, daß ihr neuer Gebrauch den alten zu kopieren hätte, dessen nur stilgeschichtlich interessierende Regeln gewiß nicht für uns verbindlich sind. Hierzu gehören die Unterscheidung von authentischen und plagalen Reihen, die stereotypen Schlußformeln der alten Musik, insbesondere auch die melodischen Modalitäten der Kirchentöne alten Gebrauchs: die Bedingungen der Auswechselbarkeit etwa der lydischen übermäßigen Quart durch die reine, der dorischen großen Sext durch die kleine usw. Aber gerade diese in der alten Musik innerhalb beengter Grenzen mögliche Beweglichkeit des Ordnungschemas *) kann uns vielleicht den Weg zu einer neuen Qualitätsumschichtung der überlieferten F o r m weisen. Nicht zu verkennen ist, wie in der bis zu uns hinüberreichenden klassischen Stilperiode der Homophonie die Wogen der Entwicklung die starren Ufer der Tonleiter zusehends unterwühlen. Die Alteration der Akkorde, die Chromatik der Melodie * ) Sie begründet sich als melodische Korrektur der bei Mischung von fünf großen und zwei kleinen Sekunden nicht vermeidbaren Stelle, an der drei Ganztonstufen zusammenstoßen und so das tritonus-Intervall bilden, das sich besonders oft im Lydischen und Dorischen dem F l u ß der Melodie widersetzt. D a jedoch die übermäßige Quart ebenso zwangsläufig auch in den anderen Skalen eingebaut ist, ist nicht einzusehen, warum auch in ihnen die Melodie nicht berechtigt sein sollte, zuweilen gleiche Korrektur zu erzwingen. Dies würde bedeuten, daß ebenso wie das Lydische ins Ionische überzuschlagen vermag, dies ins Mixolydische variieren könnte, diese Tonart wiederum ins Dorische, das Dorische ins Äolische, das Äolische ins Phrygische und, um den Kreislauf zu be-
Die Tonleiter als Ordnungsgrundlage
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zerren an ihnen. Der festgefügte Bau der Tonieiter gerät ins Schwanken, Dur- und Mollterz wechseln sich aus, die Anziehungskraft der Dominante auf ihre Nachbartöne führt zum Ersatz der großen Dursext durch die kleine, der reinen Quart durch die übermäßige usf. Nun scheint sich zwar die neue Musik in Reaktion zur Überchromatik sowohl der Spätromantik als auch der eigenen Anfänge zu einer skalengebundenen Melodik zu bekennen, doch ist gleicherweise zu beobachten, daß sie keineswegs damit auf den von der homophonen Musik eroberten neuen Klangraum Verzicht leistet. Wenn die theoretische Betrachtung diesen beiden anscheinend einander widersprechenden Erscheinungen ordnend begegnen will, so stehen ihr zwei Wege offen: Entweder sie nimmt als Ordnungsgrundlage im Mehr der Quantität tatsächlich die chromatische Tonleiter an, in der dann allerdings nichts mehr Gestalt, alles nur noch Inventarium ist, oder aber sie muß ihren Tonleiterbegriff qualitativ ändern. Dies ist im folgenden versucht in der Vorstellung einer Tonleiter, die in ihrer Grundstellung, ihrer Idee, zwar dorisch oder phrygisch oder ionisch ist, in sich aber die Möglichkeit der variablen Verschiebbarkeit der Stufen und damit der Auswechselbarkeit der verschiedenen Grundtypen trägt. Mit dieser Vorstellung ist das einer starren Tonleiterbindung widerstrebende und die alten Grenzen überfließende Tongeschehen der neuen Musik in einer elastischen Ordnung aufgefangen, die die Freizügigkeit in sich selbst trägt und damit das ausschweifende Außen sanktioniert. Aus dem gelegentlichen Hinüberpendeln des Dorischen zum Äolischen, des Lydischen zum Ionischen ist hier ein Fluß enden, das Phrygische schließlich über das Hypophrygische ins Lydische. Dieser Quintkreis (mit wachsend zunehmenden Erniedrigungszeichen) fände, da der tritonus ebensowohl durch Erhöhung seines unteren Tones geradegerichtet werden kann, seine Ergänzung im rückzielenden Quartkreis (mit steigender Zahl der Erhöhungszeichen). Man sieht die zum Quinten- und Quartenzirkel der Dur-Moll-Homophonie bestehende Parallele. Wenn man innerhalb beider Tonartzusammenhänge für den Wechsel von einer Skala in die andere den Ausdruck Modulation gebrauchen will, so ständen sich ä u ß e r e (mit Grundtonrückung, siehe hierzu S. 73) und i n n e r e (in Verschiebung der Skaleneinteilung) Modulation gegenüber.
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Vorschau
der Ordnungsübergänge geworden, eine Modulation neuer A r t von einem System ins andere *). Hierbei liegt die Gefahr der „ V e r m a n t s c h u n g " der Tonordnungen allzu nahe, als daß eigens auf sie hingewiesen werden müßte. Es ist selbstverständlich, daß ähnlich wie die harmonische Modulation der homophonen Musik auch diese melodische Modulation der neuen Polyphonie sich ästhetischen Grundsätzen unterwerfen muß, soll sie nicht zum chaotischen Durcheinander der Ordnungen f ü h r e n ; auf knappem Raum angewandt erscheint sie in melodisch unechter Chromatik. In den kurzen cantus-firmus-Übungen dieser Anleitung w i r d sie daher n u r spärlichen Gebrauch, mit größerem Gewicht jedoch bereits bei den anschließenden ausgedehnteren Liedsatzversuchen Geltung finden können. 3. Methodische Grundsätze. Seit F u x ( G r a d u s ad P a r n a s s u m , 1725) ist die cantusfirmus-Übung, die kontrapunktische Ausarbeitung k u r z e r Melodien in einer vom Einfachen zum Komplizierteren fortschreitenden Rhythmisierung, ein unentbehrlicher Bestandteil der Unterrichtsmethode. Sie nimmt hier die Rolle der Etüde des Instrumentalunterrichtes ein und ist wie diese z w a r mehr als n u r „Fingerübung", aber doch in der Beengtheit i h r e r musikalischen Ansprüche der Gef a h r der Trockenheit ausgeliefert. E s kann daher nicht empfehlenswert sein, den Schüler durch ein umfangreiches, von der Zwei- bis z u r Vielstimmigkeit reichendes Etüdenwerk hindurchzuführen, bevor man ihn vor größere und anregendere Arbeiten stellt. Vielmehr ist die natürliche Möglichkeit die Verbindung beider Aufgaben: Jeden Abschnitt der c.-f.-Übung schließen somit als Ziel und B e w ä h r u n g der satztechnischen Schulung auf der Ebene des neu erreichten „Schwierigkeitsgrades" Lied- und Choralsätze ab. Sie beschränken sich auf die *) Diese Stufenbeweglichkeit gibt der einem Teil der neuen Musik eigentümlichen (anfänglich aus praktischen Gründen gewählten) Notation ohne generelle Tonleitervorzeichen die innere Berechtigung.
Methodische G r u n d s ä t z e
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einfachste F o r m d e r Liedbearbeitung, in der die Weise in origineller Gestalt, ohneJMelodie-, Rhythmus- und Tempoveränderungen und ohne Pauseneinschiebungen übernommen ist. Mittel d e r melodischen Vereinheitlichung (Imitation) und Auswechselbarkeit der Stimmen (doppelter Kontrapunkt) w u r d e n hierbei aus E r w ä g u n g e n grundsätzlicher A r t a u ß e r h a l b des Bereiches der Darlegung gestellt. Die cantus-flrmus-Komposition, von i h r e r vollgültigen Stellung innerhalb der V o r k l a s s i k — man denke etwa an die Messen der Niederländer, an die polyphone deutsche Liedbearbeitung des 15. und 16. J a h r h u n d e r t s , schließlich an die Choralkantaten und -sätze Bachs — diesseits d e r klassischen Stilwende z u r Bedeutungslosigkeit herabgesunken, nimmt heute w i e d e r deutlich an Gewicht zu. Wiederentdeckung des alten Volksliedes, umfangreiche und gewichtige Sammlungen alter und neuer Liedsätze, Rückwendung zum alten Choral in V e r b i n d u n g mit dem Entstehen einer reichen neuen Choralmusik, die Flut neuer, am alten Vorbild geschulter Singweisen weltlicher und geistlicher Art können als Kennzeichen eines entscheidenden G e s i n n u n g s w a n d e l s der Musik gewertet w e r den, bedeuten Hingabe an die Bindung, Preisgabe der individualistischen künstlerischen Freiheit. Bewußt ist in dieser knappen Darlegung des polyphonen Satzes der c.-f.-Komposition ein verhältnismäßig breiter Raum gewährt. N u r über sie kann der Weg z u r freien F o r m führen, denn ihr Sinn ist handwerkliche Treue, Selbstentäußerung, Disziplin des Schaffens. Die elementaren Gesetze der Melodie gründen sich auf die natürlichen Gegebenheiten der menschlichen Stimme. Die c.-f.-Übung beschränkt sich daher auf den Vokalsatz, dem erst innerhalb der c.-f.-Komposition das Instrument beitritt. Es läge nahe, den Unterrichtsgang im Sinne eines vermeintlich konsequenten Aufbaues mit einstimmigen Übungen zu beginnen, an ihnen die Melodiebildung zu entwickeln und den Schüler z u r Erfindung eigener Weisen
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Vorschau
anzuleiten, um diese dann als cantus flrmi den mehrstimmigen Aufgaben nterzulegen. Tatsächlich wäre damit das Schwerste an den Anfang gestellt und das gewünschte Ergebnis der c.-f.-Arbeit als Voraussetzung genommen. Eben diese Arbeit zielt ja vornehmlich darauf, allmählich und Zug um Zug das Verständnis des Schülers für echte Melodik zu wecken. Auch wäre es ein aus psychologischen Gründen lahmes Beginnen, die Aufgaben zu eigenen Weisen ausführen zu lassen, weil damit der Reiz des Abstandes zum fremden Melodiegut genommen wäre, das Abenteuer der Aneignung des Fremden, der Ausweitung des Eigenen wegfiele. Die Unterweisung stützt sich daher auf eine Reihe alter Volkslieder und Choräle, die in allen Stimmgattungen stets von neuem als c.-f.-Gerüst des Satzes benutzt werden sollen, und entnimmt ihnen kurze und rhythmisch vereinfachte Ausschnitte als Material der c.-f.-Obung. Mit diesen Weisen, denen alte Skalenordnungen zugrunde liegen, ist das brennende Problem der Tonart in den Mittelpunkt der Schulung gestellt. Gewiß nicht in der Absicht stilistischer Rückkehr zur alten Ordnung, vielmehr in Besinnung auf die Quellen des Neuen. Nicht soll der Schüler dazu erzogen werden, dorisch, phrygisch usw. zu komponieren, es gilt, ihm Wege über die melodische Enge des Dur-Moll hinaus zu zeigen, in ihm das Bewußtsein der Spannungen zu wecken. Gemeint ist nicht die Sicherheit, sondern der Zweifel. In gleichem Sinne wurde vermieden, den Schüler bereits von den ersten Übungen an mit der Fülle der Variantenbildungen des Zusammenklanges zu überfallen, wie sie der heutigen Praxis zur Verfügung stehen. Vielmehr wurde Wert darauf gelegt, vorerst einmal in Beschränkung auf einen Auszug der klanglichen Mittel gewisse Grundbegriffe des polyphonen Satzes bloßzulegen, Melodiebildung und Behandlung der Dissonanz von einem Zuviel der Möglichkeiten zu entlasten. In der Überzeugung, daß alte und neue Polyphonie gleicher Wurzel entstammen, geht die Darstellung daher von den Satz-
Die Weisen
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regeln der vorbachschen Musik aus, soweit sie als richtunggebend angesehen werden können, und legt sie, allerdings in einigen notwendigen Umformungen (Behandlung der Quart, Schlußformen usw.), der c.-f.-Übung zugrunde. Erst die Anweisung im Liedsatz, die bereits mit einigem erworbenen Können rechnen kann, erweitert diese Regeln und versucht, ihnen andeutungsweise die Grundzüge der heute gültigen, abzuleiten. Die
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25
Die Weisen
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27
Die Weisen
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Zweistimmige Übung
40
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Zwei Noten gegen eine
41
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unbedingt zu vermeiden, so kann der Q u a r t hierbei eine Ausnahmestellung eingeräumt w e r d e n . Ebenso wie man vollkommene und unvollkommene Konsonanzen unterscheidet und damit den Qualitätswert Konsonanz in sich quantitativ schichtet, ist dies mit gleichem Recht auch innerhalb der D i s s o n a n z g r u p p e möglich. Hier haben Sekunde, Septime und (die im drei- und mehrstimmigen Satz erscheinende) None entschieden schärfere K l a n g w i r k u n g als die Quarte und können daher als vollkommene Dissonanzen der unvollkommenen Dissonanz Q u a r t gegenübergestellt werden. Wie in jener Gruppe verlangen auch hier die Intervalle, die ausgesprochenere Merkmale i h r e r G r u p p e zeigen, strengere Behandlung. Sie sollen in dieser c.-f.-Übung n u r innerhalb einer geradlinig über sie hinweggehenden Stufenverbindung ihrer taktbetonten Nachbartöne, eben als Durchgangsn o t e n , stehen, w ä h r e n d die Q u a r t auch als W e c h s e l n o t e verwendet werden darf, d. h. so, daß der Sekundweg in der Q u a r t seine R i c h t u n g w e c h s e l t oder, unvollständig angelegt, n u r einen der Nachbartöne an-
42
Zweistimmige Übung
schließt, die Melodieführung in Schrittlänge wechselt.
der Quart also die
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Zwei Noten gegen eine
43
melodischen Zusammenhang hingegen mehr oder weniger gebrauchsmöglich ist: schlecht | möipiSl
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44
Zweistimmige Übung
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8 K. 1: Beginn mit einer halben P a u s e sowie Einklang auf unbetonter Taktzeit (T. 6) sind in dieser Übung erlaubt. Ebenso Stimmkreuzung, w e n n sie gut eingeführt und verlassen w i r d ; am besten erfolgt sie durch Sekundweg (T. 2—3) oder Sekundbrücke (T. 5—7). T. 3 und 7 zeigen Anwendungen der Q u a r t als Wechselnote. K. 2 : Q u a r t als Wechselnote in T. 2. Zwischen T. 5 und 6 eine Quintparallele, die hier innerhalb des stehenden Klanges c moll und getragen von der Sekundkette es'—a erträglich wirkt. Unschädlich auch der tritonus a es (T. 7/8), da der Q u i n t s p r u n g a d die mit d beginnende Sekundkette vom Vorhergehenden trennt und damit die melodische Beziehung der Töne a und es z w a r nicht aufhebt, aber doch lockert. Der - A b s c h l u ß s p r u n g in den Einklang ist möglich, wenn er wie h i e r durch die Sekundbrücke (h c') vermittelt w i r d .
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Beide Kontrapunkte zeigen verzögerte, über den Endton des c. f. hinaus reichende Schlußbildung. Dreiklangswendungen w i e in T. 6/7 des K. 1 sind in gutem melodischen Zusammenhang in dieser Übung erlaubt. Einwandfrei die melodisch begründete Akzentquintenparallele der Takte 1/2 des K. 2. K" 1
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Die D u r c h s i c h t d e r Beispiele zeigt, d a ß das vertikale V e r h ä l t n i s d e r S t i m m e n in gleicher Weise g e o r d n e t ist w i e bei d e r Ü b u n g in Halben. D i e Z a h l d e r Noten h a t sich verdoppelt und mit i h r die d e r taktbetonten Stellen: Segre 1. und 3. Viertel nur als Konsonanz, 2. und 4. Viertel auch als Dissonanz und beachte hierbei die Regeln der vorigen Übung! Im 1. T a k t des K. 2 e r s c h e i n t entgegen diesen Regeln die Sekunde als Wechselnote. Diese klangliche F r e i h e i t beg r ü n d e t sich m e l o d i s c h : E r s e t z t m a n nämlich die abs p r i n g e n d e D i s s o n a n z h d u r c h den k o r r e k t e n Ton a, so w i r d die Leichtigkeit und Ausgeglichenheit d e r Viertong r u p p e c h g a d u r c h die s c h w e r f ä l l i g e W i e d e r h o l u n g des a e r s c h l a g e n . Man k a n n den z u g r u n d e liegenden melodischen Vorfall (über den Begriff d e r „ F u x s c h e n Wechselnote" h i n a u s , der, w i e das folgende Beispiel zeigt, mit einer F ü n f t o n g r u p p e innerhalb des Q u a r t r a u m e s rechnet) als u n t e r b r o c h e n e n D u r c h g a n g v e r s t e h e n :
Zweistimmige Übung
48
Die Durchgangsdissonanz h erreicht nicht auf direktem Wege ihr Ziel a, sondern unterbricht f ü r die Zeit eines Viertels ihre Durchgangsbewegung, indem sie z u r Konsonanz g abspringt. So verstanden, ergeben sich folgende und ähnliche Anwendungsmöglichkeiten: (unberücksichtigt blieben die bereits bekannten F o r m e n der abspringenden Quart). Fuxsche Wechselnote (Sonderfall des unterbrochenen Durchganges)
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unterbrochene Durchgänge
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Die beiden letzten Beispiele, von denen eins dem K. 1 entnommen w u r d e , zeigen die Besonderheit, daß das 4. Viertel, eigentlich das Endziel der unterbrochenen Bewegung, Dissonanz ist und als solche entweder Durchgangsnote entgegengesetzter Richtung w i r d oder als Quartwechselnote f r e i abspringt. Hinzuweisen ist noch auf den vorletzten Takt des K. 2, in dem auf betontem 3. Viertel eine Dissonanz gesetzt ist, w a s innerhalb eines geradlinigen Sekundganges gelegentlich in Analogie zu einer unbetonten Durchgangsnote geschehen kann. D e r K. 1 zeigt, daß die Viertelbewegung bereits am Ende des vorletzten Taktes in einer Halben aufgefangen werden darf, wenn die melodische F ü h r u n g hierzu V e r a n l a s s u n g gibt.
Vier Noten gegen eine
49
Es folgen noch einige Beispiele, in denen unterbrochene Durchgänge durch Pfeile gekennzeichnet w u r d e n : V
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Drei und sechs Noten gegen eine
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A u f g a b e : Drei Noten gegen eine — sechs Noten gegen eine. Die Verteilung der Werte entspricht der Anordnung der beiden letzten Übungen. Es genügen daher die kurzen Beispielangaben: c.f. 6 K. 1
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K. 1: In Takt 10/11 Vorbereitungsquart, mündend in Septime, T. 1/2 gleichfalls konsonierende Vorbereitungsquart, diesmal in der Dissonanzfolge ihrer selbst, ein lustiger Bedeutungswechsel des vielseitigen Intervalles, der hier z u r Vervollständigung u n s e r e r in den beiden vorigen Kontrapunkten begonnenen Beispielsammlung verzeichnet sei.
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Im K. 2 verzögerte Schlußbildung mit Stimmteilung, von der gelegentlich Gebrauch gemacht werden kann. Aufgabe:
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Zweistimmige Übung o
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2,
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9:
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Soweit es einer Übung möglich sein kann, nähert sich diese in rhythmischer Beziehung der vielfältigen musikalischen Wirklichkeit. G e w i ß erreicht sie sie nicht ganz, denn sie beschränkt sich auf einen Ausschnitt der geometrischen Reihe der Längenwerte. Doch stellt dieser Ausschnitt das Kernstück des musikalischen Gebrauchs dar, und seine Ordnungsgrundsätze, entsprechend modifiziert, müßten daher auch im weniger Begrenzten Geltung finden. Die Maximalgröße ist die Ganze des c. f., die sich gelegentlich durch Bindung zum höheren Längenwert dehnen kann, die Minimalgröße die Viertel, gelegentlich durch eine 2 / 8 - Gruppe ersetzt. D e r Mittelwert, die Halbe, ist als Zähleinheit der Größenordnung aufzufassen. Es ergibt sich also für unsere Übung ein -/ 2 -Takt, der dem 2 /4-Takt des üblichen Musikgebrauchs entspricht. Man hätte ihn der Gewohnheit folgend bei entsprechend verkleinerten Werten durch diesen ersetzen können. Doch wurde hiervon Abstand genommen, um nicht die Klarheit des Notenbildes unnötig durch Achtelbalken zu verdecken. Stellen w i r nunmehr die entscheidende Frage nach dem Sinn der rhythmischen Ordnung, mit anderen Worten: nach dem in ihr waltenden musikalischen Symbol des Gegensatzes, so kann die Antwort im Begriff des Tak-
Gegenstimme in gemischten Werten
61
tes gefunden werden. D i e s e r ist nicht n u r Zählgefäß, sondern mehr, nämlich Wertordnung nach dem Gegensatz g u t e , b e t o n t e — s c h l e c h t e , u n b e t o n t e Taktzeit. Hierbei handelt es sich nicht um ein äußerliches Betont- oder Nichtbetontsein dynamischer Art, das als zusätzlicher T a k t w e r t erst in der stilistischen Wende z u r Homophonie entstand, der alten Polyphonie jedoch und z. T. bereits auch der neuen fehlt, vielmehr um eine innere, geistige Hebung und Senkung: auf guter Taktzeit das Bedeutsame, Entscheidende, Neue, auf schlechter das Unwichtigere, die Folgeerscheinung, das Überleitende. Der melodische Sprung etwa erreicht weit häufiger die gute als die schlechte Taktzeit, die melodischen Höhepunkte lagern sich zumeist betont. Geschieht das Umgekehrte, so zeigt die solcherweise hervorgehobene schlechte Zeit das Bestreben, sich durch Bindung auf die folgende gute zu stützen, die ihr die ungewohnte Last tragen hilft, eine Erscheinung, die f ü r die schwebende Melodik der alten Musik charakteristisch ist, aber auch noch bei Bach, dem Universalerben der Zeiten, starke Geltung hät (man beachte etwa in dem auf Seite 17 wiedergegebenen Anfang der es-moll-Fuge die Behandlung der auf schlechter Zeit s p r u n g m ä ß i g erreichten Melodiespitzen b' und as'!). Dieser Betonungsordnung unterliegt auch die Mischung der Längenwerte innerhalb des Taktes. Die gewichtigere Halbe hat bei i h r e r Verbindung mit Vierteln ihren natürlichen Platz am Anfang des Taktes. Steht sie nach ihnen auf schlechter Zeit, so korrigiert sich dies, indem die unregelmäßig gesetzten Werte Bindungen zu ihren benachbarten Stammplätzen eingehen — die unbetonte Halbe z u r folgenden betonten (Beispiel 1) oder die betonten Viertel z u r vorangehenden unbetonten Zeit (2)—, w o d u r c h eine Taktgruppe entsteht, die in i h r e r r h y t h m i s c h e n Gesamtschichtung die Störung des Gleichgewichts wieder auffängt. Ebenso verhält es sich, wenn die Viertel der guten Zeit nicht isoliert stehen, sondern als Ergebnis einer über die Taktgrenze hinaus strömenden Bewegung verstanden werden können (3), denn auch in diesem Fall liegt eine
62
Zweistimmige Übung
die Unregelmäßigkeit regulierende Taktverbindung vor. (Das zitierte Bach-Beispiel zeigt die rhythmischen Formen 3 und 2.) 1 2 i -g-yg.
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Es zeigt sich hier eine dem polyphonen Stil eigentümliche Scheu vor dem isoliert Auffälligen, Ausdrucksbetonten des einzelnen Teiles: Die Gesamtform beansprucht die Wirkung, der Teil hat keine individuelle, sondern nur Gemeinschaftsfunktion. Daher treten in der Melodiebildung die affektgeladenen und verzerrten Intervalle, die in ihrer Aufdringlichkeit das Gleichmaß der Linie stören würden, vor den ruhigen und normalgestalteten zurück. Ebenso vermeidet es der einzelne Ton, sich rhythmisch zu isolieren. Überraschungskontraste der Längenwerte sind ausgeschaltet, langsame und lebhafte Bewegung stehen nicht unvermittelt nebeneinander, sondern fließen allmählich ineinander über, wobei als Umschaltung, als Weiche, die Bindung eine bevorzugte Rolle spielt. also nicht
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sondern etwa
Gegenstimme in gemischten Werten
63
Gleicherweise verbietet es sich, allzustark kontrastierende Werte — in unserem Übungsausschnitt Ganze und Viertel — zu binden. Hierzu eignen sich nur Töne gleicher oder im Verhältnis 2 : 1 stehender Dauer, schließlich auch Werte der weniger natürlich wirkenden umgekehrten Proportion. Auch ist zu beachten, daß, je kürzer und flüchtiger ein Ton ist, sein Bewegungstrieb um so stärker dem Halt der Bindung widerstrebt. F ü r unsere Übung, in deren begrenzter Wertskala der rn/thmische Kleinstwert im Unterschied zum freien Satz eindeutig festliegt, bedeutet dies, daß w i r es vermeiden wollen, an die Viertel eine andere Note zu binden. Also:
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erlaubt
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nicht
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Richtet sich die polyphone Formidee auf die Ganzheit, so entläßt sie aus ihr ebensowenig wie den einzelnen Ton die einzelne Tongruppe. Sie kennt nicht die melodischrhythmische Keimzelle der Homophonie, das Motiv — wenn auch das „Motto" eines Kerngedankens —, nicht die anschwellende periodische Wiederkehr gleichgebauter Teilstücke — wenn auch das starre, sich am Fleck bewegende ostinato —, sie verlangt die geradlinige, unzersplitterte, vom Beginn bis zum Ende unaufhaltsam strömende Bewegung, deren Kraft nicht zum wenigsten rhythmisch bedingt ist. Diese Übung im „freien Rhythmus", der, wie man sieht, alles andere als „frei" ist, beansprucht daher alle Gewissenhaftigkeit und Selbstkritik des Schülers, der sich ihr unterzieht. Als Anleitung sei der Bedeutung der Aufgabe entsprechend diesmal eine größere Anzahl von Beispielen gegeben.
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68
Zweistimfnige Übung
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Gegenstimme in gemischten Werten
69
In allen Kontrapunkten verzögerte Schlußbildung mit Stimmteilung. Im K. 3, 3. T. zweimaliger Q u i n t s p r u n g gleicher Richtung, der durch das vorangehende g melodisch gestützt, durch das nachfolgende e „aufgelöst" ist. Die rhythmische Sequenz der drei ersten Takte des K. 1 w i r d durch die wechselnde melodische Richtung ausgeglichen, die Dissonanz a' des 3. Taktes ist oktavig vorbereitet.
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24.
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Die Weise
73
Ganzen vollziehen soll. D a hier erklärt werden m u ß , kann die E r k l ä r u n g n u r von der unverrückbaren Gegebenheit, dem c. f., ausgehen. Dieser unterscheidet sich in mehrfacher Beziehung von der Übungsvorlage. E r ist länger (bei entsprechend erweitertem Tonumfang), und diese größere Melodiestrecke ist zeilenmäßig gegliedert — er ist nicht rhythmisch s t a r r , sondern zeigt die Vielfältigkeit der Längenwerte, die bisher allein dem Kontrapunkt zugewiesen w a r — er ist an einen Text gebunden — er stellt ein im höheren Sinne musikalisch Geformtes dar, sein geistiger Anspruch ist verpflichtender. Die Gegenstimme m u ß sich auf die neuen Materialgegebenheiten einstellen, deren A u s w i r k u n g e n im folgenden einzeln betrachtet seien. Die Gliederung der Weise ist nicht die harmonisch fundierte, motivisch gewachsene der klassischen Periode, sie vollzieht sich vielmehr im Zuge der linearen Spannung G r u n d t o n - Q u i n t / Q u a r t (s. S. 16/17), wobei im Verlauf der Entwicklung mehr oder weniger oft das G r u n d tonzentrum seine Stellung ändert. D e r c. f. des vorliegenden Satzes z. B. schwingt H / g (im Phrygischen ersetzt zumeist Q u a r t - oder Sexthebung den Anstieg zur Quint, da diese einen, verminderten D r e i k l a n g trägt), h a \ d ; d / * g \ H (Grundton e oder H), nochmals g \ H (diesmal eindeutig H); H G/tl, g \ H . Die finalis wechselt also von h näch d, dann zurück nach h, hierauf nach g und schließlich wieder nach h, eine Erscheinung, die G r u n d t o n r ü c k u n g genannt sei, da der Ausdruck Modulation mißverständlich w ä r e , der im allgemeinen f ü r einen durch funktionell-harmonische Mittel bewirkten Tonartwechsel der homophonen Musik gebraucht w i r d . Dieses c.-f.-Aufbaues und seines wechselnden tonalen Zieles soll sich die Gestaltung des Kontrapunktes bew u ß t sein, w a s allerdings nicht bedeutet, daß die Gegenstimme den jeweilig neuen c.-f.-Grundton als ihren eigenen anerkennen und sich in gleicher finalis-Richtung entwickeln müßte. Es bedeutet auch nicht, d a ß ihre Schluß-
74
Zweistimmiger Liedsatz
Wendungen und Z ä s u r e n mit denen der Weise zusammenfallen sollten. Vielmehr entspricht gerade das Entgegengesetzte dem Sinn der vom Gegeneinander der melodischen Kräfte lebenden Polyphonie, vorausgesetzt natürlich, daß die Mitte zwischen Einheitlichkeit und Verschiedenartigkeit gehalten ist, denn die Spannung einer zu weit getriebenen Entwicklungsdivergenz w ü r d e die Stimmen auseinanderreißen. Ein Blick auf den Satz der Weise V erklärt dies n ä h e r : D e r Kontrapunkt fließt über die erste c.-f.-Zäsur hinaus z u r G r u n d t o n q u a r t e des 4. Taktes, drängt aber gleich weiter, anscheinend z u r Kadenz nach d, biegt jedoch wieder nach h um und beendet so seinen ersten Entwicklungsabschnitt mit der Ausgangsflnalis, w ä h r e n d gleichzeitig der c. f. den neuen Grundton d erreicht hat. In seinem von Takt 7—12 reichenden 2. Teil verweilt e r weiter beim h-Zentrum, diesmal in Übereinstimmung mit der Weise, deren zweimaliger Endton h zuerst mit der Kreiselbewegung d h a h, dann mit der Quint fis gesetzt ist. Im 3. Abschnitt (T. 12—20) schlägt er wiederum selbständige tonale Richtung ein, indem er zum Mittelpunkt e rückt, ihn entgegen dem Grundton g des c. f. behauptet und sich erst von T. 18 an diesem fügt. Während nun die Weise nach h zurückkehrt, verbleibt der Kontrapunkt bei dem erworbenen Zentrum g, bis er schließlich im letzten Takt erst die gemeinsame Mitte mit den Tönen h fis h bekräftigt. Auch zeitlich liegen in c. f. und K. Beginn und Ende der melodischen Abschnitte zumeist an verschiedener Stelle, und so ergibt sich das f ü r die polyphone Musik bezeichnende Bild der ineinander verschränkten Stimmen. Innerhalb eines solchen Satzgeflechtes hat seine gelegentliche, durch gleichzeitige Schlußoder Einsatzaktion bewirkte Auflösung als Ausnahme der Regel die Wirkung einer besonders nachdrücklichen Betonung, die in unserem Satz dem Einsatz von T. 10, hier noch verstärkt durch den gemeinsamen Halt der Halben, innewohnt. Voraussetzung einer solchen Gliederungsgegensätzlich-
Gliederungsverhältnis der Stimmen
75
keit ist ihre überzeugende melodische Begründung. D e r Koutrapunkt zeige Klarheit der Gliederung, Folgerichtigkeit der Entwicklung! Als deutliches Kennzeichen des Gliederungseinschnittes ist die Pause unentbehrlich, eine in pausenloser Ausdehnung und unbestimmter Aufteilung geführte Gegenstimme wirkt zumeist unverständlich und langweilig. Ist die P a u s e n z ä s u r vermieden, so soll die Schlußnote des jeweiligen Abschnittes wenigstens genügend lang sein, um als solche aufgefaßt werden zu können, wobei ihr Notations-Mindestwert natürlich vom Tempo abhängig ist (in unserem Satz wurde e r als Viertel angesehen). Oft kann es aus musikalischen oder textlichen Gründen sich als sinnvoll erweisen, innerhalb der Melodieführung stärkere und schwächere Einschnitte zu unterscheiden, um solcherweise größere Zusammenhänge zu betonen. Dies geschieht im Kontrapunkt des Satzes mit der Wirkung einer Verbindung der Textzeilen 1 und 2 sowie 3, 4 und 5. Ebenso wichtig wie der melodisch und rhythmisch wirkungsvolle Abgang der Stimme ist ihr neuer Auftritt. Er soll sich tonlich vom c. f. abheben, also möglichst nicht dessen eigenen Ton bringen, er soll rhythmisch auffallen, also möglichst an einer Taktstelle erscheinen, die nicht bereits durch Bewegung des c. f. ausgefüllt ist (Takt 5, 7 usw.). Was die zweite Forderung, Folgerichtigkeit der Entwicklung, anbelangt, sei auf die früheren Ausführungen zur Melodiebildung (Seite 31/32) verwiesen. H ö c h s t e r u n d tiefster Ton, sowohl innerhalb der einzelnen Teile wie auch des Ganzen, sind besonders hervortretende Punkte, die um so größere Wirkung auslösen, je s p a r s a m e r sie gesetzt sind. (In der Weise kommen Hochpunkt h und Tiefpunkt G nur einmal vor, das gleiche gilt f ü r die Töne e " und fis des Kontrapunktes.) Selbstverständlich ist ihre Wiederholung keineswegs ausgeschlossen, die unter gewissen Umständen, bei denen Tempo, Charakter und Ausdehnung des Satzes eine Rolle spielen, unvermeidbar ist. Doch bemühe man sich vorerst, sie strikt zu vermeiden oder wenigstens exponierte Töne nur nach
76
Zweistimmiger Liedsatz
längerem Zeitabstand von neuem zu bringen. Nochmals sei auf die Bedeutung der Sekundverbindung f ü r die Stetigkeit der melodischen F ü h r u n g hingewiesen. Man beachte, wie im c. f. jeder Intervallsprung seine Sekundauslösung findet oder wie im K. der höchste Ton e " im Sekundweg und in der Sekundbrücke allmählich zum d' absinkt. Je g r ö ß e r die Ausdehnung des Satzes, desto stärker ergibt sich im Verlauf der melodischen Entwicklung die Notwendigkeit einer Ausweitung des skalenmäßig bestimmten Tonmaterials. Nicht n u r die Grundtonrückung der Weise kann hierzu A n l a ß geben, sondern ebensogut auch das eigengerichtete tonale Ziel des Kontrapunktes selbst. So rechtfertigt die Schlußwendung zum d des c. f. im 5. Takt die E i n f ü h r u n g des eis, das der Kontrapunkt über die Absichten der Weise hinaus f ü r einige Zeit beibehält und im Zuge seines weiteren, nach e gerichteten Verlaufs sogar noch durch ein dis ergänzt. Solche neuen Töne, soweit n u r der musikalische Z u s a m m e n h a n g sie rechtfertigt, verleihen der Melodieführung frische Impulse, oft deckt sich der buchstäbliche Sinn „neue Note" mit dem übertragenen, w i r d das eine durch das andere bewirkt. In den später folgenden Satzbeispielen soll auf dieses Moment besonders verwiesen werden. D a s rhythmisch einförmige Verhältnis der Stimmen in der Übung — Bewegung des K. gegenüber der Ruhe des c. f. — wandelt sich im Liedsatz, der über einen c. f. vielfältiger Längenwerte verfügt, z u r Wechselbeziehung. D e r K o n t r a s t ist auch hier bestimmend, allerdings im bunteren Gegeneinander, denn die Stimmen können jetzt ihre Rolle tauschen, indem der Bewegtheit des c. f. die Ruhe des K . gegenübertritt. Dieses H e r und Hin des Gegensatzes bedeutet eines der wesentlichsten Bindungsmittel der Polyphonie. In ihm sollen sich die Stimmen entgegen i h r e r tatsächlichen Entstehung als durch gegenseitige rhythmische Beeinflussung gemeinsam erzeugt darstellen und in rhythmischer V e r s c h r ä n k u n g eine Satzgemeinschaft bilden, in der das p r i m ä r e Gegebensein des c. f.
Rhythmisches Verhältnis der Stimmen
77
aufgehoben, der formale Bruch zwischen c. f. und K. — einer Stimme, die zuerst da w a r und einer anderen, die später hinzugesetzt wurde — geschlossen ist. Man achte also darauf, die Aktion des K. in die rhythmische Lücke der Weise zu stellen, hinwiederum deren eigene Bewegung nicht durch gleichzeitige der Gegenstimme zu entkräften. Selbstverständlich darf dies nicht in mechanischer Handhabung und ohne Blick f ü r die Vielfalt der Möglichkeiten geschehen, auch hier w i r d die Ausnahme den Sinn der Regel unterstreichen können (wie im bereits erwähnten Einsatz des 10. Taktes). Gleicher Bindungswert ist dem wechselseitigen Dissonanz-Konsonanz-Verhältnis beizumessen. Vor allem gilt dies f ü r die betonte Dissonanz, die bisher nur durch Bewegung des c. f. erzeugt werden konnte, jetzt aber auch so, daß der K. aktiver P a r t n e r ist, der seinerseits die Weise z u r Auflösung zwingt, wie dies im Satz z. B. zu Beginn des 5. und 15. Taktes erfolgt. Diese Möglichkeit, die insbesondere bei Bindungen einer c. f.-Note z u r guten Taktzeit gegeben ist, liegt ersichtlich im gleichen Sinne ebenbürtiger Partnerschaft wie die Ausgeglichenheit des rhythmischen Miteinanders, denn gerade in ihr beansprucht der K. gleiche Rechte mit dem c. f. Von ihr sei daher mit Sorgfalt Gebrauch gemacht. Im Bund der einander ebenbürtigen Stimmen ist der K. im allgemeinen der drängende Teilhaber. Sein Bewegungstrieb ist zumeist stärker entwickelt, er kürzt die Zäsuren, verbindet Teile, unterstreicht das Bedeutsame, führt über tote Punkte hinweg (das 2. H, Takt 12!), solcherweise die gemächlichere G a n g a r t der Weise antreibend. D a ß dieser ihm natürliche Impetus nicht, zu weit getrieben, die Einheitlichkeit des Satzes zerreiße, ist eine Angelegenheit des musikalisohen Feingefühls und der Erfahrung. Die Aktionen sowohl der Melodieführung in Intervallgang und Rhythmus wie auch des Zusammenklanges richte man insbesondere auf die gute Zeit im Sinne der Taktordnung. Auf sie soll stets das musikalisch Entschei-
78
Zweistimmiger Liedsatz
dende hinzielen, der Intervallsprung, die Bewegung, die Klangsteigerung zu der eine Auflösung erzwingenden Spannungsdissonanz, sie soll stets neu wirken, ein Weitergehen ausdrücken. Alle Freiheiten des Satzes (über die noch zu reden sein w i r d ) haben Berechtigung nur, wenn sie als Ausnahme der Regel in Erscheinung treten und deren ordnenden Wert grundsätzlich unangetastet lassen. D a s dritte Novum, der Text, dessen weitläufiger F r a g e n k r e i s hier n u r berührt werden kann, darf nicht als Beigabe der Arbeit verstanden werden. Nichts w ä r e verfehlter, als zuerst eine nur musikalisch fixierte Gegenstimme zu schreiben, um sie dann hinterher zu textieren. Vielmehr soll die Phantasie bei Ton u n d Wort der Weise anknüpfen, sich Anregungen auch vom Gedicht holen, von seinem Aufbau, seiner Stimmung, seiner Sprache. Dies gewiß nicht mit dem Ziele tonmalerisch isolierter Übertragung von Einzelworten, sondern, da die Bildung der Linie das Entscheidende ist, in U m f o r m u n g des Gedankens zum Bewegungszug der Melodie. D e r Satz bietet Beispiele dieser A r t etwa in den sekundmäßig nach oben gerichteten Achteln des „so trab ich über die Heiden", der tiefen Lage des „hat mir mein Herz verwundt", dem Herabsinken vom „ H e r z " zum Stillstand auf d' des „heimlich Leiden", der synkopisch gehemmten „Fröhlichkeit" des Schlusses usf. Sinngerechte Deklamation ist eine selbstverständliche F o r d e r u n g . Doch ist zu beachten, daß sich die Bewertung gute und schlechte Taktzeit keineswegs auch auf die A n o r d n u n g des Wortes zu beziehen braucht. Dies gilt z w a r f ü r die homophone Musik, deren gute Zeit dynamisch betont ist, weshalb sie betonte Silbe und gute Taktzeit gleichsetzen muß, im Sinne ihrer Deklamationsregel eine unbetonte Silbe nicht zu Taktanfang oder an a n d e r e r bevorzugter Stelle bringen darf. Die polyphone Musik hingegen, die den Taktstrich nicht als Betonungszeichen in diesem Sinn verwendet, kann unbesorgt auch das minder wichtige Wort auf gute Taktzeit legen, sofern
Wort-Ton-Verhältnis
79
nur der sprachliche Nachdruck in Tonlänge oder -höhe überlegen angeordnet ist. Dies ist beispielsweise in der Weise in Takt 11 und der Parallelwendung Takt 21 bei den Worten „aller" und „fröhlich" der Fall, deren betonte Anfangssilben höhere Noten tragen als die auf guter Taktzeit stehenden Endsilben. Die deklamatorische Wirkung solcher Anordnung, in der sich der untergeordnete Wortteil gegenüber dem übergeordneten behauptet, ist auf Ausgleich der Silbenbetonung und damit Klarheit der Aussprache gerichtet. Spätere Beispiele werden z u r Genüge die Anwendungsmöglichkeiten veranschaulichen. Besondere Aufmerksamkeit beansprucht der Wechsel zur neuen Silbe. Wenn sich in ihm Endkonsonanten der alten und Anfangskonsonanten der neuen Silbe treffen, benötigt der Übergang wegen seiner Artikulationsschwierigkeit einige Zeit. Man achte daher in solchen Fällen darauf, daß er nicht von einer zu kurzen Note ausgehe. Die von den besonderen Umständen abhängige Zeitgren:ca läßt sich durch singendes Ausprobieren ermitteln. Leicht z. B. der schnelle Silbenwechsel bei „so trab" und „ich über die Heiden", weil er durch Anfangs- und Endvokale erleichtert w i r d . Dieses Beispiel weist auf die wichtige Möglichkeit der S p r a c h p h r a s i e r u n g hin. Der Gang der Achtelnoten von d' bis fis' ist kaum anders als staccato zü singen gegenüber dem durch das Beibehalten einer Silbe bewirkten Legatogang der nächsten Noten. Eine andere Wortgestalt würde zu einem entsprechend andersgearteten musikalischen V o r t r a g führen. Man sieht, daß nicht n u r die Musik das Wort bindet und ordnet, sondern dieses auch in das Gefüge der Töne gliedernd eingreift, daß ein Nebeneinanderherlaufen beider Teile unmöglich ist, die musikalische Absicht von vornherein sich auf dän Text einstellen, mit ihm sich formen muß, sollen beide zu einem harmonischen Ganzen verschmelzen. Diese verschiedenen Überlegungen die Betrachtung des melodischen Aufbaues, der rhythmischen Form, des WortTon-Verhältnisses lenken alle auf das entscheidende Mo»
80
Zweistimmiger Liedsatz
ment der geistigen Lebendigkeit der Weise. I h r in ebenso lebendiger A r t zu begegnen ist die eigentliche Aufgabe der Gegenstimme. Hier nun hat die theoretische Betrachtung ihre Grenze erreicht. Sie kann die bunte, vielstrebige Erscheinungsweit der musikalischen F o r m zur Vorstellung eines exakten Kräftemechanismus vereinfachen, im Bild eines wohlgeordneten Systems veranschaulichen; sie kann hierauf die Regel nennen, die das Kräftespiel lenkt, die den Platz des einzelnen bestimmt. Natürlich aber hat diese Regel keine ausschließliche Gültigkeit, sie erfaßt einen Auszug der Möglichkeiten, einen mehr oder wenig e r großen, jedoch nie die Gesamtheit, sie kann der Wirklichkeit nahe kommen, aber nicht sie erreichen, sie hat normative Bedeutung, aber im Grunde ist die Norm nichts mehr als eine notwendige Fiktion. Z w a r ist es möglich, die G r u n d k r ä f t e des musikalischen Lebens aufzuweisen, die Quellen der Kräfte offenzulegen, doch w i r d ihr Strom stets die Ufer des theoretisch F a ß b a r e n überfluten: Die Lebendigkeit, das Schöpferische läßt sich nicht lehren. Immerhin kann man die Regel erweitern, die Abweichungen von der Norm zu einer neuen Norm umdenken und diese als Sonderfall der alten verstenen. Mehrstimmige Musik neigt nun i h r e r A r t nach insbesondere z u r Bildung von Zusammenklangsvarianten, lange Zeit in so betontem Maße, daß der Maßstab f ü r die „Neuheit" einer Musik allein oder weitaus überwiegend im Klanglichen gefunden werden konnte. Dies trifft f ü r die heutige Musik n u r noch bedingt zu. Sie findet ihre Neuorientierung im wesentlichen bei anderen Elementen der Form, dem Melodischen, dem Rhythmischen, dem architektonischen Gesamtaufbau, doch liegt es in der Natur des Zusammenklanges begründet, daß er als die Höraußenseite dieser Elemente am auffälligsten in Erscheinung tritt. Dies gilt besonders f ü r den mehrstimmigen Satz, in dem mit wachsender Stimmenzahl der Akkord immer s t ä r k e r nach Eigengeltung strebt. Im zweistimmigen Satz fehlt er oder ist n u r in Andeutungen vorhanden, und das sich im einfachen Intervall regulierende Klangge-
Formen des Zusammenklanges
81
schehen liegt klar zu Tage. Die häufigsten Abweichungen von den strengen Dissonanzregeln der c.-f.-Übung lassen sich auf wenige Formeln bringen: l . a
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Neu unter ihnen ist im Grunde n u r die V o r a u s n a h m e , mit der der B e w e g u n g s d r a n g einer Stimme vorzeitig das betonte Intervallziel unbetont vorwegnimmt (im Satz: Takt 8). Bei ihr handelt es sich also um einen ausschließlich melodischen Vorgang, der den klanglichen unberührt läßt. Die anderen Formen sind Ableitungen der alten, weisen gleichfalls (mit Ausnahme von 1 d) den Sekundweg als Folge der Dissonanz auf, prägen allerdings die Verbindung von Klang- und Melodiegeschehen weniger überzeugend a u s : die W e c .h s e 1 n o t e , indem sie die Stetigkeit des Sekundweges aufgibt, die u n v o r b e r e i t e t e Spannungsdissonanz, indem sie das allmähliche Wachsen eines Tones vom Konsonanz- zum Dissonanzwert durch unvermittelten Dissonanzeinsatz ersetzt die s i c h n a c h o b e n a u f l ö s e n d e betonte Dissonanz, indem sie das dem organischen V o r g a n g der EntspanP e p p i n g , D e r polyphone Satz l
6
82
Z w e i s t i m m i g e r Liedsatz
nung entsprechende Symbol der A b w ä r t s b e w e g u n g ins w e n i g e r verständliche Gegenteil umkehrt. Gleichwohl bedeuten diese Dissonanzformen eine Erweiterung der melodischen Bewegungsmöglichkeiten und spielen daher in der musikalischen P r a x i s eine große Rolle. Wenn die c.-f.-Übung in schulungsmäßiger P r ä g u n g der Grundbegriffe bewußt auf sie verzichtete, so stehen sie jetzt selbstverständlich z u r Verfügung, sofern n u r ihre A n w e n d u n g nicht gewissen stilistischen Grundsätzen der Polyphonie sowie vor allem dem in der Wechselwirkung von Klang und Melodie liegenden Sinn der mehrstimmigen O r d n u n g widerspricht. Am weitesten von diesem Sinn entfernt sich die unter 1 d angegebene Variante der Wechselnote, die daher n u r s p a r s a m eingesetzt sei. Sie fügt sich der O r d n u n g ein, wenn sie an Stelle des fehlenden Sekundweges die Sekundbrücke aufweist (im Satz: Takt 21, Unterstimme), in welcher F o r m sie Ebenbürtigkeit mit ihren SekundwegGeschwistern erlangt:
Man sieht, daß hier im G r u n d e eine verkappte Dreistimmigkeit vorliegt, zu der — unter Umständen sogar z u r Vierstimmig eit — sich zuweilen der zweistimmige Satz in Kurvenbewegung einer oder beider Linien mit der W i r k u n g klanglicher Steigerung ausweiten kann. Gleiches ist der Fall, wenn die Wechselnote eine Spannungsdissonanz verursacht, deren Sekundauflösung der anderen Stimme auferlegt ist.
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Die unvorbereitete Dissonanz w i d e r s p r i c h t als unvermittelte Klangerscheinung dem der polyphonen Musik
83
Formen des Zusammenklanges
innewohnenden Grundsatz, daß der einzelne Formteil nicht durch aufdringliche Wirkung die Stetigkeit des Ganzen stören darf; er hat daher ähnlich w i e etwa die allzu ausdrucksbetonten Intervalle eine etwas sentimentale Färbung. Unbedenklich kann sie im zweistimmigen Satz angewandt werden, wenn die ihr fehlende allmähliche Klangsteigerung im musikalischen Zusammenhang gegeben ist, derart nämlich, daß die andere Stimme den dissonanten Ton in s t e l l v e r t r e t e n d e r Vorber e i t u n g vorher gebracht hat, also etwa: • y /. fm .vy Bei
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der
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kommt es sehr auf die näheren Umstände an: 1. V e r ständlicher als im zweistimmigen Satz ist sie im dreiund mehrstimmigen, weil hier die Gestalt des Akkordes dem Verständnis Hilfestellung leistet, verständlicher als
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es
-o| 2. Natürlicher als in großer wirkt sie in kleiner Sekundbewegung, da hier die Anziehungskraft des Zieles größer ist, das Hineingleiten in die Bahn der Konsonanz sich reibungsloser vollzieht. verständlicher
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als
selten möglich 4-
3. In der Oberstimme ist sie eher möglich als in der Unterstimme, denn bei tieferen Tönen macht sich die nach unten zerrende Schwerkraft stärker bemerkbar als bei höheren, „leichteren". 6*
84
Zweistimmiger Liedsatz s c h w e r verständlich
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Die Durchgangsdissonanz scheint überhaupt die entwicklungsfähigste von allen zu sein, wahrscheinlich, weil sie das grundlegende Melodieelement, den Sekundweg, am konsequentesten ausprägt. In Bildungen wie I .!,
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kann man z w a r die durch Pfeile bezeichneten Töne der Oberstimme als Spannungsdissonanzen verstehen, ebensowohl aber auch und in weniger kleinlicher Auffassung die entsprechenden Stellen der Unterstimme als Durchgangsdissonanzen. So betrachtet, zeigt sich ein weiträumiger Durchgang, der den Bogen der O r d n u n g gute oder schlechte Zeit über die üblichen innerhalb des einzelnen Taktes verankerten Pfeiler hinaus erweitert und im Unterschied zum einfachen z u s a m m e n g e s e t z t e r D u r c h g a n g genannt sei
Formen des Zusammenklanges
85
Z u r Vervollständigung unserer Begriffsreihe einfacher — unterbrochener (siehe S. 47/48, im Satz das in Takt 22/23 mehrfach wiederkehrende a') — zusammengesetzter Durchgang hier noch der zuweilen auftretende v e r zögerte Durchgang: -sJ
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Schließlich sei noch auf die Möglichkeit des unbetonten Auftretens der Spannungsdissonanz hingewiesen (im Satz: Takt 4, wo sie allerdings im Sinne einer verhüllten Dreistimmigkeit zu verstehen ist). Es ist klar, daß ein zu häufiges Erscheinen dieser schief sitzenden Spannungsdissonanz die Taktordnüng zerreißt, bzw. einen Taktwechsel z u r Folge hat. Hingegen empfiehlt sich ihre Anwendung, wenn sie dem Einsatz einer Stimme zu besonderer Wirkung verhilft (Satz: Takt 13). Die rhythmischen Abweichungen von den Regeln der c.-f.-Übung begründen sich durch die größere Weite der Wertskala. Ein kleinster Wert existiert nicht, da immer noch ein kleinerer denkbar und anwendbar ist. Das Verbot der Bindung von Viertel zu Viertel (oder bei verkürzter Notation von Achtel zu Achtel usw.) wird somit gegenstandslos. Geltung behält hingegen der Sinn dieser Regeln, der sich gegen den stilwidrigen isolierten Vorgang richtet. So wird z. B. eine vereinzelte Achtelbindung nach wie vor selten am Platze sein, sie will sich im rhythmischen Spiel gleichwertiger Nachbarn ausbalancieren (der Satz bietet hierfür Belege in den Takten 8/9 und 22/24). Ähnlich verhält es sich mit den übrigen, die Längenwertmischung regulierenden Anweisungen. Wenn zwei Stimmen ihre Rhythmen mischen, so ist allerdings zu berücksichtigen, daß in der einen der Pulsschlag auch der anderen spürbar ist. Ruhige Töne füllen und teilen sich durch die gleichzeitig erklingenden Schläge der schnelleren und erlangen damit die Möglichkeit, mit stärker kontrastierenden Werten Gruppierungen und Bin-
86
Zweistimmiger Liedsatz
düngen einzugehen, als dies in der c.-f.-Übung der Fall sein konnte. Dies gilt z. B. im Satz für die halben Noten der Takte 7 und 17/18, deren Isoliertheit bis zu einem gewissen Grade durch die Viertel bzw. Achtel der Weise aufgehoben erscheint. Allerdings ist es nicht ratsam, solche Bildungen gehäuft und ohne sorgsame Prüfung des musikalischen Zusammenhanges anzuwenden, da sonst die Eigengestalt der einzelnen Linie gefährdet wäre. Nach dieser Erörterung, die von den formbestimmenden Merkmalen des c. f. ausgehend die konforme Anlage der Gegenstimme untersuchte, soll jetzt die Arbeit selbst bedacht sein. E s ließen sich mannigfache Hinweise geben: auf die Notwendigkeit der Ausdruckszurückhaltung des Anfangs, der im Interesse des später Folgenden nicht das gesamte Pulver verschießen will, auf die im allgemeinen dem Mittelteil obliegende Aufgabe der ausschweifenden, expressiven Steigerung zum Höhepunkte, auf die schlußbildende, abrundende Funktion des oft auf Anfangsgedanken zurückgreifenden Endteiles — Dreiteiligkeit ist eine Grundmöglichkeit der Form —, doch wird ein präzises Beispiel den Arbeitsverlauf anschaulicher andeuten können. D a dieser sich bei einem kürzeren c. f. übersichtlicher als bei einem ausgedehnteren vollzieht, sei von den zur Aufgabe gestellten Melodien der Seiten 23/29 die Weise „Zwischen B e r g und tiefem T a l " gewählt. Text und Haltung der Melodie legen es nahe, den Satz Männerstimmen zuzuweisen. Wenn die Stimmen Tenor und B a ß sich gegenseitig Platz lassen wollen, ist die Transposition des c. f. notwendig: w i r legen ihn auf g in den Tenor. Ins O h r fallend der charakteristische Rhythmus der Weise, die scharfe Deklamation des Textes. D e r Ausdruck des Trotzes in der unregelmäßigen Lagerung von Vierteln und Halben löst sich in den andersartigen Rhythmen der Worte „liegt ein freie Straßen" (hier noch unvollkommen) und „muß ihn fahren lassen" (hier endgültig
87
Arbeitsbeispiel
in dem Hinausströmen der entspannenden Achtelbewegung über die B a r r i e r e der Synkope), wobei die ästhetische Befriedigung über das rhythmische happy-end natürlich diesen Worten zugute kommt. E s w i r d um der Erhaltung der Spannung willen sinnvoll sein, zu Anfang den Rhythmus der Weise in der Gegenstimme blank, unverwischt zu lassen, also mit beiden Stimmen gleichzeitig zu beginnen und Note gegen Note zu setzen, etwa I
I
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J•2:
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—
-h tie - fem Tal Zwischen Berg und Aber damit spätestens ist auch der Moment gegeben, den Kontrapunkt vom c. f. zu lösen, dessen Z ä s u r zu überbrücken. Wenn man hierbei darauf achtet, den neuen Einsatz der Weise unbeschädigt zu lassen, ergibt sich die rhythmische G r u p p i e r u n g tie-fem Tal da liegt I ! Tenor:
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J
Baß:
I i ! I I tie-fem Tal da liegt. Die z u r guten Taktzeit hinüberreichende Bindung des Basses läßt an einen Ton denken, der die Klangsteigerung z u r Dissonanz ermöglicht und damit die W i r k u n g des Tenor-f' verstärkt. Setzen w i r hier das f ü r die Weiterführung günstige c, so heißt der Übergang tie - fem Tal da liegt I
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T tie - fem Tal da liegt_ Jetzt die folgenden Halben des c. f. auch im B a ß zu über-
88
Zweistimmiger Liedsatz
nehmen, w ä r e nicht glücklich. Besser, weiterzudrängen, bei den Vierteln zu bleiben, w o f ü r , da die Dissonanz c die Abwärtsbewegung auslöst, die Töne c, B, A, G zur Verfügung ständen. Diesen Gedanken formt die Deklamation des Textes z u r knappen melodischen Geste liegt
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ein
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Stra- ßen
Damit hat sich der Gliederungsabstand der Stimmen weiter vergrößert. Man w i r d ihn nachgerade ein w e n i g einholen und die neue Zeile etwas ausgedehnter musizieren müssen. Dies läge ganz im Sinne der melodischen Entwicklung, die nach i h r e r bisherigen Abwärtstendenz jetzt nach oben drängt, ihren Höhepunkt sucht und zu dieser entscheidenden Aktion verhältnismäßig mehr Zeit benötigt. Als Ausgangspunkt ergibt sich rhythmisch natürlich das 2. Viertel des neuen Taktes, das am besten säße, wenn es in V e r s c h r ä n k u n g der Stimmen zum nächsten gebunden w ä r e . Also w i e d e r c, das sich dissonant füllen w ü r d e ? Dieser Ton hat durch seine mehrfache Wiederholung an Wirkung verloren. Ihn nochmals zu bringen, ließe sich n u r rechtfertigen, wenn er als Sprungbrett eines Neuen in Erscheinung träte, wenn sein Bekanntsein sich im Sinne einer beabsichtigten melodisch-rhythmischen Überraschung verstehen ließe. Diesen verschiedenen Momenten könnte eine Bewegung entsprechen, die in Achtelsteigerung zum Höhepunkt a führt.
Arbeitsbeispiel
89
Aber wie soll man den Text aufteilen? D a bei dem größeren U m f a n g dieses Abschnittes mindestens einer Silbe m e h r e r e Noten zugeteilt werden müssen und man das Wort „Buhlen" gern auf diese Weise vor den anderen auszeichnen w i r d , liegt die Textierung nahe
1 * J bJ-
Wer sei-nen Buh - len nit Doch w i r k t die Deklamation etwas matt, der nicht leichte Achtelwechsel Buh-len gezwungen. Wenden w i r uns von neuem der melodischen F ü h r u n g zu, so scheint auch diese noch nicht ihre befriedigende Spitze und überzeugende Entwicklung gefunden zu haben. Also weiter nach oben? Aber dann nach eis'! Dies behebt auch die Textierungsschwierigkeiten, und die Fortsetzung findet sich im Rückschlag der Bewegung von selbst. Stra-ßen:
jlij
Pi
Wer
sei-nen B u h - l e n nit haben mag
J J JJ ,
f» Wer seinen Buh - len nit ha - ben mag, Die Bildung des Schlußteils kann gleichfalls von mehreren Anhaltspunkten ausgehen: 1. Die Reibung zwischen dem schließenden a des Tenors und dem g des Basses (das klanglich, auch wenn es bereits verlassen wurde, natürlich in die P a u s e hinein weiterwirkt) weist als neuen Anfangston auf f oder besser fls. 2. Die Entwicklung dürfte nunmehr die Tiefe aufzusuchen haben, die bisher n u r schwach in den Achteln A und G berührt w u r d e , also noch w i r k u n g s f r i s c h ist. 3. Die c.-f.-Bindung von der Halben z u r Viertel d' verlangt nach einem aktiven Ton des Kontrapunktes, hier drängt sich der neue Ton es auf. 4. Endton natürlich g, am zweckentsprechendsten wohl in gleichzeitiger Schlußbildung der Stimmen erreicht.
Z w e i s t i m m i g e r Liedsatz
90
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I
Die Lücken schließen sich unschwer. Nimmt man zu Taktanfang das gut sitzende G an, dem man im Kontrast z u r Achtelbewegung der vorigen Zeile etwas Ruhe gönnt, so ist das Wesentliche getan, das nur noch abzurunden ist. ha - ben mag, der m u ß ihn fah-ren las -
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Die Dreiteilung: der zurückhaltende 1. Teil bis zum 3. Takt, der ausholende, steigernde Mittelteil mit dem Höhepunkt eis', der wieder beruhigende Schlußteil mit den Tiefpunkten G und F. Die den Tonkreis erweiternden neuen Töne: h, eis, fis und es. Klangliche Freiheiten: die Sekunde f g' Ende des 4. Taktes als D u r c h g a n g gerechtfertigt, die verminderte Q u a r t eis' f' in Betonung des Wortes „nit", aufgelöst im folgenden d' des c. f., die unvorbereitete Spannungsdissonanz zu Anfang des nächsten Taktes wiederum durch Sekundgang begründet. D a s Beispiel zeigt, bewußt zugespitzt, das dem c.-f.Satz eigentümliche Moment der P h a n t a s i e l e n k u n g : Gewisse Punkte der Weise, tonliche, rhythmische Phasen ihres Entwicklungsverlaufes erzwingen ein präzises Gegenüber beim Kontrapunkt, stellen Bedingungen, denen dieser als ihr „geometrischer O r t " zu entsprechen hat, sind Leitsterne der kontrapunktischen Kombination. Glücklicherweise ist ihre Leuchtkraft von dem Standpunkt des Betrachters abhängig, der, je nachdem er die Weise auffaßt, die Richtschnur des Satzes an anderen Stellen und in a n d e r e r A r t sehen w i r d .
92
Z w e i s t i m m i g e r Liedsatz
D a ß er sich dazu erziehe, den Standpunkt zu wechseln, ist die unerläßliche Voraussetzung f ü r ein nutzbringendes Ergebnis der Arbeit. Man mache es sich daher zur Bedingung, jeden c. f. mindestens zweimal und unter mannigfach verschiedenem Aspekt zu setzen. Hierbei hüte man sich vor der wörtlichen Übernahme zusammenhängender melodischer Teile des c. f. in den Kontrapunkt: Die I m i t a t i o n , etwa
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-ba-
sei als „melodischer Diebstahl" vorläufig ausgeschaltet. Ihre grundlegende Bedeutung als ein Mittel der melodischen Vereinheitlichung der Stimmen kann sich erst auf einer vorgerückten Stufe der Betrachtung und des Könnens erweisen. Die beiden nachfolgenden Sätze als Beispiel einer zweimaligen c.-f.-Bearbeitung.
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K. 2 Hoch
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94
Z w e i s t i m m i g e r Liedsatz
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D e r Alt, durch seine Nachbarschaft zum c.-f.-Sopran räumlich beengter als der B a ß , dem ein w e i t e r e r Abstand als Tätigkeitsfeld zur Verfügung steht, zeigt sich in A u s d r u c k und Entwicklungskurve zurückhaltender als dieser. E i n hervortretender Höhepunkt fehlt ihm, e r „tritt auf der Stelle". A u s g e p r ä g t e r allenfalls die F ü h r u n g zum Tiefpunkt g, mit der sich sein Mittelteil (beginnend mit es') von den beiden die gleichen tonlichen Regionen durchschreitenden Eckteilen abhebt. D i e s e der W e i s e abgesehene Dreiteilung w i r d unterstrichen durch den synkopischen Halt des 5. T a k t e s an der Stelle der c.-f.-Pause
96
Z w e i s t i m m i g e r Liedsatz
und durch die P a u s e n z ä s u r des 7. Taktes, vor allem auch durch die zu Anfang des Mittelteiles einsetzende neue Note es. Die Dreiteilung des Basses ist aktiver gefüllt. Tiefgreifender als die rhythmischen Trennungsstriche — die B e w e g u n g s z ä s u r der Halben im 5. Takt, die Viertelpause im 7. — gliedern die Ausdruckskontraste: D e r energische A u f s c h w u n g des 1., die expressive Hochlage des 2., die abrundend wiederkehrende Achtelbewegung des 3. Teiles, die zum aufgesparten G des Beginns zurückführt. Man beachte die insbesondere bewegt kurvenreicher Melodief ü h r u n g unentbehrliche Straffung durch konsequenten Einsatz von Sekundweg und -brücke. Mancher der im Lauf der Arbeit entstehenden Vokalsätze w i r d nebenher auch der instrumentalen A u s f ü h r u n g zugänglich sein. (So könnte etwa die Baßstimme des letzten Beispieles vom Violoncell übernommen werden.) Setzt die Beurteilung dieser Möglichkeit n u r eine verhältnismäßig grobe Kenntnis des Instrumentes voraus, so ist beherrschendes Wissen um dessen Eigenart im Klanglichen und Technischen selbstverständliche Voraussetzung f ü r den eigentlichen Instrumentalsatz. Gerade der c.-f.Satz in seiner knappen Formgebung eignet sich z u r kompositorischen E i n f ü h r u n g in die mannigfachen, je nach Wahl des K l a n g k ö r p e r s verschiedenartigen Musiziermöglichkeiten. Man schreibe daher, wenigstens zu Anfang, nie f ü r „beliebige Besetzung", sondern richte die Phantasie stets auf ein ganz bestimmtes Instrument, f ü r das und kein anderes der Kontrapunkt gelten soll. E s fehlt der Platz, um auf die Besonderheiten instrumentaler Melodiebildung einzugehen, welche die Grundzüge der beengteren und strengeren des Vokalsatzes im gleichen Maße freizügig variiert und erweitert, in dem das Instrument an Tonumfang und Leichtigkeit der Tongebung der menschlichen Stimme überlegen ist. Immerhin seien als Andeutung und Anregung zwei k u r z e Beispiele gegeben.
Instrumentalsatz
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A u f g a b e : In einer Gegenstimme vier Noten gegen eine *). Die Taktordnung (*/2) erinnert daran, daß 3. und 7. Viertel weniger Gewicht'haben als 1. und 5. und daher (wie 2., 4. und 6.) bei geradliniger Bewegung Dissonanzt r ä g e r sein können. E r i n n e r t sei auch an die F o r m e n des unterbrochenen D u r c h g a n g e s (siehe Seite 47/48). *) A u ! Beispiele zu A u f g a b e n dreiteiligen T a k t e s m u ß t e hier wie später aus R a u m g r ü n d e n verzichtet w e r d e n .
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I 7.u den klanglichen Mitteln der Kombination von Halben und Vierteln tritt hier die in der vorigen Übung erworbene Spannungsdissonanz, und z w a r in mannigfaltigerer F o r m , da Sekund und Sept, die beiden entscheidenden Dissonanzintervalle, jetzt auch durch Töne ergänzt w e r d e n können, die bisher nicht oder n u r beschränkt möglich w a r e n :
124
Dreistimmige Übung
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Den Kulminationspunkt der Klangmischung stellt innerhalb einer G r u p p e von vier Vierteln offensichtlich das 2. Viertel dar. Auf ihm können alle Töne gesetzt werden, die zu Anfang des Taktes hätten stehen können (1), alle, die mit den beiden anderen einen konsonanten Zusammenklang bilden (2), und schließlich als klanglich interessanteste Möglichkeit alle'erlaubten unbetonten Dissonanzen (Durchgang, Quartwechselnote) (3). D a die Viertelbewegung auf dem folgenden 3. Viertel nicht n u r Konsonanzen, sondern unter Umständen w i e d e r u m auch Durchgangsdissonanzen berühren kann (4), ergibt sich eine Fülle der Bildungen, die andeutungsweise wenigstens in einigen F o r m e n skizziert sei.
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A u f g a b e : Beide Gegenstimmen in gemischten Werten. In dieser Zusammenfassung aller Satzmöglichkeiten der dreistimmigen c.-f.-Übung steht das Moment der rhythmischen Verknüpfung der Gegenstimmen im Vordergrund. Nur in gegenseitiger Rücksichtnahme können die Stimmen ihre Eigenabsichten voll zur Geltung bringen, und vorwiegend im rhythmischen Kontrast als Ergebnis solcher Rücksichtnahme präsentieren sie sich dem O h r als selbständige und gleichwertige Gebilde innerhalb der polyphonen Stimmengemeinschaft: Schnelle Bewegung der einen bedarf des ruhigen Hintergrundes der anderen, gleichzeitige kurzwertige Bewegungen heben einander auf. Man mache es sich daher bei den ersten Aufgaben zur Bedingung, z w a r die Viertelbewegung wohlverteilt auf die Kontrapunkte vom Anfang bis zum Ende ohne Unterbrechung durchzuführen, sie jedoch nie gleichzeitig in beiden Stimmen zu setzen (Satz 1 der nachfolgenden Beispiele entspricht in etwa dieser Bedingung).
Beide Gegenstimmen in gemischten Werten
129
Anders, w e n n die gleichartige Bewegung der Absicht der Stimmenkoppelung dient, also deutlich mit dem Zweck eingesetzt ist, zwei Stimmen zu einer zusammenzuziehen und damit den dreistimmigen Satz zu einem klanglich intensivierten zweistimmigen zu vereinfachen. Dies setzt allerdings Gleichartigkeit auch der Melodieführung voraus, wie sie insbesondere bei Sekundgängen gegeben ist,
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Dreistimmiger Liedsatz
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Fragen der Gliederung
135
Mit wachsender Stimmenzahl steigen die Ansprüche des polyphonen Satzes an die Aufnahmefähigkeit des Hörers, und es wächst die Gefahr eines Mißverhältnisses von Notenbild und Hörwirklichkeit, musikalischer Absicht und klanglichem Resultat. Was eine Musik auf dem Papier zu sein vorgibt, ist nicht von Belang, entscheidend nur, was hiervon „zum Klingen" kommt, wie weit es das deutende Verständnis des Hörers zu erreichen vermag. So betrachtet ist die Lehre des Satzes nicht zum wenigsten eine Unterweisung in den Praktiken, wie man die Dinge dem Hörer (dem „idealen" Hörer, versteht sich) ins O h r legt, sie ihm ohrgerecht macht, ihn zwingt, zuzuhören, wie man die musikalische Idee so formt, daß er nicht umhin kann, sie zu verstehen und aufzunehmen. (Obschon die Gerechtigkeit gebietet, auch der entgegengesetzten Methode, wenn sie mit einiger Geschicklichkeit durchgeführt wird, einige Wirkung zuzuerkennen, denn Unverständlichkeit hat die große Chance, mit Tiefe des Gedankens verwechselt zu werden, und die aufgezäumten Schlachtrosse der musikalischen Absicht können, auch wenn sie im friedlichen Stall des Mißlingens verbleiben, diesem ein gewisses heroisches Ansehen verleihen.) Übersichtlichkeit des Aufbaues, klarer und wirkungssicherer Einsatz der melodischen und klanglichen Mittel sind die Bedingungen, deren Erfüllung erst einer Musik das Recht gibt, mit Hörverständnis rechnen zu können. Die architektonischen Probleme werden um so entscheidender, je umfangreicher ein Satz ist. In den kurzen Stücken der vorliegenden Art treten sie ziemlich in den Hintergrund, besonders da im wesentlichen der gegebene c. f. den Aufbau diktiert. Immerhin haben die Gegenstimmen die Tendenz, die Einschnitte der Weise bis zu einem gewissen Grade zu verdecken und zu überschneiden. J e mehr sie solcherart sich dem Schutze des c. f. entziehen, um so näher rücken ihnen die Eigensorgen des Aufbaues. Gerade in diesen Gliederungsspannungen der Linien liegt ein besonderer Reiz des polyphonen Satzes, vorausgesetzt, daß sie überwacht und
136
Dreistimmiger Liedsatz
gezügelt eingesetzt sind. Treten sie überwuchernd und regellos auf, bedeuten sie eine Hörgefahr. Man treibe dah e r das konstruktive Gegeneinander nicht zu weit und unterstelle es vor allem einer ordnenden Idee. Im Satz „Gelobet seist du, Jesu C h r i s t " z. B. erfolgt nach der durch den Tenor überbrückten Sopran-Baß-Kadenz bei „ C h r i s t " und den im Abstand einer Halben fallenden Schlüssen bei „bist" eine E r w e i t e r u n g des Gliederungsabstandes derart, daß der T e n o r hinter dem c. f. i m m e r mehr zurückbleibt, der B a ß umgekehrt ihm i m m e r weiter vorläuft. D a s „Kyrieleis", in das schließlich die Stimmen wieder geschlossen einmünden, erhält somit als Lösung der Spannungen besondere Eindringlichkeit, zu der auch der pausenfrische Baßeinsatz beisteuert. In „Wann ich des Morgens früh aufsteh" gliedert die gemeinsame Kadenz der Stimmen bei „geheizet schon" den Satz in zwei Teile, einen einführend zurückhaltenden und einen expressiv ausbauenden, und der Neueinsatz der Stimmen zu Beginn der 2. Hälfte verstärkt die A u s d r u c k s k r a f t des melodischen Höhepunktes. Die von Z ä s u r zu Z ä s u r reichenden Melodiekreise sind um so leichter f a ß b a r , je deutlicher in ihnen tonales Zentrum und Quint-Ouart-Radius ausgeprägt sind (siehe S. 16/17). Als Beispiel betrachte man etwa die einfachen U m r i s s e des Soprans „Wann ich des Morgens", der seine Kurven um g (g'—d"—d'—g') und f ( f ' — c " — f ) , dann um b (b'—f'), schließlich um f (f"—c") und g (g'—d"—g') schlägt. Von neuem m u ß auf die Bedeutung der f ü r das Verständnis grundlegenden Grenzpunkte der Melodieabschnitte hingewiesen werden. Wie dem Schauspieler eindrucksvoller Auftritt und Abgang, sind dem Spiel der Linien Einsatz- und Schlußnoten der melodischen Kreise Angelpunkte der F o r m , im dreistimmigen Satz m e h r noch als im zweistimmigen, da die Szene um eine dritte agierende P e r s o n erweitert ist und die entsprechend reicheren Beziehungen klarste Darstellung benötigen. In diesen Punkten soll sich die Stimme dem O h r hörauf-
Der Zusammenklang
137
fällig zeigen: Sie setze mit einem melodisch und klanglich möglichst neuen Ton ein, sie schließe in gleicher Eindringlichkeit. D a m i t ist bereits das im Vergleich zum zweistimmigen Satz weitaus bedeutendere Feld des Zusammenklanges berührt. Tatsächlich b e w ä h r e n sich alle Aktionen der Linie erst in der Fläche des Akkordes. Echte Vielstimmigkeit kennt eben keine Nurmelodie. D a s stimmliche Leben bedarf der Z u s a m m e n f a s s u n g des Akkordes, oder — auf unseren neuen Beziehungsfaktor eingestellt — es kommt z u r Hörgeltung nur, wenn es in jedem wesentlichen P u n k t Anteil am Gesamtgeschehen, am Leben des Zusammenklanges nimmt, der nach Vieltönigkeit und h a r m o n i s c h e r Weiterentwicklung strebt. Die Stimmen sollen sich klanglich ergänzen, dreitönigen Bildungen ist der V o r z u g vor zweitönigen zu geben. Dies heißt nun nicht, d a ß an jeder wesentlichen, taktbevorzugten Stelle ein vollständiger A k k o r d entstehen soll. F r u c h t b a r e r ist unter Umständen die andere Möglichkeit, die, von einem unvollständigen Klang ausgehend, diesen im Verlaufe des Taktgebietes füllt und so die Strecke von einer guten z u r nächsten guten Taktzeit im klanglichen crescendo durchläuft. Beispiele h i e r f ü r finden sich z u r Genüge in den beiden vorgestellten Sätzen. Im ersten e t w a : das auf der 1. Halben des 2. Taktes fehlende b erscheint auf der 2. Halben, das auf 2 fehlende b des 3. Taktes auf 3, das zu A n f a n g des Taktes 4 fehlende a am Schluß usf. Solche innerhalb eines stehenden Klanges sich vollziehenden Melodiebewegungen zum fehlenden Ton hin sind oft mit dem Verlust eines der beiden anfänglichen Akkordtöne verbunden, ohne daß damit ihre klangbereichernden Absichten negiert w ä r e n : Sie können mit dem E r i n n e r u n g s v e r m ö g e n des O h r e s rechnen, das am Ende der Bewegung den verlassenen Ton zu den anderen hinzuhört, weil er in seinem Gedächtnis lebendig blieb. So w i r k t im 2. Takt des genannten Satzes das g in die 2. Halbe hinein weiter nach, das f im 4. bis zum Taktschluß. Diese psychologische Tatsache, der das Hör-
138
Dreistimmiger Liedsatz
bestreben zugrunde liegt, das Klanggeschehen zu vereinfachen, eben au! den Dreiklang zurückzuführen, gibt dem dreistimmigen Satz auch das Mittel des Vierklanges in die Hand. Beispiele hierfür zeigen die Takte 6 und 10 des 1. Satzes, in denen beidemale der Septakkord es g b d erscheint, dessen fehlender Ton g sich im Hörgedächtnis nachklingend einfügt, wie übrigens auch beidemal die Sept erinnerungsmäßig vorbereitet ist. Allerdings darf man hier von der Tatsache der Vorbereitung nicht auf das Vorhandensein einer Spannungsdissonanz schließen. Dies wäre zwar nicht gänzlich unmöglich, doch legen Taktzeit wie klanglicher Sinn des Septeintritts eine andere Dissonanzauffassung nahe: Der musikalische Zusammenhang weist die Sept als Bestandteil einer Akkordgrundform aus, die den Terzenaufbau des Dreiklanges um ein weiteres Terzstockwerk zum S e p t a k k o r d ausweitet. Hier erstmalig ist die Dissonanz nicht intervallmäßig, also melodisch erzeugt, sondern akkordisch, als Eigengewächs des Zusammenklanges, zu verstehen (wobei von der entwicklungsgeschichtlichen Entstehung dieser letzten aus jener ersten Form abgesehen werden kann). Das d der genannten Takte steigert den es-Dreiklang, ist mehr oder weniger Akkordselbstzweck, Ausdruck der harmonischen Fortschreitungstendenz. Beide Auffassungen, die intervallmäßige (Spannungsdissonanz) und die harmonische (Septakkord) schließen sich nicht unbedingt gegenseitig aus, und wenn man will, kann man zur Not jede Intervalldissonanz als Akkorddissonanz und umgekehrt diese als jene verstehen. Doch würde man damit die Unterscheidung von Polyphonie und Homophonie verwischen und sich der Einsicht verschließen, daß in Stellen der genannten Art sich homophone und polyphone Stilmomente verbinden, eine Tatsache, die über das Beispiel hinaus Gültigkeit für einen großen Teil der Gegenwartsmusik hat, welche zwar der polyphonen Ordnung zustrebt, aber die homophone nicht gänzlich aufgeben will, und im Her und Hin der Möglichkeiten, getrieben von der Suche nach
Septakkord — Quartparallele
139
der neuen Form, die vielfältige und mannigfach gegensätzliche Gestalt zeigt, die nur langsam im großen Probierkessel der Zeit sich zu klären beginnt. Auch Bildungen von der Art, wie sie der Satz „Gelobet seist du, Jesu Christ" in Takt 4 aufweist, wollen von der Akkordgestalt her verstanden werden, obwohl diese Stelle den Intervallvorgang Vorbereitung/Auflösung deutlicher vor Augen rückt als die zuvor genannten Beispiele: innerhalb des gleichmäßig in Nivellierung von guter und schlechter Taktzeit vorrückenden Akkordgeschiebes bewährt sich die Sept (bzw. ihre Sekundumkehrung) mehr als klanglicher Kitt, als Intervallsteigerung der Harmonieverbindung denn als primär wirkende, die Harmonieverbindung erzeugende Dissonanzkraft. Dieser Möglichkeit der Klangerweiterung zum Vierklang steht als wichtiges Mittel der Vereinfachung die bereits in der c.-f.-Übung erwähnte der Stimmenschrumpfung gegenüber. Bei Parallelführungen im gleichen Rhythmus verschmelzen die Stimmen zur melodischen Einheit. D i e s e r Satzbeginn z. B. D e r Wächter der
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140
Dreistimmiger Liedsatz
dung verliert sie ihren neuzeitlichen Klangreiz und wirkt um nichts origineller als die „romantische" Sext. Gleicher Absicht der klanglichen Verdichtung dient die l i e g e n d e S t i m m e oder (wenn es sich um die tiefste des Satzes handelt) der O r g e l p u n k t . Der Satz „Wann ich des Morgens" ist hierfür in seinen Schlußtakten Beispiel: D a s liegende g des Tenors ist von einer höchst aktiven Passivität. E s ist zur Ruhe eingelaufen, während die Außenstimmen sich noch bewegen, setzt sich diesen gegenüber aber durch, zwingt sie iii sein Geleise, und z w a r nur mit entschlossenem Beharrungsvermögen, das alle Dissonanzschuld den anderen Stimmen zuschreibt. D a insbesondere Anfang und Schluß einer Musik das Aus-der-Ruhe-Kommen und In-dieRuhe-Einmünden ausdrücken, erscheint natürlicherweise die liegende Stimme an diesen Stellen besonders häufig. Zu Beginn beispielsweise c.fIX
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Bedeutungswandel der Dissonanz
141
Neuerwerbung der letzten Jahrzehnte angesehen werden kann. Wenn die Sept des Septklanges Akkorddissonanz genannt wurde, so sollte hiermit gesagt sein, daß der Akkord die Dissonanz verschluckt hat, diese ein Teil des Gesamtklanges geworden, die Intervallspannung von der allgemeinen akkordischen Fortschreitungstendenz aufgenommen ist. Am sinnfälligsten trifft dies für den Dominantseptakkord der homophonen Musik zu, in dem die Sept ihre Dienste im Rahmen der dem Dominantdreiklang obliegenden Pflicht der Weiterführung zur Tonika tut, indem sie die Bindung der Klänge V und I verstärkt. Die Sept hat demnach, je nach ihrem stilistischen Einsatz, verschiedene Klangbedeutung: 1.: Sept als Intervalldissonanz
2.: als Akkorddissonanz
3.: als Konsonanz
Sie kann Intervalldissonanz sein (Beispiel 1), in einer 2. Stufe der Entwicklung wandelt sie sich zur Akkorddissonanz, für deren Auflösung der Gesamtklang haftbar ist (Beispiel 2: zwar wird auch jetzt zumeist die gleiche Stimme die Entspannung bringen, aber dies braucht, wie das Beispiel zeigt, nicht unbedingt der Fall zu sein). Beispiel 3 zeigt eine weitere Entwicklungsstufe, und dieser vor allem gilt das Interesse der Ausführungen: Der Akkord verleibt sich die Sept vollends ein, ihr dissonanter Eigen-Sinn ist durch steten gleichförmigen Gebrauch so abgenutzt, daß sie ihn nicht mehr behaupten kann, vielmehr hat ihr klangliches Zuhause, die Septharmonie, als Akkordgestalt den Charakter einer Grundform, einer Parallele zum konsonanten Dreiklang erhalten; mit einem
142
D r e i s t i m m i g e r Liedsatz
W o r t : die Dissonanz Sept ist z u r Konsonanz Sept geworden. Diese Möglichkeit ist innerhalb der homophonen Stilperiode zum wenigsten beim Dominantseptakkord, dem Z u s a m m e n k l a n g von D u r d r e i k l a n g und kleiner Sept, gegeben, findet m e h r oder weniger Geltung aber auch bei den übrigen Septklängen. D a r ü b e r hinaus e r f a ß t die gleiche Entwicklung auch andere dissonante Tonverbindungen, zum Beispiel die sich nach oben auflösende große Sekunde des Quintsextakkordes:
Vi/ Bei 1 ist die Sekunde es f noch Intervalldissonanz, bei 2 A k k o r d d i s s o n a n z ; bei 3 die gleichkonstruierte b c aber Konsonanz (eine Anwendungsmöglichkeit, die gerade von der populärsten aller Musikgattungen, der Tanz- und Unterhaltungsmusik, mit besonderer Liebe als Schlußformel der „schummerigen Sext" aufgegriffen wurde). N u r ein kleiner Schritt f ü h r t z u r letzten Konsequenz der Entwicklung. Bereits die ausgehende Epoche setzt zu ihm an, wenn sie die Dissonanz akkordisch umwertet, sie ihres Intervallcharakters entkleidet, um sich klangfunktionell mit ihr zu bereichern, die neue vollzieht ihn: J e d e D i s s o n a n z k a n n als K o n s o n a n z v e r standenundangewandt werden, wennder musikalische Z u s a m m e n h a n g dies rechtfertigt. Die G e f a h r solcher doppelsinnigen A n w e n d u n g der Dissonanz springt ins Auge, und es ist nicht zu leugnen, daß die Musik der G e g e n w a r t in ihren Anfängen ihr
Bedeutungswandel der Dissonanz
143
nicht völlig entgangen ist: Bei unbedenklicher Handhabung verwischt sich die Grenze zwischen den Klangqualitäten Konsonanz und Dissonanz bis z u r völligen Unkenntlichkeit, die Werte gleichen sich an, w e r d e n identisch, und K l a n g v e r a r m u n g ist das Resultat der klangbereichernden Absichten. Die neue P r a x i s hat mittlerweile den konsonanten Einsatz der Dissonanz wesentlich eingeschränkt und strengeren Gesichtspunkten unterworfen, ohne aber grundsätzlich auf ihn zu verzichten. Hierbei kann beobachtet werden, daß, nächst der ohnehin eine Ausnahmestellung einnehmenden reinen Quart, bevorzugt die große Sekunde sich dem Bedeutungswandel unterworfen zeigt, Klangbildungen etwa von der A r t der folgenden: y fm i VM;
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Es sind Klänge, deren Vieldeutigkeit evident ist, der Akkord g' a ' d " beispielsweise kann je nach dem Zusammenhang in jedem seiner Töne dissonant verstanden werden,
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Dreistimmiger Liedsatz
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Vorgänge Dissonanz und Auflösung z w a r auseinanderzieht, ihre kausale Verbindung aber hütet. D e r Sekundquintakkord behauptet sich, unentschieden, ob konsonant oder dissonant, 4 Takte hindurch, unterbrochen nur (im 3. Takt) durch Klangvarianten, um aber dann schließlich doch dissonanzbeflissen in seine Auflösung, den Durdreiklang auf g, zu gleiten (wobei übrigens vorübergehend die Dissonanzauffassungen 1 und 3 des letzten Beispieles im Endakkord des 2. Taktes Äußerung finden). Solche Klangbildungen, s t e h e n d e D i s s o n a n z e n , die sich erst nach längerer Strecke schwankender Bedeutung entladen, grenzt nur eine dünne Scheidelinie vom gänzlich konsonanten Einsatz ab. Doch bleibt in ihnen der elementare Grundsatz des Gegensatzes, der polaren Schichtung des Klanges gewahrt. Nicht zu verkennen ist, daß die neue Musik in diesen andeutungsweise umrissenen Klangneigungen der Homophonie verhaftet ist. Ob der Akkord die Dissonanz mit Haut und H a a r vertilgt und zur Konsonanz verdaut, ob er sie als Akkorddissonanz oder stehende Dissonanz in sich birgt und damit von neuem Strebeakkord wird, in beiden Fällen bereichert sich das klangliche Geschehen auf Kosten der Linie, neben den polyphonen Willen tritt die homophone Beharrung. Die wachsende Einsicht in diesen Zwiespalt nicht zum wenigsten hat im letzten J a h r P e p p i n g , Der polyphone Satz I
10
D r e i s t i m m i g e r Liedsatz
146
zehnt zu einer K l ä r u n g der klanglichen Gestalt und zu einer s c h ä r f e r e n P r o f l l i e r u n g des Melodischen gegenüber dem A k k o r d i s c h e n wesentlich beigetragen. M e r k w ü r d i g e r w e i s e ist das beim ersten E i n d r u c k der neuen K u n s t entstandene Vorurteil, i h r k ä m e es auf das Klangliche in e r s t e r Linie an, s c h w e r auszurotten. Als Kennzeichen gilt die „ h a r m o n i s c h e Kühnheit". Sie ist es g e w i ß nicht, jedenfalls nicht in dem ä u ß e r l i c h e n Sinn eines Aushängeschildes der modernen Gesinnung, sondern allenfalls als F o l g e e r s c h e i n u n g d e r „melodischen Kühnheit". Gleichwohl darf nicht übersehen w e r d e n , d a ß die stilistische Situation der Zeit nicht mit einem W o r t zu f a s s e n ist. D a s vielgerühmte Vorbild der vorklassischen Musik in E h r e n — f a s t m a g m a n sie v o r l a u t e r moralb e h a n g e n e r A n p r e i s u n g nicht m e h r hören — die neue Musik ist ein Neues. Sie n ä h r t sich von d e r polyphonen O r d n u n g der V o r k l a s s i k , g e w i ß auch von der homophonen d e r Klassik — insbesondere a b e r von den K r ä f t e n d e r eigenen Zeit. I h r Z w i e s p a l t Polyphonie / Homophonie ist ein Z w i e s p a l t vielleicht des E n t w i c k l u n g s ü b e r g a n g e s , vielleicht aber auch ein Z w i e s p a l t nicht des Objektes, sondern der B e t r a c h t u n g s w e i s e , n u r scheinbar vorhanden, perspektivische V e r s c h i e b u n g gleichsam einer geraden, doch v o r e r s t n u r in ihren G r u n d z ü g e n e r k e n n b a r e n O r d nung, welche die alten Begriffe Homophonie Polyphonie zu einer neuen stilistischen Qualität auflöst und umdeutet. Als Beispiele dreistimmigen I n s t r u m e n t a l s a t z e s 1. C. f. I V f ü r Singstimme, Oboe und Violoncell 1 CT
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Vierstimmige Übung
150
B Es D C D G), anderseits, da die 10 Finger am Klavier schließlich — Polyphonie her und hin — in der gefüllten Harmonie ihren Daseinszweck finden, die Klangerweiterung zur Vierstimmigkeit der Schlußtakte (doch sieht und sehe, moralische Rechtfertigung der Verschwendung, die Dreistimmigkeit hindurch!).
Drittes Kapitel: Der vierstimmige Satz C.-f.-Übung Da nicht mehr als drei verschiedene Töne der Skala sich konsonant vereinigen lassen, muß in der viertönigen Konsonanz einer von ihnen in Oktav- oder Einklangverdoppelung wiederkehren. Über die Akkordformen des dreistimmigen Satzes hinaus sind dem vierstimmigen konsonante Neubildungen versagt, doch er füllt und bereichert die sparsame Dreitonkonstruktion und vermag ihren Ausdruckswert auf mannigfache Weise zu nuancieren. Das Plus des formal überflüssigen vierten Tones setzt sich in Wärme des Klanges um, der über das Notwendige hinaus erweiterte Tonbesitz der Harmonie ermöglicht eine freizügigere, da mehr aus dem Vollen schöpfende Klanglenkung der Stimmen. Bei der A u f g a b e : Note gegen Note 1. Jt Ofc— —tr o tfc=—o •F*-*® ° - ö
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152
Vierstimmige Übung
fehlen. S t ä r k e r als im dreistimmigen Satz tritt damit die Akkordgestalt in Erscheinung. Doch hüte man sich davor, von ihr aus das Miteinander der Töne in den Begriffen der Klangordnung homophonen Stils als Dreiklang und Sextakkord zu verstehen und im Sinne dieser Begriffe das tonliche Wohin der 4. Stimme zu bestimmen. Die „Terz des G r u n d t o n e s " ist d e r Verdoppelung ebenso zugänglich wie die anderen Akkordbestandteile. In Satz 2 beispielsweise erweisen dies die Takte 2, 3 und 4. Einzig der in Halbtonschritt z u r finalis führende Leitton der Schlußwendung darf nicht verdoppelt werden, in Satz 1 etwa das fls, in 3 das eis, in 4 das ais (die plagale Kadenz des 2. Satzes ist leittonlos). G e w i ß w i r d der in zwei Stimmen gleichzeitig erscheinende Ton im Oktavabstand weitaus häufiger als im Einklang gesetzt sein, doch ist auch die letztere Möglichkeit nicht ausgeschlossen, denn bei w a c h s e n d e r Stimmenzahl verblaßt die Schädlichkeit d e r P r i m , sofern sie n u r mit einiger Sorgfalt behandelt ist. D a s gleiche gilt auch f ü r die im zweistimmigen Satz verpönten, im dreistimmigen beschränkt möglichen verdeckten Einklang-, Oktav- und Quintparallelen. Im vierstimmigen lassen sie sich erst recht nicht i m m e r vermeiden, insbesondere in manchen Schlußformen (man beachte die Kadenzen der Sätze 4 und 1), aber auch an a n d e r e r Stelle. Doch bemühe man sich ernstlich, ihre V e r w e n d u n g auf das s p a r s a m s t e M a ß zu beschränken und halte sich an die im 2. Kapitel (Seite 103) gegebenen Anweisungen. Die Schlußbildungen leiten sich ohne Schwierigkeit aus den dreistimmigen F o r m e n ab, und n u r das Verbot der Leittonverdoppelung s c h r ä n k t ihre g r o ß e Zahl ein wenig ein. Sie einzeln zu notieren erübrigt sich, da die vorliegenden und nachfolgenden Sätze z u r Genüge Beispiel sind. Satz 4 zeigt Ausnahmebehandlung des Leittones ais, d e r hier nicht zum Grundton, sondern zu dessen g r o ß e r Terz geführt ist. A u s klanglichen G r ü n d e n läßt sich gleicherweise auch die gelegentliche Abwärts- (oder Aufw ä r t s - ) F ü h r u n g in die Grundtonquint rechtfertigen.
Zwei Noten gegen eine
153
In Satz 4 beobachte man schließlich die innere Modulation (s. S. 19), die sich hier auf den 3. (Takt 1), 6. (Takt 3) und 2. Ton (Takt 4) der dorischen Skala erstreckt. Au! gäbe: V kfo y
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Nach dem klanglich zurückhaltenden vorigen Beispiel ist hier der Akkord reicher schattiert eingesetzt. Die harmonische Fortschreitung ist denkbar einfach, doch verhüllt sie sich und findet weiche und schwankende Linien des Überganges im Klangüberschuß des 4. Akkordtones. Den ersten drei Takten beispielsweise liegt die Folge von f- und c-Klängen zu Grunde, die ihren melodischen AusIruck in der zwischen f und c pendelnden Baßlinie findet. Zwischenakkorde vermitteln diese Folge: Das erste orgelpunktbeharrende fmoll spaltet sich mit Hilfe der 4. abrundenden Stimme in ein c moll, As dur, Es dur und Des dur, wobei neben dem Orgelpunkt das melodische Bindemittel der in Quartparallelen geführten Durchgangsbewegung der Mittelstimmen auf das Uneigentliche dieser Klänge hinweist; das Mitte des 2. Taktes erreichte Akkordziel c moll setzt in freiem Sekundvorhalt d' ein, es folgen der Quartakkord c f und der Es dur-Dreiklang als Übergangsharmonien zu dem im 3. Takt nonvorhaltig wiederkehrenden fmoll; das dann quartvorhaltig erscheiP e p p i n g , Der polyphone Satz I
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194
Vierstimmiger Liedsatz
nende c moll schließlich schiebt sich in Sekundspannung akkordisch unbestimmt weiter, bis es zu Anfang des 4. Taktes in ein durch die Baßsekunddissonanz es verwischtes und weiterdrängendes f moll einläuft. Mit Absicht wurde der Ausdruck Vorhalt- gebraucht, da hier die Gestalt des Akkordes gegenüber der die Linienführung bestimmenden Intervallbindung zweifellos dominiert, was im vierstimmigen Satz weitaus eher als im dreistimmigen der Fall ist. In der Weiterführung des Satzes hingegen mischen sich die beiden Klangkräfte in umgekehrter Betonung: Der Akkord tritt nur an wenigen aufgesparten Stellen in unmißverständlicher Form in Erscheinung (beim Höhepunkt es" des 4. Taktes als As dur, beim Tiefpunkt F des 8. als fmoll, bei der Auflösung des Orgelpunktes es schließlich im 11. als Es dur), und Intervallspannungen beherrschen das Feld, wobei deutlich die zu Anfang angeschlagenen Klangmotive der Quartparallele, der Quartharmonie, des Orgelpunktes wiederkehren. In seine Intervallteile zerfällt der Gesamtzusammenklang z. B. auf der 2. Halben des 4. Taktes. Die klangliche Spannung drückt sich hier in der Septime f es' aus, die das es' nach d' und damit weiter zum c' des As dur treibt. Oder: Am Schluß des Taktes zwingt das es des Basses die None f des Alts nach es', hierauf im nächsten Takt das g' des Soprans die Sekunde f des Basses nach es, die folgende Alt-Tenor-Sekunde b c' löst sich nach as auf, während die Baß-Sopran-Sekuride es f' im oberen Ton nach g' strebt, wobei gleichzeitig auch der umgekehrten, es als Dissonanz ansehenden Auffassung wenigstens gesamtklanglich in dem auf der 3. Halben erscheinenden d' des Alts Genüge geleistet ist. (Man beachte, daß hier wie an anderen Stellen die Quarten zwischen Baß und Tenor auf Dissonanzabsichten verzichten.) Oder: Im vorletzten Takt folgt nach Verlassen des Orgelpunktes auf der 3. Halben ein Klang mit den Intervallteilen f g' (f löst sich nach es auf) und c' d' (c' wird
Intervall und Akkord
195
auf dem Umweg über die Wechselnote as nach b gedrückt). Diesen Ton b wiederum erklärt das c' des Alts zur Dissonanz, die in verzögerter Auflösung schließlich a erreicht, vorher aber mit dem Ton g das f des Basses nach es zwingt (die f von Sopran und Alt stehen als liegende Stimmen außerhalb des Streitbereiches), worauf dann umgekehrt der Baß mit seinem c endgültig das b des Tenors nach a zurechtweist. In Konsequenz dieses akkordunlustigen, intervallverschworenen Beieinanders das Schluß-d des Basses: Man entferne das anstößig klare f D u r ! In diesen wenigen Beispielen, die beliebig vermehrt werden können, zeigt sich die Klangstruktur des polyphonen Satzes in einer extremen Möglichkeit: Der Akkord ist negiert, aufgehoben, vier Linien binden sich, jede zu jeder, also im Klangteil, dem Intervall, nicht im Klangganzen, dem Akkord. Rein, unvermischt mit der im Akkord geeinigten Klangform, wird die Intervallbindung im mehr als zweistimmigen Satz kaum zur Geltung kommen können — gewiß auch nicht in den zitierten Beispielen —, doch immer ist sie, mehr oder weniger hervortretend, mehr oder weniger zurückgedrängt, auf dem Plan, in Nuancen der Mischung, die, jenseits der Doktrin, im lebendigen Ausgleich der Formkräfte, innerhalb stilistisch weitest gesteckter Spanne liegen. Nicht unerwähnt darf bleiben, daß in diesem Satz wie auch in späteren Beispielen die untersagte Imitation (in Verbindung mit den eingeschobenen Pausen des c. f., die den Taktwechsel verursachen) an einigen Stellen ihr Haupt erhebt, eine methodische Inkorrektheit, die sich um so schwerer unterdrücken läßt, je mehr die Stimmenzahl steigt und eine Auflichtung der kompakten Klangfolge notwendig macht.
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Deutsche Geschichte von 1713—1806. Von der Schaffung des europäischen Gleichgewichts bis zu Napoleons Herrschaft von W . T r e u e . 168 S. 1957. (39) Deutsche Geschichte von 1806—1890. Vom Ende des alten bis zur Höhe des neuen Reiches von W . T r e u e . 128 S. 1961. (893, Deutsche Geschichte von 1890 bis z u r G e g e n w a r t von W . T r e u e . In V o r b . (894) Q u e l l e n k u n d e der Deutschen Geschichte i m M i t t e l a l t e r (bis zur Mitte des 15. Jahrhunderts) von K. J a c o b f . 3 Bde. I : Einleitung. Allgemeiner Teil. Die Zeit der Karolinger. 6. Aufl., bearb. von H. H ö h e n I e u t n e r . 127 S. 1959. (279) II: Die Kaiserzeit (911—1250). 5. Aufl., neubearb. von H. H o h e n I eu tn e r . 141 S. 1961. (280)
6
GEISTESWISSENSCHAFTEN III: Das Spätmittelalter (vom Interregnum bis 1500). Hrsg. von F. W e d e n . 152 S. 1952. (284) Geschichte Englands von H P r e l l er. 2 Bde. I: bis 1815. 4., erw. Aufl Etwa 135 S., 7 Stammtaf., 2 Ktn. 1967 (375/375a) II: Von 1815 bis 1910. 2., voll, umgearb. Aufl. 118 S., 1 Stammtaf., 7 Ktn. 1954.(1088) Römische Geschichte von F A l t h e i m . 4 Bde. 2., verb. Aufl. I: Bis zur Schlacht bei Pydna (168 v. Chr.). 124 S. 1956. (19) II: Bis zur Schlacht bei Actium (31 v. Chr.). 129 S. 1956. (677) III: Bis zur Schlacht an der Milvischen Brücke (312 n. Chr.). 148 S. 1958. (679) IV: Bis zur Schlacht am Yarmuk (636 n. Chr.). In Vorb. (684) Geschichte d e r V e r e i n i g t e n S t a a t e n von A m e r i k a von O. G r a f zu S t o l b e r g - W e r n i g e r o d e . 192 S., 10 Ktn. 1956. (1051/1051 a)
Deutsche Sprache und Literatur Geschichte d e r deutschen Sprache von H. S p e r b e r . 5., neubearb. Aufl. von P. v o n P o l e n z . 136 S. 1966. (915)
Deutsches Rechtschreibungswörterbuch von M. G o t t s c h a l d f . 2., verb. Aufl. 269 S. 1953. (200/200a)
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Kulturgeschichte des deutschen Wortschatzes
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von
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S t i m m k u n d e für Beruf, Kunst und Heilzwecke von H. B i e h l e . 111 S. 1955. (60) Redetechnik. Einführung in die Rhetorik von H. B i e h l e . 2., erw. Aufl. 151 S. 1961. (61) G r u n d l a g e n d e r Sprecherziehung von J. J e s c h In Vorb. (1122/1122a) Deutsches Dichten und D e n k e n von der g e r m a n i s c h e n bis z u r staufischen Z e i t von H. N a u m a n n f . (Deutsche Literaturgeschichte vom 5.—13. Jahrhundert.) 3., verb. Aufl. In Vorb. (1121) Deutsches D i c h t e n und D e n k e n v o m M i t t e l a l t e r z u r N e u z e i t von G. MülI er (1270 bis 1700). 3., durchges. Aufl. In Vorb. (1086) Deutsches Dichten und D e n k e n von d e r A u f k l ä r u n g bis z u m Realismus (Deutsche Literaturgeschichte von 1700—1890) von K. V i e t o r t . 3., durchges. Aufl. 159 S. 1958. (1096) Deutsche H e l d e n s a g e von H. S c h n e i d e r . 2.Aufl., bearb. von R. W i s n i e w s k i . 148 S. 1964. (32) D e r N i b e l u n g e N o t i n Auswahl. Mit kurzem Wörterbuch hrsg. von K. Lang o s c h . 11., durchges Aufl. 166 S. 1966. (1) K u d r u n und D i e t r i c h - E p e n in Auswahl mit Wörterbuch von O. L. J i r i c z e k . 6. Aufl., bearb. von R. W i s n i e w s k i . 173 S. 1957. (10)
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GEISTESWISSENSCHAFTEN W o l f r a m von Eschenbach t Parzifal. Eine Auswahl mit Anmerkungen und Wörterbuch von H. J a n tz e n. 3. Aufl., beorb. von H. K o I b. 128 S. 1966. (921) H a r t m a n n von Aue. Der a r m e Heinrich nebst einer Auswahl aus der „Klage" dem „Gregorius" und den Liedern (mit einem Wörterverzeichnis) hrsg. von F M a u r e r . 96 S. 1958. (16) Gottfried von StraBburg. Tristan und Isolde In Auswahl hrsg. von F. M a u rer. 2. Aufl. 142 S 1965.(22) Die deutschen Personennamen von M. G o t t s c h a l d f . 2., verb. Aufl. 151 S. 1955. (422) Althochdeutsches Elementarbuch. Grammatik und Texte von H. N a u m a n n f u W . Beti. 4. verb. u. verm. Aufl. 183 S. 1967. (1111/1111 a) Mittelhochdeutsche G r a m m a t i k von H. de B o o r u. R. W i s n i e w s k i . 5., durchges. Aufl. 150 S. 1967. (1108)
Indogermanisch, Germanisch Indogermanische Sprachwissenschaft von H. K r ä h e . 2 Bde. I: Einleitung und Lautlehre. 5. Aufl. 110 S. 1966. (59) II: Formenlehre. 4., neubearb. Aufl. 100 S. 1963. (64) Sanskrit-Grammatik mit sprachvergleichenden Erläuterungen von M. M a y r h o f e n 2., voll, neu bearb. Aufl. 110 S. 1965. (1158/1158a) Altirische G r a m m a t i k von J. P o k o r n y 2 Aufl. In Vorb. (896/896a) Gotisches Elementarbuch. Grammatik. Texte mit Übersetzung und Erlaufe" rungen von H. H e m p e l . 4., neubearb. Aufl. 169 S. 1966. (79/79a) Altnordisches Elementarbuch. Einführung. Grammatik, Texte (zum Teil mit Übersetzung) und Wörterbuch von F. R a n k e . 3., voll, umgearb. Aufl. von D. H o f m a n n . 205 S. 1967. (1115/11150/1115^ Germanische Sprachwissenschaft von H. K r ä h e . 3 Bde. I: Einleitung und Lautlehre. 6. Aufl. 147 S. 1966. (238) II: Formenlehre. 6.Aufl. 149 S. 1967. (780) III: Wortbildungslehre von W . M e l d . 270 S. 1967. (1218/1218a/1218b)
Englisch, Romanisch Altenglisches Elementarbuch. Einführung, Grammatik, Texte mit Übersetzung und Wörterbuch von M. Leh nert. 6., verb. Aufl. 178 S. 1965. (1125) Mittelenglisches Elementarbuch von H. W e i n s t o c k . 1967. In Vorb. (1226/ 1226 a/1226 b) Historische neuenglische Laut- und Formenlehre von E. E k w a l l . 4., verb. Aufl. 150 S. 1965. (735)
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GEISTESWISSENSCHAFTEN Englische Phonetik von H. M u t s c h m a n n t . 2. Aufl., bearb. von G. S c h e r e r . 127 S. 1963. (601) Englische Literaturgeschichte von F. S c h u b e l . 4 Bde. I: Die alt- und mittelenglische Periode. 2. Aufl. Etwa 163S. 1967. (1114/1114a) II: Von der Renaissance bis zur Aufklärung. 160 S. 1956. (1116) III: Romantik und Viktorianismus. 160 S. 1960. (1124) Beowulf. Eine Auswahl mit Einführung, teilweiser Übersetzung, Anmerkungen und etymologischem Wörterbuch von M. L e h n e r t . 4., verb. Aufl. 135 S. 1967. (1135) Shakespeare von P. M e i ß n e r ! . 2. Aufl., neubearb. von M. Lehnert. 136 S. 1954. (1142) Romanische Sprachwissenschaft von H. L a u s b e r g . 4 Bde. I: Einleitung und Vokalismus. 2., durchges. Aufl. 211 S. 1963. (128/128a) II: Konsonantismus. 2., durchges. Aufl. 95 S. 1967. (250) III: Formenlehre. I.Teil. 99 S. 1962. (1199) III: Formenlehre. 2. Teil. S. 99—260. 1962. (1200/1200a) IV: Wortlehre, in Vorb.