Freie Unternehmerentscheidung und dringende betriebliche Erfordernisse bei der betriebsbedingten Kündigung [1 ed.] 9783428514748, 9783428114740

Die Justitiabilität der Unternehmerentscheidung bei der betriebsbedingten Kündigung ist ein klassisches Problem des Arbe

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Freie Unternehmerentscheidung und dringende betriebliche Erfordernisse bei der betriebsbedingten Kündigung [1 ed.]
 9783428514748, 9783428114740

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Schriften zum Sozial- und Arbeitsrecht Band 242

Freie Unternehmerentscheidung und dringende betriebliche Erfordernisse bei der betriebsbedingten Kündigung

Von

Barbara von Finckenstein

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

BARBARA VON FINCKENSTEIN

Freie Unternehmerentscheidung und dringende betriebliche Erfordernisse bei der betriebsbedingten Kündigung

Schriften zum Sozial- und Arbeitsrecht Band 242

Freie Unternehmerentscheidung und dringende betriebliche Erfordernisse bei der betriebsbedingten Kündigung

Von

Barbara von Finckenstein

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

Die Juristische Fakultät der Universität Rostock hat diese Arbeit im Wintersemester 2003 / 2004 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten # 2005 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-0227 ISBN 3-428-11474-4 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Meinen Großeltern

Vorwort Die vorliegende Arbeit hat im Wintersemester 2003/2004 der Juristischen Fakultät der Universität Rostock als Dissertation vorgelegen. Das Manuskript wurde im Herbst 2003 abgeschlossen. Später veröffentlichte Literatur und Rechtsprechung sowie Gesetzesänderungen wurden in wichtigen Fällen bis zum Sommer 2004 berücksichtigt und eingearbeitet. Mein herzlichster Dank richtet sich an meinen Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Reinhard Singer, für die fachliche und persönliche Unterstützung in vielfältiger Hinsicht, für den geistigen, zeitlichen und räumlichen Freiraum zum eigenen wissenschaftlichen Arbeiten sowie für die durch eine freundschaftliche Atmosphäre geprägte Assistentenzeit an seinem Lehrstuhl. Besonders danke ich auch Frau Prof. Dr. Anja-Ursula Hucke für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens und ihr in mich gesetztes Vertrauen. Aus dem Kreis meiner Familie danke ich für die Mühe des Korrekturlesens Karl-Ulrich Steudel, meinem Bruder Bastian Steudel und insbesondere meiner Mutter Gisela Steudel. Meiner Großmutter Ilse Gröninger danke ich herzlich für die vielen ermunternden Worte und das unermüdliche Interesse an meinem juristischen Werdegang. Danken möchte ich auch Herrn Dr. h.c. Günter Schaub, Vorsitzender Richter am Bundesarbeitsgericht a.D., für die interessanten Gespräche im Rahmen der Themensuche, die den entscheidenden Anstoß für die vorliegende Arbeit gaben. Für die wertvolle Unterstützung und die fruchtbaren Diskussionen in der Endphase der vorliegenden Arbeit bin ich Frank v. Maydell sehr verbunden. Herzlicher Dank gilt auch meinen Kolleginnen und Freundinnen Andrea Eggemann, Ariane Kruse, Nicole v. Leesen und Ines Meyer sowie meinem Kollegen Jörn Heins, die große Hilfsbereitschaft bei Korrekturlesearbeiten und bei der Überprüfung von Fußnoten bewiesen haben. Schließlich danke ich auch Frau Stefanie Piehl für ihre Geduld bei der Textformatierung.

Rostock, im Juni 2004

Barbara v. Finckenstein

Inhaltsverzeichnis Erster Teil Einleitung § 1 Einführung in die Problematik ............................................................................. 21 A. Thema als Brennpunkt des Arbeitsrechts........................................................... 22 B. Aktualität des Themas aufgrund der BAG-Rechtsprechung aus dem Jahre 1999 ................................................................................................................... 25 C. Aktualität des Themas aufgrund der Entwicklung der Wirtschaft und des Arbeitsmarktes in Deutschland .......................................................................... 26 D. Bedürfnis nach größerer Rechtssicherheit.......................................................... 32 § 2 Ziele und Vorgehensweise der Untersuchung ...................................................... 35 A. Historische Entwicklung .................................................................................... 35 B. Rechtsprechung.................................................................................................. 35 C. Die Unternehmerentscheidung........................................................................... 36 D. Gründe der Unüberprüfbarkeit der Unternehmerentscheidung .......................... 37 E. Das Merkmal der „dringenden betrieblichen Erfordernisse“ ............................. 37 F. Die Missbrauchskontrolle .................................................................................. 38 G. Darlegungs- und Beweislast............................................................................... 39 § 3 Sedes materiae ........................................................................................................ 40 Zweiter Teil Untersuchung § 4 Historischer Überblick........................................................................................... 41 A. Kündigungsrecht bis zum Ende des Ersten Weltkrieges .................................... 42 B. Kündigungsrecht nach dem Ersten Weltkrieg.................................................... 43 I. Betriebsrätegesetz vom 4.2.1920 .............................................................. 43 II. Die Vorschriften der §§ 84 und 85 BRG .................................................. 44 III. Justitiabilität der Unternehmerentscheidung............................................. 45 1. Rechtsprechung .................................................................................. 45 2. Literatur.............................................................................................. 47 IV. Darlegungs- und Beweislast ..................................................................... 49 V. Demobilmachungsverordnung vom 12.2.1920 und Stillegungsverordnung vom 15.10.1923 ............................................................................... 51 C. Kündigungsschutz in der Zeit des Nationalsozialismus ..................................... 52

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Inhaltsverzeichnis I. Gesetz zur Ordnung der nationalen Arbeit vom 20.1.1934 ......................52 II. Die Vorschrift des § 56 AOG ................................................................... 53 III. Anfälligkeit der Generalklauseln für politische Wertungen ..................... 54 IV. Justitiabilität der Unternehmerentscheidung............................................. 56 1. Rechtsprechung .................................................................................. 56 2. Literatur.............................................................................................. 57 V. Darlegungs- und Beweislast ..................................................................... 58 VI. ArbeitsplatzwechselVO vom 1.9.1939 ..................................................... 59 D. Kündigungsschutz in der Nachkriegszeit bis 1951 ............................................ 60 I. Aufhebung des AOG durch das Kontrollratsgesetz zum 1.1.1947........... 60 II. Unterschiedlicher Kündigungsschutz in den einzelnen Ländern ............. 60 III. Frankfurter Gesetz vom 20.7.1949 ........................................................... 61 IV. Hattenheimer Entwurf vom 13.1.1950...................................................... 62 E. Kündigungsschutzgesetz vom 10.8.1951 ........................................................... 63 F. Wesentliche Änderungen und Ergänzungen des KSchG ................................... 65

§ 5 Rechtsprechung ...................................................................................................... 70 A. Die Rechtsprechung der Instanzgerichte aus den frühen fünfziger Jahren......... 71 B. Rechtsprechung des BAG bis 1978.................................................................... 79 C. Rechtsprechung des BAG seit dem grundlegenden Urteil vom 7.12.1978 ........ 85 D. Urteile des BAG vom 9.5.1996 und 26.9.1996 .................................................. 94 E. Urteil des BAG vom 24.4.1997.......................................................................... 97 F. Urteile des BAG vom 17.6.1999........................................................................ 98 G. Urteile des BAG seit dem Jahr 2000................................................................ 101 § 6 Der Schlüsselbegriff der „Unternehmerentscheidung“..................................... 104 A. Unternehmerisches Handeln in der Marktwirtschaft........................................ 104 B. Die Unternehmerentscheidung als erste Prüfungsvoraussetzung der betriebsbedingten Kündigung .......................................................................... 106 C. Der Begriff der Unternehmerentscheidung in der älteren Rechtsprechung...... 107 D. Systematisierung der Unternehmerentscheidung nach außer- und innerbetrieblichen Gründen ......................................................................................... 109 I. Außerbetriebliche Gründe....................................................................... 110 1. Unmittelbare Auswirkung ................................................................ 111 2. Mittelbare Auswirkung..................................................................... 113 II. Innerbetriebliche Gründe ........................................................................ 115 III. Mischformen........................................................................................... 118 IV. Sinn und Zweck sowie Kritik der Unterscheidung ................................. 119 V. Differenzierung unternehmerischer Entscheidungen nach der Reaktion 122 1. Selbstbindende Unternehmerentscheidung....................................... 123 2. Gestaltende Unternehmerentscheidung ............................................ 127 3. Stillschweigende bzw. verdeckte Unternehmerentscheidung ........... 129 4. Belassende Unternehmerentscheidung ............................................. 130 5. Unternehmerische Fehlentscheidung................................................ 130 6. Nachgeschobene Unternehmerentscheidung .................................... 131 VI. Zwischenergebnis ................................................................................... 132 E. Die weitere Entwicklung des Begriffs der Unternehmerentscheidung............. 132

Inhaltsverzeichnis

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I. Rechtsprechung ................................................................................ 132 II. Literatur .................................................................................................. 134 III. Differenzierung nach der unternehmerischen und der betrieblichen Ebene ...................................................................................................... 135 1. Der Wortlaut des § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG als Ausgangspunkt der Abgrenzung ...................................................................................... 135 2. Uneinheitlicher Gebrauch der Begriffe „Betrieb“ und „Unternehmen“ ................................................................................................. 136 3. Verhältnis zur Weiterbeschäftigungspflicht ..................................... 139 4. Unzulässige und unzweckmäßige Verkürzung des Begriffs der Unternehmerentscheidung ................................................................ 139 5. Fazit.................................................................................................. 140 F. Keine Eingrenzung der Unternehmerentscheidung auf der materiellen Ebene 141 I. Weite Auslegung des Begriffs der Unternehmerentscheidung in der neueren Rechtsprechung des BAG.......................................................... 141 II. Reaktionen im Schrifttum....................................................................... 143 1. Kritische Stimmen gegenüber der neueren Rechtsprechung des BAG ................................................................................................. 144 2. Im Wesentlichen mit der Rechtsprechung des BAG konform gehende Stimmen ............................................................................. 148 3. Stellungnahme .................................................................................. 150 III. Die Kündigung selbst als Unternehmerentscheidung ............................. 154 IV. Die Freiheit der Unternehmerentscheidung ............................................ 156 V. Ergebnis.................................................................................................. 158 § 7 Eingeschränkte gerichtliche Überprüfbarkeit unternehmerischer Entscheidungen ................................................................................................................... 160 A. Einführung ....................................................................................................... 160 B. Verfassungsrechtlicher Ausgangspunkt ........................................................... 161 I. Grundrechte im Zivil- und Arbeitsrecht.................................................. 163 1. Traditionelle Auffassung .................................................................. 164 2. „Unmittelbare“ Drittwirkung der Grundrechte................................. 164 3. „Mittelbare“ Drittwirkung der Grundrechte ..................................... 166 4. Lehre von den grundrechtlichen Schutzpflichten ............................. 168 a) Schutzpflichten des Gesetzgebers .............................................. 172 b) Schutzpflichten des Richters ...................................................... 172 II. Bedeutung der grundrechtlichen Schutzpflichten für das Recht der betriebsbedingten Kündigung ................................................................. 174 1. Erfüllung der grundrechtlichen Schutzpflicht durch den Gesetzgeber................................................................................................. 174 a) Grundrechtsschutz des Arbeitnehmers ....................................... 175 (1) Generelle Entwicklung und Verständnis des Art. 12 Abs. 1 GG ............................................................................ 175 (2) Warteschleifen-Entscheidung des BVerfG vom 24.4.1991.. 175 (3) Inhalt der Arbeitsplatzwahlfreiheit und Auswirkungen auf den arbeitsrechtlichen Bestandsschutz ................................. 177 b) Grundrechtsschutz des Unternehmers ........................................ 177

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Inhaltsverzeichnis (1) Die grundrechtliche Verankerung der Unternehmerfreiheit. 178 (a) Unternehmerfreiheit als Ausprägung der Berufsfreiheit gemäß Art. 12 Abs. 1 GG ......................................... 178 (b) Schutz der Unternehmerfreiheit durch das Eigentumsgrundrecht nach Art. 14 Abs. 1 GG ............................... 179 (c) Unternehmerfreiheit als Bestandteil der allgemeinen Handlungsfreiheit gemäß Art. 2 Abs. 1 GG................... 181 (d) Zwischenergebnis .......................................................... 182 (2) Die grundrechtliche Verankerung der Berufsaufgabe, der Unternehmens- und der Betriebsstilllegung ......................... 182 (3) Die grundrechtliche Verankerung der Kündigungsfreiheit .. 184 (4) Berufsfreiheit von juristischen Personen.............................. 186 (5) Berufsfreiheit von Arbeitgebern des öffentlichen Rechts .... 188 (6) Der Grundrechtsschutz von Ausländern............................... 189 c) Ausgleich zwischen den widerstreitenden Interessen der Arbeitnehmer und Arbeitgeber............................................. 189 d) Sozialstaatlicher Regelungsauftrag des Gesetzgebers ................ 195 e) Die Wirtschaftsordnung der Verfassung .................................... 197 f) Zwischenergebnis.......................................................................200 2. Beachtung der grundrechtlichen Schutzpflichten durch den Richter bei Anwendung und Auslegung des § 1 Abs. 2 KSchG ................... 201 3. Ergebnis............................................................................................ 206 C. Wertungen aus einfachgesetzlichen Regelungen ............................................. 207 I. Herleitung der nur eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle der Unternehmerentscheidung aus § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG .................................... 207 II. Wertungen des Betriebsverfassungsgesetzes .......................................... 208 III. Die Verantwortung des Arbeitgebers gemäß § 2 Abs. 2 SGB III ........... 211 D. Weitere Gesichtspunkte ................................................................................... 220 I. Überforderung der Gerichte .................................................................... 220 II. Argument des Wirtschaftsrisikos............................................................ 221 III. Keine justitiablen Maßstäbe ................................................................... 221 E. Ergebnis ........................................................................................................... 222

§ 8 Dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers entgegenstehen ........................................................................... 224 A. Kausaler Wegfall des Arbeitsplatzes................................................................ 224 I. Wegfall des Arbeitsplatzes...................................................................... 224 II. Berücksichtigung der Vertrags- und Betriebsfaktoren............................ 227 1. Vertragsfaktoren............................................................................... 227 2. Betriebsfaktoren ............................................................................... 229 III. Kausalität................................................................................................ 229 B. Dringende betriebliche Erfordernisse............................................................... 230 I. Unbestimmte Rechtsbegriffe und Generalklauseln ................................. 231 II. Bestimmtheitsgrundsatz.......................................................................... 233 III. Abhängigkeit von weltanschaulich geprägten Vorverständnissen .......... 237 IV. Das Merkmal der „Dringlichkeit“........................................................... 239 1. Rechtsprechung ................................................................................ 240

Inhaltsverzeichnis

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2. Literatur............................................................................................ 241 a) Befürworter einer strengen Dringlichkeitsprüfung..................... 242 b) Befürworter einer zurückhaltenden Dringlichkeitsprüfung ........ 244 3. Stellungnahme .................................................................................. 245 V. Prinzipien bei der Anwendung des Rechts der betriebsbedingten Kündigung..................................................................................................... 247 1. Interessenabwägung ......................................................................... 247 a) Rechtsprechung .......................................................................... 247 b) Literatur...................................................................................... 250 c) Stellungnahme............................................................................ 253 2. Grundsatz der Verhältnismäßigkeit .................................................. 254 a) Rechtsprechung .......................................................................... 254 b) Das Verhältnismäßigkeitsprinzip im Privatrecht........................ 255 c) Verankerung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes im Kündigungsschutzgesetz ............................................................ 257 d) Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und das ultima-ratioPrinzip ........................................................................................ 261 3. Prognoseprinzip................................................................................ 263 VI. Ergebnis.................................................................................................. 265 C. Mildere Mittel zur Vermeidung einer Beendigungskündigung........................ 266 I. Im Gesetz konkretisierte mildere Mittel.................................................. 267 1. Weiterbeschäftigung auf einem anderen Arbeitsplatz in demselben Betrieb .............................................................................................. 268 2. Weiterbeschäftigung auf einem gleichwertigen Arbeitsplatz in einem anderen Betrieb des Unternehmens .......................................... 270 3. Weiterbeschäftigung in einem anderen Unternehmen des Konzerns 271 4. Weiterbeschäftigung zu geänderten Bedingungen............................ 271 5. Weiterbeschäftigung nach Umschulungs- und Fortbildungsmaßnahmen ............................................................................................. 275 II. Weitere aus dem ultima-ratio-Prinzip resultierende mildere Mittel........ 277 1. Kurzarbeit vor Kündigung................................................................ 278 2. Allgemeine Arbeitszeitkürzung ........................................................ 282 3. Arbeitsstreckung............................................................................... 282 4. Arbeiten auf Lager............................................................................ 283 5. Überstundenabbau ............................................................................ 284 6. Abbau von Leiharbeitsverhältnissen................................................. 284 7. Flexible Arbeitszeitmodelle.............................................................. 285 8. Teilzeitarbeit..................................................................................... 286 9. Urlaubsregelungen, Winterausfallgeld, Kündigungen mit Wiedereinstellungszusage ............................................................................ 287 10. Kürzung von Leistungszulagen, Gratifikationen etc. ....................... 288 § 9 Die Missbrauchskontrolle.................................................................................... 289 A. Manipulationsgefahr ........................................................................................ 289 B. Bedeutung der Missbrauchskontrolle in der Praxis.......................................... 290 I. Urteil des Arbeitsgerichts Gelsenkirchen vom 28.10.1997 ..................... 290 II. Urteile des Bundesarbeitsgerichts vom 17.6.1999.................................. 293

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Inhaltsverzeichnis III. Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 17.2.2000 ................................... 295 IV. Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 26.9.2002.................................... 296 C. Die Merkmale der „offensichtlichen Unsachlichkeit“, „Unvernunft“ und „Willkür“ .........................................................................................................301 I. Offensichtliche Unsachlichkeit ............................................................... 301 1. Gesetzeswidrige Unternehmerentscheidungen ................................. 302 2. Tarifwidrige Unternehmerentscheidungen ....................................... 302 3. Vertragswidrige Unternehmerentscheidungen.................................. 303 4. Verstoß gegen Satzungen ................................................................. 303 II. Unvernunft.............................................................................................. 303 III. Willkür.................................................................................................... 304 IV. Missbrauch ............................................................................................. 305 D. Ergebnis ........................................................................................................... 306

§ 10 Darlegungs- und Beweislast ............................................................................... 307 A. Darlegungs- und Beweislast für die die Kündigung bedingenden Tatsachen .. 307 I. Einleitung................................................................................................ 307 II. Beweislastzuweisung des § 1 Abs. 2 S. 4 KSchG................................... 308 III. Umfang und Inhalt der Darlegungs- und Beweislast .............................. 309 1. Umfang............................................................................................. 309 2. Inhalt ................................................................................................ 309 a) Unternehmerentscheidung.......................................................... 309 b) Inner- und außerbetriebliche Gründe.......................................... 310 c) Kausaler Wegfall des Arbeitsplatzes.......................................... 311 d) Fehlen milderer Mittel................................................................ 312 IV. Abgestufte Darlegungs- und Beweislast ................................................. 313 B. Darlegungs- und Beweislast für die offensichtliche Unsachlichkeit, Unvernunft und Willkür............................................................................................. 314 Dritter Teil Ergebnisse § 11 Zusammenfassende Thesen................................................................................ 317 § 12 Vorschlag einer neuen Regelung ....................................................................... 323 § 13 Schlussbemerkung .............................................................................................. 324 Literaturverzeichnis ................................................................................................... 325 Sachwortverzeichnis................................................................................................... 349

Abkürzungsverzeichnis a.A. a.a.O. Abl. abl. Abs. AcP a.E. a.F. AFG AFRG AGB-DDR AH AiB AktG allg. a.M. Anh. Anm. AöR AOG AP AR-Blattei ArbG ArbRBerG ArbPISchG ArbRPrax ArbuR ARS Art. ATZG AuA Aufl. BAG BAGE BArbBl. BayVBl. BB BBiG

anderer Ansicht am angegebenen Ort Amtsblatt ablehnend Absatz Archiv für civilistische Praxis am Ende alte Fassung Arbeitsförderungsgesetz Arbeitsförderungs-Reformgesetz Arbeitsgesetzbuch Deutsche Demokratische Republik Arbeitrechts-Handbuch Arbeitsrecht im Betrieb Aktiengesetz allgemein am Main Anhang Anmerkung Archiv des öffentlichen Rechts Gesetz zur Ordnung der nationalen Arbeit Arbeitsrechtliche Praxis Arbeitsrecht-Blattei Arbeitsgericht Arbeitsbereinigungsgesetz Arbeitsplatzschutzgesetz Arbeitsrechts-Praxis Arbeit und Recht Arbeitsrechtssammlung Artikel Altersteilzeitgesetz Arbeit und Arbeitsrecht Auflage Bundesarbeitsgericht Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts Bundesarbeitsblatt Bayerische Verwaltungsblätter Betriebs-Berater Bundesbildungsgesetz

16 Bd. Bde. Bearb. bearb. Beil. Bem. BErzGG Bespr. BetrAVG BetrVG BGB BGBl. BGH BGHZ BGVBl. BlStSozArbR BRAK-Mitt. BR-Drucks. BRG BSchFG BT-Drucks. BuW BVerfG BVerfGE bzw. b+p ca. CDU DB ders. d.h. dies. Diss. DJT DÖV Drucks. DVBl. DZWir EFZG EG Einl. Epist. ErfK etc. EU EuGH evtl.

Abkürzungsverzeichnis Band Bände Bearbeiter bearbeitet Beilage Bemerkung Bundeserziehungsgeldgesetz Besprechung Gesetz über betriebliche Altersversorgung Betriebsverfassungsgesetz Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Bayerisches Gesetz- und Verordnungsblatt Blätter für Steuerrecht, Sozialversicherung und Arbeitsrecht Bundesrechtsanwaltskammer-Mitteilungen Bundesratsdrucksache Betriebsrätegesetz Beschäftigungsförderungsgesetz Bundestagsdrucksache Betrieb und Wirtschaft Bundesverfassungsgericht Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts beziehungsweise Zeitschrift für Betrieb und Personal circa Christlich Demokratische Union Der Betrieb derselbe das heißt dieselben Dissertation Deutscher Juristentag Die Öffentliche Verwaltung Drucksache Deutsches Verwaltungsblatt Deutsche Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Entgeltfortzahlungsgesetz Europäische Gemeinschaft Einleitung Epistulae Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht et cetera Europäische Union Europäischer Gerichtshof eventuell

Abkürzungsverzeichnis EWG EWiR EzA f. FDP ff. FG Fn. FS GBl. gem. GewO GG ggf. GK GmbH Grundl. GS GVBl. Habil. HausarbTagsG HBS-Projekt h.M. Hrsg. hrsg. i.e.S. insb. InsO i.S.d. i.V.m. JA JherJb JR Jura JuS JZ KR krit. KSchG LAG LAGE LS m. MDR mind. MüKo MünchArbR

Europäische Wirtschaftsgemeinschaft Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht Entscheidungssammlung zum Arbeitsrecht folgende Freiheitlich Demokratische Partei fortfolgende Festgabe Fußnote Festschrift Gesetzblatt gemäß Gewerbeordnung Grundgesetz gegebenenfalls Gemeinschaftskommentar Gesellschaft mit beschränkter Haftung Grundlagen Großer Senat, Gedächtnisschrift Gesetz- und Verordnungsblatt Habilitation Hausarbeitstagsgesetz Projekt der Hans Böckler Stiftung herrschende Meinung Herausgeber herausgegeben im engeren Sinne insbesondere Insolvenzordnung im Sinne des in Verbindung mit Juristische Ausbildung Jherings Jahrbücher für die Dogmatik des bürgerlichen Rechts Juristische Rundschau Jura Juristische Schulung Juristenzeitung Gemeinschaftskommentar zum Kündigungsschutzgesetz kritisch Kündigungsschutzgesetz Landesarbeitsgericht Entscheidung der Landesarbeitsgerichte Leitsatz mit Monatsschrift für Deutsches Recht mindestens Münchener Kommentar Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht

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18 MuSchG m.w.N. neubearb. n.F. NJ NJW NJW-RR Nordrh.-Westfalen Nr. NSDAP n.v. NVwZ NZA NZA-RR NZfArbR ORDO PRGS RAG RdA RegBl. RG RGBl. RGZ Rn. Rspr. S. s. SA SAE SchwbG SGB s.o. Sp. SPD SS str. st. Rspr. TVG TzBfG u.a. UStG usw. u.U. v. v.d. vgl. VO

Abkürzungsverzeichnis Mutterschutzgesetz mit weiteren Nachweisen neubearbeitet neue Fassung Neue Justiz Neue Juristische Wochenzeitung NJW Rechtsprechungs-Report Nordrhein-Westfalen Nummer Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei nicht veröffentlicht Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht, Rechtsprechungs-Report Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht Jahrbuch für die Ordnung für Wirtschaft und Gesellschaft Preußische Gesetzessammlung Reichsarbeitsgericht Recht der Arbeit Regierungsblatt Reichsgericht Reichsgesetzblatt Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Randnummer Rechtsprechung Satz, Seite siehe Sturmabteilung Sammlung Arbeitsrechtlicher Entscheidungen Schwerbehindertengesetz Sozialgesetzbuch siehe oben Spalte Soziale Partei Deutschland Schutzstaffel streitig ständige Rechtsprechung Tarifvertragsgesetz Gesetz über Teilzeitarbeit und befristete Arbeitsverträge unter anderem Umsatzsteuergesetz und so weiter unter Umständen vom, von von der vergleiche Verordnung

Abkürzungsverzeichnis VOBl. Vorbem. VVDStRL WiB z.B. ZDG ZfA ZG ZHR Ziff. ZIP zit. ZPO z.T. ZTR zust.

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Verordnungsblatt Vorbemerkung Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer Wirtschaftliche Beratung zum Beispiel Zivildienstgesetz Zeitschrift für Arbeitsrecht Zeitschrift für Gesetzgebung Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht Ziffer Zeitschrift für Wirtschaftsrecht zitiert Zivilprozessordnung zum Teil Zeitschrift für Tarifrecht zustimmend

„concordia discors, discordia concors“

Erster Teil

Einleitung § 1 Einführung in die Problematik „Praktische Konkordanz“ lautet die Zauberformel, mit der versucht wird, den Konflikt zwischen der grundrechtlich geschützten Unternehmerfreiheit einerseits und dem ebenfalls grundrechtlich geschützten Bestandsschutzinteresse der Arbeitnehmer andererseits zu lösen 1 . Unter dieser Zauberformel verbirgt sich der juristische „Hokuspokus“ 2 , gegensätzliche Interessen einem schonenden Ausgleich zuzuführen, mit dem Ziel, dass die widerstreitenden Positionen zu optimaler Wirksamkeit gelangen. „Konkordanz“ meint vom Wortsinn her „Übereinstimmung“ 3 und findet seinen Ursprung im lateinischen Verb „concordare“ (vereinigen) oder dem Substantiv „concordia“ (Eintracht), beides abgeleitet von „cor“ (Herz). Die Begriffe „Übereinstimmung“, „Eintracht“ und „eines Herzens sein“ scheinen aber kaum zu der konfliktbeladenen Situation einer betriebsbedingten Kündigung zu passen. So streitbar und teilweise erbittert sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer im konkreten Kündigungsschutzprozess gegenüberstehen, so kontrovers beschäftigen sich Politiker, Richter und Gelehrte im Abstrakten über die durch einen Bestandsschutz zu ziehenden Grenzen der Unternehmerfreiheit. An den ___________ 1 Vgl. nur BVerfG v. 27.1.1998 (Kleinbetriebsklausel), BVerfGE 97, 169, 176; Däubler, FS Arbeitsgerichtsbarkeit Rheinland-Pfalz, 1999, 271, 276 f.; Dieterich, Grundgesetz und Privatautonomie im Arbeitsrecht, S. 16; ders., FS Schaub, 1998, 117, 122; Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, Rn. 72; Löwisch, ZfA 1996, 293, 299; U. Preis, RdA 2003, 65, 66. 2 Nach Hans Biedermann (Lexikon der magischen Künste, 1998, S. 222) ist Hokuspokus eine Abwandlung des italienischen occhia boccia im Sinne von „Haltet die Augen auf und staunt!“. 3 Meyers Großes Konversationslexikon, 1905.

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Erster Teil: § 1 Einführung in die Problematik

Anfang dieser Arbeit wird deshalb das klassische Oxymoron „concordia discors, discordia concors“ 4 gestellt, als Ausdruck des nicht zu überwindenden und doch zwingend zu lösenden Gegensatzes, das Gegensatzpaar der entzweiten Eintracht und der geeinten Zwietracht. Der Begriff der „discordia concors“ wurde auch von Carl Jacob Burckhardt 5 als Sinnbild für das Miteinander der Staaten Europas herangezogen. Diese beiden so unterschiedlichen Aufgabenfelder, also zum einen die Verwirklichung eines befriedeten und prosperierenden Europas und zum anderen das Aufstellen und das Anwenden von Bestandsschutzregeln, die sowohl den Arbeitgeberals auch den Arbeitnehmerinteressen gerecht werden und damit die Wirtschaft eher fördern als hemmen, haben durchaus Gemeinsamkeiten: Das Einigwerden über den Verlauf der Grenzen und das jeweilige Anerkennen der Rechte der Gegenseite sind Voraussetzungen für ihr Gelingen.

A. Thema als Brennpunkt des Arbeitsrechts Die Diskussion über „Inhalt und Grenzen der unternehmerischen Entscheidungsfreiheit bei der betriebsbedingten Kündigung“ gehört seit den Anfängen des materiellen Kündigungsschutzes zu den Kernthemen des Arbeitsrechts. Die Problematik lässt sich gleichsam als Linse auffassen, in der sowohl der aktuelle Stand der arbeitsrechtlichen Rechtsprechung und Wissenschaft als auch ihr sozialer und politischer Hintergrund gebündelt erscheinen. Wie kaum eine andere arbeitsrechtliche Fragestellung illustriert das Thema der unternehmerischen Entscheidungsfreiheit im Zusammenhang mit der betriebsbedingten Kündigung das Spannungsverhältnis zwischen sozialer Schutzbedürftigkeit des Arbeitnehmers und wirtschaftlicher Handlungsfreiheit des Unternehmers 6 . Das Interesse an einer möglichst ungehinderten Betätigungsfreiheit der Unternehmer steht dem Interesse an einem möglichst weitgehenden Bestandsschutz der Arbeitnehmer kontrovers gegenüber. Je stärker der individuelle Arbeitsplatz des Arbeitnehmers durch Gesetze und Rechtsprechung geschützt wird, umso einschneidender erfährt der Unternehmer eine Einschränkung in seiner Handlungs- und Entscheidungsfreiheit 7 . Reuter 8 hat das Problem treffend formu___________ 4 Horaz, „rerum concordia discors“, Epist. I, 12, 19; Immanuel Kant, „concordia discors, discordia concors“, Der Streit der Fakultäten, 1798. 5 Burckhardt, Carl Jacob/Heer, Friedrich, Europa. Sein Wesen im Bild der Geschichte, Bern 1960. 6 So auch Bitter, DB 1999, 1214. 7 Steinmeyer (Anm. zu BAG v. 18.1.1990, EzA Nr. 65 zu § 1 Betriebsbedingte Kündigung) redet von einer Gratwanderung zwischen der Achtung der unternehmerischen

A. Thema als Brennpunkt des Arbeitsrecht

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liert: „Was kann man den Unternehmen im Interesse des Kündigungsschutzes ihrer Arbeitnehmer an Beschränkungen ihrer personalpolitischen Anpassungsflexibilität zumuten?“ Man sollte meinen, dieses Problem sei durch das geltende Kündigungsschutzgesetz und durch die Rechtsprechung ausreichend gelöst, zumal das Gesetz inzwischen seit über 50 Jahren in Kraft ist und sich die gesetzlichen Voraussetzungen der zentralen Norm des § 1 Abs. 2 S. 1 im Wesentlichen nicht verändert haben 9 . Dem ist aber nicht so. Hinreichend Auskunft über Reichweite und Grenzen der unternehmerischen Entscheidungsfreiheit erhält man auch durch noch so aufmerksames Lesen des Gesetzestextes nicht, und selbst das intensive Studium von Rechtsprechung und Literatur vermag keineswegs alle Fragen abschließend zu beantworten. Der Begriff der „Unternehmerentscheidung“ ist im Wortlaut des Gesetzes nicht einmal enthalten, und dennoch wird in Rechtsprechung und Lehre das Vorliegen einer unternehmerischen Entscheidung als erste Voraussetzung einer betriebsbedingten Kündigung genannt 10 . Diese unternehmerische Entscheidung wird grundsätzlich als verbindlich akzeptiert. Das bedeutet, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts 11 und der überwiegenden Ansicht im Schrifttum 12 von den Arbeitsgerichten die unternehmerische Entschei___________ Entscheidungsfreiheit einerseits und einem funktionierenden Kündigungsschutz andererseits. 8 Reuter, BAG-FS, 1979, 405. 9 Das KSchG trat am 14.8.1951 in Kraft (BGBl. I S. 499). Das Gesetz zu Reformen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003 (BGBl. I S. 3002) hat die Norm des § 1 Abs. 2 KSchG nicht geändert. Aber auch darüber hinaus ist von den groß angekündigten Reformen des Kündigungsschutzgesetzes äußerst wenig umgesetzt worden; vgl. dazu Bender/Schmidt, NZA 2004, 358 ff.; Däubler, NZA 2004, 177 ff.; U. Preis, DB 2004, 70 ff.; Quecke, RdA 2004, 86 ff.; Richardi, DB 2004, 486 ff.; Willemsen/Annuß, NJW 2004, 177 ff.; Wolff, BB 2004, 378 ff.; vgl. auch den historischen Überblick im Zweiten Teil § 4, S. 41 ff. 10 St. Rspr. vgl. nur BAG v. 17.6.1999 – 2 AZR 141/99 –, BAGE 92, 71, 73; BAG v. 25.4.2002, AP Nr. 121 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung; siehe ferner v.Hoyningen-Huene, NZA 1994, 1009, 1010; Schaub, AH, § 131 Rn. 3 S. 1494; teilweise findet sich die Formulierung, dass die unternehmerische Entscheidung als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal dem § 1 KSchG hinzuzudenken ist, vgl. z. B. Wank, RdA 1987, 129, 135. 11 Vgl. z. B. BAG v. 7.12.1978, BAGE 31, 157, 162; BAG v. 29.3.1990, BAGE 65, 61 ff.; BAG v. 19.5.1993, BAGE 73, 151 ff.; BAG v. 9.5.1996, BAGE 83, 127 ff.; BAG v. 17.6.1999 – 2 AZR 141/99 –, BAGE 92, 71 ff.; BAG v. 25.4.2002, AP Nr. 121 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung. 12 Siehe nur Berkowsky, S. 49; KR/Etzel, § 1 KSchG Rn. 522; Henssler, Kölner Tage des Arbeitsrechts 2000, 89, 93; Hofmann, ZfA 1984, 295, 314; v.Hoyningen-Huene,

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Erster Teil: § 1 Einführung in die Problematik

dung nicht auf ihre sachliche Rechtfertigung oder ihre Zweckmäßigkeit zu überprüfen ist. Geprüft wird allein, ob eine unternehmerische Entscheidung tatsächlich vorliegt und ob durch ihre Umsetzung das Beschäftigungsbedürfnis für den oder die gekündigten Arbeitnehmer entfallen ist. Darüber hinaus unterliegt nur der gerichtlichen Prüfung, ob die Unternehmerentscheidung offenbar unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist. Obgleich also ursächlich für den Wegfall von Arbeitsplätzen, ist sie weitestgehend einer gerichtlichen Kontrolle entzogen. Dieser Grundsatz der nur eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle der Unternehmerentscheidung ist auf Anhieb keineswegs für jedermann einsichtig. Vielmehr werden an dessen Richtigkeit im großen Umfang Zweifel angemeldet: Warum darf eine unternehmerische Entscheidung vollkommen frei getroffen werden und eben nicht von den Gerichten auf Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit überprüft werden, wenn eine solche Entscheidung doch derart gravierende Folgen wie den Verlust von Arbeitsplätzen nach sich ziehen kann? Bewirkt die nur eingeschränkt mögliche gerichtliche Überprüfung der Unternehmerentscheidung nicht eine Aushöhlung des Bestandsschutzes? Wird der Arbeitgeber nicht regelrecht dazu verführt, einem Arbeitnehmer unter Berufung auf eine nicht kontrollierbare Unternehmerentscheidung eher betriebsbedingt als verhaltensbedingt zu kündigen, solange im Einzelfall die Sozialauswahl 13 nicht entgegensteht? Welche konkreten Entscheidungen fallen eigentlich in den kontrollfreien Bereich? Lässt sich überhaupt eine allgemeingültige Definition der Unternehmerentscheidung finden? Wie lässt sich die Unternehmerentscheidung von den in § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG genannten nachprüfbaren Tatbestandsmerkmalen der „dringenden betrieblichen Erfordernisse“ abgrenzen? Von welchen bestimmten Voraussetzungen hängt letztlich die Prüfung ab, ob eine betriebsbedingte Kündigung sozial gerechtfertigt ist oder nicht? Welche konkreten Tatsachen muss nun eigentlich der Arbeitgeber im Prozess vorbringen? Wie steht es mit der Darlegungs- und Beweislast? Diese und im jeweiligen Zusammenhang noch weitere Fragestellungen stehen bereits seit den Anfängen des materiellen Kündigungsschutzes 14 im Raum ___________ NZA 1994, 1009, 1010; v.Hoyningen-Huene/Linck, KSchG, § 1 Rn. 371 ff.; G. Müller, ZfA 1982, 475, 483 ff.; Oetker, Anm. zu BAG v. 18.1.1990, SAE 1991, 11, 17; U. Preis, Prinzipien, S. 217; Schaub, AH, § 131 Rn. 3 f. S. 1494; Stahlhacke/Preis/Vossen, Rn. 945 ff.; Wank, RdA 1987, 129, 144. 13 Auf die Probleme der Sozialauswahl gem. § 1 Abs. 3 KSchG wird in dieser Arbeit nicht vertieft eingegangen. 14 Der materielle Kündigungsschutz setzte mit Beginn des 20. Jahrhunderts ein; vgl. dazu den historischen Überblick im Zweiten Teil § 4, S. 41 ff.

B. BAG-Rechtsprechung aus dem Jahre 1999

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und sind bisher noch nicht zufrieden stellend beantwortet worden. Obwohl zwischenzeitlich viel zu diesem Thema geschrieben wurde 15 , ist eine allgemeingültige und abschließende Aussage über Inhalt und Grenzen der unternehmerischen Entscheidungsfreiheit im Verhältnis zu den in § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG genannten Tatbestandsmerkmalen der „dringenden betrieblichen Erfordernisse“ nach wie vor nicht vorhanden. 1964 äußerte Herschel in einer Anmerkung zu einem Urteil des Bundesarbeitsgerichts 16 : „Existenz und Umfang des richterlichen Prüfungsrechts bei betriebsbedingter Kündigung gehören zu den schwierigsten Problemen des Kündigungsschutzgesetzes“. Der Richter müsse darauf achten, „dass die Grenze zum Unternehmerischen zutreffend gezogen wird“. Heute, nach vier Jahrzehnten, sind diese Worte aktueller denn je.

B. Aktualität des Themas aufgrund der BAG-Rechtsprechung aus dem Jahre 1999 Die Diskussion über Inhalt und Grenzen der unternehmerischen Entscheidungsfreiheit hat durch die jüngere Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts neue Impulse erhalten. Insbesondere drei Urteile des Zweiten Senats vom 17.6.1999 17 haben Aufsehen erregt und im Schrifttum 18 eine beachtliche Anzahl kontroverser Stellungnahmen nach sich gezogen. Mit der Feststellung des Gerichts, „die Unternehmerentscheidung könne auch darin liegen, künftig auf Dauer mit weniger Personal zu arbeiten“ und „der rationelle Einsatz des Personals sei Sache der Unternehmerentscheidung“ wird die Problematik auf die Spitze getrieben. Ist in diesem Fall die Unternehmerentscheidung nicht quasi ___________ 15

Vgl. die Literaturangaben im Literaturverzeichnis. Vgl. Herschel, Anm. zu BAG v. 25.6.1964, AP Nr. 14 zu § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung. 17 BAG v. 17.6.1999 – 2 AZR 141/99 –, BAGE 92, 71 ff.; BAG v. 17.6.1999 – 2 AZR 522/98 –, BAGE 92, 61 ff.; BAG v. 17.6.1999 – 2 AZR 456/98 –, BAGE 92, 79 ff. 18 Siehe z. B. Besgen, b  p 1999, 499 ff.; Bitter, DB 2000, 1760 ff.; Boeddinghaus, ArbuR 2001, 8 ff.; Feudner, DB 1999, 2566 ff.; Frabotta/Korinth, AuA 2000, 415 ff.; Franzen, NZA 2001, 805 ff.; Henssler, Kölner Tage des Arbeitsrechts 2000, 89 ff.; Junker, Anm. zu BAG v. 17.6.1999 – 2 AZR 141/99 –, EWiR 1999, 1179 f.; Kleinebrink, FA 2000, 70 ff.; Lakies, Anm. zu BAG v. 17.6.1999 – 2 AZR 141/99 –, NJ 1999, 665 ff.; Oetker, Anm. zu BAG v. 17.6.1999 – 2 AZR 522/98 –, EWiR 2000, 43 f.; B. Preis, DB 2000, 1122 ff.; Quecke, NZA 1999, 1247 ff.; Rieble, Anm. zu BAG v. 17.6.1999 – 2 AZR 141/99 –, EzA Nr. 102 zu § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung; Schrader, NZA 2000, 401 ff.; Singer/v.Finckenstein, Anm. zu BAG v. 17.6.1999 – 2 AZR 141/99 –, SAE 2000, 279 ff.; Stein, BB 2000, 457; Zepter, DB 2000, 474 ff. m. Replik Feudner. 16

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Erster Teil: § 1 Einführung in die Problematik

identisch mit dem Entschluss zur Kündigung? Hat das Gericht damit womöglich beliebigen Kündigungen Tür und Tor geöffnet? Haben die Richter, um noch einmal das Zitat von Herschel aufzugreifen, ausreichend darauf geachtet, dass die Grenze zum Unternehmerischen zutreffend gezogen wurde? Aus dieser Rechtsprechung wird ersichtlich, dass das Bundesarbeitsgericht der unternehmerischen Entscheidungsfreiheit weitestgehenden Respekt einräumt. Der Gefahr, dass der unternehmerischen Willkür hiermit möglicherweise Vorschub geleistet wird, begegnet die höchstrichterliche Rechtsprechung auf der Ebene des Verfahrens. Je großzügiger das Bundesarbeitsgericht die unternehmerische Entscheidungsfreiheit toleriert, desto strengere Anforderungen stellt es an die Darlegungslast des Unternehmers. Der diesbezüglich entwickelte Grundsatz der Rechtsprechung lautet: „Je näher die eigentliche Organisationsentscheidung an den Kündigungsentschluss rückt, um so mehr muss der Arbeitgeber durch Tatsachenvortrag verdeutlichen, dass ein Beschäftigungsbedürfnis entfallen ist“ 19 . Aber warum stellt das Gericht nun erhöhte Anforderungen an die Darlegungslast, wenn es doch in ständiger Rechtsprechung davon ausgeht, dass die Unternehmerentscheidung nicht auf ihre Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit hin justitiabel ist? Führt die Anwendung dieses „Je-näher-Grundsatzes“ im Ergebnis nicht doch zu einer Überprüfung der Unternehmerentscheidung?

C. Aktualität des Themas aufgrund der Entwicklung der Wirtschaft und des Arbeitsmarktes in Deutschland Das Thema der vorliegenden Arbeit ist ferner von Belang in Beziehung auf die aktuelle Diskussion zur deutschen Wirtschaftslage und die erschreckend hohe Arbeitslosenzahl. Seit der Kodifizierung des Kündigungsschutzgesetzes haben sich die wirtschaftlichen Verhältnisse stark verändert. Während sich das Wirtschaftswachstum 20 in den 50er und 60er Jahren zwischen rund 4 und 12 % bewegte, lag es in den letzten zehn Jahren bei durchschnittlich nur 1,5 %. Im Jahr 2002 war nur ein Wirtschaftswachstum in Höhe von 0,2 % und im Jahr 2003 sogar von -0,1 % zu verzeichnen 21 . Die Arbeitslosigkeit 22 sank in den ___________ 19 BAG v. 17.6.1999 – 2 AZR 141/99 –, BAGE 92, 71; ebenso BAG v. 17.6.1999 – 2 AZR 522/98 –, BAGE 92, 61, 68; ferner BAG v. 17.6.1999 – 2 AZR 456/98 –, BAGE 92, 79, 91. 20 Vgl. dazu Statistisches Bundesamt: Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung. Wichtige Zusammenhänge im Überblick, 2001, S. 12. 21 Statistisches Bundesamt Deutschland, Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen, (http://www.destatis.de/basis/d/vgr/vgrtab1.htm).

C. Entwicklung der Wirtschaft und des Arbeitsmarktes

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50er und 60er Jahren kontinuierlich auf die aus heutiger Sicht traumhafte Zahl von 0,7 %; bis 1970 konnte man geradezu von einer Vollbeschäftigung ausgehen. Seit Mitte der 70er Jahre ist ein Anwachsen der Arbeitslosenquote zu registrieren und bereits Anfang der 80er Jahre betrug die Arbeitslosenquote 7,5 %. 1996 überschritt die Quote die 10 %-Marke und 1997 war die seit Kriegsende höchste Quote von 11 % zu verzeichnen. Im Februar 2004 lag die Arbeitslosenquote bei 11,1 % 23 . Die anhaltende oder gar zunehmende Massenarbeitslosigkeit wird mit großer Besorgnis betrachtet, da sie maßgeblich dazu beiträgt, die vertrauten sozialen Sicherungssysteme und damit die Stabilität der gesamten Gesellschafts- und Staatsordnung zu gefährden 24 . Es werden deshalb weitgehende, teilweise nicht miteinander harmonierende Überlegungen angestellt, wie auf die Beschäftigungskrise zu reagieren ist. Dabei bleibt keiner der Akteure auf dem Arbeitsmarkt von Kritik und Erwartungen verschont. Einige Stimmen im Schrifttum kritisieren die extensive Auslegung des geltenden Kündigungsschutzgesetzes zugunsten der Unternehmer. Die nach dem derzeitigen Stand der Rechtsprechung und Lehre reduzierten Anforderungen einer betriebsbedingten Kündigung entsprächen nicht der Intention des Gesetzes 25 . Der Bestandsschutz wird partiell als unzureichend eingeschätzt 26 . In diesem Sinne wird teilweise auch die Kündigungspraxis der Unternehmer als leichtfertig angesehen. So beanstandete 1997 Bundespräsident Roman Herzog 27 , betriebsbedingte Kündigungen ergingen nicht mehr nur zur Bewältigung wirtschaftlicher Krisen eines Unternehmens, sondern würden bereits mit dem ___________ 22

Vgl. dazu Statistisches Bundesamt, Datenreport 2002, S. 97. Vgl. Bundesagentur für Arbeit, Presse Info 034 vom 4.3.2004 (http://www.arbeitsagentur.de). Rechnet man die verdeckten Arbeitslosen hinzu, so kommt man auf eine noch viel erschreckendere Zahl; nach Rüthers (NJW 2003, 546) sei bereits im letzten Jahr von einer Gesamtzahl der Arbeitslosen in Höhe von ca. 5,7 Millionen auszugehen gewesen. 24 Vgl. auch Rüthers, NJW 2003, 546. 25 Kittner/Däubler/Zwanziger, § 1 KSchG Rn. 256 b; Herschel (FS Schnorr v. Carolsfeld, 1972, 157 f.) dagegen meint, der Beitrag von Rechtsprechung und Lehre habe zwar dazu geführt, dass die Rechtswirklichkeit mit dem Wollen des historischen Gesetzgebers nicht deckungsgleich sei. Dies sei jedoch kein ungewöhnlicher, sondern bis zu einem gewissen Grade ein gesunder Vorgang, gegen den nichts einzuwenden sei. 26 Vgl. z. B. Däubler (NJW 2002, 2292 f.), der aufzeigt, dass der deutsche Kündigungsschutz im EU-Vergleich eher im unteren Drittel liege; vgl. auch Dorndorf, BB 2000, 1938 ff. 27 Roman Herzog, Die Zeit v. 7.3.1997, S. 25; vgl. auch U. Preis, NZA 1997, 1073, 1079. 23

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Erster Teil: § 1 Einführung in die Problematik

Ziel der Gewinnmaximierung bzw. des Erfolges auf dem Aktienmarkt ausgesprochen. Die Frage nach der sozialen Dimension unternehmerischen Handelns steht hier deutlich im Vordergrund. Ein Ansatzpunkt der Überlegungen, wie auf die schlechte Beschäftigungslage zu reagieren ist, führt deshalb zu einem Appell an die Unternehmer, mehr Verantwortung für den deutschen Arbeitsmarkt zu übernehmen 28 . Die Verantwortung der Unternehmer gegenüber dem deutschen Arbeitsmarkt lässt sich aber nicht losgelöst von der Frage der Konkurrenzfähigkeit der Unternehmen und der Verpflichtung gegenüber den Kapitalgebern betrachten. Auf einer Tagung im April 1997 des Deutschen Netzwerks Wirtschaftsethik führte Werner Maly, Vorstandsmitglied der Siemens-AG, hierzu exemplarisch aus, das Spannungsfeld unternehmerischer Verantwortung nehme stetig zu; der Konflikt zwischen den unterschiedlichen Interessen der „stake-holder“ verschärfe sich unter dem seitens der „share-holder“ ausgeübten Druck 29 . Mit einzubeziehen in die Überlegungen, wie auf das Sinken des Wirtschaftswachstums und auf die Beschäftigungskrise in Deutschland zu reagieren ist, ist ferner, dass sich in den letzten Jahren ein starker Wandel hin zur Öffnung der Märkte vollzogen hat. Zu nennen sind die Schlagworte Europäisierung und Globalisierung. Unternehmen investieren und produzieren weltweit und nutzen so die hinzugewonnene Beweglichkeit des Kapitals 30 . Damit einher geht eine international organisierte Arbeitsteilung. Unternehmer prüfen, wo am kostengünstigsten produziert werden kann, und vergleichen die jeweiligen landesabhängigen Rahmenbedingungen. Maßgebend sind Überlegungen zum Lohnniveau und zu den sozialen Arbeitnehmerschutzvorschriften. Weniger ausgeprägte soziale Schutzvorschriften in anderen Ländern bieten unter Kostengesichtspunkten einen Anreiz, die Produktion dorthin zu verlagern. Der verständliche unternehmerische Drang, die Vorteile unterschiedlicher Standorte optimal zu kombinieren, erweist sich jedoch für die ordnungspolitisch Verantwortlichen als ein großes Problem. Das Trachten nach transnationalen Wirtschaftsbeziehungen führt nämlich zu deutlichen Autonomieverlusten der jeweiligen nationalstaatli___________ 28 Vgl. u. a. die Diskussion, die dem am 1.1.1998 in Kraft getretenen SGB III folgte. In § 2 SGB III wird die besondere Verantwortung von Arbeitnehmern und Arbeitgebern für den Arbeitsmarkt betont. Wie sich diese Norm auf den Kündigungsschutz auswirkt, wird eingehend im Zweiten Teil § 7 C. III., S. 210 ff. dieser Arbeit erörtert. 29 Vgl. den Tagungsbericht von Annette Kleinfeld http://www.akademie-rs.de/wirtschaftsethik. 30 Da die Beweglichkeit des Produktionsfaktors „Kapital“ deutlich höher ist als die des Produktionsfaktors „Arbeit“, ist infolge der Liberalisierung der Güter- und Finanzmärkte eine Verschiebung der Machtverhältnisse zugunsten der Kapitalseite zu registrieren; vgl. Handbuch der Wirtschaftsethik, Bd. 1, S. 829.

C. Entwicklung der Wirtschaft und des Arbeitsmarktes

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chen Politik 31 . Es kann davon ausgegangen werden, dass eine erhöhte internationale Konkurrenz auf europäischer bzw. interkontinentaler Ebene zu einem Ausgleich des Wohlstandsniveaus führen wird. Ein solcher Ausgleich wird mit hoher Wahrscheinlichkeit mit sich bringen, dass die bisher führenden Wohlfahrtsstaaten Einbußen ihrer sozialen Sicherungsstandards in Kauf nehmen müssen. Für die jeweils Betroffenen ist dies ein schmerzlicher Prozess 32 . In diesem Zusammenhang sind die Argumente Briefs 33 in seiner Lehre von der Grenzmoral bemerkenswert, nach denen sich Marktkonkurrenz erodierend auf das moralische Verhalten auswirke. Diejenigen Marktteilnehmer mit den niedrigsten Moralstandards seien tonangebend für die Richtung, in die sich die Marktgesellschaft bewege. Inwieweit unser nationaler Gesetzgeber es also in der Hand hat, unseren Wohlstand auf unverändertem Niveau zu halten oder gar zu erhöhen, ist mehr als zweifelhaft 34 . Auch wenn das Arbeitsrecht sicher nur ein Faktor unter mehreren ist, die auf die Wirtschafts- und Stellensituation Einfluss haben, setzt die Kritik auch hier an und fordert unter Verweis auf die soeben aufgezeigten Tendenzen, den arbeitsrechtlichen Bestandsschutz zu lockern. Im Interesse einer florierenden und konkurrenzfähigen Wirtschaft seien soziale Schutzvorschriften abzubauen. Obgleich es an gesicherten Erkenntnissen fehlt, ob und wie Regelungen zum Bestandsschutz zum Abbau der Arbeitslosigkeit beitragen können 35 , steht das ___________ 31

Vgl. Handbuch der Wirtschaftsethik, Bd. 1, S. 829. Vgl. Handbuch der Wirtschaftsethik, Bd. 1, S. 831. 33 Briefs, Ausgewählte Schriften, Bd. 1, S. 51. 34 In diesem Zusammenhang ist auch ein Blick auf soziale Verhaltenskodizes, d. h. unternehmerische Selbstverpflichtungen zu sozialen Mindeststandards lohnend; vgl. dazu den interessanten Beitrag von Kocher, RdA 2004, 27 ff. 35 Bisher fehlt es an gesicherten empirischen Untersuchungen; vgl. aber Jahn, Zur ökonomischen Theorie des Kündigungsschutzes, Diss. 2002; die Einschätzungen, wie sich arbeitsrechtliche Regelungen auf die Beschäftigungssituation auswirken, fallen sehr unterschiedlich aus: Während z. B. Rüthers (NJW 2003, 546) meint, der Zusammenhang zwischen Arbeitsrecht und Arbeitsmarkt lasse sich nicht länger leugnen, vertritt z. B. U. Preis (RdA 1999, 311, 312) die Auffassung, die unmittelbaren beschäftigungspolitischen Auswirkungen des Kündigungsschutzes seien vielfach überbewertet worden; v.Hoyningen-Huene/Linck (KSchG, Einl. Rn. 14) ziehen aus der Weimarer Zeit die Erkenntnis, dass Arbeitslosigkeit nicht durch Kündigungsbeschränkungen zu bekämpfen sei. Vielmehr sei es notwendig, auf die Produktivität der Betriebe Rücksicht zu nehmen; vgl. auch Franz, ZfA 1994, 439, 446; Hanau, DB 1998, 69, 78; ferner Herschel, RdA 1975, 28, 30; Hofman, ZfA 1984, 295, 299 f.; v.Hoyningen-Huene, FS Arbeitsgerichtsbarkeit Rheinland-Pfalz, 1999, 215 ff.; U. Preis, RdA 2003, 65, 66; Reuter, BAG-FS, 1979, 405, 419; Stege, FS Hanau, 1999, 107 ff. Richtig jedenfalls dürfte die Aussage von U. Preis (Prinzipien, S. 24) sein, dass das KSchG nicht in der Lage ist, Massenar32

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Erster Teil: § 1 Einführung in die Problematik

geltende Kündigungsschutzrecht heute mehr und mehr im Kreuzfeuer der Kritik 36 . Insbesondere wird vorgebracht, dass ein starker Kündigungsschutz als Einstellungshemmnis wirke 37 . Müsse ein Arbeitgeber davon ausgehen, dass er sich von einem einmal eingestellten Arbeitnehmer nur mit großen Schwierigkeiten wieder trennen kann, so scheue er im Zweifel vor dem Wagnis der Neueinstellung zurück. Auch aus Sicht der Arbeitssuchenden tragen in ihrem Bestand umfassend geschützte Arbeitsverhältnisse dazu bei, ihre eigenen Einstellungschancen zu schmälern 38 . Rüthers meint, der gut gemeinte Kündigungsschutz werde leicht zum kollektiven Arbeitnehmerschaden 39 . All dies spricht für eine Entwicklung, die dem Bestandsschutz in seiner erreichten Form tendenziell entgegenwirkt. Der arbeitsrechtliche Bestandsschutz in seiner jetzigen Fassung ist einem starken Gegenwind ausgesetzt. Die soziale Komponente der Marktwirtschaft gerät in Bedrängnis. Erste Veränderungen haben sich zunächst im Befristungsrecht bemerkbar gemacht 40 . Befristete Arbeitsverhältnisse sind heute in einem größeren Umfang zulässig als früher. Weiterhin sind Erleichterungen des arbeitgeberseitigen Kündigungsrechtes aufgrund des Gesetzes zu Reformen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003 41 vorgenommen worden. Im Vorfeld der Gesetzesänderung sind noch sehr viel weitergehende Reformen des Kündigungsschutzrechtes vorgeschlagen worden. So wurde u. a. die Frage diskutiert, ob nicht an Stelle eines Kündigungsschutzes, der auf Kündigungsgrün___________ beitslosigkeit zu verhindern und schon gar nicht, die Zahl der Arbeitsplätze zu erhöhen. Das KSchG könne eine effektive Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik nicht ersetzen. 36 U. Preis (Prinzipien, S. 24) bemerkte, das „Schön-Wetter-Gesetz“ (so die Bezeichnung des KSchG von Hillebrecht, Veröffentlichungen des DAV, 1984, 103) stehe in Zeiten schlechter Konjunktur auf dem Prüfstand. 37 Beispielhaft Hromadka, AuA 2002, 261; zum Einfluss des Kündigungsrechtes auf das Einstellungsverhalten vgl. auch Bauer, NZA 2002, 529, 530; Rüthers, NJW 2002, 1601, 1604; Stege, FS Hanau, 1999, 107, 113 ff. 38 Durch einen starken Kündigungsschutz werden bestehende Arbeitsverhältnisse „zementiert“; vgl. dazu v.Hoyningen-Huene, FS Arbeitsgerichtsbarkeit Rheinland-Pfalz, 1999, 215, 220; Heinze (ZfA 1983, 409, 543) bezeichnet den hohen Kündigungsschutzstandard als „Feudalismus zugunsten der Arbeitsplatzinhaber zum Nachteil der Arbeitsplatzbewerber“; vgl. auch Zöllner, Gutachten D, 1978, S. 113 ff. 39 Rüthers, NJW 1998, 1433, 1434; ders., NJW 2003, 546 ff. 40 Der Abbau von beschäftigungshemmenden Regelungen wurde mit dem BeschFG 1985 begonnen und mit dem ArbBSchFG 1996 sowie dem AFRG 1997 fortgesetzt. Inzwischen wurde das TzBfG in Kraft gesetzt. Diese Lockerung der Arbeitnehmerschutzrechte hat bisher jedoch nicht zu mehr Arbeitsplätzen geführt, so dass an dem arbeitsmarktpolitischen Erfolg des Abbaus von Sozialvorschriften gezweifelt werden kann, vgl. Frankfurter Rundschau v. 3.9.1997, Nr. 204, S. 4; vgl. ferner U. Preis, RdA 1999, 311, 312. 41 BGBl. I S. 3002; vgl. dazu auch Zweiter Teil § 4 F., S. 68 f.

C. Entwicklung der Wirtschaft und des Arbeitsmarktes

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de abstellt, ein reines Abfindungsrecht eingeführt werden sollte 42 . Ob allerdings ein Abfindungskonzept gegenüber Bestandsschutzregelungen den Vorzug verdient, ist sehr zweifelhaft 43 . Zu bedenken ist, dass die Einführung eines Abfindungsrechts sowohl für die Arbeitgeber- als auch für die Arbeitnehmerseite gewichtige Nachteile mit sich brächte 44 . Zudem ist in Frage zu stellen, ob der Gesetzgeber seiner aus den Grundrechten resultierenden Schutzpflicht den Arbeitnehmern gegenüber ausreichend nachkäme, wenn er Kündigungen unabhängig von dem Bestehen eines sachlichen Grundes zulassen würde. Der nun in das KSchG neu aufgenommene Abfindungsanspruch gemäß § 1 a bleibt hinter einem angedachten Abfindungskozept, bei dem der Arbeitgeber zu Abfindungen verpflichtet ist, weit zurück. § 1 a regelt im Ergebnis nichts anderes als auch vorher grundsätzlich möglich war, nämlich freiwillig Abfindungsvereinbarungen zu treffen 45 . Sich einerseits der Forderung des Abbaus von sozialen Schutzvorschriften nicht zu verschließen, sich andererseits dieser allgemeinen Tendenz in einem vernünftigen Maße entgegenzustellen, ist eine schwierige Aufgabe 46 . Die vorliegende Arbeit geht davon aus, dass das bestehende Kündigungsschutzsystem ein ausgewogenes Grundmodell darstellt 47 . Die durch das Gesetz ___________ 42 Vgl. z. B. Bauer, NZA 2002, 529 ff.; Buchner, NZA 2002, 533 ff.; Rüthers, NJW 2002, 1601 ff.; ders., NJW 2003, 546, 549; neue, moderne Regelungen eines KSchG schlägt u. a. auch Hromadka (NZA 2002, 783 f.) vor. 43 Kritisch auch U. Preis, RdA 2003, 65 ff. 44 Vgl. die berechtigte Kritik zur Abfindungslösung von Däubler (NJW 2002, 2292 f.), auch bei Nichtbestehen eines sachlichen Grundes müsse der Einzelne sangund klanglos gehen. Da sich die Arbeitnehmer also nicht wirksam gegen die Auflösung des Arbeitsverhältnisses wehren können, so werde im Endeffekt eine Steigerung der Abhängigkeit der Beschäftigten herbeigeführt. Die Angst vor Kündigungen erziehe die Arbeitnehmerschaft zum Duckmäusertum. Arbeitgeber wären insofern von der Abfindungslösung benachteiligt, als sie auch bei berechtigten Kündigungen Abfindungen zahlen müssten; U. Preis, RdA 2003, 65, 70. 45 Siehe u. a. Wolff, BB 2004, 378 ff. 46 In Anlehnung an Otto v.Gierke (Die soziale Aufgabe des Privatrechts, S. 10) stellt sich die Frage, wie viele Tropfen sozialistischen Öls das deutsche Kündigungsschutzrecht verträgt. 47 Es gibt auch einige sehr positive Stimmen hinsichtlich des deutschen Bestandsschutzes. Der Vertrag über die Schaffung einer „Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion“ vom 18. Mai 1990 (BGBl. II S. 537 ff.) erkannte die hervorgehobene Stellung des arbeitsrechtlichen Bestandsschutzes des deutschen KSchG trotz vieler Mängel aufgrund der schwer verständlichen Normierung an und zählte in Art. 17 den „Kündigungsschutz entsprechend dem Recht der Bundesrepublik Deutschland“ zu den Kernbestandteilen einer Arbeitsrechtsordnung, die sich der „Philosophie“ einer Sozialen Marktwirtschaft verpflichtet fühlt. Auch U. Preis (RdA 2003, 65, 72) tritt dafür ein, es prinzipiell bei der Systematik des gegenwärtigen Kündigungsschutzrechts zu belassen.

Erster Teil: § 1 Einführung in die Problematik

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zu Reformen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003 48 erfolgten Änderungen im Kündigungsschutzrecht haben letztlich keinen Einfluss auf die vorliegende Untersuchung, da das der betriebsbedingten Kündigung zugrunde liegende System und der Wortlaut des § 1 Abs. 2 KSchG nicht geändert wurden. Bedauerlich ist, dass der Gesetzgeber nicht bei den wirklich wesentlichen Punkten gehandelt hat, und zwar in Bezug auf Konkretisierung und Erläuterung der Merkmale „dringende betriebliche Erfordernisse“. Zu den positiven Standortfaktoren ist nämlich auch die Überschaubarkeit, die Zuverlässigkeit und die Anwendungsfreundlichkeit arbeitsrechtlicher Normen, mithin die Gewährleistung von Rechtssicherheit zu zählen 49 .

D. Bedürfnis nach größerer Rechtssicherheit Nicht nur betroffene Arbeitnehmer und Arbeitgeber, sondern auch Richter, Rechtsanwälte und andere Fachleute beklagen die schwierige Anwendung des Rechts der betriebsbedingten Kündigung und die damit einhergehende Rechtsunsicherheit. Selbst bei Hinzuziehung von Spezialisten sei es häufig nicht möglich, die Prozessrisiken realistisch einzuschätzen 50 . Im Sinne eines funktionierenden Rechtssystems sollte jedoch gewährleistet sein, dass sich richterliche Entscheidungen stets nachvollziehen und in wesentlichen Punkten auch vorhersehen lassen 51 . Das Recht der betriebsbedingten Kündigung ist schon allein wegen der Mehrzahl der zu beachtenden Gesetze sehr kompliziert und unübersichtlich geregelt 52 . Rüthers 53 formulierte treffend: „Das Arbeitsrecht ist...ein bunter, bisweilen chaotischer Flickenteppich von Einzelgesetzen und Richterrechtsnormen (Loseblatt-Existenz)“. Ein Blick in das Kündigungsschutzgesetz reicht keineswegs zur Einschätzung einer kündigungsrechtlichen Situation, erforder___________ Er schlägt vor, an die Stelle der Sozialauswahl ein differenziertes Abfindungssystem zu setzen. 48 BGBl. I S. 3002. 49 Vgl. auch U. Preis, RdA 1999, 311, 312. 50 So auch die Kritik von Berkowsky, S. 1; Meisel, Anm. zu BAG v. 24.3.1983, AP Nr. 12 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung; Schwerdtner, ZIP 1984, 10, 12. 51 So auch Diller, Kölner Tage des Arbeitsrechts 1999, 157. 52 Diese Problematik hat P. Hanau in Versen beschrieben (abgedruckt bei Söllner, Arbeitsrecht in der Verfassungsordnung, S. 284 ff.). 53 Rüthers, NJW 2003, 546.

D. Bedürfnis nach größerer Rechtssicherheit

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lich sind auch Rechtskenntnisse aus dem BGB 54 und bei Bestehen eines Betriebsrats zusätzlich aus dem BetrVG 55 . Im Einzelfall sind noch weitere Gesetze 56 oder Tarifverträge etc. von Bedeutung. Das Ineinandergreifen der Normen, beispielsweise zwischen § 1 Abs. 2 KSchG und § 102 BetrVG, ist nicht immer auf Anhieb verständlich 57 . Darüber hinaus bestehen gravierende Anwendungsschwierigkeiten aufgrund der in den zentralen Normen des KSchG enthaltenen unbestimmten Rechtsbegriffe und Generalklauseln, die wesentlich dazu beitragen, dass es dem Recht der betriebsbedingten Kündigung an markanten Konturen fehlt. Was genau meint das Gesetz mit „dringenden betrieblichen Erfordernissen“? Welche Anforderungen sind an die Begriffe der „Dringlichkeit“ und der „Erfordernisse“ gestellt? Selbst das Wort „betrieblich“ lässt Fragen offen. Zudem spielt für die richtige Anwendung die Kenntnis einiger dem Kündigungsrecht zugrunde liegenden Rechtsprinzipien, wie zum Beispiel das Verhältnismäßigkeitsprinzip, das ultima-ratio-Prinzip, das Prognoseprinzip oder eine allgemeine Interessenabwägung eine wichtige Rolle. Allein durch das Heranziehen der entsprechenden Gesetzestexte lässt sich ein Sachverhalt, dem eine betriebsbedingte Kündigung zugrunde liegt, kaum lösen. Dem Laien bleibt nichts anderes übrig, als Fachleute zu konsultieren 58 . Aber selbst Fachleute können sogar nach eingehendem Studium von Rechtsprechung und Literatur mangels einer hinreichend verständlichen Systematik kaum gewährleisten, dass sie eine rechtssichere Lösung finden. Der Rechtsprechung wird vorgeworfen, Kündigungsvorgänge seien zum „Lotteriespiel“ geworden 59 . Die Arbeitsrechtsprechung gehe nicht sachlich, rational und einheitlich mit scheinbar offenen Wertungsfragen um. Das Bundes___________ 54 Vgl. z. B. die Regelung der Kündigungsfristen in § 622 BGB und die Normierung des Schriftformerfordernisses der Kündigung in § 623 BGB. 55 Die Anforderungen an eine ordnungsgemäße Betriebsratsanhörung gem. § 102 BetrVG sind so umfassend, dass die Wirksamkeit einer Kündigung häufig an dieser Voraussetzung scheitert, vgl. dazu Schiefer, NZA 2002, 770, 771. 56 Z. B. Regelungen des besonderen Kündigungsschutzes, vgl. u. a. §§ 9 MuSchG, 18 BErzGG, 85 ff. SGB IX, 15 BBiG, 2 ArbPlSchG, 78 ZDG, 613 a IV BGB, 15, 17 KSchG, 103 BetrVG. 57 Hofmann, ZfA 1984, 295, 304; G. Müller, ZfA 1982, 475, 477; Wank, RdA 1987, 129, 130. 58 Rüthers (NJW 2003, 546, 549) stellt die „ironische“ These auf, die Vereinfachung des Kündigungsrechts sei nicht für jedermann wünschenswert. Kündigungsschutzprozesse seien ein lohnendes Gewerbe. 59 So Schwerdtner, ZIP 1984, 10, 12; U. Preis (NZA 1997, 1073, 1089) stellt fest, dass in der Rechtsprechung eine Aufweichung der kündigungsrechtlichen Systematik als Grundtendenz zu erkennen sei, vgl. auch ders., Prinzipien, S. 4; ferner Herschel, FS G. Müller, 1981, 191, 200 f.

Erster Teil: § 1 Einführung in die Problematik

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arbeitsgericht reihe einzelne Abwägungskriterien beziehungslos nebeneinander. Das fallweise Heranziehen des ultima-ratio-Prinzips, des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes und der Interessenabwägung ließen teilweise den Eindruck entstehen, dass sich der Bestandsschutz in eine allgemeine Billigkeitserwägung aufgelöst habe. Das Vertrauen in die Verallgemeinerungsfähigkeit von Leitentscheidungen und in konkrete Normsätze scheint erschüttert. Es besteht die Sorge, dass Rechtsfälle zur betriebsbedingten Kündigung vorrangig als Einzelfälle und nicht anhand von allgemeinen Rechtssätzen entschieden werden. So hat auch Herschel kritisiert 60 , dass eine zu weitgehende Einzelfallbetrachtung zu einer Verdunkelung der leitenden Prinzipien des KSchG führe. Es besteht daher das Bedürfnis, das Recht der betriebsbedingten Kündigung auf objektive und objektivierbare Grundsätze hinzuführen, die allgemeine Gültigkeit haben und über eine Einzelfallgerechtigkeit hinausgehen. Zusammenfassend ist festzustellen, dass Arbeitsgerichte, Gesetzgebung und Wissenschaft aufgrund der aufgeworfenen Fragen reichlich Anlass haben, sich mit dem Spannungsverhältnis zwischen der unternehmerischen Entscheidungsfreiheit einerseits und dem Bestandsschutz andererseits auseinanderzusetzen.

___________ 60

Herschel, FS Schnorr v. Carolsfeld, 1972, 157, 158.

A. Historische Entwicklung

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§ 2 Ziele und Vorgehensweise der Untersuchung Ziel dieser Arbeit ist es, einen Beitrag zu der vorstehend beschriebenen Auseinandersetzung zu leisten sowie die Vorzüge und Nachteile der gesetzgeberischen Regelung und ihrer Anwendung herauszuarbeiten. Aufgrund der gezogenen Erkenntnisse wird als Ergebnis der Untersuchung ein Formulierungsvorschlag für eine verbesserte Normierung der betriebsbedingten Kündigung unterbreitet. Die Untersuchung der vorliegenden Arbeit wird in erster Linie auf das Verhältnis der unternehmerischen Entscheidungsfreiheit zu den im Gesetz genannten Merkmalen der „dringenden betrieblichen Erfordernisse“ begrenzt. Obgleich nach Auffassung der Verfasserin auch Fragen rund um die Sozialauswahl gemäß § 1 Abs. 3 KSchG bearbeitenswert sind, wird im Rahmen dieser Arbeit darauf nicht näher eingegangen. Auch Probleme im Zusammenhang mit dem Wiedereinstellungsanspruch sowie im Zusammenhang mit der Betriebsratsanhörung werden nicht erörtert.

A. Historische Entwicklung Die Diskussion, wie weit sich der Kündigungsschutz als Beschränkung der unternehmerischen Entscheidungen auswirken darf, setzte schon lange vor Inkrafttreten des heutigen KSchG ein. § 4 der Untersuchung wirft daher einen Blick auf die Entwicklung der betriebsbedingten Kündigung. Besonderes Augenmerk liegt dabei auf der Frage, in welchem Umfang die Rechtsprechung schon damals die Unternehmerentscheidung als nicht justitiabel angesehen hat. Bei Betrachtung der historischen Zusammenhänge offenbaren sich ferner die Risiken, die sich aus den im Kündigungsrecht vorhandenen Generalklauseln und unbestimmten Rechtsbegriffen ergeben.

B. Rechtsprechung In § 5 der Untersuchung soll die Entwicklung der Rechtsprechung zu Fragen der Unternehmerentscheidung, insbesondere zur Kontrolldichte, zu dem Merkmal der „dringenden betrieblichen Erfordernisse“ bei der betriebsbedingten Kündigung dargestellt werden. Aufgrund der Fülle der vorhandenen Urteile zur betriebsbedingten Kündigung kann nur eine gewisse Auswahl getroffen werden. Es soll auf die wichtigsten grundlegenden Urteile des Bundesarbeitsgerichts eingegangen werden. Die Stellungnahmen zu den jeweiligen Urteilen aus dem Schrifttum werden zunächst noch zurückgestellt und erfolgen erst im

Erster Teil: § 2 Ziele und Vorgehensweise der Untersuchung

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weiteren Verlauf der Arbeit unter den jeweils zu behandelnden einzelnen Gesichtspunkten.

C. Die Unternehmerentscheidung In § 6 der folgenden Untersuchung wird eine Auseinandersetzung mit dem bedeutsamen Begriff der Unternehmerentscheidung erfolgen. Die Überlegung, was konkret unter einer Unternehmerentscheidung zu verstehen ist und sich damit unter Umständen von vornherein dem kontrollfreien Bereich zuordnen ließe, bereitet große Schwierigkeiten. Eine allgemeingültige Definition scheint es nicht zu geben. Zu leisten ist daher das präzise Bestimmen und Ordnen der im Zusammenhang mit der Unternehmerentscheidung verwendeten Einzelbegriffe; dies nicht allein als Grundlage einer in sich folgerichtigen Darstellung, sondern insbesondere auch, um Aussagen über Existenz und Umfang des richterlichen Prüfungsrechts treffen zu können. Zu klären ist die Frage, inwieweit sich „die Grenze zum Unternehmerischen“ im Sinne Herschels hinreichend sicher ziehen lässt und ob eine Differenzierung der Unternehmerentscheidungen nach der wirtschaftlich-unternehmerischen Ebene einerseits und der betrieblich-organisatorischen Ebene andererseits überhaupt möglich und erforderlich ist. Fraglich ist weiterhin, welche Vorteile die 19781 durch das Bundesarbeitsgericht eingeführte Unterscheidung zwischen außerbetrieblich und innerbetrieblich veranlassten Kündigungen mit sich brachte. Es wird aufzuzeigen sein, dass der Versuch, der Unternehmerentscheidung auf der Ebene des materiellen Rechts Konturen zu verleihen, an Grenzen stößt und daher nur im eingeschränkten Maße sinnvoll erscheint. Verfolgt und weiter entwickelt wird daher der Lösungsansatz der neueren Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, die den Begriff der Unternehmerentscheidung nicht auf der materiellen Ebene einschränkt, sondern das Problem auf der prozessualen Ebene der Darlegungsund Beweislast angeht. Ausgehend von dem aufgestellten Grundsatz „Je näher die eigentliche Organisationsentscheidung an den Kündigungsentschluss rückt, um so mehr muss der Arbeitgeber durch Tatsachenvortrag verdeutlichen, dass ein Beschäftigungsbedürfnis für den Arbeitnehmer entfallen ist“ wird daher ein Ansatz verfolgt, der die unternehmerischen Entscheidungen nach ihrer Nähe zum Kündigungsentschluss selbst ordnet. Es soll damit versucht werden, eine Systematik von unternehmerischen Entscheidungen zu entwickeln, die sich stärker an der Justitiabilität durch die Gerichte orientiert. ___________ 1

Grundlegend BAG v. 7.12.1978, BAGE 31, 157 ff.

E. Das Merkmal der „dringenden betrieblichen Erfordernisse“

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D. Gründe der Unüberprüfbarkeit der Unternehmerentscheidung Der vierte und größte Teil der Untersuchung (§ 7) beschäftigt sich mit den rechtsdogmatischen Hintergründen des Grundsatzes der nur eingeschränkten gerichtlichen Überprüfbarkeit unternehmerischer Entscheidungen. Der Satz, dass die Unternehmerentscheidung nicht hinsichtlich ihrer Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit zu überprüfen ist, sondern nur daraufhin, ob sie offenbar unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist, ist zwar in jeder Entscheidung zur betriebsbedingten Kündigung sozusagen als unumstößliche Richtschnur enthalten, jedoch ist eine Begründung dafür nur selten zu finden2. Im Wesentlichen wird ausgeführt, der Überprüfbarkeit stünden die Freiheitsgrundrechte des Unternehmers entgegen. Ob dies eine wirklich überzeugende Begründung darstellt, wird am Anfang von § 7 behandelt. Insbesondere ist dabei auf die Auswirkung der grundrechtlichen Schutzpflichtlehre auf den arbeitsrechtlichen Bestandsschutz einzugehen. Sodann erfolgt eine Auseinandersetzung mit einfachgesetzlichen Wertungen. Zunächst wird ein Blick auf die Normenstruktur des § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG geworfen. Im Folgenden wird geprüft, inwiefern die Wertungen der §§ 111 ff. BetrVG einer gerichtlichen Kontrolle unternehmerischer Entscheidungen entgegenstehen. Interessant ist auch die in der Literatur lebhaft geführte Diskussion um den noch recht jungen § 2 SGB III über die Frage, inwiefern sich dieser Gesetzesappell auf das Recht der betriebsbedingten Kündigung auswirkt. Schließlich soll die Überzeugungskraft der Argumente untersucht werden, die darauf abstellen, dass der Richter mit der Überprüfung der unternehmerischen Entscheidungen überfordert sei, es an justitiablen Maßstäben fehle und dass der Unternehmer schließlich das wirtschaftliche Risiko unternehmerischer Entscheidungen trage.

E. Das Merkmal der „dringenden betrieblichen Erfordernisse“ Unumgänglich ist die Auseinandersetzung mit den in § 1 Abs. 2 S. 1 genannten Merkmalen der „dringenden betrieblichen Erfordernisse“. Wie bereits angedeutet, ist die Handhabung des Kündigungsschutzrechtes unter anderem deshalb besonders schwierig, weil man beim Lesen des Gesetzestextes, der Rechtsprechung und der Literatur mit einer Vielzahl von Generalklauseln, unbestimmten Rechtsbegriffen und Prinzipien konfrontiert wird, die in besonde___________ 2

Vgl. nur BAG v. 17.6.1999 – 2 AZR 141/99 –, BAGE 92, 71, 74.

Erster Teil: § 2 Ziele und Vorgehensweise der Untersuchung

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rem Maße zur Verwirrung beitragen. Diese Problematik hat Ulrich Preis3 in seinem Werk „Prinzipien des Kündigungsrechts bei Arbeitsverhältnissen“ sehr treffend und umfassend behandelt. Indem er Rechtsprechung und Schrifttum sehr gründlich ausgewertet und allgemeingültige Prinzipien im Hinblick auf ihre Anwendbarkeit im Kündigungsrecht herausgearbeitet bzw. auf ihre Tauglichkeit hin untersucht hat, hat Ulrich Preis einen maßgeblichen Beitrag zur Strukturierung und zur Klarheit des Kündigungsrechts geleistet. Leider hat dieser Beitrag zur Entwirrung aber noch nicht dazu geführt, dass die überfällige verbale Grundreinigung4 in Rechtsprechung und Literatur durchgeführt worden wäre. So ist beispielsweise auch in aktuellen Urteilen5 noch von der „gebotenen Interessenabwägung“ die Rede, obwohl man sich inzwischen ganz überwiegend von diesem Erfordernis gelöst hat. Auch ist es äußerst bedauerlich, dass sich das Bemühen um Klarheit noch nicht in eine verständlichere gesetzliche Formulierung des Rechts der betriebsbedingten Kündigung hat umsetzen lassen. Im fünften Teil der Untersuchung (§ 8) soll deshalb darauf eingegangen werden, auf welche Prinzipien sich die Überprüfung der betriebsbedingten Kündigung reduzieren lässt. Eine Deregulierung der Prinzipien führt in diesem Fall nämlich sicher nicht zu einer ungerechtfertigten, sondern zu einer begrüßenswerten Vereinfachung und somit zu einer Erhöhung der Rechtssicherheit. Sodann beschäftigt sich § 8 der Untersuchung mit der Frage, welche milderen Maßnahmen vorrangig vor einer betriebsbedingten Beendigungskündigung in Betracht kommen. Dabei ist zunächst auf die Probleme im Zusammenhang mit den gesetzlich konkretisierten milderen Maßnahmen gemäß §§ 1 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 b und 1 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 b KSchG einzugehen und sodann auf die Überlegung, welche weiteren aus dem ultima-ratio-Grundsatz resultierenden milderen Mittel in Erwägung zu ziehen sind.

F. Die Missbrauchskontrolle Anscheinend wird aufgrund der nur eingeschränkten Überprüfbarkeit unternehmerischer Entscheidungen ein Spielraum eröffnet, der zu Manipulationsmöglichkeiten im Sinne einer Umgehung des Kündigungsschutzes geradezu eilädt. Die Möglichkeit geschickten Taktierens unter Berufung auf die unternehmerische Entscheidungsfreiheit soll mit einer Missbrauchskontrolle verhindert ___________ 3

U. Preis, Prinzipien, S. 4. Auch U. Preis (Prinzipien, S. 213) fordert eine „Flurbereinigung“ in der Formulierungspraxis. 5 Vgl. z. B. BAG v. 10.10.2002, AP Nr. 123 zu § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung. 4

G. Darlegungs- und Beweislast

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werden. Nach der herrschenden Meinung im Schrifttum und der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist die Unternehmerentscheidung daraufhin zu überprüfen, ob sie offenbar unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist. Was unter dieser Willkürkontrolle im Einzelnen zu verstehen ist und welche Rolle sie in der Praxis spielt, wird in § 9 der folgenden Untersuchung behandelt.

G. Darlegungs- und Beweislast Die Frage nach der gerichtlichen Überprüfbarkeit der unternehmerischen Entscheidungen und der dringenden betrieblichen Erfordernisse hängt dicht mit den Anforderungen und der Verteilung der Darlegungs- und Beweislast zusammen. Allgemein kann eine Unsicherheit der Prozessparteien beobachtet werden über Umstände, die im Prozess über eine betriebsbedingte Kündigung vorgetragen, bewiesen und beurteilt werden müssen. Insbesondere die gemäß § 1 Abs. 2 S. 4 KSchG darlegungs- und beweispflichtigen Arbeitgeber unterschätzen häufig den Umfang ihrer prozessualen Substantiierungslast. So muss nicht selten ein Prozess über eine betriebsbedingte Kündigung nicht auf der Grundlage von tatsächlichen Gegebenheiten, sondern auf der Grundlage von lückenhaften und unvollständigen Parteiangaben entschieden werden6. Um die Anforderungen und die Verteilung der Darlegungs- und Beweislast geht es in § 10 der Untersuchung.

___________ 6

Berkowsky, S. 2.

Erster Teil: § 3 Sedes materiae

40

§ 3 Sedes materiae Sedes materiae der nachfolgenden Untersuchung ist insbesondere § 1 Abs. 1 und 2 KSchG. „§ 1 KSchG Sozial ungerechtfertigte Kündigungen1 (1) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, ist rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist. (2) Sozial ungerechtfertigt ist die Kündigung, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist. Die Kündigung ist auch sozial ungerechtfertigt, wenn 1. in Betrieben des privaten Rechts a) die Kündigung gegen eine Richtlinie nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes verstößt, b) der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in demselben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann und der Betriebsrat oder eine andere nach dem Betriebsverfassungsgesetz insoweit zuständige Vertretung der Arbeitnehmer aus einem dieser Gründe der Kündigung innerhalb der Frist des § 102 Abs. 2 Satz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes schriftlich widersprochen hat, 2. in Betrieben und Verwaltungen des öffentlichen Rechts a) die Kündigung gegen eine Richtlinie über die personelle Auswahl bei Kündigungen verstößt, b) der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in derselben Dienststelle oder in einer anderen Dienststelle desselben Verwaltungszweigs an demselben Dienstort einschließlich seines Einzugsgebietes weiterbeschäftigt werden kann und die zuständige Personalvertretung aus einem dieser Gründe fristgerecht gegen die Kündigung Einwendungen erhoben hat, es sei denn, dass die Stufenvertretung in der Verhandlung mit der übergeordneten Dienstelle die Einwendungen nicht aufrechterhalten hat. Satz 2 gilt entsprechend, wenn die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen oder eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Arbeitsbedingungen möglich ist und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hiermit erklärt hat. Der Arbeitgeber hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung bedingen. (3)…“

___________ 1 In der Fassung vom 25. August 1969 (BGBl. I S. 1317), zuletzt geändert durch das Gesetz zu Reformen am Arbeitsmarkt vom 24. Dezember 2003 (BGBl. I S. 3002).

Zweiter Teil

Untersuchung § 4 Historischer Überblick Die Geschichte des Kündigungsschutzrechtes1 ist vergleichsweise jung. Die erste Stufe der Entwicklung bestand in der Ausgestaltung des formellen Kündigungsschutzes, vornehmlich in der Regelung von Kündigungsfristen2. Kündigungsfristen sollen verhindern, dass der Arbeitnehmer von heute auf morgen seinen Arbeitsplatz und sein regelmäßiges Einkommen verliert. Im Ergebnis erreicht der formelle Kündigungsschutz jedoch nur den Aufschub der Beendigung eines Arbeitsverhältnisses. Der materielle Kündigungsschutz hingegen knüpft die Zulässigkeit einer Kündigung an bestimmte sachliche Gründe, das heißt, er untersagt sie bei gewissen Sachlagen3. Der materielle Kündigungsschutz zwingt den Arbeitgeber ___________ 1 Lit.: Bendix, ArbRPrax 1930, 33 ff.; MünchArbR/Berkowsky, Bd. II, § 131 Rn. 1 ff. S. 333 ff.; Bernert, Arbeitsverhältnisse im 19. Jahrhundert, 1972; Bitter/Kiel, RdA 1994, 333, insbes. 335 f.; Deventer, JuS 1988, 13 ff.; Dietz, Gesetz zur Ordnung der nationalen Arbeit; Döse-Digenopoulos, S. 75 ff.; Göller, Die Entwicklung des Kündigungsschutzrechts in Deutschland, Diss. 1974; Gottschalk, S. 47 ff.; Herschel, DB 1973, 80 ff.; Herschel, NZfArbR 1931, Sp. 545 ff.; v.Hoyningen-Huene/Linck, KSchG, Einl. Rn. 1 ff.; A. Hueck, JW 1934, 1022 ff.; ders., BlStSozArbR 1949, 118 ff. und 131 ff.; Hueck/Nipperdey, Lehrbuch des Arbeitsrechts, Bd. I, S. 362 ff.; Immerwahr, Die Kündigung: historisch und systematisch dargestellt, 1898; Jacoby, ArbRPrax 1932, 167 ff.; Jadesohn, NZfArbR 1931 Sp. 343 ff.; Kittner/Däubler/Zwanziger, Einl. Rn. 18 ff.; Mansfeld, Kommentar zum BRG, 1932; ders., NZfArbR 1930, Sp. 289 ff.; ders., NZfArbR 1931, Sp. 415 ff.; ders., Der ArbG. 1930, 379 ff.; Molitor, Die Kündigung: unter besonderer Berücksichtigung der Kündigung des Arbeitsvertrages, 1951; Nikisch, Der ArbGeb 1931, 61 ff.; Potthoff, Probleme des Arbeitsrechts: rechtspolitische Betrachtungen eines Volkswirts, 1912; Potthoff/Jadesohn/Meissinger, Rechtsprechung des Arbeitsrechts, 1914 – 1927, S. 261 ff.; U. Preis, Prinzipien, S. 11 ff.; APS/U. Preis, Grundl. A Rn. 1 ff.; Richardi, NZA 2000, 13 ff.; Rüthers, Die unbegrenzte Auslegung; Stein, BB 2000, 457, 460; Weinberg, ArbRPrax 1931, 303 ff.; Wüllenweber, Die Entwicklung des Kündigungsschutzrechts seit dem ersten Weltkrieg, Diss. 1965. 2 APS/U. Preis, Grundl. A Rn. 1. 3 U. Preis, Prinzipien, S. 12 f.; Göller, S. 3 f.

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Zweiter Teil: § 4 Historischer Überblick

also dazu, die Ausübung seines Kündigungsrechtes zu rechtfertigen. Für die vorliegende Untersuchung ist allein die Entwicklung des materiellen Kündigungsschutzes von Interesse, da sich Aussagen zu dem Verhältnis Unternehmerfreiheit versus Arbeitsplatzschutz im Wesentlichen nur von hier gewinnen lassen.

A. Kündigungsrecht bis zum Ende des Ersten Weltkrieges Bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts prägte eine wirtschaftlich liberale Grundauffassung das Arbeitsrecht4. Im Wesentlichen bestand eine absolute Kündigungsfreiheit, das heißt Arbeitsverträge konnten zu jeder Zeit ohne Angabe von Gründen gekündigt werden. Die Kündigungsfreiheit war nur durch wenige zwingende Vorschriften begrenzt. In den §§ 67 HGB, 133 a GewO war für gewerbliche und kaufmännische Angestellte eine Mindestkündigungsfrist von einem Monat zum Schluss des Kalendermonats geregelt. Gemäß § 122 Satz 2 und 3 GewO galt der Grundsatz, dass die Kündigungsfrist für beide Seiten gleich lang sein musste; ansonsten waren die gesetzlichen Vorschriften über die ordentliche Kündigung dispositiv5. Eine Rechtsprechung zur Beschränkung der ordentlichen Kündigung gab es nicht6. Die Auswüchse des Liberalismus führten zu sozialen Missständen, so dass schließlich die Forderung nach sozialen Gesetzen immer lauter wurde. Zunächst waren Sachbereiche zu regeln, wie beispielsweise Kinder- und Frauenarbeit, Arbeitszeitverkürzung oder Fragen der sozialen Absicherung. Sodann wurde der Kündigungsschutz als soziale Gesetzgebung gefordert7. Erste Anfänge eines materiellen Kündigungsschutzes findet man in der Novelle zum Allgemeinen Preußischen Berggesetz vom 28.6.19098, in der für einen kleinen Kreis von Arbeitnehmern, Sicherheitsmänner im Kohlebergbau, die Zulässigkeit einer Kündigung von gewissen rechtlichen Gründen abhängig gemacht wurde9. Zudem gab es noch bis 1918 in einigen Tarifverträgen wenige vorsichtige Versuche, in speziellen Fragen auch materiellen Kündigungsschutz zu gewähren. Beispielsweise durfte nach dem ___________ 4 Vgl. zur Entwicklung des Kündigungsschutzes bis zum Ersten Weltkrieg Göller, S. 8 ff.; v.Hoyningen-Huene/Linck, KSchG, Einl. Rn. 1; Immerwahr, S. 159 ff.; APS/ U. Preis, Grundl. A Rn. 1; Schaub, RdA 1981, 371, 372. 5 Vgl. v.Hoyningen-Huene/Linck, KSchG, Einl. Rn. 1. 6 APS/U. Preis, Grundl. A Rn. 4. 7 APS/U. Preis, Grundl. A Rn. 6; Potthoff, S. 119 ff.; Wüllenweber, S. 36 f. 8 PRGS 1909, 677. 9 Döse-Digenopoulos, S. 76; APS/U. Preis, Grundl. A Rn. 6; Wüllenweber, S. 36.

B. Kündigungsrecht nach dem Ersten Weltkrieg

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Buchdruckertarifvertrag vom 1.11.1912 nicht wegen Gewerkschaftszugehörigkeit oder wegen der Mai-Feiern gekündigt werden10.

B. Kündigungsrecht nach dem Ersten Weltkrieg I. Betriebsrätegesetz vom 4.2.1920 Erst nach dem ersten Weltkrieg erlangte der materielle Kündigungsschutz mit dem Betriebsrätegesetz vom 4.2.192011 größere Bedeutung. Das BRG forderte für die Ausübung des Kündigungsrechts durch den Arbeitgeber bestimmte Gründe. Allerdings war die Durchführung des Kündigungsschutzes kollektivrechtlich gestaltet12. Das bedeutete, dass es einen Kündigungsschutz nur in Betrieben gab, in denen ein Betriebsrat existierte. Der Arbeitnehmer musste sich mit seinem gegen die Kündigung gerichteten Einspruch zunächst an den Betriebsrat wenden13. Der Weg zum Arbeitsgericht14 konnte nur beschritten werden, wenn der Betriebsrat den Einspruch des Arbeitnehmers nach dem Versuch einer gütlichen Einigung billigte, §§ 85, 86 BRG15. Auch dem obsiegenden Arbeitnehmer war der Arbeitsplatz jedoch nicht garantiert, weil der Arbeitgeber dann die Wahl hatte, die Kündigung entweder zu widerrufen oder eine vom Gericht im Urteil stets festzusetzende Entschädigung zu zahlen, § 87 BRG16. Der Arbeitgeber konnte also stets mit Zahlung einer entsprechenden Abfindung das Ausscheiden des Arbeitnehmers erzwingen. Das BRG brachte folglich keinen effektiven Bestandsschutz17. Die herkömmliche Auffassung der Kündigungsfreiheit wirkte also ins BRG hinein18. ___________ 10

Göller, S. 38; APS/U. Preis, Grundl. A Rn. 6. RGBl. S. 147; Gottschalk, S. 48; v.Hoyningen-Huene/Linck, KSchG, Einl. Rn. 19 ff.; eine vollständige Übersicht zur gesetzlichen Entwicklung nach dem ersten Weltkrieg findet man bei Wüllenweber, S. 40 ff. 12 Bitter/Kiel, RdA 1994, 333, 335; APS/U. Preis, Grundl. A Rn. 8; Richardi, NZA 2000, 13. 13 Bitter/Kiel, RdA 1994, 333, 335. 14 Gegen die Kündigung klagte der Betriebsrat bei den Arbeitsgerichten im eigenen Namen; Bitter/Kiel, RdA 1994, 333, 335. 15 Bitter/Kiel, RdA 1994, 333, 335; APS/U. Preis, Grundl. A Rn. 8; Richardi, NZA 2000, 13. 16 Bitter/Kiel, RdA 1994, 333, 335; Kittner/Däubler/Zwanziger, Einl. Rn. 19; Richardi, NZA 2000, 13. 17 Döse-Digenopoulos, S. 78; APS/U. Preis, Grundl. A Rn. 8. 18 v.Hoyningen-Huene/Linck, KSchG, Einl. Rn. 21. Die Möglichkeit der Abfindungszahlung empfand man aber in Fällen von besonders starker Sozialwidrigkeit als 11

Zweiter Teil: § 4 Historischer Überblick

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II. Die Vorschriften der §§ 84 und 85 BRG Für die in der vorliegenden Untersuchung aufgeworfenen Fragen betreffend das Verhältnis Bestandsschutz versus Freiheit von Unternehmerentscheidungen, Nachprüfbarkeit von Unternehmerentscheidungen und Konkretisierung der Begriffe „dringende betriebliche Erfordernisse“ sind vor allem die Vorschriften der §§ 84 und 85 von Bedeutung. Insbesondere wird in Diskussionen zu § 1 KSchG die Vorschrift des § 84 Ziff. 4 BRG zum Vergleich herangezogen19. „§ 84 Arbeitnehmer können im Fall der Kündigung seitens des Arbeitgebers binnen fünf Tagen nach der Kündigung Einspruch erheben, indem sie den Arbeiter- oder Angestelltenrat anrufen: 1. wenn der begründete Verdacht vorliegt, dass die Kündigung wegen der Zugehörigkeit zu einem bestimmten Geschlecht, wegen politischer, militärischer, konfessioneller oder gewerkschaftlicher Betätigung oder wegen Zugehörigkeit oder Nichtzugehörigkeit zu einem politischen, konfessionellen oder beruflichen Verein oder einem militärischen Verbande erfolgt ist; 2. wenn die Kündigung ohne Angabe von Gründen erfolgt ist; 3. wenn die Kündigung deshalb erfolgt ist, weil der Arbeitnehmer sich weigerte, dauernd andere Arbeit, als die bei der Einstellung vereinbarte, zu verrichten; 4. wenn die Kündigung sich als eine unbillige, nicht durch das Verhalten des Arbeitnehmers oder durch die Verhältnisse des Betriebes bedingte Härte darstellt. Erfolgt die Kündigung fristlos aus einem Grunde, der nach dem Gesetz zur Kündigung des Dienstverhältnisses ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigt, so kann der Einspruch auch darauf gestützt werden, dass ein solcher Grund nicht vorliegt.“ „§ 85 Das Recht des Einspruchs nach § 84 Ziff. 1 gilt nicht für die im § 67 genannten Betriebe, soweit die Eigenart ihrer Bestrebungen es bedingt. Das Recht des Einspruchs besteht nicht

___________ unbefriedigend. Später dann erklärte die Rechtsprechung eine stark sozialwidrige Kündigung gemäß § 138 BGB wegen Verstoßes gegen die guten Sitten für nichtig. 19 Siehe z. B. Herschel, FS Schnorr v. Carolsfeld, 1972, 157, 159 ff.; ders., DB 1984, 1523.

B. Kündigungsrecht nach dem Ersten Weltkrieg

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1. bei Entlassungen, die auf einer gesetzlichen oder tarifvertraglichen oder durch Schiedsspruch eines Schlichtungsausschusses oder einer vereinbarten Einigungs- oder Schiedsstelle auferlegten Verpflichtung beruhen; 2. bei Entlassungen, die durch gänzliche oder teilweise Stillegung des Betriebes erforderlich werden.“

So schwer es heute fällt, die in § 1 Abs. 2 KSchG genannten Merkmale der „dringenden betrieblichen Erfordernisse“ zu bestimmen, so sehr hatten sich Rechtsprechung20 und Lehre zur Zeit der Weimarer Republik immer wieder mit der Bedeutung und Reichweite der Formulierung „durch die Verhältnisse des Betriebes bedingte Härte“ auseinanderzusetzen21. Leider wurde zur Konkretisierung nur wenig an methodischer Durchdringung geleistet22. Regelmäßig verwies man auf die „besonderen Umstände des Einzelfalls“. Im Vordergrund stand entscheidend die Abwägung zwischen den wirtschaftlichen Interessen des Arbeitgebers an der Kündigung und des Arbeitnehmers an der Erhaltung des Arbeitsplatzes23. Einigkeit bestand darüber, dass der Arbeitsplatz gegen den Missbrauch des „formalen Kündigungsrechts“ geschützt werden sollte24.

III. Justitiabilität der Unternehmerentscheidung In welchem Umfang betriebsbedingte Kündigungen justitiabel waren, wurde bereits damals kontrovers beurteilt25.

1. Rechtsprechung Die Rechtsprechung zur Frage der Nachprüfbarkeit von Unternehmerentscheidungen war uneinheitlich26. Während das Reichsarbeitsgericht eine Nach___________ 20

Rechtsprechungsübersicht bei Potthoff/Jadesohn/Meissinger, S. 261 ff. Gottschalk, S. 49. 22 Der Grund liegt sicher zum einen in der Neuheit des Rechtsgebietes „Kündigungsschutz“ und zum anderen in der generalklauselartig gefassten Vorschrift; APS/U. Preis, Grundl. A Rn. 10. 23 Vgl. LAG Würzburg v. 20.6.1929, ARS 7, 37 f.; LAG Duisburg v. 18.7.1929, ARS 7, 59, 60 f.; LAG Berlin v. 8.7.1931, ARS 17, 20, 21; LAG Leipzig v. 3.12.1937, ARS 33, 63; Göller, S. 60; Gottschalk, S. 50; Kronstein, S. 129 ff.; APS/U. Preis, Grundl. A Rn. 10; Stein, BB 2000, 457, 460; Wüllenweber, S. 67 f. 24 Gottschalk, S. 49. 25 LAG Hindenburg v. 30.4.1935, ARS 35, 251 ff.; Döse-Digenopoulos, S. 81 ff.; Göller, S. 61 f.; Gottschalk, S. 48 ff.; U. Preis, Prinzipien, S. 19; Wüllenweber, S. 71 ff. 21

Zweiter Teil: § 4 Historischer Überblick

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prüfung grundsätzlich ablehnte, haben die Arbeits- und Landesarbeitsgerichte eine Nachprüfung überwiegend bejaht27. Überzeugende Begründungen fehlen leider28. Als ein Beispiel sei die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Augsburg29 genannt. Danach sollte den Gerichten ein Nachprüfungsrecht in organisatorischen Fragen des dem BRG unterstellten Arbeitsschutzes möglich sein, auch wenn sie sich nicht in Fragen der eigentlichen Organisation des Betriebes einmischen dürften. Gerade bei Einspruchsverfahren, so ein Urteil des Landesarbeitsgerichts Frankfurt30, müssten die Gerichte mit besonderer Gewissenhaftigkeit die Frage prüfen, ob die Entlassungen nicht durch anderweitige Maßnahmen des Arbeitgebers hätten vermieden werden können, insbesondere durch Verkürzung der Arbeitszeit. Es wurde festgestellt, dass die gerichtliche Kontrolle der technischen Durchführbarkeit und wirtschaftlichen Tragbarkeit keinen unzulässigen Eingriff in das Direktionsrecht oder in die Grundsätze privatkapitalistischer Wirtschaftsordnung darstelle, soweit es um das Vermeiden von Kündigungen durch Einführung von Kurzarbeit ging. Für den Arbeitgeber sei die wirtschaftliche Belastung vor allem dann hinzunehmen, wenn die Arbeiterschaft des Betriebes einverstanden sei, die Verkürzung der Arbeitszeit ohne Lohnausgleich zu akzeptieren31. Das Gericht könne dem Arbeitgeber zwar nicht auferlegen, eine Verkürzung der Arbeitszeit vorzunehmen, aber in einem solchen Fall die unbillige Härte bejahen32. Zum Teil wurde auch auf das Problem der Arbeitslosigkeit hingewiesen33. ___________ 26

Zum Kündigungsschutz existieren viele Entscheidungen der Arbeits- und Landesarbeitsgerichte. Da die Revision gegen Urteile von Kündigungseinspruchsklagen nicht zulässig war, fehlt eine Rechtsprechung des Reichsarbeitsgerichts zu § 84 Ziff. 4 BRG. Es gibt nur einige Entscheidungen des Reichsarbeitsgerichts im Rahmen des verstärkten Kündigungsschutzes für Betriebsräte nach §§ 96 ff. BRG, in denen auch zu der Frage der Nachprüfbarkeit von Unternehmerentscheidungen Stellung genommen wurde; vgl. auch Gottschalk, S. 50 und 52; ferner Döse-Digenopoulos, S. 83. 27 Vgl. LAG Frankfurt v. 29.9.1930, ArbRPrax 1931, 269, Nr. 34; LAG Frankfurt v. 11.2.1932, ARS 14, 17, 19; LAG Augsburg v. 17.2.1933, ARS 18, 55, 58; Gottschalk, S. 53 und 54. Einige Gerichte lehnten eine gerichtliche Nachprüfung auch ab, soweit sie darüber hinausging, ob der Arbeitgeber die Gründe für die Entlassung ernstlich erwogen habe; vgl. LAG Frankfurt v. 25.8.1927, ArbRPrax 1931, 268, Nr. 19; LAG Stuttgart v. 14.3.1933, ARS 19, 96, 103; vgl. auch Döse-Digenopoulos, S. 83. 28 Vgl. auch Gottschalk, S. 54. 29 LAG Augsburg v. 17.2.1933, ARS 18, 55, 58. 30 LAG Frankfurt a. M. v. 11.2.1932, ARS 14, 17, 19 f. 31 LAG Frankfurt v. 29.9.1930, ArbRPrax 1931, 269, Nr. 34; vgl. auch DöseDigenopoulos, S. 82 f. 32 LAG Frankfurt a.M. v. 11.2.1932, ARS 14, 17, 20. 33 LAG Augsburg v. 17.2.1933, ARS 18, 55, 58.

B. Kündigungsrecht nach dem Ersten Weltkrieg

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Das Reichsarbeitsgericht lehnte, wie bereits erwähnt, eine Nachprüfung von Unternehmerentscheidungen grundsätzlich ab. In zwei Fällen, in denen es darum ging, ob Entlassungen nicht durch die Einführung von Kurzarbeit hätten vermieden werden können, lautete die Begründung des Reichsarbeitsgerichts, die Untersuchung des Arbeitsgerichts müsse sich darauf beschränken, ob der Arbeitgeber diese Aushilfe ernstlich erwogen habe. Die mit sachlichen Gründen vertretene Entscheidung des Arbeitgebers zur Arbeitsanordnung sei allein eine Maßnahme der Betriebsleitung, die nicht der Nachprüfung des Arbeitsgerichts unterliege34. In einem anderen Fall, in dem die Frage behandelt wurde, ob zur Vermeidung von Kündigungen Leistungszulagen abzuschaffen seien, äußerte das Reichsarbeitsgericht, dass dies allein der für das Betriebsergebnis verantwortliche Arbeitgeber entscheide35. Das Reichsarbeitsgericht begründete jedoch nicht näher, warum Unternehmerentscheidungen keiner Überprüfung durch die Gerichte unterliegen sollten. Man findet allein die Äußerung, dass eine Überprüfung der Unternehmerentscheidung eine für die Arbeitsgerichte zu schwierige Aufgabe sei36.

2. Literatur In der Literatur finden sich hingegen weitergehende bzw. differenziertere Gedanken zur Frage der Freiheit der Unternehmerentscheidung und der Prüfungsbefugnis der Gerichte. Doch auch hier ist das Meinungsbild uneinheitlich. Überwiegend verneinte man die Bindung der Arbeitsgerichte an die unternehmerische Entscheidung. Die Gerichte seien zu einer Würdigung der Verhältnis___________ 34 RAG v. 27.2.1932, ARS 14, 546, 548; RAG v. 4.2.1933, ARS 17, 273, 274; vgl. dazu Gottschalk, S. 51 f. Gegen die vom RAG mit Beschluss vom 27.2.1932 vertretene Auffassung wurde auf den Widerspruch hingewiesen, zwar einerseits von der Unüberprüfbarkeit auszugehen, dann aber dem Arbeitsgericht aufzugeben, wegen der Kurzarbeitsfrage alle damals in der Abteilung beschäftigten Arbeitnehmer zu hören und weiter zu prüfen, in welcher Weise eine teilweise Kurzarbeit eingeführt werden könne; vgl. Gottschalk, S. 54. 35 RAG v. 4.2.1933, ARS 17, 273, 274; vgl. dazu Gottschalk, S. 51 f. Allerdings meinte das RAG in einer anderen Entscheidung, in der es um die Überlegung ging, ob Entlassungen zu einer unangemessenen Ausnutzung der übrigen Arbeitskräfte führen würden, dass sich ein Eingehen auf die Betriebsverhältnisse nicht umgehen ließe; RAG v. 22.4.1932, ARS 15, 372, 374 m. Anm. Flatow; Döse-Digenopoulos, S. 83 bezeichnet diese Haltung des RAG als inkonsequent. 36 Vgl. dazu Döse-Digenopoulos, S. 83; Nipperdey, Anm. zu LAG Augsburg v. 17.2.1933, ARS 18, 55, 61 kritisierte das Argument der Überforderung mit dem Hinweis, dass Gerichte sich auch in anderen Rechtsgebieten wie Muster- oder Patentrechtsstreitigkeiten mit schwierigen Sachverhalten zu befassen hätten.

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Zweiter Teil: § 4 Historischer Überblick

se des Betriebes in wirtschaftlicher, technischer und organisatorischer Hinsicht verpflichtet37. Hinsichtlich der Intensität der Nachprüfbarkeit und der Berücksichtigung der betrieblichen Verhältnisse gab es jedoch sehr unterschiedliche Auffassungen. Eine weitgreifende Überprüfungsbefugnis der Arbeitsgerichte forderte zum Beispiel Bendix38. Er war der Ansicht, dass betriebsbedingte Entlassungen nur dann gerechtfertigt seien, wenn der Untergang des Unternehmens drohe. Fusion, Sanierung, Rationalisierung und Betriebseinschränkungen dürften nicht zu Lasten der Arbeitnehmer vorgenommen werden. Der unüberbrückbare Gegensatz zwischen Kapital und Arbeit erfordere eine umfassende Überprüfung der betriebsgestaltenden Unternehmerentscheidungen. Andere Befürworter einer Überprüfungsbefugnis vertraten einen gemäßigteren Standpunkt. So hielt beispielsweise Jadesohn39 Entlassungen dann für gerechtfertigt, wenn diese „zum finanziellen Gedeihen des Unternehmens“ erforderlich seien. Unzureichend sei aber die Auffassung des Reichsarbeitsgerichts, die Prüfung des Gerichts müsse sich darauf beschränken, ob der Unternehmer eine veränderte Verteilung des Arbeitsvolumens „ernsthaft erwogen“ habe40. Schließlich gab es Autoren, die den Arbeitsgerichten jegliche Überprüfungskompetenz versagten, Entlassungen als unwirksam zu beurteilen41. Eine Kündigung sei bereits dann durch die Verhältnisse des Betriebes bedingt, wenn sie durch eine Betriebssanierung, -fusionierung oder -rationalisierung veranlasst worden sei42. Von den Gerichten dürfe nur geprüft werden, ob die Entlassung gerade des konkreten Klägers aufgrund der betrieblichen Verhältnisse notwendig sei43. In den Abhandlungen von Mansfeld sind Äußerungen zu lesen, die heute nicht sehr anders lauten44. Er führte aus, das Gericht dürfe die vom Arbeitgeber getroffenen wirtschaftlichen Maßnahmen nicht auf ihre wirtschaftli___________ 37 Bendix, ArbRPrax 1930, 33 ff.; Herschel, NZfArbR 1931, Sp. 545 ff.; Jacoby, ArbRPrax 1932, 167, 168 ff.; Jadesohn, NZfArbR 1931, Sp. 343 ff.; Nipperdey, Anm. zu LAG Augsburg v. 17.2.1933, ARS 18, 55, 60 f.; Weinberg, ArbRPrax 1931, 303, 304; vgl. dazu auch Döse-Digenopoulos, S. 83 f. 38 Bendix, ArbRPrax 1930, 33, 34; ähnlich auch Jacoby, ArbRPrax 1932, 167 ff. und Weinberg, ArbRPrax 1931, 303, 304; vgl. dazu auch Döse-Digenopoulos, S. 84. 39 Jadesohn, NZfArbR 1931, Sp. 343, 347. 40 Dazu auch Döse-Digenopoulos, S. 84. 41 Siehe z. B. Mansfeld, NZfArbR 1931, Sp. 415, 435 ff.; Nikisch, Der ArbGeb 1931, 61, 62 f.; dazu Döse-Digenopoulos, S. 84 f. 42 Mansfeld, NZfArbR 1930, Sp. 289, 292 f. 43 Mansfeld, NZfArbR 1930, Sp. 289, 293. 44 Darauf weist auch Döse-Digenopoulos auf S. 85 hin.

B. Kündigungsrecht nach dem Ersten Weltkrieg

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che Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit hin prüfen45. Statthaft sei allein die Kontrolle hinsichtlich eines willkürlichen bzw. schikanösen Verhaltens des Unternehmers46. Von einem „völlig sinnlosen“ Handeln des Unternehmers sei jedoch grundsätzlich nicht auszugehen. Vielmehr gelte die Vermutung, dass er gewissenhaft und sorgfältig vorgegangen sei47. Weiter stellte Mansfeld fest, bereits der Belegschaftsabbau für sich genommen, gleichgültig welcher Grund dazu geführt habe, sei ausreichend, um eine Kündigung mit betrieblichen Gründen zu rechtfertigen48. Die Kontrollfreiheit der Unternehmerentscheidung begründete er im Wesentlichen damit, dass der Unternehmer „allein Herr seiner Produktionsmittel“ sei und er deshalb auch „allein...über die Zweckmäßigkeit der von ihm zur Aufrechterhaltung und Weiterentwicklung des Betriebes getroffenen Maßnahmen befinden“ müsse. Vergleicht man diese vor gut 70 Jahren geäußerte Meinung mit der heutigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts49, so ist Mansfeld zu attestieren, dass er seiner Zeit weit voraus war. Ausgehend von dieser Betrachtung hat es den Anschein, dass Rechtsprechung und Literatur in den letzten 70 Jahren anscheinend keine grundlegend neuen Erkenntnisse haben finden können.

IV. Darlegungs- und Beweislast Überwiegend gingen Rechtsprechung und Literatur davon aus, dass die Darlegungs- und Beweislast für die Betriebsbedingtheit der Kündigung grundsätzlich vom Arbeitgeber zu tragen sei50. Über die Anforderungen an diese Darlegungs- und Beweislast bestanden jedoch unterschiedliche Auffassungen, die jeweils mit der Grundüberzeugung hinsichtlich des Umfangs der unternehmerischen Entscheidungsfreiheit und der Kontrollbefugnis der Gerichte zusammen hingen51. Bendix stellte als Befürworter einer weitgehenden Überprüfungsmöglichkeit der Unternehmerentscheidung hohe Anforderungen an die Darlegungs- und ___________ 45

Mansfeld, NZfArbR 1931, Sp. 415, 431. Mansfeld, NZfArbR 1931, Sp. 415, 430. 47 Mansfeld, NZfArbR 1931, Sp. 415, 430. 48 Mansfeld, NZfArbR 1931, Sp. 415, 427. 49 Vgl. z. B. BAG v. 17.6.1999 – 2 AZR 141/99 –, BAGE 92, 71 ff. 50 LAG Frankfurt v. 11.2.1932, ARS 14, 17, 18; Bendix, ArbRPrax 1930, 33, 34; Herschel, NZfArbR 1931, Sp. 545, 553; Mansfeld, NZfArbR 1931, Sp. 415, 420 ff.; Weinberg, ArbRPrax 1931, 303, 304 f. 51 Vgl. auch Döse-Digenopoulos, S. 85 f. 46

Zweiter Teil: § 4 Historischer Überblick

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Beweispflicht des Arbeitgebers52. Für ihn stand fest, dass der Arbeitgeber die Beweislast zu tragen habe. Dem Arbeitnehmer den Beweis dafür aufzuerlegen, dass die Kündigung nicht durch die Verhältnisse des Betriebes bedingt sei, sei schon vom Gesetzeszweck her ausgeschlossen. Zudem sei der Beweis negativer Tatsachen nach allgemeiner prozessualer Erfahrung unmöglich53. Ebenfalls hohe Anforderungen an die Darlegungs- und Beweislast des Arbeitgebers stellte das Arbeitsgericht Berlin in seiner Entscheidung vom 22.12.193054. Aufgrund der Weigerung des Arbeitgebers, die Bezüge der Vorstandsmitglieder und die Tantiemen der Aufsichtsratsmitglieder darzulegen, gab das Gericht dem auf § 84 Ziff. 4 BRG gestützten Einspruch eines Arbeitnehmers statt. Es müssten alle Tatsachen dargelegt und bewiesen werden, die zur Notwendigkeit der Kündigung führten. Es sei nachzuweisen, dass die Wiederherstellung der Wirtschaftlichkeit des Betriebes nur durch Kündigungen zu erreichen sei55. Der Arbeitgeber habe dazu „die Entwicklung der Zahl der Arbeiter und Angestellten, der Auftragseingänge und der Unkostenziffern darzulegen, getrennt nach Steuern, Soziallasten, Löhnen, Gehältern von Vorstandsmitgliedern, Prokuristen und anderen leitenden Angestellten sowie Gehältern der unteren Angestellten, Provisionen der gesamten in der Vergangenheit gezahlten Aufsichtsratstantiemen und der laufenden Bezüge der Aufsichtsratsmitglieder“. Solange der Unternehmer also nicht wenigstens den Versuch vorweisen konnte, anderweitige Kostenfaktoren zu senken, etwa die Kürzung der Gehälter hoch bezahlter Angestellter, sollte eine Kündigung als eine nicht durch die Verhältnisse des Betriebes bedingte unbillige Härte beurteilt werden56. Diese hohen Anforderungen an die Darlegungs- und Beweislast entsprächen dem Sinn und Zweck des § 84 Ziff. 4 BRG, soziale Ungerechtigkeiten zu vermeiden. Nicht der Arbeitnehmer, der mit der Entlassung regelmäßig seine Existenzgrundlage verliere, sei darlegungs- und beweispflichtig, sondern der Arbeitgeber sei verpflichtet, seine wirtschaftlichen Verhältnisse zu offenbaren57. ___________ 52

Bendix, ArbRPrax 1930, 33 ff. Ähnlich auch Weinberg, ArbRPrax 1931, 303, 304. 54 ArbG Berlin v. 22.12.1930 inhaltlich beschrieben von Mansfeld, NZfArbR 1931, Sp. 415, 416 ff. 55 Vgl. dagegen die anders lautende Entscheidung des LAG Augsburg v. 17.2.1933, ARS 18, 55, 58 f., in der die Beweislast für die Vermeidbarkeit von Kündigungen durch Arbeitsstreckung grundsätzlich dem Arbeitnehmer aufgegeben wurde. Eine Beweislastumkehr komme aber „für umfangreiche und kompliziert gestaltete Betriebe“ in Betracht, weil die Betriebsräte in solchen Fällen aufgrund ihres nur unzureichenden Einblicks keinen fundierten Beweis antreten könnten. 56 Vgl. auch Gottschalk, S. 50. 57 Vgl. auch Döse-Digenopoulos, S. 86. 53

B. Kündigungsrecht nach dem Ersten Weltkrieg

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Geringere Anforderungen an die Darlegungs- und Beweispflicht stellte dagegen getreu seiner Grundhaltung Mansfeld. Eine Darlegung von Tatsachen bezüglich der Unrentabilität des Betriebes sei überflüssig, da eine Vermutung für die Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit der Unternehmerentscheidung bestehe. Ausreichend sei ein allgemeiner Hinweis auf die Notwendigkeit von Spar-, Rationalisierungs- und Personalabbaumaßnahmen58. Werde die Notwendigkeit der Kündigung unter Hinweis auf die Absatzlage bzw. auf die Wirtschaftlichkeit bestritten, so habe der Arbeitnehmer den Gegenbeweis anzutreten, dass die Maßnahmen nicht notwendig waren59. Die Vermutung für die Richtigkeit der unternehmerischen Entscheidung könne aber nur durch den Beweis erschüttert werden, dass der Arbeitgeber gewissen- und verantwortungslos gehandelt habe.

V. Demobilmachungsverordnung vom 12.2.1920 und Stillegungsverordnung vom 15.10.1923 Das Kündigungsschutzrecht stand schon immer unter dem Einfluss öffentlicher Interessen60. Die fast zeitgleich zum BRG entstandenen Regelungen der Demobilmachungsverordnung vom 12.2.192061 sind arbeitsmarktpolitisch und volkswirtschaftlich zu verstehende Kündigungsbeschränkungen, die einen Individualschutz der Arbeitnehmer nur als Nebeneffekt enthielten62. Hervorzuheben ist hier die Vorschrift des § 12 Demobilmachungsverordnung, die eine Kündigung nach dem ultima-ratio-Prinzip nur dann als zulässig erachtete, wenn dem Arbeitgeber keine Arbeitsstreckung durch Verkürzung der Arbeitszeit bis zur Hälfte der Wochenarbeitszeit zugemutet werden konnte. Die schlimme Lage der deutschen Wirtschaft im Herbst 1923 erforderte schließlich wieder den Abbau aller produktionshemmenden, wenn auch sozial wünschenswerten Regelungen63. Dies geschah mit der Stillegungsverordnung vom 15.10.192364, die schließlich nur noch einen den §§ 17 ff. KSchG vergleichba___________ 58

Mansfeld, NZfArbR 1931, Sp. 415, 431; vgl. auch Döse-Digenopoulos, S. 87. Die Beweislast kehre sich nach den Grundsätzen des prima-facie-Beweises um, Mansfeld, NZfArbR 1931, Sp. 415, 430. 60 Vgl. Schaub, RdA 1981, 371, 372. 61 RGBl. S. 218. 62 Herschel, DB 1973, 80, 83; v.Hoyningen-Huene/Linck, KSchG, Einl. Rn. 14; APS/U. Preis, Grundl. A Rn. 7. 63 v.Hoyningen-Huene/Linck, KSchG, Einl. Rn. 14. 64 RGBl. S. 983. 59

Zweiter Teil: § 4 Historischer Überblick

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ren Schutz bei Massenentlassungen enthielt65. Ob und wie sich der Abbau von sozialen Gesetzen tatsächlich auswirkte, ist fraglich66. Im Anschluss an die Inflation im Herbst 1923 stieg die Arbeitslosenzahl weiterhin stark an trotz Beseitigung der Demobilmachungsverordnung und weiterer einschneidender Maßnahmen wie zum Beispiel Lohnsenkungen etc. 1922 betrug die Arbeitslosenzahl 213.000 und wuchs bis 1932 auf 6,13 Millionen. Unternehmer übten in dieser Zeit heftige Kritik an den arbeitsrechtlichen Regelungen, an den Betriebsräten und an der Sozialpolitik des Staates67.

C. Kündigungsschutz in der Zeit des Nationalsozialismus Mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten verschlechterte sich der Kündigungsschutz im Vergleich zur Weimarer Zeit. Zum einen geriet der Arbeitseinsatz mehr und mehr unter die Aufsicht staatlicher Stellen, und zum anderen wurde er zunehmend Gegenstand der Propaganda. Von individueller Freiheit konnte immer weniger die Rede sein. Während des Zweiten Weltkrieges schließlich ist eine totale staatliche Kontrolle zu verzeichnen, die alle Arbeitsbedingungen umfasste und jede verfügbare Arbeitskraft zum Dienst verpflichtete68.

I. Gesetz zur Ordnung der nationalen Arbeit vom 20.1.1934 Ein Fortbestand des BRG kam im Nationalsozialismus nicht in Betracht, da die NSDAP in den Gewerkschaften und den Betriebsräten den politischen Gegner verkörpert sah69. Das Gesetz zur Ordnung der nationalen Arbeit vom 20.1.193470 (AOG) löste die Regelungen des BRG von 1920 ab und brachte ___________ 65

Vgl. auch APS/U. Preis, Grundl. A Rn. 7. In v.Hoyningen-Huene/Linck, KSchG, Einl. Rn. 14 wird die Auffassung vertreten, aus der Krisensituation der Weimarer Zeit sei die Erkenntnis zu gewinnen, dass es sinnlos sei, Arbeitslosigkeit durch Kündigungsbeschränkungen zu bekämpfen. Es lasse sich die rechtspolitisch wichtige Erkenntnis ziehen, dass es notwendig sei, auf die Produktivität der Betriebe Rücksicht zu nehmen. 67 Vgl. auch Döse-Digenopoulos, S. 81 f. 68 Deventer, JuS 1988, 13, 14. 69 Deventer, JuS 1988, 13, 15. 70 RGBl. I S. 45; das AOG wurde als Grundgesetz des nationalsozialistischen Arbeitsrechts bezeichnet, da es bis 1945 für das gesamte Arbeitsleben das beherrschende Fundament der meisten Arbeitsgesetze war. Zum Kündigungsschutz im Dritten Reich vgl. auch Göller, S. 73 ff. 66

C. Kündigungsschutz in der Zeit des Nationalsozialismus

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erhebliche Änderungen. Gewerkschaften und Betriebsräte wurden beseitigt71. An ihrer Stelle wurden Vertrauensräte mit sehr viel geringeren Befugnissen eingesetzt. An deren Spitze stand der Unternehmer, der im Nationalsozialismus als „Betriebsführer“ bezeichnet wurde. Die Betriebsvertretung wurde von einer Mitwirkung im Kündigungsschutzverfahren fast gänzlich ausgeschlossen, das heißt, der kollektivrechtlich strukturierte Kündigungsschutz wurde weitestgehend aufgehoben. Es gab nun weder ein Vorprüfungsverfahren noch ein selbständiges Klagerecht des Betriebsrates bei Entlassungen von Arbeitnehmern des Betriebes. Geblieben war nur ein Güteverfahren vor dem Vertrauensrat, der den Betriebsführer nur beraten durfte. Der Vertrauensrat konnte den Betriebsführer weder überstimmen noch ein Vetorecht ausüben, um nicht „das Vertrauensverhältnis zwischen Führer und Vertrauensrat“ zu zerstören72. Im Gegensatz zum BRG 1920 konnte der Arbeitnehmer beim zuständigen Arbeitsgericht selbst klagen73. Die Widerrufsklage musste binnen zwei Wochen eingereicht werden; ihr war eine Bescheinigung des Vertrauensrates beizufügen, wonach eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit erfolglos beraten worden war, § 56 Abs. 2 AOG. Wie in der Weimarer Zeit war der Arbeitgeber auch nach einem verlorenen Prozess nicht zur Wiedereinstellung des Arbeitnehmers verpflichtet. Stattdessen konnte er gemäß § 57 AOG nach freier Wahl eine vom Gericht festgesetzte Entschädigung zahlen.

II. Die Vorschrift des § 56 AOG Für einen Vergleich mit der heutigen Regelung des § 1 Abs. 2 KSchG ist die damalige Vorschrift des § 56 AOG von Interesse. Der nationalsozialistische Gesetzgeber übernahm mit § 56 Abs. 1 AOG die auf Billigkeit Bezug nehmende Generalklausel des § 84 Ziff. 4 BRG und verzichtete auf die Aufzählung der Einspruchsgründe, wie sie in § 84 BRG geregelt waren. „§ 56 (1) Wird einem Angestellten oder Arbeiter nach einjähriger Beschäftigung in dem gleichen Betrieb oder dem gleichen Unternehmen gekündigt, so kann er, wenn es sich um einen Betrieb mit in der Regel mindestens zehn Beschäftigten handelt, binnen zwei Wochen nach Zugang der Kündigung beim Arbeitsgericht mit dem Antrag auf Widerruf der Kündigung klagen, wenn diese unbillig hart und nicht durch die Verhältnisse des Betriebes bedingt ist.

___________ 71

Kittner/Däubler/Zwanziger, Einl. Rn. 20. Döse-Digenopoulos, S. 89; A. Hueck, JW 1934, 1022, 1026. 73 Vgl. auch Bitter/Kiel, RdA 1994, 333, 335; Gottschalk, S. 55. 72

Zweiter Teil: § 4 Historischer Überblick

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(2) Der Klage ist, wenn in dem Betrieb ein Vertrauensrat errichtet ist, eine Bescheinigung des Vertrauensrates beizufügen, aus der sich ergibt, dass die Frage der Weiterbeschäftigung im Vertrauensrat erfolglos beraten worden ist. Von der Beibringung der Bescheinigung kann abgesehen werden, wenn der Gekündigte nachweist, dass er binnen fünf Tagen nach Zugang der Kündigung den Vertrauensrat angerufen, dieser aber die Bescheinigung innerhalb von fünf Tagen nach dem Anruf nicht erteilt hat.“

Die Auslegung und Anwendung der Generalklauseln des § 56 Abs. 1 AOG ist besonders kritisch zu betrachten, da im Dritten Reich die unbestimmten Rechtsbegriffe mit Veränderung der politischen Lage missbraucht wurden74. Der Kündigungsschutz wurde für politische Ziele instrumentalisiert75. Die Frage nach Notwendigkeit, Nutzen und Gefahr von Generalklauseln und unbestimmten Rechtsbegriffen tritt hier besonders stark in den Vordergrund. Die Norm des § 56 AOG ermöglichte dem Gericht gleich eine zweifache Ermessensprüfung. Die Abweisung einer Kündigungs-Widerrufsklage konnte zum einen mit den „Verhältnissen des Betriebes“ und zum anderen mit der fehlenden „unbilligen Härte“ für den Kläger begründet werden76. Das Merkmal der Betriebsbedingtheit konnte leicht umgangen werden, indem der Richter urteilte, es sei keine unbillige Härte für den Kläger gegeben77. Das Klagerisiko war somit unberechenbar.

III. Anfälligkeit der Generalklauseln für politische Wertungen Mit der auf Billigkeit abstellenden Generalklausel des § 56 Abs. 1 AOG der „unbilligen Härte“ eröffnete sich die Möglichkeit, die nationalsozialistische Ideologie in das Kündigungsrecht einfließen zu lassen78. Die Gefahr der flexiblen Generalklauseln für politische Wertungen ist durch die negativen Erfahrungen im Nationalsozialismus besonders deutlich ans Tageslicht getreten. Dieser ___________ 74

APS/U. Preis, Grundl. A Rn. 14. Vgl. hierzu auch den Disput zwischen Rüthers, NJW 1998, 1433 ff. und U. Preis, NJW 1998, 1889 ff. 76 Unter diesem Punkt sollten die sozialen Belange des Arbeitnehmers bedacht werden (Stein, BB 2000, 457, 460). Es sollte auf die Auswahl des Entlassenden ankommen. Zu berücksichtigen waren seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse, sein Alter, sein Familienstand, Unterhaltspflichten, aber auch, ob sonstige Familienmitglieder verdienten. Teilweise hatten auch Klagen bei sehr langer Betriebszugehörigkeit Erfolg (LAG Hamburg v. 2.12.1937, ARS 32, 123 ff.). Feststehende berechenbare Kriterien waren für den Arbeitnehmer jedoch nicht erkennbar, Döse-Digenopoulos, S. 93. 77 Vgl. z. B. LAG Schneidemühl v. 16.8.1934, ARS 24, 3, 5; Döse-Digenopoulos, S. 91 f. 78 Döse-Digenopoulos, S. 91 ff.; Herschel, DB 1973, 80, 81; APS/U. Preis, Grundl. A Rn. 12; ausführlich Rüthers, S. 247 ff. 75

C. Kündigungsschutz in der Zeit des Nationalsozialismus

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Gefahr sollte man sich auch heute noch bewusst sein79. Nach der Machtübernahme der NSDAP wurde vom Reichsarbeitsgericht und auch von einigen Landesarbeitsgerichten hervorgehoben, dass Klauseln wie Treu und Glauben, gute Sitten, wichtiger Grund, Zumutbarkeit, unbillige Härte etc. nach nationalsozialistischen Werten auszulegen seien80. In der Folge nahmen Kündigungen aufgrund politischer Unzuverlässigkeit, staatsfeindlicher Gesinnung81 und vor allem Entlassungen von Arbeitnehmern aus „nicht arischen“ und besonders jüdischen Familien82 zu. In einer Entscheidung des Reichsarbeitsgerichts vom 25.11.193383 heißt es, die „durch die nationale Erhebung begründete neue Einstellung des deutschen Volkes zum Judentum“ ... mache es nötig, von Fall zu Fall zu prüfen, ob „Umstände gegeben und festgestellt sind“, die eine Weiterbeschäftigung des jüdischen Arbeitnehmers für seinen Arbeitgeber „derart schädlich oder seine Interessen gefährdend erscheinen lassen, dass sie ihm billigerweise nicht zugemutet werden“ könnte. Die Begriffe „Verhältnisse des Betriebes“ und „unbillige Härte“ wurden von der Rechtsprechung uneinheitlich und unsystematisch verwendet84. Die Kündigungen von jüdischen Arbeitnehmern wurden nach Belieben entweder auf die „Verhältnisse des Betriebes“85 oder auf die vorgeblich nicht vorhandene „unbillige Härte“86 gestützt. Dagegen hatten Einspruchsklagen von Angehörigen der SS oder der SA regelmäßig über den Begriff der „unbilligen Härte“ Erfolg87. Im Ergebnis kann jedenfalls festgestellt werden, dass die Richter mit ___________ 79 Der bei Anwendung und Auslegung mögliche Einfluss der jeweiligen politischen Lage lässt Generalklauseln besonders fragwürdig erscheinen. APS/U. Preis, Grundl. A Rn. 13 spricht die Mahnung aus, auch heute mit Generalklauseln stets aufmerksam umzugehen. 80 LAG Düsseldorf v. 20.11.1933, ARS 19, 211, 212; RAG v. 28.10.1933, ARS 19, 207, 208; RAG v. 25.11.1933, ARS 19, 214, 216; LAG Frankfurt v. 5.3.1935, ARS 24, 26, 27; APS/U. Preis, Grundl. A Rn. 13; vgl. auch Rüthers, S. 237 ff. 81 Die Vielzahl der Entscheidungen zu diesen Fragen lässt sich dem Stichwortregister in ARS ab dem 19. Band entnehmen; Überblick bei Rüthers, S. 238 ff. mit erschütternden Beispielen. 82 Die Zulässigkeit einer Kündigung wegen jüdischer Abstammung verneinend noch: LAG Dortmund v. 25.7.1933, ARS 19, 3; LAG Bielefeld v. 28.9.1933, ARS 19, 126; LAG Düsseldorf v. 20.11.1933, ARS 19, 211 und LAG Darmstadt v. 23.2.1934, ARS 20, 88; bejahend allerdings schon erstmals RAG v. 28.10.1933, ARS 19, 207. 83 RAG v. 25.11.1933, ARS 19, 214, 216 f. 84 Vgl. auch Döse-Digenopoulos, S. 92. 85 LAG Leipzig v. 15.10.1934, ARS 23, 110, 114; LAG Frankfurt v. 5.3.1935, ARS 24, 26. 86 Vgl. z. B. LAG Breslau v. 24.7.1936, ARS 28, 64. 87 LAG Leipzig v. 14.5.1936, ARS 27, 183 ff.

Zweiter Teil: § 4 Historischer Überblick

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dieser gleich doppelten Auslegungsmöglichkeit des § 56 AOG einen weiten Spielraum nutzten, um Betriebe von politisch Missliebigen zu säubern88.

IV. Justitiabilität der Unternehmerentscheidung Unter Hervorhebung des „Führerprinzips“ wurde eine Überprüfung der unternehmerischen Entscheidung auf Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit grundsätzlich abgelehnt89. Die ordentliche Kündigung war grundsätzlich eine freie unternehmerische Entscheidung90. Der Grundsatz besagte, dass eine sozial zu missbilligende Kündigung zunächst als rechtsgültig angesehen wurde, allerdings im Wege der Widerrufsklage angreifbar war91. Heute ist der Grundsatz genau umgekehrt, das heißt grundsätzlich ist eine Kündigung sozial ungerechtfertigt. Sozial gerechtfertigt ist sie erst dann, wenn der Arbeitgeber einen bestimmten Kündigungsgrund vorweisen kann.

1. Rechtsprechung In der Rechtsprechung zur betriebsbedingten Kündigungen findet sich durchweg der Grundsatz der unbegrenzten Unternehmerfreiheit. In der Urteilsbegründung des Arbeitsgerichts Bremen vom 8.6.193492 heißt es beispielsweise, schon unter der Geltung des alten Rechts habe die Kammer in ständiger Rechtsprechung den Standpunkt vertreten, dass grundsätzlich der Betriebsinhaber darüber zu entscheiden habe, was die Belange seines Betriebes erfordern, und dass insoweit nur dann das Ermessen des Arbeitsgerichts an die Stelle seines Ermessens treten könne, wenn es offenbar an einer objektiven und gewissenhaften Prüfung von seiner Seite gefehlt habe. Weiter heißt es, im Beschlussverfahren nach § 97 BRG habe das Reichsarbeitsgericht einmal im anderen Zusammenhang zum Ausdruck gebracht, dass die mit sachlichen Gründen vertretene Entschließung des Arbeitgebers zur Arbeitsanordnung nicht der ___________ 88

Im Nationalsozialismus wurde der Arbeitsplatz nach politischen Kriterien verteilt. Bevorzugt wurden Angehörige der NSDAP, der SS oder der SA eingestellt. Politisch ungewollte Arbeitnehmer wurden entlassen; vgl. dazu auch Döse-Digenopoulos, S. 92. 89 Döse-Digenopoulos, S. 93; Gottschalk, S. 55 und S. 58; Stein, BB 2000, 457, 460. 90 Deventer, JuS 1988, 13, 18. 91 Gottschalk, S. 55. 92 ArbG Bremen v. 8.6.1934, ARS 21, 73, 78; vgl. dazu Gottschalk, S. 56 mit einer Zusammenfassung des Sachverhalts.

C. Kündigungsschutz in der Zeit des Nationalsozialismus

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Nachprüfung durch die Arbeitsgerichte unterliege93. Dieser Grundsatz müsse nach dem Inkrafttreten des AOG mit der Betonung des Führerprinzips noch stärker in den Vordergrund treten. In der Begründung des Landesarbeitsgerichts Schneidemühl vom 16.8.193494 wird ausgeführt, auch nach langer Übung könne der Arbeitgeber einseitig Änderungen der Vertragsbedingungen einführen, denn er sei der Führer des Betriebes. Das Arbeitsgericht Kaiserslautern vertrat in einer Entscheidung vom 9.4.193595 die Auffassung, dem Unternehmer stehe die Entscheidung zu, mit welchen Personen er zusammenarbeiten wolle. Die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts Darmstadt vom 26.4.193596 lauteten, in welcher Richtung und auf welchem Sondergebiet ein Unternehmen zu leiten sei, darüber entscheide das wirtschaftliche Ermessen der Betriebsführung, das einer Beurteilung durch das Gericht nicht unterliege. In der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Hindenburg vom 30.4.193597 findet man die Aussage, der Unternehmer müsse im Fall der Betriebsänderung die Auswahl der zu Entlassenden in eigener Verantwortung vornehmen können. Das Landesarbeitsgericht Gleiwitz führte in der Entscheidung vom 16.4.194098 aus, die Arbeitsgerichte seien nicht in der Lage, sich in die geschäftlichen Dispositionen des Betriebsführers einzumischen und ihm vorzuschreiben, wie und wo er Arbeitskräfte einsetzen müsse, wie viel Angestellte er zu beschäftigen habe und dergleichen.

2. Literatur Auch in der Literatur herrschte überwiegend Einigkeit dahingehend, dass unternehmerische Entscheidungen hinsichtlich ihrer wirtschaftlichen Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit seitens der Arbeitsgerichte grundsätzlich als nicht justitiabel respektiert werden sollten99. Die Unüberprüfbarkeit sollte sich auch auf die Vermeidbarkeit von Entlassungen beziehen, sofern Arbeitsstreckung möglich war. Auch in der Literatur wurde die fast gänzlich uneingeschränkte ___________ 93

RAG v. 17.9.1930, ARS 10, 242, 247. LAG Schneidemühl v. 16.8.1934, ARS 24, 3, 6. 95 ArbG Kaiserslautern v. 9.4.1935, ARS 23, 235. 96 LAG Darmstadt v. 26.4.1935, ARS 23, 153, 158; vgl. dazu auch Gottschalk, S. 57 mit einer Zusammenfassung des Sachverhalts. 97 LAG Hindenburg v. 30.4.1935, ARS 35, 251, 252. 98 LAG Gleiwitz v. 16.4.1940, ARS 39, 80 ff.; vgl. dazu auch Gottschalk, S. 57 mit einer Zusammenfassung des Sachverhalts. 99 Vgl. dazu Döse-Digenopoulos, S. 93 f.; Hueck/Nipperdey/Dietz, § 56 Rn. 10; Mansfeld, Die Ordnung der nationalen Arbeit, § 56 Anm. 2 e S. 499. 94

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Zweiter Teil: § 4 Historischer Überblick

Unternehmerfreiheit hauptsächlich mit dem „Führerprinzip“ begründet100. Der Unternehmer sollte als Führer des Betriebes in allen betrieblichen Angelegenheiten entscheiden, vgl. § 1 AOG. Er sollte „allein Herr seiner Produktionsmittel“ sein. Seine Entscheidungen sollten der Förderung des Betriebszwecks und „dem gemeinen Nutzen von Volk und Staat“ dienen, vgl. § 2 AOG. Das „Betriebsführerprinzip“ war ein Bestandteil eines übergeordneten ideologischen Gedankens, wonach der Betrieb eine Gemeinschaft von Volksgenossen war, die sich zur Produktion von für die Volksgemeinschaft nützlichen Gütern zusammengeschlossen hatten. Döse-Digenopoulos101 hat herausgearbeitet, die Begründungen mit dem „Führerprinzip“ seien „widersprüchlich und brüchig“. Es sei unlogisch und inkonsequent, dass die Gerichte nicht hätten überprüfen dürfen, ob eine wirtschaftliche Entscheidung des Betriebsführers für das Wohl des Betriebes und für das Gemeinwohl zweckmäßig und notwendig war. Im Ergebnis basiere die Begründung der Unüberprüfbarkeit der Unternehmerentscheidungen eher auf kapitalistischen als auf nationalsozialistischen Systemvorstellungen. Für sich betrachtet sind die Gedanken von Döse-Digenopoulos auch folgerichtig, allerdings ist das individualrechtliche Konzept unter Hervorhebung des „Führerprinzips“ als Abgrenzung zum BRG von 1920 dahingehend zu verstehen, dass in erster Linie die Macht der Betriebsräte eingeschränkt werden sollte102. Eine an kapitalistischen Vorstellungen orientierte individuelle Freiheit war dem totalitären Staat wesensfremd. Eine Lenkung des Arbeitseinsatzes gelang dem Staat letztlich mit der bei Kriegsbeginn erlassenen Arbeitsplatzwechselverordnung vom 1.9.1939, die alle Kündigungen der Zustimmung des Arbeitsamtes unterwarf.

V. Darlegungs- und Beweislast Der Unternehmer trug die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die Kündigung durch die Verhältnisse des Betriebes bedingt war103. Die Anforderungen an die Darlegungs- und Beweislast des Unternehmers waren jedoch äußerst gering, da die Unternehmerentscheidung grundsätzlich zu akzeptieren war. Im Allgemeinen reichte der Hinweis auf die Notwendigkeit von Rationalisierungsund Personalabbaumaßnahmen und der Beweis, dass die tatsächlich gemachten ___________ 100 Dietz, S. 9; Döse-Digenopoulos, S. 94 f.; Hueck/Nipperdey/Dietz, § 56 Rn. 10; Mansfeld/Pohl/Steinmann/Krause, § 56 Anm. 2 e S. 497; vgl. ferner Deventer, JuS 1988, 13, 15. 101 Döse-Digenopoulos, S. 94 f. 102 APS/U. Preis, Grundl. A Rn. 14. 103 Hueck/Nipperdey/Dietz, § 56 Rn. 10.

C. Kündigungsschutz in der Zeit des Nationalsozialismus

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Angaben über die Durchführung der Maßnahmen der Wahrheit entsprachen104. Der Arbeitnehmer musste darlegen und beweisen, dass die Kündigung für ihn eine unbillige Härte darstellte, das heißt, er trug die volle Beweislast für die Unrichtigkeit seiner Auswahl, musste also seine gesamten persönlichen und sozialen Verhältnisse in den Prozess einbringen105.

VI. ArbeitsplatzwechselVO vom 1.9.1939 Die bei Kriegsbeginn erlassene Arbeitsplatzwechselverordnung vom 1.9.1939106 erforderte für jede Arbeitgeber-, aber auch für jede Arbeitnehmerkündigung die Zustimmung des Arbeitsamtes. Das Arbeitsamt traf seine Entscheidungen unter arbeitseinsatzpolitischen Aspekten, nicht etwa unter sozialen oder Willkür vermeidenden Gesichtspunkten107. Die Arbeitsplatzwechselverordnung diente also keineswegs primär dem Arbeitnehmerschutz, sondern sollte vielmehr in einer Zeit des Arbeitskräftemangels die Arbeitskräfte so lenken, wie es die Aufrüstung erforderte108. Letztlich schränkte die Arbeitsplatzwechselverordnung die Freizügigkeit der Arbeitnehmer ein, indem sie auch deren Kündigung von einer Zustimmung abhängig machte. Die Beschränkung des freien Kündigungsrechts wurde deshalb auch nicht in den Anfangsjahren zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit vorgenommen, wie man das vielleicht vermutet hätte, sondern zu einem Zeitpunkt, als ein Mangel an Arbeitskräften in der Rüstungsindustrie bestand109. Die Verteilung der Arbeitskräfte war also voll und ganz der behördlichen Kontrolle unterworfen. Es handelte sich um eine völlige Steuerung des Arbeitseinsatzes im totalen Staat ohne jede Rücksichtnahme auf die individuelle Freiheit110.

___________ 104

Döse-Digenopoulos, S. 95 f. Hueck/Nipperdey/Dietz, § 56 Rn. 16. 106 ArbeitsplatzwechselVO v. 1.9.1939 (RGBl. II S. 1685). 107 v.Hoyningen-Huene/Linck, KSchG, Einl. Rn. 15. 108 Döse-Digenopoulos, S. 90 f.; vgl. auch Weller, Arbeitslosigkeit und Arbeitsrecht, S. 132 f. m.w.N. 109 v.Hoyningen-Huene/Linck, KSchG, Einl. Rn. 15. 110 v.Hoyningen-Huene/Linck, KSchG, Einl. Rn. 15; APS/U. Preis, Grundl. A Rn. 14. 105

Zweiter Teil: § 4 Historischer Überblick

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D. Kündigungsschutz in der Nachkriegszeit bis 1951 I. Aufhebung des AOG durch das Kontrollratsgesetz zum 1.1.1947 Nach dem zweiten Weltkrieg galt das AOG zunächst noch weiter fort, bis es durch das Kontrollratsgesetz Nr. 40 zum 1.1.1947 aufgehoben wurde111. Damit entstand eine gesetzliche Regelungslücke. Trotz fehlender gesetzlicher Regelung wurde aber der Kündigungsschutz selbst nicht aufgehoben. Der 1920 eingeführte materielle Kündigungsschutz hatte sich etabliert und stand als soziales Erfordernis außer Frage112. Die staatliche Lenkung des Arbeitseinsatzes wurde ebenfalls nicht sofort mit dem Ende des Zweiten Weltkrieges beseitigt. Erst die sich rasch entwickelnde Wirtschaft nach der Währungsreform von 1948 brachte Bestrebungen in Richtung Aufhebung staatlicher Zwänge mit sich. Schließlich stellte Art. 12 GG die Freizügigkeit der Arbeitnehmer wieder her. Damit wurde die Arbeitsplatzwechselverordnung außer Kraft gesetzt113.

II. Unterschiedlicher Kündigungsschutz in den einzelnen Ländern Bis zum Inkrafttreten des bundeseinheitlichen Kündigungsschutzgesetzes vom 10.8.1951 wurde die Regelungslücke, die mit Außerkrafttreten des AOG zum 1.1.1947 entstanden war, je nach Besatzungszone auf unterschiedliche Art und Weise ausgefüllt114. Einerseits wurden landesrechtliche Regelungen erlassen, wobei die Landesgesetze in grundsätzlichen Einstellungen und in diversen Einzelheiten erheblich voneinander abwichen115. Andererseits erfolgte die ___________ 111

Gesetz Nr. 40 Aufhebung des „Gesetzes zur Ordnung der Nationalen Arbeit“ vom 20.1.1934 (Amtsbl. des Kontrollrats 1945/1946/1947/1948, S. 229); Gottschalk, S. 58; v.Hoyningen-Huene/Linck, KSchG, Einl. Rn. 16 und 24; Richardi, NZA 2000, 13. 112 v.Hoyningen-Huene/Linck, KSchG, Einl. Rn. 24. 113 v.Hoyningen-Huene/Linck, KSchG, Einl. Rn. 16. 114 v.Hoyningen-Huene/Linck, KSchG, Einl. Rn. 25; Kittner/Däubler/Zwanziger, Einl. Rn. 21; APS/U. Preis, Grundl. A Rn. 15. 115 Ein Überblick über die verschiedenen Landesgesetze ist in der Begründung des KSchG in RdA 1951, 58, 61 f. enthalten; Übersicht auch bei A. Hueck, BlStSozArbR 1949, 118 ff. und 131 ff.; vgl. ferner auch Wüllenweber, S. 188 ff.; vgl. zur Landesgesetzgebung die Übersicht bei G. Müller, BB 1948, 534 ff.; es bestanden folgende Landesgesetze: das württembergische Kündigungsschutzgesetz v. 18.8.1948 (RegBl. S. 134); das bayerische Kündigungsschutzgesetz v. 1.8.1947 (BGVBl. S. 165); in Bremen das Betriebsrätegesetz v. 10.1.1949 (GBl. S. 7); in Württemberg-Hohenzollern das Betriebsrätegesetz v. 21.5.1949 (RegBl. S. 163); in Hessen das Betriebsrätegesetz v.

D. Kündigungsschutz in der Nachkriegszeit bis 1951

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Schließung der Lücke allein durch die Rechtsprechung. Dies führte insgesamt zu einer erheblichen Rechtszersplitterung und damit zu einer beklagenswerten Rechtsunsicherheit116. In den einzelnen Ländern der amerikanischen und französischen Zone entstanden Kündigungsschutzgesetze bzw. entsprechende Regelungen im Rahmen von Betriebsrätegesetzen117. In der sowjetischen Zone hing die Wirksamkeit einer Kündigung von der Zustimmung des Betriebsrats ab118. In der britischen Zone kam es nicht zu gesetzlichen Regelungen, sondern man griff zur Verhinderung willkürlicher Entlassungen zurück auf die allgemeinen Grundsätze des Privatrechts. Die Kündigung wurde daran gemessen, ob sie gegen Treu und Glauben gemäß § 242 BGB oder gegen die guten Sitten gemäß § 138 BGB verstieß119. Man orientierte sich weiterhin an § 56 AOG und betrachtete eine Kündigung als unzulässig bei unbilliger Härte, sowie bei nicht durch das Verhalten des Arbeitnehmers oder durch die Verhältnisse im Betrieb bedingten Umständen120.

III. Frankfurter Gesetz vom 20.7.1949 Um der Rechtsunsicherheit und Rechtszersplitterung im Kündigungsschutzrecht entgegenzutreten, beschloss der Vereinigte Wirtschaftsrat der britischen und amerikanischen Zone am 20.7.1949 in Frankfurt a. M. ein Kündigungsschutzgesetz, das aber wegen der zwischenzeitlichen Gründung der Bundesrepublik Deutschland und des verabschiedeten Grundgesetzes von den Militärregierungen nicht mehr genehmigt, sondern für die Bundesgesetzgebung zurückgestellt wurde121. Dieses Gesetz kann als erster Vorläufer des heutigen KSchG betrachtet werden122. Eine grundlegende neue Änderung bestand darin, dass ei___________ 31.5.1948 (GVBl. S. 117); in Südbaden das Gesetz über die Bildung von Betriebsräten v. 24.9.1948 (GVBl. S. 215); in Rheinland-Pfalz das Betriebsrätegesetz v. 15.5.1947 (VOBl. S. 258). 116 Bitter/Kiel, RdA 1994, 333, 335; Bötticher, RdA 1951, 81; Gottschalk, S. 58; v.Hoyningen-Huene/Linck, KSchG, Einl. Rn. 27. 117 Bitter/Kiel, RdA 1994, 333, 335; Gottschalk, S. 58; v.Hoyningen-Huene/Linck, KSchG, Einl. Rn. 26; Richardi, NZA 2000, 13. 118 v.Hoyningen-Huene/Linck, KSchG, Einl. Rn. 25. 119 Bitter/Kiel, RdA 1994, 333, 335; Gottschalk, S. 58; v.Hoyningen-Huene/Linck, KSchG, Einl. Rn. 25; APS/U. Preis, Grundl. A Rn. 15. 120 Bitter/Kiel, RdA 1994, 333, 335; Gottschalk, S. 58; v.Hoyningen-Huene/Linck, KSchG, Einl. Rn. 25. 121 Gottschalk, S. 58; Kittner/Däubler/Zwanziger, Einl. Rn. 22; Richardi, NZA 2000, 13; zum Inhalt siehe A. Hueck, RdA 1949, 331 ff. 122 Kittner/Däubler/Zwanziger, Einl. Rn. 22.

Zweiter Teil: § 4 Historischer Überblick

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ne Kündigung nur dann wirksam sein sollte, wenn sie sozial gerechtfertigt war123. Sozial gerechtfertigt sollte die Kündigung sein, „wenn sie durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist“. Anders als das BRG von 1920 erhielt der Kündigungsschutz eine individualrechtliche Struktur und ermöglichte dem Arbeitnehmer den unmittelbaren Weg zum Arbeitsgericht. Die Vermittlungsinstanz des Betriebsrats entfiel, was teilweise heftig kritisiert wurde124. Die Kündigungswiderrufsklage wurde durch die Kündigungsschutzklage ersetzt, die konsequenterweise als Feststellungsklage zu erheben war125.

IV. Hattenheimer Entwurf vom 13.1.1950 Die Vertreter des Deutschen Gewerkschaftsbundes und der Bundesvereinigung der deutschen Arbeitgeberverbände einigten sich am 13.1.1950 in Hattenheim auf einen gemeinsamen Entwurf für ein Kündigungsschutzgesetz126. Eine gänzlich andere Konzeption hatte noch der Regierungsentwurf eines Betriebsverfassungsgesetzes vorgesehen127. Nach ihm sollte ein Arbeitnehmer nur mit Zustimmung des Betriebsrats entlassen werden können128. Der Hattenheimer Entwurf lehnte sich in seiner Konzeption an das Frankfurter Gesetz an129. In einem wesentlichen Punkt kam man jedoch auf die Regelungen des Gesetzes zur Ordnung der nationalen Arbeit und des BRG 1920 zurück. Die Kündigung sollte, genau wie es § 56 AOG und § 84 BRG vorsahen, zunächst gültig sein, mit der Möglichkeit, eine Verurteilung des Arbeitgebers auf Rücknahme oder Widerruf zu erreichen130. Der Hattenheimer Entwurf bildete die Grundlage für den Regierungsentwurf eines Bundeskündigungsschutzgesetzes131.

___________ 123

Gottschalk, S. 59; Richardi, NZA 2000, 13. Siehe z. B. A. Hueck, RdA 1949, 331, 335. 125 Richardi, NZA 2000, 13. 126 RdA 1950, 63 ff. m. Bespr. A. Hueck, S. 65 ff. 127 Abgedruckt in RdA 1950, 343 ff. 128 Genauer vgl. Richardi, NZA 2000, 13, 14. 129 Richardi, NZA 2000, 13, 14. 130 Gottschalk, S. 59. 131 Kittner/Däubler/Zwanziger, Einl. Rn. 23; APS/U. Preis, Grundl. A Rn. 17; Stein, BB 2000, 457, 460. 124

E. Kündigungsschutzgesetz vom 10.8.1951

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E. Kündigungsschutzgesetz vom 10.8.1951 Durch das für das ganze damalige Bundesgebiet132 schließlich einheitlich geltende Kündigungsschutzgesetz vom 10.8.1951133 wurde der durch die Rechtszersplitterung entstandenen Rechtsunsicherheit Abhilfe geschaffen. Am 27.3.1951 legte das Bundesarbeitsministerium dem Bundestag134 den auf dem Hattenheimer Entwurf aufbauenden Entwurf eines Kündigungsschutzgesetzes mit Begründung135 und einigen Änderungsvorschlägen des Bundesrates136 vor. Das KSchG sollte gegenüber seinen Vorläufern einen erweiterten Schutz gewährleisten137. Bis das Gesetz endlich zustande kam, waren noch eine Reihe von Fragen zu diskutieren. Zunächst war umstritten, ob von „zwingenden“ oder „dringenden“ betrieblichen Erfordernissen die Rede sein sollte. Der Hattenheimer Entwurf enthielt noch die Formulierung „zwingende betriebliche Erfordernisse“. Die Bundesregierung sprach sich schließlich für den Wortlaut „dringende betriebliche Erfordernisse“ mit der Begründung aus, dass diese Fassung einen ausreichend wirksamen sozialen Schutz gewährleiste138. Der Gesetzgeber wollte einen Bestandsschutz „in den Grenzen des sozial und wirtschaftlich Vertretbaren“ erzielen139. Nach der Begründung des Regierungsentwurfs sollte das KSchG nicht die aus triftigen Gründen erforderlichen Kündigungen verhindern, sondern nur die nicht hinreichend begründeten abwenden, also solche Kündigungen, die die Betriebszugehörigkeit willkürlich beenden140. Es wurde hervorgehoben, dass nunmehr im Unterschied zu dem Merkmal der „unbilligen Härte“ allein objektive Gesichtspunkte für die Bestimmung von Kündigungs___________ 132 In Westberlin wurde das KSchG mit Wirkung v. 1.1.1953 durch Berliner Gesetz v. 22.12.1952 (GVBl. S. 1197) übernommen. Im Saarland erlangte es durch Gesetz Nr. 628 v. 18.6.1958 (ABl. S. 1249) zum 1.1.1959 Gültigkeit. Durch Beitritt der DDR zur Bundesrepublik Deutschland am 3.10.1990 trat das KSchG schließlich auch auf dem Gebiet der ehemaligen DDR in Kraft (dazu genauer v.Hoyningen-Huene/Linck, KSchG, Einl. Rn. 32 a m.w.N.). 133 BGBl. I S. 499. 134 BT-Drucks. Nr. 2090, 1. Wahlperiode 1949 S. 97. 135 Vgl. RdA 1951, 61 ff. 136 Vgl. RdA 1951, 178 ff. 137 Hörnig, RdA 1955, 132, 133; Reuter, NZA 1989, 241, 243; Schmidt, RdA 1954, 170, 171; Stein, BB 2000, 457, 460. 138 Stahlhacke, DB 1994, 1361; Stein, BB 2000, 457, 460; vgl. auch Monjau, BB 1967, 1211, 1212. 139 Begründung des Regierungsentwurfs zum KSchG, RdA 1951, 63, 64; Stein, BB 2000, 457, 460; zur Entstehungsgeschichte vgl. ferner Schüler, ArbuR 1954, 54, 57. 140 Stahlhacke, DB 1994, 1361.

Zweiter Teil: § 4 Historischer Überblick

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gründen ausschlaggebend sein sollten141. Ferner wurde heftig diskutiert, für welche Betriebe, von welchem Lebensalter an und nach welcher Dauer der Betriebszugehörigkeit die Vorschriften des KSchG Anwendung finden sollten142. Die kontroversen Interessen von Arbeitgebern und Arbeitnehmern mündeten schließlich in einen Kompromiss. Bereits in der Phase der Gesetzesentstehung wurde beanstandet, dass das KSchG die üblichen Schwächen derartiger Kompromisse beinhalte, wie zum Beispiel mangelnde Folgerichtigkeit, Widersprüche, Unklarheiten und Lücken143. Von Anfang an war nicht deutlich, welche konkreten Verbesserungen das KSchG in materieller Hinsicht letztlich brächte144. Kritische Stimmen meinten, dass der Unterschied zum bisherigen Recht nicht ins Gewicht falle, da man „auch in Zukunft die Interessen beider Teile gegeneinander abwägen müsse“145. Manche Verbesserungen sind aber gleichwohl zu verzeichnen. Das KSchG 1951 ging, wie auch schon das Frankfurter Gesetz, nicht länger wie das BRG 1920 und das AOG von der generellen Kündigungsfreiheit aus, sondern schränkte die Zulässigkeit von Kündigungen grundsätzlich ein, indem § 1 Abs. 2 S. 1 die Kündigung als sozial ungerechtfertigt bezeichnet, wenn sie nicht durch Gründe in der Person oder im Verhalten des Arbeitnehmers oder durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt ist146. Die Kündigung hat damit den Rang der Ausnahme von der Regel erhalten147. Auch in späteren Auseinandersetzungen wurde dieser Grundsatz nicht mehr in Frage gestellt148. Eine weitere Verbesserung für die Arbeitnehmer brachte die einschränkende Neuregelung der Befreiung der Kleinbetriebe vom Kündigungsschutz. Nach dem BRG 1920 waren Betriebe bis zu zwanzig Arbeitnehmern, nach dem AOG bis zu zehn Arbeitnehmern und nach dem neuen KSchG sind Betriebe bis zu fünf Arbeitnehmern von der Anwendbarkeit der kündigungsschützenden Regelungen ausgenommen149. Schließlich gewährte das KSchG einen effektiveren Bestandsschutz dadurch, dass das Wahlrecht des Arbeitgebers zwischen Kündigungswiderruf und Entschädigungszahlung grundsätzlich beseitigt wurde. ___________ 141

Dietz, NJW 1951, 943; APS/U. Preis, Grundl. A Rn. 16. Gottschalk, S. 59; v.Hoyningen-Huene/Linck, KSchG, Einl. Rn. 31. 143 Vgl. v.Hoyningen-Huene/Linck, KSchG, Einl. Rn. 33; APS/U. Preis, Grundl. A Rn. 17. 144 APS/U. Preis, Grundl. A Rn. 16. 145 A. Hueck, RdA 1951, 281, 284. 146 Bitter/Kiel, RdA 1994, 333, 335; v.Hoyningen-Huene/Linck, KSchG, Einl. Rn. 34. 147 Oetker, Bestandsschutz, S. 14. 148 Vgl. dazu Gottschalk, S. 59 m.w.N. 149 v.Hoyningen-Huene/Linck, KSchG, Einl. Rn. 35. 142

F. Wesentliche Änderungen und Ergänzungen

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Nach dem neuen KSchG kommt eine Abfindungszahlung nunmehr nur bei Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses auf gesonderten Antrag in Betracht150. Der Bundestag verabschiedete schließlich das Gesetz in seiner 159. Sitzung. Am 27.7.1951 stimmte der Bundesrat zu, am 10.8.1951 wurde es ausgefertigt und am 13.8.1951 im Bundesgesetzblatt veröffentlicht151. Am 14.8.1951 trat es schließlich in Kraft. Erstmalig wurde ein allgemeiner Kündigungsschutz auf der Grundlage einer sozialen Marktwirtschaft konstituiert. Trotz seiner Schwächen wird das KSchG von 1951 als ein „Markstein der deutschen Arbeitsrechtsentwicklung“ angesehen152.

F. Wesentliche Änderungen und Ergänzungen des KSchG Das 1. Arbeitsrechtsbereinigungsgesetz vom 14.8.1969153 änderte und ergänzte neben den Kündigungsvorschriften des BGB und anderer Gesetze auch das KSchG. Wesentliche Änderungen des Kündigungsrechts brachte die Neuregelung des Betriebsverfassungsgesetzes vom 15.1.1972154 mit sich. Wirksamkeitsvoraussetzung für jede Kündigung wurde die vorherige Anhörung des Betriebsrats. Der individualrechtliche Kündigungsschutz verzahnte sich so mit der kol___________ 150

v.Hoyningen-Huene/Linck, KSchG, Einl. Rn. 35; obwohl die Abfindungszahlung durch den Gesetzgeber als Ausnahme vorgesehen ist, münden inzwischen gut 50 Jahre später ein Großteil aller Kündigungsschutzverfahren in Abfindungsvereinbarungen, vgl. dazu u. a. Bauer, NZA 2002, 529 ff. 151 BGBl. I S. 499. 152 APS/U. Preis, Grundl. A Rn. 17. 153 BGBl. I S. 1106; hervorzuheben sind die Erweiterung des Kündigungsschutzes durch Herabsetzen der Altersgrenze vom 20. auf das 18. Lebensjahr, die Mitteilungspflicht des Arbeitgebers bezüglich der Gründe der Sozialauswahl, die Regelung der Änderungskündigung, die Bemessung der Abfindungszahlung, die Beweispflicht für die rechtfertigenden Gründe der Auflösung des Arbeitsverhältnisses, die Aufhebung der gegen eine Umdeutung einer unwirksamen außerordentlichen Kündigung sprechenden Vermutung und der Kündigungsschutz für leitende Angestellte. Die Neufassung führte auch zu einer veränderten Paragraphenfolge; vgl. Adomeit, DB 1969, 2179 ff.; Falkenberg, BB 1970, 537 ff.; Fitting, DB 1969, 1459 ff.; Herschel, BB 1970, 5 ff.; v.Hoyningen-Huene/Linck, KSchG, Einl. Rn. 36 ff.; Monjau, BB 1969, 1042 ff.; Richardi, ZfA 1971, 73 ff. 154 BGBl. I S. 13 ff.; vgl. dazu u. a. v.Hoyningen-Huene/Linck, KSchG, Einl. Rn. 41 ff.; Löwisch, DB 1975, 349 ff.

66

Zweiter Teil: § 4 Historischer Überblick

lektivrechtlichen Ebene155. Das neue Bundespersonalvertretungsgesetz vom 15.3.1974156 wirkte sich entsprechend auf die Arbeitsverhältnisse im öffentlichen Dienst aus. Das Gesetz zur Änderung des KSchG vom 5.7.1976157 hob in § 1 Abs. 1 die Mindestaltersgrenze auf158. Mit dem Zweiten Gesetz zur Änderung des KSchG vom 27.4.1978159 wurden die Vorschriften über die Massenentlassung in Umsetzung der EGRichtlinie zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedsstaaten über Massenentlassungen umgestaltet160. Das rechtspolitisch sehr umstrittene Beschäftigungsförderungsgesetz 1985 vom 26.4.1985161 sollte zur Verbesserung der schwierigen Arbeitsmarktsituation beitragen. Durch Änderungen der arbeits- und sozialrechtlichen Vorgaben sollte ein Anreiz zu mehr Abschlüssen von Arbeitsverträgen gegeben werden. Wichtigste Änderung mit Auswirkung auf das Kündigungsrecht war die Erleichterung der Zulässigkeit befristeter Arbeitsverhältnisse. Das Gesetz hat zeitlich begrenzt bis zum 31.12.2000 für den erstmaligen Abschluss befristeter Arbeitsverträge eine begründungslose Befristung bis zu 18 Monaten vorgesehen. Das Arbeitsrechtliche Beschäftigungsförderungsgesetz vom 25.9.1996162 dehnte diese Möglichkeit aus, indem die Zulässigkeit einer dreimaligen Verlängerung von befristeten Arbeitsverträgen bis zu zwei Jahren geregelt wurde. Das Kündigungsfristengesetz vom 7.10.1993163 vereinheitlichte die Kündigungsfristen für Arbeiter und Angestellte, vgl. § 622 BGB164. ___________ 155 v.Hoyningen-Huene/Linck, KSchG, Einl. Rn. 47; Kittner/Däubler/Zwanziger, Einl. Rn. 25. 156 BGBl. I S. 693 ff.; dazu v.Hoyningen-Huene/Linck, KSchG, Einl. Rn. 48 ff. 157 BGBl. I S. 1769. 158 Dass jüngere Arbeitnehmer vom Kündigungsschutz ausgeschlossen sein sollten, stellte ohnehin eine rechtspolitisch zweifelhafte Entscheidung dar; vgl. v.HoyningenHuene/Linck, Einl. Rn. 54. 159 BGBl. I S. 550. 160 v.Hoyningen-Huene/Linck, KSchG, Einl. Rn. 55; Kittner/Däubler/Zwanziger, Einl. Rn. 27; Marschall, DB 1978, 981 ff. 161 BGBl. I S. 710, vgl. auch Begründung zum Regierungsentwurf BR-Drucks. 393/84, BT-Drucks. 10/2102; vgl. dazu u. a. v.Hoyningen-Huene, NJW 1985, 1801 ff.; Otto, NJW 1985, 1807 ff.; Schwerdtner, NZA 1985, 577 ff.; Schaub, AH, 9. Aufl., § 39 III m.w.N. in Fn. 180; durch Gesetz v. 22.12.1989 als Beschäftigungsförderungsgesetz 1990 ergänzt und verlängert, BGBl. I S. 2406. 162 BGBl. I S. 1476. 163 BGBl. I S. 1668.

F. Wesentliche Änderungen und Ergänzungen

67

Die 1994 verabschiedete und insgesamt am 1.1.1999 in Kraft getretene Insolvenzordnung sieht Kündigungserleichterungen im Konkursfall vor165. Mit dem Gesetz zur Anpassung arbeitsrechtlicher Bestimmungen an das EGRecht vom 20.7.1995166 wurde die Richtlinie 92/56/EWG vom 24.6.1992 zur Änderung der Massenentlassungsrichtlinie in nationales Recht umgesetzt167. Ein weiterer schwerwiegender Eingriff in das geltende Kündigungsrecht, mit dem weiterhin die Schaffung neuer Arbeitsplätze erreicht werden sollte, erfolgte mit dem Arbeitsrechtlichen Beschäftigungsförderungsgesetz vom 25.9.1996168. In Bezug auf das Kündigungsschutzrecht sind hauptsächlich folgende Änderungen zu nennen: Für die Anwendbarkeit des KSchG wurde der Schwellenwert von fünf auf zehn Arbeitnehmer erhöht. Bei betriebsbedingten Kündigungen wurde die Sozialauswahl auf die sozialen Faktoren der Betriebszugehörigkeit, des Lebensalters und der Unterhaltspflichten des Arbeitnehmers begrenzt. Das Arbeitsförderungs-Reformgesetz vom 20.3.1997169 regelte unter anderem die Anrechnung von Abfindungen bis zur Hälfte auf das Arbeitslosengeld170. Mit dem Gesetz zu Korrekturen in der Sozialversicherung und zur Sicherung von Arbeitnehmerrechten vom 19.12.1998171 sind Teile des Arbeitsrechtlichen Beschäftigungsförderungsgesetzes 1996 rückgängig gemacht worden172. So ist

___________ 164 v.Hoyningen-Huene/Linck, KSchG, Einl. Rn. 62 a; Kittner/Däubler/Zwanziger, Einl. Rn. 30. Die alte Regelung des § 622 hatte das BVerfG mit seinem Beschluss v. 30.5.1990 wegen Verstoßes gegen den Gleichheitsgrundsatz für verfassungswidrig erklärt, BVerfGE 82, 126 ff. 165 Kittner/Däubler/Zwanziger, Einl. Rn. 31. 166 BGBl. I S. 946. 167 Grünberger, NJW 1995, 2809 ff.; v.Hoyningen-Huene/Linck, KSchG, Einl. Rn. 62 b; Kittner/Däubler/Zwanziger, Einl. Rn. 31 b; Krauß, WiB 1995, 819 ff.; Schiefer, DB 1995, 1910 ff.; Stückemann, BB 1995, 1846 ff. 168 BGBl. I S. 1476; v.Hoyningen-Huene/Linck, KSchG, Einl. Rn. 62 c; Kittner/ Däubler/Zwanziger, Einl. Rn. 31 c; einen inhaltlichen Überblick gibt Lorenz, DB 1996, 1973 ff. 169 BGBl. I S. 594. 170 Kittner/Däubler/Zwanziger, Einl. Rn. 31 d; dazu u. a. Bauer/Röder, BB 1997, 834 ff. 171 BGBl. I S. 3843. 172 Kittner/Däubler/Zwanziger, Einl. Rn. 31 e; ferner Däubler, NJW 1999, 601 ff.; Hinrichs, AiB 1999, 1 ff.; Löwisch, BB 1999, 102 ff.; Schiefer, DB 1999, 48 ff.

Zweiter Teil: § 4 Historischer Überblick

68

die Kleinbetriebsklausel wieder auf fünf Arbeitnehmer reduziert worden. Zudem ist man zu den früheren Sozialauswahlgründen zurückgekehrt. Das Entlassungsentschädigungs-Änderungsgesetz vom 24.3.1999173 hob § 140 SGB III wieder auf. An seine Stelle trat inhaltsgleich mit § 117 Abs. 2 4 AFG jetzt § 143 a SGB III. Die alte Regelung des § 128 AFG trat als § 147 a SGB III wieder in Kraft. Die starke Anrechnung der Abfindungen auf das Arbeitslosengeld wurde somit wieder rückgängig gemacht. Dagegen reduzierte das Steuerentlastungsgesetz 1999, 2000, 2002 die früheren steuerlichen Vorteile für Abfindungen174. Mit dem Arbeitsgerichtsbeschleunigungsgesetz vom 30.3.2000175 wurde neben einigen Veränderungen des Verfahrensrechts mit § 623 BGB für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses die Schriftform eingeführt. Das Gesetz über Teilzeitarbeit und befristete Arbeitsverhältnisse vom 21.12.2000176 ersetzte das BeschFG 1985. Damit wurden unter anderem das ohne Begründung befristete Arbeitsverhältnis, die Befristung aus sachlichem Grund und der auflösend bedingte Arbeitsvertrag gesetzlich geregelt177. Mit dem Betriebsverfassungs-Reformgesetz vom 23.7.2001178 wurde die Betriebsratswahl erleichtert. Zum besseren Schutz der Wahlinitiatoren wurde § 15 Abs. 3 a KSchG eingefügt179. Die zum 1.1.2004 in Kraft getretenen Neuregelungen des KSchG aufgrund des Gesetzes zu Reformen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003180 stellen im Wesentlichen eine Rückkehr zu den Vorschriften dar, die die Regierung unter Bundeskanzler Helmut Kohl mit Wirkung zum 1.10.1996 erlassen181 und die die neue Regierung unter Gerhard Schröder mit Wirkung zum 1.1.1999 wieder rückgängig gemacht182 hatte183. Hauptsächlich sind folgende Änderungen zu ___________ 173

BGBl. I S. 396. Kittner/Däubler/Zwanziger, Einl. Rn. 31 f. 175 BGBl. I S. 333. 176 BGBl. I S. 1966. 177 Kittner/Däubler/Zwanziger, Einl. Rn. 31 h. 178 BGBl. I S. 1852. 179 Vgl. Kittner/Däubler/Zwanziger, Einl. Rn. 31 m.w.N. 180 BGBl. I S. 3002. 181 Arbeitsrechtliches Gesetz zur Förderung von Wachstum und Beschäftigung vom 25.9.1996 (BGBl. I S. 1476); vgl. oben. 182 Gesetz zu Korrekturen in der Sozialversicherung und zur Sicherung der Arbeitnehmerrechte vom 9.12.1998 (BGBl. I S. 3843). 183 Vgl. auch Kittner/Däubler/Zwanziger, Einl. Rn. 31 j. 174

F. Wesentliche Änderungen und Ergänzungen

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nennen184: Der Schwellenwert gemäß § 23 KSchG ist auf rechnerisch 10,25 Arbeitnehmer angehoben worden. Die Sozialauswahl gemäß § 1 Abs. 3 KSchG ist erleichtert worden, indem nur noch „die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers“ zu berücksichtigen sind. Nicht einzubeziehen in die Sozialauswahl sind nach § 1 Abs. 3 S. 2 KSchG solche Arbeitnehmer, „deren Weiterbeschäftigung, insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebs, im berechtigten betrieblichen Interesse liegt“. Neu in das KSchG aufgenommen hat der Gesetzgeber die Regelung eines Abfindungsanspruchs gemäß § 1 a. Im Ergebnis regelt dieser gesetzliche Abfindungsanspruch aber nichts anderes, als auch vorher schon allgemein üblich war, nämlich die Möglichkeit, eine Abfindungsvereinbarung zu treffen. Es ist deshalb nicht zu erwarten, dass § 1 a KSchG einen besonderen Einfluss auf die Praxis haben wird. Neu ist auch die Regelung der einheitlichen dreiwöchigen Klagefrist gemäß §§ 4, 23 Abs. 1 S. 2 – 4 KSchG, die grundsätzlich begrüßenswert, allerdings mit den Verweisungen zu kompliziert ausgestaltet ist. Da die gemäß § 1 Abs. 3 zu beachtenden Sozialkriterien nun gesetzlich festgelegt sind, wurde § 1 Abs. 4 KSchG dahingehend geändert, dass die Bewertung der Kriterien durch Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung abgesichert werden kann. Schließlich wurde die durch das Korrekturgesetz aufgehobene Regelung des § 1 Abs. 5 wieder aufgenommen – namentliche Bezeichnung der zu entlassenden Arbeitnehmer in einem Interessenausgleich aufgrund einer Betriebsänderung nach § 111 BetrVG. Insgesamt gesehen ist von den groß angekündigten Reformen nur wenig umgesetzt worden, so dass die Diskussionen um den Kündigungsschutz keineswegs ein Ende gefunden haben.

___________ 184 Zu den Neuregelungen siehe die Beiträge von Bender/Schmidt, NZA 2004, 358 ff.; Däubler, NZA 2004, 177 ff.; U. Preis, DB 2004, 70 ff.; Quecke, RdA 2004, 86 ff.; Richardi, DB 2004, 486 ff.; Willemsen/Annuß, NJW 2004, 177 ff.; Wolff, BB 2004, 378 ff.

70

Zweiter Teil: § 5 Rechtsprechung

§ 5 Rechtsprechung Die Rechtsprechung zur betriebsbedingten Kündigung gemäß § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG war von Anfang an vor die schwierige Aufgabe gestellt, ein von unbestimmten Rechtsbegriffen gekennzeichnetes Gesetz durch nachvollziehbare Leitentscheidungen einer vorhersehbaren Handhabung zuzuführen, wobei sie sich auf einer Gradwanderung zwischen Rechtssicherheit und Einzelfallgerechtigkeit bewegen musste. Indem der Gesetzgeber sehr offene Formulierungen gewählt hat, hat er die Konkretisierung der Arbeitsrechtsprechung zugewiesen. Die Gerichte stehen dabei bis heute unter Beachtung des spärlichen Gesetzestextes vor der Herausforderung, die Unternehmerfreiheit einerseits und den Bestandsschutz andererseits zu harmonisieren. Das Problem der freien Unternehmerentscheidung wird in der Rechtsprechung insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Prüfungskompetenz der Gerichte betrachtet. Zunächst nach Inkrafttreten des neuen Kündigungsschutzgesetzes hat die Rechtsprechung keine eindeutigen Standpunkte vertreten1. Das Meinungsspektrum der Gerichte reichte von einer weitgehenden Anerkennung der unternehmerischen Entscheidungsfreiheit und einer entsprechenden Unüberprüfbarkeit durch die Gerichte2 bis zur vollständigen Verneinung eines von den Gerichten anzuerkennenden unternehmerischen Ermessens3. Über mehr als 25 Jahre gelang es der Rechtsprechung nicht, konkrete theoretische Grundsätze aufzustellen. Bis zum Ende der siebziger Jahre hatte man noch den Eindruck, es handele sich um eine Billigkeitsjudikatur, in der Blankettbegriffe ohne rechtstheoretische Präzisierung, dogmatische Begründung und mit einer Reihe von offenen Wertungsfragen verwendet wurden4. Seit diesen Anfangsjahren hat sich die Rechtsprechung deutlich weiterentwickelt, obwohl ihr auch heute noch keine ausreichende Rechtssicherheit durch einheitlich und eindeutig nachvollziehbare Rechtssätze attestiert werden kann. Im Folgenden soll die Entwicklung der Rechtsprechung aufgezeigt werden, wobei aufgrund der schon beinahe unüberschaubaren Vielzahl an Entscheidungen zur betriebsbedingten ___________ 1 Auch im Schrifttum wurden sehr unterschiedliche Meinungen vertreten, die aber nicht an dieser Stelle, sondern erst später aufgezeigt werden sollen. 2 Z. B. LAG Mannheim v. 30.11.1951, BB 1952, 376; LAG Bremen v. 29.10.1952, BB 1953, 356; LAG Düsseldorf v. 6.3.1953 BB, 1953, 356; LAG Bremen v. 6.5.1953, BB 1953, 532; LAG Düsseldorf v. 7.8.1953, BB 1953, 1013 f.; LAG Düsseldorf v. 6.11.1953, DB 1954, 156; LAG Mannheim v. 11.3.1955, BB 1955, 574. 3 Z. B. LAG Frankfurt v. 25.11.1953, BB 1954, 228; LAG Stuttgart v. 19.5.1954, BB 1954, 806. 4 So auch die Vorwürfe von U. Preis in seiner 1987 veröffentlichten Monographie „Prinzipien des Kündigungsrechts bei Arbeitsverhältnissen“ S. 1 ff. und S. 261.

A. Die Rechtsprechung der Instanzgerichte

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Kündigung nicht auf jede einzelne eingegangen werden kann. Es sollen deshalb nur die wichtigsten und richtungsweisenden Entscheidungen sowie jene mit interessanten Argumentationen herausgegriffen werden.

A. Die Rechtsprechung der Instanzgerichte aus den frühen fünfziger Jahren Die Rechtsprechung zum Umfang der unternehmerischen Entscheidungsfreiheit und zur gerichtlichen Überprüfbarkeit in der Anfangszeit nach Inkrafttreten des KSchG 1951 war alles andere als einheitlich. Wie unterschiedlich die Judikatur das Problem betrachtete, zeigen einige Instanzurteile aus den frühen fünfziger Jahren. Erste Urteile zum Problem der freien Unternehmerentscheidung der höchstrichterlichen Rechtsprechung sind, dadurch bedingt, dass das Bundesarbeitsgericht mit Sitz in Kassel überhaupt erst im Jahre 1954 eingerichtet wurde, erst zum Ende der fünfziger Jahre ergangen. Teilweise vertraten die Instanzgerichte die Auffassung, dass die unternehmerischen Entscheidungen durch die Gerichte zu überprüfen seien. In diesem Zusammenhang ist zunächst die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Frankfurt vom 25.11.19535 von Interesse. Das Gericht ging von der gesetzlichen Normierung des § 1 Abs. 2 KSchG aus, die dem Arbeitgeber die Beweislast für die die Kündigung bedingenden Tatsachen zuordnet, und führte aus, der Arbeitgeber müsse „zur Gewissheit des Gerichts machen, dass die Verhältnisse im Betriebe der Weiterbeschäftigung eines Arbeitnehmers zwingend entgegenstehen und dass auch durch andere Maßnahmen, so zum Beispiel durch Kündigung des Arbeitsvertrages zum Zwecke der Herabsetzung der Vergütung, das Betriebsinteresse nicht gewahrt werden konnte. Das Betriebsinteresse muss durch die Weiterbeschäftigung des zu kündigenden Arbeitnehmers empfindlich beeinträchtigt werden. Andernfalls liegt kein ,dringendes’ betriebliches Erfordernis vor.“ Das Landesarbeitsgericht Frankfurt war der Meinung, die Kammer könne „sich in Anbetracht dieses klaren Gesetzeswortlautes nicht der Ansicht anschließen“, nach der das Gericht nicht befugt sein soll, „die Unternehmerentscheidung auf ihre wirtschaftliche Notwendigkeit oder Zweckmäßigkeit nachzuprüfen.“ Würde man dieser Ansicht6 folgen, „so würde dies bedeuten, dass der Arbeitgeber die betriebliche Notwendigkeit der ___________ 5

LAG Frankfurt v. 25.11.1953, BB 1954, 228. Das LAG Frankfurt bezog sich auf die Entscheidung des LAG Düsseldorf v. 6.3.1953, BB 1953, 256. 6

Zweiter Teil: § 5 Rechtsprechung

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Kündigung nur zu behaupten, nicht aber zu beweisen brauchte.“ Das Gericht führte weiterhin aus: „Durch den Wortlaut und Sinn des Kündigungsschutzgesetzes ist vielmehr den Arbeitsgerichten im Streitfall die – meist schwierige – Nachprüfung des Unternehmerermessens übertragen, ob die Weiterbeschäftigung eines Arbeitnehmers mit den Belangen des Unternehmens vereinbart werden kann oder nicht.“ Relativierend fügte das Gericht dann aber bei: „Dabei wird das Arbeitsgericht nicht einfach sein eigenes Ermessen an die Stelle des Unternehmerermessens setzen dürfen. Es wird vielmehr in solchen Fällen, bei denen unter vernünftigen Menschen unter Berücksichtigung aller Umstände verschiedene Meinungen möglich sind, die vom Unternehmer (in seiner Funktion als Arbeitgeber) getroffene Entscheidung billigen müssen. Andererseits ist aber die Nachprüfung nicht etwa auf Fälle des Ermessensmissbrauches beschränkt.“ Ähnlich entschied das Landesarbeitsgericht Stuttgart vom 19.5.19547. Das Gericht sei berechtigt, die mit der Kündigung von Arbeitnehmern zusammenhängenden Unternehmermaßnahmen nachzuprüfen. Das gelte sowohl bei der Frage, ob der Arbeitgeber zur Einführung von Kurzarbeit bei Arbeitsmangel verpflichtet sei, um Arbeitsplätze zu erhalten, als auch bei der Frage, wie die Kündigungen auf Haupt- und Nebenbetrieb aufzuteilen seien unter Berücksichtigung der betrieblichen und sozialen Gegebenheiten. Die gerichtliche Nachprüfbarkeit der Unternehmermaßnahmen abzulehnen, würde bedeuten, dem Arbeitgeber unbeschränkt die Möglichkeit zu geben, betriebliche Änderungen zu schaffen, die die Voraussetzungen für die gesetzlichen Kündigungsgründe erfüllen. Das sei mit dem Wortlaut sowie dem Sinn und Zweck des Kündigungsschutzes nicht vereinbar. Als Maßstab für die Nachprüfung sei die Handlungsweise eines sachlich und vernünftig urteilenden Arbeitgebers zu nennen. Mehr könne keinem Arbeitgeber zugemutet werden. Einige Instanzgerichte sprachen sich für eine Nachprüfbarkeit in Form eines Abwägungsprozesses zwischen den betrieblichen Vorteilen und den arbeitnehmerseitigen Nachteilen aus. So forderte die Entscheidung des Landesarbeitsgericht Hamm vom 12.2.19528, dass eine Nachprüfung der Unternehmerentscheidung mindestens im Hinblick darauf erfolgen müsse, ob durch die Betriebsrationalisierung die Lage des Betriebes so wesentlich verbessert werde, dass demgegenüber die Lage der zu kündigenden Arbeitnehmer nicht ins Gewicht falle. Und das Landesarbeitsgericht Düsseldorf vertrat in seinem Urteil ___________ 7 8

LAG Stuttgart v. 19.5.1954, BB 1954, 806. LAG Hamm v. 12.2.1952, BB 1952, 376.

A. Die Rechtsprechung der Instanzgerichte

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vom 24.5.19529 die Auffassung, dass noch eine Interessenabwägung bei der Betriebsrationalisierung im Hinblick auf die Auswahl der zu Kündigenden erforderlich sei. Schließlich gab es einige Instanzgerichte, die grundsätzlich eine Nachprüfbarkeit der unternehmerischen Entscheidungen durch die Gerichte ablehnten. In dem Fall, den das Landesarbeitsgericht Stuttgart vom 26.6.195110 zu beurteilen hatte, machte der Arbeitnehmer geltend, seine Entlassung sei nicht betriebsbedingt, da er als fest angestellter Handwerker eines Krankenhauses billiger gearbeitet habe als fremde Handwerker, die die Arbeiten nun vornehmen würden. Die Klage wurde abgewiesen. Das Gericht führte aus, die Arbeitsgerichte seien im Allgemeinen nicht befugt, die wirtschaftliche Zweckmäßigkeit einer betrieblichen Maßnahme nachzuprüfen. Das gelte insbesondere auch bei Betriebseinschränkungen. Eine gerichtliche Nachprüfung könne nur dann in Frage kommen, wenn die Maßnahme des Arbeitgebers offensichtlich gegen die Grundsätze einer vernünftigen Geschäftsführung verstoße. Es lasse sich oft nicht mit Sicherheit feststellen, ob die Ausführung der anfallenden Handwerkerarbeiten durch so genannte Regiehandwerker für den Betrieb billiger sei als die Vergabe der Arbeiten an freie Handwerker. Sei eine solche Feststellung nicht möglich, dann könne das Arbeitsgericht den Übergang zum System der freien Handwerker auch nicht beanstanden. Kündigungen der Regiehandwerker seien in diesem Falle als betriebsbedingt anzusehen. Von einer grundsätzlichen Unüberprüfbarkeit der unternehmerischen Entscheidung ging auch das Landesarbeitsgericht Mannheim in seiner Entscheidung vom 30.11.195111 aus. Die wirtschaftliche Gestaltung des Betriebes sei Sache des Arbeitgebers. Eine richterliche Nachprüfung der unternehmerischen Maßnahmen auf ihre wirtschaftliche, also kaufmännische, technische oder organisatorische Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit sei nicht zulässig. Auch das Arbeitsgericht Krefeld vom 21.2.195212 vertrat die Auffassung, dass die Unternehmerentscheidung eine vom Gericht hinzunehmende Maßnahme sei. Der Arbeitgeber könne nicht gezwungen werden, einen Austausch von Arbeitsplätzen vorzunehmen, um die Weiterbeschäftigung eines bestimmten Arbeitnehmers zu ermöglichen. Beschließe der Arbeitgeber Sparmaßnahmen zwecks Kostenreduzierung, müsse das Gericht die getroffenen Maßnah___________ 9

LAG Düsseldorf v. 24.5.1952, DB 1952, 635. LAG Stuttgart v. 26.6.1951, BB 1952, 376. 11 LAG Mannheim v. 30.11.1951, BB 1952, 376. 12 ArbG Krefeld v. 21.2.1952, BB 1952, 376. 10

Zweiter Teil: § 5 Rechtsprechung

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men hinnehmen, weil es nicht selbst dem Arbeitgeber eine sparsame oder weniger sparsame Wirtschaftsführung vorschreiben könne. Das Gericht könne auch nicht eine Versetzung des Arbeitnehmers in eine andere Abteilung anordnen. Das würde in das Direktionsrecht des Arbeitgebers eingreifen. Ebenfalls mit einer auf das Direktionsrecht des Arbeitgebers gestützten Argumentation lehnte auch das Arbeitsgericht Duisburg mit seiner Entscheidung vom 29.9.195213 die Nachprüfbarkeit unternehmerischer Entscheidungen ab. Es ging um eine Kündigungsschutzklage einer Arbeitnehmerin, die in einer Montagekolonne arbeitete. Wegen Auftragsrückgang musste eine zusätzliche Montagekolonne aufgelöst werden. Die Mitglieder wurden auf die übrigen Kolonnen verteilt. Der Klägerin wurde kurz darauf gekündigt. Sie rügt die fehlerhafte Sozialauswahl. In den Entscheidungsgründen führt das Gericht aus, der Auftragsrückgang habe den Arbeitgeber gezwungen, eine ganze Montagekolonne aufzulösen. Er habe nun vor der Wahl gestanden, diese frei gewordenen Arbeitskräfte entweder zu entlassen oder sie innerbetrieblich umzusetzen. Diese Wahl habe er nach freiem Ermessen treffen können. In ihr liege eine typische Unternehmeraufgabe. Sie stelle sich als ein aus dem Direktionsrecht des Arbeitgebers sich unmittelbar ergebendes Recht dar. Die Zweckmäßigkeit einer derartigen Maßnahme könne von dem Arbeitsgericht nicht nachgeprüft werden, da anderenfalls in die Leitung des Betriebes von Seiten der Gerichtsbarkeit eingegriffen würde. Das Gericht könne diese Maßnahme nur dann nachprüfen, wenn darin ein offenbarer Missbrauch des betrieblichen Ermessens oder etwa ein sittenwidriges Verhalten liege. Interessant sind auch die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 12.12.195214. Der Arbeitgeber habe eigenverantwortlich seinen Betrieb unter wirtschaftlichen, technischen und sozialen Gesichtspunkten zu gestalten. Ihm sei ein erhebliches Maß an Entscheidungsfreiheit darüber zuzubilligen, ob bei den gegebenen Umständen eine Kündigung aus dringenden betrieblichen Erfordernissen auszusprechen und wie vielen Arbeitnehmern zu kündigen sei. Dass hiermit die Anforderungen an eine Feststellung, ob dringende betriebliche Erfordernisse vorliegen, gelockert würden, lasse sich nicht vermeiden. Es sei nicht Sinn und Zweck des Kündigungsschutzgesetzes, vom Gericht das praktisch Unmögliche zu verlangen, aus eigener Sachkenntnis oder mit Hilfe von Sachverständigen jeweils genauestens feststellen zu lassen, ob zum Beispiel wirtschaftlich oder technisch gesehen ein dringendes betriebliches Erfordernis zur Kündigung vorliege. Es werde immer darauf ankommen, ob der Ar___________ 13 14

ArbG Duisburg v. 29.9.1952, BB 1952, 948. LAG Düsseldorf v. 12.12.1952, BB 1953, 117.

A. Die Rechtsprechung der Instanzgerichte

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beitgeber, eventuell in Übereinstimmung mit dem Betriebsrat, Tatsachen gutgläubig und aus eigenem Sachverstand heraus als dringende betriebliche Erfordernisse ansehen durfte, die dies auch objektiv für den gegebenen Betrieb sein können. Auch nach dem Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 6.3.195315 soll dem Gericht nicht die Befugnis zustehen, die Unternehmerentscheidung auf ihre wirtschaftliche Notwendigkeit oder Zweckmäßigkeit nachzuprüfen. Dies schließe aber nicht aus, dass das Gericht über die wirtschaftlichen Verhältnisse Beweis erheben könne, wenn sich die betriebliche Notwendigkeit auf das Vorliegen solcher wirtschaftlicher Tatbestände stütze. Die Prüfung müsse nicht durch einen Wirtschaftsprüfer erfolgen. Es genüge, wenn der Arbeitgeber wirtschaftliche Vorgänge seines Betriebes vortrage, die nach allgemeiner wirtschaftlicher Kenntnis die Kündigung als sozial gerechtfertigt darlegen. Ferner ist das Gericht der Auffassung, dem Arbeitgeber könne zur Vermeidung von Kündigungen nicht zugemutet werden, in jedem Falle erst einmal Kurzarbeit einzuführen. Dies wäre ein dem Gericht nicht zustehender Eingriff in seine unternehmerischen Entscheidungen. Ferner vertrat auch das Landesarbeitsgericht Bremen vom 6.5.195316 die Auffassung, dass die wirtschaftliche, technische und organisatorische Gestaltung eines Betriebes dem Unternehmer obliege. Die Gerichte müssten nur nachprüfen, „ob für die getroffenen Maßnahmen sachfremde, willkürliche oder offenbar fehlerhafte Überlegungen ausschlaggebend gewesen sind und ob die Kündigung eines Arbeitnehmers unter den Gesichtspunkten des Unternehmers dringend erforderlich war und einen Vorteil für den Betrieb bedeutet.“ Weiterhin stellte das Gericht fest: „Besteht eine sachliche Notwendigkeit für eine Kündigung, so kann die soziale Rechtfertigung einer nach § 1 Abs. 2 und 3 KSchG begründeten Kündigung nicht deshalb entfallen, weil der Verlust des Arbeitsplatzes für den betroffenen Arbeitnehmer schwerwiegende Folgen hat. Ist ein Arbeitnehmer aus einwandfrei festgestellten sachlichen Gründen in einem Betriebe nicht mehr verwendbar, so muss er selbst dann ausscheiden, wenn seine berufliche Zukunft wegen Alters, Krankheit oder unzureichender Leistungsfähigkeit gefährdet erscheint. Den Betrieben obliegen auch im Rahmen des Kündigungsschutzrechts keine wohlfahrtpflegerischen Aufgaben.“

___________ 15 LAG Düsseldorf v. 6.3.1953, BB 1953, 356; vgl. ferner auch LAG Bremen v. 29.10.1952, BB 1953, 356. 16 LAG Bremen v. 6.5.1953, BB 1953, 532.

Zweiter Teil: § 5 Rechtsprechung

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In der ebenfalls die gerichtliche Kontrollbefugnis ablehnenden Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 7.8.195317 ging es um eine Kündigungsschutzklage einer Arbeitnehmerin eines Großbetriebes, in dem jährlich etwa 25 Anlernlinge eingestellt wurden. Nach Ablauf der Anlernzeit wurde ein Teil wieder entlassen. Da durch die Einstellung der Anlernlinge ein Personalüberhang eingetreten war, wurden mehrere Arbeitnehmerinnen, unter anderem die Klägerin, entlassen. In den Entscheidungsgründen führte das Gericht aus, den Arbeitsgerichten stehe es nicht zu, die Berechtigung oder die wirtschaftliche Zweckmäßigkeit von Rationalisierungsmaßnahmen nachzuprüfen. Ansonsten würden sie den technischen Fortschritt hemmen. Das Gericht könne auch nicht prüfen, ob die Vorteile der Rationalisierungsmaßnahmen für den Betrieb so groß seien, dass sie die Nachteile für den Arbeitnehmer aufwiegen, weil dieses zu einer Wertung der betrieblichen Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit der Maßnahmen führe, die dem Gericht verwehrt sei. Bei der Prüfung der dringenden betrieblichen Erfordernisse brauche allerdings das Gericht die Maßnahme als solche nicht hinzunehmen, sondern müsse Beweis erheben, wenn streitig sei, ob der Arbeitsplatz auch tatsächlich durch die Rationalisierungsmaßnahmen weggefallen sei. Das Gericht sei auch in den Fällen zur Nachprüfung berechtigt, in denen Rationalisierungsmaßnahmen nur vorgeschoben, aber nicht durchgeführt würden. Dem Arbeitgeber könne nicht zum Vorwurf gemacht werden, dass er alljährlich schulentlassene junge Mädchen als Anlernlinge einstelle, so dass dadurch mittelbar ein Personalüberhang eingetreten sei. Wollte man dieses zu Ungunsten des Arbeitgebers auslegen, so würde das ein unberechtigter Eingriff in die Unternehmerentscheidung sein. Die Heranbildung des Nachwuchses gehöre zu den Pflichten des Unternehmers. Die neu eingestellten Anlernlinge übernähmen nicht den Arbeitsplatz der gekündigten Arbeitnehmerin, sondern würden auf zusätzlichen Arbeitsplätzen beschäftigt, die eben geschaffen seien, um im Zuge einer plan- und sinnvollen Nachwuchslenkung die Ausbildung des Nachwuchses zu ermöglichen. Infolgedessen sei die Kündigung gemäß § 1 Abs. 2 durch die dringenden betrieblichen Verhältnisse erforderlich gewesen. Auch die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 6.11.195318 befasst sich mit den Grenzen der gerichtlichen Nachprüfung betrieblicher Entlassungsgründe. Zunächst äußert das Gericht, es sei anzunehmen, dass zum Beispiel Arbeitsmangel, Absatzmangel mit den Folgen eines Auftragsrückgangs eine Kündigung aus betrieblichen Erfordernissen sozial rechtfertige. Auch im Hinblick auf den gesetzlichen Kündigungsschutz des Ar___________ 17 18

LAG Düsseldorf v. 7.8.1953, BB 1953, 1013 f. LAG Düsseldorf v. 6.11.1953, DB 1954, 156.

A. Die Rechtsprechung der Instanzgerichte

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beitnehmers nach dem KSchG könne der Unternehmer insoweit frei entscheiden, ob er einen Zweig seines Betriebes aufgeben will, etwa weil er ihm wirtschaftlich unrentabel erscheine. Es sei dann nicht die Aufgabe des Arbeitsgerichts, im Kündigungsschutzstreit um die soziale Rechtfertigung der Kündigung diese Unternehmerentscheidung auf ihre wirtschaftliche Richtigkeit und Zeckmäßigkeit nachzuprüfen. Wohl aber erstrecke sich das gerichtliche Nachprüfungsrecht darauf, ob tatsächlich Arbeitsmangel oder Auftragsmangel vorhanden sei und dieser den Arbeitgeber zur Einziehung des Arbeitsplatzes und damit zur Kündigung des betreffenden Arbeitnehmers veranlasse. Selbst dann, wenn ein Unternehmer unrichtig gewirtschaftet habe und infolgedessen der Betrieb in der Zahl der Arbeitsplätze verringert werden müsse, könne gleichwohl wegen solcher unrichtiger Wirtschaftsführung oder wegen Verschuldens des Unternehmers das Arbeitsverhältnis im Hinblick auf dadurch eingetretenen Auftragsmangel oder Beschäftigungsmangel nicht aufrecht erhalten werden, eine darauf gestützte Kündigung also im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG sozial gerechtfertigt sein. Die Gründe bzw. die Ursachen der wirtschaftlichen Erfordernisse, die die Kündigung aus betrieblichen Gründen erforderlich machen, nachzuprüfen, sei dem Arbeitsgericht dennoch verwehrt. Auf die Verschuldensfrage komme es bei solcher Beurteilung der wirtschaftlich dringenden Erfordernisse nicht an. Vielmehr müsse das Arbeitsgericht im Kündigungsschutzstreit von dem objektiven Tatbestand der wirtschaftlichen Erfordernisse ausgehen, die immer ein rein objektives Merkmal in sich tragen würden. In der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Mannheim vom 11.3.195519 ging es darum, ob die Kündigung des Leiters der Hollerith-Abteilung eines größeren Unternehmens wegen Auflösung dieser Abteilung sozial gerechtfertigt war. Das Gericht hielt die Kündigung für wirksam und stellte fest, dass die Abteilungsauflösung als gegebene Tatsache vorauszusetzen war und dass die Zweckmäßigkeit dieser Maßnahme nicht nachprüfbar war. In den Entscheidungsgründen heißt es dazu, die wirtschaftliche Leitung und Ausgestaltung des Betriebes müsse in jedem Falle ureigenstes Gebiet der freien Unternehmerentscheidung bleiben. Die Gründe und Beweggründe, welche einen Unternehmer bei der Führung seines Unternehmens entsprechend wirtschaftlichen Grundsätzen leiten, seien derart vielgestaltig und von zahlreichen außerhalb der rein betriebsrechtlichen Sphäre liegenden Gesichtspunkten abhängig, dass sie mit den Maßstäben rein rechtlicher Grundsätze nicht gemessen werden könnten. Dieses weite Gebiet der wirtschaftlichen Verflechtungen sei von jeher mit Recht von der Nachprüfung durch die Gerichte in einem einzelnen Rechtsstreit jedenfalls ___________ 19

LAG Mannheim v. 11.3.1955, BB 1955, 574.

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Zweiter Teil: § 5 Rechtsprechung

dann ausgeschlossen gewesen, wenn es sich um Fragen des rechtlichen Bestandes und der Ausgestaltung des Arbeitsverhältnisses handelte. Weiterhin führte das Landesarbeitsgericht Mannheim aus, ob ein Unternehmer mit Rücksicht auf die Erfordernisse des Wettbewerbes in der freien Wirtschaft Umgestaltungen seines Betriebes vornehmen solle oder nicht, könne er nur von diesen Ausgangspunkten aus beurteilen. Auch Umgestaltungen, die der Unternehmer vornimmt, um seinen Betrieb den technischen Neuerungen anzupassen und die Rentabilität seines Unternehmens mindestens aufrecht zu erhalten, müssten von der Rechtsordnung als gegebene Tatsachen respektiert werden. Auf diesem Gebiet den Gerichten eine Nachprüfungsmöglichkeit ganz generell zu gewähren, würde das Gericht seiner eigentlichen Aufgabe, Recht zu sprechen, entfremden und ihm Entscheidungen übertragen, welche ihm nach dem ganzen Aufbau und dem geschichtlichen Werden unserer modernen Rechtsformen fremd seien. Solange die neuzeitliche Wirtschaft eine freie Wirtschaft sei und bleiben solle, könne das Gericht Maßnahmen der Unternehmensführung nicht als solche nachprüfen. Ferner stellt das Landesarbeitsgericht Mannheim fest, wenn der Vorstand im Einvernehmen mit dem Aufsichtsrat und mit den entsprechenden Organen der einzigen Aktionärin zu dem Entschluss gelangt sei, die Hollerith-Abteilung nunmehr aufzulösen, so erscheine diese Maßnahme daher wirtschaftlich zweifellos verständlich und den Grundsätzen einer geordneten Betriebsführung entsprechend. Nach Auffassung der Kammer handele es sich hier jedenfalls um Vorgänge, deren Zweckmäßigkeit oder Nichtzweckmäßigkeit durch das Gericht nicht entscheidend beurteilt werden könne, weil sonst in die wirtschaftliche Verantwortung des Unternehmers eingegriffen würde. Es sei auch nicht erkennbar, auf welchem Weg das Gericht durch Beweisaufnahme etwa zu dem Ergebnis kommen könnte, die Auflösung der HollerithAbteilung sei unzweckmäßig. Diesbezüglich setzte sich das Landesarbeitsgericht Mannheim noch mit einer von K. H. Schmidt20 geäußerten Meinung auseinander und führte aus, die Ansicht von K. H. Schmidt, wonach betriebsorganisatorische Maßnahmen, die zu einem Wegfall von Arbeitsplätzen führen können, in ihrer Zweckmäßigkeit davon abhängig sein sollten, ob es sich um einen gut gehenden und auch wirtschaftlich gut fundierten Betrieb handele oder nicht, könne vom erkennenden Gericht nicht geteilt werden. Es sei für die Entschließung des Unternehmers insoweit keinesfalls stets allein das Streben nach einer Erhöhung des Gewinnes maßgebend. Die Entscheidung des Unternehmers richte sich auch nach zahlreichen anderen wirtschaftlichen Gegebenhei___________ 20 K. H. Schmidt spricht sich in RdA 1954, 170, 172 grundsätzlich für eine Nachprüfbarkeit durch die Gerichte aus.

B. Rechtsprechung des BAG bis 1978

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ten, die durchaus nicht mit der Erzielung eines größeren Unternehmergewinnes zusammenhängen müssten. Wie unsicher die Instanzgerichte mit der Frage nach dem Umfang der Prüfungskompetenz umgingen, zeigt schließlich die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Freiburg vom 10.11.195521. Es ging um einen Fall, in dem der Arbeitgeber vorgetragen hatte, dass das Reduzieren der Personalkosten dringend notwendig sei, da Umsatz und Gewinn erheblich zurückgegangen und die Lohnkosten dazu im Verhältnis gestiegen seien. Das Landesarbeitsgericht Freiburg hielt dieses Vorbringen hinsichtlich der schlechten Ertragslage des Unternehmens für überzeugend und beurteilte mit dem Hinweis, dass es nicht Aufgabe der Gerichte sei, die Notwendigkeit und die wirtschaftliche Zweckmäßigkeit des Unternehmens nachzuprüfen, die Kündigung als sozial gerechtfertigt. Überlegungen seitens des Gerichts, ob für den gekündigten Arbeitnehmer auf Grund der im Betrieb anfallenden Arbeit tatsächlich keine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit bestand, fehlen. In diesem Fall hat das Gericht seine Überprüfungsmöglichkeiten nicht voll bzw. unzureichend ausgeschöpft22.

B. Rechtsprechung des BAG bis 1978 Obwohl die ordentliche Kündigung nach dem neuen KSchG nur bei Vorliegen objektiver Gründe zugelassen werden sollte, hat bis 1978 auch die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts hinsichtlich der Bestimmung der Merkmale „dringende betriebliche Erfordernisse“ keine deutlichen Konturen entwickelt, sondern hinsichtlich der Bewertung von unternehmerischen Entscheidungen hauptsächlich Billigkeitserwägungen im Einzelfall herangezogen23. Es nahm eine umfassende Interessenabwägung vor, nach der eine Kündigung dann sozialwidrig war, „wenn die zu erwartenden Vorteile zu den Nachteilen für die betroffenen Arbeitnehmer in keinem vernünftigen Verhältnis stehen“. ___________ 21

LAG Freiburg v. 10.11.1955, AP Nr. 16 zu § 1 KSchG mit krit. Anm. Auffarth. Auch Auffarth (Anm. zu LAG Freiburg v. 10.11.1955, AP Nr. 16 zu § 1 KSchG) warf dem LAG Freiburg vor, den eigenen Prüfungsumfang als zu kurz eingeschätzt zu haben. Er führte dies darauf zurück, dass nicht zwischen der Lage des Unternehmens und des Betriebes unterschieden worden sei. Es sei nicht ausreichend, dass der Unternehmer auf die wirtschaftliche Notwendigkeit von Einsparungen hinweise. Darüber hinaus müsse er darlegen und beweisen, dass er auf der betrieblichen Ebene zur Durchführung der Unternehmerentscheidung die Voraussetzungen für eine Einschränkung des Personals geschaffen habe. Die Arbeitsgerichte seien diesbezüglich zur Nachprüfung nicht nur berechtigt, sondern sogar verpflichtet. 23 Vgl. dazu auch die Feststellungen von Hillebrecht, ZfA 1991, 92; B. Preis, NZA 1997, 625, 627; U. Preis, Prinzipien, S. 194 ff. 22

Zweiter Teil: § 5 Rechtsprechung

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In den zu § 1 KSchG ergangenen ersten Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts, so zunächst vom 7.10.195424, die zwar nicht unmittelbar die betriebsbedingte, sondern die verhaltens- und personenbedingte Kündigung betrafen, erläuterte der Senat, dass „die Interessen sowohl des Arbeitnehmers als auch des Betriebes und des Arbeitgebers gegeneinander abgewogen werden“ müssten. In einem ein paar Tage später ergangenen Urteil vom 20.10.195425 heißt es im Leitsatz: „Zum gesetzlichen Tatbestand des § 1 Abs. 2 KSchG gehört auch das Merkmal der Abwägung der Interessen des Arbeitnehmers an der Aufrechterhaltung und des Arbeitgebers an der Auflösung des Arbeitsverhältnisses.“ Und in der Urteilsbegründung26 wird ausgeführt, dass das Merkmal „sozial“ strenge Anforderungen an den Begriff der sozial gerechtfertigten Kündigung stelle. Mit der Frage, ob die Betriebsbedingtheit einer Kündigung zur Durchführung einer haushaltsrechtlich angeordneten Einsparung von Personal durch die Arbeitsgerichte nachprüfbar ist, befasste sich im Jahre 1956 der Große Senat und beurteilte mit seinem Beschluss vom 28.11.195627 die Entscheidung der Kürzung von Haushaltsmitteln als nicht überprüfbar. Ohne Angabe von Gründen hielt der Senat darüber hinaus auch die von der Behörde zur Umsetzung der Kürzung der Haushaltsmittel getroffenen organisatorischen Maßnahmen nicht auf Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit überprüfbar. Zur Frage des Umfangs der unternehmerischen Entscheidungsfreiheit lautet die in sich widersprüchliche Formulierung des Urteils des Bundesarbeitsgerichts vom 17.9.195728, in dem es um die Kündigung eines Betriebsratsmitglieds wegen Stilllegung des Betriebes ging: „Ob ein Unternehmer bei Vorliegen eines Sachverhalts, der eine sinnvolle Weiterarbeit seines Betriebes ausschließt, Folgerungen in der Richtung zieht, dass der Betrieb Betriebsferien oder Kurzarbeit einlegt, oder ob der Unternehmer andere Ausweichmöglichkeiten wählt oder aber zu dem Mittel der Betriebsstillegung schreitet, unterliegt letztlich der Entscheidung des Unternehmers in seiner eigenen Unternehmerverantwortlichkeit. Sein Ermessen ist insoweit nur dahin eingeschränkt, dass er

___________ 24

BAG v. 7.10.1954, BAGE 1, 99, 101. BAG v. 20.10.1954, BAGE 1, 117. 26 BAG v. 20.10.1954, BAGE 1, 117, 119. 27 BAG v. 28.11.1956, BAGE 3, 245 ff. 28 BAG v. 17.9.1957, AP Nr. 8 zu § 13 KSchG m. Anm. Dietz. 25

B. Rechtsprechung des BAG bis 1978

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nicht zu der Betriebsstillegung schreiten darf, wenn die Überwindung der Krisenzeit auf andere, nicht so einschneidende Weise möglich und zumutbar ist.“29 Das Erfordernis der Interessenabwägung wurde mit der Entscheidung vom 4.2.196030 dann auch ausdrücklich auf die betriebsbedingte Kündigung bezogen. Es ging um die Kündigung von Hilfs- bzw. Assistenztierärzten, die für die Bekämpfung von Rindertuberkulose im öffentlichen Dienst eingestellt waren. Da der Minister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mitgeteilt hatte, dass für das betreffende Jahr voraussichtlich keine Mittel für Hilfsveterinärpersonal zur Verfügung stehen würden, beschloss das Land rechtswirksam, die Bekämpfung der Rindertuberkulose ganz den kreisfreien Städten und den Landkreisen zu überlassen. Gleichzeitig wurde auch die Kostenverteilung neu geregelt. Den Klägern wurde deshalb die Kündigung ausgesprochen. Der Senat stellte dazu fest31, diese Maßnahmen, die hinsichtlich ihrer Zweckmäßigkeit der gerichtlichen Nachprüfung entzogen seien, könnten grundsätzlich, wie das Landesarbeitgericht zutreffend annehme, zusammengenommen als „dringendes betriebliches Erfordernis“ im Sinne von § 1 Abs. 2 KSchG in Betracht kommen. Mit dem Beschluss des Landes, die Bekämpfung der Rindertuberkulose in vollem Umfang auf die Kreise zu übertragen, stehe fest, dass die Stellen der bei der Tuberkulosebekämpfung beschäftigten Tierärzte im Dienst des Landes nicht mehr erforderlich seien. Es handele sich somit um organisatorische Maßnahmen, die dazu führten, dass die Stellen der Assistenztierärzte und Hilfstierärzte im Landesdienst entfielen. Weiter lautet dann die Urteilsbegründung, auch wenn die geschilderten Maßnahmen an sich „dringende betriebliche Erfordernisse“ im Sinne von § 1 Abs. 2 KSchG sein könnten, so dürften dennoch die hier den Klägern gegenüber vom beklagten Land ausgesprochenen Kündigungen nicht ohne Weiteres als sozial gerechtfertigt hingenommen werden. Es müsse, wenn ein betrieblicher Grund vorliege, jeweils noch gefragt werden, ob dieser Grund auch wichtig genug sei, um die Kündigung wirklich zu rechtfertigen. Hierzu bedürfe es, ebenso wie im Fall der personenbedingten Kündigung, einer Interessenabwägung. Auch die betriebsbedingte Kündigung sei nur dann sozial gerechtfertigt, wenn die betrieblichen Gründe bei verständiger Würdigung in Abwägung der Interessen der Vertragsparteien und des Betriebes die Kündigung billigenswert und angemessen erscheinen lassen. Das bedeute nicht, dass das Arbeitsgericht die Zweckmäßigkeit einer organisatorischen ___________ 29

Rommé/Pauker, NZA-RR 2000, 281, 282 kritisieren diese Entscheidung ebenfalls und meinen, die Rechtsprechung sei alles andere als konsistent. Die „eigene Unternehmerverantwortlichkeit“ scheine kaum mehr als ein „inhaltsleerer Topos“. 30 BAG v. 4.2.1960, BAGE 9, 36 ff. 31 BAG v. 4.2.1960, BAGE 9, 36, 42.

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Zweiter Teil: § 5 Rechtsprechung

Maßnahme der Behörde nachzuprüfen hätte. Die Zweckmäßigkeit solcher organisatorischer Maßnahmen unterliege nicht der gerichtlichen Nachprüfung. Das Erfordernis der Interessenabwägung auch im Fall der betriebsbedingten Kündigung bedeute vielmehr, dass die Behörde geplante organisatorische Maßnahmen nicht nur auf ihre Zweckmäßigkeit, sondern auch auf ihre sozialen Auswirkungen hin zu prüfen habe und dass ihr Kündigungen dann verwehrt seien, wenn die zu erwartenden Vorteile zu den Nachteilen, die sich für die betroffenen Arbeitnehmer ergäben, in keinem vernünftigen Verhältnis stünden. Im vorliegenden Fall meinte das Bundesarbeitsgericht, dass das Land nicht vorgetragen hätte, durch die Maßnahme nennenswerte Vorteile zu erlangen. Die Interessen der Kläger würden gegenüber den vom Land erhofften Vorteilen überwiegen. Die Revision der Kläger führte demzufolge zur Aufhebung des Urteils des Landesarbeitsgerichts und zur Zurückverweisung. Zur Frage der Nachprüfbarkeit von Unternehmerentscheidungen entwickelte sich langsam eine einheitliche Meinung. Es wiederholten sich Regelgrundsätze, und die Beachtung der Freiheit der Unternehmerentscheidung wurde explizit in den Vordergrund gestellt, wobei in den Entscheidungen keine Begründungen geliefert wurden. In dem Urteil vom 18.11.196032, das wieder einen Fall des öffentlichen Dienstes betraf, bezog sich das Bundesarbeitsgericht bei der Auslegung der Begriffe der dringenden betrieblichen Erfordernisse auf die „überwiegende Meinung (...), dass einer vernünftigen und sachgerechten Entscheidung über die Gestaltung des Betriebes und den sich aus dieser Entscheidung ergebenden Notwendigkeiten ein besonderes Gewicht beizulegen ist.“ Weiterhin führte das Gericht aus, eine Nachprüfung der insoweit vom Arbeitgeber getroffenen wirtschaftlichen, technischen oder organisatorischen Maßnahmen auf ihre Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit könnten die Gerichte für Arbeitssachen im Allgemeinen nicht vornehmen. Das schließe zwar nicht aus, dass ein dringendes betriebliches Erfordernis dann nicht gegeben sei, wenn die unternehmerische Entscheidung unsachlich, unvernünftig oder willkürlich sei. Das schließe weiter nicht aus, dass bei der Prüfung, ob ein dringendes betriebliches Erfordernis vorliege, die schutzwerten Interessen des Arbeitnehmers an der Erhaltung seines Arbeitsplatzes Berücksichtigung fänden, insbesondere auch den Belangen des Arbeitgebers (Unternehmers) gegenüber abgewogen werden müssten. In Fällen dieser Art müsse aber die Beachtung der Freiheit der Unternehmerentscheidung im Vordergrund stehen.

___________ 32 BAG v. 18.11.1960, AP Nr. 28 zu Art. 44 Truppenvertrag m. Anm. Beitzke; vgl. dazu auch Feudner, DB 2000, 476, 477; Rommé/Pauker, NZA-RR 2000, 281, 282 f.

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In der Entscheidung vom 25.6.196433 betonte das Bundesarbeitsgericht nochmals den bereits in der Entscheidung vom 20.10.195434 aufgestellten Grundsatz, dass zum Tatbestand des § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG nicht nur bei personen- und verhaltensbedingten, sondern auch bei betriebsbedingten Kündigungen eine umfassende Interessenabwägung gehöre. In dieser Entscheidung ging es um einen Glasbläsereibetrieb, der mit seiner Produktion in Absatzschwierigkeiten geraten war. Der Betrieb wollte seine Produktion drosseln und deshalb von den 15 Glasbläsern einen Arbeitnehmer entlassen. Der Zweite Senat führte aus, es sei nicht der Sinn des KSchG, einen Arbeitgeber zu zwingen, seinen Betrieb sehenden Auges langsam in die Gefahr einer ausweglosen Lage hineingleiten zu lassen. Ein Arbeitgeber dürfe und solle vielmehr rechtzeitig geeignete vorbeugende Schritte unternehmen. Damit diene er nicht nur seinem eigenen Interesse, nämlich der Erhaltung seines Betriebes, sondern auf längere Sicht auch der Erhaltung der Arbeitsplätze einer möglichst großen Zahl seiner Arbeitnehmer. Welche Maßnahmen ein Arbeitgeber treffe, um seinen Betrieb in diesem Sinne umzustellen, sei eine Unternehmerentscheidung. Soweit die Maßnahmen rein technischer oder organisatorischer Art seien, könnten die Arbeitsgerichte sie grundsätzlich nicht auf ihre Zweckmäßigkeit nachprüfen, es sei denn, die vom Arbeitgeber getroffenen Maßnahmen seien offenbar unsachlich, unvernünftig oder willkürlich. Das schließe jedoch nicht aus, dass eine Abwägung stattzufinden habe, bei der die Interessen des Arbeitnehmers berücksichtigt würden. Die allgemeine Interessenabwägung gehöre zum Tatbestand des § 1 KSchG. Sie sei nicht nur bei personen- und verhaltensbedingten, sondern auch bei betriebsbedingten Kündigungen notwendig. Im vorliegenden Fall gehöre zu einer umfassenden Interessenabwägung die Prüfung, ob es nicht mit den betrieblichen Erfordernissen vereinbar wäre, die Kündigung durch Einführung von Kurzarbeit abzuwenden. Nur dann, wenn das nicht der Fall sei, wäre die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse „bedingt“.“ Das Bundesarbeitsgericht führte in seinem Urteil vom 12.12.196835 aus, eine Kündigung aus betrieblichen Gründen sei nach § 1 Abs. 2 KSchG nicht sozialwidrig, wenn dringende betriebliche Erfordernisse die Kündigung bedingen. In dem Wort „dringend“ komme zum Ausdruck, dass betriebsbedingte Kündigungen nur dann sozial gerechtfertigt seien, wenn sie wirklich im Interesse des Betriebs lägen und für den Arbeitgeber keine Möglichkeit bestehe, durch andere Maßnahmen als eine Kündigung der betrieblichen Lage Rechnung zu tragen. Es müsse eine betriebliche Zwangslage vorliegen, die die Kündigung erforder___________ 33

BAG v. 25.6.1964, BAGE 16, 134 ff. BAG v. 20.10.1954, BAGE 1, 117 ff. 35 BAG v. 12.12.1968, BAGE 21, 248, 255. 34

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lich mache. Die Kündigung des Klägers sei demnach nur dann sozial gerechtfertigt, wenn sie aus Gründen der notwendigen Kostenersparnis erforderlich gewesen sei und für den Beklagten keine Möglichkeit bestanden habe, durch andere Maßnahmen die Kosten zu senken. In der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 13.9.197336 heißt es, die Möglichkeit, den gekündigten Arbeitnehmer auf einem anderen freien Arbeitsplatz weiterzubeschäftigen (§ 1 Abs. 2 Satz 2 KSchG), sei zumindest bei der Interessenabwägung nach § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG zu berücksichtigen. Die Anwendung des § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG erfordere eine Interessenabwägung, nämlich die Prüfung, ob die sozialen Belange des Arbeitsnehmers etwa wegen der Dauer seiner Betriebszugehörigkeit oder anderer schutzwürdiger Interessen als vorrangig gegenüber möglichen nachteiligen Auswirkungen anzuerkennen seien, die sich für den Arbeitgeber etwa aus der Versetzung oder Umschulung ergeben könnten. In der Entscheidung vom 3.5.197837 fasste das Bundesarbeitsgericht nochmals deutlich die Grundsätze zur Interessenabwägung zusammen. Über die Feststellung hinaus, dass ein betriebliches Erfordernis im Sinne von § 1 Abs. 2 KSchG vorliege, müsse geprüft werden, ob dieser betriebliche Grund auch gewichtig genug sei, um die Kündigung als sozial gerechtfertigt erscheinen zu lassen. Dazu bedürfe es einer Interessenabwägung. Auch eine betriebsbedingte Kündigung sei nämlich nur dann rechtswirksam, wenn die betrieblichen Gründe bei verständiger Würdigung und Abwägung der Interessen beider Vertragsparteien und des Betriebes die Kündigung billigenswert und angemessen erscheinen ließen. Eine Kündigung sei daher nicht sozial gerechtfertigt, wenn die zu erwartenden Vorteile des Arbeitgebers zu den Nachteilen, die sich für den Arbeitnehmer daraus ergäben, in keinem vernünftigen Verhältnis stünden. Wurde bislang zumeist eine Interessenabwägung im Rahmen von § 1 Abs. 2 KSchG gefordert, so kam ab dem Jahre 1978 den „das Kündigungsschutzrecht beherrschenden Grundsatz der Verhältnismäßigkeit“ neu ins Spiel. Erstmalig benannte das Bundesarbeitsgericht das „ultima-ratio-Prinzip“ in seiner Entscheidung vom 30.5.197838, in der es um eine außerordentliche Kündigung ging. In dem Urteil vom 22.2.198039 wird dann aber im Leitsatz deutlich gesagt, dass der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit das gesamte Kündigungsrecht beherrsche. Die Rechtsprechung vertrat ab sofort die Auffassung, dass eine be___________ 36

BAG v. 13.9.1973, BAGE 25, 278 ff. BAG v. 3.5.1978, BAGE 30, 272, 277. 38 BAG v. 30.5.1978, BAGE 30, 309 ff. 39 BAG v. 22.2.1980, BAGE 33, 1 ff. 37

C. Rechtsprechung des BAG seit dem 7.12.1978

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triebs-, verhaltens- oder personenbedingte Kündigung als letztes Mittel erst in Betracht komme, wenn keine anderweitige Beschäftigung, unter Umständen auch zu schlechteren vertraglichen Bedingungen, möglich sei40. Mit dieser Rechtsprechung setzte die Diskussion ein, welche Maßnahmen als mildere Mittel gegenüber einer Kündigung anzusehen sind.

C. Rechtsprechung des BAG seit dem grundlegenden Urteil vom 7.12.1978 Für die Dogmatik besonders bedeutsam war das Urteil vom 7.12.197841. Einem Maschinenbau-Ingenieur wurde mit dem Hinweis, dass der Umsatz um 16 % zurückgegangen sei, gekündigt. Der Kläger brachte gegen die Kündigung vor, er habe anderweitig auf einem frei gewordenen Arbeitsplatz eingesetzt werden können. Außerdem sei der Umsatz unbeachtlich, da die Beklagte Umsatzrückgänge durch Produktion auf Lager ausgleichen könne. Ferner sei seine Aufgabe im Konstruktionsbüro langfristig angelegt, so dass sich der Umsatzrückgang auf seinen Aufgabenbereich nicht auswirke. Das ergangene Urteil, mit dem die Revision der Beklagten zurückgewiesen wurde, fand besondere Beachtung und ist bis heute von Belang, da sich das Bundesarbeitsgericht bei der Entscheidungsfindung um eine verbesserte Systematisierung und Differenzierung bemühte, in dem es zwischen inner- und außerbetrieblich veranlassten Kündigungen unterschied. Zur Erzielung einer höheren Rechtssicherheit fasste es zudem die in der bisherigen Rechtsprechung gewonnenen Grundsätze zusammen, die für den Prüfungsmaßstab des Gerichts und für die Darlegungslast des Arbeitgebers gelten sollten. Unter II 1 der Urteilsgründe führte der Senat aus, dass sich betriebliche Erfordernisse für eine Kündigung aus innerbetrieblichen Umständen (z. B. Rationalisierungsmaßnahmen oder Umstellung oder Einschränkung der Produktion) oder durch außerbetriebliche Gründe (z. B. Auftragsmangel oder Umsatzrückgang) ergeben könnten. Diese betrieblichen Erfordernisse müssten „dringend“ sein und eine Kündigung im Interesse des Betriebes notwendig machen. Diese weitere Voraussetzung sei erfüllt, wenn es dem Arbeitgeber nicht möglich sei, der betrieblichen Lage durch andere Maßnahmen auf technischem, organisatorischem oder wirtschaftlichem Gebiet als durch eine Kündigung zu entsprechen. Die Kündigung müsse wegen der betrieblichen Lage unvermeidbar sein. Ein Umsatzrückgang könne dann eine betriebsbedingte Kündigung rechtfertigen, wenn dadurch der Arbeitsanfall so zu___________ 40 41

Vgl. insbesondere BAG v. 18.12.1980, BAGE 34, 365, 371. BAG v. 7.12.1978, BAGE 31, 157 ff.

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Zweiter Teil: § 5 Rechtsprechung

rückgehe, dass für einen oder mehrere Arbeitnehmer das Bedürfnis zur Weiterbeschäftigung entfalle. Gewinnverfall oder Unrentabilität des Betriebes führten nicht ohne weiteres zu dringenden betrieblichen Erfordernissen, weil sie auf den verschiedensten Gründen beruhen könnten und sich nicht unmittelbar auf die Arbeitsplätze auswirkten. Diese außerbetrieblichen Umstände könnten aber eine betriebsbedingte Kündigung dann rechtfertigen, wenn sie der Arbeitgeber zum Anlass nähme, zum Zwecke der Kostenersparnis durch Rationalisierungsmaßnahmen innerbetriebliche Veränderungen durchzuführen, durch die die Zahl der Arbeitsplätze verringert werde, oder wenn für den Arbeitgeber keine Möglichkeit bestehe, durch andere Maßnahmen als durch eine Änderung der Vertragsbedingungen des Arbeitnehmers die Kosten zu senken. Auch wenn durch außer- oder innerbetriebliche Gründe der bisherige Arbeitsplatz eines Arbeitnehmers wegfalle, sei eine Kündigung nur dann durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt, wenn dem Arbeitgeber eine andere Weiterbeschäftigung nicht möglich oder nicht zumutbar sei. Bei außerbetrieblichen Gründen sei darüber hinaus zu prüfen, ob Kündigungen nicht durch andere innerbetriebliche Maßnahmen (insbesondere Arbeitsstreckung) vermieden werden könnten. Weiterhin führte das Gericht aus, die organisatorischen Maßnahmen, die der Arbeitgeber treffe, um seinen Betrieb dem Umsatzrückgang oder der verschlechterten Ertragslage anzupassen, seien nicht auf ihre Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit, wohl aber daraufhin nachzuprüfen, ob sie offenbar unsachlich, unvernünftig oder willkürlich seien. Vom Gericht voll nachzuprüfen sei dagegen immer, ob die zur Begründung dringender betrieblicher Erfordernisse angeführten innerbetrieblichen oder außerbetrieblichen Gründe (z. B. Einschränkung der Produktion, Arbeitsmangel oder bestimmte Rationalisierungsmaßnahmen) tatsächlich vorliegen und wie sich diese Umstände im betrieblichen Bereich auswirken, d. h. in welchem Umfang dadurch Arbeitsplätze ganz oder teilweise wegfallen. Des Weiteren stellte der Senat fest, im Kündigungsschutzprozess treffe den Arbeitgeber nach § 1 Abs. 2 S. 4 KSchG in vollem Umfang die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt ist, ohne dass eine andere Beschäftigung möglich oder zumutbar ist. Dabei hänge der Umfang der Darlegungslast davon ab, wie sich der gekündigte Arbeitnehmer auf die Begründung der Kündigung einlasse. Wenn sich der Arbeitgeber auf „Umsatzrückgang“, „Gewinnverlust“ oder „einschneidende Rationalisierungsmaßnahmen“ berufe, dürfe er sich nicht auf schlagwortartige Umschreibungen beschränken. Er müsse seine tatsächlichen Angaben vielmehr so im Einzelnen darlegen (substantiieren), dass sie vom Arbeitnehmer mit Gegentatsachen bestritten und vom Gericht überprüft werden können. Vom Arbeitgeber sei darüber hinaus insbesondere darzulegen, wie sich die von ihm behaupteten Umstände unmittelbar oder mittelbar auf den Arbeitsplatz des gekündigten Arbeitnehmers auswirken. Der

C. Rechtsprechung des BAG seit dem 7.12.1978

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Vortrag des Arbeitnehmers müsse erkennen lassen, ob durch eine innerbetriebliche Maßnahme oder einen außerbetrieblichen Anlass der Arbeitsplatz des gekündigten Arbeitnehmers wegfalle oder ob hierdurch unmittelbar zwar ein anderer Arbeitnehmer betroffen werde, dieser aber aus betrieblichen oder persönlichen Gründen (§ 1 Abs. 3 KSchG) auf den Arbeitsplatz oder in die Abteilung des gekündigten Arbeitnehmers versetzt werden solle. Seit diesem Urteil hat sich die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts maßgeblich geändert. Das Gericht versucht nun, die Tatbestände, die ein dringendes betriebliches Erfordernis bedingen können, zu systematisieren, die Bindung an eine Unternehmerentscheidung konkreter zu erfassen und die Interessenabwägung bei der betriebsbedingten Kündigung grundsätzlich durch eine Verhältnismäßigkeitsprüfung zu ersetzen42. In dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 24.10.197943 bestätigte der Senat die in der Entscheidung vom 7.12.197844 aufgestellten Grundsätze und legte insbesondere noch näher dar, unter welchen Voraussetzungen eine durch außerbetriebliche Umstände veranlasste oder einen innerbetrieblichen Grund darstellende Unternehmerentscheidung als offenbar unvernünftig oder willkürlich anzusehen und eine Kündigung aufgrund einer Interessenabwägung sozial ungerechtfertigt sein kann. Die Entscheidung vom 24.10.1979 betraf eine betriebsbedingte Kündigung eines Verkaufsleiters im Innendienst aufgrund einer Umorganisation des Produktions- und des Vertriebsbereiches, die das beklagte Unternehmen wegen des Umsatzrückganges im In- und Ausland beschlossen hatte. Der Kläger bemängelte unter anderem die getroffene Unternehmerentscheidung und brachte vor, die richtige Unternehmerentscheidung wäre gewesen, wegen der Absatzschwierigkeiten im Ausland die inländische Produktionsabteilung stillzulegen und nur noch im Ausland produzierte Waren zu vertreiben. Es sei nicht einzusehen, dass er unter einer falschen Unternehmerentscheidung leiden sollte. Bei der Umorganisation habe es sich um eine gegen ihn gerichtete sachlich ungerechtfertigte Einzelmaßnahme gehandelt. Das Bundesarbeitsgericht hielt die betriebsbedingte Kündigung für sozial gerechtfertigt und wies die seitens des Klägers eingelegte Revision zurück. In der Urteilsbegründung bezog sich der Senat auf die in dem Urteil vom 7.12.1978 zusammengefassten Grundsätze und ging nochmals auf die Differenzierung zwischen außerbetrieblichen und innerbetrieblichen Kündigungsgründen ein. Er führte aus, dass innerbetriebliche Gründe eine Kündigung rechtfertigen könnten, ___________ 42

Vgl. dazu Zweiter Teil § 8 B. V. 2., S. 254 ff. BAG v. 24.10.1979, BAGE 32, 150 ff. 44 BAG v. 7.12.1978, BAGE 31, 157 ff. 43

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wenn der Arbeitgeber die Ertragslage zum Anlass nehme, zur Kostenersparnis oder zur Verbesserung des Betriebsergebnisses durch technische oder organisatorische innerbetriebliche Maßnahmen die Zahl der Arbeitsplätze zu verringern. Bei Kündigungen aus innerbetrieblichen Gründen müsse der Arbeitgeber darlegen, welche Maßnahmen er angeordnet habe und wie sie sich auf den Arbeitsplatz des gekündigten Arbeitnehmers auswirkten. Von den Gerichten sei grundsätzlich nicht zu prüfen, ob der für den Arbeitgeber maßgebende Anlass die von ihm getroffene organisatorische Maßnahme auch erforderlich gemacht habe und ob die Unternehmerentscheidung geeignet sei, den mit ihr verfolgten Zweck zu erreichen. Der Arbeitgeber brauche deshalb die Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit der innerbetrieblichen Maßnahme nicht zu begründen. Die Unternehmerentscheidung sei nur dann nicht als bindend hinzunehmen, wenn sie offenbar unsachlich, unvernünftig oder willkürlich sei. Für die Umstände, aus denen sich ein Missbrauch des unternehmerischen Ermessens ergeben solle, trage der Arbeitnehmer die Darlegungs- und Beweislast. Das Gericht vertrat die Auffassung, dass die Revision im vorliegenden Fall eine den Gerichten verwehrte Zweckmäßigkeitsprüfung erstrebe und zu Unrecht vom Arbeitgeber die Darlegung verlange, ob die veränderte Aufgabenverteilung sachlich und vernünftig sei. Dies würde eine Einschränkung der Unternehmerentscheidung bedeuten, die sich mit der bisherigen Rechtsprechung, die sich auch im Schrifttum durchgesetzt habe, nicht zu vereinbaren sei. Nach der gegenwärtigen Wirtschafts- und Sozialordnung trage der Arbeitgeber das wirtschaftliche Risiko für die zweckmäßige Einrichtung und Gestaltung seines Betriebes. Die Gerichte seien überfordert, wenn sie dem Arbeitgeber eine „bessere“ betriebliche Organisation vorschreiben sollten. Ausnahmen, in denen innerbetriebliche Maßnahmen nicht bindend seien, ergäben sich aus dem allgemeinen Verbot des Rechtsmissbrauchs. Eine Missbrauchskontrolle dürfe jedoch nicht dazu führen, mit einer anderen Begründung in Wahrheit die den Gerichten verwehrte Prüfung der Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit der organisatorischen Maßnahme nachzuholen. Für eine tatsächlich beschlossene und durchgeführte Betriebsänderung spreche die Vermutung, dass sie aus sachlichen Gründen erfolgt sei. Die fehlende Verbindlichkeit der Unternehmerentscheidung sei vom Arbeitnehmer darzulegen und zu beweisen, gegebenenfalls mit der Erleichterung des Anscheinsbeweises. Ein missbräuchliches Verhalten der Beklagten konnte das Gericht nicht feststellen. Missbrauch könne nicht schon dann angenommen werden, wenn eine Maßnahme offensichtlich unzweckmäßig sei. In der weiteren Urteilsbegründung führt der Senat aus, das Landesarbeitsgericht habe auch die Notwendigkeit der umfassenden Interessenabwägung bei einer betriebsbedingten Kündigung nicht verkannt. Sei die Kündigung wegen einer bindenden Unternehmerentscheidung „an sich“ betriebsbedingt, so werde eine Weiterbeschäftigung dem Arbeitgeber überdies nur in einem seltenen Ausnahmefall, et-

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wa dann zuzumuten sein, wenn der Arbeitnehmer aufgrund schwerwiegender persönlicher Umstände besonders schutzwürdig sei. Auf einen solchen „Härtefall“ könne sich der Kläger nicht berufen. Obwohl in dem Urteil vom 22.2.198045 hervorgehoben wurde, dass der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz das Kündigungsschutzrecht beherrsche, wiederholte das Bundesarbeitsgericht in seiner Entscheidung vom 7.3.198046 und auch in seiner Entscheidung vom 17.10.198047 nochmals die ehemals aufgestellten Grundsätze der Interessenabwägung48. Auf das Verhältnis dieser beiden Grundsätze zueinander ging das Gericht nicht weiter ein. In den Urteilsgründen der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 30.5.198549 taucht erstmals der Begriff der „Selbstbindung“ auf. Aus dem Schreiben der Beklagten an den Gesamtbetriebsrat und ihrem Vortrag im Kündigungsschutzprozess ergebe sich eine Selbstbindung dahin, die Personalreduzierung nicht einschneidender durchzuführen, als es der Umschlagsrückgang erfordere. Darüber hinaus ist das Urteil für die Frage von Bedeutung, was unter dem Wegfall eines Arbeitsplatzes zu verstehen ist. Es komme nicht darauf an, dass ein „bestimmter Arbeitsplatz“, sondern dass das Bedürfnis für die Weiterbeschäftigung des gekündigten Arbeitnehmers weggefallen sei. In der Entscheidungsbegründung des Bundesarbeitsgerichts vom 20.2. 198650 findet man erste Definitionsversuche des Begriffs der Unternehmerentscheidung. Diese Entscheidung beschäftigte sich mit Kündigungen von Dozenten, die bei einer Jugendmusikschule tätig waren. Zur Finanzierung erhielt die Jugendmusikschule Zuschüsse von der Stadt. Als die Stadt einen geringeren Zuschuss als im Vorjahr in Aussicht stellte, wurde den Teilzeitlehrkräften vorsorglich gekündigt, um sie ab sofort als freie Mitarbeiter zu beschäftigen. Die Arbeit der Jugendmusikschule sollte jedoch auf längere Zeit nicht in Frage gestellt werden. In den Entscheidungsgründen führte das Bundesarbeitsgericht aus, eine grundsätzlich bindende unternehmerische Entscheidung (ein so genannter innerbetrieblicher Grund) sei nach dem Vortrag des Beklagten nicht ersichtlich. Es gehe vielmehr um die Auswirkung der angekündigten Drittmittelkürzung und damit um einen außerbetrieblichen Grund. Inwiefern die Gewäh___________ 45

BAG v. 22.2.1980, BAGE 33, 1 ff. BAG v. 7.3.1980, AP Nr. 9 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung. 47 BAG v. 17.10.1980, AP Nr. 10 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung. 48 Vgl. z. B. BAG v. 3.5.1978, BAGE 30, 272 ff. 49 BAG v. 30.5.1985, AP Nr. 24 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung m. Anm. V. Schmidt. 50 BAG v. 20.2.1986, AP Nr. 11 zu § 1 KSchG 1969. 46

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rung eines reduzierten Zuschusses den Bedarf an einer Tätigkeit der Kläger insgesamt entfallen lassen solle, habe der Beklagte nicht dargetan. Er habe nicht dargelegt, ob und in welcher Weise sich die Verringerung des Zuschusses auf die Beschäftigungsmöglichkeiten der Kläger auswirken solle. Soweit sich der Arbeitgeber darauf berufe, sein Entschluss, sämtlichen Dozenten zu kündigen, sei eine Unternehmerentscheidung, die nur auf offensichtliche Willkür oder Unsachlichkeit zu überprüfen sei, unterliege er einem Irrtum über die Tragweite des Begriffs der Unternehmerentscheidung. Das unternehmerische Ermessen sei ein normativer Begriff, der keinen für alle Fälle feststehenden Inhalt habe, sondern sei stets im Hinblick auf den Zusammenhang zu bestimmen, in dem er jeweils stehe. Jede Disposition, die der Arbeitgeber in seinem Betrieb treffe, sei wörtlich genommen eine Unternehmerentscheidung, insbesondere jede Kündigung. Dennoch liege klar zutage, dass im Sinne des KSchG die arbeitgeberseitige Kündigung selbst keine Unternehmerentscheidung sei, anderenfalls würde das KSchG keinen Bestandsschutz gewähren. Der Arbeitgeber könne ansonsten stets die ausgesprochene Kündigung erfolgreich mit dem Hinweis verteidigen, die Kündigung sei eine nicht zu überprüfende Unternehmerentscheidung. Der Zweite Senat führte weiter aus, dass die Entscheidung eines Drittmittelgebers, Zuwendungen zu kürzen, für sich allein noch keinen betriebsbedingten Kündigungsgrund darstelle. Der Drittmittelempfänger müsse vielmehr seinerseits entscheiden, ob er zum Beispiel aus eigenen oder anderen Mitteln einen subventionierten Aufgabenbereich fortführen oder einschränken wolle. Im vorliegenden Fall sei die Entscheidung getroffen worden, den Betrieb der Jugendmusikschule in unverändertem Umfang fortzuführen. Mit der Entscheidung vom 30.4.198751 beschäftigte sich das Bundesarbeitsgericht abermals mit der Unterscheidung zwischen inner- und außerbetrieblichen Gründen. Zudem verabschiedete es sich ausdrücklich von dem Maßstab der Interessenabwägung bei der betriebsbedingten Kündigung. In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall ging es um eine Kündigung einer Reinigungskraft aufgrund der von der Beklagten getroffenen unternehmerischen Entscheidung, den Reinigungsdienst an eine Fremdfirma zu übertragen. Die Klägerin trug gegen die Kündigung vor, die Kostenersparnis rechtfertige nicht die Auflösung des innerbetrieblichen Reinigungsdienstes. Außerdem berücksichtige die Beklagte nicht die ihr entstandenen Nachteile. Der Senat stellte fest, die Auflösung des betriebsinternen Reinigungsdienstes und die Vergabe der Reinigungsarbeiten an ein Reinigungsunternehmen stelle eine Rationalisierungsmaßnahme, also einen innerbetrieblichen und nicht einen außerbetrieblichen Umstand für ein betriebliches Erfordernis im Sinne des § 1 Abs. 2 S. 1 ___________ 51

BAG v. 30.4.1987, BAGE 55, 262, 271.

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KSchG dar. Anlass der Unternehmerentscheidung sei allein die beabsichtigte Kostenersparnis gewesen. Somit liege keine „gebundene Unternehmerentscheidung“ vor. Die Situation der Kostenvorteile im Einzelnen sei nicht zu überprüfen, denn dies liefe auf eine dem Gericht versagte Kontrolle der Zweckmäßigkeit der unternehmerischen Entscheidung hinaus. Die Nachprüfung der Rationalisierungsmaßnahme sei auf eine Missbrauchskontrolle beschränkt. Missbrauch sei im vorliegenden Fall aber nicht ersichtlich. Mit dieser Entscheidung vereinheitlichte der erkennende Zweite Senate ferner die bislang noch unterschiedlichen Auffassungen in der Rechtsprechung zum Erfordernis der Interessenabwägung bei der betriebsbedingten Kündigung. Er stellte nunmehr die gefestigten Rechtssätze auf: „Ist eine ordentliche Kündigung „an sich“ betriebsbedingt im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG, dann kann sich die Interessenabwägung nur in seltenen Ausnahmefällen zugunsten des Arbeitnehmers auswirken. Aus der beschränkten Kontrolle der Unternehmerentscheidung folgt insbesondere auch, dass nicht zu prüfen ist, ob die vom Arbeitgeber aufgrund seiner Unternehmerentscheidung erwarteten Vorteile in einem „vernünftigen Verhältnis“ zu den Nachteilen stehen, die der Arbeitnehmer durch die Kündigung erleidet.“ Der Zweite Senat äußerte, dass er nicht weiter an den Urteilen vom 7.3.198052 und 17.10.198053 festhalte, aus denen abweichende Maßstäbe für die Interessenabwägung entnommen werden könnten. Auch die in den Urteilen vom 4.2.196054 und 3.5.197855 aufgestellten Grundsätze zur Interessenabwägung bei einer betriebsbedingten Kündigung seien zu weitgehend. Das Gericht beurteilte die Revision der Klägerin im Ergebnis als unbegründet. In der Entscheidung vom 15.6.198956 stellte das Bundesarbeitsgericht fest, außerbetriebliche Gründe würden durch von der Betriebsgestaltung und Führung unabhängige Umstände, wie zum Beispiel Auftragsmangel oder Umsatzrückgang, ausgelöst. Sie seien nur dann kündigungsrechtlich relevant, wenn sie sich in einer unmittelbaren Kausalkette – Auftragsmangel – fehlendes oder verringertes Bedürfnis zur Beschäftigung aller oder bestimmter Arbeitnehmer – auf das Arbeitsverhältnis des gekündigten Arbeitnehmers auswirken. Anhand des Urteils des Bundesarbeitsgerichts vom 18.1.199057 wird abermals deutlich, wie schwer die Grenzziehung der unternehmerischen Entschei___________ 52

BAG v. 7.3.1980, AP Nr. 9 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung. BAG v. 17.10.1980, AP Nr. 10 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung. 54 BAG v. 4.2.1960, BAGE 9, 36 ff. 55 BAG v. 3.5.1978, BAGE 30, 272 ff. 56 BAG v. 15.6.1989, AP Nr. 45 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung. 57 BAG v. 18.1.1990, BAGE 64, 24 ff. 53

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dungsfreiheit ist. In dieser Entscheidung beschäftigte sich der Zweite Senat mit der Frage, ob nur die Entscheidung der Einführung von Schichtarbeit oder zusätzlich auch die Anordnung feststehender Arbeitnehmergruppen, die in den Schichten arbeiten sollten, eine freie unternehmerische Entscheidung darstellt. Zudem ging der erkennende Senat auf das Merkmal der „Dringlichkeit“ ein. In dem zu beurteilenden Fall stritten die Parteien um die Wirksamkeit einer ordentlichen Änderungskündigung. Die Klägerin war bei der Beklagten als Packerin im Einschichtbetrieb von 6.00 bis 16.45 Uhr tätig. Wegen eines erwarteten höheren Produktionsaufkommens führte die Beklagte eine zweite Schicht von 14.00 bis 22.00 Uhr ein, die als Wechselschicht mit der Frühschicht durchgeführt wurde. Wegen ihres vierjährigen Kindes wollte die Klägerin nur in der Frühschicht arbeiten. Es gab eine weitere Packerin, die nur in der Spätschicht arbeiten wollte. Die Beklagte kündigte der Klägerin das bisherige Arbeitsverhältnis und bot ihr die Fortsetzung in Wechselschicht mit ansonsten unveränderten Arbeitsbedingungen an. Die Klägerin hielt die Änderungskündigung für sozial ungerechtfertigt. Die Beklagte habe nicht die Notwendigkeit der Wechselschicht dargelegt; außerdem sei es möglich, ihren familiären Umständen Rechnung zu tragen, da eine andere Arbeitnehmerin ausschließlich in der Spätschicht arbeiten wollte. Die Beklagte machte geltend, eine Abweichung des Schichtplanes im Einzelfall sei mit ihrem Führungskonzept nicht vereinbar. Das Gericht stellte fest, die Einführung von zwei Arbeitsschichten stelle eine organisatorische unternehmerische Entscheidung der Beklagten dar. Auch die Entscheidung für das konkrete Führungskonzept, vom Personalbestand gleich bleibende Arbeitnehmergruppen zu bilden, die jeweils demselben Vorgesetzen zugeordnet werden und abwechselnd in der Früh- und Spätschicht tätig sein sollten, stelle eine organisatorische Maßnahme dar, die nur einer beschränkten gerichtlichen Kontrolle unterliege. Die auf die Missbrauchskontrolle beschränkte Überprüfung organisatorischer Unternehmerentscheidungen mache es nicht entbehrlich, jedenfalls gerichtlich zu prüfen, ob die Organisationsänderung eine Beendigungs- oder Änderungskündigung unvermeidbar mache, oder ob das geänderte unternehmerische Konzept nicht auch durch andere Maßnahmen verwirklicht werden könne. Im vorliegenden Fall fehle es aber an der Dringlichkeit, um eine Änderungskündigung sozial zu rechtfertigen. Betriebliche Erfordernisse, die sich aus inner- oder außerbetrieblichen Gründen ergäben, seien nur dann dringlich, wenn es dem Arbeitgeber nicht möglich sei, der betrieblichen Lage durch andere Maßnahmen auf technischem, organisatorischem oder wirtschaftlichem Gebiet als durch die Kündigung zu entsprechen. Hierin liege keine verdeckte Überprüfung der freien unternehmerischen Organisationsentscheidung, sondern durch das Erfordernis der Dringlichkeit werde dem Gebot der Verhältnismäßigkeit entsprochen (...). Trotz der Bindung an die Entscheidung der Unternehmensleitung sei vom Ge-

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richt zu kontrollieren, ob nur der Entschluss zur Kündigung in den Rahmen der umgestaltenden Betriebsorganisation passe oder ob diese nicht auch ohne Kündigung verwirklicht werden könne. Unter mehreren geeigneten Mitteln müsse dasjenige gewählt werden, das den Betroffenen am wenigsten belaste. Im vorliegenden Fall könne die Beklagte ihr unternehmerisches Konzept auch dann verwirklichen, wenn sie bei der Klägerin eine Ausnahme von den festen Fertigungsgruppen mache, was sie ja auch in noch anderen Fällen ebenfalls gemacht habe. Der Zweite Senat hielt die Änderungskündigung mithin für sozialwidrig. In dem Fall, der dem Urteil vom 19.5.199358 zugrunde lag, beschäftigte sich das Bundesarbeitsgericht mit der sozialen Rechtfertigung einer Änderungskündigung einer Arbeitnehmerin, die bei der Beklagten mit der Essensausgabe, mit Reinigungsarbeiten und einmal wöchentlich mit dem Personalverkauf beschäftigt war. Im Zuge der Umsetzung des Programms „Straffung der Aufgaben im Bereich Küche/Reinigung“ wurde der Klägerin unter Berücksichtigung der sozialen Auswahl betriebsbedingt ordentlich gekündigt zusammen mit dem Angebot, das Arbeitsverhältnis mit geänderter Arbeitszeit fortzusetzen. Die Klägerin nahm unter Vorbehalt die Änderung der Arbeitsbedingungen nicht an. Die Vorinstanzen hatten der Kündigungsschutzklage stattgegeben. Das Bundesarbeitsgericht dagegen hielt die Revision der Beklagten für begründet, hob das Berufungsurteil auf und verwies den Rechtsstreit an das Landesarbeitsgericht zurück. In den Entscheidungsgründen führte der Senat aus, der Klage könne entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht mit der Begründung stattgegeben werden, die Beklagte sei von vornherein nicht berechtigt gewesen, den durch organisatorische Maßnahmen entstandenen Arbeitskräfteüberhang durch den Ausspruch von Änderungskündigungen gegenüber zwei Mitarbeitern dem Arbeitskräftebedarf anzupassen. Das zentrale Problem in dem zu beurteilenden Fall war, ob ein Arbeitgeber als Folge des durch eine organisatorische Maßnahme entstandenen Arbeitskräfteüberhanges zur Verkürzung der Arbeitszeit eine Mehrzahl von Änderungskündigungen anstelle einzelner Beendigungskündigungen aussprechen dürfe. Zur Frage des Inhalts einer Unternehmerentscheidung bezog sich der Senat auf die Entscheidung vom 20.2.198659 und wiederholte, das unternehmerische Ermessen sei ein normativer Begriff, der keinen für alle Fälle feststehenden Inhalt habe, sondern stets im Hinblick auf den Zusammenhang, in dem er jeweils stehe, zu bestimmen sei. Jede Disposition, die der Arbeitgeber in seinem Betrieb treffe, sei wörtlich ge___________ 58 59

BAG v. 19.5.1993, BAGE 73, 151 ff. BAG v. 20.2.1986, AP Nr. 11 zu § 1 KSchG 1969.

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nommen eine Unternehmerentscheidung, insbesondere jede Kündigung. Dennoch liege klar zutage, dass im Sinne des KSchG die arbeitgeberseitige Kündigung selbst keine Unternehmerentscheidung sei, anderenfalls würde das KSchG keinen Bestandsschutz gewähren, vielmehr der Arbeitgeber stets die ausgesprochene Kündigung erfolgreich mit dem Hinweis verteidigen können, die Kündigung sei eine nicht zu überprüfende Unternehmerentscheidung. Über diesen Rechtssatz hinaus führte das Bundesarbeitsgericht aus, das, was kündigungsrechtlich mit unternehmerischem Ermessen gemeint sei, könne als „Bestimmung der der Geschäftsführung zugrunde liegenden Unternehmenspolitik“ bezeichnet werden. Dementsprechend könnten die Gerichte für Arbeitssachen diese Entscheidungen des Unternehmers über die Leitung des Unternehmens nicht auf ihre Zweckmäßigkeit überprüfen.“ Auch die Entscheidung, mit welcher Anzahl von Arbeitskräften der Unternehmer nach Durchführung des innerbetrieblichen Organisationsaktes die verbleibende Arbeitsmenge durchführen lasse, liege in seinem Ermessen. Zum Bereich der „Unternehmenspolitik“ gehöre die Bestimmung, ob ein umfangmäßig konkretisierter Dienstleistungsbedarf nur mit Volltags- oder teilweise auch mit Halbtagsbeschäftigungen abgedeckt werden solle. Schließlich führte das Bundesarbeitsgericht noch an, auch die Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes gebiete nicht, anstelle einer geringeren Zahl von Beendigungskündigungen eine größere Zahl von Änderungskündigungen bzw. anstelle einer größeren Anzahl von Änderungskündigungen eine geringere Anzahl von Beendigungskündigungen auszusprechen.

D. Urteile des BAG vom 9.5.1996 und 26.9.1996 Eine lebhafte Diskussion zogen die beiden Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts vom 9.5.199660 (so genannte Weight-Watchers-Entscheidung) und vom 26.9.199661 (so genannte Reederei-Entscheidung bzw. CrewingEntscheidung) nach sich. Im Mittelpunkt der Entscheidungen stand wiederum ___________ 60 BAG v. 9.5.1996, BAGE 83, 127 ff.; siehe dazu Diller, Kölner Tage des Arbeitsrechts 1999, 157, 164; Franzen, Anm. zu BAG v. 9.5.1996, EzA Nr. 85 zu § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung; Hesse, JA 1997, 533 ff.; U. Preis, NZA 1997, 1073, 1079; Rieble, Anm. zu BAG v. 17.6.1999 – 2 AZR 141/99 –, EzA Nr. 102 zu § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung; Wank, Anm. zu BAG v. 9.5.1996, EWiR 1997, 85 f. 61 BAG v. 26.9.1996, BAGE 84, 209 ff.; siehe dazu Diller, Kölner Tage des Arbeitsrechts 1999, 157, 163 f.; Hesse, JA 1997, 533 ff.; Hromadka, Anm. zu BAG v. 26.9.1996, EWiR 1997, 231 f.; Korinth, AuA 1997, 228 ff.; Oetker, Anm. zu BAG v. 26.9.1996, WiB 1997, 369 ff.; U. Preis, NZA 1997, 1073, 1079; Schunder, NJW 1997, 2654, 2655.

D. Urteile des BAG vom 9.5.1996 und 26.9.1996

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die Frage nach dem Umfang der unternehmerischen Entscheidungsfreiheit. Der Vergleich der beiden Entscheidungen verdeutlicht, wie minimal der Unterschied zwischen einer gerichtlich freien und einer gerichtlich voll nachprüfbaren Maßnahme des Arbeitgebers ist. Der Grat zwischen einer berechtigten betriebsbedingten Kündigung und einer unberechtigten Austauschkündigung ist äußerst schmal und insbesondere für die betroffenen Arbeitnehmer nur schwer nachzuvollziehen. Bei der „Weight-Watchers“-Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 9.5.199662 ging es um gruppendynamische Trainingsprogramme zur kontrollierten Gewichtsabnahme. Bundesweit wurde das angebotene Trainingsprogramm von ungefähr 400 bei der Beklagten beschäftigten Gruppenleiterinnen in Gruppenveranstaltungen durchgeführt. Aufgrund des aus Kostengründen gefassten Entschlusses, das Ernährungs- und Verhaltensprogramm zukünftig auf der Basis von so genannten Partnerverträgen durch selbständige Mitarbeiter anzubieten, wurde allen Gruppenleiterinnen ordentlich gekündigt. So wurde auch der Klägerin gekündigt mit dem gleichzeitigen Angebot, einen Partnervertrag abzuschließen, was diese ablehnte. Nach dem Partnervertrag hätte die Klägerin insbesondere frei entscheiden können, wo sie das Training erbringen, in welchem zeitlichen Umfang sie Gruppen annehmen und wie viel Zeit sie für die Vor- und Nachbereitung einsetzen wollte. Die Klägerin hielt die betriebsbedingte Kündigung für sozial ungerechtfertigt unter anderem mit der Begründung, es läge kein dringendes betriebliches Erfordernis vor, da die Dienstleistungen nach wie vor in persönlicher Anhängigkeit erbracht würden. Mit dieser Entscheidung billigte das Bundesarbeitsgericht dem Arbeitgeber ausdrücklich die freie Unternehmerentscheidung zu, seinen Betriebszweck nur noch mit freien Mitarbeitern aufgrund so genannter Partnerverträge zu verfolgen und beurteilte Kündigungen der bislang abhängig beschäftigten Arbeitnehmer, die dieselbe Funktion ausübten, wegen dringender betrieblicher Erfordernisse als sozial gerechtfertigt. Das Bundesarbeitsgericht stellte fest, bei einer innerbetrieblichen Umstrukturierungsmaßnahme (hier: Einführung eines neuen Vertriebssystems) müsse es im Hinblick auf betriebsbedingte Kündigungen dem Arbeitgeber überlassen bleiben, wie er sein Unternehmensziel möglichst zweckmäßig und kostengünstig am Markt verfolge. Dazu gehöre auch die Umgestaltung der zugrunde liegenden Vertragsform der Vertriebsmitarbeiter von einem Arbeitsverhältnis in ein freies Mitarbeiterverhältnis. Die Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit dieser Unternehmerentscheidung sei von den Arbeitsgerichten inhaltlich nicht zu überprüfen. In der vorliegenden Entscheidung war es problematisch, den Wegfall des Beschäftigungsbedürfnisses anzunehmen, da die Be___________ 62

BAG v. 9.5.1996, BAGE 83, 127 ff.

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schäftigung ja gerade weiter fortgesetzt werden sollte, wenn auch im Rahmen freier Mitarbeiterverhältnisse. Durch die Umsetzung der getroffenen Unternehmerentscheidung ist das Bedürfnis für die Weiterbeschäftigung aller Gruppenleiterinnen als „abhängige Arbeitnehmerinnen“ weggefallen. Von einem Wegfall des Beschäftigungsbedürfnisses könne dann nicht ausgegangen werden, wenn der Arbeitgeber nur zum Schein freie Mitarbeiterverhältnisse abschließe, denn in diesem Fall würde er die für ihn tätig werdenden Personen tatsächlich weiterhin als Arbeitnehmer beschäftigen. Vorliegend bewertete das Bundesarbeitsgericht die Partnerverträge als freie Mitarbeiterverhältnisse und nicht als verdeckte Arbeitsverhältnisse, da eine umfassende Einflussnahme auf Inhalt, Ort und Zeit der zu erbringenden Dienstleistung seitens der Beklagten nicht vorgesehen sei. Die Umgestaltung der Rechtsbeziehungen in Form der Überleitung der Arbeitsverhältnisse in freie Mitarbeiterverhältnisse sei als freie Unternehmerentscheidung nicht offensichtlich unsachlich oder willkürlich. Da für eine beschlossene und tatsächlich durchgeführte Unternehmerentscheidung die Vermutung spreche, dass sie aus sachlichen Gründen erfolgt sei, Rechtsmissbrauch also die Ausnahme sei, habe im Kündigungsschutzprozess der Arbeitnehmer die Umstände darzulegen und im Streitfall zu beweisen, aus denen sich ergeben soll, dass die getroffene innerbetriebliche Strukturmaßnahme offenbar unsachlich, unvernünftig oder willkürlich sei. Das allgemeine Bestreiten der von der Beklagten angeführten Kostengesichtspunkte durch die Klägerin reiche nicht aus. Zu prüfen bleibe allerdings, ob die Strukturmaßnahme tatsächlich durchgeführt worden sei. Gut vier Monate später entschied der Senat mit seinem Urteil vom 26.9.199663 in einem scheinbar ähnlich gelagerten Fall anders. In diesem Fall ging es um die Wirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung eines Kapitäns, der bei der Beklagten beschäftigt war, die nach und nach ihre deutschen Schiffe ausflaggte. Den Besatzungsmitgliedern wurde im Zusammenhang mit der Ausflaggung gekündigt und die Anheuerung der Schiffsbesatzung wurde einer ausländischen Crewing-Firma übertragen, die die Seeleute zu wesentlich geringeren Heuern beschäftigte. Dies galt zunächst nicht für die Kapitäne, die Ersten Nautischen Offiziere und die Ersten Technischen Offiziere, bis die Beklagte schließlich beschloss, auch diese Positionen durch eine ausländische Crewing-Firma besetzen zu lassen. In einem Begleitschreiben zur Kündigung bot die Beklagte an, neue Heuerverhältnisse mit der ausländischen CrewingFirma zu vermitteln. Die Bereederung der Schiffe erfolgte weiterhin durch die Beklagte. Diese steuerte den wirtschaftlichen Schiffsbetrieb, bestimmte die Ladung, die Frachtraten, den terminlichen Einsatz der Schiffe und die anzulau___________ 63

BAG v. 26.9.1996, BAGE 84, 209 ff.

E. Urteil des BAG vom 24.4.1997

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fenden Häfen. Die Beklagte stand also im ständigen unmittelbaren Kontakt zu den jeweiligen Kapitänen der Schiffe und erteilte ihnen Weisungen. Der Zweite Senat beurteilte die Kündigung des Kapitäns als sozial ungerechtfertigt. Der Entschluss, die formale Arbeitgeberstellung aufzugeben, sei keine die Kündigung bedingende Unternehmerentscheidung, wenn der Unternehmer für die Durchführung der Arbeit weiterhin selbst die Weisungen erteile. In einem solchen Fall entfalle nicht die Beschäftigungsmöglichkeit im Betrieb. Vielmehr handelte es sich um die Ersetzung der eigenen Beschäftigten durch ausgeliehene Arbeitnehmer. Dies sei eine unzulässige Austauschkündigung.

E. Urteil des BAG vom 24.4.1997 In der so genannten Verdichtungsentscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 24.4.199764 ging es um die Wirksamkeit einer Änderungskündigung einer Klägerin, die in einem Einzelhandelskaufhaus teilzeitbeschäftigt war. Aufgrund eines betriebsbedingt freigewordenen Arbeitsplatzes hatte sich der Arbeitgeber entschieden, die Besetzungslücke durch Umstrukturierung der Arbeit der Teilzeitkräfte auszugleichen. Der Klägerin wurde ihr bisheriges Arbeitsverhältnis, nach dem sie zu bestimmten Zeiten montags, mittwochs und donnerstags und zudem nur an den langen Samstagen vor Weihnachten arbeiten musste, gekündigt. Gleichzeitig erhielt sie ein Angebot zur Änderung der Arbeitszeit, wonach sich die Arbeitszeiten nun auf montags, dienstags, mittwochs, donnerstags und immer samstags zu bestimmten Zeiten verteilten. Bei den Vollzeitbeschäftigten war durch ein rotierendes System sichergestellt, dass sie in jeder sechsten Woche entweder samstags/sonntags oder sonntags/montags arbeitsfrei hatten. Die Klägerin vertrat die Auffassung, es bestehe kein betriebliches Erfordernis für die Abänderung der einzelvertraglich festgelegten Arbeitszeit. Insbesondere sei nicht einzusehen, warum sie an jedem Samstag ihre Arbeitsleistung erbringen müsse. Dies gelte nicht einmal für die Vollzeitbeschäftigten. Der Zweite Senat hielt die Kündigung der Klägerin im Sinne der §§ 2, 1 Abs. 2 KSchG für sozial nicht gerechtfertigt, da das Änderungsangebot zur Lage der Arbeitszeit der teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmerin im Verhältnis zu den Vollzeitbeschäftigten gegen § 2 BSchFG verstoße. Diese Entscheidung verdient über diese Argumentation hinaus deshalb besondere Aufmerksamkeit, weil sich in den Entscheidungsgründen interessante Formulierungen zum Inhalt und Umfang der freien Unternehmerentscheidung finden. Der Senat stellte fest, dass vorliegend von einer unternehmerischen Entscheidung auszugehen sei, wonach die Be___________ 64

BAG v. 24.4.1997, BAGE 85, 358 ff.

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klagte mit dem noch vorhandenen Personal die vorhandene Arbeitsmenge bewältigen wollte. Er führte weiter aus, es gehöre zur Organisation und Gestaltung des Betriebes, neben der Anschaffung von Maschinen, Gerätschaften sowie Vorrichtungen und der Gestaltung der Arbeitsabläufe die Stärke der Belegschaft, mit der das Betriebsziel erreicht werden soll, festzulegen. Dazu gehöre auch die Entscheidung über die Kapazität an Arbeitskräften und an Arbeitszeit und wie diese Kapazität, vorliegend auf die Ladenöffnungszeiten, verteilt werden solle. Dabei könne die Unternehmerentscheidung auch darin liegen, künftig auf Dauer mit weniger Personal zu arbeiten. Soweit dadurch eine Leistungsverdichtung eintrete, werde sie als Konzept gewollt, und dadurch notwendig werdende Änderungen seien in Kauf genommen. Der rationelle Einsatz des Personals sei Sache der Unternehmerentscheidung. Weiterhin bemerkte der Senat, es liege in der unternehmerischen Entscheidung, mit welcher Anzahl von Arbeitskräften der Arbeitgeber nach Durchführung des innerbetrieblichen Organisationsaktes die verbleibende Arbeitsmenge durchführen lasse. So gehöre die Bestimmung zum Bereich der Unternehmenspolitik, ob ein umfangmäßig konkretisierter Dienstleistungsbedarf zum Beispiel nur mit Volltags- oder teilweise auch mit Halbtagsbeschäftigungen abgedeckt werden solle.

F. Urteile des BAG vom 17.6.1999 Besondere Aufmerksamkeit verdienen die am 17.6.1999 ergangenen drei Urteile des Bundesarbeitsgerichts zu der Problematik der richterlichen Überprüfung der freien Unternehmerentscheidung. Das Bundesarbeitsgericht befasste sich mit der Frage, ob der bloße Entschluss zum Personalabbau als freie Unternehmerentscheidung zu respektieren ist. Zwar ging es auch schon in der Entscheidung vom 24.4.199765 um die unternehmerische Entscheidung, künftig auf Dauer mit weniger Personal zu arbeiten, aber dort war diese Frage nur am Rande erwähnt, eingebettet in eine Änderungskündigung, so dass die Zuspitzung der Problematik weniger auffiel. In der Entscheidung des Zweiten Senats vom 17.6.1999 – 2 AZR 141/99 –66 ging es um die Wirksamkeit der betriebsbedingten Kündigung eines Baufacharbeiters. Die Kündigung wurde damit begründet, die Geschäftsleitung habe eine so genannte Unternehmerentscheidung getroffen, den Personalbestand um drei Planstellen auf Dauer zu reduzieren, und zwar betreffend einen Werkpolier, einen Vorarbeiter und einen Baufacharbeiter. Etwaige Arbeitsverdichtun___________ 65 66

BAG v. 24.4.1997, BAGE 85, 358 ff. BAG v. 17.6.1999 – 2 AZR 141/99 –, BAGE 92, 71 ff.

F. Urteile des BAG vom 17.6.1999

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gen müssten in Kauf genommen werden. Aufgrund einer sinkenden Nachfrage und unvermindertem Preisverfall sei es notwendig, die Bauleistung niedriger als im Vorjahr anzusetzen. Der Kläger machte geltend, es fehle an einem substantiierten Vortrag zu einem dringenden betrieblichen Erfordernis. Insbesondere reiche die Reduzierungsentscheidung nicht zur Rechtfertigung der Kündigung aus. Die Vorinstanz, das Landesarbeitsgericht Berlin, hatte ein dringendes betriebliches Erfordernis bejaht und die Kündigungsschutzklage abgewiesen. Die Unternehmerentscheidung, den Stellenplan bei Baufacharbeitern um eine Stelle zu reduzieren, sei nach Ansicht des Berufungsgerichts eine unternehmerische Entscheidung, die nur einer eingeschränkten Nachprüfbarkeit unterliege. Die Unternehmerentscheidung sei nicht identisch mit der Kündigung. Erst die Umsetzung dieser Entscheidung, den Stellenplan zu reduzieren, habe zur Kündigung geführt. Das Bundesarbeitsgericht hielt jedoch die klägerische Revision für begründet. Die Beklagte habe keinen ausreichend substantiierten Sachvortrag zur angeblich vorliegenden Unternehmerentscheidung gebracht und auch sonst kein dringendes betriebliches Erfordernis dargelegt. Die Entscheidung des Arbeitgebers, den Personalbestand auf Dauer zu reduzieren, sei zwar eine Entscheidung, die zum Wegfall von Arbeitsplätzen führen und damit den entsprechenden Beschäftigungsbedarf entfallen lassen könne. Aber diese Unternehmerentscheidung sei hinsichtlich ihrer organisatorischen Durchführbarkeit und hinsichtlich des Begriffs „Dauer“ zu verdeutlichen, damit das Gericht überhaupt prüfen könne, ob sie nicht offensichtlich unsachlich, unvernünftig oder willkürlich sei. Reduziere sich die Organisationsentscheidung zur Personalreduzierung praktisch auf den Kündigungsentschluss seien diese beiden Unternehmerentscheidungen ohne nähere Konkretisierung nicht voneinander zu unterscheiden. Wegen der Nähe zum bloßen Kündigungsentschluss seien die Anforderungen an den gemäß § 1 Abs. 2 S. 4 KSchG vom Arbeitgeber zu erbringenden Tatsachenvortrag nicht auf Null zu reduzieren. Wenn die Organisationsentscheidung mit dem Kündigungsentschluss ohne nähere Konkretisierung praktisch deckungsgleich sei, könne die vom Gericht bisher vorgenommene Vermutung, die Unternehmerentscheidung sei aus sachlichen Gründen erfolgt, nicht von vornherein greifen. Der Arbeitgeber müsse konkrete Angaben machen, wie sich die Verringerung der Produktion auf die Arbeitsmenge auswirke und in welchem Umfang dadurch ein konkreter Arbeitskräfteüberhang entstehe. Nicht nur die durch äußere Anlässe bedingte, sondern auch die autonome, gestaltende Unternehmerentscheidung müsse sich in greifbaren betrieblichen und damit objektivierbaren Formen niederschlagen. Je näher die eigentliche Organisationsentscheidung an den Kündigungsentschluss rücke, umso mehr müsse der Arbeitgeber verdeutlichen, dass ein Beschäftigungsbedürfnis entfallen sei. Unbeantwortet ließ der Senat die zum Schluss aufgeworfene Frage, ob an der Beweislast des Arbeitnehmers für die offensichtliche Unsachlichkeit,

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Unvernunft oder Willkür der Arbeitgebermaßnahme festzuhalten sei, da es im vorliegenden Fall darauf nicht weiter ankam. In der zweiten Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 17.6.1999 – 2 AZR 522/98 –67, ebenfalls aus dem Baubereich, ging es um die betriebsbedingte Kündigung eines ungelernten Bauhandwerkers. Nach dem Entschluss der Beklagten sollten alle Mitarbeiter ohne abgeschlossene Berufsausbildung entlassen werden. Die von ihnen bisher ausgeführten Tätigkeiten sollten teilweise den bei der Beklagten beschäftigten Facharbeitern und teilweise Subunternehmern übertragen werden. Das Berufungsgericht hielt die Kündigung für unwirksam, da die vom Arbeitgeber beschlossene Leistungsverdichtung bei gleich bleibender Arbeitsmenge rechtswidrig zu einer vom Arbeitsvertrag nicht gedeckten Mehrbelastung der verbliebenen Facharbeiter führe. Das Bundesarbeitsgericht beurteilte den Fall jedoch anders. Die Vergabe von Abbruch- und Stemmarbeiten an Subunternehmer sei keine „Verdichtung“ der Arbeit. Es handele sich um eine freie Unternehmerentscheidung, die zum Wegfall von Beschäftigungsmöglichkeiten führe. Die Entscheidung der Gesellschafter, die restlichen Tätigkeiten den Facharbeitern zu übertragen, sei im Unterscheid zu dem zuvor geschilderten Fall vom gleichen Tage eine nach außen deutlich sichtbare Organisationsentscheidung. Kündigungsentschluss und Unternehmerentscheidung seien deshalb voneinander zu trennen. Sofern keine überobligatorischen Leistungen verlangt würden, liege eine bindende Unternehmerentscheidung vor. Der Zweite Senat bezog sich auf die am selben Tag aufgestellten Rechtsgrundsätze. Wegen der abweichenden rechtlichen Begründung durch das Bundesarbeitsgericht meinte das Gericht, dem in allen Vorinstanzen obsiegenden Arbeitnehmer Gelegenheit zur Stellungnahme geben zu müssen, obwohl seine Ausführungen andeuteten, dass die Beklagte die dringenden betrieblichen Erfordernisse ausreichend dargelegt hatte. Unter Zurückverweisung an das Landesarbeitsgericht hob das Bundesarbeitsgericht das Berufungsurteil auf. Auch in der dritten Entscheidung vom 17.6.1999 – 2 AZR 456/98 –68 wiederholte das Bundesarbeitsgericht die bereits in den beiden skizzierten Parallelfällen entwickelten Rechtsprechungsgrundsätze. Es ging um eine betriebsbedingte Kündigung einer Hilfskraft in einem Druckereibetrieb, die hauptsächlich bei der Bedienung einer Druckmaschine mitwirkend eingesetzt wurde. Die Beklagte traf die Entscheidung, den Arbeitsplatz einer Hilfskraft einzusparen, so dass es zu der Kündigung des Klägers kam. Dies hatte zur Folge, dass ein Dru___________ 67 68

BAG v. 17.6.1999 – 2 AZR 522/98 –, BAGE 92, 61 ff. BAG v. 17.6.1999 – 2 AZR 456/98 –, BAGE 92, 79 ff.

G. Urteile des BAG seit dem Jahr 2000

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cker ohne Hilfskraft arbeiten musste. In diesem Fall war hauptsächlich die Auslegung einer quantitativen Besetzungsregel aus dem Manteltarifvertrag für gewerbliche Arbeitnehmer der Druckindustrie von Bedeutung, wonach den Fachkräften mindestens eine Hilfskraft beizustellen ist. Der Kläger war der Auffassung, dass die tarifliche Bestimmung die Unternehmerentscheidung begrenze, so dass sie vorliegend tarifwidrig und damit rechtsmissbräuchlich sei. Außerdem sei das Weiterbeschäftigungsbedürfnis nicht entfallen, da die Hilfskräfte auch für die Bedienung der Druckmaschine notwendig seien. Das Berufungsgericht vertrat die Auffassung, die Durchführung der Entscheidung, eine Hilfskraft einzusparen, verstoße gegen die Besetzungsregelung, so dass die Kündigung gemäß § 1 Abs. 2 KSchG sozialwidrig sei. Dieser Begründung folgte der Senat nicht. Das Arbeitsverhältnis des Klägers sei vom Schutzzweck der Norm der einschlägigen Tarifvorschrift nicht unmittelbar erfasst. Der Kläger könne sich auf diese Norm nicht berufen. Die Regelung bezwecke den Schutz vor Gesundheitsgefahren und vor Überforderung, nicht aber den Schutz vor einem Arbeitsplatzverlust. Die der Kündigung zugrunde liegende Unternehmerentscheidung könne sich allenfalls als offensichtlich unsachlich, unvernünftig und willkürlich erweisen. Gegebenenfalls könne sich der Kläger darauf „im Wege einer Reflexwirkung berufen“. Das müsse die Vorinstanz prüfen, auf die das Bundesarbeitsgericht unter Aufhebung des Berufungsurteils zurückverwies. Die bisherigen Darlegungen der Parteien hielt das Bundesarbeitsgericht nicht für ausreichend, um abschließend über die soziale Rechtfertigung der Kündigung zu entscheiden.

G. Urteile des BAG seit dem Jahr 2000 Die Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts vom 21.9.200069 und vom 25.4.200270 beschäftigen sich mit der aus dem ultima-ratio-Prinzip resultierenden Weiterbeschäftigungspflicht, gegebenenfalls zu veränderten (schlechteren) Vertragsbedingungen. Das Gericht führte aus, der ultima-ratio-Grundsatz sei in § 1 Abs. 2 S. 2 KSchG normativ konkretisiert. Könne der Arbeitnehmer in demselben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden, so sei die Kündigung sozial ungerechtfertigt. Die in das KSchG nachträglich eingefügten Widerspruchstatbestände hätten zu einer Verbesserung des individuellen Kündigungsschutzes geführt und seien daher auch ___________ 69 BAG v. 21.9.2000 – 2 AZR 385/99 –, AP Nr. 111 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung. 70 BAG v. 25.4.2002, AP Nr. 121 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung.

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Zweiter Teil: § 5 Rechtsprechung

ohne Widerspruch des Betriebsrats bzw. des Personalrats im Rahmen der Generalklausel des § 1 Abs. 2 S. 2 KSchG zu berücksichtigen. In dem Urteil vom 21.9.2000 erkannte der Zweite Senat, der Arbeitgeber habe bei der Besetzung der freien Arbeitsplätze die sozialen Belange der betroffenen Arbeitnehmer zu berücksichtigen, wenn in verschiedenen Betrieben eines Unternehmens Arbeitsplätze wegfielen, aber nur die Weiterbeschäftigung einer entsprechend geringeren Anzahl von Arbeitnehmern möglich sei. Es sprächen gewichtige Argumente dafür, im Fall der Konkurrenz um freie Arbeitsplätze, eine Sozialauswahl entsprechend § 1 Abs. 3 KSchG vorzunehmen. Der Arbeitgeber müsse von sich aus nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit eine beiden Parteien zumutbare Weiterbeschäftigung auf einem freien Arbeitsplatz auch zu geänderten Bedingungen anbieten und dabei klarstellen, dass im Falle der Ablehnung des Änderungsangebots eine Kündigung beabsichtigt sei, und dem Arbeitnehmer eine Überlegungsfrist einräumen. Im Urteil vom 25.4.2002 äußerte sich das Gericht noch zu der Frage, welche Arbeitsplätze für eine Weiterbeschäftigung in Betracht zu ziehen seien. Zunächst stellte es fest, dass eine Weiterbeschäftigung sowohl dem Arbeitnehmer als auch dem Arbeitgeber objektiv möglich und zumutbar sein müsste. Ein freier Arbeitsplatz müsste vorhanden und der Arbeitnehmer müsste dafür über die erforderlichen Fähigkeiten und Kenntnisse verfügen. Als frei seien grundsätzlich solche Arbeitsplätze anzusehen, die zum Zeitpunkt der Kündigung unbesetzt seien. Nach dem Rechtsgedanken des § 162 BGB könne sich der Arbeitgeber aber nicht auf einen von ihm selbst treuwidrig durch eine vorgezogene Stellenbesetzung verursachten Wegfall freier Arbeitsplätze im Kündigungszeitpunkt berufen. Aus der aktuellen Rechtsprechung ist das Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 26.9.200271 von Interesse, da der Zweite Senat einen der bislang nur selten vorgekommenen Fälle zu entscheiden hatte, in dem eine betriebsbedingte Kündigung aufgrund einer rechtsmissbräuchlich getroffenen Unternehmerentscheidung als sozial ungerechtfertigt anzusehen war. Der Senat stellte fest, es sei rechtsmissbräuchlich, „wenn der Arbeitgeber ein unternehmerisches Konzept zur Kostenreduzierung“ wähle, „das faktisch nicht zu Änderungen in den betrieblichen Abläufen, jedoch bei allen Arbeitnehmern der betroffenen Abteilungen zum Verlust ihres Arbeitsplatzes führen“ sollte, „obwohl nach wie vor ein – allenfalls reduzierter – Beschäftigungsbedarf“ bestehe. Es sei rechtsmissbräuchlich, wenn die Gründung einer im Sinne von § 2 Abs. 2 UStG in das Unternehmen des Arbeitgebers eingegliederten Organgesellschaft und die Übertragung von Arbeiten auf diese Gesellschaft in erster Linie nur dem Zweck diene, den Arbeitnehmern der betroffenen Bereiche ihren Kündigungsschutz zu ___________ 71

BAG v. 26.9.2002, NZA 2003, 549 ff.

G. Urteile des BAG seit dem Jahr 2000

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nehmen und sich von ihnen „frei“ zu trennen, damit die Arbeit in Zukunft von anderen, schlechter bezahlten Arbeitnehmern verrichtet werde. Der verfassungsrechtlich gebotene Mindestschutz wäre nicht mehr gewährleistet, würde man dem Arbeitgeber gestatten, Teilbereiche seines Betriebes „stillzulegen“, den betroffenen Arbeitnehmern ohne Kündigungsschutz zu kündigen, um dann dieselben Arbeiten an der selben Betriebsstätte durch eine finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in sein Unternehmen voll eingegliederte Organgesellschaft mit jüngeren und preiswerteren Arbeitskräften weiter verrichten zu lassen. In dem vom Bundesarbeitsgericht am 10.10.200272 entschiedenen Fall ging es um die betriebsbedingte Kündigung eines in einem Architekturbüro angestellten Architekten, der zum einen neben der Leitung der Planungsabteilung die ständige Vertretung des Beklagten in Verhandlungen, Behörden und Mitarbeitern innehatte und zum anderen aber hauptsächlich mit der Bearbeitung einzelner Projekte beschäftigt war. Aufgrund eines Beschlusses des Beklagten sollte das Architekturbüro neu organisiert werden, um es den geänderten Umsatzerwartungen anzupassen. Anstelle von ehemals 33 Arbeitnehmern sollten nur noch 20 Arbeitnehmer beschäftigt werden. Die Funktionen des Vertreters des Beklagten und eines Leiters der Planungsabteilung seien nicht mehr vorgesehen. Der Zweite Senat beurteilte die Kündigung als unwirksam, da der Beklagte die Kündigung im Wesentlichen mit dem Wegfall der Leitungs- und Vertretungsaufgabe begründet, aber nicht dargelegt habe, inwiefern die Tätigkeit der Projektarbeit geringer geworden sei. Laufe die unternehmerische Entscheidung letztlich auf den Abbau einer Hierarchieebene hinaus, bedürfe es der Konkretisierung dieser Entscheidung, damit geprüft werden könne, ob der Arbeitsplatz des betroffenen Arbeitnehmers tatsächlich weggefallen sei und die Entscheidung nicht offensichtlich unsachlich und willkürlich sei. Der Arbeitgeber müsse insbesondere darlegen, in welchem Umfang die bisher vom Arbeitnehmer ausgeübten Tätigkeiten zukünftig im Vergleich zum bisherigen Zustand entfallen. Er müsse aufgrund seiner unternehmerischen Vorgaben die zukünftige Entwicklung der Arbeitsmenge anhand einer näher konkretisierten Prognose darstellen und angeben, wie die anfallenden Arbeiten vom verbliebenen Personal ohne überobligationsmäßige Leistungen erledigt werden könnten.

___________ 72

BAG v. 10.10.2002, AP Nr. 123 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung.

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Zweiter Teil: § 6 Der Schlüsselbegriff der „Unternehmerentscheidung“

§ 6 Der Schlüsselbegriff der „Unternehmerentscheidung“ A. Unternehmerisches Handeln in der Marktwirtschaft In einer marktwirtschaftlich geprägten Gesellschaft bestimmt der Unternehmer die unternehmerischen Ziele und die dafür benötigten Mittel. Ein Unternehmen zu führen bedeutet, Tag für Tag eine Vielzahl an Entscheidungen auf den unterschiedlichsten Ebenen zu treffen. Entscheidungen von grundlegender Bedeutung, die in jedem Unternehmen getroffen werden müssen, sind – ohne Anspruch auf Vollständigkeit – neben der Festlegung der unternehmerischen Ziele, der Geschäftsbranche und des Produkts insbesondere auch die Wahl des Betriebsstandortes bzw. der Betriebsstandorte, Entscheidungen über die Größe der Betriebe wie über deren Kapitalausstattung und nicht zuletzt die Anzahl der zu beschäftigenden Arbeitnehmer. Diese Entscheidungen stehen in Qualität und Quantität zueinander in Abhängigkeit. Entscheidet sich beispielsweise der Unternehmer zur Herstellung eines bestimmten Produktes in geringerer Menge, so benötigt er meist auch nur einen kleineren Betrieb mit entsprechend weniger Arbeitnehmern, wohingegen die Steigerung des Betriebsumfangs mit mehr Arbeitnehmern angezeigt ist, wenn er das Produkt gleich in einer sehr großen Menge herstellen will. Die Faktoren der unternehmerischen Entscheidungen stehen also in einem inneren Zusammenhang1. Die unternehmerischen Entscheidungen sind ihrerseits in hohem Maße abhängig von dem ständig wechselnden Marktgeschehen. Das Marktgeschehen, der Wettbewerb und die Konkurrenzfähigkeit sind somit Auslöser für unternehmerische Entscheidungen. Zur Sicherung seiner Existenz und seiner wirtschaftlichen Erfolge muss ein Unternehmer seine unternehmerischen Ziele und die dafür eingesetzten Mittel stets den sich ändernden Marktanforderungen anpassen, wenn er im Wirtschaftsprozess mit seinem Unternehmen bestehen will2. Die Unternehmerentscheidungen sind für den wirtschaftlichen Erfolg oder auch für den Misserfolg des Unternehmens ausschlaggebend. Durch falsche Entscheidungen geraten der Bestand des Unternehmens und das eingesetzte Kapital in Gefahr3. Die zum Anpassen an den Markt gebotenen Anforderungen an das Unternehmen können sehr unterschiedlich aussehen und unterliegen einer unternehmerischen Einschätzung. Als Ergebnis seiner Analyse der volkswirtschaftlichen bzw. betriebswirtschaftlichen Situation des Unternehmens ge___________ 1

Berkowsky, S. 91.

2

Berkowsky, S. 91.

3

Berkowsky, S. 88.

A. Unternehmerisches Handeln in der Marktwirtschaft

105

langt der Unternehmer zu einer unternehmerischen Zielsetzung und Planung4, der so genannten Unternehmenspolitik5, die dann in der Folge zu weiteren bestimmten unternehmerischen Entscheidungen führt6. Die unternehmerischen Entscheidungen beinhalten also als Kern prognostische Beurteilungen der zukünftigen Entwicklung des Marktes. Unternehmerentscheidungen sind so gesehen unternehmerische Wagnisse vor dem Hintergrund der Markteinschätzung. Unter Umständen kann sich jedenfalls aufgrund unternehmerischer Entscheidungen die Anzahl von Beschäftigungsmöglichkeiten ändern. Arbeitsplätze können wegfallen, so dass betriebsbedingte Kündigungen anstehen. Nicht nur in seinem eigenen, sondern auch im allgemeinen Interesse ist der Unternehmer angehalten, einen zentralen Beitrag zum Fortschritt der Volkswirtschaft zu leisten durch ständiges Bemühen um die Konkurrenzfähigkeit des Unternehmens. Hierzu gehört im Wesentlichen auch das Beobachten und Nutzen neuer technischer Entwicklungen, um auch auf diesem Gebiet dem Druck des nationalen und internationalen Wettbewerbs standhalten zu können. Soweit technische Neuerungen einzelne Arbeitsgänge wegfallen lassen oder in ihrem Umfang wesentlich reduzieren, ergibt sich hieraus schnell ein Spannungsverhältnis zum Bemühen um den Erhalt von Arbeitsplätzen. So wie anerkannt ist, dass mit dem Eigentum eine gewisse Sozialpflichtigkeit einhergeht, so beinhaltet auch das Unternehmertum eine gewisse Sozialpflichtigkeit. Diese Sozialpflichtigkeit drückt sich vor allem in der Funktion des Unternehmers als Arbeitgeber aus. Als solcher nimmt er eine Machtstellung wahr, aus welcher ihm soziale Verantwortung erwächst, konkret fassbar gegenüber dem einzelnen Arbeitnehmer, im Weiteren für den Arbeitsmarkt sowie schließlich für die Sozialversicherungssysteme. Von daher ist der Staat berechtigt, der Freiheit des Unternehmers Grenzen zu setzen. Allerdings sieht sich der Staat vor die schwierige Aufgabe gestellt, die Grenzen nicht zu dicht und hinderlich zu setzen. Wenn in die Unternehmerfreiheit zu sehr eingegriffen wird, wird der unternehmerische Erfolg blockiert und bringt schließlich auch gesamtwirtschaftlich negative Folgen mit sich. Hinzu kommt, dass Unternehmer die sie einengenden Regeln zu umgehen suchen, indem sie beispielsweise im Ausland investieren. In dem Maße, wie der Unternehmer in Deutschland stärkere Einschränkungen in seiner Dispositionsfreiheit erfährt als im Ausland, in dem Maße kann das Ausland als Standort für Unternehmen an Attraktivität gewinnen. Auf diese Weise übt die Wirtschaft erheblichen Einfluss auf das ___________ 4

Dazu genauer v.Hoyningen-Huene, FS Kissel, 1994, 387, 396.

5

BAG v. 19.5.1993, BAGE 73, 151, 161.

6

v.Hoyningen-Huene, NZA 1994, 1009, 1010.

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Zweiter Teil: § 6 Der Schlüsselbegriff der „Unternehmerentscheidung“

Aufstellen von Sozialregeln aus. Der Staat sieht sich momentan dem Druck ausgesetzt, Sozialvorschriften abzubauen. Vertreter eines uneingeschränkten Liberalismus verlangen, die jeweils entgegenstehenden Kräfte auch auf dem Arbeitsmarkt frei zu lassen. Nach dieser Auffassung sei das hierfür vorauszusetzende Kräftegleichgewicht inzwischen vorhanden. Man müsse nicht mehr wie früher von der grundsätzlich schwächeren Lage der Arbeitnehmer ausgehen. Diese Auffassung dürfte jedoch zur Mindermeinung zählen. Die herrschende Meinung sieht nach wie vor ein Kräfteungleichgewicht zu Lasten der Arbeitnehmer und erkennt deren Schutzbedürftigkeit. Ausgewogen und sehr schön bildhaft ist deshalb die Forderung, die in dem Buchtitel von Marion Gräfin Dönhoff zum Ausdruck gelangt: „Zivilisiert den Kapitalismus: Grenzen der Freiheit“7.

B. Die Unternehmerentscheidung als erste Prüfungsvoraussetzung der betriebsbedingten Kündigung Betrachtet man sich den zur Prüfung der sozialen Rechtfertigung einer betriebsbedingten Kündigung maßgeblichen Gesetzestext des § 1 Abs. 2 KSchG, so fällt auf, dass der Gesetzgeber mit Worten allzu sparsam umgegangen ist. Eine Kündigung ist danach sozial gerechtfertigt, wenn sie durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers entgegenstehen, bedingt ist. Diese Formulierung ist für den Rechtsanwender nicht sehr hilfreich. Allein aufgrund dieses Gesetzestextes ist ein kündigungsrechtliches Problem kaum zu lösen. Man muss sich daher schon eingehend mit Rechtsprechung und Literatur befassen, um sich eine Prüfungssystematik zu erarbeiten. Das Vorliegen einer Unternehmerentscheidung wird stets als erste Voraussetzung für eine betriebsbedingte Kündigung angesehen, obwohl der Begriff der Unternehmerentscheidung nicht aus dem Wortlaut des § 1 KSchG hervorgeht und auch nicht klar ist, welchem Tatbestandsmerkmal die Unternehmerentscheidung zuzuordnen ist8. Die Unternehmerentscheidung ist der Ausgangspunkt für jede betriebsbedingte Kündigung. Sie wird kündigungsschutzrecht___________ 7 Marion Gräfin Dönhoff, Zivilisiert den Kapitalismus: Grenzen der Freiheit, Stuttgart 1997. 8 Grünberger, BRAK-Mitt. 1996, 111, 113; v.Hoyningen-Huene, NZA 1994, 1009, 1010; teilweise findet sich die Formulierung, dass die unternehmerische Entscheidung als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal dem § 1 KSchG hinzuzudenken ist, vgl. z. B. Wank, RdA 1987, 129, 135.

C. Der Begriff in der älteren Rechtsprechung

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lich als verbindlich zugrunde gelegt. Das bedeutet, dass unternehmerische Entscheidungen nach allgemeiner Ansicht und ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts von den Arbeitsgerichten nicht daraufhin zu überprüfen sind, ob sie sinnvoll oder zweckmäßig, sondern nur daraufhin, ob sie offenbar unsachlich, unvernünftig oder willkürlich sind9. Von den Arbeitsgerichten geprüft werden dagegen die in § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG genannten Merkmale der „dringenden betrieblichen Erfordernisse“. Das Verständnis des Begriffs der Unternehmerentscheidung und das Verhältnis zu den in § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG genannten Merkmalen „dringende betriebliche Erfordernisse“ hat also für die Feststellung der sozialen Rechtfertigung einer betriebsbedingten Kündigung eine zentrale Bedeutung10. Inhalt und Grenzen der arbeitsgerichtlichen Kontrolldichte der Prüfung der sozialen Rechtfertigung einer betriebsbedingten Kündigung sind also eng mit der Frage verbunden, was unter dem im Kündigungsschutzrecht verwendeten Begriff der Unternehmerentscheidung zu verstehen ist und ob und wie sich dieser Bereich der grundsätzlich unüberprüfbaren Unternehmerentscheidung von dem überprüfbaren Bereich der „dringenden betrieblichen Erfordernisse“ abgrenzen lässt. Rechtsprechung und Literatur haben versucht, den Begriff der Unternehmerentscheidung zu definieren, zu systematisieren bzw. von den im Gesetz genannten Merkmalen der „dringenden betrieblichen Erfordernisse“ abzugrenzen. Eine allgemein gültige Definition der „unternehmerischen Entscheidung“ scheint jedoch bisher noch nicht gefunden zu sein. Folgende Entwicklung kann aufgezeigt werden:

C. Der Begriff der Unternehmerentscheidung in der älteren Rechtsprechung In den Fünfziger Jahren vertrat die Rechtsprechung zwar überwiegend den Standpunkt, dass die Unternehmerentscheidung Sache des Unternehmers sei; eine Definition des Begriffs der Unternehmerentscheidung bzw. eine nähere ___________ 9 St. Rspr. vgl. z. B. BAG v. 7.12.1978, BAGE 31, 157, 162; BAG v. 24.10.1979, BAGE 32, 150, 155; BAG v. 19.5.1993, BAGE 73, 151, 158; v.HoyningenHuene/Linck, KSchG, § 1 Rn. 408; v.Hoyningen-Huene, NZA 1994, 1009, 1010; eine genauere Auseinandersetzung mit der Unüberprüfbarkeit unternehmerischer Entscheidungen folgt in § 7 der Untersuchung; in § 6 der Untersuchung geht es zunächst um den Begriff der Unternehmerentscheidung. 10

Vgl. Berkowsky, S. 87.

108

Zweiter Teil: § 6 Der Schlüsselbegriff der „Unternehmerentscheidung“

Auseinandersetzung ist allerdings nicht zu finden11. Erste Systematisierungsversuche sind in der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 7.8.195312 zu erkennen. Vom Tatbestandsmerkmal der dringenden betrieblichen Erfordernisse ausgehend, zählte das Landesarbeitsgericht beispielhaft einzelne Umstände auf, die als solche Erfordernisse in Betracht kommen. Dabei unterschied das Gericht einerseits zwischen organisatorischen Maßnahmen wie Produktionsumstellung und Rationalisierung, also vom Willen des Unternehmers abhängige Gründe, und andererseits Absatzschwierigkeiten und Rohstoffmangel, also vom Willen des Unternehmers unabhängige Gründe. In der Entscheidung vom 11.3.195513 äußerte sich das Landesarbeitsgericht Mannheim zur Unternehmerentscheidung dahingehend, „die wirtschaftliche Leitung und Ausgestaltung des Betriebes“ müsse in jedem Falle „ureigenstes Gebiet der freien Unternehmerentscheidung“ bleiben. Die Beweggründe, die den Unternehmer bei „der Führung seines Unternehmens entsprechend wirtschaftlichen Grundsätzen“ leiteten, seien „derart vielgestaltig und von zahlreichen außerhalb der rein betriebsrechtlichen Sphäre liegenden Gesichtspunkten abhängig, dass sie mit den Maßstäben rein rechtlicher Grundsätze nicht gemessen werden“ könnten. Eine Nachprüfbarkeit dieses weiten „Gebietes der wirtschaftlichen Verflechtungen“ sei „von jeher mit Recht von der Nachprüfung durch die Gerichte“ ausgeschlossen. „Ob ein Unternehmer mit Rücksicht auf die Erfordernisse des Wettbewerbes in der freien Wirtschaft Umgestaltungen seines Betriebes vornehmen soll oder nicht“, könne „er nur von diesen Ausgangspunkten aus beurteilen. Auch Umgestaltungen, die der Unternehmer vornimmt, um seinen Betrieb den technischen Neuerungen anzupassen und die Rentabilität seines Unternehmens mindestens aufrecht zu erhalten,“ müssten von der Rechtsordnung als gegebene Tatsachen respektiert werden. Es komme nicht darauf an, ob es sich um einen gut gehenden Betrieb handele oder nicht. Für die Entschließung des Unternehmers sei nicht allein das Streben nach einem höheren Gewinn entscheidend; die Entscheidung richte sich auch nach zahlreichen anderen wirtschaftlichen Gegebenheiten, die durchaus nicht mit der Erzielung eines größeren Unternehmensgewinnes zusammenhängen müssen. Hier wird also nur festgestellt, dass die Unternehmerentscheidung frei bleiben müsse. Die Frage, welche konkreten Entscheidungen aber in den kontrollfreien ___________ 11

Vgl. z. B. LAG Mannheim v. 30.11.1951, BB 1952, 376 (siehe dazu auch Zweiter Teil § 5 A., S. 73; LAG Bremen v. 29.10.1952, BB 1953, 356; LAG Düsseldorf v. 12.12.1952, BB 1953, 117 (siehe dazu Zweiter Teil § 5 A., S. 74 f.); LAG Bremen v. 6.5.1953, BB 1953, 532 (siehe dazu Zweiter Teil § 5 A., S. 75). 12 13

LAG Düsseldorf v. 7.8.1953, AP Nr. 4 zu § 1 KSchG m. krit. Anm. H. Krüger.

LAG Mannheim v. 11.3.1955, BB 1955, 574 (siehe dazu auch Zweiter Teil § 5 A., S. 77 ff.).

D. Systematisierung nach außer- und innerbetrieblichen Gründen

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Bereich hineinzuzählen sind, lässt das Landesarbeitsgericht Mannheim unbeantwortet. In dem Urteil vom 17.9.195714 formulierte das Bundesarbeitsgericht, es unterliege der Unternehmerentscheidung in eigener Verantwortlichkeit, ob ein Unternehmer Betriebsferien oder Kurzarbeit einlege bzw. andere Ausweichmöglichkeiten wähle oder aber sich zur Betriebsstilllegung entschließe, wenn eine sinnvolle Weiterarbeit des Betriebes ausgeschlossen sei. Etwas widersprüchlich lautete dann die Äußerung, die Ermessensfreiheit, zur Betriebsstilllegung zu schreiten, sei eingeschränkt, wenn die Krisenzeit durch eine mögliche weniger einschneidende Weise überwunden werden könne. In diesem Urteil greift das Gericht einzelne Unternehmerentscheidungen heraus, die nach seiner Ansicht frei bzw. eingeschränkt sein müssten. Eine generelle Auseinandersetzung der Abgrenzung des freien und des zu kontrollierenden Bereichs fehlt. Zudem bleibt die Frage offen, in wessen Beurteilungsermessen es steht, ob eine Weiterarbeit sinnvoll ist oder nicht. Auch in den darauf folgenden zwanzig Jahren ging die Rechtsprechung zwar überwiegend davon aus, in der Unternehmerentscheidung einen für die Arbeitsgerichte bindenden Umstand zu sehen, aber es ist kein Urteil zu finden, in dem die Unternehmerentscheidung konkret umschrieben oder etwa an die Erfüllung normativer Voraussetzungen geknüpft wäre15.

D. Systematisierung der Unternehmerentscheidung nach außer- und innerbetrieblichen Gründen Seit dem grundlegenden Urteil aus dem Jahr 1978 unterteilt das Bundesarbeitsgericht in ständiger Rechtsprechung16 die kündigungsbegründenden Ursa___________ 14 BAG v. 17.9.1957, AP Nr. 8 zu § 13 KSchG m. Anm. Dietz (siehe dazu auch Zweiter Teil § 5 A., S. 80 f.). 15 So auch die Untersuchung von Rommé/Pauker, NZA-RR 2000, 281, 282 f. 16 BAG v. 7.12.1978, BAGE 31, 157, 161; BAG v. 24.10.1979, BAGE 32, 150, 153; BAG v. 7.2.1985, BAG AP Nr. 9 zu § 1 KSchG 1969 Soziale Auswahl; BAG v. 20.2.1986, AP Nr. 11 zu § 1 KSchG 1969; BAG v. 15.6.1989, AP Nr. 45 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung; BAG v. 29.3.1990, BAGE 65, 61, 68; vgl. zu der Unterscheidung zwischen inner- und außerbetrieblichen Gründen u. a. ErfK/Ascheid, § 1 KSchG Rn. 399 ff.; Ascheid, DB 1987, 1144 ff.; ders., NZA 1991, 873, 874 f.; Berkowsky, S. 103 ff.; Bitter, DB 1999, 1214, 1216; KR/Etzel, § 1 KSchG Rn. 516 ff.; Franzen, NZA 2001, 805, 809; Hillebrecht, ZIP 1985, 257 ff.; ders., ZfA 1991, 87, 93 f.; v.Hoyningen-Huene/Linck, KSchG § 1 Rn. 366 ff.; Kittner/Däubler/Zwanziger, § 1 KSchG Rn. 257 ff.; U. Preis, NZA 1995, 241, 244 ff.; Schaub, NZA 1987, 217, 218;

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Zweiter Teil: § 6 Der Schlüsselbegriff der „Unternehmerentscheidung“

chen in inner- und außerbetriebliche. Die Einteilung in inner- und außerbetriebliche Gründe folgte offenbar einem Aufsatz von Schmidt17, in dem er Gedanken dazu geäußert hatte, welche betrieblichen Erfordernisse die Existenz von Arbeitsplätzen beeinflussen können. Schmidt meinte, betriebliche Erfordernisse könnten wirtschaftlicher, technischer oder organisatorischer Art sein. Diese ließen sich unterteilen einerseits in Maßnahmen, die vom Arbeitgeber hervorgerufen werden und andererseits in Umstände, die von außen auf den Betrieb einwirken würden.

I. Außerbetriebliche Gründe Außerbetriebliche Ursachen, die zum Wegfall des Arbeitsplatzes führen können, werden im Wesentlichen durch das Marktgeschehen bestimmt18. Zu ihnen werden all diejenigen Ursachen gerechnet, auf die der Betrieb unmittelbar keinen Einfluss hat. Beispielsweise zählen zu den außerbetrieblichen Gründen für eine betriebsbedingte Kündigung Auftragsmangel19, Absatzschwierigkeiten20, Umsatzrückgang21, Rohstoffmangel22, Energiemangel23, und im Bereich des öffentlichen Dienstes die Streichung von Haushaltsstellen24, Wegfall oder Kürzung von Drittmitteln25, Witterungsgründe26 etc. Arbeitsmarkt-, be___________ Singer/v.Finckenstein, Anm. zu BAG v. 17.6.1999 – 2 AZR 141/99 –, SAE 2000, 279, 283 f.; Stahlhacke, DB 1994, 1361, 1362; Stahlhacke/Preis/Vossen, Rn. 940. 17 Schmidt, AR-Blattei D Kündigungsschutz IV, Nachprüfung betrieblicher Maßnahmen im Kündigungsschutzprozess; vgl. auch Ascheid, NZA 1991, 873, 874 f. 18 Berkowsky, S. 103. 19 Dazu BAG v. 30.5.1985, AP Nr. 24 zu § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung m. Anm. Schmidt; BAG v. 15.6.1989, AP Nr. 45 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung; Berkowsky, S. 103 f. 20 Dazu Berkowsky, S. 103. 21 Dazu LAG Nürnberg v. 13.4.1999, NZA-RR 2000, 80, 81; Berkowsky, S. 109 f. 22 Dazu Berkowsky, S. 109. 23 Dazu Berkowsky, S. 105. 24 Dazu BAG v. 28.11.1956, AP Nr. 20 zu § 1 KSchG; BAG v. 3.5.1978, BAGE 30, 272, 277; BAG v. 18.11.1999, AP Nr. 55 zu § 2 KSchG 1969 m. Anm. Feudner; ErfK/Ascheid, § 1 KSchG Rn. 407; Berkowsky, S. 107 f.; KR/Etzel, § 1 KSchG Rn. 593; Hantel, ZTR 1998, 145, 152; Kittner/Däubler/Zwanziger, § 1 KSchG Rn. 339 a; Lakies, NZA 1997, 745, 748; Stahlhacke/Preis/Vossen, Rn. 987 ff.; v.Hoyningen-Huene/Linck, § 1 KSchG Rn. 367 ordnet die Kürzung von Haushaltsmitteln den innerbetrieblichen Gründen zu. 25 Dazu BAG v. 20.2.1986, AP Nr. 11 zu § 1 KSchG 1969; ErfK/Ascheid, § 1 KSchG Rn. 407; KR/Etzel, § 1 KSchG Rn. 584 f.; Lakies, NZA 1995, 296, 299; Plander, DB 1982, 1216, 1218 ff.; Stahlhacke/Preis/Vossen, Rn. 990.

D. Systematisierung nach außer- und innerbetrieblichen Gründen

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schäftigungs- oder sozialpolitische Faktoren stellen aber keine kündigungsrelevanten außerbetrieblichen Umstände dar, denn hierbei fehlt es an einem konkreten Bezug zum Betrieb27. Ein außerbetrieblicher Grund ist dann für eine betriebsbedingte Kündigung von Bedeutung, wenn durch ihn ein Überhang an Arbeitskräften herbeigeführt wird, durch den unmittelbar oder mittelbar das Weiterbeschäftigungsbedürfnis eines oder mehrerer Arbeitnehmer entfällt28. Außerbetriebliche Gründe können also in zweierlei Hinsicht eine betriebsbedingte Kündigung verursachen. Zu unterscheiden ist die unmittelbare bzw. direkte und die mittelbare bzw. indirekte Auswirkung.

1. Unmittelbare Auswirkung Bei Sachverhalten der direkten bzw. unmittelbaren Auswirkung eines außerbetrieblichen Grundes geht das Bundesarbeitsgericht29 davon aus, dass hier überhaupt keine Unternehmerentscheidung vorliege. Der Arbeitgeber mache von seinem unternehmerischen Gestaltungsrecht keinen Gebrauch, sondern reagiere nur zwangsläufig auf die veränderten außerbetrieblichen Faktoren. Berufe sich der Arbeitgeber auf derartige außerbetriebliche Gründe, dann seien die Gerichte nicht an eine vorgegebene Unternehmerentscheidung gebunden. Im Kündigungsschutzprozess müsse der Arbeitgeber den unmittelbaren Zusammenhang zwischen dem außerbetrieblichen Grund und der fehlenden Beschäftigungsmöglichkeit im Einzelnen darlegen und im Streitfall beweisen. Entgegen der Auffassung des Bundesarbeitsgerichts liegt aber eine unternehmerische Entscheidung immer vor, auch wenn sich der Arbeitgeber unmittelbar auf einen außerbetrieblichen Grund beruft30. Der Arbeitgeber stellt mit dieser Begrün___________ 26 Dazu BAG v. 7.3.1996, AP Nr. 76 zu § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung; Berkowsky, S. 110; v.Hoyningen-Huene/Linck, KSchG, § 1 Rn. 417 b; Kittner/Däubler/ Zwanziger, § 1 KSchG Rn. 322 a. 27 BAG v. 13.3.1987, BAGE 54, 248, 259; ArbG Wetzlar v. 8.1.1985, ArbuR 1986, 122; Diller, Kölner Tage des Arbeitsrechts 1999, 157, 171; KR/Etzel, § 1 KSchG Rn. 517; Mayer-Maly, ZfA 1988, 209, 218; U. Preis, DB 1988, 1387, 1391 f.; Stahlhacke/Preis/Vossen, Rn. 941. 28 BAG v. 30.5.1985, AP Nr. 24 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung m. Anm. Schmidt; vgl. auch Singer/v.Finckenstein, Anm. zu BAG v. 17.6.1999 – 2 AZR 141/99 –, SAE 2000, 279, 283. 29 Vgl. BAG v. 15.6.1989, AP Nr. 45 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung. 30 ErfK/Ascheid, § 1 KSchG Rn. 409.

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Zweiter Teil: § 6 Der Schlüsselbegriff der „Unternehmerentscheidung“

dung einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen dem außerbetrieblichen Grund und der Kündigung her31. Damit bindet sich der Unternehmer selbst an diesen Zusammenhang. Es handelt sich um eine so genannte selbstbindende Unternehmerentscheidung32. Der Arbeitgeber trägt im Prozess beispielsweise vor, er sehe sich zur Kündigung wegen des Auftragsrückgangs „leider gezwungen“33. Äußert er sich nicht ausdrücklich, so liegt eine stillschweigende bzw. eine verdeckte Unternehmerentscheidung vor34. Der Rückgriff auf außerbetriebliche Gründe kann also als eine Art Auffangtatbestand für diejenigen Fälle betrachtet werden, in denen der Arbeitgeber weder einen innerbetrieblichen Grund noch eine konkrete unternehmerische Entscheidung vorgetragen hat35. Die Kündigung ist in dem Fall der direkten Auswirkung des außerbetrieblichen Grundes nur dann sozial gerechtfertigt, wenn die geltend gemachten außerbetrieblichen Sachzwänge tatsächlich gegeben sind und auf die Beschäftigungsmöglichkeiten durchschlagen36. Das Vorliegen von außerbetrieblichen Gründen und die sich daraus ergebenden Auswirkungen auf den Arbeitskräftebedarf sind arbeitsgerichtlich im vollen Umfang nachprüfbar. Das Gericht stellt im Einzelnen fest, ob und in welchem Ausmaß sich der außerbetriebliche Umstand auf die Arbeitsmenge und damit auf die notwendige Zahl von Arbeitnehmern auswirkt. Nur in diesem Rahmen sind dann betriebsbedingte Kündigungen gerechtfertigt37. Beruft sich der Arbeitgeber unmittelbar auf das Vorliegen außerbetrieblicher Gründe, bindet er sich also in seiner Begründung selbst, so muss er im Kündigungsschutzprozess darlegen und beweisen, dass der außerbetriebliche Grund tatsächlich in dem von ihm behaupteten Umfang vorliegt. Ascheid38 schrieb dazu treffend: „Wer sich an Zwänge bindet, muss ___________ 31

Vgl. auch Stahlhacke, DB 1994, 1361, 1362. Zum Begriff der selbstbindenden Unternehmerentscheidung vgl. Zweiter Teil § 6 D. V. 1., S. 123 ff. 33 Vgl. z. B. BAG v. 15.6.1989, AP Nr. 45 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung; vgl. auch Ascheid, DB 1987, 1144, 1148; Rommé/Pauker, NZA-RR 2000, 282, 289. 34 Zutreffend v.Hoyningen-Huene, NZA 1994, 1009, 1011; zu den Begriffen der stillschweigenden bzw. verdeckten Unternehmerentscheidung vgl. Zweiter Teil § 6 D. V. 3., S. 129. 35 Franzen, NZA 2001, 805, 809; Rommé/Pauker, NZA-RR 2000, 281, 289. 36 BAG v. 15.6.1989, AP Nr. 45 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung; Ascheid, NZA 1991, 873, 876; ErfK/Ascheid, § 1 KSchG Rn. 433; Franzen, NZA 2001, 805, 809; Hillebrecht, ZfA 1991, 87, 97; Singer/v.Finckenstein, Anm. zu BAG v. 17.6.1999 – 2 AZR 141/99 –, SAE 2000, 279, 283. 37 Stahlhacke, DB 1994, 1361, 1362. 38 Ascheid, NZA 1991, 873, 876. 32

D. Systematisierung nach außer- und innerbetrieblichen Gründen

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auch eine Nachprüfung dieser Zwänge erdulden.“ Der Arbeitgeber muss in diesem Fall den außerbetrieblichen Umstand, also zum Beispiel Auftrags- oder Umsatzrückgang, anhand von Zahlen belegen. Es ist nicht ausreichend, wenn er nur pauschal vorträgt, die Kündigung sei aufgrund eines Umsatz- oder Auftragsrückgangs erforderlich gewesen. Der Arbeitgeber muss ferner darlegen und beweisen, dass sich der außerbetriebliche Grund unmittelbar zwingend unter Beachtung der betrieblichen Gegebenheiten auf die Beschäftigungsmöglichkeiten auswirkt, und dass nur solche Arbeitnehmer in die betriebliche Auswahl einbezogen wurden, die arbeitsvertraglich an die weggefallenen Beschäftigungsmöglichkeiten gebunden waren39. Der Arbeitgeber muss die Zusammenhänge zwischen dem außerbetrieblichen Grund und der Verringerung des Personalbestandes im Einzelnen vortragen40. Fraglich ist jedoch, wie und von wem der Personalbedarf im Hinblick auf die vorhandene Arbeitsmenge zu berechnen ist. Eine mathematische Berechnungsmethode in der Hinsicht, dass mit dem Auftragsrückgang proportional die Arbeitsmenge und dazu wiederum in demselben Verhältnis der Arbeitskräftebedarf abnimmt, lässt sich nicht aufstellen41. Im Streitfall wird daher der Arbeitskräftebedarf nicht nach einer exakten Methode ermittelt, auch nicht durch Hinzuziehung von Sachverständigen, sondern unterliegt nur einer Plausibilitätskontrolle42.

2. Mittelbare Auswirkung In der Praxis ist es häufig so, dass der Arbeitgeber außerbetriebliche Umstände zum Anlass nimmt, gestaltend tätig zu werden, also innerbetriebliche

___________ 39

ErfK/Ascheid, § 1 KSchG Rn. 401.

40

BAG v. 24.10.1979, BAGE 32, 150 ff.; Hillebrecht, ZfA 1991, 87, 94; Schrader, NZA 2000, 401; Singer/v.Finckenstein, Anm. zu BAG v. 17.6.1999 – 2 AZR 141/99 –, SAE 2000, 279, 284; Stahlhacke, DB 1994, 1361, 1362 f.; vgl. auch die Ausführungen zur selbstbindenden Unternehmerentscheidung Zweiter Teil § 6 D. V. 1., S. 123 ff. 41 Ascheid, NZA 1991, 873, 876; ders., DB 1987, 1144 ff.; Stahlhacke, DB 1994, 1361, 1362. 42 Stahlhacke, DB 1994, 1361, 1362; in der Entscheidung des BAG v. 30.5.1985 (AP Nr. 24 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung m. Anm. Schmidt) entschied das BAG, der Arbeitgeber müsse in einer nachvollziehbaren Weise ausführen, aus einem bestimmten Auftragsrückgang ergebe sich, dass für eine bestimmte Zahl von Arbeitnehmern kein Beschäftigungsbedürfnis mehr bestehe.

114

Zweiter Teil: § 6 Der Schlüsselbegriff der „Unternehmerentscheidung“

Umstrukturierungen durchzuführen43. Der Unternehmer bindet sich in diesen Fällen nicht an die außerbetrieblichen Gründe, sondern er nimmt sie nur als Anlass für die Betriebs- bzw. Unternehmensführung, wirtschaftlichen Problemen zu begegnen bzw. vorzubeugen und sich so motiviert für entsprechende gestaltende Maßnahmen zu entscheiden44. Münden diese gestaltenden Entscheidungen in betriebsbedingte Kündigungen, so sind die außerbetrieblichen Umstände für den Wegfall der Arbeitsplätze nur noch mittelbar ursächlich. Als unmittelbar ursächlich anzusehen sind dagegen die gestaltenden Maßnahmen45. Kündigungsschutzrechtlich relevant ist in diesem Fall letztlich nur die getroffene gestaltende Unternehmerentscheidung. Auf den außerbetrieblichen Grund ist hier nicht mehr abzustellen46. Außerbetriebliche Gründe sind also für eine Kündigung nur dann von Bedeutung, wenn sie sich in einer Kausalkette unmittelbar auf eine Verringerung des Beschäftigungsvolumens auswirken47. Die mittelbare Auswirkung außerbetrieblicher Gründe kann anhand eines Urteils des Bundesarbeitsgerichts vom 17.6.199948 verdeutlicht werden. Die Beklagte nahm den Rückgang des Warenumsatzes um 24 % im Jahre 1996 gegenüber 1995 zum Anlass, zum Zwecke der Kostenersparnis oder Verbesserung der Betriebsergebnisse den Arbeitsplatz einer Hilfskraft abzubauen. Zur Begründung der Kündigung führte sie nicht den Rückgang des Warenumsatzes als außerbetrieblichen Grund an, sondern stützte sich auf den innerbetrieblichen Organisationsentschluss. Die Beklagte hat sich nach ihrem Vortrag also nicht in der Weise selbst gebunden, dass sie die Personaleinschränkung nicht einschneidender durchführen wollte als es nach dem Umsatzrückgang erforderlich gewesen wäre. Dass sie die außerbetrieblichen Gründe zum Anlass der innerbetrieblichen Organisationsentscheidung genommen hat, änderte nicht den für innerbetriebliche Umstände anzuwendenden Prüfungsmaßstab. Das Gericht hat nicht nachzuprüfen, ob der für den Arbeitgeber maßgebende Anlass die ge___________ 43 ErfK/Ascheid, § 1 KSchG Rn. 402; KR/Etzel, § 1 KSchG Rn. 518; Franzen, NZA 2001, 805, 809; Singer/v.Finckenstein, Anm. zu BAG v. 17.6.1999 – 2 AZR 141/99 –, SAE 2000, 279, 283; Stahlhacke/Preis/Vossen, Rn. 942. 44 Zum Begriff der gestaltenden Unternehmerentscheidung vgl. Zweiter Teil § 6 D. V. 2., S. 127 ff. 45 Vgl. BAG v. 30.4.1987, BAGE 55, 262, 270; Berkowsky, S. 103; v.HoyningenHuene/Linck, § 1 KSchG Rn. 368; Stahlhacke/Preis/Vossen, Rn. 942. 46 KR/Etzel, § 1 KSchG Rn. 518; Kleinebrink, FA 2000, 70; Singer/v.Finckenstein, Anm. zu BAG v. 17.6.1999 – 2 AZR 141/99 –, SAE 2000, 279, 283 f. 47

Vgl. auch BAG v. 15.6.1989, AP Nr. 45 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung. 48

BAG v. 17.6.1999 – 2 AZR 456/98 –, BAGE 92, 79 ff.

D. Systematisierung nach außer- und innerbetrieblichen Gründen

115

troffene organisatorische Maßnahme erforderlich gemacht hat und ob sie geeignet ist, den mit ihr verfolgten wirtschaftlichen Zweck zu erreichen49.

II. Innerbetriebliche Gründe Unter innerbetrieblichen Gründen sind alle betrieblichen Maßnahmen auf technischem, organisatorischem oder wirtschaftlichem Gebiet zu verstehen, durch die der Arbeitgeber seine Entscheidung über die der Geschäftsführung zugrunde liegende Unternehmenspolitik verwirklicht50, oder anders formuliert, mittels derer er sein unternehmerisches Gestaltungsrecht bzw. sein unternehmerisches Ermessen51 ausübt im Hinblick auf den Markt oder hinsichtlich der unternehmensinternen Organisation des Betriebes und der Produktion. Zu den innerbetrieblichen Ursachen gehören regelmäßig sämtliche Faktoren, die von innen auf den Betrieb einwirken. In Rechtsprechung und Literatur ohne erkennbares System gegebene Beispiele sind etwa Rationalisierungsmaßnahmen52, Umstellung oder Einstellung der Produktion, Kostenreduzierung53, die Änderung oder Einführung neuer Fertigungs-, Arbeits- bzw. Produktionsmethoden54, Umwandlung einer Halbtags- in eine Ganztagsstelle55, überhaupt die Festlegung, ob die Arbeiten in Vollzeit- oder Teilzeitarbeitsplätzen erledigt werden sollen56, Einführung von Arbeitsschichten57, Gewinnverfall oder Unrentabilität des Betriebes58, die Zusammenlegung von Arbeitsbereichen, die ___________ 49

Vgl. auch BAG v. 30.4.1987, BAGE 55, 262, 270 f. Vgl. Hillebrecht, ZfA 1991, 87, 94; KR/Etzel, § 1 KSchG Rn. 519; Singer/ v.Finckenstein, Anm. zu BAG v. 17.6.1999 – 2 AZR 141/99 –, SAE 2000, 279, 283. 51 BAG v. 20.2.1986, AP Nr. 11 zu § 1 KSchG 1969. 52 Dazu BAG v. 30.4.1987, BAGE 55, 262, 266; ErfK/Ascheid, § 1 KSchG Rn. 416 f.; Berkowsky, S. 117 f.; KR/Etzel, § 1 KSchG Rn. 598 ff.; Hillebrecht, ZfA 1991, 87, 108 ff.; Kittner/Däubler/Zwanziger, § 1 KSchG Rn. 345 f.; Stahlhacke/Preis/ Vossen, Rn. 941. 53 LAG Köln v. 10.11.1993, NZA 1995, 128; Schaub, BB 1994, 1060; Schiefer, WiB 1995, 313. 54 Vgl. v.Hoyningen-Huene/Linck, § 1 KSchG Rn. 367; Stahlhacke/Preis/Vossen, Rn. 941; Berkowsky, S. 111 und 115. 55 Dazu LAG Hamburg v. 20.11.1996, LAGE § 2 KSchG Nr. 25; LAG RheinlandPfalz v. 10.5.1988, LAGE § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 16; v.Hoyningen-Huene/Linck, KSchG, § 1 Rn. 367; Stahlhacke, DB 1994, 1361, 1365. 56 BAG v. 19.5.1993, BAGE 73, 151, 161. 57 BAG v. 18.1.1990, BAGE 64, 24, 29; Stahlhacke, DB 1994, 1361, 1365. 58 Dazu Ascheid, DB 1987, 1144, 1146 f.; Stahlhacke, DB 1994, 1361, 1362. 50

116

Zweiter Teil: § 6 Der Schlüsselbegriff der „Unternehmerentscheidung“

Verlagerung eines Teils der Produktion ins Ausland, die Verlagerung von bestimmten Tätigkeiten auf Fremdfirmen bzw. Subunternehmer59, die Betriebseinschränkung60, die Stilllegung eines Betriebs61 oder Betriebsteils bzw. einer Betriebsabteilung62, die Umstellung der Arbeitsverhältnisse in freie Mitarbeitsverhältnisse63, Gewinnmaximierung64, die Erhöhung der Arbeitsdichte durch Umorganisation des Arbeitsablaufs65, organisatorische Veränderungen, wie etwa die Einführung von Lean-Management oder Gruppenarbeit66 und letztlich auch die Entscheidung des Arbeitgebers, den Personalbestand auf Dauer zu reduzieren67 etc. Auch bei den innerbetrieblichen Gründen ist genau genommen zu differenzieren einerseits zwischen den Beweggründen bzw. Motiven des Unternehmers und andererseits seiner Entscheidung. Zunächst analysiert der Unternehmer die betriebswirtschaftliche Lage des Unternehmens, um dann Ziele und Planvorgaben zu setzen, die schließlich zu konkreten unternehmerischen Entscheidungen führen68. Innerbetriebliche Gründe für sich genommen haben zunächst auf die Beschäftigungslage keinen unmittelbaren Einfluss69. Einfluss haben sie erst dann, wenn der Arbeitgeber die als Ergebnis seiner Analyse formulierten innerbetrieblichen Ziele zum Anlass nimmt, die Betriebsorganisation den veränderten Verhältnissen anzupassen. Er trifft dann eine gestaltende Unternehmer___________ 59 BAG v. 30.4.1987, BAGE 55, 262, 269; BAG v. 17.6.1999 – 2 AZR 522/98 –, BAGE 92, 61, 66. 60 Dazu Berkowsky, S. 111 f. 61 Dazu BAG v. 28.4.1988, AP Nr. 74 zu § 613 a BGB m. Anm. Hefermehl; BAG v. 19.6.1991, AP Nr. 53 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung; ErfK/Ascheid, § 1 KSchG Rn. 411 f.; Berkowsky, S. 112 ff.; v.Hoyningen-Huene/Linck, KSchG § 1 Rn. 414 ff.; Kühling, ArbuR 2003, 92, 97 f.; Plander, NZA 1999, 505 ff.; Schrader, NZA 2000, 401, 402. 62 ErfK/Ascheid, § 1 KSchG Rn. 415; Berkowsky, S. 120. 63 Dazu BAG v. 9.5.1996, BAGE 83, 127, 136; Berkowsky, S. 116 f.; Diller, Kölner Tage des Arbeitsrechts 1999, 157, 164. 64 Dazu Diller, Kölner Tage des Arbeitsrechts 1999, 157, 162; Franzen, NZA 2001, 805, 810; Stahlhacke, DB 1994, 1361, 1365. 65 BAG v. 26.6.1975, AP Nr. 1 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung. 66 v.Hoyningen-Huene/Linck, § 1 KSchG Rn. 367. 67 Dazu BAG v. 17.6.1999 – 2 AZR 141/99 –, BAGE 92, 71 ff.; Berkowsky, S. 118 f.; Diller, Kölner Tage des Arbeitsrechts 1999, 157, 165; Hillebrecht, ZfA 1991, 87, 106 ff.; v.Hoyningen-Huene, NZA 1994, 1009, 1011; Singer/v.Finckenstein, Anm. zu BAG v. 17.6.1999 – 2 AZR 141/99 –, SAE 2000, 279, 283 f. 68 Siehe z. B. BAG v. 19.5.1993, BAGE 73, 151, 159 f.; v.Hoyningen-Huene, NZA 1994, 1009, 1010; v.Hoyningen-Huene/Linck, KSchG, § 1 Rn. 366; U. Preis, NZA 1995, 241, 244. 69 Stahlhacke, DB 1994, 1361, 1363.

D. Systematisierung nach außer- und innerbetrieblichen Gründen

117

entscheidung70. Diese Reihenfolge tritt jedoch nicht immer deutlich hervor. Eine saubere begriffliche Trennung der innerbetrieblichen Gründe von der gestaltenden Entscheidung, auf die der Arbeitgeber die Kündigung stützt, findet sich eher selten71. Fraglich ist, was bei diesen autonomen, also nicht von außen bedingten Unternehmerentscheidungen gerichtlich zu prüfen ist. Hier ist die Abgrenzungsfrage der freien Unternehmerentscheidung von dem zu überprüfenden Bereich bereits schwieriger zu beantworten als bei den außerbetrieblichen Faktoren, da und sofern die Unternehmerentscheidung in diesen Fällen dichter an den Kündigungsentschluss heranrückt. Dies gilt in besonderem Maße für den Entschluss, Personal zu reduzieren, da dieser im Kündigungsentschluss praktisch aufgeht72. In dem Urteil vom 24.10.197973 führte das Bundesarbeitsgericht aus, bei Kündigungen aus innerbetrieblichen Gründen müsse der Arbeitgeber darlegen, welche Maßnahmen er angeordnet habe und wie sie sich auf den Arbeitsplatz des gekündigten Arbeitnehmers auswirkten. Von den Gerichten sei grundsätzlich nicht zu prüfen, ob der für den Arbeitgeber maßgebende Anlass die von ihm getroffene organisatorische Maßnahme auch erforderlich gemacht habe und ob die Unternehmerentscheidung geeignet sei, den mit ihr verfolgten Zweck zu erreichen. Der Arbeitgeber brauche deshalb die Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit der innerbetrieblichen Maßnahme nicht zu begründen. Die innerbetrieblichen Maßnahmen sind demnach grundsätzlich nicht darauf hin zu überprüfen, ob sie durch äußere Anlässe erforderlich geworden und darüber hinaus geeignet sind, den mit ihr verfolgten Zweck zu erreichen74. Grundsätzlich ist auch die auf innerbetrieblichen Gründen beruhende gestaltende Unternehmerentscheidung nur eingeschränkt gerichtlich überprüfbar. Sie ist nicht auf ihre Zweckmäßigkeit zu überprüfen, sondern unterliegt ausschließlich der Missbrauchskontrolle75. Ob und gegebenenfalls welche innerbetrieblichen Maßnahmen der Arbeitgeber trifft, um den sich ständig ändernden Marktdaten ___________ 70

Singer/v.Finckenstein, Anm. zu BAG v. 17.6.1999 – 2 AZR 141/99 –, SAE 2000, 279, 283 f.; Stahlhacke, DB 1994, 1361, 1362; zur gestaltenden Unternehmerentscheidung siehe nachfolgend Zweiter Teil § 6 D. V. 2., S. 127 ff. 71 Stahlhacke/Preis/Vossen, Rn. 941. 72 Vgl. Singer/v.Finckenstein, Anm. zu BAG v. 17.6.1999 – 2 AZR 141/99 –, SAE 2000, 279, 284. 73 BAG v. 24.10.1979, BAGE 32, 150, 154. 74 Vgl. BAG v. 17.6.1999 – 2 AZR 456/98 –, BAGE 92, 79, 89 m.w.N.; Kleinebrink, FA 2000, 70, 71. 75 Stahlhacke, DB 1994, 1361, 1362.

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Zweiter Teil: § 6 Der Schlüsselbegriff der „Unternehmerentscheidung“

Rechnung zu tragen, liegt in seinem unternehmerischen Ermessen76. Vom Gericht voll nachgeprüft wird aber, ob eine unternehmerische Entscheidung vorliegt und ob durch deren Umsetzung das Beschäftigungsbedürfnis für eine bestimmte Zahl von Arbeitnehmern entfallen ist. Beruft sich der Arbeitgeber auf innerbetriebliche Umstände und somit regelmäßig auf eine gestaltende Unternehmerentscheidung, so muss er also im Einzelnen darlegen, wer wann welche organisatorischen oder technischen Maßnahmen genau getroffen hat77. Sofern die betriebsbedingte Kündigung auf die beabsichtigte zukünftige Entwicklung des Betriebes gestützt wird, setzt die Wirksamkeit der Kündigung voraus, dass die geplante Maßnahme bereits greifbare Formen angenommen hat78. Aufgrund einer vernünftigen betriebswirtschaftlichen Prognose muss zu erwarten sein, dass bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist für den gekündigten Arbeitnehmer eine Beschäftigungsmöglichkeit entfallen wird79. Für die „Greifbarkeit“ reicht ein durch Gesellschafterversammlung und Vorstand gefasster Beschluss aus80; dabei ist nicht erforderlich, dass dieser einer weiteren Öffentlichkeit bekannt geworden ist. Auch ist es nicht erheblich, ob der Beschluss gesellschaftsrechtlich wirksam ist. Entscheidend ist allein, ob der Beschluss tatsächlich durchgeführt wird und mit dem Ablauf der Kündigungsfrist für den Arbeitnehmer eine Beschäftigungsmöglichkeit entfallen wird81.

III. Mischformen Jede Unternehmerentscheidung beruht auf einer Wechselbeziehung zwischen Markt und Unternehmen82. Oft wirken – wie bereits erwähnt – außerbetriebliche Umstände als Auslöser für innerbetriebliche Erwägungen und Maßnahmen; das heißt, innerbetriebliche Gründe basieren häufig auf volks- oder

___________ 76

Vgl. auch KR/Etzel, § 1 KSchG Rn. 519. Kleinebrink, FA 2000, 70, 71. 78 BAG v. 28.4.1988, AP Nr. 74 zu § 613 a BGB m. Anm. Hefermehl; BAG v. 19.5.1988, BAGE 59, 12, 25; ErfK/Ascheid, § 1 KSchG Rn. 413 und 422. 79 BAG v. 19.5.1988, BAGE 59, 12, 26; BAG v. 19.6.1991, AP Nr. 53 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung; BAG v. 12.4.2002, AP Nr. 120 zu § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung. 80 BAG v. 19.6.1991, AP Nr. 53 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung. 81 BAG v. 5.4.2001, AP Nr. 117 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung. 82 Annuß/Hammer, JA 1997, 377, 378. 77

D. Systematisierung nach außer- und innerbetrieblichen Gründen

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betriebswirtschaftlichen Umständen83 bzw. Entwicklungen. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn sich der Unternehmer aufgrund einer verringerten Nachfrage entschließt, bestimmte Produkte nicht weiter zu produzieren. Häufig wirken auch außerbetriebliche und innerbetriebliche Umstände zusammen, so dass der daraufhin getroffenen Unternehmerentscheidung keine monokausale bzw. eindimensionale Ursache zugrunde liegt84. Ein Mischfall liegt also stets vor, wenn außer- und innerbetriebliche Gründe zusammenwirken und den Unternehmer zu einer Entscheidung veranlassen, die schließlich zu einer kündigungsrelevanten Lage führt. Nicht in jedem Fall kann also der Anlass für die Unternehmerentscheidung eindeutig einer der beiden Kategorien der außerbzw. der innerbetrieblichen Gründe zugeordnet werden. Dies ist aber letztlich auch unerheblich, denn kündigungsschutzrechtlich relevant ist allein die getroffene Unternehmerentscheidung, die grundsätzlich von den Gerichten nicht auf Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit überprüfbar ist. Es gibt daher auch Stimmen in der Literatur, die sich dahingehend aussprechen, die Unterscheidung zwischen inner- und außerbetrieblich veranlassten Kündigungen sei überflüssig85.

IV. Sinn und Zweck sowie Kritik der Unterscheidung Für eine Unterscheidung zwischen innerbetrieblich und außerbetrieblich veranlassten betriebsbedingten Kündigungen ergeben sich aus dem Gesetz keine Anhaltspunkte. Es ist deshalb fraglich, welchen Sinn und Zweck diese Unterscheidung mit sich bringt. Wie schon erwähnt, wird von mancher Seite vorgeschlagen, auf die Unterscheidung zwischen außer- und innerbetrieblichen Umständen gänzlich zu verzichten86. Die Differenzierung trage zur Verwirrung bei, weil dadurch der Ein___________ 83

Siehe bereits die Ausführungen zu der mittelbaren Auswirkung außerbetrieblicher Gründe im Zweiten Teil § 6 D. I. 2., S. 113 ff.; vgl. auch v.Hoyningen-Huene, NZA 1994, 1009. 84 Rieble, Anm. zu BAG v. 17.6.1999 – 2 AZR 141/99 –, EzA Nr. 102 zu § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung. 85 Siehe dazu nachfolgend Sinn und Zweck sowie Kritik an der Unterscheidung zwischen inner- und außerbetrieblichen Gründen. 86 Kritisch zu der Differenzierung äußern sich u. a. Annuß/Hammer, JA 1997, 377, 378; Berkowsky, NJW 1983, 1292, 1293; Buchner, DB 1984, 504, 505; Franzen, NZA 2001, 805, 809; v.Maydell/Borchert, Anm. zu BAG v. 24.10.1979, SAE 1981, 214, 219; Meisel, ZfA 1985, 213, 218 ff.; Peterek, Anm. zu BAG v. 30.4.1987, SAE 1988, 206, 211; U. Preis, NZA 1995, 241, 244; Reuter, Anm. zu BAG v. 7.12.1978, AP Nr. 6 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung; Rieble, Anm. zu BAG v. 17.6.1999 –

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Zweiter Teil: § 6 Der Schlüsselbegriff der „Unternehmerentscheidung“

druck entstehe, dass die außerbetrieblich begründete betriebsbedingte Kündigung einem recht strikten Prüfungsraster unterstehe, während die innerbetrieblichen Gründe einer weniger strengen Überprüfung unterlägen87. Zu beachten sei auch, dass die Trennung nicht immer eindeutig sei88. Rechtlich gesehen sei die Unterscheidung bedeutungslos89. Es komme nicht darauf an, aus welchem Anlass der Unternehmer eine Entscheidung getroffen habe, die schließlich zu einer Kündigung führe. Für die Wirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung sei es unerheblich, ob sie letztlich auf außerbetriebliche oder innerbetriebliche Ursachen zurückzuführen sei. Die Unterscheidung sei also keineswegs zwingend. Sie sei nur eine phänomenologische Umschreibung möglicher betriebsbedingter Kündigungstatsachen90. Es gibt ferner auch Ansichten, man solle anstelle zwischen inner- und außerbetrieblichen Gründen zwischen aktiv oder reaktiv getroffenen Unternehmerentscheidungen91 bzw. zwischen heteronom veranlassten und autonomen Entschlüssen92 differenzieren. Andere Autoren dagegen verteidigen die Differenzierung zwischen innerund außerbetrieblich veranlassten Kündigungen93. Die Unterscheidung sei im Hinblick auf die gerichtliche Überprüfbarkeit, den gerichtlichen Prüfungsmaßstab und schließlich für die Darlegungs- und Beweislast im Prozess von Bedeutung94. Die Differenzierung diene der systematischen Erfassung und der Abgrenzung der einzelnen Gründe, die schließlich zu einer betriebsbedingten Kündigung führen95. Sie mache den gesamten kündigungsrelevanten Entschei___________ 2 AZR 141/99 –, EzA Nr. 102 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung; Rommé/Pauker, NZA-RR 2000, 281, 288 ff.; Sowka, MDR 1995, 1195; Stahlhacke/ Preis/Vossen, Rn. 940; Wank, RdA 1987, 129, 135; ders., Anm. zu BAG v. 27.9.1984, SAE 1986, 147, 152. 87 U. Preis, NZA 1995, 241, 244. 88 Haupt/Welslau, BuW 1995, 623; vgl. auch die Darstellung zu den Mischformen im Zweiten Teil § 6 D. III., S. 118 f. 89 So auch Sowka, MDR 1995, 1195. 90 So Stahlhache/Preis/Vossen, Rn. 940. 91 Vgl. Annuß/Hammer, JA 1997, 377, 378. 92 Vgl. Wank, Anm. zu BAG v. 27.9.1984, SAE 1986, 147, 152; ders., RdA 1987, 129, 135. 93 Ascheid, DB 1987, 1144, 1148; ders., NZA 1991, 873, 876; Bitter, DB 1999, 1214, 1216; Hillebrecht, ZIP 1985, 257 f.; ders., ZfA 1991, 87, 97 f. 94 Haupt/Welslau, BuW 1995, 623; Schiefer, WiB 1995, 313; Stahlhacke, DB 1994, 1361, 1362. 95 So auch Franzen, NZA 2001, 805, 809; v.Hoyningen-Huene/Linck, KSchG, § 1 Rn. 366.

D. Systematisierung nach außer- und innerbetrieblichen Gründen

121

dungsvorgang griffiger und transparenter und erleichtere damit eine Rechtsfindung. Auch für den Arbeitgeber habe die Unterscheidung einen zwar nicht zwingenden, so doch einen gewissen praktischen Nutzen96, weil sie auch ihm helfe, sich selbst den maßgeblichen Kündigungssachverhalt bewusst zu machen und diesen im Prozess konkret zu schildern97. Sie bewege den Arbeitgeber zum genauen Durchdenken des Sachverhaltes, so dass schließlich auch voreilige Kündigungen vermieden werden können98. Das möglichst konkrete Erfassen der Kündigungsursachen verdeutliche schließlich auch den konkreten Zweck der unternehmerischen Entscheidung. Dieser Zweck sei schließlich maßgeblich für die Prüfung, ob anstelle der Beendigungskündigung geeignete mildere Maßnahmen in Betracht kommen99. Die kritischen Stimmen haben ihre Berechtigung. Die Unterscheidung hat tatsächlich nur einen deskriptiven Charakter und ist rechtlich gesehen nicht erheblich. Die Aussage, die Unterscheidung sei im Hinblick auf die gerichtliche Überprüfbarkeit und für die Darlegungs- und Beweislast im Prozess von Bedeutung, ist mit Vorsicht zu betrachten und darf keinesfalls schematisch angewendet werden, denn hinsichtlich der Darlegungs- und Beweislast kommt es jeweils darauf an, wie der Unternehmer auf vorliegende außer- bzw. innerbetriebliche Gründe reagiert hat100. Es lässt sich kein pauschaler Prüfungsmaßstab finden, denn weder außer- noch innerbetriebliche Gründe führen für sich genommen zu einem Wegfall eines Arbeitsplatzes101. Die Vorschläge dahin, nach aktiv und reaktiv bzw. autonom und heteronom getroffenen Unternehmerentscheidungen zu trennen, sind ebenfalls nicht weiterführend. Sie stellen lediglich andere Bezeichnungen für die verschiedenen Entscheidungsvorgänge dar. In allen Fällen bedarf es einer unternehmerischen Entscheidung, mit der auf die externen bzw. internen Umstände reagiert wird102. Diese unternehmerische Entscheidung, ob nun auf inner- oder außerbetrieblichen Gründen basierend, aktiv oder reaktiv, autonom oder heteronom getroffen, ist dann der Ausgangs___________ 96

Auch Hillebrecht zeigt den praktischen Nutzen der Unterscheidung auf und weist darauf hin, dass die Unterscheidung deshalb „kein überflüssiges Glasperlenspiel“ sei, ZfA 1991, 87, 97 f. 97 Die Unterscheidung erleichtere es dem kündigenden Arbeitgeber, seine Darlegungslast zu erfüllen; Ascheid, NZA 1991, 873, 876; Hillebrecht, ZfA 1991, 87, 98; Kittner/Däubler/Zwanziger, § 1 KSchG Rn. 258 f. 98 Ascheid, DB 1987, 1144, 1148. 99 Stahlhacke/Preis/Vossen, Rn. 943. 100 Vgl. im Einzelnen zur Darlegungs- und Beweislast Zweiter Teil § 10 A. III. 2. b), S. 310 f. 101 Arbeitsplätze fallen nicht von selbst weg, Wank, RdA 1987, 129, 135. 102 Vgl. auch Ascheid, DB 1987, 1144, 1148.

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Zweiter Teil: § 6 Der Schlüsselbegriff der „Unternehmerentscheidung“

punkt für die Feststellung der dringenden betrieblichen Erfordernisse. Die Differenzierung der wirtschaftlichen Motive nach außer- und innerbetrieblichen Gründen für sich allein betrachtet ist jedenfalls unergiebig. Sinnvoll ist die Unterscheidung erst dann, wenn man die jeweils damit im Zusammenhang stehende unternehmerische Entscheidung mit einbezieht. Entscheidend ist letztlich, dass der Arbeitgeber beweisen muss, worauf er sich zur Begründung der Notwendigkeit von Kündigungen tatsächlich beruft103. Dabei muss der Arbeitgeber, der sich zu betriebsbedingten Kündigungen veranlasst sieht, nicht in einer Art Vorsubsumtion die rechtliche Einordnung der Motive seiner Unternehmerentscheidung in inner- bzw. außerordentliche Gründe vornehmen104. Wenn richtig auf die konkret getroffene Unternehmerentscheidung abgestellt wird, ist es unnötig, zwischen außer- und innerbetrieblichen Gründen der zur Kündigung führenden Unternehmerentscheidung zu unterscheiden105. Als Zwischenergebnis bleibt damit festzuhalten: Obwohl die Differenzierung zwischen außer- und innerbetrieblichen Umständen die Hintergründe der Unternehmerentscheidung transparenter macht und damit den gesamten Entscheidungsvorgang verdeutlicht, ist die Differenzierung aber rechtlich bedeutungslos. Damit der Rechtsanwender auch erkennen kann, dass es nicht auf das Vorliegen von außer- oder innerbetrieblichen Gründen ankommt, sollte das Hervorheben dieser Unterscheidung auch in der Rechtsprechung unterbleiben. Die Unterscheidung hilft letztlich auch keineswegs, einen grundsätzlich nicht justitiablen Bereich denkbarer Unternehmerentscheidungen festzulegen.

V. Differenzierung unternehmerischer Entscheidungen nach der Reaktion Inner- und außerbetriebliche Ursachen für sich genommen führen nicht automatisch eine Kündigung herbei. Dazu bedarf es als Zwischenschritt einer unternehmerischen Entscheidung, die die Grundlage für die betriebsbedingte Kündigung bildet. Teilweise werden inner- bzw. außerbetriebliche Gründe mit gestaltenden bzw. selbstbindenden Unternehmerentscheidungen gleichgesetzt106. Dies ist jedoch ungenau und daher nicht sachgerecht107. Inner- und au___________ 103

Kittner/Däubler/Zwanziger, § 1 KSchG Rn. 259. So zu Recht Ascheid, NZA 1991, 873, 874 f. 105 So auch Rieble, Anm. zu BAG v. 17.6.1999 – 2 AZR 141/99 –, EzA Nr. 102 zu § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung. 106 Vgl. z. B. ErfK/Ascheid, § 1 KSchG Rn. 399: „Die selbstbindende Unternehmerentscheidung wird in der Rechtsprechung ,außerbetrieblicher’ Grund genannt, die gestaltende als ,innerbetrieblicher’ Grund bezeichnet“. 104

D. Systematisierung nach außer- und innerbetrieblichen Gründen

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ßerbetriebliche Gründe stellen lediglich die Veranlassung bzw. den Ausgangspunkt für die Unternehmerentscheidung dar. Dagegen handelt es sich bei der gestaltenden bzw. selbstbindenden Unternehmerentscheidung bereits um eine umsetzende unternehmerische Entscheidung, also um einen Organisationsakt, mit dem der Arbeitgeber auf die außer- bzw. innerbetrieblichen Gründe reagiert. Bei Vorliegen von außerbetrieblichen Gründen kann der Unternehmer sowohl eine selbstbindende Unternehmerentscheidung treffen als auch eine gestaltende. Es gibt keinen Automatismus, der darin besteht, dass der Unternehmer aufgrund außerbetrieblicher Umstände immer eine selbstbindende Unternehmerentscheidung trifft. Das der Unternehmerentscheidung zugrunde liegende Motiv und die Unternehmerentscheidung selbst sind also auseinander zu halten. Die Unternehmerentscheidung, mit der der Unternehmer auf das Vorliegen der außer- bzw. innerbetrieblichen Gründe zur Personalanpassung reagiert, kann in verschiedenen Formen erfolgen.

1. Selbstbindende Unternehmerentscheidung Wenn der Arbeitgeber im Prozess geltend macht, seine Kündigungen seien die zwangsläufige Folge außerbetrieblicher Gründe, liegt nach der Rechtsprechung und der herrschenden Meinung in der Literatur eine selbstbindende Unternehmerentscheidung vor108. Er beruft sich also darauf, Sachzwänge des Marktes führten zum Wegfall eines oder mehrerer Arbeitsplätze. Dies bedeutet, dass sich der Arbeitgeber selbst an die von ihm behaupteten Sachzwänge bindet109. Die Unternehmerentscheidung besteht dann darin, dass sich der Arbeitgeber entschließt, die Zahl der Arbeitskräfte den objektiv tatsächlich vorhandenen Beschäftigungsmöglichkeiten anzupassen110. In Betracht kommt eine Selbstbindung nur an solche Umstände, die sich zur unmittelbaren Verringe___________ 107

ErfK/Ascheid, § 1 KSchG Rn. 381 f.

108

Vgl. BAG v. 30.5.1985, AP Nr. 24 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung m. Anm. Schmidt; BAG v. 15.6.1989, AP Nr. 45 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung; vgl. ferner ErfK/Ascheid, § 1 KSchG Rn. 399 ff.; Ascheid, NZA 1991, 873, 876; Berkowsky, S. 94 f.; KR/Etzel, § 1 KSchG Rn. 518; Hillebrecht, ZfA 1991, 87, 94; Schaub, BB 1993, 1089, 1092; Schrader, NZA 2000, 401; Stahlhacke/ Preis/Vossen, Rn. 939. Zum Begriff der außerbetrieblichen Gründe vgl. Zweiter Teil § 6 D. I., S. 110 ff. 109 110

BAG v. 15.6.1989, AP Nr. 45 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung.

KR/Etzel, § 1 KSchG Rn. 518; Singer/v.Finckenstein, Anm. zu BAG v. 17.6.1999 – 2 AZR 141/99 –, SAE 2000, 279, 283.

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Zweiter Teil: § 6 Der Schlüsselbegriff der „Unternehmerentscheidung“

rung des Arbeitsvolumens eignen111. Beispielsweise verringert ein Auftragsrückgang unmittelbar das Arbeitsvolumen. Weitere Fälle der selbstbindenden Unternehmerentscheidung liegen vor, wenn der Arbeitgeber sich auf einen Umsatzrückgang oder eine Änderung der Marktstruktur bezieht112, oder wenn er geltend macht, infolge der technischen Entwicklung seien Arbeitsverrichtungsmöglichkeiten weggefallen113. Eine Selbstbindung liegt aber beispielsweise auch vor, wenn der Arbeitgeber dem Betriebsrat oder der Belegschaft gegenüber äußert, er werde die Rationalisierungsmaßnahme nicht einschneidender vornehmen, als es der Rückgang von Aufträgen oder Umsatz tatsächlich erfordere114. Nicht zwingend zum Wegfall von Beschäftigungsmöglichkeiten führt dagegen die Kündigung eines Darlehens oder das Entfallen einer Drittmittelfinanzierung115. Solche äußeren wirtschaftlichen Umstände bedürfen zunächst noch einer gesonderten betrieblichen Umsetzung. Ob der Unternehmer eine selbstbindende oder eine gestaltende Entscheidung getroffen hat, ist von Bedeutung für die Frage nach dem Umfang der Darlegungs- und Beweislast, die dem Arbeitgeber gemäß § 1 Abs. 2 S. 4 KSchG obliegt116. Bei einer selbstbindenden Unternehmerentscheidung hat der Arbeitgeber im Kündigungsschutzprozess darzulegen und zu beweisen, dass der außerbetriebliche Grund tatsächlich in dem von ihm behaupteten Umfang vorliegt117, dass sich dieser Grund unter Beachtung der betrieblichen Gegebenheiten118 unmittelbar auf die Beschäftigungsmöglichkeiten auswirkt und dass nur solche Arbeitnehmer in die betriebliche Auswahl einbezogen wurden, die arbeitsvertraglich aktuell an die weggefallenen Beschäftigungsmöglichkeiten gebunden waren119. Mit einer selbstbindenden Unternehmerentscheidung beruft sich also der Arbeitgeber auf eine unmittelbare Kausalkette zwischen außerbe-

___________ 111

ErfK/Ascheid, § 1 KSchG Rn. 403. BAG v. 15.6.1989, AP Nr. 45 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung. 113 ErfK/Ascheid, § 1 KSchG Rn. 407. 114 Hillebrecht, ZfA 1991, 87, 108; Stahlhacke, DB 1994, 1361, 1364. 115 BAG v. 20.2.1986, AP Nr. 11 zu § 1 KSchG 1969; ErfK/Ascheid, § 1 KSchG Rn. 403; Stahlhacke/Preis/Vossen, Rn. 990. 116 Ausführlich dazu Ascheid, NZA 1991, 873, 876; Stahlhacke, DB 1994, 1361, 1362 ff., Stahlhacke/Preis/Vossen, Rn. 939 117 BAG v. 15.6.1989, AP Nr. 45 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung; ErfK/Ascheid, § 1 KSchG Rn. 433; Hillebrecht, ZfA 1991, 87, 97. 118 Also unter Beachtung der Vertrags- und Betriebsfaktoren; dazu Schaub, BB 1993, 1089, 1092; vgl. auch Zweiter Teil § 8 A. II., S. 227 ff. 119 ErfK/Ascheid, § 1 KSchG Rn. 401; Schaub, BB 1993, 1089, 1092. 112

D. Systematisierung nach außer- und innerbetrieblichen Gründen

125

trieblichem Grund und Wegfall des Beschäftigungsbedürfnisses einer bestimmten Arbeitnehmeranzahl und muss sich daran messen lassen120. Stützt der Arbeitgeber im Prozess die ausgesprochene Kündigung unmittelbar auf das Vorliegen eines außerbetrieblichen Grundes, bringt er also beispielsweise vor, er könne nicht anders als kündigen, denn die Auftragslage sei um 20 % zurückgegangen, so schiebt er die Verantwortlichkeit für die Kündigung von sich weg. Dabei handelt er möglicherweise in dem Glauben, der betroffene Arbeitnehmer oder auch der Richter habe mehr Verständnis für eine solche Begründung. Der eine oder andere Arbeitgeber denkt unter Umständen auch, eine solche Begründung sei ein triftigeres Argument, als die Kündigung allein auf eine eigenverantwortliche gestaltende Unternehmerentscheidung zu stützen. Da die gestaltenden Unternehmerentscheidungen aber ebenfalls nicht auf ihre Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit überprüft werden, ist die Begründung mit einem außerbetrieblichen Grund keineswegs triftiger. Im Ergebnis kann dem Arbeitgeber sogar davon abgeraten werden, sich mit der kündigungsbegründenden Argumentation an außerbetriebliche Gründe zu binden121, denn die Kausalität zwischen dem außerbetrieblichen Grund und der Kündigung lässt sich leicht in Frage stellen. Das Zurückführen der Kündigung auf eine gestaltende Unternehmerentscheidung ist dagegen nicht so schnell zu erschüttern. Dem Arbeitgeber eröffnen sich mit der gestaltenden Unternehmerentscheidung also sehr viel größere Entscheidungsfreiräume. Die Selbstbindung und die Berechnung der zu entlassenden Arbeitnehmer gelten nur für die Obergrenze. Das heißt, ausgehend von den außerbetrieblichen Gründen ist zu ermitteln, wie viele Arbeitskräfte der Arbeitgeber maximal entlassen kann. Der Arbeitgeber kann letztlich allen Arbeitnehmern kündigen, die von dem außerbetrieblichen Ereignis unmittelbar erfasst werden122. Dagegen steht es dem Arbeitgeber frei, weniger Arbeitnehmer als rechnerisch erforderlich zu entlassen123. Kündigt der Arbeitgeber nur einer geringeren Anzahl von Arbeitnehmern, so bedeutet das nicht, dass auch die geringere Zahl von Entlassungen sozial ungerechtfertigt wäre124. Der Arbeitgeber kann also stets

___________ 120

KR/Etzel, § 1 KSchG Rn. 518.

121

Ascheid, NZA 1991, 873, 876: „Wer sich an Zwänge bindet, muss auch eine Nachprüfung dieser Zwänge erdulden.“ 122

ErfK/Ascheid, § 1 KSchG Rn. 402.

123

BAG v. 7.5.1998, BAGE 88, 375, 385; Berkowsky, S. 95.

124

ErfK/Ascheid, § 1 KSchG Rn. 404; Berkowsky, S. 95.

126

Zweiter Teil: § 6 Der Schlüsselbegriff der „Unternehmerentscheidung“

sozial verträglicher handeln. Beispielsweise kann er überzählige Arbeitnehmer „als Personalreserve“ behalten125. Problematisch ist, wie bereits unter dem Stichwort der unmittelbaren Auswirkung außerbetrieblicher Gründe auf den Wegfall von Arbeitplätzen bemerkt wurde126, die Berechnungsmethode zwischen dem außerbetrieblichen Grund und der Verringerung des Personalbestandes. Es lässt sich keine mathematische Formel aufstellen in dem Sinne, dass mit dem Auftragsrückgang proportional die Arbeitsmenge und dazu wiederum in demselben Verhältnis der Arbeitskräftebedarf abnimmt127. Eine proportionale Berechnung ist allenfalls bei gleichartigen Beschäftigungsmöglichkeiten in kleineren Betrieben denkbar. Als Beispiel kann der von Ascheid128 gebildete Fall herangezogen werden. Beschäftigt ein Unternehmer zehn Gebäudereiniger zu gleichen Bedingungen, so kann er einem Gebäudereiniger kündigen, wenn er darlegt und beweist, dass die Aufträge um 10 % zurückgegangen sind. Eine proportionale Berechnung des Wegfalls von Beschäftigungsmöglichkeiten versagt dagegen, wenn in einem Betrieb ungleichartige Beschäftigungsmöglichkeiten vorhanden sind129. In diesem Fall kann von dem außerbetrieblichen Grund nicht unmittelbar auf den Wegfall bestimmter Beschäftigungsmöglichkeiten geschlossen werden. In größeren komplex organisierten Betrieben mit Arbeitnehmern, deren Arbeitsvertragsinhalte sich nach der Art der auszuübenden Tätigkeiten deutlich unterscheiden, versagt die proportionale Berechnungsmethode regelmäßig. Der Unternehmer reagiert auf die außerbetrieblichen Umstände zunächst durch andere Maßnahmen, die dann den Wegfall von Arbeitsplätzen nach sich ziehen130. Bei der Berechnung, wie viele Arbeitskräfte für die Erledigung konkreter Arbeitsmengen innerhalb einer bestimmten Zeit gebraucht werden, hat der Unternehmer Gesetze, Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen zu beachten131. Diese Kriterien werden als „Betriebsfaktoren“ bezeichnet132. Ferner hat der Unternehmer bei der Ermittlung des Arbeitskräftebedarfs die so genannten „Vertragsfaktoren“ zu beachten. Das heißt, er muss die Arbeitsvertragsinhalte der Verträge seiner Ar___________ 125

ErfK/Ascheid, § 1 KSchG Rn. 404. Siehe Zweiter Teil § 6 D. I. 1., S. 111 ff. 127 Ascheid, NZA 1991, 873, 876; ders., DB 1987, 1144 ff.; Berkowsky, S. 95; Stahlhacke, DB 1994, 1361, 1362. 128 Siehe ErfK/Ascheid, § 1 KSchG Rn. 406. 129 ErfK/Ascheid, § 1 KSchG Rn. 405. 130 ErfK/Ascheid, § 1 KSchG Rn. 406. 131 Ascheid, NZA 1991, 873, 877. 132 Ascheid, NZA 1991, 873, 877. 126

D. Systematisierung nach außer- und innerbetrieblichen Gründen

127

beitnehmer und die Kundenverträge133 berücksichtigen. Zur Verdeutlichung der Berücksichtigung der Arbeitsvertragsinhalte kann wieder ein Fall von Ascheid134 exemplarisch herangezogen werden: Trägt der Arbeitgeber vor, die bisher von den Pförtnern erledigte Arbeitsmenge werde zukünftig von Schlossern übernommen, so ginge dies nur unter der Voraussetzung, dass die Arbeitsverträge der Schlosser auch die Verpflichtung zur Erledigung von Pförtnertätigkeiten beinhalten. Bei der selbstbindenden Unternehmerentscheidung sind also die vertraglichen und betrieblichen Faktoren von erheblicher Bedeutung135. Im Streitfall wird der Arbeitskräftebedarf somit nicht nach einer exakten Methode ermittelt, auch nicht durch Hinzuziehung von Sachverständigen, sondern unterliegt nur einer Plausibilitätskontrolle136. Der sich auf außerbetriebliche Gründe berufende Unternehmer muss darlegen, wie diese Gründe unmittelbar auf die Beschäftigungsmöglichkeiten durchschlagen137. In Fällen, in denen die proportionalen Berechnungsmethoden versagen, muss der Arbeitgeber also plausibel die Zusammenhänge zwischen den außerbetrieblichen Gründen, der umsetzenden Maßnahme und dem Wegfall von Beschäftigungsmöglichkeiten erläutern. Nur schlagwortartige Begründungen sind unzureichend. Auch bei selbstbindenden Unternehmerentscheidungen lässt sich ein dringendes betriebliches Erfordernis zur Kündigung nur dann begründen, wenn die dadurch bewirkte Änderung der Betriebs- oder Arbeitsorganisation eine Beendigungs- oder Änderungskündigung unvermeidbar macht, diese also nicht durch mildere Maßnahmen auf technischem, organisatorischem oder wirtschaftlichem Gebiet verhindert werden kann138.

2. Gestaltende Unternehmerentscheidung Von einer gestaltenden Unternehmerentscheidung139 ist in der Regel im Zusammenhang mit innerbetrieblich veranlassten Kündigungen die Rede140; sie ___________ 133

Vgl. dazu genauer Ascheid, NZA 1991, 873, 877. Ascheid, NZA 1991, 873, 877. 135 ErfK/Ascheid, § 1 KSchG Rn. 405. 136 Stahlhacke, DB 1994, 1361, 1362. 137 Ascheid, NZA 1991, 873, 876. 138 BAG v. 18.1.1990, BAGE 64, 24, 30; Hillebrecht, ZfA 1991, 87, 94. 139 Vgl. vertiefend Ascheid, DB 1987, 1144 ff. 140 ErfK/Ascheid, § 1 KSchG Rn. 399. 134

128

Zweiter Teil: § 6 Der Schlüsselbegriff der „Unternehmerentscheidung“

kann aber auch, wie erörtert, aufgrund außerbetrieblicher Anlässe erfolgen. Die Gründe für eine gestaltende Unternehmerentscheidung – wie ausführlich dargelegt – sind letztlich unerheblich. Eine gestaltende Unternehmerentscheidung liegt vor, wenn sich der Unternehmer zur aktiven Beeinflussung des Geschehens entschließt141. Eine gestaltende Unternehmerentscheidung ist stets auf Veränderungen der innerbetrieblichen Organisation gerichtet142. Der Unternehmer kann das Was, das Wie viel und das Wie seiner Produktion ändern143. Er kann zum Beispiel gestaltend tätig werden, um eine unrentable Betriebsführung zu verbessern. Entschließt sich der Unternehmer zu einer Betriebsstilllegung bzw. Teilbetriebsstilllegung, so ist dies auch ein typischer Fall einer gestaltenden Unternehmerentscheidung144. Eine gestaltende Unternehmerentscheidung liegt ferner vor, wenn der Unternehmer den Entschluss fasst, Rationalisierungsmaßnahmen durchzuführen145 oder bisher selbst wahrgenommene Arbeiten an Fremdfirmen zu vergeben146. Bei der Änderung von Stellenplänen wirkt der Unternehmer ebenfalls gestaltend147. Eine gestaltende Unternehmerentscheidung kann, sie muss aber nicht, zum Wegfall von Beschäftigungsmöglichkeiten führen148. Hat der Arbeitgeber aufgrund einer gestaltend getroffenen Unternehmerentscheidung betriebsbedingte Kündigungen ausgesprochen, so prüft das Arbeitsgericht im Falle eines Kündigungsschutzprozesses, ob eine solche Unternehmerentscheidung tatsächlich getroffen wurde und ob durch die Umsetzung eine Beschäftigungsmöglichkeit für den betroffenen Arbeitnehmer entfallen ist149. Der Arbeitgeber hat demzufolge darzulegen und zu beweisen, ob und welche unternehmerische Entscheidung er gefasst und wie er sie umgesetzt hat. Ferner muss er darlegen und beweisen, wie sich die Umsetzung unter Beachtung der Vertrags- und Betriebsfaktoren auf die Beschäftigungsmöglichkeiten ausgewirkt hat und dass in die betriebliche Auswahl nur diejenigen Arbeitnehmer

___________ 141

ErfK/Ascheid, § 1 KSchG Rn. 410. Stahlhacke/Preis/Vossen, Rn. 939. 143 ErfK/Ascheid, § 1 KSchG Rn. 410; Schaub, BB 1993, 1089, 1092. 144 ErfK/Ascheid, § 1 KSchG Rn. 411; Schaub, BB 1993, 1089, 1092. 145 ErfK/Ascheid, § 1 KSchG Rn. 416 f. 146 ErfK/Ascheid, § 1 KSchG Rn. 418. 147 ErfK/Ascheid, § 1 KSchG Rn. 419. 148 ErfK/Ascheid, § 1 KSchG Rn. 410. 149 BAG v. 20.3.1986, AP Nr. 14 zu § 2 KSchG 1969; BAG v. 29.3.1990, BAGE 65, 61, 68; ErfK/Ascheid, § 1 KSchG Rn. 421 und 434; Schaub, NZA 1987, 217, 218. 142

D. Systematisierung nach außer- und innerbetrieblichen Gründen

129

einbezogen wurden, die an die weggefallenen Beschäftigungsmöglichkeiten gebunden waren150.

3. Stillschweigende bzw. verdeckte Unternehmerentscheidung Die von der Rechtsprechung so bezeichnete „verdeckte Unternehmerentscheidung“ ist die nicht ausdrücklich geäußerte Entscheidung des Arbeitgebers, die Zahl der von ihm bisher zur Verfügung gestellten Arbeitsplätze dem tatsächlich vorhandenen Beschäftigungsbedarf anzupassen151. Jeder betriebsbedingten Kündigung liegt eine Unternehmerentscheidung zugrunde152. Jede Kündigung aus dringenden betrieblichen Erfordernissen beruht auf einem unternehmerischen Motiv, beispielsweise um Kosten zu sparen oder um einen Umsatzrückgang abzufedern153. Eine Beschäftigungsmöglichkeit für einen Arbeitnehmer fällt nicht von selbst weg, sondern dazu bedarf es stets eines Willensaktes des Arbeitgebers154. Verringern sich die Aufträge oder geht der Umsatz zurück, so ist der Unternehmer nicht verpflichtet, daraus Konsequenzen mit Auswirkungen auf die Beschäftigungsmöglichkeiten zu ziehen. Er kann sich frei entscheiden, wie er auf solche Situationen reagieren möchte. Erst wenn er entscheidet, die Zahl der Arbeitsplätze der Situation entsprechend anzupassen, liegt eine kündigungsrelevante Unternehmerentscheidung vor. Hat der Arbeitgeber diese Entscheidung nicht ausdrücklich geäußert, dann handelt es sich zwar um eine „stillschweigende“ oder „verdeckte Unternehmerentscheidung“, aber sie liegt vor155. Häufig kann die vorliegende Unternehmerentscheidung nur aus der Angabe des Kündigungsgrundes erschlossen werden. Hat der Arbeitgeber die eigentliche Unternehmerentscheidung nicht kenntlich gemacht, können angeführte außerbetriebliche Gründe als eine Art Auffangtatbestand angesehen werden156.

___________ 150

Schaub, BB 1993, 1089, 1092. Ascheid, NZA 1991, 873, 875. 152 Ascheid, DB 1987, 1144, 1147 ff. 153 v.Hoyningen-Huene, NZA 1994, 1009, 1011; v.Hoyningen-Huene/Linck, KSchG, § 1 Rn. 369. 154 Ascheid, NZA 1991, 873, 875; KR/Etzel, § 1 KSchG Rn. 518; v.HoyningenHuene, NZA 1994, 1009, 1011; Wank, RdA 1987, 129, 135. 155 Siehe dazu Ascheid, KSchR, Rn. 238; vgl. auch BAG v. 30.5.1985, AP Nr. 24 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung m. Anm. Schmidt. 156 So auch Franzen, NZA 2001, 805, 809. 151

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Zweiter Teil: § 6 Der Schlüsselbegriff der „Unternehmerentscheidung“

4. Belassende Unternehmerentscheidung Von einer „belassenden Unternehmerentscheidung“ spricht man, wenn sich der Unternehmer bei dem Vorliegen außerbetrieblicher Gründe dafür entscheidet, im Hinblick auf den bisherigen Stand der Betriebs- und Organisationsstruktur alles beizubehalten, obwohl außerbetriebliche Gründe bestehen, die Änderungen rechtfertigen würden. Dieser wohl von Ascheid157 geprägte Begriff, der als weder einfallsreich noch sprachgewandt bemängelt wurde158, verdeutlicht, dass der Arbeitgeber sich trotz externer auf den Betrieb einwirkender Ursachen dafür entscheiden kann, nicht zu reagieren. Teilweise wird vertreten, auch in solchen Fällen könne es aufgrund der externen Sachzwänge zum Wegfall von Beschäftigungsmöglichkeiten kommen159. Allerdings fallen Arbeitsplätze, wie zuvor dargestellt, nicht von selbst weg. Führen externe Sachzwänge dazu, dass der Unternehmer den Abbau von Arbeitsplätzen davon abhängig macht, so handelt es sich um eine selbstbindende Unternehmerentscheidung160. Richtigerweise sollte deshalb nur dann von einer „belassenden Unternehmerentscheidung“ die Rede sein, wenn die Entscheidung auch umfasst, im Hinblick auf den Personalbestand alles unverändert zu belassen161.

5. Unternehmerische Fehlentscheidung Beruht eine Situation, in der sich der Unternehmer zu einem Arbeitsplatzabbau gezwungen sieht, auf einer von ihm zuvor getroffenen Fehlentscheidung, so steht dies der sozialen Rechtfertigung einer Kündigung nicht im Wege. Das unternehmerische Risiko birgt stets die Gefahr von Fehlentscheidungen und falscher Wirtschaftsführung in sich. Eine fehlerhaft getroffene Unternehmerentscheidung führt also nicht zwingend dazu, Kündigungen als sozial ungerechtfertigt zu bewerten. Die der betriebsbedingten Kündigung zugrunde liegende Unternehmerentscheidung nachzuprüfen, ist dem Arbeitsgericht auch bei einer fehlgeschlagenen Unternehmerentscheidung verwehrt. Es kommt inso-

___________ 157

Ascheid, DB 1987, 1144, 1147 f. B. Preis, ArbuR 1997, 60, 69. 159 Franzen, NZA 2001, 805, 809; so wohl auch Ascheid, DB 1987, 1144, 1148. 160 Siehe oben Zweiter Teil § 6 D. V. 1., S. 123 ff. 161 So wohl auch Berkowsky, S. 92 und Schaub, BB 1993, 1089, 1092. 158

D. Systematisierung nach außer- und innerbetrieblichen Gründen

131

weit weder auf die Frage des Verschuldens noch auf die Beurteilung der Wirtschaftsführung an162.

6. Nachgeschobene Unternehmerentscheidung Teilweise wird verlangt, die Unternehmerentscheidung müsse tatsächlich getroffen und nicht nachgeschoben worden sein163. Zu Recht stellt v.Hoyningen-Huene164 aber fest, dass dabei übersehen wird, dass eine betriebsbedingte Kündigung immer auf einer Unternehmerentscheidung basiert, auch wenn sie nur stillschweigend oder möglicherweise fehlerhaft getroffen wurde. Im Übrigen wird es dem Arbeitgeber zugebilligt, vor der Kündigung entstandene Gründe auch noch nachträglich vorzutragen, selbst wenn er sich zur Begründung der Kündigung auf diese zunächst nicht gestützt hat165. Zu beachten ist allerdings, dass sich die Anforderungen des materiellen Kündigungsrechts diesbezüglich von § 102 BetrVG unterscheiden166. Wenn in einem Betrieb ein Betriebsrat besteht, so ist dieser vor dem Ausspruch einer Kündigung anzuhören. Im Zuge des Anhörungsverfahrens hat der Arbeitgeber den Betriebsrat über alle Gründe zu informieren, auf die er die Kündigung stützen will. Eine unvollständige Mitteilung verwehrt dem Arbeitgeber, im Prozess Kündigungsgründe nachzuschieben, die über den dem Betriebsrat mitgeteilten Sachverhalt hinausgehen167. Eine nachgeschobene Unternehmerentscheidung kann also unter dem Gesichtspunkt der Betriebsratsanhörung gemäß § 102 BetrVG die Unwirksamkeit einer Kündigung bedingen.

___________ 162

LAG Düsseldorf v. 6.11.1953, DB 1954, 156; LAG Köln v. 25.8.1994, NZA 1995, 792; Ballschmiede, ArbuR 1953, 242; Berkowsky, S. 99; Galperin, BB 1954, 1117, 1118; vgl. auch Anm. Peterek, zu BAG v. 30.4.1987, SAE 1988, 206, 210; zur Fehlprognose siehe aber auch Zweiter Teil § 8 B. V. 3., S. 264 f. 163 Vgl. dazu u. a. Ascheid, DB 1987, 1144, 1149; Kittner/Däubler/Zwanziger, § 1 KSchG Rn. 260. 164 v.Hoyningen-Huene, NZA 1994, 1009, 1011. 165 BAG v. 18.1.1980, EzA Nr. 72 zu § 626 BGB; BAG v. 11.4.1985, BAGE 49, 39, 45; Kittner/Däubler/Zwanziger, § 102 BetrVG Rn. 139; Stahlhacke/Preis/Vossen, Rn. 419. 166 Kittner/Däubler/Zwanziger, § 102 BetrVG Rn. 139. 167 Kittner/Däubler/Zwanziger, § 102 BetrVG Rn. 90.

132

Zweiter Teil: § 6 Der Schlüsselbegriff der „Unternehmerentscheidung“

VI. Zwischenergebnis Zwar wurde mit dem grundlegenden Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 7.12.1978 ein gewisser Systematisierungsversuch unternommen, der die Hintergründe unternehmerischer Entscheidungen verdeutlicht, allerdings hilft diese Unterscheidung im Ergebnis nicht weiter, einen Bereich unternehmerischer Entscheidungen festzulegen, der grundsätzlich von den Gerichten nicht kontrollierbar ist. In diesem Zusammenhang ist vorstehend herausgearbeitet worden, dass inner- und außerbetriebliche Gründe nur die Veranlassung einer unternehmerischen Entscheidung darstellen, auf die es rechtlich gesehen allerdings nicht ankommt. Wichtig ist allein die unternehmerische Entscheidung selbst, gleichgültig aus welchem Anlass sie getroffen wurde. Diese Unternehmerentscheidung, die in Form einer selbstbindenden, einer gestaltenden, einer stillschweigenden etc. Entscheidung vorliegen kann, ist der Ausgangspunkt für die Überprüfung der sozialen Rechtfertigung einer betriebsbedingten Kündigung. Aber auch mit der Feststellung, in welcher Form die unternehmerische Entscheidung getroffen wurde, kann jedoch keine Aussage über einen grundsätzlich gerichtlich kontrollfreien bzw. zu kontrollierenden Bereich getroffen werden.

E. Die weitere Entwicklung des Begriffs der Unternehmerentscheidung I. Rechtsprechung In der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 20.2.1986168 findet man weitere Definitionsversuche des Begriffs der Unternehmerentscheidung, obwohl auch diese als unzufriedenstellend zu bewerten sind. Der Zweite Senat führte aus, dass das unternehmerische Ermessen ein normativer Begriff sei, der keinen für alle Fälle feststehenden Inhalt habe, sondern stets im Hinblick auf den Zusammenhang, in dem er jeweils stehe, zu bestimmen sei. Wörtlich genommen sei jede Disposition, die der Arbeitgeber in seinem Betrieb treffe, eine Unternehmerentscheidung, auch jede Kündigung. Damit das KSchG aber einen Bestandsschutz gewähren könne, sei die Kündigung aber keine Unternehmerentscheidung im Sinne des KSchG.

___________ 168 BAG v. 20.2.1986, AP Nr. 11 zu § 1 KSchG 1969 (siehe dazu Zweiter Teil § 5 C., S. 89 f.).

E. Die weitere Entwicklung des Begriffs

133

In der Entscheidung vom 19.5.1993169 fügte das Bundesarbeitsgericht dann diesem in dem Urteil vom 20.2.1986 aufgestellten Rechtssatz die Ergänzung hinzu, das, was kündigungsrechtlich mit unternehmerischem Ermessen gemeint sei, könne als „Bestimmung der der Geschäftsführung zugrunde liegenden Unternehmenspolitik“ bezeichnet werden. Diese Ergänzung hilft jedoch im Ergebnis aufgrund der Unbestimmtheit auch nicht weiter, den Bereich der unüberprüfbaren Unternehmerentscheidung von dem nachprüfbaren Bereich der „dringenden betrieblichen Erfordernisse“ abzugrenzen. Eine nachvollziehbare und handhabbare Systematik wurde mit diesem Urteil also ebenfalls nicht erreicht. Das Bundesarbeitsgericht versuchte dann auch nicht weiter, dem Begriff der Unternehmerentscheidung konkrete Konturen zu verleihen, sondern blieb im Wesentlichen dabei, Einzelfälle in die Rubriken der inner- und außerbetrieblichen Gründe einzusortieren und – jedenfalls auf den ersten Blick betrachtet – „Pi mal Daumen“ zu bewerten, inwiefern die jeweilige Maßnahme eine unüberprüfbare Unternehmerentscheidung darstellt. Konkrete Begründungen, was eine Maßnahme des Arbeitgebers zu einer unüberprüfbaren Unternehmerentscheidung qualifiziere, fehlen jedenfalls. So stellte das Bundesarbeitsgericht in der so genannten Weight-Watchers-Entscheidung vom 9.5.1996170 fest, die Einführung eines neuen Vertriebssystems mit Umstellung der Vertragsform vom Arbeitsverhältnis in ein freies Mitarbeiterverhältnis sei eine innerbetriebliche Umstrukturierungsmaßnahme, eine Unternehmerentscheidung, die von den Gerichten nicht auf Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit zu überprüfen sei. Diese Entscheidung wurde von mancher Seite heftig kritisiert. Das Bundesarbeitsgericht mache damit den Weg frei für den Ausstieg aus dem Arbeitsrecht171. In der so genannten Crewing-Entscheidung vom 26.9.1996172 äußerte der Zweite Senat, der Entschluss, die formale Arbeitgeberstellung aufzugeben, sei keine die Kündigung bedingende Unternehmerentscheidung, wenn der Unternehmer für die Durchführung der Arbeit weiterhin selbst Weisungen erteile. Vergleicht man diese Entscheidung mit der Weight-Watchers-Entscheidung, so drängt sich der Eindruck auf, das Gericht qualifiziere eine Maßnahme nach er___________ 169

BAG v. 19.5.1993, BAGE 73, 151, 161 (siehe dazu Zweiter Teil § 5 C., S. 93 f.).

170

BAG v. 9.5.1996, BAGE 83, 127 ff. (siehe dazu Zweiter Teil § 5 D., S. 94 ff.).

171

Kritisch U. Preis, NZA 1997, 1073, 1079 ff.; die Entscheidung dagegen bejahend Rieble, Anm. zu BAG v. 17.6.1999 – 2 AZR 141/99 –, EzA Nr. 102 zu § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung. 172

BAG v. 26.9.1996, BAGE 84, 209 ff.

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Zweiter Teil: § 6 Der Schlüsselbegriff der „Unternehmerentscheidung“

gebnisorientierten Gesichtspunkten, das eine Mal als Unternehmerentscheidung und ein anderes Mal als keine Unternehmerentscheidung, je nachdem, ob das Gericht zu einer sozial gerechtfertigten oder einer sozial ungerechtfertigten Kündigung im Endergebnis gelangen möchte. Auch wenn man das Ergebnis selbst für richtig erachtet, so vermisst man doch eine dogmatisch saubere Herleitung. Hier die Unwirksamkeit der Kündigung an dem Begriff der Unternehmerentscheidung festzumachen, ist jedenfalls nicht überzeugend. Richtig wäre gewesen, den Entschluss, die formale Arbeitgeberstellung aufzugeben, durchaus als Unternehmerentscheidung zu werten, ihn aber wegen Verstoßes gegen die arbeitsrechtlichen Gesetze als unzulässige Austauschkündigung zu beurteilen.

II. Literatur Eine überzeugende Definition der Unternehmerentscheidung, mit der das Problem der Abgrenzung des justitiablen vom nichtjustitiablen Bereich gelöst werden könnte, ist anscheinend aber auch in der umfangreichen Literatur173 nicht auffindbar. Die Begriffserläuterung des Bundesarbeitsgerichts, nach der die Unternehmerentscheidung als die Bestimmung der „der Geschäftsführung zugrunde liegenen Unternehmenspolitik“ zu verstehen sei, wird zum Teil in der Literatur als wenig aussagekräftig kritisiert. Diese Definition helfe nicht, die Frage zu beantworten, welche unternehmerischen Maßnahmen der arbeitsgerichtlichen Kontrolle entzogen seien. Dieser Begriff erfasse letztlich schlicht alle unternehmerischen Maßnahmen und damit sowohl unternehmerisch-wirtschaftliche als auch umsetzende Entscheidungen im Betrieb. Teilweise wird also in der Literatur eine Unterscheidung zwischen der Unternehmerentscheidung auf der unternehmerisch-wirtschaftlichen Ebene einereits und der Umsetzung auf der betrieblich-organisatorischen Ebene andererseits gefordert. Für eine solche Unterscheidung spricht sich beispielsweise Pe___________ 173 Aufgrund der vielen Beiträge kann hier nicht auf jeden einzelnen eingegangen werden. Die Verfasserin der vorliegenden Arbeit hat sich daher insbesondere auf die aktuelleren und ansonsten ihr besonders ins Auge gefallenen Beiträge des Schrifttums konzentriert; vgl. z. B. Buchner, DB 1984, 504 ff.; Hommelhoff, ZHR 140, 271, 284; Kittner, NZA 1997, 974; Lakies, Anm. zu BAG v. 17.6.1999 – 2 AZR 141/99 –, NJ 1999, 665 ff.; Ch. Müller, S. 142; Peterek, Anm. zu BAG v. 30.4.1987, SAE 1988, 206, 210; Stein, BB 2000, 457, 461; Wank, Anm. zu BAG v. 27.9.1984, SAE 1986, 151 ff.; vgl. ferner die Literaturangaben auf S. 143 in Fn. 207.

E. Die weitere Entwicklung des Begriffs

135

terek174 aus. Zwar weist er zunächst darauf hin, dass die unternehmerische Entscheidung nicht „uno actu“ vorgenommen werde, sondern in einem Entscheidungsprozess ablaufe175. So vielgestaltig dieser Prozess im Einzelnen jedoch ausfalle, so lasse er sich stark vereinfacht dennoch in zwei Teile gliedern. An erster Stelle stünden unternehmerisch-wirtschaftliche Überlegungen von Investitionstätigkeiten bis hin zum Markt- und Preisgeschehen. An zweiter Stelle würden bestimmte betrieblich-organisatorische Maßnahmen getroffen oder nicht getroffen. Diese könnten personelle Auswirkungen nach sich ziehen, seien es Einstellungen, innerbetriebliche Versetzungen oder Kündigungen.

III. Differenzierung nach der unternehmerischen und der betrieblichen Ebene Aufgeworfen ist also die Frage, ob sich Unternehmerentscheidungen nach einer unternehmerisch-wirtschaftlichen Ebene einerseits und einer betrieblichorganisatorischen Ebene andererseits unterscheiden lassen und ob dies weiterhilft, um einen justitiablen von einem nicht justitiablen Bereich abzugrenzen.

1. Der Wortlaut des § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG als Ausgangspunkt der Abgrenzung Die Begriffe „unternehmerische Entscheidung“ und „dringende betriebliche Erfordernisse“ erwecken anscheinend die Vorstellung, dass die unternehmerische Ebene von der betrieblichen Ebene zu trennen sei176. In diese Richtung geht auch die in der Einleitung bereits erwähnte Anmerkung Herschels zum Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 25.6.1964177, der Richter müsse darauf achten, „dass die Grenze zum Unternehmerischen zutreffend gezogen wird“. Auch Auffarth178 vertrat die Auffassung, dass klar zwischen der Lage des Unternehmens und der des Betriebes unterschieden werden müsse. Nach dem KSchG komme es nicht darauf an, dass die Kündigung durch die Verhältnisse

___________ 174

Peterek, Anm. zu BAG v. 30.4.1987, SAE 1988, 206, 210. Vgl. auch Buchner, DB 1984, 504 ff. 176 Mayer-Maly, ZfA 1988, 209, 217. 177 Herschel, Anm. zu BAG v. 25.6.1964, AP Nr. 14 zu § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung; vgl. bereits Erster Teil § 1 A., S. 25. 178 Auffarth, RdA 1955, 409 ff. 175

136

Zweiter Teil: § 6 Der Schlüsselbegriff der „Unternehmerentscheidung“

des Unternehmens bedingt sei179. Der Wortlaut des Gesetzes gebe einen Anhaltspunkt für die Abgrenzung der von den Gerichten überprüfbaren und der nicht überprüfbaren Maßnahmen der Betriebs- bzw. Unternehmensgestaltung. Man könne kaum annehmen, dass dem Gesetzgeber die im Arbeitsrecht seit langem geläufige Unterscheidung zwischen Betrieb und Unternehmen bei der Formulierung des § 1 Abs. 2 KSchG nicht bewusst gewesen sei. Die Arbeitsgerichte dürften nicht die Unternehmerentscheidungen überprüfen, dagegen seien sie aber verpflichtet, zu prüfen, ob die wirtschaftlich geschaffene Lage des Unternehmens im Betrieb die Kündigung von Arbeitnehmern erforderlich mache. Der Betrieb sei in erster Linie Gegenstand des Arbeitsrechts, das Unternehmen vornehmlich Gegenstand des Wirtschaftsrechts. Es sei zwar zuzugeben, dass im Einzelfall die Abgrenzung zwischen Maßnahmen, die auf der Ebene des Unternehmens und solchen, die auf betrieblichem Gebiet liegen, schwierig sei. Aber auch wenn die Grenzen zwischen Maßnahmen der Unternehmens- und Betriebsleitung flüssig seien, so könne doch gesagt werden, dass zum Beispiel die Aufgabe ganzer Betriebe oder Betriebsabteilungen oder die Umstellung der Produktion auf andere Erzeugnisse etc. den Maßnahmen der Unternehmensgestaltung zuzurechnen seien. Die Durchführung dieser grundlegenden wirtschaftlichen Entscheidungen im Einzelnen liege dann auf der betrieblichen Ebene.

2. Uneinheitlicher Gebrauch der Begriffe „Betrieb“ und „Unternehmen“ Die Frage, welcher Bereich der grundsätzlich nicht überprüfbaren „unternehmerischen Entscheidung“ zuzurechnen ist, ist jedoch mit der Feststellung, die unternehmerische Ebene sei von der betrieblichen Ebene zu trennen, keineswegs klar beantwortet. Es erscheint auch eher zweifelhaft, dass die Begriffsbestimmungen von „Betrieb“ und „Unternehmen“ weiterhelfen, die „unternehmerische Entscheidung“ von einem „dringenden betrieblichen Erfordernis“ abzugrenzen. Zunächst ist es bereits schwierig, die Begriffe „Betrieb“ und „Unternehmen“ allgemeingültig zu definieren. Eine gesetzliche Definition fehlt, und Rechtsprechung und Lehre befassen sich seit jeher mit Auslegungsproblemen180. Die Begriffe, die ursprünglich aus der Betriebswirtschafts___________ 179 180

Auffarth, RdA 1955, 409, 410.

Vgl. dazu F. Gamillscheg, ZfA 1975, 357 ff.; ders., ArbuR 1989, 33 ff.; Haase, NZA 1988, Beil. 3, 11 ff.; Hanau, ZfA 1990, 115 ff.; Joost, Betrieb und Unternehmen als Grundbegriffe des Arbeitsrechts 1988; Peter, DB 1990, 424 ff.; U. Preis, RdA 2000, 257 ff.

E. Die weitere Entwicklung des Begriffs

137

lehre stammen181, werden in den verschiedensten Rechtsbereichen und teilweise sogar innerhalb des Arbeitsrechts mit unterschiedlicher Bedeutung verstanden und verwendet182. Hinzu kommt, dass sich, seitdem das Kündigungsschutzgesetz in Kraft getreten ist, die Definitionsversuche, aber auch die traditionellen Strukturen von Betrieben und Unternehmen in der Praxis stark verändert haben und die Vielfalt von Erscheinungsformen weiter zunimmt183. Als 1951 das Kündigungsschutzgesetz verabschiedet wurde, war im Schrifttum die Definition von Jacobi184 vorherrschend. Er schrieb, unter einem Betrieb sei „die Vereinigung von persönlichen, sächlichen und immateriellen Mitteln zur fortgesetzten Verfolgung eines von einem oder mehreren Rechtssubjekten gemeinsam gesetzten technischen Zweckes zu verstehen“. Unter einem Unternehmen sei „die Vereinigung von persönlichen, sächlichen und immateriellen Mitteln durch das von einem Rechtssubjekt (oder von mehreren Rechtssubjekten gemeinsam) verfolgte Ziel, ein bestimmtes Bedürfnis zu befriedigen“ zu verstehen. Das Reichsgericht185 bestimmte den Begriff des Betriebes als ein „lebender Organismus, innerhalb dessen Unternehmer und Arbeiter zu einer Produktionsgemeinschaft zusammengeschlossen sind und in gemeinsamer Tätigkeit dem selben Ziel, der Erreichung eines möglichst hohen Standes und möglichster Wirtschaftlichkeit der Betriebsleitung zustreben“. Heute versteht man allgemein unter „Betrieb“ die organisatorische Einheit, innerhalb derer ein Arbeitgeber allein oder in Gemeinschaft mit seinen Mitarbeitern mit Hilfe von sächlichen und immateriellen Mitteln bestimmte arbeitstechnische Zwecke fortgesetzt verfolgt186. Unter dem Begriff „Unternehmen“ ___________ 181

Vgl. Haase, NZA 1988, Beil. 3, 11. Schaub, AH, § 18 Rn. 1 S. 138. 183 Nicht nur die Betriebsabteilung und der Konzern werden als weitere Bezugsebenen arbeitsrechtlicher Maximen genannt (vgl. Mayer-Maly, ZfA 1988, 209, 216), sondern man hat sich auch im zunehmenden Maße mit Unternehmens- und Betriebsaufspaltungen, mit Ausgliederungen und mit grenzüberschreitenden Dienstleistungen per online in virtualisierten Betrieben etc. zu befassen; vgl. dazu U. Preis, RdA 2000, 257; vgl. weiterhin Wendeling-Schröder, NZA 1999, 1065, 1066 ff. 184 Jacobi, FS Ehrenberg, 1926, 1 ff. 185 RG v. 6.2.1923, RGZ 106, 272, 275. 186 BAG v. 3.12.1954, BAGE 1, 175, 178; BAG v. 13.7.1955, BAGE 2, 91, 93; BAG v. 9.5.1958, BAGE 6, 19, 21; BAG v. 23.9.1960, AP Nr. 4 zu § 3 BetrVG; BAG v. 1.2.1963, BAGE 14, 82, 88 ff.; BAG v. 24.9.1968, AP Nr. 9 zu § 3 BetrVG; BAG v. 24.2.1976, AP Nr. 2 zu § 4 BetrVG 1972; BAG v. 17.2.1983, BAGE 41, 403, 405; BAG v. 13.9.1984, BAGE 46, 363, 366; BAG v. 29.5.1991, BAGE 68, 67, 71; Haase, NZA 1988, Beil. 3, 11, 12; Schaub, AH, § 18 Rn. 1 S. 138; vgl. aber auch den neuen Definitionsvorschlag von U. Preis, RdA 2000, 257, 267. 182

138

Zweiter Teil: § 6 Der Schlüsselbegriff der „Unternehmerentscheidung“

versteht die überwiegende Meinung die organisatorische Einheit, die durch den wirtschaftlichen oder ideellen Zweck bestimmt wird, dem ein Betrieb oder mehrere organisatorisch verbundene Betriebe desselben Unternehmens dienen187. Zur Konkretisierung der kündigungsrechtlich relevanten „unternehmerischen Entscheidung“ helfen die Begriffe von „Betrieb“ und „Unternehmen“ insofern nicht weiter, da vor dem Hintergrund sämtlicher Definitionen sowohl auf der Betriebsebene als auch auf der Unternehmensebene unternehmerische Entscheidungen getroffen werden können. Insbesondere die durch innerbetriebliche Gründe veranlassten Entscheidungen werden häufig Unternehmerentscheidungen auf der Betriebsebene darstellen, gleichwohl von der Rechtsprechung als grundsätzlich nicht überprüfbar betrachtet. So wird auch teilweise die Unternehmerentscheidung im Zusammenhang mit der betriebsbedingten Kündigung als die „betrieblich-organisatorische Entscheidung“ des Arbeitgebers bezeichnet, die zu einem Arbeitskräfteüberhang führt. An dieser Stelle sei die Frage erlaubt, warum eigentlich nicht von „außer- bzw. innerunternehmerischen Gründen“ oder besser von „unternehmensinternen bzw. unternehmensexternen Gründen“ die Rede ist. Wenn man es genau nimmt, ist beispielsweise ein Auftragsrückgang nicht nur ein außerbetrieblicher Grund, sondern auch ein unternehmensexterner Grund. Die Begriffe von Betrieb und Unternehmen werden im Kündigungsschutzrecht anders als im Betriebsverfassungsgesetz ohne eine präzise Definition und Zuordnung verwendet. Innerhalb des Kündigungsschutzgesetzes ist deshalb stets nach dem konkreten Sinn und Zweck der betreffenden Vorschrift, in der der Begriff „Betrieb“ oder „Unternehmen“ vorkommt, zu fragen188. Die Definitionsversuche von Betrieb und Unternehmen sind also nicht geeignet, den kündigungsrechtlichen Begriffs der „unternehmerischen Entscheidung“ von einem dringenden betrieblichen Erfordernis abzugrenzen189. Es kann nicht darum gehen, ob der Arbeitgeber eine Entscheidung im unternehmerischen oder im betrieblichen Bereich trifft. Trifft der Arbeitgeber zum Beispiel eine Entscheidung, betriebliche Gegebenheiten zu ändern, beispielsweise alte Maschinen durch neue zu ersetzen, so ist auch dies eine unternehmerische Entscheidung, die letztlich dazu führen kann, dass Arbeitsplätze wegfallen.

___________ 187

Schaub, AH, § 18 Rn. 10 S. 140 m.w.N.

188

Haase, NZA 1988, Beil. 3, 11, 15.

189

So auch Berkowky, S. 90.

E. Die weitere Entwicklung des Begriffs

139

3. Verhältnis zur Weiterbeschäftigungspflicht Ebenfalls großzügig auszulegen ist der Wortlaut des § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG in Bezug auf die Weiterbeschäftigungsmöglichkeit des Arbeitnehmers. Vergleicht man Satz 1 mit Satz 2 Nr. 1 b, so fällt ein Widerspruch im Wortlaut unmittelbar auf. In Satz 1 ist von der Weiterbeschäftigung „in diesem Betrieb“, in Satz 2 Nr. 1 b dagegen ist von einer Weiterbeschäftigungsmöglichkeit „in demselben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens“ die Rede. Mit der Begründung, dass die 1972 erfolgte Neufassung des Betriebsverfassungsgesetzes unternehmensbezogene Tatbestände in die Widerspruchsgründe eingefügt habe, entspricht es inzwischen der ganz überwiegenden Meinung im Schrifttum190 und auch der Rechtsprechung191, dass die Weiterbeschäftigungsmöglichkeit für den ganzen Unternehmensbereich zu prüfen sei. Der Grundsatz der Betriebsbezogenheit des Kündigungsschutzes ist in dieser Hinsicht also bereits durchbrochen worden192.

4. Unzulässige und unzweckmäßige Verkürzung des Begriffs der Unternehmerentscheidung Obwohl der Wortlaut des § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG also auf den Betrieb abstellt, ist er nicht wortwörtlich zu verstehen. Das Merkmal „betriebliche“ Erfordernisse spielt keine Rolle mehr. Zum alles entscheidenden Maßstab ist die unternehmerische Entscheidung geworden193, die nicht notwendigerweise auf einen einzelnen Betrieb bezogen sein muss194. Der Kündigungsschutz ist im Ergebnis unternehmens- bzw. arbeitgeber-, aber nicht nur betriebsbezogen195. Selbst bei der Sozialauswahl sollte eine unternehmensbezogene Durchführung angestrebt werden196. Die betriebsbedingte Kündigung könnte deshalb heute ___________ 190

Siehe z. B. Haase, NZA 1988, Beil. 3, 11, 16; Stahlhacke/Preis/Vossen, Rn. 936. BAG v. 17.5.1984, BAGE 46, 191, 200 f. 192 Mayer-Maly, ZfA 1988, 209, 217. 193 Siehe nur die Urteile des BAG v. 17.6.1999 – 2 AZR 522/98 –, BAGE 92, 61 ff.; BAG v. 17.6.1999 – 2 AZR 141/99 –, BAGE 92, 71 ff.; BAG v. 17.6.1999 – 2 AZR 456/98 –, BAGE 92, 79 ff.; ferner Stahlhacke/Preis/Vossen, Rn. 935. 194 Stahlhacke/Preis/Vossen, Rn. 935. 195 So auch im Ergebnis Stahlhacke/Preis/Vossen, Rn. 935; vgl. auch U. Preis, RdA 2000, 257, 275. 196 Eine unternehmensbezogene Sozialauswahl wäre auch die richtige Konsequenz, sofern man sich auf die Ausdehnung des Gleichbehandlungsgrundsatzes auf das gesamte Unternehmen ausspricht; vgl. dazu auch U. Preis, RdA 2000, 257, 274 ff. 191

140

Zweiter Teil: § 6 Der Schlüsselbegriff der „Unternehmerentscheidung“

genauso gut umbenannt werden in eine „unternehmensbedingte Kündigung“197. Die betriebliche und die unternehmerische Ebene auseinander zu halten, hilft im Ergebnis deshalb nicht weiter in Bezug auf die Abgrenzung des von den Gerichten überprüfbaren Bereichs der „betrieblichen Erfordernisse“ und des nicht überprüfbaren Bereichs der „unternehmerischen Entscheidung“. Es geht nicht um die Abgrenzung der betrieblichen von der unternehmerischen Ebene, sondern um die Abgrenzung des Bereichs der kündigungsrechtlich „freien Unternehmerentscheidung“ von dem überprüfbaren Bereich, also jenem Bereich, über den der Arbeitgeber wegen der Nähe zur Kündigung aufgrund der Missbrauchs- bzw. Willkürgefahr Rechenschaft ablegen muss. Begriffliche Lösungen führen hier nicht weiter, denn alle Dispositionen sind Unternehmerentscheidungen. Im Gegenteil, begriffliche Definitionen engen den Bereich der Unternehmerentscheidungen unzulässiger- und unzweckmäßigerweise ein, worin ein Verstoß gegen die verfassungsrechtlich geschützte Unternehmerfreiheit gesehen werden kann.

5. Fazit Die „Unternehmerentscheidung“ im Zusammenhang mit der betriebsbedingten Kündigung ist ein spezifisch kündigungsschutzrechtlicher Begriff, der nicht unmittelbar aus dem allgemeinen Begriff des „Unternehmens“ hergeleitet werden kann und nicht in Abgrenzung zum allgemeinen Begriff des „Betriebs“ steht. Der Bedeutungsgehalt der „Unternehmerentscheidung“ ist vielmehr aus dem Sinn und Zweck des Kündigungsschutzgesetzes abzuleiten198. Unternehmerentscheidungen können sowohl auf der unternehmerischen als auch auf der betrieblichen Ebene getroffen werden. Im Sinne einer erhöhten Rechtssicherheit wäre es angebracht, mit der gesetzlichen Formulierung der Realität zu folgen und den Kündigungsschutz insgesamt unternehmensbezogen auszugestalten. Dadurch würde erheblich mehr Klarheit und Anwendungsfreundlichkeit erreicht werden.

___________ 197 Zu Recht ist nach h. M. der Kündigungsschutz aber nicht konzernbezogen, es sei denn, es gibt eine anderweitige vertragliche Abrede; vgl. auch Haase, NZA 1988, Beil. 3, 11, 16. 198

So auch Berkowsky, S. 96.

F. Keine Eingrenzung auf der materiellen Ebene

141

F. Keine Eingrenzung der Unternehmerentscheidung auf der materiellen Ebene I. Weite Auslegung des Begriffs der Unternehmerentscheidung in der neueren Rechtsprechung des BAG Zugespitzt hat sich die Diskussion über den Inhalt und die Reichweite von Unternehmerentscheidungen mit der Frage, ob es auch eine unternehmerische Entscheidung darstelle, künftig auf Dauer mit weniger Personal zu arbeiten. Das Bundesarbeitsgericht führte in der Entscheidung vom 24.4.1997199 aus, es gehöre „zur Organisation und Gestaltung des Betriebes, neben der Anschaffung von Maschinen, Gerätschaften sowie Vorrichtungen und der Gestaltung der Arbeitsabläufe, die Stärke der Belegschaft, mit der das Betriebsziel erreicht werden soll, festzulegen“. Dazu gehöre „auch die Entscheidung über die Kapazität an Arbeitskräften und an Arbeitszeit und wie diese Kapazität – vorliegend auf die Ladenöffnungszeiten – verteilt werden soll“. Die Unternehmerentscheidung könne auch darin liegen, „künftig auf Dauer mit weniger Personal zu arbeiten“. Soweit dadurch eine Leistungsverdichtung eintrete, werde sie als Konzept gewollt, und dadurch notwendig werdende Änderungen seien in Kauf genommen; der rationelle Einsatz des Personals sei Sache der Unternehmerentscheidung. Weiterhin bemerkte der Senat, es liege in der unternehmerischen Entscheidung, mit welcher Anzahl von Arbeitskräften der Arbeitgeber nach Durchführung des innerbetrieblichen Organisationsaktes die verbleibende Arbeitsmenge durchführen lasse. So gehöre die Bestimmung zum Bereich der Unternehmenspolitik, ob ein umfangmäßig konkretisierter Dienstleistungsbedarf zum Beispiel nur mit Volltags- oder teilweise auch mit Halbtagsbeschäftigungen abgedeckt werden solle. In dieser Entscheidung kommt bereits deutlich zum Ausdruck, dass das Gericht den Begriff der Unternehmerentscheidung weit auslegt und eben auch personelle Entscheidungen einbezieht. Besondere Aufmerksamkeit in Bezug auf das weite Verständnis des Begriffs der Unternehmerentscheidung verdienen sodann die drei Urteile des Bundesarbeitsgerichts vom 17.6.1999200. Aus diesen Entscheidungen geht deutlich hervor, dass der Zweite Senat auch unternehmerische Entscheidungen, die vom Kündigungsentschluss nicht mehr oder fast nicht mehr unterschieden werden können („Personalreduzierung“), trotzdem dem Begriff der Unternehmerent___________ 199 200

BAG v. 24.4.1997, BAGE 85, 358, 363 (siehe dazu Zweiter Teil § 5 E., S. 97 f.).

Vgl. BAG v. 17.6.1999 – 2 AZR 141/99 –, BAGE 92, 71 ff.; BAG v. 17.6.1999 – 2 AZR 522/98 –, BAGE 92, 61 ff.; BAG v. 17.6.1999 – 2 AZR 456/98 –, BAGE 92, 79 ff. (siehe dazu Zweiter Teil § 5 F., S. 98 ff.).

142

Zweiter Teil: § 6 Der Schlüsselbegriff der „Unternehmerentscheidung“

scheidung zuordnet. In einem solchen Fall sei aber die Unternehmerentscheidung „hinsichtlich ihrer organisatorischen Durchführbarkeit“ und hinsichtlich des Begriffs „Dauer“ zu verdeutlichen, damit das Gericht überhaupt prüfen könne, ob sie nicht offensichtlich unsachlich, unvernünftig oder willkürlich sei. Die Anforderungen an den gemäß § 1 Abs. 2 S. 4 KSchG vom Arbeitgeber zu erbringenden Tatsachenvortrag könnten in solchen Fällen nicht auf Null reduziert werden. Die sonst vom Gericht vorgenommene Vermutung, die Unternehmerentscheidung sei aus sachlichen Gründen erfolgt, könne nicht ohne weiteres greifen. Der Zweite Senat stellte den Rechtssatz auf: „Je näher die eigentliche Organisationsentscheidung an den Kündigungsentschluss rückt, um so mehr muss der Arbeitgeber durch Tatsachenvortrag verdeutlichen, dass ein Beschäftigungsbedürfnis für den Arbeitnehmer entfallen ist“. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das Bundesarbeitsgericht der Unternehmerentscheidung keine konkreten Konturen verliehen hat, anhand derer sich der kontrollfreie von dem zu überprüfenden Bereich abgrenzen ließe. Aufgrund der unendlich vielen denkbaren Varianten an wirtschaftlich ausgerichteten Entscheidungen hält das Bundesarbeitsgericht die Unternehmerentscheidung für einen normativen Begriff, der keinen feststehenden Inhalt hat. Im Wesentlichen zählt das Bundesarbeitsgericht in den Urteilen bis in die 90er Jahre beispielhaft einzelne Fälle auf: Änderung der Auftragslage, Finanzierungsschwierigkeiten, Stilllegung des Betriebes201, Stilllegung einer Betriebsabteilung202, Änderung der Produktions- oder Arbeitsmethoden, Einführung einer die menschliche Arbeit einsparenden Maschine203, Rationalisierung, Einführung einer schlankeren Führungsstruktur204, Austausch von Arbeitnehmern gegen freie Mitarbeiter205 oder die Verteilung der Arbeit auf Vollzeit- bzw. Teilzeitarbeitsplätze206 etc. Hat man zunächst noch den Verdacht, das Bundesarbeitsgericht wolle die schwierige Aufgabe, die Unternehmerentscheidung zu definieren bzw. in einen kontrollfreien und überprüfbaren Bereich zu unterteilen, bewusst umgehen, so gewinnt man nun insbesondere aufgrund der Urteile vom 24.4.1997 und vom 17.6.1999 den Eindruck, dass sich der Zweite Senat ___________ 201 BAG v. 27.2.1997, BAGE 85, 194, 204; BAG v. 11.3.1998, AP Nr. 43 zu § 111 BetrVG 1972. 202 BAG v. 4.12.1997, AP Nr. 4 zu § 1 KSchG 1969 Wiedereinstellung; BAG v. 7.5.1998, AP Nr. 94 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung; BAG v. 12.11.1998, AP Nr. 51 zu § 2 KSchG 1969. 203

BAG v. 26.6.1997, AP Nr. 86 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung.

204

BAG v. 21.6.1995, BAGE 80, 185, 191.

205

BAG v. 9.5.1996, BAGE 83, 127, 132.

206

BAG v. 19.5.1993, BAGE 73, 151, 161.

F. Keine Eingrenzung auf der materiellen Ebene

143

aus guten Gründen bewusst gegen eine solche Abgrenzung entschieden hat. Das Bundesarbeitsgericht sieht in allen denkbaren Organisationsentscheidungen des Unternehmers eine „unternehmerische Entscheidung“ und begnügt sich zur Frage der Justitiabilität mit dem „Je näher-Rechtssatz“. Eine Eingrenzung der Unternehmerentscheidung auf der materiellen Ebene hält das Bundesarbeitsgericht für nicht sachgerecht.

II. Reaktionen im Schrifttum Diese neuere Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts hat im Schrifttum eine erhebliche Anzahl teilweise gegensätzlicher Reaktionen nach sich gezogen207. Das Thema der Unternehmerentscheidung im Rahmen der betriebsbedingten Kündigung wurde durch diese neuen Denkanstöße der Rechtsprechung neu belebt. Interessanterweise wird in diesen Rechtssätzen nun sowohl eine Erleichterung als auch eine Erschwerung des Rechts der betriebsbedingten Kündigung gesehen208. Einige Autoren bewerten die neue Rechtsprechung so, dass sie die freie Unternehmerentscheidung stärker als bisher begrenze209. Andere Autoren dagegen bewerten die Aussagen der neuen Rechtsprechung als deutliche und konsequente Respektierung der Unternehmerfreiheit, mithin als eine weniger starke Begrenzung210. Diese unterschiedliche Interpretation legt jeden-

___________ 207

Besgen, b + p 1999, 499 ff.; Bitter, DB 2000, 1760 ff.; Boecken, ZfA 2000, 379, 477; Boeddinghaus, ArbuR 2001, 8 ff.; Feudner, DB 1999, 2566 ff.; ders., DB 2000, 476 ff.; ders., NZA 2000, 1136 ff.; Frabotta/Korinth, AuA 2000, 415 ff.; Franzen, NZA 2001, 805 ff.; Henssler, Kölner Tage des Arbeitsrechts 2000, 89 ff.; Junker, Anm. zu BAG v. 17.6.1999 – 2 AZR 141/99 –, EWiR 1999, 1179 f.; Kleinebrink, FA 2000, 70 ff.; Lakies, Anm. zu BAG v. 17.6.1999 – 2 AZR 141/99 –, NJ 1999, 665 ff.; Oetker, Anm. zu BAG v. 17.6.1999 – 2 AZR 522/98 –, EWiR 2000, 43, 44; B. Preis, DB 2000, 1122 ff.; Quecke, NZA 1999, 1247 ff.; ders., DB 2000, 2429, 2430; Rieble, Anm. zu BAG v. 17.6.1999 – 2 AZR 141/99 –, EzA Nr. 102 zu § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung; Rommé/Pauker, NZA-RR 2000, 281 ff.; Schrader, NZA 2000, 401 ff.; Singer/v.Finckenstein, Anm. zu BAG v. 17.6.1999 – 2 AZR 141/99 –, SAE 2000, 279, 282 ff.; Stein, BB 2000, 457 ff.; Zepter, DB 2000, 474 ff. 208 So auch die Beobachtung von Franzen, NZA 2001, 805, 807 und von Bitter, DB 2000, 1760. 209 Feudner, DB 1999, 2566 ff.; ders., NZA 2000, 1136, 1138; Rieble, Anm. zu BAG v. 17.6.1999 – 2 AZR 141/99 –, EzA Nr. 102 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung; Tschöpe, BB 2000, 2630, 2636. 210 Lakies, Anm. zu BAG v. 17.6.1999 – 2 AZR 141/99 –, NJ 1999, 665, 666; B. Preis, DB 2000, 1122 ff.; Zepter, DB 2000, 474, 476.

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Zweiter Teil: § 6 Der Schlüsselbegriff der „Unternehmerentscheidung“

falls die Vermutung nahe, dass die Entscheidungen die gebotene Eindeutigkeit vermissen lassen211.

1. Kritische Stimmen gegenüber der neueren Rechtsprechung des BAG Die Mehrzahl der Autoren hat sich eher skeptisch zu dieser neueren Rechtsprechung des Zweiten Senats geäußert. Viele sprechen sich im Wesentlichen für das Beibehalten des alten Systems aus, somit für eine Abgrenzung der unternehmerisch-wirtschaftlichen von der betrieblich-organisatorischen Entscheidung. U. Preis212 ist der Auffassung, die Tendenz, den Kreis der freien Unternehmerentscheidungen auszuweiten, sei abzulehnen. Die Kündigung sei nicht mit der Unternehmerentscheidung gleichzusetzen. Eine solche Sichtweise widerspreche dem Zweck des § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG und trage dem gesetzlichen Interessenausgleich zwischen freier Unternehmerentscheidung und Bestandsschutzinteresse des Arbeitnehmers nicht ausreichend Rechnung. Mit der prozessualen Lösung der Problematik über die Darlegungs- und Beweislast korrigiere das Bundesarbeitsgericht die verfehlte materiell-rechtliche Weichenstellung, welche die Grenze zwischen zugrunde liegender Unternehmerentscheidung und deren Umsetzung verwische. U. Preis vertritt die Meinung, richtigerweise sei die Problematik über die Ausschöpfung der Tatbestandsmerkmale der dringenden betrieblichen Erfordernisse zu lösen. Die bisher konsistente Prüfungssystematik sei beizubehalten213. Das Beibehalten der Unterscheidung zwischen der gestaltenden Unternehmerentscheidung einerseits und den sie konkretisierenden und umsetzenden personalwirtschaftlichen Entscheidungen im Betrieb andererseits befürwortet auch P. Stein214. Seiner Ansicht nach verbiete es sich, jede Maßnahme der Personalabteilung zu einer unternehmerischen Entscheidung zu stilisieren und sie grundrechtlich zu überhöhen. Die wertende Zuordnung entweder zur operativen bzw. unternehmenspolitischen Ebene oder aber zur Umsetzungsebene bleibe unerlässlich. Die Respektierung der Freiheit des Arbeitgebers auf der Unternehmensebene verlange nicht zwangsläufig Gleiches auf der Umsetzungsebe___________ 211

So jedenfalls die Kritik von B. Preis, DB 2000, 1122. Vgl. Stahlhacke/Preis/Vossen, Rn. 933. 213 Stahlhacke/Preis/Vossen, Rn. 934. 214 P. Stein, BB 2000, 457, 461. 212

F. Keine Eingrenzung auf der materiellen Ebene

145

ne215. Aufgabe des Kündigungsschutzes könne es vernünftigerweise nicht sein, eine bessere Betriebsführung zu erzwingen und Arbeitnehmer vor den Folgen einer gescheiterten Unternehmenspolitik zu schützen. Deshalb müsse man von einer Überprüfung der betriebswirtschaftlichen Rationalität unternehmerischer Entscheidungen absehen. Doch zur Verwirklichung der sozialen Bindung des Arbeitgeberverhaltens bei Entlassungen müsse seitens der Arbeitsgerichte die Wertung getroffen werden, ob auf der Basis der vom Arbeitgeber dargelegten betrieblichen Situation im betrieblichen Interesse Entlassungen zu akzeptieren seien oder ob das Interesse an der Erhaltung des Arbeitsplatzes den Vorrang verdiene216. Franzen217 ist der Auffassung, dem Bundesarbeitsgericht unterlaufe in den Entscheidungen vom 17.6.1999 ein logischer Fehler, der das Gericht dogmatisch auf Abwege bringe. Die Entscheidung, Personal abzubauen, lasse nie einen Personalüberhang entstehen, sondern sei bestenfalls die Folge einer Maßnahme, die ihrerseits zu einem Personalüberhang führen könne. Franzen vertritt die These, ein Personalüberhang könne nur entstehen, wenn sich die Arbeitsmenge bei gleich bleibender Arbeitsintensität verringere oder wenn die Arbeitsintensität erhöht werde. Es sei stets notwendig, die Entscheidung aufzudecken, die hinter dem Entschluss zum Personalabbau stehe. Die Rede vom „reinen Personalabbau als Unternehmerentscheidung“ verdecke die eigentlich dahinter stehende unternehmerische Entscheidung. Auch Franzen rügt deshalb, das Bundesarbeitsgericht hätte sich auf die Grundlagen des Rechts der betriebsbedingten Kündigung rückbesinnen sollen. Der Personalüberhang stelle den Kündigungsgrund dar, und der Arbeitgeber müsse von der unternehmerischen Entscheidung die Kausalkette bis zum Personalüberhang im Prozess substantiiert darlegen. Quecke218 meint ebenfalls, die neue Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu Inhalt und Bedeutung der Unternehmerentscheidung sei nicht überzeugend. Die betriebsbedingte Kündigung zum Abbau von Personal setze stets einen objektiven Personalüberhang voraus219. Andernfalls käme es alsbald zu Neueinstellungen. Dieser Personalüberhang entstehe aus der Differenz zwischen Personalbestand und Personalbedarf. Der Personalbedarf setze sich aus den Faktoren Arbeitsmenge und Arbeitsverteilung zusammen. Dies wiederum ___________ 215

Vgl. Kittner/Däubler/Zwanziger, § 1 KSchG Rn. 285.

216

Wolter, S. 169.

217

Franzen, NZA 2001, 805 ff.

218

Quecke, NZA 1999, 1247 ff.

219

Quecke, NZA 1999, 1247, 1248.

146

Zweiter Teil: § 6 Der Schlüsselbegriff der „Unternehmerentscheidung“

gebe Auskunft über die Arbeitsdichte. Quecke ist der Auffassung, die bloße Entscheidung, Personal auf Dauer abzubauen, führe für sich allein nicht zu einem Personalüberhang. Diese Entscheidung erzeuge gerade keinen Rückgang der Arbeitsmenge. Auch Quecke hält dem Bundesarbeitsgericht deshalb einen Denkfehler vor. Erst das unternehmerische Konzept und nicht bereits die bloße Entscheidung zum dauerhaften Abbau von Arbeitsplätzen könne wirklich Auskunft darüber geben, ob nach den objektiv zu erwartenden Verhältnissen ein Personalüberhang bestehe. Quecke zeigt sich auch nicht überzeugt durch das Konzept des Bundesarbeitsgerichts hinsichtlich der Darlegungs- und Beweislast220. Der Zweite Senat sei von der unzutreffenden Prämisse ausgegangen, dass die bloße Entscheidung zum dauerhaften Personalabbau schon zum Wegfall von Arbeitsplätzen führe, so dass deshalb nur noch die Möglichkeit bliebe, diese Entscheidung auf Willkür zu prüfen. Da dem Gericht diese Konsequenz wohl selbst nicht gefalle, ließe es entgegen den üblichen Regeln die dem Arbeitnehmer obliegende Darlegungslast für Willkür beim Arbeitgeber beginnen. Ferner sei es nicht richtig, die Frage der organisatorischen Durchführbarkeit und Dauerhaftigkeit eines Personalabbaus als Frage nach der offensichtlichen Unsachlichkeit, Unvernunft oder Willkür der Unternehmerentscheidung zu behandeln. Der Arbeitnehmer verliere durch diese neue Rechtsprechung wesentliche Verteidigungschancen. Zukünftig bräuchte der Arbeitgeber nur noch zu behaupten, den Entschluss zum Personalabbau getroffen zu haben, und die Darlegung und der Beweis der Willkür wären letztlich Sache des Arbeitnehmers. Dies lasse sich mit der Beweislastverteilung des § 1 Abs. 2 S. 4 KSchG nicht in Einklang bringen. Rommé/Pauker221 betrachten die Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts, in denen festgestellt wurde, die Unternehmerentscheidung könne auch darin liegen, künftig auf Dauer mit weniger Personal zu arbeiten, ebenfalls mit Skepsis. Sie bezweifeln, dass sich dieses Konzept in der Praxis bewähren werde222. Das Erfinden der Vermutung, dass eine Unternehmerentscheidung, die nicht mit einer Kündigung zusammenfällt, grundsätzlich aus sachlichen Gründen erfolgt sei, sei überflüssig. Bereits aus den allgemeinen Darlegungs- und Beweislastregeln ergebe sich, dass diejenige Partei beweisbelastet sei, die sich auf Willkür bzw. einen Rechtsmissbrauch berufe223.

___________ 220

Quecke, NZA 1999, 1247, 1250.

221

Rommé/Pauker, NZA-RR 2000, 281 ff.

222

Rommé/Pauker, NZA-RR 2000, 281, 291.

223

Rommé/Pauker, NZA-RR 2000, 281, 284.

F. Keine Eingrenzung auf der materiellen Ebene

147

Rieble224 meint, die neue Rechtsprechung des Bundesarbeitgerichts bedeute das Ende der Unternehmerfreiheit in personellen Angelegenheiten. „Frei“ entscheide der Arbeitgeber dann nur noch in vorgelagerten wirtschaftlichen Angelegenheiten. Die Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts vom 17.6.1999 würden die Zweiteilung zwischen Freiheit und Unfreiheit auflösen. Die Zwischenzone der „Konkretisierung“ der Organisationsentscheidung hin zum Kündigungsentschluss werde als „schiefe Ebene“ gesehen. Je weiter der Arbeitgeber nach unten in Richtung Kündigungsentschluss rutsche, desto rechenschaftspflichtiger werde er. Rieble kritisiert, die „organisatorische Durchführbarkeit“ werde ein „neues“ Sozialwidrigkeitskriterium. Auch Feudner225 hält dem Bundesarbeitsgericht eine zu starke Eingrenzung der Unternehmerentscheidung vor. Die Rechtsprechung greife wie früher zu Leerformeln. Kündigungen seien zukünftig wieder nach unbestimmten Rechtsbegriffen zu beurteilen. Weiterhin äußert Feudner die Sorge, das Gericht beginne das Prinzip des freien unternehmerischen Ermessens auszuhöhlen. Die Abgrenzung des unternehmerischen Dispositionsinteresses gegenüber dem Bestandsschutzinteresse sei erneut völlig offen. In einem weiteren Beitrag meint Feudner226, dass das Bundesarbeitsgericht zwar materiellrechtlich bei seiner bisherigen Linie bleibe. Jedoch bestehe die Sorge, dass eine Gewichtsverschiebung der zu berücksichtigenden Interessen über die prozessualen Regeln der Darlegungs- und Beweislast stattfinde. Feudner befürchtet eine über eine Missbrauchskontrolle hinausgehende Überprüfung der „freien“ Unternehmerentscheidung. Zepter227 meint dagegen, die Position des Arbeitgebers werde konsequent weiterhin gestärkt. Man könne sich des Eindrucks nicht erwehren, dass das Bundesarbeitsgericht bemüht sei, das Arbeitsrecht von dem Vorwurf zu befreien, es sei ein „Standort-Malus“. Zepter bezweifelt jedoch, ob sich die neue Rechtsprechung noch mit der gesetzlichen Wertvorstellung vereinbaren lasse, die Kündigung müsse einem dringenden Erfordernis entsprechen, denn die Motive für einen Personalabbau seien völlig irrelevant. Ein anwaltlich gut beratener Arbeitgeber brauche nach dieser neuen Rechtsprechung Prozesse wegen betriebsbedingter Kündigungen nicht zu fürchten.

___________ 224

Rieble, Anm. zu BAG v. 17.6.1999 – 2 AZR 141/99 –, EzA Nr. 102 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung. 225

Feudner, DB 1999, 2566, 2567.

226

Feudner, DB 2000, 476, 479 (Replik auf Zepter DB 2000, 474 ff.).

227

Zepter, DB 2000, 474 ff. (Erwiderung auf Feudner, DB 1999, 2566 ff.).

148

Zweiter Teil: § 6 Der Schlüsselbegriff der „Unternehmerentscheidung“

Schrader228 gibt zu bedenken, dass Arbeitnehmer zukünftig das Bestreiten mit Nichtwissen gemäß § 138 Abs. 4 ZPO intensivieren werden mit der Folge, dass letztlich der Arbeitgeber die Machbarkeit und Umsetzbarkeit seines Konzeptes vollständig darlegen und beweisen müsse. Die Anforderungen seien gestiegen, so dass die Kündigungsmöglichkeiten für den Arbeitgeber als erschwert angesehen werden müssten. Die abgestufte Darlegungs- und Beweislast in der neuen Konzeption sei der Anfang vom Ende der Darlegungs- und Beweislastverteilung hinsichtlich der offensichtlichen Unsachlichkeit, Unvernunft oder Willkür von Arbeitgebermaßnahmen229. Oetker230 sieht in der Forderung, dass der Arbeitgeber für das Entstehen eines dauerhaften Arbeitskräfteüberhangs darlegungspflichtig sei, die Gefahr, dass die Instanzgerichte zu hohe Anforderungen an die Substantiierungslast des Arbeitgebers stellen und daran die Wirksamkeit betriebsbedingter Kündigungen scheitern lassen würden. Schließlich kritisiert auch B. Preis231 die drei Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts vom 17.6.1999 sehr heftig. Das Bundesarbeitsgericht habe sich in eine Sackgasse manövriert und den Kündigungsschutz in eine tiefe Krise gestürzt. Die gesamte Argumentation des Gerichts sei in methodischer und rechtspolitischer Hinsicht nicht akzeptabel. Der gesetzliche Prüfmaßstab „dringende betriebliche Erfordernisse“ werde auf eine Willkürkontrolle reduziert. Damit konterkariere das Gericht den Gesetzestext. Das positive Tatbestandsmerkmal „dringende betriebliche Erfordernisse“ werde durch das negative Merkmal „nicht willkürlich“ ersetzt. Dies sei ein Etikettenschwindel, dessen Auswirkungen noch gar nicht absehbar seien. Als Weg aus der Krise empfiehlt B. Preis eine Rückkehr zu den früheren Standards und eine Wiederbelebung des Merkmals „dringende betriebliche Erfordernisse“.

2. Im Wesentlichen mit der Rechtsprechung des BAG konform gehende Stimmen Nur wenige Meinungen im Schrifttum folgen den Ausführungen des Bundesarbeitsgerichts zustimmend.

___________ 228

Schrader, NZA 2000, 401, 404. Schrader, NZA 2000, 401, 405. 230 Oetker, Anm. zu BAG v. 17.6.1999 – 2 AZR 522/98 –, EWiR 2000, 43, 44. 231 B. Preis, DB 2000, 1122, 1123 f. 229

F. Keine Eingrenzung auf der materiellen Ebene

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So verteidigt Bitter232 die neue Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts und setzt sich ausführlich mit den kritischen Meinungen aus dem Schrifttum auseinander. Eine generelle Abkehr des Bundesarbeitsgerichts von seiner bisherigen Linie könne er nicht erkennen. Die einschränkende neue Rechtsprechung gelte für den Extremfall der praktischen Kongruenz zwischen Unternehmerentscheidung und Kündigung. Ansonsten bleibe alles beim Alten. Bitter hält es für durchaus richtig, die nach materiellem Recht postulierte weitgehende Entscheidungsfreiheit des Arbeitgebers mit prozessualen Mitteln ein Stück weit einzudämmen Eine Eingrenzung der Unternehmerentscheidung nicht bereits auf der materiellen Ebene vorzunehmen, sondern der Missbrauchsgefahr auf der förmlichen Ebene der Darlegungs- und Beweislast zu begegnen, fand auch die Zustimmung von Singer und der Verfasserin der vorliegenden Arbeit in der gemeinsam veröffentlichten Anmerkung zu einem der drei Urteile vom 17.6.1999234. Das Bedürfnis nach einer gerichtlichen Überprüfung werde stärker, je näher die Unternehmerentscheidung an die Kündigung selbst heranrücke. Die Berufung auf eine freie nicht überprüfbare Unternehmerentscheidung sei nur so lange unproblematisch, wie die Handlungsfreiheit für Maßnahmen in Anspruch genommen werde, die mit Kündigungen in keinem unmittelbaren Zusammenhang stünden, wie zum Beispiel Entscheidungen über Ort und Menge der Produktion etc. In sachlicher und dogmatischer Hinsicht sei es der richtige Weg, der Gefahr einer nur scheinbar vorgenommenen Unternehmerentscheidung dadurch zu begegnen, dass an die prozessuale Darlegung ihrer Ernsthaftigkeit erhöhte Anforderungen gestellt werden. Die vom Bundesarbeitsgericht aufgestellten Anforderungen an die Darlegungslast des Arbeitgebers entsprächen den Anforderungen an die zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerinteressen herzustellende praktische Konkordanz. Auch Frabotta/Korinth235 nahmen die Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts vom 17.6.1999 positiv auf. Das Gericht habe eine Grundkonzeption entwickelt, die geeignet sei, der notwendigen unternehmerischen Freiheit gerecht zu werden, ohne dem Missbrauch durch eine vorbehaltlose Anerkennung jedweder Unternehmerentscheidungen Tür und Tor zu öffnen. ___________ 232

Bitter, DB 2000, 1760, 1763 ff.

233

Bitter, DB 2000, 1760, 1764; siehe auch Plander, Anm. zu BAG v. 17.6.1999 – 2 AZR 456/98 –, EWiR 2000, 135, 136. 234

Singer/v.Finckenstein, Anm. zu BAG v. 17.6.1999 – 2 AZR 141/99 –, SAE 2000, 279, 282 ff. 235

Frabotta/Korinth, AuA 2000, 415, 417.

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Zweiter Teil: § 6 Der Schlüsselbegriff der „Unternehmerentscheidung“

Besgen236 bezieht sich ebenfalls zustimmend auf die neue Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts und führt aus, der Stellenwert der freien und nicht gerichtlich nachprüfbaren Unternehmerentscheidung werde zurechtgerückt. Nicht die Unternehmerentscheidung sei nachprüfbar, sondern die Auswirkungen der unternehmerischen Entscheidung auf „Dauer“ für das Arbeitsvolumen bzw. für den Bedarf an Arbeitskräften.

3. Stellungnahme Die Gedankengänge des Bundesarbeitsgerichts, die den Unterschied zwischen dem Begriff der „Unternehmerentscheidung“ an sich auf der materiellen Ebene einerseits, dem auch die Kündigung selbst zugeordnet wird, und dem Begriff der „freien Unternehmerentscheidung“ auf der prozessualen Ebene andererseits verdeutlichen, verdienen Zustimmung. Danach ist materiell-rechtlich zunächst jede Entscheidung eine Unternehmerentscheidung, letztlich sogar die Kündigung selbst. Jedoch kann der Unternehmer nicht erwarten, dass jede Unternehmerentscheidung, insbesondere im Falle des Zusammenfallens mit der Kündigung, von einer gerichtlichen Prüfung ausgenommen wird. Auf der prozessualen Ebene müssen deshalb Grenzen gesetzt werden. Die Freiheit der Unternehmerentscheidung begrenzt das Bundesarbeitsgericht mit der „je näherFormel“. Dies ist eine sachgerechte Lösung, da auf diese Art und Weise mit der Grenzziehung der Unternehmerfreiheit mit der erforderlichen Sensibilität umgegangen werden kann. Die Grenzen sollen so weit reichen, wie es der Bestandsschutz erfordert, aber eben nicht weiter als unbedingt nötig. Diese Rechtsprechung ist geeignet, den Interessenlagen von Arbeitgeber und Arbeitnehmer gerecht zu werden und einen angemessenen Ausgleich zu ermöglichen. Sie ist in sich schlüssig und bringt auch eine erkennbare Linie in das Recht der betriebsbedingten Kündigung. Die Handhabung wird erleichtert. Es ist also überzeugend, dass der Zweite Senat zunächst alle Entscheidungen als Unternehmerentscheidung qualifiziert und klarstellt, dass sogar auch die Kündigung selbst eine Unternehmerentscheidung sei237. Im Übrigen sieht der Senat, dass die Kündigung und die Entscheidung zum Personalabbau sehr dicht beieinander liegen, aber er versucht dennoch, den tatsächlich vorhandenen, wenn auch nur kleinen Unterschied herauszuarbeiten. Dies kommt bei folgenden Ausführungen zum Ausdruck238: „Die Kündigung als Unternehmerent___________ 236

Besgen, b + p 1999, 499, 501.

237

Dazu noch ausführlicher im Zweiten Teil § 6 F. III., S. 154 ff.

238

BAG v. 17.6.1999 – 2 AZR 141/99 –, BAGE 92, 71, 76.

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scheidung besagt nur, dass ein bestimmter Arbeitsplatz freigemacht werden soll. Sie sagt nichts darüber aus, ob der Arbeitsplatz nach der Kündigung alsbald wieder besetzt werden soll. (...) Demgegenüber ist die Entscheidung des Arbeitgebers, den Personalbestand auf Dauer zu reduzieren (...) eine Entscheidung, die zum Wegfall von Arbeitsplätzen führen und damit den entsprechenden Beschäftigungsbedarf entfallen lassen kann.“ Auf den ersten Blick könnte man tatsächlich wie Franzen oder Quecke meinen, dem Bundesarbeitsgericht unterlaufe ein Denkfehler. Dieser Vorwurf ist bei näherer Betrachtung jedoch unberechtigt. Der Zweite Senat hat sehr bewusst und durchdacht die entsprechenden Sätze ausgeführt. Ein Unterschied zwischen der Entscheidung der Kündigung und der Entscheidung der Personalreduzierung ist sehr wohl gegeben. Die Entscheidung der Personalreduzierung beinhaltet zunächst noch eine abstrakte Größe, dagegen hat die Entscheidung der Kündigung bereits einen konkreten personellen Bezug. Die abstrakte und sachliche Entscheidung der Personalreduzierung als unternehmerisches zukunftgerichtetes Ziel kann als betriebsbedingter Kündigungsgrund anerkannt werden. Die Entscheidung der konkreten und personenbezogenen Kündigung kann dagegen keineswegs als betriebsbedingter Kündigungsgrund anerkannt werden. Da das Auseinanderhalten dieser beiden sehr dicht beieinander liegenden Entscheidungen aber sehr schwierig ist, besteht eine Missbrauchsgefahr, die über andere Fälle von Unternehmerentscheidungen hinausgeht, die von der Kündigung weiter entfernt liegen. Es ist deshalb folgerichtig, erhöhte Anforderungen an die Darlegungslast zu stellen und zu verlangen, der Unternehmer müsse die Entscheidung der Personalreduzierung hinsichtlich ihrer organisatorischen Durchführbarkeit und hinsichtlich des Begriffs „Dauer“ verdeutlichen. Insbesondere aus dem Erfordernis der Verdeutlichung der Personalreduzierung auf Dauer ist zu erkennen, dass es sich um eine grundsätzliche unternehmerische Zielsetzung handelt, dass also eine Weichenstellung für die zukünftige Entwicklung des Unternehmens vorliegt, und dass deswegen dauerhaft Arbeitsplätze wegfallen. Bei der Entscheidung für eine konkrete Kündigung allein kann die Lage dagegen auch so aussehen, dass sofort nach Freiwerden des Arbeitsplatzes aufgrund der Kündigung derselbe Arbeitsplatz wieder mit einem neu eingestellten Arbeitnehmer besetzt wird bzw. werden soll. In einem solchen Fall fällt der Arbeitsplatz eben nicht auf Dauer weg. Hier ist weit eher mit persönlichen bzw. subjektiven Beweggründen, die hinter der Kündigung stehen, zu rechnen. Um die Gedankengänge des Bundesarbeitsgerichts nachvollziehen zu können, ist es notwendig, die Unterscheidung zwischen den beiden Entscheidungen Personalabbau und Kündigung zu erkennen. Jedoch werden diese beiden Entscheidungen vielfach gleichgesetzt. Wer ansonsten eine noch vor der Entscheidung Personalabbau liegende Unternehmerentscheidung fordert, möchte

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Zweiter Teil: § 6 Der Schlüsselbegriff der „Unternehmerentscheidung“

eigentlich eine dritte Ebene einführen: zuerst die Unternehmerentscheidung, daraus folgend die Entscheidung zum Personalabbau und schließlich daraus wieder folgend die Kündigung. Die Autoren, die auf einer dem Personalabbau vorgelagerten Unternehmerentscheidung bestehen und damit auf einer Reihenfolge, bei welcher der Personalabbau erst die Folge sein darf, verkürzen die Dimensionen der unternehmerischen Entscheidungen, indem sie die Entscheidung Personalabbau als solche nicht dem Kreis unternehmerischer Entscheidungen zuordnen. Diese Autoren verlangen, dass die Personalreduzierung am Ende der Kausalkette steht. Dies widerspricht jedoch der Beachtung der Personalhoheit der Unternehmer. Zudem ist diese Verkürzung aber auch nicht notwendig, denn wenn der Unternehmer darlegen und beweisen kann, dass die Personalreduzierung auf Dauer angelegt ist, wird hinreichend deutlich, dass diese Unternehmerentscheidung nicht willkürlich getroffen worden ist. Es muss Sache des Arbeitgebers bleiben, zu entscheiden, mit wie vielen Mitarbeitern er letztlich arbeiten möchte. Eine an den Unternehmer gerichtete Zwangsverpflichtung, mit mehr Arbeitnehmern zu arbeiten, als er eigentlich möchte, würde einen erheblichen Eingriff in die Freiheitsrechte des Unternehmers bedeuten. So kann die Entscheidung „Personalreduzierung“ durchaus am Anfang der Kausalkette stehen. Der Unternehmer kann beispielsweise entscheiden, ab sofort nur noch mit 15 statt mit 20 Arbeitnehmern zu arbeiten. Kann mit diesen 15 Arbeitnehmern die zu erledigende Arbeit nicht bewältigt werden, so kann als Folge der Entscheidung „Personalreduzierung“ zum Beispiel die unternehmerische Entscheidung getroffen werden, nun weniger Aufträge anzunehmen. Es muss letztlich dahin stehen können, ob die Entscheidung „Personalreduzierung“ am Anfang oder am Ende der Kausalkette steht. In solchen Fällen, in denen die Entscheidung „Personalreduzierung“ als Zwischenentscheidung zur konkreten Kündigung am Ende der Kausalkette steht, muss der Unternehmer die vorgelagerte Unternehmerentscheidung darlegen und die Zusammenhänge bis hin zur Kündigung erläutern. In jenen Fällen, in denen die Entscheidung „Personalreduzierung“ am Anfang steht, muss der Unternehmer entsprechend das damit einhergehende Konzept erläutern, wie er mit dem Betrieb dauerhaft mit verringertem Personal fortfahren will. Die Argumentationen von Quecke239 und Franzen240 sind demnach nicht überzeugend. Die Entscheidung zum Personalabbau setzt keinen Personalüberhang voraus, sondern schafft ihn erst. Solche Rationalisierungsentscheidungen bzw. Entscheidungen zur Organisation der Arbeit können dem Unternehmer, ___________ 239

Quecke, NZA 1999, 1247 ff.

240

Franzen, NZA 2001, 805 ff.

F. Keine Eingrenzung auf der materiellen Ebene

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wie gesagt, auch grundsätzlich nicht untersagt werden. Die Arbeitsorganisation ist seine ureigene Sache241. Die Sorge Feudners242 um eine Aushöhlung der freien Unternehmerentscheidung und eine Rückkehr zu Leerformeln sind überzogen. Das Bundesarbeitsgericht hat seine Rechtsprechung kontinuierlich weiter fortgesetzt und sich in den drei Urteilen vom 17.6.1999 mit dem speziellen Fall auseinandergesetzt, in dem die Unternehmerentscheidung der Personalreduzierung und der Entschluss der Kündigung sozusagen deckungsgleich sind. Der Zweite Senat hat sich damit von der bisherigen Linie grundsätzlich nicht entfernt, sondern bis dahin offene Fragen klargestellt. Um den Kündigungsschutz bei solchen speziell gelagerten Fällen wie dem Zusammenfallen von Unternehmerentscheidung und Kündigung nicht leer laufen zu lassen, war es folgerichtig, eine erhöhte Anforderung an die Darlegungs- und Beweislast zu stellen. Die Kritik Zepters243, die Arbeitgeberposition werde konsequent weiter gestärkt, ist ebenfalls nicht treffend. Es ist zwar richtig, dass das Bundesarbeitsgericht auf der materiellen Ebene zunächst alle unternehmerischen Dispositionen als Unternehmerentscheidungen qualifiziert, so dass man darin auf den ersten Blick tatsächlich eine Stärkung der Arbeitgeberposition sehen könnte; allerdings muss man auch die Eingrenzung auf der prozessualen Ebene berücksichtigen, wodurch den Arbeitnehmerinteressen Rechnung getragen wird. Auch die gegenteiligen Befürchtungen, beispielsweise von Schrader244, dass die erhöhten Anforderungen an die Darlegungs- und Beweislast des Arbeitgebers den Arbeitnehmerinteressen die überlegene Position einräume, sind überspannt. Die erhöhten Anforderungen gelten ja nur für den Fall, dass die getroffene Unternehmerentscheidung der Kündigung sehr nahe kommt. Hier eine entsprechende Begründung für die Kündigung zu verlangen, entspricht genau dem Sinn und Zweck des Kündigungsschutzgesetzes. Bei unternehmerischen Entscheidungen, die mit der Kündigung zunächst nicht in einem unmittelbaren Zusammenhang stehen, bestehen keine erhöhten Anforderungen. Die kritischen Äußerungen von B. Preis245, die Merkmale der „dringenden betrieblichen Erfordernisse“ seien durch die neue Rechtsprechung auf „nicht willkürlich“ reduziert worden, stehen der neuen Rechtsprechung im Ergebnis ___________ 241

So auch Bitter, DB 2000, 1760, 1763. Feudner, DB 1999, 2566 ff.; ders., DB 2000, 476 ff. 243 Zepter, DB 2000, 474 ff. 244 Schrader, NZA 2000, 401, 404. 245 B. Preis, DB 2000, 1122 ff. 242

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Zweiter Teil: § 6 Der Schlüsselbegriff der „Unternehmerentscheidung“

auch nicht im Wege. Zum einen ist die Reduzierung weniger erheblich, als es nach B. Preis den Anschein hat, denn das Bundesarbeitsgericht fordert ja gerade eine Möglichkeit der Überprüfung hinsichtlich der organisatorischen Durchführbarkeit und der Dauerhaftigkeit der Personalreduzierung. Dies geht über den normalen Willküreinwand nach § 242 BGB hinaus. Das Bundesarbeitsgericht verlangt vom Arbeitgeber eine entsprechende Begründungspflicht, was genau dem Sinn und Zweck des § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG entspricht. Zum anderen ist § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG eine spezielle Regelung zur Vermeidung von Willkür. Das Bundesarbeitsgericht hat also das Gesetz genau richtig interpretiert und eine interessengerechte Lösung für den Fall gefunden, dass die Unternehmerentscheidung mit der Kündigungsentscheidung quasi zusammenfällt. Der Einwand Oetkers246, es sei zu befürchten, dass die Instanzgerichte zu hohe Anforderungen an die Darlegungs- und Beweislast des Arbeitgebers stellen werden, so dass die Wirksamkeit betriebsbedingter Kündigungen oftmals daran scheitern werde, ist spekulativ. Wie schon mehrfach angemerkt, gelten die erhöhten Anforderungen ja nur für den Extremfall des Zusammenfallens von Unternehmerentscheidung und Kündigung. Nach wie vor ist der Arbeitgeber dann keinen erhöhten Anorderungen an die Darlegungs- und Beweislast ausgesetzt, wenn er die Kündigung auf eine Unternehmerentscheidung zurückführen kann, die mit der Kündigung nicht in einem unmittelbaren Zusammenhang steht. Der eingeschlagene Weg des Bundesarbeitsgerichts, die Entscheidungsfreiheit des Arbeitgebers nach materiellem Recht nicht einzuengen, sondern die Einschränkung auf der prozessualen Ebene vorzunehmen, aber eben auch nur soweit gehend, wie es unbedingt erforderlich ist, damit der Kündigungsschutz nicht leer läuft, ist mithin nachvollziehbar und konsequent. Es bedarf allerdings noch Feinabstimmungen mit der Darlegungs- und Beweislast und insbesondere mit der Fragestellung, wer die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen bzw. Nichtvorliegen einer missbräuchlichen Unternehmerentscheidung trägt.

III. Die Kündigung selbst als Unternehmerentscheidung Teilweise wird vertreten, die Kündigung selbst sei keine unternehmerische Entscheidung247. Die Kündigung sei zwar ebenfalls eine Maßnahme des Unter___________ 246

Oetker, Anm. zu BAG v. 17.6.1999 – 2 AZR 522/98 –, EWiR 2000, 43, 44. So soll etwa nach Schaub (AH, § 131 Rn. 3 S. 1494) die unternehmerische Entscheidung nicht die Kündigung als solche sein, sondern das unternehmerische Konzept zur Personalangleichung an den veränderten Arbeitsbedarf. Dies seien die technischen 247

F. Keine Eingrenzung auf der materiellen Ebene

155

nehmers, aber im kündigungsschutzrechtlichen Sinne mit solchen Maßnahmen nicht vergleichbar, die mit Kündigungen in keinem unmittelbaren Zusammenhang stehen, wie zum Beispiel Entscheidungen über Ort und Menge der Produktion oder Entscheidungen zur Werbungs-, Finanzierungs-, Einkaufs- und Absatzpolitik oder zu Fabrikations- und Arbeitsmethoden248. Die Kündigung selbst sei eine personelle, konkret personenbezogene Entscheidung, die der Unternehmerentscheidung stets nachgeordnet sei249. Die ihr vorgelagerte eigentliche Unternehmerentscheidung sei zielgerichtet auf die Belange des Unternehmens und des Betriebes. Erst durch ihre Umsetzung bzw. Anwendung auf den Betrieb werde die Unternehmerentscheidung bedeutsam für die Kündigung des Arbeitsvertrages. Eine begriffliche Unterscheidung zwischen einer unternehmerischen Entscheidung im kündigungsschutzrechtlichen Sinne und einer Unternehmerentscheidung, die mit einer Kündigung nicht in einem unmittelbaren Zusammenhang steht, dürfte aber auf eine Gratwanderung hinauslaufen, die unpraktikabel ist und zu Rechtsunsicherheit führt. Betrachtet man zum Beispiel den so genannten Weight-Watchers-Fall250, in dem die Arbeitgeberin entschieden hatte, die zugrunde liegende Vertragsform der Mitarbeiter von Arbeitsverhältnissen in freie Mitarbeiterverhältnisse umzugestalten, so ist auch hier ein enger kündigungsrechtlicher Zusammenhang offensichtlich. Nach der gerade aufgezeigten Argumentation käme man dann zu dem recht konstruierten Ergebnis, die Entscheidung der Vertragsumstellung sei keine eigentliche, also vorgelagerte Unternehmerentscheidung im kündigungsschutzrechtlichen Sinne. Das Bundesarbeitsgericht nimmt eine solche Unterscheidung denn auch richtigerweise nicht vor und bewertet auch die Unternehmerentscheidung der Vertragsumstellung vom Arbeitsverhältnis zum freien Mitarbeiterverhältnis als eine unternehmerische Entscheidung. Jede betriebliche und unternehmerische Disposition des Unternehmers ist wörtlich genommen eine Unternehmerentscheidung. Bereits die Entscheidung, überhaupt Arbeitnehmer zu beschäftigen bzw. weitere Arbeitnehmer einzustellen ist eine originär unternehmerische Entscheidung251. Die Arbeitnehmerzahl ___________ oder organisatorischen Maßnahmen zur Veränderung der Struktur des Betriebes, des Betriebsablaufs oder des Produktionsziels; in der Entscheidung vom 20.2.1986, AP Nr. 11 zu § 1 KSchG 1969 ging auch noch das BAG davon aus, die Kündigung sei keine Unternehmerentscheidung im Sinne des KSchG. 248

U. Preis, Prinzipien, S. 216.

249

ErfK/Ascheid, § 1 KSchG Rn. 376.

250

BAG v. 9.5.1996, BAGE 83, 127 ff.

251

Berkowsky, S. 92.

156

Zweiter Teil: § 6 Der Schlüsselbegriff der „Unternehmerentscheidung“

wieder zu verringern, ist ebenso eine unternehmerische Entscheidung. Es gehört zu den unternehmerischen Aufgaben und Entscheidungen, über den Personalbestand, also über die Stärke der Belegschaft, mit der das Betriebsziel erreicht werden soll, zu bestimmen. Dazu zählt die Entscheidung über die Kapazität an Arbeitskräften und wie diese Kapazität verteilt werden soll. Der rationelle Einsatz des Personals ist Sache des Unternehmers252. Er kann entscheiden, künftig mit weniger Personal zu arbeiten als bisher. Der Entschluss zur Kündigung selbst stellt deshalb ebenfalls eine unternehmerische Entscheidung dar253.

IV. Die Freiheit der Unternehmerentscheidung Nachdem herausgearbeitet worden ist, dass auch die Entscheidung zur Kündigung selbst zum Kreis der Unternehmerentscheidungen zählt, stellt sich die Frage, inwieweit diese auch „frei“ ist oder sein kann, das heißt, ob diese unternehmerische Entscheidung von den Gerichten ohne Überprüfung als verbindlich zugrunde zu legen ist254. Dies ist zumindest in den Fällen nicht hinnehmbar, in denen die Unternehmerentscheidung vom Kündigungsentschluss nicht zu unterscheiden ist. Würde man nämlich die Kündigung selbst als „freie Unternehmerentscheidung“ ausnehmen von einer gerichtlichen Überprüfung, unterliefe man den gesetzlichen Kündigungsschutz. Der Arbeitgeber könnte mit einer relativ leicht zu führenden und daher stets möglichen Begründung die nahezu völlige Freistellung der Kündigung von einer Rechtskontrolle erreichen. Dem Missbrauch wäre damit Tür und Tor geöffnet. Aus der Existenz des KSchG folgt, dass die Kündigung selbst nicht ohne weiteres als gerichtlich unüberprüfbare Unternehmerentscheidung anerkannt werden kann, sondern stets zu begründen ist255. Ansonsten wäre das KSchG überflüssig. Die Kündigung selbst muss sich an den Vorschriften des Kündigungsschutzes messen lassen ___________ 252

BAG v. 24.4.1997, BAGE 85, 358, 363.

253

So im Ergebnis auch KR/Etzel, § 1 KSchG Rn. 524.

254

Der Sprachgebrauch der so genannten „freien Unternehmerentscheidung“ lässt sich zurückführen auf den seitens der Gerichte den Unternehmern grundsätzlich zugestandenen Freiraum, innerhalb dessen ihre unternehmensbezogenen Dispositionen keiner gerichtlichen Kontrolle unterworfen sind; vgl. zur Herleitung dieses Sprachgebrauchs Bitter, DB 1999, 1214. 255 BAG v. 20.2.1986, AP Nr. 11 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung m. Anm. v.Hoyningen-Huene; BAG v. 17.6.1999 – 2 AZR 141/99 –, SAE 2000, 279, 280 f. m. Anm. Singer/v.Finckenstein; Ascheid, KSchR, Rn. 235; Berkowsky, S. 95; Hillebrecht, ZfA 1991, 87, 106; v.Hoyningen-Huene/Linck, KSchG, § 1 Rn. 370 und 412; U. Preis, DB 1988, 1387, 1389; ders., NZA 1995, 241, 242.

F. Keine Eingrenzung auf der materiellen Ebene

157

und ist deshalb keine „freie“ Unternehmerentscheidung im Sinne der Freistellung von gerichtlicher Kontrolle, also nicht frei von Begründungszwängen. Hieraus ergibt sich die Aufgabe der Grenzziehung zwischen jenen Bereichen unternehmerischer Entscheidungen, die davon frei sind, und jenen, die unter dem Vorbehalt einer mehr oder weniger ausführlichen Begründung stehen256. Die jeweilige Grenze der Freiheit ergibt sich aus den dem KSchG zugrunde liegenden Wertungen. Zwischen den widerstreitenden Interessen von Arbeitgeber und Arbeitnehmer ist ein sachgerechter Ausgleich vorzunehmen. Sinn und Zweck des KSchG ist es, zumindest missbräuchliche und willkürliche Kündigungen zu vermeiden. Die Freiheit der unternehmerischen Entscheidungen und die Vermutung der Sachlichkeit hören also dort auf, wo die Gefahr der Willkür und des Missbrauchs von Kündigungen beginnt. Um die Gefahr der Willkür und des Missbrauchs überhaupt erkennen zu können, muss sich der Unternehmer gegebenenfalls gefallen lassen, dass er die grundsätzlich freie Unternehmerentscheidung unter Umständen in ihren Facetten und Auswirkungen vor dem Gericht darlegen muss. Dies bedeutet nicht zwangsläufig, dass diese Unternehmerentscheidung auch auf Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit überprüft wird. Dem Gericht muss es möglich sein, sich davon zu überzeugen, dass eine unternehmerische Entscheidung, die zu einer Kündigung führt, nicht offensichtlich unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist. Konsequenterweise hat das Bundesarbeitsgericht deshalb in seinen drei Urteilen vom 17.6.1999257 den Rechtssatz aufgestellt: „Je näher die eigentliche Organisationsentscheidung an den Kündigungsentschluss rückt, um so mehr muss der Arbeitgeber durch Tatsachenvortrag verdeutlichen, dass ein Beschäftigungsbedürfnis für den Arbeitnehmer entfallen ist.“ Diese „Je-näher-Formel“ stellt eine Lösung des Problems auf der prozessualen Ebene dar. Dies ist zwar auf den ersten Blick ungewöhnlich, bei genauerem Hinschauen aber der Weg zu einer praktikablen Handhabung, bei der die graduellen Abstufungen und unterschiedlichen Nuancen der Vielzahl von denkbaren Unternehmerentscheidungen Berücksichtigung finden können. Würde man dagegen bereits auf der materiellen Ebene versuchen, eine Abgrenzung zwischen einer freien und einer unfreien Unternehmerentscheidung vorzunehmen, so bestünde die Gefahr, die Unternehmerentscheidungen in ein starres Raster zu pressen und sie unnötig bzw. lebensfern zu begrenzen. Es ___________ 256

Vgl. zur gerichtlichen Überprüfbarkeit der Unternehmerentscheidung vertiefend Zweiter Teil § 7, S. 160 ff. 257

BAG v. 17.6.1999 – 2 AZR 141/99 –, BAGE 92, 71, 78; vgl. ferner BAG v. 17.6.1999 – 2 AZR 522/98 –, BAGE 92, 61 ff. und BAG v. 17.6.1999 – 2 AZR 456/98 –, BAGE 92, 79 ff.

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Zweiter Teil: § 6 Der Schlüsselbegriff der „Unternehmerentscheidung“

ist auch nicht ersichtlich, dass eine solche Abgrenzung für alle denkbaren Fälle gelingen würde. Die neue „Je-näher-Formel“ des Bundesarbeitsgerichts stellt also eine überzeugende Lösungsmöglichkeit dar. Je näher die Unternehmerentscheidung an den Kündigungsentschluss rückt, desto weniger kann von vornherein die Vermutung greifen, die Unternehmerentscheidung sei aus sachlichen Gründen erfolgt, und desto höher wird das Bedürfnis nach Überprüfung. Je geringer nämlich der Abstand zwischen der Unternehmerentscheidung und der Kündigung ausfällt, desto weniger ist auf den ersten Blick erkennbar, dass die Kündigung dringend betrieblich erforderlich und ein Arbeitsplatz dauerhaft weggefallen ist. Die Anforderungen an den vom Arbeitgeber zu erbringenden Tatsachenvortrag gemäß § 1 Abs. 2 S. 4 KSchG sind also umso höher, je näher die Unternehmerentscheidung an den Kündigungsentschluss selbst heranrückt. Oder umgekehrt: Je weiter die Unternehmerentscheidung vom Kündigungsentschluss entfernt ist, desto weniger muss der Arbeitgeber zu der Unternehmerentscheidung selbst vortragen. In diesen Fällen muss er nur die Zusammenhänge zwischen der getroffenen unternehmerischen Entscheidung und der daraus resultierenden Kündigung verdeutlichen.

V. Ergebnis Letztendlich wird man den Begriff der „unternehmerischen Entscheidung“, der ja im KSchG gar nicht vorkommt, im Einzelfall stets neu zu bestimmen haben. Bei der Frage, was unter einer unternehmerischen Entscheidung zu verstehen ist, geht es insbesondere nicht um die Abgrenzung, ob die Entscheidung eher auf der unternehmerischen oder eher auf der betrieblichen Ebene getroffen wurde. Letztlich ist jede unternehmerische Disposition eine unternehmerische Entscheidung, sogar die Kündigung selbst. Eine genaue Definition ist aufgrund der Vielzahl möglicher Fälle nicht möglich und hilft auch für die Probleme des Kündigungsschutzes nicht weiter258. Die Einzelfälle der Unternehmerentscheidungen mit ihrem Bedeutungsgehalt für die betriebsbedingte Kündigung lassen sich allenfalls systematisieren. Bereits vorhanden ist eine Systematisierung nach dem Anlass der Unternehmerentscheidung in außer- und innerbetriebliche Ursachen. Diese Differenzierung dient jedoch zunächst nur dem besseren Verständnis der zur Kündigung führenden Ursachen. Eine rechtliche Bedeutung hat diese Unterscheidung dagegen nicht. Eine Lösung des Problems, welcher ___________ 258 So auch Berkowsky, S. 90; vgl. auch Singer/v.Finckenstein, Anm. zu BAG v. 17.6.1999 – 2 AZR 141/99 –, SAE 2000, 279, 284; vgl. ferner Ch. Müller, S. 142.

F. Keine Eingrenzung auf der materiellen Ebene

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Bereich durch die Gerichte überprüfbar ist und welcher nicht, konnte deshalb auch mit dieser Systematisierung nicht gefunden werden. Überzeugend ist die neuere Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, die folgenden Rechtssatz aufgestellt hat: „Je näher die eigentliche Organisationsentscheidung an den Kündigungsentschluss rückt, um so mehr muss der Arbeitgeber durch Tatsachenvortrag verdeutlichen, dass ein Beschäftigungsbedürfnis für den Arbeitnehmer entfallen ist.“ Diese Lösung des Problems auf der prozessualen Ebene eröffnet einen praktikablen Weg und wird den graduellen Abstufungen der Vielzahl von möglichen Unternehmerentscheidungen gerecht. Sinnvoll erscheint deshalb eine Systematisierung der verschiedenen Unternehmerentscheidungen nach der Nähe zum Kündigungsentschluss, da sich nur daraus die Anforderungen an den Tatsachenvortrag des Arbeitgebers gemäß § 2 Abs. 2 S. 4 KSchG ableiten lassen, den er vor Gericht erbringen muss, um zu verdeutlichen, dass die Kündigung dringend betrieblich erforderlich war und nicht etwa aus willkürlichen oder missbräuchlichen Gründen ergangen ist.

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Zweiter Teil: § 7 Eingeschränkte gerichtliche Überprüfbarkeit

§ 7 Eingeschränkte gerichtliche Überprüfbarkeit unternehmerischer Entscheidungen A. Einführung Ob und in welchem Umfang die einer betriebsbedingten Kündigung zugrunde liegende unternehmerische Entscheidung gerichtlich überprüfbar ist, war stets umstritten1. Das KSchG selbst gibt auf diese Frage keine Antwort. In der Rechtsprechung und in der Literatur entwickelten sich deshalb schon recht bald nach Inkrafttreten des KSchG 1951 unterschiedliche Meinungen. Insbesondere in der älteren Literatur finden sich vielfach Befürworter einer uneingeschränkten Überprüfungsmöglichkeit der Unternehmerentscheidung durch die Gerichte2. Dagegen hat sich in der Rechtsprechung3 und überwiegend im Schrifttum4 inzwischen die allgemeine Auffassung etabliert, dass die mit der Kündigung verbundene Unternehmerentscheidung nicht auf ihre Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit hin überprüft werden dürfe, sondern nur einer Missbrauchskontrolle unterliege. Eine rechtsdogmatische Begründung dieser Meinung ist jedoch nur ansatzweise zu finden5. Der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts lassen sich kaum oder so gut wie keine diesbezüglichen Gründe entneh___________ 1

Vgl. den historischen Überblick im Zweiten Teil § 4, S. 41 ff.

2

Vgl. z. B. Dieckhoff, ArbuR 1957, 197 ff.; Joachim, BB 1954, 1114 ff.; Kauffmann, NJW 1953, 1047 ff.; Molitor, BB 1953, 34, 35; Schmidt, RdA 1954, 170, 173; Schüler, ArbuR 1954, 54 ff.; vgl. auch die ältere Rspr. LAG Frankfurt v. 25.11.1953, BB 1954, 228; LAG Stuttgart v. 19.5.1954, BB 1954, 806; a. A. Eberl, BB 1954, 447; Fauth, BlStSozArbR 1953, 155 ff. 3

Vgl. z. B. BAG v. 18.1.1990, BAGE 64, 24 ff.; BAG v. 19.5.1993, BAGE 73, 151 ff.; BAG v. 9.5.1996 (Weight-Watchers-Entscheidung), BAGE 83, 127 ff.; BAG v. 26.9.1996, BAGE 84, 209 ff.; BAG v. 17.6.1999 – 2 AZR 141/99 –, BAGE 92, 71 ff.; BAG v. 17.6.1999 – 2 AZR 522/98 –, BAGE 92, 61 ff.; BAG v. 17.6.1999 – 2 AZR 456/98 –, BAGE 92, 79 ff.; vgl. auch die Auffassung der Instanzgerichte z. B. LAG Bremen v. 6.5.1953, BB 1953, 532; LAG Düsseldorf v. 6.3.1953, BB 1953, 356; LAG Mannheim v. 11.3.1955, BB 1955, 574; LAG Baden-Württemberg v. 30.5.1968, DB 1968, 1588. 4

Vgl. z. B. Berkowsky, S. 49; KR/Etzel, § 1 KSchG Rn. 522.; Henssler, Kölner Tage des Arbeitsrechts 2000, 89, 93; Hofmann, ZfA 1984, 295, 314; v.Hoyningen-Huene, NZA 1994, 1009, 1010; v.Hoyningen-Huene/Linck, KSchG, § 1 Rn. 371 ff.; Meisel, BB 1963, 1058, 1059; Monjau, BB 1967, 1211, 1213 f.; Möhn, ZTR 1995, 356 f.; G. Müller, DB 1962, 1538, 1540; ders., ZfA 1982, 475, 483 ff.; W. Müller, DB 1975, 2130, 2131; Oetker, Anm. zu BAG v. 18.1.1990, SAE 1991, 11, 17; B. Preis, ArbuR 1997, 60, 62; ders., NZA 1997, 625, 627; U. Preis, Prinzipien, S. 217; Reuter Anm. zu BAG v. 4.3.1986, SAE 1987, 34, 38; ders., NZA 1989, 241 ff.; Rieble, Kontrolle des Ermessens, S. 140 f.; Schaub, RdA 1981, 371, 374; Stahlhacke/Preis/Vossen, Rn. 945 ff.; Wank, RdA 1987, 129, 144. 5

So auch Ch. Müller, S. 143.

B. Verfassungsrechtlicher Ausgangspunkt

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men. Das Gericht wendet vielmehr mit einer gewissen Selbstverständlichkeit den Grundsatz der Unüberprüfbarkeit an, ohne jedoch die Hintergründe genauer zu erläutern. Etwas reichhaltiger fällt die Begründung der Nichtüberprüfbarkeit der Unternehmerentscheidung in der Literatur aus, wobei auch hier die Ausführungen häufig nur fragmentarisch und teilweise nicht überzeugend sind. Im Wesentlichen wird zur Begründung angeführt, die Unüberprüfbarkeit der Unternehmerentscheidung basiere auf den Freiheitsgrundrechten des Unternehmers, ergebe sich aus den Wertungen der §§ 111, 112, 112 a BetrVG 1972, des Weiteren sei der Richter mit der Überprüfung der unternehmerischen Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit überfordert und schließlich sei zu berücksichtigen, dass der Unternehmer und nicht der Richter das wirtschaftliche Risiko der unternehmerischen Entscheidungen trage. Diesen eher oberflächlichen Begründungen für die Unüberprüfbarkeit der Unternehmerentscheidung soll in diesem Kapitel genauer nachgegangen werden. Den Ausgangspunkt bilden verfassungsrechtliche Überlegungen. Nach einer kurzen Klärung, wie Grundrechte allgemein auf das Zivil- und Arbeitsrecht einwirken, wird untersucht, inwiefern sich eine Präferenz der durch das Grundgesetz geschützten unternehmerischen Betätigungsfreiheit gegenüber der Grundrechtsposition der Arbeitnehmer ergibt. Dabei wird auch ein Blick auf die Wirtschaftsordnung der Verfassung und auf das in der Verfassung verankerte Sozialstaatsgebot geworfen. Im Ergebnis kann dann eine Aussage darüber getroffen werden, welche Konsequenzen sich für den Gesetzgeber und für den Richter bei der Anwendung und Auslegung des § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG aus der Verfassung ergeben. Anschließend wird untersucht, inwiefern übertragbare Wertungen und Aussagen bezüglich der Freiheit und Unüberprüfbarkeit der Unternehmerentscheidung aus einfachgesetzlichen Regelungen gewonnen werden können. Dabei ist an erster Stelle das KSchG selbst zu betrachten. Weiterhin soll auf Wertungen aus dem BetrVG und dem SGB III eingegangen werden. Am Ende des vierten Kapitels wird die Frage diskutiert, inwiefern der Richter mit einer Überprüfung der Unternehmerentscheidung überfordert sein könnte und weiter, ob eine kontrollfreie Unternehmerentscheidung mit dem Argument begründet werden kann, dass der Unternehmer das Wirtschaftsrisiko seiner Entscheidungen trage.

B. Verfassungsrechtlicher Ausgangspunkt Im Folgenden soll untersucht werden, ob der Rückgriff auf die Freiheitsgrundrechte des Arbeitgebers den Ausschlag dafür geben kann, die gerichtliche Überprüfbarkeit der Unternehmerentscheidung zu beschränken. Ansatzpunkt

162

Zweiter Teil: § 7 Eingeschränkte gerichtliche Überprüfbarkeit

der Überlegung ist der verfassungsrechtliche Aspekt, inwiefern die Grundrechte den arbeitsrechtlichen Bestandsschutz beeinflussen. Im Zuge dieser Überlegung werden mehrere Fragestellungen aufgeworfen. Zunächst bedarf es einer Darstellung und Klärung der unverändert aktuellen Diskussion über den Stellenwert der Grundrechte im Zivil- und Arbeitsrecht6. Sodann ist jeweils auf die den Arbeitnehmer und auf die den Arbeitgeber schützenden Grundrechte einzugehen. Des Weiteren stellt sich die Frage, wie die geschützten Grundrechtspositionen von Arbeitnehmer und Arbeitgeber zum Ausgleich gebracht werden können. Anschließend soll betrachtet werden, ob und in welchem Ausmaß der Gesetzgeber an die Grundrechte der Privatrechtssubjekte gebunden ist und schließlich, ob, wie und in welchem Ausmaß die Zivil- und Arbeitsgerichte die Grundrechte der Prozessparteien bei der Urteilsfindung zu berücksichtigen haben.

___________ 6

Vgl. dazu die umfangreiche Literatur: Armbrüster, JR 1998, 412 f.; Aussem, Die Ausstrahlungswirkung der Grundrechte auf das Arbeitsverhältnis, Diss. 1994; Badura, FS Herschel, 1982, 21 ff.; ders., FS Berber, 1973, 11 ff.; Benda, FS Stingl, 1984, 35 ff.; Bleckmann, DVBl. 1988, 938 ff.; Böckenförde, Freiheitssicherung, S. 69 ff.; Bryde, NJW 1984, 2177 ff.; Canaris, JuS 1989, 161 ff.; ders., AcP 184 (1984), 201 ff.; Classen, AÖR 122 (1997), 65 ff.; Dieterich, RdA 1992, 330 ff.; ders., Grundgesetz und Privatautonomie im Arbeitsrecht; ders., NZA 1996, 673 ff.; ders., FS Schaub, 1998, 117 ff.; Dörner, NZA 1993, 873 ff.; Fastrich, RdA 1997, 65 ff.; F. Gamillscheg, Die Grundrechte im Arbeitsrecht, 1989; ders., AcP 164 (1964), 385 ff.; Häberle, JZ 1984, 345 ff.; Hager, JZ 1994, 373 ff.; Hanau, DB 1998, 69, 72; ders., FS Dieterich, 1999, 201 ff.; Hesse, Verfassungsrecht und Privatrecht, 1988; Hufen, NJW 1994, 2913 ff.; Kempen, FS Gnade, 1992, 57 ff.; Klar, NZA 1995, 1184 ff.; Küchenhoff, FS Nipperdey, 1965, II, 317 ff.; Kühling, ArbuR 1994, 126 ff.; ders., FS Dieterich, 1999, 325 ff.; Lakies, DB 1997, 1078 ff.; Langer, JuS 1993, 203 ff.; Lecheler, VVDStRL 43 (1985), 48 ff.; Leisner, S. 306 ff.; Loritz, BB 1993, 225 ff.; Medicus, AcP 192 (1992), 35 ff.; Ch. Müller, S. 70 ff. und 125 ff.; Nipperdey, RdA 1950, 121 ff.; ders., FS Molitor, 1962, 17 ff.; Oeter, AöR 1994 (119), 529 ff.; Oetker, ArbuR 1997, 41 ff.; ders., RdA 1997, 9 ff.; ders., Bestandsschutz, S. 9 ff.; ders., RdA 2004, 8 ff.; Otto, FS Wiese, 1999, 353 ff.; Papier, DVBl. 1984, 801 ff.; ders., RdA 1989, 137 ff.; ders., RdA 2000, 1 ff.; Pauly, ZTR 1997, 113 ff.; Pietzcker, NVwZ 1984, 550 ff.; ders., FS Dürig, 1990; 345 ff.; Plander, FS Gnade, 1992, 79 ff.; APS/U. Preis, Grundl. A Rn. 22 ff.; ders., Prinzipien, S. 233 ff.; ders., NZA 1997, 1256 ff.; Ramm, JZ 1991, 1 ff.; Reuter, RdA 1973, 345 ff.; ders., RdA 1978, 344 ff.; Rüfner, GS Martens, 1987, 215 ff.; Schneider, VVDStRL 43 (1985), 7 ff.; Scholz, ZfA 1981, 265 ff.; Singer, JZ 1995, 1133 ff.; Söllner, RdA 1985, 328 ff.; ders., RdA 1989, 144 ff.; ders., ArbuR 1991, 45 ff.; ders., NZA 1992, 721 ff.; ders., FS Kissel, 1994, 1121 ff.; ders., FS Stahlhacke, 1995, 519 ff.; ders., Arbeitsrecht in der Verfassungsordnung, S. 284 ff.; Stahlhacke, FS Wiese, 1998, 513 ff.; Stern, Staatsrecht III/1, S. 1509 ff.; Suhr, JZ 1980, 166 ff.; Wank, FS Hanau, 1999, 295 ff.; Wendt, DÖV 1984, 601 ff.; Zöllner, Gutachten D, 1978, S. 91 ff.; ders., AcP 196 (1996), 1 ff.

B. Verfassungsrechtlicher Ausgangspunkt

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I. Grundrechte im Zivil- und Arbeitsrecht Wie Oetker7 1996 in seiner Antrittsvorlesung in Jena zutreffend formulierte, kann heute „nicht mehr ernsthaft bezweifelt werden, dass die Grundrechtsordnung längst aus dem Gehege der Öffentlichrechtler ausgebrochen ist und in dem gepflegten Garten des Privatrechts wildert“. Die so genannte Drittwirkung der Grundrechte8 hat im Bereich des Privatrechts die wohl erheblichste Bedeutung im Arbeitsrecht erlangt. Die Arbeitsgerichte haben sich schon sehr früh auf die richtungsweisende Bedeutung der Grundrechte berufen9, und auch heute noch beziehen sie sich mehr als andere Zivilgerichte auf die Grundrechte10. Dies liegt hauptsächlich an der generellen Machtposition des Arbeitgebers gegenüber dem Arbeitnehmer, denn grundsätzlich ist die Einwirkung der Grundrechte um so bedeutsamer, je größer das Gefälle der sozialen Macht zwischen den Partnern in einem Zivilrechtsverhältnis ausfällt11. Das Problem der Drittwirkung der Grundrechte ist insbesondere in den 50er und frühen 60er Jahren diskutiert worden12. Die Diskussion ist jedoch auch heute noch nicht abgeschlossen. Nach einem zwischenzeitlichen Abklingen hat die Beschäftigung mit dem Stellenwert der Grundrechte im Privat- und Arbeitsrecht seit einigen Jahren wieder zusehends an Bedeutung gewonnen. Die Grundrechtsproblematik im Privatrecht hat insbesondere mit der Handelsvertreterentscheidung vom 7.2.199013 und der Bürgschaftsentscheidung vom 19.10.199314 des Bundesverfassungsgerichts neue Impulse erhalten. Grundsätzlich unterscheidet man mehrere kategorisierbare Ansichten: die traditionelle Auffassung, die unmittelbare Drittwirkung, die mittelbare Drittwirkung und die Schutzzwecklehre. Die Einwirkung der Grundrechte auf das ___________ 7

Oetker, Bestandsschutz, S. 11. Unter Drittwirkung der Grundrechte ist die Geltung der Grundrechte im Privatrecht, im Privatrechtsverkehr der Bürger untereinander zu verstehen, also die horizontale Richtung der Grundrechte im Verhältnis der Bürger zueinander, im Gegensatz zur klassischen vertikalen Richtung der Grundrechte im Verhältnis des Bürgers zum Staat; vgl. v.Münch/Kunig, GG-Kommentar, Bd. I, Vorbem. Art. 1 – 19 Rn. 28. 9 Vgl. die Rechtsprechungsübersicht bei F. Gamillscheg, S. 37 – 74. 10 ErfK/Dieterich, Einl. GG Rn. 3; K. Gamillscheg, S. 36; Söllner, FS Kissel, 1994, 1121, 1125; Stern, Staatsrecht III/1, S. 1429. 11 F. Gamillscheg, AcP 164 (1964), 385, 407 ff.; Böckenförde, Grundrechtsgeltung, S. 81 ff. 12 Rüfner, GS Martens, 1987, 215. 13 Vgl. die Handelsvertreterentscheidung des BVerfG v. 7.2.1990, BVerfGE 81, 242 ff. 14 Vgl. die Bürgschaftsentscheidung des BVerfG v. 19.10.1993, BVerfGE 89, 214 ff. 8

164

Zweiter Teil: § 7 Eingeschränkte gerichtliche Überprüfbarkeit

Privatrecht ist in ihrer Struktur jedoch noch komplizierter, so dass die Kategorisierung nur als grobe Hilfe dient, die Problematik zu verdeutlichen15.

1. Traditionelle Auffassung Ursprünglich hielt man die Wirkung der Grundrechte nur im Verhältnis zwischen Staat und Bürger für relevant. Man war der Auffassung, dass die Grundrechte im Verhältnis von Staat und Bürger rein einseitig wirken, indem sie die rechtliche Stellung des Bürgers verstärken und die staatliche Machtausübung hemmen. Zu der klassischen Funktion der Grundrechte führte das Bundesverfassungsgericht im Lüth-Urteil vom 15.1.1958 aus: „Ohne Zweifel sind die Grundrechte in erster Linie dazu bestimmt, die Freiheitssphäre des Einzelnen vor Eingriffen der öffentlichen Gewalt zu sichern; sie sind Abwehrrechte des Bürgers gegen den Staat. Das ergibt sich aus der geistesgeschichtlichen Entwicklung der Grundrechtsidee wie aus den geschichtlichen Vorgängen, die zur Aufnahme von Grundrechten in die Verfassungen der einzelnen Staaten geführt haben. Diesen Sinn haben auch die Grundrechte des Grundgesetzes, das mit der Vorrangstellung des Grundrechtsabschnittes den Vorrang des Menschen und seiner Würde gegenüber der Macht des Staates betonen wollte“16. Nach der traditionellen Auffassung wurde eine Drittwirkung der Grundrechte abgelehnt17. Diese Ansicht gilt mittlerweile als überholt. Die Funktion der Grundrechte als Abwehrrechte gegen den Staat hat zwar auch heute noch Bedeutung, das Grundrechtsverständnis hat sich aber im Sinne einer Erweiterung der Grundrechtsfunktionen gewandelt18.

2. „Unmittelbare“ Drittwirkung der Grundrechte In den 50er Jahren stellte Nipperdey19 die These der „unmittelbaren“ Drittwirkung der Grundrechte im Privatrecht auf. Die Kernaussage dieser Lehre, die ___________ 15

Rüfner, GS Martens, 1987, 215, 220 f. BVerfG v. 15.1.1958 (Lüth), BVerfGE 7, 198, 204 f.; vgl. dazu auch Dreier, Vorbem. GG Rn. 45; K. Gamillscheg, S. 35. 17 Anschütz, Art. 117 Anm. 1 S. 484; Art. 118, Anm. 5 S. 490; Art. 159 Anm. 1 S. 629. 18 v.Münch/Kunig, GG-Kommentar, Bd. I, Vorbem. Art. 1 – 19 Rn. 16 f. 19 Nipperdey, RdA 1950, 121 ff.; vgl. auch später Enneccerus/Nipperdey, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, Bd. I, S. 91 ff.; Nipperdey, FS Molitor, 1962, 17, 23 ff. 16

B. Verfassungsrechtlicher Ausgangspunkt

165

mit Modifikationen teilweise auch heute noch vertreten wird20, besagt, dass die Grundrechte ihre Wirkung nicht nur zwischen Staat und Bürgern entfalten, sondern auch die Aufgabe von Ordnungssätzen bzw. Grundsatznormen haben und somit als objektive Normen den Privatrechtsverkehr binden, also auch im Verhältnis der Bürger untereinander gelten. Für eine unmittelbare Drittwirkung werden hauptsächlich zwei Aspekte angeführt. Einerseits bezieht man sich auf Art. 1 Abs. 2 GG, wonach die Menschenrechte „Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft“ sind. Andererseits sei zu beachten, dass die grundrechtlich geschützten Freiheitsrechte Einzelner nicht nur durch den Staat bedroht, sondern vielfach auch durch „private Gewalt“21 bzw. durch „soziale Macht“22 beeinträchtigt sind, wie zum Beispiel durch Konzerne, Wirtschaftsverbände, Gewerkschaften, Arbeitgeberverbände etc23. Gesellschaftliche Mächte können eine Durchsetzungskraft erlangen, die es dem Einzelnen unmöglich macht, seine Freiheitsrechte ohne Hilfe des Staates wirkungsvoll zu verteidigen24. Obwohl diese Argumente von einigem Gewicht sind, ist die Lehre der unmittelbaren Drittwirkung der Grundrechte vielfach kritisiert worden25. Gegen die unmittelbare Drittwirkung wird vor allem vorgebracht, dass die Freiheitsgrundrechte sich gegen den Staat richteten und eben nicht gegen Private. Dieses aus dem Text, der Systematik und der Entstehungsgeschichte des Grundgesetzes gewonnene Ergebnis könne mit den die unmittelbare Drittwirkung begründenden Argumenten nicht erschüttert werden26. Der Wortlaut des Art. 1 Abs. 3 GG nenne nur die öffentliche Gewalt. Die Privatautonomie sei bedroht, wenn die Privatrechtssubjekte denselben Schranken unterliegen sollten wie der eingreifende Staat. Im Ergebnis lehnt deshalb die überwiegende Meinung im Schrifttum wie auch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts eine unmittelbare Drittwirkung der Grundrechte ab. Dennoch ist ersichtlich geworden, dass die Grundrechte im Verhältnis der Bürger untereinander nicht gänzlich unerheblich sind. Das Bundesarbeitsgericht ging unabhängig von der Entwicklung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts noch eine recht lange Zeit von ___________ 20

Vgl. z. B. Bleckmann, DVBl. 1988, 938, 942; F. Gamillscheg, AcP 164 (1964), 385, 419 ff.; ders., S. 24 ff. und 75 ff.; Hager, JZ 1994, 373 ff.; Leisner, S. 356 ff. 21

Vgl. Leisner, S. 249 ff.

22

Vgl. Gamillscheg, AcP 164 (1964), 385, 408 ff.

23

Vgl. Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rn. 176.

24

Siehe auch ErfK/Dieterich, Einl. GG Rn. 18; vgl. ferner Böckenförde, Freiheitssicherung, S. 69, 71. 25 Canaris, AcP 184 (1984), 201, 203 ff.; Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, S. 152 Rn. 351 ff.; Klein, NJW 1989, 1633, 1639 f.; Medicus, AcP 192 (1992) 35, 43; Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rn. 175. 26

Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rn. 176.

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Zweiter Teil: § 7 Eingeschränkte gerichtliche Überprüfbarkeit

einer unmittelbaren Drittwirkung der Grundrechte aus27. Später nahm es dann aber ebenfalls Abstand von dieser Theorie und berücksichtigte die Grundrechte in Übereinstimmung mit der herrschenden Meinung lediglich noch aufgrund ihrer „Ausstrahlungswirkung“ 28.

3. „Mittelbare“ Drittwirkung der Grundrechte Nach der Lehre der „mittelbaren“ Drittwirkung der Grundrechte, die auf Dürig zurückführen ist, werden Normen des Privatrechts lediglich „mittelbar“ beeinflusst durch die hinter den Grundrechten erkennbar werdenden allgemeinen Grundentscheidungen. In einem Festschriftbeitrag für Nawiasky29 schrieb Dürig im Jahre 1956, dass die „wertausfüllungsfähigen und wertausfüllungsbedürftigen Generalklauseln“ durch die Grundrechte zu konkretisieren seien. Dadurch werde „einerseits die nach grundrechtlicher Anerkennung der privaten Dispositionsfreiheit im Drittrechtsverkehr rechtslogisch und rechtssystematisch notwendig gewordene Eigenständigkeit des Privatrechts und andererseits die selbstverständlich nötige Einheit des Gesamtrechts in der Rechtsmoral“ bewahrt. Wie das bekannte und für die Grundrechtsdogmatik grundlegende LüthUrteil vom 15.1.195830 zeigt, nahm auch das Bundesverfassungsgericht die I___________ 27 BAG v. 3.12.1954 (Meinungsfreiheit im Arbeitsverhältnis), BAGE 1, 185 ff.; BAG v. 15.1.1955, BAGE 1, 258 ff.; BAG v. 10.11.1955 (Verstoß gegen den durch Art. 1 und 2 GG garantierten Persönlichkeitsschutz), BAGE 2, 221 ff.; BAG v. 10.5.1957 (Zölibatsklauseln in Arbeitsverträgen), BAGE 4, 274, 276; BAG v. 23.2.1959, BAGE 7, 256, 260; BAG v. 29.6.1962, BAGE 13, 168,174 ff.; BAG v. 28.9.1972, BAGE 24, 438, 441; BAG v. 23.9.1976, BAGE 28, 176, 183. 28 Vgl. bereits BAG v. 20.12.1984, BAGE 47, 363, 374 f.; sodann BAG (GS) v. 27.2.1985, BAGE 48, 122, 138; BAG v. 27.5.1986 (Mitbestimmung Telefondatenerfassung), BAGE 52, 88, 98; BAG (GS) v. 12.6.1992, BAGE 70, 337, 343; BAG (GS) v. 27.9.1994, BAGE 78, 56, 65 f. 29 Dürig, FS Nawiasky, 1956, 157, 176 f.; vgl. zur „mittelbaren” Drittwirkung der Grundrechte auch Maunz/Dürig, Grundgesetz, Art. 1 Abs. 3 Rn. 102, 127 ff.; Art. 2 Abs. 1 Rn. 57; Art. 3 Abs. 1 Rn. 500 ff.; siehe ferner Bleckmann, DVBl. 1988, 938 ff.; Canaris, AcP 184 (1984), 201, 210 ff.; Hesse, Rn. 353 ff.; Medicus, AcP 192 (1992), 35, 43; Ch. Müller, S. 71 f.; v.Münch/Kunig, GG-Kommentar, Bd. I, Vorbem. Art. 1 – 19 Rn. 31; Starck, JuS 1981, 237, 245; Stern, Staatsrecht III/1, S. 1543 ff. 30 Lüth-Urteil des BVerfG v. 15.1.1958, BVerfGE 7, 198 ff.: Erich Lüth rief 1950 als Vorsitzender des Hamburger Presseklubs zum Boykott des Films „Unsterbliche Geliebte“ von Veit Harlan auf, der während des Dritten Reichs den antisemitischen Film „Jud Süß“ gedreht hatte. Die Produktions- und Verleihfirma des Films „Unsterbliche Geliebte“ klagten daraufhin gegen Lüth auf Unterlassung des Boykottaufrufs aus § 826 BGB. Das BVerfG konstatierte, diese Vorschrift müsse „im Geiste“ des Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG ausgelegt werden.

B. Verfassungsrechtlicher Ausgangspunkt

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dee der mittelbaren Grundrechtswirkung bald auf. Dieses Urteil hatte mit dem Verbot einer Meinungsäußerung eine zivilrechtliche Freiheitsbeschränkung zum Gegenstand, mithin einen Eingriff in das Grundrecht des Art. 5 Abs. 1 GG. Zwar hat sich das Bundesverfassungsgericht in der Urteilsbegründung nicht expressis verbis der Theorie der mittelbaren Grundrechtswirkung angeschlossen, weil seiner Meinung nach kein Anlass bestand, die Problematik der Drittwirkung in vollem Umfang zu diskutieren. Es wurde aber festgestellt, dass die Grundrechte eine objektive Wertordnung aufrichteten, welche als verfassungsrechtliche Grundentscheidung für alle Rechtsbereiche gelte. Grundrechte sollten also nicht nur die individuelle Freiheit des Einzelnen vor staatlichen Eingriffen schützen (als Abwehrrechte des Bürgers gegen den Staat), sondern darüber hinausgehend auf alle Rechtsbereiche und somit auch auf das Privatund Arbeitsrecht einwirken (Ausstrahlungswirkung der Grundrechte). Bürgerlich-rechtliche Vorschriften und deren Auslegung dürften daher nicht in Widerspruch zu den Grundrechten stehen. Im Wesentlichen entfalte sich der Wertmaßstab der Grundrechte durch die zivilrechtlichen Generalklauseln, weil sich diese in besonderem Maße auf die Beurteilung menschlichen Verhaltens beziehen und anhand grundrechtlicher Wertmaßstäbe konkretisiert werden müssten. Die Generalklauseln wurden deshalb auch als die „Einbruchstellen“ der Grundrechte in das Bürgerliche Recht bezeichnet31. Nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts folge aus der Verfassung die Pflicht des Richters, zu prüfen, ob die von ihm anzuwendenden materiellen Vorschriften des Zivilrechts derart durch Grundrechte beeinflusst sind. Wenn ja, so sei der Richter bei Anwendung und Auslegung des einfachen Rechts gemäß Art. 1 Abs. 3 GG unmittelbar an die grundrechtlichen Maßstäbe gebunden. Der Bürger habe einen verfassungsrechtlichen Anspruch, dass die objektiven Werte der Grundrechte bei der Urteilsfindung berücksichtigt werden. Die Prüfungskompetenz des Bundesverfassungsgerichts liege dann darin, die „Ausstrahlungswirkung“ der Grundrechte auf das Privatrecht zu beurteilen und dem objektiven Wertgehalt zur Geltung zu verhelfen32. Auch in nachfolgenden Entscheidungen33 be___________ 31

BVerfG v. 15.1.1958 (Lüth), BVerfGE 7, 198, 206. Vgl. auch Ch. Müller, S. 70. 33 Vgl. z. B. die Blinkfüer-Entscheidung des BVerfG v. 26.2.1969, BVerfGE 25, 256 ff.: Die kleine Zeitung „Blinkfüer“ druckte auch noch nach dem Bau der Berliner Mauer Rundfunkprogramme aus der DDR. Daraufhin wurde sie von dem großen Verlag Springer boykottiert, indem er allen Zeitschriftenhändlern drohte, sie nicht mehr zu beliefern, wenn sie auch noch weiter „Blinkfüer“ verkauften. Die zunächst vor dem BGH verlorene Schadensersatzklage von „Blinkfüer“ wegen Umsatzrückgangs hob das BVerfG aufgrund einer Verletzung des Art. 5 Abs. 1 GG auf. Im Wettbewerb der Meinungen dürfe der Springer-Verlag nicht seine wirtschaftliche Überlegenheit ausspielen; vgl. ferner BVerfG v. 24.2.1971 (Mephisto), BVerfGE 30, 173 ff.; ferner BVerfG v. 32

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Zweiter Teil: § 7 Eingeschränkte gerichtliche Überprüfbarkeit

tonte das Bundesverfassungsgericht die „Ausstrahlungswirkung“ der Grundrechte auf das Bürgerliche Recht. Die Theorie der „Ausstrahlungswirkung“ und die Theorie von der „mittelbaren“ Drittwirkung wurde mit der Sozialplanentscheidung vom 23.4.198634 gleichgesetzt. Diese Theorie der „mittelbaren“ Grundrechtswirkung wurde sodann von dem überwiegenden Teil des Schrifttums35 und auch vom Bundesgerichtshof36 vertreten. Das Bundesarbeitsgericht (das, wie bereits erörtert, anfangs noch von einer unmittelbaren Drittwirkung der Grundrechte ausging) schloss sich schließlich in Übereinstimmung mit der herrschenden Meinung ebenfalls der Lehre von der „mittelbaren“ Grundrechtswirkung an37. Die Diskussion um den Einfluss der Verfassung auf das Privatrecht schien damit im Wesentlichen zu einem Abschluss gelangt zu sein38.

4. Lehre von den grundrechtlichen Schutzpflichten Mit dem ersten Abtreibungsurteil vom 25.2.197539 fand die Lehre von den grundrechtlichen Schutzpflichten Eingang in die Drittwirkungsdiskussion. Diese Lehre geht davon aus, dass aus den Grundrechten eine staatliche Pflicht zu ___________ 14.2.1973 (Soraya), BVerfGE 34, 269, 280; BVerfG v. 11.5.1976 (Gewerkschaftszeitung), BVerfGE 42, 143, 147; BVerfG v. 3.6.1980 (Böll), BVerfGE 54, 208, 215; BVerfG v. 25.1.1984 (Wallraff), BVerfGE 66, 116, 131. 34 Vgl. die Sozialplanentscheidung v. 23.4.1986, BVerfGE 73, 261, 269. 35 Canaris, AcP 184 (1984), 201, 210 ff.; Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, S. 152 Rn. 353 ff.; Medicus, AcP 192 (1992), 35, 43. 36 Vgl. z. B. BGH v. 28.4.1986 (Wettbewerbsverbot zwischen Rechtsanwälten), NJW 1986, 2944 f. 37 Vgl. bereits BAG v. 20.12.1984, BAGE 47, 363, 374 f.; sodann BAG (GS) v. 27.2.1985, BAGE 48, 122, 139; BAG v. 27.5.1986 (Mitbestimmung Telefondatenerfassung), BAGE 52, 88, 98; BAG (GS) v. 12.6.1992, BAGE 70, 337, 343; BAG (GS) v. 27.9.1994, BAGE 78, 56, 65 f.; in den Entscheidungen v. 11.4.1990, AP Nr. 14 zu § 611 BGB Ausbildungsbeihilfe und v. 24.7.1991, AP Nr. 15 zu § 611 BGB Ausbildungsbeihilfe hat das BAG jedoch die vertraglich vereinbarte Verpflichtung des Arbeitnehmers zur Rückzahlung von Ausbildungsbeihilfen im Fall einer frühzeitigen Vertragsbeendigung weiterhin unmittelbar an der durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Berufsfreiheit gemessen. Dem BAG wird daher von mancher Seite vorgeworfen, es wende die Grundrechte je nach Situation beliebig an, ohne methodisch exakt auf die Art und Weise der Grundrechtswirkung einzugehen. Es könne daher nicht von einer eindeutigen Hinwendung des BAG zur mittelbaren Grundrechtswirkung die Rede sein; vgl. dazu Ch. Müller, S. 128 m.w.N. 38 Vgl. Böckenförde, Der Staat 29 (1990), 1, 10; MünchArbR/Richardi, Bd. 1, § 10 Rn. 1. 39 BVerfG v. 25.2.1975 (Abtreibung), BVerfGE 39, 1, 42.

B. Verfassungsrechtlicher Ausgangspunkt

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folgern ist, Schutz und Förderung von grundrechtlich geschützten Rechtsgütern zu gewähren40. Eine Schutzpflicht besteht danach auch zugunsten derjenigen Grundrechtsträger, deren Freiheiten nicht durch hoheitliche Eingriffe, sondern durch andere Grundrechtsträger bedroht sind41. In der Abtreibungs-Entscheidung vom 25.2.1975 und vielen folgenden Entscheidungen42 des Bundesverfassungsgerichts ging es um die Schutzpflicht des Staates für Leben und Gesundheit (Art. 2 Abs. 2 GG). Die Schutzfunktion der Grundrechte ist aber keineswegs auf Gefahren für das Leben und die Gesundheit begrenzt43. Das Bundesverfassungsgericht dehnte die Schutzpflicht des Staates auf weitere Schutzgüter aus, womit dann auch das Ausmaß der Schutzpflichtlehre für das Zivilrecht deutlich wurde. In zwei grundlegenden Entscheidungen wurde sie zur Forderung nach materialer Vertragsparität zwischen privaten Grundrechtsträgern herangezogen. In beiden Fällen handelte es sich um Verträge mit übermäßig belastender Bindungswirkung für einen der Vertragspartner, die dieser beseitigen wollte. Im ersten Fall, dem so genannten Handelsvertreter-Beschluss44, hatte sich ein Handelsvertreter einem nachvertraglichen Wettbewerbsverbot ohne Karenzentschädigung unterworfen, was § 90 a Abs. 2 S. 2 HGB insoweit zuließ. Im anderen Fall, der so genannten Bürgschaftsentscheidung45, hatte sich eine junge, geschäftsunerfahrene Frau für die geschäftlichen ___________ 40 Vgl. dazu aus der umfangreichen Literatur grundlegend Canaris, AcP 184 (1984), 201, 225 ff.; Dieterich, FS Schaub, 1998, 117, 122; Dietlein, Die Lehre von den grundrechtlichen Schutzpflichten, 1992; Fastrich, RdA 1997, 65, 68; Hager, JZ 1994, 373 ff.; Hermes, S. 58 ff., 145 ff., 185 ff.; Hesse-Kauffmann, JZ 1995, 219 ff.; Hillgruber, AcP 191 (1991), 69 ff.; Höfling, S. 44 ff.; Löwisch, ZfA 1996, 293, 295; Medicus, AcP 192 (1992), 35 ff.; Oetker, RdA 1997, 9, 14; U. Preis, ArbuR 1994, 139 ff.; Preis-Rolfs, DB 1994, 261 ff.; Singer, JZ 1995, 1133 ff.; ders., ZfA 1995, 611, 623 f.; ders., Anm. zu BAG v. 6.9.1995, SAE 1997, 213, 217 f.; Schwarze, ZTR 1996, 1, 4; Stern, Staatsrecht III/1, S. 1560 f. und 1572 ff.; Wiedemann, JZ 1990, 695 ff.; ders., JZ 1994, 413 ff.; Zöllner, AcP 196 (1996), 1 ff. 41

Dieterich, FS Schaub, 1998, 117, 123.

42

Vgl. BVerfG v. 16.10.1977 (Schleyer), BVerfGE 46, 160, 164 f.; BVerfG v. 8.8.1978 (Kalkar), BVerfGE 49, 89 ff. und BVerfG v. 20.12.1979 (Mühlheim-Kärlich), BVerfGE 53, 30, 57 ff.; BVerfG v. 14.1.1981 (Schutz gegen Fluglärm), BVerfGE 56, 54 ff.; BVerfG v. 29.10.1987 (amerikanische C-Waffen-Lager), BVerfGE 77, 170 ff.; BVerfG v. 30.11.1988 (Straßenverkehrslärm), BVerfG 79, 174, 201 f.; BVerfG v. 28.1.1992 (Nachtarbeitsverbot), BVerfGE 85, 191 ff.; BVerfG v. 28.5.1993 (Pflicht zum Schutz werdenden Lebens), BVerfGE 88, 203, 251 ff.; vgl. ferner BVerfG v. 16.11.1993, BVerfGE 89, 276, 286; BVerfG v. 10.1.1995, BVerfGE 92, 26, 46; BVerfG v. 29.11.1995, NJW 1996, 651. 43

ErfK/Dieterich, Einl. GG Rn. 43.

44

BVerfG v. 7.2.1990 (Handelsvertreter), BVerfGE 81, 242 ff.

45

BVerfG v. 19.10.1993 (Bürgschaft), BVerfGE 89, 214 ff.

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Zweiter Teil: § 7 Eingeschränkte gerichtliche Überprüfbarkeit

Verbindlichkeiten ihres Vaters bis zur Höhe von 100.000,- DM verbürgt und dabei auf die Einrede der Vorausklage verzichtet. Der Bundesgerichtshof vertrat den Standpunkt, „Vertrag ist Vertrag“. Das Bundesverfassungsgericht betonte zwar ebenfalls, dass die Privatautonomie grundrechtlich gewährleistet ist und deshalb nicht übermäßig beschränkt werden dürfe, allerdings müssten auch die Voraussetzungen des Vertragsabschlusses mitberücksichtigt werden. Habe der eine Vertragspartner dem anderen gegenüber eine derartig starke Position, dass er den Vertragsinhalt praktisch diktieren könne, bedeute dies Fremdbestimmung für den anderen Vertragspartner. Den unterlegenen Vertragsteil auf angemessene Weise zu schützen, sei deshalb eine Verpflichtung der Rechtsordnung46. Mit diesen beiden Entscheidungen hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass die Grundrechte zwar grundsätzlich nur die Staatsgewalt binden, aber diese den Einzelnen auch davor schützen muss, dass seine Grundrechte nicht verletzt werden durch die Ausübung einseitiger privatautonomer Gestaltungsmacht47. Der Staat hat sich also „schützend und fördernd“ vor die Grundrechte zu stellen, seine Gewalt wird nicht abgewehrt, sondern gefordert48. Der einzelne Grundrechtsträger hat ein Recht auf staatliche Maßnahmen, „die zum Schutz seines grundrechtlich gewährleisteten Freiheitsraumes unerlässlich sind“49. Auch wenn noch einzelne Fragen offen sind50 und die Bedeutung der Schutzfunktion der Grundrechte für das Zivilrecht nicht völlig unumstritten ist51, so entspricht die Lehre von den grundrechtlichen Schutzpflichten mittlerweile der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts52 und ihr nachfolgend der des Bundesarbeitsgerichts53. Die Schutzpflicht___________ 46

BVerfG v. 7.2.1990 (Handelsvertreter), BVerfGE 81, 242, 255; BVerfG v. 19.10.1993 (Bürgschaft), BVerfGE 89, 214, 232; ErfK/Dieterich, Einl. GG Rn. 44. 47 Siehe Dieterich, FS Schaub, 1998, 117, 122; Löwisch, ZfA 1996, 293, 295; Schwarze, ZTR 1996, 1, 5; Singer, ZfA 1995, 611, 625 f.; ders., SAE 1997, 217 f. 48 Dreier, Vorbem. GG Rn. 62. 49 BVerfG v. 29.5.1973, BVerfGE 35, 79, 116; vgl. auch Badura, Staatsrecht, S. 97 f.; Stern, Staatsrecht III/2, S. 1772 ff. 50 Vgl. Ch. Müller, S. 94. 51 Vgl. z. B. Zöllner, AcP 196 (1996), 1, 11 ff. 52 Z. B. BVerfG v. 25.2.1975 (Abtreibung), BVerfGE 39, 1, 47; BVerfG v. 16.10.1977 (Schleyer), BVerfGE 46, 160, 164 f.; BVerfG v. 8.8.1978 (Kalkar), BVerfGE 49, 89 ff.; BVerfG v. 20.12.1979 (Mühlheim-Kärlich), BVerfGE 53, 30, 57 ff.; BVerfG v. 14.1.1981 (Fluglärm), BVerfGE 56, 54 ff.; BVerfG v. 29.10.1987 (amerikanische C-Waffen-Lager), BVerfGE 77, 170 ff.; BVerfG v. 30.11.1988 (Straßenverkehrslärm), BVerfG 79, 174, 201 f.; BVerfG v. 28.1.1992 (Nachtarbeit), BVerfGE 85, 191 ff.; BVerfG v. 28.5.1993 (Schutz werdenden Lebens), BVerfGE 88, 203, 251 ff. 53 Z. B. BAG (GS) v. 12.6.1992, BAGE 70, 337 ff.; BAG (GS) v. 27.9.1994, BAGE 78, 56 ff.

B. Verfassungsrechtlicher Ausgangspunkt

171

lehre wurde immer weiter ausgestaltet und ist inzwischen, auch wenn noch einiges im Fluss ist, als dogmatische Basis der Grundrechtswirkung im Privatrecht weithin anerkannt54. Für die vorliegende Untersuchung wird die Lehre der Schutzpflichten ebenfalls als Grundlage herangezogen. Sowohl die konkreten Voraussetzungen als auch die Grenzen der grundrechtlichen Schutzpflicht konnten noch nicht fest umrissen werden. Möglicherweise entziehen sie sich auch einer allgemein gültigen Festlegung. Sie bedürfen deshalb für die einzelnen Grundrechte und für die unterschiedlichen Gefahren jeweils einer gesonderten Klärung55. Zu der Frage, wann eine Situation zwischen Privatrechtssubjekten vorliegt, die Schutzpflichten auslöst, lässt sich grundsätzlich festhalten, dass der Staat dann zu Schutzmaßnahmen verpflichtet ist, wenn die Verteilung der privaten Kräfte derartig ungleich ausfällt, dass die schwächere Partei keine Chance hat, ihre grundrechtlich geschützten Interessen gegenüber der anderen zu behaupten56. Für die staatliche Schutzpflicht ist eine dreiseitige Konstellation kennzeichnend. Der Staat hat zwei Grundrechtsträger mit gegenläufigen Interessen und Grundrechtspositionen zu berücksichtigen. Der Schutz der Freiheit des einen bedeutet zugleich den Eingriff in die Freiheit des anderen57. In beiden Richtungen bestehen Grenzen. Zum einen gebietet das Untermaßverbot, dass der Schutz nicht uneffektiv bleiben darf58; zum anderen wird der Eingriff durch das Übermaßverbot begrenzt59. Die Wahrnehmung der Schutzpflichten erfordert daher ein sorgfältiges Abwägen. Die konkurrierenden Interessen sind in einen angemessenen Ausgleich zu bringen. Die kollidierenden Grundrechtspositionen sind in ihrer Wechselwirkung zu sehen und so zu begrenzen, dass sie für alle Beteiligten möglichst weitgehend wirksam werden im Verhältnis so genannter „praktischer Konkordanz“60. ___________ 54

K. Gamillscheg, S. 38; Ch. Müller, S. 93. ErfK/Dieterich, Einl. GG Rn. 42. 56 Chancenlos ist eine Partei, wenn es an einem „annähernden Kräftegleichgewicht der Beteiligten“ fehlt; vgl. BVerfG v. 7.2.1990 (Handelsvertreter), BVerfGE 81, 242, 255; Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rn. 88. 57 ErfK/Dieterich, Einl. GG Rn. 38; ders., FS Schaub, 1998, 117, 122; K. Gamillscheg, S. 37. 58 BVerfG v. 28.5.1993 (Schwangerschaftsabbruch), BVerfGE 88, 203, 254 ff.; Canaris, AcP 184 (1984), 201, 228; ErfK/Dieterich, Einl. GG Rn. 38; ders., FS Schaub, 1998, 117, 122; vgl. ferner zur Dogmatik des Untermaßverbots Dietlein, ZG 1995, 131 ff.; Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Bd. V, S. 190 f. und 232 f. 59 Zum Übermaßverbot: Canaris, JZ 1987, 993 ff.; ders., JZ 1988, 494 ff.; Lerche, Übermaß und Verfassungsrecht, S. 77 ff.; Ramm, JZ 1988, 489 ff.; Wieser, JZ 1988, 493 f.; krit. Hain, DVBl. 1993, 982, 983; ders., ZG 1996, 75, 76 f.; Starck, S. 88 f. 60 BVerfG v. 19.10.1993 (Bürgschaft), BVerfGE 89, 214, 232; Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, Rn. 72. 55

172

Zweiter Teil: § 7 Eingeschränkte gerichtliche Überprüfbarkeit

a) Schutzpflichten des Gesetzgebers Adressat der grundrechtlichen Schutzpflicht ist in erster Linie der Gesetzgeber61. Bei der Frage, wie er die Schutzpflicht zu erfüllen hat, gesteht ihm das Bundesverfassungsgericht einen weiten „Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsbereich“ zu62. Das gesetzgeberische Handeln ist von vielen Umständen abhängig. Entscheidend sind Art, Nähe und Ausmaß möglicher Gefahren, Art und Rang des verfassungsrechtlich geschützten Rechtsguts, die jeweilige staatliche und private Interessenlage und das Vorliegen bereits vorhandener Regelungen und schon getroffener Maßnahmen63. Der Gesetzgeber hat nur dann seine Schutzpflicht nicht erfüllt, „wenn die öffentliche Gewalt Schutzvorkehrungen entweder überhaupt nicht getroffen hat oder die getroffenen Regelungen und Maßnahmen gänzlich ungeeignet oder völlig unzulänglich sind, das gebotene Schutzziel zu erreichen“64.

b) Schutzpflichten des Richters Ein weiterer Adressat der grundrechtlichen Schutzpflicht ist die Judikative. Die Judikative ist einerseits gemäß Art. 1 Abs. 3 GG an die Grundrechte gebunden, anderseits ist sie gemäß Art. 97 Abs. 1 GG dem Gesetz unterworfen. Das hat zur Folge, dass dem Richter nur eine „subsidiäre Konkretisierungskompetenz“ verbleibt65. Er ist an die vom Gesetzgeber getroffene Entscheidung gebunden66 und hat diese im Wege „denkenden Gehorsams“67 nachzuvollzie___________ 61 Die Schutzpflicht des Gesetzgebers wurde insbesondere in folgenden Entscheidungen hervorgehoben: BVerfG v. 7.2.1990 (Handelsvertreter), BVerfGE 81, 242, 254 f.; BVerfG v. 24.4.1991 (Große Warteschleife), BVerfGE 84, 133, 146 f.; BVerfG v. 19.10.1993 (Bürgschaft), BVerfGE 89, 214, 231 f.; BVerfG v. 27.1.1998 (Kleinbetriebsklausel), BVerfGE 97, 169, 175. 62 BVerfG v. 29.10.1987 (amerikanische C-Waffen-Lager), BVerfGE 77, 170, 214 f.; BVerfG v. 28.5.1993 (Schwangerschaftsabbruch), BVerfGE 88, 203, 262; vgl. auch K. Gamillscheg, S. 37; Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rn. 91. 63 Vgl. BVerfG v. 8.8.1978 (Kalkar), BVerfGE 49, 89, 142; BVerfG v. 14.1.1981 (Fluglärm), BVerfGE 56, 54, 78; Klein, DVBl. 1994, 489, 495; Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rn. 91. 64 BVerfG v. 29.10.1987 (amerikanische C-Waffen-Lager), BVerfGE 77, 170, 215; BVerfG v. 10.1.1995, BVerfGE 92, 26, 46; Badura, FS Herschel, 1982, 21, 35; Stahlhacke, FS Wiese, 1998, 513, 530. 65 Oetker, Bestandsschutz, S. 44. 66 ErfK/Dieterich, Einl. GG Rn. 44; Klein, DVBl. 1994, 489, 495. 67 Vgl. BAG v. 16.3.1962 (GS), AP Nr. 19 zu § 1 HausarbTagsG Nordrh.-Westfalen.

B. Verfassungsrechtlicher Ausgangspunkt

173

hen. Grundsätzlich hat also der Richter die aus den Grundrechten resultierende Schutzpflicht im Rahmen einer konkreten Regelung wahrzunehmen. Entscheidend ist die Auslegung und Anwendung des einfachen Rechts, das der demokratisch legitimierte Gesetzgeber zu verantworten hat68. Der Richter ist nicht berechtigt, die vom Gesetzgeber geregelte Abwägung mit dem Hinweis auf konkurrierende Grundrechtspositionen zu verbessern69. Stellt der Richter eine Schutzpflichtverletzung fest, so hat er die Sache gemäß Art. 100 GG dem Bundesverfassungsgericht vorzulegen70. Darüber hinaus kann und muss der Richter versuchen, durch verfassungskonforme Auslegung oder Rechtsfortbildung der Schutzfunktion des maßgebenden Grundrechts Geltung zu verschaffen71. Vom Ausmaß der durch den Gesetzgeber geregelten Konfliktlösung hängt es ab, ob und wie weit ein konkreter Interessenausgleich vorgenommen wurde. Hat der Gesetzgeber sich blankettartiger Generalklauseln bedient, bleibt die Konkretisierung der betreffenden Grundrechtspositionen und die Vornahme des Ausgleichs der Rechtsprechung überlassen72. Eine Grundrechtsverletzung durch die Rechtsprechung ist anzunehmen, wenn sie bei der Auslegung einer Regelung den vom Grundrecht vorgegebenen Schutzzweck grundlegend verfehlt73.

___________ 68

ErfK/Dieterich, Einl. GG Rn. 44.

69

Oetker, Bestandsschutz, S. 44; U. Preis, NZA 1995, 241, 242 f.

70

ErfK/Dieterich, Einl. GG Rn. 48.

71

Vgl. BVerfG v. 15.1.1958 (Lüth), BVerfGE 7, 198, 206 f.; BVerfG v. 7.2.1990 (Handelsvertreter), BVerfGE 81, 242, 256; ErfK/Dieterich, Einl. GG Rn. 44; ders., RdA 1993, 67, 69 f.; nur wenn der Gesetzgeber seinen Schutzpflichten nicht nachgekommen ist, also keine Regelung getroffen hat, ist die Verwirklichung des Ausgleichs im Einzelfall Sache der Gerichte; Canaris, AcP 184 (1984), 227 f.; K. Gamillscheg, S. 37; krit. zur richterlichen Kompetenz Isensee, S. 36 f.; Preu, JZ 1991, 265, 270; Wahl/Masing, JZ 1990, 553, 556. 72 73

APS/U. Preis, Grundl. A Rn. 24.

BVerfG v. 16.11.1993 (Geschlechtsspezifische Diskriminierung), BVerfGE 89, 276 ff.; ErfK/Dieterich, Einl. GG Rn. 44; das heißt aber nicht, dass die richterliche Bindung an eine grundrechtliche Schutzpflicht praktisch einer unmittelbaren Drittwirkung der Grundrechte gleichzusetzen ist; a. A. F. Gamillscheg, S. 77 f., 85; ders., ArbuR 1996, 41, 48; Hager, JZ 1994, 373, 376 ff.

174

Zweiter Teil: § 7 Eingeschränkte gerichtliche Überprüfbarkeit

II. Bedeutung der grundrechtlichen Schutzpflichten für das Recht der betriebsbedingten Kündigung 1. Erfüllung der grundrechtlichen Schutzpflicht durch den Gesetzgeber Im Zuge der Entwicklung der Lehre der grundrechtlichen Schutzpflichten stellte sich alsbald die Frage, ob und in welchem Umfang aus Art. 12 Abs. 1 GG eine Schutzpflicht des Staates für einen arbeitsrechtlichen Bestandsschutz abzuleiten ist. Erste Überlegungen in diese Richtung wurden im Schrifttum bereits in den 80er Jahren geäußert74. Dass dem Staat eine aus Art. 12 Abs. 1 GG folgende Schutzpflicht gegen den Verlust eines Arbeitsplatzes aufgrund privater Dispositionen obliege, wurde dann auch in der Rechtsprechung erstmalig in der Warteschleifenentscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 24.4. 199175 geäußert und in den Folgeentscheidungen insbesondere vom 10.3. 199276, 21.2.199577 und vom 27.1.199878 bestätigt. In diesem Zusammenhang sind folgende Fragen zu klären: Ist der Gesetzgeber mit dem geltenden Kündigungsschutzgesetz seiner grundrechtlichen Schutzpflicht den Arbeitnehmern gegenüber nachgekommen? Hat er dabei mit Blick auf die Grundrechte der Arbeitgeber das Übermaßverbot beachtet und die widerstreitenden Interessen in einen angemessenen Ausgleich gebracht? Kurz gesagt, besteht praktische Konkordanz? In welchem Umfang verpflichtet die Schutzzwecklehre den Gesetzgeber? Inwieweit darf der Gesetzgeber über die Grundrechtspositionen des Arbeitgebers disponieren? Sind aus der Schutzzwecklehre Konsequenzen hinsichtlich der Freiheit der Unternehmerentscheidungen abzuleiten?

___________ 74 Vgl. Badura, FS Herschel, 1982, 21, 34 f.; Benda, FS Stingl, 1984, 35, 40 ff.; Papier, DVBl. 1984, 801, 813; Pietzcker, NVwZ 1984, 550, 554 ff.; Waltermann, DVBl. 1989, 699, 700; Wendt, DÖV 1984, 601, 609 f. 75 BVerfG v. 24.4.1991 (Große Warteschleife), BVerfGE 84, 133, 147. 76 BVerfG v. 10.3.1992 (Kleine Warteschleife), BVerfGE 85, 360, 372 f. 77 BVerfG v. 21.2.1995 (Kündigung eines Arbeitnehmers im öffentlichen Dienst), BVerfGE 92, 140, 150. 78 BVerfG v. 27.1.1998 (Kleinbetriebsklausel), BVerfGE 97, 169, 175; vgl. auch BAG v. 25.2.1998, BAGE 88, 118, 123 f.

B. Verfassungsrechtlicher Ausgangspunkt

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a) Grundrechtsschutz des Arbeitnehmers Zunächst ist zu klären, wie der arbeitsrechtliche Bestandsschutz im Gefüge des Art. 12 Abs. 1 GG verankert ist79.

(1) Generelle Entwicklung und Verständnis des Art. 12 Abs. 1 GG Gemäß Art. 12 Abs. 1 S. 1 GG haben alle Deutschen das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsplatz frei zu wählen. Satz 2 dieser Norm bestimmt, dass die Berufsausübung durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes geregelt werden kann. Seit geraumer Zeit ist dieser Gesetzestext aber nicht mehr wörtlich zu nehmen. Das Bundesverfassungsgericht hat Art. 12 Abs. 1 GG rechtsfortbildend konkretisiert und dem Grundrecht eine über den Wortlaut hinausgehende Bedeutung zugesprochen. Im Jahre 1958 führte das Bundesverfassungsgericht in seinem grundlegenden Apotheken-Urteil80 aus, dass nicht nur die Berufsausübung, sondern auch die Berufswahl dem Regelungsvorbehalt unterliegt. Nach der in diesem Urteil entwickelten Stufenlehre81 darf die Freiheit der Berufswahl allerdings nur eingeschränkt werden, wenn der Schutz besonders wichtiger Gemeinschaftsgüter dies zwingend erfordert. Die Berufsausübungsfreiheit kann dagegen schon eingeschränkt werden, wenn vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls dies bezwecken und die Regelung verhältnismäßig ist. Diese Stufenlehre wurde in einer Vielzahl von nachfolgenden Entscheidungen immer wieder herangezogen und im Detail ausgestaltet und ist heute ein allgemein anerkannter Kontrollmaßstab bei Überprüfungen der Rechtmäßigkeit von Eingriffen in die Berufsfreiheit.

(2) Warteschleifen-Entscheidung des BVerfG vom 24.4.1991 In der bekannten Warteschleifen-Entscheidung vom 24.4.199182 und in den bereits genannten Folgeentscheidungen vom 10.3.199283, 21.2.199584 und vom ___________ 79 Zum Teil wird auch die Frage aufgeworfen, ob der arbeitsrechtliche Bestandsschutz eine zusätzliche grundrechtliche Basis in der Eigentumsgarantie gemäß Art. 14 Abs. 1 GG findet; verneinend mit ausführlicher und guter Argumentation SchmidtPreuß, Die AG, 1996, 1, 3 ff.; vgl. auch Kehrmann, AiB 1993, 746 ff.; ferner Werckmeister, AiB 1996, 160 ff. 80 BVerfG v. 11.6.1958 (Apothekenurteil), BVerfGE 7, 377, 405. 81 BVerfG v. 11.6.1958 (Apothekenurteil), BVerfGE 7, 377, 399 ff. 82 BVerfG v. 24.4.1991 (Große Warteschleife), BVerfGE 84, 133, 146 f.

176

Zweiter Teil: § 7 Eingeschränkte gerichtliche Überprüfbarkeit

27.1.199885 hat das Bundesverfassungsgericht zum Ausdruck gebracht, dass das Grundrecht gemäß Art. 12 Abs. 1 GG auch die „freie Wahl des Arbeitsplatzes“ schützt. Der Erste Senat86 hat ausgeführt: „Art. 12 Abs. 1 S. 1 GG garantiert neben der freien Wahl des Berufs auch die freie Wahl des Arbeitsplatzes. Während es bei der Berufswahl um die Entscheidung des Einzelnen geht, auf welchem Feld er sich beruflich betätigen will, betrifft die Arbeitsplatzwahl die Entscheidung, an welcher Stelle er dem gewählten Beruf nachgehen möchte. Die Arbeitsplatzwahl ist folglich der Berufswahl nachgeordnet und konkretisiert diese. Sie ist umgekehrt der Berufsausübung vorgeordnet, die erst an dem gewählten Arbeitsplatz stattfindet. Dabei darf dieser Begriff nicht allein oder auch nur in erster Linie räumlich verstanden werden. Bei der Wahl des Arbeitsplatzes geht es vielmehr um die Entscheidung für eine konkrete Betätigungsmöglichkeit oder ein bestimmtes Arbeitsverhältnis. Gegenstand des Grundrechts auf freie Wahl des Arbeitsplatzes ist dementsprechend zunächst der Entschluss des Einzelnen, eine konkrete Beschäftigungsmöglichkeit in dem gewählten Beruf zu ergreifen. Dazu zählt namentlich bei abhängig Beschäftigten auch die Wahl des Vertragspartners samt den dazu notwendigen Voraussetzungen, insbesondere der Zutritt zum Arbeitsmarkt. Ebenso wie die freie Berufswahl sich nicht in der Entscheidung zur Aufnahme eines Berufs erschöpft, sondern auch die Fortsetzung und Beendigung eines Berufs umfasst, bezieht sich die freie Arbeitsplatzwahl neben der Entscheidung für eine konkrete Beschäftigung auch auf den Willen des Einzelnen, diese beizubehalten oder aufzugeben. Das Grundrecht entfaltet seinen Schutz demnach gegen alle staatlichen Maßnahmen, die diese Wahlfreiheit beschränken. Das ist vor allem dann der Fall, wenn der Staat den Einzelnen am Erwerb eines zur Verfügung stehenden Arbeitsplatzes hindert, ihn zur Annahme eines bestimmten Arbeitsplatzes zwingt oder die Aufgabe eines Arbeitsplatzes verlangt. Dagegen ist mit der Wahlfreiheit weder ein Anspruch auf Bereitstellung eines Arbeitsplatzes eigener Wahl noch eine Bestandsgarantie für den einmal gewählten Arbeitsplatz verbunden. Ebenso wenig verleiht das Grundrecht unmittelbaren Schutz gegen den Verlust eines Arbeitsplatzes aufgrund privater Dispositionen. Insoweit obliegt dem Staat lediglich eine aus Art. 12 Abs. 1 GG folgende Schutzpflicht, der die geltenden Kündigungsschutzvorschriften hinreichend Rechnung tragen.“ ___________ 83

BVerfG v. 10.3.1992 (Kleine Warteschleife), BVerfGE 85, 360, 372 f.

84

BVerfG v. 21.2.1995 (Kündigung eines Arbeitnehmers im öffentlichen Dienst), BVerfGE 92, 140, 150. 85 BVerfG v. 27.1.1998 (Kleinbetriebsklausel), BVerfGE 97, 169, 175; vgl. auch BAG v. 25.2.1998, BAGE 88, 118, 123. 86

BVerfG v. 24.4.1991 (Große Warteschleife), BVerfGE 84, 133, 146 f.

B. Verfassungsrechtlicher Ausgangspunkt

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(3) Inhalt der Arbeitsplatzwahlfreiheit und Auswirkungen auf den arbeitsrechtlichen Bestandsschutz Die konkrete Auswirkung der in der Warteschleifenentscheidung des Bundesverfassungsgerichts festgestellten, aus Art. 12 Abs. 1 GG folgenden staatlichen Schutzpflicht auf den arbeitsrechtlichen Bestandsschutz blieb aber weiterhin ungeklärt, und bis heute lassen sich nur einige eingrenzende Feststellungen treffen. Deutlich bestimmt hat das Bundesverfassungsgericht, dass aus Art. 12 Abs. 1 GG keine Bestandsgarantie des einmal erlangten Arbeitsplatzes, also keine absolute Kündigungsschranke abgeleitet werden kann. Weiterhin von Belang ist die Aussage, dass das Grundrecht keinen unmittelbaren Schutz verleiht gegen den Verlust eines Arbeitsplatzes aufgrund privater Dispositionen. Ferner findet sich die Feststellung, dass die geltenden Kündigungsschutzvorschriften der aus Art. 12 Abs. 1 GG resultierenden staatlichen Schutzpflicht hinreichend Rechnung tragen. Eine genaue Begründung, wie das Gericht zu diesem Ergebnis gelangt ist, ist in der Warteschleifen-Entscheidung nicht zu finden.

b) Grundrechtsschutz des Unternehmers Um sich Ergebnissen hinsichtlich der konkreten Ausgestaltung des arbeitsrechtlichen Bestandsschutzes zu nähern, sind die Interessen des Unternehmers mit in die Waagschale zu werfen. Das Interesse des Unternehmers an wirtschaftlicher Betätigungsfreiheit, kurz die so genannte Unternehmerfreiheit, ist ebenfalls verfassungsrechtlich geschützt. Die genaue Zuordnung in das System der Grundrechte bereitet aber gewisse Schwierigkeiten87, insbesondere die Frage der grundrechtlichen Verankerung der Freiheit des Unternehmers, Arbeitsverhältnisse zu kündigen. Zum einen ist die freiheitsrechtliche Dimension des Rechts zur Ausübung einer Kündigung zu präzisieren88; zum anderen sind auch Einzelaspekte zu bedenken, so zum Beispiel, dass sich auch ausländische oder öffentlich-rechtliche Arbeitgeber auf die Unternehmerfreiheit berufen wollen und dass es sich bei vielen Unternehmen um juristische Personen handelt. Es stellt sich die Frage, welcher konkrete grundrechtliche Schutzbereich die unternehmerische Entscheidungsfreiheit und insbesondere die Freiheit zur Ausübung einer arbeitgeberseitigen Kündigung umfasst, der des Art. 2 Abs. 1 GG, des Art. 14 Abs. 1 GG oder des Art. 12 Abs. 1 GG. ___________ 87

Vgl. auch P. Stein, ArbuR 2003, 99.

88

Siehe Oetker, Bestandsschutz, S. 17 ff.

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Zweiter Teil: § 7 Eingeschränkte gerichtliche Überprüfbarkeit

(1) Die grundrechtliche Verankerung der Unternehmerfreiheit (a) Unternehmerfreiheit als Ausprägung der Berufsfreiheit gemäß Art. 12 Abs. 1 GG Das Bundesverfassungsgericht89 und der überwiegende Teil des Schrifttums90 messen die Verfassungsmäßigkeit arbeitsrechtlicher Vorschriften, die den Unternehmer in seiner Stellung als Arbeitgeber tangieren, in erster Linie an Art. 12 Abs. 1 GG. Für das Arbeits- und Wirtschaftsleben ist Art. 12 Abs. 1 GG neben Art. 14 Abs. 1 GG das Hauptgrundrecht der freien wirtschaftlichen Betätigung91. Art. 12 Abs. 1 GG gewährleistet die Freiheit des arbeitsteiligen Zusammenwirkens92 und wird auch als das „Grundrecht der Arbeit“93 bzw. als das „arbeitsrechtliche Muttergrundrecht“94 bezeichnet. Auf das Grundrecht der Berufsfreiheit können sich Arbeitnehmer und Arbeitgeber gleichermaßen berufen. Die Unternehmerfreiheit95 stellt sich als eine Ausprägung der Berufsfreiheit dar und umfasst die freie Gründung und Führung von Unternehmen96. Der Unternehmer wird in seiner Freiheit geschützt, unternehmerische Tätigkeiten als wirtschaftliche Lebens- und Erwerbsgrundlage auszuüben97. Der Unternehmer ist in seinen unternehmenspolitischen Zielen und Handlungen frei, er kann die Organisationsform98 und den Unternehmenszweck autonom bestimmen. Er ___________ 89 Vgl. insbesondere das Mitbestimmungsurteil des BVerfG v. 1.3.1979, BVerfGE 50, 290, 362 ff. 90 Stein, BB 2000, 457, 462. 91 ErfK/Dieterich, Art. 12 GG Rn. 1; Sachs/Tettinger, Art. 12 GG Rn. 179. Die Berufsfreiheit ist die verfassungsrechtlich zentrale Grundnorm für das gesamte Arbeits-, Wirtschafts- sowie sonstige Berufsrecht, Scholz, ZfA 1981, 265, 266. 92 Hoffmann-Riem, FS Ipsen, 1977, 385, 392. 93 Söllner, ArbuR 1991, 45, 46. 94 F. Gamillscheg, S. 58; Ch. Müller, S. 2. 95 Teilweise wird zwischen Unternehmerfreiheit und Unternehmensfreiheit unterschieden. Die Unternehmerfreiheit betreffe die von fremder Mitbestimmung freie Unternehmensgründung und -führung, wogegen sich die Unternehmensfreiheit auf die freie Verfolgung unternehmerischer Ziele am Markt beziehe, vgl. dazu Ch. Müller, S. 26. In der vorliegenden Arbeit wird auf diese Differenzierung verzichtet. 96 BVerfG v. 1.3.1979 (Mitbestimmungs-Urteil), BVerfGE 50, 290, 363; BAG v. 3.4.1990, BAGE 64, 284, 295; APS/Kiel, § 1 KSchG Rn. 445. 97 Vgl. auch Ch. Müller, S. 22 f. 98 Zur Einschränkung der Organisationsfreiheit im Bereich der freien Berufe vgl. BVerfG v. 1.7.1980 (Sozietätsverbot zwischen Anwaltsnotar und Wirtschaftsprüfer), BVerfGE 54, 237 ff.; BVerfG v. 20.4.1982 (Sozietätsverbot zwischen Steuerberater und nichtkammerangehörigen Personen), BVerfGE 60, 215 ff.; BVerfG v. 4.7.1989 (Sozietätsverbot zwischen Anwaltsnotar und Steuerberater), BVerfGE 80, 269 ff.

B. Verfassungsrechtlicher Ausgangspunkt

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kann durch freie Planungs- und Leitungsmaßnahmen verschiedene Produktionsfaktoren zur Erzielung eines Unternehmenserfolges einsetzen99. Zum Inhalt der Unternehmerfreiheit gehört insbesondere, ob sich jemand überhaupt unternehmerisch betätigen will, auf welchem Markt, in welchem Produktbereich100 und wie lange. Der Unternehmer kann frei entscheiden, welche Dienstleistungen101 angeboten werden sollen, er kann frei technische Dispositionen treffen und über Betriebs- und Finanzmittel verfügen102. Geschützt ist auch die freie Bestimmung des Unternehmensstandortes103. Ferner gehört zur Unternehmerfreiheit die Wahl der Größenordnung des Unternehmens104, von daher muss dem Unternehmer auch die Freiheit zustehen, die Anzahl der Mitarbeiter auf ein von ihm bestimmtes Maß zu beschränken105. Er ist darin frei, Kapital und Arbeitskräfte rationell einzusetzen und den Erfordernissen des Marktes anzupassen106. Der Unternehmer hat ferner ein geschütztes Interesse, nur solche Arbeitnehmer zu beschäftigen, die seinen Vorstellungen bzw. Anforderungen genügen107.

(b) Schutz der Unternehmerfreiheit durch das Eigentumsgrundrecht nach Art. 14 Abs. 1 GG Teilweise wird die Auffassung vertreten, die unternehmerische Betätigung sei eine privatnützige Verwendung der Betriebsmittel. Die Berufsausübung ___________ 99 Böhm, FG Kronstein, 1967, 11, 19 ff.; Ossenbühl, AöR 115 (1990), 1, 18 ff.; Söllner, RdA 1989, 144, 145; Wendt, DÖV 1984, 601, 609. 100 Vgl. zur Einschränkung der freien Herstellung von Produkten BVerfG v. 18.12.1968 (Errichtungs- und Erweiterungsverbot von Mühlen), BVerfGE 25, 1 ff.; BVerfG v. 3.11.1982 (Besitz-, Verarbeitungs- und Vertriebsverbot für lebende oder tote Vögel der besonders geschützten Arten), BVerfGE 61, 291 ff.; Ch. Müller, S. 26 101 Vgl. zur Einschränkung des Angebots von Dienstleistungen BVerfG v. 4.4.1967 (Arbeitsvermittlungsmonopol), BVerfGE 21, 245 ff.; BVerfG v. 14.1.1976 (Gebäudeversicherungsmonopol), BVerfGE 41, 205 ff.; vgl. auch Ch. Müller, S. 26. 102 Ch. Müller, S. 27. 103 BVerfG v. 4.10.1983 (Residenzpflicht der Patentanwälte), BVerfGE 65, 116, 125 ff.; Ch. Müller, S. 26 f. 104 Vgl. nur P. Stein, ArbuR 2003, 99. 105 Bröhl, FS Schaub, 1998, 55, 66; Hanau, FS Dieterich, 1999, 201, 206; APS/Kiel, § 1 KSchG Rn. 445; Pauly, ZTR 1997, 113; U. Preis, NZA 1995, 241, 242 f. 106 Ch. Müller, S. 27; Ossenbühl, AöR 115 (1990), 1, 18; Stahlhacke, BlStSozArbR 1983, 33, 34. 107 BVerfG v. 27.1.1998 (Kleinbetriebsklausel), BVerfGE 97, 169, 176; Hanau, FS Dieterich, 1999, 201, 206.

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Zweiter Teil: § 7 Eingeschränkte gerichtliche Überprüfbarkeit

stelle sich gleichzeitig als Eigentumsnutzung dar, weshalb die Unternehmerfreiheit nicht nur durch Art. 12 Abs. 1 GG, sondern auch in Idealkonkurrenz durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützt werde108. Das Bundesverfassungsgericht109 und wohl auch der überwiegende Teil der Literatur110 neigen dementgegen dazu, die Schutzbereiche des Art. 12 GG und des Art. 14 GG voneinander abzugrenzen111. Im Grundsatz gebe es keine Schnittmenge zwischen dem Schutzbereich des Eigentumsgrundrechts gemäß Art. 14 Abs. 1 GG und dem Schutzbereich der Berufsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG112. Während Art. 14 Abs. 1 GG das Erworbene schütze, mithin das Ergebnis der Betätigung, schütze Art. 12 Abs. 1 GG den Erwerb, also die Betätigung selbst113. Art. 12 GG garantiere also die Freiheit der individuellen Erwerbsfähigkeit, wogegen Art. 14 GG die

___________ 108

Vgl. Beuthien, ZfA 1988, 1 ff.; Fauth, BlStSozArbR 1953, 155, 156; Maunz/ Dürig, Art. 12 GG Rn. 123. 109 BVerfG v. 16.3.1971 (Mineralölbevorratung), BVerfGE 30, 292, 334 f.; BVerfG v. 17.7.1974 (Besteuerung Straßengüterverkehr Leberpfennig), BVerfGE 38, 61, 102; BVerfG v. 24.4.1991 (Große Warteschleife), BVerfGE 84, 133, 157. 110

Siehe z. B. Dörr, NJW 1988, 1049, 1050; Loritz, BB 1993, 225, 226; Scholz, ZfA 1981, 265, 275 ff.; Söllner, RdA 1989, 144, 148 f. 111 Insbesondere wegen des nach herrschender Auffassung in Art. 14 Abs. 1 GG einzubeziehenden „Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb“ ist das Verhältnis zwischen Art. 14 GG und Art. 12 GG schwierig zu beurteilen; siehe dazu u. a. ErfK/Dieterich, Art. 14 GG Rn. 5; Stein, BB 2000, 457, 462; Sachs/Wendt, Art. 14 GG Rn. 26 m.w.N. 112 Das BVerfG hat allerdings angemerkt, dass es Grenzfälle gebe, in denen der Schutzbereich beider Grundrechte betroffen sein kann, nämlich insbesondere dann, wenn ein in erster Linie berufsregelndes Gesetz wegen seiner Schwere in die Substanz eines Gewerbebetriebes eingreife und mit seinen Lasten erdrosselnde Wirkung habe; vgl. BVerfG v. 13.2.1964 (Verbot des Mehrbetriebs im Apothekenrecht), BVerfGE 17, 232, 247 ff.; BVerfG v. 29.11.1967 (Kuponsteuer), BVerfGE 22, 380, 386 f.; BVerfG v. 17.7.1974 (Besteuerung Straßengüterverkehr Leberpfennig), BVerfGE 38, 61, 102; in solchen Fällen beide Grundrechte zu prüfen, entspricht auch der Literaturmeinung, vgl. nur Dörr, NJW 1988, 1049, 1050. Im Mitbestimmungsurteil v. 1.3.1979, BVerfGE 50, 290, 361 f. hat das BVerfG sogar geäußert, Art. 12 Abs. 1 GG werde durch Art. 14 GG nicht verdrängt; zur Abgrenzung des Art. 14 von Art. 12 GG vgl. auch BGH v. 27.2.1975, AP Nr. 24 zu Art. 14 GG; vgl. zur Grundrechtskollission ferner ErfK/Dieterich, Einl. GG Rn. 68 ff. 113 BVerfG v. 16.3.1971 (Mineralölbevorratung), BVerfGE 30, 292, 335; BVerfG v. 22.5.1979 (Eintragung von Lagenamen in die Weinbergsrolle), BVerfGE 51, 193, 221 f.; BVerfG v. 8.11.1983 (Werbung für den Mietwagenverkehr), BVerfGE 65, 237, 248; BVerfG v. 14.1.1987 (Widerruf von Leistungen einer Unterstützungskasse), BVerfGE 74, 129, 148 f.; BVerfG v. 14.11.1989 (Mietwagen), BVerfGE 81, 70, 96; BVerfG v. 24.4.1991 (Große Warteschleife), BVerfGE 84, 133, 157; siehe ferner Söllner, RdA 1989, 144, 145.

B. Verfassungsrechtlicher Ausgangspunkt

181

Beibehaltung und Verwendung vorhandener Vermögensgüter schütze114. Aus Art. 14 Abs. 1 GG folge kein übergreifender Schutz wirtschaftlich sinnvoller Eigentumsnutzung und unternehmerischer Dispositionsbefugnis115. Der Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 GG sei also nur betroffen, wenn ein Eingriff in die Innehabung und Verwendung vorhandener Vermögensgüter vorliege116. Nach der Auffassung des Bundesverfassungsgerichts und der überwiegenden Meinung des Schrifttums ist also im Ergebnis die Verfassungsmäßigkeit arbeitsrechtlicher Vorschriften, die den Unternehmer in seiner Stellung als Arbeitgeber betreffen, in erster Linie am Maßstab des Art. 12 Abs. 1 GG zu überprüfen117. Die Annahme der Idealkonkurrenz zwischen den beiden Grundrechten wirkt sich aber gleichwohl nicht weiter aus, da beide Grundrechte grundsätzlich den gleichen Schranken unterliegen. Eine zulässige Berufsausübungsregelung stellt regelmäßig auch eine zulässige Eigentumsbeschränkung dar118.

(c) Unternehmerfreiheit als Bestandteil der allgemeinen Handlungsfreiheit gemäß Art. 2 Abs. 1 GG Die Unternehmerfreiheit wird als Teil der allgemeinen Handlungsfreiheit auch vom Schutzbereich des Art. 2 Abs. 1 GG119 umfasst. Art. 2 Abs. 1 GG bildet die verfassungsrechtliche Grundlage der Freiheit im wirtschaftlichen Verkehr und der Privatautonomie120. Der Abschluss von Verträgen, deren inhaltliche Gestaltung und deren Beendigung gehören zur Vertragsfreiheit. Sofern es also um die Einschränkung der Beendigungsfreiheit von Arbeitsverträ___________ 114

BVerfG v. 10.3.1992 (Kleine Warteschleife), BVerfGE 85, 360, 383; BVerfG v. 25.5.1993 (Tierzuchtgesetz), BVerfGE 88, 366, 377. 115 BVerfG v. 6.10.1987 (Arbeitnehmerüberlassung), BVerfGE 77, 84, 118; BVerfG v. 18.12.1985, AP Nr. 15 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit. 116 BVerfG v. 16.3.1971 (Mineralölbevorratung), BVerfGE 30, 292, 335; BVerfG v. 24.4.1991 (Große Warteschleife), BVerfGE 84, 133, 157; BVerfG v. 10.3.1992 (Kleine Warteschleife), BVerfGE 85, 360, 383. 117 Vgl. insbesondere BVerfG v. 18.12.1985, AP Nr. 15 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit; kritisch dazu Loritz, BB 1993, 225, 227; ders., ZfA 1991, 1, 14; Ossenbühl, AöR 115 (1990), 1, 26; Scholz, NJW 1986, 1587 ff.; ders., FS Rittner, 1991, 629, 649; Weingart, S. 134 f.; vgl. ferner BVerfG v. 6.10.1987 (Arbeitnehmerüberlassung), BVerfGE 77, 84, 117 ff.; BVerfG v. 15.12.1987 (Arbeitnehmerweiterbildung), BVerfGE 77, 308, 339; BVerfG v. 23.1.1990 (§ 128 AFG), BVerfGE 81, 156 ff.; BVerfG v. 11.2.1992 (Jugendleiter), BVerfGE 85, 226 ff. 118 Vgl. v.Münch/Kunig, Grundgesetz-Kommentar, Bd. 1, Art. 14 Rn. 109. 119 Zum Schutzbereich der allgemeinen Handlungsfreiheit siehe Degenhart, JuS 1990, 161 ff.; ErfK/Dieterich, Art. 2 GG Rn. 1 ff. 120 ErfK/Dieterich, Art. 2 GG Rn. 1.

182

Zweiter Teil: § 7 Eingeschränkte gerichtliche Überprüfbarkeit

gen geht, könnte der Schutzbereich von Art. 2 Abs. 1 GG betroffen sein121. Zu beachten ist jedoch, dass Art. 2 Abs. 1 GG als lex generalis immer nur dann eingreift, wenn nicht speziellere Grundrechte herangezogen werden können122. Sofern also ein Eingriff in den Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG gegeben ist, kommt Art. 2 Abs. 1 GG nicht zum Tragen123. Obwohl sich das Bundesverfassungsgericht stets für den Vorrang der spezielleren Grundrechte vor dem Auffanggrundrecht des Art. 2 Abs. 1 GG ausgesprochen hat, hat das Gericht de facto aber häufig eine deutliche Abgrenzung vermissen lassen124. In der Praxis spielt letztlich die Abgrenzung zwischen Art. 2 Abs. 1 GG und Art. 12 Abs. 1 GG aufgrund der Ergebnisidentität keine Rolle.

(d) Zwischenergebnis Die Unternehmerfreiheit ist grundsätzlich am Maßstab des Art. 12 Abs. 1 GG zu messen.

(2) Die grundrechtliche Verankerung der Berufsaufgabe, der Unternehmens- und der Betriebsstilllegung Art. 12 Abs. 1 GG schützt nicht nur die positive Berufsfreiheit, also die Freiheit der aktiven beruflichen Betätigung, sondern ebenso die passive Berufsfreiheit, also die Freiheit, den Beruf wieder aufzugeben oder von vornherein keinen zu ergreifen125. Art. 12 Abs. 1 GG schützt vor dem Zwang beruflicher Tätigkeiten, die der Einzelne nicht ausüben will. Art. 12 Abs. 1 GG gewährt ___________ 121

Vgl. dazu noch später ausführlicher im Zweiten Teil § 7 B. II. 1. b) (3), S. 184 ff. ErfK/Dieterich, Einl. GG Rn. 69, Art. 2 GG Rn. 9 und Art. 14 Rn. 9; Maunz/Dürig/Herzog, Art. 2 GG Rn. 21. 123 BVerfG v. 31.10.1984, BVerfGE 68, 193, 223 f. m.w.N.; BVerfG v. 6.10.1987 (Arbeitnehmerüberlassung), BVerfGE 77, 84, 118; BVerfG v. 15.12.1987 (Arbeitnehmerweiterbildung), BVerfGE 77, 308, 339. In ErfK/Dieterich, Art. 14 GG Rn. 9 heißt es, es gebe keinen umfassenden Schutzbereich „Wirtschaftsfreiheit“, der zugleich von Art. 2, 12 und 14 GG erfasst werde. 124 Vgl. BVerfG v. 1.3.1979 (Mitbestimmung), BVerfGE 50, 290, 362; BVerfG v. 26.5.1981 (Schwerbehindertengesetz), BVerfGE 57, 139, 158; BVerfG v. 19.10.1983 (Betriebliche Unterstützungskasse), BVerfGE 65, 196, 216; BVerfG v. 14.1.1987 (Werbung für den Mietwagenverkehr), BVerfGE 74, 129, 162; vgl. auch ErfKDieterich, Art. 2 Rn. 10; ferner Söllner, RdA 1989, 144, 148. 125 Vgl. BVerfG v. 21.10.1981 (Pflicht zur Begründung eines Arbeitsverhältnisses), BVerfGE 58, 358, 364 f. 122

B. Verfassungsrechtlicher Ausgangspunkt

183

auch dem Unternehmer das Recht, den zunächst aufgenommenen Beruf wieder aufzugeben und dabei das von ihm betriebene Unternehmen stillzulegen126. Der Unternehmer kann also über den Rückzug aus der unternehmerischen Tätigkeit frei entscheiden127. Beeinträchtigende staatliche Regelungen, die den Arbeitgeber zwingen, das Unternehmen aufrechtzuerhalten und seinen Beruf fortzuführen, bedeuten einen Eingriff auf der Stufe der Berufswahl. Für die Rechtfertigung eines solchen Eingriffs sind vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls allein nicht ausreichend. Eingriffe auf dieser Stufe sind nur gerechtfertigt, sofern der Schutz besonders wichtiger Gemeinschaftsgüter dies zwingend erfordert128. Eine Fallgestaltung, die den Unternehmer zur Unternehmensfortführung zwingen könnte, ist kaum denkbar. Den Unternehmer aus Rücksicht auf unkündbare Arbeitsverhältnisse zur Aufrechterhaltung seines Unternehmens zu zwingen, verstieße somit gegen die Verfassung129. Weniger eindeutig beurteilen lässt sich die Frage, ob auch die Betriebsstilllegung eine Maßnahme darstellt, die der negativen Berufswahlfreiheit zuzuordnen ist. Diese Frage ist deshalb von jener der Unternehmensstilllegung gesondert zu betrachten, da der Unternehmer durchaus als Inhaber mehrerer Betriebe beschließen könnte, nur einen davon stillzulegen. Die Frage lässt sich deshalb auch nicht für alle denkbaren Fälle einheitlich beantworten. Sofern die Betriebsstilllegung mit der Berufsaufgabe zusammenfällt, dürfte sie in den Schutzbereich der Berufswahl einzuordnen sein. Legt beispielsweise der Arbeitgeber seinen einzigen Betrieb aus Altersgründen still, dann bedeutet dies zugleich eine Aufgabe seines Berufs. In einem solchen Fall ist wohl ebenfalls keine rechtfertigende Regelung denkbar, die ihn an dieser Betriebsstilllegung hindern dürfte. Sofern ein größeres Unternehmen nur einen Betrieb bzw. einen Betriebsteil stilllegt, lässt sich dies eher als eine Maßnahme der Berufsausübung einstufen. In diese Freiheit eingreifende Regelungen unterliegen zu ihrer Rechtfertigung nur geringeren Anforderungen.

___________ 126

So auch Ch. Müller, S. 34 f.

127

Buchner, DB 1984, 504, 506.

128 Zur Stufenlehre vgl. das Apothekenurteil des BVerfG v. 11.6.1958, BVerfGE 7, 377 ff.; vgl. auch bereits die Ausführungen im Zweiten Teil § 7 B. II. 1. a) (1), S. 175. 129

Maunz/Dürig/Herzog, Art. 12 GG Rn. 50; Scholz, ZfA 1981, 265, 281; Papier, DVBl. 1984, 801, 813; ders., RdA 1989, 137, 140; Zöllner, Gutachten D, 1978, 98 ff., 120 f.; U. Preis, Prinzipien, S. 64; Stahlhacke, DB 1994, 1361.

184

Zweiter Teil: § 7 Eingeschränkte gerichtliche Überprüfbarkeit

(3) Die grundrechtliche Verankerung der Kündigungsfreiheit Das Kündigungsrecht wird als Annexinstitut zur Vertragsfreiheit und damit als Ausübung des Selbstbestimmungsrechts verstanden130. Dies bedarf jedoch einer genaueren Erklärung, denn die Vertragsfreiheit umfasst zunächst nur die Inhalts- und Abschlussfreiheit131, nicht jedoch die Freiheit, sich einseitig von Verträgen zu lösen. Im Gegenteil, die Vertragsrechtsordnung basiert auf dem Grundsatz „pacta sunt servanda“, und ein einseitiges Recht, sich von Verträgen loszusagen, würde das Zivilrechtssystem in Frage stellen132. Jedoch sind Verträge, die auf einen einmaligen Leistungserfolg gerichtet sind, von Dauerschuldverhältnissen133 zu unterscheiden. Insbesondere bei unbefristeten Dauerschuldverhältnissen ist hinsichtlich des Grundsatzes „pacta sunt servanda“ Zurückhaltung geboten, denn eine uneingeschränkte Anwendung hätte eine Ewigkeitsbindung und somit eine Freiheitsbeschränkung zur Folge134. Eine Ewigkeitsbindung ist aber mit dem Sinngehalt der Vertragsfreiheit nicht vereinbar135, denn dies würde einen unwiderruflichen Grundrechtsverzicht für die Zukunft bedeuten136. Die Freiheit137 zu zeitlich unbefristeten Bindungen zieht somit die Freiheit zur einseitigen138 Vertragsbeendigung nach sich139. Das Recht zur Kündigung stellt also, wie bereits Otto von Gierke140 betonte, „das unentbehrliche Gegengewicht gegenüber der fortwirkenden Bindungskraft dauernder Schuldverhältnisse“ dar141. Damit gehört also grundsätzlich das Kündigungs___________ 130 Oetker, Bestandsschutz, S. 17 mit Hinweis auf den Ansatz von Ulmer, FS Möhring, 1975, 295, 304. 131 Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts, Bd. I, S. 41 f. 132 Oetker, Bestandsschutz, S. 18. 133 Vgl. zu den Merkmalen von Dauerschuldverhältnissen Oetker, Dauerschuldverhältnis, S. 99 ff. 134 Vgl. F. Bydlinski, Zulässigkeit, S. 22 f. 135 Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts, Bd. I, S. 30; Ulmer, FS Möhring, 1975, 295, 303. 136 Oetker, Bestandsschutz, S. 20 m.w.N. 137 Zu beachten ist noch verstärkend, dass der Arbeitgeber von Gesetzes wegen zur Eingehung unbefristeter Arbeitsverhältnisse gezwungen ist; d. h., von Ausnahmen abgesehen, die im TzBfG geregelt sind, hat der Arbeitgeber von vornherein nicht die Freiheit, befristete Dauerschuldverhältnisse mit dem Arbeitnehmer abzuschließen, wodurch bereits seine Vertragsfreiheit tangiert wird. 138 Die übereinstimmende Vertragsaufhebung ist unproblematisch. 139 Höfling, Vertragsfreiheit, S. 3; Oetker, Bestandsschutz, S. 20; Ulmer, FS Möhring, 1975, 295, 304. 140 v.Gierke, JherJb 64 (1914), 355, 380. 141 Siehe auch die schon von v.Savigny angestellten Gedanken, Das Obligationenrecht 1851, Bd. I, S. 6 f.: Die Kündigungsfreiheit sorge dafür, dass die Obligation auf

B. Verfassungsrechtlicher Ausgangspunkt

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recht zur Vertragsfreiheit und ist folglich von dem Schutzbereich des Art. 2 Abs. 1 GG umfasst. Fraglich ist jedoch, ob die unternehmerische Freiheit zu Abschluss, inhaltlicher Ausgestaltung und Beendigung eines Arbeitsvertrages vorzugsweise dem gegenüber Art. 2 Abs. 1 GG spezielleren Schutzbereich der Berufsfreiheit zuzuordnen ist. Das Bundesverfassungsgericht hat die Arbeitsvertragsfreiheit niemals ausdrücklich allein dem Schutzbereich der Berufsfreiheit zugeordnet; diesbezüglich lassen sich allenfalls Andeutungen finden. Die Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts sind uneinheitlich. In einigen Fällen142 ordnete das Gericht die Freiheit zum Abschluss von Arbeitsverträgen der durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützten Privatautonomie zu. In der Handelsvertreter-Entscheidung143 dagegen scheint das Gericht die Arbeitsvertragsfreiheit in das gegenüber Art. 2 Abs. 1 GG speziellere Grundrecht der Berufsfreiheit eingeordnet zu haben, ohne jedoch den Schutzbereich konkret zu benennen. Es sieht so aus, als schenke das Bundesverfassungsgericht der Frage, in welchen grundrechtlichen Schutzbereich die Arbeitsvertragsfreiheit gehört, keine besondere Aufmerksamkeit. Vermutlich hält das Gericht eine genaue Zuordnung aus Gründen der „Ergebnisidentität“144 für entbehrlich. Im Ergebnis werde im Rahmen einer Prüfung eines Verstoßes gegen Art. 12 Abs. 1 GG der gleiche Prüfungsmaßstab herangezogen wie bei einem Verstoß gegen Art. 2 Abs. 1 GG145. Auch wenn die Frage der Grundrechtskonkurrenz aufgrund der „Ergebnisidentität“ für die Praxis bedeutungslos ist, so bemüht sich die Wissenschaft gleichwohl um eine möglichst klare Strukturierung146. Das Schrifttum führt überwiegend die vom Arbeitgeber ausgeübte Kündigung auf das Grundrecht der

___________ fortgesetzte Handlungen von unbestimmter Dauer nicht die Persönlichkeit des Schuldners selbst aufhebe. Die Ausübung der Kündigung sei ein Mittel der Selbstbefreiung; vgl. auch Oetker, Bestandsschutz, S. 19 und 20. 142 Vgl. BVerfG v. 12.11.1958 (Preisgesetz I), BVerfGE 8, 274, 328; BVerfG v. 16.5.1961 (Zusatzumsatzsteuer), BVerfGE 12, 341, 347 f.; BVerfG v. 19.10.1983 (Betriebliche Unterstützungskasse), BVerfGE 65, 196, 210; BVerfG v. 23.4.1986 (Sozialplan), BVerfGE 73, 261, 270; BVerfG v. 19.5.1992 (Auszubildender), BVerfGE 86, 122, 130. 143 BVerfG v. 7.2.1990 (Handelsvertreter), BVerfGE 81, 242, 253 ff. 144 Dieser Begriff ist zurückzuführen auf Scholz, in: Maunz/Dürig, Art. 12 GG Rn. 73; vgl. ferner Söllner, RdA 1989, 144, 148; ders., FS Stahlhacke, 1995, 519, 521; vgl. auch Ch. Müller, S. 30 und 33. 145 Vgl. BVerfG v. 5.3.1974 (Weinwirtschaftsabgabe), BVerfGE 37, 1, 18; vgl. auch Ch. Müller, S. 33. 146 Vgl. ErfK/Dieterich, Einl. GG Rn. 69.

186

Zweiter Teil: § 7 Eingeschränkte gerichtliche Überprüfbarkeit

Berufsfreiheit gemäß Art. 12 Abs. 1 GG zurück147. Dies ist auch überzeugend. Abschluss und Beendigung eines Arbeitsvertrages sind für beide Vertragspartner Ausdruck einer beruflichen Betätigung. Es wäre inkonsequent, wenn man die Auswahl des Arbeitsvertragspartners Art. 12 Abs. 1 GG148, den Abschluss und die Beendigung des Arbeitsvertrages aber Art. 2 Abs. 1 GG149 zuordnen würde. Wenn das Bundesverfassungsgericht die Berufsfreiheit als besondere Ausprägung des in Art. 2 Abs. 1 GG garantierten Rechts auf freie Entfaltung der Persönlichkeit auf dem Gebiet der Leistung und Existenzerhaltung betrachtet, so muss dies demzufolge auch für die unmittelbar mit dem Beruf zusammenhängende Arbeitsvertragsfreiheit gelten150. Die Arbeitsvertragsfreiheit ist also ein Teilbereich der Berufsfreiheit. Staatliche Freiheitseinschränkungen sind damit an den Schranken des spezielleren Art. 12 Abs. 1 GG zu messen. Art. 12 Abs. 1 GG ist folglich auch die verfassungsrechtliche Grundlage der unternehmerischen Entscheidungsfreiheit im Rahmen des KSchG. Regelungen des KSchG, welche die arbeitsvertragsrechtliche Dispositionsfreiheit des Unternehmers einschränken, sind folglich am Maßstab des spezielleren Grundrechts des Art. 12 GG zu messen.

(4) Berufsfreiheit von juristischen Personen Da der Unternehmer häufig nicht als einzelne natürliche Person auftritt, sondern als Personenvereinigung, Kapitalgesellschaft oder auch als Personenhandelsgesellschaft, ist kurz auf die umstrittene Frage einzugehen, ob sich auch juristische Personen auf das Grundrecht der Berufsfreiheit berufen können. Gemäß Art. 19 Abs. 3 GG gelten die Grundrechte auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind. Die Verweisung auf das „Wesen“ der Grundrechte ist sehr unscharf151. Stellt man darauf ab, ob eine juristische Person einen Beruf ausüben kann, ist die Anwendbarkeit ___________ 147 Lecheler, VVDStRL, Bd. 43 (1985), 48, 55; Ch. Müller, S. 30 ff.; Oetker, Bestandsschutz, S. 21; ders., RdA 1997, 9, 10; Papier, DVBl. 1984, 801, 813; ders., RdA 1989, 137, 139 f.; U. Preis, Prinzipien, S. 59 ff.; Scholz, ZfA 1981, 265, 281 f.; Söllner, RdA 1989, 144, 148 f.; Wendt, DÖV 1984, 601, 603 f.; Zöllner, Gutachten D, 1978, S. 100; vgl. auch BAG v. 14.9.1994, BAGE 78, 18 ff.; das BVerwG sortierte die Kündigungsfreiheit in seinem Urteil v. 2.7.1981 (AP Nr. 1 zu § 9 a MuSchG 1968) in Art. 14 Abs. 1 GG ein. 148 Siehe BVerfG v. 24.4.1991 (Große Warteschleife), BVerfGE 84, 133, 146; BVerfG v. 10.3.1992 (Kleine Warteschleife), BVerfGE 85, 360, 373. 149

So das richtige Argument von Ch. Müller, S. 32.

150

Vgl. auch Ch. Müller, S. 34.

151

ErfK/Dieterich, Einl. GG Rn. 6.

B. Verfassungsrechtlicher Ausgangspunkt

187

von Art. 12 Abs. 1 auf juristische Personen genau genommen eher zu verneinen. Eine Aktiengesellschaft kann nicht Arzt, Rechtsanwalt, Maler oder KfzMechaniker sein. Auch das Bundesverfassungsgericht hat bereits im Apothekerurteil die Berufsfreiheit als ein maßgebliches Grundrecht zur Sicherung der Persönlichkeitsentfaltung des Einzelnen bezeichnet152. Das Grundrecht der Berufsfreiheit ist primär persönlichkeitsbezogen153. Demgemäß wird teilweise die Meinung vertreten, dass in den Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG nur natürliche Personen einzubeziehen sind154. Alle anderen müssten auf den Auffangtatbestand des Art. 2 Abs. 1 GG zurückgreifen. Die herrschende Meinung in der Literatur155 und die ständige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts156 gehen jedoch davon aus, dass sich auch juristische Personen auf die Berufsfreiheit des Art. 12 GG berufen können157. Eine juristische Person könne zwar keinen Beruf im Sinne einer Lebensaufgabe ausüben, doch die Tätigkeit einer juristischen Person bezwecke wie die einer natürlichen Person den Erwerb158. Dient die Tätigkeit allerdings keinen Erwerbszwecken, wie das beispielsweise bei gemeinnützigen Einrichtungen, Vereinen, politischen Parteien, Arbeitgebervereinigungen und Gewerkschaften etc. der Fall ist, so kommt nicht der Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG, sondern der des Art. 2 Abs. 1 GG in ___________ 152

BVerfG v. 11.6.1958 (Apothekenurteil), BVerfGE 7, 377, 397.

153

BVerfG v. 16.3.1971 (Mineralölbevorratung), BVerfGE 30, 292, 334; BVerfG v. 30.4.1952, BVerfGE 1, 264, 274; BVerfG v. 14.12.1965, BVerfGE 19, 330, 337; BVerfG v. 1.3.1979 (Mitbestimmung), BVerfGE 50, 292, 362; Maunz/Dürig, Art. 12 GG Rn. 33. 154

Siehe z. B. Alternativkommentar/Rittstieg, Art. 12 Rn. 157.

155

Vgl. u. a. v.Münch/Kunig, GG-Kommentar, Art. 12 GG Rn. 12; Maunz/Dürig, Art. 12 GG Rn. 34 ff.; Schmidt-Bleibtreu/Klein, Kommentar zum Grundgesetz, Art. 12 Rn. 26; Badura, Staatsrecht, S. 178. 156 Die für die kollektive Ausübung der Berufsfreiheit wichtigste Entscheidung des BVerfG ist das Mitbestimmungsurteil v. 1.3.1979, BVerfGE 50, 290 ff. Aufgrund des individualrechtlich-personalen Charakters sei zwar zweifelhaft, ob Art. 12 Abs. 1 GG „seinem Wesen nach“ auch juristische Personen schütze, im Ergebnis hat das Gericht diese Frage aber bejaht; vgl. aber auch BVerfG v. 4.4.1967 (Arbeitsvermittlungsmonopol), BVerfGE 21, 261, 266; BVerfG v. 29.11.1967 (Kuponsteuer), BVerfGE 22, 380, 383; BVerfG v. 16.3.1971 (Mineralölbevorratung), BVerfGE 30, 292, 312. 157

Der in Art. 19 Abs. 3 GG verwendete Begriff der juristischen Person wird nicht im Sinne des Bürgerlichen Rechts ausgelegt, sondern geht darüber hinaus. Demzufolge bezieht sich Art. 19 Abs. 3 sowohl auf vollrechtsfähige Personenvereinigungen, als auch auf nicht oder nicht vollrechtsfähige Organisationen; dazu im Einzelnen Ch. Müller, S. 18 f. m.w.N. 158 Vgl. BVerfG v. 4.4.1967 (Arbeitsvermittlungsmonopol), BVerfGE 21, 261, 266; BVerfG v. 29.11.1967 (Kuponsteuer), BVerfGE 22, 380, 383; BVerfG v. 16.3.1971 (Mineralölbevorratung), BVerfGE 30, 292, 312; BVerfG v. 1.3.1979 (Mitbestimmung), BVerfGE 50, 290, 363; siehe auch Ch. Müller, S. 18.

188

Zweiter Teil: § 7 Eingeschränkte gerichtliche Überprüfbarkeit

Betracht159. Träger des Grundrechts der Unternehmerfreiheit als Teilbereich der Berufsfreiheit ist nicht der einzelne Anteilseigner bzw. Gesellschafter, sondern die juristische Person selbst160, vertreten durch das jeweils vertretungsberechtigte Organ161. Auf die Unternehmerfreiheit können sich sowohl Klein- und Mittelbetriebe als auch Großunternehmen berufen162. Je größer ein Unternehmen ist, desto stärker fehlt es jedoch am personalen Grundzug der Berufsfreiheit. Deshalb sind große Unternehmen weniger schutzwürdig als kleine und mittlere Unternehmen163. Trotzdem ist die Unternehmerfreiheit von Großunternehmen vom Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG mit umfasst. Die geringere Schutzwürdigkeit wirkt sich erst auf der Ebene der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung eingreifender Regelungen aus164.

(5) Berufsfreiheit von Arbeitgebern des öffentlichen Rechts Fraglich ist, ob sich auch Arbeitgeber des öffentlichen Rechts auf das Grundrecht der Berufsfreiheit berufen können. Das Bundesverfassungsgericht hat die Anwendbarkeit des Art. 19 Abs. 3 GG auf Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts verneint165. Der Staat, der hinter den juristischen Personen des öffentlichen Rechts stehe, könne nicht zugleich Adressat und Berechtigter der Grundrechte sein. Grundrechte könnten nur dann ausnahmsweise auf öffentlich-rechtliche Einrichtungen Anwendung finden, wenn diese Einrichtungen vom Staat unabhängig sind. So gilt beispielsweise Art. 5 Abs. 3 GG für Universitäten166 oder Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG für öffentlich-recht-

___________ 159

Vgl. BVerfG v. 26.5.1981 (Schwerbehindertengesetz), BVerfGE 57, 139, 158. Vgl. Papier, VVDStRL 35 (1977), 55, 58; ders., DVBl. 1984, 801, 806; vgl. dazu ausführlich Ch. Müller, S. 22 f. m.w.N.; a. A. Badura, FS Rittner, 1991, 13 ff. 161 Ch. Müller, S. 22. 162 BVerfG v. 1.3.1979 (Mitbestimmung), BVerfGE 50, 290, 363; dazu ausführlich Ch. Müller, S. 23 ff. 163 Str.; im Ergebnis so auch Ch. Müller, S. 24; Papier, DVBl. 1984, 801, 806; Pietzcker, NVwZ 1984, 550, 552; a. A. Maunz/Dürig, Art. 12 GG Rn. 35; Tettinger, AöR 108 (1983), 92, 96. 164 BVerfG v. 1.3.1979 (Mitbestimmung), BVerfGE 50, 290, 364 f. 165 BVerfG v. 2.5.1967 (Landesversicherungsanstalt Westfalen), BVerfGE 21, 362, 369; BVerfG v. 31.10.1984 (Grundrechtsfähigkeit von Handwerksinnungen), BVerfGE 68, 193, 206 ff.; BVerfG v. 14.5.1985 (Kostendämpfungs-Ergänzungsgesetz), BVerfGE 70, 1, 15. 166 BVerfG v. 16.1.1963, BVerfGE 15, 256, 262. 160

B. Verfassungsrechtlicher Ausgangspunkt

189

liche Rundfunkanstalten167. Ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu der Anwendbarkeit des Art. 12 Abs. 1 GG auf juristische Personen des öffentlichen Rechts gibt es bislang noch nicht. Im Ergebnis scheinen daher grundsätzlich Arbeitgeber des öffentlichen Rechts vom Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG ausgeschlossen zu sein168.

(6) Der Grundrechtsschutz von Ausländern Arbeitgeber ohne deutsche Staatsangehörigkeit können sich nach herrschender Meinung nicht auf den Schutz des Art. 12 Abs. 1 GG berufen, da dieses Grundrecht explizit „auf Deutsche“ beschränkt ist. Ausländer müssen folglich auf die allgemeine Handlungsfreiheit des Art. 2 Abs. 1 GG zurückgreifen169. Konkrete Auswirkungen in Bezug auf den Schutz dürften im Ergebnis damit aber nicht verbunden sein, da der verfassungsrechtliche Gleichheitssatz eine willkürliche Differenzierung verbietet170.

c) Ausgleich zwischen den widerstreitenden Interessen der Arbeitnehmer und Arbeitgeber Bei der Ausgestaltung eines arbeitsrechtlichen Bestandsschutzes muss der Gesetzgeber die gegenläufigen Grundrechtspositionen beider Arbeitsvertragsparteien berücksichtigen. Die gesetzlichen Regelungen, die den Arbeitgeber einseitig zur Vertragsbeendigung berechtigen, müssen mit der grundrechtlichen Garantie der freien Arbeitsplatzwahl der Arbeitnehmer im Einklang stehen. Umgekehrt müssen Regelungen, die dem Arbeitnehmer den Arbeitsplatz sichern, ihrerseits mit der Unternehmerfreiheit im Einklang stehen. Den Gesetzgeber bzw. auf der zweiten Ebene den Richter trifft also eine doppelte Schutzpflicht171. Zum einen hat er das Interesse des Arbeitnehmers an der Erhaltung seines Arbeitsplatzes zu beachten, zum anderen jenes des Arbeitgebers, in sei___________ 167 BVerfG v. 13.1.1982 (Freie Mitarbeiter der Rundfunkanstalten), BVerfGE 59, 231, 254. 168 Ebenso Ch. Müller, S. 19 ff. 169 BVerfG v. 10.5.1988, BVerfGE 78, 179, 196; Isensee, VVDStRL, Bd. 32 (1974), 49, 80; Meesen, JuS 1982, 397, 401; Friauf, JA 1984, 537, 540; Schwerdtfeger, Gutachten zum 53. DJT, A 30; Sachs, BayVBl. 1990, 385, 388 f.; Pieroth, AöR 115 (1990), 33, 41; krit. wohl Oetker, Bestandsschutz, S. 21; vgl. dazu auch Drathen, S. 168 ff. 170 Oetker, Bestandsschutz, S. 21. 171 Däubler, FS Arbeitsgerichtsbarkeit Rheinland-Pfalz, 1999, 271, 276 f.

190

Zweiter Teil: § 7 Eingeschränkte gerichtliche Überprüfbarkeit

nem Unternehmen nur Mitarbeiter zu beschäftigen, die nach Art und Anzahl seinen Vorstellungen entsprechen. Auf der einen Seite schränkt die Arbeitsplatzwahlfreiheit die Unternehmerfreiheit ein, auf der anderen Seite schränkt die Unternehmerfreiheit die Arbeitsplatzwahlfreiheit ein172. Für den Gesetzgeber und subsidiär für den Richter stellt sich somit das Problem praktischer Konkordanz173. Das bedeutet, die kollidierenden Grundrechtspositionen sind in ihrer Wechselwirkung so zu erfassen und so zu begrenzen, dass sie für beide Seiten möglichst weitgehend wirksam werden174. Der Konflikt zwischen den Grundrechtspositionen kann also nicht so gelöst werden, dass eine Grundrechtsposition auf Kosten der anderen bevorzugt wird und einen maximalen Schutz erlangt, sondern es ist ein Kompromiss zu finden, der für beide Seiten einen möglichst schonenden Ausgleich bedeutet175. Dieser Weg des Kompromisses kann sehr breit sein176. Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung vom 27.1.1998177 dazu ausgeführt: „Dem Gesetzgeber, der diese Interessen zu einem gerechten Ausgleich bringen will, ist ein weiter Gestaltungsfreiraum eingeräumt. Die Einschätzung der für die Konfliktlage maßgeblichen ökonomischen und sozialen Rahmenbedingungen liegt in seiner politischen Verantwortung, ebenso die Vorausschau auf die künftige Entwicklung und die Wirkungen seiner Regelung. Dasselbe gilt für die Bewertung der Interessenlage, das heißt die Gewichtung der einander entgegenstehenden Belange und die Bestimmung ihrer Schutzbedürftigkeit. Eine Verletzung grundrechtlicher Schutzpflichten kann daher in einer solchen Lage nur festgestellt werden, wenn eine Grundrechtsposition den Interessen des anderen Vertragspartners in einer Weise untergeordnet wird, dass in Anbetracht der Bedeutung und Tragweite des betroffenen Grundrechts von einem angemessenen Ausgleich nicht mehr gesprochen werden kann.“ Die Aussagen dieser Entscheidung sind recht vage und lassen nur wenige Schlussfolgerungen hinsichtlich der Ausgestaltung eines arbeitsrechtlichen Be___________ 172

Oetker, Bestandsschutz, S. 27 f. BVerfG v. 27.1.1998 (Kleinbetriebsklausel), BVerfGE 97, 169, 176; Däubler, FS Arbeitsgerichtsbarkeit Rheinland-Pfalz, 1999, 271, 276 f.; Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, Rn. 72; Löwisch, ZfA 1996, 293, 299; Söllner, ArbuR 1991, 45, 52. 174 Vgl. BVerfG v. 19.10.1993 (Bürgschaft), BVerfGE 89, 214, 232; BVerfG v. 27.1.1998 (Kleinbetriebsklausel), BVerfGE 97, 169, 176; Canaris, RdA 1997, 267, 272 m.w.N.; Däubler, FS Arbeitsgerichtsbarkeit Rheinland-Pfalz, 1999, 271, 276 f.; Dörner, FS Dieterich, 1999, 83, 89 f. 175 BVerfG v. 16.5.1991 (Anbringung von Kruzifixen), BVerfGE 93, 1, 21; Stein, BB 2000, 457, 462. 176 Oetker, RdA 1997, 9, 13 f.; U. Preis, NZA 1995, 241, 242. 177 BVerfG v. 27.1.1998 (Kleinbetriebsklausel), BVerfGE 97, 169, 176. 173

B. Verfassungsrechtlicher Ausgangspunkt

191

standsschutzes zu. Auch in der Literatur findet man bislang nur wenige Ausführungen zur inhaltlichen Reichweite der staatlichen Schutzpflicht für den arbeitsrechtlichen Bestandsschutz178. Oetker179 schreibt, die grundrechtliche Schutzpflicht begründe nur wenige zwingende globale Vorgaben. Dieterich180 äußerte, Art. 12 GG gewährleiste den Kernbestand eines Arbeitsplatzschutzes im Sinne eines Untermaßverbots. Die Gewährung eines Mindestschutzes sei notwendig, um die einseitige Durchsetzung überlegener Vertragsmacht zu verhindern. Zu den globalen Vorgaben gehört also, insoweit ist man sich in der Rechtsprechung und im Schrifttum einig, dass die Verfassung zum einen den gebotenen Mindestschutz, also das Untermaßverbot, und zum anderen die maximale Freiheitseinschränkung, also das Übermaßverbot, markiert181. Wo die Grenzen des Mindestschutzes und die Grenzen der maximalen Freiheitsbeschränkung verlaufen sollen, ist damit jedoch immer noch nicht hinreichend beantwortet. Hinsichtlich der Grenze des Untermaßes findet man im Schrifttum die Aussage, dass die durch das Untermaß gezogene Grenze erst dann unterschritten sei, wenn der Gesetzgeber das Bestandsschutzinteresse des Arbeitnehmers oder eine erhöhte Gefährdungslage völlig vernachlässige182. Eine weitere Ansicht geht zwar in dieselbe Richtung, meint jedoch, das Untermaßverbot sei verletzt, wenn das Bestandsschutzinteresse des Arbeitnehmers gänzlich unberücksichtigt bleibe oder unverhältnismäßig vernachlässigt sei183. Bei der Bewertung des Schutzminimums sei zu berücksichtigen, dass der Arbeitgeber durch seine unternehmerische Entscheidung selbst die Ursache für die betriebsbedingte Kündigung setze184. Zur Grenze des Schutzminimums wird auch das Willkürverbot angeführt185. Kohte186 meint schließlich noch, aus ___________ 178 Vgl. Oetker, Bestandsschutz, S. 31 mit ein paar wenigen Nachweisen auf das Schrifttum. 179 Oetker, Bestandsschutz, S. 40. 180 Dieterich, RdA 1992, 330, 332; ders., RdA 1995, 129, 134. 181 Oetker, RdA 1997, 9, 14; Stein, BB 2000, 457, 462. 182 Oetker, Bestandsschutz, S. 41. 183 APS/Kiel, § 1 KSchG Rn. 448. 184 APS/Kiel, § 1 KSchG Rn. 448. 185 APS/Kiel, § 1 KSchG Rn. 450; vgl. auch schon Badura, FS Berber, 1973, 11, 23, der bereits ohne auf die genaue Grundrechtsdogmatik einzugehen, meinte, das „Recht am Arbeitsplatz“ beinhalte, „dass der Arbeitnehmer den Arbeitsplatz gegen seinen Willen nicht ohne sachbezogene und als billig und gerecht anerkennenswerte Gründe verlieren darf“. Vgl. auch die interessanten, wenn auch ebenfalls nicht im Zusammenhang mit der Schutzpflichtenlehre, geäußerten Gedanken von Kunkel, NJW 1953, 447, 448: „Zwei Grundprinzipien stoßen in der Rechtsschöpfung und Rechtsfindung der Gegenwart aufeinander: das Prinzip der Freiheit und das Prinzip der Ordnung. Beide sind gleichwertig in ihrem ethischen Gehalt, aber entgegengesetzt in ihrer sozialen Funktion:

192

Zweiter Teil: § 7 Eingeschränkte gerichtliche Überprüfbarkeit

der Anwendung der Schutzpflichtenlehre in Bezug auf den arbeitsrechtlichen Bestandsschutz folgen die Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes, das Prognoseprinzip und die Anhörung des Betriebs- bzw. Personalrats. Hinsichtlich der durch das Übermaßverbot gezogenen Grenze findet man die Aussage, dass eine Regelung gegen die Berufsfreiheit des Arbeitgebers verstoße, wenn die Grenze zur Ungeeignetheit und fehlenden Erforderlichkeit eindeutig überschritten sei187. Ein nicht mehr zu rechtfertigender Eingriff in die geschützte Berufsfreiheit des Arbeitgebers liege vor, wenn Regelungen des arbeitsrechtlichen Bestandsschutzes das Recht zur betriebsbedingten Kündigung ganz ausschließen oder in unverhältnismäßiger Weise erschweren würden. An das einmal begründete Arbeitsverhältnis darf der Arbeitgeber nicht unverhältnismäßig gebunden werden188. Wie Oetker zutreffend hervorgehoben hat189, stößt man auf erhebliche Schwierigkeiten bei der Bestrebung, die Schutzpflichtlehre auf einzelne Aspekte des arbeitsrechtlichen Bestandsschutzes anzuwenden. Letztlich wird man sich mit Globalprinzipien begnügen müssen, wie insbesondere der Heranziehung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes190, weiter der Beachtung sozialer Belange, Vermeidung von Härten, Beachtung eines ordnungsgemäßen Verfahrens, sowie Schutz vor Willkür und Missbrauch etc. Bei der Schaffung eines arbeitsrechtlichen Bestandsschutzes darf ferner auch die vom Bundesverfassungsgericht entwickelte Stufenlehre nicht ignoriert ___________ dynamisch und expansiv das Recht der freien Persönlichkeitsentfaltung, das sich im Privatrecht vor allem als Vertrags- und Kündigungsfreiheit verkörpert; statisch und restriktiv die Ordnungsgrundsätze des Interessenausgleichs, des gerechten Zuteilens, des Schutzes für den wirtschaftlich Schwächeren. Die Harmonisierung dieses Gegensatzes erscheint als Hauptaufgabe des heutigen Gesetzgebers. Sie lässt sich, will man das eine Prinzip nicht dem anderen unterordnen, nur herstellen, indem zwar die Freiheit als Urrecht der Menschenwürde anerkannt, jedoch die Ordnung vor die Willkür gesetzt wird. Überträgt man diesen Gedankengang auf das arbeitsrechtliche Kündigungsproblem, so treten sich zwei Erscheinungsformen jener Grundprinzipien gegenüber: die Kündigungsfreiheit des Arbeitgebers und das schutzwürdige Interesse des Arbeitnehmers an seinem Arbeitsplatz. Ihre Synthese führt zur grundsätzlichen Zulässigkeit der freien Kündbarkeit, aber zum Verbot der willkürlichen Entlassung.“ 186 Kohte, Anm. zu BAG v. 20.5.1994, AuA 1995, 205, 207. 187 Vgl. zur Eindeutigkeitsmaxime bei der Überprüfung von Gesetzen am Maßstab des Art. 12 Abs. 1 GG; BVerfG v. 16.3.1971 (Mineralölbevorratung), BVerfGE 30, 292, 319; BVerfG v. 19.3.1975, BVerfGE 39, 210, 230. 188 ErfK/Dieterich, Art. 12 GG Rn. 34; APS/Kiel, § 1 KSchG Rn. 445. 189 Oetker, Bestandsschutz, S. 33. 190 APS/Kiel, § 1 KSchG Rn. 445.

B. Verfassungsrechtlicher Ausgangspunkt

193

werden191. Das gesetzgeberische Gestaltungsermessen ist danach von der Eingriffsintensität abhängig. Sofern Bestandsschutzregeln die Berufsausübungsfreiheit des Arbeitgebers tangieren, reichen für die Rechtfertigung „vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls“. Dagegen sind Eingriffe in die Berufswahl schwerer zu bewerten, so dass an die Rechtfertigung strengere Anforderungen zu stellen sind. Unter Beachtung dieser Globalprinzipien und innerhalb der Grenzen des Untermaß- und des Übermaßverbots ist der demokratisch legitimierte Gesetzgeber frei, den arbeitsrechtlichen Bestandsschutz an die sich ändernden Bedingungen des Arbeitsmarktes flexibel anzupassen und auch mit sozialrechtlichen Regelungen in Übereinstimmung zu bringen192. Für die Einzelheiten der Regelungen tragen der Gesetzgeber und die konkretisierende Rechtsprechung die sozialpolitische Verantwortung193. Nach ganz überwiegender Meinung in der Rechtsprechung und der Literatur entspricht das geltende Kündigungsschutzgesetz den verfassungsrechtlichen Vorgaben194 und verletzt weder das Über- noch das Untermaßverbot des Art. 12 GG. Das geltende Recht zum Kündigungsschutz ist in dieser Hinsicht als Konfliktlösung zwischen den divergierenden Grundrechtspositionen zu verstehen. Das Bestandsinteresse der Arbeitnehmer wird berücksichtigt, indem das Kündigungsschutzgesetz im Rahmen seines Geltungsbereichs (§§ 1, 23 KSchG) von jeder Kündigung verlangt, dass diese sozial gerechtfertigt ist. Sinn und Zweck des KSchG ist der Schutz gegen vermeidbare Kündigungen. Es sollen Kündigungen ausgeschlossen werden, die nicht hinreichend begründet sind und deswegen als willkürliche Durchschneidung des Bandes der Betriebszugehörigkeit erscheinen195. Dagegen ist es weder verfassungsrechtlich gefordert noch entspricht es Sinn und Zweck des KSchG, betrieblich notwendige Kündigungen zu verhindern196. Das Kündigungsschutzgesetz ist „einerseits Ausdruck des sozialstaatlichen Regelungsauftrages des Gesetzgebers und andererseits zugleich verfassungsrechtlich zulässige Einschränkung der unternehmerischen

___________ 191

BVerfG v. 11.6.1958 (Apothekenurteil), BVerfGE 7, 377, 405 ff.; ErfK/Dieterich, Art. 12 GG Rn. 26 ff.; APS/Kiel, § 1 KSchG Rn. 445; Ch. Müller, S. 73 f. 192 Oetker, RdA 1997, 9, 14. 193 Stein, BB 2000, 457, 462. 194 BVerfG v. 27.1.1998 (Kleinbetriebsklausel), BVerfGE 97, 169, 175 ff.; APS/Kiel, § 1 KSchG Rn. 449. 195 Vgl. die Begründung des KSchG veröffentlicht in RdA 1951, 58, 63. 196 Hofmann, ZfA 1984, 295, 319.

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Zweiter Teil: § 7 Eingeschränkte gerichtliche Überprüfbarkeit

Freiheit“197. Der Gesetzgeber hat mit der Normierung des Kündigungsschutzgesetzes seine Schutzpflicht erfüllt und mit diesem einfachen Recht ein in sich abgeschlossenes und verbindliches System vorgegeben. Die verfassungsrechtliche Schutzwürdigkeit des Arbeitsplatzes steht demnach außer Frage, dies gilt jedoch ebenso für ihre Einschränkung durch schutzwürdige Interessen der Arbeitgeber. Aber verfassungsrechtlich ist jedenfalls gewährleistet, dass der Verlust des Arbeitsplatzes der Rechtfertigung durch berechtigte Interessen des Arbeitgebers bedarf. Gegen unsachliche und willkürliche Kündigungen bietet Art. 12 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip einen Mindestschutz198. Es besteht Einigkeit, dass die Schutzpflicht vom Gesetzgeber weder die Bereitstellung von Arbeitsplätzen verlangt noch den Bestand garantiert199. Auch ergibt sich aus den Grundrechten kein feststehender Mindeststandard für den Schutz vor Kündigungen200. Der Gesetzgeber hat bei der formellen und inhaltlichen Regelung des Kündigungsschutzes die sich aus den Grundrechten resultierenden Vorgaben zu berücksichtigen201. Bei widerstreitenden Grundrechtspositionen muss ein angemessener Ausgleich erkennbar sein. Dem Gesetzgeber bleibt ein weiter Beurteilungs- und Gestaltungsspielraum202. Nach der Auffassung des Bundesverfassungsgerichts ist es ausreichend, wenn die zum Schutz erlassenen Regelungen nicht gänzlich ungeeignet und völlig unzulänglich sind203. Die Grundrechtspositionen setzen der gesetzgeberischen Gestaltungsfreiheit Grenzen204. Dies bedeutet, dass der Arbeitsplatzschutz des Arbeitnehmers einerseits nicht uneffektiv ausgestaltet sein darf; andererseits ist der damit verbundene Eingriff in die Unternehmerfreiheit des Arbeitgebers durch das Übermaßverbot begrenzt205. ___________ 197

U. Preis, NZA 1995, 241, 243; ders., Prinzipien, S. 411; Buchner, DB 1984, 504, 506 f.; Herschel, Anm. zu LAG Düsseldorf v. 7.9.1976, EzA Nr. 3 zu § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung; Kühling, ArbuR 1994, 126, 128; vgl. ferner BAG v. 29.3.1990, BAGE 65, 61, 73. 198 BVerfG v. 27.1.1998 (Kleinbetriebsklausel), BVerfGE 97, 169, 178 f.; ErfK/Dieterich, Art. 12 GG Rn. 36. 199 ErfK/Dieterich, Art. 12 GG Rn. 11; APS/Kiel, § 1 KSchG Rn. 448. 200 APS/Kiel, § 1 KSchG Rn. 444. 201 APS/Kiel, § 1 KSchG Rn. 444. 202 BVerfG v. 7.2.1990 (Handelsvertreter), BVerfGE 81, 242 ff.; BVerfG v. 17.11.1992 (Nachtback- und Nachtausfahrverbot), BVerfGE 87, 363, 383; Denninger, FS Mahrenholz, 1994, 561, 566 ff.; ErfK/Dieterich, Art. 12 GG Rn. 35; Hesse, FS Mahrenholz, 1994, 541, 542 ff.; APS/Kiel, § 1 KSchG Rn. 449; U. Preis, RdA 1995, 333, 340 f. 203 BVerfG v. 27.1.1998 (Kleinbetriebsklausel), BVerfGE 97, 169, 177. 204 APS/Kiel, § 1 KSchG Rn. 444.

B. Verfassungsrechtlicher Ausgangspunkt

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Aus dem Übermaßverbot resultiert, dass bestandsschützende Regelungen erforderliche Kündigungen nicht be- oder verhindern dürfen206. Eine arbeitsplatzerhaltende Funktion ist nicht sinnvoll und greift übermäßig in die Unternehmerfreiheit ein, wenn aufgrund fehlender Arbeit ein Arbeitsplatz nicht mehr gegeben ist. Kündigungsschutz soll allein im Fall, dass Beschäftigungsmöglichkeiten weiterhin gegeben sind, die missbräuchliche Ausübung von Kündigungen verhindern. Das Abwägungsergebnis erfordert also vom Gesetzgeber, dass der Arbeitnehmer vor einem ungerechtfertigten oder willkürlichen Entzug des Arbeitsplatzes zu schützen ist207.

d) Sozialstaatlicher Regelungsauftrag des Gesetzgebers Fraglich ist, inwiefern das aus Art. 20 Abs. 1 und 28 Abs. 1 GG abgeleitete Sozialstaatsprinzip208 die Unternehmerfreiheit einzuschränken vermag. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts fordert das Sozialstaatsprinzip vom Staat, für einen Ausgleich der sozialen Gegensätze und damit für eine gerechte Sozialordnung zu sorgen209. Es verpflichtet den Staat zu „sozialer Gerechtigkeit“210. Der Staat hat „sich um einen erträglichen Ausgleich der widerstreitenden Interessen und um die Herstellung erträglicher Lebensbedingungen für alle zu bemühen“211. Der Staat ist dazu verpflichtet, Mindestvoraussetzungen für ein menschenwürdiges Dasein seiner Bürger zu schaffen212. Trotz einiger Anstrengungen, dem Sozialstaatsprinzip dogmatische „Korsettstangen“ einzuziehen213, sind inhaltliche Konkretisierungen aber nach wie vor nicht vorhanden214. Das unscharfe und grobmaschige Sozialstaatsprinzip erweist sich

___________ 205 APS/Kiel, § 1 KSchG Rn. 444; ErfK/Dieterich, Einl. GG Rn. 38, Art. 12 GG Rn. 21; Stein, BB 2000, 457, 462. 206 Berkowsky, S. 50; U. Preis, NZA 1995, 241. 207 Vgl. Dieterich, RdA 1995, 129, 134; KR/Etzel, § 1 KSchG Rn. 17 ff.; APS/Kiel, § 1 KSchG Rn. 448; U. Preis, NZA 1995, 241, 242. 208 Maunz/Dürig, Art. 20 VIII Rn. 1; zur Kodifizierung des Sozialstaatsprinzips vgl. Neuner, S. 134 ff. 209 BVerfG v. 18.7.1967, BVerfGE 22, 180, 204. 210 BVerfG v. 17.8.1956, BVerfGE 5, 85, 198. 211 BVerfG v. 19.12.1951, BVerfGE 1, 97, 105. 212 BVerfG v. 29.5.1990 (Kindergeldkürzung), BVerfGE 82, 60 ff. 213 Der anschauliche Begriff stammt von Oetker, Bestandsschutz, S. 26. 214 BVerfG v. 13.1.1982 (Freie Mitarbeiter der Rundfunkanstalten), BVerfGE 59, 231, 266; Düwell, ArbuR 1998, 149, 150; Oetker, RdA 1997, 9, 13.

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Zweiter Teil: § 7 Eingeschränkte gerichtliche Überprüfbarkeit

deshalb für eine handfeste Argumentation als wenig ergiebig215 und als ungeeignet, konkrete Konflikte einer differenzierten Lösung zuzuführen216. Aus dem Sozialstaatsprinzip ist deshalb auch nur ein allgemeiner Gestaltungsauftrag an den Gesetzgeber zu folgern217. Der Sozialstaatsgrundsatz verpflichtet den Gesetzgeber nicht zum Erlass konkreter arbeits- und sozialrechtlicher Vorschriften. Obwohl das Sozialstaatsgebot als Grundlage konkreter Ansprüche ungeeignet ist, ist es dennoch keine Leerformel. Es ist als grundlegende Wertentscheidung bei der Erfüllung der gesetzgeberischen grundrechtlichen Schutzpflichten zu berücksichtigen218. Aus dem Sozialstaatsgebot folgt die staatliche Pflicht zu ausgleichenden Regelungen, zur Gewährleistung des Schutzes vor Fremdbestimmung, wenn es an einem annähernden Kräftegleichgewicht der Beteiligten fehlt219. Aus dem Sozialstaatsgebot folgt ein sozialstaatlicher Regelungsauftrag des Gesetzgebers zur Herstellung und Bewahrung eines maximalen Gleichgewichts auf dem Arbeitsmarkt220. Dem Gesetzgeber steht hinsichtlich des Inhalts und des Umfangs von arbeits- und sozialrechtlichen Regelungen, soweit es über die Mindestvoraussetzungen hinausgeht, ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Im Endeffekt hilft das Sozialstaatsprinzip bei der Suche nach konkreten Aussagen in Bezug auf den Mindestkündigungsschutz bzw. in Bezug auf die Rechtfertigung der Einschränkbarkeit der Unternehmerentscheidung also nicht weiter. So hat auch das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 7.2.1990221 bemerkt, dass Gesetze, die einer sozialen und wirtschaftlichen Ungleichgewichtslage entgegenwirken222, unter anderem auch das Sozialstaatsprinzip verwirklichen. Das Sozialstaatsgebot ist demnach bei Inhalt und Auslegung der Grundrechte zwar zu berücksichtigen223, eine selbständige Bedeutung des Sozialstaatsprinzips dürfte neben den aus Art. 12 Abs. 1 GG resultierenden Schutzpflichten des Staates jedoch als

___________ 215

Vgl. Schwerdtner, ZfA 1977, 47, 60. So auch Oetker, Bestandsschutz, S. 26. 217 Vgl. zu den Kompetenzen und Schranken sozialgesetzgeberischen Handelns Neuner, S. 139 ff. 218 Düwell, ArbuR 1998, 149, 150; K. Gamillscheg, S. 39. 219 BVerfG v. 7.2.1990 (Handelsvertreter), BVerfGE 81, 242, 255. 220 Kittner/Däubler/Zwanziger, Einl. Rn. 10. 221 BVerfG v. 7.2.1990 (Handelsvertreter), BVerfGE 81, 242, 255. 222 Das geltende Kündigungsschutzgesetz ist insofern als Ausprägung des Sozialstaatsprinzips zu verstehen; vgl. auch Stein, BB 2000, 457, 461. 223 Vgl. KR/Etzel, § 1 KSchG Rn. 18; Stein, BB 2000, 457, 461. 216

B. Verfassungsrechtlicher Ausgangspunkt

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eher gering zu bewerten sein224. Dieses Ergebnis liegt auch auf der Linie des Bundesverfassungsgerichts, das in seiner Entscheidung vom 27.1.1998225 ausdrücklich festgestellt hat, dass sich zu konkreten Fragen im Zusammenhang mit dem Kündigungsschutz aus dem Sozialstaatsprinzip nichts Näheres entnehmen lasse. Art. 12 Abs. 1 GG setze den konkreteren Maßstab. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass der Sozialstaatsgrundsatz bei der Herstellung praktischer Konkordanz zwischen den Arbeitgeber- und Arbeitnehmerinteressen zu berücksichtigen ist, aber dass er neben Art. 12 Abs. 1 GG keine eigenständigen Konkretisierungsvorgaben in Bezug auf die Ausgestaltung des Bestandsschutzes enthält. Das Sozialstaatsprinzip belässt dem einfachen Gesetzgeber einen großen Gestaltungsspielraum und legt ihn nicht auf konkrete wirtschaftspolitische Konzeptionen fest226. Schon ganz und gar nicht kann das Sozialstaatsgebot den Arbeitgeber zu einem wirtschaftlich sinnlosen Festhalten an Arbeitsverhältnissen verpflichten227. Aus dem Sozialstaatsgebot kann man daher nur entnehmen, dass wirtschaftlich notwendige Entscheidungen sozialverträglich durchzuführen sind. Die Regelungen im geltenden Kündigungsschutzgesetz, dass vor einer Beendigungskündigung vorrangig nach milderen Maßnahmen zu suchen und eine Sozialauswahl durchzuführen ist, können insofern als Ausdruck des Sozialstaatsgrundsatzes angesehen werden228.

e) Die Wirtschaftsordnung der Verfassung Fraglich ist, ob die Verfassung eine bestimmte Wirtschaftsordnung vorgibt und ob daraus konkrete Schlussfolgerungen in Bezug auf die Ausgestaltung eines arbeitsrechtlichen Bestandsschutzes zu ziehen sind. Nipperdey229 meinte, in der Verfassung sei die soziale Marktwirtschaft als institutionelle Garantie verwurzelt. Dies folge aus der wirtschaftsbezogenen Auslegung des Art. 2 Abs. 1 GG und aus dem Sozialstaatsprinzip. Damit maß Nipperdey der sozialen Marktwirtschaft den Stellenwert eines verfassungsrechtlichen Prüfungsmaß___________ 224 So im Ergebnis auch Lakies, DB 1997, 1078, 1080; Stein, BB 2000, 457, 461 meint, bei den Freiheitsrechten folgen aus dem Sozialstaatsgebot Verstärkungen des Grundrechtsschutzes für sozial Schwache, andererseits Abschwächung für sozial Starke. 225 BVerfG v. 27.1.1998 (Kleinbetriebsklausel), BVerfGE 97, 169, 185. 226 Vgl. Neuner, S. 141. 227 So auch Henssler, Kölner Tage des Arbeitsrechts 2000, 89, 91 f. 228 Vgl. auch Neuner, S. 253 ff. 229 Nipperdey, Soziale Marktwirtschaft und Grundgesetz, S. 21 ff.

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Zweiter Teil: § 7 Eingeschränkte gerichtliche Überprüfbarkeit

stabs bei. Diese Auffassung von der sozialen Marktwirtschaft als verfassungsrechtliche Systemgarantie konnte sich aber nicht allgemein durchsetzen. Mit der Diskussion, inwiefern das Grundgesetz Vorgaben für das Wirtschaftssystem enthält, kam man insgesamt zu dem Ergebnis, dass sich das Grundgesetz nicht auf ein bestimmtes Wirtschaftssystem festgelegt hat230, sondern wirtschaftspolitisch neutral ist231. Die Offenheit der Verfassung wird als notwendig angesehen, um dem typischen wirtschaftlichen Wandel Rechnung tragen zu können und nicht zugleich die normierende Kraft der Verfassung zu riskieren232. Das Konzept der sozialen Marktwirtschaft genießt also keinen Verfassungsrang233, ist aber nach dem Grundgesetz möglich und wurde, geboren im Widerstand gegen den Totalitarismus, die Wirtschaftsordnung unserer freiheitlichen Demokratie234. Hauptsächlich getragen wird das Konzept der sozialen Marktwirtschaft von drei Prinzipien: dem Prinzip der Freiheit, das dem Einzelnen als Grundlage einer pluralistischen Gesellschaft ermöglicht, sich selbst nach individuellen Wünschen und Vorstellungen zu verwirklichen; dem Prinzip des Wettbewerbs, das Innovationen und technischen Fortschritt, Kreativität und Disziplin erzwingt, für effiziente Produktion sorgt und Einkommen und Gewinn nach Leistung verteilt; und dem Prinzip des sozialen Ausgleichs, das die Wirtschaftspolitik durch sozialpolitische Maßnahmen ergänzt235. Grundsätzlich vertraut man darauf, dass die verschiedenen Egoismen jedes Einzelnen sich ausgleichen und in ihrer Summe zur Verwirklichung des Gemeinwohls ___________ 230

Vgl. aber Art. 42 Abs. 2 der Verfassung des Landes Brandenburg vom 20. August 1992: Das Wirtschaftsleben gestaltet sich nach den Grundsätzen einer sozial gerechten und dem Schutz der natürlichen Umwelt verpflichteten marktwirtschaftlichen Ordnung. Der Missbrauch wirtschaftlicher Macht ist unzulässig und zu verhindern. Art. 48 Abs. 1: Das Land ist verpflichtet, im Rahmen seiner Kräfte durch eine Pflicht der Vollbeschäftigung und Arbeitsförderung für die Verwirklichung des Rechts auf Arbeit zu sorgen, welches das Recht jedes Einzelnen umfasst, seinen Lebensunterhalt durch frei gewählte Arbeit zu verdienen. 231

Badura (Brennpunkte des Arbeitsrechts 1997, 15 ff.) schreibt, das Grundgesetz habe aus entstehungsgeschichtlichen Gründen und aus prinzipiellen Erwägungen auf eine ausdrückliche Festlegung der Wirtschaftsordnung und einer Richtung der Wirtschaftspolitik verzichtet. Die Doktrin der wirtschaftspolitischen Neutralität des Grundgesetzes betone die wirtschaftspolitische Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers, ohne die verfassungsrechtlichen Bindungen zu negieren. Der nun schon fast ein halbes Jahrhundert alte Satz von der „wirtschaftspolitischen Neutralität“ des Grundgesetzes sei aber durch die Vertragsgrundlagen der Wiedervereinigung und vor allem durch den Fortgang der europäischen Integration ins Wanken geraten. 232

BVerfG v. 1.3.1979 (Mitbestimmung), BVerfGE 50, 290, 337 f.

233

BVerfG v. 20.7.1954 (Investitionshilfegesetz), BVerfGE 4, 7, 17.

234

Handbuch der Wirtschaftsethik, Bd. I, S. 733.

235

Handbuch der Wirtschaftsethik, Bd. II, S. 290 ff.

B. Verfassungsrechtlicher Ausgangspunkt

199

beitragen236. Aber da sich ein freiheitliches Marktsystem und ein gerechtes Sozialsystem nicht von selbst ergeben – der Markt produziert von selbst keine soziale Gerechtigkeit –, obliegt dem Staat eine gewisse ordnungspolitische Aufgabe. Er muss die Marktwirtschaft unter Rahmenbedingungen stellen, die ungerechtfertigte Machteinflüsse auf dem Markt verhindern, also den Einfluss der mächtigen Marktteilnehmer so weit eindämmen, dass auch die Schwächeren an ihm teilnehmen können. Sache des Staates ist Wirtschaftspolitik im Sinne der Gestaltung von Ordnungsformen der Wirtschaft, aber nicht im Sinne der Lenkung des Wirtschaftsprozesses selbst. Ferner hat der Staat die distributive Aufgabe der Korrektur der Marktergebnisse. Die Verteilungsgerechtigkeit richtet sich von ihrem Ursprung her nach christlich-humanistischen Kriterien. Zu achten ist darauf, dass die staatliche Ordnungstätigkeit den Markt nicht aufheben darf. Der Staat wacht über die Funktionsfähigkeit mit dem Ziel des größtmöglichen Allgemeinwohls237. Erhard238, prominentester Vater der Sozialen Marktwirtschaft, fasste sein Verständnis von Sozialer Marktwirtschaft so zusammen: „das Prinzip der Freiheit auf dem Markt mit dem des sozialen Ausgleichs und der sittlichen Verantwortung jedes Einzelnen dem Ganzen gegenüber zu verbinden.“ Die soziale Marktwirtschaft kann als allgemeingültig anerkannt werden, ist aber dennoch kein System, das sich dogmatisieren ließe, sondern eine ordnungspolitische Idee mit der Zielrichtung, die Bereiche Freiheit und soziale Gerechtigkeit, die ewig in einer Spannung zueinander stehen, zu korrelieren239. Der Gesetzgeber ist zur Sicherung der sozialen Gerechtigkeit und des freien, unverfälschten Wettbewerbs aufgerufen, wobei ihm ein weiter Ermessensspielraum zusteht240. Bei Wahrung wirtschaftsfreiheitlicher und marktwirtschaftlicher Grundbedingungen steht dem Staat ein breiter Interventionsraum zu241. Konkretere Vorgaben lassen sich der ordnungspolitischen Idee der sozialen Marktwirtschaft nicht entnehmen. Aus der Wirtschaftsordnung der Verfassung können somit keine konkreten Anhaltspunkte für die Ausgestaltung des arbeitsrechtlichen Bestandsschutzes gewonnen werden. Es lässt sich nur die Aussage treffen, dass der Staat seine Ordnungsaufgabe mit dem Ziel wahrzunehmen hat, das Wohl aller beteiligten Marktteilnehmer anzustreben. Er muss sich daher um ein systemgerechtes Arbeitsrecht bemühen, da ansonsten kontraproduktive Wirkungen zu verzeichnen sind. Es steht zu befürchten, dass ein zugunsten der ___________ 236

Badura, Brennpunkte des Arbeitsrechts 1997, 15, 21.

237

Handbuch der Wirtschaftsethik, Bd. I, S. 732.

238

Erhard, Wirtschaft und Bildung, S. 513, 515.

239

Handbuch der Wirtschaftsethik, Bd. I, S. 733; Stahlhacke, DB 1994, 1361.

240

Badura, Brennpunkte des Arbeitsrechts 1997, 15, 21.

241

Badura, Brennpunkte des Arbeitsrechts 1997, 15, 28.

200

Zweiter Teil: § 7 Eingeschränkte gerichtliche Überprüfbarkeit

Arbeitnehmer überzogenes Arbeitsrecht insgesamt betrachtet mehr Schaden als Nutzen bringt242.

f) Zwischenergebnis Der Gesetzgeber hat eine aus Art. 12 Abs. 1 GG bestehende Schutzpflicht zugunsten des Arbeitnehmers zu erfüllen. Er ist zum Erlass eines arbeitsrechtlichen Bestandsschutzes verpflichtet, wobei er bei Beachtung des Untermaß- und des Übermaßverbots über einen weiten Gestaltungsspielraum verfügt. Dabei ist er gehalten, bestimmte Kriterien zu berücksichtigen, wie das der Beachtung des Verhältnismäßigkeitsprinzips, der Vermeidung von Willkür- und Missbrauchsmöglichkeiten, der Regelung eines ordnungsgemäßen Verfahrens, der Beachtung sozialer Belange und Vermeidung von Härten. Auf der anderen Seite darf der Bestandsschutz die arbeitgeberseitige Kündigung weder ganz ausschließen noch unverhältnismäßig erschweren. Nach der herrschenden Meinung in Rechtsprechung und Literatur erfüllt das geltende Kündigungsschutzgesetz diese Kriterien. Das Kündigungsschutzgesetz ist als Ergebnis der Abwägungsentscheidung des Gesetzgebers zu betrachten, so dass der Gesetzgeber seinem verfassungsrechtlichen Auftrag damit nachgekommen ist243. Damit hat der Gesetzgeber auch gleichzeitig seinen sozialstaatlichen Handlungsauftrag zur Herstellung und Bewahrung eines Gleichgewichts auf dem Arbeitsmarkt erfüllt. Dem Bestandsschutzinteresse des Arbeitnehmers wird insofern Rechnung getragen, dass eine Kündigung sozial gerechtfertigt sein muss, also an dringende betriebliche Erfordernisse geknüpft wird, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen müssen. Zudem ist nach milderen Maßnahmen zu suchen und eine Sozialauswahl hat stattzufinden. Das Kündigungsschutzgesetz dient damit dem Schutz der durch Art. 12 Abs. 1 GG gewährleisteten Arbeitsplatzwahlfreiheit der Arbeitnehmer vor einem Verlust des Arbeitsplatzes, dessen Ursache allein aus der Sphäre des Arbeitgebers stammt. Das durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Lösungsinteresse des Arbeitgebers dagegen findet insofern Berücksichtigung, dass das Kündigungsschutzgesetz aus seiner Sphäre stammende Kündigungen grundsätzlich nicht verhin___________ 242 243

Überzeugend Reuter, ORDO 36 (1985), 51 ff.

BVerfG v. 24.4.1991 (Große Warteschleife), BVerfGE 84, 133, 147; BVerfG v. 27.1.1998 (Kleinbetriebsklausel), BVerfGE 97, 169, 175; ErfK/Dieterich, Art. 12 GG Rn. 34; Dörner, FS Dieterich, 1999, 83, 85 f.; ders., NZA 1993, 873, 874; v.HoyningenHuene/Linck, KSchG, Einl. Rn. 74 a; APS/Kiel, § 1 KSchG Rn. 449; Ch. Müller, S. 144; APS/U. Preis, Grundl. A Rn. 24; U. Preis, Prinzipien, S. 411 f.; ders., NZA 1995, 241, 242.

B. Verfassungsrechtlicher Ausgangspunkt

201

dert unter der Voraussetzung, dass der Arbeitgeber ausreichend Tatsachen vorträgt, mit denen er verdeutlicht, dass die Kündigung weder aus willkürlichen oder missbräuchlichen noch aufgrund aus der Sphäre des Arbeitnehmers stammenden Gründen ergeht. Damit hat der Gesetzgeber praktische Konkordanz hergestellt.

2. Beachtung der grundrechtlichen Schutzpflichten durch den Richter bei Anwendung und Auslegung des § 1 Abs. 2 KSchG Im Folgenden soll untersucht werden, ob, auf welche Weise und in welcher Intensität der Richter, als zweiter Adressat der grundrechtlichen Schutzpflicht, die verfassungsrechtlichen Vorgaben, insbesondere die Grundrechte der Prozessparteien, bei Anwendung und Auslegung des § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG zu beachten hat244. Auch der Richter ist gemäß Art. 1 Abs. 3 GG unmittelbar an die Grundrechte gebunden. Die Rechtssätze, die der Richter mittels Anwendung und Auslegung des einfachen Rechts oder mittels Rechtsfortbildung bei Fehlen einer einfachgesetzlichen Grundlage findet, sind also unmittelbar an den Grundrechten der von ihnen Betroffenen zu messen245. Jedoch ist der Richter auf eine subsidiäre Konkretisierungskompetenz246 beschränkt. Eine eigene politische Gestaltung ist dem Richter verwehrt. Die gesetzlichen Grundlagen sind vom Richter stringent anzuwenden. Er hat also den vom Gesetzgeber speziell getroffenen Ausgleich zwischen den kollidierenden Grundrechtspositionen zu akzeptieren und muss ihn im Wege „denkenden Gehorsams“ nachvollziehen247. Der Richter ist nicht berechtigt, einen bereits gesetzgeberisch getroffenen Ausgleich unter Hinweis auf die Verfassung zu verbessern248. Im ersten Schritt der Gesetzesanwendung hat der Richter demnach nach den gesetzgeberischen Zielen zu fragen und dabei die einschlägige Regelung grammatikalisch, systematisch, historisch und teleologisch auszulegen. Dabei darf er auch nicht zur pauschalen Lösung auf globale Schlagwörter zurückgreifen, wie zum Beispiel auf „das Recht ___________ 244

Dazu Oetker, RdA 1997, 9, 15; Kühling, ArbuR 1994, 126, 127. Canaris, AcP 184 (1984), 201, 212; ders., JuS 1989, 161, 162; ders., Anm. zu BVerfG v. 7.2.1990, AP Nr. 65 zu Art. 12 GG; Hillgruber, S. 128; Hager, JZ 1994, 371, 377; Ch. Müller, S. 75; Rüfner, GS Martens, 1987, 215, 219; Schwabe, Anm. zu BVerfG v. 7.2.1990, DVBl. 1990, 474, 477. 246 Zu diesem Begriff siehe Dieterich, RdA 1995, 129, 134. 247 Vgl. BAG (GS) v. 16.3.1962, AP Nr. 19 zu § 1 HausarbTagsG Nordrh.-Westfalen; Oetker, Bestandsschutz, S. 44. 248 Vgl. auch Ch. Müller, S. 101; ferner U. Preis, NZA 1995, 241, 242 f. 245

202

Zweiter Teil: § 7 Eingeschränkte gerichtliche Überprüfbarkeit

auf Arbeit“249 oder auf die „unternehmerische Entscheidungsfreiheit“. Dies würde zu einer außerhalb des Gesetzes stattfindenden eigenen Abwägung führen, wie es in den frühen Jahren nach Erlass des Kündigungsschutzgesetzes vielfach vorkam250. Sofern die Legislative einen klaren Interessenausgleich vorgenommen hat, darf sich die Judikative keineswegs so verhalten, als bedürfe die Bewertung einer weiteren isolierten Abwägung der Vor- und Nachteile seitens des Richters251. Hält der Richter eine entscheidungsrelevante Regelung für verfassungswidrig, so hat er das Verfahren auszusetzen und die Norm gemäß Art. 100 Abs. 1 GG dem Bundesverfassungsgericht zur Prüfung vorzulegen. Fraglich ist jedoch, welche Pflichten der Richter wahrzunehmen hat, wenn der Gesetzgeber das entscheidungserhebliche Rechtsgebiet überhaupt nicht, nur unvollständig oder nur lückenhaft geregelt bzw. unbestimmte Rechtsbegriffe verwendet hat. In diesen Fällen muss der Richter unmittelbar auf die aus den Grundrechten resultierenden Schutzpflichten zurückgreifen252, wobei hier auf die folgende Grundregel zurückgegriffen werden kann: Je ungenauer der Gesetzgeber den verfassungsrechtlichen Grundkonflikt zwischen den Arbeitgeberund Arbeitnehmerinteressen geregelt hat, desto mehr weist er die Verantwortung zur praktischen Lösung des Konfliktes dem Richter zu, und um so sensibler muss die Rechtsprechung mit Grundrechtskollisionen umgehen253. Oder umgekehrt ausgedrückt: Je genauer der Gesetzgeber den bestehenden verfassungsrechtlichen Interessenkonflikt zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer geregelt hat, desto weniger darf der Richter unter Hinweis auf Grundrechtspositionen gesetzliche Wertungen korrigieren254. Die verfassungskonforme Auslegung einer Vorschrift ist also immer erst der zweite Schritt255. Bei Anwendung der einschlägigen Regelung muss der Richter darauf achten, dass sein Auslegungsergebnis und seine Entscheidung mit der grundrechtlichen Schutzpflicht im Einklang stehen256. Die konkurrierenden Grundrechtspositionen müssen eine ausgewogene Berücksichtigung finden. Wie die Gerichte ihre verfassungsgebotene Aufgabe jeweils wahrnehmen, liegt ___________ 249

Dazu U. Preis, NZA 1998, 449, 452: „Programmsatz ohne Regelungsfunktion“. APS/Kiel, § 1 KSchG Rn. 452. 251 APS/U. Preis, Grundl. A Rn. 24. 252 BVerfG v. 2.3.1993 (Poststreik), BVerfGE 88, 103, 115 f.; Ch. Müller, S. 101; Stern, Staatsrecht III/1, S. 1585. 253 APS/Kiel, § 1 KSchG Rn. 451; APS/U. Preis, Grundl. A Rn. 24. 254 APS/U. Preis, Grundl. A Rn. 24. 255 APS/Kiel, § 1 KSchG Rn. 452. 256 Oetker, Bestandsschutz, S. 30. 250

B. Verfassungsrechtlicher Ausgangspunkt

203

in ihrem gestalterischen Ermessen257. Der Richter ist nur verpflichtet, den aus den Grundrechten folgenden Mindestschutz zu gewähren258. Einen darüber hinausgehenden Schutz darf er dem Arbeitnehmer nur zubilligen, wenn er die Arbeitgebergrundrechte nicht unverhältnismäßig beeinträchtigt259. Eine Grundrechtsverletzung durch den Richter kommt erst in Betracht, wenn der durch Auslegung und Anwendung aus dem Grundrecht resultierende Schutzzweck grundlegend verfehlt wird260. Oetker261 schreibt deshalb zu Recht, dass es „der Versuchung zu widerstehen“ gilt, „die im Rahmen der Auslegung und Anwendung der kündigungsschutzrechtlichen Generalklauseln vorzunehmenden Konkretisierungen und Abwägungen vorschnell mit dem Stigma einer Grundrechtswidrigkeit zu versehen“. Konkret auf das Kündigungsschutzgesetz bezogen bedeutet dies, dass der Richter zunächst die gesetzlich vorgegebenen Wertungen nachzuvollziehen und zu berücksichtigen hat. Dabei stellt sich ihm die Aufgabe, die zahlreichen unbestimmten Rechtsbegriffe auszufüllen, die im Kündigungsschutzgesetz verwendet sind. Hierbei ist er verpflichtet, das Gesetz im Lichte der Grundrechte auszulegen und die Grundrechtspositionen der Prozessparteien mindestens insofern zu berücksichtigen, dass seine Entscheidung der grundrechtlichen Schutzpflicht gerecht wird262. Daraus folgt, dass er einerseits das Schutzminimum der Arbeitnehmergrundrechte beachten muss, das Bestandsschutzinteresse muss also gewahrt werden, dass andererseits die Kündigungsmöglichkeiten des Arbeitgebers nicht ausgeschlossen oder unverhältnismäßig erschwert werden dürfen. Grundrechtlich bedenklich wäre ein Verständnis des § 1 Abs. 2 KSchG, das das gesetzgeberisch getroffene Verhältnis zwischen dem Bestands-

___________ 257 BVerfG v. 19.10.1993 (Bürgschaft), BVerfGE 89, 214, 234; BVerfG v. 5.8.1994, NJW 1994, 2749, 2750; Ch. Müller, S. 101 f. 258 BVerfG v. 19.10.1993 (Bürgschaft), BVerfGE 89, 214, 234; BVerfG v. 21.2.1995 (Kündigung eines Arbeitnehmers im öffentlichen Dienst), BVerfGE 92, 140, 153; Ch. Müller, S. 100. 259

Ch. Müller, S. 100.

260

BVerfG v. 16.11.1993 (Geschlechtsspezifische Diskriminierung), BVerfGE 89, 276, 286; ähnlich U. Preis, RdA 1995, 333, 341; nur in Fällen grober Verletzung einer Grundrechtsposition; deutliche Zurückhaltung auch bei Hesse, JZ 1995, 265, 272. 261 262

Oetker, Bestandsschutz, S. 43; vgl. auch Hesse, JZ 1995, 265, 268.

Vgl. BVerfG v. 15.1.1958 (Lüth), BVerfGE 7, 198, 205 f.; BVerfG v. 19.10.1993 (Bürgschaft), BVerfGE 89, 214, 229 f.; BVerfG v. 8.7.1997 (Sonderkündigung für den öff. Dienst im Beitrittsgebiet), BVerfGE 96, 152, 164; BAG v. 23.6.1994 (Kündigung in der Probezeit wegen Homosexualität), BAGE 77, 128, 135; ErfK/Dieterich, GG Art. 12 Rn. 34; APS/Kiel, § 1 KSchG Rn. 451; Oetker, Bestandsschutz, S. 41.

204

Zweiter Teil: § 7 Eingeschränkte gerichtliche Überprüfbarkeit

schutzinteresse des Arbeitnehmers und der Unternehmerfreiheit in eine der beiden Richtungen gesetzeswidrig verschiebt263. Fraglich ist, welche Konsequenzen daraus in Bezug auf die gerichtliche Beschränkung der Überprüfbarkeit unternehmerischer Entscheidungen zu ziehen sind. Festzustellen ist zunächst, dass der Gesetzgeber keinen unmittelbaren Hinweis im Hinblick auf die Überprüfbarkeit unternehmerischer Entscheidungen gegeben hat. Der einzige prozessuale Bezug im Gesetz findet sich in der Vorschrift des § 1 Abs. 2 S. 4 KSchG, durch die dem Arbeitgeber die Beweislast für die die Kündigung bedingenden Tatsachen auferlegt wird. Aus dieser Vorschrift lässt sich nicht entnehmen, dass die vom Arbeitgeber getroffene Unternehmerentscheidung auf Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit zu überprüfen ist, vielmehr folgt daraus lediglich, dass der Arbeitgeber die Beweislast für das Vorliegen einer konkret getroffenen Unternehmerentscheidung zu tragen hat. Da der Gesetzestext also keine Aussagen über den Umfang der justitiellen Kontrolle unternehmerischer Entscheidungen trifft, stellt sich im zweiten Schritt die Frage, ob sich der Rückgriff auf die aus Art. 12 Abs. 1 GG resultierenden Freiheitsgrundrechte der Arbeitgeber und Arbeitnehmer eignet, ein Ergebnis zu finden264. Angesichts der Zurückhaltung der Gerichte bei der Überprüfung der Unternehmerentscheidung ist zu hinterfragen, ob die konkurrierenden Grundrechtspositionen wirklich ausgewogen berücksichtigt werden265. An dieser Stelle ist nun die nicht ganz einfach zu handhabende „Zauberformel“ der praktischen Konkordanz anzuwenden. Die Interessen von Arbeitgeber und Arbeitnehmer sind also einem schonenden Ausgleich zuzuführen, mit dem Ziel, dass sie zu optimaler Wirksamkeit gelangen. Zunächst sei einmal das Optimalinteresse beider Seiten betrachtet: Einhundert Prozent des Arbeitgeberinteresses wären erreicht, wenn Kündigungen nicht durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt werden müssten, wenn also jede denkbare Variante einer unternehmerischen Entscheidung, auch die Kündigung selbst, keiner gerichtlichen Kontrolle unterläge. Einhundert Prozent des Arbeitnehmerinteresses dagegen wären erreicht, wenn der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis selbst beim Vorliegen sachlicher Gründe nicht kündigen dürfte. Es ist nun bereits herausgearbeitet worden, dass dieses Optimalinteresse keine Seite für sich in Anspruch nehmen kann. Der Arbeitgeber hat nicht die Freiheit grundlos zu kündigen, da ansonsten dem Missbrauch Tor und Tür geöffnet wäre. Der Arbeitnehmer kann aber auch nicht ein Kündigungsverbot verlangen, da der Ar___________ 263

APS/U. Preis, Grundl. A Rn. 25; ders., NZA 1995, 241 ff.

264

Vgl. auch Ch. Müller, S. 144.

265

Oetker, Bestandsschutz, S. 42.

B. Verfassungsrechtlicher Ausgangspunkt

205

beitsplatz grundsätzlich „das Resultat betrieblicher Wertschöpfung“266 ist. Nur wenn Arbeit vorhanden ist, kann ein Bestandsschutz einen Sinn machen. Fraglich ist nun aber, welches Maß an Nachgiebigkeit von jeder Seite zu verlangen ist, damit der bestmögliche Kompromiss gefunden wird. Auf der materiellen Ebene hat sich der Gesetzgeber bereits für einen Kompromiss entschieden, insofern, dass der Arbeitgeber Entlassungen sachlich rechtfertigen, sie sozialverträglich durchführen muss und nicht willkürlich bzw. missbräuchlich handeln darf. Auf der prozessualen Ebene muss ein solcher Kompromiss mangels gesetzlicher Anhaltspunkte noch festgelegt werden. Dabei gebietet es das Ziel der „optimalen Wirksamkeit“, dass nicht mehr von dem Optimalinteresse abgerückt werden muss, als es für die Gegenseite nützlich ist. Oder anders ausgedrückt: Von dem Optimalinteresse ist so wenig wie möglich, aber so viel wie nötig abzulassen. In Bezug auf die Frage der Reichweite der gerichtlichen Kontrolle von Unternehmerentscheidungen folgt daraus, dass der Arbeitgeber im Prozess sich genau das Maß an Überprüfung seiner unternehmerischen Entscheidungen gefallen lassen muss, das nötig ist, um die Sachlichkeit und Sozialverträglichkeit der Kündigung, oder negativ formuliert, um das Nichtvorliegen von Willkür und Missbrauch feststellen zu können. Eine darüber hinausgehende Prüfung der unternehmerischen Entscheidungen bringt der Arbeitnehmerseite keinen Nutzen und greift daher ohne Rechtfertigung in die Unternehmerfreiheit ein267. Eine gerichtliche Kontrolle ist somit bei all denjenigen unternehmerischen Entscheidungen entbehrlich, die mit personellen Maßnahmen in keinem unmittelbaren Zusammenhang stehen und bei denen keine Missbrauchsgefahren bestehen. Die Zurückhaltung der Gerichte in Bezug auf die Kontrolle unternehmerischer Entscheidungen entspricht somit verfassungsrechtlichen Vorgaben. Aus dem Bestandsschutzinteresse des Arbeitnehmers folgt jedoch auf der anderen Seite, dass die Kündigung selbst nicht als unüberprüfbare Unternehmerentscheidung anzusehen ist. Zwar handelt es sich bei der Kündigung selbst auch um eine unternehmerische Entscheidung; würde man diese allerdings von der gerichtlichen Kontrolle ausnehmen, würde das KSchG leer laufen268. Nicht jede unternehmerische Entscheidung kann also von einer gerichtlichen Kontrolle frei bleiben. Ein Grundsatz, dass alle unternehmerischen Entscheidungen richterlich nicht auf ihre Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit überprüfbar sind, ist in dieser Verallgemeinerung also nicht rich___________ 266

Oetker, Bestandsschutz, S. 42.

267

So im Ergebnis auch Oetker, Bestandsschutz, S. 42; vgl. auch Schmidt-Preuß, DVBl. 1993, 236, 243. 268

Ch. Müller, S. 141.

206

Zweiter Teil: § 7 Eingeschränkte gerichtliche Überprüfbarkeit

tig269. Die Unternehmerfreiheit unterliegt den Schranken des Kündigungsschutzgesetzes. Daher ist der Richter verpflichtet, unternehmerische Entscheidungen in dem Maße der gerichtlichen Kontrolle zu unterwerfen, das nötig ist, um den Bestandsschutzinteressen des Arbeitnehmers gerecht zu werden. Sofern und soweit also Zweifel an der Sachlichkeit unternehmerischer Entscheidungen bestehen, kann der Arbeitgeber sich nicht auf die grundsätzlich gerichtskontrollfreie Unternehmerentscheidung berufen. Der durch das Bundesarbeitsgericht durch die drei Entscheidungen vom 17.6.1999270 aufgestellte Rechtssatz, „Je näher die eigentliche Organisationsentscheidung an den Kündigungsentschluss rückt, um so mehr muss der Arbeitgeber durch Tatsachenvortrag verdeutlichen, dass ein Beschäftigungsbedürfnis entfallen ist“ entspricht der richtigen Anwendung der Formel praktischer Konkordanz. Je enger nämlich der Zusammenhang zwischen der Unternehmerentscheidung und der Kündigung ist, desto mehr steigt die Missbrauchsgefahr. Je größer die Missbrauchsgefahr ist, desto weniger kann der Grundsatz der grundsätzlich durch die Gerichte nicht zu überprüfenden Unternehmerentscheidung gelten.

3. Ergebnis Im Ergebnis kann somit festgehalten werden, dass es keinen absoluten Grundsatz der Gerichtskontrollfreiheit unternehmerischer Entscheidungen gibt271. Eine Zurückhaltung der gerichtlichen Prüfung ist aber dennoch in den meisten Fällen geboten, da schon allein aus wirtschaftlichen Überlegungen der Unternehmer aus sachlichen Gründen handelt. Grundsätzlich kann deshalb die Sachlichkeit unternehmerischer Entscheidungen vermutet werden. Von dem Grundsatz der Unüberprüfbarkeit unternehmerischer Entscheidungen ist daher insbesondere bei allen Unternehmerentscheidungen auszugehen, die keinen unmittelbaren personellen Bezug aufweisen. Sofern allerdings an der Sachlichkeit der Unternehmerentscheidung Zweifel bestehen oder aber eine erhöhte Missbrauchs- bzw. Willkürgefahr besteht, folgt aus dem grundrechtlich gewährleisteten Bestandsschutzinteresse des Arbeitnehmers, dass der Arbeitgeber sich in einem solchen Maße eine Überprüfung seiner unternehmerischen Entscheidung gefallen lassen muss, das nötig ist, um die Zweifel beseitigen zu ___________ 269

Vgl. auch Ch. Müller, S. 146.

270

BAG v. 17.6.1999 – 2 AZR 141/99 –, BAGE 92, 71 ff.; BAG v. 17.6.1999 – 2 AZR 522/98 –, BAGE 92, 61 ff.; BAG v. 17.6.1999 – 2 AZR 456/98 –, BAGE 92, 79 ff. 271 Ch. Müller (S. 146 f.) stellt ebenfalls fest, es gebe keinen verfassungsrechtlich gefestigten Grundsatz der Gerichtskontrollfreiheit unternehmerischer Entscheidungen.

C. Wertungen aus einfachgesetzlichen Regelungen

207

können. Der Arbeitgeber ist deshalb dazu verpflichtet, durch entsprechenden Tatsachenvortrag den nicht nur vorübergehenden Wegfall der Weiterbeschäftigungsmöglichkeit zu verdeutlichen. Die neue Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts seit spätestens dem 17.6.1999 liegt daher auf der richtigen Linie. Arbeitgeber- und Arbeitnehmerinteressen können auf diese Art und Weise angemessen ausbalanciert werden.

C. Wertungen aus einfachgesetzlichen Regelungen I. Herleitung der nur eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle der Unternehmerentscheidung aus § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG Teilweise wird die Auffassung vertreten, dass der Grundsatz der nur begrenzt möglichen gerichtlichen Überprüfbarkeit unternehmerischer Entscheidungen kein Gebot der Verfassung sei, sondern auf der gesetzgeberischen Grundentscheidung, also allein auf der Normstruktur des § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG beruhe272. Ch. Müller273 begründet diese Auffassung damit, dass der Gesetzgeber mit der gesetzlichen Formulierung, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt sein müsse, bereits eine Abwägung der Arbeitgeber- und Arbeitnehmerinteressen getroffen habe. Danach komme es für die Rechtfertigung der Kündigung nicht auf eine umfassende Abwägung zwischen dem Interesse des Arbeitgebers an der Durchführung seiner Unternehmerentscheidung und dem Interesse des Arbeitnehmers am Erhalt seines Arbeitsplatzes an. Die Feststellung, dass der Richter keine über den Gesetzeswortlaut hinausgehende Interessenabwägung vorzunehmen berechtigt ist, verdient zwar Zustimmung274, kann aber nicht als Argument herangezogen werden, dass grundsätzlich alle unternehmerischen Entscheidungen von einer gerichtlichen Kontrolle auszunehmen sind. Einige berufen sich zur Unüberprüfbarkeit unternehmerischer Entscheidungen auf das Wort „betrieblich“ in § 1 KSchG275. Daraus sei der gesetzgeberische Wille erkennbar, dass es nicht auf die unternehmerisch-wirtschaftlichen Umstände ankomme, sondern allein auf die betrieblich-organisatorischen Gegebenheiten. Allerdings ist dieses Argument nicht überzeugend. Wie bereits in § 6 der Untersuchung erörtert276, ___________ 272

So z. B. B. Preis, ArbuR 1997, 60, 63; Ch. Müller, S. 148 ff.; vgl. auch Rieble, Kontrolle des Ermessens, S. 41. 273 Ch. Müller, S. 148. 274 Vgl. dazu Zweiter Teil § 8 B. V. 1., S. 247 ff. 275 B. Preis, ArbuR 1997, 60, 63. 276 Vgl. Zweiter Teil § 6 E. III. 2., S. 136 ff.

208

Zweiter Teil: § 7 Eingeschränkte gerichtliche Überprüfbarkeit

werden die Bezeichnungen von „Betrieb“ und „Unternehmen“ oft untechnisch und uneinheitlich verwendet277. Unternehmerische Entscheidungen können sich sowohl auf die unternehmerische Ebene als auch auf die betriebliche Ebene beziehen. Eine Grenzziehung ist nicht möglich. Aus dem Wort „betrieblich“ ist somit nicht zu folgern, dass unternehmerische Entscheidungen grundsätzlich keiner gerichtlichen Kontrolle unterliegen. Die Norm des § 1 Abs. 2 KSchG enthält somit keine Anhaltspunkte für eine Auslegung in dem Sinne, dass unternehmerische Entscheidungen grundsätzlich keiner gerichtlichen Kontrolle unterliegen.

II. Wertungen des Betriebsverfassungsgesetzes Teilweise wird zur Begründung der nur eingeschränkten Überprüfbarkeit unternehmerischer Entscheidungen auf die Wertungen des Betriebsverfassungsgesetzes verwiesen278. Der Gesetzgeber habe auf betriebsverfassungsrechtlicher Ebene, insbesondere mit den Vorschriften der §§ 111, 112, 112 a BetrVG, klargestellt, dass er die unternehmerische Entscheidungsfreiheit weitestgehend respektiert279. Der Vorrang der unternehmerischen Entscheidungsfreiheit finde in diesen Vorschriften über die Betriebsänderung, den Interessenausgleich und den Sozialplan sowie den Nachteilsausgleich seinen gesetzlichen Ausdruck. Das dem Betriebsrat zustehende Mitbestimmungsrecht bei der Aufstellung eines Sozialplans nach §§ 111, 112, 112 a BetrVG beziehe sich ausschließlich nur auf den Ausgleich oder die Milderung der wirtschaftlichen Nachteile, die den Arbeitnehmern infolge der geplanten Betriebsänderung entstehen. Dagegen sei aus der Wertung des § 112 Abs. 3 und Abs. 4 BetrVG zu entnehmen, dass der unternehmerische Willensbildungsprozess selbst, eine Betriebsänderung im Sinne des § 111 BetrVG durchzuführen, nicht dem erzwingbaren Mitbestimmungsrecht unterliege, der Betriebsrat könne die unternehmerische Entscheidung also nicht blockieren. Der Arbeitgeber entscheide letztlich frei über Betriebsänderungen und somit über solche Veränderungen der Arbeitsorganisation, die zu Entlassungen führen. Er sei nur verpflichtet, die Nachteile der Entlassung auszugleichen280. Dies stehe auch einer gerichtlichen Ü___________ 277

Vgl. auch Diller, Kölner Tage des Arbeitsrechts 1999, 157, 160.

278

Vgl. KR/Etzel, § 1 KSchG Rn. 525 ff.; Hofmann, ZfA 1984, 295, 313; v.Hoyningen-Huene/Linck, KSchG, § 1 Rn. 371 a; Möhn, ZTR 1995, 356 f.; B. Preis, ArbuR 1997, 60, 62; Schaub, NZA 1987, 217, 218. 279 280

Vgl. dazu auch Stege, FS Hanau, 1999, 107, 119 ff. m.w.N.

Bitter, DB 1999, 1214, 1218; Buchner, DB 1984, 504, 506; KR/Etzel, § 1 KSchG Rn. 525 m.w.N.; B. Preis, ArbuR 1997, 60, 62; ders., NZA 1997, 625, 627.

C. Wertungen aus einfachgesetzlichen Regelungen

209

berprüfung der Unternehmerentscheidung entgegen. Eine uneingeschränkte gerichtliche Kontrolle der unternehmerischen Entscheidung im Rahmen eines Kündigungsschutzprozesses würde daher den in den §§ 111, 112, 112 a BetrVG zum Ausdruck gekommenen Wertungen widersprechen, die letztlich eine Konkretisierung der grundrechtlich geschützten Unternehmerfreiheit darstellen. Dem gesamten Arbeitsrecht sei die Grundwertung zu entnehmen, Entscheidungen des Unternehmers über wirtschaftliche Umstrukturierungen zu akzeptieren281. Gegen diese soeben dargestellte Ansicht wird jedoch zu Recht vielfach darauf hingewiesen, dass die gesetzgeberischen Wertungen aus dem Betriebsverfassungsgesetz nicht zwingend auf den Bereich des individualrechtlichen Kündigungsschutzes übertragbar sind282. Die Vorschriften des Betriebsverfassungsgesetzes betreffen nur das Verhältnis zwischen dem Arbeitgeber und dem Betriebsrat und können nicht ohne weiteres auf das Verhältnis zwischen Arbeitgeber und dem einzelnen Arbeitnehmer bezogen werden283. Bei der Reichweite der arbeitnehmerischen Mitbestimmung im Betrieb und der rechtlichen Überprüfung der Wirksamkeit einer arbeitgeberseitigen Kündigung handelt es sich um grundsätzlich verschiedene und nicht vergleichbare Sachverhalte. Der individualrechtlichen und der kollektivrechtlichen Ebene liegen unterschiedliche Erwägungen zugrunde, so dass sie deshalb nicht ohne weiteres in ihren Ergebnissen gleichgesetzt werden können284. Dass der Gesetzgeber die Mitbestimmung der Arbeitnehmer auf die Folgen einer Betriebsänderung beschränkt und diese dadurch mitbestimmungsfrei belassen hat, hat nicht zur Konsequenz, dass auch der Arbeitsrichter bei der Prüfung der Wirksamkeit einer Kündigung an ___________ 281

Hofmann, ZfA 1984, 295, 313.

282

Vgl. Diller, Kölner Tage des Arbeitsrechts 1999, 157, 160; Ch. Müller, S. 148; Pauly, ZTR 1997, 113, 116; Stein, BB 2000, 457, 461. 283 Zu beachten ist aber die Kritik mit dem Hinweis auf die Disharmonie hinsichtlich der sozialen Folgen betriebsbedingter Kündigungen: Sofern ein Betriebsrat besteht, kann ein erheblicher Personalabbau eine Betriebsänderung i.S.d. §§ 111 ff. BetrVG darstellen und einen Sozialplan auslösen. Dagegen ist die betriebsbedingte Kündigung sozial gerechtfertigt, ohne dass der Arbeitnehmer Anspruch auf Abfindungen nach §§ 9, 10 KSchG erlangt. Immer dann, wenn in einem Betrieb kein Betriebsrat vorhanden ist oder der Personalabbau sukzessive erfolgt, kann der Arbeitnehmer seinen Arbeitsplatz verlieren, ohne Abfindungen zu erhalten. Vielfach wird deswegen ein Nachteilsausgleich für alle betriebsbedingten Kündigungen erwünscht; vgl. dazu u. a. G. Müller, ZfA 1982, 475, 502; Möhn, ZTR 1995, 357, 358; B. Preis, NZA 1997, 625, 628; Schaub, RdA 1981, 371, 374; vgl. auch die Entscheidung des BAG v. 22.5.1979, BAGE 32, 14 ff., in der kein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz festgestellt wurde; vgl. ferner BAG v. 22.1.1980, EzA Nr. 11 zu § 111 BetrVG; BAG v. 17.2.1981, EzA Nr. 21 zu § 112 BetrVG. 284

Pauly, ZTR 1997, 113, 116.

210

Zweiter Teil: § 7 Eingeschränkte gerichtliche Überprüfbarkeit

die gleichen Einschränkungen gebunden ist285. Die individuelle Rechtsstellung des Arbeitnehmers ist vom Bestehen bzw. Tätigwerden eines Betriebsrats vollkommen unabhängig zu betrachten286. Letztlich können betriebsverfassungsrechtliche Vorschriften die Position der Arbeitnehmer nur verbessern287. Dagegen kann der Kündigungsschutz mit kollektivrechtlichen Erwägungen nicht beschränkt werden288. Aufgrund der grundsätzlichen Trennung und der nur kumulativen Anwendung des individuellen und des kollektiven Kündigungsschutzes289 können die im Betriebsverfassungsgesetz zum Ausdruck gelangten Wertungen deshalb im Ergebnis nichts Abschließendes zur Auslegung der individualrechtlichen Kündigungsschutzvorschriften sagen290. Die Struktur der §§ 111, 112, 112 a BetrVG 1972 ist somit kein plausibles Argument für die Reduzierung richterlicher Prüfungskompetenz im Rahmen des Kündigungsschutzprozesses291. Das Gleiche gilt auch, sofern bezüglich der Wertung der unternehmerischen Entscheidungsfreiheit auf § 102 Abs. 3 BetrVG 1972 hingewiesen wird292. Danach sind Widerspruchsmöglichkeiten des Betriebsrats gegen betriebsbedingte Kündigungen nur in einem sehr engen Umfang möglich, nämlich mit dem Argument nicht richtig vorgenommener Sozialauswahl oder dem Vorhandensein einer anderweitigen Beschäftigungsmöglichkeit. Der Betriebsrat kann dagegen keinen Einwand gegen die unternehmerische Entscheidung erheben und vorbringen, die Kündigung als solche sei nicht betriebsbedingt. Auch in § 102 Abs. 3 BetrVG 1972 kommt also die Respektierung der unternehmerischen Entscheidungsfreiheit zum Ausdruck. Dennoch kann aus den bereits genannten Gründen diese Wertung aus einer kollektivrechtlichen Vorschrift nicht auf den individualrechtlichen Kündigungsschutz übertragen werden.

___________ 285

Ch. Müller, S. 148. Im BRG von 1920 war der Kündigungsschutz noch kollektivrechtlich gestaltet. Der Betriebsrat war für die Erhebung einer Kündigungsschutzklage eine Sperrinstanz; vgl. dazu die Ausführungen im Zweiten Teil § 4 B., S. 43 ff. 287 Vgl. auch U. Preis, Prinzipien, S. 86 ff.; Stein, BB 2000, 457, 461. 288 Vgl. U. Preis, Prinzipien, S. 86 ff. m.w.N. 289 Vgl. dazu U. Preis, Prinzipien, S. 91. 290 So im Ergebnis auch Bitter, DB 1999, 1214, 1218, wobei er die betriebsverfassungsrechtlichen Wertungen andererseits wiederum für nicht unbeachtlich hält. 291 So im Ergebnis auch Ch. Müller, S. 148; Pauly, ZTR 1997, 113, 116. 292 Vgl. dazu Bitter, DB 1999, 1214, 1218; B. Preis, ArbuR 1997, 60, 62. 286

C. Wertungen aus einfachgesetzlichen Regelungen

211

III. Die Verantwortung des Arbeitgebers gemäß § 2 Abs. 2 SGB III Mit dem Arbeitsförderungs-Reformgesetz vom 24.3.1997293 wurde das Arbeitsförderungsrecht als Drittes Buch in das am 1.1.1998 in Kraft getretene Sozialgesetzbuch (SGB III) eingefügt. Damit wurde das aus dem Jahre 1969 stammende Arbeitsförderungsgesetz abgelöst. Lebhafte Diskussionen erfolgten bereits um die Vorschrift des § 2 SGB III, die den Arbeitgebern und Arbeitnehmern eine besondere Verantwortung für den Arbeitsmarkt auferlegt294. Für die vorliegende Untersuchung stellt sich insbesondere die Frage, wie sich die Vorschrift des § 2 Abs. 1 SGB III a. F. (= § 2 Abs. 2 SGB III n. F.)295 zum Recht der betriebsbedingten Kündigung verhält und ob daraus Aussagen zu Inhalt und Umfang der gerichtlichen Überprüfung unternehmerischer Entscheidungen getroffen werden können. § 2 ist in das erste Kapitel des SGB III als allgemeine Vorschrift aufgenommen worden, wobei sich Absatz 1 (a. F.) auf die besondere Verantwortung der Arbeitgeber bezieht, während die Absätze 2 und 3 (a. F.) die besondere Verantwortung des Arbeitnehmers beschreiben. § 2 SGB III (a. F.) hat folgenden Wortlaut: „§ 2 Besondere Verantwortung von Arbeitgebern und Arbeitnehmern (1) Die Arbeitgeber haben bei ihren Entscheidungen verantwortungsvoll deren Auswirkungen auf die Beschäftigung der Arbeitnehmer und von Arbeitslosen und damit die Inanspruchnahme von Leistungen der Arbeitsförderung einzubeziehen. Sie sollen dabei insbesondere 1. im Rahmen ihrer Mitverantwortung für die Entwicklung der beruflichen Leistungsfähigkeit der Arbeitnehmer zur Anpassung an sich ändernde Anforderungen sorgen,

___________ 293

BGBl. I S. 594 ff. Vgl. dazu Bauer/Haussmann, NZA 1997, 1100 ff.; Beckschulze, BB 1998, 791 ff.; Ettwig, NZA 1997, 1152 f.; Fischermeier, NZA 1997, 1089 ff.; Gagel, FS Arbeitsgerichtsbarkeit, Rheinland-Pfalz, 1999, 521 ff.; Hanau, AuA 1998, 2 ff.; Hanau/PetersLange, NZA 1998, 785 ff.; Kittner, NZA 1997, 968 ff.; Kittner/Däubler/ Zwanziger, § 1 KSchG Rn. 256 d; Löwisch, NZA 1998, 729 ff.; Niesel, NZA 1997, 580 ff.; U. Preis, NZA 1998, 449 ff.; Rolfs, NZA 1998, 17 ff.; Rüthers, NJW 1998, 283 f.; Schaub, NZA 1997, 810 ff.; Wolf, AuA 1998, 7 ff.; siehe auch die Parlamentarische Anfrage von MdB Rupert Scholz und Antwort von Staatssekretär Horst Günther; Notiz in DB 1998, 1134. 295 Inzwischen geändert, inhaltlich aber gleich geblieben: § 2 Abs. 1 SGB III a. F. entspricht nunmehr § 2 Abs. 2 SGB III n. F. 294

212

Zweiter Teil: § 7 Eingeschränkte gerichtliche Überprüfbarkeit 2. vorrangig durch betriebliche Maßnahmen die Inanspruchnahme von Leistungen der Arbeitsförderung sowie Entlassungen von Arbeitnehmern vermeiden und 3. durch frühzeitige Meldung von freien Arbeitsplätzen deren zügige Besetzung und den Abbau von Arbeitslosigkeit unterstützen.

(2) Die Arbeitnehmer haben bei ihren Entscheidungen verantwortungsvoll deren Auswirkungen auf ihre beruflichen Möglichkeiten einzubeziehen. Sie sollen insbesondere ihre berufliche Leistungsfähigkeit den sich ändernden Anforderungen anpassen. (3) Die Arbeitnehmer haben zur Vermeidung von Arbeitslosigkeit 1. jede zumutbare Möglichkeit bei der Suche und Aufnahme einer Beschäftigung zu nutzen, 2. ein Beschäftigungsverhältnis, dessen Fortsetzung ihnen zumutbar ist, nicht zu beenden, bevor sie eine neue Beschäftigung haben und 3. jede zumutbare Beschäftigung anzunehmen.“

Als erster nahm der ehemalige Vorsitzende Richter am Bundesarbeitsgericht Schaub in seiner Veröffentlichung „Die besondere Verantwortung von Arbeitgeber und Arbeitnehmer für den Arbeitsmarkt – Wege aus der Krise oder rechtlicher Sprengstoff“296 zu der Frage Stellung, wie sich § 2 Abs. 1 SGB III (a. F.) auf das Recht der betriebsbedingten Kündigungen auswirkt. Schaub bezeichnete § 2 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB III (a. F.) als eine „Gesetzessensation“. Erstmals in der Deutschen Rechtsgeschichte werde in § 2 SGB III die besondere Verantwortung von Arbeitgebern für den Arbeitsmarkt herausgestellt. Der Gesetzgeber habe bewusst der Arbeitslosigkeit begegnen und die Kosten der Bundesanstalt für Arbeit begrenzen wollen. § 2 SGB III enthalte sicher nicht nur versicherungsrechtliche Pflichten des Arbeitgebers, sondern wirke sich auch auf das Kündigungsschutzrecht aus. Nach Schaub sei auf dem Gebiet des Arbeitsrechts ein großes Umdenken angesagt. Es sei durchaus denkbar, dass die vom Arbeitgeber abverlangten Überlegungen als Prüfungsparameter einer betriebsbedingten Kündigung einfließen würden. Auch wenn Abs. 1 dieser Vorschrift als Soll-Verpflichtung für den Arbeitgeber normiert sei und der Gesetzgeber den Unterschied von „Sollen“ und „Müssen“ gesehen habe, sei dem Unterschied aber keine besondere Bedeutung zuzumessen. Der Arbeitgeber könne sich nicht darauf berufen, von seinen Lasten ohne Angabe von nachvollziehbaren Gründen abgesehen zu haben. Schaub stellte in Aussicht, dass sich die Darlegungs- und Beweislast des Arbeitgebers erheblich verstärken werde. Vor Ausspruch einer betriebsbedingten Kündigung müsse dann der Arbeitgeber darlegen und beweisen, dass er versucht habe, die Kündigung durch Flexibilisierung ___________ 296

Schaub, NZA 1997, 810 ff.

C. Wertungen aus einfachgesetzlichen Regelungen

213

der Arbeitszeit, Überstundenabbau, Urlaubserteilung, Schaffung von Arbeitszeitkonten, Überführung in Teilzeitarbeit, Abschluss von Altersteilzeitarbeitsverträgen, Einführung von Kurzarbeit und ähnlichen Maßnahmen zu vermeiden. Der Gesetzgeber schreibe ein Stufenmodell vor, nach dem die Entlassung nur noch ultima ratio sein solle. Schaub scheint die Auffassung zu vertreten, dass § 2 SGB III erheblichen Einfluss auf die Unternehmerentscheidungen ausübt, und stellt damit auch die bisherige Rechtsprechung und die herrschende Meinung in der Literatur zur Einschränkbarkeit und zur gerichtlichen Überprüfung der unternehmerischen Entscheidungsfreiheit zur Diskussion297. Schaub meint, § 2 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB III (a. F.) schreibe ein Stufenmodell vor, das als Prüfungsparameter bei einer betriebsbedingten Kündigung einfließen könnte. Das würde bedeuten, dass auch die Unternehmerentscheidung selbst, z. B. eine Rationalisierungsentscheidung, daraufhin überprüft werden müsste, ob sie wirklich notwendig und zweckmäßig war oder ob der Unternehmer nicht vorrangig ein flexibles Arbeitszeitmodell oder Ähnliches hätte einführen können. Dass der Unternehmer an solche vorrangigen 15 bis 20 möglichen Maßnahmen gedacht hat, müsse – nach der Auffassung von Schaub – jeweils bei einem Prozess von dem Unternehmer dargelegt und bewiesen werden. Die Auffassung Schaubs, dass § 2 SGB III ein Umdenken bei betriebsbedingten Kündigungen erfordere, hat kontroverse Stellungnahmen nach sich gezogen. Kittner298 vertrat zunächst ebenfalls die Auffassung, dass die nicht überprüfbare unternehmerische Entscheidung nun nach § 2 SGB III mit strengeren Maßstäben zu „durchforsten“ sei. In einer neueren Stellungnahme299 hat er seinen früheren Standpunkt allerdings dahingehend abgemildert, dass aus § 2 Abs. 1 Nr. 2 SGB III (a. F.) nur resultiere, dass binnenorganisatorische FolgeEntscheidungen nach dem ultima-ratio-Prinzip von den Arbeitsgerichten überprüft werden können. § 2 SGB III bestätige nur eine mögliche und notwendige Auslegung des § 1 KSchG und folge insofern bereits aus dessen Inhalt. Löwisch300 hält die Gedanken von Schaub im Ansatz für richtig. § 2 SGB III bezwecke, den Subsidiaritätsgedanken zu verwirklichen. Die Bundesanstalt für Arbeit solle die von den Beitragszahlern und aus Steuermitteln zu finanzierenden Leistungen für Arbeitslose nur dann erbringen müssen, wenn die Arbeitslosigkeit nicht zu vermeiden sei. Im Interesse der Solidargemeinschaft sei es ___________ 297

Vgl. auch Bauer/Haussmann, NZA 1997, 1100, 1101.

298

Kittner, NZA 1997, 968, 975.

299

Kittner/Däubler/Zwanziger, § 1 KSchG Rn. 256 d.

300

Löwisch, NZA 1998, 729 f.

214

Zweiter Teil: § 7 Eingeschränkte gerichtliche Überprüfbarkeit

deshalb legitim zu fordern, dass arbeitgeberseitige Kündigungen nur ausgesprochen werden sollten, wenn sie unvermeidbar seien. § 2 Abs. 1 SGB III (a. F.) widerspreche nicht den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen hinsichtlich der Wahrung der Unternehmerfreiheit bei betriebsbedingten Kündigungen. Vorgeschrieben werde nur, dass Entlassungen „vorrangig durch betriebliche Maßnahmen“ vermieden werden sollen, die Revision unternehmerischer Entscheidungen werde nicht verlangt. Auch Löwisch hält es für angemessen, vom Arbeitgeber den Nachweis zu verlangen, dass er durch Einführung von Kurzarbeit oder Abbau von Überstunden und ähnlichen Maßnahmen versucht hat, Kündigungen zu vermeiden. Mit der aufgeworfenen Überlegung, ob es sich bei § 2 SGB III um einen unverbindlichen Programmsatz in Form gut gemeinter Appelle oder um einen verbindlichen Rechtssatz handelt, hat sich ferner U. Preis301 intensiv auseinandergesetzt. Er führt aus, dass der Rechtsanwender grundsätzlich den Gesetzgeber ernst zu nehmen habe, da ansonsten eine geschaffene Norm sinnlos sei. Es sei jedoch denkbar, dass der Gesetzgeber auch lediglich Leitlinien ohne unmittelbaren Regelungsgehalt mit subsidiärer Bedeutung aufstelle, die als Auslegungs- und Ermessenshilfen verstanden werden könnten. Für das Maß der Bindung sei die Auslegung der Sollvorschrift in dem jeweiligen Regelungszusammenhang entscheidend. U. Preis gelangt sodann mit dem Hinweis darauf, dass auch im Privatrecht Sollvorschriften zwingende Wirkungen entfalten können302, zu dem Ergebnis303, dass eine Sollvorschrift dem Arbeitgeber ein Recht und auch eine Pflicht zur Prüfung der Einzelfallumstände zuweise. Eine Abweichung sei bei einsichtigen und vernünftigen Gründen im Einzelfall erlaubt. Bei § 2 SGB III handele es sich um einen tragenden Grundsatz des Arbeitsförderungsrechts, der nicht bloß eine nebensächliche Bedeutung habe. Die Norm sei bei Auslegung und Anwendung des SGB III heranzuziehen. Ein Verstoß könne sich auf die Gewährung von Ermessensleistungen auswirken, die das SGB III zur Beschäftigungssicherung ausgeweitet hat, wie z. B. §§ 254 ff. SGB III (Zuschüsse zu beschäftigungswirksamen Sozialplänen). § 2 SGB III habe jedenfalls eine arbeitsförderungsrechtliche Bedeutung. Andererseits warnt U. Preis davor, § 2 SGB III unrealistisch zu überdehnen304. Er sieht in § 2 Abs. 1 SGB (a. F.) eine Bestätigung des im Kündigungsrecht bereits veranker___________ 301

U. Preis, NZA 1998, 449, 451 ff.

302

Vgl. z. B. § 26 Abs. 1 S. 2 BetrVG, wonach der Vorsitzende des Betriebsrats und sein Stellvertreter nicht derselben Gruppe angehören sollen; BAG v. 13.11.1991, BAGE 69, 41, 47; BAG v. 8.4.1992, AP Nr. 11 zu § 26 BetrVG 1972. 303

U. Preis, NZA 1998, 449, 453 f.

304

U. Preis, NZA 1998, 449, 458.

C. Wertungen aus einfachgesetzlichen Regelungen

215

ten ultima-ratio-Grundsatzes, den die Arbeitsrechtler wieder verständiger als bisher handhaben sollten. Hanau/Peters-Lange305 weisen darauf hin, dass § 2 SGB III zur Konkretisierung des ultima-ratio-Prinzips keine arbeitsrechtliche Wirkung entfalten könne, wo das Kündigungsschutzgesetz nicht gelte, insbesondere in Kleinbetrieben im Sinne des § 23 KSchG. Daraus ziehen auch sie den Schluss, dass das SGB III den ultima-ratio-Grundsatz des Kündigungsschutzes nur bestätige. Ettwig306 hält die Auswirkung des § 2 SGB III auf den Kündigungsschutz keineswegs für zwingend. Vor allem die von Schaub vertretene Bedeutungslosigkeit von „Sollen“ und „Müssen“ könne aus der Gesetzesbegründung307 gerade nicht entnommen werden. Seiner Meinung nach verfolgen das KSchG und das SGB III unterschiedliche Zielsetzungen308. Daher seien in unterschiedlichen Regelungsbereichen voneinander unabhängige selbständige Regelungen getroffen worden. Zwar gebiete es der Gedanke der inneren Einheit der Rechtsordnung, die Lösung eines Normenkonflikts daraufhin zu überprüfen, ob das vorgeschlagene Ergebnis den dem Rechtssystem zugrunde liegenden Wertmaßstäben genüge309, aber hier sei der Regelungsbereich so verschieden, dass es nicht zu Überschneidungen komme, so dass voneinander unabhängige Regelungen getroffen werden könnten. Interessant ist die Argumentation von Bauer/Haußmann310: Der Zweite Senat des BAG habe in einer neueren Entscheidung311 zur Unwirksamkeit einer Kündigung wegen fehlerhafter Massenentlassungsanzeigen offen gelassen, ob und inwieweit an der Rechtsprechung, „die aus dem in erster Linie arbeitsmarktpolitischen Zwecken dienenden § 17 KSchG einen individuellen Kündigungsschutz herleitet, überhaupt festzuhalten“ sei. § 17 schaffe eine „MussVerpflichtung“ des Arbeitgebers zur Anzeige der Massenentlassung. Wenn schon offen sei, ob sich aus dieser bindenden Verpflichtung individueller Kündigungsschutz ableiten lasse, bestünden umso größere Bedenken gegen solche Folgerungen aus einer Soll-Vorschrift. Es sei im Übrigen kaum zu glauben, ___________ 305

Hanau/Peters-Lange, NZA 1998, 785, 790. Ettwig, NZA 1997, 1152 ff. 307 BT-Drucks. 13/4941 S. 152. 308 Auch Bauer/Haussmann (NZA 1997, 1100, 1101) vertreten den Standpunkt, das SGB III verfolge lediglich eine arbeitsmarktpolitische Zielsetzung und entfalte keine Schutzwirkung zugunsten des individuellen arbeitsrechtlichen Bestandsschutzes. 309 Ettwig, NZA 1997, 1152, 1153 mit Hinweis auf Larenz, Methodenlehre, S. 47 ff. 310 Bauer/Haussmann, NZA 1997, 1100, 1101. 311 BAG v. 24.10.1996, BAGE 84, 267, 270 ff. 306

216

Zweiter Teil: § 7 Eingeschränkte gerichtliche Überprüfbarkeit

dass der Gesetzgeber auf dem Schleichweg des § 2 SGB III die ständige Rechtsprechung des BAG zur Unternehmerentscheidung ablösen wollte. Beckschulze312 ist ebenfalls der Auffassung, durch § 2 Abs. 1 S. 1 SGB III (a. F.) solle die unternehmerische Entscheidungsfreiheit als Grundstein der sozialen Marktwirtschaft nicht angetastet werden313. Die Arbeitgeber sollen sich zwar über die Auswirkungen ihrer Entscheidungen Gedanken machen und sich ihrer besonderen Verantwortung im Gefüge der sozialen Marktwirtschaft bewusst sein, aber die unternehmerische Entscheidungsfreiheit solle weiterhin bei dem Arbeitgeber verbleiben. § 2 Abs. 1 SGB III (a. F.) habe nur eine Appellfunktion314, an deren Nichtbeachtung keine besonderen Rechtsfolgen geknüpft seien. In der Gesetzesbegründung sei klargestellt worden, dass eine zwingende Verpflichtung mit rechtlichen Konsequenzen bei Nichtbeachtung mit der sozialen Marktwirtschaft und der verfassungsrechtlich geschützten Unternehmerfreiheit nicht in Einklang zu bringen wäre. In der Sozialgesetzgebung tendiere der Gesetzgeber dazu, an den Anfang eines Gesetzes allgemeine Vorschriften als Programmpunkte ohne Anspruchscharakter zur Verdeutlichung der gesetzgeberischen Ziele zu stellen. Zu Recht ist von mehreren Autoren315 darauf hingewiesen worden, dass sich der Gesetzgeber anscheinend selbst uneinig ist, wie er auf das gegenwärtige Problem der Arbeitslosigkeit reagieren soll, da zumindest auf den ersten Blick innerhalb kurzer Zeit widersprüchliche Regelungen erlassen wurden316. Zunächst sei der Kündigungsschutz durch das Beschäftigungsförderungsgesetz 1996 abgebaut worden. Auch sei zu beachten, dass die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts eher zu einer Lockerung der betriebsbedingten Kündigung tendiere. Mit der Entscheidung vom 24.4.1997317 habe das Bundesarbeitsgericht erstmals die Entscheidung des Unternehmers über die Belegschaftsstär___________ 312

Beckschulze, BB 1998, 791 f. Auch Wolf, AuA 1998, 7, 9 ist der Auffassung, § 2 Abs. 1 SGB III habe keinerlei Auswirkungen auf das Kündigungsrecht des Arbeitgebers. Auch die Darlegungs- und Beweislast werde durch diese Vorschrift nicht verschärft. So auch Fischermeier, NZA 1997, 1089, 1091, der meint, dass § 2 SGB III an der Beschränkung der arbeitsgerichtlichen Überprüfung unternehmerischer Entscheidungen auf offensichtliche Unvernunft oder Willkür nichts ändern dürfte. 314 So auch Niesel, NZA 1997, 580, 584. 315 Vgl. z. B. Schaub, NZA 1997, 810; Hanau/Peters-Lange, NZA 1998, 785, 790; Hanau, AuA 1998, 2, 4; Rüthers, NJW 1998, 283 f. 316 In dieser Widersprüchlichkeit kommen die kontrovers diskutierten Positionen zum Ausdruck, wie sich ein mehr oder weniger starker Bestandsschutz auf die Problematik der Arbeitslosigkeit auswirkt. 317 BAG v. 24.4.1997, BAGE 85, 358, 363. 313

C. Wertungen aus einfachgesetzlichen Regelungen

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ke zu den grundsätzlich freien Unternehmerentscheidungen hinsichtlich Organisation und Gestaltung des Betriebes gerechnet. Anders laute nun das ein Jahr später verabschiedete SGB III, das die Arbeitgeber verpflichtet, Arbeitslosigkeit zu vermeiden. Dem Arbeitgeber werde durch § 2 SGB III diese durch Kündigungslockerungen gewonnene Freiheit wieder beschnitten, wenn man in dieser Regelung eine kündigungsrechtlich bedeutsame Verpflichtung sehen würde, Entlassungen durch neue Arbeitszeitmodelle oder ähnliche Maßnahmen zu vermeiden318. Rüthers319 bezeichnet die Regelung des § 2 Abs. 1 SGB III (a. F.) als „einen Musterfall unklarer und widersprüchlicher Gesetzgebung“, sie stelle einen weiteren „Höhepunkt des Gesetzgebungsdilettantismus“ dar. Der Gesetzestext sei mehrdeutig und höre sich mit der Fülle an unbestimmten Rechtsbegriffen und Generalklauseln an wie gut gemeinte Soziallyrik und nicht wie eine präzise Rechtsnorm mit einem bestimmbaren Normzweck und Regelungsinhalt. Die Gesetzesbegründung320 sei so vieldeutig, dass der Zweck der Regelung eher verschleiert als erklärt werde. Einerseits sei aus der Formulierung auf S. 142 („Neu ist die gesetzliche Nachrangigkeit der Leistungen der Arbeitsförderung im Verhältnis zu der besonderen Verantwortung von Arbeitgebern für Beschäftigungsmöglichkeiten...“) darauf zu schließen, dass der Gesetzgeber durchaus mehr als einen nur moralischen Appell an die Beschäftigungsfreundlichkeit der Arbeitgeber bezweckt habe. Andererseits spreche die ebenfalls auf S. 142 zu findende Formulierung („Des Weiteren enthält der erste Abschnitt die beim Einsatz von Leistungen der aktiven Arbeitsförderung zu beachtenden Grundsätze“) nur für eine sozialversicherungsrechtliche Bedeutung. Da aber keine Sanktionen geregelt seien, könne man doch wiederum zu der Schlussfolgerung gelangen, dass die in § 2 SGB III aufgestellten Grundsätze in die richterliche Abwägung bei § 1 KSchG übernommen werden würden. Obwohl man zwar meinen sollte, das SGB III sei nicht der richtige Ort, an dem in den Kündigungsschutz eingegriffen werden könnte, so liege hier aber ein geschickter „Etikettenschwindel“ vor. § 2 SGB III setze die „unselige Tradition eines sozialromantischen Blindflugs“ fort und „sei jetzt geeignet, „eine als dringend erkannte arbeitsrechtliche Reform zu durchkreuzen.“ Stellungnahme: Aus § 2 SGB III wird deutlich, dass der Gesetzgeber der Problematik der Arbeitslosigkeit weitgehend hilflos gegenübersteht. Einerseits hält er das Handeln der Arbeitgeber für die Beschäftigungssituation durchaus ___________ 318

Vgl. auch Bauer/Haussmann, NZA 1997, 1100, 1102.

319

Rüthers, NJW 1998, 283 f.

320

BT-Drucks. 13/4941 S. 142.

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Zweiter Teil: § 7 Eingeschränkte gerichtliche Überprüfbarkeit

für erheblich, andererseits ist ihm bewusst, dass es mit der sozialen Marktwirtschaft und der verfassungsrechtlich geschützten Unternehmerfreiheit nicht vereinbar wäre, die Verantwortung der Arbeitgeber als Mussverpflichtung zu normieren. Würde man § 2 SGB III tatsächlich als Mussverpflichtung interpretieren, so wäre die Bezeichnung Schaubs, es handele sich um eine „Gesetzessensation“, durchaus angemessen, da hier in die klassischen sozialrechtlichen Verpflichtungen des Staates Privatrechtssubjekte mit einbezogen werden würden. Die Vorschrift ist aber bewusst als Sollverpflichtung ausgestaltet. Dies ergibt sich aus der Gesetzesbegründung321 auf S. 152: („Diese Sollverpflichtung geht über das geltende Recht hinaus, andererseits wird darauf verzichtet, durch Gesetz oder Rechtsverordnung eine nicht praktikable und einen in der sozialen Marktwirtschaft freien Arbeitsmarkt nicht entsprechende Mussverpflichtung einzuführen“). Hieraus lässt sich entnehmen, dass der Gesetzgeber zwar mit Nachdruck den Arbeitgebern die Verantwortung verdeutlichen wollte, aber sich andererseits gezwungen sieht, die Unternehmerfreiheit zu respektieren und sie gerade nicht mit „Mussverpflichtungen“ beschneiden zu können. Die in den Grundrechten verankerte Unternehmerfreiheit wollte der Gesetzgeber also nicht antasten322. Auch ist nicht davon auszugehen, dass der Gesetzgeber mit § 2 SGB III durch einen „Etikettenschwindel“ in Wirklichkeit Änderungen auf dem Gebiet des Arbeitsrechts bezweckt hat. Hätte er dies gewollt, hätte es näher gelegen, direkt das Kündigungsschutzgesetz entsprechend zu ändern323. In allererster Linie geht es in § 2 SGB III also um Pflichten der Arbeitgeber und Arbeitnehmer, wenn sie Versicherungsleistungen der Bundesanstalt für Arbeit in Anspruch nehmen wollen324. Als Antwort auf eine entsprechende Bundestagsanfrage hat die frühere Bundesregierung ausgeführt, dass der Normzweck des § 2 Abs. 1 Nr. 2 SGB III (a. F.) nicht darin liege, „den durch arbeitsrechtliche Normen abschließend geregelten Bestandsschutz individueller Arbeitsverhältnisse zu erweitern“325. Auch wenn man die Bedeutung einer solchen im Nachhinein geäußerten Interpretation einer Bundesregierung in Frage stellen kann, so geht doch daraus her___________ 321

BT-Drucks. 13/4941 S. 152.

322

Vgl. auch Fischermeier, NZA 1997, 1089, 1091.

323

So auch Beckschulze, BB 1998, 791, 792.

324

Siehe auch Wolf, AuA 1998, 7, 8; § 2 SGB III ist als eine dem Gesetz vorangestellte allgemeine Vorschrift zu sehen, die unmittelbar keine Ansprüche begründet und keine Rechtsfolgen enthält, sondern durch weitere Vorschriften, wie beispielsweise durch §§ 121, 144, 170 SGB III konkretisiert wird. 325

DB 1998, 1134.

C. Wertungen aus einfachgesetzlichen Regelungen

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vor, dass das im Kündigungsschutzrecht bereits enthaltene ultima-ratio-Prinzip nicht erweitert, also nicht auf die Unternehmerentscheidung selbst bezogen werden sollte326. In § 2 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB III (a. F.) kommt der ultima-ratio-Grundsatz zum Ausdruck, wonach vor Entlassungen und vor der Inanspruchnahme von Leistungen der Arbeitsförderung andere betriebliche Maßnahmen in Betracht gezogen werden sollen. Die Gesetzesbegründung327 zu § 2 Abs. 1 Nr. 2 SGB III (a. F.) lautet: „Es soll z. B. durch eine entsprechende Arbeitsorganisation und flexible Arbeitszeiten die Inanspruchnahme von Kurzarbeitergeld vermieden werden, wenn ein betrieblicher Ausgleich zwischen Kurzarbeit und Überstunden möglich ist. Sofern dieser Ausgleich nicht möglich ist, sollen wiederum Entlassungen durch die Inanspruchnahme von Kurzarbeit vermieden werden“. Im Ergebnis bleibt es somit dabei, dass sich das in § 2 SGB III angesprochene ultima-ratio-Prinzip nur auf die Folgen der Unternehmerentscheidung bezieht, nicht aber auf die Unternehmerentscheidung selbst328. Darüber hinaus kann § 2 SGB III allenfalls als Appell an den Unternehmer gesehen werden, arbeitsmarktpolitische Gesichtspunkte bei der Unternehmerentscheidung zu berücksichtigen, nicht aber die gesamte unternehmerische Entscheidung, die letztlich auf sehr viel mehr Entscheidungsfaktoren basiert, allein nach arbeitsmarktpolitischen Zielen auszurichten. Nur wenn sich das unternehmerische Konzept durch andere betriebliche Maßnahmen als durch Kündigungen verwirklichen lässt, so ist vorrangig dieser Weg einzuschlagen329. Nichts anderes besagt aber das geltende KSchG. Damit ändert auch § 2 Abs. 1 SGB III (a. F.) nichts an der Beschränkung der arbeitsgerichtlichen Überprüfung der Unternehmerentscheidungen nur auf offensichtliche Unvernunft, Missbrauch oder Willkür. Vor diesem Hintergrund ist die Regelung in § 2 SGB III also systemgerecht. § 2 SGB III dürfte daher im Ergebnis kündigungsrechtlich nicht mehr als eine Bestätigung des anerkannten ultima-ratio-Grundsatzes sein330.

___________ 326

Siehe auch Kittner/Däubler/Zwanziger, § 1 KSchG Rn. 256 d. BT-Drucks. 13/4941 S. 152. 328 So auch Bauer/Haussmann, NZA 1997, 1100, 1102. 329 So im Ergebnis auch Fischermeier, NZA 1997, 1089, 1091. 330 So auch Bauer/Haussmann, NZA 1997, 1100, 1102; Beckschulze, BB 1998, 791, 792; Fischermeier, NZA 1997, 1089, 1091; Hanau, AuA 1998, 2, 4; Hanau/PetersLange, NZA 1998, 785, 790; Kittner/Däubler/Zwanziger, § 1 KSchG Rn. 256 d; U. Preis, NZA 1998, 449, 451; Rolfs, NZA 1998, 17, 18. 327

220

Zweiter Teil: § 7 Eingeschränkte gerichtliche Überprüfbarkeit

D. Weitere Gesichtspunkte I. Überforderung der Gerichte Die Unüberprüfbarkeit der unternehmerischen Entscheidungen wird von der Rechtsprechung331 und teilweise auch im Schrifttum332 auch mit dem Argument begründet, die Gerichte seien überfordert, wenn sie dem Arbeitgeber eine bessere oder richtigere betriebliche Organisation vorschreiben müssten. Es sei nicht Sache des Arbeitsrichters, in die Kostenkalkulation des Arbeitgebers einzugreifen. Arbeitsgerichte könnten, wollten und sollten nicht die besseren Unternehmer sein. Dieses Argument der mangelnden Kompetenz bzw. der Überforderung der Arbeitsgerichte, betriebswirtschaftlich unternehmerische Entscheidungen überprüfen zu können, ist jedoch nicht überzeugend und deshalb auch vielfach kritisiert worden333. Zu Recht ist darauf hingewiesen worden, dass grundsätzlich die Vorstellung, dass Gerichte an der Prüfung und Steuerung wirtschaftlicher Geschehnisse beteiligt sind, nicht schrecken dürfe334. Auch in anderen Fällen gehört es zur Aufgabe der Arbeitsgerichte, wirtschaftliche Zusammenhänge zu prüfen, wie z. B. die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit eines Betriebes im Rahmen von § 16 BetrAVG335, die Überprüfung der wirtschaftlichen Vertretbarkeit von Sozialplänen336 oder die Kontrolle marktbeherrschender Unternehmen gemäß §§ 22, 24 Abs. 1 GWB. Im Übrigen wäre es auch möglich, für die Überprüfung unternehmerischer Entscheidungen qualifizierte Sachverständige hinzuzuziehen337. Auch wenn eine solche Überprüfung sehr zeit- und kostenaufwendig wäre338 und von den Beteiligten wie ein „prozessualer Alptraum“339 empfunden werden würde, so ist der Zeit- und Kostenfaktor allein kein schlagendes Argument gegen eine Einschränkung der ge___________ 331

BAG v. 24.10.1979, BAGE 32, 150 ff.; BAG v. 9.5.1996, BAGE 83, 127 ff.; BAG v. 30.4.1987, BAGE 55, 262 ff.; BAG v. 21.6.1995, BAGE 80, 185, 192 f. 332 v.Hoyningen-Huene, NZA 1994, 1009, 1011; Moll, DB 1984, 1346 ff.; B. Preis, NZA 1997, 625, 628; Rancke, Anm. zu BAG v. 7.12.1978, EzA Nr. 10 zu § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung; Reuter, Anm. zu BAG v. 7.12.1978, AP Nr. 6 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung; ders., Anm. zu BAG v. 4.3.1986, SAE 1987, 34, 38; Schrader, NZA 2000, 401, 403. 333 Vgl. z. B. Ch. Müller, S. 147; Stein, BB 2000, 457, 463. 334 Stein, BB 2000, 457, 463. 335 BAG v. 17.10.1995, AP Nr. 34 zu § 16 BetrAVG. 336 BAG v. 14.9.1994, AP Nr. 87 zu § 112 BetrVG 1972. 337 Vgl. Reuter, NZA 1989, 241, 244; Stein, BB 2000, 457, 463. 338 Pauly meint, dass solche prozessualen Verzögerungen sogar im Einzelfall zum Ruin des Unternehmers führen könnten, vgl. ZTR 1997, 113, 116. 339 Diller, Kölner Tage des Arbeitsrechts 1999, 157, 161.

D. Weitere Gesichtspunkte

221

richtlichen Überprüfung. Rein praktische Überlegungen sind zwar nicht vollkommen unbeachtlich, sind aber dogmatisch unbefriedigend340 und vermögen deshalb für sich allein genommen keine stichhaltige Begründung für die Unüberprüfbarkeit der Unternehmerentscheidungen zu liefern.

II. Argument des Wirtschaftsrisikos Teilweise wird die Nichtüberprüfbarkeit unternehmerischer Entscheidungen auch mit dem Argument begründet, dass der Unternehmer und nicht der Richter das wirtschaftliche Risiko tragen müsse341. Jedoch ist auch dieses Argument nicht stichhaltig. Der Richter trägt in keinem von ihm zu entscheidenden Fall das wirtschaftliche Risiko und überprüft trotzdem die Sach- und Rechtslage der Prozessbeteiligten. In den allermeisten Fällen entscheidet der Richter über eine finanzielle Angelegenheit, ohne dass er selbst die Vor- oder Nachteile der Entscheidung zu tragen hat. Das Argument, dass nicht der Richter, sondern der Arbeitgeber das wirtschaftliche Risiko seiner unternehmerischer Entscheidungen trage, kann also ebenfalls für sich allein nicht gegen eine Überprüfbarkeit greifen, sondern allenfalls als Zusatzargument mit angeführt werden342.

III. Keine justitiablen Maßstäbe Überzeugender ist deshalb die Argumentation, dass auf die Zukunft ausgerichtete wirtschaftliche Entscheidungen stets auf Prognosen beruhen, die nicht als richtig oder falsch zu bewerten und auch nicht beweisbar sind343. Für eine „richtige“ Unternehmenspolitik gibt es kaum justitiable Maßstäbe, da sich Unternehmerentscheidungen immer auch als Wagnisse in der Markteinschätzung und dessen zukünftiger Entwicklung darstellen344. Unternehmerische Entschei___________ 340 Diller (Kölner Tage des Arbeitsrechts 1999, 157, 161) hält eine Begründung der Unüberprüfbarkeit mit dem Überforderungsargument zwar ebenfalls für dogmatisch unbefriedigend, kommt dann aber zu dem Ergebnis, dass es zu einem guten Rechtssystem gehöre, dass es mit vertretbarem Aufwand vertretbare Ergebnisse erziele. 341 Vgl. z. B. BAG v. 24.10.1979, BAGE 32, 150, 155; Mayer-Maly, ZfA 1988, 209, 213. 342 Auch Pauly (ZTR 1997, 113, 116) hält den Hinweis auf das vom Unternehmer zu tragende Wirtschaftsrisiko als eigenständige Begründung für untauglich. Er meint auch, dieses Argument sei zu unbestimmt. 343 So auch Diller, Kölner Tage des Arbeitsrechts 1999, 157, 161. 344 Stahlhacke, BlStSozArbR 1983, 33, 35.

222

Zweiter Teil: § 7 Eingeschränkte gerichtliche Überprüfbarkeit

dungen basieren nicht etwa auf rechnerisch nachvollziehbaren objektiven Werten, sondern hängen von unkalkulierbaren und nur durch den einzelnen Unternehmer einzuschätzenden Faktoren wie die zukünftige Nachfrage von Kunden, Verhalten der Konkurrenz, Entwicklung der wirtschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen etc., von der Unternehmensstrategie und von der Art und Weise des Auftretens des Unternehmens nach außen ab345. Auch vom Gericht hinzugezogene Sachverständige wären dem Problem ausgesetzt, dass die Unternehmerentscheidungen auf diesen Prognosen beruhen und könnten nicht eine verlässlich bessere Entscheidung treffen. Es gibt keine mathematisch präzisen Kriterien, aus denen sich das Subsumtionsergebnis logisch herleiten lässt. In die Unternehmensstrategie, die man vielleicht mit einem geheimen Kochrezept vergleichen kann, kann weder ein Richter noch ein Sachverständiger hineinsehen. Jede andere Entscheidung des Richters, jede andere Bewertung eines Sachverständigen würde sich in den meisten Fällen als Störfaktor oder gar als Bremsklotz erweisen. Aufgrund der Komplexität der wirtschaftlichen Zusammenhänge und deren Einschätzungen können weder betriebswirtschaftliche noch juristische Maßstäbe gefunden werden, die eine Überprüfung der Unternehmerentscheidung auf ihre Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit ermöglichen würden. Aufgrund der fehlenden Maßstäbe ist es also nicht möglich, unternehmerische Entscheidungen gerecht zu beurteilen346.

E. Ergebnis Zusammenfassend ist festzuhalten, dass es keinen absoluten Grundsatz der Gerichtskontrollfreiheit unternehmerischer Entscheidungen gibt. Der Richter ist verpflichtet, unternehmerische Entscheidungen in dem Ausmaß zu prüfen, wie es notwendig ist, um den Bestandsschutzinteressen gerecht zu werden. Der aus Art. 12 Abs. 1 GG resultierende Mindestschutz erfordert, dass unternehmerische Entscheidungen auf das Nichtvorliegen von Willkür und Missbrauch gerichtlich zu überprüfen sind. Eine darüber hinausgehende Überprüfung bringt der Arbeitnehmerseite jedoch keinen Nutzen und greift daher ohne Rechtfertigung in die grundrechtlich geschützte Unternehmerfreiheit ein. Bei unternehmerischen Entscheidungen, die nicht unmittelbar eine personelle Maßnahme darstellen, kann vermutet werden, dass sie aus sachlichen Gründen ge___________ 345 346

Pauly, ZTR 1997, 113, 116.

So auch Mayer-Maly, ZfA 1988, 209, 212; Singer/v.Finckenstein, Anm. zu BAG v. 17.6.1999 – 2 AZR 141/99 –, SAE 2000, 279, 283; Stahlhacke, BlStSozArbR 1983, 33, 35.

E. Ergebnis

223

troffen wurden. Eine gerichtliche Überprüfung ist in diesen Fällen entbehrlich. Je näher aber die Unternehmerentscheidung an den Kündigungsentschluss selbst heranrückt, desto höher ist die Missbrauchsgefahr, so dass das Bedürfnis nach gerichtlicher Kontrolle zunimmt. In diesen Fällen kann sich der Arbeitgeber nicht auf die grundsätzlich gerichtskontrollfreie Unternehmerentscheidung berufen, sondern muss vor Gericht entsprechend vortragen, wie sein Konzept aussieht, dauerhaft mit weniger Arbeitnehmern die Arbeitsmenge zu bewältigen. Der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts vom 17.6.1999 ist zuzustimmen. Der Unternehmerfreiheit auf der prozessualen Ebene Grenzen zu ziehen, je nachdem wie hoch die Missbrauchsgefahr ist, entspricht praktischer Konkordanz. Aus der Normstruktur des § 1 Abs. 2 KSchG ergibt sich dagegen nicht der Grundsatz der reduzierten Überprüfbarkeit unternehmerischer Entscheidungen. Ferner stellt der Verweis auf die betriebsverfassungsrechtlichen Normen, insbesondere auf §§ 111 ff. BetrVG, kein plausibles Argument für die eingeschränkte richterliche Prüfungskompetenz unternehmerischer Entscheidungen dar, da der individuelle Kündigungsschutz unabhängig von kollektivrechtlichen Vorschriften zu betrachten ist. § 2 Abs. 2 Nr. 2 SGB III (n.F.) gebietet ebenfalls keine darüber hinausgehende Auslegung, sondern bekräftigt nur den im KSchG bereits verankerten ultima-ratio-Grundsatz. Allein die Annahme der Überforderung der Richter und das Argument, dass der Arbeitgeber das wirtschaftliche Risiko seiner unternehmerischen Entscheidungen trage, sind nicht überzeugend, um die eingeschränkte gerichtliche Kontrolle zu rechtfertigen. Zu beachten ist jedoch, dass sich wirtschaftliche Entscheidungen häufig als Wagnisse der Markteinschätzung darstellen und auf rechnerisch unkalkulierbaren Faktoren beruhen, so dass es aufgrund fehlender Maßstäbe nicht möglich ist, unternehmerische Entscheidungen immer gerecht zu beurteilen.

Zweiter Teil: § 8 Dringende betriebliche Erfordernisse

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§ 8 Dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers entgegenstehen A. Kausaler Wegfall des Arbeitsplatzes Dringende betriebliche Erfordernisse stehen dann einer Weiterbeschäftigung eines Arbeitnehmers entgegen, wenn die Umsetzung oder eingeleitete Durchführung der getroffenen unternehmerischen Entscheidung im Betrieb zum Wegfall einer Beschäftigungsmöglichkeit führt 1 . Kurz gesagt: Die Gerichte überprüfen, ob die Unternehmerentscheidung zum Wegfall des Arbeitsplatzes in diesem Betrieb geführt hat.

I. Wegfall des Arbeitsplatzes § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG fordert, dass dringende betriebliche Erfordernisse einer Weiterbeschäftigung entgegenstehen. Die Wirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung setzt also umgangssprachlich ausgedrückt, den kausalen Wegfall eines Arbeitsplatzes voraus. Der Begriff „Wegfall des Arbeitsplatzes“ hat sich als sinnbildliche Ausdrucksweise 2 etabliert und bedeutet, dass für einen Arbeitnehmer kein Beschäftigungsbedarf mehr besteht 3 . Es kommt nicht darauf an, ob ein bestimmter Arbeitsplatz weggefallen ist 4 . Entscheidend ist, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nicht mehr vertragsgemäß beschäftigen kann 5 . Nur im Einzelfall werden der konkrete Arbeitsplatz und die Beschäftigungsmöglichkeit identisch sein. Zur Illustration kann das von Berkowsky ge-

___________ 1 Ascheid, KSchR, Rn. 236; v.Hoyningen-Huene, NZA 1994, 1009, 1011; v.Hoyningen-Huene/Linck, KSchG, § 1 Rn. 372; U. Preis, NZA 1995, 241, 243. 2 ErfK/Ascheid, § 1 KSchG Rn. 377; Berkowsky, S. 101; Stahlhacke/Preis/Vossen, Rn. 956. 3 BAG v. 30.5.1985, AP Nr. 24 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung m. Anm. Schmidt; BAG v. 15.6.1989, AP Nr. 45 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung; Ascheid, DB 1987, 1144, 1148; ErfK/Ascheid, § 1 KSchG Rn. 377; Schaub, AH, § 131 Rn. 11 S. 1495. 4 ErfK/Ascheid, § 1 KSchG Rn. 377; Bitter, DB 1999, 1214; v.HoyningenHuene/Linck, KSchG, § 1 Rn. 372 a; APS/Kiel, § 1 KSchG Rn. 477; Kittner/Däubler/ Zwanziger, § 1 KSchG Rn. 275; Schaub, AH, § 131 Rn. 11 S. 1495; Stahlhacke/ Preis/Vossen, Rn. 956; anders jedoch noch BAG v. 7.12.1978, BAGE 31, 157 ff. 5 BAG v. 13.11.1997, AP Nr. 169 zu § 613 a BGB; ErfK/Ascheid, § 1 KSchG Rn. 377; Berkowsky, S. 101.

A. Kausaler Wegfall des Arbeitsplatzes

225

gebene Beispiel 6 herangezogen werden: Fällt das einzige Taxenfahrzeug eines Taxiunternehmens aufgrund eines Totalschadens aus und wird kein Ersatzfahrzeug eingesetzt, so sind gleichzeitig der konkrete Arbeitsplatz und die Beschäftigungsmöglichkeit des Taxifahrers weggefallen. In den meisten Fällen ist jedoch der Wegfall des Arbeitsplatzes nicht so plastisch zu erfassen, weil kein Platz in greifbarer Form wegfällt. Nachfolgend wird ein Beispiel aufgezeigt, in dem der konkrete Platz nicht wegfällt: Das Büro, in dem die Sekretärin normalerweise arbeitet, ist noch komplett eingerichtet vorhanden. Allerdings müssen nur noch so wenige Schreiben angefertigt werden, dass der Unternehmer entschieden hat, zukünftig auf eine Sekretärin verzichten zu können. Der Unternehmer kann hier die mit dem konkreten Arbeitsplatz verbundene Beschäftigung nicht mehr gebrauchen. Eine Sekretärin kann also nicht mehr vertragsgerecht eingesetzt werden. Damit ist eine Beschäftigungsmöglichkeit entfallen, obwohl der konkrete Arbeitsplatz noch vorhanden ist. Eine Beschäftigungsmöglichkeit fällt weg, wenn Identität und Kontinuität des bisherigen Arbeitsplatzes verändert worden sind, beispielsweise weil der Arbeitgeber die bisherige Arbeit umstrukturiert hat 7 . Identität und Kontinuität des Arbeitsplatzes bestimmt der Unternehmer. Im Übrigen gibt zur Änderung des Arbeitsplatzes unter Umständen auch der Stellenplan Auskunft, der die Tätigkeit an einem Arbeitsplatz nach abstrakten Merkmalen umschreibt. Weiterhin kann anhand der Stellenbewertung und der Vergütung des einschlägigen Tarifvertrages festgestellt werden, ob der Arbeitsplatz noch den gleichen Anforderungen unterliegt. Sind beispielsweise aufgrund einer Umstrukturierung die Arbeitsaufgaben anspruchsvoller als bisher und werden demgemäß nach dem Tarifvertrag höher vergütet, so ist die Identität mit dem bisherigen Arbeitsplatz nicht mehr gegeben. Der bisherige Arbeitsplatz ist weggefallen 8 . Die Identität des Arbeitsplatzes ist auch dann nicht mehr gegeben, wenn der Unternehmer sich entscheidet, bestimmte Tätigkeiten nicht weiterhin durch angestellte Arbeitnehmer, sondern durch freie Mitarbeiter erledigen zu lassen 9 . Bei einer betriebsbedingten Kündigung ist grundsätzlich zu prüfen, ob die Umsetzung der unternehmerischen Entscheidung im Betrieb zu einer dauerhaf___________ 6

Berkowsky, S. 101.

7

BAG v. 10.11.1994, AP Nr. 65 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung; BAG v. 5.10.1995, BAGE 81, 86, 100; ähnlich BAG v. 30.8.1995, AP Nr. 5 zu § 99 BetrVG 1972 Versetzung; vgl. dazu eingehend v.Hoyningen-Huene/Linck, KSchG, § 1 Rn. 373; v.Hoyningen-Huene, NZA 1994, 1009, 1010. 8 9

v.Hoyningen-Huene/Linck, KSchG, § 1 Rn. 373 b.

v.Hoyningen-Huene/Linck, KSchG, § 1 Rn. 373; vgl. dazu die „Weight-Watchers“Entscheidung des BAG v. 9.5.1996, BAGE 83, 127 ff.

226

Zweiter Teil: § 8 Dringende betriebliche Erfordernisse

ten Verringerung der Beschäftigungsmöglichkeiten und damit zu einer Überkapazität von Arbeitskräften führt 10 . Teilweise wird verlangt, dass sich das Arbeitsvolumen aufgrund der unternehmerischen Entscheidung verringert haben müsse 11 . In vielen Fällen wird dies auch so sein, aber eine zwingende Voraussetzung für die Rechtfertigung einer betriebsbedingten Kündigung ist dies nicht. So kann zum Beispiel in den Fällen der Leistungsverdichtung eine Kündigung wirksam sein, wenn der Unternehmer beschlossen hat, dass die unveränderte Arbeitsmenge anstelle von zehn Arbeitnehmern zukünftig mit neun Arbeitnehmern bewältigt werden kann 12 . Solch eine auf Leistungsverdichtung gerichtete Unternehmerentscheidung ist allerdings nur wirksam, wenn die übrig bleibenden Arbeitnehmer im Rahmen ihrer Verträge nicht überstrapaziert werden. Ein anderes Beispiel besteht, wenn eine neu eingesetzte Maschine eine gewisse Arbeitsmenge erledigt und insofern eine Beschäftigungsmöglichkeit entfällt. Auch hier hat sich an dem Arbeitsvolumen nichts geändert und dennoch kann eine betriebsbedingte Kündigung sozial gerechtfertigt sein. Letztlich entscheidend ist also nicht die Verringerung der Arbeitsmenge, sondern die Verringerung der Beschäftigungsmöglichkeiten. Einen Sonderfall stellt die Unternehmerentscheidung der Personalreduzierung dar, da hier die Unternehmerentscheidung und der Wegfall von Arbeitsplätzen zusammenfallen, so dass keine Zwischenschritte im Sinne einer Kausalität von Unternehmerentscheidung und Wegfall des Arbeitsplatzes vorhanden sind. Gleichwohl kann die Entscheidung der Personalreduzierung eine betriebsbedingte Kündigung rechtfertigen. In diesem Fall muss der Arbeitgeber aber sein Konzept, wie er dauerhaft mit weniger Personal arbeiten möchte, darlegen und beweisen 13 .

___________ 10 BAG v. 30.5.1985, AP Nr. 24 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung m. Anm. Schmidt; BAG v. 15.6.1989, AP Nr. 45 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung; Ascheid, KSchR, Rn. 233 f.; APS/Kiel, § 1 KSchG Rn. 477; v.HoyningenHuene/Linck, KSchG, § 1 Rn. 372 a; Stahlhacke/Preis/Vossen, Rn. 956. 11

So z. B. Ascheid, KSchR, Rn. 244; ebenso LAG Düsseldorf v. 18.11.1997, LAGE § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 46; krit. hierzu Stahlhacke, DB 1994, 1361 ff. 12 In diesem Sinne auch BAG v. 27.4.1997, BAGE 85, 358, 363; bestätigt durch BAG v. 7.5.1998, BAGE 88, 375, 385; Stahlhacke, DB 1994, 1361, 1363; a. A. Ascheid, DB 1987, 1144, 1146; U. Preis, NZA 1995, 241, 245 und 247; ders., NZA 1997, 1073, 1080. 13

Siehe BAG v. 17.6.1999 – 2 AZR 141/99 –, BAGE 92, 71 ff.; BAG v. 17.6.1999 – 2 AZR 522/98 –, BAGE 92, 61 ff.; BAG v. 17.6.1999 – 2 AZR 456/98 –, BAGE 92, 79 ff.; siehe dazu Zweiter Teil § 5 F., S. 98 ff. und § 6 F., S. 141 ff.

A. Kausaler Wegfall des Arbeitsplatzes

227

Die Feststellung, dass aufgrund einer unternehmerischen Entscheidung eine gewisse Anzahl von Beschäftigungsmöglichkeiten entfallen ist, beinhaltet noch nicht die Festlegung, welche konkreten Arbeitnehmer entlassen werden müssen. Wie sich die Verringerung der Beschäftigungsmöglichkeiten auf die Belegschaft auswirkt, ist eine Frage der sozialen Auswahl gemäß § 1 Abs. 3 KSchG 14 . Die unternehmerische Entscheidung gibt allerdings eine gewisse Vorgabe, welche Gruppe vergleichbarer Arbeitnehmer in die Sozialauswahl einzubeziehen ist. Von diesem Prüfungspunkt „Wegfall des Arbeitsplatzes“ ist der später auch noch zu überprüfende Punkt der „Weiterbeschäftigung auf einem anderen Arbeitsplatz“ im Sinne des § 1 Abs. 2 Nr. 1 b KSchG zu unterscheiden. Dieser zweite Prüfungspunkt meint unter Umständen auch eine Weiterbeschäftigung aufgrund eines geänderten Arbeitsvertrages und setzt zunächst den Wegfall der bislang vertragsgemäßen Beschäftigung voraus 15 .

II. Berücksichtigung der Vertrags- und Betriebsfaktoren Bei der Berechnung des Wegfalls von Beschäftigungsmöglichkeiten sind die Vertrags- und Betriebsfaktoren zu berücksichtigen 16 . Diese Kategorisierung ist zwar nicht von rechtlicher Relevanz, jedoch geeignet, dem Sachverhalt, der zum Wegfall von Arbeitsplätzen führt, Transparenz zu verleihen und Zusammenhänge zu verdeutlichen. Insofern kann ihr auch Bedeutung hinsichtlich der Darlegungs- und Beweislast zukommen 17 .

1. Vertragsfaktoren Die Berücksichtigung der Vertragsfaktoren meint, dass die vertraglichen Bindungen des Unternehmers bei der Berechnung des Wegfalls von Beschäftigungsmöglichkeiten zu beachten sind. Die zu berücksichtigenden Vertragsfak___________ 14

Vgl. BAG v. 30.5.1985, AP Nr. 24 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung m. Anm. Schmidt; LAG Hamm v. 30.6.1989, LAGE § 1 KSchG Soziale Auswahl Nr. 5; BAG v. 10.11.1994, AP Nr. 65 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung; BAG v. 15.12.1994, BAGE 79, 66, 72; siehe auch Stahlhacke/Preis/Vossen, Rn. 956. 15 Vgl. Berkowsky, S. 101; siehe dazu auch die noch folgenden Ausführungen im Zweiten Teil § 8 C. I., S. 267 ff. 16 Dazu ausführlich Ascheid, KSchR, Rn. 240 ff.; vgl. auch Kittner/Däubler/Zwanziger, § 1 KSchG Rn. 274; eingehend ferner Schaub, BB 1993, 1089, 1091. 17 Kittner/Däubler/Zwanziger, § 1 KSchG Rn. 274.

228

Zweiter Teil: § 8 Dringende betriebliche Erfordernisse

toren setzen sich aus mehreren Einzelaspekten zusammen 18 . Für die Frage, welche vergleichbaren Arbeitnehmer potentiell von der anstehenden Kündigung betroffen sind, sind zunächst die aktuellen Vertragsinhalte der jeweiligen Arbeitnehmer zu berücksichtigen. Dies ist die so genannte betriebliche Auswahl 19 , die nicht zu verwechseln ist mit der sozialen Auswahl. Jeder Arbeitnehmer ist nach seinen vertraglich festgelegten Aufgaben einzusetzen. Entscheidend ist, mit welcher Tätigkeit der jeweilige Arbeitnehmer zuletzt befasst war 20 . Fallen Beschäftigungsmöglichkeiten weg, so muss der Arbeitgeber zunächst aus der Gesamtzahl der Arbeitnehmer die Gruppe derjenigen ermitteln, deren Tätigkeiten mit den verringerten Beschäftigungsmöglichkeiten vertraglich in Bezug stehen 21 . Fällt zum Beispiel eine Beschäftigungsmöglichkeit für einen von mehreren Schlossern weg, so ist eben nicht ein Arbeitsplatz eines Gabelstaplerfahrers weggefallen. Nur in dem Ausnahmefall, dass in einem Betrieb nur gleichartige Beschäftigungsmöglichkeiten vorhanden sind, ist die Gesamtzahl der Arbeitnehmer von der anstehenden Kündigung betroffen 22 . Sodann ist die Arbeitsdichte von Bedeutung 23 . Hat sich ein Arbeitgeber zu einer so genannten Leistungsverdichtung entschieden, so hat er den Umfang der arbeitsvertraglichen Verpflichtungen der Arbeitnehmer zu berücksichtigen. Der Arbeitgeber hat zu beachten, dass die Arbeitsmenge von der entsprechend verringerten Anzahl der Arbeitnehmer bewältigt werden kann. Nur in diesem Rahmen kommt ein Wegfall von Beschäftigungsmöglichkeiten in Betracht. Der Arbeitgeber kann sich ansonsten dafür entscheiden, dauerhaft mit weniger Arbeitnehmern zu arbeiten und gleichzeitig die Arbeitsmenge zu verringern, damit die noch vorhandenen Arbeitnehmer nicht überlastet sind. Schließlich sind die Beschäftigungsmöglichkeiten auch unter Berücksichtigung von Drittbeziehungen zu ermitteln 24 . Unter Drittbeziehungen sind zum Beispiel die vertraglichen Beziehungen des Unternehmers zu Lieferanten oder zu Kunden zu verstehen.

___________ 18

Dazu Schaub, AH, § 131 Rn. 14 ff. S. 1496. Vgl. Wank, RdA 1987, 129, 138 ff. 20 ErfK/Ascheid, § 1 KSchG Rn. 387. 21 ErfK/Ascheid, § 1 KSchG Rn. 386. 22 ErfK/Ascheid, § 1 KSchG Rn. 386. 23 ErfK/Ascheid, § 1 KSchG Rn. 389; Schaub, AH, § 131 Rn. 16 S. 1496. 24 Schaub, AH, § 131 Rn. 17 S. 1496. 19

A. Kausaler Wegfall des Arbeitsplatzes

229

2. Betriebsfaktoren Die Beschäftigungsmöglichkeiten lassen sich ferner nur unter Berücksichtigung der so genannten Betriebsfaktoren ermitteln. Zu den Betriebsfaktoren zählen die technischen und rechtlichen Rahmenbedingungen eines Betriebes 25 . So werden beispielsweise Arbeitszeiten durch Gesetz oder Tarifvertrag festgelegt. Ist für eine konkrete Arbeitsmenge eine bestimmte Arbeitszeit nötig, so errechnet sich daraus, wie viele Arbeitskräfte einzusetzen sind 26 . Ferner ist bei der Berechnung der Beschäftigungsmöglichkeiten als feste Größe die technische Ausrüstung eines Betriebes einzubeziehen, wie zum Beispiel die Maschinengeschwindigkeit 27 .

III. Kausalität Die Unternehmerentscheidung muss für den Wegfall der Arbeitsmöglichkeit und somit für die Kündigung ursächlich sein 28 . Das Kausalitätserfordernis folgt unmittelbar aus dem Gesetz, da die dringenden betrieblichen Erfordernisse die Kündigung „bedingen“ 29 und „einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen“ müssen 30 . Unabhängig davon, welche Unternehmerentscheidung der Arbeitgeber als Ursache für die betriebsbedingte Kündigung angibt, muss er vortragen, wie sie sich mittelbar bzw. unmittelbar auf den Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit des gekündigten Arbeitnehmers auswirkt 31 .

___________ 25

Schaub, AH, § 131 Rn. 18 S. 1496. Schaub, AH, § 131 Rn. 19 S. 1496. 27 Schaub, AH, § 131 Rn. 20 S. 1496. 28 LAG Köln v. 27.7.1994, NZA 1995, 634. 29 Zum Begriff „bedingt“ vgl. Galperin, BB 1954, 1117, 1119; Kunkel, NJW 1953, 447 ff. 30 Stahlhacke/Preis/Vossen, Rn. 955. 31 BAG v. 7.12.1978, BAGE 31, 157 ff.; BAG v. 30.5.1985, AP Nr. 24 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung m. Anm. Schmidt; BAG v. 10.9.1986, EzA Nr. 54 zu § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung; BAG v. 13.3.1987, BAGE 54, 248, 359; BAG v. 17.6.1999 – 2 AZR 141/99 –, BAGE 92, 71 ff. und BAG v. 17.6.1999 – 2 AZR 522/98 –, BAGE 92, 61 ff.; Stahlhacke/Preis/Vossen, Rn. 955. 26

Zweiter Teil: § 8 Dringende betriebliche Erfordernisse

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B. Dringende betriebliche Erfordernisse Obwohl der Hattenheimer Entwurf noch die Formulierung „zwingende betriebliche Erfordernisse“ enthielt, wurden in das Kündigungsschutzgesetz vom 10.8.1951 die Voraussetzungen der „dringenden betrieblichen Erfordernisse“ aufgenommen. Man war der Auffassung, dies gewährleiste einen ausreichend wirksamen Schutz der Arbeitnehmer 32 . Der Bestandsschutz sollte sich „in den Grenzen des sozial und wirtschaftlich Vertretbaren“ bewegen 33 . Das KSchG sollte nicht Kündigungen aus triftigen Gründen blockieren, sondern nur die nicht hinreichend begründeten verhindern, also diejenigen, die die Betriebszugehörigkeit willkürlich beenden. Im Gegensatz zu den bestandsschützenden Normen des BRG 1920 und des AOG wurde auf das Merkmal der „unbilligen Härte“ verzichtet. Allein objektive Gesichtspunkte sollten für die Ermittlung eines Kündigungsgrundes bedeutend sein. Der Begriff der „dringenden betrieblichen Erfordernisse“ wird vom Gesetz nicht näher beschrieben. Es gibt weder eine Legaldefinition noch aufgeführte Beispielsfälle. Der Begriff ist zunächst als Gegensatz zur personen- bzw. verhaltensbedingten Kündigung im Gesetz enthalten 34 . Die betriebsbedingte Kündigung ist also von der personen- und verhaltensbedingten Kündigung abzugrenzen. Es handelt sich dann um eine betriebsbedingte Kündigung, wenn die Ursache nicht im Verantwortungsbereich des Gekündigten liegt, sondern in dem des Kündigenden, also im betrieblichen Bereich 35 . Was im Einzelnen anhand der unbestimmten Begriffe der „dringenden betrieblichen Erfordernisse“ zu prüfen ist, bereitete von Anfang an große Schwierigkeiten. Der Beginn der Rechtsprechung zur betriebsbedingten Kündigung ist durch eine von Gesichtspunkten der Billigkeit getragene Einzelfallrechtsprechung geprägt 36 und lässt kaum ein nachvollziehbares System erkennen. In seiner Entscheidung vom 4.2.1960 beispielsweise erachtete das Bundesarbeitsgericht eine betriebsbedingte Kündigung als sozial gerechtfertigt, wenn die betrieblichen Gründe die Kündigung bei verständiger Würdigung in Abwägung der Interessen der Vertragsparteien und des Betriebes als billigenswert und angemessen erscheinen ließen. Das Recht der betriebsbedingten Kündigung wur___________ 32

Stahlhacke, DB 1994, 1361; Stein, BB 2000, 457, 460; vgl. dazu auch vor allem Zweiter Teil § 4 E., S. 63 ff. 33

Begründung des Regierungsentwurfs zum KSchG RdA 1951, 63, 64.

34

Berkowsky, S. 100.

35

Berkowsky, S. 100.

36

So auch APS/Kiel, § 1 KSchG Rn. 457.

B. Dringende betriebliche Erfordernisse

231

de daher von Beginn an aufgrund der mangelnden Konturen 37 und der „emotionalen Methodenlosigkeit des Abwägens“ 38 kritisiert. U. Preis 39 , der sich mit den Prinzipien des Kündigungsrechts eingehend auseinandergesetzt hat, wirft der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts vor, dass sie als Auslöser dafür gesorgt habe, dass der Rechtssuchende in „ein unglaubliches Gestrüpp allgemeiner Formulierungen“ gerate. Das Bundesarbeitsgericht habe in den Anfangsjahren „die Allgemeinprinzipien Interessenabwägung, Zumutbarkeit, Verhältnismäßigkeit, Billigkeit, Angemessenheit und Gerechtigkeit in einem Sachzusammenhang verwendet, sich mal den einen und mal den anderen Obergesichtspunkt“ herausgegriffen „und diese Maximen mit wechselseitigen Zitaten gegenseitig zu legitimieren versucht“ 40 . Das Schrifttum hat sich daran orientiert und zum Teil die verwirrenden Ausführungen der Rechtsprechung übernommen. Beispielhaft weist U. Preis 41 auf die Beschreibung des Verhältnismäßigkeitsprinzips von Pachtenfels 42 hin. Die Anwendung besonders einschneidender Mittel sei nur dann „billigenswert“, wenn dies zur Zweckerreichung „unabweisbar notwendig“ sei und sich innerhalb einer „umfassenden Interessenabwägung als angemessen“ erweise.

I. Unbestimmte Rechtsbegriffe und Generalklauseln Es ist bemerkenswert, dass der Gesetzgeber des Kündigungsschutzgesetzes genauso wie schon die Gesetzgeber des § 84 Ziff. 4 BRG 1920 und des § 56 AOG wieder eine generalklauselartige Regelung gewählt hat, die sprachlich und begrifflich schwer zu erfassen ist. Dies ist nur insofern erklärlich, als dass die Vielfalt der Möglichkeiten, die für die Beurteilung der Sozialwidrigkeit einer betriebsbedingten Kündigung von Bedeutung sein können, den Gesetzgeber des KSchG dazu angehalten hat, keine kasuistische Ausgestaltung des Tatbestandes vorzunehmen, sondern sich wiederum einer Generalklausel bzw. unbestimmter Rechtsbegriffe zu bedienen. Generalklauseln ermöglichen es dank ihrer allgemeinen Fassung, „eine größere Gruppe von Sachverhalten lückenlos und anpassungsfähig einer Rechtsfolge zu unterwerfen“, während eine kasui___________ 37

APS/Kiel, § 1 KSchG Rn. 457. Herschel, FS G. Müller, 1981, 191, 205. 39 U. Preis, Prinzipien, S. 260 f. 40 U. Preis, Prinzipien, S. 261; so im Ergebnis auch Bitter/Kiel, RdA 1994, 333 ff.; vgl. ferner Feudner, DB 2000, 474, 478. 41 U. Preis, Prinzipien, S. 260. 42 Pachtenfels, BB 1983, 1479. 38

232

Zweiter Teil: § 8 Dringende betriebliche Erfordernisse

stische Aufzählung von Sachverhalten Gefahr läuft, „den Rechtsstoff nur fragmentarisch und vorläufig zu bewältigen“ 43 . Über Notwendigkeiten und Gefahren von unbestimmten Rechtsbegriffen und Generalklauseln wurde sich schon viel auseinandergesetzt 44 . Sie sind notwendig, weil die unterschiedlichsten Lebenssachverhalte unmöglich im Einzelnen geregelt werden können. Sie sind gefährlich, weil ein hoher Bereich an Ungewissheit bei der Gesetzesauslegung bestehen bleibt, so dass auch ungewollte Überlegungen bei der Rechtsfindung einfließen können. Generalklauseln sind offen gelassene Stellen des Gesetzgebers und somit Delegationsnormen, durch die die Normsetzung den Gerichten zugewiesen wird. Die Begriffe „Generalklausel“ und „unbestimmter Rechtsbegriff“ werden stets ohne Differenzierung in einem Atemzug genannt, was aber unpräzise ist, da durchaus Unterschiede vorhanden sind. Zu untersuchen ist deshalb zunächst, in welche Kategorie die Formel der „dringenden betrieblichen Erfordernisse“ gehört. Die Begriffe der „Generalklausel“ und des „unbestimmten Rechtsbegriffs“ sind „benachbarte Kategorien“ 45 und mitunter nur schwer voneinander abzugrenzen 46 . Die Generalklausel umreißt grundsätzlich in ihrer Allgemeinheit eine Vielzahl von unvorhergesehenen Sachverhalten, zeichnet sich in ihrer Begrifflichkeit durch ein hohes Abstraktionsniveau aus, beinhaltet keinen eindeutigen Begriffskern und bedarf ethisch-moralischer Wertentscheidungen für die Anwendung auf konkrete Einzelfälle 47 . Häufig erfolgt die Präzisierung durch Fallgruppenbildung 48 . Generalklauseln dienen der Fortentwicklung und Anpassungsfähigkeit des Rechts 49 . Der unbestimmte Rechtsbegriff dagegen beinhaltet einen festen Begriffskern im Sinne einer positiven oder negativen Gewissheit, von dem aus ein weiter gehender Bedeutungsspielraum erschlossen werden kann. Unbestimmte Rechtsbegriffe sind durch eine gewisse Bestimmbarkeit aufgrund der herkömmlichen Auslegungsmethoden ___________ 43

Engisch, S. 160; Diekhoff, ArbuR 1957, 197 ff. Vgl. u. a. Beater, AcP 194 (1994), 82 ff.; Diederichsen, Die Flucht des Gesetzgebers aus der politischen Verantwortung, S. 5 ff.; Engisch, S. 156 ff. m.w.N.; Rüthers, Unbegrenzte Auslegung, S. 213 ff.; Weber, AcP 192 (1992), 516 ff. 45 Rüthers, Unbegrenzte Auslegung, S. 212. 46 Vgl. R. Weber, AcP 192 (1992), 516, 523. 47 Eine allgemeingültige Definition ist nicht vorhanden, es gibt aber einige recht ähnliche Umschreibungen des Begriffs der Generalklausel; vgl. Engisch, S. 160 ff.; Rüthers, Unbegrenzte Auslegung, S. 212 f.; U. Preis, Prinzipien, S. 98 ff.; vgl. dazu auch R. Weber, AcP 192 (1992), 516, 522 ff. m.w.N. 48 Dazu krit. R. Weber, AcP 192 (1992), 516, 525 ff. 49 Beater, AcP 194 (1994), 82, 89. 44

B. Dringende betriebliche Erfordernisse

233

geprägt 50 . Die Begriffe der „dringenden betrieblichen Erfordernisse“ enthalten in diesem Sinne einen „Begriffskern“, denn Sachverhalte können zunächst daraufhin untersucht werden, ob eine Kündigung nicht verhaltens- oder personenbedingt, sondern betriebsbedingt ist, der Kündigungsgrund also in der Sphäre des Arbeitgebers wurzelt. Somit gibt es einen Bereich des sicheren Beurteilens, so dass die „dringenden betrieblichen Erfordernisse“ als unbestimmte Rechtsbegriffe und daher nicht als Generalklausel zu bewerten sind. Auch U. Preis 51 geht davon aus, dass es sich bei den „dringenden betrieblichen Erfordernissen“ um einen unbestimmten Rechtsbegriff handelt und nicht um eine Generalklausel. Er kritisiert die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, sie habe methodisch unsauber § 1 KSchG bei der Auslegung wie eine Generalklausel behandelt, indem sie auf außerrechtliche ethische Verhaltensanforderungen wie beispielsweise „billigenswert“ oder „angemessen“ zurückgegriffen habe. Es sei methodisch falsch, die „relativ konkrete Begrifflichkeit“ mit Formulierungen erläutern zu wollen, die auf einer höheren Abstraktionsstufe stehen. Damit seien „generalklauselartige Spielräume“ eröffnet worden, die der Gesetzgeber aber nicht vorgesehen hatte. Diese methodisch falsche Rechtsprechung hätte mit zur allgemeinen Verwirrung beigetragen.

II. Bestimmtheitsgrundsatz Da das Recht der betriebsbedingten Kündigung von Beginn an in seiner Anwendung derartige Schwierigkeiten bereitet hat, stellt sich die Frage, ob § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG möglicherweise gegen das aus dem Grundgesetz zu entnehmende Bestimmtheitsgebot 52 verstößt. Nur ein Gesetz, das die Merkmale Klarheit, Bestimmtheit, Verständlichkeit und Praktikabilität erfüllt, ermöglicht dem Anwender, sein Verhalten danach auszurichten und substantiiert in Frage zu stellen 53 . Die Herleitung des Bestimmtheitsgebotes wird grundsätzlich auf den individuellen Grundrechtsschutz und auf allgemeine Verfassungsgrundsätze zurückgeführt 54 , insbesondere auf das Rechtsstaatsprinzip, auf das Demo-

___________ 50

U. Preis, Prinzipien, S. 98 ff.

51

U. Preis, Prinzipien, S. 100 ff.

52

Vgl. zum Bestimmtheitsgebot Papier/Möller, AöR 122 (1997), 177, 178.

53

Papier/Möller, AöR 122 (1997), 177, 181.

54

Für Strafgesetze gilt Art. 103 Abs. 2 GG; für Verordnungen legt Art. 80 Abs. 1 S. 2 GG fest, dass die zum Verordnungserlass ermächtigenden Gesetze nach Inhalt, Zweck und Ausmaß bestimmt sein müssen.

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Zweiter Teil: § 8 Dringende betriebliche Erfordernisse

kratieprinzip und auf die Forderung der Rechtssicherheit und der Vorhersehbarkeit staatlichen Handelns 55 . Das Bestimmtheitsgebot wendet sich grundsätzlich an den Gesetzgeber. Fraglich ist, welche Anforderungen an die Bestimmtheit im Einzelfall zu stellen sind. Die Anwendbarkeit des Bestimmtheitsgrundsatzes ist schwierig, da sein Inhalt nicht deutlich konturiert ist. Im Grundgesetz sind keine ausdrücklichen Anforderungen an die Klarheit und Deutlichkeit der Gesetze enthalten 56 . Das Bundesverfassungsgericht verlangt, dass der Normunterworfene die Rechtslage so konkret erkennen können muss, dass er sein Verhalten danach auszurichten vermag 57 . Dem Gesetzgeber kann aber keine höhere Bestimmtheit abverlangt werden als es gesetzestechnisch noch möglich und zur Erreichung des gesetzgeberischen Ziels regelungsbereichsspezifisch geeignet ist. Der Gesetzgeber muss das schaffen, was nach „generell-abstrakter Regelung praktisch möglich ist“ 58 . Er muss die Normen so bestimmt formulieren, „wie dies nach der Eigenart der zu ordnenden Lebenssachverhalte und mit Rücksicht auf den Normzweck möglich ist“ 59 . Der Gesetzgeber darf generell auf „unbestimmte Rechtsbegriffe“ zurückgreifen 60 . Allerdings verringert dies die Rechtssicherheit und bedarf daher grundsätzlich einer Rechtfertigung. Die Begründung, die Regelung mit „unbestimmten Rechtsbegriffen“ sei notwendig, um das Gebot der „inhaltlichen Richtigkeit ... der Entscheidung im Einzelfall“ einzuhalten, beinhaltet oft einen Zirkelschluss, denn die Gefahr besteht genau darin, dass eben die inhaltliche Richtigkeit einer Einzelfallentscheidung nicht mehr gewährleistet werden kann 61 . Auch das Argument, dass der Gesetzgeber eine große Sachverhaltsvielfalt zu regeln hat, rechtfertigt nicht ohne weiteres die Unbestimmtheit der Regelung, wenn diese Schwierigkeit durchaus durch Aufteilung des Komplexes in mehrere Abschnitte gelöst werden kann 62 . Eine offene Formulierung kann auch nicht durch Bequemlichkeit oder Furcht vor politischer Auseinan___________ 55

Papier/Möller, AöR 122 (1997), 177, 178 ff., insbesondere 184. BVerfG v. 11.2.1976, BVerfGE 41, 314, 320; BVerfG v. 26.9.1978, BVerfGE 49, 168, 181. 57 BVerfG v. 27.11.1990, BVerfGE 83, 130, 145 m.w.N. 58 BVerfG v. 25.3.1981, BVerfGE 57, 9, 22. 59 BVerfG v. 26.9.1978, BVerfGE 49, 168, 181; BVerfG v. 24.11.1981, BVerfGE 59, 104, 114. 60 BVerfG v. 12.11.1958 (Preisgesetz I), BVerfGE 8, 274, 326; BVerfG v. 11.2.1976, BVerfGE 41, 314, 319 f.; BVerfG v. 11.1.1994, BVerfGE 90, 1, 16. 61 Papier/Möller, AöR 122 (1997), 177, 187. 62 Papier/Möller, AöR 122 (1997), 177, 200. 56

B. Dringende betriebliche Erfordernisse

235

dersetzung gerechtfertigt werden 63 . Dagegen begründet unter Umständen der Aspekt der schnelleren Anpassbarkeit an neue Entwicklungen die Verwendung von „unbestimmten Rechtsbegriffen“ und damit die Delegation der Konkretisierung an die Rechtsprechung. Die Rechtsprechung kann schneller und flexibler auf unvorhergesehene Konstellationen reagieren als der Gesetzgeber 64 . Das Bestimmtheitsgebot richtet sich auch an die rechtsprechende Gewalt. Die Arbeit der Rechtskonkretisierung von „unbestimmten Rechtsbegriffen“ wird sozusagen zwischen Legislative und Judikative aufgeteilt 65 . Die Rechtsprechung trägt durch Konkretisierung der „unbestimmten Rechtsbegriffe“ und durch eine einheitliche Rechtsprechung zur Rechtssicherheit bei. Die Gleichmäßigkeit des Normenvollzugs ist grundrechtlich geboten. Für die Entwicklung der Konkretisierung ist ein großzügiger Zeitraum zu gewähren, in dem ein bestimmter Grad an Profilbildung erreicht werden kann. Der Zeitraum von Vorgängergesetzen ist dabei mit einzubeziehen 66 . Verbleibt eine gewisse Restunsicherheit, so ist diese hinzunehmen, wenn sie nicht stark ins Gewicht fällt 67 . Die Rechtsprechung muss bei der Konkretisierung „unbestimmter Rechtsbegriffe“ jedenfalls die Klarheit gegenüber dem Gesetzeswortlaut erhöhen. Eine sich im Laufe der Zeit festigende Rechtsprechung lässt die Rechtssicherheit wachsen und kann somit die Bedenken gegen einen „unbestimmten Rechtsbegriff“ entkräften 68 . Ob ein „unbestimmter Rechtsbegriff“ dem Bestimmtheitsgrundsatz noch entspricht, hängt von verschiedenen Umständen ab. Je intensiver die zu überprüfende Norm in Grundrechte eingreift bzw. aufgrund der Norm in diese eingegriffen werden kann, desto höher sind die Anforderungen an die Bestimmtheit 69 . Auch kommt es darauf an, welches Grundrecht das betreffende Gesetz berührt. Innerhalb der Grundrechte kann entsprechend ihrer Einschränkbarkeit differenziert werden. So muss etwa ein die Berufsausübungsfreiheit tangierendes Gesetz einem weniger strengen Bestimmtheitsgebot genügen als ein in die Berufswahlfreiheit eingreifendes Gesetz. Vorausset___________ 63

Papier/Möller, AöR 122 (1997), 177, 200. Papier/Möller, AöR 122 (1997), 177, 206; vgl. allerdings die Rechtsprechung des BAG v. 20.11.1990, BAGE 66, 228, 240 und des BGH v. 25.3.1991, BGHZ 114, 127, 136 f., die einen Vertrauensschutz gegenüber der Korrektur bzw. Neuentwicklung der Rechtsprechung zugebilligt hat. 65 Papier/Möller, AöR 122 (1997), 177, 191. 66 Papier/Möller, AöR 122 (1997), 177, 191. 67 Papier/Möller, AöR 122 (1997), 177, 191. 68 Papier/Möller, AöR 122 (1997), 177, 190. 69 BVerfG v. 27.11.1990, BVerfGE 83, 130, 145. 64

Zweiter Teil: § 8 Dringende betriebliche Erfordernisse

236

zung für die Verwendung eines „unbestimmten Rechtsbegriffs“ ist, dass die damit verbundenen Auslegungsprobleme zum Beispiel durch Gewohnheitsrecht oder durch die Rechtsprechung zu Vorgängernormen bereits klargestellt sind oder mit den herkömmlichen juristischen Methoden gelöst werden können 70 . Die Verwendung „unbestimmter Rechtsbegriffe“ mag gerechtfertigt sein, wenn in einem Rechtsgebiet zur Entscheidung eines Einzelfalles auf gebräuchliche oder gar verfassungsrechtliche Grundsätze zurückgegriffen werden kann. Als Indiz dafür, dass ein „unbestimmter Rechtsbegriff“ in der Auslegung, die er durch die Rechtsprechung erfahren hat, dem Bestimmtheitsgrundsatz nicht genügt, kann die uneinheitliche Rechtsanwendung gewertet werden, also die unterschiedliche rechtliche Beurteilung bei gleich gelagerten Sachverhalten. Ob der Gesetzgeber bei Normierung der betriebsbedingten Kündigung dem Bestimmtheitsgebot gerecht geworden ist, erscheint nach alledem äußerst fraglich. Er konnte zwar zunächst auf die zu den Vorgängergesetzen entwickelte Rechtsprechung zurückgreifen, aber diese war keineswegs gefestigt. Wie bereits erläutert 71 , kritisierte man bereits die gesetzgeberischen Formulierungen des BRG 1920 und des AOG. Zwar ist der Wortlaut des KSchG nicht mit diesen identisch, aber die unbestimmten Rechtsbegriffe der „dringenden betrieblichen Erfordernisse“ beinhalten gegenüber den Vorgängergesetzen auch kein Mehr an Klarheit und Bestimmtheit. Die sich nach Erlass des KSchG entwikkelnde Rechtsprechung förderte die Rechtssicherheit ebenfalls nicht in dem Maße, dass sie die Bedenken gegen die verwendeten unbestimmten Rechtsbegriffe hätte ausräumen können. Erst in den letzten Jahren kann eine gewisse Systematik und Kontinuität der Rechtsprechung festgestellt werden, obwohl auch heute durchaus nicht alle Fragezeichen beseitigt sind. Bei all dieser Kritik stellt sich natürlich die Frage, ob es dem Gesetzgeber möglich gewesen wäre, das Recht der betriebsbedingten Kündigung konkreter zu regeln. Zwar ist zuzugeben, dass es äußerst schwierig ist, einen für alle möglichen Fälle passenden Ausgleich des Interessenkonflikts zwischen Unternehmerfreiheit und Arbeitsplatzschutz zu regeln, aber es sind durchaus Regelungen denkbar, die dem Rechtsanwender mehr Anhaltspunkte gäben 72 , als es die spärliche Regelung der „dringenden betrieblichen Erfordernisse“ des § 1 Abs. 2 KSchG leistet. Der Forderung der rechtsstaatlichen Klarheit und Bestimmtheit entspricht die Regelung des § 1 Abs. 2 KSchG daher nur in einem unbefriedigenden Maße. ___________ 70

Papier/Möller, AöR 122 (1997) 177, 189 m.w.N.

71

Vgl. Zweiter Teil § 4 B., S. 43 ff. und C., S. 52 ff.

72

Vgl. hierzu z.B. den in jüngster Zeit vorgeschlagenen Regelungsentwurf von U. Preis, RdA 2003, 65, 76 ff.; vgl. auch den Entwurf am Ende dieser Arbeit auf S. 323.

B. Dringende betriebliche Erfordernisse

237

Das Bundesverfassungsgericht hat Gesetze jedoch nur in ganz vereinzelten Fällen wegen Verstoßes gegen das Bestimmtheitsgebot für nichtig erklärt 73 . Nur in Ausnahmefällen oder nur in extremen Fällen von Unvollkommenheit und Missverständlichkeit kann das Bestimmtheitsgebot zur Nichtigkeit eines Gesetzes führen 74 . Da im Recht der betriebsbedingten Kündigung auf einige Prinzipien zurückgegriffen werden kann, aufgrund derer Einzelfälle gelöst werden können, und da sich ferner Fallgruppen herausgebildet haben, die den größten Teil aller Sachverhalte abdecken dürften, dürfte § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG trotz aller Kritik nicht einen solchen Extremfall von Unvollkommenheit und Missverständlichkeit darstellen. Obwohl es wünschenswert wäre, dass der Gesetzgeber das Recht der betriebsbedingten Kündigung mit deutlich mehr Anhaltspunkten für den Rechtsanwender regelt, kann aber nicht von der Nichtigkeit des § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG wegen Verstoßes gegen das Bestimmtheitsgebot ausgegangen werden.

III. Abhängigkeit von weltanschaulich geprägten Vorverständnissen Generalklauseln und unbestimmte Rechtsbegriffe sind für den Einfluss politischer und ideologischer Wertungen besonders anfällig 75 . Gerade im Kündigungsrecht kann die Veränderlichkeit der Norminhalte innerhalb eines kurzen Zeitraumes im Zusammenhang mit einem staatlichen Machtwechsel festgestellt werden 76 . In der Zeit des Nationalsozialismus trat die Gefahr des Missbrauchs sehr deutlich hervor 77 . Die Formulierungen des § 56 Abs. 1 AOG „unbillig hart“ und „durch die Verhältnisse des Betriebes bedingt“ wurden im Sinne nationalsozialistischer Werte ausgelegt. Dies hatte zur Folge, dass sehr bald Juden und anderen „politischen Missliebigen“ gekündigt wurde. ___________ 73 BVerfG v. 7.4.1964, BVerfGE 17, 306, 311; BVerfG v. 18.7.1967, BVerfGE 22, 180, 220; BVerfG v. 22.6.1988, BVerfGE 78, 374, 389; BVerfG v. 25.5.1993, BVerfGE 88, 366, 381. 74 BVerfG v. 23.10.1951, BVerfGE 1, 13, 45; BVerfG v. 24.7.1963, BVerfGE 17, 67, 82; BVerfG v. 12.6.1969, BVerfGE 25, 216, 227; Papier und Möller sind jedoch nicht überzeugt davon, dass das Bestimmtheitsgebot in seinen Konsequenzen trotz seiner großen Bedeutung für die rechtsstaatliche Ordnung von vornherein nur auf exzeptionelle Missstände beschränkt sein soll; vgl. AöR 122 (1997), 177, 196; vgl. auch Kunig, Das Rechtsstaatsprinzip, S. 403. 75 Vgl. z. B. Hedemann, Die Flucht in die Generalklauseln, S. 58; R. Weber, AcP 192 (1992), 516, 520 f. 76

U. Preis, Prinzipien, S. 11.

77

Vgl. Zweiter Teil § 4 C., S. 52 ff.

238

Zweiter Teil: § 8 Dringende betriebliche Erfordernisse

In einer vor wenigen Jahren geführten Auseinandersetzung zwischen Rüthers 78 und U. Preis 79 kam die Gefahr der politischen Einflussnahme aufgrund der Unbestimmtheit des Gesetzeswortlautes und der deswegen herangezogenen Prinzipien auch noch einmal deutlich zum Vorschein. Rüthers 80 führte das im Kündigungsschutzrecht gebräuchliche Prognoseprinzip und das ultima-ratioPrinzip auf das nationalsozialistische Ehe- und Arbeitsrecht zurück und kritisierte, dass sich insbesondere in der Wissenschaft über die Herkunft zu wenige Gedanken gemacht werden. Geschichtliche Realitäten dürften aber nicht verdrängt und verschwiegen werden, denn nur durch Aufdecken der Schwächen und Fehlerquellen könne es einen wissenschaftlichen Fortschritt geben 81 . U. Preis 82 hält die Vorwürfe Rüthers für unhaltbar und zeigt auf, dass der Rechtsgedanke des Prognoseprinzips bereits vor der Zeit des Nationalsozialismus bei der Prüfung von Kündigungsgründen anzutreffen war 83 . Eine ideologische Anrüchigkeit sei insofern nicht gegeben. Namhafte Autoren verträten das Prognoseprinzip und man könne wohl kaum behaupten, dass alle diese die angebliche nationalsozialistische Herkunft verkennen würden 84 . Auch das ultimaratio-Prinzip könne nicht als Prinzip eines totalitären Rechtsdenkens verdächtigt werden 85 . Im Gegenteil, im Nationalsozialismus sei der ultima-ratio-Gedanke in sein Gegenteil verkehrt worden. Auch wenn in der Zeit des Nationalsozialismus bestimmte offene gesetzliche Formulierungen missbraucht wurden, so lässt sich diesen Formulierungen aber nicht von vornherein eine anstößige und unmoralische Grundwertung unterstellen. Es ist zunächst von der Neutralität der Generalklauseln, unbestimmter Rechtsbegriffe und Prinzipien auszugehen. Dennoch sollte man sich stets der Gefahr bewusst sein, dass sich unbestimmte Rechtsbegriffe aufgrund ihrer Unbestimmtheit dazu eignen, dass im Zuge der Anwendung beliebige ideologische Inhalte in sie hineininterpretiert werden können. Von einer bestimmten Weltanschauung getragene Wünsche können so vergleichsweise schnell und einfach als objektiver Gesetzesinhalt ausgegeben werden. Die unbestimmten Rechtsbegriffe der „dringenden betrieblichen Erfordernisse“ eignen sich somit unter Umständen als Einfallstor für einen überzogenen ___________ 78

Rüthers, NJW 1998, 1433 ff. U. Preis, NJW 1998, 1889 ff. 80 Rüthers, NJW 1998, 1433 ff. 81 Rüthers, NJW 1998, 1433, 1440. 82 U. Preis, NJW 1998, 1889 ff. 83 U. Preis, NJW 1998, 1889, 1891. 84 U. Preis, NJW 1998, 1889, 1890. 85 U. Preis, NJW 1998, 1889, 1892. 79

B. Dringende betriebliche Erfordernisse

239

Arbeitnehmerschutz, genauso aber auch für eine Überbewertung der unternehmerischen Interessen. In Situationen, in denen die Fortentwicklung und die Anpassungsfähigkeit des Rechts wünschenswert erscheinen, ist folglich mit besonderer Aufmerksamkeit darauf zu achten, dass das Kündigungsschutzrecht nicht systemwidrig ins Extreme zugunsten einer Richtung überzogen wird. In diesem Sinne betonte zu Recht der ehemalige Präsident des Bundesarbeitsgerichts Kissel 86 , dass die Rechtsprechung die den Gesetzen zugrunde liegenden Wertungen unabhängig von der konjunkturellen Lage anzuwenden hätte. Dies gelte auch dann, wenn neuartige Situationen unter wirtschaftpolitischen oder betriebswirtschaftlichen Überlegungen eine inhaltliche Änderung nahe liegend erscheinen lassen. Das Auf und Ab der Konjunktur könne keine unterschiedliche Auslegung arbeitsrechtlicher Normen diktieren 87 . Bei veränderten Wirtschafts- und Arbeitsbedingungen ist in erster Linie der Gesetzgeber gefragt, dessen Reaktionsfähigkeit jedoch bisweilen sehr zu wünschen übrig lässt.

IV. Das Merkmal der „Dringlichkeit“ Liegen betriebliche Erfordernisse vor, die zu einem bestimmten Arbeitskräfteüberhang geführt haben, so ist dies allein noch nicht ausreichend für die soziale Rechtfertigung einer betriebsbedingten Kündigung. Die genannten Gründe müssen zudem dringlich sein. Was unter dem Merkmal der Dringlichkeit zu verstehen ist, wird sehr unterschiedlich gesehen 88 . Aus dem Wortlaut des Gesetzes geht nicht hervor, wie dringend das betriebliche Erfordernis sein muss, damit eine Kündigung gerechtfertigt ist.

___________ 86

Kissel, RdA 1994, 323, 328 f.

87

Kissel, RdA 1994, 323, 328.

88

Vgl. dazu Borrmann, Arbeitsrecht der Gegenwart 1987, 71, 84; Colneric, Betriebsbedingte Kündigung im Widerstreit, 1998, 132, 133 f.; Henssler, Kölner Tage des Arbeitsrechts 2000, 89, 102 ff.; v.Hoyningen-Huene/Linck, KSchG, § 1 Rn. 381 ff.; Löwisch, KSchG, § 1 Rn. 259; B. Preis, DB 2000, 1122, 1124; U. Preis, Prinzipien, S. 305; ders., NZA 1995, 241, 248 ff.; Stahlhacke/Preis/Vossen, Rn. 950 ff.; Schaub, BB 1993, 1089, 1092; Stahlhacke, DB 1994, 1361, 1364 f.; Stein, BB 2000, 457, 459 f.; Wank, RdA 1987, 129, 134 ff.

Zweiter Teil: § 8 Dringende betriebliche Erfordernisse

240

1. Rechtsprechung Das Bundesarbeitsgericht führte in seinem Urteil vom 12.12.1968 89 aus, in dem Wort „dringend“ komme zum Ausdruck, dass betriebsbedingte Kündigungen nur dann sozial gerechtfertigt seien, wenn sie wirklich im Interesse des Betriebs lägen und für den Arbeitgeber keine Möglichkeit bestehe, durch andere Maßnahmen als eine Kündigung der betrieblichen Lage Rechnung zu tragen. Es müsse eine betriebliche Zwangslage vorliegen, die die Kündigung erforderlich mache. Die Kündigung des Klägers sei demnach nur dann sozial gerechtfertigt, wenn sie aus Gründen der notwendigen Kostenersparnis erforderlich gewesen sei und für den Beklagten keine Möglichkeit bestanden habe, durch andere Maßnahmen die Kosten zu senken. Seit der Entscheidung vom 7.12.1978 90 stellt das Bundesarbeitsgericht in ständiger Rechtsprechung fest, die weitere Voraussetzung der Dringlichkeit der betrieblichen Erfordernisse sei erfüllt, wenn es dem Arbeitgeber nicht möglich sei, die betriebliche Lage durch andere Maßnahmen auf technischem, organisatorischem oder wirtschaftlichem Gebiet als durch eine Kündigung zu entsprechen. Die Kündigung müsse wegen der betrieblichen Lage unvermeidbar sein. Zum Thema der „Dringlichkeit“ ist auch die Entscheidung vom 18.1.1990 91 bedeutsam. Der Zweite Senat beurteilte eine Änderungskündigung als unwirksam, die aufgrund der Einführung von Wechselschichten ausgesprochen wurde, da es an dem Merkmal der „Dringlichkeit“ fehle. Das Gericht führte wieder aus, betriebliche Erfordernisse, die sich aus inner- oder außerbetrieblichen Gründen ergäben, seien nur dann dringlich, wenn es dem Arbeitgeber nicht möglich sei, der betrieblichen Lage durch andere Maßnahmen auf technischem, organisatorischem oder wirtschaftlichem Gebiet als durch die Kündigung zu entsprechen. Weiterhin stellte der Zweite Senat fest, hierin liege keine verdeckte Überprüfung der freien unternehmerischen Organisationsentscheidung, sondern durch das Erfordernis der Dringlichkeit werde dem Gebot der Verhältnismäßigkeit entsprochen (...). Trotz der Bindung an die Entscheidung der Unternehmensleitung sei vom Gericht zu kontrollieren, ob nur der Entschluss zur Kündigung in den Rahmen der umgestaltenden Betriebsorganisation passe oder ob diese nicht auch ohne Kündigung verwirklicht werden könne. Unter mehreren geeigneten Mitteln sei dasjenige zu wählen, das den Betroffenen am wenigsten belaste. Im vorliegenden Fall könne die Beklagte ihr unternehmerisches Konzept auch dann verwirkli___________ 89

BAG v. 12.12.1968, BAGE 21, 248, 255; vgl. dazu Zweiter Teil § 5 B., S. 83 f.

90

BAG v. 7.12.1978, BAGE 31, 157, 161; bestätigt durch BAG v. 26.6.1997, AP Nr. 86 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung. 91 BAG v. 18.1.1990, BAGE 64, 24, 30; dazu Hillebrecht, ZfA 1991, 87, 100; vgl. auch Zweiter Teil § 5 C., S. 91 ff.

B. Dringende betriebliche Erfordernisse

241

chen, wenn sie bei der Klägerin eine Ausnahme von der Zuweisung zu einer festen Fertigungsgruppe mache, wie sie es ja auch in noch anderen Fällen getan habe. Der Zweite Senat hielt die Änderungskündigung mithin für sozialwidrig. Gerade anhand dieses Urteils vom 18.1.1990 92 wird deutlich, wie schwer die Grenzziehung zwischen dem zu überprüfenden Merkmal der „Dringlichkeit“ und der grundsätzlich nicht zu überprüfenden unternehmerischen Entscheidungsfreiheit ist 93 . Man kann der Auffassung sein, dass zur unternehmerischen Entscheidungsfreiheit nicht nur die Einführung von Arbeitsschichten im Betrieb gehört, sondern auch die Anordnung, im Personalbestand gleich bleibende Arbeitnehmergruppen zu bilden und diese einem bestimmten Vorgesetzen zuzuordnen. Man kann jedoch auch der gegenteiligen Auffassung sein, dass die Entscheidung der Gruppenbildung unter Berücksichtigung des Merkmals der „Dringlichkeit“ eben nicht grundsätzlich unüberprüfbar ist. Der Arbeitgeber kann sein unternehmerisches Ziel der Einführung von Arbeitsschichten nämlich auch dann erreichen, wenn der Arbeitgeber bei der Bildung der Arbeitnehmergruppen Ausnahmen zulässt. In seiner Anmerkung zu dem genannten Urteil schreibt Steinmeyer 94 : „Es ist jeweils eine Gratwanderung zwischen der Achtung der unternehmerischen Entscheidungsfreiheit einerseits und einem funktionierendem Kündigungsschutz andererseits.“

2. Literatur Die Auffassungen in der Literatur zum Merkmal „dringend“ sind sehr unterschiedlich. Im Wesentlichen lassen sich die Meinungen in zwei Gruppen unterteilen, auch wenn sich innerhalb der Gruppen im Einzelnen noch unterschiedliche Ansätze erkennen lassen. Zum einen gibt es Vertreter, die sich für eine recht strenge Dringlichkeitsprüfung aussprechen, und zum anderen gibt es Vertreter, die dem Merkmal der Dringlichkeit eine eher geringe Bedeutung zumessen.

___________ 92

BAG v. 18.1.1990, BAGE 64, 24, 30.

93

So auch Steinmeyer in der Anm. zu diesem Urteil, EzA Nr. 65 zu § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung. 94 Um einen effektiven Kündigungsschutz sicherzustellen, müsse man deshalb zwischen der Unternehmerentscheidung und ihrer Umsetzung im Betrieb unterscheiden, Steinmeyer, Anm. zu BAG v. 18.1.1990, EzA Nr. 65 zu § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung.

Zweiter Teil: § 8 Dringende betriebliche Erfordernisse

242

a) Befürworter einer strengen Dringlichkeitsprüfung Borrmann 95 vertritt die Auffassung, das Tatbestandsmerkmal der „Dringlichkeit“ müsse mehr beinhalten als „durch sofortigen anderweitigen Arbeitseinsatz nicht abzuwenden“. Dies lasse sich daraus schlussfolgern, dass die fehlende Möglichkeit der Weiterbeschäftigung ausdrücklich als Kündigungsvoraussetzung neben der Dringlichkeit des betrieblichen Erfordernisses genannt ist 96 . Borrmann meint, dass im Rahmen des Tatbestandsmerkmals „dringend“ neben der Untersuchung der betriebsorganisatorischen Möglichkeit auch eine wirtschaftliche Vertretbarkeit der Weiterbeschäftigung des an seinem ursprünglichen Arbeitsplatz nicht mehr benötigen Mitarbeiters erforderlich sei. Es sei zu berücksichtigen, dass weder das Bestandsschutzinteresse des Arbeitnehmers noch das Auflösungsinteresse des Arbeitgebers für alle Fälle mit gleicher Gewichtung feststehe. So müsse man zwischen wirtschaftlich Not leidenden und gut florierenden Unternehmen unterscheiden. Durch das Merkmal der Dringlichkeit setze das Kündigungsschutzgesetz der Unternehmerfreiheit verfassungsrechtlich zulässige Schranken 97 . Sei unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Gegebenheiten eine schonendere Behandlung des Mitarbeiters zumutbar, so überwiege im Einzelfall das Arbeitnehmerinteresse an der Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses gegenüber dem des Arbeitgebers an seiner Beendigung. U. Preis ist der Auffassung, das Merkmal der Dringlichkeit verhindere die Gleichstellung von Mensch und Sache 98 . Das Merkmal der „Dringlichkeit“ weise den Richter darauf hin, dass nicht jeder betriebliche Umstand eine Kündigung rechtfertigen könne. Der Arbeitgeber habe das nach der konkreten Sachlage absolut mildeste Mittel vor einer betriebsbedingten Kündigung des Arbeitnehmers einzusetzen. In dieser Tendenz modifiziere das Merkmal „dringend“ den Grundsatz der Erforderlichkeit. Es handele sich um eine gesetzlich angeordnete mittelbare Einschränkung der unternehmerischen Entscheidungsfreiheit. Zwar sei die vorausgehende geschäftspolitische Entscheidung des Unternehmers von der gerichtlichen Kontrolle freizustellen, aber ob diese Entscheidung zu betrieblichen Erfordernissen führe, die als dringend gewertet werden könnten, unterliege gerichtlicher Kontrolle. Das Merkmal der „Dringlichkeit“ verleihe dem Bestandsschutzinteresse des Arbeitnehmers zusätzliches ___________ 95

Borrmann, Das Arbeitsrecht der Gegenwart 1987, 71, 84 ff.

96

Borrmann, Das Arbeitsrecht der Gegenwart 1987, 71, 84.

97

Borrmann, Das Arbeitsrecht der Gegenwart 1987, 71, 85.

98

U. Preis, Prinzipien, S. 307.

B. Dringende betriebliche Erfordernisse

243

Gewicht 99 . Betriebliche Erfordernisse müssten eine gewisse Belastungsgrenze erreicht bzw. überschritten haben, um die Kündigung zu rechtfertigen. Das Merkmal der Dringlichkeit diene daher der Bewertung der Gewichtigkeit des betrieblichen Interesses. Die Kündigung sei unwirksam, wenn der Arbeitgeber keine triftigen Gründe wirtschaftlicher oder auch nicht wirtschaftlicher Art vorbringen könne. Die Voraussetzung der Dringlichkeit schütze auch den Arbeitnehmer vor dem Arbeitsplatzverlust, wenn eine betriebsbedingte Kündigung allein auf den Grund der Gewinnmaximierung gestützt werde. Das betriebliche Erfordernis sei nur dann als dringend anzuerkennen, wenn der Unternehmer darlegen könne, dass die personalreduzierende Maßnahme im Interesse der Erhaltung der Ertragsfähigkeit notwendig sei 100 . Stein 101 rügt, das Merkmal „dringend“ sei durch die Rechtsprechung verdreht worden. Die gesetzlichen Merkmale „dringende betriebliche Erfordernisse“ würden übersetzt mit „verursacht durch eine unternehmerische Entscheidung, die nicht auch ohne Kündigung verwirklicht werden kann.“ Dabei würde das wertende Element „dringend“ ersatzlos wegfallen. Die Theorie der eingeschränkten Überprüfbarkeit der Unternehmerentscheidung basiere auf einer Verdrehung des Merkmals. Das Kriterium „dringend“ gehe in einer Kausalitätsprüfung auf, die feststelle, ob die Kündigung die zwingende Folge der Unternehmerentscheidung sei. Für die Kausalitätsprüfung gebe es aber bereits das Merkmal „bedingt“. Stein meint, diese Auslegung kollidiere mit dem Wortlaut und der Entstehungsgeschichte der Norm. Der Begriff „dringend“ sei ein Instrument, mit dem der soziale Schutz gegenüber Kündigungen aus betrieblichen Gründen bewerkstelligt werden solle. Betriebliche Erfordernisse seien dann dringend, wenn sie so gewichtig seien, dass eine Kündigung als Folge dieser Erfordernisse zu billigen sei. B. Preis 102 kritisiert, dass die Rechtsprechung, insbesondere mit den drei Urteilen vom 17.6.1999 103 , den gesetzlichen Prüfungsmaßstab der „dringenden betrieblichen Erfordernisse“ auf eine Willkürkontrolle reduziert habe. Dies sei ein Etikettenschwindel. Die Tatbestandsmerkmale „dringende betriebliche Erfordernisse“ müssten wieder belebt werden, damit der uferlosen Ausdehnung ___________ 99

Stahlhacke/Preis/Vossen, Rn. 950 ff.

100

Stahlhacke/Preis/Vossen, Rn. 953; vgl. dazu die eingehende kritische Auseinandersetzung von Hillebrecht, ZfA 1991, 87, 108 ff.; krit. auch Stahlhacke, DB 1994, 1361, 1364 f. 101

Stein, BB 2000, 457, 459 f.

102

B. Preis, DB 2000, 1122, 1123 f.

103

BAG v. 17.6.1999 – 2 AZR 141/99 –, BAGE 92, 71 ff.; BAG v. 17.6.1999 – 2 AZR 522/98 –, BAGE 92, 61 ff.; BAG v. 17.6.1999 – 2 AZR 456/98 –, BAGE 92, 79 ff.

Zweiter Teil: § 8 Dringende betriebliche Erfordernisse

244

des Topos „freie unternehmerische Entscheidung“ entgegengetreten werden könne, um ein Stück Kündigungsschutz zu bewahren. B. Preis schlägt vor, die Wiederbelebung durch die Unterscheidung zwischen nachhaltigen und minderen Veränderungen der Arbeitsorganisation vorzunehmen. Nur die nachhaltigen Veränderungen sollten als unüberprüfbar gelten.

b) Befürworter einer zurückhaltenden Dringlichkeitsprüfung Mayer-Maly 104 hält den Begriff „dringend“ für einen legislatorischen Kraftausdruck, der nur das zum Ausdruck bringe, was ohnehin Zweck des Kündigungsschutzgesetzes sei. Dies wäre auch nicht anders, wenn sich der Gesetzgeber für die Formulierung „zwingend“ entschlossen hätte. Würde man das Wort „dringend“ streichen, so würden die Gerichte höchstwahrscheinlich die Grenze zwischen gerechtfertigten und ungerechtfertigten Kündigungen auch nicht anders ziehen. Henssler 105 ist der Auffassung, der zentrale Zweck des Merkmals „dringende betriebliche Erfordernisse“ liege darin, die betriebsbedingten Kündigungen auf die Fälle einer tatsächlichen Diskrepanz zwischen Personalbestand und Personalbedarf zu beschränken. Daher falle eine Austauschkündigung nicht unter eine betriebsbedingte Kündigung, sondern sei nur unter den strengen Voraussetzungen der personen- und verhaltensbedingten Kündigung zulässig. Die Wirksamkeit der betriebsbedingten Kündigung werde damit auch zur Begründungsfrage. Entschließe sich der Arbeitgeber zur Leistungsverdichtung oder wolle er das Risiko eines bestimmten Arbeitsplatzes nicht länger tragen, so folge die Dringlichkeit der betrieblichen Erfordernisse unmittelbar aus der persönlichen Entscheidung. Henssler spricht sich gegen die Versuche aus, über den Umweg der Auslegung der Merkmale der „dringenden betrieblichen Erfordernisse“ doch zu einer gerichtlichen Kontrolle der Unternehmerentscheidung im Sinne einer „wirtschaftlichen Vernünftigkeit“ zu gelangen. Entschließe sich der Arbeitgeber zum Beispiel zur Betriebsstilllegung aus Altersgründen, so sei eine Kontrolle der wirtschaftlichen Vernünftigkeit dieser Entscheidung sinnlos. Aus verfassungsrechtlichen Gründen sei die Entscheidung der Betriebsstilllegung zu akzeptieren. Auch wenn die Entwertung des Merkmals der Dringlichkeit zunächst unsozial erscheine, so seien andererseits die Folgen der gegenteiligen Auffassung fatal für das Funktionieren der Marktwirtschaft und für die Arbeitsmarktsituation. ___________ 104

Mayer-Maly, ZfA 1988, 209, 211.

105

Henssler, Kölner Tage des Arbeitsrechts 2000, 89, 102 ff.

B. Dringende betriebliche Erfordernisse

245

Nach v.Hoyningen-Huene und Linck 106 fordere die Voraussetzung der Dringlichkeit, dass es dem Arbeitgeber nicht möglich sein dürfe, nach Umsetzung der Unternehmerentscheidung dem neuen Konzept auf andere Weise zu entsprechen als durch Ausspruch einer Kündigung. Die Arbeitsgerichte müssten anhand des Merkmals „dringend“ prüfen, ob sich allein der Kündigungsentschluss in den Rahmen der umgestalteten Betriebsorganisation einfügen lasse oder ob diese auch ohne Kündigung verwirklicht werden könne. Die Kündigung sei nur dann sozial gerechtfertigt, wenn die konsequente Umsetzung der Unternehmerentscheidung zwangsläufig zum Wegfall von Beschäftigungsmöglichkeiten führe. Das Merkmal der Dringlichkeit beziehe sich auf die betrieblichen Erfordernisse und nicht auf die Unternehmerentscheidung, es komme also auf die Folgen der Unternehmerentscheidung auf der betrieblichen Ebene an. Eine Unternehmerentscheidung müsse deshalb nicht mit Rentabilitätsinteressen gerechtfertigt werden. Auch die Entscheidung der Gewinnmaximierung für sich allein genommen sei deshalb wirksam 107 . Im Übrigen vertreten viele Autoren die Meinung, in dem Merkmal der Dringlichkeit komme das Verhältnismäßigkeitsprinzip zum Ausdruck 108 . Hinsichtlich der konkreten Anwendung des Verhältnismäßigkeitsprinzips sind allerdings auch in dieser Gruppe weitere Meinungsverschiedenheiten zu verzeichnen 109 .

3. Stellungnahme Um sich ein Urteil bilden zu können, welcher Grad an Dringlichkeit der betrieblichen Erfordernisse vorliegen muss, damit eine betriebsbedingte Kündigung sozial gerechtfertigt ist, sollte der Begriff „dringend“ zunächst nach den herkömmlichen Auslegungsmethoden untersucht werden. Dabei ist als Erstes von dem Wortlaut auszugehen. Seinem allgemeinen Sprachgebrauch nach steht das Wort „dringend“ synonym für Begriffe wie drängend, wichtig, unaufschiebbar, triftig, nötig, eilig, schnell 110 . Aus diesen Synonymen ist jedoch ___________ 106

v.Hoyningen-Huene/Linck, KSchG, § 1 Rn. 381 ff. v.Hoyningen-Huene/Linck, KSchG, § 1 Rn. 382. 108 Vgl. u. a. ErfK/Ascheid, § 1 KSchG Rn. 425; Birk, JuS 1987, 36, 38; Hillebrecht, ZIP 1985, 257, 259; Hofmann, ZfA 1984, 295, 308 ff.; Löwisch, KSchG, § 1 Rn. 259; Schaub, BB 1993, 1089, 1092; Wank, RdA 1987, 129, 136. 109 Siehe dazu weiter unten Zweiter Teil § 8 B. V. 2., S. 254 ff. 110 Vgl. u. a. Duden, Sinn- und sachverwandte Wörter, 2. Aufl. 1997, S. 181; vgl. auch Borrmann, Das Arbeitsrecht der Gegenwart 1987, 71, 81. 107

Zweiter Teil: § 8 Dringende betriebliche Erfordernisse

246

nicht erkennbar, welcher Maßstab an die Dringlichkeit des betrieblichen Erfordernisses anzulegen ist. Die wörtliche Auslegung des Begriffs hilft also nicht weiter. Etwas weiter führt die historische Auslegung. Der Gesetzgeber hat sich für den Begriff „dringend“ durchgerungen unter dem bewussten Verzicht auf den Begriff „zwingend“ 111 . Vor diesem Hintergrund ist feststellbar, dass es eine gewisse Abstufung gibt und sich der Gesetzgeber nicht zu der strengsten Variante entschieden hat. Daraus lässt sich schließen, der Gesetzgeber wollte nicht etwa regeln, dass eine betriebsbedingte Kündigung absolut unvermeidbar sein muss; sie muss eben nicht zwingend notwendig sein; nach dem Willen des Gesetzgebers genügt es, wenn triftige betriebliche Gründe vorliegen. Zu diesem Ergebnis gelangt man auch, wenn man nach dem Sinn und Zweck des § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG fragt. Die Regelung bezweckt einen Bestandsschutz „in den Grenzen des sozial und wirtschaftlich Vertretbaren“. Das KSchG sollte nicht die aus triftigen Gründen erforderlichen Kündigungen verhindern, sondern nur die nicht hinreichend begründeten abwenden, also solche, die die Betriebszugehörigkeit willkürlich beenden 112 . Es kann somit festgestellt werden, dass der Begriff der „Dringlichkeit“ darauf hinweist, dass der Arbeitgeber mit dem Bestandsschutzinteresse des Arbeitnehmers verantwortungsvoll umzugehen hat, dass also keine Lappalien und keine willkürlichen Gründe zu einer Kündigung führen dürfen. Andererseits sind an den Begriff der „Dringlichkeit“ aber auch keine übermäßig hohen Anforderungen zu stellen. Die Prüfung des Merkmals „dringend“ darf im Ergebnis nicht dazu führen, dass die unternehmerische Entscheidung auf ihre Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit überprüft wird. Ansonsten fehlte es dem gesamten Prüfungssystem an Konsistenz. Es wäre widersprüchlich, zunächst von dem Grundsatz der nur eingeschränkten Justitiabilität unternehmerischer Entscheidungen auszugehen, sodann aber über die Hintertür der Dringlichkeit doch noch eine Bewertung der unternehmerischen Entscheidung vorzunehmen. Die Unternehmerentscheidung ist von den Gerichten als feststehend zugrunde zu legen. Das Merkmal „dringend“ kann konsequenterweise nicht auf eine Bewertung der Unternehmerentscheidung abzielen. Zu fragen ist deshalb, ob eine Kündigung unter Zugrundelegung der getroffenen Unternehmerentscheidung dringend erforderlich oder aber durch das Ergreifen milderer Mittel abzuwenden ist. Im Ergebnis ist deshalb davon auszugehen, dass das Merkmal „dringend“ auf einen abgeschwächten Verhältnismäßigkeitsgrundsatz 113 hinweist.

___________ 111

Vgl. die historische Entwicklung des KSchG im Zweiten Teil § 4 E., S. 63 ff.

112

Vgl. die Begründung des Regierungsentwurfs zum KSchG, RdA 1951, 63, 64.

113

Dazu noch ausführlicher im Zweiten Teil § 8 B. V. 2. c), S. 257 ff.

B. Dringende betriebliche Erfordernisse

247

V. Prinzipien bei der Anwendung des Rechts der betriebsbedingten Kündigung Rechtsprechung und Literatur greifen zur Lösung von kündigungsschutzrechtlichen Fällen auf einige Rechtsprinzipien zurück, so auf das Prinzip der Verhältnismäßigkeit, das ultima-ratio-Prinzip, das Prognoseprinzip, das Prinzip der Zumutbarkeit und schließlich auf den Grundsatz der Interessenabwägung im Einzelfall. Die Berechtigung und Bedeutung dieser Prinzipien für das Recht der betriebsbedingten Kündigung und ihr Ineinandergreifen sind schwer zu überschauen. Die Prinzipien scheinen mit einer gewissen Beliebigkeit eingesetzt zu werden. Damit eröffnet sich den Gerichten im Einzelfall ein beinahe unendlicher Beurteilungsspielraum 114 . Zudem sind die Prinzipien im Einzelnen und in ihrer Kombination merklich abhängig von den Vorverständnissen ihrer Anwender 115 . Gesetzliche Wertungen laufen Gefahr, durch gesellschaftspolitische Wunschbilder ersetzt zu werden. All dies ist eine weitere Ursache für die im Kündigungsrecht herrschende beträchtliche Rechtsunsicherheit. Das Durcheinander der Heranziehung der Prinzipien, die Verwendung von Blankettbegriffen, die vielen offenen Wertungsfragen und die fehlende rechtstheoretische Präzisierung hat sehr eingehend U. Preis mit seinem 1987 veröffentlichten Werk „Prinzipien des Kündigungsrechts bei Arbeitsverhältnissen“ herausgearbeitet. U. Preis hat mit dieser Schrift das Kündigungsschutzrecht methodisch durchleuchtet und Rechtsprechung und Literatur den richtigen Anstoß gegeben, auf eine in sich widerspruchsfreie und methodisch fundierte Systematik Wert zu legen bzw. sich um diese zu bemühen.

1. Interessenabwägung a) Rechtsprechung Insbesondere in seinen älteren Entscheidungen vertrat das Bundesarbeitsgericht noch die Auffassung, dass nicht nur bei personen- und verhaltensbedingten Kündigungen, sondern auch bei den betriebsbedingten eine einzelfallbezogene Interessenabwägung zum Tatbestand des § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG gehöre 116 . So ist im Leitsatz des Urteils vom 20.10.1954 117 ausgeführt: „Zum ge___________ 114

Vgl. Rüthers, NJW 1998, 1433. Vgl. Rüthers, NJW 1998, 1433. 116 Vgl. BAG v. 7.10.1954, BAGE 1, 99, 101; BAG v. 20.10.1954, BAGE 1, 117 ff.; BAG v. 4.2.1960, BAGE 9, 36 ff.; BAG v. 25.6.1964, BAGE 16, 134 ff.; BAG v. 3.5.1978, BAGE 30, 272 ff.; BAG v. 24.10.1979, BAGE 32, 150 ff.; BAG v. 7.3.1980, 115

Zweiter Teil: § 8 Dringende betriebliche Erfordernisse

248

setzlichen Tatbestand des § 1 Abs. 2 KSchG gehört auch das Merkmal der Abwägung der Interessen des Arbeitnehmers an der Aufrechterhaltung und des Arbeitgebers an der Auflösung des Arbeitsverhältnisses.“ Das Gericht führte den Grundsatz der Interessenabwägung auf das Merkmal „sozial“ zurück 118 . Der Senat war der Auffassung, das Merkmal „sozial“ stelle strenge Anforderungen an den Begriff der sozial gerechtfertigten Kündigung. Betrafen die ersten Entscheidungen, in denen der Grundsatz der Interessenabwägung aufgestellt wurde, noch verhaltens- und personenbedingte Kündigungen, so wurde das Erfordernis der Interessenabwägung mit der Entscheidung vom 4.2.1960 119 dann auch ausdrücklich auf die betriebsbedingte Kündigung ausgeweitet. Es müsse, wenn ein betrieblicher Grund vorliege, jeweils noch gefragt werden, ob dieser Grund auch wichtig genug sei, um die Kündigung auch wirklich zu rechtfertigen. Hierzu bedürfe es, ebenso wie im Fall der personenbedingten Kündigung, einer Interessenabwägung. Auch die betriebsbedingte Kündigung sei nur dann sozial gerechtfertigt, wenn die betrieblichen Gründe bei verständiger Würdigung in Abwägung der Interessen der Vertragsparteien und des Betriebes die Kündigung billigenswert und angemessen erscheinen lassen. Das bedeute nicht, dass das Arbeitsgericht die Zweckmäßigkeit einer organisatorischen Maßnahme nachzuprüfen hätte. Die Zweckmäßigkeit solcher organisatorischer Maßnahmen unterliege nicht der gerichtlichen Nachprüfung. Das Erfordernis der Interessenabwägung auch im Fall der betriebsbedingten Kündigung bedeute vielmehr, dass der Arbeitgeber geplante organisatorische Maßnahmen nicht nur auf ihre Zweckmäßigkeit, sondern auch auf ihre sozialen Auswirkungen hin zu prüfen habe und dass ihm Kündigungen dann verwehrt seien, wenn die zu erwartenden Vorteile zu den Nachteilen, die sich für die betroffenen Arbeitnehmer ergäben, in keinem vernünftigen Verhältnis stünden. Mit der Entscheidung vom 25.6.1964 120 wiederholte das Bundesarbeitsgericht den aufgestellten Grundsatz, dass zum Tatbestand des § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG nicht nur bei personen- und verhaltensbedingten, sondern auch bei betriebsbedingten Kündigungen eine umfassende Interessenabwägung gehöre. Im zu beurteilenden Fall gehöre dazu die Prüfung, ob es mit den betrieblichen Erfordernissen ___________ AP Nr. 9 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung; BAG v. 17.10.1980, AP Nr. 10 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung; BAG v. 7.2.1985, AP Nr. 9 zu § 1 KSchG 1969 Soziale Auswahl; BAG v. 30.4.1987, BAGE 55, 262 ff.; zur Entwicklung der Rechtsprechung und Literatur zur Interessenabwägung bei § 1 KSchG vgl. U. Preis, Prinzipien, S. 194 ff. 117

BAG v. 20.10.1954, BAGE 1, 117 ff.; vgl. Zweiter Teil § 5 B., S. 80.

118

BAG v. 20.10.1954, BAGE 1, 117, 119.

119

BAG v. 4.2.1960, BAGE 9, 36 ff.; vgl. Zweiter Teil § 5 B., S. 81 f.

120

BAG v. 25.6.1964, BAGE 16, 134 ff.; vgl. Zweiter Teil § 5 B., S. 83.

B. Dringende betriebliche Erfordernisse

249

nicht auch vereinbar wäre, die Kündigung durch Einführung von Kurzarbeit zu vermeiden. Bemerkenswerterweise scheint der Senat in diesem Fall die Interessenabwägung auf das Merkmal „bedingt“ zurückzuführen, denn in der Begründung heißt es weiter, nur wenn die Kündigung nicht durch Einführung von Kurzarbeit abzuwenden sei, wäre die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse „bedingt“. Eine Zusammenfassung der Grundsätze der Interessenabwägung findet sich noch in der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 3.5.1978 121 . Es müsse geprüft werden, ob der betriebliche Grund auch gewichtig genug sei, um die Kündigung als sozial gerechtfertigt erscheinen zu lassen. Dazu bedürfe es einer Interessenabwägung. Auch eine betriebsbedingte Kündigung sei nämlich nur dann rechtswirksam, wenn die betrieblichen Gründe bei verständiger Würdigung und Abwägung der Interessen beider Vertragsparteien und des Betriebes die Kündigung billigenswert und angemessen erscheinen ließen. Eine Kündigung sei daher nicht sozial gerechtfertigt, wenn die zu erwartenden Vorteile des Arbeitgebers zu den Nachteilen, die sich für den Arbeitnehmer daraus ergäben, in keinem vernünftigen Verhältnis stünden. Ende der 70er Jahre löste sich das Bundesarbeitsgericht zusehends vom Grundsatz der umfassenden Interessenabwägung und bezog dann den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit 122 zur Ausfüllung der unbestimmten Rechtsbegriffe auf das Recht der betriebsbedingten Kündigung. So schränkt bereits das Urteil vom 24.10.1979 123 den Grundsatz der Interessenabwägung ein. Das Gericht führte aus, wenn die Kündigung „an sich“ betriebsbedingt sei, so werde dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung nur in einem seltenen Ausnahmefall zuzumuten sein, etwa dann, wenn ein „Härtefall“ vorliege, also wenn der Arbeitnehmer aufgrund schwerwiegender persönlicher Umstände besonders schutzwürdig sei. In den 80er Jahren griff das Bundesarbeitsgericht noch ab und zu auf den Grundsatz der Interessenabwägung zurück 124 und wendete ihn und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit teilweise nebeneinander an. Mit der Entscheidung vom 30.4.1987 125 vereinheitlichte das Bundesarbeitsgericht schließlich die bislang noch unterschiedlichen Auffassungen in der Rechtsprechung zum Erfordernis der Interessenabwägung bei der betriebsbedingten Kündigung. Er stellte nunmehr die gefestigten Rechtssätze auf: „Ist eine or___________ 121

BAG v. 3.5.1978, BAGE 30, 272 ff.; vgl. Zweiter Teil § 5 B., S. 84.

122

Dazu folgend im Zweiten Teil § 8 B. V. 2., S. 254 ff.

123

BAG v. 24.10.1979, BAGE 32, 150 ff.; vgl. Zweiter Teil § 5 C., S. 87 ff.

124

Vgl. BAG v. 7.3.1980, AP Nr. 9 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung und BAG v. 17.10.1980, AP Nr. 10 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung. 125

BAG v. 30.4.1987, BAGE 55, 262 ff.; vgl. Zweiter Teil § 5 C., S. 90 f.

250

Zweiter Teil: § 8 Dringende betriebliche Erfordernisse

dentliche Kündigung „an sich“ betriebsbedingt im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG, dann kann sich die Interessenabwägung nur in seltenen Ausnahmefällen zugunsten des Arbeitnehmers auswirken. Aus der beschränkten Kontrolle der Unternehmerentscheidung folgt insbesondere auch, dass nicht zu prüfen ist, ob die vom Arbeitgeber aufgrund seiner Unternehmerentscheidung erwarteten Vorteile in einem „vernünftigen Verhältnis“ zu den Nachteilen stehen, die der Arbeitnehmer durch die Kündigung erleidet.“ Der Zweite Senat äußerte, dass er nicht weiter an den Urteilen vom 7.3.1980 126 und 17.10.1980 127 festhalte, aus denen abweichende Maßstäbe für die Interessenabwägung entnommen werden könnten. Auch die in den Urteilen vom 4.2.1960 128 und 3.5.1978 129 aufgestellten Grundsätze zur Interessenabwägung bei einer betriebsbedingten Kündigung gingen zu weit. Seitdem nimmt das Bundesarbeitsgericht in Fällen der betriebsbedingten Kündigung grundsätzlich nicht mehr auf den Grundsatz der Interessenabwägung Bezug, sondern vertritt die Auffassung, nur in ganz seltenen Ausnahmefällen könne sich die Abwägung der beiderseitigen Interessen zugunsten des Arbeitnehmers auswirken, zum Beispiel bei sozialen Härtefällen, das heißt, wenn der Arbeitnehmer aufgrund schwerwiegender persönlicher Umstände besonders schutzbedürftig sei 130 . Das Bundesarbeitsgericht hat jedoch einen solchen Ausnahmefall zugunsten des Arbeitnehmers bisher noch nie festgestellt.

b) Literatur In der älteren Literatur wurde vielfach noch der Standpunkt vertreten, dass das Merkmal der Interessenabwägung „zweifellos“ zum gesetzlichen Tatbestand des § 1 Abs. 2 KSchG gehöre. Das Erfordernis der Interessenabwägung sei dem Begriff der sozialen Rechtfertigung immanent 131 . Die Interessenabwägung folge auch aus dem Gedanken des Arbeitsplatzschutzes. Würde man bloß einseitig auf die betrieblichen Gegebenheiten abstellen, könnten also bereits die dringenden betrieblichen Erfordernisse für sich genommen durchschlagen, kä___________ 126

BAG v. 7.3.1980, AP Nr. 9 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung. BAG v. 17.10.1980, AP Nr. 10 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung. 128 BAG v. 4.2.1960, BAGE 9, 36 ff. 129 BAG v. 3.5.1978, BAGE 30, 272 ff. 130 Vgl. aber ArbG Passau v. 17.8.1994, BB 1994, 2207: Hier handelte es sich um einen mit 25jähriger Betriebszugehörigkeit in einem Großbetrieb beschäftigten über 50 Jahre alten Arbeitnehmer mit sehr geringen Chancen auf dem Arbeitsmarkt. 131 So Galperin, RdA 1966, 361, 364. 127

B. Dringende betriebliche Erfordernisse

251

men die Belange des Arbeitnehmers zu kurz 132 . Sehr frühzeitig gegen eine umfassende Interessenabwägung sprach sich dagegen Herschel 133 aus. Er kritisierte, dass mit dem Griff zur Interessenabwägung aus § 1 Abs. 2 KSchG ein „Tummelplatz einer bunten Vielfalt der verschiedenartigsten Wertungen, Interessen und Wünsche“ entstehe. Eine derartige Abwägungsentscheidung könne zu „einer unkontrollierten wehleidigen Mitleidsjurisprudenz“ führen 134 . Eine Interessenabwägung könne unter Umständen einen wirtschaftlich Not leidenden Betrieb zur Weiterbeschäftigung eines Arbeitnehmers zwingen, obwohl keine Beschäftigungsmöglichkeit mehr vorhanden sei und dies allein deshalb, „weil der Mitarbeiter eine kranke Frau und sechs Kinder habe.“ Nach Herschels Meinung aber seien soziale Gesichtspunkte in erster Linie im Rahmen der Auswahlentscheidung nach § 1 Abs. 3 KSchG zu berücksichtigen. Darüber hinaus sei für verbleibende soziale Härten das staatliche Sozialsystem zuständig. Ansonsten sei ein Interessenausgleich nur auf der kollektiven Ebene nach §§ 111 ff. BetrVG zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer vorgesehen. Dem Begriff der dringenden betrieblichen Erfordernisse liege bereits eine ausdrückliche gesetzliche Bewertung zugrunde. Für eine abschließende Interessenabwägung bestehe somit kein Bedarf. Mittlerweile ist auch das Schrifttum überwiegend der Ansicht, dass bei der betriebsbedingten Kündigung für eine Interessenabwägung anders als bei der personen- und der verhaltensbedingten Kündigung kein Raum sei 135 . Im Sinne der Kritik Herschels setzte sich die Auffassung durch, dass die Abwägung zwischen den widerstreitenden Interessen von Arbeitgeber und Arbeitnehmer mit dem Kündigungsschutzgesetz bereits vom Gesetzgeber wahrgenommen wor___________ 132

Vgl. G. Müller, Das Arbeitsrecht der Gegenwart 1963, 19, 21 f.; ders., DB 1962,

1538. 133 Herschel, Anm. zu BAG v. 25.6.1964, AP Nr. 14 zu § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung; ders., FS Schnorr v. Carolsfeld, 1972, 157, 163; ders., DB 1973, 80 ff.; ders., DB 1984, 1523, 1524. 134 Herschel, Anm. zu LAG Düsseldorf v. 7.9.1976, EzA Nr. 3 zu § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung; vgl. auch ders., DB 1984, 1523; ferner ders., FS Schnorr v. Carolsfeld, 1972, 157, 163 ff. 135

Vgl. Ascheid, KSchR, Rn. 349; Bitter/Kiel, RdA 1994, 333, 346; Borrmann, Das Arbeitsrecht der Gegenwart 1987, 71, 86 ff.; KR/Etzel, § 1 KSchG Rn. 547 ff.; Henssler, Kölner Tage des Arbeitsrechts 2000, 89, 93; Hillebrecht, ZfA 1991, 87, 92, 95; v.Hoyningen-Huene, Anm. zu BAG v. 18.1.1990, SAE 1991, 118, 124 f.; ders., NZA 1994, 1009, 1011; v.Hoyningen-Huene/Linck, KSchG, § 1 Rn. 135 ff. und 371 d; Kiel, S. 128; Oetker, Anm. zu BAG v. 18.1.1990, SAE 1991, 11 ff.; U. Preis, Prinzipien, S. 194 ff.; Stahlhacke, DB 1994, 1361, 1367 f.; Stahlhacke/Preis/Vossen, Rn. 922 f.; Wank, RdA 1987, 129, 136; a. A. Kittner/Däubler/Zwanziger, § 1 KSchG Rn. 293 f. und Rn. 51; Mayer-Maly, ZfA 1988, 209, 220.

252

Zweiter Teil: § 8 Dringende betriebliche Erfordernisse

den ist, so dass es dem Richter verwehrt sei, über den Weg einer nochmaligen Interessenabwägung eine Superüberprüfung vorzunehmen 136 . Gegen die ältere Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts wurde vorgebracht, sie sei in sich widersprüchlich 137 . Wenn eine Kündigung betriebsbedingt sei, dann sei sie sozial gerechtfertigt und damit wirksam. Eine Kündigung könne nicht „an sich“ wirksam sein, dann aber aufgrund einer Interessenabwägung wieder unwirksam sein bzw. werden. Es handele sich um einzelne Komponenten eines einheitlichen Kündigungsgrundes, der nur insgesamt vorliegen oder fehlen könne. Die Auffassung von der Notwendigkeit einer umfassenden Interessenabwägung widerspreche auch dem Willen des historischen Gesetzgebers, der klar zum Ausdruck gebracht habe, dass der Anspruch des Arbeitnehmers auf Berücksichtigung sozialer Gesichtspunkte seine Grenze in den berechtigten betrieblichen Bedürfnissen finden sollte 138 . Ferner verlange die Systematik des § 1 KSchG, dass besondere persönliche Umstände nicht im Rahmen einer Interessenabwägung, sondern allein im Rahmen der Sozialauswahl Berücksichtigung finden sollen 139 . Die Sozialauswahl sei unabhängig von der wirtschaftlichen und betriebsorganisatorischen Belastbarkeit des jeweiligen Unternehmens zu entscheiden. Eine Rationalisierungsmaßnahme des Arbeitgebers zur Gewinnsteigerung sei deshalb vielleicht unpopulär, aber noch lange nicht rechtswidrig 140 . Ferner ist gegen das Erfordernis der Interessenabwägung eingewandt worden, dass die wirtschaftlichen Interessen des Unternehmers an einem Personalabbau und die sozialen Schutzinteressen des Arbeitnehmers an der Fortführung des Arbeitsverhältnisses „inkommensurable“ Größen seien 141 . ___________ 136

Vgl. Borrmann, Das Arbeitsrecht der Gegenwart 1987, 71, 86; Herschel, DB 1984, 1523, 1524. 137

Berkowsky, S. 76; U. Preis (Prinzipien, S. 213) meinte, das Bundesarbeitsgericht solle in seiner Formulierungspraxis eine „Flurbereinigung“ vornehmen und sich auch verbal zu der faktisch bereits vollzogenen Abkehr von einer umfassenden Interessenabwägung bekennen. 138 BT-Drucks. I 2090 S. 12; in der Begründung zum Regierungsentwurf heißt es ferner, dass der gesetzliche Schutz gegeben sei, „ohne dass noch für eine Abwägung Raum wäre, ob der Verlust des Arbeitsplatzes aus sonstigen, außerhalb des Arbeitsverhältnisses liegenden Gründen den Arbeitnehmer mehr oder weniger hart treffen würde“, vgl. RdA 1951, 61, 63. 139 Annuß/Hammer, JA 1997, 377, 380; v.Hoyningen-Huene/Linck, KSchG, § 1 Rn. 371 d; U. Preis, DB 1988, 1387, 1391; Wank, RdA 1987, 129, 136; a. A. Oetker, Anm. zu BAG v. 18.1.1990, SAE 1991, 11, 19. 140 Hillebrecht, ZfA 1991, 87, 110; v.Hoyningen-Huene/Linck, KSchG, § 1 Rn. 371 e; Stahlhacke, DB 1994, 1361, 1365. 141 KR/Etzel, § 1 KSchG Rn. 548; Herschel, Anm. zu BAG v. 7.3.1980, EzA Nr. 14 zu § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung; U. Preis, Prinzipien, S. 219.

B. Dringende betriebliche Erfordernisse

253

Nur eine Mindermeinung 142 hält noch weiterhin wie die ältere Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts an einer Interessenabwägung fest. Die neuere Rechtsprechung praktiziere einen betriebswirtschaftlichen Automatismus und verfehle damit die verfassungsrechtlichen Vorgaben. Die wirtschaftliche Lage des Unternehmens müsse in eine Interessenabwägung mit einbezogen werden. Die gesetzliche Konzeption des „dringenden“ Kündigungsgrundes und die Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen Vorgaben verlange eine einzelfallbezogene Kündigungsüberprüfung. Die Struktur einer Regelung wie der mit § 1 KSchG getroffenen lege eine Interessenabwägung auch dann nahe, wenn eine deutliche gesetzliche Grundlage fehle 143 . Alle in § 1 KSchG angeführten Kriterien seien so gewählt, dass sie sich an einem möglicherweise konträren Ergebnis messen lassen müssten, also beispielsweise betriebliches Erfordernis einerseits, Weiterbeschäftigungsmöglichkeit andererseits.

c) Stellungnahme Eine umfassende Interessenabwägung ist bei der betriebsbedingten Kündigung nicht erforderlich, sondern führt nur zu einer systemwidrigen Abwägung aufgrund von Billigkeitsüberlegungen zwischen der freien Unternehmerentscheidung und dem Bestandsschutzinteresse des Arbeitnehmers. Der Gesetzgeber hat die Interessen der Parteien mit der Regelung in § 1 KSchG ausreichend gewertet, insbesondere durch die Tatbestandsmerkmale „dringende betriebliche Erfordernisse“ und die Sozialauswahl nach § 1 Abs. 3 KSchG. Die gesetzgeberische Formulierung weist auf eine zurückhaltende Dringlichkeitsprüfung hin, unter Umständen auf eine Verhältnismäßigkeitsprüfung, nicht aber auf eine Interessenabwägung. Zudem sind die wirtschaftlichen Interessen des Arbeitgebers und die sozialen Belange des Arbeitnehmers inkommensurabel, also nicht oder nur schwerlich vergleichbare Größen. Als Hauptargument spricht ferner gegen eine Interessenabwägung, dass sie im Einzelfall eine weitgehende Prüfung der Unternehmerentscheidung zur Folge haben würde. Das wirtschaftliche Interesse des Arbeitgebers würde erneut den sozialen Belangen des Arbeitnehmers gegenübergestellt 144 . Aus der Anerkennung des Grundsatzes der nur beschränkt nachprüfbaren Unternehmerentscheidung ist die Konsequenz zu ziehen, dass auch nicht der Überprüfung unterliegt, ob die vom Arbeitgeber er___________ 142

Kittner/Däubler/Zwanziger, § 1 KSchG Rn. 293 f.; Mayer-Maly, ZfA 1988, 209,

220. 143

Mayer-Maly, ZfA 1988, 209, 220.

144

U. Preis, Prinzipien, S. 212.

254

Zweiter Teil: § 8 Dringende betriebliche Erfordernisse

warteten Vorteile zu den Nachteilen des Arbeitnehmers in einem vernünftigen Verhältnis stehen 145 . Aus methodischen Gründen ist eine Interessenabwägung deshalb selbst bei „Härtefällen“ abzulehnen.

2. Grundsatz der Verhältnismäßigkeit a) Rechtsprechung Zur Auslegung der unbestimmten Rechtsbegriffe der „dringenden betrieblichen Erfordernisse“ zog die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts seit Ende der 70er Jahre den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit heran. Grundlegend ist die Entscheidung vom 30.5.1978 146 zur außerordentlichen Kündigung, in der das Gericht den Rechtssatz aufstellte, eine außerordentliche Kündigung komme nur in Betracht, wenn alle anderen, nach den jeweiligen Umständen milderen Mittel (...) erschöpft seien, um das in der bisherigen Form nicht mehr haltbare Arbeitsverhältnis fortzuführen. Die außerordentliche Kündigung dürfe nur als äußerstes Mittel, als ultima ratio, ausgesprochen werden. Sodann äußerte das Bundesarbeitsgericht, im Kündigungsschutzrecht gelte allgemein der Grundsatz, dass eine Beendigungskündigung, gleichgültig ob sie auf betriebs-, personen- oder verhaltensbedingte Gründe gestützt sei, und gleichgültig, ob sie als ordentliche oder außerordentliche Kündigung ausgesprochen werde, als äußerstes Mittel erst in Betracht komme, wenn keine Möglichkeit zu einer anderweitigen Beschäftigung, unter Umständen auch mit schlechteren Arbeitsbedingungen, vorhanden sei. Seit diesem Urteil bezieht sich die Rechtsprechung in nahezu allen entsprechenden Entscheidungen auf den „das Kündigungsschutzrecht beherrschenden Grundsatz der Verhältnismäßigkeit“ 147 . Wenn auch überwiegend die Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes begrüßt wurde 148 , so sind dennoch eine Reihe von Fragen nicht hinrei___________ 145

v.Hoyningen-Huene/Linck, KSchG, § 1 Rn. 371 d. BAG v. 30.5.1978, BAGE 30, 309 ff. 147 Siehe beispielsweise BAG v. 22.2.1980, BAGE 33, 1 ff.; BAG v. 18.12.1980, BAGE 34, 365, 371; BAG v. 28.4.1982, BAGE 38, 348, 356; BAG v. 25.11.1982, BAGE 40, 361, 367 ff.; BAG v. 27.9.1984, BAGE 47, 26 ff.; BAG v. 29.3.1990, BAGE 65, 61 ff. 148 Vgl. dazu aus der Literatur u. a. Ascheid, KSchR, Rn. 284; Boewer, FS Gaul, 1992, 19 ff.; Canaris, JuS 1989, 161 ff.; v.Hoyningen-Huene/Linck, KSchG, § 1 Rn. 139 ff. und Rn. 378 ff.; Medicus, AcP 192 (1992), 35 ff.; B. Preis, NZA 1997, 625, 629; U. Preis, Prinzipien, S. 254 ff.; Wank, RdA 1987, 129, 134 ff.; Zitscher, BB 1983, 1285 ff. 146

B. Dringende betriebliche Erfordernisse

255

chend geklärt worden. So hat das Bundesarbeitsgericht die dogmatische Herleitung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nicht weiter erläutert und auch eine exakte tatbestandliche Zuordnung vermissen lassen. Bis sich die Rechtsprechung von der allgemeinen Interessenabwägung bei der betriebsbedingten Kündigung verabschiedete, wendete sie beide Prinzipien auch nebeneinander an. Ferner scheint sie den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und das ultima-ratioPrinzip synonym heranzuziehen 149 . Es ist nicht klar, ob der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz mit den Unterpunkten der Geeignetheit, Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne verwendet werden soll und welche Rolle die Aspekte der Zumutbarkeit und der Angemessenheit spielen.

b) Das Verhältnismäßigkeitsprinzip im Privatrecht Die Entwicklung und Geltung des Verhältnismäßigkeitsprinzips vollzog sich zunächst im Verwaltungsrecht 150 . Inzwischen ist das Verhältnismäßigkeitsprinzip im gesamten öffentlichen Recht angesiedelt. Nach herrschender Meinung resultiert es aus dem Wesen der Grundrechte und dem Rechtsstaatgebot 151 . Das Übertragen der im öffentlichen Recht geltenden Prinzipien auf das Privatrecht ist wegen der Beachtung der Privatautonomie nicht ohne weiteres möglich 152 . Eine zwanghafte Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes im Privatrecht würde eine Einschränkung der Privatautonomie bedeuten. Die Geltung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes im Zivilrecht und die dogmatische Herleitung sind bisher nur wenig erforscht. Wie gesagt, stellt sich vordringlich das Problem der Vereinbarkeit des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes mit den verfassungsrechtlich geschützten Prinzipien der Selbstbestimmung und der Vertragsfreiheit 153 . Die Rechtsordnung des Privatrechts geht grundsätzlich davon aus, dass die Parteien in Ausübung ihrer Selbstbestimmung für beide Seiten interessengerechte Verträge schließen, so dass es auch grundsätzlich keiner Korrektur über das Verhältnismäßigkeitsprinzip bedarf 154 . Die Privatrechtsordnung ___________ 149

So auch die Kritik von Bitter/Kiel, RdA 1994, 333, 337. Lerche, Übermaß und Verfassungsrecht, S. 24 ff. m.w.N. 151 Vgl. die st. Rspr. des BVerfG v. 23.10.1952, BVerfGE 2, 1, 79; BVerfG v. 10.6.1963, BVerfGE 16, 194, 201 f.; BVerfG v. 7.4.1964, BVerfGE 17, 306, 313 f.; BVerfG v. 15.12.1965, BVerfGE 19, 342, 348 f.; BVerfG v. 15.12.1970, BVerfGE 30, 1, 20; BVerfG v. 19.10.1982, BVerfGE 61, 126, 134; BVerfG v. 15.12.1983, BVerfGE 65, 1, 44. 152 U. Preis, Prinzipien, S. 263. 153 Canaris, ZHR 143 (1979), 113, 122 ff.; U. Preis, Prinzipien, S. 283 f. 154 U. Preis, Prinzipien, S. 284. 150

Zweiter Teil: § 8 Dringende betriebliche Erfordernisse

256

erlaubt deshalb, dass Private untereinander im Rahmen der Gesetze bis hin zur Grenze der Sittenwidrigkeit auch unverhältnismäßige Verträge schließen und durchsetzen können 155 . Zunächst kann also festgestellt werden, dass eine Verhältnismäßigkeitskontrolle im Privatrecht grundsätzlich abzulehnen ist. Dies gilt auf alle Fälle dort, wo die Vertragsfreiheit funktioniert. Anders kann es aber in den Bereichen aussehen, in denen die Vertragsfreiheit aufgrund der Überlegenheit einer Vertragsseite nur einseitig gegeben ist. Die Vertragsfreiheit ist gestört, wenn eine Seite mächtiger und damit in der Lage ist, einseitig die Vertragsbestandteile auf Kosten der schwächeren Partei zu bestimmen. Hier kann ein schützendes Eingreifen der Rechtsordnung notwendig sein. Nur in diesen Ausnahmefällen kann die Anwendung des Verhältnismäßigkeitsprinzips als Kontrollmaßstab in Betracht kommen 156 . Im Verhältnis zwischen dem in der Regel stärkeren Arbeitgeber und dem schwächeren Arbeitnehmer ist ein solcher Bereich der Schutzbedürftigkeit innerhalb des Privatrechts gegeben. Hinzuweisen ist allerdings darauf, dass das Verhältnismäßigkeitsprinzip nur eine vergleichsweise geringe Rolle bei der Wiederherstellung eines gerechten Interessenausgleichs zwischen den Parteien spielt 157 . Ein weiterer Bereich für die Anwendung des Verhältnismäßigkeitsprinzips im Privatrecht kann bei einseitigen Rechtsgeschäften bestehen, vor allem bei den Gestaltungsrechten 158 . Gestaltungsrechte ermöglichen grundsätzlich eine einseitige und vollstreckungsähnliche Interessendurchsetzung, ohne auf die Belange der Gegenseite Rücksicht nehmen zu müssen. Einseitig ausgeübte Gestaltungsrechte bedeuten also jeweils eine gewisse Fremdbestimmung für die andere Seite. Unter Umständen kann die Ausübung eines Gestaltungsrechts sehr stark in den Rechtskreis eines anderen eingreifen. In diesen Fällen kann eine Begrenzung der Rechtsausübung durch das Verhältnismäßigkeitsprinzip durchaus sinnvoll und geboten sein. Es kann folgender Rechtssatz aufgestellt werden: „Je fundamentaler und umfassender in den Rechtskreis eines anderen durch einseitige Gestaltungsakte eingegriffen wird, um so gewichtiger und dringender müssen die Interessen auf Seiten des Ausübenden sein, um diesen Eingriff zu legitimieren“ 159 . Mit diesen Überlegungen kann auch die Begrenzung der arbeitgeberseitigen Kündigung durch das Verhältnismäßigkeitsprinzip erklärt werden, denn die ___________ 155

U. Preis, Prinzipien, S. 283.

156

So im Ergebnis auch überzeugend U. Preis, Prinzipien, S. 284.

157

U. Preis, Prinzipien, S. 284.

158

U. Preis, Prinzipien, S. 285 ff.

159

Vgl. U. Preis, Prinzipien, S. 287 m.w.N.

B. Dringende betriebliche Erfordernisse

257

Kündigung des Arbeitgebers bedeutet für den Arbeitnehmer regelmäßig einen erheblichen und fremdbestimmten Eingriff in einen wesentlichen Bereich seines Lebens. Aus diesen Gründen besteht eine staatliche Schutzpflicht 160 , die den Staat verpflichtet, tätig zu werden. Eine solche Schutzpflichtensituation ermächtigt den privatrechtlichen Gesetzgeber, die Ausübung eines Gestaltungsrechts einzuschränken, sie also beispielsweise von dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit abhängig zu machen.

c) Verankerung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes im Kündigungsschutzgesetz Die pauschale Aussage, das Verhältnismäßigkeitsprinzip beherrsche das gesamte Kündigungsschutzrecht, lässt den Bezug zum Gesetz vermissen. Dies ist methodisch bedenklich. Sofern nämlich der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz im Gesetz konkretisiert ist, ist nicht auf den allgemeinen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, sondern auf die gesetzliche Ausgestaltung zurückzugreifen 161 . Andernfalls besteht die Gefahr, dass die gesetzliche Wertung von einer übergesetzlichen Verhältnismäßigkeitsrechtsprechung übergangen wird, zumal der Gesetzgeber den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz bei der Konkretisierung grundsätzlich auch modifizieren 162 , also beispielsweise ihn auf einen der Teilgrundsätze 163 reduzieren kann. Vor einer generellen Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ist also zu untersuchen, ob und inwieweit das Kündigungsschutzgesetz diesen Grundsatz speziell ausgestaltet hat 164 . Dabei ist es unerheblich, ob der Gesetzgeber den Grundsatz im Gesetz ausdrücklich genannt hat, sondern entscheidend ist, ob und wie er in der Regelung sinngemäß enthalten ist und dadurch eine vom Gesetzgeber vorgenommene Wertung und Abwägung der Interessenlage stattgefunden hat. Überwiegend wird vertreten, der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz sei in dem Merkmal „dringend“ verankert 165 . Dey 166 leitet den Verhältnismäßigkeits___________ 160

Zur staatlichen Schutzpflicht siehe auch Zweiter Teil § 7 B. I. 4., S. 168 ff. Vgl. die Gedanken zur Subsidiarität des allgemeinen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes von U. Preis, Prinzipien, S. 290 ff. 162 U. Preis, Prinzipien, S. 293. 163 U. Preis, Prinzipien, S. 291. 164 U. Preis, Prinzipien, S. 262. 165 So z. B. Ascheid, KSchR, Rn. 284; ErfK/Ascheid, § 1 KSchG Rn. 425; KR/Etzel, § 1 KSchG Rn. 528; v.Hoyningen-Huene/Linck, KSchG, § 1 Rn. 378; Wank, RdA 1987, 161

258

Zweiter Teil: § 8 Dringende betriebliche Erfordernisse

grundsatz aus der Formulierung „sozial ungerechtfertigt“ ab. U. Preis 167 meint, schon das Merkmal „bedingt“ sei im Sinne von „erfordern“ bzw. „notwendig machen“ zu interpretieren, spätestens aber in den Merkmalen der „betrieblichen Erfordernisse“ komme der Erforderlichkeitsgrundsatz zum Ausdruck. Bereits diese gesetzliche Formulierung verpflichte den Arbeitgeber, zur Vermeidung einer betriebsbedingten Kündigung möglichst ein milderes Mittel zu wählen. In der Erforderlichkeitsprüfung sei der Aspekt der Geeignetheit immanent, denn nur ein geeignetes Mittel komme zur Vermeidung einer Kündigung in Betracht. Nach U. Preis sei es nicht korrekt, die Verankerung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes bzw. des ultima-ratio-Prinzips in dem Merkmal der Dringlichkeit zu sehen. Das Merkmal der Dringlichkeit 168 diene der Verhinderung der Gleichstellung von Mensch und Sache. Darüber hinaus modifiziere es den Erforderlichkeitsgrundsatz. Der Arbeitgeber habe nicht nur das relativ mildeste Mittel, sondern das nach der konkreten Sachlage absolut mildeste Mittel zur Vermeidung einer betriebsbedingten Kündigung einzusetzen. Es bestehen aber nicht nur unterschiedliche Auffassungen darüber, welchem gesetzlichen Merkmal der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu entnehmen ist, sondern auch darüber, ob er in seinem klassischen Verständnis oder in modifizierter Form anzuwenden ist. Wank 169 meint, der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz sei so anzuwenden, wie er vom Bundesverfassungsgericht 170 und der Literatur konkretisiert worden sei. Ansonsten würde man § 1 Abs. 2 KSchG einer unkontrollierten Interessenabwägung überlassen. Demnach müsse die Maßnahme des Arbeitgebers geeignet 171 sowie erforderlich 172 sein, und das mit der ___________ 129, 136; so nun auch BAG v. 18.1.1990, BAGE 64, 24 ff.; BAG v. 29.3.1990, BAGE 65, 61 ff. 166 Dey, S. 31. 167 Stahlhacke/Preis/Vossen, Rn. 918. 168 U. Preis, Prinzipien, S. 306 f. 169 Wank, RdA 1987, 129, 136. 170 BVerfG v. 7.4.1964, BVerfGE 17, 306, 314; BVerfG v. 9.3.1971, BVerfGE 30, 250, 262; BVerfG v. 19.3.1975, BVerfGE 39, 210, 230; BVerfG v. 20.6.1984, BVerfGE 67, 157, 173; BVerfG v. 14.5.1985, BVerfGE 70, 1, 25. 171 Nach der allgemeinen Definition ist ein Mittel geeignet, wenn mit seiner Hilfe der gewünschte Erfolg gefördert werden kann; vgl. BVerfG v. 16.3.1971 (Mineralölbevorratung), BVerfGE 30, 292, 316; BVerfG v. 10.5.1972, BVerfGE 33, 171, 187; BVerfG v. 14.10.1975, BVerfGE 40, 196, 222; Gentz, NJW 1968, 1600, 1603; Grabitz, AöR 98 (1973), 568, 571 f.; Jakobs, DVBl. 1985, 97, 99; U. Preis, Prinzipien, S. 265. 172 Erforderlichkeit bedeutet nach der gängigen Definition, dass unter mehreren geeigneten Mitteln immer das zu wählen ist, was den Einzelnen am wenigsten beeinträchtigt, bzw. unter gleich wirksamen ist das nicht oder weniger fühlbar einschränkende Mittel zu wählen; vgl. BVerfG v. 18.10.1966, BVerfGE 20, 292, 316; BVerfG v.

B. Dringende betriebliche Erfordernisse

259

Maßnahme bezweckte Ziel dürfe nicht außer Verhältnis 173 zu der mit der Maßnahme verbundenen Beeinträchtigung stehen. Ascheid 174 hat sich dieser Meinung angeschlossen. v.Hoyningen-Huene und Linck 175 vertreten dagegen die Auffassung, der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz reduziere sich wegen der zu akzeptierenden unternehmerischen Entscheidung im Wesentlichen auf die Teilelemente der Erforderlichkeit und Geeignetheit. Die Überprüfung der Kündigung auf ihre Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne, also der Angemessenheit der Maßnahme zu dem bezweckten Ziel, entfalle, da die vom Unternehmer gesetzten Ziele nicht durch die Nachteile der Arbeitnehmer aufgewogen werden könnten 176 . U. Preis 177 geht ebenfalls von einer reduzierten Verhältnismäßigkeitsprüfung, nämlich von einer Geeignetheit- und Erforderlichkeitsprüfung aus. Das gesetzliche Merkmal „dringend“ modifiziere schließlich den Erforderlichkeitsgrundsatz dahingehend, dass regelmäßig das nach den Umständen mögliche absolut mildeste Mittel vor einer Kündigung in Betracht zu ziehen sei. Zudem zeigt er die Grenzen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes auf. Dem Arbeitgeber könnten zur Vermeidung der Kündigung nur ihm tatsächlich und rechtlich mögliche mildere Mittel auferlegt werden. Insofern seien gesetzliche Grenzen, kollektive Mitbestimmungsrechte oder auch Rechte Dritter zu beachten. Eine darüber hinausgehende Abwägung, also eine Verhältnismäßigkeitsprüfung im engeren Sinne, finde bei der betriebsbedingten Kündigung nicht statt. Nach alledem kann festgestellt werden, dass es zwar methodisch wertvoll ist, nach der gesetzlichen Verankerung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu suchen und nachzuvollziehen, inwieweit eine gesetzliche Konkretisierung stattgefunden hat; eine isolierte Betrachtung der einzelnen Bestandteile der Formel „dringende betriebliche Erfordernisse“, also jedes Wort einzeln analysiert und auf die Goldwaage gelegt, scheint jedoch keine weiterführenden Erkenntnisse ___________ 18.12.1968, BVerfGE 25, 1, 18; BVerfG v. 10.5.1972, BVerfGE 33, 171, 187; BVerfG v. 5.3.1974 (Mengenabgabe Weinwirtschaftsgesetz), BVerfGE 37, 1, 21; BVerfG v. 14.10.1975, BVerfGE 40, 196, 223; Grabitz, AöR 98 (1973), 568, 573 ff.; Gentz, NJW 1968, 1600, 1603; U. Preis, Prinzipien, S. 265. 173 Nach der allgemeinen Definition der Verhältnismäßigkeit i.e.S. darf das Mittel nicht außer Verhältnis zum Zweck stehen, muss angemessen, nicht übermäßig belastend bzw. zumutbar sein. Dazu müssen Mittel und Zweck gegeneinander abgewogen werden. Bei einem Überwiegen der mit einem Mitteleinsatz verbundenen Nachteile hat die erwogene Maßnahme zu unterbleiben; vgl. Jakobs, DVBl. 1985, 97 ff.; U. Preis, Prinzipien, S. 266. 174

Vgl. Ascheid, KSchR, Rn. 284.

175

v.Hoyningen-Huene/Linck, KSchG, § 1 Rn. 378.

176

v.Hoyningen-Huene/Linck, KSchG, § 1 Rn. 379.

177

U. Preis, Prinzipien, S. 305 ff.; vgl. auch Stahlhacke/Preis/Vossen, Rn. 918.

260

Zweiter Teil: § 8 Dringende betriebliche Erfordernisse

zu versprechen. Die Worte „dringende betriebliche Erfordernisse“ werden vielmehr in einem Redefluss gelesen und verwendet und sind daher auch zusammenhängend zu verstehen. In dieser gesetzlichen Formulierung insgesamt betrachtet ist der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz sinngemäß enthalten, und zwar in einer modifizierten Form. Indem sich der Gesetzgeber bewusst gegen die Formulierung „zwingend“ entschieden hat, hat er zum Ausdruck gebracht, dass er nur eine zurückhaltende Dringlichkeitsprüfung fordert. Diese zurückhaltende Dringlichkeitsprüfung schließt, wie erörtert, eine nochmalige Interessenabwägung zwischen den Unternehmer- und den Arbeitnehmerinteressen aus und damit konsequenterweise auch eine Verhältnismäßigkeitsprüfung im engeren Sinne. In der gesetzlichen Formulierung der „dringenden betrieblichen Erfordernisse“ kommt somit ein auf die Teilelemente der Erforderlichkeit und der Geeignetheit reduzierter Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zum Ausdruck. Keinesfalls überzeugend ist es, den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz in den gesetzlichen Formulierungen „bedingt“ oder „sozial gerechtfertigt“ verwurzelt zu sehen. Das Merkmal „bedingt“ weist auf eine Kausalitätsprüfung zwischen den betrieblichen Notwendigkeiten und dem Wegfall des Arbeitsplatzes hin 178 . Das Merkmal „sozial gerechtfertigt“ ist lediglich ein Begriff rechtstechnischer Natur 179 , der erst durch § 1 Abs. 2 KSchG erläutert wird 180 . Die zweifache Verneinung in § 1 Abs. 2 KSchG soll zum Ausdruck bringen, dass eine Kündigung als Ausnahme von der Regel aufzufassen ist und bedeutet nichts anderes als die positive Aussage, dass eine Kündigung nur wirksam ist, wenn sie durch die in § 1 Abs. 2 KSchG aufgeführten Gründe bedingt ist. Vorbehaltlich der Regelungen in § 1 Abs. 2 S. 2 und 3 und Abs. 3 KSchG kommt es also nur auf das Vorhandensein der in § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG genannten Gründe an.

___________ 178

So schon Galperin, BB 1954, 1117, 1119; Kunkel, NJW 1953, 447 ff.; vgl. ferner Stahlhacke/Preis/Vossen, Rn. 955. 179

Rechtstechnische Begriffe zeichnen sich dadurch aus, dass sie unmittelbar im Gesetz definiert werden. Eben weil sie Nominaldefinitionen sind, schneiden sie weitere Wertungen und Erkenntnisse ab. Sie enthalten niemals mehr, als zuvor im Wege der Definition in sie hineingelegt wurde; vgl. Larenz, Methodenlehre, S. 217. 180 Vgl. BAG v. 12.1.1961, BAGE 10, 288, 292; BAG v. 20.1.1961, BAGE 10, 323, 326 f.; U. Preis, Prinzipien, S. 197; zu der mit Erlass des KSchG eingeführten Formulierung, dass Kündigungen sozial gerechtfertigt sein müssen, vgl. auch Zweiter Teil § 4 E., S. 64.

B. Dringende betriebliche Erfordernisse

261

d) Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und das ultima-ratio-Prinzip Wie bereits kritisch angemerkt, werden das Verhältnismäßigkeitsprinzip und das ultima-ratio-Prinzip von der Rechtsprechung 181 teilweise synonym verwendet, so dass nicht klar zum Ausdruck kommt, ob beiden Prinzipien identische Inhalte zugeschrieben werden bzw. ob und wo die Unterschiede liegen 182 . Dadurch entsteht der Eindruck, dass diese Prinzipien als Blankettformeln verwendet werden. Das Verhältnis dieser Prinzipien zueinander bedarf deshalb einer Klärung 183 . Übersetzt bedeutet ultima ratio letztes Mittel bzw. äußerstes Mittel. Untersucht man die geschichtliche Abstammung des Begriffs, so stößt man auf die französischen Kanonen des 17. Jahrhunderts, auf denen die lateinische Inschrift „ultima ratio regum“ zu lesen war, zu übersetzen als „letztes Mittel der Könige“. Krieg sollte als letztes Mittel erst dann geführt werden, wenn politische Auseinandersetzungen ohne Waffengewalt aussichtslos blieben 184 . Weder die wörtliche noch die historische Bedeutung des Begriffs ultima ratio beinhalten Kriterien der Angemessenheit bzw. der Zumutbarkeit. Daraus ist die Konsequenz zu ziehen, dass das ultima-ratio-Prinzip keine Abwägung im Sinne der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne beinhaltet. Im Ergebnis ist das ultima-ratio-Prinzip daher mit dem Erforderlichkeitsgrundsatz gleichzusetzen. Mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz im klassischen Sinne dagegen ist das ultima-ratio-Prinzip nicht identisch, da dieser die Verhältnismäßigkeitsprüfung im engeren Sinne beinhaltet. Kritisiert worden ist aber nicht nur die dogmatische Unklarheit, sondern auch der Maßstab des ultima-ratio-Prinzips. Schwerdtner 185 meinte, das Kündigungsschutzgesetz von 1951 sei „einem Kahlschlag“ zum Opfer gefallen, indem das Bundesarbeitsgericht die Willkürkontrolle zu einem ultima-ratio___________ 181

Vgl. grundlegend BAG v. 30.5.1978, BAGE 30, 309 ff. In diesem Urteil, durch das das ultima-ratio-Prinzip in das Kündigungsrecht vom Bundesarbeitsgericht eingeführt wurde, wird dieses Prinzip raumgreifend auf jede Art von Kündigung bezogen, obwohl es in dem zu entscheidenden Fall zunächst nur um die außerordentliche Kündigung ging. Damit sind alle Kündigungen auf eine Stufe gestellt worden, was den einzelnen Unterschieden aber nicht gerecht wird; vgl. Berkowsky, S. 59. 182 So die Kritik aus dem Schrifttum u. a. von Berkowsky, S. 58; Bitter/Kiel, RdA 1994, 333, 337; U. Preis, Prinzipien, S. 278 f.; Rüthers, NJW 1998, 1433, 1434. 183

Siehe dazu Berkowsky, S. 58 ff.; v.Hoyningen-Huene, Anm. zu BAG v. 27.9.1987, AP Nr. 8 zu § 2 KSchG 1969; Löwisch, BB 1998, 1793; U. Preis, Prinzipien, S. 278 ff.; Rüthers, NJW 1998, 1433, 1434; Stahlhacke/Preis/Vossen, Rn. 918 f.; Stückmann/Kohlepp, RdA 2000, 331; Zitscher, BB 1983, 1285 ff. 184

Vgl. dazu U. Preis, Prinzipien, S. 279 m.w.N.

185

MüKo/Schwerdtner, § 622 Anh. Rn. 3.

262

Zweiter Teil: § 8 Dringende betriebliche Erfordernisse

Prinzip fortentwickelt habe. Auch Rüthers 186 hält das generell von der Judikatur angewendete ultima-ratio-Prinzip für eine außergesetzliche, wenn nicht sogar gesetzeswidrige generalklauselartige Übersteigerung, die weder aus dem Wortlaut noch aus der amtlichen Begründung hervorgehe 187 . Die berechtigte Wahrung der Arbeitgeberinteressen sei nach § 1 KSchG nicht erst als „letztes Mittel“ vorgesehen, sondern sei bereits dann gegeben, wenn ein verständiger, sachgerecht abwägender Arbeitgeber vernünftige Gründe sehe, das Arbeitsverhältnis trotz der Bestandsinteressen des Arbeitnehmers zu beenden. Teilweise wird eine Parallele gezogen zwischen dem ultima-ratio-Prinzip des Arbeitskampfrechts und dem des Kündigungsschutzrechts. Wer den Arbeitskampf generell nur als letztes Mittel gelten lasse, verhalte sich widersprüchlich, wenn er im Kündigungsschutzrecht ein allgemeines ultima-ratioPrinzip ablehne 188 . Diese Gleichsetzung überrascht, da es sich hier um zwei vollkommen verschiedene Interessenlagen handelt. Diese Parallele ist letztlich auch deswegen abzulehnen, weil hinsichtlich der Beendigung von Arbeitsverhältnissen mit dem KSchG gesetzliche Regelungen im Gegensatz zum Arbeitskampfrecht vorhanden sind. Im Arbeitskampfrecht war Richterrecht unvermeidbar; im Kündigungsschutzrecht dagegen sollte sich aber die Rechtsprechung stärker an die gesetzlichen Vorgaben halten 189 . Eine anderweitige über die Erforderlichkeit hinausgehende Auslegung der Merkmale der dringenden betrieblichen Erfordernisse ergibt sich auch nicht aus § 2 Abs. 2 Nr. 2 SGB III (n. F.). Nach dieser Bestimmung sollen die Arbeitgeber vorrangig durch betriebliche Maßnahmen die Inanspruchnahme von Leistungen der Arbeitsförderung sowie Entlassungen von Arbeitnehmern vermeiden. Dem Wortlaut nicht zu entnehmen ist, dass betriebsbedingte Kündigungen aus weiteren als den im KSchG geregelten Gründen unwirksam sein sollen. § 2 Abs. 1 Nr. 2 SGB III (n. F.) wiederholt vielmehr nur den ulima ratio Gedanken, der auch schon vor Einführung dieser Regelung dem § 1 Abs. 2 KSchG zu entnehmen war 190 . Nach alledem ergibt sich, dass das ultima-ratio-Prinzip mit dem Erforderlichkeitsgrundsatz gleichgestellt werden kann und aus den gesetzlichen Merkmalen der „dringenden betrieblichen Erfordernisse“ hervorgeht. Der Maßstab, ___________ 186

Rüthers, NJW 1998, 1433, 1434. Rüthers, NJW 1998, 1433, 1435. 188 Rüthers, NJW 1998, 1433, 1435; Hanau, Deregulierung des Arbeitsrechts, S. 15. 189 Wank, RdA 1987, 129, 130. 190 Vgl. zu der Auswirkung des § 2 SGB III auf das Kündigungsschutzrecht auch Zweiter Teil § 7 C. III., S. 211 ff. 187

B. Dringende betriebliche Erfordernisse

263

dass unter Zugrundelegung der getroffenen Unternehmerentscheidung die Kündigung nur das letzte Mittel sein darf, ist grundsätzlich zu befürworten. Findet der Arbeitgeber ein milderes Mittel als eine Kündigung, um sein unternehmerisches Ziel zu erreichen, so hat er dieses vorrangig zu wählen.

3. Prognoseprinzip Das Prognoseprinzip ist gesetzlich nicht geregelt und hat erst lange nach Inkrafttreten des Kündigungsschutzgesetzes richtig Beachtung erlangt 191 . Inzwischen kann das Prognoseprinzip in Rechtsprechung und Literatur als etabliert gelten, obwohl Einzelheiten umstritten sind 192 . Immer dann, wenn es um die Beurteilung eines zukünftigen Sachverhalts geht, spielt die Prognose als Einschätzung der künftigen Entwicklungen eine wichtige Rolle. So verhält es sich auch im Kündigungsrecht, da für die Rechtfertigung einer Kündigung in erster Linie in der Zukunft liegende Ereignisse und Entwicklungen ausschlaggebend sind. Maßgebend für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses sind Gründe, die einer „Weiterbeschäftigung“ entgegenstehen. Vergangene Ereignisse haben nur eine Indizfunktion, das heißt, sie können allenfalls zum Anlass genommen werden, um Schlussfolgerungen für die Zukunft zu ziehen 193 . Das Prognoseprinzip gilt für alle Kündigungsarten und kann insofern als ein allgemeines Prinzip des Kündigungsrechts angesehen werden 194 . Je nach Kündigungsgrund sind bei der Prognose jedoch die spezifischen Besonderheiten zu beachten. Da die Ursache für die betriebsbedingte Kündigung allein in der Sphäre des Arbeitgebers zu suchen ist, kann sie nur damit gerechtfertigt werden, dass die Weiterbeschäftigungsmöglichkeit des Arbeitnehmers zukünftig entfällt. Auf in der Vergangenheit liegende Umstände kommt es hier nicht an, entscheidend ist allein die reine Zukunftsprognose 195 . ___________ 191

Berkowsky, S. 62; U. Preis, Prinzipien, S. 322; Rüthers, NJW 1998, 1433, 1435. Dazu Adam, NZA 1998, 284; Berkowsky, S. 62 ff.; Gentges, Prognoseprobleme im Kündigungsschutzrecht; Hanau, NJW 1998, 1895; Herschel, FS G. Müller, 1981, 191, 202 f.; v.Hoyningen-Huene/Linck, KSchG, § 1 Rn. 131 ff.; U. Preis, Prinzipien, S. 322 ff.; Rüthers, NJW 1998, 1433, 1435; Stahlhacke/Preis/Vossen, Rn. 920 f. 193 Berkowsky, S. 63 schreibt, je weniger man der (verhaltensbedingten) Kündigung einen Sanktionscharakter beimesse, um so mehr lasse sie sich nur mit künftig zu erwartenden Störungen des Arbeitsverhältnisses begründen; ders., BB 1981, 910 f.; vgl. ferner Herschel, FS G. Müller, 1981, 191, 202 f.; U. Preis, Prinzipien, S. 322. 194 Berkowsky, S. 64. 195 So auch Berkowsky, S. 63. 192

264

Zweiter Teil: § 8 Dringende betriebliche Erfordernisse

Da jede Prognose auf einem Wahrscheinlichkeitsurteil beruht, ist die Beurteilung naturgemäß mit Rechtsunsicherheiten behaftet 196 . Zunächst stellt sich daher das Problem, ob und in welchem Umfang dem Arbeitgeber ein Prognosespielraum zugestanden wird 197 . Würde man dem Arbeitgeber einen von objektiv gegebenen Umständen losgelösten und unkontrollierbaren Prognosespielraum einräumen, so liefe der Kündigungsschutz im Ergebnis leer. Die Einschätzung des Vorliegens von Kündigungsgründen hat daher auf einer objektiven Grundlage stattzufinden und nicht allein aufgrund subjektiver Arbeitgebervorstellungen 198 . Ein vollkommen freier Prognosespielraum des Arbeitgebers ist daher abzulehnen. Weiterhin ist fraglich, welcher Zeitpunkt für die Prognose ausschlaggebend ist. Nach herrschender Meinung 199 ist der Zeitpunkt des Ausspruchs bzw. des Zugangs der Kündigung maßgebend. Die Rechtsprechung 200 verlangt, die kündigungsrelevanten Umstände müssten bereits im Zeitpunkt der Kündigung vorliegen, das heißt, dass diejenigen Tatsachen bereits vorliegen müssen, auf die sich die Prognose der künftigen fehlenden Weiterbeschäftigungsmöglichkeit stützt 201 . Nicht erforderlich ist, dass zum Zeitpunkt des Ausspruchs bzw. Zugangs der Kündigung die kündigungsbegründende Unternehmerentscheidung bereits verwirklicht wurde. Es reicht aus, wenn unter Zugrundelegung einer objektiven Betrachtung erkennbar ist, dass der Arbeitsplatz mit Ablauf der Kündigungsfrist wegfallen wird 202 . Die gerichtliche Beurteilung, ob eine betriebsbedingte Kündigung sozial gerechtfertigt ist, hat demgemäß aus einer ex-anteBetrachtung stattzufinden 203 . Problematisch ist, ob im Kündigungsschutzprozess auch nach Ausspruch der Kündigung eingetretene Entwicklungen zur Bestätigung oder Korrektur der Prognosen herangezogen werden können 204 . Nach richtiger Auffassung ist dies ___________ 196

BAG v. 29.8.1979, BAGE 32, 85, 95; U. Preis, Prinzipien, S. 323. Siehe dazu U. Preis, Prinzipien, S. 337 ff. 198 Vgl. BAG v. 29.8.1979, BAGE 32, 85, 94 f.; U. Preis, Prinzipien, S. 338. 199 Vgl. Annuß/Hammer, JA 1997, 377, 380; U. Preis, Prinzipien, S. 339 f.; Schwerdtner, ZIP 1984, 10, 11 f. 200 BAG v. 15.8.1984, AP Nr. 16 zu § 1 KSchG 1969 Krankheit; BAG v. 19.5.1993, BAGE 73, 151 ff.; BAG v. 10.1.1994, AP Nr. 8 zu § 1 KSchG 1969 Konzern. 201 Berkowsky, S. 63. 202 Vgl. BAG v. 23.3.1984, AP Nr. 38 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung; siehe ferner Berkowsky, S. 63. 203 U. Preis, Prinzipien, S. 339 f. 204 So BAG v. 10.11.1983, SAE 1984, 205 ff.; vgl. dazu die ausführliche Kritk U. Preis, Prinzipien, S. 340 ff. 197

B. Dringende betriebliche Erfordernisse

265

abzulehnen, da die Prozessrisiken noch zunehmen würden, insbesondere wenn mit lang dauernden Prozessen zu rechnen ist. Im Sinne der Rechtssicherheit ist deshalb der Standpunkt zu vertreten, dass für die Wirksamkeit der Kündigung allein maßgebend eine objektiv vertretbare ex-ante-Prognose ist. Eine Kündigung kann nicht dadurch unwirksam werden, dass sich die Prognose im weiteren Geschehensverlauf als fehlerhaft herausstellt. Erweist sich, dass dem Arbeitgeber eine Fehlprognose unterlaufen ist, so führt dies aber zu der Frage, ob der Arbeitnehmer einen Anspruch auf Vertragsfortsetzung bzw. Wiedereinstellung hat 205 . Diese Fragestellung kann aufgrund ihrer Komplexität und der nicht abschließend geklärten dogmatischen Grundlagen an dieser Stelle nicht in aller Ausführlichkeit behandelt werden. Die Meinungen dazu sind sehr unterschiedlich. Das Bundesarbeitsgericht hat in der Entscheidung vom 27.2.1997 206 festgestellt, der Arbeitnehmer habe im Fall der während des Laufs der Kündigungsfrist erwiesenen Fehlprognose einen Anspruch auf Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses, sofern der Arbeitgeber noch keine Dispositionen getroffen hat und ihm die unveränderte Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zumutbar ist. Die Meinungen im Schrifttum sind sehr verschieden. Teilweise wird ein solcher Anspruch gänzlich abgelehnt 207 . Andere bejahen einen solchen Anspruch und berufen sich auf Billigkeitserwägungen 208 . Zu folgen dürfte solchen Meinungen sein, die sich für die Korrektur von Fehlprognosen maßgeblich auf Gedanken des Vertrauensschutzes, der Risikoverteilung und auf den Zeitpunkt der sich herausgestellten Fehlprognose stützen 209 .

VI. Ergebnis Als Ergebnis ist festzuhalten, dass in den Merkmalen der „dringenden betrieblichen Erfordernisse“ ein abgeschwächter Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zum Ausdruck kommt, der sich auf eine Überprüfung der Geeignetheit und der Erforderlichkeit reduziert. Dieser abgeschwächte Verhältnismäßigkeitsgrund___________ 205 Vgl. dazu u. a. F. Gamillscheg, AcP 164 (1964), 385, 393 f.; Hambitzer, NJW 1985, 2239 ff.; U. Preis, Prinzipien, S. 349 ff.; Wank, Anm. zu BAG v. 15.3.1984, AP Nr. 2 zu § 1 KSchG 1969 Soziale Auswahl. 206 BAG v. 27.2.1997, BAGE 85, 194 ff. 207 So z. B. Molitor, Anm. zu BGH v. 13.7.1956, SAE 1957, 1, 5 ff. 208 Vgl. dazu aber v.Bar, AcP 179 (1979), 452, 472; siehe auch Hambitzer, NJW 1985, 2239, 2240. 209 So U. Preis, Prinzipien, S. 352 ff.

Zweiter Teil: § 8 Dringende betriebliche Erfordernisse

266

satz entspricht im Wesentlichen dem ultima-ratio-Prinzip. Eine allgemeine Interessenabwägung ist bei der Prüfung der sozialen Rechtfertigung einer betriebsbedingten Kündigung nicht vorzunehmen. Die Einschätzung des Vorliegens von Kündigungsgründen hat aufgrund einer objektiven Prognose stattzufinden, das heißt, die Prognose muss sich auf objektive Gegebenheiten stützen.

C. Mildere Mittel zur Vermeidung einer Beendigungskündigung Aus dem Grundsatz der Erforderlichkeit bzw. dem ultima-ratio-Prinzip folgt, dass eine betriebsbedingte Kündigung erst dann ausgesprochen werden darf, wenn keine milderen Mittel zur Erreichung des Zwecks in Betracht kommen. Es darf kein milderes Mittel als die Kündigung gegeben sein, um das unternehmerische Ziel zu erreichen 210 . Der Arbeitgeber muss also vorrangig nach Maßnahmen suchen und diese prüfen, die aus der Sicht des betroffenen Arbeitnehmers weniger einschneidend sind als eine Beendigungskündigung. In Betracht zu ziehen sind aber nur Maßnahmen, die dem Arbeitgeber weiterhin erlauben, sein vorgegebenes unternehmerisches Ziel, wie es sich aus der getroffenen Unternehmerentscheidung ergibt, auf andere Weise zu erreichen. Schwierigkeiten bereitet die Frage, inwieweit die Überprüfung der Eignung des milderen Mittels zur Vermeidung der Kündigung grundsätzlich der freien subjektiven Einschätzung des Arbeitgebers unterliegt oder aber einer objektiven gerichtlichen Überprüfung zugänglich ist. Obwohl die Entscheidung für Alternativmaßnahmen wiederum im Wesentlichen ein Bestandteil des unternehmerischen Denkens und Handelns ist 211 , wird grundsätzlich von einer gerichtlichen Kontrollmöglichkeit ausgegangen 212 . Die Entscheidung für ein milderes Mittel ist also nicht in dem gleichen Umfang der gerichtlichen Kontrolle entzogen wie die vorgelagerte Unternehmerentscheidung 213 . Die Pflicht, die Beendigungskündigung vorrangig durch mildere Mittel zu vermeiden, wird neuerdings – wie schon mehrfach erwähnt – auch durch § 2 Abs. 2 Nr. 2 SGB III (n.F.) zum Ausdruck gebracht. Nach dieser Vorschrift sollen Arbeitgeber bei ihren Entscheidungen verantwortungsvoll deren Auswir___________ 210

St. Rspr. vgl. nur BAG v. 9.5.1996, BAGE 83, 127 ff.; BAG v. 26.9.1996, BAGE 84, 209 ff.; vgl. auch v.Hoyningen-Huene/Linck, KSchG, § 1 KSchG Rn. 381 ff.; Kittner/Däubler/Zwanziger, § 1 KSchG Rn. 281 ff. 211

Vgl. Berkowsky, S. 125.

212

Vgl. Stahlhacke/Preis/Vossen, Rn. 999.

213

Vgl. auch Kiel/Koch, Rn. 188.

C. Mildere Mittel

267

kungen auf die Beschäftigung der Arbeitnehmer und von Arbeitslosen und somit die Inanspruchnahme von Leistungen der Arbeitsförderung einbeziehen. Entlassungen sollen vorrangig durch betriebliche Maßnahmen vermieden werden. Inwiefern sich diese Vorschrift auf den Kündigungsschutz auswirkt, wird im Schrifttum kontrovers diskutiert 214 . Im Ergebnis wird der individuelle Kündigungsschutz aber durch diese Vorschrift nicht erweitert. Vielmehr wird der im Kündigungsschutzgesetz verankerte ultima-ratio-Grundsatz nur erneut bekräftigt.

I. Im Gesetz konkretisierte mildere Mittel Zur Frage, welche milderen Mittel in Betracht kommen, um eine betriebsbedingte Kündigung zu vermeiden, enthält das Kündigungsschutzgesetz zunächst einige konkrete Anhaltspunkte durch die nachträglich eingefügten Widerspruchstatbestände 215 . So ist eine Kündigung gemäß § 1 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 b KSchG sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in demselben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann. § 1 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 b KSchG trifft eine entsprechende Regelung für Betriebe und Verwaltungen des öffentlichen Rechts. Ferner schreibt § 1 Abs. 2 S. 3 vor, dass S. 2 entsprechend gilt, wenn die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen oder eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Arbeitsbedingungen möglich ist und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hiermit erklärt hat. Nach dem Wortlaut § 1 Abs. 2 S. 2 KSchG besteht ein Anspruch auf die anderweitige Beschäftigung nur, wenn der Betriebs- oder Personalrat der Kündigung begründet widersprochen hat. Seit dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 13.9.1973 216 wird von der Rechtsprechung und dem überwiegenden Schrifttum 217 ein Widerspruch des Betriebsbzw. Personalrats aber nicht mehr für einen Weiterbeschäftigungsanspruch

___________ 214

Vgl. dazu oben Zweiter Teil § 7 C. III., S. 211 ff.

215

§ 1 Abs. 2 KSchG wurde durch § 123 Nr. 1 BetrVG vom 15.1.1972 (BGBl. I S. 17) und durch § 114 BPersVG vom 15.3.1974 (BGBl. I S. 693) um die betreffenden Widerspruchstatbestände ergänzt. 216 Vgl. BAG v. 13.9.1973, BAGE 25, 278 ff.; siehe ferner BAG v. 17.5.1984, BAGE 46, 191 ff.; BAG v. 15.12.1994, BAGE 79, 66 ff.; BAG v. 21.9.2000, AP Nr. 111 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung. 217 ErfK/Ascheid, § 1 KSchG Rn. 440; Berkowsky, S. 216; Kiel/Koch, Rn. 207; G. Müller, ZfA 1982, 475, 488 f.; Stahlhacke/Preis/Vossen, Rn. 1000.

Zweiter Teil: § 8 Dringende betriebliche Erfordernisse

268

vorausgesetzt. Der individualrechtliche Kündigungsschutz besteht unabhängig von dem Vorhandensein und vom Tätigsein des Betriebsrats 218 . Die gesetzliche Aufzählung der anderweitigen Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten enthält eine gewisse Rangfolge 219 . Die Weiterbeschäftigungsmöglichkeit in dem bisherigen Betrieb geht der Weiterbeschäftigungsmöglichkeit in einem anderen Betrieb des Unternehmens vor 220 . Sodann hat die Weiterbeschäftigung nach zumutbaren Umschulungs- und Fortbildungsmaßnahmen im Betrieb Vorrang vor derjenigen in einem anderen Betrieb des Unternehmens. Grundsätzlich lässt sich festhalten, eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit ohne oder nur mit geringer Abweichung von den ursprünglichen Vertragsbedingungen hat Priorität vor einer Weiterbeschäftigungsmöglichkeit mit weitergehenden Abänderungen des bisherigen Arbeitsvertrages 221 . Zunächst sind also vertragserhaltende und dann erst vertragsändernde Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten zu erwägen.

1. Weiterbeschäftigung auf einem anderen Arbeitsplatz in demselben Betrieb Die gesetzliche Formulierung der Weiterbeschäftigung auf einem „anderen Arbeitsplatz“ in demselben Betrieb bedeutet, dass die Kündigung ungerechtfertigt ist, wenn eine gleichwertige Beschäftigung, also zu unveränderten Arbeitsbedingungen, aber auf einem Arbeitsplatz außerhalb des bisherigen Einsatzbereichs möglich ist 222 . Diese Betrachtung folgt daraus, dass die Möglichkeit der Beschäftigung zu geänderten Arbeitsbedingungen im Gesetz nachfolgend aufgezeigt ist. Somit ist zuerst von einer Weiterbeschäftigung zu den bisherigen Bedingungen, aber eben auf einem anderen Arbeitsplatz auszugehen. Der arbeitsvertragliche Einsatzbereich des Arbeitnehmers dürfte in den meisten Fällen eine Vielzahl von konkreten Arbeitsplätzen umfassen. Je weiter der vertragliche Einsatzbereich des Arbeitnehmers umschrieben ist, desto mehr Arbeitsplätze zu den bisherigen Arbeitsbedingungen kommen in Betracht 223 . Aus___________ 218 Ascheid, KSchR, Rn. 294; zur methodischen Begründung vgl. auch Bitter/Kiel, RdA 1994, 333, 342; Kiel/Koch, Rn. 207. 219 Siehe Berkowsky, S. 81 und S. 220; vgl. auch v.Hoyningen-Huene/Linck, KSchG, § 1 Rn. 400 a ff. 220 BAG v. 28.10.1999, AP Nr. 44 zu § 15 KSchG 1969. 221 Berkowsky, S. 220. 222 Berkowsky, S. 78. 223 BAG v. 27.3.1980, AP Nr. 26 zu § 611 BGB Direktionsrecht.

C. Mildere Mittel

269

schlaggebend ist insofern die Reichweite des Direktionsrechts des Arbeitgebers 224 . Nur wenn im gesamten Bereich des Direktionsrechts keine weitere Beschäftigungsmöglichkeit für den betroffenen Arbeitnehmer besteht, fehlt es an der Weiterbeschäftigungsmöglichkeit auf einem anderen Arbeitsplatz in demselben Betrieb. Voraussetzung ist zunächst das Vorhandensein eines freien Arbeitsplatzes, den der betroffene Arbeitnehmer einnehmen könnte 225 . Ein Arbeitsplatz ist als frei anzusehen, wenn er zum Zeitpunkt des Kündigungszugangs unbesetzt ist. Ebenfalls als frei anzusehen ist ein Arbeitsplatz, wenn der Arbeitgeber mit hinreichender Sicherheit vorhersehen kann, dass ein Arbeitsplatz bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zur Verfügung stehen wird 226 . Das Bundesarbeitsgericht 227 will jetzt sogar solche Arbeitsplätze in die Überlegung mit einbeziehen, „bei denen im Zeitpunkt der Kündigung bereits feststeht, dass sie in absehbarer Zeit nach Ablauf der Kündigungsfrist frei werden, sofern die Überbrückung dieses Zeitraums dem Arbeitgeber zumutbar ist“. Dies wird mit einem ErstRecht-Schluss aus § 1 Abs. 2 S. 3 KSchG begründet. Wenn § 1 Abs. 2 S. 3 KSchG eine Weiterbeschäftigungspflicht nach einer eventuell erforderlichen Fort- oder Weiterbildung vorsehe, so müsse dem Arbeitgeber für den entsprechenden Zeitraum erst recht eine Weiterbeschäftigung ohne Fort- oder Weiterbildung zumutbar sein. Zumutbar soll die Zeitspanne sein, die ein neuer Arbeitnehmer zur Einarbeitung brauchen würde, was in etwa der Probezeitvereinbarung entspreche. Die Einbeziehung künftig frei werdender Arbeitsplätze darf aber nicht dazu führen, dass der Arbeitgeber gezwungen wird, eine für ihn unvorteilhafte Personalreserve zu halten 228 . Keine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit ist vorhanden, wenn dazu einem anderen Arbeitnehmer gekündigt werden müsste 229 . Der Arbeitnehmer muss für den freien Arbeitsplatz grundsätzlich entsprechend qualifiziert sein 230 . Das Anforderungsprofil der Stelle liegt im freien unternehmerischen Ermessen. Unter Umständen ist aber eine Umschu___________ 224

Ascheid, KSchR, Rn. 300; Berkowsky, S. 79 f. BAG v. 3.2.1977, AP Nr. 4 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung; BAG v. 24.3.1983, BAGE 42, 151, 158; BAG v. 7.2.1991, BAGE 67, 198 ff.; Ascheid, KSchR, Rn. 296; Stahlhacke/Preis/Vossen, Rn. 1003. 226 BAG v. 29.3.1990, BAGE 65, 61 ff.; BAG v. 7.2.1991, BAGE 67, 198 ff.; Ascheid, KSchR, Rn. 296; Stahlhacke/Preis/Vossen, Rn. 1006. 227 BAG v. 15.12.1994, AP Nr. 67 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung. 228 Annuß/Hammer, JA 1997, 377, 381. 229 BAG v. 7.2.1985, AP Nr. 9 zu § 1 KSchG 1969 Soziale Auswahl; BAG v. 29.1.1997, AP Nr. 32 zu § 1 KSchG Krankheit; ErfK/Ascheid, § 1 KSchG Rn. 443; Löwisch, KSchG, § 1 Rn. 269; Stahlhacke/Preis/Vossen, Rn. 1003. 230 Stahlhacke/Preis/Vossen, Rn. 1005. 225

Zweiter Teil: § 8 Dringende betriebliche Erfordernisse

270

lungs- oder Fortbildungsmaßnahme des betroffenen Arbeitnehmers in Betracht zu ziehen. Verhält es sich so, dass mehr Beschäftigungsmöglichkeiten entfallen als Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten vorhanden sind, so dass die betroffenen Arbeitnehmer um diese konkurrieren, dann ist eine Sozialauswahl im Sinne des § 1 Abs. 3 KSchG zu treffen 231 . Die freien Arbeitsplätze sind also unter Beachtung der Sozialauswahl zu vergeben. Der Arbeitgeber darf die freien Arbeitsplätze nicht mit sich neu bewerbenden Arbeitnehmern besetzen, vorrangig sind die freien Arbeitsplätze an die von einer möglichen Kündigung betroffenen Arbeitnehmer zu vergeben 232 .

2. Weiterbeschäftigung auf einem gleichwertigen Arbeitsplatz in einem anderen Betrieb des Unternehmens Dem Wortlaut nach ist § 1 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 b KSchG gegenüber § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG weiterführend. Deshalb ist umstritten, ob die anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit nur auf den bisherigen Betrieb des betreffenden Arbeitnehmers oder auf alle Betriebe des Unternehmens zu beziehen ist. Die herrschende Meinung spricht sich für eine unternehmensbezogene Prüfung einer Weiterbeschäftigungsmöglichkeit aus 233 . Teilweise wird dieses Ergebnis mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz begründet 234 und teilweise wird § 1 Abs. 2 S. 2 und 3 KSchG analog herangezogen für den Fall, dass ein Betriebsrat nicht besteht bzw. nicht widersprochen hat 235 . Überzeugend ist die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, die die Weiterbeschäftigungsmöglichkeit seit dem Urteil vom 17.5.1984 236 nicht betriebs- oder unternehmensbezogen, sondern arbeitgeberbezogen prüft. Der Arbeitgeber, je nachdem in welcher Rechtsform er den Arbeitsvertrag abgeschlossen hat, ist verpflichtet, im Rahmen seiner ___________ 231

Löwisch/Spinner, KSchG, § 1 Rn. 284. ErfK/Ascheid, § 1 KSchG Rn. 443; v.Hoyningen-Huene/Linck, KSchG, § 1 Rn. 397; Löwisch/Spinner, KSchG, § 1 Rn. 277; Stahlhacke/Preis/Vossen, Rn. 1004. 233 BAG v. 17.5.1984, BAGE 46, 191 ff.; BAG v. 22.5.1986, AP Nr. 4 zu § 1 KSchG 1969 Konzern; ErfK/Ascheid, § 1 KSchG Rn. 562; Berkowsky, S. 216 f.; Bitter/Kiel, RdA 1994, 333, 341 ff.; KR/Etzel, § 1 KSchG Rn. 217 f.; v.Hoyningen-Huene/Linck, KSchG, § 1 Rn. 391 und 499 ff.; Kiel/Koch, Rn. 212; a. A. noch F. Gamillscheg, BAGFS, 1979, 117, 128; Reuter, BAG-FS, 1979, 405, 425 ff. 234 Vgl. z. B. KR/Etzel, § 1 KSchG Rn. 217. 235 So z. B. Wank, RdA 1987, 129, 137 f. 236 BAG v. 17.5.1984, BAGE 46, 191 ff.; vgl. auch BAG v. 15.12.1994, BAGE 79, 66 ff. 232

C. Mildere Mittel

271

rechtlichen Möglichkeiten zu prüfen, ob eine Beendigungskündigung durch eine Versetzung auf einen anderen freien Arbeitsplatz vermieden werden kann 237 .

3. Weiterbeschäftigung in einem anderen Unternehmen des Konzerns Nach überwiegender Auffassung ist der Arbeitgeber nicht zur Prüfung verpflichtet, ob zur Vermeidung einer betriebsbedingten Kündigung eine Weiterbeschäftigung in einem anderen Unternehmen des Konzerns vorhanden ist 238 . Im Einzelfall kann sich aber etwas anderes aus dem Arbeitsvertrag, aus einer vertraglichen Abrede oder aus einer Selbstbindung des Arbeitgebers ergeben. Ist beispielsweise der Arbeitnehmer nach seinem Arbeitsvertrag für den gesamten Konzernbereich eingestellt, so ist im Fall der betriebsbedingten Kündigung vorrangig nach einer Weiterbeschäftigung im gesamten Konzern zu suchen 239 .

4. Weiterbeschäftigung zu geänderten Bedingungen Kann der Arbeitnehmer auf einem anderen Arbeitsplatz zu geänderten Arbeitsbedingungen weiterbeschäftigt werden, und hat der Arbeitnehmer sich damit einverstanden erklärt, so ist die Beendigungskündigung sozial ungerechtfertigt. Vor einer Beendigungskündigung sind alle Vertragsänderungen in Betracht zu ziehen, die unter Berücksichtigung der unternehmerischen Zielsetzung das betriebliche Bedürfnis befriedigen. Dies kann zum einen die Versetzung auf einen anderen geringerwertigen freien Arbeitsplatz, zum anderen aber auch die Kürzung übertariflicher Leistungen 240 , Lohnkostensenkungen 241 oder ___________ 237

Berkowsky, S. 217; KR/Etzel, § 1 KSchG Rn. 218 und 545; Kiel/Koch, Rn. 213. Vgl. BAG v. 14.10.1982, BAGE 41, 72 ff.; BAG v. 22.5.1986, AP Nr. 4 zu § 1 KSchG 1969 Konzern; BAG v. 27.11.1991, AP Nr. 6 zu § 1 KSchG 1969 Konzern m. Anm. Windbichler; Berkowsky, S. 217 f.; Bitter/Kiel, RdA 1994, 333, 349 f.; Kiel/Koch, Rn. 215 ff.; Lingemann/v.Steinau-Steinrück, DB 1999, 2161, 2163; a. A. Coen, RdA 1983, 348, 351 ff.; Martens, BAG-FS, 1979, 367, 376 ff. 239 BAG v. 14.10.1982, BAGE 41, 72, 88; v.Hoyningen-Huene, NZA 1994, 1009, 1012. 240 Vgl. Stahlhacke/Preis/Vossen, Rn. 1008; Wagner, NZA 1986, 632 f. 241 Vgl. BAG v. 20.1.2000, NZA 2000, 592, 594; BAG v. 12.11.1998, BAGE 90, 182 ff.; zu den schwierigen Voraussetzungen einer Änderungskündigung zur Lohnkostenreduzierung siehe Franzen, NZA 2001, 805, 811 f.; Groeger, FA 1999, 278 f.; zu 238

272

Zweiter Teil: § 8 Dringende betriebliche Erfordernisse

das Angebot der Teilzeitarbeit sein 242 . Einen Anspruch auf Beförderung hat der Arbeitnehmer aber grundsätzlich nicht 243 . Die Änderung des Arbeitsvertrages kann zunächst durch eine einvernehmliche Regelung 244 erreicht werden. Kommt es zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer aber nicht zu einer Einigung, so muss der Arbeitgeber vor einer Beendigungskündigung als milderes Mittel vorrangig eine Änderungskündigung in Betracht ziehen 245 . Der rechtliche Komplex „Änderungskündigung vor Beendigungskündigung“ wirft jedoch einige Fragen auf. Unklar ist zunächst, ob der Vorrang der Änderungskündigung allein und unmittelbar § 1 Abs. 2 S. 2 und 3 KSchG zu entnehmen ist oder ob daneben allgemein auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zurückzugreifen ist 246 . Richtig dürfte es sein, den Vorrang der Änderungskündigung direkt auf § 1 Abs. 2 S. 2 und 3 KSchG zurückzuführen, da das ultima-ratio-Prinzip hier eine gesetzliche Konkretisierung erfahren hat. Allgemeine Prinzipien haben grundsätzlich hinter ausdrücklich getroffenen gesetzlichen Regelungen zurückzutreten 247 . Fraglich ist weiterhin, ob und wie § 1 Abs. 2 S. 3, 2. Alt. KSchG allein im individualrechtlichen Kündigungsschutz Anwendung findet. Die Regelung sieht vor, dass vor einer Beendigungskündigung eine Weiterbeschäftigung unter geänderten Arbeitsbedingungen zu berücksichtigen ist unter der Voraussetzung, dass der Betriebsrat der beabsichtigten Kündigung widersprochen und der Arbeitnehmer sein Einverständnis mit der Weiterbeschäftigung unter geänderten Bedingungen erklärt hat. Gegen den Gesetzeswortlaut verzichtet auch hier wieder die herrschende Meinung aus den genannten Gründen auf die Beteiligung des Betriebsrats 248 . Die Vorschrift soll also auch ohne Kollektivbezug Anwendung finden, allerdings bereitet diese entsprechende Anwendung einige Probleme.

___________ Recht wurde die Frage gestellt, ob es leichter ist zu kündigen als änderungszukündigen vgl. Kittner, NZA 1997, 968. 242 Vgl. ErfK/Ascheid, § 1 KSchG Rn. 563; Stahlhacke/Preis/Vossen, Rn. 1008 m.w.N. 243 Ascheid, KSchR, Rn. 308. 244 Siehe Berkowsky, S. 227. 245 Vgl. BAG v. 27.9.1984, BAGE 47, 26 ff. 246 Vgl. BAG v. 29.3.1990, BAGE 65, 61 ff.; Annuß/Hammer, JA 1997, 377, 380 Fn. 23; Wank, RdA 1993, 79, 81. 247 So auch Berkowsky, S. 228. 248 Siehe nur Hofmann, ZfA 1984, 295, 326 ff.; Wank, RdA 1987, 129, 139.

C. Mildere Mittel

273

Schwierigkeiten bestehen bereits bei der Frage, ob der Arbeitgeber oder der Arbeitnehmer die Initiative zur Erlangung des Einverständnisses mit einem veränderten Vertragsangebot zu ergreifen hat 249 . Im Fall der Beteiligung eines Betriebsrats holt der Betriebsrat als Voraussetzung für den Widerspruch das Einverständnis des Arbeitnehmers ein. Eine Initiativlast des Arbeitgebers besteht in diesem Fall nicht. Für den Fall des Wegfalls des Vorverfahrens mit dem Betriebsrat ist Ascheid 250 der Auffassung, der Arbeitnehmer müsse initiativ sein und aufzeigen, wie er sich eine anderweitige Beschäftigung vorstellt. Auch Wank 251 geht grundsätzlich von der Initiativlast des Arbeitnehmers aus. Er meint, für den Arbeitgeber sei es unzumutbar, eine Initiative ins Blaue hinein zu ergreifen. Er müsste also im gesamten Unternehmen nach Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten auch zu geänderten Bedingungen suchen und dies sogar unter Berücksichtigung von Einarbeitung, Umschulung und Fortbildung. Der Arbeitgeber könne nicht im Vorhinein wissen, mit welchen Vertragsänderungen der Arbeitnehmer einverstanden ist. Arbeitnehmer könnten selbst am besten beurteilen, mit welchen Veränderungen sie einverstanden sind. Wank schlägt letztlich eine abgestufte Initiativlast vor 252 . Danach reiche es aus, wenn der Arbeitgeber mit der Kündigung den Arbeitnehmer frage, ob er auch mit einer Weiterbeschäftigung zu geänderten Bedingungen einverstanden wäre und wie er sich eine Änderung vorstelle. Das Anhörungsverfahren finde also im Anschluss an die Kündigungserklärung statt. Die wohl überwiegende Meinung 253 geht dagegen davon aus, der Arbeitgeber müsse von sich aus eine beiden Parteien zumutbare Weiterbeschäftigung zu geänderten Arbeitsbedingungen anbieten. Vom Arbeitnehmer könne nicht erwartet werden, dass er sich im Fall einer bevorstehenden Kündigung mit einer Art Einwendung auf eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit zu verschlechterten Arbeitsbedingungen beruft 254 . Dieser herrschenden Meinung ist zum einen aus Gründen des ultimaratio-Prinzips und zum anderen aus Gründen der Sachnähe zuzustimmen. ___________ 249 Vgl. dazu die sich geänderte Rechtsprechung BAG v. 4.12.1959, AP Nr. 2 zu § 1 KSchG 1969 m. Anm. A. Hueck; BAG v. 13.9.1973, BAGE 25, 278, 290; BAG v. 25.3.1976, AP Nr. 10 zu § 626 BGB Ausschlussfrist; BAG v. 3.2.1977, AP Nr. 4 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung; BAG v. 30.5.1978, BAGE 30, 309, 314 ff.; BAG v. 27.9.1984, BAGE 47, 26 f. 250

Ascheid, KSchR, Rn. 305.

251

Wank, RdA 1987, 129, 140.

252

Wank, RdA 1987, 129, 140; vgl. auch Weller, ArbuR 1986, 225, 229.

253

Bitter/Kiel, RdA 1994, 333, 344; Käppler, Anm. zu BAG v. 30.5.1978, EzA Nr. 66 zu § 626 BGB n. F.; Kiel/Koch, Rn. 250 ff.; Meisel, ZfA 1985, 213, 224; Schwerdtner, ZIP 1984, 10, 14; Stahlhacke/Preis/Vossen, Rn. 1009. 254

Käppler, Anm. zu BAG v. 30.5.1978, EzA Nr. 66 zu § 626 BGB n. F.

Zweiter Teil: § 8 Dringende betriebliche Erfordernisse

274

Wenn eine Beendigungskündigung nur das letzte Mittel sein soll, so muss der Arbeitgeber vorrangig nach milderen Mitteln suchen und damit die entsprechende Initiative ergreifen. Im Übrigen dürfte es für den Arbeitgeber weitaus leichter als für den Arbeitnehmer sein, die Stellensituation im Unternehmen zu überblicken. Der Arbeitgeber ist mithin verpflichtet, vor einer Beendigungskündigung den Arbeitnehmer auf gegebenenfalls bestehende Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten zu veränderten Arbeitsbedingungen hinzuweisen 255 . Der Arbeitgeber muss dem Arbeitnehmer verdeutlichen, dass er im Falle der Ablehnung des Änderungsangebots eine Beendigungskündigung beabsichtige. Der Arbeitnehmer kann das Änderungsangebot entsprechend § 2 KSchG unter Vorbehalt annehmen 256 . Teilweise wird vertreten, dem Arbeitnehmer sei eine Überlegungsfrist von einer Woche einzuräumen. Erst danach dürfe der Arbeitgeber eine Änderungskündigung aussprechen. Dies wird aber zu Recht überwiegend abgelehnt 257 . Der Arbeitgeber ist nicht verpflichtet, vor der Beendigungskündigung eine einvernehmliche Änderung anzustreben, er kann vielmehr sogleich zu einer Änderungskündigung greifen. Eine zusätzliche Überlegungsfrist von einer Woche ist somit überflüssig, der Arbeitnehmer kann innerhalb der in § 4 KSchG normierten Frist von drei Wochen überlegen, ob er die Vertragsänderung akzeptieren, unter Umständen nur unter Vorbehalt akzeptieren oder ganz ablehnen möchte. Fraglich ist, ob eine Beendigungskündigung bereits dann unwirksam sein soll, wenn objektiv eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit vorhanden war, der Arbeitgeber es aber unterlassen hat, diese dem Arbeitnehmer anzubieten. Nach der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 27.9.1984 258 soll die Wirk___________ 255 Berkowsky, S. 80 bemerkt, diese Regelung stelle einen keineswegs selbstverständlichen Kontrahierungszwang für den Arbeitgeber dar. Der Arbeitgeber müsse einen neuen Vertrag zu geänderten Bedingungen anbieten, wenn er nicht wolle, dass die „an sich“ begründete Kündigung des bisherigen Vertragsverhältnisses als unwirksam erklärt werde. 256 Kritisch dazu Wank, RdA 1987, 129, 141 f.: § 2 KSchG innerhalb des § 1 KSchG anzuwenden, sei systemwidrig. Das Gesetz kenne entweder das Verfahren der Beendigungskündigung mit Arbeitnehmerinitiative zur Änderung der Arbeitsbedingungen oder aber das Verfahren der Änderungskündigung aufgrund der Arbeitgeberinitiative. Wenn man aber wie hier mit der h. M. der Auffassung ist, dass der Arbeitgeber die Initiative zur Weiterbeschäftigung unter geänderten Bedingungen erbringen muss, ist das Argument Wanks der Systemschwierigkeiten unbeachtlich. 257 ErfK/Ascheid, § 1 KSchG Rn. 553; Groeger, FA 1999, 278, 279; v.HoyningenHuene, Anm. zu BAG v. 27.9.1984, AP Nr. 8 zu § 2 KSchG 1969; v.HoyningenHuene/Linck, KSchG, § 1 Rn. 146; Kraft, ZfA 1994, 463, 474; Stahlhacke/ Preis/Vossen, Rn. 1010. 258

BAG v. 27.9.1984, BAGE 47, 26.

C. Mildere Mittel

275

samkeit der Kündigung davon abhängen, ob ein Änderungsangebot möglich und zumutbar gewesen wäre. Als Anhaltspunkt für die Bewertung der Zumutbarkeit könne die „Zumutbarkeitsanordnung“ der früher so genannten Bundesanstalt für Arbeit dienen 259 . Im Schrifttum 260 ist diese Auffassung größtenteils auf Ablehnung gestoßen, da das Arbeitsförderungsgesetz und das Kündigungsschutzgesetz verschiedene Zwecke verfolgten. Dem ist zuzustimmen. Letztlich kommt es nur darauf an, welche geänderten Arbeitsbedingungen der Arbeitnehmer sich selbst zumuten will, und diese Beurteilung kann nur er selbst treffen. Nach dem Grundsatz von Treu und Glauben müssen nur extrem unterwertige Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten nicht berücksichtigt werden, wenn also erhebliche Unterschiede zwischen der Qualifikation des Arbeitnehmers und der Stellenanforderung vorliegen. Noch schwieriger gestaltet sich die rechtliche Prüfung, wenn man wie das Bundesarbeitsgericht in der Entscheidung vom 30.5.1978 261 auf ein hypothetisches Einverständnis des Arbeitnehmers abstellen möchte. Dagegen wird im Schrifttum 262 zu Recht vorgebracht, eine solche Prüfung sei nicht justitiabel und laufe auf reine Spekulation heraus. Als Ergebnis lässt sich somit festhalten, dass eine Beendigungskündigung dann unwirksam ist, wenn im Unternehmen eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit vorhanden ist, für die sich der Arbeitnehmer eignet und die er sich selbst zumutet, und der Arbeitgeber versäumt hat, die Änderung dem Arbeitnehmer vorzuschlagen 263 . Der ursprüngliche Arbeitsvertrag besteht dann weiter fort, auch wenn die bisherige Weiterbeschäftigungsmöglichkeit entfallen ist 264 .

5. Weiterbeschäftigung nach Umschulungs- und Fortbildungsmaßnahmen Der Arbeitgeber ist zur Vermeidung einer betriebsbedingten Kündigung gemäß § 1 Abs. 2 S. 3 KSchG verpflichtet zu prüfen, ob eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit in einem der Betriebe des Unternehmens nach einer zumut-

___________ 259 Früher in § 103 AFG, jetzt aber in § 121 SGB III geregelt. Die schlechte Wirtschaftslage und die hohen Arbeitslosenzahlen führten zu einer deutlichen Ausdehnung der Grenzen der Zumutbarkeit. 260 So z. B. Hillebrecht, ZfA 1991, 87, 112; Stahlhacke/Preis/Vossen, Rn. 1012. 261 BAG v. 30.5.1978, BAGE 30, 309, 310. 262 Vgl. z. B. Hillebrecht, ZfA 1991, 87, 114; U. Preis, Prinzipien, S. 303. 263 Hillebrecht, ZfA 1991, 87, 112; Stahlhacke/Preis/Vossen, Rn. 1013. 264 Berkowsky, S. 81.

276

Zweiter Teil: § 8 Dringende betriebliche Erfordernisse

baren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahme in Betracht kommt 265 . Auch diese Verpflichtung besteht unabhängig vom Bestehen bzw. Widerspruch des Betriebsrats 266 . Die Durchführung einer Umschulungs- bzw. Fortbildungsmaßnahme setzt das Einverständnis des Arbeitnehmers voraus, wie aus § 1 Abs. 2 S. 3 KSchG folgt. Die Begriffe Umschulungs- und Fortbildungsmaßnahmen sind im Gesetz nicht definiert und ergeben sich auch nicht aus den Gesetzesmaterialien. Bisher gibt es auch nur wenige praktische Fälle 267 . Aus der Rechtsprechung sind zu diesem Fragenkomplex im Wesentlichen die Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts vom 29.3.1990 268 und vom 7.2.1991 269 von Bedeutung. Der Rückgriff auf die §§ 1 und 47 BBiG zur Erklärung der Begriffe erscheint zwar nahe liegend, ist aber mit Vorsicht zu betrachten, da das BBiG und das KSchG einen jeweils anderen Zweck verfolgen 270 . Letztlich kann unter dem Begriff der Fortbildung die Weiterbildung in dem bisher ausgeübten Beruf und unter dem Begriff der Umschulung die Ausbildung in einem anderen Beruf verstanden werden. Die Umschulung ist somit die weitergehende Maßnahme und zieht zwangsläufig eine Änderung des Arbeitsvertrages nach sich 271 . Nach einer durchgeführten Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahme hat der Arbeitnehmer grundsätzlich keinen Anspruch auf Beförderung 272 . Die Maßnahmen sollen nur eine Weiterbeschäftigung auf gleicher Ebene ermöglichen. Zur Weiterbeschäftigung nach einer Umschulungs- bzw. Fortbildungsmaßnahme ist Voraussetzung, dass ein anderweitiger Arbeitsplatz frei ist oder dass mit hinreichender Sicherheit vorhersehbar ist, dass nach Beendigung der Maßnahme ein Arbeitsplatz frei sein wird, auf dem der Arbeitnehmer dann mit der neu erworbenen Qualifikation eingesetzt werden kann 273 . ___________ 265 Siehe zur anderweitigen Weiterbeschäftigungsmöglichkeit nach zumutbaren Umschulungs- und Fortbildungsmaßnahmen u. a. Ascheid, KSchR, Rn. 310 ff.; ErfK/ Ascheid, § 1 KSchG Rn. 564 ff.; Berkowsky, S. 224 ff.; Birk, FS Kissel, 1994, 51 ff.; Bitter/Kiel, RdA 1994, 333, 342; Gaul, BB 1995, 2422 f.; Kiel/Koch, Rn. 239 ff.; Stahlhacke, DB 1994, 1361, 1367; Stahlhacke/Preis/Vossen, Rn. 1017 f. 266 BAG v. 29.3.1990, BAGE 65, 61 ff.; Berkowsky, S. 224; v.Hoyningen-Huene/ Linck, KSchG, § 1 Rn. 503; Kiel/Koch, Rn. 239. 267 So auch die Feststellungen von Kiel/Koch, Rn. 241; Stahlhacke, DB 1994, 1361, 1367. 268 BAG v. 29.3.1990, BAGE 65, 61 ff. 269 BAG v. 7.2.1991, BAGE 67, 198 ff. 270 Kiel/Koch, Rn. 242 m.w.N. 271 Vgl. Berkowsky, S. 224 f.; Kiel/Koch, Rn. 242. 272 BAG v. 29.3.1990, BAGE 65, 61 ff.; Berkowsky, S. 226; Kiel/Koch, Rn. 243. 273 BAG v. 7.2.1991, BAGE 67, 198 ff.; Ascheid, KSchR, Rn. 310; ErfK/Ascheid, § 1 KSchG Rn. 567; v.Hoyningen-Huene/Linck, KSchG, § 1 Rn. 539 a; Kiel/Koch, Rn. 240.

C. Mildere Mittel

277

Der Arbeitgeber ist ferner dann nicht zur Fortbildung oder Umschulung des Arbeitnehmers verpflichtet, wenn es für ihn nicht zumutbar ist. Zur Prüfung der Zumutbarkeit darf der Arbeitgeber eine Kosten-Nutzen-Analyse 274 vornehmen. Grundsätzlich gilt die Faustformel, je stärker Umschulungs- und Fortbildungsmaßnahmen in die betrieblichen und wirtschaftlichen Belange des Arbeitgebers eingreifen, umso nachhaltiger müssen sie die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers im Unternehmen sichern 275 . Gegebenenfalls wird im Einzelfall eine sorgfältige Interessenabwägung unter Berücksichtigung folgender Kriterien erforderlich sein: Umschulungsfähigkeit des Arbeitnehmers, bisherige und restliche Beschäftigungsdauer des Arbeitnehmers, Lebensalter des Arbeitnehmers, Kosten der Maßnahme, Beteiligung des Arbeitnehmers an den Kosten, Möglichkeit einer Rückzahlungsvereinbarung bei frühzeitigem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis 276 , Vorhandensein betrieblicher Schulungseinrichtungen etc. 277 Eine solche Überprüfung kann höchst kompliziert ausfallen, wie der vom Bundesarbeitsgericht am 7.2.1991 278 entschiedene Fall zeigt.

II. Weitere aus dem ultima-ratio-Prinzip resultierende mildere Mittel Seitdem sich Rechtsprechung und Literatur auf den „das Kündigungsschutzrecht beherrschenden Grundsatz der Verhältnismäßigkeit“ 279 bzw. auf den ultima-ratio-Teilgrundsatz 280 stützen, wird heftig darüber diskutiert, welche Maßnahmen als mildere Mittel gegenüber einer Beendigungskündigung in Betracht zu ziehen sind. Hingewiesen wurde bereits auf die vorrangig zu prüfenden gesetzlich konkretisierten milderen Mittel, die in der Handhabung zum Teil auch nicht unkompliziert sind, deren Auslegungsprobleme jedoch mit den herkömmlichen dogmatischen Methoden zu bewältigen sind 281 . Eine Mindermeinung hält § 1 Abs. 2 S. 2 und 3 KSchG für eine abschließende gesetzliche Konkreti___________ 274

So Berkowsky, S. 225. ErfK/Ascheid, § 1 KSchG Rn. 568; Berkowsky, S. 225; Kiel/Koch, Rn. 244; Stahlhacke/Preis/Vossen, Rn. 1018. 276 Zur Zulässigkeit einer solchen Vereinbarung Berkowsky, S. 227 m.w.N. 277 Kiel/Koch, Rn. 245 f.; Stahlhacke, DB 1994, 1361, 1367. 278 BAG v. 7.2.1991, BAGE 67, 198 ff. 279 Siehe dazu oben Zweiter Teil § 8 B. V. 2., S. 254 ff. 280 Zum Verhältnis von Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und ultima-ratio-Prinzip vgl. oben Zweiter Teil § 8 B. V. 2. d), S. 261 ff. 281 U. Preis, Prinzipien, S. 261 ff. 275

Zweiter Teil: § 8 Dringende betriebliche Erfordernisse

278

sierung des ultima-ratio-Prinzips 282 . Der Gesetzgeber zähle im Einzelnen die Alternativen auf, die er für berücksichtigungsfähig halte. Ganz überwiegend wird aber aufgrund des aus den „dringenden betrieblichen Erfordernissen“ zu entnehmenden ultima-ratio-Prinzips auch außerhalb der gesetzlich genannten milderen Mittel nach weiteren milderen Maßnahmen zur Vermeidung von Beendigungskündigungen gesucht. Im Einzelnen ist noch nicht abschließend geklärt, ob und in welchem Umfang der Arbeitgeber auf denkbare mildere betriebsorganisatorische Maßnahmen verwiesen werden kann 283 . Nirgends ist die Frage behandelt, wie in Betracht kommende mildere Mittel zu finden sind. Ferner gibt es keine Reihenfolge, nach der die milderen Mittel zu prüfen sind. Eine Vielzahl an milderen Mitteln ist denkbar, aber wohl nur auf einige wenige kann sich der Arbeitnehmer im konkreten Fall einredeweise berufen. Im Folgenden wird sich zeigen, dass ein Großteil der denkbaren milderen Mittel nicht ohne weiteres zur Disposition des Arbeitgebers steht. Denn zum einen können viele eine Beendigungskündigung vermeidende Maßnahmen nur zustande kommen, wenn zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer ein Einvernehmen zu erreichen ist, und zum anderen sind die jeweiligen individual- und kollektivrechtlichen Vorgaben zu berücksichtigen. Daraus folgt, dass der Arbeitgeber nur beim Vorliegen bestimmter Voraussetzungen verpflichtet werden kann, vorrangig das mildere Mittel zu wählen. Häufig wird man daher nur verlangen können, dass er sich zur Abwendung von Beendigungskündigungen um mildere Mittel bemüht hat.

1. Kurzarbeit vor Kündigung Die Einführung von Kurzarbeit erscheint der gesetzlichen Konzeption und Zielsetzung nach als die mildere Maßnahme schlechthin, trotz einer Verringerung des Arbeitsbedarfs die bisherigen Arbeitsplätze zu erhalten 284 . Ob der Arbeitgeber zur Vermeidung betriebsbedingter Kündigungen verpflichtet ist, Kurzarbeit als mildere Maßnahme einzuführen, ist von der Rechtsprechung 285 ___________ 282

Wank, RdA 1987, 129, 142 ff.

283

Bitter/Kiel, RdA 1994, 333, 338.

284

Berkowsky, S. 127.

285

Vgl. dazu BAG v. 25.6.1964, BAGE 16, 134 ff.; BAG v. 17.10.1980, AP Nr. 10 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung; BAG v. 7.2.1985, AP Nr. 9 zu § 1 KSchG 1969 Soziale Auswahl; offen BAG v. 15.6.1989, AP Nr. 45 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung; BAG v. 26.6.1997, AP Nr. 86 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung.

C. Mildere Mittel

279

noch nicht klar entschieden und auch in der Literatur umstritten 286 . Bedenken bestehen unter anderem insofern, dass mit dieser Forderung möglicherweise zu weitgehend in die unternehmerische Entscheidungsfreiheit eingegriffen wird 287 . Der Zweite Senat des Bundesarbeitsgerichts setzte sich erstmalig mit dieser Frage in dem Urteil vom 25.6.1964 288 auseinander und erklärte, die Prüfung, ob es mit den betrieblichen Erfordernissen vereinbar wäre, die Kündigung durch Einführung von Kurzarbeit abzuwenden, gehöre zu einer umfassenden Interessenabwägung. In der Entscheidung vom 11.9.1986 289 äußerte das Bundesarbeitsgericht die Meinung, dass Kurzarbeit als milderes Mittel nicht in Betracht gezogen werden könne, wenn der Betriebsrat von seinem Initiativrecht gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG keinen Gebrauch mache. In dem Urteil vom 15.6.1989 290 ließ der erkennende Senat die Frage offen, ob ein Arbeitnehmer sich auf die Einführung von Kurzarbeit als milderes Mittel berufen könne, solange der Betriebsrat sich darum bemühe. Schließlich kommt im Urteil vom 26.6.1997 291 wiederum zum Ausdruck, dass Kurzarbeit bei vorübergehendem Arbeitsmangel als milderes Mittel in Betracht zu ziehen sei. Festzustellen ist, dass die Einführung von Kurzarbeit jedenfalls nur in Ausnahmefällen als milderes Mittel zur Vermeidung von betriebsbedingten Kündigungen in Frage kommt, da sie unter dem Vorbehalt einer Reihe von Voraussetzungen steht und somit regelmäßig nur im Einzelfall zu berücksichtigen sein wird 292 . Zunächst ist eine entscheidende Voraussetzung, dass nur von einem vorübergehenden Arbeitsmangel auszugehen ist 293 . Besteht der Arbeitsmangel ___________ 286 Vgl. u. a. Ascheid, KSchR, Rn. 255 ff.; ErfK/Ascheid, Rn. 392 f.; Barnhofer, S. 81 ff.; Berkowsky, S. 127 ff.; Beuthien, ZfA 1988, 1, 19 f.; Bitter/Kiel, RdA 1994, 333, 348; Denck, ZfA 1985, 249 ff., 254 ff.; KR/Etzel, § 1 KSchG Rn. 531; Hillebrecht, ZIP 1985, 257, 260 f.; Hofmann, ZfA 1984, 295, 316; Kittner/Däubler/Zwanziger, § 1 KSchG Rn. 287 ff.; Löwisch/Spinner, KSchG, Rn. 303 ff.; Mallmann, AuA 1991, 202 ff.; Meinhold, BB 1988, 623 ff.; B. Preis, NZA 1997, 625, 630; U. Preis, Prinzipien, S. 404 ff.; ders., DB 1988, 1387, 1390 f.; ders., NZA 1998, 449 ff.; Schaub, BB 1993, 1089 f.; Stahlhacke/Preis/Vossen, Rn. 1021; Vollmer, DB 1982, 1933; Wank, RdA 1987, 129, 142 f. 287 Henssler, Kölner Tage des Arbeitsrechts 2000, 89, 113. 288 BAG v. 25.6.1964, BAGE 16, 134 ff. 289 BAG v. 11.9.1986, EzA Nr. 54 zu § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung. 290 BAG v. 15.6.1989, AP Nr. 45 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung. 291 BAG v. 26.6.1997, AP Nr. 86 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung. 292 v.Hoyningen-Huene/Linck, KSchG, § 1 Rn. 384 m.w.N. 293 BAG v. 7.2.1985, AP Nr. 9 zu § 1 KSchG 1969 Soziale Auswahl; vgl. auch LAG Schleswig-Holstein v. 29.9.1988, NZA 1989, 275 f.; KR/Etzel, § 1 KSchG Rn. 531; v.Hoyningen-Huene/Linck, KSchG, § 1 Rn. 385; Meinhold, BB 1988, 623, 627; U. Preis, Prinzipien, S. 405; Stahlhacke/Preis/Vossen, Rn. 1021; Wank, RdA 1987, 143.

280

Zweiter Teil: § 8 Dringende betriebliche Erfordernisse

nicht nur vorübergehend, ist grundsätzlich ein betriebsbedingter Kündigungsgrund gegeben 294 . Für die Frage, was unter „vorübergehend“ zu verstehen ist, kann als Anhaltspunkt die reguläre sechsmonatige Befristung der Zahlung des Kurzarbeitergeldes dienen 295 . Die Prognose, ob es sich um einen nur vorübergehenden Arbeitsmangel handelt, fällt in den Entscheidungsbereich des Unternehmers. Kurzarbeit als mildere Maßnahme kann demnach regelmäßig dann nicht erwartet werden, wenn die Prognose des Unternehmers ein Vorübergehen des Arbeitsmangels bzw. eine wirtschaftliche Verbesserung in absehbarer Zeit nicht erwarten lässt und diese Einschätzung nicht von der Hand zu weisen ist 296 . Ferner ist zu beachten, dass die Einführung von Kurzarbeit grundsätzlich nicht zur einseitigen Disposition des Arbeitgebers steht 297 . Kurzarbeit ist zunächst Verhandlungssache. Als Rechtsgrundlage der Kurzarbeit kommen einvernehmliche Vertragsänderungen mit den betroffenen Arbeitnehmern, im Weiteren eine Betriebsvereinbarung und zuletzt, kurzfristig jedoch wenig praktikabel, Massenänderungskündigungen in Betracht 298 . Bei der Frage der Einführung von Kurzarbeit sind ferner kollektivrechtliche Voraussetzungen zu beachten. Zum einen sind die geltenden Tarifverträge und zum anderen ist das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats zu berücksichtigen. Gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG kann der Betriebsrat die Einführung von Kurzarbeit verlangen und eventuell über einen Spruch der Einigungsstelle erzwingen 299 . Es hängt also wesentlich von der Haltung des Betriebsrats ab, ob man dem Arbeitgeber vorhalten kann, er hätte betriebsbedingte Kündigungen durch Einführung von Kurzarbeit vermeiden können 300 . Vom Arbeitgeber zu verlangen, Kurzarbeit gegen den Willen des Betriebsrats durch Anrufung einer Einigungsstelle einzuführen, dürfte überzogen sein 301 . Teilweise wird vertreten, vom Arbeitgeber ___________ 294

BAG v. 15.6.1989, AP Nr. 45 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung. Diller, Kölner Tage des Arbeitsrechts 1999, 157, 182. 296 Beckschulze, BB 1998, 791, 792. 297 Nur wenn kein Betriebsrat vorhanden ist, so kann der Arbeitgeber die Kurzarbeit einseitig anordnen, und das auch nur, sofern es nach dem Tarifvertrag bzw. dem Arbeitsvertrag zulässig ist; vgl. auch ErfK/Ascheid, § 1 KSchG Rn. 392; ferner v.Hoyningen-Huene/Linck, KSchG, § 1 Rn. 386 a. 298 Zu den Rechtsgrundlagen ausführlich Barnhofer, S. 65 ff. 299 Vgl. auch BAG v. 4.3.1986, BAGE 51, 187 ff. 300 Vgl. etwa BAG v. 4.3.1986, BAGE 51, 187 ff.; BAG v. 11.9.1986, EzA Nr. 54 zu § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung; BAG v. 15.6.1989, AP Nr. 45 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung; vgl. ferner v.Hoyningen-Huene/Linck, KSchG, § 1 Rn. 388. 301 KR/Etzel, § 1 KSchG Rn. 531; v.Hoyningen-Huene/Linck, KSchG, § 1 Rn. 388; Wank, RdA 1987, 129, 143. 295

C. Mildere Mittel

281

könne wenigstens das Bemühen der Einführung von Kurzarbeit erwartet werden 302 , also Verhandlungen mit dem Betriebsrat und das Zurückstellen von Kündigungen bis zum Ausgang der Verhandlungen und gegebenenfalls des Spruchs der Einigungsstelle 303 . In das freie unternehmerische Ermessen fällt schließlich die Einschätzung, ob Kurzarbeit deshalb ausscheidet, weil sie betriebstechnisch oder organisatorisch mit solch erheblichen Schwierigkeiten verbunden ist, dass sie als nicht tragbar anzusehen ist 304 . In diesem Zusammenhang ist die wirtschaftliche Belastung des Arbeitgebers zu sehen, da Tarifverträge meistens Aufzahlungen vorsehen und die Sozialabgaben überwiegend vom Arbeitgeber zu tragen sind 305 . Hat sich der Arbeitgeber aufgrund solcher Schwierigkeiten gegen Einführung von Kurzarbeit und für betriebsbedingte Kündigungen entschieden, so muss sich dies als Ergebnis einer ernsthaften Überlegung darstellen, die er im Prozess mit sachlichen Gründen zu belegen hat. Die Entscheidung unterliegt nur einer eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle, also nur darauf hin, ob sie offensichtlich unsachlich, unvernünftig oder willkürlich war 306 . Die Einführung von Kurzarbeit weist darauf hin, dass der Arbeitgeber nur mit einem vorübergehenden Arbeitsmangel rechnet. Dies wirkt zunächst als Indiz für einen Entlassungen entgegenstehenden Beschäftigungsbedarf, das der Arbeitgeber aber durch konkreten Sachvortrag entkräften kann. Hat der Arbeitgeber Kurzarbeit eingeführt, so kann dennoch Raum für betriebsbedingte Kündigungen sein 307 . Dies ist der Fall, wenn zu den die Kurzarbeit auslösenden Umständen noch weitere hinzukommen, die der Arbeitgeber zum Anlass nimmt, Entscheidungen zu treffen, die den Wegfall von Arbeitsplätzen nach sich ziehen. ___________ 302 Siehe z. B. Herschel, Anm. zu BAG v. 25.6.1964, AP Nr. 14 zu § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung; v.Hoyningen-Huene/Linck, KSchG, § 1 Rn. 388 a; a. A. Berkowsky, S. 130. 303 Kittner/Däubler/Zwanziger, § 1 KSchG Rn. 288. 304 v.Hoyningen-Huene/Linck, KSchG, § 1 Rn. 388 a. 305 Diller, Kölner Tage des Arbeitsrechts 1999, 157, 182. 306 Vgl. BAG v. 4.3.1986, AP Nr. 3 zu § 87 BetrVG 1972 Kurzarbeit; BAG v. 11.9.1986, EzA Nr. 54 zu § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung; vgl. ferner Denck, ZfA 1985, 249, 261; v.Hoyningen-Huene/Linck, KSchG, § 1 Rn. 388 a; v.HoyningenHuene, Anm. zu BAG v. 18.1.1990, SAE 1991, 119, 125; Meinhold, BB 1988, 623, 626 f.; Vollmer, DB 1982, 1933, 1934. 307 BAG v. 17.10.1980, AP Nr. 10 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung; BAG v. 26.6.1997, AP Nr. 86 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung; vgl. auch ErfK/Ascheid, Rn. 393; v.Hoyningen-Huene/Linck, KSchG, § 1 Rn. 389.

Zweiter Teil: § 8 Dringende betriebliche Erfordernisse

282

2. Allgemeine Arbeitszeitkürzung Die Anordnung einer generellen Arbeitszeitverkürzung als vorrangiges milderes Mittel vor betriebsbedingten Kündigungen wird zu Recht überwiegend abgelehnt 308 , weil der Arbeitgeber damit in die bestehenden Arbeitsverträge auch derjenigen eingreifen müsste, deren Arbeitsplätze sonst „ungeschmälert“ erhalten blieben. Zudem stehen der allgemeinen Arbeitszeitverkürzung grundsätzlich neben den individualrechtlichen Hindernissen auch zwingende tarifund betriebsverfassungsrechtliche Schranken entgegen. Diese Schranken können auch nicht per Hinweis auf ein allgemeines Gebot der „austeilenden Gerechtigkeit“ überwunden werden 309 . Dem Arbeitgeber kann nur ein solches milderes Mittel auferlegt werden, dessen Ergreifung in seiner Macht steht. Auch wenn keine rechtliche Verpflichtung zu einer allgemeinen Arbeitszeitverkürzung besteht, so sind dennoch freiwillige Übereinkommen zwischen dem Arbeitgeber und der Belegschaft denkbar, nach denen alle oder mehrere Arbeitnehmer des Betriebes zugunsten der andernfalls zu Kündigenden auf einen Teil ihrer Arbeitszeit verbunden mit entsprechend geringerer Lohnzahlung verzichten 310 .

3. Arbeitsstreckung Unter Arbeitsstreckung im engeren Sinne ist die bewusste Herabsetzung der Arbeitsmenge pro Arbeitnehmer und Zeiteinheit ohne eine damit einhergehende Minderung des Einkommens zu verstehen 311 . Eine solche gezielte Herabsetzung der Produktivität verschlechtert das Kosten-Nutzen-Verhältnis und widerspricht damit auf den ersten Blick der wirtschaftlichen Vernunft. Zu erwarten ___________ 308

Denck, ZfA 1985, 249 ff.; Hillebrecht, ZIP 1985, 257, 260 f.; v.HoyningenHuene/Linck, KSchG, § 1 Rn. 387; U. Preis, Prinzipien, S. 409 f.; ders., NZA 1998, 449, 457; Schwerdtner, ZIP 1984, 10, 13; Stahlhacke, BlStSozArbR 1983, 33, 36; Stahlhacke/Preis/Vossen, Rn. 1022; Vollmer, DB 1982, 1933; Wank, RdA 1987, 129, 142 f.; anders aber ArbG Bocholt v. 22.6.1982, DB 1982, 1938; aufgehoben durch LAG Hamm v. 15.12.1982, DB 1983, 506. 309

U. Preis, Prinzipien, S. 409 f.

310

U. Preis, Prinzipien, S. 409 f.

311

Stahlhacke/Preis/Vossen, Rn. 1019; Berkowsky, S. 126; unter Arbeitsstreckung wird hier allein das „go-slow“ bei regulärer Arbeitszeit verstanden. Teilweise wird „Arbeitsstreckung“ als Oberbegriff für Kurzarbeit und Überstundenabbau verwendet, so z. B. Hillebrecht, ZIP 1985, 257, 260. Zur Unklarheit des Begriffes vgl. Wolter, S. 44. Zum Thema Kurzarbeit vgl. Zweiter Teil § 8 C. II. 1., S. 278 ff. und zum Thema Überstundenabbau vgl. Zweiter Teil § 8 C. II. 5., S. 284.

C. Mildere Mittel

283

ist Arbeitsstreckung daher nur, wenn sie im Übrigen Vorteile verspricht und der Betrieb so belastbar bzw. wirtschaftlich in so guter Verfassung ist, dass die Einbuße an Produktivität bei gleich bleibenden Personalkosten den Bestand des Betriebes nicht zu gefährden vermag 312 . Als milderes Mittel kommt die Arbeitsstreckung nur dann in Betracht, wenn aufgrund einer auf tatsächlichen Anhaltspunkten beruhenden günstigen Prognose damit zu rechnen ist, dass der verringerte Arbeitskräftebedarf nur vorübergehend ist, dass also die Personalauslastung in absehbarer Zeit – vor Ablauf der Kündigungsfrist 313 – wieder ihren alten Stand erreicht 314 . Arbeitsstreckung ist sicher kein Allheilmittel zur Vermeidung betriebsbedingter Kündigungen 315 und dürfte in der Praxis als milderes Mittel nur eine untergeordnete Rolle spielen 316 .

4. Arbeiten auf Lager Das „Arbeiten auf Lager“, auch als „Produktion auf Halde“ bekannt, bedeutet, dass sich der Unternehmer bewusst für einen Produktionsüberschuss entscheidet. Das Arbeiten auf Lager hat zunächst ebenso wie die Arbeitsstreckung keinen unmittelbaren wirtschaftlichen Nutzen und schwächt eher den Betrieb. In Erwägung zu ziehen ist das Arbeiten auf Lager also nur dann, wenn der Bestand des Betriebes nicht gefährdet wird. Grundsätzlich wird dem Arbeitgeber das Arbeiten auf Lager als milderes Mittel gegenüber Entlassungen nur in Ausnahmefällen bei einem sicher zu prognostizierenden vorübergehenden Arbeitsmangel in Betracht kommen 317 .

___________ 312

Berkowsky, S. 126 APS/Kiel, § 1 KSchG Rn. 577. 314 ErfK/Ascheid, § 1 KSchG Rn. 394; U. Preis, Prinzipien, S. 404. 315 So der überzeugende Ausdruck von Berkowsky, S. 126. 316 Im Fall der vorübergehenden Personalbedarfsschwankung bejahte das LAG Stuttgart v. 2.6.1954, DB 1954, 784 Arbeitsstreckung als milderes Mittel. Demgegenüber ablehnend LAG Düsseldorf v. 13.3.1953, DB 1953, 428; vgl. auch BAG v. 17.10.1980, AP Nr. 10 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung; BAG v. 7.2.1985, AP Nr. 9 zu § 1 KSchG 1969 Soziale Auswahl. 317 Dazu BAG v. 7.12.1978, BAGE 31, 157 ff.; APS/Kiel, § 1 KSchG Rn. 577; Kiel/Koch, Rn. 202; Stahlhacke/Preis/Vossen, Rn. 1019. 313

284

Zweiter Teil: § 8 Dringende betriebliche Erfordernisse

5. Überstundenabbau Der Arbeitgeber ist grundsätzlich verpflichtet, vor einer Beendigungskündigung Über- und Mehrarbeitsstunden abzubauen 318 . Werden in einem Betrieb zum Zeitpunkt der Kündigung Überstunden geleistet, so deutet dies auf einen erhöhten Arbeits- bzw. Personalbedarf hin, der gegen den Wegfall eines Arbeitsplatzes spricht. Dies wirkt in der Regel als Indiz für die fehlende Rechtfertigung einer Kündigung 319 . Etwas anderes kann aber gelten, wenn sich Überstunden einem bestimmten Zeitabschnitt oder Vorhaben zuordnen lassen, die etwa anfallen, damit eine Lieferfrist 320 eingehalten werden kann 321 . In einem solchen Fall ist der Arbeitgeber verpflichtet, substantiiert darzulegen und zu beweisen, weshalb die im Zeitpunkt der Kündigungserklärung geleisteten Über- und Mehrarbeitsstunden unverzichtbar sind, so dass der Abbau nicht als geeignetes milderes Mittel in Frage kommt 322 . Ferner müssen die in den Überstunden geleisteten Tätigkeiten denen vergleichbar sein, die der von der Kündigung bedrohte Arbeitnehmer an seinem Arbeitsplatz ausübt 323 . Ist dies nicht der Fall, kann dem Arbeitgeber in Grenzen zugemutet werden, den Arbeitnehmer in diese Tätigkeiten einzuarbeiten bzw. ihn umzuschulen oder fortzubilden, wenn dieser nach seinen fachlichen und persönlichen Fähigkeiten hierfür geeignet ist 324 . In zeitlicher Hinsicht dürfte sich der vom Arbeitgeber zu erwartende Aufwand an der Dauer der Kündigungsfrist orientieren 325 .

6. Abbau von Leiharbeitsverhältnissen Ein Indiz für einen erhöhten Arbeits- bzw. Personalbedarf gibt in der Regel auch die Beschäftigung von Leiharbeitnehmern für Tätigkeiten, die genau so

___________ 318

Berkowsky, S. 126 f.; Hillebrecht, ZIP 1985, 257, 260; v.Hoyningen-Huene/Linck, KSchG, § 1 Rn. 383; Kiel/Koch, Rn. 192; Löwisch/Spinner, KSchG, § 1 Rn. 308; Schaub, NZA 1987, 217, 219; Stahlhacke/Preis/Vossen, Rn. 1023. 319 Berkowsky, S. 126 f.; Hillebrecht, ZIP 1985, 257, 260; Löwisch/Spinner, KSchG, § 1 Rn. 308; U. Preis, Prinzipien, S. 410. 320 BAG v. 8.11.1956, AP Nr. 19 zu § 1 KSchG. 321 Berkowsky, S. 126 f.; Bitter/Kiel, RdA 1994, 333, 348; Kiel/Koch, Rn. 192; Löwisch/Spinner, KSchG, § 1 Rn. 308. 322 U. Preis, Prinzipien, S. 410. 323 Berkowsky, S. 126 f. 324 U. Preis, Prinzipien, S. 410; APS/Kiel, § 1 KSchG Rn. 568. 325 Kiel/Koch, Rn. 193.

C. Mildere Mittel

285

gut Betriebsangehörige verrichten können 326 . Vom Arbeitgeber kann das Bemühen erwartet werden, vorrangig Leiharbeitsverhältnisse abzubauen bevor er sich von Betriebsangehörigen trennt 327 . Die Verdrängung von Leiharbeitnehmern durch Stammarbeitnehmer ist jedoch nicht angezeigt, wenn der dauerhafte Einsatz von Leiharbeitern auf bestimmten Arbeitsplätzen nachvollziehbar zum unternehmerischen Konzept des Arbeitgebers zählt 328 . Zu beachten ist weiterhin, dass der Arbeitgeber die Leiharbeitsverhältnisse gegebenenfalls nur unter Schwierigkeiten auflösen kann, beispielsweise wenn er mit dem Leiharbeitsunternehmen in einen langfristigen Vertrag eingetreten ist 329 .

7. Flexible Arbeitszeitmodelle Flexible Arbeitszeitmodelle erlauben die Herabsetzung oder Steigerung der Arbeitsmenge je nach der herrschenden Auftragslage oder sonstigen betrieblichen Bedarfslagen unter Berücksichtigung der individuellen Interessen der Arbeitnehmer. Vereinfacht ausgedrückt arbeiten die Arbeitnehmer mal mehr und mal weniger, wobei über die tatsächlich erbrachte Arbeitszeit im Verhältnis zur Regelarbeitszeit Buch geführt wird in so genannten Arbeitszeitkonten, die innerhalb eines weit gespannten Zeitraums auszugleichen sind 330 . Bei einer Verringerung der Arbeitsmenge bietet es sich somit zunächst an, die Arbeitnehmer ihre durch Mehrarbeit erworbenen Arbeitszeit-Guthaben bzw. Pluskonten aufbrauchen zu lassen durch Gewährung von arbeitsfreien Zeiten. Darüber hinaus kann der Arbeitgeber den Arbeitnehmern ermöglichen, sich bei ihm zu verschulden, also in größerem Umfang Minuskonten an Arbeitszeit zu führen. Solch eine flexible Handhabung der Arbeitszeitstrukturen muss für die Arbeitnehmer jedoch nicht zwingend mit Vorteilen verbunden sein. Nachteilig wirken sich oft Einkommensminderungen aus, da Überstunden meistens höher bezahlt werden. Mit dem Zunehmen individueller und ausdifferenzierter Arbeitszeitvereinbarungen verringern sich auch in der Regel die Einflussmöglichkeiten der kollektiven Arbeitnehmervertretung. So entfällt etwa das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei der Anordnung von Überstunden 331 . Dem Ar___________ 326

Stahlhacke/Preis/Vossen, Rn. 1006. v.Hoyningen-Huene/Linck, KSchG, § 1 Rn. 383; Kiel/Koch, Rn. 193; Kittner/ Däubler/Zwanziger, § 1 KSchG Rn. 292; Stahlhacke/Preis/Vossen, Rn. 1023. 328 v.Hoyningen-Huene/Linck, KSchG, § 1 Rn. 383 und 396. 329 APS/Kiel, § 1 KSchG Rn. 568. 330 Richter/Schnecking/Spitzley, S. 62 ff. 331 Richter/Schnecking/Spitzley, S. 63. 327

286

Zweiter Teil: § 8 Dringende betriebliche Erfordernisse

beitnehmer steht es daher prinzipiell frei, ob er von der Möglichkeit zur Vereinbarung flexibler Arbeitszeiten Gebrauch macht oder nicht 332 . Ferner ist die Mitwirkung des Betriebsrats zu beachten. Flexible Arbeitszeiten können somit nicht einseitig vom Arbeitgeber eingeführt werden. Fehlt es, wie häufig zu beobachten, auf der Arbeitnehmerseite an der entsprechenden Bereitschaft, ist dem Arbeitgeber ein Bemühen um Flexibilisierung der betrieblichen Arbeitszeitstrukturen kaum zuzumuten 333 .

8. Teilzeitarbeit Verringert sich der Beschäftigungsbedarf für eine Vollzeitarbeitskraft teilweise, so ist der Arbeitgeber verpflichtet, dem betroffenen Arbeitnehmer ein Teilzeitarbeitsverhältnis anzubieten 334 . Es handelt sich hier um eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit zu geänderten Vertragsbedingungen 335 . Der Arbeitgeber kann ebenso wenig wie zur Einführung einer allgemeinen Arbeitszeitverkürzung 336 dazu verpflichtet werden, eine Mehrzahl von Änderungskündigungen zur Einführung von Teilzeit auszusprechen. Es handelt sich grundsätzlich um eine freie unternehmerische Entscheidung, ob der Unternehmer die betrieblichen Arbeiten durch Vollzeit- oder Teilzeitarbeitskräfte durchführen will 337 . Eine Verpflichtung des Arbeitgebers zur allgemeinen Einführung von Teilzeitarbeit ist auch aufgrund der zu beachtenden tarif-, mitbestimmungs- und individualrechtlichen Hindernisse abzulehnen. Ferner ist zu beachten, dass der Arbeitgeber abgesehen von der Sozialauswahl nicht dazu angehalten werden kann, in die Arbeitsverhältnisse anderer Arbeitnehmer einzugreifen 338 . Unter Umständen kann von dem Arbeitgeber aber verlangt werden, sich um die Ein-

___________ 332

Berkowsky, S. 123. Beckschulze, BB 1998, 791, 792. 334 LAG Köln v. 1.2.1995, LAGE § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 29; APS/Kiel, § 1 KSchG Rn. 578; Löwisch/Spinner, KSchG, § 1 Rn. 299. 335 Siehe dazu oben Zweiter Teil § 8 C. I. 4., S. 271 ff.; vgl. auch LAG Düsseldorf v. 6.5.1977, DB 1977, 1370; ArbG Münster v. 8.12.1982, EzA Nr. 19 zu § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung. 336 Vgl. oben Zweiter Teil § 8 C. II. 2., S. 282. 337 BAG v. 24.4.1997, BAGE 85, 358, 363; BAG v. 3.12.1998, BAGE 90, 236 ff.; APS/Kiel, § 1 KSchG Rn. 578; Kiel/Koch, Rn. 203; Löwisch/Spinner, KSchG, § 1 Rn. 299 und 322. 338 APS/Kiel, § 1 KSchG Rn. 578. 333

C. Mildere Mittel

287

führung von Altersteilzeit zu bemühen, wenn nach dem Tarifvertrag die Möglichkeit zur Inanspruchnahme von Altersteilzeit aufgrund des ATZG besteht 339 .

9. Urlaubsregelungen, Winterausfallgeld, Kündigungen mit Wiedereinstellungszusage Urlaubsregelungen als milderes Mittel gegenüber Kündigungen können sinnvoll sein, wenn eine kurzfristige „Durststrecke“ zu überwinden ist. Regelmäßig bedarf es dazu des Einvernehmens der Arbeitnehmer. Auch die Mitbestimmung des Betriebsrats gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 5 BetrVG ist zu beachten. In Großbetrieben kommt unter Umständen in Betracht, einen Auftragsengpass durch die Vorverlegung der Werksferien zu überbrücken 340 . Vollkommen zu verwerfen als milderes Mittel ist eine einseitige Anordnung von unbezahltem Urlaub. Der Arbeitnehmer könnte in dieser Zeit in finanzielle Schwierigkeiten geraten, zumal er keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld geltend machen könnte, da er nur beschränkt vermittelbar wäre 341 . In dem absehbaren Fall, dass nach einer zeitlichen Unterbrechung wieder Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten vorhanden sein werden, kommt eine Kündigung mit Wiedereinstellungszusage in Betracht, zum Beispiel bei Zerstörung der Betriebsstätte durch ein Unglück bis zu deren Wiederinbetriebnahme 342 . Nach dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 7.3.1996 343 soll eine solche Kündigung mit Wiedereinstellungszusage aber nicht im Fall des witterungsbedingten Arbeitsausfalls bestehen. Als milderes Mittel kommt eine Änderungskündigung zur Suspendierung der Hauptpflichten in den Ruhezeiten in Frage. Der Arbeitsausfall kann durch Winterausfallgeld gemäß § 214 SGB III ausgeglichen werden. Das im Kündigungsschutzgesetz enthaltene ultima-ratio-Prinzip kommt insofern auch in § 12 Nr. 2 des Bundesrahmentarifvertrages für das Baugewerbe zum Ausdruck, der eine Kündigung in der Schlechtwetterzeit aus Witterungsgründen untersagt 344 . ___________ 339

Kittner/Däubler/Zwanziger, § 1 KSchG Rn. 289 a. U. Preis, Prinzipien, S. 410. 341 U. Preis, Prinzipien, S. 410. 342 LAG Niedersachsen v. 20.12.1994, LAGE § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 28; Stahlhacke/Preis/Vossen, Rn. 1019. 343 BAG v. 7.3.1996, AP Nr. 76 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung. 344 Vgl. dazu v.Hoyningen-Huene-Linck, KSchG, § 1 Rn. 417 b und c; Kittner/ Däubler/Zwanziger, § 1 KSchG Rn. 322 a; Löwisch/Spinner, KSchG, § 1 Rn. 309; Stahlhacke/Preis/Vossen, Rn. 1019. 340

Zweiter Teil: § 8 Dringende betriebliche Erfordernisse

288

10. Kürzung von Leistungszulagen, Gratifikationen etc. Werden Kündigungen aus Kostengründen beabsichtigt, ist vorrangig an anderweitige Maßnahmen zur Kostensenkung zu denken. In Betracht kommt neben einer Lohnreduzierung das Wegfallen oder Kürzen von Leistungszulagen, Gratifikationen, Prämien oder Tantiemen 345 . Teilweise ist dies aber von der Bereitschaft der Arbeitnehmer abhängig bzw. nur unter den Voraussetzungen einer Änderungskündigung zulässig. Auch sind Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats, bestehende Betriebsvereinbarungen und Tarifverträge zu beachten.

___________ 345

KR/Etzel, § 1 KSchG Rn. 520; Löwisch/Spinner, KSchG, § 1 Rn. 300.

A. Manipulationsgefahr

289

§ 9 Die Missbrauchskontrolle A. Manipulationsgefahr Der Grundsatz der nur eingeschränkten Überprüfbarkeit unternehmerischer Entscheidungen steht unter dem Verdacht, Manipulationen Raum zu geben. So wird zuweilen unterstellt, dass arbeitsrechtlich gut beratene Arbeitgeber insbesondere in den Fällen, in denen die soziale Auswahl unberücksichtigt bleiben kann, lieber betriebsbedingt als verhaltensbedingt kündigen. So gesehen scheint es eine einfache Möglichkeit zu sein, eine Kündigung auf eine angebliche Unternehmerentscheidung zu stützen, wenn doch die Gerichte die unternehmerische Entscheidung nicht auf ihre Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit überprüfen. Im Kündigungsschutzprozess hat der Arbeitgeber danach nur vorzutragen, er habe die unternehmerische Entscheidung getroffen, den betreffenden Arbeitsplatz einzusparen und die Arbeit auf andere Arbeitnehmer zu verteilen 1 . Es liegt klar auf der Hand, dass solche konstruierten Fälle, bei denen das Recht zur betriebsbedingten Kündigung nur vorgeschoben wird, um einen in Wirklichkeit anders gelagerten Sachverhalt auf einfache Art und Weise zu regeln, unterbunden werden müssen. Um der Gefahr des Missbrauchs zu begegnen, gehen Rechtsprechung und herrschende Meinung im Schrifttum davon aus, dass eine Unternehmerentscheidung zwar nicht auf ihre Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit, sehr wohl aber daraufhin zu überprüfen ist, ob sie „offensichtlich unsachlich, unvernünftig oder willkürlich“ getroffen wurde 2 .

___________ 1

Siehe auch Stein, BB 2000, 457, 461. St. Rspr. vgl. u. a. BAG v. 4.2.1960, BAGE 9, 36 ff.; BAG v. 22.11.1973, AP Nr. 22 zu § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung m. Anm. Meisel; BAG v. 26.6.1975, AP Nr. 1 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung; BAG v. 30.4.1987, BAGE 55, 262 ff.; BAG v. 18.1.990, BAGE 64, 24 ff.; BAG v. 10.11.1994, AP Nr. 65 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung; BAG v. 5.10.1995, BAGE 81, 86 ff.; BAG v. 9.5.1996, BAGE 83, 127 ff.; BAG v. 17.6.1999 – 2 AZR 141/99 –, BAGE 92, 71 ff.; BAG v. 17.6.1999 – 2 AZR 522/98 –, BAGE 92, 61 ff.; BAG v. 17.6.1999 – 2 AZR 456/98 –, BAGE 92, 79 ff.; Ascheid, NZA 1991, 873, 874; Berkowsky, S. 49; KR/Etzel, § 1 KSchG Rn. 522 ff.; Henssler, Kölner Tage des Arbeitsrechts 2000, 89, 93; Hofmann, ZfA 1984, 295, 314; v.Hoyningen-Huene, NZA 1994, 1009, 1010; v.HoyningenHuene/Linck, KSchG, § 1 Rn. 371; Kiel/Koch, Rn. 100; Kittner/Däubler/Zwanziger, § 1 KSchG Rn. 266 f.; G. Müller, ZfA 1982, 475, 483 ff.; B. Preis, ArbuR 1997, 60, 62; Stahlhacke/Preis/Vossen, Rn. 945 ff.; Wank, RdA 1987, 129, 144. 2

290

Zweiter Teil: § 9 Die Missbrauchskontrolle

B. Bedeutung der Missbrauchskontrolle in der Praxis In der gerichtlichen Praxis spielt die Kontrolle im Hinblick auf offensichtliche Unsachlichkeit, Unvernunft bzw. Willkür nur eine untergeordnete Rolle. Bis 1997 ist in keinem Fall eine betriebsbedingte Kündigung wegen Unsachlichkeit, Unvernunft oder Willkür als sozial ungerechtfertigt beurteilt worden. Im Wesentlichen gab es nur eine Entscheidung aus dem Jahre 1979, in der das Bundesarbeitsgericht sich etwas eingehender mit der Missbrauchskontrolle befasste, letztlich aber die Unternehmerentscheidung nicht als missbräuchlich beurteilte 3 . Verständlicherweise sind deshalb Zweifel geäußert worden, ob dieser von der Rechtsprechung postulierte Rechtssatz nicht auf eine Leerformel hinauslaufe 4 . Einige Arbeitsrechtler haben sich deshalb auch dafür ausgesprochen, diese in der Praxis nicht vorkommende Theorie ganz aufzugeben 5 . Vereinzelt wird eine eingeschränkte Kontrolle auch deshalb abgelehnt, weil die Merkmale der „offensichtlichen Unsachlichkeit“, „Unvernunft“ und „Willkür“ inhaltlich nicht klar bestimmt seien 6 . Dies führe dazu, dass die Gerichte über diese Hintertür insgesamt doch zu einer Überprüfung der unternehmerischen Entscheidung auf ihre Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit gelangten. Es wird deshalb die Auffassung vertreten, die unternehmerische Entscheidung sei endgültig einer gerichtlichen Kontrolle in jedweder Hinsicht zu entziehen 7 . In der letzten Zeit dann ist das Thema der Kontrolle auf Unsachlichkeit, Unvernunft und Willkür von der Rechtsprechung etwas häufiger behandelt worden. Die folgenden Entscheidungen seien hier erwähnt.

I. Urteil des Arbeitsgerichts Gelsenkirchen vom 28.10.1997 Aufsehen erregte die erstinstanzliche Entscheidung des Arbeitsgerichts Gelsenkirchen vom 28.10.1997 8 , da hier erstmalig eine Unternehmerentscheidung als willkürlich beurteilt wurde. Dem Urteil liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Das beklagte Unternehmen der Mineralölindustrie war 100 %ige Tochter einer Düsseldorfer Firma. In Gelsenkirchen unterhielt sie zwei Betriebe und ihre Hauptverwaltung. Es bestanden Einzelbetriebsräte und ein Gesamtbetriebs___________ 3

BAG v. 24.10.1979, BAGE 32, 150 ff.; vgl. auch Zweiter Teil § 5 C., S. 87 ff. Kiel/Koch, Rn. 102. 5 Siehe beispielsweise Pauly, ZTR 1997, 113, 116. 6 Möhn, ZTR 1995, 356. 7 Möhn, ZTR 1995, 356. 8 ArbG Gelsenkirchen v. 28.10.1997, EzA Nr. 100 zu § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung m. Anm. Hamacher. 4

B. Bedeutung der Missbrauchskontrolle in der Praxis

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rat. Auf Veranlassung der Konzernmutter reduzierte die Beklagte in erheblichem Umfang Personal. Eine sich dazu verhaltende Gesamtbetriebsvereinbarung besagte, dass vorrangig Betriebsangehörige im Alter von mehr als 55 Jahren aus dem Arbeitsverhältnis ausscheiden sollten, und regelte Zuwendungen an den vorbezeichneten Personenkreis. Hiervon betroffen war auch der Kläger, der sich gegen die Kündigung wendete. Zum einen bestritt er die ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrats; zum anderen hielt er die Kündigung für sozialwidrig. Die Beklagte habe sich wirtschaftlich sehr günstig entwickelt. Unter solchen Umständen liege eine von der Rechtsordnung zu missbilligende Unternehmerentscheidung vor. Das Gericht beurteilte die Kündigung bereits aufgrund der fehlerhaften Betriebsratsanhörung als rechtsunwirksam, hielt die Kündigung aber auch gemäß § 1 KSchG für sozialwidrig. Zwar vertrat auch das Arbeitsgericht Gelsenkirchen die Auffassung, dass Unternehmerentscheidungen grundsätzlich unüberprüfbar seien, ging vorliegend aber von der Ausnahme der willkürlichen Unternehmerentscheidung aus. Die Beklagte habe seit Anfang der 90er Jahre kontinuierlich erhebliche Gewinnsteigerungen zu verzeichnen. Aus dem Sozialstaatsgebot und aus § 2 SGB III sei es in die Verantwortung der Arbeitgeber gestellt, Entlassungen zu vermeiden. Zudem seien die durch Art. 1, 2 sowie 12 GG geschützten Grundrechtspositionen bei der Anwendung des Kündigungsschutzes zu beachten. Die Hälfte des ursprünglichen Personalbestandes zu entlassen, sei ein unternehmerisches Verhalten, welches das auf dem Prinzip der Solidargemeinschaft von Arbeitgebern und Arbeitnehmern beruhende System der gesetzlichen Sozialversicherungen ernstlich gefährde. Dieses Urteil des Arbeitsgerichts Gelsenkirchen vom 28.10.1997 9 hat gegensätzliche Besprechungen nach sich gezogen. Däubler 10 hält die hinter der Entscheidung stehenden Argumente für überzeugend und verleiht seiner Begeisterung Ausdruck, dass endlich der nahe liegende und neuartige Versuch unternommen worden sei, die hinter der Kündigung stehende Unternehmerentscheidung nicht mehr als ein unumstößliches Datum hinzunehmen. Seit Jahrzehnten werde erstmals eine Kündigung für unwirksam gehalten mit der Begründung, die Willkürgrenze sei im Falle stetig ansteigender Unternehmensgewinne überschritten. Hamacher 11 dagegen betrachtet die Ausführungen des Gerichts sehr kritisch. Die Entscheidung dürfe den zweifelhaften Ruhm der ___________ 9

ArbG Gelsenkirchen v. 28.10.1997, EzA Nr. 100 zu § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung m. Anm. Hamacher. 10 Däubler, Anm. zu ArbG Gelsenkirchen v. 28.10.1997, ArbuR 1999, 38 ff. 11 Hamacher, Anm. zu ArbG Gelsenkirchen v. 28.10.1997, EzA Nr. 100 zu § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung.

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Zweiter Teil: § 9 Die Missbrauchskontrolle

Tagespresse genießen, in der man Überschriften lesen könne wie „Bei explosiver Gewinnsteigerung sind betriebsbedingte Kündigungen unzulässig“. Hamacher vermisst, dass in der Entscheidung nicht auf die Arbeitgebergrundrechte eingegangen worden sei. Die Gefährdung des gesetzlichen Systems der Sozialversicherung führe nicht zu einer unsachlichen, unvernünftigen oder willkürlichen Unternehmerentscheidung. Für die Absicherung des Sozialversicherungssystems sei der Gesetzgeber verantwortlich. Auch die Heranziehung des § 2 Abs. 1 SGB III (a. F.) sei unzutreffend. Das Argument der Gewinnsteigerung hält Hamacher ebenfalls nicht für überzeugend, da die Ausführungen über die künftige Entwicklung unzureichend seien. Das Gericht hätte darauf eingehen müssen, ob der Wille, Gewinne zu steigern, überhaupt eine Unternehmerentscheidung sei. Ferner sei fraglich, inwiefern das Merkmal der Dringlichkeit von Bedeutung sei. Hamacher hält eine sachliche und genaue Auseinandersetzung mit der Problematik für wünschenswert. Einen Missbrauch dann anzunehmen, wenn trotz steigender Gewinne eine Rationalisierung zur weiteren Gewinnsteigerung stattfindet, dürfte nur einer Mindermeinung entsprechen 12 . Die Entscheidung des Arbeitsgerichts Gelsenkirchen ist nicht haltbar. Zunächst ist Hamacher beizupflichten, dass das Gericht keine erkennbare Prüfungssystematik angewendet, sondern die übliche Prüfungsreihenfolge negiert und auch nicht ausreichend die Arbeitgeberposition berücksichtigt hat. In einer marktwirtschaftlich geprägten Gesellschaft gehört das Gewinnstreben zu den elementaren Spielregeln, und auch die soziale Dimension kann nicht zu dem Postulat führen, dass der Unternehmer erst Verluste machen muss, bevor er in seinem Unternehmen Arbeitsplätze abbauen darf 13 . Auch in einem florierenden Unternehmen muss es dem Unternehmer gestattet sein, Unternehmerentscheidungen zu treffen, die zum Wegfall von Beschäftigungsmöglichkeiten führen 14 . Solche Unternehmerentscheidungen sind zwar unpopulär, können aber nicht als willkürlich oder missbräuchlich bewertet werden. Es dürfte zudem auch kaum im Bereich des Möglichen liegen, justitiable Grenzen für das Vorliegen von Missbrauch im Fall von wirtschaftlich florierenden Unternehmen festzulegen 15 . Auch das Merkmal der Dringlichkeit erfordert nicht, dass der Unternehmer für seine Entscheidung triftige wirtschaftliche Gründe haben muss 16 . Die Überprüfung des wirtschaftlichen Gewichts würde anderenfalls zur Prüfung der Notwendigkeit und ___________ 12

So auch Gilberg, NZA 2003, 817, 819. Vgl. auch Diller, Kölner Tage des Arbeitsrechts 1999, 157, 162. 14 So auch Franzen, NZA 2001, 805, 810. 15 Vgl. auch Gilberg, NZA 2003, 817, 819. 16 Anders wohl aber U. Preis, NZA 1995, 241, 248. 13

B. Bedeutung der Missbrauchskontrolle in der Praxis

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Zweckmäßigkeit der Unternehmerentscheidung führen. Wie bereits ausführlich erörtert, sollen Gerichte aber weder regulierend noch kontrollierend in wirtschaftliche Prozesse eingreifen 17 . Würde man – wie es das Arbeitsgericht Gelsenkirchen getan hat – die Willkür- bzw. Missbrauchskontrolle heranziehen, um den Unternehmer an Personal zu binden, weil dieser angeblich in der Lage ist, die Personalkosten zu tragen, dann würde man zum einen über die Hintertür eine Art Interessen- bzw. Billigkeitsabwägung einführen und zum anderen erheblich in die Unternehmerfreiheit eingreifen.

II. Urteile des Bundesarbeitsgerichts vom 17.6.1999 In den Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts vom 17.6.1999 18 ist die Abgrenzung der Unüberprüfbarkeit von Unternehmerentscheidungen auf ihre Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit einerseits von der Überprüfbarkeit auf ihre offensichtliche Unsachlichkeit, Unvernunft oder Willkür andererseits thematisiert worden. Im Extremfall können die grundsätzlich kontrollfreie Unternehmerentscheidung und die einer Kontrolle zugängliche Kündigungsentscheidung sehr nahe beieinander liegen. Sich in einem solchen Fall mit der Feststellung zu begnügen, die Unternehmerentscheidung dürfe nicht auf ihre Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit überprüft werden, wird dem Rechtsschutzbedürfnis der Arbeitnehmer nicht gerecht. Weil hier eine gewisse Missbrauchsgefahr besteht, kann die grundsätzliche Vermutung, die Unternehmerentscheidung sei aus sachlichen Gründen erfolgt, nicht mehr von vornherein gelten. Die Anforderungen an den vom Arbeitgeber zu erbringenden Tatsachenvortrag steigen demgemäß. Erst dadurch wird das Gericht überhaupt in die Lage versetzt, eine vorgeschobene Unternehmerentscheidung von einer sachlichen Unternehmerentscheidung zu unterscheiden. Ging es in den ersten beiden Entscheidungen vom 17.6.1999 in erster Linie um die Anforderungen an die Darlegungs- und Beweislast für den Fall, dass die Unternehmerentscheidung von der Kündigung kaum zu unterscheiden ist, um damit der Missbrauchsgefahr zu begegnen, so behandelte die dritte Entscheidung dieses Tages den Verstoß einer Unternehmerentscheidung gegen eine tarifliche Regelung und somit die Frage, ob sich der von der Kündigung betrof___________ 17 Vgl. dazu insbesondere Zweiter Teil § 7, S. 160 ff.; ferner Stahlhacke, DB 1994, 1361, 1365. 18 BAG v. 17.6.1999 – 2 AZR 141/99 –, BAGE 92, 71 ff.; BAG v. 17.6.1999 – 2 AZR 522/98 –, BAGE 92, 61 ff.; BAG v. 17.6.1999 – 2 AZR 456/98 –, BAGE 92, 79 ff.; vgl. dazu Zweiter Teil § 5 F., S. 98 ff.

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Zweiter Teil: § 9 Die Missbrauchskontrolle

fene Arbeitnehmer auf die Unwirksamkeit der Unternehmerentscheidung berufen durfte 19 . Konkret ging es um eine betriebsbedingte Kündigung einer Hilfskraft in einem Druckereibetrieb, die hauptsächlich bei der Bedienung einer Druckmaschine mitwirkend eingesetzt wurde. Die Beklagte traf die Entscheidung, den Arbeitsplatz einer Hilfskraft einzusparen, so dass es zu der Kündigung des Klägers kam. Dies hatte zur Folge, dass ein Drucker ohne Hilfskraft arbeiten musste. Von maßgeblicher Bedeutung war in diesem Fall die Auslegung einer quantitativen Besetzungsregel aus dem Manteltarifvertrag für gewerbliche Arbeitnehmer der Druckindustrie, wonach den Fachkräften mindestens eine Hilfskraft beizustellen ist. Der Kläger war der Auffassung, dass die tarifliche Bestimmung die Freiheit der Unternehmerentscheidung begrenze, so dass sie vorliegend tarifwidrig und damit rechtsmissbräuchlich sei. Außerdem sei das Weiterbeschäftigungsbedürfnis nicht entfallen, da die Hilfskräfte für die Bedienung der Druckmaschine auch notwendig seien. Das Berufungsgericht vertrat die Auffassung, die Durchführung der Entscheidung, eine Hilfskraft einzusparen, verstoße gegen die Besetzungsregelung, so dass die Kündigung gemäß § 1 Abs. 2 KSchG sozialwidrig sei. Dieser Begründung folgte der Senat nicht. Das Arbeitsverhältnis des Klägers sei vom Schutzzweck der Norm der einschlägigen Tarifvorschrift nicht unmittelbar erfasst. Der Kläger könne sich auf diese Norm nicht berufen. Die Regelung bezwecke den Schutz vor Gesundheitsgefahren und vor Überforderung, nicht aber den Schutz vor einem Arbeitsplatzverlust. Die der Kündigung zugrunde liegende Unternehmerentscheidung könne sich allenfalls als offensichtlich unsachlich, unvernünftig und willkürlich erweisen. Gegebenenfalls könne sich der Kläger darauf „im Wege einer Reflexwirkung berufen“. Das müsse die Vorinstanz prüfen, auf die das Bundesarbeitsgericht unter Aufhebung des Berufungsurteils zurückverwies. Die bisherigen Darlegungen der Parteien hielt das Bundesarbeitsgericht nicht für ausreichend, um abschließend über die soziale Rechtfertigung der Kündigung zu entscheiden. Die Ausführungen des Bundesarbeitsgerichts sprechen die Frage an, ob und inwiefern sich der von der Kündigung betroffene Arbeitnehmer zur Begründung der Unwirksamkeit der Kündigung auf die Gesetzeswidrigkeit bzw. Tarifwidrigkeit der Unternehmerentscheidung berufen darf. Drei Varianten sind denkbar: er darf sich unmittelbar, er darf sich gar nicht oder er darf sich „im Wege einer Reflexwirkung“ auf den Gesetzesverstoß der Unternehmerentscheidung berufen. Ein unmittelbares Berufen auf den Gesetzesverstoß wird sicher nur in den seltenen Fällen in Betracht kommen, in denen der Arbeitnehmer von einem Gesetz unmittelbar betroffen ist. Ein gänzliches Untersagen des Beru___________ 19

BAG v. 17.6.1999 – 2 AZR 456/98 –, BAGE 92, 79 ff.

B. Bedeutung der Missbrauchskontrolle in der Praxis

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fens auf einen Gesetzesverstoß der Unternehmerentscheidung wird dagegen nur in den Fällen sachgerecht sein, in denen der Gesetzesverstoß von untergeordneter Bedeutung ist. In den meisten Fällen, wie auch in dem der genannten Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 17.6.1999, wird das Gesetz, gegen das verstoßen wurde, nicht den Schutz vor einem Arbeitsplatzverlust bezwecken, so dass eine Prüfung der Unsachlichkeit der Unternehmerentscheidung „im Wege einer Reflexwirkung“ anzunehmen ist. Die Beantwortung der Frage, ob und inwiefern sich der von der Kündigung betroffene Arbeitnehmer auf einen Gesetzesverstoß der Unternehmerentscheidung berufen darf, hängt also letztlich damit zusammen, um welche Art von Gesetzesverstoß es sich jeweils handelt.

III. Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 17.2.2000 In seiner Entscheidung vom 17.2.2000 beschäftigte sich auch das Arbeitsgericht Berlin 20 mit der Frage der Kontrolle der Unternehmerentscheidung auf offensichtliche Unsachlichkeit, Unvernunft und Willkür. Folgender Sachverhalt war zu beurteilen: Die Beklagte zu 1) betrieb ein Unternehmen zum Zweck des Groß- und Einzelhandels mit Maschinen, Werkzeugen und Zubehör sowie Projektierung und Reparatur solcher Maschinen und Werkzeuge. Aufgrund eines Briefes aus dem Jahre 1996 trat die Planung offen zutage, dass ein weiteres Unternehmen gegründet werden sollte. Im Zuge dessen war beabsichtigt, die meisten Arbeitnehmer der Beklagten zu 1) zu dem neuen Unternehmen hinüberzuziehen und in dem alten Unternehmen nur noch diejenigen Arbeitnehmer zurück zu lassen, derer man sich ohnehin zu entledigen gedachte. 1997 wurde sodann ein neues Unternehmen gegründet, das mit Maschinen jeglicher Art handelte, die Beklagte zu 3). 1999 wurde die Gesellschaft der Beklagten zu 1) stillgelegt bzw. mit geändertem Gesellschaftszweck als Immobilienverwaltungsgesellschaft fortgeführt. Der Klägerin, die zuletzt bei der Beklagten zu 1) als Buchhalterin beschäftigt war, wurde gekündigt. Gegen diese Kündigung wendet sich die Klage der Klägerin. Zudem macht sie mit Klageerweiterung einen Betriebsübergang auf die Beklagte zu 3) geltend. Das Arbeitsgericht Berlin entschied, dass die Kündigung der Beklagten zu 1) das Arbeitsverhältnis nicht wirksam beendet hat, sondern dieses vielmehr zur Beklagten zu 3) fortbestand. Die der Kündigung zugrunde liegende unternehmerische Entscheidung sei offensichtlich unsachlich und willkürlich gewesen. Die Überlegung der Gesellschafter der Beklagten zu 1) sei nicht von dem ___________ 20

ArbG Berlin v. 17.2.2000, AuA 2000, 438 ff. = BuW 2000, 796 ff.

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Zweiter Teil: § 9 Die Missbrauchskontrolle

Gedanken getragen gewesen, im Hinblick auf inner- bzw. außerbetriebliche Umstände effizientere Strukturen zu schaffen oder Kosten zu sparen. Die Betriebsstilllegung sei ein Teil der Umsetzung einer bereits im Jahre 1996 getroffenen Entscheidung gewesen, die Strukturen des bisherigen Unternehmens strategisch und langfristig zu verändern und den Bestand sogar aufzugeben, um sich von unbequemen oder „teuren“ Arbeitnehmern trennen zu können und zugleich das arbeitsrechtliche Risiko des Unterliegens in folgenden Verfahren oder der Zahlung hoher Abfindungen zu minimieren. Ein Arbeitgeber, der langfristig die Stilllegung seines Betriebes plane und umsetze und gleichzeitig daneben ein neues Unternehmen in demselben Geschäfts- bzw. Marktbereich aufbaue, das dieselben Zulieferer habe und dieselben Kunden bediene, um sich auf diese Weise von langjährig bei ihm beschäftigten oder unbeliebten Arbeitnehmern mit nur einem geringen oder ohne Kostenrisiko trennen zu können, umgehe objektiv die Regelungen des Kündigungsschutzgesetzes und handele damit offensichtlich unsachlich und willkürlich. Diese Entscheidung verdient im Wesentlichen Zustimmung, obwohl die getroffene Unternehmerentscheidung nicht als offensichtlich unsachlich und willkürlich, sondern als missbräuchlich hätte qualifiziert werden sollen. Wird eine Unternehmerentscheidung hauptsächlich mit dem Ziel getroffen, unliebsame Arbeitnehmer loszuwerden, mit dem Hintergedanken, das rechtlich vorgesehene Verfahren zu vermeiden, so liegt ein klassischer Fall des Missbrauchs vor. Ein solches Vorgehen des Arbeitgebers verbietet bereits das allgemeine Verbot rechtsmissbräuchlichen Handelns gemäß § 242 BGB. Weshalb das Arbeitsgericht Berlin die Unternehmerentscheidung als offensichtlich unsachlich und willkürlich bezeichnet hat, wird nicht klar. Man vermisst eine exakte Klärung der Begriffe der „Unsachlichkeit“, „Unvernunft“ und „Willkür“.

IV. Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 26.9.2002 Besondere Aufmerksamkeit verdient schließlich das so genannte „Rheumaklinik-Urteil“ des Bundesarbeitsgerichts vom 26.9.2002 21 . Der Zweite Senat hatte die Kündigungsschutzklage einer Küchenhilfe zu beurteilen, die bei einer tarifgebundenen Rheumaklinik beschäftigt war. Aufgrund von Jahresfehlbeträgen in den Jahren 1995 und 1996 leitete die Beklagte Sanierungsmaßnahmen ein. Auf der Grundlage eines Gutachtens beschlossen die Gesellschafter der in der Rechtsform der GmbH betriebenen Klinik, Reinigung, Küche, Servierbereich, Diätabteilung und die Ernährungsberatung stillzulegen. Die bislang dort ___________ 21

BAG v. 26.9.2002, NZA 2003, 549 ff.

B. Bedeutung der Missbrauchskontrolle in der Praxis

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erbrachten Dienstleistungen sollten von einer neu zu gründenden ServiceGmbH übernommen werden. Mitarbeiter sollten jedoch nicht überwechseln. An dieser Service-GmbH sollten die Rheumaklinik-GmbH zu 51 % und ein selbständiges Dienstleistungsunternehmen zu 49 % beteiligt sein. Ziel der Mehrheitsbeteiligung war die Herbeiführung einer steuerrechtlichen Organschaft. Damit sollte erreicht werden, dass die Beklagte auf Leistungen der Service-GmbH keine Umsatzsteuer zu zahlen hatte. Aufgrund der Einsparung der Umsatzsteuer und aufgrund der Anwendung der günstigeren Tarifverträge des Gebäudereinigerhandwerks versprach sich die Beklagte eine deutliche Gesamtersparnis. Die Klägerin wandte sich gegen die Kündigung im Wesentlichen mit dem Argument, die Rheumaklinik-GmbH habe aufgrund der Mehrheitsverhältnisse und aufgrund der Personenidentität in der Geschäftsführerposition ihre Arbeitgeberstellung nicht aufgegeben. Es bestehe nach wie vor Beschäftigungsbedarf, weshalb die Kündigung unwirksam sei. Das Bundesarbeitsgericht 22 beurteilte die Kündigung als sozialwidrig. Die Entscheidung des Unternehmers, einen Betriebsteil durch eine noch zu gründende, finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in sein Unternehmen voll eingegliederte Organgesellschaft (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG) weiter betreiben zu lassen, stelle kein dringendes betriebliches Erfordernis im Sinne von § 1 Abs. 2 KSchG dar, den in diesem Betriebsteil beschäftigten Arbeitnehmern zu kündigen, um ihn mit neu eingestellten Arbeitnehmern weiter betreiben zu lassen. Bei Anwendung des KSchG auf an sich „freie“ Unternehmerentscheidungen habe der Senat stets eine eingeschränkte Prüfung des unternehmerischen Konzepts vorgenommen, da bei einer schrankenlosen Hinnahme jeglicher unternehmerischen Entscheidung als bindend für den Kündigungsschutzprozess der Kündigungsschutz der Arbeitnehmer teilweise leer laufen würde. Zudem sei die unternehmerische Entscheidung stets daraufhin zu überprüfen, ob sie offensichtlich unsachlich, unvernünftig oder willkürlich sei. Diese Missbrauchskontrolle habe sich unter anderem daran zu orientieren, dass durch die Wertung der Willkür und des Missbrauchs der verfassungsrechtlich geforderte Bestandsschutz nicht unangemessen zurückgedrängt werde. Neben Verstößen gegen gesetzliche und tarifliche Normen zählten hierzu vor allem Umgehungsfälle. Der Senat habe schon mehrfach darauf hingewiesen, dass der Arbeitgeber missbräuchlich handele, der durch die Bildung separater betrieblicher Organisationsstrukturen seinen Betrieb in mehrere Teile aufspaltet, um Arbeitnehmern den allgemeinen Kündigungsschutz zu entziehen und ihnen „frei“ kündigen zu können. ___________ 22

Vgl. dazu auch Zweiter Teil § 5 G., S. 102 f.

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Zweiter Teil: § 9 Die Missbrauchskontrolle

Es sei rechtsmissbräuchlich, wenn die Beklagte ein unternehmerisches Konzept zur Kostenreduzierung gewählt habe, das faktisch nicht zu Änderungen in den betrieblichen Abläufen, jedoch bei allen Arbeitnehmern der betroffenen Abteilungen erklärtermaßen zum Verlust ihres Arbeitsplatzes führen sollte, obwohl nach wie vor ein – allenfalls reduzierter – Beschäftigungsbedarf bestand. Die Gründung einer im Sinne von § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen der Beklagten eingegliederten Organgesellschaft (GmbH) und die Übertragung der Arbeiten der betroffenen Abteilungen auf diese GmbH sei zwar rechtlich zulässig gewesen. In der hier praktizierten Ausgestaltung sei sie aber rechtsmissbräuchlich und damit kündigungsrechtlich unbeachtlich, denn die Wahl dieser Organisationsform habe in erster Linie nur dem Zweck dienen können, den Arbeitnehmern der betroffenen Bereiche ihren Kündigungsschutz zu nehmen und sich von ihnen „frei“ zu trennen, damit die Arbeit in Zukunft von anderen, geringer bezahlten Arbeitnehmern verrichtet werde. Der verfassungsrechtlich gebotene kündigungsrechtliche Mindestschutz wäre nicht mehr gewährleistet, würde man dem Arbeitgeber gestatten, Teilbereiche seines Betriebes (oder gar den ganzen Betrieb) „stillzulegen“, den betroffenen Arbeitnehmern ohne Kündigungsschutz zu kündigen, um dann dieselben Arbeiten an derselben Betriebsstätte durch eine finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in sein Unternehmen voll eingegliederte Organgesellschaft mit jüngeren und preiswerteren Arbeitskräften, die in den ersten sechs Monaten nicht einmal Kündigungsschutz beanspruchen können, weiter verrichten zu lassen. Die Beklagte habe von vornherein nicht vorgehabt, einem selbständigen Drittunternehmen die Teilbereiche Reinigung und Küche zu übertragen. Sie wollte vielmehr, weil dies Voraussetzung der umsatzsteuerlichen Organschaft war, die Verträge zwischen ihr und der Service-GmbH so gestalten, dass wegen der finanziell, wirtschaftlich und organisatorischen Unselbständigkeit der Service-GmbH ein einheitliches Unternehmen im Sinne von § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG fortbestand, in dem sie als Organträgerin „das Sagen“ hatte. Es sei rechtsmissbräuchlich, wenn die Beklagte ihr Ziel, Steuern zu sparen sowie einen Betriebsübergang nach § 613 a BGB zu vermeiden, durch Übertragung der beiden Teilbereiche auf eine finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch unselbständige Organgesellschaft dadurch verwirkliche, dass sie sich Einflussmöglichkeiten im vorliegenden Ausmaß vorbehalte und trotz fortbestehenden Beschäftigungsbedarfs von allen Arbeitnehmern trenne, die bisher die entsprechenden Arbeiten verrichtet haben, um neue Arbeitnehmer zu schlechteren Bedingungen einzustellen. Die Frage, ob konzernbezogene Überlegungen gleichfalls zur Unwirksamkeit der Kündigung führen würden, ließ der Zweite Senat offen.

B. Bedeutung der Missbrauchskontrolle in der Praxis

299

Diese Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts wird von Adomeit 23 scharf kritisiert. Die finanziellen Schwierigkeiten im Gesundheitswesen seien bekannt. Das Bundesarbeitsgericht hätte der notwendigen Sanierung der Klinik zum Durchbruch verhelfen müssen. Der Sanierungsplan sei zwar zu einem guten Teil arbeitsrechtlich indiziert gewesen, zu einem anderen Teil aber steuerrechtlich. Um eine legale Steuerverminderung zu erreichen, sei der Klinikverwaltung gar nichts anderes übrig geblieben, als eine unselbständige Organschaft zu schaffen. Dies sei ein plausibles Verhalten, das man ihr nicht vorwerfen könne. Von Missbrauch könne nicht die Rede sein. Die Klinikleitung habe im Gegenteil im Sinne des medizinischen Aspektes und im Interesse der Versicherten sehr verantwortungsbewusst gehandelt. Adomeit missfällt die seiner Meinung nach aus dem Rheumaklinik-Urteil herauszulesende Botschaft: „Wenn schon bei einer als gemeinnützig anerkannten, von Einrichtungen der Sozialversicherung betriebenen Klinik die aufgrund mehrfach aufgetretener Jahresverluste unumgängliche und in den Einzelheiten plausibel begründete Sanierung nicht zu Kündigungen im Personalbereich führen darf, dann wird kaum noch eine Unternehmensleitung damit rechnen dürfen, im Sanierungsfall dringende betriebliche Erfordernisse anerkannt zu bekommen. Wer realistisch denkt, sollte § 1 KSchG in der Auslegung durch die Gerichte besser gleich als Sanierungsverbot verstehen“. Annuß 24 dagegen erhebt keine Einwände gegen die „Gerechtigkeit“ dieses Urteils. Es sei nicht befriedigend, wenn Unternehmen arbeitsrechtlichen Bindungen auf dem Wege von konzerninternen Umstrukturierungen entkommen könnten. Annuß ist jedoch mit der Begründung der Entscheidung nicht einverstanden. Weder den Rückgriff auf das Missbrauchsverbot noch einen Rückgriff auf Verfassungsgrundsätze hält er für überzeugend. Das Gericht hätte die Begründung auf das Dringlichkeitserfordernis des § 1 Abs. 2 KSchG stützen sollen. Dafür sei jedoch Voraussetzung, dass durch das Merkmal der Dringlichkeit auch eine Überprüfung des betrieblichen Erfordernisses ermöglicht werde, ob dies aus objektiver unternehmerischer Sicht dringend sei. Annuß hält dieses Urteil für einen Einstieg in einen konzernbezogenen Kündigungsschutz. In Zukunft sei damit zu rechnen, dass auf verfassungsrechtliche Wertungen und auf den Rechtsmissbrauch zurückgegriffen werde, um Kündigungen im Zusammenhang mit konzerninternen Tätigkeitsverlagerungen für unwirksam zu erklären.

___________ 23 24

Adomeit, Anm. zu BAG v. 26.9.2002, SAE 2003, 233, 237 ff. Annuß, NZA 2003, 783 ff.

300

Zweiter Teil: § 9 Die Missbrauchskontrolle

Der vom Bundesarbeitsgericht getroffenen Entscheidung ist im Ergebnis zuzustimmen. Die von Adomeit erhobene Kritik ist überzogen; insbesondere ist dem Bundesarbeitsgericht nicht vorzuwerfen, die Auslegung des § 1 KSchG führe zu einem Sanierungsverbot. Das Gericht stellt deutlich klar, dass es Umstrukturierungen der vorgenommenen Art für zulässig hält. Eine davon zu unterscheidende Frage aber ist, wie der Unternehmer mit den Arbeitsverhältnissen umzugehen hat. Vergleicht man diese Entscheidung mit der Crewing-Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 26.9.1996 25 , so haben sie als Gemeinsamkeit, dass in beiden Fällen der Unternehmer nach Umsetzung der Unternehmerentscheidungen für die Durchführung der Tätigkeiten noch Weisungen erteilen konnte. In der Crewing-Entscheidung hielt das Gericht die Kündigung des klagenden Kapitäns für unwirksam. Es handele sich um eine unzulässige Austauschkündigung. Genauso liegt die Konstellation auch hier 26 . Die Tätigkeiten in der Klinik sind dieselben geblieben, auch wenn diese von einer steuerlich vorteilhaften Organschaft ausgeführt werden sollten. Da die Klinikleitung aufgrund der Mehrheitsverhältnisse nach wie vor maßgeblich Einfluss auf die Beschäftigungsmöglichkeiten nehmen kann, sich also „das Sagen“ vorbehalten hat, hat sie ihre Arbeitgeberstellung nicht aufgegeben. Sie hätte ihre arbeitsrechtliche Verpflichtung den Arbeitnehmern gegenüber, hier speziell im Verhältnis zur klagenden Küchenhilfe, weiterhin erfüllen können und müssen. Annuß ist insoweit zuzustimmen, dass dieses Ergebnis nicht durch ein Abstellen auf einen Rechtsmissbrauch hätte begründet werden dürfen. Der von ihm vorgeschlagene Weg, die Kündigung an dem Merkmal der Dringlichkeit scheitern zu lassen, ist vom Ansatz her zwar zu begrüßen, im Weiteren aber noch zu konkretisieren. In dem Merkmal der Dringlichkeit ist, wie bereits im vorhergehenden Kapitel dieser Untersuchung erörtert, ein modifizierter Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verankert. Wendet man diesen hier an, dann ergibt sich, dass die konkrete Unternehmerentscheidung der Bildung einer Organschaft aus steuerlichen Gründen auch hätte durchgeführt werden können, ohne Beendigungskündigungen aussprechen zu müssen. Die Kündigung der Küchenhilfe war somit nicht erforderlich.

___________ 25

BAG v. 26.9.1996, BAGE 84, 209 ff.; vgl. dazu Zweiter Teil § 5 D., S. 96 f. Reuter (RdA 2004, 161 ff.) ist auch verwundert, dass der erkennende Senat nicht die Parallele zu der Crewing-Entscheidung gezogen hat. 26

C. „Offensichtliche Unsachlichkeit“, „Unvernunft“ und „Willkür“

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C. Die Merkmale der „offensichtlichen Unsachlichkeit“, „Unvernunft“ und „Willkür“ Wie bereits angesprochen, wird in Rechtsprechung und Literatur der Satz, die Unternehmerentscheidung sei auf offensichtliche Unsachlichkeit, Unvernunft oder Willkür zu kontrollieren, nahezu ohne Ausnahme schlagwortartig verwendet, ohne dass im Einzelnen geklärt wird, was unter den verschiedenen Begriffen genau zu verstehen ist und wie sich die Willkürkontrolle zum allgemeinen Verbot gesetzeswidrigen und rechtsmissbräuchlichen Handelns verhält. Die Begriffe „Unvernunft“, „Unsachlichkeit“, „Willkür“ und „Rechtsmissbrauch“ sind nicht gleichbedeutend. Die Abgrenzung untereinander ist aber schwierig und unklar 27 .

I. Offensichtliche Unsachlichkeit Soweit eine Begriffsklärung vorgenommen wird, läuft sie überwiegend darauf hinaus, dass eine Unternehmerentscheidung dann offensichtlich unsachlich ist, wenn mit ihr ein Gesetzes-, Tarif- oder Vertragsverstoß verbunden ist 28 . Voraussetzung für die Anerkennung der Unternehmerentscheidung ist, dass das vom Unternehmer beschlossene Konzept mit der Rechtsordnung in Einklang steht 29 . Bei einem Gesetzes-, Tarif- oder Vertragsverstoß sind sowohl die Unternehmerentscheidung selbst, als auch daraus resultierende Kündigungen rechtswidrig und damit unwirksam 30 . Weshalb die Rechtsprechung im Rahmen des § 1 Abs. 2 KSchG explizit hervorhebt, dass eine Unternehmerentscheidung nicht unsachlich sein dürfe, also nicht gegen Gesetze, Tarifverträge und Verträge verstoßen dürfe, ist nicht ganz einsichtig, denn dies folgt bereits aus den allgemeinen Regeln, insbesondere aus der Norm des § 134 BGB 31 .

___________ 27

Stein, BB 2000, 457, 458. BAG v. 18.12.1997, BAGE 87, 327 ff.; BAG v. 17.6.1999 – 2 AZR 522/98 –, BAGE 92, 61 ff.; Ascheid, DB 1987, 1144, 1146; KR/Etzel, § 1 KSchG Rn. 523; APS/ Kiel, § 1 KSchG Rn. 468; v.Hoyningen-Huene/Linck, KSchG, § 1 Rn. 371 b; Kiel/Koch, Rn. 105. 29 Diller, Kölner Tage des Arbeitsrechts 1999, 157, 172; Sage, AiB 2000, 457, 458. 30 Zu Recht Sage, AiB 2000, 310, 313. 31 Stein (ArbuR 2002, 472, 473) weist darauf hin, dass die Prüfung der Gesetzeswidrigkeit auch nicht im Rahmen des § 1 Abs. 2 KSchG, sondern vielmehr im Rahmen des § 13 Abs. 3 KSchG erfolge. 28

302

Zweiter Teil: § 9 Die Missbrauchskontrolle

1. Gesetzeswidrige Unternehmerentscheidungen Gesetzeswidrig ist eine Unternehmerentscheidung beispielsweise, wenn sie gegen das Wettbewerbsrecht verstößt 32 . Um eine gesetzeswidrige Unternehmerentscheidung handelt es sich ferner, wenn sie gegen das Gesellschaftsrecht verstößt, etwa wenn der Vorstand ohne die erforderliche Zustimmung des Aufsichtsrates gemäß § 111 Abs. 4 AktG entschieden hat oder wenn die Informationspflicht gemäß § 90 AktG verletzt wurde 33 . Aufgrund des Diskriminierungsverbots von Teilzeitbeschäftigten gemäß § 4 Abs. 1 TzBfG (bis zum 31.12.2000 § 2 Abs. 1 BSchFG) liegt Gesetzeswidrigkeit ebenfalls vor, wenn sich die Unternehmerentscheidung für eine Teilzeitkraft so auswirkt, dass sie ohne sachlichen Grund gegenüber den Vollzeitkräften benachteiligt wird 34 . Gesetzeswidrig ist eine Unternehmerentscheidung schließlich auch, wenn der Arbeitgeber eine über die Grenzen des Arbeitszeitgesetzes hinausgehende tägliche Arbeitsbelastung beabsichtigt 35 . Ob sich der von der Kündigung betroffene Arbeitnehmer in allen Fällen auf die Gesetzeswidrigkeit der Unternehmerentscheidung zur Begründung der Unwirksamkeit der Kündigung berufen darf, wurde bereits erörtert 36 . In den meisten Fällen wird er sich auf den Gesetzesverstoß „im Wege einer Reflexwirkung“ berufen können.

2. Tarifwidrige Unternehmerentscheidungen Wenn ein neues Arbeitszeitkonzept eingeführt wird, geht damit häufig ein Verstoß gegen einen Tarifvertrag einher 37 . Sozial ungerechtfertigt ist daher eine betriebsbedingte Änderungskündigung zwecks Einführung einer tarifwidrigen Arbeitszeitgestaltung 38 . Ebenfalls sozial ungerechtfertigt ist eine Änderungskündigung, mit der der Arbeitgeber die wöchentliche tarifliche Arbeitszeit von 35 auf 38,5 Stunden bei einer Lohnerhöhung von 3 % heraufsetzen will 39 . Eine solche Kündigung ist gemäß § 4 Abs. 3 TVG aufgrund der Abweichung vom Tarifvertrag nichtig. Eine Unternehmerentscheidung ist ferner auch ___________ 32

Kittner/Däubler/Zwanziger, § 1 KSchG Rn. 272. Kittner/Däubler/Zwanziger, § 1 KSchG Rn. 272. 34 BAG v. 24.4.1997, BAGE 85, 358 ff. 35 Diller, Kölner Tage des Arbeitsrechts 1999, 157, 172; Gilberg, NZA 2003, 817, 819. 36 Vgl. oben Zweiter Teil § 9 B. II., S. 293 ff. 37 Diller, Kölner Tage des Arbeitsrechts 1999, 157, 172. 38 BAG v. 18.12.1997, BAGE 87, 327 ff. 39 BAG v. 10.2.1999, AP Nr. 52 zu § 2 KSchG 1969. 33

C. „Offensichtliche Unsachlichkeit“, „Unvernunft“ und „Willkür“

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dann unwirksam, wenn sie tarifliche Arbeitsplatzbesetzungsvorschriften aushebelt 40 .

3. Vertragswidrige Unternehmerentscheidungen Offensichtlich unsachlich ist eine Unternehmerentscheidung weiterhin, wenn sie gegen Verträge verstößt, zum Beispiel wenn Entlassungen letztlich dazu führen, dass der Unternehmer seine Vertragspflichten gegenüber anderen Arbeitnehmern nicht einhalten kann 41 . Unternehmerentscheidungen dürfen auch nicht gegen Gesellschaftsverträge verstoßen. Ferner sind auch Verträge mit Kunden zu berücksichtigen 42 .

4. Verstoß gegen Satzungen Sachwidrig sind ferner Entscheidungen, die gegen Satzungen verstoßen, beispielsweise Planungen des Vorstandes, für die nach der Satzung die Zustimmung des Aufsichtsrats erforderlich gewesen wäre 43 .

II. Unvernunft Es ist kein Fall ersichtlich, in dem die Rechtsprechung eine Unternehmerentscheidung als offensichtlich unvernünftig beurteilt hätte. Auch im Schrifttum wird dieses Merkmal nur sehr selten behandelt. Nach den wenigen Angaben im Schrifttum ist eine Unternehmerentscheidung dann offenbar unvernünftig, wenn sie keinen erkennbaren wirtschaftlichen oder unternehmensstrategischen Sinn hat 44 . Ein denkbarer Fall könne sein, wenn ein Unternehmer politische oder private Gründen zum Anlass nehme, Arbeiten an einen anderen Unternehmer zu übertragen, um dessen Auslastung des Betriebes zu steigern, ohne dass damit für ihn selbst wirtschaftliche oder strategische Vorteile verbunden

___________ 40 BAG v. 17.6.1999 – 2 AZR 456/98 –, BAGE 92, 79 ff.; siehe oben Zweiter Teil § 9 B. II., S. 293 ff.; Gilberg, NZA 2003, 817, 819. 41 Kiel/Koch, Rn. 105. 42 Vgl. v. a. Ascheid, NZA 1991, 873, 877. 43 Kiel/Koch, Rn. 105. 44 KR/Etzel, § 1 KSchG Rn. 523; Kiel/Koch, Rn. 106.

304

Zweiter Teil: § 9 Die Missbrauchskontrolle

sind 45 . Ausgenommen davon seien Verlagerungen im Rahmen eines Konzernverbundes, soweit sie sich auf konzernstrategische Überlegungen zurückführen ließen 46 . Meines Erachtens sollte auf das Merkmal der „Unvernunft“ verzichtet werden, da auch hier das Aufstellen justitiabler Maßstäbe kaum zu leisten sein dürfte. Legt ein Unternehmer beispielsweise seinen einzigen florierenden Betrieb still, weil er sich anderen Dingen widmen möchte, so mag dies ein Dritter als unvernünftig bezeichnen. Gleichwohl wird man diesen Unternehmer zur Aufrechterhaltung des Betriebes nicht zwingen können 47 . Die Unternehmerfreiheit umfasst letztlich auch das unvernünftige Handeln 48 .

III. Willkür Fraglich ist, was unter dem Merkmal der „Willkür“ zu verstehen ist. Eine genauere Definition der Willkür lässt sich in den Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts nicht finden. Umgangssprachlich versteht man unter Willkür ein wahlloses, unkritisches und unüberlegtes Handeln 49 . In diesem Sinne wird der Begriff der Willkür auch im arbeitsrechtlichen Schrifttum verstanden. Danach soll die Unternehmerentscheidung offensichtlich willkürlich sein, wenn ihr keinerlei sachliche Erwägung zugrunde liegt 50 . Zu Recht wird eingewandt, dass dies in der Praxis kaum vorkommen dürfte, denn es ist höchst unwahrscheinlich, dass der Unternehmer vor den Gerichten vorträgt, er habe für seine Entscheidung keinerlei Gründe gehabt, also aus Lust und Laune gehandelt 51 . Verbunden mit dem Begriff der Willkür wird teilweise auch geprüft, ob eine Situation allein zu dem Zweck herbeiführt worden ist, einen bestimmten missliebigen Arbeitnehmer zu entlassen, ob mithin ein Umgehungsfall vorliegt. Umgehungsfälle sollten aber zutreffenderweise nicht als willkürlich, sondern als missbräuchlich eingeordnet werden.

___________ 45

Kiel/Koch, Rn. 106. Kiel/Koch, Rn. 106. 47 Vgl. auch B. Preis, NZA 1997, 625, 630. 48 So auch Quecke, NZA 1999, 1247, 1250. 49 Duden, Die sinn- und sachverwandten Wörter, S. 822. 50 Ascheid, KSchR, Rn. 291; KR/Etzel, § 1 KSchG Rn. 523; Kiel/Koch, Rn. 107. 51 Ascheid, KSchR, Rn. 291. 46

C. „Offensichtliche Unsachlichkeit“, „Unvernunft“ und „Willkür“

305

IV. Missbrauch In dem in der Rechtsprechung ständig genannten Satz, die Unternehmerentscheidung sei daraufhin zu prüfen, ob sie offenbar unsachlich, unvernünftig oder willkürlich getroffen worden sei, ist der Begriff des „Missbrauchs“ nicht explizit enthalten. Dennoch ist davon auszugehen, dass das Bundesarbeitsgericht mit diesem Satz das Missbrauchsverbot meint 52 . So heißt es beispielsweise in dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 24.10.1979 53 : „Die genannten Ausnahmen (ob die unternehmerische Entscheidung offenbar unsachlich, unvernünftig oder willkürlich sei) (…) ergeben sich aus dem allgemeinen Verbot des Rechtsmissbrauchs. (...) Offensichtliche unsachliche (unvernünftige) oder willkürliche Rationalisierungsmaßnahmen sind Tatbestände der unzulässigen Ausübung des betrieblichen Gestaltungsrechts durch den Arbeitgeber (…).“ Das Missbrauchsverbot ergibt sich also nicht aus dem Kündigungsschutzgesetz und ist auch nicht ein speziell vom Bundesarbeitsgericht aufgestellter Rechtssatz, sondern folgt aus den allgemeinen Rechtsprinzipien, insbesondere aus der Norm des § 242 BGB 54 . Da also bereits das BGB missbräuchliche Kündigungen verbietet, insbesondere Kündigungen die zur Unzeit oder zur Normumgehung ausgesprochen werden 55 , ist nicht verständlich, warum das Bundesarbeitsgericht in seiner ständigen Rechtsprechung den Satz hervorhebt, die Unternehmerentscheidung dürfe nicht unsachlich, unvernünftig und nicht willkürlich sein. Auf die Merkmale „offenbar unsachlich“, „unvernünftig“ und „willkürlich“ kann also letztlich verzichtet werden. Ausreichend ist, dass der Rechtsanwender weiß, dass ein sachlicher Grund für eine zu einer Kündigung führende Unternehmerentscheidung vorliegen muss, und dass diese nicht gegen die Rechtsordnung verstoßen und nicht missbräuchlich sein darf 56 . Mit der Missbrauchskontrolle soll unterbunden werden, dass die unternehmerische Freiheit in dem Sinne ausgenutzt wird, durch ein Vorschieben einer unternehmerischen Maßnahme einen Kündigungsgrund zu schaffen 57 . Sie soll Scheinmotiven vorbeugen 58 . ___________ 52

So auch Rommè/Pauker, NZA-RR 2000, 281, 284. BAG v. 24.10.1979, BAGE 32, 150, 155 f. 54 So auch Stein, BB 2000, 457, 458. 55 Diekhoff, ArbuR 1957, 197, 198; siehe auch Hillebrecht, ZfA 1991, 87, 95; zum Verbot der unzulässigen Rechtsausübung gemäß § 242 BGB vgl. Larenz/Wolf, S. 325 ff. 56 So im Ergebnis auch Stein, BB 2000, 457, 458. 57 Vgl. Ascheid, KSchR, Rn. 291. 58 Borrmann, Das Arbeitsrecht der Gegenwart 1987, 71, 82. 53

306

Zweiter Teil: § 9 Die Missbrauchskontrolle

D. Ergebnis Sofern das Bundesarbeitsgericht in ständiger Rechtsprechung den Rechtssatz anführt, unternehmerische Entscheidungen seien auf offensichtliche Unsachlichkeit, Unvernunft oder Willkür zu prüfen, kann nach alledem festgehalten werden, dass es sich hier um das generelle Verbot des Rechtsmissbrauchs handelt, das bei jeder Rechtsausübung besteht 59 . Die allgemeinen bürgerlichrechtlichen Normen der §§ 134, 138, 226, 242 BGB sind ausreichend, um Fällen zu begegnen, in denen die Unternehmerentscheidung wegen Gesetzesverstoß, Sittenwidrigkeit, Schikane oder Treuwidrigkeit als unwirksam zu beurteilen ist. Darüber hinaus ist kaum eine Konstellation denkbar, der mit einer Kontrolle auf „offenbare Unsachlichkeit, Unvernunft oder Willkür“ vorgebeugt werden müsste. Insbesondere ist diese Formel nicht dafür da, um über diesen Schleichweg doch noch eine Interessenabwägung, eine Dringlichkeitsprüfung, eine Superüberprüfung bzw. eine Billigkeitsabwägung durchzuführen, wie es das Arbeitsgericht Gelsenkirchen jedoch getan hat 60 . Bereits in der Entscheidung vom 24.10.1979 61 hat das Bundesarbeitsgericht klargestellt, dass eine Missbrauchskontrolle nicht dazu führen dürfe, mit einer anderen Begründung in Wahrheit die den Gerichten verwehrte Prüfung der Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit der Unternehmerentscheidung nachzuholen. Im Ergebnis kann somit festgestellt werden, dass die Formel der Kontrolle auf „offenbare Unsachlichkeit, Unvernunft oder Willkür“ unpräzise ist und auf „Missbrauch und Gesetzesverstoß“ korrigiert werden sollte. U. Preis 62 schlägt zwecks einer klaren dogmatischen Erfassung die Formel vor: „... Nur wenn einer betrieblich-organisatorischen Maßnahme kein Zweck zugrunde liegt oder mit ihr im Blick auf die Kündigung sachwidrige Zwecke verfolgt werden, kann dies nach den Grundsätzen des Rechtsmissbrauchs zur Unwirksamkeit der Kündigung führen. ...“ Da die Formel aber letztlich ohnehin nur eine klarstellende Funktion hat, kann auf sie auch ganz verzichtet werden 63 .

___________ 59

So auch deutlich U. Preis, Prinzipien, S. 218. So auch die Bewertung von Quecke, NZA 1999, 1247, 1250. 61 BAG v. 24.10.1979, BAGE 32, 150, 156. 62 U. Preis, Prinzipien, S. 218. 63 Im Ergebnis ebenso Quecke, NZA 1999, 1247, 1251. 60

A. Die die Kündigung bedingenden Tatsachen

307

§ 10 Darlegungs- und Beweislast A. Darlegungs- und Beweislast für die die Kündigung bedingenden Tatsachen I. Einleitung Das Urteilsverfahren vor den Arbeitsgerichten wird ebenso wie bei den Zivilgerichten vom Verhandlungsgrundsatz beherrscht. Das bedeutet, dass die Parteien die für die Beurteilung des Rechtsstreits notwendigen Tatsachen in den Prozess einführen und gegebenenfalls beweisen müssen. Was die Parteien nicht in den Prozess eingeführt haben, wird vom Gericht nicht berücksichtigt. Insofern ist es auch für die Parteien eines Prozesses um eine betriebsbedingte Kündigung unerlässlich, über die Verteilung und den Umfang der Darlegungsund Beweislast im Bilde zu sein. Die Materie der Darlegungs- und Beweislast bei der betriebsbedingten Kündigung ist allerdings nicht auf Anhieb überschaubar. In Prozessen über betriebsbedingte Kündigungen muss oft nicht auf der Grundlage von tatsächlichen Gegebenheiten, sondern auf der Grundlage von lückenhaften und unvollständigen Parteiangaben entschieden werden 1 . In einem solchen Fall verliert unter Umständen der Arbeitgeber einen Kündigungsschutzprozess, obwohl die betriebsbedingte Kündigung möglicherweise materiell rechtmäßig gewesen wäre. In diesem Zusammenhang wird teilweise kritisiert, der Ausgang des Prozesses dürfe „nicht davon abhängig gemacht werden, dass der Arbeitgeber dem Gericht die mehr oder weniger offen zutage liegenden Zusammenhänge ungefragt mundgerecht erläutert“ 2 . Diese Kritik ist allerdings zurückzuweisen. Der Verhandlungsgrundsatz hat zwangsläufig zur Folge, dass die Prozessparteien die notwendigen Tatsachen in den Prozess einführen müssen. Das Geschick des Vorbringens und des Einlassens entscheidet daher mit über den Ausgang des Prozesses. Gegenüber anderen zivilrechtlichen Verfahren weist das arbeitsrechtliche Verfahren insofern keine Besonderheiten auf. Die prozessualen Aspekte sind im Laufe der Zeit immer stärker in den Vordergrund getreten. Das Bundesarbeitsgericht beschäftigt sich mit Fragen der

___________ 1

Vgl. z. B. BAG v. 17.6.1999 – 2 AZR 141/99 –, BAGE 92, 71, 73; vgl. auch Berkowsky, S. 2. 2 Vgl. Mayer-Maly, ZfA 1988, 209, 215 f.; vgl. auch LAG Hamm v. 10.11.1983, DB 1984, 886.

Zweiter Teil: § 10 Darlegungs- und Beweislast

308

Darlegungs- und Beweislast in verstärktem Maße seit Anfang der 70er Jahre 3 . Durch die neue BAG-Rechtsprechung vom 17.6.1999 4 hat sich die Relevanz der verfahrensrechtlichen Komponente weiterhin erhöht.

II. Beweislastzuweisung des § 1 Abs. 2 S. 4 KSchG Der Gesetzgeber hat mit der Regelung des § 1 Abs. 2 S. 4 KSchG eine klare Beweislastzuweisung getroffen. Danach hat der Arbeitgeber die Darlegungsund Beweislast für die Tatsachen zu tragen, die die Kündigung bedingen. Diese Beweislastzuweisung stellt eine Ausnahme zu dem Grundsatz dar, dass die Partei diejenigen Tatsachen beweisen muss, aus denen sie ihre Rechte ableitet 5 . Damit verfolgt das KSchG konsequent auch auf der prozessualen Ebene den Sinn und Zweck, dass Kündigungen hinreichend zu begründen sind und sich deswegen nicht als willkürliche Durchschneidung des Bandes der Betriebszugehörigkeit darstellen 6 . Die Beweislastregel des § 1 Abs. 2 S. 4 KSchG ist insofern eine wichtige Komponente des arbeitsrechtlichen Bestandsschutzes 7 . Diese gesetzlich festgelegte Beweislastverteilung sorgt dafür, dass der durch das KSchG vorgesehene Schutz nicht leer läuft. Diese Beweislastverteilung ist insofern eine verfassungsrechtlich gebotene Schlussfolgerung der bereits erörterten Schutzpflicht hinsichtlich des Interesses des Arbeitnehmers an der Beibehaltung des Arbeitsplatzes 8 .

___________ 3

Vgl. u. a. BAG v. 22.11.1973, AP Nr. 22 zu § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung m. Anm. Meisel; BAG v. 5.8.1976, AP Nr. 1 zu § 1 KSchG 1969 Krankheit; BAG v. 12.8.1976, AP Nr. 3 zu § 1 KSchG 1969; BAG v. 3.2.1977, AP Nr. 4 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung; BAG v. 30.5.1978, BAGE 30, 309, 319; BAG v. 7.12.1978, BAGE 31, 157, 162 ff.; BAG v. 22.2.1980, BAGE 33, 1, 8; BAG v. 17.10.1980, AP Nr. 10 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung; BAG v. 25.11.1982, BAGE 40, 361, 370 ff.; BAG v. 8.8.1985, AP Nr. 10 zu § 1 KSchG 1969 Soziale Auswahl; BAG v. 30.5.1985, AP Nr. 24 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung m. Anm. V. Schmidt; BAG v. 18.1.1990, BAGE 64, 34 ff. 4 BAG v. 17.6.1999 – 2 AZR 141/99 –, BAGE 92, 71 ff.; BAG v. 17.6.1999 – 2 AZR 522/98 –, BAGE 92, 61 ff.; BAG v. 17.6.1999 – 2 AZR 456/98 –, BAGE 92, 79 ff. 5 Vgl. zu diesem Grundsatz BGH v. 17.2.1970, BGHZ 53, 245, 250; Baumbach/ Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, Anhang zu § 286 Rn. 3; Thomas/Putzo/Reichold, ZPO, Vorbem. § 284 Rn. 23. 6 Siehe die Begründung des KSchG, veröffentlicht in RdA 1951, 58, 63. 7 Vgl. auch BVerfG v. 27.1.1998 (Kleinbetriebsklausel), BVerfGE 97, 169, 179; siehe auch Hanau, FS Dieterich, 1999, 201, 209. 8 Vgl. auch Lakies, DB 1997, 1078, 1080; vgl. ferner Huster, NJW 1995, 112 f.

A. Die die Kündigung bedingenden Tatsachen

309

III. Umfang und Inhalt der Darlegungs- und Beweislast 1. Umfang Der Maßstab, den das Bundesarbeitsgericht hinsichtlich der Anforderungen an die arbeitgeberseitige Darlegungslast anlegt, lässt sich insbesondere der Grundsatzentscheidung vom 7.12.1978 9 entnehmen. Danach ist der Arbeitgeber verpflichtet, dem Gericht eine detaillierte, durch Fakten gestützte Darstellung der Umstände zu unterbreiten, die die Kündigung bedingen. Der Arbeitgeber darf sich nicht auf pauschale Behauptungen bzw. schlagwortartige Umschreibungen beschränken. Er muss seine Ausführungen im Einzelnen so substantiieren, dass sie vom Arbeitnehmer mit Gegentatsachen bestritten und vom Gericht überprüft werden können.

2. Inhalt Der Inhalt der Darlegungs- und Beweislast ist allgemein von den Prüfungsmerkmalen und konkret davon abhängig, auf welche Gründe der Arbeitgeber die betriebsbedingte Kündigung stützt 10 .

a) Unternehmerentscheidung Wie bereits erörtert, gehört die Feststellung der Unternehmerentscheidung in ihrem Ziel und ihrer konkreten Ausformung zur Prüfungsvoraussetzung der Rechtfertigung einer betriebsbedingten Kündigung. Daher hat der Arbeitgeber zunächst seine getroffene unternehmerische Entscheidung so darzulegen, dass nachvollzogen werden kann, ob diese zum Wegfall eines Arbeitsplatzes führt und somit die Kündigung bedingt. Der Arbeitgeber muss so viel vortragen, dass sich die Kündigung als dringendes betriebliches Erfordernis schlüssig aus der unternehmerischen Entscheidung herleitet 11 . Der Arbeitgeber muss vortragen, wann genau und durch wen diese Entscheidung getroffen wurde. Ferner muss er klarstellen, wie die Unternehmerentscheidung inhaltlich aussieht. Der ___________ 9 BAG v. 7.12.1978, BAGE 31, 157, 162 ff.; vgl. aber auch BAG v. 24.10.1979, BAGE 32, 150 ff.; BAG v. 20.2.1986, AP Nr. 11 zu § 1 KSchG 1969; BAG v. 17.6.1999 – 2 AZR 141/99 –, BAGE 92, 71 ff. 10 ErfK/Ascheid, § 1 KSchG Rn. 453. 11 Zur Schlüssigkeit des Tatsachenvortrags Thomas/Putzo/Reichold, ZPO, Vorbem. § 253 Rn. 38.

310

Zweiter Teil: § 10 Darlegungs- und Beweislast

Arbeitgeber ist auch darlegungs- und beweispflichtig darüber, inwiefern seine unternehmerische Entscheidung bereits greifbare Formen angenommen hat 12 . Die Arbeitsgerichte kontrollieren zwar grundsätzlich nicht, ob die Unternehmerentscheidung notwendig und zweckmäßig war, aber sie überprüfen, ob eine unternehmerische Entscheidung tatsächlich vorliegt und wie sie getroffen wurde. Dass der Arbeitgeber gezwungen ist, seine Unternehmerentscheidung substantiiert vorzutragen, bedeutet keine Einschränkung der Freiheit der Unternehmerentscheidung. Die der Unternehmerentscheidung zugrunde liegenden Erwägungen braucht der Arbeitgeber nicht darzulegen 13 . Grundsätzlich wird vermutet, dass die Unternehmerentscheidung aus sachlichen Gründen getroffen wurde. Ausnahmsweise unterliegt der Arbeitgeber jedoch einer erhöhten Darlegungspflicht bezüglich der organisatorischen Durchführbarkeit und Dauerhaftigkeit seiner Organisationsentscheidung, und zwar dann, wenn die Unternehmerentscheidung mit dem eigentlichen Kündigungsentschluss quasi deckungsgleich ist, also wenn sich der Unternehmer darauf beruft, er habe als unternehmerische Entscheidung eine Personalreduzierung beschlossen. Mit dem Grundsatz, je näher die eigentliche Organisationsentscheidung an den Kündigungsentschluss heranrückt, um so mehr muss der Arbeitgeber durch Tatsachenvortrag verdeutlichen, dass eine Beschäftigungsmöglichkeit entfallen ist, begegnet das Bundesarbeitsgericht der Gefahr einer nur scheinbar vorgenommenen Unternehmerentscheidung. Diese Anforderungen an die Darlegungs- und Beweislast des Arbeitgebers dienen der Verhinderung missbräuchlicher Kündigungen und entsprechen der Forderung nach der zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerinteressen herbeizuführenden praktischen Konkordanz 14 .

b) Inner- und außerbetriebliche Gründe Bislang wird davon ausgegangen, dass der Arbeitgeber auch darlegen und beweisen müsse, dass die zur Begründung angeführten inner- oder außerbetrieblichen Gründe tatsächlich vorlagen 15 . Konsequenterweise sollte auf diese ___________ 12 BAG v. 23.3.1984, AP Nr. 38 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung; Kittner/Däubler/Zwanziger, § 1 KSchG Rn. 304; Sage, AiB 2000, 310, 313 f. 13 KR/Etzel, § 1 KSchG Rn. 556. 14 So im Ergebnis auch schon Singer/v.Finckenstein, Anm. zu BAG 17.6.1999 – 2 AZR 141/99 –, SAE 2000, 279, 286. 15 Vgl. z. B. BAG v. 7.12.1978, BAGE 31, 157, 163; Bitter, DB 1999, 1214, 1216; Falkenberg, DB 1984, 1984, 1986; Stahlhacke/Preis/Vossen, Rn. 1033; Stahlhacke, DB 1994, 1361, 1362 ff.

A. Die die Kündigung bedingenden Tatsachen

311

Anforderung jedoch grundsätzlich verzichtet werden. Wie bereits erläutert, ist allein die getroffene Unternehmerentscheidung das entscheidende Kriterium für die soziale Rechtfertigung einer betriebsbedingten Kündigung. Auf die ihr zugrunde liegenden Erwägungen, also ob diese auf außer- oder innerbetrieblichen Gründen basiert, kommt es nicht an. Stützt der Arbeitgeber die Kündigung jedoch unmittelbar auf das Vorliegen eines außerbetrieblichen Grundes, trifft er mithin eine selbstbindende Unternehmerentscheidung, dann muss er das Vorliegen des von ihm vorgetragenen außerbetrieblichen Grundes auch darlegen und beweisen 16 . In diesem Fall muss der Arbeitgeber plausibel und rechnerisch nachvollziehbar vortragen, wie sich zum Beispiel ein bestimmter Umsatzrückgang oder Auftragsrückgang auf den Arbeitskräftebedarf ausgewirkt hat und welche und wie viele Arbeitsplätze im Betrieb konkret betroffen sind. Der Arbeitgeber muss letztlich das darlegen und beweisen, worauf er sich zur Begründung der Kündigung tatsächlich beruft 17 .

c) Kausaler Wegfall des Arbeitsplatzes Der Arbeitgeber muss im Einzelnen und mittels nachprüfbaren Tatsachenvortrags darlegen und bei Bestreiten der Gegenseite beweisen, dass die angefochtene Kündigung auf dieser getroffenen unternehmerischen Entscheidung beruht und dass der Arbeitsplatz tatsächlich weggefallen ist 18 . Der Arbeitgeber muss zur Überzeugung des Gerichts die Auswirkungen der Unternehmerentscheidung auf den Arbeitskräftebedarf und auf die genaue Anzahl der Arbeitsplätze darlegen und im Fall des Bestreitens beweisen. Werden aufgrund einer Unternehmerentscheidung zum Beispiel bestimmte Betriebsabteilungen vollständig geschlossen, ist die Feststellung von Art und Zahl der betroffenen Arbeitsplätze recht unkompliziert. Entschließt sich demgegenüber der Arbeitgeber, wegen Nachfragerückgangs die Produktion insgesamt um einen bestimmten Prozentanteil zu drosseln, so ist die Feststellung des Wegfalls von einzelnen Arbeitsplätzen weit schwieriger zu treffen. Aber auch in diesem Fall muss der Arbeitgeber konkret belegen, wie sich die Produktionseinschränkung auf den Arbeitskräftebedarf auswirkt und welche Arbeitsplätze betroffen sind 19 . Der Arbeitgeber muss darlegen, in welchem Umfang die fraglichen Arbeiten ___________ 16

ErfK/Ascheid, § 1 KSchG Rn. 454. Siehe ErfK/Ascheid, § 1 KSchG Rn. 453. 18 Siehe dazu Falkenberg, DB 1984, 1984 ff. 19 Haupt/Welslau, BuW 1995, 623. 17

312

Zweiter Teil: § 10 Darlegungs- und Beweislast

im Vergleich zum bisherigen Zustand nicht mehr anfallen 20 . Der Arbeitgeber muss eine näher konkretisierte Prognose der zu erwartenden Entwicklung aufgrund der Umsetzung seiner Unternehmerentscheidung abgeben. Eine Darlegung ist dann unzureichend, wenn mit ihr der Wegfall von beliebig vielen Arbeitnehmern begründet werden kann. Auch der letzte gekündigte Arbeitnehmer darf eine nachvollziehbare Begründung erwarten, warum auch seine Kündigung noch dringend erforderlich war 21 . Der Arbeitgeber muss die Kausalität zwischen der von ihm angegebenen Ursache und der Kündigung gegenüber jedem betroffenen Arbeitnehmer darlegen.

d) Fehlen milderer Mittel Unklar ist, wie die Darlegungslast im Hinblick auf solche Umstände zu verteilen ist, durch die der Ausspruch einer betriebsbedingten Kündigung hätte vermieden werden können. Nach dem Grundsatz, dass jeder die ihm günstigen Tatsachen darzulegen und zu beweisen hat, könnte man der Auffassung sein, dem Arbeitnehmer obliege die Darlegungslast, dass die Kündigung durch Abbau von Überstunden, Einführung von Kurzarbeit etc. vermeidbar gewesen wäre. Da die Kündigung aber nur sozial gerechtfertigt ist, wenn sie auch erforderlich ist 22 , ist nach der gesetzlichen Beweislastzuweisung davon auszugehen, dass der Arbeitgeber auch für das Fehlen milderer Mittel darlegungs- und beweispflichtig ist. Demzufolge obliegt es ihm, zunächst wenigstens pauschal vorzutragen, dass kein milderes Mittel in Betracht gekommen ist 23 . In diesem Zusammenhang muss der Arbeitgeber auch vortragen, dass keine anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit bestand. Darüber hinaus ist von einer abgestuften Darlegungs- und Beweislast auszugehen, das heißt der Arbeitgeber muss erst dann Einzelheiten vortragen, warum durch derartige Maßnahmen die Kündigung nicht hätte vermieden werden können, wenn der Arbeitnehmer die anfänglichen Behauptungen des Arbeitgebers entsprechend bestreitet 24 .

___________ 20

Sage, AiB 2000, 310, 313 f. So auch Quecke, NZA 1999, 1947, 1950. 22 Vgl. zur Erforderlichkeit der Kündigung Zweiter Teil § 8 B. V. 2., S. 254 ff. 23 Siehe auch Kittner/Däubler/Zwanziger, § 1 KSchG Rn. 304; ferner Stahlhacke/ Preis/Vossen, Rn. 1036. 24 Kittner/Däubler/Zwanziger, § 1 KSchG Rn. 304. 21

A. Die die Kündigung bedingenden Tatsachen

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IV. Abgestufte Darlegungs- und Beweislast Was im Kündigungsschutzprozess schlagwortartig mit „abgestufter Darlegungs- und Beweislast“ bezeichnet wird 25 , ist erklärungsbedürftig. Zu erläutern ist, was damit konkret gemeint ist und auf welche vorzubringenden Tatsachen sich diese abgestufte Darlegungs- und Beweislast bezieht. Das Bundesarbeitsgericht wendet im Rahmen der betriebsbedingten Kündigung die abgestufte Darlegungs- und Beweislast vor allem in Bezug auf die Tatbestandsmerkmale „fehlende Weiterbeschäftigungsmöglichkeit“ und „zutreffende Sozialauswahl“ an 26 . Da die Voraussetzung der ordnungsgemäßen Sozialauswahl nicht Gegenstand der vorliegenden Arbeit ist, richtet sich hier das Augenmerk auf die „fehlende Weiterbeschäftigungsmöglichkeit“. Nach der Auffassung des Bundesarbeitsgerichts ist der Arbeitgeber darlegungs- und beweispflichtig dafür, dass die Kündigung wegen Wegfalls des bisherigen Arbeitsplatzes durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt ist und dass keine anderweitige Weiterbeschäftigungsmöglichkeit besteht. Der Umfang der Darlegungslast des Arbeitgebers hänge aber von der Einlassung des gekündigten Arbeitnehmers auf die Begründung der Kündigung ab. Bestreite der Arbeitnehmer nur den Wegfall des Arbeitsplatzes, so reiche es aus, wenn der Arbeitgeber allgemein vortrage, eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers sei nicht möglich. Es obliege dem Arbeitnehmer darzulegen, wie er sich eine anderweitige Beschäftigung vorstelle, wenn sein bisheriger Arbeitsplatz tatsächlich weggefallen sein sollte. Erst daraufhin müsse der Arbeitgeber im Einzelnen darauf eingehen, aus welchen Gründen sich die Vorstellungen des Arbeitnehmers nicht umsetzen ließen 27 . Fraglich ist, worin die Besonderheit gegenüber dem normalen Verfahrensverlauf liegt. Handelt es sich hier nicht um ein gewöhnliches prozessuales Wechselspiel von Klagebegründung und Klageerwiderung? Zur Vermeidung der Geständnisfiktion gemäß § 138 Abs. 3 ZPO reicht im Normalfall ein einfaches Bestreiten, also ein bloßes Negieren des Vorbringens des Gegners. Bezüglich des Merkmals der Weiterbeschäftigungsmöglichkeit erwartet das Bundes___________ 25

Dazu v.Altrock, DB 1987, 433 ff.; Kittner/Däubler/Zwanziger, § 1 KSchG Rn. 174. 26 Siehe insbesondere BAG v. 22.11.1973, AP Nr. 22 zu § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung m. Anm. Meisel; BAG v. 3.2.1977, AP Nr. 4 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung; BAG v. 24.3.1983, BAGE 42, 151, 158 ff.; vgl. ferner v.Altrock, DB 1987, 433; dazu auch Mayer-Maly, ZfA 1988, 209, 215. 27 BAG v. 3.2.1977, AP Nr. 4 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung; vgl. auch BAG v. 10.1.1994, AP Nr. 8 zu § 1 KSchG 1969 Konzern.

Zweiter Teil: § 10 Darlegungs- und Beweislast

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arbeitsgericht aber von dem Arbeitnehmer, dass er seinerseits darlegt, auf welchem anderen freien Arbeitsplatz er seiner Meinung nach hätte weiterbeschäftigt werden können. Erwartet wird also eine qualifizierte Gegendarstellung. Legt der Arbeitnehmer eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit dar, so muss der Arbeitgeber gezielt zu der vom Arbeitnehmer beschriebenen Vorstellung Stellung nehmen. Die Anforderungen an den Prozessvortrag der einen Partei sind insofern in besonderem Maße von der Einlassung der anderen Prozesspartei abhängig. Für den Vortrag des Arbeitgebers ergeben sich gesteigerte Anforderungen aus den Behauptungen des Arbeitnehmers über konkrete Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten. Bestreitet der Arbeitnehmer dagegen nur den Wegfall seines bisherigen Arbeitsplatzes ohne auf Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten hinzuweisen, dann verbleibt die Darlegungspflicht des Arbeitgebers bei dem aus der Schlüssigkeit sich ergebenden Maß 28 .

B. Darlegungs- und Beweislast für die offensichtliche Unsachlichkeit, Unvernunft und Willkür Bisher stellen sich die ständige Rechtsprechung und auch überwiegend das Schrifttum auf den Standpunkt, der Arbeitnehmer trage die Darlegungs- und Beweislast für die offensichtliche Unsachlichkeit, Unvernunft und Willkür bzw. für den Missbrauch der Unternehmerentscheidung 29 . Begründet wird diese Annahme damit, dass eben derjenige die Tatsachen darzulegen und zu beweisen habe, auf die er sich zu seinen Gunsten beruft 30 . Nur eine Minderheit hat diesen Ausgangspunkt bisher in Frage gestellt 31 . In der Entscheidung vom 17.6.1999 32 hat nun aber auch das Bundesarbeitsgericht in Zweifel gezogen, ob weiterhin davon auszugehen ist, dass der Arbeitnehmer die Darlegungs- und Beweislast für die offensichtliche Unsachlichkeit, Unvernunft oder Willkür trägt. Da es in dem zu entscheidenden Fall auf diese Über___________ 28

v.Altrock, DB 1987, 433, 435. BAG v. 22.11.1973, AP Nr. 22 zu § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung m. Anm. Meisel; BAG v. 24.10.1979, BAGE 32, 150, 154 ff.; BAG v. 18.1.1990, BAGE 64, 34, 41; BAG v. 9.5.1996, BAGE 83, 127, 144; v.Hoyningen-Huene, NZA 1994, 1009, 1011; Kittner/Däubler/Zwanziger, § 1 KSchG Rn. 303; Sage, AiB 2000, 310, 314. 30 So Stahlhacke/Preis/Vossen, Rn. 1035. 31 Siehe aber Ascheid, DB 1987, 1144, 1149; Berkowsky, NJW 1983, 1292, 1293 f.; Bitter, DB 1999, 1214, 1216; Singer/v.Finckenstein, Anm. zu BAG v. 17.6.1999 – 2 AZR 141/99 –, SAE 2000, 279 ff. 32 BAG 17.6.1999 – 2 AZR 141/99 –, BAGE 92, 71, 78. 29

B. Offensichtliche Unsachlichkeit, Unvernunft und Willkür

315

legung nicht weiter ankam, ist das Gericht der aufgeworfenen Frage dann jedoch nicht weiter nachgegangen. Die Zweifel des Bundesarbeitsgerichts haben ihre Berechtigung. Abgesehen davon, dass der vom Bundesarbeitsgericht in ständiger Rechtsprechung aufgestellte Rechtssatz, die Unternehmerentscheidung sei daraufhin zu überprüfen, ob sie offenbar unsachlich, unvernünftig oder willkürlich sei, überflüssig ist 33 , ist die Darlegungs- und Beweislast für Unsachlichkeit, Unvernunft oder Willkür vom Grundsatz her gerade nicht dem Arbeitnehmer aufzuerlegen. Sinn und Zweck der dem Arbeitgeber gemäß § 1 Abs. 2 S. 4 KSchG auferlegten Darlegungs- und Beweislast ist der Schutz der Arbeitnehmer vor unsachlichen und willkürlichen Kündigungen. Wie bereits erörtert, durchbricht diese gesetzliche Beweislastzuweisung den Grundsatz, dass sich jeder auf die für ihn günstigen Tatsachen berufen muss. Für die soziale Rechtfertigung von Entlassungen wird vom Arbeitgeber eine Begründungspflicht verlangt, das heißt, er muss positiv vortragen und gegebenenfalls beweisen, dass die Kündigung dringend betrieblich erforderlich war. Das positive Darlegen und Beweisen der dringenden betrieblichen Erforderlichkeit der Kündigung ist das Spiegelbild des Nichtvorliegens von Unsachlichkeit und Willkür. Es ist kaum zu begründen, dass die Darlegungs- und Beweislast für einen einheitlichen Bereich das eine Mal dem Arbeitgeber und das andere Mal dem Arbeitnehmer auferlegt wird, je nachdem wie die Etikettierung ausfällt 34 . Das Auffassen der arbeitgeberseitigen Begründung der Kündigung mit dringenden betrieblichen Erfordernissen als Spiegelbild des Ausschließens der Willkür macht auch erklärlich, weshalb bisher nur äußerst wenige Entscheidungen ergangen sind, bei welchen der Arbeitnehmer darlegen und beweisen konnte, dass die Kündigung auf einer offenbar unsachlichen, unvernünftigen oder willkürlichen Unternehmerentscheidung beruhte. Kann der Arbeitgeber nämlich hinreichend begründen, dass die Kündigung dringend betrieblich erforderlich war, so ist kaum noch eine Situation vorstellbar, in welcher der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber Unsachlichkeit, Unvernunft oder Willkür nachweisen kann 35 . Konsequenterweise sollte also grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass die Darlegungs- und Beweislast für das Nichtvorliegen von Unsachlichkeit und Willkür vom Arbeitgeber zu tragen ist. Dieser Darlegungs- und Beweislast genügt der Arbeitgeber, indem er die Kündigung positiv mit dringen___________ 33

Vgl. Zweiter Teil § 9 D., S. 306. So auch überzeugend Berkowsky, NJW 1983, 1292, 1293; siehe auch v.Maydell/ Borchert, Anm. zu BAG v. 24.10.1979, SAE 1981, 214, 218. 35 Vgl. auch Berkowsky, NJW 1983, 1292, 1293. 34

Zweiter Teil: § 10 Darlegungs- und Beweislast

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den betrieblichen Erfordernissen begründet. Im Übrigen kann auch hier die abgestufte Darlegungs- und Beweislast Anwendung finden 36 . Hat der Arbeitnehmer den Verdacht, der Kündigung liegen unsachliche, unvernünftige oder willkürliche Erwägungen zugrunde, so kann von ihm ein qualifiziertes Bestreiten der arbeitgeberseitigen Kündigungsbegründung erwartet werden. Dann wiederum ist es Sache des Arbeitgebers auf dieses Vorbringen entsprechend zu reagieren. Der Arbeitgeber muss dann die Umstände widerlegen, die nach dem substantiierten Vortrag des Arbeitnehmers für das Vorhandensein von Missbrauch sprechen. Dass letztendlich der Arbeitnehmer die Beweislast für die Willkür der unternehmerischen Maßnahme tragen soll, erscheint auch deshalb äußerst zweifelhaft, weil er in den seltensten Fällen ausreichend über die unternehmerischen Hintergründe informiert sein dürfte. So gibt es im Zivilprozessrecht den Grundsatz, dass es nach Treu und Glauben geboten sein kann, den besonderen Schwierigkeiten Rechnung zu tragen, die sich ergeben, wenn eine Partei außerhalb des maßgeblichen Geschehensablaufs steht und den rechtserheblichen Sachverhalt von sich aus nicht ermitteln kann. Die Gegenpartei hat dann die prozessuale Pflicht, sich in zumutbarer Weise an der Aufklärung des Sachverhalts zu beteiligen 37 . Die Anwendung dieses Grundsatzes führt ebenfalls dazu, dass der Arbeitgeber weitestgehend darlegungs- und beweispflichtig ist. Im Ergebnis kann also festgestellt werden, dass grundsätzlich der Arbeitgeber die Darlegungs- und Beweislast für das Nichtvorliegen von Unsachlichkeit, Unvernunft und Willkür trägt. Dieser Darlegungs- und Beweislast kommt der Arbeitgeber nach, wenn er schlüssig vortragen und eventuell beweisen kann, dass die Kündigung dringend betrieblich erforderlich war. Bestehen Zweifel, so wird seitens des Arbeitnehmers ein qualifiziertes Bestreiten verlangt. Dann wiederum ist es Sache des Arbeitgebers, die Zweifel zu beseitigen.

___________ 36 37

Vgl. auch v.Altrock, DB 1987, 433, 438. Thomas/Putzo/Reichold, ZPO, Vorbem. § 284 Rn. 37.

Dritter Teil

Ergebnisse § 11 Zusammenfassende Thesen A. Es ist nicht nachvollziehbar, dass der Gesetzgeber das Recht der betriebsbedingten Kündigung mittels sprachlich und begrifflich schwer erfassbarer unbestimmter Rechtsbegriffe geregelt hat, obwohl die Erfahrungen mit den Vorgängerregelungen der § 84 Ziff. 4 BRG 1920 und § 56 AOG gezeigt haben, welche Schwierigkeiten und Gefahren derartig offene Formulierungen mit sich bringen. B. Mit dem Spannungsverhältnis zwischen Unternehmerfreiheit und Arbeitsplatzschutz beschäftigten sich auch schon Rechtsprechung und Lehre zur Zeit der Weimarer Republik. Die Frage der Justitiabilität unternehmerischer Entscheidungen wurde schon damals kontrovers beurteilt. Dogmatische Begründungsarbeit wurde jedoch wenig geleistet. Hervorzuheben sind allerdings die richtungsweisenden Abhandlungen von Mansfeld, deren Inhalt auch heute noch aktuell ist. C. Die Gefahr des Missbrauchs unbestimmter Rechtsbegriffe und Generalklauseln ist besonders deutlich im Nationalsozialismus hervorgetreten. § 56 Abs. 1 AOG wurde im Sinne der nationalsozialistischen Ideologie ausgelegt. Auf der Tagesordnung standen Kündigungen aufgrund politischer Unzuverlässigkeit, staatsfeindlicher Gesinnung etc., und sie richteten sich in besonderem Maße an jüdische Arbeitnehmer. Unter Betonung des „Führerprinzips“ wurde eine Überprüfung der unternehmerischen Entscheidung grundsätzlich abgelehnt. D. Nach einer beklagenswerten Rechtszersplitterung in der Nachkriegszeit trat am 14.8.1951 das Kündigungsschutzgesetz in Kraft, dessen Inhalt im Wesentlichen mit der heutigen Fassung übereinstimmt. Die Zulässigkeit einer Kündigung sollte in Abhängigkeit von ihrer sozialen Rechtfertigung stehen. Der Gesetzgeber entschied sich bewusst gegen die Formulierung „zwingende betriebliche Erfordernisse“ und wählte den Wortlaut dahingehend, dass die betriebsbedingte Kündigung dann sozial gerechtfertigt ist, „wenn sie ... durch

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Dritter Teil: § 11 Zusammenfassende Thesen

dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist.“ E. Die Rechtsprechung stand von Anfang an vor der schwierigen Aufgabe, das von unbestimmten Rechtbegriffen geprägte Gesetz durch nachvollziehbare Leitentscheidungen einer konkreten Handhabung zuzuführen. Bis zum Ende der siebziger Jahre waren rechtstheoretische Präzisierungen nur in einem unzureichenden Maße zu finden, so dass sich die Rechtsprechung den Vorwurf gefallen lassen musste, es handele sich um eine Billigkeitsjudikatur. Seitdem hat sich die Rechtsprechung deutlich weiterentwickelt. F. Ausgangspunkt für jede betriebsbedingte Kündigung ist das Vorliegen einer Unternehmerentscheidung. Nach der überwiegenden Ansicht in Rechtsprechung und Literatur sind unternehmerische Entscheidungen von den Arbeitsgerichten nicht auf Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit zu überprüfen, sondern nur daraufhin, ob sie offenbar unsachlich, unvernünftig oder willkürlich sind. G. Eine allgemeingültige Definition der „unternehmerischen Entscheidung“ ist nicht vorhanden. Die seit 1978 durch das Bundesarbeitsgericht vorgenommene Unterteilung in außerbetriebliche und innerbetriebliche Ursachen für eine betriebsbedingte Kündigung ist rechtlich gesehen bedeutungslos. Sie hat nur deskriptiven Charakter hinsichtlich der Hintergründe unternehmerischer Entscheidungen. In Bezug auf die gerichtliche Überprüfbarkeit und hinsichtlich der Anforderungen an die Darlegungs- und Beweislast im Prozess ist allein auf die konkrete Unternehmerentscheidung abzustellen, die in den meisten Fällen in Form einer gestaltenden oder selbstbindenden Entscheidung getroffen wird. Auf den Anlass der Unternehmerentscheidung kommt es nicht an. H. Der Begriff der Unternehmerentscheidung hat keinen feststehenden Inhalt, sondern ist in jedem Einzelfall neu zu bestimmen. Eine Einteilung der Unternehmerentscheidungen in einen unternehmerisch-wirtschaftlichen einerseits und in einen betrieblich-organisatorischen Bereich andererseits, wie es teilweise im Schrifttum postuliert wird, ist nicht weiterführend. Begriffliche Definitionen auf der materiellen Ebene engen den Bereich der Unternehmerentscheidungen unzulässiger- und unzweckmäßigerweise ein. Dem Unternehmer steht auch die Entscheidung zu, über den Personalbedarf zu entscheiden. Die Rechtsprechung hat zu Recht festgestellt, dass grundsätzlich jede Disposition, die der Arbeitgeber in seinem Betrieb oder Unternehmen trifft, eine Unternehmerentscheidung ist, sogar die Kündigung selbst. I. Es gibt keinen absoluten Grundsatz der Gerichtskontrollfreiheit unternehmerischer Entscheidungen. Der Richter ist verpflichtet, unternehmerische Ent-

Dritter Teil: § 11 Zusammenfassende Thesen

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scheidungen in dem Maße zu überprüfen, das nötig ist, um den Bestandsschutzinteressen des Arbeitnehmers gerecht zu werden. Grundsätzlich kann jedoch vermutet werden, dass unternehmerische Entscheidungen aus sachlichen Gründen getroffen wurden. Eine gerichtliche Kontrolle unternehmerischer Entscheidungen ist daher in den überwiegenden Fällen entbehrlich, insbesondere bei denjenigen Entscheidungen, die keinen unmittelbaren personellen Bezug aufweisen. Je näher aber die Unternehmerentscheidung an den Kündigungsentschluss selbst rückt, desto höher wird die Missbrauchsgefahr, so dass das Bedürfnis nach gerichtlicher Kontrolle zunimmt. Der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts vom 17.6.1999 ist zuzustimmen. Der eingeschlagene Weg, zunächst auf der materiellen Ebene alle Entscheidungen des Unternehmers, auch die Kündigung selbst, als Unternehmerentscheidung zu qualifizieren, und sodann der Freiheit der Unternehmerentscheidung auf der prozessualen Ebene durch die „je-näher-Formel“ Grenzen zu setzen, damit der Kündigungsschutz nicht leer läuft, ist nachvollziehbar und konsequent. J. Seit der Warteschleifenentscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 24.4.1991 gehen die Rechtsprechung und die überwiegende Meinung im Schrifttum davon aus, dass dem Staat eine aus Art. 12 Abs. 1 GG folgende Schutzpflicht gegen den Verlust eines Arbeitsplatzes aufgrund privater Dispositionen obliege. Bei Ausgestaltung des Bestandsschutzes sind die Arbeitnehmerinteressen und die Arbeitgeberinteressen einem angemessenen Ausgleich zuzuführen. Dem Gesetzgeber steht ein weiter Beurteilungsspielraum zu, der sich in den Grenzen des Untermaß- und des Übermaßverbotes bewegt. Bei der Herstellung praktischer Konkordanz ist auch das Sozialstaatsgebot zu berücksichtigen, obgleich ihm keine eigenständigen Konkretisierungsvorgaben zu entnehmen sind. Das geltende Kündigungsschutzgesetz ist verfassungsgemäß und stellt einen angemessenen Ausgleich zwischen den Arbeitgeber- und den Arbeitnehmerinteressen dar. K. Die eingeschränkte Überprüfbarkeit unternehmerischer Entscheidungen, so wie von der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts praktiziert, steht in Übereinstimmung mit der Verfassung. Der Richter ist verpflichtet, unternehmerische Entscheidungen in dem Ausmaß zu überprüfen, das notwendig ist, um den Bestandsschutzinteressen gerecht zu werden. Der aus Art. 12 Abs. 1 GG resultierende Mindestschutz erfordert, dass unternehmerische Entscheidungen auf das Nichtvorliegen von Willkür und Missbrauch zu prüfen sind. Eine darüber hinausgehende gerichtliche Kontrolle unternehmerischer Entscheidungen bringt der Arbeitnehmerseite jedoch keinen Nutzen und greift daher ohne Rechtfertigung in die grundrechtlich geschützte Unternehmerfreiheit ein.

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Dritter Teil: § 11 Zusammenfassende Thesen

L. Der Grundsatz der eingeschränkten gerichtlichen Überprüfbarkeit unternehmerischer Entscheidungen ergibt sich dagegen nicht aus der Normstruktur des § 1 Abs. 2 KSchG. Das Argumentieren mit den betriebsverfassungsrechtlichen Wertungen der §§ 111, 112, 112 a BetrVG ist ebenfalls zurückzuweisen, da der individuelle Kündigungsschutz von kollektivrechtlichen Vorschriften separat zu betrachten ist. § 2 Abs. 2 Nr. 2 SGB III (n.F.) vermag die Unternehmerfreiheit auch nicht weitergehend einzuschränken, sondern bestätigt im Ergebnis lediglich den ohnehin schon im Kündigungsschutzrecht verankerten ultima-ratio-Grundsatz. M. Die Einschränkung der gerichtlichen Überprüfung unternehmerischer Entscheidungen mit der Überforderung der Richter zu begründen bzw. mit dem Argument, dass der Arbeitgeber und nicht der Richter das wirtschaftliche Risiko der Entscheidungen trage, ist nicht überzeugend. Allerdings ist zu beachten, dass sich wirtschaftliche Entscheidungen grundsätzlich als Wagnisse der Markteinschätzung darstellen. Aufgrund der Unkalkulierbarkeit ist es nicht möglich, justitiable Maßstäbe zu finden, um unternehmerische Entscheidungen gerecht zu beurteilen. N. Die gesetzliche Formulierung des Rechts der betriebsbedingten Kündigung sollte im Sinne einer höheren Rechtssicherheit konkreter und detaillierter gefasst werden, da Anwendung und Auslegung der Merkmale der „dringenden betrieblichen Erfordernisse“ von Anfang an große Schwierigkeiten mit sich brachten. Das aus dem Grundgesetz herzuleitenden Bestimmtheitsgebot fordert, dass Gesetze die Merkmale Klarheit, Bestimmtheit, Verständlichkeit und Praktikabilität zu erfüllen haben. Dem Bestimmtheitsgebot entspricht die Regelung des § 1 Abs. 2 KSchG nur in einem unzureichenden Maße. Von einer Nichtigkeit dieser Norm ist gleichwohl nicht auszugehen, da nur in extremen Fällen von Unvollkommenheit und Missverständlichkeit das Bestimmtheitsgebot zur Nichtigkeit eines Gesetzes führt. O. Auch die Rechtsprechung sollte eine „verbale Flurbereinigung“ vornehmen und sich von Billigkeitserwägungen und überflüssigen Prinzipien, wie zum Beispiel der Interessenabwägung, verabschieden. Für die Lösung kündigungsschutzrechtlicher Fälle sind allein das Prognoseprinzip und der auf die Teilgrundsätze der Geeignetheit und der Erforderlichkeit reduzierte Grundsatz der Verhältnismäßigkeit maßgebend. Dieser reduzierte Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, der in dem Merkmal „dringend“ verankert ist, ist im Wesentlichen inhaltsgleich mit dem ultima-ratio-Prinzip. P. Aus dem Grundsatz der Erforderlichkeit bzw. dem ultima-ratio-Prinzip folgt, dass der Arbeitgeber erst dann eine betriebsbedingte Kündigung ausspre-

Dritter Teil: § 11 Zusammenfassende Thesen

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chen darf, wenn keine milderen Mittel zur Erreichung des unternehmerischen Ziels in Betracht kommen. Zunächst sind die im Gesetz genannten milderen Mittel zu beachten. So ist eine Kündigung gem. § 1 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 b KSchG sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in demselben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann. Ferner schreibt § 1 Abs. 2 S. 3 vor, dass S. 2 entsprechend gilt, wenn die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen oder eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Arbeitsbedingungen möglich ist und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hiermit erklärt hat. Diese nachträglich eingefügten Regelungen sind missglückt, weil nach dem Wortlaut der Anspruch nur im Falle des Widerspruchs des Betriebs- oder Personalrats bestehen soll. Darauf kann es jedoch nicht ankommen, weil der individualrechtliche Kündigungsschutz unabhängig von dem Vorhandensein und vom Tätigsein des Betriebsrats besteht. Letztlich ist eine Beendigungskündigung unwirksam, wenn im Unternehmen eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit vorhanden ist, für die sich der Arbeitnehmer eignet und die er sich selbst zumutet, und der Arbeitgeber versäumt hat, dem Arbeitnehmer die Änderung vorzuschlagen. Q. Heftig diskutiert wird über die Frage, welche außerhalb der gesetzlich genannten milderen Mittel in Betracht zu ziehen sind. Ob und in welchem Umfang der Arbeitgeber auf Einführung von Kurzarbeit, Anordnung einer allgemeinen Arbeitszeitverkürzung, Arbeitsstreckung, Arbeiten auf Lager, Überstundenabbau, Abbau von Leiharbeitsverhältnissen, flexible Arbeitszeitmodelle, Teilzeitarbeit, Urlaubsregelungen, Kürzung von Leistungszulagen und Gratifikationen etc. verwiesen werden kann, ist im Einzelnen noch nicht abschließend geklärt. Schwierigkeiten bestehen insofern, als viele der denkbaren milderen Mittel nicht ohne weiteres zur Disposition des Arbeitgebers stehen. Zum einen können viele eine Beendigungskündigung vermeidende Maßnahmen nur zustande kommen, wenn zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer ein Einvernehmen zu erreichen ist, und zum anderen sind die jeweiligen individual- und kollektivrechtlichen Vorgaben zu berücksichtigen. Daraus folgt, dass der Arbeitgeber nur beim Vorliegen bestimmter Voraussetzungen verpflichtet werden kann, vorrangig das mildere Mittel zu wählen. Häufig wird man daher nur verlangen können, dass er sich zur Abwendung von Beendigungskündigungen um mildere Mittel bemüht hat. R. Soweit das Bundesarbeitgericht in ständiger Rechtsprechung den Rechtssatz wiederholt, unternehmerische Entscheidungen seien auf offensichtliche Unsachlichkeit, Unvernunft oder Willkür zu prüfen, kann festgestellt werden, dass es sich hierbei um das generelle Verbot des Rechtsmissbrauchs handelt,

322

Dritter Teil: § 11 Zusammenfassende Thesen

das jeder Rechtsausübung entgegensteht. Die allgemeinen bürgerlichrechtlichen Normen der §§ 134, 138, 226, 242 BGB sind ausreichend, um Fällen zu begegnen, in denen die Unternehmerentscheidung wegen Gesetzesverstoß, Sittenwidrigkeit, Schikane oder Treuwidrigkeit als unwirksam zu bewerten ist. Darüber hinaus ist kaum eine Konstellation vorstellbar, der mit einer Kontrolle auf „offensichtliche Unsachlichkeit, Unvernunft oder Willkür“ vorgebeugt werden müsste. Da die vom Wortlaut her ohnehin unverständliche Formel letztlich also höchstens eine klarstellende Funktion hat, kann auf sie auch ganz verzichtet werden. S. Nach der klaren gesetzlichen Beweislastzuweisung des § 1 Abs. 2 S. 4 KSchG hat der Arbeitgeber die Darlegungs- und Beweislast für die die Kündigung bedingenden Tatsachen zu tragen. Damit verfolgt das KSchG auch konsequent auf der prozessualen Ebene den Sinn und Zweck, dass Kündigungen hinreichend zu begründen sind und sich deswegen nicht als willkürliche Durchschneidung des Bandes der Betriebszugehörigkeit darstellen dürfen. Die Relevanz der verfahrensrechtlichen Komponente hat sich durch die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts durch die drei Urteile vom 17.6.1999 weiterhin erhöht. Die Beweislastverteilung ist eine wichtige Komponente des arbeitsrechtlichen Bestandsschutzes. Mit dieser Regelung hat der Gesetzgeber auch für die Herstellung praktischer Konkordanz zwischen den Interessen von Arbeitgeber und Arbeitnehmer Sorge getragen. Der Arbeitgeber sollte die Anforderungen an die Substantiierungslast nicht unterschätzen, damit er den Prozess nicht aufgrund von unvollständigen oder lückenhaften Parteiangaben verliert. T. Konsequenterweise ist auch anzunehmen, dass der Arbeitgeber die Darlegungs- und Beweislast für das Nichtvorliegen von Unsachlichkeit und Willkür zu tragen hat. Dieser Darlegungs- und Beweislast genügt der Arbeitgeber, wenn er die Kündigung positiv mit dem Vorliegen dringender betrieblicher Erfordernisse begründet. Im Übrigen kann hier die abgestufte Darlegungs- und Beweislast Anwendung finden. Vom Arbeitnehmer kann ein qualifiziertes Bestreiten erwartet werden, sofern er den Verdacht für das Vorliegen von Willkür bzw. Missbrauch hat. Erst daraufhin ist der Arbeitgeber gehalten, auf dieses Vorbringen im Einzelnen einzugehen.

Dritter Teil: § 12 Vorschlag einer neuen Regelung

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§ 12 Vorschlag einer neuen Regelung § 1 KSchG Sozial ungerechtfertigte Kündigungen (1) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, ist rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist. (2) Sozial ungerechtfertigt ist die Kündigung, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende unternehmensbegründete Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Unternehmen entgegenstehen, bedingt ist. 1. Gründe in der Person rechtfertigen eine Kündigung, wenn ... 2. Verhaltensbedingte Gründe rechtfertigen eine Kündigung, wenn ... 1

3.

Unternehmensbedingte Gründe rechtfertigen eine Kündigung, wenn aufgrund einer Unternehmerentscheidung eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit des Arbeitnehmers im Unternehmen nicht nur vorübergehend entfällt und die Kündigung erforderlich ist. 2Die Kündigung ist nicht erforderlich, wenn sie unter Beachtung der unternehmerischen Zielsetzung durch gleich geeignete, aber für den Arbeitnehmer mildere Maßnahmen vermieden werden kann. 3 Eine mildere Maßnahme ist insbesondere dann gegeben, wenn die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen oder unter geänderten Arbeitsbedingungen möglich ist und der Arbeitnehmer damit einverstanden ist. 4Das Einverständnis kann unter Vorbehalt erklärt werden. 5Der Arbeitgeber ist verpflichtet, den Arbeitnehmer über mögliche freie Arbeitsplätze zu unterrichten. 6Kommen für einen freien Arbeitsplatz mehrere Arbeitnehmer in Betracht, so sind bei der Auswahl besondere Kenntnisse und Fähigkeiten der Arbeitnehmer sowie soziale Gesichtspunkte im Sinne § 1 Abs. 3 zu berücksichtigen.

4.

1

Der Arbeitgeber hat die Tatsachen darzulegen und zu beweisen, die die Kündigung bedingen. 2Dies betrifft insbesondere die Ursächlichkeit der Unternehmerentscheidung für den Wegfall von Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten. 3 Grundsätzlich ist zu vermuten, dass die Unternehmerentscheidung aus sachlichen Gründen getroffen wurde. 4Je näher aber die Unternehmerentscheidung an den eigentlichen Kündigungsentschluss selbst heranrückt, desto mehr muss der Arbeitgeber die Unternehmerentscheidung hinsichtlich ihrer organisatorischen Durchführbarkeit und Dauerhaftigkeit durch Tatsachenvortrag verdeutlichen.

(3) Ist einem Arbeitnehmer …, so ist die Kündigung trotzdem sozial ungrechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers … (4) Ist in einem Tarifvertrag … (5) Sind bei einer Kündigung …

Dritter Teil: § 13 Schlussbemerkung

324

§ 13 Schlussbemerkung Obwohl das bestehende Kündigungsschutzsystem ein ausgewogenes Grundmodell darstellt und daher nicht durch ein grundsätzlich anderes System ersetzt zu werden braucht, sollte die zentrale Regelung neu gefasst werden. Gegenüber der bisherigen Regelung ist eine detailliertere und konkretere Normierung anzustreben, um das Recht der betriebsbedingten Kündigung überschaubarer und anwendungsfreundlicher auszugestalten. Klare und deutliche Regelungen tragen in hohem Maße zur Rechtssicherheit bei. Die Amerikaner kennen das treffende Sprichwort 1 : „Good fences make good neighbours“.

___________ 1

Aus dem Gedicht „Mending Wall“ von Robert Frost (1874-1963).

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í

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í

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348 í

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Zwanziger, Bertram: Betriebsbedingte Kündigungen im Lichte der Rechtsprechung, NJW 1995, 916 ff.

Sachwortverzeichnis Abfindungskonzept 31 abgestufte Darlegungs- und Beweislast 148, 313 f., 316, 322 Absatzmangel 76 Absatzschwierigkeiten 83, 87, 108, 110 Abwehrrechte 164, 167 Änderungskündigung 92 ff., 97 f., 127, 240 f., 272, 274, 286 ff., 302 Anwendungsschwierigkeiten 33 Apotheken-Urteil 175, 187, 193 Arbeiten auf Lager 283, 321 Arbeitsförderung 211 f., 214, 217, 219, 262, 267 Arbeitsförderungsgesetz 211, 275 Arbeitsförderungs-Reformgesetz 211 Arbeitsgerichtsbeschleunigungsgesetz 68 Arbeitskräfteüberhang 93, 99, 138, 148, 239 Arbeitslosigkeit 29, 46, 52, 59, 212, 213, 216 f. Arbeitsmangel 72, 76 f., 86, 279 f., 281, 283 Arbeitsmenge 94, 98, 99, 100, 103, 112, 113, 126, 127, 141, 145 f., 223, 226, 228, 229, 282, 285 Arbeitsplatz 22, 24, 30, 40, 41, 43, 45, 56, 67, 72, 73, 75, 76, 77, 78, 82 ff., 97, 99, 100, 102 f., 105, 110, 114, 117, 121, 123, 126, 129, 130, 138, 145, 146, 151, 158, 174 ff., 189, 191 f., 194 f., 200, 207, 209, 212, 224 ff., 242, 244, 260, 264, 267, 268 ff., 276, 278, 281, 282, 284, 285, 289, 292, 294, 298, 308, 309, 311, 313 f., 319, 321, 323 Arbeitsplatzabbau 130

Arbeitsplatzbesetzungsvorschriften 303 Arbeitsplatzschutz 42, 191, 194, 236, 250, 252, 317 Arbeitsplatzverlust 101, 243, 294, 295 Arbeitsplatzwahl 176, 189 Arbeitsplatzwahlfreiheit 177, 190, 200 Arbeitsplatzwechselverordnung 58, 59, 60 Arbeitsrechtsbereinigungsgesetz 65 Arbeitsschichten 92, 115, 241 Arbeitsstreckung 50, 51, 57, 86, 282 f., 321 Arbeitszeit 285 f., 302 Arbeitszeitgesetz 302 Arbeitszeitverkürzung 42, 282, 286, 321 Auftragsmangel 77, 85, 91, 110 Ausländer 189 Auslegung 27, 41, 54, 55, 56, 82, 101, 136, 141, 161, 167, 173, 196, 197, 201, 202, 203, 208, 210, 213, 214, 223, 232, 233, 236, 239, 243, 244, 245, 246, 254, 262, 277, 294, 299, 300, 320 außerbetriebliche Gründe 36, 85 ff., 89, 90, 91, 92, 109 ff., 133, 138, 240, 296, 310 f., 318 außerordentliche Kündigung 84, 254, 261 Austauschkündigung 95, 97, 134, 244, 300 befristetes Arbeitsverhältnis 30, 66, 68 belassende Unternehmerentscheidung 130 Berechnungsmethode 113, 126 f. Berufsaufgabe 182, 183 Berufsausübung 175, 176, 179, 183 Berufsausübungsfreiheit 175, 193, 235

350

Sachwortverzeichnis

Berufsfreiheit 168, 175, 178, 180, 182, 185, 186 ff., 188 f., 192 Berufswahl 175, 176, 183, 231 Besatzungszone 60 Beschäftigungsförderungsgesetz 66, 67, 216 Bestandsschutz 21, 22, 24, 27, 29, 30, 31, 34, 37, 43, 44, 63, 64, 70, 90, 94, 132, 150, 162, 174, 175, 177, 189, 191, 192, 193, 197, 199, 200, 205, 215, 216, 218, 230, 246, 297, 308, 319, 322 Bestandsschutzinteresse 21, 144, 147, 191, 200, 203, 205, 206, 222, 242, 246, 253, 319 Bestimmtheitsgrundsatz 233 ff. betrieblich-organisatorische Ebene 36, 134, 207, 318 betrieblich-organisatorische Entscheidung 144 Betriebsbegriff 136 ff., 140, 208 Betriebsbezogenheit des Kündigungsschutzes 139 Betriebsebene 138 Betriebsfaktoren 124, 126, 128, 227 ff., 229 Betriebsführer 53, 57 Betriebsführerprinzip 58 betriebsorganisatorische Maßnahmen 78 Betriebsrätegesetz 43 ff., 60, 61 f., 64, 51, 52, 53, 56, 58, 210, 230, 231, 236, 317 Betriebsrat 33, 40, 43, 46, 50, 52, 53, 58, 61, 62, 65, 75, 102, 124, 131, 208 ff., 214, 268, 270, 272, 273, 276, 279 ff., 285, 286, 287, 288, 291, 321 Betriebsratsanhörung 33, 35, 131, 291 Betriebsratsmitglied 80 Betriebsratswahl 68 Betriebssanierung 48 Betriebsstilllegung 109, 128, 182, 183, 244, 296 Betriebsübergang 295, 298 Betriebsverfassungsgesetz 33, 37, 40, 62, 65, 69, 131, 138, 139, 161, 208 ff., 223, 251, 320 Betriebszugehörigkeit 54, 63, 64, 67,

69, 84, 193, 230, 246, 250, 308, 322 Beweislast 24, 36, 39, 49 ff., 58 f., 71, 86, 88, 99, 120, 121, 124, 144, 146, 147, 148, 149, 153, 154, 204, 212, 216, 227, 293, 307 ff., 322 Beweislastumkehr 50 Beweislastverteilung 146, 148, 308, 322 Beweislastzuweisung 308, 312, 315, 322 Billigkeit 53, 54, 230, 231, 253 Billigkeitsabwägung 293, 306 Billigkeitserwägung 34, 79, 265, 320 Billigkeitsjudikatur 70, 318 Bürgschaftsentscheidung 163, 169 Crewing-Entscheidung 94, 133, 300 Darlegungs- und Beweislast 24, 39, 49 f., 58, 86, 88, 120, 121, 124, 144, 146 ff., 153 f., 212, 216, 227, 293, 307 ff., 318, 322 Dauerhaftigkeit 146, 154, 310, 323 Dauerschuldverhältnis 184 Demobilmachungsverordnung 51 f. Direktionsrecht 46, 74, 269 Dogmatik 85, 166, 171, 191 Dringlichkeit 33, 92, 239 ff., 258, 260, 292, 299, 300 Dringlichkeitsprüfung 241, 242 ff., 244 ff., 253, 260, 306 Drittmittel 89, 90, 110, 124 Drittwirkung der Grundrechte 163 ff. Eigentum 105 Eigentumsbeschränkung 181 Eigentumsgarantie 175 Eigentumsgrundrecht 179 f. eingeschränkte gerichtliche Überprüfbarkeit 24, 37, 38, 99, 160 ff., 207 ff., 243, 246, 281, 289, 290, 297, 319, 320 Energiemangel 110 EntlassungsentschädigungsÄnderungsgesetz 68 Erforderlichkeit 192, 255, 258 ff., 262, 265, 266, 315, 320 Erforderlichkeitsgrundsatz 242, 258 f., 261 f., 320, 321 Erforderlichkeitsprüfung 258 f.

Sachwortverzeichnis Ermessen 56, 57, 70, 72, 74, 80, 88, 90, 93, 94, 115, 118, 132, 133, 147, 203, 269, 281 Ermessensfreiheit 109 Ermessensmissbrauch 72 Ermessensprüfung 54 Ermessensspielraum 199 flexible Arbeitszeitmodelle 213, 219, 285 f., 321 formeller Kündigungsschutz 41, 194 Fortbildungsmaßnahmen 40, 267, 268, 270, 273, 275 ff., 321, 323 Frankfurter Gesetz 61 f., 64 freie Unternehmerentscheidung 95 f., 98, 100, 143, 156 ff., 161, 206, 223, 293, 297 Geeignetheit 255, 258, 259, 260, 265, 320 Gemeinwohl 58, 175, 183, 193, 198, 199 Generalklausel 33, 35, 37, 45, 53, 54 ff., 102, 166, 167, 173, 203, 217, 231 ff., 237 ff., 262, 317 Gesamtbetriebsrat 89, 290 f. Gesetz í über Teilzeitarbeit und befristete Arbeitsverhältnisse 68 í zu Korrekturen in der Sozialversicherung und zur Sicherung von Arbeitnehmerrechten 67, 68 í zur Ordnung der nationalen Arbeit 52 ff., 60 f., 62, 64, 230, 231, 236, 237, 317 gesetzeswidrige Unternehmerentscheidungen 294, 302 gestaltende Unternehmerentscheidung 48, 99, 113 f., 116 ff., 122 ff., 127 ff., 132, 144, 318 Gestaltungsermessen 193, 203 Gestaltungsspielraum 194, 196, 197, 200 Gewinnmaximierung 28, 78 f., 116, 243, 245 Gewinnsteigerung 252, 291 f. Gratifikation 288, 321 Grundrechte als Abwehrrechte 164, 167 Grundrechtsschutz von Ausländern 189

351

Handelsvertreterentscheidung 163, 169, 185 Handlungsfreiheit 22, 149, 181 f., 189 Hattenheimer Entwurf 62, 63, 230 ideologische Wertungen 54, 58, 237 ff., 317 Initiativlast des Arbeitnehmers 273 f. Initiativrecht 279 innerbetriebliche Gründe 36, 85 f., 87 f., 89, 90, 94, 95 f., 98, 109 ff., 115 ff., 118 ff., 122 f., 127 f., 133, 138, 158, 311, 318 Insolvenzordnung 67 Interessenabwägung 33, 34, 38, 73, 79, 81 f., 83, 84, 87, 88, 89, 90 f., 207, 231, 247 ff., 255, 258, 260, 266, 277, 279, 306, 320 Je-näher-Formel 26, 36, 99, 142, 143, 149, 150, 157, 158 f., 206, 223, 310, 319, 323 Justitiabilität 26, 36, 45 ff., 56 ff., 143, 246, 275, 317 justitiable Maßstäbe 221 f., 320 Kapital und Arbeit 48, 179 Kausalität 125, 226, 229, 243, 260, 312 Kleinbetriebsklausel 68 Kleinbetriebsklauselentscheidung172 Kontrollratsgesetz 60 Konzern 137, 140, 165, 271, 291, 298, 299, 304 Kostenreduzierung 73, 102, 115, 298 Kündigung als Unternehmerentscheidung 154 ff. Kündigungsfreiheit 42, 43, 64, 184, 192 Kündigungsfrist 33, 41, 42, 44, 66, 118, 264, 265, 269, 283, 284 Kürzung von Haushaltsmitteln 80, 110 Kurzarbeit 46, 47, 72, 75, 80, 83, 109, 213, 214, 219, 249, 278 ff., 312, 321 Kurzarbeitergeld 219, 280 Leiharbeit 284 f., 321 Leistungsverdichtung 98, 100, 141, 226, 228, 244 Leistungszulagen 47, 288, 321

352

Sachwortverzeichnis

Liberalismus 42, 106 Lüth-Urteil 164, 166 Manipulation 38, 289 Markteinschätzung 105, 221, 223, 320 Marktwirtschaft 30, 31, 65, 104, 197 ff., 216, 218, 244, 292 Massenentlassung 52, 66, 67, 215 materielle Ebene 36, 141 ff., 205, 318, 319 materieller Kündigungsschutz 22, 24, 41 ff., 60, 64, 131 mildere Mittel 85, 259, 266 ff., 321 Missbrauch 45, 54, 74, 88, 140, 149, 154, 156, 157, 159, 192, 195, 198, 200, 201, 204, 205, 219, 222, 237, 238, 289 ff., 310, 314, 316, 317, 322 Missbrauchsgefahr 140, 149, 151, 205, 206, 223, 289 ff., 306, 319 Missbrauchskontrolle 38 f., 88, 91, 92, 117, 147, 160, 289 ff., 306 mittelbare Auswirkung außerbetrieblicher Gründe 111, 113 ff., 229 mittelbare Drittwirkung 163, 166 ff. nachgeschobene Unternehmerentscheidung 131 Nationalsozialismus 52 ff., 237 ff., 317 Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit 24, 26, 37, 49, 51, 56, 57, 58, 71, 73, 75, 79, 80, 82, 86, 88, 95, 117, 119, 125, 133, 157, 160 f., 204, 205, 213, 222, 246, 289, 290, 292 f., 306, 310, 318 Novelle zum Allgemeinen Preußischen Berggesetz 42 Organisationsentscheidung 26, 36, 92, 99, 100, 114, 142, 143, 147, 157, 159, 206, 240, 310 Personalabbau 51, 58, 98, 145, 146, 147, 150, 151, 152, 209, 252 Personalreserve 126, 269 Personalüberhang 76, 145, 146, 152 Personalvertretungsgesetz 66 personenbedingte Kündigung 80, 81, 85, 233, 248 Plausibilitätskontrolle 113, 127 politische Wertung 54 ff., 237 ff.

praktische Konkordanz 21, 149, 174, 201 Prinzipien 33, 34, 37, 38, 192, 193, 198, 231, 237, 238, 247 ff., 255, 261, 272, 305, 320 Privatautonomie 165, 170, 181, 185, 255 Produktionsumstellung 108 Prognoseprinzip 33, 192, 238, 247, 263 ff., 320 Prozessparteien 39, 162, 201, 203, 307 Prüfungsmaßstab 85, 114, 120, 121, 185, 243 Rationalisierung 48, 51, 58, 72 f., 76, 85, 86, 90 f., 108, 115, 124, 128, 142, 152, 213, 252, 292, 305 Rechtsfortbildung 173, 201 Rechtsmissbrauch 88, 96, 101, 102, 146, 294, 296, 298 ff., 301, 305, 306, 322 Rechtssicherheit 32 ff., 38, 70, 85, 140, 234, 235, 236, 265, 320, 324 Reederei-Entscheidung 94 Reform 23, 30, 69, 217 Rohstoffmangel 108, 110 Sachverständige 74, 113, 127, 220, 222 Schutzpflichtlehre 31, 37, 168 ff., 189 ff., 200, 201 ff., 257, 308, 319 selbstbindende Unternehmerentscheidung 112, 122, 123 ff., 127, 130, 132, 311, 318 Share-holder 28 Sittenwidrigkeit 74, 256, 306, 322 soziale Auswahl 24, 32, 35, 65, 67, 68, 69, 74, 102, 139, 197, 200, 210, 227, 252, 253, 270, 286, 289, 313 soziale Macht 165 Sozialgesetzbuch III 28, 37, 68, 161, 211 ff., 262, 266, 275, 287, 291, 292, 320 sozialstaatlicher Regelungsauftrag 193, 195 ff., 200 Sozialstaatsgebot 161, 197, 291, 319 Sozialstaatsprinzip 194, 195 ff. Sparmaßnahmen 73 Stake-holder 28 Standortfaktor 32 Stillegungsverordnung 51 f.

Sachwortverzeichnis stillschweigende Unternehmerentscheidung 112, 129, 131, 132 Streichung von Haushaltsstellen 110 Stufenlehre 175, 183, 192 subsidiäre Konkretisierungskompetenz 172, 201 Substantiierungslast 39, 148, 322 tarifwidrige Unternehmerentscheidung 101, 294, 302 f. Teilbetriebsstilllegung 128 Teilzeitarbeit 68, 115, 213, 272, 286 f., 321 Teilzeitarbeitsplatz 115, 142 Treu und Glauben 55, 61, 275, 316 Überforderung der Gerichte 47, 220 f., 223, 320 Übermaßverbot 171, 174, 191 ff., 200, 319 Überprüfbarkeit 37, 38, 39, 71, 120, 160 ff., 204, 207, 208, 221, 223, 243, 289, 293, 318, 319, 320 Überstundenabbau 213, 282, 284, 321 ultima-ratio-Prinzip 33, 34, 38, 51, 84, 101, 213, 215, 219, 223, 238, 247, 254 f., 258, 261 ff., 266 f., 272, 277 f., 287, 320, 321 Umsatzrückgang 85 f., 87, 91, 110, 113, 114, 124, 129, 167, 311 Umschulung 40, 84, 267 f., 273, 275 ff., 321, 323 Umstellung der Arbeitsverhältnisse in freie Mitarbeiterverhältnisse 89, 95 f., 142, 155, 225 unbestimmter Rechtsbegriff 202, 231 ff., 233 ff., 237 ff., 317 unbillige Härte 46, 50, 54, 55, 59 unmittelbare Auswirkung außerbetrieblicher Gründe 86, 111 ff., 114, 124, 125, 126, 127, 229, 311 unmittelbare Drittwirkung 163, 164 ff., 168, 173 Unrentabilität 51, 86, 115 Unsachlichkeit 90, 99, 146, 148, 290, 293, 295 f., 301, 306, 314 ff., 322 Unterhalt 54, 67, 69, 198 Untermaßverbot 171, 191, 193 unternehmensbedingte Gründe 323 unternehmensbedingte Kündigung 140 Unternehmensbegriff 136 ff., 140, 208

353

unternehmensbegründete Erfordernisse 323 Unternehmensebene 79, 135, 136, 138, 144 unternehmensexterne Gründe 138 unternehmensinterne Gründe 138 Unternehmenspolitik 94, 98, 105, 115, 133, 134, 141, 145, 221 Unternehmensstilllegung 182 f. Unternehmerfreiheit 21, 42, 56, 58, 70, 105, 140, 143, 147, 150, 177 ff., 189, 190, 194, 195, 204, 205, 206, 209, 214, 216, 218, 222 f., 236, 242, 293, 304, 317, 319, 320 unternehmerisches Konzept 92 f., 102, 146, 152, 154, 219, 223, 226, 240, 245, 285, 297, 298, 301 unternehmerisch-wirtschaftliche Ebene 134, 135, 207 unternehmerisch-wirtschaftliche Entscheidung 144, 318 unternehmerisch-wirtschaftliche Maßnahme 134, 135 Unüberprüfbarkeit 37, 47, 57 f., 70, 73, 160 ff., 206, 207, 220 f., 293 Unvernunft 24, 37, 39, 82, 83, 86, 87, 88, 96, 99 f., 101, 107, 142, 146, 148, 157, 216, 219, 281, 289, 290, 292, 293 f., 295 ff., 301, 303 f., 305, 306, 314 ff., 318, 322 Unzumutbarkeit 65 Urlaub 213, 287, 321 Verantwortung der Unternehmer 28, 57, 78, 105 Verantwortung des Arbeitgebers 211 ff., 248, 266, 291 Verantwortung für den Arbeitsmarkt 28 verdeckte Unternehmerentscheidung 112, 129 Verdichtungsentscheidung 97 f. Vertragsfreiheit 181, 184 ff., 255 f. Währungsreform 60 Weiterbeschäftigung 40, 53, 54, 55, 62, 69, 71 f., 73, 79, 86, 88, 89, 96, 102, 106, 139, 200, 224, 227, 229, 242, 249, 251, 263, 267, 268 ff., 271 ff., 275 ff., 313, 318, 321, 323 Weiterbeschäftigungsanspruch 267

354

Sachwortverzeichnis

Weiterbeschäftigungsbedürfnis 101, 111, 294 Weiterbeschäftigungsmöglichkeit 53, 79, 139, 207, 253, 263, 264, 268 ff., 273 ff., 286, 287, 313 f., 321, 323 Weiterbeschäftigungspflicht 101, 139, 269 Wiedereinstellungsanspruch 35, 265 Wiedereinstellungszusage 287 Willkür 24, 26, 37, 39, 49, 59, 61, 63, 75, 82, 83, 86, 87 f., 90, 96, 99 f., 101, 103, 107, 142, 146, 148, 152, 153, 154, 157, 159, 189, 192, 193, 194, 195, 200 f., 205, 216, 219,

222, 230, 246, 281, 289, 290 ff., 295 f., 297, 301, 304, 305, 306, 308, 314 ff., 318, 319, 322 Willküreinwand 154 Willkürgefahr 140, 206 Willkürkontrolle 148, 243, 261, 293, 301 Willkürverbot 191 Zumutbarkeit 55, 231, 247, 255, 261, 275, 277 Zumutbarkeitsanordnung 275 zwingende betriebliche Erfordernisse 63, 71, 230, 244, 246, 260, 317