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German Pages 304 Year 2018
Schriften zum Sozial- und Arbeitsrecht Band 347
Der Arbeitnehmer im liberalisierten Welthandel Freizügigkeit, Entsendung und Freie Exportzonen
Von
Ricarda Zeh
Duncker & Humblot · Berlin
RICARDA ZEH
Der Arbeitnehmer im liberalisierten Welthandel
Schriften zum Sozial- und Arbeitsrecht Herausgegeben von Prof. Dr. Matthias Jacobs, Hamburg Prof. Dr. Rüdiger Krause, Göttingen Prof. Dr. Sebastian Krebber, Freiburg Prof. Dr. Thomas Lobinger, Heidelberg Prof. Dr. Markus Stoffels, Heidelberg Prof. Dr. Raimund Waltermann, Bonn
Band 347
Der Arbeitnehmer im liberalisierten Welthandel Freizügigkeit, Entsendung und Freie Exportzonen
Von
Ricarda Zeh
Duncker & Humblot · Berlin
Die Rechtswissenschaftliche Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg hat diese Arbeit im Wintersemester 2016/2017 als Dissertation angenommen.
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© 2018 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Druck: buchbücher.de gmbh, Birkach Printed in Germany
ISSN 0582-0227 ISBN 978-3-428-15210-0 (Print) ISBN 978-3-428-55210-8 (E-Book) ISBN 978-3-428-85210-9 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706
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Meinen Eltern
Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Wintersemester 2016/17 von der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg als Dissertation angenommen und mit dem Werner-von-Simson-Preis 2017 ausgezeichnet. Deutsche Literatur und Rechtsprechung wurden weitgehend bis Januar 2017 berücksichtigt. An erster Stelle möchte ich meinem Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Sebastian Krebber, LL.M. (Georgetown), für die Betreuung und die umfassende Unterstützung bei der Themenfindung und beim Abfassen der Arbeit danken. Er stand mir für Fragen und Anregungen stets zur Verfügung. Die langjährige Mitarbeit an seinem Lehrstuhl war für mich zudem eine wertvolle und lehrreiche Erfahrung. Besonders bedanken möchte ich mich auch dafür, dass er mich dazu motiviert hat, meine Forschung durch ein LL.M.-Studium in den USA zu vertiefen, und für seine Unterstützung bei der Vorbereitung meines Studienaufenthalts an der Columbia Law School. Frau Prof. Dr. Katharina von Koppenfels-Spies danke ich für die Bereitschaft, meine Arbeit als Zweitgutachterin zu beurteilen, und die sehr zügige Erstellung des Gutachtens. Der Johanna und Fritz Buch-Gedächtnisstiftung danke ich für die Gewährung eines großzügigen Druckkostenzuschusses. Ebenso danke ich den Herausgebern der „Schriften zum Sozial- und Arbeitsrecht“, dass sie meine Arbeit freundlicherweise in ihre Schriftenreihe aufgenommen haben. Viele Freunde haben mich während der Promotionszeit unterstützt und begleitet. Besonders bedanken möchte ich mich für Korrekturen, offene Ohren und auf bauende Worte in den verschiedenen Phasen meiner Promotion in Freiburg, New York und Stuttgart bei Nora Angleys, Silke Breimaier, Dr. Jörg Domisch, Franziska Grethe, Theresa Kipp, Dr. Marietta Pietrek, Dr. Sibylle Romero, Dr. Larissa Schobert, Thomas Streinz, LL.M. (NYU), und Tobias Winkler, LL.M. (Columbia). Mein größter Dank gebührt meinen Eltern, Gudrun und Ulrich Zeh, für ihren bedingungslosen Rückhalt in allen Phasen meiner Ausbildung sowie meinem Freund Nicolas Goll, der mir während zwei Staatsexamina, dem LL.M.-Studium in New York und der Promotion immer geduldig zur Seite stand und mich unterstützt hat. Meinen Eltern ist diese Arbeit gewidmet. Buenos Aires, Januar 2018
Ricarda Zeh
Inhaltsübersicht Einleitung 33 A. Der Arbeitnehmer im liberalisierten Welthandel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 B. Ziel der Arbeit und Gang der Untersuchung .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 C. Stand der Forschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 1. Kapitel
Arbeitsformen im liberalisierten Welthandel 37
A. Einführung .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 B. Eingrenzung der möglichen Arbeitsformen im liberalisierten Welthandel . . . . . . . . . . 38 I. Formen der Freizügigkeit von Arbeitnehmern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 II. Formen der Arbeit in Freien Exportzonen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 III. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 C. Rechtliche Realisierung der ausgewählten Arbeitsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 I. Erforderlichkeit einer weiteren Begrenzung des Untersuchungsgegenstandes 42 II. Formen der Freizügigkeit von Arbeitnehmern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 III. Formen der Arbeit in Freien Exportzonen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 D. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 2. Kapitel
Rechtliche Grundlagen und Schranken der Freizügigkeit 45
A. Rechtliche Grundlagen der Freizügigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 I. Vorgehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 II. Freizügigkeit im Recht der UN und im Recht der ILO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 III. Freizügigkeit im Welthandelsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 IV. Freizügigkeit in Verträgen zur regionalen Wirtschaftsintegration . . . . . . . . . . . 53 V. Zwischenergebnis und weitere Eingrenzung des Untersuchungsgegenstandes 69 B. Völkerrechtliche Schranken der Freizügigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 I. Vorgehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 II. Quellen des Arbeitsvölkerrechts .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 III. Völkerrechtliche Schranken der Arbeitnehmerfreizügigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 IV. Völkerrechtliche Schranken der Arbeitnehmerentsendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 V. Abschließende Bewertung der völkerrechtlichen Schranken der Freizügigkeit . 108
10
Inhaltsübersicht 3. Kapitel
Rechtliche Grundlagen und Schranken der Arbeit in Freien Exportzonen 112
A. Begriff, Ziele und rechtliche Grundlagen der Arbeit in Freien Exportzonen .. . . . . . . 112 I. Arbeit in Freien Exportzonen als weitere durch den liberalisierten Welthandel entstandene Arbeitsform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 II. Freie Exportzonen .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 III. Arbeitsrecht in Freien Exportzonen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 IV. Typenbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 B. Rechtliche Schranken der Arbeit in Freien Exportzonen .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 I. Mögliche Schranken der Arbeit in Freien Exportzonen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 II. Schranken der Arbeit in Freien Exportzonen durch die Übereinkommen der ILO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 III. Schranken der Arbeit in Freien Exportzonen durch internationale Menschenrechtsabkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 IV. Schranken der Arbeit in Freien Exportzonen durch Freihandelsabkommen .. 245
Zusammenfassung der Ergebnisse 274
A. Arbeitnehmerfreizügigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274 B. Arbeitnehmerentsendung .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274 C. Arbeit in Freien Exportzonen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277 Sachwortregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299
Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis
Einleitung 33 A. Der Arbeitnehmer im liberalisierten Welthandel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 B. Ziel der Arbeit und Gang der Untersuchung .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 C. Stand der Forschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 1. Kapitel
Arbeitsformen im liberalisierten Welthandel 37
A. Einführung .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 B. Eingrenzung der möglichen Arbeitsformen im liberalisierten Welthandel . . . . . . . . . . . 38 I. Formen der Freizügigkeit von Arbeitnehmern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 1. Die Arbeitnehmerfreizügigkeit .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 2. Die Arbeitnehmerentsendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 a) Begriff der Entsendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 aa) Notwendigkeit einer Eingrenzung des Entsendebegriffs . . . . . . . . . 38 bb) Anhaltspunkt Unionsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 b) Die Entsendung von Arbeitnehmern zur Erbringung einer Dienstleistung 40 aa) Die Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen eines Vertrags zwischen dem Unternehmen und dem Dienstleistungsempfänger .. 40 bb) Die Entsendung von Arbeitnehmern in eine Niederlassung oder in ein der Unternehmensgruppe angehörendes Unternehmen . . . . 40 cc) Die Entsendung von Arbeitnehmern durch ein Leiharbeitsunter nehmen in ein verwendendes Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 dd) Weitere Formen der Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Dienstleistungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 c) Die Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Warenverkehrsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 d) Eingrenzung des Untersuchungsgegenstandes .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 II. Formen der Arbeit in Freien Exportzonen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 III. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 C. Rechtliche Realisierung der ausgewählten Arbeitsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 I. Erforderlichkeit einer weiteren Begrenzung des Untersuchungsgegenstandes . 42 II. Formen der Freizügigkeit von Arbeitnehmern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 III. Formen der Arbeit in Freien Exportzonen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 D. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44
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Inhaltsverzeichnis 2. Kapitel
Rechtliche Grundlagen und Schranken der Freizügigkeit 45
A. Rechtliche Grundlagen der Freizügigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 I. Vorgehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 II. Freizügigkeit im Recht der UN und im Recht der ILO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 III. Freizügigkeit im Welthandelsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 1. Die vier Formen der Dienstleistungserbringung im GATS .. . . . . . . . . . . . . . . 46 2. Dienstleistungserbringung mittels Präsenz natürlicher Personen (Mode 4) . 47 a) Wortlaut des Art. I:2(d) GATS und Abs. 1 der Anlage zu Mode 4 . . . . . . 47 b) Einschränkungen gemäß Abs. 2 der Anlage zu Mode 4 . . . . . . . . . . . . . . . . 48 c) Kriterium der Beschäftigung bei einem Dienstleister, Abs. 1 Alt. 2 Anlage zu Mode 4 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 d) Zwischenergebnis zum Umfang der Dienstleistungserbringung mittels der Präsenz natürlicher Personen .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 3. Stand der Liberalisierung zu Mode 4 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 4. Erstreckung nationalen Arbeitsrechts auf ausländische Dienstleistungserbringer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 5. Ergebnis zur Freizügigkeit im Welthandelsrecht .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 IV. Freizügigkeit in Verträgen zur regionalen Wirtschaftsintegration . . . . . . . . . . . . 53 1. Formen regionaler Wirtschaftsintegration . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 2. Zulässigkeit regionaler Wirtschaftsintegration im Recht der WTO . . . . . . . 55 3. Freizügigkeit in ausgewählten regionalen Freihandelszonen .. . . . . . . . . . . . . 56 a) Freizügigkeit im NAFTA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 b) Freizügigkeit im Mercosur .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 c) Freizügigkeit in der Europäischen Union .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 aa) Arbeitnehmerfreizügigkeit .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 bb) Arbeitnehmerentsendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 (1) Maßgebliche Grundfreiheit für die entsandten Arbeitnehmer .. 59 (2) Rechtsfolgen der Anwendung der Dienstleistungsfreiheit .. . . . . 61 (3) Vorgaben des Kollisionsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 (4) Wirkung der Entsenderichtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 (a) Hintergrund .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 (b) Die Anwendung des Rechts des Bestimmungslandes nach Art. 3 Entsenderichtlinie .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 (c) Vereinbarkeit mit der Dienstleistungsfreiheit? .. . . . . . . . . . . 65 (d) Die Entsenderichtlinie im System des Kollisionsrechts . . . 67 (5) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 4. Freizügigkeit in bilateralen Freihandelsabkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 V. Zwischenergebnis und weitere Eingrenzung des Untersuchungsgegenstandes . 69 B. Völkerrechtliche Schranken der Freizügigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 I. Vorgehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70
Inhaltsverzeichnis
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II. Quellen des Arbeitsvölkerrechts .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 1. Mindeststandards der ILO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die ILO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Entstehungsgeschichte der ILO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Struktur und Organe der ILO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Setzung von Mindeststandards durch die ILO .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Ziel eines Arbeitsvölkerrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Zulässigkeit arbeitsrechtlicher Mindeststandards im System des freien Welthandels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Instrumentarien der ILO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Die ILO-Übereinkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Die Empfehlungen der ILO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Die Erklärung über grundlegende Prinzipien und Rechte bei der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Die technische Zusammenarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Arbeitsrecht in Internationalen Menschenrechtsabkommen . . . . . . . . . . . . . . a) „Labour Rights as Human Rights“? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Arbeitsrechte in den Übereinkommen der UN .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) UN-Charta und Allgemeine Erklärung der Menschenrechte . . . . . bb) Die UN-Menschenrechtspakte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Spezielle Übereinkommen zum Schutz besonders gefährdeter Gruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Überwachungsorgane . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Arbeitsrechte in den Übereinkommen des Europarats . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Europäische Menschenrechtskonvention . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Europäische Sozialcharta . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Überwachungsorgane . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Völkerrechtliche Schranken der Arbeitnehmerfreizügigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . .
70 70 70 71 72 72 72 73 73 74 74 76 76 76 77 77 77 78 78 79 79 79 80 80
IV. Völkerrechtliche Schranken der Arbeitnehmerentsendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 1. Völkerrechtliche Schranken der Anwendung des Herkunftslandsprinzips 81 a) ILO-Übereinkommen Nr. 97 und Nr. 143 zum Schutz der Wanderarbeitnehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 b) UN-Wanderarbeitnehmerkonvention .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 c) Art. 19 Abs. 4 ESC . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 d) Konsequenzen eines Verstoßes gegen die UN-Wanderarbeitnehmerkonvention und Art. 19 Abs. 4 ESC . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 aa) UN-Wanderarbeitnehmerkonvention . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 bb) ESC .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 2. Völkerrechtliche Schranken der Anwendung des Rechts des Bestimmungslandes gemäß Art. 3 Entsenderichtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 3. Völkerrechtliche Schranken der Einschränkung des Arbeitskampfrechts durch die Rechtsprechung des EuGH zur Entsenderichtlinie . . . . . . . . . . . . . 85
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Inhaltsverzeichnis a) Problemstellung .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 b) Die Rechtsprechung des EuGH zum Arbeitskampfrecht in Entsendefällen 86 c) Völkerrechtliche Garantie des Arbeitskampfrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 aa) Übereinkommen der ILO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 (1) ILO-Übereinkommen Nr. 87 und 98 zur Vereinigungsfreiheit .. 88 (2) Gewährleistung des Streikrechts durch ILO-Übereinkommen Nr. 87? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 bb) Garantie des Streikrechts in Menschenrechtskonventionen .. . . . . . 91 (1) Menschenrechtsübereinkommen der UN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 (2) Menschenrechtsübereinkommen des Europarats .. . . . . . . . . . . . . . 92 d) Vereinbarkeit der Rechtsprechung des EuGH zum Arbeitskampf in Entsendefällen mit dem Arbeitsvölkerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 aa) Darstellung der Problematik am Beispiel des geplanten Streiks der British Airline Pilots’ Association gegen die British Airways . 93 bb) Vereinbarkeit mit ILO-Übereinkommen Nr. 87 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 cc) Vereinbarkeit mit Art. 8 IPwskR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 dd) Vereinbarkeit mit Art. 6 ESC . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 ee) Vereinbarkeit mit Art. 11 EMRK .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 ff) Zwischenergebnis .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 4. Bindung der EU-Mitgliedstaaten bzw. des EuGH an das Arbeitsvölkerrecht und Durchsetzungsmechanismen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 a) ILO-Übereinkommen .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 aa) Bindung der EU an ILO-Übereinkommen Nr. 87 . . . . . . . . . . . . . . . . 99 (1) Bindung kraft Völkerrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 (2) Bindung kraft Unionsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 (3) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 bb) Durchsetzung der Mindeststandards der ILO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 (1) Vorlage- und Berichtssystem (Art. 22 ILO-Verfassung) .. . . . . . . 103 (2) Beschwerdeverfahren (Art. 24 ILO-Verfassung) .. . . . . . . . . . . . . . 103 (3) Klageverfahren (Art. 26 ILO-Verfassung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 (4) Ergebnis .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 b) ESC .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 c) EMRK .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 aa) Bindung der EU an die EMRK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 bb) Durchsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 V. Abschließende Bewertung der völkerrechtlichen Schranken der Freizügigkeit . 108 1. Völkerrechtliche Pflicht zur Gleichstellung grenzüberschreitend tätiger Arbeitnehmer mit Ortskräften .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 2. Unvereinbarkeit der Rechtsprechung des EuGH zu Arbeitskämpfen in Ent sendesituationen mit dem völkerrechtlich gewährleisteten Streikrecht . . . . . 108 3. Mögliche Durchsetzung des Arbeitsvölkerrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111
Inhaltsverzeichnis
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3. Kapitel
Rechtliche Grundlagen und Schranken der Arbeit in Freien Exportzonen 112
A. Begriff, Ziele und rechtliche Grundlagen der Arbeit in Freien Exportzonen .. . . . . . . . 112 I. Arbeit in Freien Exportzonen als weitere durch den liberalisierten Welthandel entstandene Arbeitsform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 II. Freie Exportzonen .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 1. Begriff .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Entstehungsgeschichte .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Organisation .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Ziele .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Arbeitsrecht in Freien Exportzonen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
112 113 114 114 115
1. Konzepte zur Regelung des Arbeitsrechts in Freien Exportzonen .. . . . . . . . 115 2. Methode zur Untersuchung des maßgeblichen Arbeitsrechts in Freien Exportzonen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 3. Spezielles Arbeitsrecht für Arbeitnehmer in Freien Exportzonen .. . . . . . . . 117 a) Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 b) Ausgewählte Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 aa) Mauritius . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 (1) Freie Exportzonen in Mauritius . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 (2) Spezialgesetzliche Regelungen durch EPZA, 1970 . . . . . . . . . . . . 118 (a) Arbeitszeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 (b) Mutterschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 (c) Beendigungsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 (d) Reform des EPZA durch den Industrial Expansion Act, 1993 120 (3) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 bb) Bangladesch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 (1) Freie Exportzonen in Bangladesch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 (2) Herausnahme der Freien Exportzonen aus dem Anwendungsbereich arbeitsrechtlicher Gesetze auf Grundlage des BEPZAA, 1980 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 (3) Spezialgesetzliche Regelung der Koalitionsfreiheit und des Streikrechts durch den EPZ Workers’ Associations and Industrial Relations Act, 2004 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 (a) Entstehungsgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 (b) Regelungen der Gründung von Gewerkschaften .. . . . . . . . . 123 (c) Einschränkungen des Arbeitskampfrechts . . . . . . . . . . . . . . . 125 (d) Verlängerung der bestehenden Rechtslage durch den EPZ Workers’ Welfare Association and Industrial Relations Act, 2010 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 (e) Zwischenergebnis und Ausblick .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 cc) Pakistan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 (1) Freie Exportzonen in Pakistan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127
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Inhaltsverzeichnis (2) Herausnahme der Freien Exportzonen aus dem Anwendungsbereich nationalen Arbeitsrechts durch die Export Processing Zones Control of Employment Rules, 1982 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 (3) Ausschluss des Streikrechts durch die EPZ Control of Employment Rules, 1982 .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 (4) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 dd) Türkei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 (1) Freie Exportzonen in der Türkei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 (2) Einschränkung des Streikrechts durch den Free Trade Zones Act, 1985 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 (3) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 ee) Togo . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 (1) Freie Exportzonen in Togo .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 (2) Spezielle Regelungen zu Einstellung und Entlassung durch Art. 21 Statut de Zone Franche, 1989 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 (3) Ausschluss der Koalitionsfreiheit durch Art. 33 Décret no. 90 – 40, 1990 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 (4) Anwendung des Code du Travail in den Freien Exportzonen gemäß Art. 30 Statut de Zone Franche Industrielle, 2011 . . . . . . 131 (5) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 ff) Panama . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 (1) Freie Exportzonen in Panama . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 (2) Einschränkungen des Arbeitsrechts in den Freien Exportzonen durch Ley 25/1992 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 (a) Einschränkungen der Koalitionsfreiheit und des Streikrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 (b) Einschränkungen des Befristungsschutzes . . . . . . . . . . . . . . . 133 (c) Einschränkungen des Kündigungsschutzes . . . . . . . . . . . . . . 134 (3) Reform des Arbeitsrechts in den Freien Exportzonen durch Ley 32/2011 .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 (4) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 gg) Nigeria .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 (1) Freie Exportzonen in Nigeria . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 (2) Einschränkung des Streikrechts in den Zonen durch das Export Processing Zones Decree, 1992 .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 (3) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 hh) Iran . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 (1) Freie Exportzonen im Iran . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 (2) Herausnahme der Freien Exportzonen aus dem Anwendungsbereich des nationalen Arbeitsrechts durch LAFTIZ, 1993 . . . . 136 (3) Spezialgesetzliche Regelung des Arbeitsrechts durch die Regu lations on Employment of Workforce, Insurance and Social Security in the Free Trade Industrial Zones, 1994 . . . . . . . . . . . . . 137 (a) Konzept . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137
Inhaltsverzeichnis (b) Vergleich zum maßgeblichen Arbeitsrecht außerhalb der Zonen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (aa) Kündigungsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (bb) Arbeitszeit und Urlaub . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Zwischenergebnis und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ii) Namibia . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Freie Exportzonen in Namibia . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Herausnahme der Freien Exportzonen aus dem nationalen Arbeitsrecht durch den Export Processing Zones Act, 1995 . . . (3) Ausschluss des Streikrechts durch den Export Processing Zones Amendment Act, 1996 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Zwischenergebnis und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Zusammenfassung .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Anwendbarkeit und Unanwendbarkeit des nationalen Arbeitsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Hauptsächlich eingeschränkte Arbeitsbedingungen . . . . . . . . . . . . . . (1) Hauptsächlich ausgeschlossene Arbeitsbedingungen . . . . . . . . . . (2) Hauptsächlich speziell geregelte Arbeitsbedingungen . . . . . . . . . (3) Gründe für die Einschränkung dieser Arbeitsbedingungen . . . . . cc) Arbeitskampfverbot .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Die Durchsetzung des nationalen Arbeitsrechts in Freien Exportzonen ohne ein speziell geregeltes Zonenarbeitsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Verbreitung .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Vorgehensweise .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Ausgewählte Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Mexiko . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Freie Exportzonen in Mexiko (Maquiladoras) . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Maßgebliches Arbeitsrecht in den Maquiladoras . . . . . . . . . . . . . . (3) Durchsetzung des Arbeitsrechts in den Maquiladoras .. . . . . . . . . (a) Verbot der Diskriminierung aufgrund des Geschlechts .. . (aa) Die Bedeutung von Arbeitnehmerinnen in mexikanischen Maquiladoras . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (bb) Diskriminierungen im Bewerbungsprozess . . . . . . . . . (cc) Diskriminierung von schwangeren Arbeitnehmerinnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (dd) Sexuelle Belästigung von Arbeitnehmerinnen .. . . . . . (b) Koalitionsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Arbeitsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (d) Lohn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Dominikanische Republik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Freie Exportzonen in der Dominikanischen Republik .. . . . . . . . .
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137 137 138 138 138 138 139 139 140 141 141 141 141 142 142 142 143 143 143 143 143 143 145 145 145 145 147 150 151 152 154 154 154 155 155
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Inhaltsverzeichnis (2) Maßgebliches Arbeitsrecht in den Freien Exportzonen . . . . . . . . (3) Durchsetzung des Arbeitsrechts in den Freien Exportzonen .. . . (a) Verbot der Diskriminierung aufgrund des Geschlechts .. . (b) Koalitionsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Jamaika . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Freie Exportzonen in Jamaika .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Maßgebliches Arbeitsrecht in den Freien Exportzonen . . . . . . . . (3) Durchsetzung des Arbeitsrechts in den Freien Exportzonen .. . . (4) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Honduras . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Freie Exportzonen in Honduras . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Maßgebliches Arbeitsrecht .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Durchsetzung des Arbeitsrechts in den Freien Exportzonen .. . . (a) Verbot der Diskriminierung aufgrund des Geschlechts .. . (b) Arbeitszeit und Lohn .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Einschränkungen der Koalitionsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Nicaragua .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Freie Exportzonen in Nicaragua .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Maßgebliches Arbeitsrecht in den Freien Exportzonen . . . . . . . . (3) Durchsetzung des Arbeitsrechts in den Freien Exportzonen .. . . (a) Arbeitszeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Löhne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Arbeitsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (d) Mutterschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (e) Koalitionsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ff) Madagaskar .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Freie Exportzonen in Madagaskar .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Maßgebliches Arbeitsrecht .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Durchsetzung des Arbeitsrechts in den Freien Exportzonen .. . . (a) Löhne und soziale Sicherung .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Arbeitszeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Koalitionsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Zusammenfassung .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Gründe der mangelhaften Durchsetzung des Arbeitsrechts in den Freien Exportzonen .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Zusammenfassung zum Arbeitsrecht in Freien Exportzonen . . . . . . . . . . . . . IV. Typenbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
155 156 156 157 157 157 157 158 158 159 159 159 159 160 160 161 161 162 162 162 162 164 164 164 164 165 165 167 167 167 167 168 168 168 168 169 169 170 171 173
Inhaltsverzeichnis 1. Der Ausschluss des nationalen Individualarbeitsrechts in den Freien Exportzonen (Typ 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Der Auschluss des nationalen kollektiven Arbeitsrechts in den Freien Exportzonen (Typ 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Vom nationalen Individualarbeitsrecht negativ abweichende Spezial regelungen in den Freien Exportzonen (Typ 3) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Vom nationalen kollektiven Arbeitsrecht negativ abweichende Spezial regelungen in den Freien Exportzonen (Typ 4) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Unzureichende Durchsetzung des nationalen Individualarbeitsrechts in den Freien Exportzonen (Typ 5) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Unzureichende Durchsetzung des nationalen kollektiven Arbeitsrechts in den Freien Exportzonen (Typ 6) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Rechtliche Schranken der Arbeit in Freien Exportzonen .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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173 173 174 174 174 174 175
I. Mögliche Schranken der Arbeit in Freien Exportzonen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 II. Schranken der Arbeit in Freien Exportzonen durch die Übereinkommen der ILO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 1. Die ILO und Freie Exportzonen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 2. Ratifizierung eines Übereinkommens unter Herausnahme bestimmter geographischer Regionen oder bestimmter Arbeitnehmergruppen? .. . . . . . 176 3. Vereinbarkeit der Arbeitsbedingungen in Freien Exportzonen mit dem Recht der ILO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 a) Der Ausschluss des nationalen Individualarbeitsrechts in den Freien Exportzonen (Typ 1) .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 aa) Der Ausschluss der Regelungen zur Arbeitszeit in den Freien Exportzonen in Bangladesch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 (1) Vorgaben der ILO-Übereinkommen zur zulässigen Höchst arbeitszeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 (2) Vereinbarkeit eines Ausschlusses des nationalen Arbeitszeitrechts für den Bereich der Freien Exportzonen in Bangladesch mit dem Recht der ILO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 bb) Der Ausschluss der Regelungen zum Beendigungsschutz in den Freien Exportzonen in Bangladesch .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 (1) Vorgaben der ILO-Übereinkommen zum Kündigungsschutz .. . 180 (2) Vereinbarkeit eines Ausschlusses des nationalen Kündigungs schutzes für Freie Exportzonen mit Übereinkommen Nr. 158 . 181 cc) Der Ausschluss von Regelungen zum Arbeits- und Gesundheitsschutz in den Freien Exportzonen in Bangladesch .. . . . . . . . . . . . . . . 181 (1) Die Vorgaben der ILO-Übereinkommen zum Arbeits- und Gesundheitsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 (2) Vereinbarkeit eines Ausschlusses des nationalen Arbeitsschutzrechts in den Freien Exportzonen von Bangladesch mit dem Recht der ILO .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 b) Der Ausschluss des nationalen kollektiven Arbeitsrechts in den Freien Exportzonen (Typ 2) .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183
Inhaltsverzeichnis
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c)
d)
e)
f)
aa) Der Ausschluss der Vereinigungsfreiheit in den Freien Exportzonen in Bangladesch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 (1) Vorgaben der ILO-Übereinkommen zur Koalitionsfreiheit .. . . . 183 (2) Vereinbarkeit des Ausschlusses der Koalitionsfreiheit in den Freien Exportzonen in Bangladesch mit dem Recht der ILO .. 183 bb) Das Arbeitskampfverbot in den Freien Exportzonen in Bangladesch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 (1) Vorgaben der ILO-Übereinkommen zum Streikrecht . . . . . . . . . . 185 (2) Vereinbarkeit des Ausschlusses des Streikrechts in den Freien Exportzonen in Bangladesch mit dem Recht der ILO . . . . . . . . . 185 Vom nationalen Individualarbeitsrecht negativ abweichende Spezial regelungen in den Freien Exportzonen (Typ 3) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 aa) Spezialregelung zur Arbeitszeit in den Freien Exportzonen in Mauritius . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 (1) Unfreiwillige Überstunden .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 (2) Begrenzung der Arbeitszeit auf sieben aufeinanderfolgende Tage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 (3) Verpflichtende Feiertagsarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 bb) Spezialregelungen zum Beendigungsschutz in den Freien Exportzonen in Mauritius . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 cc) Spezialregelungen zum Mutterschutz in den Freien Exportzonen in Mauritius .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 (1) Mutterschutz in den Übereinkommen der ILO .. . . . . . . . . . . . . . . . 188 (2) Vereinbarkeit der Spezialregelungen in Mauritius mit dem Recht der ILO .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 Vom nationalen kollektiven Arbeitsrecht negativ abweichende Spezial regelungen in den Freien Exportzonen (Typ 4) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 aa) Vereinbarkeit der Regelungen zur Koalitionsfreiheit in den Freien Exportzonen in Bangladesch mit dem Recht der ILO . . . . . 189 bb) Vereinbarkeit der Regelungen zum Streikrecht in den Freien Exportzonen in Bangladesch mit dem Recht der ILO . . . . . . . . . . . . 191 Unzureichende Durchsetzung des nationalen Individualarbeitsrechts in den Freien Exportzonen (Typ 5) .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 aa) Diskriminierung und Belästigung von Arbeitnehmerinnen in den Maquiladoras Mexikos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 (1) Diskriminierungen im Bewerbungsprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 (2) Übertragung besonders schwerer Arbeiten an schwangere Arbeitnehmerinnen .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 (3) Kündigung schwangerer Arbeitnehmerinnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 (4) Sexuelle Belästigung von Arbeitnehmerinnen . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 bb) Unzureichende Durchsetzung des nationalen Arbeitsschutzrechts in den Maquiladoras Mexikos .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 Unzureichende Durchsetzung des nationalen kollektiven Arbeitsrechts in den Freien Exportzonen (Typ 6) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195
Inhaltsverzeichnis aa) Kündigungen und blacklisting von Gewerkschaftsmitgliedern in den Maquiladoras Mexikos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Etablierung arbeitgeberfreundlicher Gewerkschaften durch den Staat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Rechtsfolgen des Verstoßes gegen die ILO-Übereinkommen . . . . . . . . . . . . . a) Rechtsfolgen des Ausschlusses des nationalen Arbeitsrechts und der Schaffung von Spezialregelungen für die Freien Exportzonen . . . . . . . . . b) Rechtsfolgen der fehlenden Durchsetzung des nationalen Arbeitsrechts in Freien Exportzonen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Durchsetzung der ILO-Übereinkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Ergebnis .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Schranken der Arbeit in Freien Exportzonen durch internationale Menschenrechtsabkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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195 197 197 197 198 199 199 201
1. Arbeitsrecht in Internationalen Menschenrechtsabkommen . . . . . . . . . . . . . . 201 a) Menschenrechtsinstrumente der Organisation Amerikanischer Staaten . 202 aa) Charta der Organisation Amerikanischer Staaten und Amerikanische Menschenrechtserklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 bb) Amerikanische Menschenrechtskonvention . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 cc) Zusatzprotokoll von San Salvador .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 dd) Interamerikanische Konvention zur Verhütung, Bestrafung und Beseitigung von Gewalt gegen Frauen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 b) Menschenrechtsinstrumente der Afrikanischen Union . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 2. Rechtsgutsverletzung durch Arbeitsbedingungen in Freien Exportzonen . 204 a) Der Ausschluss des nationalen Individualarbeitsrechts in den Freien Exportzonen (Typ 1) .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 aa) Der Ausschluss der Regelungen zur Arbeitszeit in Freien Exportzonen in Bangladesch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 (1) Vorgaben des IPwskR zur zulässigen Höchstarbeitszeit .. . . . . . . 204 (2) Vereinbarkeit eines Ausschlusses des nationalen Arbeitszeitrechts für den Bereich der Freien Exportzonen in Bangladesch mit Art. 7 IPwskR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 bb) Der Ausschluss der Regelungen zum Beendigungsschutz in den Freien Exportzonen in Bangladesch .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 cc) Der Ausschluss von Regelungen zum Arbeits- und Gesundheitsschutz in den Freien Exportzonen in Bangladesch .. . . . . . . . . . . . . . . 207 (1) Vorgaben des IPwskR zum Arbeitsschutz in den Freien Exportzonen in Bangladesch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 (2) Vereinbarkeit des Ausschlusses des Arbeitsschutzrechts mit dem IPwskR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 b) Der Ausschluss des nationalen kollektiven Arbeitsrechts in den Freien Exportzonen (Typ 2) .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 aa) Der Ausschluss der Vereinigungsfreiheit in den Freien Exportzonen in Bangladesch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 (1) Vorgaben des IPbpR und des IPwskR zur Koalitionsfreiheit . . . 208
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Inhaltsverzeichnis (2) Vereinbarkeit des Ausschlusses der Koalitionsfreiheit in den Freien Exportzonen in Bangladesch mit den Vorgaben zur Koalitionsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 bb) Das Arbeitskampfverbot in den Freien Exportzonen in Bangladesch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 (1) Vorgaben des IPwskR zum Streikrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 (2) Vereinbarkeit des Ausschlusses des Streikrechts mit den Vorgaben des IPwskR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 c) Vom nationalen Individualarbeitsrecht negativ abweichende Spezial regelungen in den Freien Exportzonen (Typ 3) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 aa) Spezialregelungen zur Arbeitszeit in den Freien Exportzonen in Mauritius . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 (1) Vereinbarkeit der Spezialregelungen zur Arbeitszeit mit dem IPwskR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 (2) Vereinbarkeit der Spezialregelungen zur Arbeitszeit mit der AfrMRK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 bb) Spezialregelungen zum Beendigungsschutz in den Freien Export zonen in Mauritius . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 cc) Spezialregelungen zum Mutterschutz in den Freien Exportzonen in Mauritius .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 (1) Vereinbarkeit der Spezialregelungen zum Mutterschutz mit dem IPwskR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 (2) Vereinbarkeit der Spezialregelungen zum Mutterschutz mit der AfrMRK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 d) Vom nationalen kollektiven Arbeitsrecht negativ abweichende Spezial regelungen in den Freien Exportzonen (Typ 4) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 aa) Vereinbarkeit der Regelungen zur Koalitionsfreiheit in den Freien Exportzonen in Bangladesch mit dem IPbpR und dem IPwskR .. 211 bb) Vereinbarkeit der Regelungen zum Streikrecht in den Freien Exportzonen in Bangladesch mit dem IPwskR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 e) Unzureichende Durchsetzung des nationalen Individualarbeitsrechts in den Freien Exportzonen (Typ 5) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 aa) Diskriminierung und Belästigung von Arbeitnehmerinnen und Bewerberinnen in den Maquiladoras Mexikos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 (1) Diskriminierungen im Bewerbungsprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 (a) Vereinbarkeit mit dem IPbpR, dem IPwskR und der UNFrauenrechtskonvention in den Maquiladoras Mexikos .. 213 (b) Vereinbarkeit mit der AMRK, dem Protokoll von San Salvador und der OAS-Frauenrechtskonvention .. . . . . . . . . 215 (2) Übertragung besonders schwerer Arbeiten auf schwangere Arbeitnehmerinnen .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 (a) Vereinbarkeit mit dem IPbpR, dem IPwskR und der UNFrauenrechtskonvention . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 (b) Vereinbarkeit mit der AMRK, dem Protokoll von San Salvador und der OAS-Frauenrechtskonvention .. . . . . . . . . 215
Inhaltsverzeichnis
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(3) Kündigung schwangerer Arbeitnehmerinnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 (a) Vereinbarkeit mit dem IPbpR, dem IPwskR und der UNFrauenrechtskonvention . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 (b) Vereinbarkeit mit der AMRK, dem Protokoll von San Salvador und der OAS-Frauenrechtskonvention .. . . . . . . . . 216 (4) Sexuelle Belästigung von Arbeitnehmerinnen . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 (a) Vereinbarkeit mit dem IPbpR, dem IPwskR und der UNFrauenrechtskonvention . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 (b) Vereinbarkeit mit der AMRK, dem Protokoll von San Salvador und der OAS-Frauenrechtskonvention .. . . . . . . . . 217 bb) Fehlende Durchsetzung des nationalen Arbeitsschutzrechts in den Maquiladoras Mexikos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 (a) Vereinbarkeit mit dem IPbpR, dem IPwskR und der UNFrauenrechtskonvention . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 (b) Vereinbarkeit mit der AMRK, dem Protokoll von San Salvador und der OAS-Frauenrechtskonvention .. . . . . . . . . 218 f) Unzureichende Durchsetzung des nationalen kollektiven Arbeitsrechts in den Freien Exportzonen (Typ 6) .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 aa) Vereinbarkeit mit dem IPbpR und dem IPwskR . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 bb) Vereinbarkeit mit der AMRK und dem Protokoll von San Salvador 219 3. Rechtsfolgen des Verstoßes gegen die Menschenrechte .. . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 a) Rechtsfolgen des Ausschlusses des nationalen Arbeitsrechts und der Schaffung von Spezialregelungen für die Freien Exportzonen . . . . . . . . . 220 aa) Pflichten der Mitgliedstaaten aus internationalen Menschenrechtsabkommen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 bb) Pflichten der Mitgliedstaaten aus dem IPbpR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 cc) Pflichten der Mitgliedstaaten aus der UN-Frauenrechtskonvention . 220 dd) Pflichten der Mitgliedstaaten aus dem IPwskR . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 b) Rechtsfolgen der fehlenden Durchsetzung des nationalen Arbeitsrechts in Freien Exportzonen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 aa) Rechtliche Bedeutung des menschenrechtswidrigen Handelns von Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 bb) Pflichten von Unternehmen aus den Menschenrechtsabkommen? 224 (1) Direkte Verpflichtung von Unternehmen im Völkerrecht? . . . . . 224 (2) Beihilfe des Unternehmens zu staatlichen Menschenrechts verletzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 cc) Schutzpflicht des Gaststaates des Unternehmens .. . . . . . . . . . . . . . . . 225 (1) Bestimmung völkerrechtlicher Schutzpflichten .. . . . . . . . . . . . . . . 225 (2) Schutzpflichten des Gaststaates aus dem IPbpR . . . . . . . . . . . . . . . 226 (3) Schutzpflichten des Gaststaates aus der UN-Frauenrechtskon vention .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 (4) Schutzpflichten des Gaststaates aus dem IPwskR .. . . . . . . . . . . . . 228 (5) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229
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Inhaltsverzeichnis dd) Verantwortlichkeit des Herkunftsstaats des Unternehmens . . . . . . 229 (1) Extraterritoriale Schutzpflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 (2) Extraterritoriale Schutzpflichten aus dem IPbpR und der EMRK 230 (3) Extraterritoriale Schutzpflichten aus dem IPwskR und der ESC .. 232 (4) Zwischenergebnis zu extraterritorialen Schutzpflichten .. . . . . . . 234 ee) Rechtsfolgen bei Rechtsgutsverletzung durch das Unternehmen und Bestehen einer staatlichen Schutzpflicht .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 ff) Zwischenergebnis zur Rechtsfolge der fehlenden Durchsetzung des nationalen Rechts in Freien Exportzonen .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 c) Durchsetzung der Menschenrechte .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 aa) Möglichkeiten der Durchsetzung von Menschenrechten . . . . . . . . . 236 bb) Durchsetzung der Menschenrechte vor internationalen Über wachungsgremien und Gerichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 (1) IPbpR und IPwskR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 (2) AMRK und San Salvador . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 (3) AfrMRK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 (4) Potential zur Stärkung der Arbeitnehmerrechte in den Freien Exportzonen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 cc) Durchsetzung der Menschenrechte vor US-amerikanischen Gerichten auf Grundlage des Alien Tort Statute .. . . . . . . . . . . . . . . . . 239 (1) Hintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 (2) Tatbestandsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 (3) Entwicklung der Rechtsprechung zum ATS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 (4) Erfolgsaussichten für Klagen von Arbeitnehmern in Freien Exportzonen nach Kiobel .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 4. Ergebnis zu den Schranken der Arbeit in Freien Exportzonen durch inter nationale Menschenrechtsabkommen .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 IV. Schranken der Arbeit in Freien Exportzonen durch Freihandelsabkommen . . . 245 1. Die Idee einer sozialpolitischen Konditionalisierung des Handelsrechts und Gang der Untersuchung .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Rolle der WTO in der Debatte um Sozialklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Diskussion um eine Implementierung einer Sozialklausel im Recht der WTO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Vereinbarkeit von Sozialklauseln in regionalen Freihandelsabkommen mit dem Recht der WTO .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Arbeitsrecht in regionalen Freihandelsabkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Vorgehen .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Sozialklauseln in den Freihandelsabkommen der USA . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Das NAFTA Labor Side Agreement (NAALC) . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Hintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Arbeitsrechtsstandards im NAALC . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Weitere Freihandelsabkommen der USA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
245 246 246 247 249 249 249 249 249 250 251
Inhaltsverzeichnis (1) Die erste Generation der Freihandelsabkommen der USA . . . . . (2) Die zweite Generation der Freihandelsabkommen der USA .. . . (3) Die dritte Generation der Freihandelsabkommen der USA . . . . . (4) Sonderfall: Das Textilabkommen zwischen den USA und Kambodscha . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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251 252 252 253
cc) Das allgemeine Zollpräferenzabkommen der USA . . . . . . . . . . . . . . . 253 c) Sozialklauseln in den Freihandelsabkommen der EU . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 aa) Freihandelsabkommen der EU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 (1) Die erste Generation von Freihandelsabkommen der EU . . . . . . 255 (2) Die zweite Generation von Freihandelsabkommen der EU . . . . 256 bb) Das allgemeine Zollpräferenzsystem der EU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 d) Zusammenfassung zu bestehenden Sozialklauseln in Freihandelsabkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258 4. Vereinbarkeit der Arbeitsbedingungen in den Freien Exportzonen mit den Freihandelsabkommen der USA und der EU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 a) Freihandelsabkommen und Freie Exportzonen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 b) Der Ausschluss des nationalen Individualarbeitsrechts in Freien Exportzonen (Typ 1) .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 aa) Vereinbarkeit des Ausschlusses des nationalen Individualarbeitsrechts in Freien Exportzonen mit dem US-GSP . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 bb) Vereinbarkeit des Ausschlusses des nationalen Individualarbeitsrechts in Freien Exportzonen mit dem EU-GSP . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 c) Der Ausschluss des nationalen kollektiven Arbeitsrechts in Freien Exportzonen (Typ 2) .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 aa) Vereinbarkeit des Ausschlusses des kollektiven Arbeitsrechts in Freien Exportzonen mit dem US-GSP .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 bb) Vereinbarkeit des Ausschlusses des kollektiven Arbeitsrechts in Freien Exportzonen mit dem EU-GSP .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 d) Vom nationalen Individualarbeitsrecht negativ abweichende Spezial regelungen in den Freien Exportzonen (Typ 3) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 aa) Vereinbarkeit der Spezialregelungen zum Individualarbeitsrecht in Freien Exportzonen mit dem US-GSP/AGOA . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 bb) Vereinbarkeit der Spezialregelungen zum Individualarbeitsrecht in Freien Exportzonen mit dem Cotonou-Abkommen . . . . . . . . . . . . 262 e) Vom nationalen kollektiven Arbeitsrecht negativ abweichende Spezial regelungen in den Freie Exportzonen (Typ 4) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 aa) Vereinbarkeit der Spezialregelungen zum kollektiven Arbeitsrecht in Freien Exportzonen mit dem US-GSP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 bb) Vereinbarkeit der Spezialregelungen zum kollektiven Arbeitsrecht in Freien Exportzonen mit dem EU-GSP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 f) Unzureichende Durchsetzung des nationalen Individualarbeitsrechts in den Freien Exportzonen (Typ 5) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263
26
Inhaltsverzeichnis aa) Vereinbarkeit der fehlenden Durchsetzung des nationalen Indivi dualarbeitsrechts in den Freien Exportzonen mit dem NAALC .. . 263 bb) Vereinbarkeit der fehlenden Durchsetzung des nationalen Individualarbeitsrechts in den Freien Exportzonen mit dem Freihandels abkommen EU-Mexiko . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 cc) Vereinbarkeit der fehlenden Durchsetzung des nationalen Indivi dualarbeitsrechts in den Freien Exportzonen mit dem EU-GSP .. . 264 g) Unzureichende Durchsetzung des nationalen kollektiven Arbeitsrechts in den Freien Exportzonen (Typ 6) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265 aa) Vereinbarkeit der fehlenden Durchsetzung des kollektiven Arbeitsrechts in den Freien Exportzonen mit dem NAALC . . . . . . 265 bb) Vereinbarkeit der fehlenden Durchsetzung des kollektiven Arbeitsrechts in den Freien Exportzonen mit dem Freihandels abkommen EU-Mexiko . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265 cc) Vereinbarkeit der fehlenden Durchsetzung des kollektiven Arbeitsrechts in den Freien Exportzonen mit dem EU-GSP . . . . . . 265 h) Zwischenergebnis zur Vereinbarkeit der Arbeitsbedingungen in den Freien Exportzonen mit bestehenden Sozialklauseln in Freihandels abkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265 5. Rechtsfolge eines Verstoßes gegen die Mindeststandards in den hier ein schlägigen Freihandelsabkommen .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 a) Begrenzung auf die hier einschlägigen Freihandelsabkommen .. . . . . . . . 266 b) Durchsetzungsmechanismen des US-GSP .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 c) Durchsetzungsmechanismen des EU-GSP .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 d) Durchsetzungsmechanismen des Cotonou-Abkommens . . . . . . . . . . . . . . . 267 e) Durchsetzungsmechanismen des NAALC .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 f) Zwischenergebnis zur Durchsetzung der Arbeitsrechtsstandards in den hier einschlägigen Freihandelsabkommen .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 6. Ergebnis .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 a) Potential des bestehenden US-amerikanischen Sanktionsmodells . . . . . . 269 b) Potential des europäischen Kooperationsmodells .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 c) Bewertung der beiden Ansätze und Vorschlag für eine wirksame Begrenzung der Arbeit in Freien Exportzonen mit handelsrechtlichen Mitteln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272
Zusammenfassung der Ergebnisse 274
A. Arbeitnehmerfreizügigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274 B. Arbeitnehmerentsendung .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274 C. Arbeit in Freien Exportzonen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277 Sachwortregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299
Abkürzungsverzeichnis Abkürzungsverzeichnis
2d Cir. Second Circuit Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaft ABlEG ABlEU Amtsblatt der Europäischen Union Abs. Absatz Allgemeine Erklärung der Menschenrechte AEMR AEntG Arbeitnehmerentsendegesetz Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union AEUV alte Fassung a.F. AFL-CIO The American Federation of Labor and Congress of Industrial Organizations African Journal of International and Comparative Law Afr. J. Int’l & Comp. L. AfrMRK Afrikanische Menschenrechtskonvention ASEAN Free Trade Area AFTA African Growth and Opportunity Act AGOA Die Länder Afrikas, der Karibik und des Pazifiks AKP-Staaten The American Journal of International Law Am. J. Int’l L. AMRK Amerikanische Menschenrechtskonvention American University International Law Review Am. U. Int’l L. Rev. American University Law Review Am. U. L. Rev. Ariz. J. Int’l & Comp. L. Arizona Journal of International & Comparative Law Arizona State Law Journal Ariz. St. L.J Art. Artikel Verband Südostasiatischer Nationen (Association of ASEAN South-East Asian Nations) Agreement on Textiles and Clothing ATC Alien Tort Statute ATS Afrikanische Union AU Arbeit und Arbeitsrecht AuA Arbeit und Recht AuR Austrian Rev. Int’l & Eur. L. Austrian Review of International and European Law AVR Archiv des Völkerrechts Ausschließliche Wirtschaftszone AWZ British Airways BA BALPA British Airline Pilots’ Association Betriebs Berater BB BEPZA Bangladesh Export Processing Zones Authority Bangladesh Export Processing Zones Authority Act BEPZAA Berkeley Journal of Employment and Labor Law Berkeley J. Emp. & Lab. L. Berkeley Journal of International Law Berkeley J. Int’l L. Berkeley Women’s L. J. Berkeley Women’s Law Journal BGBl Bundesgesetzblatt BIP Border Industrialization Program
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Abkürzungsverzeichnis
bspw. beispielsweise bzw. beziehungsweise Canadian Lab. & Emp. LJ. The Canadian Labour and Employment Law Journal CARIFORUM The Caribbean Forum CBERA Caribbean Basin Economic Recovery Act CBI Caribbean Basin Initiative CBTPA Caribbean Basin Trade Partnership Act CCPR Committee on Civil and Political Rights C.D. Cal. Central Disctrict of California CEACR Committee of Experts on the Application of Conventions and Recommendations Convention on the Elimination of All Forms of DiscriCEDAW mination against Women Committee on Economic, Social and Cultural Rights CESCR CFA Committee on Freedom of Association Cir. Circuit CML Rev. Common Market Law Review CMW Committee on the Protection of the Rights of All Migrant Workers and Menmbers of their Family Colum. J. Gender & L. Columbia Journal of Gender and Law COMESA Gemeinsamer Markt für das östliche und südliche Afrika (Common Market for Eastern and Southern Africa Comm. L. World. Rev. Common Law World Review Comp. & Int’l L.J. S. Afr. Comparative and International Law Journal of Southern Africa Comp. Lab. L. & Pol’y J. Comparative Labour Law and Policy Journal Cornell Int’l L.J. Cornell International Law Journal CSR Corporate Social Responsibility DB Der Betrieb d.h. das heißt Doc. Document DR-CAFTA Dominican Republic-Central American Free Trade Agreement Duke J. Gender L. & Pol’y Duke Journal of Gender Law & Policy EBA-Programm Everything But Arms. Programm ECHR European Court of Human Rights ECOSOC Economic and Social Council, ECSR European Committee for Social Rights Europäischer Ausschuss für soziale Rechte EFTA Europäische Freihandelsassoziation (European Free Trade Association, EFTA) EG Europäische Gemeinschaft EGMR Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte EMRK Europäische Menschenrechtskonvention EPZ Export Processing Zone EPZA Export Processing Zone Authority EPZWAIRA Bangladesh EPZ Workers’ Associations and Industrial Relations Act
Abkürzungsverzeichnis
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ESC Europäische Sozialcharta EU Europäische Union Kommentar zum europäischen Arbeitsrecht EUArbR EuGH Europäischer Gerichtshof EuGRZ Europäische Grundrechtezeitschrift EU-GSP Das allgemeine Präferenzabkommen der EU EuR Zeitschrift Europarecht European Journal of International Law Eur. J. Int’l L. EuZA Europäische Zeitschrift für Arbeitsrecht EuZW Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht EVÜ Europäische Schuldvertragsübereinkommen Europäischer Wirtschaftsraum EWR Federal Reporter, 3rd Series F.3d F. Supp. Federal Supplement Federal Law Review Fed. L. Rev. Fn. Fußnote FS Festschrift Free Trade Agreement FTA GA Generalanwalt General Agreement on Trade in Services GATS General Agreement on Tarifs and Trade GATT gem. gemäß Georgetown Journal of Gender and the Law Geo. J. Gender & L. Georgetown Journal of International Law Geo. J. Int’L L. Geo. L.J. The Georgetown Law Journal Global Business Law Review Global Bus. L. Rev. GRCh Charta der Grundrechte der Europäischen Union Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht Interna GRUR Int tionaler Teil GSP General System of Preferences herrschende Meinung h.M. HRC Human Rights Council HRLR Human Rights Law Review Hrsg. Herausgeber Human Rights Law Review Hum. Rts. L. Rev. Hum. Rts. Q. Human Rights Quarterly I.L.M. International Legal Materials Internationales Arbeitsamt IAA Interamerikanischer Gerichtshof für Menschenrechte IAGMR Internationale Arbeitskonferenz IAK ICCPR International Covenant on Civil and Political Rights ICESCR International Covenant on Economic, Social and Cultural Rights ICFTU International Confederation of Free Trade Unions IEA Industrial Expansion Act (Mauritius) International Finance Corporation IFC IGH Internationaler Gerichtshof ILC International Labour Conference
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Abkürzungsverzeichnis
ILO International Labour Organization Indus. L.J Industrial Law Journal Int’l J. Comp. Lab. L. & Indus. Rel. International Journal of Comparative Labour Law and Industrial Relations Int’l Lab. Rev. International Labour Review IntlLabRev International Labour Review IOE International Organization of Employers IPbpR Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte IPRax Praxis des internationalen Privat- und Verfahrensrechts IPwskR Internationaler Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte Isr. L. Rev. Israel Law Review ITO International Trade Union ITUC International Trade Unions Confederation i.V.m. in Verbindung mit J. Int’l Crim. Just. Journal of International Criminal Justice J. Int’l L. & Pol. Journal of International Law and Politics JITLP The Estey Centre Journal of International Law and Trade Policy J. of Transnat’l L. & Pol’y Journal of Transnational Law and Policy J. Small & Emerging Bus. L. Journal of Small and Emerging Business Law J. Transnat’l L. & Pol’y Journal of Transnational Law & Policy JuS Juristische Schulung J. World Trade Journal of World Trade JZ Juristenzeitung KJ Kritische Justiz L. & Bus. Rev. Am. Law and Business Review of the Americas LAFTIZ Law on the Administration of Free-Trade Industrial Zones LDC Least Developed Countries LFT Ley Federal del Trabajo (Mexiko) lit. littera Max Planck UNYB Max Planck Yearbook of United Nations Law Melb. J. Int’l L. Melbourne Journal of International Law Mercosur Mercado Común del Sur Minn. J. Global Trade m.w.N. mit weiteren Nachweisen N.C. J. Int’L & Com. Reg. North Carolina Journal of International Law and Commercial Regulation North American Agreement on Labor Cooperation NAALC NAFTA North American Free Trade Agreement NAFTA Law & Bus. Rev. Am. NAFTA: Law and Business Review of the Americas NAO National Administration Office Neth. Q. Hum. Rts. Netherlands Quarterly of Human Rights n.F. neue Fassung NGO Non-Governmental Organization NJW Neue Juristische Wochenschrift
Abkürzungsverzeichnis
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NLC Nigeria Labour Congress No. Numero NUNW National Union of Namibian Workers NVwZ Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht Nw. Univ. J. Int’l Hum. Rts. Northwestern Journal of International Human Rights NYIL Netherlands Yearbook of International Law N.Y.U. L.Rev New York University Law Review Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht NZA NZG Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht NZS Neue Zeitschrift für Sozialrecht OAS Organization of American States OAU Organization of African Unity Overseas Private Investment Corporation OPIC RabelsZ Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht Recht der Arbeit RdA Revidierte Europäische Sozialcharta RESC RIW Recht der internationalen Wirtschaft RL Richtllinie Rs. Rechtssache Supreme Court Reporter S. Ct. Sing. L. Rev. Singapore Law Review sog. sogenannt Soziales Recht SR STEMCEM Sindicato de Trabajadores de la Empresa Manufacturera de Componentes Eléctricos de México Ständiger Internationaler Gerichtshof StIGH Sw. J. L. & Trade Am. Southwestern Journal of Law & Trade in the Americas Tex. L. Rev. Texas Law Review Transnat’l L. & Contemp. Probs. Transnational Law & Contemporary Problems TVG Tarifvertragsgesetz unter anderem u.a. UCL L. Rev. UCLA Law Review UNCTAD United Nations Conference on Trade and Development United Nations Official Document UN Doc. Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form der DisUN-Frauenrechtskonvention kriminierung der Frau United Nations Treaty Series UNTS U.S. United States Reports United States of America USA United States Code U.S.C. US-GSP United States General System of Preferences USTR United States Trade Representative Utrecht L. Rev. Utrecht Law Review Virginia Journal of International Law Va. J. Int’l L. VO Verordnung Wis. Women’s L.J. Wisconsin Women’s Law Journal Wm. & Mary Envtl. L. & Pol’y Rev William and Mary Environmental Law and Policy Review
32
World Econ. WRWC WTO WVK Yale J. Int’ L. Yale L.J. ZaöRV ZESAR ZEuP ZfA ZHR
Abkürzungsverzeichnis World Economy Workers’ Respresentation and Welfare Committees World Trade Organization Wiener Vertragsrechtskonvention Yale Journal of International Law Yale Law Journal Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht Zeitschrift für Europäisches Sozial- und Arbeitsrecht Zeitschrift für Europäisches Privatrecht Zeitschrift für Arbeitsrecht Zeitschrift für das gesamte Handels- und Wirtschaftsrecht
Einleitung A. Der Arbeitnehmer im liberalisierten Welthandel Über 400 bilaterale und multilaterale Freihandelsabkommen weltweit1 ermöglichen Arbeitgebern heute, frei darüber zu entscheiden, wo sie Waren produzieren oder Dienstleistungen in Auftrag geben. Der durch Freihandelsabkommen bewirkte Abbau tarifärer und nichttarifärer Handelshemmnisse hat im Zusammenspiel mit gesunkenen Transportkosten und der Entwicklung des Internets dazu geführt, dass Arbeitgeber sich im internationalen Wettbewerb nicht nur ihren Produktionsstandort, sondern auch ein bestimmtes nationales Arbeitsrecht aussuchen können 2. Die Auswirkungen der Liberalisierung des Welthandels auf die Arbeitnehmer und insbesondere ihre Arbeitsbedingungen sind vielschichtig: Eine der Arbeitgeberseite entsprechende freie Wahl des Standorts und damit, vorbehaltlich des Internationalen Privatrechts, der eigenen Arbeitsbedingungen eröffnet sich der Arbeitnehmerseite nur, wenn ein Freihandelssystem die Arbeitnehmerfreizügigkeit vorsieht. Diese erlaubt Arbeitnehmern, ein Arbeitsverhältnis mit einem in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassenen Arbeitgeber einzugehen und damit aktiv am Welthandel teilzunehmen. Weiterhin besteht die Möglichkeit, dass Arbeitnehmer sich zur Erbringung einer grenzüberschreitenden Dienstleistung oder zur Lieferung einer Ware vorübergehend in ein anderes Land begeben und dort tätig werden. Anders als im Fall der Arbeitnehmerfreizügigkeit gehen sie jedoch kein Arbeitsverhältnis mit einem Arbeitgeber im Bestimmungsland ein. Sie agieren lediglich grenzüberschreitend für ihren heimischen Arbeitgeber und kehren im Idealbild nach Erbringung der Dienstleistung bzw. nach Lieferung der Ware wieder in ihr Herkunftsland zurück. Voraussetzung für diese Formen der Entsendung von Arbeitnehmern ist ein Freihandelssystem mit Dienstleistungsfreiheit bzw. Warenverkehrsfreiheit, das die Möglichkeit einschließt, Arbeitnehmer zur Dienstleistungserbringung bzw. zur Warenlieferung zu entsenden. All diesen Konstellationen ist gemein, dass ein Arbeitnehmer sich auf Basis einer Grundfreiheit in einen anderen Staat begibt und dort tätig wird. Der Freihandel beeinflusst die Arbeitsbedingungen von Arbeitnehmern aber auch, wenn diese selbst keine Grenzen überschreiten. Arbeitsbedingungen sind im globalen Handel ein Wettbewerbsfaktor. Neben anderen Kriterien wie Produkti1 Vgl. die Angaben der Welthandelsorganisation (World Trade Organization, WTO) auf https://w ww.wto.org/english/tratop_e/region_e/region_e.htm. Eine Liste aller regionalen Freihandelsabkommen ist abrufbar unter: http://rtais.wto.org/UI/PublicAllRTAList.aspx (beides zuletzt überprüft am 8. 3. 2017). 2 Dazu Krebber, EuZA 2008, 141 f.
Einleitung
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vität, Verfügbarkeit von Kapital oder vorhandene Infrastruktur3, können die Arbeitskosten bei der Standortwahl eines Arbeitgebers entscheidend sein. Staaten befinden sich daher weltweit in einem Wettbewerb um die attraktivsten Arbeitsbedingungen4. In den Industriestaaten hat dies zum Phänomen der „Flexibilisierung des Arbeitsrechts“ geführt, in dessen Kontext Schutzstandards – insbesondere im Bereich des Kündigungsschutzes und der Löhne – oftmals zu Lasten der Arbeitnehmer gesenkt werden5. Zahlreiche Entwicklungsländer sind noch einen Schritt weiter gegangen: Sie haben bestimmte Zonen auf ihrem Staatsgebiet eingerichtet, in denen gar kein nationales Arbeitsrecht bzw. ein unternehmerfreundliches Sonderarbeitsrecht mit niedrigerem Schutzstandard Geltung beansprucht. In diesen sogenannten Freien Exportzonen6 werden ausschließlich für den Export bestimmte Waren produziert. Die Arbeitsbedingungen der dort beschäftigten Arbeitnehmer werden allein dadurch, dass sie ein für den Export bestimmtes Produkt herstellen, durch den liberalisierten Welthandel beeinflusst.
B. Ziel der Arbeit und Gang der Untersuchung Ziel dieser Arbeit ist es, Konstellationen zu untersuchen, in denen die Arbeitsbedingungen von Arbeitnehmern durch die Liberalisierung des Welthandels beeinflusst werden. Es werden zum einen verschiedene Formen der Freizügigkeit untersucht, d.h. Arbeitsformen, die durch ein grenzüberschreitendes Tätigwerden des Arbeitnehmers geprägt sind. Zum anderen werden die Arbeitsbedingungen von Arbeitnehmern in Freien Exportzonen näher betrachtet. In einem ersten Schritt wird jeweils aufgezeigt, worin die rechtlichen Grundlagen für die besondere Arbeitsform liegen und welche Auswirkungen die zugrundeliegenden Regelungen auf das maßgebliche Arbeitsrecht haben. Dabei soll insbesondere herausgearbeitet werden, welche dieser Arbeitsformen zur Folge haben, dass für vom Freihandel beeinflusste Arbeitnehmer andere Arbeitsbedingungen Geltung beanspruchen als für vergleichbare Arbeitnehmer am selben Ort. Die herausgearbeiteten Konstellationen werden anschließend systematisiert und bestimmten Typen zugeordnet, die repräsentativ für die geschilderten Beispiele stehen. Dabei wird eine Eingrenzung hinsichtlich der betroffenen Arbeitsbedingungen vorgenommen und für jeden Typ ein charakteristisches Land gewählt. In einem zweiten Schritt soll betrachtet werden, mit welchen rechtlichen Mitteln den Auswirkungen des Freihandels auf die Arbeitsbedingungen Grenzen gesetzt werden. Die hier thematisierten Arbeitsformen finden ihre rechtliche Gestattung entweder im supranationalen oder im nationalen Recht. Im ersten Fall ist ohne weiteres ersichtlich, dass Schranken ebenfalls im supranationalen Recht zu suchen 3
Meng, in: Benvenisti/Nolte, The Welfare State, S. 371, 375. Scherrer, WSI-Mitteilungen 1995, 712, 715. 5 Auf die Flexibilisierung des Arbeitsrechts soll hier nicht weiter eingegangen werden. 6 Zum Begriff siehe unten 3. Kap. A. II. 1. 4
C. Stand der Forschung
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sind. Aber auch im Falle einer nationalen Erlaubnis erscheint es vorzugswürdig, Schranken auf zwischenstaatlicher Ebene zu suchen. Der Nationalstaat hat sich hier entschieden, das Schutzniveau des nationalen Arbeitsrechts zu senken, um im weltweiten Handel konkurrenzfähig zu sein. Eine effiziente Gegensteuerung muss sich auch hier aus internationalem Recht ergeben, denn nur Mechanismen auf dieser Ebene sind dazu geeignet, einen gewissen Schutzstandard für alle Staaten verbindlich zu machen und damit dem weltweiten Kostenwettbewerb zu entziehen. Dementsprechend konzentriert sich diese Arbeit bei der Frage nach rechtlichen Schranken der besonderen Arbeitsformen auf Mechanismen im zwischenstaatlichen Recht. Unilaterale Maßnahmen, die das Ziel verfolgen, Arbeitsrechtsstandards auf supranationaler Ebene durchzusetzen, werden nicht thematisiert7. Zudem beschränkt sich die Arbeit auf rechtlich verbindliche Normen. Völkerrechtlich unverbindliche Maßnahmen gegenüber Unternehmen8 bleiben genauso wie private Initiativen der Corporate Social Responsibility9 und gewerkschaftlich initiierte Maßnahmen10 außer Betracht.
C. Stand der Forschung Die Formen der Freizügigkeit von Arbeitnehmern in der EU wurden hinsichtlich ihrer rechtlichen Grundlagen sowie der unionsrechtlichen Schranken wissenschaftlich breit beleuchtet. Die Frage, welche Grenzen der Freizügigkeit innerhalb der EU mit den Mitteln des Völkerrechts gezogen werden können, wurde erst in jüngster Zeit verstärkt gestellt und gewinnt insbesondere vor dem Hintergrund einer zunehmenden Kritik der Überwachungsausschüsse völkerarbeitsrechtlicher Abkommen an der unionsrechtlichen Entsendung an Bedeutung. Demgegenüber werden die Möglichkeiten der Arbeitnehmermobilität in anderen Freihandelszonen nicht nur in der deutschen rechtswissenschaftlichen Literatur, sondern auch in der internationalen Literatur wenig thematisiert. 7 Diesen Ansatz verfolgt aktuell z.B. der Modern Slavery Act 2015, der die Ausbeutung in der Lieferkette bekämpfen will, dazu Doris/Zimmer, BB 2015, 181 ff. 8 Z.B. OECD-Verhaltensleitlinien für Multinationale Unternehmen, abgedruckt in ZGR 1978, 156 ff.; die Dreigliedrige Grundsatzerklärung über Multinationale Unternehmen und Sozialpolitik der ILO, Abdruck der ursprünglichen Fassung in RdA 1978, 253 ff. oder der Global Compact, www.unglobalcompact.org (zuletzt überprüft am 8. 3. 2017). Einen Überblick über unverbindliche Maßnahmen gegenüber Unternehmen gibt Felkl, Rechtliche Bedeutung der Internationalen Rahmenvereinbarungen, S. 32 ff. 9 Zu Modellen der Corporate Social Responsibility findet sich eine Vielzahl von Veröffentlichungen. Zu den hier untersuchten Ländern z.B. Rahim, 41 Comm. L. World. Rev. 97 (2012) (Wirkung von Corporate Social Responsibility-Maßnahmen in Bangladesch); Barenberg, in: Estlund/Bercusson (Hrsg.), Regulating Labour in the Wake of Globalisation, S. 37 ff. (zu Corporate Social Responsibility-Maßnahmen in Mexiko). 10 Dazu Felkl, Rechtliche Bedeutung der Internationalen Rahmenvereinbarungen und Krause, 33 Comp. Lab. L. & Pol’y J.749 (2012).
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Einleitung
Zu den Arbeitsbedingungen in Freien Exportzonen finden sich zahlreiche Veröffentlichungen in der US-amerikanischen Literatur. Diese beschränken sich jedoch häufig auf eine Beschreibung der tatsächlichen Situation in den Zonenunternehmen. Die rechtliche Grundlage für eine unterschiedliche Behandlung der Zonenarbeitnehmer bleibt offen. Die vorliegende Arbeit will in diesem Punkt durch die Auswertung der in den Zonen anwendbaren Gesetze einen Beitrag zur besseren rechtlichen Einordnung der Arbeitsbedingungen in Freien Exportzonen leisten. Die Möglichkeiten, dem nationalen Arbeitsrecht mit Mitteln des supranationalen Rechts auch in den Zonen zur Anwendung zu verhelfen, werden häufig nur in Bezug auf einzelne Mittel oder bestimmte Arbeitsbedingungen betrachtet. Im Vordergrund stehen ganz überwiegend private Mechanismen der Corporate Social Responsibility. Eine umfassende Untersuchung der Vereinbarkeit des Arbeitsrechts der Freien Exportzonen mit völkerrechtlichen Normen fehlt. Ferner wurden, soweit ersichtlich, die beiden Elemente – Freizügigkeit und Freie Exportzonen – bislang nicht in Zusammenhang gesetzt. Diese Arbeit will die verschiedenen Arbeitsformen aufgrund ihres gemeinsamen Ursprungs in der Liberalisierung des Welthandels sowohl hinsichtlich ihrer rechtlichen Grundlagen als auch ihrer Schranken gemeinsam analysieren.
1. Kapitel
Arbeitsformen im liberalisierten Welthandel 1. Kap.: Arbeitsformen im liberalisierten Welthandel
A. Einführung In diesem Kapitel soll aufgezeigt werden, welche Formen von Beschäftigung im liberalisierten Welthandel grundsätzlich denkbar sind. Dabei werden die in der Einleitung skizzierten drei Konstellationen aufgegriffen, in welchen Arbeitsverhältnisse vom liberalisierten Welthandel beeinflusst werden können: Zunächst die aktive Teilnahme des Arbeitnehmers am Freihandel durch selbständige Überschreitung einer Grenze, um in einem anderen Staat ein Arbeitsverhältnis einzugehen (Arbeitnehmerfreizügigkeit). Zweitens die mittelbare Beeinflussung der Arbeitsbedingungen, wenn Arbeitnehmer im Rahmen der grenzüberschreitenden Erbringung einer Dienstleistung oder Warenlieferung von ihrem Arbeitgeber entsandt werden (Arbeitnehmerentsendung). Beide Formen kennzeichnet ein grenzüberschreitendes Tätigwerden des Arbeitnehmers. Als Oberbegriff für diese beiden Formen wird im Folgenden der Begriff der Freizügigkeit verwendet. Drittens können die Arbeitsverhältnisse von Arbeitnehmern allein deswegen eine besondere Behandlung erfahren, weil diese Arbeitnehmer ein Produkt herstellen, das für den Export bestimmt ist (Arbeit in Freien Exportzonen)1. Im Unterschied zu den ersten beiden Fällen verbleibt der Arbeitnehmer in seinem Herkunftsland. Innerhalb dieser drei Kategorien sind zahlreiche verschiedene Ausprägungen denkbar. Dieses Kapitel dient daher der Eingrenzung des Untersuchungsgegenstandes, indem ein Versuch der genaueren Definition der drei Arbeitsformen unternommen wird.
1 Denkbar ist diese Form selbstverständlich auch, wenn die Zonenarbeitnehmer nicht produzierend tätig werden, sondern eine grenzüberschreitende Dienstleistung erbringen. Es existieren Sonderwirtschaftszonen mit Unternehmen, die Dienstleistungen erbringen. Die arbeitsrechtlichen Phänomene finden sich jedoch, soweit ersichtlich, vor allem in den Freien Exportzonen, die auf die Produktion und den Export von Waren ausgerichtet sind.
1. Kap.: Arbeitsformen im liberalisierten Welthandel
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B. Eingrenzung der möglichen Arbeitsformen im liberalisierten Welthandel I. Formen der Freizügigkeit von Arbeitnehmern 1. Die Arbeitnehmerfreizügigkeit Die unmittelbarste Form der Teilnahme am Welthandel besteht für einen Arbeitnehmer darin, sich in einen anderen Staat zu begeben, um eine Beschäftigung bei einem dort niedergelassenen Arbeitgeber aufzunehmen. Er trifft – ähnlich wie viele Arbeitgeber für ihr Unternehmen – eine Standortentscheidung für seine Person 2. Entsprechend des Verständnisses des Unionsrechts (Art. 45 AEUV), wird die auf Dauer angelegte Tätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat durch Eingehen eines Beschäftigungsverhältnisses mit einem dort niedergelassenen Arbeitgeber im Folgenden als Arbeitnehmerfreizügigkeit bezeichnet. 2. Die Arbeitnehmerentsendung a) Begriff der Entsendung aa) Notwendigkeit einer Eingrenzung des Entsendebegriffs Im Gegensatz zur Arbeitnehmerfreizügigkeit ist der Begriff der Arbeitnehmerentsendung weniger klar definiert3. Häufig wird unter diese Bezeichnung jeder Fall gefasst, bei dem ein Unternehmen einen Mitarbeiter auf Grundlage eines mit dem Unternehmen bestehenden Vertrages vorübergehend in ein anderes Land schickt, damit er dort tätig wird4. Maßgebliches Abgrenzungskriterium zur Arbeitnehmerfreizügigkeit ist bei diesem sehr weiten Verständnis zum einen das Merkmal des nur „vorübergehenden“ Tätigwerdens in einem anderen Land; zum anderen unterscheidet sich die Entsendung von der Arbeitnehmerfreizügigkeit durch die bestehende vertragliche Beziehung (nicht zwingend arbeitsrechtlicher Art) zum entsendenden Unternehmen im Herkunftsland. Für die Untersuchung der rechtlichen Grundlagen und Schranken von möglichen Entsendekonstellationen ist es notwendig, genauer zu differenzieren. Die vorliegende Arbeit konzentriert sich auf Formen abhängiger Beschäftigung, demnach scheiden alle Situationen aus, in denen ein selbständig tätiger, freier Mitarbeiter auf Basis einer durch ein Freihandelssystem gestatteten Dienstleistungsfreiheit in einem anderen Staat tätig wird. Im Folgenden soll herausgearbeitet werden, in welchen Formen ein abhängig Beschäftigter in einen anderen Staat entsandt werden kann.
2
Krebber, EuZA 2008, 141, 142. auch Borgmann, Die Entsendung von Arbeitnehmern in der Europäischen Gemeinschaft, S. 3 ff. 4 EUArbR/Rebhahn, Art. 56 AEUV Rn. 2. 3 Vgl.
B. Eingrenzung der möglichen Arbeitsformen im liberalisierten Welthandel
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bb) Anhaltspunkt Unionsrecht Die Arbeitnehmerentsendung ist Gegenstand zahlreicher Rechtsakte5 und Urteile6 im Recht der Europäischen Union. An einer einheitlichen europarechtlichen Definition mangelt es jedoch7. Weder in der Literatur8 noch in den Rechtsakten wird der Entsendebegriff einheitlich verwendet9. Dennoch kann das Unionsrecht als Orientierungshilfe für eine genauere Eingrenzung der Thematik dienen. Hilfreicher Anhaltspunkt für eine Strukturierung von Entsendesituationen ist Art. 1 Entsenderichtlinie. Dieser beschreibt die europarechtliche Entsendung als eine Maßnahme, bei der ein Unternehmen im Rahmen einer länderübergreifenden Erbringung von Dienstleistungen Arbeitnehmer in das Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats entsendet. Abs. 3 legt sodann fest, welche Konstellationen die Richtlinie erfasst: Die Entsendung im Rahmen eines Vertrags zwischen dem Unternehmen und dem Dienstleistungsempfänger (lit. a), die Entsendung in eine Niederlassung oder in ein der Unternehmensgruppe angehörendes Unternehmen (lit. b) und die grenzüberschreitende Arbeitnehmerüberlassung (lit. c). Die Entsenderichtlinie beschreibt damit drei mögliche Formen von Arbeitnehmerentsendung zur Erbringung einer Dienstleistung10. Daneben sind aber auch andere Formen der
5 Allen voran ist hier die Entsenderichtlinie 96/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. 12. 1996 über die Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen, ABlEG 1996 Nr. L 18/1 zu nennen (zu der geplanten Überarbeitung der Richtlinie, vgl. COM[2016] 128 final). Der Begriff der Entsendung findet sich darüber hinaus z.B. in Art. 8 VO (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. 6. 2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom I), ABlEU 2008 Nr. L 177/6 und in Art. 12 I der sozialrechtlichen KoordinierungsVO (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. 4. 2004, ABlEU 2004 Nr. L 166/1. 6 Vgl. z.B. EuGH v. 3. 2. 1982, Rs. 62 und 63/81, Slg. 1982, 223 (Seco); EuGH v. 12. 7. 1984, Rs. 237/83, Slg. 1984, 3153 (Manpower), Rn. 13; EuGH v. 27. 3. 1990, Rs. C-113/89, Slg. 1990, I-1417 (Rush Portuguesa); EuGH v. 9. 8. 1994, Rs. C-43/93, Slg. 1994, I-3803 (Vander Elst); EuGH v. 18. 12. 2007, Rs. C-341/05, Slg. 2007, I-11767 (Laval). 7 Kruse, Entsendung von Arbeitnehmern, S. 71. 8 Bspw. versteht Selmayr, ZfA 1996, 615, 618, unter Entsendung „das vorübergehende Tätigwerden von Arbeitnehmern im Hoheitsgebiet eines Staates (des Gastlandes), der nicht gleichzeitig der Staat ist, in dessen Hoheitsgebiet sie normalerweise arbeiten (Herkunftsland)“. Kort, NZA 2002, 1248, 1249, stellt darauf ab, ob ein Arbeitnehmer als Erfüllungsgehilfe bei der Erbringung einer Dienst- oder Werkleistung durch seinen Arbeitgeber auf Basis eines Vertrags mit einem Dritten tätig wird. Joussen, NZS 2003, 19, 22, definiert im Rahmen der sozialrechtlichen KoordinierungsVO die Entsendung als „eine durch den Arbeitgeber veranlasste und in seinem Interesse erfolgte Ortsveränderung“. EUArbR/Krebber, Art. 3, 8 VO 593/2008/EG, Rn. 51, beschreibt die Entsendung als den vorübergehenden Einsatz eines Arbeitnehmers in einem anderen Mitgliedstaat. 9 Vgl. EUArbR/Rebhahn, Art. 56 AEUV Rn. 2. 10 Vertiefend Rocca, Posting of Workers and Collective Labour Law, S. 2 f.
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1. Kap.: Arbeitsformen im liberalisierten Welthandel
Entsendung im Zusammenhang mit der Dienstleistungserbringung sowie Arbeitnehmerentsendungen zur Begleitung der Warenverkehrsfreiheit vorstellbar. b) Die Entsendung von Arbeitnehmern zur Erbringung einer Dienstleistung aa) Die Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen eines Vertrags zwischen dem Unternehmen und dem Dienstleistungsempfänger Art. 1 Abs. 3 lit. a Entsenderichtlinie schildert den klassischen Fall der Arbeitnehmerentsendung11: Ein Unternehmer entsendet einen Arbeitnehmer in seinem Namen und unter seiner Leitung in das Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats im Rahmen eines Vertrags, der zwischen dem entsendenden Unternehmen und dem in diesem Mitgliedstaat tätigen Dienstleistungsempfänger geschlossen wurde. Dabei besteht für die Dauer der Entsendung ein Arbeitsverhältnis zwischen dem entsendenden Unternehmen und dem Arbeitnehmer. bb) Die Entsendung von Arbeitnehmern in eine Niederlassung oder in ein der Unternehmensgruppe angehörendes Unternehmen Weiterhin erfasst die Richtlinie die in der Praxis verbreitete Situation der konzerninternen Entsendung12, bei der ein Arbeitnehmer in eine Niederlassung oder ein der Unternehmensgruppe angehörendes Unternehmen im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats entsandt wird. Auch hier muss für die Dauer der Entsendung ein Arbeitsverhältnis zwischen dem entsendenden Unternehmen und dem Arbeitnehmer bestehen (Art. 1 Abs. 3 lit. b EntsendeRL). cc) Die Entsendung von Arbeitnehmern durch ein Leiharbeitsunternehmen in ein verwendendes Unternehmen Der dritte Anwendungsfall der Entsenderichtlinie ist die grenzüberschreitende Arbeitnehmerüberlassung. Gemäß Art. 1 Abs. 3 lit. c der Richtlinie liegt diese vor, wenn ein Leiharbeitsunternehmen einen Arbeitnehmer in ein verwendendes Unternehmen entsendet, das seinen Sitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat oder dort seine Tätigkeit ausübt. Hier ist ebenfalls Voraussetzung, dass für die Dauer der Entsendung ein Arbeitsverhältnis zwischen dem Leiharbeitsunternehmen oder dem einen Arbeitnehmer zur Verfügung stellenden Unternehmen und dem Arbeitnehmer besteht.
11 EuArbR/Windisch-Graetz, RL 96/71/EG, Rn. 50 ff., bezeichnet diese Form als „Dienstleistungsentsendung“. Däubler, EuZW 1997, 613, spricht von der „eigentlichen“ Entsendung. Spieler, EuZA 2012, 168, 169, kennzeichnet diese Konstruktion als „Grundfall“. 12 So bezeichnet auch von Däubler, EuZW 1997, 613; Krebber, IPrax 2001, 22, 24.
B. Eingrenzung der möglichen Arbeitsformen im liberalisierten Welthandel
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dd) Weitere Formen der Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Dienstleistungsfreiheit Neben diesen von der Entsenderichtlinie genannten Formen sind weitere Situationen denkbar, in denen die grenzüberschreitende Erbringung einer Dienstleistung mit der Entsendung von Arbeitnehmern verbunden wird. Zum Beispiel kann die Dienstleistung von einem entsandten Arbeitnehmer aus Land A in Land B an eine Person aus Land A erbracht (z.B. mitreisender Reiseführer) werden. Oder der entsandte Arbeitnehmer kann die Dienstleistung ausschließlich für seinen im Herkunftsland verbliebenen Arbeitgeber erbringen (z.B. ein Auslandskorrespondent)13. c) Die Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Warenverkehrsfreiheit Auch im Zusammenhang mit der Warenverkehrsfreiheit ist eine Entsendung im weiteren Sinne vorstellbar. Ein Unternehmer kann sich zur Lieferung von Waren in einen anderen Mitgliedstaat seines eigenen Personals bedienen. Als Nebenleistung sind solche Tätigkeiten nach den für die Hauptleistung geltenden Regeln, demnach nach den Vorschriften zur Warenverkehrsfreiheit zu beurteilen14. Dem Unternehmer steht hier ein aus der Warenverkehrsfreiheit abgeleitetes Entsenderecht zu15. d) Eingrenzung des Untersuchungsgegenstandes Die Arbeitnehmerentsendung ist facettenreich und in zahlreichen Konstellationen denkbar, von denen hier nur einige angerissen wurden. Die vorliegende Untersuchung hat zum Ziel, die Formen der Entsendung zu untersuchen, die arbeitsrechtlich von besonderem Interesse sind. Hier ist zum einen die klassische Dienstleistungsentsendung zu nennen, da diese typischerweise in Branchen genutzt wird, in welchen die Lohnkosten eine maßgebliche Rolle spielen. Ermöglicht ein Freihandelssystem die Dienstleistungsentsendung, kann z.B. ein Bauunternehmer aus einem Niedriglohnland eine Baudienstleistung in einem Hochlohnland erbringen und hierzu seine Arbeitnehmer mitnehmen. Entscheidend ist dabei, ob die Arbeitsbedingungen des Herkunftslandes oder die des Bestimmungslandes Anwendung beanspruchen. Nicht minder relevant ist das maßgebliche Arbeitsrecht in Fällen der grenzüberschreitenden Arbeitnehmerüberlassung. Dabei handelt es sich häufig um Branchen, in denen die Arbeitskosten eine nicht unerhebliche Rolle spielen. Dagegen sind konzerninterne Entsendungen üblicherweise von geringerer Relevanz für dieses Thema. In diesen Konstellationen werden zumeist Führungskräfte oder andere hochqualifizierte Personen entsandt, wobei deren Arbeitsbedingungen in verschiedenen Staaten und insbesondere innerhalb eines Konzerns nicht entscheidend voneinander abweichen. Zudem wird in diesen Konstellatio13
Zu diesen Beispielen EUArbR/Rebhahn, Art. 56 AEUV Rn. 2. Birk, in: FS Wissmann, S. 523, 533. 15 Birk, in: FS Wissmann, S. 523, 534. 14
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1. Kap.: Arbeitsformen im liberalisierten Welthandel
nen ohnehin oftmals ein Arbeitsverhältnis mit der ausländischen Konzerntochter geschlossen16. Auch die weiteren Beispiele von Entsendungen im Zusammenhang mit Dienstleistungserbringungen und Warenlieferungen bieten kein größeres arbeitsrechtliches Konfliktpotential. Die vorliegende Untersuchung konzentriert sich daher auf die Entsendesituation, wie sie in Art. 1 Abs. 3 lit. a (Dienstleistungsentsendung) definiert ist. Als Unterfall der Dienstleistungsentsendung wird die in lit. c beschriebene grenzüberschreitende Arbeitnehmerüberlassung im Folgenden nicht gesondert behandelt.
II. Formen der Arbeit in Freien Exportzonen Verbleibt ein Arbeitnehmer in seinem Heimatstaat und nimmt nicht selbst aktiv oder jedenfalls mittelbar über die Ausübung einer Grundfreiheit durch seinen Arbeitgeber am Freihandel teil, ist zunächst nicht ersichtlich, inwiefern seine Arbeitsbedingungen beeinflusst werden können. Wie bereits aufgezeigt, hat jedoch eine Vielzahl von Staaten auf den, durch den Freihandel ermöglichten, weltweiten Kostenwettbewerb mit einer Absenkung der nationalen Arbeitsrechtsstandards reagiert. Geschieht dies in der Weise, nach der lediglich für solche Arbeitnehmer andere Arbeitsbedingungen maßgeblich sind, die ein für den Export bestimmtes Produkt herstellen, werden deren Arbeitsverhältnisse jedenfalls mittelbar durch den liberalisierten Welthandel beeinflusst. Daher wird auch die Beschäftigung in solchen Freien Exportzonen untersucht, in denen eine Absenkung des arbeitsrechtlichen Schutzniveaus im Vergleich zu Unternehmen außerhalb der besonderen Zonen stattgefunden hat. Diese vierte Arbeitsform wird als Arbeit in Freien Exportzonen bezeichnet.
III. Zwischenergebnis Der Untersuchungsgegenstand wurde in diesem Abschnitt begrenzt auf folgende Arbeitsformen: Unter dem Oberbegriff der Freizügigkeit werden die Arbeitnehmerfreizügigkeit entsprechend des Art. 45 AEUV sowie die klassische Arbeitnehmerentsendung (Art. 1 Abs. 3 lit. a EntsendeRL) untersucht. Als dritte Form wird die Arbeit in Freien Exportzonen thematisiert.
C. Rechtliche Realisierung der ausgewählten Arbeitsformen I. Erforderlichkeit einer weiteren Begrenzung des Untersuchungsgegenstandes In einem zweiten Schritt sind die soeben herausgearbeiteten Arbeitsformen hinsichtlich ihrer Rechtsgrundlagen einzugrenzen. Sowohl für Formen der Frei16 EUArbR/Krebber,
Art. 3, 8 VO 593/2008/EG, Rn. 52.
C. Rechtliche Realisierung der ausgewählten Arbeitsformen
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zügigkeit als auch der Arbeit in Freien Exportzonen ist eine Gestattung im supranationalen sowie im nationalen Recht theoretisch denkbar. Diese Arbeit untersucht jedoch lediglich solche Arbeitsformen, die ihre Ursache in der Liberalisierung des Welthandels haben. Daher soll im Folgenden herausgearbeitet werden, welche Gestattungen der definierten Arbeitsformen im nationalen und supranationalen Recht existieren und inwiefern diese Regelungen auf die Liberalisierung des Welthandels zurückzuführen sind.
II. Formen der Freizügigkeit von Arbeitnehmern Das grenzüberschreitende Tätigwerden von Arbeitnehmern, sei es in Form der Arbeitnehmerfreizügigkeit oder einer Form der Entsendung, kann zunächst auf multilateraler oder bilateraler Ebene im Rahmen eines Freihandelsabkommens ermöglicht werden. Die genauere Ausgestaltung bleibt den Vertragsparteien überlassen. Ferner ist einzelstaatliches Handeln möglich. Ein Staat kann im Wege einer unilateralen Maßnahme bestimmten Arbeitnehmern Zugang zum eigenen Arbeitsmarkt einräumen. Beispielsweise erlaubt Kanada seit dem Jahr 2001 auf Basis eines nationalen Gesetzes ausländischen Arbeitnehmern aus Ländern wie China, Portugal, Ukraine, Argentinien und Bosnien-Herzegowina für ein Jahr nach Toronto einzureisen, um dort in der Baubranche tätig zu werden17. Die Umsetzung solcher Gesetze zur Öffnung des Arbeitsmarktes erfolgt über die nationale Einwanderungsgesetzgebung und hat hauptsächlich aufenthaltsrechtlichen Gehalt. Die agierenden Staaten nutzen hier keine ihnen gewährleisteten Marktfreiheiten. Dieses Vorgehen hängt demnach nicht von der Existenz eines freien Welthandels ab.
III. Formen der Arbeit in Freien Exportzonen In Freien Exportzonen werden bestimmte Anreize gesetzt, um Investoren zur Produktion im jeweiligen Land zu bewegen. Diese Anreize bestehen häufig in einer Herabsetzung nationaler Arbeitsrechtsstandards. Eine solche Herabsetzung kann mit rein nationalen Mitteln erfolgen. Denkbar wäre darüber hinaus, dass multilaterale oder bilaterale Freihandelsabkommen die Etablierung Freier Exportzonen erlauben und damit eine supranationale Ermächtigungsgrundlage bereitstellen. Das WTO-Recht gestattet keine Freien Exportzonen. Auch andere Freihandelsabkommen lassen, soweit ersichtlich, keine solchen Zonen zu. Es ist sogar fraglich, ob die in Freien Exportzonen gesetzten Anreize nicht unzulässige Exportsubventionen unter dem WTO-Recht darstellen18. Eine supranationale Erlaubnis der Absenkung nationaler Arbeitsrechtsstandards in bestimmten Zonen existiert folglich
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Blouin, 39 J. World Trade 881, 888 ff. (2005). Madani, A Review of the Role and Impact of EPZ, S. 61 f.; McCallum, EPZ: Comparative Data from China, Honduras, Nicaragua and South Africa, S. 3. 18 Vertiefend
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1. Kap.: Arbeitsformen im liberalisierten Welthandel
nicht. Nachfolgend werden daher ausschließlich durch nationale Gesetzgebung eingeräumte arbeitsrechtliche Freiräume in Freien Exportzonen untersucht.
D. Ergebnis In diesem Kapitel wurden folgende besondere Arbeitsformen im liberalisierten Welthandel zur weiteren Untersuchung herausgearbeitet: Erstens die Arbeitnehmerfreizügigkeit, für deren Ausübung charakteristisch ist, dass sich ein Arbeitnehmer in einen anderen Staat begibt, wo er ein Arbeitsverhältnis mit einem dort ansässigen Arbeitgeber eingeht. Zweitens die Arbeitnehmerentsendung dergestalt, dass ein Arbeitnehmer auf Grundlage eines in seinem Herkunftsstaat bestehenden Arbeitsvertrags von seinem Arbeitgeber vorübergehend zur Erbringung einer Dienstleistung in einen anderen Staat geschickt wird. Diese beiden Formen der Freizügigkeit können durch nationales sowie supranationales Recht gestattet werden. Da Ziel dieser Arbeit die Untersuchung der besonderen Arbeitsformen ist, die durch die Liberalisierung des Welthandels entstanden sind, konzentriert sich die Arbeit auf supranationale Ermächtigungen. Neben den Formen der Freizügigkeit wird sich die Arbeit den Arbeitsbedingungen in Freien Exportzonen widmen. Hier findet sich die Gestattung der besonderen Arbeitsbedingungen im nationalen Recht als Reaktion auf die durch die Liberalisierung des Welthandels ermöglichte weltweite Warenproduktion.
2. Kapitel
Rechtliche Grundlagen und Schranken der Freizügigkeit 2. Kap.: Rechtliche Grundlagen und Schranken der Freizügigkeit
A. Rechtliche Grundlagen der Freizügigkeit I. Vorgehen Im ersten Kapitel wurden zwei Formen der Freizügigkeit definiert, die im Zuge der Liberalisierung des Welthandels entstanden sind und Gegenstand der weiteren Untersuchung sein sollen: Die Arbeitnehmerfreizügigkeit und die Arbeitnehmer entsendung. Im Folgenden werden Grundlagen im supranationalen Recht für die Gestattung dieser drei Arbeitsformen gesucht, zunächst in multilateralen völkerrechtlichen Verträgen, anschließend in völkerrechtlichen Verträgen der regionalen Wirtschaftsintegration.
II. Freizügigkeit im Recht der UN und im Recht der ILO Das Recht der Arbeitnehmer, sich zur Arbeitssuche in ein anderes Land zu begeben, könnte als Menschenrecht Eingang in Übereinkommen der Vereinten Nationen (United Nations, UN) oder der ILO gefunden haben. Ein Blick in die Übereinkommen zum Schutz von Wanderarbeitnehmern zeigt jedoch, dass diese maßgeblich dem Schutz bereits legal eingereister Wanderarbeitnehmer vor Diskriminierungen dienen1. Allenfalls wird das Recht der Arbeitnehmer, ihren Herkunftsstaat zu jeder Zeit zu verlassen völkerrechtlich garantiert2. Damit korrespondiert jedoch keine Pflicht der Vertragsstaaten, Arbeitnehmer aufzunehmen3. Aus menschenrechtlich motivierten völkerrechtlichen Abkommen ergibt sich folglich kein Recht, in einem anderen Staat tätig zu werden4. 1 Art. 8 Abs. 1 Konvention zum Schutz der Rechte aller Wanderarbeitnehmer und ihrer Familienmitglieder (UN-Wanderarbeitnehmerkonvention, International Convention on the Protection of the Rights of All Migrant Workers and Members of their Families, ICRMW) vom 18. 12. 1990, 2220 UNTS 3. Ebenso ILO-Übereinkommen Nr. 97 über Wanderarbeitnehmer vom 1. 7. 1949 und ILO-Übereinkommen Nr. 143 bezüglich der Missbräuche bei Arbeitsmigrationen und der Förderung der Chancengleichheit und Gleichbehandlung von Wanderarbeitnehmern vom 24. 6. 1975. 2 Siehe z.B. Art. 12 IPbpR. 3 Dazu Fuchs, Ausländerbeschäftigung, S. 7. 4 Die Idee der Freizügigkeit als Grund- oder Menschenrecht findet sich allerdings in Art. 15 Charta der Grundrechte der Europäischen Union v. 18. 12. 2000, AblEG 2000 Nr. C 364/1 (GRCh). Dieser gewährleistet allen Unionsbürgern die Freiheit, in jedem Mitglied-
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2. Kap.: Rechtliche Grundlagen und Schranken der Freizügigkeit
III. Freizügigkeit im Welthandelsrecht Supranationale Gestattungen der Freizügigkeit könnten sich jedoch aus völkerrechtlichen Übereinkommen zum Abbau von Marktzugangsschranken ergeben. Als Übereinkommen mit weltweiter Verbreitungstendenz bieten die Abkommen der Welthandelsorganisation (World Trade Organization, WTO) die Möglichkeit, Freizügigkeit global zu erlauben. Die Zulässigkeit von Arbeitnehmermobilität könnte sich dabei aus dem Allgemeinen Dienstleistungsabkommen (General Agreement on Trade in Services, GATS)5 ergeben, mit welchem seit Abschluss der Uruguay-Runde im Jahr 1995 erstmals in einem multilateralen Übereinkommen der Handel mit Dienstleistungen liberalisiert wurde6. Eine Liberalisierung der Freizügigkeit von Arbeitnehmern, losgelöst von der Erbringung einer Dienstleistung, ist demgegenüber bislang auf weltweiter Ebene nicht erfolgt und erscheint auch momentan undenkbar7. 1. Die vier Formen der Dienstleistungserbringung im GATS Aus Art. I:2 GATS ergeben sich vier verschiedenen Formen der Dienstleistungserbringung8. Möglich ist gemäß Art. I:2(a) GATS erstens „die Erbringung einer Dienstleistung aus dem Hoheitsgebiet eines Mitglieds in das Hoheitsgebiet eines anderen Mitglieds“ (sog. Mode 1). Kennzeichnend ist in dieser Situation, dass gerade keine Person die Grenze überschreitet, sondern nur die Dienstleistung – ähnlich einer Ware – übermittelt wird. Beispiele sind Telekommunikationsdienstleistungen oder die Versendung eines anwaltlichen Gutachtens9. In der zweiten Form der Dienstleistungserbringung „im Hoheitsgebiet eines Mitglieds an den Dienstleistungsnutzer eines anderen Mitglieds“, begibt sich lediglich der Kunde in einen anderen Mitgliedstaat, nämlich in den Staat des Dienstleistungserbringers, Art. I:2(b) GATS – insbesondere bei touristischen Dienstleistungen (sog. Mode 2).
staat Arbeit zu suchen und zu arbeiten. Art. 15 GRCh ist jedoch vor dem Hintergrund des Art. 45 AEUV zu sehen und bietet keinen weitergehenden Schutz. 5 Allgemeines Abkommen über den Handel mit Dienstleistungen (General Agreement on Trade in Services) v. 22. 12. 1994, abgedruckt in Benedek, Die Welthandelsorganisation (WTO), 1998, S. 387 ff. 6 F. Weiss, 32 CML Rev. 1177, 1178 (1995). Vertiefend zum geschichtlichen Hintergrund des GATS Köhler, Das GATS, S. 53 ff. 7 Zur Bedeutung der engen Definition des Dienstleistungsbegriffs im GATS, um den Faktor Arbeit nicht uneingeschränkt zu liberalisieren, da es sich hier um den „politisch explosiven Bereich der Einwanderungspolitik“ handelt, Ipsen/Haltern, Reform des Welthandelssystems, S. 85. 8 Einen ausführlichen Überblick über die vier Erbringungsformen gibt f. Weiss, 32 CML Rev. 1177, 1191 ff. (1995). 9 Herrmann/Weiß/Ohler, Welthandelsrecht, § 18 Rn. 842.
A. Rechtliche Grundlagen der Freizügigkeit
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Die dritte Form ermöglicht die Dienstleistungserbringung „mittels kommerzieller Präsenz im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats“, Art. I:2(c) GATS (sog. Mode 3). Auf Basis dieser dritten Modalität können Niederlassungen durch den Dienstleistungserbringer in einem anderen Mitgliedstaat errichtet werden. Die vierte und letzte mögliche Form ist die Erbringung einer Dienstleistung „mittels Präsenz natürlicher Personen eines Mitglieds im Hoheitsgebiet eines anderen Mitglieds“, Art. I:2(d) GATS (sog. Mode 4). Diese Form der Dienstleistungserbringung erlaubt folglich die Grenzüberschreitung durch eine natürliche Person zur Erbringung einer Dienstleistung und ist daher als potenzieller Anhaltspunkt für eine Form der Freizügigkeit zu sehen. 2. Dienstleistungserbringung mittels Präsenz natürlicher Personen (Mode 4) Wie genau Mode 4 ausgestaltet ist, ergibt sich aus der speziell für diese Form der Dienstleistungserbringung erlassenen Anlage zum GATS (Anlage zu Mode 4)10. Danach erfasst Mode 4 „natürliche Personen, die Dienstleistungserbringer eines Mitglieds sind, sowie […] natürliche Personen eines Mitglieds, die von einem Dienstleistungserbringer eines Mitglieds in Bezug auf die Erbringung einer Dienstleistung beschäftigt werden“11. Das GATS erlaubt natürlichen Personen, die selbst Dienstleister sind oder von einem Dienstleister beschäftigt werden, sich in das Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedsstaats zu begeben und dort eine Dienstleistung zu erbringen12. Während die erste Alternative selbständig Tätige erfasst, könnte sich aus der zweiten Alternative eine für die vorliegende Untersuchung relevante Freizügigkeitsform abhängig Beschäftigter ergeben. Zu untersuchen ist demnach deren Ausgestaltung im Einzelnen. a) Wortlaut des Art. I:2(d) GATS und Abs. 1 der Anlage zu Mode 4 Aus dem Wortlaut des Art. I:2(d) GATS und Abs. 1 der Anlage zu Mode 4 ergibt sich, dass das Abkommen die Präsenz natürlicher Personen im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats erlaubt, wenn diese von einem Dienstleister beschäftigt werden. Nicht näher spezifiziert wird, ob sich der Dienstleister, mit welchem das Beschäftigungsverhältnis besteht, im Herkunftsland der natürlichen Person oder im Bestimmungsland befinden muss. Möglich erscheint daher sowohl eine Form der Arbeitnehmerfreizügigkeit (Beschäftigung bei einem Dienstleister im Bestimmungsland) als auch der Arbeitnehmerentsendung (Beschäftigung bei einem Dienstleister im Herkunftsland). 10 Anlage zum grenzüberschreitenden Verkehr natürlicher Personen, die im Rahmen des Übereinkommens Dienstleistungen erbringen, Abgedruckt in Benedek, Die Welthandelsorganisation (WTO), 1998, S. 412. 11 Abs. 1 Anlage zu Mode 4. 12 Herrmann/Weiß/Ohler, Welthandelsrecht, § 18 Rn. 845.
2. Kap.: Rechtliche Grundlagen und Schranken der Freizügigkeit
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b) Einschränkungen gemäß Abs. 2 der Anlage zu Mode 4 Allerdings lässt sich aus Abs. 2 der Anlage zu Mode 4 eine Einschränkung entnehmen: Nicht erfasst sind danach Maßnahmen betreffend natürliche Personen, die sich „um Zugang zum Beschäftigungsmarkt eines Mitglieds bemühen“ und „Maßnahmen, welche die Staatsangehörigkeit, den Daueraufenthalt oder die Dauerbeschäftigung betreffen“. Das Kriterium des Zugangs zum Beschäftigungsmarkt und die Abgrenzung zwischen einer Dauerbeschäftigung und einer vorübergehenden Tätigkeit erinnern an die Abgrenzung der Arbeitnehmerfreizügigkeit und der Arbeitnehmerentsendung im Unionsrecht13. Nach Auffassung des EuGH findet die Arbeitnehmerfreizügigkeit dann Anwendung, wenn ein Arbeitnehmer Zugang zum Arbeitsmarkt eines anderen Mitgliedstaates sucht und dort dauerhaft ansässig werden will14. Abs. 2 Anlage zu Mode 4 schließt demnach durch das Kriterium der Dauerhaftigkeit aus, dass die Dienstleistungserbringung durch Präsenz natürlicher Personen als eine Form der Arbeitnehmerfreizügigkeit, wie sie das Unionsrecht kennt, verstanden werden kann15. Wer Zugang zum Beschäftigungsmarkt eines anderen Mitgliedstaats sucht und einen dauerhaften Aufenthalt anstrebt, kann sich gerade nicht auf Mode 4 berufen. Damit ist die Situation ausgeschlossen, in der sich ein Arbeitnehmer aus seinem Herkunftsstaat heraus bei einem Dienstleister im Bestimmungsland bewirbt und bei diesem beschäftigt werden möchte. Wie steht es jedoch um einen Arbeitnehmer, der von einem Dienstleister im Bestimmungsland zur Erbringung einer vorübergehenden Dienstleistung aus seinem Herkunftsland angeworben wird? Der Arbeitnehmer strebt hier jedenfalls keinen Daueraufenthalt im Bestimmungsland an. Wann freilich genau Dauerhaftigkeit gegeben ist, gibt das GATS nicht vor. Die Ausgestaltung der Höchstdauer bleibt den Mitgliedstaaten überlassen16. Es kann festgehalten werden, dass Abs. 2 ein Verständnis von Mode 4 im Sinne der aus dem Unionrsrecht bekannten Arbeitnehmerfreizügigkeit ausschließt. Der Absatz lässt jedoch weiterhin zwei Interpretationsformen offen: Mode 4 könnte eine Form der Entsendung oder eine Form der vorübergehenden Arbeitnehmerfreizügigkeit regeln.
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Dazu näher unten 2. Kap. A. IV. 3. c) aa). v. 9. 8. 1994, Rs. C-43/93, Slg. 1994, I-3803 (Van der Elst), Rn. 19 ff. (in Abgrenzung zur Dienstleistungsfreiheit). 15 Herrmann/Weiß/Ohler, Welthandelsrecht, § 18 Rn. 845. 16 Chaudhuri/Mattoo/Self, 38 J. World Trade 363, 370 (2004); Wiegemann, Die Liberalisierung des Dienstleistungshandels, S. 93. Vgl. dazu auch die Einschätzung des Council for Trade in Services der WTO, Presence of Natural Persons (Mode 4), Background Note by the Secretariat, vom 8. 12. 1998, S/C/W/75, Rn. 3. 14 EuGH
A. Rechtliche Grundlagen der Freizügigkeit
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c) Kriterium der Beschäftigung bei einem Dienstleister, Abs. 1 Alt. 2 Anlage zu Mode 4 Die Beantwortung der Frage, ob Mode 4 die Option zulässt, dass ein Arbeitnehmer sich in einen anderen Mitgliedstaat begibt und bei einem dort ansässigen Dienstleister vorübergehend tätig wird und damit eine Form der „vorübergehenden Arbeitnehmerfreizügigkeit“ vorliegt oder ob es sich bei Mode 4 eher um eine mit der Arbeitnehmerentsendung vergleichbare Form der Arbeitserbringung handelt, hängt damit zusammen, wie das in Abs. 1 Alt. 2 Anlage zu Mode 4 genannte Kriterium „von einem Dienstleister beschäftigt werden“ zu verstehen ist. Da der Wortlaut nicht spezifiziert, in welchem Mitgliedstaat der Dienstleistungserbringer seinen Sitz haben muss, wird die Norm teilweise derart interpretiert, dass sie auch einen Arbeitnehmer aus Land A erfasse, der bei einem Dienstleister in Land B beschäftigt ist, und in Land B eine Dienstleistung erbringt. Versteht man Alt. 2 auf diese Weise und berücksichtigt die Einschränkungen des Abs. 2 der Anlage zu Mode 4 (kein dauerhafter Aufenthalt, keine Suche nach Zugang zum Arbeitsmarkt), würde das GATS erlauben, dass ein Arbeitnehmer, der von einem Dienstleistungsunternehmen des Ziellandes direkt aus dem Ausland rekrutiert wurde – und somit keinen Zugang zum Arbeitsmarkt gesucht hat – im Zielland vorübergehend zur Erbringung der Dienstleistung verweilen könnte17. Befürworter dieser Ansicht argumentieren, dass Arbeitnehmer anderenfalls schlicht anstatt auf Basis eines Arbeitsvertrags auf Grundlage eines freien Dienstvertrags tätig werden und sich auf Mode 4 berufen könnten18. Die Grenzen des GATS wären erst erreicht, wenn der Arbeitnehmer Zugang zum Arbeitsmarkt des Bestimmungslandes und dauerhaften Aufenthalt suchen würde19. Die Gegenansicht ist der Auffassung, Abs. 1 Alt. 2 des Anhangs sei so zu verstehen, dass der Arbeitnehmer in seinem Herkunftsstaat bei einem Dienstleistungserbringer angestellt sein muss und auf Basis dieses Arbeitsvertrags vorübergehend im Ausland zur Dienstleistungserbringung tätig wird 20. Damit würde es sich um eine Form der Arbeitnehmerentsendung handeln. 17 So Köhler, Das GATS, S. 196 f. ohne weitere Diskussion; diese Ansicht zumindest für möglich hält Blouin, 39 J. World Trade 881, 888 (2005). Im Ergebnis auch Winters/ Walmsley/Wang/Grynberg, Negotiating the Liberalisation of the Temporary Movement of Natural Persons, S. 29 und Grynberg, 3 JITLP 62, 82, 85 (2002) die allerdings nicht auf Alt. 2, sondern auf Alt. 1 abstellen, und auch in einem abhängig Beschäftigten einen Dienstleistungserbringer im Sinne des GATS sehen. 18 Chaudhuri/Mattoo/Self, 38 J. World Trade 363, 370 f. (2004). 19 Vgl. Abs. 2 der Anlage zu Mode 4. So auch Chaudhuri/Mattoo/Self, 38 J. World Trade 363, 370 (2004). 20 So auch Council for Trade in services der WTO, Presence of Natural Persons (Mode 4), Background Note by the Secretariat, vom 8. 12. 1998, S/C/W/75, Rn. 56: „There appears to be room for interpretation whether the foreign natural persons ,employed by a service supplier of a Member‘ also include foreigners employed by host-country companies. While the wording of the Annex does not rule out this possibility, Article I:2(d) of the Agreement
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2. Kap.: Rechtliche Grundlagen und Schranken der Freizügigkeit
Diese Ansicht überzeugt. Gegen eine weitere Auslegung spricht, dass es in der Situation des im Zielland angestellten Arbeitnehmers bei der Dienstleistung an einem grenzüberschreitenden Element fehlt. Allein der Arbeitnehmer überschreitet die Grenze, die Dienstleistung wird jedoch nicht grenzüberschreitend erbracht21. Auch müsste nach der ersten Ansicht stets danach unterschieden werden, ob ein Arbeitnehmer ohne Eigeninitiative aus dem Ausland rekrutiert wurde oder sich selbst um die Stelle beworben hat. Dies wird in der Praxis selten eindeutig und damit schwer nachprüfbar sein 22. Zwar war es erklärtes Anliegen zahlreicher Länder, darunter Argentinien, Kolumbien, Indien, Mexiko und Pakistan, im Zuge der Erarbeitung des GATS auch die Arbeitnehmerfreizügigkeit voranzutreiben, sie konnten sich damit jedoch nicht durchsetzen 23. Daher kann auch nicht über Mode 4 eine Art vorübergehende Arbeitnehmerfreizügigkeit in das GATS hinein interpretiert werden 24. Das GATS ermöglicht demnach allein eine Form der Arbeitnehmerentsendung25. Erfasst ist zum einen der Arbeitnehmer aus Land A, der seinen Arbeitgeber aus Land A zur Erbringung einer Dienstleistung in Land B begleitet. Zum anderen ermöglicht Mode 4, in engem Zusammenhang zu Mode 3, die Entsendung eines Arbeitnehmers in eine ausländische Niederlassung des ihn beschäftigenden Dienstleistungserbringers. Klassisches Beispiel hierfür sind die Entsendungen von Führungskräften zum Aufbau von Auslandsniederlassungen26.
seems to cover only foreigners employed by foreign-owned companies (as noted above, the Article applies to services provided ,by suppliers of one Member, through presence of natural persons of a Member in the territory of any other Member‘). Thus, while foreigners would fall under the GATS if they work on a contractual basis as independent suppliers for a locallyowned firm, they would seem not to be covered if they were employees of that firm.“ (Hervorhebungen im Original). 21 Dies sehen auch Winters/Walmsley/Wang/Grynberg, Negotiating the Liberalisation of the Temporary Movement of Natural Persons, S. 29. und wählen daher den Weg über Alt. 1, wonach der Arbeitnehmer selbst Dienstleistungserbringer ist. 22 Wiegemann, Die Liberalisierung des Dienstleistungshandels, S. 96. 23 Vgl. Group of Negotiations on Services, Communication from Argentina, Colombia, Cuba, Egypt, India, Mexico, Pakistan and Peru, Annex on Temporary Movement of Services Personnel, v. 18. 6. 1990, MTN.GNS/W/106. Zu dieser Forderung der Entwicklungsländer auch Ipsen/Haltern, Reform des Welthandelssystems, S. 93. 24 Wiegemann, Die Liberalisierung des Dienstleistungshandels, S. 96 f. 25 So MünchArbR/Birk, 2. Auflage, Band 1, § 17 Rn. 81 f.; Herrmann/Weiß/Ohler, Welthandelsrecht, § 18 Rn. 845; Nowrot, in: Tietje (Hrsg.), Internationales Wirtschaftsrecht, § 2 Rn. 145; Tietje/Nowrot, ZAR 2007, 213, 214 ff. 26 Personen, die zur Errichtung einer kommerziellen Präsenz notwendig sind, sind nicht direkt von Mode 3 erfasst, vielmehr sind entsprechende Liberalisierungen im Rahmen von Mode 4 notwendig. Dazu Wiegemann, Die Liberalisierung des Dienstleistungshandels, S. 92.
A. Rechtliche Grundlagen der Freizügigkeit
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d) Zwischenergebnis zum Umfang der Dienstleistungserbringung mittels der Präsenz natürlicher Personen Die Ausführungen zeigen, dass das GATS im Grundsatz zwei der im ersten Kapitel herausgearbeiteten Arbeitsformen erfasst: die klassische Arbeitnehmerentsendung sowie konzerninterne Entsendeformen bzw. Entsendungen im Zusammenhang mit der Niederlassungsfreiheit. Für die vorliegende Untersuchung wurde aus diesen Arbeitsformen die klassische Arbeitnehmerentsendung als Untersuchungsgegenstand gewählt, da diese gerade in Branchen, in welchen die Lohnkosten eine entscheidende Rolle spielen, zu arbeitsrechtlichen Konflikten führen kann. Die Entsendung im GATS könnte demnach theoretisch von arbeitsrechtlicher Relevanz sein, wenn entsprechende Branchen erfasst wären. Das Abkommen selbst macht keinerlei Einschränkungen hinsichtlich der Qualifikation der natürlichen Personen 27. Unter Mode 4 lassen sich sowohl hochqualifizierte Kräfte als auch unqualifizierte Arbeiter fassen. Als Beispiel für Mode 4 wird z.B. der Bauunternehmer genannt, der seine Mitarbeiter in einen anderen Staat schickt, damit diese dort seine Bauleistungen erbringen können28. Ein arbeitsrechtliches Konfliktpotenzial scheint demnach zumindest denkbar. 3. Stand der Liberalisierung zu Mode 4 Wie weit die Freizügigkeit unter dem GATS letztlich reicht, hängt jedoch von der Bereitschaft der Mitgliedstaaten ab, spezifische Verpflichtungen einzugehen. Im Gegensatz zum Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommen (General Agreement on Tarifss and Trade, GATT) ist das GATS so konzipiert, dass es lediglich einen Rahmen mit wenigen allgemeinen Verpflichtungen vorgibt. Unmittelbar verpflichtend sind der Grundsatz der Meistbegünstigung29 und das Transparenzgebot30. Darüber hinaus haben sich die Mitgliedstaaten nur zur „fortschreitenden Liberalisierung“ verpflichtet31. Weitere Verpflichtungen, insbesondere hinsichtlich den Marktzugangs32 und der Inländerbehandlung33, bedürfen der separaten vertraglichen Vereinbarung zwischen den Mitgliedstaaten (sog. spezifische Verpflichtungen)34. Abs. 3 der Anlage zu Mode 4 gibt vor, dass die Mitgliedstaaten über spezifische Verpflichtungen, welche die Personenfreizügigkeit betreffen, verhandeln 27
Chaudhuri/Mattoo/Self, 38 J. World Trade 363, 370 (2004). Herrmann/Weiß/Ohler, Welthandelsrecht, § 18 Rn. 842. 29 Art. II GATS, wobei gemaß Abs. 2 auch hier Ausnahmen möglich sind. 30 Art. III GATS. 31 Art. XIX:1 GATS. 32 Art. XVI GATS. 33 Art. XVII GATS. 34 Herrmann/Weiß/Ohler, Welthandelsrecht, § 18 Rn. 835. Vertiefend zum System der allgemeinen und spezifischen Verpflichtungen im GATS f. Weiss, 32 CML Rev. 1177, 1185 ff. (1995). 28
2. Kap.: Rechtliche Grundlagen und Schranken der Freizügigkeit
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können. Den Mitgliedstaaten steht demnach frei, ob sie bindende Verpflichtungen zum Marktzugang und zur Inländerbehandlung eingehen, sich nur partiell verpflichten oder gar keine Liberalisierung vornehmen 35. Für Mode 4 sind insbesondere Verpflichtungen bezüglich der Erteilung von Arbeitserlaubnissen und sonstige Beschränkungen des Tätigwerdens von ausländischen Arbeitskräften in einem Land relevant. Diese können durch spezifische Verpflichtungen angepasst werden 36. Von dieser Option wurde jedoch kaum Gebrauch gemacht. Viele Staaten machen für Mode 4 z.B. eine Vorbeschäftigung von einer bestimmten Zeit (teilweise bis zu über einem Jahr) beim Arbeitgeber vor Erbringung der Dienstleistung zur Bedingung37. Auch restriktive Regelungen zur Anerkennung von Abschlüssen und Qualifikationen und die unterschiedliche Behandlung von in- und ausländischem Personal bleiben bestehen38. Die meisten Staaten sind im Bereich von Mode 4 insgesamt sehr zurückhaltend spezifische Verpflichtungen eingegangen39. Gerade arbeitskostenintensive Branchen wurden kaum bis gar nicht liberalisiert. So waren am 1. 9. 2011 nur vier Länder spezifische Verpflichtungen hinsichtlich der arbeitsintensiven Baubranche eingegangen: Ägypten, Togo, Trinidad und Tobago sowie die Türkei. Bei diesen Ländern handelt es sich ausschließlich um Niedriglohnländer mit großem Bedarf an Bauprojekten40. Die spezifischen Verpflichtungen der Mitgliedstaaten konzentrieren sich vor allem auf hochqualifizierte Personen, Führungskräfte, Manager und Spezialisten41. Ein Großteil der Zugeständnisse bezieht sich auf die Entsendung von Führungskräften in Zusammenhang mit der Errichtung einer Niederlassung unter Mode 342. Lässt das GATS demnach theoretisch eine facettenreiche Entsendung von Arbeitnehmern, insbesondere auch im Niedriglohnbereich zu, sind die tatsächlichen Zugeständnisse viel enger. Häufig gehen die den GATS Mitgliedern eingeräumten
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F. Weiss, in: Tietje (Hrsg.), Internationales Wirtschaftsrecht, § 4 Rn. 69. Council for Trade in Services der WTO, Presence of Natural Persons (Mode 4), Background Note by the Secretariat, vom 8. 12. 1998, S/C/W/75, Rn. 31. 37 Council for Trade in Services der WTO, Presence of Natural Persons (Mode 4), Background Note by the Secretariat, vom 8. 12. 1998, S/C/W/75, Rn. 44. 38 F. Weiss, in: Tietje (Hrsg.), Internationales Wirtschaftsrecht, § 4 Rn. 70; Chaudhuri/ Mattoo/Self, 38 J. World Trade 363, 365 (2004). 39 F. Weiss, in: Tietje (Hrsg.), Internationales Wirtschaftsrecht, § 4 Rn. 69 ff.; Lalanne, 150 Int’l Lab. Rev. 211, 212 (2011); Hilf, WTO-Recht, S. 422; Tietje, ZAR 2007, 213, 220; Tietje/Nowrot, ZAR 2007, 213, 215. 40 Vgl. Lalanne, 150 Int’l Lab. Rev. 211, 212 (2011). 41 Lalanne, 150 Int’l Lab. Rev. 211, 212 (2011); Tietje/Nowrot, ZAR 2007, 213, 215. So auch bereits Council for Trade in Services der WTO, Presence of Natural Persons (Mode 4), Background Note by the Secretariat, vom 8. 12. 1998, S/C/W/75, Rn. 7. 42 Council for Trade in Services der WTO, Presence of Natural Persons (Mode 4), Background Note by the Secretariat, vom 8. 12. 1998, S/C/W/75, Rn. 7. 36
A. Rechtliche Grundlagen der Freizügigkeit
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Vorteile nicht über die für Dienstleistungserbringer aus Drittstaaten geltenden Vorschriften hinaus43. 4. Erstreckung nationalen Arbeitsrechts auf ausländische Dienstleistungserbringer Darüber hinaus ist die generelle Erstreckung des nationalen Arbeitsrechts auf entsandte Arbeitnehmer mit den Prinzipien des GATS, insbesondere dem Gebot der Inländerbehandlung (Art. XVII GATS) vereinbar44. Dieses verbietet nur diskriminierende, also die ausländischen Dienstleister schlechter als inländische Dienstleister stellende, Vorschriften. Es enthält gerade kein Beschränkungsverbot45. Daher stellen die Mitgliedstaaten überwiegend durch die Verpflichtung, die Mindestlöhne des Bestimmungslandes zu zahlen und das nationale Arbeitszeitrecht sowie das Sozialversicherungsrechts zu beachten, sicher, dass arbeitsrechtliche Spannungen ausbleiben46. 5. Ergebnis zur Freizügigkeit im Welthandelsrecht Das GATS eröffnet theoretisch die Möglichkeit für eine Form der Arbeitnehmerentsendung, wie sie Gegenstand dieser Untersuchung ist. Die Mitgliedstaaten sind jedoch bislang kaum spezifische Verpflichtungen in diesem Bereich eingegangen. Durch die Möglichkeit, im Aufenthaltsrecht Einschränkungen aufrecht zu erhalten und dem Verständnis des Gebots zur Inländerbehandlung als reines Diskriminierungsverbot, erscheint das arbeitsrechtliche Konfliktpotenzial gering.
IV. Freizügigkeit in Verträgen zur regionalen Wirtschaftsintegration 1. Formen regionaler Wirtschaftsintegration Neben der auf der Ebene der WTO vorangetriebenen Liberalisierung des Welthandels existieren verschiedene Formen regionaler Wirtschaftsintegration. In der Ökonomie werden solche wirtschaftlichen Zusammenschlüsse auf regionaler Ebene anhand von fünf Integrationstypen kategorisiert, die sich am jeweiligen Intensi-
43 Vgl. Tietje/Nowrot, ZAR 2007, 213, 219, zu den von Deutschland eingegangenen spezifischen Verpflichtungen und den entsprechenden Vorgaben des AufenthG und der BeschV. 44 Spelten, WTO und nationale Sozialordnungen, S. 258 f. 45 Dazu Wiegemann, Die Liberalisierung des Dienstleistungshandels, S. 235 ff. 46 Council for Trade in services der WTO, Presence of Natural Persons (Mode 4), Background Note by the Secretariat, vom 8. 12. 1998, S/C/W/75, Rn. 45. Die WTO zeigt sich hier durchaus skeptisch, ob solche Beschränkungen nicht eine diskriminierende Wirkung auf ausländische Dienstleistungserbringer haben, sieht aber wohl keine rechtlichen Grenzen.
2. Kap.: Rechtliche Grundlagen und Schranken der Freizügigkeit
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tätsgrad der Integration orientieren47. Diese Einteilung hat auch in der Rechtswissenschaft Anerkennung gefunden48. In diesem Schema stellen erstens sog. präferenzielle vertragliche Handelsabkommen (auch Präferenzzonen genannt) den Typ geringster Integrationsintensität dar. Kennzeichnend für diesen Typ ist die Erleichterung des Marktzugangs für bestimmte Güter in ausgewählten Wirtschaftszweigen durch die Reduzierung oder vollständige Beseitigung von Zöllen, mengenmäßiger Beschränkungen und sonstigen Handelsschranken49. Zweitens: In einer Freihandelszone werden Handelsschranken nicht nur teilweise, sondern stets vollständig und bezüglich aller Wirtschaftszweige beseitigt50. Zusätzlich kann neben dem Warenverkehr auch eine Liberalisierung weiterer Bereiche, wie des Dienstleistungshandels, stattfinden51. Der überwiegende Teil der von der WTO notifizierten Abkommen versteht sich als Freihandelszone. Dazu gehören u.a. das Nordamerikanische Freihandelsabkommen (North American Free Trade Agreement, NAFTA)52, die Europäische Freihandelsassoziation (European Free Trade Association, EFTA)53, der Europäische Wirtschaftsraum (EWR)54, die Freihandelszone des Verbands Südostasiatischer Nationen (Association of SouthEast Asian Nations, ASEAN)55 und der Gemeinsame Markt für das östliche und südliche Afrika (Common Market for Eastern and Southern Africa, COMESA)56. Drittens: Die Zollunion57 weist alle Charakteristika der Freihandelszone auf und setzt zusätzlich eine gemeinsame Zoll- und Außenwirtschaftspolitik voraus58. Zollunionen setzen wegen der Integrationstiefe eine große wirtschaftliche und politische Homogenität ihrer Mitgliedstaaten voraus und sind daher nicht weit verbreitet59. 47 Z.B.
Blank/Clausen/Wacker, Internationale ökonomische Integration, S. 31 ff. Nowrot, in: Tietje (Hrsg.), Internationales Wirtschaftsrecht, § 2 Rn. 107; Behrens, RabelsZ 1981 (45) 8, 30 ff. 49 Herrmann/Weiß/Ohler, Welthandelsrecht, § 13 Rn. 602. 50 Nowrot, in: Tietje (Hrsg.), Internationales Wirtschaftsrecht, § 2 Rn. 110. 51 Nowrot, in: Tietje (Hrsg.), Internationales Wirtschaftsrecht, § 2 Rn. 111. 52 32 I.L.M. 289, 605 (1993). 53 370 UNTS 5 (1960). 54 Beschluss des Rates und der Kommission vom 13. 12. 1993 über den Abschluss des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten sowie der Republik Österreich, der Republik Finnland, der Republik Island, dem Fürstentum Liechtenstein, dem Königreich Norwegen, dem Königreich Schweden und der Schweizerischen Eidgenossenschaft (94/1/EGKS, EG), ABlEG Nr. L 1/1. 55 31 I.L.M. 506 (1992). 56 33 I.L.M 1067 (1994). 57 Legaldefinition in Art. XXIV:8 a GATT. 58 Nowrot, in: Tietje (Hrsg.), Internationales Wirtschaftsrecht, § 2 Rn. 114. 59 Die EU ist ein Beispiel, vgl. Art. 28 Abs. 1 AEUV. 48
A. Rechtliche Grundlagen der Freizügigkeit
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Viertens: Im gemeinsamen Markt sind über den Warenverkehr hinaus auch der freie Dienstleistungsverkehr, der Personen- und Kapitalverkehr verwirklicht60. Hier bildet die EU das einzige Beispiel61. Die fünfte und höchste Form der Wirtschaftsintegration, die Wirtschaftsunion, kann erreicht werden, wenn die beteiligten Staaten auch ihre Wirtschaftsordnungen und -politiken harmonisieren62. Aus dieser Einteilung ergibt sich, dass Formen der Freizügigkeit in jeglichen Handelsabkommen, die zumindest die Qualität einer Freihandelszone haben, zu finden sein können. 2. Zulässigkeit regionaler Wirtschaftsintegration im Recht der WTO Die regionale Wirtschaftsintegration hat seit Beginn der 1990er Jahre, und damit zeitgleich mit den Verhandlungen der Mitgliedstaaten der WTO im Rahmen der Uruguay-Runde, stark zugenommen63. Es stellt sich die Frage, wie regionale Freihandelszonen und ähnliche Instrumente im Verhältnis zum Recht der WTO stehen. Regionale Integrationsabkommen stehen zunächst in einem Spannungsverhältnis zum Meistbegünstigungsprinzip64, also der Pflicht zur Gleichbehandlung aller Handelspartner, einem der Kernprinzipien des WTO-Rechts. Die Mitglieder der WTO stehen der regionalen Wirtschaftsintegration dennoch weitgehend positiv gegenüber. Sie sehen hierin eine Chance zur Herbeiführung weitergehender Liberalisierung. Daher kann ein Eingriff in den Grundsatz der Meistbegünstigung durch regionale Integrationsabkommen gerechtfertigt werden65.
60 Nowrot, in: Tietje (Hrsg.), Internationales Wirtschaftsrecht, § 2 Rn. 116. Blank/Clausen/Wacker, Internationale ökonomische Integration, 33, 124 ff.; Krajewksi, Wirtschaftsvölkerrecht, Rn. 982 ff. 61 Vgl. Art. 26 Abs. 2 AEUV, der auch als allgemeine Beschreibung des gemeinsamen Marktes verstanden werden kann: „Der Binnenmarkt umfasst einen Raum ohne Binnengrenzen, in dem der freie Verkehr von Waren, Personen, Dienstleistungen und Kapital gemäß den Bestimmungen der Verträge gewährleistet ist.“ Dazu Nowrot, in: Tietje (Hrsg.), Internationales Wirtschaftsrecht, § 2 Rn. 117. 62 Blank/Clausen/Wacker, Internationale ökonomische Integration, 33, 181 ff.; Behrens, RabelsZ 1981 (45) 8, 34 f. 63 Nowrot, in: Tietje (Hrsg.), Internationales Wirtschaftsrecht, § 2 Rn. 123. 64 Art. I:1 GATT; Art. II GATS. 65 Art. XXIV GATT; Art. V, Vbis GATS. Vertiefend zu den materiellen Vorgaben der Rechtfertigungsgründe Nowrot, in: Tietje (Hrsg.), Internationales Wirtschaftsrecht, § 2 Rn. 133 ff.; Herrmann/Weiß/Ohler, Welthandelsrecht, § 3 Rn. 610 ff.
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2. Kap.: Rechtliche Grundlagen und Schranken der Freizügigkeit
3. Freizügigkeit in ausgewählten regionalen Freihandelszonen Im Folgenden soll ein Blick auf drei der größten regionalen Freihandelszonen geworfen werden (NAFTA, Mercosur66 und EU), um wiederum der Frage nachzugehen, ob sich in diesen Verträgen Grundlagen für Formen der Freizügigkeit von Arbeitnehmern finden67. a) Freizügigkeit im NAFTA In der Freihandelszone bestehend aus den USA, Kanada und Mexiko ist nicht nur der Warenverkehr zwischen den drei Mitgliedstaaten durch das Prinzip der Meistbegünstigung und der Inländerbehandlung liberalisiert68, auch die Liberalisierung des Dienstleistungsverkehrs ist in Kapitel 12 NAFTA vorgesehen69. Ähnlich wie im GATS könnten hier Grundlagen einer Form von Freizügigkeit für abhängig Beschäftigte zu finden sein. Art. 1201 NAFTA definiert den Anwendungsbereich der Dienstleistungsfreiheit. Erfasst ist gem. Abs. 1 lit. b ein Dienstleistungserbringer, der sich in das Hoheitsgebiet eines anderen Mitglieds begibt, um dort die Dienstleistung zu erbringen. Art. 1201 Abs. 3 lit. a NAFTA schränkt den Anwendungsbereich ein, indem klargestellt wird, dass keine Vorschrift des Kapitels zur Liberalisierung des Dienstleistungshandels derart ausgelegt werden darf, dass den Mitgliedern Verpflichtungen hinsichtlich Angehöriger eines anderen Mitgliedstaats erwachsen, die Zugang zum Arbeitsmarkt suchen70. Mit dieser Vorschrift soll folglich – vergleichbar mit der entsprechenden Regelung im GATS – eine Arbeitnehmerfreizügigkeit wie sie das Unionsrecht kennt, ausgeschlossen werden. Dies ist darauf zurückzuführen, dass die USA durch NAFTA keine Möglichkeit für die Migration mexikanischer Arbeitssuchender in die USA schaffen wollten71. Das NAFTA enthält demnach keine Arbeitnehmerfreizügigkeit72. Dennoch könnten die Regelungen zum freien Dienstleistungshandel den vorübergehenden Aufenthalt abhängig beschäftigter Personen zur Dienstleistungser66 Gemeinsamer Markt Südamerikas (Mercado Común del Sur, Mercosur), gegründet am 26. 3. 1991 zwischen Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay durch den Vertrag von Asunción, 30 I.L.M. 1041 (1991). 67 Weitere Freihandelszonen sind z.B. die ASEAN Free Trade Area (AFTA) und der Common Market of Eastern and Southern Africa (COMESA). Ein Überblick über plurilaterale regionale Freihandelsabkommen findet sich auf https://www.wto.org/english/tratop_e/ region_e/r ta_plurilateral_map_e.htm (zuletzt überprüft am 1. 11. 2016). 68 Schröbener/Herbst/Perkans, Internationales Wirtschaftsrecht, S. 40. 69 Dazu Herrmann/Weiß/Ohler, Welthandelsrecht, § 13 Rn. 624. 70 Art. 1201 Abs. 3 lit. a NAFTA: „Nothing in this Chapter shall be construed to impose any obligation on a Party with respect to a national of another Party seeking access to its employment market […].“ 71 Gal-Or, 15 Ariz. J. Int’l & Comp. L. 365, 374 ff. (1998). 72 Krajewski, Wirtschaftsvölkerrecht, Rn. 1010.
A. Rechtliche Grundlagen der Freizügigkeit
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bringung ermöglichen. Das Abkommen regelt allerdings die vorübergehende Einreise von Geschäftsleuten (business persons) separat in Kapitel 16. Geschäftsleute definiert das Übereinkommen als Staatsangehörige eines Mitgliedstaats, die Warenhandel betreiben, eine Dienstleistung erbringen oder Investitionen begleiten73. Diese ist vorübergehend Zutritt zu gewähren74. Daraus kann geschlossen werden, dass andere abhängig beschäftigte Personen, die nicht als Geschäftsleute zu qualifizieren sind, sich nicht auf Grundlage des NAFTA in einen anderen Mitgliedstaat begeben können. NAFTA lässt demnach lediglich in einem sehr begrenzten Rahmen die Arbeitnehmerentsendung zu, nämlich ausschließlich, wenn sie als Geschäftsleute qualifiziert werden können75. b) Freizügigkeit im Mercosur Der Mercosur strebt einen gemeinsamen Markt nach dem Vorbild der EU – und damit die Liberalisierung des grenzüberschreitenden Dienstleistungsverkehrs76 – an, ist bislang jedoch noch nicht über den Abbau der Binnenzölle und einen gemeinsamen Außenzolltarif hinausgekommen77. Die Freiheit des Personenverkehrs gehört zu den am wenigsten liberalisierten Bereichen. Hier dominiert die Befürchtung, dass Arbeitssuchende aus weniger gut konstituierten Mercosur-Staaten Arbeit in den wirtschaftlich besser stehenden Staaten suchen könnten78. c) Freizügigkeit in der Europäischen Union Im ersten Kapitel wurden aus der Vielzahl der denkbaren Freizügigkeitsformen im Unionsrecht zwei Formen zur weiteren Untersuchung herausgearbeitet: die Arbeitnehmerfreizügigkeit und die Entsendung. Nachfolgend sollen die rechtlichen Grundlagen der drei Freizügigkeitsformen genauer dargestellt werden. aa) Arbeitnehmerfreizügigkeit Innerhalb der EU berechtigen die Art. 45 – 48 AEUV79 einen Arbeitnehmer dazu, seinen Arbeitsort dauerhaft in einen anderen Staat zu verlegen. Er hat dem73 Art. 1608: „[…] business person means a citizen of a Party who is engaged in trade in goods, the provision of services or the conduct of investment activities […].“ 74 Art. 1603 NAFTA: „Each Party shall grant temporary entry to business persons who are otherwise qualified for entry under applicable measures related to public health and safety and national security […].“ 75 Lalanne, 150 Int’l Lab. Rev. 211, 214 f. (2011). 76 Protokoll von Montevideo über den Handel mit Dienstleistungen im Mercosur, dazu Herrmann/Weiß/Ohler, Welthandelsrecht, § 13 Rn. 624; Haller, Mercosur, S. 72 ff. 77 Schröbener/Herbst/Perkans, Internationales Wirtschaftsrecht, S. 41. 78 Haller, Mercosur, S. 94 f. 79 Zudem gilt zwischen der EU und der Türkei, Island, Liechtenstein und Norwegen sowie der Schweiz Arbeitnehmerfreizügigkeit (zu den maßgeblichen Rechtsvorschriften vgl. AR-Krebber, Art. 45 AEUV, Rn. 9).
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2. Kap.: Rechtliche Grundlagen und Schranken der Freizügigkeit
nach das Recht, sich in einen anderen Mitgliedstaat zu begeben und ein Arbeitsverhältnis mit einem dort ansässigen Arbeitgeber einzugehen. Die bisherige Untersuchung zeigt die Einzigartigkeit dieser Regelung. Weder in den Übereinkommen mit weltweiter Verbreitungstendenz, noch in anderen Abkommen zur regionalen Wirtschaftsintegration findet sich eine solch weitreichende Möglichkeit zur Mobilität abhängig Beschäftigter80. Die Arbeitnehmerfreizügigkeit ist ein entscheidender Teil des europäischen Binnenmarktkonzepts. Sie fußt auf der „große[n] Werkidee der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft“81, den in den 1950er und 1960er Jahren in Mitteleuropa vorherrschenden Arbeitskräftemangel und die hohe Arbeitslosigkeit vor allem in Mittel- und Süditalien auszugleichen82. Die primärrechtliche Regelung wird flankiert durch zahlreiche Verordnungen und Richtlinien, welche die Ausübung der Arbeitnehmerfreizügigkeit im Binnenmarkt erleichtern sollen83. Art. 45 Abs. 2 AEUV enthält ein Diskriminierungsverbot, das jede unterschiedliche Behandlung eines Arbeitnehmers auf Grundlage der Staatsangehörigkeit bezüglich Beschäftigung, Entlohnung und sonstigen Arbeitsbedingungen verbietet84. Erfasst sind sowohl unmittelbare als auch mittelbare Diskriminierungen85. Eine unmittelbare Diskriminierung ist eine Schlechterstellung gegenüber Inländern, die 80 Ein weiteres Beispiel für ein regionales Abkommen, das auf die Integration des Arbeitsmarktes abzielt ist der zwischen Dänemark, Finnland, Island, Norwegen und Schweden errichtete Gemeinsame Nordische Arbeitsmarkt (Common Nordic Labour Market), Agreement Concerning a Common Nordic Labour Market v. 6. 3. 1982, 1347 UNTS No. 22678. 81 Kingreen, NVwZ 2015, 1503, 1504 f. 82 Die gleiche Intention verfolgen die unter 1. Kap. C. II thematisierten Anwerbeabkommen. 83 Zu nennen sind insbesondere die VO (EU) Nr. 492/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. 4. 2011 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Union, ABlEU Nr. L 141 (arbeitsrechtliche FreizügigkeitsVO); RL 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. 4. 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, ABlEG Nr. L 158); RL 2014/54/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. 4. 2014 über Maßnahmen zur Erleichterung der Ausübung der Rechte, die Arbeitnehmern iRd Freizügigkeit zustehen, ABlEU Nr. L 128. Daneben wurden im sozialrechtlichen Bereich erlassen: VO (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. 4. 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit, ABlEU Nr. L 166 und VO(EG) Nr. 987/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. 9. 2009 zur Festlegung der Modalitäten der Durchführung der VO(EG) Nr. 883/2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit, ABlEU Nr. L 284. Einen Überblick über alle Sekundärrechtsakte gibt AR-Krebber, Art. 45 AEUV, Rn. 2. 84 U.a. EuGH v. 14. 2. 1995, Rs. C-279/93, Slg. 1995, I-225 (Schuhmacker), Rn. 30; AR-Krebber, Art. 45 AEUV, Rn. 12; Calliess/Ruffert/Brechmann, EUV/AEUV, Art. 45 Rn. 46. 85 U.a. EuGH v. 12. 12. 1974, Rs. 152/73, Slg. 1974, 153 (Sotgiu), Rn. 11; EuGH v. 30. 5. 1989, Rs. 33/88, Slg. 1989, 1591 (Allué u.a.), Rn. 11; EuGH v. 7. 5. 1998, Rs. 350/96, Slg. 1998, I-2521 (Clean Car Autoservice), Rn. 27; EuGH v. 10. 9. 2009, Rs. C-269/07, Slg. 2009,
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direkt an die Staatsangehörigkeit anknüpft86, z.B. die Notwendigkeit einer Arbeitserlaubnis für Bürger aus anderen EU-Staaten. Eine mittelbare Diskriminierung liegt vor, wenn zwar nicht unmittelbar an das Kriterium der Staatsangehörigkeit angeknüpft wird, die nationale Regelung aber überwiegend Staatsangehörige anderer EU-Mitgliedstaaten erfasst87. Hier können Wohnsitzerfordernisse zur Gewährung bestimmter Leistungen angeführt werden88. Darüber hinaus interpretiert der EuGH Art. 45 Abs. 2 AEUV als allgemeines Beschränkungsverbot, welches Maßnahmen entgegensteht, die einen Arbeitnehmer daran hindern könnten, sein Herkunftsland zu verlassen und Beschäftigung in einem anderen Mitgliedstaat zu suchen, auch wenn sie unabhängig von der Staatsangehörigkeit angewendet werden89. Damit findet das Bestimmungslandprinzip Anwendung. Dieses führt bei Waren oder Dienstleistung dazu, dass diese lediglich den Anforderungen des jeweiligen Bestimmungslandes genügen müssen90. Bezogen auf Arbeitnehmer heißt das: Machen Arbeitnehmer von der Arbeitnehmerfreizügigkeit Gebrauch und nehmen eine Beschäftigung in einem anderen Mitgliedstaat der EU auf, richtet sich ihr Arbeitsverhältnis nach dem am Beschäftigungsort maßgeblichen Arbeitsrecht. Die Arbeitnehmerfreizügigkeit bewirkt damit die Gleichstellung der von der Freizügigkeit Gebrauch machenden Arbeitnehmer mit den Arbeitnehmern des Bestimmungsstaates91. bb) Arbeitnehmerentsendung (1) Maßgebliche Grundfreiheit für die entsandten Arbeitnehmer Zweite Form der Freizügigkeit im Europäischen Binnenmarkt ist die Arbeitnehmerentsendung. In deren klassischer Form wird der Arbeitnehmer vorübergehend zur Ausführung einer Dienstleistung von seinem Arbeitgeber in einen anderen Mitgliedstaat mitgenommen und kehrt danach wieder in sein Herkunftsland zurück.
I-7811 (Kommission/Deutschland), Rn. 53; Selmayr, ZfA 1996, 615, 633; Calliess/Ruffert/ Brechmann, EUV/AEUV, Art. 45 Rn. 47. 86 EUArbR/Steinmayer, Art. 45 AEUV Rn. 50 f. 87 EUArbR/Steinmayer, Art. 45 AEUV Rn. 52; Görlitz, Mittelbare Diskriminierung, S. 177 ff. 88 EuGH v. 7. 5. 1998, Rs. 350/96, Slg. 1998, I-2521 (Clean Car Autoservice), Rn. 27 ff.; EuGH v. 9. 3. 2000,Rs. C-355/98, Slg. 2000, I-12221, Rn. 31 (Kommission/Belgien). Weitere Beispiele bei EUArbR/Steinmayer, Art. 45 AEUV Rn. 58 ff. 89 EuGH v. 15. 12. 1995, Rs. C-415/93, Slg. 1995, I-4921 (Bosman), Rn. 94 ff.; Hilf/ Pache, NJW 1996, 1169, 1172; Nettesheim, NVwZ 1996, 342; Calliess/Ruffert/Brechmann, EUV/AEUV, Art. 45 Rn. 49. 90 Steindorff, ZHR 1986, 687, 690. 91 Borgmann, Die Entsendung von Arbeitnehmern in der Europäischen Gemeinschaft, S. 44; Krebber, in: FS Schröder, S 203, 204.
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2. Kap.: Rechtliche Grundlagen und Schranken der Freizügigkeit
In dieser Konstellation liegen einerseits Bezüge zur Arbeitnehmerfreizügigkeit vor: Ein abhängig Beschäftigter begibt sich in einen anderen Mitgliedstaat und wird dort tätig. Andererseits erfolgt das Ganze im Rahmen der Erbringung einer Dienstleistung durch den Arbeitgeber, so dass auch eine Einordnung unter die Dienstleistungsfreiheit denkbar wäre. Die Einordnung dieser Arbeitsform in das System der Grundfreiheiten bedarf folglich einer genaueren Betrachtung. Der Arbeitgeber kann sich als Dienstleister auf die Dienstleistungsfreiheit gemäß Art. 56 AEUV berufen. Zur Erbringung der Dienstleistung kann er seine Arbeitnehmer mitnehmen92. Fraglich ist, ob sich die Beschäftigten selbst auf die Arbeitnehmerfreizügigkeit berufen können, oder ob die Entsendesituation abschließend von der Dienstleistungsfreiheit erfasst wird. Die Arbeitnehmerfreizügigkeit ist die einzige Grundfreiheit, die sich explizit dem abhängig Beschäftigten widmet. Es ist durchaus denkbar, in der Konstellation der Entsendung beide Grundfreiheiten zur Anwendung zu bringen, da diese nicht in einem Ausschließlichkeitsverhältnis stehen93. Die Arbeitnehmerfreizügigkeit ist jedoch im Grundsatz auf einen dauerhaften Aufenthalt und einen Wechsel des Arbeitgebers angelegt94. Indem sie den auf Dauer angelegten Standortwechsel des Arbeitnehmers regelt, stellt sie das Pendant zur Niederlassungsfreiheit dar95. Die Entsendung ist in ihrer klassischen Form allerdings dadurch gekennzeichnet, dass der Arbeitnehmer nur vorübergehend und im Rahmen eines bestehenden Arbeitsverhältnisses mit dem Arbeitgeber im Entsendestaat im Ausland tätig wird. Ein entsprechendes Pendant zur Dienstleistungsfreiheit für abhängig Beschäftigte fehlt. Dementsprechend ordnet der EuGH die entsandten Arbeitnehmer der Dienstleistungsfreiheit des Arbeitgebers zu. Dies begründet der Gerichtshof damit, dass die entsandten Arbeitnehmer keinen Zugang zum Arbeitsmarkt des Bestimmungsstaates suchen96. Kennzeichnend für die entsandten Arbeitnehmer sei vielmehr, dass diese nach Erfüllung ihres Auftrags wieder in ihr Herkunftsland zurückkehren und daher zu keinem Zeitpunkt auf dem Arbeitsmarkt des Bestimmungslandes auftreten97. Die Arbeitnehmerfreizügigkeit findet demnach in der Regel auf die 92 EuGH v. 27. 3. 1990, Rs. C-113/89, Slg. 1990, I-1417 (Rush Portuguesa), Rn. 17; Hanau, in: FS Everling, S. 415, 417; Selmayr, ZfA 1996, 615, 631; Krebber, IPrax 2001, 22, 23; Becker, in: Becker/von Maydell/Nußberger (Hrsg.), Die Implementierung internationaler Sozialstandards, S. 139, 147. 93 Birk, in: FS Wissmann, S. 523, 528. 94 Franzen, DZWiR 1996, 89, 96; AR-Krebber, Art. 45 AEUV, Rn. 1. 95 Franzen, DZWiR 1996, 89, 96. 96 EuGH v. 27. 3. 1990, Rs. C-113/89, Slg. 1990, I-1417 (Rush Portuguesa), Rn. 15; EuGH v. 9. 8. 1994, Rs. C-43/93, Slg. 1994, I-3803 (Van der Elst), Rn. 21. 97 EuGH v. 27. 3. 1990, Rs. C-113/89, Slg. 1990, I-1417 (Rush Portuguesa), Rn. 15; EuGH v. 9. 8. 1994, Rs. C-43/93, Slg. 1994, I-3803 (Van der Elst), Rn. 21; EuGH v. 25. 10. 2001, verb. Rs. C-49/98, C-50/98, C-52/98 bis C-54/98 und C-69/98 bis C-71/98, Slg. 2001, I-7831 (Finalarte), Rn. 22; EuGH v. 21. 10. 2004, Rs. C-445/03, Slg. 2004, I-10191 (Kommission/
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entsandten Arbeitnehmer keine Anwendung98. Die Arbeitnehmer fallen vielmehr mittelbar, sozusagen als Annex99, ebenfalls unter die Dienstleistungsfreiheit. Die Literatur stimmt der Sichtweise des EuGH überwiegend zu100. (2) Rechtsfolgen der Anwendung der Dienstleistungsfreiheit Die Dienstleistungsfreiheit statuiert zunächst ein Diskriminierungsverbot, das jede unterschiedliche Behandlung aufgrund der Staatsangehörigkeit untersagt. Diskriminierende Unterscheidungen zwischen ausländischen und inländischen Dienstleistern sind im Bereich der Arbeitnehmerentsendung demnach nicht zulässig101. Beispielsweise hat der EuGH die Anwendung von deutschen Urlaubsregelungen auf nach Deutschland entsendende Unternehmen im Baugewerbe für diskriminierend erklärt, wenn nicht sämtliche in Deutschland ansässigen Unternehmen in derselben Branche diesen Regelungen unterliegen102. Heute kommen unmittelbare Diskriminierungen in diesem Kontext kaum noch vor103. Die Dienstleistungsfreiheit erschöpft sich jedoch nicht in einem Verbot diskriminierender Handlungen. Die Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit durch Regelungen, die unterschiedslos auf alle Dienstleistungsanbieter anwendbar sind, aber überwiegend ausländische Dienstleister in ihrer Tätigkeit behindern oder die Leistungen weniger attraktiv machen, sind ebenfalls untersagt104. Luxemburg), Rn. 38; EuGH v. 21. 9. 2006, Rs. C-168/04, Slg. 2006, I-9041 (Kommission/Österreich), Rn. 55; EuGH v. 11. 9. 2014, Rs. C-91/13, RIW 2014, 754 (Essent Energie), Rn. 51. 98 Der EuGH betont jedoch bereits in der Rs. Rush Portuguesa, dass das Ergebnis im Einzelfall anders sein kann, EuGH v. 27. 3. 1990, Rs. C-113/89, Slg. 1990, I-1417 (Rush Portuguesa), Rn. 16. 99 Frenz, Handbuch Europarecht Band 1, Rn. 3442. 100 Däubler, EuZW 1997, 613, 614;.Franzen, DZWiR 1996, 89, 96; Franzen, IPrax 2002, 186, 187; Görres, Grenzüberschreitende Arbeitnehmerentsendung in der EU, S. 35; Junker/ Wichmann, NZA 1996, 505, 507 f.; Krebber, Jahrbuch Junger Zivilrechtswissenschaftler 1997, S. 129, 139 f.; Krebber, ZEuP 2001, 358, 366; Streinz/Müller-Graff, EUV/AEUV, Art. 56, Rn. 26; Selmayr, ZfA 1996, 615, 634 f. Offener: Kort, NZA 2002, 1248, 1250, der meint, es sei „in der Regel nicht anzunehmen, dass die Arbeitnehmerentsendung […] an den primärrechtlichen Regelungen über die Freizügigkeit […] zu messen [ist]“. Für die Anwendung der Arbeitnehmerfreizügigkeit auch auf entsandte Arbeitnehmer Birk, in: FS Wissmann, S. 523, 529; Bittner, Betriebsrentenrecht, S. 115; Streinz/Franzen, EUV/AEUV, Art. 45 Rn. 36; Gerken/Löwisch/Rieble, BB 1995, 2370, 2373; Koenigs, DB 1997, 225, 230; Krebber, in: FS Müller-Graff, S. 365, 371; EUArbR/Steinmayer, Art. 45 AEUV Rn. 40 f. 101 Kort, NZA 2002, 1248, 1251; von Danwitz, EuZW 2002, 237, 242. 102 EuGH v. 25. 10. 2001, verb. Rs. C-49/98, C-50/98, C-52/98 bis C-54/98 und C-69/98 bis C-71/98, Slg. 2001, I-7831 (Finalarte), Rn. 76 ff. 103 EUArbR/Rebhahn, Art. 56 AEUV Rn. 11. 104 EuGH v. 25. 7. 1991, Rs. C-76/90, Slg. 1991, I-4221 (Säger), Rn. 12; EuGH v. 9. 8. 1994, Rs. C-43/93, Slg. 1994, I-3803 (Van der Elst), Rn. 14; EuGH v. 23. 11. 1999, verb. Rs. C-369/96 und C-376/96, Slg. 1999, I-8453 (Arblade), Rn. 33; EuGH v. 24. 1. 2002, Rs. C-164/99, Slg. 2002, I-787 (Portugaia), Rn. 18. EuGH v. 25. 10. 2001, verb. Rs. C-49/98, C-50/98, C-52/98
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Das Verständnis der Dienstleistungsfreiheit als Beschränkungsverbot führt zur Anwendung des Herkunftslandprinzips105: Das Herkunftslandprinzip wurde vom EuGH in seiner Rechtsprechung zur Warenverkehrsfreiheit entwickelt und besagt, dass ein in einem Mitgliedstaat rechtmäßig hergestelltes und vermarktetes Produkt so auch auf dem Markt anderer Mitgliedstaaten zugelassen ist106. Übertragen auf die Dienstleistungsfreiheit bedeutet das folglich, dass jede Dienstleistung, die den rechtlichen Anforderungen des Herkunftsstaates genügt, in dieser Form in jedem anderen Mitgliedstaat erbracht werden kann107. Entsandte Arbeitnehmer werden bei Anwendung des Herkunftslandprinzips demnach im Grundsatz zu den Arbeitsbedingungen des Heimatstaates tätig108. Die Anwendung des Herkunftslandprinzips bewirkt dementsprechend, dass auf dem Markt desselben Mitgliedstaates Arbeitnehmer nebeneinander tätig sein können, auf die das Arbeitsrecht verschiedener Staaten anwendbar ist109. Entsandte Arbeitnehmer arbeiten zu den Arbeitsbedingungen ihres Herkunftslandes, während andere Ortskräfte zu den Arbeitsbedingungen des Bestimmungslandes tätig sind. Es entstehen „Inseln fremden Rechts“110. Praktisch gesehen ist es nach dem Recht der Grundfreiheiten also möglich, dass auf einer deutschen Baustelle deutsche Arbeitnehmer zu deutschen Arbeitsbedingungen neben portugiesischen Arbeitnehmern zu portugiesischen Arbeitsbedingungen arbeiten und die gleichen Tätigkeiten ausführen111. (3) Vorgaben des Kollisionsrechts Das Herkunftslandprinzip wird sowohl vom Arbeitskollisionsrecht als auch vom Kollisionsrecht des Sozialrechts bestätigt112: Gemäß Art. 8 Abs. 2 S. 2 Rom bis C-54/98 und C-69/98 bis C-71/98, Slg. 2001, I-7831 (Finalarte), Rn. 28 ff.; EuGH v. 18. 12. 2007, Rs. C-341/05, Slg. 2007, I-11767 (Laval), Rn. 99. 105 Borgmann, Die Entsendung von Arbeitnehmern in der Europäischen Gemeinschaft, S. 93; Steindorff, ZHR 1986, 687, 689. 106 EuGH v. 20. 2. 1979, Rs. 120/78, Slg. 1979, 649 (Cassis de Dijon). 107 Steindorff, ZHR 1986, 687, 689. 108 Hanau, in: FS Everling, S. 415, 417; Junker, JZ 2005, 481, 485; Krebber, 30 Comp. Labor Law & Pol’y Journal, 875, 889 (2009); ders., in: FS Schröder, S. 203, 206. 109 Hanau, in: v. Maydell (Hrsg.), Soziale Rechte in der EG, S. 55, 69; Franzen, DZWiR 1996, 89. 110 Borgmann, Die Entsendung von Arbeitnehmern in der Europäischen Gemeinschaft, S. 3; Görres, Grenzüberschreitende Arbeitnehmerentsendung in der EU, S. 89, 94; vgl. dazu auch Jahresgutachten 1989/90 des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtgesellschaftlichen Entwicklung, BT-Drs. 11/5786, S. 198. 111 Siehe zu einer beispielhaften Konstellation Selmayr, ZfA 1996, 615, 617 f. Zu Korrekturen dieses Effekts im Sekundärrecht siehe unten 2. Kap. A. IV. 3. c) bb) (4). 112 Borgmann, Die Entsendung von Arbeitnehmern in der Europäischen Gemeinschaft, S. 3; Cornelissen, RdA 1996, 329, 331 f.; Junker, JZ 2005, 481, 485; Selmayr, ZfA 1996, 615, 623 ff.
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I-VO113 findet bei der vorübergehenden Entsendung kein Statutenwechsel statt114. Art. 12 Abs. 1 VO 883/2004115 bestimmt ebenfalls, dass die vorübergehende Entsendung von Arbeitnehmern keinen Einfluss auf das anwendbare Recht hat. Es gilt in diesen Fällen demnach nicht das Recht des Arbeitsortes, wie es in Art. 8 Abs. 1 S. 1 Rom I-VO und Art. 11 Abs. 3 lit. a VO 883/2004 vorgesehen ist, sondern das Recht des Herkunftslandes116. Die vorübergehende Entsendung hat folglich auf das anwendbare Recht im Grundsatz keine Auswirkungen, es bleibt bei der Anwendung des Rechts des Herkunftslandes117. Dass diese Regelung im Grundsatz sachgerecht ist, zeigt folgende Überlegung: Würde schon bei kurzfristiger Entsendung das Recht des Bestimmungslandes Anwendung finden, könnte ein deutscher Unternehmer seine Arbeitnehmer kurzfristig entsenden, um sich des deutschen Kündigungsschutzes zu entledigen und die Arbeitnehmer entlassen118. Auch sind häufige Statutenwechsel gerade bei längerfristig zu beurteilenden Rechtsfragen, etwa Urlaubsansprüchen, nicht praktikabel119. (4) Wirkung der Entsenderichtlinie (a) Hintergrund Herkunftslandprinzip und Kollisionsrecht bewirken, dass die Arbeitnehmerentsendung das auf die Arbeitsverhältnisse der entsandten Arbeitnehmer anwendbare Arbeitsrecht nicht beeinflusst. Dies ermöglicht einem Dienstleistungsanbieter, bei seiner Preiskalkulation die niedrigeren Arbeitskosten seines Heimatstaates zugrunde zu legen. Dadurch können Unternehmer aus Mitgliedstaaten mit niedrigerem Lohn- und Arbeitsschutzniveau Dienstleistungen günstiger anbieten als solche aus Hochlohnländern120. Entsendende Unternehmen können ein bestehendes „Sozialkostengefälle“ ausnutzen121. 113 VO (EG) Nr. 593/2008 v. 17. 6. 2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom I), ABlEG 2008 Nr. L 177/6. 114 Deinert, Internationales Arbeitsrecht, § 9 Rn. 49; EUArbR/Krebber, Art. 3, 8 VO 593/2008/EG, Rn. 51. 115 VO (EG) Nr. 883/2004 v. 29. 4. 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit, ABlEG 2004 Nr. L 166/1. 116 Dazu Cornelissen, RdA 1996, 329, 330 f.; nach Basedow, RabelsZ 1995 (59), 1, 12 ff., schreibt das primärrechtliche Herkunftslandprinzip diese Rechtsfolge für das Kollisionsrecht bereits verbindlich vor. 117 Deinert, RdA 1996, 339, 341; Krebber, IPrax 2001, 22, 27 f.; Selmayr, ZfA 1996, 615, 623 f.; Schlachter, NZA 2002, 1242, 1244; Spieler, EuZA 2012, 168, 169. 118 Junker/Wichmann, NZA 1996, 505, 506. 119 EUArbR/Krebber, Art. 3, 8 VO 593/2008/EG, Rn. 38. 120 Krebber, IPrax 2001, 22, 23. 121 Deinert, Internationales Arbeitsrecht, § 10 Rn. 51.
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Die Möglichkeit, komparative Kostenvorteile im Binnenmarkt voll auszunutzen entspricht dem Grundgedanken der Grundfreiheiten122. Dennoch wurde seitens der Hochlohnstaaten – allen voran Deutschland – seit den frühen 1990er Jahren zunehmend die Sorge vor sogenanntem Sozialdumping geäußert123. Mitgliedstaaten mit einem vergleichsweise hohen Lohnniveau fürchteten die Konkurrenz ausländischer Dienstleister, die mit ihren mitgebrachten Arbeitnehmern Dienstleistungen deutlich günstiger erbringen konnten124. Im Fokus stand insbesondere die Baubranche125, in welcher der Lohn der Arbeitnehmer etwa 50 Prozent der Gesamtkosten ausmacht126. Die Höhe des durchschnittlichen Lohnes wich zum Zeitpunkt dieser Diskussion127 in den EU-Mitgliedstaaten signifikant voneinander ab und tut es noch heute128. In Frankreich sorgte insbesondere der Bau des Euro-Disneylands in Paris, bei welchem portugiesische Arbeitnehmer zu einem Fünftel des Lohnes vergleichbarer französischer Arbeitnehmer eingesetzt wurden, für Diskussionen129. In letzter Konsequenz soll diese Debatte auch zur Ablehnung des europäischen Verfassungsvertrags in Frankreich und den Niederlanden beigetragen haben130. (b) Die Anwendung des Rechts des Bestimmungslandes nach Art. 3 Entsenderichtlinie Vor diesem Hintergrund wurde die Frage aufgeworfen, inwieweit ein Mitgliedstaat ausländische Dienstleister seinem nationalen Arbeitsrecht unterwerfen kann. Der EuGH hatte sich zu dieser Frage früh in drei obiter dicta positiv geäußert: Es sei einem Mitgliedstaat nicht verwehrt, seine Rechtsvorschriften oder Tarifverträge auf alle Personen auszudehnen, die in seinem Hoheitsgebiet eine unselbständige Tätigkeit ausüben131. Diesen Gedanken setzte die 1996 erlassene Entsenderichtli122
Krebber, Jahrbuch Junger Zivilrechtswissenschaftler 1997, S. 129, 153. Vgl. etwa Hanau, in: FS Everling, S. 415 f.; Selmayr, ZfA 1996, 615, 617; Steinmayer, DVBl. 1995, 962 ff. 124 Dazu Borgmann, Die Entsendung von Arbeitnehmern in der Europäischen Gemeinschaft, S. 4. 125 Z.B. Däubler, DB 1995, 726; Deinert, RdA 1996, 339, 340; Franzen, DZWiR 1996, 89; Hanau, in: FS Everling, S. 415 f.; Hold, AuA 1996, 113 f. 126 Däubler, DB 1995, 726; Schlachter, NZA 2002, 1242, 1243. 127 Vgl. etwa Däubler, DB 1995, 726; Deinert, RdA 1996, 339; Hanau, in: FS Everling, S. 415 f.; Selmayr, ZfA 1996, 615, 618. 128 Europäische Kommission, Study on Wage Setting Systems and Minimum Rates of Pay Applicable to Posted Workers 2016, S. 14. 129 Vgl. dazu Selmayr, ZfA 1996, 615, 619. 130 Lalanne, 150 Int’l Lab. Rev. 211, 221 (2011). Ausführlich zur Schaffung der Entsen derichtlinie Rocca, Posting of Workers and Collective Labour Law, S. 113 ff. 131 EuGH v. 3. 2. 1982, verb. Rs. 62/81 u. 63/81, Slg. 1982, 223 (Seco/EVI), Rn. 14; v. 27. 3. 1990, Rs. C-113/89, Slg. 1990, I-1417 (Rush Portuguesa), Rn. 18; EuGH v. 9. 8. 1994, Rs. C-43/93, Slg. 1994, I-3803 (Van der Elst), Rn. 23. 123
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nie um: Art. 3 Entsenderichtlinie verpflichtet die Mitgliedstaaten – unabhängig von dem auf das jeweilige Arbeitsverhältnis anwendbare Recht – in den folgenden Bereichen nationale Rechts- oder Verwaltungsvorschriften sowie allgemein verbindliche Tarifverträge anzuwenden: Arbeitszeit, Urlaub, Mindestlohn, Bedingungen zur Arbeitnehmerüberlassung, Arbeitsschutz und Nichtdiskriminierung (sog. harter Kern von Arbeitsbedingungen). (c) Vereinbarkeit mit der Dienstleistungsfreiheit? Ob die durch Art. 3 Entsenderichtlinie erfolgte Anwendung des Rechts des Bestimmungslandes mit der Dienstleistungsfreiheit vereinbar ist, war zunächst umstritten132. Die Verpflichtung zur Anwendung des Rechts des Arbeitsortes hinsichtlich des harten Kerns von Arbeitsbedingungen stellt eine Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit dar. Insbesondere die Verpflichtung zur Zahlung inländischer Mindestlöhne reduziert zweifellos für viele Dienstleistungserbringer die Attraktivität der Ausübung ihrer Grundfreiheit133. Beschränkungen der Dienstleistungsfreiheit können ausnahmsweise zulässig sein, wenn sie keine Diskriminierungen darstellen, durch zwingende Gründe des Allgemeinwohls gerechtfertigt sind und keine weniger beschränkende Maßnahme ebenso erfolgsversprechend ist134. Als zwingende Gründe des Allgemeinwohls kommen hier verschiedene Motive in Betracht. Zum einen dient die Richtlinie dem Schutz der nationalen Arbeitsmärkte, indem verhindert wird, dass inländische Dienstleistungsanbieter nicht mehr konkurrenzfähig sind. Wirtschaftliche Gründe, wie der Schutz der nationalen Wirtschaft, sind aber keine tauglichen Rechtfertigungsgründe, da der Grundgedanke der Dienstleistungsfreiheit gerade das Ausnutzen heimischer Wettbewerbsvorteile ist135.
132 Gegen eine Vereinbarkeit der Entsenderichtlinie bzw. des deutschen Arbeitnehmer entsendegesetzes mit der Dienstleistungsfreiheit z.B. Gerken/Löwisch/Rieble, BB 1995, 2370, 2372 ff.; Koenigs, DB 1997, 225, 227 ff.; Krebber, Jahrbuch Junger Zivilrechtswissenschaftler 1997, S. 129, 149 ff.; Selmayr, ZfA 1996, 615, 656 f. 133 Schlachter, NZA 2002, 1242, 1245; EuGH v. 24. 1. 2002, Rs. C-164/99, Slg. 2002, I-787 (Portugaia), Rn. 18. 134 EuGH v. 17. 12. 1981, Rs. 279/80, Slg. 1981, 3305 (Webb), Rn. 17; EuGH v. 25. 7. 1991, Rs. C-76/90, Slg. 1991, I-4221 (Säger), Rn. 15; EuGH v. 9. 8. 1994, Rs. C-43/93, Slg. 1994, I-3803 (Van der Elst), Rn. 16; EuGH v. 28. 3. 1996, Rs. C-272/94, Slg. 1996, I-1905 (Guiot), Rn. 11; EuGH v. 23. 11. 1999, verb. Rs. C-369/96 und C-376/96, Slg. 1999, I-8453 (Arblade), Rn. 34; Junker/Wichmann, NZA 1996, 505, 507. 135 EuGH v. 5. 6. 1997, Rs. C-398/95, Slg. 1997, I-3091 (SETTG), Rn. 23; EuGH v. 24. 1. 2002, Rs. C-164/99, Slg. 2002, I-787 (Portugaia), Rn. 26; Becker, in: Becker/von Maydell/Nußberger (Hrsg.), Die Implementierung internationaler Sozialstandards, S. 139, 147; Kort, NZA 2002, 1248, 1251; Krebber, Jahrbuch Junger Zivilrechtswissenschaftler 1997, S. 129, 153; Krebber, IPrax 2001, 22, 24; Selmayr, ZfA 1996, 615, 649; Schlachter, NZA 2002, 1242, 1246. Anders wohl Däubler, EuZW 1997, 613, 615.
2. Kap.: Rechtliche Grundlagen und Schranken der Freizügigkeit
66
Ein möglicher Rechtfertigungsgrund ist der vom EuGH als zwingender Grund des Allgemeininteresses anerkannte Arbeitnehmerschutz136. In Betracht kommen dabei zum einen die Arbeitnehmer des Bestimmungslandes, in deren Interesse es liegt, dass ihre Arbeitgeber weiterhin konkurrenzfähig sind. Darüber hinaus könnte auf die entsandten Arbeitnehmer selbst abgestellt werden, da zu deren Schutz das jeweils stärker ausgeprägte Arbeitsrecht Anwendung beanspruchen sollte. Der EuGH hat zwar nie direkt über die Vereinbarkeit der Entsenderichtlinie mit der Dienstleistungsfreiheit entschieden, hat diese jedoch mittels eines „dogmatischen Kunstgriffs“137 in sein Rechtfertigungsschema eingebaut. Nach Auffassung des EuGH können zum Schutz der entsandten Arbeitnehmer – und allein auf diese komme es an138 – die Rechtsvorschriften des Bestimmungslandes Anwendung finden, soweit es die Richtlinie vorsieht139. Bedenken hinsichtlich des Doppelbelastungsverbots, das einen Anbieter von Dienstleistungen davor schützen könnte, im Aufnahmestaat zusätzlich mit Pflichten belastet zu werden, die ihm bereits vom Entsendestaat auferlegt wurden140, begegnet der EuGH mit einem materiellen Vergleich der konkreten Schutzstandards141. Das Verbot der Doppelbelastung schütze einen Dienstleister nicht davor, mit zusätzlichen, für die Arbeitnehmer günstigeren, Verpflichtungen des Aufnahmestaats belastet zu werden – z.B. mit der Gewährung zusätzlicher Urlaubstage142. Anders als in früheren Urteilen143 vergleicht der Gerichtshof nicht formell, sondern materiell den konkreten Schutzstandard für die entsandten Arbeitnehmer ähnlich eines Günstigkeitsvergleichs nach § 4 Abs. 3 TVG144. Würde man das Doppelbe136
EuGH v. 3. 2. 1982, verb. Rs. 62/81 u. 63/81, Slg. 1982, 223 (Seco/EVI), Rn. 10; EuGH v. 23. 11. 1999, verb. Rs. C-369/96 und C-376/96, Slg. 1999, I-8453 (Arblade), Rn. 36; EuGH v. 15. 3. 2001, C-165/98, Slg. 2001, I-2189 (Mazzoleni), Rn. 27; EuGH v. 25. 10. 2001, verb. Rs. C-49/98, C-50/98, C-52/98 bis C-54/98 und C-69/98 bis C-71/98, Slg. 2001, I-7831 (Finalarte), Rn. 33; Kort, NZA 2002, 1248, 1251. 137 Krebber, IPrax 2013, 474, 475. 138 EuGH v. 25. 10. 2001, verb. Rs. C-49/98, C-50/98, C-52/98 bis C-54/98 und C-69/98 bis C-71/98, Slg. 2001, I-7831 (Finalarte), Rn. 41; EuGH v. 24. 1. 2002, Rs. C-164/99, Slg. 2002, I-787 (Portugaia), Rn. 28; Krebber, IPrax 2001, 22, 24; Schlachter, NZA 2002, 1242, 1246. 139 EuGH v. 18. 12. 2007, Rs. C-341/05, Slg. 2007, I-11767 (Laval); EuGH v. 3. 4. 2008, Rs. C-346/06, Slg. 2008, I-1989 (Rüffert); EuGH v. 19. 6. 2008, Rs. C-319/06, Slg. 2008, I-4323 (Kommission/Luxemburg). 140 Schlachter, NZA 2002, 1242, 1246. 141 EuGH v. 25. 10. 2001, verb. Rs. C-49/98, C-50/98, C-52/98 bis C-54/98 und C-69/98 bis C-71/98, Slg. 2001, I-7831 (Finalarte), Rn. 57 ff; EuGH v. 24. 1. 2002, Rs. C-164/99, Slg. 2002, I-787 (Portugaia), Rn. 29. 142 Schlachter, NZA 2002, 1242, 1246. EuGH v. 25. 10. 2001, verb. Rs. C-49/98, C-50/98, C-52/98 bis C-54/98 und C-69/98 bis C-71/98, Slg. 2001, I-7831 (Finalarte), Rn. 57. 143 EuGH v. 23. 11. 1999, verb. Rs. C-369/96 und C-376/96, Slg. 1999, I-8453 (Arblade). 144 EuGH v. 25. 10. 2001, verb. Rs. C-49/98, C-50/98, C-52/98 bis C-54/98 und C-69/98 bis C-71/98, Slg. 2001, I-7831 (Finalarte), Rn. 57 ff; EuGH v. 24. 1. 2002, Rs. C-164/99, Slg. 2002, I-787 (Portugaia), Rn. 29. Zustimmend Schlachter, NZA 2002, 1242, 1247.
A. Rechtliche Grundlagen der Freizügigkeit
67
lastungsverbot rein formal verstehen145, wäre die Entsenderichtlinie nicht mit der Dienstleistungsfreiheit vereinbar, da bereits Lohnzahlungspflichten etc. im Herkunftsland bestehen146. (d) Die Entsenderichtlinie im System des Kollisionsrechts Die Anwendung der in Art. 3 Entsenderichtlinie genannten nationalen Normen erfolgt über Art. 9 Rom I-VO: Es handelt sich um zwingende Normen, die sich als Eingriffsnormen gegenüber dem Arbeitsvertragsstatut durchsetzen147. Eingriffsnormen sind demnach selbst dann maßgeblich, wenn das Arbeitsverhältnis eigentlich dem ausländischen Recht unterliegt. Das Kollisionsrecht bleibt folglich bei seiner Grundentscheidung gegen einen Wechsel des Vertragsstatuts bei Entsendungen148. Die entsprechenden Normen setzen sich jedoch als Eingriffsnormen durch. In Deutschland wird dies durch das Arbeitnehmerentsendegesetz (AEntG) gewährleistet. Ein Großteil der zwingend anzuwendenden Arbeitsbedingungen war in Deutschland schon zuvor durch Eingriffsrecht garantiert149. Gerade für die zwei kostenintensiven Arbeitsbedingungen Entgelt und Urlaub traf dies jedoch nicht zu150. Die Entsenderichtlinie ordnet die international zwingende Wirkung dieser Normen nun verpflichtend an151. Kollisionsrechtlich ist die Entsenderichtlinie unbedenklich, da das Kollisionsrecht sich zu der Frage, welche Normen eine Rechtsordnung zu Eingriffsnormen erklärt, neutral verhält152. Das Kollisionsrecht bleibt damit im Grundsatz beim Herkunftslandprinzip und wendet die von der Entsenderichtlinie bestimmten Normen lediglich als Eingriffsnormen an153.
145 Hierfür tritt Kort, NZA 2002, 1248, 1252, ein, der allenfalls bei einem „krassen Zurückbleiben“ der ausländischen Regelung hinter dem inländischen Recht eine Ausnahme gelten lassen will. Für ein formales Verständnis spricht sich auch Krebber, ZEuP 2001, 365, 373 f. aus. Vgl. dazu auch Franzen, IPrax 2002, 186, 189. 146 Schlachter, NZA 2002, 1242, 1247. 147 Borgmann, IPRax 1996, 315, 318; Deinert, Internationales Arbeitsrecht, § 10 Rn. 59; Krebber, IPRax 2001, 22 ff.; Krebber, IPRax 2013, 474, 477. Vgl. auch Erwägungsgrund Nr. 34 der Rom I-VO. 148 Schlachter, NZA 2002, 1242, 1248. 149 Deinert, Internationales Arbeitsrecht, § 10 Rn. 59. 150 Deinert, Internationales Arbeitsrecht, § 10 Rn. 59; Schlachter, NZA 2002, 1242, 1244. 151 Schlachter, NZA 2002, 1242, 1245. 152 Krebber, IPrax 2001, 22, 27. 153 Schlachter, NZA 2002, 1242, 1248 kritisiert, dass damit „die Entwicklung eines abgestimmten Systems von Gemeinschaftsrecht und Kollisionsrecht“ nicht gelungen ist.
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2. Kap.: Rechtliche Grundlagen und Schranken der Freizügigkeit
(5) Zwischenergebnis Werden innerhalb der EU Arbeitnehmer in andere Mitgliedstaaten entsandt, bewirken das Recht der Grundfreiheiten und das Kollisionsrecht im Grundsatz eine Anwendung des Rechts des Herkunftslandes. Dies führt zu der tatsächlichen Situation, dass Arbeitnehmer an demselben Beschäftigungsort zu unterschiedlichen Arbeitsbedingungen tätig werden, je nachdem, ob sie bzw. ihre Arbeitgeber am Freihandel teilgenommen haben oder nicht. Dieser Effekt wird seit 1996 durch die Entsenderichtlinie weitgehend eingeschränkt, da diese in zahlreichen Bereichen die Anwendung des Rechts des Bestimmungslandes anordnet. Hervorzuheben ist hier insbesondere die Pflicht zur Zahlung des im Bestimmungsland durch Rechtsverordnungen oder allgemeinverbindliche Tarifverträge vorgeschriebenen Mindestlohns. Kollisionsrechtlich setzen sich diese Normen als Eingriffsnormen gegen das Arbeitsrechtstatut durch. 4. Freizügigkeit in bilateralen Freihandelsabkommen Nachdem mit dem GATS, NAFTA, dem Mercosur und der EU bislang multilaterale Freihandelsabkommen im Fokus standen, soll im Folgenden ein kurzer Blick auf Freizügigkeitsregelungen in bilateralen Verträgen geworfen werden. Der Beschäftigung ausländischer Arbeitnehmer widmen sich zum einen zahlreiche Abkommen, in denen sich ein Staat verpflichtet, jährlich ein bestimmtes Kontingent an Arbeitnehmern vorübergehend aufzunehmen und zu beschäftigen. Beispielhaft kann auf die sog. Anwerbeabkommen Deutschlands zwischen 1955 und 1968 verwiesen werden, die auf bilateraler Ebene mit Italien (1955), Spanien (1960), Griechenland (1960), der Türkei (1961), Marokko (1963), Südkorea (1963), Portugal (1964), Tunesien (1965) und dem ehemaligen Jugoslawien (1968) abgeschlossen wurden. Auch gegenüber zahlreichen osteuropäischen Staaten hat Deutschland sich verpflichtet, einem bestimmten Kontingent an Arbeitnehmern Einreise, Aufenthalt und Ausübung einer unselbständigen Tätigkeit zu gestatten154. Kanada hat in den 1960er und 1970er Jahren bilaterale Verträge mit Mexiko und Ländern der Karibik geschlossen, die es Arbeitnehmern aus diesen Ländern erlauben, vorübergehend (in der Regel für die Dauer von fünf Monaten) in Kanadas Landwirtschaftssektor tätig zu werden155. Das 1942 eingerichtete Bracero-Programm erlaubte mexikanischen Arbeitnehmern, vorübergehend in den USA tätig zu werden156. Auch die Assoziierungsabkommen der EU werden dieser Kategorie
154 Z.B. die Vereinbarung zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Republik Lettland über die Beschäftigung von Arbeitnehmern zur Erweiterung ihrer beruflichen und sprachlichen Kenntnisse vom 2. 6. 1992, BGBl. II S. 1207 ff. 155 Dazu Blouin, 39 J. World Trade 881, 884 ff. (2005). 156 Dazu Kagan, 29 J. of Transnat’l L. & Pol’y 153, 155 (2005).
A. Rechtliche Grundlagen der Freizügigkeit
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zugerechnet, z.B. das Abkommen mit der Türkei, welches vom Erfordernis der Arbeitserlaubnis befreit157 oder das Abkommen mit der Ukraine158. Diese Übereinkommen beruhen auf unilateralen Entscheidungen, den eigenen Arbeitsmarkt für eine bestimmte Zeit zu öffnen und den eigenen Mangel an Arbeitskräften auszugleichen. Sie stehen in keinem engeren Zusammenhang mit der grundsätzlichen Liberalisierung des Welthandels. Das Tätigwerden der Arbeitnehmer beruht hier nicht auf einer aktiven oder passiven Teilnahme am Welthandel. Daher sollen diese Abkommen nicht Gegenstand dieser Arbeit sein.
V. Zwischenergebnis und weitere Eingrenzung des Untersuchungsgegenstandes Das Unionsrecht hat sich wie keine andere regionale Freihandelszone der Freizügigkeit abhängig Beschäftigter gewidmet. Während NAFTA, Mercosur und anderen Freihandelszonen, die Freizügigkeit von Arbeitnehmern ausgeklammern oder allenfalls in den Grenzen des WTO-Rechts zugestehen, erlaubt das Unionsrecht die grenzüberschreitende Arbeitserbringung in zahlreichen Formen. Hinsichtlich der Arbeitnehmerfreizügigkeit existiert bis dato, soweit ersichtlich, kein weiteres Freihandelssystem, welches Arbeitnehmern ein derart weitreichendes Freizügigkeitsrecht einräumt. Die Entsendung wird demgegenüber in Systemen mit Dienstleistungsfreiheit im Grundsatz häufig gewährleistet, sie umfasst jedoch in der Regel nur die konzerninterne Entsendung bzw. die Entsendung von Geschäftsleuten. Arbeitskostenintensive Branchen werden weitestgehend ausgeklammert. Das ist nicht zuletzt auf die Konflikte zurückzuführen, die in der EU zum Erlass der Entsenderichtlinie geführt haben159. Wird die Entsendung in der Form zugelassen, dass Dienstleister von heimischen Löhnen und Arbeitsbedingungen profitieren können, droht „ausländische Billigkonkurrenz“. Gerade innerhalb von Freihandelszonen mit wirtschaftlich unterschiedlich starken Mitgliedern wird daher nicht nur die Arbeitnehmerfreizügigkeit, sondern auch die Entsendung aus Angst vor Migration blockiert. Da letztlich nur im Unionsrecht die hier untersuchten Formen der Arbeitnehmerfreizügigkeit und Entsendung voll ausgeprägt sind, konzentriert sich die Untersuchung im Folgenden auf das Unionsrecht.
157
ABl. 1964 B 217/3687. Dazu EUArbR/Steinmayer, Art. 45 AEUV Rn. 30 m.w.N. ABlEU Nr. L 161 v. 29. 4. 2014. 159 Siehe dazu oben 2. Kap. A. IV. 3. c) bb) (4) (a). 158
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2. Kap.: Rechtliche Grundlagen und Schranken der Freizügigkeit
B. Völkerrechtliche Schranken der Freizügigkeit I. Vorgehen Arbeitsrechtliche Fragen sind Gegenstand zahlreicher völkerrechtlicher Verträge. Nicht nur finden sich in den Menschenrechtsabkommen der UN und in regionalen Menschenrechtsübereinkommen arbeitsrechtliche Menschenrechte. Die Schaffung internationaler arbeitsrechtlicher Mindeststandards erfolgt darüber hinaus maßgeblich durch die ILO. Sowohl aus den Übereinkommen der ILO, als auch aus den arbeitsrechtlichen Garantien der Menschenrechtsabkommen könnten sich Schranken der unionsrechtlichen Freizügigkeitsformen ergeben. Dabei sind für die Mitgliedstaaten der EU neben den Übereinkommen unter dem Dach der UN insbesondere die Abkommen des Europarates von Bedeutung, die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK)160 und die Europäische Sozialcharta (ESC)161. Im Folgenden wird zunächst ein Überblick über die für die Mitgliedstaaten der EU relevanten Quellen des Arbeitsvölkerrechts gegeben. Sodann wird untersucht, inwiefern das Arbeitsvölkerrecht der Arbeitnehmerfreizügigkeit und der Arbeitnehmerentsendung Grenzen setzt.
II. Quellen des Arbeitsvölkerrechts 1. Mindeststandards der ILO a) Die ILO aa) Entstehungsgeschichte der ILO Die Idee zur Schaffung internationaler arbeitsrechtlicher Mindeststandards entstand bereits Ende des 19. Jahrhunderts162. Der zunehmende grenzüberschreitende Handel mit Waren und Dienstleistungen löste bei vielen Staaten die Befürchtung aus, dass es so zu einem Unterbietungswettbewerb um die niedrigsten Arbeits-
160 Konvention
zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. 11. 1950, Neubekanntmachung vom 22. 10. 2010, BGBl. 2010 II, S. 1198 (ursprüngliche Fassung vom 4. 11. 1950, BGBl. 1952 II, S. 685, ber. S. 953). 161 Europäische Sozialcharta vom 18. 10. 1961, BGBl. 1964 II, S. 1262, zuletzt geändert durch ÄndBek zur ESC vom 3. 9. 2001, BGBl. II, S. 970, 529 UNTS 89. Die revidierte Europäische Sozialcharta vom 3. 5. 1996, ETS No. 163, wurde von Deutschland bislang nur unterzeichnet, aber noch nicht ratifiziert. Die Artikel beziehen sich auf den Text der ursprünglichen Charta, soweit nicht anders gekennzeichnet (RESC). 162 Vertiefend zur Entwicklung des internationalen Arbeitsrechts bis zur Gründung der ILO Böhmert, Das Recht der ILO, S. 27 ff.; Mahaim, in: Shotwell (Hrsg.), The Origins of the International Labor Organization, Band I, S. 1, 3 ff.
B. Völkerrechtliche Schranken der Freizügigkeit
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rechtsstandards kommen könnte („race to the bottom“)163. Die Schweiz forderte bereits 1881 völkerrechtliche Verträge mit internationalen Mindeststandards164. 1890 trafen sich schließlich 13 europäische Staaten in Berlin zur Internationalen Arbeitsschutzkonferenz. Zwar fehlte es zu diesem Zeitpunkt an einer Bereitschaft der teilnehmenden Staaten, sich völkerrechtlich zu binden und die staatliche Souveränität in Arbeitsschutzfragen einzuschränken165, jedoch wurde als Folge der Konferenz im Jahr 1901 das Internationale Arbeitsamt in Basel errichtet, welches zur Vereinheitlichung der Arbeitsschutzgesetzgebung in den verschiedenen Ländern beitragen sollte und der ILO später als Vorbild diente166. Die ILO wurde 1919 im System des Völkerbundes auf Grundlage des Versailler Vertrages gegründet167. Seit der 1946 ist sie eine Sonderorganisation der UN168. bb) Struktur und Organe der ILO Die ILO hat eine unter internationalen Organisationen einzigartige dreigliedrige Struktur169: Die Mitgliedstaaten sind stets nicht nur durch ihre Regierungen, sondern auch durch Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände vertreten170. Organe der ILO sind gem. Art. 2 ILO-Verfassung die Internationale Arbeitskonferenz (IAK)171, der Verwaltungsrat172 und das Internationale Arbeitsamt (IAA)173. Die IAK ist das zentrale Organ der ILO, welches häufig als die Legislative bezeichnet wird. Sie erlässt Übereinkommen und Empfehlungen und kommt einmal jährlich zusammen. Der Verwaltungsrat ist das Exekutivorgan, welches die Beschlüsse der IAK umsetzt und das Budget verwaltet. Er kommt dreimal im Jahr zusammen. Das IAA dokumentiert weltweite Arbeitsstandards, forscht und ihm obliegt die technische Zusammenarbeit. Das IAA untersteht dem Verwaltungsrat174. Neben diesen, von der ILO-Verfassung vorgesehenen, Organen wurden zwei weitere Ausschüsse errichtet, die den Verwaltungsrat bei seinen Tätigkeiten unterstützen und entlasten sollen. 1926 wurde der Sachverständigenausschuss für die Anwendung von Übereinkommen und Empfehlungen (Sachverständigenaus 163
Weiss, in: FS Richardi, S. 1093, 1094. Weiss, in: FS Richardi, S. 1093, 1095. 165 Böhmert, Das Recht der ILO, S. 28. 166 Weiss, in: FS Richardi, S. 1093, 1095. 167 Böhmert, Das Recht der ILO, S. 31. Ausführlich zur Gründung der ILO Servais, International Labour Law, S. 24 f.; Wisskirchen, ZfA 2003, 691, 692 f. 168 Art. 57 UN-Charta. 169 Vertiefend Hughes, The ILO, S. 21 f. 170 Vgl. Art. 3 Abs. 1 zur Besetzung der IAK, und Art. 7 Abs. 1 zur Besetzung des Verwaltungsrats. Zu Problemen der Dreigliedrigkeit siehe Weiss, in: FS Richardi, S. 1093, 1097. 171 International Labour Conference (ILC), Art. 3 ff. ILO-Verfassung. 172 Governing Body, Art. 7 ILO Verfassung. 173 International Labour Office, Art. 10 ILO-Verfassung. 174 Art. 2 Abs. 1 lit. c ILO-Verfassung. 164
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2. Kap.: Rechtliche Grundlagen und Schranken der Freizügigkeit
schuss)175 errichtet, um den Verwaltungsrat bei der Kontrolle der von den Mitgliedstaaten regelmäßig vorzulegenden Berichte176 zu unterstützen177. Der Sachverständigenausschuss besteht aus 20 Mitgliedern, die Experten auf dem Gebiet der Arbeitsbeziehungen sind. Daneben unterstützt der 1951 gegründete und ebenfalls dreigliedrig besetzte Ausschuss für Vereinigungsfreiheit178 den Verwaltungsrat speziell bei der Kontrolle der Implementierung der Übereinkommen zur Vereinigungsfreiheit179. b) Die Setzung von Mindeststandards durch die ILO aa) Ziel eines Arbeitsvölkerrechts Die Idee des Arbeitsvölkerrechts besteht darin, bestimmte Arbeitsrechtsstandards für alle Teilnehmer am Welthandel verbindlich zu machen und damit im durch die Liberalisierung des Welthandels entstandenen internationalen Kostenwettbewerb neutral zu stellen. Nationale sozialpolitische Maßnahmen zugunsten der Arbeitnehmer, wie hohe Löhne oder ein hoher Schutzstandard des Arbeitsrechts, bedeuten für den Arbeitgeber höhere Kosten. Dementsprechend kann ein Arbeitsrecht mit hohem Schutzniveau zu einem Wettbewerbsnachteil gegenüber anderen Nationen mit geringerem Schutzniveau werden. Auf diesem Gedanken beruht die Idee der Schaffung eines Arbeitsvölkerrechts180. Denn werden bestimmte Arbeitsrechtsstandards international für alle am liberalisierten Welthandel teilnehmenden Staaten verbindlich geregelt, sind sie als Wettbewerbsfaktoren neutralisiert181. Die Standards wirken als Kartell, ähnlich wie im nationalen Recht der Tarifvertrag182. Der Setzung solcher Standards dient seit 1919 die ILO. bb) Zulässigkeit arbeitsrechtlicher Mindeststandards im System des freien Welthandels Zunächst stellt sich jedoch die Frage, ob eine solche Kartellwirkung im System des freien Welthandels überhaupt zulässig ist. Ziel des liberalisierten Welthandels ist es gerade, vorhandene Handelsvorteile auszunutzen. Ein geringer arbeitsrechtlicher Schutzstandard könnte demnach ein Wettbewerbsvorteil sein, den die Staaten berechtigterweise zu ihren Gunsten nutzen können. 175 Committee of Experts on the Application of Conventions and Recommendations (CEACR). 176 Dazu näher unten 2. Kap. B. IV. 4. a) bb) (1). 177 Weiss/Seifert, GS Zachert, S. 130, 134. Vertiefend Wagner, Internationaler Schutz sozialer Rechte, S. 54 ff. m.w.N. 178 Committee on Freedom of Association (CFA). 179 Weiss/Seifert, GS Zachert, S. 130, 135. 180 Birk, ZfA 1991, 355, 357. 181 Krebber, JZ 2008, 53, 56. 182 Birk, ZfA 1991, 355, 358.
B. Völkerrechtliche Schranken der Freizügigkeit
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Das Welthandelsrecht geht allerdings davon aus, dass nicht von jedem Wettbewerbsvorteil Gebrauch gemacht werden darf. Handelsvorteile, die als unfair angesehen werden, dürfen nicht genutzt werden. Dazu gehören Dumping und Subventionen183. Bezüglich anderer Faktoren, die den Preis eines Produkts beeinflussen können, besteht jedoch keine Einigkeit. Dazu gehören Arbeitsrechte184. Während die Industriestaaten die Einhaltung bestimmter Arbeitsrechtsstandards zur Bedingung der Teilnahme am Welthandel machen wollen sehen viele Entwicklungsländer in diesen Bestrebungen eine protektionistische Maßnahme. Für sie stellt ein niedriges arbeitsrechtliches Schutzniveau ihren einzigen Wettbewerbsvorteil dar, von welchem sie frei Gebrauch machen wollen. Im Rahmen der WTO wurde diese Frage ausgiebig diskutiert. Schlussendlich hat sich die WTO gegen die Inklusion einer Sozialklausel und damit gegen eine Verpflichtung zur Einhaltung gewisser arbeitsrechtlicher Mindeststandards zur Teilnahme am Freihandel entschieden. Das heutige GATT erlaubt die Ausnutzung niedriger Arbeitsschutzstandards fast uneingeschränkt. Lediglich Waren, die durch Strafgefangene produziert wurden, können mit Handelssanktionen belegt werden185. Die WTO hat jedoch im Rahmen dieser Diskussion ausdrücklich erklärt, dass die Zuständigkeit zur Setzung international verbindlicher Mindeststandards bei der ILO liege186. Folglich billigt das Welthandelsrecht die Festlegung internationaler Mindeststandards durch die ILO. cc) Instrumentarien der ILO (1) Die ILO-Übereinkommen Der Schwerpunkt der Tätigkeit der ILO liegt in der Normsetzung187. Die ILO-Übereinkommen188 werden vom IAA ausgearbeitet und bei der jährlich stattfindenden IAK von den Mitgliedern verabschiedet. Ihre Rechtsnatur ist umstritten189, behandelt werden sie wie völkerrechtliche Verträge. Übereinkommen be-
183 Dementsprechend erlaubt Art. 6 GATT den Mitgliedstaaten, Maßnahmen (z.B. in Form von Strafzöllen) gegen Dumpingvorgänge zu ergreifen. Das Übereinkommen über Subventionen und Ausgleichsmaßnahmen (BGBl. 1995 Nr. 1) definiert, welche Subventionen das WTO-Recht als verboten (Art. 3) bzw. anfechtbar (Art. 5) betrachtet und welche Abhilfemaßnahmen die Mitgliedstaaten in diesen Fällen ergreifen können. 184 Krebber, in: Benvenisti/Nolte, The Welfare State, S. 175, 179. 185 Art. XX lit. e GATT. 186 Servais, International Labour Law, S. 40. 187 Weiss, in: FS Lörcher, S. 21, 23; Guyon, L’influence des normes supranationales sur le droit français du travail, S. 2. 188 Conventions, Art. 19 ILO-Verfassung (im Deutschen auch als Konventionen bezeichnet). 189 Vertiefend zur Diskussion Wagner, Internationaler Schutz sozialer Rechte, S. 28 ff.; Zimmer, Soziale Mindeststandards, S. 66 ff. m.w.N.
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2. Kap.: Rechtliche Grundlagen und Schranken der Freizügigkeit
dürfen der Ratifikation durch die Mitgliedstaaten190. Mit der Ratifikation tritt ein Mitgliedstaat dem Übereinkommen bei und wird verpflichtet, seine innerstaatliche Gesetzgebung und Praxis entsprechend den Anforderungen des Übereinkommens auszugestalten191. Die Übereinkommen binden demnach die Mitgliedstaaten auf völkerrechtlicher Ebene. Steht nationales Recht im Widerspruch zu einem ratifizierten ILO-Übereinkommen, liegt ein völkerrechtlicher Vertragsverstoß vor. Die innerstaatliche Regelung wird jedoch dadurch in der Regel jedoch nicht unwirksam192. Die ILO hat inzwischen 189 Übereinkommen193 verabschiedet. (2) Die Empfehlungen der ILO Neben den Übereinkommen nutzt die ILO das Instrument der Empfehlungen194. Diese sind unverbindlich und dienen insbesondere dazu, den Mitgliedstaaten Hilfestellungen zur Umsetzung der Übereinkommen zu geben. Zudem wird das Instrument der Empfehlung genutzt, um die Mitgliedstaaten auf regelungsbedürftige Bereiche aufmerksam zu machen, in denen ein verbindliches Übereinkommen noch nicht möglich erscheint195. (3) Die Erklärung über grundlegende Prinzipien und Rechte bei der Arbeit Nach Auffassung der ILO verkörpern insbesondere acht Übereinkommen zu den vier Bereichen Vereinigungsfreiheit und Recht zu Kollektivverhandlungen196, Abschaffung der Zwangsarbeit197, Abschaffung der Kinderarbeit198 und Beseitigung der Diskriminierung in Beschäftigung und Beruf 199 die elementaren und unverzichtbaren Rechte der Arbeitnehmer200. 190 Art. 19 Abs. 5 ILO-Verfassung. Zur Ratifikationsbereitschaft der Mitgliedstaaten siehe Weiss, in: FS Richardi, S. 1093, 1098. 191 Zimmer, Soziale Mindeststandards, S. 62. 192 Vgl. für das deutsche Recht ErfK/Preis, § 611 BGB, Rn. 201. 193 Alle Übereinkommen sind abrufbar über die Datenbank NORMLEX unter www.ilo. org (zuletzt überprüft am 30. 7. 2016). 194 Art. 19 Abs. 1, Abs. 6 ILO-Verfassung. Ausführlich Servais, International Labour Law, S. 79 ff. 195 Weiss, in: FS Richardi, S. 1093, 1097. 196 Übereinkommen Nr. 87 über die Vereinigungsfreiheit und den Schutz des Vereinigungsrechts v. 9. 7. 1948; Übereinkommen Nr. 98 über die Anwendung der Grundsätze des Vereinigungsrechts und des Rechtes zu Kollektivverhandlungen v. 1. 7. 1949. 197 Übereinkommen Nr. 29 über Zwangs- und Pflichtarbeit v. 28. 6. 1930; Übereinkommen Nr. 105 über die Abschaffung der Zwangsarbeit v. 25. 6. 1957. 198 Übereinkommen Nr. 138 über das Mindestalter für die Zulassung zur Beschäftigung vom 6. 6. 1973 und Übereinkommen Nr. 182 über das Verbot und unverzügliche Maßnahmen zur Beseitigung der schlimmsten Formen der Kinderarbeit v. 19.11999. 199 Übereinkommen Nr. 100 über die Gleichheit des Entgelts männlicher und weiblicher Arbeitskräfte für gleichwertige Arbeit v. 29. 6. 1951; Übereinkommen Nr. 111 über die Diskriminierung in Beschäftigung und Beruf v. 25. 6. 1958.
B. Völkerrechtliche Schranken der Freizügigkeit
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Um sich in diesen Bereichen von der Ratifikationsbereitschaft der Mitgliedstaaten unabhängiger zu machen, hat die IAK im Jahr 1998 – vor dem Hintergrund der zu diesem Zeitpunkt geführten Diskussion um eine Sozialklausel in den WTO-Abkommen 201 – die Erklärung über grundlegende Prinzipien und Rechte bei der Arbeit202 verabschiedet. Hiernach sind die Mitgliedstaaten der ILO auch ohne Ratifikation verpflichtet, diese Kernarbeitsnormen zu respektieren, zu fördern und sie durchzusetzen 203. 200
Unabhängig davon, ob die Kernarbeitsnormen tatsächlich auch ohne Ratifikation verbindlich sind 204, stellen sie den aus Sicht der ILO zentralen Kern des interationalen Arbeitsrechts dar. Das Verbot der Zwangsarbeit wird wegen seiner Nähe zum Verbot der Sklaverei dem ius cogens zugerechnet205 und entfaltet demnach ohnehin erga omnes-Wirkung206. Das Verbot der Kinderarbeit wird nach verbreiteter Auffassung als Völkergewohnheitsrecht i.S.d. Art. 38 Abs. 1 lit. b IGH-Statut betrachtet207. Auch bezüglich der Vereinigungsfreiheit und des Diskriminierungsverbots werden überzeugende Argumente für das Vorliegen einer Staatenpraxis und einer gefestigten Rechtsüberzeugung vorgebracht208, jedoch kann hier bislang wohl nicht von einer gewohnheitsrechtlichen Verankerung gesprochen werden 209. 200 Einen Kurzüberblick über den Inhalt dieser acht Übereinkommen gibt Zimmer, Soziale Mindeststandards, S. 47 ff. 201 Böhmert, Das Recht der ILO, S. 40. Ausführlich Hughes, The ILO, S. 61 ff. Vertiefend zum Hintergrund der Erklärung Alston, 15 Eur. J. Int’l L. 457, 462 ff. (2004). 202 Abrufbar unter: http://www.ilo.org/berlin/ziele-aufgaben/verfassung/WCMS_193 727/lang--de/index.htm (zuletzt überprüft am 9. 8. 2016). 203 Weiss, in: FS Richardi, S. 1093, 1100 f. 204 Es wird vertreten, die Erklärung habe rein politische Wirkung, Alston, 15 Eur. J. Int’l L. 457 ff. (2004); Hepple, Labour Laws and Global Trade, S. 59. Andere gehen von einer gewissen Bindung allein durch Mitgliedschaft aus, ohne jedoch näher auf die Qualität der Erklärung einzugehen, Potter, ZfA 2001, 205, 216; Wisskirchen, ZfA 2003, 691, 706. Dazu vertiefend Zimmer, Soziale Mindeststandards, S. 70 ff. 205 Internationaler Gerichtshof (IGH) v. 5. 2. 1970, IJC Reports 1970, S. 3, 32 (Barcelona Traction); U.S. District Court for the District of New Jersey v. 28. 10. 1999, 67 f. Supp. 2d, 424 (Iwanova v. Ford Motor Co.); Bridgeford, 18 Am. U. Int’l L. Rev. 1009, 1023 (2003); Graf Vitzthum, in: Graf Vitzthum/Proelß (Hrsg), Völkerrecht, S. 1, 9; Lenzerini, in: Francioni (Hrsg.), Environment, Human Rights and International Trade, 287, 308; Weber/Weber, GRUR Int. 2008, 899, 905. Dazu auch Seibert-Fohr, ZaöRV 2003, 195, 198. 206 Graf Vitzthum, in: Graf Vitzthum/Proelß (Hrsg), Völkerrecht, S. 1, 49. 207 Lenzerini, in: Francioni (Hrsg.), Environment, Human Rights and International Trade, 287, 308 geht bei den schlimmsten Formen der Kinderarbeit wegen der Nähe zur Sklaverei von ius cogens aus. Für ausbeuterische Kinderarbeit bejahend Weber/Weber, GRUR Int. 2008, 899, 905; Zweifelnd Hepple, Labour Laws and Global Trade, S. 60. 208 Siehe nur Zimmer, Soziale Mindeststandards, S. 73 ff. 209 Hepple, Labour Laws and Global Trade, S. 60 („impossible to regard this human rights as part of consistent state practice“). Anders Heuschmid, SR 2014, 1, 3 ff. Ausführlich zur Frage, welche der vier Bereiche dem Völkergewohnheitsrecht zugerechnet werden können Zimmer, Soziale Mindeststandards, S. 72 ff.
2. Kap.: Rechtliche Grundlagen und Schranken der Freizügigkeit
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Die Wirkung der Erklärung besteht letztlich vor allem darin, dass sie zu einer starken Zunahme an Ratifikationen der acht Kernübereinkommen geführt hat210. Betrachtet man die vier ausgewählten Rechte, so zeigt sich, dass die ILO hier einen menschenrechtlichen Blickwinkel eingenommen hat211. Die ausgewählten vier arbeitsrechtlichen Garantien finden sich durchweg in den UN-Menschenrechtsabkommen212. Auffällig ist insbesondere, dass das aus arbeitsrechtlicher Sicht bedeutende Thema Arbeitsschutz213 nicht Teil der Kernarbeitsnormen ist, obgleich die ILO dazu zahlreiche Übereinkommen verabschiedet hat214. Dagegen ist das arbeitsrechtlich recht junge Thema Diskriminierungsschutz Teil der Kernarbeitsnormen215. (4) Die technische Zusammenarbeit Neben der Normsetzung hat insbesondere seit dem Zweiten Weltkrieg und der Entstehung zahlreicher neuer Staaten im Zuge der Dekolonialisierung, die technische Zusammenarbeit stark an Bedeutung gewonnen 216. Die ILO versucht hier, ihre Präsenz in besonders armen Staaten mit schwach ausgeprägten Arbeitsrechten zu stärken und – unter Kooperation mit der Weltbank und dem Internationalen Währungsfonds – die Verbesserung der Arbeitsbedingungen zu unterstützen 217. 2. Arbeitsrecht in Internationalen Menschenrechtsabkommen a) „Labour Rights as Human Rights“? Obgleich zahlreiche internationale Menschenrechtsabkommen Arbeitsrechte nennen, ist deren Einordnung als Menschenrechte umstritten218. Diese Diskussion, die sich unter der Überschrift „Labour Rights as Human Rights?“ an zahlreichen Stellen findet219, soll hier nicht abstrakt geführt werden. Vorliegend wird auf Grundlage einer 210
Hepple, Labour Laws and Global Trade, S 60. Krebber, in: Benvenisti/Nolte, The Welfare State, S. 175, 215; Weiss, in: FS Lörcher, S. 21, 25. 212 Trebilcock/Howse, 14 Minn. J. Global Trade 261, 263 (2005). 213 Krebber, in: Benvenisti/Nolte, The Welfare State, S 175, 181. Weiss, in: FS Lörcher, S. 21, 25, befürwortet daneben eine Erweiterung um die Rechte auf soziale Sicherheit, auf einen angemessenen Mindestlohn und den Schutz vor willkürlichen Kündigungen. 214 Krebber, in: Benvenisti/Nolte, The Welfare State, S. 175, 215. Dazu auch Alston, 15 Eur. J. Int’l L. 457, 486 f. (2004). 215 Krebber, in: Benvenisti/Nolte, The Welfare State, S. 175, 186. 216 Böhmert, Das Recht der ILO, S. 59. 217 Hughes, The ILO, S. 29 ff. 218 Dazu einerseits Alston, in: Alston (Hrsg.), Labour Rights as Human Rights, S. 1 ff.; Fudge, 29 Comp. Lab. L & Pol’Y J. 29 ff. (2007) und andererseits Kolben, 50 Va. J. Int’l L. 449 ff. (2010). 219 Siehe z.B. Alston, in: Alston (Hrsg.), Labour Rights as Human Rights, S. 1 ff.; Kolben, 50 Va. J. Int’l L. 449 - 484 (2010); Russel-Brown, 24 Berkeley J. Emp. & Lab. L. 179 (2003). 211
B. Völkerrechtliche Schranken der Freizügigkeit
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rein formalen Sichtweise aufgezeigt, welche Arbeitsrechte eine normative Verankerung in den Menschenrechtsabkommen der UN und des Europarats erfahren haben. b) Arbeitsrechte in den Übereinkommen der UN aa) UN-Charta und Allgemeine Erklärung der Menschenrechte Art. 55 lit. c der Charta der UN220 verpflichtet zur Achtung der Menschenrechte ohne jedoch die geschützten Rechte zu definieren. Einen umfassenden Katalog universeller Menschenrechte enthält erstmals die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte (AEMR)221 von 1948. Die AEMR gewährt ein Recht auf Arbeit, freie Berufswahl und gerechte und befriedigende Arbeitsbedingungen (Art. 23 I AEMR), das Recht auf gleichen Lohn für gleiche Arbeit (Art. 23 II AEMR), gerechte und befriedigende Entlohnung (Art. 23 III AEMR) und das Recht, Gewerkschaften zu bilden und solchen beizutreten (Art. 23 IV AEMR). Zudem wird ein Recht auf Erholung und Freizeit, insbesondere auf eine vernünftige Begrenzung der Arbeitszeit und bezahlten Urlaub gewährt (Art. 24 AEMR). Die AEMR ist kein völkerrechtlicher Vertrag, sondern eine Resolution der UN-Generalversammlung und damit nur eine unverbindliche Erklärung222. Sie bildete jedoch die Grundlage für die spätere Schaffung verbindlicher Menschenrechtsübereinkommen unter dem Dach der UN und hat als Rechtsquelle argumentative Bedeutung. Zudem reflektieren zahlreiche dort niedergelegte Rechte bestehendes Völkergewohnheitsrecht223. bb) Die UN-Menschenrechtspakte Verbindliches Völkervertragsrecht stellen der Internationale Pakt über bürgerliche und politische Rechte (IPbpR)224 und der Internationale Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (IPwskR)225 dar. Der IPbpR gewährleistet die Vereinigungs- und Koalitionsfreiheit (Art. 22 IPbpR), Schutz vor Diskriminierungen (Art. 2 Abs. 1, 3, 26 IPbpR) und verbietet Zwangsarbeit (Art. 8 IPbpR). Im 220
Charta der Vereinten Nationen vom 26. 6. 1945, BGBl. 1973 II, S. 431. der Generalversammlung der Vereinten Nationen vom 10. 12. 1948, UN Doc. GA Res. 217/A /III. abrufbar im Volltext in deutscher Sprache unter: http://www. un.org/depts/german/menschenrechte/aemr.pdf (zuletzt überprüft am 8. 3. 2017). 222 Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen werden dem soft law zugerechnet. Sie können jedoch zur Herausbildung von Välkergewohnheitsrecht beitragen, Graf Vitzhum, in: Graf Vitzthum/Proelß (Hrsg), Völkerrecht, S. 1, 10. 223 Kau, in: Graf Vitzthum/Proelß (Hrsg), Völkerrecht, S. 209, 212, m.w.N. zur Diskussion über die rechtliche Verbindlichkeit der AEMR. 224 International Covenant on Civil and Political Rights (ICCPR) vom 19. 12. 1966, BGBl. 1973 II, S. 1553, 999 UNTS 171. 225 International Covenant on Economic, Social and Cultural Rights (ICESCR) vom 19. 12. 1966, BGBl. 1976 II, S. 428, 993 UNTS 3. 221 Resolution
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2. Kap.: Rechtliche Grundlagen und Schranken der Freizügigkeit
IPwskR findet sich eine Vielzahl arbeitsrechtlich relevanter Rechte: Gleichberechtigung von Mann und Frau (Art. 2 Abs. 1, 3 IPwskR 226), Recht auf Arbeit (Art. 6 IPwskR) und ein Recht auf gerechte und günstige Arbeitsbedingungen, insbesondere angemessener Lohn, gleiches Entgelt für gleichwertige Arbeit, sichere und gesunde Arbeitsbedingungen sowie ein Recht auf Arbeitspausen, Freizeit und Urlaub (Art. 7 IPwskR). Wie der IPbpR schützt auch der Sozialpakt die Koalitionsfreiheit sowie zusätzlich das Streikrecht (Art. 8 IPwskR). Der Pakt gewährleistet darüber hinaus den Schutz von (werdenden) Müttern sowie den Schutz von Kinder und Jugendlichen vor Beschäftigung (Art. 10 IPwskR). cc) Spezielle Übereinkommen zum Schutz besonders gefährdeter Gruppen Die UN haben darüber hinaus spezielle Übereinkommen zum Schutz besonders gefährdeter Gruppen erlassen. Im vorliegenden Kontext sind insbesondere zwei Übereinkommen von Relevanz: Zum einen die UN-Wanderarbeitnehmerkonvention 227, zum anderen das Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form der Diskriminierung der Frau (UN-Frauenrechtskonvention)228. dd) Überwachungsorgane Die Einhaltung der UN-Menschenrechtspakte wird von verschiedenen Ausschüssen überprüft: Der UN-Menschenrechtsausschuss229 überwacht die Einhaltung der Rechte des Zivilpaktes, der UN-Sozialausschuss230 die Rechte des Sozialpaktes. Der Ausschuss für die Beseitigung der Diskriminierung der Frau überwacht entsprechend die Umsetzung der UN-Frauenrechtskonvention 231. Auch die Einhal226 Neben diesen beiden Generalklauseln enthalten einzelne weitere Rechte des Paktes gesonderte Gleichheitsbestimmungen: Art. 7 lit. a (Gleiches Entgelt für gleiche Arbeit, gleiche Arbeitsbedingungen unabhängig vom Geschlecht), Art. 7 lit. c (Gleiche Aufstiegschancen), Art. 10 Nr. 3 S. 1 (gleiche Schutz- und Beistandsmaßnahmen für alle Kinder), Art. 13 Abs. 2 c) (Gleicher Zugang zu Hochschulen). Zum Verhältnis der Generalklauseln zu diesen Bestimmungen Klee, Die progressive Verwirklichung wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Menschenrechte, S. 166 f. 227 Oben 2. Kap. Fn. 1. 228 Convention on the Elimination of All Forms of Discrimination against Women (CEDAW) v. 18. 12. 1979, BGBl 1985 II, S. 647, 1249 UNTS, 13. 229 Ausschuss für Menschenrechte, (Human Rights Council, HRC bzw. Committee on Civil and Political Rights, CCPR), Art. 28 ff. IPbpR. 230 Ausschuss für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (Committee on Econom ic, Social and Cultural Rights, CESCR). Der Ausschuss ist im IPwskR nicht vorgesehen, vielmehr wird in Art. 16 ff. IPwskR dem UN-Wirtschafts- und Sozialrat (Economic and Social Council, ECOSOC) die Aufgabe der Überwachung übertragen. Dieser hat die Überwachungstätigkeit jedoch an den Sozialausschuss übertragen.Vertiefend zum Sozialausschuss Craven, The ICESCR, S. 42 ff. 231 Art. 18 UN-Frauenrechtskonvention (CEDAW Committee).
B. Völkerrechtliche Schranken der Freizügigkeit
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tung der Wanderarbeitnehmerkonvention unterliegt der Überprüfung durch den Ausschuss zum Schutze der Rechte aller Wanderarbeitnehmer (UN-Wanderarbeitnehmerausschuss)232. c) Arbeitsrechte in den Übereinkommen des Europarats aa) Europäische Menschenrechtskonvention Die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK)233 verbietet wie der IPbpR Zwangsarbeit (Art. 4 EMRK)234 und Diskriminierung (Art. 14 EMRK) und gewährleistet die Vereinigungsfreiheit (Art. 11 EMRK)235. bb) Europäische Sozialcharta Die Europäische Sozialcharta (ESC)236 ergänzt – vergleichbar mit dem IPwskR – die EMRK um den Schutz von wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechten 237. Arbeitsrechtlich relevant sind insbesondere das Recht auf sichere und gesunde Arbeitsbedingungen (Art. 3 ESC), das Recht auf ein gerechtes Arbeitsentgelt (Art. 4 ESC), die Vereinigungsfreiheit (Art. 5 ESC) und das Recht auf Kollektivverhandlungen (Art. 6 ESC). Zudem wird ein Recht auf Gesundheitsschutz und soziale Sicherheit gewährt (Art. 11 bzw. 12 ESC). Besonders geschützt werden u.a. Kinder und Jugendliche (Art. 7 ESC), Arbeitnehmerinnen (Art. 8 ESC) und Wanderarbeitnehmer (Art. 19 ESC). Die revidierte ESC238 enthält nunmehr auch zahlreiche weitere Arbeitsrechte, u.a. das Recht auf Gleichberechtigung von Mann und Frau bei der Beschäftigung (Art. 20 RESC) und das Recht auf Schutz bei Kündigungen (Art. 24 RESC). Die Sozialcharta ist lediglich partiell verbindlich, da die Staaten nur eine Auswahl von Rechten für verbindlich erklären müssen 239. 232 Art. 72 UN-Wanderarbeitnehmerkonvention (Committee on the Protection of the Rights of All Migrant Workers and Menmbers of their Family, CMW). 233 Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, Neubekanntmachung vom 22. 10. 2010, BGBl. 2010 II, S. 1198 (ursprüngliche Fassung vom 4. 11. 1950, BGBl. 1952 II, S. 685, ber. S. 953), 213 UNTS 221. 234 Vertiefend zum Inhalt des Verbots der Zwangsarbeit in Art. 4 EMRK Grabenwarter, in: Becker/von Maydell/Nußberger (Hrsg.), Die Implementierung internationaler Sozialstandards, S. 83, 112 ff. 235 Vertiefend zum Inhalt der Koalitionsfreiheit in Art. 11 EMRK Grabenwarter, in: Becker/von Maydell/Nußberger (Hrsg.), Die Implementierung internationaler Sozialstandards, S. 83, 108 ff. 236 Siehe Fn. 161. 237 Birk, in: Becker/von Maydell/Nußberger (Hrsg.), Die Implementierung internationaler Sozialstandards, S. 39, 40. 238 Vgl. dazu Fn. 161. 239 Dazu näher Buergenthal/Thürer, Menschenrechte, S. 241 f.; Harris, The European Social Charter, S. 18 ff.
2. Kap.: Rechtliche Grundlagen und Schranken der Freizügigkeit
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cc) Überwachungsorgane Die Überwachung der EMRK erfolgt durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR)240. Die Einhaltung der ESC wird durch den Europä ischen Ausschuss für soziale Rechte kontrolliert241.
III. Völkerrechtliche Schranken der Arbeitnehmerfreizügigkeit Fraglich ist, ob sich aus den soeben aufgezeigten völkerrechtlich verankerten Rechten Schranken der Arbeitnehmerfreizügigkeit ergeben können. Die Arbeitnehmerfreizügigkeit bewirkt die Anwendung des Rechts des Bestimmungslandes, demnach eine vollständige Gleichstellung mit den einheimischen Arbeitnehmern. Dass diese Rechtsfolge völkerrechtlich unproblematisch, ja sogar gewollt ist, zeigt ein Blick auf die bereits angesprochenen Übereinkommen der UN bzw. der ILO zum Schutz der Wanderarbeitnehmer242. Die UN-Wanderarbeitnehmerkonvention erstreckt sich auf jede Person, „die in einem Staat, dessen Staatsangehörigkeit sie nicht hat, eine Tätigkeit gegen Entgelt […] ausübt […].“243 Darunter fallen Arbeitnehmer, die von der Arbeitnehmerfreizügigkeit Gebrauch machen. Die Konvention verpflichtet die Mitgliedstaaten dazu, den Wanderarbeitnehmern alle in der Konvention niedergelegten Rechte geichermaßen einzuräumen. Neben einem ausführlichen Katalog bürgerlicher und politischer Menschenrechte, verpflichtet die Konvention auch zur Gleichbehandlung in Bezug auf das Arbeitsentgelt und Arbeitsbedingungen 244. Die durch Art. 45 ff. AEUV bewirkte Gleichstellung mit den Arbeitnehmern des Bestimmungslandes ist demnach die vom Arbeitsvölkerrecht erwünschte Rechtsfolge. Dies bestätigt auch Art. 19 Abs. 4 ESC, der zur umfassenden Gleichbehandlung von Wanderarbeitnehmern verpflichtet. Da die Arbeitnehmerfreizügigkeit nur das Recht des Bestimmmungslandes zur Anwendung bringt und kein eigenes supranationales Arbeitsrechtsregime statuiert245, kann an dieser Stelle allein fraglich sein, ob das nationale Recht des Bestimmungslandes gegen das Völkerrecht verstößt. Gegenstand dieser Arbeit ist jedoch lediglich, ob das Völkerrecht besonderen, durch die Liberalisierung des Welthandels entstandenen, und vom nationalen Recht abweichenden Konstruktionen Grenzen setzt. Die Vereinbarkeit nationalen Arbeitsrechts mit dem Völkerrecht ist nicht Thema dieser Untersuchung. 240
European Court of Human Rights (ECHR), Art. 19 ff. EMRK European Committee for Social Rights (ECSR), Art. 25 ESC. 242 Siehe oben 2. Kap. A. II. 243 Art. 2 Abs. 1 UN-Konvention zum Schutz der Rechte aller Wanderarbeitnehmer. 244 Vgl. Art. 25 UN-Konvention zum Schutz der Rechte aller Wanderarbeitnehmer. 245 Krebber, 30 Comp. Labor Law & Pol’y Journal, 875, 887 (2009). 241
B. Völkerrechtliche Schranken der Freizügigkeit
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IV. Völkerrechtliche Schranken der Arbeitnehmerentsendung 1. Völkerrechtliche Schranken der Anwendung des Herkunftslandsprinzips Die Anwendung der Dienstleistungsfreiheit auf die entsandten Arbeitnehmer führt dazu, dass diese im Grundsatz zu den Bedingungen ihres Herkunftslandes tätig werden. Es ist daher der Frage nachzugehen, ob das Völkerrecht der Anwendung des Rechts des Herkunftslandes Grenzen setzt. Das wäre dann der Fall, wenn es eine völkerrechtliche Verpflichtung gäbe, ausländische entsandte Arbeitnehmer in jeglichen arbeits- und sozialrechtlichen Belangen den inländischen Arbeitnehmern gleichzustellen. Eine solche Verpflichtung könnte sich aus den völkerrechtlichen Vorschriften zum Schutze der Wanderarbeitnehmer, also den ILO-Übereinkommen Nr. 97246 und Nr. 143247, der UN-Wanderarbeitnehmerkonvention 248 oder Art. 19 Abs. 4 ESC ergeben, sofern diese auch entsandte Arbeitnehmer erfassen. a) ILO-Übereinkommen Nr. 97 und Nr. 143 zum Schutz der Wanderarbeitnehmer Die ILO-Übereinkommen Nr. 97 und Nr. 143 verpflichten die Mitgliedstaaten dazu, Wanderarbeitnehmer nicht zu diskriminieren – insbesondere auch bei den Arbeitsbedingungen. So enthält Art. 6 ILO-Übereinkommen Nr. 97 die Verpflichtung der Mitgliedstaaten, „die zum Aufenthalt in seinen Gebietsgrenzen befugten Einwanderer […] nicht weniger günstig zu behandeln als seine eigenen Staatsangehörigen in Bezug auf […] das Arbeitsentgelt, die Arbeitszeit, die Überstunden, den bezahlten Urlaub […]“. Fraglich ist, ob unter Wanderarbeitnehmer im Sinne der ILO-Übereinkommen auch entsandte Arbeitnehmer zu fassen sind. Dagegen spricht schon der Wortlaut des Art. 6 ILO-Übereinkommens Nr. 97, der das Gleichbehandlungsgebot auf „Einwanderer“ beschränkt. Art. 11 definiert den Wanderarbeiter als „eine Person, die aus einem Land in ein anderes Land auswandert, um sich dort anders als für eigene Rechnung zu betätigen […].“ Eine entsprechende Definition findet sich in Art. 11 Abs. 1 ILO-Übereinkommen Nr. 143. Abs. 2 schließt das Gebot der Gleichbehandlung auch ausdrücklich für solche Arbeitnehmer aus, „[…] denen auf Antrag ihres Arbeitgebers die Einreise zur Durchführung besonderer Aufgaben oder Aufträge für einen begrenzten, genau festgelegten Zeitraum gestattet wurde und die das Land nach Erfüllung ihrer Aufträge wieder verlassen müssen.“ Der Anwendungsbereich der ILO-Konventionen erstreckt sich folglich nur auf Arbeitnehmer, die dauerhaft in einen anderen Staat immigrieren und dort ein Beschäftigungsverhältnis eingehen und gerade nicht auf entsandte Arbeitnehmer, die 246
Siehe oben 2. Kap. Fn. 1. Siehe oben 2. Kap. Fn. 1. 248 Siehe oben 2. Kap. Fn. 1. 247
2. Kap.: Rechtliche Grundlagen und Schranken der Freizügigkeit
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vorübergehend auf Grundlage eines Arbeitsvertrags mit ihrem Arbeitgeber im Herkunftsland tätig werden. Den ILO-Übereinkommen zum Schutz der Wanderarbeitnehmer kann folglich keine Verpflichtung zur Gleichbehandlung entsandter Arbeitnehmer mit Arbeitnehmern des Bestimmungsstaates entnommen werden. b) UN-Wanderarbeitnehmerkonvention In ihrem Anwendungsbereich weiter ist demgegenüber die UN-Wanderarbeitnehmerkonvention. Hier wird der Wanderarbeitnehmer als eine Person definiert, „die in einem Staat, dessen Staatsangehörigkeit sie nicht hat, eine Tätigkeit gegen Entgelt […] ausübt […].“249 Darunter können nicht nur Arbeitnehmer, die von der Arbeitnehmerfreizügigkeit Gebrauch machen, sondern auch entsandte Arbeitnehmer gefasst werden. Dass entsandte Arbeitnehmer in den Anwendungsbereich der Konvention fallen, zeigt die Aufzählung besonderer Wanderarbeitnehmergruppen in Art. 2 Abs. 2 der Konvention. Gemäß lit. f ist auch der „projektgebundene Arbeitnehmer“ erfasst, also ein Wanderarbeitnehmer, der „für eine bestimmte Dauer in einem Beschäftigungsstaat zugelassen worden ist, um ausschließlich an einem bestimmten Projekt zu arbeiten, das von seinem Arbeitgeber in diesem Staat durchgeführt wird.“ Lit. g verweist auf den Wanderarbeitnehmer, der „von seinem Arbeitgeber für eine bestimmte befristete Dauer in einen Beschäftigungsstaat entsandt worden ist, um einen bestimmten Auftrag oder eine bestimmte Aufgabe zu erfüllen.“ Die Konvention verpflichtet dazu, die Wanderarbeitnehmer bezüglich der in der Konvention aufgelisteten Rechte nicht schlechter als einheimische Arbeitnehmer zu behandeln 250. Neben einem umfassenden Katalog bürgerlicher und politischer Rechte251 garantiert das Übereinkommen Wanderarbeitnehmern Gleichbehandlung mit inländischen Arbeitnehmern bei Arbeitsentgelt und anderen Arbeitsbedingungen 252. Diese Rechte stehen auch den „projektgebundene[n] Arbeitnehmer[n]“ und den entsandten Arbeitnehmern zu 253. Die UN-Wanderarbeitnehmerkonvention fordert demnach durchaus zur Gleichstellung entstandter Arbeitnehmer hinsichtlich der Arbeitsbedingungen auf 254.
249
Art. 2 Abs. 1 UN-Wanderarbeitnehmerkonvention. Art. 7 UN-Wanderarbeitnehmerkonvention. 251 Teil III, insb. Art. 8 bis 24 UN-Wanderarbeitnehmerkonvention. 252 Art. 25 Abs. 1 UN-Wanderarbeitnehmerkonvention. 253 Art. 57 i.V.m. Art. 61, 62 UN-Wanderarbeitnehmerkonvention. 254 Vgl. auch Spieß, UN-Wanderarbeitnehmerkonvention, S. 70. Anders noch Hilf, NJW 1984, 517, 519, zur Situation vor der Erarbeitung der UN-Wanderarbeitnehmerkonvention, der feststellte, dass es „keine allgemeine völkerrechtliche Verpflichtung [gibt], Ausländern in arbeits- und sozialrechtlichen Belangen den eigenen Staatsangehörigen gleichzustellen.“ 250
B. Völkerrechtliche Schranken der Freizügigkeit
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c) Art. 19 Abs. 4 ESC Art. 19 Abs. 4 ESC verpflichtet die Vertragsstaaten, sicherzustellen, dass Wanderarbeitnehmer, soweit sie sich rechtmäßig im Hoheitsgebiet befinden, u.a. bei Arbeitsentgelt, anderen Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen und dem Beitritt zu Gewerkschaften nicht weniger günstig behandelt werden als Staatsangehörige des Bestimmungslandes. Die Norm selbst definiert nicht, wie weit der Begriff des Wanderarbeitnehmers zu verstehen ist. Der Europäische Ausschuss für soziale Rechte hat sich jedoch im Jahr 2013 dahingehend geäußert, dass auch entsandte Arbeitnehmer vom Anwendungsbereich des Art. 19 Abs. 4 ESC erfasst sind 255. Damit stehe den entsandten Arbeitnehmern für die Zeit ihres Aufenthalts im Gaststaat Gleichbehandlung mit einheimischen Arbeitnehmern hinsichtlich des Entgelts und sonstiger Arbeitsbedingungen zu. Es spricht daher viel dafür, Art. 19 Abs. 4 ESC die Pflicht zur Gleichbehandlung der entsandten Arbeitnehmer zu entnehmen 256. d) Konsequenzen eines Verstoßes gegen die UN-Wanderarbeitnehmerkonvention und Art. 19 Abs. 4 ESC aa) UN-Wanderarbeitnehmerkonvention Die Anwendung des Herkunftslandprinzips auf entsandte Arbeitnehmer ist nicht mit den Vorgaben der UN-Wanderarbeitnehmerkonvention vereinbar. Es muss daher der Frage nachgegangen werden, inwiefern die EU selbst bzw. die Mitgliedstaaten an das Übereinkommen gebunden sind und welche Konsequenz der Völkerrechtsverstoß hat. Die EU kann selbst gemäß Art. 216 Abs. 1 AEUV völkerrechtliche Verträge schließen und ist gem. Abs. 2 an diese gebunden. Die EU ist jedoch nicht Vertragspartei der UN-Wanderarbeitnehmerkonvention257. Auch von mitgliedstaatlicher Seite besteht keine Bindung an das Übereinkommen: Die Konvention wurde von keinem EU-Mitgliedstaat ratifiziert258. Ein Grund für die Ablehnung Deutschlands ist gerade die Einbeziehung projektgebundener Wanderarbeitnehmer259. Mangels Ratifikation ergibt sich weder für die EU selbst noch für die EU-Mitgliedstaaten aus der UN-Wanderarbeitnehmerkonvention eine Pflicht zur umfas-
255 ECSR v. 3. 7. 2013, Complaint No. 85/2012 (Swedish Trade Union Confederation and Swedish Confederation of Professional Employees v. Sweden), Rn. 134. 256 So auch auch Schlachter, EuR 2016, 478, 488. 257 Anders z.B. im Fall der UN-Behindertenrechtskonvention, der die EU beigetreten ist, vgl. https://treaties.un.org (zuletzt überprüft am 8. 3. 2017). 258 Vgl. zum Stand der Ratifikationen, https://treaties.un.org (zuletzt überprüft am 8. 3. 2017). 259 Spieß, UN-Wanderarbeitnehmerkonvention, S. 66, 69 f.
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2. Kap.: Rechtliche Grundlagen und Schranken der Freizügigkeit
senden Gleichbehandlung entsandter Arbeitnehmer durch Anwendung des Rechts des Bestimmungsstaates260. bb) ESC Das europäische Primärrecht verweist in Art. 151 Abs. 1 AEUV auf die ESC. Danach verfolgen die Union und die Mitgliedstaaten „eingedenk“ der sozialen Grundrechte, wie sie in der ESC festgelegt sind, u.a. die Ziele der Beschäftigungsförderung, der Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen und des sozialen Schutzes. Diese Bezugnahme führt jedoch nicht zu einer Bindung der EU an die ESC261. Der EuGH hat die ESC zwar häufig als Auslegungshilfe herangezogen262, darüber hinaus kommt ihr jedoch keine Bindungswirkung für die Union zu. Die Mitgliedstaaten sind allerdings völkerrechtlich an Art. 19 Abs. 4 ESC gebunden, sofern sie diesen ratifiziert haben. Die ESC erlaubt den Mitgliedstaaten, die Charta nur partiell zu ratifizieren 263. Sie können bestimmte Rechte auswählen, sofern eine Mindestanzahl erreicht wird 264. Deutschland hat Art. 19 Abs. 4 ESC ratifiziert265. Es könnte sich also durchaus eine völkerrechtliche Pflicht Deutschlands (und anderer Mitgliedstaaten) gegenüber anderen ESC-Vertragsstaaten zur Gleichbehandlung entsandter Arbeitnehmer aus der ESC ergeben. Die Mitgliedstaaten wären demnach nach dem Unionsrecht verpflichtet, das Herkunftslandprinzip auf entsandte Arbeitnehmer anzuwenden, völkerrechtlich jedoch zur Gleichstellung aufgefordert. Wie solche Konflikte zu lösen sind, ist umstritten266. Gerade hier ist jedoch zu bedenken, dass sich die Anwendung des Gleichbehandlungsgebots des Art. 19 Abs. 4 ESC auf entsandte Arbeitnehmer lediglich aus der Spruchpraxis des Überwachungsausschusses ergibt. Der Sachverständigenausschuss ist jedoch kein Gericht, ihm steht es nicht zu, den Inhalt der ESC verbindlich zu bestimmen 267. Vielmehr dürfen die innerstaatlichen Gerichte die ESC selbst auslegen. Dabei können sie zwar die Empfehlungen der ESC-Gremien nicht völlig unberücksichtigt lassen 268, eine zwingende Bindung an die Spruchpraxis besteht jedoch gerade nicht. 260 Unter Umständen ergibt sich eine Gleichbehandlungspflicht jedoch hinsichtlich einzelner völkerrechtlich verankerter Menschenrechte. Dazu unten 2. Kap. B. IV. 3. 261 Krebber, RdA 2009, 224, 228 f. 262 Dazu nur Krebber, RdA 2009, 224, 229 mit Fn. 49. 263 Schlachter, EuR 2016, 478, 481. 264 Schlachter, SR 2013, 77. 265 EuArbR/Schubert, Vor Art. 1 ESC, Rn. 8. 266 Dazu näher unten 2. Kap. B. IV. 4. 267 MünchArbR/Birk, 2. Auflage, Band 1, § 17 Rn. 96; Engels, Verfassung und Arbeitskampfrecht, S. 371; EuArbR/Schubert, Vor Art. 1 ESC, Rn. 14; a.A.: Schlachter, RdA 2011, 341, 346; dies., SR 2013, 77, 79. 268 Franzen, EuZA 2010, 453, 454; Bepler, in: FS Wissmann, S. 97, 107; Engels, Verfassung und Arbeitskampfrecht, S. 371.
B. Völkerrechtliche Schranken der Freizügigkeit
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Auch muss beachtet werden, welche Folgen der Verstoß gegen Art. 19 Abs. 4 ESC für die Mitgliedstaaten hätte. Die Erfüllung der völkerrechtlichen Pflichten aus der ESC wird durch die Prüfung von Staatenberichten durch den Ausschuss überprüft. Stellt er eine Nichtbeachtung der ratifizierten Rechte dar, kann er dieses Ergebnis veröffentlichen und ggf. eine förmliche Beanstandung aussprechen. Über das „naming and shaming“ hinausgehende Sanktionsmechanismen stehen ihm allerdings nicht zu 269. Damit sind die Folgen eines möglicherweise bestehenden Völkerrechtsverstoßes der Mitgliedstaaten relativ überschaubar. 2. Völkerrechtliche Schranken der Anwendung des Rechts des Bestimmungslandes gemäß Art. 3 Entsenderichtlinie Wie bereits dargestellt, wird das Herkunftslandprinzip seit Erlass der Entsenderichtlinie für einen harten Kern der Arbeitsbedingungen nicht mehr durchgehalten. Hier kommt es zu einer Anwendung des Rechts des Bestimmungslandes. Die Anwendung des Rechts des Bestimmungslandes durch die Entsenderichtlinie entspricht, wie soeben gezeigt, genau den Vorstellungen des Arbeitsvölkerrechts270. Soweit Art. 3 Entsenderichtlinie reicht, gilt das zur Arbeitnehmerfreizügigkeit Gesagte: Die Anwendung des Rechts des Bestimmungslandes ist die vom Völkerrecht angeordnete Rechtsfolge; völkerrechtswidrig kann allein das jeweilige nationale Recht sein, was nicht Gegenstand dieser Untersuchung ist. 3. Völkerrechtliche Schranken der Einschränkung des Arbeitskampfrechts durch die Rechtsprechung des EuGH zur Entsenderichtlinie a) Problemstellung Ein Problem könnte jedoch darin liegen, dass die Anwendung des Rechts des Bestimmungslands nicht vollständig erfolgt. Art. 3 Entsenderichtlinie enthält in zweifacher Hinsicht Beschränkungen: Zum einen sind die Arbeitsbedingungen, hinsichtlich derer eine Gleichstellung zu erfolgen hat, in einem abschließenden Katalog aufgezählt. Erfasst ist nur ein sog. harter Kern von Arbeitsbedingungen, nämlich: Arbeitszeit, Urlaub, Mindestlohn, Bedingungen zur Arbeitnehmer überlassung, Arbeitsschutz und Nichtdiskriminierung271. Zum anderen findet eine Eingrenzung in formeller Hinsicht statt. Nur sofern die Arbeitsbedingungen durch Rechts- oder Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten oder allgemein verbindlich erklärte Tarifverträge festgelegt wurden, hat eine Gleichstellung zu erfolgen 272.
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Schlachter, SR 2013, 77 f. Vgl. auch Schlachter, EuR 2016, 478, 488. 271 Vgl. Art. 3 Abs. 1 EntsendeRL. 272 Vgl. Art. 3 Abs. 1 EntsendeRL. 270
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2. Kap.: Rechtliche Grundlagen und Schranken der Freizügigkeit
Dadurch entstehen Lücken, bei denen es nach wie vor bei der Anwendung des Herkunftslandprinzips bleibt273. Zwar besteht für die Mitgliedstaaten der EU, wie soeben gezeigt, nur sehr begrenzt eine allgemeine völkerrechtliche Pflicht, ent sandte Arbeitnehmer mit den Arbeitnehmern im Bestimmungsland vollumfassend gleichzustellen. Aus speziellen Übereinkommen des Arbeitsvölkerrechts könnten sich jedoch weitere Schranken bezüglich einzelner Arbeitsbedingungen ergeben. Problematisch ist hier insbesondere die Vereinbarkeit der Rechtsprechung des EuGH zum Arbeitskampfrecht in Entsendefällen 274. Im Folgenden wird diese zunächst dargestellt. Anschließend wird aufgezeigt, mit welchen Normen des Völkerrechts diese Rechtsprechung in Widerspruch stehen könnte. Zuletzt soll wiederum ein Blick auf die Konsequenzen geworfen werden und damit auf die Möglichkeiten des Völkerrechts, dem Unionsrecht Grenzen zu setzen. b) Die Rechtsprechung des EuGH zum Arbeitskampfrecht in Entsendefällen In der Rechtssache Laval275 hatte der EuGH die Frage zu entscheiden, ob es mit der Dienstleistungsfreiheit vereinbar ist, wenn eine Gewerkschaft im Bestimmungsland versucht, einen ausländischen Dienstleister mittels Arbeitskampfmaßnahmen zum Beitritt zu einem Tarifvertrag zu bewegen. Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Das lettische Unternehmen Laval, das einen Tarifvertrag mit einer lettischen Gewerkschaft geschlossen hatte, hatte Arbeitnehmer auf eine Baustelle in Schweden entsandt. Eine schwedische Gewerkschaft wollte Laval mittels Streikmaßnahmen dazu bewegen, einem schwedischen Bautarifvertrag beizutreten und so die in Schweden üblichen Löhne auch an die lettischen Arbeitnehmer zu bezahlen. Der EuGH sah in dem Arbeitskampf eine Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit Lavals. Diese Arbeitskampfmaßnahmen seien geeignet, die Durchführung von Bauarbeiten in Schweden weniger attraktiv zu machen. Dem stünde weder die Regelung des Art. 153 Abs. 5 AEUV entgegen, der das Streikrecht der Kompetenz der Union ausdrücklich entzieht276, noch das Grundrecht auf Arbeitskampf. Dieses 273 Tscherner, Arbeitsbeziehungen und Europäische Grundfreiheiten, S. 282; von Danwitz, EuZA 2010, 8, 12 f. 274 Daneben wurde die Rechtsprechung des EuGH in der Rechtssache Rüffert zu Tariftreueregelungen als unvereinbar mit den Vorgaben des Arbeitsvölkerrechts angesehen. Dazu Koberski/Schierle, RdA 2008, 233 ff.; Trebilcock, EuZA 2013, 178 ff. Zur Unvereinbarkeit der Rüffert-Rechtsprechung mit ILO-Übereinkommen Nr. 94 und den daraus resultierenden Pflichten der EU-Mitgliedstaaten auch Seifert, EuZA 2008, 526, 538 f. 275 EuGH v. 18. 12. 2007, Rs. C-341/05, Slg. 2007, I-11767 (Laval). 276 EuGH v. 18. 12. 2007, Rs. C-341/05, Slg. 2007, I-11767 (Laval), Rn. 86 ff. Anders die Rechtsprechung des EuGH zur Frage, ob Tarifverträge dem europäischen Wettbewerbsrecht unterliegen. Hier nimmt der EuGH in ständiger Rechtsprechung eine Bereichsausnahme vor: EuGH v. 21. 9. 1999, Rs. C-67/96, Slg. 1999, I-5863 (Albany); EuGH v. 21. 9. 1999,
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erkennt der EuGH als allgemeinen Grundsatz des Unionsrechts an 277, stellt jedoch klar, dass das Grundrecht Einschränkungen unterworfen werden kann. Auch sei die Maßnahme einer Gewerkschaft tauglich, in die Grundfreiheit einzugreifen, da die Dienstleistungsfreiheit auch für Regelwerke nicht öffentlicher Art gelte, beispielsweise für Tarifverträge278. Der EuGH anerkennt demnach – wie auch im Rahmen der Arbeitnehmerfreizügigkeit und der Niederlassungsfreiheit – eine unmittelbare Drittwirkung der Grundfreiheit279. Die Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit könne jedoch gerechtfertigt sein. Kollektive Maßnahmen des Arbeitskampfes mit dem Ziel, die Arbeitnehmer im Bestimmungsland vor Sozialdumping zu bewahren, könnten einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses darstellen, der eine Beschränkung der Grundfreiheit rechtfertigen könnte280. An dieser Stelle baut der EuGH dann die Entsenderichtlinie in sein Rechtfertigungsschema ein. Zwar könne die Dienstleistungsfreiheit zugunsten des Arbeitnehmerschutzes eingeschränkt werden. Die Grenze des Zulässigen ergebe sich jedoch aus der Entsenderichtlinie281. Diese erlaube, ausländische Dienstleister an Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen zu binden, die durch Rechts- oder Verwaltungsvorschriften oder allgemeinverbindliche Tarifverträge festgelegt werden 282. Die Durchsetzung weiterer Lohnzahlungsverpflichtungen gingen jedoch über das zum Arbeitnehmerschutz Erforderliche hinaus. Ähnlich urteilte der EuGH bereits wenige Tage zuvor in der Rechtssache iking283, die einen Konflikt zwischen Streikrecht und Niederlassungsfreiheit zum V Gegenstand hatte. Viking plante, eines seiner Schiffe von Finnland nach Estland umzuflaggen. Mit einem Arbeitskampf sollte Viking dazu gezwungen werden, den Arbeitnehmern an Bord des umzuflaggenden Schiffes weiterhin die finnischen Arbeitsbedingungen zu gewähren. Hierin sah der EuGH die Niederlassungsfreiheit der Viking-Line beschränkt284. Der EuGH gab den nationalen Gerichten auf, zu prüfen, ob der Gewerkschaft andere, nach nationalem Recht weniger beschränkende, Mittel zur Verfügung stehen, um den Abschluss eines Tarifvertrags zu erreichen285. Der EuGH ordnete folglich eine Verhältnismäßigkeitsprüfung an. Rs. C-115/97 – C-117/97, Slg. 1999, I-6025 (Brentjens Handelsonderneming); EuGH v. 21. 9. 1999, Rs. C-219/97, Slg. 1999, I-6121 (Drijvende Bokken). 277 EuGH v. 18. 12. 2007, Rs. C-341/05, Slg. 2007, I-11767 (Laval), Rn. 91. Bereits zuvor in EuGH v. 11. 12. 2007, Rs. C-438/05, Slg. 2007, I-10779 (Viking), Rn. 44. 278 EuGH v. 18. 12. 2007, Rs. C-341/05, Slg. 2007, I-11767 (Laval), Rn. 98. 279 Raab, in: FS Schröder, S. 251, 256. 280 EuGH v. 18. 12. 2007, Rs. C-341/05, Slg. 2007, I-11767 (Laval), Rn. 103. 281 Krebber, in: FS Schröder, S. 203, 206. 282 Art. 3 Abs. 1 EntsendeRL. 283 EuGH v. 11. 12. 2007, Rs. C-438/05, Slg. 2007, I-10779 (Viking). 284 EuGH v. 11. 12. 2007, Rs. C-438/05, Slg. 2007, I-10779 (Viking), Rn. 72. 285 EuGH v. 11. 12. 2007, Rs. C-438/05, Slg. 2007, I-10779 (Viking), Rn. 87.
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Mit Viking und Laval hat der EuGH damit einerseits das Recht auf Arbeitskampf als Unionsgrundrecht anerkannt, hat es aber andererseits der Schranke der Grundfreiheiten unterworfen. Kollidieren Arbeitskampfrecht und Grundfreiheit, so ist eine Abwägung vorzunehmen 286. Handelt es sich um einen Entsendefall, so stellt die Entsenderichtlinie nicht nur das Minimum der anwendbaren Rechtsvorschriften des Bestimmungslandes dar, sondern gleichzeitig auch das Maximum 287. Damit scheidet ein Streik um den Abschluss eines Tarifvertrags mit einem ausländischen Dienstleister von vorneherein aus, da die Richtlinie formal nur allgemeinverbindliche Tarifverträge und Gesetze und Rechtsverordnungen als Eingriff in die Dienstleistungsfreiheit zulässt288. Dieses Verständnis der Entsenderichtlinie hat der EuGH in der Rechtssache Rüffert bestätigt289. Viking und Laval führten zudem dazu, dass die beteiligten Gewerkschaften in nationalen Prozessen unterlagen, obgleich die Arbeitskampfmaßnahmen nach dem jeweiligen nationalen Recht zulässig waren 290. Das Laval-Urteil hatte für die schwedischen Gewerkschaften weitreichende finanzielle Folgen. Laval verklagte die beteiligten Gewerkschaften vor schwedischen Gerichten auf Schadensersatz. Diesem Antrag gab das schwedische Gericht voll statt und verurteilte die Gewerkschaften zu hohen Schadensersatzzahlungen 291. Die sich aus der EuGH-Rechtsprechung ergebende Pflicht zur Abwägung des Arbeitskampfrechts in Fällen einer grenzüberschreitenden Wirtschaftstätigkeit könnte jedoch im Widerspruch zur völkerrechtlichen Gewährleistung des Arbeitskampfrechts stehen. c) Völkerrechtliche Garantie des Arbeitskampfrechts aa) Übereinkommen der ILO (1) ILO-Übereinkommen Nr. 87 und 98 zur Vereinigungsfreiheit Die ILO regelt gewerkschaftliche Rechte hauptsächlich in zwei Übereinkommen 292: Übereinkommen Nr. 87 über die Vereinigungsfreiheit und den Schutz des Vereinigungsrechts und Übereinkommen Nr. 98 über das Vereinigungsrecht und das Recht auf Kollektivverhandlungen. Beide Übereinkommen gehören zu den Kernarbeitsnormen. 286
Fütterer, EuZA 2011, 505, 508. Franzen, in: FS-Buchner, S. 231, 239; Krebber, EuZA 2013, 435, 447; Schubert, RdA 2008, 289, 291; Tscherner, Arbeitsbeziehungen und Europäische Grundfreiheiten, S. 212; Veldman, 9 Utrecht L. Rev. 104, 108 (2013). 288 Schubert, RdA 2008, 289, 291; Veldman, 9 Utrecht L. Rev. 104, 108 (2013). 289 EuGH v. 3. 4. 2008, Rs. C-346/06, Slg. 2008, I-1989 (Rüffert), Rn. 33. 290 Raab, in: FS Schröder, S. 251. 291 Vertiefend, Tscherner, Arbeitsbeziehungen und Europäische Grundfreiheiten, S. 213 ff. 292 Zu weiteren Übereinkommen zur Vereinigungsfreiheit vgl. Böhmert, Das Recht der ILO, S. 107 ff.; MünchArbR/Löwisch/Rieble, Band 2, § 154 Rn. 24 ff. 287
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Das 1948 verabschiedete Übereinkommen Nr. 87 garantiert Arbeitnehmern und Arbeitgebern, ohne jeden Unterschied und ohne vorherige Genehmigung Organisationen zu bilden und solchen beizutreten293. Damit verbietet das Übereinkommen Nr. 87 die Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit294. Das ein Jahr später verabschiedete Übereinkommen Nr. 98 ergänzt diese Regelungen, indem es die einzelnen Arbeitnehmer vor Diskriminierung aufgrund der Gewerkschaftsmitgliedschaft oder Betätigung in einer Gewerkschaft schützt295. Das Streikrecht nennt keines der beiden Übereinkommen ausdrücklich. (2) Gewährleistung des Streikrechts durch ILO-Übereinkommen Nr. 87? Ob auch das Streikrecht von Übereinkommen Nr. 87 und 98 gewährleistet wird, ist umstritten 296. Zwar anerkennen der Sachverständigenausschuss und der Ausschuss für Vereinigungsfreiheit seit langem das Streikrecht als Teil des Übereinkommens Nr. 87297, in jüngerer Zeit wurde diese Auslegung jedoch zunehmend angezweifelt. Den Gegenstimmen ist zuzugeben, dass keines der beiden Übereinkommen – und auch sonst kein Übereinkommen der ILO – eine ausdrückliche Gewährleistung des Streikrechts enthält298. Auch die Entstehungsgeschichte der beiden Übereinkommen kann zu Recht als Gegenargument angeführt werden 299: Obwohl der UN-Wirtschafts- und Sozialrat bei Schaffung des Übereinkommens Nr. 87 die ILO aufgerufen hatte, das Streikrecht zu normieren, wurde kein solches geregelt300. Auch bei der Erarbeitung des Übereinkommens Nr. 98 scheiterten Anträge zur Einbeziehung des Streikrechts301. Die Entstehungsgeschichte ist bei der Auslegung völkerrechtlicher Verträge jedoch lediglich subisidiär hinzuzuziehen302. Maßgeblich sind vielmehr der Sinn 293
Art. 2 Übereinkommen Nr. 87. ILO, Digest of Decisions and Principles of the CFA 2006, Rn. 209; Rocca, Posting of Workers and Collective Labour Law, S. 84. 295 Art. 1 Übereinkommen Nr. 98. 296 Vgl. zu dieser Debatte, die insbesondere auf der Internationalen Arbeitskonferenz 2012 ausgetragen wurde Hofman/Schuster, AVR 2013, 483 f. 297 Heuschmid, SR 2014, 1, 5; Gopalakrishnan, Freedom of Association and Collective Bargaining in EPZ S. 4; ILO, Digest of Decisions and Principles of the CFA 2006, Rn. 520 – 676. 298 Hofman/Schuster, AVR 2013, 483, 485; Gopalakrishnan, Freedom of Association and Collective Bargaining in EPZ, S. 4. 299 So vor allem Wisskirchen, ZfA 2003, 691, 728 f. 300 Vgl. Böhmert, Das Recht der ILO, S. 110. 301 Vgl. Böhmert, Das Recht der ILO, S. 110. 302 Art. 32 Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge (Wiener Vertragsrechtskonvention, WVK, Vienna Convention on the Law of Treaties) v. 23. 5. 1969, BGBl. 1985 II, S. 927, 1155 UNTS 331. 294
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und Zweck und die Systematik der Regelung303. Betrachtet man Art. 3 und 10 des Übereinkommens Nr. 87, die den Arbeitnehmerorganisationen eine umfassende Betätigungsgarantie zur Wahrnehmung der Interessen ihrer Mitglieder garantieren, so wird klar, dass das Streikrecht als das wesentliche Mittel zur Wahrnehmung dieser Interessen umfasst sein muss304. Auch setzen zahlreiche Übereinkommen und Empfehlungen der ILO das Streikrecht voraus305. Sinn und Zweck sowie die Systematik sprechen also durchaus für die Garantie des Streikrechts durch die ILO-Übereinkommen. Mit dieser Argumentation begründen auch die ILO-Ausschüsse seit 1959, dass das Streikrecht zentraler Bestandteil und logische Folge der durch das Übereinkommen Nr. 87 garantierten Vereinigungsfreiheit sei306. Maßgeblicher Kritikpunkt der Gegner ist, dass diese Auslegung strenggenommen nicht als „authentisch“ qualifiziert werden kann, da die Kompetenz zur letztverbindlichen Auslegung der ILO-Übereinkommen durch Art. 37 ILO-Verfassung dem IGH und nicht den ILO-Ausschüssen – die in der ILO-Verfassung gar nicht vorgesehen sind – zugewiesen ist307. Aus der langjährigen Expertise und umfangreichen Spruchpraxis der Überwachungsausschüsse erwächst jedoch durchaus ein hoher Grad an sachlicher Autorität308. In der Praxis sind die ILO-Gremien die entscheidenden Einrichtungen zur Interpretation der ILO-Übereinkommen309. Die konstante Auslegungspraxis dieser Gremien kann als spätere Übung bei der Anwendung der ILO-Verfassung durchaus gemäß Art. 31 Abs. 3 WVK im Rahmen der Auslegung des Übereinkommens Nr. 87 herangezogen werden310. Unabhängig davon, ob die Spruchpraxis der Gremien folglich strenggenommen authenthisch ist, stellt sie ein weiteres Kriterium bei der Auslegung des Übereinkommens dar und spricht klar für einen Einbezug des Streikrechts. Zu beachten ist auch, dass die meisten Mitgliedstaaten, die das Übereinkommen Nr. 87 ratifiziert haben, im nationalen Recht das Streikrecht anerkennen311 und, dass sich zahlreiche supranationale und nationale Gerichte auf diese Auslegungs303
Art. 31 Abs. 1 WVK. Weiss/Seifert, GS Zachert, S. 130, 140. 305 Dazu Weiss/Seifert, GS Zachert, S. 130, 133 f. 306 Vgl. ILC, 102nd Session, 2013, Report of the CEACR, Report III (Part 1 A), Abs. 31; ILO, Digest of Decisions and Principles of the CFA 2006, Rn. 520 ff; Einen umfassenden Überblick der Spruchpraxis der beiden Ausschüsse geben Servais, 15 Canadian Lab. & Emp. L.J. 147 ff. (2010); Gernigon/Odero/Guido, 137 Int’l Lab. Rev. 441 ff. (1998); Ben-Israel, The Case of Freedom to Strike, S. 93 ff. 307 Heuschmid, SR 2014, 1, 5; Weiss/Seifert, GS Zachert, S. 130, 137. Vertiefend zu der Diskussion um das Mandat der ILO-Ausschüsse Hofman/Schuster, AVR 2013, 483, 491 ff. 308 Heuschmid, SR 2014, 1, 2. 309 Schlachter, RdA 2011, 314, 345; Heuschmid, SR 2014, 1, 2. 310 Ausführlich Weiss/Seifert, GS Zachert, S. 130, 137 ff. 311 Hofman/Schuster, AVR 2013, 483, 487. 304
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praxis der ILO-Ausschüsse berufen haben. So hat sich der EuGH in den Urteilen Viking und Laval die Auslegung der ILO-Gremien zum Streikrecht zu eigen gemacht und zur Begründung des Rechts auf kollektive Maßnahmen auf ILO-Übereinkommen Nr. 87 verwiesen312. Auch der EGMR hat in der Rechtssache Enerji Yapi-Yol Sen/Türkei bei der Auslegung des Art. 11 EMRK auf die Spruchpraxis der ILO-Gremien zum Streikrecht in Übereinkommen Nr. 87 Bezug genommen313. Das südafrikanische Verfassungsgericht, welches gemäß Art. 36 Abs. 1 lit. b Südafrikanische Verfassung dazu verpflichtet ist, Normen des internationalen Rechts bei der Auslegung des nationalen Rechts heranzuziehen, verwies ebenfalls auf das von den ILO-Gremien im Rahmen des Übereinkommens Nr. 87 begründete Streikrecht314. Solche Rezeptionen der Spruchpraxis durch supranationale und nationale Gerichte „erhärten“ die Rechtsansichten der ILO-Gremien315. Die Spruchpraxis der ILO-Ausschüsse wurde auch über Jahrzehnte nicht kritisiert. Erst Mitte der 1990er Jahre regte sich Widerstand von Seiten der Arbeitgebervertreter in der ILO316. Somit kann davon ausgegangen werden, dass das Übereinkommen Nr. 87 auch ein Recht auf Streik enthält317. bb) Garantie des Streikrechts in Menschenrechtskonventionen (1) Menschenrechtsübereinkommen der UN Sowohl Art. 22 IPbpR als auch Art. 8 Abs. 1 lit. a IPwskR garantieren das Recht, Gewerkschaften zu bilden und ihnen beizutreten. Das Streikrecht wird explizit lediglich durch Art. 8 Abs. 1 lit. d IPwskR gewährleistet. Nach Auffassung des UN-Menschenrechtsausschusses ist das Streikrecht auch nicht implizit von Art. 22 IPbpR umfasst318. Der Menschenrechtsausschuss sieht keine Notwendigkeit, die Vorgaben der ILO-Übereinkommen innerhalb des IPbpR zu berücksichtigen319. Im Gegensatz zum EGMR320 scheint der UN-Menschenrechtsausschuss in 312 EuGH v. 11. 12. 2007, Rs. C-438/05, Slg. 2007, I-10779 (Viking), Rn. 43; EuGH v. 18. 12. 2007, Rs. C-341/05, Slg. 2007, I-11767 (Laval), Rn. 90. 313 EGMR v. 21. 4. 2009, 68959/01, NZA 2010, 1423 (Enerji Yapi-Yol Sen/Türkei). 314 Constitutional Court of South Africa v. 19.9./13. 12. 2002 (CTT14/02), 24 Indus. L.J. 305, 322 f. (2003) (National Union of Metal Workers of South Africa and Others v. Bader Bop (Pty) Ltd and Another), Absätze 29 ff. 315 Hofman/Schuster, AVR 2013, 483, 490 f. 316 Vertiefend Weiss/Seifert, GS Zachert, S. 130, 139, und Hofman/Schuster, AVR 2013, 483, 487, 495 f. Letztere sehen darin einen „stillschweigenden Konsens“ über das Streikrecht. 317 So auch Weiss/Seifert, GS Zachert, S. 130, 145; Ben-Israel, The Case of Freedom to Strike, S. 35 ff. 318 CCPR, J.B. v. Canada, Communication No. 118/1982, U.N. Doc. Supp. 40 (A/41/40), 151 (1986), Rn. 6.2 ff. Vgl. dazu auch Josepf/Castan, The ICCPR, S. 657 ff. 319 CCPR, J.B. v. Canada, Communication No. 118/1982, U.N. Doc. Supp. 40 (A/41/40), 151 (1986), Rn. 6.2. 320 Dazu unter 2. Kap. B. IV. 3. c) bb) (2).
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diesem Bereich eine klare Trennung von IPbpR und IPwskR anzustreben321. Das Streikrecht wird von Art. 8 IPwskR nur gewährleistet, sofern es in Übereinstimmung mit innerstaatlichen Regelungen ausgeübt wird. Damit ist die Bedeutung des IPwskR jedenfalls in diesem Kontext gering. (2) Menschenrechtsübereinkommen des Europarats Art. 6 Abs. 4 ESC war die erste Vorschrift in einem völkerrechtlichen Vertrag, die das Streikrecht ausdrücklich anerkannte322. Art. 11 EMRK enthält hingegen ebensowenig wie der IPbpR eine explizite Normierung des Streikrechts. Aus diesem Grund agierte auch der EGMR zunächst zurückhaltend und gestand lediglich ein Recht auf kollektive Maßnahmen zu. Die genauere Ausgestaltung, insbesondere, ob der Streik als Maßnahme erfasst sein sollte, überließ der Gerichtshof den Mitgliedstaaten323. Im Jahr 2008 vollzog der EGMR jedoch einen grundlegenden Wandel im Verständnis der Koalitionsfreiheit nach Art. 11 EMRK und bejahte ein darin verbürgtes Streikrecht als zentrales Arbeitskampfmittel der Gewerkschaften324. Der EGMR stützte sich in seiner Argumentation auf die Gewährleistung des Streikrechts durch ILO-Übereinkommen Nr. 87 und Art. 6 ESC325. Dabei bezog der Gerichtshof auch die Auslegung der ILO-Übereinkommen durch den Sachverständigenausschuss und den Ausschuss für Vereinigungsfreiheit ein326. Dieses Vorgehen wurde in der Literatur kritisiert, da die Spruchkörper der ILO und der ESC kein Recht zur authentischen Interpretation der jeweiligen Verträge hätten und sich der EGMR zudem über die fehlende Ratifikation der jeweiligen Verträge durch manche Parteien der EMRK hinwegsetze. Auch werde die systematische Trennung von wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechten und bürgerlichen und politischen Rechten aufgehoben327.
321 CCPR, J.B. v. Canada, Communication No. 118/1982, U.N. Doc. Supp. 40 (A/41/40), 151 (1986), Rn. 6.3 f.; Josepf/Castan, The ICCPR, S. 660 f. 322 Rocca, Posting of Workers and Collective Labour Law, S. 89. 323 EGMR v. 6. 2. 1976, 5589/72 (Schmidt and Dahlström/Sweden), Rn. 36; Schlachter, RdA 2011, 341, 344. 324 EGMR v. 12. 11. 2008, 34503/97, ArbuR 2009, 269 (Demir und Baykara/Türkei). Bestätigt durch EGMR v. 21. 4. 2009, 68959/01, NZA 2010, 1423 (Enerji Yapi-Yol Sen/Türkei), Rn. 24; EGMR v. 8. 4. 2014, 31045/10 (RMT/Vereinigtes Königreich), Rn. 84; EGMR v. 27. 11. 2014, 36701/09 (Hrvatski Liječnički Sinidat/Kroatien), Rn. 49. Dazu EUArbR/Schubert, Art. 11 EMRK Rn. 24 ff.; Fütterer, EuZA 2011, 505, 511 ff. 325 EGMR v. 21. 4. 2009, 68959/01, NZA 2010, 1423 (Enerji Yapi-Yol Sen/Türkei); EUArbR/ Schubert, Art. 11 EMRK Rn. 24. 326 Vgl. z.B. EGMR v. 12. 11. 2008, 34503/97, ArbuR 2009, 269 (Demir und Baykara/ Türkei); EGMR v. 21. 4. 2009, 68959/01, NZA 2010, 1423 (Enerji Yapi-Yol Sen/Türkei). 327 Weiß, EuZA 2010, 457, 467 f.
B. Völkerrechtliche Schranken der Freizügigkeit
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Jedoch entspricht es durchaus der gängigen Praxis des EGMR, sich an anderen Menschenrechtsübereinkommen zu orientieren328. Auch ist die Spruchpraxis der Ausschüsse der ILO und zur ESC nicht völlig unbeachtlich, ihnen kommt vielmehr eine hohe Authorität zu329. Die Übereinkommen der ILO zur Vereinigungsfreiheit gehören zudem zu den Kernarbeitsnormen, welche von allen ILO-Mitgliedern, unabhängig von einer erfolgten Ratifikation, zu fördern sind. Folglich ist das Streikrecht durch Art. 11 EMRK gewährleistet. d) Vereinbarkeit der Rechtsprechung des EuGH zum Arbeitskampf in Entsendefällen mit dem Arbeitsvölkerrecht aa) Darstellung der Problematik am Beispiel des geplanten Streiks der British Airline Pilots’ Association gegen die British Airways Die Rechtsprechung des EuGH in den Urteilen Viking und Laval führt dazu, dass Arbeitskampfmaßnahmen, die mit der Dienstleistungs- oder Niederlassungsfreiheit in Konflikt geraten, einer weitreichenden unionsrechtlichen Verhältnismäßigkeitskontrolle unterworfen werden müssen330. In Entsendefällen ist deren Grenze durch die Entsenderichtlinie vorgegeben. Welche Folgen dies für die Ausübung des Streikrechts haben kann, zeigt der Fall der britischen Pilotengewerkschaft British Airline Pilots’ Association (BALPA), die sich zum Ziel gesetzt hatte, die Gründung einer Tochtergesellschaft der British Airways (BA) in Paris zu verhindern bzw. sicherzustelle, dass die Arbeitsbedingungen der Piloten der Muttergesellschaft durch die Gründung der Tochter nicht verschlechtert würden331. Die BA verwies darauf, dass ein solcher Streik nach der EuGH-Rechtsprechung in Viking und Laval wegen Verstoßes gegen die Niederlassungsfreiheit rechtswidrig wäre und erwirkte eine einstweilige Unterlassungsverfügung gegen die BALPA. Zudem drohte die BA an, dass sie im Falle eines Streiks hohe Schadensersatzforderungen geltend machen würde. Daraufhin unterließ die BALPA den Streik. Ähnliche Folgen sind in Entsendesituationen in Laval-Konstellationen denkbar: Die Arbeitnehmer im Bestimmungsland verzichten wegen drohender Schadensersatzforderungen darauf, die entsendenden Unternehmer zu bestreiken und dazu zu bewegen, einem Tarifvertrag im Bestimmungsland beizutreten. Die Rechtsprechung des EuGH führt demnach zu einer Einschränkung des Streikrechts. Betroffen sind in Entsendesituationen die Arbeitnehmer im Bestimmungsland, die einen ausländischen Dienstleister nicht durch einen Arbeitskampf an einen Tarifvertrag im Bestimmungsland binden können. 328
Fütterer, EuZA 2011, 505, 513. Fütterer, EuZA 2011, 505, 513; Heuschmid, SR 2014, 1, 2; Schlachter, RdA 2011, 314, 345. 330 Fütterer, EuZA 2011, 505, 509. 331 Zu diesem Fall Fütterer, EuZA 2011, 505, 509; Trebilcock, EuZA 2013, 178, 183 f. 329
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2. Kap.: Rechtliche Grundlagen und Schranken der Freizügigkeit
bb) Vereinbarkeit mit ILO-Übereinkommen Nr. 87 Die BALPA rügte beim ILO-Sachverständigenausschuss eine Verletzung ihres durch Übereinkommen Nr. 87 gewährleisteten Streikrechts durch die Rechtsprechung des EuGH. Der Ausschuss äußerte sich zunächst zu der ihm in dieser Konstellation zustehenden Prüfungskompetenz. Danach geht der Ausschuss davon aus, dass er zwar nicht die Richtigkeit der Rechtsprechung des EuGH in den Rechtssachen Viking und Laval überprüfen könne, aber durchaus untersuchen könne, inwiefern diese Rechtsprechung dazu führt, dass Arbeitnehmern ihre Rechte aus dem Übereinkommen Nr. 87 genommen werden332. Der Ausschuss sieht in der Notwendigkeit einer Abwägung mit den unionsrechtlich gewährleisteten Grundfreiheiten eine Einschränkung des durch Übereinkommen Nr. 87 gewährleisteten Streikrechts333. Eine solche Abwägungspflicht sehe das Völkerrecht nicht vor. Die Drohung mit Schadensersatzforderungen, die eine Gewerkschaft in den finanziellen Ruin treiben könne, führe zu einer Situation, in der das Streikrecht praktisch nicht mehr ausgeübt werden könne. Dieser „chilling effect“334 sei nicht mit Übereinkommen Nr. 87 vereinbar. Angesichts der zunehmenden Globalisierung sei zudem mit zahlreichen Fällen zu rechnen, bei denen das grenzüberschreitende Element gegeben und eine Abwägung erforderlich mache335. Fraglich ist, in welchem Rahmen Einschränkungen des Streikrechts nach Übereinkommen Nr. 87 zulässig sind. Übereinkommen Nr. 87 verpflichtet jedes Mitglied, welches das Übereinkommen ratifiziert hat, die dort garantierten Rechte voll zur Anwendung zu bringen336. Zulässig sind nach dem Text des Übereinkommens lediglich Ausnahmen für das Heer und die Polizei337. Allerdings ist das Streikrecht selbst nicht im Wortlaut verankert, vielmehr hat der Sachverständigenausschuss das Streikrecht dem Übereinkommen im Wege der Auslegung entnommen338. Daher muss auch für etwaige Einschränkungen die Spruchpraxis der ILO-Aus332 „[…] the Committee wishes to make clear, that its task is not to judge the correctness of the ECJ’s holdings in Viking und Laval as they set out an interpretation of the European Union law, based on varying and distinct rights in the Treaty of the European Community, but rather to examine whether the impact of these decisions at national level are such as to deny workers’ freedom of association rights under Convention No. 87.“, CEACR, Report of the CEACR, Report III (Part 1A), 99th Session 2010, United Kingdom, Freedom of Association and Protection of the Right to Organise Convention, 1948 (No. 87), S. 208, 209. 333 Zustimmend Bruun/Bücker, NZA 2012, 1136, 1140. 334 Rocca, Posting of Workers and Collective Labour Law, S. 257. 335 CEACR, Report of the CEACR, Report III (Part 1A), 99th Session 2010, United Kingdom, Freedom of Association and Protection of the Right to Organise Convention, 1948 (No. 87), S. 208, 209. 336 Art. 1 Übereinkommen Nr. 87. 337 Art. 9 Abs. 1 Übereinkommen Nr. 87. 338 Oben 2. Kap. B. IV. 3. c) aa) (2).
B. Völkerrechtliche Schranken der Freizügigkeit
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schüsse einbezogen werden. Danach soll das Streikrecht grundsätzlich allen Arbeitnehmern offen stehen. Ausnahmen werden nur für wenige Berufsgruppen zugelassen. So kann jeglichen Personen im öffentlichen Dienst, die Hoheitsgewalt ausüben, das Streikrecht verweigert werden. Daneben erlaubt der Sachverständigenausschuss, Personen, die mit wesentlichen Diensten (essential services) betraut sind, das Streikrecht abzuerkennen339. Der Ausschuss fordert hier eine restriktive Auslegung340. So wurden Tätigkeiten im Krankenhaus, der Flugsicherung und bei der Feuerwehr als wesentlichen Diensten anerkannt. Lehrer, Arbeitnehmer in der Landwirtschaft und Arbeitnehmer im Transportsektor üben hingegen keine wesentlichen Dienste aus341. Letztlich ist die Tätigkeit der Person entscheidend. Würde ein Streik das Leben, die Gesundheit oder Sicherheit der Bevölkerung oder einer Bevölkerungsgruppe gefährden, so können Streiks für diese Gruppe – unter Garantie von Ausgleichsmaßnahmen wie Schiedsverfahren342 – ausgeschlossen werden343. Es findet sich also in ILO-Übereinkommen Nr. 87 keine Möglichkeit zur Einschränkung des Streikrechts zum Schutz der grenzüberschreitenden Wirtschaftstätigkeit344. Auch steht der Ausschuss einer solchen Beschränkung ablehnend gegenüber. Ein Zurücktreten des Streikrechts zugunsten des Wettbewerbsrechts hatte er bereits in einem Fall betreffend Australien abgelehnt345. An dieser Auffassung hält der Ausschuss auch im Fall der britischen Piloten fest. Eine Einschränkung des Streikrechts könne lediglich zugunsten von wesentlichen Diensten zulässig sein346. Eine Abwägung mit der Niederlassungs- oder Dienstleistungsfreiheit sei nach dem Recht der ILO hingegen nicht notwendig. Auch fordert Abs. II lit. c der Erklärung von Philadelphia347 die Mitgliedstaaten auf, alle ökonomischen Vorgänge im Lichte der ILO-Prinzipien auszulegen. Das widerspricht der Idee der Grundfreiheiten348. Dementsprechend betrachtet der Ausschuss die Beschränkungen des Streikrechts durch die Rechtsprechung des EuGH mit ernster Besorgnis (serious concern). Der Sachverständigenausschuss hat diese Auffassung in seinem Bericht zu Schweden im Jahr 2013 noch einmal ausdrücklich bestätigt349. 339
Servais, 15 Canadian Lab. & Emp. L.J. 147, 152 f. (2010). Böhmert, Das Recht der ILO, S. 112. 341 Vgl. die Auflistung in ILO, Digest of Decisions and Principles of the CFA 2006, Rn. 585 ff. Dazu auch Servais, 15 Canadian Lab. & Emp. L.J. 147, 153 f. (2010). 342 Böhmert, Das Recht der ILO, S. 112. 343 ILO, Digest of Decisions and Principles of the CFA 2006, Rn. 541. 344 So auch Fütterer, EuZA 2011, 505, 516; Ewing/Hendy, 15 Canadian Lab. & Emp. LJ. 165, 173 mit Fn. 28 (2010). 345 CFA, Case No. 1963, 2000, Rn. 176, 233 ff. 346 Ständige Auffassung des Sachverständigenausschusses, vgl. ILO, Digest of Decisions and Principles of the CFA 2006, Rn. 541. 347 Erklärung über die Ziele und Zwecke der ILO (Erklärung von Philadelphia), v. 10. 5. 1944. 348 Trebilcock, EuZA 2013, 178, 180. 349 ILC, 102nd Session 2013, Report of the CEACR, Part II, Sweden, S. 176 ff. 340
2. Kap.: Rechtliche Grundlagen und Schranken der Freizügigkeit
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cc) Vereinbarkeit mit Art. 8 IPwskR Art. 8 Abs. 1 lit. d IPwskR gewährt das Streikrecht, „soweit es in Übereinstimmung mit der innerstaatlichen Rechtsordnung ausgeübt wird“. Gemäß Abs. 2 sind Einschränkungen der Ausübung des Streikrechts für Angehörige der Streitkräfte, der Polizei und der öffentlichen Verwaltung möglich. Allerdings verweist Abs. 3 auf das ILO-Übereinkommen Nr. 87 und bestimmt, dass keine Bestimmung des Art. 8 IPwskR die ILO-Vertragsstaaten ermächtigt, „gesetzgeberische Maßnahmen zu treffen oder Gesetze so anzuwenden, dass die Garantien des […] Übereinkommens beeinträchtigt werden.“ Dementsprechend orientiert sich auch der Sozialausschuss in seiner Spruchpraxis eng an den ILO-Ausschüssen. Ausnahmen seien nur unter engen Voraussetzungen möglich350. Darunter fallen: nationale Notfälle; Dienstleistungen, deren Unterbrechungen das Leben oder die Gesundheit anderer Personen gefährden würden; Dienstleistungen, bei denen die Aufrechterhaltung eines Minimums der Tätigkeit notwendig ist, sowie im Bereich des Militärs, der Polizei und der Verwaltung351. Auch der IPwskR sieht folglich keine Ausnahme zugunsten einer Abwägung mit den Grundfreiheiten vor. Der Überwachungsausschuss hat sich jedoch, soweit ersichtlich, bislang mit keinem entsprechenden Fall befasst. dd) Vereinbarkeit mit Art. 6 ESC Nach Maßgabe des Art. 31 ESC kann das Streikrecht aufgrund eines dringenden sozialen Bedürfnisses eingeschränkt werden. Eine grundsätzliche Verhältnismäßigkeitsprüfung ist nicht vorgesehen. In der ESC findet sich demnach ebensowenig wie in ILO-Übereinkommen Nr. 87 ein Anhaltspunkt für die Einschränkbarkeit des Streikrechts zugunsten grenzüberschreitender Wirtschaftstätigkeiten352. Wie der ILO-Sachverständigenausschuss hat sich auch der Europäische Ausschuss für soziale Rechte im Jahr 2013 mit den Folgen der Laval-Rechtsprechung befasst353. Auf die Beschwerde schwedischer Gewerkschaften hin verdeutlichte der Ausschuss, dass er zwar nicht die Vereinbarkeit der Laval-Rechtsprechung mit der ESC, wohl aber die in der Folge des Urteils erlassenen schwedischen Gesetzesänderungen überprüfen könne354. Der Ausschuss stellt klar, dass das Recht auf Arbeitskampf nicht schrankenlos gewährt wird, sondern unter den Voraussetzungen des Art. G RESC eingeschränkt werden kann. Art. G RESC verlangt, dass die 354
350
Saul/Kinley/Mowbray, The ICESCR, S. 579. Saul/Kinley/Mowbray, The ICESCR, S. 584 ff. 352 Fütterer, EuZA 2011, 505, 516. 353 ECSR v. 3. 7. 2013, Complaint No. 85/2012 (Swedish Trade Union Confederation and Swedish Confederation of Professional Employees v. Sweden). Abrufbar unter http://hudoc. esc.coe.int/eng/?i=cc-85 – 2012-dadmissandmerits-en (zuletzt überprüft am 8. 3. 2017). 354 ECSR v. 3. 7. 2013, Complaint No. 85/2012 (Swedish Trade Union Confederation and Swedish Confederation of Professional Employees v. Sweden), Rn. 107. 351 Vertiefend
B. Völkerrechtliche Schranken der Freizügigkeit
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Einschränkung durch Gesetz erfolgt, ein legitimes Ziel verfolgt (bspw. den Schutz der Rechte und Freiheiten anderer oder die nationale Sicherheit) und in einer demokratischen Gesellschaft notwendig ist, um diese Ziele zu erreichen355. Es sei unzulässig, wenn der Dienstleistungsfreiheit a priori ein höherer Rang eingeräumt werde als dem Arbeitskampfrecht356. Das in Folge des Laval-Urteils von Schweden erlassene Gesetz, welches jeden Arbeitskampf verbietet, der mit dem Ziel geführt wird, ein höheres Lohnniveau und bessere Arbeitsbedingungen für entsandte Arbeitnehmer durchzusetzen, als von der Entsenderichtlinie vorgegeben ist, sei eine unverhältnismäßige Einschränkung des Arbeitskampfrechts357. ee) Vereinbarkeit mit Art. 11 EMRK Mittels eines Rückgriffs auf die Übereinkommen der ILO und die Regelung der ESC hat der EGMR den Schutzbereich des Art. 11 EMRK dahingehend ausgeweitet, dass auch das Streikrecht erfasst ist und ihn insgesamt dem des Art. 6 ESC angenähert358. Zu klären ist demnach, ob die Einschränkung des Streikrechts durch die Pflicht zu einer Abwägung mit den Grundfreiheiten mit Art. 11 EMRK vereinbar ist. Art. 11 Abs. 2 EMRK erlaubt eine Beschränkung der Rechte aus Art. 11 Abs. 1 EMRK, wenn die Beschränkung in einer demokratischen Gesellschaft notwendig ist. Ob eine Einschränkung zugunsten der grenzüberschreitenden Wirtschaftstätigkeit darunter zu fassen ist, ist höchst zweifelhaft359. Da sich der EGMR zur Ausweitung des Tatbestandes maßgeblich auf das Verständnis der ILO- und ESC-Ausschüsse stützt, spricht außerdem viel dafür, auch bei den Möglichkeiten zur Einschränkung des Streikrechts auf die ILO-Übereinkommen und die ESC in deren Auslegung durch die jeweiligen Kontrollausschüsse zurückzugreifen. Beide Rechtsakte lassen keine entsprechende Einschränkung zu und beide Sachverständigenausschüsse haben sich äußerst skeptisch hinsichtlich der Vereinbarkeit der Viking- und Laval-Rechtsprechung mit dem jeweligen Übereinkommen geäußert. Folglich spricht viel für die Unvereinbarkeit der Rechtsprechung des EuGH mit der EMRK360. In zwei Urteilen aus dem Jahr 2014 finden sich Anhaltspunkte für die Auffassung des Gerichtshofs bzw. zumindest einzelner Richter zur Vereinbarkeit der 355 ECSR v. 3. 7. 2013, Complaint No. 85/2012 (Swedish Trade Union Confederation and Swedish Confederation of Professional Employees v. Sweden), Rn. 118. 356 ECSR v. 3. 7. 2013, Complaint No. 85/2012 (Swedish Trade Union Confederation and Swedish Confederation of Professional Employees v. Sweden), Rn. 122. 357 ECSR v. 3. 7. 2013, Complaint No. 85/2012 (Swedish Trade Union Confederation and Swedish Confederation of Professional Employees v. Sweden), Rn. 123. 358 EGMR v. 12. 11. 2008, 34503/97, ArbuR 2009, 269 (Demir und Baykara/Türkei). Dazu Schlachter, RdA 2011, 341, 347. 359 So auch Fütterer, EuZA 2011, 505, 516 f. 360 Fütterer, EuZA 2011, 505, 517.
2. Kap.: Rechtliche Grundlagen und Schranken der Freizügigkeit
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Rechtsprechung des EuGH in Viking und Laval mit der EMRK361. In Hrvatski Liječnički Sindikat v. Croatia äußert sich Richter Pinto de Albuquerque in einem Sondervotum dahingehend, dass die extensive Einschränkung des Streikrechts zugunsten der Grundfreiheiten, wie sie in Viking und Laval betrieben wurde, nach Verbindlichwerden des Art. 28 GRCh und unter Berücksichtigung des EGMR-Urteils Demir and Baykara362 nicht mehr haltbar sei363. Allerdings kommt nach seiner Auffassung der ausgeglichenere Ansatz des EuGH in Kommission/Deutschland364 den Vorgaben in Demir and Baykara zumindest näher365. Der Richter Wojtyczek hingegen verweist in seinem Sondervotum in R.M.T. v. UK auf die Rechtsprechung des EuGH, um darzulegen, dass dem Streikrecht Grenzen gezogen werden müssen366. ff) Zwischenergebnis Die Notwendigkeit, das Streikrecht mit Grundfreiheiten bzw. sonstigen Belangen der grenzüberschreitenden Wirtschaftstätigkeit abzuwägen, ist dem Arbeitsvölkerrecht fremd367. Sowohl der ILO-Sachverständigenausschuss als auch der zur Überprüfung der Einhaltung der Rechte der ESC eingerichtete Europäische Ausschuss für soziale Rechte haben ausdrückliche Zweifel an der Vereinbarkeit mit der Rechtsprechung des EuGH zum Streikrecht in Entsendefällen geäußert. Beachtet man weiterhin, dass sich der EGMR in den vergangenen Jahren gerade im Bereich der kollektiven Arbeitnehmerrechte zur Bestimmung der Reichweite des Art. 11 EMRK stark auf die ILO-Übereinkommen und die ESC sowie deren Auslegung 361
EGMR v. 27. 11. 2014, 36701/09 (Hrvatski Liječnički Sindikat v. Croatia), Fn. 21, abrufbar unter http://hudoc.echr.coe.int/eng?i=001 – 148181; EGMR v. 8. 4. 2014, 31045/10 (R.M.T. v. UK), Concurring Opinion Wojtyczek, Rn. 6, abrufbar unter http://hudoc.echr. coe.int/eng?i=001 – 142192 (beide zuletzt überprüft am 8. 3. 2017). 362 EGMR v. 12. 11. 2008, 34503/97, ArbuR 2009, 269 (Demir und Baykara/Türkei). 363 „Attention should be drawn to the crucial circumstance that these two judgments, although citing Article 28 of the Charter, were delivered when this provision was not yet binding, and before Demir and Baykara. In spite of the laudable statement of principle of the right to strike as a ‚fundamental right‘ referred to above, the conclusions of those judgments on the admissibility of extensive restrictions to the right to strike may no longer be tenable after the entry into force of that provision, when read in the light of Demir and Baykara, which is not compatible with a reading giving undue prominence to the employers’ economic freedoms over the professional interests of workers, nor with the levelling down of national labour protection standards to the condition of the worst.“, EGMR v. 27. 11. 2014, 36701/09 (Hrvatski Liječnički Sindikat v. Croatia), Fn. 21. 364 EuGH v. 15. 7. 2010, Rs. C-271/08, Slg. 2010, I-7091 (Kommission/Deutschland). 365 „The more balanced approach of the Luxembourg Court, in its judgment of 15 July 2010 delivered in Case C-271/08, Commission v. Germany, comes closer to the imperative direction set by the Court in Demir and Baykara.“, EGMR v. 27. 11. 2014, 36701/09 (Hrvatski Liječnički Sindikat v. Croatia), Fn. 21. 366 EGMR v. 8. 4. 2014, 31045/10 (R.M.T. v. UK), Concurring Opinion Wojtyczek, Rn. 6. 367 Veldman, 9 Utrecht L. Rev. 104 f. (2013).
B. Völkerrechtliche Schranken der Freizügigkeit
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durch die jeweiligen Überprüfungsausschüsse gestützt hat, liegt nahe, auch eine Unvereinbarkeit der EuGH-Rechtsprechung mit Art. 11 EMRK anzunehmen. Das Verständnis des EuGH zur Einschränkung der Koalitionsfreiheit in Entsendefällen ist folglich aus völkerrechtlicher Sicht höchst bedenklich368. 4. Bindung der EU-Mitgliedstaaten bzw. des EuGH an das Arbeitsvölkerrecht und Durchsetzungsmechanismen Welche Folgen hat der Verstoß gegen das Völkerrecht für das Unionsrecht oder die nationalen Rechtsordnungen der EU-Mitgliedstaaten? Dem Arbeitsvölkerrecht wird gemeinhin der Vorwurf gemacht, ein „zahnloser Tiger“ zu sein369. Zu klären ist daher, inwieweit die EU – und damit auch der EuGH in seiner Rechtsprechung – und die Mitgliedstaaten bei ihrer Umsetzung von EU-Recht an die Vorgaben des Arbeitsvölkerrechts gebunden sind. Dem schließt sich die Frage an, welche Folge es hat, wenn die Mitgliedstaaten völkerrechtswidrig handeln, weil sie EU-Recht umsetzen müssen. a) ILO-Übereinkommen aa) Bindung der EU an ILO-Übereinkommen Nr. 87 (1) Bindung kraft Völkerrechts Eine völkerrechtliche Bindung der EU kann sich grundsätzlich auf zwei Wegen ergeben: Entweder die EU tritt dem Übereinkommen selbst bei (Art. 216 AEUV) oder die Union wird aufgrund einer informellen Rechtsnachfolge gebunden370. Eine völkerrechtliche Bindung würde bewirken, dass die EU im Außenverhältnis gegenüber den anderen Mitgliedstaaten an den völkerrechtlichen Vertrag gebunden ist. Liegt ein Verstoß der EU gegen die ILO-Übereinkommen vor, können diese mit den Mitteln des Völkerrechts durchgesetzt werden. Die EU ist nicht Mitglied der ILO371 und kann folglich auch keinen ILO-Übereinkommen beitreten372. Eine Bindung der EU kraft Beitritts kommt demnach nicht in Betracht.
368 Der UN-Sozialausschuss hat sich bislang nur sehr begrenzt zum Streikrecht unter Art. 8 IPwskR geäußert. Dem Sozialpakt kommt daher in diesem Kontext eine eher untergeordnete Bedeutung zu. Daher konzentriert sich diese Untersuchung im folgenden Teil auf die Instrumente der ILO und des Europarats. 369 So z.B. Nußberger, RdA 2012, 270, 271, zur ESC. 370 Pache/Bielitz, EuR 2006, 316, 318. 371 Ein Beitritt der EU zur ILO würde eine Änderung der ILO-Verfassung voraussetzen, da die Mitgliedschaft gem. Art. 1 Abs. 2 nur Staaten offensteht, Streinz/Kokott, EUV/ AEUV, Art. 351 Rn. 30. 372 Grabitz/Hilf/Nettesheim/Lorenzmeyer, EUV/AEUV, Art. 351 AEUV Rn. 71.
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2. Kap.: Rechtliche Grundlagen und Schranken der Freizügigkeit
Damit könnte sich eine völkerrechtliche Bindung nur durch eine Funktionsnachfolge ergeben373. Diese setzt voraus, dass alle Mitgliedstaaten Vertragspartei sind, eine Kompetenzverschiebung zugunsten der Union geschehen ist, der Wille der Mitgliedstaaten zur Bindung der Union vorliegt, die Union die Bindung zumindest faktisch akzeptiert hat und auch die Nicht-EU-Mitgliedstaaten zustimmen, die Mitglied der ILO sind374. Der EuGH hatte sich in einem Gutachten zur Zuständigkeit der EG zum Abschluss des ILO-Übereinkommens Nr. 170 positiv zu einer etwaigen Funktionsnachfolge geäußert375. Das spricht für eine vom EuGH gewollte Bindung der Union an die ILO-Übereinkommen376. Allerdings sind nicht alle Mitgliedstaaten an alle Übereinkommen der ILO gebunden377. Daran scheitert eine Bindung an die ILO-Verfassung kraft Funktionsnachfolge. Man könnte hier jedoch daran denken, allein auf Übereinkommen Nr. 87 abzustellen, das von allen Mitgliedstaaten ratifiziert wurde. Dem steht jedoch entgegen, dass mit Art. 151 ff. AEUV zwar eine Kompetenz der EU zur Sozialpolitik besteht, gerade der Bereich des Arbeitskampfes davon jedoch gemäß Art. 153 Abs. 5 AEUV ausgenommen ist. Damit besteht keine Bindung der EU an die ILO-Verfassung oder Übereinkommen Nr. 87 durch Funktionsnachfolge378. Hieraus folgt, dass die EU im Außenverhältnis, also gegenüber den anderen ILO- Mitgliedstaaten, nicht kraft Völkerrechts an Übereinkommen Nr. 87 gebunden ist. (2) Bindung kraft Unionsrechts Trotzdem könnte eine Bindung im Innenverhältnis gegenüber den Mitgliedstaaten kraft Unionsrechts bestehen. Der EuGH ist grundsätzlich nicht verpflichtet, völkervertragliche Verpflichtungen zwischen den Mitgliedstaaten zu berücksichtigen. Das Unionsrecht geht insofern vor379. Eine Ausnahme vom Anwendungsvorrang kann sich jedoch unter den Voraussetzungen des Art. 351 AEUV ergeben380, wenn eine Bindung der EU kraft Unionsrechts, also im Innenverhältnis zwischen der Union und den EU-Mitgliedstaaten, 373 Grabitz/Hilf/Nettesheim/Lorenzmeyer,
EUV/AEUV, Art. 351 AEUV Rn. 70. EuGH v. 12. 12. 1972, verb. Rs. 21 – 24/72, Slg. 1972, 1219 (International Fruit Company), Rn. 10 ff.; Streinz/Kokott, EUV/AEUV, Art. 351 Rn. 25.; Grabitz/Hilf/Nettesheim/ Lorenzmeyer, EUV/AEUV, Art. 351 AEUV Rn. 50; Pache/Bielitz, EuR 2006, 316, 322; Calliess/Ruffert/Schmalenbach, EUV/AEUV, Art. 351 Rn. 24. 375 EuGH, Gutachten v. 19. 3. 1993, 2/91, Slg. 1993, I-1061 (ILO), Rn. 5. 376 Streinz/Kokott, EUV/AEUV, Art. 351 Rn. 30; Grabitz/Hilf/Nettesheim/Lorenzmeyer, EUV/AEUV, Art. 351 AEUV Rn. 71. 377 Streinz/Kokott, EUV/AEUV, Art. 351 Rn. 30; Grabitz/Hilf/Nettesheim/Lorenzmeyer, EUV/AEUV, Art. 351 AEUV Rn. 71. 378 Da bereits die europarechtlichen Voraussetzungen der Funktionsnachfolge nicht gegeben sind, kommt es auf die völkerrechtlichen Voraussetzungen nicht mehr an. Dazu Pache/Bielitz, EuR 2006, 316, 322 f. 379 Koberski/Schierle, RdA 2008, 233, 236. 380 Pache/Bielitz, EuR 2006, 316, 328. 374
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an ILO-Übereinkommen Nr. 87 besteht. Konflikte wären nicht über die ILO-Mechanismen, sondern vor dem EuGH beizulegen381. Art. 351 AEUV ist eine Kollisionsnorm zur Regelung des Verhältnisses von älteren, d.h. vor dem 1. 1. 1958 geschlossenen, Völkerrechtsverträgen der Mitgliedstaaten und den EU-Verträgen382. Die ILO-Verfassung ist ein solcher vor 1958 von allen Mitgliedstaaten ratifizierter Völkerrechtsvertrag383, ebenso das Übereinkommen Nr. 87 aus dem Jahr 1948, das von allen EU-Mitgliedstaaten ratifiziert wurde384. Art. 351 AEUV soll sicherstellen, dass Mitgliedstaaten keinen Verpflichtungskonflikten zwischen Völker- und Unionsrecht ausgesetzt werden385. Aus Art. 351 Abs. 1 AEUV folgt die Pflicht der Union, die Mitgliedstaaten nicht bei der Erfüllung ihrer völkerrechtlichen Verpflichtungen zu behindern386. Art. 351 Abs. 2 AEUV verpflichtet die Union und die Mitgliedstaaten weiterhin zur Beseitigung des Konflikts. Dabei kommt eine unionsrechtskonforme Auslegung des Vertrags bzw. eine völkerrechtskonforme Auslegung des Unionsrechts in Betracht387. Ist eine solche Auslegung nicht möglich, ist in erster Linien der Mitgliedstaat verpflichtet, den Konflikt durch Anpassung des Vertrags oder Rücktritts zu beseitigen388. Der Konflikt zwischen den Pflichten der Mitgliedstaaten aus Übereinkommen Nr. 87 und der Rechtsprechung des EuGH ist demnach nach den Grundsätzen des Art. 351 AEUV zu lösen. Eine gangbare Lösung bestünde wohl darin, dass der EuGH verstärkt auf die ILO-Übereinkommen eingeht und sie in seinen Urteilen berücksichtigt389. Hätte der EuGH sich nicht nur zur Begründung des Arbeitskampfrechts, sondern auch hinsichtlich seiner Schranken mit den Vorgaben der ILO auseinandergesetzt, hätte ein Konflikt vermieden werden können. Dass der EuGH in anderen Bereichen Pionierarbeit beim Menschenrechtsschutz innerhalb der Union geleistet hat, steht außer Frage390. Im Urlaubsrecht war es der EuGH, der schlussendlich bewirkt hat, dass mit ILO-Verpflichtungen im Widerspruch stehendes Recht der Mitgliedstaaten geändert wurde391. 381
Pache/Bielitz, EuR 2006, 316, 325.
382 Grabitz/Hilf/Nettesheim/Lorenzmeyer,
EUV/AEUV, Art. 351 AEUV Rn. 2. EUV/AEUV, Art. 351 AEUV Rn. 71. 384 Bruun/Bücker, NZA 2012, 1136, 1138. Vgl. zu ILO-Übereinkommen Nr. 45 EuGH v. 1. 2. 2005, Rs. C-203/03, Slg. 2005, I-935 (Kommission/Österreich), Rn. 58. Vgl. http:// www.ilo.org/dyn/normlex/en/f?p=NORMLEXPUB:11300:0::NO:11300:P11300_INSTRUMENT_ID:312232:NO (zuletzt überprüft am 8. 3. 2017). 385 Pache/Bielitz, EuR 2006, 316, 326. 386 EuGH v. 14. 10. 1980, Rs. 812/79, Slg. 1980, 2787 (Burgoa); Streinz/Kokott, EUV/ AEUV, Art. 351 Rn. 23; Calliess/Ruffert/Schmalenbach, EUV/AEUV, Art. 351 Rn. 20. 387 Pache/Bielitz, EuR 2006, 316, 329. 388 Pache/Bielitz, EuR 2006, 316, 329. 389 Schlachter, EuR 2016, 478, 487; Trebilcock, EuZA 2013, 178, 187. 390 Alston/Weiler, 9 EJIL 658, 709 (1998). 391 Nachdem die ILO-Ausschüsse über Jahre Verstöße des deutschen Rechts gegen Übereinkommen Nr. 132 angemahnt hatten (vgl. nur CEACR, 2009, Convention No. 132, 383 Grabitz/Hilf/Nettesheim/Lorenzmeyer,
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2. Kap.: Rechtliche Grundlagen und Schranken der Freizügigkeit
Wertet der EuGH allerdings die Grundfreiheiten weiterhin höher und orientiert seine Rechtsprechung nicht an den Vorgaben der ILO, wären nach Art. 351 AEUV die Mitgliedstaaten in der Pflicht, die Unvereinbarkeit auf Seiten ihrer völkerrechtlichen Verpflichtung zu beheben392. Dies könnte die Kündigung des ILO-Übereinkommens durch die Mitgliedstaaten bedeuten393. Dass eine Kündigung des Übereinkommens Nr. 87, welches Teil der Kernarbeitsnormen ist, für die Mitgliedstaaten nicht in Betracht kommen kann, steht außer Frage. Eine Lösung über Art. 351 AEUV erscheint daher wenig befriedigend. Zu bedenken ist zudem, welche Bedeutung der EuGH und die EU den ILO-Übereinkommen zumessen. Nicht nur stützt sich der EuGH in zahlreichen Urteilen auf die Vorgaben der ILO394, auch Kommission und Rat betonen stets das Kooperationsverhältnis zur ILO – wie z.B. in der Mitteilung des Rates „Menschenwürdige Arbeit für alle fördern“395, wo zur Ratifikation und Anwendung der ILO-Übereinkommen aufgerufen wird. Auch muss der EuGH die in den ILO-Übereinkommen verankerten Grundsätze dann zwingend berücksichtigen, wenn es sich um allgemeine Grundsätze des Unionsrechts handelt396. Das ist beim Arbeitskampfrecht, wie der EuGH selbst festhält397, der Fall. (3) Zwischenergebnis Es liegt nach dem soeben Gesagten nahe, dass eine Lösung des Konflikts beim EuGH liegen muss398. Dieser hat stets betont, dass die ILO-Übereinkommen als Auslegungsquelle große Bedeutung haben. Auch stehen die ILO-Übereinkommen für einen breiten Konsens der EU-Mitgliedstaaten im Arbeitsrecht. Gerade bei Übereinkommen Nr. 87 kann aufgrund dessen hervorgehobener Stellung als Teil Direct request Germany), zwang der EuGH die deutschen Gerichte mit EuGH v. 20. 1. 2009, Rs. C-350 und C-520/06, Slg. 2009, I-179 (Schultz-Hoff), Rn. 52, 62, das deutsche Urlaubsrecht anzupassen, BAG v. 24. 3. 2009, 9 AZR 983/07, EuZA 2010, 88. Hier hatte sich der EuGH auf das ILO-Übereinkommen gestützt. 392 EuGH v. 1. 2. 2005, Rs. C-203/03, Slg. 2005, I-935 (Kommission/Österreich), Rn. 59. 393 Koberski/Schierle, RdA 2008, 233, 236 zu Übereinkommen Nr. 94, das im Widerspruch zur Rüffert-Rechtsprechung steht. Einschränkend Seifert, EuZA 2008, 526, 539 unter Verweis auf EuGH v. 1. 2. 2005, Rs. C-203/03, Slg. 2005, I-935 (Kommission/Österreich), Rn. 62, da der EuGH in der Rüffert-Entscheidung die Unvereinbarkeit mit dem ILO-Übereinkommen Nr. 94 nicht mit Klarheit festgestellt habe, was jedoch erforderlich sei, um einen EU-Mitgliedstaat zur Kündigung eines ILO-Übereinkommens zu verpflichten. 394 Krebber, RdA 2009, 224, 227 mit Fn. 41. 395 Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionenv. 24. 5. 2008, Menschenwürdige Arbeit für alle fördern, KOM (2006), 249 endg. 396 Koberski/Schierle, RdA 2008, 233, 236. 397 EuGH v. 11. 12. 2007, Rs. C-438/05, Slg. 2007, I-10779 (Viking) Rn. 44; EuGH v. 18. 12. 2007, Rs. C-341/05, Slg. 2007, I-11767 (Laval), Rn. 91. 398 So auch Schlachter, EuR 2016, 478, 487 f.
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der Kernarbeitsnormen keinesfalls eine Kündigung durch die EU-Mitgliedstaaten verlangt werden. In der momentanen Situation bedeutet dies, dass die Mitgliedstaaten sich der Kritik der ILO-Ausschüsse ausgesetzt sehen, wenn sie nationales Recht entsprechend der Vorgaben der Viking- und Laval-Rechtsprechung anwenden. Wie im Fall des Vereinigten Königreichs399 und Schwedens400 wird der Sachverständigenausschuss weiter seine Besorgnis ausdrücken. Welche Konsequenzen dies für die Mitgliedstaaten hat, insbesondere mit welchen Mitteln die ILO ihre Standards durchsetzen kann, soll im Folgenden kurz dargestellt werden. bb) Durchsetzung der Mindeststandards der ILO (1) Vorlage- und Berichtssystem (Art. 22 ILO-Verfassung) Die Durchsetzung der ILO-Mindeststandards erfolgt maßgeblich durch ein Berichtssystem. Die Mitgliedstaaten haben der ILO regelmäßig über den Stand der Ratifizierung und die Umsetzung ratifizierter Übereinkommen401 sowie über den Stand der Gesetzgebung hinsichtlich der nicht ratifizierten Übereinkommen402 Bericht zu erstatten. Die Berichte werden vom Sachverständigenausschuss geprüft, welcher dann der IAK eine Zusammenfassung vorlegt. Bei der Kontrolle der Implementierung der Übereinkommen zur Vereinigungsfreiheit wird der zugehörige Ausschuss tätig403. Zur Überprüfung der Umsetzung der Kernarbeitsnormen sind ebenfalls Länderberichte zu erstellen. Hier ist allerdings jedes Jahr nur über eines der vier Kerngrundrechte Bericht zu erstatten. (2) Beschwerdeverfahren (Art. 24 ILO-Verfassung) Arbeitnehmer- und Arbeitgeberorganisationen können ein Beschwerdeverfahren beim IAA in Gang setzen, wenn sie der Ansicht sind, dass ein ratifiziertes Übereinkommen nicht durchgeführt wird404. Das Beschwerdeverfahren ist das am häufigsten genutzte Verfahren zur Streitbeilegung405. So hatte sich z.B. die englische Pilotengewerkschaft wegen der Einschränkung ihres Streikrechts an das IAA gewandt. Der Fall wird sodann von einem Sonderausschuss des Verwaltungsrats untersucht. Der Verwaltungsrat stellt fest, ob eine Verletzung vorliegt und fordert den Staat auf, dem Sachverständigenausschuss zu berichten. Geht ein solcher Bericht nicht ein oder hält der Verwaltunsgrat diesen für unbefriedigend, kann der 399 CEACR, Report of the CEACR, Report III (Part 1A), 99th Session 2010, United Kingdom, Freedom of Association and Protection of the Right to Organise Convention, 1948 (No. 87), S. 208, 209. 400 ILC, 102nd Session 2013, Report of the CEACR, Part II, Sweden, S. 176 ff. 401 Art. 22 ILO-Verfassung. 402 Art. 19 Abs. 6 ILO-Verfassung. 403 Weiss/Seifert, GS Zachert, S. 130, 135. 404 Art. 24 ILO-Verfassung, dazu Zimmer, Soziale Mindeststandards, S. 65. 405 Zimmer, Soziale Mindeststandards, S. 66.
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2. Kap.: Rechtliche Grundlagen und Schranken der Freizügigkeit
Fall veröffentlicht werden406. Im Falle der Vereinigungsfreiheit überprüft der Ausschuss für Vereinigungsfreiheit die Beschwerde (3) Klageverfahren (Art. 26 ILO-Verfassung) Die Regierungen der Mitgliedstaaten, der Verwaltungsrat und die Arbeitgeberund Arbeitnehmerdelegierten der IAK können nach Art. 26 ILO-Verfassung eine Klage gegen einen anderen Mitgliedstaat erheben, wenn sie der Auffassung sind, dieser setze das von ihm ratifizierte Übereinkommen nicht hinreichend um407. Ist die Klage zulässig, richtet der Verwaltungsrat eine Untersuchungskommission ein und fordert den beklagten Staat zu einer Stellungnahme auf. Die Untersuchungskommission erteilt dem beklagten Staat Empfehlungen408. Nimmt er diese nicht an, kann er den IGH anrufen, dem Art. 37 Abs. 1 ILO-Verfassung die Kompetenz zur letztverbindlichen Entscheidung von Streitigkeiten über die Auslegung der ILO-Übereinkommen zuweist. Zur Anrufung des IGH ist es bisher jedoch noch nicht gekommen409. Befolgt der beklagte Staat die Empfehlungen nicht, kann der Verwaltungsrat zweckmäßige Maßnahmen empfehlen. Von diesem Verfahren und insbesondere der Verhängung von Sanktionen wurde bislang nur sehr zurückhaltend Gebrauch gemacht. Zum einen scheuen Staaten die Anklage anderer Mitgliedstaaten, zum anderen besteht die Gefahr, dass ein Mitgliedstaat sich als Reaktion komplett aus der ILO zurückzieht und so jeglicher Kontrolle entgeht410. Sanktionen wurden bislang nur ein einziges Mal im Jahr 2000 im Falle dauerhafter Zwangsarbeit in Myanmar verhängt. (4) Ergebnis Der Überblick über die Sanktionsmechanismen der ILO zeigt, dass die Mitgliedstaaten der EU wenig zu befürchten haben. Außer einer Veröffentlichung der Verstöße drohen ihnen keine weitere Sanktion. b) ESC Die EU ist nicht selbst Vertragspartei der ESC und auch sonst nicht direkt völkerrechtlich an die ESC gebunden. Da sowohl die ursprüngliche Fassung (1961) als auch die revidierte Fassung (1996) nach dem für Art. 351 AEUV maßgeblichen Zeitpunkt ergangen sind, ergibt sich auch aus dieser Vorschrift keine Rücksichtnahmepflicht im Innenverhältnis zwischen der EU und ihren Mitgliedstaaten. 406
Art. 25 ILO-Verfassung. Böhmert, Das Recht der ILO, S. 91 f. 408 Zur Frage der Verbindlichkeit Böhmert, Das Recht der ILO, S. 93. 409 Heuschmid, SR 2014, 1; Zimmer, Soziale Mindeststandards, S. 66. 410 Böhmert, Das Recht der ILO, S. 94. 407
B. Völkerrechtliche Schranken der Freizügigkeit
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Im Unterschied zu den Übereinkommen der ILO nimmt das Primärrecht in Art. 151 Abs. 1 AEUV allerdings die ESC selbst in Bezug. Diese Bezugnahme führt jedoch nicht zu einer Bindung der EU an die ESC411. Der EuGH hat die ESC zwar häufig als Auslegungshilfe herangezogen412, darüber hinaus kommt ihr jedoch keine Bindungswirkung für die Union zu. Es bleibt also bei einer Bindung nur derjenigen Mitgliedstaaten, die Art. 6 Abs. 4 ESC ratifiziert haben, gegenüber den anderen Mitgliedstaaten der ESC. So wird auch hier der Überwachungsausschuss, wie bereits 2013 gegenüber Schweden413, voraussichtlich weiterhin festhalten, dass nationales Recht, das der Umsetzung der Viking- und Laval-Rechtsprechung dient, mit Art. 6 Abs. 4 ESC in einem Widerspruch steht. Die Folgen sind überschaubar: Außer „naming and shaming“ durch Feststellung einer Verletzung der Charta und einer Aufforderung zur Abhilfe stehen dem Expertenausschuss keine Sanktionsmaßnahmen zur Verfügung. c) EMRK Etwas anderes könnte sich jedoch im Falle eines EMRK-Verstoßes ergeben, denn hier ist mit dem EGMR ein Gerichtshof zur Auslegung berufen, der Urteile mit Sanktionsmaßnahmen erlassen kann: Gegen die Konventionsstaaten der EMRK können Individualbeschwerden414 und Staatenbeschwerden415 beim EGMR eingelegt werden. Die Urteile sind gemäß Art. 46 Abs. 1 EMRK verbindlich416. Der Gerichtshof kann einem Opfer von Menschenrechtsverletzungen Schadensersatz zusprechen (individual measure) oder generell feststellen, dass das nationale Recht nicht hinreichend vor Menschenrechtsverletzungen schützt und den Konventions staat zu Änderungen auffordern (general measure)417. aa) Bindung der EU an die EMRK Eine Bindung der EU an die EMRK kommt auf verschiedenen Wegen in Betracht. Zunächst ist auch hier wieder ein Beitritt der EU zur EMRK mit der Wirkung einer völkerrechtlichen Bindung möglich. Der Beitritt der EU zur EMRK ist
411
Siehe oben 2. Kap. B. IV. 1. d) bb). Dazu nur Krebber, RdA 2009, 224, 229 mit Fn. 49. 413 ECSR v. 3. 7. 2013, Complaint No. 85/2012 (Swedish Trade Union Confederation and Swedish Confederation of Professional Employees v. Sweden). Abrufbar unter http://hudoc. esc.coe.int/eng/?i=cc-85 – 2012-dadmissandmerits-en (zuletzt überprüft am 8. 3. 2017). 414 Art. 34 EMRK. 415 Art. 33 EMRK. 416 Villinger, in: Seibert-Fohr/Villinger (Hrsg.), Judgements of the European Court of Human Rights – Effects and Implementation, S. 33; Meyer-Ladewig/Nettesheim/von Raumer/Meyer-Ladewig/Brunozzi, EMRK, Art. 46, Rn. 2. 417 Buergenthal/Thürer, Menschenrechte, S. 210 f. 412
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2. Kap.: Rechtliche Grundlagen und Schranken der Freizügigkeit
gem. Art. 6 Abs. 2 EUV geplant, jedoch bislang nicht vollzogen418. Eine Bindung im Innenverhältnis über Art. 351 AEUV besteht ebenfalls nicht419. Im Falle der EMRK kommen jedoch zwei weitere Normen als Anknüpfungspunkte für eine Bindung der Union in Betracht: Art. 6 Abs. 3 EUV sowie Art. 52 Abs. 3 GRCh. Ob eine Bindung der Union über Art. 6 Abs. 3 EUV erfolgt, ist umstritten420. Gegen eine unmittelbare Bindung spricht, dass der Wortlaut der Vorschrift eine divergierende Rechtsprechung des EGMR nicht ausschließt („wie sie in der EMRK gewährleistet sind“) und dann auch der Beitritt der EU nach Abs. 2 überflüssig wäre. Gegen eine solche Bindung spricht auch die Bosphorus-Rechtsprechung des EGMR421, die, vergleichbar mit der Solange-Rechtsprechung des BVerfG422, das Verhältnis des EU-Grundrechtsschutzes zur EMRK aus Sicht des EGMR regelt. Bis zum Beitritt der EU unterliegt diese also nur einer weichen, dem völkerrechtlichen „soft law“ entsprechenden Bindung423. Die EMRK dient als Rechtserkenntnisquelle. Der EuGH hat sich in seiner Rechtsprechung auch schon früh auf die EMRK als Rechtserkenntnisquelle gestützt424 und auch die Auslegung durch den EGMR herangezogen. Möglicherweise besteht jedoch eine Bindung über Art. 52 Abs. 3 GRCh. Dieser statuiert, dass Chartagrundrechte, soweit sie den Rechten der EMRK entsprechen, die gleiche Bedeutung und Tragweite haben wie die EMRK. Fraglich ist also, ob der EuGH aus diesen Normen verpflichtet ist, sich hinsichtlich der Ausgestaltung des Streikrechts im Unionsrecht an dem Gewährleistungsinhalt der EMRK in der Auslegung durch den EGMR zu orientieren. Das Streikrecht ist im Unionsrecht zum einen als allgemeiner Grundsatz des Unionsrechts anerkannt425, zum anderen in Art. 28 Var. 2 GRCh normiert. Art. 28 GRCh gibt vor, dass das Streikrecht den Arbeitnehmern „nach dem Unionsrecht“ zusteht. Eine Möglichkeit zur Einschränkung sind daher die primärrechtlich verankerten Grundfreiheiten426. Das widerspricht jedoch der Auffassung des EGMR zum Streikrecht nach Art. 11 EMRK. Nach h.M. garantiert Art. 52 Abs. 3 GRCh 418 Vgl. insbesondere das Gutachten des EuGH v. 18. 12. 2014, 2/13 (EMRK). Dazu auch Schlachter, EuR 2016, 478, 482 f. 419 Grabitz/Hilf/Nettesheim/Lorenzmeier, EUV/AEUV, Art. 351 AEUV, Rn. 52. 420 Zum Streitstand Grabitz/Hilf/Nettesheim/Lorenzmeier, EUV/AEUV, Art. 351 AEUV, Rn. 52. 421 EGMR v. 30. 6. 2005, 45036/98, NJW 2006, 197 ff. (Bosphorus Hava Yollari Turizm ve Ticaret Anonim Sirketi v. Irland). 422 BVerfG v. 22. 10. 1986, 2 BvR 197/83, BVerfGE 73, 339 ff. (Solange II). 423 Grabitz/Hilf/Nettesheim/Athen/Dörr, EUV/AEUV, Art. 344 AEUV, Rn. 42; Grabitz/ Hilf/Nettesheim/Lorenzmeier, EUV/AEUV, Art. 351 AEUV, Rn. 52. 424 So z.B. in EuGH v. 13. 12. 1979, Rs. 44/79, Slg. 1979, 3727 (Hauer), Rn. 17. 425 EuGH v. 11. 12. 2007, Rs. C-438/05, Slg. 2007, I-10779 (Viking), Rn. 44; EuGH v. 18. 12. 2007, Rs. C-341/05, Slg. 2007, I-11767 (Laval), Rn. 91. 426 EuGH v. 11. 12. 2007, Rs. C-438/05, Slg. 2007, I-10779 (Viking), Rn. 46 (zur Niederlassungsfreiheit); EuGH v. 18. 12. 2007, Rs. C-341/05, Slg. 2007, I-11767 (Laval), Rn. 94
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die Rechte der EMRK entsprechend ihrer Auslegung durch den EGMR427. Daraus folgt, dass der Schutzbereich des Art. 28 GRCh, aber auch seiner Einschränkungsmöglichkeiten entsprechend der Garantie des Art. 11 EMRK ausgestaltet werden müssen428. Neben dem Streikrecht in Art. 28 GRCh könnte sich die Rechtsprechung des EuGH zudem auf Art. 12 GRCh auswirken. Dieser garantiert die Koalitionsfreiheit und entspricht nach der Ansicht des Konvents zum Entwurf der GRCh dem Art. 11 EMRK429. Folglich müssen die Schranken des Streikrechts im Rahmen der GRCh an den Anforderungen des EGMR zur EMRK gemessen werden430. Betrachtet man die Grundfreiheiten als vertragsimmanente Schranken der Charta, die nach Art. 6 Abs. 1 EUV gleichrangig sind, so widerspricht das Ergebnis den Vorgaben des Art. 52 Abs. 3 GRCh431. Auch ist zu beachten, dass die EU in Art. 6 Abs. 2 EUV ihre Absicht festgelegt hat, der EMRK beizutreten. Damit müsste sich der EuGH zwangsläufig der Rechtsprechung des EGMR unterwerfen. Das primäre Unionsrecht wird dann ebenso wie nationales Verfassungsrecht EMRK-konform auszulegen sein432. Daher bestehen durchaus gute Argumente dafür, dass der EuGH seine Rechtsprechung an die des EGMR zum Streikrecht anpassen muss433. bb) Durchsetzung Der EuGH ist zwar über Art. 6 Abs. 3 EUV und Art. 52 Abs. 3 GRCh zur Berücksichtigung der EMRK verpflichtet, der EGMR kann die Rechtsprechung des EuGH bislang jedoch nicht gerichtlich überprüfen434.
(zur Dienstleistungsfreiheit); EuGH v. 28. 6. 2012, Rs. C-172/11, NZA 2012, 863 (Erny) (zur Arbeitnehmerfreizügigkeit), Rn. 50. 427 Streinz/Streinz/Michl, EUV/AEUV, Art. 52 GRCh Rn. 7; Jarass, GRCh, Art. 52 Rn. 65; Fütterer, EuZA 2011, 505, 515. 428 Fütterer, EuZA 2011, 505, 515. 429 Dokument CONVENT 49 vom 11. 10. 2000, S. 49. 430 Fütterer, EuZA 2011, 505, 516. 431 Fütterer, EuZA 2011, 505, 516. 432 Fütterer, EuZA 2011, 505, 516. 433 Fütterer, EuZA 2011, 505, 515; ähnlich auch Bruun/Bücker, NZA 2012, 1136, 1140. Dies wäre auch nicht das erste Mal, vgl. EuGH v. 22. 10. 2002, Rs. C-94/00, Slg. 2002, I-9011 (Roquette Frères) Rn. 29. 434 Grabitz/Hilf/Nettesheim/Athen/Dörr, EUV/AEUV, Art. 344 AEUV, Rn. 42.
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V. Abschließende Bewertung der völkerrechtlichen Schranken der Freizügigkeit 1. Völkerrechtliche Pflicht zur Gleichstellung grenzüberschreitend tätiger Arbeitnehmer mit Ortskräften Die Untersuchung der völkerrechtlichen Schranken der Freizügigkeitsformen hat gezeigt, dass das Völkerrecht im Grundsatz verlangt, dass jegliche Arbeitnehmer, die grenzüberschreitend tätig werden, den Ortskräften gleichgestellt werden. Das Prinzip der Nichtdiskriminierung von Wanderarbeitnehmern findet sich in den ILO-Übereinkommen Nr. 97 und 143, in der UN-Wanderarbeitnehmerkonvention und in Art. 19 Abs. 4 ESC. Während die Arbeitnehmerfreizügigkeit durch die von Art. 45 AEUV geforderte umfassende Gleichstellung der von der Freizügigkeit Gebrauch machenden Arbeitnehmer mit denen des Bestimmungslandes genau die vom Arbeitsvölkerrecht erwünschte Rechtsfolge herbeiführt, widerspricht die Arbeitnehmerentsendung in ihrem Verständnis durch den EuGH den Vorgaben des Arbeitsvölkerrechts. Die von den Grundfreiheiten vorgegebene Anwendung des Rechts des Herkunftslandes steht im Widerspruch zur UN-Wanderarbeitnehmerkonvention und zu Art. 19 Abs. 4 ESC. Die UN-Wanderarbeitnehmerkonvention erstreckt ihren Anwendungsbereich ausdrücklich auf entsandte Arbeitnehmer, die ESC enthält einen solchen Schutzgehalt aufgrund ihrer Auslegung durch den Überwachungsausschuss. Das Völkerrecht macht folglich keinen Unterschied zwischen entsandten Arbeitnehmern und solchen, die sich auf Grundlage der Arbeitnehmerfreizügigkeit in einen anderen Staat begeben. Demnach spricht das Völkerrecht dafür, auch die entsandten Arbeitnehmer dem Art. 45 AEUV zu unterwerfen und dem Arbeitsortsprinzip umfassend Geltung zu verschaffen. 2. Unvereinbarkeit der Rechtsprechung des EuGH zu Arbeitskämpfen in Entsendesituationen mit dem völkerrechtlich gewährleisteten Streikrecht Zwar wird das Herkunftslandprinzip weitgehend durch Art. 3 Entsenderichtlinie verdrängt, sofern dieser allerdings nicht greift, entstehen weitere Konflikte, welche am Beispiel der EuGH-Rechtsprechung zur Behandlung von Arbeitskämpfen gegen ausländische Dienstleister aufgezeigt wurden: Wird ein ausländischer Dienstleister von Arbeitnehmern im Inland mit dem Ziel bestreikt, die ausländischen entsandten Arbeitnehmer einem Tarifvertrag zu unterwerfen (Laval-Konstellation), so ist nach der Rechtsprechung des EuGH eine Abwägung des Streikrechts mit der Dienstleistungsfreiheit vorzunehmen. Weder das ILO-Übereinkommen Nr. 87, noch Art. 8 IPwskR, Art. 6 Abs. 4 ESC oder Art. 11 EMRK kennen jedoch eine Abwägungspflicht zugunsten grenzüberschreitender Wirtschaftstätigkeit. Hinzu kommt, dass diese Abwägung in Entsendefällen praktisch durch die Entsenderichtlinie abschließend vorgegeben ist. Die Grenze der zulässigerweise
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auf EU-ausländische Dienstleister anwendbaren Arbeitsbedingungen ergibt sich nach Auffassung des Gerichtshofs aus der Entsenderichtlinie. Diese erlaubt jedoch nur die Form der Rechtsverordnung oder des allgemeinverbindlichen Tarifvertrags, nicht jedoch sonstige Tarifverträge. Auch sieht die Entsenderichtlinie nur die Erstreckung von Mindestlöhnen vor, höhere Löhne können dem ausländischen Dienstleister nicht auferlegt werden. Ein Arbeitskampf um höhere Löhne ist folglich stets wegen Verstoßes gegen die Dienstleistungsfreiheit unzulässig. Das führt dazu, dass die Arbeitnehmer, die gar nicht am grenzüberschreitenden Handel teilnehmen, in ihrem Streikrecht beschränkt werden, denn während jeder inländische Dienstleister bestreikt werden kann, kann ein ausländischer nicht zum Beitritt eines örtlichen Tarifvertrags gezwungen werden. Die grenzüberschreitende Wirtschaftstätigkeit führt also dazu, dass Arbeitnehmer am Arbeitsort ihre Rechte verlieren435. Die „Lücken“ im System von Dienstleistungsfreiheit und Entsenderichtlinie führen folglich zu Konstellationen, die mit einzelnen völkerrechtlichen Garantien, wie hier dem Streikrecht, nicht in Einklang zu bringen sind. Diese Lücken der Entsenderichtlinie erscheinen darüber hinaus willkürlich.Warum soll gerade dieser Kern an Arbeitsbedingungen angewendet werden, warum erfolgt nicht eine vollständige Gleichstellung? Warum beschränkt sich die Richtlinie formal auf Rechtsverordnungen und allgemeinverbindliche Tarifverträge? Wenn ein Land andere, in ihrer Wirkung aber vergleichbare Mittel zur Lohnfestlegung anwendet, warum sind gerade diese nicht erfasst? So fehlt es in Schweden, wo sich die Rechtssache Laval zugetragen hat, an einem Mindestlohnsystem, da Löhne hauptsächlich durch Tarifverträge festgelegt werden436. Deutschland bediente sich vor Festlegung eines allgemeinen gesetzlichen Mindestlohns dem – in der Rechtssache Rüffert vom EuGH als unvereinbar mit der Dienstleistungsfreiheit erklärten – Mittel der Tariftreueregelung437. Beide Mittel bezwecken das gleiche wie ein gesetzlicher Mindestlohn, sind jedoch formal von der Richtlinie nicht erfasst. Auch bleibt die Richtlinie ein Instrument, dessen Schaffung und Rechtfertigung fragwürdig ist. Die eigentliche Intention der Entsenderichtlinie ist die Abschottung nationaler Märkte438. Damit steht sie in direktem Widerspruch zu den Grundfreiheiten. Der EuGH „rettete“ die Richtlinie mit dem Argument, sie stelle zwar eine Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit dar, sei aber zum Schutz der entsandten 435
Diesen Effekt kritisiert Veldman, 9 Utrecht L. Rev. 104, 116 (2013). dazu die Erklärung Schwedens zu den Folgen der Laval-Rechtsprechung: Swedish Government, Official Reports, 2008, Actions in Response to the Laval-Judgement, S. 9 f., abrufbar unter: http://www.government.se/49b72e/contentassets/b6f9c8c39afd4e0097cda14b79c219e5/summary-action-in-response-to-the-laval-judgment (zuletzt überprüft am 8. 3. 2017). Zum schwedischen System auch Köhler, ZESAR 2008, 65 ff.; Tscherner, Arbeitsbeziehungen und Europäische Grundfreiheiten, S. 179 ff. 437 Krebber, in: FS Schröder, 203, 212. Vertiefend zu Tariftreueerklärungen Krebber, EuZA 2013, 435 ff. 438 Kort, NZA 2002, 1248, 1251. 436 Siehe
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2. Kap.: Rechtliche Grundlagen und Schranken der Freizügigkeit
Arbeitnehmer gerechtfertigt. Diese Argumentation überzeugt bis heute wenig. Es ist fraglich, ob die Anwendung des Arbeitsrechts mit höherem Schutzniveau tatsächlich dem Schutz der ausländischen entsandten Arbeitnehmer dient. So kann durchaus angenommen werden, dass es vielmehr zum Nachteil der Arbeitnehmer ist, wenn sich ihr Arbeitgeber durch die zusätzlichen Kosten davon abgehalten fühlt, die Dienstleistung im Ausland zu erbringen439. Ein Vergleich mit der ebenfalls produktbezogenen Warenverkehrsfreiheit zeigt zudem, wie problematisch gerade die Erstreckung inländischer Mindestlöhne gemäß Art. 3 Abs. 1 lit. c Entsenderichtlinie auf entsandte Arbeitnehmer ist. Löhne können wie kaum eine andere Vorgabe ausländische Dienstleister davon abhalten, im Inland tätig zu werden440. Die Vorstellung, den Verkauf ausländischer Waren von Mindestpreisen abhängig zu machen, ist allgemein undenkbar441, Mindestlöhne sind aber durchaus auch protektionistisch motiviert442. Auch die Warenverkehrsfreiheit setzt die Exportwirtschaft dem Druck der niedrigeren Lohnkosten als Wettbewerbsvorteil aus. Eine Regelung zur Eindämmung dieses Effekts in den betroffenen Wirtschaftszweigen ist jedoch nicht erwogen worden443. Die Entsenderichtlinie bewirkt damit eine Ungleichbehandlung der Dienstleistung gegenüber der Ware. Auch widerspricht die Regelung des Art. 3 Entsenderichtlinie dem von der Cassis-Idee ausgehenden Integrationsmittel der gegenseitigen Anerkennung von Standards, welche im Unionsrecht neben die Harmonisierung tritt444. Schlüssiger und in sich konsequenter wäre es, die entsandten Arbeitnehmer nicht der Dienstleistungsfreiheit, sondern der Arbeitnehmerfreizügigkeit zu unterwerfen und nicht über das systemfremde Mittel der Entsenderichtlinie teilweise die Arbeitsbedingungen des Bestimmungslandes anzuwenden. Unterschiede in den verschiedenen Mitgliedstaaten müssten im Sinne der Idee der gegenseitigen Anerkennung von Standards hingenommen werden. Zudem ist zu bedenken, dass, mit Ausnahme des Lohnes, die in Art. 3 Entsenderichtlinie genannten Arbeitsbedingungen ohnehin harmonisiert wurden445. Der in den betreffenden Richtlinien vorgegebene Mindeststandard muss als ausreichend für den Schutz der Arbeitnehmer angesehen werden. Die völkerrechtlichen Schranken der unionsrechtlichen Freizügigkeitsformen machen folglich vor allem eins deutlich: Die entsandten und grenzüberschreitend überlassenen Arbeitnehmer sollten sich auf Art. 45 AEUV berufen können446. 439 Kort, NZA 2002, 1248, 1252; Krebber, Jahrbuch Junger Zivilrechtswissenschaftler 1997, S. 129, 150; Selmayr, ZfA 1996, 615, 634. 440 Kort, NZA 2002, 1248, 1253. 441 Rieble, Arbeitsmarkt und Wettbewerb, S. 102, Rn. 335. 442 Kort, NZA 2002, 1248, 1253. 443 Rieble, Arbeitsmarkt und Wettbewerb, S. 101, Rn. 334; Schlachter, NZA 2002, 1242, 1243 (bezogen auf das Unionsrecht). 444 Windbichler, RdA 1992, 74, 77. 445 Vgl. die zahlreichen Sekundärrechtsakte im Bereich des europäischen Arbeitsrechts, AR/Krebber, Vorbem. zu Art. 45, 157, 267, Rn. 4 ff.
B. Völkerrechtliche Schranken der Freizügigkeit
446
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3. Mögliche Durchsetzung des Arbeitsvölkerrechts
Zwar widerspricht die aktuelle Behandlung der Entsendung dem Arbeitsvölkerrecht, weder die einschlägigen ILO-Übereinkommen noch die ESC binden jedoch die EU direkt. Auch verfügen die zuständigen Ausschüsse den Mitgliedstaaten gegenüber nur über wenig durchschlagskräftige Durchsetzungsmechanismen. Daher erscheint die Bedeutung des Völkerrechtsverstoßes zunächst gering. Jedoch dienen sowohl die ILO-Übereinkommen als auch die ESC dem EuGH als wichtige Rechtserkenntnisquellen, sodass eine Auseinandersetzung mit der Spruchpraxis der Ausschüsse nicht ausgeschlossen ist. Der „zahnlose Tiger“447 Arbeitsvölkerrecht könnte zudem durch die EMRK „mehr Biss“ bekommen. Der EGMR hat sich zur Begründung des Streikrechts in Demir and Baykara stark auf ILO-Übereinkommen Nr. 87 und Art. 6 Abs. 4 ESC gestützt. Der Gerichtshof strebt eine Vereinheitlichung der völkerrechtlichen Regelungen der sozialen Rechte an. Mit der EMRK steht ein schlagkräftiger Gerichtshof mit Sanktionsmitteln gegenüber den Mitgliedstaaten zur Verfügung. Zudem strebt die EU früher oder später den Beitritt zur EMRK an, womit diese die EU direkt binden würde. Bereits jetzt kommt der EMRK eine größere Bedeutung dadurch zu, dass der EuGH sie nach Art. 6 Abs. 3 EUV und insbesondere Art. 52 Abs. 3 GRCh berücksichtigen muss. Auf diesem Weg könnte das „soft law“ Arbeitsvölkerrecht mehr Durchsetzungskraft erlangen448. Schon jetzt könnte ein Fall vor den EGMR gebracht werden, in dem ein nationales Gericht unter Anwendung der Viking- und Laval-Rechtsprechung einen Arbeitskampf untersagt. Dadurch könnte eine mittelbare Kontrolle des Unionshandelns durch den EGMR erreicht werden449. Der EGMR würde, seiner Bosphorus-Rechtsprechung folgend, von einer Vermutung zugunsten der Gleichwertigkeit des unionsrechtlichen Schutzniveaus ausgehen. Die Vermutung kann jedoch widerlegt werden, wenn im konkreten Fall ein offensichtlich unzureichender Grundrechtsschutz dargelegt wird. Der EGMR wird daher durchaus zu Recht als „the best opportunity to clean up the mess left by the European Court of Justice in the Viking and Laval cases“450 gehandelt.
446 Birk, in: FS Wissmann, S. 523; Streinz/Franzen, EUV/AEUV, Art. 45 Rn. 36; Krebber, in: FS Müller-Graff, S. 365; Kruse, Entsendung von Arbeitnehmern, S. 41. 447 Oben Fn. 369. 448 Ewing/Hendy, 15 Canadian Lab. & Emp. LJ. 165, 189 (2010). 449 Grabitz/Hilf/Nettesheim/Athen/Dörr, EUV/AEUV, Art. 344 AEUV, Rn. 42. 450 Ewing/Hendy, 15 Canadian Lab. & Emp. LJ. 165, 189 (2010).
3. Kapitel
Rechtliche Grundlagen und Schranken der Arbeit in Freien Exportzonen 3. Kap.: Rechtliche Grundlagen und Schranken in Freien Exportzonen
A. Begriff, Ziele und rechtliche Grundlagen der Arbeit in Freien Exportzonen I. Arbeit in Freien Exportzonen als weitere durch den liberalisierten Welthandel entstandene Arbeitsform Im 1. Kapitel. wurde die Arbeit in Freien Exportzonen als eine weitere Arbeitsform herausgearbeitet, bei der die Arbeitsbedingungen der Arbeitnehmer durch den Freihandel beeinflusst werden. Zwar verbleibt der Arbeitnehmer hier in seinem Heimatstaat, nimmt also selbst nicht aktiv am Freihandel teil, seine Arbeitsbedingungen weichen jedoch deswegen von denen anderer Arbeitnehmer im selben Land ab, weil er ein für den Export bestimmtes Produkt herstellt. Im Folgenden wird untersucht, welche Maßnahmen Staaten zur Senkung von Arbeitsrechtsstandards ergriffen haben, um ausländische Investoren anzuziehen. Dazu wird zunächst der Begriff der Freien Exportzone erläutert. Im Anschluss wird das Arbeitsrecht verschiedener Länder mit Freien Exportzonen untersucht und ein Vergleich zwischen dem in den Zonen und dem außerhalb der Zonen anwendbaren Recht vollzogen. Zuletzt werden aus den untersuchten Beispielen Typen gebildet, die in Teil B auf ihre völkerrechtlichen Schranken hin untersucht werden.
II. Freie Exportzonen 1. Begriff Freie Exportzonen sind nach der Definition der ILO „Industriezonen mit besonderen Anreizen für ausländische Investoren, in denen importiertes Material in gewissem Umfang einer Bearbeitung unterzogen wird, bevor es (wieder) exportiert wird.“1 Die vorliegende Arbeit konzentriert sich auf klassische Freie Exportzonen, in denen importiertes Rohmaterial zu einem Endprodukt verarbeitet wird, das dann exportiert wird 2. Der im Englischen verwendete Begriff Export Proces1 ILO, Labour and Social Issues Relating to EPZ, S. 3; deutsche Übersetzung nach: IAA Verwaltungsrat, Tagesordnung der Internationalen Arbeitskonferenz 2013, S. 19. 2 Im Englischen als „Export Processing Zones“, im Spanischen als „Zonas Francas“ oder „Maquila(dora)s“, im Französischen als „Zone Franche“ bezeichnet.
A. Begriff, Ziele und rechtliche Grundlagen der Arbeit in Freien Exportzonen
113
sing Zones bringt dieses Vorgehen anschaulich zum Ausdruck. Teilweise werden Freie Exportzonen in der deutschen Literatur auch als Exportförderungszonen3, Ausfuhrfreizonen oder Maquiladoras4 bezeichnet. Diese Begriffe beschreiben das gleiche Modell. Hier wird der von der ILO verwendete Begriff der Freien Exportzonen gewählt. Der Begriff der Sonderwirtschaftszone5 ist weiter, er umfasst auch andere Modelle, z.B. Zonen, in denen Finanzdienstleistungen erbracht werden6. Solche Sonderwirtschaftszonen verfügen über spezielle Regelungen im Steuerund Zollrecht, arbeitsrechtlich bestehen hier hingegen – soweit ersichtlich – keine Sonderregelungen. Dieses Phänomen findet sich lediglich in Freien Exportzonen, wo es sich stets um arbeitskraftintensive Vorgänge wie die Herstellung von Textilien und Elektronikartikeln handelt7. 2. Entstehungsgeschichte Freihandelszonen zum Zwecke der Erleichterung des Wiederausfuhrhandels wurden bereits ab dem 18. Jahrhundert an wichtigen Handelsrouten eingerichtet, so unter anderem in Gibraltar (1704), Singapur (1819), Hong Kong (1848), Hamburg (1888) und Kopenhagen (1891)8. Die Entwicklung moderner Freier Exportzonen begann Ende der 1950er Jahre9. Sie übernehmen die Grundidee der Freihandelszonen und bauen das Konzept weiter aus10. Ihren stärksten Aufschwung erfuhren Freie Exportzonen in den 1970er Jahren11. Im Jahre 2006 existierten nach Schätzungen der ILO ca. 3.500 Freie Exportzonen in 130 Ländern mit über 66 Millionen Arbeitnehmern12. 3
Weiss, in: FS Richardi, S. 1093, 1099. Darunter fallen ausschließlich Freie Exportzonen in Mexiko, Mittel- und Südamerika. 5 Zimmer, Soziale Mindeststandards, S. 32 ff. arbeitet mit diesem Begriff. 6 Dazu IAA, Tagesordnung der Internationalen Arbeitskonferenz 2013, S. 19 f.; Madani, A Review of the Role and Impact of EPZ, S. 12; Wick, Nähen für den Weltmarkt, S. 7. 7 Zimmer, Soziale Mindeststandards, S. 33. Von den Freien Exportzonen sind auch sog. Ausschließliche Wirtschaftszonen (AWZ) zu unterscheiden. Solche offshore gelagerten Zonen gehören gem. Art. 55 UN-Seerechtsübereinkommen nicht zum Staatsgebiet des jeweiligen Staates, weswegen auch die Anwendung des Arbeitsrechts umstritten ist, dazu z.B. Lunk/Hinze, NVwZ 2014, 278 ff. Die Arbeit in diesen Zonen beruht jedoch nicht auf der Liberalisierung des Welthandels und ist daher nicht Gegenstand dieser Untersuchung. 8 Weltbank, Special Economic Zones 2008, S. 9. 9 Milberg/Amengual, Economic Development and Working Conditions in EPZ, S. 3. Als erste moderne Freie Exportzone gilt die 1959 eingerichtete Zone auf dem Gebiet eines ausgedienten Flughafens in Shannon, Irland, Dror, 123 Int’l Lab. Rev. 705 (1984), Fn. 1; Broscheit, Freie Produktionszonen, S. 4 f.; Madani, A Review of the Role and Impact of EPZ, S. 12; Yinusa, in: Adewumi (Hrsg.), Labour Relations in the EPZ, S. 10 f. 10 Madani, A Review of the Role and Impact of EPZ, S. 12. 11 Jauch, 14 Environment&Urbanization 101, 102 (2002). Einen detaillierten Überblick über die Verbreitung von Freien Exportzonen, die Zahl der beschäftigten Arbeitnehmer, die maßgeblichen Branchen und Handelspartner gibt Singa Boyenge, ILO Database on EPZ. 12 Milberg/Amengual, Economic Development and Working Conditions in EPZ, S. 4. 4
114
3. Kap.: Rechtliche Grundlagen und Schranken in Freien Exportzonen
3. Organisation Freie Exportzonen sind zumeist auf ein bestimmtes Gebiet begrenzt und sichtbar durch Zäune von ihrer Umgebung abgetrennt13. Daneben gibt es jedoch auch Länder, in welchen Unternehmen im ganzen Land den Status einer Freien Exportzone erhalten können14. Die Zone wird in der Regel über ein zentrales Management betrieben15, dem das Verhandeln mit Investoren und die Organisation der Produktion obliegt16. Ein entscheidendes Merkmal der Zonen ist das Gewähren bestimmter rechtlicher Vorteile, sofern ein Unternehmen sich innerhalb der Zone ansiedelt17. Dazu gehören Steuervorteile, niedrigere Ein- und Ausfuhrzölle, aber auch die Möglichkeit, von geringeren Umweltschutzauflagen und einem flexibleren Arbeitsrecht zu profitieren18. 4. Ziele Freie Exportzonen sind vor allem in wirtschaftlich und industriell schwachen Ländern angesiedelt19. Mit ihnen sollen ausländische Investoren angelockt werden, die neue Technologien und Geld ins Land bringen, während das Zielland Arbeitskräfte und gegenebenfalls Zugang zu Absatzmärkten zur Verfügung stellt20. Dies soll zu Wachstumsimpulsen für die heimische Wirtschaft führen, strukturschwache Regionen innerhalb eines Landes aufwerten, Arbeitsplätze schaffen, dem Zielland den Gewinn ausländischen Know-Hows und die Ausbildung der einheimischen Arbeitnehmer ermöglichen21. Die in den Zonen hergestellten Produkte sind zumeist nicht für den Absatz auf dem Markt des Produktionslandes bestimmt22. Vielmehr werden besondere Anreize für den Absatz der Waren im Herkunftsland der importierten Rohstoffe oder auf dem Markt eines Drittstaates gesetzt. Der Zugang zum Markt eines Drittstaates spielte beispielsweise unter der Geltung des 13
Dror, 123 Int’l Lab. Rev. 705, 706 (1984). Keine geographische Begrenzung existiert z.B. in Mauritius und Mexiko, dazu unten 3. Kap. A. III. 15 Das Management wird in den einschlägigen Vorschriften überwiegend als Zone Authority bezeichnet. 16 Dror, 123 Int’l Lab. Rev. 705, 706 (1984). 17 Weltbank, Special Economic Zones 2008, S. 9. 18 Milberg/Amengual, Economic Development and Working Conditions in EPZ, S. 1. 19 IOE, EPZs, Introduction; Weltbank, Special economic Zones 2011. S. 3. 20 Dror, 123 Int’l Lab. Rev. 705 (1984). 21 Wick, Nähen für den Weltmarkt, S. 7; Ob Freie Exportzonen ein Erfolgsmodell darstellen, ist trotz ihrer weiten Verbreitung umstritten, dazu Jansen/Peters/Salazar-Xirinachs, Trade and Employment, S. 284; Milberg/Amengual, Economic Development and Working Conditions in EPZ, S. 20 ff. 22 Ausnahmen hierzu existieren inzwischen jedoch zahlreiche. So erlauben z.B. die mexikanischen Maquiladoras heute den Verkauf innerhalb Mexikos, siehe für weitere Beispiele Madani, A Review of the Role and Impact of EPZ, S. 13. 14
A. Begriff, Ziele und rechtliche Grundlagen der Arbeit in Freien Exportzonen
115
Welttextilabkommens eine wichtige Rolle. Das Welttextilabkommen erlaubte – entgegen der Regelungen des GATT – Importquoten für Textilien und Kleidung, mit dem Ziel, die Textil- und Bekleidungsindustrie der Industrieländer zu schützen 23. Indem Unternehmen ihre Produktion folglich in viele verschiedene Länder verlegten, konnten sie von zusätzlichen Quoten profitieren24.
III. Arbeitsrecht in Freien Exportzonen 1. Konzepte zur Regelung des Arbeitsrechts in Freien Exportzonen Gegenstand der vorliegenden Untersuchung ist die Frage, inwiefern das Arbeitsrecht innerhalb von Freien Exportzonen vom Arbeitsrecht außerhalb der Zonen abweicht. Denn so kann auch hier – ähnlich wie bei der Entsendung im Unionsrecht – die Situation auftreten, dass für Arbeitnehmer im gleichen Land unterschiedliche Arbeitsbedingungen gelten. Die Arbeitnehmer, die ein für den Export bestimmtes Produkt fertigen, unterliegen unter Umständen anderen Arbeitsgesetzen als Arbeitnehmer, die in der nichtexportorientierten Wirtschaft tätig sind. Um ausländische Unternehmen dazu zu bewegen, eine Tochtergesellschaft in der Freien Exportzone zu gründen oder ein dort ansässiges Unternehmen mit der Produktion von Waren zu beauftragen, setzt das Zielland bestimmte rechtliche Anreize, typischerweise Steuererleichterungen und Zollbefreiungen25. Gerade bei arbeitsintensiven Produktionsvorgängen spielen auch die Arbeitskosten eine wesentliche Rolle26. Daher locken viele Staaten mit arbeitsrechtlichen Freiräumen innerhalb der Zonen 27. Diese Einschränkungen des Arbeitsrechts haben zu verbreiteter Kritik geführt28. Freie Exportzonen mit solchen Regelungen seien „auf skandalöse Weise von der Weltgemeinschaft geduldete[n] rechtsfreie[n] Räume[n]
23 Das Welttextilabkommen (Agreement on Textiles and Clothing, ATC), Anhang 1 A WTO-Übereinkommen, diente der Weiterführung des Multifaserabkommens von 1974. Seit 2005 gelten auch für Textilien die üblichen Regelungen des GATT, sodass keine Kontingente mehr erlaubt sind, vgl. Reuß, Menschenrechte durch Handelssanktionen, S. 84 f.; Siegmann, 144 IntlLabRev 401 (2005). 24 Milberg/Amengual, Economic Development and Working Conditions in EPZ, S. 14. 25 ILO, IAA Verwaltungsrat, Tagesordnung der Internationalen Arbeitskonferenz – Tagesordnung der 102. Tagung (2013) der Konferenz, 312. Tagung, Genf November 2011, GB.312/INS/2/1, S. 20; Dror, 123 Int’l Lab. Rev. 705, 706 (1984); Madani, A Review of the Role and Impact of EPZ, S. 15. 26 Rieble, Arbeitsmarkt und Wettbewerb, S. 71. 27 Jauch, 14 Environment & Urbanization 101, 102 (2002); Madani, A Review of the Role and Impact of EPZ, S. 15; Schmalenbach, AVR 2001, 57, 60 („Freistellung des Tochterunternehmens von menschenrechtsrelevanten Teilen der nationalen Gesetzgebung“). 28 „Labour standards and labour relations are the most critical and controversial elements of EPZs“ Schulze, 32 Comp. & Int’l L.J. S. Afr. 169, 187 (1999).
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3. Kap.: Rechtliche Grundlagen und Schranken in Freien Exportzonen
[…] in denen sich eine ebenso rege wie menschenunwürdige Produktionstätigkeit entfaltet“29. Hinsichtlich der Schaffung der erwähnten rechtlichen Freiräume können vorab zwei Vorgehensweisen unterschieden werden: Teilweise werden die Arbeitsverhältnisse in den Freien Exportzonen ganz oder partiell aus dem Anwendungsbereich des nationalen Arbeitsrechts herausgenommen bzw. es wird ein spezielles Zonenarbeitsrecht erlassen (dazu unter III. 3.). Weitaus häufiger ist heute die zweite Vorgehensweise: Zwar findet das nationale Arbeitsrecht in der Zone formal Anwendung, die Rechte der Arbeitnehmer werden dort jedoch faktisch nicht durchgesetzt (dazu unter III. 4.). 2. Methode zur Untersuchung des maßgeblichen Arbeitsrechts in Freien Exportzonen Die Recherche nach den maßgeblichen Arbeitsbedingungen in Freien Exportzonen gestaltet sich schwierig. Häufig wird zwar die Situation der Arbeitnehmer in den Zonen bemängelt, dabei wird allerdings nicht spezifiziert, ob das Recht des Staates, in dem sich die Zone befindet, an sich keinen hinreichenden Arbeitnehmerschutz gewährleistet, ob dieses Recht innerhalb der Zone lediglich nicht durchgesetzt wird, oder ob in der Zone tatsächlich andere Rechtsvorschriften maßgeblich sind. Zudem beschränken sich viele Beiträge auf die Frage nach der Einhaltung privater Initiativen, nehmen jedoch keine Stellung zu den Vorgaben des nationalen Arbeitsrechts30. Daher werden im Folgenden ausschließlich Länder gewählt, für die sowohl das nationale Arbeitsrecht als auch das in den Freien Exportzonen maßgebliche Recht im Volltext vorliegen und somit einem direkten Vergleich unterzogen werden können31. Zur Beschreibung der Arbeitsbedingungen in Freien Exportzonen wird neben juristischen Abhandlungen auf zahlreiche Studien der ILO32 und der Weltbank33 zurückgegriffen. Diese beruhen unter anderem auf Befragungen der Arbeitneh29
Weiss, in: FS Richardi, S. 1093, 1099. Dies kritisieren Milberg/Amengual, Economic Development and Working Conditions in EPZ, S. 3. 31 Dabei wurde schwerpunktmäßig auf die von der ILO zur Verfügung gestellten Informationen und Gesetzestexte in der Datenbank NATLEX zurückgegriffen, http://www.ilo. org/dyn/natlex/natlex4.home (zuletzt überprüft am 8. 3. 2017). Soweit möglich, wird auf die Gesetzestexte in der jeweiligen Amtssprache zurückgegriffen. In den übrigen Fällen werden die über NATLEX zur Verfügung gestellten englischen Übersetzungen verwendet. 32 Einen aktuellen Überblick bieten z.B. Gopalakrishnan, Freedom of Association and Collective Bargaining in EPZ; McCallum, EPZ: Comparative Data from China, Honduras, Nicaragua and South Africa; Milberg/Amengual, Economic Development and Working Conditions in EPZ. 33 Weltbank, Special Economic Zones 2008; Weltbank, Special Economic Zones 2011; grundlegend Madani, A Review of the Role and Impact of EPZ. 30
A. Begriff, Ziele und rechtliche Grundlagen der Arbeit in Freien Exportzonen
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mer innerhalb und außerhalb der Zonen. Hier kann nicht immer gesichert davon ausgegangen werden, dass Arbeitnehmer frei in ihren Antworten waren und ihre Angaben den tatsächlichen Verhältnissen in den Zonen entsprechen34. 3. Spezielles Arbeitsrecht für Arbeitnehmer in Freien Exportzonen a) Gang der Untersuchung Im Folgenden wird das Arbeitsrecht ausgewählter Länder mit Freien Exportzonen dargestellt. Diese Länder eint, dass sie sich für einen gesetzlichen Ausschluss des nationalen Arbeitsrechts für den Bereich der Zonen entschieden haben. Dabei wird nach Möglichkeit das maßgebliche Recht für vergleichbare Arbeitsverhältnisse innerhalb und außerhalb der Zonen gegenüber gestellt. Hierfür wurden Länder ausgewählt, die besonders typische Beispiele für Freie Exportzonen darstellen und deren Gesetze im Volltext zur Verfügung standen. Die Länder werden nach dem Datum des Inkrafttretens der einschlägigen Gesetze über das Arbeitsrecht in den Freien Exportzonen chronologisch aufgeführt. b) Ausgewählte Beispiele aa) Mauritius (1) Freie Exportzonen in Mauritius Im Jahr 1970 schuf Mauritius als erstes afrikanisches Land die rechtlichen Voraussetzungen für Freie Exportzonen35. Anders als im klassischen Modell gewährt das Land die Vorteile nicht nur Unternehmen in einem bestimmten Gebiet, vielmehr können Unternehmen im ganzen Land den Status einer Freien Exportzone beantragen36. Mauritius gilt als ein Erfolgsmodell für Freie Exportzonen37, was vor allem auf das Vorhandensein gut ausgebildeter Arbeitskräfte, eine stabile Regierung und den Abschluss zahlreicher Freihandelsabkommen zurückgeführt wird. Nicht zuletzt spielt auch die Tatsache eine Rolle, dass Mauritius frühzeitig mit der Einführung Freier Exportzonen begonnen hat – Länder, die vergleichsweise spät 34 Zu diesen Schwierigkeiten bei einer Studie zu den Arbeitsbedingungen in den Freien Exportzonen von Honduras Milberg/Amengual, Economic Development and Working Conditions in EPZ, S. 45. 35 Weltbank, Special Economic Zones 2008, S. 69; Ausführlich zur Entwicklung der Freien Exportzonen in Mauritius Katti/Subhash, SEZ: Case of Mauritius EPZ, in: Ranade (Hrsg.), Special Economic Zones, S. 151 ff. 36 ICFTU, Behind the Brand Names, S. 41; Katti/Subhash, SEZ: Case of Mauritius EPZ, in: Ranade (Hrsg.), Special Economic Zones, S. 151, 157; Schulze, 32 Comp. & Int’l L.J. S. Afr. 169, 179 f. (1999). 37 Madani, A Review of the Role and Impact of EPZ, S. 73; Schulze, 32 Comp. & Int’l L.J. S. Afr. 169, 182 ff. (1999). Zur Entwicklung der letzten Jahre siehe Otobe, The Impact of Globalization and Macroeconomic Change on Employment in Mauritius, S. 16 ff.
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3. Kap.: Rechtliche Grundlagen und Schranken in Freien Exportzonen
mit der Etablierung solcher Zonen angefangen haben, hatten größere Schwierigkeiten, sich am Markt zu behaupten38. Die in den Zonen ansässigen Unternehmen stellen vor allem Textilien39 für den europäischen Markt40 her. (2) Spezialgesetzliche Regelungen durch EPZA, 1970 Das für die Zonen maßgebliche Recht ist im Export Processing Zones Act (EPZA)41 aus dem Jahr 1970 geregelt. Gemäß § 19 EPZA42 findet das nationale Arbeitsrecht auch in den Betrieben mit Zonenstatus Anwendung, sofern im EPZA keine abweichende Regelung getroffen wird. Solche Spezialregelungen trifft § 14 EPZA zur Arbeitszeit (Abs. 2 bis 4 und 7), zum Mutterschutz (Abs. 6) und zum Kündigungsschutz (Abs. 8 und 9). Im Folgenden sollen diese Regelungen mit denen des Labour Acts43 verglichen werden, welcher Vorgaben zu Arbeitszeit, Mutterschutz und Kündigungsschutz für Arbeitnehmer außerhalb der Zonen enthält. (a) Arbeitszeit Gemäß § 14 Abs. 2 EPZA44 kann von Arbeitnehmern in den Zonen stets verlangt werden, mehr als ihre vereinbarte Wochenarbeitszeit zu leisten. Solange sie insgesamt nicht mehr als 45 Stunden pro Woche arbeiten, werden Überstunden nicht vergütet. Im Gegensatz dazu wird unter § 16 Abs. 1 Labour Act45 jedes Überschreiten der üblichen Arbeitszeit in Höhe des eineinhalbfachen Lohns vergütet. 38
Madani, A Review of the Role and Impact of EPZ, S. 75. Otobe, The Impact of Globalization and Macroeconomic Change on Employment in Mauritius, S. 1. 40 Weltbank, Special Economic Zones 2008, S. 69. 41 Export Processing Zones Act v. 3. 11. 1970, RL 2/693 – 3, abrufbar im Volltext in englischer Sprache (Amtssprache) unter: http://www.ilo.org/dyn/natlex/docs/WEBTEXT/45323/65041/E92MUS02.htm (zuletzt überprüft am 8. 3. 2017). 42 § 19 EPZA: „[…] except as otherwise expressly provided, nothing in this act shall affect the operation of those enactments: […] Industrial Relations Act, Labour Act […].“ 43 Labour Act, v. 30. 12. 1975, in der Fassung von 1992, RL 3/315 – 30, abrufbar im Volltext und in englischer Sprache unter: http://www.ilo.org/dyn/natlex/docs/WEBTEXT/14235/64816/E92MUS01.htm (zuletzt überprüft am 8. 3. 2017). 44 § 14 Abs. 2 EPZA: „An employee may be required to work for more than the normal number of hours on any day […], and no payment for overtime shall thereupon accrue to the employee where the number of hours of actual work in the week does not exceed 45.“ 45 § 16 Abs. 1 Labour Act: „[…] where a worker works on a week day for more than the stipulated hours, the employer shall, in respect of the extra work, remunerate the worker at not less than one and a half times the rate at which the work is remunerated when performed during the stipulated hours.“ Im Falle eines Feiertags beträgt die Überstundenvergütung sogar das doppelte bzw. dreifache des Lohns, vgl. § 16 Abs. 2 Labour Act. 39
A. Begriff, Ziele und rechtliche Grundlagen der Arbeit in Freien Exportzonen
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Innerhalb der Zonen können Arbeitnehmer jederzeit – auch gegen ihren Willen – zu Feiertagsarbeit verpflichtet werden, § 14 Abs. 3 lit. a EPZA46. § 15 Abs. 6 Labour Act hingegen untersagt unfreiwillige Feiertagsarbeit47. Nach § 14 Abs. 4 EPZA48 dürfen Arbeitnehmer in der Zone nicht mehr als sieben aufeinanderfolgende Tage arbeiten. Im Gegensatz dazu ist die wöchentliche Arbeitszeit außerhalb der Zonen auf lediglich sechs Tage die Woche begrenzt, § 15 Abs. 1 Labour Act49. (b) Mutterschutz Arbeitnehmerinnen in den Zonen wird ab dem vierten Kind nur noch unbezahlter Mutterschutz gewährt, § 14 Abs. 6 EPZA50. Eine solche Begrenzung sieht § 19 Labour Act51 für Arbeitnehmerinnen in Betrieben außerhalb der Zonen nicht vor: Danach kann eine Arbeitnehmerin vier Wochen vor der Geburt (Abs. 1 lit. a.) und vier Wochen nach der Geburt (Abs. 1 lit. b) der Arbeit fernbleiben und wird in dieser Zeit voll bezahlt, sofern sie bereits ein Jahr bei diesem Arbeitgeber gearbeitet hat (Abs. 2). (c) Beendigungsschutz Gemäß § 14 Abs. 8 lit. a EPZA52 erhalten Arbeitnehmer grundsätzlich eine Abfindungszahlung, sofern sie drei Jahre im Betrieb des Arbeitgebers gearbeitet haben. § 34 Abs. 1 lit. a Labour Act53 gewährt eine Trennungsentschädigung demgegenüber bereits nach einer Beschäftigungszeit von 12 Monaten. Auch die Höhe der Abfindung wird unterschiedlich berechnet. Während § 14 Abs. 8 lit. a EPZA eine 46
§ 14 Abs. 3 lit. a EPZA „An employee may be required to work on a public holiday.“ § 15 Abs. 6 Labour Act: „Except where he voluntarily undertakes so to do, no worker shall be required to work on a public holiday.“ 48 § 14 Abs. 4 EPZA „An employee shall not be allowed or required to work for more than 7 consecutive days.“ 49 § 15 Abs. 1 Labour Act: „[…] no worker shall be bound to work more than 6 days in a week […].“ 50 § 14 Abs. 6 EPZA: „A female employee who has had 3 confinements shall, if she is pregnant again, be entitled to maternity leave without pay but shall not be entitled to any materity allowance.“ 51 § 19 Abs. 2 Labour Act: „Any period of absence under subsection (1) shall […] where the female worker has been in continuous employment with the same employer for more than 12 months, be on full pay.“ 52 § 14 Abs. 8 lit. a EPZA: „Where any employee reckons not less than 3 years con tinuous service with an employer and his services are terminated, he shall be entitled to receive compensation […]“ 53 § 34 Abs. 1 lit. a Labour Act: „[…] an employer shall pay severance allowance to a worker who has been in continuous employment with him for a period of 12 months or more where the employer terminates the employment of the worker […].“ 47
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3. Kap.: Rechtliche Grundlagen und Schranken in Freien Exportzonen
Pauschale vorgibt („2 weeks’ wages for each year of service“), ist die Berechnung auf Grundlage des § 36 Labour Act weitaus differenzierter. Dies führt in der Regel zu höheren Zahlungen in Betrieben ohne Zonenstatus54. (d) Reform des EPZA durch den Industrial Expansion Act, 1993 Der EPZA wurde 1993 durch den Industrial Expansion Act (IEA) ergänzt. Die in § 20 IEA enthaltenen Abweichungen vom nationalen Arbeitsrecht entsprechen – soweit ersichtlich – weitgehend den Regelungen des § 14 EPZA: Überstunden werden erst ab einem Überschreiten von 45-Stunden pro Woche vergütet55; unfreiwillige Feiertagsarbeit bleibt möglich56; verpflichtender Ruhetag erst nach sieben aufeinanderfolgenden Tagen57; im Falle von Kündigung bleiben die Abfindungen unterschiedlich (die Regelung für die Arbeitnehmer in den Betrieben mit Zonenstatus wurde in diesem Bereich durch die Reform jedoch günstiger58). (3) Zwischenergebnis In Mauritius findet das nationale Arbeitsrecht grundsätzlich auch in Betrieben mit Zonenstatus Anwendung. Der EPZA enthält jedoch Spezialregelungen zu Arbeitszeit, Mutterschutz und Kündigungsschutz. Der Vergleich des EPZA mit dem außerhalb der Zonen maßgeblichen Recht zeigt, dass das Zonenrecht durchweg Abweichungen zu Ungunsten der Arbeitnehmer trifft59. Die Zonenregelungen erlauben exportorientierten Betrieben flexibler auf steigende Nachfragen zu reagieren, da Arbeitnehmer leichter und günstiger zu Überstunden und Feiertagsarbeit verpflichtet werden können. Gleichzeitig erlaubt der gelockerte Kündigungsschutz, Arbeitnehmer im Falle sinkender Produktionszahlen unkompliziert zu entlassen. Der eingeschränkte Mutterschutz ist eine Reaktion auf die überproportional hohe Anzahl an Arbeitnehmerinnen in den Zonen60. Diese rechtlichen Unterschiede bestehen, soweit ersichtlich, bis heute61. Bemerkenswert ist, dass bei der Koalitionsfreiheit und dem Arbeitskampfrecht keine Unterschiede zwischen den Zonen und den Betrieben ohne Zonenstatus besteht62.
54
Schulze, 32 Comp. & Int’l L.J. S. Afr. 169, 190 (1999). Schulze, 32 Comp. & Int’l L.J. S. Afr. 169, 189 (1999). 56 Schulze, 32 Comp. & Int’l L.J. S. Afr. 169, 190 (1999). 57 CEACR, 2002, Convention No. 14, Direct Request Mauritius; CEACR, 2004, Convention No. 14, Direct Request Mauritius. 58 Schulze, 32 Comp. & Int’l L.J. S. Afr. 169, 190 (1999). 59 Siehe auch Madani, A Review of the Role and Impact of EPZ, S. 72. 60 Siehe dazu die Grafik bei Weltbank, Special Economic Zones 2011, S. 258. 61 Weltbank, Special Economic Zones 2011, S. 262. 62 Vgl. Dror, 123 Int’l Lab. Rev. 705, 708 (1984). 55
A. Begriff, Ziele und rechtliche Grundlagen der Arbeit in Freien Exportzonen
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bb) Bangladesch (1) Freie Exportzonen in Bangladesch Bangladesch begann 1980 mit der Einrichtung von Freien Exportzonen und verfügt heute über acht63 dem klassischen Modell folgende Zonen64. Alle Zonen werden staatlich betrieben65 und von der Bangladesh Export Processing Zones Authority überwacht. Die Unternehmen produzieren überwiegend Textilien für den US-amerikanischen Markt66. (2) Herausnahme der Freien Exportzonen aus dem Anwendungsbereich arbeitsrechtlicher Gesetze auf Grundlage des BEPZAA, 1980 Das für die Zonen maßgebliche Recht ergibt sich aus dem Bangladesh Export Processing Zones Authority Act (BEPZAA)67. § 11A BEPZAA68 erlaubt der Regierung, die Freien Exportzonen aus dem Anwendungsbereich bestimmter, dort aufgelisteter, Gesetze herauszunehmen69. Die genannten Gesetze regeln das Individualarbeitsrecht, das kollekive Arbeitsrecht und den Arbeitsschutz. Die Regierung hatte von dieser Ermächtigung zunächst keinen Gebrauch gemacht. Im Jahr 1986 kam es jedoch wegen schlechter Arbeitsbedingungen zu massiven Aufständen der Arbeitnehmer in der ersten Freien Exportzone70. Um den frisch gewonnenen Investoren einen reibungslosen Produktionsablauf zu gewährleisten, erklärte die Regierung noch im selben Jahr die Industrial Relations Ordinance71, welche Arbeitnehmern das Recht, sich in Gewerkschaften zu organisieren und zu 63 Vgl. dazu die Angaben der Bangladesh Export Processing Zones Authority (BEPZA): http://www.bepza.gov.bd/pages/details/about (zuletzt überprüft am 8. 3. 2017) sowie der ILO, Bangladesch 2013, S. 22. 64 Weltbank, Special Economic Zones 2011, S. 2. 65 Weltbank, Special Economic Zones 2008, S. 20. 66 Weltbank, Special Economic Zones 2008, S. 64. 67 Bangladesh Export Processing Zones Authority Act, Act No. XXXVI of 1980, abrufbar im Volltext in englischer Sprache (von der ILO zur Verfügung gestellte Übersetzung) unter: http://www.ilo.org/dyn/natlex/docs/WEBTEXT/50968/ 65133/E94BGD01.htm (zuletzt überprüft am 8. 3. 2017). 68 § 11A BEPZAA: „The Government may by notification […], exempt a Zone from the operation of all or any of the provisions of all or any of the following enactments, direct that any such enactment or any provision thereof shall, in its application to a zone, be subject to such modifications or amendments as may be specified therein, namely […].“ 69 Rahim, 41 Comm. L. World Rev. 97, 118 (Fn. 93) (2012). 70 Vertiefend CFA, Report No. 337, June 2005, Case No. 2327 (Bangladesch), Rn. 188. 71 The Industrial Relations Ordinance, Ordinance No. 23 of 1969 as amended up to 1996, abrufbar im Volltext in englischer Sprache (von der ILO zur Verfügung gestellte Übersetzung) unter: http://www.ilo.org/dyn/natlex/docs/W EBTEXT/47352/65075/E69BGD01.htm (zuletzt überprüft am 8. 3. 2017).
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3. Kap.: Rechtliche Grundlagen und Schranken in Freien Exportzonen
streiken, garantiert, in Freien Exportzonen für unanwendbar72. Gleichzeitig wurde auch der den Kündigungsschutz regelnde Employment of Labour Act73 in den Zonen außer Kraft gesetzt. Damit stehen den Arbeitnehmern in den Zonen im Unterschied zu Arbeitnehmern in der übrigen Wirtschaft seit 1986 weder Kündigungsschutz noch das Recht auf Vereinigungsfreiheit zu74. Drei Jahre später erfolgte eine entsprechende Anordnung zur Außerkraftsetzung des Factories Act75. Dieser regelt im Wesentlichen den Arbeitsschutz76 sowie das Arbeitszeit- und Urlaubsrecht77. Damit bestehen seit 1989 ferner keinerlei Vorschriften zu Arbeitsschutz, Arbeitszeit und Urlaub in den Zonen78. Das Arbeitsrecht von Bangladesch wurde im Jahr 2006 durch den Labour Act79 umfassend neu geregelt80. Dieses Gesetz hob 25 Arbeitsgesetze auf, darunter die Industrial Relations Ordinance, den Employment of Labour Act und den Factories Act81. Welche Folgen dies für die Rechtslage in den Zonen hat, ist allerdings nicht abzusehen. Der Labour Act 2006 erklärt ausdrücklich den BEPZAA neben dem Labour Act für weiterhin anwendbar82. Auch ist § 11 A BEPZAA weiterhin in Kraft. Unklar ist jedoch, ob sich der Nichtanwendungsbefehl unter § 11 BEPZAA auch auf das neue Gesetz erstreckt bzw. ob ein neuer Nichtanwendungsbefehl gegeben wurde83.
72 Gopalakrishnan, Freedom of Association and Collective Bargaining in EPZ, S. 12; Rahim, 41 Comm. L. World Rev. 97, 118 (Fn. 93) (2012). 73 The Employment of Labour (Standing Orders) Act, Act VIII of 1965, abrufbar im Volltext in englischer Sprache (von der ILO zur Verfügung gestellte Übersetzung) unter: http://www. ilo.org/dyn/natlex/docs/WEBTEXT/47348/65074/ E65BGD02.htm (zuletzt über prüft am 8. 3. 2017). 74 Gopalakrishnan, Freedom of Association and Collective Bargaining in EPZ, S. 12; Binder, 16 Austrian Rev. Int’l & Eur. L. 163, 166 (2011); Matanmi, in: Adewumi (Hrsg.), Labour Relations in the EPZ, S. 17, 22 (beide zum Ausschluss der kollektiven Rechte). 75 Factories Act, Act No. 4 of 1965, abrufbar im Volltext in englischer Sprache unter: http://www.ilo.org/dyn/natlex/docs/WEBTEXT/47346/65073/E65BGD01.htm (zuletzt überprüft am 8. 3. 2017). 76 Kap. III Health and Hygiene, Kap. IV Safety, Kap. V Welfare. 77 Kap. VI Working hours of adults und Kap. VII Leave and holidays with wages. 78 Dazu auch Gopalakrishnan, Freedom of Association and Collective Bargaining in EPZ, S. 12; Rahim, 41 Comm. L. World Rev. 97, 118 (Fn. 93) (2012). 79 The Bangladesh Labour Act, Act XLII of 2006, im Volltext in englischer Sprache abgedruckt in Bangladesh Employers’ Federation (Hrsg.), A Handbook on The Bangladesh Labour Act, 2006, S. 17 ff. 80 Ausführlich zu Inhalt, Zielen und Mängeln des Labour Act: Rahim, 41 Comm. L. World Rev. 97, 112 ff. (2012). 81 Bangladesh Employers’ Federation (Hrsg.), A Handbook on The Bangladesh Labour Act, 2006, S. 2. 82 Bangladesh Employers’ Federation (Hrsg.), A Handbook on The Bangladesh Labour Act, 2006, S. 3.
A. Begriff, Ziele und rechtliche Grundlagen der Arbeit in Freien Exportzonen
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(3) Spezialgesetzliche Regelung der Koalitionsfreiheit und des Streikrechts durch den EPZ Workers’ Associations and Industrial Relations Act, 2004
(a) Entstehungsgeschichte Nachdem die US-amerikanische Regierung bereits Anfang der 1990er Jahre Druck auf Bangladesch ausgeübt hatte, den Ausschluss des Arbeitsrechts auf Grundlage des § 11 A BEPZAA rückgängig zu machen, drohte sie 1999 mit dem Ausschluss aus dem General System of Preferences (GSP)84, falls Bangladesch nicht umgehend die Vereinigungsfreiheit in den Zonen garantiere. Bangladesch kündigte unter diesem Druck 2001 an, die Vereinigungsfreiheit der Zonenarbeitnehmer ab 2004 wiederherzustellen85. Diese Pläne stießen seitens der Investoren jedoch auf großen Widerstand86. Ein Manager in einem der größten Unternehmen in Bangladeschs Freien Exportzonen soll 2003 gesagt haben: „Unsere Investitionen […] sind verloren und die 130.000 Arbeitnehmer werden arbeitslos, wenn Gewerkschaften in den Freien Exportzonen erlaubt werden.“87 Anstatt die Freien Exportzonen dem nationalen Arbeitsrecht vollständig zu unterwerfen, erließ Bangladesch 2004 daher ein spezielles Gesetz zur Regelung der Koalitionsfreiheit und des Arbeitskampfrechts in den Freien Exportzonen, den EPZ Workers’ Associations and Industrial Relations Act (EPZWAIRA)88. (b) Regelungen der Gründung von Gewerkschaften Das Gesetz sieht zunächst eine zweijährige Phase vor, in der Arbeitnehmer keine Gewerkschaften (workers’ associations) sondern nur sog. workers’ respresentation and welfare committees (WRWCs) gründen dürfen89. Erst seit dem 1. 11. 2006 erlaubt § 13 Abs. 1 EPZWAIRA die Gründung von Gewerkschaften – allerdings auch nur mit erheblichen Einschränkungen: Zunächst müssen 30 Prozent der wahlberechtigten Arbeitnehmer die Gründung schriftlich beantragen (§ 14 Abs. 1 83 Binder, 16 Austrian Rev. Int’l & Eur. L. 163, 166 (2011), geht wohl davon aus, dass seit Verabschiedung des Labour Acts das Arbeitsrecht voll Anwendung beansprucht und nur noch bezüglich der Koalitionsfreiheit und des Arbeitskampfes Sonderregelungen bestehen. Die Aussagen der US-Regierung im Rahmen ihres Aktionsplans (siehe unten Fn. 112) deuten jedoch in eine andere Richtung. 84 General System of Preferences vom 1. 1. 1976, eingeführt durch den Trade Act von 1974. Dazu ausführlich unten 3. Kap. B. IV. 3. b) cc). 85 Vgl. CFA, Report No. 337, June 2005, Case No. 2327 (Bangladesch), Rn. 186. 86 ICFTU, Behind the Brand Names, S. 8. 87 Zitat nach ICFTU, Behind the Brand Names, S. 18 (eigene Übersetzung). 88 Bangladesh EPZ Workers Association and Industrial Relations Act, Act No. 23 of 2004, die englische Übersetzung der Regierung von Bangladesch (S.R.O. No.-268/ Law/2004) war zum Bearbeitungszeitpunkt auf Natlex abrufbar. Die einschlägigen Normen werden in den Fußnoten wiedergegeben. 89 Gopalakrishnan, Freedom of Association and Collective Bargaining in EPZ, S. 14. Die WRWCs sind in § 5 EPZWAIRA geregelt.
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3. Kap.: Rechtliche Grundlagen und Schranken in Freien Exportzonen
EPZWAIRA)90. Dann ist unter Aufsicht der Zonenleitung ein Referendum abzuhalten, bei dem 50 Prozent der Arbeitnehmer anwesend sein müssen (§ 15 Abs. 2 EPZWAIRA)91. Von diesen müssen wiederum 50 Prozent der Gewerkschaftsgründung zustimmen (§ 15 Abs. 3 EPZWAIRA)92. Scheitert eine solche Abstimmung, so besteht eine einjährige Sperrfrist, bevor ein neuer Versuch zur Gewerkschaftsgründung unternommen werden kann (§ 16 EPZWAIRA)93. Ist das Referendum erfolgreich, muss sich die Gewerkschaft registrieren lassen (§ 20 EPZWAIRA)94. Die Registrierung kann jedoch mit Zustimmung von 30 Prozent der Arbeitnehmer (§ 35 Abs. 1 EPZWAIRA)95 oder bei Vorliegen bestimmter Gründe wieder rückgängig gemacht werden (§ 36 Abs. 1 EPZWAIRA, z.B. Versäumnis der Ablieferung des jährlichen Berichts an die Zonenleitung, unfaire Maßnahmen seitens der Gewerkschaft wie Anwerben von Mitgliedern am Arbeitsplatz)96. Auch hier greift dann die einjährige Sperrfrist (§ 35 Abs. 7 EPZWAIRA)97. Zudem darf in jedem Industriezweig einer Zone nur eine Gewerkschaft bestehen (§ 25 Abs. 1 EPZWAIRA)98. Damit schränkt das Gesetz das Recht zur Bildung von Gewerkschaften erheblich ein99. Diese Regelungen sollten zunächst nur zwei Jahre in Kraft bleiben (§ 13 90 „If the workers in an industrial unit situated within the territorial limits of a Zone intend to form an association, no less than 30% (thirty percent) of the eligible workers of the industrial unit shall apply in a prescribed form to the Executive Chairman demanding formation of a workers association.“ 91 „If more than 50% (fifty percent) of the eligible workers do not cast votes, the referendum under this section shall be ineffective.“ 92 „If more than 50% (fifty percent) of the workers cast votes, and more than 50% (fifty percent) of the votes cast are in favour of formation of workers association, the workers in the said industrial unit shall, thereby, acquire the legitimate right to form an association under this Act […].“ 93 „If in a referendum held under section 15, mandate can not be obtained for formation of workers association, no further referendum shall be held for the same industrial unit until the expiry of one year since thereafter.“ 94 „[…] shall apply to the Executive Chairman for registration of the workers association formed […]“ 95 „At any time during the existence of a workers association, not less than 30% of the eligible workers may apply in prescribed form to the Executive Chairman demanding the de-registration of the Association.“ 96 „In addition to the procedure regarding de-registration under section 35, the Execu tive Chairman may also […] cancel the registration of a workers association on any grounds stated below, that the workers association has […] committed any unfair practice; […] failed to submit its annual report […].“ 97 „Once an association is de-registered under this section, no further association shall be allowed in that industrial unit until the expiry of one year from the date of notification of de-registration.“ 98 „There shall not be more than one workers association in an industrial unit in a Zone.“ 99 Gopalakrishnan, Freedom of Association and Collective Bargaining in EPZ, S. 15; ICFTU, Behind the Brand Names, S. 19; US Government, Labor Issues in Bangladesh, Be-
A. Begriff, Ziele und rechtliche Grundlagen der Arbeit in Freien Exportzonen
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Abs. 3 EPZWAIRA)100, wurden jedoch um zwei weitere Jahre bis 2010 verlängert101. (c) Einschränkungen des Arbeitskampfrechts Der EPZWAIRA schränkte zudem das Recht zur Teilnahme an Arbeitskampfmaßnahmen ein: § 88 Abs. 1102 verbat zunächst jegliche Arbeitskampfmaßnahmen103. Nach Ablauf einer Frist sollten Streiks grundsätzlich erlaubt sein, aber besonderen Beschränkungen unterliegen: Der Vorsitzende der Zone darf einen Streik verbieten, wenn dieser die Dauer von 15 Tagen überschreitet (§ 54 Abs. 3 EPZWAIRA)104 oder er nach Auffassung des Vorsitzenden die Produktivität in der Zone behindert (§ 54 Abs. 4 EPZWAIRA)105. (d) Verlängerung der bestehenden Rechtslage durch den EPZ Workers’ Welfare Association and Industrial Relations Act, 2010 Der EPZWAIRA wurde 2010 durch den EPZ Workers’ Welfare Association and Industrial Relations Act106 ersetzt. Dieser spricht nun nicht mehr von workers’ associations sondern von workers’ welfare societies und verbietet jegliche Verbindungen zu NGOs107. Im Übrigen wurden die bestehenden Regelungen um weitere drei Jahre verlängert108. Damit soll der Bildung freier, nicht von den Arbeitgebern kontrollierter, Gewerkschaften weiter entgegengewirkt werden109. fore the Committee on Foreign Relations United States Senate, 113th Congress, 1st Session, 2013, S. 38; ILO, Application of International Labour Standards 2009 (I), International Labour Conference, 98th Session, 2009, Report of the Committee of Experts on the Application of Conventions and Recommendations, Report III (Part 1A), S. 60. 100 „The duration of a Workers Association shall be through October 31, 2008 from November 1, 2006.“ 101 ITUC, Bangladesch 2012. 102 „No strike or lock out shall be permissible in any industrial unit in a Zone till October 31, 2008“. 103 Das Arbeitskampfverbot wurde bis 2010 verlängert, vgl. ITUC, Bangladesch 2012. 104 „If a strike or lock-out continues for more than 15 days, the Executive Chairman may, by order in writing, prohibit the strike or lock-out.“ 105 „[…] the Executive Chairman may […] prohibit a strike or lock-out at any time before the expiry of 15 days, if he is satisfied that the continuance of such strike or lock-out is caus ing serious harm to productivity in the Zone […].“ 106 EPZ Workers Welfare Association and Industrial Relations Act of 2010, Act No. 43 of 2010, englische Zusammenfassung unter: http://www.ilo.org/dyn/natlex/natlex_browse. details?p_lang=en&p_country=BGD&p_classification=02&p_origin=SUBJECT (zuletzt überprüft am 8. 3. 2017). 107 ITUC, Bangladesh 2012. 108 ITUC, Bangladesh 2012. 109 ITUC, Bangladesh 2012.
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3. Kap.: Rechtliche Grundlagen und Schranken in Freien Exportzonen
(e) Zwischenergebnis und Ausblick In den Freien Exportzonen von Bangladesch war das nationale Arbeitsrecht von Beginn an komplett ausgeschlossen. Daran hat sich, soweit ersichtlich, bis heute nichts geändert110. Sowohl die Gründung von Gewerkschaften als auch das Streikrecht unterliegen seit 2004 speziellen Regelungen. Als Folge des Rana Plaza Unglücks111 verkündete US-Präsident Barack Obama im Juni 2013, Bangladesch Handelsvorteile aus dem GSP zu entziehen, bis das Land die Regelungen zur Sicherheit in den Fabriken verbessert habe. Obama forderte auch ausdrücklich, das Arbeitsrecht in den Freien Exportzonen zu stärken. In einem entsprechenden Aktionsplan hat die US-Regierung Bangladesch dazu aufgefordert das Recht der Freien Exportzonen zu überarbeiten und die unterschiedliche Behandlung von Arbeitnehmern innerhalb und außerhalb der Zonen aufzuheben112. Insbesondere sollen Arbeitnehmer in den Zonen in gleichem Maße Gewerkschaftsrechte erhalten wie Arbeitnehmer, die außerhalb der Zonen tätig sind113. Der daraufhin von Bangladesch entworfene EPZ Labour Act 2014 soll insbesondere das Recht auf Gewerkschaftsgründung und das Streikrecht für die Arbeitnehmer in den Freien Exportzonen regeln114. Der Entwurf verbietet jedoch – ebenso wie die bisherigen Regelungen – in den Zonen die Gründung freier Gewerkschaften und erlaubt lediglich sogenannte welfare associations. Zudem scheinen die Voraussetzungen zur Gründung einer welfare association nicht wesentlich von der bislang maßgeblichen Rechtslage abzuweichen. Das Streikrecht bleibt weiterhin ausgeschlossen. Die bangladeschische Regierung scheint zudem nicht gewillt, die grundsätzliche Trennung von Arbeitsrecht in den Zonen und dem Arbeitsrecht außerhalb der Zonen aufzugeben. Die US-Regierung bezeichnet den Entwurf als nicht ausreichend für eine genuine Stärkung der Rechte der Arbeitnehmer in den Zonen115. Auch die ILO sieht keine entscheidenden Verbesserungen hinsichtlich 110 ILC, Report of the CEACR 2015, S. 321 („The Committee notes that the ITUC expresses particular concern at the fact that EPZs […] are still excluded from the scope of the Labour Act.“ 111 Dazu Anner/Bair/Blasi, 35 Comp. Lab. L. & Pol’y J. 1 ff. (2013). 112 Der Aktionsplan ist Teil des Statement by the U.S. Government on Labor Rights and Factory Safety in Bangladesh, Office of the Spokesperson, Washington, DC, July 19, 2013, abrufbar unter: https://ustr.gov/about-us/policy-offices/press-office/press-releases/2013/july/ usg-statement-labor-rights-factory-safety (zuletzt überprüft am 8. 3. 2017). 113 Aktionsplan des U.S. Government (Fn. 112): „[…] repeal or commit to a timeline for expeditiously bringing the EPZ law into conformity with international standards so that workers within EPZ factories enjoy the same freedom of association and collective bargain ing rights as other workers in the country“. 114 The Daily Star, EPZ workers get right to union, 8. 7. 2014, abrufbar unter: http://www. thedailystar.net/epz-workers-get-rights-to-union-32286 (zuletzt überprüft am 8. 3. 2017). 115 Office of the United States Trade Representative, GSP Action Plan Review Finds More Needs to be Done to Improve Worker Rights and Worker Safety in Bangladesh, Press Release July 2014, abrufbar unter: https://ustr.gov/about-us/policy-offices/press-of-
A. Begriff, Ziele und rechtliche Grundlagen der Arbeit in Freien Exportzonen
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der Koalitionsfreiheit und der Anwendung des nationalen Arbeitsrechts durch dieses Gesetz116. Ebensowenig erkennt die Organisation Human Rights Watch in ihrem jüngsten Bericht zu Bangladesch Verbesserungen, weder bei der Sicherheit in den Zonen noch hinsichtlich der Arbeitnehmerrechte117. Der Entwurf wurde im Juli 2014 von der Regierung Bangladeschs im Grundsatz angenommen, scheint jedoch bislang nicht in Kraft getreten zu sein. cc) Pakistan (1) Freie Exportzonen in Pakistan Pakistan begann bereits Ende der 1970er Jahre mit der Planung Freier Exportzonen, konnte die erste Zone jedoch erst 1989 in Betrieb nehmen118. Heute gibt es 26 Freie Exportzonen119, die vorwiegend Elektronikartikel, Spielzeug und Textilien nach Europa, in die USA und nach Südostasien exportieren120. Wie in Bangladesch stehen alle Zonen unter staatlicher Kontrolle121. (2) Herausnahme der Freien Exportzonen aus dem Anwendungsbereich nationalen Arbeitsrechts durch die Export Processing Zones Control of Employment Rules, 1982 Von Beginn an galt die Aussetzung des nationalen Arbeitsrechts in den Zonen als unerlässlicher Anreiz für Investoren122. Daher erlaubt § 25 Export Processing Zones Authority Ordinance123 der pakistanischen Regierung, Freie Exportzonen aus dem Anwendungsbereich jeglicher Gesetze herauszunehmen124. Von dieser Ermächtigung hat die pakistanische Regierung 1982 Gebrauch gemacht und die Export Processing Zones Control of Employment Rules (EPZ Control of Employ-
fice/press-releases/2014/July/GSP-Action-Plan-Review-Finds-Need-to-Improve-WorkerRights-Safety-in-Bangladesh (zuletzt überprüft am 8. 3. 2017). 116 ILC, Report of the CEACR 2015, S. 50, 321. 117 Human Rights Watch, Report Bangladesch 2015. 118 Weltbank, Special Economic Zones 2008, S. 65. 119 Weltbank, Special Economic Zones 2008, S. 65. 120 Singa Boyenge, ILO Database on EPZ, S. 9. 121 Weltbank, Special Economic Zones 2008, S. 20. 122 Siehe dazu Dror, 123 Int’l Lab. Rev. 705, 708 (1984). 123 Export Processing Zones Authority Ordinance, Act No. 4 aus 1980, abrufbar im Volltext und in englischer Sprache (offizielle Sprache neben der Amtssprache Urdu) unter: http://jamilandjamil.com/?p=842 sowie http://cmsdata.iucn.org/downloads/export_processing_zones_authority_ordinance_1980.pdf (zuletzt überprüft am 8. 3. 2017). 124 § 25 Export Processing Zones Authority Ordinance : „Power to exempt. The Federal Government may, by notification in the official Gazette, exempt any Zone from the operation of all or any of the provisions of any law for the time being in force […].“
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3. Kap.: Rechtliche Grundlagen und Schranken in Freien Exportzonen
ment Rules)125 erlassen, welche die Zonen aus dem Anwendungsbereich von neun Gesetzen mit arbeitsrechtlichem Regelungsgehalt herausnehmen126. Die ausgeschlossenen Gesetze regeln die Bereiche Mindestlohn, Arbeitszeit, Urlaub, Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, Beendigungsschutz, Haftung des Arbeitgebers für Arbeitsunfälle, Soziale Sicherung, Koalitionsfreiheit und Streikrecht127. Dadurch findet in den Freien Exportzonen Pakistans praktisch kein nationales Arbeitsrecht mehr Anwendung. (3) Ausschluss des Streikrechts durch die EPZ Control of Employment Rules, 1982 Arbeitskämpfe sind in den Zonen explizit gemäß § 4 EPZ Control of Employment Rules verboten128. (4) Zwischenergebnis Pakistan hat von den hier untersuchten Ländern den radikalsten Weg gewählt und die Arbeitnehmer in den Zonen von jeglichen arbeitsrechtlichen Schutzstandards ausgenommen. Diese Rechtslage scheint bis heute unverändert. 125 Die Export Processing Zones Control of Employment Rules sind im Volltext nicht auffindbar. Die für die hier vorliegende Arbeit entscheidenden Vorschriften finden sich jedoch in verschiedenen Publikationen, siehe Fn. 126 ff. 126 „In exercise of the powers conferred by section 25 of EPZ Authority Ordinance, 1982 […], the Federal Government is pleased to exempt the EPZ from all the provisions of the following laws, namely: 1. the Workmen’s Compensation Act, 1923; 2. the Factories Act, 1934; 3. the Payment of Wages Act, 1936; 4. the Minimum Wages Ordinance, 1961; 5. the Provincial Employee’s Social Security Ordinance, 1965; 6. the West Pakistan Industrial and Commercial Employment (Standing Orders) Ordinance, 1968; 8. the Industrial Relations Ordinance, 1969; 9. the West Pakistan Shops and Establishment Ordinance, 1969; 10. the Employees’ Old-Age Benefits Act, 1976“, vgl. http://www.thefreelibrary.com/KEPZ+-+non-existence+of+labour+laws.-a014125805 (zuletzt überprüft am 8. 3. 2017); Dror, 123 Int’l Lab. Rev. 705, 709 Fn. 10 (1984). 127 Dror, 123 Int’l Lab. Rev. 705, 709 (1984); Gopalakrishnan, Freedom of Association and Collective Bargaining in EPZ, S. 20 (zur Koalitionsfreiheit und dem Arbeitskampfrecht); ILO Case No. 1383 (Pakistan) vom 9. 10. 1986, Rn. 84 (zur Koalitionsfreiheit); ILO, Case No. 1726 (Pakistan) vom 12. 7. 1993, Rn. 376 f. (zur Koalitionsfreiheit); Lang, Trade Agreements, Business and Human Rights: The Case of EPZ, S. 20 (zu Koalitionsfreiheit, Streikrecht und Kündigungsschutz); Matanmi, in: Adewumi (Hrsg.), Labour Relations in the EPZ, S. 17, 24 (zum Mindestlohn). 128 ILO, Case No. 1726 (Pakistan) vom 12. 7. 1993, Rn. 376; ILO Case No. 1383 (Pakistan) vom 9. 10. 1986, Rn. 94, 98; ILO, Labour Standards in EPZ 1996, S. 22; Jauch, 14 Environment&Urbanization 101, 103 (2002); Binder, 16 Austrian Rev. Int’l & Eur. L. 163, 166 (2011); Matanmi, in: Adewumi (Hrsg.), Labour Relations in the EPZ, S. 17, 22; Zudem wirbt die Pakistanische Export Processing Zones Authority auf ihrer Homepage ausdrücklich: „Law forbids formation of [any] labour union in EPZs. Strike within the zones prohibited.“, siehe http://www.epza.gov.pk/laborLaws.html (zuletzt überprüft am 8. 3. 2017).
A. Begriff, Ziele und rechtliche Grundlagen der Arbeit in Freien Exportzonen
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dd) Türkei (1) Freie Exportzonen in der Türkei In der Türkei begann der Aufbau Freier Exportzonen im Jahre 1985129. Heute gibt es ca. 20 solcher Zonen mit über 3000 Unternehmen130. Produziert werden hauptsächlich Textilien für den europäischen Markt131. (2) Einschränkung des Streikrechts durch den Free Trade Zones Act, 1985 Der für das Recht in den freien Exportzonen maßgebliche Free Trade Zones Act132 enthält keinen Nichtanwendungsbefehl für das nationale Arbeitsrecht. Jedoch waren Arbeitskämpfe nach § 13 Free Trade Zones Act in den ersten zehn Jahren nach Aufnahme der Produktion in einer Zone nicht gestattet133. Das außerhalb der Zonen gültige nationale Arbeitskampfrecht war folglich befristet unanwendbar134. Konflikte zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite sollten ausschließlich durch Schiedsgerichte geregelt werden135. Diese Regelung wurde 2002 im Rahmen der Annäherung an die EU abgeschafft136. Zu ersten Arbeitskämpfen in Freien Exportzonen kam es ab 2005137. (3) Zwischenergebnis In der Türkei war das nationale Arbeitsrecht von Beginn an in den Freien Exportzonen anwendbar. Eine Ausnahme bestand lediglich für das Streikrecht der Arbeitnehmer. Dieses war für die ersten zehn Jahre der Produktion ausgeschlossen worden. Die Türkei ist damit Beispiel für das bislang zurückhaltendste Modell, bei dem einzig das Arbeitskampfrecht befristet beschränkt wurde.
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Weltbank, Special Economic Zones 2008, S. 66. Singa Boyenge, ILO Database on EPZ, S. 23. 131 Weltbank, Special Economic Zones 2008, S. 66. 132 Act No. 3218 on Free Trade Zones vom 6. 6. 1985, abrufbar im Volltext in englischer Sprache (von der ILO zur Verfügung gestellte Übersetzung) unter: http://www.ilo.org/dyn/ natlex/docs/W EBTEXT/52027/65155/E85TUR01.htm (zuletzt überprüft am 8. 3. 2017). 133 § 13 Free Trade Zones Act: „For a period of 10 years following the commencement of operations in the free trade zones, the strike, lockout and mediation provisions […] shall not be applicable in the zones.“ 134 Matanmi, in: Adewumi (Hrsg.), Labour Relations in the EPZ, S. 17, 22. 135 § 13 Free Trade Zones Act: „[…] any disputes arising within the context of collective bargaining during this period shall be resolved by the Supreme Arbitration Council.“ 136 Ustubici, EPZ and Gendering the Resistance, S. 19. 137 Ustubici, EPZ and Gendering the Resistance, S. 1. 130
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3. Kap.: Rechtliche Grundlagen und Schranken in Freien Exportzonen
ee) Togo (1) Freie Exportzonen in Togo Togo begann 1989 mit der Einrichtung Freier Exportzonen, um der damaligen extrem hohen Arbeitslosigkeit entgegen zu wirken. Wegen politischer Instabilität verzögerte sich die Einrichtung der ersten (und bislang einzigen) Zone jedoch bis 1994138. Heute sind in der Lomé-Zone 61 Unternehmen ansässig, die ca. 9000 Arbeitnehmer beschäftigen139. Produziert werden Metallprodukte und Kleidung für die Märkte der USA und verschiedene europäischer Länder, insbesondere Frankreich140. (2) Spezielle Regelungen zu Einstellung und Entlassung durch Art. 21 Statut de Zone Franche, 1989 Die Möglichkeit, Freie Exportzonen einzurichten, wurde mit dem Statut de Zone Franche de Transformation pour l’Exportation (Statut de Zone Franche)141 geschaffen. Das Gesetz enthält keinen allgemeinen Nichtanwendungsbefehl hinsichtlich des nationalen Arbeitsrechts. Allerdings räumt Art. 21 Statut de Zone Franche142 den Unternehmen in den Freien Exportzonen mehr Freiraum bei Einstellung und Kündigung von Arbeitnehmern ein als nach nationalem Recht zulässig wäre143. Konkrete Auswirkungen dieses Freiraums sind allerdings schwer auszumachen. Weitere arbeitsrechtliche Regelungen enthält das Gesetz nicht. (3) Ausschluss der Koalitionsfreiheit durch Art. 33 Décret no. 90 – 40, 1990 Zur Konkretisierung des Statute de Zone Franche wurde ein Jahr später das Decret No. 90 – 40144 erlassen. Dieses erklärt in Art. 33145 den Code du Travail146 138
Matanmi, in: Adewumi (Hrsg.), Labour Relations in the EPZ, S. 85. Singa Boyenge, ILO Database on EPZ, S. 6; ILO, Togo – Zones Franches 2012, S. 5. 140 Weltbank, Special Economic Zones 2008, S. 69. 141 Loi no 89 – 14 portant statut de Zone Franche de Transformation pour l’Exportation vom 18. 9. 1989, abrufbar im Volltext in französischer Sprache (Amtssprache) unter: http://www. legitogo.gouv.tg/annee_txt/1989/Pages%20from%20jo_1989 – 018terx.pdf (zuletzt überprüft am 8. 3. 2017). 142 Art. 21 Statut de Zone Franche: „Les entreprises installées en Zone Franche […] ont la liberté d’embauche et de licenciement […]“. 143 ILO, Togo – Zones Franches 2012, S. 8; ICFTU, Behind the Brand Names, S. 8; Lang, Trade Agreements, Business and Human Rights: The Case of EPZ, S. 20; Madani, A Review of the Role and Impact of EPZ, S. 85; Milberg/Amengual, Economic Development and Working Conditions in EPZ, S. 32. 144 Décret no. 90 – 40 du 4 avril 1990 pris en application de la loi no. 89 – 14 du 18 septembre 1989 portant statut de la zone franche de transformation pour l’exportation. 145 Art. 33 Décret no. 90 – 40: „[…] les dispositions réglementaires relatives au contrat de travail, au salaire, au contrat d’apprentissage, à l’hygiène et à la sécurité, aux économats 139
A. Begriff, Ziele und rechtliche Grundlagen der Arbeit in Freien Exportzonen
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in bestimmten Bereichen für anwendbar (insbesondere bei Regelungen zum Mindestlohn und Arbeitsschutz). Nicht genannt wird die in Art. 6 Code du Travail geregelte Koalitionsfreiheit147. Die Koalitionsfreiheit wurde auch an keiner anderen Stelle speziell für die Arbeitnehmer in den die Freien Exportzonen geregelt148. Die Rechtslage wurde mehrheitlich dahingehend interpretiert, dass im Bereich der Zonen keine Koalitionsfreiheit bestehe149. 146
(4) Anwendung des Code du Travail in den Freien Exportzonen gemäß Art. 30 Statut de Zone Franche Industrielle, 2011 Mit dem Erlass des Statut des Zone Franche Industrielle150 2011 wurde der Code du Travail für in den Zonen umfassend anwendbar erklärt151. (5) Zwischenergebnis In Togo war das nationale Arbeitsrecht in den Zonen stets anwendbar. Im Bereich des Kündigungsschutzes wurde den Unternehmen jedoch mehr Spielraum gewährt und die Koalitionsfreiheit wurde zunächst eingeschränkt. ff) Panama (1) Freie Exportzonen in Panama Panama gehörte zu den wenigen lateinamerikanischen Ländern, die bereits vor 1970 Freie Exportzonen aufbauten152. Heute gibt es zwei staatliche und acht private Zonen, die größtenteils dem klassischen Modell Freier Exportzonen entsprechen153. et oeuvres sociales d’entreprises ainsi qu’aux services médicaux du travail prévues par le Code du Travail s’appliquent aux entreprises bénéficiaires du régime de la Zone Franche“, Art. 33 ist in französischer Sprache abgedruckt in ILO, Togo – Zones Franches 2012, S. 14. 146 Loi No. 2006 – 010 portant Code du Travail vom 13. 12. 2006, abrufbar unter: http:// www.ilo.org/dyn/natlex/docs/SERIAL/75548/78930/F1073375156/code%20travail.pdf (zuletzt überprüft am 8. 3. 2017). 147 ILO, Togo – Zones Franches 2012, S. 14. 148 ILO, Togo – Zones Franches 2012, S. 14. 149 Lang, Trade Agreements, Business and Human Rights: The Case of EPZ, S. 20; Brown, Globalization and Employment Conditions Study, S. 16. 150 Loi No. 2011 – 18 portant statut de zone franche industrielle vom 24. 6. 2011, abrufbar im Volltext in französischer Sprachte unter: http://www.ilo.org/dyn/natlex/docs/ELECTRONIC/92828/108317/F-2063312454/TGO-92828.pdf (zuletzt überprüft am 8. 3. 2017). 151 Art. 30 Statut de Zone Franche: „Les dispositions du code du travail s’appliquent aux entreprises agréés au statut de zone franche.“ Dazu ILO, Togo – Zones Franches 2012, S. 15 f. 152 Weltbank, Special Economic Zones 2008, S. 24. 153 Zu den verschiedenen Ausgestaltungen der Zonen in Panama, siehe Weltbank, Special Economic Zones 2008, S. 61.
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3. Kap.: Rechtliche Grundlagen und Schranken in Freien Exportzonen
Investoren kommen hauptsächlich aus den USA und Japan. Produziert wird für den südamerikanischen Markt154. (2) Einschränkungen des Arbeitsrechts in den Freien Exportzonen durch Ley 25/1992 Eine umfassende rechtliche Regelung der Freien Exportzonen erfolgte 1992 durch Ley 25/1992155. Dieses Gesetz erklärt die Regelungen des Código de Trabajo156 für anwendbar, sofern sich nicht aus Ley 25/1992 etwas anderes ergibt157. Spezialregelungen trifft Ley 25/1992 zur Koalitionsfreiheit und zum Streikrecht, Kündigungsschutz und Befristungsschutz158. (a) Einschränkungen der Koalitionsfreiheit und des Streikrechts Grundsätzlich sind Arbeitgeber in Panama dazu verpflichtet, mit anerkannten Gewerkschaften in Tarifverhandlungen einzutreten und Tarifverträge abzuschließen159. Zwar wird auch in den Freien Exportzonen das Recht, Tarifverträge zu schließen, gewährleistet, von der Pflicht, Tarifverträge abzuschließen, sind die Arbeitgeber in den Zonen unter Ley 25/1992 jedoch ausgenommen160. Weiterhin legt das Gesetz vom nationalen Arbeitsrecht abweichende Voraussetzungen für die Zulässigkeit von Arbeitskämpfen fest: Während sich Arbeitnehmer und Arbeitgeber außerhalb der Zonen im Grundsatz lediglich 15 Werktage um eine Schlichtung bemühen müssen, bevor sie zum Mittel des Arbeitskampfes greifen 154
Weltbank, Special Economic Zones 2008, S. 61. Ley 25/1992 por la cual se establece un régimen especial, integral y simplificado para la creación y funcionamiento de zonas procesadoras para la exportación, vom 30. 11. 1992, Gaceta Oficial, 1992 – 12 – 2, núm. 22175, págs. 1 – 23, abrufbar im Volltext und in spanischer Sprache (Amtssprache) unter: http://www.sice.oas.org/investment/NatLeg/PAN/L_ ZProcs_s.pdf (zuletzt überprüft am 8. 3. 2017). 156 Código de Trabajo, abrufbar unter: http://www.legalinfo-panama.com/legislacion/ laboral/codtrab_index.htm (zuletzt überprüft am 8. 3. 2017). 157 Art. 55 Ley 25/1992: „En las relaciones obrero-patronales en las industrias o empresas instaladas en las Zonas Procesadoras para la Exportación, se aplicarán las normas comunas contenidas en el Código de Trabajo […] que no sean contrarias a las disposiciones do la presente Ley.“ 158 US Department of Labor, Republic of Panama, Labor Rights Report 2011, S. 12. 159 Art. 401 Código de Trabajo: „Todo empleador a quien presten servicios trabajadores miembros de un sindicato, tendrá la obligación de celebrar con éste una convención colectiva cuando se lo solicite el sindicato.“ 160 Art. 49-A lit. B Nr. 9 Ley 25/1992, eingefügt durch Decreto-Ley núm. 3 por el cual se adiciona un artículo a la ley núm. 25, de 1992 vom 7. 1. 1997, abrufbar unter: http://panama. justia.com/federales/decretos-leyes/ (zuletzt überprüft am 8. 3. 2017): „Las empresas promotoras o operadoras que se instalen dentro de las Zonas Procesadoras para la Exportación podrán celebrar, a solicitud de sus trabajadores […] convenios relativos a las condiciones de trabajo o sobre otros beneficios laborales.“ 155
A. Begriff, Ziele und rechtliche Grundlagen der Arbeit in Freien Exportzonen
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dürfen161, muss in den Zonen mindestens 36 Tage lang162 ein mehrstufiges Schlichtungsverfahren durchlaufen werden163. Ley 25/1992 schränkt die Vereinigungsfreiheit folglich erheblich ein164. (b) Einschränkungen des Befristungsschutzes Ley 25/1992 begrenzt außerdem den Schutz befristet beschäftigter Arbeitnehmer. Der Código de Trabajo erlaubt eine Befristung bis zu einer Dauer von einem Jahr165, sofern besondere Voraussetzungen vorliegen von bis zu zwei Jahren (z.B. eine sehr anspruchsvolle Tätigkeit, die eine längere Einarbeitung erforderlich macht166). Die Weiterbeschäftigung eines Arbeitnehmers nach Ablauf der Höchstdauer der Befristung führt automatisch zu einem unbefristeten Arbeitsverhältnis167. Diese Schutzbestimmungen finden gemäß Art. 49 Ley 25/1992 auf Arbeitnehmer innerhalb der Zonen in den ersten drei Jahren ihres Arbeitsverhältnisses keine Anwendung168.
161 Art. 443 Código de Trabajo: „La conciliación termina: transcurridos quince días hábiles desde que se notificó el pliego de peticiones, […].“ 162 Art. 49-A lit. B Nr. 11 – 15 Ley 25/1992, eingefügt durch Decreto-Ley núm. 3, schreiben ein mehrstufiges Schlichtungsverfahren vor, bevor zum Mittel des Arbeitskampfes gegriffen werden kann: Zunächst hat die Gegenseite zehn Tage Zeit sich zu den gestellten Forderungen zu äußern (Nr. 11), dann hat die Schlichtungskommission 20 Tage Zeit um im Dialog mit beiden Seiten eine Lösung zu finden (Nr. 12). Wird keine Einigung gefunden, macht die Kommission einen Kompromissvorschlag für welchen ihr weitere fünf Tage zustehen (Nr. 13). Sodann haben die Perteien 24 Stunden Zeit diesen anzunehmen oder abzulehnen (Nr. 13). Erst dann kann zum Mittel des Streiks gegriffen werden (Nr. 15). 163 Dazu auch ICFTU, Behind the Brand Names, S. 8; US Department of Labor, Republic of Panama, Labor Rights Report 2011, S. 13. 164 Weltbank, Special Economic Zones 2008, S. 40. Darüber besorgt zeigte sich auch der UN-Sozialausschuss: CESCR, Concluding Observations Panama, 24. 9. 2001, UN Doc. E/C.12/1/ADD.64, Rn. 14. 165 Art. 74 Abs. 1 Código de Trabajo: „El contrato de trabajo por tiempo definido deberá constar siempre por escrito y el plazo de su duración no podrá ser mayor de un año.“ 166 siehe Art. 74 Abs. 2 Código de Trabajo. 167 Art. 77 Nr. 1 Código de Trabajo: „La relación de trabajo se considerará por tiempo indefinido: Si vencido el término de un contrato por tiempo definido, el trabajador continúa prestando servicios.“ 168 Art. 49 Ley 25/1992: „Cuando se trate de contratos de trabajo por tiempo definido, […], en las empresas promotoras y en las industrias y empresas incorporadas al régimen especial de Zona Procesadora para la Exportación, no se aplicará lo establecido en el Articulo 77 del Código de Trabajo durante los primeros tres (3) años de relación laboral con el trabajador respectivo.“
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3. Kap.: Rechtliche Grundlagen und Schranken in Freien Exportzonen
(c) Einschränkungen des Kündigungsschutzes Art. 213 Código de Trabajo listet Gründe auf, die eine arbeitgeberseitige Kündigung rechtfertigen169. Art. 52 Ley 25/1992 ergänzt diese Liste um einen weiteren Kündigungsgrund: Innerhalb der Zonen rechtfertigen auch die Schwankungen auf den Ausfuhrmärkten und damit verbundene erhebliche Änderungen in der Produktionsmenge eine arbeitgeberseitige Kündigung170. Damit sind solche in den Zonen leichter möglich als außerhalb171. (3) Reform des Arbeitsrechts in den Freien Exportzonen durch Ley 32/2011 2011 wurde das Arbeitsrecht der Zonen durch Ley 32/2011172 umfassend neu geregelt173. Art. 78 Ley 32/2011174 erklärt den Código de Trabajo in den Zonen für uneingeschränkt anwendbar175 und betont explizit die Geltung der Vorschriften des Código de Trabajo für die Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen von Arbeitskämpfen176. (4) Zwischenergebnis In Panama war das nationale Arbeitsrecht in den Freien Exportzonen bis 2011 nur eingeschränkt anwendbar177. Speziell geregelt waren insbesondere die Vereinigungsfreiheit und das Streikrecht sowie der Kündigungs- und Befristungsschutz. Dadurch sollten Arbeitskämpfe vermieden werden, um den Arbeitgebern ein größeres Maß an Flexibilität im Hinblick auf Auftragsschwankungen einzuräumen. 169 Art. 123 Código de Trabajo: „Son causas justificadas que facultan al empleadot para dar por terminada la relación de trabajo: […]“. 170 Art. 52 Ley 25/1992: „Las fluctuaciones en los mercados de exportación, que conlleven la pérdida considerable del volumen de venta son causas justificadas que facultan al empleador para dar por terminada la relación de trabajo, además de las establecidas en el literal C del Artículo 213 del Código de Trabajo.“ 171 CESCR, Concluding Observations Panama, 24. 9. 2001, UN Doc. E/C.12/1/ADD.64, Rn. 14. 172 Ley 32 de 2011 que establece un régimen especial integral y simplificado para el establecimiento y operación de zonas francas, abrufbar im Volltext und in spanischer Sprache unter: http://www.sela.org/media/265116/t023600005685 – 0-pan_ley_no_32_de_zonas_francas_de_panama.pdf (zuletzt überprüft am 8. 3. 2017). 173 US Department of Labor, Republic of Panama, Labor Rights Report 2011, S. 4. 174 Art. 78 Ley 32/2011: „La presente Ley […] deroga la Ley 25/2012 de 30 de noviembre de 1992 […].“ 175 US Department of Labor, Republic of Panama, Labor Rights Report 2011, S. 12 f. 176 Art. 55 Ley 32/2011: „[…] se establecido en el Capitulo IV del Titulo III del Libro Tercero del Código de Trabajo.“ 177 Binder, 16 Austrian Rev. Int’l & Eur. L. 163, 166 (2011); Weltbank, Special Economic Zones 2011, S. 262 f.; CESCR, Concluding Observations Panama, 24. 9. 2001, UN Doc. E/C.12/1/ADD.64, Rn. 14.
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gg) Nigeria (1) Freie Exportzonen in Nigeria Nigeria begann 1991 mit der Errichtung von Freien Exportzonen178, das erste Zonenunternehmen konnte jedoch erst 2001 seine Tätigkeit aufnehmen179. Heute gibt es 24 Freie Exportzonen, von denen aber lediglich elf tatsächlich aktiv sind180. Diese befinden sich teilweise in staatlicher Hand, andere werden aber auch privat oder gemischt betrieben181. Dominierend ist die Öl- und Gasförderung182. (2) Einschränkung des Streikrechts in den Zonen durch das Export Processing Zones Decree, 1992 Zwar wird das Streikrecht weder von der nigerianischen Verfassung noch durch einfaches Recht ausdrücklich gewährt183, es existieren jedoch zahlreiche Normen, aus denen sich auf die Existenz eines Streikrechts schließen lässt184. Streiks sind daher in Nigeria nach ganz überwiegender Auffassung rechtmäßig185. In den Freien Exportzonen ist das Streikrecht hingegen für einen gewissen Zeitraum vollständig ausgeschlossen186. Das Export Processing Zones Decree
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Weltbank, Special Economic Zones 2008, S. 69. The State of Trade Unionism and Industrial Relations Practice in Nigeria’s EPZ, S. 4. 180 NLC/ITUC/ILO, The State of Trade Unionism and Industrial Relations Practice in Nigeria’s EPZ, S. 4 (Stand 2012). 181 Ein Überblick über alle Zonen findet sich in NLC/ITUC/ILO, The State of Trade Unionism and Industrial Relations Practice in Nigeria’s EPZ, S. 4 ff. 182 NLC/ITUC/ILO, The State of Trade Unionism and Industrial Relations Practice in Nigeria’s EPZ, S. 8. 183 Okene, 15 Afr. J. Int’l & Comp. L. 29, 40 (2007). 184 Art. 23 und 43 Trade Unions Act (Nigeria Trade Unions Act, 1973, abrufbar im Volltext in englischer Sprache (Amtssprache) unter: http://www.ilo.org/dyn/natlex/docs/WEBTEXT/42153/64979/E73NGA01.htm) und Art. 518a Criminal Code (Nigeria Criminal Code, abrufbar im Volltext in englischer Sprache unter: http://www.nigeria-law.org/Criminal%20 Code%20Act-Tables.htm) schützen vor zivilrechtlicher Haftung bzw. strafrechtlicher Verfolgung bei Teilnahme an einem Streik, vgl. Okene, 15 Afr. J. Int’l & Comp. L. 29, 42 f. (2007). § 17 und § 42 Trade Disputes Acts (abrufbar im Volltext in englischer Sprache unter: http://www.placng.org/new/laws/T8.pdf) nennen besondere Fälle, in denen eine Arbeits niederlegung nicht zulässig ist. § 43 Trade Disputes Act regelt, dass während eines Streiks keine Löhne bezahlt werden, wohingegen eine Aussperrung den Lohnanspruch unberührt lässt (alle Fundstellen zuletzt überprüft am 8. 3. 2017). 185 Siehe nur Okene, 15 Afr. J. Int’l & Comp. L. 29, 40 ff. (2007). 186 NLC/ITUC/ILO, The State of Trade Unionism and Industrial Relations Practice in Nigeria’s EPZ, S. 4, 8; Okene, 15 Afr. J. Int’l & Comp. L. 29, 48 (2007); Adewumi, in: Adewumi (Hrsg.), Labour Relations in the EPZ, S. 47, 48. 179 NLC/ITUC/ILO,
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3. Kap.: Rechtliche Grundlagen und Schranken in Freien Exportzonen
(EPZD)187 verbietet in § 18 Abs. 5 EPZD188 jegliche Arbeitskampfmaßnahmen in den ersten zehn Jahren nach Aufnahme der Produktion des jeweiligen Unternehmers. Konflikte zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmern sollen ausschließlich von der Zonenleitung geregelt werden189. (3) Zwischenergebnis Im für die Freien Exportzonen maßgeblichen Recht Nigerias findet sich kein ausdrücklicher Nichtanwendungsbefehl des nationalen Arbeitsrechts. Arbeitskämpfe sind jedoch in den ersten zehn Jahren nach Produktionsbeginn ausgeschlossen. hh) Iran (1) Freie Exportzonen im Iran Die ersten drei Freien Exportzonen wurden im Iran 1993 eingerichtet. Heute existieren sieben Zonen190, die sich alle unter staatlicher Leitung befinden191. Produziert werden vor allem Lederwaren, Schuhe und Textilien192. (2) Herausnahme der Freien Exportzonen aus dem Anwendungsbereich des nationalen Arbeitsrechts durch LAFTIZ, 1993 Das Recht der Freien Exportzonen ergibt sich maßgeblich aus dem Gesetz Law on the Administration of Free-Trade Industrial Zones (LAFTIZ)193. Art. 5 LAFTIZ194 schließt die Anwendung nationalen Rechts in den Zonen aus. Sie werden 187 Export Processing Zones Decree, Decree Nr. 63, 21. 12. 1992, abrufbar im Volltext in englischer Sprache (Amtssprache) unter: http://www.nepza.gov.ng/filedownload.asp?file=downloads/N EPZA631992.pdf (zuletzt überprüft am 8. 3. 2017). 188 § 18 Abs. 5 EPZD: „There shall be no strikes or lockouts for a period of 10 years following the commencement of operations within a Zone and any trade dispute arising within a Zone shall be resolved by the Authority.“ 189 Dazu auch Okene, 15 Afr. J. Int’l & Comp. L. 29, 48 (2007). 190 Siehe dazu die offizielle Seite des Center for Free and Special Ecomomic Zones: http://www.freezones.ir (zuletzt überprüft am 8. 3. 2017); zur Entwicklung der Freien Exportzonen im Iran: Hakimian, 44 Iranian Studies 851, 855 f. (2011). 191 Hakimian, 44 Iranian Studies 851, 858 (2011). 192 Weltbank, Special Economic Zones 2008, S. 66. 193 Law on the Administration of Free-Trade Industrial Zones of the Islamic Republic of Iran vom 12. 9. 1993, abrufbar im Volltext in englischer Sprache (Übersetzung unklaren Ursprungs) unter: http://www.iran-investment.org/Law%20on%20the%20Administration%20of%20Free%20Trade.pdf (zuletzt überprüft am 8. 3. 2017). 194 Art. 5 LAFTIZ: „[…] Such companies shall be exempt from the laws and regulations governing state-owned companies […]; they shall be administered solely on the basis of the present law and its respective bylaws […].“
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allein durch das LAFTIZ selbst und speziell auf die Zonen zugeschnittene Zusatzdekrete geregelt, die der Ministerrat insbesondere in den Bereichen des Arbeitsund Sozialrechts erlassen kann, Art. 12 LAFTIZ195. (3) Spezialgesetzliche Regelung des Arbeitsrechts durch die Regulations on Employment of Workforce, Insurance and Social Security in the Free Trade Industrial Zones, 1994 (a) Konzept Auf Grundlage dieser Ermächtigung hat der Iran 1994 die Regulations on Employment of Workforce, Insurance and Social Security in the Free Trade Industrial Zones (Regulations)196 erlassen. Nach Art. 2 Regulations finden diese Regelungen auf alle Arbeitnehmer in Freien Exportzonen Anwendung197. Überwacht wird die Einhaltung von der Zone Authority. Die Regulations regeln Form und Inhalt des Arbeitsvertrags (Art. 7 – 10), die Probezeit (Art. 11), Kündigungen (Art. 12 f.), das Verbot der Kinderarbeit (Art. 15), Arbeitszeit und Urlaub (Art. 16 – 25) und den Lohn (Art. 26 – 28). Die Arbeitsverhältnisse im Rest des Landes unterliegen demgegenüber dem Labour Code198. Die beiden Gesetze ähneln sich in vielerlei Hinsicht, beispielsweise soll gemäß Art. 26 Regulations der Mindestlohn in den Zonen nicht geringer sein als außerhalb. Insgesamt sind die Regelungen für die Zonen allerdings flexibler und bieten größere Spielräume als der Labour Code199. In welchen Bereichen nennenswerte Unterschiede zwischen den Gesetzen bestehen, soll im Folgenden aufgezeigt werden. (b) Vergleich zum maßgeblichen Arbeitsrecht außerhalb der Zonen (aa) Kündigungsschutz Unterschiede bestehen zunächst im Bereich des Kündigungsschutzes: Während der Labour Code die Beendigung des Arbeitsverhältnisses nur aus sechs in Art. 21 195 Art. 5 LAFTIZ: „Regulations governing the employment of workforce, social insurance and security […], shall be based on rules which are to be approved by the Board of Ministers.“ 196 Regulations on Employment of Workforce, Insurance and Social Security in the Free Trade Industrial Zones vom 9. 5. 1994, Official Gazette, No. 14351, abrufbar im Volltext in englischer Sprache (Übersetzung unklaren Ursprungs) unter: http://www.freezones.ir/ Default.aspx?tabid=378 (zuletzt überprüft am 8. 3. 2017). 197 Art. 2 Regulations: „All the employees, employers and workplaces in the Free Zone are subject to the provision of this decree.“ 198 Labour Code vom 26. 11. 1990, Official Gazette, 1991 – 02, No. 13387, P. 1 – 14, abrufbar im Volltext in englischer Sprache unter: http://www.alaviandassociates.com/documents/labourlaw.pdf (zuletzt überprüft am 8. 3. 2017). Dazu Hakimian, 44 Iranian Studies 851, 861 (2011). 199 Hakimian, 44 Iranian Studies 851, 861 (2011).
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3. Kap.: Rechtliche Grundlagen und Schranken in Freien Exportzonen
Labour Code genannten Gründen zulässt200, erlauben die Zonenregelungen die Festlegung weiterer Beendigungsgründe im Arbeitsvertrag. Auch die zu zahlende Abfindung ist unterschiedlich: Dem Arbeitnehmer außerhalb der Zone wird ein Monatsgehalt pro gearbeitetem Kalenderjahr garantiert (Art. 24 Labour Code). Im Vergleich dazu wird innerhalb der Zonen nur ein halbes Monatsgehalt pro Kalenderjahr gewährt (Art. 33 Regulations). (bb) Arbeitszeit und Urlaub Die maximale wöchentliche Arbeitszeit beträgt außerhalb der Zonen 44 Stunden (Art. 51 Labour Code). Hier wählen die Regulations einen flexibleren Ansatz, indem sie ein Maximum von 176 Stunden in vier aufeinanderfolgenden Wochen vorschreiben (Art. 16 Regulations), was ebenfalls einem Schnitt von 44 Stunden pro Woche entspricht. Unter dem Labour Code wird ein Monat bezahlten Urlaub gewährt (Art. 64 Labour Code), unter den Regulations lediglich 20 Tage (Art. 24 Regulations). (4) Zwischenergebnis und Ausblick Im Iran bestehen Unterschiede zwischen dem arbeitsrechtlichen Schutzstandard innerhalb und außerhalb der Zonen 201. Die Arbeitsverhältnisse der Arbeitnehmer außerhalb der Freien Exportzonen werden durch den Labour Code geregelt. Die Arbeitnehmer innerhalb der Zonen werden von diesem Gesetz nicht erfasst. Ihre Arbeitsverhältnisse fallen unter die Regulations, die zentrale Bereiche wie den Arbeitsschutz und die Vereinigungsfreiheit im Gegensatz zum Labour Code überhaupt nicht regeln 202. In einigen Bereichen sind die Arbeitsbedingungen innerhalb der Zonen weniger günstig für die Arbeitnehmer. Soweit ersichtlich hat sich an dieser Rechtslage bislang nichts geändert. ii) Namibia (1) Freie Exportzonen in Namibia Namibia verfügt seit 1995 über Freie Exportzonen 203. Die Möglichkeit, einem Unternehmen Zonenstatus zu gewähren, ist weder örtlich noch branchenspezifisch begrenzt204. Produziert werden vor allem Automobilzubehör sowie Textilien und 200 Diese sind: Tod des Arbeitnehmers, Ruhestand des Arbeitnehmers, „total disability“ des Arbeitnehmers, Ablauf der Befristung des Arbeitsvertrags, Fertigstellung der geschuldeten Arbeit und die Kündigung durch den Arbeitnehmer. 201 Hakimian, 44 Iranian Studies 851, 861 (2011); McCallum, EPZ: Comparative Data from China, Honduras, Nicaragua and South Africa, S. 4. 202 Hakimian, 44 Iranian Studies 851, 862 (2011). 203 Madani, A Review of the Role and Impact of EPZ, S. 86. 204 Madani, A Review of the Role and Impact of EPZ, S. 86. Um den Status einer Freien Exportzone zu erhalten, muss das Unternehmen einen Antrag beim Wirtschaftsministeri-
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Kleidung für den deutschen, britischen, südafrikanischen und US-amerikanischen Markt205. (2) Herausnahme der Freien Exportzonen aus dem nationalen Arbeitsrecht durch den Export Processing Zones Act, 1995 Der 1995 erlassene Export Processing Zones Act (EPZA)206 bestimmt in § 8 Abs. 1 EPZA, dass der Labour Act207 in Freien Exportzonen keine Anwendung findet208. Der Labour Act trifft Regelungen zu den Themen Arbeitszeit, Mindestlohn, Mutterschutz (Kap. V), Kündigungsschutz (Kap. VI), Koalitionsfreiheit und Streikrecht (Kap. VII bis IX) sowie Arbeitsschutz (Kap. XI). Gemäß § 8 Abs. 2 EPZA können Regelung bezüglich grundlegender Arbeitsbedingungen, Beendigung von Arbeitsverträgen, Disziplinarmaßnahmen und Arbeitsschutz speziell für die Arbeitnehmer in Freien Exportzonen getroffen werden. Eine Ermächtigung zur Regelung von kollektiven Rechten enthält § 8 Abs. 2 EPZA hingegen nicht209. (3) Ausschluss des Streikrechts durch den Export Processing Zones Amendment Act, 1996 Bereits ein Jahr nach dem EPZA erließ Namibia den Export Processing Zones Amendment Act210. Dieser änderte § 8 Abs. 1 EPZA, welcher nun explizit den Labour Act auch in den Zonen für anwendbar erklärt211.
um Namibias stellen und einen Geschäftsplan und geeignete Finanzierung vorweisen, vgl. http://www.namibia-botschaft.de/index.php/a-z-62/16-e/85-merkblatt-epz (zuletzt überprüft am 8. 3. 2017). 205 Weltbank, Special Economic Zones 2008, S. 69. 206 Export Processing Zones Act vom 6. 4. 1995, Government Gazette of the Republic of Namibia, Nr. 1069, S. 1 ff. 207 Labour Act, 1992 vom 13. 3. 1992, Government Gazette of the Republic of Namibia, 8. 4. 1992, Nr. 338, S. 1151 ff. Abrufbar im Volltext in englischer Sprache unter: http://www. dyn/natlex/docs/WEBTEXT/29328/64850/E92NAM01.htm (zuletzt überprüft am ilo.org/ 8. 3. 2017). 208 § 8 Abs. 1 EPZA: „[…] the provisions of the Labour Act, 1992 (Act 6 of 1992) shall not apply in an export processing zone.“ 209 Ausführlich zur Einschränkung der Koalitionsfreiheit Gopalakrishnan, Freedom of Association and Collective Bargaining in EPZ, S. 19. 210 Export Processing Zones Amendment Act vom 11. 6. 1993, abrufbar im Volltext in englischer Sprache unter http://www.saflii.mobi/na/other/NAGovGaz/1996/106.pdf (zuletzt überprüft am 8. 3. 2017). Zu den Hintergründen der Reform Jauch, 14 Environment&Urbanization 101, 104 f. (2002). 211 § 8 Abs. 1 EPZA n.F.: „The provisions of the Labour Act […] shall be applicable in an export processing zone, subject to the provisions of this section.“
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3. Kap.: Rechtliche Grundlagen und Schranken in Freien Exportzonen
§ 8 Abs. 2 EPZA212 untersagt, ungeachtet der eigentlich anwendbaren §§ 79 und 81 Labour Act (Streikrecht), in den Freien Exportzonen nach wie vor jede Form des Arbeitskampfes213. § 8 Abs. 4 EPZA schließt zudem die Anwendung des § 46 Abs. 3 des Labour Acts auf einen Arbeitnehmer, der aus Gründen der Teilnahme an einem Streik entlassen wird, aus. Diese Norm enthält eine Beweislastumkehr zugunsten des entlassenen Arbeitnehmers, wonach zunächst vermutet wird, dass die Kündigung ungerechtfertigt war, solange der Arbeitgeber nicht das Gegenteil beweist214. Auslöser der schnellen Reform war der Protest der National Union of Namibian Workers (NUNW), welche die Unvereinbarkeit des § 8 Abs. 1 EPZA mit den Übereinkommen der ILO und dem Verfassungsrecht anpragerte215. Die NUNW wollte die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes vor nationalen Gerichten überprüfen lassen. Nach einem Treffen der Gewerkschaft mit der Regierung Namibias wurde als Kompromiss der Amendment Act erlassen: Zwar wurde das Arbeitsrecht grundsätzlich für anwendbar erklärt, das Streikrecht jedoch ausgeschlossen 216. (4) Zwischenergebnis und Ausblick Namibia wollte zunächst den Weg des kompletten Ausschlusses des Arbeitsrechts gehen, wurde durch massive gewerkschaftliche Proteste jedoch schnell zu einer Reform gezwungen. Nach nur einem Jahr wurde das Arbeitsrecht in den Zonen für voll anwendbar erklärt, allerdings wurden Streiks in den Zonen untersagt. Gemäß § 8 Abs. 10 EPZA n.F. sollte das Streikverbot zunächst auf fünf Jahre befristet sein. Diese Regelung wurde nicht verlängert, sodass auch Arbeitnehmer in den Zonen seit 2001 zu Arbeitskämpfen berechtigt sind 217. Berichten zufolge sind die Arbeitsbedingungen in den Zonen heute nicht schlechter als außerhalb und die Löhne sogar ca. 30 Prozent höher218. 212 § 8 Abs. 2 EPZA n.F.: „no employer or employee shall take action by way of, or participate in, a lock-out or strike in an export processing zone; […]“. Dazu Gopalakrishnan, Freedom of Association and Collective Bargaining in EPZ, S. 28 f. 213 Schulze, 32 Comp. & Int’l L.J. S. Afr. 169, 188 (1999). So auch Binder, 16 Austrian Rev. Int’l & Eur. L. 163, 166 (2011). 214 § 46 Abs. 3 Labour Code: „When […] it is proved that an employee was dismissed from his or her employment or that any disciplinary action has been taken against such employee, it shall be presumed that, unless the contrary is proved by the employer concerned, such employee has been dismissed unfairly or that such disciplinary action has been taken unfairly against such employee.“ 215 Schulze, 32 Comp. & Int’l L.J. S. Afr. 169, 188 (1999). 216 Jauch, The Case of Export Processing Zones (EPZs) in Namibia, in: Ranade (Hrsg.), Special Economic Zones, S. 177, 182. 217 Gopalakrishnan, Freedom of Association and Collective Bargaining in EPZ, S. 29; Jauch, 14 Environment&Urbanization 101, 107 (2002); Überblick über die Rechtslage in Namibia auch bei Jauch, The Case of Export Processing Zones (EPZs) in Namibia, in: Ranade (Hrsg.), Special Economic Zones, S. 177 ff. 218 Schulze, 32 Comp. & Int’l L.J. S. Afr. 169, 188 f. (1999).
A. Begriff, Ziele und rechtliche Grundlagen der Arbeit in Freien Exportzonen
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c) Zusammenfassung aa) Anwendbarkeit und Unanwendbarkeit des nationalen Arbeitsrechts Die untersuchten Beispiele lassen sich zunächst in zwei Gruppen aufteilen, nämlich Länder, in denen das nationale Arbeitsrecht grundsätzlich auch auf die Arbeitsverhältnisse in den Freien Exportzonen voll Anwendung findet (Mauritius, Türkei, Togo, Panama, Nigeria) und Länder, in denen das Arbeitsrecht für den Bereich der Freien Exportzonen ausgeschlossen war oder ist (Bangladesch, Pakistan, Iran, Namibia kurzzeitig). Innerhalb der ersten Gruppe (Anwendbarkeit des nationalen Arbeitsrechts) gibt es wiederum zwei Subkategorien bestehend aus Ländern, in denen das Arbeitsrecht zwar Geltung beansprucht, allerdings nur sofern keine Spezialregelungen für den Bereich der Zonen getroffen wurden (Mauritius, Togo, Panama) und aus Ländern, in denen das Arbeitsrecht zwar anwendbar ist, aber ein (befristetes) Arbeitskampfverbot gilt (Türkei, Nigeria, Namibia). Bei der zweiten Gruppe (formaler Ausschluss des nationalen Arbeitsrechts) kann ebenfalls eine weitere Unterteilung in zwei Subkategorien vorgenommen werden: In der ersten Untergruppe findet das nationale Arbeitsrecht zwar keine Anwendung, es bestehen jedoch Spezialregelungen zu den wichtigsten Arbeitsbedingungen (Iran). Im Fall von Bangladesch und Pakistan beansprucht das Arbeitsrecht ebensowenig Geltung und es besteht darüber hinaus ein Arbeitskampfverbot. bb) Hauptsächlich eingeschränkte Arbeitsbedingungen (1) Hauptsächlich ausgeschlossene Arbeitsbedingungen Jene Länder, bei denen ein Ausschluss des nationalen Arbeitsrechts gilt, haben entweder jegliche arbeitsrechtliche Regelungen pauschal ausgeschlossen (so insbesondere der Iran, aber auch Namibia) oder einzelne arbeitsrechtliche Gesetze zu verschiedenen Regelungsbereichen für unanwendbar erklärt (so in Bangladesch und Pakistan). Betrachtet man, welche Gesetze in der zweiten Konstellation gewählt wurden, so wird deutlich, welche Arbeitsbedingungen als besonders relevant für den Erfolg der Zonen angesehen werden: Bangladesch hat zunächst Gesetze zum Beendigungsschutz und der Vereinigungsfreiheit und danach solche zum Arbeitsschutz und der Arbeitszeit für unanwendbar erklärt. In diesen Bereichen fehlt es auch in den freien Exportzonen Pakistans an anwendbaren Schutzstandards219. Ein ähnliches Bild ergibt sich für Namibia: die ausgeschlossenen Arbeitsgesetze regeln Arbeitszeit, Kündigungsschutz, Arbeitsschutz, Vereinigungsfreiheit und Streikrecht. 219 Daneben wurden Regelungen zu Lohn, Urlaub, Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, Haftung bei Arbeitsunfällen und sozialer Sicherung ausgeschlossen, vgl. 3. Kap. A. III. 3. b) cc) (2).
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3. Kap.: Rechtliche Grundlagen und Schranken in Freien Exportzonen
(2) Hauptsächlich speziell geregelte Arbeitsbedingungen Ein Blick auf die Arbeitsbedingungen, die Gegenstand spezieller Regelungen sind, ergibt ein ähnliches Bild: Auch hier sind es die Arbeitszeit (Mauritius, Iran), der Kündigungsschutz (Mauritius, Togo, Panama, Iran) und die Koalitionsfreiheit (Bangladesch, Panama, Iran), bei denen ein geringeres Schutzniveau als essentiell für den Zonenerfolg gilt. Der Arbeitsschutz wird hingegen, soweit ersichtlich, nicht abweichend für die Zonen geregelt. Er ist entweder gar nicht anwendbar (Bangladesch, Iran) oder es gelten die gleichen Regelungen wie in anderen Betrieben (Mauritius, Togo, Panama). Mauritius hat zudem den Mutterschutz eingeschränkt. (3) Gründe für die Einschränkung dieser Arbeitsbedingungen Abweichungen bei Arbeitszeit und Beendigungsschutz sollen Arbeitgebern mehr Flexibilität ermöglichen, um auf Produktionsschwankungen schnell und unkompliziert reagieren zu können. Zur Arbeitszeit finden sich beispielsweise die folgenden Abweichungen vom nationalen Recht: Verpflichtung zu Überstunden ohne Zahlung einer Überstundenvergütung, unfreiwillige Feiertagsarbeit, höhere wöchentliche Arbeitszeit (Mauritius). Der Beendigungsschutz wird in mehreren der untersuchten Länder zulasten der Zonen-Arbeitnehmer eingeschränkt, z.B. in Form geringerer Abfindungen (Mauritius), einer Erweiterung der gesetzlichen Kündigungsgründe (Panama, Iran) oder eines zeitlich begrenzten Ausschlusses des Befristungsschutzes (Panama). Stark verbreitet sind zudem Einschränkungen der gewerkschaftlichen Vereinigungsfreiheit und des Streikrechts beispielsweise mittels strengerer Vorschriften zur Gründung von Gewerkschaften durch Quoren, Sperrfristen, Registrierungszwang und Begrenzung auf eine Gewerkschaft je Industriezweig (Bangladesch), Ausnahme von der im nationalen Recht verankerten Pflicht des Arbeitgebers, Tarifverträge mit anerkannten Gewerkschaften abzuschließen (Panama) und längere bzw. erschwerte verpflichtende Schlichtungsverfahren (Panama, Iran). Zudem werden aufgrund des hohen Anteils weiblicher Arbeitskräfte Mutterschutzvorschriften angepasst, etwa die Begrenzung des bezahlten Mutterschutzes auf drei Kinder (Mauritius). cc) Arbeitskampfverbot Das wohl häufigste Mittel zur Vorteilsgenerierung für Investoren ist das (befristete) Arbeitskampfverbot. Bemerkenswerterweise wurde diese Regelungsmethode häufig in vergleichweise jüngerer Zeit gewählt (z.B. in Togo 1992) und ist häufig nach wie vor in Kraft bzw. war es bis vor wenigen Jahren. Nicht selten gaben Länder dem öffentlichen oder gewerkschaftlichen Druck nach (siehe insbesondere den Fall Namibias) und erklärten das nationale Arbeitsrecht entgegen der ursprünglichen Planung für anwendbar, schlossen aber dann das Streikrecht für eine bestimmte Zeit aus. Dieses Vorgehen verdeutlicht, wie bedeutend die garantierte Unterbindung von Arbeitskämpfen für den Wettbewerb um Investoren ist.
A. Begriff, Ziele und rechtliche Grundlagen der Arbeit in Freien Exportzonen
143
4. Die Durchsetzung des nationalen Arbeitsrechts in Freien Exportzonen ohne ein speziell geregeltes Zonenarbeitsrecht a) Verbreitung Heute findet in den meisten Ländern mit Freien Exportzonen das nationale Arbeitsrecht auch in den Zonen vollständig Anwendung220. Allerdings hat diese Entwicklung in den wenigsten Fällen zu einer tatsächlichen Verbesserung der Arbeitsbedingungen geführt221. In vielen Freien Exportzonen wird das nationale Arbeitsrecht weniger effektiv durchgesetzt als in Betrieben außerhalb der Zonen222. Als Gründe werden die Unfähigkeit vieler Regierungen zur effektiven Rechtsdurchsetzung223, vor allem aber ihr fehlender Wille dazu angeführt, denn ein schwach ausgeprägtes Arbeitsrecht ist nach wie vor einer der Hauptanreize für ausländische Unternehmen, in Exportzonen zu investieren 224. In einer Umfrage unter Investoren in Bangladesch gab ein Großteil an, die Nichtdurchsetzung nationalen Arbeitsrechts sei der wichtigste Faktor bei der Wahl einer Freien Exportzone225. b) Vorgehensweise Im Folgenden werden einige typische Beispiele für Freie Exportzonen mit unzureichender Durchsetzung des nationalen Arbeitsrechts skizziert. Dabei wird ausschließlich auf Länder zurückgegriffen, in denen das Arbeitsrecht in den Zonen stets anwendbar war und auch nie Spezialregelungen bestanden. Die Länder werden nach dem Datum der Einführung der Freien Exportzonen chronologisch aufgeführt. c) Ausgewählte Beispiele aa) Mexiko (1) Freie Exportzonen in Mexiko (Maquiladoras) Mexiko war eines der ersten Länder mit Freien Exportzonen, die – wie auch in Bangladesch und Mauritius – klassische Strukturen Freier Exportzonen aufwei220
Milberg/Amengual, Economic Development and Working Conditions in EPZ, S. 32. Milberg/Amengual, Economic Development and Working Conditions in EPZ, S. 32. 222 Weltbank, Special Economic Zones 2011, S. 263; Milberg/Amengual, Economic Development and Working Conditions in EPZ, S. 12; Cling/Razafindrakoto/Roubaud, 33 World Development 785, 786 (2005); ICFTU (Hrsg.), Behind the brand names – Working conditions and labour rights in export processing zones, 2004, S. 8 f.; Brown, Globalization and Employment Conditions Study, S. 16; Binder, 16 Austrian Rev. Int’l & Eur. L. 163, 166 (2011). 223 Weltbank, Special Economic Zones 2011, S. 263; Milberg/Amengual, Economic Development and Working Conditions in EPZ, S. 58 f. 224 Graham/Woods, 34 World Development 868, 868 f. (2006). 225 Brown, Globalization and Employment Conditions Study, S. 16. 221
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3. Kap.: Rechtliche Grundlagen und Schranken in Freien Exportzonen
sen 226. Die sog. Maquiladoras227 entstanden ab 1964 auf Grundlage des „Border Industrialization Program (BIP)“228. Das BIP ermöglichte US-amerikanischen Unternehmen die Verlagerung ihrer Produktion in den Norden von Mexiko nahe der US-amerikanischen Grenze. Dort wurden aus den USA importierte Rohmaterialien durch mexikanische Arbeitskräfte verarbeitet. Das Endprodukt konnte dann wieder zollfrei in die USA exportiert werden 229. Das BIP folgte dem 1942 eingerichteten Bracero-Programm, welches mexikanischen Arbeitnehmern erlaubte, vorübergehend in den USA tätig zu werden 230. Das Bracero-Programm hatte zu einem starken Bevölkerungszuwachs in den Grenzstädten Mexikos wie Tijuana oder Ciudad Juárez geführt. Um diese Menschen nach Ablauf des Programms wieder in Arbeit zu bringen, einigten sich die USA und Mexiko auf das BIP. Die USA profitierten vor allem von niedrigen Arbeitskosten und geringen Zöllen 231. Zunächst waren die Unternehmen ausschließlich auf den Export ausgerichtet. Diese Restriktionen wurden ab 1989 schrittweise gelockert232. Seit 2001 können in den Zonen hergestellte Produkte unbeschränkt auch auf dem mexikanischen Markt verkauft werden 233. Spätestens das 1994 in Kraft getretene NAFTA ermöglichte die Einrichtung von Maquiladoras in ganz Mexiko234. Der Großteil der Maquiladoras235 befindet sich dennoch nach wie vor an der US-amerikanischen Grenze236. Die Unternehmen produzieren vor allem Elektronik für den US-amerikanischen Markt237. Zahlreiche multinationale Unternehmen aus den USA haben seit 1994 NAFTA genutzt, um die Fertigung ihrer Produkte nach Mexiko zu verlegen. Die Produktion gleicht einer Enklavenwirt226
Weltbank, Special Economic Zones 2011, S. 2. Begriff Maquiladora Esquivel/Lara, 5 NAFTA Law & Bus. Rev. Am. 589
227 Zum
(1999). 228 Tanner-Rosati, 16 Law & Bus. Rev. Am. 533, 536 (2010). Ausführlich zur Entstehung der Maquiladoraindustrie Kagan, 29 J. of Transnat’l L. & Pol’y 153, 155 ff. (2005). 229 Smith, 13 Berkeley Women’s L. J. 195, 197 (1998); Grimm, 48 Am. U. L. Rev. 179, 182 (1999). 230 Dazu Kagan, 29 J. of Transnat’l L. & Pol’y 153, 155 (2005). 231 Kagan, 29 J. of Transnat’l L. & Pol’y 153, 155 f. (2005). 232 Kagan, 29 J. of Transnat’l L. & Pol’y 153, 156 (2005). 233 Kagan, 29 J. of Transnat’l L. & Pol’y 153, 157 (2005). 234 Gaines, 51 UCLA L. Rev. 143, 167 ff. (2003); Kagan, 29 J. of Transnat’l L. & Pol’y 153, 157 (2005). 235 Heute gibt es über 100 hauptsächlich privat organisierte Zonen, die typischerweise zu großen US-amerikanischen Unternehmen gehören, Goergen, 39 Geo. J. Int’L L. 407, 410 (2007). 236 Goergen, 39 Geo. J. Int’L L. 407, 410 (2007). Laut Linares, 29 N.C. J. Int’L & Com. Reg. 249, 258 (2003) befanden sich 2003 noch 67 Prozent der Unternehmen an der Mexikanisch-Amerikanischen Grenze. 237 Weltbank, Special economic Zones performance, lessons learned, and implications for Zone development, 2008, S. 62.
A. Begriff, Ziele und rechtliche Grundlagen der Arbeit in Freien Exportzonen
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schaft: Weniger als zwei Prozent der Bestandteile eines Endprodukts, welches in die USA exportiert wird, sind ursprünglich in Mexiko hergestellt worden238. (2) Maßgebliches Arbeitsrecht in den Maquiladoras Die Arbeitsbedingungen in mexikanischen Maquiladoras wurden nie abweichend vom nationalen Arbeitsrecht geregelt. Das mexikanische Arbeitsrecht ist daher in den Maquiladoras uneingeschränkt anwendbar. Maßgebliche Quellen des Arbeitsrechts sind Art. 123 Mexikanische Verfassung (Constitución)239 und das Bundesarbeitsgesetz Ley Federal del Trabajo (LFT)240. Art. 123 Constitución garantiert bereits einen beachtlichen Umfang an Arbeitnehmerrechten 241. Das Bundesarbeitsgesetz LFT formt die verfassungsrechtlich garantierten Rechte weiter aus242. Das Problem in mexikanischen Maquiladoras liegt folglich nicht in einem unzureichenden gesetzlichen Schutzniveau, sondern in der Durchsetzung der bestehenden Rechte, die (noch) weniger effektiv betrieben wird als in der übrigen mexikanischen Wirtschaft243. (3) Durchsetzung des Arbeitsrechts in den Maquiladoras (a) Verbot der Diskriminierung aufgrund des Geschlechts (aa) Die Bedeutung von Arbeitnehmerinnen in mexikanischen Maquiladoras Das in der Literatur am häufigsten thematisierte Problem in den mexikanischen Maquiladoras ist die Durchsetzung der Rechte von Arbeitnehmerinnen 244. Mit der 238
Linares, 29 N.C. J. Int’L & Com. Reg. 249, 259 (2003). Política de los Estados Unidos Mexicanos vom 5. 2. 1917, abrufbar im Volltext in spanischer Sprache (Amtssprache) unter: http://pdba.georgetown.edu/Constitutions/Mexico/vigente.html (zuletzt überprüft am 8. 3. 2017). Zur Bedeutung des Art. 123 Constitución Smith, 13 Berkeley Women’s L.J. 195, 206 (1998); Kagan, 29 J. of Transnat’l L. & Pol’y 153, 168 (2005). 240 Ley Federal del Trabajo vom 1. 5. 1970, zuletzt geändert am 30. 11. 2012, abrufbar in spanischer Sprache unter: http://www.ordenjuridico.gob.mx/Documentos/Federal/pdf/ wo9059.pdf (zuletzt überprüft am 8. 3. 2017). Ausführlich zur Entwicklung des mexikanischen Arbeitsrechts Fuhrmann, Mexikanisches Arbeitsrecht, S. 13 ff. 241 Art. 123 Constitución garantiert u.a. die Koalitionsfreiheit, das Streikrecht sowie einen Mindestschutz bei Lohn, Arbeitszeit, Überstundenvergütung, Kinderarbeit, Mutterschutz, Urlaub, Beteiligung an den Gewinnen des Unternehmens, Sicherheit und Gesundheitsschutz, Kündigungsschutz und Diskriminierungsschutz. Dazu Esquivel/Lara, 5 NAFTA Law & Bus. Rev. Am. 589, 593 (1999). 242 Fuhrmann, Mexikanisches Arbeitsrecht, S. 25. Smith, 13 Berkeley Women’s L.J. 195, 206 (1998); Esquivel/Lara, 5 NAFTA Law & Bus. Rev. Am. 589, 594 (1999); Williams, 12 Duke J. Gender L. & Pol’y 131, 138, 144 (2005). 243 Kagan, 29 J. of Transnat’l L. & Pol’y 153, 174 (2005). 244 Ausführlich zu diesem Themenbereich: Smith, 13 Berkeley Women’s L.J. 195, 195 ff. (1998); Tanner-Rosati, 16 Law & Bus. Rev. Am. 533 ff. (2010). 239 Constitución
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3. Kap.: Rechtliche Grundlagen und Schranken in Freien Exportzonen
Entstehung des Maquiladorasektors ergab sich für viele ungelernte junge Frauen erstmals die Möglichkeit, eine Beschäftigung auszuüben 245. Für Arbeitgeber ist diese Gruppe besonders attraktiv: Frauen gelten in Mexiko als geschickter, gehorsamer und fügsamer und sind seltener in Gewerkschaften organisiert als Männer246. Frauen machen den Großteil der Belegschaft in den Maquiladoras aus247. Trotz der steigenden Anzahl berufstätiger Frauen wird die mexikanische Gesellschaft von einem klassischen Rollenbild dominiert: Die Frau als Ehefrau und Mutter (marianismo), die dem Mann untergeordnet ist (machismo)248. Diese Rollenbilder bewirken massive Diskriminierungen gegen arbeitende Frauen249. Einen ersten konkreten Hinweis auf die Diskriminierung von Frauen in mexikanischen Maquiladoras gab ein Bericht von Human Rights Watch im Jahr 1998250. Die Organisation führte Interviews mit zahlreichen Maquiladora-Arbeitnehmerinnen und berichtete von folgenden Praktiken: Arbeitgeber verlangten regelmäßig Schwangerschaftstests im Bewerbungsprozess und verweigerten schwangeren Bewerberinnen die Einstellung251. Wurde eine bereits eingestellte Arbeitnehmerin schwanger, drohte ihr die sofortige Entlassung oder ihr wurden körperlich sehr anstrengende Arbeiten übertragen, um sie so zur Eigenkündigung zu bewegen. Des Weiteren war sexuelle Belästigung von Arbeitnehmerinnen am Arbeitsplatz keine Seltenheit. Diese Praktiken haben sich seit 1998 kaum geändert. Als Grund für das Vorgehen gegen schwangere Arbeitnehmerinnen wird der weitreichende und für den Arbeitgeber kostenintensive Schutz angeführt, den die mexikanische Verfassung und das einfachgesetzliche Recht schwangeren Arbeitnehmerinnen gewähren 252. 245 Der Maquiladorasektor ist neben einer Tätigkeit als Dienstmädchen der einzige Bereich, der für nicht ausgebildete junge Frauen in Mexiko in Betracht kommt, CEDAW Committee, Mexiko 2005, S. 46, Williams, 12 Duke J. Gender L. & Pol’y 131 (2005). Die Arbeit im Maquiladorasektor ist hierbei besser entlohnt und bietet häufig Vorteile wie eine Sozialversicherung, Human Rights Watch, Sex Discrimination in Mexico’s Maquiladora Sector. 246 Williams, 12 Duke J. Gender L. & Pol’y 131 (2005). Ausführlich zum Rollenbild in der mexikanischen Gesellschaft und der Auswirkung auf die Arbeitsbedingungen in Maquiladoras Goergen, 39 Geo. J. Int’L L. 407, 409 f. (2007); Grimm, 48 Am. U. L. Rev. 179, 207 (1999); Smith, 13 Berkeley Women’s L.J. 195, 197 (1998); Tanner-Rosati, 16 Law & Bus. Rev. Am. 533, 534 f., 536 f. (2010). 247 Tanner-Rosati, 16 Law & Bus. Rev. Am. 533, 538 (2010). 248 Ausführlich Speas, 12 L. & Bus. Rev. Am. 83, 86 (2006). 249 Speas, 12 L. & Bus. Rev. Am. 83, 86 (2006). 250 Human Rights Watch, Sex Discrimination in Mexico’s Maquiladora Sector; Myamoto Faber, Colum. J. Gender & L. 2007, 297 (300). 251 Goergen, 39 Geo. J. Int’L L. 407, 414 (2007); Linares, 29 N.C. J. Int’L & Com. Reg. 249, 280 (2003); Smith, 13 Berkeley Women’s L.J. 195, 197 (1998); Tanner-Rosati, 16 Law & Bus. Rev. Am. 533, 539 f. (2010); Williams, 12 Duke J. Gender L. & Pol’y 131, 132, 135 (2005). 252 Art. 123A Abs. 5 Constitución verpflichtet den Arbeitgeber zu zwölf Wochen bezahltem Mutterschutz und regelmäßigen Stillpausen. Dazu Bremer, 5 NAFTA Law & Bus.
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(bb) Diskriminierungen im Bewerbungsprozess Ob Schwangerschaftstests im Bewerbungsverfahren gegen mexikanisches Recht verstoßen war lange umstritten 253. Die Verfassung und das Bundesarbeitsgesetz verbieten an zahlreichen Stellen die Diskriminierung aufgrund des Geschlechts: Art. 4 Constitución 254 stellt Männer und Frauen vor dem Gesetz gleich. Art. 3 LFT255 verbietet die Diskriminierung von Arbeitnehmern aufgrund ihres Geschlechts. Art. 164 Abs. 1 LFT256 schreibt für Frauen und Männer die gleichen Rechte und Pflichten im Arbeitsverhältnis vor. Art. 133 LFT257 verbietet es, die Einstellung aufgrund des Geschlechts zu verweigern. Das Bundesarbeitsgesetz stellte bislang jedoch an keiner Stelle das Kriterium „Schwangerschaft“ der Diskriminierung wegen des Geschlechts gleich258. Während überzeugend argumentiert wurde, dass es sich bei der Diskriminierung aufgrund einer Schwangerschaft um eine Diskriminierung wegen des Geschlechts handle259, wurde von der Gegenseite darauf verwiesen, dass es an einer ausdrücklichen Gleichstellung im Gesetz eben gerade fehle260. Es spricht viel dafür, die DiskrimiRev. Am. 567, 579 ff. (1999); Esquivel/Lara, 5 NAFTA Law & Bus. Rev. Am. 589, 599 f. (1999); Smith, 13 Berkeley Women’s L.J. 195, 200 (1998); Williams, 12 Duke J. Gender L. & Pol’y 131, 139 (2005). 253 Für eine Verletzung des mexikanischen Rechts Smith, 13 Berkeley Women’s L.J. 195, 207 (1998); Williams, 12 Duke J. Gender L. & Pol’y 131, 137 ff. (2005), mit dem Argument, dass es sich um eine Diskriminierung wegen des Geschlechts handle, dagegen: Tanner-Rosati, 16 Law & Bus. Rev. Am. 533, 541 (2010) (ohne weitere Begründung). 254 Art. 4 Abs. 1 Constitución: „El varón y la mujer son iguales ante la ley.“ 255 Art. 3 LFT: “[…] No podran establecerse condiciones que impliquen discriminación entre los trabajadores por motivo de […] género […]. 256 Art. 164 LFT: „Las mujeres disfrutan los mismos derechos y tienen las mismas obligaciones que los hombres.“ 257 Art. 133 Abs. 1 LFT: „Queda prohibido a los patrones o a sus representantes: Negarse a aceptar trabajadores por razón de […] género, […]“ 258 Smith, 13 Berkeley Women’s L.J. 195, 207 (1998). Ausführlich zur Frage, ob das mexikanische Recht und das maßgebliche Völkerrecht die Diskriminierung aufgrund der Schwangerschaft im Bewerbungsverfahren vor der Reform von 2012 verbieten, Williams, 12 Duke J. Gender L. & Pol’y 131, 137 ff. (2005). 259 Bremer, 5 NAFTA Law & Bus. Rev. Am. 567 (1999); Myamoto Faber, 16 Colum. J. Gender & L 297, 300 (2007); Smith, 13 Berkeley Women’s L.J. 195, 207 (1998); Williams, 12 Duke J. Gender L. & Pol’y 131, 139 (2005). 260 So wurde sowohl Title VII des U.S. Civil Rights Acts von 1964 durch den Pregnancy Discrimination Act 1978 ausdrücklich dahingehend ergänzt, dass die Unterscheidung anhand des Kriteriums Schwangerschaft eine Diskriminierung wegen des Geschlechts sei, 42 US Code 2002 (k), und auch die Europäischen Antidiskriminierungsrichtlinien stellen die Schwangerschaft ausdrücklich dem Merkmal Geschlecht gleich: Art. 2 Abs. 7 RL 76/207/ EWG, MüKoBGB/Thüsing, Bd. 1, AGG, § 3 Rn. 19. Zur Ergänzung von Title VII Blair, 2 Geo. J. Gender & L. 595, 597 f. (2000 – 2001). Zu weiteren Beispielen Myamoto Faber, Colum. J. Gender & L. 2007, 297 (311 ff.).
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nierung aufgrund der Schwangerschaft stets als mittelbare oder sogar unmittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts anzusehen, da ausschließlich Frauen schwanger werden und somit Nachteile aus diesem Grund erfahren können. Einer ausdrücklichen Gleichstellung des Merkmals Schwangerschaft mit Geschlecht bedarf es nicht. Dieser Ansicht wurde in Mexiko jedoch ganz massiv entgegengetreten. Da das mexikanische Arbeitsrecht insgesamt eine sehr detallierte Regelung erfahren habe, sei die nicht erfolgte Gleichstellung des Merkmals Schwangerschaft mit dem Geschlecht zugunsten der Zulässigkeit von Schwangerschaftstests auszulegen261. Im Zuge der jüngsten Überarbeitung des Gesetzes im Jahr 2012 wurde die Frage ausgiebig diskutiert und das Bundesarbeitsgesetz an mehreren Stellen ergänzt262: Art. 56 LFT263 verbietet nun ausdrücklich die Diskriminierung aufgrund von Schwangerschaft bei grundlegenden Arbeitsbedingungen. Problematisch ist allerdings, dass nach überwiegender Ansicht der Schutz des Art. 56 LFT erst ab Bestehen eines Arbeitsverhältnisses greift264. Damit fiele der Bewerbungsprozess gerade nicht unter diese Regelung. Somit kommt es maßgeblich auf die Auslegung des Art. 133 LFT an, der sich auf den Vorgang der Einstellung bezieht. Hier wurde eine dem Art. 56 LFT entsprechende Ergänzung zunächst diskutiert, im weiteren Gesetzgebungsprozess jedoch verworfen. Letzlich wurde, anstatt das Kriterium der Schwangerschaft in Art. 133 Abs. 1 LFT neben dem Geschlecht als weiteres Diskriminierungskriterium einzufügen, in Abs. 14265 speziell das Verlangen von ärztlichen Nachweisen des Nichtbestehens einer Schwangerschaft für die Einstellung, den Verbleib im Beruf und die Beförderung untersagt266. Somit dürfte nach der jetzigen Rechtslage jedenfalls feststehen, dass Schwangerschaftstests im Bewerbungsprozess gegen Art. 133 Abs. 14 LFT verstoßen 267. 261
Bremer, 5 NAFTA Law & Bus. Rev. Am. 567, 577 (1999). des Reformverfahrens sind in spanischer Sprache abrufbar unter: http:// www.diputados.gob.mx/LeyesBiblio/ref/lft.htm (zuletzt überprüft am 8. 3. 2017). 263 Art. 56 LFT „Las condiciones de trabajo basadas en el principio de igualdad sustantiva entre mujeres y hombres en ningún caso podrán ser inferiores a las fijadas en esta Ley […], sin que puedan establecerse diferencias y/o exclusiones por […] condiciones de embarazo […]“. 264 Williams, 12 Duke J. Gender L. & Pol’y 131, 145 (2005). 265 Art. 133 Abs. 14 LFT: „Queda prohibido a los patrones o a sus representantes […] exigir la presentación de certificados médicos de no embarazo para el ingreso, permanencia o ascenso en el empleo.“ 266 Siehe Protokolle des Reformverfahrens (Fn. 262), Vorschlag zur Änderung des Art. 133 LFT vom 1. 9. 2012 und die entsprechende Änderung im Vorschlag vom 30. 10. 2012. 267 Mexiko hatte die Schwangerschaft als unzulässiges Unterscheidungskriterium bereits im 2003 erlassenen Antidiskriminierungsgesetz genannt: Ley Federal para Prevenir y Eliminar la Discriminación vom 11. 6. 2003, abrufbar unter: http://www.normateca.gob.mx/ Archivos/ DECRETO%20POR%20EL%20QUE%20SE%20EXPIDE%20LA%20LEY%20 FEDERAL%20PARA%20PREVENIR%20Y%20ELIMINAR%20LA%20DISCRIMINACION.PDF (zuletzt überprüft am 8. 3. 2017). Art. 4: „Para los efectos de esta Ley se entenderá por discriminación toda distinción, exclusión o restricción que, basada en […] emba262 Protokolle
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Zahlreiche Stimmen sehen in der Aufforderung zu Schwangerschaftstests innerhalb eines Bewerbungsprozesses zudem einen Verfassungsverstoß268. Zum einen sei diese Praxis mit dem Gleichheitsgebot des Art. 4 Constitución nicht zu vereinbaren269. Zum anderen werde die Bewerberin um ihre durch Art. 4 Constitución garantierte freie Entscheidung über die Familiengründung270 gebracht271. Außerdem wird aus Art. 5 Abs. 1 Constitución (freie Entscheidung über die Berufswahl)272 und Art. 1 Constitución (Diskriminierungsverbot)273 das Recht von Frauen auf Arbeit gelesen. Dieses verbiete die Diskriminierung von Frauen im Bewerbungsprozess, worunter auch eine Diskriminierung aufgrund der Schwangerschaft zu fassen sei274. Mexikanische Arbeitgeber rechtfertigen die Praxis der Schwangerschaftstests unter Berufung auf Art. 123A Abs. 5 Constitución 275, welcher besagt, dass Frauen während einer Schwangerschaft keine Arbeit ausüben sollen, die besonderen Aufwand erfordert und die Schwangerschaft gefährdet. Die Schwangerschaftstests seien demnach Schutzmechanismen, um Frauen vor zu schwerer und gesundheitsgefährdender Arbeit zu bewahren276. Unabhängig davon, ob zusätzlich eine Verletzung der mexikanischen Verfassung angenommen wird, verstoßen Schwangerschaftstests im Bewerbungsprozess jedenfalls seit der Novellierung des Bundesarbeitsgesetzes gegen die Regelung des razo […].“ Dieses Gesetz erweist sich jedoch als wenig hilfreich, um die Diskriminierung von schwangeren Arbeitnehmerinnen zu verhindern, da es keine Möglichkeit bietet, gegen private Arbeitgeber vorzugehen, sondern sich lediglich an den Staat wendet, Tanner-Rosati, 16 Law & Bus. Rev. Am. 533, 542 (2010); Williams, 12 Duke J. Gender L. & Pol’y 131, 149 (2005). 268 Smith, 13 Berkeley Women’s L.J. 195, 207 (1998); a.A. Tanner-Rosati, 16 Law & Bus. Rev. Am. 533, 542 f. (2010), die ohne weitere Begründung feststellt, dass Schwangerschaftstests im Bewerbungsprozess unter mexikanischem Recht nicht verboten sind. 269 Bremer, 5 NAFTA Law & Bus. Rev. Am. 567, 576 (1999); Williams, 12 Duke J. Gender L. & Pol’y 131, 137 (2005). 270 Art. 4 Abs. 2 Constitución: „Toda persona tiene derecho a decidir de manera libre, responsable e informada sobre el número y el espaciamiento de sus hijos.“ 271 Williams, 12 Duke J. Gender L. & Pol’y 131, 137 (2005). 272 Art. 5 Abs. 1 Constitución: „A ninguna persona podrá impedirse que se dedique a la profesión, industria, comercio o trabajo que le acomode, siendo lícitos.“ 273 Art. 1 Abs. 3 Constitución: „Queda prohibida toda discriminación motivada por. el género.“ 274 Goergen, 39 Geo. J. Int’L L. 407, 408 (2007); Tanner-Rosati, 16 Law & Bus. Rev. Am. 533, 541 f. (2010); Williams, 12 Duke J. Gender L. & Pol’y 131, 138 (2005). 275 Art. 123A Abs. 5 Constitución: „Las mujeres durante el embarazo no realizarán trabajos que exijan un esfuerzo considerable y signifiquen un peligro para su salud en relación con la gestación.“ 276 Williams, 12 Duke J. Gender L. & Pol’y 131, 138 f. (2005), die sich gegen eine solche Interpretation generell wendet und nur in seltenen Fällen von körperlich sehr anstrengender Arbeit Schwangerschaftstests zulässt, um entsprechende Schutzmaßnahmen zugunsten der betroffenen Arbeitnehmerin zu treffen.
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Art. 133 Abs. 14 LFT. Fragen nach der Schwangerschaft, Verhütungsmethoden und sexueller Aktivität dürften aufgrund des ausgeprägten Diskriminierungsschutzes und Schutzes werdender Mütter sowohl im Bundesarbeitsgesetz als auch in der Verfassung ebenfalls unzulässig sein 277. (cc) Diskriminierung von schwangeren Arbeitnehmerinnen Auch während des Arbeitsverhältnisses werden Frauen etwa alle drei Monate aufgefordert, einen Schwangerschaftstest durchzuführen 278. Die Anordnung von Schwangerschaftstests während des Arbeitsverhältnisses verstößt ebenfalls gegen die Regelung des Art. 133 Abs. 14 LFT. Wird eine Schwangerschaft festgestellt, droht die Übertragung besonders anstrengender Arbeit, um die Arbeitnehmerin zur Eigenkündigung zu bewegen 279. Art. 123A Abs. 5 Constitución 280 und Art. 170 Abs. 1 LFT281 verbieten schwere und gesundheitsgefährdende Arbeit während der Schwangerschaft. Zudem verpflichtet Art. 172 LFT Arbeitgeber dazu, schwangeren Arbeitnehmerinnen eine Arbeit im Sitzen anzubieten 282. Somit verstößt auch diese Praxis gegen Mexikanisches Recht283. Weiterhin sind auch Kündigungen durch den Arbeitgeber wegen einer bestehenden Schwangerschaft nicht unüblich284. Arbeitgeberseitige Kündigungen bedürfen in Mexiko stets eines Kündigungsgrundes285. Fehlt es an einem solchen, 277
Bremer, 5 NAFTA Law & Bus. Rev. Am. 567, 569 (1999). ICFTU, Behind the Brand Names, S. 12. 279 Goergen, 39 Geo. J. Int’L L. 407, 414 f. (2007); Smith, 13 Berkeley Women’s L.J. 195, 198 (1998); Tanner-Rosati, 16 Law & Bus. Rev. Am. 533, 540 (2010); Williams, 12 Duke J. Gender L. & Pol’y 131, 135 (2005). 280 Siehe oben Fn. 275. 281 Art. 170 Abs. 1 LFT: „Durante el período del embarazo, no realizarán trabajos que exijan esfuerzos considerables y signifiquen un peligro para su salud en relación con la gestación, tales como levantar, tirar o empujar grandes pesos, que produzcan trepidación, estar de pie durante largo tiempo o que actúen o puedan alterar su estado psíquico y nervioso.“ 282 Art. 172 LFT: „En los establecimientos en que trabajen mujeres, el patrón debe mantener un número suficiente de asientos o sillas a disposición de las madres trabajadoras.“ 283 Bremer, 5 NAFTA Law & Bus. Rev. Am. 567, 577 (1999); Smith, 13 Berkeley Women’s L.J. 195, 208 (1998). 284 Linares, 29 N.C. J. Int’L & Com. Reg. 249, 280 f. (2003); Williams, 12 Duke J. Gender L. & Pol’y 131, 135 (2005). 285 Esquivel/Lara, 5 NAFTA Law & Bus. Rev. Am. 589, 596, 601 (1999). Neben Kündigungen kann der Arbeitgeber ein Arbeitsverhältnis auch durch Widerruf beenden oder es für eine gewisse Zeit ohne Pflicht zur Lohnzahlung suspendieren. Letzteres kann z.B. bei vorübergehender Krankheit zulässig sein: Art. 42 LFT: „Son causas de suspensión temporal de las obligaciones de prestar el servicio y pagar el salario, […]: I. La enfermedad contagiosa del trabajador; II. La incapacidad temporal ocasionada por un accidente o enfermedad […].“ Ein Widerruf kann bei einem Fehlverhalten des Arbeitnehmers möglich sein, Art. 47 LFT: 278
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kann der Arbeitnehmer wahlweise eine Abfindung oder die Wiederherstellung seines Arbeitsverhältnisses verlangen 286. Eine Kündigung aus Gründen der Person kann nur bei einer dauerhaften physischen oder psychischen Unfähigkeit, die Arbeit auszuführen, gerechtfertigt sein287. Die Schwangerschaft kann somit keine Kündigung rechtfertigen 288. Zudem garantiert Art. 123A Abs. 5 Constitución, dass eine schwangere Arbeitnehmerin ihren Lohn, ihren Arbeitsplatz und die vor der Schwangerschaft erworbenen Rechte in vollem Umfang behält289. Die Kündigung einer schwangeren Arbeitnehmerin verstößt folglich gegen das mexikanische Arbeitsrecht290. (dd) Sexuelle Belästigung von Arbeitnehmerinnen Sexuelle Belästigung von Arbeitnehmerinnen ist in Mexiko allgemein verbreitet, in den Maquiladoras jedoch in besonders starkem Ausmaß291. Teilweise machen Arbeitgeber sexuelle Gefälligkeiten zur Bedingung für eine Beschäftigung oder für bestimmte Zusatzleistungen (sog. quid pro quo harassment). Häufig wird auch von unerwünschten Annäherungsversuchen berichtet, die Frauen in ihrer Fähigkeit, ihre Arbeit zu verrichten, einschränken (sog. hostile work environment harassment)292. Als Ursache wird auf das traditionelle Frauenbild in Mexiko ver„Son causas de rescisión de la relación de trabajo, […]: II. Incurrir el trabajador, durante sus labores, en faltas de probidad u honradez, en actos de violencia, amagos, injurias o malos tratamientos en contra del patrón, sus familiares o del personal directivo o administrativo de la empresa o establecimiento, o en contra de clientes y proveedores del patrón, salvo que medie provocación o que obre en defensa propia; III. Cometer el trabajador contra alguno de sus compañeros, cualquiera de los actos enumerados en la fracción anterior, si como consecuencia de ellos se altera la disciplina del lugar en que se desempeña el trabajo; […].“ Auch für diese Maßnahmen stellt die Schwangerschaft folglich keinen zulässigen Grund dar. 286 Esquivel/Lara, 5 NAFTA Law & Bus. Rev. Am. 589, 601 (1999). 287 Art. 53 LFT: „Son causas de terminación de las relaciones de trabajo: […] IV. La incapacidad física o mental o inhabilidad manifiesta del trabajador, que haga imposible la prestación del trabajo“. 288 Smith, 13 Berkeley Women’s L.J. 195, 209 (1998); Tanner-Rosati, 16 Law & Bus. Rev. Am. 533, 542 (2010); Goergen, 39 Geo. J. Int’L L. 407, 413 (2007). 289 Art. 123A lit. V Constitución: “Las mujeres durante el embarazo […] debiendo percibir su salario íntegro y conservar su empleo y los derechos que hubieren adquirido por la relación de trabajo […].“ 290 Smith, 13 Berkeley Women’s L.J. 195, 209 (1998); Tanner-Rosati, 16 Law & Bus. Rev. Am. 533, 542 (2010). Dies wurde von Seiten Mexikos bereits im Zuge des NAO-Verfahrens 1998 anerkannt, Williams, 12 Duke J. Gender L. & Pol’y 131, 136 (2005). 291 Speas, 12 L. & Bus. Rev. Am. 83, 84 (2006). Studien haben ergeben, dass vier von zehn Arbeitnehmerinnen ihren Arbeitsplatz wegen sexueller Belästigung aufgeben und sexuelle Belästigung auch Hintergrund von einem Viertel aller arbeitgeberseitigen Kündigungen ist, Tanner-Rosati, 16 Law & Bus. Rev. Am. 533, 538 (2010); Goergen, 39 Geo. J. Int’L L. 407, 413 (2007). 292 Speas, 12 L. & Bus. Rev. Am. 83, 85 (2006).
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wiesen 293: Die berufstätige Frau ist nach wie vor ein Fremdkörper in der mexikanischen Gesellschaft und wird als dem Mann untergeordnet angesehen. Belästigungen werden als Mittel zur Unterdrückung und Kontrolle der Arbeitnehmerinnen eingesetzt – auch um sie davon abzuhalten sich in Gewerkschaften zu organisieren 294. Bis zu der Reform im Jahr 2012 wurde sexuelle Belästigung im LFT nicht thematisiert295. Nun verbieten Art. 133 Abs. 12296 und Abs. 13 LFT297 die sexuelle Belästigung durch den Arbeitgeber bzw. das Dulden sexueller Belästigungen durch Dritte298. Sexuelle Belästigungen können zudem eine arbeitgeberseitige299 bzw. eine arbeitnehmerseitige300 Kündigung rechtfertigen. Die mexikanische Regierung hatte bereits 2004 anerkannt, dass es sich bei der sexuellen Belästigung am Arbeitsplatz um eine Diskriminierung handelt301, die gegen die mexikanische Verfassung und das Bundesarbeitsgesetz verstößt302. (b) Koalitionsfreiheit Neben der unzureichenden Durchsetzung der Rechte von Arbeitnehmerinnen ist die Einschränkung der Koalitionsfreiheit wohl das meistdiskutierte Problem in mexikanischen Maquiladoras. Auch hier mangelt es nicht an verfassungsrecht293
Speas, 12 L. & Bus. Rev. Am. 83, 86 (2006). Goergen, 39 Geo. J. Int’L L. 407, 413 (2007); Speas, 12 L. & Bus. Rev. Am. 83, 87 (2006); Tanner-Rosati, 16 Law & Bus. Rev. Am. 533, 538 f. (2010). 295 Speas, 12 L. & Bus. Rev. Am. 83, 89 (2006); Tanner-Rosati, 16 Law & Bus. Rev. Am. 533, 542 (2010), die jedoch beide auch auf Grundlage des damaligen Rechts von der Rechtswidrigkeit dieser Praxis ausgingen. 296 Art. 133 Abs. 12 LFT: „[Queda prohibido a los patrones o a sus representantes:] Realizar actos de […] acoso sexual contra cualquier persona en el lugar de trabajo.“ 297 Art. 133 Abs. 13 LFT: „[Queda prohibido a los patrones o a sus representantes:] Permitir o tolerar actos de […] acoso sexual en el centro de trabajo.“ 298 Wird hiergegen verstoßen kann – wie auch im Falle einer Diskriminierung – dem Arbeitgeber eine Geldbuße auferlegt werden, vgl. Art. 994 Abs. 6 LFT: „[…] Se impodrá multa, por el equivalente a:] De 250 a 5000 veces el salario minimo general, al padrón que realice actos de hostagimiento sexual o que tolere o permita actos de acoso o hostagimiento sexual en contra sus trabajadores.“ 299 Art. 47 Abs. 8 LFT: „[Son causas de rescisión de la relación de trabajo, sin responsabilidad para el patrón:] Cometer el trabajador actos inmorales o de hostigamiento y/o acoso sexual contra cualquier persona en el establecimiento o lugar de trabajo.“ 300 Art. 51 Abs. 2 LFT: „[Son causas de rescisión de la relación de trabajo, sin responsabilidad para el trabajador:] Incurrir el patrón, sus familiares o cualquiera de sus respresentantes, dentro del servicio, […] hostagimiento y/o acoso sexual […].“ 301 Zur Frage, ob sexuelle Belästigung eine Diskriminierung oder eine Form der sexuellen Gewalt darstellt, Speas, 12 L. & Bus. Rev. Am. 83, 85 (2006). 302 Instituto Nacional de las Mujeres, Las Mexicanas y el Trabajo III, S. 13; siehe dazu auch Goergen, 39 Geo. J. Int’L L. 407, 412 (2007). 294
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lichen Garantien: Die mexikanische Verfassung gewährleistet sowohl die Koalitionsfreiheit303 als auch das Streik- und Aussperrungsrecht304. Zudem gibt es im ganzen Land zahlreiche Gewerkschaften, viele davon offiziell zugänglich für die Arbeitnehmer in den Maquiladoras. Von Seiten des Staates wird jedoch versucht, mittels staatlich gesteuerter Gewerkschaften der Bildung von freien Gewerkschaften entgegenzuwirken, um einen reibungslosen Betriebsablauf in den Maquiladoras zu gewährleisten305. Dadurch existieren heute in den Maquiladoras kaum unabhängige Gewerkschaften306. Die staatsnahen Gewerkschaften agieren in der Regel sehr arbeitgeberfreundlich und werden so eher zum Gegenspieler der Arbeitnehmer307. Auch die Maquiladoraleitung trägt ihren Teil zur Behinderung unabhängiger Gewerkschaften bei308. Häufig wird mit einer arbeitgeberfreundlichen Gewerkschaft innerhalb eines Tarifvertrags eine Vereinbarung getroffen, dass Einstellungsvoraussetzung die Mitgliedschaft in der tarifschließenden Gewerkschaft ist und dass Arbeitnehmer, die nicht mehr Mitglied der Gewerkschaft sind, entlassen werden müssen309. Arbeitnehmer, die anstreben, sich in einer unabhängigen Gewerkschaft zu organisieren, werden auf schwarze Listen gesetzt und haben so in Zukunft kaum Chancen, in einem anderen Unternehmen Anstellung zu finden(sog. blacklisting)310. Auch Kündigungen aufgrund einer Gewerkschaftsmitgliedschaft oder wegen Versuchen, eine unabhängige Gewerkschaft zu gründen, sind verbreitet311. Sogar zu Betriebsschließungen soll es gekommen sein, um die Gründung einer Gewerkschaft zu unterbinden312.
303 Art. 123A Abs. 16 Constitución: „Tanto los obreros como los empresarios tendrán derecho para coaligarse en defensa de sus respectivos intereses, formando sindicatos, asociaciones profesionales, etc.„ Die Art. 354 ff. LFT regeln die Koalitionsfreiheit einfachgesetzlich. Art. 357 LFT ermöglicht die Gewerkschaftsgründung ohne Einholung einer vorherigen Erlaubnis: “Los trabajadores y los patrones tienen el derecho de constituir sindicatos, sin necesidad de autorización previa.“ 304 Art. 123 Abs. 17 Constitución: „Las leyes reconocerán como un derecho de los obreros y de los patronos, las huelgas y los paros.“ Einfachgesetzlich wird das Streikrecht durch die Art. 440 ff. LFT ausgeformt. 305 ICFTU, Behind the Brand Names, S. 9. 306 Kagan, 29 J. of Transnat’l L. & Pol’y 153, 166 (2005). 307 Fuhrmann, Mexikanisches Arbeitsrecht, S. 123 f.; Kagan, 29 J. of Transnat’l L. & Pol’y 153, 170 (2005). 308 Rodríguez-Garavito, 33 Politics & Society 203, 214 (2005). 309 Vgl. ILO Case No. 2393 (Mexico). 310 Rodríguez-Garavito, 33 Politics & Society 203, 214 (2005). 311 ICFTU, Behind the Brand Names, S. 10 berichtet von einem Fall in Mexiko aus dem Jahr 2003. Nachdem 800 der 1300 Arbeitnehmer in einem Betrieb in Ajalpan gestreikt hatten, wurden 300 davon entlassen. 312 ICFTU, Behind the Brand Names, S. 11; Zu diesen und weiteren Maßnahmen Broscheit, Freie Produktionszonen, S. 16.
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(c) Arbeitsschutz Auch der Arbeitsschutz in den Maquiladoras wird kritisiert313: Es fehle an notwendiger Ausrüstung und Ausbildung der Arbeitnehmer, obwohl diese häufig mit gefährlichen Chemikalien arbeiten314. Studien zeigen ein erhöhtes Aufkommen chronischer Krankheiten315 und Fehlbildungen bei Kindern von in den Maquiladoras beschäftigten Arbeitnehmerinnen316. Theoretisch verpflichtet die Verfassung Arbeitgeber, die vorgeschriebenen Hygiene- und Sicherheitsstandards einzuhalten und angemessene Maßnahmen zur Unfallverhütung zu ergreifen317. (d) Lohn Zum Thema Lohn finden sich widersprüchliche Informationen. Teilweise wird bemängelt, dass der gesetzlich vorgeschriebene Mindestlohn nicht gewährt werde318. Überwiegend wird jedoch darauf verwiesen, dass die Löhne innerhalb der Maquiladoras häufig höher sind als außerhalb319. (4) Zwischenergebnis Das mexikanische Arbeitsrecht ist umfassend geregelt und gewährleistet einen sehr ausgeprägten Arbeitnehmerschutz. Bereits auf verfassungsrechtlicher Ebene werden auffallend viele und detaillierte Arbeitnehmerrechte gewährleistet. Das Bundesarbeitsgesetz gestaltet diese zusätzlich sehr detailliert aus. Die Rechte von Arbeitnehmerinnen (Diskriminierungs- und Mutterschutz) sowie die Koalitionsfreiheit und der Arbeitsschutz, werden jedoch von den Arbeitgebern in Maquiladorabetrieben mehrheitlich nicht beachtet und von Seiten des Staates fehlt es an einer effizienten Rechtsdurchsetzung.
313
ICFTU, Behind the Brand Names, S. 9. Milberg/Amengual, Economic Development and Working Conditions in EPZ, S. 35; Kagan, 29 J. of Transnat’l L. & Pol’y 153, 158 f. (2005). 315 Kagan, 29 J. of Transnat’l L. & Pol’y 153, 161 (2005). 316 Kagan, 29 J. of Transnat’l L. & Pol’y 153, 162 (2005). 317 Art. 123A Abs. 15 Constitución: „El patrón estará obligado a observar […] los preceptos legales sobre higiene y seguridad en las instalaciones de su establicimiento, y a adoptar las medidas adecuadas para prevenir accidentes en el uso de las máquinas, instrumentos y materiales de trabajo […].“ Art. 475 bis. LFT weist dem Arbeitgeber ebenfalls die Verantwortung zur Unfallverhütung und Gewährleistung sicherer und hygienischer Arbeitsbedingungen zu: „El patrón es responsable de las seguridad e higiene y de la prevención de los riesgos en el trabajo […]“. 318 Linares, 29 N.C. J. Int’L & Com. Reg. 249, 280 (2003). 319 CEDAW Committee, Mexiko 2005, S. 50; ICFTU, Behind the Brand Names, S. 46. 314
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bb) Dominikanische Republik (1) Freie Exportzonen in der Dominikanischen Republik Die Dominikanische Republik versuchte ebenfalls früh, bereits 1969, Freie Exportzonen zu etablieren. Die Unternehmen in den Zonen konnten jedoch erst Mitte der 1980er Jahre entscheidend wachsen, was vor allem mit einer Ausweitung der Handelsanreize an die Staaten der Karibik durch die 1983 ins Leben gerufene erste Phase der Caribbean Basin Initiative (CBI) der USA zusammenhing320. Unter dem CBI können karibische Staaten Waren zollfrei in die USA exportieren. Nachdem die Einführung des NAFTA 1994 Mexiko einen entscheidenden Vorteil vor den karibischen Staaten verschafft hatte, wurden die Anreize unter der CBI im Jahr 2000 noch einmal ausgeweitet321. Diese Vorteile haben zu steigenden Investitionen US-amerikanischer Unternehmen in den Freien Exportzonen der Dominikanischen Republik geführt322. Das Land konnte insbesondere wegen seines großen Angebots an unqualifizierten und damit günstigen Arbeitnehmern zahlreiche Unternehmen anlocken323. Zudem trat die Dominikanische Republik 2004 dem Freihandelsabkommen CAFTA324 bei. Heute produzieren die Zonenunternehmen hauptsächlich Textilien und Kleidung für den US-amerikanischen Markt. (2) Maßgebliches Arbeitsrecht in den Freien Exportzonen Die Freien Exportzonen werden durch Ley No. 8 – 90 sobre el Fomento de Zonas Francas (Ley 8 – 90)325 geregelt. Art. 41 Ley 8 – 90 bindet die Unternehmen in den Freien Exportzonen ausdrücklich an die nationalen Arbeitsgesetze326, insbesondere 320 Linares, 29 N.C. J. Int’L & Com. Reg. 249, 262 (2003). Zur Entwicklung der Freien Exportzonen in der Dominikanischen Republik Willmore, 23 World Development 529 f. (1995). 321 Linares29 N.C. J. Int’L & Com. Reg. 249, 261 (2003). Die Caribbean Basin Initiative bestand aus drei Phasen: 1. der 1983 verabschiedete Caribbean Basin Economic Recovery Act (CBERA), Pub. L. No. 98 – 67 (1983), 19 U.S.C. §§2701 – 2706 & 2652; 2. der 1990 verabschiedete Caribbean Basin Economic Recovery Expansion Act, 19 U.S.C. § 2701 (Supp. 1990) und 3. der United-States Caribbean Basin Trade Partnership Act (CBTPA), § 201 des Trade and Development Act of 2002, Pub. L. No. 106 – 200, 114 Stat. 251 (2000). Dazu auch Dypsky, 12 J. Transnat’l L. & Pol’y 95, 96 ff. (2002). 322 Linares, 29 N.C. J. Int’L & Com. Reg. 249, 262 (2003); Dypsky, 12 J. Transnat’l L. & Pol’y 95, 122 (2002). 323 Linares, 29 N.C. J. Int’L & Com. Reg. 249, 262 (2003). 324 Zum CAFTA vertiefend unten 3. Kap. B. IV. 3. b) bb) (2). 325 Ley No. 8 – 90 sobre el Fomento de Zonas Francas vom 15. 1. 1990, abrufbar im Volltext in spanischer Sprache (Amtssprache) unter: http://www.ilo.org/dyn/natlex/docs/WEBTEXT/39779/64950/S90DOM01.htm (zuletzt überprüft am 8. 3. 2017). 326 Art. 41 Ley No. 8 – 90: „Las operadoras y las empresas instaladas en las zonas francas de exportación acogidas a la protección de esta Ley, deberán cumplir con todas las leyes, reglamentaciones y disposiciones vigentes que están consagradas en el Código de Trabajo y las leyes laborales […].“
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den Código de Trabajo327. Art. 226 Código de Trabajo328 enthält selbst lediglich eine einzige Sonderregelung für Unternehmen in freien Exportzonen: Diese sind von der Pflicht befreit, 10 Prozent des Jahresgewinns an die Arbeitnehmerschaft auszuzahlen329. Abgesehen hiervon sind die Arbeitsbedingungen in den Zonen formal gesehen nicht schlechter als die außerhalb330. Auch hier bestehen jedoch Probleme bei der effektiven Durchsetzung331. (3) Durchsetzung des Arbeitsrechts in den Freien Exportzonen (a) Verbot der Diskriminierung aufgrund des Geschlechts Wie in den mexikanischen Maquiladoras ist auch in der Dominikanischen Republik die Situation weiblicher Bewerberinnen und Arbeitnehmerinnen höchst problematisch. Auch hier sind Schwangerschaftstests bei der Einstellung sowie Kündigungen aufgrund einer bestehenden Schwangerschaft üblich332. Darüber hinaus erhalten Frauen zumeist niedrigere Löhne als Männer333. Die Verfassung der Dominikanischen Republik334 garantiert die Gleichheit von Frauen und Männern im Arbeitsleben335 und der Código de Trabajo unterstreicht dieses Prinzip sowohl in den Erwägungsgründen336 als auch in Art. 231337. Die 327 Código de Trabajo, aktuelle Fassung vom 29. 5. 1992 im Volltext und in spanischer Sprache abrufbar unter: http://www.ilo.org/dyn/natlex/docs/WEBTEXT/29744/64852/ S92DOM01.htm (zuletzt überprüft am 8. 3. 2017). 328 Art. 226 Código de Trabajo: „Quedan exceptuados de pagar el salario de participación en los beneficios: […] las empresas de zonas francas.“ 329 Art. 223 Código de Trabajo: „Es obligatorio para toda empresa otorgar una participación equivalente al diez por ciento de las utilidades o beneficios netos anuales a todos sus trabajadores por tiempo indefinido.“ 330 Willmore, 23 World Development 529, 530 (1995). 331 Linares, 29 N.C. J. Int’L & Com. Reg. 249, 278 ff. (2003). 332 Human Rights Watch, Pregnancy-Based Sex Discrimination in the Dominican Republic’s Free Trade Zones; ICFTU, Behind the Brand Names, S. 27; Myamoto Faber, 16 Colum. J. Gender & L. 297, 322 f. (2007). 333 Human Rights Watch, Pregnancy-Based Sex Discrimination in the Dominican Republic’s Free Trade Zones; ICFTU, Behind the Brand Names, S. 27; Myamoto Faber, 16 Colum. J. Gender & L. 297, 322 f. (2007). 334 Constitución de la República Dominicana, votada y proclamada en fecha 26 de enero de 2010, im Volltext und in spanischer Sprache abrufbar unter: http://pdba.georgetown.edu/ Constitutions/DomRep/vigente.html (zuletzt überprüft am 8. 3. 2017). 335 Art. 62 Abs. 1 Constitución: „El Estado garantiza la igualdad y equidad de mujeres y hombres en el ejercicio del derecho al trabajo.“ 336 Principio VII: „Se prohíbe cualquier discriminación, exclusión o preferencia basada en motivos de sexo […].“; Principio X: „La trabajadora tiene los mismos derechos y obligaciones que el trabajador.“ 337 Art. 231 Código de Trabajo: „La mujer goza de los mismos derechos y tiene los mismos deberes que el hombre en lo que concierne a las leyes de trabajo.“
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Verfassung schützt ausdrücklich auch den diskriminierungsfreien Zugang zur Beschäftigung338. Eine schwangere Arbeitnehmerin kann nicht wegen ihrer Schwangerschaft entlassen werden, eine solche Kündigung ist unwirksam339. Die aufgezeigten Praktiken sind demnach unvereinbar mit dem nationalen Arbeitsrecht. (b) Koalitionsfreiheit Ein weiteres Problem in den Freien Exportzonen der Dominikanischen Republik ist die Durchsetzung der Koalitionsfreiheit, welche sowohl verfassungsrechtlich verankert ist340 als auch einfachgesetzlich umfassend geregelt wurde341. Berichten zufolge kommt es zu massiven Einschüchterungen organisationswilliger Arbeitnehmer342, Verhaftungen (z.B. wegen Verteilung von Informationsmaterial über Gewerkschaften)343, der Verwendung von schwarzen Listen (sog. blacklisting344), um zu verhindern, dass gewerkschaftlich organisierte Arbeitnehmer eingestellt werden und Kündigungen wegen der Mitgliedschaft in einer Gewerkschaft345. (4) Zwischenergebnis Wie in Mexiko ist auch in der Dominikanischen Republik der gesetzlich festgelegte Schutzstandard relativ hoch. Jedoch werden in den Freien Exportzonen insbesondere die Koalitionsfreiheit und die Rechte von Arbeitnehmerinnen nicht effektiv durchgesetzt. cc) Jamaika (1) Freie Exportzonen in Jamaika Jamaika begann 1976 mit der Einrichtung von Freien Exportzonen346. Die Zonen folgen dem klassischen Modell. Jamaika profitiert ähnlich wie die Dominikani338 Art. 62 Abs. 5 Constitución: „Se prohíbe toda clase de discriminación para acceder al empleo o durante la prestación del servicio […].“ 339 Art. 233 Código de Trabajo: „La mujer no puede ser despedida de su empleo por el hecho de estar embarazada. Todo despido por el hecho del embarazo es nulo.“ 340 Art. 62 Abs. 3 Constitución: „Son derechos básicos de trabajadores y trabajadoras, entre otros: la libertad sindical, […] la negociación colectiva, […]“; Abs. 4: „La organización sindical es libre y democrática, debe ajustarse a sus estatutos y ser compatible con los principios consagrados en esta Constitución y las leyes“; Abs. 6: „para resolver conflictos laborales y pacíficos se reconoce el derecho de trabajadores a la huelga y de empleadores al paro.“ 341 Buch V des Código de Trabajo regelt Gewerkschaften (Art. 317 – 394) und Buch VI (Art. 395 – 417) Arbeitskämpfe. 342 ICFTU, Behind the Brand Names, S. 9, 11. 343 ILO, Case Nr. 1221 vom 8. 7. 1983. 344 ICFTU, Behind the Brand Names, S. 11. 345 ICFTU, Behind the Brand Names, S. 9, 26 f. 346 Russel-Brown, 24 Berkeley J. Emp. & Lab. L. 179, 183 (2003).
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3. Kap.: Rechtliche Grundlagen und Schranken in Freien Exportzonen
sche Republik von zollfreien Exporten in die USA unter der CBI347 und produziert hauptsächlich Textilien und Kleidung für den US-amerikanischen Markt348. (2) Maßgebliches Arbeitsrecht in den Freien Exportzonen Geregelt werden die Zonen heute durch den Export Free Zone Act von 1989349, der die Anwendung des nationalen Arbeitsrechts in den Zonen nicht einschränkt. (3) Durchsetzung des Arbeitsrechts in den Freien Exportzonen In den Freien Exportzonen Jamaikas ist insbesondere die Durchsetzung der Koalitionsfreiheit problematisch. Die Verfassung350 garantiert in Art. 23 Abs. 1351 das Recht, Gewerkschaften zu schließen und ihnen beizutreten. Das jamaikanische Arbeitsrecht ergänzt die verfassungsrechtliche Garantie mit § 4 Abs. 1352 Labour Relations and Industrial Disputes Act353, welcher die Koalitionsfreiheit einfachgesetzlich gewährleistet. Diese Garantien gelten vollumfänglich auch für die Arbeitnehmer innerhalb der Freien Exportzonen354. Traditionell wird die Koalitionsfreiheit in Jamaika stark gelebt. Die Gewerkschaften außerhalb der Zonen sind sehr aktiv355. 2003 waren ca. 20 Prozent der Unternehmen außerhalb der Zonen tarifvertraglich gebunden oder Partner von Tarifverhandlungen – innerhalb der Zonen hingegen kein einziges Unternehmen356. Der Gründung von Gewerkschaften wird
347 Vgl. https://ustr.gov/issue-areas/trade-development/preference-programs/caribbeanbasin-initiative-cbi (zuletzt überprüft am 8. 3. 2017). 348 Weltbank, Special Economic Zones 2008, S. 62. 349 The Jamaica Export Free Zone Act, abrufbar im Volltext und in englischer Sprache (Landessprache) unter: http://www.ilo.org/dyn/natlex/docs/WEBTEXT/31026/64861/ E89JAM01.htm (zuletzt überprüft am 8. 3. 2017). 350 The Jamaica (Constitution) Order in Council 1962, abrufbar im Volltext und in englischer Sprache unter: http://pdba.georgetown.edu/constitutions/jamaica/jam62.html (zuletzt überprüft am 8. 3. 2017). 351 Art. 23 Abs. 1 Constitution: „Except with his own consent, no person shall be hindered in the enjoyment of his freedom of peaceful assembly and association, that is to say, his right peacefully to assemble freely and associate with other persons and in particular to form or belong to trade unions or other associations for the protection of his interests.“ 352 § 4 Abs. 1 Labour Relations and Industrial Disputes Act: „Every worker shall, as between himself and his employer, have the right (a) to be a member of such trade union as he may choose; (b) to take part, at any appropriate time, in the activities of any trade union of which he is a member; (c) not to be a member of a trade union.“ 353 Labour Relations and Industrial Disputes Act vom 8. 4. 1975, abrufbar im Volltext und in englischer Sprache unter: http://www.ilo.org/dyn/natlex/docs/ELECTRONIC/14265/65631/F-2101072413/JAM14265.pdf (zuletzt überprüft am 8. 3. 2017). 354 Russel-Brown, 24 Berkeley J. Emp. & Lab. L. 179, 180, 185 (2003). 355 Russel-Brown, 24 Berkeley J. Emp. & Lab. L. 179, 193 (2003). 356 Russel-Brown, 24 Berkeley J. Emp. & Lab. L. 179, 180 (2003).
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von der Zonenleitung massiv entgegen gewirkt, z.B. indem Gewerkschaftsvertreter daran gehindert werden, die Unternehmen in den Zonen überhaupt zu betreten357. (4) Zwischenergebnis In Jamaika wird die Koalitionsfreiheit gesetzlich gewährleistet und traditionell auch häufig in Anspruch genommen. Innerhalb der Freien Exportzonen des Landes wird der Organisation der Arbeitnehmer jedoch entgegengewirkt, sodass – soweit ersichtlich – bislang kein Tarifvertrag abgeschlossen wurde. dd) Honduras (1) Freie Exportzonen in Honduras Die erste Freie Exportzone in Honduras entstand 1977358. Heute gibt es zwei staatlich geleitete und 22 private Zonen. Auch in Honduras haben vor allem die unter der CBI gewährten Handelsvorteile zu einem starken Anstieg von Freien Exportzonen geführt359. Produziert wird Kleidung für den US-amerikanischen Markt360. Honduras ist in diesem Bereich das führende Land in der Karibik aufgrund seines sehr großen Angebots an billigen Arbeitskräften361. Insbesondere nach der Zerstörung des Landes durch Hurrican Mitch im Jahr 1998, die zu einer Arbeitslosigkeit von 50 Prozent geführt hatte, wurde die Produktion in Freien Exportzonen stark forciert und ausgeweitet362. Honduras profitiert zudem von Handelsvorteilen unter dem 2005 in Kraft getretenen DR-CAFTA. (2) Maßgebliches Arbeitsrecht In Honduras ist das Arbeitsrecht für Unternehmen in den Freien Exportzonen nicht speziell geregelt. Daher ist das nationale Arbeitsrecht – maßgeblich im Código del Trabajo363 verankert – voll anwendbar. Zudem enthält die Verfassung364 in 357
Madani, A Review of the Role and Impact of EPZ, S. 46. Weltbank, Special Economic Zones 2008, S. 62; Weiterführend zur Entstehungsgeschichte McCallum, EPZ: Comparative Data from China, Honduras, Nicaragua and South Africa, S. 8 f. 359 Dypsky, 12 J. Transnat’l L. & Pol’y 95, 126 (2002). 360 Weltbank, Special Economic Zones 2008, S. 62. 361 ICFTU, Behind the Brand Names, S. 35; Dypsky, 12 J. Transnat’l L. & Pol’y 95, 126 (2002). 362 ICFTU, Behind the Brand Names, S. 35; McCallum, EPZ: Comparative Data from China, Honduras, Nicaragua and South Africa, S. 9. 363 Código del Trabajo de Honduras, Decreto 189 de 1959, vom 15. 7. 1959, abrufbar im Volltext in spanischer Sprache (Amtssprache) unter: http://www.ilo.org/dyn/eplex/docs/8/ Labour%20code%20consolidated%20honduras.pdf (zuletzt überprüft am 8. 3. 2017). 364 Republica de Honduras, Constitución Política de 1982, abrufbar im Volltext in spanischer Sprache unter: http://pdba.georgetown.edu/Constitutions/Honduras/vigente.html (zuletzt überprüft am 8. 3. 2017). 358
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Kapitel V (Art. 127 bis 141) zahlreiche sehr detailliert geregelte arbeitsrechtliche Garantien. (3) Durchsetzung des Arbeitsrechts in den Freien Exportzonen (a) Verbot der Diskriminierung aufgrund des Geschlechts Ähnlich wie in Mexiko ist vor allem die unzureichende Durchsetzung der Rechte von Arbeitnehmerinnen problematisch. Etwa 80 – 85 Prozent der Beschäftigten in den Zonen sind weiblich365. Viele sind jung und im gebärfähigen Alter. Daher ist die Durchführung von Schwangerschaftstests sowohl bei der Einstellung als auch regelmäßig während des Arbeitsverhältnisses üblich. Ist eine Bewerberin schwanger, wird sie nicht eingestellt. Wird eine Arbeitnehmerin während des Arbeitsverhältnisses schwanger, wird sie entlassen366. Auch soll die Einnahme der Anti-Baby-Pille367 oder sogar eine Sterilisation368 zur Einstellungsvoraussetzung gemacht worden sein. Sexuelle Belästigung und Gewalt gegen Frauen ist in den Zonen Honduras’ ein verbreitetes Problem369. Die beschriebenen Maßnahmen sind unter nationalem Recht unzulässig: Art. 60 Abs. 3 Constitución statuiert ein allgemeines Diskriminierungsverbot aufgrund des Geschlechts370. Schwangerschaftstests, die Pflicht zur Einnahme der Pille oder zur Sterilisation, stellen eine Diskriminierung wegen des Geschlechts dar. Die Verfassung und der Código del Trabajo gewährleisten zudem Mutterschutz371 und verbieten die Kündigung aufgrund von Schwangerschaft372. 365
Armbruster-Sandoval, 27 Social Science History 551, 557 (2003). Swedish, 4 Nw. Univ. J. Int’l Hum. Rts. 363, 264 f. (2005 – 2006). 367 Armbruster-Sandoval, 27 Social Science History 551, 557 (2003); Myamoto Faber, 16 Colum. J. Gender & L. 297, 323 (2007). 368 Swedish, 4 Nw. Univ. J. Int’l Hum. Rts. 363, 264 (2005 – 2006). 369 Armbruster-Sandoval, 27 Social Science History 551, 557 (2003); Binder, 16 Austrian Rev. Int’l & Eur. L. 163, 168 (2011). 370 Art. 60 Abs. 3 Constitución: „Se declara punible toda discriminación por motivo de sexo […].“ 371 Art. 128 Abs. 11 Constitución: „La mujer tiene derecho a descanso antes y después del parto, sin pérdida de su trabajo ni de su salario. […].“ 372 Art. 128 Abs. 11 Constitución: „El patrono no podrá dar por terminado el contrato de trabajo de la mujer grávida ni después del parto, sin comprobar previamente una causa justa ante juez competente, en los casos y condiciones que señale la ley“; Art. 124 Código del Trabajo: „El patrono no podrá dar por terminado el contrato de trabajo de la mujer embarazada sin justificar previamente ante el Juez de Trabajo respectivo alguna de las causales enumeradas en el Artículo 112“; Art. 144 Código del Trabajo: „Ninguna trabajadora puede ser despedida por motivo de embarazo o lactancia. Se presume que el despido se ha efectuado por motivo de embarazo o lactancia, cuando ha tenido lugar dentro del período del embarazo o dentro de los tres (3) meses posteriores al parto.“ Dazu auch Myamoto Faber, 16 Colum. J. Gender & L. 297, 324 (2007). 366
A. Begriff, Ziele und rechtliche Grundlagen der Arbeit in Freien Exportzonen
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(b) Arbeitszeit und Lohn Darüber hinaus wird von zahlreichen Verstößen in den Zonen gegen die nationalen Arbeitszeitvorschriften in den Zonen berichtet373. Die Verfassung374 und der Código del Trabajo375 schreiben eine maximale tägliche Arbeitszeit von acht Stunden vor. In den Maquiladoras dauert eine Schicht jedoch üblicherweise zwischen zehn und zwölf Stunden376. Durch das System der goal achievements wird in vielen Maquiladoras 24-Stunden pro Tag, sieben Tage pro Woche gearbeitet377. (c) Einschränkungen der Koalitionsfreiheit Die Verfassung garantiert die Koalitionsfreiheit378 und das Streikrecht379. Der Código del Trabajo regelt umfassend den Abschluss von Tarifverträgen380, die Rechte von Gewerkschaften381 und die Rechtmäßigkeit von Arbeitskämpfen382. Insbesondere wird der Arbeitgeber verpflichtet, mit Gewerkschaften zu verhandeln und Kollektivverträge zu schließen383. Trotz der detaillierten gesetzlichen Regelung ist eine kollektive Vereinigung für die Arbeitnehmer in den Freien Exportzonen Honduras’ sehr schwierig384. Die Unternehmen in den Zonen sollen Gewerkschaften massiv unterdrücken385 und Bestrebungen zur Gründung einer Gewerkschaft mittels Entlassungen386 und Betriebsschließungen entgegenwir373 McCallum, EPZ: Comparative Data from China, Honduras, Nicaragua and South Africa, S. 4. 374 Art. 128 Abs. 1 Constitución: „La jornada diurna ordinaria de trabajo no excederá de (8) ocho horas diarias […].“ 375 Art. 322 Código del Trabajo: „La jornada ordinaria de trabajo diurno no podrá exceder de ocho (8) horas diarias […].“ 376 Armbruster-Sandoval, 27 Social Science History 551, 557 (2003). 377 McCallum, EPZ: Comparative Data from China, Honduras, Nicaragua and South Africa, S. 9. 378 Art. 128 Abs. 14 Constitución: „Los trabajadores y los patronos tienen derecho, conforme a la ley, a asociarse libremente para los fines exclusivos, de su actividad económico-social, organizando sindicatos o asociaciones profesionales.“ 379 Art. 128 Abs. 13 Constitución: „Se reconoce el derecho de huelga y de paro.“ 380 Art. 53 – 86 Código del Trabajo stauieren die Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen von Tarifverträgen. 381 Art. 460 – 549 widmen sich Gewerkschaften. 382 Art. 550 – 590 regeln die Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen von Arbeitskämpfen. 383 Art. 54 Código del Trabajo: „Todo patrón que emplee trabajadores pertenecientes a un sindicato, tendrá obligación de celebrar con este, cuando lo soliciten, un contrato colectivo.“ 384 McCallum, EPZ: Comparative Data from China, Honduras, Nicaragua and South Africa, S. 10. 385 Milberg/Amengual, Economic Development and Working Conditions in EPZ, S. 44. 386 Armbruster-Sandoval, 27 Social Science History 551, 558 (2003).
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ken387. Auch das Verwenden schwarzer Listen ist verbreitet388. Aufgrund dieser Maßnahmen sind Gewerkschaften in den Freien Exportzonen weit weniger vertreten als außerhalb389. (4) Zwischenergebnis Ähnlich wie in Mexiko, ist auch in Honduras vor allem der Umgang mit Arbeitnehmerinnen problematisch. Darüber hinaus ist die Einhaltung der gesetzlich zulässigen Höchstarbeitszeit nicht gewährleistet und die Durchsetzung der Koalitionsfreiheit unzureichend. ee) Nicaragua (1) Freie Exportzonen in Nicaragua Die Entwicklung von Freien Exportzonen begann in Nicaragua erst 1991, nachdem sich die politische Lage beruhigt hatte und die USA dem Land Handelsvorteile unter der CBI gewährten sowie verstärkt Investitionen förderten390. Die Unternehmen in den 34 Freien Exportzonen391 stammen größtenteils aus den USA, Taiwan und Südkorea392 und produzieren vor allem Textilien393. Ein Großteil der Zonen ist staatlich geführt394. (2) Maßgebliches Arbeitsrecht in den Freien Exportzonen Die Zonen wurden durch das Decreto No. 46 – 91 sobre las Zonas Francas Industriales de Exportación (Decreto 46 – 91)395 eingeführt. Art. 20 Decreto 46 – 91 387 Aufsehen erregte insbesondere die Schließung eines Betriebs des Labels Fruit of the Loom im Jahr 2008. Der damals größte Arbeitgeber in Honduras soll seinen Produktionsstandort geschlossen und 1.200 Arbeitnehmer entlassen haben, um Bestrebungen zur Gründung von Gewerkschaften entgegenzuwirken. Dazu Anner/Bair/Blasi, 35 Comp. Lab. L. & Pol’y J. 1, 33 f. (2013), sowie der Bericht des Worker Rights Consortium, abrufbar unter: http://www.workersrights.org/f reports/jerzeesCholoma.asp (zuletzt überprüft am 8. 3. 2017). 388 McCallum, EPZ: Comparative Data from China, Honduras, Nicaragua and South Africa, S. 10. 389 Milberg/Amengual, Economic Development and Working Conditions in EPZ, S. 44. 390 McCallum, EPZ: Comparative Data from China, Honduras, Nicaragua and South Africa, S. 10. 391 Weltbank, Special Economic Zones 2008, S. 27. 392 Stenzel, 34 Wm. & Mary Envtl. L. & Pol’y Rev 653, 715 (2010). 393 Dypsky, 12 J. Transnat’l L. & Pol’y 95, 127 f. (2002). 394 Stenzel, 34 Wm. & Mary Envtl. L. & Pol’y Rev 653, 715 f. (2010). 395 Decreto No. 46 – 91 de 13 de noviembre de 1991 sobre las Zonas Francas Industriales de Exportación, abrufbar im Volltext und in spanischer Sprache (Landessprache) unter: http://legislacion.asamblea.gob.ni/normaweb.nsf/($All)/E114499E59A2B02B062570A 10057876F?OpenDocument (zuletzt überprüft am 8. 3. 2017).
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bindet die Unternehmen in Freien Exportzonen ausdrücklich an alle Gesetze des Landes396. Damit findet das nationale Arbeitsrecht, welches maßgeblich im Código del Trabajo397, aber auch direkt in der Verfassung398 geregelt ist, in den Zonen uneingeschränkt Anwendung. Der gesetzlich gewährleistete Arbeitnehmerschutz ist in Nicaragua sehr umfassend399. Obgleich das Arbeitsrecht in den Zonen nie ausgeschlossen wurde, erließ Nicaragua 1998 die Resolución del Ministerio del Trabajo Relativa al trabajo en las zonas francas (Resolución)400 um sicherzustellen, dass nationales Arbeitsrecht in den Zonen Anwendung findet401. Das Gesetz wiederholt die Pflicht zur Einhaltung des nationalen Rechts in den Bereichen Antidiskriminierungsrecht, Kündigungsschutz, Arbeitszeit und Überstundenvergütung sowie Mutterschutz und Koalitionsfreiheit. 2005 wurde das Decreto 1991 durch Decreto No. 50 – 2005 (Decreto 50 – 2005)402 ergänzt. Dieses regelt das Arbeitsrecht in Art. 68 und legt fest, dass die Arbeitsbeziehungen in den Zonen den Regelungen des jeweils gültigen Arbeitsgesetzes folgen müssen403. Die Arbeitnehmer in den Zonen werden demnach auch hier rechtlich nicht anders behandelt als die Arbeitnehmer außerhalb404. Die Durchsetzung der bestehenden Gesetze ist jedoch gerade in den Zonen unzureichend405. 396 Art. 20 Decreto 46 – 91: „En todo caso, las Empresas Usuarias estarán sujetas a las leyes de la República de Nicaragua“. 397 Ley núm. 185 por la que se dicta Código del Trabajo, abrufbar unter: http://www.ilo. org/dyn/natlex/docs/WEBTEXT/45784/65050/S96NIC01.htm#l1t3c1 (zuletzt überprüft am 8. 3. 2017). 398 Constitución Política de la República de Nicaragua de 1987, abrufbar im Volltext und spanischer Sprache unter: http://pdba.georgetown.edu/Constitutions/Nica/nica05.html (zuletzt überprüft am 8. 3. 2017). Art. 80 – 88 Constitución gewährleisten arbeitsrechtliche Rechte. 399 Stenzel, 34 Wm. & Mary Envtl. L. & Pol’y Rev 653, 717 (2010). 400 Resolución del Ministerio del Trabajo Relativa al trabajo en las zonas francas radicadas en la República de Nicaragua de 23 de enero de 1998, abrufbar unter: http://www. cosep.org.ni/rokdownloads/main/seccion_laboral/norm_ress_reg/nicaresolucion_ministerial_rel_trab_zfranca.pdf (zuletzt überprüft am 8. 3. 2017). 401 Vgl. die Begründung Nr. 3: „Que los derechos contenidos en la Constitución Política en el Código del Trabajo, Reglamentos, Convenios Internacionales ratificados por Nicaragua, y demás cuerpos que forman parte de la legislación laboral, son ineludible cumplimiento para todos los empleadores y trabajadores […].“ 402 Decreto núm. 50 – 2005 por el que se dicta el reglamento del decreto de Zonas Francas Industriales de Exportación, abrufbar im Volltext in Spanischer Sprache unter: http:// www.mific.gob.ni/Portals/0/Documentos%20MIFIC/REGLAMENTO%20ZONAS%20 FRANCAS.pdf (zuletzt überprüft am 8. 3. 2017). 403 Art. 68 Decreto 50 – 2005: „Las relaciones laborales en el Régimen de Zonas Francas se regirán conforme lo establecido en el Código del Trabajo vigente […].“ 404 ASPEROLA, „Flexibility“: The Labor Strategy of Free Trade – An Examination of Six Basic Labor Rights in Nicaragua, S. 9. 405 ILO, Nicaragua 2012, S. 23; Stenzel, 34 Wm. & Mary Envtl. L. & Pol’y Rev 653, 717 (2010); ASPEROLA, „Flexibility“: The Labor Strategy of Free Trade – An Examination of Six Basic Labor Rights in Nicaragua, S. 9.
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(3) Durchsetzung des Arbeitsrechts in den Freien Exportzonen (a) Arbeitszeit Art. 51 Código del Trabajo406 schreibt eine maximale tägliche Arbeitszeit von acht Stunden sowie eine Maximalarbeitszeit von 48 Stunden pro Woche vor407. Überstunden sind freiwillig408 und müssen doppelt vergütet409 werden. Diese Regelungen sind gemäß Art. 7 Resolución410 auch in den Freien Exportzonen einzuhalten. Die tägliche Arbeitszeit in den Freien Exportzonen ist jedoch weit höher, 24-Stunden Schichten sind keine Seltenheit411. Die Vorgaben zur Vergütung von Überstunden werden ebensowenig eingehalten412. (b) Löhne Der Código del Trabajo verpflichtet zur Zahlung eines Mindestlohns413, welcher auch in den Zonen nicht unterschritten werden darf414. Berichte deuten jedoch darauf hin, dass in den Freien Exportzonen Nicaraguas der gesetzlich vorgeschriebene Mindestlohn nicht eingehalten wird und die Löhne außerhalb der Zonen höher sind415. (c) Arbeitsschutz Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz werden ebenfalls sowohl vom Código del Trabajo416 als auch von der Resolución 417 geregelt. Auch diese Vorschriften 406 Ley núm. 185 por la que se dicta Código del Trabajo, vom 30. 10. 1996, abrufbar unter: http://www.ilo.org/dyn/natlex/docs/WEBTEXT/45784/65050/S96NIC01.htm#l1t3c1 (zuletzt überprüft am 8. 3. 2017). 407 Art. 51 Código del Trabajo: „La jornada ordinaria de trabajo efectivo diurno no debe ser mayor de ocho horas diarias ni exceder de un total de cuarenta y ocho horas a la semana.“ 408 Art. 59 Código del Trabajo: „Los trabajadores no están obligados a realizar trabajo extraordinario“. 409 Art. 62 Código del Trabajo: „Las horas extraordinarias […] se pagarán un cien por ciento más de lo estipulado para la jornada normal respectiva.“ 410 Art. 7 Resolución: „Todo empleador debe respetar las jornadas de trabajo, así como el pago del tiempo extraordinario en la forma que la ley establece.“ 411 Stenzel, 34 Wm. & Mary Envtl. L. & Pol’y Rev 653, 717 (2010). 412 Stenzel, 34 Wm. & Mary Envtl. L. & Pol’y Rev 653, 718 (2010); ASPEROLA, „Flexibility“: The Labor Strategy of Free Trade – An Examination of Six Basic Labor Rights in Nicaragua, S. 9. 413 Art. 85 Código del Trabajo: „Todo trabajador tiene derecho a un salario mínimo“. 414 Art. 6 Resolución: „Los empleadores están obligados a garantizar a sus trabajadores el salario de ley […].“ 415 McCallum, EPZ: Comparative Data from China, Honduras, Nicaragua and South Africa, S. 11. 416 Art. 100 ff. Código del Trabajo. 417 Art. 4 Resolución: „Los empleadores deberán crear condiciones de trabajo que garanticen la integridad física, salud, higiene, y la disminución de riesgos profesionales, para hacer efectiva la seguridad ocupacional de sus trabajadores […].“
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werden in den Zonen jedoch kaum durchgesetzt418. Berichte verweisen auf unhygienische und unsichere Zustände in den Zonen419, die zu einem erhöhten Aufkommen an Krankheiten führen sollen420. (d) Mutterschutz Wie in den Maquiladoras Mexikos ist auch in Nicaragua die Behandlung schwangerer Arbeitnehmerinnen eines der Hauptprobleme. Sowohl der Código del Trabajo421 als auch die Resolución422 statuieren ein Kündigungsverbot schwangerer Arbeitnehmerinnen. Der Código del Trabajo gewährleistet zudem vier Wochen vor und acht Wochen nach der Geburt bezahlten Mutterschutz423. Dieser wird jedoch häufig verwehrt, Schwangere werden entlassen424 oder es werden ihnen körperlich anstrengende Arbeiten verordnet, die mitunter zu Fehlgeburten führen425. (e) Koalitionsfreiheit Die Koalitionsfreiheit wird sowohl verfassungsrechtlich426 als auch im Código del Trabajo427 und in der Resolución428 sehr umfassend gewährleistet429. Auch ist in 418 CEDAW, Concluding Comments Nicaragua, 2. 2. 2007, UN Doc. CEDAW/C/NIC/ CO/6, Rn. 23. 419 Stenzel, 34 Wm. & Mary Envtl. L. & Pol’y Rev 653, 718 f. (2010). 420 ILO, Nicaragua 2012, S. 28. 421 Art. 144 Código del Trabajo: „La trabajadora en estado de gravidez o gozando de permiso pre y postnatal, no podrá ser despedida […].“ 422 Art. 2 Resolución: „Todo empleador garantizará la estabilidad laboral a sus trabajadores, sin menoscabo de sus derechos, en especial a las mujeres en estado de gravidez. Estas últimas no podrán se despedidas durante el período de embarazo ni durante el descanso postnatal, de conformidad con la ley.“ 423 Art. 41 Código del Trabajo: „Las trabajadoras en estado de gravidez tendrán derecho al reposo durante las cuatro semanas anteriores al parto y las ocho posteriores […] con goce del último o mejor salario […].“ 424 ASPEROLA, „Flexibility“: The Labor Strategy of Free Trade – An Examination of Six Basic Labor Rights in Nicaragua, S. 26. 425 Stenzel, 34 Wm. & Mary Envtl. L. & Pol’y Rev 653, 718 (2010); CESCR, Concluding Observations Nicaragua, 28. 11. 2008, UN Doc. E/C.12/NIC/CO/4, Rn. 15. 426 Art. 87 Constitución gewährleistet das Recht, sich zu Gewerkschaften zusammenzuschließen („En Nicaragua existe plena libertad sindical. Los trabajadores se organizarán voluntariamente en sindicatos y éstos podrán constituirse conforme lo establece la ley […]“); Art. 88 Constitución garantiert das Recht, Tarifverträge abzuschließen („Se garantiza el derecho inalienable de los trabajadores para que, en defensa de sus intereses particulares o gremiales, celebren con los empleadores: […] Convenios colectivos […]“). 427 Art. 203 – 234 Código del Trabajo regeln die Gründung von Gewerkschaften, Art. 235 – 242 Código del Trabajo; widmen sich dem Tarifvertrag; Art. 243 – 252 Código del Trabajo regeln die Zulässigkeit von Arbeitskämpfen. Eine englische Kurzzusammenfassung der maßgeblichen Bestimmungen des Código del Trabajo findet sich bei ASPEROLA, „Flexibility“: The Labor Strategy of Free Trade – An Examination of Six Basic Labor Rights in Nicaragua, S. 12.
166
3. Kap.: Rechtliche Grundlagen und Schranken in Freien Exportzonen
Nicaragua der Organisationsgrad der Arbeitnehmer traditionell hoch430. Sogar in den Freien Exportzonen war in den 1990er-Jahren fast jeder zweite Arbeitnehmer in einer Gewerkschaft organisiert431. Bekannt wurde insbesondere die Gewerkschaft „Maria Elena Cuadra“432, die sich in den Freien Exportzonen sehr erfolgreich etabliert hatte433. 1997 wurde der erste Tarifvertrag in einer Freien Exportzone Nicaraguas vereinbart434. Spätestens seit Beginn der 2000er-Jahre sind die Freien Exportzonen für Gewerkschaften jedoch ein schwieriges Terrain435. Die Ausübung der Koalitionsfreiheit und des Streikrechts wird eingeschränkt durch Maßnahmen physischer Gewalt, Drohungen, Kündigungen, der Verhängung von Reiseverboten um nicht an ILO-Veranstaltungen teilzunehmen oder durch Einschränkungen der Redefreiheit436. Dies kritisierte in jüngerer Zeit sowohl der UN-Frauenrechtsausschuss437 als auch der UN-Sozialausschuss438. Beim Ausschuss für Vereinigungsfreiheit der ILO gingen zwischen 2000 und 2003 vier Beschwerden wegen rechtswidriger Kündigungen439, Drohungen440, Verweigerung von Tarifverhandlungen441 und der Etablierung arbeitgebernaher Gewerkschaften in Freien Exportzonen ein442. 428
429
428 Art. 8 Resolución: „Los empleadores deben permitir a los trabajadores organizarse el las distintas formas preceptuadas por la ley, así como la negociación de convenios colectivos.“ 429 Zu den genauen Inhalten und Reformen ASPEROLA, „Flexibility“: The Labor Strategy of Free Trade – An Examination of Six Basic Labor Rights in Nicaragua, S. 12. 430 McCallum, EPZ: Comparative Data from China, Honduras, Nicaragua and South Africa, S. 11 f.; zu den geschichtlichen Hintergründen Wimberley, 34 Labour Studies Journal 318, 322 ff. (2009). 431 McCallum, EPZ: Comparative Data from China, Honduras, Nicaragua and South Africa, S. 12. 432 http://www.mec.org.ni (zuletzt überprüft am 8. 3. 2017). 433 McCallum, EPZ: Comparative Data from China, Honduras, Nicaragua and South Africa, S. 11 f. 434 Wimberley, 34 Labour Studies Journal 318 (2009). 435 McCallum, EPZ: Comparative Data from China, Honduras, Nicaragua and South Africa, S. 12. 436 ASPEROLA, „Flexibility“: The Labor Strategy of Free Trade – An Examination of Six Basic Labor Rights in Nicaragua, S. 13 ff. 437 CEDAW, Concluding Comments Nicaragua, 2. 2. 2007, UN Doc. CEDAW/C/NIC/ CO/6, Rn. 23. 438 CESCR, Concluding Observations Nicaragua, 28. 11. 2008, UN Doc. E/C.12/NIC/ CO/4, Rn. 15. 439 Fall Nr. 2264 vom 25. 4. 2003; Fall Nr. 2101 vom 8. 9. 2000; Fall Nr. 2092 vom 28. 7. 2000, alle Fälle abrufbar bei http://www.ilo.org/dyn/normlex/en/f?p=NORMLEXPUB:1:0 (zuletzt überprüft am 8. 3. 2017). 440 Fall Nr. 2101 vom 8. 9. 2000; Fall Nr. 2092 vom 28. 7. 2000. 441 Fall Nr. 2275 vom 29. 5. 2003; Fall Nr. 2101 vom 8. 9. 2000; Fall Nr. 2092 vom 28. 7. 2000. 442 Fall Nr. 2275 vom 29. 5. 2003.
A. Begriff, Ziele und rechtliche Grundlagen der Arbeit in Freien Exportzonen
167
(4) Zwischenergebnis In Nicaragua ist das sehr ausführlich geregelte und arbeitnehmerfreundliche nationale Arbeitsrecht auch in den Unternehmen in den Freien Exportzonen anwendbar. Die Durchsetzung ist jedoch sehr schwach. Wie in den meisten Freien Exportzonen sind die Überschreitung der Höchstarbeitszeiten, die Diskriminierung schwangerer Arbeitnehmerinnen und der mangelnde Willen zur Verhandlung mit Gewerkschaften weit verbreitet. Darüber hinaus finden sich zahlreiche Hinweise auf mangelhafte Sicherheits- und Hygienestandards. Zusätzlich und untypischerweise wird der nationale Mindestlohn in den Zonen nicht gewährt. ff) Madagaskar (1) Freie Exportzonen in Madagaskar In Madagaskar gibt es seit 1991 Freie Exportzonen443. Die Unternehmen produzieren vor allem Textilien für die EU444. Die Vorteile einer Freien Exportzone können – wie z.B. auch in Mexiko und Mauritius – nicht nur innerhalb bestimmter, geographisch abgetrennter, Bereiche gewährt werden, sondern jedem beliebigen Unternehmen innerhalb des Landes445. Neben Mauritius gilt Madagaskar als das Erfolgsmodell auf dem afrikanischen Kontinent446. (2) Maßgebliches Arbeitsrecht Maßgebliches Gesetz zur Regelung der Freien Exportzonen ist Loi 89 – 27447. Gemäß Art. 23 Loi 89 – 27 sind die Unternehmen bei der Ausgestaltung der Arbeitsverhältnisse an die Vorgaben des Arbeitsgesetzes (Code du Travail) gebunden448. Auch Art. 28 Loi 89 – 27 unterstreicht noch einmal, dass alle Vorschriften des Code du Travail anwendbar sind, sofern sich nicht aus dem Gesetz selbst etwas anderes ergibt449. Sonderregelungen finden sich lediglich im ausländerrechtlichen 443
Weltbank, Special Economic Zones 2008, S. 69. Weltbank, Special Economic Zones 2008, S. 69; Brown, Globalization and Employment Conditions Study, S. 14. 445 ICFTU, Behind the Brand Names, S. 37; Weltbank, Special Economic Zones 2008, S. 10 f. 446 Cling/Razafindrakoto/Roubaud, 33 World Development 785 (2005). 447 Loi no 89 – 27 du 29 décembre 1989 relative au régime de zone franche industrielle à Madagascar vom 29. 12. 1989, geändert durch Loi 91 – 020, abrufbar im Volltext in französischer Sprache (Landessprache): http://www.droit-afrique.com/images/textes/Madagascar/ Madagascar%20-%20Zones%20franches.pdf (zuletzt überprüft am 8. 3. 2017). 448 Art. 23 Loi 89 – 27: „Toute liberté est accordée à l’entreprise bénéficiant du régime de Zone franche pour la gestion de son personnel dans le cadre du Code du travail et du Code de prévoyance sociale ainsi que des dispositions particulières de la présente loi.“ 449 Art. 29 Loi 89 – 27: „Les dispositions du Code du travail demeurent applicables en tout ce qui n’est pas contraire aux dispositions particulières ci-dessus et des textes portant application de la présente loi.“ 444
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3. Kap.: Rechtliche Grundlagen und Schranken in Freien Exportzonen
Bereich. Für die Unternehmen mit Status einer Freien Exportzone gibt es folglich kein spezielles Arbeitsrecht. Das nationale Arbeitsrecht wird jedoch auch hier innerhalb der Zonenunternehmen nicht in gleichem Maße durchgesetzt450. (3) Durchsetzung des Arbeitsrechts in den Freien Exportzonen (a) Löhne und soziale Sicherung Die Löhne sind in den Unternehmen mit Status einer Freien Exportzone regelmäßig höher als in anderen Unternehmen451. Gleiches gilt für den bezahlten Urlaub, die soziale Sicherung und sogar den Kündigungsschutz452. Dies wird darauf zurückgeführt, dass die Unternehmen in den Zonen zumeist größer sind und von ausländischen Investoren geführt werden453. (b) Arbeitszeit Bei der Arbeitszeit zeichnet sich ein gegenteiliges Bild: Hier fallen die Freien Exportzonen durch massive Überschreitung der zulässigen Höchstarbeitszeiten auf454. Während Arbeitnehmer außerhalb der Zone im privaten Sektor im Monat ca. 187 Stunden arbeiten, sollen es in den Zonen 211 sein455. Zulässig sind maximal 173,33 Stunden456. (c) Koalitionsfreiheit Hinsichtlich der Koalitionsfreiheit sind die Berichte widersprüchlich. Während teilweise durchaus von einer starken Präsenz der Gewerkschaften in den Freien Exportzonen berichtet wird457, vertreten internationale Gewerkschaftsverbände, dass es faktisch unmöglich sei, Gewerkschaften in den Zonenunternehmen zu gründen und insbesondere Tarifverträge zu erwirken. 2004 habe es keinen einzigen Tarifvertrag in einer Freien Exportzone Madagaskars gegeben458.
450
Cling/Razafindrakoto/Roubaud, 33 World Development 785, 786 (2005). Milberg/Amengual, Economic Development and Working Conditions in EPZ, S. 46. 452 Cling/Razafindrakoto/Roubaud, 33 World Development 785, 797 (2005). 453 Cling/Razafindrakoto/Roubaud, 33 World Development 785, 797 (2005). 454 Cling/Razafindrakoto/Roubaud, 33 World Development 785, 798 (2005). 455 Milberg/Amengual, Economic Development and Working Conditions in EPZ, S. 46. 456 Art. 75 Abs. 1 Loi N°2003 – 044 du 28 juillet 2004 Portant Code du Travail, abrufbar im Volltext in französischer Sprache unter: http://www.ilo.org/dyn/natlex/docs/ELECTRONIC/70303/77439/F1028554063/MDG-70303.pdf (zuletzt überprüft am 8. 3. 2017). 457 Cling/Razafindrakoto/Roubaud, 33 World Development 785, 793 (2005) bewerten die Präsenz der Gewerkschaften in den Freien Exportzonen als mehr als doppelt so hoch wie außerhalb der Zonen. 458 ICFTU, Behind the Brand Names, S. 40. 451
A. Begriff, Ziele und rechtliche Grundlagen der Arbeit in Freien Exportzonen
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(4) Zusammenfassung In Madagaskar besteht das größte Problem in der Nichteinhaltung der gesetzlichen Vorgaben zur maximal zulässigen Höchstarbeitszeit. Auch die freie Ausübung der Vereinigungsfreiheit scheint nicht gewährleistet zu sein. d) Zusammenfassung Die ausgewählten Beispiele zeigen, dass in vielen Staaten, in denen das nationale Arbeitsrecht zwar formal vollständig Anwendung findet, in den Unternehmen innerhalb der Freien Exportzonen große Probleme in der Durchsetzung bestehen. Die Beispiele lassen dabei deutlich ein gemeinsames Muster erkennen: Erstens ist die Diskriminierung von Bewerberinnen und Arbeitnehmerinnen, insbesondere wegen einer möglichen oder bereits bestehenden Schwangerschaft sehr verbreitet. Das Verwenden von Schwangerschaftstests im Bewerbungsverfahren, die Nichteinstellung schwangerer Arbeitnehmerinnen, die Kündigung bzw. der Zwang zur Eigenkündigung wegen Schwangerschaft, sind Gang und Gäbe in allen hier untersuchten Ländern Lateinamerikas und der Karibik. Gleiches gilt für sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz. Berichte über massive Diskriminierungen dieser Art finden sich auch hinsichtlich Freier Exportzonen in El Salvador und Guatemala459. Zweitens fällt auf, dass in allen gezeigten Beispielen die freie Ausübung der Vereinigungsfreiheit behindert wird. Streben Arbeitnehmer eine gewerkschaftliche Organisation an, drohen Maßnahmen wie den Arbeitnehmer auf schwarze Listen zu setzen, ihn zu kündigen, zu bedrohen, Gewalt anzuwenden, bis hin zu ganzen Betriebsschließungen460. Beispiele aus anderen lateinamerikanischen Ländern bestätigen dieses Muster: In El Salvador reagierte ein Unternehmen in einer Freien Exportzone auf die rechtmäßige Gründung einer Gewerkschaft mit Massenentlassungen461. Auch soll hier mit Pseudogewerkschaften gearbeitet werden, um die Gründung freier Gewerkschaften zu verhindern462. Gewerkschaftsgründungen in den Maquiladoras Guatemalas und Haitis wird mit Drohungen von Betriebsschließungen und massiven Gewalttaten begegnet463. Die gewerkschaftliche Vereinigungsfreiheit war schon innerhalb der Länder mit Spezialregelungen (oben 3. Kap. A. III. 3) das am häufigsten von Einschränkungen betroffene Recht. Viele dieser Regelungen wurden auf internationalen Druck hin inzwischen abgebaut. Dennoch 459 Myamoto Faber, 16 Colum. J. Gender & L. 297, 323 ff. (2007); Binder, 16 Austrian Rev. Int’l & Eur. L. 163, 168 (2011); Zimmer, Soziale Mindeststandards, S. 135. 460 Zu alldem auch Gopalakrishnan, Freedom of Association and Collective Bargaining in EPZ, S. 37. 461 ICFTU, Behind the Brand Names, S. 11. 462 Zimmer, Soziale Mindeststandards, S. 135. 463 Rodríguez-Garavito, 33 Politics & Society 203, 221 (2005); ICFTU, Behind the Brand Names, S. 30 f.
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3. Kap.: Rechtliche Grundlagen und Schranken in Freien Exportzonen
ist dies der Bereich, in dem die Rechte der Arbeitnehmer faktisch nach wie vor am stärksten beschränkt werden464. Auffallend ist gerade in den mittelamerikanischen Ländern, dass der gesetzliche Standard häufig sehr hoch ist, aber gerade in den exportorientierten Unternehmen durchweg unterlaufen wird465. Drittens ist die Einhaltung der gesetzlich zulässigen Höchstarbeitszeit problematisch. Der Großteil der Beispiele zeigt, dass gerade in den vom Export abhängigen Industrien in den Freien Exportzonen die täglich zulässige Arbeitszeit dauerhaft überschritten wird. Solche Berichte finden sich auch zu anderen Zonenunternehmen in Mittelamerika wie z.B. in El Salvador466. Hinsichtlich der Freien Exportzonen in Mexiko und Nicaragua wird zudem auf die unzureichenden Sicherheits- und Hygienestandards hingewiesen. Ob dies in den anderen hier untersuchten Ländern ebenfalls ein Problem darstellt, kann anhand der teilweise knappen Materialien nicht ausreichend festgestellt werden. e) Gründe der mangelhaften Durchsetzung des Arbeitsrechts in den Freien Exportzonen Die Gründe für die unzureichende Durchsetzung des nationalen Arbeitsrechts sind vielfältig und sowohl auf Seiten der Arbeitnehmer, der Arbeitgeber als auch des Staates zu suchen. Die Arbeitnehmer in den Zonen wissen häufig nicht um ihre Rechte467 und Klagen vor den Zivilgerichten scheitern in vielen Ländern an der Finanzierung eines Rechtsbeistands468. Zudem handelt es sich bei den Arbeitnehmern in den hier aufgeführten Ländern größtenteils um ungelernte und damit schnell ersetzbare Arbeitskräfte. Daher scheuen viele eine Beschwerde oder die Vereinigung mit anderen Arbeitnehmern, um ihre Rechte kollektiv durchzusetzen469. Die hohe Anzahl von Frauen wirkt der Gewerkschaftsgründung ebenfalls entgegen: Aufgrund der langen Arbeitszeiten bleibt ihnen ohnehin schon zu wenig Zeit für ihre Familien und die ihnen obliegende Haushaltsführung, sodass keine Zeit für Treffen mit anderen Arbeitnehmern bleibt470. Die historisch gewachsene Nähe von Regierung und Gewerkschaften in Mexiko wurde bereits als ein Grund für die mangelhafte Effizienz mexikanischer Gewerkschaften ausgemacht471. Ähnliches gilt in anderen Ländern Mittelamerikas472. Den 464
Milberg/Amengual, Economic Development and Working Conditions in EPZ, S. 33. Myamoto Faber, 16 Colum. J. Gender & L. 297, 321 (2007). 466 Siehe dazu die Fallstudie von Zimmer, Soziale Mindeststandards, S. 134. 467 Kagan, 29 J. of Transnat’l L. & Pol’y 153, 175 (2005). 468 Smith, 13 Berkeley Women’s L.J. 195, 215 (1998). 469 Kagan, 29 J. of Transnat’l L. & Pol’y 153, 166 f. (2005). 470 Kagan, 29 J. of Transnat’l L. & Pol’y 153, 166 f. (2005). 471 Siehe oben 3. Kap. A. III. 4. c) aa) (3) (b). 472 Russel-Brown, 24 Berkeley J. Emp. & Lab. L. 179, 180, 191 ff. (2003). 465
A. Begriff, Ziele und rechtliche Grundlagen der Arbeit in Freien Exportzonen
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staatlich zuständigen Stellen fehlt es zudem oft an personellen Ressourcen und Ausrüstung, um effektiv gegen Arbeitsrechtsverletzungen vorzugehen473. Viele dieser Gründe treffen auch auf die übrige Wirtschaft in den hier diskutierten Ländern zu. In den Freien Exportzonen herrscht jedoch ein besonders hoher Druck, ausländische Investoren nicht an andere Länder zu verlieren474. Sowohl die Arbeitgeber als auch der Staat haben hier ein erhöhtes Interesse daran, Anreize zu setzen, damit ausländische Unternehmen nicht abwandern. Gerade der sehr ausgeprägte und kostenintensive Mutterschutz wird als Wettbewerbshindernis gesehen, den es zu umgehen gilt. Letztendlich wirkt sich der Wettbewerbsdruck auch auf die Bereitwilligkeit der Arbeitnehmer aus, sich für ihre Rechte einzusetzen: Arbeitnehmer riskieren, ihren Arbeitsplatz komplett zu verlieren, sollten sich Investoren aufgrund gestiegener Kosten aus dem jeweiligen Land zurückziehen475. 5. Zusammenfassung zum Arbeitsrecht in Freien Exportzonen Mit der Einrichtung Freier Exportzonen bezwecken wirtschaftsschwache Länder, ausländische Investitionen in ihr Land zu holen und so Beschäftigungsmöglichkeiten für die eigene Bevölkerung zu schaffen und die heimische Wirtschaft zu stärken. Industrieländer profitieren von einer großen Zahl an verfügbaren Arbeitskräften und niedrigen Arbeitskosten. Freie Exportzonen sind ganz gezielt darauf angelegt, Rohmaterialien aus dem Ausland zu importieren, diese in der Zone zu verarbeiten und anschließend zu exportieren. Ermöglicht wird dieses System durch zahlreiche Handelsabkommen wie z.B. das NAFTA oder DR-CAFTA und Zollpräferenzsysteme476. Um den Wettkampf um Investitionen zu gewinnen, setzen die Länder mit Freien Exportzonen rechtliche Anreize, u.a. ein gelockertes Arbeitsrecht. Dabei unterscheiden sich die rechtlichen Konstruktionen: Im ersten Fall wird das nationale Arbeitsrecht in Gänze (Bangladesch, Pakistan, Namibia und Iran) oder teilweise (Türkei, Togo, Panama und Nigeria) für die Freien Exportzonen für unanwendbar erklärt. Im zweiten Fall erklärt das Land das nationale Arbeitsrecht zwar für anwendbar, schafft aber zahlreiche Sonderregelungen (Mauritius). Beide Typen führen letztlich zu einem Sonderrecht für die Zonenarbeitnehmer. Im dritten Fall ist das Arbeitsrecht formal uneingeschränkt anwendbar und es finden sich auch keine abweichenden Spezialregelungen, jedoch werden zahlreiche Regelungen faktisch nicht angewendet (insbesondere Mexiko und die Länder Lateinamerikas und der Karibik).
473
Smith, 13 Berkeley Women’s L.J. 195, 214 (1998). Smith, 13 Berkeley Women’s L.J. 195, 212 ff. (1998). 475 Kagan, 29 J. of Transnat’l L. & Pol’y 153, 166 f. (2005). 476 Näher zu diesen Abkommen unten 3. Kap. B. IV. 3. b). 474
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3. Kap.: Rechtliche Grundlagen und Schranken in Freien Exportzonen
Betrachtet man die eingeschränkten Rechte, ergibt sich ein klares Muster: Das Einhalten der gesetzlichen Höchstarbeitszeiten ist durchgängig ein großes Problem. Auch der Koalitionsfreiheit und dem Streikrecht wird fast ausnahmslos entgegengewirkt. Vieler Staaten, die zwar formal keine gesetzlichen Einschränkungen in diesem Bereich vornehmen, wirken Berichten zufolge, der Koalitionsfreiheit faktisch entgegen477. Wegen der hohen Rate weiblicher Arbeitskräfte ist zudem die Diskriminierung aufgrund des Geschlechts sehr verbreitet. In all diesen Bereichen ist das Schutzniveau innerhalb der Zonen niedriger als außerhalb. Zudem halten nach wie vor viele Staaten gerade in den Zonen nicht die rechtlich vorgeschriebenen Arbeitsschutzvorschriften ein478. Ein anderes Bild zeichnet sich hinsichtlich des Lohns. Hier sind die Berichte zwar widersprüchlich, jedoch scheinen die Arbeitnehmer in den Zonen häufig mehr zu verdienen als vergleichbare Arbeitnehmer außerhalb479. Dies wird damit begründet, dass viele der Unternehmen, die in den Zonen produzieren, große multinationale Unternehmen von internationaler Sichtbarkeit sind480. Praktisch wird der höhere Lohn jedoch auch schlicht auf die zahlreichen Überstunden zurückzuführen sein, da in den Untersuchungen häufig nur auf den Monatsverdienst, nicht aber auf den Stundenlohn abgestellt wird481. Berichte über Zwangs- und Kinderarbeit finden sich speziell zu den Freien Exportzonen keine. Es kann selbstverständlich in vielen Ländern mit Freien Exportzonen nicht ausgeschlossen werden, dass es zu solchen Vorfällen kommt, jedoch scheinen Zwangs- und Kinderarbeit kein typisches Problem der exportorientierten Industrie zu sein. Auch hier könnte es eine Rolle spielen, dass die Unternehmen, die in den Zonen produzieren, häufig große Konzerne von internationaler Sichtbarkeit sind, die unter starker Beobachtung durch Menschenrechtsgruppen und die Öffentlichkeit stehen.
477 Jansen/Peters/Salazar-Xirinachs, Trade and Employment, S. 283; Weltbank, Special Economic Zones 2011, S. 263 f. 478 Brown, Globalization and Employment Conditions Study, S. 13; Weltbank, Special Economic Zones 2011, S. 263. 479 Milberg/Amengual, Economic Development and Working Conditions in EPZ, S. 35; Weltbank, Special Economic Zones 2011, S. 263. 480 McCallum, EPZ: Comparative Data from China, Honduras, Nicaragua and South Africa, S. 17; Warr, EPZ – The Economics of Enclave Manufacturing, S. 76. 481 Die Weltbank zeichnet ein ähnliches Bild und beschreibt die Unterschiede zwischen Unternehmen in den Zonen und außerhalb 2011 so: 1. Höhere Löhne, jedoch verbunden mit starker Diskriminierung; 2. lange, häufig rechtswidrige Arbeitszeiten; 3. gravierende Einschränkungen der Koalitionsfreiheit und des Streikrechts, Weltbank, Special Economic Zones 2011, S. 263 ff.
A. Begriff, Ziele und rechtliche Grundlagen der Arbeit in Freien Exportzonen
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IV. Typenbildung Im nächsten Teil sollen die rechtlichen Schranken der Arbeit in Freien Exportzonen aufgezeigt werden. Für diese Untersuchung werden verschiedene Typen gebildet, die die oben geschilderten Beispiele zusammenfassen und systematisieren. Ziel ist es, gemeinsame Strukturen der einzelnen Beispiele herauszuarbeiten. Hinsichtlich jeden Typs wird zudem ein Land ausgewählt, dass diesen Typ besonders gut repräsentiert und in welchem die Regelung in dieser Form – soweit ersichtlich – nach wie vor in Kraft ist. 1. Der Ausschluss des nationalen Individualarbeitsrechts in den Freien Exportzonen (Typ 1) Ein Ansatz besteht darin, das nationale Individualarbeitsrecht für den Bereich der Freien Exportzonen komplett auszuschließen. Solche Unanwendbarkeitsbefehle gab es in Namibia und gibt es in Bangladesch, Pakistan und Iran noch heute. Für die folgende Untersuchung wird Bangladesch als Beispiel herangezogen, da dieses Land über ganz typisch organisierte Freien Exportzonen verfügt, Gegenstand zahlreicher arbeitsrechtlicher Untersuchungen ist und vor allem in jüngerer Zeit von vielen Seiten (insbesondere durch die USA im Rahmen der Gewährung von Handelsvorteilen) Anstrengungen unternommen wurden, das Arbeitsrecht in den Zonen zu stärken. Hinsichtlich der Arbeitsbedingungen konzentriert sich die Untersuchung auf die in den untersuchten Ländern typischerweise ausgeschlossenen Bereiche des Individualarbeitsrechts482: Arbeitszeit, Kündigungsschutz und Arbeitsschutz. 2. Der Auschluss des nationalen kollektiven Arbeitsrechts in den Freien Exportzonen (Typ 2) Auch das kollektive Arbeitsrecht wird in den Freien Exportzonen ausgeschlossen. Dabei findet sich in den bis 2004 in Bangladesch maßgeblichen Regelungen ein kompletter Ausschluss der Vereinigungsfreiheit, der Koalitionsfreiheit und des Arbeitskampfrechts. Verbreiteter ist allerdings das Modell des Arbeitskampfverbots. Eine solche Regelung findet sich sowohl in Ländern, die das nationale Arbeitsrecht an sich für unanwendbar erklären (Bangladesch, Pakistan und Iran) als auch in Ländern, in denen das nationale Arbeitsrecht im Grundsatz anwendbar ist (Philippinen, Türkei, Namibia, Nigeria). Diese Regelungsmethode ist sehr verbreitet und wurde auch in jüngerer Zeit noch häufig gewählt. Insbesondere nachdem Staaten das nationale Recht aufgrund großer Proteste – entgegen ihrer ursprünglichen Absicht – für anwendbar erklärt hatten, griffen sie häufig auf ein (befristetes) Arbeitskampfverbot zurück. Auch hier wird für die weitere Untersuchung auf Bangladesch als typisches Beispiel zurückgegriffen. 482
Siehe oben 3. Kap. A. III. 3. c) bb) (1).
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3. Kap.: Rechtliche Grundlagen und Schranken in Freien Exportzonen
3. Vom nationalen Individualarbeitsrecht negativ abweichende Spezialregelungen in den Freien Exportzonen (Typ 3) Sehr verbreitet ist die Implementierung spezieller Gesetze zur Regelung der Arbeitsbedingungen in Freien Exportzonen. Solche Spezialregelungen finden sich sowohl in Ländern, die das Arbeitsrecht für unanwendbar in den Freien Exportzonen erklärt haben – wie Iran und Namibia – als auch in Ländern, in denen das nationale Arbeitsrecht grundsätzlich Anwendung findet, sofern nicht eine Spezialregelung besteht. Dazu gehören Mauritius, Togo und Panama. Als typisches Beispiel soll in der folgenden Untersuchung Mauritius dienen. Auch Mauritius verfügt bereits seit vielen Jahren über klassische Freie Exportzonen und ist sehr erfolgreich mit diesem Wirtschaftsmodell. Die Spezialregelungen, die bis heute in Kraft sind, senken das Schutzniveau gegenüber dem nationalen Recht in den Bereichen Arbeitszeit, Beendigungsschutz und Mutterschutz. 4. Vom nationalen kollektiven Arbeitsrecht negativ abweichende Spezialregelungen in den Freien Exportzonen (Typ 4) Da auch die Vereinigungsfreiheit und das Streikrecht häufig Gegenstand von Spezialregelungen waren (Panama, Bangladesch), wird die viel diskutierte Regelung der Koalitionsfreiheit durch den 2004 von Bangladesch erlassenen EPZWAIRA483 untersucht. 5. Unzureichende Durchsetzung des nationalen Individualarbeitsrechts in den Freien Exportzonen (Typ 5) Am weitesten verbreitet ist heute die mangelhafte Durchsetzung des nationalen Arbeitsrechts in den Freien Exportzonen. In diesen Ländern findet das Arbeitsrecht ausnahmslos vollumfassend in den Freien Exportzonen Anwendung, es wird jedoch dort weniger effektiv durchgesetzt als außerhalb der Zonen. Die innerhalb der Bestandsaufnahme beschriebenen Beispiele zeigen, dass in den Zonen dieses Typs in der Regel die größten Probleme bei der effektiven Durchsetzung der gesetzlichen Vorschriften zur Arbeitszeit, zum Schutz vor Diskriminierung aufgrund des Geschlechts, zum Mutterschutz und technischen Arbeitschutz. Typisches und bei weitem am besten erforschtes Land ist hier Mexiko, das daher als Beispiel dienen soll. 6. Unzureichende Durchsetzung des nationalen kollektiven Arbeitsrechts in den Freien Exportzonen (Typ 6) Das kollektive Arbeitsrecht – insbesondere das Streikrecht – gehört zu den am wenigsten effektiv durchgesetzten Regelungen in Freien Exportzonen. Auch für diesen Typ wird auf Mexiko als Beispiel zurück gegriffen. 483
Vgl. Fn. 88.
B. Rechtliche Schranken der Arbeit in Freien Exportzonen
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B. Rechtliche Schranken der Arbeit in Freien Exportzonen I. Mögliche Schranken der Arbeit in Freien Exportzonen Die Einrichtung Freier Exportzonen mit einem geringeren arbeitsrechtlichen Schutzstandard findet ihre grundsätzliche Gestattung im nationalen Recht der jeweiligen Staaten. Schranken könnten sich aus dem Arbeitsvölkerrecht ergeben484. Im Folgenden wird – wie bereits im Rahmen der Freizügigkeit – die Vereinbarkeit mit Übereinkommen der ILO und mit Arbeitsrechtsstandards in internationalen Menschenrechtsabkommen untersucht. Weiterhin könnten sich in diesem Kontext auch Schranken aus multilateralen oder bilateralen Freihandelsabkommen ergeben, die eine Verpflichtung zur Einhaltung bestimmter Arbeitsrechtsstandards enthalten.
II. Schranken der Arbeit in Freien Exportzonen durch die Übereinkommen der ILO 1. Die ILO und Freie Exportzonen Die ILO hat sich verhältnismäßig früh mit den Arbeitsbedingungen in Freien Exportzonen befasst. Seit 1980 sind die Mitgliedstaaten ausdrücklich dazu aufgerufen, in ihren Staatenberichten auf die Rechte der Arbeitnehmer in den Freien Exportzonen einzugehen485. 1982 hat der Ausschuss für Vereinigungsfreiheit erstmals darauf hingewiesen, dass in einigen Ländern spezielle Gesetze für Freie Exportzonen gelten und dies zu Problemen bei der Anwendung der Übereinkommen führen könne486. In einem Bericht von 1983 nannte der Ausschuss für Vereinigungsfreiheit erstmals bestimmte Länder487. Das Arbeitsrecht in Freien Exportzonen ist seitdem regelmäßig Thema in Staatenberichten und Beschwerdeverfahren488, auf den Konferenzen489 und zahlreicher Publikationen der ILO. 484 Die Frage, ob die jeweiligen Gesetze mit dem nationalen Verfassungsrecht vereinbar sind, ist nicht Gegenstand dieser Untersuchung. 485 Gopalakrishnan, Freedom of Association and Collective Bargaining in EPZ, S. 6; ILC, Report of the CEACR, Report III (Part 4A), 67th Session, 1981, S. 10 f.; Dror, 123 Int’l Lab. Rev. 705, 717 (1984) m.w.N. 486 ILC, Report of the CEACR, Report III (Part 4A), 68th Session, 1982, Part 1, S. 10: „the main features of these zones are the fiscal and financial advantages from which they benefit, the powers conferred on the authority responsible for the administration of the zones and, to a certain extent, the special legislation applying to labour performed in the zones.“ 487 ILC, Report of the CEACR, Report III (Part 4A), 69th Session, 1983, Part 1, S. 12 ff./§§ 37 ff., S. 14/§ 48 – 51. 488 Binder, 16 Austrian Rev. Int’l & Eur. L. 163, 182 (2011). 489 Hervorzuheben ist hier insbesondere das dreigliedrige Treffen von Ländern mit Freien Exportzonen 1998 in Genf: Labour and Social Issues Relating to EPZ, Bericht abrufbar
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3. Kap.: Rechtliche Grundlagen und Schranken in Freien Exportzonen
2. Ratifizierung eines Übereinkommens unter Herausnahme bestimmter geographischer Regionen oder bestimmter Arbeitnehmergruppen? Im Fall der Freien Exportzonen ist zunächst in Erwägung zu ziehen, ob Übereinkommen der ILO grundsätzlich nur eingeschränkt ratifiziert werden können, indem also bestimmte Regionen oder Arbeitnehmergruppen von vornherein ausgenommen werden. Dies würde Ländern mit Freien Exportzonen ermöglichen, im Bereich der Zonen Arbeitsbedingungen zu dulden, die unterhalb des Niveaus der ILO-Mindeststandards liegen. Anders als bei anderen völkerrechtlichen Verträgen können Staaten bei der Ratifikation von ILO-Übereinkommen grundsätzlich keine Vorbehalte vorsehen, die den Inhalt eines Übereinkommens berühren490. Die Übereinkommen haben gerade das Ziel, Arbeitsbedingungen zu vereinheitlichen. Die inhaltliche Gestaltung obliegt der dreigliedrigen Organisation, nicht den einzelnen Mitgliedstaaten491. In Ausnahmefällen möglich ist die geographische Begrenzung eines Übereinkommens bei der Ratifikation492. Ob dies eine Option für Länder mit Freien Exportzonen sein könnte, ist höchst zweifelhaft, jedenfalls hat hiervon keines der hier untersuchten Länder Gebrauch gemacht. Einige frühe Übereinkommen ermöglichen auch eine inhaltliche Flexibilität bei der Ratifikation493. Grund hierfür war, dass die wirtschaftliche und gesellschaftliche Situation mancher Länder eine stufenweise flexiblere Ratifizierung notwendig machte. Die Ausnahmen stellen auf eine geringe Bevölkerungsdichte und eine unzureichende Infrastruktur494 bzw. einen geringen Entwicklungsgrad in bestimmten Bereichen495 ab. Diese Argumente lassen sich jedoch nicht auf die Freien Exportzoauf www.ilo.org. Siehe auch ILC, Provisional Record, 105th Session, May-June 2016, Fourth item on the agenda: Decent work in global supply chains, Rn. 5, 16 lit. b, 23 lit. g. 490 Morhard, Die Rechtsnatur der Übereinkommen der ILO, S. 50. 491 Morhard, Die Rechtsnatur der Übereinkommen der ILO, S. 50 f.; Wild, Flexibilität in multilateralen Instrumenten S. 59 f. 492 So hat z.B. Großbritannien Nordirland aus dem Anwendungsbereich des Übereinkommens Nr. 87 ausgenommen, vgl. Morhard, Die Rechtsnatur der Übereinkommen der ILO, S. 55; Wild, Flexibilität in multilateralen Instrumenten, S. 61. 493 So z.B. Übereinkommen Nr. 24, 25, 62, 63, 77, 78, 81, 88, 94, 95 und 96. 494 Vgl. z.B. Art. 10 Abs. 1 Übereinkommen Nr. 24 über die Krankenversicherung von Arbeitnehmern in Gewerbe und Handel und der Haushaltsgehilfen, 1927: „Staaten mit ausgedehnten, sehr dünn bevölkerten Gebieten können von der Durchführung des Übereinkommens in jenen Gebietsteilen absehen, wo wegen der geringen Dichte der verstreut angesiedelten Bevölkerung und wegen unzulänglicher Verkehrsmöglichkeiten eine dem Übereinkommen entsprechende Durchführung der Krankenversicherung unmöglich ist.“ Entsprechend lautet Art. 9 Abs. 1 des Übereinkommens Nr. 25 über die Krankenversicherung der Arbeitnehmer in der Landwirtschaft, 1927. 495 Z.B. Art. 29 Abs. 1 Übereinkommen Nr. 81 über die Arbeitsaufsicht in Gewerbe und Handel, 1947: „Umfaßt das Gebiet eines Mitgliedes ausgedehnte Landesteile, in denen die zuständige Stelle die Bestimmungen dieses Übereinkommens wegen der Spärlichkeit der
B. Rechtliche Schranken der Arbeit in Freien Exportzonen
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nen übertragen. Freie Exportzonen verfügen in der Regel über eine sehr ausgeprägte Infrastruktur und sind oft gerade führend in der Entwicklung im Vergleich zur übrigen Industrie des jeweiligen Landes496. Zudem verpflichten die Übereinkommen die Mitgliedstaaten dazu, solche Ausnahmen der ILO zu melden497. Hiervon hat jedoch kein Land bezüglich einer Freien Exportzone Gebrauch gemacht498. Im Übrigen sehen alle hier relevanten Übereinkommen keine Möglichkeit zur flexiblen Ratifikation vor. Eine Ratifikation unter Herausnahme der Freien Exportzonen ist folglich unzulässig499. Staaten sind demnach auf ihrem gesamten Territorium vollständig an ILO-Übereinkommen gebunden, sofern diese von ihnen ratifiziert wurden500. 3. Vereinbarkeit der Arbeitsbedingungen in Freien Exportzonen mit dem Recht der ILO a) Der Ausschluss des nationalen Individualarbeitsrechts in den Freien Exportzonen (Typ 1) aa) Der Ausschluss der Regelungen zur Arbeitszeit in den Freien Exportzonen in Bangladesch (1) Vorgaben der ILO-Übereinkommen zur zulässigen Höchstarbeitszeit Die ILO misst der Regelung der Arbeitszeit eine große Bedeutung für die Arbeits- und Lebensbedingungen der Arbeitnehmer bei501. Bereits das erste Übereinkommen aus dem Jahr 1919 enthielt eine Verpflichtung der Mitgliedstaaten zur Einführung der 48-Stunden-Woche in Gewerbebetrieben. Die Arbeitsdauer soll nach Übereinkommen Nr. 1 grundsätzlich maximal acht Stunden pro Tag an sechs Tagen pro Woche betragen. Mit Übereinkommen Nr. 30 wurden diese Regelungen Bevölkerung oder des Grades ihrer Entwicklung für undurchführbar hält, so kann sie diese Landesteile von der Durchführung des Übereinkommens entweder allgemein oder mit den ihr angemessen erscheinenden Ausnahmen in bezug auf bestimmte Betriebe oder Arbeiten befreien.“ Ebenso Art. 8 Abs. 11 Übereinkommen Nr. 77 und 78, Art. 12 Abs. 1 Nr. 88 und Art. 15 Abs. 1 Nr. 96. 496 Dror, 123 Int’l Lab. Rev. 705, 717 (1984). 497 Vgl. z.B. Art. 29 Abs. 2 Übereinkommen Nr. 81 (Fn. 495): „Jedes Mitglied hat in seinem ersten Jahresbericht, den es auf Grund von Artikel 22 der Verfassung der Internationalen Arbeitsorganisation über die Durchführung dieses Übereinkommens vorzulegen hat, alle Landesteile, für die es von diesem Artikel Gebrauch zu machen beabsichtigt, unter Angabe der Gründe hierfür zu bezeichnen. In der Folge darf kein Mitglied von diesem Artikel für andere als die in dieser Weise bezeichneten Landesteile Gebrauch machen.“ 498 Dror, 123 Int’l Lab. Rev. 705, 717 (1984). 499 Dror, 123 Int’l Lab. Rev. 705, 719 (1984). 500 Binder, 16 Austrian Rev. Int’l & Eur. L. 163, 172 (2011). 501 Böhmert, Das Recht der ILO, S. 129.
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3. Kap.: Rechtliche Grundlagen und Schranken in Freien Exportzonen
im Jahr 1930 auf die Arbeitnehmer in Handel und Büro ausgeweitet. 1947 erließ die ILO Übereinkommen Nr. 47, welches die Einführung der 40-Stunden-Woche ohne Absenkung des Lohnniveaus vorschrieb. Das Übereinkommen erhielt erst zehn Jahre später die notwendige Anzahl von Ratifizierungen, um in Kraft zu treten502, und ist bis Ende 2015 lediglich von 15 Staaten ratifiziert worden. Neben diesen Übereinkommen zur Regelung der zulässigen Höchstarbeitszeit finden sich Übereinkommen, welche die Ruhezeiten für verschiedene Branchen vorschreiben. So ist nach dem Übereinkommen Nr. 14 aus dem Jahr 1921 im Gewerbe ein wöchentlicher Ruhetag zu gewährleisten503. Mit Übereinkommen Nr. 106 wurde diese Regelung im Jahr 1957 auf den Handel und Tätigkeiten im Büro ausgeweitet504. (2) Vereinbarkeit eines Ausschlusses des nationalen Arbeitszeitrechts für den Bereich der Freien Exportzonen in Bangladesch mit dem Recht der ILO Bangladesch hat im Jahr 1972 sowohl Übereinkommen Nr. 1 (Arbeitszeit im Gewerbe)505 als auch Übereinkommen Nr. 14 (Wöchentlicher Ruhetag im Gewerbe)506 und Übereinkommen Nr. 106 (Wöchentlicher Ruhetag in Handel und Büro)507 ratifiziert. Übereinkommen Nr. 30 (Arbeitszeit in Handel und Büro)508 und Übereinkommen Nr. 47 (40-Stunden-Woche)509 hat Bangladesch hingegen nicht ratifiziert. Ein Gewerbe im Sinne der Übereinkommen erfordert die Herstellung von Gegenständen510. Darunter fallen die Unternehmen in Freien Exportzonen. Die Vorgaben der ILO hatte Bangladesch teilweise bereits im Factories Act von 1965 umgesetzt511. § 50 Abs. 1 Factories Act schreibt eine maximale wöchentliche Arbeitszeit von 48 Stunden vor512. Sonntage oder Feiertage sollten gemäß § 51 Abs. 1 Factories Act keine Arbeitstage sein513. Die tägliche Arbeitszeit war jedoch unter § 53 Abs. 1
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Böhmert, Das Recht der ILO, S. 129. Art. 2 Abs. 1 Übereinkommen Nr. 14. 504 Übereinkommen Nr. 153 von 1979 regelt Ruhezeiten im Straßentransport, was in den hier diskutierten Bereichen jedoch nicht einschlägig ist, weiterführend Böhmert, Das Recht der ILO, S. 130 f. 505 Ebenso Pakistan 1921, nicht jedoch Namibia und Iran. 506 Ebenso Pakistan 1923 und Iran 1972, nicht jedoch Namibia. 507 Ebenso Pakistan 1960 und Iran 1986, nicht jedoch Namibia. 508 Übereinkommen Nr. 30 wurde auch nicht von Iran, Namibia oder Pakistan ratifiziert. 509 Übereinkommen Nr. 47 wurde auch nicht von Iran, Namibia oder Pakistan ratifiziert. 510 Art. 1 Abs. 1 lit. b Übereinkommen Nr. 1 und Übereinkommen Nr. 14. 511 Bangladesh Factories Act 1965 Fn. 75. 512 § 50 Abs. 1 Factories Act: „No adult worker shall be required or allowed to work in a factory for more than forty-eight hours in a week.“ 513 § 51 Abs. 1 Factories Act: „No adult worker shall be required or allowed to work in any factory on a Sunday or a Friday as the case may be […].“ 503
B. Rechtliche Schranken der Arbeit in Freien Exportzonen
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Factories Act auf neun Stunden begrenzt514. Den Achtstundentag brachte erst der Labour Act aus dem Jahr 2006515. Bangladesch hat die Anwendung des Factories Acts auf die Freien Exportzonen 1989 ausgeschlossen und – soweit ersichtlich – erstreckt sich dieser Ausschluss auch auf den Labour Act 2006516. Somit hat Bangladesch die Unternehmen in den Freien Exportzonen im Jahr 1989 von ihrer Pflicht zur Sicherstellung einer 48-Stunden-Woche, eines Achtstundentages und eines Ruhetages pro Woche befreit. Fraglich ist, ob die beiden Übereinkommen eine solche Abweichung erlauben. Übereinkommen Nr. 1 gestattet ein Überschreiten der vorgegebenen Arbeitszeit kurzfristig und in Einzelfällen, z.B. bei Betriebsstörungen, dringenden Arbeiten an Maschinen sowie im Falle höherer Gewalt517. Zudem können die Mitgliedstaaten Ausnahmen vorsehen bei Arbeiten, die ihrer Natur nach einen ununterbrochenen Fortgang im Schichtwechsel erfordern, sofern durchschnittlich die Arbeitszeit nicht mehr als 56 Stunden pro Woche beträgt518. Weiterhin können Behörden durch Verordnungen für einzelne Gewerbe Ausnahmen zulassen, wenn Vorbereitungs- und Ergänzungsarbeiten notwendigerweise außerhalb der allgemeinen Arbeitszeiten vorgenommen werden müssen oder bei einer außergewöhnlichen Häufung der Arbeit519. Über solche Ausnahmen muss das betreffende Land die ILO informieren520. In den vorliegenden Fällen hat Bangladesch alle Unternehmen in Freien Exportzonen auf unbefristete Zeit per Gesetz von den Vorgaben des nationalen Arbeitszeitrechts befreit. Hierfür kann sich Bangladesch auf keine der Ausnahmeregelungen zu Übereinkommen Nr. 1 berufen, da diese nur vorübergehende Befreiungen bzw. Ausnahmen bzgl. ergänzender Arbeiten vorsehen, nicht aber der gesamten Produktion an sich. Denkbar wäre allein die Anwendung der Ausnahmevorschrift des Art. 4 Übereinkommen Nr. 1. Dazu müsste es sich bei der Produktion in Freien Exportzonen 514 § 53 Abs. 1 Factories Act: „No adult worker shall be required or allowed to work in a factory for more than nine hours in any day […].“ 515 § 100 Abs. 1 Labour Act (Fn. 79): „No adult worker shall ordinarily be required or allowed to work in an establishment for more than eight hours in any day.“ Die ILO anerkannte diese Verbesserung 2008, kritisierte jedoch wiederholt die unter dem Labour Act gewährten Ausnahmen vom Achtstundentag und der 48-Stunden-Woche, die über die unter Übereinkommen Nr. 1 zulässigen Ausnahmen hinausgehen, vgl. CEACR, 98th Session, 2009, Convention No. 1, Direct Request Bangladesh sowie CEACR, 103rd Session, 2014, Convention No. 1, Direct Request Bangladesh. 516 Siehe oben 3. Kap. A. III. 3. b) bb) (2). Im Zuge der Reform durch den Labour Act 2006 fragte die ILO Bangladesch gezielt nach der Umsetzung der Vorgaben des Übereinkommens Nr. 1 in den Freien Exportzonen, siehe CEACR, 98th Session, 2009, Convention No. 1, Direct Request Bangladesh. 517 Art. 3 Übereinkommen Nr. 1. 518 Art. 4 Übereinkommen Nr. 1. 519 Art. 6 Übereinkommen Nr. 1. 520 Art. 7 Übereinkommen Nr. 1.
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3. Kap.: Rechtliche Grundlagen und Schranken in Freien Exportzonen
um eine Arbeit handeln, die ihrer Natur nach einen ununterbrochenen Fortgang im Schichtwechsel erfordert. Zwar argumentieren die Betreiber exportorientierter Betriebe gerne mit der wirtschaftlichen Notwendigkeit, möglichst ununterbrochen zu produzieren, um so wettbewerbsfähig zu sein. In derartigen rein wirtschaftlichen Überlegungen liegt jedoch keine zwingende Notwendigkeit im Sinne dieser Ausnahmevorschrift. Übereinkommen Nr. 14 (Ruhetag) erlaubt Ausnahmen in Familienbetrieben521 und statuiert auch eine allgemeine Ausnahmevorschrift522. Wird von dieser Ausnahme Gebrauch gemacht, muss jedoch ein Kompensationsruhetag gewährleistet werden523 und die Ausnahmen müssen der ILO genau mitgeteilt werden524. Beides ist hier nicht geschehen. Bangladesch kann den Ausschluss der unter dem Factories Act bzw. unter dem Labour Act geltenden arbeitszeitlichen Regelungen somit nicht auf eine der durch die Übereinkommen Nr. 1 und 14 statuierten Ausnahmen stützen. Der gesetzliche Ausschluss des Arbeitszeitrechts verstößt somit gegen das Recht der ILO. bb) Der Ausschluss der Regelungen zum Beendigungsschutz in den Freien Exportzonen in Bangladesch (1) Vorgaben der ILO-Übereinkommen zum Kündigungsschutz Die ILO hat 1982 mit Übereinkommen Nr. 158 über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses auf Initiative des Arbeitgebers umfassende Vorgaben für die Gestaltung des nationalen Kündigungsschutzes gemacht. Das Übereinkommen betrifft alle Branchen und alle Arbeitnehmer. Die Kernregelung des Art. 4 Übereinkommen Nr. 158 schreibt vor, dass arbeitgeberseitige Kündigungen nur aus triftigen Gründen zulässig sind. Diese müssen mit dem Verhalten oder den Fähigkeiten des Arbeitnehmers zusammenhängen oder betriebsbedingt sein. Art. 5 nennt Gründe, die keinesfalls eine Kündigung rechtfertigen können. Darunter fallen z.B. die Aktivität in Gewerkschaften, diskriminierende Gründe oder die Abwesenheit während des Mutterschutzes. Das Übereinkommen verpflichtet zudem zur Implementierung von Kündigungsfristen, sofern diese nicht unzumutbar sind525 und zur Garantie von Rechtsschutzmöglichkeiten gegen Kündigungen526. Aufgrund des hohen Schutzstandards wurde das Übereinkommen bislang nur sehr zurückhaltend ratifiziert527.
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Art. 3 Übereinkommen Nr. 14. Art. 4 Übereinkommen Nr. 14. 523 Art. 5 Übereinkommen Nr. 14. 524 Art. 6 Übereinkommen Nr. 14. 525 Art. 11 Übereinkommen Nr. 158. 526 Art. 8 Übereinkommen Nr. 158. Vertiefend zu den Vorgaben des Übereinkommens Nr. 158 Böhmert, Das Recht der ILO, S. 125 ff. 522
B. Rechtliche Schranken der Arbeit in Freien Exportzonen
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(2) Vereinbarkeit eines Ausschlusses des nationalen Kündigungsschutzes für Freie Exportzonen mit Übereinkommen Nr. 158
Bangladesch hat 1986 den Employment of Labour Act528 für unanwendbar in den Zonen erklärt. Dieser enthält Vorschriften zum Kündigungsschutz, z.B. die Voraussetzungen einer Kündigung aufgrund eines Fehlverhaltens des Arbeitnehmers529, die Voraussetzungen einer personenbedingten Kündigung530 sowie Kündigungsfristen für arbeitgeberseitigen Kündigungen, die auf keinen dieser beiden Gründe gestützt werden können531. Damit gibt es in den Freien Exportzonen von Bangladesch seit 1980 keinerlei Einschränkungen für arbeitgeberseitige Kündigungen. Bangladesch hat das Übereinkommen Nr. 158 jedoch nicht ratifiziert532. Die Vorschriften zum Kündigungsschutz werden auch nicht den von allen Staaten zu respektierenden Kernarbeitsnormen zugerechnet. Somit verstößt Bangladesch mit dem Ausschluss des Kündigungsschutzes nicht gegen seine Verpflichtungen aus dem Recht der ILO. cc) Der Ausschluss von Regelungen zum Arbeits- und Gesundheitsschutz in den Freien Exportzonen in Bangladesch (1) Die Vorgaben der ILO-Übereinkommen zum Arbeits- und Gesundheitsschutz Der Arbeitsschutz533 steht als Grundvoraussetzung für menschenwürdige Arbeit534 am Beginn der völkerarbeitsrechtlichen Normsetzung. Das allgemeine Arbeitsschutzübereinkommen Nr. 155 von 1981 verpflichtet die Mitgliedstaaten, eine in sich geschlossene Politik auf dem Gebiet des Arbeitsschutzes und der Arbeitsumwelt festzulegen535. Durch die Minimierung von Risiken sollen Unfälle, 527 Ende 2015 hatten 36 Staaten das Übereinkommen ratifiziert, wobei Brasilien bereits ein Jahr nach der Ratifikation das Abkommen wieder aufgekündigt hat, vgl. http://www.ilo. org/dyn/normlex/e n/f?p=NORMLEXPUB:11300:0::NO:11300:P11300_INSTRUMENT_ ID:312303:NO (zuletzt überprüft am 8. 3. 2017). 528 Siehe oben Fn. 73. 529 § 17 Employment of Labour Act (dismissal). 530 § 16 Employment of Labour Act (discharge). 531 § 19 Employment of Labour Act (termination of employment). 532 Ebensowendig haben Iran und Pakistan das Übereinkommen Nr. 158 ratifiziert. Von den hier untersuchten Ländern mit einem Ausschluss des Kündigungsschutzes in den Freien Exportzonen hat allein Namibia im Jahr 1996 das Übereinkommen ratifiziert. 533 Behandelt wird hier der technische Arbeitsschutz, der Gefahren durch Betriebseinrichtungen, technische Arbeitsmittel, chemische und biologische Arbeitsstoffe, Lärm und Vibration, Arbeitsstättengestaltung und Arbeitsverfahren begegnen soll. vgl. Definition von Wlotzke, MünchArbR/Wlotzke, 2. Auflage, Band 2, § 207 Rn. 5. 534 Zimmer, Soziale Mindeststandards, S. 56. 535 Art. 4 Abs. 1 Übereinkommen Nr. 155.
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3. Kap.: Rechtliche Grundlagen und Schranken in Freien Exportzonen
Verletzungen und Krankheiten verhütet werden536. Zu diesem Zweck sollen Betriebe zusammen mit den Arbeitnehmern ein geeignetes Arbeitsschutzkonzept aufstellen, das durch eine effektive Arbeitsinspektion ergänzt werden soll. Das Übereinkommen gilt für alle Wirtschaftszweige537 und alle Arbeitnehmer538. Die Formulierungen sind jedoch relativ offen und lassen somit viel Spielraum539. Damit hängt die Wirkung des Übereinkommens letztendlich sehr vom Entwicklungsstand des jeweiligen Landes ab540. Zusätzlich hat die ILO zahlreiche Übereinkommen zu bestimmten Bereichen des Arbeitsschutzes erlassen. Übereinkommen Nr. 170 aus dem Jahr 1990 etwa regelt den Umgang mit Chemikalien in allen Branchen. Art. 18 dieses Übereinkommens gibt Arbeitnehmern das Recht, ihren Arbeitsplatz zu verlassen, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass ein Risiko für ihre Gesundheit oder Sicherheit besteht. Daneben widmen sich weitere Übereinkommen dem Schutz vor bestimmten Substanzen und Strahlen541. Das 1963 verabschiedete Übereinkommen Nr. 119 zum Maschinenschutz verpflichtet Arbeitgeber, nur sichere Maschinen zur Verfügung zu stellen und den Arbeitnehmer, nur solche zu verwenden. Vor den Gefahren der Arbeitsumwelt (Luftverunreinigung, Lärm, Vibration) soll Übereinkommen Nr. 148 von 1977 schützen. Zur Schaffung eines umfassenden betrieblichen Systems der Gefahrenkontrolle zur Verhütung von größeren industriellen Störfällen verpflichtet Übereinkommen Nr. 174 aus dem Jahr 1993542. (2) Vereinbarkeit eines Ausschlusses des nationalen Arbeitsschutzrechts in den Freien Exportzonen von Bangladesch mit dem Recht der ILO Der von Bangladesch 1989 für in den Zonen unanwendbar erklärte Factories Act543 regelte neben der Arbeitszeit auch den Arbeitsschutz in Fabriken. Der Factories Act machte Vorgaben zu Sauberkeit544, Temperatur und Belüftung545, Feuerschutz546, Maschinenschutz547 und zu Schutzmaßnahmen vor gefährlichen Aus-
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Art. 4 Abs. 2 Übereinkommen Nr. 155. Art. 1 Abs. 1 Übereinkommen Nr. 155. 538 Art. 2 Abs. 2 Übereinkommen Nr. 155. 539 Birk, in: FS Wlotzke, S. 645, 650. 540 Böhmert, Das Recht der ILO, S. 135. 541 Siehe hierzu die Darstellung bei Böhmert, Das Recht der ILO, S. 132 f. 542 Daneben existieren weitere branchenspezifische, hier jedoch nicht einschlägige Übereinkommen zum Arbeitsschutz, vgl. Böhmert, Das Recht der ILO, S. 136. 543 Siehe oben Fn. 559. 544 § 12 Factories Act. 545 § 14 Factories Act. 546 § 22 Factories Act. 547 §§ 23 ff. Factories Act. 537
B. Rechtliche Schranken der Arbeit in Freien Exportzonen
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dünstungen548. Für die Zonenunternehmen in Bangladesch existieren keinerlei Vorgaben zum Arbeitsschutz. Das Land hat jedoch weder Übereinkommen Nr. 170 (Verwendung chemischer Substanzen)549, noch Übereinkommen Nr. 119 (Maschinenschutz)550, Übereinkommen Nr. 148 (Gefahren der Arbeitsumwelt)551 oder Übereinkommen Nr. 174 (Verhütung größerer industrieller Störfälle)552 ratifiziert. Folglich unterliegt das Land keinerlei Verpflichtungen zum Arbeitsschutz unter ILO-Übereinkommen. Da der Arbeitsschutz nicht den Kernarbeitsnormen zugerechnet wird, verstößt Bangladesch nicht gegen das Recht der ILO, indem es den Arbeitsschutz komplett ausschließt. b) Der Ausschluss des nationalen kollektiven Arbeitsrechts in den Freien Exportzonen (Typ 2) aa) Der Ausschluss der Vereinigungsfreiheit in den Freien Exportzonen in Bangladesch (1) Vorgaben der ILO-Übereinkommen zur Koalitionsfreiheit Die ILO regelt die Koalitionsfreiheit insbesondere durch Übereinkommen Nr. 87 und Übereinkommen Nr. 98, die beide den Kernarbeitsnormen zugerechnet werden553. Übereinkommen Nr. 87 sichert Arbeitnehmern und Arbeitgebern das Recht zu, ohne vorherige Genehmigung Organisationen zu bilden und solchen beizutreten554. Übereinkommen Nr. 98 schützt Arbeitnehmer vor Diskriminierung aufgrund der Gewerkschaftsmitgliedschaft oder der Betätigung in einer Gewerkschaft555. (2) Vereinbarkeit des Ausschlusses der Koalitionsfreiheit in den Freien Exportzonen in Bangladesch mit dem Recht der ILO Bangladesch hatte 1986 die Industrial Relations Ordinance556 für unanwendbar in den Freien Exportzonen erklärt. Diese gewährleistete unter anderem das in Art. 2 Übereinkommen Nr. 87 garantierte Recht der Arbeitnehmer, Gewerkschaf548
§§ 41 ff. Factories Act. den Staaten, die einen kompletten Ausschluss des Arbeitsschutzrechts in den Freien Exportzonen vorsehen oder vorgesehen haben, hat keines das Übereinkommen Nr. 170 1998 ratifiziert. 550 Übereinkommen Nr. 119 wurde auch nicht von Iran, Namibia oder Pakistan ratifiziert. 551 Übereinkommen Nr. 148 wurde auch nicht von Iran, Namibia oder Pakistan ratifiziert. 552 Auch Übereinkommen Nr. 174 hat keines dieser Länder ratifiziert. 553 Siehe dazu bereits oben 2. Kap. B. IV. 3. c) aa) (1). 554 Art. 2 Übereinkommen Nr. 87. 555 Art. 1 Übereinkommen Nr. 98. 556 Siehe oben Fn. 71. 549 Von
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3. Kap.: Rechtliche Grundlagen und Schranken in Freien Exportzonen
ten ohne vorherige Genehmigung zu gründen557, und das in Art. 5 Übereinkommen Nr. 87 statuierte Recht von Gewerkschaften, sich internationalen Verbänden anzuschließen558. Darüber hinaus wird die Diskriminierung von Arbeitnehmern aufgrund der Betätigung in einer Gewerkschaft im Sinne der Vorgaben des Art. 1 Übereinkommen Nr. 98 untersagt559. Zwischen 1986 und 2004 wurden den Arbeitnehmern in Freien Exportzonen folglich diese Rechte nicht zugestanden560. Bangladesch hat beide Übereinkommen im Jahr 1972 ratifiziert561. Die Übereinkommen sehen Ausnahmen nur für das Heer und die Polizei vor562. Zudem bleibt die Stellung der Beamten unberührt563. Bangladesch kann sich also für den Ausschluss der Koalitionsfreiheit in den Zonen auf keine in den Übereinkommen selbst vorgesehene Ausnahme stützen. Bangladesch begründete den Ausschluss der Koalitionsfreiheit in den Zonen mit der Notwendigkeit, Anreize für ausländische Investoren zu setzen564, um so Arbeitsplätze zu schaffen565. Zudem seien die Regelungen nur vorübergehender Natur, bis Bangladesch sich wirtschaftlich weiterentwickelt habe566. Es sei auch zu bedenken, dass die Arbeitsbedingungen innerhalb der Zonen oft besser und die Löhne höher seien, so dass kein Grund bestehe, die Gründung von Gewerkschaften zu erlauben567. Der ILO-Sachverständigenausschuss sieht in diesem Vorbringen keinen tauglichen Rechtfertigungsgrund und bejahte eine Verletzung der Art. 2 und 3 Übereinkommen Nr. 87568 sowie Art. 1, 2 und 4 Übereinkommen Nr. 98569. Der Ausschuss 557
§ 3 lit. a Industrial Relations Ordinance. § 3 lit. d Industrial Relations Ordinance. 559 § 15 Industrial Relations Ordinance. 560 Erst 2004 wurden auf internationalen Druck hin spezielle Regelungen für die Arbeitnehmer in den Zonen verabschiedet, siehe oben 3. Kap. A. III. 3. b) bb) (3). 561 Gleiches gilt für Namibia (Ausschluss der Koalitionsfreiheit von 1995 – 1996; Ratifizierung Übereinkommen Nr. 87 und 98 im Jahr 1995) und Pakistan (Ausschluss der Koalitionsfreiheit seit 1982; Ratifizierung des Übereinkommens Nr. 87 im Jahr 1951, Nr. 98 im Jahr 1952). Iran (Ausschluss der Koalitionsfreiheit seit 1993) hat hingegen keines der beiden Übereinkommen ratifiziert. 562 Art. 9 Abs. 1 Übereinkommen Nr. 87; Art. 5 Abs. 1 Übereinkommen Nr. 98. 563 Art. 6 Übereinkommen Nr. 98. Für diese gilt Übereinkommen Nr. 151. Die Vorschrift des Art. 6 Übereinkommen Nr. 98 ist sehr umstritten, vgl. dazu Böhmert, Das Recht der ILO, S. 115. 564 CEACR, 69th Session, 1998, Convention No. 87, Observation Bangladesh. 565 CEACR, 66th Session, 1995, Convention No. 98, Observation Bangladesh. 566 CEACR, 71st Session, 2000, Convention No. 87, Observation Bangladesh. 567 CEACR, 61st Session, 1991, Convention No. 98, Observation Bangladesh; CEACR, 71st Session, 2000, Convention No. 87, Observation Bangladesh. 568 CEACR, 61st Session, 1991, Convention No. 98, Observation Bangladesh. 569 CEACR, 61st Session, 1991, Convention No. 98, Observation Bangladesh. 558
B. Rechtliche Schranken der Arbeit in Freien Exportzonen
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betont, dass weder Übereinkommen Nr. 87570 noch Nr. 98571 eine Differenzierung zwischen verschiedenen Gruppen von Arbeitnehmern zulasse. Die Tatsache, dass die Einschränkungen nur vorübergehend Anwendung finden sollten, ändere daran nichts572. Wird folglich in einem bestimmten Gebiet des Landes bzw. in bestimmten Unternehmen die Koalitionsfreiheit gar nicht gewährleistet, so wie es bis 2004 in Bangladesch der Fall war, verstößt dies gegen die Pflichten aus den Übereinkommen Nr. 87 und 98573. bb) Das Arbeitskampfverbot in den Freien Exportzonen in Bangladesch (1) Vorgaben der ILO-Übereinkommen zum Streikrecht Das Recht auf Arbeitskampf wird nach überzeugender Auffassung der ILO-Sachverständigenausschüsse durch Übereinkommen Nr. 87 gewährleistet574. (2) Vereinbarkeit des Ausschlusses des Streikrechts in den Freien Exportzonen in Bangladesch mit dem Recht der ILO Ein Arbeitskampfverbot besteht oder bestand in Bangladesch, Namibia, Nigeria, Pakistan und in der Türkei. Diese Länder haben durchweg das Übereinkommen Nr. 87 ratifiziert575. Der Ausschuss für Vereinigungsfreiheit lässt Ausnahmen vom Recht auf Arbeitskampf nur für die oben bereits genannten Berufsgruppen und Personen zu, die wesentliche Dienste (essential services) ausüben576. Ein generelles Streikverbot ist nach Auffassung der ILO-Ausschüsse nur aufgrund eines nationalen Notstands und auch dann nur für eine begrenzte Zeit zulässig577. Die in Freien Exportzonen ausgeübten Tätigkeiten sind schwerlich als solche anzuerkennen, deren Unterbrechung das Leben, die Gesundheit oder die Sicherheit der Bevölkerung gefährden würde. Auch auf die Notstandsregelung kann sich Bangladesch nicht berufen. Daher ist der vollständige Ausschluss des Streikrechts für alle Arbeitnehmer in den Zonen unvereinbar mit Art. 3 Übereinkom-
570 CEACR, 71st Session, 2000, Convention No. 87, Observation Bangladesh; CEACR, 72nd Session, 2001, Convention No. 87, Observation Bangladesh. 571 CEACR, 64th Session, 1994, Convention No. 87, Observation Bangladesh 572 CEACR, 69th Session, 1998, Convention No. 87, Observation Bangladesh. 573 Ausdrücklich hinsichtlich des Ausschlusses der Vereinigungsfreiheit in Freien Exportzonen ILO, Digest of Decisions and Principles of the CFA 2006, Rn. 264 ff. Die ILO hat zudem den weiteren Ausschluss der Vereinigungsfreiheit in den Zonen auf Grundlage des § 13 Abs. 1 EPZWAIRA für unvereinbar mit Übereinkommen Nr. 87 erklärt, siehe Report No. 337 (June 2006), Case No. 2327 (Bangladesh), Rn. 195. 574 Siehe zur Diskussion oben 2. Kap. B. IV. 3. c) aa) (2). 575 Bangladesch 1972, Pakistan 1951, Türkei 1993, Namibia 1995, Nigeria 1960. 576 Siehe oben 2. Kap. B. IV. 3. d) bb). 577 Servais, 15 Canadian Lab. & Emp. L.J. 147, 152 (2010).
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3. Kap.: Rechtliche Grundlagen und Schranken in Freien Exportzonen
men Nr. 87578. Dies hat der ILO- Sachverständigenausschuss auch bezüglich der entsprechenden Regelungen in Pakistan (1994)579 und Nigeria (2003)580 festgestellt. c) Vom nationalen Individualarbeitsrecht negativ abweichende Spezialregelungen in den Freien Exportzonen (Typ 3) aa) Spezialregelung zur Arbeitszeit in den Freien Exportzonen in Mauritius (1) Unfreiwillige Überstunden Mauritius erlaubt in den Freien Exportzonen – abweichend vom nationalen Arbeitsrecht – Überstunden ohne zusätzliche Vergütung bis zu einer Obergrenze von insgesamt 45 Stunden pro Woche581. Dies erscheint angesichts des Übereinkommens Nr. 47 problematisch, da die von diesem Übereinkommen maximal gestattete Arbeitszeit von 40 Stunden pro Woche überschritten wird. Mauritius hat Übereinkommen Nr. 47 jedoch nicht ratifiziert582. Übereinkommen Nr. 1 (Arbeitszeit im Gewerbe) schreibt die 48-Stunden-Woche vor und verpflichtet zur Zahlung einer Überstundenvergütung von mindestens 125 Prozent der normalen Vergütung für jede Stunde, die diese Grenze überschreitet583. Die Regelung in den Freien Exportzonen erfüllt diese Anforderungen. Davon abgesehen hat Mauritius auch dieses Übereinkommen nicht ratifiziert584. Dem Thema Überstundenvergütung widmet sich zudem ILO-Empfehlung Nr. 116: Gemäß § 19 Abs. 1 sollen Überstunden zu einem höheren Satz vergütet werden als die Normalarbeitszeit. Empfehlungen haben jedoch keinen bindenden Charakter. Somit verstößt Mauritius mit der Regelung zu Überstunden nicht gegen das Recht der ILO.
578 CFA, Report No. 337, June 2005, Case No. 2327 (Bangladesch), Rn. 206. Ebenso Ben-Israel, The Case of Freedom to Strike, S. 99 f. 579 CFA, Report No. 294, June 1994, Case No. 1726 (Pakistan), Rn. 409, sowie bereits CFA, Report No. 253, November 1987, Case No. 1383 (Pakistan), Rn. 94. 580 ILC, Report of the CEACR, 92nd Session, 2003, S. 289 (Streikverbot in Freien Exportzonen Nigerias). 581 Siehe zur Regelung des § 14 Abs. 2 EPZA Fn. 44. Zu allen abweichenden Regelungen zur Arbeitszeit siehe oben 3. Kap. A. III. 3. b) aa) (2) (a). 582 Ebensowenig hat Iran, der Spezialregelungen zur Arbeitszeit vorsieht, Übereinkommen Nr. 47 ratifiziert. 583 Art. 6 Abs. 2 Übereinkommen Nr. 1. 584 Ebensowenig hat Iran, der Spezialregelungen zur Arbeitszeit vorsieht, Übereinkommen Nr. 1 ratifiziert.
B. Rechtliche Schranken der Arbeit in Freien Exportzonen
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(2) Begrenzung der Arbeitszeit auf sieben aufeinanderfolgende Tage Arbeitnehmer in den Freien Exportzonen dürfen an nicht mehr als sieben aufeinanderfolgenden Tagen pro Woche arbeiten. Außerhalb der Zonen besteht dagegen eine Begrenzung auf sechs aufeinanderfolgende Tage585. Die Sonderregelung in den Zonen könnte unvereinbar mit dem von Mauritius 1969 ratifizierten Übereinkommen Nr. 14 sein586. Aus Art. 2 Abs. 1 Übereinkommen Nr. 14 erwächst die Pflicht, allen in gewerblichen Betrieben beschäftigten Personen „innerhalb eines Zeitraumes von sieben Tagen eine Ruhezeit von mindestens vierundzwanzig aufeinanderfolgenden Stunden zu gewähren.“ Die Arbeitnehmer in Freien Exportzonen erhalten jedoch erst nach Ablauf von sieben Tagen einen Ruhetag. Die Regelung des § 14 Abs. 4 EPZA verstößt folglich gegen Art. 2 Abs. 1 Übereinkommen Nr. 14587. (3) Verpflichtende Feiertagsarbeit Im Unterschied zu den Arbeitnehmern außerhalb der Zonen können Arbeitnehmer innerhalb der Zonen stets auch gegen ihren Willen zur Feiertagsarbeit herangezogen werden588. Bedenken bestehen hinsichtlich des Übereinkommens Nr. 14. Dieses verlangt, soweit wie möglich allen Arbeitnehmern eines Betriebs die Ruhezeit gleichzeitig zu gewähren589. Zudem soll der Ruhetag so gewählt werden, dass er möglichst auf einen in dem betreffenden Land durch „Herkommen oder Brauch“ bestimmten Ruhetag fällt590. Nach Auffassung der ILO sind gerade Feiertage solche Tage, an denen ein Ruhetag gewährt werden sollte591. bb) Spezialregelungen zum Beendigungsschutz in den Freien Exportzonen in Mauritius Mauritius differenziert im Bereich des Kündigungsschutzes zwischen Arbeitnehmern in den Zonen und Arbeitnehmern außerhalb. Eine Abfindung wird für 585
Vgl. die Regelung des § 14 Abs. 4 Export Processing Zones Act, Fn. 48. Iran, der Spezialregelungen zur Arbeitszeit vorsieht hat Übereinkommen Nr. 14 im Jahr 1972 ratifiziert. 587 So auch mehrfach der Sachverständigenausschuss: CEACR, 75th Session, 1988, Convention, No. 14, Direct Request Mauritius; CEACR, 78th Session, 1991, Convention, No. 14, Direct Request Mauritius; CEACR, 82nd Session, 1995, Convention, No. 14, Direct Request Mauritius. 588 Siehe zur Regelung des § 14 Abs. 3 lit. a EPZA Fn. 46. 589 Art. 2 Abs. 2 Übereinkommen Nr. 14. 590 Art. 2 Abs. 3 Übereinkommen Nr. 14. 591 Siehe z.B. die Aufforderung des Sachverständigenausschusses an Mauritius, den Sonntag zu einem generellen Ruhetag in Betrieben zu erklären, CEACR, 103rd Session, 2014, Convention, No. 14, Direct Request Mauritius. 586 Auch
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3. Kap.: Rechtliche Grundlagen und Schranken in Freien Exportzonen
Zonenarbeitnehmer erst nach einer dreijährigen Betriebszugehörigkeit gezahlt592, während Arbeitnehmer in anderen Betrieben nur eine Wartezeit von einem Jahr erfüllen müssen593. Ferner wird die Höhe der Abfindung unterschiedlich berechnet. Mauritius hat Übereinkommen Nr. 158 zum Kündigungsschutz jedoch nicht ratifiziert594. cc) Spezialregelungen zum Mutterschutz in den Freien Exportzonen in Mauritius (1) Mutterschutz in den Übereinkommen der ILO Der Schutz von Arbeitnehmerinnen war – wie auch schon das frühe Übereinkommen zur Nachtarbeit von Frauen zeigt – von Beginn an eines der Hauptanliegen der ILO. So wurde bereits auf der ersten IAK im Jahr 1919 das Übereinkommen Nr. 3 zum Mutterschutz verabschiedet. Das Übereinkommen sieht ein Beschäftigungsverbot sechs Wochen vor und sechs Wochen nach dem errechneten Geburtstermin vor595. Während dieser Zeit ist die Frau in ausreichendem Maße durch öffentliche Mittel oder aus einer Versicherung zu unterstützen596 und darf nicht entlassen werden597. Die Neufassung des Übereinkommens im Jahr 1952 durch Übereinkommen Nr. 103 weitet diese Regelungen auf Arbeitnehmerinnen in der Landwirtschaft und in nichtgewerblichen Tätigkeiten sowie der Heimarbeit aus. Auch nach Übereinkommen Nr. 103 sind 12 Wochen Mutterschutz zu gewähren (davon mindestens sechs nach der Geburt598), die Arbeitnehmerin ist medizinisch und finanziell zu unterstützen599 und das absolute Kündigungsverbot bleibt erhalten600. Im Jahr 2000 wurde abermals eine Neufassung erarbeitet – das Übereinkommen Nr. 183. Dieses erhöht die Standards in einigen Bereichen, lässt aber durch Flexibilitätsklauseln mehr Abweichungen zu. Der Zeitraum des Mutterschutzes wird von 12 auf 14 Wochen erhöht601; finanziell soll der Arbeitnehmerin zwei Drittel ihres früheren Verdienstes gewährt werden602; zum Schutz der Frau sind diese Beiträge aus der Sozialversicherung oder öffentlichen Mitteln, nicht aber vom Arbeitgeber
592
Vgl. die Regelung des § 14 Abs. 8 lit. a EPZA, oben Fn. 52. Vgl. die Regelung des § 34 Abs. 1 lit. a Labour Act, oben Fn. 53. 594 Ebensowenig haben Iran, Togo und Panama, die ebenfalls Spezialregelungen zum Kündigungsschutz vorsehen, diese Übereinkommen ratifiziert. 595 Art. 3 lit. a Übereinkommen Nr. 3. 596 Art. 3 lit. b Übereinkommen Nr. 3. 597 Art. 4 Übereinkommen Nr. 3. 598 Art. 3.3 Übereinkommen Nr. 103. 599 Art. 4 Übereinkommen Nr. 103. 600 Art. 6 Übereinkommen Nr. 103. 601 Art. 4.1 Übereinkommen Nr. 183. 602 Art. 6.3 Übereinkommen Nr. 183. 593
B. Rechtliche Schranken der Arbeit in Freien Exportzonen
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zu erbringen603; nach Ende des Mutterschutzes soll der Frau eine Rückkehr in ihren Beruf ermöglicht werden604. (2) Vereinbarkeit der Spezialregelungen in Mauritius mit dem Recht der ILO Mauritius hat für die Unternehmen in Freien Exportzonen spezielle Regelungen zum Mutterschutz getroffen. Das Land hat jedoch keines der Übereinkommen zum Mutterschutz ratifiziert. Die Regelung des § 14 Abs. 6 EPZA, die den bezahlten Mutterschutz – abweichend vom sonstigen nationalen Recht – auf drei Kinder pro Arbeitnehmerin einschränkt605, würde jedoch gegen alle drei Übereinkommen zum Mutterschutz verstoßen, denn diese lassen durchweg keine Begrenzung auf eine bestimmte Zahl von Geburten zu. d) Vom nationalen kollektiven Arbeitsrecht negativ abweichende Spezialregelungen in den Freien Exportzonen (Typ 4) aa) Vereinbarkeit der Regelungen zur Koalitionsfreiheit in den Freien Exportzonen in Bangladesch mit dem Recht der ILO Der EPZWAIRA606 sieht vor, die Koalitionsfreiheit stufenweise in den Zonen zu erlauben. In einer ersten Phase (Juli 2004 bis Oktober 2006) sollten sog. workers’ representation and welfare committees (WRWCs) in den Zonen gegründet werden. Die Gründung von Gewerkschaften war in dieser ersten Phase nicht zulässig. Die mit dem EPZWAIRA getroffenen Spezialregelungen waren Gegenstand einer im März 2004 erhobenen Beschwerde der International Textile, Garment and Leather Workers’ Federation (ITGLWF) beim Ausschuss für Vereinigungsfreiheit607. Der Ausschuss sah in dem durch § 13 Abs. 1 EPZWAIRA statuierten Verbot, bis zum 1. 11. 2006 Gewerkschaften zu gründen, einen Verstoß gegen das in Art. 2 Übereinkommen Nr. 87 verankerte Recht, Gewerkschaften zu bilden608. Der Ausschuss verwies auf seine ständige Spruchpraxis, dass auch den Arbeitnehmern in Freien Exportzonen diese Rechte zustehen – unabhängig davon, ob ökonomische Erwägungen dagegen sprächen609. In einer zweiten Phase (November 2006 bis Oktober 2008) sollte die Gründung von Gewerkschaften zulässig sein. Auch diese Befristung der Vereinigungsfreiheit
603
Art. 6.8 Übereinkommen Nr. 183. Art. 8.2 Übereinkommen Nr. 183. 605 Vgl. einerseits Fn. 50 und andererseits Fn. 51. 606 Oben Fn. 88. 607 CFA, Report No. 337, June 2005, Case No. 2327 (Bangladesh). 608 CFA, Report No. 337, June 2005, Case No. 2327 (Bangladesh), Rn. 195. 609 Vgl. ILO, Digest of Decisions and Principles of the CFA 2006, Rn. 264 ff. 604
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3. Kap.: Rechtliche Grundlagen und Schranken in Freien Exportzonen
befand der Ausschuss für unvereinbar mit den Übereinkommen zur Vereinigungsfreiheit610. Gewerkschaftsgründungen werden zudem hohen Anforderungen unterworfen: Die Gründung muss von 30 Prozent der Arbeitnehmer beantragt werden und 50 Prozent der Arbeitnehmer müssen ihr beiwohnen, wovon wiederum 50 Prozent zustimmen müssen. Eine entworfene Satzung bedarf der Zustimmung der Zonenleitung. Übereinkommen Nr. 87 erlaubt es, die Einhaltung gewisser Formalitäten, wie einer Registrierung, von einer neu gegründeten Gewerkschaft zu verlangen. Diese Formalitäten dürfen aber nicht solcher Natur sein, dass sie die freie Gewerkschaftsgründung unverhältnismäßig behindern. Das Erfordernis von 50 Gründungsmitgliedern befand der Ausschuss ebenso für zu hoch611, wie auch die Anforderung, dass 30 Prozent der betroffenen Arbeitnehmer involviert sein müssen612. Der Ausschuss für Vereinigungsfreiheit sah dementsprechend in den hier aufgestellten Anforderungen unzulässige Einschränkungen des Art. 2613 und des Art. 5 Übereinkommen Nr. 87614. Gleiches gelte für die durch § 16 EPZWAIRA aufgestellte Sperrfrist zur Gewerkschaftsgründung von einem Jahr nach einem gescheiterten Referendum615 sowie die Sperrfrist gleicher Dauer nach der Deregistrierung einer Gewerkschaft616. Auch die Möglichkeit von 30 Prozent der Arbeitnehmer, eine Gewerkschaft zu deregistrieren, ist unvereinbar mit Art. 2 Übereinkommen Nr. 87617. Weiterhin sah das Gesetz vor, dass Gewerkschaften jederzeit verboten werden konnten, wenn sie eine „unfair labour practice“ begingen. Darunter fiel z.B. das Anwerben nichtorganisierter Arbeitnehmer am Arbeitsplatz. Das Anwerben neuer Mitglieder gehört jedoch zu den unter den ILO-Standards zulässigen Aktivitäten einer Gewerkschaft. Folglich ist auch diese Vorschrift nicht mit dem Recht der ILO vereinbar618. Auch die Beschränkung auf eine Gewerkschaft pro Industriezweig ist unvereinbar mit Art. 2 Übereinkommen Nr. 87619.
610
CFA, Report No. 337, June 2005, Case No. 2327 (Bangladesh), Rn. 195. ILO, Digest of Decisions and Principles of the CFA 2006, Rn. 292, 284. 612 ILO, Digest of Decisions and Principles of the CFA 2006, Rn. 290, 288. 613 CFA, Report No. 337, June 2005, Case No. 2327 (Bangladesh), Rn. 200 (30% Quote zur Beantragung der Gründung). 614 CFA, Report No. 337, June 2005, Case No. 2327 (Bangladesh), Rn. 208 (50% Zustimmung der Arbeitnehmer). 615 CFA, Report No. 337, June 2005, Case No. 2327 (Bangladesch), Rn. 201. 616 CFA, Report No. 337, June 2005, Case No. 2327 (Bangladesch), Rn. 202. 617 CFA, Report No. 337, June 2005, Case No. 2327 (Bangladesch), Rn. 203. 618 CFA, Report No. 337, June 2005, Case No. 2327 (Bangladesch), Rn. 204. 619 CFA, Report No. 337, June 2005, Case No. 2327 (Bangladesch), Rn. 198. 611
B. Rechtliche Schranken der Arbeit in Freien Exportzonen
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bb) Vereinbarkeit der Regelungen zum Streikrecht in den Freien Exportzonen in Bangladesch mit dem Recht der ILO Das Streikrecht sollte ebenfalls erst nach einer Übergangsphase gewährleistet werden. Von Juli 2004 bis Oktober 2008 untersagte § 88 Abs. 1 EPZWAIRA jegliche Arbeitskampfmaßnahmen. Gemäß Abs. 2 waren alle Differenzen zwischen Arbeitnehmer- und Arbeitgeberseite der Zwangsschlichtung zuzuführen. Das absolute Streikverbot ist nach Auffassung des Ausschusses für Vereinigungsfreiheit nicht mit Übereinkommen Nr. 87 vereinbar620. Nach dieser ersten Phase (die bis 2010 verlängert wurde) sollten Streiks eingeschränkt erlaubt sein. Die Möglichkeit der Zonenleitung, einen Streik nach 15 Tagen zu verbieten621 bzw. ihn bereits vor Ablauf dieser Zeit zu untersagen, sofern die Leitung der Ansicht ist, der Streik beeinträchtige die Produktivität der Zone622, schränken das Streikrecht erheblich ein. Beschränkungen des Streikrechts müssen auf vernünftigen Erwägungen beruhen und dürfen nur solche Arbeitnehmer erfassen, deren Dienste unverzichtbar sind623. Der Ausschuss für Vereinigungsfreiheit sah diese Einschränkungen als zu weitgehend an. Er gab Bangladesch auf, die Vorschriften zu reformieren, sodass allenfalls eine gewisse Anzahl von Arbeitnehmern verpflichtet sei, die Produktion aufrechtzuerhalten624. e) Unzureichende Durchsetzung des nationalen Individualarbeitsrechts in den Freien Exportzonen (Typ 5) aa) Diskriminierung und Belästigung von Arbeitnehmerinnen in den Maquiladoras Mexikos (1) Diskriminierungen im Bewerbungsprozess Arbeitgeber in mexikanischen Maquiladoras verwenden Schwangerschaftstests im Bewerbungsprozess, um zu verhindern, dass schwangere Arbeitnehmerinnen eingestellt werden625. Diese Praxis erscheint sowohl hinsichtlich des durch die ILO gewährleisteten Mutterschutzes als auch wegen des Verbots der Diskriminierung wegen des Geschlechts problematisch.
620
CFA, Report No. 337, June 2005, Case No. 2327 (Bangladesch), Rn. 206. § 54 Abs. 3 EPZWAIRA. 622 § 54 Abs. 4 EPZWAIRA. 623 Ben-Israel, The Case of Freedom to Strike, S. 103. 624 CFA, Report No. 337, June 2005, Case No. 2327 (Bangladesh), Rn. 207. Auch CEACR,71st Session, 2000, Convention No. 87, Observation Bangladesh; CEACR, 72nd Ses sion, 2001, Convention No. 87, Observation Bangladesh (Differenzierung zwischen verschiedenen Arbeitnehmer-Grupppen ist unzulässig). 625 Siehe oben 3. Kap. A. III. 4. c) aa) (3) (a) (bb). 621
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3. Kap.: Rechtliche Grundlagen und Schranken in Freien Exportzonen
Mexiko hat weder Übereinkommen Nr. 183 noch sonst eines der Übereinkommen zum Mutterschutz ratifiziert626. Es kommt folglich maßgeblich darauf an, ob die Schwangerschaftstests eine unter dem ILO-Recht unzulässige Diskriminierung darstellen. Übereinkommen Nr. 111 von 1958 (Diskriminierung in Beschäftigung und Beruf) wurde von Mexiko im Jahr 1961 ratifiziert627. Dieses Übereinkommen ist zudem Teil der zu den Kernarbeitsnormen erklärten Übereinkommen. Art. 1.1(a) verbietet jede Diskriminierung aufgrund des Geschlechts. Der ILO-Sachverständigenausschuss sieht in der Diskriminierung aufgrund der Schwangerschaft eine mittelbare Diskriminierung wegen des Geschlechts, da allein Frauen aufgrund dieses Merkmals eine Benachteiligung erfahren können628. Fraglich ist, ob das Übereinkommen auch den Bewerbungsprozess schützt. Art. 1 Abs. 1 lit. a definiert den Begriff der Diskriminierung als „jede Unterscheidung, Ausschließung oder Bevorzugung, die auf Grund […] des Geschlechts […] vorgenommen wird und die dazu führt, die Gleichheit der Gelegenheiten oder der Behandlung in Beschäftigung oder Beruf aufzuheben.“ Dabei umfassen die Begriffe Beschäftigung und Beruf gemäß Abs. 3 auch die Zulassung zur Beschäftigung und zum Beruf. Das Übereinkommen schützt folglich auch den Bewerbungsprozess. Der Sachverständigenausschuss sieht in Schwangerschaftstests im Bewerbungsverfahren daher auch eine unzulässige Diskriminierung629 und hat Mexiko mehrfach aufgefordert, Maßnahmen zu ergreifen, um der Verwendung von Schwangerschaftstests entgegenzuwirken. Konkret hat der Ausschuss die Regierung Mexikos dazu aufgerufen, die Arbeitnehmerinnen zu informieren, dass es sich bei dieser Praxis um eine verbotene Diskriminierung wegen des Geschlechts handelt und Arbeitgeber, die solche Tests durchführen, zu bestrafen. Zudem sollen effizien626 Ebensowenig haben die Dominikanische Republik und Honduras, bei denen Schwangerschaftstests im Einstellungsprozess verwendet werden, die Übereinkommen zum Mutterschutz ratifiziert. Die mexikanische Praxis wäre allerdings unvereinbar mit Art. 9 Übereinkommen Nr. 183: Diese Norm verbietet jegliche Diskriminierung aufgrund der Mutterschaft bei der Beschäftigung, einschließlich des Zugangs zur Beschäftigung. Abs. 2 fordert die Mitgliedstaaten auf, die Verwendung von Schwangerschaftstests bei der Bewerbung um einen Arbeitsplatz zu verbieten. Zwar sind Ausnahmen möglich für Arbeiten, die eine erhebliche Gefahr für die Gesundheit von Frauen und ihre Kindern mit sich bringen, möglich. Dies wird jedoch allenfalls bei speziellen Tätigkeiten innerhalb einer Maquiladora der Fall sein, z.B. wenn die Arbeitnehmerin ausschließlich sehr schwere Arbeit durchführen soll. Es ist schwer vorstellbar, dass jede Tätigkeit eine solche Gefahr darstellt – auch wenn die betreffenden Unternehmen gerade mit dieser Argumentation versuchen, die Praxis der Schwangerschaftstests zu rechtfertigen. 627 Ebenso von der Dominikanischen Republik 1964 und Honduras 1960. 628 CEACR, General Survey: Fundamental Conventions, 101st Session, 2012, Rn. 784; CEACR, General Survey: Equality in Employment and Occupation, 83rd Session, 1996, Rn. 37; CEACR, General Survey: Equality in Employment and Occupation, 75th Session, 1988, Rn. 41. 629 CEACR, General Survey: Fundamental Conventions, 101st Session, 2012, Rn. 784.
B. Rechtliche Schranken der Arbeit in Freien Exportzonen
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te Beschwerdemechanismen für betroffene Arbeitnehmerinnen geschaffen werden630. Schwangerschaftstests als Einstellungsvoraussetzung verletzen folglich das Übereinkommen Nr. 111631. (2) Übertragung besonders schwerer Arbeiten an schwangere Arbeitnehmerinnen Auch die Übertragung von Arbeiten, die nur unter besonderer körperlicher Anstrengung zu bewältigen sind632, könnte eine unter dem von Mexiko ratifizierten Übereinkommen Nr. 111 (Diskriminierung) verbotene mittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts darstellen633. Werden schwangeren Arbeitnehmerinnen anstrengendere Arbeiten übertragen, weil sie schwanger sind und um sie zu e iner Eigenkündigung zu bewegen, stellt diese Schlechterbehandlung aufgrund der Schwangerschaft eine unzulässige Diskriminierung dar634. Somit verstößt diese Praxis Mexikos gegen Übereinkommen Nr. 111635. (3) Kündigung schwangerer Arbeitnehmerinnen Neben der Übertragung schwerer Arbeit, ist auch die Kündigung schwangerer Arbeitnehmerinnen keine Seltenheit in den Maquiladoras Mexikos636. Letztere sind aufgrund zahlreicher Übereinkommen höchst problematisch. Zum einen verstoßen arbeitgeberseitige Kündigungen aufgrund einer bestehenden Schwangerschaft gegen Übereinkommen Nr. 158. Das Übereinkommen erlaubt die arbeitgeberseitige Kündigung nur, sofern ein zulässiger Kündigungsgrund vorliegt. Die Schwangerschaft ist gemäß Art. 5 lit. d gerade kein solcher Grund. Weiterhin verstößt eine Kündigung aufgrund der Schwangerschaft gegen die in allen Übereinkommen zum Mutterschutz enthaltenen Kündigungsverbote637. 630 CEACR, 71st Session, 2000, Convention No. 111, Observation Mexico, S. 1958. Siehe auch CEACR, 103rd Session, 2014, Convention, No. 111, Observation Mexico. 631 So auch Swedish, 4 Nw. Univ. J. Int’l Hum. Rts. 363, 374 (2005 – 2006). 632 Dazu oben 3. Kap. A. III. 4. c) aa) (3) (a) (cc). 633 Diese Praxis ist zudem unvereinbar mit Art. 3 Übereinkommen Nr. 183 (Mutterschutz), das dazu verpflichtet, sicherzustellen, dass schwangere Frauen keine Arbeit verrichten, die für die Gesundheit der Mutter oder des Kindes schädlich ist oder diese erheblich gefährdet. Dieses Übereinkommen wurde jedoch von Mexiko nicht ratifiziert. 634 So auch Tanner-Rosati, 16 Law & Bus. Rev. Am. 533, 540 (2010); Goergen, 39 Geo. J. Int’L. L. 407, 415 (2007). 635 CEACR, 91st Session, 2003, Convention No. 111, Observation Mexico, Rn. 1; CEACR, 95th Session, 2006, Convention No. 111, Observation Mexico, Rn. 2; CEACR, 97th Session, 2008, Convention No. 111, Observation Mexico, Rn. 5. So auch Tanner-Rosati, 16 Law & Bus. Rev. Am. 533, 541 (2010). 636 Dazu oben 3. Kap. A. III. 4. c) aa) (3) (a) (cc). 637 Art. 4 Übereinkommen Nr. 3; Art. 6 Übereinkommen Nr. 103; Art. 8 Abs. 1 Übereinkommen Nr. 183.
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3. Kap.: Rechtliche Grundlagen und Schranken in Freien Exportzonen
Keines dieser Übereinkommen wurde jedoch von Mexiko ratifiziert. Eine Kündigung aufgrund von Schwangerschaft stellt jedoch auch eine unter Übereinkommen Nr. 111 verbotene mittelbare Diskriminierung wegen des Geschlechts dar638. (4) Sexuelle Belästigung von Arbeitnehmerinnen Auch die in den Maquiladoras auftretende sexuelle Belästigung von Arbeitnehmerinnen könnte unvereinbar mit Übereinkommen Nr. 111 sein. Zwar besteht Uneinigkeit darüber, ob sexuelle Belästigung eine Diskriminierung wegen des Geschlechts darstellt oder eher eine Form der Gewalt gegen Frauen ist. Der Sachverständigenausschuss hat die sexuelle Belästigung jedoch als Form der Diskriminierung anerkannt639. bb) Unzureichende Durchsetzung des nationalen Arbeitsschutzrechts in den Maquiladoras Mexikos Zahlreichen Berichten zufolge werden Arbeitnehmer in den Maquiladoras, die mit gefährlichen Chemikalien arbeiten, nicht ausreichend geschult und erhalten nicht die erforderliche Schutzausrüstung. Dies soll zu einem erhöhten Aufkommen von Krankheiten und Fehlbildungen bei Kindern von Arbeitnehmerinnen führen640. Mexiko hat von den arbeitsschutzrechtlichen Übereinkommen lediglich Übereinkommen Nr. 170 über die Verwendung chemischer Substanzen ratifiziert (1992)641. Das Übereinkommen verpflichtet die Mitgliedstaaten, „eine in sich geschlossene Politik auf dem Gebiet der Sicherheit bei der Verwendung chemischer Stoffe bei der Arbeit festzulegen, durchzuführen und regelmäßig zu überprüfen.“642 In seinem vierten Teil statuiert das Übereinkommen unmittelbar Pflichten der Arbeitgeber. Diese haben chemische Stoffe hinreichend zu kennzeichnen643 und sicherzustellen, dass die Arbeitnehmer chemischen Stoffen nicht in einem Ausmaß ausgesetzt werden, dass die gesetzlichen Grenzwerte überschritten werden644. Zudem verpflichtet 638 CEACR, General Survey: Fundamental Conventions, 101st Session, 2012, Rn. 784; CEACR, General Survey: Equality in Employment and Occupation, 83rd Session, 1996, Rn. 131. 639 CEACR, General Survey: Fundamental Conventions, 101st Session, 2012, Rn. 789: „Over the years, the Committee has consistently expressed the view that sexual harassment, as a serious manifestation of sex discrimination and a violation of human rights, is to be addressed within the context of the Convention.“ 640 Siehe oben 3. Kap. A. III. 4. c) aa) (3) (c). 641 Nicaragua, das zweite Land, bei dem die Durchsetzung des Arbeitsschutzes ein massives Problem darstellt, hat nur Übereinkommen Nr. 119 zum Maschinenschutz im Jahr 1981 ratifiziert. 642 Art. 4 Übereinkommen Nr. 170. 643 Art. 10, 11 Übereinkommen Nr. 170. 644 Art. 12 Übereinkommen Nr. 170.
B. Rechtliche Schranken der Arbeit in Freien Exportzonen
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Art. 13 die Arbeitgeber, zum Schutz ihrer Arbeitnehmer Maßnahmen zu ergreifen, wie die Wahl der risikoärmsten Chemikalien und Technologien, die Anwendung technischer Verhütungsmaßnahmen und arbeitshygienischer Maßnahmen sowie die Bereitstellung persönlicher Schutzausrüstung und Schutzkleidung. Werden Arbeitnehmer in mexikanischen Maquiladoras nicht hinreichend vor chemischen Stoffen geschützt, verstößt Mexiko demnach gegen seine Verpflichtungen aus Übereinkommen Nr. 170. f) Unzureichende Durchsetzung des nationalen kollektiven Arbeitsrechts in den Freien Exportzonen (Typ 6) aa) Kündigungen und blacklisting von Gewerkschaftsmitgliedern in den Maquiladoras Mexikos Dem Ziel, Diskriminierungen wegen Gewerkschaftszugehörigkeit durch den Arbeitgeber zu unterbinden, ist Übereinkommen Nr. 98 gewidmet. Gemäß Art. 1 Abs. 1 sind Arbeitnehmer vor jeder gegen die Vereinigungsfreiheit gerichteten unterschiedlichen Behandlung zu schützen. Insbesondere ist es untersagt, einen Arbeitnehmer aus diesem Grund zu entlassen oder in sonstiger Weise zu benachteiligen (Art. 1 Abs. 1 lit. b). Die in den Maquiladoras vorgenommenen Kündigungen645 sind mit dieser Regelung nicht zu vereinbaren. Das sog. blacklisting verstößt gegen Art. 1 Abs. 2 lit. a, da es bezweckt, die zukünftige Beschäftigung eines Arbeitnehmers zu verhindern, weil er sich gewerkschaftlich betätigt hat. Problematisch ist, dass das Übereinkommen Nr. 98 keine Ratifikation durch Mexiko erfahren hat646. Das Übereinkommen gehört zwar zu den Kernarbeitsnormen, ob jedes Mitglied allein kraft seiner Mitgliedschaft an die den Kernarbeitsnormen zugrundeliegenden acht Übereinkommen gebunden ist, ist jedoch umstritten647. Diese Frage bedarf jedoch keiner Entscheidung, wenn die hier diskutierten Praktiken zur Unterbindung der Vereinigungsfreiheit auch unvereinbar mit dem von Mexiko 1950 ratifizierten Übereinkommen Nr. 87 sind. Das Übereinkommen verpflichtet die Mitgliedstaaten, die Vereinigungsfreiheit für Arbeitnehmer und Arbeitgeber zu gewährleisten. Alle Arbeitnehmer haben danach das Recht, Organisationen nach eigener Wahl zu bilden und solchen beizutreten (Art. 2). Dieses Recht darf weder durch die innerstaatliche Gesetzgebung noch durch die Art der Anwendung geschmälert werden (Art. 8 Abs. 2). Der Ausschuss für Vereinigungsfreiheit hatte 2004 einen Fall zu entscheiden, in dem es um Einschränkungen der Vereinigungsfreiheit in den Maquiladoras 645
Zu allen Praktiken siehe oben 3. Kap. A. III. 4. c) aa) (3) (b). Wohl aber durch die Dominikanische Republik 1953, Honduras 1956, Jamaika 1962, Nicaragua 1967 und Madagaskar 1998, wo die Vereinigungsfreiheit ebensowenig effektiv durchgesetzt wird. 647 Siehe oben 2. Kap. B. II. 1. b) cc) (3). 646
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3. Kap.: Rechtliche Grundlagen und Schranken in Freien Exportzonen
von Mexiko ging648. Die Gewerkschaft STEMCEM649 hatte Beschwerde bei der ILO erhoben, da sowohl der Staat Mexiko als auch das Maquiladoraunternehmen MACOELMEX ihrer Betätigung massiv entgegenwirkten. Gerügt wurde u.a. eine Klausel in einem Tarifvertrag zwischen MACOELMEX und einer Gewerkschaft, die vorsah, dass in der Maquiladora nur Mitglieder dieser Gewerkschaft eingestellt werden dürfen und dass Arbeitnehmer, die nicht mehr Mitglied der betreffenden Gewerkschaft sind, entlassen werden müssen. Zudem hatte der Arbeitgeber diejenigen Arbeitnehmer, welche die neue Gewerkschaft aufbauen wollten, bedroht und schlussendlich entlassen. Der Ausschuss äußerte sich nicht zur Vereinbarkeit der konkreten Klausel mit dem Recht der ILO650, kritisierte die Diskriminierung aufgrund der Gewerkschaftsaktivität in Form von Bedrohung und Kündigung jedoch scharf. Dabei verwies der Ausschuss im Rahmen der Begründung der Rechtswidrigkeit dieser Maßnahmen auf Art. 2 Übereinkommen Nr. 98, obgleich er zuvor festgestellt hatte, dass dieses Übereinkommen keiner Ratifikation durch Mexiko unterzogen wurde. Daneben verwies er jedoch losgelöst von diesem Übereinkommen auf seine Spruchpraxis, wonach die Diskriminierung wegen Gewerkschaftsaktivitäten gegen die Vereinigungsfreiheit verstoße. Auch an anderer Stelle hat der Ausschuss für Vereinigungsfreiheit betont, dass die Diskriminierung wegen Gewerkschaftszugehörigkeit eine der schwerwiegendsten Verletzungen der Vereinigungsfreiheit sei, da sie die Existenz von Gewerkschaften unmittelbar behindere651. Insbesondere die Kündigung wegen Gewerkschaftszugehörigkeit oder rechtmäßiger Aktivitäten in einer Gewerkschaft müsse verboten und unter Strafe gestellt werden652. Gleiches gelte für das blacklisting653. Werden benachteiligende Maßnahmen gegen Arbeitnehmer ergriffen, die versuchen, eine Gewerkschaft aufzubauen, verstößt dies demnach nicht nur gegen das Diskriminierungsverbot des Übereinkommens Nr. 98, sondern auch gegen das durch Art. 2 Übereinkommen Nr. 87 statuierte Recht, Gewerkschaften zu gründen und ihnen beizutreten654. Dem ist zuzustimmen. Die hier vorgenommenen diskriminierenden Maßnahmen behindern die Gründung der Gewerkschaft selbst und 648
ILO Case No. 2393 (Mexico). Sindicato de Trabajadores de la Empresa Manufacturera de Componentes Eléctricos de México. 650 Er forderte Mexiko auf, weitere Informationen zur nationalenRechtslage in Mexiko vorzulegen, da solche Klauseln nach Art. 395, 413 LFT zulässig sind, das Oberste Gericht von Mexiko die Klauseln jedoch für unwirksam hält. Nach Auffassung der ILO sind solche Klauseln in Tarifverträgen nicht per se unzulässig und es bleibt dem nationalen Gesetzgeber überlassen, ihre Rechtmäßigkeit zu regeln, ILO, Digest of Decisions and Principles of the CFA 2006, Rn. 364 f. 651 ILO, Digest of Decisions and Principles of the CFA 2006, Rn. 769. 652 ILO, Digest of Decisions and Principles of the CFA 2006, Rn. 771. 653 ILO, Digest of Decisions and Principles of the CFA 2006, Rn. 803. 654 ILO, Digest of Decisions and Principles of the CFA 2006, Rn. 338. 649
B. Rechtliche Schranken der Arbeit in Freien Exportzonen
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sind damit unvereinbar mit Art. 2 Übereinkommen Nr. 87. Es kommt folglich nicht darauf an, ob Mexiko auch an Übereinkommen Nr. 98 unmittelbar aufgrund seiner Mitgliedschaft in der ILO gebunden ist, da die hier aufgezeigten Praktiken jedenfalls gegen das ratifizierte Übereinkommen Nr. 87 verstoßen. bb) Etablierung arbeitgeberfreundlicher Gewerkschaften durch den Staat Auch die Etablierung staatlich gesteuerter Gewerkschaften (sog. protection unions) hat zum Ziel, die Gründung unabhängiger Gewerkschaften zu verhindern. Damit verstößt auch diese Praxis gegen Art. 2 Übereinkommen Nr. 87655. 4. Rechtsfolgen des Verstoßes gegen die ILO-Übereinkommen a) Rechtsfolgen des Ausschlusses des nationalen Arbeitsrechts und der Schaffung von Spezialregelungen für die Freien Exportzonen Die von Bangladesch und Mauritius für die Freien Exportzonen erlassenen Gesetze sind ganz überwiegend unvereinbar mit den Übereinkommen der ILO. Erlässt ein Staat ein völkerrechtswidriges Gesetz, so verstößt er gegen seine völkerrechtlichen Pflichten gegenüber den anderen Vertragsstaaten. Es entsteht ein völkerrechtswidriger Zustand. Soweit Bangladesch und Mauritius die Übereinkommen der ILO ratifiziert haben, verletzen sie folglich ihre Pflichten aus dem Völkerrecht. Solche Pflichtverletzungen könnten grundsätzlich eine Pflicht zur Leistung von Schadensersatz nach sich ziehen. Das Völkerrecht kennt das allgemeine Prinzip, dass die Verletzung einer vertraglichen Vereinbarung zur Leistung einer Entschädigung verpflichtet, selbst wenn der völkerrechtliche Vertrag keine entsprechende Regelung trifft656. Man könnte diesen Gedanken dahingehend weiterspinnen, dass ein Mitgliedstaat im Wege der Art. 26 ff. ILO-Verfassung gegen den vertragsbrüchigen Staat vorgeht, was schlussendlich gem. Art. 29 ILO-Verfassung sogar zu einer Entscheidung des IGH führen könnte. Der IGH hat in der Vergangenheit auch angenommen, dass sich seine Zuständigkeit auch auf das Zusprechen von Entschädigungen erstreckt, wenn er zur Entscheidung über einen Vertragsbruch berechtigt ist657. Dieses Gedankenkonstrukt scheitert allerdings bereits an der feh655 So auch der Ausschuss für Vereinigungsfreiheit, CEACR, 104th Session, 2015, Convention No. 87, Observation Mexico. 656 Grundlegend Ständiger Internationaler Gerichtshof (StIGH; Permanent Court of International Justice, PCIJ), Factory at Chorzow, Judgement No. 8, 1927, Series A, No. 9, p. 21: „It is a principle of international law that the breach of an engagement involves an obligation to make reparation in an adequate form. Reparation therefore is the indispensable complement of a failure to apply a convention and there is no necessity for this to be stated in the convention itself.“ Siehe dazu auch Kelsen, Principles of International Law, S. 20 ff. 657 IGH v. 27. 6. 1986, IJC Reports 1986, S. 14, 142, Rn. 283 (Nicaragua v. United States).
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3. Kap.: Rechtliche Grundlagen und Schranken in Freien Exportzonen
lenden Bereitschaft der ILO-Mitgliedstaaten nach Art. 26 ff. ILO-Verfassung gegeneinander vorzugehen658. b) Rechtsfolgen der fehlenden Durchsetzung des nationalen Arbeitsrechts in Freien Exportzonen Im Falle Mexikos ist es auf den ersten Blick nicht der Staat, der gegen seine Pflichten aus den ILO-Übereinkommen verstößt. Das mexikanische Arbeitsrecht genügt in weiten Teilen den Vorgaben der ILO. Das Problem liegt hier in der fehlenden Durchsetzung der bestehenden Gesetze. Die Unternehmen in den Maquiladoras beachten die bestehenden nationalen Gesetze schlicht nicht. Fraglich ist demnach, welche Konsequenzen der Verstoß eines privaten Arbeitgebers gegen die ILO-Übereinkommen hat. Die Übereinkommen richten sich ganz überwiegend an die Vertragsstaaten. Viele Übereinkommen verpflichten die Mitgliedstaaten zum Erlass bestimmter Gesetze659 oder stellen direkte Gebote und Verbote auf660, die der Staat im nationalen Recht verankern muss661. Diese nationalen Umsetzungsgesetze können dann die Unternehmen direkt verpflichten; das Völkerrecht selbst verpflichtet grundsätzlich nur die Staaten. Im Unterschied zum klassischen Völkerrecht ist es jedoch ein Spezifikum des Völkerarbeitsrechts, dass hier in der Regel weniger staatliche Akteure die Rechte der Einzelnen bedrohen, als vielmehr private662. Demgemäß liegt es nahe, dass das internationale Arbeitsrecht gerade diese in die Pflicht nimmt. Das Völkerrecht kann grundsätzlich auch private Akteure verpflichten, dies muss sich dann jedoch direkt aus dem Übereinkommen ergeben. Das ist bei keinem der hier untersuchten Übereinkommen der Fall. Demnach bleibt es in der präsentierten Konstellation dabei, dass allein ein Verstoß des Staates Mexiko vorliegen kann. Dieser ist hier jedoch auch zu bejahen. Staaten können nicht derartige Zonen einrichten ohne gleichzeitig effektive Schutzmechanismen zu implementieren, welche die Arbeitnehmer vor Verletzungen ihrer Rechte durch die Unternehmen schützen663. Unter dem Schutzpflichtgedanken sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, schützende Maßnahmen zugunsten 658
Siehe oben 2. Kap. B. IV. 4. a) bb) (3). Art. 2 des Antidiskriminierungs-Übereinkommen Nr. 111: „Each Member for which this Convention is in force undertakes to declare and pursue a national policy designed to promote, by methods appropriate to national conditions and practice, equality of opportunity and treatment in respect of employment and occupation, with a view to eliminating any discrimination in respect thereof.“ 660 Z.B. Art. 3 Arbeitszeit-Übereinkommen Nr. 30: „The hours of work of persons to whom this Convention applies shall not exceed forty-eight hours in the week and eight hours in the day […].“ 661 Peters, Jenseits der Menschenrechte, S. 408 ff. 662 Peters, Jenseits der Menschenrechte, S. 411. 663 Binder, 16 Austrian Rev. Int’l & Eur. L. 163, 173 (2011). 659 Z.B.
B. Rechtliche Schranken der Arbeit in Freien Exportzonen
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der Arbeitnehmer zu ergreifen664. Im Falle Mexikos ist das Land verpflichtet, dem bestehenden Recht hinreichend zur Durchsetzung zu verhelfen, etwa durch regelmäßige Kontrollen in den Maquiladoraunternehmen. Dementsprechend hat der Sachverständigenausschuss Mexiko aufgefordert, mitzuteilen, inwiefern sichergestellt wird, dass bestehende Gesetze auch angewendet werden – insbesondere in den Freien Exportzonen665. c) Durchsetzung der ILO-Übereinkommen Die von Seiten der ILO zu fürchtenden Konsequenzen dieser Völkerrechtsverstöße sind jedoch gering. Wie bereits ausgeführt, bleibt ihr allein die Möglichkeit, den völkerrechtswidrigen Zustand anzumahnen und den Vertragsstaat zur Beseitigung aufzufordern. Sanktionsmechanismen wendet die ILO bislang nur sehr zurückhaltend an666. 5. Ergebnis Die ILO widmet sich dem Thema Arbeit in Freien Exportzonen seit vielen Jahren und sehr intensiv. Die unzureichende Gewährleistung der entsprechenden Arbeitsrechte in Freien Exportzonen wurden in zahlreichen Staatenberichten thematisiert und für unvereinbar mit den Vorgaben der ILO-Übereinkommen erklärt667. 664
Peters, Jenseits der Menschenrechte, S. 412. CEACR, 103rd session 2014, Convention No. 111, Observation Mexico: „The Committee therefore notes with interest that […] the recently amended Federal Labour Act […] prohibits employers from requiring certificates that women are not pregnant to obtain or keep a job […]. The Committee requests the Government to provide information on the application in practice of these provisions. The Committee requests the Government to indicate the manner in which it is guaranteed that the existing legislation is also effectively applied in export processing zones, […].“ 666 Dazu oben 2. Kap. B. IV. 4. a) bb). 667 Beispielsweise die Kritik des Sachverständigenausschusses am Ausschluss der Koalitionsfreiheit auf Basis des § 11 Bangladesh Export Processing Zones Authority Act 1980 (ILC, Report of the CEACR 2003, S. 224), am EPZ Workers’ Welfare Association and Indutsrial Relations Act 2010 in Bangladesch (ILC, Report of the CEACR 2015, S. 50), am kompletten Ausschluss des nationalen Rechts in Bangladesch (ILC, Report of the CEACR 2015, S. 321), am Ausschluss der Koalitionsfreiheit in Pakistan auf Basis der EPZ Authority Ordinance 1980 (ILC, Report of the CEACR 2003, S. 292, 378), an der unzureichenden Gewährleistung der Koalitionsfreiheit in den Freien Exportzonen von Mauritius (ILC, Report of the CEACR 2003, S. 376; ILC, Report of the CEACR 2015, S. 117), am Arbeitskampfverbot in Namibia auf Basis des EPZ Amendment Act 1996 (ILC, Report of the CEACR 2003, S. 285), an den Einschränkungen des Streikrechts in Nigeria (ILC, Report of the CEACR 2003, S. 288 f.; ILC, Report of the CEACR 2015, S. 126), am Ausschluss des Streikrechts auf Basis der Ley 25/1992 in Panama (ILC, Report of the CEACR 2003, S. 297), an den Behinderungen der Koalitionsfreiheit in der Dominikanischen Republik (ILC, Report of the CEACR 2003, S. 253), an den Problemen bei der Durchsetzung der Koalitionsfreiheit in den Freien Exportzonen Togos (ILC, Report of the CEACR 2003, S. 311), an gewalttäti665 Vgl.
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3. Kap.: Rechtliche Grundlagen und Schranken in Freien Exportzonen
Gegen viele Länder mit Freien Exportzonen wurden zudem Beschwerden an den Ausschuss für Vereinigungsfreiheit gerichtet, z.B. gegen Pakistan, die Dominikanische Republik, Guatemala, Nicaragua, die Philippinen, El Salvador und Honduras668. Die Übereinkommen der ILO geben in den hier problematischen Bereichen häufig sehr konkret und detailliert vor, welche arbeitsrechtlichen Schutzstandards das Arbeitsvölkerrecht erwartet. Die Länder mit Freien Exportzonen halten sich jedoch weitgehend nicht an diese Vorgaben, da sie einen Wettbewerbsnachteil fürchten. Problematisch sind vor allem drei Punkte: Erstens die mangelnde Ratifikationsbereitschaft vieler Länder669, zweitens die fehlenden Ressourcen zur effektiven Umsetzung ratifizierter Übereinkommen und drittens die fehlenden Sanktionsmöglichkeiten der ILO. Gerade das Vorhandensein Freier Exportzonen kann einen Staat daran hindern, ein ILO-Übereinkommen zu ratifizieren. So hat Sri Lanka angegeben, seine Freien Exportzonen seien ein Hauptgrund, Übereinkommen der ILO nicht zu ratifizieren670. Die geringe Bereitschaft vieler Regierungen, den Standortvorteil niedriger Arbeitskosten aufzugeben, steht häufig einer Ratifikation, aber auch einer effektiven Umsetzung nach erfolgter Ratifikation entgegen671. Demgemäß besteht auch ein großes Defizit bei der Implementierung der ratifizierten Übereinkommen672. Vielen Mitgliedstaaten fehlt es schlicht an den verwaltungstechnischen Voraussetzungen zur Umsetzung und effektiven nationalen Kontrollmechanismen673. Das weitaus größte Problem besteht jedoch darin, dass im Falle eines Verstoßes gegen ratifizierte Übereinkommen nur wenige Konsequenzen drohen. Die Möglichkeiten der ILO, die Umsetzung ratifizierter Übereinkommen zu überwachen
gen Behinderungen der Koalitionsfreiheit in Guatemala (ILC, Report of the CEACR on the Application of Conventions and Recommendations, General Report, 91st Session, Report III (Part 1A), S. 371; ILC, Report of the CEACR 2015, S. 90), an Kündigungen wegen Gewerkschaftsmitgliedschaft in Haiti (ILC, Report of the CEACR 2015, S. 94), an Einschränkungen der gesetzlich gewährleisteten Koalitionsfreiheit in Honduras (ILC, Report of the CEACR 2015, S. 98), an Diskriminierungen und Belästigungen von Frauen in den Freien Exportzonen Guatemalas (ILC, Report of the CEACR on the Application of Conventions and Recommendations, General Report, 91st Session, Report III (Part 1A), S. 393, 490), der Dominikanischen Republik (ILC, Report of the CEACR 2015, S. 256) und in Mexiko (ILC, Report of the CEACR 2003, S. 506 f.). 668 Binder, 16 Austrian Rev. Int’l & Eur. L. 163, 181 (2011). 669 Weiss, in: FS Richardi, S. 1093, 1098. 670 Dror, 123 Int’l Lab. Rev. 705, 718 f. (1984). 671 Weiss, in: FS Richardi, S. 1093, 1098; Hepple, Labour Laws and Global Trade, S. 35 ff. 672 Weiss, in: FS Richardi, S. 1093, 1098; Birk, ZfA 1991, 355, 361. 673 Krebber, JZ 2008, 53, 59.
B. Rechtliche Schranken der Arbeit in Freien Exportzonen
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und Druck auf die Mitgliedstaaten auszuüben, ist begrenzt674. Das Berichtssystem ist abhängig von der Bereitschaft der Mitgliedstaaten, Berichte zu erstellen. Die Organe der ILO können nur auswerten, was die Mitgliedstaaten ihnen freiwillig mitgeteilt haben. Gerade Bangladesch ist dabei sehr zurückhaltend. Stellt die ILO einen Verstoß gegen ein ILO-Übereinkommen fest, so kann sie wenig mehr tun, als das Land aufzufordern, Abhilfe zu schaffen675. Die ILO hat keine Möglichkeiten, ein Land zur Einhaltung der Mindeststandards zu zwingen. Insbesondere Handelssanktionen sind nicht möglich676. Der Verstoß führt nur zu einem völkerrechtswidrigen Zustand677. Die ILO kann lediglich sozialen und psychologischen Druck ausüben678. Betrachtet man allerdings die Entwicklung einiger Freier Exportzonen in den vergangenen Jahrzehnten, so wird deutlich, dass der öffentliche und soziale Druck durch die ILO durchaus Wirkung erzielt. Während in den 1980er-Jahren in vielen Ländern das Arbeitsrecht noch vollständig ausgeschlossen war, haben zahlreiche Staaten diese Gesetze auf Drängen der ILO hin entfernt. Zu groß war der öffentliche Druck, zu rechtfertigen, warum nicht einmal das eigene nationale Arbeitsrecht Anwendung finden sollte. In den meisten Zonen hat sich das Problem daher in den Bereich der fehlenden Durchsetzung verschoben. Hier kommt die in den letzten Jahren zunehmend in den Mittelpunkt rückende technische Zusammenarbeit der ILO ins Spiel, die den Mitgliedstaaten Unterstützung bei der Implementierung bietet. Auch die Möglichkeit von Gewerkschaften, bei der ILO Beschwerde einzulegen, hat sich als wirkungsvoll erwiesen679, wie der Fall Namibias zeigt, wo der Ausschluss des nationalen Arbeitsrechts auf Drängen der Gewerkschaften nach nur einem Jahr rückgängig gemacht wurde680
III. Schranken der Arbeit in Freien Exportzonen durch internationale Menschenrechtsabkommen 1. Arbeitsrecht in Internationalen Menschenrechtsabkommen Im zweiten Kapitel wurde bereits aufgezeigt, welche Arbeitsrechte in den Menschenrechtsverträgen der UN und des Europarats verankert sind681. Für die in die674 Ausführlich zu den Überwachungsmechanismen der ILO Servais, International Labour Law, S. 287 ff. 675 Weiss, in: FS Richardi, S. 1093, 1099. 676 Russel-Brown, 24 Berkeley J. Emp. & Lab. L. 179, 195 (2003). 677 Krebber, JZ 2008, 53, 58.; Krebber, EuZA 2008, 141, 144. 678 Russel-Brown, 24 Berkeley J. Emp. & Lab. L. 179, 195 (2003). 679 Binder, 16 Austrian Rev. Int’l & Eur. L. 163, 182 (2011). 680 Siehe oben 3. Kap. A. III. 3. b) ii). 681 2. Kap. B. II. 2.
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3. Kap.: Rechtliche Grundlagen und Schranken in Freien Exportzonen
sem Kapitel thematisierten Länder sind neben den UN-Pakten auch die unter dem Dach der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) und die innerhalb der Afrikanischen Union (AU) geschlossenen Menschenrechtsverträge von Bedeutung682. Daher wird im Folgenden dargestellt, welche Arbeitsrechte sich in diesen regionalen Menschenrechtsübereinkommen finden. Im Anschluss daran wird der Frage nachgegangen, inwiefern die Praktiken in den Freien Exportzonen mit diesen Gewährleistungen vereinbar sind und mit welchen Mitteln eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen in den Zonen durchgesetzt werden könnte. a) Menschenrechtsinstrumente der Organisation Amerikanischer Staaten aa) Charta der Organisation Amerikanischer Staaten und Amerikanische Menschenrechtserklärung Die OAS hat bereits im Jahr 1948 die OAS-Charta683 verabschiedet, welche – vergleichbar mit der UN-Charta – ein allgemeines Bekenntnis zur Einhaltung der Menschenrechte enthält. Konkretisiert wurde dieses Bekenntnis durch die im selben Jahr in Form eines unverbindlichen Konferenzbeschlusses verabschiedete Amerikanische Menschenrechtserklärung684, deren Förderung seit 1960 der Interamerikanischen Menschenrechtskommission obliegt685. bb) Amerikanische Menschenrechtskonvention Das zentrale Menschenrechtsabkommen der OAS stellt jedoch die Amerikanische Menschenrechtskonvention (AMRK)686 von 1969 dar, die 1978 in Kraft trat687. Die AMRK garantiert wie der IPbpR und die EMRK vorwiegend bürgerliche und 682 Im asiatischen Raum existiert bislang kein entsprechendes regionales Menschenrechtsabkommen. Die 2012 verabschiedete ASEAN-Menschenrechtsdeklaration (abrufbar unter: http://www.humanrights.ch/upload/pdf/121120_ASEAN_HR_Declaration.pdf [zuletzt überprüft am 24. 11. 2016]) ist unverbindlich. Die Arabische Menschenrechtserklärung aus dem Jahr 2004 verfügt über keinerlei Durchsetzungsmechanismen bei Nichteinhaltung der in der Charta vorgesehenen Rechte. Siehe zu beiden Instrumenten Thomuschat, Human Rights, S. 39 f. 683 Charta der Organisation Amerikanischer Staaten vom 30. 4. 1948, OAS Treaty Series Nr. 1-C und 61, abgedruckt in Hummer/Karl, Regionaler Menschenrechtsschutz, Teilband I/2 S. 681 ff. 684 Amerikanische Erklärung der Rechte und Pflichten des Menschen vom 2. 5. 1948, OAS Res. XXX, abrufbar unter: http://www.cidh.org/Basicos/English/Basic2.American%20Declaration.htm (zuletzt überprüft am 8. 3. 2017). 685 Buergenthal, EuGRZ 1984, 169, 174 ff. Mehr Informationen zur Kommission auf http://www.oas.org/en/iachr/ (zuletzt überprüft am 8. 3. 2017). 686 Amerikanische Menschenrechtskonvention (auch: Pakt von San José) vom 22. 11. 1969, OAS Treaty Series Nr. 36; abgedruckt in deutscher Sprache in EuGRZ 1980, 435 ff. 687 Zur Entstehung Henkin/Cleveland et al., Human Rights, S. 568 ff.
B. Rechtliche Schranken der Arbeit in Freien Exportzonen
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politische Rechte. Sie verbietet Zwangsarbeit (Art. 6 Abs. 2 AMRK) und schützt die Vereinigungsfreiheit (Art. 16 AMRK). Art. 26 und 42 AMRK empfehlen eine fortschreitende Ausgestaltung der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte. Nach heute herrschender Auffassung unterliegen Staaten, die die AMRK nicht ratifiziert haben, zumindest den Verpflichtungen der OAS-Charta, wozu auch die Menschenrechte der Amerikanischen Menschenrechtserklärung gehören688. cc) Zusatzprotokoll von San Salvador Eine umfassende Normierung von wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechten wurde erst 1988 mit dem Zusatzprotokoll von San Salvador689 vollzogen. Dieses garantiert zahlreiche arbeitsrechtliche Rechte, u.a. das Recht auf Arbeit (Art. 6) und ein Recht auf gerechte Arbeitsbedingungen (Art. 7). Art. 7 umfasst u.a. ein Recht auf ein Mindestarbeitsentgelt, ein Recht auf „Stabilität“ der Arbeit und damit ein Recht auf ein gewisses Maß an Kündigungsschutz, Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz, eine Begrenzung der Arbeitszeit sowie Urlaub. Weiterhin enthält das Protokoll Rechte von Gewerkschaften, u.a. das Streikrecht (Art. 8). Das Protokoll trat 1999 in Kraft, weist bislang jedoch lediglich 16 Vertragsstaaten auf690. dd) Interamerikanische Konvention zur Verhütung, Bestrafung und Beseitigung von Gewalt gegen Frauen Die Interamerikanische Konvention zur Verhütung, Bestrafung und Beseitigung von Gewalt gegen Frauen691 schützt Frauen insbesondere vor Diskriminierungen und Belästigungen am Arbeitsplatz (Art. 2 lit. b).
688 Kokott, Das interamerikanische System zum Schutz der Menschenrechte, S. 10; Kau, in: Graf Vitzthum/Proelß (Hrsg.), Völkerrecht, S. 209, 225 f. Die USA sehen die Erklärung jedoch nicht als bindend an, siehe dazu: Henkin/Cleveland et al., Human Rights, S. 618. Gegenwärtig noch nicht ratifiziert haben die AMRK: Antigue und Barbuda, die Bahamas, Belize, Kanada, Guyana, St. Kitts & Nevis, St. Lucia, St. Vincent & Grenadines und die Vereinigten Staaten, welche zwar unterzeichnet, jedoch nicht ratifiziert haben. Trinidad & Tobago sowie Venezuela haben die AMRK zunächst ratifiziert, sind jedoch 1998 bzw. 2012 dil/treaties_B-32_American_Convention_on_ wieder zurückgetreten, http://www.oas.org/ Human_Rights_sign.htm (zuletzt überprüft am 8. 3. 2017) 689 Zusatzprotokoll von San Salvador über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte vom 17. 11. 1988 OAS Treaty Series Nr. 69, abgedruckt in Hummer/Karl, Regionaler Menschenrechtsschutz, Teilband I/2, S. 809 ff. 690 Stand Juli 2016, http://www.oas.org/juridico/english/sigs/a-52.html (zuletzt überprüft am 8. 3. 2017). 691 Inter-American Convention on the Prevention, Punishment and Eradication of Violence against Women „Convention of Belem Do Para“, abrufbar in englischer Sprache unter: http://www.oas.org/juridico/english/treaties/a-61.html (zuletzt überprüft am 8. 3. 2017).
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3. Kap.: Rechtliche Grundlagen und Schranken in Freien Exportzonen
b) Menschenrechtsinstrumente der Afrikanischen Union Die Afrikanische Menschenrechtskonvention (AfrMRK)692 wurde von den Mitgliedern der AU693 1981 angenommen und trat 1986 in Kraft694. Sie unterscheidet sich dahingehend stark von der EMRK und der AMRK, dass wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechten eine größere Bedeutung beigemessen wird695. Die AfrMRK normiert ein allgemeines Diskriminierungsverbot (Art. 2 AfrMRK), die Vereinigungsfreiheit (Art. 10 AfrMRK) und ein Recht auf gerechte Arbeitsbedingungen und gleichen Lohn für gleiche Arbeit (Art. 15 AfrMRK). 2. Rechtsgutsverletzung durch Arbeitsbedingungen in Freien Exportzonen Nachfolgend wird die Vereinbarkeit der Arbeitsbedingungen in den Freien Exportzonen mit den jeweils einschlägigen Menschenrechtsübereinkommen untersucht. a) Der Ausschluss des nationalen Individualarbeitsrechts in den Freien Exportzonen (Typ 1) Bangladesch, Iran, Namibia und Pakistan haben die Zonen vollständig aus dem Anwendungsbereich des nationalen Individualarbeitsrechts ausgenommen. Als typisches Beispiel wird hier Bangladesch herangezogen. Das Land hat die nationalen Gesetze zu Arbeitszeit, Beendigungsschutz und Arbeitsschutz für den Bereich der Zonen ausgeschlossen. Bangladesch hat den IPbpR und den IPwskR ratifiziert696. aa) Der Ausschluss der Regelungen zur Arbeitszeit in Freien Exportzonen in Bangladesch (1) Vorgaben des IPwskR zur zulässigen Höchstarbeitszeit Ein Recht auf eine angemessene Begrenzung der Arbeitszeit, Arbeitspausen und Freizeit ergibt sich aus Art. 7 lit. d IPwskR. Die Norm selbst statuiert – anders 692 Banjul Charta der Menschenrechte und Rechte der Völker vom 26. 6. 1981, in deutscher Sprache abgedruckt in EuGRZ 1990, 348 ff. 693 Zum Zeitpunkt der Verabschiedung noch Organisation for African Unity (OAU), woraus die AU hervorging, dazu: Stein/von Buttlar/Kotzur, Völkerrecht, Rn. 429. Mit Ausnahme des Süd-Sudan sind alle Mitglieder der AU auch Vertragsstaaten zur Afrikanischen Menschenrechtskonvention, vgl. http://www.achpr.org/instruments/achpr/ratification/ (zuletzt überprüft am 8. 3. 2017). 694 Kau, in: Graf Vitzthum/Proelß (Hrsg), Völkerrecht, S. 209, 226. 695 Weitere Unterschiede bestehen darin, dass die AfrMRK nicht nur Rechte, sondern auch Pflichten und sowohl individuelle als auch kollektive Rechte beinhaltet, vertiefend Buergenthal/Thürer, Menschenrechte, S. 320. 696 Den IPbpR am 6. 9. 2000, den IPwskR am 5. 10. 1998.
B. Rechtliche Schranken der Arbeit in Freien Exportzonen
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als die Übereinkommen der ILO – keine detaillierteren Anforderungen an die zulässige Höchstarbeitszeit. Die Auslegung der Norm und die Herausarbeitung von Standards obliegen dem UN-Sozialausschuss. Der Ausschuss prüft die eingereichten Staatenberichte und erarbeitet allgemeine Bemerkungen (General Comments) zu den Rechten des Sozialpaktes. Im April 2016 hat der Sozialausschuss seine allgemeinen Bemerkungen zu Art. 7 IPwskR veröffentlicht. Diesen können die Anforderungen entnommen werden, die der Ausschuss an nationale Regelungen zur Begrenzung der Arbeitszeit und zur Gewährung von Arbeitspausen stellt697. Der Ausschuss fordert die Mitgliedstaaten auf, Gesetze zu erlassen, die eine maximale tägliche Arbeitszeit von acht Stunden vorschreiben und nur in engen Grenzen Ausnahmen zulassen698. Damit orientiert sich der Sozialausschuss am bereits im Friedensvertrag von Versailles699 und im ersten ILO-Übereinkommen 1919 vorgegebenen Achtstundentag. In gleichem Maße solle die wöchentliche Arbeitszeit eine gesetzlich geregelte Begrenzung erfahren – vorzugswürdig auf 40 Stunden pro Woche700. Auch sollen sowohl tägliche Pausen als auch wöchentliche Pausen von wenigstens 24 Stunden gesetzlich vorgeschrieben werden701. Diese Vorgaben orientieren sich explizit an den entsprechenden Übereinkommen der ILO zu Arbeitszeit und Ruhezeiten702. (2) Vereinbarkeit eines Ausschlusses des nationalen Arbeitszeitrechts für den Bereich der Freien Exportzonen in Bangladesch mit Art. 7 IPwskR Das Arbeitsrecht in Bangladesch begrenzt die tägliche Arbeitszeit auf acht Stunden, die wöchentliche Arbeitszeit auf 48 Stunden und garantiert einen Ruhetag pro Woche. Als Folge des Ausschlusses des Factories Acts 1989 und des Labour Acts 2006703 beanspruchen diese Vorgaben für die Arbeitnehmer in den Zonen keine Geltung mehr. Damit wird Bangladesch den inhaltlichen Vorgaben des Sozialausschusses nicht gerecht. Der UN-Sozialausschuss konnte sich bislang noch nicht mit den Arbeitsbedingungen in Bangladesch befassen, da das Land seinen im Jahr 2000 fälligen ersten
697 CESCR, General Comment No. 23, The Right to Just and Favourable Conditions of Work (Art. 7 ICESCR), 27. 4. 2016, UN Doc. E/C.12/GC/23. 698 CESCR, General Comment No. 23, The Right to Just and Favourable Conditions of Work (Art. 7 ICESCR), 27. 4. 2016, UN Doc. E/C.12/GC/23, Rn. 35 f. 699 Art. 427 Vertrag von Versailles. 700 CESCR, General Comment No. 23, The Right to Just and Favourable Conditions of Work (Art. 7 ICESCR), 27. 4. 2016, UN Doc. E/C.12/GC/23, Rn. 37. 701 CESCR, General Comment No. 23, The Right to Just and Favourable Conditions of Work (Art. 7 ICESCR), 27. 4. 2016, UN Doc. E/C.12/GC/23, Rn. 38 f. 702 Vgl. dazu unten 3. Kap. B. II. 3. a) aa) (1). 703 Siehe oben 3. Kap. A. III. 3. b) bb) (2).
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3. Kap.: Rechtliche Grundlagen und Schranken in Freien Exportzonen
Bericht bislang nicht eingereicht hat704. Zum vergleichbaren Ausschluss des nationalen Rechts in den Freien Exportzonen in Iran hat der Ausschuss im Jahr 2013 die Unvereinbarkeit mit Art. 7 IPwskR festgestellt und das Land aufgefordert, die notwendigen Schritte einzuleiten, um das Arbeitsrecht vollumfänglich auch in den Zonen zur Anwendung zu bringen705. Auch eine entsprechende Regelung in Kenia, die im Rahmen dieser Arbeit nicht näher untersucht wurde, wurde vom Sozialausschuss 2008 beanstandet. Der Ausschuss forderte das Land nachdrücklich auf, die gesetzlichen Ausnahmen für die Freien Exportzonen aufzuheben706. In seinem Entwurf der Allgemeinen Bemerkungen zu Art. 7 IPwskR hatte der Ausschuss hervorgehoben, dass die Rechte aus Art. 7 IPwskR allen Arbeitnehmern ohne jegliche Unterscheidung zustehen, insbesondere auch solchen Arbeitnehmern, die in Freien Exportzonen tätig sind707. In der endgültigen Fassung bleibt es bei der Betonung der Anwendung des Art. 7 IPwskR auf alle Arbeitnehmer, allerdings wurden die Arbeitnehmer in den Freien Exportzonen in der Aufzählung gestrichen708. Lediglich in den einführenden Passagen wird darauf verwiesen, dass die Rechte des Art. 7 IPwskR gerade diesen Arbeitnehmern oft versagt werden. Der Erlass entsprechender Schutzgesetze für alle Arbeitnehmer sei oberste und unverzichtbare Pflicht der Staaten709. Der Ausschluss des nationalen Arbeitszeitrechts in Bangladesch ist demnach unvereinbar mit den Vorgaben des Art. 7 lit. d IPwskR.
704 Vgl. die Übersicht zu Bangladesch auf www.ohchr.org (Stand 21. 1. 2016). Gleiches gilt für Pakistan und Namibia, die ebenfalls (zumindest vorübergehend) das nationale Arbeitsrecht komplett ausgeschlossen hatten. 705 CESCR, Concluding Observations Iran, 50th Session, 10. 6. 2013, UN Doc. E/C.12/ IRN/CO/2, Rn. 13. 706 CESCR, Concluding Observations Kenya, 45th Session, 19. 11. 2008, UN Doc. E/C.12/KEN/CO/1, Rn. 17. Kenia hatte das nationale Arbeitsgesetz (Employment Act) sowie das Arbeitsschutzgesetz (Occupational Health and Safety Act) in den Zonen außer Kraft gesetzt. 707 CESCR, Draft General Comment No. 23, The Right to Just and Favourable Conditions of Work (Art. 7 ICESCR), 20. 1. 2015, UN Doc. E/C.12/54/R.2, Rn. 6: „The right to just and favourable conditions of work is a right of everyone, without distinction of any kind. The reference to ,everyone‘ highlights the fact that the right applies to all workers, female and male, as well as young and older workers, workers with disabilities, workers in the informal sector, migrant workers, domestic workers, self-employed workers, and unpaid workers as well as all workers in all settings, including free trade and export processing zones.“ 708 CESCR, General Comment No. 23, The Right to Just and Favourable Conditions of Work (Art. 7 ICESCR), 27. 4. 2016, UN Doc. E/C.12/GC/23, Rn. 5. 709 CESCR, General Comment No. 23, The Right to Just and Favourable Conditions of Work (Art. 7 ICESCR), 27. 4. 2016, UN Doc. E/C.12/GC/23, Rn. 50.
B. Rechtliche Schranken der Arbeit in Freien Exportzonen
207
bb) Der Ausschluss der Regelungen zum Beendigungsschutz in den Freien Exportzonen in Bangladesch Vorgaben zur Gewährleistung eines Kündigungsschutzes finden sich in den Menschenrechtsabkommen der UN keine. Folglich ist der Ausschluss des nationalen Kündigungsrechts aus menschenrechtlicher Perspektive unbedenklich. cc) Der Ausschluss von Regelungen zum Arbeits- und Gesundheitsschutz in den Freien Exportzonen in Bangladesch (1) Vorgaben des IPwskR zum Arbeitsschutz in den Freien Exportzonen in Bangladesch Art. 7 lit. b IPwskR verpflichtet die Vertragsstaaten, sichere und gesunde Arbeitsbedingungen zu gewährleisten. Zudem haben sie gemäß Art. 12 Abs. 2 lit. b IPwskR die erforderlichen Maßnahmen zur Verbesserung der Arbeitshygiene zu treffen, so dass ein Höchstmaß an körperlicher und geistiger Gesundheit erreicht wird. Auch hier hat der Sozialausschuss durch seine Spruchpraxis die Vorgaben präzisiert. Er fordert die Mitgliedstaaten auf, nationale Maßnahmen zu ergreifen, um ein Höchstmaß an Arbeitnehmerschutz sicherzustellen – auch wenn dies mit zusätzlichen Kosten verbunden ist710. Der Ausschuss orientiert sich dabei maßgeblich an den durch die entsprechenden ILO-Übereinkommen zum Arbeitsschutz711 vorgegebenen Standards und fordert Mitgliedstaaten auf, diese Übereinkommen zu ratifizieren712. (2) Vereinbarkeit des Ausschlusses des Arbeitsschutzrechts mit dem IPwskR Bangladesch hat 1989 den Factories Act713, der neben der Arbeitszeit auch den Arbeitsschutz in Fabriken regelt, für unanwendbar in den Zonen erklärt. Das Land traf auch keine anderweitigen Regelungen zum Arbeitsschutz in den Zonen. Der Sozialausschuss hebt hervor, dass nationale Initiativen zur Stärkung des Arbeitsschutzes alle Arbeitnehmer in allen Branchen erfassen müssen714. Das Fehlen von hinreichenden Schutzgesetzen in Freien Exportzonen kritisiert der Ausschuss715. Ein kompletter Ausschluss des Arbeitsschutzrechts in den Zonen ist somit unvereinbar mit Art. 7 IPwskR. 710 CESCR, General Comment No. 23, The Right to Just and Favourable Conditions of Work (Art. 7 ICESCR), 27. 4. 2016, UN Doc. E/C.12/GC/23, Rn. 25. 711 Dazu oben 3. Kap. B. II. 3. a) cc) (1). 712 Saul/Kinley/Mowbray, The ICESCR, S. 444 f.; Craven, The ICESCR, S. 241. 713 Siehe oben Fn. 559. 714 CESCR, Draft General Comment on the Right to Just and Favourable Conditions of Work (Art. 7 ICESCR), 54th Session, 20. 1. 2015, E/C.12/54/R.2, Rn. 26. 715 Saul/Kinley/Mowbray, The ICESCR, S. 448; siehe z.B. CESCR, Concluding Observations Kenya, 45th Session, 19. 11. 2008, UN Doc. E/C.12/KEN/CO/1, Rn. 17.
208
3. Kap.: Rechtliche Grundlagen und Schranken in Freien Exportzonen
b) Der Ausschluss des nationalen kollektiven Arbeitsrechts in den Freien Exportzonen (Typ 2) aa) Der Ausschluss der Vereinigungsfreiheit in den Freien Exportzonen in Bangladesch (1) Vorgaben des IPbpR und des IPwskR zur Koalitionsfreiheit Das Recht, Gewerkschaften zu bilden oder einer Gewerkschaft beizutreten, wird sowohl durch Art. 8 Abs. 1 lit. a IPwskR als auch durch Art. 22 IPbpR garantiert716. (2) Vereinbarkeit des Ausschlusses der Koalitionsfreiheit in den Freien Exportzonen in Bangladesch mit den Vorgaben zur Koalitionsfreiheit Bangladesch hatte 1986 die Industrial Relations Ordinance von 1969 für unanwendbar in den Freien Exportzonen erklärt717. Das Gesetz garantierte das Recht, Gewerkschaften zu gründen und statuierte ein Diskriminierungsverbot aufgrund von Gewerkschaftszugehörigkeit oder -aktivität. Auf Seiten der UN hat sich der Sozialausschuss mit der Koalitionsfreiheit weit ausgiebiger befasst als der Menschenrechtsausschuss. Der Sozialausschuss bezieht sich bei seiner Auslegung stark auf die durch die Übereinkommen der ILO vorgegebenen Standards. Nicht nur fordert er die Mitgliedstaaten regelmäßig zur Beachtung der von ihnen ratifizierten Übereinkommen bzw. zur Ratifikation auf, auch inhaltlich wird der Versuch unternommen, ähnliche Anforderungen wie in den ILO-Übereinkommen aufzustellen718. Art. 8 Abs. 1 lit. a IPwskR schützt das Recht jedes einzelnen, Gewerkschaften zu gründen und solchen beizutreten. Hiermit sei es nicht zu vereinbaren, einer bestimmten Gruppe von Arbeitnehmern, z.B. solchen, die in Freien Exportzonen tätig sind, die Rechte zu untersagen719. Der vollständige Ausschluss des Streikrechts ist folglich unvereinbar mit den Pflichten aus Art. 8 IPwskR. Ebenso wenig dürfte ein vollständiger Ausschluss der Koalitionsfreiheit mit Art. 22 IPbpR vereinbar sein. bb) Das Arbeitskampfverbot in den Freien Exportzonen in Bangladesch (1) Vorgaben des IPwskR zum Streikrecht Das Streikrecht wird durch Art. 8 Abs. 1 lit. d IPwskR gewährleistet, ist jedoch nicht von Art. 22 IPbpR erfasst720. 716 Weder zu Art. 8 IPwskR noch zu Art. 22 IPbpR existiert ein General Comment. Auch die Concluding Observations zu den hier untersuchten Ländern Iran, Namibia, Pakistan und Zimbabwe thematisieren die Koalitionsfreiheit nicht. 717 Siehe oben Fn. 555. 718 Saul/Kinley/Mowbray, The ICESCR, S. 489 f. m.w.N. 719 Saul/Kinley/Mowbray, The ICESCR, S. 504 unter Verweis auf die Spruchpraxis der ILO-Überwachungsgremien.
B. Rechtliche Schranken der Arbeit in Freien Exportzonen
720
209
(2) Vereinbarkeit des Ausschlusses des Streikrechts mit den Vorgaben des IPwskR
Nach Auffassung des Sozialausschusses müssen die Vertragsstaaten jegliche gesetzlichen Einschränkungen des Streikrechts abbauen721. Das Streikrecht müsse jedem Arbeitnehmer zustehen, Ausnahmen seien nur unter engen Voraussetzungen möglich722. Darunter fallen nach der Spruchpraxis des Sozialausschusses Tätigkeiten im Bereich des Militärs, der Polizei und der Verwaltung sowie Dienstleistungen, deren Unterbrechung das Leben oder die Gesundheit anderer Personen gefährden würde. Auch bei Arbeitnehmern, die Tätigkeiten ausüben, welche die Aufrechterhaltung eines Minimums der Tätigkeit notwendig machen, können dem Streikrecht Grenzen gezogen werden723. Keine dieser Einschränkungen trifft auf die Arbeit in Freien Exportzonen zu. c) Vom nationalen Individualarbeitsrecht negativ abweichende Spezialregelungen in den Freien Exportzonen (Typ 3) aa) Spezialregelungen zur Arbeitszeit in den Freien Exportzonen in Mauritius (1) Vereinbarkeit der Spezialregelungen zur Arbeitszeit mit dem IPwskR Abweichend vom nationalen Arbeitsrecht gestattet Mauritius den Unternehmen in den Zonen die Arbeitnehmer – bis zu einer Obergrenze von 45 Stunden pro Woche – jederzeit zu Überstunden ohne zusätzliche Vergütung heranzuziehen724. Zudem besteht in den Zonen keine Verpflichtung zur Gewährung eines Ruhetages pro Woche, während außerhalb der Zonen eine Begrenzung der Arbeit auf sechs aufeinanderfolgende Tage vorgegeben ist725. Weiterhin können Zonenarbeitnehmer unfreiwillig zu Feiertagsarbeit herangezogen werden726. Ein Recht auf eine angemessene Begrenzung der Arbeitszeit, Arbeitspausen und Freizeit ergibt sich aus Art. 7 lit. d IPwskR. Der Sozialausschuss hat der Norm im Wege der Auslegung eine Verpflichtung der Mitgliedstaaten entnommen, gesetzlich eine maximale tägliche Arbeitszeit von acht Stunden, eine wöchentliche Arbeitszeit von 40 Stunden sowie ein Recht auf wöchentliche Pausen von wenigstens 24 Stunden vorzusehen727. 720
Siehe oben 2. Kap. B. IV. 3. c) bb) (1). Saul/Kinley/Mowbray, The ICESCR, S. 578. 722 Saul/Kinley/Mowbray, The ICESCR, S. 579. 723 Vertiefend Saul/Kinley/Mowbray, The ICESCR, S. 584 ff. 724 Siehe zu Regelung des § 14 Abs. 2 EPZA Fn. 44. Zu allen abweichenden Regelungen zur Arbeitszeit siehe oben 3. Kap. A. III. 3. b) aa) (2) (a). 725 Vgl. die Regelung des § 14 Abs. 4 EPZA, Fn. 48. 726 Siehe zur Regelung des § 14 Abs. 3 lit. a EPZA Fn. 46. 727 CESCR, General Comment No. 23, The Right to Just and Favourable Conditions of Work (Art. 7 ICESCR), 27. 4. 2016, UN Doc. E/C.12/GC/23, Rn. 34 ff. 721
210
3. Kap.: Rechtliche Grundlagen und Schranken in Freien Exportzonen
Mauritius überschreitet hier die vom Ausschuss geforderte 40-Stunden-Woche und die Pflicht zu einem wöchentlichen Ruhetag. Der Ausschuss hat sich generell sehr kritisch gegenüber Spezialregelungen gezeigt, mit denen in den Zonen ein Arbeitsrecht mit geringerem Schutzniveau geschaffen wird, um den Standort attraktiver für ausländische Investoren zu gestalten728. Die Verschlechterung von Arbeitsbedingungen im Bereich des Art. 7 IPwskR stelle einen Verstoß gegen den Pakt dar729. Der Sozialausschuss hat dementsprechend die in den Freien Exportzonen von Mauritius anwendbaren Gesetze bereits 1994 für unvereinbar mit Art. 7 IPwskR erklärt730. (2) Vereinbarkeit der Spezialregelungen zur Arbeitszeit mit der AfrMRK Mauritius ist zudem Vertragsstaat der AfrMRK. Diese gewährt ebenfalls ein Recht auf gerechte Arbeitsbedingungen (Art. 15 AfrMRK). Seit 1987 wurde eine Vielzahl von Staatenberichten und Beschwerden bei der Afrikanischen Kommission für Menschenrechte eingereicht. Zudem ist seit 2008 eine Beschwerde zum Afrikanischen Menschenrechtegerichtshof möglich731. Soweit ersichtlich wurden bisher jedoch keine Entscheidungen oder Empfehlungen zur Arbeitszeit erlassen732. bb) Spezialregelungen zum Beendigungsschutz in den Freien Exportzonen in Mauritius Da der Beendigungsschutz keine Verankerung auf der Ebene der Menschenrechte erfahren hat, sind Verschlechterungen in diesem Bereich menschenrechtlich unbedenklich.
728 CESCR, Draft General Comment No. 23, The Right to Just and Favourable Conditions of Work (Art. 7 ICESCR), 20. 1. 2015, UN Doc. E/C.12/54/R.2, Rn. 52: „Retrogressive measures adopted to attract investment, such as the introduction of lower levels of protection in Special Economic Zones or Export Processing Zones, would be a violation of the Covenant.“ Auch dieser Satz, der sich speziell auf die Freien Exportzonen bezieht, wurde in der endgültigen Fassung gestrichen, vgl. CESCR, General Comment No. 23, The Right to Just and Favourable Conditions of Work (Art. 7 ICESCR), 27. 4. 2016, UN Doc. E/C.12/ GC/23, Rn. 52. 729 CESCR, General Comment No. 23, The Right to Just and Favourable Conditions of Work (Art. 7 ICESCR), 27. 4. 2016, UN Doc. E/C.12/GC/23, Rn. 78. 730 CESCR, Concluding Observations Mauritius, 31. 5. 1994, UN Doc. E/C.12/1994/8, Rn. 9 731 Saul/Kinley/Mowbray, The ICESCR, S. 287. 732 Vgl. Saul/Kinley/Mowbray, The ICESCR, S. 287 ff.
B. Rechtliche Schranken der Arbeit in Freien Exportzonen
211
cc) Spezialregelungen zum Mutterschutz in den Freien Exportzonen in Mauritius (1) Vereinbarkeit der Spezialregelungen zum Mutterschutz mit dem IPwskR Mauritius sieht eine Ausnahme vom sonst geltenden Mutterschutzrecht für die Zonen vor, indem es dort den bezahlten Mutterschutz auf drei Kinder pro Arbeitnehmerin begrenzt733. Gemäß Art. 10 Abs. 2 IPwskR sind die Vertragsstaaten dazu verpflichtet, Müttern vor und nach der Niederkunft eine angemessene Zeit lang Schutz zu gewähren. Während dieser Zeit sollen die Mütter bezahlten Urlaub oder Leistungen aus der sozialen Sicherung erhalten. Erhält eine Arbeitnehmerin folglich für ihr Kind keinerlei finanzielle Unterstützung, ist das nicht vereinbar mit den Vorgaben des Art. 10 IPwskR. (2) Vereinbarkeit der Spezialregelungen zum Mutterschutz mit der AfrMRK Die AfrMRK schützt zwar umfassend die Familie und Kinder, enthält jedoch keine dem IPwskR vergleichbaren Rechte werdender Mütter734. d) Vom nationalen kollektiven Arbeitsrecht negativ abweichende Spezialregelungen in den Freien Exportzonen (Typ 4) Nachdem Bangladesch das kollektive Arbeitsrecht in den Zonen zunächst ganz ausgeschlossen hatte, hat das Land im Jahr 2004 mit dem EPZWAIRA735 die Vereinigungsfreiheit und das Streikrecht für die Freien Exportzonen speziell geregelt736. Auch diese Regelungen könnten mit dem durch Art. 8 Abs. 1 lit. a IPwskR und Art. 22 IPbpR garantierten Recht, Gewerkschaften zu bilden und ihnen beizutreten, unvereinbar sein. aa) Vereinbarkeit der Regelungen zur Koalitionsfreiheit in den Freien Exportzonen in Bangladesch mit dem IPbpR und dem IPwskR Der EPZWAIRA sieht eine stufenweise Verwirklichung der Koalitionsfreiheit vor und unterwirft die Gründung einer Gewerkschaft hohen Anforderungen737. Der Sozialauschuss hat bislang keine allgemeinen Bemerkungen zur Vereinigungsfreiheit erlassen. Soweit er sich mit Gewerkschaftsrechten befasst hat, hat er sich sehr eng an der Spruchpraxis der ILO-Ausschüsse orientiert738. Dementsprechend erscheint die vorliegende Regelung auch wegen Art. 8 IPwskR bedenklich. 733
Vgl. einerseits Fn. 50 und andererseits Fn. 51. Saul/Kinley/Mowbray, The ICESCR, S. 853 ff. 735 Oben Fn. 88. 736 Zu den einzelnen Regelungen oben 3. Kap. A. III. 3. b) bb) (3). 737 Siehe oben 3. Kap. A. III. 3. b) bb) (3) (b). 738 Oben 3. Kap. B. III. 2. b). 734
212
3. Kap.: Rechtliche Grundlagen und Schranken in Freien Exportzonen
In seinem ersten Bericht an den Sozialausschuss aus dem Jahr 2015 geht Bangla desch nicht auf die Situation in den Freien Exportzonen ein, sondern verweist nur auf die unter dem Labour Act 2006 gewährleistete Koalitionsfreiheit739. Zu Art. 22 IPbpR besteht – soweit ersichtlich – wenig Rechtsprechung durch den Menschenrechtsausschuss; tendenziell legt dieser die Vorschrift jedoch enger aus und grenzt so die beiden Pakte voneinander ab740. Andererseits hat sich auch der Menschenrechtsausschuss 2007 in einem Fall zu Chile dahingehend geäußert, dass die Mitgliedstaaten jegliche gesetzlichen Beschränkungen der Ausübung der Koalitionsfreiheit entfernen sollen741. bb) Vereinbarkeit der Regelungen zum Streikrecht in den Freien Exportzonen in Bangladesch mit dem IPwskR Streiks erlaubt das EPZWAIRA erst nach einer vierjährigen Übergangsphase. Zudem führt es alle Differenzen zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite der Zwangsschlichtung zu. Auch nach dieser Phase unterliegen Streiks gravierenden Beschränkungen, u.a. kann die Zonenleitung einen Streik nach 15 Tagen verbieten bzw. bereits vor Ablauf dieses Zeitraums, wenn sie die Produktion gefährdet sieht. Solche Vorschriften sind nach Auffassung des Sozialausschusses nicht mit dem IPwskR vereinbar742. e) Unzureichende Durchsetzung des nationalen Individualarbeitsrechts in den Freien Exportzonen (Typ 5) Die Praktiken in mexikanischen Maquiladoras erscheinen problematisch im Hinblick auf den IPbpR, den IPwskR, die UN-Frauenrechtskonvention sowie auf regionaler Ebene die AMRK, das Protokoll von San Salvador und die OAS-Frauenrechtskonvention743.
739 Vgl. HRC, Consideration of Reports Submitted by State Parties, Bangladesh, 3. 9. 2015, UN Doc. CCPR/C/BGD/1, Rn. 228 ff. 740 Josepf/Castan, The ICCPR, S. 656 f., 660. 741 Abgedruckt bei Josepf/Castan, The ICCPR, S. 661. 742 CESCR, Concluding Observations Mauritius, 31. 5. 1994, UN Doc. E/C.12/1/1994/8, Rn. 10. Dazu auch Saul/Kinley/Mowbray, The ICESCR, S. 583. 743 Mexiko hat die UN-Frauenrechtskonvention, den IPbpR sowie den IPwskR am 23. 3. 1981 ratifiziert (Stand der Ratifikationen abrufbar auf www.treaties.un.org), die AMRK am 2. 3. 1981, das Protokoll von San Salvador am 3. 8. 1996 und die Interamerikanische Konvention zur Verhütung, Bestrafung und Beseitigung von Gewalt gegen Frauen am 19. 6. 1998 (Stand der Ratifikationen abrufbar auf www.oas.org). Zur umstrittenen Stellung des Völkerrechts im mexikanischen Recht Williams, Duke J. Gender L. & Pol’y 2005, 131 (136 f.).
B. Rechtliche Schranken der Arbeit in Freien Exportzonen
213
aa) Diskriminierung und Belästigung von Arbeitnehmerinnen und Bewerberinnen in den Maquiladoras Mexikos (1) Diskriminierungen im Bewerbungsprozess (a) Vereinbarkeit mit dem IPbpR, dem IPwskR und der UN-Frauenrechtskonvention in den Maquiladoras Mexikos Weder der IPbpR noch der IPwskR nennt das Kriterium der Schwangerschaft ausdrücklich als verbotenes Diskriminierungsmerkmal. Beide Abkommen verbieten jedoch die Diskriminierung aufgrund des Geschlechts744. Der Menschenrechtsund der Sozialausschuss sehen in der Diskriminierung wegen der Schwangerschaft eine Diskriminierung wegen des Geschlechts745. Der UN-Menschenrechtsausschuss hat Schwangerschaftstests als Einstellungsbedingung als unvereinbar mit Art. 2, 3 und 26 IPbpR (Verbot der Diskriminierung aufgrund des Geschlechts)746 und Art. 17 IPbpR (Schutz des Privatlebens und der Familie)747 beanstandet. Der Ausschuss hat Mexiko bereits 1999 aufgefordert, dem 744 Art. 3 IPbpR: „Die Vertragsstaaten verpflichten sich, die Gleichberechtigung von Mann und Frau bei der Ausübung aller in diesem Pakt festgelegten bürgerlichen und politischen Rechte sicherzustellen“; Art. 26 IPbpR: „Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich und haben ohne Diskriminierung Anspruch auf gleichen Schutz durch das Gesetz. In dieser Hinsicht hat das Gesetz jede Diskriminierung zu verbieten und allen Menschen gegen jede Diskriminierung, wie insbesondere wegen […] des Geschlechts, […] gleichen und wirksamen Schutz zu gewährleisten“; Art. 3 IPwskR: „Die Vertragsstaaten verpflichten sich, die Gleichberechtigung von Mann und Frau bei der Ausübung der in diesem Pakt festgelegten wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte sicherzustellen.“ 745 CESCR, General Comment No. 16, The Equal Right of Men and Women to the Enjoyment of all Economic, Social and Cultural Rights (Art. 3 ICESCR), 34th Session, 11. 8. 2005, UN Doc. E/C.12/2005/4, Rn. 11. Dabei handle es sich nach Auffassung des Sozialausschusses um eine direkte Diskriminierung wegen des Geschlechts, CESCR, General Comment No. 16, The Equal Right of Men and Women to the Enjoyment of all Economic, Social and Cultural Rights (Art. 3 ICESCR), 11. 8. 2005, UN Doc. E/C.12/2005/4, Rn. 12. HRC, Conclud ing Observations Mexico, 98th Session, 17. 5. 2010, UN Doc. CCPR/C/ MEX/CO/5, Rn. 7; HRC, Concluding Observations Mexico, 66th Session, 29. 7. 1999, UN Doc. CCPR/C/79/Add.109, Rn. 17; HRC, Concluding Observations Poland, 66th Session, 29. 7. 1999, UN Doc. CCPR/C/79/Add.110, Rn. 12. 746 HRC, Concluding Observations Mexico, 98th Session, 17. 5. 2010, UN Doc. CCPR/C/ MEX/CO/5, Rn. 7; HRC, Concluding Observations Mexico, 66th Session, 29. 7. 1999, UN Doc. CCPR/C/79/Add.109, Rn. 17; HRC, Concluding Observations Poland, 66th Session, 29. 7. 1999, UN Doc. CCPR/C/79/Add.110, Rn. 12. 747 HRC, Concluding Observations Mexico, 29. 7. 1999, UN Doc. CCPR/C/79/Add.109, Rn. 17 bezieht sich hierbei explizit auf Maquiladoras in Mexiko; HRC, General Comment No. 28, The Equality of Rights Between Men and Women (Art. 3 ICCPR), 29. 3. 2000, UN Doc. HRI/GEN/1/Rev.9, Rn. 20. Art. 17 Abs. 1 IPbpR schützt die Privatsphäre: „Niemand darf willkürlichen oder rechtswidrigen Eingriffen in sein Privatleben, seine Familie, […] ausgesetzt werden.“ Zustimmend Goergen, 39 Geo. J. Int’L L. 407, 422 (2007 – 08). Swe-
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3. Kap.: Rechtliche Grundlagen und Schranken in Freien Exportzonen
Problem nachzugehen und die Gleichbehandlung von Frauen und den Schutz ihrer Privatsphäre sicherzustellen748. Der Sozialausschuss sieht in den Schwangerschaftstests eine Verletzung des IPwskR749. Die Tests schränkten das Recht von Frauen auf Arbeit ein (Art. 5 IPwskR i.V.m. Art. 3 IPwskR750) und verstießen gegen das Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 IpwskR751. Die UN-Frauenrechtskonvention normiert in Art. 11 Abs. 2 ausdrücklich ein Verbot der Diskriminierung wegen Mutterschaft. Im Rahmen der von den Mitgliedstaaten zu ergreifenden Maßnahmen nennt die Konvention jedoch lediglich das Verbot der Entlassung wegen Schwangerschaft (Art. 11 Abs. 2 lit. a), die Einführung von Mutterschaftsurlaub (Art. 11 Abs. 2 lit. b), den Ausbau von Einrichtungen zur Kinderbetreuung (Art. 11 Abs. 2 lit. c) und Schutz der Schwangeren vor schädlichen Beschäftigungsarten (Art. 11 Abs. 2 lit. d). Der Zugang zur Beschäftigung wird in Art. 11 Abs. 1 lit. b thematisiert. Dieser gewährleistet ein Recht auf Anwendung derselben Auswahlkriterien bei der Einstellung für Frauen, ohne jedoch speziell auf die Schwangerschaft einzugehen. Der UN-Frauenrechtsausschuss hat die Praxis von Schwangerschaftstests jedoch mehrfach als eine unzulässige Diskriminierung wegen des Geschlechts eingeordnet und Mexiko aufgefordert, gegen diese Praxis vorzugehen752. Auch der UN-Frauenrechtsausschuss versteht mithin die Diskriminierung aufgrund der Schwangerschaft als Diskriminierung aufgrund des Geschlechts753. Somit ist diese Praxis auch nicht mit der UN-Frauenrechtskonvention vereinbar754. dish, 4 Nw. Univ. J. Int’l Hum. Rts. 363, 370, 372 f. (2005 – 2006) (mit Bezug auf die gleiche Problematik in Honduras). 748 HRC, Concluding Observations Mexico, 29. 7. 1999, UN Doc. CCPR/C/79/Add.109, Rn. 17. 749 Explizit zu Mexiko z.B. in CESCR, Concluding Observations Mexico, 8. 12. 1999, UN Doc. E/C.12/1/Add.41, Rn. 21, 37 und CESCR, Concluding Observations Mexico, 9. 6. 2006, UN Doc. E/C.12/MEX/CO/4, D. 6. Absatz. Zu der gleichen Praxis in Freien Exportzonen der Dominikanischen Republik z.B.: CESCR, Concluding Observations Dominican Republic, 6. 12. 1996, UN Doc. E/C.12/1/Add.6, Rn. 22 und CESCR, Concluding Observations Dominican Republic, 26. 11. 2010, UN Doc. E/C.12/DOM/CO/3, Rn. 12. 750 CESCR, Concluding Observations Poland, 16. 6. 1998, UN Doc. E/C.12/1/Add.26, Rn. 14. 751 CESCR, Concluding Observations Dominican Republic, 26. 11. 2010, UN Doc. E/C.12/DOM/CO/3, Rn. 12. 752 CEDAW, Concluding Observations Mexico, 7. 8. 2012, UN Doc. CEDAW/C/MEX/ CO/7 – 8, S. 9 f.; CEDAW, General Recommendation No. 24, Women and Health (Art. 12 CEDAW), 1999, Rn. 22. 753 CEDAW, Communication No. 3/2004, Nguyen v. Netherlands, 7.-25. 8. 2006, UN Doc. CEDAW/C/36/D/3/2004, Rn. 441; Cusack/Pusey, 14 MelbJINtL 54, 83 (2013); Ausführlich und m.w.N. zur Position des UN-Frauenrechtsausschusses Swedish, 4 Nw. Univ. J. Int’l Hum. Rts. 363, 371 f. (2005 – 2006). 754 So auch Williams, 12 Duke J. Gender L. & Pol’y 131, 142 (2005); in Bezug auf die gleiche Praxis in Honduras Swedish, 4 Nw. Univ. J. Int’l Hum. Rts. 363, 366 (2005 – 2006).
B. Rechtliche Schranken der Arbeit in Freien Exportzonen
215
(b) Vereinbarkeit mit der AMRK, dem Protokoll von San Salvador und der OAS-Frauenrechtskonvention Die Interamerikanische Kommission hat sich 1998 dem Thema gewidmet und das Verwenden von Schwangerschaftstests im Bewerbungsverfahren und die Nichteinstellung als unzulässige Diskriminierung im Sinne des Art. 24 AMRK (Gleichheit vor dem Gesetz) qualifiziert755. Die Kommission deutet ferner an, dass auch eine Verletzung der Privatsphäre der Frau vorliege (Art. 11 AMRK) 756. (2) Übertragung besonders schwerer Arbeiten auf schwangere Arbeitnehmerinnen (a) Vereinbarkeit mit dem IPbpR, dem IPwskR und der UN-Frauenrechtskonvention Wird schwangeren Frauen besonders schwere Arbeit übertragen, so kann dies zum einen eine verbotene Diskriminierung wegen des Geschlechts darstellen, zum anderen gegen das Recht auf sichere und gesunde Arbeitsbedingungen verstoßen. Sichere und gesunde Arbeitsbedingungen garantiert Art. 7 IPwskR. In Verbindung mit Art. 3 IPwskR muss dieses Recht auch in nichtdiskriminierender Weise gewährt werden. Die UN-Frauenrechtskonvention garantiert das Recht auf sichere und gesunde Arbeitsbedingungen in Art. 11 Abs. 1 lit. f. UN-Frauenrechtskonvention und schützt in Art. 11 Abs. 2 lit. a UN-Frauenrechtskonvention besonders die schwangere Arbeitnehmerin. Art. 11 Abs. 2 lit. d UN-Frauenrechtskonvention verpflichtet speziell zum besonderen Schutz der schwangeren Arbeitnehmerin vor schädlichen Beschäftigungsarten. Der UN-Frauenrechtsausschuss sieht folglich in dieser Praxis eine gemäß Art. 11 verbotene Maßnahme757. (b) Vereinbarkeit mit der AMRK, dem Protokoll von San Salvador und der OAS-Frauenrechtskonvention Das Protokoll von San Salvador verpflichtet die Mitgliedstaaten zu besonderer Fürsorge für Mütter vor und nach der Geburt (Art. 15 Abs. 3 lit. 1) und zur Gewährung von bezahltem Mutterschutz in diesem Zeitraum (Art. 9 Abs. 2). Die Interamerikanische Kommission sieht in der Übertragung besonders schwerer Arbeit an schwangere Arbeitnehmerinnen in mexikanischen Maquiladoras eine Verletzung
755 Inter-American Commission on Human Rights, Report on the Situation of Human Rights in Mexico, 24. 9. 1998, OEA/Ser.L/V/II.100, Chapter IX Human Rights of Women, Rn. 632 f. So auch Goergen, 39 Geo. J. Int’L L. 407, 419 (2007). 756 So auch Williams, 12 Duke J. Gender L. & Pol’y 131, 143 (2005). 757 CEDAW, Concluding Observations Mexico, 7. 8. 2012, UN Doc. CEDAW/C/MEX/ CO/7 – 8, S. 9 f.
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3. Kap.: Rechtliche Grundlagen und Schranken in Freien Exportzonen
des Diskriminierungsverbots des Art. 24 AMRK und des Rechts, selbst über die Zahl der Kinder zu entscheiden758. (3) Kündigung schwangerer Arbeitnehmerinnen (a) Vereinbarkeit mit dem IPbpR, dem IPwskR und der UN-Frauenrechtskonvention Art. 11 Abs. 2 lit. a UN-Frauenrechtskonvention verpflichtet die Mitgliedstaaten, Maßnahmen zum Verbot der Entlassung wegen Schwangerschaft zu treffen. Der UN-Frauenrechtsausschuss sieht folglich in einer solchen Praxis eine gemäß Art. 11 verbotene Diskriminierung aufgrund des Geschlechts759. Der UN-Sozialausschuss sieht in der Kündigung von schwangeren Arbeitnehmerinnen eine Verletzung des IPwskR760. (b) Vereinbarkeit mit der AMRK, dem Protokoll von San Salvador und der OAS-Frauenrechtskonvention Die Kündigung schwangerer Arbeitnehmerinnen verletzt genau wie die durch schwere Arbeit erzwungene Eigenkündigung das Diskriminierungsverbot des Art. 24 AMRK und das Recht, selbst über die Zahl der eigenen Kinder zu entscheiden761. (4) Sexuelle Belästigung von Arbeitnehmerinnen (a) Vereinbarkeit mit dem IPbpR, dem IPwskR und der UN-Frauenrechtskonvention Sexuelle Belästigung wird entweder als Form der Diskriminierung762 oder der sexuellen Gewalt eingeordnet763. Die UN-Frauenrechtskonvention spricht Belästi758 Inter-American Commission on Human Rights, Report on the Situation of Human Rights in Mexico, Mexico, 24. 9. 1998, OEA/Ser.L/V/II.100, Chapter IX Human Rights of Women, Rn. 633. 759 CEDAW, Concluding Observations Mexico, 7. 8. 2012, UN Doc. CEDAW/C/MEX/ CO/7 – 8, S. 9 f. 760 CESCR, Concluding Observations Mexico, 8. 12. 1999, UN Doc. E/C.12/1/Add.41, Rn. 21; CESCR, Concluding Observations Dominican Republic, 6. 12. 1996, UN Doc. E/C.12/1/Add.6, Rn. 22. 761 Inter-American Commission on Human Rights, Report on the Situation of Human Rights in Mexico, Mexico, 24. 9. 1998, OEA/Ser.L/V/II.100, Chapter IX Human Rights of Women, Rn. 633. Die Notwendigkeit der Gewährleistung eines besonderen Kündigungsschutzes für schwangere Arbeitnehmerinnen unter dem Interamerikanischen Menschenrechtssystem betont auch: Inter-American Commission on Human Rights, The Work, Education and Resources of Women: The Road to Equality in Guaranteeing Economic, Social and Cultural Rights, Rn. 154. 762 Goergen, 39 Geo. J. Int’L L. 407, 412, 426 f. (2007); Instituto Nacional de las Mujeres, Las Mexicanas y el Trabajo III, S. 3.
B. Rechtliche Schranken der Arbeit in Freien Exportzonen
217
gungen nicht ausdrücklich an, der Ausschuss hat jedoch klargestellt, dass die Belästigung (und auch die Gewalt gegen Frauen) von der Definition der Diskriminierung in Art. 1 UN-Frauenrechtskonvention erfasst ist764. Die sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz verstößt demnach gegen Art. 11 UN-Frauenrechtskonvention765. Der UN-Frauenrechtsausschuss hat Mexiko im Jahr 2012 dazu aufgefordert, gegen sexuelle Belästigung in Unternehmen vorzugehen766. 763
(b) Vereinbarkeit mit der AMRK, dem Protokoll von San Salvador und der OAS-Frauenrechtskonvention Die Interamerikanische Kommission für Menschenrechte hat auch die sexuelle Belästigung von Arbeitnehmerinnen in mexikanischen Maquiladoras wegen Verstoßes gegen das Diskriminierungsverbot des Art. 24 AMRK verurteilt und Mexiko zur Abhilfe aufgerufen767. Zudem verstößt Mexiko gegen Art. 19 San Salvador768. Einen umfassenden Schutz vor sexuellen Belästigung als Form der sexuellen Gewalt gewährt des Weiteren die OAS-Frauenrechtskonvention: Art. 3 garantiert Frauen das Recht, frei von Gewalt im privaten und öffentlichen Bereich zu sein769. Die Definition der Gewalt in Art. 3 erfasst auch sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz770. Art. 7 lit. d verpflichtet die Mitgliedstaaten dazu, Maßnahmen zu ergreifen, um Belästigungen von Frauen zu verhindern771. Art. 8 lit. b verpflichtet zudem 763
Tanner-Rosati, 16 Law & Bus. Rev. Am. 533, 538 (2010). General Recommendation No. 19, Violence Against Women, 1992, UN Doc. A/47/38, Rn. 6; dazu auch Goergen, 39 Geo. J. Int’L L. 407, 425 (2007); Cusack/Pusey, 14 MelbJINtL 54, 61 (2013). 765 CEDAW, Concluding Observations Mexico, 7. 8. 2012, UN Doc. CEDAW/C/MEX/ CO/7 – 8, S. 9 f.; CEDAW, General Recommendation No. 19, Violence Against Women, 1992, UN Doc. A/47/38, Rn. 17: „Equality in employment can be seriously impaired when women are subjected to gender-specific violence, such as sexual harassment in the workplace“. 766 CEDAW, Concluding Observations Mexico, 7. 8. 2012, UN Doc. CEDAW/C/MEX/ CO/7 – 8, S. 9 f. 767 Inter-American Commission on Human Rights, Report on the Situation of Human Rights in Mexico, Mexico, 24. 9. 1998, OEA/Ser.L/V/II.100, Chapter IX Human Rights of Women, Rn. 635. Zustimmend Goergen, Geo. J. Int’L L. 2007 – 08 (39), 407 (419). 768 Goergen, 39 Geo. J. Int’L L. 407, 438 (2007). 769 Art. 3 OAS-Frauenrechtskonvention: „Every woman has the right to be free from violence in both the public and private spheres.“ 770 Art. 2 lit. b OAS-Frauenrechtskonvention: „[Violence against women shall be understood to include physical, sexual and psychological violence:] that occurs in the community and is perpetrated by any person, including, among others, […] sexual harassment in the workplace.“ 771 Art. 7 OAS-Frauenrechtskonvention: „The States Parties condemn all forms of violence against women and agree to pursue, by all appropriate means and without delay, policies to prevent, punish and eradicate such violence and undertake to: […] adopt legal measures to require the perpetrator to refrain from harassing, intimidating or threatening women […].“ 764 CEDAW,
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3. Kap.: Rechtliche Grundlagen und Schranken in Freien Exportzonen
zu progressiven Maßnahmen zur Änderung des Frauenbilds, sofern Vorurteile dazu führen, dass Frauen als untergeordnet angesehen werden772. bb) Fehlende Durchsetzung des nationalen Arbeitsschutzrechts in den Maquiladoras Mexikos (a) Vereinbarkeit mit dem IPbpR, dem IPwskR und der UN-Frauenrechtskonvention Das Recht auf sichere und gesunde Arbeitsbedingungen garantiert Art. 7 I PwskR. Der Sozialausschuss hat sich bislang in keinem seiner Berichte zu Mexiko zum Arbeitsschutz in den Maquiladoras geäußert. In seinem General Comment zu Art. 27 IPwskR verpflichtet er jedoch konkret zur Gewährleistung eines sicheren Umgangs mit Chemikalien und eines hinreichenden Trainings der Arbeitnehmer773. Der Ausschuss betont die Bedeutung der Implementierung von gesetzlich aufgestellten Arbeitsschutzprogrammen774 und die Rolle der nichtstaatlichen Akteure, insbesondere der Arbeitgeber, bei der Umsetzung775. Arbeitsschutz darf demnach nicht nur auf dem Papier existieren, sondern muss auch effektiv durchgesetzt werden. Rückschrittliche Maßnahmen, die zu einem niedrigeren Schutzniveau in Freien Exportzonen führen, untersagt der Ausschuss explizit und macht dabei keinen Unterschied zwischen einer legislativen Schlechterstellung und der bloßen Nichtdurchsetzung776. Somit ist die Nichtdurchsetzung des nationalen Arbeitsschutzrechts in den Maquiladoras eine nicht zu rechtfertigende Verletzung des Art. 7 IPwskR. (b) Vereinbarkeit mit der AMRK, dem Protokoll von San Salvador und der OAS-Frauenrechtskonvention Sicherheit und hygienische Zustände bei der Arbeit garantiert Art. 7 lit. e San Salvador. Die Interamerikanische Kommission für Menschenrechte hat sich im Kontext der Arbeit von Frauen in Maquiladoras bereits 1998 sehr kritisch zu den unhygienischen Zuständen in den Maquiladoras geäußert. Dabei hat die Kommission deutlich gemacht, dass es sich nicht um ein auf Arbeitnehmerinnen be772 Art. 8 lit. b OAS-Frauenrechtskonvention: „The States Parties agree to undertake progressively specific measures, including programs: […] to modify social and cultural patterns of conduct of men and women […] to counteract prejudices, customs and all other practices which are based on the idea of the inferiority or superiority of either of the sexes or on stereotyped roles for men and women which legitimize or exacerbate violence against women.“ 773 CESCR, General Comment No. 23, The Right to Just and Favourable Conditions of Work (Art. 7 ICESCR), 27. 4. 2016, UN Doc. E/C.12/GC/23, Rn. 27. 774 CESCR, General Comment No. 23, The Right to Just and Favourable Conditions of Work (Art. 7 ICESCR), 27. 4. 2016, UN Doc. E/C.12/GC/23, Rn. 28. 775 CESCR, General Comment No. 23, The Right to Just and Favourable Conditions of Work (Art. 7 ICESCR), 27. 4. 2016, UN Doc. E/C.12/GC/23, Rn. 51. 776 CESCR, General Comment No. 23, The Right to Just and Favourable Conditions of Work (Art. 7 ICESCR), 27. 4. 2016, UN Doc. E/C.12/GC/23, Rn. 51.
B. Rechtliche Schranken der Arbeit in Freien Exportzonen
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grenztes Problem handelt, sondern um ein in allen Maquiladoras hinsichtlich aller Arbeitnehmer zu beobachtendes Phänomen777. Die Standards unter dem Protokoll von San Salvador gleichem im Wesentlichen denen des IPwskR778. Auch hier ist festzustellen, dass Zustände wie in den Maquiladoras von Mexiko nicht mit den Vorgaben des Protokolls vereinbar sind. f) Unzureichende Durchsetzung des nationalen kollektiven Arbeitsrechts in den Freien Exportzonen (Typ 6) aa) Vereinbarkeit mit dem IPbpR und dem IPwskR Das Recht der freien Gewerkschaftsgründung und das Recht zum Beitritt zu Gewerkschaften werden durch Art. 8 IPwskR und Art. 22 IPbpR geschützt. In mexikanischen Maquiladoras werden Arbeitnehmer häufig Opfer von Belästigungen, Einschüchterungsversuchen, sog. blacklisting oder Kündigungen, wenn sie versuchen, sich in freien Gewerkschaften zu organisieren. Der UN-Sozialausschuss sieht alle diese Praktiken als unvereinbar mit Art. 8 IPwskR an779. Auch die gängige Praxis, staatsnahe Gewerkschaften zu installieren, um der Gründung freier Organisationen entgegen zu wirken, ist nicht mit dem Recht, Gewerkschaften zu gründen, vereinbar780. Ähnliche Praktiken wie in Mexiko hat der Sozialausschuss auch explizit in den Freien Exportzonen der Dominikanischen Republik kritisiert781. Der UN-Menschenrechtsausschuss hat sich zwar weniger ausgiebig der Auslegung des Art. 22 IPbpR gewidmet, hat tatsächliche Behinderungen der Koalitionsfreiheit wie beispielsweise Kündigungen jedoch auch als unvereinbar mit dem IPbpR angesehen782. bb) Vereinbarkeit mit der AMRK und dem Protokoll von San Salvador Art. 16 AMRK anerkennt die allgemeine Vereinigungsfreiheit, Art. 8 San Salvador garantiert speziell die Rechte von Gewerkschaften, inklusive des Streikrechts. 777 Inter-American Commission on Human Rights, Report on the Situation of Human Rights in Mexico, Mexico, 24. 9. 1998, OEA/Ser.L/V/II.100, Chapter IX Human Rights of Women, Rn. 634. Siehe zur Problematik auch einen aktuelleren Bericht der Kommission: Inter-American Commission on Human Rights, The Work, Education and Resources of Women: The Road to Equality in Guaranteeing Economic, Social and Cultural Rights, 3. 11. 2011, OEA/Ser.L/V/II.143, S. 40. 778 Saul/Kinley/Mowbray, The ICESCR, S. 397. 779 Saul/Kinley/Mowbray, The ICESCR, S. 566 m.w.N. 780 Saul/Kinley/Mowbray, The ICESCR, S. 508; speziell in Bezug auf Mexiko: CESCR, Concluding Observations Mexico, 9. 6. 2006, UN Doc. E/C.12/MEX/CO/4, Rn. 16. 781 CESCR, Concluding Observations Dominican Republic, 26. 11. 2010, UN Doc. E/C.12/DOM/CO/3, Rn. 14. 782 Vgl. Josepf/Castan, The ICCPR, S. 661.
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3. Kap.: Rechtliche Grundlagen und Schranken in Freien Exportzonen
Die oben genannten Praktiken sind mit diesen Garantien ebensowenig in Einklang zu bringen wie mit den entsprechenden Rechten in den UN-Übereinkommen. 3. Rechtsfolgen des Verstoßes gegen die Menschenrechte a) Rechtsfolgen des Ausschlusses des nationalen Arbeitsrechts und der Schaffung von Spezialregelungen für die Freien Exportzonen aa) Pflichten der Mitgliedstaaten aus internationalen Menschenrechtsabkommen? Die ersten vier Typen (Ausschluss des nationalen Individualarbeitsrechts, Ausschluss des nationalen Kollektivarbeitsrechts, Spezialregelungen zum Individualarbeitsrecht, Spezialregelungen zum Kollektivarbeitsrecht) eint, dass es der Staat ist, der im Wege legislativen Handelns besondere Regelungen für die Arbeitnehmer innerhalb der Zonen schafft. Diese Gesetze genügen durchgehend nicht den Anforderungen der internationalen Menschenrechtsabkommen. Als völkerrechtliche Verträge verpflichten die Menschenrechtsübereinkommen die Staaten als Vertragsparteien. Im Gegensatz zu den Übereinkommen der ILO, die sehr konkret Aufforderungen an die Mitgliedstaaten enthalten, bestimmte Regelungen zu erlassen, sind die Menschenrechte jedoch weit formuliert. Inwieweit sie tatsächlich Pflichten der Mitgliedstaaten beinhalten, ist umstritten und wird für die verschiedenen hier diskutierten Übereinkommen unterschiedlich beantwortet. Während die Übereinkommen zu bürgerlichen und politischen Rechten in der Regel konkrete Pflichten aufstellen, sind die Übereinkommen mit wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechten typischerweise zurückhaltender formuliert. Die Diskussion soll im Folgenden anhand der UN-Menschenrechtsabkommen, die in allen hier diskutierten Fällen Anwendung finden, dargestellt werden. bb) Pflichten der Mitgliedstaaten aus dem IPbpR Der IPbpR verpflichtet jeden Mitgliedstaat, „die erforderlichen Schritte zu unternehmen, um die gesetzgeberischen und sonstigen Vorkehrungen zu treffen, die notwendig sind, um den [im IPbpR] anerkannten Rechten Wirksamkeit zu verleihen“ (Art. 2 Abs. 2 IPbprR). Es besteht weitgehend Einigkeit, dass daraus den Mitgliedstaaten die Pflicht erwächst, keine Gesetze, die im Widerspruch zu den Menschenrechten stehen, zu erlassen und bestehende Gesetze, die im Widerspruch zu den Rechten des IPbpR stehen, anzupassen783. cc) Pflichten der Mitgliedstaaten aus der UN-Frauenrechtskonvention Auch die UN-Frauenrechtskonvention erteilt den Mitgliedstaaten einen klaren Auftrag: Sie verpflichtet sie, „durch geeignete gesetzgeberische und sonstige Maß783 CCPR-Kommentar/Nowak,
Rn. 56.
B. Rechtliche Schranken der Arbeit in Freien Exportzonen
221
nahmen, gegebenenfalls durch Sanktionen, jede Diskriminierung der Frau zu verbieten“ (Art. 2 lit. b UN-Frauenrechtskonvention). dd) Pflichten der Mitgliedstaaten aus dem IPwskR Der UN-Sozialpakt verlangt von einen Mitgliedstaat demgegenüber lediglich, „unter Ausschöpfung aller seiner Möglichkeiten Maßnahmen zu treffen, um nach und nach mit allen geeigneten Mitteln, vor allem durch gesetzgeberische Maßnahmen, die volle Verwirklichung der [im IPwskR] anerkannten Rechte zu erreichen“ (Art. 2 Abs. 1 IPwskR)784. Aus dieser vagen Formulierung werden unterschiedliche Schlüsse hinsichtlich der Existenz und des Ausmaßes konkreter Rechtspflichten gezogen. Manche Stimmen in der Literatur nehmen an, der Sozialpakt enthalte lediglich politische Programmsätze und gar keine durchsetzbaren Pflichten785. Wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte seien zu unbestimmt formuliert und ihre Verwirklichung hänge von komplexen wirtschaftlichen Erwägungen ab, etwa zur Verteilung von Ressourcen786. Würde man Gerichten die Kompetenz einräumen, über solche Rechte verbindlich zu urteilen, würde dies die Gewaltenteilung verletzen787. Zudem fehlten den Gerichten die Fähigkeiten und Kenntnisse, um solche Entscheidungen zu treffen788. Dagegen wird überzeugend vorgebracht, dass auch die Rechte des IPwskR unter dem Maßstab der Rechtsverletzung betrachtet werden können789. Um Problemen der Gewaltenteilung auszuweichen, bietet sich ein Vorgehen an, bei dem die Gerichte der Legislative und Exekutive einen Ermessensspielraum gewähren und lediglich verlangen, dass eine vernünftige Entscheidung getroffen wird790. Die Gegenauffassung sieht daher nur einen geringen Unterschied zum Verpflichtungsgrad des IPbpR791. Eine dritte Ansicht schließt aus der Formulierung des Art. 2 Abs. 1 IPwskR lediglich, dass nicht alle im Sozialpakt normierten Rechte notwendigerweise ein subjektives Recht enthalten792 und die Umsetzung des IPwskR progressiv, schrittweise erfolgen kann und an der Leistungsfähigkeit und den vorhandenen Ressour784 Zur Entstehungsgeschichte der unterschiedlichen Gewährleistungsklauseln in IPbpR und IPwskR, Klee, Die progressive Verwirklichung wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Menschenrechte, S. 67 ff. 785 Hobe, Einführung in das Völkerrecht, S. 412 f. („sehr viel unverbindlicher“); Stein/ von Buttlar/Kotzur, Völkerrecht, Rn. 1014; Vierdag, 9 NYIL 69, 103 ff. (1978). 786 De Schutter, International Human Rights Law, S. 818 f. 787 Vierdag, 9 NYIL 69 (1978). 788 De Schutter, International Human Rights Law, S. 819. 789 De Schutter, International Human Rights Law, S. 819 f. m.w.N. 790 De Schutter, International Human Rights Law, S. 820 f. m.w.N. 791 Craven, The ICESCR, S. 114 f. 792 Klee, Die progressive Verwirklichung wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Menschenrechte, S. 93 ff.; Simma, in: FS Lerche, S. 83, 90.
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3. Kap.: Rechtliche Grundlagen und Schranken in Freien Exportzonen
cen des jeweiligen Staates orientiert ist793. Die Verpflichtung der Mitgliedstaaten steht nach dieser Auffassung stets unter dem Vorbehalt der gesamtwirtschaftlichen Realisierbarkeit794. Dies trägt dem Umstand Rechnung, dass die Umsetzung zahlreicher (aber bei weitem nicht aller) Rechte im IPwskR ressourcenintensiv ist und vielfältige Maßnahmen erfordert795. Es überzeugt, die Rechte des Sozialpaktes nicht pauschal als bloße Programmsätze oder kategorisch als durchsetzbare Rechte einzuordnen, sondern im Einzelfall zu differenzieren. Auch der UN-Sozialausschuss nimmt eine solche differenzierende Betrachtung vor. In seinen Allgemeinen Bemerkungen Nr. 3 hat der Ausschuss sich mit dem Rechtscharakter staatlicher Pflichten aus Art. 2 Abs. 1 IPwskR befasst. Danach bestehe eine unmittelbare Pflicht, konkrete und gezielte Schritte einzuleiten, um die Rechte des IPwskR progressiv zu verwirklichen796. Dabei kommen Maßnahmen legislativer797, judikativer798 und verwaltungstechnischer799 Art in Betracht. Der Ausschuss differenziert zwischen progressiven Vertragspflichten (progressive realization) und sofortigen Verpflichtungen (immediate effect)800. Insbesondere hat der Ausschuss sogenannte Kernverpflichtungen (core obligations) herausgearbeitet, welche nicht progressiv, sondern sofort umzusetzen sind801. Den Grund für die Pflicht zur sofortigen Umsetzung sieht der Ausschuss darin begründet, dass das betreffende Recht hinreichend bestimmt formuliert ist und seine Verwirklichung weder größere Kosten verursacht noch vom Vorhandensein bestimmter Ressourcen abhängt. Das gilt nach Auffassung des Sozialausschusses für die Vereinigungs- und Koalitionsfreiheit802, das Streikrecht803 und das Diskriminierungsverbot804. Auch das 793 Papp, Extraterritoriale Schutzpflichten, S. 111; Ochs, Indikatoren und Benchmarks in UN-Menschenrechtsverfahren – eine rechtliche Analyse, S. 64. 794 Schmalenbach, AVR 2001, 57, 61. 795 Koenen, Wirtschaft und Menschenrechte, S. 160; Sepulveda, The Nature of the Obligations under the ICESCR, S. 133. 796 CESCR, General Comment No. 3, The nature of States parties obligations (Art. 2 ICCPR), 14. 12. 1990, UN Doc. E/1991/23, Rn. 9. 797 CESCR, General Comment No. 3, The nature of States parties obligations (Art. 2 ICCPR), 14. 12. 1990, UN Doc. E/1991/23, Rn. 3. 798 CESCR, General Comment No. 3, The nature of States parties obligations (Art. 2 ICCPR), 14. 12. 1990, UN Doc. E/1991/23, Rn. 5. 799 CESCR, General Comment No. 3, The nature of States parties obligations (Art. 2 ICCPR), 14. 12. 1990, UN Doc. E/1991/23, Rn. 7. 800 CESCR, General Comment No. 3, The nature of States parties obligations (Art. 2 ICCPR), 14. 12. 1990, UN Doc. E/1991/23, Rn. 1. 801 CESCR, General Comment No. 3, The nature of States parties obligations (Art. 2 ICCPR), 14. 12. 1990, UN Doc. E/1991/23, Rn. 10. So auch Sepulveda, The Nature of the Obligations under the ICESCR, S. 134; Vöneky, in: Stürner/Bruns (Hrsg.), Globalisierung und Sozialstaatsprinzip, S. 63, 69. 802 CESCR, General Comment No. 3, The nature of States parties obligations (Art. 2 ICCPR), 14. 12. 1990, UN Doc. E/1991/23, Rn. 5; Klee, Die progressive Verwirklichung
B. Rechtliche Schranken der Arbeit in Freien Exportzonen
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Recht auf sichere und gesunde Arbeitsbedingungen enthält nach Ansicht des Ausschusses Elemente, die sogleich zu verwirklichen sind. Hier stellt der Ausschuss allerdings nicht auf die genannten Kriterien ab, denn gerade der Arbeitsschutz kann ressourcenintensiv sein. In diesem Fall begründet vielmehr die enge Verbindung zum Recht auf Leben die Pflicht zur sofortigen Umsetzung805. Auch die gesetzliche Sicherstellung von Mindeststandards zu Arbeitszeit und Ruhezeiten sei Teil der core obligations806. 803
804
Folglich bestehen hinsichtlich aller für die vorliegende Untersuchung relevanten Rechte Mindestverpflichtungen, die eine sofortige Umsetzung erfordern und damit den Pflichten aus dem IPbpR zumindest nahe kommen. Wie weit die Pflichten aus dem IPwskR letztlich genau gehen ist, soweit ersichtlich, bislang in der Völkerrechtsliteratur nicht geklärt. Eine genauere Untersuchung würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen807. b) Rechtsfolgen der fehlenden Durchsetzung des nationalen Arbeitsrechts in Freien Exportzonen aa) Rechtliche Bedeutung des menschenrechtswidrigen Handelns von Unternehmen In den Zonen des Typs 5 und 6 gewähren die nationalen Gesetze einen hinreichenden Schutz vor Menschenrechtsverletzungen. Die Problematik liegt in der unzureichenden Durchsetzung dieser Gesetze, da die in den Zonen produzierenden Unternehmen sich nicht an die Vorgaben des nationalen Arbeitsrechts halten und dazu auch nicht durch staatliche Organe gezwungen werden. Inwieweit menschenrechtswidriges Verhalten nichtstaatlicher Akteure, insbesondere von Unternehmen, von Bedeutung ist, wird breit diskutiert. Grundsätzlich sind zwei Ansätze denkbar: Zum einen könnte das Unternehmen selbst aus dem Völkerrecht verpflichtet sein. Zum anderen könnte der Staat eine Schutzpflichtverletzung begehen, indem er das menschenrechtswidrige Handeln des Unternehmens nicht unterbindet.
wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Menschenrechte, S. 172 f.; Saul/Kinley/Mowbray, The ICESCR, S. 495. 803 Saul/Kinley/Mowbray, The ICESCR, S. 578. 804 Vertiefend Klee, Die progressive Verwirklichung wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Menschenrechte, S. 166 ff. 805 Saul/Kinley/Mowbray, The ICESCR, S. 449. 806 CESCR, General Comment No. 23, The Right to Just and Favourable Conditions of Work (Art. 7 ICESCR), 27. 4. 2016, UN Doc. E/C.12/GC/23, Rn. 65. 807 Ausführlich Sepulveda, The Nature of the Obligations under the ICESCR, S. 174 ff.; Klee, Die progressive Verwirklichung wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Menschenrechte.
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3. Kap.: Rechtliche Grundlagen und Schranken in Freien Exportzonen
bb) Pflichten von Unternehmen aus den Menschenrechtsabkommen? (1) Direkte Verpflichtung von Unternehmen im Völkerrecht? Völkerrechtliche Verträge binden grundsätzlich nur die Mitgliedstaaten. Wie bereits im Rahmen der ILO-Übereinkommen ausgeführt, ist es jedoch grundsätzlich denkbar, dass die Staaten völkerrechtliche Regelungen schaffen, die Unternehmen unmittelbar binden808. Bislang bestehen jedoch keine solchen Regelungen809. Nach ganz überwiegender Ansicht bindet keines der hier genannten Übereinkommen private Unternehmen unmittelbar810. Die Missachtung der Menschenrechte durch die Arbeitgeber ist für das Völkerrecht folglich zunächst einmal irrelevant. (2) Beihilfe des Unternehmens zu staatlichen Menschenrechtsverletzungen Im Völkerrecht anerkannt ist jedoch die Haftung von Unternehmen für Menschenrechtsverletzungen, wenn sie Beihilfe (aiding and abetting) zu staatlichen Verletzungshandlungen leisten. Die hierfür maßgeblichen Grundsätze wurden beginnend mit den Nürnberger Prozessen maßgeblich von den UN-Sondertribunalen in Jugoslavien und Ruanda aufgestellt und insbesondere von US-Gerichten fortentwickelt811. 808 Alston, in: Alston (Hrsg.), Non-State Actors and Human Rights, S. 3, 32; Krajewski, Menschenrechte und transnationale Unternehmen, in: Möseneder (Hrsg.), Menschenrechte, S. 49, 57; Ratner, 111 Yale L.J. 443, 449 (2001); Vöneky, in: Stürner/Bruns (Hrsg.), Globalisierung und Sozialstaatsprinzip, S. 63, 79; Weschka, ZaöRV 2006, 625, 660 f., hält dies für die bestmögliche Lösung sowohl aus juristischer als auch aus wirtschaftlicher Sicht. Weiterführend De Schutter, in: De Schutter (Hrsg.), Transnational Corporations and Human Rights, S. 1 ff. 809 Massoud, in: Nikol u.a. (Hrsg.), Transnationale Unternehmen und Nichtregierungsorganisationen im Völkerrecht, S. 37, 39; Weschka, ZaöRV 2006, 625, 628. Allenfalls bzgl. Menschenrechten, die zu den erga-omnes-Normen zählen, wie das Folterverbot oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit, wird von einer direkten Haftung ausgegangen, vgl. Weilert, ZaöRV 2009, 883, 902. Zum Versuch der UN verbindliche Normen für transnationale Unternehmen zu schaffen, siehe Krajewski, Menschenrechte und transnationale Unternehmen, in: Möseneder (Hrsg.), Menschenrechte, S. 49, 58 ff. 810 Krajewski, Menschenrechte und transnationale Unternehmen, in: Möseneder (Hrsg.), Menschenrechte, S. 49, 56; Schmalenbach, AVR 2001 (39), 57, 80; Vöneky, in: Stürner/Bruns (Hrsg.), Globalisierung und Sozialstaatsprinzip, S. 63, 78; Voland, BB 2015, 67, 67 f. Zur AfrMRK, die direkt Pflichten Privater statuiert, vgl. Weilert, ZaöRV 2009, 883, 907. Einen Überblick über den Meinungsstand zur direkten Verpflichtung von Unternehmen gibt Clapham, Human Rights Obligations of Non-State Actors, S. 76 ff. 811 Insb. Doe I v. Unocal Corp., 395 f.3d 932, 942 f. (9th Cir. 2002): Das Unternehmen muss die Völkerrechtsverletzung unterstützt oder angeregt haben und zwar in solch einer Weise, dass die Verletzung ohne diese Beihilfehandlung höchstwahrscheinlich nicht in gleicher Weise eingetreten wäre. Subjektiv ist erforderlich, dass das Unternehmen wusste oder hätte wissen müssen, dass seine Handlungen das Verbrechen unterstützen. Vgl. dazu Clapham, Human Rights Obligations of Non-State Actors, S. 256 f.
B. Rechtliche Schranken der Arbeit in Freien Exportzonen
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Denkbar ist ein solches Vorgehen gegen Unternehmen aber nur, sofern die begangene Menschenrechtsverletzung die Schwelle eines völkerrechtlichen Verbrechens erreicht812. Darunter fallen nach h.M. lediglich die in Art. 5 Abs. 1 Römisches Statut des Internationalen Strafgerichtshofs813 genannten Verbrechen: Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen und Verbrechen der Aggression. Zwar ist die Ausweitung auf weitere Delikte durchaus denkbar814, aus arbeitsrechtlicher Sicht ist bislang jedoch allenfalls die Zwangsarbeit wegen ihrer Nähe zur Sklaverei eine Menschenrechtsverletzung, welche die Schwelle eines solchen Verbrechens erreichen kann. Für die hier in Rede stehenden Menschenrechtsverletzungen ist ein solches Vorgehen demnach ausgeschlossen. cc) Schutzpflicht des Gaststaates des Unternehmens (1) Bestimmung völkerrechtlicher Schutzpflichten Wenngleich Unternehmen nicht selbst an die völkerrechtlich verankerten Menschenrechte gebunden sind, können Menschenrechte dennoch eine Rolle im Verhältnis zwischen Privatpersonen und Unternehmen spielen. Gefährdet das Verhalten eines Unternehmens die Menschenrechte einer Privatperson, kann der Staat zu einem regulierenden Eingriff verpflichtet sein, sofern eine Schutzpflicht (state duty to protect815) vorliegt. Völkerrechtliche Schutzpflichten sind staatliche Pflichten zum Schutz von Individuen vor Beeinträchtigungen von Menschenrechten, die durch nichthoheitliche Ursachen ausgelöst werden816. Ein regulierender Eingriff des Staates kann z.B. im Erlass von Gesetzen oder deren verstärkter Durchsetzung bestehen817. Der Staat wird in dieser Konstellation nicht für Handlungen Dritter verantwortlich gemacht818, sondern für ein ihm vorwerfbares Unterlassen bei entsprechender Schutzpflicht819. Fraglich ist, ob in der vorliegend geschilderten Situation Schutzpflichten zugunsten der betroffenen Arbeitnehmer bestehen. Es besteht weitgehend Einigkeit, dass keine generelle Schutzpflicht bezüglich aller Menschenrechte existiert820. Es 812
Clapham, Human Rights Obligations of Non-State Actors, S. 265 f. Römisches Statut des Internationalen Strafgerichtshofs (Rome Statute of the International Criminal Court) vom 17. 7. 1998, 2187 UNTS 3, BGBl. 2000 II Nr. 35, S. 1393. 814 Clapham, Human Rights Obligations of Non-State Actors, S. 261 ff., verweist insofern auf die Regeln der Staatenverantwortlichkeit für Delikte. 815 Aus internationalen Menschenrechten ergeben sich drei Arten staatlicher Verpflichtungen: duty to respect, duty to protect und duty to fulfil, De Schutter, International Human Rights Law, S. 280. 816 Stahl, Schutzpflichten im Völkerrecht, S. 2. 817 Weschka, ZaöRV 2006, 625, 628. 818 Es geht folglich nicht um die Frage, wann Staaten die Handlungen Privater zugerechnet werden können; dazu Seibert-Fohr, ZaöRV 2013, 37, 40. 819 Koenen, Wirtschaft und Menschenrechte, S. 196. 820 Koenen, Wirtschaft und Menschenrechte, S. 197 ff. 813
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3. Kap.: Rechtliche Grundlagen und Schranken in Freien Exportzonen
muss vielmehr für jedes Übereinkommen individuell bestimmt werden, ob und hinsichtlich welcher Rechte Schutzpflichten des Staates anzunehmen sind821. Die meisten Menschenrechtsverträge geben selbst keine Antwort auf die Frage nach einer möglichen staatlichen Schutzpflicht für unternehmensverursachte Menschenrechtsverletzungen822. Es muss daher durch Auslegung ermittelt werden, ob dem jeweiligen Übereinkommen staatliche Schutzpflichten entnommen werden können823. Dabei werden im Wesentlichen drei Ansätze824 vertreten: zum einen die Ableitung von Schutzpflichten aus dem jeweiligen materiellen Menschenrecht825, zum anderen die Ableitung aus dem allgemeinen Gewährleistungsartikel des Übereinkommens826, und drittens eine Kombination aus beiden Theorien827. Eine ausführliche Untersuchung aller Menschenrechtsabkommen kann hier nicht geleistet werden828. Es soll lediglich ein Überblick über den Meinungsstand zu den hier stets einschlägigen Menschenrechtsabkommen der UN gegeben werden. (2) Schutzpflichten des Gaststaates aus dem IPbpR Weder der IPbpR noch der IPwskR erwähnt ausdrücklich staatliche Schutzpflichten. Hinsichtlich des IPbpR besteht jedoch weitgehend Einigkeit, dass sich jedenfalls aus einigen Rechten Schutzpflichten ergeben können829. Dabei sind zwei Theorien vorherrschend830: Ein Teil der Literatur verweist auf Art. 2 Abs. 3 lit. a IPbpR, welcher selbst dann zur Gewährung von Rechtsschutz verpflichtet, wenn die Beeinträchtigung von staatlicher Seite erfolgt. Daraus ergebe sich im Umkehr-
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Weilert, ZaöRV 2009, 883, 905. Koenen, Wirtschaft und Menschenrechte, S. 52. 823 Koenen, Wirtschaft und Menschenrechte, S. 52. Ausführlich zur Herleitung von Schutzrechten im Völkerrecht Stahl, Schutzpflichten im Völkerrecht, S. 104 ff, die anhand der Herleitung von Schutzpflichten in EMRK, IPbpR und AMRK einen allgemeinen Ansatz zur Herleitung von Schutzpflichten im Völkerrecht aufzeigt. 824 Zu weiteren vereinzelt vertretenen Ansätzen siehe Stahl, Schutzpflichten im Völkerrecht, S. 117 mit Fn. 486 und Papp, Extraterritoriale Schutzpflichten, S. 59. 825 z.B. Frowein/Peukert, EMRK, Art. 1 Rn. 16; Tomuschat, ZaöRV 1985, 547, 556 ff.; Engel, RabelsZ 1989, 3, 19. 826 z.B. Maliverni, in: FS Schindler, S. 539, 554; Papp, Extraterritoriale Schutzpflichten, S. 60; Wiesbrock, Internationaler Schutz der Menschenrechte vor Verletzungen durch Private, S. 87. 827 So Stahl, Schutzpflichten im Völkerrecht, S. 117 ff. 828 Eine vertiefte Untersuchung aller hier genannten Menschenrechtsabkommen findet sich bei Koenen, Wirtschaft und Menschenrechte. Umfassend zur Dogmatik staatlicher Schutzpflichten Stahl, Schutzpflichten im Völkerrecht. 829 Papp, Extraterritoriale Schutzpflichten, S. 100; Seibert-Fohr, ZaöRV 2013, 37, 47 (Fn. 34); De Schutter, International Human Rights Law, S. 441 ff. 830 Stahl, Schutzpflichten im Völkerrecht, S. 113. 822
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schluss, dass Beeinträchtigungen durch private Akteure erst recht erfasst sind831. Andere verweisen auf den Wortlaut des Art. 2 Abs. 1 IPbpR („respect and ensure“). Hieraus könnten sich in Verbindung mit einzelnen Rechten staatliche Schutzpflichten ergeben832. Dieser Auffassung hat sich auch der UN-Menschenrechtsausschuss angeschlossen833. Zusätzlich leitet er aus einigen Artikeln wie z.B. Art. 26 IPbpR (Gleichheit vor dem Gesetz) Schutzpflichten her834. Auch für das zweite hier einschlägige Menschenrecht der Vereinigungsfreiheit hat der Ausschuss Schutzpflichten anerkannt835. Er hat zudem verdeutlicht, dass die Verletzungshandlung durch ein Unternehmen erfolgen kann836. So verletze die unzureichende Vermeidung von Diskriminierungen durch private Arbeitgeber die staatliche Schutzpflicht837. Der UN-Menschenrechtsausschuss geht folglich von umfassenden Schutzpflichten hinsichtlich der hier maßgeblichen Rechte aus838. Bei der Erfüllung der Schutzpflichten räumt der Menschenrechtsausschuss den Mitgliedstaaten jedoch unter Bezugnahme auf Art. 2 Abs. 2 IPbpR einen weiten Gestaltungsspielraum ein839. Er verpflichtet die Mitgliedstaaten lediglich zur Anwendung gebotener Sorgfalt (due diligence)840. 831 Stahl, Schutzpflichten im Völkerrecht, S. 112; CCPR-Kommentar/Nowak, Art. 2 Rn. 20. 832 Buergenthal, in: Henkin (Hrsg.), The International Bill of Rights, S. 72, 77 f.; Papp, Extraterritoriale Schutzpflichten, S. 100; HRC, General Comment No. 31, The Nature of the General Legal Obligation Imposed on State Parties to the Covenant, 26. 5. 2004, UN Doc. CCPR/C/21/Rev.1/Add.13, Rn. 8. 833 HRC, General Comment No. 31, The Nature of the General Legal Obligation Impos ed on State Parties to the Covenant, 26. 5. 2004, UN Doc. CCPR/C/21/Rev.1/Add.13, Rn. 8; CCPR-Kommentar/Nowak, Art. 2 Rn. 21; Stahl, Schutzpflichten im Völkerrecht, S. 113. 834 HRC, General Comment No. 31, The Nature of the General Legal Obligation Imposed on State Parties to the Covenant, 26. 5. 2004, UN Doc. CCPR/C/21/Rev.1/Add.13, Rn. 8. Schutzpflichten hinsichtlich des Diskriminierungsverbots hat der UN-Menschenrechtsausschuss zudem in HRC, General Comment No. 18, Non-discrimination, 10. 11. 1989, UN Doc. HRI/GEN/1/Rev.1, Rn. 5, anerkannt. 835 Stahl, Schutzpflichten im Völkerrecht, S. 242. 836 Speziell zum Diskriminierungsverbot aus Art. 26 IPbpR: HRC, Communication No. 983/2001, Love et al. v. Australia, 25. 3. 2002, UN Doc. CCPR/C/77/D/983/2001, Rn. 8.4. 837 HRC, Concluding Observations Croatia, 30. 4. 2001, UN Doc. CCPR/CO/71/HRV, Rn. 19; HRC, Concluding Observations Venezuela, 26. 4. 2001, UN Doc. CCPR/CO/71/ VEN, Rn. 23; HRC, Concluding Observations Ecuador, 4. 11. 2009, UN Doc. CCPR/C/ECU/ CO/5, Rn. 8. 838 Von Seiten der Mitgliedstaaten widersprechen insbesondere die USA dem Schutzpflichtenkonzept, Koenen, Wirtschaft und Menschenrechte, S. 155. 839 Koenen, Wirtschaft und Menschenrechte, S. 143. 840 HRC, General Comment No. 31, The Nature of the General Legal Obligation Impos ed on State Parties to the Covenant, 26. 5. 2004, 80th Session, UN Doc. CCPR/C/21/Rev.1/ Add.13, Rn. 8.
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(3) Schutzpflichten des Gaststaates aus der UN-Frauenrechtskonvention Art. 2 lit. e UN-Frauenrechtskonvention841 enthält einen ausdrücklichen Hinweis auf eine staatliche Pflicht zum Schutz vor Rechtsverletzungen durch Handlungen Dritter842. Der UN-Frauenrechtsausschuss hat die Existenz von Schutzpflichten auch in zahlreichen Äußerungen bestätigt843. Unter anderem sind die Mitgliedstaaten dazu verpflichtet, Maßnahmen zu ergreifen, um Frauen vor Diskriminierungen am Arbeitsplatz zu schützen844 und sexuelle Belästigung und andere Formen von Gewalt am Arbeitsplatz zu unterbinden845. (4) Schutzpflichten des Gaststaates aus dem IPwskR Beim IPwskR besteht weniger Einigkeit zur Frage nach dem Bestehen von Schutzpflichten. Teilweise wird – parallel zur oben diskutierten Frage, ob überhaupt staatliche Pflichten aus dem Sozialpakt resultieren – aus der Pflicht zur lediglich progressiven Umsetzung der Rechte des IPwskR (Art. 2 Abs. 1 IPwskR) geschlossen, dass sich die Staaten hier gerade nicht konkreten Handlungs- und Schutzpflichten unterwerfen wollten846. Der IPwskR enthält nach dieser Auffassung keine staatlichen Schutzpflichten847. Andere sehen dagegen gerade in der Formulierung des Art. 2 Abs. 1 IPwskR zur schrittweise Verwirklichung der sozialen Rechte (to take steps) einen deutlichen Hinweis auf Schutzpflichten848. Auch aus der Natur der Rechte des Sozialpakts, die eben nicht in erster Linie auf ein Nicht-Intervenieren, sondern auf Schutz durch den Staat abzielen, wird geschlossen, dass gerade der Sozialpakt Schutzpflichten enthalten müsse849. Es wird zudem argumentiert, dass es unsinnig sei, wenn z.B. das Recht zu streiken nur im öffentlichen Sektor gewährleistet werden müsste850. Auch der Sozialausschuss geht davon aus, dass sich aus dem Sozialpakt Schutzpflichten ergeben851. In zahlreichen Stellungnahmen hat der Ausschuss staatliches 841 Art. 2 lit. e: „To take all appropriate measures to eliminate discrimination against women by any person, organization or enterprise.“ 842 Weilert, ZaöRV 2009, 883, 888. 843 Koenen, Wirtschaft und Menschenrechte, S. 180 f. Siehe z.B. CEDAW, General Recommendation No. 19, Violence Against Women, 1992, UN Doc. A/47/38, Rn. 9. 844 CEDAW, General Recommendation No. 25, Temporary Special Measures (Art. 4 Para 1), UN Doc. CEDAW/C/2004/I/WP.1/Rev.1, Rn. 7 und 31. 845 CEDAW, General Recommendation No. 19, Violence Against Women, 1992, UN Doc. A/47/38, Rn. 24 lit. j. 846 Koenen, Wirtschaft und Menschenrechte, S. 160. 847 Koenen, Wirtschaft und Menschenrechte, S. 161. 848 Papp, Extraterritoriale Schutzpflichten, S. 112; Sepulveda, The Nature of the Obligations under the ICESCR, S. 157 ff.; Weilert, ZaöRV 2009, 883, 889. 849 Weilert, ZaöRV 2009, 883, 889. 850 Craven, The ICESCR, S. 112.
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Handeln zur Vermeidung von Rechtsverletzungen durch Wirtschaftsunternehmen angemahnt852. Insbesondere haben Staaten die notwendigen Maßnahmen zum Schutz von Gewerkschaften853 und zur Sicherstellung menschenwürdiger Arbeitsbedingungen zu treffen854. Die Hinweise des Sozialausschusses lesen sich jedoch eher als unverbindliche Handlungsaufforderungen denn als konkrete Rechtspflichten. Dies entspricht der schwächeren Rolle des Sozialausschusses und dem geringeren Verpflichtungsgrad im IPwskR im Vergleich zum System des IPbpR855. Dennoch ist jedenfalls ein deutlicher Trend des Sozialausschusses erkennbar, vermehrt an die Staaten zu appellieren, Schutzmaßnahmen gegen Menschenrechtsverletzungen durch Unternehmen zu ergreifen856. 851
(5) Zwischenergebnis Allen UN-Menschenrechtsabkommen lassen sich hinsichtlich der hier relevanten Rechte Schutzpflichten entnehmen. Es ist ein deutlicher Trend der Überwachungsausschüsse erkennbar, verstärkt die Staaten dazu aufzufordern, Verletzungen im Bereich des Arbeitsrechts durch private Unternehmen entgegenzuwirken. Allerdings räumt der Menschenrechtsausschuss den Staaten einen weiten Spielraum bei der Erfüllung ihrer Verpflichtungen ein. Die Hinweise des Sozialausschusses sind noch zurückhaltender formuliert und erinnern eher an Empfehlungen. dd) Verantwortlichkeit des Herkunftsstaats des Unternehmens (1) Extraterritoriale Schutzpflichten Zwar sind die Gaststaaten, wie soeben gezeigt, nach überwiegender Ansicht durch die UN-Menschenrechtsabkommen verpflichtet, Menschenrechtsverletzungen durch die in ihrem Hoheitsgebiet ansässigen Unternehmen entgegenzuwirken, 851 CESCR, General Comment No. 19, 4. 2. 2008, UN Doc. E/C.12/GC/19, Rn. 54; CESCR, General Comment No. 16, The Equal Right of Men and Women to the Enjoyment of all Economic, Social and Cultural Rights (Art. 3 ICESCR), 34th Session, 11. 8. 2005, UN Doc. E/C.12/2005/4, Rn. 23 ff; Craven, The ICESCR, S. 112. 852 Ruggie, State Responsibility to Regulate and Adjudicate, Rn. 19; siehe insbesondere zu dem hier relevanten Art. 7 IPwskR CESCR, General Comment No. 23, The Right to Just and Favourable Conditions of Work (Art. 7 ICESCR), 27. 4. 2016, UN Doc. E/C.12/GC/23, Rn. 74 ff, 78. 853 CESCR, Concluding Observations Democratic Republic of Congo, 16. 12. 2009, UN Doc. E/C.12/COD/CO/4., Rn. 23; CESCR, Concluding Observations Poland, 2. 12. 2009, UN Doc. E/C.12/POL/CO/5, Rn. 20; CESCR, Concluding Observations Ecuador, 7. 6. 2004, UN Doc. E/C.12/1/Add.100, Rn. 42. Dazu auch Saul/Kinley/Mowbray, The ICESCR, S. 495. 854 U.a. CESCR, Concluding Observations Ecuador, 7. 6. 2004, UN Doc. E/C.12/1/ Add.100, Rn. 41. 855 Vertiefend Koenen, Wirtschaft und Menschenrechte, S. 162 ff. 856 Koenen, Wirtschaft und Menschenrechte, S. 164. Für eine staatliche Pflicht, gegen Menschenrechtsverletzungen durch Unternehmen vorzugehen auch Vöneky, in: Stürner/ Bruns (Hrsg.), Globalisierung und Sozialstaatsprinzip, S. 63, 72 f.
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häufig sind sie dazu jedoch weder gewillt noch in der Lage. Die hier beschriebenen Rechtsverletzungen spielen sich ausschließlich in Ländern ab, die auf die Präsenz der ausländischen Unternehmen angewiesen sind und über nur schwach ausgeprägte Rechtssysteme verfügen857. Daher erscheint es erstrebenswert, die Herkunftsstaaten der Unternehmen in die Pflicht zu nehmen, welche zumeist über besser funktionierende Rechtssysteme und eine stärkere Verhandlungsposition verfügen858. Zu klären ist daher, ob den Heimatstaat eines Unternehmens, also denjenigen Staat, dessen Staatszugehörigkeit das Mutterunternehmen teilt859, eine Schutzpflicht bezüglich der Rechtsverletzungen trifft. Ob solche extraterritorialen Schutzpflichten bestehen, ist hochumstritten und kann hier nicht in aller Tiefe dargelegt werden860. Der Annahme extraterritorialer Schutzpflichten stehen insbesondere die Grundsätze der staatlichen Souveränität und des völkerrechtlichen Interventionsverbots entgegen. Im Folgenden sollen einige Ansätze zur Begründung extraterritorialer Schutzpflichten in gebotener Kürze dargestellt werden. Da die Herkunftsstaaten der Unternehmen zu einem großen Teil in Europa liegen, wird neben den UN-Menschenrechtsabkommen die EMRK behandelt861. (2) Extraterritoriale Schutzpflichten aus dem IPbpR und der EMRK Hinsichtlich solcher Menschenrechtsabkommen, die bürgerliche und politische Rechte zum Gegenstand haben, wird mehrheitlich davon ausgegangen, dass diese dann extraterritorial Anwendung finden können, wenn außerhalb des Territoriums Hoheitsgewalt besteht862. Hoheitsgewalt liegt grundsätzlich vor, wenn der betreffende Staat die tatsächliche Kontrolle (effective control) über ein Gebiet oder eine Person hat863. Dies wird maßgeblich mit dem Wortlaut der jeweiligen allgemeinen Gewährleistungsartikel begründet864.
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Weschka, ZaöRV 2006, 625, 628 f.; Kanalan, AVR 2014, 495, 517. Weschka, ZaöRV 2006, 625, 629. 859 Weilert, ZaöRV 2009, 883, 890. 860 Vertiefend Kanalan, AVR 2014, 495; Papp, Extraterritoriale Schutzpflichten. 861 Viele Unternehmen stammen auch aus den USA. Die USA sind jedoch kein Vertragsstaat der AMRK, weswegen auf eine Darstellung des Meinungsstands zur AMRK verzichtet wird. Dazu z.B. Cassel, in: Coomans/Kamminga (Hrsg.), Extraterritorial Application of Human Rights Treaties, S. 175 ff.; Hathaway u.a., 43 Ariz. St. L.J. 389, 414 (2011); Kanalan, AVR 2014, 495, 501. 862 Kanalan, AVR 2014, 495, 499 f. 863 HRC, General Comment No. 31, The Nature of the General Legal Obligation Imposed on State Parties to the Covenant, 26. 5. 2004, UN Doc. CCPR/C/21/Rev.1/Add.13, Rn. 10; Hathaway u.a., 43 Ariz. St. L.J. 389, 390 (2011); Kanalan, AVR 2014, 495, 500. 864 Art. 2 Abs. 1 IPbpR, Art. 1 EMRK. 858
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Gemäß Art. 2 Abs. 1 IPbpR sichern die Vertragsstaaten die Rechte des Paktes allen Personen zu, die sich in ihrem Gebiet befinden und ihrer Jurisdiktion unterstehen865. Hinsichtlich der genauen Auslegung des Originaltextes besteht allerdings Uneinigkeit866. Teilweise wird angenommen, beide Voraussetzungen (within its territory and subject to its jurisdiction) müssten kumulativ vorliegen867. Der UN-Menschenrechtsausschuss868 und zahlreiche Stimmen in der Literatur869 sehen hier jedoch zwei alternative Möglichkeiten, um dem IPbpR Geltung zu verschaffen. Eine dritte Ansicht differenziert zwischen der staatlichen Achtungspflicht (respect) und den Schutz- und Gewährleistungspflichten (ensure). Hiernach sei die Achtungspflicht extraterritorial anwendbar, wohingegen die Schutzpflicht nur in Bereichen Anwendung finde, in denen die betroffene Person der Jurisdiktion des betreffenden Staates unterliege870. Für die hier maßgebliche Frage nach der Existenz extraterritorialer Schutzpflichten kommen alle drei Auffassungen zum gleichen Ergebnis: Diese können nur bestehen, sofern die verletzte oder agierende Person der Hoheitsgewalt des Heimatstaates untersteht. Übertragen auf das Handeln von Unternehmen könnte man darauf abstellen, ob die juristische Person der Kontrolle des Heimatstaates unterliegt, wie es unter Umständen bei global agierenden Unternehmen mit Hauptsitz in einem Industriestaat angenommen werden könnte871. Bei rechtlich selbständigen Tochterunternehmen wäre dies aber wohl bereits zu verneinen872. Der EGMR anerkennt ebenfalls die extraterritoriale Anwendung der EMRK nur in Ausnahmefällen, insbesondere im Falle tatsächlicher Kontrolle über ein Territo-
865 Art. 2 Abs. 1 IPbpR: „[…] respect and ensure rights to all individuals within its territory and subject to its jurisdiction […].“ 866 Zur Entstehungsgeschichte des Art. 2 Abs. 1 IPbpR Dennis, 99 Am. J. Int’l L. 119, 123 f. (2005). 867 McGoldrick, in: Coomans/Kamminga (Hrsg.), Extraterritorial Application of Human Rights Treaties, S. 41, 48; Wohl Skogly/Gibney, 24 Hum. Rts. Q. 781, 790 (2002); Dennis, 99 Am. J. Int’l L. 119, 127 (2005), sieht die gegenteiligen Auslegung im Widerspruch zum Wortlaut, zur Intention des Gesetzgebers und zur Staatenpraxis. 868 HRC, General Comment No. 31, Rn. 10; HRC, General Comment No. 23, Rn. 4; HRC, Lopez Burgos v. Uruquay, Communication No. 52/1979, 29. 7. 1981, UN Doc. CCPR/ C/13/D/52/1979, Rn. 12.3. 869 Benvenisti, 26 Isr. L. Rev. 24, 33 (1992); King, 9 HRLR 521, 523 (2009); Buergenthal, in: Henkin (Hrsg.), The International Bill of Rights, S. 72, 74. 870 Künnemann, in: Coomans/Kamminga (Hrsg.), Extraterritorial Application of Human Rights Treaties, S. 201, 228; Milanovic, Extraterritorial Application of Human Rights Treaties, S. 209 ff, 263. 871 So Vöneky, in: Stürner/Bruns (Hrsg.), Globalisierung und Sozialstaatsprinzip, S. 63, 75. 872 Vertiefend Vöneky, in: Stürner/Bruns (Hrsg.), Globalisierung und Sozialstaatsprinzip, S. 63, 75 f.
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rium873. Diese Voraussetzungen werden in den hier relevanten Fällen einer Unternehmenspräsenz stets zu verneinen sein874. (3) Extraterritoriale Schutzpflichten aus dem IPwskR und der ESC Nach Ansicht des Sozialausschusses und zahlreicher Stimmen in der Literatur875 sind die Pflichten der Mitgliedstaaten aus dem IPwskR weder auf ein bestimmtes Territorium noch auf die Existenz von Hoheitsgewalt beschränkt. Dafür spreche maßgeblich der Wortlaut des Art. 2 Abs. 1 IPwskR876, der keinerlei jurisdiktionelle Beschränkung enthält877. Auch beinhaltet der Sozialpakt Normen, die klar auf grenzüberschreitende Pflichten verweisen (z.B. Art. 11, 23 IPwskR)878. Die Pflichten des IPwskR können nach verbreiteter Ansicht daher grundsätzlich auch jenseits von Hoheitsgewalt extraterritorial anwendbar sein879. 873 EGMR v. 12. 12. 2001, 52207/99, NJW 2003, 413 (Bankovic u.a. gegen Belgien u.a), Rn. 67 ff., 71 ff.; EGMR v. 7. 7. 2011, 55721/07, NJW 2012, 283 (Al-Skeini gegen Vereinigtes Königreich), Rn. 138 ff. 874 Kanalan, AVR 2014, 495, 501; Koenen, Wirtschaft und Menschenrechte, S. 150 ff. Allerdings hat der UN-Menschenrechtsausschuss 2012 von Deutschland verlangt, sicherzustellen, dass Opfern von Menschenrechtsverletzungen deutscher Unternehmen im Ausland Rechtsmittel zur Verfügung stehen, vgl. CESCR, Concluding Observation Germany, 15. 10. 2012, UN Doc. CCPR/C/DEU/CO/6, Rn. 16: „The State party is encouraged to set out clearly the expectation that all business enterprises domiciled in its territory and/or its jurisdiction respect human rights standards in accordance with the Covenant throughout their operations. It is also encouraged to take appropriate measures to strengthen the remedies provided to protect people who have been victims of activities of such business enterprises operating abroad.“ 875 De Schutter, International Human Rights Law, S. 190; Kanalan, AVR 2014, 495, 502; Papp, Extraterritoriale Schutzpflichten, S. 124; Sepulveda, 24 Neth. Q. Hum. Rts. 271, 282 (2006). Eine klare Linie in der Anwendung des IPwskR vermisst Coomans, 11 Max Planck UNYB 359, 364 (2007). 876 Art. 2 Abs. 1 IPwskR: „Jeder Vertragsstaat verpflichtet sich, einzeln und durch internationale Hilfe und Zusammenarbeit, insbesondere wirtschaftlicher und technischer Art, unter Ausschöpfung aller seiner Möglichkeiten Maßnahmen zu treffen, um nach und nach mit allen geeigneten Mitteln, vor allem durch gesetzgeberische Maßnahmen, die volle Verwirklichung der in diesem Pakt anerkannten Rechte zu erreichen.“ 877 Coomans, 11 Max Planck UNYB 359, 362 (2007); De Schutter, International Human Rights Law, S. 190; Künnemann, in: Coomans/Kamminga (Hrsg.), Extraterritorial Application of Human Rights Treaties, S. 201 f. 878 Coomans, 11 Hum. Rts. L. Rev. 1, 7 f. (2011); De Schutter, International Human Rights Law, S. 190; Künnemann, in: Coomans/Kamminga (Hrsg.), Extraterritorial Application of Human Rights Treaties, S. 201, 205. 879 Maastrichter Prinzipien, Rn. 4: „[…] Alle Staaten haben auch extraterritoriale Verpflichtungen zu Achtung, Schutz und Gewährleistung der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte […]“; CESCR, General Comment No. 19, 4. 2. 2008, UN Doc. E/C.12/ GC/19, Rn. 54; CESCR, General Comment Nr. 12, The Right to Adequate Food (Art. 11), 12. 5. 1999, UN Doc. E/C.12/1999/5, Rn. 36 f.; Kanalan, AVR 2014, 495, 504. Anders Ad-
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Ob diese Auslegung auch für Schutzpflichten gilt, und ob demnach ein Staat verpflichtet ist, Unternehmen im Ausland an Menschenrechtsverletzungen zu hindern, ist jedoch zweifelhaft. Beim IPwskR wird für die extraterritoriale Anwendung überwiegend zwischen Achtungs- und Schutzpflichten differenziert880. Während die extraterritoriale Anwendung der Achtungspflicht inzwischen weitgehend anerkannt ist, ist dies für Schutzpflichten weniger eindeutig881. Coomans hält es zwar für denkbar und wünschenswert, den Heimatstaat eines Unternehmens dazu zu verpflichten, das Verhalten seiner Unternehmen im Ausland zu regulieren, Rechtsverletzungen zu untersuchen und Klagen vor Gerichten des Heimatstaates zuzulassen882, de lege lata existiere eine solche Pflicht jedoch nicht883. Der UN-Sozialausschuss hat die Mitgliedstaaten mehrfach aufgefordert, Unternehmen von der Beeinträchtigung der geschützten Rechte in anderen Staaten abzuhalten884. In seinen Allgemeinen Bemerkungen zu Art. 7 IPwskR hat der Ausschuss unlängst sehr deutlich seine Anforderungen an die Heimatstaaten multinationaler Unternehmen formuliert: Ist das arbeitsrechtliche Schutzniveau im Heimatstaat eines Unternehmens höher als im Gaststaat, so habe der Heimatstaat soweit möglich dafür Sorge zu tragen, dass entsprechende Standards auch im Gaststaat eingehalten werden885. Auch sollten die Mitgliedstaaten gesetzlich klarstellen, dass ihre Unternehmen auch extraterritorial zur Einhaltung der durch den IPwskR vorgegebenen Rechte verpflichtet sind886. Der Sozialausschuss deutet mit seinen Aussagen demnach immer stärker an, dass er von extraterritorialen Schutzpflichten der Mitgliedstaaten hinsichtlich im Ausland agierender Unternehmen aus dem visory Opinion on Legal Consequences of the Construction of a Wall in the Occupied Palestinian Territory, 9. 7. 2004, ICJ Rep. 2004, S. 136, Rn. 112, wo auf das Kriterium der Hoheitsgewalt abgestellt wird. Zustimmend Koenen, Wirtschaft und Menschenrechte, S. 165. 880 Coomans, in: Coomans/Kamminga (Hrsg.), Extraterritorial Application of Human Rights Treaties, S. 183, 192; Craven, The ICESCR, S. 147 ff.; Sepulveda, The Nature of the Obligations under the ICESCR, S. 373 ff.; Künnemann, in: Coomans/Kamminga (Hrsg.), Extraterritorial Application of Human Rights Treaties, S. 201, 212. 881 Coomans, in: Coomans/Kamminga (Hrsg.), Extraterritorial Application of Human Rights Treaties, S. 183, 199; Künnemann, in: Coomans/Kamminga (Hrsg.), Extraterritorial Application of Human Rights Treaties, S. 201, 219 ff. 882 Coomans, in: Coomans/Kamminga (Hrsg.), Extraterritorial Application of Human Rights Treaties, S. 183, 193. 883 Coomans, in: Coomans/Kamminga (Hrsg.), Extraterritorial Application of Human Rights Treaties, S. 183, 193 ff. 884 CESCR, General Comment No. 14, The right to the Highest Attainable Standard of Health (Art. 12 CESCR), 11. 8. 2000, UN Doc. E/C.12/2000/4, Rn. 39; CESCR, General Comment No. 18, The Right to Work v. 6. 2. 2006, UN Doc. E/C.12/GC/18, Rn. 30. 885 CESCR, General Comment No. 23, The Right to Just and Favourable Conditions of Work (Art. 7 ICESCR), 27. 4. 2016, UN Doc. E/C.12/GC/23, Rn. 69. 886 CESCR, General Comment No. 23, The Right to Just and Favourable Conditions of Work (Art. 7 ICESCR), 27. 4. 2016, UN Doc. E/C.12/GC/23, Rn. 70.
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IPwskR ausgeht887. Auch hier ist jedoch die Rolle des Ausschusses und die weiche Formulierung seiner Stellungnahmen im Blick zu behalten888. Die ESC ist nach ganz überwiegender Auffassung nicht extraterritorial anwendbar (Art. 34 ESC)889. (4) Zwischenergebnis zu extraterritorialen Schutzpflichten Die herrschende Ansicht geht davon aus, dass die sogenannten Menschenrechte der ersten Generation (bürgerliche und politische Rechte) lediglich extraterritorial anwendbar sind, wenn Hoheitsgewalt des Heimatstaates besteht. Dies wird in den hier relevanten Fällen stets zu verneinen sein. Hinsichtlich der Menschenrechte der zweiten Generation wird allgemein eine großzügigere Ansicht vertreten. Diese Auslegung wird jedoch bislang nur sehr zögerlich auch auf die Schutzpflichtendimension übertragen. Zwar appelliert der Sozialausschuss zunehmend an die Mitgliedstaaten, Maßnahmen zu ergreifen, um seine Unternehmen auch im Ausland den höheren Standards des Heimatstaates zu unterwerfen. Jedoch sind diese eher Anregungen als Pflichten890. Mit Verweis auf den Anspruch der Menschenrechte als universelle und umfassende Rechte wird zwar durchaus überzeugend für eine extraterritoriale Anwendung jeglicher Staatenpflichten jenseits der Hoheitsgewalt geworben891. Zum jetzigen Zeitpunkt kann jedoch festgehalten werden, dass in den hier diskutierten Fällen nicht von durchsetzbaren Schutzpflichten des Heimatstaats eines Unternehmens ausgegangen werden kann. Selbst wenn man solche Pflichten aus dem Sozialpakt bejahen würde, bleibt höchst fraglich, welche konkreten Handlungspflichten den der Schutzpflicht unterliegenden Staat treffen würden.
887 Coomans, 11 Hum. Rts. L. Rev. 1, 31 (2011) („[…] strong arguments for an implicit legal basis for such obligations […]“); Sepulveda, 24 Neth. Q. Hum. Rts. 271, 282 (2006). 888 Siehe beispielsweise CESCR, General Comment No. 14, The Right to the High est Attainable Standard of Health (Art. 12 CESCR), 11. 8. 2000, 22th Session, UN Doc. E/C.12/2000/4, Rn. 39: „[…] State parties have to […] prevent third parties from violating the right in other countries, if they are able to influence these third parties by way of legal or political means in accordance with the Charter of the United Nations and applicable international law.“ 889 Harris, The European Social Charter, S. 284 ff.; Papp, Extraterritoriale Schutzpflichten, S. 146 f. 890 Auch Ruggie sieht die Frage nach einer extraterritorialen Anwendung der Menschenrechte im Kontext von Unternehmensaktivitäten als ungeklärt an. Er verweist hinsichtlich des IPwskR darauf, dass der Sozialausschuss die Mitgliedstaaten lediglich ermuntert (encourage), Schritte einzuleiten, um Menschenrechtsverletzungen durch Unternehmen zu verhindern, HRC, Report of the Special Representative of the Secretary-General on the Issue Human Rights and Transnational Corporations and Other Business Practices, John Ruggie, 11th Session, 2009, UN Doc. A/HRC/11/13, Rn. 15. 891 Kanalan, AVR 2014, 495, 508 ff.
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ee) Rechtsfolgen bei Rechtsgutsverletzung durch das Unternehmen und Bestehen einer staatlichen Schutzpflicht Geht man davon aus, dass eine Rechtsgutsverletzung durch das Unternehmen vorliegt und den Gast- oder Heimatstaat Schutzpflichten treffen, liegt noch nicht automatisch eine Schutzpflichtverletzung vor. Schutzpflichten verpflichten den Staat zu einer Handlung, nicht zu einem Erfolg892. Der Staat muss die erforderliche Handlung unterlassen haben, wobei ein bestmögliches Bemühen genügt. Hat der Staat sein Bestmögliches gegeben und es kam dennoch zu einer Rechtsgutsverletzung, so liegt keine Schutzpflichtverletzung vor893. Zu bestimmen ist, was in der konkreten Situation von dem jeweiligen Staat erwartet werden konnte894. Bei der Auswahl der Mittel kommt jedem Staat ein Beurteilungsspielraum und Auswahl ermessen zu895. Dieser Maßstab macht deutlich, dass gerade im Bereich der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte, selbst bei Bejahung einer Rechtsgutsverletzung durch ein Unternehmen und Annahme einer staatlichen Schutzpflicht, die Hürden zur Annahme einer Schutzpflichtverletzung hoch sind. Die meisten Urteile in diesem Bereich widmen sich dementsprechend Fällen von Verletzungen des Rechts auf Leben. Insbesondere die Rechtsprechung des EGMR zeigt, dass das Gericht hinsichtlich sozialer Rechte weitaus zurückhaltender agiert896. ff) Zwischenergebnis zur Rechtsfolge der fehlenden Durchsetzung des nationalen Rechts in Freien Exportzonen Die Untersuchung zu den Schutzpflichten hat gezeigt, dass für die hier in Rede stehenden Rechte ganz überwiegend – und mit zunehmender Tendenz seitens der Überwachungsorgane – von Schutzpflichten der Gaststaaten von Unternehmen ausgegangen wird. Sowohl zum Diskriminierungsverbot als auch zur Vereinigungsfreiheit und unlängst zum Arbeitsschutz wurden Schutzpflichten bejaht. Richtet ein Staat eine Freie Exportzone ein, ohne gleichzeitig Sicherheitsvorkehrungen zugunsten der Arbeitnehmer zu treffen, ist eine Schutzpflichtverletzung demnach zumindest denkbar897. Ganz anders die herrschende Meinung zu extraterritorialen Schutzpflichten. Trotz starker Bemühungen des UN-Sozialausschusses erscheint die Verpflichtung 892
De Schutter, International Human Rights Law, S. 477. Seibert-Fohr, ZaöRV 2013, 37, 50. 894 Seibert-Fohr, ZaöRV 2013, 37, 50 f. 895 Seibert-Fohr, ZaöRV 2013, 37, 54; Koenen, Wirtschaft und Menschenrechte, S. 201. Zum Ermessen auch Stahl, Schutzpflichten im Völkerrecht, S. 283 ff. 896 Zur Kritik daran Krieger, ZaöRV 2014, 187, 191 ff. 897 Lang, Trade Agreements, Business and Human Rights: The Case of EPZ 2010, S. 9; Binder, 16 Austrian Rev. Int’l & Eur. L. 163, 172 (2011). 893
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3. Kap.: Rechtliche Grundlagen und Schranken in Freien Exportzonen
des Heimatstaates eines global operierenden Unternehmens im Wege der Menschenrechtsabkommen bislang wenig aussichtsreich. Zwar werden solche Schutzpflichten zunehmend in Bezug auf das Recht auf Leben und in bewaffneten Konflikten angenommen, eine Pflicht von Staaten, Menschenrechtsverletzungen durch ihre Unternehmen im Ausland zu verhindern, lehnt die überwiegende Meinung jedoch ab. Selbst wenn man vom grundsätzlichen Bestehen solcher Schutzpflichten ausgeht, resultieren gerade im Bereich der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte daraus kaum konkrete staatliche Handlungspflichten. Den Staaten steht hier ein Ermessensspielraum zu898. c) Durchsetzung der Menschenrechte aa) Möglichkeiten der Durchsetzung von Menschenrechten Der überwiegende Teil der hier untersuchten Gesetze und Praktiken steht im Widerspruch zu den UN-Menschenrechtsabkommen, im Fall von Mauritius auch zur AfrMRK und im Fall von Mexiko auch zur AMRK. Bangladesch und Mauritius verstoßen durch aktives staatliches Handeln gegen die Menschenrechte. Die Praktiken in den Maquiladoras Mexikos könnten angesichts der gravierenden Verstöße insbesondere gegen das Diskriminierungsverbot, die Vereinigungsfreiheit und den Arbeitsschutz, durchaus eine Schutzpflichtverletzung darstellen. Auf letzter Stufe ist daher zu klären, welche Durchsetzungsmöglichkeiten bestehen. Dabei wird zunächst auf die Durchsetzungsmechanismen der Menschenrechtspakte selbst eingegangen. Bei Verletzungen internationaler Menschenrechte kommt unter Umständen zudem ein Vorgehen vor nationalen Gerichten, insbesondere in den USA, in Betracht. bb) Durchsetzung der Menschenrechte vor internationalen Überwachungsgremien und Gerichten (1) IPbpR und IPwskR Die Durchsetzung der Rechte aus dem IPbpR und dem IPwskR erfolgt, wie bereits erläutert, über Staatenberichte und Beschwerden an den UN-Menschenrechtsausschuss und den UN-Sozialausschuss899. (2) AMRK und San Salvador Die Durchsetzung der AMRK obliegt der Interamerikanischen Kommission für Menschenrechte900 in erster und dem Interamerikanischen Gerichtshof für Menschenrechte (IAGMR)901 in zweiter Instanz902. 898 899
Koenen, Wirtschaft und Menschenrechte, S. 201. Dazu oben 2. Kap. B. II. 2. c) cc).
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Art. 44 AMRK berechtigt zur Individualbeschwerde, Art. 45 AMRK zur Staatenbeschwerde bei der Kommission. Die Kommission strebt zunächst eine gütliche Einigung an. Sofern diese scheitert, kann sie eine völkerrechtlich nicht bindende Empfehlung an die Mitgliedstaaten abgeben903. Die Kommission und die betroffenen Staaten können den Fall an den IAGMR weiterleiten904, wenn der entsprechende Staat eine Unterwerfungserklärung abgegeben hat905. Der Gerichtshof kann verbindlich urteilen906 und Entschädigungen zusprechen. 900
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Sind OAS-Staaten nicht Vertragsstaaten der AMRK (so z.B. die USA), kommt gegen sie nur ein Vorgehen vor der Kommission in Betracht, die prüft, ob eine Verletzung der Amerikanischen Erklärung der Menschenrechte vorliegt907. Auch Verletzungen der OAS-Frauenkonvention können zu einem Verfahren vor dem IAGMR führen. Das Protokoll von San Salvador sieht dagegen lediglich periodische Berichterstattungen an den Generalsekretär der OAS vor908. (3) AfrMRK Die AfrMRK weist der Afrikanischen Kommission der Menschenrechte und Rechte der Völker die Aufgaben der Förderung und des Schutzes der Menschenrechte sowie der Interpretation der AfrMRK zu909. Im Rahmen der Förderungs900 Art. 34 ff. AMRK. Weiterführend zu Kommission und Gerichtshof: Kokott, Das interamerikanische System zum Schutz der Menschenrechte, S. 31 ff. bzw. 117 ff.; Tittemore, 12 Sw. J. L. & Trade Am. 429, 435 ff. (2006). 901 Art. 52 ff. AMRK. 902 Buergenthal/Thürer, Menschenrechte, S. 311. 903 Buergenthal/Thürer, Menschenrechte, S. 313. Die Entscheidungen der Kommission sind jedoch wichtige Indizien für den gemeinsamen Willen der Mitgliedstaaten der AMRK, Koenen, Wirtschaft und Menschenrechte, S. 100. 904 Vgl. Kokott, Das interamerikanische System zum Schutz der Menschenrechte, S. 122 f., zur Frage, welche Staaten dem IAGMR einen Fall vorlegen können. 905 Art. 62 AMRK. Dazu Buergenthal, EuGRZ 1984, 169, 177; Tittemore, 12 Sw. J. L. & Trade Am. 429, 437 (2006). 906 Buergenthal, EuGRZ 1984, 169, 178; Kokott, Das interamerikanische System zum Schutz der Menschenrechte, S. 130; Tittemore, 12 Sw. J. L. & Trade Am. 429, 437 (2006). 907 Sehr häufig wird dieses Verfahren bei Menschenrechtsverletzungen in den USA in Anspruch genommen, Henkin/Cleveland et al., Human Rights, S. 618. Die Entscheidungen der Kommission sind unverbindlich, können jedoch veröffentlicht und an die OAS-Generalversammlung weitergeleitet werden. Zudem kann die Kommission inzwischen sogenannte „follow-up procedures“ in die Wege leiten, Buergenthal/Thürer, Menschenrechte, S. 307. 908 Art. 19 San Salvador. Verletzt ein Staat Art. 8 a) (Recht, Gewerkschaften beizutreten) oder Art. 13 (Recht auf Bildung) direkt, dann ist unter Umständen die Individualbeschwerde über die Kommission zum Gerichtshof möglich, Art. 19 Abs. 6 San Salvador, Tittemore, 12 Sw. J. L. & Trade Am. 429, 436 (2006). 909 Art. 45 AfrMRK. Ausführlich zu Zusammensetzung und Aufgaben der Kommission Bortfeld, Der Afrikanische Gerichtshof für Menschenrechte, S. 56 ff.
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3. Kap.: Rechtliche Grundlagen und Schranken in Freien Exportzonen
funktion sind die Staaten zur Vorlage regelmäßiger Berichte verpflichtet910. Zudem kann ein Schutzverfahren vor der Kommission durch Mitteilungen von Vertragsstaaten911, Einzelner oder NGOs912 initiiert werden913. Die Kommission kann jedoch lediglich eine Empfehlung aussprechen und die AU auf eine Verletzung der Chartarechte aufmerksam machen; Zwangsmaßnahmen kann sie nicht ausüben914. Im Jahr 2004 wurde der Afrikanische Gerichtshof für Menschenrechte errichtet915. Beschwerdeberechtigt sind die Kommission, die Vertragsstaaten und – soweit der betroffene Staat eine entsprechende Unterwerfungserklärung abgegeben hat – auch Individuen und NGOs916. Ein vorheriges abgeschlossenes Kommissionsverfahren ist im Gegensatz zum Interamerikanischen System nicht notwendig917. Die Urteile erwachsen in Rechtskraft918 und der Gerichtshof kann verpflichtende Umsetzungsmaßnahmen anordnen, um Verletzungen zu beheben. Kommt der verurteilte Staat diesen Verpflichtungen nicht nach, steht dem Gerichtshof als Sanktionsmittel lediglich Publizierung des Verstoßes zur Verfügung919. (4) Potential zur Stärkung der Arbeitnehmerrechte in den Freien Exportzonen Der UN-Menschenrechtsausschuss, der Sozialausschuss und der UN-Frauenrechtsausschuss können lediglich Empfehlungen aussprechen, haben jedoch keine Mittel, einen Mitgliedstaat zur innerstaatlichen Umsetzung zu zwingen. Die Stärke dieser Überwachungsgremien liegt in ihrer internationalen Sichtbarkeit und ihrer Anerkennung in der internationalen Gemeinschaft, wodurch politischer Druck ausgeübt werden kann920. Daher bewerten einige Stimmen in der Literatur ein Vorgehen über den Menschenrechtsausschuss als aussichtsreich921.
910
Art. 62 AfrMRK. Art. 47 – 54 AfrMRK. 912 Sog. andere Mitteilungen i.S.v. Art. 55 – 59 AfrMRK. 913 Hierzu Bortfeld, Der Afrikanische Gerichtshof für Menschenrechte, S. 76 ff.; Meyer, Menschenrechte in Afrika, S. 245 ff. 914 Meyer, Menschenrechte in Afrika, S. 252; Bortfeld, Der Afrikanische Gerichtshof für Menschenrechte, S. 84. 915 Bortfeld, Der Afrikanische Gerichtshof für Menschenrechte, S. 96. Das Protokoll zur Errichtung des Gerichtshofs der Afrikanischen Union vom 11. 7. 2003 ist abgedruckt in Hummer/Karl, Regionaler Menschenrechtsschutz, Teilband I/2 S. 1061 ff. 916 Meyer, Menschenrechte in Afrika, S. 250. 917 Bortfeld, Der Afrikanische Gerichtshof für Menschenrechte, S.151. 918 Meyer, Menschenrechte in Afrika, S. 253. 919 Buergenthal/Thürer, Menschenrechte, S. 335. 920 Goergen, 39 Geo. J. Int’L L. 407, 417, 436 (2007 – 08); Tanner-Rosati, 16 Law & Bus. Rev. Am. 533, 547 (2010). 921 Goergen, 39 Geo. J. Int’L L. 407, 417, 435 (2007 – 08); Tanner-Rosati, 16 Law & Bus. Rev. Am. 533, 544 (2010), mit dem Ziel gegen Diskriminierungen in mexikanischen Maqui911
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Es bleibt aber das Problem der mangelnden Effizienz922. So haben sich die UN-Ausschüsse seit Jahren wiederholt mit den Situationen in den Freien Exportzonen auseinandergesetzt und dennoch wenig bewirkt923. Insbesondere die Situation von Frauen in mexikanischen Maquiladoras wurde vehement kritisiert und Mexiko wurde mehrfach zur Abhilfe aufgefordert. Entsprechende Handlungen sind jedoch ausgeblieben924. Letztendlich sind die UN-Ausschüsse auf den Willen ihrer Vertragsstaaten zur Änderung angewiesen925. Gerade dieser ist im Falle der Zonen jedoch nicht vorhanden, da die niedrigen Schutzstandards bewusst als Anreiz für Investitionen gesetzt werden926. Allenfalls können solche Beschwerden dazu beitragen, die betroffenen Arbeitnehmer in den Zonen über ihre Rechte zu informieren927. Dies könnte langfristig bewirken, dass die Möglichkeit zu Individualbeschwerden stärker genutzt wird928. Die regionalen Gerichte verfügen über weitaus bessere Möglichkeiten, den Menschenrechten zur Durchsetzung zu verhelfen: Ein Verfahren vor dem Inter amerikanischen Gerichtshof könnte den Opfern in den Maquiladoras Schadensersatz bringen und so abschreckend wirken929. Mexiko anerkennt den IAGMR und hat in der Vergangenheit Empfehlungen im Rahmen des Interamerikanischen Systems bereitwillig umgesetzt930. cc) Durchsetzung der Menschenrechte vor US-amerikanischen Gerichten auf Grundlage des Alien Tort Statute (1) Hintergrund Aufgrund der Durchsetzungsschwierigkeiten internationaler Menschenrechte vor den Überwachungsorganen der UN konzentriert sich die Human Rights Litigation in jüngerer Zeit vermehrt darauf, Menschenrechte vor nationalen Gerichten ladoras vorzugehen; Russel-Brown, 24 Berkeley J. Emp. & Lab. L. 179, 194 (2003), mit dem Ziel die Koalitionsfreiheit in Freien Exportzonen durchzusetzen. 922 Tanner-Rosati, 16 Law & Bus. Rev. Am. 533, 547 (2010). 923 Dazu Binder, 16 Austrian Rev. Int’l & Eur. L. 163, 175 f. (2011). 924 Tanner-Rosati, 16 Law & Bus. Rev. Am. 533, 547 f. (2010). Der UN-Frauenrechtsausschuss hat seine Forderungen zum effektiven Vorgehen gegen die Diskriminierung von Frauen in Maquiladoras und sexueller Belästigung in seinem jüngsten Bericht zu Mexiko noch einmal betont, CEDAW Committee, Mexiko 2012, Empfehlung Nr. 29 lit. a und b., S. 10. 925 Binder, 16 Austrian Rev. Int’l & Eur. L. 163, 176 (2011). 926 Binder, 16 Austrian Rev. Int’l & Eur. L. 163, 176 f. (2011). 927 Goergen, 39 Geo. J. Int’L L. 407, 417, 437 (2007 – 08); Tanner-Rosati, 16 Law & Bus. Rev. Am. 533, 548 f. (2010). 928 Binder, 16 Austrian Rev. Int’l & Eur. L. 163, 177 (2011). 929 Goergen, 39 Geo. J. Int’L L. 407, 417, 437 (2007 – 08); Tanner-Rosati, 16 Law & Bus. Rev. Am. 533, 548 (2010). 930 Goergen, 39 Geo. J. Int’L L. 407, 417, 436 (2007 – 08).
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3. Kap.: Rechtliche Grundlagen und Schranken in Freien Exportzonen
durchzusetzen. Vor allem die USA haben sich hier seit 1980 zu einem Anziehungspunkt für Klagen entwickelt. Durch die Entscheidung des Court of Appeals for the 2nd Circuit in der Sache Filártiga931 wurde der Weg eröffnet, über das Alien Tort Statute (ATS)932 Verletzungen von Menschenrechten im Wege deliktischer Klagen vor US-amerikanischen Bundesgerichten geltend zu machen. Aufgrund der von den US-Gerichten häufig zugesprochenen hohen Schadensersatzsummen ist ein solches Vorgehen vielversprechender als der wenig effektive Weg über internationale Überwachungsgremien und Gerichte. Das bereits 1789 verabschiedete und im Wesentlichen unverändert gebliebene ATS besteht lediglich aus einem einzigen Satz: „The district courts shall have original jurisdiction of any civil action by an alien for a tort only, committed in violation of the law of nations or a treaty of the United States.“ Welchen Zweck der Kongress bei der Verabschiedung des ATS genau verfolgte, lässt sich heute schwerlich nachvollziehen. Vermutlich sollten politische Spannungen vermieden werden, indem Klagen, die nationale Interessen berühren, nicht den State Courts, sondern den Bundesgerichten zugewiesen wurden933. In den knapp 200 Jahren seit seiner Verabschiedung wurde das ATS kaum genutzt, bis es in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts als Mittel zur Durchsetzung von Menschenrechten wiederentdeckt wurde. (2) Tatbestandsvoraussetzungen Das ATS verlangt zunächst die Behauptung einer Verletzung von Völkerrecht. Hierzu hat der Supreme Court 2004 klargestellt, dass es auf das jeweils aktuelle Völkerrecht ankomme934. Damit wurde die Geltendmachung einer Verletzung internationaler Menschenrechtsabkommen ermöglicht. Die völkerrechtliche Norm muss Teil des Völkergewohnheitsrechts sein935. Verlangt wird eine Verletzungshandlung, deren Ächtung vom Völkerrecht allgemein anerkannt ist936. Welche Tatbestände genau umfasst sind, ist umstritten; anerkannt wurden u.a. Völkermord, Folter und Zwangsarbeit. Zweitens muss es sich um eine Verletzung deliktischen Ursprungs handeln. Klagebefugt sind lediglich NichtU.S.-Bürger (aliens). Der Beklagte muss „minimum contacts“ zum Forum haben. Die Rechtsprechung war hier zunächst sehr großzügig und hat es z.B. in einem Fall für ausreichend gehalten, dass das beklagte Unternehmen Royal Dutch Shell mit Sitz in den Niederlanden auch ein kleines Verbindungsbüro in New York hatte937. 931
Filártiga v. Peña-Irale, Urt. v. 30. 6. 1980, 630 f.2d 876 (2d Cir. 1980). 28 U.S.C. § 1350. 933 Vertiefend zur Entstehungsgeschichte M. Stürner, JZ 2014, 13 f.; Sykes, 100 Geo. L.J. 2161, 2166 f. (2011 – 2012). 934 Sosa v. Alvarez-Machain, 542 U.S. 692, 732 (2004). 935 Sykes, 100 Geo. L.J. 2161, 2168 (2011 – 2012). 936 Sosa v. Alvarez-Machain, 542 U.S. 692 (2004). 932
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(3) Entwicklung der Rechtsprechung zum ATS
Die Entscheidung in der Rechtssache Filártiga938 im Jahr 1980 war der Startpunkt für zahlreiche Menschenrechtsklagen unter dem ATS. Hier bejahte der Court of Appeals for the Second Circuit die Zuständigkeit der US-Bundesgerichte auf Grundlage des ATS für die Klage eines paraguayischen Staatsangehörigen gegen einen ebenfalls paraguayischen Polizisten für eine Verletzungshandlung (Entführung, Folter und Mord seines Sohnes) auf paraguayischem Boden. Das Gericht sah es als ausreichend an, dass sich der Beklagte nun in den USA aufhielt. Ein weiterer wichtiger Schritt war die Entscheidung des Second Circuit in Kadic v. Karadzic939 aus dem Jahr 1995, wo erstmals die Zuständigkeit der US-Bundesgerichte auf Grundlage des ATS für Klagen gegen Privatpersonen angenommen wurde940. Diese Rechtsprechung wurde vom Supreme Court in Sosa v. Alvarez-Machain941 im Jahr 2004 bestätigt. Spätestens mit Doe v. Unocal942 richtete sich der Fokus auf Unternehmen als Beklagte943. Die Kläger warfen dem Unternehmen Unocal mit Sitz in Kalifornien u.a. Zwangsarbeit und Tötungen im Zusammenhang mit dem Bau einer Pipeline in Myanmar vor. Der Fall endete in einem Vergleich, das Gericht erkannte hier jedoch erstmals die Verantwortung von Unternehmen für Menschenrechtsverletzungen durch Beihilfe (aiding and abetting) an944. Das Gericht ging von einer individuellen völkerrechtlichen Verantwortung Unocals aus, weil es die durch den Staat Myanmar verordnete Zwangsarbeit wissentlich gefördert habe945. In der Rechtssache Kiobel v. Royal Dutch Petroleum946 wurde der Royal Dutch Petroleum Co. mit Sitz in den Niederlanden und ihrer Tochtergesellschaft Shell vorgeworfen, im Rahmen der Erdölförderung in Nigeria Beihilfe zu Menschenrechtsverletzungen der nigerianischen Regierung geleistet zu haben. Die nigerianische Regierung war gewaltsam gegen Demonstrationen der indigenen Ogoni gegen durch die Förderung verursachte Umweltverschmutzungen vorgegangen. Es kam zu Massenvertreibungen und Hinrichtungen.
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Wiwa v. Royal Dutch Petroleum Co., 226 f.3d 88, 95 (2d Cir. 2000). Filártiga v. Peña-Irale, 630 f.2d 876 (2d Cir. 1980). 939 Kadic v. Karadzic, 70 f.3d 232, 239 f. (2d Cir. 1995). Dazu Posner, 90 Am. J. Int’l L. 658 (1996). 940 Weschka, ZaöRV 2006, 625 , 635. 941 Sosa v. Alvarez-Machain, 542 U.S. 692, 732 (2004). 942 Doe I v. Unocal Corp., 395 f.3d 932, 942 f. (9th Cir. 2002). 943 Seibert-Fohr, ZaöRV 2003, 195, 197; Weschka, ZaöRV 2006, 625 , 636. 944 Doe v. Unocal Corp., 963 f. Supp. 880 (C.D. Cal. 1997), instruktiv Seibert-Fohr, ZaöRV 2003, 195, 197 ff. 945 Seibert-Fohr, ZaöRV 2003, 195, 199. 946 Kiobel et al. v. Royal Dutch Petroleum Co. et al., 133 S.Ct. 1659 (2013). 938
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Der Second Circuit hatte in der vorangegangenen Entscheidung im Jahre 2010947 die Verantwortlichkeit von Unternehmen für Völkerrechtsverstöße in Frage gestellt. Kurz danach entschied der Seventh Circuit jedoch in Flomo v. Firestone Nat ural Rubber Co. LLC948 zugunsten der unternehmerischen Verantwortlichkeit für Völkerrechtsverstöße949. Dieser sogenannte Circuit Split führte zur Entscheidung des Supreme Courts. Im Zuge dieses Verfahrens kristallisierte sich bald heraus, dass weniger die Frage nach der Verantwortlichkeit von Unternehmen, als vielmehr die Anwendbarkeit des ATS überhaupt auf dem Prüfstand gestellt wurde. Der Supreme Court wies die Klage einstimmig950 wegen fehlender internationaler Zuständigkeit ab. Die Mehrheitsmeinung stellte auf die sogenannte presumption against extraterritoriality951 ab, die Vermutung, dass die Geltung US-amerikanischer Gesetze grundsätzlich auf das Territorium der USA beschränkt ist952. Die Vermutung werde durch das ATS nicht widerlegt. Der historische Gesetzgeber habe keine extraterritoriale Anwendung intendiert. Eine Widerlegung der Vermutung sei allerdings möglich, wenn im konkreten Fall eine hinreichende Beziehung zum US-Territorium bestehe953. Das Urteil wurde heftig kritisiert954. (4) Erfolgsaussichten für Klagen von Arbeitnehmern in Freien Exportzonen nach Kiobel Bis zur Entscheidung in der Rechtssache Kiobel wurde das ATS von vielen Stimmen in der Literatur als die große Chance betrachtet, um Verletzungen von 947
Kiobel et al. v. Royal Dutch Petroleum Co., 621 f.3d 111(2nd Cir. 2010). Flomo v. Firestone Natural Rubber Co., 643 f.3d 1013 (7th Cir. 2011). 949 Auch der Ninth, Eleventh und der D.C. Circuit ging von einer Haftung von Unternehmen aus dem ATS aus, vgl. hierzu Sykes, 100 Geo. L.J. 2161, 2162 f. (2011 – 2012). 950 Mit unterschiedlichen Argumentationen, siehe insbesondere die Special Concur rence von Justice Breyer, welcher sich Justices Ginsburg, Sotomayor und Kagan angeschlossen haben. 951 Dazu Mankowski, NZG 2010, 961; M. Stürner, JZ 2014, 13, 18. 952 Die Mindermeinung um Justice Breyer, die zwar im Ergebnis zustimmt und in diesem Fall die Zuständigkeit der US Gerichte verneint, lehnt die Anwendung der Vermutung ab und nennt drei Fallgruppen in denen das ATS zur Anwendung kommen soll: 1. Das Delikt ist in den USA begangen worden, 2. Der Beklagte ist Amerikaner oder 3. das Verhalten des Beklagten greift erheblich und nachteilig in wichtige amerikanische Interessen ein. Dazu zähle das Interesse, dass die USA nicht zum Zufluchtsland für Feinde der Menschheit wird. In diesem Fall sei die Tatsache, dass Shell ein Büro in den USA unterhalte jedenfalls nicht ausreichend um ein solches Interesse zu begründen. 953 „Where the claims touch and concern the territory of the United States, they must do so with sufficient force“, Kiobel et al. v. Royal Dutch Petroleum Co. et al., 133 S.Ct. 1659 (2013), Umdruck S. 14. 954 Siehe hierzu vertiefend Cleveland, 12 J. Int’l Crim. Just. 551, 557 (2014); Saage-Maaß/Beinlich, KJ 2015, 146, 154 f.; M. Stürner, JZ 2014, 13, 18 f. 948
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Arbeitnehmerrechten durch Unternehmen vor Gericht zu bringen955. Obwohl es selten zu Verurteilungen von Unternehmen gekommen war, wurde allein der Klage an sich und den drohenden hohen Schadensersatzsummen mit entsprechender Publizitätswirkung ein großes Potential zur Ausübung von Druck auf transnationale Unternehmen beigemessen956. Nach Kiobel erscheinen drei Punkte entscheidend für eine erfolgreiche Klage gegen ein menschenrechtsverletzendes Unternehmen: Erstens müssen die US-Gerichte zuständig sein. Hier gilt es die durch Kiobel aufgestellten Kriterien zu erfüllen. Der Supreme Court hat deutlich gemacht, dass ein hinreichender Bezug zum US-Territorium (touch and concern) bestehen muss. Wann dieser vorliegt, ist unklar. „Mere corporate presence“ in den USA ist jedenfalls nicht mehr ausreichend957. Die Tendenz der Gerichte seit Kiobel geht in die Richtung, dass das ATS nur noch zur Anwendung kommt, wenn auf Seiten des Beklagten ein dauerhafter Aufenthalt bzw. eine US-amerikanische Staatsbürgerschaft besteht, oder die Handlung auf US-Territorium erfolgt958. Auch die Literatur sieht in diesen beiden Fällen die Vermutung der Unanwendbarkeit wegen Extraterritorialität aufgrund eines hinreichenden Bezugs zu den USA als widerlegt an959. Da die hier geschilderten Rechtsverletzungen nie auf US-amerikanischem Boden stattfinden, reduzieren sich die Klagemöglichkeiten auf Fälle, in denen das Unternehmen oder die Muttergesellschaft den Sitz in den USA hat960. Dies könnte durchaus in den Fällen mexikanischer Maquiladoras und auch manch anderer Freier Exportzone, in der US-Unternehmen agieren, der Fall sein. Zweitens müssen private Unternehmen taugliche Beklagte unter dem ATS sein. Diese Frage bleibt auch höchstrichterlich ungeklärt961. Allerdings lässt sich aus der Mehrheitsmeinung in Kiobel schließen, dass eine Haftung von Unternehmen zumindest nicht ausgeschlossen ist. Indem das Gericht statuiert, dass jedenfalls die bloße Präsenz eines Unternehmens nicht ausreicht, um die Vermutung zu widerle-
955 So u.a. Tanner-Rosati, 16 Law & Bus. Rev. Am. 533, 552 f. (2010); Goergen, 39 Geo. J. Int’L L., 407, 443 (2007); Speas, 12 L. & Bus. Rev. Am. 83, 105 ff. (2006). 956 Krajewski, Menschenrechte und transnationale Unternehmen, in: Möseneder (Hrsg.), Menschenrechte, S. 49, 72. 957 Kiobel et al. v. Royal Dutch Petroleum Co. et al., 133 S.Ct. 1659 (2013), Umdruck S. 14. 958 Saage-Maaß/Beinlich, KJ 2015, 146, 153. 959 Cleveland, 12 J. Int’l Crim. Just. 551, 555 (2014), die zudem annimmt, das ATS komme zur Anwendung, wenn sich der Beklagte dauerhaft in den USA befindet und in Fällen in denen US-amerikanischen Interessen betroffen sind, was Piraterie und das Interesse, kein „safe haven“ für Menschenrechtsverletzer zu werden, umfasse. 960 Voland, BB 2015, 67, 75. 961 Dazu Kirshner, 30 Berkeley J. Int’l L. 259 (2012); Seibert-Fohr, ZaöRV 2003, 195; Weilert, ZaöRV 2009, 883; skeptisch Sykes, 100 Geo. L. J. 2161, 2164 (2011 – 2012). Ablehnend Ku, 51 Va. J. Int’l L. 353, 355 (2011).
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3. Kap.: Rechtliche Grundlagen und Schranken in Freien Exportzonen
gen, macht es deutlich, dass Unternehmen durchaus Beklagte sein können962. Auch hat der Großteil der unteren Gerichte Klagen gegen Unternehmen in ATS-Fällen anerkannt963. Die entscheidende Frage bleibt daher, ob die hier verletzten arbeitsrechtlichen Menschenrechte taugliche Rechte unter dem ATS darstellen, was höchst zweifelhaft ist, da bislang einzig das Verbot der Zwangsarbeit anerkannt ist964. Vor Kiobel bestand die begründete Hoffnung, dass die Rechtsprechung den Anwendungsbereich des ATS und insbesondere die erfassten Menschenrechte – wie in den Jahren zuvor – immer weiter ausweiten würde. Diese Hoffnung dürfte nach Kiobel nicht mehr bestehen. Der Supreme Court hat deutlich gemacht, dass es den Anwendungsbereich des ATS einschränken, nicht aber ausweiten will. Daher dürften Klagen gegen US-Unternehmen, die Menschenrechte wie die Koalitionsfreiheit, das Diskriminierungsverbot und insbesondere soziale Rechte einschränken, unter dem ATS wenig erfolgversprechend sein. 4. Ergebnis zu den Schranken der Arbeit in Freien Exportzonen durch internationale Menschenrechtsabkommen Die Menschenrechtsübereinkommen enthalten eine Vielzahl von arbeitsrechtlichen Garantien, denen die Vertragsstaaten in ihrer Praxis der Freien Exportzonen nicht gerecht werden. Die Rechte sind typischerweise weiter als die ILO-Übereinkommen formuliert, eine detaillierte Regelung wie dort fehlt. Allerdings ziehen die Ausschüsse zunehmend die ILO-Übereinkommen zur Auslegung heran und formulieren in ihrer Spruchpraxis konkrete Anforderungen. Ein Vorteil dieses Vorgehens liegt darin, dass die Menschenrechtsübereinkommen von einer sehr großen Zahl von Staaten ratifiziert wurden. Die menschenrechtliche Verankerung von Arbeitsrecht bietet daher die Chance zur Universalisierung der in den ILO-Übereinkommen geregelten Standards965. Das große Problem der Menschenrechte bleibt jedoch ihre Durchsetzung. Den UN-Ausschüssen stehen keine weitergehenden Mechanismen zur Verfügung als den ILO-Ausschüssen. Stärker sind hier die regionalen Menschenrechtsregime, die über Gerichtshöfe verfügen, die verbindliche Urteile mit weiterreichenden Sanktionsmöglichkeiten erlassen können. Im Fall Mexikos erscheint ein Vorgehen über den Interamerikanischen Gerichtshof am vielversprechendsten. Viele Staaten mit Freien Exportzonen, wie z.B. Bangladesch, sind jedoch nicht Vertragsstaat eines regionalen Menschenrechtsübereinkommens. Die Inpflichtnahme der Herkunftsstaaten multinationaler Unternehmen, die insbesondere im 962
Saage-Maaß/Beinlich, KJ 2015, 146, 151. Saage-Maaß/Beinlich, KJ 2015, 146, 151. 964 Clapham, Human Rights Obligations of Non-State Actors, S. 255; Kaufmann, Globalisation and Labour Rights, S. 187. 965 Saul/Kinley/Mowbray, The ICESCR, S. 444. 963 Dazu
B. Rechtliche Schranken der Arbeit in Freien Exportzonen
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Fall Europas an durchsetzungsstärkere Menschenrechtsabkommen gebunden wären, scheitert an der zurückhaltenden Annahme extraterritorialer Schutzpflichten. Wegen der Schwächen der Überwachungsorgane fokussierte sich die Human Rights Litigation zunehmend auf die Durchsetzung von Menschenrechten vor US-amerikanischen Gerichten. Diese hatten den Anwendungsbereich des ATS zunehmend ausgeweitet, sodass begründete Hoffnung bestand, hier auch die Rechte von Arbeitnehmern zukünftig durchsetzen zu können. Mit der Rechtssache Kiobel hat der Supreme Court jedoch deutlich gemacht, den Anwendungsbereich des ATS nicht weiter zu öffnen.
IV. Schranken der Arbeit in Freien Exportzonen durch Freihandelsabkommen 1. Die Idee einer sozialpolitischen Konditionalisierung des Handelsrechts und Gang der Untersuchung Die Schwächen der Durchsetzung der ILO-Übereinkommen und der Menschenrechte haben immer wieder zu der Überlegung geführt, ob nicht arbeitsrechtliche Mindeststandards mit Hilfe von Handelssanktionen durchgesetzt werden könnten. Die Idee der sozialpolitischen Konditionalisierung des Handelsrechts ist allerdings genauso alt wie die Idee der Schaffung eines Völkerarbeitsrechts. Sie reicht zurück bis in das 19. Jahrhundert966. Der Leitgedanke besteht darin, die Gewährung privilegierter Handelsbeziehungen von der Einhaltung arbeitsrechtlicher Mindeststandards bei der Produktion eines zu importierenden Produkts abhängig zu machen967. Zu diesem Zweck wird in ein nationales Handelsgesetz oder ein Freihandelsabkommen eine sogenannte Sozialklausel implementiert. Diese kann im Grundsatz auf zwei verschiedene Arten konstruiert sein: Entweder erlaubt die Klausel der importierenden Partei, den Marktzugang zu erschweren, wenn der Herkunftsstaat des Produkts bestimmte Arbeitsrechte nicht eingehalten hat (sog. negative Sozialklausel oder Rücknahmeklausel). Oder die Klausel erlaubt im Falle der Einhaltung bestimmter, in der Regel im Abkommen selbst definierter, Sozialstandards, die Gewährung zusätzlicher Handelsvorteile (sog. positive Sozialklausel oder Anreizklausel)968. Auf diesem Weg könnte dem Arbeitsvölkerrecht unter Umständen zur besseren Durchsetzung verholfen werden969. 966 Reuß, Menschenrechte durch Handelssanktionen, S. 119; Spelten, WTO und nationale Sozialordnungen, S. 35 f.; Trebilcock/Howse, 14 Minn. J. Global Trade 261 (2005). 967 Weiss, in: FS Richardi, S. 1093, 1104. 968 Dazu Burianski, Globalisierung und Sozialstandards, S. 41; Herkommer, Die Europäische Sozialklausel, S. 40; Spelten, WTO und nationale Sozialordnungen, S. 33; Zimmer, RIW 2011, 625, 626; Zimmer, in: Scherrer/Hänlein (Hrsg.), Sozialkapitel in Handelsabkommen, S. 141, 143. 969 Ebert, Labor Standards in Mega-Regional Trade Agreements, S. 3.
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3. Kap.: Rechtliche Grundlagen und Schranken in Freien Exportzonen
Im Folgenden soll gezeigt werden, welche Möglichkeiten im bestehenden Welthandelsrecht existieren, um dem Arbeitsrecht in den Freien Exportzonen von Bangladesch, Mauritius und Mexiko mittels handelsrechtlicher Sanktionierung zur Durchsetzung zu verhelfen. Dazu muss zunächst geklärt werden, welche Rolle das Welthandelsrecht unter dem Dach der WTO in dieser Debatte spielt. Zum einen ist die Überlegung anzustellen, ob das Recht der WTO selbst Mitttel zur Durchsetzung arbeitsrechtlicher Mindeststandards enthält. Zum anderen ist fraglich, ob es ein solches Vorgehen mittels regionaler Freihandelsabkommen duldet. Im Anschluss daran wird dargestellt, welche Verpflichtungen zur Einhaltung arbeitsrechtlicher Mindeststandards gegenwärtig in den Freihandelsabkommen der hier untersuchten Länder existieren. Dabei wird darauf verzichtet, darzulegen, wie eine Sozialklausel in optimaler Weise gestaltet sein sollte970. Diese Arbeit beschränkt sich darauf, bestehende Klauseln zu analysieren. Sodann wird wiederum untersucht, inwiefern die Arbeit in Freien Exportzonen diesen Mindeststandards gerecht wird und welches Potential den Freihandelsabkommen zukommt, der Arbeit in den Freien Exportzonen Schranken zu setzen. 2. Die Rolle der WTO in der Debatte um Sozialklauseln a) Die Diskussion um eine Implementierung einer Sozialklausel im Recht der WTO Auf Ebene der WTO wurde die Frage nach der Implementierung einer Sozialklausel von Anfang an diskutiert. Die 1948 vereinbarte Havanna Charta zur Gründung der Internationalen Handelsorganisation (International Trade Organization, ITO) enthielt eine Verpflichtung der Mitgliedstaaten zur Einhaltung fairer Arbeitsbedingungen971. Die Havanna Charta wurde jedoch nie vom US-Kongress ratifiziert, womit auch das Projekt ITO scheiterte und der Welthandel lediglich durch das GATT geregelt wurde972. 970 Zum Für und Wider einer Sozialklausel siehe Herkommer, Die Europäische Sozialklausel, S. 124 ff. Vorschläge, wie eine Sozialklausel optimal gestaltet werden sollte, machen z.B. Barry/Reddy, 39 Cornell Int’l L.J. 545 (2006); Trebilcock/Howse, 14 Minn. J. Global Trade 261, 278 ff. (2005); Reuß, Menschenrechte durch Handelssanktionen; Hofmann/ Hänlein, in: Scherrer/Hänlein (Hrsg.), Sozialkapitel in Handelsabkommen, S. 103, 106 ff.; Spelten, WTO und nationale Sozialordnungen, S. 47 ff.; Burianski, Globalisierung und Sozialstandards, S. 301 ff. 971 Art. 7 ITO-Verfassung. Dazu Krebber, in: Benvenisti/Nolte, The Welfare State, S. 175, 187; Orbie/Gistelinck/Kerremans, in: Orbie/Torell (Hrsg.), The European Union and the Social Dimension of Globalization, S. 148, 149 f.; Trebilcock/Howse, 14 Minn. J. Global Trade 261, 286 (2005). 972 Trebilcock/Howse, 14 Minn. J. Global Trade 261, 263 (2005).
B. Rechtliche Schranken der Arbeit in Freien Exportzonen
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Als sich die Mitgliedstaaten in den 1990er Jahren in der sog. Uruguay-Runde mit der Überarbeitung des GATT befassten, wurde die Debatte um die Implementierung einer Sozialklausel erneut intensiv geführt973. Während die Industrienationen – allen voran die USA – für die Verankerung sozialer Mindeststandards eintraten, standen die Entwicklungsländer der Idee mehrheitlich ablehnend gegenüber. Zu sehr fürchteten sie den Verlust ihres einzigen Wettbewerbsvorteils der niedrigen Arbeitskosten974. Die Industrienationen argumentierten maßgeblich damit, dass die Verletzung arbeitsrechtlicher Mindeststandards kein zulässiger Wettbewerbsvorteil sei. Die Entwicklungsländer warfen den Industrienationen Protektionismus vor975. Die Befürworter einer Sozialklausel konnten sich schlussendlich nicht durchsetzen. Die Durchsetzung arbeitsrechtlicher Mindeststandards wurde in der ministeriellen Erklärung von Singapur ausdrücklich der ILO übertragen976. In der heutigen Version des GATT existiert keine Sozialklausel. Lediglich für Produkte, die durch Strafgefangene hergestellt wurden, können Handelsbeschränkungen auferlegt werden977. b) Vereinbarkeit von Sozialklauseln in regionalen Freihandelsabkommen mit dem Recht der WTO Enthält die WTO selbst also keine Verpflichtung zur Einhaltung arbeitsrechtlicher Mindeststandards, stellt sich die Frage, ob sie solche Standards in regionalen Freihandelsabkommen erlaubt. Denn mit Hilfe solcher Freihandelsabkommen 973 Weiss, in: FS Richardi, S. 1093, 1104. Vertiefend Spelten, WTO und nationale Sozialordnungen, S. 43 ff. 974 Weiss, in: FS Richardi, S. 1093, 1104; Zimmer, RIW 2011, 625, 626. Zu diesem Vorwurf insbesondere Bhagwati, 18 World Econ. 745 (1995). 975 Trebilcock/Howse, 14 Minn. J. Global Trade 261, 266 ff. (2005). 976 „Wir erneuern unsere Verpflichtung zur Beachtung der international anerkannten grundlegenden Arbeitnehmerschutzrechte. Die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) ist das kompetente Gremium zur Festsetzung und Behandlung dieser Standards, und wir bekräftigen unsere Unterstützung für ihre Arbeit bei der Förderung dieser Standards. Wir glauben, dass Wirtschaftswachstum und Entwicklung, durch wachsenden Handel und weitere Handelsliberalisierung unterstützt dazu beitragen, diese Standards zu fördeRn. Wir lehnen den Einsatz von Arbeitnehmerrechten für protektionistische Ziele ab und stimmen überein, dass die komparativen Vorteile von Ländern, insbesondere Entwicklungsländern mit niedrigen Löhnen, in keinem Fall in Frage gestellt werden dürfen. In diesem Zusammenhang stellen wir fest, dass die Sekretariate von WTO und ILO ihre bestehende Zusammenarbeit fortführen werden.“, WTO, Ministerielle Erklärung von Singapur vom 13. 12. 1996, WT/MIN(96)/DEC/W, Rn. 4. 977 Art. XX lit. e GATT. „The notable exception of an ITO remnant“, vgl. Orbie/Gistelinck/Kerremans, in: Orbie/Torell (Hrsg.), The European Union and the Social Dimension of Globalization, S. 148, 150. Zur Frage, ob eine Sozialklausel im System der WTO grundsätzlich möglich wäre ausführlich, Reuß, Menschenrechte durch Handelssanktionen, S. 167 ff.; sowie Howse, 3 J. Small & Emerging Bus. L. 131 ff. (1999), zu den Möglichkeiten, ILO-Übereinkommen über die WTO durchzusetzen.
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3. Kap.: Rechtliche Grundlagen und Schranken in Freien Exportzonen
könnten die Industrienationen als bedeutende Handelspartner vieler Entwicklungsländer ihre Vorstellung von der Einhaltung bestimmter Arbeitsrechte dennoch durchsetzen. Dieser Frage kann hier nicht in aller Tiefe nachgegangen werden, es sollen jedoch die Grundprobleme kurz skizziert werden978. Indem einzelne Staaten mittels regionaler Handelsabkommen bestimmten Staaten weitreichendere Handelspräferenzen einräumen als anderen Ländern, weichen sie von dem sowohl im GATT als auch im GATS verankerten Prinzip der Meistbegünstigung ab979. Dieses verpflichtet die WTO-Mitglieder dazu, jeden Handelsvorteil, der einem Land gewährt wurde, auch sämtlichen anderen WTO-Mitgliedern zu einzuräumen. Indem einem oder mehreren Ländern im Rahmen eines Freihandelsabkommens besondere Vorteile gewährt werden und diese nicht an alle WTO-Mitglieder weitergegeben werden, wird somit gegen den Grundsatz der Meistbegünstigung verstoßen. Sowohl das GATT als auch das GATS lassen solche Abkommen jedoch ausnahmsweise zu980, da eine regional vertiefte Liberalisierung nach Vorstellung der WTO langfristig zum weltweiten Abbau von Handelsbarrieren führt. Sind demnach regionale Freihandelsabkommen grundsätzlich zulässig, stellt sich die Frage, ob es mit dem WTO-Recht vereinbar ist, Sozialklauseln zu implementieren. Dagegen könnte sprechen, dass die WTO sich für eine Trennung von Arbeitsrecht und Welthandel entschieden hat. Aus der Erklärung von Singapur ergibt sich jedoch keine Aussage zur Zulässigkeit von Sozialklauseln in regionalen Handelsabkommen981. Unzulässig wären Sozialklauseln insbesondere, wenn sie gegen eines der drei Grundprinzipien des GATT (bzw. GATS) verstoßen würden: der Grundsatz der Meistbegünstigung982, das Gebot der Inländergleichbehandlung983 und das Verbot mengenmäßiger Beschränkungen984. Nach überwiegender Auffassung verletzen Sozialklauseln – unabhängig von ihrer konkreten Ausgestaltung – diese Prinzipien nicht985. Zudem besteht jedenfalls eine gewisse Einigkeit, dass die Verletzung von sozialen Rechten, die zugleich Menschenrechtsverletzungen darstellen, nicht sanktionslos bleiben darf 986. 978 Weiterführend Hofmann/Hänlein, in: Scherrer/Hänlein (Hrsg.), Sozialkapitel in Handelsabkommen, S. 103, 114 ff.; Herkommer, Die Europäische Sozialklausel, S. 243 ff.; Trebilcock/Howse, 14 Minn. J. Global Trade 261, 286 ff. (2005). 979 Art. I:1 GATT bzw. Art. I:1 GATT. 980 Art. XXIV:4 GATT bzw. Art. V:1 GATS. 981 So auch Hofmann/Hänlein, in: Scherrer/Hänlein (Hrsg.), Sozialkapitel in Handelsabkommen, S. 103, 116. 982 Art. I:1 GATT. 983 Art. III:2, III:4 GATT. 984 Art. XI GATT. 985 Ausführlich Hofmann/Hänlein, in: Scherrer/Hänlein (Hrsg.), Sozialkapitel in Handelsabkommen, S. 103, 118 ff. 986 Überzeugend Trebilcock/Howse, 14 Minn. J. Global Trade 261, 272 f. (2005).
B. Rechtliche Schranken der Arbeit in Freien Exportzonen
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3. Arbeitsrecht in regionalen Freihandelsabkommen a) Vorgehen Seit die WTO sich in den 1990er-Jahren endgültig von der Implementierung einer Sozialklausel abgewandt hat, haben die Befürworter einer sozialpolitischen Konditionalisierung des Freihandels mit verstärkter Kraft Arbeitsrechtsstandards zum Inhalt ihrer regional oder bilateral vereinbarten Handelsabkommen gemacht. Zu den stärksten Nutzern von Sozialklauseln gehören neben den USA, die EU, Kanada, Neuseeland und Chile987. Nachfolgend soll ein Überblick über die Ansätze der USA und der EU gegeben werden988, da diese die größten Importeure von Waren aus den hier untersuchten Ländern sind. Seit die USA das mit Kanada und Mexiko 1994 abgeschlossene NAFTA um ein arbeitsrechtliches Side-Agreement mit Sozialklausel ergänzt haben, enthält jedes Freihandelsabkommen mit US-amerikanischer Beteiligung eine Sozialklausel989. Auch die EU ist bestrebt, ihre Handelsabkommen mit Verpflichtungen zur Einhaltung des Arbeitsrechts zu versehen. Das Europäische Parlament hat sich im Jahr 2010 explizit für die Aufnahme von Menschenrechten und Sozialstandards in internationale Handelsabkommen ausgesprochen990. Während noch 1995 weltweit nur vier Handelsabkommen Arbeitsrechte enthielten, waren es 2005 bereits 21 und 2013 sogar 58991. b) Sozialklauseln in den Freihandelsabkommen der USA aa) Das NAFTA Labor Side Agreement (NAALC) (1) Hintergrund Das 1994 in Kraft getretene NAFTA ist das erste Freihandelsabkommen, das mit einer Sozialklausel versehen wurde. Dabei wurde ein bis heute wohl einzigarti987 Van den Putte/Orie, 31 Int’l J. Comp. Lab. L. & Indus. Rel. 263 (2015). Dazu ausführlich Ebert, Labor Standards in Mega-Regional Trade Agreements, S. 8 ff. (Kanada, dessen Ansatz im Wesentlichen den USA gleicht) sowie S. 12 ff. (Neuseeland und Chile, die eher dem Modell der EU folgen). 988 Siehe zum Mercosur, ASEAN und ausgewählten Freihandelsabkommen Kanadas Lukas/Steinkeller, in: Scherrer/Hänlein (Hrsg.), Sozialkapitel in Handelsabkommen, S. 157, 159 ff. 989 Alle abrufbar unter https://ustr.gov/trade-agreements/free-trade-agreements (zuletzt überprüft am 8. 3. 2017). Von allen bilateralen Freihandelsabkommen der USA, die 2016 noch in Kraft sind, enthält allein das bereits 1985 vereinbarte Abkommen mit Israel keine Vorgaben zum Arbeitsrecht. 990 Entschließung des Europäischen Parlaments vom 25. 11. 2010 zu Menschenrechten, Sozial- und Umweltnormen in internationalen Handelsabkommen (2009/2219(INI)), ABlEU 2012 Nr. C 99E/31. 991 Ebert, Labor Standards in Mega-Regional Trade Agreements, S. 3 f. mit Verweis auf die Daten auf www.wto.org.
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3. Kap.: Rechtliche Grundlagen und Schranken in Freien Exportzonen
ger Weg eingeschlagen, da der Vertragstext des Freihandelsabkommens selbst keine Sozialklausel enthält, aber ein Nebenabkommen mit Arbeitsrechtsstandards erlassen wurde, das North American Agreement on Labor Cooperation (NAALC)992. Die amerikanische Arbeitnehmerschaft befürchtete, dass auf Basis des NAFTA viele amerikanische Unternehmen ihre Produktion nach Mexiko verlegen würden und damit ein massiver Arbeitsplatzabbau in der amerikanischen Industrie einhergehen würde. Zudem fürchteten die Arbeitnehmer, dass die US-Löhne sich nach und nach dem niedrigeren mexikanischen Lohnniveau anpassen würden („race to the bottom“)993. Unter dem Druck der Arbeitnehmervertreter setzte der damalige US-Präsident Bill Clinton die Ergänzung des Abkommens um die Verpflichtung zur Einhaltung arbeitsrechtlicher Mindeststandards durch994. (2) Arbeitsrechtsstandards im NAALC Das NAALC verzichtet darauf, selbst Mindeststandards zu setzen. Es verpflichtet die Mitgliedstaaten vielmehr dazu, ihr eigenes Arbeitsrecht in bestimmten Bereichen tatsächlich durchzusetzen995. Dieser Weg wurde einerseits beschritten, weil die Mitgliedstaaten den Verlust staatlicher Souveränität fürchteten996. Eine nicht zu unterschätzende Rolle spielte aber auch die Situation in den Maquiladoras Mexikos997, wo das Arbeitsrecht auf dem Papier vorhanden ist, aber der mangelnde Wille zur Durchsetzung ein großes Problem darstellt. Das NAALC verpflichtet die Mitgliedstaaten, existierende Normen in den Bereichen Vereinigungs- und Tarifvertragsfreiheit, Streikrecht, Verbot der Zwangsarbeit, Kinder- und Jugendschutz, Mindestarbeitsbedingungen für Lohn und Überstundenzulagen auch für nicht tarifgebundene Arbeitnehmer, Diskriminierungsverbot, Entgeltgleichheit für weibliche und männliche Arbeitnehmer, Arbeitsschutz, Schutz bei Arbeitsunfällen und arbeitsbedingten Erkrankungen und Gleichbehandlung von ausländischen Arbeitnehmern tatsächlich durchzusetzen998. Auffallend ist, dass die Vertragsparteien – anders als die ILO bei der Definition ihrer Kernarbeitsnormen – sich nicht scheuten, die kostenträchtigen Gebiete Mindestlohn und Arbeitsschutz einzubeziehen.
992 North American Agreement on Labor Cooperation between Canada, the United Mexican States and the United States of America (NAALC) vom 1. 1. 1994, 32 I.L.M. 1502 (1993). Das NAALC wird häufig auch als NAFTA Labor Side Agreement bezeichnet. 993 Kaufmann, Globalisation and Labour Rights, S. 189. 994 Georgen, 39 Geo. J. Int’L L. 407, 410 (2007); Dombois, in: Bass,/Melchers, (Hrsg.), Neue Instrumente zur sozialen und ökologischen Gestaltung der Globalisierung, S. 275, 279. 995 Art. 3 NAALC. 996 Georgen, 39 Geo. J. Int’L L. 407, 411 (2007). 997 Trebilcock/Howse, 14 Minn. J. Global Trade 261, 295 (2005). 998 Die Liste der einzuhaltenden Bestimmungen findet sich in Annex 1 NAALC.
B. Rechtliche Schranken der Arbeit in Freien Exportzonen
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bb) Weitere Freihandelsabkommen der USA Die seit NAFTA vereinbarten Freihandelsabkommen der USA können in drei Kategorien bzw. Generationen aufgeteilt werden999. Allen Abkommen ist gemein, dass Arbeitsrechtsstandards im Text des Freihandelsabkommens selbst verankert sind und sich die Parteien zur Durchsetzung des nationalen Arbeitsrechts hinsichtlich der ILO-Kernarbeitsnormen sowie weiterer arbeitsrechtlicher Mindeststandards wie Mindestlohn, Arbeitszeit und Arbeitsschutz verpflichtet1000. Einen Sonderfall stellt das zwischen den USA und Kambodscha erlassene Abkommen zum Handel mit Textilien dar. (1) Die erste Generation der Freihandelsabkommen der USA Der ersten Generation wird das Freihandelsabkommen zwischen den USA und Jordanien aus dem Jahr 2001 zugerechnet. Es war das erste Freihandelsabkommen, das Arbeitsrechtsstandards direkt in den Text inkorporierte und ist in dieser Hinsicht Vorbild für alle Nachfolger1001. Das Abkommen verpflichtet zur Einhaltung und Durchsetzung nationaler Arbeitsrechtsgesetze und Verordnungen, die Regelungen zu den folgenden Bereichen treffen: Vereinigungsfreiheit, Tarifvertragsfreiheit, Verbot der Zwangs- und Pflichtarbeit, Mindestalter für die Beschäftigung von Kindern sowie angemessene Arbeitsbedingungen bei Mindestlöhnen, Arbeitszeit und Arbeitsschutz1002. Deutlich sind hier Teile der ILO-Kernarbeitsnormen erkennbar, das Abkommen verzichtet jedoch auf das Verbot der schlimmsten Formen der Kinderarbeit und das Diskriminierungsverbot. Stattdessen ergänzt es mit Mindestarbeitsbedingungen für Lohn, Arbeitszeit und Arbeitsschutz, Bereiche, die von Seiten der ILO nicht den Kernarbeitsrechten zugerechnet werden. Indem das Abkommen nicht direkt auf die ILO-Übereinkommen verweist, umgeht es die Einbeziehung der Spruchpraxis der Gremien der ILO. Insbesondere wegen des – im NAALC einbezogenen – Streikrechts ist dies relevant. Würde auf das ILO-Übereinkommen Nr. 87 verwiesen, müsste man der h.M. folgend von einem Einbezug des Streikrechts ausgehen. Eine Verletzung des Abkommens liegt vor, wenn das nationale Arbeitsrecht kontinuierlich oder wiederholt nicht durchgesetzt wird und die Nichtdurchsetzung 999 Die Kategorien basieren auf der Einteilung von Bolle, Overview of Labor Enforcement Issues in Free Trade Agreementssowie Hepple, Labour Laws and Global Trade, S. 114 – 118. 1000 Ebert, Labor Standards in Mega-Regional Trade Agreements, S. 6 f. 1001 M. Weiss, 37 Fed. L. Rev. 689, 713 (2003); Kaufmann, Globalisation and Labour Rights S. 193. 1002 Art. 6 Abs. 6 lit. a US-Jordanien FTA. Vertiefend zu den von den USA in ihren Handelsabkommen definierten internationalen Mindeststandards Travis, 17 Yale J. Int’ L. 173, 177 ff. (1992).
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3. Kap.: Rechtliche Grundlagen und Schranken in Freien Exportzonen
zu einer Beeinträchtigung des Freihandels führt1003. Weiterhin fordert das Abkommen die Mitgliedstaaten auf, vom nationalen Arbeitsrecht nicht abzuweichen um Handelsvorteile zu erhalten1004 und die ILO-Kernarbeitsnormen sowie Mindeststandards zu den Themen Mindestlohn, Arbeitszeit und Arbeitsschutz anzuerkennen und durch nationales Recht zu gewährleisten1005. (2) Die zweite Generation der Freihandelsabkommen der USA Der zweiten Generation zugerechnet werden die Abkommen mit Chile (2004), Australien (2005), Singapur (2004), Marokko (2006), Bahrain (2006) und Oman (2009) sowie das DR-CAFTA (2004) mit den Staaten Mittelamerikas1006 und der Dominikanischen Republik. Die Vorgaben zur Einhaltung des nationalen Rechts gleichen im Wesentlichen dem Jordanien-Modell1007. Im Katalog der durchzusetzenden nationalen Arbeitsgesetze wurde das Verbot der schlimmsten Formen der Kinderarbeit ergänzt1008. Der wohl auffälligste Unterschied zum Jordanien-Abkommen ist die Verpflichtung zur Einrichtung eines zwischenstaatlichen Dialogs und zur Kooperation in Arbeitssachen1009. (3) Die dritte Generation der Freihandelsabkommen der USA Die Freihandelsabkommen mit Kolumbien (2006), Panama (2007), Peru (2009) und Korea (2007) bilden die dritte Generation bilateraler US-Freihandelsabkommen. Auch hier findet sich die bekannte Regelung zur Durchsetzung nationaler 1003
Art. 6 Abs. 4 lit. a US-Jordanien FTA: „A Party shall not fail to effectively enforce its labor laws, through a sustained or recurring course of action or inaction, in a manner affecting trade between the Parties […]“. 1004 Art. 6 Abs. 2 US-Jordanien FTA: „The Parties recognize that it is inappropriate to encourage trade by relaxing domestic labor laws. Accordingly, each party shall strive to ensure, that it does not waive or otherwise derogate from, or offer to waive or otherwise derogate from, such laws as an encouragement for trade with the other Party.“ 1005 Art. 6 Abs. 1 i.V.m. Abs. 6 US-Jordanien FTA: „[…] The Parties shall strive to en sure that such labor principles [ILO declaration on Fundamental Principles and Rights at Work an its Follow-up] and the internationally recognized labor rights set forth in paragraph 6 are recognized and protected by domestic law.“ 1006 Costa Rica, El Salvador, Guatemala, Honduras und Nicaragua. 1007 Eine Verletzung wird nur dann angenommen, wenn der Mitgliedstaat sein nationales Arbeitsrecht kontinuierlich oder wiederholt nicht durchsetzt und dadurch der Freihandel beeinträchtigt wird (z.B. Art. 16.2 Abs. 1 lit. a DR-CAFTA); kritisch Gerbracht, 16 Transnat’l L. & Contemp. Probs., 1029, 1049 (2007)). Den Mitgliedstaaten wird untersagt, den Schutzstandard nationalen Arbeitsrechts zu senken, um sich Handelsvorteile zu verschaffen oder Investitionen zu ermuntern (z.B. Art. 2.2 Abs. 2 DR-CAFTA); Aufforderung zur Verwirklichung der ILO-Kernarbeitsnormen und weitere Mindeststandards entsprechend der Vorgängernorm (z.B. Art. 16.1 Abs. 1 DR-CAFTA). 1008 Vgl. die Liste der Mindeststandards in Art. 16.8 DR-CAFTA. 1009 Art. 16.4 und 16.5 DR-CAFTA.
B. Rechtliche Schranken der Arbeit in Freien Exportzonen
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Arbeitsgesetze1010. Wiederum wurde der Katalog der einzuhaltenden Mindeststandards ergänzt: Neben einer weiteren Ausweitung des Schutzes von Kindern1011 wurde das Verbot der Diskriminierung in Beschäftigung und Beruf eingefügt1012. Entscheidend geändert wurde der Eingangsartikel, welcher bislang nur ein recht vages Bekenntnis zur ILO-Erklärung von 1998 enthielt1013. Die dritte Generation verpflichtet erstmals dazu, die acht zu den Kernarbeitsnormen gezählten ILO-Übereinkommen im nationalen Recht anzuerkennen und umzusetzen1014. (4) Sonderfall: Das Textilabkommen zwischen den USA und Kambodscha Das US-Cambodia Textile Agreement1015 regelte zwischen 1999 und 2004 den Zugang von Textilprodukten aus Kambodscha zum US-amerikanischen Markt. Anstatt die Verletzungen von Arbeitsrecht mit Handelssanktionen zu bestrafen, belohnte das Abkommen die Einhaltung internationaler Arbeitsrechtsstandards mit zusätzlichen Importquoten1016. Zur Überwachung der Einhaltung der Mindeststandards sah das Abkommen eine Kooperation mit der ILO vor („better factories“-Programm). Die ILO kontrollierte mit Hilfe örtlicher Gewerkschaften die Einhaltung der Mindestandards direkt in den Fabriken1017. Die Ergebnisse wurden den Einkäufern sowie der Öffentlichkeit mitgeteilt1018. Durch das Auslaufen des Welttextilabkommens und Kambodschas Beitritt zur WTO verlor das Abkommen seine Gültigkeit. In seiner Herangehensweise bleibt es jedoch bis heute einzigartig1019. cc) Das allgemeine Zollpräferenzabkommen der USA Neben den Sozialklauseln in bilateralen Freihandelsabkommen setzen die USA Anreize zur Verbesserung der Arbeitsrechtsstandards mittels unilateraler Zollprä1010
Z.B. Art. 17.3 Abs. 1 lit. a US-Kolumbien FTA. lit. d US-Kolumbien FTA: „[…] and other protections for children and minors.“ 1012 Art. 17.8 lit. e US-Kolumbien FTA: „the elimination of discrimination in respect of employment and occupation.“ 1013 Vgl. z.B. Art. 6 Abs. 1 US-Jordanien FTA und Art. 16.1 Abs. 1 DR-CAFTA. 1014 Siehe z.B. Art. 17.2 Abs. 1 US-Kolumbien FTA: „Each Party shall adopt and maintain in its statutes and regulations, and practices thereunder, the following rights, as stated in the ILO Declaration […]“. 1015 Abrufbar im Volltext und in englischer Sprache unter: http://www.ilo.org/global/ standards/information-resources-and-publications/free-trade-agreements-and-labourrights/WCMS_115531/lang--en/index.htm (zuletzt überprüft am 8. 3. 2017). 1016 Art. 10 lit. d US-Kambodscha. Dazu Lukas/Steinkeller, in: Scherrer/Hänlein (Hrsg.), Sozialkapitel in Handelsabkommen, S. 157, 164 ff. 1017 Dazu Wells, 27 Comp. Lab. L. & Pol’y J. 357, 363 f. (2006). 1018 Wells, 27 Comp. Lab. L. & Pol’y J. 357, 364 (2006). 1019 Ebert, Labor Standards in Mega-Regional Trade Agreements, S. 8. 1011 Art. 17.8
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3. Kap.: Rechtliche Grundlagen und Schranken in Freien Exportzonen
ferenzabkommen. Die Grundidee eines Präferenzsystems besteht darin, Waren aus Entwicklungsländern vorübergehend privilegierten Zugang zum eigenen Markt zu gewähren. Das Konzept wurde 1968 im Rahmen der UN Conference on Trade and Development (UNCTAD) entwickelt1020. Wie genau die Präferenzen ausgestaltet werden, bleibt jedem Land selbst überlassen. Im Folgenden soll die Praxis der USA anhand des Allgemeinen Präferenzsystems (General System of Preferences, GSP1021) aufgezeigt werden1022. Das US-GSP wurde 1975 für die Dauer von zehn Jahren erlassen. Im Zuge der 1984 erfolgten Verlängerung des Abkommens wurde eine Sozialklausel eingefügt1023. Damit war das US-amerikanische GSP das erste allgemeine Zollpräferenzabkommen, das die Gewährung von Handelspräferenzen von der Einhaltung international anerkannter Arbeitsrechte abhängig machte1024. Das GSP räumt dem US-Präsidenten die Möglichkeit ein, Waren bestimmter schwach entwickelter Länder zollfreien Marktzugang zu gewähren1025. Um von diesem Vorteil zu profitieren, muss das Entwicklungsland eine Berechtigung erhalten1026. Ausgeschlossen sind solche Länder, die weder in der Vergangenheit noch gegenwärtig Schritte unternommen haben, international anerkannte Arbeitsstandards einzuhalten1027. Stellt der Präsident bei einem zugelassenen Land später fest, dass es diesen Anforderungen nicht mehr gerecht wird, kann er das Land aus dem Anwendungsbereich des GSP ausschließen1028 bzw. die Präferenzen entziehen1029. Das GSP definiert selbst, welche Arbeitsstandards es zu den international anerkannten zählt: das Vereinigungsrecht, die Tarifvertragsfreiheit, das Verbot der Zwangs- und Pflichtarbeit, ein Mindestalter für die Beschäftigung von Kindern, das Verbot der schlimmsten Formen der Kinderarbeit sowie angemessene Arbeits1020 Das WTO-Recht gestattet die Präferenzabkommen ausdrücklich (sog. Enabling Clause), dazu Herkommer, Die Europäische Sozialklausel, S. 271 f. 1021 Title V des 1974 Trade Act P.L. 93 – 618 vom 3. 1. 1971 geändert durch den GSP Renewal Act of 1984, title V of the Trade and Tariff Act of 1984, P.L. 98 – 753. 1022 Ähnlich sind die Caribbean Basin Initiative (CBI) von 1983 und der African Growth and Opportunity Act (AGOA) von 2000. Daneben existieren in den USA Instrumente wie die Overseas Private Investment Corporation (OPIC), die durch die Finanzierung von Projekten in Entwicklungsländern deren wirtschaftlichen Wachstum fördern will und die Gewährung von Krediten an die Einhaltung bestimmter Arbeitsbedingungen knüpft, dazu Herkommer, Die Europäische Sozialklausel, S. 113 ff. 1023 19 U.S.C. § 2462(c)(7). 1024 Zimmer, RIW 2011, 625, 626. 1025 19 U.S.C. § 2461. 1026 19 U.S.C. § 2462(a)(1). Gemäß 19 U.S.C. § 2462(b)(2) sind z.B. Länder ausgeschlossen, die kommunistisch geprägt sind oder den Terrorismus unterstützen, siehe dazu vertiefend Herkommer, Die Europäische Sozialklausel, S. 104. 1027 19 U.S.C. § 2462(b)(2)(G). 1028 19 U.S.C. § 2462(d)(1) i.V.m.(c)(7). 1029 19 U.S.C. § 2463(c)(1) S. 2 i.V.m. § 2462(c)(7).
B. Rechtliche Schranken der Arbeit in Freien Exportzonen
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bedingungen bei Mindestlohn, Arbeitszeit und Arbeitsschutz1030. Ein Verweis auf entsprechende ILO-Übereinkommen unterbleibt. Wann genau ein Land hinreichende Schritte zur Verwirklichung der Arbeitsstandards ergriffen hat, regelt das GSP nicht. Anerkannt ist, dass die Anforderungen vom Entwicklungsstand des jeweiligen Landes abhängen und nicht gefordert wird, dass das Niveau der USA erreicht wird1031. c) Sozialklauseln in den Freihandelsabkommen der EU aa) Freihandelsabkommen der EU Abgesehen von dem Versuch, Ende der 1970er-Jahre eine Sozialklausel im Übereinkommen von Lomé zu implementieren1032, wurde in der EU erst ausgiebig ab Anfang der 1990er-Jahre über die Konditionalisierung von Handel und Arbeitsrecht diskutiert1033. Die EU1034 trat ebenso wie die USA für eine Sozialklausel im Recht der WTO ein und ging nach deren Scheitern dazu über, entsprechende Klauseln in bilaterale Abkommen zu integrieren1035. Im Gegensatz zu den US-Sozialklauseln, die sich untereinander sehr ähneln, sind die Sozialklauseln in europäischen Freihandelsabkommen sehr unterschiedlich ausgestaltet und variieren stark, je nachdem, mit welchem Partner das Abkommen vereinbart wurde. In der Literatur wird ein Systematisierungsversuch anhand einer Einteilung in zwei Generationen vorgenommen1036. (1) Die erste Generation von Freihandelsabkommen der EU Frühe Freihandelsabkommen der EU enthalten entweder gar keine Arbeitsrechtsstandards oder nur sehr allgemeine Bekenntnisse zur Kooperation in ausgewählten arbeitsrechtlichen Bereichen. Manche kombinieren diese Bekenntnisse mit der Aufforderung zur Einhaltung von Mindeststandards, wobei jedoch nicht 1030 19 U.S.C. § 2467(4). Zur Auswahl dieser Standards Travis, 17 Yale J. Int’ L. 173, 178 ff. (1992). 1031 Herkommer, Die Europäische Sozialklausel, S. 108. 1032 Das Abkommen von Lomé ist der Vorgänger des Abkommens von Cotonou mit den sogenannten AKP-Staaten, unten Fn. 1525. Dazu Trebilcock/Howse, 14 Minn. J. Global Trade 261, 265 (2005). 1033 Orbie/Gistelinck/Kerremans, in: Orbie/Torell (Hrsg.), The European Union and the Social Dimension of Globalization, S. 148, 151. 1034 Insbesondere Frankreich und Belgien traten für eine Sozialklausel im WTO-System ein, wohingehend Deutschland und Großbritannien diesem Ansinnen ablehnend gegenüber standen, vgl. Orbie/Gistelinck/Kerremans, in: Orbie/Torell (Hrsg.), The European Union and the Social Dimension of Globalization, S. 148, 150. 1035 Van den Putte/Orie, 31 Int’l J. Comp. Lab. L. & Indus. Rel. 263, 264 (2015). 1036 Ebert, Labor Standards in Mega-Regional Trade Agreements, S. 10; Van den Putte/ Orie, 31 Int’l J. Comp. Lab. L. & Indus. Rel. 263, 265 (2015).
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3. Kap.: Rechtliche Grundlagen und Schranken in Freien Exportzonen
über die ohnehin bereits eingegangenen Verpflichtungen der jeweiligen Länder hinausgegangen wird1037. Zu dieser ersten Generation werden alle Freihandelsabkommen zwischen 1990 und 2003 gerechnet, beginnend mit den Abkommen mit den Mittelmeeranrainerstaaten bis zum Abkommen mit Chile1038. Dazu gehören demnach auch zwei für die vorliegende Untersuchung relevante Abkommen: das 2000 mit Mexiko geschlossene Abkommen1039 und das im selben Jahr mit den AKP-Staaten geschlossene Abkommen von Cotonou, wozu Mauritius gehört1040. Das Abkommen zwischen der EU und Mexiko enthält lediglich ein allgemeines Bekenntnis zur Achtung der Menschenrechte und keinerlei Bezugnahme auf Arbeitsrechte1041. Das Cotonou-Abkommen fordert die Mitgliedstaaten zur Einhaltung der ILO-Übereinkommen, insbesondere der Kernarbeitsnormen auf 1042. (2) Die zweite Generation von Freihandelsabkommen der EU Beginnend mit dem Abkommen mit den Staaten des CARIFORUM1043 enthalten die Handelsverträge stärkere Verpflichtungen zur Sicherstellung des Arbeitsrechts1044. Die Sozialklauseln sind typischerweise eingebettet in ein Nachhaltigkeitskapitel und verpflichten die Vertragsstaaten zur Förderung und effektiven Umsetzung der ILO-Kernarbeitsnormen1045. Im Gegensatz zu den USA, verweist die EU nicht auf die ILO-Erklärung von 1998, sondern direkt auf die acht fundamentalen Übereinkommen1046. 1037
Ebert, Labor Standards in Mega-Regional Trade Agreements, S. 10. Van den Putte/Orie, 31 Int’l J. Comp. Lab. L. & Indus. Rel. 263, 265 (2015). 1039 Economic Partnership, Political Coordination and Cooperation Agreement between the European Community and its Member States, of the one part, and the United Mexican States, of the other part vom 28. 10. 2000, ABlEG Nr. L 276/45. 1040 Abkommen von Cotonou zwischen der EG und den AKP-Staaten, ABlEG 2000 Nr. L 317/3. 1041 Art. 1, 39 Abs. 2 lit. c EU-Mexiko. 1042 Art. 50 Abs. 1 Cotonou-Abkommen: „Die Vertragsstaaten bestätigen erneut ihr Eintreten für die international anerkannten arbeitsrechtlichen Mindestnormen, wie sie in den einschlägigen Übereinkommen der IAO festgelegt sind, insbesondere Koalitionsfreiheit, Recht auf Tarifverhandlungen, Abschaffung der Zwangsarbeit, Verbot der extremsten Form der Kinderarbeit und Nichtdiskriminierung am Arbeitsplatz.“ 1043 Wirtschaftspartnerschaftsabkommen zwischen der EG und den CARIFORUM-Staaten, ABlEG 2008, Nr. L 289/3. Die CARIFORUM-Staaten (The Caribbean Forum) sind: Antigua und Barbuda, die Bahamas, Barbados, Belize, Dominica, die Dominikanische Republik, Grenada, Guyana, Haiti, Jamaika, St. Lucia, St. Vincent und die Grenadinen, St. Kitts und Nevis, Suriname sowie Trinidad und Tobago. 1044 Van den Putte/Orie, 31 Int’l J. Comp. Lab. L. & Indus. Rel. 263, 265 mit Fn. 4 (2015). 1045 Z.B. Art. 269 Abs. 3 EU-Kolumbien/Peru; Art. 191 Abs. 1, 192 EU-CARIFORUM. 1046 Siehe bereits Art. 50 Abs. 1 Abkommen von Cotonou; Art. 191 Abs. 1 EU-CARIFORUM. 1038
B. Rechtliche Schranken der Arbeit in Freien Exportzonen
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Eine Abweichung von den Standards aus Wettbewerbsgründen ist unzulässig1047. Als Maßnahmen zur Förderung der Kernarbeitsnormen werden genannt: gegenseitige Information über den Stand der Ratifikation und Fortschritte der Umsetzung1048; Förderungen von Maßnahmen der Corporate Social Responsibility (CSR)1049; jährliche stakeholder1050-Treffen zur Förderung des Dialogs mit der Zivilgesellschaft1051. Die Verpflichtungen stehen unter dem Vorbehalt der Finanzierbarkeit1052. Zu dieser Generation gehört das mit Mauritius und anderen Staaten des östlichen und südlichen Afrikas geschlossene Interimsabkommen aus dem Jahr 20121053. Das Interimsabkommen enthält jedoch keine Bekenntnisse zu Menschenrechten und verweist auf die ILO-Erklärung von 1998 lediglich bezüglich der Einhaltung von Arbeitsrechten auf Seeschiffen1054. bb) Das allgemeine Zollpräferenzsystem der EU Das allgemeine Präferenzabkommen der EU (EU-GSP) wurde 1971 eingeführt und besteht aus diversen Verordnungen, die regelmäßig überarbeitet werden. Eine Sozialklausel enthält das EU-GSP seit 19941055. Die Klausel hat sowohl negativen als auch positiven Charakter, da sie einerseits Zollanreize setzt, andererseits Sanktionen in Form von Zollaufschlägen erlaubt. Bis 2001 war die Regelung so ausgestaltet, dass zwar die Einhaltung von Arbeitsstandards, wie der Vereinigungsfreiheit und des Verbots der Kinderarbeit, ein Land für zusätzliche Handelsvorteile qualifiziert hat, der Entzug von Handelsvorteilen jedoch nur möglich war, wenn Sklaverei oder Zwangsarbeit praktiziert wurde1056. Seit 2001 bezieht sich die Anreizklausel auf alle in der ILO-Erklärung 1047
Siehe z.B. Art. 193 EU-CARIFORUM; Art. 277 Abs. 1, 2 EU-Kolumbien/Peru. Art. 269 Abs. 4 EU-Kolumbien/Peru. 1049 Art. 271 Abs. 3 EU-Kolumbien/Peru. 1050 Mit dem Begriff stakeholder werden alle betroffene Interessengruppen bezeichnet. 1051 Art. 282 Abs. 1 EU-Kolumbien/Peru. 1052 Art. 267 Abs. 3 EU-Kolumbien/Peru. Zimmer, RIW 2011, 625, 631 spricht ihnen daher jegliche Verbindlichkeit ab. 1053 Interimsabkommen zur Festlegung eines Rahmens für ein Wirtschaftspartnerschaftsabkommen zwischen Staaten des östlichen und des südlichen Afrika einerseits und der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten andererseits vom 24. 4. 2012, ABlEU Nr. L 111/2. 1054 Art. 32 Abs. 2 lit. b Nr. 2 Interimsabkommen. 1055 VO(EG) Nr. 3281/94 des Rates vom 19. 12. 1994 über ein Mehrjahresschema allgemeiner Zollpräferenzen für bestimmte gewerbliche Waren mit Ursprung in Entwicklungsländern für den Zeitraum 1995 – 98, ABlEG Nr. L 348/1 und VO(EG) Nr. 1256/96. Zur Entwicklung der Europäischen Sozialklausel Herkommer, Die Europäische Sozialklausel, S. 158 ff. 1056 Dazu Kaufmann, Globalisation and Labour Rights, S. 163 ff. 1048
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3. Kap.: Rechtliche Grundlagen und Schranken in Freien Exportzonen
von 1998 zu Kernarbeitsnormen erklärten Übereinkommen1057. Ein vollständig zollfreier Import wird gewährt, wenn ein Land die acht ILO-Übereinkommen zu den Kernarbeitsnormen sowie die Menschenrechtsabkommen der UN ratifiziert hat1058, keine schwerwiegenden Verstöße gegen diese Übereinkommen festgestellt werden können, die Ratifizierung beibehalten und der Berichtspflicht nachgekommen wird1059. Die Rücknahme von Zollpräferenzen kommt bei schweren und systematischen Verstößen gegen die Kernarbeitsnormen in Betracht1060. d) Zusammenfassung zu bestehenden Sozialklauseln in Freihandelsabkommen Seit die WTO in der Erklärung von Singapur im Jahr 1996 bekräftigt hat, dass die Zuständigkeit zur Erarbeitung und Durchsetzung internationaler Mindeststandards im Arbeitsrecht bei der ILO und nicht der WTO liege, verweisen die Freihandelsabkommen der USA und der EU verstärkt auf die ILO-Kernarbeitsnormen1061. Ein grundlegender Unterschied zwischen den Herangehensweisen der EU und der USA liegt in der Art der Bezugnahme auf ILO-Standards. Während die EU direkt auf die ILO-Übereinkommen zu den Kernarbeitsnormen verweist, beschränken sich die USA darauf, auf die ILO-Erklärung von 1998 zu verweisen1062. Diese Taktik wird darauf zurückgeführt, dass die USA selbst bislang nur zwei der fundamentalen Übereinkommen ratifiziert haben1063 und so auch die Einbeziehung der Spruchpraxis der ILO-Organe zu vermeiden sucht. Die Sozialklauseln verpflichten in der Regel zur Durchsetzung des nationalen Rechts in bestimmten Bereichen. Zusätzlich fordern insbesondere die jüngeren Abkommen die Vertragsstaaten auf, die ILO-Mindeststandards zu verwirklichen. Während das NAALC nur zur Durchsetzung des nationalen Rechts aufforderte, enthalten jüngere Abkommen vermehrt eine Pflicht zur Erhöhung des nationalen Schutzstandards1064.
1057
Herkommer, Die Europäische Sozialklausel, S. 166. „GSP +“. Hier werden u.a. der IPbpR, der IPwskR und die UN-Frauenrechtskonvention aufgelistet. 1059 Art. 9 Abs. 1 lit. b bis f i.V.m Anhang VIII VO(EU) Nr. 978/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. 10. 2012 über ein Schema allgemeiner Zollpräferenzen und zur Aufhebung der VO(EU) Nr. 732/2008 des Rates, ABlEU 2012 Nr. L 303/1. 1060 Art. 19 Abs. 1 lit. a i.V.m. Anhang VIII Teil A VO(EU) Nr. 978/2012. 1061 Zimmer, RIW 2011, 625, 626. 1062 Zur Bedeutung dieser unterschiedlichen Herangehensweise für die laufenden Verhandlungen des TTIP, Ebert, Labor Standards in Mega-Regional Trade Agreements, S. 21 f. 1063 ILO-Übereinkommen Nr. 105 und 182. 1064 Zu den Vor- und Nachteilen dieser drei Optionen ausführlich Reuß, Menschenrechte durch Handelssanktionen, S. 119 ff. 1058 Sog.
B. Rechtliche Schranken der Arbeit in Freien Exportzonen
259
4. Vereinbarkeit der Arbeitsbedingungen in den Freien Exportzonen mit den Freihandelsabkommen der USA und der EU a) Freihandelsabkommen und Freie Exportzonen Im Rahmen der Analyse des NAALC wurde bereits erwähnt, dass die Situation der Arbeitnehmer in den Maquiladoras eine wesentliche Rolle bei der Gestaltung der Sozialklausel gespielt hat. Daher liegt es nahe, zunächst der Frage nachzugehen, ob die Freihandelsabkommen das Problem der Arbeit in Freien Exportzonen thematisieren. Einige Freihandelsabkommen gehen tatsächlich zumindest mittelbar auf Freie Exportzonen ein: So verpflichtet Art. 269 Abs. 3 des Freihandelsabkommens zwischen der EU und Kolumbien und Peru zur Einhaltung der ILO-Kernarbeitsnormen im gesamten Land (in their whole territory). Damit soll sichergestellt werden, dass die Vertragsstaaten auch in Freien Exportzonen nicht von diesen Standards abweichen1065. Das US-GSP betont, dass sich die Verpflichtung zur Umsetzung internationaler Arbeitsrechtsstandards auch auf speziell ausgewiesene Zonen im Land bezieht1066. b) Der Ausschluss des nationalen Individualarbeitsrechts in Freien Exportzonen (Typ 1) aa) Vereinbarkeit des Ausschlusses des nationalen Individualarbeitsrechts in Freien Exportzonen mit dem US-GSP Bangladesch hat in den Freien Exportzonen die Anwendbarkeit der nationalen Regelungen zu Arbeitszeit, Beendigungsschutz, und Arbeitsschutz ausgeschlossen. Das Land hat weder mit den USA noch der EU ein Freihandelsabkommen geschlossen, erfüllt aber die Anforderungen, um sowohl vom US-GSP als auch dem EU-GSP zu profitieren. Das US-GSP verlangt die Einhaltung angemessener Arbeitsbedingungen bei Arbeitszeit und Arbeitsschutz. Dabei verweist es ausdrücklich darauf, dass diese Standards auch in Freien Exportzonen durchzusetzen sind. Der Beendigungsschutz ist nicht Teil der vom GSP aufgestellten Mindeststandards. Welche Anforderungen genau an die Ausgestaltung des Arbeitszeitrechts und des Arbeitsschutzes zu stellen sind, ist dem GSP nicht zu entnehmen. Mit den unzureichenden Arbeitsschutzstandards in den Freien Exportzonen von Bangladesch beschäftigt sich die US-Regierung jedoch schon lange. Nach 1065
Zimmer, RIW 2011, 625, 627. U.S.C. § 2462(b)(2)(G) bzw. (c)(7): „[…] including any designated zone in that country.“ Dazu Travis, 17 Yale J. Int’ L. 173, 179 (1992). Auch die CBI, die hier nicht näher besprochen wurde, fordert den Präsidenten auf, bei der Auswahl eines begünstigten Landes zu berücksichtigen, inwiefern das Land Schritte zur Einhaltung international anerkannter Arbeitsrechte in ausgewiesenen Zonen in diesem Land eingeleitet hat, 19 U.S.C. 2702(c)(8): „[…] including any designated zone in that country […]“. 1066 19
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3. Kap.: Rechtliche Grundlagen und Schranken in Freien Exportzonen
dem schweren Unglück in der Rana Plaza Textilfabrik 2013 haben die USA die Präferenzen unter dem GSP zurückgenommen1067. In einer Pressemitteilung vom April 2015 äußert sich die US-Regierung weiterhin besorgt über den Zustand in den Fabriken von Bangladesch, insbesondere in den Freien Exportzonen, und fordert das Land auf, die gesetzlichen Regelungen anzupassen: „[…] we call upon the Government of Bangladesh to enact legislation on economic processing zones that ensures workers inside the zones enjoy rights commensurate with those outside the zones.“1068 Der vollständige Ausschluss des Arbeitsschutzrechts ist folglich nicht mit den vom GSP verlangten Standards vereinbar. Gleiches muss für einen vollständigen Ausschluss des Arbeitszeitrechts gelten. bb) Vereinbarkeit des Ausschlusses des nationalen Individualarbeitsrechts in Freien Exportzonen mit dem EU-GSP Das EU-GSP verlangt eine Einhaltung der ILO-Kernarbeitsnormen und der Menschenrechte. Ein Mindestmaß an Arbeitsschutz sowie die Einhaltung gewisser Höchstarbeitszeiten verlangt Art. 7 IPwskR, auf den das GSP verweist. Die EU hat im Gegensatz zu den USA ihre Handelspräferenzen nicht zurückgezogen. Bangladesch profitiert nach wie vor sowohl vom allgemeinen GSP als auch – als ein am wenigsten entwickeltes Land (Least Developed Country, LDC) – vom EBA-Programm (everything but arms)1069 unter dem GSP1070. Die EU hat jedoch deutlich gemacht, dass die Sicherheitsstandards derzeit nicht den Anforderungen des GSP genügen und daher verbessert werden müssen, wenn das Land weiterhin von zollfreien Importen in die EU profitieren will. Um Bangladesch dabei zu unterstützen, brachte der EU-Handelskommissar einen Nachhaltigkeitspakt auf den Weg, der die Arbeitsbedingungen und Sicherheitsstandards in den Fabriken in Bangladesch verbessern soll1071. Dieser beinhaltet Maßnahmen wie die Reform des Arbeitsrechts, die Einstellung zusätzlicher Prüfer zur Inspektion der Fabriken, die Verbesserung der Gebäudesicherheit und des Brandschutzes sowie die Umsetzung des Accord on Building and Fire Safety1072, der von über 65 – hauptsächlich europäischen – Unternehmen unterzeichnet wurde. Bei der Umsetzung dieser Ziele 1067 https://ustr.gov/issue-areas/trade-development/preference-programs/generalized-system-preference-gsp/current-review-0 (zuletzt überprüft am 8. 3. 2017). 1068 https://ustr.gov/about-us/policy-offices/press-office/press-releases/2015/april/ joint-statement-anniversary-rana (zuletzt überprüft am 8. 3. 2017). 1069 Art. 17 VO(EU) 978/2012(EG). 1070 http://ec.europa.eu/trade/policy/countries-and-regions/countries/bangladesh/ (zuletzt überprüft am 8. 3. 2017). 1071 „Pakt für kontinuierliche Verbesserungen der Arbeitnehmerrechte und der Sicherheit in Fabriken in der Konfektionskleidungs- und Strickwarenindustrie in Bangladesch“, vgl. http://europa.eu/rapid/press-release_IP-13 – 667_de.htm (zuletzt überprüft am 8. 3. 2017). 1072 Abrufbar unter http://bangladeshaccord.org (zuletzt überprüft am 8. 3. 2017). Dazu nur Anner/Bair/Blasi, 35 Comp. Lab. L. & Pol’y J. 1 (2013).
B. Rechtliche Schranken der Arbeit in Freien Exportzonen
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soll Bangladesch aktiv durch die ILO unterstützt werden. Dazu wurde die Aufnahme des Landes in das Programm für bessere Arbeitsbedingungen der ILO (Better Work Programm) angestrebt, die im Jahr 2014 vollzogen wurde1073. c) Der Ausschluss des nationalen kollektiven Arbeitsrechts in Freien Exportzonen (Typ 2) aa) Vereinbarkeit des Ausschlusses des kollektiven Arbeitsrechts in Freien Exportzonen mit dem US-GSP Bangladesch hatte bis zum Jahr 2004 die Vereinigungsfreiheit und das Streikrecht in den Zonen vollständig ausgeschlossen. Nach der Definition des US-GSP gehören auch die Vereinigungs- und die Tarifvertragsfreiheit zu den einzuhaltenden Mindeststandards, nicht jedoch das Streikrecht. Der vollständige Ausschluss der Vereinigungsfreiheit ist folglich nicht vereinbar mit dem US-GSP. Die American Federation of Labour Congress of Industrial Organizations (AFL-CIO) hatte bereits 1991 die US-Regierung aufgefordert, Bangladesch aus dem GSP herauszuehmen. Die US-Regierung kam dieser Aufforderung teilweise nach, indem sie Bangladesch mit dem Entzug von Handelspräferenzen drohte, wenn das Land nicht seine Regelungen zum Verbot von Gewerkschaften abschaffe1074. Dies führte im Jahr 2001 zu einer Vereinbarung zwischen den USA und Bangladesch, wonach den Arbeitnehmern in Freien Exportzonen ab 2004 das Recht zustehen sollte, Koalitionen zu bilden und zu streiken. Dieses Vorgehen hat letztendlich zur Reform des Vereinigungsrechts in den Freien Exportzonen geführt1075. bb) Vereinbarkeit des Ausschlusses des kollektiven Arbeitsrechts in Freien Exportzonen mit dem EU-GSP Teil der nach dem EU-GSP einzuhaltenden ILO-Kernarbeitsnormen und der Menschenrechte sind die Vereinigungsfreiheit und das Streikrecht. Diesen Anforderungen genügt das Recht in den Freien Exportzonen Bangladeschs nicht, wie die Prüfungen unter II. und III. ergeben haben. Diese Umstände haben jedoch nicht zu einem Entzug der Handelspräferenzen geführt.
1073 Das Programm wird von der ILO in Zusammenarbeit mit dem International Finance Corporation (IFC) durchgeführt. Es wurde 2006 ins Leben gerufen, um die produzierenden Betriebe dabei zu unterstützen, die ILO-Übereinkommen umzusetzen. Das Programm hat sich aus dem im Rahmen des US-Kambodscha-Textilübereinkommens eingerichteten Better Factories Programme Cambodia entwickelt. Heute nehmen neben Kambodscha und Bangladesch auch Haiti, Indonesien, Jordanien, Lesotho, Nicaragua und Vietnam teil. Weitere Informationen auf http://betterwork.org/global/ (zuletzt überprüft am 8. 3. 2017). 1074 ICFTU, Behind the Brand Names, S. 18. 1075 Siehe oben 3. Kap. A. III. 3. b) bb) (3).
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3. Kap.: Rechtliche Grundlagen und Schranken in Freien Exportzonen
d) Vom nationalen Individualarbeitsrecht negativ abweichende Spezialregelungen in den Freien Exportzonen (Typ 3) In den Freien Exportzonen von Mauritius wurden Spezialregelungen für die Arbeitnehmer in den Zonen hinsichtlich der Arbeitszeit, dem Beendigungsschutz und dem Mutterschutz getroffen. Mauritius hat mit den USA kein Freihandelsabkommen geschlossen und erhält, soweit ersichtlich, aktuell keine Präferenzen aus dem US-GSP. Das Land profitiert jedoch von Zollpräferenzen unter dem African Growth and Opportunity Act (AGOA)1076, einem Zollpräferenzabkommen für die Länder südlich der Sahara1077. Um vom AGOA zu profitieren, müssen im Wesentlichen die gleichen Voraussetzungen vorliegen wie für Handelspräferenzen unter dem GSP1078, sodass hier der gleiche Prüfungsmaßstab angelegt werden kann1079. aa) Vereinbarkeit der Spezialregelungen zum Individualarbeitsrecht in Freien Exportzonen mit dem US-GSP/AGOA Um vom US-GSP bzw. dem AGOA zu profitieren, muss ein Land Mindeststandards in den Bereichen Arbeitszeit und Arbeitsschutz einhalten. Welche Anforderungen unter den Zollpräferenzabkommen genau verlangt werden, ist nicht klar. Soweit ersichtlich wurden die Spezialvorschriften in den Freien Exportzonen von Mauritius noch nicht durch die USA beanstandet1080. bb) Vereinbarkeit der Spezialregelungen zum Individualarbeitsrecht in Freien Exportzonen mit dem Cotonou-Abkommen Das Abkommen von Cotonou fordert seine Mitgliedstaaten zur Einhaltung der ratifizierten ILO-Übereinkommen insbesondere der Kernarbeitsnormen auf 1081. Hinsichtlich der Frage, ob die Spezialregelungen im Einklang mit dem Cotonou-Abkommen stehen, kann daher auf die Prüfung der Vereinbarkeit dieser Regelungen mit dem Recht der ILO verwiesen werden: Dort wurde herausgearbeitet, dass die Regelungen zum Beendigungsschutz nicht im Widerspruch zu ILO-Verpflichtungen des Landes stehen, die Regelungen zur Arbeitszeit und zum Mutterschutz hingegen schon1082.
1076 The African Growth and Opportunity Act (AGOA) vom 18. 5. 2000, Title 1 of the Trade and Development Act 2000. Zu den Handelspräferenzen von Mauritius https://ustr. gov/countries-regions/africa/east-africa/mauritius (zuletzt überprüft am 8. 3. 2017). 1077 Eine Definition dieser Länder findet sich in Trade and Development Act 2000 § 107. 1078 Trade and Development Act 2000 § 104(a)(1)(F). 1079 http://trade.gov/agoa/eligibility/index.asp (zuletzt überprüft am 8. 3. 2017). 1080 https://ustr.gov/countries-regions/africa/east-africa/mauritius (zuletzt überprüft am 8. 3. 2017). 1081 Art. 50 Abs. 1 Cotonou-Abkommen. 1082 Oben 3. Kap. B. II. 3. c).
B. Rechtliche Schranken der Arbeit in Freien Exportzonen
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e) Vom nationalen kollektiven Arbeitsrecht negativ abweichende Spezialregelungen in den Freien Exportzonen (Typ 4) Seit 2004 ist das kollektive Arbeitsrecht in den Zonen von Bangladesch nicht mehr vollständig ausgeschlossen, sondern speziell geregelt. aa) Vereinbarkeit der Spezialregelungen zum kollektiven Arbeitsrecht in Freien Exportzonen mit dem US-GSP Auch diese Spezialregelungen sind Gegenstand von Beschwerden bei der US-Regierung gewesen, da sich nach Auffassung des AFL-CIO die tatsächliche Situation der Gewerkschaften nach der Reform nicht verbessert hat1083. Bangladesch widersetzt sich Reformaufrufen jedoch weitestgehend1084. Die unzureichende Gewährleistung der Koalitionsfreiheit ist neben dem mangelnden Arbeitsschutz Grund für den fortbestehenden Ausschluss des Landes aus dem GSP1085. Die Regelungen zur Koalitionsfreiheit genügen folglich nicht den Mindeststandards des US-GSP. bb) Vereinbarkeit der Spezialregelungen zum kollektiven Arbeitsrecht in Freien Exportzonen mit dem EU-GSP Das EU-GSP verlangt die Einhaltung der durch die ILO-Kernarbeitsnormen und die UN-Menschenrechtspakte aufgestellten Anforderungen an die Vereinigungsfreiheit und das Streikrecht. Dass die Spezialgesetze diesen Grundsätzen nicht genügen, wurde unter II. bzw. III. dargelegt. Dennoch hat die EU Bangla desch bislang keine Handelspräferenzen aus diesem Grund entzogen. f) Unzureichende Durchsetzung des nationalen Individualarbeitsrechts in den Freien Exportzonen (Typ 5) aa) Vereinbarkeit der fehlenden Durchsetzung des nationalen Individualarbeitsrechts in den Freien Exportzonen mit dem NAALC In den mexikanischen Maquiladoras werden die nationalen Arbeitsgesetze insbesondere in den Bereichen des Antidiskriminierungsrechts, des Mutterschutzes und des Arbeitsschutzes nicht hinreichend durchgesetzt. Mexiko ist Vertragspartei des NAALC. Das NAALC verpflichtet zur Durchsetzung des nationalen Arbeitsrechts zum Diskriminierungsrecht und dem Arbeitsschutz. Mexiko wird diesen Anforderungen nicht gerecht. Die Praxis der Verwen1083 Zu alledem Gopalakrishnan, Freedom of Association and Collective Bargaining in EPZ, S. 13 f 1084 http://www.economist.com/news/business/21581752-transatlantic-divide-amongbig-companies-may-hinder-efforts-improve-workers-safety (zuletzt überprüft am 8. 3. 2017). 1085 Vgl. Pressemitteilung Fn. 1068.
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3. Kap.: Rechtliche Grundlagen und Schranken in Freien Exportzonen
dung von Schwangerschaftstests im Bewerbungsverfahren sowie die Behandlung schwangerer Arbeitnehmerinnen (Übertragung besonders schwerer Arbeiten, Kündigungen wegen der Schwangerschaft) wurden 1997 von Human Rights Watch vor dem National Administrative Office (NAO) der USA1086 wegen Verstößen gegen das Diskriminierungsverbot gerügt1087. Das US-NAO stellte eine Verletzung des NAALC in allen kritisierten Punkten fest1088. Das konsultierte mexikanische NAO vertrat hingegen den Standpunkt, dass das Bewerbungsverfahren vom mexikanischen Antidiskriminierungsrecht nicht geschützt sei1089. Eine im Jahr 2001 beim US-NAO eingereichte Beschwerde richtete sich gegen die unzureichenden Arbeitsschutzmaßnahmen in den mexikanischen Maquiladoras1090. Auch hier hielt das US-NAO die Vorwürfe für begründet1091. bb) Vereinbarkeit der fehlenden Durchsetzung des nationalen Individualarbeitsrechts in den Freien Exportzonen mit dem Freihandelsabkommen EU-Mexiko Das Freihandelsabkommen zwischen der EU und Mexiko enthält als ein Abkommen der ersten Generation keine Sozialklausel, sondern lediglich ein allgemeines Bekenntnis zur Förderung der Menschenrechte. Zwar stehen die Praktiken in den Maquiladoras im Widerspruch zu den Menschenrechten, eine Begrenzung dieser Praktiken lässt sich aus dem Bekenntnis zu den Menschenrechten jedoch nicht ableiten. cc) Vereinbarkeit der fehlenden Durchsetzung des nationalen Individualarbeitsrechts in den Freien Exportzonen mit dem EU-GSP Mexiko erhält aktuell Präferenzen unter dem EU-GSP. Dieses fordert die Einhaltung der ILO-Kernarbeitsnormen und der Menschenrechte. Die Praktiken stehen zwar im Widerspruch zu den Kernarbeitsnormen und menschenrechtlich verankerten Arbeitsrechtsstandards, beanstandet wurden sie jedoch bislang nicht.
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Zum Beschwerdeverfahren und der Rolle der NAO unten 3. Kap. B. IV. 5. e). US-NAO Submission 9701 vom 16. 5. 1997. Alle beim US-NAO eingegangenen Beschwerden sind abrufbar unter https://www.dol.gov/ilab/trade/agreements/naalc.htm (zuletzt überprüft am 8. 3. 2017). 1088 Vgl. Public Report of Review of NAO Submission No. 9701, abrufbar unter: https:// www.dol.gov/ilab/reports/pdf/Public%20Report%209701%20(Gender).pdf (zuletzt überprüft am 8. 3. 2017). 1089 Myamoto Faber, 16 Colum. J. Gender & L. 297, 307 (2007). 1090 US-NAO Submission 2000 – 01 vom 3. 7. 2000. 1091 Public Report of Review of NAO Submission No. 2000 – 01, abrufbar unter: https:// www.dol.gov/ilab/reports/pdf/Public%20Report%202000 – 01%20(Auto%20Trim).pdf (zuletzt überprüft am 8. 3. 2017). 1087
B. Rechtliche Schranken der Arbeit in Freien Exportzonen
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g) Unzureichende Durchsetzung des nationalen kollektiven Arbeitsrechts in den Freien Exportzonen (Typ 6) aa) Vereinbarkeit der fehlenden Durchsetzung des kollektiven Arbeitsrechts in den Freien Exportzonen mit dem NAALC Die mangelhafte Gewährleistung von Gewerkschaftsrechten wurde ebenfalls 1997 vor dem US-NAO gerügt1092. Das US-NAO kam zu dem Ergebnis, dass angesichts der geringen gewerkschaftlichen Präsenz in den Maquiladoras Bedenken hinsichtlich der effektiven Gewährleistung von Gewerkschaftsrechten in den Zonen bestehen1093. bb) Vereinbarkeit der fehlenden Durchsetzung des kollektiven Arbeitsrechts in den Freien Exportzonen mit dem Freihandelsabkommen EU-Mexiko Da das Abkommen zwischen der EU und Mexiko nur ein allgemeines Bekenntnis zu den Menschenrechten und keine Sozialklausel enthält, ergeben sich aus ihm keine Grenzen der Praktiken in den Maquiladoras Mexikos. cc) Vereinbarkeit der fehlenden Durchsetzung des kollektiven Arbeitsrechts in den Freien Exportzonen mit dem EU-GSP Auch die unzureichende Gewährleistung der Rechte von Gewerkschaften hat bislang nicht zu einer Verweigerung der GSP-Präferenzen durch die EU geführt. h) Zwischenergebnis zur Vereinbarkeit der Arbeitsbedingungen in den Freien Exportzonen mit bestehenden Sozialklauseln in Freihandelsabkommen Sofern die hier untersuchten Länder an Freihandelsabkommen mit Sozialklauseln gebunden sind, verstoßen die Arbeitsbedingungen in den Freien Exportzonen im gleichen Maße gegen die Freihandelsabkommen wie sie gegen die ILO-Übereinkommen und arbeitsrechtlichen Menschenrechte verstoßen. Viele Abkommen enthalten jedoch nur sehr weite Klauseln, bei welchen nicht klar ist, wann von einer Verletzung ausgegangen werden kann. Wirklich zum Einsatz gekommen sind, soweit ersichtlich, insbesondere das US-GSP bei den Freien Exportzonen in Bangladesch und das NAALC hinsichtlich der Arbeitsbedingungen in den mexikanischen Maquiladoras. Hier wurden durchweg Verletzungen der von den Freihandelsabkommen vorgegebenen Mindeststandards festgestellt. 1092
US-NAO Submission 9702 vom 30. 10. 1997. Report of Review of NAO Submission No. 9702, abrufbar unter: https:// www.dol.gov/ilab/reports/pdf/Public%20Report%209702%20(Han%20Young).pdf (zuletzt überprüft am 8. 3. 2017). 1093 Public
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3. Kap.: Rechtliche Grundlagen und Schranken in Freien Exportzonen
5. Rechtsfolge eines Verstoßes gegen die Mindeststandards in den hier einschlägigen Freihandelsabkommen a) Begrenzung auf die hier einschlägigen Freihandelsabkommen Nachfolgend wird ein Überblick über die Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen die vorgegebenen Mindeststandards und die Durchsetzungsmechanismen der analysierten Freihandelsabkommen gegeben. Dabei wird eine Einschränkung auf die Freihandelsabkommen vorgenommen, hinsichtlich derer sich im vorigen Kapitel eine Unvereinbarkeit mit den Arbeitsbedingungen in den Freien Exportzonen ergeben hat. Soweit erforderlich, werden Hinweise zu anderen, nicht unmittelbar relevanten, Freihandelsabkommen gegeben. b) Durchsetzungsmechanismen des US-GSP Die Einhaltung der im US-GSP vorgegebenen Arbeitsstandards überwacht das GPS Subkomitee, das dem United States Trade Representative (USTR) untersteht1094. Das Komitee führt jährliche1095 und allgemeine Untersuchungen (general reviews) durch1096 und kann ad-hoc auf Antrag aktiv werden1097. Eine solche Untersuchung können auch Einzelpersonen anstrengen, um die Berechtigung zu Zollpräferenzen eines Entwicklungslandes zu überprüfen1098. Das GSP ist das wohl am häufigsten von Gewerkschaften und NGOs genutzte handelsrechtliche Mittel, um Arbeitsrechtsverletzungen anzuprangern1099. Von selbst ist das Komitee bisher noch nie aktiv geworden. Wird eine Verletzung der vorgegebenen arbeitsrechtlichen Mindeststandards festgestellt, können Handelspräferenzen entzogen werden, so wie es im Fall von Bangladesch geschehen ist. c) Durchsetzungsmechanismen des EU-GSP Werden einem Land Zollpräferenzen unter dem GSP gewährt, überwacht die EU-Kommission den Status der Ratifizierung der völkerarbeitsrechtlichen Normen, deren Umsetzung, und prüft die Zusammenarbeit mit den Überwachungsauschüssen und deren Schlussfolgerungen1100. Die Kommssion legt dem Europäischen Parlament und dem Rat regelmäßig einen Bericht über ihre Erkenntnisse vor1101. Wird 1094 § 2007.0(e) Regulations of the US Trade Representative pertaining to eligibility of articles and countries for the GSP program (15 C.F.R. § 2007). 1095 § 2007.3(a). 1096 § 2007.3(c). 1097 § 2007.3(b). 1098 § 2007.0(b) S. 1. 1099 Cleveland, 26 Yale J. Int’l L., 1, 44 f. (2001); Kaufmann, Globalisation and Labour Rights, S. 174 f. 1100 Art. 13 Abs. 1 VO(EU) 978/2012. 1101 Art. 14 Abs. 1 VO(EU) 978/2012.
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festgestellt, dass ein Land seinen arbeits- oder menschenrechtlichen Verpflichtungen aus dem EU-GSP nicht nachkommt, können handelsrechtliche Sanktionen ergriffen werden1102. Die EU hat 1997 Myanmar die Handelsvorteile unter dem GSP wegen Zwangsarbeit entzogen1103. d) Durchsetzungsmechanismen des Cotonou-Abkommens Bei der Frage der Durchsetzung der arbeitsrechtlichen Mindeststandards divergieren die Freihandelsabkommen der EU stark von denen der USA. Die EU verzichtet ganz überwiegend auf Handelssanktionen oder anderweitige Strafen. Die EU setzt vielmehr maßgeblich auf Kooperation und Dialog1104. Das einzige Freihandelsabkommen, das Streitigkeiten über Arbeitsrechtsstandards dem Streitbeilegungsverfahren durch ein Schiedsgericht unterwirft, ist das Abkommen mit den CARIFORUM-Staaten1105. Beschwerdeberechtigt sind allerdings hier nur die Vertragsstaaten1106. Sanktionen sind ausgeschlossen1107. Das Cotonou-Abkommen sieht ein solches Schiedsverfahren für Arbeitsrechte nicht vor, Sanktionen sind demnach ausgeschlossen1108. Die Aufgabe der Überwachung von Arbeitsstandards verteilt die EU zunehmend auf Gewerkschaften und Akteure der Zivilgesellschaft. Darüber hinaus setzt sie auf die Unterstützung von Unternehmen bei der Durchsetzung des Arbeitsrechts mittels CSR-Programmen1109.
1102 Art. 19 VO(EU) 978/2012. Zur fast identischen Vorgängerregelung des Art. 16 VO(EG) 980/2005 Zimmer, RIW 2011, 625, 627. 1103 VO(EG) Nr. 552/97 vom 24. 3. 1997 zur vorübergehenden Rücknahme der allgemeinen Zollpräferenzen für Waren aus der Union Myanmar, ABlEG Nr. L 85/8. 1104 Orbie/Gistelinck/Kerremans, in: Orbie/Torell (Hrsg.), The European Union and the Social Dimension of Globalization, S. 148, 152; Zimmer, RIW 2011, 625, 627. Zum Verfahren am Beispiel des EU-Kolumbien/Peru-Abkommens vgl. Zimmer, RIW 2011, 625, 628 ff. 1105 Ebert, Labor Standards in Mega-Regional Trade Agreements, S. 11. Zimmer, RIW 2011, 625, 630, bewertet dieses Verfahren als vorzugswürdig. 1106 Zimmer, RIW 2011, 625, 630. 1107 Vergleiche Art. 213 Abs. 2 i.V.m. Art. 72 Abs. 2 und Art. 73 Freihandelsabkommen EG-CARIFORUM. Lukas/Steinkeller, in: Scherrer/Hänlein (Hrsg.), Sozialkapitel in Handelsabkommen, S. 157, 161. Kritik an der Unverbindlichkeit der Streitbeilegungsmechanismen äußert Zimmer, RIW 2011, 625, 630, in Bezug auf das EU-Kolumbien/Peru-Abkommen. 1108 Zur Frage, inwiefern Klauseln mit Bezugnahme zu den Menschenrechten, wie z.B. Art. 9 des Cotonou-Abkommens, zur Durchsetzung arbeitsrechtlicher Menschenrechte fruchtbar gemacht werden können, Zimmer, RIW 2011, 625, 630; Ebert, Labor Standards in Mega-Regional Trade Agreements, S. 11 f.; Van den Putte/Orie, 31 Int’l J. Comp. Lab. L. & Indus. Rel. 263, 270 (2015). 1109 Van den Putte/Orie, 31 Int’l J. Comp. Lab. L. & Indus. Rel. 263, 269 (2015).
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3. Kap.: Rechtliche Grundlagen und Schranken in Freien Exportzonen
e) Durchsetzungsmechanismen des NAALC Das NAALC verfügt über ein differenziertes Sanktionssystem1110. Vertreter von Arbeitnehmerinteressen können Beschwerden gegen einen NAFTA-Mitgliedstaat beim NAO eines anderen Mitgliedstaates erheben1111. Das NAO untersucht den Fall und leitet Beratungen mit dem betroffenen Mitgliedstaat zur friedlichen Beilegung des Streits ein1112. Ob weitere Schritte eingeleitet werden können, hängt davon ab, welche Arbeitsrechte eingeschränkt wurden. Dabei unterscheidet das NAALC drei Stufen1113: Auf erster Stufe, welche für alle Rechte anwendbar ist, werden lediglich Konsultationen zwischen den NAOs und Ministern der Länder durchgeführt, in deren Folge gemeinsame Programme zur Problemlösung vereinbart werden können. Dies ist die einzige Möglichkeit, um die Vereinigungsfreiheit, die Tarifvertragsfreiheit und das Streikrecht durchzusetzen. Auf zweiter Stufe kann eine Beurteilung durch einen Expertenausschuss herbeigeführt werden, welcher jedoch nur unverbindliche Empfehlungen abgeben kann1114. Diese Stufe ist anwendbar auf technische Standards, namentlich das Verbot der Zwangs- und Pflichtarbeit, das Diskriminierungsverbot, Entgeltgleichheit für männliche und weibliche Arbeitnehmer, Arbeitsschutz, Ersatz bei Arbeitsunfällen und arbeitsbedingten Erkrankungen sowie Gleichbehandlung von ausländischen Arbeitnehmern. Bei den Themen Arbeitsschutz, Kinderarbeit und Mindestlohn (Prinzipien 5, 6, 9) kann ein Schiedsverfahren eingeleitet werden, in dessen Folge Sanktionen in Form von Geldstrafen und der Aussetzung von Handelsvorteilen ergriffen werden können1115. Diese Trennung in drei verschiedene Gruppen von Arbeitsrechten und die Durchsetzung des Arbeitsrechts mittels eines eigenen Streitbeilegungsverfahrens ist einzigartig geblieben: Das US-Jordanien-Abkommen sowie die Übereinkommen der dritten Generation lassen den allgemeinen Streitbeilegungsmechanismus für alle Arbeitsrechte zu1116. Die Übereinkommen der zweiten Generation trennen zwischen der Verpflichtung zur Einhaltung des nationalen Rechts (Streitbeilegungsverfahren) und der Verpflichtung zur Verwirklichung internationaler Mindeststandards (keine Durchsetzbarkeit)1117. 1110 Dazu ausführlich Trebilcock/Howse, 14 Minn. J. Global Trade 261, 295 ff. (2005); Gerbracht, 16 Transnat’l L. & Contemp. Probs. 1029, 1043 ff. (2007); Dombois, in: Bass./ Melchers (Hrsg.), Neue Instrumente zur sozialen und ökologischen Gestaltung der Globalisierung, S. 275, 281 f. 1111 Art. 16 Abs. 3 NAALC. 1112 Art. 22 NAALC. 1113 Übersicht bei Kaufmann, Globalisation and Labour Rights, S. 190. 1114 Art. 23 Abs. 2 und Art. 49 NAALC. 1115 Art. 29 Abs. 1 NAALC. 1116 Art. 17 US-Jordanien FTA. Zur dritten Generation z.B. z.B. Art. 17.7 und 21.2 US-Kolumbien FTA. 1117 z.B. Art. 18.6 Abs. 7 US-Chile FTA; Art. 16.6 Abs. 1 DR-CAFTA. Zum zweispurigen Vorgehen Gerbracht, 16 Transnat’l L. & Contemp. Probs. 1029, 1051 (2007).
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f) Zwischenergebnis zur Durchsetzung der Arbeitsrechtsstandards in den hier einschlägigen Freihandelsabkommen Der größte Unterschied in der Durchsetzung besteht darin, dass die USA die Durchsetzung der Arbeitsrechtsstandards überwiegend einem Streitschlichtungsprozess unterwerfen, während die EU harte Sanktionen ablehnt und auf Kooperation setzt1118. Die USA haben dieses Vorgehen jüngst noch einmal zu einem Kernanliegen der US-Handelspolitik erklärt1119. Die EU hingegen wendet sich zunehmend einem Kooperationsverfahren mit Gewerkschaften und Unternehmen zu. 6. Ergebnis a) Potential des bestehenden US-amerikanischen Sanktionsmodells Die Handelsabkommen stellen auf den ersten Blick das effizienteste Mittel dar, um der Arbeit in Freien Exportzonen auf völkerrechtlicher Ebene Grenzen zu setzen. Die Verzahnung von völkerrechtlich durch die ILO-Übereinkommen und die Menschenrechtspakte zahlreich verankerten Arbeitsrechten mit dem Mittel der Handelssanktionen, könnte eine Möglichkeit sein, dem Arbeitsvölkerrecht Durchsetzungskraft zu geben. Dementsprechend wurden insbesondere die Beschwerdeverfahren unter dem US-GSP und dem NAALC mehrfach von Gewerkschaften genutzt, um auf die Arbeitsbedingungen in den Freien Exportzonen aufmerksam zu machen. Gerade in den beiden hier untersuchten Ländern Bangladesch und Mexiko kamen die Untersuchungsorgane durchweg zum Ergebnis, dass die Bedenken der Gewerkschaften gerechtfertigt waren. Im Falle von Mexiko wurden Konsultationen eingeleitet, in Bangladesch kam es nach dem Unglück in der Fabrik Rana Plaza sogar zum Entzug der Handelspräferenzen. Dennoch werden sowohl das US-GSP als auch das NAALC sowie die späteren Freihandelsabkommen der USA als ineffektiv kritisiert1120. Betrachtet man andere Verfahren, die unter dem US-GSP angestrengt wurden, so zeigen sich dessen Schwächen. Zwar wurden im Falle Bangladeschs letztendlich handelsrechtliche Sanktionen ergriffen, in zahlreichen anderen Fällen wies die US-Regierung Beschwerden jedoch zurück. Häufig wird darauf verwiesen, dass es an „substantiellen neuen Informationen“1121 zur arbeitsrechtlichen Situation in einem Land fehle, 1118
Ebert, Labor Standards in Mega-Regional Trade Agreements, S. 22 f. Bipartisan Trade Priorities and Accountability Act, Juni 2015: key negotiation goal „to ensure that enforceable labor and environment obligations are subject to the same dis pute settlement and remedies as other enforceable obligations under the agreement.“ 1120 Siehe beispielsweise Collingsworth, in: Compa/Diamond (Hrsg.): Human Rights, Labor Rights and Tnternational Trade, S. 227 ff.; Russel-Brown, 24 Berkeley J. Emp. & Lab. L. 179, 196 (2003). 1121 § 2007.0(b). 1119
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3. Kap.: Rechtliche Grundlagen und Schranken in Freien Exportzonen
die eine Petition enthalten muss1122. Seltsam mutet auch die Argumentation an, mit welcher das GSP-Komitee eine Beschwerde gegen Guatemala zurückgewiesen hat, bei der Gewalttaten gegen Gewerkschaftsmitglieder gerügt wurden: Bei solchen Gewalttaten handele es sich um Menschenrechtsverletzungen, nicht aber um Verletzungen des Arbeitsrechts. Der Sicherung der Menschenrechte diene das GSP aber nicht1123. Den USA wird verbreitet vorgeworfen, das GSP nur sehr zurückhaltend gegen Länder einzusetzen, in welchen US-amerikanische Unternehmen zu geringen Arbeitskosten produzieren lassen1124. Demgegenüber haben die USA kommunistischen Ländern sehr viel häufiger die Vorteile aus dem GSP entzogen1125. Es wird daher verbreitet kritisiert, dass die Entscheidung unter dem GSP Sanktionen zu erlassen, weit mehr von politischen Erwägungen abhängt, als vom Zustand des Arbeitsrechts. Umso näher ein Land mit den USA wirtschaftlich verknüpft ist, umso zurückhaltender sind die USA mit dem Einsatz des GSP1126. Auch die aufgrund des NAALC zunächst auf Seiten der Arbeitnehmervertreter bestehende Euphorie hat sich inzwischen gelegt. Während in den ersten Jahren nach der Verabschiedung des NAALC eine Vielzahl von Beschwerden, insbesondere gegen Mexiko, erhoben wurde, zeigt sich seit dem Jahr 2000 ein deutlicher Ermüdungseffekt1127. Die Arbeitsbedingungen in den mexikanischen Maquiladoras wurden mit drei Beschwerden angegriffen, die alle zu Konsultationen geführt haben. In der Folge versprachen US-amerikanische Unternehmen, keine Schwangerschaftstests mehr im Bewerbungsprozess zu verwenden1128. Auch die mexikanische Regierung forderte schließlich die Arbeitgeber dazu auf, von Schwangerschaftstests im Bewerbungsprozess Abstand zu nehmen1129. Durch diese Verfahren erhielt das Thema große Aufmerksamkeit1130. Verbessert hat sich die Lage in den Maquiladoras nach verbreiteter Auffassung jedoch nicht1131. 1122 Collingsworth, in: Compa/Diamond (Hrsg.): Human Rights, Labor Rights and International Trade, S. 227, 230. 1123 Collingsworth, in: Compa/Diamond (Hrsg.): Human Rights, Labor Rights and International Trade, S. 227, 233. 1124 Collingsworth, in: Compa/Diamond (Hrsg.): Human Rights, Labor Rights and International Trade, S. 227. 1125 So entzog Präsident Reagan 1987 Rumänien und Nicaragua, die beide kommunistisch regiert wurden, die Präferenzen aus dem GSP, gewährte sie jedoch Chile weiter, Amato, 65 N.Y.U. L. Rev. 79, 98 f. (1990). 1126 Cleveland, 26 Yale J. Int’l L., 1, 46 (2001). 1127 Lukas/Steinkeller, in: Scherrer/Hänlein (Hrsg.), Sozialkapitel in Handelsabkommen, S. 157, 160. 1128 Georgen, 39 Geo. J. Int’L L. 407, 433 (2007). 1129 Georgen, 39 Geo. J. Int’L L. 407, 416 (2007). 1130 Bremer, 5 NAFTA Law & Bus. Rev. Am. 567, 573 (1999). 1131 Georgen, 39 Geo. J. Int’L L. 407, 416 (2007); Linares, 29 N.C. J. Int’L & Com. Reg. 249, 276 ff. (2003). Zum gleichen Ergebnis kommt Stenzel, 34 Wm. & Mary Envtl. L. &
B. Rechtliche Schranken der Arbeit in Freien Exportzonen
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Betrachtet man die anderen US-Freihandelsabkommen, so zeigt sich ein entsprechendes Bild: Wirklich genutzt werden die Sanktionsmechanismen nicht1132. Im Falle des US-Jordanien-Abkommens, das wegen seines Streitbeilegungsmechanismus als „eines der rigorosesten“1133 bezeichnet wird, haben die Vertragsparteien sogar vereinbart, das Arbeitsrecht nicht im Wege von Handelssanktionen durchzusetzen1134. b) Potential des europäischen Kooperationsmodells Die US-Abkommen verfügen theoretisch über harte Sanktionsmechanismen, die jedoch praktisch nur sehr zurückhaltend genutzt werden1135. Daher stellt sich die Frage, ob nicht der Ansatz der EU vorzugswürdig ist, der überwiegend keine harten Sanktionen ermöglicht, sondern einen kooperativen Ansatz verfolgt, mit dem Länder dabei unterstützt werden sollen, ihre Arbeitsrechtsstandards zu verbessern. Das EU-Modell hat durchaus seine Vorzüge: Mittels einer langfristigen Überwachung der Arbeitsrechtsstandards durch Gewerkschaften und ähnliche Organe der Zivilgesellschaft, finanzieller Unterstützung und Kooperation, kann unter Umständen eher zur tatsächlichen Verbesserung der Arbeitsstandards beigetragen werden als mit harten Sanktionen1136. Auch das Potential des NAALC wird heute eher darin gesehen, dass es als Vehikel zur Verstärkung der Kommunikation und Zusammenarbeit von Arbeitnehmervertretern in den Vertragsstaaten dienen kann, wodurch diese ihre Kräfte bündeln können1137. Allerdings wird auch der Effekt der auf Dialog angelegten Freihandelsabkommen der EU zur Verbesserung des Arbeitsrechts als bislang sehr begrenzt bewertet1138.
Pol’y Rev. 653, 720 (2010), hinsichtlich der Wirkungen des DR-CAFTA auf die Arbeitsbedingungen in den Freien Exportzonen von Nicaragua. 1132 Soweit ersichtlich, kam es in einem einzigen Fall zu harten Sanktionen. Dabei handelt es sich um ein Vorgehen unter dem DR-CAFTA gegen Guatemala: https://ustr.gov/issue-areas/labor/bilateral-and-regional-trade-agreements/guatemala-submission-under-cafta-dr (zuletzt überprüft am 8. 3. 2017). 1133 Lukas/Steinkeller, in: Scherrer/Hänlein (Hrsg.), Sozialkapitel in Handelsabkommen, S. 157, 160. 1134 Trebilcock/Howse, 14 Minn. J. Global Trade 261, 299 (2005); Bolle, Overview of Labor Enforcement Issues in Free Trade Agreements, 2014, S. 3 m.w.N. 1135 Gerbracht, 16 Transnat’l L. & Contemp. Probs. 1029, 1045 (2007). 1136 Van den Putte/Orie, 31 Int’l J. Comp. Lab. L. & Indus. Rel. 263, 270 f. (2015). 1137 So Gerbracht, 16 Transnat’l L. & Contemp. Probs. 1029, 1045 (2007). 1138 Orbie/Gistelinck/Kerremans, in: Orbie/Torell (Hrsg.), The European Union and the Social Dimension of Globalization, S. 148, 153.
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3. Kap.: Rechtliche Grundlagen und Schranken in Freien Exportzonen
c) Bewertung der beiden Ansätze und Vorschlag für eine wirksame Begrenzung der Arbeit in Freien Exportzonen mit handelsrechtlichen Mitteln Im Grundsatz bleibt der Ansatz des NAALC der sinnvollste, um der Arbeit in Freien Exportzonen Grenzen zu setzen. Das Problem der Arbeit in Freien Exportzonen ist durchweg, dass nationales Recht nicht eingehalten wird. Entweder wird es direkt durch den Gesetzgeber unterminiert, oder es wird jedenfalls nicht durchgesetzt. Die am häufigsten am NAALC geäußerte Kritik, dass das nationale Recht in vielen Ländern nicht genügend Schutz bietet und daher höhere Standards angestrebt werden müssten1139, greift in den Freien Exportzonen gerade nicht. Während die Ansätze der ILO und der Menschenrechte sich stets dem Vorwurf ausgesetzt sehen, dass den Entwicklungsländer aus protektionistischen Motiven die Arbeitsrechtsstandards der Industrieländer aufgedrängt werden sollen, kann dieser Vorwurf dem NAALC-Ansatz nicht gemacht werden1140. Denn die Missachtung des eigenen Rechts kann nicht als Wettbewerbsvorteil im weltweiten Freihandel geltend gemacht werden. Dementsprechend ist es legitim, die Nichtbeachtung des eigenen Rechts mit handelsrechtlichen Sanktionen zu belegen1141. Auch agiert gerade ein Land wie die USA, das selbst nur zwei der acht zu den ILO-Kernarbeitsnormen gerechneten Übereinkommen ratifiziert hat, glaubwürdiger, wenn es nicht zur Umsetzung der ILO-Kernarbeitsnormen, sondern nur zur Durchsetzung des eigenen Rechts verpflichtet. Es ist zudem unrealistisch, Länder wie Bangladesch, Mauritius und Mexiko, die nicht einmal die eigenen Standards durchsetzen, zum Erreichen höherer Ziele zu verpflichten. Eine Verpflichtung der Anwendung der selben Gesetze im ganzen Land ist dagegen leichter einzufordern. Über diese Konstruktion können zudem unproblematisch auch die sehr kostenträchtigen Themen Arbeitsschutz und Lohn einbezogen werden. Denn während eine völkerrechtliche Vereinheitlichung des Lohns im Sinne eines völkerrechtlichen Mindestlohns ausgeschlossen ist, kann unproblematisch zur Einhaltung des eigenen Mindestlohns angehalten werden. Der Weg des NAALC ist folglich im Grundsatz der überzeugendste Weg, um der Arbeit in den Freien Exportzonen Grenzen zu setzen. Die genaue Ausgestaltung erfordert freilich Verbesserungen. Erstens sollten alle Bereiche des Arbeitsrechts dem gleichen Sanktionsmechanismus unterworfen werden1142. Zweitens sollte das Verfahren zur Durchsetzung reformiert werden. Das Verfahren vor den NAOs anderer Mitgliedstaaten hat wenig Wirkung gezeigt1143. 1139
So z.B. Reuß, Menschenrechte durch Handelssanktionen, S. 120. Kaufmann, Globalisation and Labour Rights, S. 189 f. 1141 Krebber, EuZA 2008, 141, 146. 1142 Kagan, 29 J. of Transnat’l L. & Pol’y, 153, 172 (2005). 1143 Kagan, 29 J. of Transnat’l L. & Pol’y, 153, 172 (2005). 1140 Dazu
B. Rechtliche Schranken der Arbeit in Freien Exportzonen
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Eine unabhängige zwischenstaatliche Kontrollinstanz wäre vorzugswürdig1144. Da Staaten grundsätzlich nur sehr zurückhaltend gegeneinander vorgehen, ist die Beschwerdeberechtigung von Gewerkschaften und NGOs, wie sie im NAALC vorgesehen ist, unerlässlich1145. Drittens erscheint es sinnvoll, Maßnahmen der Kooperation aus dem Ansatz der EU zu übernehmen. Vielen Ländern fehlt es an den nötigen Ressourcen, um die Arbeitsbedingungen in den Freien Exportzonen tatsächlich zu verbessern. Hier kann eine Unterstützung durch die Industrieländer sinnvoll sein. Der Ansatz der EU, örtliche Gewerkschaften einzubeziehen, ist sinnvoll, da diese die Situation in den Fabriken am besten kennen. Zudem werden so mittelbar die Gewerkschaften gestärkt, was dem Problem der massiven Unterdrückung der Vereinigungsfreiheit in fast allen Zonen entgegenwirken kann. Eine entscheidende Rolle sollte hier die ILO spielen. Die ILO hat ihre Maßnahmen der technischen Zusammenarbeit in den letzten Jahren stark ausgebaut und verfügt mit Programmen wie dem Better Work-Programm über Mittel, um vor Ort in den Fabriken sinnvolle Unterstützung zu leisten. Auch der Ansatz der EU, Unternehmen einzubeziehen, die in den Zonen produzieren, und sie zu eigenen CSR-Maßnahmen und dem Beitritt zu multi-stakeholder-Instrumenten wie dem Accord on Building and Fire Safety in Bangladesch zu verpflichten, ist sinnvoll.
1144 Ebenso 1145 Ebenso
Kagan, 29 J. of Transnat’l L. & Pol’y, 153, 171 f. (2005). Zimmer, RIW 2011, 625, 632.
Zusammenfassung der Ergebnisse Diese Arbeit hat sich mit drei besonderen Arbeitsformen im liberalisierten Welthandel befasst: der Arbeitnehmerfreizügigkeit, der Arbeitnehmerentsendung und der Arbeit in Freien Exportzonen.
A. Arbeitnehmerfreizügigkeit An erster Stelle stand die Arbeitnehmerfreizügigkeit, für die charakteristisch ist, dass sich ein Arbeitnehmer in einen anderen Staat begibt und ein Arbeitsverhältnis mit einem dort ansässigen Arbeitgeber eingeht. Die Arbeitnehmerfreizügigkeit kann durch nationales und supranationales Recht gestattet werden. Die Analyse der größten völkerrechtlich vereinbarten Freihandelsabkommen hat ergeben, dass keine andere Freihandelszone in dem Maße die Freizügigkeit der Arbeitnehmer gewährleistet wie die EU. Durchgängig kann dies auf die Sorge der wohlhabenderen Mitgliedstaaten vor einer unkontrollierbaren Einwanderung zurückgeführt werden. Aus diesem Grund wurde die weitere Untersuchung am Beispiel der EU durchgeführt. Bei der Untersuchung der völkerrechtlichen Schranken der Arbeitnehmerfreizügigkeit wurde herausgearbeitet, dass sich aus dem Völkerrecht keine Beschränkungen ergeben. Das Völkerrecht fordert gerade die von Art. 45 AEUV angeordnete Rechtsfolge der Gleichstellung mit den Arbeitnehmern des Arbeitsorts.
B. Arbeitnehmerentsendung An zweiter Stelle wurde die Arbeitnehmerentsendung untersucht. Der Begriff der Entsendung wurde eingegrenzt auf Konstellationen, in denen ein abhängig Beschäftigter auf Grundlage eines in seinem Herkunftsstaat bestehenden Arbeitsvertrags von seinem Arbeitgeber vorübergehend zur Erbringung einer Dienstleistung in einen anderen Staat geschickt wird. Die Untersuchung der größten Freihandelsabkommen hat ergeben, dass die Entsendung im Gegensatz zur Arbeitnehmerfreizügigkeit durchaus in einigen Abkommen (insbesondere im GATS) angelegt aber überwiegend auf hochqualifiziertes Personal beschränkt ist. Zu arbeitsrechtlichen Spannungen hat die Entsendung, soweit ersichtlich, überwiegend in der EU geführt, wo sie nicht auf einen bestimmten Personenkreis begrenzt ist. Letztlich sind aber auch hier die gleichen Konfliktlinien erkennbar: Die Gründe, die in der EU zum Erlass der Entsenderichtlinie geführt haben, namentlich die Angst vor „ausländischer Billigkonkurrenz“ brem-
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sen auf Ebene der WTO und in anderen regionalen Freihandelsabkommen wie dem NAFTA die weitere Liberalisierung der Entsendung. Die unionsrechtliche Entsendung findet Schranken im Völkerrecht. Zum e inen differenziert das Arbeitsvölkerrecht häufig nicht zwischen der Freizügigkeit und der Entsendung und fordert auch die Gleichstellung der entsandten Arbeitnehmern mit den Ortskräften. Dem wird die Entsenderichtlinie durch die Verpflichtung zur Anwendung des Arbeitsortsprinzips teilweise gerecht. In den Bereichen, in denen es bei der Anwendung des Herkunftslandprinzips verbleibt, weil sie entweder nicht vom harten Kern der in der Richtlinie genannten Arbeitsbedingungen erfasst sind oder formal nicht den Anforderungen der Richtlinie genügen, kommt es jedoch zu Konflikten mit dem Völkerrecht. Als Beispiel wurde die Rechtsprechung des EuGH in der Rechtssache Laval herangezogen, die nicht mit dem Völkerrecht vereinbar ist, da sie die Ortskräfte in ihrem Recht auf Arbeitskampf einschränkt. Das Völkerrecht gibt demnach vor, dass eine Anwendung des Bestimmungslandprinzips auch auf die entsandten Arbeitnehmer die konsequentere Lösung wäre.
C. Arbeit in Freien Exportzonen Zusammenfassung der Ergebnisse
Als letzte besondere Arbeitsform im liberalisierten Welthandel wurde die Arbeit in Freien Exportzonen analysiert. Hier begibt sich der Arbeitnehmer nicht selbst in ein anderes Land, sondern stellt ein Produkt her, das allein für den Welthandel bestimmt ist. Seine Arbeitsbedingungen weichen insbesondere in den Bereichen Arbeitszeit, Beendigungsschutz, Arbeitsschutz, Antidiskriminierungsrecht, Vereinigungsfreiheit und Arbeitskampfrecht von den Arbeitsbedingungen der Arbeitnehmer in der nichtexportorientierten Industrie ab. Die Grundlagen hierzu werden ausschließlich im nationalen Recht geschaffen. Die Staaten erlassen entweder besondere Gesetze für die Unternehmen in den Zonen, die das nationale Arbeitsrecht ganz ausschließen oder zumindest negativ davon abweichen. Eine zweite Herangehensweise besteht in der Nichtdurchsetzung des nationalen Arbeitsrechts in den Zonen. Als drei typische Beispiele für diese verschiedenen Vorgehensweisen wurden die Länder Bangladesch, Mauritius und Mexiko herausgearbeitet. Sodann wurde untersucht, inwiefern das Völkerrecht dieser Arbeitsform Grenzen setzt. Das Arbeitsvölkerrecht kennt im Wesentlichen zwei Vorgehensweisen: Zum einen wird versucht, arbeitsrechtliche internationale Mindeststandards aufzustellen, die von allen Staaten, die am Freihandel teilnehmen, eingehalten werden sollen. Hierdurch sollen die Arbeitskosten als Wettbewerbsfaktor neutralisiert werden. Diesem Ziel dienen vor allem die Mindeststandards der ILO. Aber auch die Arbeitsrechte in den internationalen Menschenrechtsabkommen haben diesen Effekt. Ein zweiter Ansatz besteht darin, im zwischenstaatlichen Recht Normen zu implementieren, die lediglich zur Durchsetzung des eigenen Arbeitsrechts
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verpflichten. Diesen Ansatz verfolgen zahlreiche mit Sozialklauseln versehene Freihandelsabkommen. Die Untersuchung dieser Mechanismen des Arbeitsvölkerrechts hat ergeben, dass keiner bislang als wirklich schlagkräftiges Mittel zur Verbesserung der Arbeit in Freien Exportzonen eingesetzt werden konnte. Die Stärken der ILO liegen in ihrer Expertise im Arbeitsrecht und ihren zahlreichen, seit fast 100 Jahren erstellten, sehr detaillierten Übereinkommen. Die Stärken der Menschenrechtsübereinkommen liegen in ihrer Universalität und der erhöhten Öffentlichkeitswirkung. Beiden fehlen jedoch bislang effiziente, mit Sanktionsmitteln ausgestattete Überwachungsorgane. Einzig die regionalen Menschenrechtsgerichtshöfe verfügen über solche Mittel. Solange eine extraterritoriale Geltung der Menschenrechte nur in engen Fällen angenommen wird, kann jedoch gerade der EGMR wenig zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen in den Freien Exportzonen in den Ländern außerhalb Europas beitragen. Der Vorteil der Freihandelsabkommen liegt gerade im Vorhandensein von Sanktionsmechanismen. Sie werden jedoch aus politischen Erwägungen bisher wenig eingesetzt. Dennoch erscheinen die Freihandelsabkommen in ihrer grundsätzlichen Herangehensweise am ehesten geeignet, die Arbeitsbedingungen in Freien Exportzonen zu verbessern. Das Problem liegt hier gerade in der unzureichenden Durchsetzung des nationalen Rechts. Vorzugswürdig wäre es daher, die Verpflichtung zur Durchsetzung des eigenen Rechts in allen vom Arbeitsvölkerrecht als fundamental eingestuften Arbeitsrechten mit handelsrechtlichen Mitteln durchzusetzen. Dies sollte mit Maßnahmen der Kooperation und dem Einsatz der ILO kombiniert werden.
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Sachwortregister Accord on Building and Fire Safety 260 Achtungspflicht 231 AFL-CIO 261 African Growth and Opportunity Act 262 Afrikanische Kommission der Menschenrechte und Rechte der Völker 237 Afrikanische Menschenrechtskonvention siehe AfrMRK Afrikanische Union 202 Afrikanischer Gerichtshof für Menschenrechte 238 AfrMRK 204 – Arbeitszeit 210 – Mutterschutz 211 Alien Tort Statute 239 Allgemeine Erklärung der Menschenrechte 77 Allgemeine Präferenzsystems siehe GSP Amerikanische Menschenrechtserklärung 202 Amerikanische Menschenrechtskonvention siehe AMRK AMRK 202 – Schwangerschaftstests 215 Anreizklausel 245 Anwerbeabkommen 68 Arbeitnehmerentsendegesetz 67 Arbeitnehmerentsendung 38 – Begriff 38 – EU 59 – GATS 47 – NAFTA 57 – Völkerrechtliche Schranken 81 Arbeitnehmerfreizügigkeit 38, 43, 57, 80, 274 – GATS 46 Sachwortregister
– ILO 45 – Mercosur 57 – NAFTA 56 – UN-Wanderarbeitnehmerkonvention 80 Arbeitskampfverbot 185, 208 Arbeitsschutz – Bangladesch 182 – ILO-Übereinkommen 181 – IPwskR 207, 218 – Mexiko 154, 194 – Nicaragua 164 – UN-Menschenrechtsabkommen 218 Arbeitszeit – AfrMRK 210 – Bangladesch 178, 205 – Honduras 161 – ILO-Übereinkommen 177 – IPwskR 204, 209 – Iran 138 – Madagaskar 168 – Mauritius 118, 186, 209 – Nicaragua 164 Assoziierungsabkommen 68 Bangladesch 121, 177, 259 Beendigungsschutz – Mauritius 119 Befristung – Panama 133 Beihilfe (aiding and abetting) 224, 241 Beschränkungsverbot 62 Beschwerdeverfahren – ILO 103 better factories-Programm 253 Better Work Programm 261
300
Sachwortregister
bilaterale Freihandelsabkommen 68 blacklisting 157, 195, 196, 219 Bosphorus-Rechtsprechung 106 Bracero-Programm 68, 144 British Airline Pilots‘ Association 93 CAFTA 155 Caribbean Basin Initiative 155 core obligations siehe IPwskR Corporate Social Responsibility 257 Cotonou-Abkommen 256, 262, 267 Diskriminierung aufgrund der Schwangerschaft 192 Diskriminierung wegen Gewerkschaftszugehörigkeit 196 Dominikanische Republik 155 EBA-Programm 260 effective control 230 EGMR 80, 105 EMRK 79 – extraterritoriale Schutzpflichten 231 – Beitritt der EU 105 – Bindung der EU 105 Entsenderichtlinie 39, 63 – Kollisionsrecht 67 Entsendung – Kollisionsrecht 63 – konzernintern 40 Erklärung von Singapur 247 ESC 79 – extraterritoriale Schutzpflichten 234 – Bindung der EU 104 – Bindung der EU und der Mitgliedstaaten 84 EU-GSP 257, 260, 263, 264, 266 Europäische Menschenrechtskonvention 70 – siehe EMRK Europäische Sozialcharta 70 – siehe ESC extraterritoriale Schutzpflichten 229
– IPbpR 231 – IPwskR 232 Feiertagsarbeit 187, 209 Freie Exportzonen 34 – Arbeitsformen 42 – Begriff 112 – Entstehungsgeschichte – Organisation 114 – WTO-Recht 43 – Ziele 114 Freihandelsabkommen – bilateral 68 – regional 56, 248 Freihandelszone 54 Freizügigkeit – Menschenrechte 45 – Welthandelsrecht 46 Funktionsnachfolge 100
113
GATS 46 GATT 246 Gebot der Inländergleichbehandlung 248 gemeinsamer Markt 55 General System of Preferences siehe GSP Gewerkschaften – Bangladesch 123 grenzüberschreitende Arbeitnehmerüberlassung 40 GSP 254 – Bangladesch 123, 126 Handelssanktionen 201, 245 Havanna Charta 246 Herkunftslandprinzip 62 – Völkerrechtliche Schranken 81 Hoheitsgewalt 230 Honduras 159 IGH 197 ILO – Entstehungsgeschichte
70
Sachwortregister – Erklärung über grundlegende Prinzi pien und Rechte bei der Arbeit 74 – Kernarbeitsnormen 75 – Organe 71 – Struktur 71 – Technische Zusammenarbeit 76 – Übereinkommen 73 – Verhältnis zur WTO 73 ILO-Kernarbeitsnormen 258 ILO-Übereinkommen – Arbeitsschutz 181 – Arbeitszeit 177 – Koalitionsfreiheit 183 – Kündigungsschutz 180 – Mutterschutz 188 – Ratifikation 176 – Streikrecht 185 Importquoten 115 Interamerikanische Kommission für Menschenrechte 236 Interamerikanische Konvention zur Verhütung, Bestrafung und Beseitigung von Gewalt gegen Frauen 203 Interamerikanische Menschenrechtskommission 202 Interamerikanischer Gerichtshof für Menschenrechte 236 Internationale Handelsorganisation 246 Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte siehe IPbpR Internationaler Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte siehe IPwskR IPbpR 77, 220 – extraterritoriale Schutzpflichten 231 – Koalitionsfreiheit 208, 211 – Schutzpflichten 226 IPwskR 77, 221 – extraterritoriale Schutzpflichten 232 – Arbeitsschutz 207 – Arbeitszeit 209
301
– Kernverpflichtungen (core obligations) 222 – Koalitionsfreiheit 208, 211 – Mutterschutz 211 – Pflichten der Mitgliedstaaten 221 – progressive Vertragspflichten (progressive realization) 222 – Schutzpflichten 228 – sofortige Verpflichtungen (immediate effect) 222 – Streikrecht 208 Iran 136 Jamaika 157 Kernarbeitsnormen 75, 192, 195 Kiobel 242 Koalitionsfreiheit – Bangladesch 183, 189, 208 – Dominikanische Republik 157 – Honduras 161 – Jamaika 158 – Madagaskar 168 – Mexiko 152 – Nicaragua 165 – Panama 132 – Togo 131 – UN-Menschenrechtsabkommen 208 – UN-Menschenrechtsübereinkommen 211 Kündigungsschutz – Bangladesch 181 – ILO-Übereinkommen 180 – Iran 137 – Mauritius 187 – Panama 134 – UN-Menschenrechtsabkommen 207 Laval 86 – Verhältnis zu ILO-Übereinkommen 94 – Verhältnis zur EMRK 97 – Verhältnis zur ESC 96
Sachwortregister
302
MACOELMEX 196 Madagaskar
167
Maquiladoras Mauritius
Rana Plaza Unglück 126, 260 regionale Freihandelsabkommen 56, 248 regionale Wirtschaftsintegration 53 – Verhältnis zu WTO 55 Rücknahmeklausel 245
144, 263
117, 262
Meistbegünstigungsprinzip Mercosur
248
57
Mexiko 143 Mindestlohn – Mexiko
154
– Nicaragua 164 Mindeststandards der ILO Mode 4
70
47
Mutterschutz
188
– AfrMRK 211 – IPwskR
211
– Mauritius
119
– Nicaragua 165 – Protokoll von San Salvador NAALC
250, 263, 268
NAFTA
54, 56, 144, 249
215
Namibia 138 „naming and shaming“
105
National Administrative Office Nicaragua Nigeria
264
162
135
North American Agreement on Labor Cooperation siehe NAALC OAS-Charta 202 Organisation Amerikanischer Staaten 202 Pakistan 127 Panama
131
Präferenzabkommen der EU siehe EU-GSP Präferenzzonen
54
presumption against extraterritoriality 242 protection unions 197 Protektionismus
247
Protokoll von San Salvador
215
Schadensersatz – wegen Völkerrechtsverstoß 197 Schutzpflicht 198, 225, 231 – UN-Menschenrechtsabkommen 226 Schutzpflichtverletzung 223 Schwangerschaftstests 264 – AMRK 215 – Dominikanische Republik 156 – Honduras 160 – im Bewerbungsprozess 146, 191 – im Bewerbungsverfahren 147 – IPbpR 213 – IPwskR 214 – UN-Frauenrechtskonvention 214 sexuelle Belästigung 151, 194, 216, 217 Sozialklausel 245 – Vereinbarkeit mit WTO-Recht 248 sozialpolitische Konditionalisierung des Handelsrechts 245 state duty to protect siehe Schutzpflicht Streikrecht – Bangladesch 125, 126, 191 – EMRK 92 – ESC 92, 96 – Honduras 161 – ILO-Übereinkommen 89, 94 – IPwskR 209 – Namibia 140 – Nigeria 135 – Pakistan 128 – Panama 132 – Türkei 129 – UN-Menschenrechtsübereinkommen 91, 96 Technische Zusammenarbeit
201
Sachwortregister Togo 130 Türkei 129 Überstundenvergütung 186 UN-Frauenrechtskonvention 78, 215, 220 – Schutzpflichten 228 United States Trade Representative 266 UN-Menschenrechtsausschuss 78 UN-Sozialausschuss 78, 205 – Allgemeine Bemerkungen 205 UN-Wanderarbeitnehmerkonvention 78, 82 – Arbeitnehmerfreizügigkeit 80 – Bindung der EU und der Mitgliedstaaten 83 Uruguay-Runde 247 US-Cambodia Textile Agreement 253
303
US-GSP 259, 263, 266 Verbot mengenmäßiger Beschränkungen 248 Viking 87 Wanderarbeitnehmer – Europäische Sozialcharta 83 – ILO-Übereinkommen 81 Welttextilabkommen 115, 253 Wirtschaftsunion 55 Zollpräferenzabkommen 254 Zollunion 54 Zusatzprotokoll von San Salvador 203 Zwangsarbeit 225 Zwangsschlichtung 212 Zwangs- und Kinderarbeit 172