Der Status der Donauschiffahrt im Falle bewaffneter Konflikte [1 ed.] 9783428517299, 9783428117291

Die mit dem Status der Flußschiffahrt im Falle bewaffneter Konflikte verbundenen Probleme sind seit längerem nicht Gegen

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German Pages 315 Year 2006

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Der Status der Donauschiffahrt im Falle bewaffneter Konflikte [1 ed.]
 9783428517299, 9783428117291

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Schriften zum Völkerrecht Band 164

Der Status der Donauschiffahrt im Falle bewaffneter Konflikte Von

Jens Baldtschun

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

JENS BALDTSCHUN

Der Status der Donauschiffahrt im Falle bewaffneter Konflikte

Schriften zum Völkerrecht Band 164

Der Status der Donauschiffahrt im Falle bewaffneter Konflikte

Von

Jens Baldtschun

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

Die Juristische Fakultät der Universität Potsdam hat diese Arbeit im Jahre 2004 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten # 2005 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme: L101 Mediengestaltung, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-0251 ISBN 3-428-11729-8 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Meiner Familie

Vorwort Die Arbeit wurde im Jahre 2004 von der Juristischen Fakultät der Universität Potsdam als Dissertation angenommen. Rechtsetzung, Rechtsprechung und Literatur sind bis Mai 2006 berücksichtigt. Danken möchte ich zuerst und vor allem meinem Doktorvater Herrn Prof. Dr. Eckart Klein, der das Interesse am Völker- und Europarecht in mir weckte und der mich beständig – sei es durch meine Beschäftigung am Lehrstuhl oder die Betreuung dieser Arbeit – darin unterstützte. Besonderer Dank gebührt auch Herrn Prof. Dr. Alain Pellet, unter dessen Betreuung ich im Rahmen seines D.E.A.-Masterstudienganges die Frage der Zerstörung der Donaubrücken während des Kosovo-Konflikts untersuchen konnte. Danken möchte ich weiterhin meinen Freunden und meinen Familienangehörigen, die mich bei den Korrekturen und auch sonst in jeglicher Hinsicht unterstützt haben. Frankfurt am Main, im Mai 2006

Jens Baldtschun

Inhaltsübersicht Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Erstes Kapitel Der Schutz der Schiffahrtsfreiheit im Falle bewaffneter Konflikte

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§ 1 Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

51

§ 2 Der Streit um das aktuelle Donaustatut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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§ 3 Die Anwendbarkeit des Prinzips der Schiffahrtsfreiheit im Falle bewaffneter Konflikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 § 4 Die teilweise Neutralisierung und Demilitarisierung durch das Pariser Statut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 Zweites Kapitel Mögliche Einschränkungen der Schiffahrtsfreiheit

161

§ 5 Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 § 6 Die Ausübung traditioneller Rechte und Pflichten von Kriegführenden und Neutralen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 § 7 Die Beschränkung der Schiffahrtsfreiheit zum Schutz kollektiver Interessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 § 8 Die Beeinträchtigung der Schiffahrt infolge von Kampfhandlungen . . . . . . . 268 Zusammenfassung und Schlußbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299 Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 302 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 304 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 312

Inhaltsverzeichnis Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Erstes Kapitel Der Schutz der Schiffahrtsfreiheit im Falle bewaffneter Konflikte

51

§ 1 Überblick. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

51

§ 2 Der Streit um das aktuelle Donaustatut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die Fortgeltung des Pariser Statuts am Ende des Zweiten Weltkrieges 1. Die Bestrebungen zur Ablösung der Bestimmungen der Pariser Konvention . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Note der Reichsregierung vom 14. November 1936 . . . . . . . b) Die Übereinkommen von Sinaia und Bukarest 1938/39. . . . . . . . c) Die Erklärungen der Donaustaaten vom September/Oktober 1940 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Erhaltung des Pariser Statuts trotz des Zweiten Weltkrieges . . . a) Die Wirkungen des Krieges auf die Fortgeltung völkerrechtlicher Verträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Praxis im Rahmen des Pariser Statuts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die Praxis im 19. Jahrhundert. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die Praxis der beiden Weltkriege. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die Bindung Deutschlands nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die Fortgeltung deutscher Vorkriegsverträge nach dem Zweiten Weltkrieg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Das Fehlen einer andauernden kriegsrechtlichen Suspension des Pariser Statuts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Die fehlende Möglichkeit einer Berufung auf das rebus sic stantibus-Prinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Belgrader Konferenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Das Fehlen einer grundlegenden Änderung der Umstände. . . . . . . . . 2. Das Verfahren bei Revisionen des Pariser Statuts . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Praxis vor dem Zweiten Weltkrieg. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Praxis nach dem Zweiten Weltkrieg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die Rechtsgrundlagen der Schiffahrtsfreiheit auf der Donau. . . . . . . . . . 1. Die Anwendbarkeit des Prinzips der Schiffahrtsfreiheit auf der Donau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

54 54 55 56 61 65 69 69 72 73 74 78 78 81 85 88 88 91 91 93 97 97

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Inhaltsverzeichnis a) Die Belgrader Konvention. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Pariser Konvention . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die Prinzipien der Wiener Kongreßakte zur Schiffahrt auf internationalen Flüssen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Das Befahren der Donau durch Kriegsschiffe in Friedenszeiten . . . . a) Das Pariser Statut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Das Belgrader Statut. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Der Konflikt der jeweiligen Regeln und denkbare Lösungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

§ 3 Die Anwendbarkeit des Prinzips der Schiffahrtsfreiheit im Falle bewaffneter Konflikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die Freiheit der neutralen Schiffahrt auf der Donau. . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Das Pariser Statut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Praxis des russisch-türkischen Krieges von 1877/78 . . . . . . . aa) Der Streit um die Gewährung der Schiffahrtsfreiheit während des Krieges . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die Bestätigung der Absprachen vom Mai 1877 durch den Berliner Vertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Praxis während folgender Kriege . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Das Belgrader Statut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die allgemeinen Grundsätze des internationalen Flußschifffahrtsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die Vorgaben der Wiener Kongreßakte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Spätere Ansätze zur Kodifikation des internationalen Flußschiffahrtsrechts. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Die Praxis im Rahmen diverser Flußstatute . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Praxis im Rahmen des Belgrader Statuts. . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Situation der Schiffahrt der Konfliktparteien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Suspension der Schiffahrtsfreiheit zwischen Kriegsgegnern . . . . 2. Die Gewährleistung der Schiffahrtsfreiheit unter Verbündeten . . . . . § 4 Die teilweise Neutralisierung und Demilitarisierung durch das Pariser Statut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die Neutralisierung von 1865. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Bedeutung und Reichweite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Der russisch-türkische Krieg von 1877/78 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Situation während folgender Kriege . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Die Aufhebung durch die Übereinkommen von Sinaia und Bukarest . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Demilitarisierung von 1878 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Bedeutung und Reichweite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die mangelnde Effektivität in folgenden Kriegen . . . . . . . . . . . . . . . . .

98 103 106 112 113 116 119 122 122 122 123 123 125 126 128 128 128 130 132 136 141 141 145 146 146 147 148 151 153 154 154 157

Inhaltsverzeichnis

13

Zweites Kapitel Mögliche Einschränkungen der Schiffahrtsfreiheit

161

§ 5 Überblick. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 § 6 Die Ausübung traditioneller Rechte und Pflichten von Kriegführenden und Neutralen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die beschränkte Anwendbarkeit des Prisenrechts auf Flüssen. . . . . . . . . 1. Die Unterscheidung der Kriegsschauplätze vor dem Ersten Weltkrieg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Der Artikel 53 Absatz 2 der Haager Landkriegsordnung . . . . . . . b) Die Abgrenzung der Kriegsschauplätze in Kodifikationsentwürfen des IDI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Praxis der Kriegführenden zu Zeiten des klassischen Völkerrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die prinzipielle Zuordnung von Flüssen zum Schauplatz des Landkrieges . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Praxis des russisch-türkischen Krieges von 1877/78 . . . . . . . aa) Die zunächst gegen die Donauschiffahrt ergriffenen Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die weitere Behandlung neutraler Donauschiffe . . . . . . . . . . cc) Die weitere Behandlung feindlicher Donauschiffe. . . . . . . . . c) Die Praxis bezüglich nordamerikanischer Binnengewässer . . . . . aa) Die Rechtsprechung der Unabhängigkeitskriege von 1775–83 und 1812–14. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die Rechtsprechung des Sezessionskrieges von 1861–65 . . 3. Die Praxis der beiden Weltkriege . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Der Schiedsspruch Questions arising as to Danube shipping . . . aa) Die Konfiskation militärisch genutzter Donauschiffe . . . . . . bb) Die Unzulässigkeit der Einziehung ziviler Donauschiffe . . . b) Die Judikatur der nationalen Prisengerichte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Erster Weltkrieg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Die Zuständigkeit zur Ausübung des Prisenrechts . . . . . (2) Die räumliche Begrenzung des Seekriegsschauplatzes . (3) Die sachliche Begrenzung des Seekrieges . . . . . . . . . . . . bb) Zweiter Weltkrieg. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Die Kriterien zur Abgrenzung des Seekriegsschauplatzes . . . . . . . . . a) Die Anwendung des Prisenrechts gegen feindliche Privatschiffe auf Flüssen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die räumliche Begrenzung des Seekriegsschauplatzes . . . . . bb) Die sachliche Begrenzung des Seekrieges . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die analoge Anwendung des Seekriegsrechts auf neutrale Donauschiffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Die Relevanz des ius ad bellum für die Ausübung des Prisenrechts

167 168 169 170 172 174 174 175 176 177 179 182 182 183 186 186 187 188 190 191 191 192 196 198 203 203 203 206 208 210

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Inhaltsverzeichnis a) Die These der generellen Anwendbarkeit eines reduzierten Seekriegsrechts. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die These von der eingeschränkten Beachtlichkeit des Gewaltverbots. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Das Postulat einer Ungleichbehandlung der Konfliktparteien . . . d) Das Erfordernis der Verhältnismäßigkeit prisenrechtlicher Maßnahmen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die Verhältnismäßigkeit in „strategischer“ Hinsicht. . . . . . . . bb) Die Verhältnismäßigkeit in „taktischer“ Hinsicht . . . . . . . . . . II. Maßnahmen dritter Staaten zum Schutz ihrer Neutralität . . . . . . . . . . . . . 1. Das Befahren neutraler Flußabschnitte mit Kriegsschiffen . . . . . . . . . a) Die Passage über beiderseits neutrale Flußabschnitte. . . . . . . . . . . b) Der Einsatz von Kriegsschiffen auf Grenzabschnitten zu den Neutralen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Exkurs: Sonderregeln zum Befahren der Donau mit Kriegsschiffen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Der Transit von Nachschublieferungen über neutrale Flußabschnitte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Unzulässigkeit des Transits von Waffenlieferungen . . . . . . . . b) Die Zulässigkeit der Durchfuhr sonstiger kriegswichtiger Güter . c) Das Verbot des Transits von Militärtransporten. . . . . . . . . . . . . . . . III. Die Unzulässigkeit einer Blockade der Donaumündung. . . . . . . . . . . . . . 1. Theoretische und historische Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Entwicklung des Verbots der Blockade internationaler Flüsse . . 3. Kodifikationen des Verbots der Blockade neutraler Flußhäfen. . . . . .

§ 7 Die Beschränkung der Schiffahrtsfreiheit zum Schutz kollektiver Interessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die „Blockade“ gemäß Artikel 42 Satz 2 der UN-Charta . . . . . . . . . . . . . 1. Die „Blockade“ zur Durchsetzung von Embargomaßnahmen . . . . . . 2. Die „Blockade“ zur Unterbrechung von Nachschublinien. . . . . . . . . . II. Die Donauschiffahrt unter dem Sanktionsregime von 1992–1995. . . . . . 1. Die Maßnahmen gemäß Artikel 41 und 42 der UN-Charta . . . . . . . . 2. Die jugoslawischen Gegenmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Beeinträchtigung des Transitverkehrs mittels Privatpersonen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Erhebung einer „Sicherheitsgebühr“ auf den Transitverkehr 3. Die Unterstützung von Drittstaaten gemäß Artikel 50 der UN-Charta . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Das Ölembargo der NATO während des Kosovokonflikts 1999 . . . . . . . § 8 Die Beeinträchtigung der Schiffahrt infolge von Kampfhandlungen. . . . I. Der Einsatz von Minen in der Donau. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Beschränkungen zum Schutz der Zivilschiffahrt . . . . . . . . . . . . . . 2. Das Verbot der Unterbrechung neutraler Handelswege . . . . . . . . . . . .

212 214 216 220 220 222 223 223 224 225 226 228 228 231 234 239 239 241 243 246 246 246 248 250 251 255 255 257 259 263 268 268 268 270

Inhaltsverzeichnis

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II. Das Errichten von „Steinblockaden“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die Sprengung von Brücken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Praxis des Zweiten Weltkrieges. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Zerstörung von Donaubrücken während der NATO-Luftangriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Das Verhältnis zwischen den Beteiligten der Luftangriffe und Drittstaaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die Verletzung der Schiffahrtsfreiheit gegenüber Drittstaaten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Das Ziel der Zerstörung mehrerer Donaubrücken . . . . . (2) Die Verletzung des Prinzips der Schiffahrtsfreiheit . . . . bb) Der Ausgleich im Rahmen des Stabilitätspakts für SüdOsteuropa . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Die Reaktion der Donaustaaten auf die Unterbrechung der Schiffahrt. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Die Infrastrukturmaßnahmen des Stabilitätspakts für Süd-Osteuropa. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Das Verhältnis zwischen den Beteiligten der Luftangriffe und Jugoslawien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die Rechtmäßigkeit der Zerstörung der Brücken gegenüber Jugoslawien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die jugoslawischen Gegenmaßnahmen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Die Räumung des Flußbetts durch die Budapester Donaukommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Das Problem der Pontonbrücke in Novi Sad. . . . . . . . . . . . . .

273 275 275 278 278 278 279 281 283 283 285 287 288 290 292 294

Zusammenfassung und Schlußbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299 Anhang. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 302 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 304 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 312

Abkürzungsverzeichnis ABl. AFDI AJIL Annuaire IDI ArchVR Az. BGB BGBl. BGHSt BRJ BRT CICR CPJI sér. DDSG diss. op. EG EGV EGBGB EPIL EJIL EU EuGH EuGHE FAZ FS GG GYBIL HC Debs. ICJ Reports IDI i. d. F.v. IGH IIHL ILFDI ILA ILC

Amtsblatt Annuaire français de droit international American Journal of International Law Annuaire de l’Institut de droit international Archiv des Völkerrechts Aktenzeichen Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof, Entscheidungen in Strafsachen Bundesrepublik Jugoslawien Bruttoregistertonne Comité international de la Croix Rouge Publications de la Cour Permanente de Justice Donau-Dampfschiffahrtsgesellschaft dissenting opinion Europäische Gemeinschaft Vertrag zur Gründung der Europäische Gemeinschaft Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch Encyclopedia of Public International Law European Journal of International Law Europäische Union Europäischer Gerichtshof Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs Frankfurter Allgemeine Zeitung Festschrift Grundgesetz German Yearbook of International Law House of Commons Debates International Court of Justice, Reports of Judgments etc. Institut de droit international in der Fassung vom Internationaler Gerichtshof International Institute of Humanitarian Law International Law FORUM du droit international International Law Association International Law Commission

Abkürzungsverzeichnis ILM ILR JDI JIR JO KSZE kW Martens, NRG I 15

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International Legal Materials International Law Reports Journal du droit international Jahrbuch für internationales Recht Journal officiel Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa Kilowatt G. F. de Martens, Nouveau Recueil général de traités, Serie I, Band 15 Martens, Suppl. Rec. G. F. de Martens, Supplément au Recueil de traités NATO North Atlantic Treaty Organization ÖZöffR Österreichische Zeitschrift für öffentliches Recht OLG Oberlandesgericht op. diss. opinion dissidente OSZE Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa PV Procès verbal Rev. hell. D.I. Revue hellénique de droit international RFE/RL Radio Free Europe/Radio Liberty RdC Académie de Droit international, Recueil des Cours RDILC Revue de droit international et de législation comparée RGBl. Reichsgesetzblatt RGDIP Revue générale de droit international public RIAA Reports of International Arbitral Awards RPFY République populaire fédérative de Yougoslavie SdN, JO Société des Nations, Journal officiel SdN, RdT Société des Nations, Recueil de traités StIGH Ständiger Internationaler Gerichtshof Suppl. Supplement SVN Satzung der Vereinten Nationen UN United Nations (Organization) UNTS United Nations Treaty Series Urt. Urteil v. versus VN Vereinte Nationen WEU Westeuropäische Union YBILC Yearbook of the International Law Commission ZfV Zeitschrift für Völkerrecht ZaöRV Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht

Potamoƒò toƒò ažtoƒò ýmbaûnomÍn te ka˝ ožk ýmbaûnomen, ełmÍn te ka˝ ožk ełmen. In die gleichen Ströme steigen wir und steigen wir nicht, wir sind es und sind es nicht. (Heraklit)

Einführung Die mit dem Status der Flußschiffahrt im Falle bewaffneter Konflikte verbundenen Probleme sind seit längerem nicht Gegenstand von Erörterungen des völkerrechtlichen Schrifttums gewesen1. In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts hatte den auf die Flußschiffahrt anwendbaren kriegs- und neutralitätsrechtlichen Regeln noch ein vergleichsweise reges Interesse gegolten, geweckt insbesondere durch charakteristische Neuerungen wie der zunehmenden Anwendung des Seekriegesrechts auf Flüssen2. Nach dem Abschluß der damit verbundenen Entwicklung geriet der Themenkomplex jedoch wieder in Vergessenheit und als letztes Zeugnis eines tiefgründigen Problembewußtseins können somit einige Bemerkungen in Carl Schmitts 1950 erschienenem „Nomos der Erde“ angesehen werden3. Ein praktischer Anlaß für die Beschäftigung mit dem Status der Flußschiffahrt im Falle bewaffneter Konflikte ergab sich erst wieder gegen Ende des Jahrhunderts, als die Donauschiffahrt im Rahmen der Konflikte auf dem Gebiet des ehemaligen Jugoslawiens wiederholt durch Kampfhandlungen und Sperrungen erheblichen Beeinträchtigungen ausgesetzt wurde4. 1 Kurze Ausführungen finden sich lediglich bei R. R. Baxter, The Law of International Waterways (1964), S. 187 f., 198, 202 f. und 236 f., sowie bei Art. XX der „Helsinki Rules on the Uses of International Rivers“, ILA, Report of the Fifty-Second Conference, Helsinki 1966, S. 477 ff. (510 f.). 2 Vgl. J. Biensfeldt, Das Prisenrecht in Flußläufen, ZfV 1917/18, S. 375 ff., M. O. Hudson, Seizures in Land and Naval Warfare Distinguished, AJIL 1922, S. 375 ff., H. J. Abraham, Kriegsschiffe und Seekriegsrecht auf Flüssen, ZfV 1939, S. 49 ff. Interesse erweckte auch der zwischen den Niederlanden und Großbritannien bzw. Deutschland entstandene Streit um den Transit kriegswichtiger Güter über den Rhein, vgl. Ch. de Visscher, Chronique des faits internationaux, La question du transit par les Pays-Bas, RGDIP 1919, S. 142 ff., A. Lederle, Die Rheinschiffahrt und der Krieg, ZfV 1920, S. 205 ff. 3 C. Schmitt, Der Nomos der Erde (1950), S. 288 f. 4 Die 1991 einsetzenden Beeinträchtigungen der Schiffahrtsfreiheit führten zu starken wirtschaftlichen Einbußen der Donauanliegerstaaten; durch den Beschuß von Binnenschiffen entstanden darüber hinaus auch Personen- und Sachschäden, vgl. Commission du Danube, Synthèse des Informations sur les conséquences du conflit armé dans le secteur yougoslave du Danube (CD/SES 50/12 Rev. 2), Procès-Verbaux Bd. 50 (1992), S. 270 ff.

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Eine wesentliche Neuerung stellten dabei die vom Sicherheitsrat der Vereinten Nationen angeordneten Verkehrsbeschränkungen und Kontrollen zur Durchsetzung umfassender Wirtschaftssanktionen während des Bosnienkonflikts dar5. Bemerkenswert war auch die Behandlung der durch die Zerstörung zahlreicher Donaubrücken im Rahmen der NATO-Luftangriffe während des Kosovokonflikts6 entstandenen wirtschaftlichen Probleme unbeteiligter Drittstaaten7. Diese Probleme wurden nicht, wie dies traditionell erfolgt wäre, auf bilateraler Ebene zwischen Neutralen und Kriegführenden geregelt8, sondern es wurden multilaterale, an der Praxis des Sicherheitsrats gemäß Artikel 50 SVN9 orientierte Mechanismen herangezogen10, die im5 Die wiederholte Umgehung des Wirtschaftsembargos veranlaßte zunehmend verschärfte Kontrollen und Transitverbote für den jugoslawischen Donauabschnitt, vgl. die Resolutionen 757 (1992), 30. Mai 1992, Abs. 4 bis 6, 787 (1992), 16. November 1992, Abs. 9 und 13, 820 (1993), 17. April 1993, Abs. 15 bis 17. 6 Die NATO begann am 1. April 1999 mit der knapp einen Monat andauernden wiederholten Bombardierung von insgesamt sieben an der Grenze zu Kroatien sowie im Landesinneren Serbiens gelegenen Donaubrücken, die dabei entweder völlig zerstört oder schwer beschädigt wurden. Betroffen waren die Brücken „Varadin“, „Sloboda“ und „Zezeljov“ in Novi Sad, „Mladost“ in Backa Palanka, die Brücke zwischen Bogojevo und Erdut, jene zwischen Kovin und Smederevo sowie die Belgrad und Novi Sad verbindende Straßenbrücke nahe Breska, vgl. die von Jugoslawien gegen die zehn Teilnehmer der NATO-Luftangriffe eingereichte Klageschrift mit Antrag auf Erlaß vorläufiger Maßnahmen, 29. April 1999, IGH, Legality of Use of Force (Jugoslawien gegen Belgien etc.), sowie das Interview des österreichischen Botschafters und damaligen Generaldirektors der in Budapest ansässigen Donaukommission, H. Strasser, mit Voice of America, 29. Mai 1999, www.fas.org/man/ dod-101/ops/docs99/990529-kosovo20.htm. Die durch die Brückentrümmer und Munitionsreste verursachte Blockade der Donauschiffahrt konnte aus verschiedenen Gründen erst im November 2001 provisorisch behoben werden, vgl. FAZ, 7. Dezember 2001, S. 7 (Die Freiheitsbrücke liegt in der Donau). 7 Zu den wirtschaftlichen Einbußen der Donaustaaten vgl. ibid. sowie Le Point, 17 September 1999 (La bataille du Danube), Le Figaro, 12 Oktober 1999, S. 2 (La vengeance du Danube), FAZ, 27. Januar 2000, S. 16 (Gefährliche Blockade). 8 Vgl. z. B. die diplomatische Korrespondenz Österreich-Ungarns mit den Kriegführenden des russisch-türkischen Krieges anläßlich von Beeinträchtigungen der Donauschiffahrt, Mai 1877, Martens, NRG II 3, S. 201 ff. 9 Zur Praxis des Sicherheitsrats gemäß Art. 50 SVN siehe den Bericht des Generalsekretärs vom 8. November 1993 (S/26705 bzw. A/48/573-S-S/26705) in: Conseil de Sécurité, Documents officiels, Suppl. IV 1993, S. 162 ff. Im Falle der vom Sicherheitsrat angeordneten Verkehrsbeschränkungen auf der Donau in den Jahren 1993–95 wurden die besonders betroffenen Drittstaaten nicht direkt finanziell entschädigt, sondern es war vorgesehen worden, konkrete Projekte zu fördern und nötigenfalls Kredite zur Verfügung zu stellen, vgl. den ukrainischen Bericht in der Donaukommission, 12. April 1994 (CD/SES 52/PV 1), Procès-Verbaux de la Commission du Danube Bd. 52 (1994), S. 34 ff. (S. 36). 10 Die durch die Zerstörung der Donaubrücken verursachten Probleme von Drittstaaten wurden insbesondere im durch die Sicherheitsratsresolution 1244 (1999),

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merhin ansatzweise einen Ausgleich der entstandenen Lasten in der internationalen Gemeinschaft ermöglichten11. Die neuere Entwicklung gestattet nunmehr eine differenzierte, verschiedene Epochen umfassende Behandlung des Status der Flußschiffahrt im Falle bewaffneter Konflikte. Dabei stellt die Donau aufgrund der Vielfältigkeit der im Laufe der Zeit zwischen Uferstaaten entstandenen Konflikte, ebenso wie aufgrund der relativ ergiebigen diplomatischen Korrespondenz zu dabei aufgetretenen Zweifelsfragen bezüglich der Donauschiffahrt12, einen idealen Untersuchungsgegenstand dar. Es ist jedoch hervorzuheben, daß die für die Donauschiffahrt entwickelten Lösungen trotz ihres größtenteils repräsentativen Charakters nicht in allen Fällen auf andere Flüsse übertragen werden können. Die Donau ist seit 1856 einem teilweise recht spezifischen Vertragsregime unterworfen13, bei dem gerade auch hinsichtlich des Status der Schiffahrt im Falle bewaffneter Konflikte einige Präzisierungen und Anpassungen erfolgten14, welche sich so bei anderen Flüssen nicht finden15. 10. Juni 1999, Annex 2, Abs. 9, vorgesehenen Stabilitätspakt für Süd-Osteuropa behandelt, vgl. die Presseerklärung der bulgarischen Botschaft in Washington, The Bulgarian Position for the Stability Pact Summit in Sarajevo, 26 Juli 1999, www.bulgaria-embassy.org/International%20Relations/Saraevo.htm, sowie das Interview des Spezialkoordinators des Stabilitätspakts für Süd-Osteuropa, Bodo Hombach, in: SHAPE News, 3. November 1999, www.fas.org/man/dod-101/ops/docs99/ mu031199.htm. 11 Mehrere vom Stabilitätspakt für Süd-Osteuropa organisierte Infrastrukturmaßnahmen weisen einen deutlichen Bezug zu den durch die Sperrung der Donau verursachten Problemen auf, vgl. die Liste der Projekte des Stabilitätspakts, www.stability pact.org/stabilitypactcgi/other/qsp.cgi, Projekte Nr. II. B. 3101 (Donaubrücke Vidin-Calafat), Nr. II. B. 3311 (Donauhafen von Lom in Bulgarien), Nr. II. B. 6102 (Straße von Giurgiu nach Bukarest). 12 Gut dokumentiert sind insbesondere der serbisch-türkische Krieg 1876/77 und der russisch-türkische Krieg 1877/78, vgl. das Grünbuch des rumänischen Außenministeriums (Ministerul Afacerilor Straine), Cestiunea Dunarei (1883), S. 413 ff., die diplomatische Korrespondenz Österreich-Ungarns, Rußlands und der Türkei vom Mai 1877, Martens, NRG II 3, S. 201 ff., sowie die Dokumentation in Année Maritime 1878 (Edition Berger-Levrault, Paris), Suspension de la navigation sur le Danube, S. 47 ff. 13 Das ursprüngliche Pariser Donaustatut findet sich in den Art. XV bis XIX des Allgemeinen Friedensvertrages vom 30. März 1856, Martens, NRG I 15, S. 770. 14 Vgl. Art. 21 des in Galatz vereinbarten Acte public vom 2. November 1865, ibid. I 18, S. 144 (Neutralisierung der Werke und Einrichtungen der Europäischen Donaukommission), und Art. LII des Berliner Vertrages, 13. Juli 1878, ibid. II 3, S. 449 (Demilitarisierung des Unterlaufs des Donau). 15 Die Mainzer Rheinschiffahrtsakte vom 31. März 1831 bestimmte z. B. lediglich in Art. CVIII Abs. 1, daß die Einziehung des „Rhein-Octroi“ im Falle bewaffneter Konflikte nicht beeinträchtigt werde, vgl. Martens, Suppl. Rec. 13, S. 252, Rheinurkunden Teil 1 (1918), S. 212. Auf die genauer Bedeutung dieser Bestimmung wird in der Folge noch eingegangen.

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Zugleich erscheint es jedoch angezeigt, gewisse die Donauschiffahrt betreffende Vorgänge nicht isoliert zu betrachten, sondern sie in den Kontext des die Flußschiffahrt allgemein betreffenden Kriegs- und Neutralitätsrechts einzuordnen. So könnte etwa eine isolierte Betrachtung eines 1921 ergangenen Schiedsspruchs bezüglich der Konfiszierung von Donauschiffen analog Artikel 46, 53 Haager Landkriegsordnung16 zu dem Fehlschluß verleiten, daß prisenrechtliche Maßnahmen gegen Donauschiffe nicht zulässig wären17. Ein Vergleich mit der prisengerichtlichen Praxis der beiden Weltkriege18 erlaubt jedoch die Feststellung, daß besagter Schiedsspruch zumindest in jener Epoche eine Ausnahme darstellt19, welche auch bezüglich der Donauschiffahrt nur begrenzt Verallgemeinerungen zuläßt20. 16

Anlage zum IV. Haager Abkommen betreffend der Gesetze und Gebräuche des Landkriegs, 18. Oktober 1907, RGBl. 1910, S. 132. 17 Vgl. Questions arising as to Danube shipping (Alliierte Mächte, Deutschland, Österreich, Ungarn, Bulgarien), Schiedsspruch, 2. August 1921, RIAA Bd. I, S. 7 (S. 102 f., 105, 108, 114 f.). 18 Die Prisengerichte zahlreicher Staaten waren im Ersten Weltkrieg dazu übergegangen, den Anwendungsbereich des Prisenrechts auf Flüsse und in Flüssen gelegene Seehäfen auszudehnen, vgl. das britische Urteil Capture of Turkish ships on the Tigris sowie die Beschlüsse in den Sachen Enemy craft captured on the rivers or off the coast of Sierra Leone und Enemy craft captured on the rivers Tigris and Euphrates, Admiralty Division, 21. Dezember 1921, Lloyd’s List Law Reports Bd. IX (1921), S. 542 ff. (entspr. Lloyd’s List Bd. IX Nr. 11 vom 5. Januar 1922), die italienischen Urteile Cervignano e Friuli, 21. Februar 1917, in: P. Fauchille/J. Basdevant, Jurisprudence italienne en matière de prises maritimes (1921), S. 178, sowie in: J. H. W. Verzijl, Le droit des prises de la grande guerre (1924), S. 256, Leonida, Ottilia, Mef etc., 4. Mai 1917, in: Fauchille/Basdevant, S. 194, Verzijl, S. 257, Iela, Sara, Rosa etc., 4. Mai 1917, in: Fauchille/Basdevant, S. 199, das belgische Urteil Agiena, 1919, in: AJIL 1922, S. 117, das rumänische Berufungsurteil zur Emilie, 15. Juli 1920, in: Verzijl, S. 255 und 1221, sowie die deutschen Urteile Fenix, Entscheidungen des Oberprisengerichts (1918), S. 1, Primula, ibid., S. 17, Primavera, ibid., S. 194, Comte de Smet de Naeyer, ibid., S. 209. Einige für die Anwendung des Prisenrechts auf Flüssen erhebliche Einschränkungen der deutschen Prisenrechtsprechung wurden im Zweiten Weltkrieg aufgegeben, vgl. die Analyse des Prisenrichters E. Féaux de la Croix, Die deutsche Prisengerichtsbarkeit, in: W. Gladisch/B. Widmann, Grundfragen des Seekriegsrechts im Zweiten Weltkrieg (1944), S. 111 ff. (116 ff., 122 f., 143 f.). 19 Die in Anm. 18 zitierten Fälle der Anwendung des Prisenrechts auf Flüssen weisen jeweils einen zumindest geringen Bezug zur Seeschiffahrt oder sonst zum Seekrieg auf (in den Fällen Leonida, Ottilia, Mef etc. und Iela, Sara, Rosa etc. wurde z. B. auf die eingeschränkte Seetüchtigkeit der fraglichen Schiffe abgestellt). In den Questions arising as to Danube shipping (Anm. 17) hielt der Schiedsrichter es hingegen für unzureichend, daß die in Frage stehende Beschlagnahme von Binnenschiffen durch Marineoffiziere ausgeführt worden war. Da dieser Frage im zur Entscheidung stehenden Fall nur eine untergeordnete Bedeutung zukam, hatten die Parteien davon abgesehen, weitere mögliche Anknüpfungspunkte (eventuelle eingeschränkte Seetüchtigkeit der Schiffe etc.) vorzutragen, vgl. ibid., S. 114 f.

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Trotz der zum Teil notwendigen Ausblicke auf die Praxis bezüglich anderer Flüsse ist das Ziel dieser Arbeit ausschließlich die Herleitung und Systematisierung von im Falle bewaffneter Konflikte auf die Donauschiffahrt anwendbaren Regeln. Der Versuch, ein umfassendes Bild der Situation von Flüssen im Falle bewaffneter Konflikte zu zeichnen, würde aufgrund der jeweils unterschiedlichen tatsächlichen wie rechtlichen Verhältnisse den vorgegebenen Rahmen sprengen; ein derartiger Versuch würde überhaupt auch wegen der oft nur unzulänglichen Quellenlage unvermeidlich bruchstückhaft bleiben. Zu berücksichtigen ist ferner, daß bisher noch überhaupt keine Monographien zum Status von Flüssen im Falle bewaffneter Konflikte vorliegen21. Selbst ein auf die Donau beschränkter Versuch, diese Lücke zu schließen, riskiert deshalb zwangsläufig mit Unzulänglichkeiten behaftet zu sein. Die hier gewählte Fokussierung auf die Donau rechtfertigt sich mit der herausgehobenen Bedeutung dieses größten europäischen Stroms, dessen Schicksal von der Rechtswissenschaft seit langem aufmerksam verfolgt wird. Was das Donaustatut als solches betrifft, kann somit auf eine umfangreiche Literatur zurückgegriffen werden22. Gewisse Probleme ergeben sich lediglich aus dem bis heute andauernden Streit um die Frage, ob die 1948 von der Sowjetunion und den in ihren Einflußbereich gefallenen Donaustaaten geschlossene Belgrader Konvention23 die 1921 unter Beteiligung mehrerer westlicher Staaten geschlossene Pariser Konvention24 ersetzen konnte. Seit 1948 und selbst nach dem Ende des kalten Krieges ist es nicht gelungen, die diesbezüglichen Divergenzen zu überwinden25. Eine Erörterung des Status der Donauschiffahrt im Falle bewaffneter Konflikte setzt somit eine zumindest kursorische Erörterung der Vorfrage nach der Gültigkeit der 20

Wie noch näher darzustellen ist, liegt die Bedeutung des Schiedsspruchs zur Donauschiffahrt vor allem in der Tatsache, daß er deutlicher als die meisten Prisengerichtsentscheidungen die Existenz von Grenzen der Anwendung des Seekriegsrechts auf Flüssen aufzeigt. 21 Zur Quellenlage nach dem Zweiten Weltkrieg siehe Anm. 1; für die Zeit davor siehe die Literaturauswahl in Anm. 2. 22 Siehe z. B. J. P. Chamberlain, The Regime of International Rivers: Danube and Rhine, Dissertation, New York 1923, J. Blociszewski, Le régime du Danube, RdC Bd. 11 (1926 I), S. 253 ff., I. Seidl-Hohenveldern, Die Belgrader Donaukonvention von 1948, ArchVR 1958, S. 53 ff., J.-P. Jacqué, A propos de l’accord de Rome du 23 avril 1977. Etendue de la survie de la Commission européenne du Danube, AFDI 1981, S. 747 ff., M. Sengpiel, Das Recht der Freiheit der Schiffahrt auf Rhein und Donau (1998). Vgl. auch das Gutachten des StIGH zur Commission européenne du Danube, 8. Dezember 1927, CPJI sér. B nº 14 (insb. S. 40 ff.). 23 Belgrader Konvention, 18. August 1948, UNTS Bd. 33, S. 196. 24 Pariser Konvention, 23. Juli 1921, SdN, RdT Bd. 26, S. 173. 25 Zum Festhalten Frankreichs und Großbritanniens an der Pariser Konvention siehe Sengpiel (Anm. 22), S. 113 f.

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beiden Statute voraus. Die diesbezügliche Analyse wird, wie schon vorweggenommen werden kann, zu dem Ergebnis führen, daß die Belgrader Konvention zwar inter partes Wirkungen entfaltet, daß aber die ehemaligen Ostblockstaaten sich nicht einseitig von dem erga omnes wirkenden Pariser Statut lossagen konnten26. Die hier vorgelegte Untersuchung muß folglich beide Vertragsordnungen im Auge behalten. Da die Behandlung juristischer Einzelfragen in der Folge nur einen begrenzten Überblick über die für die Donauschiffahrt erheblichen historischen Ereignisse und strategischen Entwicklungen ergeben wird, erscheint es angezeigt, einige wichtige Begebenheiten zur Einführung kurz zusammenzufassen. Dazu ist anzumerken, daß für die vorliegende Untersuchung trotz der zahlreichen Konflikte, die insbesondere im Raum der unteren Donau seit vielen Jahrhunderten ausgetragen wurden, im wesentlichen nur Ereignisse seit dem Krimkrieg und dem darauf folgenden Allgemeinen Friedensvertrag von 1856 in Betracht kommen. Das resultiert daraus, daß zumindest die untere Donau27 erst infolge der mit dem Allgemeinen Friedensvertrag erfolgten Zulassung der damaligen Territorialmacht Türkei zum Konzert der europäischen Mächte28 ins Blickfeld des europäischen Völkerrechts rückte29. Die 1815 in Abwesenheit der Türkei vom Wiener Kongreß vereinbarten Grundsätze für die Schiffahrt auf internationalen Flüssen30 wurden deshalb erst durch den Friedensvertrag von 1856 als künftig auf die Donau und ihre Mündungen anwendbar erklärt31. *** Die hauptsächliche militärische Bedeutung der unteren Donau und des Donaudeltas ergab sich bis zum russisch-türkischen Krieg 1877/78 aus ihrer Funktion als Hauptverteidigungslinie des osmanischen Reichs gegen russische Invasionen. So stellte die Region etwa während des Krimkrieges einen 26

So auch Jacqué (Anm. 22, S. 754 f.) und E. Klein, Statusverträge im Völkerrecht (1980), S. 269 f., 272 ff. 27 Die untere Donau beginnt an den im 19. Jahrhundert nicht schiffbaren Stromschnellen des „Eisernen Tores“, an der heutigen Grenze zwischen Serbien und Rumänien (ehemaliges Dreiländereck zwischen den türkischen Fürstentümern Serbien und Walachei sowie der habsburgischen Wojwodina). 28 In Art. VII des Allgemeinen Friedensvertrages, 30. März 1856 (Anm. 13), erklärte die fünf Mächte und Sardinien formell die Zulassung der Türkei zu den „avantages du droit public et du concert Européens“. 29 Vgl. das Gutachten des StIGH zur Commission européenne du Danube (Anm. 22), S. 40. 30 Art. CVIII bis CXVI der Wiener Kongreßakte, 9. Juni 1815, Martens, Suppl. Rec. 6, S. 379. 31 Art. XV Abs. 1 des Allgemeinen Friedensvertrages, 30. März 1856 (Anm. 13).

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der Hauptkriegsschauplätze dar, bis Österreich-Ungarn mit einem Ultimatum die Räumung der durch russische Truppen besetzten Donaufürstentümer Moldawien und Walachei (dem späteren Rumänien) erzwang32. Zur Förderung der Schiffahrt und zur Vermeidung weiterer Auseinandersetzungen in der Region hatte Österreich-Ungarn anläßlich des zunächst ergebnislosen Wiener Kongresses von 1855 eine Neutralisierung des seinerzeit zu Rußland gehörenden nördlichen Teils des Donaudeltas vorgeschlagen33. Das stieß auf den Widerstand der russischen Diplomatie34, die sich aber infolge des verlorenen Krieges schließlich im Pariser Friedensvertrag sogar mit einer gänzlichen Abtretung der Mündungsregion an die Türkei abfinden mußte35. Diese Gebietsveränderung erfolgte nicht zuletzt im Interesse eines Ausbaus der Donauschiffahrt, die von der russischen Regierung stark vernachlässigt worden war36. Um das Donaudelta zunächst einmal überhaupt schiffbar zu machen, sah das ursprüngliche, im Allgemeinen Friedensvertrag enthaltene Pariser Donaustatut die temporäre Einsetzung einer europäischen Donaukommission vor37. Diese hat in der Folge zahlreiche Kompetenzerweiterungen erfahren und wurde schließlich zu einer dauerhaften Institution mit umfassenden Regelungs-, Rechtsprechungs- und Exekutivfunktionen bezüglich der Schifffahrt in der Mündungsregion38. Um die von der Kommission durchgeführten Arbeiten im Konfliktfall zu schützen, beschlossen die in ihr vertretenen Großmächte 1865 die Neutralisierung ihrer Werke und Einrichtungen39. Die 32 Siehe Chamberlain (Anm. 22), S. 39 ff. Zur Rolle der Donau im russischtürkischen Krieg 1877/78 siehe ibid., S. 63 ff. Infolge des letztgenannten Krieges war die Türkei schließlich gezwungen, ihre Streitkräfte aus Bugarien zurückzuziehen, so daß die Donau ihre Funktion als Verteidigungslinie des osmanischen Reichs verlor, vgl. Art. 8 und 12 des Präliminarfriedens von San Stefano, 3. März 1878, Martens, NRG II 3, S. 246, Art. XI, XIII und LII des Berliner Vertrages, 13. Juli 1878, ibid., S. 449, sowie Chamberlain (Anm. 22), S. 74. 33 Siehe Ziff. 6 des Annex zum 4. Protokoll der Wiener Konferenz, 21. März 1855, in: Grünbuch des rumänischen Außenministeriums (Anm. 12), S. 131 ff. (S. 133). 34 Protokoll Nr. 4 vom 21. März 1855, ibid., S. 129 ff. (S. 131), sowie Protokoll Nr. 5 vom 23. März 1855, ibid., S. 133 ff. (S. 135); vgl. auch Ziff. 6 des Annex zum 5. Protokoll, ibid., S. 136 f. (S. 137). 35 Art. XX des Allgemeinen Friedensvertrages, 30. März 1856 (Anm. 13). 36 Der Art. XX Abs. 1 des Allgemeinen Friedensvertrages, ibid., nennt ausdrücklich die Förderung der Donauschiffahrt als ein Ziel der Gebietsveränderungen in der Region. Zur Vernachlässigung der Donauschiffahrt durch Rußland in der Vorkriegszeit siehe Chamberlain (Anm. 22), S. 36 ff. 37 Art. XVI, XVII Ziff. 4 und XVIII des Allgemeinen Friedensvertrages, 30. März 1856 (Anm. 13). 38 Vgl. das Gutachten des StIGH zur Commission européenne du Danube (Anm. 22), S. 41 ff.

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Gültigkeit dieser Neutralisierung wurde 1871, anläßlich der Aufhebung der Neutralisierung des Schwarzen Meeres, ausdrücklich bekräftigt40. Im russisch-türkischen Krieg 1877/78 wurde die Donau erneut zum Kriegsschauplatz. Heftige Kämpfe gab es insbesondere um die türkischen Festungen am Südufer des Flusses sowie anläßlich der russischen Versuche, den Fluß zu überqueren41. Obwohl die Türkei das Übersetzen der überlegenen russischen Truppen letztlich nicht verhindern konnte, kontrollierte sie durch ihre Festungen und ihre auch auf dem Fluß einsetzbaren Kanonenboote bis zum Kriegsende die Donau und ihre Mündungen42. Die Donauschiffahrt betreffende Streitigkeiten ergaben sich insbesondere aus dem Ansinnen der Konfliktparteien, die Schiffahrtsfreiheit während des Konflikts zu suspendieren43. Dahingehende Erklärungen mußten allerdings nach teils heftigen Protesten aus Berlin, Wien und London zurückgenommen werden44. Gleichzeitig erlangten die Neutralen die verbindliche Zusage, daß die Schiffahrt dritter Staaten beeinträchtigende Maßnahmen nur insoweit und solange erfolgen würden, als „zwingende militärische Notwendigkeiten“ dies erforderten45. Im Verhältnis der Kriegführenden untereinander blieb die Schiffahrtsfreiheit hingegen weiterhin suspendiert46. 39 Art. 21 des in Galatz von Kommissionsmitgliedern vereinbarten Acte public vom 2. November 1865, Martens, NRG I 18, S. 144, sanktioniert durch die Pariser Konferenz, Protokoll Nr. 3, 28. März 1866, ibid., S. 177 ff. (S. 178 f.). 40 Art. VII des Londoner Vertrages, 13. März 1871, ibid., S. 303. 41 Chamberlain (Anm. 22), S. 63 ff. 42 Ibid., S. 65. 43 Vgl. die russische Erklärung vom 27. April 1877, The Times (London), 3. Mai 1877, S. 6 (War and Navigation), und die dem türkischen Oberkommandierenden am 29. April 1877 erteilten Instruktionen bzgl. auf der Donau durchzuführender Maßnahmen, gefolgt von einer Proklamation, Martens, NRG II 3, S. 199 ff. (S. 200), ebenfalls abgedruckt im rumänischen Grünbuch (Anm. 12), S. 431 f. Zu einer von Rumänien als Repressalie ausgesprochenen Suspension der Donauschifffahrt siehe The Times (London), 22. Mai 1877, S. 5 (War on the Danube, Meldung aus Paris vom 21. Mai). 44 Siehe Année Maritime 1878 (Edition Berger-Levrault, Paris), Suspension de la navigation sur le Danube, S. 47 ff. (S. 47, 49 f.), Chamberlain (Anm. 22), S. 65, H. Hajnal, Le droit du Danube international (1929), S. 121, Anm. 2, sowie die diplomatische Korrespondenz Österreich-Ungarns, Rußlands und der Türkei, Mai 1877, Martens, NRG II 3, S. 201 ff., ebenfalls abgedruckt im rumänischen Grünbuch (Anm. 12), S. 432 ff. 45 Vgl. die diplomatische Korrespondenz in: Martens (Anm. 44, S. 202, 206 und 208), sowie die von Hajnal (Anm. 44), S. 121, Anm. 2, wiedergegebene britische Note vom 12. Mai 1877. 46 Siehe die Ziff. 3 der Bedingungen, unter denen die Türkei die Suspension der Donauschiffahrt wieder aufhob, Année Maritime 1878 (Anm. 44, S. 50), sowie die Ziff. 8 des russischen Ukas vom 24. Mai 1877, Martens, NRG II 3, S. 216 ff., nach der die Donauschiffahrt nur für neutrale Schiffe wieder erlaubt wurde.

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Probleme ergaben sich auch durch Maßnahmen, mit denen die russischen Truppen die Bewegungsfreiheit der türkischen Flotte einzuschränken suchten. Auf Kritik stieß vor allem die Versenkung mehrerer mit Steinen beladener Schiffe in einem von der Kommission schiffbar gemachten Mündungsarm47. Die von der russischen Regierung für diese sogenannte Steinblokkade48 vorgebrachte Rechtfertigung, es sei nicht „gerecht“, daß die Türkei mit Kriegsschiffen in die Donau einlaufen dürfe, während ihr selbst wirksame Abwehrmaßnahmen verwehrt würden49, wurde von den Neutralen zurückgewiesen50. Trotz diverser von den Kriegführenden begangener Überschreitungen kann man für den russisch-türkischen Krieg 1877/78 konstatieren, daß die neutralen Mächte ihre Interessen angesichts der für die Donauschiffahrt kritischen strategischen Lage vergleichsweise erfolgreich verteidigen konnten. So gelang es immerhin außerhalb der jeweils umkämpften Flußabschnitte, die insbesondere für Österreich-Ungarn unverzichtbare Donauschiffahrt grundsätzlich aufrecht zu erhalten51. Zugute kam den Neutralen dabei das 47 Vgl. Chamberlain (Anm. 22), S. 66, und die Korrespondenz der türkischen Admiralität mit einem Vertreter der Donaukommission, in: The Times (London), 6. Oktober 1877, S. 5. 48 Eine Blockade mit Steinen oder anderen Hindernisse ist keine Blockade im juristischen Wortsinne; für ihre Zulässigkeit gelten aber bzgl. Bekanntgabe etc. vergleichbare Regeln, siehe H. Lauterpacht, Oppenheim’s International Law, Bd. II, Disputes, War and Neutrality (7. Aufl. 1952), S. 768 (§ 368), Anm. 1; kritisch wegen möglicher dauerhafter Beeinträchtigungen der Schiffahrt u. a. P. Fauchille, Traité de droit international public, Bd. II, Guerre et neutralité (8. Aufl. des Manuel von H. Bonfils, 1921), S. 964 (§ 1626). 49 Siehe den Wortlaut der russischen Note in: Année Maritime 1878 (Anm. 44, S. 50). 50 Siehe Chamberlain (Anm. 22), S. 66. Hajnal (Anm. 44), S. 119 f., berichtet hingegen, zu förmlichen Protesten sei es zumindest seitens der Europäischen Donaukommission und Großbritanniens nicht gekommen; die Kommission habe sich in erster Linie aus technischen Gründen um die Beseitigung der Sperre bemüht, und in London habe man zu der Auffassung geneigt, die „Blockade“ sei rechtmäßig gewesen. Dies ist aber eher zweifelhaft, weil (wie Hajnal selbst angibt) der Streit um die Verantwortlichkeit für die Beseitigung der entstandenen Schäden selbst nach Kriegsende fortdauerte und die neutralen Mächte letztlich nur aus politischen Gründen auf die Durchsetzung ihrer Forderungen gegen Rußland verzichteten, vgl. ibid., S. 138, 140. Dem entspricht auch, daß das ehemalige französische Kommissionsmitglied E. Engelhardt das russische Vorgehen in einer späteren Veröffentlichung (Du régime conventionnel des fleuves internationaux [1879], S. 179 f.) als nicht hinnehmbar bezeichnete. 51 Die Schiffahrtsfreiheit war auf der unteren Donau weitgehend gewährleistet; vollständig zum Erliegen kam der Verkehr nur in der heftig umkämpften Mündungsregion, siehe Hajnal (Anm. 44), S. 119 und 121, sowie die von der Kommission in Auftrag gegebene Chronik La Commission Européenne du Danube et son œuvre de 1856 à 1931 (Paris, 1931), S. 28.

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für die Epoche charakteristische Kräftegleichgewicht: Die gegenüber den zwei Kriegführenden in der Überzahl befindlichen neutralen Großmächte konnten aufgrund ihres potentiellen Einflusses auf den Kriegsverlauf sowie auf den Ablauf eines zu erwartenden Friedenskongresses den Respekt ihrer wirtschaftlichen Interessen jedenfalls insoweit wirksam einfordern, als dies dem legitimen Interesse an einer effektiven Kriegführung nicht zuwiderlief52. Die während des Krieges zutage getretenen Probleme der Donauschifffahrt führten auf dem 1878 folgenden Berliner Kongreß zur Vereinbarung eines Verbots, Kriegsschiffe auf der unteren Donau verkehren zu lassen, sowie zur Verpflichtung, die an ihren Ufern befindlichen Festungen zu schleifen und nicht neu zu errichten53. Eine darüber hinausgehende österreichische Forderung nach einer umfassenden Neutralisierung scheiterte erneut an russischem Widerstand54. Die durch den Berliner Vertrag vereinbarte partielle Demilitarisierung der Donau wurde in der Folge nur unzureichend respektiert. Bereits während des kurzen, im Spätherbst 1885 stattfindenden serbisch-bulgarischen Krieges sah sich das gemäß dem Berliner Vertrag von der Türkei unabhängig gewordene Rumänien55 zu Protesten gegen die bulgarischen Festungen am Südufer der Donau veranlaßt56. 52

Zum Kräftegleichgewicht als Voraussetzung für eine effektive Durchsetzung des Neutralitätsrechts und eine Hegung des Krieges siehe M. Torrelli, La neutralité en question, RGDIP 1992, S. 5 ff. (S. 8), bzw. C. Schmitt (Anm. 3), S. 161. 53 Der Art. LII des Berliner Vertrages, 13. Juli 1878, Martens, NRG II 3, S. 449, nennt als Ziel der Demilitarisierung ausdrücklich den besseren Schutz der Donauschiffahrt. Ein weiterer Grund für die Demilitarisierung war das militärische Interesse Rußlands, bei künftigen Konflikten auf dem Balkan nicht erneut an der Donau aufgehalten zu werden, vgl. Art. 12 Abs. 1 S. 2 des Präliminarfriedens von San Stefano, 3. März 1878, ibid., S. 246, nach dem das russische Ufer noch von der Demilitarisierung ausgenommen werden sollte. 54 Vgl. das 11. Protokoll des Berliner Kongresses, 2. Juli 1878, ibid., S. 371 ff. (S. 371, 373), sowie das 12. Protokoll, 4. Juli 1878, ibid., S. 380 ff. (S. 384 f.); siehe auch Hajnal (Anm. 44), S. 136. 55 Art. XLIII ff. des Berliner Vertrages vom 13. Juli 1878, Martens, NRG II 3, S. 449. 56 The Times (London), 17. November 1885, S. 5 (Meldung aus Wien). Zu Verstößen gegen die Demilitarisierung der unteren Donau siehe auch ibid., 26. November 1885, S. 7 (Meldung aus Simnitza), und 11. November 1885, S. 5 (Meldung aus Belgrad). Hajnal (Anm. 44), S. 179, meint, Rumänien habe sich während des serbisch-bulgarischen Krieges zu Unrecht auf die Demilitarisierung berufen, weil diese nur in Friedenszeiten zur Vermeidung von Konflikten diene. Damit setzt er sich aber sowohl über die Entstehungsgeschichte, als auch über den Wortlaut von Art. LII Berliner Vertrag hinweg, siehe oben, Anm. 53 und 54 (Art. LII beginnt mit den Worten „Afin d’accroître les garanties assurées à la liberté de navigation sur le Danube [. . .]“).

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Nicht respektiert wurde das Verbot, Kriegsschiffe auf der unteren Donau zu benutzen, unter anderem während des Ersten Weltkrieges57. Da sich aber zum Zeitpunkt der Ausweitung des Krieges auf die untere Donau bereits fast alle Donaustaaten sowie alle interessierten Großmächte im Krieg befanden, konnte der mit der Demilitarisierung bezweckte Schutz der neutralen Schiffahrt ohnehin kaum mehr erreicht werden58. Vor dem Kriegseintritt der an der unteren Donau gelegenen Staaten ergaben sich im Ersten Weltkrieg Probleme aufgrund von über die Donau erfolgenden russischen Nachschubtransporten für Serbien59. Diese mögliche Verletzung der Neutralität Rumäniens und Bulgariens führte zu Protesten seitens Österreich-Ungarns60. Hierbei stellte sich die Frage, ob die Verpflichtung zum Respekt der Freiheit der Donauschiffahrt eine Derogation von der Pflicht der Neutralen, militärische Nutzungen ihres Territoriums durch die Kriegführenden zu unterbinden61, rechtfertigten konnte62. 57 Vgl. Chamberlain. (Anm. 22), S. 123 ff. Zu vorangegangenen, vor allem rumänischen Verstößen gegen das Verbot, die untere Donau mit Kriegsschiffen zu befahren, siehe G. Demorgny, La Question du Danube (1911), S. 8 und 234, Anm. 2. 58 Der österreich-ungarischen Donauflottille gelang es nach der Niederlage Serbiens im Herbst 1915, das bis dahin blockierte „Eiserne Tor“ zu passieren und in den Häfen des verbündeten Bulgarien Stellung zu beziehen, vgl. Chamberlain. (Anm. 22), S. 122 f., und Der Weltkrieg, Bd. 9, Die Operationen des Jahres 1915, hrsg. vom Reichsarchiv (1933), S. 240, sowie Bd. 11, Die Kriegführung im Herbst 1916, hrsg. vom Reichskriegsministerium (1938), S. 194. Zu diesem Zeitpunkt war von den Donaustaaten allein Rumänien noch nicht in den Krieg eingetreten; das erfolgte erst am 27. August 1916 auf der Seite der Entente. Bereits vor dem Ersten Weltkrieg hatte Rumänien aber auf der unteren Donau selbst eine Flottille aufgestellt (vgl. oben, Anm. 57), so daß der Vorstoß der österreich-ungarischen Donauflottille als Repressalie zu rechtfertigen war. Von rumänischen Protesten ist dementsprechend nichts bekannt geworden. 59 Chamberlain. (Anm. 22), S. 122 f. 60 Ibid. Zu weiteren Protesten hätten Waffenlieferungen Anlaß geben können, die vor der serbischen Niederlage von den Westmächten über Griechenland und Serbien zur Donau und dann auf der Donau nach Rußland erfolgten, siehe Der Weltkrieg, Bd. 9 (Anm. 58), S. 277. 61 Die Art. 2 und 5 des V. Haager Abkommens betreffend der Neutralität im Falle eines Landkrieges, 18. Oktober 1907, Martens, NRG III 3, S. 504, gebieten es neutralen Staaten, den Transit von Truppen sowie von Waffen- und Nachschubkonvois über ihr Territorium zu unterbinden. 62 Etwas unkritisch insoweit Chamberlain (Anm. 22), S. 122, Anm. 5. In der Literatur stärker diskutiert wurde das analoge Problem des Transits kriegswichtiger Güter von Deutschland über den niederländischen Rheinabschnitt in das besetzte Belgien, vgl. die Nachweise oben, Anm. 2 in fine. Diesen die Flußschiffahrt betreffenden Streitigkeiten ähnelt auch der vom StIGH entschiedene Fall des Dampfers Wimbledon (Frankreich etc. gegen Deutschland), Urteil vom 17. August 1923, CPJI sér. A nº 1; vgl. auch die op. diss. des Richters Schücking, mit einer Bezugnahme auf die vorgenannte auf Praxis des Transits über den Rhein, ibid., S. 43 ff. (S. 46 f.).

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Nach dem Kriegseintritt Rumäniens wurde das Gebiet der unteren Donau bis in die Nähe der Mündung rasch von deutschen Truppen erobert63. Der Fluß diente danach (wie auch teilweise schon zuvor) als wichtiger Nachschubweg für die Verbündeten Bulgarien und Türkei; stromaufwärts wurden gleichzeitig große Mengen kriegswichtiger Rohstoffe und Agrarprodukte nach Mitteleuropa transportiert64. Der Ausgang des Ersten Weltkrieges führte zu einer tiefgreifenden Umgestaltung des gesamten Donauraums. Rußland verlor erneut seine 1878 wiedererlangte Stellung als Donaustaat65; das Habsburgerreich wurde aufgelöst66. Als Konsequenz des Kriegsausgangs wurde die Mitgliedschaft in der strategisch wichtigen Europäischen Donaukommission durch den Versailler Vertrag und durch die darauf beruhende Pariser Konvention von 1921 zunächst auf Frankreich, Großbritannien, Italien und Rumänien beschränkt67. Nunmehr wurde auch die seit 1856 vorgesehene68, aber insbesondere an Österreich-Ungarn gescheiterte69 Bildung einer für die übrige Donau zuständigen Kommission nachgeholt70. 63 Vgl. R. C. Frucht, Dunarea noastra – Romania, the Great Powers, and the Danube Question 1914–1921 (1982), S. 34 f.: Nach der rumänischen Kriegserklärung am 27. August 1916 gelang es in weniger als 5 Monaten, die rumänischen und russischen Kräfte bis in die Mündungsregion der Donau zurückzudrängen. 64 Ibid., S. 35, Der Weltkrieg, Bd. 9 (Anm. 58), S. 143, 240, 276, Chamberlain (Anm. 22), S. 124 f. 65 Vgl. ibid., S. 128 und 133, sowie Art XLV des Berliner Vertrages vom 13. Juli 1878, Martens, NRG II 3, S. 449. 66 Zum resultierenden Niedergang der Donauschiffahrt siehe Frucht (Anm. 63), S. 56 f. 67 Art. 346 des Versailler Friedensvertrages, 28. Juni 1919, Martens, NRG III 11, S. 323, Art. 4 Abs. 1 der Pariser Konvention, 23. Juli 1921, SdN, RdT Bd. 26, S. 173. Der Art. 4 Abs. 2 der Pariser Konvention sieht vor, daß die Mitgliedschaft in der Europäischen Donaukommission durch deren einstimmigen Beschluß erweitert werden kann, wenn ein Staat „d’intérêt commerciaux maritimes et européens suffisants aux embouchures du Danube“ nachweisen kann. Gemäß dieser Bestimmung wurden 1939 das Deutsche Reich und 1955 Griechenland in die Kommission aufgenommen, siehe Jacqué (Anm. 22, S. 748, 755). 68 Art. XVII des Allgemeinen Friedensvertrages, 30. März 1856, Martens, NRG I 15, S. 770. 69 Österreich-Ungarn sperrte sich, nachdem die anderen Großmächte ihre Zustimmung zu einer 1857 von der Flußstaatenkommission verabschiedeten Schiffahrtsakte verweigert hatten, gegen das erneute Zusammentreten dieser an sich als dauerhaft vorgesehenen Institution, vgl. die Reaktion des auf diese Frage angesprochenen österreichischen Vertreters auf dem Pariser Kongreß, Protokoll Nr. 3, 28. März 1866, ibid. I 18, S. 177 ff. (S. 181 f.), auch wiedergegeben bei Blociszewski (Anm. 22), S. 291 f.

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Trotz zahlreicher Neuerungen, mit denen insbesondere die Stellung der Nichtuferstaaten gestärkt wurde71, ließ die Pariser Konvention das bisherige Donaustatut grundsätzlich in Kraft72. Keine Änderungen erfolgten insbesondere hinsichtlich der Bestimmungen zum Schutz der Schiffahrt im Falle bewaffneter Konflikte. Einen Einschnitt bewirkte die Erklärung, mit der sich die Reichsregierung 1936 einseitig von den infolge des Ersten Weltkriegs aufgedrängten Flußregimes loszusagen suchte73. Dies minderte jedoch nicht das deutsche Interesse an einem Beitritt zur Europäischen Donaukommission, nicht zuletzt deshalb, weil dies mit dem Recht zur Stationierung zweier Kriegsschiffe in der Donaumündung verknüpft worden war74. Im Kontext einer von Rumänien erwirkten deutlichen Reduzierung der Kompetenzen der Kommission erreichte Deutschland 1939 schließlich mit Unterstützung Italiens seine Zulassung als fünftes Kommissionsmitglied75. Im Jahre 1940 gab es mehrere Anläufe der Uferstaaten (zu denen nach der Annexion Bessarabiens auch wieder die Sowjetunion gehörte76), das als 70 Die Art. 347 f. des Versailler Vertrages (Anm. 67) sahen bis zum Abschluß des endgültigen Donaustatuts eine provisorische Bildung der Internationalen Donaukommission vor; die endgültige Einsetzung der Kommission erfolgte dann durch Art. 8 der Pariser Konvention vom 23. Juli 1921 (Anm. 67). 71 Eine wesentliche Neuerung der Pariser Donaukonvention bestand darin, daß die für die „Flußdonau“ zuständige Internationale Donaukommission nicht bloß aus Vertretern der Donaustaaten zusammengesetzt war, sondern (anders als die im ursprünglichen Donaustatut vorgesehene Flußstaatenkommission) Vertreter von Nichtuferstaaten umfaßte. Durch die gleichzeitig eher umfassenden Kompetenzen der Kommission sollte so eine effektive und gleichberechtigte Beteiligung der Nichtuferstaaten an der Flußschiffahrt sichergestellt werde, vgl. Chamberlain (Anm. 22), S. 129 f. 72 Art. 41 der Pariser Konvention vom 23. Juli 1921 (Anm. 67). 73 RGBl. 1936 II S. 361. Die Erklärung der Reichsregierung führte zu Protesten Belgiens, Frankreichs, Großbritanniens, Jugoslawiens, Polens, Rumäniens und der Tschechoslowakei, siehe die Dokumentation in: Europa-Archiv 1948, Die Belgrader Donaukonferenz, S. 1641 ff. (S. 1642), sowie bei G. Jaenicke, Die neue Großschifffahrtsstraße Rhein-Main-Donau (1973), S. 53 ff. 74 Art. XIX des Allgemeinen Friedensvertrages, 30. März 1856 (Anm. 13). 75 Arrangement entre la Grande-Bretagne, la France et la Roumanie relatif à l’exercice des pouvoirs de la Commission Européenne du Danube, Sinaia, 18. August 1938, und Accord relatif à l’adhésion des Gouvernements du Reich allemand et de l’Italie à l’Arrangement de Sinaia, Bukarest, 1. März 1939, SdN, RdT Bd. 196, S. 114. Zum Verlauf der Verhandlungen siehe Europa-Archiv 1948 (Anm. 73, S. 1642). 76 Die Sowjetunion zwang Rumänien am 27. Juni 1940 zur Rückabtretung des nach dem Ersten Weltkrieg verlorenen Bessarabien, Documentation française, Notes et études documentaires, Nr. 2227 vom 27. Oktober 1956, Le Danube (Teil 2), S. 3, 5.

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für sie unvorteilhaft empfundene Pariser Statut zu revidieren77. Diese Versuche scheiterten jedoch letztlich an Forderungen, mit denen sich die Sowjetunion eine Vormachstellung im Donaudelta zu verschaffen suchte78. Zu Beginn des Feldzugs gegen die Sowjetunion fiel die Donau vollständig in den deutschen Einflußbereich und diente fortan erneut als wichtiger Nachschubweg79. Die diesbezügliche Verwendung des Flusses ging so weit, daß zum Aufbau einer Schwarzmeerflotte selbst Kriegsschiffe aus der Nord- und Ostsee zur Donau transportiert wurden, auf der sie – zum Teil dank eines durch Umbauten verringerten Tiefgangs – bis ins Schwarze Meer fahren konnten80. Gegen Kriegsende wurde die Donau verstärkt zum Ziel alliierter Luftangriffe. Dabei wurden aus der Luft unter anderem Minenteppiche gelegt81 sowie Hafeneinrichtungen und Brücken zerstört82. Mit dem raschen Vorrücken der Roten Armee und dem Abfallen des ursprünglichen Bündnispartners Rumänien kam es zu einem unkoordinierten Rückzug der deutschen Truppen aus der Schwarzmeerregion. Der deutschen Flotte gelang es nicht rechtzeitig, sich in die Donau zurückzuziehen83, und so mußten sich nur unzulänglich eskortierte Konvois mit teils über hundert Binnenschiffen gegen bereits vom Feind gehaltene Uferbatterien Richtung Mitteleuropa durchkämpfen84. Um das Nachrücken der Sowjetarmee sowie der sowjetischen Donauflottille zu behindern, wurden zusätzliche Zerstörungen an den Schiffahrtsanlagen und Brücken angerichtet85. Nach Kriegsende kontrollierte die Sowjetarmee die Donau flußaufwärts bis zur Mündung der Enns, unterhalb von Linz86. Auf diesem Sektor, 77 Europa-Archiv 1948 (Anm. 73, S. 1642 f.) und Jaenicke (Anm. 73, S. 55 f.). Treibende Kraft zur Revision des seit dem Ersten Weltkrieg von England und Frankreich dominierten Pariser Statuts war das Deutsche Reich, vgl. Documentation française vom 27. Oktober 1956 (Anm. 76), S. 5. 78 Ibid., S. 5 f., Seidl-Hohenveldern (Anm. 22, S. 254 f.). Die Sowjetunion forderte u. a. eine freie Einfahrt ihrer Kriegsschiffe in die Donaumündung und eine Beteiligung an der seit 1939 rumänischen Mündungsverwaltung, siehe W. Wegener, Die Internationale Donau (1951), S. 34, Europa-Archiv 1948 (Anm. 73, S. 1643). 79 Vgl. ibid. sowie J. Meister, Der Seekrieg in den osteuropäischen Gewässern 1941–45 (1958), S. 310 f. 80 Insgesamt wurden 428 Kriegs- und Handelsschiffe mit bis zu 250 BRT zunächst über die Elbe, dann mit Spezialtransporten über die Autobahn und schließlich auf der Donau ins Schwarze Meer geschafft, siehe ibid., S. 232. 81 Ibid., S. 304, 311 f. 82 Europa-Archiv 1948 (Anm. 73, S. 1643). 83 Meister (Anm. 79), S. 306 f., 314. 84 Ibid., S. 314 ff., 328 ff. 85 Ibid., S. 312, 321, 330 f., Europa-Archiv 1948 (Anm. 73, S. 1643), Baxter (Anm. 1), S. 236.

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ebenso wie auf dem von den Amerikanern gehaltenen Teil des Flusses, konnte der Schiffsverkehr durch intensive Arbeiten jeweils nach einigen Monaten provisorisch wieder aufgenommen werden87. Blockiert blieb lediglich die Grenze zwischen den amerikanisch und sowjetisch besetzten Zonen in Österreich88. Das beruhte zum einen auf Streitigkeiten um den Verbleib der in Deutschland in Sicherheit gebrachten Teile der österreichischen Binnenschiffahrtsflotte89. Zum anderen war die Sowjetunion aber auch aus politischen Gründen nur wenig daran interessiert, den Westmächten durch die Wiederherstellung der Schiffahrtsfreiheit auf der Donau eine Möglichkeit zur wirtschaftlichen Einflußnahme auf die von ihr kontrollierten Donaustaaten einzuräumen90. Wiederholte Forderungen der Westalliierten, die Freiheit der Donauschifffahrt wiederherzustellen, blieben ohne Erfolg91. Im November 1946 ging 86 S. Gorove, Law and Politics of the Danube (1964), S. 71. Von der Einmündung der Enns flußaufwärts bis Bayern gehörte das nördliche Donauufer zur sowjetischen, das südliche zur amerikanischen Besatzungszone, vgl. Documentation française vom 27. Oktober 1956 (Anm. 76), S. 7. 87 Der erste Konvoi von Bratislava (Preßburg) erreichte den rumänischen Donauabschnitt im September 1945, Navigation du Rhin 1946, Reprise du trafic danubien, S. 24. Die Befahrbarkeit des deutschen Donauabschnitts wurde im März 1946 wiederhergestellt, ibid. 1948, Situation des voies navigables en Allemagne, S. 145 ff. (S. 145). Es ist allerdings anzumerken, daß die Donau von den Zerstörungen des Krieges weitaus weniger betroffen war als etwa der Rhein oder die in Mitteldeutschland gelegenen Füße, vgl. Documentation française vom 27. Oktober 1956 (Anm. 76), S. 3, 7. 88 J. L. Kunz, The Danube Regime and the Belgrade Conference, AJIL 1949, S. 104 ff. (S. 106), Navigation du Rhin 1947, La situation du trafic sur le Danube, S. 509 ff. (S. 510). 89 Ibid. S. 509 f. Die österreichische DDSG war nach dem „Anschluß“ größtenteils den Reichswerken Herrmann Görings eingegliedert worden und wurde deshalb von der Sowjetunion unter Berufung auf das Potsdamer Abkommen als deutsches Beutegut betrachtet, Documentation française vom 27. Oktober 1956 (Anm. 76), S. 11, 18 f. 90 Siehe Europa-Archiv 1946, Die Pariser Konferenz von 1946, S. 187 ff. (S. 206): Gegen Forderungen, die Schiffahrtsfreiheit auf der Donau wiederherzustellen, polemisierte der sowjetische Außenminister W. M. Molotow am 10. Oktober 1946, der Westen, in erster Line die Vereinigten Staaten, versuchten mit ihrer „Dollarpolitik“, Europa „wirtschaftlich zu versklaven“. Die Vereinigten Staaten hätten am Krieg viel Geld verdient, und sie würden versuchen, noch mehr zu verdienen, indem sie jetzt eine freie Donauschiffahrt verlangten. 91 Siehe schon die Rede Bevins vom 4. Juli 1946, Europa-Archiv 1946, S. 55 f. (S. 56): Der britische Außenminister E. Bevin berichtet vor dem House of Commons, Molotow habe geäußert, es könne „nicht als korrekt“ angesehen werden, daß gewisse Staaten, die nicht an der Donau liegen, das Recht haben sollten, den Donaustaaten ihren Willen zu diktieren und auf der Donau ein Regime zu errichten, das die Interessen der Donaustaaten nicht berücksichtige. Er (Bevin) hingegen sehe

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die Sowjetunion immerhin auf den Vorschlag, eine Donaukonferenz abzuhalten, ein92. Die von ihr gestellten Bedingungen führten jedoch dazu, daß die drei Westmächte von der Sowjetunion und den unter ihrem Einfluß stehenden Donaustaaten auf der im Folgejahr in Belgrad stattfindenden Konferenz ohne weiteres überstimmt werden konnten93. Mit Hilfe dieser Mehrheit wurde dann auch der sowjetische Entwurf einer neuen Donaukonvention ohne wesentliche Änderungen angenommen94; ein Protokoll konstatierte zusätzlich, daß das Pariser Statut außer Kraft getreten sei95. Auf die Berechtigung der Behauptung eines Außerkrafttretens des Pariser Donaustatuts wird noch näher einzugehen sein; die drei Westmächte und die bei der Konferenz nicht vertretenen weiteren Vertragsstaaten der Pariser Konvention reagierten jedenfalls mit Protesten96 und halten bis heute an der Gültigkeit des alten Statuts fest97. keinen Konflikt mit den Interessen der Donaustaaten, da alle ein gleich großes Interesse an der Wiederbelebung des Handels und der Schiffahrt auf dem größten europäischen Wasserweg hätten. 92 Europa-Archiv 1947, Das Problem der freien Donauschiffahrt, S. 326 f. (S. 327). 93 Großbritannien hatte in den Verhandlungen Ende 1946 gefordert, Griechenland (als an der alten Donaukonvention beteiligten und wirtschaftlich an der Donauschiffahrt interessierten Staat) zur kommenden Donaukonferenz zuzulassen, was von der Sowjetunion abgelehnt wurde, siehe ibid. Ebenso abgelehnt wurde die im Vorfeld der Konferenz wiederholt erhobene Forderung, Österreich mit vollem Stimmrecht teilnehmen zu lassen, ibid. 1948, Die Belgrader Donaukonferenz, S. 1641 ff. (S. 1643). Da die drei Westmächte auch auf eine vorherige Festlegung eines angemessenen Abstimmungsmodus verzichtet hatten, konnten die mehrheitlich sowjetisch kontrollierten Donaustaaten zu Konferenzbeginn beim Aushandeln der Verfahrensordnung problemlos das Mehrheitsprinzip durchsetzen, vgl. ibid., S. 1645. Die von den Westmächten an die Sowjetunion gemachten Zugeständnisse wurden von Beobachtern später als schwer Fehler bewertet, mit dem sich die Westmächte von vornherein der Möglichkeit begeben hatten, auf der Belgrader Konferenz einen angemessenen Interessenausgleich zu erzielen, siehe Wegener (Anm. 78) S. 38, SeidlHohenveldern (Anm. 22, S. 255), Kunz (Anm. 88, S. 111). 94 Vgl. Conférence Danubienne, Beograd 1948, Recueil des Documents (Edition du ministre des Affaires étrangères de la RPFY 1949), 11. und 12. Plenarsitzung vom 18. August 1948, S. 239 ff. (S. 245, 247, 251 ff.) und 267 ff. (S. 269), EuropaArchiv 1948, Die Belgrader Donaukonferenz, S. 1705 ff. (S. 1707 f.), L. Imbert, Le régime juridique actuel du Danube, RGDIP 1951, S. 73 ff. (S. 84). 95 Ziff. 1 des Zusatzprotokolls zur Belgrader Konvention, 18. August 1948, UNTS Bd. 33, S. 196 (S. 222). 96 Die nicht zur Belgrader Konferenz geladenen Vertragsstaaten der Pariser Konvention (Belgien, Griechenland und Italien) meldeten am 16. August 1948 Vorbehalte gegen die Konferenzbeschlüsse an und verlangten die Wahrung ihrer Rechte, Europa-Archiv 1948 (Anm. 94, S. 1708); bei der 11. Plenarsitzung der Konferenz am 18. August 1948 erhoben die in Belgrad vertretenen Westmächte (auch im Namen Belgiens, Griechenlands und Italiens) erneuten Protest, Conférence Danu-

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Während der durch den Zerfall des früheren Jugoslawien ausgelösten Konflikte wurde die Donauschiffahrt erneut durch Kampfhandlungen beeinträchtigt. So kamen beispielsweise beim Beschuß ukrainischer Binnenschiffe im Jahre 1991 zwei Besatzungsmitglieder ums Leben98. Weitere Probleme ergaben sich aus der Verhängung eines Waffen- sowie eines allgemeinen Wirtschaftsembargos99 gegen das ehemalige Jugoslawien. Diese wurden selbst nach der Verhängung eines Transitverbots für diverse kriegswichtige Produkte100 häufig durch Donauschiffe umgangen101; die an Jugoslawien grenzenden Uferstaaten erwiesen sich dabei als zur Durchsetzung bienne, Recueil des Documents (Anm. 94), S. 239 ff. (S. 245, 247, 249, 255). Siehe weiterhin die französische Erklärung in der 6. Plenarsitzung vom 5. August 1948, ibid., S. 141 ff. (S. 147 ff.), sowie RGDIP 1949, S. 551 ff., und die anläßlich einer Tagung der neuen Donaukommission abgegebene Protestnote der USA vom 15. November 1949, Department of State Bulletin vom 28. November 1949, Bd. XXI, Nr. 543, S. 832. 97 Die im Pariser Statut vorgesehene Europäische Donaukommission wurde auch nach 1948 von Frankreich, Großbritannien und Italien aufrecht erhalten; als weiteres Kommissionsmitglied wurde 1955 Griechenland aufgenommen, siehe die Explanatory Note zum Agreement between the European Commission of the Danube and the Governments of the French Republic etc. (London, Her Majesty’s Stationery Office, Miscellaneous No. 4 [1978]), S. 2. Im Annex A einer am 23. April 1977 in Rom geschlossenen Übereinkunft bezüglich finanzieller Fragen der Kommission, ibid., S. 3, sowie AFDI 1981, S. 763, wird durch die Bezugnahme auf die Möglichkeit einer künftigen Auflösung der Kommission klargestellt, daß diese weiter fortbestand. Sengpiel (Anm. 22), S. 113 f., berichtet 1998, Frankreich und Großbritannien bestünden weiterhin auf einer Benutzung der Donau gemäß den Bestimmungen des Pariser Statuts. Eine von der Europäischen Union am 15. November 1999 verlautbarte Aufforderung an Jugoslawien, die Schiffahrtsfreiheit nach dem Ende des Kosovokonflikts wiederherzustellen, gibt durch eine Bezugnahme auf die Pariser Konvention ebenfalls zu erkennen, daß einige EU-Mitgliedstaaten bis heute an ihrer diesbezüglichen Position festhalten, siehe die Presseerklärung der 2217. Tagung des Rates der EU, PRES/99/344, europa.eu.int/comm./external_relations/news/11_99/ pres_99_344.htm. 98 Commission du Danube (Anm. 4), S. 272. 99 Sicherheitsratsresolutionen 713 (1991), 25. September 1991, und 757 (1992), 30. Mai 1992. 100 Resolution 787 (1992), 16. November 1992, Abs. 9 (betroffen waren u. a. Öl, Kohle, Stahl, KFZ etc.). 101 Geschmuggelt wurde vor allem Öl aus Rußland, der Ukraine und Rumänien, vgl. die bulgarische Note vom 3. Februar 1993, in: Conseil de Sécurité, Documents officiels, Suppl. I 1993, S. 156 f. (S/25235). Zu einem Zwischenfall kam es insbesondere im Fall des jugoslawischen Schleppkonvoi „Bihac“, der nach mehrfachen Aufforderungen zum Anhalten so massive Drohungen aussprach, daß Rumänien und Bulgarien sich zu einem gewaltsamen Eingreifen außerstande sahen, vgl. die bulgarische Presseerklärung vom 27./28. Januar 1993, ibid., S. 121 f. (S/25182); siehe auch die Stellungnahme des ungarischen Vertreters in der Donaukommission, 20. April 1993, CD/SES 51/PV 1, Procès-Verbaux de la Commission du Danube Bd. 51 (1993), S. 11 ff. (S. 22).

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des Embargos nicht in der Lage102. Gleichzeitig mit der Verhängung einer „Blockade“103 der jugoslawischen Seehäfen104 ordnete der Sicherheitsrat deshalb 1993 weitergehende Beschränkungen der Donauschiffahrt an. Über die bereits bestehenden Verkehrsverbote hinaus wurden sämtliche Transporte über den jugoslawischen Donauabschnitt mit einem Verbot mit einem durch das Sanktionskomitee des Sicherheitsrats105 ausgeübten Erlaubnisvorbehalt belegt106; der Verkehr jugoslawischer Schiffe auf dem Territorium von Drittstaaten war gänzlich zu unterbinden107. Zur Kontrolle wurden zusätzlich Einheiten der WEU herangezogen108, die fortan gemeinsam mit den Uferstaaten alle passierenden Schiffe auf den Transport von Konterbande hin zu untersuchen hatten109. 102 Vgl. das 22. Februar 1993 dem Präsidenten des Sicherheitsrats übersandte Memorandum Bulgariens, Rumäniens und der Ukraine, in dem zu einer „substantielleren“ Unterstützung der Donaustaaten bei der Durchsetzung des Embargos aufgeordert wurde, Conseil de Sécurité, Documents officiels, Suppl. I 1993, S. 206 f. (S/25322). 103 Art. 42 S. 2 SVN nennt als mögliche Zwangsmaßnahme des Sicherheitsrats die Verhängung einer „Blockade“. Dabei handelt es sich aber nicht um eine Blokkade im traditionellen Sinne, sondern einfach um eine Militäraktion „with a view to sealing off particular coasts or land areas“, J. A. Frowein/N. Krisch, in: B. Simma, The Charter of the United Nations, Bd. I (2. Aufl. 2002), S. 755 (Art. 42, Rn. 16). Unterschiede ergeben sich zwangsläufig daraus, daß die seekriegsrechtlichen Blokkaderegeln dazu dienen, die militärischen Interessen der Kriegführenden mit den Wirtschaftsinteressen der Neutralen zum Ausgleich zu bringen, vgl. Lauterpacht (Anm. 48), S. 768 f. (§ 368). Diese Regeln sind im Falle der Verhängung kollektiver Zwangsmaßnahmen nicht interessengerecht und werden ggf. durch Art. 25, 48, 103 sowie 2 Ziff. 6 SVN verdrängt; ein Ausgleich für wirtschaftlich besonders stark betroffene Drittstaaten kann über Art. 50 SVN erfolgen. 104 Resolution 820 (1993), 17. April 1993, Abs. 28 f. 105 Die Einrichtung des Sanktionskomitees erfolgte gemäß Resolution 724 (1991), 15. Dezember 1991. 106 Resolution 820 (1993), 17. April 1993, Abs. 15. 107 Ibid., Abs. 16, Lit. a) und b). 108 Siehe den Jahresbericht 1993 der ebenfalls mit der Umsetzung der Sanktionen befaßten KSZE, Gliederungspunkt II.2.7, in: U. Fastenrath, KSZE/OSZE (Losebl.Ausg.), Dokument K.1, S. 9. 109 Resolution 820 (1993), 17. April 1993, Abs. 15, 17, 20; vgl. auch Resolution 992 (1995), 11. Mai 1995, Abs. 3. Die von der WEU durchgeführten Kontrollen stießen wegen des erheblichen Zeitaufwandes teilweise auf scharfe Kritik seitens der Donaustaaten, vgl. z. B. die Stellungnahme des ukrainischen Vertreters in der Donaukommission, 12. April 1994, CD/SES 52/PV 1, Procès-Verbaux de la Commission du Danube Bd. 52 (1994), S. 11 ff. (S. 34). Trotz der Kontrollen kam es aber weiterhin zu Schmuggel von erheblichem Umfang, vgl. den Bericht der United States Energy Information Administration, 10. Juni 1999, Enforcement of Serbian Sanctions and Embargo, www.eia.doe.gov/emeu/cabs/serbsanc.html, sowie die im Namen des Sicherheitsrats abgegebene Erklärung des Präsidenten des Sicherheitsrats, Sitzung vom 14. März 1994, S/PV.3348, S. 2 (entspr. S/1994/PRST/10).

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Das zunehmend beeinträchtigte Interesse des ehemaligen Jugoslawien an der Donauschiffahrt führte zu Repressalien gegen die immer seltener passierenden Binnenschiffe dritter Staaten110. Zum einen wurde der Fluß teils längerfristig von serbischen paramilitärischen Einheiten blockiert, wobei die offiziellen jugoslawischen Sicherheitskräfte nichts unternahmen, um die Schiffahrtsfreiheit wiederherzustellen111. Gleichzeitig begannen offizielle jugoslawische Stellen, von den Binnenschiffen hohe „Sicherheitsgebühren“ zu verlangen112, die unter anderem mit Hinweis auf die fehlenden eigenen Einkünfte aus der Donauschiffahrt gerechtfertigt wurden113. Die durch die Auseinandersetzungen auf dem Gebiet des früheren Jugoslawien verursachten Beeinträchtigungen spiegeln sich in den Statistiken bezüglich der Gesamtmenge der auf der Donau transportierten Waren wider. Wurden im Jahre 1989 noch 90 Millionen Tonnen Güter auf dem Fluß transportiert, so verringerte sich diese Zahl bis zum Jahre 1993 auf unter 30 Millionen Tonnen114. Ein begrenzter Aufschwung wurde erst Ende 1995 durch die Suspension der die Donauschiffahrt betreffenden Sanktionen des Sicherheitsrats115 ermöglicht. Wegen der zwischenzeitlich erfolgten Verlagerung der Verkehrsströme auf andere Verkehrsträger116 (bzw. der dauernden 110 Vgl. die im Namen des Sicherheitsrats abgegebene Erklärung, ibid., in der Jugoslawien u. a. zum Respekt der Schiffahrtsfreiheit auf der Donau angehalten wird, sowie die Erklärung vom 13. Oktober 1993, S/PV.3290, S. 6 (entspr. S/26572), in welcher es als „vollkommen inakzeptabel“ bezeichnet wird, daß Jugoslawien „Repressalien“ gegen Aktivitäten unternimmt, die von Staaten in Erfüllung ihrer Pflichten gemäß der SVN durchgeführt werden. 111 Siehe ibid. Bulgarien und Österreich hatten sich bereits zuvor über von Jugoslawien gebilligte Blockaden der Donau beklagt, siehe die an den Präsidenten des Sicherheitsrats gerichteten Schreiben vom 4. März bzw. 30. Juli 1993, Conseil de Sécurité, Documents officiels, Suppl. I 1993, S. 234 f. (S/25373), bzw. Suppl. III 1993, S. 135 (S/26206); siehe auch den ukrainischen Bericht in der Donaukommission, 12. April 1994 (CD/SES 52/PV 1), Procès-Verbaux de la Commission du Danube Bd. 52 (1994), S. 34 ff. (35 f.). 112 Vgl. die wiederholte Aufforderung des Sicherheitsrats, von der als illegal bezeichneten Einforderung der „Sicherheitsgebühr“ abzusehen, Erklärung des Präsidenten in der Sitzung vom 13. Oktober 1993, S/PV.3290, S. 6 (entspr. S/26572), Präambel der Resolution 992 (1995), 11. Mai 1995. Vgl. auch die Resolution der Donaukommission vom 28. April 1993, CD/SES 51/40, Procès-Verbaux de la Commission du Danube Bd. 51 (1993), S. 86, sowie die Stellungnahmen des ungarischen bzw. österreichischen Vertreters in der Donaukommission, 12. April 1995, CD/SES 53/PV 2, ibid. Bd. 53 (1995), S. 41 ff. (S. 76, 83). 113 Stellungnahme des jugoslawischen Vertreters in der Donaukommission, 20. April 1993, CD/SES 51/PV 1, ibid. Bd. 51 (1993), S. 11 ff. (S. 19 f.), sowie 28. April 1993, CD/SES 51/PV 2, ibid., S. 29 ff. (S. 36 f., 41). 114 Sengpiel (Anm. 22), S. 3. 115 Resolution 1022 (1995), 22. November 1995; die endgültige Aufhebung der Sanktionen erfolgte durch die Resolution 1074 (1996), 1. Dezember 1996.

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Unterbrechung ehemaliger Wirtschaftsbeziehungen) stieg die jährliche Transportmenge bis 1998 dennoch nur langsam bis auf 40 Millionen Tonnen an117. Eine erneute Unterbrechung des Schiffsverkehrs bewirkte während des Kosovokonflikts die am 1. April 1999 beginnende wiederholte Bombardierung von jugoslawischen Donaubrücken durch NATO-Kampfflugzeuge und Raketen. Dabei wurden insgesamt sieben Donaubrücken zerstört oder stark beschädigt118. Die Trümmer der drei in Novi Sad zerstörten Brücken konnten aus verschieden Gründen erst im Laufe des Jahres 2001 partiell geräumt werden119. Der seither wieder mögliche Schiffsverkehr wurde allerdings bis zum Jahre 2005 durch eine provisorische Pontonbrücke behindert120. Die Verzögerungen bei den Aufräumarbeiten resultierten zunächst aus der ablehnenden Haltung der ehemaligen jugoslawischen Führung gegenüber einer Initiative der Donaukommission, den Streckenabschnitt in Novi Sad mit finanzieller Unterstützung der Europäischen Gemeinschaft wieder schiffbar zu machen121. Die jugoslawische Position war dabei, daß die Teilnehmer der NATO-Luftangriffe durch die Zerstörung der Brücken die Schiffahrtsfreiheit auf der Donau verletzt hätten122 und deshalb für die Aufräumarbeiten und den Wiederaufbau der Brücken aufkommen müßten123. Die west116

Siehe die Berichte der jeweiligen Präsidenten der Donaukommission, 16. April 1996 (CD/SES 54/PV 1), Procès-Verbaux de la Commission du Danube Bd. 54 (1996), S. 14 ff. (S. 15), 15. April 1997 (CD/SES 55/PV 1), ibid. Bd. 55 (1997), S. 19 ff. (S. 19). 117 Le Point, 17. September 1999 (La bataille du Danube). 118 Siehe oben, Anm. 6. 119 FAZ, 7. Dezember 2001, S. 7 (Die Freiheitsbrücke liegt in der Donau). 120 Die neben der zerstörten „Freiheitsbrücke“ errichtete Pontonbrücke wurde zuletzt dreimal pro Woche für den Schiffsverkehr geöffnet, The European Union Online, Reconstruction of the Sloboda Bridge at Novi Sad to begin, 23. Juli 2002, europa.eu.int/comm/external_relations/see/news/ip02_1123.htm, sowie FAZ vom 27. Februar 2002, S. 7 (Bergung von Bomben und Trümmern aus der Donau). 121 Vgl. die letztendlich mit der grundsätzlichen Zustimmung Jugoslawiens zustande gekommene Entscheidung der Donaukommission zum Projekt der „Wiederschiffbarmachung der Donau“ („Clearance of the fairway of the Danube“), 25. Januar 2000, CD/SES-V. Extr./4, sowie den Beschluß des Rates der EG vom 17. Juli 2000 über den Beitrag der Gemeinschaft zum Internationalen Fonds für die „Wiederschiffbarmachung der Donau“, ABl. Nr. L 187 vom 26. Juli 2000, S. 45 (2000/ 474/EG). 122 Siehe die am 29. April 1999 von Jugoslawien beim IGH eingereichte Klageschrift mit Antrag auf Erlaß vorläufiger Maßnahmen in den Affären Legality of Use of Force (Anm. 6), sowie die Ausführungen des jugoslawischen Vertreters in der Sitzung des IGH vom 10. Mai 1999, CR 99/14. 123 Le Figaro, 12. Oktober 1999, S. 2 (La vengeance du Danube), FAZ, 27. Januar 2000, S. 16 (Gefährliche Blockade).

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lichen Staaten hingegen lehnten ihrerseits Kompromißvorschläge hinsichtlich der Finanzierung zumindest einer in Novi Sad dringend benötigten Brücke124 durch den im Anschluß an den Kosovokonflikt eingerichteten Stabilitätspakt für Süd-Osteuropa125 ab, weil Jugoslawien zunächst die für die Teilnahme am Pakt notwendigen Kriterien bezüglich Demokratie und Menschenrechten nicht erfüllte126. Fortschritte konnten erst nach der Machtübernahme durch die demokratisch legitimierte Regierung Vojislav Kostunicas erreicht werden, wobei das Fortkommen der Arbeiten allerdings auch weiter durch diverse Unstimmigkeiten und technische Probleme beeinträchtigt wurde127. *** Das praktische Interesse, die mit dem Status der Donauschiffahrt im Falle bewaffneter Konflikte verbundenen Fragen näher zu beleuchten, läßt sich anhand der von den Donaustaaten in den letzten Jahren erlittenen wirtschaftlichen Einbußen verdeutlichen. Die Anlieger der unteren Donau sind seit jeher in hohem Maße von dem über die Donau erfolgenden Export von 124 Die Donaukommission lehnte es grundsätzlich ab, sich mit der jugoslawischen Forderung nach einer Wiedererrichtung der Donaubrücken zu beschäftigen, da dies außerhalb ihrer die Donauschiffahrt betreffenden Kompetenzen lag. Als Entgegenkommen der anderen Mitgliedstaaten der Donaukommission war jedoch in der Entscheidung vom 25. Januar 2000 (Anm. 121) vorgesehen, daß die Kommission sich – neben der Durchführung des Projekts der Wiederschiffbarmachung der Donau – dafür „verwenden“ würde („s’employer“), die in Novi Sad die Schiffahrt behindernde Pontonbrücke durch den Wiederaufbau der zerstörten „Freiheitsbrücke“ zu ersetzen. 125 Zum Stabilitätspakt für Süd-Osteuropa siehe oben, Anm. 10. 126 Wegen der politischen Situation unter S. Milosevic war Jugoslawien anfänglich von den Aktivitäten des Stabilitätspaktes ausgeschlossen, siehe M.-J. Calic, Der Stabilitätspakt für Südosteuropa, Das Parlament, Beilage Aus Politik und Zeitgeschichte Nr. 13/14, 23. März 2001 (www.das-parlament.de/13-14-2001/beilage/b-a3.html); darüber hinaus sollte die jugoslawische Führung mit gezielten Sanktionen geschwächt werden, vgl. den Gemeinsamen Standpunkt des Rates der EU betreffend zusätzlicher restriktiver Maßnahmen gegen die BRJ, 10. Mai 1999, ABl. Nr. L 123 vom 13. Mai 1999, S. 1. Aufgrund dieser Sanktionen waren die westlichen Staaten nicht bereit, Forderungen nach einem Wiederaufbau zumindest der die verschiedenen Stadtteile Novi Sads verbindenden „Freiheitsbrücke“ zu entsprechen (vgl. Anm. 124). Das stieß bei einigen Donaustaaten auf Kritik, vgl. die Rede des ukrainischen Außenministers B. Tarasyuk, The New Geopolitics of Southeastern Europe, New York, 2. Mai 2000, www.mfa.gov.ua/eng/info/tarasyuk/r2000/0502.html. 127 Vgl. FAZ, 7. Dezember 2001, S. 7 (Die Freiheitsbrücke liegt in der Donau), sowie 17. Januar 2002, S. 1 (Minister schimpfen im Kabinett über die EU-Kommission), und 18. Januar 2002, S. 7 (Patten reagiert mit Unverständnis auf Hombachs Kritik).

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Rohstoffen und Agrarprodukten nach Mitteleuropa abhängig128. Dies trifft insbesondere für das mit einer sonst nur unzureichenden Verkehrsinfrastruktur ausgestattete Bulgarien zu, das vor Beginn der Konflikte auf dem Gebiet des früheren Jugoslawien 65 Prozent seiner Exporte über die Donau abwikkelte129. Erhebliche Verluste erlitten auch Rumänien, das bis 1991 jährlich Waren im Wert von ca. 250 Millionen US-Dollar über die Donau exportierte130, und die Ukraine, die ihre wirtschaftlichen Einbußen allein für den Zeitraum von 1993 bis 1995 mit 4 Milliarden US-Dollar beziffert131. Beträchtliche, wenn auch durch das bereits reduzierte Verkehrsaufkommen132 proportional geringere Verluste wurden durch die im Kosovokonflikt herbeiführte neuerliche Sperrung des jugoslawischen Donauabschnitts verursacht. Die Ukraine schätzte ihre Einbußen insoweit auf jährlich ca. 600 Millionen US-Dollar133, und nach von der Budapester Donaukommission veröffentlichten Zahlen können die für die internationale Donauschiffahrt bis Ende 2001 entstandenen Schäden auf insgesamt annährend eine Milliarde Euro hochgerechnet werden134. Trotz der besonderen praktischen Bedeutung der anläßlich der Konflikte im früheren Jugoslawien entstanden Probleme der Donauschiffahrt richtet sich ein Hauptaugenmerk dieser Arbeit auch auf die Gegenüberstellung der Situation der Schiffahrt während unterschiedlicher „Typen“ von Konflikten. Dabei fällt schon anhand der vorstehend geschilderten Tatsachen ein Unterschied zwischen den begrenzten Konflikten des 19. Jahrhunderts und den für die zivile Donauschiffahrt relativ nachteiligen Konflikten des 20. Jahrhunderts ins Auge. Dieses Phänomen läßt sich auch juristisch durch einen 128 Vgl. Le Figaro, 12 Oktober 1999, S. 2 (La vengeance du Danube), Chamberlain (Anm. 22), S. 106; zum Wiederanlaufen dieser Lieferungen nach einer Unterbrechung infolge des Zweiten Weltkrieges siehe Documentation française vom 27. Oktober 1956 (Anm. 76), S. 20. 129 Le Point, 17 September 1999 (La bataille du Danube). 130 Ibid. 131 Rede des ukrainischen Außenministers B. Tarasyuk, 2. Mai 2000 (Anm. 126 in fine); vgl. auch die Angaben des ukrainischen Vertreters in der Donaukommission, 16. April 1996, CD/SES 54/PV 1, Procès-Verbaux de la Commission du Danube Bd. 54 (1996), S. 11 ff. (S. 29). 132 Vgl. die oben, bei Anm. 114 bis 117. 133 Siehe die Rede des ukrainischen Außenministers B. Tarasyuk vor der Generalversammlung der VN, 21. September 1999, www.infoukes.com/ukremb/sp-taras. shtml. 134 Die Donaukommission schätzte die Verluste für Schiffahrtsgesellschaften, Werften und Flußhäfen auf eine Million Euro täglich, vgl. die Dokumentation der Donaukommission, The Danube Clearance Project in Novi Sad Overview, www. dunacom.org/clearance/, sowie die FAZ vom 7. Dezember 2001, S. 7 (Die Freiheitsbrücke liegt in der Donau).

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Wandel der auf die Donauschiffahrt anwendbaren Normen nachvollziehen, wobei hier zur Einführung bereits einige wichtige Entwicklungen angedeutet werden sollen. Das 19. Jahrhundert ist für die Donauschiffahrt, wie auch für die zivile Schiffahrt im allgemeinen135, von einer zunehmenden Verbesserung ihrer Stellung im Falle bewaffneter Konflikte charakterisiert136. Für die Donau spielte dabei der besondere Charakter des Pariser Statuts als eines objektiven Regimes137 eine nicht unwesentliche Rolle. Als solches zeichnet es sich dadurch aus, daß seine Wirkungen nicht auf den Kreis der Vertragsparteien des an seinem Ursprung stehenden Statusvertrages begrenzt sind, sondern daß ebenfalls Drittstaaten durch darin enthaltene, erga omnes wirkende Normen berechtigt und verpflichtet werden138. Dies führte zum Beispiel dazu, daß das nicht am Abschluß des Berliner Vertrages von 1878 beteiligte Rumänien im serbisch-bulgarischen Krieg von 1885 selbst gegenüber anderen Drittstaaten den Respekt der 1878 vereinbarten Demilitarisierung der unteren Donau einfordern konnte139. Auf die Besonderheiten der Schaffung und Modifizierung von objektiven Regimes durch Statusverträge wird im Zusammenhang mit dem Problem der angeblichen Ablösung des Pariser Statuts durch die Belgrader Konven135 Siehe z. B. die Pariser Seerechtsdeklaration vom 16. April 1856, Martens, NRG I 15, S. 791, mit der u. a. die Kaperei und fiktive Blockaden untersagt wurden (Ziff. 1 und 4). 136 Die Freiheit der Donauschiffahrt wurde als allgemeinverbindliche Regel überhaupt erst auf dem Pariser Kongreß 1856 etabliert; Verbessungen ihrer Stellung im Falle bewaffneter Konflikte wurden dann 1865 und 1878 beschlossen, siehe oben, Anm. 13, 14. 137 H. Waldock hat die objektiven Regime in seinem dritten Bericht zum Völkervertragsrecht in einem diesbezüglich vorgeschlagenen Art. 63 Abs. 1, YBILC 1964, Bd. 2, S. 5 ff. (S. 26), wie folgt definiert: „A treaty establishes an objective régime when it appears from its terms and from the circumstances of its conclusion that the intention of the parties is to create in the general interest general obligations and rights relating to a particular region, State, territory, locality, river, waterway“ etc. Der Charakter des Pariser Donaustatuts als eines objektiven Regimes wird (soweit nicht die Besonderheiten objektiver Regime generell in Abrede gestellt werden, vgl. K. Ipsen, Völkerrecht [4. Aufl. 1999], S. 134 [§ 12, Rn. 28]), allgemein vorausgesetzt, vgl. E. Klein (Anm. 26), S. 269 f., 275, Jacqué (Anm. 22, S. 753 f.), P. Daillier/A. Pellet, Droit international public (Nguyen Quoc Dinh, 6. Aufl. 1999), S. 248 (§ 161). 138 Siehe Waldock (Anm. 137), E. Klein (Anm. 26), S. 209 ff., 217 ff., 250 ff., Jacqué (Anm. 22, S. 753 f.), Daillier/Pellet (Anm. 137), S. 247 f. (§ 161). Vom Ansatz her a. A. ist Ipsen (Anm. 137), der die objektiven Regime für einen Kunstbegriff hält und die allgemeine Wirkung von Statusverträgen durch eine Transformation in Gewohnheitsrecht zu erklären versucht; zu den Unzulänglichkeiten dieser Erklärung siehe E. Klein (Anm. 26), S. 165 ff. (insb. S. 169 f.). 139 Vgl. oben, bei Anm. 56.

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tion noch näher einzugehen sein140. Hier ist zunächst nur von Interesse, daß die 1856 vereinbarte Anwendung der Prinzipien der Wiener Kongreßakte auf die Donau141 mit einer Erklärung versehen wurde, wonach diese Bestimmung zum „droit public de l’Europe“ gehöre und fortan unter die Garantie der am Friedensschluß beteiligten Großmächte stehe142. Es handelte sich somit um eine auf die Regelung von Allgemeininteressen abzielende Bestimmung, deren Einhaltung unabhängig von einem aktuellen individuellen Interesse jedenfalls durch alle damaligen Vertragsparteien geltend gemacht werden konnte143. Die im Allgemeinen Friedensvertrag vorgesehene Garantie der freien Donausschiffahrt hat im russisch-türkischen Krieg von 1877/78 dank des bereits angedeuteten günstigen Kräfteverhältnisses zwischen neutralen und kriegführenden Mächten weitgehend ihre Wirksamkeit entfalten können. Zwangsläufig wirkungslos bleiben mußte sie hingegen im Ersten Weltkrieg, da relativ rasch sämtliche europäischen Großmächte in das Kriegsgeschehen eingriffen144. Dieses Leerlaufen der ursprünglich vorgesehenen Garantie bewirkte jedoch nicht automatisch die Unanwendbarkeit der die Freiheit der neutralen Schiffahrt gewährleistenden Regeln in diesem Konflikt. Diese galten, wie noch näher dargelegt werden wird, vielmehr solange fort, wie nicht alle Vertragsstaaten des Pariser Statuts in den Krieg verwickelt waren145. Der Kriegseintritt auch der übrigen Vertragsparteien hatte dann aber schließlich zur Folge, daß die Regeln zum Schutze der neutralen Schiffahrt tatsächlich gegenstandslos wurden146. 140

Siehe schon oben, bei Anm. 23 bis 26. Siehe oben, bei Anm. 30, 31. 142 Artikel XV Abs. 1 des Allgemeinen Friedensvertrages, 30. März 1856 (Anm. 13). 143 Unabhängig von der konkreten Ausgestaltung des Pariser Donaustatuts von 1856 handelt es sich bei Statusverträgen generell um integrale Verträge, so daß eine Vertragsverletzung durch eine Partei automatisch eine Verletzung der Rechte aller anderen Parteien zur Folge hat. Alle Parteien können deshalb jeweils einzeln oder gemeinsam die Einhaltung der vertraglich geschaffenen Ordnung fordern und nötigenfalls auch erzwingen, siehe E. Klein (Anm. 26), S. 234 ff., 240 ff., 248 ff. 144 Als letzte europäische Großmacht trat Italien am 23. Mai 1915 in den Krieg ein. 145 Zur Freiheit der neutralen Schiffahrt auf der Donau siehe schon die oben, bei Anm. 43 bis 45, geschilderte Praxis des russisch-türkischen Krieges 1877/78. 146 Bzgl. der Nutzung internationaler Wasserstraßen im Falle bewaffneter Konflikte besteht eine Tendenz dahingehend, die Schiffahrtsfreiheit im Verhältnis der Kriegsgegner untereinander jedenfalls dann zu suspendieren, wenn der Wasserweg im Herrschaftsbereich eines der Kriegführenden gelegen ist, siehe E. Klein (Anm. 26), S. 298 f. Dem entspricht die Praxis bzgl. der Donauschiffahrt gemäß dem Pariser Statut, siehe oben, bei Anm. 46. 141

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Wie schon die in der Pariser Konvention von 1921 enthaltene Klausel hinsichtlich der Fortgeltung der vor dem Krieg bezüglich der Donauschifffahrt getroffenen Vereinbarungen indiziert147, führte der Erste Weltkrieg nicht zur Vernichtung des Pariser Statuts148. Obwohl der Krieg also auch die Gültigkeit der speziellen, die Donauschiffahrt im Falle bewaffneter Konflikte betreffenden Regeln des Pariser Statuts grundsätzlich nicht berührte, veränderte er dennoch sowohl die tatsächlichen Anwendungsbedingungen dieser Regeln, als auch den normativen Kontext der generell im Falle bewaffneter Konflikte auf die Flußschiffahrt anwendbaren Regeln. Bis Anfang des 20. Jahrhunderts war ganz überwiegend davon ausgegangen worden, daß auf Flüssen, wie auch sonst auf dem festen Land, im Prinzip nur das Landkriegsrecht zur Anwendung kommen könne149. Zweifel bestanden lediglich bezüglich der Grenzziehung in Übergangsbereichen, etwa hinsichtlich der praktisch bedeutsamen Frage, ob und inwieweit Seeschiffe auf Flüssen oder in darin gelegenen Seehäfen prisenrechtlichen Maßnahmen unterzogen werden könnten150. In Europa scheint es bis zum Ausbruch des 147

Art. 41 der Pariser Konvention vom 23. Juli 1921 (Anm. 67). Bzgl. der Erhaltung von Statusverträgen bei Kriegsausbruch siehe die Praxisanalysen von A. D. McNair, La terminaison et la dissolution des traités, RdC Bd. 22 (1928 II), S. 463 ff. (S. 506 ff.), und Les effets de la guerre sur les traités, RdC Bd. 59 (1937 I), S. 527 ff. (S. 573 ff.), sowie zur dogmatischen Begründung E. Klein (Anm. 26), S. 297. 149 Vgl. z. B. Art. 40 des in Heidelberg verabschiedeten „Projet de règlement international de navigation fluviale“, Annuaire IDI 1887 (9. Jahr), S. 182 ff.: „En cas de guerre entre les Etats riverains, la propriété flottante sur un fleuve international [. . .] sera traitée suivant l’analogie de la protection de la propriété ennemie en cas de guerre sur terre“. F. Perels legte in der Debatte dieses Artikels Wert darauf anzumerken, „qu’on ne doit pas supposer une différence entre la guerre sur terre et une guerre sur un fleuve. C’est exactement la même chose“, ibid., S. 180. Die hierin zum Ausdruck kommende klare räumliche Trennung des Land- und des Seekrieges ist für das klassische Völkerrecht kennzeichnend, vgl. die Analyse von C. Schmitt (Anm. 3), S. 288. 150 Die praktische Relevanz dieser Frage resultiert daraus, daß gegen feindliches Privateigentum im Seekrieg – anders als im Landkrieg – ein generelles Kriegsbeuterecht besteht, vgl. Annuaire IDI 1913, S. 182, 507, 601. Eingehend diskutiert wurde das Problem im IDI anläßlich der Ausarbeitung des in Oxford verabschiedeten „Manuel des lois de la guerre maritime“, vgl. ibid., S. 181 ff., 506 ff., 600 ff. Dabei reichte das Meinungsspektrum von der gänzlichen Ablehnung der Ausübung des Prisenrechts auf Flüssen (vgl. ibid., S. 603), bis zur eher vereinzelt vertretenen Auffassung, das Prisenrecht sei insoweit anwendbar, wie es Kriegsschiffen im Einzelfall gelänge, stromaufwärts ins Inland vorzustoßen, vgl. ibid., S. 183 f. Die Mehrheit der Institutsmitglieder stellte sich auf den Standpunkt, daß Flüsse zwar grundsätzlich dem festen Land zuzuordnen seien, daß aber in Übergangsbereichen zum Meer eine Ausübung des Prisenrechts ausnahmsweise zulässig sein könne, vgl. ibid., S. 187 f., 600 und 603. Die schwierige Grenzziehung wurde bewerkstelligt, indem zunächst der Seekriegsschauplatz dahingehend definiert wurde, daß er (außer der offenen 148

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ersten Weltkrieges zu keiner diesbezüglichen prisengerichtlichen Entscheidung gekommen zu sein151. Trotz der Meinungsverschiedenheiten zu dieser Einzelfrage herrschte jedenfalls Einigkeit darüber, daß Flüsse grundsätzlich dem Landkriegsrecht unterfielen152. Die vergleichsweise deutliche Trennung der Schauplätze des Land- und des Seekrieges wurde im Ersten Weltkrieg grundsätzlich in Frage gestellt. Der beginnende systematische Einsatz von Unterseebooten führte dazu, daß die Durchführung prisenrechtlicher Maßnahmen mittels Kursanweisungen weitgehend vom Meer auf das feste Land verlagert wurde153. Damit einher ging die verstärkte Praxis, Schiffe auch in Flüssen abzufangen154 oder sie nach der Eroberung feindlicher Häfen durch Landstreitkräfte beschlagnahSee) die Territorialgewässer der Kriegführenden insoweit umfaßte, wie sie hinsichtlich der Schiffahrt als maritim einzustufen seien, vgl. Art. 1 des „Manuel“, ibid., S. 641 ff. Zugleich sollten aber Binnenschiffe, soweit sie z. B. in Flußmündungen im Bereich der maritimen Schiffahrt anzutreffen seien, dennoch von der Ausübung des Prisenrechts ausgenommen bleiben, vgl. Art. 47 des „Manuel“. Durch die Begrenzung des Seekriegsschauplatzes auf Gewässer war man überdies der Meinung, die Ausübung des Prisenrechts durch vom Land her agierende Einheiten ausgeschlossen zu haben, vgl. ibid., S. 191. Die im IDI vertretenen Auffassungen, ebenso wie die diversen in der Debatte vorgeschlagenen Abgrenzungskriterien, sind repräsentativ für den Meinungsstand des Schrifttums vor dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges, vgl. die Literaturhinweise bei Biensfeldt (Anm. 2, S. 378 f.). 151 Das Fehlen von Präzedenzfällen für die Anwendung des Prisenrechts auf europäischen Flüssen deutet darauf hin, daß in der Praxis grundsätzlich von einer Anwendbarkeit des Landkriegsrechts ausgegangen wurde. Dafür spricht auch die Tatsache, daß die Türkei im russisch-türkischen Krieg 1877/78 anscheinend nicht einmal in Erwägung zog, das Prisenrecht gegen auf der Donau angetroffene russische Schiffe auszuüben, vgl. die dem türkischen Oberbefehlshaber am 29. April 1877 erteilten Instruktionen bzgl. auf der Donau durchzuführender Maßnahmen, Martens, NRG II 3, S. 199 f. (S. 200). Weiterhin existiert ein Edikt vom Juli 1691, in dem Louis XIV anordnete, auf französischen Binnengewässern angetroffene Kaperschiffe wie Piraten zu behandeln, vgl. die Debatte des „Manuel des lois de la guerre maritime“, 5. August 1913, Annuaire IDI 1913, S. 504 ff. (S. 507). Die Kaperei auf Binnengewässern wurde demnach als unzulässig erachtet. Im Gegensatz zur europäischen Praxis zu Zeiten des klassischen Völkerrechts war aber die USamerikanische Prisenrechtsprechung im Sezessionskrieg dazu übergegangen, eine sehr extensive Anwendung des Seekriegsrechts auf Flüssen zuzulassen, vgl. die Nachweise bei Hudson (Anm. 2, S. 379 ff.). 152 Nur vereinzelt wurde vorgeschlagen, das Seekriegsrecht insoweit anzuwenden, wie Seestreitkräfte im Einzelfall stromaufwärts ins Inland gelangten, vgl. die Stellungnahmen von W. Kaufmann und F. Hagerup in den Debatten des IDI 1913 (Anm. 150, S. 183 f., 188). Das so befürwortete Ausgreifen des Seekriegsrechts auf Flüsse stellte aber dennoch eine Ausnahme dar, wie schon der Vorschlags Kaufmanns, Binnenschiffe nicht dem Prisenrecht unterfallen zu lassen, zeigt, vgl. ibid, S. 191. 153 C. Schmitt (Anm. 3), S. 291. 154 Vgl. z. B. die Fälle der auf der Elbe bzw. Trave angehaltenen Fenix und Primula (Anm. 18).

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men zu lassen155. Diese neuen Tendenzen fanden die weitgehende Billigung der Prisengerichte zahlreicher Staaten156, und es entwickelte sich zumindest eine einheitliche Praxis dahingehend, Prisen von Seeschiffen auf Flüssen und in darin gelegenen Häfen zuzulassen157. Darüber hinaus brachten britische Gerichte das Prisenrecht selbst auf einen für die Seeschiffahrt an sich unzugänglichen Fluß158 sowie auf den über keinen Zugang zum Meer verfügenden Viktoriasee zur Anwendung159. Die deutsche Prisenrechtsprechung stellte bezüglich der vorgenannten Neuerungen zunächst einige Einschränkungen auf, die dazu führten, daß lediglich Seeschiffe im engeren Wortsinne prisenrechtlichen Maßnahmen unterworfen werden konnten160. Die weitergehenden Praktiken anderer Staaten führten allerdings anläßlich des Zweiten Weltkrieges zu einer Verschärfung der deutschen Prisenordnung161 und ihrer gerichtlichen Ausle155 Vgl. die in Anm. 18 zit. italienischen Urteile, das belgische Urteil Agiena (ibid.), die deutschen Fälle Primavera und Comte de Smet de Naeyer (ibid.) sowie den Schiedsspruch Questions arising as to Danube shipping (Anm. 17, S. 114 f.). 156 Im berühmten Fall The Roumanian, Law Reports, Probate Division 1915, S. 26, sowie ibid., House of Lords – Privy Council (Appeal Cases) 1916 I, S. 124, hat die britische Prisenjudikatur sogar die Einziehung von Öl, das von einem Schiff in einen an Land befindlichen Tank gepumpt worden war, erlaubt. Anders als in Deutschland wurden solche Landprisen im Ersten Weltkrieg auch in Frankreich und Italien zugelassen, vgl. Féaux de la Croix (Anm. 18 in fine, S. 120). 157 Vgl. die in Anm. 18 zit. Urteile. 158 Biensfeldt (Anm. 2, S. 375 f.) und Abraham (Anm. 18, S. 59 f.) berichten von einen Fall, in dem deutsche Handelsschiffe, die in einem für die Seeschiffahrt an sich unzugänglichen Fluß in Sicherheit gebracht worden waren, von britischen Seestreitkräften beschlagnahmt wurden. 159 Certain craft captured on the Victoria Nyanza, Law Reports, Probate Division 1919, S. 83. 160 Die Anwendung des Prisenrechts wurde vom Oberprisengericht auf Schiffe beschränkt, die nach ihrer Bauart und bisherigen Verwendung als Seeschiffe einzuordnen waren, vgl. die Fälle Primavera und Comte de Smet de Naeyer (Anm. 18); bloß im Hafen eingesetzte kleinere Fahrzeuge blieben ausgespart, vgl. Assistent und Undine, Entscheidungen des Oberprisengerichts (1918), S. 150. 161 Die Prisenordnung vom 28. August 1939 (i. d. F.v. 19.12.1940), in: H. Hecker/ E. Tomson, Völkerrecht und Prisenrecht (1965), S. 53 ff., erstreckte in Art. 4 Ziff. 3 den Anwendungsbereich des Prisenrechts auf die der Seeschiffahrt dienenden Binnengewässer, Einrichtungen und Anlagen; im nachträglich eingefügten Art. 68 Abs. 2 Ziff. 4 sollten zusätzlich die nunmehr sehr umfangreich durchgeführten Landprisen rechtlich abgesichert werden. Wenn es sich bei der Erstreckung des Seekriegschauplatzes auf Binnengewässer um eine Kodifizierung der Judikatur des Oberprisengerichts im Ersten Weltkrieg handelte (vgl. die Fälle Primula, Primavera und Comte de Smet de Naeyer, Anm. 18), so wurde doch bezüglich der Landprisen Neuland betreten, siehe oben, Anm. 156. Zur Entstehungsgeschichte der Art. 4 Ziff. 3 und 68 Abs. 2 Ziff. 4 siehe B. Widmann, Der deutsche Prisenkrieg, in: Gladisch/Widmann (Anm. 18 in fine), S. 90 ff. (S. 100 f.).

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gung162. Im Zuge dieser Entwicklung wurde ein prisenrechtliches Vorgehen nunmehr auch gegen Binnenschiffe zugelassen163, und es wurden prisenrechtliche Maßnahmen selbst weit landeinwärts, wie auf der Seine bei Paris, erlaubt164. Angesichts der Praxis der beiden Weltkriege kann heute im Prinzip an der Rechtmäßigkeit der Anwendung des Seekriegsrechts auf Flüssen nicht mehr gezweifelt werden. In den einschlägigen prisengerichtlichen Entscheidungen ist es allerdings üblich geblieben, die Anwendbarkeit des Seekriegsrechts aufgrund teils divergierender Faktoren jeweils einzelnen zu begründen165. Da in dieser Hinsicht eine Reihe schwieriger Abgrenzungsfragen bis 162 Nach Einschätzung des Prisenrichters E. Féaux de la Croix (Anm. 18 in fine, S. 143 f.) hat die deutsche Prisenrechtsprechung im Zweiten Weltkrieg eine „außerordentliche Verschärfung“ erfahren. Das betreffe in sachlicher Hinsicht unter anderem die nunmehr erfolgte Einbeziehung selbst kleinster Fahrzeuge, die Zulassung von Landprisen, Banngutlisten etc. 163 In dem am 25. April 1941 entschiedenen Fall der Erika stellte der Prisenhof Hamburg fest, daß es keinen Völkerrechtssatz gebe, nach dem Binnenschiffe vom Prisenrecht generell ausgenommen seien. Frei von prisenrechtlichen Maßnahmen könnten nur solche Flußschiffe sein, die für Fahrten zur See objektiv ungeeignet seien, insbesondere weil sie schwach gebaut oder nicht gedeckt seien, siehe G. Kretschmer, Die deutsche Prisenrechtsprechung im Zweiten Weltkrieg, Dissertation, Bonn 1967, S. 35, bei Anm. 57 f. Die Entscheidungen des Oberprisenhofs sind unveröffentlicht und (soweit erhalten) in verschiedenen Ministerien und Behörden archiviert, der Fall der Erika (Az. PHH/E 137/40) laut Kretschmer im Bundesverteidigungsministerium, vgl. die Liste ibid., S. 254 ff. 164 Prisenhof Hamburg, Swallow, Urt. vom 23. Oktober 1941 (Az. PHH/E 129/ 40), und Innisulva, Urt. vom 29. Januar 1942 (Az. PHH/E 238/41), siehe Kretschmer, ibid., S. 26, bei Anm. 29; die Entscheidungen sind laut Kretschmer, ibid., S. 254 ff., im Bundesverteidigungsministerium archiviert. Es sei angemerkt, daß die zwei auf der Seine beschlagnahmten Schiffe keine französischen Fahrzeuge waren, und daß sie (da anscheinend die Eigenschaft als Seefahrzeuge unproblematisch gegeben war) wohl auf dem Seeweg nach Frankreich gelangt sein dürften (vgl. die Angaben bei Kretschmer, ibid.). Somit handelt sich nicht um Präzedenzfälle für eine unbeschränkte Anwendung des Prisenrechts auf Flüssen, sondern um weite Auslegungen des Begriffs „der Seeschiffahrt dienende Binnengewässer“, vgl. Féaux de la Croix (Anm. 18 in fine, S. 122). 165 Bzgl. des Ersten Weltkriegs vgl. Anm. 19. Die britische Prisenrechtsprechung des Zweien Weltkrieges scheint infolge der Zulassung von Landprisen im Fall The Roumanian (Anm. 156) den Anwendungsbereich des Seekriegsrechts weniger geographisch durch den Gegensatz von Meer und Land bestimmt zu haben, als vielmehr sachlich anhand des Begriffs des Seehandels, vgl. die Analyse von A. Gervais, La jurisprudence britannique des prises maritimes dans la seconde guerre mondiale, RGDIP 1949, S. 201 ff. (S. 248 ff.). In Deutschland wurde hingegen grundsätzlich an der Unterscheidung der Schauplätze des Land- und des Seekrieges festgehalten. Indem Art. 4 Ziff. 3 der Prisenordnung aber die „der Seeschiffahrt dienenden Binnengewässer“ in den Seekriegschauplatz einbezog (siehe oben, Anm. 161), mußte den Begriffen der Seeschiffahrt und des Seefahrzeugs eine wichtige Abgrenzungs-

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heute ungelöst geblieben ist, wird in der Folge der Frage nachzugehen sein, inwieweit die Donau jeweils dem Anwendungsbereich der unterschiedlichen Normenkomplexe unterworfen ist166. Hier kann immerhin schon aber festgestellt werden, daß die in den beiden Weltkriegen vollzogene Ausweitung des Anwendungsbereichs des Seekriegsrechts für die Donau eine empfindliche Reduzierung des Schutzes der zivilen Schiffahrt zur Folge hat. Insbesondere bezüglich des Schutzes von Privateigentum ist das Seekriegsrecht für die Kriegführenden nämlich weitaus weniger prohibitiv als das traditionell eher auf den Kampf zwischen staatlichen Armeen ausgerichtete Landkriegsrecht167. Zu dieser Entwicklung hinzu kommt in beiden Weltkriegen die insbesondere für die Donauschiffahrt sehr weitgehende Indienststellung ziviler Binnenschiffe für militärische Zwecke. So wurde beispielsweise im Laufe des Ersten Weltkriegs annährend die gesamte Donauschiffahrt unter die Leitung einer österreich-ungarischen Militärverwaltung gestellt168, mit der Folge, daß von einer als solcher schutzwürdigen zivilen Schiffahrt kaum noch die Rede sein konnte169. funktion zufallen. Im Zweiten Weltkrieg war die Rechtsprechung der Prisenhöfe Hamburg und Berlin zu diesen Fragen sehr wandelbar und teils widersprüchlich, vgl. die Analyse von Féaux de la Croix (Anm. 18 in fine, S. 116 ff. und 122 f.). 166 Das Problem der Anwendbarkeit des Seekriegsrechts auf Flüssen ist seit dem Zweiten Weltkrieg nicht aufgearbeitet worden, was bei Versuchen der Definition des Seekriegsschauplatzes oft zu Widersprüchen führt. F. Berber, Lehrbuch des Völkerrechts, Bd. 2, Kriegsrecht (2. Aufl. 1969), S. 117, meint beispielsweise, schiffbare Flüsse gehörten prinzipiell zum Bereich des Landkrieges, für die Ausübung des Prisenrechts aber zum Bereich des Seekrieges. W. Heintschel v. Heinegg, Seekriegsrecht und Neutralität im Seekrieg (1995), S. 213, behauptet hingegen, es sei unbestritten, daß die inneren Gewässer der Konfliktparteien dem „allgemeinen Seekriegsgebiet“ zuzurechnen seien. L. Green, The Contemporary Law of Armed Conflict (1993), S. 154, formuliert vorsichtiger, im Inland gelegene Seen und Wasserstraßen gehörten möglicherweise begrenzt zum Seekriegsgebiet. Lediglich eine kategorische Ablehnung der Anwendung des Seekriegsrechts auf Flüssen wird heute nicht mehr vertreten (vgl. hingegen noch F. v. Liszt, Völkerrecht [1898], S. 231 [§ 42 I]). 167 Vgl. C. Schmitt (Anm. 3), S. 285 f., sowie G. Schwarzenberger, International Law, Bd. II, The Law of Armed Conflict (1968), S. 259. 168 Die Donauschiffe wurden vom österreich-ungarischen Kriegsministerium gechartert und dann von der „Zentralen Transportleitung“ zu militärischen Zwecken wie Nachschub- und Truppentransporten verwendet. Nach Meinung des Schiedsrichters in den Questions arising as to Danube shipping (Anm. 17, S. 106 f.) war auch der Transport von Rohstoffen und Agrarprodukten nach Mitteleuropa (vgl. oben, bei Anm. 64) als militärische Aktivität einzustufen, da die Requirierung und der Transport militärisch organisiert waren. 169 Der Schiedsrichter in den Questions arising as to Danube shipping (Anm. 17, S. 108) befand, daß die der „Zentralen Transportleitung“ unterstellten Donauschiffe

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Eine neuerliche den Status der Donauschiffahrt im Falle bewaffneter Konflikte betreffende Veränderung läßt sich anhand der vom Sicherheitsrat während des Bosnienkonflikts verhängten Sanktionen gegen das ehemalige Jugoslawien beobachten. Das wesentliche sich stellende Problem war dabei nicht mehr, die widerstreitenden Interessen von neutralen und kriegführenden Staaten zu einem Ausgleich zu bringen, sondern unterschiedliche Interessen der internationalen Gemeinschaft gegeneinander abzuwägen und gegebenenfalls die nötigen Prioritäten zu setzten. Nach Erlaß der Embargomaßnahmen im Jahre 1992 wurde sehr schnell offenbar, daß eine uneingeschränkte Aufrechterhaltung der Schiffahrtsfreiheit auf der Donau mit der Effektivität des Sanktionsregimes nicht in Einklang zu bringen war170. Die vom Sicherheitsrat daraufhin getroffenen Entscheidungen zielten an sich auf eine nur partielle Beschränkung der Schifffahrtsfreiheit ab171, führten aber faktisch zu einer nahezu vollständigen Unterbrechung des Transits über den jugoslawischen Donauabschnitt172. An der Wirkungslosigkeit mehrerer Appelle zu einer weniger rigiden Anwendung der betreffenden Maßnahmen173 lassen sich die vom Sicherheitsrat bzw. seinem Sanktionskomitee gesetzten Prioritäten deutlich ablesen. Der Beschluß von Maßnahmen gemäß den Artikeln 41 und 42 SVN hat zur Folge, daß grundsätzlich nach Artikel 25 und 48 SVN sämtliche Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen zu deren Einhaltung beziehungsweise Umsetzung verpflichtet werden174. Dies führt aufgrund des Vorrangs der Bestimmungen der Charta gemäß Artikel 103 SVN zu einer Derogation von den sonst im Falle bewaffneter Konflikte zugunsten der Zivilschiffahrt anwendbaren Regeln175. Wie im Verlauf dieser Untersuchung noch näher dardes Schutzes von Privateigentum nicht bedurften, da sie auf staatliches Risiko zu militärischen Zwecken verwendet wurden. 170 Siehe oben, Anm. 4 sowie bei Anm. 99 bis 109. 171 Siehe oben, bei Anm. 106, 107. 172 Bericht des Präsidenten der Donaukommission, 16. April 1996 (CD/SES 54/ PV 1), Procès-Verbaux de la Commission du Danube Bd. 54 (1996), S. 14 ff. (S. 14), Sengpiel (Anm. 22), S. 3 f.; zu den jugoslawischen „Repressalien“ gegen das Sanktionsregime siehe oben, bei Anm. 110 bis 113. 173 Siehe den Abs. 5 der Resolution der Donaukommission vom 28. April 1993, CD/SES 51/41, Procès-Verbaux de la Commission du Danube Bd. 51 (1993), S. 87 f., sowie den Bericht des Präsidenten der Kommission vom 3. April 1995 (CD/SES 53/PV 1), ibid. Bd. 53 (1995), S. 18 f. (S. 18); vgl. auch die Stellungnahmen in der Debatte der Kommission vom 12. April 1995, CD/SES 53/PV 2, ibid., S. 41 ff. (S. 70 ff.). 174 Zu Unterstützungspflichten siehe Art. 2 Abs. 5 und 49; bzgl. Nicht-Mitgliedstaaten siehe Art. 2 Abs. 6. 175 Zur Illustration siehe L. E. Fielding, Maritime Interception and U.N. Sanctions (1997), passim.

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gelegt werden wird, wären so weitgehende Beschränkungen der Schiffahrtsfreiheit, wie sie vom Sicherheitsrat während des Bosnienkonflikts angeordnet wurden, in einem „gewöhnlichen“ Konflikt nicht zulässig gewesen176. Bereits bei der Ausarbeitung der SVN war vorausgesehen worden, daß die Umsetzung von Zwangsmaßnahmen für Drittstaaten unter Umständen besondere wirtschaftliche Schwierigkeiten mit sich bringen konnte177. Um in diesen Fällen einen Ausgleich zu ermöglichen, sieht Artikel 50 SVN vor, daß die so beeinträchtigten Staaten zumindest das Recht haben, den Sicherheitsrat bezüglich der Lösung ihrer Schwierigkeiten zu konsultieren178. Dank dieser Vorschrift wurden dann auch während des Bosnienkonflikts gewisse, wenn auch nach dem Empfinden der betroffenen Donaustaaten nur unzureichende Hilfsmaßnahmen der internationalen Gemeinschaft in die Wege geleitet179. 176 Die vom Sicherheitsrat 1992/93 angeordneten Verkehrsbeschränkungen auf der Donau wirkten sich faktisch wie eine Blockade des Flusses aus; zur Unzulässigkeit der Blockade internationaler Flüsse vgl. aber P. Fauchille, Du blocus maritime (1882), S. 176 ff., W. E. Hall, Treatise on International Law (8. Aufl. 1924, Hrsg. A. P. Higgins), S. 866 (§ 266), Lauterpacht (Anm. 48), S. 771 ff. (§ 373), J. Stone, Legal Controls of International Conflict (1954), S. 494. 177 Zur Entstehungsgeschichte von Art. 50 SVN siehe P. M. Eisemann, Art. 50, in: J.-P. Cot/A. Pellet, La Charte des Nations Unies (2. Aufl. 1991), S. 763 ff. (S. 763 ff.). 178 Zur praktischen Umsetzung von Art. 50 SVN siehe den Bericht des Generalsekretärs vom 8. November 1993 (Anm. 9). 179 Durch die Resolution 843 (1993), 18. Juni 1993, beauftragte der Sicherheitsrat das Sanktionskomitee für das ehemalige Jugoslawien zur Prüfung von Anträgen auf Unterstützung gemäß Art. 50 SVN. Am 2. Juli 1993 legte das Komitee daraufhin einen Bericht vor, der zahlreichen Anliegerstaaten der unteren und mittleren Donau bescheinigte, durch die Sanktionen besonderen wirtschaftlichen Schwierigkeiten ausgesetzt zu sein, siehe Conseil de Sécurité, Documents officiels, Suppl. III 1993, S. 30 ff. (S/26040). Zugleich rief das Komitee alle Staaten dringend auf, den betroffenen Staaten eine „technische, finanzielle und materielle Unterstützung“ zukommen zu lassen; ebenso sollten internationale und regionale Entwicklungsbanken, Organisationen etc. ihre Programme daraufhin überprüfen, ob den betroffenen Staaten eine Unterstützung gewährt werden könne. Diesem Appell schloß sich in der Resolution 48/210 vom 21. Dezember 1993 die Generalversammlung der VN an. In der Folge wurde bei einem von der KSZE organisierten Treffen vereinbart, vorrangig den unmittelbar an Jugoslawien grenzenden (Donau-)Staaten Hilfen zukommen zu lassen, vgl. den oben (Anm. 9 in fine) zitierten Bericht in der Donaukommission sowie den Jahresbericht der KSZE für 1994, Gliederungspunkt II.2.1.5, in: Fastenrath (Anm. 108), Dokument K.2, S. 16. Bei der praktischen Umsetzung kam es dann allerdings zu erheblichen Verzögerungen, siehe das Schreiben mehrerer von den Sanktionen beeinträchtigter Staaten an den Generalsekretär der VN, A/50/189 bzw. S/1995/ 412, 24. Mai 1995, Annex, in: S. Trifunovska (Hrsg.), Former Yugoslavia Through Documents (1999), S. 1050 f., sowie die Rede des ukrainischen Außenministers B. Tarasyuk, 2. Mai 2000 (Anm. 126 in fine).

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Die Vereinbarung eines Gewaltverbots bei gleichzeitiger Etablierung eines Systems kollektiver Sicherheit hat einige Autoren insbesondere in der Anfangszeit der Vereinten Nationen dazu veranlaßt, eine beginnende Ablösung des traditionellen Kriegs- und Neutralitätsrechts durch besondere, eine effektive Bekämpfung des jeweiligen Aggressors favorisierende Regeln zu prognostizieren180. Aufgrund der bis heute nur unzulänglichen Handlungsfähigkeit des Sicherheitsrats, beziehungsweise schon wegen der in jedem Falle vor seinem Tätigwerden bestehenden Unsicherheit bezüglich der Qualifikation einer Konfliktpartei als Aggressor181, hat sich das traditionelle Recht der bewaffneten Konflikte in der Praxis dennoch bis heute behaupten können182. Um ein vollständiges Bild der auf die Donauschiffahrt in Konfliktfällen anwendbaren Regeln zeichnen zu können, muß deshalb in der Folge sowohl auf die traditionellen diesbezüglichen Regeln, wie auch auf die angedeuteten neueren Entwicklungen eingegangen werden. Da eine möglichst systematische Darstellung dieser Regeln angestrebt wird, kann nicht einfach ein – für eine rechtsgeschichtliche Arbeit möglicherweise angemessener – historischer Aufbau gewählt werden. Statt dessen ist, an den Sachfragen orientiert, zunächst zu untersuchen, ob und inwiefern die Donauschiffahrt im Falle bewaffneter Konflikte überhaupt geschützt ist (1. Kapitel). Im Anschluß daran ist zu fragen, welche die Schiffahrtsfreiheit beschränkenden Maßnahmen seitens der Kriegführenden und Neutralen gegebenenfalls zulässig oder geboten sind (2. Kapitel).

180 Vgl. z. B. G. Scelle, Quelques réflexions sur l’abolition de la compétence de guerre, RGDIP 1954, S. 5 ff. (S. 15 ff.). 181 M. Bothe, Friedenssicherung und Kriegsrecht, in: W. Graf Vitzthum (Hrsg.), Völkerrecht (2. Aufl. 2001), S. 666 (Abschn. 8, Rn. 105). 182 Zum Verhältnis des ius ad bellum zum ius in bello siehe W. Heintschel v. Heinegg, Seekriegsrecht und Neutralität im Seekrieg (1995), S. 49 ff.

Erstes Kapitel

Der Schutz der Schiffahrtsfreiheit im Falle bewaffneter Konflikte § 1 Überblick Der Schutz der Donauschiffahrt im Falle bewaffneter Konflikte hängt unlösbar mit der Frage zusammen, welche Regeln überhaupt auf die Donauschiffahrt Anwendung finden können. Diese Frage ist im völkerrechtlichen Schrifttum in den vergangenen Jahrzehnten unter verschiedenen Gesichtspunkten wiederholt erörtert worden1, ohne daß dabei allerdings ein praktikabler Ausweg aus dem fortdauernden Streit um das gegenwärtige Donaustatut aufgezeigt worden wäre2. Daß einige westliche Staaten weiterhin 1 In jüngerer Zeit wurde der Status der Donauschiffahrt besonders im Zusammenhang mit der Frage nach dem Status des Rhein-Main-Donaukanals erörtert, siehe z. B. G. Jaenicke, Die neue Großschiffahrtsstraße Rhein-Main-Donau (1973), S. 42 ff., K. Kippels, Der völkerrechtliche Status des zukünftigen Europakanals und seine Auswirkungen auf das Rhein- und Donauregime (1978), S. 48 ff., A. Kiss, Problèmes de droit international posé par la voie d’eau Rhin-Danube, AFDI 1981, S. 768 ff. (S. 777 ff.), B. Vitányi, Legal Problems with the Rhine-Main-Danube Waterway after the Additional Protocol to the Act of Mannheim, ZaöRV 1981, S. 731 ff. (S. 733 ff.), K. Zemanek, Die Schiffahrtsfreiheit auf der Donau und das künftige Regime der Rhein-Main-Donau-Großschiffahrtsstraße (1976), S. 1 ff. Mit den Auswirkungen der Konkurrenz der beiden Donaustatute auf das Fortbestehen der Europäischen Donaukommission befaßt sich J.-P. Jacqué, A propos de l’accord de Rome du 23 avril 1977. Etendue de la survie de la Commission européenne du Danube, AFDI 1981, S. 747 ff. (S. 749 ff.). Die Pariser und die Belgrader Donaukonferenz werden von E. Klein, Statusverträge im Völkerrecht (1980), S. 269 f., 272 f., 275, in bezug auf Besonderheiten bei der Revision von Statusverträgen untersucht. Mit dem Donaustatut als solchem befaßte sich zuletzt M. Sengpiel, Das Recht der Freiheit der Schiffahrt auf Rhein und Donau (1998), S. 75 ff. 2 Seit 1993 gab es wiederholt Verhandlungen der Donaustaaten zur Revision des nunmehr auch von ihnen als unzulänglich empfundenen Belgrader Statuts, siehe Sengpiel, ibid., S. 127 ff., 216 f. Bei einem erfolgreichen Abschluß unter Berücksichtigung der von den Westmächten 1948 angebrachten Kritiken wäre damit zu rechnen, daß diese dann eine Ablösung des Pariser durch das Belgrader Statut anerkennen. Einstweilen besteht aber immer noch das Problem, daß die Westmächte auf einer Benutzung der Donau gemäß den Bestimmungen des Pariser Statuts beharren, was im Einzelfall zu Differenzen führen kann, siehe z. B. für das Befahren der Do-

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1. Kap.: Der Schutz der Schiffahrtsfreiheit

nicht bereit sind, eine Ablösung des Pariser Statuts durch die Belgrader Konvention anzuerkennen, zeigte sich erst kürzlich anläßlich des Streits um die Räumung der Trümmer der im Kosovokonflikt zerstörten jugoslawischen Donaubrücken. Mit Rücksicht auf die auch zwischen den Mitgliedern der Europäischen Union divergierenden Positionen zur Frage des Donaustatuts definierte der Rat der Europäischen Union die Schiffahrtsfreiheit auf der Donau in einer Kompromißformel als „a right granted to all States under the Paris Convention of 1921 and the Belgrade Convention of 1948“3. Im Gegensatz dazu machte Jugoslawien in den Rechtsstreits zur Legality of Use of Force beim IGH einfach geltend, die Zerstörung der Donaubrücken habe die Schiffahrtsfreiheit gemäß der Belgrader Konvention verletzt4. Die NATO-Staaten hielten dem entgegen, dieser Konvention bis dato nicht beigetreten zu sein5. Angesichts dieser Unstimmigkeiten erscheint es unerläßlich, der Frage nachzugehen, ob und auf welcher Grundlage die Schiffahrtsfreiheit überhaupt geltend gemacht werden kann (§ 2). Ein weiteres Problem ergibt sich daraus, daß keineswegs selbstverständlich von einer Anwendbarkeit des Prinzips der Schiffahrtsfreiheit im Falle bewaffneter Konflikte ausgegangen werden kann6 (§ 3). Ein Indiz für eine nau mit Kriegsschiffen ibid., S. 113 f. Zu beachten ist weiterhin, daß selbst dann, wenn beide Statute in den sachlichen Regeln übereinstimmen, problematisch ist, ob und auf welcher Grundlage der gegenseitige Respekt dieser Regeln eingefordert werden kann. Im Verhältnis der Donaustaaten zueinander können derartige Probleme allerdings seit dem Beitritt Österreichs und Deutschlands zur Belgrader Konvention praktisch nicht mehr auftreten (zum Beitritt Österreichs am 7. Januar 1960 siehe UNTS Bd. 351, S. 378; der Beitritt Deutschlands erfolgte durch Art. 1 Abs. 1 eines Zusatzprotokolls zur Belgrader Konvention vom 26. März 1998, BGBl. 1999 II S. 579; zum Inkrafttreten für die Bundesrepublik Deutschland am 28. Oktober 1999 siehe BGBl. 2000 II S. 176). 3 Europäische Union, Presseerklärung der 2217. Sitzung des Rates, 15. November 1999, PRES/99/344, europa.eu.int/comm./external_relations/news/11_99/pres_99_ 344.htm. 4 Siehe die am 29. April 1999 von Jugoslawien gegen die zehn Teilnehmer der NATO-Luftangriffe eingereichte Klageschrift mit Antrag auf Erlaß vorläufiger Maßnahmen, IGH, Legality of Use of Force (Jugoslawien gegen Belgien etc.), sowie die Ausführungen des jugoslawischen Vertreters in der Sitzung des IGH vom 10. Mai 1999, CR 99/14. 5 Siehe für Frankreich die IGH-Sitzung vom 10. Mai 1999, CR 99/17, sowie für Deutschland und Spanien die Sitzung vom 11. Mai 1999, CR 99/18 und CR 99/22. Zu dem am 28. Oktober 1999 wirksam gewordenen deutschen Beitritt zur Belgrader Konvention siehe oben, Anm. 2 in fine. 6 Während des russisch-türkischen Krieges 1877/78 führten Erklärungen der Kriegsparteien, mit denen sie die Freiheit der Donauschiffahrt zu suspendieren beabsichtigten, zu Streitigkeiten mit den neutralen Mächten, siehe oben, Einleitung, bei Anm. 43 bis 46. Umgekehrt führte eine zu Beginn des deutschen Krieges 1866 abgegebene Erklärung des damaligen Chefinspektors der Zentralkommission für die

§ 1 Überblick

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solche Anwendbarkeit ist indes die Tatsache, daß zumindest im Pariser Statut besondere Vorkehrungen zum Schutz der Schiffahrt in Konfliktfällen getroffen wurden7 (§ 4).

Rheinschiffahrt, wonach die Schiffahrtfreiheit durch den Krieg nicht berührt werde, zu einer erheblichen Verstimmung der Kriegführenden, siehe E. Engelhardt, Du régime conventionnel des fleuves internationaux (1879), S. 175, J. Hostie, Le Statut international du Rhin, RdC Bd. 28 (1929 III), S. 105 ff. (S. 150), Jonkheer W. J. M. van Eysinga, La Commission Centrale pour la navigation du Rhin (1935), S. 65, P. A. Chiesa, Le régime international du Rhin et la participation de la Suisse, Dissertation, Genf 1952, S. 155 f. (insb. Anm. 51). 7 Vgl. Art. LII des Berliner Vertrages, 13. Juli 1878, Martens, NRG II 3, S. 449 (Demilitarisierung des Unterlaufes der Donau).

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1. Kap.: Der Schutz der Schiffahrtsfreiheit

§ 2 Der Streit um das aktuelle Donaustatut Zweifel an der Gültigkeit des Pariser Donaustatuts ergaben sich aus verschiedenen Gründen bereits am Ende des Zweiten Weltkrieges (I.). Die Bedenken wurden durch die Mißachtung der Verfahrensvorschriften der Pariser Konvention bei der Einberufung der Belgrader Konferenz noch zusätzlich verstärkt1 (II.). Insbesondere westeuropäische Staaten gehen aber bis heute von der Anwendbarkeit des Pariser Statuts aus2, wohingegen die Donaustaaten untereinander die Belgrader Konvention anwenden3 (III.).

I. Die Fortgeltung des Pariser Statuts am Ende des Zweiten Weltkrieges Schon im Vorfeld und in der Anfangsphase des Zweiten Weltkrieges gab es Bestrebungen diverser Donaustaaten, sich von den als für sie nachteilig erachteten Bestimmungen der Pariser Konvention zu lösen (1.). Auch könnte der Kriegsausbruch als solcher zum Erlöschen der Vertragsbindungen geführt haben (2.).

1 Der Art. 42 der Pariser Konvention, 23. Juli 1921, SdN, RdT Bd. 26, S. 173, sieht vor, daß auf Verlangen von zwei Dritteln der Vertragsstaaten eine Revisionskonferenz einberufen wird, zu der sämtliche Vertragsparteien einzuladen sind. Die Einberufung der Belgrader Konferenz von 1948 erfolgte hingegen aufgrund einer Entscheidung des Außenministerrates der vier Hauptsiegermächte des Zweiten Weltkrieges, siehe L. G. Marcantonatos, L’évolution du statut international du Danube maritime de 1938 à 1948, Rev. hell. D.I. 1948, S. 49 ff. und 140 ff. (S. 154). Dabei wurden außer Deutschland, Österreich und Italien auch die weiteren Vertragsstaaten Belgien und Griechenland nicht eingeladen, siehe die Dokumentation in: Europa-Archiv 1947, Das Problem der freien Donauschiffahrt, S. 326 f. (S. 327), ibid. 1948, Die Belgrader Donaukonferenz, S. 1641 ff. und 1705 ff. (S. 1643 f.); vgl. auch E. Klein, Statusverträge im Völkerrecht (1980), S. 269 f., 272 f., 275. 2 Zum Festhalten Frankreichs und Großbritanniens an der Pariser Konvention siehe M. Sengpiel, Das Recht der Freiheit der Schiffahrt auf Rhein und Donau (1998), S. 113 f.; vgl. auch oben, § 1, bei Anm. 3. 3 Belgrader Konvention, 18. August 1948, UNTS Bd. 33, S. 196. Der von der Sowjetunion und den in ihren Einflußbereich gefallenen Donaustaaten geschlossenen Konvention sind mittlerweile auch Österreich (1960) und Deutschland (Oktober 1999) beigetreten, siehe oben, § 1, Anm. 2 in fine. Zur Situation des deutschen Donauteilstücks vor dem Beitritt zum Belgrader Statut siehe Sengpiel (Anm. 2), S. 115 ff.

§ 2 Der Streit um das aktuelle Donaustatut

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1. Die Bestrebungen zur Ablösung der Bestimmungen der Pariser Konvention Mit einer Note vom 14. November 1936 erklärte die deutsche Reichsregierung, die „im Versailler Vertrag enthaltenen Bestimmungen über die auf deutschem Gebiet befindlichen Wasserstraßen und die auf diesen Bestimmungen beruhenden Stromakte nicht mehr als für sich verbindlich“ anzuerkennen und deshalb die Mitarbeit in den betreffenden Stromkommissionen mit sofortiger Wirkung einzustellen4 [a)]. Dieses einseitige Vorgehen Deutschlands stärkte indirekt die Position Rumäniens, das sich seit langem erfolglos um eine Reduzierung der als übermäßig empfundenen Kompetenzen der die Flußmündung verwaltenden Europäischen Donaukommission bemüht hatte5. Trotz des diesbezüglichen Einlenkens der Westmächte6 und der nunmehr erfolgenden Aufnahme Deutschlands in die Kommission7 [b)] erklärten die Donaustaaten8 und Italien9 1940 sowohl die Internationale10, 4 RGBl. 1936 II S. 361. Die Erklärung wurde von Frankreich und der Tschechoslowakei mit als solchen deklarierten Protestnoten beantwortet; Großbritannien, Jugoslawien und Polen sowie wohl auch Belgien und Rumänien reagierten mit Noten, in denen sie ihr Bedauern zum Ausdruck brachten, vgl. m. w. Nachw. K. Kippels, Der völkerrechtliche Status des zukünftigen Europakanals und seine Auswirkungen auf das Rhein- und Donauregime (1978), S. 61 f. (insb. S. 62, Anm. 93 in fine). 5 Die Streitigkeiten um die Europäischen Donaukommission gingen ursprünglich darauf zurück, daß Rumänien 1883 nicht als vollwertiger Teilnehmer zur Londoner Konferenz eingeladen worden war, obwohl dort über die Verlängerung und Ausweitung der Kompetenzen der Europäischen Donaukommission entschieden werden sollte, vgl. V. M. Radovanovitch, Le Danube maritime et le règlement du différend relatif aux compétences de la Commission européenne, RDILC 1932, S. 564 ff. (S. 566 f.). Rumänien weigerte sich deshalb, den am 10. März 1883 in seiner Abwesenheit geschlossenen Londoner Vertrag, Martens, NRG II 9, S. 392, anzuerkennen, siehe Radovanovitch (S. 567 ff.). Der Streit verschärfte sich insbesondere nach Ende des Ersten Weltkrieges (ibid., S. 568), und trotz der Einholung des Gutachtens Commission européenne du Danube des StIGH, 8. Dezember 1927, CPJI sér. B nº 14, gelang es bis in die dreißiger Jahre hinein nicht, das Problem einer praktischen Lösung zuzuführen, siehe Seidl-Hohenveldern, Donau, in: K. Strupp/H.-J. Schlochauer (Hrsg.), Wörterbuch des Völkerrechts Bd. 1 (1960), S. 393 ff. (S. 394); vgl. zum Ganzen auch E. Klein (Anm. 1 in fine), S. 195, Anm. 26. 6 Siehe das Übereinkommen („arrangement“) von Sinaia, 18. August 1938, SdN, RdT Bd. 196, S. 113. 7 Übereinkommen („accord“) von Bukarest, 1. März 1939, SdN, RdT Bd. 196, S. 126. 8 Donaustaaten waren seinerzeit das Deutsche Reich, die Slowakei, Ungarn, Jugoslawien, Bulgarien, Rumänien sowie ab dem 27. Juni 1940 die Sowjetunion. 9 Die Beteiligung Italiens an den Übereinkommen der Donaustaaten beruhte auf dem Bündnis mit Deutschland; weiterhin war Italien gemäß Art. 4 und 8 der Pariser Konvention, 23. Juli 1921 (Anm. 1), in beiden Donaukommissionen vertreten und

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1. Kap.: Der Schutz der Schiffahrtsfreiheit

als auch die Europäische Donaukommission11 für aufgelöst. Hinter diesen, insbesondere vom Deutschen Reich und der Sowjetunion betriebenen Maßnahmen, standen sehr konkrete strategische Überlegungen, die – neben ihrer Bedeutung für die Fortgeltung des Pariser Statuts – auch Rückschlüsse auf die strategische Bedeutung der Donau sowie der Donaukommissionen erlauben12 [c)]. a) Die Note der Reichsregierung vom 14. November 1936 Die Note, mit der die Reichsregierung 1936 versuchte, sich von den Statuten der deutschen Flüsse sowie des Kieler Kanals loszusagen, betraf auch die Pariser Donaukonvention von 1921, da sie in Ausführung der Artikel 346 bis 349 des Versailler Vertrages geschlossen worden war13. Die Reichsregierung beabsichtigte allerdings nicht, gänzlich mit den 1815 vom Wiener Kongreß vereinbarten und seit 1856 auf die Donau anwendbaren Grundsätzen der Schiffahrt auf internationalen Flüssen zu brechen. In der Note wurde im Gegenteil darauf hingewiesen, daß diese Grundsätze bis zum Ersten hatte einen erheblichen Anteil an der Schiffahrt in der Donaumündung, vgl. die Statistik bei Marcantonatos (Anm. 1, S. 146). 10 Präambel des Wiener Übereinkommens vom 12. September 1940, geschlossen vom Deutschen Reich, der Slowakei, Ungarn, Jugoslawien, Bulgarien, Rumänien und Italien, als englische Übersetzung wiedergegeben in: United States Department of State, Documents & State Papers Bd. 1, Nr. 4 (Juli 1948), S. 273 f.; die Sowjetunion trat dem Übereinkommen am 20. Februar 1941 bei, G. Jaenicke, Die neue Großschiffahrtsstraße Rhein-Main-Donau (1973), S. 56, bei Anm. 77, F. L. Hadsel, Freedom of navigation on the Danube, The Department of State Bulletin vom 20. Juni 1948, Bd. XVIII, Nr. 468, S. 787 ff. (S. 791). 11 Das Deutsche Reich und die Sowjetunion kamen nach Verhandlungen im September und Oktober 1940 sowie nach der Einholung des Einverständnisses Italiens überein, nicht nur die Internationale, sondern auch die Europäische Donaukommission aufzulösen; sie sollten durch eine einheitliche Kommission der Donaustaaten und Italiens ersetzt werden, siehe die am 26. Oktober 1940 von der Nachrichtenagentur TASS verbreitete Erklärung in: Europa-Archiv 1948, Die Belgrader Donaukonferenz, S. 1641 ff. und 1705 ff. (S. 1643), ebenfalls abgedruckt in: Documentation française, Notes et études documentaires, Nr. 2227 vom 27. Oktober 1956, Le Danube (Teil 2), S. 6. 12 Siehe die Analyse der vom Deutschen Reich und der Sowjetunion hinsichtlich der Donau verfolgten Interessen ibid., S. 5 f.; vgl. auch ibid., S. 9. 13 Der Art. 349 des Versailler Vertrages, 28. Juni 1919, Martens, NRG III 11, S. 323, und entsprechende Bestimmungen der anderen Pariser Vorortfriedensverträge verpflichteten Deutschland, Österreich, Ungarn und Bulgarien, das auf der Pariser Konferenz 1921 von den Ententemächten mit den übrigen Donaustaaten ausgearbeitete „endgültige“ Donauregime im voraus anzuerkennen. Die betroffenen Staaten waren bei der Konferenz ohne Stimmrecht zugegen, siehe G. Martius, Die Entwicklung des zwischenstaatlichen Donauschiffahrtsrechts, ArchVR 1948/49, S. 233 ff. (S. 236).

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Weltkrieg die Grundlage einer fruchtbaren Zusammenarbeit zwischen den Anliegern der schiffbaren Ströme gewesen seien. Der Versailler Vertrag habe aber dann ein System geschaffen, das den „Grundgedanken der Gleichberechtigung“ verletze und Deutschland einseitig belaste. Auf der Basis der Gegenseitigkeit stünden die deutschen Wasserstraßen weiterhin „den Schiffen aller mit dem Deutschen Reich in Frieden lebenden Staaten“ offen14. Die Kritik an der Unausgewogenheit der die Flußschiffahrt betreffenden Bestimmungen des Versailler Vertrages ist im Schrifttum eingehend erörtert worden; hierauf kann verwiesen werden15. Unabhängig von der Berechtigung dieser Kritik ist jedenfalls seit langem nicht mehr vertreten worden, daß diese Unausgewogenheit eine einseitige Ablehnung der vertraglichen Bindung durch Deutschland hätte rechtfertigen können16. Wenn auch in jüngerer Zeit noch teilweise die Meinung vertreten worden ist, die Note der Reichsregierung hätte zur Lösung der vertraglichen Bindung Deutschlands geführt, so wird dies vielmehr auf das Argument gestützt, die von der Note betroffenen anderen Vertragsstaaten hätten nicht „effektiv“ protestiert und die deutsche Erklärung deshalb als wirksam hingenommen17. Die Verbreitung des Arguments der „mangelnden Effektivität“ der Proteste gegen die Note der Reichsregierung geht hauptsächlich auf eine Entscheidung des OLG Schleswig aus dem Jahre 1954 zurück18. Die Entscheidung betraf zwar unmittelbar nur den Kieler Kanal. In der Begründung wurde aber in allgemeiner Form festgestellt, daß die Note der Reichsregierung „völkerrechtlich zu einer Wiederherstellung der uneingeschränkten 14

Note der Reichsregierung vom 14. November 1936, RGBl. 1936 II S. 361. Siehe m. w. Nachw. Kippels (Anm. 4), S. 65 ff. 16 Vgl. hingegen noch A. Lederle, Die Rechtslage der deutschen Ströme nach ihrer Befreiung, ZfV 1937, S. 308 ff. (S. 309 ff.), sowie auch H. J. Abraham, Kriegsschiffe und Seekriegsrecht auf Flüssen, ZfV 1939, S. 49 ff. (S. 50 f.), der ohne weitere Begründung von der Wirksamkeit der „Aufkündigung“ der Versailler Flußstatute durch die Reichsregierung ausgeht. 17 So z. B. H. Krüger, Die Rechtslage der Elbe (1974), S. 33 f., I. v. Münch, AriFall, in: K. Strupp/H.-J. Schlochauer (Hrsg.), Wörterbuch des Völkerrechts Bd. 1 (1960), S. 85. Hingegen glaubt G. Dahm, Völkerrecht, Bd. 1 (1958), S. 622, irrig, die Note der Reichsregierung sei von den betroffen Staaten ohne Protest hingenommen und damit stillschweigend anerkannt worden; in Wirklichkeit haben aber mehrere Staaten mehr oder minder scharf protestiert (vgl. oben, Anm. 4). 18 Ari-Fall, Beschluß des OLG Schleswig vom 24. November 1954, JIR 1956, S. 405 ff. Dem Beschluß lag ein Rechtsgutachten von V. Böhmert zugrunde, der damit maßgeblich zur Meinungsbildung des Gerichts beitrug (vgl. ibid., S. 406); vgl. auch V. Böhmert, Zur völkerrechtlichen Lage des Kieler Kanals, Internationales Recht und Diplomatie 1958, S. 170 ff. (S. 180 f.), idem, Kieler Kanal, in: K. Strupp/H.-J. Schlochauer (Hrsg.), Wörterbuch des Völkerrechts Bd. 2 (1961), S. 220 ff. (S. 222); vgl. auch v. Münch (Anm. 17), der sich der Meinung des Gerichts ohne weiteres anschloß. 15

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Souveränität über die betroffenen Wasserstraßen“ geführt habe19. Der Grund hierfür sei, daß die von der Note betroffenen Staaten, soweit sie überhaupt protestiert hätten, keine „praktischen Konsequenzen“ aus ihren Protesten gezogen hätten. Derartige „papierene Proteste“ seien nun aber nicht geeignet, irgendwelche Rechte zu wahren und führten de facto zur Anerkennung des Zustandes, gegen den protestiert werde20. Betreffend den Kieler Kanal wird man dem Gericht im Ergebnis sicher zustimmen können, daß dieser mittlerweile nicht mehr den Bestimmungen des Versailler Vertrages unterworfen ist21. Erhebliche Zweifel ergeben sich demgegenüber an der Richtigkeit der vom OLG hierzu vorgetragenen Begründung. So ist zu Recht angemerkt worden, daß von den durch die Note der Reichsregierung betroffenen Staaten, zumal unter den seinerzeitigen Verhältnissen, kaum verlangt werden konnte, neben der Abgabe von Protesten zusätzlich Gegenmaßnahmen zu ergreifen oder gar zum Krieg zu schreiten, um ihre Ansprüche durchzusetzen22. Entsprechend finden sich auch weder in der Wiener Vertragsrechtskonvention23 noch anderweitig Anhaltspunkte dafür, daß Proteste gegen ein vertragswidriges Verhalten durch Maßnahmen zur faktischen Durchsetzung der verletzten Rechtsposition begleitet sein müßten24. 19 Entsprechend übertragen dann auch H. Krüger und v. Münch (Anm. 17) die vom Gericht dargelegten Erwägungen auf die Frage nach dem Status der deutschen Flüsse. 20 Ari-Fall, OLG Schleswig (Anm. 18, S. 406); zustimmend V. Böhmert (Anm. 18), Krüger und v. Münch (Anm. 17). Demgegenüber sehr kritisch hinsichtlich der Argumentation Kippels (Anm. 4), S. 62 ff., A. Böhmer, One Hundred Years: The Kiel Canal in International Law, GYIL 1995, S. 325 ff. (S. 336). 21 Zur Begründung siehe unten, Anm. 27. Eine Fortgeltung der Regeln des Versailler Vertrages für den Kieler Kanal befürworten hingegen beispielsweise P. Daillier/A. Pellet, Droit international public (Nguyen Quoc Dinh, 6. Aufl. 1999), S. 1177 (§ 711). Ausführlich zum Meinungsstand hinsichtlich des Kanals W. O. Lampe, Die völkerrechtliche Situation des Kieler Kanals gestern und heute (1985), S. 124 ff. 22 Kippels (Anm. 4), S. 64. A. Böhmer (Anm. 20, S. 336) weist darauf hin, daß die von der deutschen Note betroffenen Staaten seinerzeit nur sehr begrenzt über Mittel verfügt hätten, um ihre Proteste durch Taten zu untermauern. Generell würde die Aufstellung des Erfordernisses einer Koppellung von Protesten mit effektiven Gegenmaßnahmen dazu führen, daß die Gültigkeit völkerrechtlicher Verträge letztlich zur Disposition der sich jeweils in einer Position der Stärke befindlichen Mächte stünde. A. Böhmer bemüht deshalb treffend den Satz ex injuria ius non oritur (ibid.). 23 Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge, 23. Mai 1969, BGBl. 1985 II S. 926; die Konvention ist auf sich vor ihrem Abschluß ereignende Sachverhalte selbstverständlich nicht unmittelbar anwendbar; sie stellt aber in weiten Teilen eine Kodifizierung älteren Gewohnheitsrechts dar, vgl. K. Ipsen, Völkerrecht (4. Aufl. 1999), S. 147 (§ 15, Rn. 3). 24 Gemäß Art. 60 Abs. 3 Lit. a) der Wiener Vertragsrechtskonvention (Anm. 23) stellt die unzulässige Ablehnung eines Vertrages eine erhebliche Vertragsverletzung

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Darüber hinaus ist zu beachten, daß nach dem Zweiten Weltkrieg zumindest bezüglich des Rheins und der Donau durchaus praktische Schritte zur Wiederherstellung der Schiffahrtsfreiheit gemäß den Bestimmungen der 1936 von Deutschland abgelehnten Flußstatute unternommen worden sind25. So hat etwa Frankreich Anfang der fünfziger Jahre die ehemalige Société Française de Navigation Danubienne dazu veranlaßt, aus symbolischen Gründen einige ihrer Schiffe zu reaktivieren und sie dann demonstrativ unter französischer Flagge auf der Donau verkehren zu lassen26. Anders dar. Diese berechtigt die betroffenen Staaten sowohl zu vertragsrechtlichen wie auch zu deliktsrechtlichen Reaktionen (vgl. speziell für Statusverträge E. Klein [Anm. 1 in fine], S. 227 ff.), ohne daß sich allerdings eine Pflicht zu derartigen Reaktionen ausmachen ließe. In diesem Kontext kann vielmehr auf den Schiedsspruch The Chamizal (Mexiko gegen USA), 15. Juni 1911, RIAA Bd. XI, S. 309 (S. 329), verwiesen werden, in dem festgestellt wird, daß das Absehen von Zwangsmaßnahmen zur Durchsetzung eines Gebietsanspruchs nicht dazu führt, daß der Besitz des umstrittenen Gebiets als „unangefochten“ angesehen werden könne. Weiter kann der IGH zitiert werden, der im Fall der Certain Norwegian Loans (Frankreich gegen Norwegen), Urteil vom 6. Juli 1957, ICJ Reports 1957, S. 9 (S. 26), konstatiert: „Abandonment cannot be presumed or inferred; it must be declared expressly“. Da auf die deutsche Note von 1936 hin mehrere Staaten entweder ausdrücklich protestierten oder doch zumindest ihr Bedauern zum Ausdruck brachten, kann man aus dem Fehlen unmittelbar folgender praktischer Konsequenzen nicht schließen, diese Staaten hätten den Zustand, gegen den sie protestierten, de facto anerkannt; so aber das OLG Schleswig im Ari-Fall (Anm. 18, S. 406). 25 Nach Kriegsende unternahmen die Alliierten erhebliche Anstrengungen, die Schiffahrtsfreiheit auf den deutschen Flüssen zunächst einmal tatsächlich wiederherzustellen, siehe La Navigation du Rhin 1948, Situation des voies navigables en Allemagne, S. 145 ff. (S. 145). Im Spätherbst 1945 nahm dann auch die Zentralkommission für die Rheinschiffahrt ihre Tätigkeit wieder auf. Dabei tagte sie im Prinzip in der Zusammensetzung, die sie gemäß dem Versailler Vertrag erhalten hatte, wobei die deutschen Interessen anfänglich von den westlichen Besatzungsmächten wahrgenommen wurden; vgl. den Rapport annuel de la Commission centrale pour la navigation du Rhin (1946), S. 1, wo darauf bezug genommen wird, daß die Besatzungsmächte diesbezüglich eine Derogation vom Versailler Vertrag erhalten hatten. Am 11. Juli 1950 nahm dann nach vierzehnjähriger Unterbrechung zum ersten Mal wieder ein deutscher Bevollmächtigter an den Beratungen teil, siehe Sengpiel (Anm. 2), S. 43. Damit war insoweit die vertragsmäßige Ordnung gemäß dem Versailler Vertrag wiederhergestellt (ebenso i. E. Dahm [Anm. 17], S. 622, der allerdings von einer Novation ausgeht). 26 Documentation française vom 27. Oktober 1956 (Anm. 11), S. 21. Die ganz bewußt angestrebte Wiederinbetriebnahme ehemaliger französischer Donauschiffe aus der Vorkriegszeit stellte ein erhebliches praktisches Problem dar: Die französische Donauflotte war infolge des Kriegsausbruchs größtenteils über das Schwarze Meer nach Istanbul evakuiert worden, ibid., S. 10. Von dort konnte sie selbst Anfang der fünfziger Jahre nicht einfach in die Donau zurückkehren, weil die Sowjetunion sich weigerte, die Schiffahrtsfreiheit auf der Donau zu respektieren. Die französische Regierung ließ deshalb eines der Schiffe über das Mittelmeer nach Triest bringen, wo es demontiert und dann über Land nach Regensburg geschafft wurde.

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als für den Kieler Kanal und diverse deutsche Flüsse läßt sich somit für die Donau nicht sagen, die anderen Vertragsstaaten hätten sich de facto mit dem Außerkrafttreten des betreffenden Statuts abgefunden27. Es ist dies nicht der Ort, eine Analyse der Rechtslage der deutschen Wasserstraßen durchzuführen. Es genügt festzuhalten, daß die Bindung Deutschlands an das Pariser Statut durch die Note der Reichsregierung nicht erloschen ist. Dennoch förderte die Note von 1936 in der Folgezeit Bestrebungen auch der übrigen Donaustaaten, sich von unliebsamen Bestimmungen des Pariser Statuts zu lösen. Eine Etappe des so in Gang gesetzten Prozesses stellen die 1938/39 in Sinaia und Bukarest geschlossenen Übereinkünfte Dort wurde es 1952 wieder zu Wasser gelassen und verkehrte (zusammen mit zwei weiteren französischen Schiffen) zunächst zwischen Deutschland und dem österreichischen Donauhafen von Linz. Erst 1953/54 entspannte sich die Lage an der Zonengrenze in Österreich so weit, daß die französischen Schiffe stromabwärts bis nach Wien vorstoßen konnten (zum Streit der Siegermächte um die Donauschiffahrt vgl. oben, Einleitung, bei Anm. 88 bis 97). Es sei erwähnt, daß die französische Maßnahme nicht unmittelbar gegen die deutsche Note von 1936 gerichtet war, sondern gegen die Verletzung der Pariser Konvention durch die Sowjetunion, vgl. Documentation française vom 27. Oktober 1956 (Anm. 11), S. 21. Da die Maßnahme aber die demonstrative Ausübung der Schiffahrtsfreiheit gemäß der Pariser Konvention bezweckte und die französischen Schiffe anfänglich vor allem auf dem deutschen Donauteilstück verkehrten, sind damit auch insoweit Schritte zur praktischen Wiederherstellung der Schiffahrtsfreiheit gemäß der Pariser Konvention unternommen worden. 27 V. Böhmert, der wohl wichtigste Vertreter der dem Ari-Fall zugrundeliegenden Rechtsmeinung (vgl. oben, Anm. 18), scheint sich übrigens durchaus der Angreifbarkeit seiner These von der „mangelnden Effektivität“ der Proteste von 1936 bewußt gewesen zu sein. So insistiert er zwar in einem Aufsatz von 1958 (siehe oben, Anm. 18) auf dieser These und schiebt sogar nach, es könne „bezweifelt werden, ob die Proteste nicht schon von vornherein als nicht ernstlich gemeint völkerrechtlich unwirksam gewesen“ seien (ebenda, S. 181). Dann erwähnt er aber bezüglich des Kieler Kanals hilfsweise, die so vorbehaltenen Rechte seien „spätestens in den Jahren nach 1945“ durch Anerkennung endgültig erloschen. Das ist in der Tat ein entscheidender Punkt, weil nämlich deutsche Gerichte und Behörden in den fünfziger Jahren mehrfach verkündet haben, daß ihrer Meinung nach das Statut des Kieler Kanals nicht mehr in Kraft sei, ohne daß andere Staaten auf diese erneuten Ablehnungen des Versailler Vertrages reagiert hätten, vgl. A. Böhmer (Anm. 20, S. 330 f.). Weiterhin hat auch das Auswärtige Amt an der 1937 eingeführten Praxis festgehalten, die Passage ausländischer Kriegsschiffe nur nach Notifikation und Genehmigungserteilung zu erlauben, eine Prozedur, die offenbar bis heute ohne Proteste befolgt worden ist, vgl. ibid. (S. 331 f.). Unter diesen Umständen kann – selbst unter Zugrundelegung der vom IGH aufgestellten strengen Anforderungen für einen Verzicht auf Rechte im völkerrechtlichen Verkehr (vgl. oben, Anm. 24) – davon ausgegangen werden, daß die übrigen Vertragsstaaten sich für den Kieler Kanal mit dem Außerkrafttreten der Bestimmungen des Versailler Vertrages abgefunden haben (zurückhaltender A. Böhmer [Anm. 20], S. 331 f., der ein Außerkrafttreten nur bezüglich der Durchfahrt von Kriegsschiffen für gesichert hält).

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dar, mit denen einerseits Deutschland der Europäischen Donaukommission beitrat28, andererseits aber deren Zuständigkeiten ganz erheblich verringert wurden29. b) Die Übereinkommen von Sinaia und Bukarest 1938/39 Die Europäische Donaukommission war 1856 eigentlich nur ins Leben gerufen worden, um die von der ehemaligen Territorialmacht Rußland vernachlässigte Donaumündung30 von Hindernissen zu befreien und sie so der internationalen Schiffahrt zugänglich zu machen31. Ihr ursprünglich auf zwei Jahre begrenztes Mandat32 wurde aber auch nach der Erfüllung dieser Aufgabe nicht bloß verlängert, sondern sogar in erweiterter Form perpetuiert33. Das erklärt sich mit den besonderen wirtschaftlichen34 und strategischen Interessen der Großmächte gerade an diesem Teilstück der Donau35. Die Donaumündung stellt – neben den für Kriegsschiffe nur bedingt geöff28

Übereinkommen von Bukarest, 1. März 1939 (Anm. 7). Übereinkommen von Sinaia, 18. August 1938 (Anm. 6). 30 Zur Vernachlässigung der Donaumündung durch Rußland siehe J. P. Chamberlain, The Regime of International Rivers: Danube and Rhine, Dissertation, New York 1923, S. 36 ff.; vgl. auch die diesbezügliche Anspielung in Art. XX Abs. 1 des Allgemeinen Friedensvertrages von Paris, 30. März 1856, Martens, NRG I 15, S. 770. 31 Siehe Art. XVI Abs. 1 des Allgemeinen Friedensvertrages, ibid. 32 In Art. XVIII des Allgemeinen Friedensvertrages, ibid., war vorgesehen, daß die Europäische Donaukommission ihre Arbeiten in zwei Jahren abschließen sollte; daraufhin hätten die Vertragsstaaten ihre Auflösung erklären sollen. Der StIGH merkt allerdings an, daß die Zeitvorgabe faktisch nicht einzuhalten war, siehe das Gutachten Commission européenne du Danube (Anm. 5), S. 41. 33 Siehe ausführlich ibid., S. 41 ff.; zusammenfassend Radovanovitch (Anm. 5, S. 565). 34 Hinsichtlich des Umfangs und der Anteile an der Handelsschiffahrt in der Donaumündung von 1930 bis 1939 vgl. die Statistik bei Marcantonatos (Anm. 1, S. 146; den größten Anteil hatte seinerzeit Griechenland, dann folgte Italien und an dritter Stelle – mit leichtem Vorsprung gegenüber Großbritannien – Rumänien). 35 Abgesehen vom besonderen internationalen Interesse an der Donaumündung lag es schon aus folgendem Grunde nahe, die Europäischen Donaukommission aufrechtzuerhalten: Die Erhaltung der Schiffbarkeit der Donaumündung sollte nach der Auflösung der Europäischen Kommission gemäß den Art. XVII Ziff. 4 und XVIII in fine des Allgemeinen Friedensvertrages, 30. März 1856 (Anm. 30), von der ursprünglich vorgesehenen Flußstaatenkommission sichergestellt werden. Da die Bildung dieser Kommission aber aufgrund von Divergenzen zwischen ÖsterreichUngarn und den übrigen Großmächten scheiterte (siehe oben, Einleitung, Anm. 69), war es konsequent, die dauernd nötigen Erhaltungsarbeiten in der Donaumündung sowie andere diesbezügliche Aufgaben der Europäischen Donaukommission zu überlassen (zur Notwendigkeit ständiger Erhaltungsmaßnahmen in der Donaumündung siehe Documentation française vom 27. Oktober 1956 [Anm. 11], S. 6). 29

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neten türkischen Meerengen36 – den wichtigsten Zugang zum Schwarzen Meer dar37. Ihre Kontrolle mußte deshalb für die an der Donau gelegenen zentraleuropäischen Mächte38 ebenso wie für die großen Seemächte England und Frankreich39 von besonderem Interesse sein. 36 Gemäß Art. 10 der Konvention von Montreux, 20. Juli 1936, SdN, RdT Bd. 173, S. 213, sind die türkischen Meerengen in Friedenszeiten grundsätzlich nur für kleine Kriegsschiffe und Begleitschiffe geöffnet. Lediglich die Schwarzmeerstaaten haben gemäß Art. 11 das Recht, die Meerengen mit Schlachtschiffen zu passieren sowie gemäß Art. 12 in Ausnahmefällen (Anlaufen einer Werft etc.) auch mit UBooten. Zusätzlich zum Verbot, die Meerengen mit größeren Kriegsschiffen und UBooten zu passieren, dürfen die Kriegsschiffe der Nicht-Schwarzmeerstaaten gemäß Art. 18 Nr. 2 nur für maximal 21 Tage auf dem Schwarzen Meer verweilen. Wenn die Türkei nicht Kriegführender ist, gelten die genannten Regeln auch in Kriegszeiten, mit der Einschränkung, daß die Meerengen für Kriegsschiffe der Kriegführenden grundsätzlich geschlossen sind (Art. 19 Abs. 1 und 2). Es sei darauf hingewiesen, daß das Meerengenstatut vor 1936 mehrfach Änderungen unterworfen war, siehe E. Klein (Anm. 1 in fine), S. 267 f. Die für die Durchfahrt von Kriegsschiffen permissivste Fassung galt von 1923 bis 1936 (vgl. ibid., S. 268); wesentlich restriktiver war hingegen noch das zur Zeit der Internationalisierung der Donau gültige Statut: Der Art. 1 der dem Allgemeinen Friedensvertrag beigefügten Meerengenkonvention, 30. März 1856, Martens, NRG I 15, S. 782, sah vor, das Prinzip aufrechtzuerhalten „en vertu duquel il a été de tout temps défendu aux bâtiments de guerre des puissances étrangères d’entrer dans les détroits des Dardanelles et du Bosphore“. 37 Siehe Documentation française vom 27. Oktober 1956 (Anm. 11), S. 9: „La Mer Noire est une mer fermée accessible d’Europe par deux passages essentiels: 1º Les Détroits (Bosphore et Dardanelles). 2º Les bouches du Danube“. 38 Der Wert der Donau als Zugang zum Schwarzen Meer wurde besonders deutlich, als Deutschland 1940/41 die gesamte Donau einschließlich der Mündung unter seine Kontrolle brachte: Dadurch wurde es möglich, in den Folgejahren mehrere hundert Kriegs- und Handelsschiffe aus der Nord- und Ostsee ins Schwarze Meer zu überführen, siehe oben, Einleitung, Anm. 80. Zu den so transportierten Schiffen zählten u. a. mehrere Torpedoboote, aber auch sechs U-Boote, vgl. Documentation française vom 27. Oktober 1956 (Anm. 11), S. 9, J. Meister, Der Seekrieg in den osteuropäischen Gewässern 1941–45 (1958), S. 232. Da am Schwarzen Meer nur geringe Werftkapazitäten zur Verfügung standen (vgl. ibid., S. 232 f.) und die türkischen Meerengen für Kriegsschiffe der Kriegführenden geschlossen waren (vgl. Art. 19 Abs. 2 der Konvention von Montreux, 20. Juli 1936 [Anm. 36]), wäre es für Deutschland anders kaum möglich gewesen, eine nennenswerte Schwarzmeerflotte aufzubauen. 39 Das strategische Interesse der Seemächte an der Donaumündung resultierte im wesentlichen indirekt aus ihrer Bedeutung für den Status des Schwarzen Meeres und der Meerengen: Die Internationalisierung der Donaumündung war eine Garantie dafür, daß das Schwarze Meer nicht durch Rußland zu einem mare clausum umgewandelt werden konnte. Wohl nicht zuletzt deshalb behielten sich die Großmächte in Art. XIX des Allgemeinen Friedensvertrages, 30. März 1856 (Anm. 30), das Recht vor, je zwei leichte Kriegschiffe in der Donaumündung stationieren zu dürfen; somit hatten sie ihre dauernde militärische Präsenz auf dem Schwarzen Meer sichergestellt. Die betreffenden Schiffe genossen auch das Privileg, jederzeit die Meerengen passieren zu dürfen, siehe Art. III der dem Allgemeinen Friedensvertrag

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Von dem seit 1878 unabhängigen Rumänien wurde das Fortbestehen der Europäischen Donaukommission demgegenüber zunehmend als diskriminierend und anachronistisch empfunden40. In langandauernden Streitigkeiten gelang es Rumänien nicht, in dieser Frage wesentliche Zugeständnisse der Großmächte zu erlangen41. Die intransigente Haltung besonders der Westmächte wurde dann aber nach 1936 zunehmend aufgeweicht42. Am 18. August 1938 konnte in Sinaia schließlich zwischen Rumänien, Frankreich und Großbritannien ein Übereinkommen unterzeichnet werden, nach dem die operativen Aufgaben der Europäischen Donaukommission künftig Rumänien überlassen wurden43. Da durch das Übereinkommen von Sinaia wesentliche im Donaustatut festgeschriebene Kompetenzen der Europäischen Donaukommission aufgehoben wurden44, hätte es nahe gelegen, das in der Pariser Konvention vorbeigefügten Meerengenkonvention, ibid., S. 782. Das Bewußtsein des engen Zusammenhangs der Internationalisierung der Donaumündung mit dem Status der Meerengen manifestierte sich deutlich in einem 1923 auf der Meerengenkonferenz von Lausanne unterbreiteten rumänischen Vorschlag, der Europäischen Donaukommission außer der Verwaltung der Donaumündung auch die Aufsicht über die türkischen Meerengen anzuvertrauen, siehe Radovanovitch (Anm. 5, S. 568). Vgl. zum Ganzen Documentation française vom 27. Oktober 1956 (Anm. 11), S. 6, 9. 40 Bereits 1882 hatte Großbritannien Schwierigkeiten, Rumänien für seine Pläne hinsichtlich der Ausweitung und Verlängerung des Mandats der Europäischen Donaukommission zu gewinnen, vgl. Radovanovitch (Anm. 5, S. 566). Die Verweigerung einer gleichberechtigten Teilnahme an der im Folgejahr hierzu abgehaltenen Londoner Konferenz führte dann zu langandauernden Streitigkeiten, siehe oben, Anm. 5. Erklärte Bestrebungen Rumäniens, sich gänzlich von der Kommission zu befreien, begannen hingegen erst ab 1919, Radovanovitch (Anm. 5, S. 568). Besonders scharf waren die diesbezüglichen Äußerungen des rumänischen Außenministers N. Titulesco vom Juli 1936 (Die Kommission sei „l’anachronisme le plus incroyable, le contrôle territorial étranger le plus inadmissible“ etc., siehe die Zitierung bei Marcantonatos [Anm. 1, S. 61 f.]). 41 Das einzig nennenswerte Zugeständnis, das Rumänien je hatte heraushandeln können, bestand darin, daß England, Frankreich und Italien anläßlich der Umsetzung des StIGH-Gutachtens zur Commission européenne du Danube (Anm. 5) auf die Stationierung von Kriegsschiffen in der Donaumündung verzichten wollten, vgl. Radovanovitch (Anm. 5, S. 608 und 628). Ein entsprechendes Abkommen von 1930 wurde jedoch nie ratifiziert, vgl. Seidl-Hohenveldern, Donau, in: Strupp/Schlochauer, Wörterbuch Bd. 1 (Anm. 5 S. 394). 42 Marcantonatos (Anm. 1, S. 55 f.) nennt als Grund für die zunehmende Flexibilität der Westmächte die Notwendigkeit, sich Rumänien als Bundesgenossen für den sich anbahnenden Weltkrieg zu sichern. Eine wichtigere Rolle dürfte allerdings die generelle Strategie der Appeasement-Politik gespielt haben sowie auch der Glaubwürdigkeitsverlust infolge der milden Reaktion auf die deutsche Note vom 14. November 1936. 43 Übereinkommen von Sinaia, 18. August 1938 (Anm. 6). 44 Vgl. die in Art. 1 und 2 des Übereinkommens von Sinaia (Anm. 6) genannten Bestimmungen sowie Art. 5 der Pariser Konvention vom 23. Juli 1921 (Anm. 1).

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1. Kap.: Der Schutz der Schiffahrtsfreiheit

gesehene Revisionsverfahren mit Beteiligung aller Vertragsstaaten durchzuführen45. Und obwohl bei einer ähnlichen Gelegenheit im Jahre 1930 tatsächlich eine förmliche Einbeziehung aller Vertragsstaaten für notwendig erachtet worden war46, beschränkten sich die Signatare des Übereinkommens von Sinaia darauf, das Einverständnis des weiteren Kommissionsmitglieds Italien einzuholen47, welches dann 1939 anläßlich der Aufnahme Deutschlands in die Kommission erteilt wurde48. Der Verzicht auf die Durchführung des Revisionsverfahrens ist später, bei der Belgrader Konferenz, von der Sowjetunion und den in ihren Einflußbereich gefallenen Donaustaaten als Argument für die erneute Nichtbeachtung des Revisionsverfahren verwendet worden. Dabei wurde argumentiert, Frankreich und Großbritannien hätten die Pariser Konvention beim Abschluß des Übereinkommens von Sinaia hinter dem Rücken der übrigen Signatarstaaten aufgehoben. Von einem Weiterbestehen der Konvention könne daher keine Rede sein49. Was die 1939 erfolgte Aufnahme Deutschlands in die Europäische Donaukommission betrifft, so konnte diese gemäß Artikel 4 Absatz 2 der Pariser Konvention50 unproblematisch durch eine einstimmige Entscheidung der Mitgliedstaaten der Kommission herbeigeführt werden. Aber auch die Reduzierung der Kompetenzen der Kommission konnte auf eine Bestimmung der Pariser Konvention gestützt werden. So sieht Artikel 7 Absatz 1 vor, daß die Vollmachten der Europäischen Kommission nur erlöschen, falls dies durch ein Übereinkommen aller in ihr vertretenen Staaten vereinbart wird51. Wenn – so argumentierten die Westmächte52 – eine derartige Selbst45

Art. 42 der Pariser Konvention (Anm. 1). Zu dem nicht ratifizierten Abkommen von 1930, mit dem das StIGH-Gutachten zur Commission européenne du Danube umgesetzt werden sollte, vgl. oben, Anm. 41. Die damalige Annahme, alle Vertragsstaaten müßten formell an der Änderung der Kompetenzen der Kommission beteiligen werden, ging auf einen Bericht des zur Streitbeilegung eingerichteten Spezialkomitees des Völkerbundes zurück, vgl. Radovanovitch (Anm. 5, S. 600), E. C. Hoyt, The Unanimity Rule in the Revision of Treaties (1959), S. 143. 47 Art. 22 des Übereinkommen von Sinaia, 18. August 1938 (Anm. 6). 48 Art. 2 des Übereinkommens von Bukarest, 1. März 1939 (Anm. 7); Italien hatte die Aufnahme Deutschlands in die Kommission zur Bedingung für seine Zustimmung zum Übereinkommen von Sinaia gemacht, siehe Marcantonatos (Anm. 1, S. 63). 49 So der stellvertretende sowjetische Außenminister A. Wyschinskij in der 2., 4. und 8. Plenarsitzung der Belgrader Konferenz, 31. Juli, 3. August und 6. August 1948, Conférence Danubienne, Beograd 1948, Recueil des Documents (Edition du ministre des Affaires étrangères de la RPFY 1949), S. 55 ff. (S. 67), S. 99 ff. (S. 111 ff.) und S. 171 ff. (S. 195), auszugsweise auch in: Europa-Archiv 1948 (Anm. 11, S. 1646 f.). 50 Pariser Konvention vom 23. Juli 1921 (Anm. 1). 46

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auflösung der Kommission zulässig war, so mußte erst Recht eine Reduzierung ihrer Kompetenzen erlaubt sein (argumentum a maiore ad minus)53. Insgesamt stellten die Übereinkommen von Sinaia und Bukarest die grundsätzliche Geltung des Pariser Statuts sicherlich nicht in Frage54. Es handelte sich vielmehr um einen Versuch Englands und Frankreichs, einem erneuten einseitigen Vorgehen der Vertragspartner vorzubeugen. Dennoch konnte damit nicht verhindert werden, daß die Donaustaaten schon bald darauf überein kamen, beide Donaukommissionen für aufgelöst zu erklären. c) Die Erklärungen der Donaustaaten vom September/Oktober 1940 Die Bestrebungen zur Revision der Pariser Konvention erreichten ihren vorläufigen Höhepunkt bei einem im September 1940 in Wien abgehaltenen Treffen von Vertretern der Donaustaaten und Italiens55. Dabei wurde die bisherige, auch mit Vertretern Englands und Frankreichs besetzte Internatio51 „Les pouvoirs de la Commission européenne ne pourront prendre fin que par l’effet d’un arrangement international conclu par tous les Etats représentés à la Commission“. 52 Stellungnahme des britischen Delegierten in der 4. Plenarsitzung der Belgrader Konferenz, 3. August 1948, Conférence Danubienne, Recueil des Documents (Anm. 49), S. 99 ff. (S. 103), auszugsweise auch in: Europa-Archiv 1948 (Anm. 11, S. 1646 f.), Stellungnahme des französischen Delegierten in der 6. Plenarsitzung, 5. August 1948, Recueil des Documents (Anm. 49), S. 141 ff. (S. 149), auch vollständig wiedergegeben in: RGDIP 1949, S. 551 ff. (S. 552). 53 Zustimmend J.-P. Jacqué, A propos de l’accord de Rome du 23 avril 1977. Etendue de la survie de la Commission européenne du Danube, AFDI 1981, S. 747 ff. (S. 751). Kippels (Anm. 4), S. 74, hingegen meint, das Vorgehen 1938/39 sei vertragswidrig gewesen und habe die Pariser Konvention faktisch ausgehöhlt, ohne daß dies allerdings de jure zu einer Beendigung der Konvention geführt habe. Zur Genese der Art. 7 und 42 der Pariser Konvention vgl. im übrigen Hoyt (Anm. 46), S. 134 ff. und 145. 54 Das war auch die einhellige Meinung aller Vertragsstaaten nach dem Abschluß der Übereinkommen von Sinaia und Bukarest, vgl. Marcantonatos (Anm. 1, S. 142 f.): Beide Übereinkommen waren sämtlichen Vertragsstaaten der Pariser Konvention notifiziert worden, ohne daß daraufhin auch nur einer Protest erhoben hätte. Die einzige Reaktion war eine Rückfrage Jugoslawiens, das sich informieren wollte, ob es sich bei den Übereinkommen um eine Revision der Pariser Konvention handle oder um einen eigenständigen Rechtsakt; ein Protest war damit nicht verbunden. Marcantonatos merkt völlig zu Recht an, daß es sich bei dem Verhalten der übrigen Vertragstaaten um ein stillschweigendes Einverständnis handelte (ibid., S. 143), zustimmend auch Jacqué (Anm. 53, S. 751). Zu den Prinzipien der Revision von Statusverträgen vgl. E. Klein (Anm. 1 in fine), S. 254 ff. (insb. S. 274 f.). 55 An dem vom 5. bis 12. September 1940 dauernden Treffen nahmen Regierungsvertreter Deutschlands, der Slowakei, Ungarns, Jugoslawiens, Bulgariens, Rumäniens und Italiens teil, Europa-Archiv 1948 (Anm. 11, S. 1642).

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1. Kap.: Der Schutz der Schiffahrtsfreiheit

nale Donaukommission für aufgelöst erklärt56. Gleichzeitig wurde die Schaffung eines „Binnendonaurates“ vereinbart57, der einstweilen die Aufgaben der Internationalen Kommission übernehmen sollte58. Das auf Initiative des Deutschen Reichs abgehaltene Treffen führte allerdings zu Protesten der Sowjetunion, die – trotz der mit der Annexion Bessarabiens im Juni 1940 wiedererlangten Stellung als Donauanrainer59 – nicht berücksichtigt worden war und die nun ihr Interesse an „allen“ die Donau betreffenden Fragen anmeldete60. Den Hinweis der Reichsregierung, es habe sich bei dem Treffen in Wien allein um die Binnendonau, nicht aber um die Donaumündung betreffende Fragen gehandelt, wies der sowjetische Außenminister Molotow entschieden zurück61. Während das Deutsche Reich dazu tendierte, die Europäische Donaukommission aufrechtzuerhalten, drängte die Sowjetunion jetzt zu einer Ersetzung beider Kommissionen durch eine einheitliche Flußstaatenkommission62. Dabei ging es ihr natürlich zunächst einmal darum, mittels einer einheitlichen Kommission auch auf die Binnendonau betreffende Entscheidungen Einfluß nehmen zu können. Darüber hinaus beruhte die Ablehnung der Europäischen Donaukommission aber auf deren traditioneller strategi56 Präambel des Wiener Übereinkommens vom 12. September 1940 (Anm. 10). Die Internationale Kommission war allerdings zu diesem Zeitpunkt durch den Rückzug der zwei deutschen Kommissionsmitglieder sowie durch den Anschluß Österreichs und die Zerschlagung der Tschechoslowakei ohnehin schon nicht mehr beschlußfähig, siehe Martius (Anm. 13, S. 240). 57 Art. 6 Abs. 1 i. V. m. der Präambel des Wiener Übereinkommens vom 12. September 1940 (Anm. 10). 58 Der Art. 1 des Übereinkommens vom 12. September 1940 (Anm. 10) bestimmte, daß die zuvor auf die Donauschiffahrt angewendeten Regeln grundsätzlich in Kraft bleiben sollten. Gemäß den Art. 3 bis 6 sollten der „Binnendonaurat“ und seine Unterorgane die Arbeit der Internationalen Donaukommission solange fortführen, bis die Frage der Donauschiffahrt bei einem Friedensschluß endgültig geregelt würde (Art. 7). 59 Die Sowjetunion erzwang am 27. Juni 1940 mit einem Ultimatum die Rückabtretung des nach dem Ersten Weltkrieg verlorenen Bessarabien, Documentation française vom 27. Oktober 1956 (Anm. 11), S. 3, 5. 60 Ibid., S. 5. 61 Zunächst hatte der deutsche Botschafter in Moskau am 11. September 1940 versucht, den späteren stellvertretenden Außenminister A. Wyschinskij von der Notwendigkeit einer Unterscheidung zwischen der See- und der Binnendonau zu überzeugen. Nachdem dies nicht gelang, telegraphierte der deutsche Außenminister J. v. Ribbentrop, daß auch er die auf dem Wiener Treffen besprochenen Fragen für Probleme der Anlieger der Binnendonau hielt und bot der Sowjetunion eine Aufnahme in die Europäische Donaukommission an. Das wies der sowjetischen Außenminister W. M. Molotow zurück und verlangte statt dessen die Bildung einer einheitlichen Flußkommission, vgl. ibid. sowie Europa-Archiv 1948 (Anm. 11, S. 1642 f.). 62 Ibid. sowie Hoyt (Anm. 46), S. 146.

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scher Funktion, einer weiteren Expansion Rußlands in Richtung des Mittelmeeres Schranken zu setzen63. So hatte Großbritannien besonders nach der türkischen Niederlage im Krieg von 1877/78 systematisch auf eine Stärkung und Perpetuierung der Europäischen Donaukommission hingearbeitet64, weil diese eine Rechtfertigung dafür bot, eine sowohl zivile wie auch militärische Präsenz auf dem Schwarzen Meer aufrecht zu erhalten65. Der internationale Charakter der Donaumündung stellte somit eine Garantie dafür dar, daß Rußland nicht versuchen konnte, dieses ehemalige türkische Binnenmeer66 in ein nunmehr von ihm dominiertes mare clausum zu verwandeln67. Die sowjetische Forderung nach einer Auflösung der Europäischen Donaukommission lief zum einen dem seit langem etablierten Kräftegleichgewicht im Schwarzmeerraum zuwider68. Zum anderen verstieß aber der damit einhergehende Anspruch auf ein Mitspracherecht bezüglich der Binnendonau gegen die im Rahmen des Hitler-Stalin-Pakts getroffenen Absprachen hinsichtlich der Abgrenzung jeweiliger „Interessensphären“69. So war zwar Bessarabien dem sowjetischen Machtbereich zugeteilt worden70, darüber hinausgehende sowjetische Ansprüche auf dem Balkan waren aber nicht vorgesehen und liefen deshalb der deutschen Prätention auf die Rolle einer Hegemonialmacht in der Region zuwider71. Trotz zu befürchtender weiterer Divergenzen72 kam das Deutsche Reich den sowjetischen Forderungen entgegen und willigte im Oktober 1940 – un63

Documentation française vom 27. Oktober 1956 (Anm. 11), S. 6, 9; vgl. auch W. Wegener, Die internationale Donau (1951), S. 11 f. und 46. 64 Vgl. Radovanovitch (Anm. 5, S. 566). 65 Bezüglich der Stationierung von Kriegsschiffen in der Donaumündung siehe schon oben, Anm. 39. 66 Erst durch den Frieden von Küçük Kaynarci mußte die Hohe Pforte 1774 den russischen Zaren die Oberhoheit über die Krimtartaren übertragen und gleichzeitig der russischen Handelsflotte ein Durchfahrtsrecht durch die Meerengen zugestehen, siehe K. H. Ziegler, Völkerrechtsgeschichte (1994), S. 203 (§ 38 I 1.b). 67 Documentation française vom 27. Oktober 1956 (Anm. 11), S. 6, 9. 68 Ibid., S. 6. 69 Geheimes Zusatzprotokoll zum deutsch-sowjetischen Nichtangriffspakt vom 23. August 1939, vgl. K. H. Bracher, Zusammenbruch des Versailler Systems und Zweiter Weltkrieg, in: G. Mann (Hrsg.), Propyläen Weltgeschichte, Bd. 9 (Wiederauflage 1986), S. 389 ff. (S. 429). 70 Ibid. sowie Documentation française vom 27. Oktober 1956 (Anm. 11), S. 5. 71 Ibid.; zum Interessenkonflikt bezüglich der Donau vgl. auch Marcantonatos (Anm. 1, S. 151). 72 Die Forderung nach einer Auflösung der Europäischen Donaukommission wurde von der deutschen Seite richtig dahingehend gedeutet, daß die Sowjetunion an ältere Expansionsbestrebungen in Richtung des Mittelmeeres anknüpfen wollte, vgl. Documentation française vom 27. Oktober 1956 (Anm. 11), S. 6.

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ter der Bedingung einer Beteiligung Italiens – in die Bildung einer einheitlichen, von Bratislava bis zum Meer zuständigen Donaukommission ein73. Zur Regelung von Einzelheiten wurde noch Ende Oktober eine gemeinsame Konferenz mit Italien und Rumänien einberufen, die aber aufgrund zusätzlicher, insbesondere für Rumänien inakzeptabler sowjetischer Forderungen hinsichtlich der Donaumündung scheiterte74. Zu einer diesbezüglichen Einigung ist es vor dem Kriegsausbruch im Osten nicht mehr gekommen75. Die Erklärungen zur Auflösung der Donaukommissionen stießen auf britischen Protest76 und wurden in der Folge auch von Frankreich nicht anerkannt77. Die wiederholten Versuche, das Pariser Statut zu revidieren, manifestierten aber immerhin, daß die Donaustaaten seinerzeit noch von dessen grundsätzlicher Gültigkeit ausgingen. Dennoch behauptete die Sowjetunion 1948 auf der Belgrader Konferenz, das Pariser Statut habe bereits durch das angeblich vertragswidrige Zustandekommen des Übereinkommens von Sinaia seine Gültigkeit verloren78. Die Westmächte konnten demgegenüber einfach auf eine sowjetische Erklärung vom Oktober 1940 verweisen, in der von der Notwendigkeit die Rede war, die zwei „bestehenden“ Donaukommissionen zu liquidieren, und sie durch eine einheitliche Kommission zu ersetzen79. Die 1940 getroffenen Absprachen hatten zur Konsequenz, daß die Pariser Konvention während des Zweiten Weltkrieges nur noch bedingt zur Anwendung kam. Ihr Fortbestand wurde aber durch die einseitigen Revisionsbestrebungen ebensowenig betroffen, wie durch den Kriegsausbruch als solchen80. 73

Ibid. sowie Europa-Archiv 1948 (Anm. 11, S. 1643). Die Sowjetunion forderte u. a. eine freie Einfahrt ihrer Kriegsschiffe in die Donaumündung sowie eine Beteiligung an der seit 1939 rumänischen Mündungsverwaltung, ibid. sowie Wegener (Anm. 63), S. 34. 75 Es sei noch erwähnt, daß die Sowjetunion im Spätherbst 1940 für den von Deutschland gewünschten sowjetischen Beitritt zum Dreimächtepakt u. a. die Bedingung aufstellte, daß Bulgarien und die Türkei der sowjetischen „Interessensphäre“ zugeteilt würden. Es wurde also nunmehr offen die Umwandlung des Schwarzen Meeres in ein sowjetisches Binnenmeer angestrebt, vgl. Bracher (Anm. 69, S. 438). 76 Marcantonatos (Anm. 1, S. 151), Hoyt (Anm. 46), S. 146, Europa-Archiv 1948 (Anm. 11, S. 1643). 77 Ibid. 78 Vgl. oben, bei Anm. 49. 79 So eine von der Nachrichtenagentur TASS am 26. Oktober 1940 verbreitete Erklärung (siehe die Nachweise oben, Anm. 11). Auf diese Erklärung wurde u. a. vom französischen Delegierten in der 6. Plenarsitzung der Belgrader Konferenz Bezug genommen, 5. August 1948, Conférence Danubienne, Recueil des Documents (Anm. 49), S. 141 ff. (S. 149), ebenfalls abgedruckt in: RGDIP 1949, S. 551 ff. (S. 552 f.); vgl. auch Jacqué (Anm. 53, S. 751), Seidl-Hohenveldern, Die Belgrader Donaukonvention von 1948, ArchVR 1958, S. 53 ff. (S. 257). 74

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2. Die Erhaltung des Pariser Statuts trotz des Zweiten Weltkrieges Die Wirkungen des Krieges auf die Fortgeltung völkerrechtlicher Verträge sind in der Völkerrechtslehre teilweise sehr kontrovers beurteilt worden81. Gestützt auf detaillierte Studien der Staatenpraxis sowie auf Überlegungen zu den Eigenheiten von Statusverträgen kann aber immerhin für diese ein Erlöschen durch den bloßen Eintritt des Kriegszustandes ausgeschlossen werden82 [a)]. Dem entspricht auch die beim Pariser Statut zu beobachtende grundsätzliche Kontinuität seit seiner Etablierung im Jahre 185683 [b)]. Gewisse Zweifel an der weiteren Bindung Deutschlands an die Pariser Konvention ergeben sich allerdings durch besondere Umstände, die mit der bedingungslosen Kapitulation im Jahre 1945 und der folgenden alliierten Besatzung zusammenhängen84 [c)]. a) Die Wirkungen des Krieges auf die Fortgeltung völkerrechtlicher Verträge Die Auffassungen bezüglich der Wirkungen des Krieges auf die Fortgeltung völkerrechtlicher Verträge sind im Laufe der Zeit einem nicht unerheblichen Wandel unterworfen gewesen. Gestützt auf ältere Tendenzen der Staatenpraxis war von der bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts vorherr80 Es ist selbstverständlich und bedarf keiner weiteren Begründung, daß die Donaustaaten sich nicht einseitig von ihrer vertraglichen Bindung an das Pariser Statut lösen konnten; zur Bindung der Sowjetunion als Drittstaat siehe im übrigen E. Klein (Anm. 1 in fine), S. 269. Zum Versuch der Sowjetunion, ihre Ablehnung der Donaukommissionen dennoch zu rechtfertigen, vgl. Europa-Archiv 1948 (Anm. 11, S. 1646), Marcantonatos (Anm. 1, S. 151), Hoyt (Anm. 46), S. 146, Jacqué (Anm. 53, S. 750). 81 Kippels (Anm. 4), S. 75 f., m. w. Nachw. 82 Vgl. A. D. McNair, La terminaison et la dissolution des traités, RdC Bd. 22 (1928 II), S. 463 ff. (S. 506 ff.), idem, Les effets de la guerre sur les traités, RdC Bd. 59 (1937 I), S. 527 ff. (S. 573 ff.), E. Klein (Anm. 1 in fine), S. 295 ff. 83 Das Pariser Statut überdauerte den russisch-türkischen Krieg von 1877/78 ebenso wie den Ersten Weltkrieg; der serbisch-bulgarische Krieg von 1885 kam als Grund für ein Erlöschen gar nicht in Betracht, weil die Kriegführenden nicht Vertragsparteien des Donaustatuts waren. Die Probleme der Westmächte, nach dem Zweiten Weltkrieg die Wiederanwendung des Statuts zu erreichen, beruhten weniger auf dem Krieg als solchem, als auf entgegenstehenden machtpolitischen Interessen der Sowjetunion. 84 Zum besonderen, von den Besatzungsmächten eingeführten Verfahren zur Inkraftsetzung völkerrechtlicher Verträge des Deutschen Reichs siehe E. Kaufmann, Die völkerrechtlichen Vorkriegsverträge, ZaöRV 1958, S. 225 ff. (S. 226 ff.), Jaenicke (Anm. 10), S. 58 ff., Sengpiel (Anm. 2), S. 95 ff.

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schenden Vertragsvernichtungstheorie davon ausgegangen worden, daß der Eintritt des Kriegszustandes die Vertragsbeziehungen zwischen den Kriegsparteien grundsätzlich zum Erlöschen bringt85. Das war aber – angesichts der zunehmenden internationalen Verflechtung und dem damit einhergehenden Stabilitätsbedürfnis – wohl schon damals nicht mehr ganz interessengerecht86, so daß dann zunehmend die Differenzierungstheorie an Boden gewann87. Nach ihr ist lediglich für einige Kategorien von Verträgen ein automatisches Erlöschen anzunehmen88. Andere Gruppen von Verträgen bleiben hingegen – gemäß dem jeweiligen Vertragsgegenstand und Vertragszweck – weiter anwendbar, beziehungsweise werden nur vorübergehend suspendiert89. Entgegen der Annahme der älteren Vertragsvernichtungstheorie konnte durch eingehende Analysen der Staatenpraxis des 19. Jahrhunderts sowie des Ersten Weltkrieges nachgewiesen werden, daß – trotz der damals noch vergleichsweise drastischen Rechtswirkungen des Kriegszustandes90 – die 85 Vom Erlöschen ausgenommen sein sollten nur die speziell für den Fall eines Krieges geschlossenen Verträge, vgl. die Darstellung bei Kippels (Anm. 4), S. 75. Die Vertragsvernichtungstheorie beruhte vor allem darauf, daß völkerrechtliche Verträge bis ins 19. Jahrhundert hinein vorrangig politische Fragen regelten, vgl. E. Kaufmann (Anm. 84, S. 225); sie wird heute kaum noch vertreten (vgl. aber z. B. noch Jaenicke [Anm. 10], S. 57). 86 G. Scelle, De l’influence de l’état de guerre sur le droit conventionnel, JDI 1950, S. 26 ff. (S. 34 ff.), merkt mit Blick auf die Gründungsverträge der sich schon im 19. Jahrhundert entwickelnden Verwaltungsunionen an, es wäre „inacceptable et ruineux pour l’ordre juridique international qu’un régime de Droit normal engendré pour garantir la stabilité nécessaire des relations inter-étatiques, – régime délicat, toujours difficile à construire, et dont la généralité est la condition essentielle d’efficacité –, fût nécessairement et automatiquement aboli par suite du recours à la force de deux ou plusieurs Etats participants, en vue de faire prévaloir une prétention nationale, c’est à dire un intérêt particulier et momentané sur l’intérêt général et permanent de la communauté internationale“. Entsprechend hatten auch schon Autoren des ausgehenden 19. Jahrhunderts den integralen Fortbestand der betreffenden Gründungsverträge befürwortet, vgl. die Nachweise ibid. (S. 34). 87 Ein entscheidender Durchbruch für die Verbreitung der Differenzierungstheorie war die Annahme des „Règlement concernant les effets de la guerre sur les traités“, Annuaire IDI 1912 (Bd. 25), S. 648 ff. Zu dieser heute h. L. siehe z. B. Daillier/Pellet (Anm. 21), S. 309 f. (§ 200). 88 Der Art. 1 des 1912 vom IDI verabschiedeten „Règlement concernant les effets de la guerre sur les traités“ (Anm. 87) ging beispielsweise grundsätzlich von der Vertragserhaltung aus; laut Art. 2 sollten lediglich politische Verträge erlöschen (Allianzen, Assoziierungsverträge etc.) sowie auch diejenigen Verträge, deren Anwendung oder Interpretation zum Kriegsausbruch geführt hatte. 89 Zu für die Dauer von Kriegen als suspendiert erachteten Verträgen vgl. Art. 4 des „Règlement“ (Anm. 87). 90 Da der Krieg heute kein zulässiges Mittel nationaler Politik mehr darstellt, sind die unmittelbaren Rechtsfolgen moderner bewaffneter Konflikte deutlich milder

§ 2 Der Streit um das aktuelle Donaustatut

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objektiven Regime auch nach dem Ende der jeweiligen Kriege als weiter in Geltung befindlich behandelt wurden91. Dieser Befund konnte hinsichtlich des Zweiten Weltkrieges sowie darauffolgender bewaffneter Konflikte bestätigt werden92. Diese Beständigkeit von Statusverträgen läßt sich darauf zurückführen, daß die mit ihnen verfolgten Allgemeininteressen durch die Verwicklung einzelner oder selbst aller Vertragsparteien in einen Krieg oder in einen sonstigen bewaffneten Konflikt nicht fundamental in Frage gestellt zu werden pflegen93. So bestand beispielsweise das Interesse an der Nutzung internationaler Wasserstraßen auch nach einem Krieg in meist unvermindertem Maße fort94. Ebenso beständig ist das Interesse, für bestimmte strategisch wichtige Zonen durch Neutralisierungen oder Demilitarisierungen einen status quo zu etablieren, der diese Zonen dem Hegemonialstreben einzelner Mächte entzieht95. Für die betreffenden Verträge – wie für Statusverträge allgemein – muß deshalb davon ausgegangen werden, daß sie bei kriegerischen Auseinandersetzungen nicht zur Disposition der Konfliktparteien stehen und daß sie auch nach dem Ende eines Konflikts als weiterhin gültig angesehen werden müssen96. als die einschneidenden Wirkungen klassischer Kriege. Dies spiegelt sich in der häufig zu beobachtenden Aufrechterhaltung diplomatischer Kontakte ebenso wider wie in der weitergehenden Stabilität der vertraglichen Beziehungen, vgl. Ipsen (Anm. 23), S. 1105 f. (§ 71, Rn. 1 ff.). 91 Vgl. bereits die Analysen von McNair (Anm. 82). 92 Siehe zum Ganzen die Analyse von E. Klein (Anm. 1 in fine), S. 296 ff. 93 Ibid., S. 297 f. 94 Zur Illustration kann z. B. eine Stellungnahme des ungarischen Premierministers K. v. Tisza angeführt werden, der anläßlich des russisch-türkischen Krieges von 1877/78 bezüglich der Donau erklärte „qu’il entre dans ses attributions essentielles de veiller à ce qu’il ne se produise rien qui puisse préjudicier pour l’avenir à la libre navigation sur ce fleuve, ou même qui puisse, le conflit cessant, restreindre indûment la liberté de la navigation“ (Année Maritime 1878 [Edition BergerLevrault, Paris], Suspension de la navigation sur le Danube, S. 47 ff. [S. 49]). Zum allgemeinen Interesse an der Beständigkeit des Statuts der türkischen Meerengen vgl. die an Rußland gerichtete britische Note vom 6. Mai 1877, ibid., L’Angleterre et le canal de Suez, S. 51 ff. (S. 52). 95 Vgl. beispielsweise hinsichtlich des Interesses an einer dauerhaften Demilitarisierung der Ålandinseln E. Klein (Anm. 1 in fine), S. 64 (bei Anm. 54), 296 und 316 f. Von solchen, im Allgemeininteresse vereinbarten, dauerhaften Demilitarisierungen zu unterscheiden sind Demilitarisierungen von lediglich regionaler Bedeutung (z. B. das 1815 zugunsten von Basel vereinbarte Befestigungsverbot für Hüningen, vgl. ibid., S. 64, Anm. 56); für sie kommt im Falle des Ausbruchs eines bewaffneten Konflikts ein Erlöschen durchaus in Betracht, vgl. die Stellungnahme von F. Münch in der Diskussion des IDI zu den Wirkungen bewaffneter Konflikte auf Verträge, Sitzung vom 2. September 1981, Annuaire IDI 1982 (Bd. 59 II), S. 229 ff. (S. 230 f.).

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1. Kap.: Der Schutz der Schiffahrtsfreiheit

Das Bedürfnis, die antisozialen Auswirkungen des Krieges zurückzudrängen, bestand für die im Allgemeininteresse geschlossenen Statusverträge97 zur Zeit des klassischen Völkerrechts ebenso wie heute, nachdem das Gewaltverbot zu einer noch stärkeren Limitierung der Rechtswirkungen bewaffneter Konflikte geführt hat98. Entsprechend läßt sich auch bezüglich des Pariser Donaustatuts eine weitgehende Kontinuität seit seiner Etablierung im Jahre 1856 beobachten. b) Die Praxis im Rahmen des Pariser Statuts Ein deutlicher Hinweis darauf, daß der Ausbruch eines Krieges den Fortbestand des Pariser Statuts nicht beeinträchtigen konnte, ergibt sich aus der Neutralisierung der Werke und Einrichtungen der Europäischen Donaukommission gemäß Artikel 21 des Acte public von 186599. Anders als während der eher begrenzten Kriege des 19. Jahrhunderts [aa)] wurden während der beiden Weltkriege dennoch Versuche unternommen, einseitig Veränderungen am Donaustatut durchzusetzen100 [bb)].

96 McNair (Anm. 82), RdC 1928 II, S. 508, RdC 1937 I, S. 575, Daillier/Pellet (Anm. 21), S. 309 (§ 200), E. Klein (Anm. 1 in fine), S. 297 f. 97 Zur Allgemeinwohlbezogenheit von Statusverträgen siehe E. Klein (Anm. 1 in fine), S. 61 ff. 98 Wegen der Unterschiede eines klassischen Krieges und eines modernen bewaffneten Konflikts können die heutigen Maßstäbe für die Fortgeltung völkerrechtlicher Verträge im Falle bewaffneter Konflikte auf den Zweiten Weltkrieg oder auf noch frühere Kriege nicht angewandt werden. Es sei aber erwähnt, daß mittlerweile vorwiegend davon ausgegangen wird, daß der bloß faktische Ausbruch eines bewaffneten Konflikts – anders als der Eintritt eines klassischen Kriegszustandes – nicht automatisch zum Erlöschen bzw. zur Suspension ganzer Kategorien völkerrechtlicher Verträge führt, vgl. den Art. 2 der 1985 ohne Gegenstimme verabschiedeten Resolution des IDI bezüglich „The effects of armed conflicts on treaties“, Annuaire IDI 1986 (Bd. 61 II), S. 278 ff. Statt dessen soll jeweils im Einzelfall zu bestimmen sein, ob die am Konflikt beteiligten Staaten einzelne Vertragspflichten ausnahmsweise suspendieren oder beenden wollen, vgl. Ipsen (Anm. 23), S. 1106 und 1109 (§ 71, Rn. 3 und 14). 99 Acte public, vereinbart in Galatz von den Mitgliedern der Europäischen Donaukommission, 2. November 1865, Martens, NRG I 18, S. 144, sanktioniert durch die Pariser Konferenz, Protokoll Nr. 3, 28. März 1866, ibid., S. 177 ff. (S. 178 f.). 100 Vgl. für den Ersten Weltkrieg die Art. XXIV bis XXVI des nicht ratifizierten Bukarester Friedensvertrages zwischen Deutschland, Österreich-Ungarn, Bulgarien, der Türkei und Rumänien, 7. Mai 1918, ibid. III 10, S. 856, sowie für den Zweiten Weltkrieg das Wiener Übereinkommen vom 12. September 1940 (Anm. 10).

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aa) Die Praxis im 19. Jahrhundert Mit der 1865 etablierten und 1871 bestätigten101 Neutralisierung der Werke und Einrichtungen der Europäischen Donaukommission war bezweckt worden, selbst im Falle eines Krieges in der unteren Donauregion die Integrität der Kommission102 sowie der von ihr durchgeführten Arbeiten sicherzustellen. Erst recht muß deshalb davon ausgegangen werden, daß der Ausbruch eines anderweitig ausgetragenen Krieges keinerlei Einfluß auf den integralen Fortbestand der Kommission haben konnte. Demgemäß gibt es auch keine Hinweise darauf, daß der preußisch-österreichische oder der preußisch-französische Krieg irgendwelche Auswirkungen auf die Zusammenarbeit der betreffenden Staaten in der Kommission oder sonst auf den Bestand des Pariser Statuts gehabt hätte. Im Gegensatz dazu wurde der russisch-türkische Krieg von 1877/78 zu erheblichen Teilen im Donaudelta ausgetragen103. Dennoch blieb die Europäische Donaukommission grundsätzlich handlungsfähig104 und wachte unter anderem darüber, daß die Kriegführenden keine bleibenden Beeinträchtigungen der Schiffahrtsfreiheit verursachten105. Am Kriegsende bestätigte 101

Art. VII des Londoner Pontus-Vertrages vom 13. März 1871, Martens, NRG I 18, S. 303. Das Bedürfnis, anläßlich der Aufhebung der Neutralisierung des Schwarzen Meeres die Neutralisierung der Werke und Einrichtungen der Europäischen Donaukommission zu bekräftigen, resultierte aus einer Bezugnahme des Art. 21 Abs. 1 des Acte public von 1865 (Anm. 99) auf die Neutralisierung des Schwarzen Meeres. 102 Die Staatenvertreter in der Kommission genossen ursprünglich nur die üblichen diplomatischen Immunitäten; im Falle eines Krieges ihrer Entsendestaaten mit dem Sitzstaat der Kommission (Galatz gehörte bis 1878 zum osmanischen Reich, dann zu Rumänien) hätten sie grundsätzlich des Landes verwiesen werden können, vgl. den Gewohnheitsrecht kodifizierenden Art. 44 der Wiener Diplomatenrechtskonvention, 18. April 1961, UNTS Bd. 500, S. 95. Die Neutralisierung der Werke und Einrichtungen der Europäischen Kommission zielte nun nicht nur darauf ab, z. B. die technischen Einrichtungen der Kommission zu schützen, sondern geschützt werden sollte auch die Kommission selbst und ihr Personal, vgl. Art. 21 Abs. 2 des Acte public von 1865 (Anm. 99) sowie Art. VII Satz 2 des Pontus-Vertrages von 1871 (Anm. 101). Um diesen Bestimmungen größere Wirksamkeit zu verleihen, wurden 1881 zusätzlich Vereinbarungen über eine neutrale Flagge der Kommission getroffen; das Personal sollte nötigenfalls durch Armbinden gekennzeichnet werden, vgl. J. Blociszewski, Le régime du Danube, RdC Bd. 11 (1926 I), S. 253 ff. (S. 299). 103 Vgl. Chamberlain (Anm. 30), S. 63 ff., sowie die von der Kommission in Auftrag gegebene Chronik La Commission Européenne du Danube et son œuvre de 1856 à 1931 (1931), S. 27 f. 104 Die Aktivitäten der Kommission wurde allerdings stark behindert, vgl. ibid., S. 28. 105 Vgl. z. B. die Korrespondenz der Kommission mit der türkischen Admiralität, 17./19. September 1877, in: The Times (London), 6. Oktober 1877, S. 5.

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1. Kap.: Der Schutz der Schiffahrtsfreiheit

sowohl der Vorfriede von San Stefano106 als auch der Berliner Friedensvertrag107 die Rechte und Privilegien der Kommission sowie die unbeschadete Fortgeltung des Pariser Statuts. Der italienisch-türkische Krieg von 1911/12 und die Balkankriege wirkten sich für die Donau lediglich indirekt durch eine Reduzierung des Verkehrsaufkommens aus108. Wie schon in den vorangegangenen Kriegen wurde die Gültigkeit des Pariser Statuts in keiner Form in Frage gestellt. bb) Die Praxis der beiden Weltkriege Der Ausbruch des Ersten Weltkrieges hatte anfänglich keine Auswirkungen auf die grundsätzliche Anwendung des Pariser Statuts109 oder die Integrität der Europäischen Donaukommission110. Entsprechend der bisherigen Praxis, wonach der Ausbruch eines Krieges zwischen einzelnen Mitgliedstaaten sich nicht auf deren Zusammenarbeit in der Kommission auszuwirken pflegte, wurde die Arbeit selbst dann noch fortgesetzt, als außer Rumänien schon sämtliche Mitgliedstaaten in den Krieg eingetreten waren111. Das änderte sich erst mit dem Kriegseintritt Rumäniens am 27. August 1916: Die Delegierten der Zentralmächte und der Türkei wurden nunmehr des Landes verwiesen und die Angestellten mit entsprechenden Staatsangehörigkeiten interniert112. 106 Art. 12 Abs. 2 des Präliminarfriedens von San Stefano, 3. März 1878, Martens, NRG II 3, S. 246. 107 Art. LII Satz 1, 1. Halbsatz, sowie Art. LIII des Berliner Vertrages, 13. Juli 1878, ibid., S. 449. 108 Vgl. La Commission Européenne du Danube et son œuvre (Anm. 103), S. 36 f., R. C. Frucht, Dunarea noastra – Romania, the Great Powers, and the Danube Question 1914–1921 (1982), S. 31. 109 Die Mitglieder der Europäischen Kommission hatten sich bereits bei einer Sitzung im Juli 1914 darüber verständigt, die internationale Schiffahrt in der Donaumündung auch im Falle eines Kriegsausbruchs aufrecht zu erhalten, ibid., S. 29. 110 Die Aktivitäten der Kommission wurden jedoch wegen des geringen Verkehrsaufkommens stark reduziert, vgl. ibid., S. 30 ff., sowie La Commission Européenne du Danube et son œuvre (Anm. 103), S. 37. 111 Vgl. Frucht (Anm. 108), S. 31 f.: Nach dem Kriegseintritt Italiens am 23. Mai 1915 war Rumänien das einzige neutrale Kommissionsmitglied. 112 Ibid., S. 33 f., La Commission Européenne du Danube et son œuvre (Anm. 103), S. 38; etwas ungenau F. Prinz zu Solms-Braunfels, Die völkerrechtliche Stellung der Donau (1935), S. 24. Die Frage, ob das rumänische Vorgehen mit der Neutralisierung der Kommission vereinbar war, mag dahinstehen, weil hier zunächst nur geklärt werden soll, ob das Donaustatut im Falle von Kriegen überhaupt gültig bleibt. Es sei allerdings erwähnt, daß zumindest Frucht (Anm. 108), S. 43, das rumänische Vorgehen für kritikwürdig hält.

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Dennoch waren die Ententemächte bemüht, die Kommission auch weiterhin zumindest formell aufrecht zu erhalten113. Aufgrund des für Rumänien ungünstigen Kriegsverlaufs mußte ihr Sitz allerdings bald von Galatz in den russischen Schwarzmeerhafen von Odessa verlegt werden114. Nach dem Zusammenbruch des zaristischen Rußland115 sah sich Rumänien am 7. Mai 1918 gezwungen, den Bukarester Friedensvertrag116 zu unterzeichnen. Darin war hinsichtlich der Donau zwar vorgesehen, daß die Europäische Kommission unter dem Namen Donaumündungskommission „aufrechterhalten werden“ sollte117, ihre Zusammensetzung sollte aber zugunsten der Zentralmächte verändert werden118. Gegen diese Bestimmung sowie gegen andere geplante Änderungen des Donaustatuts119 legten die verbliebenen Ententemächte Protest ein120; unabhängig davon wurde der Bukarester Vertrag ohnehin niemals ratifiziert121. 113

Ibid., S. 35 f. Bei dem Transfer am 22. Dezember 1916 wurden die wichtigsten Akten etc. mit überführt; in Galatz zurück blieben jedoch die später abberufenen Delegierten Großbritanniens und Italiens, ibid., S. 36. Da der französische Gesandte ohnehin nur zu Plenarsitzungen anreiste, bestand die Kommission in Odessa nur noch aus dem russischen und dem rumänischen Vertreter. F. Prinz zu Solms-Braunfels (Anm. 112), S. 25, meint deshalb, die Kommission habe mit der Übersiedelung effektiv aufgehört zu existieren. Das entsprach allerdings nicht der Auffassung der Westmächte, von denen die Kommission auch in Odessa weiter unterstützt wurde, vgl. La Commission Européenne du Danube et son œuvre (Anm. 103), S. 38. Das zumindest formelle Festhalten an der Kommission genügt jedenfalls, um festzustellen, daß die Ententemächte grundsätzlich von der Fortgeltung des zugrundeliegenden Pariser Statuts ausgingen. 115 Zu den Auswirkungen auf die militärische Lage Rumäniens siehe Frucht (Anm. 108), S. 39. 116 Martens, NRG III 10, S. 856. 117 Der Art. XXIV Lit. A Abs. 1 des Bukarester Friedensvertrages spricht ausdrücklich davon, die umbenannte Kommission solle „in ihren bisherigen Befugnissen, Vorrechten und Verpflichtungen [. . .] aufrechterhalten werden“. Dies indiziert, daß auch die Zentralmächte von einer Kontinuität des Pariser Statuts ausgingen. 118 Gemäß Art. XXIV Lit. A Nr. 1 des Bukarester Friedensvertrages sollten der Kommission künftig nur noch Vertreter von Staaten angehören, die an der Donau oder an der europäischen Schwarzmeerküste lagen. 119 Die geplanten Änderungen des Donaustatuts sind im Schrifttum teilweise sehr kritisch beurteilt worden, vgl. z. B. Chamberlain (Anm. 30), S. 133, H. Hajnal, Le droit du Danube international (1929), S. 224, bei Anm. 3. Die Umsetzung des Bukarester Friedensvertrages hätte tatsächlich dazu geführt, die kommerzielle Donauschiffahrt im wesentlichen den Donaustaaten vorzubehalten, vgl. die Analyse von Blociszewski (Anm. 102 in fine, S. 317 f.). Hinsichtlich des Befahrens der Donau mit Kriegsschiffen sah der Art. XXVI Abs. 1 ebenfalls eine für die Zentralmächte außerordentlich günstige Regelung vor. 120 Frankreich, Großbritannien und Italien protestierten am 17. Mai 1918 formell gegenüber Rumänien, ibid. (S. 318), Chamberlain (Anm. 30), S. 129, Hajnal (Anm. 114

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1. Kap.: Der Schutz der Schiffahrtsfreiheit

Der Versailler Vertrag enthielt keine ausdrückliche Bestimmung hinsichtlich der Fortgeltung des Pariser Statuts122. Der Artikel über die Wiedereinsetzung der Europäischen Donaukommission123 ließ aber ebenso wie die vorangegangenen Proteste gegen den Bukarester Vertrag darauf schließen, daß von der Fortgeltung des Pariser Statuts ausgegangen wurde. Entsprechend bestätigte auch Artikel 41 der Pariser Konvention vom 23. Juli 1921124 die weitere Gültigkeit der hierdurch nicht modifizierten Bestimmungen des Donaustatuts. Auch für den Zweiten Weltkrieg gibt es Hinweise darauf, daß der Kriegsausbruch sich nicht auf die Fortgeltung des Pariser Statuts auswirkte. So wurde beispielsweise erneut die Arbeit der Europäischen Donaukommission weiter fortgesetzt, als die meisten Mitgliedstaaten sich bereits im Krieg befanden125. Die Initiative zu ihrer Auflösung ging dann im September 1940 119), S. 224. Rumänien hat sich in der Folge die Position der Westmächte zu eigen gemacht und gegenüber den Zentralmächten u. a. vertreten, daß ein in Erwartung der Konstituierung der „Donaumündungskommission“ eingerichtetes Exekutivkomitee ohne die Zustimmung der übrigen Mitgliedstaaten der Europäischen Donaukommission nicht tätig werden dürfe. Die im Komitee vertretenen Zentralmächte sahen daraufhin zumindest davon ab, wesentliche Änderungen an den Reglements der Europäischen Kommission vorzunehmen; man beschränkte sich statt dessen darauf, die schon aus militärischen Gründen notwendigen Erhaltungsarbeiten in der Donaumündung zu gewährleisten, vgl. Frucht (Anm. 108), S. 42 f., La Commission Européenne du Danube et son œuvre (Anm. 103), S. 39. 121 F. Prinz zu Solms-Braunfels (Anm. 112), S. 25. Die Arbeit des provisorischen Exekutivkomitees wurde von der wiedereingesetzten Europäischen Kommission später nicht anerkannt, vgl. La Commission Européenne du Danube et son œuvre (Anm. 103), S. 39. 122 Der Art. 282 des Versailler Vertrages, 28. Juni 1919 (Anm. 13), listet vermeintlich abschließend eine Reihe von Kollektivverträgen auf, die nach dem Inkrafttreten des Versailler Vertrages fortgelten sollen (z. B. das Statut des Suezkanals von 1888). Darunter finden sich jedoch nicht die Rechtsakte des Donaustatuts. 123 Laut Art. 346 des Versailler Vertrages sollte die Europäische Kommission erneut die Kompetenzen ausüben, die sie vor dem Krieg besaß; die Mitgliedschaft wurde allerdings „provisorisch“ auf England, Frankreich, Italien und Rumänien beschränkt. Diese Regelungen wurden von den Art. 4 Abs. 1 und 5 Abs. 1 des „endgültigen“ Donaustatuts, Pariser Konvention vom 23. Juli 1921, SdN, RdT Bd. 26, S. 173, bestätigt. 124 Ibid. 125 Bei einer Sitzung der Europäischen Donaukommission am 26. Mai 1940 wurden z. B. Regelungen hinsichtlich des Transports von Kriegskonterbande getroffen, siehe Europa-Archiv 1948 (Anm. 11, S. 1642), Documentation française vom 27. Oktober 1956 (Anm. 11), S. 4. Es sei erwähnt, daß die seit 1865 bestehende Neutralisierung der Kommission durch den Art. 2 des Übereinkommens von Sinaia, 18. August 1938 (Anm. 6), aufgehoben worden war. Da aber die meisten Werke und Einrichtungen der Kommission gleichzeitig an Rumänien abgetreten wurden (vgl. z. B. Art. 17 des Übereinkommens von Sinaia), wäre die Neutralisierung ohnehin

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nicht einmal von den Kriegführenden, sondern von der bis dahin neutralen Sowjetunion aus126. Die Auflösung der Internationalen Donaukommission war ebenfalls keine unmittelbare Folge des Kriegsausbruchs, sondern sie resultierte vielmehr aus der generellen Ablehnung dieser Institution durch das Deutsche Reich127 sowie durch die zu diesem Zeitpunkt noch neutralen übrigen Donaustaaten128. Das Übereinkommen zur Beseitigung der Internationalen Kommission129 kann deshalb nicht als Indiz dafür angesehen werden, daß der Ausbruch des Zweiten Weltkrieges die Gültigkeit des Pariser Statuts beeinträchtigt hätte130. Die Eliminierung zunächst der Internationalen und dann auch der Europäischen Kommission griff so massiv in das Donauregime ein, daß die vertragsmäßige Ordnung ab Oktober 1940 faktisch beseitigt war131. Das spänahezu gegenstandslos geworden; vor einem Kriegseintritt Rumäniens hätte sie auch keine praktische Bedeutung erlangen können (zu den diplomatischen Immunitäten der Kommission vgl. im übrigen Art. 19 Abs. 1 des Übereinkommens von Sinaia). 126 Siehe oben, bei Anm. 62. Das sowjetische Engagement zur Beseitigung der Europäischen Kommission wurde während der Belgrader Konferenz von den Westmächten als Beleg dafür gewertet, daß die Kommission und mit ihr das Pariser Statut im Oktober 1940 noch fortbestanden, siehe oben, bei Anm. 79. 127 Deutschland hatte seine zwei Delegierten bei der Internationalen Donaukommission bereits 1936 abberufen, weil es die auf der Grundlage des Versailler Vertrages geschaffenen Flußstatute für diskriminierend erachtete, vgl. die deutsche Note vom 14. November 1936 (Anm. 4). Zur Situation der Internationalen Kommission bei Kriegsbeginn siehe im übrigen oben, Anm. 56. 128 Die Pariser Konvention war nach dem Ersten Weltkrieg nicht nur Deutschland und Österreich, sondern auch Ungarn und Bulgarien aufgedrängt worden, siehe oben, Anm. 13. Abgesehen davon konnten die Donaustaaten insgesamt nur bedingt Interesse am Fortbestand der Internationalen Kommission haben, da diese ihre Souveränität nicht unempfindlich beschränkte, vgl. oben, Einleitung, Anm. 71, Kippels (Anm. 4), S. 71, sowie Seidl-Hohenveldern (Anm. 79, S. 254, bei Anm. 6). 129 Wiener Übereinkommen vom 12. September 1940 (Anm. 10). 130 Dementsprechend haben sich die Westmächte nach dem Zweiten Weltkrieg wiederholt auf die fortdauernde Gültigkeit des Pariser Statuts berufen, vgl. z. B. die französische Erklärung vom 5. August 1948, 6. Plenarsitzung der Conférence Danubienne, Recueil des Documents (Anm. 49), S. 141 ff. (S. 149), ebenfalls abgedruckt in: RGDIP 1949, S. 551 ff. (S. 553), bei der eine gleichlautende Erklärung vom 30. September 1946 wiederholt wurde: „Le régime de 1921, dénoncé unilatéralement par l’Allemagne en 1940, garde sa valeur juridique, sauf modifications légales du statut“. Vgl. auch eine Erklärung des französischen Außenministers aus dem Jahre 1980 in: Revue de la navigation fluviale européenne, Ports et industries, 1980 (52. Jahr), Nr. 16, S. 555 (Pour la France, la Convention de 1921 constitue toujours la meilleure garantie de ses droits sur le Danube). 131 Der Art. 1 des Wiener Übereinkommens vom 12. September 1940 (Anm. 10) sah allerdings vor, daß trotz der Abschaffung der Internationalen Kommission die für die Donau gültigen Prinzipien nicht berührt werden sollten.

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tere Ausgreifen des Krieges nach Osten konnte sich deshalb kaum noch auf die Anwendung der Pariser Konvention auswirken. Gemäß den allgemein auf Statusverträge anwendbaren Regeln ist aber davon auszugehen, daß die Ausweitung des Krieges keinesfalls zur Vernichtung des Pariser Statuts führen konnte132. Trotzdem soll nach einer speziell im deutschsprachigen Schrifttum verbreiteten Auffassung der Zweite Weltkrieg zum Erlöschen der Bindung Deutschlands an das Pariser Statut geführt haben133. c) Die Bindung Deutschlands nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges Die These vom Erlöschen der Bindung Deutschlands an das Pariser Statut beruht zum einen auf einer Sichtweise, die den deutschen Donauabschnitt isoliert vom Status der gesamten Donau betrachtet [aa)], sowie auch auf teils unzutreffenden tatsächlichen Annahmen zu einer Suspension der Pariser Konvention [bb)], die später in eine Vertragsvernichtung umgeschlagen sein soll [cc)]. aa) Die Fortgeltung deutscher Vorkriegsverträge nach dem Zweiten Weltkrieg Nach der bedingungslosen militärischen Kapitulation Deutschlands und der Übernahme der Obersten Gewalt durch die Besatzungsmächte erließ der Alliierte Kontrollrat am 20. September 1945 eine Proklamation, wo132 Anläßlich der Belgrader Konferenz von 1948 versuchte die Sowjetunion, mit zahlreichen Argumenten das Außerkrafttreten der Pariser Konvention zu beweisen, vgl. die Zusammenfassung der sowjetischen Position in: Europa-Archiv 1948 (Anm. 11, S. 1646). Dabei berief sie sich in der 9. Plenarsitzung vom 7. August 1948 u. a. auch auf den Krieg als einen möglichen Grund für das behauptete Erlöschen der Pariser Konvention; dies allerdings nur hilfsweise und in einem Nebensatz, siehe Conférence Danubienne, Recueil des Documents (Anm. 49), S. 199 ff. (S. 219). Die Westmächte gingen in den Plenarsitzungen der Belgrader Konferenz darauf nicht weiter ein; jedoch nahm ein US-amerikanischer Delegierter die Bemerkung zum Anlaß, in der Sitzung des Generalausschusses vom 17. August 1948 aus einer rechtswissenschaftlichen Abhandlung einige Ausführungen zur Differenzierungstheorie zu zitieren, siehe den Abdruck seiner Stellungnahme in: The Department of State Bulletin vom 5. September 1948, Bd. XIX, Nr. 479, S. 288 ff. (S. 289 f.). Das vorgetragene Zitat ist aber so allgemein gehalten, daß sich ein direkter Bezug zum Pariser Statut nicht herstellen läßt; möglicherweise wollte sich die US-amerikanische Delegation gegen eine Anwendung der Vertragsvernichtungstheorie auf die Pariser Konvention verwahren. 133 Kippels (Anm. 4), S. 93 und 98, W. Götzer, Der völkerrechtliche Status der Donau zwischen Regensburg und Kehlheim (1988), S. 68 und 70, sowie vom praktischen Ergebnis her auch Sengpiel (Anm. 2), S. 98.

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nach die Alliierten zur „abrogation, bringing into force, revival or application of any treaty, convention or other international agreement [. . .] to which Germany is or has been a party“ Anweisungen geben würden134. In einer Direktive der Westmächte vom 19. März 1951 wurde dann bestimmt, daß die deutschen Vorkriegsverträge auf Wunsch der Bundesregierung sowie der jeweils anderen Vertragspartei von der alliierten Hohen Kommission als auf die Bundesrepublik anwendbar und für sie verbindlich erklärt werden konnten135. Da bis zur Auflösung der Hohen Kommission im Jahre 1955 keine förmliche Inkraftsetzungserklärung hinsichtlich der Pariser Konvention abgegeben wurde136 und dahingehende förmliche Akte auch sonst unterblieben137, wird im deutschsprachigen Schrifttum teilweise vertreten, daß die Konvention für Deutschland bis heute suspendiert138, beziehungsweise gar erloschen sei139. Die dafür angegebenen Gründe entbehren – jeweils für sich betrachtet – durchaus nicht einer gewissen Plausibilität. So wird beispielsweise darauf hingewiesen, daß es nach dem Zweiten Weltkrieg ungewiß war, ob und inwieweit überhaupt von einer Kontinuität des Deutschen Reichs ausgegangen werden konnte140. Aufgrund der militärischen Besetzung Deutschlands bestanden zudem Unsicherheiten über den Zeitpunkt des Kriegsendes, ab dem nach den betreffenden Autoren die Suspension der Pariser Konvention grundsätzlich hätte enden sollen141. Da auch der Abschluß eines Klärung versprechenden Friedensvertrages unterblieb, versuchte man sich deshalb an die Direktive der Westmächte vom 19. März 1951 zu halten, die als lex specialis statt der sonst üblichen Regeln über die Wirkungen des Krieges auf Verträge heranzuziehen sein sollte142. Darauf basierend 134 Alliierte Kontrollrat, Proklamation Nr. 2 vom 20. September 1945 in Section III § 6, zitiert nach E. Kaufmann, (Anm. 84, S. 226). 135 § 3 der Direktive Nr. 6 der alliierten Hohen Kommission vom 19. März 1951, wiedergegeben bei Jaenicke (Anm. 10), S. 59, Anm. 81, Götzer (Anm. 133), S. 56, Anm. 1, Sengpiel (Anm. 2), S. 96, Anm. 259. 136 Götzer (Anm. 133), S. 57, Sengpiel (Anm. 2), S. 97. 137 Kippels (Anm. 4), S. 80, Götzer (Anm. 133), S. 57 f., Sengpiel (Anm. 2), S. 97. 138 Sengpiel (Anm. 2), S. 98. 139 Kippels (Anm. 4), S. 93, Götzer (Anm. 133), S. 70. 140 Kippels (Anm. 4), S. 80 f. Ein Untergang des Deutschen Reichs hätte nach Kippels zur Beendigung „aller“ Vorkriegsverträge geführt – ob das aber für Statusverträge wirklich so pauschal zugetroffen wäre, ist zweifelhaft, vgl. E. Klein (Anm. 1 in fine), S. 329. 141 Kippels (Anm. 4), S. 80 f., Götzer (Anm. 133), S. 58, Sengpiel (Anm. 2), S. 98. 142 Vgl. Götzer und Sengpiel a. a. O. Demgegenüber wollte E. Kaufmann, (Anm. 84, S. 232) die Direktive der Westmächte nicht als ausschließliche Regelung behan-

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wurde postuliert, daß – in Ermangelung einer förmlichen Inkraftsetzungserklärung – von einer seit 1939143 (sic)144 andauernden kriegsrechtlichen Suspension145, beziehungsweise einem endgültigen Erlöschen der Pariser Konvention in bezug auf Deutschland auszugehen sei146. Der skizzierten Auffassung könnte zunächst entgegengehalten werden, daß sie im Ergebnis auf eine Anwendung der (auch von den betreffenden Autoren selbst147) als überholt angesehen Vertragsvernichtungstheorie hinausläuft148. Abgesehen davon wird aber durch die beschriebene Vorgehensweise außer acht gelassen, daß es in praktischer wie auch in theoretischer Hinsicht unbefriedigend ist, die Gültigkeit des Pariser Statuts für den deutschen Donauabschnitt isoliert von der Frage nach dem Status der Donau insgesamt zu erörtern und so möglicherweise zu unterschiedlichen Ergebnissen für einzelne Donauabschnitte zu gelangen149. Nun ist die Beteiligung deln, sondern auf die nicht gemäß der Direktive in Kraft gesetzten Verträge die Differenzierungstheorie anwenden. 143 Kippels (Anm. 4), S. 78 und 87. Götzer (Anm. 133), S. 54 f., und Sengpiel (Anm. 2), S. 94 f., übernehmen hinsichtlich der kriegsbedingten Suspension die ausführlich begründete Ansicht von Kippels, geben in ihrer verkürzten Darstellung allerdings kein bestimmtes Jahr für den Beginn der Suspension an. 144 Die Festlegung auf das Jahr 1939 ist insofern bemerkenswert, als die Kriegsgegner Deutschland, England und Frankreich noch bis 1940 in der Europäischen Donaukommission zusammenarbeiteten, vgl. oben, Anm. 125. Da die Regelungen über die Donaumündung Bestandteil des Pariser Statuts sind, kann dieses jedenfalls insoweit nicht durch den Kriegsausbruch suspendiert worden sein, vgl. näher unten, § 2 I. 2. c) bb). 145 Sengpiel (Anm. 2), S. 98. 146 Kippels (Anm. 4), S. 93, Götzer (Anm. 133), S. 70. 147 Vgl. Kippels (Anm. 4), S. 75, Götzer (Anm. 133), S. 53 f., und Sengpiel (Anm. 2), S. 94. 148 Die von Kippels, Götzer und Sengpiel zum Donaustatut vertretene Auffassung nähert sich stark einer schon zuvor von Jaenicke (Anm. 10), S. 60, zum RheinMain-Donaukanal vertretenen Ansicht an. Anders als die drei erstgenannten Autoren vertritt Jaenicke jedoch die ältere Vertragsvernichtungstheorie, vgl. ibid., S. 57: „Die Bemühungen der völkerrechtlichen Lehre, Ausnahmen zugunsten der Fortgeltung von Verträgen durchzusetzen, haben bisher in der Praxis keine Anerkennung gefunden“. Nun begründen Kippels, Götzer und Sengpiel ihre Auffassung zum abschließenden Charakter der Direktive der Westmächte vom 19. März 1951 zwar nicht mit der Vertragsvernichtungstheorie, sondern mit den Unklarheiten bzgl. der Kontinuität des Deutschen Reichs, des Zeitpunkts des Kriegsendes etc. Wenn man aber mit der h. M. davon ausgeht, daß das Deutsche Reich nicht untergegangen ist, so handelt es sich im Ergebnis dennoch um eine Anwendung des Grundsatzes der Vertragsvernichtung. 149 Diese Aufspaltung des Donaustatuts wird von den betreffenden Autoren offenbar in Kauf genommen; Kippels (Anm. 4), S. 88, meint beispielsweise, die Frage nach der Fortgeltung der Pariser Konvention könne für andere Staaten als Deutschland dahingestellt bleiben.

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Deutschlands an einem Donaustatut aufgrund seiner geographischen Lage sicherlich nicht ebenso unverzichtbar wie etwa die Beteiligung Jugoslawiens oder Rumäniens, die an der mittleren Donau beziehungsweise an der Donaumündung gelegen sind150. Dennoch besteht aus Effektivitätsgründen ein allgemeines Interesse an der Beteiligung aller Anliegerstaaten des Flusses an dessen jeweiligem Statut151. Diesem Bedürfnis tragen die generell auf Statusverträge anwendbaren Regeln Rechnung, indem sie einen Kriegsausbruch zwischen einzelnen oder selbst allen Vertragsstaaten nicht zu einem partiellen Erlöschen des jeweiligen Statuts führen lassen152. Da die skizzierte isolierte Betrachtungsweise des deutschen Donauabschnitts diesen Umstand nicht gebührend berücksichtigt, ist sie bereits vom Ansatz her abzulehnen. Darüber hinaus beruht sie aber auch in tatsächlicher Hinsicht auf Annahmen, die einer genaueren Überprüfung nicht standhalten. bb) Das Fehlen einer andauernden kriegsrechtlichen Suspension des Pariser Statuts Die bis heute vertretene Auffassung bezüglich der angeblich fortdauernden kriegsrechtlichen Suspension der Pariser Konvention geht auf eine 1978 erschienene Studie zum Status des Rhein-Main-Donau-Kanals zurück153. Dort heißt es zunächst vorsichtig, daß die Pariser Konvention, als ein „internationaler Verkehrsvertrag“, gemäß den allgemeinen Regeln über die Wirkungen des Krieges auf völkerrechtliche Verträge mit dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges „zwischen den Kriegsgegnern suspendiert worden sein müßte“154. Obwohl dies nicht näher anhand der Staatenpraxis überprüft wird, heißt es dann einige Seiten weiter dezidiert, der Zweite Weltkrieg habe die Pariser Konvention „im Verhältnis zwischen der Bundesrepublik und den Kriegsgegnern des Deutschen Reiches [. . .] seit 1939 suspendiert“155. 150 Deshalb konnten auch die bei der Belgrader Konferenz von 1948 vertretenen Donaustaaten ohne das an der oberen Donau gelegene Deutschland sowie ohne die Zustimmung Österreichs ein neues Flußstatut ausarbeiten und in Kraft setzten, vgl. unten, § 2 II. 151 Die Anlieger der unteren Donau sind seit jeher in hohem Maße von über die Donau erfolgenden Rohstoff- und Agrarexporten nach Mitteleuropa abhängig, vgl. die Nachweise oben, Einleitung, Anm. 128. Entsprechend mußte seitens dieser Staaten ein nicht unerhebliches Interesse am 1960 bzw. 1999 erfolgten Beitritt Österreichs und Deutschlands zur Belgrader Konvention bestehen, vgl. oben, § 1, Anm. 2 in fine. 152 Vgl. oben, § 2 I. 2. a). 153 Vgl. Sengpiel (Anm. 2), S. 94 f., Anm. 255 f., und Götzer (Anm. 133), S. 54 f., Anm. 6 und 1, wo jeweils auf Kippels (Anm. 4), S. 76 ff., verwiesen wird. 154 Ibid., S. 78. 155 Ibid., S. 87.

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1. Kap.: Der Schutz der Schiffahrtsfreiheit

Wenn man nun die Praxis des Zweiten Weltkrieges anschaut, fällt zunächst auf, daß die französische Regierung tatsächlich bald nach Kriegsbeginn die Société Française de Navigation Danubienne anwies, ihre Aktivitäten auf der Donau einzustellen, woraufhin im Frühjahr 1940 ein Großteil der französischen Donauflotte über das Schwarze Meer nach Istanbul evakuiert wurde156. Diese Maßnahme konnte jedoch nicht durch eine von Seiten des Deutschen Reichs zu erwartende Suspension der Pariser Konvention motiviert gewesen sein, da das Reich ohnehin schon seit 1936 die Anwendung des Pariser Statuts auf den deutschen Donauabschnitt ablehnte157. Eindeutig widerlegt wird die These von der seit 1939 andauernden Suspension des Pariser Statuts durch die Praxis im Rahmen der Europäischen Donaukommission. Ebenso wie während vorangegangener Kriege setzten die Kriegsgegner Deutschland, England und Frankreich ihre Arbeit in der Kommission nach Kriegsbeginn weiter fort und erließen noch Ende Mai 1940 gemeinsam Regeln über die Nutzung der Donaumündung unter den Kriegsverhältnissen158. Dies entsprach dem allgemeinen Interesse an der beständigen Zugänglichkeit des Flusses für die Schiffahrt aller Nationen; damit wäre es unvereinbar gewesen, die betreffenden Bestimmungen wegen des anderweitig ausgetragenen Krieges zwischen einzelnen Staaten zu suspendieren159. Auch die Staatenpraxis nach dem Zweiten Weltkrieg spricht gegen die Annahme einer fortdauernden Suspension der Pariser Konvention. Schon bald nach dem Ende der Kampfhandlungen unternahm die für den deutschen Donauabschnitt zuständige Besatzungsmacht USA Anstrengungen, die Schiffahrtsfreiheit durch Aufräumarbeiten tatsächlich wiederherzustellen160. Aufgrund der Sperrung der Donau an der Zonengrenze in Österreich161 konnte der Verkehr im März 1946 allerdings nur zwischen den 156

Documentation française vom 27. Oktober 1956 (Anm. 11), S. 10. Zur widerrechtlichen Ablehnung der Versailler Flußstatute durch die Note vom 14. November 1936 vgl. oben, bei (Anm. 4). Man kann übrigens annehmen, daß der Anspruch auf Wiederherstellung des vertragsmäßigen Zustandes insoweit durch den Kriegsausbruch suspendiert wurde; dies sollte aber nicht darüber hinwegtäuschen, daß die Ursache für die Nichtanwendung des Donaustatuts auf den deutschen Flußabschnitt nicht der Kriegsausbruch, sondern eben die Note der Reichsregierung von 1936 gewesen war. 158 Vgl. die Nachweise oben, Anm. 125. 159 Da es sich bei der Europäischen Donaukommission um die Vorform einer Internationalen Organisation handelt, kann in diesem Kontext zudem auf den Art. 6 der Resolution des IDI bezüglich „The effects of armed conflicts on treaties“, Annuaire IDI 1986 (Bd. 61 II), S. 278 ff., verwiesen werden: „A treaty establishing an international organization is not affected by the existence of an armed conflict between any of its parties“. 160 Vgl. oben, Einleitung, bei Anm. 87. 157

§ 2 Der Streit um das aktuelle Donaustatut

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amerikanischen Besatzungszonen in Deutschland und Österreich wieder aufgenommen werden162. Die eingeschränkte Wiederaufnahme des internationalen Verkehrs auf dem deutschen Donauabschnitt muß nicht unbedingt als sofortige Wiederanwendung der Pariser Konvention gedeutet werden. Um der Sowjetunion in der seit 1940 strittigen Frage des Donaustatuts163 entgegenzukommen, hatten die Westmächte nämlich nicht auf eine unveränderte Beibehaltung des bisherigen Statuts bestanden, sondern lediglich die Einberufung einer Donaukonferenz zum Aushandeln einer allseits akzeptablen Lösung verlangt164. Trotzdem gingen sie dabei keineswegs von einem Außerkrafttreten der Pariser Konvention aus. In einer 1946 abgegebenen und bei der Belgrader Konferenz von 1948 wiederholten französischen Erklärung heißt es vielmehr: „Le régime de 1921, dénoncé unilatéralement par l’Allemagne en 1940, garde sa valeur juridique, sauf modifications légales du statut“165. Die Hoffung, bei der Belgrader Konferenz zu einer einvernehmlichen Regelung des Donaustatuts zu gelangen, stellte sich schon bald nach Konferenzbeginn als trügerisch heraus166. Die Westmächte nahmen daraufhin 161

Vgl. oben, Einleitung, bei Anm. 88 bis 90. Vgl. oben, Einleitung, Anm. 87. 163 Vgl. oben, bei Anm. 76, sowie die Nachweise am Ende von Anm. 80. 164 Zum Gang der diesbezüglichen Verhandlungen siehe Documentation française vom 27. Oktober 1956 (Anm. 11), S. 12 ff., sowie Europa-Archiv 1947, Das Problem der freien Donauschiffahrt, S. 326 f. 165 Erklärungen vom 30. September 1946 und 5. August 1948, vgl. die Nachweise oben, Anm. 130. Vgl. auch die in der 2. Plenarsitzung der Belgrader Konferenz, 31. Juli 1948, Conférence Danubienne, Recueil des Documents (Anm. 49), S. 55 ff. (S. 55), abgegebene französische Erklärung, die eine an die Sowjetunion gerichtete Note vom 28. April 1948 wiederholt: „[L]e Gouvernement français a l’intention de sauvegarder tous les droits qui lui ont été reconnus par les actes qui ont jusqu’à présent défini le régime du Danube tant que [. . .] les modifications éventuelles de ces droits n’obtiendraient pas son assentiment“. Die britische Delegation bei der Belgrader Konferenz schloß sich dieser Erklärung an, ibid., S. 61; zu einer weiteren britischen Erklärung vom September 1946 siehe Hoyt (Anm. 46), S. 147, bei Anm. 7. 166 In seiner Antwort auf die oben, in Anm. 165, wiedergegebene französische und britische Erklärung gab der stellvertretende sowjetische Außenminister A. Wyschinskij den Westmächten zu verstehen, daß er bei der Ausarbeitung des neuen Donauregimes keineswegs auf ihre Mitwirkung angewiesen war („les portes servent autant pour l’entrée que pour la sortie“, 2. Plenarsitzung der Belgrader Konferenz, 31. Juli 1948, Conférence Danubienne, Recueil des Documents [Anm. 49], S. 55 ff. [S. 65]). Dementsprechend wurden dann auch sämtliche Vorschläge der Westmächte abgewiesen und der sowjetische Konventionsentwurf ohne wesentliche Änderungen durch Mehrheitsbeschluß angenommen, vgl. Europa-Archiv 1948 (Anm. 11, S. 1707 f.), L. Imbert, Le régime juridique actuel du Danube, RGDIP 1951, S. 73 ff. (S. 84). 162

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1. Kap.: Der Schutz der Schiffahrtsfreiheit

bezüglich des Fortbestandes der Pariser Konvention eine resolutere Haltung ein. Die USA, die als Nichtvertragspartei zu dieser Frage bislang nicht Stellung genommen hatten, machten im Laufe der Konferenz ein mit ihrem „besonderen Status“ als Besatzungsmacht begründetes Mitspracherecht geltend167. In der Schlußdebatte verwahrten sich dann alle drei Westmächte gegen den Versuch, das Pariser Statut einseitig aufzuheben, sowie auch gegen die von der Mehrheit beschlossene Annahme der Belgrader Konvention168. Anläßlich einer Tagung der neuen Donaukommission im November 1949 erneuerten die Westmächte ihren Protest und erklärten, daß sie die Pariser Konvention weiterhin als auf dem gesamten Fluß in Kraft befindlich ansahen („to be in force for the entire Danube River“)169. Zusätzlich wurden auch praktische Maßnahmen ergriffen, um die Fortgeltung des Pariser Statuts zu manifestieren. Wie bereits angedeutet, ließ die französische Regierung die Société Française de Navigation Danubienne einige französische Schiffe aus der Vorkriegszeit reaktivieren, die dann zwischen den amerikanischen Besatzungszonen in Deutschland und Österreich verkehrten170. Anders als in den Jahren 1946 bis 1948 handelte es sich hierbei zweifelsfrei um eine Ausübung der Schiffahrtsfreiheit gemäß der Pariser Konvention, deren Fortbestand durch diese Maßnahme gerade demonstriert werden sollte. Darüber hinaus traten auch die zwei Donaukommissionen als Rumpfkommissionen wieder zusammen171, so daß auch insoweit eine Anwendung der Pariser Konvention nach dem Zweiten Weltkrieg festgestellt werden kann. Von einer seit 1939 andauernden kriegsbedingten Suspension kann somit sicherlich nicht die Rede sein.

167 Stellungnahme der US-amerikanischen Delegation in der 9. Plenarsitzung der Belgrader Konferenz, 7. August 1948, Conférence Danubienne, Recueil des Documents (Anm. 49), S. 199 ff. (S. 213); vgl. auch ibid. (S. 203): „Jusqu’à la formation d’un gouvernement allemand souverain auquel sera assurée une pleine participation au régime du Danube, les Etats-Unis seront chargés de représenter les intérêts de l’Allemagne en tant qu’Etat riverain du fleuve“. 168 11. Plenarsitzung der Belgrader Konferenz, 18. August 1948, ibid., S. 239 ff. (S. 243 f. für Frankreich, S. 247 f. für Großbritannien, S. 253 f. für die USA). 169 Protestnote der USA vom 15. November 1949, The Department of State Bulletin vom 28. November 1949, Bd. XXI, Nr. 543, S. 832; parallele Protestnoten wurden von Frankreich und Großbritannien abgegeben, vgl. ibid. 170 Siehe oben, Anm. 26. 171 Seidl-Hohenveldern (Anm. 79, S. 259, bei Anm. 47) m. w. Nachw.; vgl. auch Revue de la navigation intérieure et rhénane, 1953 (25. Jahr), Nr. 6, S. 185 (A la Commission européenne du Danube).

§ 2 Der Streit um das aktuelle Donaustatut

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cc) Die fehlende Möglichkeit einer Berufung auf das rebus sic stantibus-Prinzip Aufbauend auf der unzutreffenden Annahme, daß die Pariser Konvention seit 1939 zwischen Deutschland und seinen Kriegsgegnern suspendiert gewesen sei, wird in der besagten, 1978 erschienenen Studie zum RheinMain-Donau-Kanal die weitere These aufgestellt, daß die angebliche Suspension mittlerweile zu einem Erlöschen der Bindung Deutschlands an das Pariser Statut geführt habe172. Zur Begründung wird angeführt, daß gerade eine durch Kriegseinwirkung erzeugte Suspension „in erhöhtem Maße der Anwendung der clausula rebus sic stantibus“ unterliege173. Weiter wird angegeben, daß die allgemeinen Auffassungen zum Flußschiffahrtsrecht sich seit dem Abschluß der Pariser Konvention erheblich gewandelt hätten174. Mittlerweile werde nirgends mehr eine so weitgehende Internationalisierung wie im Rahmen des Pariser Statuts praktiziert; insbesondere entspreche keine internationale Flußverwaltung mehr dem Versailler Konzept175. Wenn Frankreich und Großbritannien dennoch am Pariser Statut festhielten, so habe dies wohl in erster Linie „pekuniäre Gründe“, da beide noch Forderungen aus Krediten an die Donaukommissionen hätten176. Hierzu ist zunächst zu bemerken, daß es schon zweifelhaft ist, ob das rebus sic stantibus-Prinzip auf Statusverträge überhaupt zur Anwendung kommen kann177. Unabhängig davon beruht die These von der angeblich grundlegenden Änderung der Umstände aber ebenfalls auf unzutreffenden tatsächlichen Annahmen, die von der Staatenpraxis widerlegt werden. Erstens ist hervorzuheben, daß Frankreich und Großbritannien keineswegs aufgrund von ausstehenden Kreditforderungen am Fortbestand des Pariser Statuts festgehalten haben. Die Unterzeichnerstaaten der Belgrader Konvention hatten zwar tatsächlich versucht, offene Forderungen der Westmächte an die Europäische Donaukommission für erloschen zu erklären178, gegen eine 172 Kippels (Anm. 4), S. 93; im Anschluß daran ebenso Götzer (Anm. 133), S. 70. Sengpiel (Anm. 2), S. 98, hingegen meint, daß die Pariser Konvention für Deutschland bis zum Abschluß eines angeblich noch ausstehenden Friedensvertrages suspendiert sei (dies wohlgemerkt im Jahre 1998). 173 Kippels (Anm. 4), S. 88. 174 Ibid., S. 89 ff. und 96., Götzer (Anm. 133), S. 66 f. 175 Kippels (Anm. 4), S. 90 ff., Götzer (Anm. 133), S. 67 f. 176 Kippels (Anm. 4), S. 88. 177 Vgl. E. Klein (Anm. 1 in fine), S. 294. 178 Ziff. 3 des Zusatzprotokolls zur Belgrader Konvention, 18. August 1948, UNTS Bd. 33, S. 196 (S. 222). Es handelte sich bei den offenen Forderungen um Kredite, die der Europäischen Kommission während des Ersten Weltkrieges sowie im Jahre 1929 gewährt worden waren, und die eigentlich bis 1955 in Raten zurück-

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1. Kap.: Der Schutz der Schiffahrtsfreiheit

derartige Maßnahme waren die Westmächte aber hervorragend abgesichert. Sowohl die Europäische Kommission als auch die Donaumündungsverwaltung179 verfügten nämlich nach dem Krieg über beträchtliche Goldreserven, die bei verschiedenen westeuropäischen Banken eingelagert waren und die nach dem Abschluß der Belgrader Konvention sofort beschlagnahmt wurden180. Später stellte sich dann die Frage nach der Aufteilung der überschüssigen Guthaben, wobei gemäß einer Vereinbarung von 1977 Rumänien sogar noch 50 Kilogramm Gold überwiesen wurden181. Da die Europäische Kommission auch nach der Verteilung ihrer Guthaben aufrechterhalten wurde182, konnten finanzielle Fragen nicht der Grund für das Festhalten der Westmächte am Pariser Statut gewesen sein. Der Grund dafür kommt vielmehr in einer Stellungnahme des französischen Außenministers aus dem Jahre 1980 zum Ausdruck, der im Zusammenhang mit der bevorstehenden Eröffnung des Rhein-Main-Donaukanals erklärte, es sei „toujours la convention de 1921 sur le statut international du Danube qui constitue la meilleure garantie de nos droits“183 – eine Position, an der sich bis heute nichts geändert hat184. Wie noch näher darzulegen sein wird185, hat sich mittlerweile die Position der Donaustaaten hinsichtlich der angeblich zu weitgehenden Internationalisierung des Flusses durch das Pariser Statut erheblich im Sinne der Auffassung der Westmächte gewandelt. Zwar lehnen die Donaustaaten die Pariser Konvention weiterhin ab. Es wird aber nunmehr versichert, daß das in der Belgrader Konvention vorgesehene Prinzip der Schiffahrtsfreiheit für gezahlt werden sollten, vgl. Art. 15 Abs. 1 S. 1 des Übereinkommens von Sinaia, 18. August 1938 (Anm. 6), sowie Jacqué (Anm. 53, S. 756). 179 Die gemäß Art. 5 Abs. 1 des Übereinkommens von Sinaia, 18. August 1938 (Anm. 6), eingerichtete „Direction du Danube maritime“ sollte der Europäischen Kommission gemäß Art. 15 Abs. 1 S. 2 des Übereinkommens von Sinaia die Mittel zur Rückzahlung der offenen Kreditforderungen bereitstellen. 180 Vgl. Art. 1 und 2 Abs. 1 in fine der in Rom geschlossenen Übereinkunft bezüglich finanzieller Fragen der Europäischen Kommission zwischen der Kommission, Frankreich, Großbritannien, Italien und Griechenland, 23. April 1977, in: AFDI 1981, S. 763, sowie Jacqué (Anm. 53, S. 759). 181 Art. 1 des Annex B der in Rom geschlossenen Übereinkunft bezüglich finanzieller Fragen der Europäischen Kommission, 23. April 1977 (Anm. 180). Weitere 100 Kilogramm Gold wurden zwischen Frankreich, Großbritannien und Italien aufgeteilt, vgl. Jacqué (Anm. 53, S. 760 in fine). 182 Vgl. die Nr. 2 und 4 des Annex A der in Rom geschlossenen Übereinkunft bezüglich finanzieller Fragen der Europäischen Kommission, 23. April 1977 (Anm. 180), wo die Möglichkeit einer künftigen Auflösung der Europäischen Kommission angesprochen wird. 183 Vgl. den Nachweis oben, Anm. 130 in fine. 184 Vgl. Sengpiel (Anm. 2), S. 113 f. 185 Siehe unten, § 2 III. 1. a).

§ 2 Der Streit um das aktuelle Donaustatut

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alle Nationen186 tatsächlich umgesetzt werden soll187. Zudem ist mit Rußland heute sogar ein Nichtdonaustaat Mitglied in der gemäß dem Belgrader Statut eingerichteten Donaukommission188. Die Auffassung, die Pariser Konvention sei nicht mehr zeitgemäß189, erscheint deshalb inzwischen selbst etwas überholt. Gegen die These vom Erlöschen der Pariser Konvention aufgrund des suspensionsbedingt in „erhöhtem Maße“ anwendbaren rebus sic stantibusPrinzips ist letztlich Folgendes zu bedenken zu geben: Die andauernde Nichtanwendung der Pariser Konvention durch die Donaustaaten geht – wie gesehen – ursprünglich nicht auf die Wirkungen des Krieges zurück, sondern auf die widerrechtliche Ablehnung des Pariser Statuts in den Jahren 1936 und 1940190. Nun sieht aber der Artikel 62 Absatz 2 Litera b) der Wiener Vertragsrechtskonvention191 vor, daß Staaten, die sich auf das rebus sic stantibus-Prinzip berufen wollen, die grundlegende Änderung der Umstände nicht selbst durch eine Verletzung ihrer Pflichten herbeigeführt haben dürfen. Gerade Deutschland hat aber durch die Note vom 14. November 1936192 und durch die Einberufung der Wiener Konferenz vom September 1940193 maßgeblich zum Niedergang des Pariser Statuts beigetragen194. Gleiches gilt für die übrigen durch die Note der Reichsregierung abgelehnten Statute der mitteleuropäischen Flüsse195. Wenn nun argumentiert wird, 186

Art. 1 der Belgrader Konvention, 18. August 1948, UNTS Bd. 33, S. 196. Siehe den Vortrag des österreichischen Botschafters und damaligen Generaldirektors der in Budapest ansässigen Donaukommission, H. Strasser, vom 25. Januar 1995, Die Donaukommission und ein gesamteuropäisches Binnenschiffahrtssystem, in: Schiffahrt und Strom Folge 149 (März/April 1995), S. 13 ff. (S. 13): „Wir wissen, daß dieses Prinzip in der Praxis der Donauschiffahrt innerstaatlich und international oft gefährdet wurde, zumindest aber seine volle Anwendung wegen wirtschaftlicher und nationaler Interessen schwierig war. Dennoch ist das Prinzip der Freiheit der Schiffahrt auf der Donau, das ein Teil der von den Donauvölkern für sich reklamierten Weltoffenheit ist, in unsere Zeit herübergerettet worden. Die Donaukommission und ihre Mitgliedsstaaten haben sich auch in den schweren Jahren der Teilung unseres Kontinents zu diesem Grundsatz bekannt“ etc. 188 Art. 1 Abs. 2 und Art. 3 des Zusatzprotokolls zur Belgrader Konvention vom 26. März 1998, BGBl. 1999 II S. 579. 189 So außer Kippels und Götzer (Anm. 174) z. B. auch B. Vitányi, Legal Problems with the Rhine-Main-Danube Waterway after the Additional Protocol to the Act of Mannheim, ZaöRV 1981, S. 731 ff. (S. 740). 190 Siehe oben, § 2 I. 1. a) und c). 191 Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge, 23. Mai 1969 (Anm. 23). 192 Siehe oben, bei Anm. 4. 193 Vgl. Documentation française vom 27. Oktober 1956 (Anm. 11), S. 5. 194 Götzer (Anm. 133), S. 67, stellt selbst fest, daß die Geltung der Pariser Donauakte ab 1936 „schrittweise ausgehöhlt“ wurde. 195 Kippels (Anm. 4), S. 91, gibt zusätzlich an, daß die Etablierung des OderRegimes bereits 1932 an deutschem Widerstand gescheitert sei. 187

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die betreffenden Vorschriften des Versailler Vertrages seien überholt, weil keine internationale Flußverwaltung „in ihrer tatsächlichen Anwendung mehr dem Versailler Konzept“ entspreche196, so können dabei doch nicht die Ursachen dieser Nichtanwendung außer acht gelassen werden. Angesichts der Maxime ex iniuria ius non oritur kann jedenfalls die vorwiegend durch Deutschland verursachte faktische Nichtanwendung der Versailler Flußstatute nicht als „grundlegende Änderung der Umstände“ im Sinne der rebus sic stantibus-Doktrin herangezogen werden197.

II. Die Belgrader Konferenz Wie sich schon aus der vorstehenden Analyse ergibt, bietet das Pariser Statut für eine Anwendung des rebus sic stantibus-Prinzips kaum ernsthafte Ansatzpunkte198. Deshalb stützte die Sowjetunion während der Belgrader Konferenz ihre These vom Außerkrafttreten der Pariser Konvention nicht auf dieses Prinzip (1.), sondern auf formelle Argumente, die mit angeblich wiederholt irregulären Revisionen des Pariser Statuts zusammenhängen199 (2.). 1. Das Fehlen einer grundlegenden Änderung der Umstände Während der Belgrader Konferenz behaupteten mehrere der kleineren Donaustaaten, die wirtschaftlichen und politischen Verhältnisse im Donauraum hätten sich seit 1921 grundlegend geändert: Sie seien mittlerweile „frei und stark“ geworden200 und ließen sich von den imperialistischen Großmächten nicht mehr ihrer natürlichen Rechte berauben201. Dennoch wurde, soweit ersichtlich, das rebus sic stantibus-Prinzip nur von der tsche196

Ibid., S. 90. So aber Kippels (Anm. 4), S. 90 ff., und Götzer (Anm. 133), S. 67 f. 198 Im Schrifttum wird das rebus sic stantibus-Prinzip u. a. als mögliche Rechtfertigung für die Ablehnung des Pariser Statuts in den Jahren 1936 und 1948 in Erwägung gezogen, jedoch i. E. ganz überwiegend abgelehnt, vgl. z. B. für 1936 Sengpiel (Anm. 2), S. 92 f., sowie für 1948 Seidl-Hohenveldern (Anm. 79, S. 256) und Jacqué (Anm. 53, S. 751). 199 Vgl. die Zusammenfassung der sowjetischen Argumentation in: Europa-Archiv 1948 (Anm. 11, S. 1646). 200 So die ungarische Delegation in der 2. Plenarsitzung der Belgrader Konferenz, 31. Juli 1948, Conférence Danubienne, Recueil des Documents (Anm. 49), S. 55 ff. (S. 63). Um eine Nuance anders äußerte sich die rumänische Delegation in der 8. Plenarsitzung, 6. August 1948, ibid., S. 171 ff. (S. 171): Die kleinen Donaustaaten seien „frei und unabhängig“ geworden; sie genössen zudem die Unterstützung der Sowjetunion, die ihre Rechte verteidige. 201 Vgl. ibid. sowie die Stellungnahme der tschechoslowakischen Delegation in der 5. Plenarsitzung, 4. August 1948, ibid., S. 117 ff. (S. 135 f.). 197

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choslowakischen Delegation als Grund für das angebliche Außerkrafttreten der Pariser Konvention genannt202. Der stellvertretende sowjetischen Außenminister Andrej Wyschinskij spielte zwar in seinen politischen und historischen Ausführungen wiederholte darauf an, daß im Donauraum erhebliche Veränderungen eingetreten seien203 – in seinen teilweise deutlich als solchen gekennzeichneten juristischen Diskursen204 machte er aber das rebus sic stantibus-Prinzip zumindest in den Plenarsitzungen der Konferenz nicht geltend205. Da Wyschinskij faktisch als Wortführer der Ostblockstaaten auftrat206, sahen daraufhin die Westmächte ebenfalls keine Veranlassung, näher auf die rebus sic stantibus-Doktrin einzugehen207. 202 Ibid. (S. 135). Nach Jacqué (Anm. 53, S. 751) wäre es die bulgarische Delegation gewesen, die das rebus sic stantibus-Prinzip genannt hat; eine Nachprüfung seiner Quellenangabe ergibt jedoch, daß sich Jacqué ebenfalls auf die Stellungnahme der tschechoslowakischen Delegation bezieht. 203 In der Schlußdebatte der Belgrader Konferenz, 11. Plenarsitzung, 18. August 1948, Conférence Danubienne, Recueil des Documents (Anm. 49), S. 239 ff. (S. 263 f.), zitierte Wyschinskij z. B. einige Aussagen Stalins zum sozialen Fortschritt und zur Überwindung reaktionärer Kräfte und Ideen, und fuhr dann fort, daß die Donau sich in den vergangenen Jahrzehnten verändert habe; die Lebensverhältnisse hätten sich gewandelt und mit ihnen die Bedürfnisse und Bestrebungen der Donauvölker. Dies sei der Grund, warum die Berufungen auf die Vergangenheit, auf die alte Ordnung und die absterbenden Traditionen „ne peuvent avoir la moindre influence sur les aspirations des pays danubiens progressifs“. Diese Ausführungen werden von P. Berger, Zur Klausel „rebus sic stantibus“, ÖZöffR 1952 (Bd. 4), S. 27 ff. (S. 37, 45), als Geltendmachung der „clausula rebus sic stantibus“ gedeutet. Dagegen ist zu bedenken zu geben, daß Wyschinskij nach der zitieren Passage fortfährt: „C’est pourquoi, nous, représentants de l’Union Soviétique, d’une grande puissance socialiste, nous saluerons la nouvelle Convention du Danube“ etc. Hierbei handelt es sich eindeutig um eine rechtspolitische Stellungnahme. Die wiedergegebenen Ausführungen Wyschinskijs werden zudem durch eine allgemeine historische bzw. weltanschauliche Stellungnahme eingeleitet: „Plusieurs fois dans l’histoire, il est déjà arrivé que de nouvelles formes de rapports sociaux se sont heurtées dans leur développement à l’opposition acharnée des vieilles forces“ etc. Es scheint deshalb wenig überzeugend, diese Ausführungen als eine juristische Stellungnahme zu behandeln. 204 Vgl. z. B. die Überleitung Wyschinskijs zu seinen juristischen Ausführungen in der 2. Plenarsitzung, 31. Juli 1948, Conférence Danubienne, Recueil des Documents (Anm. 49), S. 55 ff. (S. 65): „Tel est le côté politique. Mais ne peut-on pas examiner la question du côté juridique?“ etc. Die Unterscheidung zwischen juristischen und sonstigen Diskursen findet sich auch in seiner Erklärung in der Schlußdebatte, 11. Plenarsitzung, 18. August 1948, ibid., S. 239 ff. (S. 259). 205 Die Mitschriften der Ausschußsitzungen sind in der Dokumentensammlung der Belgrader Konferenz (Anm. 49) nicht abgedruckt; generelle Aussagen über dort abgegebene Erklärungen sind daher nicht möglich. 206 P. Berger (Anm. 203, S. 44 f.); vgl. auch oben, Anm. 200 in fine. 207 Soweit ersichtlich, sind die britische und die französische Delegation überhaupt nicht auf die rebus sic stantibus-Doktrin eingegangen. Lediglich in der Sit-

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Im völkerrechtlichen Schrifttum ist die Anwendung des rebus sic stantibus-Prinzips auf das Pariser Statut fast einhellig abgelehnt worden208. Dabei wurde darauf hingewiesen, daß die technischen Bedingungen der Donauschiffahrt sich nach dem Zweiten Weltkrieg keineswegs geändert hatten209. Auch am allgemeinen Interesse an der Donauschiffahrt hatte sich anerkanntermaßen nichts geändert210, so daß selbst die Sowjetunion nicht umhin kam, das Prinzip der Schiffahrtsfreiheit für alle Nationen in der Belgrader Konvention zu bestätigen211. Letztlich rechtfertigten auch die politischen Veränderungen im Donauraum keine Anwendung der rebus sic stantibusDoktrin zugunsten der Ostblockstaaten: Die von der Sowjetunion besonders entschieden abgelehnte Europäische Donaukommission hatte seit 1856 unabhängig von den jeweiligen Machtverhältnissen die Zugänglichkeit der Donaumündung für die Schiffahrt aller Nationen gewährleistet212. Eine ihrer Funktionen bestand gerade darin, den Zugang zur Donau gegen Hegemonialbestrebungen einzelner Mächte zu sichern213. Die im Zweiten Weltkrieg von der Sowjetunion erlangte Vormachtstellung im Donauraum beseitigte somit nicht die Grundlagen der Bindung an das Pariser Statut, sondern erhöhte im Gegenteil die Notwendigkeit einer internationalen Kontrolle der zung des Generalausschusses vom 17. August 1948 kam ein US-amerikanischer Delegierter auf diese Frage zu sprechen, vgl. den Abdruck seiner Stellungnahme in: The Department of State Bulletin vom 5. September 1948, Bd. XIX, Nr. 479, S. 288 ff. (S. 289). Da die tschechoslowakische Delegation ihre Geltendmachung des rebus sic stantibus-Prinzips nicht näher begründet hatte, beschränkte er sich darauf, zu fragen, welche Veränderungen denn die Anwendung dieses Prinzips rechtfertigen sollten, und zitierte dann eine Literaturstimme, wonach es allgemein anerkannt sei, daß völkerrechtliche Verträge durch einen Regierungswechsel oder einen Wechsel der Regierungsform grundsätzlich nicht berührt würden. 208 Vgl. z. B. Seidl-Hohenveldern (Anm. 79, S. 256) und Jacqué (Anm. 53, S. 751). P. Berger (Anm. 203, S. 45 f.) legt hingegen dar, daß nach einer in der Sowjetunion vertretenen Lehrmeinung zum rebus sic stantibus-Prinzip dessen Anwendung auf das Pariser Statut möglich sei; diese Lehrmeinung läuft darauf hinaus, zu behaupten, daß bei einem Wechsel der Gesellschaftsform die damit nicht vereinbaren völkerrechtlichen Verträge außer Kraft treten. Anders als Berger dies suggeriert, hat die Sowjetunion sich aber bei der Belgrader Konferenz den Westmächten gegenüber nicht auf diese Doktrin berufen. 209 Seidl-Hohenveldern (Anm. 79, S. 256). 210 Die am 10. Februar 1947 in Paris geschlossenen Friedensverträge mit Ungarn (Art. 38), Bulgarien (Art. 34) und Rumänien (Art. 36) sahen vor, daß die Schifffahrtsfreiheit auf der Donau für alle Nationen gewährleistet werden sollte, siehe den Abdruck des gemeinsamen Artikels in: United States Department of State, Documents & State Papers Bd. 1, Nr. 4 (Juli 1948), S. 274. 211 Art. 1 der Belgrader Konvention, 18. August 1948, UNTS Bd. 33, S. 196. 212 Jacqué (Anm. 53, S. 751). 213 Vgl. Wegener (Anm. 63), S. 11 f., Documentation française vom 27. Oktober 1956 (Anm. 11), S. 6.

§ 2 Der Streit um das aktuelle Donaustatut

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Donauschiffahrt214. Dies, sowie die strategische Bedeutung der Europäischen Kommission, konnten dem sowjetischen Delegationsvorsitzenden Wyschinskij nicht entgangen sein, hatte er doch schon im Jahre 1940 bei den Verhandlungen mit dem Deutschen Reich um die Auflösung der Kommission gerungen215. Statt auf das wenig überzeugende rebus sic stantibusPrinzip stützte er sich in seinen juristischen Darlegungen deshalb auf formelle Argumente bezüglich des bei Revisionen des Donaustatuts einzuhaltenden Verfahrens. 2. Das Verfahren bei Revisionen des Pariser Statuts Vor dem Zweiten Weltkrieg war es bei Revisionen des Donaustatuts mehrfach zu Unregelmäßigkeiten gekommen, für die zum Teil die Westmächte verantwortlich gemacht werden konnten216 [a)]. Da das in der Pariser Konvention vorgesehene Revisionsverfahren auch bei der Einberufung der Belgrader Konferenz nicht beachtet worden war217, wies der sowjetische Delegationsvorsitzende die Forderung der Westmächte nach der Wahrung ihrer Rechte als unbegründet zurück: „[S]i la pratique existait déjà de modifier les conventions internationales indépendamment de la volonté de tel ou tel participant aux conventions précédentes, alors à quoi bon se réclamer de certains ‚droits acquis‘ lorsque sont en jeu les intérêts des signataires influents de ces conventions“218 [b)]. a) Die Praxis vor dem Zweiten Weltkrieg Abgesehen von der einseitigen Ablehnung des Pariser Statuts durch die Reichsregierung219 und den 1940 zwischen den Donaustaaten getroffenen Absprachen220 war es auch bei den Änderungen des Donaustatuts in den 214 Deshalb bestanden die Westmächte nach dem Zweiten Weltkrieg so beharrlich auf eine Beteiligung an einer neuen Donaukommission und verlangten zudem deren Anbindung an die Vereinten Nationen, vgl. ibid., S. 12 f., 15, sowie Europa-Archiv 1948 (Anm. 11, S. 1643, 1705 ff.); vgl. ferner die Note der USA vom 15. November 1949 (Anm. 169): „The rejection by the majority at the Belgrade Conference of any relationship between the Danube Commission and the United Nations indicates an intention to seal off the Danubian area from normal intercourse with the rest of the world“. 215 Vgl. oben, Anm. 61. 216 Siehe Hoyt (Anm. 46), S. 138 ff. und 144 f. 217 Ibid., S. 147 ff. 218 2. Plenarsitzung der Belgrader Konferenz, 31. Juli 1948, Conférence Danubienne, Recueil des Documents (Anm. 49), S. 55 ff. (S. 69). 219 Siehe oben, § 2 I. 1. a). 220 Siehe oben, § 2 I. 1. c).

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Jahren 1921 und 1938/39221 zu zweifelhaften Praktiken gekommen. So war 1921 die seinerzeit nicht anerkannte Sowjetregierung zur Pariser Konferenz nicht eingeladen worden, obwohl Rußland zuvor Vertragsstaat des Pariser Statuts gewesen war222. Die sowjetische Delegation in Belgrad stellte sich deshalb auf den Standpunkt, daß die Pariser Konvention – insbesondere wegen des Ausschlusses Rußlands aus der Europäischen Kommission – die vorherigen Verträge „brutal verletzt“ habe223. Weiterhin hätten die Westmächte ohnehin im Jahre 1938 beim Abschluß des Übereinkommens von Sinaia das Revisionsverfahren der Pariser Konvention mißachtet und damit die Konvention annulliert224. Die Westmächte erwiderten unter anderem, daß die Sowjetunion der Pariser Konvention habe beitreten können225, und daß der Vorwurf der Vertragsverletzung die jetzt auf der Seite der Sowjetunion stehenden Donaustaaten jedenfalls ebenso treffe wie sie selbst226. Hinsichtlich des angeblich vertragswidrigen Zustandekommens des Übereinkommens von Sinaia führten sie aus, daß dieses nicht in den Anwendungsbereich der allgemeinen Bestimmung zur Vertragsrevision fiel, sondern auf einer speziellen Regelung bezüglich der Europäischen Kommission beruhte227. Weiterhin stünde das Vorbringen der Sowjetunion im Widerspruch zu ihrer vormaligen Position; im Jahre 1940 sei sie nämlich selbst noch vom Fortbestand des Pariser Statuts ausgegangen228.

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Siehe oben, § 2 I. 1. b). Hoyt (Anm. 46), S. 138 f., E. Klein (Anm. 1 in fine), S. 269. 223 2. Plenarsitzung der Belgrader Konferenz, 31. Juli 1948, Conférence Danubienne, Recueil des Documents (Anm. 49), S. 55 ff. (S. 67). 224 Ibid.; vgl. auch die Nachweise oben, in Anm. 49. 225 Stellungnahme der britischen Delegation in der 4. Plenarsitzung der Belgrader Konferenz, 3. August 1948, Conférence Danubienne, Recueil des Documents (Anm. 49), S. 99 ff. (S. 101). Dieses Argument erwies sich als wenig zugkräftig, da die Sowjetunion 1934 vergeblich versucht hatte, der Europäischen Donaukommission sowie der Pariser Konvention beizutreten, vgl. die sowjetische Stellungnahme ibid. (S. 109), sowie Hoyt (Anm. 46), S. 139. 226 Stellungnahme der britischen Delegation in der 4. Plenarsitzung, 3. August 1948, Conférence Danubienne, Recueil des Documents (Anm. 49), S. 99 ff. (S. 103). Die britische Delegation argumentierte weiter, die Sowjetunion habe sich als Vertragspartei des Pariser Statuts selbst disqualifiziert, indem sie die Verträge des zaristischen Rußland nicht anerkannt habe, siehe ibid. sowie die sowjetische Antwort ibid. (S. 109); vgl. auch Hoyt (Anm. 46), S. 139 f. 227 Vgl. die Nachweise oben, Anm. 52; zu den diesbezüglich im Schrifttum vertretenen Auffassungen siehe Anm. 53. 228 Stellungnahme des französischen Delegierten in der 6. Plenarsitzung, 5. August 1948, Recueil des Documents (Anm. 49), S. 141 ff. (S. 149), auch wiedergegeben in: RGDIP 1949, S. 551 ff. (S. 552). 222

§ 2 Der Streit um das aktuelle Donaustatut

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Unabhängig von der Vereinbarkeit der Übereinkommen von 1921 und 1938/39 mit vorherigen Verträgen standen die 1948 durch die Sowjetunion aufgestellten Behauptungen im Widerspruch zu dem bis 1940 bestehenden allgemeinen Konsens über die Gültigkeit dieser Rechtsakte229. Trotzdem entbehrte die sowjetische Argumentation insgesamt nicht einer gewissen Plausibilität, weil auch im Vorfeld der Belgrader Konferenz keine Anstalten getroffen worden waren, das Revisionsverfahren der Pariser Konvention einzuhalten. b) Die Praxis nach dem Zweiten Weltkrieg Nachdem die Westmächte seit 1945 vergeblich versucht hatten, die Sowjetunion zur Beachtung der Schiffahrtsfreiheit auf der Donau zu bewegen230, erklärte diese sich im Dezember 1946 immerhin dazu bereit, in die 1947 geschlossenen Friedensverträge mit Ungarn, Bulgarien und Rumänien231 jeweils eine Bestimmung über das Prinzip der Schiffahrtsfreiheit auf der Donau aufzunehmen232. Gleichzeitig wurde beschlossen, nach dem Inkrafttreten der Friedensverträge eine Konferenz zur Regelung des Donaustatuts einzuberufen233. Bei der Belgrader Konferenz wertete die Sowjetunion diese Beschlüsse als Beleg dafür, daß die Pariser Konvention nicht mehr in Kraft sein könne. Erstens sei der in die Friedensverträge aufgenommene Artikel zur Donau229 Die Sowjetunion hatte vor dem Zweiten Weltkrieg mehrfach versucht, der Europäischen Kommission beizutreten und damit zumindest die Gültigkeit der Pariser Konvention anerkannt; zur darüber hinausgehenden Bindung als Drittstaat vgl. E. Klein (Anm. 1 in fine), S. 269. Vom Deutschen Reich wurde der Sowjetunion im September 1940 sogar noch die Aufnahme in die Kommission angeboten, die dann aber aus politischen Gründen abgelehnt wurde, vgl. oben, Anm. 61. Außer Deutschland und der Sowjetunion (siehe oben, bei Anm. 79) gingen auch die kleineren Donaustaaten 1940 noch vom grundsätzlichen Fortbestand des Pariser Statuts aus, vgl. oben, Anm. 54 und 58. 230 Vgl. oben, Einleitung, bei Anm. 88 bis 91, sowie die Stellungnahme der USamerikanischen Delegation in der 9. Plenarsitzung der Belgrader Konferenz, 7. August 1948, Conférence Danubienne, Recueil des Documents (Anm. 49), S. 199 ff. (S. 201): „Bien que les Etats-Unis se soient efforcés avec persistance durant les trois dernières années de réouvrir la navigation sur le fleuve, il n’y a aucun trafic à travers la ligne de d’occupation soviétique et américaine en Autriche“. 231 Siehe oben, Anm. 210. 232 Europa-Archiv 1947, Das Problem der freien Donauschiffahrt, S. 326 f. (S. 327). 233 Ibid.; siehe den Abdruck der Entscheidung des Außenministerrates der vier Hauptsiegermächte zur Einberufung einer Donaukonferenz und deren Zusammensetzung, 12. Dezember 1946, in: Conférence Danubienne, Recueil des Documents (Anm. 49), S. 7.

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1. Kap.: Der Schutz der Schiffahrtsfreiheit

schiffahrt an die Stelle der Pariser Konvention getreten234, und zweitens zeige sich an der Art der Einberufung der Konferenz, daß es sich nicht um eine Revisionskonferenz gemäß der Pariser Konvention handeln könne235: Diese sehe eine Einberufung auf Antrag von zwei Dritteln der Signatare der Konvention vor236, wohingegen die Belgrader Konferenz auf einen Beschluß des Außenministerrates der vier Siegermächte zurückgehe237. Zudem seien auch die Vertragsstaaten Belgien, Griechenland und Italien nicht eingeladen worden238, so daß es widersprüchlich sei, wenn die Westmächte nunmehr den Respekt ihrer wohlerworbenen Rechte verlangten239. Die Westmächte beriefen sich demgegenüber auf mehrfach abgegebene Erklärungen, wonach das Pariser Statut in Kraft bleibe, bis eine neue Konvention ihre Zustimmung gefunden habe240. Weiterhin sei das Prinzip der Schiffahrtsfreiheit in den Friedensverträgen nur in allgemeiner Form bestätigt worden241; es sei kaum anzunehmen, daß damit die gesamte Pariser Konvention ersetzt werden sollte242. Trotz der Richtigkeit dieser Einwendungen war es der Sowjetunion nach Einschätzung westlicher Beobachter gelungen, eine gewisse Widersprüchlichkeit im Verhalten der Westmächte aufzuzeigen243. So konnten diese nicht überzeugend erklären, warum mehrere Vertragsstaaten des Pariser Statuts nicht zur Konferenz eingeladen worden waren244. Der britische245 und französische246 Vorschlag, dies nachzuholen, konnte daran nichts mehr ändern. 234 2. Plenarsitzung der Belgrader Konferenz, 31. Juli 1948, ibid., S. 55 ff. (S. 65 f.). 235 Ibid. (S. 69). 236 Art. 42 der Pariser Konvention (Anm. 1). 237 Siehe oben, Anm. 233. 238 Vgl. näher oben, Anm. 1. 239 2. Plenarsitzung der Belgrader Konferenz, 31. Juli 1948, Conférence Danubienne, Recueil des Documents (Anm. 49), S. 55 ff. (S. 69). 240 Stellungnahme der französischen Delegation in der 6. Plenarsitzung, 5. August 1948, ibid., S. 141 ff. (S. 149), ebenfalls abgedruckt in: RGDIP 1949, S. 551 ff. (S. 553); siehe auch die weiteren Nachweise oben, Anm. 165. 241 Stellungnahme der britischen Delegation, 4. Plenarsitzung, 3. August 1948, ibid., S. 99 ff. (S. 103 f.). 242 Stellungnahme der französischen Delegation, 6. Plenarsitzung, 5. August 1948, ibid., S. 141 ff. (S. 151), bzw. RGDIP 1949, S. 551 ff. (S. 553 f.). 243 J. L. Kunz, The Danube Regime and the Belgrade Conference, AJIL 1949, S. 104 ff. (S. 110 f.), Hoyt (Anm. 46), S. 154 f., Seidl-Hohenveldern (Anm. 79, S. 257), Kippels (Anm. 4), S. 84 f., Sengpiel (Anm. 2), S. 101. 244 Hoyt (Anm. 46), S. 154 f., merkt zu Recht an, daß die Westmächte wohl davon ausgingen, daß die nicht eingeladenen Vertragsstaaten des Pariser Statuts einem einvernehmlich ausgehandelten neuen Donaustatut nachträglich zustimmen würden; da dies aber nirgendwo so erklärt worden war, konnten die Westmächte dies der sehr formalistisch argumentierenden sowjetischen Delegation kaum entgegenhalten.

§ 2 Der Streit um das aktuelle Donaustatut

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Im völkerrechtlichen Schrifttum wird trotzdem allgemein davon ausgegangen, daß die Belgrader Konferenz nicht zum Erlöschen des Pariser Statuts geführt hat247. Dem ist zuzustimmen, weil die Westmächte und die übrigen Vertragsstaaten nicht auf ihre Rechte gemäß der Pariser Konvention verzichtet hatten248 und gegen ihren Willen auch nicht durch die Konferenzbeschlüsse gebunden werden konnten249. In einem Zusatzprotokoll zur Belgrader Konvention erklärten die Ostblockstaaten dennoch, das Pariser Statut sei außer Kraft getreten250. Die Westmächte und die nicht anwesenden weiteren Vertragsstaaten legten dagegen Protest ein251. In der Schlußdebatte wiesen die Westmächte zusätzlich darauf hin, daß es bei der Konferenz zu Verhandlungen überhaupt nicht gekommen sei: Ihre Vorschläge seien pauschal abgelehnt worden und der sowjetische Konventionsentwurf sei von einer „gefügigen Mehrheit“ quasi unverändert angenommen worden252. Die 245 4. Plenarsitzung der Belgrader Konferenz, 3. August 1948, Conférence Danubienne, Recueil des Documents (Anm. 49), S. 99 ff. (S. 101). 246 6. Plenarsitzung, 5. August 1948, ibid., S. 141 ff. (S. 151), bzw. RGDIP 1949, S. 551 ff. (S. 554). 247 Siehe z. B. Jacqué (Anm. 53, S. 752), Kippels (Anm. 4), S. 85, E. Klein (Anm. 1 in fine) S. 275, Seidl-Hohenveldern (Anm. 79, S. 258), Sengpiel (Anm. 2), S. 98, 103 f. 248 Frankreich, Großbritannien, Belgien und Griechenland hatten im Vorfeld der Belgrader Konferenz mehrfach erklärt, einstweilen am Pariser Statut festzuhalten, vgl. Hoyt (Anm. 46), S. 147, sowie die Nachweise oben, Anm. 165. Gemäß dem Urteil des IGH zu den Certain Norwegian Loans muß im Zweifel zudem davon ausgegangen werden, daß ein Staat nicht auf Rechte verzichten will, siehe oben, Anm. 24. 249 Die Sowjetunion erklärte selbst in der 2. Plenarsitzung der Belgrader Konferenz, 31. Juli 1948, Conférence Danubienne, Recueil des Documents (Anm. 49), S. 55 ff. (S. 71), daß das neue Donaustatut niemandem aufgedrängt werden könne: Man habe zwar die Absicht, es unabhängig von der Zustimmung der Westmächte in Kraft zu setzten; diesen stünde es aber frei, sich der Mehrheit anzuschließen oder sich zurückzuziehen. „C’est leur affaire, c’est leur droit. Certainement personne n’imposera la nouvelle Convention à qui que ce soit“. Hoyt (Anm. 46), S. 154, merkt außerdem an, daß die Mehrheit bei der Belgrader Konferenz keineswegs behauptete, die vertraglichen Rechte der Minderheit aufheben zu können; sie habe vielmehr versucht, ein Außerkrafttreten des Pariser Statuts aufgrund früherer Ereignisse zu beweisen. 250 Ziff. 1 des Zusatzprotokolls zur Belgrader Konvention, 18. August 1948, UNTS Bd. 33, S. 196 (S. 222). 251 Siehe oben, Einleitung, Anm. 96. 252 Siehe die französische Erklärung in der 11. Plenarsitzung der Belgrader Konferenz, 18. August 1948, Conférence Danubienne, Recueil des Documents (Anm. 49), S. 239 ff. (S. 245): „En vérité, toute la Convention a été élaborée par une seule délégation, votée par une majorité docile, sans qu’à aucun moment la minorité puisse ramener vers des principes désertés un texte considéré comme immuable, de l’aveu même de certains délégués, dès l’instant où il fut déposé. Il n’y a donc pas eu, en fait, de liberté de discussion“. Die britische Delegation schloß sich dem an und erklärte wiederholt: „Cela n’est pas négocier“ (ibid., S. 247).

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1. Kap.: Der Schutz der Schiffahrtsfreiheit

US-amerikanische Delegation bezeichnete die Konferenz deshalb schlichtweg als einen Betrug253; das von den USA vorrangig verfolgte Ziel einer Wiederherstellung der Schiffahrtsfreiheit sei völlig verfehlt worden254. Das Verhalten der Westmächte im Vorfeld der Belgrader Konferenz erscheint weniger widersprüchlich, wenn man berücksichtigt, daß die Sowjetunion eine Einberufung der Konferenz zu anderen Konditionen strikt abgelehnt hatte255. Die fehlende Berücksichtigung einzelner Vertragsstaaten entsprach zudem einer durchaus üblichen Praxis: Bei der Revision von Statusverträgen werden oft nur diejenigen Staaten unmittelbar an den Verhandlungen beteiligt, deren Fernbleiben dem Funktionieren der neuzuschaffenden Ordnung abträglich sein könnte256. Dabei unberücksichtigt gebliebene Staaten haben dann immer noch die Möglichkeit, gegen den von den neuen Vertragsstaaten erhobenen Anspruch, im allgemeinen Interesse zur Schaffung allgemeingültiger Regeln tätig geworden zu sein, zu protestieren257. Auf diesem Wege können sie dann nicht nur die potentielle Drittwirkung der neuen Konvention abwehren, sondern zugleich ihre vertraglichen Rechte gemäß dem alten Statut wahren258. Die negative Reaktion der westlich orientierten Staaten auf die 1948 durchgeführte Neuregelung des Donaustatuts hat zur Folge, daß die Donaustaaten zwar untereinander die Belgrader Konvention anwenden, die meisten westlichen Staaten aber weiter die Pariser Konvention als die gültige Rechtsgrundlage der Schiffahrtsfreiheit auf der Donau ansehen259. Es stellt sich somit die Frage, im Verhältnis welcher Staaten zueinander die Konventionen jeweils zur Anwendung kommen können.

253 Laut der Stellungnahme der US-amerikanischen Delegation, ibid. (S. 251 f.), ebenfalls abgedruckt in: The Department of State Bulletin vom 5. September 1948, Bd. XIX, Nr. 479, S. 291 f. (S. 291), wäre die Belgrader Konferenz eine reine Inszenierung gewesen; die Ausschußsitzungen etc. seien nur pro forma, zum Schein abgehalten worden: „But anybody who has been seated in this hall or in the gallery knows that this has been a deception. This has been a unique performance in the history of international negotiations“. 254 Ibid. 255 Vgl. Europa-Archiv 1947, Das Problem der freien Donauschiffahrt, S. 326 f. (S. 327), Hoyt (Anm. 46), S. 147. 256 E. Klein (Anm. 1 in fine), S. 271 f. 257 Ibid., S. 274 f. 258 Ibid., S. 275. 259 Vgl. oben, Einleitung, Anm. 97.

§ 2 Der Streit um das aktuelle Donaustatut

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III. Die Rechtsgrundlagen der Schiffahrtsfreiheit auf der Donau Durch den Beitritt Österreichs und Deutschlands zur Belgrader Konvention260 haben sich die praktischen Schwierigkeiten, die sich aus der Konkurrenz der beiden Donaustatute ergeben, weitgehend erledigt. Dennoch ist fraglich, auf welche Rechtsgrundlage das Prinzip der Schiffahrtsfreiheit im Verhältnis der Donaustaaten zu den Westmächten gestützt werden kann (1.). Besondere Schwierigkeiten ergeben sich hinsichtlich des Befahrens der Donau mit Kriegsschiffen, da die zwei Statute zu dieser Frage widersprüchliche Regelungen treffen261 (2.). 1. Die Anwendbarkeit des Prinzips der Schiffahrtsfreiheit auf der Donau Der Artikel 1 der Belgrader Konvention erklärt, die Donauschiffahrt „sera libre et ouvert aux ressortissants, aux bateaux marchands et aux marchandises de tout les Etats sur un pied d’égalité en ce qui concerne les droits de port et les taxes sur la navigation, ainsi que les conditions auxquelles est soumise la navigation commerciale“262. Die restriktiven Praktiken der Ostblockstaaten bei der Anwendung der Konvention ließen aber zeitweilig zweifeln, ob damit wirklich die Schiffahrtsfreiheit für alle Nationen gewährleistet werden sollte263. Trotz der mittlerweile zu verzeichnenden Annährung in dieser Frage [a)] bestehen westeuropäische Staaten bis heute auf ihre Rechte gemäß der Pariser Konvention [b)]. Abgesehen davon wird immerhin von allen Seiten anerkannt, daß es sich bei der Donau um einen internationalen Fluß handelt, auf den die Prinzipien der Wiener Kon260

Siehe oben, § 1, Anm. 2 in fine. Der sowjetische Delegationsvorsitzende A. Wyschinskij wies bei der Erläuterung seines Konventionsentwurfs in der 5. Plenarsitzung der Belgrader Konferenz, 4. August 1948, Conférence Danubienne, Recueil des Documents (Anm. 49), S. 117 ff. (S. 125), darauf hin, daß dieser einen „sehr wichtigen Artikel“ enthalte, der das Befahren der Donau durch Kriegsschiffe von Nichtdonaustaaten verbiete (vgl. Art. 30 Abs. 1 der Belgrader Konvention, 18. August 1948, UNTS Bd. 33, S. 196). Dies unterscheide seinen Entwurf „beträchtlich“ von der Pariser Konvention, „qui dans ce sens, faisait des exceptions pour certains Etats non-danubiens, permettant à leurs navires de guerre (en stationnement) de naviguer depuis le delta du Danube jusqu’à Galatz“ (vgl. hierzu oben, Anm. 39). 262 Belgrader Konvention, 18. August 1948, UNTS Bd. 33, S. 196; diese Bestimmung ist wortgleich mit dem die Donauschiffahrt betreffenden Artikel der Friedensverträge vom 10. Februar 1947, siehe oben, Anm. 210. 263 Vgl. Kippels (Anm. 4), S. 96 ff., der die Belgrader Konvention so auslegen will, daß sie nur die Schiffahrtsfreiheit für die Donaustaaten vorsehe. 261

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1. Kap.: Der Schutz der Schiffahrtsfreiheit

greßakte zur Schiffahrt auf grenzüberschreitenden Flüssen264 zur Anwendung kommen265 [c)]. a) Die Belgrader Konvention Nach Meinung der Westmächte war die Belgrader Konvention so konzipiert worden, daß sie nicht die Schiffahrtsfreiheit auf der Donau gewährleistete, sondern es im Gegenteil erlaubte, den Donauraum vom Rest der Welt abzuschirmen und so die dortige Vormachtstellung der Sowjetunion zu sichern266. Diese Auffassung wurde in den Jahren nach 1948 offenbar selbst von der jugoslawischen Regierung unter Tito geteilt, die nach dem Auftreten von Spannungen mit der Sowjetunion die Schiffahrtsfreiheit für ihre Handelsflotte nur erzwingen konnte, indem sie wiederholt die Sperrung des jugoslawischen Donauabschnitts androhte267. Auch die neue Donaukommission wurde so stark von der Sowjetunion dominiert, daß die jugoslawischen Vertreter sich zeitweilig aus dieser Institution zurückzogen268. Ein diesbezüglicher Wandel trat erst im Jahre 1953 ein269. Seit 1952 wurde zudem schrittweise die Sperrung der Donau an der Zonengrenze in Österreich aufgehoben270. Die Westmächte hatten sich bei der Belgrader Konferenz (wie schon zuvor) auf den Standpunkt gestellt, daß eine effektive Umsetzung der Schifffahrtsfreiheit nur durch eine Repräsentation von Nichtuferstaaten in der Donaukommission gewährleistet werden konnte271. Dies wurde jedoch von der Sowjetunion als mit der Souveränität der Donaustaaten unvereinbar zurück264

Art. CVIII bis CXVI der Wiener Kongreßakte, 9. Juni 1815, Martens, Suppl. Rec. 6, S. 379. 265 Vgl. z. B. die Note der USA vom 15. November 1949 (Anm. 169), die von der Sowjetunion an Deutschland gerichtete Note vom 27. September 1978, in: Götzer (Anm. 133), S. 150 f. (S. 150), sowie Vortrag des österreichischen Botschafters und damaligen Generaldirektors der in Budapest ansässigen Donaukommission, H. Strasser, vom 25. Januar 1995 (Anm. 187, S. 13). 266 Siehe die Protestnote der USA vom 15. November 1949 (Anm. 169). 267 F. Pichler, Die Donaukommission und die Donaustaaten (1973), S. 34, Documentation française vom 27. Oktober 1956 (Anm. 11), S. 16; mit diesen Drohungen erreichte Jugoslawien es, daß seine Flotte als einzige die Zonengrenze in Österreich passieren konnte. Das war für Jugoslawien von erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung, da es infolge des Boykotts durch die Kominformstaaten auf den Handel mit dem Westen angewiesen war. 268 Ibid., S. 16 f., Hoyt (Anm. 46), S. 151. 269 Ibid., S. 151, Documentation française vom 27. Oktober 1956 (Anm. 11), S. 17. 270 Ibid., S. 19, 21; vgl. auch oben, Anm. 26. 271 Vgl. die Nachweise oben, Anm. 214.

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gewiesen272. Es handle sich um einen Versuch der Westmächte, die Herrschaft über die Donau an sich zu ziehen273. Sehr strittig war zudem eine in die Belgrader Konvention aufgenommene Bestimmung, welche die Benutzung von Hafenanlagen etc. vom Abschluß entsprechender Verträge mit den zuständigen Transportgesellschaften abhängig machte274. Diese Gesellschaften wurden seinerzeit von der Sowjetunion kontrolliert, von deren Wohlwollen damit die Gewährung der Schiffahrtsfreiheit abhing275. Aufgrund der sehr unvollkommenen Ausgestaltung des Prinzips der Schiffahrtsfreiheit durch die Belgrader Konvention ist im Schrifttum teilweise die Ansicht vertreten worden, daß die Schiffahrtsfreiheit entgegen dem Wortlaut des Artikels 1 der Belgrader Konvention276 effektiv nur für Donaustaaten gewährt werde277. Dem ist zuzugeben, daß die Schiffahrtsfreiheit in Anwendung gewisser Bestimmungen der Belgrader Konvention278 272 Der stellvertretende sowjetische Außenminister A. Wyschinskij nannte diesbezügliche Vorschläge der Westmächte „völlig unakzeptabel“, 8. Plenarsitzung der Belgrader Konferenz, 6. August 1948, Conférence Danubienne, Recueil des Documents (Anm. 49), S. 171 ff. (S. 185 f.). Eine Beteiligung von Nichtuferstaaten an der Donaukommission sowie die von den Westmächten gleichzeitig vorgeschlagenen weitreichenden Kompetenzen der neuen Kommission seien das gerade Gegenteil des von der Sowjetunion angestrebten „respect de la souveraineté des Etats riverains et de leur égalité souveraine“, ibid. (S. 187). 273 Ibid. Vgl. auch die Äußerung ibid., S. 193: Die Hauptfrage hinsichtlich der Zusammensetzung der Donaukommission „réside dans le fait de savoir qui est vraiment le maître sur le Danube“. 274 Art. 41 Abs. 1 der Belgrader Konvention, 18. August 1948, UNTS Bd. 33, S. 196: „Les bâtiments entrant dans les ports pour y charger ou décharger auront le droit de se servir des mécanismes de chargement et de déchargement, de l’outillage, des magasins, des terrains d’entrepôts, etc., en vertu d’accords avec les services respectifs chargés du transport et de l’expédition“. Der Gegenentwurf der USA sah hingegen vor: „Die Schiffahrtsgesellschaften, die sich mit dem Handel auf der Donau beschäftigen, können ungeachtet ihrer Nationalität in jedem Donauhafen Niederlassungen einrichten und unterhalten sowie Gebäude, Werften, Lagerhäuser und andere Einrichtungen zur Abwicklung ihrer Geschäfte erwerben oder benutzen“; zitiert nach Europa-Archiv 1948 (Anm. 11, S. 1705). Hierbei handelte es sich um einen Kernpunkt der amerikanisch-sowjetischen Meinungsverschiedenheiten, ibid.; zu den Hintergründen vgl. oben, Einleitung, Anm. 90, 91. 275 Vgl. die Stellungnahme der US-amerikanischen Delegation in der 7. Plenarsitzung der Belgrader Konferenz, 5. August 1948, Conférence Danubienne, Recueil des Documents (Anm. 49), S. 141 ff. (S. 145). Die sowjetische Delegation versuchte, die Existenz einer sowjetischen Kontrolle der fraglichen Transportgesellschaften abzustreiten, indem sie auf die paritätische Repräsentation des jeweiligen Donaustaates und der Sowjetunion in der Leitung dieser Gesellschaften hinwies, 8. Plenarsitzung, 6. August 1948, ibid., S. 171 ff. (S. 189). Zu den ungewöhnlichen Privilegien und dem monopolartigen Charakter der gemischten Transportgesellschaften siehe Documentation française vom 27. Oktober 1956 (Anm. 11), S. 7 f. 276 Vgl. oben, bei Anm. 262. 277 So z. B. Kippels (Anm. 4), S. 97, und Vitányi (Anm. 189, S. 737).

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1. Kap.: Der Schutz der Schiffahrtsfreiheit

so weit eingeschränkt werden konnte, daß die Ostblockstaaten es in der Hand hatten, unliebsame Staaten von der Donauschiffahrt auszuschließen. Davon waren allerdings nicht nur Drittstaaten betroffen, sondern auch Donaustaaten wie Deutschland, Österreich und das zeitweilig boykottierte Jugoslawien279. Weiterhin wären die diskriminierenden Praktiken durch das Pariser Statut ebenfalls kaum zu unterbinden gewesen: Wie Ignaz SeidlHohenveldern zutreffend angemerkt hat, konnten die Ostblockstaaten durch entsprechende Absprachen zwischen den jeweiligen Staatsaußenhandelsmonopolen und den staatlichen Schiffahrtsgesellschaften die Donauschiffahrt einzelner Staaten zum Erliegen bringen, ohne dabei direkt gegen Bestimmungen der Pariser Konvention zu verstoßen280. Die Belgrader Konvention hatte für die Ostblockstaaten sicherlich den Vorteil, diesen Praktiken den Anschein der Legitimität zu verschaffen. Dazu war es aber erforderlich, das Prinzip der Schiffahrtsfreiheit zumindest vordergründig zu bekräftigen. Deshalb fand die von den Westmächten geforderte Schiffahrtsfreiheit für alle Nationen Eingang in die Belgrader Konvention: Ihr Artikel 1 ist identisch mit dem 1947 in die Friedensverträge mit Ungarn, Bulgarien und Rumänien aufgenommenen, von den Siegermächten gemeinsam ausgehandelten281 Artikel zur Donauschiffahrt282. Während der Belgrader Konferenz erklärten die westlichen Delegationen dementsprechend, daß sie die betreffende Bestimmung als Bestätigung des schon im Pariser Statut vorgesehenen Prinzips der Schiffahrtsfreiheit für alle Nationen ansahen283. Hinsichtlich der Umsetzung des Prinzips der Schiffahrtsfreiheit haben sich die Positionen der ehemaligen Ostblockstaaten und der westeuropäischen Staaten in den vergangenen Jahren erheblich angenähert. Nach dem Zerfall der Sowjetunion hat sich Rußland mit Erfolg darum bemüht, trotz des Verlustes seiner Stellung als Uferstaat der Donau den Sitz der Sowjet278

Vgl. oben, Anm. 274. Vgl. Documentation française vom 27. Oktober 1956 (Anm. 11), S. 16 ff., sowie oben, Anm. 267. 280 Seidl-Hohenveldern (Anm. 79, S. 260 f.). 281 Vgl. Europa-Archiv 1947, Das Problem der freien Donauschiffahrt, S. 326 f. (S. 327). 282 Vgl. oben, bei Anm. 262. Vgl. auch die Stellungnahme des britischen Delegationsvorsitzenden in der 4. Plenarsitzung der Belgrader Konferenz, 3. August 1948, Conférence Danubienne, Recueil des Documents (Anm. 49), S. 99 ff. (S. 105): „Je serait parfaitement satisfait de mettre en tête d’une nouvelle Convention, comme article 1, un article conçu dans les mêmes termes que ceux des Traités de paix, et d’y ajouter les articles complémentaires“. 283 Stellungnahmen der britischen, ibid. (S. 103 f.), und der französischen Delegation, 6. Plenarsitzung, 5. August 1948, ibid., S. 141 ff. (S. 151), sowie 11. Plenarsitzung (Schußdebatte), 18. August 1948, ibid., S. 239 ff. (S. 243 f.). 279

§ 2 Der Streit um das aktuelle Donaustatut

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union in der Donaukommission übernehmen zu dürfen284. Dies wurde mit „vitalen Interessen“ an der Donau im Hinblick auf eine „effektive Nutzung der Wasserwege durch seine Flotte“ begründet285. Darüber hinaus wird von Seiten der Donaukommission erklärt, die zwischenzeitlichen Schwierigkeiten bei der Umsetzung des Prinzips der Schiffahrtsfreiheit hätten keinen Einfluß auf dessen grundsätzliche Geltung gehabt. Dieses Prinzip, das ein „Teil der von den Donauvölkern für sich reklamierten Weltoffenheit“ sei, wäre „in unsere Zeit herübergerettet worden“286. In praktischer Hinsicht ist eine zunehmende Öffnung der Donau für die Schiffahrt von Drittstaaten zu beobachten. Zum einen können seegängige Schiffe ungehindert vom Schwarzen Meer her die Donaumündung passieren und dann weit stromaufwärts Richtung Mitteleuropa gelangen287. Zum anderen wurde 1992 der Rhein-Main-Donaukanal eröffnet288 und ermöglicht einen bereits beachtlichen Wechselverkehr zwischen den beiden wichtigsten europäischen Binnenschiffahrtssystemen289. Die anfänglich ablehnende Haltung der westlichen Staaten gegenüber dem Belgrader Statut ist mittlerweile einer konstruktiven Zusammenarbeit gewichen. Im Jahre 1949 hatten die Westmächte noch jegliche Form von Anerkennung für die Wirksamkeit der Belgrader Konvention oder die Zuständigkeiten der neuen Donaukommission verweigert290. Demgegenüber heißt es in einem im Jahre 2000 gefaßten Beschluß der Europäischen Gemeinschaft bezüglich der Unterstützung des Projekts zur Wiederschiffbar284

Siehe oben, Anm. 188. Sengpiel (Anm. 2), S. 132. 286 Siehe oben, Anm. 187. 287 In La Navigation du Rhin 1947, La situation du trafic sur le Danube, S. 509 ff. (S. 511), wird berichtet, daß die Donau seinerzeit mit speziellen, gleichzeitig für die Fluß- und die Seeschiffahrt geeigneten Schiffen vom Schwarzen Meer bis nach Budapest befahrbar war. Später, während der neunziger Jahre, schmuggelten griechische Tanker von Rußland aus Öl über die Donau nach Jugoslawien, siehe den Bericht der United States Energy Information Administration, 10. Juni 1999, Enforcement of Serbian Sanctions and Embargo, www.eia.doe.gov/emeu/cabs/serb sanc.html. 288 Siehe den Vortrag des österreichischen Botschafters und damaligen Generaldirektors der in Budapest ansässigen Donaukommission, H. Strasser, vom 25. Januar 1995 (Anm. 187, S. 13 f.). 289 Bereits im Jahre 1993 wurden über fünf Millionen Tonnen Güter durch den neuen Kanal transportiert, vgl. die Statistiken bei Sengpiel (Anm. 2), S. 4. 290 Eine Protestnote der USA vom 15. November 1949 (Anm. 169) besagt zur Belgrader Konvention: Die US-Regierung „does not recognize that Convention as having any valid international effect“ und „does not recognize the jurisdiction of the Danube Commission, established under the Belgrade Convention, over any part of the Danube River“. Parallele Protestnoten wurden von Frankreich und Großbritannien abgegeben, vgl. ibid. 285

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1. Kap.: Der Schutz der Schiffahrtsfreiheit

machung des jugoslawischen Donauabschnitts291: „Die Donaukommission, die mit dem Belgrader Übereinkommen von 1948 als zwischenstaatliche Einrichtung geschaffen wurde, ist für die Schiffahrt auf der Donau zuständig“292. Eine aus dem Jahre 1999 datierende Aufforderung an die jugoslawische Regierung, die Wiederherstellung der Schiffahrtsfreiheit auf dem jugoslawischen Flußabschnitt zu ermöglichen, zeigt darüber hinaus, daß die westlichen Staaten das in der Belgrader Konvention vorgesehene Prinzip der Schiffahrtsfreiheit für alle Nationen durchaus wörtlich nehmen: In dem Appell heißt es, die Schiffahrtsfreiheit auf der Donau sei „a right granted to all States under the Paris Convention of 1921 and [sic] the Belgrade Convention of 1948“293. Die schon länger andauernde Zusammenarbeit westlicher Staaten294 sowie diverser internationaler Organisationen295 mit der neuen Donaukommission läßt mit Sicherheit darauf schließen, daß die Belgrader Konvention – 291 Das Projekt zur Wiederschiffbarmachung des jugoslawischen Donauabschnitts nach den NATO-Luftangriffen beruht auf einer Entscheidung der Donaukommission vom 25. Januar 2000, CD/SES-V. Extr./4. 292 Abs. 2 S. 1 der Präambel zum Beschluß des Rates der EG vom 17. Juli 2000 über den Beitrag der Gemeinschaft zum Internationalen Fonds für die „Wiederschiffbarmachung der Donau“, ABl. Nr. L 187 vom 26. Juli 2000, S. 45 (2000/474/EG). 293 Europäische Union, Presseerklärung der 2217. Tagung des Rates, 15. November 1999, PRES/99/344, europa.eu.int/comm./external_relations/news/11_99/pres_ 99_344.htm. 294 Österreich nahm schon vor seinem Beitritt zur Belgrader Konvention im Jahre 1960 als Beobachter an den Sitzungen der neuen Donaukommission teil, vgl. SeidlHohenveldern (Anm. 79, S. 259), ebenso Deutschland vor seinem Beitritt im Jahre 1999, vgl. E. Klein (Anm. 1 in fine), S. 270, bei Anm. 92, jeweils m. w. Nachw. Die Anerkennung westlicher Staaten für das Wirken der Kommission zeigt sich auch an der Unterstützung des Projekts zur Wiederschiffbarmachung der Donau. Dieses wird (außer von der EG) unter anderem von den Niederlanden, Kanada und der Schweiz finanziell unterstützt, vgl. die Dokumentation der Donaukommission, Danube Commission Clearance Project Unit – The International Fund for the Clearance of the Fairway of the Danube, www.dunacom.org/clearance/. 295 Bereits im Jahre 1976 schlossen die Zentralkommission für die Rheinschifffahrt und die Donaukommission ein Abkommen zur Koordinierung der wegen des Rhein-Main-Donaukanals nötigen Harmonisierung der Binnenschiffahrtsbedingungen; zu der resultierenden Zusammenarbeit siehe den Vortrag des österreichischen Botschafters und damaligen Generaldirektors der Donaukommission, H. Strasser, vom 25. Januar 1995 (Anm. 187, S. 14 f.). Es sei erwähnt, daß die Zentralkommission – ebenso wie die EG – als internationale Organisation selbständig am völkerrechtlichen Verkehr teilnimmt, und daß die dabei eingenommenen Positionen nicht ohne weiteres den einzelnen Mitgliedstaaten zugerechnet werden können. Die Regierungen bringen ihre Standpunkte aber in die Entscheidungsprozesse dieser Organisationen ein, was sich auf die Entscheidungen auswirkt. Die Zusammenarbeit der Zentralkommission, der EG etc. mit der Donaukommission reflektiert deshalb die insgesamt gewandelte Haltung der westlichen Staaten zum Belgrader Statut.

§ 2 Der Streit um das aktuelle Donaustatut

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trotz ihrer teilweisen Unvereinbarkeit mit der Pariser Konvention296 – keineswegs für nichtig gehalten wird297. An ihrer Anwendbarkeit im Verhältnis der Donaustaaten und Rußlands untereinander kann also kein Zweifel bestehen298. Andererseits halten diverse westeuropäische Staaten aber an der Gültigkeit der Pariser Konvention fest. Dafür, daß sie in irgendeiner Weise eine Bindung durch die Belgrader Konvention anerkannt hätten, gibt es keine Hinweise. In den Beziehungen der Donaustaaten zu den westeuropäischen Staaten muß die Anwendbarkeit des Prinzips der Schiffahrtsfreiheit deshalb auf einer anderen Rechtsgrundlage beruhen. b) Die Pariser Konvention Frankreich und Großbritannien haben nach 1948 regelmäßig bekräftigt, daß die Pariser Konvention nicht in rechtmäßiger Weise durch die Belgrader Konvention abgelöst wurde, und daß sie deshalb weiter berechtigt sind, ihre Rechte gemäß dem Pariser Statut geltend zu machen299. Griechenland ist noch im Jahre 1955 der Europäischen Donaukommission beigetreten und hat sich – wie auch Italien – im Jahre 1977 an der Regelung finanzieller Fragen der Kommission beteiligt300. In der zitierten, 1999 durch die Europäische Union abgegebenen Aufforderung an Jugoslawien, die unter anderem in der Pariser Konvention vorgesehene Schiffahrtsfreiheit auf der Donau zu respektieren, ist eine erneute Bekräftigung der Gültigkeit des Pariser Statuts zu sehen301. 296 Beispielsweise können nicht zwei (bzw. drei) Donaukommissionen gleichzeitig den Schiffsverkehr regeln. 297 Früher wurde teilweise vertreten, daß im Falle der Unvereinbarkeit zweier aufeinanderfolgender Verträge mit unterschiedlichen Vertragsparteien der Konflikt mit der Nichtigkeit des späteren Vertrages zu lösen sei, vgl. die Analyse bei Jacqué (Anm. 53, S. 754) und E. Klein (Anm. 1 in fine), S. 277 ff. Das entspricht aber nicht dem großen Bedürfnis der internationalen Gemeinschaft nach Verträgen als das Zusammenleben regelnden Instrumenten (ibid., S. 279) und würde speziell im Falle des Donaustatuts zu sinnwidrigen Ergebnissen führen (Nichtigkeit der Pariser Konvention wegen der Nichtbeteiligung Rußlands, Nichtigkeit der Belgrader Konvention wegen der Unvereinbarkeit mit dem Allgemeinen Friedensvertrag von 1856). In der Regel ist deshalb von der Gültigkeit beider Verträge auszugehen, Jacqué (Anm. 53, S. 754), E. Klein (Anm. 1 in fine), S. 283. Bezüglich des nicht erfüllten Vertrages bleibt nur der Verweis auf das Recht der Staatenverantwortlichkeit, ibid., S. 284, Jacqué (Anm. 53, S. 754). Ein entsprechender Hinweis findet sich auch in Art. 30 Abs. 5 des Wiener Übereinkommens über das Recht der Verträge, 23. Mai 1969 (Anm. 23). 298 Vgl. die entsprechende Regelung in Art. 30 Abs. 4 Lit. a) i. V. m. Art. 30 Abs. 3 der Wiener Vertragsrechtskonvention (ibid.). 299 Vgl. oben, Einleitung, Anm. 97. 300 Siehe die Nachweise oben, Einleitung, Anm. 97.

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1. Kap.: Der Schutz der Schiffahrtsfreiheit

Trotz der Richtigkeit der Auffassung der westeuropäischen Staaten zur Fortgeltung des Pariser Statuts302 ist allerdings zu berücksichtigen, daß die meisten Donaustaaten sehr dezidiert vom Außerkrafttreten der Pariser Konvention ausgehen303. Aufforderungen, sie zu respektieren, werden bei ihnen deshalb wenig Gehör finden. Umgekehrt werden die Donaustaaten sich den westeuropäischen Staaten gegenüber kaum auf die ihnen potentiell nach dem alten Statut zustehenden Rechte berufen: Jugoslawien behauptete beispielsweise in den Rechtsstreits zur Legality of Use of Force beim IGH keine Verletzung der Pariser, sondern eine Verletzung der – insoweit nicht anwendbaren304 – Belgrader Konvention305. Darüber hinaus ist fraglich, ob eine Berufung auf die Pariser Konvention durch die Donaustaaten nicht ohnehin wegen ihrer vorherigen Zurückweisung dieses Vertrages präkludiert wäre. Der Artikel 60 Absatz 2 Litera c) der Wiener Vertragsrechtskonvention306 sieht vor, daß im Falle einer erheblichen Verletzung eines integralen Vertrages durch eine Vertragspartei alle übrigen Vertragsparteien diesen Vertrag in bezug auf sich selbst suspendieren können. Da es sich beim Pariser Statut um einen integralen, das heißt nicht in bilaterale Verhältnisse aufspaltbaren Vertrag handelt307 und die Ablehnung des Statuts durch die Donaustaaten eine erhebliche Vertragsverletzung darstellt308, wären die westeuropäischen Staaten an sich berechtigt, eine Suspension der Pariser Konvention in Bezug auf sich selbst geltend zu machen. Es ist allerdings nicht ersichtlich, daß die westlichen Staaten das Pariser Statut jemals als suspendiert behandelt hätten. Nach dem Ende des Zweiten 301

Vgl. oben, § 1, bei Anm. 3. Siehe oben, § 2 I. und II. 303 Vgl. die Ziff. 1 des Zusatzprotokolls zur Belgrader Konvention, 18. August 1948, UNTS Bd. 33, S. 196 (S. 222), in welcher das Pariser Statut von den Ostblockstaaten für außer Kraft getreten erklärt wurde. Bei seinem Beitritt zur Belgrader Konvention lehnte Österreich es ab, dieses Protokoll zu unterzeichnen, vgl. Sengpiel (Anm. 2), S. 106. 304 Vgl. oben, § 1, bei Anm. 5. 305 Vgl. die Nachweise oben, § 1, Anm. 4. 306 Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge, 23. Mai 1969 (Anm. 23). 307 Der integrale Charakter des Donaustatuts zeigt sich deutlich am Beispiel der in die Donau gestürzten jugoslawischen Brücken: Die NATO konnte die Schiffahrtsfreiheit während der Luftangriffe nur entweder gegenüber allen oder keinem Staat beachten; das gleiche gilt für Jugoslawien hinsichtlich der Räumung der Trümmer. Ebensowenig kann die Donauschiffahrt für einige Staaten von den alten Donaukommissionen geregelt werden und für andere Staaten von der neuen Kommission. Zur Charakteristik von Statusverträgen (sowie speziell Nutzungsregimes) als integralen Verträgen siehe E. Klein (Anm. 1 in fine), S. 234 ff. (insb. S. 236). 308 Art. 60 Abs. 3 Lit. a) des Wiener Übereinkommens über das Recht der Verträge, 23. Mai 1969 (Anm. 23). 302

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Weltkrieges waren sie vielmehr bemüht, die Schiffahrtsfreiheit gegen den Widerstand der Sowjetunion überhaupt irgendwie wiederherzustellen309. Dabei ging es ihnen in erster Linie nicht um die Beibehaltung der Pariser Konvention, sondern darum – auch im Interesse der Donaustaaten selbst310 – den Handel in der Region wieder aufleben zu lassen311. Die Ablehnung der Belgrader Konvention beruhte dann ebenfalls nicht auf einem starren Festhalten am Pariser Statut312, sondern darauf, daß die neue Konvention zur Gewährleistung einer freien Donauschiffahrt für ungeeignet befunden wurde313. Da die Schiffahrtsfreiheit von Seiten der Donaustaaten heute weitgehend respektiert wird, entspräche es nicht dem Interesse der westlichen Staaten, wegen der Meinungsverschiedenheiten zum Donaustatut die Schiffahrtsfreiheit gemäß der Pariser Konvention zu suspendieren. Daß es den westeuropäischen Staaten bezüglich der Donauschiffahrt nicht vorrangig um die Wiederanwendung der Pariser Konvention geht, manifestierte sich erst kürzlich in dem Appell der Europäischen Union zur Wiederherstellung der Schiffahrtsfreiheit nach dem Ende des Kosovokonflikts314. Zum Motiv dieser Aufforderung heißt es, die Schiffahrtsfreiheit auf der Donau sei „of vital importance for the economies of European 309

Vgl. oben, Einleitung, bei Anm. 88 bis 91. In der Schlußdebatte der Belgrader Konferenz, 11. Plenarsitzung, 18. August 1948, Conférence Danubienne, Recueil des Documents (Anm. 49), S. 239 ff. (S. 255), ebenfalls abgedruckt in: The Department of State Bulletin vom 5. September 1948, Bd. XIX, Nr. 479, S. 291 f. (S. 292), wies die US-amerikanische Delegation darauf hin, daß es den USA in der Frage der Donauschiffahrt vor allem um das Wohlergehen der Donaustaaten ginge, und daß diese einen hohen Preis dafür zahlen müßten, daß ihr Handel zugunsten eines einzigen, mächtigen Staates behindert werde; ebenso heißt es in der Protestnote der USA vom 15. November 1949 (Anm. 169), die Abschirmung des Donauraums vom Rest der Welt führe „to the area’s own direct disadvantage“. 311 Siehe die Rede des britischen Außenministers E. Bevin vor dem House of Commons, 4. Juli 1946, Europa-Archiv 1946, S. 55 f. (S. 56), in der er darauf hinweist, daß es im Interesse aller Staaten liegen müßte, den Handel und die Schiffahrt auf der Donau wiederzubeleben. 312 Vgl. die Erklärung der britischen Delegation in der Schlußdebatte der Belgrader Konferenz, 11. Plenarsitzung, 18. August 1948, Conférence Danubienne, Recueil des Documents (Anm. 49), S. 239 ff. (S. 247), wonach „le Gouvernement de sa Majesté considère que la Convention du Danube de 1921 est en vigueur jusqu’à ce qu’un instrument nouveau soit élaboré sur une base de libre négociation et accepté par toutes les puissances intéressées“. Entsprechende Erklärungen wurden von Frankreich und USA abgegeben, siehe ibid. (S. 245) sowie die Protestnote der USA vom 15. November 1949 (Anm. 169). 313 Vgl. die Stellungnahmen der Westmächte in der Schlußdebatte der Belgrader Konferenz, 11. Plenarsitzung, 18. August 1948, Conférence Danubienne, Recueil des Documents (Anm. 49), S. 239 ff. (S. 243 f., S. 247 f. und S. 253 f.). 314 Vgl. oben, bei Anm. 293. 310

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1. Kap.: Der Schutz der Schiffahrtsfreiheit

countries, in particular for those Danube countries which are EU members or applicants“315. Die Europäische Union forderte also den Respekt der Schiffahrtsfreiheit vor allem zugunsten der Donaustaaten, die aber gerade in den dreißiger und vierziger Jahren versucht hatten, das bis heute von den Westmächten verteidigte Pariser Statut zu eliminieren. Die wechselseitigen Aufforderungen, das Prinzip der Schiffahrtsfreiheit zu respektieren, machen deutlich, daß keiner der betroffenen Staaten von einer Suspension dieses Prinzips ausgeht. Darüber hinaus lassen die Erklärungen erkennen, daß nach Meinung der Betroffenen hinsichtlich der Schiffahrtsfreiheit als solcher ein wesentlicher Unterschied zwischen den beiden Konventionen nicht besteht316. Problematisch ist lediglich, welche Rechtsquelle im Verhältnis der Donaustaaten zu den Westmächten herangezogen werden kann, ohne dabei den Streit um das Donaustatut zu berühren. Hierbei bietet es sich an, auf die gemeinsame Grundlage sowohl der Pariser als auch der Belgrader Konvention zurückzugehen, nämlich auf die seit 1856 auf die Donau anwendbaren Prinzipien der Wiener Kongreßakte zur Schiffahrt auf internationalen Flüssen. c) Die Prinzipien der Wiener Kongreßakte zur Schiffahrt auf internationalen Flüssen Der Artikel XV Absatz 1 des 1856 geschlossenen Allgemeinen Friedensvertrages317 besagt: „L’Acte du Congrès de Vienne ayant établi les principes destinés à régler la navigation des fleuves qui séparent ou traversent plusieurs Etats, les Puissances Contractantes stipulent entre elles qu’à l’avenir ces principes seront également appliqués au Danube et à ses embouchures. Elles déclarent que cette disposition fait, désormais, partie du droit public de l’Europe, et la prennent sous leur garantie“. Nach dem Wortlaut dieser Bestimmung bezieht sich die Garantie der Großmächte nicht auf ein bestimmtes Donaustatut, sondern darauf, daß die in der Wiener Kongreßakte vorgesehenen Prinzipien überhaupt auf die Donau angewendet werden. Ob dies nun durch die Belgrader Konvention sichergestellt wurde, war anfänglich stark umstritten. Aufgrund der unzureichenden Gewährleistung der Schiffahrtsfreiheit waren die Westmächte der Meinung, daß die Prinzipien der Wiener Kongreßakte durch die Belgrader Konvention verletzt würden318. Die Sowjetunion hingegen meinte, die Bel315 316

Siehe den Nachweis oben, Anm. 293. Vgl. oben, bei Anm. 293 und 283, sowie die weiteren Nachweise in Anm.

265. 317 Allgemeiner Friedensvertrag von Paris, 30. März 1856, Martens, NRG I 15, S. 770.

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grader Konvention entspräche diesen Prinzipien; es sei im Gegenteil die Pariser Konvention, die vom ursprünglichen Konzept der Kongreßakte abweiche: Darin sei nämlich vorgesehen, daß die Regelung der Flußschiffahrt Sache der Uferstaaten sei319. Diese Streitigkeiten haben sich, wie gesehen, mittlerweile größtenteils erledigt320. Den Stellungnahmen ist jedenfalls zu entnehmen, daß die betreffenden Staaten übereinstimmend von der Anwendbarkeit der Prinzipien der Wiener Kongreßakte auf die Donauschiffahrt ausgehen. Wie zuletzt von Seiten der Donaukommission hervorgehoben wurde, steht im Mittelpunkt der diesbezüglichen Bestimmungen der Kongreßakte das Prinzip der Schifffahrtsfreiheit321: Der Artikel CIX bestimmt, die Schiffahrt auf den einem 318

Laut der französischen Delegation bei der Belgrader Konferenz bestätigte der die Donauschiffahrt betreffende Artikel in den Friedensverträgen von 1947 die Anwendbarkeit des 1815 etablierten Prinzips der Schiffahrtsfreiheit auf die Donau, 6. Plenarsitzung, 5. August 1948, Conférence Danubienne, Recueil des Documents (Anm. 49), S. 141 ff. (S. 151). In der Schlußdebatte kritisierte die französische Delegation aber, daß der identische Art. 1 der Belgrader Konvention durch weitere Bestimmungen der Konvention jeder praktischen Wirksamkeit beraubt werde: „Faute des garanties nécessaires, ce principe est frappé de stérilité“, 11. Plenarsitzung, 18. August 1948, ibid., S. 239 ff. (S. 243 f.). Siehe auch die Protestnote der USA vom 15. November 1949 (Anm. 169): Die Belgrader Konvention „violates the concept of international waterways which has been recognized in Europe for more than 130 years. If fails to provide an adequate basis for freedom of navigation on the Danube“; parallele Protestnoten wurden von Frankreich und Großbritannien abgegeben, vgl. ibid. 319 Der stellvertretende sowjetische Außenminister A. Wyschinskij zitierte in seinen diesbezüglichen Ausführungen, 8. Plenarsitzung der Belgrader Konferenz, 6. August 1948, Conférence Danubienne, Recueil des Documents (Anm. 49), S. 171 ff. (S. 193), u. a. den Art. CVIII der Wiener Kongreßakte vom 9. Juni 1815: „Les puissances, dont les états sont séparés ou traversés par une même rivière navigable, s’engagent à régler d’un commun accord tout ce qui a rapport à la navigation de cette rivière. Elles nommeront des Commissaires qui se réuniront au plus tard six mois après la fin du Congrès, et qui prendront pour bases de leurs travaux les principes établis dans les articles suivants“ (hier zitiert nach Martens, Suppl. Rec. 6, S. 379). Gegenüber den Protestnoten der Westmächte vom November 1949 (vgl. Anm. 318 in fine) machte die Sowjetunion erneut geltend, daß die Beteiligung westlicher Staaten an der Pariser Konvention den „allgemein anerkannten Grundsatz“ verletzt habe, daß es Sache der Uferstaaten sei, die Flußschiffahrt zu regeln. Die Belgrader Konvention, „unanimously adopted by the governments of the Danube, participating in the Conference“, stelle insoweit den rechtmäßigen Zustand wieder her; zitiert nach Hoyt (Anm. 46), S. 150 f. 320 Zum Verbleib Rußlands in der Donaukommission trotz des Verlustes seiner Stellung als Uferstaat siehe oben, bei Anm. 284, 285; zur veränderten Herangehensweise der Donaustaaten bei der Anwendung des Prinzips der Schiffahrtsfreiheit siehe oben, Anm. 187. 321 Vortrag des österreichischen Botschafters und damaligen Generaldirektors der Donaukommission, H. Strasser, vom 25. Januar 1995 (Anm. 187, S. 13).

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1. Kap.: Der Schutz der Schiffahrtsfreiheit

internationalen Statut unterworfenen Flüssen „sera entièrement libre et ne pourra, sous le rapport de commerce, être interdit à personne“322. Die diversen Erklärungen zur Anwendbarkeit dieser Prinzipien auf die Donauschiffahrt haben im Schrifttum teilweise zu der Auffassung geführt, die Schiffahrtsfreiheit auf der Donau habe sich inzwischen zu einer gewohnheitsrechtlichen Regel verfestigt323. Eine solche unmittelbare Verankerung des Prinzips der Schiffahrtsfreiheit im allgemeinen Völkerrecht ist aber nicht unproblematisch: Es ist in der Tat richtig, daß zahlreiche Staaten sich auf traditionelle, durch die Wiener Kongreßakte begründete Prinzipien der Schiffahrt auf internationalen Flüssen berufen324. Andererseits wird aber die Existenz einer gewohnheitsrechtlichen Verpflichtung, grenzüberschreitende Flüsse bedingungslos und ohne den Abschluß entsprechender 322 Der vollständige Wortlaut des Art. CIX der Wiener Kongreßakte, 9. Juni 1815, Martens, Suppl. Rec. 6, S. 379, lautet: „La navigation dans tout le cours des rivières indiquées dans l’article précédent, du point où chacune d’elles devient navigable jusqu’à son embouchure, sera entièrement libre et ne pourra, sous le rapport de commerce, être interdit à personne, bien entendu, que l’on se conformera aux règlements relatifs à la police de cette navigation, lesquels seront conçus d’une manière uniforme pour tous, et aussi favorables que possible au commerce de tous les nations“. Es ist hervorzuheben, daß diese Bestimmung nach dem Wortlaut des ersten Satzteils nur auf Flüsse im i. S. v. Art. CVIII der Wiener Kongreßakte anzuwenden ist. Im Art. CVIII ist wiederum bestimmt, daß sich die Uferstaaten grenzüberschreitender Flüsse auf ein Flußstatut einigen sollen, dem die Art. CIX ff. zugrunde zu legen sind (siehe den Wortlaut des Art. CVIII in Anm. 319). Die Prinzipien der Art. CIX bis CXV sind somit nur auf Flüsse anwendbar, die einem entsprechenden Statut unterworfen sind (vgl. auch Art. CXVI S. 1: „Tout ce qui est indiqué dans les articles précédents, sera déterminé par un règlement commun“ etc.). 323 Laut Vitányi (Anm. 189, S. 741 f.) hätte sich auf der Grundlage der Wiener Kongreßakte eine für ganz Europa gültige gewohnheitsrechtliche Regel gebildet, wonach sich Uferstaaten grenzüberschreitender Flüsse gegenseitig die Schiffahrtsfreiheit einräumen müßten. Jaenicke (Anm. 10), S. 45, meinte im Jahre 1973 speziell im Hinblick auf die damalige Situation des deutschen Donauabschnitts, Deutschland müsse aufgrund seiner langen Beteiligung an der Entwicklung des Donaustatuts bereit sein, den internationalen Charakter der Donau anzuerkennen und demzufolge nach den „Grundsätzen des internationalen Flußschiffahrtsrechts“ den übrigen Donaustaaten auf der Grundlage der Gegenseitigkeit die Schiffahrtsfreiheit gewähren. 324 Vgl. z. B. oben, Anm. 318, 319 sowie bei Anm. 14. Die Prinzipien der Wiener Kongreßakte wurden teilweise sogar in Bezug auf außereuropäische Flüsse geltend gemacht: Beispielsweise stellte sich bezüglich des Rio Grande die Frage, ob Mexiko trotz einer vertraglichen Pflicht, die Schiffahrtsfreiheit zu respektieren, Polizeibefugnisse auf dem Fluß ausüben durfte. Zur Klärung wurde u. a. auf die Prinzipien der Wiener Kongreßakte und die darauf basierende Praxis zurückgegriffen, siehe den Schiedsspruch der General Claims Commission McMahan gegen Mexiko (USA gegen Mexiko), 30. April 1929, RIAA, Bd. IV, S. 486 ff. (S. 490 f.).

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Abkommen für die internationale Schiffahrt zu öffnen, von einigen Staaten bestritten325. Gegen Ende der siebziger Jahre verlangte die Sowjetunion von der Bundesrepublik Deutschland eine bedingungslose und vollständige Öffnung des deutschen Donauabschnitts für die Schiffe der übrigen Donaustaaten326. Sie berief sich dabei auf „Normen des Völkerrechts über die Freiheit der Handelsschiffahrt auf internationalen Flüssen, die allgemein anerkannt und seit Anfang des vorigen Jahrhunderts in der Praxis der zwischenstaatlichen Beziehungen verankert worden“ seien327. Was die Donau betrifft, so sei diese „schon im Pariser Friedensvertrag aus dem Jahre 1856 als ein internationaler Flußweg anerkannt“ worden; das Prinzip der Schiffahrtsfreiheit sei danach „in einer großen Reihe von internationalen Verträgen und Abkommen verankert“ worden und habe unter anderem in der Belgrader Konvention von 1948 seinen Niederschlag gefunden328. Seitens der Bundesrepublik wurde demgegenüber darauf hingewiesen, daß das Pariser Statut durch die Signatarstaaten der Belgrader Konvention abgelöst worden sei329. Deutschland sei nicht Vertragspartei des neuen Statuts und der deutsche Donauabschnitt unterliege daher keinem internationalen Regime330. Im übrigen gebe es für die Bundesrepublik „nach den allgemeinen Grundsätzen des Völkerrechts keine Verpflichtung, die Schiffe anderer Uferstaaten bedingungslos zum Verkehr auf dem Donauabschnitt innerhalb ihres Hoheitsgebietes zuzulassen, sofern nicht diesbezügliche vertragliche Regelungen bestehen“331. Wenn man die angesprochenen Grundsätze der Wiener Kongreßakte zugrunde legt, so stellt sich die damalige Haltung der Bundesrepublik gegenüber der Sowjetunion als zutreffend heraus: Der den Grundsatz der Schifffahrtsfreiheit beinhaltende Artikel CIX der Wiener Kongreßakte findet nur 325 Vgl. z. B. die an die Sowjetunion gerichtete deutsche Note vom 15. Februar 1979, in: Götzer (Anm. 133), S. 152 f. (S. 152). 326 Deutschland hatte den übrigen Donaustaaten anläßlich einer Erweiterung der befahrbaren Strecke des deutschen Donauabschnitts angeboten, für die Benutzung des neuen Teilstücks bilaterale Abkommen zu schließen und ausländische Schiffe vorläufig mit Einzelgenehmigungen zuzulassen, deutsche Note vom 10. April 1978, ibid., S. 149. Das lehnte die Sowjetunion ab und verlangte eine uneingeschränkte und bedingungslose Gewährung der Schiffahrtsfreiheit; an Deutschland gerichtete sowjetische Note vom 27. September 1978, ibid., S. 150 f. (S. 150). 327 Ibid. 328 Ibid. 329 An die Sowjetunion gerichtete deutsche Note vom 15. Februar 1979, ibid., S. 152 f. (S. 152 f.). 330 Ibid. (S. 153). 331 Ibid. (S. 152).

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Anwendung auf Flüsse, die gemäß Artikel CVIII einem internationalen Statut unterworfen sind332. Da die Signatarstaaten der Belgrader Konvention das Pariser Statut für außer Kraft getreten erklärt hatten333, ohne gleichzeitig eine Beteiligung Deutschlands am neuen Donaustatut sicherzustellen334, konnte sich die Bundesrepublik zumindest diesen Staaten gegenüber auf den Standpunkt stellen, daß der deutsche Donauabschnitt keinem internationalen Statut unterworfen war335. Die viel diskutierte Frage, ob und auf welcher Grundlage Deutschland bisher verpflichtet war, einzelne Donauabschnitte für die internationale Schiffahrt zu öffnen336, kann aufgrund des im Oktober 1999 wirksam gewordenen deutschen Beitritts zum Belgrader Statut337 dahinstehen. Seitdem wird sowohl von Seiten der Donaustaaten als auch von Seiten der westeuropäischen Staaten übereinstimmend davon ausgegangen, daß der gesamte schiffbare Lauf der Donau einem internationalen Regime unterliegt338. Die 332

Siehe oben, Anm. 322. Siehe oben, Anm. 303. 334 Der Art. 2 der Belgrader Konvention, 18. August 1948, UNTS Bd. 33, S. 196, besagte ursprünglich, daß das Belgrader Statut für den schiffbaren Teil der Donau von Ulm bis zum Schwarzen Meer gelten sollte. Da aber Deutschland als territorial zuständiger Staat seinerzeit nicht an der Belgrader Konferenz teilnehmen konnte und auch die USA als die für den deutschen Donauabschnitt zuständige Besatzungsmacht die Belgrader Konvention ablehnten, bestand für Deutschland keine Art von Bindung an das Belgrader Statut. Zudem war die Donau bis zu ihrem Ausbau in den siebziger Jahren nur bis Regensburg und selbst danach nur bis Kehlheim befahrbar. Anläßlich des deutschen Beitritts zur Belgrader Konvention wurde ihr Art. 2 deshalb dahingehend geändert, daß „Ulm“ durch „Kehlheim“ ersetzt wurde, vgl. den Art. 2 des Zusatzprotokolls zur Belgrader Konvention vom 26. März 1998, BGBl. 1999 II S. 579. 335 Ob das allerdings zutraf, ist eine andere Frage; die Westmächte gehen nämlich zu Recht davon aus, daß das Pariser Statut de jure bis heute für die gesamte Donau in Kraft ist, siehe oben, § 2 I. und II. Die Ostblockstaaten konnten sich aber de facto nicht darauf berufen, ohne ihre diesbezügliche Position in Frage zu stellen; außerdem hatten das Deutsche Reich und die übrigen Donaustaaten schon vor dem Zweiten Weltkrieg gemeinsam Absprachen zur Beseitigung des Pariser Statuts getroffen, siehe oben, § 2 I. 1. c). Es ist insofern konsequent, daß beispielsweise Österreich, Jugoslawien und Rumänien die deutsche Haltung hinsichtlich des deutschen Donauabschnitts als rechtmäßig bezeichneten, siehe das Schreiben des Bundesverkehrsministers an den bayerischen Wirtschaftsminister, Oktober 1979, in: Götzer (Anm. 133), S. 162 ff. (S. 164). 336 Siehe dazu z. B. Kippels (Anm. 4), S. 93 ff., Vitányi (Anm. 189, S. 739 ff.), A. Kiss, Problèmes de droit international posé par la voie d’eau Rhin-Danube, AFDI 1981, S. 768 ff. (S. 777 ff.), Sengpiel (Anm. 2), S. 115 ff. 337 Siehe oben, § 1, Anm. 2 in fine. 338 Zur ursprünglichen Prätention der Belgrader Konvention, unabhängig von einem deutschen Beitritt für die gesamte Donau zu gelten, siehe oben, Anm. 334. Daß dies offensichtlich unhaltbar war, zeigt sich u. a. daran, daß die Sowjetunion 333

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Anwendbarkeit der von allen Beteiligten anerkannten Prinzipien der Wiener Kongreßakte339 auf die Donauschiffahrt steht daher außer Frage; die Meinungsverschiedenheiten zur Fortgeltung des Pariser Statuts sind somit künftig für die Anwendbarkeit des Prinzips der Schiffahrtsfreiheit ohne Belang. Soweit einzelne Staaten nicht Vertragsparteien der fraglichen Konventionen, Friedensverträge etc. sind, hilft im übrigen hinsichtlich der Pflicht, das Prinzip der Schiffahrtsfreiheit zu respektieren340, der quasi legislative Charakter der betreffenden Rechtsakte darüber hinweg: Laut dem Allgemeinen Friedensvertrag von 1856 ist die Anwendung der Prinzipien der Wiener Kongreßakte auf die Donauschiffahrt Teil des „droit public de l’Europe“341. Wenn sich hinsichtlich des Prinzips der Schiffahrtsfreiheit für Handelsschiffe keine wesentlichen Unterschiede zwischen den beiden Donaustatuihre Forderung nach einer uneingeschränkten Gewährung der Schiffahrtsfreiheit nicht auf die Belgrader Konvention stützte, sondern auf die angeblich als Gewohnheitsrecht anwendbaren Grundsätze der Wiener Kongreßakte, siehe oben, bei Anm. 327; zur Haltung Österreichs, Jugoslawiens und Rumäniens in dieser Frage siehe Anm. 335 in fine. 339 Es ist bemerkenswert, daß selbst die Note der Reichsregierung von 1936 die Prinzipien der Wiener Kongreßakte positiv bewertete und sie als solche keineswegs in Frage stellte, siehe oben, bei Anm. 14. 340 Für die vorliegende Untersuchung ist in erster Linie von Interesse, ob Drittstaaten im Falle eines bewaffneten Konflikts mit einem Donaustaat verpflichtet sind, das Prinzip der Schiffahrtsfreiheit zu respektieren. Es sei aber angemerkt, daß für die Frage nach der Berechtigung von Drittstaaten durch Statusverträge jeweils auf den Einzelfall abzustellen ist, vgl. E. Klein (Anm. 1 in fine), S. 217 ff. Bei beiden Donaustatuten finden sich nun eher Argumente gegen die Einräumung von Rechten Dritter. Beispielsweise sieht der Art. 4 Abs. 2 der Pariser Konvention, 23. Juli 1921, SdN, RdT Bd. 26, S. 173, vor, daß Drittstaaten, die hinreichende kommerzielle und „europäische“ Interessen an der Donaumündung darlegen können, durch einstimmigen Beschluß in die Europäische Donaukommission aufgenommen werden können. Die Regelung der für alle Staaten offen stehenden Donauschiffahrt ist aber dennoch den Kommissionsmitgliedern vorbehalten, in deren Ermessen es zudem liegt, ob sie einen die Aufnahmekriterien erfüllenden Drittstaat tatsächlich aufnehmen. Hierin kommt zum Ausdruck, daß die Vertragsstaaten zwar gewillt sind, Drittstaaten zu begünstigen, daß sie dabei aber die Dispositionsfreiheit über die eingeräumten Vorteile nicht aufgeben wollen. Noch zweifelhafter ist die Einräumung eines Rechts Dritter zur Teilnahme an der Donauschiffahrt durch das Belgrader Statut. Für eine Berechtigung von Drittstaaten durch beide Statute spräche allerdings der Appell des Rates der Europäischen Union vom 15. November 1999, in dem die Schiffahrtsfreiheit auf der Donau als „a right granted to all States“ definiert und einfordert wird, vgl. oben, bei Anm. 293. 341 Art. XV Abs. 1 S. 2 des Allgemeinen Friedensvertrages, 30. März 1856 (Anm. 317); es handelt sich insoweit um eine erga omnes wirkende statusvertragliche Regelung. Der Art. LII des Berliner Vertrages, 13. Juli 1878, Martens, NRG II 3, S. 449, besagt dementsprechend, die Schiffahrtsfreiheit auf der Donau sei „reconnue comme étant d’intérêt européen“.

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ten ausmachen lassen342, so bestehen doch erhebliche Differenzen bezüglich des Befahrens der Donau durch Kriegsschiffe von Nichtuferstaaten343. 2. Das Befahren der Donau durch Kriegsschiffe in Friedenszeiten Der Artikel CIX der Wiener Kongreßakte bestimmt, daß die Schiffahrt auf sogenannten Vertragsflüssen „sous le rapport de commerce“ völlig frei sein soll und niemandem untersagt werden könne344. Das Prinzip der Schiffahrtsfreiheit gilt somit nur für die Handelsschiffahrt, d.h. die gewerbliche Beförderung von Gütern und Personen345, nicht aber für den Verkehr von Kriegsschiffen346. Beim Fehlen anderer Regelungen ist grundsätzlich davon auszugehen, daß es den Uferstaaten freisteht, auf ihrem jeweiligen Flußabschnitt Kriegsschiffe zu unterhalten347 und zumindest in Friedenszeiten348 auch Kriegsschiffe anderer Staaten verkehren zu lassen349. Im Falle der Donau haben jedoch besondere strategische Interessen dazu geführt, daß davon abweichende Regelungen getroffen wurden. Die im Pariser [a)] und im Belgrader Statut [b)] festgelegten Regeln stehen allerdings nicht miteinander im Einklang [c)]. 342

Eine wichtige Gemeinsamkeit der Pariser und der Belgrader Konvention besteht darin, daß die Schiffahrtsfreiheit für alle Nationen gewährt wird; zu Streitigkeiten über die Auslegung der betreffenden Vorschrift der Wiener Kongreßakte siehe E. Engelhardt, La liberté de la navigation fluviale, RDILC 1879, S. 363 ff. (S. 364 ff.). Es sei noch erwähnt, daß der Art. 1 S. 2 der Belgrader Konvention (wie schon die Friedensverträge von 1947, aber anders als der etwas liberalere Art. 22 Abs. 2 der Pariser Konvention) den Verkehr zwischen den Häfen eines einzigen Donaustaates („kleine Kabotage“) vollständig von der Schiffahrtsfreiheit ausnimmt, vgl. dazu Imbert (Anm. 166, S. 86). 343 Vgl. den Art. XIX des Allgemeinen Friedensvertrages von Paris, 30. März 1856, Martens, NRG I 15, S. 770, den Art. LII des Berliner Vertrages, 13. Juli 1878, ibid. II 3, S. 449, sowie den Art. 30 Abs. 1 der Belgrader Konvention, 18. August 1948, UNTS Bd. 33, S. 196. 344 Der vollständige Wortlaut des Art. CIX der Wiener Kongreßakte findet sich oben, in Anm. 322. Zur Bedeutung der Worte „sous le rapport de commerce“ für die Frage, ob auch Nichtuferstaaten zur Schiffahrt auf internationalen Flüssen zuzulassen sind, siehe H. Triepel, Internationale Wasserläufe (1931), S. 16, sowie Engelhardt (Anm. 342, S. 364 ff.). 345 Ibid. (S. 364 f.). 346 Abraham (Anm. 16, S. 55). 347 Ibid. (S. 51). 348 In diesem Paragraphen wird das Donaustatut zunächst allgemein unter dem Blickwinkel des Friedensrechts analysiert; die speziell im Falle bewaffneter Konflikte anwendbaren Regeln sind dann Gegenstand der §§ 3 ff. 349 Abraham (Anm. 16, S. 54 f.).

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a) Das Pariser Statut Zur Gewährleistung der Umsetzung des Donaustatuts sah der Artikel XIX des Allgemeinen Friedensvertrages von 1856350 vor, daß die vertragsschließenden Mächte jeweils zwei leichte Kriegsschiffe in der Donaumündung stationieren durften. Um diesen Schiffen überhaupt den Zugang zum seinerzeit neutralisierten Schwarzen Meer351 zu ermöglichen, bestimmte der Artikel III des Meerengenstatuts352, daß die in der Donaumündung stationierten Schiffe ausnahmsweise die für Kriegsschiffe grundsätzlich gesperrten türkischen Meerengen353 passieren durften. Damit sicherten sie im Ergebnis nicht bloß die Anwendung des Donaustatuts, sondern die gesamte Verbindung zwischen dem Mittelmeer und der Donau354. Als im Jahre 1871 die Neutralisierung des Schwarzen Meeres aufgehoben wurde355, erlangte die Türkei, als die damalige Territorialmacht der Donaumündung, die Möglichkeit, mit ihrer Flotte ohne Beschränkungen in die Donau einlaufen zu können356. Das verursachte während des russisch-türkischen Krieges von 1877/78 Probleme für die zivile Donauschiffahrt, die durch Gefechte, das Legen von Minen etc. erheblich beeinträchtigt wurde357. Der Artikel LII des Berliner Vertrages von 1878358 bestimmte deshalb, daß zum Schutz der Handelsschiffahrt der gesamte untere Lauf der Donau – vom im 19. Jahrhundert nicht schiffbaren „Eisernen Tor“ stromabwärts359 – für Kriegsschiffe gesperrt sein sollte. Davon ausgenommen wur350

Allgemeiner Friedensvertrag von Paris, 30. März 1856, Martens, NRG I 15, S. 770. 351 Art. XI des Allgemeinen Friedensvertrages, ibid. 352 Das Meerengenstatut vom 30. März 1856, ibid., S. 782, war dem Allgemeinen Friedensvertrag beigefügt. 353 Art. I des Meerengenstatuts vom 30. März 1856, ibid. 354 Vgl. Documentation française vom 27. Oktober 1956 (Anm. 11), S. 6: Die Europäische Donaukommission „était comme une justification permanente pour ses Etats membres du droit de pénétrer et de circuler librement dans la Mer Noire. Elle ouvrait aux Etats maritimes les plus puissants une mer que la Russie considérait presque comme une mer intérieure [. . .] Comment aurait-on pu arrêter l’Europe aux Dardanelles, si l’Europe avait droit de cité et un port d’attache à Soulina et n’était-ce pas l’Europe elle-même qui avait établi une étroite corrélation entre ces deux points d’appui et de résistance, qu’elle avait élevés aux Détroits et au Danube contre les visées impérialistes russes?“. Vgl. auch Wegener (Anm. 63), S. 11 f. 355 Art. I des Londoner Pontus-Vertrages vom 13. März 1871, Martens, NRG I 18, S. 303. 356 Art. VII S. 3 des Pontus-Vertrages, ibid. 357 Siehe oben, Einleitung, bei Anm. 41 bis 50. 358 Berliner Vertrag vom 13. Juli 1878, Martens, NRG II 3, S. 449. 359 Im Jahre 1896 wurde zur Umgehung der Stromschnellen des „Eisernen Tores“ ein Kanal eröffnet, dessen Fließgeschwindigkeit aber so hoch war, daß er stromauf-

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den nur leichte Schiffe für den Polizei- und den Zolldienst sowie die zur Aufsicht über die Donaumündung bestimmten Stationsschiffe der Mitgliedstaaten der Europäischen Kommission360. Während des Ersten Weltkrieges (wie auch in der Zeit davor361) wurde die partielle Demilitarisierung des Unterlaufs der Donau kaum beachtet362. Nach dem einstweiligen Sieg gegen Rußland und Rumänien versuchten die Mittelmächte zudem, im nicht ratifizierten Bukarester Friedensvertrag363 diverse Änderungen am Donaustatut anzubringen364. Dabei sollte unter anderem die Zusammensetzung der Europäischen Kommission so verändert werden, daß die Mittelmächte die Verbindung zwischen der Donau und dem Schwarzen Meer kontrolliert hätten365. Weiterhin wollten sie sich das Recht einräumen lassen, die Donau von ihren jeweiligen Territorien aus bis zum Schwarzen Meer mit Kriegsschiffen befahren zu dürfen366, wodurch das Kräftegleichgewicht im gesamten Schwarzmeerraum drastisch verschoben worden wäre. Der Versailler Friedensvertrag setzte die Europäische Kommission – unter Ausschluß der Mittelmächte, der Türkei und Rußlands – in ihre Befugnisse aus der Vorkriegszeit wieder ein367; die Pariser Konvention von 1921 bestimmte zusätzlich, daß das Statut der Binnen- und der Seedonau grundsätzlich fortgelten sollte368. Das betraf auch die teilweise Demilitarisierung des Unterlaufs der Donau sowie das Recht der Mitgliedstaaten der Europäischen Kommission, in der Donaumündung je zwei Kriegsschiffe zu halten369. wärts kaum befahren werden konnte, siehe Blociszewski (Anm. 102 in fine, S. 309 ff.). Eine deutliche Verbesserung wurde erst während des Ersten Weltkrieges von Ingenieuren des deutschen Heeres erreicht, vgl. Chamberlain (Anm. 30), S. 125. 360 Art. LII des Berliner Vertrages, 13. Juli 1878, Martens, NRG II 3, S. 449. 361 Vgl. G. Demorgny, La Question du Danube (1911), S. 8 und 234, Anm. 2. 362 Siehe oben, Einleitung, bei Anm. 57, 58. 363 Bukarester Friedensvertrag vom 7. Mai 1918, Martens, NRG III 10, S. 856; zur fehlenden Ratifizierung siehe ibid., S. 856, Anm. 1. 364 Art. XXIV-XXVI des Bukarester Friedensvertrages, ibid. 365 Vgl. den Art. XXIV Lit. A Nr. 1 des Bukarester Friedensvertrages, ibid. 366 Art. XXVI Abs. 1 des Bukarester Friedensvertrages, ibid. 367 Siehe oben, Anm. 123. 368 Der Art. 41 der Pariser Konvention, 23. Juli 1921, SdN, RdT Bd. 26, S. 173, bestimmte allgemein, daß die nicht von der Konvention geänderten Bestimmungen des Donaustatuts fortgelten sollten; der Art. 5 Abs. 2 bestimmte speziell, daß sich an den „droits, attributions et immunités“ der Europäischen Kommission nichts ändern sollte. 369 Der stellvertretende sowjetische Außenminister Wyschinskij äußerte in der 5. Plenarsitzung der Belgrader Konferenz, 4. August 1948, Conférence Danubienne, Recueil des Documents (Anm. 49), S. 117 ff. (S. 125), das seit 1856 bestehende

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Nachdem die in Lausanne ausgehandelte Meerengenkonvention von 1923 das Verbot der Durchfahrt von Kriegsschiffen370 weitgehend aufgehoben hatte371, erklärten die Westmächte sich bereit, der rumänischen Forderung nach einer Abschaffung der Stationsschiffe in der Donaumündung zu entsprechen372. Ein dahingehendes Abkommen von 1930 wurde jedoch nicht ratifiziert373. Als die Konvention von Montreux im Jahre 1936 die Bestimmungen zur Passage von Kriegsschiffen durch die Meerengen wieder deutlich verschärft hatte374, wurde dieses Zugeständnis nicht mehr erneuert375. Im Herbst des Jahres 1940 kam es zwischen Deutschland, Sowjetrußland und Rumänien zu Meinungsverschiedenheiten über das künftige Regime der Donaumündung376. Nach der Annexion Bessarabiens377 und der Erklärung zur Auflösung der Europäischen Kommission378 verlangte die Sowjetunion zusätzlich, mit ihrer Flotte in die teilweise annektierte Donaumündung einlaufen zu dürfen379; zu einer diesbezüglichen Einigung kam es nicht380. Die jeweiligen Positionen zeigen aber, daß grundsätzlich von der Fortgeltung der Vereinbarungen von 1856 und 1878 ausgegangen wurde381. Recht der Mitgliedstaaten der Europäischen Kommission, in der Donaumündung Kriegsschiffe zu stationieren, sowie die seit 1878 bestehende Demilitarisierung der unteren Donau hätten aufgrund von Art. 5 Abs. 2 der Pariser Konvention fortgegolten. Dem ist im Ergebnis zuzustimmen; für die Demilitarisierung ergibt sich das jedoch aus Art. 41 der Pariser Konvention, vgl. oben, Anm. 368. 370 Zum vor 1923 gültigen Grundsatz der Schließung der Meerengen für Kriegsschiffe siehe oben, Anm. 36 in fine. 371 Die Regeln des von 1923 bis 1936 gültigen Statuts der türkischen Meerengen finden sich im Annex zur Meerengenkonvention vom 24. Juli 1923, SdN, RdT Bd. 28, S. 116: Nach § 2 Lit. a) Abs. 1 des Annex war die Durchfahrt von Kriegsschiffen in Friedenszeiten grundsätzlich erlaubt; gemäß Abs. 2 sollte aber kein Drittstaat eine Flotte durch die Meerengen ins Schwarze Meer entsenden, die größer gewesen wäre, als die jeweils größte Schwarzmeerflotte der Anrainerstaaten. 372 Siehe oben, Anm. 41. 373 Vgl. den Nachweis oben, Anm. 41 in fine. 374 Zu den Regeln der bis heute gültigen Konvention von Montreux vgl. oben, Anm. 36. 375 Das Übereinkommen von Sinaia, 18. August 1938 (Anm. 6), mit dem die Westmächte der rumänischen Forderung nach einer Reduzierung der Kompetenzen der Europäischen Donaukommission entsprachen, enthält keine Bestimmung, mit der das Recht zur Haltung der Stationsschiffe aufgehoben worden wäre. 376 Vgl. oben, § 2 I. 1. c). 377 Siehe oben, Anm. 59. 378 Siehe oben, bei 79. 379 Wegener (Anm. 63), S. 34. 380 Vgl. ibid. sowie Documentation française vom 27. Oktober 1956 (Anm. 11), S. 6. Ein weiterer Grund für das Scheitern der Verhandlungen zum Status der Seedonau war die sowjetische Forderung nach einer Beteiligung an der seit 1939 rumänischen Donaumündungsverwaltung, vgl. Europa-Archiv 1948 (Anm. 11, S. 1643).

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Dementsprechend wies der sowjetische Verhandlungsführer Wyschinskij bei der Belgrader Konferenz darauf hin, daß die Pariser Konvention das Privileg der Großmächte, die Donaumündung mit Kriegsschiffen befahren zu dürfen, beibehalten hatte, wohingegen das neue Donaustatut eine wesentlich andere Regelung treffe382. b) Das Belgrader Statut Bei der Erläuterung seines Entwurfs der Belgrader Konvention hob der stellvertretende sowjetische Außenminister Wyschinskij hervor, daß dieser einen „sehr wichtigen Artikel“ enthalte, der das Befahren der Donau für Kriegsschiffe von Nichtdonaustaaten verbiete. Hierbei handle es sich um einen „fundamentalen Unterschied“ zur Konvention von 1921, die gewissen Mächten bezüglich der Stationsschiffe Privilegien eingeräumt habe, die den anderen Staaten vorenthalten worden seien383. Das Verbot des bis heute gültigen Artikels 30 Absatz 1 der Belgrader Konvention384 richtete sich somit speziell gegen die Stationsschiffe der Mitgliedstaaten der Europäischen Kommission; es war Teil der 1940 eingeleiteten Übernahme der Kontrolle der Donaumündung durch die Sowjetunion. Neben der Ausschließung der Kriegsschiffe von Nichtuferstaaten wurde umgekehrt das Befahren der unteren Donau durch Kriegsschiffe von Donaustaaten wieder erlaubt385. Damit legalisierte die Sowjetunion die am Ende des Zweiten Weltkrieges geschaffenen faktischen Verhältnisse: In den letzten Monaten des Krieges war eine beachtliche sowjetische Flottille von der Donaumündung bis nach Österreich vorgestoßen und verkehrte seitdem ungehindert zwischen Mitteleuropa und dem Schwarzen Meer386. Der Artikel 30 Absatz 2 der Belgrader Konvention bestimmt, daß die Kriegschiffe der Donaustaaten außerhalb der Grenzen ihres jeweiligen Flaggenstaates nur mit vorheriger Genehmigung der betroffenen Donaustaaten 381

Da die Sowjetunion 1940 den nördlichen Teil der Donaumündung annektiert hatte, hätte sie diesen als Territorialmacht grundsätzlich ohne weiteres mit Kriegsschiffen befahren können. Die Tatsache, daß sie sich dennoch auf Verhandlungen zu dieser Frage einlassen mußte, indiziert, daß vom Fortbestand der seit 1878 bestehenden Demilitarisierung der unteren Donau ausgegangen wurde. 382 5. Plenarsitzung der Belgrader Konferenz, 4. August 1948, Conférence Danubienne, Recueil des Documents (Anm. 49), S. 117 ff. (S. 125). 383 Ibid. 384 Belgrader Konvention, 18. August 1948, UNTS Bd. 33, S. 196. 385 Vgl. die Stellungnahme des sowjetischen Delegationsleiters Wyschinskij in der 5. Plenarsitzung der Belgrader Konferenz, 4. August 1948, Conférence Danubienne, Recueil des Documents (Anm. 49), S. 117 ff. (S. 125). 386 Vgl. R. R. Baxter, The Law of International Waterways (1964), S. 236, bei Anm. 228, sowie Meister (Anm. 38), S. 306, 312 und 328 ff.

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verkehren dürfen. Im Schrifttum wurde teilweise behauptet, daß diese Bestimmung so vage sei, daß man nicht bestimmen könne, welche Donaustaaten als „betroffen“ einzustufen sind; im Ergebnis müsse deshalb jeder Donaustaat um Erlaubnis gefragt werden387. Die Aufstellung eines solchen Einstimmigkeitserfordernisses war aber offensichtlich nicht im Sinne der Autoren der Belgrader Konvention; es ist zum Beispiel kaum anzunehmen, daß die Sowjetunion die Erlaubnis der österreichischen Regierung einholen wollte, um ihre Kriegsschiffe auf dem Gebiet der ehemaligen Ostblockstaaten verkehren lassen zu dürfen388. Vielmehr ist davon auszugehen, daß diejenigen Donaustaaten als „betroffen“ anzusehen sind, deren Territorium von dem fremden Kriegsschiff durchquert werden soll. Sofern die Donau die Grenze zweier Staaten bildet, können – unabhängig davon, ob das Kriegsschiff sich auf der einen Seite der Grenze zu halten vermag389 – beide Uferstaaten als „betroffen“ eingestuft werden390. Nicht ganz unproblematisch ist die Definition eines „Kriegsschiffs“ im Sinne der Belgrader Konvention. In einigen Staaten ist es üblich, Flußkampfschiffe mit Marinesoldaten zu besetzen; andere Staaten neigen dazu, dies den Landstreitkräften zu überlassen391. Wenn man versucht, als Auslegungshilfe auf die Seerechtskonventionen der Jahre 1958 und 1982 zurückzugreifen, stellt man fest, daß sie zu dieser Frage unterschiedliche Regelungen treffen392: Nach der Genfer Konvention über die Hohe See bedeutet 387

Pichler (Anm. 267), S. 25, m. w. Nachw. So aber anscheinend die in Wien erschiene Untersuchung von Pichler, ibid. 389 Größere Kriegsschiffe, die nicht in Ufernähe fahren können, werden sich praktisch kaum durchgängig auf der einen Seite der meist die Staatsgrenze bildenden Mitte der Fahrrinne halten können, vgl. Abraham (Anm. 16, S. 53). 390 Zur Auslegung des Art. 30 Abs. 2 der Belgrader Konvention, 18. August 1948, UNTS Bd. 33, S. 196, ist folgendes zu beachten: Der ansonsten ähnlich formulierte Art. 28 S. 2 der Belgrader Konvention besagt, daß Polizei- und Zollschiffe außerhalb der Grenzen des jeweiligen Flaggenstaates nur mit Genehmigung „des Etats danubiens respectifs“ verkehren dürfen. Der Art. 30 Abs. 2 verlangt hingegen für Kriegsschiffe eine „entente préalable entre les Etats danubiens intéressés“. Bereits durch das ausdrückliche Erfordernis einer vorherigen Absprache gibt der Art. 30 Abs. 2 zu erkennen, daß der Verkehr von Kriegsschiffen als sensibler angesehen wird, als der Verkehr sonstiger Staatsschiffe. Da der Verkehr von Kriegsschiffen auf Grenzflüssen (unabhängig von einer eventuellen Grenzüberschreitung) regelmäßig die Sicherheitsinteressen des anderen Uferstaates berührt, liegt es nahe, für diese Fälle generell ein vorheriges Einvernehmen der Nachbarstaaten zu verlangen; damit ist natürlich nicht ausgeschlossen, daß auch sonst in Einzelfällen ein „Interesse“ i. S. v. Art. 30 Abs. 2 bestehen kann. 391 Beispielsweise wurde während des Zweiten Weltkrieges die Kriegführung auf Binnengewässern vom Deutschen Reich anfänglich meist dem Heer überlassen, wohingegen die Sowjetunion von vornherein Marinemannschaften verwendete, Meister (Anm. 38), S. 188. 392 Vgl. Daillier/Pellet (Anm. 21), S. 1093 (§ 664). 388

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1. Kap.: Der Schutz der Schiffahrtsfreiheit

„Kriegsschiff“ ein zu den Streitkräften eines Staates gehörendes Schiff, das dem Befehl eines Marineoffiziers untersteht393. Die Seerechtskonvention von Montego Bay verlangt hingegen nur allgemein das Kommando eines Offiziers394. Aufgrund der jeweils unterschiedlichen Zuordnung von Flußstreitkräften zum Heer oder zur Marine wäre es nicht sachgerecht, für die Definition eines Kriegsschiffs im Sinne der Belgrader Konvention auf das Kommando eines Marineoffiziers abzustellen. Zudem wird in der Belgrader Konvention (wie schon im Rahmen des Pariser Statuts395) lediglich zwischen Kriegsschiffen einerseits, Polizei- und Zollschiffen andererseits unterschieden396. Da ansonsten die den Landstreitkräften zugehörigen Schiffe völlig unberücksichtigt blieben, müssen sie eindeutig als Kriegsschiffe angesehen werden. Bei seinem Beitritt zur Belgrader Konvention hat Deutschland eine Erklärung abgegeben, nach der auf dem deutschen Flußabschnitt „Boote und schwimmendes Gerät, wie sie in Manövern zur Überquerung von Flüssen eingesetzt werden, nicht als Kriegsschiffe nach Artikel 30 Absatz 1 des Übereinkommens“ anzusehen sind und somit im Einvernehmen mit der Bundesregierung den deutschen Flußabschnitt befahren dürfen397. Nach dem aktuellen Stand der Technik betrifft das vor allem Elemente von Pontonbrücken, die von Lastwagen zu Wasser gelassen werden, und die dann durch ungedeckte Motorboote in ihre jeweilige Position geschoben werden. Die Erklärung ist bezüglich der Motorboote nicht als Interpretationserklärung, sondern als echter Vorbehalt398 einzustufen, da die Belgrader Konvention hinsichtlich der Größe von Kriegsschiffen keine Unterscheidungen trifft und die Geltung der Ausnahme ausdrücklich auf den deutschen Donauabschnitt beschränkt wird399. Durch den Vorbehalt zu Artikel 30 Absatz 1 der Belgrader Konvention hat Deutschland es sich ermöglicht, auch künftig seinen Pflichten gemäß 393 Art. 8 Abs. 2 des Genfer Übereinkommens über die Hohe See, 29. April 1958, BGBl. 1972 II S. 1089; zu weiteren Merkmalen eines Kriegsschiffs siehe dort. 394 Art. 29 des Seerechtsübereinkommens der VN, 10. Dezember 1982, BGBl. 1995 II S. 602. 395 Vgl. den Art. LII S. 2 des Berliner Vertrages, 13. Juli 1878, Martens, NRG II 3, S. 449. 396 Art. 28 und 30 der Belgrader Konvention, 18. August 1948, UNTS Bd. 33, S. 196. 397 Nr. 2 des Unterzeichnungsprotokolls zum Zusatzprotokoll zur Belgrader Konvention, 26. März 1998, BGBl. 1999 II S. 579. 398 Vgl. die Art. 19 ff. der Wiener Vertragsrechtskonvention (Anm. 23). 399 Bloße Bauteile von Pontonbrücken sind hingegen mangels Besatzung keine Kriegsschiffe; insoweit liegt eine Interpretationserklärung gemäß Art. 31 Abs. 2 Lit. b) der Wiener Vertragsrechtskonvention (Anm. 23) vor.

§ 2 Der Streit um das aktuelle Donaustatut

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Artikel 45 Absatz 1 des Zusatzabkommens zum NATO-Truppenstatut400 nachzukommen. Darin ist bestimmt, daß die in Deutschland stationierten Truppen der NATO-Verbündeten nötigenfalls auch außerhalb der ihnen zugewiesenen Liegenschaften Manöver und Übungen durchführen können. Der deutsche Vorbehalt ermöglich es allerdings zumindest in Friedenszeiten401 nicht, gemäß Artikel 57 Absatz 1 Litera a) des Zusatzabkommens sonstige Kriegsschiffe der NATO-Verbündeten auf dem deutschen Donauteilstück von Kehlheim stromabwärts verkehren zu lassen402. An einem solchen Verkehr besteht allerdings momentan kein Interesse, da Österreich kein NATO-Mitglied ist und die bisherigen Vertragsstaaten der Belgrader Konvention untereinander ohnehin verpflichtet sind, Kriegsschiffe von Nichtdonaustaaten von der Donau fernzuhalten403. c) Der Konflikt der jeweiligen Regeln und denkbare Lösungsmöglichkeiten Laut einer 1998 erschienenen Untersuchung zum Donaustatut bestehen Frankreich und Großbritannien bis heute darauf, die Donau gemäß der Pariser Konvention mit Kriegsschiffen befahren zu dürfen404. Dieser Anspruch ist zumindest hinsichtlich der Donaumündung berechtigt405, läßt sich jedoch mit Artikel 30 Absatz 1 der Belgrader Konvention nicht in Einklang bringen. Angesichts der Unvereinbarkeit der konkurrierenden statusvertrag400 Zusatzabkommen zum NATO-Truppenstatut hinsichtlich der in Deutschland stationierten Truppen, 3. August 1959, BGBl. 1961 II S. 1183, 1218, zuletzt geändert durch das Abkommen vom 18. März 1993, BGBl. 1994 II S. 2594, 2598. 401 Zur Unanwendbarkeit des Art. 30 der Belgrader Konvention im Falle bewaffneter Konflikte siehe den Exkurs unten, nach § 6 II 1. 402 Der Art. 57 Abs. 1 Lit. a) S. 1 Halbsatz 1 des Zusatzabkommens zum NATOTruppenstatut (Anm. 400) lautet: NATO-Truppen sind „vorbehaltlich der Genehmigung der Bundesregierung berechtigt, mit Land-, Wasser- und Luftfahrzeugen in die Bundesrepublik einzureisen oder sich in und über dem Bundesgebiet zu bewegen“. 403 Sengpiel (Anm. 2), S. 114, meinte 1998, daß Deutschland sich bei einem Beitritt zum Belgrader Statut vorbehalten müsse, weiterhin seinen Pflichten gemäß Art. 57 des Zusatzabkommens zum NATO-Truppenstatut nachzukommen. Die Tatsache, daß statt dessen nur ein Vorbehalt zur Wahrung von Art. 45 des Zusatzabkommens angebracht wurde, spricht dafür, daß gegenwärtig kein Interesse am Befahren des deutschen Donauteilstücks mit sonstigen Kriegsschiffen besteht. 404 Ibid., S. 113 f. 405 Oberhalb von Galatz bis zum „Eisernen Tor“ gilt das Verbot von Kriegsschiffen auch für die Stationsschiffe der Mitgliedstaaten der Europäischen Donaukommission, Umkehrschluß aus Art. LII S. 3 des Berliner Vertrages, 13. Juli 1878, Martens, NRG II 3, S. 449. Auf der mittleren und oberen Donau ist der Verkehr von Kriegsschiffen gemäß dem Pariser Statut grundsätzlich zulässig; es steht den Donaustaaten frei, ob sie anderen Staaten die Durchfahrt von Kriegsschiffen erlauben oder sie (generell) untersagen.

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1. Kap.: Der Schutz der Schiffahrtsfreiheit

lichen Regelungen bleibt den Donaustaaten nur die Wahl, entweder ihren Verpflichtungen aus der einen oder der anderen Konvention nachzukommen und im übrigen die Konsequenzen, welche sich eventuell aus dem Recht der Staatenverantwortlichkeit ergeben406, auf sich zu nehmen407. Eine Überwindung der diesbezüglichen Widersprüche wäre lediglich im Rahmen der laufenden Verhandlungen zur Revision des Belgrader Statuts zu erwarten. Bereits seit dem Jahre 1993 ist wiederholt ein Komitee zur Vorbereitung einer diplomatischen Konferenz der Donaustaaten und Rußlands zusammengetreten408. Dabei wurde die gesamteuropäische Bedeutung der angestrebten Regelung unterstrichen und auf eine genaue Abstimmung mit der eng in die Verhandlungen eingebundenen Europäischen Gemeinschaft Wert gelegt409. Die Spannungen im ehemaligen Jugoslawien verhinderten aber zunächst, daß bei den Gesprächen ein entscheidender Durchbruch erzielt werden konnte410; später führten die Probleme bei der Wiederschiffbarmachung des jugoslawischen Donauabschnitts zu weiteren Verzögerungen. Nach der Entspannung der Lage im ehemaligen Jugoslawien und der Wiederherstellung der durchgängigen Befahrbarkeit der Donau ist aber damit zu rechnen, daß die von allen Beteiligten als dringend nötig empfundene Revision des Belgrader Statuts zügig vorangetrieben wird411. Hinsichtlich des Artikel 30 der Belgrader Konvention wäre angesichts der veränderten Interessenlage zu erwarten, daß er ersatzlos gestrichen wird. Da Rußland mittlerweile selbst vom Verbot des Artikel 30 Absatz 1 betroffen ist, müßte gerade von dieser Seite ein Interesse an der Beseitigung dieser Regelung bestehen. Für die Donaustaaten würde die Streichung des Artikel 30 einen Zuwachs an individueller Handlungsfreiheit bedeuten, weil dann jeder Donaustaat gemäß dem Belgrader Statut frei entscheiden könnte, 406

Vgl. Art. 30 Abs. 5 der Wiener Vertragsrechtskonvention (Anm. 23). Zu den begrenzten Möglichkeiten, Konflikte zwischen konkurrierenden Statusverträgen zu lösen, vgl. E. Klein (Anm. 1 in fine), S. 283 f. 408 Vgl. Sengpiel (Anm. 2), S. 127 ff., sowie den Vortrag des österreichischen Botschafters und damaligen Generaldirektors der Donaukommission, H. Strasser, vom 25. Januar 1995 (Anm. 187, S. 15). 409 Ibid. 410 Vgl. Sengpiel (Anm. 2), S. 129 f. 411 Die Donaustaaten und Rußland sind offenbar an einer möglichst raschen Revision des Belgrader Statuts interessiert, vgl. ibid. In der Präambel des Zusatzprotokolls zum Beitritt Deutschlands zur Belgrader Konvention, 26. März 1998, BGBl. 1999 II S. 579, wurde dementsprechend festgestellt, daß die Konvention einer Anpassung an die seit 1948 eingetretenen politischen und wirtschaftlichen Veränderungen bedarf. Im Herbst des Jahres 2001 trat dann auch das Komitee zur Vorbereitung der diplomatischen Konferenz erneut zusammen; konkrete Ergebnisse wurden allerdings noch nicht erzielt. 407

§ 2 Der Streit um das aktuelle Donaustatut

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ob und inwieweit er Kriegsschiffe von Nichtdonaustaaten auf seinem Flußabschnitt zulassen will412. Bei den Verhandlungen zur Revision des Belgrader Statuts wurde aufgrund der im Rahmen der bewaffneten Auseinandersetzungen im ehemaligen Jugoslawien verursachten Probleme die Gewährleistung der freien Schiffahrt in Krisen und im Konfliktfall als regelungsbedürftig angesehen413. Allerdings besteht bereits nach der derzeitigen Rechtslage ein gewisser Schutz der Schiffahrt im Falle bewaffneter Konflikte.

412

Eine Abschaffung des ursprünglich gegen die Westmächte gerichteten Art. 30 Abs. 1 würde außerdem die Wahrscheinlichkeit erhöhen, daß diese eine Ablösung des Pariser Statuts durch ein revidiertes Belgrader Statut anerkennen; zu den auf die Revision bzw. die Ablösung von Statusverträgen anwendbaren Grundsätzen vgl. allgemein E. Klein (Anm. 1 in fine), S. 274 f. 413 Sengpiel (Anm. 2), S. 131; vgl. auch diesbezügliche Äußerungen des russischen Vertreters in der Budapester Donaukommission, 21. April 1994 (CD/SES 52/ PV 2), Procès-Verbaux de la Commission du Danube Bd. 52 (1994), S. 49 ff. (S. 67 f.), sowie 12. April 1995, CD/SES 53/PV 2, ibid. Bd. 53 (1995), S. 41 ff. (S. 79).

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1. Kap.: Der Schutz der Schiffahrtsfreiheit

§ 3 Die Anwendbarkeit des Prinzips der Schiffahrtsfreiheit im Falle bewaffneter Konflikte Bezüglich der Anwendbarkeit des Prinzips der Schiffahrtsfreiheit in Kriegszeiten ist zu unterscheiden zwischen der neutralen Schiffahrt (I.) und der Schiffahrt der Konfliktparteien1 (II.).

I. Die Freiheit der neutralen Schiffahrt auf der Donau Die Freiheit der neutralen Schiffahrt ergibt sich beim Pariser Statut aus speziellen, anläßlich des Krieges von 1877/78 getroffenen Vereinbarungen2 (1.), wohingegen beim Belgrader Statut auf allgemeine Grundsätze des internationalen Flußschiffahrtsrechts zurückgegriffen werden muß3 (2.). 1. Das Pariser Statut Nach anfänglichen Divergenzen kamen die kriegführenden und die neutralen Mächte des russisch-türkischen Krieges von 1877/78 überein, daß die Schiffahrtsfreiheit auf der Donau trotz des Kriegzustandes grundsätzlich gewährleistet werden mußte4. Die in diesem Kontext zustande gekommene authentische Auslegung5 des Pariser Statuts [a)] wurde während des ser1

Eine weitere Unterscheidung ist zu treffen zwischen der Gewährung der Schifffahrtsfreiheit im Hoheitsgebiet von neutralen Staaten einerseits und von kriegführenden Staaten andererseits, vgl. E. Klein, Statusverträge im Völkerrecht (1980), S. 298. Da aber die grundsätzliche Anwendbarkeit des Prinzips der Schiffahrtsfreiheit auf dem Gebiet von neutralen Staaten unproblematisch zu bejahen ist (vgl. ibid.), wird in diesem Paragraphen lediglich die Pflicht zur Gewährung der Schiffahrtsfreiheit auf dem Gebiet von kriegführenden Staaten erörtert. Unten, in den §§ 5 ff., werden dann Ausnahmen vom Prinzip der Schiffahrtsfreiheit behandelt, und zwar sowohl hinsichtlich der Territorien von kriegführenden und als auch von neutralen Staaten. 2 Vgl. die diplomatische Korrespondenz Österreich-Ungarns mit den Kriegführenden des russisch-türkischen Krieges, Mai 1877, Martens, NRG II 3, S. 201 ff., ebenfalls abgedruckt im Grünbuch des rumänischen Außenministeriums (Ministerul Afacerilor Straine), Cestiunea Dunarei (1883), S. 432 ff. Vgl. weiterhin Art. LII S. 1 Satzteil 1 des Berliner Friedensvertrages, 13. Juli 1878, Martens, NRG II 3, S. 449. 3 Siehe den Art. 15 des in Barcelona vereinbarten Statut relatif au régime des voies navigables d’intérêt international, 20. April 1921, SdN, RdT Bd. 7, S. 50, sowie den Art. XX S. 1 der „Helsinki Rules on the Uses of International Rivers“, ILA, Report of the Fifty-Second Conference, Helsinki 1966, S. 477 ff. (510 f.). 4 Vgl. die Nachweise oben, in Anm. 2, sowie die Dokumentation in Année Maritime 1878 (Edition Berger-Levrault, Paris), Suspension de la navigation sur le Danube, S. 47 ff. 5 Eine authentische Auslegung liegt vor, wenn alle Vertragsstaaten durch übereinstimmende Praktiken oder Erklärungen eine bestimmte Vertragsauslegung festlegen,

§ 3 Anwendbarkeit des Prinzips der Schiffahrtsfreiheit

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bisch-bulgarischen Krieges von 1885 bekräftigt6, blieb aber während der beiden Weltkriege wegen des fast völligen Fehlens einer neutralen Donauschiffahrt7 praktisch wirkungslos [b)]. a) Die Praxis des russisch-türkischen Krieges von 1877/78 Die Anwendbarkeit des Prinzips der Schiffahrtsfreiheit in Kriegszeiten wurde im Mai 1877 in einem Notenwechsel vereinbart [aa)] und im Folgejahr bei einer Modifizierung des Donaustatuts durch den Berliner Vertrag indirekt bestätigt8 [bb)]. aa) Der Streit um die Gewährung der Schiffahrtsfreiheit während des Krieges Unmittelbar nach dem Ausbruch des russisch-türkischen Krieges, am 27. April 1877, ließ der Oberkommandierende der russischen Truppen verlautbaren, die untere Donau werde zur Vermeidung möglicher kriegsbedingter Schäden für die Handelsschiffahrt gesperrt9. In einer am 29. April erlassenen Anweisung erklärte die Hohe Pforte ihrerseits die Donau zur Verteidigungslinie; die auf dem Meer für die neutrale Schiffahrt geltenden Regeln seien hier nicht anwendbar10. Der türkische Oberkommandierende wurde ermächtigt, die ihm nötig erscheinenden Maßnahmen zu ergreifen11, woraufhin dieser am Folgetag das Befahren des türkischen Flußabschnitts untersagte12. vgl. Art. 31 Abs. 3 Lit. a) und b) des Wiener Übereinkommens über das Recht der Verträge, 23. Mai 1969, BGBl. 1985 II S. 926, sowie P. Daillier/A. Pellet, Droit international public (Nguyen Quoc Dinh, 6. Aufl. 1999), S. 253 f. (§ 165). 6 Vgl. H. Hajnal, Le droit du Danube international (1929), S. 180 f. 7 Sämtliche Donaustaaten sowie alle an der Donauschiffahrt interessierten Großmächte waren in die beiden Weltkriege verwickelt. Eine neutrale Donauschiffahrt konnte es deshalb nur zeitlich begrenzt bis zum jeweiligen Kriegseintritt dieser Staaten geben, vgl. für den Ersten Weltkrieg oben, Einleitung, Anm. 58. 8 Vgl. die Nachweise oben, in Anm. 2. 9 Mitteilung des russischen an den britischen Konsul in Galatz, 27. April 1877, in: The Times (London), 3. Mai 1877, S. 6 (War and Navigation). 10 Anweisungen für den Oberkommandierenden der türkischen Truppen, 29. April 1877, Martens, NRG II 3, S. 199 f. (S. 199), ebenfalls abgedruckt im rumänischen Grünbuch (Anm. 2), S. 431. 11 Ibid. 12 Proklamation des Oberkommandierenden der türkischen Truppen, 30. April 1877, Martens, NRG II 3, S. 200 f. (S. 200), ebenfalls abgedruckt im rumänischen Grünbuch (Anm. 2), S. 431 f. (S. 432); vgl. auch J. P. Chamberlain, The Regime of International Rivers: Danube and Rhine, Dissertation, New York 1923, S. 64.

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1. Kap.: Der Schutz der Schiffahrtsfreiheit

Die Erklärungen zur Suspension der Schiffahrtsfreiheit auf der Donau führten zu heftigen Protesten des Deutschen Reichs und Österreich-Ungarns13. In einer am 6. Mai 1877 an Rußland gerichteten Note wies der österreichische Außenminister darauf hin, daß das in der Wiener Kongreßakte vorgesehene Prinzip der Schiffahrtsfreiheit durch den Allgemeinen Friedensvertrag als auf die Donau anwendbar erklärt worden war14. Im Donaustatut sei zwar keine absolute Neutralisierung des Flusses vorgesehen. Einschränkungen der Schiffahrtsfreiheit seien aber dennoch nur begrenzt zulässig. Sie müßten den allgemeinen völkerrechtlichen Regeln entsprechen und die Grenzen respektieren, die durch „zwingende militärische Notwendigkeiten“ gezogen würden („les limites tracées par la nécessité la plus impérieuse“)15. Der russische Kanzler Gortschakow erklärte mit einer Note vom 12. Mai 1877 sein vorbehaltloses Einverständnis mit der österreichischen Auffassung zum Prinzip der Schiffahrtsfreiheit16. Seine Regierung werde alles tun „pour restreindre les entraves momentanées apportées à la navigation, quand à l’étendue et à la durée, dans les plus strictes limites commandées par les nécessités de guerre“17. In einem Ukas vom 24. Mai 1877 wurde dementsprechend festgestellt, der russische Oberkommandierende sei gehalten, die neutrale Schiffahrt auf der Donau möglichst aufrechtzuerhalten18. Zeitweilige Beschränkungen sollten nur erfolgen, wenn sie durch militärische Notwendigkeiten geboten seien und schnellstmöglich wieder beseitigt würden. Die Verhandlungen mit der Türkei gestalteten sich vergleichsweise schwierig. Die Hohe Pforte versuchte, die Suspension der Schiffahrtsfreiheit zu rechtfertigen, indem sie auf den angeblichen Verkauf eines österreichischen Schiffs an Rußland verwies19. Die Präsenz der Handelsschiffe könne folglich das Übersetzen der vordringenden russischen Truppen begünstigen. Die kaiserliche und königliche Regierung machte demgegenüber geltend, 13

Année Maritime 1878 (Anm. 4, S. 47). Schreiben des k.u.k. Außenministers Andrássy, 6. Mai 1877, Martens, NRG II 3, S. 201 f. (S. 201), ebenfalls abgedruckt im rumänischen Grünbuch (Anm. 2), S. 432 f. (S. 432). 15 Ibid. (S. 202 bzw. S. 433). 16 Vgl. das Schreiben des russischen Kanzlers Gortschakow vom 12. Mai 1877, Martens, NRG II 3, S. 202, ebenfalls abgedruckt im rumänischen Grünbuch (Anm. 2), S. 433. 17 Ibid. 18 Ziff. 8 des russischen Ukas bezüglich der während des Krieges zu beachtenden Regeln, 24. Mai 1877, Martens, NRG II 3, S. 216 ff.; vgl. auch den gleichlautenden Befehl vom 12. Mai 1877, in: Hajnal (Anm. 6), S. 121, Anm. 1. 19 Année Maritime 1878 (Anm. 4, S. 49). 14

§ 3 Anwendbarkeit des Prinzips der Schiffahrtsfreiheit

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ihren Staatsangehörigen die Beachtung der für die Neutralen im Handelsund Schiffsverkehr mit den Kriegführenden geltenden Regeln zur Pflicht gemacht zu haben20. Im Gegenzug erwarte sie, daß die Pforte die diesbezüglichen Rechte der Neutralen anerkenne und respektiere21. Die Donau könne gemäß den in Kraft stehenden internationalen Vereinbarungen nicht einfach als Verteidigungslinie angesehen werden. Sie sei primär eine freie, dem Verkehr aller Handelsflaggen geöffnete Wasserstraße, und der freie Verkehr darauf dürfe, bezüglich des Handels, grundsätzlich durch keinerlei Hindernisse eingeschränkt werden22. Die österreichische Gesandtschaft in Konstantinopel wurde angewiesen, den Respekt der Schiffahrtsfreiheit mit allem Nachdruck einzufordern. Der österreichische Außenminister verlangte „dieselben bindenden Zusicherungen“, die er zuvor aus Petersburg erhalten hatte23. Nach wiederholten Protesten und nachdem auch die britische Regierung dem österreichischen Standpunkt beigetreten war24, lenkte die Türkei schließlich ein. Am 31. Mai 1877 erklärte sie ihr völliges Einverständnis mit der vom Ballhausplatz vertretenen Auffassung zum Prinzip der Schiffahrtsfreiheit auf der Donau25. bb) Die Bestätigung der Absprachen vom Mai 1877 durch den Berliner Vertrag Die Korrespondenz zur Anwendbarkeit des Prinzips der Schiffahrtsfreiheit während des russisch-türkischen Krieges war den übrigen Mächten zur Kenntnis gegeben worden26 und hatte teilweise deren ausdrückliche Zustim20 Vgl. das k.u.k. Dekret bezüglich der Beachtung der Neutralität während des russisch-türkischen Krieges, 11. Mai 1877, Martens, NRG II 3, S. 215 f., sowie das Schreiben des k.u.k. Außenministers Andrássy, 22. Mai 1877, ibid., S. 202 ff. (S. 206), ebenfalls abgedruckt im rumänischen Grünbuch (Anm. 2), S. 433 ff. (S. 436). 21 Schreiben des k.u.k. Außenministers vom 22. Mai 1877, ibid. 22 Ibid. (S. 203 bzw. S. 434). 23 Ibid. (S. 203 und 206 bzw. S. 433 f. und 435 f.). 24 Laut einer Note des britischen Botschafters in Wien, abgedruckt in: Hajnal (Anm. 6), S. 121, Anm. 2, war die Frage der Donauschiffahrt am 12. Mai 1877 von der britischen Regierung beraten worden. Der britische Außenminister, der Earl of Derby, verlangte daraufhin ebenfalls den Respekt der Schiffahrtsfreiheit durch die Kriegführenden, wobei er sich die Rechtsauffassung Österreich-Ungarns zu eigen machte, vgl. ibid. 25 Note der Türkei, gerichtet an Österreich-Ungarn, 31. Mai 1877, Martens, NRG II 3, S. 207 f. (S. 208), ebenfalls abgedruckt im rumänischen Grünbuch (Anm. 2), S. 437. 26 The Times (London), 16. Mai 1877, S. 5 (The War on the Danube, Meldung aus Wien vom 14. Mai).

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1. Kap.: Der Schutz der Schiffahrtsfreiheit

mung gefunden27. Den Charakter einer für alle Vertragsstaaten bindenden Auslegung28 des Pariser Statuts erlangten die Absprachen vom Mai 1877 allerdings erst durch eine implizite Bestätigung bei einer Modifizierung des Donaustatuts im Berliner Friedensvertrag von 187829. Mit dem Abzug der türkischen Armee aus Bulgarien verlor die Donau ihre Funktion als Verteidigungslinie des osmanischen Reichs gegen russische Invasionen30. Die strategische Bedeutung des Flusses wurde damit deutlich gemindert, so daß Österreich-Ungarn auf dem Berliner Kongreß vorschlug, den Unterlauf der Donau bei dieser Gelegenheit vollständig zu neutralisieren31. Dieses Ansinnen stieß jedoch bei der russischen Delegation auf entschiedene Ablehnung32. Angesichts der Meinungsverschiedenheiten erklärte der deutsche Reichskanzler von Bismarck, der Kongreß müsse sich nicht mit Detailfragen befassen, über welche die interessierten Mächte sich selbst verständigen könnten33. Die Erörterung des Donaustatuts wurde daraufhin vertagt, und der Kongreß beschränkte sich in seiner folgenden Sitzung darauf, den zwischen Österreich-Ungarn und Rußland ausgehandelten Kompromiß anzunehmen34. Laut Artikel LII des Berliner Vertrages bezweckt die darin vorgesehene partielle Demilitarisierung des Unterlaufs der Donau „d’accroître les garanties assurées à la liberté de la navigation“35. Bei der Ausarbeitung dieser Bestimmung wurde erkennbar von der Anwendbarkeit des Prinzips der Schiffahrtsfreiheit in Kriegszeiten ausgegangen: Das mit der Demilitarisierung angestrebte Ziel war gerade, die Lage der neutralen Schiffahrt im Vergleich zum vorangegangenen Krieg zu verbessern. Die im Mai 1877 getroffenen Absprachen wurden somit beim Abschluß des Berliner Vertrages implizit bestätigt und wurden damit Teil des Pariser Donaustatuts. b) Die Praxis während folgender Kriege Während des kurzen serbisch-bulgarischen Krieges vom Herbst 1885 kam es wiederum zu Problemen bei der Gewährleistung der Schiffahrtsfreiheit 27

Vgl. oben, Anm. 24. Zu den Charakteristika einer authentischen Auslegung siehe oben, Anm. 5. 29 Berliner Vertrag vom 13. Juli 1878, Martens, NRG II 3, S. 449. 30 Vgl. die Nachweise oben, Einleitung, Anm. 32. 31 Protokoll Nr. 11 des Berliner Kongresses, 2. Juli 1878, Martens, NRG II 3, S. 371 ff. (S. 371 und 373). 32 Ibid. (S. 373). 33 Ibid. 34 Ibid. sowie Protokoll Nr. 12 vom 4. Juli 1878, ibid., S. 380 ff. (S. 384 ff.). 35 Art. LII S. 1 Satzteil 1 des Berliner Vertrages, 13. Juli 1878, ibid., S. 449. 28

§ 3 Anwendbarkeit des Prinzips der Schiffahrtsfreiheit

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auf der Donau. Unter anderem wurden österreichische Schiffe beschlagnahmt, um damit Truppen und Munition zu transportieren. Ein bulgarischer Kommandant erklärte zudem die neutrale Schiffahrt insgesamt für verboten36. Diese offensichtlichen Verletzungen der Schiffahrtsfreiheit führten erneut zu Protesten Österreich-Ungarns37. Die erhobenen Ansprüche wurden allerdings sofort anerkannt und die betreffenden Befehle annulliert38. Für die im Vorfeld des Ersten Weltkrieges ausgetragenen Balkankriege sind Verstöße gegen die Schiffahrtsfreiheit auf der Donau nicht bekannt geworden39. Im Ersten Weltkrieg konnte das Prinzip der Schiffahrtsfreiheit nur begrenzt zur Anwendung kommen, weil alle Donaustaaten sowie alle an der Donauschiffahrt interessierten Großmächte in die Auseinandersetzungen verwickelt wurden40. Anfänglich waren immerhin die Mündung41 und der Unterlauf des Flusses für die Handelsschiffahrt offen gehalten worden42. In Ermangelung einer neutralen Schiffahrt konnten aber ab dem Kriegseintritt Rumäniens die auf die neutrale Schiffahrt anwendbaren Regeln keine Wirkung mehr entfalten43. Während des Zweiten Weltkrieges geriet die Donau gleich zu Beginn des Feldzugs gegen die Sowjetunion vollständig unter deutsche Kontrolle44. Da alle an der Donauschiffahrt interessierten Staaten in den Krieg involviert 36

Hajnal (Anm. 6), S. 180. Ibid., S. 180 f. 38 Ibid., S. 181. 39 Vgl. die Nachweise oben, § 2, Anm. 108. 40 Als letzte europäische Großmacht trat Italien am 23. Mai 1915 in den Krieg ein; als letzter Donaustaat erklärte Rumänien am 27. August 1916 seinen Kriegseintritt. 41 Zur Rolle der Europäischen Donaukommission bei der Aufrechterhaltung der Schiffahrtsfreiheit in der Donaumündung siehe oben, § 2, bei Anm. 109 bis 112. 42 Die untere Donau wurde allerdings nicht nur von der neutralen Schiffahrt, sondern auch von Nachschubtransporten der Entente benutzt, vgl. oben, Einleitung, bei Anm. 59 bis 62. Das die untere und mittlere Donau verbindende Eiserne Tor war hingegen durch die Entente-Mächte blockiert worden, vgl. oben, Einleitung, Anm. 58. 43 Es sei der Vollständigkeit halber erwähnt, daß ein niederländisches Unternehmen beantragte, unter der neutralen niederländischen Flagge zur Donauschiffahrt zugelassen zu werden, vgl. Hajnal (Anm. 6), S. 224, Anm. 1. Die Niederlande waren aber kein Vertragsstaat des Donaustatuts, so daß dieses Ansinnen von ÖsterreichUngarn abgelehnt wurde, ibid. Hierzu ist anzumerken, daß die Niederlande in der Tat keine eigenen Rechte aus dem Donaustatut herleiten konnten, vgl. oben, § 2, Anm. 340. Weiterhin standen auch keine neutralen Vertragsstaaten zur Verfügung, die den Respekt der neutralen Schiffahrt zugunsten der Niederlande hätten einfordern können. 44 L. Imbert, Le régime juridique actuel du Danube, RGDIP 1951, S. 73 ff. (S. 74). 37

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waren, konnte sich die Frage nach dem Schutz einer neutralen Schiffahrt insoweit nicht stellen45. Die Tatsache, daß die im 19. Jahrhundert zugunsten der neutralen Donauschiffahrt vereinbarten Regeln während der beiden Weltkriege weitgehend wirkungslos blieben, läßt nicht darauf schließen, daß diese Regeln außer Kraft getreten wären. Sie waren aufgrund der besonderen Umstände dieser Kriege schlichtweg nicht anwendbar. Abgesehen von den Vereinbarungen der Jahre 1877/78 ist die Anwendbarkeit der Schiffahrtsfreiheit im Falle bewaffneter Konflikte ein allgemeiner Grundsatz des internationalen Flußschiffahrtsrechts46, der deshalb auch im Rahmen des Belgrader Statuts beachtet werden muß. 2. Das Belgrader Statut Das Belgrader Statut beinhaltet keine spezifischen Vorschriften zum Schutz der neutralen Schiffahrt im Falle bewaffneter Konflikte. Zur Ergänzung kann aber auf die allgemeinen Grundsätze der Schiffahrt auf internationalen Flüssen zurückgegriffen werden [a)], deren praktische Umsetzung auch im Rahmen des Belgrader Statuts nachweisbar sein müßte [b)]. a) Die allgemeinen Grundsätze des internationalen Flußschiffahrtsrechts Hinsichtlich der allgemeinen Grundsätze des internationalen Flußschifffahrtsrechts sind zunächst eventuelle Vorgaben der Wiener Kongreßakte zu beachten [aa)] sowie auch spätere Ansätze zur Kodifikation dieser Rechtsmaterie [bb)]. Weiterhin ist die Praxis bezüglich anderer Vertragsflüsse in Betracht zu ziehen [cc)]. aa) Die Vorgaben der Wiener Kongreßakte Die Frage der Anwendbarkeit des Prinzips der Schiffahrtsfreiheit in Kriegszeiten ist in den Artikeln CVIII bis CXVI der Wiener Kongreßakte47 45 Lediglich vor dem Ausbruch des Krieges im Osten stellte sich die Frage, wie die Schiffahrtsfreiheit auf dem Gebiet der damals neutralen Donaustaaten gewährleistet werden konnte. Zu den diesbezüglich von der Europäischen Donaukommission getroffenen Vorkehrungen siehe Europa-Archiv 1948, Die Belgrader Donaukonferenz, S. 1641 ff. (S. 1642), Documentation française, Notes et études documentaires, Nr. 2227 vom 27. Oktober 1956, Le Danube (Teil 2), S. 4. 46 Vgl. die Nachweise oben, Anm. 3. 47 Wiener Kongreßakte, 9. Juni 1815, Martens, Suppl. Rec. 6, S. 379.

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nicht näher geregelt worden. Die Debatten der zuständigen Kommission des Wiener Kongresses48 sowie eine der Kongreßakte beigefügte Regelung zur Rheinschiffahrt49 lassen aber darauf schließen, daß beim Abschluß der Kongreßakte keineswegs von einer Suspension der Schiffahrtsfreiheit in Kriegszeiten ausgegangen wurde. Der an der Arbeit der Flußschiffahrtskommission des Wiener Kongresses maßgeblich beteiligte Wilhelm Freiherr von Humboldt hatte ursprünglich vorgeschlagen, in die allgemeinen Regeln zur Schiffahrt auf internationalen Flüssen eine Bestimmung aufzunehmen, nach der die Schiffahrtsfreiheit möglichst auch in Kriegszeiten aufrechterhalten werden sollte50. Dieser Vorschlag wurde aber letztlich nicht unmittelbar in die Kongreßakte übernommen, und man beschränkte sich statt dessen darauf, in die besonderen Regeln zur Rheinschiffahrt einen Artikel einzubeziehen, nach dem die Erhebung der Rhein-Schiffahrtsabgabe („Rhein-Octroi“) auch in Kriegszeiten fortdauern sollte. Die zuständigen Beamten, Schiffe etc. sollten als neutral angesehen werden51. Da die Erhebung der Schiffahrtsabgabe ohne eine neutrale Handelsschifffahrt kaum denkbar gewesen wäre, wurde bei dieser Regelung offenbar davon ausgegangen, daß ein Kriegsausbruch zwischen einzelnen Uferstaaten keine Suspension der Schiffahrtsfreiheit nach sich ziehen würde. Der britische Vertreter in der Flußschiffahrtskommission merkte in der Debatte des betreffenden Artikels dementsprechend an, daß es für die Kriegführenden jedenfalls nötig sei, die passierenden Schiffe auf den Transport von Kriegskonterbande hin zu untersuchen52. Dabei ging er offensichtlich davon aus, daß die Schiffahrtsfreiheit in Kriegszeiten grundsätzlich aufrecht erhalten 48 Die Procès-Verbaux der Flußschiffahrtskommission des Wiener Kongresses sind unter anderem abgedruckt im Grünbuch des rumänischen Außenministeriums (Anm. 2). 49 Vgl. den Art. XXVI der Articles concernant la navigation du Rhin, Martens, Suppl. Rec. 6, S. 436; die besonderen Regelungen zur Rheinschiffahrt haben gemäß Art. CXVII der Wiener Kongreßakte, 9. Juni 1815, ibid., S. 379, die selbe Bindungswirkung wie unmittelbar in die Kongreßakte aufgenommene Bestimmungen. 50 PV der 2. Konferenz der Flußschiffahrtskommission des Wiener Kongresses, 8. Februar 1815, Annex 1, Ziff. 8, in: Grünbuch des rumänischen Außenministeriums (Anm. 2), S. 10 ff. (S. 13). 51 Der Art. XXVI Abs. 1 und Abs. 2 S. 1 der Articles concernant la navigation du Rhin (Anm. 49) lautet: „S’il arrivait (ce qu’à Dieu ne plaise) que la guerre vint d’avoir lieu entre quelques uns des états situés sur le Rhin, la perception du droit d’octroi continuera à se faire librement, sans qu’il y soit apporté d’obstacle de part et d’autre. Les embarcations, et personnes employées au service de l’octroi, jouiront de tous les privilèges de la neutralité“. 52 PV der 8. Konferenz der Flußschiffahrtskommission, 14. März 1815, in: Grünbuch des rumänischen Außenministeriums (Anm. 2), S. 94 ff. (S. 96).

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würde, daß aber die Kriegführenden die Möglichkeit hätten, aus militärischen Gründen notwendige Einschränkungen vorzunehmen. Die Ersetzung des durch Wilhelm von Humboldt vorgeschlagenen Artikels zur Anwendbarkeit des Prinzips der Schiffahrtsfreiheit in Kriegszeiten durch den genannten Artikel bezüglich der Schiffahrtsabgabe beruhte wesentlich auf Problemen bei der genauen Formulierung der ursprünglich angestrebten Regelung53. Für den letztlich von der Kommission angenommenen Artikel konnte hingegen auf eine identische Regelung des Rheinstatuts von 1804 zurückgegriffen werden54, die Wilhelm von Humboldt zudem als Grundlage für seine eigenen Vorschläge gedient hatte55. Die Protokolle der Kommission lassen keine sachlichen Meinungsverschiedenheiten hinsichtlich der Anwendbarkeit des Prinzips der Schiffahrtsfreiheit in Kriegszeiten erkennen56. Die Regelung zum „Rhein-Octroi“ kann deshalb dahingehend aufgefaßt werden, daß die Schiffahrtsfreiheit grundsätzlich auch in Kriegszeiten gewährleistet werden sollte57. bb) Spätere Ansätze zur Kodifikation des internationalen Flußschiffahrtsrechts Das durch den Wiener Kongreß begründete internationale Flußschifffahrtsrecht ist seither wiederholt zum Gegenstand von Kodifikationsentwürfen geworden. Unter anderem verabschiedete das Institut de droit international bei seiner Sitzung in Heidelberg im Jahre 1887 das „Projet de règlement international de navigation fluviale“58. Der Artikel 6 des „Projet“ sieht vor, daß internationale Flüsse auch in Kriegszeiten für die neutrale 53 Vgl. die Stellungnahme des französischen Vertreters in der Flußschiffahrtskommission, ibid., der darauf hinwies, daß W. v. Humboldt selbst die Unzulänglichkeit der von ihm vorgeschlagenen Formulierung eingeräumt hatte. 54 Vgl. den Art. CXXXI der Convention sur l’octroi de navigation du Rhin entre la France et l’Allemagne, 15. August 1804, Martens, Suppl. Rec. 4, S. 36, und dem oben, in Anm. 51 zitierten Art. XXVI der Articles concernant la navigation du Rhin. 55 W. v. Humboldt hatte versucht, die von ihm angestrebte Regelung zur fortdauernden Anwendbarkeit des Prinzips der Schiffahrtsfreiheit in Kriegszeiten in den Artikel zur fortdauernden Erhebung der Schiffahrtsabgaben zu integrieren, vgl. seinen Entwurf eines Art. 22 („Cas de guerre“) in: Anhang 4 zum PV der 7. Konferenz der Flußschiffahrtskommission, 3. März 1815, Grünbuch des rumänischen Außenministeriums (Anm. 2), S. 74 ff. (S. 93). 56 Vgl. den PV der 8. Konferenz der Flußschiffahrtskommission, 14. März 1815, ibid., S. 94 ff. (S. 96). 57 Ähnlich bezüglich der insoweit identischen Rheinstatute von 1804 und 1831: E. Engelhardt, Du régime conventionnel des fleuves internationaux (1879), S. 174 f.; vgl. auch G. Kaeckenbeeck, International Rivers (1918), S. 54. 58 Annuaire IDI 1887 (9. Jahr), S. 182 ff.

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Schiffahrt offen stehen sollten, „sauf l’observation des restrictions imposées par la force des choses“59. Ein ähnlicher Ansatz findet sich in den 1966 von der International Law Association verabschiedeten „Helsinki Rules on the Uses of International Rivers“60. Deren Artikel XX61 besagt, daß ein Uferstaat im Falle eines Krieges oder eines anderen bewaffneten Konflikts „measures derogating from its obligations“ ergreifen könne, jedoch nur „to the extent strictly required by the exigencies of the situation“62. Die Gründe, die für die Anwendbarkeit des Prinzips der Schiffahrtsfreiheit in Kriegszeiten sprechen, sind schon recht früh zutreffend analysiert worden. Eduard Engelhardt schrieb im Jahre 1879, der Ausbruch eines Krieges habe keineswegs die Wirkung, alle von den Kriegführenden geschlossenen Verträge zu suspendieren oder gar aufzuheben63. Dies sei insbesondere bei den Statuten der internationalen Flüsse zu berücksichtigen: Deren Öffnung für den Handel und die Schiffahrt liege im allgemeinen Interesse und „constitue par les actes solennels qui l’ont proclamé[e], une véritable loi européenne“64. Diese von der Rechtslehre propagierten Grundsätze stehen im Einklang mit der staatlicherseits geübten Praxis. In diesem Kontext kann vor allem auf das 1921 in Barcelona vereinbarte Statut relatif au régime des voies navigables d’intérêt international65 verwiesen werden. Dabei handelt es sich nicht um ein Flußstatut im engeren Sinne, sondern um Regeln, die generell auf die Schiffahrt auf grenzüberschreitenden Flüssen angewandt werden sollten66. Im Artikel 15 wird nun klargestellt, das „Statut“ beabsichtige nicht, die „droits et devoirs des belligérants et des neutres en temps de guerre“ festzulegen. Jedoch würde das „Statut“ durch einen Kriegsausbruch 59

Der Art. 19 eines von E. Engelhardt vorgelegten Entwurfs, ibid., S. 156 ff., hatte vorgesehen: „La navigation sur les fleuves internationaux restera libre en temps de guerre pour les pavillons des puissances non belligérantes“. Als einzige Einschränkung war in Art. 22 die Möglichkeit vorgesehen, die Schiffe auf den Transport von Kriegskonterbande hin zu untersuchen, vgl. ibid. Das IDI legte seinen Beratungen jedoch einen Entwurf von Friedrich v. Martens zugrunde, dessen Art. 6 keine substantiellen Änderungen erfuhr, vgl. ibid., S. 173. 60 ILA, Report of the Fifty-Second Conference, Helsinki 1966, S. 477 ff. 61 Ibid. (510 f.). 62 Vgl. die entsprechende Formulierung in Art. 15 Abs. 1 der Europäischen Menschenrechtskonvention, 4. November 1950, UNTS Bd. 213, S. 221. 63 E. Engelhardt, Du régime conventionnel des fleuves internationaux (1879), S. 173. 64 Ibid. 65 Statut relatif au régime des voies navigables d’intérêt international, 20. April 1921, SdN, RdT Bd. 7, S. 50. 66 Vgl. den Art. 3 des Statuts, ibid.

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keineswegs suspendiert: „[I]l subsistera en temps de guerre dans la mesure compatible avec ces droits et devoirs“67. Der vorstehend zitierte Artikel 15 des Statuts von Barcelona wurde unter anderem in das 1922 vereinbarte Elbstatut übernommen68. Aber auch die Praxis bezüglich anderer internationaler Flüsse spricht tendenziell für die Anwendbarkeit des Prinzips der Schiffahrtsfreiheit in Kriegszeiten. cc) Die Praxis im Rahmen diverser Flußstatute Der Artikel CVIII Absatz 1 der Mainzer Rheinschiffahrtsakte von 183169 besagte in Übereinstimmung mit den Vorgaben der Wiener Kongreßakte, daß der „Rhein-Octroi“ auch in Kriegszeiten eingezogen werden sollte. Während des deutschen Krieges im Jahre 1866 wurde dementsprechend vom Chefinspektor für die Rheinschiffahrt verlautbart, die Schiffahrt werde durch den Krieg nicht beeinträchtigt70. Die Erklärung stieß allerdings bei einigen der Kriegführenden auf Kritik71. Dabei ist unklar, ob die Kritik sich auf die Sache bezog oder eher darauf, daß die Äußerungen nicht mit den Staatenvertretern in der Zentralkommission für die Rheinschiffahrt abgestimmt waren und auch sonst nicht zum Aufgabenkreis des Chefinspektors gehörten72. Da die Rheinschiffahrt während des Krieges tatsächlich erheblich beeinträchtigt wurde, schlugen die Niederlande anläßlich der Revision der Schifffahrtsakte in den Jahren 1867/68 vor, die Rheinschiffahrt generell für neutral zu erklären. Als einzige Ausnahme zugunsten der Kriegführenden sollten Kontrollen bezüglich des Transports von Kriegskonterbande erlaubt sein73. Die niederländische Regierung stellte sich auf den Standpunkt, es handle 67

Art. 15 des Statuts, ibid. Art. 49 der Dresdener Konvention, 22. Februar 1922, SdN, RdT Bd. 26, S. 221. 69 Mainzer Rheinschiffahrtsakte, 31. März 1831, Martens, Suppl. Rec. 13, S. 252, ebenfalls in: Rheinurkunden Teil 1 (1918), S. 212. 70 Engelhardt (Anm. 63), S. 175, J. Hostie, Le Statut international du Rhin, RdC Bd. 28 (1929 III), S. 150, Jonkheer W. J. M. van Eysinga, La Commission Centrale pour la navigation du Rhin (1935), S. 65, P. A. Chiesa, Le régime international du Rhin et la participation de la Suisse, Dissertation, Genf 1952, S. 155. 71 Vgl. den bei Chiesa, ibid., S. 156, Anm. 51, wiedergegebenen Auszug aus dem Protokoll Nr. 1, S. 106, der Kommission für die für die Revision der Rheinschiffahrtsakte (Révision de l’Acte de Navigation du Rhin de 1831, septembre 1867–octobre 1868). 72 Vgl. ibid. Der Chefinspektor war bereits 1861/62 scharf kritisiert und beinahe entlassen worden, weil er aus eigener Initiative Vorschläge zur Revision des Rheinstatuts unterbreitet und an die Presse weitergeleitet hatte, van Eysinga (Anm. 70), S. 65. Die Erklärung während des deutschen Krieges trug schließlich dazu bei, daß er 1868 in den Ruhestand versetzt wurde, ibid. 68

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sich hierbei um eine „règle presque unanimement reconnue du droit des gens, relative à l’inviolabilité de la propriété neutre en temps de guerre“74. Die anderen Rheinanliegerstaaten meinten demgegenüber, daß diese Frage nicht in der Schiffahrtsakte geregelt werden sollte75. Die Revidierte Rheinschiffahrtsakte von 186876 enthält deshalb keine Bestimmung zum Status der Rheinschiffahrt im Falle bewaffneter Konflikte. Während des deutsch-französischen Krieges von 1870/71 und während der beiden Weltkriege wurde die Rheinschiffahrt erheblich beeinträchtigt und auf einzelnen Strecken sogar zeitweilig unterbrochen77. Forderungen der neutralen Staaten nach einer Gewährung der Schiffahrtsfreiheit waren nur bedingt erfolgreich78. Beispielsweise protestierte Belgien am Anfang des Zweiten Weltkrieges gegen die Sperrung des Rheins an der deutschfranzösischen Grenze79. Die Proteste blieben aber wirkungslos und erledigten sich bald darauf durch die Verwicklung Belgiens in das Kriegsgeschehen. Der einzig verbliebene neutrale Rheinuferstaat, die Schweiz, war seinerzeit noch nicht Vertragspartei der Rheinschiffahrtsakte, die zudem seit 1936 vom Deutschen Reich abgelehnt wurde80. Es gab somit keine vertrag73 Protokoll Nr. 1 der Kommission für die Revision der Rheinschiffahrtsakte (Anm. 71). 74 Ibid. 75 Ibid. 76 Convention révisé pour la navigation du Rhin (Mannheimer Akte), 17. Oktober 1868, Martens, NRG I 20, S. 355. 77 Chiesa (Anm. 70), S. 156, Ch.-A. Ferrier, La liberté de navigation sur le Rhin de Bâle à la mer, Dissertation, Bern 1955, S. 85. 78 Laut Ferrier, ibid., hat die Schweiz im Zweiten Weltkrieg immerhin erreicht, daß ihre Rheinschiffahrt in den Ruhephasen des Krieges sichergestellt wurde. Während der ersten Phase des Krieges, als deutsche und französische Truppen sich am Rhein gegenüberstanden, mußte die schweizerische Rheinschiffahrt hingegen auf französische Binnenwasserstraßen umgeleitet werden, vgl. die Stellungnahme des belgischen Delegierten in: Commission centrale pour la navigation du Rhin, Protocoles des séances, 1939, 2me session, décembre, 9. Protokoll, 8. Dezember 1939, S. 26 f. (S. 27). Während des deutsch-französischen Krieges von 1870/71 hatte sich das Problem noch nicht gestellt, weil der Flußabschnitt zwischen Straßburg und Basel erst am Anfang des 20. Jahrhunderts für die Schiffahrt erschlossen wurde, vgl. Chiesa (Anm. 70), S. 89. Das Interesse der Schweiz an der Rheinschiffahrt war allerdings bis zum Ende des Ersten Weltkrieges völkerrechtlich nicht anerkannt worden. Die Schweiz konnte deshalb im Ersten Weltkrieg ihre hinsichtlich des Rheins erhobenen Ansprüche lediglich auf die angeblich gewohnheitsrechtlichen Grundsätze der Wiener Kongreßakte stützen, vgl. ibid., S. 90 ff. 79 Vgl. die Stellungnahme des belgischen Delegierten in der Commission centrale pour la navigation du Rhin, 8. Dezember 1939 (Anm. 78, S. 26 f.). 80 Der Schweiz war durch Art. 355 Abs. 1 des Versailler Vertrages, 28. Juni 1919, Martens, NRG III 11, S. 323, eine Mitgliedschaft in der Zentralkommission für die Rheinschiffahrt eingeräumt worden. In Art. 354 Abs. 3 war außerdem vorge-

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liche Grundlage, auf welche die Forderung nach einer Wiederherstellung der Schiffahrtsfreiheit gestützt werden konnte81. Die Praxis bezüglich des Rheins war uneinheitlich und wurde durch Besonderheiten geprägt, die eine Ableitung allgemeiner Regeln erschweren. Eindeutiger und stärker verallgemeinerungsfähig ist demgegenüber die Praxis im Rahmen des Pariser Donaustatuts. Während des russisch-türkischen Krieges von 1877/78 beriefen sich Großbritannien82 und Österreich-Ungarn83 ausdrücklich auf Artikel CIX der Wiener Kongreßakte84, um die Beachtung der Schiffahrtsfreiheit durch die Kriegführenden zu erreichen. Das wurde von den Kriegführenden akzeptiert85 und vom Europäischen Konzert86 auf dem Berliner Kongreß indirekt bestätigt87. Hieraus kann demnach allgemein auf die Anwendbarkeit des Prinzips der Schiffahrtsfreiheit in Kriegszeiten geschlossen werden. In die gleiche Richtung weist das Elbstatut von 192288. Bemerkenswert ist auch, daß teilweise sogar bei außereuropäischen Flüssen89 Vorkehrungen getroffen wurden, um die Schiffahrtsfreiheit in Kriegszeiten zu gewährleisten90. sehen, die Mannheimer Akte einer Revision zu unterziehen, wodurch die Schweiz die Möglichkeit erlangt hätte, der Schiffahrtsakte beizutreten. Die Bestrebungen zur Revision des Rheinstatuts scheiterten jedoch endgültig durch die Note der Reichsregierung vom 14. November 1936, vgl. M. Sengpiel, Das Recht der Freiheit der Schiffahrt auf Rhein und Donau (1998), S. 36 ff. Ein formeller Beitritt der Schweiz zur Mannheimer Akte erfolgte erst durch die „kleine Revision“ im Jahre 1963, vgl. ibid., S. 46. 81 Ferrier (Anm. 77), S. 85, meint dennoch, die Schweiz habe während des Zweiten Weltkrieges einen Anspruch auf die Gewährung der Schiffahrtsfreiheit gehabt, wobei er unter anderem auf die besondere Situation der Schweiz als Binnenstaat hinweist. Er meint weiterhin, der Zweite Weltkrieg habe „erneut“ gezeigt, daß die Rheinschiffahrt auch in Kriegszeiten möglich sei, wenn der Fluß nicht gerade aufgrund der militärischen Lage zum Schlachtfeld werde. 82 Vgl. die bei Hajnal (Anm. 6), S. 121, Anm. 2, wiedergegebene Note des britischen Botschafters in Wien. 83 Nach Petersburg gerichtetes Schreiben des k.u.k. Außenministers Andrássy, 6. Mai 1877, Martens, NRG II 3, S. 201 f. (S. 201); vgl. auch das an die Türkei gerichtete Schreiben vom 22. Mai 1877, ibid., S. 202 ff. (S. 203). 84 Der Wortlaut des Art. CIX der Kongreßakte findet sich oben, in § 2, Anm. 322. 85 Siehe oben, § 3 I. 1. a) aa). 86 Zur Definition des Europäischen Konzerts siehe G. Rolin-Jaequemyns, Le droit international et la phase actuelle de la question d’Orient, RDILC 1876, S. 293 ff. (S. 368): Es handle sich um die „union de l’Europe dans un même droit dont les grandes Puissances sont les gardiennes, ou, sensu strictori, l’union des grandes Puissances pour une action commune, à exercer au nom de l’Europe“. 87 Siehe oben, § 3 I. 1. a) bb). 88 Vgl. oben, bei Anm. 67, 68.

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Die Staatenpraxis insbesondere des 20. Jahrhunderts ist im völkerrechtlichen Schrifttum bislang nicht umfassend ausgewertet worden91. Richard Baxters 1964 erschienenes Buch zum Law of International Waterways stellt aber mit Blick auf die Situation der Donau- und der Rheinschiffahrt während der beiden Weltkriege fest, es gebe ein Recht neutraler Handelsschiffe, internationale Flüsse im Gebiet der Kriegführenden zu befahren92. Dieses Recht müsse unter Umständen gegenüber den militärischen Interessen der 89 Die in der Wiener Kongreßakte enthaltenen Grundsätze zur internationalen Flußschiffahrt werden partiell auch auf außereuropäische Flüsse angewandt, vgl. oben, § 2, in Anm. 324. 90 Siehe z. B. für die Schiffahrt auf dem Paraná und dem Uruguay-Fluß den Art. 6 der Verträge von San José, 10. Juli 1853, Annuaire des deux mondes 1853–1854, S. 947, sowie für den Kongo und den Niger die Art. 25 und 33 der Generalakte der Berliner Konferenz, 26. Februar 1885, Martens, NRG II 10, S. 414. 91 Eine vergleichsweise ausführliche Darstellung der Staatenpraxis bis 1879 findet sich hingegen bei Engelhardt (Anm. 63), S. 174 ff. und 179 f. Nützliche Informationen finden sich auch in den Endnoten von E. Caratheodory, Das Stromgebietsrecht und die internationale Flußschiffahrt, in: F. v. Holtzendorff, Handbuch des Völkerrechts, Bd. 2 (1887), S. 277 ff. (S. 324 ff.). 92 R. R. Baxter, The Law of International Waterways (1964), S. 236 f. Ebenso für den Rhein: Ferrier (Anm. 77), S. 85. Anderer Auffassung bezüglich des Rheins ist Chiesa (Anm. 70), S. 157. Dabei stützt sich Chiesa allerdings weniger auf die Praxis bezüglich der Rheinschiffahrt, als vielmehr auf eine Bemerkung der Richter Anzilotti und Huber in deren op. diss. zum Wimbledon-Fall des StIGH (Frankreich etc. gegen Deutschland), Urteil vom 17. August 1923, CPJI sér. A nº 1, S. 35 ff. (S. 39): Die beiden Richter weisen dort darauf hin, daß eine konsequente Öffnung des Kieler Kanals für die Schiffahrt „aller mit Deutschland in Frieden lebenden Nationen“ es mit sich brächte, daß Deutschland auch im Falle seiner eigenen Verwicklung in einen Krieg verpflichtet wäre, den Kanal für neutrale Schiffe offen zu halten. Das sei aber nicht vorstellbar „sans une obligation correspondante, de la part des Etats avec lesquelles l’Allemagne est en guerre, de respecter la liberté de passage par le canal: l’obligation imposée à un Etat de laisser ouverte, en temps de guerre, une voie d’eau ne saurait se comprendre que pour autant que cette voie est soustraite à l’action des belligérants“. Hierzu ist anzumerken, daß es im Falle des Dampfers Wimbledon gerade nicht um die Durchfahrt von neutralen Schiffen durch das Territorium von Kriegführenden ging, sondern umgekehrt um die Passage von Kriegskonterbande der Kriegführenden durch neutrales Gebiet, vgl. E. Klein (Anm. 1), S. 6. Abgesehen davon kann aus den hypothetischen Erwägungen der beiden Richter nicht geschlossen werden, daß die Gewährleistung einer neutralen Schiffahrt auf internationalen Flüssen unmöglich wäre: Beispielsweise hatten Deutschland, Großbritannien und Österreich-Ungarn im Mai 1877 sowohl die Türkei als auch das damals nicht an der Donau gelegene Rußland dazu angehalten, die neutrale Schiffahrt auf der unteren Donau zu respektieren, vgl. oben, § 3 I. 1. a) aa). Die grundsätzliche Pflicht, die neutrale Schiffahrt auf internationalen Wasserstraßen zu respektieren, trifft somit nicht nur die kriegführenden Uferstaaten, sondern auch deren Kriegsgegner. Ob und inwieweit die Kriegführenden berechtigt sind, die neutrale Schiffahrt zu beschränken (etwa um den Transit von Kriegskonterbande zu verhindern), ist eine andere Frage; vgl. dazu unten, §§ 5 ff.

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Kriegführenden zurücktreten, insbesondere weil passierende Schiffe auf den Transport von Kriegskonterbande hin untersucht werden könnten93. „However, international law must require that the authority of the territorial sovereign be exercised reasonably and with due regard to the seriousness of the dangers anticipated“94. *** Zusammenfassend kann festgestellt werden, daß sich Hinweise auf eine fortdauernde Anwendbarkeit des Prinzips der Schiffahrtsfreiheit in Kriegszeiten bereits aus der Wiener Kongreßakte entnehmen ließen95. Noch deutlicher kommt dies in späteren Ansätzen zur Kodifikation der allgemeinen Grundsätze des internationalen Flußschiffahrtsrechts zum Ausdruck96. Trotz einiger Schwankungen spricht schließlich auch die Praxis im Rahmen der verschiedenen Flußstatute dafür, daß die Schiffahrtsfreiheit durch einen Kriegsausbruch nicht suspendiert wird. Es wäre demnach zu erwarten, daß auch die Praxis im Rahmen des Belgrader Statuts diesem Grundsatz entspricht. b) Die Praxis im Rahmen des Belgrader Statuts Die Donau wurde nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges erst wieder in den neunziger Jahren zum Schauplatz militärischer Auseinandersetzungen97. Während des Kroatien-Konflikts in den Jahren 1991/92 wurden durchfahrende Donauschiffe an der jugoslawisch-kroatischen Grenze mehrfach unter Beschuß genommen98. Die jugoslawische Regierung bestritt eine Verantwortung für die fraglichen Vorkommnisse, die nichtstaatlichen Gruppierungen zuzuschreiben seien99. Der jugoslawische Vertreter in der Donaukommission gab zu Protokoll, die Schiffahrtsfreiheit sei trotz der vereinzelten 93

Baxter (Anm. 92), S. 236. Ibid., S. 237. 95 Siehe oben, § 3 I. 2. a) aa). 96 Siehe oben, § 3 I. 2. a) bb). 97 Zur Situation der Donauschiffahrt während der sowjetisch-jugoslawischen Spannungen in den Jahren nach 1948 vgl. oben, § 2, bei Anm. 267. 98 Siehe die „Synthèse des Informations sur les conséquences du conflit armé dans le secteur yougoslave du Danube“ (CD/SES 50/12 Rev. 2), Procès-Verbaux de la Commission du Danube Bd. 50 (1992), S. 270 ff. (S. 272), sowie die Stellungnahme des ungarischen Vertreters in der Donaukommission, 14. April 1992 (CD/ SES 50/PV 2), ibid., S. 37 ff. (S. 68). 99 Vgl. die Stellungnahme des jugoslawischen Vertreters in der Donaukommission, ibid. (S. 69 f.). 94

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Übergriffe gewährleistet100. Seine Regierung sei jedenfalls bestrebt, die Kontrolle des jugoslawischen Flußabschnitts zu verbessern101. Der von 1992 bis 1995 dauernde Bosnien-Konflikt führte zu noch stärkeren Beeinträchtigungen der Schiffahrtsfreiheit auf der Donau102. Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen ordnete zunehmend verschärfte Beschränkungen der Donauschiffahrt an, um eine effektive Umsetzung der Wirtschaftssanktionen gegen Jugoslawien zu erreichen103. Unter anderem wurde der Verkehr jugoslawischer Schiffe verboten, und der nur bedingt zulässige Transitverkehr wurde strengen Kontrollen unterworfen104. Die jugoslawische Regierung ergriff daraufhin Gegenmaßnahmen und verlangte von den immer seltener passierenden Schiffen hohe „Sicherheitsgebühren“105. Darüber hinaus wurde die Schiffahrt mehrfach durch serbische paramilitärische Einheiten blockiert106. Der Sicherheitsrat bezeichnete die gegen die Donauschiffahrt ausgeübten Repressalien als „inakzeptabel“107. Jugoslawien sei verpflichtet, die Schifffahrtsfreiheit zu respektieren108. Auch die Donaukommission erklärte in einer Resolution, alle in der Belgrader Konvention enthaltenen Pflichten 100

Ibid. (S. 69). Ibid. (S. 69 f.). Es sei angemerkt, daß die Übergriffe wahrscheinlich weniger vom serbischen, als vielmehr vom kroatischen Flußufer ausgingen. Die fragliche Region (Ostslawonien) wurde aber damals von pro-serbischen Kräften kontrolliert, die enge Verbindungen zur jugoslawischen Staatsführung unterhielten. Auf diese Situation scheint der jugoslawische Vertreter in der Donaukommission anzuspielen, wenn er sagt: „Le Gouvernement yougoslave est conscient de la nécessité de prendre à l’avenir aussi des mesures afin que le contrôle sur le secteur yougoslave du Danube soit réalisé par les autorités légales de l’Etat“. 102 Vgl. die Bilanz des ungarischen Vertreters und Präsidenten der Donaukommission, 16. April 1996 (CD/SES 54/PV 1), ibid. Bd. 54 (1996), S. 11 ff. (S. 14), sowie Sengpiel (Anm. 80), S. 3 f., 126 f. 103 Resolutionen 757 (1992), 30. Mai 1992, Abs. 4 bis 6, 787 (1992), 16. November 1992, Abs. 9 und 13, 820 (1993), 17. April 1993, Abs. 15 bis 17. 104 Siehe oben, Einleitung, bei Anm. 99 bis 109. 105 Vgl. die Nachweise oben, Einleitung, Anm. 112. 106 Bericht der ukrainischen Delegation in der Donaukommission, 12. April 1994 (CD/SES 52/PV 1), Procès-Verbaux de la Commission du Danube Bd. 52 (1994), S. 34 ff. (35 f.). Vgl. auch die an den Präsidenten des Sicherheitsrats gerichteten Schreiben vom 4. März bzw. 30. Juli 1993, Conseil de Sécurité, Documents officiels, Suppl. I 1993, S. 234 f. (S/25373), bzw. Suppl. III 1993, S. 135 (S/26206), sowie die im Namen des Sicherheitsrats abgegebene Erklärung des Präsidenten des Sicherheitsrats, Sitzung vom 13. Oktober 1993, S/PV.3290, S. 6 (entspr. S/26572). 107 Im Namen des Sicherheitsrats abgegebene Erklärung vom 13. Oktober 1993, ibid. 108 Im Namen des Sicherheitsrats abgegebene Erklärungen vom 13. Oktober 1993, ibid., sowie vom 14. März 1994, S/PV.3348, S. 2 (entspr. S/1994/PRST/10). 101

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müßten erfüllt werden, soweit sie nicht durch die Sanktionen des Sicherheitsrats berührt wären109. Von der jugoslawischen Seite wurde die Verpflichtung zur Aufrechterhaltung der Schiffahrtsfreiheit keineswegs bestritten. Statt dessen wurde versucht, die „Sicherheitsgebühr“ mit dem Fehlen eigener Einkünfte aus der Donauschiffahrt zu rechtfertigen. Die Maßnahmen zur Sicherung und Unterhaltung des Schiffahrtsweges seien anders nicht finanzierbar110. Sowohl während des Kroatien- als auch während des Bosnienkonflikts war streitig, ob und inwieweit es sich um internationale Konflikte oder um reine Bürgerkriege handelte111. Unabhängig von der diesbezüglichen Haltung der einzelnen Regierungen wurde jedenfalls übereinstimmend davon ausgegangen, daß die Auseinanderssetzungen sich grundsätzlich nicht auf die Anwendbarkeit des Prinzips der Schiffahrtsfreiheit auswirkten. Die Zerstörung mehrerer Donaubrücken während der NATO-Luftangriffe vom 24. März bis zum 10. Juni 1999 verursachte eine erneute Unterbrechung der Schiffahrt auf dem jugoslawischen Flußabschnitt112. Gemäß der bisherigen Praxis wurde von Vertretern der Donaukommission erklärt, das Prinzip der Schiffahrtsfreiheit sei trotz des bewaffneten Konflikts grundsätzlich anwendbar113. Die NATO habe den internationalen Status der Donau möglicherweise einfach übersehen. Jedenfalls habe aber das Prinzip der Schiffahrtsfreiheit den militärischen Zielen nicht untergeordnet werden dürfen114. Ob die militärischen oder sonstigen Ziele der NATO die Beeinträchtigungen der Schiffahrtsfreiheit rechtfertigen konnten, mag zunächst dahinstehen115. Von Interesse ist hier allein, daß die Vertragsstaaten der Belgrader Konvention erneut davon ausgingen, daß die Schiffahrtsfreiheit trotz des bewaffneten Konflikts anwendbar blieb. Dementsprechend machte auch die 109 Resolution der Donaukommission vom 28. April 1993, CD/SES 51/41, Procès-Verbaux de la Commission du Danube Bd. 51 (1993), S. 87 f. (S. 88). 110 Stellungnahmen des jugoslawischen Vertreter in der Donaukommission, 20. April 1993 (CD/SES 51/PV 1), ibid., S. 11 ff. (S. 19 f.), sowie 28. April 1993 (CD/SES 51/PV 2), ibid., S. 29 ff. (S. 36 f. und 40 f.). 111 Vgl. für den Bosnienkonflikt Daillier/Pellet (Anm. 5), S. 922 (§ 575); zur Anerkennung der Souveränität Bosnien-Herzegowinas und Kroatiens durch die Mitgliedstaaten der EU vgl. ibid., S. 560 (§ 370). 112 Siehe oben, Einleitung, Anm. 6. 113 Interview des österreichischen Botschafters und damaligen Generaldirektors der Donaukommission, H. Strasser, mit Voice of America, 29. Mai 1999, www. fas.org/man/dod-101/ops/docs99/990529-kosovo20.htm. 114 Ibid. 115 Siehe dazu unten, § 8 III. 2.

§ 3 Anwendbarkeit des Prinzips der Schiffahrtsfreiheit

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jugoslawische Regierung in ihren eilig beim Internationalen Gerichtshof eingereichten Klagen gegen zehn Teilnehmerstaaten der NATO-Luftangriffe geltend, die Zerstörung der Donaubrücken habe das Prinzip der Schiffahrtsfreiheit verletzt116. Die Rechtmäßigkeit der Zerstörung der Donaubrücken war im Mai 1999 Gegenstand einer kleinen Anfrage im Deutschen Bundestag117. Die Bundesregierung wurde darin unter anderem gefragt, ob die NATO nicht das Prinzip der Schiffahrtsfreiheit gemäß der Pariser und der Belgrader Konvention mißachtet habe. In einer vom Bundesverteidigungsministerium verfaßten Antwort heißt es dazu, der Artikel 1 der Belgrader Konvention verpflichte „lediglich die Mitgliedstaaten“, „ihr Hoheitsgebiet, soweit es die Donau umfaßt“, für den internationalen Schiffsverkehr offenzuhalten118. Der Artikel 1 der Belgrader Konvention119 bestimmt jedoch seinem Wortlaut nach allgemein: „La navigation sur le Danube sera libre et ouverte aux ressortissants, aux bateaux marchands et aux marchandises de tous les Etats“. Die spezielle Verpflichtung der Donaustaaten, ihren jeweiligen Flußabschnitt in einem befahrbaren Zustand zu halten und die Schifffahrt insoweit nicht zu behindern, ist hingegen in Artikel 3 Absatz 1 der Belgrader Konvention geregelt. Auch der Artikel 1 der Pariser Konvention120 sieht generell vor, die Donau solle den Schiffen aller Nationen offen stehen. Ebenso bestimmt Artikel CIX der Wiener Kongreßakte, die Schiffahrt auf dem „gesamten“ Lauf der internationalen Flüsse solle „völlig frei“ sein121. Eine Einschränkung dahingehend, daß die Staaten nur verpflichtet wären, ihren eigenen Flußabschnitt offenzuhalten, ist diesen Bestimmungen nicht zu entnehmen. 116

Klageschrift mit Antrag auf Erlaß vorläufiger Maßnahmen, 29. April 1999, IGH, Legality of Use of Force (Jugoslawien gegen Belgien etc.); vgl. auch die Ausführungen des jugoslawischen Vertreters in der Sitzung des IGH vom 10. Mai 1999, CR 99/14. Es ist hervorzuheben, daß die Anwendbarkeit des Prinzips der Schifffahrtsfreiheit im Verhältnis der Teilnehmerstaaten der Luftangriffe zu Jugoslawien anders zu beurteilen ist als im Verhältnis zu (neutralen) Drittstaaten, vgl. unten, § 3 II. 1. Die jugoslawische Position ist hier aber insofern relevant, als darin die generelle Auffassung zum Ausdruck kommt, daß die Schiffahrtsfreiheit in Kriegszeiten nicht suspendiert wird. 117 Kleine Anfrage der Abgeordneten E. Kenzler und der PDS-Fraktion vom 17. Mai 1999, Bundestagsdrucksache 14/1064. 118 Antwort der Bundesregierung, übermittelt mit Schreiben des Bundesverteidigungsministeriums vom 11. Juni 1999, Bundestagsdrucksache 14/1140 vom 15. Juni 1999, S. 2. 119 Belgrader Konvention, 18. August 1948, UNTS Bd. 33, S. 196. 120 Pariser Konvention, 23. Juli 1921, SdN, RdT Bd. 26, S. 173. 121 Der vollständige Wortlaut des Art. CIX der Wiener Kongreßakte findet sich oben, § 2, in Anm. 322.

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1. Kap.: Der Schutz der Schiffahrtsfreiheit

Während des russisch-türkischen Krieges 1877/78 wurde Rußland von Österreich-Ungarn122, Deutschland123 und Großbritannien124 aufgefordert, die Schiffahrtsfreiheit auf der Donau zu respektieren, obwohl Rußland seinerzeit kein Uferstaat der Donau war. Man stützte sich dabei auf Artikel CIX der Wiener Kongreßakte, der eine völlige Freiheit der Schiffahrt auf den sogenannten Vertragsflüssen gebietet125. Ebenso wurde die Sowjetunion am Ende des Zweiten Weltkrieges aufgefordert, die Schiffahrtsfreiheit auf dem österreichischen Donauteilstück zu respektieren126. Insgesamt spricht vieles dafür, daß die Schiffahrtsfreiheit nicht nur von den unmittelbaren Uferstaaten respektiert werden muß. Es wäre inkonsequent, wenn ein Uferstaat während eines Krieges verpflichtet wäre, seinen Flußabschnitt in einem befahrbaren Zustand zu erhalten, während seine Kriegsgegner die Schiffahrt nach Belieben behindern oder unterbrechen könnten127. Besonders deutlich wird dies im Falle einer militärischen Besetzung: Wenn die Truppen eines Donaustaates die Grenze zu einem anderen Donaustaat überqueren, besteht kein Grund, warum sie insoweit auf einmal das Prinzip der Schiffahrtsfreiheit mißachten könnten. 122 Nach Petersburg gerichtetes Schreiben des k.u.k. Außenministers Andrássy, 6. Mai 1877, Martens, NRG II 3, S. 201 f. (S. 202). 123 Année Maritime 1878 (Anm. 4, S. 47). 124 Note des britischen Botschafters in Wien, wiedergegeben bei Hajnal (Anm. 6), S. 121, Anm. 2. 125 Vgl. ibid. sowie das Schreiben des k.u.k. Außenministers vom 6. Mai 1877 (Anm. 122, S. 201). 126 Vgl. oben, Einleitung, bei Anm. 88 bis 91. 127 Die Richter Anzilotti und Huber waren in ihrer op. diss. zum WimbledonFall des StIGH sogar der Meinung, die Verpflichtung eines im Krieg befindlichen Uferstaates, eine internationale Wasserstraße offen zu halten, sei undenkbar, wenn der Wasserweg nicht völlig befriedet wäre, vgl. oben, Anm. 92. Diese Einschätzung ist übertrieben, weil es zur Gewährleistung der Schiffahrtsfreiheit meist genügt, wenn alle Kriegführenden auf die neutrale Schiffahrt angemessen Rücksicht nehmen. Den Richtern ist aber im Kern darin zuzustimmen, daß es unrealistisch wäre, den Respekt der Schiffahrtsfreiheit lediglich vom jeweiligen Uferstaat zu verlangen. Die Praxis zeigt deutlich, daß die Kriegführenden nur insoweit bereit sind, die Schiffahrtsfreiheit zu respektieren, wie dies auch ihre jeweiligen Kriegsgegner tun. Bei den Verhandlungen zur Donauschiffahrt vom Mai 1877 kam es beispielsweise Österreich-Ungarn zugute, daß Rußland sehr rasch den Respekt der Schiffahrtsfreiheit zugesagt hatte, so daß man sich gegenüber der Territorialmacht Türkei auf diese Zusage berufen konnte, vgl. das nach Istanbul gerichtete Schreiben des k.u.k. Außenministers Andrássy, 22. Mai 1877, Martens, NRG II 3, S. 202 ff. (S. 203 und 206). In einem Schriftwechsel zwischen der türkischen Admiralität und der Europäischen Donaukommission vom 17./19. September 1877, in: The Times (London), 6. Oktober 1877, S. 5, kommt ebenfalls zum Ausdruck, daß die Türkei nur insoweit bereit war, das Donaustatut zu beachten, wie das auch durch Rußland erfolgte.

§ 3 Anwendbarkeit des Prinzips der Schiffahrtsfreiheit

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Darüber hinaus ist anzumerken, daß der Respekt der Schiffahrtsfreiheit auf der Donau nicht nur den Vertragsstaaten des Pariser beziehungsweise Belgrader Statuts obliegt. Die Anwendung der Prinzips der Schiffahrtsfreiheit ist nämlich Teil des „droit public de l’Europe“ und muß deshalb allgemein respektiert werden muß128.

II. Die Situation der Schiffahrt der Konfliktparteien Das Prinzip der Schiffahrtsfreiheit ist im Verhältnis der Konfliktparteien zueinander suspendiert (1.), kommt aber zwischen Alliierten grundsätzlich zur Anwendung (2.). 1. Die Suspension der Schiffahrtsfreiheit zwischen Kriegsgegnern Im Falle bewaffneter Konflikte im Donauraum haben die Kriegführenden – soweit ersichtlich – immer versucht, ihre jeweiligen Gegner um die Vorteile der Benutzung des Flusses zu bringen. Als beispielsweise Rußland und die Türkei im Mai 1877 das Verbot der neutralen Schiffahrt aufhoben, hielten sie weiter am Verbot der Schiffahrt unter feindlicher Flagge fest129. Im Verlauf beider Weltkriege unternahmen die Kriegführenden erhebliche Anstrengungen, um die Benutzung der Donau durch den jeweiligen Gegner zu verhindern oder zumindest zu stören130. Während des „Kosovo-Krieges“ hatte die Zerstörung von Donaubrücken die unbeabsichtigte Nebenwirkung131, den Zugang von ölbeladenen Tankschiffen aus dem Schwarzmeerraum nach Serbien zu behindern132. Die NATO bombardierte an der Donau 128

Siehe oben, § 2 III. 1. c). Gemäß der Ziff. 8 des russischen Ukas vom 24. Mai 1877 (Anm. 18) wurde lediglich das Verbot der Schiffahrt unter neutraler Flagge aufgehoben (ein gleichlautender Befehl vom 12. Mai 1877 ist wiedergegeben bei Hajnal [Anm. 6], S. 121, Anm. 1). Die Türkei erklärte bei der Wiedereinräumung der Schiffahrtsfreiheit ausdrücklich, daß die Donau für russische Schiffe geschlossen bliebe, Ziff. 3 der türkischen Anweisungen zur Donauschiffahrt, Année Maritime 1878 (Anm. 4, S. 50). 130 Vgl. für den Ersten Weltkrieg die Schilderungen des Kriegsgeschehens bei Chamberlain (Anm. 12), S. 122 ff., sowie in: Der Weltkrieg, Bd. 9, Die Operationen des Jahres 1915, hrsg. vom Reichsarchiv (1933), S. 143, 146, 148, 240, und Bd. 11, Die Kriegführung im Herbst 1916, hrsg. vom Reichskriegsministerium (1938), S. 204. Für den Zweiten Weltkrieg siehe oben, Einleitung, bei Anm. 81 bis 85. 131 Das Ziel der Zerstörung der Donaubrücken war es, von der Vojvodina nach dem Kosovo führende Nachschublinien der jugoslawischen Armee zu unterbrechen, vgl. US Department of Defense, Pressekonferenz vom 9. April 1999, www.fas.org/ man/dod-101/ops/docs99/t04091999_t0409asd.htm, sowie die Stellungnahme der Bundesregierung zu einer kleinen Anfrage der PDS-Fraktion (Anm. 118), Bundestagsdrucksache 14/1140 vom 15. Juni 1999, S. 2. 129

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1. Kap.: Der Schutz der Schiffahrtsfreiheit

gelegene Hafenanlagen und Öldepots133. Von direkten Attacken auf Donauschiffe wurde allerdings – trotz eines entsprechenden militärischen Interesses – abgesehen134. Die Donau hat im Falle bewaffneter Konflikte eine eminente Bedeutung als Nachschubweg für Truppen- und Munitionstransporte, ebenso für den Nachschub von kriegswichtigen Rohstoffen, wie Öl, metallischen Erzen etc.135. Es ist somit nicht überraschend, daß die Kriegführenden nicht nur die militärische, sondern auch die zivile Donauschiffahrt ihrer Gegner zu unterbinden suchten. Wie Eckart Klein zutreffend feststellt, wäre es unrealistisch, von Uferstaaten internationaler Wasserstraßen generell zu fordern, die Schiffahrtswege in Kriegszeiten für ihre Gegner offen zu halten136. In diesem Sinn haben niederländische Gerichte nach dem Zweiten Weltkrieg geurteilt, die Rheinschiffahrtsakte sei im Verhältnis zwischen den Niederlanden und Deutschland von 1940 bis 1945 suspendiert gewesen137. Ebenso sah das 1840 zwischen Portugal und Spanien vereinbarte Statut des Douro vor, daß die Schiffahrtsfreiheit im Falle eines Krieges zwischen den beiden Staaten suspendiert sein sollte138. Das im Jahre 1887 vom Institut de droit international verabschiedete „Projet de règlement international de navigation fluviale“139 sieht in Arti132 United States Energy Information Administration, 10. Juni 1999, Enforcement of Serbian Sanctions and Embargo, www.eia.doe.gov/emeu/cabs/serbsanc.html. 133 Ibid. 134 Nach der Schilderung des Directeur des affaires juridiques im französischen Verteidigungsministerium, Marc Guillaume, anläßlich einer Informationsveranstaltung in der Université Paris X-Nanterre im Wintersemester 1999/2000 hatte die NATO Maßnahmen gegen die Donauschiffahrt erwogen, diese aber wegen rechtlicher Bedenken nicht umgesetzt. 135 Vgl. für den Ersten Weltkrieg R. C. Frucht, Dunarea noastra – Romania, the Great Powers, and the Danube Question 1914–1921 (1982), S. 35, sowie Der Weltkrieg, Bd. 9 (Anm. 130), S. 143. Für den Zweiten Weltkrieg siehe oben, Einleitung, bei Anm. 79, 80. 136 E. Klein (Anm. 1), S. 298 f. 137 Arr.-Rechtb. Rotterdam, 29. Dezember 1950 („Golden River“), Nederlandse Jurisprudentie 1951, S. 167 ff. (S. 167, 169), auszugsweise auch in: JDI 1955 (Bd. 82), S. 881, District Court of Rotterdam, 14. Januar 1954 (Nederlandsche Rijnvaartvereeniging v. Damco), ILR 1954 (Bd. 21), S. 276 f. (S. 277). 138 Der Art. 12 der Convention entre le Portugal et l’Espagne pour la libre navigation du Douro, 23. Mai 1840, Martens, NRG I 1, S. 98, sah vor, daß die Schiffahrtsfreiheit bis zu einer Kriegserklärung gewährleistet sein sollte. Man ging folglich davon aus, daß die Schiffahrtsfreiheit in Kriegzeiten suspendiert ist. Da die Schiffahrt auf dem Douro gemäß Art. 1 und 11 lediglich den Schiffen der beiden Vertragsstaaten offen stand, konnte sich übrigens das Problem des Schutzes einer neutralen Schiffahrt nicht stellen.

§ 3 Anwendbarkeit des Prinzips der Schiffahrtsfreiheit

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kel 6 vor, die „neutrale“ Schiffahrt solle auf internationalen Flüssen grundsätzlich gewährleistet sein. E contrario ist zu folgern, daß dies nicht zugunsten der feindlichen Schiffahrt gelten soll. Der Artikel XX der 1966 von der International Law Association verabschiedeten „Helsinki Rules on the Uses of International Rivers“ besagt, die Schiffahrtsfreiheit solle im Falle bewaffneter Konflikte insoweit aufrechterhalten werden, wie dies mit den „exigencies of the situation“ vereinbar sei140. Der Kommentar erläutert, Kriegsschiffen des jeweiligen Gegners könne die Durchfahrt ohne weiteres verwehrt werden141. Die zivile Schifffahrt des Gegners dürfe aber nur unterbunden werden, soweit sie den militärischen Anstrengungen des Uferstaates abträglich wäre142. Das „Projet de règlement international“ des Institut de droit international spiegelt die Staatenpraxis zutreffend wider, indem es von einer Suspension der Schiffahrtsfreiheit zwischen Kriegsgegnern ausgeht. Die „Helsinki Rules“ der International Law Association weichen davon ab, indem sie das Erfordernis einer militärischen Notwendigkeit zur Beschränkung der feindlichen Handelsschiffahrt aufstellen143. Allerdings ist zu beachten, daß die „Helsinki Rules“ nicht speziell den Fall eines klassischen Krieges im Auge haben, sondern den Krieg nur als einen Unterfall von bewaffneten Konflikten behandeln144. Die Beschränkung der feindlichen Handelsschiffahrt ist Teil der in Kriegszeiten üblichen Wirtschaftskriegführung145, die bei begrenzten militärischen Auseinandersetzungen nicht notwendigerweise eingesetzt werden muß146. Eine Verpflichtung, bei derartigen Konflikten auf Be139

Annuaire IDI 1887 (9. Jahr), S. 182 ff. ILA, Report of the Fifty-Second Conference, Helsinki 1966, S. 477 ff. (S. 510 f.). 141 Ibid. (S. 511). Vgl. aber Art. XIX der „Helsinki Rules“, ibid. (S. 510), nach dem das Prinzip der Schiffahrtsfreiheit auf Staatsschiffe ohnehin nicht anwendbar sein soll. 142 Ibid. (S. 511). 143 Die „Helsinki Rules“ legen die gleichen Maßstäbe auf die Zulässigkeit von Beschränkungen der neutralen wie der feindlichen Handelsschiffahrt an, vgl. oben, bei Anm. 61. 144 Der Art. XX der „Helsinki Rules“ (Anm. 140) beginnt mit den Worten: „In time of war, other armed conflict“ etc. 145 Vgl. M. Bothe, Friedenssicherung und Kriegsrecht, in: W. Graf Vitzthum (Hrsg.), Völkerrecht (2. Aufl. 2001), S. 660 (Abschn. 8, Rn. 91). 146 Die unmittelbaren Rechtsfolgen moderner bewaffneter Konflikte sind im Vergleich zu klassischen Kriegen deutlich milder, vgl. oben, § 2, Anm. 90. Insbesondere ist nicht mehr davon auszugehen, daß der Ausbruch eines bewaffneten Konflikts automatisch zur Suspension oder zur Vernichtung ganzer Kategorien von Verträgen führt, vgl. oben, § 2, Anm. 98. Es ist durchaus möglich, daß die Konfliktparteien im Interesse einer Konfliktdämpfung darauf verzichten, Maßnahmen gegen die feindliche Handelsschiffahrt zu ergreifen. In derartigen Fällen ist dementsprechend 140

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1. Kap.: Der Schutz der Schiffahrtsfreiheit

schränkungen der feindlichen Handelsschiffahrt zu verzichten, ist jedoch in der Staatenpraxis nicht eindeutig nachweisbar147. Eine diesbezügliche Begrenzung bewaffneter Konflikte ist deshalb eher ein rechtspolitisches Desiderat als eine de lege lata gültige Regel. Jugoslawien stellte sich hinsichtlich der Zerstörung der Donaubrücken während der NATO-Luftangriffe auf den Standpunkt, die Teilnehmerstaaten der Luftangriffe hätten die Schiffahrtsfreiheit auf der Donau verletzt und seien deshalb für die Beseitigung aller Schäden verantwortlich148. Dabei wurde offenbar die Anwendbarkeit des Prinzips der Schiffahrtsfreiheit im Verhältnis zwischen den Konfliktparteien als selbstverständlich vorausgesetzt. Demgegenüber ist jedoch auf die übliche Praxis hinzuweisen, nach der die Schiffahrtsfreiheit zwischen den Konfliktparteien als suspendiert anzusehen ist149. Verletzungen der Schiffahrtsfreiheit können lediglich von neutralen Staaten geltend gemacht werden, nämlich im Falle von Übertretungen gegenüber der neutralen Schiffahrt150. von der Anwendbarkeit des Prinzips der Schiffahrtsfreiheit zwischen den Konfliktparteien auszugehen. 147 Das Recht bewaffneter Konflikte (ius in bello) ist ein Komplex von Verbotsnormen. Soweit eine prohibitive Norm nicht nachweisbar ist, muß im Zweifel von der Zulässigkeit einer militärischen Maßnahme ausgegangen werden, vgl. den Schiedsspruch Questions arising as to Danube shipping (Alliierte Mächte, Deutschland, Österreich, Ungarn, Bulgarien), 2. August 1921, RIAA Bd. I, S. 7 (S. 104); dieses Prinzip wurde bestätigt durch das Gutachten des IGH zur Legality of the Threat or Use of Nuclear Weapons (UNO-Gutachten), 8. Juli 1996, ICJ Reports 1996 (I), S. 226 (S. 247). 148 Vgl. die Nachweise oben, Einleitung, Anm. 122, 123. 149 Siehe oben, bei Anm. 129, 130, 137, 138. 150 Zu einem anderen Ergebnis könnte man eventuell aufgrund folgender Überlegung gelangen: Statusverträge sind integrale Verträge, bei denen die vertraglichen Beziehungen grundsätzlich nicht in bilaterale Verhältnisse aufgespalten werden können, vgl. oben, Anm. 307. Wenn nun ein Kriegführender die Rechte der neutralen Schiffahrt verletzt, könnte das potentiell nicht nur als Verstoß gegenüber den Neutralen, sondern auch als Rechtsverletzung gegenüber dem Kriegsgegner anzusehen sein. Eine solche Schlußfolgerung wäre aber letztlich unzutreffend, weil im Falle eines Krieges ausnahmsweise doch die Bilateralisierung der Rechtsverhältnisse stattfindet: Die Schiffahrtsfreiheit ist im Verhältnis der Konfliktparteien zueinander suspendiert und kann deshalb insoweit nicht verletzt werden. Dementsprechend finden sich keine Beispiele dafür, daß ein Kriegführender eine Mißachtung der neutralen Flußschiffahrt als Mißachtung seiner eigenen Rechte angesehen hätte. Das Neutralitätsrecht gilt gerade nur im Verhältnis der Kriegführenden zu den Neutralen und nicht im Verhältnis der Kriegführenden untereinander, siehe G. Schwarzenberger, International Law, Bd. II, The Law of Armed Conflict (1968), S. 69: „Under international customary law, belligerent States do not owe to one another any legal duty to respect the neutrality of third Powers“. Etwas anderes gelte nur für statusvertraglich vereinbarte Neutralisierungen, d.h. nicht für die hier in Rede stehende Freiheit der neutralen Handelsschiffahrt.

§ 3 Anwendbarkeit des Prinzips der Schiffahrtsfreiheit

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Ergänzend ist darauf hinzuweisen, daß die Statute internationaler Flüsse im Falle bewaffneter Konflikte meist nur partiell suspendiert werden. Die Flußstatute sind nämlich häufig auch Gründungsverträge von Flußkommissionen, bei denen es sich um internationale Organisationen beziehungsweise deren Vorläufer handelt151. Die Kommissionen verfügen gegenüber den Mitgliedstaaten über eine rechtliche Eigenständigkeit152, und an der Kontinuität ihres Wirkens besteht ein allgemeines Interesse153. Der Ausbruch eines bewaffneten Konflikts zwischen einzelnen Vertragsstaaten wirkt sich deshalb regelmäßig nicht auf deren Zusammenarbeit in den Flußkommissionen aus154. 2. Die Gewährleistung der Schiffahrtsfreiheit unter Verbündeten Das Prinzip des Schiffahrtsfreiheit kommt zwischen Verbündeten auch in Kriegszeiten zur Anwendung155. Jedoch müssen Maßnahmen, die aufgrund militärischer Notwendigkeiten gegenüber neutralen Staaten zulässig sind, a fortiori im Verhältnis verbündeter Staaten zueinander als rechtmäßig angesehen werden156. 151 Vgl. E. Klein, Die Internationalen Organisationen als Völkerrechtssubjekte, in: W. Graf Vitzthum (Hrsg.), Völkerrecht (2. Aufl. 2001), S. 274 (Abschn. 4, Rn. 4). 152 Ibid. 153 Vgl. oben, § 2, Anm. 86. 154 Der Ausbruch bewaffneter Konflikte wirkt sich generell nicht auf die Anwendbarkeit der Gründungsverträge internationaler Organisationen aus, siehe Daillier/Pellet (Anm. 5), S. 309 (§ 200), K. Ipsen, Völkerrecht (4. Aufl. 1999), S. 1107 (§ 71, Rn. 10), sowie Art. 6 der Resolution des IDI bezüglich „The effects of armed conflicts on treaties“, Annuaire IDI 1986 (Bd. 61 II), S. 278 ff. Dieser Regel entspricht die Praxis im Rahmen des Pariser Donaustatuts, vgl. oben, § 2 I. 2. b). Ebenso setzten beispielsweise Jugoslawien und der NATO-Staat Ungarn ihre Arbeit in der Budapester Donaukommission während des Kosovo-Konflikts fort. 155 Zum Beispiel wurde in der niederländischen Rechtsprechung davon ausgegangen, daß die Rheinschiffahrtsakte während des Zweiten Weltkrieges zwischen den alliierten Mächten uneingeschränkt anwendbar war, vgl. District Court of Rotterdam, 14. Januar 1954 (Nederlandsche Rijnvaartvereeniging v. Damco), ILR 1954 (Bd. 21), S. 276 f. (S. 277). 156 Die Donauschiffahrt ist bei militärischen Konflikten im Donauraum von erheblicher strategischer Bedeutung. Verbündete Staaten haben deshalb meist ein gemeinsames Interesse, sich die Vorteile der Nutzung des Donauweges zu sichern und ihre Gegner von der Nutzung des Flusses auszuschließen. Interessengegensätze können nur ausnahmsweise auftreten, etwa wenn einzelne Verbündete ein größeres Interesse an der wirtschaftlichen Nutzung des Flusses haben als andere. Eine solche Situation war beispielsweise bei der Bombardierung der Donaubrücken während des Kosovo-Konflikts gegeben, weil einige NATO-Staaten stärker am Transitverkehr über den jugoslawischen Donauabschnitt interessiert sind als andere. Von diesbezüglichen Divergenzen ist allerdings nichts bekannt geworden.

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1. Kap.: Der Schutz der Schiffahrtsfreiheit

§ 4 Die teilweise Neutralisierung und Demilitarisierung durch das Pariser Statut Bei den seit den neunziger Jahren laufenden Verhandlungen zur Revision des Belgrader Statuts wurde die Gewährleistung der Schiffahrtsfreiheit in Krisen und im Konfliktfall als regelungsbedürftig angesehen1. Hierbei kann potentiell auf die Erfahrungen im Rahmen des Pariser Donaustatuts zurückgegriffen werden. So waren im Jahre 1865 die Werke und Einrichtungen der Europäischen Donaukommission für neutral erklärt worden2 (I.). Die während des russisch-türkischen Krieges aufgetretenen Probleme bei der Gewährleistung der Schiffahrtsfreiheit führten 1878 zusätzlich zu einer partiellen Demilitarisierung des Unterlaufs der Donau3 (II.).

I. Die Neutralisierung von 1865 Die Neutralisierung der Werke und Einrichtungen der Europäischen Donaukommission war ursprünglich an die Neutralität des Schwarzen Meeres4 gebunden, wurde aber auch nach der Aufhebung dieser Neutralität im Jahre 18715 aufrechterhalten6. Durch den Londoner Pontus-Vertrag erlangte die Türkei allerdings die Möglichkeit, mit ihren Kriegsschiffen ungehindert in die Donaumündung einzulaufen7 (1.). Um die Bewegungsfreiheit der türkischen Flotte einzuschränken, errichtete die russische Armee deshalb während des Krieges von 1877/78 in einem der Mündungsarme eine sogenannte Steinblockade8. Das führte zu Protesten der Europäischen Donaukommission9 (2.). In späteren Kriegen spielte die Neutralisierung keine wesentliche 1

Vgl. die Nachweise oben, § 2, Anm. 413. Art. 21 des Acte public, vereinbart in Galatz von den Mitgliedern der Europäischen Donaukommission, 2. November 1865, Martens, NRG I 18, S. 144, sanktioniert durch die Pariser Konferenz, Protokoll Nr. 3, 28. März 1866, ibid., S. 177 ff. (S. 178 f.). 3 Art. LII des Berliner Vertrages, 13. Juli 1878, ibid. II 3, S. 449. 4 Art. XI des Allgemeinen Friedensvertrages von Paris, 30. März 1856, ibid. I 15, S. 770. 5 Art. I des Pontus-Vertrages, 13. März 1871, ibid. I 18, S. 303. 6 Art. VII S. 1 und 2 des Pontus-Vertrages, ibid. 7 Art. VII S. 3 des Pontus-Vertrages, ibid. 8 Vgl. die von der Europäischen Donaukommission in Auftrag gegebene Chronik La Commission Européenne du Danube et son œuvre de 1856 à 1931 (1931), S. 28. Zum Begriff der Steinblockade siehe oben, Einleitung, Anm. 48. 9 J. P. Chamberlain, The Regime of International Rivers: Danube and Rhine, Dissertation, New York 1923, S. 66. Zur Neutralisierung der Werke und Einrichtungen der Europäischen Donaukommission heißt es schon in The Times (London) vom 15. Mai 1877, S. 5 (The War on the Danube, Meldung aus Wien vom 14. Mai): 2

§ 4 Neutralisierung und Demilitarisierung durch das Pariser Statut

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Rolle (3.) und wurde schließlich durch die Übereinkommen von Sinaia und Budapest in den Jahren 1938/39 aufgehoben10 (4.). 1. Bedeutung und Reichweite Der im Jahre 1865 in Galatz vereinbarte Acte public zur Schiffahrt in der Donaumündung11 sah in Artikel 21 Absatz 1 vor, daß die „ouvrages et établissements de toute nature créés par la Commission européenne“ an der Neutralität des Schwarzen Meeres12 teilhaben sollten und von allen Kriegführenden respektiert werden müßten. Gemäß Artikel 21 Absatz 2 wurde die Neutralisierung auf die Verwaltungsgebäude und das Personal der Kommission erstreckt13. In Artikel VII Satz 1 und 2 des Pontus-Vertrages von 187114 wurde bestimmt, daß die im Acte public vorgesehene Neutralisierung unabhängig vom „Status“ des Schwarzen Meeres15 fortbestehen sollte16 und „unter allen Umständen“ zu respektieren sei. Durch Artikel VII Satz 3 wurde aber verdeutlicht, daß hiermit keine absolute Neutralisierung der Donaumündung beabsichtigt war. Der Türkei wurde nämlich bestätigt, daß sie als Territorialmacht das Recht habe, mit Kriegsschiffen in die Donau einzulaufen. Im Falle einer völligen Neutralisierung wären hingegen alle Arten militärischer Aktivitäten in der Donaumündung verboten gewesen17. „There seems to be no difference of opinion between the neutral Cabinets [. . .] that anything tending to permanently injure these works by either belligerent would be deemed a violation of this neutrality“. 10 Art. 2 des Übereinkommens („arrangement“) von Sinaia, geschlossen zwischen Frankreich, Großbritannien und Rumänien, 18. August 1938, SdN, RdT Bd. 196, S. 113. Gemäß Art. 2 des Übereinkommens („accord“) von Bukarest, 1. März 1939, ibid., S. 126, traten Deutschland und Italien dem Übereinkommen von Sinaia bei. 11 Acte public vom 2. November 1865, Martens, NRG I 18, S. 144. 12 Art. XI des Allgemeinen Friedensvertrages von Paris, 30. März 1856, ibid. I 15, S. 770. 13 Siehe hierzu schon oben, § 2, Anm. 102. 14 Londoner Vertrag, 13. März 1871, Martens, NRG I 18, S. 303. 15 Die Neutralisierung des Schwarzen Meeres war keine statusvertragliche Regelung, weil das Schwarze Meer als Teil der Hohen See nicht der Verfügungsgewalt einzelner Staaten unterliegt, E. Klein, Statusverträge im Völkerrecht (1980), S. 112. Durch entsprechende Regelungen über den Zugang von Kriegsschiffen konnte die Neutralisierung aber dennoch allgemein durchgesetzt werden, vgl. ibid., S. 112, Anm. 168, sowie oben, § 2, Anm. 36 in fine. 16 Die Neutralisierung des Schwarzen Meeres wurde hingegen durch Art. I des Pontus-Vertrages aufgehoben. 17 Vgl. in diesem Sinne das nach Petersburg gerichtete Schreiben des k.u.k. Außenministers Andrássy, 6. Mai 1877, Martens, NRG II 3, S. 201 f. (S. 201): „En

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1. Kap.: Der Schutz der Schiffahrtsfreiheit

2. Der russisch-türkische Krieg von 1877/78 In der Zeit von 1871 bis zum Ausbruch des russisch-türkischen Krieges war es Rußland nicht gelungen, eine den türkischen Seestreitkräften ebenbürtige Schwarzmeerflotte aufzubauen18. Die modernen türkischen Kanonenboote waren allerdings nicht nur auf dem Meer einsetzbar, sondern sie konnten auch in der Donaumündung und auf der unteren Donau operieren19. Die Türkei hatte zudem das bulgarische Südufer und die Inseln des Flußdeltas massiv befestigt, so daß der russische Vormarsch an dieser Linie zeitweilig zum Stehen kam20. Der Einsatz von Torpedos und Minen erwies sich als nicht hinreichend, um die Attacken der türkischen Marine abzuwehren. Anfang Juli 1877 versenkte die russische Armee deshalb drei mit Steinen beschwerte Frachtschiffe in einem von der Europäischen Kommission schiffbar gemachten Mündungsarm21. Die Barriere blockierte nicht nur die gesamte Schiffahrt, sondern sie veränderte auch die Strömungsverhältnisse im Flußbett, so daß die neu angelegte Fahrrinne versandete22. Die Rechtmäßigkeit der russischen Steinblockade ist von den betroffenen Regierungen, ebenso wie im völkerrechtlichen Schrifttum, unter verschiedenen Gesichtspunkten erörtert worden23. Von Interesse ist hier allerdings zudehors des ouvrages et établissements créés par la Commission européenne du Danube, ainsi que du personnel de cette Commission, déclarés neutres par l’article 21 de l’Acte public de 1865, la liberté de navigation garantie sur le Danube [. . .] ne saurait empêcher que le cours inférieur du fleuve, de même que ses deux rives, ne puissent être enveloppés dans la lutte qui vient de s’ouvrir“. 18 Chamberlain (Anm. 9), S. 63; vgl. auch The Times (London), 16. Mai 1877, S. 5 (The War on the Danube, Meldung aus Wien vom 14. Mai). 19 Ibid. 20 Es gelang der russischen Armee immerhin, am 28. Juni 1877 die Donau zu überqueren. Der Fluß und die Festungen blieben jedoch bis zum Waffenstillstand vom 31. Januar 1878 unter türkischer Kontrolle, Chamberlain (Anm. 9), S. 63, 65, 66 f. 21 Ibid., S. 66, La Commission Européenne du Danube et son œuvre (Anm. 8), S. 28, P. Fauchille, Du blocus maritime (1882), S. 175, E. Engelhardt, Régime des fleuves internationaux, RDILC 1881, S. 187 ff. (S. 190). 22 Vgl. Chamberlain (Anm. 9), S. 66. 23 Beispielsweise erörtert Fauchille (Anm. 21), S. 176 ff., die Vereinbarkeit der russischen Steinblockade mit den allgemeinen Regeln der Seeblockade; Engelhardt, (Anm. 21, S. 190, Anm. 1) mißt die Rechtmäßigkeit der russischen „Blockade“ an den Standards, die infolge der Proteste der Neutralen im Mai 1877 festgelegt worden waren; A. Rivier, Lehrbuch des Völkerrechts (2. Aufl. 1899), S. 412, spricht das russische Vorgehen im Zusammenhang mit der generellen Zulässigkeit von Steinblockaden an; A. Ch. Boyd äußert in seiner Ausgabe von H. Wheatons Elements of International Law (English edition 1878), S. 259 (§ 197a), allgemein, das russische Vorgehen habe „the rights of neutral commerce“ verletzt. Diese Varietät an möglichen Gründen für die Unzulässigkeit der russischen Steinblockade findet sich eben-

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nächst nur, ob die russische Maßnahme mit der Neutralisierung der Werke und Einrichtungen der Europäischen Donaukommission vereinbar war24. Die russische Regierung war sich der Fragwürdigkeit ihres Vorgehens durchaus bewußt und hatte den Neutralen schon im voraus eine Apologie zukommen lassen25. Sie wies darauf hin, daß die Donaumündung keiner absoluten Neutralität unterlag, und daß man es insbesondere versäumt hatte, das Befahren der Donau mit Kriegsschiffen zu untersagen. Von der türkischen Flotte gingen für die russische Armee „unkalkulierbare Risiken“ aus; es wäre deshalb „ungerecht“, wollte man Rußland verbieten, sich hiergegen zu schützen26. Die Europäische Donaukommission quittierte die russische Maßnahme mit Protesten27 und forderte eine rasche Beseitigung der Barriere28. Auch die türkische Admiralität betrachtete die Steinblockade als einen Verstoß gegen die 1865 vereinbarte Neutralisierung und drohte, sich ähnlicher Mittel zu bedienen, sollte die Sperre bestehen bleiben29. Die russische Regierung weigerte sich, die versenkten Schiffe zu heben, und versuchte am Ende des Krieges sogar im Präliminarfrieden von San Stefano, die Aufräumarbeiten auf die Türkei abzuwälzen30. Beim Berliner Friedenskongreß wurde die Frage aus der Generaldebatte ausgeklammert31; statt dessen mußte sich anschließend die Europäische Donaukommission falls in einer auf Anfrage des Foreign Office abgegebenen Stellungnahme des ehemaligen britischen Vertreters in der Europäischen Donaukommission, J. Stokes, in: H. Hajnal, Le droit du Danube international (1929), S. 119, Anm. 3. 24 Der Frage, ob internationale Flüsse überhaupt einer Blockade unterworfen werden dürfen, wird unten, in § 6 III, nachgegangen; die Frage der Zulässigkeit von Steinblockaden ist dann Gegenstand von § 8 II. 25 Siehe die Dokumentation in Année Maritime 1878 (Edition Berger-Levrault, Paris), Suspension de la navigation sur le Danube, S. 47 ff. (S. 50 f.). 26 Ibid. (S. 50). 27 Chamberlain (Anm. 9), S. 66. 28 Vgl. die Mitteilungen eines Vertreters der Europäischen Donaukommission an die türkische Admiralität, 19. September 1877, in: The Times (London), 6. Oktober 1877, S. 5. 29 Schreiben der türkischen Admiralität an die Europäische Donaukommission, 17. September 1877, ibid. Die Türkei setzte ihre Drohung letztlich nicht in die Tat um, vgl. Chamberlain (Anm. 9), S. 66. Das erklärt sich damit, daß die Türkei ein erhebliches Interesse daran hatte, die Donau in einem befahrbaren Zustand zu erhalten, um ihre überlegenen Seestreitkräfte auf dem Fluß zum Einsatz bringen zu können, vgl. The Times (London), 16. Mai 1877, S. 5 (The War on the Danube, Meldung aus Wien vom 14. Mai). 30 Art. 13 des Präliminarfriedens von San Stefano, 3. März 1878, Martens, NRG II 3, S. 246. 31 Protokoll Nr. 11 des Berliner Kongresses, 2. Juli 1878, ibid., S. 371 ff. (S. 373 f.).

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1. Kap.: Der Schutz der Schiffahrtsfreiheit

mit dem Problem befassen32. Rußland wurde aufgefordert, sowohl die Kosten für die Bergung der Schiffe, als auch für die Beseitigung der Schäden an der Fahrrinne zu übernehmen33. Der russische Vertreter erklärte sich lediglich bereit, die Bergungskosten für die versenkten Schiffe zu erstatten, weigerte sich aber, die Kosten für Wiederherstellung der Fahrrinne zu tragen. Die Frage wurde daraufhin den Regierungen vorgelegt, die zur Vermeidung weiteren Streits entschieden, die Europäische Kommission solle die Kosten übernehmen34. Der ehemalige französische Vertreter in der Europäischen Donaukommission, Eduard Engelhardt, wies in späteren Veröffentlichungen darauf hin, daß die Kommission über zwanzig Jahre Arbeit auf die Herrichtung der Donaumündung verwendet hatte35. Es könne daher nicht hingenommen werden, daß ein Kriegführender mutwillig den Schiffahrtsweg beschädige36. Ein ehemaliges britisches Kommissionsmitglied äußerte Verständnis für das militärische Anliegen der russischen Armee, stellte aber in Frage, ob es nicht generell unzulässig sei, bleibende Schäden an einer internationalen Wasserstraße anzurichten37. Bei einer strikten Anwendung der Vereinbarungen von 1865 und 1871 war die Beschädigung der Fahrrinne richtigerweise als unzulässig anzusehen: Der Acte public von 1865 bestimmte, daß „alle Arten“ von Werken und Einrichtungen der Europäischen Kommission respektiert werden sollten38. Gemäß Artikel VII Satz 1 des Pontus-Vertrages galt das zudem „unter allen Umständen“39. 32

Hajnal (Anm. 23 in fine), S. 140. Die Kosten für die Bergung der Schiffe betrugen 4000 francs, jene für die Wiederherstellung der Fahrrinne 50.000 francs, ibid. 34 Ibid. 35 E. Engelhardt, Régime des fleuves internationaux, RDILC 1881, S. 187 ff. (S. 190), und ibid., Du régime conventionnel des fleuves internationaux (1879), S. 179 f. 36 Vgl. ibid. 37 Siehe die auf Anfrage des Foreign Office abgegebenen Stellungnahme von J. Stokes in: Hajnal (Anm. 23 in fine), S. 119, Anm. 3. Die Stellungnahme von Stokes läßt erkennen, daß es zur Frage der Zulässigkeit der russischen Steinblockade Meinungsverschiedenheiten unter den Beratern der britischen Regierung gab, wobei Stokes dazu neigte, das russische Vorgehen für rechtmäßig zu halten. 38 Vgl. oben, bei Anm. 11, 12. 39 Vgl. oben, bei Anm. 14 bis 16. Hajnal (Anm. 23 in fine), S. 119, bei Anm. 2, ist hingegen der Meinung, die russische Steinblockade habe weder die Neutralisierung von 1865, noch das sonstige Kriegsvölkerrecht verletzt. Dabei stützt er sich allerdings auf eine Quelle, die aufgrund ihrer Datierung (4. Juni 1877) nichts mit der russischen Steinblockade vom Juli 1877 zu tun haben kann, vgl. Fauchille (Anm. 21), S. 175, Chamberlain (Anm. 9), S. 66. 33

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Ansonsten wurde die Neutralisierung während des Krieges von 1877/78 weitgehend respektiert. Die Gebäude und sonstigen Einrichtungen der Kommission wurden trotz der heftigen Gefechte nicht in Mitleidenschaft gezogen40. Wegen des Fehlens einer allseits anerkannten neutralen Flagge sah die Kommission sich jedoch gezwungen, ihre Schiffe zeitweilig außer Betrieb zu nehmen41. Diesem Mangel wurde erst 1881 mit der Festlegung des bis heute gebräuchlichen blau-weiß-roten Banners abgeholfen42. 3. Die Situation während folgender Kriege Während der folgenden Kriege im Donauraum spielte die Neutralisierung lediglich eine untergeordnete Rolle. Für die im Vorfeld des Ersten Weltkrieges ausgetragenen Balkankriege sind beispielsweise keine diesbezüglichen Probleme bekannt geworden43. Im Ersten Weltkrieg ergab sich allerdings eine besondere Situation, weil mit Ausnahme der Territorialmacht Rumänien relativ rasch alle Mitgliedstaaten der Kommission in den Krieg verwickelt wurden44. Beim Kriegseintritt Rumäniens wurden dann die Vertreter der Mittelmächte und der Türkei des Landes verwiesen; das Personal mit entsprechender Staatsangehörigkeit wurde interniert45. Das rumänische Vorgehen war schwerlich mit der umfassenden Neutralisierung von 1865 in Einklang zu bringen46. Zum Zeitpunkt des rumänischen Kriegseintritts war zwar kein neutraler Staat mehr vorhanden, der auf die Einhaltung der betreffenden Vereinbarungen hätte drängen können. Im Unterschied zum Prinzip der Schiffahrtsfreiheit war die Anwendbarkeit der 40 Das britische Stationsschiff in der Donaumündung hat offenbar maßgeblich zum Respekt der Neutralisierung beigetragen, vgl. Hajnal (Anm. 23 in fine), S. 122, Anm. 3. 41 La Commission Européenne du Danube et son œuvre (Anm. 8), S. 28. Die Europäische Kommission hatte anfänglich die britische Flagge benutzt, um den neutralen Status ihrer Schiffe zu signalisieren. Das wurde jedoch von der damaligen Territorialmacht Türkei abgelehnt, vgl. The Times (London), 16. Mai 1877, S. 5 (The War on the Danube, Meldung aus Wien vom 14. Mai). 42 Vgl. oben, § 2, Anm. 102 in fine. Der Art. 18 der Belgrader Konvention, 18. August 1948, UNTS Bd. 33, S. 196, sieht vor, daß die heute in Budapest ansässige Donaukommission eine eigene Flagge haben soll; dabei wird an der seit 1881 üblichen Farbgebung festgehalten. 43 Vgl. La Commission Européenne du Danube et son œuvre (Anm. 8), S. 36 f. 44 Als vorletzter Mitgliedstaat der Europäischen Kommission trat Italien am 23. Mai 1915 in den Krieg ein; der rumänische Kriegseintritt erfolgte am 27. August 1916. 45 Siehe die Nachweise oben, § 2, Anm. 112. 46 R. C. Frucht, Dunarea noastra – Romania, the Great Powers, and the Danube Question 1914–1921 (1982), S. 43.

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1. Kap.: Der Schutz der Schiffahrtsfreiheit

Neutralisierung aber nicht auf das Verhältnis der Kriegführenden zu den Neutralen beschränkt47: Die 1877 von der Türkei ausgesprochene Drohung mit Repressalien48 deutet darauf hin, daß insoweit eine Gegenseitigkeitserwartung zwischen den Kriegführenden gegeben war. Die Neutralisierung diente auch weniger der Aufrechterhaltung der neutralen Schiffahrt, als vielmehr dem Schutz der im allgemeinen Interesse errichteten Werke der Europäischen Kommission. Dieses Ziel hätte selbst nach dem Kriegseintritt aller interessierten Mächte noch verwirklicht werden können. Die Reziprozität der Neutralisierung läßt sich ebenfalls am folgenden Beispiel verdeutlichen: Nach der Evakuierung der Rumpfkommission nach Odessa49 hatte die russische Armee den Verwaltungssitz der Europäischen Kommission zu einem Generalquartier umgewandelt50. Die militärische Nutzung war mit dem neutralen Status des Gebäudes offensichtlich unvereinbar51. Beim Vorrücken der deutschen Truppen im Oktober 1917 wurde das Gebäude deshalb unter Feuer genommen und dabei völlig zerstört52. Infolge der widerrechtlichen Nutzungsänderung war der Verwaltungssitz zu einem legitimen militärischen Ziel geworden; das deutsche Vorgehen war deshalb als Repressalie gerechtfertigt53.

47 Zur Unanwendbarkeit des Prinzips der Schiffahrtsfreiheit im Verhältnis der Kriegführenden zueinander siehe oben, § 3 II. 1. 48 Siehe oben, bei Anm. 29. 49 Vgl. oben, § 2, bei Anm. 114. 50 Frucht (Anm. 46), S. 36, La Commission Européenne du Danube et son œuvre (Anm. 8), S. 38. 51 Auf neutralem Terrain sind militärische Aktivitäten der Kriegführenden generell verboten, vgl. Art. 1 bis 5 des V. Haager Abkommens betreffend der Neutralität im Falle eines Landkrieges, 18. Oktober 1907, Martens, NRG III 3, S. 504. 52 Frucht (Anm. 46), S. 39, La Commission Européenne du Danube et son œuvre (Anm. 8), S. 38. 53 Deutschland, Österreich, Ungarn und Bulgarien mußten sich dennoch durch Art. 352 des Versailler Vertrages, 28. Juni 1919, Martens, NRG III 11, S. 323, sowie durch entsprechende Bestimmungen der anderen Pariser Vorortfriedensverträge verpflichten, der Europäischen Kommission „Wiederherstellung, Wiedergutmachung und Ausgleichung hinsichtlich der von dieser Kommission während des Krieges erlittenen Schäden“ zu leisten. Hierbei handelte es sich allerdings nicht um einen Schadenersatzanspruch wegen völkerrechtlichen Delikts, sondern um schlichte Reparationsleistungen, vgl. La Commission Européenne du Danube et son œuvre (Anm. 8), S. 51 f.

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4. Die Aufhebung durch die Übereinkommen von Sinaia und Bukarest Mit den 1938/39 in Sinaia und Bukarest geschlossenen Übereinkommen wurde die Neutralisierung von 1865 schließlich aufgehoben54. Das ging einher mit der Übergabe der durch die Kommission errichteten Werke und Einrichtungen an Rumänien55. Da die Kommission ihre operativen Aufgaben verlor und nur noch eine Aufsicht über die Donaumündung ausübte56, wäre die Neutralisierung auch faktisch gegenstandslos geworden. Der Artikel 19 Absatz 1 des Übereinkommens von Sinaia beschränkt sich deshalb darauf, der Kommission forthin die in Friedens- und Kriegszeiten üblichen diplomatischen Immunitäten zuzuerkennen. *** Eine der Neutralisierung von 1865 vergleichbare Regelung wäre bei einer Revision des Belgrader Donaustatuts ohne praktischen Nutzen: Die in Budapest ansässige Donaukommission verfügt nur dann über operative Zuständigkeiten, wenn ein Staat seiner Pflicht zur Sicherstellung der Befahrbarkeit seines Donauabschnitts nicht nachzukommen vermag57. Diese Regelung ist bislang lediglich einmal angewandt worden, nämlich bei der Wiederschiffbarmachung des Flußabschnitts in Novi Sad nach dem Ende der NATOLuftangriffe58. Die Budapester Donaukommission genießt gemäß Artikel 16 der Belgrader Konvention59 die üblichen diplomatischen Immunitäten60. Laut Artikel 18 verfügt sie zur Kennzeichnung ihrer Schiffe und Lokalitäten über eine eigene Flagge. Auch insoweit besteht deshalb bei der angestrebten Revision kein Regelungsbedarf. 54

Vgl. die Nachweise oben, Anm. 10. Siehe z. B. Art. 17 des Übereinkommens von Sinaia, 18. August 1938 (Anm. 10). 56 Vgl. z. B. Art. 6 Abs. 1 Unterabsatz 2, Art. 7 S. 2, Art. 8 und Art. 10 Abs. 2 des Übereinkommens von Sinaia, 18. August 1938 (Anm. 10). 57 Art. 4 der Belgrader Konvention, 18. August 1948, UNTS Bd. 33, S. 196. 58 Vgl. oben, Einleitung, bei Anm. 119. Die Durchführung der Arbeiten erfolgte aufgrund einer Entscheidung der Donaukommission vom 25. Januar 2000, CD/SESV. Extr./4. 59 Belgrader Konvention, 18. August 1948, UNTS Bd. 33, S. 196. 60 Der Ausbruch eines bewaffneten Konflikts zwischen einzelnen Mitgliedstaaten der Kommission sollte sich nicht auf deren Zusammenarbeit in der Kommission auswirken, vgl. oben, § 3, bei Anm. 151 bis 154. Lediglich bei einem Krieg unter Beteiligung aller Mitgliedstaaten könnte der Sitzstaat die Vertreter seiner Feindstaaten des Landes verweisen. Die Art. 44 f. der Wiener Diplomatenrechtskonvention, 18. April 1961, UNTS Bd. 500, S. 95, wären dann entsprechend anwendbar. 55

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1. Kap.: Der Schutz der Schiffahrtsfreiheit

II. Die Demilitarisierung von 1878 Der Artikel LII des Berliner Vertrages von 187861 ist häufig dahingehend mißverstanden worden, daß es sich um eine vollständige Neutralisierung der unteren Donau handeln würde62. Die Protokolle des Berliner Kongresses belegen aber, daß es sich – entsprechend dem Wortlaut – nur um eine partielle Demilitarisierung handelt63 (1.). Die Bestimmung ist allerdings in den folgenden Kriegen kaum beachtet worden64 und wird von den Donaustaaten heute nicht mehr anerkannt65 (2.). 1. Bedeutung und Reichweite Auf dem Berliner Kongreß von 1878 schlug Österreich-Ungarn vor, die Donau vom seinerzeit nicht schiffbaren Eisernen Tor stromabwärts zu neutralisieren66. Dieser Vorschlag stieß bei der russischen Delegation – wie bereits ein ähnlicher Vorschlag im Jahre 185567 – auf entschiedene Ablehnung. Der russische Botschafter ließ vernehmen, er verstehe nicht, was mit der vorgeschlagenen Neutralisierung bezweckt werde, und was man sich überhaupt darunter vorzustellen habe68. Der russische Kanzler Gortschakow meinte, das Donaustatut werde durch die territorialen Veränderungen in der Region nicht betroffen, und er sehe deshalb keinen Bedarf für neue Regelungen zu dieser Frage69. 61

Berliner Vertrag, 13. Juli 1878, Martens, NRG II 3, S. 449. So z. B. W. Wegener, Die internationale Donau (1951), S. 13, K. Kippels, Der völkerrechtliche Status des zukünftigen Europakanals und seine Auswirkungen auf das Rhein- und Donauregime (1978), S. 55. 63 Vgl. die Protokolle Nr. 11 und 12 des Berliner Kongresses, 2. bzw. 4. Juli 1878, Martens, NRG II 3, S. 371 ff. (S. 371–373), bzw. S. 380 ff. (S. 384 f.). 64 Vgl. die Nachweise oben, Einleitung, Anm. 57, 58. 65 Zur generellen Ablehnung des Pariser Donaustatuts durch die Donaustaaten siehe die Ziff. 1 des Zusatzprotokolls zur Belgrader Konvention, 18. August 1948, UNTS Bd. 33, S. 196 (S. 222). 66 Protokoll Nr. 11 des Berliner Kongresses, 2. Juli 1878, Martens, NRG II 3, S. 371 ff. (S. 371). 67 Vgl. die Nachweise oben, Einleitung, Anm. 33, 34. Der angehende russische Außenminister und Reichskanzler Gortschakow erklärte am 21. März 1855, er werde keiner Regelung zustimmen, die den Anschein einer indirekten Enteignung des damals russischen Teils der Donaumündung erwecke, Protokoll Nr. 4 der Wiener Konferenz, wiedergegeben im Grünbuch des rumänischen Außenministeriums (Ministerul Afacerilor Straine), Cestiunea Dunarei (1883), S. 129 ff. (S. 131). 68 Protokoll Nr. 11 des Berliner Kongresses, 2. Juli 1878, Martens, NRG II 3, S. 371 ff. (S. 373). 69 Ibid. 62

§ 4 Neutralisierung und Demilitarisierung durch das Pariser Statut

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Dem österreichischen Vorschlag haftete tatsächlich eine gewisse Ambiguität an: Die österreichische Delegation hatte erklärt, es gehe ihr um den Schutz der Schiffahrtsfreiheit70. Eine konsequente Durchführung der Neutralisierung hätte es aber mit sich gebracht, daß alle Arten militärischer Aktivitäten auf der Donau verboten worden wären71. Gemäß den allgemeinen Regeln des Neutralitätsrechts wäre es zumindest in Kriegszeiten nicht mehr möglich gewesen, Truppen von einem Flußufer zum anderen zu verlegen72. Die Donau hätte damit die Funktion einer quer über den Balkan verlaufenden Pufferzone zwischen Rußland und der Türkei erhalten, so daß eine weitere russische Expansion in dieser Richtung ausgeschlossen worden wäre73. Um den drohenden Streit gleich im Keim zu ersticken, drängte der deutsche Kanzler von Bismarck auf eine Vertagung der Frage des Donaustatuts74. Außerhalb der Sitzungen gab er dem österreichischen Außenminister Andrássy dann zu verstehen, daß der Begriff der Neutralität vage und schwer zu definieren sei, und daß die russische Delegation dem Vorschlag ohnehin niemals zustimmen werde75. Die österreichische Delegation sah daraufhin davon ab, weiter auf diesem Punkt zu insistieren, und man verständigte sich statt dessen auf eine partielle Demilitarisierung der unteren Donau76. 70

Ibid. (S. 371). Vgl. E. Engelhardt, Régime des fleuves internationaux, RDILC 1881, S. 187 ff. (S. 189), ibid., Du principe de neutralité, RDILC 1886, S. 159 ff. (S. 163), Hajnal (Anm. 23 in fine), S. 136. 72 Der Art. 2 des V. Haager Abkommens betreffend der Neutralität im Falle eines Landkrieges, 18. Oktober 1907, Martens, NRG III 3, S. 504, verbietet es, Truppen-, Munitions- oder Nachschubkonvois über neutrales Gebiet zu bewegen. 73 Eines der Ziele des russisch-türkischen Krieges von 1877/78 war die Eroberung Konstantinopels und die Modifizierung des Statuts der türkischen Meerengen gewesen, vgl. die Dokumentation in: Année Maritime 1878 (Edition Berger-Levrault, Paris), L’Angleterre et le canal de Suez, S. 51 ff. (S. 53). Rußland hätte damit einen freien Zugang zum Mittelmeer erlangen und sich als große Seemacht etablieren können. Der bescheidene Erfolg der Jahre 1877/78 führte dann allerdings zu einer Umorientierung der russischen Expansionspolitik nach Zentralasien und dem Fernen Osten, G. Barraclough, Europäisches Gleichgewicht und Imperialismus, in: G. Mann (Hrsg.), Propyläen Weltgeschichte, Bd. 8 (Wiederauflage 1986), S. 703 ff. (S. 733); zur besonderen Bedeutung von territorialen Veränderungen auf dem europäischen Kontinent siehe C. Schmitt, Der Nomos der Erde (1950), S. 160. 74 Vgl. das Protokoll Nr. 11 des Berliner Kongresses, 2. Juli 1878, Martens, NRG II 3, S. 371 ff. (S. 372 f.). 75 So der Bericht des k.u.k. Außenministers Andrássy an Kaiser Franz Joseph I., Hajnal (Anm. 23 in fine), S. 136. 76 Protokoll Nr. 12 des Berliner Kongresses, 4. Juli 1878, Martens, NRG II 3, S. 380 ff. (S. 384 f.). 71

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1. Kap.: Der Schutz der Schiffahrtsfreiheit

Der Artikel LII des Berliner Vertrages77 sieht vor: „Afin d’accroître les garanties assurées à la liberté de la navigation sur le Danube reconnue comme étant d’intérêt européen, les Hautes Parties contractantes décident que toutes les forteresses et fortifications qui se trouvent sur les parcours du fleuve depuis les Portes de fer jusqu’à ses embouchures seront rasées et qu’il n’en sera pas élevé de nouvelles“. Weiterhin dürfe kein Kriegsschiff mehr die untere Donau befahren, mit Ausnahme von leichten Polizei- und Zollschiffen sowie den Stationsschiffen der Großmächte in der Donaumündung. Diese Bestimmung des Berliner Vertrages ähnelt in ihrer Formulierung dem Artikel 12 des Präliminarfriedens von San Stefano78. Hinsichtlich des Regelungszwecks bestehen aber erhebliche Unterschiede: So bezog der Artikel 12 des Präliminarfriedens sich nicht auf den Schutz der Schiffahrtsfreiheit, und der russische Flußabschnitt sollte danach noch von der Demilitarisierung ausgenommen werden79. Der Artikel 12 des Präliminarfriedens diente somit vor allem den militärischen Interessen Rußlands, das bei einem künftigen Krieg nicht erneut an der Donaulinie aufgehalten werden wollte80. Das von Österreich-Ungarn auf dem Berliner Kongreß verfolgte Ziel war hingegen, die untere Donau nicht erneut zum Schauplatz solch heftiger Kämpfe werden zu lassen, wie das 1877 aufgrund der türkischen Festungen und Kriegsschiffe der Fall gewesen war81. Interpretatorische Schwierigkeiten wirft der Artikel LII des Berliner Vertrages nur insofern auf, als bei einer Zugrundelegung allgemeiner Maßstäbe auch Truppentransporter als Kriegsschiffe eingestuft werden müßten82. Ein 77

Berliner Vertrag, 13. Juli 1878, ibid., S. 449. Präliminarfrieden von San Stefano, 3. März 1878, ibid., S. 246. 79 Die Demilitarisierung des russischen Flußufers wurde erst auf dem Berliner Kongreß beschlossen, Protokoll Nr. 11 vom 2. Juli 1878, ibid., S. 371 ff. (S. 373). Die Herstellung eines Zusammenhangs zwischen der Demilitarisierung und dem Schutz der Donauschiffahrt beruhte auf einer österreich-ungarischen Initiative, vgl. ibid. (S. 371 f.) sowie das Protokoll Nr. 12 vom 4. Juli 1878, ibid. S. 380 ff. (S. 385). 80 Gemäß Art. 8 Abs. 1 S. 1 des Präliminarfriedens von San Stefano, 3. März 1878, ibid., S. 246 (bzw. Art. XI S. 1 des Berliner Vertrages, 13. Juli 1878, ibid., S. 449), sollte die türkische Armee sich im übrigen aus Bulgarien zurückziehen; die türkischen Festungen in diesem Gebiet sollten geschliffen werden. Durch die Art. XIII f. des Berliner Vertrages wurde allerdings die Provinz „Ost-Rumelien“ von Bulgarien getrennt. Die neue Verteidigungslinie des osmanischen Reichs wurde damit durch das Balkan-Gebirge gebildet, vgl. die Art. XV f. des Berliner Vertrages. 81 Aufgrund des Wortlauts und der Entstehungsgeschichte des Art. LII des Berliner Vertrages kann kein Zweifel daran bestehen, daß diese Norm dem Schutz der neutralen Schiffahrt auf der Donau dient. Es ist deshalb nicht nachvollziehbar, weshalb Hajnal (Anm. 23 in fine), S. 179, meint, die partielle Demilitarisierung diene der Friedenserhaltung und sei in Kriegszeiten suspendiert. 78

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so weitgehendes Verbot käme aber im Ergebnis der von Rußland abgelehnten Neutralisierung gleich. Der Artikel LII ist deshalb dahingehend auszulegen, daß im Sinne dieser Norm nur bewaffnete Kampfschiffe als Kriegsschiffe anzusehen sind. 2. Die mangelnde Effektivität in folgenden Kriegen Die 1878 vereinbarte Demilitarisierung ist in der Praxis kaum je beachtet worden. Nach dem Rückzug der türkischen Truppen aus Bulgarien83 wurden die an der Donau zurückgebliebenen Festungen nicht geschliffen84, sondern im Gegenteil beim Herannahen des 1885 ausgetragenen serbischbulgarischen Krieges noch weiter verstärkt85. Während des Krieges operierte zudem eine ganze Flottille bulgarischer Kanonenboote auf der unteren Donau86. Die militärischen Aktivitäten auf der Donau führten zu energischen Protesten der rumänischen Regierung87. Die Proteste richteten sich jedoch nicht allein gegen die Präsenz von Kampfschiffen auf dem Unterlauf des Flusses. Rumänien forderte, daß „toute circulation sur le Danube de troupes ou de munitions de guerre, sous quelque pavillon que ce soit“ unterbleiben solle88. Entsprechende Forderungen zum Schutz der rumänischen Neutralität waren bereits 1876 während des serbisch-türkischen Krieges erhoben worden89. Es ist deshalb anzunehmen, daß sie nicht auf die 1878 verein82 Vgl. die Definition von Kriegsschiffen in Art. 29 des Seerechtsübereinkommens der VN, 10. Dezember 1982, BGBl. 1995 II S. 602. 83 Vgl. oben, Anm. 80. 84 E. Caratheodory, Das Stromgebietsrecht und die internationale Flußschiffahrt, in: F. v. Holtzendorff, Handbuch des Völkerrechts, Bd. 2 (1887), S. 277 ff. (Endnote 1 auf S. 325), The Times (London), 17. November 1885, S. 5 (The Eastern Crisis, Meldung aus Wien vom 16. November). 85 Ibid.; vgl. auch The Times (London), 11. November 1885, S. 5 (The Eastern Crisis, Meldung aus Belgrad vom 10. November). 86 Vgl. The Times (London), 9. November 1885, S. 5 (The Eastern Crisis, Meldung aus Belgrad vom 7. November), 11. November 1885, S. 5 (Meldung aus Belgrad vom 10. November), 26. November 1885, S. 7 (Meldung aus Simnitza vom 25. November). 87 Die Times vom 17. November 1885, S. 5 (The Eastern Crisis, Meldung aus Wien vom 16. November), berichtet von der Mitteilung eines rumänischen Protests an die Großmächte; Hajnal (Anm. 23 in fine), S. 180, Anm. 1, zitiert aus einer gegenüber Serbien und Bulgarien abgegebenen rumänischen Protestnote vom 6. November 1885. 88 Ibid. 89 Vgl. die diplomatische Korrespondenz zur „Neutralisation du Danube pendant la guerre de 1876–77“, Grünbuch des rumänischen Außenministeriums (Anm. 67), S. 413 ff.

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1. Kap.: Der Schutz der Schiffahrtsfreiheit

barte Demilitarisierung gestützt wurden, sondern auf die besondere Situation der Donau als Grenzfluß zwischen Rumänien einerseits, Serbien und Bulgarien andererseits90. Eindeutig auf die Demilitarisierung gestützt wurde hingegen der rumänische Protest gegen die bulgarischen Festungen am Südufer des Flusses91. Der serbisch-bulgarische Krieg endete bereits nach wenigen Wochen mit dem Scheitern der serbischen Offensive. Alle Betroffenen waren daraufhin an einer Rückkehr zum status quo interessiert, so daß auch die rumänischen Proteste ohne Konsequenzen blieben92. Das Festhalten Österreich-Ungarns an der 1878 vereinbarten Demilitarisierung manifestierte sich im Jahre 1896, als bei der Einweihung des Umgehungskanals am Eisernen Tor das an den Feierlichkeiten teilnehmende österreichische Kriegsschiff auf der mittleren Donau zurückgehalten wurde93. Im Vorfeld des Ersten Weltkrieges wurde die Demilitarisierung erneut mißachtet, nämlich durch die Präsenz einer rumänischen Flottille auf der unteren Donau94. Nachdem es den Mittelmächten im Ersten Weltkrieg gelungen war, die serbische Verbarrikadierung des Eisernen Tores zu überwinden, bezog die kaiserliche und königliche Donauflottille in den Häfen des verbündeten 90 Siehe die Note des rumänischen Vertreters in Konstantinopel an den türkischen Außenminister, 1. Juli 1876, ibid., S. 417 f. (S. 417): „Si les eaux serbo-roumaines devenaient le théâtre d’une croisière ou d’hostilités effectives, il y a toute probabilité, vu l’exiguïté de l’arène et la difficulté pour les belligérants de se maintenir ou d’opérer en dehors de la démocration fluviale roumaine, que cette croisière ou ces hostilités donneraient naissance à des conflits, soulèveraient des questions de droit, occasionneraient des dommages matériels à la Roumanie et placeraient notre pays, si désireux de garder la plus stricte neutralité, dans une position pénible, en même temps que périlleuse. De soudaines éventualités l’exposeraient à voir cette neutralité méconnue ou même violée“. Auch H. J. Abraham, Kriegsschiffe und Seekriegsrecht auf Flüssen, ZfV 1939, S. 49 ff. (S. 53), meint, daß sich – da die Staatsgrenze bei schiffbaren Flüssen meist mitten in der Fahrrinne verläuft – größere Einheiten (wie Flußmonitore oder Truppentransporter) kaum auf einer Seite der Grenze zu halten vermögen. 91 Vgl. The Times (London), 17. November 1885, S. 5 (The Eastern Crisis, Meldung aus Wien vom 16. November). 92 Vgl. Hajnal (Anm. 23 in fine), S. 182. Die rumänischen Proteste gegen die Donaufestungen waren offenbar von dem Interesse geleitet, für den Fall territorialer Veränderungen in der Region Ansprüche auf eine der Festungen begründen zu können, The Times (London), 17. November 1885, S. 5 (The Eastern Crisis, Meldung aus Wien vom 16. November). Durch die Rückkehr zum status quo erledigte sich diese Frage. 93 Hajnal (Anm. 23 in fine), S. 179, Anm. 1. 94 Vgl. G. Demorgny, La Question du Danube (1911), S. 8 und 234, Anm. 2.

§ 4 Neutralisierung und Demilitarisierung durch das Pariser Statut

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Bulgarien Stellung95. Im Schrifttum ist das als Verletzung der Demilitarisierung von 1878 bezeichnet worden96. Dabei sollte aber berücksichtigt werden, daß auch Rumänien über eine Donauflottille verfügte, so daß das Vorgehen der Mittelmächte als Repressalie zu rechtfertigen war97. Die Demilitarisierung der unteren Donau wurde durch die Pariser Konvention von 1921 beibehalten98. Bei einem in Belgrad abgehaltenen Treffen zwischen Ungarn, Jugoslawien, Rumänien und Bulgarien wurde am 14. April 1940 vereinbart, daß außer Polizeibooten keine bewaffneten Schiffe auf der Donau fahren sollten99. Eine identische Regelung wurde am 26. Mai 1940 von der Europäischen Donaukommission beschlossen100. Die Beschlüsse zeigen, daß die 1878 vereinbarte Demilitarisierung einen so weitgehenden Autoritätsverlust erlitten hatte, daß ihr Respekt ohne eine neuerliche Bestätigung nicht zu erwarten war. Die Fortgeltung der Demilitarisierung wurde im Herbst 1940 bei den Verhandlungen zum Status der Donaumündung von der Sowjetunion in Frage gestellt101. Nach dem Ausbruch des Krieges im Osten wurde sie dann von keiner Seite beachtet102. *** Die partielle Demilitarisierung war 1878 als spezifische Reaktion auf die Ereignisse des russisch-türkischen Krieges vereinbart worden. Ihre Beachtung wurde in der Folgezeit nicht konsequent angemahnt, und während der beiden Weltkriege konnte sie bereits wegen des weitgehenden Fehlens einer neutralen Donauschiffahrt keine Wirksamkeit entfalten. Obwohl die westeuropäischen Staaten bis heute an der Fortgeltung des Pariser Donaustatuts festhalten, ist kaum anzunehmen, daß diese Bestimmung künftig noch einmal geltend gemacht wird. 95

Vgl. die Nachweise oben, Einleitung, Anm. 58. Chamberlain (Anm. 9), S. 123 f., 125 f. 97 Siehe oben, Einleitung, Anm. 58. 98 Der Art. 41 der Pariser Konvention, 23. Juli 1921, SdN, RdT Bd. 26, S. 173, bestimmte allgemein, daß die nicht von der Konvention geänderten Bestimmungen des Donaustatuts fortgelten sollten. 99 Europa-Archiv 1948, Die Belgrader Donaukonferenz, S. 1641 ff. (S. 1642). 100 Ibid.; vgl. auch Documentation française, Notes et études documentaires, Nr. 2227 vom 27. Oktober 1956, Le Danube (Teil 2), S. 4. 101 Die Sowjetunion forderte bei den Verhandlungen mit Rumänien, Deutschland und Italien eine freie Einfahrt ihrer Flotte in die teilweise annektierte Donaumündung, vgl. oben, § 2, bei Anm. 74, sowie Wegener (Anm. 62), S. 34. 102 Siehe oben, Einleitung, bei Anm. 79 bis 85. 96

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1. Kap.: Der Schutz der Schiffahrtsfreiheit

Der geringe Erfolg der Demilitarisierung legt es nahe, bei der momentan angestrebten Revision des Belgrader Statuts auf solch spezielle Regelungen zu verzichten. Statt dessen wäre es sinnvoll, die grundsätzliche Anwendbarkeit des Prinzips der Schiffahrtsfreiheit im Falle bewaffneter Konflikte103 zu bekräftigen. Bei der Formulierung könnte auf die Absprachen vom Mai 1877104 zurückgegriffen werden. Danach sind Einschränkungen der Schifffahrtsfreiheit nur insoweit zulässig, als militärische Notwendigkeiten dies zwingend erfordern105. Angesichts der Probleme, welche sowohl die russische Steinblockade vom Juli 1877 als auch die Bombardierung von Donaubrücken im April 1999 mit sich gebracht haben, wäre es weiterhin sinnvoll, bleibende Beeinträchtigungen der Schiffahrtsfreiheit unbedingt zu verbieten.

103

Vgl. dazu oben, § 3 I. 2. Vgl. dazu oben, § 3 I. 1. a) aa). 105 Siehe die diplomatische Korrespondenz Österreich-Ungarns mit den Kriegführenden des russisch-türkischen Krieges, Mai 1877, Martens, NRG II 3, S. 201 ff. (S. 202), sowie die bei Hajnal (Anm. 23 in fine), S. 121, Anm. 2, wiedergegebene britische Note vom 12. Mai 1877. 104

Zweites Kapitel

Mögliche Einschränkungen der Schiffahrtsfreiheit § 5 Überblick Die Freiheit der Donauschiffahrt findet, gemäß einer Formulierung des Statuts von Barcelona1, ihre Grenzen in den „droits et devoirs des belligérants et des neutres en temps de guerre“. Die Bestimmung dieser Rechte und Pflichten bereitet jedoch gewisse Schwierigkeiten. Zum einen stellt die Donau einen Übergangsbereich zwischen den traditionellen Schauplätzen des Land- und des Seekrieges dar. Es stellt sich somit die Frage, ob und inwiefern jeweils das Land- oder das Seekriegsrecht zur Anwendung kommen kann2. Zum anderen befindet sich das herkömmliche Kriegs- und Neutralitätsrecht infolge der Abschaffung des freien Kriegführungsrechts insgesamt in einer Umbruchphase3. Beim Fehlen eines formellen Kriegszustandes können bestimmte Regeln – beispielsweise das Prisenrecht – nicht ohne weiteres angewandt werden4. Es ist deshalb zu fragen, inwieweit diese Regeln überhaupt noch eine Daseinsberechtigung haben und ob sie nicht zumindest gemäß den heutigen Beschränkungen des ius ad bellum zu modifizieren sind5. 1 Art. 15 des Statut relatif au régime des voies navigables d’intérêt international, 20. April 1921, SdN, RdT Bd. 7, S. 50. 2 Siehe dazu schon oben, Einleitung, bei Anm. 149 bis 167. 3 Vgl. C. Schmitt, Die Wendung zum diskriminierenden Kriegsbegriff (1938), insb. S. 31 f. und 34, Q. Wright, The Outlawry of War and the Law of War, AJIL 1953, S. 365 ff., G. Scelle, Quelques réflexions sur l’abolition de la compétence de guerre, RGDIP 1954, S. 5 ff., E. Lauterpacht, The Legal Irrelevance of the „State of War“, Proceedings of the American Society of International Law, 66th Annual Meeting, Washington 1968, S. 58 ff., N. Ronzitti, The Crisis of the Traditional Law Regulating International Armed Conflicts at Sea, in: Idem (Hrsg.), The Law of Naval Warfare (1988), S. 1 ff., Ch. Greenwood, Self-Defence and the Conduct of International Armed Conflict, in: FS Rosenne (1989), Y. Dinstein (Hrsg.), S. 273 ff., D. Schindler, Transformations in the Law of Neutrality since 1945, in: FS Karlshoven (1991), A. J. M. Delissen, G. J. Tanja (Hrsg.), S. 367 ff., M. Bothe, Neutrality in Naval Warfare, ibid., S. 387 ff., W. Heintschel v. Heinegg, Seekriegsrecht und Neutralität im Seekrieg (1995), S. 44 ff., K. Ipsen, Völkerrecht (4. Aufl. 1999), S. 1105 ff. (§ 71, Rn. 2 ff.) und S. 1112 ff. (§ 72, Rn. 3 ff.). 4 C. Schmitt (Anm. 3), S. 32, Wright (Anm. 3, S. 370 f.), E. Lauterpacht (Anm. 3, S. 58); a. A.: Schindler (Anm. 3, S. 376), Bothe (Anm. 3, S. 390).

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2. Kap.: Mögliche Einschränkungen der Schiffahrtsfreiheit

Das klassische Völkerrecht war durch eine deutliche Unterscheidung zwischen der Kriegführung zur See und auf dem Lande gekennzeichnet6. Entsprechend einem Satz Jean-Jacques Rousseaus – „la guerre est une relation d’Etat à Etat“7 – war der europäische Landkrieg prinzipiell auf den Kampf zwischen staatlichen Armeen beschränkt8. Privatpersonen durften grundsätzlich keine Schädigungshandlungen vornehmen9 und waren umgekehrt vor gezielten Schädigungen durch die Kombattanten geschützt: Das Leben, die Religion und das Privateigentum der Bürger waren zu achten; Plünderungen waren verboten10. Im Seekrieg war die Beschränkung des Krieges auf den unmittelbar zwischenstaatlichen Kampf sehr viel schwächer ausgeprägt. So konnten Private bis zur Abschaffung der Kaperei im Jahre 185611 aktiv am Seekrieg teilnehmen12. Umgekehrt blieb die Bekämpfung des feindlichen Seehandels ein legitimes Ziel der Kriegführung zur See13: An feindlichen Schiffen und Ladungen bestand ein als Prisenrecht ausgestaltetes Kriegsbeuterecht14, und selbst die neutrale Schiffahrt konnte (hinsichtlich des Transports von Kriegskonterbande15 sowie im Falle einer Seeblockade16) Beschränkungen unterworfen werden.

5

Vgl. z. B. Ronzitti (Anm. 3), S. 4, und Greenwood (Anm. 3), S. 284. C. Schmitt, Der Nomos der Erde (1950), S. 285 ff. Zur fortschreitenden Auflösung des völkerrechtlichen Gegensatzes zwischen Land und Meer vgl. idem., Theorie des Partisanen (1963), S. 72 f. 7 Du contrat social (1762), livre I, chapitre 4, § 10. 8 C. Schmitt (Anm. 6), S. 121 f., 285 f., G. Schwarzenberger, International Law, Bd. II, The Law of Armed Conflict (1968), S. 259. 9 Vgl. allerdings die Ausnahmen in Art. 1 f. der Haager Landkriegsordnung (Anlage zum IV. Haager Abkommen betreffend der Gesetze und Gebräuche des Landkriegs, 18. Oktober 1907, RGBl. 1910, S. 132) sowie die kritische Analyse von C. Schmitt, Theorie des Partisanen (1963), S. 41 f. 10 Artikel 46 f. der Haager Landkriegsordnung (Anm. 9). 11 Ziff. 1 der Pariser Seerechtsdeklaration, 16. April 1856, Martens, NRG I 15, S. 791. 12 Sogar der amerikanische Sezessionskrieg von 1861–65 war noch zu großen Teilen ein Kaperkrieg, C. Schmitt, Der Nomos der Erde (1950), S. 286. 13 Ibid. sowie Schwarzenberger (Anm. 8), S. 361. 14 Vgl. aber die Einschränkung in Ziff. 2 der Pariser Seerechtsdeklaration von 1856 (Anm. 11): „Le pavillon neutre couvre la marchandise ennemie, à l’exception de la contrebande de guerre“. 15 Siehe die Art. 39 f. der Londoner Deklaration zum Seekriegsrecht, 26. Februar 1909, AJIL 1909, S. 179, wonach Kriegskonterbande sowie Schiffe, die vorwiegend Kriegskonterbande transportieren, der Einziehung unterliegen (Die Londoner Deklaration wurde nie ratifiziert, ist aber weitgehend Ausdruck von Völkergewohnheitsrecht, M. Bothe, Friedenssicherung und Kriegsrecht, in: W. Graf Vitzthum [Hrsg.], Völkerrecht [2. Aufl. 2001], S. 671 f. [Abschn. 8, Rn. 114]). 16 Vgl. Art. 14 ff. der Londoner Deklaration, 26. Februar 1909 (Anm. 15). 6

§ 5 Überblick

163

Von Seiten der kontinentaleuropäischen Staaten wurde gelegentlich versucht, die Grundsätze des Landkrieges in den Bereich des Seekrieges zu übertragen17. Die Versuche stießen aber auf den Widerstand Großbritanniens, das sich der Vorteile einer Ausnutzung seiner überlegenen Seestreitkräfte nicht begeben wollte. Ansätze zu einer Modifikation der britischen Haltung sind erst in jüngerer Zeit zu verzeichnen. So erklärte der britische Außenminister während des Golfkrieges zwischen Iran und Irak, die Anhaltung und Durchsuchung fremder Handelsschiffe sei lediglich ausnahmsweise zulässig „if there are reasonable grounds to suspect a vessel of taking arms to the other side for use in a conflict“18. Derartige Ausnahmen vom Prinzip der Schiffahrtsfreiheit setzten außerdem voraus, daß gemäß Artikel 51 der Satzung der Vereinten Nationen das naturgegebene Recht zur Selbstverteidigung ausgeübt werde19. Die zitierte Stellungnahme ist unter anderem deshalb von Interesse, weil die Kriegführenden traditionell ein generelles Recht zur Kontrolle der neutralen Schiffahrt hatten20. Weiterhin stand es den neutralen Mächten nicht zu, das Recht der Kriegführenden zum Waffengang zu beurteilen21: Es lag im Ermessen jedes souveränen Staates, für sich zu befinden, ob ein casus 17

Der Satz J.-J. Rousseaus („la guerre est une relation d’Etat à Etat“) wurde 1801 vom Procurateur général des französischen Conseil des Prises, Portalis, in die seinerzeitige Diskussion zum Seekriegsrecht eingeführt („Rousseau-PortalisDoktrin“). Im Jahre 1806 wurde die Formulierung dann im Zusammenhang mit der Kontinentalsperre von Talleyrand und Napoleon verwendet, Ch. Rousseau, Le droit des conflits armés (1983), S. 3, C. Schmitt, Der Nomos der Erde (1950), S. 121; vgl. auch Schwarzenberger (Anm. 8), S. 259. Von einer 1877 unternommenen Initiative des italienischen Gesetzgebers zur Abschaffung des Seebeuterechts berichtet das italienischen Prisenurteil Cervignano e Friuli, 21. Februar 1917, in: P. Fauchille/J. Basdevant, Jurisprudence italienne en matière de prises maritimes (1921), S. 178 (S. 180). 18 Stellungnahme des britischen Außenministers, T. Renton, vor dem House of Commons, 5. Februar 1986, HC Debs., vol. 91, col. 278, ebenfalls abgeduckt in: BYBIL 1986, S. 583 f. (S. 584). 19 Ibid. (S. 583 f.). 20 Die Stellungnahme des britischen Außenministers führte deshalb zur Nachfrage eines Unterhausmitgliedes, ob es nicht den „long-term interests“ Großbritanniens zuwiderliefe „to abolish the right of visit and search“. Der Außenminister erwiderte: „Yes; I take my hon. Friend’s point. None the less, we are anxious that the Iranians should act extremely cautiously. Our position is based on the general principle of freedom of navigation and the United Nations charter“, 5. Februar 1986, HC Debs., vol. 91, col. 279, bzw. BYBIL 1986, S. 583 f. (S. 584). 21 Siehe C. Schmitt, Der Nomos der Erde (1950), S. 128: Im „zwischenstaatlichen Recht der Souveräne“ gab es keine höhere Instanz, welche die Angelegenheit der Kriegführenden hätte richten können; es galt das Prinzip par in parem non habet iurisdictionem. Die aequalitas der „rechten Feinde“ führte somit zur Neutralität der Drittstaaten.

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2. Kap.: Mögliche Einschränkungen der Schiffahrtsfreiheit

belli vorlag22, und ob er durch die Erklärung oder die sonstige Manifestation seines animus belligerendi den Kriegszustand herbeiführen wollte23. Der Ausbruch eines Krieges hatte zur Folge, daß im Verhältnis der Kriegführenden zueinander das Friedens- durch das Kriegsvölkerrecht ersetzt wurde, und daß im Verhältnis zu anderen Staaten die neutralitätsrechtlichen Regeln anwendbar wurden24. Ein derartiger Automatismus ist heute beim Ausbruch bewaffneter Konflikte nicht mehr anzunehmen25. Die Aufgabe des freien Kriegführungsrechts hat praktisch dazu geführt, daß die Herbeiführung der einzelnen Rechtsfolgen des Kriegszustandes weitgehend im Ermessen der betroffenen Staaten liegt26. Im Falle bewaffneter Auseinandersetzungen im Donauraum kommen die „droits et devoirs des belligérants et des neutres en temps de guerre“ somit nicht automatisch zur Anwendung, sondern nur im Einzelfall beim Vorliegen eines entsprechenden Willens der betroffenen Staaten (§ 6). Zwischen Maßnahmen eines traditionellen Kriegführenden und Sanktionen des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen bestehen erhebliche Unterschiede27. Der Artikel 42 Satz 2 der Satzung der Vereinten Nationen nennt zwar die Verhängung einer „Blockade“ als eine mögliche Zwangsmaßnahme des Sicherheitsrats. Dabei handelt es sich aber nicht um eine Blok22 Ibid. Vgl. auch Scelle (Anm. 3, S. 7): Die Ausübung der „compétence de guerre“ war im klassischen Völkerrecht „entièrement discrétionnaire“. 23 „Dans l’état classique du Droit international, le recours à la guerre dépend de la seule volonté [. . .] de l’Etat qui l’entreprend“, ibid. Nach h. M. war das Abstellen auf den animus bellandum – neben objektiven Faktoren wie Kampfhandlungen etc. – erforderlich, um Kriege von bewaffneten Repressalien zu unterscheiden, vgl. Ch. Rousseau, Le droit des conflits armés (1983), S. 7. Der Kriegführungswille mußte allerdings nicht ausdrücklich erklärt werden, sondern konnte auch aus bestimmten Verhaltensweisen (z. B. dem Ergreifen von Maßnahmen der Wirtschaftskriegführung) abgelesen werden, vgl. Schwarzenberger (Anm. 8), S. 60, 62. 24 Ibid., S. 63 f. 25 Vgl. Ipsen (Anm. 3 in fine), S. 1105 ff. (§ 71, Rn. 2 ff.) und S. 1112 ff. (§ 72, Rn. 3 ff.). 26 Zur häufigen Aufrechterhaltung diplomatischer Beziehungen sowie zur Fortgeltung völkerrechtlicher Verträge siehe oben, § 2, Anm. 90, 98. Nicht zur Disposition der Konfliktparteien steht die Anwendung des humanitären Völkerrechts, vgl. Art. 2 Abs. 1 des IV. Genfer Abkommens zum Schutze von Zivilpersonen in Kriegszeiten, 12. August 1949, UNTS Bd. 75, S. 287. Zur Disponibilität des Neutralitätsrechts vgl. Schindler (Anm. 3, S. 373): „Neutrality has become purely optional. State practice since 1945 shows that States have in fact assumed a great variety of intermediate positions regarding armed conflicts between other States“. 27 Ein wesentlicher Unterschied liegt darin, daß kollektive Zwangsmaßnahmen den Charakter einer Polizeiaktion haben, mit dem Ziel, den „ordre public international“ wiederherzustellen, vgl. Scelle (Anm. 3, S. 11 f., 14). Zwischen den Konfliktparteien besteht dann – anders als bei einem klassischen Staatenkrieg – keine Gleichrangigkeit.

§ 5 Überblick

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kade im herkömmlichen Sinne, sondern schlicht um eine Militäraktion „with a view to sealing off particular coasts or land areas“28. Unterschiede ergeben sich zwangsläufig daraus, daß die seekriegsrechtlichen Blockaderegeln dazu dienen, die militärischen Interessen der Kriegführenden mit den Wirtschaftsinteressen der Neutralen zum Ausgleich zu bringen29. Diese Regeln sind im Falle der Verhängung kollektiver Zwangsmaßnahmen nicht interessengerecht und werden gegebenenfalls durch die Artikel 25, 48, 103 sowie Artikel 2 Ziffer 6 der Satzung der Vereinten Nationen verdrängt. Ein Ausgleich für wirtschaftlich besonders stark beeinträchtigte Drittstaaten kann über Artikel 50 der Satzung der Vereinten Nationen erfolgen30. Mit der Resolution 820 (1993) beschloß der Sicherheitsrat am 17. April 1993 eine „Blockade“ der jugoslawischen Seehäfen sowie weitgehende Beschränkungen des Transitverkehrs über den jugoslawischen Donauabschnitt31. Anders als im Falle eines gewöhnlichen Krieges, bei dem die Staaten ihre nationalen Interessen zu verfolgen pflegen32, beruhte diese Entscheidung auf einer Abwägung zwischen dem allgemeinen Interesse an der Wiederherstellung des Friedens und der internationalen Sicherheit und dem allgemeinen Interesse an der Freiheit der Handelsschiffahrt. Um einen gewissen Ausgleich für besonders stark in Mitleidenschaft gezogene Drittstaaten zu ermöglichen, beauftragte der Sicherheitsrat das Sanktionskomitee für das ehemalige Jugoslawien mit der Prüfung von Anträgen auf Unterstützung gemäß Artikel 50 der Satzung der Vereinten Nationen33. Diversen Staaten, darunter den Anliegern der unteren und mittleren Donau, wurde daraufhin bescheinigt, besonderen wirtschaftlichen Beeinträchtigungen ausgesetzt zu sein34. Aufrufe an die internationale Gemeinschaft, diesen Staa28

J. A. Frowein/N. Krisch, in: B. Simma, The Charter of the United Nations, Bd. I (2. Aufl. 2002), S. 755 (Art. 42, Rn. 16); zur Besonderheit von Blockademaßnahmen des Völkerbundes vgl. C. Schmitt, Die Wendung zum diskriminierenden Kriegsbegriff (1938), S. 32. 29 Zu den Grundlagen der Herausbildung der klassischen Seeblockade vgl. H. Lauterpacht, Oppenheim’s International Law, Bd. II, Disputes, War and Neutrality (7. Aufl. 1952), S. 768 f. (§ 368): „Blockade in the modern sense of the term is an institution which could not develop until neutrality was in some form a recognized institution of the Law of Nations, and until the freedom of neutral commerce was in some form guaranteed“. 30 Zur Praxis des Sicherheitsrats gemäß Art. 50 SVN siehe den Bericht des Generalsekretärs vom 8. November 1993 (S/26705 bzw. A/48/573-S-S/26705) in: Conseil de Sécurité, Documents officiels, Suppl. IV 1993, S. 162 ff. 31 Siehe oben, Einleitung, bei Anm. 104 bis 109. 32 Vgl. den Art. I des Kriegsächtungspaktes (Briand-Kellogg-Pakt), 27. August 1928, SdN, RdT Bd. 94, S. 57, wonach die Vertragsstaaten auf den Krieg „als Werkzeug nationaler Politik“ verzichten. 33 Resolution 843 (1993), 18. Juni 1993.

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2. Kap.: Mögliche Einschränkungen der Schiffahrtsfreiheit

ten eine rasche technische, finanzielle und materielle Unterstützung zukommen zu lassen35, wurden allerdings nur unzureichend befolgt36 (§ 7). Außer durch förmlich angeordnete Blockaden oder Beschränkungen der Schiffahrtsfreiheit kann die Donauschiffahrt durch tatsächliche Kampfhandlungen beeinträchtigt werden. Besondere Beachtung verdient dabei das häufig zu beobachtende Legen von Minen37. Behinderungen der Zivilschiffahrt können sich zudem als unbeabsichtigte Kollateralschäden ergeben, wie zum Beispiel bei der Zerstörung jugoslawischer Donaubrücken während der NATO-Luftangriffe vom Frühjahr 199938. Das von der NATO anvisierte Ziel war die Unterbrechung von Nachschubwegen der jugoslawischen Landstreitkräfte39; vollständig zum Erliegen kam aber zugleich die Schifffahrt auf dem jugoslawischen Donauabschnitt40 (§ 8).

34 Bericht des Sanktionskomitees, 2. Juli 1993, Conseil de Sécurité, Documents officiels, Suppl. III 1993, S. 30 ff. (S/26040). 35 Ibid. sowie Generalversammlung der VN, Resolution 48/210 vom 21. Dezember 1993, Abs. 10 Ziff. 3 f. 36 Vgl. die Nachweise oben, Einleitung, Anm. 179 in fine. 37 Für den russisch-türkischen Krieg von 1877/78 sowie für den Ersten Weltkrieg vgl. J. P. Chamberlain, The Regime of International Rivers: Danube and Rhine, Dissertation, New York 1923, S. 63 f. bzw. S. 124 ff.; für den serbisch-bulgarischen Krieg von 1885 vgl. H. Hajnal, Le droit du Danube international (1929), S. 181; für den Zweiten Weltkrieg vgl. J. Meister, Der Seekrieg in den osteuropäischen Gewässern 1941–45 (1958), S. 304, 311 f. 38 Siehe oben, Einleitung, Anm. 6. 39 Es ging um die Unterbrechung der Verbindungen zwischen der Vojvodina und dem Kosovo, US Department of Defense, Pressekonferenz vom 9. April 1999, www.fas.org/man/dod-101/ops/docs99/t04091999_t0409asd.htm, sowie Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage der PDS-Fraktion, übermittelt durch Schreiben des Bundesverteidigungsministeriums vom 11. Juni 1999, Bundestagsdrucksache 14/1140 vom 15. Juni 1999, S. 2. 40 Vgl. oben, Einleitung, bei Anm. 118 bis 120.

§ 6 Rechte und Pflichten von Kriegführenden und Neutralen

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§ 6 Die Ausübung traditioneller Rechte und Pflichten von Kriegführenden und Neutralen Die Zuordnung der Donau zum Schauplatz des See- oder des Landkrieges hat Konsequenzen für die Anwendbarkeit des Prisenrechts (I.). Darüber hinaus ist auch fraglich, ob neutrale Staaten hinsichtlich der Donauschifffahrt die Regeln des V. oder des XIII. Haager Abkommens zu beachten haben: Die Artikel 2 und 5 des V. Haager Abkommens betreffend der Neutralität im Falle eines Landkrieges1 gebieten es neutralen Staaten, den Transit von Truppen sowie von Waffen- und Nachschubkonvois über ihr Territorium zu unterbinden. Gemäß Artikel 10 des XIII. Haager Abkommens betreffend der Neutralität im Falle eines Seekrieges2 wird hingegen die Neutralität durch die Passage von Kriegsschiffen oder Prisen nicht berührt3 (II.). Keine Rolle spielt die Zuordnung der Donau zu den verschiedenen Kriegsschauplätzen für die Zulässigkeit von Seeblockaden. Deren Erstrekkung auf neutrale Häfen und Territorien ist gemäß Artikel 1 und 18 der Londoner Deklaration zum Seekriegsrecht4 verboten. Diese Beschränkung wird ganz überwiegend dahingehend ausgelegt, daß der Zugang zu internationalen Flüssen im Interesse der neutralen Anliegerstaaten gewährleistet werden muß5 (III.).

1

18. Oktober 1907, Martens, NRG III 3, S. 504. Ibid., S. 713. 3 Zur Praxis hinsichtlich des Transits über neutrale Flußabschnitte siehe Ch. de Visscher, Chronique des faits internationaux, La question du transit par les PaysBas, RGDIP 1919, S. 142 ff., A. Lederle, Die Rheinschiffahrt und der Krieg, ZfV 1920, S. 205 ff., J. W. Garner, International Law and the World War, Bd. II (1920), S. 446 ff. (§§ 570 f.), J. P. Chamberlain, The Regime of International Rivers: Danube and Rhine, Dissertation, New York 1923, S. 122 f., 265 ff., G. H. Hackworth, Digest of International Law, Bd. VII (1943), S. 602 ff. 4 26. Februar 1909, AJIL 1909, S. 179 (zur fehlenden Ratifikation siehe oben, § 5, Anm. 15). 5 Vgl. N. Bentwich, The Declaration of London (1911), S. 45, H. Lauterpacht, Oppenheim’s International Law, Bd. II, Disputes, War and Neutrality (7. Aufl. 1952), S. 772, Anm. 4 (§ 373); ebenso schon früher P. Fauchille, Du blocus maritime (1882), S. 176 ff., E. Caratheodory, Das Stromgebietsrecht und die internationale Flußschiffahrt, in: F. v. Holtzendorff (Hrsg.), Handbuch des Völkerrechts, Bd. 2 (1887), S. 277 ff. (S. 324), Ch. Calvo, Le droit international théorique et pratique, Bd. V (5. Aufl. 1896), S. 138 (§ 2860), F. Perels, Das internationale öffentliche Seerecht (2. Aufl. 1903), S. 264 (§ 48 III); vgl. auch J. Stone, Legal Controls of International Conflict (1954), S. 494. 2

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2. Kap.: Mögliche Einschränkungen der Schiffahrtsfreiheit

I. Die beschränkte Anwendbarkeit des Prisenrechts auf Flüssen Im 19. Jahrhundert wurde allgemein davon ausgegangen, daß Flüsse grundsätzlich dem Bereich des Landkrieges zuzuordnen sind6. Obwohl ein Ausgreifen des Seekrieges auf Flüsse nicht kategorisch ausgeschlossen wurde7 (1.), sind zumindest in Europa keine Fälle einer unmittelbaren Anwendung des Prisenrechts auf Flüssen nachweisbar8 (2.). Die diesbezügliche Praxis änderte sich erst während der beiden Weltkriege. Infolge der dabei zustande gekommenen Ausdehnung des Anwendungsbereichs des Seekriegsrechts9 (3.) ist heute zweifelhaft, ob und inwiefern die Anwendung des Prisenrechts auf Flüssen überhaupt noch Beschränkungen unterliegt (4.). Die Abschaffung des freien Kriegführungsrechts und die Einführung eines Systems kollektiver Sicherheit haben einige Autoren veranlaßt, eine Ablösung des klassischen Kriegs- und Neutralitätsrechts zu prognostizieren10. Diese Vorhersage ist bislang nicht eingetreten11. Dennoch wird mittlerweile überwiegend angenommen, das ius ad bellum müsse bei der Aus6 Vgl. z. B. F. v. Liszt, Das Völkerrecht (1898), S. 231 (§ 42 I): Zum Schauplatz des Seekrieges gehörten die offene See, die Küstengewässer des feindlichen Staates etc., „nicht aber dessen Eigengewässer. Ein Gefecht, das etwa in der unteren Elbe zwischen Kriegsschiffen ausgetragen wird, ist keine Seeschlacht, sondern nach den für den Landkrieg geltenden Rechtsgrundsätzen zu beurteilen“. Anders dann die 11. Auflage (1918), S. 316 (§ 41 I): Schauplatz des Seekrieges seien die „Eigengewässer der Kriegführenden insoweit, als sie von Seekriegsschiffen befahren werden können“. 7 Die h. M. befürwortete eine eingeschränkte Anwendbarkeit des Prisenrechts auf Flüssen, vgl. oben, Einleitung, Anm. 150. 8 Vgl. oben, Einleitung, Anm. 151. 9 Vgl. oben, Einleitung, bei Anm. 153 bis 164. 10 Siehe z. B. Q. Wright, The Outlawry of War and the Law of War, AJIL 1953, S. 365 ff. (S. 370 ff.), G. Scelle, Quelques réflexions sur l’abolition de la compétence de guerre, RGDIP 1954, S. 5 ff. (insb. S. 17 und 21), E. Lauterpacht, The Legal Irrelevance of the „State of War“, Proceedings of the American Society of International Law, 66th Annual Meeting, Washington 1968, S. 58 ff. (passim). 11 Das Festhalten am klassischen Kriegs- und Neutralitätsrecht manifestiert sich beispielsweise im Handbuch der US-Marine, Department of the Navy, The Commander’s Handbook on the Law of Naval Operations, NWP 1-14M (Formerly NWP 9). Dort heißt es in Kapitel 5.1: „Regardless of whether the use of armed force in a particular circumstance is prohibited by the United Nations Charter (and therefore unlawful), the manner in which the resulting armed conflict is conducted continues to be regulated by the law of armed conflict“. Die im Handbuch niedergelegten Regeln orientieren sich dementsprechend am klassischen Seekriegsrecht. Gewisse Abweichungen finden sich u. a. in Kapitel 7.2.1 und 7.2.2. Zu Neuerungen in der britischen Praxis siehe oben, § 5, bei Anm. 18 bis 20.

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übung typisch kriegsrechtlicher Befugnisse wie dem Prisenrecht berücksichtigt werden12 (5.). 1. Die Unterscheidung der Kriegsschauplätze vor dem Ersten Weltkrieg In Artikel 53 Absatz 1 der Haager Landkriegsordnung13 werden Fälle aufgezählt, in denen feindliches Staatseigentum beschlagnahmt werden kann: Das betrifft Finanzmittel, Waffen, Beförderungsmittel sowie überhaupt alle Gegenstände, die geeignet sind, den Kriegsunternehmungen zu dienen. Ein ähnliches Beuterecht an feindlichem Staatseigentum findet sich auch im Seekriegsrecht: Danach können feindliche Kriegsschiffe ebenso wie sonstige Staatsschiffe (Zollboote, Feuerschiffe etc.) weggenommen werden14. Ein förmliches Verfahren – wie das auf Privatschiffe anzuwendende Prisengerichtsverfahren – muß dabei nicht eingehalten werden15. Aufgrund der diesbezüglichen Übereinstimmung des Land- und des Seekriegsrechts ist insoweit eine Abgrenzung ihrer jeweiligen Anwendungsbereiche nicht erforderlich. Differenzierter stellt sich die Rechtslage hinsichtlich des privaten Eigentums dar: Während das Seekriegsrecht ein Kriegsbeuterecht an feindlichen 12 Beispielsweise meint N. Ronzitti, The Crisis of the Traditional Law Regulating International Armed Conflicts at Sea, in: Idem (Hrsg.), The Law of Naval Warfare (1988), S. 1 ff. (S. 4), prisenrechtliche Maßnahmen seien nur zulässig, wenn sie zur Selbstverteidigung notwendig und verhältnismäßig sind. Ebenso sieht die Ziff. 4 des (auf Initiative des IIHL durch unabhängige Fachleute erstellten) San Remo Manual on International Law Applicable to Armed Conflicts at Sea (Hrsg.: L. DoswaldBeck, 1995) vor: „The principles of necessity and proportionality apply equally to armed conflict at sea and require that the conduct of hostilities by a State should not exceed the degree and kind of force, not otherwise prohibited by the law of armed conflict, required to repel an armed attack against it and to restore its security“. Zu einer a. A. vgl. die Kommentierung, ibid., S. 76 (Ziff. 4.3). Siehe auch die Übersicht des Diskussionsstandes bei W. Heintschel v. Heinegg, Seekriegsrecht und Neutralität im Seekrieg (1995), S. 44 ff. 13 Anlage zum IV. Haager Abkommen betreffend der Gesetze und Gebräuche des Landkriegs, 18. Oktober 1907, RGBl. 1910, S. 132. 14 Gemäß Art. 1 Abs. 2 der deutschen Prisenordnung vom 28. August 1939 (i. d. F.v. 19.12.1940), in: H. Hecker/E. Tomson, Völkerrecht und Prisenrecht (1965), S. 53 ff., unterliegen Kriegsschiffe und sonstige Staatsschiffe nicht der Prisenordnung. Das ist darauf zurückzuführen, daß sie auch ohne ein prisengerichtliches Verfahren als Kriegsbeute verfallen (vgl. ibid., S. 54, Anm. 1). Ähnlich besagt das Kapitel 8.2.1 des Commander’s Handbook der US-Marine (Anm. 11): „Enemy warships and military aircraft, including naval and military auxiliaries, are subject to attack, destruction, or capture [sic] anywhere beyond neutral territory“. 15 Zur Funktion des prisengerichtlichen Verfahrens siehe C. Schmitt, Der Nomos der Erde (1950), S. 287 f.

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Schiffen und Ladungen anerkennt16, gebieten die Artikel 46 f. der Haager Landkriegsordnung17 grundsätzlich den Respekt des feindlichen Privateigentums. Der Artikel 53 Absatz 2 sieht ausnahmsweise vor: „Alle Mittel, die zu Lande, zu Wasser und in der Luft zur Weitergabe von Nachrichten und zur Beförderung von Personen oder Sachen dienen, mit Ausnahme der durch das Seerecht geregelten Fälle, sowie die Waffenniederlagen und überhaupt jede Art von Kriegsvorräten können, selbst wenn sie Privatpersonen gehören, mit Beschlag belegt werden. Beim Friedensschlusse müssen sie aber zurückgegeben und die Entschädigungen geregelt werden“18. In dieser Bestimmung wird demnach eine potentielle Überschneidung der Anwendungsbereiche des Land- und des Seekriegsrechts vorrausgesetzt, wobei hinsichtlich der Abgrenzung auf das Seekriegsrecht verwiesen wird [a)]. Ein präziser Vorschlag zur Abgrenzung der Kriegsschauplätze findet sich in zwei Konventionsentwürfen des Institut de droit international19. Dort werden Flüsse grundsätzlich dem Landkriegsrecht unterstellt und eine Anwendung des Seekriegsrechts nur in bestimmten Ausnahmefällen zugelassen20 [b)]. a) Der Artikel 53 Absatz 2 der Haager Landkriegsordnung Der Artikel 53 Absatz 2 der Haager Landkriegsordnung21 ist aus einer entsprechenden Bestimmung der Brüsseler Erklärung von 1874 über die Gesetze und Gebräuche des Krieges hervorgegangen22. Die Bestimmung von 1874 begann – im Unterschied zu Artikel 53 Absatz 2 der Haager Landkriegsordnung – mit einer Aufzählung diverser Verkehrs- und Kommunikationsmittel: „Le matériel des chemins de fer, les télégraphes de terre, les bateaux à vapeur et autres navires en dehors des cas régis par 16 Vgl. Art. 10 f. der deutschen Prisenordnung vom 28. August 1939 (Anm. 14) sowie das Kapitel 8.2.2.1 des Commander’s Handbook der US-Marine (Anm. 11). 17 Anlage zum IV. Haager Abkommen betreffend der Gesetze und Gebräuche des Landkriegs, 18. Oktober 1907, RGBl. 1910, S. 132. 18 Ibid.; die Hervorhebungen sind im Originaltext nicht enthalten. 19 Art. 40 des in Heidelberg verabschiedeten Projet de règlement international de navigation fluviale, Annuaire IDI 1887 (9. Jahr), S. 182 ff.; Art. 1 und 47 des in Oxford verabschiedeten Manuel des lois de la guerre maritime, ibid. 1913 (Bd. 26), S. 641 ff. 20 Siehe oben, Einleitung, Anm. 149, 150. 21 18. Oktober 1907 (Anm. 17). 22 Art. 6 Abs. 2 des Projet d’une déclaration internationale concernant les lois et coutumes de la guerre, 27. August 1874, Actes de la Conférence de Bruxelles (1874), S. 362 ff. der Ausg. von 1899. Die Brüsseler Erklärung wurde nie ratifiziert, M. Bothe, Friedenssicherung und Kriegsrecht, in: W. Graf Vitzthum (Hrsg.), Völkerrecht (2. Aufl. 2001), S. 642 (Abschn. 8, Rn. 56).

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la loi maritime“ etc. sollten danach auch aus Privatbesitz beschlagnahmt werden dürfen. Die Enumeration wurde bei der Friedenskonferenz von 1907 als unzulänglich erachtet23 und durch die oben zitierte allgemeine Formulierung ersetzt24. Beibehalten wurde hingegen die ursprünglich nur auf Schiffe bezogene Einschränkung „en dehors des cas régis par le droit maritime“25. Die letztgenannte Einschränkung ging auf die Initiative eines spanischen Delegierten bei der Brüsseler Konferenz zurück. Er hatte angeregt, die vom landkriegsrechtlichen Beschlagnahmerecht erfaßten Schiffe als solche zu definieren, die der Schiffahrt auf Binnengewässern dienten, wobei diejenigen Binnengewässer ausgenommen sein sollten, die mit dem Meer in Verbindung stehen26. Mit dieser Einschränkung wollte er vermeiden, daß mit den Regelungen zum Landkrieg den Vereinbarungen zum Seekrieg vorgegriffen würde27. Der Vorschlag stieß beim Delegierten des Deutschen Reichs, einem Generalmajor des Heeres, auf Ablehnung. Er meinte, ein Besatzer würde mit Schiffen ebenso verfahren, wie mit anderem Material, soweit es kriegswichtig sei28. Eine Ausgrenzung bestimmter Binnengewässer aus dem Schauplatz des Landkrieges lehnte er deshalb ab. Um dem Anliegen des spanischen Delegierten dennoch zu entsprechen, schlug der belgische Delegierte vor, einfach diejenigen Fälle vom Beschlagnahmerecht auszunehmen, die vom Seerecht erfaßt würden29. Sein Vorschlag, mit dem das Abgrenzungsproblem in das Seekriegsrecht verlagert wurde, fand allgemeine Zustim23 Die Aufzählung war bei der Friedenskonferenz von 1899 erweitert worden, vgl. Art. 53 Abs. 2 der Landkriegsordnung von 1899, The Hague Peace Conferences, Texts of Conventions with Commentaries (1909), A. P. Higgins (Hrsg.), S. 250. Bei der Friedenskonferenz von 1907 zog man es dann vor, eine allgemeine Formulierung zu wählen, statt die Aufzählung erneut zu ergänzen, Protokoll der 2. Sitzung der 2. Kommission, 14. August 1907, Annex bzgl. der Beratungen der 1. Unterkommission, Deuxième Conférence internationale de la paix, Actes et documents, Bd. III (1907), S. 27. 24 Siehe oben, bei Anm. 18. 25 Die Ersetzung des Begriffs „loi maritime“ hatte rein terminologische Gründe. 26 Stellungnahme des Herzogs v. Tetuan, Kommissionssitzung vom 13. August 1874 (XI. Protokoll), Actes de la Conférence de Bruxelles (1874), S. 154 der Ausg. von 1899. 27 Ibid. 28 Stellungnahme des Generalmajors v. Voigts-Rhetz, ibid., S. 154 f. Der Generalmajor befürchtete anscheinend, daß für die Beschlagnahme von Binnenschiffen auf Gewässern mit Zugang zum Meer ein prisengerichtliches Verfahren nötig werden könnte, oder daß die Beschlagnahme im Falle einer Abschaffung des Prisenrechts gar verboten würde. 29 Stellungnahme des Barons v. Lambermont, ibid., S. 155.

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mung30 und wurde bei den Friedenskonferenzen von 1899 und 1907 nicht weiter in Frage gestellt31. Die Ablehnung der 1874 vorgeschlagenen Differenzierung zwischen Binnengewässern mit und ohne Zugang zum Meer hatte zur Folge, daß Binnengewässer generell dem Schauplatz des Landkrieges zugeordnet blieben32. Mit dem Verweis auf das Seerecht blieb aber zugleich ein Einfallstor dafür offen, daß mit einer extensiven Anwendung des Prisenrechts der Anwendungsbereich des Landkriegsrechts zurückgedrängt werden konnte. Dem hätte mit einer präzisen Abgrenzung der Kriegsschauplätze entgegengewirkt werden können. b) Die Abgrenzung der Kriegsschauplätze in Kodifikationsentwürfen des IDI Anders als die Haager Abkommen enthalten zwei vom Institut de droit international verabschiedete Konventionsentwürfe eine genaue Festlegung der Schauplätze des Land- und des Seekrieges. Das 1887 in Heidelberg verabschiedete „Projet de règlement international de navigation fluviale“ ordnet Flüsse grundsätzlich dem Bereich des Landkrieges zu33: Gemäß Artikel 30

Vgl. ibid. Es sei erwähnt, daß die Debatte des Art. 53 Abs. 2 der Haager Landkriegsordnung bei der Friedenskonferenz von 1907 durch eine mangelnde terminologische Präzision gekennzeichnet ist, vgl. das Protokoll der 2. Sitzung der 2. Kommission, 14. August 1907, Annex bzgl. der Beratungen der 1. Unterkommission, Deuxième Conférence internationale de la paix, Actes et documents, Bd. III (1907), S. 27: Danach meinte ein japanischer Delegierter, Wasserfahrzeuge sollten in Art. 53 Abs. 2 keine Erwähnung finden, weil sie nicht unter das Landkriegsrecht fielen. Die übrigen Delegierten hielten ihm entgegen, das „Prisenrecht“ („droit de capture maritime“) könne auch im Landkrieg zur Anwendung kommen, wenn im Hafen liegende Schiffe von Landstreitkräften beschlagnahmt würden, besonders wenn es sich um Binnenschiffe handle. Die Argumentation ist (so formuliert) inkohärent, weil das Prisenrecht ein charakteristisches Institut des Seekriegsrechts darstellt; eine diesbezügliche Regelung in der Landkriegsordnung wäre folglich deplaziert. Der Art. 53 Abs. 2 der Landkriegsordnung betrifft auch gerade das landkriegsrechtliche Beschlagnahmrecht, bei dem die Durchführung eines prisengerichtlichen Verfahrens entbehrlich ist. Wenn also die Mehrheit der Delegierten die Wegnahme von Binnenschiffen in Art. 53 Abs. 2 regeln wollte, konnte das allein damit motiviert sein, daß sie die Durchführung eines prisengerichtlichen Verfahrens für unnötig erachtete. Bei der Verwendung des Ausdrucks „droit de capture maritime“ handelte es sich folglich um eine terminologische Ungenauigkeit (das verkennt M. O. Hudson, Seizures in Land and Naval Warfare Distinguished, AJIL 1922, S. 375 ff. [S. 386 f.], indem er die ihm selbst seltsam anmutende Formulierung wörtlich nimmt). 32 Zur diesbezüglichen Praxis auf dem europäischen Kontinent siehe oben, Einleitung, Anm. 151. 33 Annuaire IDI 1887 (9. Jahr), S. 182 ff. 31

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40 soll der „propriété flottante sur un fleuve international [. . .] suivant l’analogie de la protection de la propriété ennemie en cas de guerre sur terre“ behandelt werden. Ferdinand Perels wies in der Debatte des betreffenden Artikels darauf hin, „qu’on ne doit pas supposer une différence entre la guerre sur terre et une guerre sur un fleuve. C’est exactement la même chose“34. Die Möglichkeit von Grenzfällen im Übergangsbereich von Flüssen zum Meer war 1887 nicht in Erwägung gezogen worden. Die Frage wurde dann aber bei der Ausarbeitung des 1913 in Oxford verabschiedeten „Manuel des lois de la guerre maritime“ eingehend erörtert35. Dabei reichte das Meinungsspektrum von der kategorischen Ablehnung der Ausübung des Prisenrechts auf Flüssen36 bis zur eher vereinzelt vertretenen Auffassung, das Prisenrecht sei insoweit anwendbar, wie es Kriegsschiffen im Einzelfall gelänge, stromaufwärts ins Inland vorzustoßen37. Beide Auffassungen wurden von der Mehrheit der Institutsmitglieder als jeweils zu weitgehend abgelehnt38. Besonders die letztgenannte Auffassung war Kritik ausgesetzt: Wegen des Fortschreitens der modernen Technik würde sie es ermöglichen, den Anwendungsbereich des Seekriegsrechts zu Lasten des Landkriegsrechts zu verschieben. Als Beispiel wurde angeführt, daß Kriegsschiffe bereits rheinaufwärts bis nach Köln fahren könnten39. Im Verlauf der Debatte wurde eine differenzierte Lösung entwickelt, die sowohl auf die Eigenschaften der jeweiligen Gewässer als auch auf die Natur des Zugriffsobjekts abstellte. Gemäß Artikel 1 der Endfassung des Manuel sollte das Seekriegsrecht „à la pleine mer et aux eaux territoriales des belligérants à l’exclusion des eaux qui, sous le rapport de la navigation, ne doivent pas être considérées comme maritimes“ Anwendung finden40. Flußabschnitte, auf denen ein Verkehr von Seeschiffen zwar möglich war, die aber dennoch nicht als maritim angesehen werden mußten, blieben danach aus dem Anwendungsbereich des Seekriegsrechts ausgeschlossen. Zusätzlich zur lokalen Begrenzung des Seekriegsschauplatzes war in Artikel 47 Absatz 1 des Manuel vorgesehen, daß Schiffe, die hauptsächlich 34

Ibid., S. 180; vgl. auch oben, Anm. 6. Vgl. die Debatten der für das Manuel zuständigen Kommission, Annuaire IDI 1913 (Bd. 26), S. 183 ff., sowie die Erörterungen des Plenums, ibid., S. 506 f., 600 ff. 36 Stellungnahmen von P. Fauchille, L. Strisower, E. Rolin Jaequemyns, A. de Lapradelle, ibid., S. 183 ff., 186, 602. 37 Stellungnahmen von G.-F. Hagerup und W. Kaufmann, ibid., S. 183 f., 188, 601. 38 Vgl. ibid., S. 187 f., 603. 39 Stellungnahme von L. Strisower, ibid., S. 188. 40 Ibid., S. 641 ff. 35

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2. Kap.: Mögliche Einschränkungen der Schiffahrtsfreiheit

der Binnenschiffahrt dienen, von der Ausübung des Prisenrechts ausgenommen sein sollten. Die vom Institut de droit international vorgeschlagenen Kriterien zur genauen Abgrenzung der Bereiche des Land- und des Seekrieges orientierten sich weniger an der Staatenpraxis als vielmehr an rechtspolitischen Erwägungen. In Ermangelung von Präzedenzfällen hatte sich eine allgemein anerkannte Regel insoweit nicht herausbilden können41. 2. Die Praxis der Kriegführenden zu Zeiten des klassischen Völkerrechts Der in den Debatten des Institut de droit international sowie bei den Friedenskonferenzen zutage getretene Konsens über die grundsätzliche Zuordnung von Flüssen zum Bereich des Landkrieges entsprach der kontinentaleuropäischen Praxis zu Zeiten des klassischen Völkerrechts42 [a)]. Ansätze zu einer analogen Anwendung des Seekriegsrechts finden sich ausnahmsweise hinsichtlich der Donau im Krieg von 1877/7843 [b)]. Eine unmittelbare Anwendung des Prisenrechts auf Flüssen wurde lediglich in Nordamerika praktiziert, nämlich ansatzweise während der Unabhängigkeitskriege, vor allem aber während des Bürgerkrieges von 1861–6544 [c)]. a) Die prinzipielle Zuordnung von Flüssen zum Schauplatz des Landkrieges Für die Epoche des klassischen Völkerrechts sind keine prisengerichtlichen Entscheidungen bekannt, welche die Ausübung des Prisenrechts auf europäischen Flüssen zum Gegenstand hätten. Teilweise ist versucht worden, dies mit besonderen tatsächlichen Umständen zu erklären, ohne eine dem zugrundeliegende Regel anzuerkennen45. Wie aber schon die zuvor 41 Das erklärt die Vielfältigkeit der hierzu in der Debatte des IDI vertretenen Auffassungen. Zu einigen der im Schrifttum vorgeschlagenen Abgrenzungskriterien siehe den Überblick bei J. Biensfeldt, Das Prisenrecht in Flußläufen, ZfV 1917/18, S. 375 ff. (S. 378). 42 Siehe schon oben, Einleitung, Anm. 151. 43 Vgl. die diplomatische Korrespondenz Österreich-Ungarns, Rußlands und der Türkei, Mai 1877, Martens, NRG II 3, S. 201 ff. (S. 205 f., 208). 44 Vgl. die Nachweise bei M. O. Hudson, Seizures in Land and Naval Warfare Distinguished, AJIL 1922, S. 375 ff. (S. 379 ff.). 45 Hudson, ibid. (S. 377), meint, Staaten mit schiffbaren Flüssen und großen Binnenschiffahrtsflotten seien im 19. Jahrhundert nur selten besetzt worden; ansonsten habe wohl einfach kein Bedürfnis für die Durchführung prisengerichtlicher Verfahren bestanden. Die letztgenannte Hypothese dürfte insofern zutreffen, als prisengerichtliche Verfahren im Landkrieg entbehrlich sind.

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erörterten Stellungnahmen bei den Friedenskonferenzen und im Institut de droit international indizieren, existierte offenbar eine opinio iuris, daß Flüsse grundsätzlich dem Bereich des Landkrieges zuzuordnen sind. Das Fehlen von Präzedenzfällen für die Anwendung des Prisenrechts auf Flüssen wäre folglich die Konsequenz einer gewohnheitsrechtlichen Übung. Eine entsprechende Praxis läßt sich bis in die Anfangszeit des europäischen Völkerrechts zurückverfolgen. So existiert ein Edikt von Louis XIV vom Juli 1691, wonach Kaperschiffe, falls sie auf französischen Binnengewässern angetroffen wurden, wie Piraten behandelt werden sollten46. Da die Kaperei seinerzeit auf dem Meer nicht verboten war, kann hieraus gefolgert werden, daß Binnengewässer nicht dem Schauplatz des Seekrieges zugeordnet wurden. Anders als Maßnahmen im prisengerichtlichen Verfahren können Beschlagnahmungen durch Landstreitkräfte ohne die Einhaltung einer besonderen Form durchgeführt werden47. Sie werden kaum dokumentiert und relativ selten historisch überliefert. Eher ungewöhnlich ist deshalb die genaue Dokumentation des Vorgehens gegen Donauschiffe im russisch-türkischen Krieg von 1877/7848. b) Die Praxis des russisch-türkischen Krieges von 1877/78 Die Donau war während des Krieges von 1877/78 die Hauptverteidigungslinie der Türkei gegen die russische Invasion. In dieser besonderen Situation wurden die den Landstreitkräften generell zur Verfügung stehenden Instrumentarien offenbar für unzulänglich erachtet, und so erhielt der türkische Oberkommandierende hinsichtlich der Donau besondere Vollmachten, die zum Teil dem Seekriegsrecht entlehnt waren49 [aa)]. Die Einschränkungen der neutralen Schiffahrt mußten allerdings nach Protesten der neutralen 46 Siehe die Stellungnahme von C. Jordan und E. Nys in der Debatte des Manuel des lois de la guerre maritime, 5. August 1913, Annuaire IDI 1913, S. 504 ff. (S. 507). 47 Hudson (Anm. 44, S. 375). 48 Siehe die Erklärung des russischen Oberbefehlshabers vom 27. April 1877, The Times (London), 3. Mai 1877, S. 6 (War and Navigation), die dem türkischen Oberkommandierenden am 29. April 1877 erteilten Instruktionen, gefolgt von einer Proklamation vom 30. April 1877, Martens, NRG II 3, S. 199 ff., die diplomatische Korrespondenz Österreich-Ungarns, Rußlands und der Türkei, Mai 1877, ibid., S. 201 ff., die Ziff. 8 f. des russischen Ukas vom 24. Mai 1877, ibid., S. 216 ff., und die Dokumentation in Année Maritime 1878 (Edition Berger-Levrault, Paris), Suspension de la navigation sur le Danube, S. 47 ff. 49 Vgl. die dem türkischen Oberkommandierenden erteilten Instruktionen, 29. April 1877, Martens, NRG II 3, S. 199 f.

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Mächte größtenteils wieder aufgehoben werden50 [bb)]. In Kraft blieben hingegen die Maßnahmen gegen feindliche Schiffe51 [cc)]. aa) Die zunächst gegen die Donauschiffahrt ergriffenen Maßnahmen Durch die am 29. April 1877 erteilten Instruktionen wurde der türkische Oberbefehlshaber ermächtigt, die Schiffahrt auf der Donau zu verbieten52. Zudem durfte er Schiffe zurückhalten, umleiten, ihnen Liegeplätze zuweisen oder sie gegen Entschädigungsleistung requirieren. Bei Verstößen gegen seine Anordnungen wurden „schwerste Strafen“ angedroht, wie die Konfiszierung von Schiff und Ladung oder gar die persönliche Bestrafung der Besatzungsmitglieder als „Spione“53. In jedem Fall sollten Kriegskonterbande und Schiffe, die Kriegskonterbande beförderten, der Beschlagnahme und Konfiszierung unterliegen. Über Konfiskationen und die Qualifikation als Kriegskonterbande sollte, soweit als möglich, ein vom Oberkommandierenden einzuberufendes Sondergericht („conseil spécial“) entscheiden54. Die genannten Regeln sollten sowohl für türkische, wie auch für russische und neutrale Donauschiffe gelten. Die Terminologie hielt sich in den Kategorien des Landkriegsrechts55; einige Regelungen waren aber dem Seekriegsrecht nachempfunden56. Gleichzeitig wurde erklärt, die für den neutralen Seehandel gültigen Regeln könnten auf der Donau keine Geltung beanspruchen, da der Fluß als Verteidigungslinie fungiere57. In der Hinsicht stützte die Türkei sich auf ihre besondere Stellung als territorialer Souverän, und sie berief sich zusätzlich auf angebliche militärische Notwendigkeiten58. 50

Siehe schon oben, § 3 I. 1. a) aa). Siehe schon oben, § 3, Anm. 129. 52 Martens, NRG II 3, S. 199 f. (S. 199). 53 Ibid. (S. 199 f.). 54 Ibid. (S. 200). 55 Beispielsweise ist der Begriff „Requirierung“ im Seekriegsrecht eher unüblich. Man spricht für „aufgebrachte“ (nicht „beschlagnahmte“) Schiffe von „Prise“ oder „Einziehung“; hinsichtlich neutraler Schiffe existiert das „Angarienrecht“ etc. 56 Zum Beispiel war die Regelung hinsichtlich der Konfiskation von Konterbandeführern an das Seekriegsrecht angelehnt, ebenso die Einsetzung eines dafür zuständigen Gerichts. Das für die Donau zuständige Sondergericht („conseil spécial“) war aber mit dem in Konstantinopel ansässigen Prisenhof („conseil des prises“) nicht identisch, vgl. das Règlement concernant les prises maritimes, Juni 1877, ibid., S. 218 f. 57 Instruktionen für den türkischen Oberbefehlshaber, 29. April 1877, ibid., S. 199 f. (S. 199). 58 Ibid. (S. 200). 51

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Der russische Oberkommandierende hatte, im Hinblick auf das Besatzungsregime in Rumänien59, bereits am 27. April 1877 die Schiffahrt auf der unteren Donau verboten60. Als Grund wurde angegeben, er wolle mögliche Schäden für die Schiffahrt und den Handel vermeiden. Diese Begründung wurde jedoch von den neutralen Mächten ebenso abgelehnt wie auch die Argumentation der Türkei. bb) Die weitere Behandlung neutraler Donauschiffe Wie bereits dargelegt, protestierten die neutralen Mächte – allen voran Österreich-Ungarn – nachdrücklich gegen das Verbot der neutralen Schifffahrt auf der unteren Donau61. Ein russischer Ukas vom 24. Mai 1877 bestimmte daraufhin, daß die neutrale Donauschiffahrt soweit wie möglich frei bleiben solle und nur zeitweise bei militärischen Notwendigkeiten eingeschränkt werden könne62. Auch die Türkei hob das Verbot der neutralen Donauschiffahrt auf, wobei sie sich allerdings gewisse Kontrollen vorbehielt63. Österreich-Ungarn hatte in den Verhandlungen mit der Türkei auf eine analoge Anwendung der Regeln des Seekrieges gedrängt und dabei eingeräumt, neutrale Schiffe dürften keinesfalls Kriegskonterbande oder gar Truppen transportieren; andernfalls könnten sie von den Kriegführenden beschlagnahmt und konfisziert werden64. In einem kaiserlichen und königlichen Dekret wurden die Reichsangehörigen darauf hingewiesen, in derartigen Fällen keinen Schutz ihrer Regierung erwarten zu können65. Entsprechend erlaubte auch der russische Ukas vom 24. Mai 1877 nur die Schiffahrt und den „legalen“ Handel der Neutralen66. Die Möglichkeit, für den Feind bestimmte Kriegskonterbande zu beschlagnahmen, besteht nach den allgemeinen Regeln sowohl im Land- wie 59 Zum Unterschied einer occupatio bellica zu einem Souveränitäts- oder Regierungswechsel siehe C. Schmitt, Der Nomos der Erde (1950), S. 176, 178 ff. 60 Erklärung vom 27. April 1877, The Times (London), 3. Mai 1877, S. 6 (War and Navigation). 61 Siehe oben, § 3 I. 1. a) aa). 62 Ziff. 8 des Ukas vom 24. Mai 1877, Martens, NRG II 3, S. 216 ff.; ein gleichlautender Befehl vom 12. Mai 1877 ist wiedergegeben bei H. Hajnal, Le droit du Danube international (1929), S. 121, Anm. 1. 63 Année Maritime 1878, Suspension de la navigation sur le Danube, S. 47 ff. (S. 50). 64 Schreiben des k.u.k. Außenministers Andrássy, 22. Mai 1877, Martens, NRG II 3, S. 202 ff. (S. 205 f.). 65 Ziff. 1 Abs. 4 des Dekrets bezüglich der Beachtung der Neutralität während des russisch-türkischen Krieges, 11. Mai 1877, ibid., S. 215 f. 66 Ziff. 8 des Ukas vom 24. Mai 1877, ibid., S. 216 ff.

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auch im Seekrieg67. Die Frage, ob ein neutrales Handelsschiff wegen des Transports von Kriegskonterbande konfisziert werden darf, kann sich hingegen im Landkrieg kaum jemals stellen. Es lag deshalb nahe, die Regeln des Seekrieges analog heranzuziehen und als Sanktion für den Transport von Kriegskonterbande die Konfiskation des Schiffes zuzulassen. Zwingend war diese Lösung indes nicht, da zwischen einem Fluß und dem Meer ein wesentlicher Unterschied besteht: Der Transport von Kriegskonterbande auf dem Meer stellt keinen kriminellen Akt dar, sondern es handelt sich schlicht um ein „riskantes Verhalten“68. Der Konterbandeführer riskiert Schiff und Ladung, kann aber im Falle der Aufbringung strafrechtlich nicht belangt werden. Er macht nur von einer doppelten Freiheit Gebrauch: Der räumlichen Freiheit des Meeres und der sachlichen Freiheit des Handels69. Anders verhält es sich bei einem Fluß, der ja der staatlichen Souveränität unterliegt. Insoweit kann grundsätzlich nichts dagegen eingewandt werden, wenn der Handel mit Kriegskonterbande verboten und strafrechtlich verfolgt wird. Die analoge Anwendung der Regeln des Seekrieges war für ÖsterreichUngarn im Vergleich zu den umfassenden Sondervollmachten des türkischen Oberkommandierenden vorteilhaft, und die betreffende diplomatische Korrespondenz deutet darauf hin, daß Österreich-Ungarn sich mit seinen Forderungen weitgehend durchgesetzt hat70. Obwohl die Einschränkungen der neutralen Donauschiffahrt größtenteils aufgehoben wurden71, hielten die 67 Das Fehlen diesbezüglicher Unterschiede zwischen dem Land- und dem Seekriegsrecht wird durch Art. 53 Abs. 2 Haager Landkriegsordnung, 18. Oktober 1907 (Anm. 17), indiziert: Alle Nachrichtenübertragungs- und Transportmittel, „mit Ausnahme der durch das Seerecht geregelten Fälle, sowie die Waffenniederlagen und überhaupt jede Art von Kriegsvorräten“ können danach bei Privatleuten beschlagnahmt werden. Eine Differenzierung hinsichtlich der „durch das Seerecht“ geregelten Fälle besteht also (betreffend der Beschlagnahme) nur im Hinblick auf Nachrichtenübertragungs- und Transportmittel, nicht aber bezüglich feindlicher Kriegsvorräte. Hinsichtlich der Rückgabe- und Entschädigungspflicht bestehen allerdings graduelle Unterschiede: Bei einer militärischen Besatzung müssen beschlagnahmte Kriegsvorräte gemäß Art. 53 Abs. 2 S. 2 der Haager Landkriegsordnung zurückgegeben oder entschädigt werden. Die bei Kämpfen an Land beschlagnahmten Kriegsvorräte müssen zwar grundsätzlich auch zurückgegeben werden, im Falle der Unmöglichkeit muß aber keine Entschädigung geleistet werden, vgl. Art. 23 Abs. 1 Lit. g) Haager Landkriegsordnung sowie G. Schwarzenberger, International Law, Bd. II, The Law of Armed Conflict (1968), S. 292 f. Im Seekrieg erbeutete Konterbande unterliegt hingegen der Einziehung, Art. 15 Abs. 2 Ziff. 1 der deutschen Prisenordnung, 28. August 1939 (i. d. F.v. 19.12.1940), in: Hecker/Tomson (Anm. 14), S. 53 ff. 68 C. Schmitt, Der Nomos der Erde (1950), S. 287. 69 Ibid. 70 Vgl. die an Österreich-Ungarn gerichtete türkische Note vom 31. Mai 1877, Martens, NRG II 3, S. 207 f. (S. 208).

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Kriegführenden aber an den gegen die feindliche Donauschiffahrt gerichteten Maßnahmen fest. cc) Die weitere Behandlung feindlicher Donauschiffe Bei der Wiedereinräumung der Schiffahrtsfreiheit auf der Donau erklärte die Türkei, die Schiffahrt unter russischer Flagge bleibe verboten72. Entsprechend besagte der russische Ukas vom 24. Mai 1877, die Donau solle für neutrale Schiffe offen stehen73; umgekehrt wurde also an der Sperrung des Flusses für feindliche Schiffe festgehalten74. Ein explizites Verbot der feindlichen Schiffahrt ist im Seekrieg nicht erforderlich, da die Kriegführenden ab dem Kriegsbeginn automatisch feindliche Schiffe und Ladungen beschlagnahmen und konfiszieren können75. Eine Konfiskation feindlicher Schiffe ist hingegen in der Haager Landkriegsordnung, beziehungsweise in der Brüsseler Erklärung von 1874, nicht vorgesehen76. Die Kriegführenden sind aber berechtigt, die Benutzung ihrer Binnenwasserstraßen durch feindliche Schiffe zu untersagen77. Es spricht nichts dagegen, dieses Verbot mit der Drohung einer Konfiskation zu be71 Die Bedingungen, unter denen die Türkei die Freiheit der neutralen Donauschiffahrt wiederherstellte, sind im Année Maritime 1878 (Anm. 63, S. 50, Ziff. 1 f., 4) dokumentiert. 72 Ibid. (S. 50, Ziff. 3). Zudem blieb auch die Schiffahrt unter der Flagge des aufständischen Fürstentums Rumänien verboten. 73 Ziff. 8 des Ukas vom 24. Mai 1877, Martens, NRG II 3, S. 216 ff. 74 Zum ursprünglich allgemeinen Verbot der Schiffahrt auf der unteren Donau siehe die Erklärung des russischen Oberbefehlshabers vom 27. April 1877, The Times (London), 3. Mai 1877, S. 6 (War and Navigation). 75 In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurden Schiffe, die sich bei Kriegsbeginn auf dem Meer oder in den Häfen des jeweiligen Gegners befanden, zumeist von prisenrechtlichen Maßnahmen verschont, wobei eine dahingehende Verpflichtung allerdings nicht bestand. Mit der VI. Haager Konvention über die Behandlung feindlicher Kauffahrtsschiffe beim Ausbruch der Feinseeligkeiten, RGBl. 1910, S. 181 ff., hätte diese Sitte teils als verbindlich, teils als „wünschenswert“ festgeschrieben werden sollen. Die Konvention wurde aber von Deutschland nur mit Vorbehalt ratifiziert, vgl. das Urteil Fenix, Entscheidungen des Oberprisengerichts (1918), S. 1 (S. 4 ff.); England und Frankreich haben sie später ganz gekündigt. Die Konvention hat damit nicht zur Bildung von Völkergewohnheitsrecht beitragen können, E. Féaux de la Croix, Die deutsche Prisengerichtsbarkeit, in: W. Gladisch/B. Widmann, Grundfragen des Seekriegsrechts im Zweiten Weltkrieg (1944), S. 111 ff. (130 f.). 76 In Art. 53 Abs. 2 der Haager Landkriegsordnung, bzw. Art. 6 Abs. 2 der Brüsseler Erklärung, ist jeweils nur eine Beschlagnahmung mit Restitutionspflicht und Entschädigungsvorbehalt vorgesehen, vgl. oben, bei Anm. 18, 22. 77 Zur Suspension der Schiffahrtsfreiheit im Verhältnis zwischen Kriegsgegnern siehe oben, § 3 II. 1.

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wehren, und in dem Sinne dürften auch die Maßnahmen vom Frühjahr 1877 zu verstehen gewesen sein. Die Instruktionen des türkischen Oberbefehlshabers vom 29. April 1877 sahen keine generelle Konfiskation feindlicher Donauschiffe vor, sondern nur Sanktionen für den Fall, daß den Anordnungen des Oberbefehlshabers zuwidergehandelt wurde78. Nach der ausdrücklichen Bekräftigung des Verbots, die Donau unter russischer Flagge zu befahren, mußte davon ausgegangen werden, daß nur Schiffe, die dieses Verbot mißachteten, konfisziert werden konnten. Die Zuständigkeit Rußlands für die Regelung der Donauschiffahrt ließ sich aus seiner Stellung als Besatzungsmacht in Rumänien herleiten79. Die Zuständigkeit bestand allerdings nur insoweit, wie Rußland die gesetzmäßige Gewalt über die betroffenen Gebiete bereits erlangt hatte, nicht aber vor oder während der Eroberung feindlicher Häfen etc.80. *** Die Situation der Donauschiffahrt während des Krieges von 1877/78 stellt sich als zu komplex dar, um einheitlich mit den Kategorien entweder des Land- oder des Seekriegsrechts beschrieben zu werden. Generell kann gesagt werden, daß die Kriegführenden zur Anwendung des Landkriegsrechts neigten, wohingegen Österreich-Ungarn bezüglich der neutralen Schiffahrt eine analoge Anwendung des Seekriegsrechts favorisierte. Diese Rechtspositionen entsprachen der jeweiligen Interessenlage der Beteiligten: Insbesondere die Türkei, als Inhaber der territorialen Souveränität, mußte daran interessiert sein, ihre Hoheitsrechte in den Vordergrund zu rücken, um sich damit gegenüber den Neutralen eine größere Handlungsfreiheit zu verschaffen. Die von Österreich-Ungarn bevorzugte Analogie zum Seekriegsrecht hatte hingegen zur Folge, bezüglich der neutralen Schiffahrt die Vorrechte der Territorialmacht zurückzudrängen und ihr nur die Eingriffsbefugnisse bezüglich des Transports von Kriegskonterbande zu belassen. Aus der Praxis des russisch-türkischen Krieges von 1877/78 lassen sich keine sicheren Schlüsse hinsichtlich der generellen Anwendbarkeit entweder 78 Vgl. die Instruktionen vom 29. April 1877, Martens, NRG II 3, S. 199 f. (S. 200). 79 Gemäß Art. 43 der Haager Landkriegsordnung, 18. Oktober 1907 (Anm. 17), bzw. Art. 2 der Brüsseler Erklärung, 27. August 1874 (Anm. 22), ist der Besatzer berechtigt und verpflichtet, das besetzte Gebiet provisorisch zu verwalten. Zu Besonderheiten der russischen Besatzung von 1877/78 vgl. C. Schmitt, Der Nomos der Erde (1950), S. 182 f. 80 Art. 43 der Haager Landkriegsordnung, 18. Oktober 1907 (Anm. 17), besagt: „Nachdem [sic] die gesetzmäßige Gewalt tatsächlich in die Hände des Besetzenden übergegangen ist“, hat er die öffentliche Ordnung wiederherzustellen.

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des Land- oder des Seekriegsrechts auf die Donauschiffahrt ziehen. Es ist aber hervorzuheben, daß Österreich-Ungarn lediglich eine analoge Anwendung des Seekriegsrechts forderte81 und gleichzeitig einräumte, daß die Türkei durch das Pariser Donaustatut keineswegs ihre Gebietshoheit über den Fluß eingebüßt hatte82. Obwohl Österreich-Ungarn also hinsichtlich der neutralen Schiffahrt die analoge Anwendung des Seekriegsrechts forderte, wurde übereinstimmend von einer grundsätzlichen Zuordnung der Donau zum Schauplatz des Landkrieges ausgegangen. Die Tendenz zur analogen Anwendung des Seekriegsrechts auf die neutrale Donauschiffahrt resultierte aus dem internationalen Status der Donau und der Anwendbarkeit des Prinzips der Schiffahrtsfreiheit im Verhältnis zwischen den neutralen und den kriegführenden Mächten. Weitere Beispiele einer analogen Anwendung des Seekriegsrechts bezüglich der neutralen Schiffahrt auf internationalen Flüssen sind allerdings nicht bekannt. Es erscheint deshalb unangebracht, aus diesem Einzelfall allgemeine Schlüsse zu ziehen. Vielmehr dürfte das 1887 vom Institut de droit international verabschiedete „Projet de règlement international de navigation fluviale“ die damalige Rechtslage zutreffend wiedergeben, indem es internationale Flüsse generell dem Bereich des Landkrieges zuordnet83. Nicht verallgemeinerungsfähig ist auch die ältere Praxis hinsichtlich nordamerikanischer Flüsse84, weil sich diese Praxis nicht bei „gehegten“ Kriegen auf dem europäischen Kontinent entwickelte, sondern in Unabhängigkeits- und Bürgerkriegen, die für das ius publicum europaeum nicht als maßgeblich angesehen werden können85.

81 Siehe das nach Konstantinopel gesandte Schreiben des k.u.k. Außenministers Andrássy, 22. Mai 1877, Martens, NRG II 3, S. 202 ff. (S. 205): „Außerdem können wir aber auch nicht zugeben, daß zwischen der Schiffahrt auf einem internationalen Strome wie der Donau und dem Schiffsverkehre auf dem Meere mit Bezug auf die Anwendbarkeit der durch die Pariser Deklaration vom 16. April 1856 formulierten seerechtlichen Regeln ein wesentlicher Unterschied obwalte“ etc. 82 Ibid. (S. 203): „Wir bestreiten nicht die territorialen Hoheitsrechte, die von der Pforte als Ufermacht, innerhalb der durch die Verträge gezogenen Grenzen, über dieses Flußgebiet ausgeübt werden können“. 83 Siehe oben, bei Anm. 33. 84 Vgl. die diesbezüglichen Nachweise bei Hudson (Anm. 44, S. 379 ff.). 85 Zu den Besonderheiten „gehegter“ Kriege auf dem europäischen Kontinent siehe C. Schmitt, Der Nomos der Erde (1950), passim. Der Sezessionskrieg von 1861–65 war (trotz der Anerkennung der Südstaaten als Belligerenten, ibid., S. 276 ff.) ein Bürgerkrieg, ebenso der Unabhängigkeitskrieg von 1775–83 und z. T. jener von 1812–14. Die bei außereuropäischen bzw. Bürgerkriegen geübten Praktiken können zur rechtlichen Beurteilung klassischer europäischer Staatenkriege nur bedingt herangezogen werden, vgl. ibid., S. 275 f.

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c) Die Praxis bezüglich nordamerikanischer Binnengewässer US-amerikanische Prisengerichte wurden in den Unabhängigkeitskriegen wiederholt mit der Ausübung prisenrechtlicher Befugnisse im Übergangsbereich zwischen Land und Meer befaßt, wobei einige interessante Ansätze zur Abgrenzung der Bereiche des Land- und des Seekrieges entwickelt wurden86 [aa)]. Anläßlich des Sezessionskrieges mußten sich die Gerichte hingegen mit zahlreichen tief im Landesinneren erbeuteten (echten oder vermeintlichen) Prisen auseinandersetzen87. Diese Rechtsprechung ist insofern von Interesse, als sich in ihr die Gefahr einer Auflösung der Unterscheidung zwischen den Kriegsschauplätzen manifestierte [bb)]. aa) Die Rechtsprechung der Unabhängigkeitskriege von 1775–83 und 1812–14 Dem Appellationsgericht des US-Bundesstaates Delaware lag im Kontext des Unabhängigkeitskrieges von 1775–83 die Frage vor, ob ein feindliches Seehandelsschiff, das zwecks Beladung von einer Bucht oder einer Flußmündung einige Meilen landeinwärts gefahren war, als Prise eingezogen werden konnte88. Die Antwort war affirmativ und wurde damit begründet, daß das Schiff gerade bei der Ausübung des feindlichen Seehandels aufgebracht worden war. Es könne nicht angehen, ein Schiff deshalb vom Anwendungsbereich des Prisenrechts auszunehmen, weil es zur einfacheren Beladung landeinwärts fährt89. In einem Fall des Supreme Court aus dem Jahre 1814 ging es um die Frage, ob eine mit Tauen gesicherte Ladung Holz, die schwimmend in einer Bucht gelagert wurde, dem Land- oder dem Seekriegsrecht unterfiel90. Die 86 Vgl. W. B. v. Latimer (1788), Court of Errors and Appeals of the State of Delaware, in: Dallas, Reports, vol. IV, Appendix, S. i ff., ebenfalls in: Supreme Court, Cases, Book 1, S. 915 ff., Brown v. United States (1814), Cranch, Reports, vol. VIII, S. 110 ff., ebenfalls in: United States Reports, vol. 12, S. 110 ff.; vgl. auch die diss. op. von J. Story, ibid., S. 129 ff. 87 Vgl. z. B. The Cotton Plant (1870), Wallace, Reports, vol. 10, S. 577 ff., ebenfalls in: Supreme Court, Cases, Book 19, vol. 77, S. 983 ff., The Siren (1871), Wallace, Reports, vol. 13, S. 389 ff., ebenfalls in: Supreme Court, Cases, Book 19, vol. 80, S. 505 ff., Oakes v. United States (1899), The Supreme Court Reporter, vol. 19, 864 ff. 88 W. B. v. Latimer (Anm. 86, S. ii ff. bzw. S. 915 ff.). 89 Ibid. (S. v bzw. S. 917): „[I]t would be a very singular distinction, if vessels, engaged in hostile projects, should be liable to seizure and condemnation, below the mouth of a river or creek, and should gain protection, by entering into it for the very purpose of more effectually carrying them on“. 90 Brown v. United States (Anm. 86, S. 110 f.).

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Mehrheit der Richter war der Auffassung, daß zwischen dieser Art der Lagerung und einer Aufbewahrung an Land kein wesentlicher Unterschied bestehe. Da es seinerzeit allgemein als unzulässig angesehen wurde, Waren beispielsweise aus Hafendepots als Prise wegzunehmen, wurde die Einziehung der Ladung mehrheitlich abgelehnt91. bb) Die Rechtsprechung des Sezessionskrieges von 1861–65 Die US-amerikanische Rechtsprechung zur Anwendung des Seekriegsrechts auf Binnengewässern erfuhr während des Sezessionskrieges eine außerordentliche Verschärfung. Das lag vor allem an der rigorosen Wirtschaftskriegführung der Konfliktparteien, die bei weitem nicht den in Europa etablierten Standards entsprach92. Die abundante Rechtsprechung speziell zur Anwendung des Prisenrechts auf Flüssen resultierte zudem aus der regen Aktivität von Flußkampfschiffen auf dem Mississippi und seinen Zuflüssen, sowie auf diversen Flüssen an der Westküste der USA93. In einem Fall hatte eine Marineeinheit der Vereinigten Staaten auf dem weit landeinwärts gelegenen Tennessee-River von kleinen Booten aus ein am Ufer liegendes Dampfschiff erbeutet, das gerade für die Konföderierten zum Flußkampfschiff umgebaut wurde94. Das im Rohbau befindliche Schiff wurde weiter landeinwärts auf den Ohio-River gebracht, wo es als Kanonenboot ausgerüstet und dann stromabwärts auf den Mississippi entsandt wurde. In einem späteren Verfahren erklärte der Supreme Court das Schiff zur guten Prise. Die Anwendung des Seekriegsrechts begründete er mit der Zugehörigkeit der agierenden Einheit zur Marine95. In anderen Fällen hatten Marineeinheiten der Vereinigten Staaten Agrarprodukte von Leichtern96 und aus Lagerhäusern97 am Flußufer erbeutet. Auch das wurde von einem US-Bundesgericht als wirksame Ausübung des Prisenrechts angesehen98. Anders hingegen wurde ein Fall beurteilt, in dem eine Kavallerieeinheit mit Flußbooten hinter die feindlichen Linien gelangt 91

Ibid. (S. 117, 122 ff.). Der Sezessionskrieg ist beispielsweise noch zu wesentlichen Teilen als Kaperkrieg geführt worden, C. Schmitt, Der Nomos der Erde (1950), S. 286; zur europäischen Praxis siehe Ziff. 1 der Pariser Seerechtsdeklaration, 16. April 1856, Martens, NRG I 15, S. 791. 93 Vgl. den Überblick bei Hudson (Anm. 44, S. 380 ff.). 94 Oakes v. United States (Anm. 87, S. 864 f.). 95 Ibid. (S. 867). 96 1253 Casks of Rice (1862); die Entscheidung eines US-District Court ist laut Hudson (Anm. 44, S. 380) veröffentlicht in: Blatchford Price Cases, S. 211. 97 103 Casks of Rice (1862), ibid. 98 Hudson (Anm. 44, S. 380 f.). 92

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war und dort auf einer Farm eine Ladung Baumwolle beschlagnahmt hatte99. Aufgrund der Zugehörigkeit dieser Einheit zur Armee lehnte ein Circuit Court die Einziehung der so beschlagnahmten Ware ab100. In der Endphase des Bürgerkrieges wurde den Beutezügen von US-Marineeinheiten auf Binnengewässern vom Kongreß ein Ende bereitet. Ein Gesetz aus dem Jahre 1864 besagt: „No property seized or taken upon any of the inland waters of the United States, by the naval forces thereof, shall be regarded as maritime prize“101. Von der Rechtsprechung wurde dies nicht so verstanden, als sei die vorangegangene Praxis eventuell als fragwürdig angesehen worden, sondern es wurde angenommen, das Vorgehen der Marineeinheiten solle lediglich dem Vorgehen der Armee angepaßt werden102. Die skizzierte Rechtsprechung läßt deutlich erkennen, wie der Unterschied zwischen dem Land- und dem Seekriegsrecht von den betreffenden Gerichten aufgefaßt wurde. Als entscheidend wurde nicht der räumliche Unterschied zwischen Land und Meer angesehen, und es wurde auch nicht sachlich auf das Ziel der Unterbindung des feindlichen Seehandels abgestellt. Statt dessen wurde die formelle Zugehörigkeit der agierenden Einheit zur Marine gefordert sowie die eine Aktion auf oder am Wasser unter zumindest akzessorischer Verwendung von Wasserfahrzeugen103. *** Die Rechtsprechung des Sezessionskrieges weicht hinsichtlich der Anwendung des Prisenrechts auf Binnengewässern deutlich von der Rechtsprechung der Unabhängigkeitskriege ab. In den Urteilen aus der Zeit der Unabhängigkeitskriege ging es um echte Grenzfälle aus dem Übergangsbereich zwischen Land und Meer. Den Urteilen lag die Vorstellung zweier abgrenzbarer Räume zugrunde, wobei Binnengewässer grundsätzlich dem Bereich des Landkrieges zugeordnet wurden. Ein Ausgreifen des Seekriegsrechts konnte ausnahmsweise mit dem Ziel der Unterbindung des feindlichen Seehandels begründet werden104. Bereits die Einziehung von Seehandelsware aus Hafendepots wurde aber als exzessiv erachtet105. 99 269½ Bales of Cotton (1868), Woolworth, vol. 1, S. 236 ff.; das Urteil ist auszugsweise in Oakes v. United States (Anm. 87, S. 867) wiedergegeben, ebenso bei Hudson (Anm. 44, S. 380, Anm. 27, sowie S. 381 f.). 100 Woolworth, vol. 1, S. 236 ff. (S. 256 f.). 101 Gesetz vom 2. Juli 1864, zit. nach: The Cotton Plant (Anm. 87, S. 983). Die Regel gilt bis heute als § 7651 Lit. c) S. 1 des U.S.C. Titel 10, Kap. 655 (Prize) vom 10. August 1956, in: Hecker/Tomson (Anm. 14), S. 571 ff. 102 Vgl. The Cotton Plant (Anm. 87, S. 582 bzw. S. 984). 103 Zu weiteren entspr. Urteilen siehe Hudson (Anm. 44, S. 381 f.). 104 Vgl. oben, Anm. 89.

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Die Rechtsprechung aus der Zeit des Sezessionskrieges differenziert wenig überzeugend nach der Zugehörigkeit der agierenden Einheit zur Armee oder zur Marine. Aus diesem formellen Unterscheidungsmerkmal kann eine Rechtfertigung für die substantiellen Unterschiede zwischen dem Land- und dem Seekriegsrecht nicht abgeleitet werden106. Angesichts der Beliebigkeit der Unterscheidung ist es verständlich, daß sie durch die Intervention des Gesetzgebers wieder abgeschafft wurde. Der vergleichsweise geringe Respekt des feindlichen Privateigentums, wie er in den angedeuteten Praktiken des Sezessionskrieges zum Ausdruck kommt, entspricht der Eigenart dieses Konflikts als einem ungehegten Bürgerkrieg, der im Vergleich zu den damaligen europäischen Staatenkriegen mit außerordentlicher Härte geführt wurde107. Auslöser des Konflikts war überdies der Streit um die Produktionsweise der Plantagenbesitzer des Südens108. Unter diesen Umständen muß es den Gerichten des Nordens legitim erschienen sein, den Schutz des feindlichen Privateigentums durch eine extensive Anwendung des Seekriegsrechts zurückzudrängen, zumal ein solches Vorgehen ökonomische und militärische Vorteile versprach. Für das klassische europäische Völkerrecht kann die dargestellte Praxis des Sezessionskrieges nicht als maßgeblich angesehen werden109. Selbst 1921, als die Abgrenzung der Bereiche des Land- und des Seekrieges auch in Europa an Kontur verloren hatte110, wurde im Schiedsspruch Questions 105

Vgl. oben, bei Anm. 90, 91. So i. E. auch der US-amerikanische Schiedsrichter W. D. Hines in Questions arising as to Danube shipping (Alliierte Mächte, Deutschland, Österreich, Ungarn, Bulgarien), Schiedsspruch, 2. August 1921, RIAA Bd. I, S. 7 (S. 115). Hinsichtlich der Beschlagnahme von Donauschiffen im Ersten Weltkrieg stellt er fest: „The sole reason which can be suggested in order to justify the confiscation of such private property, contrary to the principles of land warfare, is the claim that the vessels were seized by officers who, although located in the ports of the river, were designated as naval officers. The Arbitrator is of opinion that such a distinction would be devoid of substance under all the particular circumstances surrounding these particular seizures“. 107 Der Sezessionskrieg forderte mit ca. 600.000 Toten mehr Menschenleben als irgendein anderer Konflikt in der Zeit von 1815 bis 1914. Laut Golo Mann, Politische Entwicklung 1815–1871, in: Idem (Hrsg.), Propyläen Weltgeschichte, Bd. 8 (Wiederauflage 1986), S. 367 ff. (S. 519), wäre (unter Berücksichtigung der materiellen Schäden) seit 1648 kein europäischer Krieg so zerstörerisch gewesen wie der amerikanische Bürgerkrieg. 108 Zur Zuspitzung des Streits um die Sklaverei ab den fünfziger Jahren des 19. Jahrhunderts siehe ibid., S. 507 ff. Zur Erklärung der Sklavenbefreiung durch Präsident Lincoln siehe ibid., S. 518. 109 Die Verpflichtung der Bürgerkriegsparteien, die „rules of modern civilized warfare“ zu beachten, resultierte überhaupt nur aus der internationalen Anerkennung der Südstaaten als Belligerenten, vgl. C. Schmitt, Der Nomos der Erde (1950), S. 277 f., insb. S. 278, Anm. 1. 106

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arising as to Danube shipping festgestellt, daß Binnenschiffe allenfalls ausnahmsweise Gegenstand des Seebeuterechts werden könnten111. Die Zugehörigkeit der die Beschlagnahme ausführenden Einheiten zur Marine wurde in dem Schiedsspruch jedenfalls nicht als hinreichender Anknüpfungspunkt für die Anwendung des Prisenrechts akzeptiert112. 3. Die Praxis der beiden Weltkriege Der Schiedsspruch Questions arising as to Danube shipping wurde durch einen unmittelbar nach völkerrechtlichen Regeln urteilenden Schiedsrichter getroffen und hat deshalb für die Frage der Zulässigkeit prisenrechtlicher Maßnahmen auf Flüssen besondere Autorität [a)]. Aber auch nationale Prisengerichte haben eine genuin völkerrechtliche Funktion, indem sie über die Zulässigkeit kriegsrechtlicher Maßnahmen gegenüber neutralen oder feindlichen Privatpersonen erkennen113. Von Prisenrichtern ist deshalb zu erwarten, daß sie – trotz ihrer Bindung an die jeweilige nationale Prisenordnung – den Regeln des Seekriegsrechts Geltung verschaffen und zu seiner Fortbildung beitragen. Während der beiden Weltkriege tendierten sie allerdings dazu, den Schutz des Privateigentums zu reduzieren, wobei unter anderem der Anwendungsbereich des Landkriegsrechts auf Flüssen zurückgedrängt wurde114 [b)]. a) Der Schiedsspruch Questions arising as to Danube shipping Die Donauschiffahrt wurde im Verlaufe des Ersten Weltkrieges weitgehend in den Dienst einer österreich-ungarischen Militärbehörde, der „Zentralen Transportleitung“, gestellt und entsprechend zu militärischen Zwecken eingesetzt115. Der US-amerikanische Schiedsrichter W. D. Hines befand deshalb, daß die betreffenden Schiffe als Kriegsgerät einzustufen waren und damit Gegenstand des Kriegsbeuterechts werden konnten116 [aa)]. Privat ge110

Siehe C. Schmitt, Der Nomos der Erde (1950), S. 291 f. Schiedsspruch vom 2. August 1921 (Anm. 106, S. 102). 112 Vgl. oben, Anm. 106. 113 C. Schmitt, Der Nomos der Erde (1950), S. 287; vgl. auch H. Triepel, Völkerrecht und Landesrecht (1899), S. 290 f., 439 f. 114 Siehe Jonkheer W. J. M. van Eysinga, Les fleuves et canaux internationaux, in: Bibliotheca Visseriana Dissertationum ius internationale illustrantium, Bd. 2 (1924), Nr. VI (S. 152). 115 Siehe oben, Einleitung, Anm. 168. 116 Questions arising as to Danube shipping (Alliierte Mächte, Deutschland, Österreich, Ungarn, Bulgarien), Schiedsspruch, 2. August 1921, RIAA Bd. I, S. 7 (S. 106 ff.). 111

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nutzte Donauschiffe sollten hingegen als Privateigentum den Schutz der Artikel 46, 53 Absatz 2 der Haager Landkriegsordnung117 genießen. Eine Einziehung im prisengerichtlichen Verfahren wurde grundsätzlich für unzulässig erklärt118 [bb)]. aa) Die Konfiskation militärisch genutzter Donauschiffe Der Donau kam im Ersten Weltkrieg eine große Bedeutung als (potentieller) Nachschubweg zwischen den Mittelmächten und den Verbündeten Türkei und Bulgarien zu119. Nachdem es den Mittelmächten in schweren Kämpfen gelungen war, die Kontrolle über den serbischen Flußabschnitt zu erringen, gelangten im Herbst 1915 die ersten Munitionstransporte nach Bulgarien120. In umgekehrter Richtung bestand nunmehr die Möglichkeit, kriegswichtige Rohstoffe und Agrarprodukte vom Balkan nach Mitteleuropa zu schaffen121. Große Ausmaße nahmen diese Lieferungen besonders nach der Eroberung Rumäniens im zweiten Halbjahr 1916122 an. Wegen der Nahrungsmittelknappheit in Zentraleuropa wurde von den Besatzungstruppen systematisch Getreide requiriert123. Der Transport wurde durch die „Zentrale Transportleitung“ organisiert, die zu diesem Zweck nahezu alle verfügbaren Donauschiffe gechartert hatte. Überdies dienten die Schiffe wiederholt dazu, Truppen von einem Flußufer zum anderen überzusetzen124. Im Herbst 1918 gelang es nicht rechtzeitig, sämtliche Schiffe von der unteren Donau nach Mitteleuropa in Sicherheit zu bringen. Zahlreiche Schiffe wurden durch die – von Griechenland her – vorrückende französische Armee abgefangen125. Eine noch größere Anzahl wurde beim Zerfall des Habsburgerreichs durch die revolutionären Regierungen in Kroatien und Ungarn zurückgehalten und dann von den einrückenden alliierten Truppen beschlagnahmt126. 117

18. Oktober 1907 (Anm. 17). Questions arising as to Danube shipping (Anm. 116, S. 102 f., 105, 115). 119 Der Weltkrieg, Bd. 9, Die Operationen des Jahres 1915, hrsg. vom Reichsarchiv (1933), S. 144, 234, 276. 120 Ibid., S. 240. 121 Ibid., S. 143, R. C. Frucht, Dunarea noastra – Romania, the Great Powers, and the Danube Question 1914–1921 (1982), S. 35, Chamberlain (Anm. 3), S. 124 f. 122 Siehe oben, Einleitung, Anm. 63. 123 Questions arising as to Danube shipping (Anm. 116, S. 106 f.). Der Schiedsrichter wies darauf hin, daß die Requirierung von Getreide zur Verwendung in der Heimat gegen Art. 52 Abs. 1 S. 1 der Haager Landkriegsordnung, 18. Oktober 1907 (Anm. 17), verstieß. 124 Questions arising as to Danube shipping (Anm. 116, S. 106). 125 Ibid. (S. 103). 118

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Gemäß den Pariser Vorortfriedensverträgen mußten Deutschland, Österreich, Ungarn und Bulgarien „als Restitution oder Reparation“ Teile ihrer Donauflotten an die übrigen Donaustaaten abtreten127. Die Anzahl der bereitzustellenden Schiffe wurde in dem Schiedsspruch Questions arising as to Danube shipping festgelegt128. Zugleich wurde über die streitigen Eigentumsverhältnisse an den beschlagnahmten Schiffen entschieden129. Österreich und Ungarn verlangten die Rückgabe der beschlagnahmten Schiffe und beriefen sich auf den Schutz des Privateigentums gemäß Artikel 46 und 53 Absatz 2 der Haager Landkriegsordnung130. Der Schiedsrichter befand demgegenüber, daß die Schiffe der Zentralen Transportleitung kein geschütztes Privateigentum darstellten. Laut dem Schiedsspruch waren nicht nur die Truppen- und Munitionstransporte als militärische Aktivitäten zu werten, sondern auch der Transport militärisch requirierter Güter aus Serbien und Rumänien131. Die von der Zentralen Transportleitung betriebenen Schiffe seien ausschließlich zu militärischen Zwecken verwendet worden und hätten dabei ihren zivilen Charakter verloren. Als Kriegsgerät hätten sie durch die vorrückenden alliierten Truppen und die Besatzungsarmeen beschlagnahmt und konfisziert werden dürfen. Ein Schutz der Privateigentümer sei wegen der Ausgestaltung der Charterverträge auch gar nicht erforderlich: Danach trage nämlich Österreich-Ungarn das Risiko für den Verlust der Schiffe im Rahmen des Kriegsgeschehens. Es sei nunmehr Sache Österreichs und Ungarns, die Eigentümer für den Verlust zu entschädigen132. bb) Die Unzulässigkeit der Einziehung ziviler Donauschiffe Zahlreiche zivil genutzte Donauschiffe waren bei Kriegsende in den rumänischen Flußhäfen zurückgelassen worden. Dort wurden sie teilweise von rumänischen Offizieren beschlagnahmt, die formell der Marine angehörten133. Der Artikel 24 Ziffer 1 der rumänischen Prisenordnung134 besagt nun, daß die Beschlagnahme von Schiffen und Ladungen auch „in den Territorial126

Ibid. (S. 104). Art. 300 Abs. 1 S. 1 des Vertrages von Saint-Germain-en-Laye (Österreich), 10. September 1919, in: Ibid. (S. 98). Der Art. 284 des Vertrages von Trianon (Ungarn) und der Art. 228 des Vertrages von Neuilly (Bulgarien) enthalten identische Klauseln, ibid. 128 Vgl. Art. 300 Abs. 2 des Vertrages von Saint-Germain-en-Laye, ibid. 129 Vgl. Art. 300 Abs. 5 des Vertrages von Saint-Germain-en-Laye, ibid. 130 Questions arising as to Danube shipping (Anm. 116, S. 105). 131 Ibid. (S. 106 f.). 132 Ibid. (S. 107 f.). 133 Ibid. (S. 103 f., 115). 127

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gewässern (See- oder Flußgewässern) des aufbringenden Staates“ erfolgen könne135. Hinsichtlich der beschlagnahmten Donauschiffe wurden deshalb prisengerichtliche Verfahren eingeleitet, um die Schiffe einzuziehen. In dem Schiedsverfahren Questions arising as to Danube shipping machte Rumänien geltend, der Schiedsrichter solle nicht über die Eigentumsverhältnisse an den aufgebrachten Donauschiffen entscheiden, sondern dies den rumänischen Prisengerichten überlassen136. Der Schiedsrichter stellte sich demgegenüber auf den Standpunkt, umfassend zur Entscheidung über die Eigentumsverhältnisse an allen Donauschiffen berufen zu sein137. Selbst aus der rumänischen Prisenordnung ergebe sich, daß die Prisengerichtsbarkeit sich vor allem, wenn nicht gar ausschließlich, auf Seeschiffe beziehe138. Es bestehe kein Anlaß, in dem Schiedsspruch einen Vorbehalt hinsichtlich des Ausgangs der Prisengerichtsverfahren einzufügen. In der Sache machte Rumänien geltend, die von seinen Marineoffizieren beschlagnahmten Donauschiffe seien Gegenstand der Ausübung des Prisenrechts gewesen139. Deshalb könnten nicht nur die Schiffe der Zentralen Transportleitung, sondern auch die privat genutzten Donauschiffe einbehalten werden. Hiergegen wies der Schiedsrichter darauf hin, daß es sich bei den fraglichen Donauschiffen um reine Binnenschiffe handelte140. Sie seien auf der Donau beschlagnahmt worden, wo sie dem Verkehr zwischen Rumänien und den stromaufwärts gelegenen Staaten gedient hätten. Die Beschlagnahme durch Offiziere, die formell der Marine angehörten, sei kein substantieller Grund für eine Anwendung des Seekriegsrechts. Die zivil genutzten Donauschiffe müßten deshalb – soweit sie nicht als Reparationsleistung dienten – den österreichischen und ungarischen Eigentümern zurückgegeben werden141. 134

Codul jurisdictinnei de prize maritime, 30. Dezember 1917, in: H. Hecker/E. Tomson, Völkerrecht und Prisenrecht (1965), S. 418 ff. 135 „O captura ˘ poate fi sa˘vâs¸ita˘: 1. in apele teritoriale (maritime s¸i fluviale) ale captorului“ etc. 136 Questions arising as to Danube shipping (Anm. 116, S. 102). 137 Ibid. (S. 102 f.). 138 Der Art. 1 Abs. 1 der rumänischen Prisenordnung, 30. Dezember 1917 (Anm. 134), definiert Handelsschiffe als Schwimmkörper aller Art, die in den Registern der Handelsmarine eingetragen sind. Das ist bei Flußschiffen nicht der Fall. 139 Questions arising as to Danube shipping (Anm. 116, S. 115). 140 Ibid. 141 Ibid. Es sei darauf hingewiesen, daß die Art. 46, 53 der Haager Landkriegsordnung, 18. Oktober 1907 (Anm. 17), auf die Beschlagnahme von Binnenschiffen im Gebiet des beschlagnahmenden Staates nicht unmittelbar anwendbar sind. Die Art. 42 ff. der Haager Landkriegsordnung regeln nämlich die militärische Gewalt auf besetztem feindlichen Gebiet (occupatio bellica). Die Prinzipien der Art. 46, 53 Haager Landkriegsordnung sind aber generalisierbar und gelten somit allgemein für

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b) Die Judikatur der nationalen Prisengerichte Die Wirtschaftskriegführung zur See erfuhr in den beiden Weltkriegen eine außerordentliche Verschärfung142. Das zeigte sich bereits zu Beginn des Ersten Weltkrieges, als die beim Ausbruch des Krieges auf See befindlichen Schiffe (entgegen einer vorherigen Sitte) nicht von der Ausübung des Prisenrechts verschont wurden143. So beorderte beispielsweise die Lübecker Hafenverwaltung ein am Tage der Kriegserklärung auslaufendes russisches Schiff (die Primula) von der Trave in den Hafen zurück. Das Schiff wurde später vom Oberprisengericht in Berlin zur guten Prise erklärt144. Immerhin stimmte die im Ersten Weltkrieg allgemein einsetzende Anwendung des Prisenrechts auf Flüssen größtenteils mit den Leitlinien des Schiedsspruchs Questions arising as to Danube shipping überein145. Eine besonders weitgehende Anwendung des Seekriegsrechts erfolgte allerdings durch Großbritannien146 [aa)]. Als Reaktion hierauf wurde die deutsche Pridie Behandlung feindlichen Privateigentums im Falle eines Landkrieges, Questions arising as to Danube shipping (Anm. 116, S. 105 f.); vgl. auch Art. 23 Abs. 1 Lit. g) der Haager Landkriegsordnung. 142 Vgl. das Resümee des Prisenrichters E. Féaux de la Croix (Anm. 75, S. 144) aus dem Jahre 1944: „Das alte klassische Prisenrecht stellte einen wohl ausgewogenen Ausgleich zwischen den Interessen der Kriegführenden und der Neutralen dar. Es bedeutete eine Anerkennung gewisser Rechte der Neutralen und damit eine Beschränkung in der Kriegführung. Daß die Kriegführenden solche Beschränkungen in einem totalen Kriege, in dem keine große Seemacht mehr abseits steht, nicht mehr hinnehmen würden, war nach den Erfahrungen des Ersten Weltkrieges ohne weiteres zu erwarten. Eben dieser Fall ist aber in diesem Kriege eingetreten“. 143 In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurden Handelsschiffe, die sich bei Kriegsausbruch in feindlichen Häfen oder auf See befanden, zumeist von der Einziehung verschont. Mit der VI. Haager Konvention hätte diese Sitte teilweise als verbindlich festgeschrieben werden sollen, vgl. oben, Anm. 75. Deutschland hatte aber – da es die Konvention als nicht streng genug erachtete – einen Vorbehalt hinsichtlich der auf See befindlichen Schiffe eingelegt, vgl. das Urteil Fenix, Entscheidungen des Oberprisengerichts (1918), S. 1 (S. 4 ff.). Im Ersten Weltkrieg wurde der Vorbehalt nun ausgenutzt, um (anders als z. B. im Krieg von 1870/71) die bei Kriegsausbruch auf See befindlichen Feindesschiffe einzuziehen, vgl. ibid. (S. 3 ff.). Zur späteren Kündigung der VI. Haager Konvention durch England und Frankreich siehe Féaux de la Croix (Anm. 75, S. 130 f.). 144 Primula, Entscheidungen des Oberprisengerichts (1918), S. 17 (S. 17, 19 f.). 145 Der russische Dampfer Primula war zwar auf der Trave beschlagnahmt worden, es handelte sich aber um ein (auf dem Weg nach Finnland befindliches) Seeschiff, ibid. (S. 17). Nach den Maßstäben des Schiedsspruchs Questions arising as to Danube shipping ist hierin ein substantieller Grund für die Anwendung des Seekriegsrechts zu erblicken, vgl. oben, bei Anm. 140. 146 Britische Gerichte brachten das Prisenrecht sogar auf reinen Binnengewässern zur Anwendung, vgl. oben, Einleitung, bei Anm. 158, 159. Zur britischen Rechtsprechung hinsichtlich sogenannter Landprisen siehe oben, Einleitung, Anm. 156.

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senordnung im Zweiten Weltkrieg so weit verschärft147, daß seitens eines Prisenrichters gar die Frage aufgeworfen wurde, „ob die verschiedenartige Behandlung des Privateigentums im Seekrieg und im Landkrieg nicht jede innere Berechtigung“ verloren habe148 [bb)]. aa) Erster Weltkrieg Potentiell kann der Anwendungsbereich des Prisenrechts in persönlicher (1), räumlicher (2) und sachlicher (3) Hinsicht eingeschränkt werden. (1) Die Zuständigkeit zur Ausübung des Prisenrechts Wegen der im Ersten Weltkrieg beginnenden systematischen Verwendung von Unterseebooten und Flugzeugen zur Bekämpfung des gegnerischen Seehandels wurde die Ausübung des Prisenrechts durch die Erteilung von Kursanweisungen weitgehend von der See in die Häfen verlagert149. Durchsuchungen und Beschlagnahmen wurden insoweit nicht mehr von der Marine ausgeführt, sondern durch Hafenbehörden oder an Land befindliche Truppen. Schon wegen dieser Praktiken konnte die formelle Zuordnung einer Einheit zur Marine oder zur Armee nicht zur Abgrenzung der Anwendungsbereiche des Land- und des Seekriegsrechts herangezogen werden150. Im Falle der russischen Primula merkte das Oberprisengericht an, das Prisenrecht werde zwar „seinem Wesen nach“ in erster Linie von Kriegsschiffen ausgeübt151, in der Prisenordnung sei aber ebenso die Möglichkeit angelegt, Truppen und Hafenbehörden zur Beschlagnahme von Hafenprisen einzusetzen152. Es spreche nichts dagegen, daß Hafenbehörden ebenfalls ein in einem Flußlauf befindliches Schiff beschlagnahmen könnten.

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Vgl. oben, Einleitung, Anm. 161. E. Féaux de la Croix (Anm. 75, S. 144). Es handelt sich bei dieser Frage wohl um eine Anspielung auf die im Zweiten Weltkrieg durch Besatzungstruppen verübten „Requisitionen“. 149 C. Schmitt, Der Nomos der Erde (1950), S. 291. 150 Die Zuordnung einer Einheit zur Armee oder zur Marine läßt generell keine sicheren Schlüsse auf die Art der ihr zugewiesenen Aufgaben zu. Das gilt insbesondere in Übergangsbereichen zwischen Land und Meer und findet seinen Niederschlag darin, daß Flußstreitkräfte in einigen Staaten von der Marine, in anderen von der Armee gestellt werden, vgl. J. Meister, Der Seekrieg in den osteuropäischen Gewässern 1941–45 (1958), S. 188. 151 Primula, Entscheidungen des Oberprisengerichts (1918), S. 17 (S. 19). 152 Ibid. (S. 20). 148

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(2) Die räumliche Begrenzung des Seekriegsschauplatzes Die zu Zeiten des klassischen Völkerrechts entwickelte klare räumliche Trennung zwischen den Bereichen des Land- und des Seekrieges wurde durch die angedeuteten technischen Neuerungen des Ersten Weltkrieges fundamental in Frage gestellt153. Zumindest die deutsche Prisenrechtsprechung hielt aber daran fest, daß das Prisenrecht lediglich auf der See oder auf den der Seeschiffahrt dienenden Gewässern ausgeübt werden durfte. Im Falle der Primula stellte das Oberprisengericht diesbezüglich fest, daß die Trave „im wesentlichen der Seeschiffahrt“ diene154. Die Primula sei insofern „prisenrechtlich als auf der See befindlich“ zu behandeln gewesen155. Später erlaubte das Oberprisengericht mehrere im Hafen von Antwerpen getätigte Hafenprisen, obwohl das Meer von dort aus nur über die in Holland gelegene Scheldemündung erreichbar war156. Das Prisenrecht könne nämlich überall ausgeübt werden, wo die Seeschiffahrt stattfinde, „nicht nur auf hoher See, sondern auch in Buchten und Häfen, die der Seeschiffahrt dienen“157. Als Reaktion auf das Urteil Primula erlaubte auch die italienische Rechtsprechung die Ausübung des Prisenrechts gegen Seeschiffe in Flußläufen. In dem Fall Cervignano e Friuli wurde das zunächst als eine Art Repressalie gegen die deutsche Praxis gerechtfertigt158. In späteren Urteilen bezüglich der Beschlagnahme von Schiffen auf dem Isonzo, im Friaul, wurde dann ausgeführt, der Anwendungsbereich des Prisenrechts sei lediglich hinsichtlich der neutralen Gewässer beschränkt159. Es bestehe hingegen kein relevanter Unterschied zwischen dem Küstenmeer und den Flußbecken eines Kriegführenden. Würde man die dort befindlichen Schiffe von der An153

Vgl. C. Schmitt, Der Nomos der Erde (1950), S. 290 ff. Primula, Entscheidungen des Oberprisengerichts (1918), S. 17 (S. 20). 155 Ibid. (S. 19). 156 Primavera, ibid., S. 194 (S. 194 f.), Comte de Smet de Naeyer, ibid., S. 209 (S. 209, 211). 157 Ibid. (S. 211). 158 Cervignano e Friuli, 21. Februar 1917, in: P. Fauchille/J. Basdevant, Jurisprudence italienne en matière de prises maritimes (1921), S. 178 (S. 181), sowie in: J. H. W. Verzijl, Le droit des prises de la grande guerre (1924), S. 256 (S. 257). In dem Urteil wird nicht dargelegt, daß es sich bei der deutschen Praxis zur Anwendung des Prisenrechts auf Flüssen um einen Völkerrechtsverstoß gehandelt hätte, und es ist auch nur von einer „Repressalienpolitik“ die Rede, ibid. Die Einziehung der Schiffe Cervignano e Friuli dürfte somit keine Repressalie im juristischen Wortsinne darstellen. 159 Leonida, Ottilia, Mef etc., 4. Mai 1917, in: Fauchille/Basdevant (Anm. 158), S. 194 (S. 198), Verzijl (Anm. 158), S. 257 (S. 257 f.), Iela, Sara, Rosa etc., 4. Mai 1917, in: Fauchille/Basdevant (Anm. 158), S. 199 (S. 205). 154

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wendung des Prisenrechts ausnehmen, hätte das zur Folge „che una nave nemica soggetta a cattura, pel solo fatto di risalire un fiume del territorio del proprio Stato, sfuggirebbe alla confisca“160. Die deutsche und italienische Rechtsprechung gingen ersichtlich davon aus, daß die Anwendung des Prisenrechts auf Flüssen lediglich eine Randerscheinung darstellte, etwa weil Seehäfen oftmals in Flußläufen angesiedelt sind oder weil Seeschiffe versucht sein könnten, sich durch das Einlaufen in einen Fluß der Anwendung des Prisenrechts zu entziehen. Die britische Prisenrechtsprechung wurde tatsächlich mehrfach mit Fällen konfrontiert, in denen versucht worden war, Schiffe landeinwärts in Sicherheit zu bringen161. In einem Fall hatten sich deutsche Schiffe beim Herannahen des Feindes in einen für die Schiffahrt an sich unzugänglichen afrikanischen Fluß zurückgezogen162. Dort wurden sie später von der britischen Marine beschlagnahmt, um dann im prisengerichtlichen Verfahren eingezogen zu werden. Gegen das betreffende Urteil wurde im deutschen Schrifttum eingewandt, daß Flußläufe nur insoweit dem Seekriegsschauplatz zuzurechnen seien, als sie dem Betriebe der Seeschiffahrt dienten oder zu dienen geeignet seien163. Immerhin stand das britische Urteil aber mit der italienischen Prisenrechtsprechung im Einklang, und es handelte sich jedenfalls nicht um eine evident exzessive Ausdehnung des Seekriegsschauplatzes. Anders verhält es sich mit dem Urteil Certain Craft Captured on the Victoria Nyanza164. Dabei ging es um diverse deutsche Schiffe, die auf dem Victoriasee durch britische Kriegsschiffe beschlagnahmt worden waren. Im Ersten Weltkrieg hatten sowohl Großbritannien als auch Deutschland auf dem See bewaffnete Schiffe unterhalten, die sich wiederholt Gefechte lieferten165. Zudem verkehrten große Handelsschiffe auf dem See, die aller160 Leonida, Ottilia, Mef etc. sowie Iela, Sara, Rosa etc. (a. a. O.), zit. nach Verzijl (Anm. 158), S. 257 (S. 258). 161 Beispielsweise waren in dem Fall The Anichab, Law Reports, Probate Division 1919, S. 329, sowie Law Reports, House of Lords, Privy Council (Appeal Cases) 1922 I, S. 235, deutsche Schiffe in Südwestafrika auf Eisenbahnwagen ins Landesinnere geschafft und dort ein halbes Jahr später von britischen Landstreitkräften beschlagnahmt worden, ibid. (S. 235). Das House of Lords befand, daß in diesem Fall das Land- und nicht das Seekriegsrecht anwendbar sei und verweigerte deshalb die Einziehung, ibid. (S. 239). 162 J. Biensfeldt, Das Prisenrecht in Flußläufen, ZfV 1917/18, S. 375 ff. (S. 375 f.), H. J. Abraham, Kriegsschiffe und Seekriegsrecht auf Flüssen, ZfV 1939, S. 49 ff. (S. 59 f.). 163 So Biensfeldt (Anm. 162, S. 381) in Anlehnung an die Rechtsprechung des Oberprisengerichts. Hingegen meint Abraham (Anm. 162, S. 62 f.), Seeschiffe könnten auf Flußläufen jedweder Art eingezogen werden. 164 Law Reports, Probate Division 1919, S. 83. 165 Ibid. (S. 83 f.).

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dings – mangels einer schiffbaren Verbindung zum Meer – in Teile zerlegt über Land dorthin gebracht worden waren166. Trotz des fehlenden Zugangs zum Meer war der britische Prisenrichter der Meinung, auf die Craft Captured on the Victoria Nyanza das Seekriegsrecht zur Anwendung bringen zu können. Vor dem Krieg habe der See dem Handel zwischen Deutsch- und Britisch-Ostafrika gedient167. Mit einem Umfang von 2000 Meilen und einem Durchmesser von bis zu 250 Meilen habe der See Ähnlichkeit mit einem Meer. Es gebe auch kein völkerrechtliches Verbot, das Prisenrecht auf Binnengewässern anzuwenden168. Das zeige sich unter anderem an den Urteilen Primula169 und Cervignano e Friuli170 sowie an der Praxis auf dem nordamerikanischen Kontinent171. Einer Ausübung des Prisenrechts auf dem Victoriasee stehe daher nichts entgegen. Bedenken gegen die Anwendung des Prisenrechts auf den Viktoriasee ergeben sich indes aufgrund des wesentlichen Unterschieds zwischen einem (der territorialen Souveränität unterworfenen) Binnensee und dem offenen Meer, das als res nullius oder res communis zur allgemeinen Nutzung offensteht172. Der Viktoriasee unterfiel bis zum Ersten Weltkrieg teils der deutschen, teils der britischen Hoheitsgewalt, und den Anrainern stand es a priori frei, zu entscheiden, ob sie ihr Hoheitsgebiet für den Verkehr fremder Handelsschiffe öffnen wollten. Im Gegensatz dazu ist die Nutzung der (staatlicher Hoheitsgewalt nicht unterworfenen) hohen See zum Zwecke der Seekriegführung sowie des Handels allgemein frei173. Für diese räumliche und sachliche Freiheit ist das Seekriegsrecht konzipiert, um einen Ausgleich zwischen dem Interesse an einer effektiven Kriegführung und den Interessen des internationalen Handels zu schaffen174. Der Viktoriasee ist (wie im Urteil Certain Craft Captured on the Victoria Nyanza festgestellt wird) 166

Ibid. (S. 84). Ibid. (S. 89). 168 Ibid. (S. 87). 169 Vgl. oben, bei Anm. 154, 155. 170 Vgl. oben, bei Anm. 158. 171 Vgl. oben, § 6 I. 2. c). Neben der Praxis hinsichtlich der Anwendung des Prisenrechts auf US-Flüssen stützt sich das Urteil Certain Craft Captured on the Victoria Nyanza, Law Reports, Probate Division 1919, S. 83, auf Präzedenzfälle hinsichtlich der nordamerikanischen Great Lakes (S. 89 ff.). 172 Zu den Begriffen res nullius und res communis siehe C. Schmitt, Der Nomos der Erde (1950), S. 147 f., sowie P. Daillier/A. Pellet, Droit international public (Nguyen Quoc Dinh, 6. Aufl. 1999), S. 1087 (§ 662). 173 Zur Priorität der Freiheit der Seekriegführung vor der des Handels siehe ibid., S. 1145 (§ 693): „[C]’est la liberté des belligérants de se battre entre eux sur la haute mer qui prime celle des non-belligérants puisque ceux-ci ne peuvent, en temps de guerre, jouir de leur liberté que sous réserve de contrôle des belligérants“. 174 Vgl. oben, Anm. 142. 167

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kein Teil der hohen See und steht mit ihr auch nicht in Verbindung175. Als Teil des festen Landes wäre hier richtigerweise das Landkriegsrecht anzuwenden gewesen176. In der Einziehung der beschlagnahmten Schiffe ist deshalb ein Verstoß gegen die Artikel 46, 53 Absatz 2 der Haager Landkriegsordnung177 zu erblicken. Abgesehen von diesem Fall weisen die übrigen im Ersten Weltkrieg gefällten Urteile zur Anwendung des Seekriegsrechts auf Binnengewässern jeweils einen gewissen räumlichen Bezug der prisenrechtlichen Maßnahme zur offenen See auf178. Beispielsweise erlaubte der belgische Conseil des prises die Einziehung deutscher Schiffe, die bei der Rückeroberung der Seehäfen von Brügge und Zeebrügge beschlagnahmt worden waren179. Ebenso hielt ein rumänisches Berufungsgericht die Einziehung eines in der Donaumündung erbeuteten Schleppers für grundsätzlich zulässig180. Der rumänische Versuch, das Prisenrecht auch gegen Donauschiffe anzuwenden181, 175

Der britische Prisenrichter hatte offenbar selbst Bedenken gegen die Anwendung des Seekriegsrechts auf den Viktoriasee, da dieser nicht mit dem Meer in Verbindung steht, vgl. Law Reports, Probate Division 1919, S. 83 (S. 91). Über die Bedenken setzte er sich jedoch hinweg, indem er sich auf Präzedenzfälle hinsichtlich der – früher vom Meer aus unzugänglichen – nordamerikanischen Great Lakes berief, vgl. ibid. (S. 91 f.). 176 In dem Urteil wird lediglich eine analoge Anwendung des Landkriegsrechts erwogen, ibid. (S. 89). Tatsächlich wendet das Gericht aber das Seekriegsrecht analog im Bereich des Landkriegsrechts an und verletzt damit die dort gültigen Regeln zum Schutz des Privateigentums. 177 18. Oktober 1907 (Anm. 17). 178 Erwähnt sei in diesem Zusammenhang der Fall des russischen Dampfers Fenix, der von einem deutschen Torpedoboot in der Elbmündung aufgebracht wurde, Entscheidungen des Oberprisengerichts (1918), S. 1. Der Zusammenhang zum Seekrieg war hier so offensichtlich, daß er vom Oberprisengericht nicht problematisiert wurde. Der Beschluß eines britischen Prisengerichts in Sachen Enemy craft captured on the rivers or off the coast of Sierra Leone, Admiralty Division, 21. Dezember 1921, Lloyd’s List Law Reports Bd. IX (1921), S. 544 (entspr. Lloyd’s List Bd. IX Nr. 11 vom 5. Januar 1922), betraf die Einziehung von Schiffen, die z. T. auf Flüssen im britischen Sierra Leone aufgebracht worden waren. Der Beschluß enthält zwar keine Angaben über den genauen Ort der Beschlagnahmen, nach der Beschreibung der aufgebrachten Schiffe bestand aber zweifellos ein Zusammenhang zur Seeschiffahrt. Ohne Interesse für die hier erörterten Fragen sind übrigens das Urteil Capture of Turkish ships on the Tigris, ibid., S. 542 ff., und der Beschluß in Sachen Enemy craft captured on the rivers Tigris and Euphrates, ibid., S. 544 f. Beide Fälle betrafen nämlich nicht die Ausübung des Prisenrechts auf Flüssen, sondern die generell zulässige Erbeutung feindlicher Militärfahrzeuge. 179 Urteile Agiena, 1919, in: AJIL 1922, S. 117, und Brussels, 23. Oktober 1919, ibid., S. 127. 180 Berufungsurteil zur Emilie, 15. Juli 1920, in: Verzijl (Anm. 158), S. 255 und 1221. 181 Vgl. oben, bei Anm. 139.

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zeigt jedoch, daß der räumliche Zusammenhang zum offenen Meer kein hinreichendes Kriterium zur Abgrenzung der Kriegsschauplätze darstellt. Hinzukommen muß vielmehr eine sachliche Differenzierung zwischen der Binnen- und der Seeschiffahrt. (3) Die sachliche Begrenzung des Seekrieges Die deutsche Prisenrechtsprechung des Ersten Weltkrieges setzte es als selbstverständlich voraus, daß das Prisenrecht lediglich gegen Seeschiffe ausgeübt werden konnte. Probleme bereitete die Qualifikation als Seeschiff allerdings im Falle der Dampfjacht Primavera, die nach der Besetzung Belgiens im Hafen von Antwerpen beschlagnahmt worden war182. Die Yacht wurde vom aktuellen Eigentümer lediglich zu Reisen auf den holländischen Kanälen benutzt, hatte aber nach dessen eigenen Angaben zuvor „wiederholt den Ozean gekreuzt und zu Vergnügungsfahrten nach Norwegen gedient“183. Das Oberprisengericht befand deshalb, daß es sich um ein Seeschiff handelte, das – da es auch in einem Seehafen beschlagnahmt worden war – dem Prisenrecht unterfiel184. Die Tatsache, daß es sich um eine Jacht handelte, stand der Einziehung nicht entgegen, da nur einzelne Arten von Schiffen (zum Beispiel solche, die wissenschaftlichen Zwecken185 oder der Küstenfischerei186 dienen) von der Ausübung des Prisenrechts ausgenommen sind187. Im Einklang mit der vorgenannten Entscheidung wurde auch der in Antwerpen beschlagnahmte Frachtsegler Comte de Smet de Naeyer eingezogen. Das Schiff hatte zwar seit einigen Jahren im Hafen gelegen und dort der Ausbildung von Seeleuten gedient188. Dadurch hatte es aber nach Meinung des Oberprisengerichts nicht aufgehört, ein Seeschiff zu sein, zumal es ohne weiteres wieder als Seefrachtschiff eingesetzt werden konnte189. Von der Ausübung des Prisenrechts ausgenommen wurden hingegen kleine Hilfsschiffe der Seeschiffahrt, wie Leichter und Schlepper mit gerin182

Primavera, Entscheidungen des Oberprisengerichts (1918), S. 194 (S. 194 f.). Ibid. (S. 196). 184 Ibid. 185 Art. 4 Alt. 2 der XI. Haager Konvention über gewisse Beschränkungen in der Ausübung des Beuterechts im Seekriege, RGBl. 1910, S. 316 ff. 186 Art. 3 I Alt. 1 der XI. Haager Konvention, ibid. 187 Würde sich das Prisenrecht nur auf Schiffe des gewerblichen Seehandels erstrecken, so wäre die Ausnahme zugunsten von Schiffen mit z. B. philanthropischer Zweckbestimmung unnötig, vgl. Primavera, Entscheidungen des Oberprisengerichts (1918), S. 194 (S. 197). 188 Comte de Smet de Naeyer, ibid., S. 209 (S. 209 f.). 189 Ibid. (S. 211). 183

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ger Tonnage. Im Fall Assistent und Undine führte das Oberprisengericht hierzu aus, die fraglichen Schlepper seien mit fünf und zehn Tonnen Raumgehalt „nach seemännischer Auffassung kaum noch als ‚Schiffe‘ anzusprechen“190. Daß Kleinstfahrzeuge nicht dem Prisenrecht unterlägen, ergebe sich auch aus der Prisenordnung. Dort werde nämlich vorausgesetzt, daß Seeschiffe über das Flaggenführungsrecht und über Schiffspapiere verfügten, was bei Kleinstfahrzeugen nicht der Fall sei191. Da Binnenschiffe ebenfalls nicht in den Registern der Handelsmarine geführt werden, war nach dieser Rechtsprechung auch die Ausübung des Prisenrechts gegen Flußschiffe ausgeschlossen192. Die italienische Rechtsprechung erlaubte die Einziehung von Schiffen, die auf Flüssen beschlagnahmt worden waren, ebenfalls nur unter der Bedingung, daß es sich um Seeschiffe handelte. Im Fall Cervignano e Friuli wurde dazu festgestellt, daß die zwei Schiffe weniger auf Flüssen, als vielmehr im Golf von Trieste eingesetzt worden waren193. Die Seeschiffahrt sei folglich „l’unica o principale destinazione e servizio dei due bastimenti, assoggettabili quindi a cattura e confisca, senza riguardo al punto del fiume, della laguna o del mare ove sono stati raggiunti ed arrestati“194. In den Urteilen bezüglich der später auf dem Isonzo beschlagnahmten Schiffe wurde diese Rechtsprechung bestätigt, wobei allerdings die Beweislast für die Bestimmung eines Schiffs zur Binnen- oder zur Seeschiffahrt dem Eigentümer auferlegt wurde195. Dabei wurde auch die Einziehung kleinerer Fahrzeuge ab fünf Bruttoregistertonnen erlaubt, sowie die Einziehung von Hilfsschiffen der Seeschiffahrt196. Britische Gerichte gestatteten ebenfalls die Einziehung von Hilfsschiffen der Seeschiffahrt, unter anderem im Fall Enemy craft captured on the rivers or off the coast of Sierra Leone197. Reine Binnenschiffe wurden hingegen 190

Assistent und Undine, ibid., S. 150 (S. 150 f.). Ibid. (S. 151). 192 Die rumänische Prisenordnung enthält ebenfalls eine Bestimmung, die impliziert, daß das Prisenrecht sich gegen Schiffe richtet, die als Seeschiffe registriert sind, vgl. oben, Anm. 138. In dem Schiedsspruch Questions arising as to Danube shipping wurde daraus gefolgert, daß Donauschiffe grundsätzlich kein taugliches Objekt des Seebeuterechts sind, vgl. oben, bei Anm. 138. 193 Cervignano e Friuli, 21. Februar 1917, in: Fauchille/Basdevant (Anm. 158), S. 178 (S. 181), sowie in: Verzijl (Anm. 158), S. 256 (S. 257). 194 Ibid. 195 Vgl. Leonida, Ottilia, Mef etc., 4. Mai 1917, in: Fauchille/Basdevant (Anm. 158), S. 194 (S. 198), Iela, Sara, Rosa etc., 4. Mai 1917, ibid., S. 199 (S. 205). 196 Leonida, Ottilia, Mef etc., ibid., 194 (S. 197 f.), Iela, Sara, Rosa etc., ibid., S. 199 (S. 201, 204). 197 Admiralty Division, 21. Dezember 1921, Lloyd’s List Law Reports Bd. IX (1921), S. 544 (entspr. Lloyd’s List Bd. IX Nr. 11 vom 5. Januar 1922). 191

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(soweit ersichtlich) nur im Fall Certain Craft Captured on the Victoria Nyanza eingezogen198. Die britische Rechtsprechung orientierte sich bei der Abgrenzung der Anwendungsbereiche des Land- und des Seekriegsrechts an den Begriffen des Seehandels und der Seeschiffahrt. Dem Urteil The Roumanian kam dabei eine nahezu revolutionierende Wirkung zu199. Darin wurde erstmals eine sogenannte Landprise erlaubt, nämlich die Beschlagnahme und Einziehung von Öl, das zuvor aus einem Frachtschiff in einen an Land befindlichen Tank gepumpt worden war200. Die räumliche Unterscheidung zwischen den Kriegsschauplätzen wurde damit noch weiter in den Hintergrund gerückt. Die britische Rechtsprechung bezüglich der Landprisen wurde noch im Ersten Weltkrieg von zahlreichen Staaten (darunter Frankreich und Italien) übernommen, die nunmehr begannen, auf Seehandelsware an Kais, in Hafendepots etc. zuzugreifen201. Deutschland schloß sich dieser Entwicklung erst im Zweiten Weltkrieg an202. bb) Zweiter Weltkrieg Laut Artikel 4 Ziffer 3 der deutschen Prisenordnung von 1939203 kann das Prisenrecht unter anderem „in den der Seeschiffahrt dienenden Binnengewässern, Einrichtungen und Anlagen des Reichs, seiner Verbündeten und Feinde“ ausgeübt werden. Mit dieser Vorschrift wurde zum einen die Rechtsprechung des Oberprisengerichts zur Anwendung des Prisenrechts auf Flüssen204 kodifiziert und zum anderen die Durchführung von Landprisen erlaubt205. Die zunehmende Auflösung der räumlichen Grenze zwischen den Kriegsschauplätzen veranlaßte den Prisenhof Hamburg, den Anwendungsbereich 198

Vgl. oben, bei Anm. 164 bis 171. Law Reports, Probate Division 1915, S. 26, sowie Law Reports, House of Lords – Privy Council (Appeal Cases) 1916 Bd. I, S. 124. 200 Ibid. 201 B. Widmann, Der deutsche Prisenkrieg, in: W. Gladisch/B. Widmann, Grundfragen des Seekriegsrechts im Zweiten Weltkrieg (1944), S. 90 ff. (S. 100, Anm. 1), E. Féaux de la Croix, Die deutsche Prisengerichtsbarkeit, ibid., S. 111 ff. (S. 120). 202 Vgl. oben, Einleitung, Anm. 161. 203 28. August 1939 (i. d. F.v. 19.12.1940), in: Hecker/Tomson (Anm. 134), S. 53 ff. 204 Siehe oben, bei Anm. 154 bis 157. 205 Widmann (Anm. 201, S. 100); vgl. auch G. Kretschmer, Die deutsche Prisenrechtsprechung im Zweiten Weltkrieg, Dissertation, Bonn 1967, S. 9, bei Anm. 18 bis 20. 199

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des Seekriegsrechts zunächst rein sachlich anhand des in Artikel 1 Absatz 1 der Prisenordnung erwähnten Begriffs des Seefahrzeugs zu bestimmen206. Im 1940 entschiedenen Fall der britischen Jacht Cela führte er dazu aus, Gegenstand des Prisenrechts seien alle Fahrzeuge, „die zum Befahren der See bestimmt oder doch geeignet“ seien207. Die Größe spiele hierfür keine Rolle; auch kleine Fahrzeuge könnten Seefahrzeuge sein208. Im 1941 entschiedenen Fall Erika befand der Prisenhof Hamburg, auch Flußschiffe könnten Gegenstand des Seebeuterechts werden209. Es gebe keinen Völkerrechtssatz, der Binnenschiffe generell vom Prisenrecht ausnehme. Vor prisenrechtliche Maßnahmen seien sie nur gefeit, wenn sie nach ihrer Bauart und Beschaffenheit für Seefahrten objektiv ungeeignet seien, etwa weil sie zu schwach gebaut oder nicht gedeckt seien210. Der für die osteuropäischen Gewässer und das Mittelmeer zuständige Prisenhof Berlin211 stellte anfangs höhere Anforderungen an die Qualifikation eines Schiffes als Seefahrzeug. Insbesondere sollten die Schiffe nicht nur für die Seefahrt geeignet, sondern auch dazu bestimmt sein212. Die Kumulation dieser Merkmale wurde allerdings später aufgegeben. Nach einer Entscheidung aus dem Jahre 1944 sollte es nunmehr für die Charakterisierung eines Seefahrzeugs ausreichen, daß es bei ruhiger See und wenig Wind für kurze Seereisen verwendbar war213. Vorherige Bedenken gegen die Anwendung des Prisenrechts auf Kleinstfahrzeuge wurden ebenfalls aufgegeben214. 206 Féaux de la Croix (Anm. 201, S. 116). Der Art. 1 Abs. 1 der deutschen Prisenordnung, 28. August 1939 (i. d. F.v. 19.12.1940), in: Hecker/Tomson (Anm. 134), S. 53 ff., besagt: „Das Prisenrecht umfaßt die Befugnis, feindliche und neutrale Seefahrzeuge anzuhalten und zu durchsuchen sowie mit diesen Fahrzeugen [. . .] nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen zu verfahren“. 207 Urt. vom 9. September 1940, zit. nach Féaux de la Croix (Anm. 201, S. 116). Die deutsche Prisenrechtsprechung des Zweiten Weltkriegs wurde überwiegend nicht veröffentlicht und ist (soweit erhalten) in verschiedenen Ministerien und Behörden archiviert, der Fall Cela (Az. PHH/E 120/40) laut einer Liste von Kretschmer (Anm. 205), S. 254 ff., im Bundesverteidigungsministerium. 208 Féaux de la Croix (Anm. 201, S. 116). 209 Urt. vom 25. April 1941, zit. nach Kretschmer (Anm. 205), S. 35, bei Anm. 56 bis 58. Nach der Liste von Kretschmer (Anm. 205), S. 254 ff., ist der Fall Erika (Az. PHH/E 137/40) im Bundesverteidigungsministerium archiviert. 210 Ibid. 211 Der Prisenhof Berlin wurde 1941 geschaffen, um den Prisenhof Hamburg zu entlasten, Féaux de la Croix (Anm. 201, S. 112). 212 Ibid. (S. 118). 213 Nadine, Beschluß vom 13. Juni 1944, zit. nach Kretschmer (Anm. 205), S. 35, bei Anm. 55. Nach der Liste von Kretschmer (Anm. 205), S. 254 ff., ist der Fall Nadine (Az. PHB/E 208/44) im Bundesverteidigungsministerium archiviert. 214 Die Nadine umfaßte nur vier Tonnen Raumgehalt, ibid., S. 35, Anm. 55. Anfangs hatte der Prisenhof Berlin noch Bedenken gegen die Anwendung des Prisen-

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Im Einklang mit der neueingeführten Regel des Artikel 6 Absatz 1 Satz 2 der Prisenordnung gingen beide Prisenhöfe davon aus, daß das Fehlen des Flaggenführungsrechts die Ausübung des Prisenrechts nicht hindere215. Selbst als Binnenschiffe registrierte Fahrzeuge konnten deshalb als Seefahrzeuge eingezogen werden216. Der Prisenhof Hamburg erlaubte überdies die Anwendung des Prisenrechts gegen nicht seetüchtige Hilfsschiffe der Seeschiffahrt217. Das hauptsächliche Ziel der Seekriegführung sei nämlich die Behinderung des feindlichen Seehandels. Dieses Ziel könne ebenfalls durch die Einziehung von (unter Umständen nicht seetüchtigen) Leichtern etc. erreicht werden. Die bloße Anknüpfung an den Begriff des Seefahrzeugs erwies sich als ungenügend, um die Anwendbarkeit des Prisenrechts auf so wichtige Fälle wie Land- und Wrackprisen begründen zu können218. Der Prisenhof Hamburg ging deshalb im Laufe des Krieges dazu über, den Anwendungsbereich des Seekriegsrechts sowohl in sachlicher als auch in räumlicher Hinsicht abzugrenzen. Danach sollte das Prisenrecht auf Privateigentum Anwendung finden, wenn es sich zu irgendeinem Zeitpunkt um Schiffe oder um Schiffsladungen gehandelt hatte, und es sich bei der Beschlagnahme noch im Bereich der Seeschiffahrt befand219. Die „der Seeschiffahrt dienenden Binnengewässer“ gemäß Artikel 4 Ziffer 3 der Prisenordnung220 wurden allerdings sehr weit gefaßt, so daß selbst auf der Seine bei Paris aufgebrachte britische und estnische Schiffe eingezogen werden konnten221. rechts auf Fahrzeuge mit sechs bis acht Bruttoregistertonnen, Féaux de la Croix (Anm. 201, S. 118). 215 Der Art. 6 Abs. 1 der deutschen Prisenordnung vom 28. August 1939 (i. d. F. v. 19.12.1940), in: Hecker/Tomson (Anm. 134), S. 53 ff., besagt: „Die feindliche oder neutrale Eigenschaft eines Fahrzeugs wird durch die Flagge bestimmt, zu deren Führung es berechtigt ist. Ist ein Fahrzeug zur Führung einer Flagge nicht berechtigt, so ist die Staatsangehörigkeit des Eigentümers maßgebend“. 216 C.F. 5, Beschluß vom 10. Dezember 1940 (Az. PHH/E 218/40), Krestjanka, Urt. vom 23. Juli 1943 (Az. PHB/E 183/42), zit. nach Kretschmer (Anm. 205), S. 35, bei Anm. 59. Nach der Liste von Kretschmer (Anm. 205), S. 254 ff., sind die Fälle im Bundesverteidigungsministerium bzw. im Bundesarchiv Koblenz archiviert. 217 Féaux de la Croix (Anm. 201, S. 117). 218 Ibid. 219 Urt. zum gesunkenen Dampfer Galaxias, 3. Juli 1942 (Az. PHH/E 301/41), zit. nach Féaux de la Croix, ibid. Vgl. auch das Urt. Walenburgh, 29. Februar 1944 (Az. PHH/E 375/43), zit. nach Kretschmer (Anm. 205), S. 4, bei Anm. 10. Nach der Liste von Kretschmer (Anm. 205), S. 254 ff., sind die Fälle im Bundesarchiv Koblenz bzw. im Bundesverteidigungsministerium archiviert. 220 Vgl. oben, bei Anm. 203. 221 Innisulva, Urt. vom 29. Januar 1942 (Az. PHH/E 238/41), Swallow, Urt. vom 23. Oktober 1941 (Az. PHH/E 129/40), zit. nach Kretschmer (Anm. 205), S. 26, bei

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Von einer Aufbringung feindlicher Donauschiffe durch das Deutsche Reich ist nichts bekannt geworden. Die Sowjetunion beschlagnahmte hingegen nach der Besetzung Österreichs das gesamte Vermögen der Ersten Donau-Dampfschiffahrtsgesellschaft als Kriegsbeute222. Von den USA verlangte sie zudem die Übergabe der in Deutschland in Sicherheit gebrachten Teile der österreichischen Donauflotte223. Das erfolgte allerdings nicht in Ausübung des Prisenrechts, sondern unter Berufung auf die in Potsdam getroffenen Absprachen zur Wegnahme deutscher Industriegüter224. Die britische Prisenrechtsprechung des Zweiten Weltkriegs hielt daran fest, den Anwendungsbereich des Seekriegsrechts vor allem sachlich anhand der Begriffe des Seehandels und der Seeschiffahrt zu bestimmen225. Dabei wurde in einem obiter dictum sogar die Möglichkeit in Betracht gezogen, Seehandelsware in einem jenseits des Hafenbereichs gelegenen Depot zu beschlagnahmen und einzuziehen226. Als einzige räumliche Beschränkung für die Anwendung des Prisenrechts wäre demnach das Verbot seiner Ausübung in neutralen Gewässern verblieben227. *** Anm. 29. Nach der Liste von Kretschmer (Anm. 205), S. 254 ff., sind die Fälle im Bundesverteidigungsministerium archiviert. 222 Navigation du Rhin 1947, La situation du trafic sur le Danube, S. 509 ff. (S. 509), Documentation française, Notes et études documentaires, Nr. 2227 vom 27. Oktober 1956, Le Danube (Teil 2), S. 11,18. 223 Insgesamt waren 238 der 609 bei Kriegsende übrigen Schiffe der DDSG in den amerikanischen Besatzungszonen in Sicherheit gebracht worden, darunter die Mehrheit der Schlepper und sonstigen Zugeinheiten, vgl. ibid., S. 11. 224 Die österreichische DDSG war nach dem „Anschluß“ größtenteils den Reichswerken Herrmann Görings eingegliedert worden und wurde deshalb von der Sowjetunion als deutsches Beutegut betrachtet, ibid. Durch den österreichischen Staatsvertrag vom 15. Mai 1955 wurden dann aber die Immobilien der DDSG sowie die in Österreich verbliebenen Donauschiffe gegen Zahlung von zwei Millionen USDollar an Österreich zurückgegeben, ibid., S. 19. 225 Vgl. A. Gervais, La jurisprudence britannique des prises maritimes dans la seconde guerre mondiale, RGDIP 1949, S. 201 ff. (S. 251). 226 Kanto Maru, Prisenhof von Natal (Südafrika), zit. nach ibid., S. 250 f. Der Transport in das Depot war anscheinend durch die Hafenverwaltung veranlaßt worden, die damit noch im Hafenbereich Gelegenheit hatte, eine Beschlagnahme durchzuführen. Das obiter dictum betraf den hypothetischen Fall, daß die Beschlagnahme erst außerhalb des Hafengeländes erfolgt wäre. 227 Art. 2 des britischen Naval Prize Manual (Part I, Powers of Officer in Command), September 1923 (i. d. F.v. 1939 m. Änd. bis 1946), in: Hecker/Tomson (Anm. 134), S. 234 ff. Das Verbot der Ausübung des Prisenrechts in neutralen Gewässern findet sich in den Prisenordnungen aller Staaten, vgl. z. B. Art. 3 der französischen Instructions sur l’application du Droit international en cas de guerre, 8. März 1934, ibid., S. 105 ff., und Art. 139 des italienischen Legge di guerra e legge di neutralità, 8. Juli 1938 (i. d. F.v. 29.11.1941), ibid., S. 296 ff.

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Während der beiden Weltkriege ist jeweils eine Tendenz zu einer ständig weitergehenden Anwendung des Prisenrechts auf Flüssen zu beobachten. Den Ausgangspunkt bildete dabei das deutsche Urteil Primula, mit dem zunächst nur die Anwendung des Seekriegsrechts auf solchen Binnengewässern erlaubt wurde, die vorrangig der Seeschiffahrt dienen228. Eine Ausweitung erfolgte dann durch die italienische Rechtsprechung, nach der die Aufbringung von Seeschiffen an jedem Punkt eines Flusses möglich sein sollte229. Das entsprach auch der britische Rechtsprechung230, die aber insofern noch darüber hinaus ging, als sie die Anwendung des Prisenrechts in Einzelfällen sogar ohne räumlichen Bezug zum Meer für möglich hielt231. Als Reaktion auf die (in vielerlei Hinsicht) weitergehenden Praktiken anderer Staaten wurden die deutsche Prisenordnung und ihre gerichtliche Auslegung im Zweiten Weltkrieg außerordentlich verschärft232. Durch die geringen Anforderungen an die Qualifikation eines Schiffes als Seefahrzeug233 sowie durch die großzügige Auslegung des Begriffs „der Seeschiffahrt dienende Binnengewässer“234 wurde im Ergebnis eine nahezu unbeschränkte Anwendung des Prisenrechts auf Flüssen ermöglicht. Angesichts des fortschreitenden Verfalls des materiellen Prisenrechts wurde von einem deutschen Prisenrichter 1944 die Frage aufgeworfen, ob die Durchführung förmlicher Prisenverfahren überhaupt noch sinnvoll sei235. Zugleich wies er aber darauf hin, daß die rigorose Anwendung des Seebeuterechts durch die außergewöhnliche Situation des Weltkriegs bedingt war, insbesondere durch das Fehlen neutraler Großmächte, die auf die Einhaltung des Seekriegsrechts hätten drängen können236. Es sei keineswegs sicher, daß künftige Konflikte durchweg den Charakter totaler Kriege annähmen, und es bestehe somit durchaus ein Bedürfnis, das Prisenrecht trotz der seinerzeit ungünstigen Umstände zu bewahren237. 228

Vgl. oben, bei Anm. 154, 155. Vgl. oben, bei Anm. 194. 230 Vgl. oben, bei Anm. 162. 231 Vgl. oben, bei Anm. 164 bis 177 sowie bei Anm. 226. 232 Nach Féaux de la Croix (Anm. 201, S. 144) betraf die Verschärfung die „Einbeziehung kleinster Fahrzeuge, Zulassung von Landprisen, engste Auslegung der Küstenfischerei- und Lokalschiffahrtsprivilegien, Verweigerung einer Indultfrist für feindliche Fahrzeuge, Banngutlisten, die praktisch alles zu Banngut machen, Ablehnung aller subjektiven Entschuldigungsgründe im Banngutrecht, Abstellen der Entscheidung auf den jeweils ungünstigsten Tatbestand“ etc. Bei diesen Verschärfungen handle es sich nicht um deutsche „Erfindungen“, sondern sie seien fast alle durch die britische Rechtsprechung des Ersten Weltkrieges eingeführt worden. 233 Vgl. oben, bei Anm. 206 bis 216. 234 Vgl. oben, bei Anm. 220, 221. 235 E. Féaux de la Croix (Anm. 201, S. 147). 236 Vgl. oben, Anm. 142. 229

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4. Die Kriterien zur Abgrenzung des Seekriegsschauplatzes Bei der Anwendung des Seekriegsrechts auf Flüssen ist zu unterscheiden zwischen der unmittelbaren Anwendung des Prisenrechts gegen feindliche Schiffe [a)] und der analogen Anwendung des Seekriegsrechts zugunsten neutraler Handelsschiffe auf internationalen Flüssen [b)]. a) Die Anwendung des Prisenrechts gegen feindliche Privatschiffe auf Flüssen Im Grundsatz ist daran festzuhalten, daß privates Eigentum an Land dem Schutz der Haager Landkriegsordnung untersteht. Danach sind Plünderungen und Konfiskationen verboten238; die Beschlagnahme von Transportmitteln (einschließlich Binnenschiffen) ist lediglich für die Dauer des Krieges gegen Entschädigungsleistung erlaubt239. Eine Ausübung des Prisenrechts auf Flüssen ist nur zulässig, wenn substantielle Gründe dies im Einzelfall rechtfertigen240. Im Anschluß an den Schiedsspruch Questions arising as to Danube shipping ist in der Durchführung der Beschlagnahme durch Marineoffiziere kein hinreichender Grund für die Anwendung des Seekriegsrechts zu sehen241. Folglich kommen nur räumliche [aa)] und sachliche [bb)] Gesichtspunkte zur Abgrenzung der Kriegsschauplätze in Betracht. aa) Die räumliche Begrenzung des Seekriegsschauplatzes Im völkerrechtlichen Schrifttum der jüngeren Zeit werden Flüsse zumeist pauschal und ohne Begründung dem Seekriegsschauplatz zugerechnet242. Friedrich Berber hingegen meint etwas differenzierter und unter Bezugnahme auf die prisengerichtliche Praxis des Ersten Weltkriegs, Flüsse gehörten grundsätzlich zum Bereich des Landkrieges, für die Ausübung des 237

Féaux de la Croix (Anm. 201, S. 147 f.). Art. 46 f. der Haager Landkriegsordnung, 18. Oktober 1907 (Anm. 17). 239 Art. 53 Abs. 2 der Haager Landkriegsordnung, 18. Oktober 1907 (Anm. 17); zur Genese vgl. oben, § 6 I. 1. a). 240 Questions arising as to Danube shipping (Anm. 116, S. 115); vgl. oben, § 6 I. 3. a) bb) in fine. 241 Ibid. Hingegen meint M. O. Hudson, Seizures in Land and Naval Warfare Distinguished, AJIL 1922, S. 375 ff. (S. 389), die Zuordnung der agierenden Einheit zur Marine „scheine“ ein wichtiger Faktor für die Anwendung des Prisenrechts zu sein. Das ist jedoch aus den oben, in § 6 I. 3. b) aa) (1), genannten Gründen nicht der Fall. 242 Vgl. z. B. W. Heintschel v. Heinegg, Seekriegsrecht und Neutralität im Seekrieg (1995), S. 213, R. W. Tucker, The Law of War and Neutrality at Sea (1955), S. 103. 238

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2. Kap.: Mögliche Einschränkungen der Schiffahrtsfreiheit

Prisenrechts jedoch zum Bereich des Seekrieges243. Nach Leslie Greens 1993 erschienener Abhandlung Contemporary Law of Armed Conflict ist das Seekriegsrecht allenfalls begrenzt auf Binnengewässern anwendbar; als Beleg führt er den 1919 entschiedenen Fall Certain Craft Captured on the Victoria Nyanza an244. Die Bundesrepublik hielt nach dem Zweiten Weltkrieg an der traditionellen deutschen Praxis fest und rechnete nur der Seeschiffahrt dienende Binnengewässer dem Seekriegsschauplatz zu245. Dieser Auffassung ist zuzustimmen, weil das Seekriegsrecht nicht beliebig auf alle Arten von Binnenseen etc. angewandt werden kann. Das Prisenrecht hat seinen ursprünglichen und eigentümlichen Anwendungsbereich auf dem freien Meer246. Eine Anwendung an Land ist nur ausnahmsweise in Übergangsbereichen zulässig, sofern ein räumlicher Zusammenhang zur offenen See besteht. Ist das nicht der Fall, gilt das Landkriegsrecht, nach dem die Konfiskation von Privateigentum untersagt ist. Sogar bei Landprisen wurde in der Rechtsprechungspraxis der beiden Weltkriege generell ein räumlicher Bezug zu Hafenanlagen oder sonstigen Einrichtungen der Seeschiffahrt gefordert247. Das obiter dictum eines briti243

F. Berber, Lehrbuch des Völkerrechts, Bd. 2, Kriegsrecht (2. Aufl. 1969), S. 117 (§ 22). 244 L. Green, The Contemporary Law of Armed Conflict (1993), S. 154, Anm. 2. 245 Die deutsche Prisenordnung vom 28. August 1939 wurde durch Gesetz vom 14. Juni 1951, BGBl. I S. 391, dahingehend modifiziert, daß eine die Landprisen betreffende Änderung vom 19. Dezember 1940 wieder aufgehoben wurde, vgl. die beiden Fassungen des Art. 68 Abs. 2 der Prisenordnung in: Hecker/Tomson (Anm. 134), S. 53 ff. Die Abgrenzung des Seekriegsschauplatzes gemäß Art. 4 der Prisenordnung blieb davon unberührt. In einer Zentralen Dienstvorschrift des Bundesverteidigungsministeriums, Lehrschrift Kriegsvölkerrecht (Seekriegsrecht), ZDv 15/12 (Juli 1959), Ziff. 13, wurde ebenfalls daran festgehalten, daß das Seekriegsrecht nur „in den von Seeschiffen befahrbaren Teilen der Binnengewässer“ anwendbar sei. In Ziff. 1010 Abs. 1 Spiegelstrich 2 der im August 1992 erlassenen ZDv 15/2 ist hingegen nur davon die Rede, das Seekriegsrecht könne auf „inneren Gewässern“ angewandt werden. Die Kommentierung von W. Heintschel v. Heinegg, in: D. Fleck (Hrsg.), Handbuch des humanitären Völkerrechts in bewaffneten Konflikten (1994), S. 331, gibt keinen Aufschluß, ob damit die bisherige Praxis aufgegeben werden sollte. In diesem Kontext sei aber an die Fortgeltung von Art. 4 Ziff. 3 der Prisenordnung von 1939 erinnert, vgl. oben, bei Anm. 203. 246 C. Schmitt, Der Nomos der Erde (1950), S. 287. 247 Für die deutsche Praxis vgl. Widmann (Anm. 201, S. 100 f.) und Féaux de la Croix (Anm. 201, S. 120), für Italien A. Gervais, La jurisprudence italienne des prises maritimes dans la seconde guerre mondiale, RGDIP 1949, S. 251 ff. (S. 310, Anm. 77), und W. Bergmann, Aus der Rechtsprechung des italienischen Prisenhofs, ZfV 1944, S. 295 ff. (S. 326 ff.), für Frankreich A. Gervais, La jurisprudence française des prises maritimes dans la seconde guerre mondiale, RGDIP 1948, S. 88 ff. (S. 111 f.), sowie für Großbritannien J. L. Kunz, British Prize Cases, 1939–1941,

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schen Gerichts, nach dem Landprisen auch außerhalb des Hafengebiets denkbar wären248, ist (soweit ersichtlich) nirgendwo aufgegriffen und bestätigt worden. Somit ist selbst bei Landprisen ein räumlicher Aspekt zur Abgrenzung der Kriegsschauplätze erforderlich. Beim Fall Certain Craft Captured on the Victoria Nyanza handelte es sich – vom Begründungsansatz her – um eine analoge Anwendung des Seekriegsrechts im Bereich des Landkrieges249. Der Analogieschluß war jedoch verfehlt, weil in räumlicher Hinsicht ein wesentlicher Unterschied zwischen einem (der staatlichen Souveränität unterworfenen) Binnensee und der (zur allgemeinen Nutzung freistehenden) hohen See existiert250. Die für den Seekrieg charakteristische Kollision zwischen der zivilen und der militärischen Nutzung des Meeres kann bei einem Binnensee grundsätzlich nicht entstehen. Eine analoge Anwendung des Seekriegsrechts wäre allerdings bei internationalen Flüssen denkbar, weil hier die Freiheit der neutralen Schiffahrt – unter dem Vorbehalt militärischer Notwendigkeiten – auch in Kriegszeiten gewährleistet werden muß. Entsprechende Präzedenzfälle lassen sich aber für das Verhältnis der Kriegsführenden untereinander nicht nachweisen. Im Fall Questions arising as to Danube shipping setzte der Schiedsrichter im Gegenteil als selbstverständlich voraus, daß die zivile Donauschiffahrt dem Schutz der Artikel 46, 53 Absatz 2 der Haager Landkriegsordnung untersteht251. Ebenso gingen die Beteiligten des russisch-türkischen Krieges von 1877/78 davon aus, daß die Donau grundsätzlich dem Schauplatz des Landkrieges zugehört252. Eine Ausübung des Seebeuterechts auf der Donau kommt nur in Betracht, soweit im Einzelfall ein Zusammenhang mit der Seeschiffahrt besteht. Das ist insbesondere der Fall, wenn Seeschiffe in die Donaumündung einlaufen oder über den Rhein-Main-Donaukanal von der Nordsee her auf die Donau gelangen. Soweit Seeschiffe einen Fluß stromaufwärts fahren, kann nach der prisengerichtlichen Praxis der beiden Weltkriege das Seekriegsrecht angewandt werden253. Fraglich ist jedoch, wie zwischen Seeschiffen und DonauschifAJIL 1942, S. 204 ff. (S. 215 f.), und A. Gervais, La jurisprudence britannique des prises maritimes dans la seconde guerre mondiale, RGDIP 1949, S. 201 ff. (S. 248 ff.). 248 Vgl. oben, bei Anm. 226. 249 Vgl. oben, bei Anm. 165 bis 168. 250 Vgl. oben, bei Anm. 172 bis 177. 251 Questions arising as to Danube shipping (Anm. 116, S. 105); vgl. auch oben, Anm. 141. 252 Vgl. oben, § 6 I. 2. b) cc).

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fen unterschieden werden kann, und ob die Anwendung des Seekriegsrechts sich auch in anderen Fällen sachlich rechtfertigen läßt. bb) Die sachliche Begrenzung des Seekrieges Das charakteristische Ziel des Seekrieges liegt nach allgemeiner Meinung darin, den feindlichen Seehandel zu unterbinden254. Zu diesem Zweck dürfen nicht nur feindliche Seeschiffe, sondern auch (unter Umständen nicht seetüchtige) Hilfsschiffe der Seeschiffahrt eingezogen werden255. Die fehlende Eintragung eines Fahrzeugs als Seeschiff schließt deshalb nicht notwendigerweise die Anwendbarkeit des Prisenrechts aus256. Nach der deutschen Prisenrechtsprechung des Zweiten Weltkriegs steht selbst die Registrierung eines Schiffes als Binnenschiff seiner Qualifikation als Seeschiff nicht entgegen257. Dieser Rechtsprechung ist zuzustimmen, weil die förmliche Eintragung keine sicheren Schlüsse auf die tatsächliche Verwendung oder auf Verwendungsmöglichkeiten eines Schiffes erlaubt. Der feindliche Seehandel kann beispielsweise auch dadurch beeinträchtigt werden, daß vorübergehend auf Binnengewässern eingesetzte Seeschiffe eingezogen werden (unabhängig davon, wie sie gerade registriert sind). Kein Akt der Seekriegführung ist hingegen die Wegnahme von Schiffen, die nur rein hypothetisch bei gutem Wetter für kurze Seefahrten tauglich wären258. Wenn – statt auf die formelle Registrierung – auf die mögliche Verwendung eines Fahrzeugs als Seeschiff abgestellt wird, sind ausreichend 253

Zur betreffenden britischen, italienischen und deutschen Rechtsprechung des Ersten bzw. Zweiten Weltkriegs vgl. oben, bei Anm. 162, 194 und 221. 254 Vgl. z. B. Biensfeldt (Anm. 162, S. 381), Abraham (Anm. 162, S. 62), Féaux de la Croix (Anm. 201, S. 117), und das belgische Urteil Agiena, 1919, in: AJIL 1922, S. 117 (S. 118); vgl. auch den Schiedsspruch Eastern Extension, Australasia and China Telegraph Company (Großbritannien gegen USA), 9. November 1923, RIAA Bd. VI, S. 112 (S. 115): „[I]t may be said that the belligerent’s principal object in maritime warfare is to deprive the enemy of communication over the high seas while preserving it unimpeded for himself“. 255 Siehe den Beschluß eines britischen Prisengerichts in Sachen Enemy craft captured on the rivers or off the coast of Sierra Leone, 21. Dezember 1921 (Anm. 197), sowie das Urteil des Prisenhofs Hamburg zum französischen Schlepper Commandant Emaille, 27. Mai 1941 (Az. PHH/E 214/40), zit. nach Féaux de la Croix (Anm. 201, S. 117). Der Fall ist nach der Liste von Kretschmer (Anm. 205), S. 254 ff., im Bundesverteidigungsministerium archiviert. 256 Selbiges ergibt sich aus Art. 6 Abs. 1 S. 2 der deutschen Prisenordnung von 1939, vgl. oben, Anm. 215. 257 Vgl. die Nachweise oben, Anm. 216. 258 Anders der Prisenhof Berlin im Beschluß zur Nadine, 13. Juni 1944, vgl. oben, bei Anm. 213.

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strenge Anforderungen an seine Seetüchtigkeit zu stellen. Grundsätzlich ist nämlich gemäß dem Schiedsspruch Questions arising as to Danube shipping davon auszugehen, daß als Binnenschiff registrierte Fahrzeuge, die in der Binnenschiffahrt verwendet werden, dem Landkriegsrecht unterfallen259. Die Verwendbarkeit eines Schiffes als Hochseeschiff ist allerdings keine Voraussetzung für die Anwendung des Prisenrechts. Die Küstenschiffahrt ist nämlich – in Übereinstimmung mit der italienischen Prisenrechtsprechung260 – als Seeschiffahrt zu qualifizieren. Nach der italienischen Rechtsprechung des Ersten Weltkrieges sind auch sogenannte Flußseeschiffe als Seeschiffe einzustufen, das heißt Schiffe, die im Wechsel zwischen einem Fluß und dem Meer verkehren261. Folglich müssen auch Schiffe, die ihrer Bauart nach als Flußseeschiffe einsetzbar sind, wie Seeschiffe behandelt werden. Schiffe, die typische Konstruktionsmerkmale reiner Binnenschiffe aufweisen, dürfen hingegen nicht dem Prisenrecht unterworfen werden262. *** Zusammenfassend ist festzustellen, daß die Donau zwar grundsätzlich dem Schauplatz des Landkrieges zuzuordnen ist, daß aber überall dort, wohin Seeschiffe gelangen, auch das Prisenrecht angewandt werden kann. Das kumulative Erfordernis der Bestimmung und Eignung eines Schiffes für die Seefahrt ist für die Qualifikation als Seeschiff nicht vonnöten. Die Anforderungen an die Seetüchtigkeit eines Schiffes dürfen aber nicht so niedrig angesetzt werden, daß im prisengerichtlichen Verfahren die Regeln zum Schutz des Privateigentums im Landkrieg umgangen werden. 259

Questions arising as to Danube shipping (Anm. 116, S. 115). Leonida, Ottilia, Mef etc., 4. Mai 1917, in: Fauchille/Basdevant (Anm. 158), S. 194 (S. 195, 197, 198), Iela, Sara, Rosa etc., 4. Mai 1917, ibid., S. 199 (S. 205). 261 Cervignano e Friuli, 21. Februar 1917, in: Fauchille/Basdevant (Anm. 158), S. 178 (S. 181), sowie in: Verzijl (Anm. 158), S. 256 (S. 257). 262 Zu den Schwierigkeiten der Unterscheidung reiner Binnenschiffe von Flußseeschiffen siehe die diplomatische Korrespondenz zwischen Großbritannien und den Niederlanden, G. H. Hackworth, Digest of International Law, Bd. VII (1943), S. 604 f.: Laut einem Schreiben des britischen Gesandten in Den Haag vom 28. Februar 1915, ibid. (S. 604), wären eine große Tonnage und die Wahrscheinlichkeit, daß das Schiff gelegentlich ins Küstenmeer fahre, ausreichend, um es (auch) als Seeschiff anzusehen. Dem widersprach der niederländische Außenminister J. Loudon mit Schreiben vom 17. März 1915, ibid. (S. 605): „A vessel does not lose its character of a river navigation vessel by reason of the fact that its tonnage is considerable or because it could in exceptional circumstances venture to sea without too much danger“. 260

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2. Kap.: Mögliche Einschränkungen der Schiffahrtsfreiheit

b) Die analoge Anwendung des Seekriegsrechts auf neutrale Donauschiffe Anders als für die Binnenschiffahrt der Kriegführenden ist die analoge Anwendung des Seekriegsrechts für die neutrale Donauschiffahrt vergleichsweise vorteilhaft. Die seekriegsrechtlichen Eingriffsbefugnisse gegen neutrale Schiffe beschränken sich nämlich im wesentlichen auf die Kontrolle hinsichtlich des Transports von Kriegskonterbande263. Im Unterschied dazu berechtigt die Gebietshoheit über Flüsse auch zum Erlaß sonstiger Gebote und Verbote, die sogar strafrechtlich sanktioniert werden können264. Österreich-Ungarn drängte deshalb im russisch-türkischen Krieg von 1877/78 auf eine analoge Anwendung des Seekriegsrechts zugunsten der neutralen Donauschiffahrt265. Obwohl die Kriegführenden dieser Forderung damals nachkamen, hat sich – mangels anderer entsprechender Fälle – eine dahingehende gewohnheitsrechtliche Regel nicht herausgebildet. Die Pflicht zur Gewährung der Schiffahrtsfreiheit auf der Donau unter Vorbehalt der „droits et devoirs des belligérants et des neutres en temps de guerre“266 bezieht sich also auf die Rechte und Pflichten gemäß dem Landkriegsrecht. Gewissen Bedenken begegnet dabei allerdings die Anwendung des Beschlagnahmerechts entsprechend Artikel 53 Absatz 2 Haager Landkriegsordnung267. Eine Befugnis zur Beschlagnahme neutraler Donauschiffe analog268 Artikel 53 Absatz 2 Haager Landkriegsordnung hätte zur Folge, die Schiffahrtsfreiheit auf der Donau ihrer praktischen Wirksamkeit zu berauben. Ange263 Weitere Eingriffsbefugnisse sind z. B. die Seeblockade (dazu näher unten, § 6 III.) und das Verbot der feindseligen Unterstützung, vgl. Art. 38 f. der deutschen Prisenordnung vom 28. August 1939 (i. d. F.v. 19.12.1940), in: Hecker/Tomson (Anm. 134). 264 Vgl. die (allerdings mit der Schiffahrtsfreiheit auf der Donau unvereinbaren) Instruktionen des türkischen Oberkommandierenden vom 29. April 1877, Martens, NRG II 3, S. 199 f. (S. 199 f.): „Le Danube étant considéré comme ligne de défense, les règles concernant le commerce des neutres en mer ne peuvent y recevoir leur application. En conséquence, le commandant des forces est libre de prendre telles mesures qu’il croira convenables pour les opérations militaires. Il a notamment le droit d’interdire la navigation, de retenir et de réquisitionner les navires sauf indemnité, de les obliger de quitter les ports, de leur assigner des ports de refuge et cela sous les peines plus graves, telles que la confiscation du navire et de la cargaison, et, au besoin en leur appliquant les règles relatives à l’espionnage“. 265 Vgl. oben, § 6 I. 2. b) bb). 266 Art. 15 des Statut relatif au régime des voies navigables d’intérêt international (Statut von Barcelona), 20. April 1921, SdN, RdT Bd. 7, S. 50. 267 18. Oktober 1907 (Anm. 17). 268 Direkt gilt Art. 53 Abs. 2 Haager Landkriegsordnung nur im Falle einer militärischen Besetzung und bezüglich feindlichen Privateigentums. Hinsichtlich neutraler Donauschiffe kommt deshalb allenfalls eine analoge Anwendung in Betracht.

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sichts der Gefahr einer Beschlagnahme zwecks militärischer Nutzung würden neutrale Donauschiffe nämlich kaum je riskieren, das Gebiet der Kriegführenden zu durchqueren. Eine Beschlagnahme neutraler Donauschiffe ist deshalb als Verstoß gegen die Schiffahrtsfreiheit nach dem Pariser und Belgrader Statut anzusehen269. Zu Recht protestierte deshalb Österreich-Ungarn gegen die Beschlagnahme von Donauschiffen zwecks Truppen- und Munitionstransporten während des serbisch-bulgarischen Krieges von 1885270. Die Berechtigung der vom Ballhausplatz erhobenen Forderungen wurde von den Kriegführenden auch umgehend anerkannt271. Hinsichtlich auf der Donau befindlicher neutraler Seeschiffe ist fraglich, ob eventuell das seekriegsrechtliche Angarienrecht ausgeübt werden kann. Aufgrund des Angarienrechts dürfen die Kriegführenden ausnahmsweise neutrale Seeschiffe gegen Entschädigungsleistung requirieren272. Dabei kommt sogar ein bestimmungswidriger Gebrauch in Betracht. Beispielsweise beschlagnahmten preußische Truppen während des Krieges von 1870/71 britische Schiffe, um sie in der Seine zu versenken und so die Durchfahrt französischer Kanonenboote zu verhindern273. Der Ausübung des Angarienrechts auf der Donau stehen jedoch die selben Bedenken entgegen wie der Ausübung des Beschlagnahmerechts analog Artikel 53 Absatz 2 Haager Landkriegsordnung. Eine Beschlagnahme neutraler Schiffe zwecks militärischer Nutzung ist somit auf der Donau generell unzulässig. *** 269 Zum Verbot, die Schiffahrtsfreiheit so weit einzuschränken, daß sie ihre praktische Wirksamkeit verliert, vgl. den Schiedsspruch McMahan gegen Mexiko (USA gegen Mexiko), General Claims Commission, 30. April 1929, RIAA Bd. IV, S. 486 (S. 490 f.): Dort wird zunächst festgestellt, daß eine Definition des Umfangs polizeilicher Befugnisse auf internationalen Flüssen nicht existiere. Vernünftigerweise sei aber anzunehmen „that the right of local jurisdiction shall not be exercised in such a manner as to render nugatory the innocent passage through the waters of the river, particularly if it be established by a treaty“. Das ist auch bei der Vornahme militärisch nötiger Einschränkungen der Schiffahrtsfreiheit zu verlangen. 270 Vgl. den Bericht des k.u.k. Konsuls in Turnu Severin (Rumänien) zu den Übergriffen der bulgarischen Armee, 24. November 1885, in: H. Hajnal, Le droit du Danube international (1929), S. 180, Anm. 2. 271 Ibid., S. 180 f. Österreich-Ungarn protestierte außerdem erfolgreich gegen ein Verbot der neutralen Schiffahrt durch den Kommandanten der Stadt Vidin, vgl. oben, § 3 I. 1. b), bei Anm. 36 bis 38. 272 P. Daillier/A. Pellet, Droit international public (Nguyen Quoc Dinh, 6. Aufl. 1999), S. 942 (§ 583). Beim Angarienrecht ist u. a. streitig, ob für seine Ausübung eine dringende Notwendigkeit gegeben sein muß, vgl. die Lehrschrift des Bundesverteidigungsministeriums zum Seekriegsrecht, Zentrale Dienstvorschrift ZDv 15/12, Juli 1959, Ziff. 214. 273 Ibid., Ziff. 213. Zu einer während des Krieges von 1877/78 in der Donau errichteten „Steinblockade“ vgl. oben, § 4 I. 2., sowie unten, § 8 II.

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2. Kap.: Mögliche Einschränkungen der Schiffahrtsfreiheit

Neutrale Donauschiffe sind grundsätzlich nach den Regeln des Landkriegsrechts zu behandeln, soweit die betroffenen Staaten nicht ausnahmsweise eine analoge Anwendung des Seekriegsrechts vereinbaren. Ansonsten dürfen die kriegführenden Uferstaaten (über die gewöhnlichen polizeilichen Befugnisse hinaus274) militärisch zwingend notwendige Einschränkungen der Schiffahrtsfreiheit anordnen275. In Betracht kommen dabei das Verbot des Transports von Kriegskonterbande276, der feindseligen Unterstützung277, Spionage etc. Die Einschränkungen dürfen allerdings nicht der praktischen Wirksamkeit des Prinzips der Schiffahrtsfreiheit zuwiderlaufen278. Besatzungsmächte haben gemäß Artikel 43 Haager Landkriegsordnung279 die Schiffahrtsfreiheit zu gewährleisten280, dürfen aber im Rahmen der „limites tracées par la nécessité la plus impérieuse“ ebenso wie Uferstaaten militärisch nötige Einschränkungen vornehmen281. 5. Die Relevanz des ius ad bellum für die Ausübung des Prisenrechts Zu Zeiten des klassischen Völkerrechts stand es souveränen Staaten praktisch frei, durch eine Erklärung oder sonstige Manifestation ihres Kriegfüh274

Vgl. Art. CIX der Wiener Kongreßakte, 9. Juni 1815, Martens, Suppl. Rec. 6, S. 379: Die Schiffahrt auf internationalen Vertragsflüssen „sera entièrement libre et ne pourra, sous le rapport de commerce, être interdit à personne, bien entendu, que l’on se conformera aux règlements relatifs à la police de cette navigation, lesquels seront conçus d’une manière uniforme pour tous, et aussi favorables que possible au commerce de tous les nations“. 275 Zum Erfordernis einer zwingenden militärischen Notwendigkeit siehe oben, § 3 I. 1. a) aa). 276 Zum Verbot des Transports von Kriegskonterbande während des russisch-türkischen Krieges von 1877/78 siehe oben, § 6 I. 2. b) bb). Entsprechende vertragliche Regeln für den Kriegsfall enthalten z. B. das Statut des Paraná und des Uruguay-Flusses, Art. 6 S. 2 der Verträge von San José, 10. Juli 1853, Annuaire des deux mondes 1853–1854, S. 947, sowie das ehemalige Statut des Kongo und des Niger, Art. 25 Abs. 3 und Art. 33 Abs. 3 der Generalakte der Berliner Konferenz, 26. Februar 1885, Martens, NRG II 10, S. 414. 277 Vgl. Art. 38 f. der deutschen Prisenordnung vom 28. August 1939 (i. d. F. v. 19.12.1940), in: Hecker/Tomson (Anm. 134). 278 Siehe oben, Anm. 269. 279 Der Art. 43 Haager Landkriegsordnung, 18. Oktober 1907 (Anm. 17), verpflichtet die Besatzungsarmee zur Wiederherstellung der öffentlichen Ordnung im besetzten Gebiet. 280 Die Pflicht zum Respekt der Schiffahrtsfreiheit beschränkt sich nicht auf den jeweils nationalen Flußabschnitt, vgl. oben, § 3 I. 2. b), bei Anm. 117 bis 128. 281 Vgl. die diplomatische Korrespondenz Österreich-Ungarns, Rußlands und der Türkei, Mai 1877, Martens, NRG II 3, S. 201 ff. (S. 202).

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rungswillens die Anwendung des Kriegs- und Neutralitätsrechts herbeizuführen282. In der Folge waren sie berechtigt, Maßnahmen der Wirtschaftskriegführung zu ergreifen, insbesondere den feindlichen Seehandel zu bekämpfen und neutrale Handelsschiffe zu kontrollieren. Wegen des Kriegächtungspakts283 und des Gewaltverbots gemäß der UN-Charta sind jedoch in jüngerer Zeit kaum noch Kriegserklärungen abgegeben worden284. Der Eintritt eines Kriegszustandes wurde selbst bei größeren Konflikten nicht eingestanden, beziehungsweise sogar abgestritten285. Im völkerrechtlichen Schrifttum wird teilweise vertreten, ohne den Kriegszustand könnten typisch kriegsrechtliche Institute wie das Prisenrecht nicht zur Anwendung kommen286. Hiergegen spricht jedoch, daß das Prisenrecht seit dem Zweiten Weltkrieg in diversen Konflikten angewandt worden ist – meist ohne daß die betroffenen Staaten dies als prinzipiell rechtswidrig abgelehnt hätten287. So geht auch die ganz überwiegende Meinung davon aus, daß seekriegsrechtliche Befugnisse weiterhin ausgeübt werden dürfen288, wobei allerdings erhebliche Divergenzen über die dafür nötigen Voraussetzungen bestehen. Weitgehende Einigkeit herrscht darüber, daß das Prisenrecht nicht in jedweder Art bewaffneter Konflikte in demselben Umfang angewandt werden kann, wie dies traditionell nur in Kriegen der Fall war289. Eine Ansicht tendiert dazu, die Anwendung des Prisenrechts zwar in jedem internationalen 282

Vgl. oben, § 5, Anm. 22, 23. Briand-Kellogg-Pakt, 27. August 1928, SdN, RdT Bd. 94, S. 57. 284 K. Ipsen, Völkerrecht (4. Aufl. 1999), S. 1063 (§ 66, Rn. 2). 285 D. Schindler, Transformations in the Law of Neutrality since 1945, in: FS Karlshoven (1991), A. J. M. Delissen, G. J. Tanja (Hrsg.), S. 367 ff. (S. 374), W. Heintschel v. Heinegg, Seekriegsrecht und Neutralität im Seekrieg (1995), S. 169, 176. 286 So z. B. M. Torrelli, La neutralité en question, RGDIP 1992, S. 5 ff. (S. 22): „Si l’état de guerre n’existe plus, il est alors normal d’affirmer la priorité du droit de la paix“. Nach Torrelli müßte das klassische Seekriegsrecht durch neue, u. a. an der Praxis des UN-Sicherheitsrats orientierte Regeln ersetzt werden. Dabei könnten aber gewisse Techniken des „droit ancien de la neutralité, tel le droit de visite“, weiterhin „à titre résiduel“ herangezogen werden, ibid. 287 Siehe die Beispiele bei N. Ronzitti, The Crisis of the Traditional Law Regulating International Armed Conflicts at Sea, in: Idem (Hrsg.), The Law of Naval Warfare (1988), S. 1 ff. (S. 7 ff.); vgl. auch R. Ottmüller, Die Anwendung von Seekriegsrecht in militärischen Konflikten seit 1945 (1978), passim, Heintschel v. Heinegg (Anm. 285), S. 175 ff. 288 Vgl. z. B. M. Bothe, Friedenssicherung und Kriegsrecht, in: W. Graf Vitzthum (Hrsg.), Völkerrecht (2. Aufl. 2001), S. 658 f. (Abschn. 8, Rn. 85 ff.), Daillier/Pellet (Anm. 272), S. 934 (§ 579), Ipsen (Anm. 284), S. 1123 ff. (§ 73, Rn. 8 ff.), Schindler (Anm. 285, S. 376, 379). 289 Vgl. Heintschel v. Heinegg (Anm. 285), S. 125, m. w. Nachw. 283

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Konflikt zu erlauben, den Umfang seiner Ausübung jedoch für alle Konfliktparteien einheitlich zu beschränken290 [a)]. Nach anderer Auffassung könnten typisch seekriegsrechtliche Maßnahmen nur in größeren Konflikten ergriffen werden291, wobei allerdings gegenüber Drittstaaten das Gewaltverbot zu beachten sei292 [b)]. Andere Autoren meinen, aus dogmatischen Gründen generell eine Differenzierung zwischen einem Aggressor und einem gemäß Artikel 51 der UN-Charta in Selbstverteidigung handelnden Staat vornehmen zu müssen293. Dagegen spricht jedoch bereits, daß eine solche Unterscheidung sich – mangels eines effektiven Systems kollektiver Sicherheit – praktisch nicht umsetzen ließe294 [c)]. Nach herrschender Meinung ist aber das Ziel der Gewaltanwendung (in der Regel die Selbstverteidigung) zumindest beim „ob“ und „wie“ der Ausübung des Prisenrechts zu berücksichtigen, nämlich bei einer Abwägung im Rahmen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes295 [d)]. a) Die These der generellen Anwendbarkeit eines reduzierten Seekriegsrechts Nach der Ansicht Wolff Heintschel von Heineggs ist der bloße Ausbruch eines bewaffneten Konflikts wegen des Gewaltverbots gemäß der UNCharta kein hinreichender Grund, den Konfliktparteien die Befugnis zur Vornahme umfassender militärischer und wirtschaftlicher Schädigungshand290

Ibid., S. 128 f., 137 f., 147, 149 f. Bothe, in: Vitzthum (Anm. 288), S. 667 f. (Abschn. 8, Rn. 107); vgl. auch ibid., S. 645 f. (Abschn. 8, Rn. 62). 292 M. Bothe, Neutrality in Naval Warfare, in: FS Karlshoven (1991), A. J. M. Delissen, G. J. Tanja (Hrsg.), S. 387 ff. (S. 393 f.). 293 Q. Wright, The Outlawry of War and the Law of War, AJIL 1953, S. 365 ff. (S. 370 f.), G. Scelle, Quelques réflexions sur l’abolition de la compétence de guerre, RGDIP 1954, S. 5 ff. (passim), E. Lauterpacht, The Legal Irrelevance of the „State of War“, Proceedings of the American Society of International Law, 66th Annual Meeting, Washington 1968, S. 58 ff. (S. 63 f.). 294 Vgl. Bothe (Anm. 292, S. 391 f.): „Ideally, there are just two sides, that of the aggressor and that of the victim. This system, however, has not worked in this way because of the inability of the Security Council to fulfil its functions“. 295 Ch. Greenwood, Self-Defence and the Conduct of International Armed Conflict, in: FS Rosenne (1989), Y. Dinstein (Hrsg.), S. 273 ff. (S. 273), Ronzitti (Anm. 287, S. 4), A. Randelzhofer, in: B. Simma, The Charter of the United Nations, Bd. I (2. Aufl. 2002), S. 805 (Art. 51, Rn. 42), Ziff. 4 des San Remo Manual on International Law Applicable to Armed Conflicts at Sea, Hrsg.: L. Doswald-Beck (1995). Bei der Ausarbeitung des San Remo Manual durch unabhängige, vom IIHL einberufene Fachleute war allerdings streitig, ob die Verhältnismäßigkeit einer Verteidigungsmaßnahme nur auf „strategischer“ oder auch auf „taktischer“ Ebene zu berücksichtigen ist, vgl. die Kommentierung, ibid., S. 77 (Ziff. 4.5). 291

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lungen einzuräumen296. Das Kriegsvölkerrecht habe nur noch eine eingeschränkte Bedeutung als „Notordnung“ für den Fall, daß einzelne Staaten nicht willens oder imstande sind, das Gewaltverbot zu beachten297. Die traditionellen Rechtswirkungen des Kriegszustandes – der außer wechselseitigen Schädigungen auch die Ausübung des Seebeuterechts ermöglichte – seien mit der heutigen Funktion des ius in bello nicht mehr vereinbar. Insbesondere könne das Seekriegsrecht keine rechtswirksamen Titel zum Behaltendürfen beschlagnahmter Schiffe und Ladungen verschaffen. Das gelte sowohl bezüglich der feindlichen298 wie auch bezüglich der Schiffahrt von Drittstaaten299, selbst wenn es sich um den Transport von Kriegskonterbande handle. Diese dürfe zwar einstweilen beschlagnahmt werden, müsse aber am Ende des Konflikts (ebenso wie feindliche Schiffe und Ladungen) zurückgegeben werden300. Die Ansicht Heintschel von Heineggs entspricht dem seit langem im Schrifttum propagierten Ziel, den Eigentumsschutz im Seekrieg an jenen im Landkrieg anzupassen301. Wie vom Autor selbst eingeräumt wird, beruht seine Auffassung aber weniger auf der Staatenpraxis, als vielmehr auf grundsätzlichen Erwägungen, die sich „nur bedingt“ an der Praxis verifizieren lassen302. Das gilt besonders für die Ablehnung des Beuterechts an für den Feind bestimmter Kriegskonterbande; insoweit handelt es sich erklärtermaßen um keine de lege lata gültige Rechtsnorm303. Die nationalen Prisenordnungen enthalten (trotz des Gewaltverbots) weiterhin Regeln zur Einziehung feindlicher Schiffe und Ladungen sowie zur Einziehung mit Konterbande beladener Schiffe von Drittstaaten304. Wie er296 W. Heintschel v. Heinegg, Seekriegsrecht und Neutralität im Seekrieg (1995), S. 128 f., 137 f., 147, 149 f. 297 Ibid., S. 125 ff. 298 Ibid., S. 134, 136, 138. 299 Ibid., S. 147, 149 f. 300 Ibid., S. 150. 301 Vgl. die Präambel des Manuel des lois de la guerre maritime, 5. August 1913, Annuaire IDI 1913, S. 641 ff.: „L’Institut de droit international [. . .] a déclaré maintenir fermement ses Résolutions antérieures en ce qui concerne l’abolition de la capture et de la confiscation de la propriété privée ennemie dans la guerre maritime. Mais, constatant, en même temps, que l’acceptation de ce principe n’est pas encore acquise et considérant qu’aussi longtemps qu’elle ne le sera pas, le règlement du droit de capture est indispensable“ etc. 302 Heintschel v. Heinegg (Anm. 296), S. 151. 303 Ibid., S. 155; vgl. auch ibid., S. 138, Anm. 498. 304 Art. 10 f., 12 Abs. 2 Ziff. 1, 14 Abs. 1 Ziff. 1 der deutschen Prisenordnung vom 28. August 1939, in: H. Hecker/E. Tomson, Völkerrecht und Prisenrecht (1965), S. 53 ff. (Teile der Prisenordnung wurden durch Gesetz vom 14. Juni 1951, BGBl. I S. 391, aufgehoben, nicht so die hier genannten Artikel), Ziff. 1023, 1028,

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wähnt, ist von diesen Befugnissen seit dem Zweiten Weltkrieg wiederholt Gebrauch gemacht worden305. Das Prisenrecht hat somit insgesamt die Einführung des Gewaltverbots überdauert. Die von Heintschel von Heinegg dafür angebotene Erklärung, die Einziehung im Prisenverfahren sei nur noch de facto, nicht aber de iure anzuerkennen306, vermag nicht zu überzeugen. Vielmehr ist davon auszugehen, daß die Staaten sich – zumindest für die Eventualität größerer Konflikte – die umfassende Ausübung prisenrechtlicher Befugnisse vorbehalten wollen307. b) Die These von der eingeschränkten Beachtlichkeit des Gewaltverbots Eine andersartige Beschränkung der Seekriegführung wird von Michael Bothe angenommen. Im Unterschied zu Heintschel von Heinegg meint er, das Gewaltverbot gemäß der UN-Charta sei auch während bereits begonnener Konflikte anwendbar308. Grundsätzlich werde das ius in bello zwar als 1142 f. des Handbuchs des humanitären Völkerrechts in bewaffneten Konflikten, Bundesverteidigungsministerium, ZDv 15/2 (August 1992), in: Fleck (Anm. 245), §§ 7651 ff. der US-amerikanischen Prisengerichtsordnung, U.S.C. Titel 10, Kap. 655 (Prize) vom 10. August 1956, in: Hecker/Tomson, a. a. O., S. 571 ff., Kapitel 7.1 Abs. 1 Ziff. 3, Kapitel 8.2.2.1 Abs. 1 des Handbuchs der US-Marine, Department of the Navy, The Commander’s Handbook on the Law of Naval Operations, NWP 1-14M (Formerly NWP 9). 305 Vgl. oben, bei Anm. 287. 306 Heintschel v. Heinegg (Anm. 296), S. 138 f., 148, 149 f.; vgl. insb. S. 138 f.: Das Seekriegsrecht könne „keine rechtswirksamen Titel“ verschaffen; es bestehe grundsätzlich ein Anspruch auf Rückgewähr oder Schadenersatz. Soweit dieser nicht realisiert werden könne, bestimme sich „das Behaltendürfen der durch Seekriegsmaßnahmen erlangten Vorteile [. . .] allein nach dem Effektivitätsgrundsatz: ex factis ius oritur“. 307 Der Vorschlag, Prisenurteile nicht mehr als hinreichende Erwerbstitel anzusehen (vgl. ibid.) hätte im übrigen eine erhebliche Rechtsunsicherheit zur Folge: Wenn der Eigentumserwerb an beschlagnahmten Schiffen und Ladungen nur nach dem Effektivitätsgrundsatz erfolgen würde, könnten Gerichte von Drittstaaten jederzeit den Eintritt des Erwerbstatbestandes vereiteln, indem sie die (widerrechtliche) Einziehung für unwirksam erklären und auf Rückgabe der beschlagnahmten Gegenstände erkennen, in Deutschland z. B. nach Art. 43, Art. 45 Abs. 1 Ziff. 2, Art. 6 S. 2 EGBGB i. V. m. Art. 14 GG; vgl. A. Heldrich, in: Palandt, BGB (62. Aufl. 2003), S. 2613 (EGBGB 43, Rn. 14). Die eingezogenen Schiffe und Waren wären damit – im physischen wie auch rechtlichen Sinne – nicht verkehrsfähig. An der (völkerrechtlichen und privatrechtlichen) Verbindlichkeit von Prisenurteilen ist deshalb prinzipiell festzuhalten. Zur Funktion von Prisenverfahren vgl. H. Triepel, Völkerrecht und Landesrecht (1899), S. 290 f., C. Schmitt, Der Nomos der Erde (1950), S. 287. 308 Bothe (Anm. 292, S. 392 f.). Nach Meinung Heintschel v. Heineggs (Anm. 296), S. 85, kann das ius ad bellum hingegen nur „nach Ende eines bewaffneten

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eigenständiger Regelungskomplex nicht durch das ius contra bellum modifiziert309. Zumindest gegenüber Drittstaaten dürften aber keine kriegsrechtlichen Befugnisse ausgeübt werden, die mit dem Gewaltverbot unvereinbar wären310. Gemäß der Aggressionsdefinition der Generalversammlung seien deshalb Maßnahmen gegen Kriegsschiffe oder gegen die gesamte Handelsflotte dritter Staaten unzulässig311. Umgekehrt sei aber das Anhalten und Durchsuchen einzelner Handelsschiffe weiterhin möglich312. Dafür müsse allerdings ein bewaffneter Konflikt von einiger Dauer und Intensität vorliegen; bei Kleinstkonflikten bestehe kein Grund, den Seehandel Dritter zu beschränken313. Michael Bothe ist darin zuzustimmen, daß das Gewaltverbot während bewaffneter Konflikte weiter anwendbar ist; ansonsten hätten Rechtsbrecher es in der Hand, das Verbot durch ihr eigenes Fehlverhalten aufzuheben oder zu suspendieren. Ebenso ist Bothe darin zuzustimmen, daß die (auch zwangsweise) Anhaltung einzelner Schiffe keine Gewaltanwendung gemäß Artikel 2 Ziffer 4 der UN-Charta darstellt314. Dennoch ist eine solche Maßnahme immerhin ein Eingriff in das – nach dem Friedensvölkerrecht – verbindliche Prinzip der Schiffahrtsfreiheit315; ein Eingriff, der gegenüber Drittstaaten einer Rechtfertigung bedarf. Die Befugnis zu solchen Eingriffen vermochte nach dem klassischen Völkerrecht die „wartime sovereignty“ der Kriegführenden zu verschaffen316. In Ermangelung eines Kriegszustandes kommt dafür allerdings heutzutage im Prinzip nur das Selbstverteidigungsrecht gemäß Artikel 51 der UN-Charta in Betracht. Konflikts zur Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Anwendung zwischenstaatlicher militärischer Gewalt herangezogen“ werden. 309 Bothe (Anm. 292, S. 392 f.). 310 Ibid. (S. 393 f.). 311 Generalversammlung der VN, Anhang zur Resolution 3314 (XXIX) vom 12. Dezember 1974, Art. 3 Lit. d). 312 Bothe (Anm. 292, S. 393). 313 Bothe, in: Vitzthum (Anm. 288), S. 667 (Abschn. 8, Rn. 107): Das Neutralitätsrecht bewirke eine „nicht unerhebliche Veränderung in den Beziehungen zwischen den neutralen und den kriegführenden Staaten“, u. a. bezüglich des Aufenthalts von Kriegsschiffen in neutralen Gewässern und der Kontrolle des neutralen Handels. Diese Veränderungen könnten nicht schon bei Kleinstkonflikten eintreten, sondern sie setzten – nach ihrem Sinn und Zweck – eine „Auseinandersetzung einer gewissen Dauer und Intensität“ voraus. 314 So auch Heintschel v. Heinegg (Anm. 296), S. 145 f. 315 Art. 87 Abs. 1 Lit. a) des Seerechtsübereinkommens der VN, 10. Dezember 1982, BGBl. 1995 II S. 602; vgl. das Urteil Military and Paramilitary Activities in and against Nicaragua (Nicaragua gegen USA), IGH, 27. Juni 1986, ICJ Reports 1986, S. 14 (S. 111 f., § 214). 316 Vgl. G. Schwarzenberger, International Law, Bd. II, The Law of Armed Conflict (1968), S. 363.

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Die Meinung, das ius ad bellum sei für die Anwendung seekriegsrechtlicher Maßnahmen grundsätzlich ohne Belang317, ist dogmatisch unbefriedigend, weil in jedem Fall eine Begründung für Eingriffe in die Schiffahrt von Drittstaaten nötig ist. Das wird schon durch die von Bothe vorgenommene Ausgrenzung von Kleinstkonflikten indiziert, in denen kein Grund für die Anwendung des Prisenrechts bestehen soll. Für schwerere Konflikte wird damit implizit das Bestehen eines (rechtlich relevanten) Grundes für den Eingriff vorausgesetzt318. Trotz der grundsätzlichen Bedeutung des ius ad bellum für die Ausübung seekriegsrechtlicher Befugnisse wäre indes eine generelle Diskriminierung eines (vermeintlichen) Aggressors gegenüber einem (vermeintlich) Angegriffenen nicht praktikabel. c) Das Postulat einer Ungleichbehandlung der Konfliktparteien Besonders in den Anfangsjahren der Vereinten Nationen wurde oftmals die Ansicht vertreten, infolge der Abschaffung des freien Kriegführungsrechts müsse das herkömmliche Kriegs- und Neutralitätsrecht durch neue, zwischen Aggressor und Angegriffenem differenzierende Regeln ersetzt werden319. Der Angreifer könne durch die rechtswidrige Gewaltanwendung keinen Kriegszustand herbeiführen und erlange somit keine Befugnis zur Vornahme militärischer und wirtschaftlicher Schädigungshandlungen320. 317 So Bothe (Anm. 292, S. 392 f.) wegen der grundsätzlichen Eigenständigkeit von ius in bello und ius ad bellum. 318 Bothe begründet die Differenzierung nach der Schwere eines Konflikts damit, daß die Anwendung des Neutralitätsrechts in kleineren Konflikten nicht sinnvoll sei, vgl. oben, Anm. 313. In seiner Abhandlung zur Neutrality in Naval Warfare (Anm. 292) gibt er aber keinen Grund dafür an, warum Drittstaaten überhaupt Beschränkungen ihrer Schiffahrtsfreiheit hinnehmen sollten. Im Ergebnis läuft die Differenzierung nach der Schwere eines Konflikts auf die Konstruktion eines verobjektivierten Kriegszustandes hinaus, dessen mögliche Existenz und Relevanz äußerst fraglich sind. Dogmatisch überzeugender ist es deshalb, die Zuerkennung prisenrechtlicher Befugnisse nicht mit einem (anonymisierten) Kriegszustand, sondern mit dem jeweiligen Zweck der Gewaltanwendung zu begründen, vgl. unten, § 6 I. 5. d) aa). 319 Q. Wright, The Outlawry of War and the Law of War, AJIL 1953, S. 365 ff., G. Scelle, Quelques réflexions sur l’abolition de la compétence de guerre, RGDIP 1954, S. 5 ff., E. Lauterpacht, The Legal Irrelevance of the „State of War“, Proceedings of the American Society of International Law, 66th Annual Meeting, Washington 1968, S. 58 ff.; in jüngerer Zeit z. T. ähnlich: M. Torrelli, La neutralité en question, RGDIP 1992, S. 5 ff. 320 Wright (Anm. 319, S. 370 f.), Scelle (Anm. 319, S. 13 f.), E. Lauterpacht (Anm. 319, S. 63), M. Torrelli (Anm. 319, S. 22); vgl. auch Art. 2, 3 Abs. 1 der Harvard Research in International Law, Draft Convention on Rights and Duties of States in Case of Aggression, AJIL 1939 (Bd. 33), Suppl., S. 827 ff.

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Von Drittstaaten könne er kein neutrales Verhalten verlangen, weil diese dem Angegriffenen bei der (individuellen oder kollektiven) Selbstverteidigung beistehen könnten321. Der Zuerkennung prisenrechtlicher Befugnisse stehe das ex iniuria ius non oritur-Prinzip entgegen322. Der Angegriffene hingegen könne sich umfassend gegen die Aggression zur Wehr setzen, wobei er allerdings das humanitäre Völkerrecht beachten müsse323. Ob er zur Einziehung feindlicher Handelsschiffe berechtigt wäre, war unter den Vertretern dieser Richtung streitig; eine Sequestrierung wurde zum Teil als für die Selbstverteidigung ausreichend erachtet324. Der diskriminierende Kriegsbegriff hat sich – in dieser Form – nicht durchsetzen können. Die Präambel und der Artikel 1 Absatz 1 des Ersten Zusatzprotokolls zu den Genfer Abkommen besagen, daß die darin enthaltenen Regeln „unter allen Umständen“ und für alle Konfliktparteien verbindlich sind325. Eine differenzierende Anwendung des Kriegsvölkerrechts ließe sich im Verhältnis der Konfliktparteien zueinander auch kaum umsetzen: Oftmals beanspruchen beide Teile die Ausübung des Selbstverteidigungsrechts für sich326 oder machen andere (mehr oder minder) anerkannte Rechtfertigungsgründe für den Gewalteinsatz geltend327. Die Prätention einer Partei, das ius in bello zu ihren Gunsten modifizieren zu dürfen, würde deshalb allenfalls wechselseitige Repressalien und eine Verschärfung des 321 Scelle (Anm. 319, S. 15 ff.), E. Lauterpacht (Anm. 319, S. 63 ff.); vgl. auch Art. 10, 12 des Harvard Research Draft on Aggression (Anm. 320). 322 Wright (Anm. 319, S. 370 f.); vgl. auch E. Lauterpacht (Anm. 319, S. 61, 63). 323 Scelle (Anm. 319, S. 19), E. Lauterpacht (Anm. 319, S. 63 f.); vgl. auch Wright (Anm. 319, S. 371), sowie Art. 6 des Harvard Research Draft on Aggression (Anm. 320). 324 So E. Lauterpacht (Anm. 319, S. 61, 63 f.). Die Möglichkeit einer Einziehung bejahen hingegen Wright (Anm. 319, S. 371), sowie der Art. 7 Lit. c) des Harvard Research Draft on Aggression (Anm. 320). 325 Präambel Abs. 5, Art. 1 Abs. 1 des Ersten Zusatzprotokolls zu den Genfer Abkommen von 1949, 8. Juni 1977, UNTS Bd. 1125, S. 3; vgl. B. Zimmermann, in: Commentaire des Protocoles additionnels, CICR (1986), Y. Sandoz u. a. (Hrsg.), S. 37 (I, Art. 1, Rn. 48). 326 N. Ronzitti, The Crisis of the Traditional Law Regulating International Armed Conflicts at Sea, in: Idem (Hrsg.), The Law of Naval Warfare (1988), S. 1 ff. (S. 3), Greenwood (Anm. 295, S. 287). 327 Im Falle des Kosovo-Konflikts beriefen sich die NATO-Staaten beispielsweise auf die Notwendigkeit, eine humanitäre Katastrophe zu verhindern und den Respekt von UN-Sicherheitsratsresolutionen zu erzwingen, vgl. das Interview des französischen Außenministers A. Richard mit France 2, 25. März 1999, www.diplomatie.fr/ actual/dossiers/kossovo/kossovo9.html, sowie die Stellungnahmen der belgischen und US-amerikanischen Vertreter in den Affären zur Legality of Use of Force (Jugoslawien gegen Belgien etc.), Sitzungen des IGH vom 10. bzw. 11. Mai 1999, CR 99/15 bzw. CR 99/24.

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2. Kap.: Mögliche Einschränkungen der Schiffahrtsfreiheit

Konflikts provozieren328. Tatsächlich ist die Gegenseitigkeitserwartung eine wesentliche Voraussetzung für die effektive Beschränkung der Gewaltanwendung329. An der reziproken Gleichbehandlung der Gegner zwischenstaatlicher Konflikte ist deshalb strikt festzuhalten330. Daraus folgt indes nicht, daß Dritte gegenüber den Konfliktparteien zur Unparteilichkeit verpflichtet wären. Nach einhelliger Auffassung ist bei bewaffneten Konflikten die Einnahme einer neutralen Haltung weiterhin möglich331. Eine automatische Anwendung der Neutralitätsregeln – wie einst beim Eintritt des Kriegszustandes332 – soll aber nach herrschender Meinung nicht mehr erfolgen333. Dem Angegriffenen könne (unabhängig vom Tätigwerden des UN-Sicherheitsrats) jedwede Art von Unterstützung geleistet werden334. Soweit der Drittstaat sich nicht direkt an den Kämpfen beteiligt, ist er durch das Gewaltverbot geschützt335, wobei allerdings im Vergleich zur strikten Neutralität ein erhöhtes faktisches Risiko besteht, in den Konflikt involviert zu werden336. Beim Fehlen entgegenstehender Sicherheitsratsresolutionen kann es Drittstaaten deshalb nicht verwehrt werden, eine neutrale Haltung einzunehmen und die daraus resultierenden Rechte einzufordern337. 328 Die NATO hatte beispielsweise während des Kosovo-Konflikts angedeutet, im Lichte der von ihr verfolgten humanitären Ziele beurteilt werden zu wollen, vgl. A. Gidron/C. Cordone (Amnesty International), Faut-il juger l’OTAN?, Le Monde diplomatique, Juli 2000, S. 1 und 18 f. (S. 18). Jugoslawien hingegen konnte mit einer gewissen Plausibilität behaupten, Opfer einer verbotenen Gewaltanwendung zu sein, vgl. die Request for the Indication of Provisional Measures, IGH, Legality of Use of Force (Jugoslawien gegen Belgien etc.), 29. Mai 1999. Beide Seiten hätten somit – aufgrund des vermeintlich besseren Kriegführungsrechts – eine „permissivere“ Anwendung des ius in bello für sich reklamieren können, worauf die Gegenseite wohl mit einem ebensolchen Schritt reagiert hätte. 329 Bothe, in: Vitzthum (Anm. 288), S. 661 (Abschn. 8, Rn. 93), Heintschel v. Heinegg (Anm. 296), S. 74 f. 330 Ganz h. M., siehe z. B. Greenwood (Anm. 295, S. 287), Bothe (Anm. 292, S. 392), Heintschel v. Heinegg (Anm. 296), S. 74 ff., m. w. Nachw. 331 Das wurde selbst von den Verfechtern des diskriminierenden Kriegsbegriffs eingeräumt, vgl. z. B. Scelle (Anm. 319, S. 17) sowie auch Art. 12 f. des Harvard Research Draft on Aggression (Anm. 320). 332 Vgl. Schwarzenberger (Anm. 316), S. 63 f. 333 Schindler (Anm. 285, S. 373), Torrelli (Anm. 319, S. 13); ebenso wohl Ipsen (Anm. 284), S. 1113 (§ 72, Rn. 12), indem er von der Möglichkeit zur „Einnahme“ eines neutralen Status spricht. Anders hingegen Bothe, in: Vitzthum (Anm. 288), S. 668 (Abschn. 8, Rn. 107), der bei größeren Konflikten eine obligatorische Anwendung des Neutralitätsrechts fordert und entgegenstehende Praktiken als Umgehungsversuche zurückweist. 334 Schindler (Anm. 285, S. 373) m. w. Nachw. 335 Bothe (Anm. 292, S. 396). 336 Ipsen (Anm. 284), S. 1111 (§ 72, Rn. 1).

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Dem Postulat einer generellen Differenzierung zwischen Angreifer und Angegriffenem kann aus den vorgenannten Gründen nicht gefolgt werden. Das gilt besonders für das Verhältnis der Konfliktparteien zueinander. Insoweit ist wegen des Gegenseitigkeitsgedankens auch eine uniforme Anwendung des Seekriegsrechts geboten. Konfliktparteien, die seekriegsrechtliche Maßnahmen ergreifen, können deshalb ebensolche Maßnahmen ihrer Gegner nicht unter Hinweis auf das ius contra bellum für unzulässig erklären. Anders stellt sich die Situation von Drittstaaten dar. Insoweit erscheint es weniger bedenklich, wenn unter Hinweis auf das fehlende ius ad bellum gegen die Kontrolle von Zivilschiffen protestiert wird338. In Anwendung der Artikel 40, 41 Absatz 2 der ILC’s Articles on State Responsibility339 könnte darüber hinaus Prisenurteilen des Aggressors die Anerkennung versagt werden340. Im Interesse der Rechtssicherheit müßte eine solche Maßnahme allerdings frühzeitig angekündigt werden und bedürfte gemäß Artikel 41 Absatz 1 der ILC’s Articles341 der Unterstützung einer großen Anzahl von Drittstaaten342. 337

Ronzitti (Anm. 326, S. 6). Beispielsweise bestritt der russische Außenminister Igor Ivanow während des Kosovo-Konflikts das Recht der NATO, ein von ihr verhängtes Ölembargo mit Kontrollen der Zivilschiffahrt durchzusetzen: „In accordance with international law, no one can impose sanctions or embargos without the United Nation Security Council agreement“, Guardian Unlimited, 26. April 1999 (Russia plays down oil clash), www.guardian.co.uk/yeltsin/Story/0,2763,205458,00.html. Unter den NATOVerbündeten war streitig, ob die Kontrollen nicht eventuell auf die Sicherheitsratsresolution 1160 (1998), 31. März 1998, gestützt werden konnten. Die USA bejahten das, Frankreich und Italien lehnten es ab. Ebenfalls Uneinigkeit herrschte darüber, ob die bloße Existenz des bewaffneten Konflikts mit Jugoslawien die Ausübung seekriegsrechtlicher Befugnisse rechtfertigen konnte, F. L. Kirgis, NATO Interdiction of Oil Tankers Bound for Yugoslavia, ASIL Insights Nr. 33 (April 1999), www.asil. org/insights/insigh33.htm#author. Auf Kontrollen der Zivilschiffahrt wurde deshalb letztlich verzichtet. 339 Annex zur Resolution 56/83 der UN-Generalversammlung, 28. Januar 2002. 340 Der Art. 40 der ILC’s Articles on State Responsibility definiert schwere Verletzungen von ius cogens-Normen als eine besondere Kategorie von Völkerrechtsverstößen. Nach Art. 41 Abs. 2 der ILC’s Articles soll kein Staat eine durch solch einen Verstoß geschaffene Lage als rechtens anerkennen. Insoweit handelt es sich teilweise um eine Kodifikation von Völkergewohnheitsrecht, vgl. betreffend der Nichtanerkennung gewaltsamer Gebietserwerbe („Stimson-Doktrin“) den Grundsatz 1, vor Lit. a), der Friendly Relations Declaration, Resolution 2625 (XXV) der UNGeneralversammlung, 24. Oktober 1970. 341 Der Art. 41 Abs. 1 der ILC’s Articles on State Responsibility (Anm. 339) besagt, daß alle Staaten zusammenarbeiten müssen, um schwere Verletzungen von ius cogens-Normen zu beenden. Kritisch dazu Ch. J. Tams, All’s Well That Ends Well, ZaöRV 2002, S. 759 ff. (S. 774 f.). 342 Zu potentiellen Problemen bei einer uneinheitlichen Behandlung von Prisenurteilen vgl. oben, Anm. 307. 338

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2. Kap.: Mögliche Einschränkungen der Schiffahrtsfreiheit

Praktisch wird es selten gelingen, einen breiten Konsens über die Eigenschaft einer Konfliktpartei als Aggressor herzustellen. Um so wichtiger ist deshalb die einheitliche Beschränkung der Gewaltanwendung durch den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. d) Das Erfordernis der Verhältnismäßigkeit prisenrechtlicher Maßnahmen Nach der Rechtsprechung des Internationalen Gerichtshofs ist die Ausübung des Selbstverteidigungsrechts gemäß Artikel 51 der UN-Charta an die Beachtung der gewohnheitsrechtlichen Prinzipien der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit gebunden343. Nach herrschender Meinung ist das auch bei der Ausübung seekriegsrechtlicher Befugnisse zu beachten344. Die Ziffer 4 des durch unabhängige Fachleute erstellten San Remo Manual345 besagt: „The principles of necessity and proportionality apply equally to armed conflict at sea and require that the conduct of hostilities by a State should not exceed the degree and kind of force, not otherwise prohibited by the law of armed conflict, required to repel an armed attack against it and to restore its security“. Unter den Verfassern des Manual war allerdings streitig, ob das nur auf „strategischer“ [aa)] oder auch auf „taktischer“ [bb)] Ebene zu berücksichtigen ist346. aa) Die Verhältnismäßigkeit in „strategischer“ Hinsicht Nach dem Urteil Military and Paramilitary Activities in and against Nicaragua ist die Anwendung militärischer Gewalt zum Zwecke der Selbstverteidigung nur zulässig, soweit dies zur Abwehr eines bewaffneten Angriffs erforderlich und verhältnismäßig ist347. Die Ausübung seekriegsrecht343 Vgl. das Gutachten zur Legality of the Threat or Use of Nuclear Weapons (UNO), IGH, 8. Juli 1996, ICJ Reports 1996 (I), S. 226 (§ 41): „The submission of the exercise of the right of self-defence to the conditions of necessity and proportionality is a rule of customary international law. As the Court stated in the case concerning Military and Paramilitary Activities in and against Nicaragua (Nicaragua v. USA) (ICJ Reports 1986, p. 94, § 176): ‚there is a specific rule whereby self-defence would warrant only measures which are proportional to the armed attack and necessary to respond to it, a rule well established in customary international law‘. This dual condition applies equally to Article 51 of the Charter, whatever the means of force employed“. 344 Vgl. ibid., in fine, sowie Greenwood (Anm. 295, S. 275 ff., 279, 284 ff.), Ronzitti (Anm. 326, S. 4 f., 7 ff.), E. Lauterpacht (Anm. 319, S. 64); entspr. auch Randelzhofer (Anm. 295), S. 805 (Art. 51, Rn. 42, bei Anm. 159). 345 San Remo Manual on International Law Applicable to Armed Conflicts at Sea, Hrsg.: L. Doswald-Beck (1995). 346 Vgl. die Kommentierung, ibid., S. 77 (Ziff. 4.5).

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licher Befugnisse kann deshalb nach einem Waffenstillstand keinesfalls fortgesetzt werden348. Ebenso wäre es unzulässig, ohne Not neue Kriegsschauplätze zu eröffnen und so einen lokal begrenzten Konflikt zu eskalieren349. Beschränkungen der Handelsschiffahrt von Drittstaaten wären in Kleinstkonflikten zumeist nicht erforderlich350. Überdies wären bei der Intensität der Ausübung seekriegsrechtlicher Befugnisse Graduierungen anzubringen. So soll in kleineren Konflikten nur eine Sequestrierung aufgebrachter Schiffe zulässig sein, wohingegen bei größeren Auseinandersetzungen die Durchführung von Prisenverfahren in Betracht käme351. Die herkömmlichen seekriegsrechtlichen Regeln wären dabei die Grenze des maximal Zulässigen352. Der Auffassung von der Zweckbindung der Anwendung militärischer Gewalt ist zuzustimmen, weil sie der Abschaffung des freien Kriegführungsrechts angemessen Rechnung trägt und eine praktische Beschränkung ausgebrochener Konflikte fördert. Die Nachteile des diskriminierenden Kriegsbegriffs können im Verhältnis der Konfliktparteien untereinander durch eine Berücksichtigung des Reziprozitätsgedankens vermieden werden. Aufgrund der Judikatur des Internationalen Gerichtshofs353 und entsprechender Praktiken der Seemächte354 ist die zweckgebundene Anwendung des Verhältnismäßigkeitsprinzips als Völkergewohnheitsrecht einzustufen. Fraglich ist allerdings, inwieweit das so verstandene Verhältnismäßigkeitsprinzip in laufenden Einsätzen berücksichtigt werden kann.

347 Military and Paramilitary Activities in and against Nicaragua (Nicaragua gegen USA), IGH, 27. Juni 1986, ICJ Reports 1986, S. 14 (S. 94, § 176). 348 Kommentierung zum San Remo Manual (Anm. 345), S. 77 (Ziff. 4.6), Greenwood (Anm. 295, S. 275 f.) m. w. Nachw. 349 Ibid. (S. 277 f.). 350 Ibid. (S. 284), Ronzitti (Anm. 326, S. 4). 351 Greenwood (Anm. 295, S. 284); vgl. auch Kommentierung zum San Remo Manual (Anm. 345), S. 197 (Ziff. 119.2). 352 Greenwood (Anm. 295, S. 285). 353 Siehe oben, Anm. 343. 354 Vgl. die Analyse von Ronzitti (Anm. 326, S. 10). Siehe auch die Stellungnahme des britischen Außenministers T. Renton zu einer Anfrage aus dem House of Commons, HC Debs., vol. 90, Written Answers, col. 426, 28. Januar 1986, ebenfalls in: BYBIL 1986, S. 583: „The United Kingdom upholds the general principle of freedom of navigation on the high seas. However, under article 51 of the United Nations charter a state such as Iran, actively engaged in an armed conflict, is entitled in exercise of its inherent right of self-defence, to stop and search a foreign merchant ship on the high seas if there is reasonable ground for suspecting that the ship is taking arms to the other side for use in the conflict. This is an exceptional right“ etc.

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2. Kap.: Mögliche Einschränkungen der Schiffahrtsfreiheit

bb) Die Verhältnismäßigkeit in „taktischer“ Hinsicht Nach Ziffer 118 des San Remo Manual355 sollen Zivilschiffe nur kontrolliert werden, wenn „reasonable grounds for suspecting that they are subject to capture“ bestünden. Das entspreche der gewohnheitsrechtlichen Regel, daß prisenrechtliche Befugnisse nicht willkürlich ausgeübt werden dürften356. Von einer Beachtlichkeit des ius ad bellum ist in diesem Zusammenhang allerdings keine Rede. Vernünftigerweise kann das Verhältnismäßigkeitsprinzip auf „taktischer“ Ebene nicht so angewandt werden, daß die operierenden Einheiten den gesamten Konflikt im Auge behalten und die Angemessenheit ihres Verhaltens anhand von Artikel 51 der UN-Charta überprüfen. Derartige Erwägungen können nur auf höherer militärischer und politischer Ebene erfolgen357, zumal selbst dort ein erheblicher Beurteilungsspielraum besteht358. Die zweckgebundene Anwendung des Verhältnismäßigkeitgrundsatzes spielt deshalb zunächst nur auf „strategischer“ Ebene eine Rolle. Aufgrund der dort getroffenen Entscheidungen erfolgt aber zwangsläufig eine Beeinflussung des taktischen Verhaltens, etwa über die Erteilung limitierter Einsatzbefehle oder über die Weisung, die Kontrolle der Zivilschiffahrt auf bestimmte Fahrzeuge zu beschränken359. Auf taktischer wie auch auf strategischer Ebene ist überdies das allgemeine Verhältnismäßigkeitsprinzip zu beachten, nach dem die Beeinträchtigung ziviler Personen und Objekte nicht außer Verhältnis „zum erwarteten konkreten und unmittelbaren militärischen Vorteil“ stehen darf360. *** 355

San Remo Manual on International Law Applicable to Armed Conflicts at Sea (Anm. 345). 356 Kommentierung zum San Remo Manual (Anm. 345), S. 196 (Ziff. 118.3). 357 Zur Funktion militärischer Rechtsberater siehe Ziff. 146 ff. des Handbuchs des humanitären Völkerrechts in bewaffneten Konflikten, Bundesverteidigungsministerium, ZDv 15/2 (August 1992), Hrsg.: D. Fleck (1994). 358 Zu Recht weist Randelzhofer (Anm. 295), S. 805 (Art. 51, Rn. 42 in fine), darauf hin, daß die Ausübung des Selbstverteidigungsrechts sich nicht darauf beschränken muß, den Angreifer in sein Territorium zurückzudrängen. Nach Meinung der Mehrheit der Verfasser des San Remo Manual (Anm. 345) wäre es unter Umständen sogar zulässig, eine debellatio des Gegners herbeizuführen, vgl. die Kommentierung, ibid. S. 78 (Ziff. 5.1). 359 Zur rechtlichen Prüfung von Befehlen und Anweisungen siehe Ziff. 146 Spiegelstrich 1 und 2 des Handbuchs des humanitären Völkerrechts (Anm. 357). 360 Art. 51 Abs. 5 Lit. b) des Ersten Zusatzprotokolls zu den Genfer Abkommen von 1949, 8. Juni 1977, UNTS Bd. 1125, S. 3.

§ 6 Rechte und Pflichten von Kriegführenden und Neutralen

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Das moderne ius contra bellum stellt eine zusätzliche Beschränkung der Ausübung seekriegsrechtlicher Befugnisse dar. Diese Neuerung spiegelt sich darin wider, daß die traditionellen seekriegsrechtlichen Befugnisse seit dem Zweiten Weltkrieg meist nur sehr selektiv angewandt wurden361. Statt dessen werden seit den neunziger Jahren verstärkt Kontrollen zwecks Durchsetzung von Embargomaßnahmen des UN-Sicherheitsrats durchgeführt362. Wegen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes dürfte bei zwischenstaatlichen Konflikten im Donauraum eine Anwendung des Prisenrechts auf dem Fluß kaum noch zu rechtfertigen sein363. Vergleichsweise größere praktische Relevanz hat deshalb die Frage, ob und inwieweit neutrale Donaustaaten verpflichtet sind, die Nutzung ihres Flußabschnitts durch die Konfliktparteien zu verhindern.

II. Maßnahmen dritter Staaten zum Schutz ihrer Neutralität Für Drittstaaten stellt sich zum einen die Frage, ob sie die Durchfahrt von Kriegsschiffen der Konfliktparteien erlauben dürfen (1.). Zum anderen ist fraglich, ob sie aufgrund der Schiffahrtsfreiheit gemäß dem Pariser und Belgrader Statut verpflichtet sind, den Transit von Nachschublieferungen zu dulden (2.). 1. Das Befahren neutraler Flußabschnitte mit Kriegsschiffen Bei der Durchfahrt von Kriegsschiffen ist zu unterscheiden zwischen gänzlich neutralen Flußabschnitten [a)] und Grenzabschnitten zu den Konfliktparteien [b)].

361 362

Vgl. die Analyse von Ronzitti (Anm. 326, S. 4 ff.). Siehe L. E. Fielding, Maritime Interception and U.N. Sanctions (1997), pas-

sim. 363 Dieses Ergebnis mag überraschen, wenn man die im neueren Schrifttum zumeist vorgenommene Zuordnung von Flüssen zum Seekriegsschauplatz zugrunde legt, vgl. oben, bei Anm. 242 bis 244. Diese Auffassung beruht jedoch auf einer unzulänglichen Aufarbeitung der betreffenden Staatenpraxis sowie auf einer inadäquaten Verallgemeinerung gewisser Tendenzen der beiden Weltkriege. Die hier vertretene Auffassung hat demgegenüber den Vorteil, die grundsätzliche Unterscheidung der Kriegsschauplätze beizubehalten und die unterschiedlichen Charakteristika einzelner Konfliktarten normativ zu berücksichtigen.

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2. Kap.: Mögliche Einschränkungen der Schiffahrtsfreiheit

a) Die Passage über beiderseits neutrale Flußabschnitte Nach der Stellungnahme Sir Cecil Hursts als britischem Vertreter im Wimbledon-Rechtsstreit ist nicht anzuzweifeln „that all use of neutral territory by a belligerent for the purpose of moving its troops or forces – landforces and sea-forces – is prohibited“364. Neutrale Mächte hätten sowohl des Recht als auch die Pflicht solche Neutralitätsverletzungen zu verhindern. Das betreffe auch die Durchfahrt von Kriegsschiffen; einer kriegführenden Macht sei es nicht gestattet „to move its warships through the internal waters of a neutral State“365. Kriegsschiffen gleichgestellt seien dabei militärische Begleitschiffe und Prisen366. Tatsächlich verbietet der Artikel 2 der V. Haager Konvention betreffend der Neutralität im Falle eines Landkrieges367 den Durchzug von Truppen sowie von Munitions- und Nachschubkonvois über neutrales Gebiet. Gemäß Artikel 5 Absatz 1 der V. Haager Konvention sind neutrale Mächte verpflichtet, dahingehende Aktivitäten zu unterbinden. Diese Regel wurde wiederholt auch auf die Durchfahrt über neutrale Flußabschnitte angewandt. Zu Beginn des Ersten Weltkrieges verweigerten die Niederlande britischen Kriegsschiffen den Transit durch die niederländische Scheldemündung zum belgischen Antwerpen368. In umgekehrter Richtung wurde die Durchfahrt von Seeschiffen verboten, die von den Kriegführenden im Antwerpener Hafen als Prise oder Reprise beschlagnahmt worden waren369. Prisen, die das Transitverbot mißachteten, wurden von den Niederlanden abgefangen und für die Dauer des Krieges sequestriert370. Die Niederlande vertraten zu dieser Frage die Ansicht, die Aufbringung von Prisen stelle eine kriegerische Handlung dar, deren Fortführung auf neutralem Gebiet nicht erlaubt sei371. Nach anfänglichen Vorbehalten372 trat 364 Sitzung des StIGH vom 6. Juli 1923, Wimbledon (Frankreich etc. gegen Deutschland), CPJI sér. C nº 3, Vol. I (Procès-verbaux et discours), S. 252 ff. (S. 257). 365 Ibid. (S. 258). 366 Ibid. (S. 258, 260). 367 18. Oktober 1907, Martens, NRG III 3, S. 504. 368 Britische Stellungnahme zur Wimbledon-Affäre (Anm. 364, S. 258), H. Accioly, Freedom of River Navigation in Time of War, Iowa Law Review 1933/34, S. 231 ff. (S. 233). 369 G. H. Hackworth, Digest of International Law, Bd. VII (1943), S. 603 ff., J. W. Garner, International Law and the World War, Bd. II (1920), S. 450 f. (§ 571). 370 Ibid., S. 450 (§ 571). 371 Schreiben des niederländischen Außenministers J. Loudon an den britischen Gesandten in Den Haag, 15. September 1914, in: Hackworth (Anm. 369), S. 603. 372 Vgl. Hackworth (Anm. 369), S. 603.

§ 6 Rechte und Pflichten von Kriegführenden und Neutralen

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Großbritannien dieser Auffassung bei373. Der Transit durch die Scheldemündung war somit nicht als (erlaubte) Passage durch neutrale Territorialgewässer374, sondern als verbotener Durchzug über neutrales Binnenland zu behandeln375. Das Verbot der Passage von Kriegsschiffen und Prisen über neutrale Flußabschnitte entspricht der generellen Zuordnung von Flüssen zum Schauplatz des Landkrieges. Problematisch ist jedoch, inwieweit dieses Verbot auch auf Grenzabschnitte der Neutralen zu den Kriegführenden anwendbar ist. b) Der Einsatz von Kriegsschiffen auf Grenzabschnitten zu den Neutralen Während des serbisch-türkischen Krieges von 1876/77 hatte das autonome Fürstentum Rumänien376 eine Neutralitätserklärung abgegeben und verlangte deshalb von der Türkei, auf den Einsatz seiner in Bulgarien stationierten Donauflottille zu verzichten377. Die Kriegsschiffe seien keinesfalls in der Lage, sich durchweg auf der bulgarischen beziehungsweise serbischen Seite der Donau zu halten. Spätestens im Gefecht wären sie zu Manövern gezwungen, bei denen die rumänische Neutralität verletzt würde378. Die rumänische Forderung wurde von der Türkei zunächst sehr reserviert aufgenommen379. Die Großmächte – als Garanten der rumänischen Autonomie380 – unterstützten jedoch die rumänische Position381. Da Rumänien überdies zusicherte, den Transport von Kriegskonterbande auf dem betref373

Vgl. oben, bei Anm. 364 bis 366. Art. 10 des XIII. Haager Abkommens betreffend der Neutralität im Falle eines Seekrieges, 18. Oktober 1907, Martens, NRG III 3, S. 713. 375 Art. 2, 5 Abs. 1 des V. Haager Abkommens betreffend der Neutralität im Falle eines Landkrieges, 18. Oktober 1907, ibid., S. 504. 376 Vgl. Art. XXIII Abs. 1 des Allgemeinen Friedensvertrages von Paris, 30. März 1856, Martens, NRG I 15, S. 770. 377 Schreiben des rumänischen Außenministers an Serbien, Frankreich, Österreich-Ungarn, Deutschland, Rußland, Italien und die Türkei, 28. Juni 1876, Grünbuch des rumänischen Außenministeriums (Ministerul Afacerilor Straine), Cestiunea Dunarei (1883), S. 413 f. 378 Note des rumänischen Gesandten in Konstantinopel an den türkischen Außenminister, 1. Juli 1876, ibid., S. 417 f. (S. 417). 379 Mitteilung des rumänischen Gesandten in Konstantinopel an den rumänischen Außenminister, 1. Juli 1876, ibid., S. 415. 380 Vgl. Art. XXII ff. des Allgemeinen Friedensvertrages von Paris, 30. März 1856 (Anm. 376). 381 Mitteilung des rumänischen Gesandten in Konstantinopel an den rumänischen Außenminister, 3. Juli 1876, rumänisches Grünbuch (Anm. 377), S. 418. 374

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2. Kap.: Mögliche Einschränkungen der Schiffahrtsfreiheit

fenden Grenzabschnitt zu unterbinden382, willigte die Türkei schließlich ein, ihre Donauflottille nicht zum Einsatz zu bringen383. Während des serbisch-bulgarischen Krieges von 1885 protestierte Rumänien erneut gegen das Befahren der Donau mit Truppen- und Munitionstransporten384. Wegen des raschen Kriegsendes wurden die Proteste jedoch nicht weiter verfolgt385. Nach Einschätzung eines Rechtsberaters der ehemaligen deutschen Reichsmarine könnten sich größere Kriegsschiffe und Truppentransporter kaum über längere Strecken auf einer Seite der (meist die Staatsgrenze bildenden) Fahrrinne halten386. Das tatsächliche Vorliegen von Neutralitätsverletzungen wäre aber meist nur schwer nachweisbar und hinge jedenfalls von den Umständen des Einzelfalles ab. Exkurs: Sonderregeln zum Befahren der Donau mit Kriegsschiffen Durch Artikel XIX des 1856 geschlossenen Allgemeinen Friedensvertrages387 wurden die Mitgliedsstaaten der Europäischen Donaukommission berechtigt, dauerhaft („en tout temps“) je zwei Kriegsschiffe in der Donaumündung zu stationieren. Es ist nichts davon bekannt, daß der Aufenthalt dieser Stationsschiffe in Kriegszeiten als Verletzung der russischen oder rumänischen Neutralität angesehen worden wäre388. Die Europäische Kom382 Vgl. die Mitteilung des rumänischen Gesandten in Konstantinopel an den rumänischen Außenminister, 8. Juli 1876, ibid., S. 425 f. (S. 425). 383 Schreiben des türkischen Außenministers an den rumänischen Gesandten in Konstantinopel, 8. Juli 1876, ibid., S. 426 f. (S. 426 f.). 384 Rumänische Note vom 6. November 1885, in: H. Hajnal, Le droit du Danube international (1929), S. 180, Anm. 1. 385 Ibid., S. 182. 386 H. J. Abraham, Kriegsschiffe und Seekriegsrecht auf Flüssen, ZfV 1939, S. 49 ff. (S. 53). 387 Allgemeiner Friedensvertrag von Paris, 30. März 1856 (Anm. 376). 388 In Betracht käme ein Verstoß gegen Art. 12 des XIII. Haager Abkommens betreffend der Neutralität im Falle eines Seekrieges, 18. Oktober 1907, ibid. III 3, S. 713. Danach dürfen Kriegsschiffe der Kriegführenden höchstens 24 Stunden in neutralen Häfen verweilen. Die Stationsschiffe gemäß dem Pariser Statut dienten allerdings vorrangig allgemeinen Interessen, nämlich der Offenhaltung der Donaumündung als strategisch und wirtschaftlich wichtigem Zugang zum Schwarzen Meer. Insofern handelt es sich um eine erga omnes wirkende statusvertragliche Regelung, die den allgemeinen Regeln des Neutralitätsrechts vorgeht. Entsprechend hat auch der StIGH in der Wimbledon-Affäre implizit ausgeschlossen, daß eine nach dem Versailler Vertrag garantierte Nutzung des Kieler Kanals durch Kriegsschiffe als Verletzung der deutschen Neutralität angesehen werden könnte, vgl. die Analyse E. Klein, Statusverträge im Völkerrecht (1980), S. 7 f.

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mission hat jedoch seit 1940 ihre Aufgaben in der Donaumündung nicht mehr wahrnehmen können389. Auch für die Zukunft ist faktisch auszuschließen, daß das Festhalten diverser westeuropäischer Staaten am Pariser Statut zur Wiedereinführung der Stationsschiffe führen wird. Von größerer Aktualität sind der Artikel 30 Absatz 1 der Belgrader Konvention390, nach dem es Kriegsschiffen von Nichtdonaustaaten verwehrt sein soll, in die Donau einzulaufen, sowie der Artikel 30 Absatz 2, nach dem der Verkehr von Kriegsschiffen außerhalb des Flaggenstaates des Einverständnisses der davon betroffenen anderen Donaustaaten bedarf391. Es erscheint fraglich, ob diese Regeln nur in Friedenszeiten oder auch in Kriegszeiten gelten sollen. Die für Statusverträge anzunehmende Maxime, nach der im allgemeinen Interesse vereinbarte Demilitarisierungen möglichst auch in Kriegszeiten wirksam sein sollten392, ist auf diese Bestimmungen nicht anwendbar, weil die Belgrader Konvention nicht als Statusvertrag anerkannt ist393. Nach der opinion dissidente der Richter Anzilotti und Huber zum Wimbledon-Urteil des Ständigen Internationalen Gerichtshofs sind völkerrechtliche Verträge im Zweifel so auszulegen, daß sie die spezifischen Hoheitsrechte der Vertragsstaaten in Kriegszeiten nicht beschränken394. Im Interesse der Kriegführenden ist deshalb anzunehmen, daß die Beschränkungen des Artikel 30 der Belgrader Konvention nur in Friedenszeiten gelten. Davon gingen offenbar auch die Bundesrepublik Deutschland und die anderen Vertragsstaaten beim deutschen Beitritt im Jahre 1999 aus. Ein zugunsten der NATO-Verbündeten eingelegter deutscher Vorbehalt betrifft nämlich nur die spezielle Situation von Manövern, nicht aber den eigentlichen Ernstfall395. Bei den Beitrittsverhandlungen muß also vorausgesetzt worden sein, daß der Artikel 30 überhaupt nur in Friedenszeiten anwendbar ist. Beschränkungen des Transits von Kriegsschiffen über die Donau ergeben sich folglich in Kriegszeiten nur aus den allgemeinen neutralitätsrechtlichen Regeln396.

389

Vgl. oben, § 2 I. 1. c). 18. August 1948, UNTS Bd. 33, S. 196. 391 Vgl. schon oben, § 2 III. 2. b). 392 Siehe E. Klein (Anm. 388 in fine), S. 299. 393 Ibid., S. 275. 394 Opinion dissidente zum Wimbledon-Urteil des StIGH (Frankreich etc. gegen Deutschland), 17. August 1923, CPJI sér. A nº 1, S. 35 ff. (S. 36 f.). 395 Siehe oben, § 2 III. 2. b), bei Anm. 397 bis 403. 396 Zur – als überholt anzusehenden – partiellen Demilitarisierung von 1878 siehe oben, § 4 II. 390

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2. Kap.: Mögliche Einschränkungen der Schiffahrtsfreiheit

2. Der Transit von Nachschublieferungen über neutrale Flußabschnitte Bei der Durchfuhr von Nachschublieferungen über neutrale Flußabschnitte ist zu unterscheiden zwischen Waffen [a)], sonstigen kriegswichtigen Gütern [b)] und dem Sonderfall militärisch organisierter Transporte [c)]. a) Die Unzulässigkeit des Transits von Waffenlieferungen Nach Artikel 7 der V. Haager Konvention betreffend der Neutralität im Falle eines Landkrieges397 wären Neutrale nicht verpflichtet, die Aus- und Durchfuhr von Rüstungsmaterial durch Private zugunsten der Kriegführenden zu verhindern. Diese aus Zeiten strikt liberaler Wirtschaftspolitik herrührende Bestimmung ist jedoch mittlerweile durch eine abweichende gewohnheitsrechtliche Regel abgelöst worden. Wegen der heutigen staatlichen Kontrolle der Rüstungsindustrie wird nunmehr davon ausgegangen, daß die Zulassung von Waffenlieferungen eine neutralitätswidrige Unterstützung darstellt398. Fraglich ist deshalb, welche Maßnahmen Anliegerstaaten internationaler Flüsse treffen müssen, um den Transit von Waffenlieferungen zu verhindern. Da das Verhalten von Privatpersonen Staaten grundsätzlich nicht zurechenbar ist399, kann von Uferstaaten internationaler Flüsse lediglich erwartet werden, eine angemessene Sorgfalt (due diligence) aufzuwenden400, um die Durchfuhr von Waffenlieferungen zu verhindern. Dazu müssen adäquat sanktionierte Verbote erlassen und zur Umsetzung nötige Kontrollen durchgeführt werden401. Solche Kontrollen können jedoch mit dem Prinzip der Schiffahrtsfreiheit in Konflikt geraten. 397

18. Oktober 1907, Martens, NRG III 3, S. 504. Ziff. 1112 des Handbuchs des humanitären Völkerrechts in bewaffneten Konflikten, Bundesverteidigungsministerium, ZDv 15/2 (August 1992), Hrsg.: D. Fleck (1994). 399 Vgl. Art. 4 ff. der ILC’s Articles on State Responsibility, Annex zur Resolution 56/83 der UN-Generalversammlung, 28. Januar 2002. 400 Zur due diligence siehe M. Schröder, Verantwortlichkeit, Völkerstrafrecht, Streitbeilegung und Sanktionen, in: W. Graf Vitzthum (Hrsg.), Völkerrecht (2. Aufl. 2001), S. 561 (Abschn. 7, Rn. 25). 401 Vgl. ibid. Völlig unzureichend wäre heute etwa eine Regelung wie jene des österreich-ungarischen Neutralitätsdekrets für den russisch-türkischen Krieg von 1877/78, 11. Mai 1877, Martens, NRG II 3, S. 215. Darin wurde zwar in Ziff. 1 Abs. 1 die Zuführung von Konterbande an die Kriegführenden als „verboten“ bezeichnet. Als Konsequenz war aber in Ziff. 1 Abs. 4 nur vorgesehen, daß bei „rechtmäßigen Beschlagnahmen und Konfiskationen“ durch die Kriegführenden kein Schutz der eigenen Regierung zu erwarten sei. Als Beispiel einer modernen Rege398

§ 6 Rechte und Pflichten von Kriegführenden und Neutralen

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In Artikel 23 Absatz 1 der Pariser Konvention von 1921 war für die Donau eine umfassende Transitfreiheit für Schiffe, Waren und Passagiere vorgesehen402. Einschränkungsmöglichkeiten wurden in Artikel 23 Absatz 3 bis 5 abschließend festgelegt. Danach konnte die Ladung für die Dauer der Durchfahrt versiegelt oder bewacht werden. Vom Kapitän konnte eine Deklaration darüber verlangt werden, ob er Güter transportiere, für die Einfuhrverbote oder sonstige Reglementierungen bestanden. Außer im Falle eines Siegelbruchs und nachgewiesener Schmugglerei konnte die Durchfuhr aber keinesfalls untersagt werden403. Die äußerst liberale Transitfreiheit gemäß der Pariser Konvention wäre mit den heutigen Beschränkungen der Aus- und Durchfuhr von Kriegsmaterial kaum zu vereinbaren404. Faktisch wurde sie jedoch ohnehin 1948 durch die Belgrader Konvention außer Kraft gesetzt. Nach Artikel 27 Absatz 1 Satz 1 und 2 der Belgrader Konvention405 besteht weiterhin die Möglichkeit, im Transit befindliche Ladungen zu versielung siehe hingegen das deutsche Kriegswaffenkontrollgesetz vom 20. April 1961 (i. d. F.v. 11.10.2002), in: Sartorius I, Nr. 823: Danach ist die Durchfuhr von Kriegswaffen genehmigungspflichtig, wobei für den Transit auf Schiffen eine allgemeine Genehmigung erteilt werden kann, § 3 Abs. 1 und 4 Kriegswaffenkontrollgesetz. Solche Transitgenehmigungen können gemäß § 8 Abs. 3 Ziff. 2 widerrufen werden, wenn sonst die Erfüllung völkerrechtlicher Pflichten der Bundesrepublik gefährdet würde. Bei Zuwiderhandlungen gelten die Strafvorschriften der §§ 19 ff. Kriegswaffenkontrollgesetz. Pflichten der Bundesrepublik aus völkerrechtlichen Verträgen bleiben von alledem unberührt; die erforderlichen Genehmigungen gelten insoweit als erteilt, § 27 Kriegswaffenkontrollgesetz. 402 Vgl. den Wortlaut von Artikel 23 Abs. 1 der Pariser Konvention, 23. Juli 1921, SdN, RdT Bd. 26, S. 173: „Le passage en transit des bateaux, radeaux, voyageurs et marchandises est libre sur le réseau internationalisé du Danube, que ce transit s’effectue directement ou après transbordement ou après mise en entrepôt“. 403 Vgl. Artikel 23 Abs. 5 der Pariser Konvention, ibid.: Die Vorlage der Frachtliste „ne pourra être exigée par les autorités compétentes de l’Etat transité, si ce n’est dans le cas où le capitaine ou patron est convaincu d’avoir tenté la contrebande ou lorsque les clôtures douanières ont été brisées. Si, dans ces cas, on découvre une différence entre la cargaison et le manifeste, le capitaine ou patron ne peut invoquer la liberté du transit pour mettre soit sa personne, soit la marchandise qu’il a voulu transporter frauduleusement, à l’abri des poursuites dirigées contre lui par les employés de la douane, conformément aux lois du pays“. 404 Ein Ausweg aus diesem Widerspruch wäre eine restriktive Interpretation dahingehend, daß die uneingeschränkte Transitfreiheit nur in Friedenszeiten gilt, vgl. die entspr. op. diss. der Richter Anzilotti und Huber zum Wimbledon-Urteil des StIGH, oben, bei Anm. 394. Das entspräche auch dem Art. 15 des Statut relatif au régime des voies navigables d’intérêt international (Statut von Barcelona), 20. April 1921, SdN, RdT Bd. 7, S. 50, der besagt: „Le présent Statut ne fixe pas les droits et devoirs des belligérants et des neutres en temps de guerre; néanmoins, il subsistera en temps de guerre dans la mesure compatible avec ces droits et ces devoirs“. 405 18. August 1948, UNTS Bd. 33, S. 196.

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2. Kap.: Mögliche Einschränkungen der Schiffahrtsfreiheit

geln und vom Kapitän eine Erklärung darüber zu verlangen, ob für die transportierte Ware Einfuhrverbote bestünden. Gestrichen wurde jedoch der bisherige Grundsatz der Transitfreiheit gemäß Artikel 23 Absatz 1 der Pariser Konvention. Gemäß Artikel 27 Absatz 1 Satz 3 der Belgrader Konvention dürfen im Transit befindliche Ladungen nicht darauf untersucht werden, ob gegebenenfalls Einfuhrverbote einschlägig wären. Im Umkehrschluß muß daraus gefolgert werden, daß Kontrollen zur Durchsetzung von Aus- und Durchfuhrverboten zulässig sind406. Wegen der Streichung des Grundsatzes der Transitfreiheit sind hierfür die allgemeinen, in Artikel 26 Absatz 1 und 2 der Belgrader Konvention vorgesehenen polizei- und zollrechtlichen Eingriffsbefugnisse anzuwenden407. Nach der Belgrader Konvention besteht somit ohne weiteres die Möglichkeit, das neutralitätsrechtliche Verbot der Aus- und Durchfuhr von Kriegswaffen durchzusetzen. Gemäß Artikel 26 Absatz 1 und 3 der Belgrader Konvention ist dabei lediglich zu beachten, daß die Kontrollen ohne Diskriminierung erfolgen müssen, und daß die praktische Ausübung der Schiffahrtsfreiheit nicht verhindert werden darf408. Das nach dem heutigen Neutralitätsrecht gebotene Einschreiten gegen die Aus- und Durchfuhr von Kriegswaffen ist noch nicht so weit gefestigt, daß sich ein verbindlicher Standard der dabei aufzuwendenden Sorgfalt herausgebildet hätte409. Wegen der großen Menge auf der Donau transportierter Güter wären aber wohl konkrete Verdachtsmomente erforderlich, um hier zur Anhaltung und Durchsuchung von Schiffen Anlaß zu geben. Überhaupt kein Einschreiten ist hingegen bei der Durchfuhr sonstiger kriegswichtiger Güter geboten.

406 Bei der Auslegung von Art. 27 Abs. 1 der Belgrader Konvention, ibid., ist zu berücksichtigen, daß 1948 in Europa erhebliche Versorgungsengpässe bestanden, so daß weniger die Durchsetzung von Ein- als von Ausfuhrverboten Probleme bereitete. Kontrollen der Donauschiffe waren später auch im Hinblick auf die eingeschränkte Reisefreiheit in den Ostblockstaaten unabdingbar. 407 Der Art. 26 Abs. 1 Belgrader Konvention, ibid., besagt: „Les règlements sanitaires et de police en vigueur sur le Danube sont appliqués sans discrimination en raison du pavillon“ etc. In Art. 26 Abs. 2 heißt es: „Les fonctions de surveillance douanière, sanitaire et fluviale sur le Danube sont remplies par les Etats danubiens“ etc. 408 Der Art. 26 Abs. 3 Belgrader Konvention, ibid., besagt: „Les règlements douaniers, sanitaires et de police doivent être de nature à ne pas entraver la navigation“. Zur Ausübung polizeilicher Befugnisse auf internationalen Flüssen siehe auch oben, Anm. 269. 409 M. Bothe, in: D. Fleck (Hrsg.), Handbuch des humanitären Völkerrechts in bewaffneten Konflikten (1994), Kommentar zu Ziff. 1112, S. 397.

§ 6 Rechte und Pflichten von Kriegführenden und Neutralen

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b) Die Zulässigkeit der Durchfuhr sonstiger kriegswichtiger Güter Die Duldung der Zufuhr anderer kriegswichtiger Güter als Waffen ist auch weiterhin nicht als neutralitätswidrige Unterstützung anzusehen410. Der Handel unterliegt insoweit meist keiner staatlichen Aufsicht, so daß eine Mitverantwortung des Staates für das betreffende Verhalten Privater nicht gegeben ist. Fraglich ist allein, ob neutrale Staaten berechtigt sind, aus eigenem Entschluß gegen die Aus- und Durchfuhr kriegswichtiger Güter auf der Donau vorzugehen. Ein Einschreiten neutraler Staaten gegen den Transport kriegswichtiger Güter auf der Donau kann dazu beitragen, die neutrale Schiffahrt vor Beeinträchtigungen durch die Kriegführenden zu schützen. Beispielsweise erklärte die Türkei sich 1876 nur deshalb dazu bereit, ihre Donauflottille nicht gegen Serbien einzusetzen, weil Rumänien im Gegenzug zusicherte, den Verkehr von Kriegskonterbande auf dem betroffenen Grenzabschnitt zu verhindern411. Die türkische Regierung äußerte in diesem Zusammenhang die Überzeugung, die Vereinbarung „garantira au commerce la sécurité sur laquelle il doit pouvoir compter dans les circonstances actuelles, en plaçant la rive gauche du Danube [. . .] à l’abri des épreuves de la guerre“412. Neben dem Schutz der neutralen Schiffahrt erreichte Rumänien somit gleichfalls, sein eigenes Flußufer vor Beeinträchtigungen durch das Kriegsgeschehen zu schützen413. Neutrale Donaustaaten sahen sich in der Vergangenheit oftmals Pressionen ausgesetzt, den Transit kriegswichtiger Güter zugunsten des einen oder anderen Kriegführenden zu unterbinden, beziehungsweise zuzulassen414. 410

Ibid. Vgl. oben, bei Anm. 376 bis 383, sowie das Schreiben des türkischen Außenministers an den rumänischen Gesandten in Konstantinopel, 8. Juli 1876, rumänisches Grünbuch (Anm. 377), S. 426 f. (S. 426 f.): Da die rumänische Regierung „s’engage à empêcher dans la partie du Danube qui s’étend entre l’embouchure du Timok et Verciorova tout transport d’armes, de munitions, d’équipement, d’objets pouvant servir de matériel de guerre, de volontaires, de chevaux, etc., pour le compte des Serbes, le gouvernement impérial, de son côté, donnera à ses navires l’ordre de ne point dépasser l’embouchure du Timok“. 412 Ibid. (S. 427). 413 Zur rumänischen Befürchtung von Grenzverletzungen und materiellen Schäden siehe die Note des rumänischen Gesandten in Konstantinopel an den türkischen Außenminister, 1. Juli 1876, ibid., S. 417 f. (S. 417). 414 Charakteristisch ist in dieser Hinsicht die prekäre Lage Rumäniens während der Anfangsjahre des Ersten Weltkrieges, vgl. Der Weltkrieg, Bd. 9, Die Operationen des Jahres 1915, hrsg. vom Reichsarchiv (1933), S. 143, 277, J. P. Chamberlain, The Regime of International Rivers: Danube and Rhine, Dissertation, New York 1923, S. 122 f. 411

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Zum Schutz dieser Staaten sowie der neutralen Schiffahrt sollte der Transit kriegswichtiger Güter nötigenfalls unterbunden werden können. In der Präambel der Belgrader Konvention415 heißt es, die Schiffahrtsfreiheit solle „en conformité avec les intérêts et les droits souverains des pays danubiens“ gewährleistet werden. Als Vorrecht souveräner Staaten ist es anzusehen, bei Kriegen die zum Schutz ihrer Neutralität nötigen Maßnahmen ergreifen zu können416. In diesem Sinne besagt auch das Statut von Barcelona417, die Schiffahrtsfreiheit auf internationalen Wasserstraßen berühre grundsätzlich nicht die „droits [sic] et devoirs des belligérants et des neutres en temps de guerre“. Beschränkungen des Transits kriegswichtiger Güter auf der Donau sind deshalb – auch beim Fehlen dahingehender Pflichten – als zulässig anzusehen418. Während des Kosovo-Konflikts wurden Rumänien und Bulgarien von der NATO nachdrücklich aufgefordert, über die Donau erfolgende Lieferungen russischen Erdöls an Jugoslawien zu unterbinden419. Die NATO hatte es sich als eines ihrer vorrangigen militärischen Ziele gesetzt, die Treibstoffversorgung der jugoslawischen Armee zu unterbrechen, um so ihre Mobilität – insbesondere bei den „ethnischen Säuberungen“ im Kosovo – zu beeinträchtigen420. Der hauptsächliche Nachschub an Erdöl erfolgte jedoch nicht über das Meer, sondern von Rußland über die Ukraine zu den an der Donau gelegenen serbischen Erdölraffinerien421. 415

18. August 1948, UNTS Bd. 33, S. 196. Deutschland stellte sich in der Wimbledon-Affäre sogar auf den (allerdings übertriebenen) Standpunkt, das Recht der Neutralen, den Transit von Kriegskonterbande zu unterbinden, sei ein „droit tout personnel et imprescriptible“, Duplik, CPJI sér. C nº 3, Vol. suppl. (Pièces de procédure écrite), S. 149. 417 20. April 1921 (Anm. 404). 418 Etwas anderes gilt nach dem Wimbledon-Urteil des StIGH (Frankreich etc. gegen Deutschland), 17. August 1923, CPJI sér. A nº 1, S. 28, 30, für interozeanischen Kanäle, falls sie aufgrund entsprechender Übereinkommen der ständigen allgemeinen Nutzung gewidmet sind. 419 Stellungnahme des NATO-Sprechers J. Shea vom 26. Mai 1999, Radio Free Europe/Radio Liberty, 27. Mai 1999 (Yugoslavia: NATO Pressures Ukraine To End Oil Shipments To Belgrade), www.rferl.org/nca/features/1999/05/F.RU.990527132 603.html, Stellungnahme der US-Außenministerin M. Albright, Pressekonferenz mit Bundesaußenminister J. Fischer vom 25. Mai 1999, RFE/RL NEWSline, 27. Mai 1999 (Romania, Bulgaria Reject Oil Embargo Claims), www.rferl.org/newsline/ 1999/05/4-SEE/see-270599.html, ebenfalls in: Nandotimes, 25. Mai 1999 (Albright concerned by oil headed to Yugoslavia), http://archive.nandotimes.com/Kosovo/ story/general/0,2773,52863-84738-600351-0-nandotimes,00.html. 420 Vgl. die Stellungnahme der US-Außenministerin Albright, ibid. 421 Bericht der United States Energy Information Administration, 10. Juni 1999, Enforcement of Serbian Sanctions and Embargo, www.eia.doe.gov/emeu/cabs/serb sanc.html. 416

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Rumänien und Bulgarien hatten sich, wie nahezu alle europäischen Staaten422, dem Erdölembargo gegen Jugoslawien angeschlossen423. Die Unterbindung des über die Donau erfolgenden Transits wurde indes unter Hinweis auf die Belgrader Konvention strikt abgelehnt424. In Ausübung der „droits et devoirs des belligérants et des neutres en temps de guerre“ wären Rumänien und Bulgarien als Neutrale durchaus berechtigt gewesen, die über ihr Hoheitsgebiet erfolgenden Erdöltransporte zu untersagen425. Tatsächlich hatten die beiden Staaten aber überhaupt keine neutrale Haltung eingenommen, sondern unterstützten die NATO bei dem Versuch, die „ethnischen Säuberungen“ im Kosovo zu verhindern426. Seitens der NATO wurde in Abrede gestellt, daß es sich bei den intensiven Luftangriffen um einen Krieg handeln würde427. Wegen des fehlenden Kriegszustandes bestanden auch Bedenken bezüglich der Ausübung kriegsrechtlicher Befugnisse gegenüber Schiffen von Drittstaaten428; in der Adria geplante Kontrollen der Zivilschiffahrt wurden deshalb verworfen429. Damit steht es im Einklang, daß auch Rumänien und Bulgarien sich nicht auf die Rechte neutraler Staaten beriefen, sondern ihren vertraglichen Pflichten gegenüber Rußland und der Ukraine nachkamen430. 422 Vgl. Art. 1 und 2 des Gemeinsamen Standpunktes des Rates der EU betreffend des Ölembargos gegen die BRJ, 23. April 1999, ABl. Nr. L 108 vom 27. April 1999. 423 Bericht des United States Institute of Peace, 20. September 1999, De-Balkanizing the Balkans: Security and Stability in Southeastern Europe, www.usip.org/oc/ sr/sr990920/sr990920.html. 424 Ibid. sowie RFE/RL NEWSline, 27. Mai 1999 (Anm. 419). 425 Zur Einstufung von Treibstoff als relative Kriegskonterbande siehe Art. 24 Ziff. 9 der Londoner Deklaration zum Seekriegsrecht, 26. Februar 1909, AJIL 1909, S. 179. 426 Bulgarien und Rumänien erteilten beispielsweise Überflugrechte für die NATO-Luftangriffe, vgl. die Stellungnahme von NATO-Sprecher J. Shea in der Pressekonferenz vom 20. April 1999, www.fas.org/man/dod-101/ops/docs99/ 990420-kosovo29.htm, sowie den Bericht des Congressional Research Service, Kosovo: International Reactions to NATO Air Strikes, 21. April 1999, www.fas.org/ man/crs/RL30114.pdf, S. 9, 11 f. 427 Siehe z. B. das Interview des NATO-Oberbefehlshabers Wesley Clark mit Le Monde, 28. Juni 2000, S. 5. 428 Der französische Präsident Jacques Chirac meinte dazu, die Inspektion fremder Schiffe sei eine äußerst heikle Angelegenheit: „L’inspection, cela va bien si le bateau se laisse inspecter. S’il ne se laisse pas inspecter, il faut l’arraisonner pour l’inspecter de force. L’arraisonnement, en droit international, c’est un acte de guerre“, L’Humanité, 26. April 99 (L’escalade par l’embargo). 429 Vgl. oben, Anm. 338. 430 Zur Frage, ob die Unterbindung der Erdöltransporte auf Sicherheitsratsresolutionen oder auf den Rechtsgedanken der Art. 40 f. der ILC’s Articles on State Responsibility (Anm. 399) hätte gestützt werden können, siehe unten, § 7.

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c) Das Verbot des Transits von Militärtransporten Nach Artikel 2 der V. Haager Konvention betreffend der Neutralität im Falle eines Landkrieges431 ist es den Kriegführenden untersagt „de faire passer à travers le territoire d’une puissance neutre des troupes ou des convois, soit de munitions soit d’approvisionnements“. Die Anwendung der letzten Variante dieser Vorschrift führte im Ersten Weltkrieg zu Streitigkeiten zwischen Deutschland, den Niederlanden und Großbritannien432. Die niederländische Regierung wurde im November 1915 von den Entente-Mächten darauf hingewiesen, daß der Schiffahrtsverkehr über den Rhein zwischen Deutschland und Belgien in ungewöhnlichem Maße zugenommen hatte433. Tatsächlich wurden von Deutschland große Mengen Sand und Kies nach Belgien geschafft – zum Teil, um die stark beschädigten belgischen Verkehrswege wiederherzustellen, zum Teil aber auch, um die Nordfront zu Frankreich mit Festungsanlagen aus Beton zu versehen434. Bezüglich der letztgenannten Verwendung der Rohstoffe waren die Niederlande der Meinung, die Transporte stellten eine Verletzung ihrer Neutralität dar435. Die Errichtung von Festungsanlagen sei eine militärische Aktivität, und die staatlicherseits organisierte Zufuhr dafür nötigen Materials sei als Nachschubkonvoi im Sinne von Artikel 2 der V. Haager Konvention einzustufen. Hinnehmbar seien allein die Transporte zwecks Wiederherstellung der belgischen Verkehrsinfrastruktur436; insoweit sei Deutschland sogar gemäß Artikel 43 der Haager Landkriegsordnung437 verpflichtet, die öffentliche Ordnung in Belgien sicherzustellen438. 431

18. Oktober 1907, Martens, NRG III 3, S. 504. Orangebuch der niederländischen Regierung, Doorvoer door Nederland uit Duitschland naar België, en in omgekeerde richting (Briefwisseling met de Britische en Duitsche Regeeringen), ’s Gravenhage, Algemeene Landsdrukkerij (1917), idem, Tweede vervolg (1918), J. W. Garner, International Law and the World War, Bd. II (1920), S. 446 ff. (§ 570), G. H. Hackworth, Digest of International Law, Bd. VII (1943), S. 602, Ch. de Visscher, Chronique des faits internationaux, La question du transit par les Pays-Bas, RGDIP 1919, S. 142 ff., A. Lederle, Die Rheinschiffahrt und der Krieg, ZfV 1920, S. 205 ff., J. P. Chamberlain, The Regime of International Rivers: Danube and Rhine, Dissertation, New York 1923, S. 265 ff. 433 Ibid., S. 265. 434 Bericht einer niederländischen Expertenkommission, Anhang zu einem niederländischen Schreiben an den vorübergehenden britischen Geschäftsträger in Den Haag, 26. Oktober 1916, Nr. 29 im Orangebuch von 1917 (Anm. 432), S. 25 f. (S. 25). 435 Niederländisches Aide-mémoire für die deutsche Regierung, 12. Februar 1916, Nr. 1 im Orangebuch von 1917 (Anm. 432), S. 5. 436 Ibid. 437 Anlage zum IV. Haager Abkommen betreffend der Gesetze und Gebräuche des Landkriegs, 18. Oktober 1907, RGBl. 1910, S. 132. 432

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Deutschland war demgegenüber der Meinung, die Schiffahrtsfreiheit gemäß Artikel 1 und 2 der Revidierten Rheinschiffahrtsakte439 gelte für alle Warenlieferungen, unabhängig von ihrer späteren Verwendung440. Der Artikel 2 der V. Haager Konvention sei nicht einschlägig, weil mit „convois d’approvisionnements“ nur militärisch eskortierte Kolonnen gemeint seien441. Auf schlichte Frachtschiffe treffe das nicht zu, so daß die Niederlande verpflichtet seien, auch staatlicherseits veranlaßte Transporte von Kriegsmaterial passieren zu lassen442. Unbeschadet dieser Rechtsauffassung meinte die Reichsregierung aber, die in Belgien vorhandenen Abbaumöglichkeiten reichten aus, um den Sand- und Kiesbedarf an der Front vollständig zu decken443. Sie erklärte sich deshalb bereit, seitens der Niederlande geforderte Bescheinigungen über den Verbleib der Rohstofflieferungen auszustellen444. Zur Kontrolle des allgemeinen Bedarfs und der konkreten Verwendung einzelner Fuhren wurde zudem einer niederländischen Expertenkommission der Zugang ins besetzte Belgien gestattet445. Dieser Modus vivendi stieß bei der britischen Regierung auf Ablehnung. Nicht nur die Errichtung der Festungsanlagen sei eine militärische Maßnahme, sondern auch der Ausbau des belgischen Verkehrsnetzes446. Der Ausbau erfolge im Rahmen der militärischen Besetzung, und überhaupt würden die Verkehrswege nicht von der Zivilbevölkerung, sondern von den deutschen Truppen benötigt. 438 Schreiben des niederländischen Außenministers J. Loudon an den britischen Gesandten in Den Haag, 14. September 1917, Nr. 39 im Orangebuch von 1917 (Anm. 432), S. 30 ff. (S. 30). 439 Convention révisé pour la navigation du Rhin (Mannheimer Akte), 17. Oktober 1868, Martens, NRG I 20, S. 355. 440 Deutsche Verbalnote an den niederländischen Gesandten in Berlin, 30. August 1916, Nr. 10 im Orangebuch von 1917 (Anm. 432), S. 9. 441 Deutsche Verbalnote an den niederländischen Gesandten in Berlin, 14. Oktober 1917, Nr. 19 im Orangebuch von 1917 (Anm. 432), S. 21 f. (S. 21). 442 Vgl. ibid. (S. 21 f.) sowie das deutsche Exposé für den niederländischen Gesandten in Berlin, 27. Februar 1918, Nr. 96 im Orangebuch von 1918 (Anm. 432), S. 3. 443 Deutsches Aide-mémoire für den niederländischen Gesandten in Berlin, 2. April 1916, Nr. 3 im Orangebuch von 1917 (Anm. 432), S. 5 f. (S. 6). 444 Ibid. Zur niederländischen Forderung nach Bescheinigungen über die zivile Verwendung der Sand- und Kieslieferungen siehe das niederländische Aide-mémoire für die deutsche Regierung, 12. Februar 1916, Nr. 1 im Orangebuch von 1917 (Anm. 432), S. 5. 445 Vgl. den Zusammenfassung der Expertise im Anhang zum niederländischen Schreiben an Großbritannien, 26. Oktober 1916, Nr. 29 im Orangebuch von 1917 (Anm. 432), S. 25 f. 446 Schreiben des britischen Gesandten in Den Haag an den niederländischen Außenminister, 17. März 1917, Nr. 30 im Orangebuch von 1917 (Anm. 432), S. 26.

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2. Kap.: Mögliche Einschränkungen der Schiffahrtsfreiheit

Trotz der Androhung und Anwendung von Repressalien durch Großbritannien447 hielten die Niederlande an ihrer differenzierenden Auffassung fest448. Deutschland wiederum beharrte auf seiner Ansicht, auch staatlich veranlaßte Transporte von Kriegsmaterial stellten keine Verletzung der niederländischen Neutralität dar449. Mit Rücksicht auf die Schwierigkeiten der niederländischen Regierung stimmte die Reichsregierung aber im Februar 1918 einer einstweiligen Suspendierung aller Sand- und Kiestransporte zu450. Die von Deutschland zum Begriff „convois d’approvisionnements“ vertretene Auffassung vermag nicht zu überzeugen. Die Eskortierung von Nachschubtransporten auf neutralem Gebiet ist – anders als auf dem Meer – zumeist überflüssig451. Ein dahingehendes Erfordernis im Rahmen des Artikel 2 Variante 3 der V. Haager Konvention hätte deshalb zur Folge, daß die Regelung wegen der mannigfachen Umgehungsmöglichkeiten nahezu gegenstandslos würde452. Entscheidende Merkmale von Nachschubkonvois sind vielmehr die militärische Zweckbestimmung sowie die Veranlassung durch den kriegführenden Staat453. Der zivile oder militärische 447

Vgl. das Schreiben des britischen Gesandten in Den Haag an den niederländischen Außenminister, 22. September 1917, Nr. 63 im Orangebuch von 1917 (Anm. 432), S. 44, das Memorandum des niederländischen Gesandten in London, 9. Oktober 1917, Nr. 67 im Orangebuch von 1917, S. 47 f. (S. 48), die Note der niederländischen an die britische Regierung, 19. November 1917, Nr. 77 im Orangebuch von 1917, S. 53 ff. (S. 53), sowie das britische Schreiben an den niederländischen Gesandten in London, 9. Februar 1918, Nr. 97 im Orangebuch von 1918 (Anm. 432), S. 4. 448 Vgl. die Note der niederländischen an die britische Regierung, 26. Januar 1918, Nr. 89 im Anhang des Orangebuch von 1917 (Anm. 432), S. 4 des Anhang: „Le Gouvernement Néerlandais doit maintenir son point de vue [. . .] d’après lequel l’occupation militaire d’un pays n’a pas pour conséquence que tous les travaux entrepris par l’occupant sont de ce fait-même des travaux militaires. [. . .] Eu égard au fait que le gravier et le sable ne constituent pas par leur nature des provisions militaires [. . .] il ne fait point de doute pour le Gouvernement Néerlandais qu’il n’a pas le droit d’enrayer le transit de ces matériaux à moins que leur destination à des ouvrages militaires ne soit établie“. 449 Deutsches Exposé für den niederländischen Gesandten in Berlin, 27. Februar 1918, Nr. 96 im Orangebuch von 1918 (Anm. 432), S. 3. 450 Deutsches Schreiben an den niederländischen Gesandten in Berlin, 27. Februar 1918, ibid. 451 Note der niederländischen an die britische Regierung, 19. November 1917, Nr. 77 im Orangebuch von 1917 (Anm. 432), S. 53 ff. (S. 54). 452 Ibid.; zustimmend Lederle (Anm. 432, S. 226 f.) und de Visscher (Anm. 432, S. 156). 453 So auch de Visscher (Anm. 432, S. 158), G. Schwarzenberger, International Law, Bd. II, The Law of Armed Conflict (1968), S. 558, sowie der Richter ad hoc W. Schücking in seiner op. diss. zum Wimbledon-Urteil des StIGH (Frankreich etc. gegen Deutschland), 17. August 1923, CPJI sér. A nº 1, S. 43 ff. (S. 46 f.). Anderer

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Zweck der in Belgien durchgeführten Infrastrukturmaßnahmen ist im übrigen als Tatsachenfrage einzustufen454. In umgekehrter Richtung verweigerten die Niederlande den Transit von requirierten Erzen, Metallen sowie von Kohle aus dem besetzten Belgien nach Deutschland455. Die Niederlande waren der Meinung, insoweit handle es sich (ebenso wie bei der Einbringung von Prisen456 und von Kriegsbeute457) um militärische Aktivitäten, die auf neutralem Territorium nicht durchgeführt werden dürften458. Die Richtigkeit dieser Ansicht wurde später indirekt durch den Schiedsspruch Questions arising as to Danube shipping bestätigt. Bezüglich jener Donauschiffe, mit denen Österreich-Ungarn requirierte Mineralien und Nahrungsmittel aus Serbien und Rumänien abtransportiert hatte, wurde im Schiedsspruch befunden, daß sie zu militärischen Zwecken verwandt worden waren, so daß sie als Kriegsbeute konfisziert werden konnten459. In dieAuffassung ist Lederle (Anm. 432, S. 227): Zwar sei eine militärische Eskortierung auf neutralem Gebiet überflüssig – es genüge aber nicht, daß der Transport des Kriegsmaterials im Auftrag der Militärbehörden erfolge; vielmehr müsse „dessen ganze Durchführung in den Händen derselben ruhen“. Hiergegen ist einzuwenden, daß damit wiederum dieselben Umgehungsmöglichkeiten bestünden, wie Lederle sie selbst bezüglich der Eskortierung ausschließen will. Vgl. in diesem Sinne die op. diss. von W. Schücking (a. a. O.): Die Anwendung von Art. 2 der V. Haager Konvention durch Holland während des Weltkrieges zeige, daß ein Nachschubkonvoi vorliege „lorsque le belligérant lui-même se présente dans la double capacité d’expéditeur et de destinataire, que le dit transport soit ou non effectué par des navires particuliers“. 454 Man kann Garner (Anm. 432), S. 449 (§ 570), wohl zustimmen, daß der Ausbau des belgischen Verkehrsnetzes eher militärische als humanitäre Beweggründe hatte. Ob das allerdings ausreicht, um den Bau und die Instandhaltung von Straßen und Eisenbahnen fernab der Front als militärische Aktivitäten zu qualifizieren, erscheint mehr als fraglich. Zu weitgehend ist es jedenfalls, wenn Großbritannien jedwede Maßnahme im Rahmen der occupatio bellica als Akt der Kriegführung bezeichnete – immerhin soll die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung gemäß Art. 43 Haager Landkriegsordnung vor allem der Zivilbevölkerung zugute kommen, de Visscher (Anm. 432, S. 155), Lederle (Anm. 432, S. 220 f.), Chamberlain (Anm. 432), S. 272. 455 Ibid., S. 268 ff. 456 Vgl. oben, bei Anm. 368 bis 371. 457 Schreiben des niederländischen Außenministers J. Loudon an den britischen Gesandten in Den Haag, 22. August 1916, Nr. 45 im Orangebuch von 1917 (Anm. 432), S. 36 f. (S. 36). 458 Ibid. sowie Schreiben des niederländischen Außenministers an den britischen Gesandten vom 10. Juni 1917, Nr. 55 im Orangebuch von 1917 (Anm. 432), S. 40 f. (S. 41). 459 Questions arising as to Danube shipping (Alliierte Mächte, Deutschland, Österreich, Ungarn, Bulgarien), Schiedsspruch, 2. August 1921, RIAA Bd. I, S. 7 (S. 106 ff.); siehe oben, bei Anm. 131, 132.

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sem Sinne mußte auch der Abtransport der in Belgien requirierten Mineralien als Kriegshandlung aufgefaßt werden460. Die Durchfuhr nach Deutschland wurde folglich zu Recht verweigert461. Auf der Donau traten wiederholt Probleme mit dem Transit von Nachschubkonvois über neutrale Flußabschnitte auf462. In der Anfangszeit des Ersten Weltkrieges sandte beispielsweise Rußland Nachschublieferungen an das verbündete Serbien463. In umgekehrter Richtung wurde später Rußland selbst von den Westmächten mit Kriegsmaterial versorgt464. Österreich-Ungarn protestierte gegen diese Verletzungen der Neutralität Rumäniens und Bulgariens, und drohte, mit seiner Donauflottille dagegen vorzugehen465. Nach der Durchbrechung der Barrikaden des „Eisernen Tores“ drangen tatsächlich österreich-ungarische Kriegsschiffe auf die untere Donau vor466. Zu diesem Zeitpunkt war die Nachschublinie allerdings ohnehin schon durch die Erfolge gegen Serbien abgeschnitten worden. *** Neutrale Staaten sind verpflichtet, Kriegsschiffen, Prisen und staatlich veranlaßten Militärtransporten den Transit über ihren Donauabschnitt zu verwehren. Weiterhin sind sie verpflichtet, gegen private Waffentransporte zugunsten der Kriegführenden einzuschreiten. Mit dem Belgrader Statut ist es zudem vereinbar, wenn gegen die private Zufuhr auch anderer Arten von Kriegsmaterial vorgegangen wird. Eine dahingehende neutralitätsrechtliche Verpflichtung besteht allerdings nicht.

460 Anderer Ansicht war 1920 noch Lederle (Anm. 432, S. 222), indem er meinte, der militärische Aspekt von Requisitionen erschöpfe sich in der Wegnahme. Diese Ansicht erscheint durch den Schiedsspruch von 1921 überholt. 461 Es sei darauf hingewiesen, daß gemäß Art. 52 Abs. 1 S. 1 der Haager Landkriegsordnung, 18. Oktober 1907 (Anm. 437), Requisitionen nur „für die Bedürfnisse des Besatzungsheeres“ gefordert werden dürfen. Diese Frage spielt allerdings für die Zulässigkeit der Durchfuhr über neutrales Gebiet keine Rolle. 462 Vgl. oben, bei Anm. 382 bis 384. 463 Chamberlain (Anm. 432), S. 122. 464 Laut Der Weltkrieg, Bd. 9, Die Operationen des Jahres 1915, hrsg. vom Reichsarchiv (1933), S. 277, führte „die wichtigste Verbindung der Westmächte mit Rußland vom griechischen Hafen Saloniki durch Serbien zum Donau-Hafen Prahovo (bei Negotin) und dann stromabwärts zum Schwarzen Meer“. Die Bedeutung der Verbindung über die Donau resultierte daraus, daß die türkischen Meerengen für die Entente-Mächte versperrt waren, ibid. 465 Chamberlain (Anm. 432), S. 122 f. 466 Ibid., S. 123.

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III. Die Unzulässigkeit einer Blockade der Donaumündung Das im Schrifttum wohl meistdiskutierte kriegsrechtliche Problem hinsichtlich der Schiffahrt auf grenzüberschreitenden Flüssen betrifft die Frage, ob derartige Flüsse einer Seeblockade unterworfen werden dürfen467. Da das Kriegsvölkerrecht einen Komplex von Verbotsnormen darstellt468, wäre das a priori keineswegs auszuschließen (1.). Jedoch hat sich im Verlaufe des 19. Jahrhunderts eine entgegenstehende gewohnheitsrechtliche Regel entwickelt469 (2.), und auch jüngere Kodifikationen gehen übereinstimmend davon aus, daß Flußmündungen beim Vorhandensein neutraler Anrainerstaaten nicht blockiert werden dürfen470 (3.). 1. Theoretische und historische Grundlagen Klassische Seeblockaden können durch verschiedene militärische Ziele motiviert sein: Die „strategische“ Blockade dient dazu, eigene Operationen an Land abzuschirmen oder feindliche Nachschubwege zu unterbrechen, wohingegen die reine Handelsblockade dazu dient, dem Gegner die wirtschaftlichen Ressourcen zur Kriegführung zu entziehen471. Die Eigenheit der Seeblockade besteht darin, daß – anders als bei der Friedensblockade472 – auch neutralen Schiffen der Zugang zur blockierten Küste verwehrt werden kann473. Fraglich ist indes, ob dabei der Transit zu in Flußläufen gelegenen neutralen Häfen versperrt werden darf. 467

Vgl. die Nachweise oben, Anm. 5. Questions arising as to Danube shipping (Alliierte Mächte, Deutschland, Österreich, Ungarn, Bulgarien), Schiedsspruch, 2. August 1921, RIAA Bd. I, S. 7 (S. 104), Legality of the Threat or Use of Nuclear Weapons (UNO-Gutachten), IGH, 8. Juli 1996, ICJ Reports 1996 (I), S. 226 (S. 247). 469 Vgl. die Darstellung der Praxis bei N. Bentwich, The Declaration of London (1911), Kommentar zu Art. 1 (S. 45). 470 Siehe z. B. Ziff. 99 des durch unabhängige, vom IIHL einberufene Fachleute erstellten San Remo Manual on International Law Applicable to Armed Conflicts at Sea, Hrsg.: L. Doswald-Beck (1995), sowie Kapitel 7.7.2.5 S. 1 des Handbuchs der US-Marine, Department of the Navy, The Commander’s Handbook on the Law of Naval Operations, NWP 1-14M (Formerly NWP 9). 471 H. Lauterpacht, Oppenheim’s International Law, Bd. II, Disputes, War and Neutrality (7. Aufl. 1952), S. 769 f. (§ 369). 472 Vgl. ibid., S. 147 (§ 46). 473 Ibid., S. 768 (§ 368). Zu Ausnahmen bezüglich Hilfssendungen für die Zivilbevölkerung siehe Art. 70 des Ersten Zusatzprotokolls zu den Genfer Abkommen von 1949, 8. Juni 1977, UNTS Bd. 1125, S. 3; vgl. auch Art. 54 Abs. 1 i. V. m. Art. 49 Abs. 3 des Ersten Zusatzprotokolls. 468

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Nach Paul Fauchille könnte das kategorisch ausgeschlossen werden: „Si la guerre peut autoriser [sic] certaines restrictions aux droits des neutres dans leurs rapports avec les parties belligérantes, elle ne peut assurément atteindre les neutres dans leurs relations réciproques“474. Die Blockade eines grenzüberschreitenden Flusses sei „impossible à justifier: ce procédé, s’il est avantageux aux belligérants, cause aux neutres un préjudice trop considérable“. Das entspreche im übrigen der herrschenden Meinung seiner Zeit475. Ob der Argumentation von Fauchille so gefolgt werden kann, erscheint zweifelhaft: Von der Methode her nimmt er eine Abwägung zwischen dem militärischen Interesse der Kriegführenden und dem wirtschaftlichen Interesse der Neutralen vor. Im Prinzip geht er davon aus, daß es einer besonderen Rechtfertigung bedürfte, um den Handel zwischen neutralen Staaten unterbrechen zu können476. Damit gibt er der zivilen Nutzung des Meeres den Vorrang vor der militärischen Nutzung zum Zwecke der Seekriegführung. Gegen den Ansatz von Fauchille spricht zum einen, daß das Kriegsvölkerrecht einen prohibitiven Charakter hat. Schon im Schiedsspruch Questions arising as to Danube shipping wurde festgestellt: „International Law as applied to warfare is a body of limitations, and is not a body of grants of power“477. Zum anderen erheben sich Bedenken, weil der zivilen Nutzung des Meeres keineswegs der Vorrang vor der Seekriegführung gebührt478. Das Rechtsinstitut der Seeblockade läßt sich bis in die Jahre 1584 und 1630 zurückverfolgen, als die Generalstaaten jeweils den von Spanien be474

P. Fauchille, Du blocus maritime (1882), S. 178. Ibid., S. 179. 476 Im ausgehenden 19. Jahrhundert wurden in der kontinentaleuropäischen Völkerrechtslehre diverse Theorien zur Rechtfertigung der Seeblockade vertreten: Das französische Schrifttum tendierte dazu, die Seeblockade als eine Art Eroberung oder militärische Besetzung anzusehen, wohingegen deutsche Autoren dazu neigten, militärische Notwendigkeiten zur Rechtfertigung der Seeblockade heranzuziehen, vgl. den Überblick bei Ch. Calvo, Le droit international théorique et pratique, Bd. V (5. Aufl. 1896), S. 109 ff. (§§ 2836 ff.). Diesen Autoren war gemein, die Blockade als einen der Rechtfertigung bedürfenden Eingriff in die Freiheit der Handelsschifffahrt zu erachten, wohingegen das britische Schrifttum der Meinung war, daß es keiner Rechtfertigung bedürfe, vgl. ibid., S. 109 (§ 2836). 477 Questions arising as to Danube shipping (Alliierte Mächte, Deutschland, Österreich, Ungarn, Bulgarien), Schiedsspruch, 2. August 1921, RIAA Bd. I, S. 7 (S. 104). Zuletzt wurde der prohibitive Charakter des Rechts bewaffneter Konflikte durch das UNO-Gutachten des IGH bestätigt, Legality of the Threat or Use of Nuclear Weapons, 8. Juli 1996, ICJ Reports 1996 (I), S. 226 (S. 247). 478 P. Daillier/A. Pellet, Droit international public (Nguyen Quoc Dinh, 6. Aufl. 1999), S. 1145 (§ 693): „[C]’est la liberté des belligérants de se battre entre eux sur la haute mer qui prime celle des non-belligérants“. 475

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herrschten Teil der Niederlande blockierten479. Die Freiheit der Handelsschiffahrt war zu dieser Zeit erst im Entstehen begriffen, behandelten doch Spanier und Portugiesen die neu auftauchenden holländischen Kauffahrer zunächst wie Seeräuber480. Die Regeln zur kommerziellen und kriegerischen Nutzung des Meeres entwickelten sich damals zeitgleich481, ohne daß der Handelsschiffahrt dabei der Vorrang zugekommen wäre – substantielle Beschränkung des Seekrieges wurden im Gegenteil erst erreicht, nachdem das Scheitern hegemonialer Bestrebungen ab 1713 das Interesse an der friedlichen Nutzung des Meeres in den Vordergrund treten ließ482. Aber auch später verloren die seekriegsrechtlichen Regeln niemals ihren Charakter als Verbotsnormen. 2. Die Entwicklung des Verbots der Blockade internationaler Flüsse Im Laufe des 19. Jahrhundert läßt sich eine Entwicklung beobachten, mit der schrittweise das Recht der Neutralen auf Zugang zu neutralen Häfen in grenzüberschreitenden Flüssen anerkannt wurde. Im Jahre 1803, nach der Besetzung Hannovers durch Napoleon, verhängte Großbritannien Blockaden der Elbe und Weser483. Betreffend eines aus Bremen kommenden Schiffes merkte das Prisengericht mit Bedauern an „how severely the neutral cities connected with the Weser and Elbe are pressured upon by the blockade of those rivers“484. Da die Blockade aber explizit für die Flüsse erklärt worden war, sah das Gericht sich gezwungen, auch aus neutralen Häfen kommende Schiffe grundsätzlich einzuziehen485. Während des Krimkrieges verhängte die britische und französische Admiralität eine sogenannte blockade inwards der Donau486, um die russi479 P. Fauchille, Traité de droit international public, Bd. II, Guerre et neutralité (8. Aufl. des Manuel von H. Bonfils, 1921), S. 946 (§ 1596). Eine französische Übersetzung der Blockadeerklärung vom 26. Juni 1630 findet sich bei Calvo (Anm. 476), S. 178 f. (§ 2911); Auszüge in holländisch finden sich bei C. van Bynkershoek, Quaestionum juris publici libri duo (1737), S. 30, 33 f. (liber I caput IV). 480 R. Boschan, Vorwort zu seiner Ausgabe von H. Grotius Von der Freiheit des Meeres (1919), S. 5 ff. (S. 6). 481 H. Lauterpacht (Anm. 471), S. 774 f. (§ 374), C. Schmitt, Der Nomos der Erde (1950), S. 150 ff. 482 Ibid., S. 153. 483 Laut Fauchille, Traité de droit international public II (Anm. 479), S. 948 (§ 1602), wurden die Blockaden am 28. Juni bzw. 26. Juli 1803 erklärt. 484 The Maria (No. 4), 20. September 1805, Reports of Prize Cases Determined by the High Court of Admiralty from 1745 to 1859, Vol. I (1905), E. S. Roscoe (Hrsg.), S. 546 ff. (S. 547), ursprünglich in: C. Robinson (Hrsg.), Bd. 6, S. 201 ff. 485 Ibid.

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schen Truppen in der Region von Nachschubtransporten abzuschneiden487. Obwohl den Fluß verlassende Schiffe diesmal verschont wurden488, protestierten Bayern und Württemberg gegen die damit einhergehende Beeinträchtigung des neutralen Handels489. Eine Ausnahme grenzüberschreitender Flüsse von der Ausübung des Blockaderechts wurde erst während des amerikanischen Sezessionskrieges erreicht. Die US-Marine hatte eine Erklärung Präsident Lincolns zur Blokkade der Südstaatenküste so auslegen wollen, daß auch der Grenzfluß zu Mexiko, der Rio Grande, davon erfaßt worden wäre. Die Baumwollexporte der Südstaaten waren zunehmend über den Grenzfluß abgewickelt worden, so daß die Wirksamkeit der Blockade wesentlich vom Abschneiden dieser Umgehungsmöglichkeit abhing. In der US-Regierung wurden dennoch Bedenken erhoben: Der Secretary of State meinte in einem Schreiben an den Kriegsminister, eine Blockade des Rio Grande „may be considered as at least questionable“490. Auch die britische Regierung nahm sich des Problems an und vertrat nunmehr – aufgrund wirtschaftlicher Interessen491 – die Ansicht, die Blockade grenzüberschreitender Flüsse sei nicht völkerrechtsgemäß492. 486 Zur 12 Tage späteren Bekanntgabe in Großbritannien siehe The Times (London), 14. Juni 1854, S. 6 (Blockade of Russian Ports); vgl. auch Chamberlain (Anm. 432), S. 41. 487 H. Lauterpacht (Anm. 471), S. 771 (§ 371), The Gerasimo, 24. März 1857, The English Reports, Vol. XIV, Privy Council III (1901), S. 628 ff. (S. 639), ursprünglich in: Ed. F. Moore (Hrsg.), Reports of Cases heard and determined by the Judicial Committee and the Lords of the Privy Council, 1856–58, Vol. XI, S. 88 ff. (S. 115). 488 Die beim Auslaufen aufgebrachte Gerasimo mußte (unter Erstattung der Unkosten und des Schadens) zurückgegeben werden, English Reports (Anm. 487, S. 640), Ed. F. Moore (Anm. 487, S. 117 f.). 489 H. Lauterpacht (Anm. 471), S. 772 (§ 373). 490 Schreiben des US-Außenministers William H. Seward an Kriegsminister Stanton, 13. März 1862, J. B. Moore (Hrsg.), A Digest of International Law, Vol. VII (1906), S. 782. Der Außenminister warnte bezüglich der Blockade des Rio Grande vor drohenden Schadensersatzforderungen und regte an, statt dessen das texanische Flußufer zu besetzen, ibid. 491 Die Blockade der Konföderierten hatte für die englische und französische Tuchindustrie verheerende Auswirkungen: In Großbritannien blieben die Webereien mangels Baumwolle an vier von sieben Tagen geschlossen, und in Frankreich konnten nur noch gut drei Prozent des Baumwollbedarfs durch Importe aus den Südstaaten gedeckt werden, Fauchille, Traité de droit international public II (Anm. 479), S. 945, Anm. 1 (§ 1593). 492 Siehe den Bericht einer britischen Regierungskommission, 1. April 1863, A. D. McNair (Hrsg.), International Law Opinions, Vol. III (1956), S. 319 ff. (S. 320): Die US-Regierung „has clearly no right to seize British vessels, bona fide bound

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Der Supreme Court hatte in der Peterhoff-Sache493 Gelegenheit, als Prisengericht hierzu Stellung zu nehmen. Seiner Meinung nach durfte die Blockadeerklärung nicht so ausgelegt werden, daß der Rio Grande davon erfaßt sei494. Es gebe keinen vergleichbaren Fall, in dem ein nach völkerrechtlichen Regeln urteilendes Gericht die Blockade eines Grenzflusses für rechtens erklärt hätte495. Zwar könne die Blockade umgangen werden, indem Waren vom texanischen Flußufer nach Mexiko geschafft und dann auf Seeschiffe umgeladen würden. Das sei aber unvermeidlich, weil keine Möglichkeit bestehe, die Blockade in den Fluß hinein zu erstrecken496. Der im Rio Grande gelegene mexikanische Hafen Matamoros jedenfalls „was not and could not be blockaded; and it is manifest that there was not and could not be any blockade of the Texan bank of the Rio Grande“497. Der auf dem Weg von London nach Matamoros aufgebrachte Dampfer Peterhoff wurde deshalb freigegeben. Die bei der Peterhoff-Sache zum Ausdruck gekommene opinio iuris wurde 1870 während der französischen Blockade der deutschen Nordseeküste implizit bestätigt: Der Zugang des die Grenze zu Holland bildenden Dollart wurde diesmal von Anfang an freigehalten498. 3. Kodifikationen des Verbots der Blockade neutraler Flußhäfen In Artikel 1 der Londoner Deklaration zum Seekriegsrecht499 heißt es, Blockaden sollten nicht „beyond the ports and coasts belonging to or occupied by the enemy“ erstreckt werden. In Artikel 18 heißt es: „The blockading forces must not bar access to neutral ports or coasts“. Der Zugang zu from this country, or from any other British possession, to the ports of Vera Cruz and Matamoros“, d.h. zum mexikanischen Hafen in der Mündung des Rio Grande. 493 Vgl. ibid. (S. 321). 494 The Peterhoff (1866), J. B. Scott (Hrsg.), Prize Cases Decided in the U.S. Supreme Court 1789–1918, Vol. III, (1923), S. 1631 ff. (S. 1646), ursprünglich in: Wallace (Hrsg.), Reports, Vol. 5, S. 28 ff. (S. 52). 495 Ibid. 496 The Peterhoff, Scott (Anm. 494, S. 1649), Wallace (Anm. 494, S. 56): „No blockading vessel was in the river; nor could any such vessel ascend the river, unless supported by a competent military force on land“. 497 Ibid. 498 F. Perels, Das internationale öffentliche Seerecht (2. Aufl. 1903), S. 264 (§ 48 III), H. Lauterpacht (Anm. 471), S. 772 (§ 373). 499 26. Februar 1909, AJIL 1909, S. 179. Die Londoner Deklaration wurde nicht ratifiziert, ist aber weitgehend Ausdruck von Völkergewohnheitsrecht, M. Bothe, Friedenssicherung und Kriegsrecht, in: W. Graf Vitzthum (Hrsg.), Völkerrecht (2. Aufl. 2001), S. 671 f. (Abschn. 8, Rn. 114).

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neutralen Häfen und Küsten darf also nicht blockiert werden, selbst wenn dadurch die Möglichkeit zur Umgehung der Blockade besteht500. Darin kommt die im 19. Jahrhundert gebildete opinio iuris zum Ausdruck, nach der insbesondere der Zugang zu neutralen Flußhäfen nicht versperrt werden soll501. Das Schrifttum geht folglich zu Recht davon aus, daß die Blockade grenzüberschreitender Flüsse im Interesse der neutralen Anliegerstaaten verboten ist502. Die Regel des Artikel 18 der Londoner Deklaration ist bis heute in den militärischen Handbüchern der Seemächte enthalten. Das Kapitel 7.7.2.5 Satz 1 des US-amerikanischen Commander’s Handbook on the Law of Naval Operations besagt beispielsweise: „A blockade must not bar access to or departure from neutral ports and coasts“503. Das deutsche Handbuch des humanitären Völkerrechts formuliert positiv, die Blockade bezwecke „die Unterbindung der Zufuhren für eine gegnerische Küste“504. Nach der Kommentierung Wolff Heintschel von Heineggs dürfen e contrario neutrale Häfen und Küsten nicht versperrt werden505. Dieses Verbot ist auch in privaten Kodifikationsentwürfen wie dem San Remo Manual von 1994506 und der Draft Convention on Rights and Duties of Neutral States in Naval and 500 N. Bentwich, The Declaration of London (1911), Kommentar zu Art. 1 (S. 44 f.). 501 Vgl. ibid. (S. 45). 502 Siehe z. B. P. Fauchille, Du blocus maritime (1882), S. 178, E. Caratheodory, Das Stromgebietsrecht und die internationale Flußschiffahrt, in: F. v. Holtzendorff (Hrsg.), Handbuch des Völkerrechts, Bd. 2 (1887), S. 277 ff. (S. 324), Calvo (Anm. 476), S. 138 (§ 2860), Perels (Anm. 498), S. 264 (§ 48 III), J. Westlake, International Law, Bd. II, War (2. Aufl. 1913), S. 275 f., J. Stone, Legal Controls of International Conflict (1954), S. 494. 503 Department of the Navy, NWP 1-14M (Formerly NWP 9). In Kapitel 7.7.2.5 S. 2 heißt es weiter: „Neutral nations retain the right to engage in neutral commerce that does not involve trade or communications originating in or destined for the blockaded area“. Das ist als Bekräftigung des oben dargestellten Grundsatzes anzusehen. Bezüglich des Transports von Kriegskonterbande ist aber das prisenrechtliche Prinzip der „continuous voyages“ zu beachten, vgl. Art. 30 der Londoner Deklaration zum Seekriegsrecht (Anm. 499): „Absolute contraband is liable to capture if it is shown to be destined to territory belonging to or occupied by the enemy, or to the armed forces of the enemy. It is immaterial whether the carriage of the goods is direct or entails transshipment or a subsequent transport by land“. Bezüglich relativer Konterbande siehe Art. 36 i. V. m. Art. 33 Londoner Deklaration. 504 Ziff. 1051 S. 2 des Handbuchs des humanitären Völkerrechts in bewaffneten Konflikten, Bundesverteidigungsministerium, ZDv 15/2 (August 1992), Hrsg.: D. Fleck (1994). 505 Ibid., S. 375. 506 Ziff. 99 des durch unabhängige, vom IIHL einberufene Fachleute erstellten San Remo Manual on International Law Applicable to Armed Conflicts at Sea, Hrsg.: L. Doswald-Beck (1995).

§ 6 Rechte und Pflichten von Kriegführenden und Neutralen

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Aërial War von 1939507 enthalten und entspricht einer allgemeinen Auffassung im völkerrechtlichen Schrifttum508. *** Die Donaumündung darf keiner Blockade unterworfen werden, falls dadurch der Zugang zu neutralen Staaten versperrt würde. Da Seeschiffe vom Schwarzen Meer weit stromaufwärts gelangen können – je nach Bauart möglicherweise bis zum Rhein-Main-Donaukanal – ist eine Blockade des Flusses nach den traditionellen seekriegsrechtlichen Regeln generell ausgeschlossen.

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Art. 40, 68 des Harvard Research Draft on Rights and Duties of Neutral States in Naval and Aërial War, AJIL 1939 (Bd. 33), Suppl., S. 175 ff. 508 Etwas skeptisch ist lediglich H. Lauterpacht (Anm. 471), S. 772 f. (§ 373): Die Blockade internationaler Vertragsflüsse wie Donau und Rhein sei zwar generell verboten, hinsichtlich anderer Flüsse verblieben aber Zweifel, u. a. weil die Londoner Deklaration nicht ratifiziert worden sei, ibid., S. 772, Anm. 4 (§ 373).

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2. Kap.: Mögliche Einschränkungen der Schiffahrtsfreiheit

§ 7 Die Beschränkung der Schiffahrtsfreiheit zum Schutz kollektiver Interessen Das Verbot der Blockade grenzüberschreitender Flüsse findet keine Anwendung auf Zwangsmaßnahmen des UN-Sicherheitsrats1 (I.). Tatsächlich wurde die Donauschiffahrt während der Sanktionen von 1992 bis 1995 drastischen Einschränkungen unterworfen2 (II.). Von Beschränkungen zur Durchsetzung des Ölembargos während des Kosovokonflikts wurde hingegen abgesehen3 (III.).

I. Die „Blockade“ gemäß Artikel 42 Satz 2 der UN-Charta Bei „Blockaden“ gemäß Artikel 42 Satz 2 der UN-Charta ist zwischen Kontrollen zur Durchsetzung von Wirtschaftssanktionen (1.) und „strategischen“ Blockaden zur Unterbrechung von Nachschublinien (2.) zu unterscheiden4. 1. Die „Blockade“ zur Durchsetzung von Embargomaßnahmen Ein Rechtsberater der Royal Navy äußerte Anfang der neunziger Jahre, die Anwendbarkeit der „traditional doctrine of blockade and the law of neutrality“ auf Blockaden zur Durchsetzung von Sicherheitsratsresolutionen sei eine „difficult and uncertain area of law“5. Beispielsweise sei die „Blockade“ des Irak zur Durchsetzung des Wirtschaftsembargos der Resolution 661 (1990)6 von den Akteuren zu keiner Zeit als gewöhnliche Seeblokkade angesehen worden7. 1

Artikel 103 SVN analog i. V. m. Art. 25, 42, 48, 2 Abs. 6 SVN. Siehe oben, Einleitung, bei Anm. 99 bis 117. 3 Vgl. oben, § 6, bei Anm. 419 bis 430. 4 Zur entsprechenden Unterscheidung bei klassischen Seeblockaden siehe H. Lauterpacht, Oppenheim’s International Law, Bd. II, Disputes, War and Neutrality (7. Aufl. 1952), S. 769 f. (§ 369). 5 S. Lyons, Naval Operations in the Gulf, in: P. Rowe (Hrsg.), The Gulf War 1990–91 in International and English Law (1993), S. 155 (S. 159). 6 Abs. 3 der Sicherheitsratsresolution 661 (1990) vom 6. August 1990. 7 Die Autorisierung der „Blockade“ des Irak erfolgte erst durch Abs. 1 der Sicherheitsratsresolution 665 (1990) vom 25. August 1990. In der Zwischenzeit hatten Großbritannien und die USA schon begonnen, die Einhaltung des Embargos durch Kontrollen der Schiffahrt im Persischen Golf durchzusetzen. Diese Maßnahme wurde bemerkenswerterweise nicht als Seeblockade zugunsten der verbündeten kuwaitischen Regierung begründet, sondern es wurde die Durchsetzung der UN-Sanktionen und das Recht zur kollektiven Selbstverteidigung als Rechtsgrundlage angeführt. Eine Klassifikation als Seeblockade wurde laut dem militärischen Rechtsbera2

§ 7 Beschränkung zum Schutz kollektiver Interessen

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Die herrschende Auffassung im völkerrechtlichen Schrifttum geht davon aus, daß die Regeln der klassischen Seeblockade auf die „Blockade“ gemäß Artikel 42 der UN-Charta nicht anwendbar sind8. Insbesondere setzt die Verhängung einer „Blockade“ durch den UN-Sicherheitsrat nicht die Existenz eines Kriegszustandes voraus9. Trotzdem können (anders als bei der Friedensblockade) sowohl Schiffe des blockierten Staates als auch Schiffe von Drittstaaten kontrolliert werden10. Bereits 1952 merkte Hersch Lauterpacht dazu an, die „Blockade“ sei ein besonders geeignetes Instrument „of collective action for enforcing the obligations and principles of the Charter. As such it can legitimately be used by or on behalf of the United Nations, not only against the offending State, but also in relation to the shipping of third States Members of the United Nations and, by virtue of Article 2(6) of the Charter, non-member States“11. Ein wesentlicher Unterschied zwischen der traditionellen Seeblockade und der „Blockade“ gemäß Artikel 42 der UN-Charta resultiert daraus, daß Drittstaaten sich bei der Verhängung eines UN-Embargos nicht auf die Freiheit der Handelsschiffahrt berufen können. Aufgrund von Artikel 48 und 25 der UN-Charta haben alle Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um Verletzungen des Handelsembargos durch ihre Staatsangehörigen zu unterbinden12. Jedenfalls bei der Anordnung einer „Blockade“ nach Artikel 42 der UN-Charta sind sie außerdem verpflichtet, Kontrollen ihrer Handelsschiffe durch die Streitkräfte dazu auter Lyons (Anm. 5, S. 159) niemals ernsthaft erwogen. Von einigen Staaten wurde allerdings eine Autorisierung durch den Sicherheitsrat für erforderlich gehalten (ibid.), wobei diese Frage hier dahinstehen mag: Von Interesse ist zunächst nur, daß „Blockaden“ zur Durchsetzung von Sicherheitsratsresolutionen nicht mit Seeblockaden gleichzusetzen sind. 8 Siehe z. B. J. A. Frowein/N. Krisch, in: B. Simma, The Charter of the United Nations, Bd. I (2. Aufl. 2002), S. 755 (Art. 42, Rn. 16), L. E. Fielding, Maritime Interception and U.N. Sanctions (1997), S. 8, 92 ff., H. Lauterpacht (Anm. 4), S. 149 (§ 49); für Blockademaßnahmen des Völkerbundes bereits entsprechend C. Schmitt, Die Wendung zum diskriminierenden Kriegsbegriff (1938), S. 32. 9 Die Verhängung militärischer Zwangsmaßnahmen hat gemäß Art. 39 der UNCharta lediglich die Feststellung einer Friedensbedrohung etc. zur Voraussetzung, Frowein/Krisch, in: Simma (Anm. 8), S. 753 (Art. 42, Rn. 9). Vgl. auch G. Schwarzenberger, International Law, Bd. II, The Law of Armed Conflict (1968), S. 97: „If the United Nations takes action against any threat to peace [. . .] it is arguable that such a collective action does not amount to war“. 10 Fielding (Anm. 8), S. 94, H. Lauterpacht (Anm. 4), S. 149 (§ 49). 11 Ibid. 12 Handelsembargos gemäß Art. 41 der UN-Charta müssen üblicherweise universell umgesetzt werden, B.-O. Bryde/A. Reinisch, in: Simma (Anm. 8), S. 777 (Art. 48, Rn. 6). Der UN-Sicherheitsrat ruft oft dazu auf, Embargoverstöße von Privatleuten strafrechtlich zu verfolgen, Frowein/Krisch, in: Simma (Anm. 8), S. 747 (Art. 41, Rn. 29).

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2. Kap.: Mögliche Einschränkungen der Schiffahrtsfreiheit

torisierter Staaten zu dulden13. Gemäß Artikel 2 Absatz 6 der UN-Charta in Verbindung mit Artikel 16 der ILC’s Articles on State Responsibility14 kann von Nichtmitgliedsstaaten der Vereinten Nationen verlangt werden, im Falle der Nichtbeteiligung an den Wirtschaftssanktionen zumindest deren Umgehung vorzubeugen15; nach Artikel 41 Absatz 1 der ILC’s Articles ließe sich sogar eine Pflicht zur uneingeschränkten Teilnahme am Embargo begründen16. Die Herausbildung des traditionellen Instituts der Seeblockade setzte die gleichzeitige Anerkennung der Freiheit der Meere sowie der Freiheit des neutralen Handels voraus17. Diese Freiheiten können gemäß Artikel 42 und 41 der UN-Charta beschränkt werden. Mangels einer stricto sensu als neutral zu bezeichnenden Schiffahrt ist dabei die Sperrung einer internationalen Wasserstraße wie der Donau keineswegs auszuschließen: Das gewohnheitsrechtliche Verbot, neutrale Häfen zu blockieren, ist streng genommen gar nicht anwendbar und würde ansonsten analog Artikel 103 der UN-Charta verdrängt. 2. Die „Blockade“ zur Unterbrechung von Nachschublinien Beschränkungen der Schiffahrtsfreiheit wurden vom UN-Sicherheitsrat bislang nur zum Zwecke der Durchsetzung von Handelsembargos angeordnet18. Es besteht aber ebenfalls die Möglichkeit, eine „Blockade“ gemäß Artikel 42 der UN-Charta zum Zwecke der Unterbrechung militärischer Nachschublinien zu verhängen. Die daraus für internationale Wasserstraßen resultierenden Besonderheiten lassen sich anhand der 1935 vom Völkerbund gegen Italien geplanten Sanktionen verdeutlichen. 13 Zur „Blockade“ Süd-Rhodesiens siehe Frowein/Krisch, in: Simma (Anm. 8), S. 757 (Art. 42, Rn. 21), zu jener des Irak siehe oben, Anm. 7. Zur „Blockade“ der BRJ siehe das EuGH-Urteil Ebony Maritime, C-177/95, 27. Februar 1997, EuGHE 1997 I, S. 1111 ff. (§§ 15, 25 ff.): Danach können sogar auf hoher See beschlagnahmte ausländische Schiffe und Ladungen eingezogen werden (im betreffenden Fall ein unter maltesischer Flagge fahrender Tanker mit liberianischem Öl). 14 Der Artikel 16 der ILC’s Articles on State Responsibility, Annex zur Resolution 56/83 der UN-Generalversammlung, 28. Januar 2002, definiert die Beihilfe zum Völkerrechtsdelikt. 15 Nach Erlaß der Sanktionen gegen Süd-Rhodesien beschränkte die Schweiz beispielsweise ihren Handelsaustausch auf das durchschnittliche Niveau vor Beginn des Sanktionsregimes (courant normal), W. Graf Vitzthum, in: Simma (Anm. 8), S. 143 (Art. 2 [6], Rn. 12). 16 Ähnlich W. Graf Vitzthum, in: Simma (Anm. 8), S. 147 (Art. 2 [6], Rn. 24). 17 H. Lauterpacht (Anm. 4), S. 774 f. (§ 374). 18 Vgl. den Überblick über die Praxis des Sicherheitsrats bei Frowein/Krisch, in: Simma (Anm. 8), S. 751 f. (Art. 42, Rn. 4 ff.).

§ 7 Beschränkung zum Schutz kollektiver Interessen

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Als Reaktion auf die italienische Aggression in Abessinien hatte der Völkerbundsrat erwogen, den Suezkanal für italienische Nachschubkonvois zu schließen oder ihn einer „Blockade“ zu unterwerfen19. Das Statut des Kanals, die Konvention von Konstantinopel, sieht jedoch vor, der Kanal solle „en temps de guerre comme en temps de paix, à tout navire de commerce ou de guerre, sans distinction de pavillon“, offen stehen20. Zur Aufrechterhaltung der Schiffahrtsfreiheit in Kriegszeiten ist vorgesehen, daß keinerlei Feindseligkeiten im Kanal ausgetragen werden dürfen und daß der Kanal „ne sera jamais assujetti à l’exercice du droit de blocus“21. Zahlreiche Völkerrechtler waren der Meinung, eine Blockade des Kanals stünde mit der Konvention von Konstantinopel nicht im Einklang22. Das Sous-comité juridique des Völkerbundes gab zu bedenken, eine Sperre könne insbesondere die Rechte von Drittstaaten verletzen23. Dagegen wurde von britischen und einigen französischen Autoren eingewandt, die 1888 vereinbarte Befriedung des Kanals sei für traditionelle Kriege konzipiert worden, sie könne hingegen nicht von Italien geltend gemacht werden, um die Fortsetzung seiner Aggression in Abessinien zu ermöglichen24. Der französische Autor Le Fur meinte, die internationale Gemeinschaft könne äußerst einschneidende Maßnahmen ergreifen, „pour rétablir l’ordre international bouleversé“25. Falls der Völkerbund zur Einschätzung gelange, eine Schließung des Kanals „serait particulièrement efficace pour réduire les pertes et les inconvénients de la situation née de l’agression, il serait difficile de contester la conformation de cette mesure avec les règles du droit international d’après guerre“26. 19

Vgl. den Bericht des Sous-comité juridique des Völkerbundes über die Application des sanctions et les conventions internationales relatives à la liberté des communications, in: Propositions et résolutions du Comité de coordination, Annex zum Vorschlag Nr. 5 vom 19 Oktober 1935, SdN, JO, Suppl. spécial Nr. 150, S. 11. 20 Art. 1 Abs. 1 der Konvention von Konstantinopel, 29. Oktober 1888, Martens, NRGT II 15, S. 557. 21 Art. 1 Abs. 2 und 3, Art. 4 Abs. 1 der Konvention von Konstantinopel, ibid. 22 R. Guibal, Peut-on fermer le Canal de Suez? (1937), S. 114, Ch. Rousseau, Peut-on fermer le canal de Suez?, Le Temps, 26. September 1935, S. 4, G. de Saint-Victor, Peut-on fermer le canal de Suez?, Le Temps, 22. September 1935, S. 2. 23 Bericht des Sous-comité juridique (Anm. 19). 24 R. Buell, Le canal de Suez et les sanctions de la S.D.N., RGDIP 1936, S. 50 ff. (S. 72), ursprünglich in: Geneva special Studies, Bd. VI, Nr. 3 (1935), L. Le Fur, Canal de Suez, Documentation Internationale 1935, S. 249 ff. (S. 250), G. Scelle, Manuel de droit international public (1948), S. 451, Anm. 1; vgl. auch die Nachweise bei C. Schmitt, Die Wendung zum diskriminierenden Kriegsbegriff (1938), S. 31 f. 25 Le Fur (Anm. 24, S. 250). 26 Ibid.

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2. Kap.: Mögliche Einschränkungen der Schiffahrtsfreiheit

Winston Churchill schrieb nach den Erfahrungen des Zweiten Weltkrieges, eine Sperre des Kanals hätte die italienischen Verbindungen nach Äthiopien mit Sicherheit unterbrochen und die britische Flotte „should have been successful in any naval battle which might have followed“27. In rechtlicher Hinsicht bestehen allerdings auch rückblickend Bedenken: Anders als die Vereinten Nationen war der Völkerbund weit davon entfernt, eine nahezu universelle Mitgliedschaft zu erreichen28. Ein eventuell erhobener Anspruch, im Namen der gesamten internationalen Gemeinschaft zu handeln, wäre deshalb immerhin anfechtbar gewesen29. Die Entscheidung für die Schließung des Kanals hätte dabei eine Abwägung zwischen dem allgemeinen Interesse an der freien und ungestörten Nutzung des Kanals und dem allgemeinen Interesse an der effektiven Beendigung der italienischen Aggression erfordert. Das Potential, solche erga omnes durchzusetzenden Entscheidungen zu fällen, war in der Völkerbundsatzung durchaus angelegt30, jedoch hatte diese Umwälzung noch nicht ihren Weg in das allgemeine Völkerrecht und die Praxis jener Zeit gefunden31. Nach dem heutigen Stand des Völkerrechts sind einschneidende Beschränkungen der Schiffahrt auf internationalen Wasserstraßen durchaus möglich, wie am Beispiel der Donauschiffahrt unter dem Sanktionsregime von 1992 bis 1995 gezeigt werden kann.

II. Die Donauschiffahrt unter dem Sanktionsregime von 1992–1995 Die während des Bosnienkonflikts gegen die Bundesrepublik Jugoslawien verhängten UN-Sanktionen hatten in den Jahren 1993 bis 1995 eine nahezu vollständige Unterbrechung des Transitverkehrs über den jugoslawischen 27 W. Churchill, The Second World War, Vol. I, The Gathering Storm (1948), S. 138. Weiter heißt es dort: „The Italian armies in Abyssinia would have famished for supplies and ammunition. Germany could as yet give no effective help. If ever there was an opportunity of striking a decisive blow in a generous cause with the minimum of risk, it was here and now“. 28 Vgl. E. Klein, in: W. Graf Vitzthum (Hrsg.), Völkerrecht (2. Aufl. 2001), S. 275 f. (Abschn. 4, Rn. 6, 9). 29 Selbst bezüglich Art. 2 Abs. 6 der UN-Charta geht die bislang h. M. davon aus, daß eine Drittwirkung auf vertragsrechtlicher Grundlage nicht bestehe, W. Graf Vitzthum, in: Simma (Anm. 8), S. 146 (Art. 2 [6], Rn. 20). In praktischer Hinsicht ist das Problem aber durch den UN-Beitritt der Schweiz nahezu obsolet, und bei eventuell auftretenden Schwierigkeiten kann künftig der Art. 41 Abs. 1 der ILC’s Articles on State Responsibility (Anm. 14) angeführt werden. 30 Siehe Art. 17 der Völkerbundsatzung, Versailler Vertrag, 28. Juni 1919, Martens, NRG III 11, S. 323. 31 W. Graf Vitzthum, in: Simma (Anm. 8), S. 142 (Art. 2 [6], Rn. 5).

§ 7 Beschränkung zum Schutz kollektiver Interessen

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Donauabschnitt zur Folge32 (1.). An dieser Unterbrechung des Transitverkehrs hatten auch die jugoslawischen „Repressalien“ gegen das Sanktionsregime maßgeblichen Anteil33 (2.). Immerhin wurden von der internationalen Gemeinschaft gewisse Anstrengungen unternommen, um geschädigten Drittstaaten einen Ausgleich für die indirekten Beeinträchtigungen zu verschaffen34 (3.). 1. Die Maßnahmen gemäß Artikel 41 und 42 der UN-Charta Durch die Resolution 757 (1992) vom 30. Mai 1992 verhängte der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen ein allgemeines Handelsembargo gegen die Bundesrepublik Jugoslawien35. Alle Staaten waren gehalten, Ein- und Ausfuhren von und nach Jugoslawien auf ihrem Territorium sowie durch ihre Staatsangehörigen zu verhindern36. Ebenso sollte der Transit von Warenlieferungen nach Jugoslawien unterbunden werden, und den nationalen Handelsflotten waren Transporte dorthin zu untersagen37. Der Transitverkehr über das jugoslawische Gebiet blieb hingegen ausdrücklich erlaubt38. Das Embargo wurde in den Folgemonaten besonders von der Donauschiffahrt vielfach umgangen: So wurden täglich mehrere Schiffsladungen Öl, Kohle und Stahl aus ukrainischen und russischen Häfen nach Jugoslawien geschafft39. Mit der Resolution 787 (1992) vom 16. November 1992 wurde der Transit von Öl, Kohle, Metallen etc. durch die Bundesrepublik Jugoslawien unter ein Verbot mit einem vom Sanktionskomitee des Sicherheitsrats ausge32

M. Sengpiel, Das Recht der Freiheit der Schiffahrt auf Rhein und Donau (1998), S. 3 f., Bericht des Präsidenten der Donaukommission, 16. April 1996 (CD/ SES 54/PV 1), Procès-Verbaux de la Commission du Danube, Bd. 54 (1996), S. 14 ff. (S. 14). 33 Vgl. ibid. sowie die Erklärung des Präsidenten des Sicherheitsrats, Sitzung vom 13. Oktober 1993, S/PV. 3290, S. 6 (entspr. S/26572). 34 Siehe oben, Einleitung, Anm. 179. 35 Abs. 4 f. der Sicherheitsratsresolution 757 (1992), 30. Mai 1992. Durch die Resolution 713 (1991), 25. September 1991, war bereits ein Waffenembargo verhängt worden. 36 Abs. 4 der Resolution 757 (1992). 37 Abs. 4 Lit. c) der Resolution 757 (1992). 38 Abs. 6 der Resolution 757 (1992). 39 New York Times, 31. August 1992, S. 1, A6 (S. A6; Sanctions Driving Yugoslav Economy Into Deep Decline); vgl. auch ibid., 21. August 1992, S. A10 (U.S. Seeks New Mechanism To Try to End Balkan War – U.S. May Monitor Danube), ibid., 27. August 1992, S. 1, A10 (S. 1; Balkans Session Is Long on Talk, Short on Action), L. E. Fielding, Maritime Interception and U.N. Sanctions (1997), S. 187 f.

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2. Kap.: Mögliche Einschränkungen der Schiffahrtsfreiheit

übten Erlaubnisvorbehalt gestellt40. Die Uferstaaten der Donau wurden darauf hingewiesen, daß es in ihrer Verantwortung liege, die Beachtung der Sanktionen durch die Donauschiffahrt sicherzustellen. Die Donauschiffe müßten nötigenfalls angehalten und durchsucht werden41. Betreffend der Seeschiffahrt wurden die NATO und die Westeuropäische Union ermächtigt, entsprechende Kontrollen durchzuführen42. Die Resolution 787 (1992) läßt erkennen, daß die Anhaltung und Durchsuchung von Schiffen auf der Donau – anders als auf der Hohen See – keiner besonderen Rechtsgrundlage bedarf43. Schiffe auf hoher See unterliegen in Friedenszeiten grundsätzlich nur der Gewalt des Flaggenstaates44, so daß es zur Durchführung von Kontrollen eines besonderen Kompetenztitels bedarf45. Schiffe auf der Donau unterliegen hingegen der Territorialhoheit des jeweiligen Uferstaates und können deshalb ohne weiteres kontrolliert werden. Die Belgrader Konvention steht solchen Kontrollen nicht entgegen: 40 Abs. 9 der Sicherheitsratsresolution 787 (1992), 16. November 1992. Die Einrichtung des Sanktionskomitees erfolgte gemäß Resolution 724 (1991), 15. Dezember 1991. 41 Der Abs. 13 der Resolution 787 (1992) besagt: Der Sicherheitsrat „reaffirms the responsibility of riparian States to take necessary measures to ensure that shipping on the Danube is in accordance with resolutions 713 (1991) and 757 (1992), including such measures commensurate with the specific circumstances as may be necessary to halt such shipping in order to inspect and verify their cargoes and destinations“. 42 Der Abs. 12 der Resolution 787 (1992) besagt: Der Sicherheitsrat, „[a]cting under Chapters VII and VIII of the Charter of the United Nations, calls upon States, acting nationally or through regional agencies or arrangements, to use such measures commensurate with the specific circumstances as may be necessary under the authority of the Security Council to halt all inward and outward maritime shipping in order to inspect and verify their cargoes and destinations and to ensure strict implementation of the provisions of resolutions 713 (1991) and 757 (1992)“. 43 Argumentum e contrario aus Abs. 12 der Resolution 787 (1992), der (im Gegensatz zu Abs. 13) eine originäre Autorisierung zur Anhaltung und Durchsuchung von Schiffen enthält. 44 Art. 92 Abs. 1 S. 1 des Seerechtsübereinkommens der VN, 10. Dezember 1982, BGBl. 1995 II S. 602. 45 Vgl. z. B. Art. 221 des Seerechtsübereinkommens der VN, ibid. Nach der heute herrschenden Kompetenztheorie bedürfen Staaten zur Setzung von Hoheitsakten besonderer Kompetenztitel wie der Gebiet-, Personal- oder Flaggenhoheit, K. Ipsen, Völkerrecht (4. Aufl. 1999), S. 244 (§ 23, Rn. 2), P. Daillier/A. Pellet, Droit international public (Nguyen Quoc Dinh, 6. Aufl. 1999), S. 478 (§ 311) und S. 501 f. (§ 334). Grundsätzlich ist deshalb davon auszugehen, daß jeder Staat nur in seinem Kompetenzbereich zuständig ist, Sicherheitsratsresolutionen umzusetzen; das entspricht z. B. dem Konzept des Embargos der Resolution 787 (1992), vgl. oben, bei Anm. 36, 37. Der Sicherheitsrat kann jedoch einzelne oder alle Staaten autorisieren, Embargomaßnahmen auch außerhalb ihres Hoheitsgebiets gegen Staatsangehörige und Schiffe von Drittstaaten durchzusetzen, vgl. oben, Anm. 42, 13 und 7.

§ 7 Beschränkung zum Schutz kollektiver Interessen

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Durch die Streichung der nahezu unbeschränkten Transitfreiheit der Pariser Konvention können passierende Schiffe den nationalen polizei- und zollrechtlichen Regeln unterworfen werden, denen gemäß Artikel 26 der Belgrader Konvention46 auch zwangsweise Respekt verschafft werden kann47. Eine Anwendung des Artikels 103 der UN-Charta, der ansonsten den Vorrang des Handelsembargo vor dem Belgrader Statut sichern würde, erscheint deshalb nicht erforderlich48. Ab Mitte November 1992 unternahmen die Donaustaaten teilweise stärkere Anstrengungen, um die Beachtung der Sanktionen durch die Donauschiffahrt sicherzustellen. Unter anderem hinderte Rumänien ein chinesisches sowie einige russische und ukrainische Handelsschiffe an der Weiterfahrt nach Jugoslawien49. Bereits im Januar 1993 zeigten sich aber die faktischen Grenzen dieser Bemühungen: Der aus mehreren Tankschiffen zusammengesetzte jugoslawische Schubverband Bihac weigerte sich trotz mehrfacher Aufforderungen, die Fahrt zu stoppen, und drohte statt dessen, seine Landung zur Explosion zu bringen50. Die bulgarische und rumänische Regierung erklärten sich daraufhin außerstande, den Verband anzuhalten, so daß er – unter den Augen einer Beobachtermission der Europäischen Union – seine Fahrt ungehindert fortsetzen konnte51. Der Zwischenfall mit der Bihac sowie zahlreiche andere Embargoverletzungen führten im April 1993 zu einer erneuten Verschärfung des Sanktionsregimes. Durch die Resolution 820 (1993) wurde das Verbot mit Erlaubnisvorbehalt auf den gesamten Transitverkehr über den jugoslawischen 46

18. August 1948, UNTS Bd. 33, S. 196. Siehe oben, § 6, bei Anm. 402 bis 408. 48 Der Präsident des UN-Sicherheitsrats brachte offenbar dennoch den Art. 103 der UN-Charta betreffend der Belgrader Konvention ins Gespräch, vgl. die Bezugnahme im Memorandum Bulgariens, Rumäniens und der Ukraine vom 18. Februar 1993, Anhang zu Schreiben vom 22. Februar 1993, S/25322, Conseil de Sécurité, Documents officiels, Suppl. I 1993, S. 206 f. (S. 207). Der UN-Sicherheitsrat braucht sich allerdings nicht auf Debatten über die Auslegung völkerrechtlicher Verträge wie der Belgrader Konvention einzulassen. Die Geltendmachung des Art. 103 UN-Charta gegenüber den Donaustaaten erlaubt somit keine Rückschlüsse auf den Umfang der Transitfreiheit gemäß der Belgrader Konvention. 49 New York Times, 19. November 1992, S. 1, A13 (S. A13; NATO Agrees to Use Warships to Enforce Yugoslav Blockade). 50 New York Times, 26. Januar 1993, S. A9 (Weapons Shipment Intercepted On Way to Bosnia – Enforcement on the Danube), Fielding (Anm. 39), S. 267, Stellungnahme des ungarischen Vertreters in der Donaukommission, 20. April 1993, CD/SES 51/PV 1, Procès-Verbaux de la Commission du Danube, Bd. 51 (1993), S. 11 ff. (S. 22). 51 Presseerklärung des bulgarischen Außenministers vom 27. Januar 1993, Anlage zum bulgarischen Schreiben an den UN-Sicherheitsrat vom 28. Januar 1993, in: Conseil de Sécurité, Documents officiels, Suppl. I 1993, S. 121 f. (S/25182). 47

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2. Kap.: Mögliche Einschränkungen der Schiffahrtsfreiheit

Donauabschnitt erstreckt52. Sämtliche Schiffe sollten während des Transits einer effektiven Kontrolle unterliegen53. Dabei sollten die Westeuropäische Union und die KSZE den Donaustaaten den erforderliche Beistand leisten54. Für den Fall von Embargoverstößen verlangte der UN-Sicherheitsrat eine angemessene Bestrafung der Täter; überdies sollten die betreffenden Schiffe und Ladungen beschlagnahmt und eingezogen werden55. Jugoslawische Schiffe waren in jedem Falle zu sequestrieren56 und an der Teilnahme am grenzüberschreitenden Verkehr zu hindern57. Die Einheiten der Westeuropäische Union und der KSZE58 waren im Juni 1993 voll einsatzfähig59 und führten auf den passierenden Donauschiffen sehr eingehende Kontrollen durch. Die Ukraine beschwerte sich darüber, daß die Schiffe teilweise über vierundzwanzig Stunden aufgehalten würden, und daß selbst auf Privatutensilien der Besatzung zugegriffen würde60. Auf Unmut stieß auch die Praxis des Sanktionskomitees bei der Vergabe der Transitgenehmigungen: Die Donaukommission drängte mit wenig Erfolg auf eine Erweiterung der Liste von Gütern, deren Transit durch eine allgemeine Genehmigung erlaubt worden war61. 52

Abs. 15 der Sicherheitsratsresolution 820 (1993), 17. April 1993. Ibid. Zur Kontrolle war u. a. geplant, alle passierenden Schiffe mit einem Beobachter zu besetzten, Fielding (Anm. 39), S. 277. 54 Abs. 17 der Resolution 820 (1993). 55 Abs. 19 und 24 f. der Resolution 820 (1993). 56 Abs. 24 der Resolution 820 (1993). 57 Das Verbot der Benutzung von Schleusen etc. in Abs. 16 Lit. a) und b) der Resolution 820 (1993) betraf in erster Linie die Stauanlage des „Eisernen Tores“ an der rumänisch-jugoslawischen Grenze, vgl. das Schreiben des Sanktionskomitees an den Präsidenten des UN-Sicherheitsrats, 8. Mai 1995, S/1995/372, Conseil de Sécurité, Documents officiels, Suppl. II 1995, S. 139, sowie die Resolution 992 (1995), 11. Mai 1995. 58 Zur Zusammenarbeit von WEU und KSZE siehe den Jahresbericht der KSZE für 1993, Gliederungspunkt II.2.7, in: U. Fastenrath, KSZE/OSZE (Losebl.-Ausg.), Dokument K.1, S. 9. 59 S. Trifunovska (Hrsg.), Former Yugoslavia Through Documents (1999), S. 1013. 60 Stellungnahme des ukrainischen Vertreters in der Donaukommission, 12. April 1994, CD/SES 52/PV 1, Procès-Verbaux de la Commission du Danube, Bd. 52 (1994), S. 11 ff. (S. 34). Nach dem klassischen Prisenrecht ist grundsätzlich nur die Schiffsladung zu durchsuchen; außerdem sind Privatutensilien der Besatzungen neutraler Schiffe von der Ausübung des Prisenrechts frei, vgl. Art. 58 Abs. 2 bzw. Art. 17 der deutschen Prisenordnung vom 28. August 1939, in: H. Hecker/E. Tomson, Völkerrecht und Prisenrecht (1965), S. 53 ff. 61 Vgl. den Bericht des Präsidenten der Donaukommission vom 3. April 1995, CD/SES 53/PV 1, Procès-Verbaux de la Commission du Danube, Bd. 53 (1995), S. 15 ff. (S. 18), sowie die Stellungnahmen in der Debatte der Kommission vom 12. April 1995, CD/SES 53/PV 2, ibid., S. 41 ff. (S. 70 ff.). 53

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Trotz der rigiden Kontrollen wurde das Embargo oftmals mißachtet62. Beispielsweise mußte der UN-Sicherheitsrat die bulgarische Regierung im März 1994 dazu aufrufen, die Bestrafung der individuell Verantwortlichen für die Lieferung von 6000 Tonnen Dieselöl an Jugoslawien zu veranlassen63. Die internationale Verantwortung für den Embargoverstoß wurde bemerkenswerterweise Jugoslawien zugewiesen: Der Sicherheitsrat verurteilte die „flagrante“ Verletzung der einschlägigen Resolutionen und bezeichnete die jugoslawische Führung als „fully accountable for the non-return of the cargo“ des mittlerweile nach Bulgarien zurückgekehrten Tankerverbandes. Bei dieser Gelegenheit wies der Sicherheitsrat zugleich darauf hin, daß Jugoslawien trotz der Verkehrsbeschränkungen verpflichtet sei, die Schifffahrtsfreiheit auf der Donau zu respektieren64. 2. Die jugoslawischen Gegenmaßnahmen Die jugoslawische Führung duldete unter anderem mehrfach, daß serbische paramilitärische Einheiten den jugoslawischen Donauabschnitt blokkierten [a)]. Ansonsten verlangte sie für die Gewährung der Durchfahrt eine hohe „Sicherheitsgebühr“65 [b)]. a) Die Beeinträchtigung des Transitverkehrs mittels Privatpersonen Als Reaktion auf die UN-Sanktionen wurde der Transitverkehr über den jugoslawischen Donauabschnitt mehrfach von serbischen paramilitärischen Einheiten blockiert. Im Zusammenhang mit der Vorbereitung einer schärferen Kontrolle der Donauschiffahrt66 wurde erstmals Ende Februar 1993 62 United States Energy Information Administration, 10. Juni 1999, Enforcement of Serbian Sanctions and Embargo, www.eia.doe.gov/emeu/cabs/serbsanc.html. 63 Im Namen des UN-Sicherheitsrats abgegebene Erklärung des Präsidenten des Sicherheitsrats, Sitzung vom 14. März 1994, S/PV. 3348, S. 2 (entspr. S/1994/ PRST/10). 64 Ibid. 65 Siehe die im Namen des UN-Sicherheitsrats abgegebene Erklärung des Präsidenten des Sicherheitsrats, Sitzung vom 13. Oktober 1993, S/PV. 3290, S. 6 (entspr. S/26572). 66 Zu Plänen der US-Regierung, Bulgarien und Rumänien zur Überwachung der Donauschiffahrt Patrouillenboote bereitzustellen, siehe die New York Times, 12. März 1993, S. A8 (U.S. Names Trade Violators to Pressure Belgrade); zu einer entsprechenden Anfrage Bulgariens, Rumäniens und der Ukraine an die Vereinten Nationen siehe das gemeinsame Memorandum vom 18. Februar 1993, Anhang zum Schreiben vom 22. Februar 1993, S/25322, Conseil de Sécurité, Documents officiels, Suppl. I 1993, S. 206 f. (S. 207).

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durch das Aneinanderketten mehrerer Kähne eine Sperre errichtet67. Weiter forciert wurden die Maßnahmen, nachdem die Kontrolleure der Westeuropäischen Union im Juni 1993 ihre Arbeit aufgenommen hatten68: Während der Monate Juli bis Oktober kam der Verkehr dadurch vollständig zum Erliegen69. Die offiziellen jugoslawischen Stellen schritten gegen diese Aktivitäten nicht ein, obwohl teilweise sogar mit Waffengewalt gegen die Donauschiffe vorgegangen wurde70. Die anderen Donaustaaten protestierten gegen das Verhalten der jugoslawischen Führung und forderten sie auf, die Freiheit und Sicherheit der Donauschiffahrt wiederherzustellen71. Zudem wurde der UN-Sicherheitsrat aufgerufen, gegen diesen „manifesten Bruch des Völkerrechts“ einzuschreiten72. Am 13. Oktober 1993 erklärte der Sicherheitsrat sein Bedauern über die „Donaublockade“ und hielt der jugoslawischen Führung vor, durch ihre Passivität ihr Einverständnis mit den Blockademaßnahmen zum Ausdruck gebracht zu haben73. Es sei vollkommen inakzeptabel, daß damit Repressalien gegen die Umsetzung der Sicherheitsratsresolutionen ergriffen würden; immerhin handelten die betroffenen Staaten in Erfüllung ihrer Pflichten gemäß der UN-Satzung74. Die Abfolge der Ereignisse läßt keinen Zweifel daran, daß die jugoslawische Führung die anderen Donaustaaten gezielt unter Druck setzen wollte, um eine Lockerung des Sanktionsregimes zu erreichen. Dabei hat Jugoslawien sich das Vorgehen der paramilitärischen Einheiten zu eigen gemacht75 und hat damit seine internationale Verantwortlichkeit ausgelöst. Weitere Zwischenfälle ereigneten sich, weil zeitweise serbische Banden auf der Donau kreuzten, um passierende Schiffe zu kapern und die Ladun67 Vgl. die Deklaration des bulgarischen Außenministeriums, 2. März 1993, Anhang zum bulgarischen Schreiben vom 4. März 1993, S/25373, ibid., S. 234 f. (S. 234). 68 Zu den Kontrollen der WEU und der KSZE siehe oben, bei Anm. 59. 69 Stellungnahme des ukrainischen Vertreters in der Donaukommission, 12. April 1994, CD/SES 52/PV 1, Procès-Verbaux de la Commission du Danube, Bd. 52 (1994), S. 11 ff. (S. 35). 70 Ibid. 71 Bulgarische Deklaration vom 2. März 1993 (Anm. 67, S. 234 f.), österreichisches Schreiben an den UN-Sicherheitsrat vom 30. Juli 1993, S/26206, Conseil de Sécurité, Documents officiels, Suppl. III 1993, S. 135. 72 Ibid. 73 Im Namen des UN-Sicherheitsrats abgegebene Erklärung des Präsidenten des Sicherheitsrats, Sitzung vom 13. Oktober 1993, S/PV. 3290, S. 6 (entspr. S/26572). 74 Ibid. 75 Zur ausnahmsweisen Zurechenbarkeit des Verhaltens Privater zum Staat siehe Artikel 11 der ILC’s Articles on State Responsibility, Annex zur Resolution 56/83 der UN-Generalversammlung, 28. Januar 2002.

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gen in jugoslawischen Häfen „an Land“ zu bringen76. Es ist allerdings nicht ersichtlich, daß offizielle jugoslawische Stellen dieses Verhalten gesteuert oder sich zu eigen gemacht hätten. Ganz offiziell wurde hingegen eine hohe „Sicherheitsgebühr“ eingetrieben, mit der fehlende eigene Einkünfte aus der Donauschiffahrt kompensiert werden sollten77. b) Die Erhebung einer „Sicherheitsgebühr“ auf den Transitverkehr Bereits zu Beginn des Jahres 1993 hatte die jugoslawische Führung eine hohe „Sicherheitsgebühr“ eingeführt78, mit der angeblich die Sicherheit bei der Passage über den jugoslawischen Donauabschnitt gewährleistet werden sollte79. Es bestehe sonst keine Möglichkeit, die Arbeiten zur Sicherung des Schiffahrtweges zu finanzieren, und es drohten sonst Unfälle oder andere Risiken80. Da Jugoslawien durch die Entscheidungen des Sicherheitsrats seiner Rechte gemäß der Belgrader Konvention beraubt sei, sehe man sich gezwungen „de prendre des mesures coercitives“81. Die Schiffahrtsfreiheit „ne peut avoir qu’un caractère universel, être la même pour tous, sans exception“82. Da man trotz des Sanktionsregimes die Schiffahrtsfreiheit zu gewährleisten habe, müsse dies nunmehr mit der „Sicherheitsgebühr“ kompensiert werden. 76 United States Energy Information Administration, 10. Juni 1999, Enforcement of Serbian Sanctions and Embargo, www.eia.doe.gov/emeu/cabs/serbsanc.html. Terminologisch nicht exakt ist es, wenn in diesem Zusammenhang von „Piraterie“ gesprochen wird (so aber ibid.). Akte von Piraterie können grundsätzlich nur im herrschaftslosen Raum des offenen Meeres begangenen werden, nicht aber auf Flüssen, vgl. für den Amazonas das britische Urteil Republic of Bolivia v. Indemnity Mutual Marine Assurance Company (1909), G. H. Hackworth, Digest of International Law, Bd. II (1941), S. 687 f. (S. 687 f.), ursprünglich in: King’s Bench Division, Bd. 1, S. 785 ff. (S. 799, 802 f.), sowie für den im Hudson River gelegenen Hafen von New York das US-amerikanische Urteil Britannia Shipping Corporation v. Globe & Rutgers Fire Ins. Co. (1930), Hackworth (a. a. O.), S. 688 f. (S. 688 f.), ursprünglich in: N.Y. Supp., Bd. 244, S. 720 ff. (S. 722 ff.). 77 Erklärung des jugoslawischen Vertreters in der Donaukommission, 20. April 1993, CD/SES 51/PV 1, Procès-Verbaux de la Commission du Danube, Bd. 51 (1993), S. 11 ff. (S. 19 f.). 78 Laut M. Sengpiel, Das Recht der Freiheit der Schiffahrt auf Rhein und Donau (1998), S. 126, betrug die Abgabe 2 US-Dollar pro BRT zuzüglich 1,86 US-Dollar pro kW Maschinenleistung – die daraus resultierenden Kosten sind als exorbitant anzusehen. 79 Erklärung des jugoslawischen Vertreters in der Donaukommission, 20. April 1993, CD/SES 51/PV 1, ibid. 80 Idem, 28. April 1993, CD/SES 51/PV 2, ibid., S. 29 ff. (S. 41). 81 Ibid. 82 Ibid. (S. 40).

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Die Donaukommission verabschiedete am 28. April 1993 eine Resolution, nach der die unilaterale Einführung von Gebühren und Abgaben eine Verletzung der Belgrader Konvention darstellte83. Alle vertraglichen Pflichten, die vom Sanktionsregime nicht betroffen seien, müßten weiterhin strikt eingehalten werden84. Nach Artikel 42 der Belgrader Konvention85 dürfen für den bloßen Transit keine Abgaben erhoben werden, und nach Artikel 37 der Belgrader Konvention dürfen zulässige Gebühren und Abgaben nicht als Profitquelle mißbraucht werden. Die allgemein für den Unterhalt des Schiffahrtsweges zulässigen Abgaben müssen gemäß Artikel 35 der Belgrader Konvention mit der Donaukommission abgestimmt sein. Die jugoslawische „Sicherheitsgebühr“ verstieß gegen sämtliche dieser Vorschriften86, so daß die betroffenen Donaustaaten zu Recht meinten, es handle sich um eine „offensichtliche“ Verletzung des Belgrader Statuts87. Die jugoslawische „Sicherheitsgebühr“ wurde auch vom UN-Sicherheitsrat als völkerrechtswidrig verurteilt88. Durch seinen Präsidenten forderte er am 13. Oktober 1993 die sofortige Abschaffung und wies die jugoslawischen Rechtfertigungsversuche als haltlos zurück. Auch insoweit war der Sicherheitsrat der Meinung, daß es sich um eine unzulässige Repressalie gegen das Sanktionsregime handle89. Neben der Verletzung der Belgrader Konvention verstieß die Sonderabgabe gegen die Sicherheitsratsresolution 757 (1992): Danach war es sowohl 83

Resolution der Donaukommission, 28. April 1993, CD/SES 51/40, ibid., S. 86. Abs. 6 Lit. a) der Resolution der Donaukommission, 28. April 1993, CD/SES 51/41, ibid., S. 87 f. Die betreffende Rechtsansicht der Donaukommission ist sicherlich zutreffend; faktisch entfiel aber für das sanktionierte Jugoslawien jedes Interesse, die Schiffahrtsfreiheit auf der Donau weiter zu gewährleisten. An den resultierenden Schwierigkeiten zeigt sich die Interdependenz der mit der Belgrader Konvention eingegangenen Verpflichtungen: Die Aussetzung der Vertragserfüllung gegenüber einem Vertragsstaat gefährdet sogleich die Rechte aller anderen Staaten; zur integralen Erfüllungsstruktur von Nutzungsregimes siehe E. Klein, Statusverträge im Völkerrecht (1980), S. 236, sowie Art. 60 Abs. 2 Lit. c) der Wiener Vertragsrechtskonvention, 23. Mai 1969, BGBl. 1985 II S. 926. 85 18. August 1948, UNTS Bd. 33, S. 196. 86 Der ungarische Vertreter und Präsident der Donaukommission nannte in der Kommissionssitzung vom 16. April 1996 nur die Art. 35 und 42 der Belgrader Konvention, CD/SES 54/PV 1, Procès-Verbaux de la Commission du Danube, Bd. 54 (1996), S. 11 ff. (S. 14). 87 Vgl. die Stellungnahmen des ungarischen und österreichischen Vertreters in der Donaukommission, 12. April 1995, CD/SES 53/PV 2, ibid., Bd. 53 (1995), S. 41 ff. (S. 76 bzw. S. 83). 88 Im Namen des Sicherheitsrats abgegebene Erklärung des Präsidenten des Sicherheitsrats, Sitzung vom 13. Oktober 1993, S/PV. 3290, S. 6 (entspr. S/26572). 89 Ibid.; vgl. schon oben, bei Anm. 73, 74. 84

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Staaten als auch Privatleuten verboten, der jugoslawischen Führung jedwede Zahlungsmittel zur Verfügung zu stellen90. Wohl aus Rücksicht auf die betroffenen Donaustaaten sah der Sicherheitsrat aber zunächst davon ab, auf diesen Verstoß explizit hinzuweisen91. Trotz der allgemeinen Proteste hob Jugoslawien den „tarif pour l’utilisation des objets de sécurité de la navigation“92 erst nach der Suspension der Sanktionen am 22. November 199593 auf94. In den Folgejahren forderten die übrigen Donaustaaten vergebens eine Rückerstattung der rechtswidrig erhobenen Abgabe95. Immerhin erreichten sie 1996, daß Jugoslawien seinen (unter Hinweis auf die Sanktionen zurückbehaltenen96) Mitgliedsbeitrag an die Donaukommission nachzahlte97. 3. Die Unterstützung von Drittstaaten gemäß Artikel 50 der UN-Charta Der Artikel 50 der UN-Charta besagt, daß Staaten, die wegen der Durchführung von Sanktionen gegen einen anderen Staat „vor besondere wirtschaftliche Probleme“ gestellt sind, den Sicherheitsrat zwecks Lösung dieser Probleme „konsultieren“ können98. Dieses Recht wurde in der Präambel 90

Abs. 5 der Sicherheitsratsresolution 757 (1992), 30. Mai 1992. Die Verantwortung für den Verstoß wurde später Jugoslawien angelastet, das zugleich zur Rückzahlung aufgefordert wurde, Präambel der Sicherheitsratsresolution 992 (1995), 11. Mai 1995. Implizit wurde dabei die erzwungene Entrichtung der Abgabe durch die Binnenschiffer geduldet. 92 Zur Bezeichnung siehe die Erklärung des jugoslawischen Vertreters in der Donaukommission, 20. April 1993, CD/SES 51/PV 1, Procès-Verbaux de la Commission du Danube, Bd. 51 (1993), S. 11 ff. (S. 20). 93 Sicherheitsratsresolution 1022 (1995) vom 22. November 1995; die endgültige Aufhebung der Sanktionen erfolgte durch die Resolution 1074 (1996) vom 1. Dezember 1996. 94 Vgl. die Stellungnahme des russischen Vertreters in der Donaukommission, 16. April 1996, CD/SES 54/PV 1, Procès-Verbaux de la Commission du Danube, Bd. 54 (1996), S. 11 ff. (S. 36). 95 Bericht der Präsidentin der Donaukommission, 15. April 1997, CD/SES 55/PV 1, ibid., Bd. 55 (1997), S. 15 ff. (S. 20). 96 Stellungnahme des jugoslawischen Vertreters in der Donaukommission, 21. April 1994, CD/SES 52/PV 2, ibid., Bd. 52 (1994), S. 49 ff. (S. 55). 97 Idem., 16. April 1996, CD/SES 54/PV 1, ibid., Bd. 54 (1996), S. 11 ff. (S. 25). 98 Der Wortlaut des Art. 50 UN-Charta besagt: „If preventive or enforcement measures against any state are taken by the Security Council, any other state, whether a Member of the United Nations or not, which finds itself confronted with special economic problems arising from the carrying out of those measures shall have the right to consult the Security Council with regard to a solution of those problems“. 91

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2. Kap.: Mögliche Einschränkungen der Schiffahrtsfreiheit

der Resolution 757 (1992) vom 30. Mai 1992 explizit in Erinnerung gerufen. Zahlreiche Staaten – vor allem die Anlieger der unteren und mittleren Donau – reichten daraufhin Berichte und Anfragen ein, um eine Unterstützung bezüglich sanktionsbedingter wirtschaftlicher Schwierigkeiten zu erhalten99. Durch die Resolution 843 (1993) vom 18. Juni 1993 beauftragte der Sicherheitsrat das Sanktionskomitee für das ehemalige Jugoslawien100, die eingegangenen Hilfsgesuche auszuwerten und einen Vorschlag hinsichtlich der erforderlichen Maßnahmen zu unterbreiten. Das Sanktionskomitee legte am 2. Juli 1993 seinen Bericht vor, in dem festgestellt wurde, daß diverse Staaten (darunter die Ukraine, Rumänien, Bulgarien und Ungarn) unter besonderen wirtschaftlichen Problemen im Sinne von Artikel 50 der UNCharta litten101. Zugleich wurde ein Appell lanciert, durch den alle Staaten dazu aufgerufen wurden, den betroffenen Staaten eine rasche technische, finanzielle und materielle Unterstützung zukommen zu lassen102. Die internationalen Organisationen der UN-Familie, regionale Entwicklungsbanken etc. wurden ersucht, im Rahmen ihrer Tätigkeitsfelder zu prüfen, ob sie zur Unterstützung der Betroffenen beitragen könnten103. Die Generalversammlung der Vereinten Nationen drückte durch die Resolution 48/210 vom 21. Dezember 1993 ihre Besorgnis darüber aus, daß Nachbarstaaten der Bundesrepublik Jugoslawien sowie andere Donaustaaten infolge der Sanktionen besonderen wirtschaftlichen Schwierigkeiten ausgesetzt seien, unter anderem weil „traditional transport and communications links“ unterbrochen worden wären104. Im übrigen schloß sich die Generalversammlung dem vom Sanktionskomitee formulierten Appell an105. Das Vorgehen der Vereinten Nationen bei der Anwendung des Artikel 50 UN-Charta auf die Sanktionen während des Bosnienkonflikts entspricht 99 Siehe das rumänische Schreiben an den UN-Generalsekretär, 29. Januar 1993, S/25207, Conseil de Sécurité, Documents officiels, Suppl. I 1993, S. 135 ff., das ukrainische Schreiben an den Sicherheitsrat, 19. April 1993, S/25630, ibid., Suppl. II 1993, S. 82 ff., das bulgarische Schreiben an den Sicherheitsrat, 7. Mai 1993, S/ 25743, ibid., Suppl. II 1993, S. 188 f.; vgl. auch das slowakische Schreiben an den Sicherheitsrat, 25. Oktober 1993, S/26648, ibid., Suppl. IV 1993, S. 126 ff. 100 Das Sanktionskomitee wurde gemäß der Resolution 724 (1991), 15. Dezember 1991, eingerichtet. 101 Bericht des Sanktionskomitees für das ehemalige Jugoslawien, 2. Juli 1993, S/26040, Conseil de Sécurité, Documents officiels, Suppl. III 1993, S. 30 ff. (S. 31). 102 Ibid. (S. 31 ff.), Ziff. 3 der jeweils länderbezogenen Empfehlung. 103 Ibid. (S. 31 ff.), jeweilige Ziff. 4 der länderbezogenen Empfehlungen. 104 Abs. 6 der Resolution der Generalversammlung 48/210 vom 21. Dezember 1993. 105 Abs. 10 Ziff. 3 f. der Resolution 48/210.

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ihrer Praxis bezüglich anderer Sanktionsregime106. Die Vereinten Nationen beschränken sich üblicherweise darauf, spezialisierte (Unter-)Organisationen sowie einzelne Geberländer zu Hilfsmaßnahmen zu animieren, ohne eigene Finanzmittel bereitzustellen107. Gegen diese Praxis ist im Hinblick auf Artikel 50 der UN-Charta nichts einzuwenden, weil dieser nur ein Recht auf Anhörung gewährt, nicht aber ein Recht auf unmittelbare Hilfe108. Die Beschränkung auf bloße Appelle kann jedoch dazu führen, daß die betroffenen Drittstaaten keine hinreichende Unterstützung erfahren. Ende Januar 1994 organisierte die KSZE ein Treffen zwischen Geberländern, internationalen Organisationen und den vom Embargo gegen die Bundesrepublik Jugoslawien beeinträchtigten Drittstaaten109. Dabei wurde nach dem Bericht des ukrainischen Vertreters in der Donaukommission festgelegt, daß in erster Linie die Nachbarstaaten Jugoslawiens unterstützt werden sollten110. Weiterhin sollten keine direkten Entschädigungen gezahlt werden, sondern eher Kreditfazilitäten eröffnet und konkrete Projekte gefördert werden111. In einem Schreiben vom 24. Mai 1995 beklagten sich die vom Sanktionsregime beeinträchtigten Donaustaaten darüber, daß zahlreiche Probleme bislang nicht zu ihrer Zufriedenheit geregelt worden wären112. Insbesondere forderten sie die Bereitstellung zusätzlicher Mittel der Weltbankgruppe, um damit dringend nötige Verkehrsinfrastrukturmaßnahmen durchführen zu können113. Weiterhin habe man beim Sanktionskomitee des Sicherheitsrats wiederholt gebeten, die Transitbeschränkungen über den jugoslawischen 106 Vgl. den Bericht des UN-Generalsekretärs zu Art. 50 SVN, 8. November 1993, S/26705 bzw. A/48/573-S-S/26705, Conseil de Sécurité, Documents officiels, Suppl. IV 1993, S. 162 ff. (passim), B.-O. Bryde/A. Reinisch, in: B. Simma, The Charter of the United Nations, Bd. I (2. Aufl. 2002), S. 786 f. (Art. 50, Rn. 11, 13). 107 Vgl. ibid. Laut P. M. Eisemann, Kommentar zu Art. 50 SVN, in: J.-P. Cot/A. Pellet, La Charte des Nations Unies (2. Aufl. 1991), S. 763 ff. (S. 766), geht diese Praxis ursprünglich darauf zurück, daß die UdSSR die finanziellen Konsequenzen einer Zwangsmaßnahme möglichst dem sanktionierten Staat oder den „politisch Verantwortlichen“ auferlegen wollte. 108 Ibid. (S. 765). 109 Jahresbericht der KSZE für 1994, Gliederungspunkt II.2.1.5, in: U. Fastenrath, KSZE/OSZE (Losebl.-Ausg.), Dokument K.1, S. 16. 110 Bericht des ukrainischen Vertreters in der Donaukommission, 12. April 1994, CD/SES 52/PV 1, Procès-Verbaux de la Commission du Danube, Bd. 52 (1994), S. 11 ff. (S. 36). 111 Ibid. 112 Schreiben an den UN-Generalsekretär, A/50/189 bzw. S/1995/412, 24. Mai 1995, in: S. Trifunovska, Former Yugoslavia Through Documents (1999), S. 1050 f. (S. 1050). 113 Ibid. (S. 1051), Nr. 3 der „Prioritätenliste“.

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2. Kap.: Mögliche Einschränkungen der Schiffahrtsfreiheit

Donauabschnitt zu lockern, ohne daß die Anfragen bislang beantwortet worden wären114. Die Ukraine monierte nach dem Ende des Bosnienkonflikts wiederholt, durch die Sanktionen wirtschaftliche Einbußen in Höhe von vier Milliarden US-Dollar erlitten zu haben, dafür aber in keiner Weise entschädigt worden zu sein115. Demgegenüber waren Rumänien und Bulgarien – die wegen ihrer größeren Abhängigkeit von der Donauschiffahrt116 noch höhere Verluste erlitten hatten117 – mit öffentlichen Klagen deutlich zurückhaltender. Die Hilfen für die Nachbarstaaten Jugoslawiens wurden offenbar zu wesentlichen Teilen über Programme der Europäischen Union bereitgestellt118. Bei der Verteilung der Mittel könnte unter anderem die jeweilige Kooperation bei der Durchsetzung des Sanktionsregimes eine Rolle gespielt haben – zumindest wurde vom ukrainischen Außenminister geäußert, es bestehe ein Zusammenhang zwischen einer effizienten Hilfe gemäß Artikel 50 der UNCharta und der Motivation betroffener Staaten, das Sanktionsregime rigide umzusetzen119. *** Die Charakteristik des Bosnienkonflikts als einer Art internationalisierter Bürgerkrieg spiegelt sich in der Situation der Donauschiffahrt wider: Die jugoslawische Führung instrumentalisierte das Verhalten privater Gruppen, um damit die Haltung anderer Staaten zum UN-Embargo zu beeinflussen. Die betroffenen Staaten waren ihrerseits nach dem Sanktionsregime verpflichtet, Embargoverstöße von Privatleuten als kriminelles Verhalten zu ahnden. Auf die Belange der Handelsschiffahrt wurde bei alledem wenig Rücksicht genommen: Das Sanktionskomitee verweigerte eine Liberalisie114

Ibid. (S. 1050), Nr. 1 der „Prioritätenliste“. Rede des ukrainischen Außenministers B. Tarasyuk in New York, 2. Mai 2000, The New Geopolitics of Southeastern Europe, www.mfa.gov.ua/eng/info/tara syuk/r2000/0502.html; vgl. auch die Angaben des ukrainischen Vertreters in der Donaukommission, 16.April 1996, CD/SES 54/PV 1, Procès-Verbaux de la Commission du Danube, Bd. 54 (1996), S. 11 ff. (S. 29). 116 Bulgarien führte wegen seiner schlechten Verkehrinfrastruktur bis Anfang der neunziger Jahre 65 Prozent seiner Exporte über die Donau aus; Rumänien exportierte jährlich Waren im Wert von ca. 1,7 Milliarden FF über die Donau, Le Point, 17 September 1999 (La bataille du Danube). 117 L. E. Fielding, Maritime Interception and U.N. Sanctions (1997), S. 284, beziffert die gesamten sanktionsbedingten Verluste für Bulgarien mit sechs Milliarden US-Dollar und für Rumänien mit über acht Milliarden US-Dollar. 118 Vgl. Bryde/Reinisch, in: Simma (Anm. 106), S. 787 (Art. 50, Rn. 14). 119 Rede des ukrainischen Außenministers B. Tarasyuk vom 2. Mai 2000 (Anm. 115). 115

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rung des Transits über den jugoslawischen Donauabschnitt und rief statt dessen zu wirtschaftlicher Hilfe für die geschädigten Drittstaaten auf120. Die vom Sicherheitsrat angeordneten Verkehrsbeschränkungen auf der Donau weisen kaum Gemeinsamkeiten mit den traditionellen Instituten des Kriegs- und Neutralitätsrechts auf. Die internationale Kontrolle der Donauschiffahrt entsprach eher einer Polizeiaktion zwecks Durchsetzung allgemeingültiger Regeln121, wobei dem Sanktionskomitee bezüglich der Erteilung der Transitgenehmigungen quasi die Funktion einer Verwaltungsbehörde zukam122. Für den Sicherheitsrat stellt sich beim Erlaß von Maßnahmen gemäß Artikel 41 und 42 der UN-Charta nicht das Problem, widerstreitende militärische und wirtschaftliche Interessen gemäß dem herkömmlichen Neutralitätsrecht zum Ausgleich zu bringen, sondern er muß die unterschiedlichen Interessen der internationalen Gemeinschaft abwägen und die nötigen Prioritäten setzen. Fraglich ist indes, ob auch beim Fehlen entsprechender Sicherheitsratsresolutionen Embargomaßnahmen gegenüber der Donauschiffahrt durchgesetzt werden können.

III. Das Ölembargo der NATO während des Kosovokonflikts 1999 Während des Kosovokonflikts im Frühjahr 1999 entschlossen sich die NATO-Staaten, die Bundesrepublik Jugoslawien mit einem Erdölembargo zu belegen123, um so das gewaltsame Vorgehen jugoslawischer Sicherheitskräfte gegen die Zivilbevölkerung im Kosovo zu behindern124. Die Europäische Union schloß sich durch den Gemeinsamen Standpunkt vom 23. April 1999 dem Embargo an und forderte ihre Partnerstaaten dazu auf, dem 120 Das strikte Festhalten an der universellen Umsetzung von Embargomaßnahmen entspricht der üblichen Praxis des UN-Sicherheitsrats, Bryde/Reinisch, in: Simma (Anm. 106), S. 788 (Art. 50, Rn. 15 in fine). Zu einer punktuellen Ausnahme siehe oben, bei Anm. 90, 91. 121 Zur Ähnlichkeit von UN-Sanktionen mit Polizeimaßnahmen siehe G. Scelle, Quelques réflexions sur l’abolition de la compétence de guerre, RGDIP 1954, S. 5 ff. (S. 11 f.); zur Anwendung dieses Gedankens auf die Sperrung internationaler Wasserstraßen vgl. idem, Manuel de droit international public (1948), S. 451, Anm. 1. 122 Zu ähnlichen Regeln des deutschen Kriegswaffenkontrollgesetzes siehe oben, § 6, Anm. 401. 123 Beschluß des NATO-Rats auf Ebene der Verteidigungsminister, 23. April 1999, vgl. Washington Post, 25. April 1999, S. A27 (Russia Objects, Some Allies Balk at Embargo Plan). 124 Siehe die Erläuterungen von NATO-Sprecher Jamie Shea in der Pressekonferenz vom 27. April 1999, www.nato.int/kosovo/press/p990427a.htm.

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2. Kap.: Mögliche Einschränkungen der Schiffahrtsfreiheit

betreffenden Standpunkt beizutreten125. Das Embargo wurde daraufhin von nahezu allen europäischen Staaten mit Ausnahme Rußlands und der Ukraine umgesetzt126. Die Ukraine hatte zu Beginn des Konflikts eine Mittlerrolle zwischen der NATO und Jugoslawien einnehmen wollen und dabei vergeblich versucht, die jugoslawische Führung von den Gewalttaten im Kosovo abzubringen127. Eine Beteiligung am Embargo wurde nun nicht wegen politischer oder rechtlicher Bedenken abgelehnt128, sondern es wurde schlicht auf die wirtschaftlichen Einbußen verwiesen, welche die Ukraine durch den Konflikt bereits erlitten hatte129. Rußland hingegen meinte, die NATO verletze durch die Luftangriffe das Gewaltverbot gemäß Artikel 2 Ziffer 4 der UNCharta130 und könne ohne die Zustimmung des Sicherheitsrats keinerlei Sanktionen oder Embargomaßnahmen durchsetzen131. Die Frage der Durchsetzbarkeit des Erdölembargos wurde von den NATO-Staaten sehr unterschiedlich beurteilt. Im Pentagon wurde erwogen, 125

Art. 1 und 2 des Gemeinsamen Standpunktes des Rates der EU betreffend des Ölembargos gegen die BRJ, 23. April 1999, ABl. Nr. L 108 vom 27. April 1999, S. 1 (1999/273/GASP). 126 Zur Umsetzung in der EU siehe die Verordnung (EG) Nr. 900/1999 betreffend des Ölembargos gegen die BRJ, 29. April 1999, ABl. Nr. L 114 vom 1. Mai 1999, S. 7; zur Umsetzung durch Bulgarien und Rumänien siehe den Bericht des United States Institute of Peace, 20. September 1999, De-Balkanizing the Balkans: Security and Stability in Southeastern Europe, www.usip.org/oc/sr/sr990920/sr990920.html. 127 Rede des ukrainischen Außenministers Borys Tarasyuk bei einer NATO-Konferenz in Budapest, 22. Juni 1999, Ukraine-NATO Relations in the Context of New European Security Architecture of the 21st Century, www.brama.com/ua-consulate/ 2206_vye.html. 128 Vgl. die Rede des ukrainischen Außenministers B. Tarasyuk, ibid.: „[W]e believe that mass and flagrant violations of human rights leading to a humanitarian disaster can not be considered as the sole prerogative of a sovereign state [. . .] Therefore Ukraine clearly condemned ethnic violence in Kosovo [. . .] There is no doubt that such human crises require interference from the international community“. 129 Stellungnahme des ukrainischen Außenministers B. Tarasyuk, Radio Free Europe/Radio Liberty, 27. Mai 1999 (Yugoslavia: NATO Pressures Ukraine To End Oil Shipments To Belgrade), www.rferl.org/nca/features/1999/05/F.RU.99052713 2603.html. 130 Betreffend der Ablehnung eines russisch/indischen Resolutionsentwurfs, mit dem die NATO-Luftangriffe als Verletzung des Gewaltverbots verurteilt werden sollten, siehe die Presseerklärung des UN-Sicherheitsrats vom 26. März 1999, CS/ 1036; vgl. auch die Stellungnahme des russischen Vertreters im Sicherheitsrat, PV der 3988. Sitzung, 23. März 1999, S. 2 f. 131 Stellungnahme des russischen Außenministers Igor Ivanow, Guardian Unlimited, 26. April 1999 (Russia plays down oil clash), www.guardian.co.uk/yeltsin/ Story/0,2763,205458,00.html.

§ 7 Beschränkung zum Schutz kollektiver Interessen

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die Sicherheitsratsresolution 1160 (1998) vom 31. März 1998 als Rechtsgrundlage heranzuziehen132. Darin war allerdings nur ein gegen Jugoslawien gerichtetes Waffenembargo vorgesehen133 und die Resolution enthielt auch keine Autorisierung für Kontrollen der internationalen Schiffahrt. USPräsident Clinton und der britische Premierminister Blair waren dennoch der Meinung, ein „visit-and-search“-Regime in der Adria durchführen zu können134. Der französische Präsident Chirac hielt entgegen, das zwangsweise Anhalten von Schiffen könne als Akt der Seekriegführung ausgelegt werden und lehnte deshalb (unterstützt von Italien und Griechenland) die Durchführung solcher Maßnahmen entschieden ab135. Wegen des in der NATO gültigen Konsensprinzips136 wurden daraufhin keine Kontrollen der Handelsschiffahrt durchgeführt. Angesichts dieser Unstimmigkeiten ist es nachvollziehbar, daß Rumänien und Bulgarien sich weigerten, russischen und ukrainischen Tankschiffen den Transit nach Jugoslawien zu verwehren137. Es stellt sich aber dennoch die Frage, ob eine solche Maßnahme unter Umständen zu rechtfertigen gewesen wäre. Vom ehemaligen Vorsitzenden der International Law Commission wurde darauf hingewiesen, daß das Ölembargo auf den Rechtsgedanken des Artikel 41 Absatz 1 der ILC’s Articles on State Responsibility138 hätte gestützt werden können139. Danach sind alle Staaten verpflichtet, zusammenzuarbeiten, um schweren Verletzungen zwingender Normen des allgemeinen Völkerrechts entgegenzuwirken140. Die Gewaltakte und Vertreibungen im Ko132 Washington Post, 25. April 1999, S. A27 (Russia Objects, Some Allies Balk at Embargo Plan), F. L. Kirgis, NATO Interdiction of Oil Tankers Bound for Yugoslavia, ASIL Insights Nr. 33 (April 1999), www.asil.org/insights/insigh33.htm #author. 133 Abs. 8 der Sicherheitsratsresolution 1160 (1998), 31. März 1998. 134 Guardian Unlimited, 26. April 1999 (Russia plays down oil clash), www. guardian.co.uk/yeltsin/Story/0,2763,205458,00.html. 135 Washington Post, 25. April 1999, S. A27 (Russia Objects, Some Allies Balk at Embargo Plan). 136 Zum Konsensprinzips bei Entscheidungen des NATO-Rats siehe A. Novosseloff, L’organisation politico-militaire de l’O.T.A.N. à l’épreuve de la crise du Kosovo, Annuaire français de relations internationales 2000 (Bd. 1), S. 179 ff. (www.stratisc.org/act/tri_alexnovo_afri.html). 137 Vgl. Radio Free Europe/Radio Liberty, 27. Mai 1999 (Yugoslavia: NATO Pressures Ukraine To End Oil Shipments To Belgrade), www.rferl.org/nca/features/ 1999/05/F.RU.990527132603.html. 138 Annex zur Resolution 56/83 der UN-Generalversammlung, 28. Januar 2002. 139 A. Pellet, La Guerre du Kosovo – Le fait rattrapé par le droit, ILFDI 1999, S. 160 ff. (S. 163). 140 Art. 41 Abs. 1 i. V. m. Art. 40 der ILC’s Articles on State Responsibility.

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2. Kap.: Mögliche Einschränkungen der Schiffahrtsfreiheit

sovo stellten einen derart qualifizierten Bruch des Völkerrechts dar141, und eine Pflicht zur Teilnahme am Embargo wäre somit an sich durchaus begründbar gewesen. Problematisch war jedoch, daß der NATO seitens Rußlands vorgeworfen wurde, mit der Durchführung der Luftangriffe gegen das ius cogens darstellende Gewaltverbot zu verstoßen142 – in der betreffenden Kontroverse dürfe wohl der eigentliche Beweggrund für den Verzicht auf Maßnahmen gegen die Zivilschiffahrt zu finden sein143. Zur effektiven Durchführung des Embargos wäre nach den Erfahrungen des Bosnienkonflikts eine konsequente Überwachung der Donauschiffahrt erforderlich gewesen. Das Anhalten und Durchsuchen der Schiffe hätte – anders als auf hoher See – keiner besonderen Rechtsgrundlage bedurft, weil die Gewährung der Schiffahrtsfreiheit gemäß Artikel 26 der Belgrader Konvention144 unter dem Vorbehalt der Anwendung polizei- und zollrechtlicher Kontrollen steht145. Im Falle der Feststellung eines Embargoverstoßes wäre der Flaggenstaat gemäß Artikel 41 Absatz 1 der ILC’s Articles verpflichtet gewesen, eine Verweigerung des Transits zwecks Repression der ius cogens-Verletzung hinzunehmen146. 141

Im Schrifttum wurden allgemein schwere und systematische Menschenrechtsverletzungen konstatiert, vgl. z. B. B. Simma, NATO, the UN and the Use of Force, EJIL 1999, S. 1 ff. (S. 2), zum Teil war sogar von Genozid die Rede, vgl. R. Falk, Kosovo, World Order, and the Future of International Law, AJIL 1999, S. 847 ff. (S. 848), A. Pellet, Brief Remarks on the Unilateral Use of Force, EJIL 2000, S. 385 ff. (S. 388). Die „ethnischen Säuberungen“ entsprachen zudem der Definition von Apartheid i. S. v. Art. II der Konvention zur Eliminierung und Repression des Verbrechens der Apartheid, UNTS Bd. 1015, S. 243. 142 Vgl. oben, Anm. 130. 143 Die Ankündigung der NATO, das Ölembargo durch Kontrollen der Zivilschiffahrt durchsetzen zu wollen, hatte in Rußland äußerste Verärgerung hervorgerufen; der ehemalige russische Ministerpräsident und Balkanbeauftragte Viktor Tschernomyrdin deutete sogar an, es könnte zu einer militärischen Konfrontation zwischen Rußland und der NATO kommen, Inquirer, 25. April 1999 (NATO, Russia Clash on Oil Cutoff), www.philly.com/specials/99/kosovo/Raw/oil0425.asp, Guardian Unlimited, 26. April 1999 (Russia plays down oil clash), www.guardian.co.uk/yeltsin/ Story/0,2763,205458,00.html. In westlichen Militärkreisen wurde es als schwerer taktischer Fehler bezeichnet, das Embargo nicht vor Beginn der Luftangriffe zu verhängen, als ein betreffender Konsens noch möglich gewesen wäre, Inquirer (a. a. O.). 144 18. August 1948, UNTS Bd. 33, S. 196. 145 Vgl. oben, bei Anm. 44 bis 48. Es ist hingegen zweifelhaft, ob eine Beschränkung der Schiffahrtsfreiheit zum Zwecke der Durchsetzung eines Embargos mit der traditionellen Ausnahme der „droits et devoirs des belligérants et des neutres en temps de guerre“ begründet werden kann, vgl. dazu oben, § 6, Anm. 404. Die Umsetzung kollektiver Zwangsmaßnahmen (ob mit oder ohne UN-Mandat) trägt nämlich in funktioneller Hinsicht weniger die Züge eines Krieges als jene einer internationalen Polizeiaktion, vgl. G. Scelle, Quelques réflexions sur l’abolition de la compétence de guerre, RGDIP 1954, S. 5 ff. (S. 11, Anm. 8).

§ 7 Beschränkung zum Schutz kollektiver Interessen

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Die Schiffahrtsfreiheit gemäß dem Belgrader Statut ist so auszulegen, daß sie der Durchführung konzertierter Aktionen gemäß Artikel 41 Absatz 1 der ILC’s Articles nicht entgegensteht. Ein entsprechender Präzedenzfall ist jedoch während des Kosovokonflikts nicht geschaffen worden, und es bleibt abzuwarten, ob die Regeln der Artikel 40 und 41 der ILC’s Articles sich in der Praxis überhaupt durchsetzen werden.

146 Insofern handelt es sich um eine Ausnahme vom Prinzip der Schiffahrtsfreiheit gemäß Art. 1 der Belgrader Konvention, 18. August 1948, UNTS Bd. 33, S. 196. Die Ausnahme erklärt sich damit, daß die Schiffahrtsfreiheit auf internationalen Flüssen eine zweckgebundene Freiheit der Handelsschiffahrt ist, vgl. ibid.: „La navigation sur le Danube sera libre et ouverte aux ressortissants, aux bateaux marchands et aux marchandises de tous les Etats“ etc. Bei einem Verstoß gegen ein allgemein verbindliches Handelsembargo kann die Schiffahrtsfreiheit deshalb nicht geltend gemacht werden.

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2. Kap.: Mögliche Einschränkungen der Schiffahrtsfreiheit

§ 8 Die Beeinträchtigung der Schiffahrt infolge von Kampfhandlungen Außer durch förmliche Blockaden kann die Schiffahrt faktisch durch das Legen von Minen (I.) oder die Errichtung von „Steinblockaden“ unterbunden werden (II.). Als Nebenwirkung kann auch das Sprengen von Brücken den Schiffsverkehr zum Erliegen bringen (III.).

I. Der Einsatz von Minen in der Donau Da die Donau (im Unterschied etwa zum Suezkanal) keiner Befriedung unterliegt, können sowohl zum Selbstschutz als auch zur offensiven Bekämpfung des Gegners Minen verwendet werden1. Dabei sind jedoch die allgemeinen Regeln zum Schutz der Zivilschiffahrt zu beachten (1.) und der Zugang zu neutralen Flußabschnitten zu gewährleisten2 (2.). 1. Die Beschränkungen zum Schutz der Zivilschiffahrt Nach Artikel 2 der VIII. Haager Konvention dürfen Minen nicht mit dem einzigen Ziel der Bekämpfung der Zivilschiffahrt gelegt werden3. Darüber 1

Zu den Verwendungsmöglichkeiten von Seeminen siehe Ziff. 1039 des Handbuchs des humanitären Völkerrechts in bewaffneten Konflikten, Bundesverteidigungsministerium, ZDv 15/2 (August 1992), Hrsg.: D. Fleck (1994); zur Zulässigkeit der Verwendung von Minen in internationalen Vertragsflüssen siehe E. Caratheodory, Das Stromgebietsrecht und die internationale Flußschiffahrt, in: F. v. Holtzendorff (Hrsg.), Handbuch des Völkerrechts, Bd. 2 (1887), S. 277 ff. (Endnote 6 zu § 73, S. 326). 2 Caratheodory (ibid.), Art. 40 des Harvard Research Draft on Rights and Duties of Neutral States in Naval and Aërial War, AJIL 1939 (Bd. 33), Suppl., S. 175 ff., Ziff. 87 des 1994 durch unabhängige, vom IIHL einberufene Fachleute erstellten San Remo Manual on International Law Applicable to Armed Conflicts at Sea, Hrsg.: L. Doswald-Beck (1995). 3 Die VIII. Haager Konvention über die Legung von unterseeischen selbsttätigen Kontaktminen, 18. Oktober 1907, Martens, NRG III 3, S. 580, betrifft ihrem Wortlaut nach nur die veralteten Kontaktminen. Sie wird aber in der Praxis als Leitfaden dafür herangezogen, welchen Beschränkungen der Einsatz auch moderner Minen unterliegt, W. Heintschel v. Heinegg, in: Fleck (Anm. 1), Kommentierung vor Ziff. 1039, S. 357, bei Anm. 185. Das Kapitel 9.2.3 Ziff. 7 des Handbuchs der USMarine, Department of the Navy, The Commander’s Handbook on the Law of Naval Operations, NWP 1-14M (Formerly NWP 9), besagt dementsprechend: „Naval mines may not be emplaced off the coasts and ports of the enemy with the sole objective of intercepting commercial shipping“. Vgl. auch das Urteil Military and Paramilitary Activities in and against Nicaragua (Nicaragua gegen USA), IGH, 27. Juni 1986, ICJ Reports 1986, S. 14 (S. 112, § 215).

§ 8 Beeinträchtigung der Schiffahrt infolge von Kampfhandlungen

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hinaus sind die Grundsätze der Überwachung, der Gefahrbeherrschung und der Warnung4 zu beachten und alle für die Sicherheit der Zivilschiffahrt möglichen Vorsichtsmaßnahmen zu treffen5. Diese allgemeinen Grundsätze gelten auch für den Einsatz von Minen in der Donau. Während des russisch-türkischen Krieges von 1877/78 bedienten sich beide Gegner des Einsatzes von Minen zu protektiven Zwecken6. Rußland versuchte durch das Legen von Minen, die Bewegungsfreiheit der türkischen Flotte in der Donaumündung sowie auf der unteren Donau einzuschränken. Die Türkei versuchte ihrerseits, das südliche Donauufer unter Zuhilfenahme von Minen zu verteidigen. Der Mineneinsatz als solcher führte zu keinen Beanstandungen seitens der Neutralen. Protest wurde nur gegenüber der Türkei erhoben, weil sie beim Minenlegen keine adäquaten Lagepläne anfertigte. Wegen der somit beim Räumen zu erwartenden Probleme erhob Österreich-Ungarn Protest und erhielt darauf die Zusicherung, daß die besagte Vorgehensweise geändert würde7. Nach dem Krieg bereitete die Minenräumung tatsächlich gewisse Schwierigkeiten, so daß noch Wochen nach dem Abschluß des Präliminarfriedens8 vor Gefahren durch Minen- und Munitionsreste gewarnt werden mußte9. Während des Ersten Weltkrieges wurden von beiden Kriegsparteien Minen gelegt, ohne daß daraus besondere Probleme für die zivile Donauschifffahrt erwachsen wären10. Während des Zweiten Weltkrieges wurde die Donau mehrfach massiv vermint. Ein protektiver Mineneinsatz erfolgte 1941 durch Rußland, um die Rückeroberung des nördlichen Donaudeltas durch Rumänien zu verhindern11. Ab April 1944 warfen von Italien operierende britische Flugzeuge rund 1000 Magnetminen in die Donau12. Die deutschverbündete Donauschiffahrt erlitt dadurch anfangs erhebliche Verluste und auch mehrere deutsche Kriegsschiffe, die von der Nord- und Ostsee ins Schwarze Meer überführt werden sollten, gingen verloren. Beim späteren Zurückweichen der 4

Zur der Warnung vgl. ibid. Ziff. 1040 des deutschen Handbuchs des humanitären Völkerrechts (Anm. 1). 6 J. P. Chamberlain, The Regime of International Rivers: Danube and Rhine, Dissertation, New York 1923, S. 63 f. 7 Ibid., S. 63, Anm. 6. 8 Präliminarfrieden von San Stefano, 3. März 1878, Martens, NRG II 3, S. 246. 9 Erklärung des Hafenmeisters von Galatz, 25. März 1878, Chamberlain (Anm. 6), S. 67. 10 Vgl. Der Weltkrieg, Bd. 9, Die Operationen des Jahres 1915, hrsg. vom Reichsarchiv (1933), S. 148, Chamberlain (Anm. 6), S. 124 ff. 11 J. Meister, Der Seekrieg in den osteuropäischen Gewässern 1941–45 (1958), S. 311. 12 Ibid., S. 311 f. 5

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2. Kap.: Mögliche Einschränkungen der Schiffahrtsfreiheit

deutschen Truppen wurden ebenfalls Minen eingesetzt, zunächst um die Donaumündung zu verteidigen und dann weiter stromaufwärts, um das Vordringen der sowjetischen Donauflottille zu behindern13. Am 5. und 6. Mai 1945 wurden nochmals 50 Treibminen in die Donau geworfen, um damit eine sowjetische Pontonbrücke bei Wien zu zerstören und die Schiffahrt auf der unteren Donau zu behindern14. Diese Maßnahme verstieß allerdings gegen Artikel 1 Ziffer 1 der VIII. Haager Konvention15, nach der Treibminen spätestens eine Stunde nach ihrer Legung inaktiv werden müssen16. Anläßlich der Konflikte beim Zerfall des ehemaligen Jugoslawien sind (soweit ersichtlich) keine Seeminen zum Einsatz gekommen. Während des Kosovokonflikts wurden bei der NATO diverse Überlegungen angestellt, mit welchen Mitteln die Zufuhr russischer Erdölprodukte nach Jugoslawien unterbunden werden konnte17. Ein Verminen der serbischen Flußhäfen wäre dabei kein zulässiges Mittel gewesen, weil der Einsatz von Minen zum alleinigen Zweck der Bekämpfung der Zivilschiffahrt verboten ist18. Die NATO beschränkte sich dementsprechend auf die Bombardierung der serbischen Hafenanlagen und Depots19. 2. Das Verbot der Unterbrechung neutraler Handelswege Die VIII. Haager Konvention20 trifft keine Regelung darüber, ob beim Legen von Minen der Zugang zu neutralen (Fluß-)Häfen gewährleistet bleiben muß21. Auch die offiziellen militärischen Handbücher enthalten keine 13

Ibid., S. 305, 312. Ibid., S. 312. 15 VIII. Haager Konvention über die Legung von unterseeischen selbsttätigen Kontaktminen, 18. Oktober 1907, Martens, NRG III 3, S. 580. 16 Vgl. die entsprechende Vorschrift in Kapitel 9.2.3 Ziff. 4 des Commander’s Handbook on the Law of Naval Operations (Anm. 3) sowie die Kommentierung von W. Heintschel v. Heinegg zu Ziff. 1040 des Handbuchs des humanitären Völkerrecht, in: Fleck (Anm. 1), S. 360, bei Anm. 210. 17 Bericht des Directeur des affaires juridiques im französischen Verteidigungsministerium, Marc Guillaume, bei einem Vortrag in der Université Paris X-Nanterre, Wintersemester 1999/2000; vgl. auch oben, § 7 III. 18 Vgl. oben, bei Anm. 3. 19 Nandotimes, 25. Mai 1999 (Albright concerned by oil headed to Yugoslavia), http://archive.nandotimes.com/Kosovo/story/general/0,2773,52863-84738-600351-0nandotimes,00.html. 20 VIII. Haager Konvention über die Legung von unterseeischen selbsttätigen Kontaktminen, 18. Oktober 1907, Martens, NRG III 3, S. 580. 21 Die VIII. Haager Konvention hat einen fragmentarischen Charakter und regelt z. B. nicht einmal das Verbot der Verminung neutraler Gewässer durch die Kriegfüh14

§ 8 Beeinträchtigung der Schiffahrt infolge von Kampfhandlungen

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Vorschriften zu dieser Frage: Das US-amerikanische Commander’s Handbook besagt zwar, beim Minenlegen dürfe der Transit durch internationale Meerengen nicht unterbunden werden22. Zur Frage des Zugangs zu neutralen Binnengewässern fehlt aber eine spezifische Regelung. Das deutsche Handbuch des humanitären Völkerrechts sieht allgemein vor, die Schifffahrtswege neutraler Staaten müßten „in angemessenem Umfang“ offen bleiben, soweit die Umstände dies erlaubten23. Es läge also nahe, zu folgern, daß ein kategorisches Verbot der Unterbrechung neutraler Schiffahrtswege nicht existiert. Das stünde aber im Gegensatz zur allgemeinen Auffassung im völkerrechtlichen Schrifttum. Bereits Franz von Holtzendorffs „Handbuch des Völkerrechts“ erachtete Belligerenten als verpflichtet, beim Legen von Minen in internationalen Flüssen eine Passage für die neutrale Schiffahrt freizuhalten24. Auch der 1939 verfaßte Harvard Research Draft on Rights and Duties of Neutral States besagt, es bestehe grundsätzlich ein Verbot, den Handel „in neutral vessels between two neutral ports“ zu unterbinden25. Das jüngst verabschiedete San Remo Manual sieht vor: „Mining shall not have the practical effect of preventing passage between neutral waters and international waters“26. Ebenso tendiert Michael Bothe dazu, zwischen der Freiheit der Belligerenten zum Minenlegen und der Freiheit der neutralen Schiffahrtswege der letzteren den Vorrang zu geben27. Der These vom Vorrang der Schiffahrtsfreiheit kann aus grundsätzlichen Erwägungen nicht ohne weiteres gefolgt werden – a priori ist es nämlich die „liberté des belligérants de se battre entre eux sur la haute mer qui renden, vgl. die Kommentierung W. Heintschel v. Heineggs vor Ziff. 1039 des Handbuchs des humanitären Völkerrechts in bewaffneten Konflikten, Hrsg.: D. Fleck (1994), S. 356. 22 Kapitel 9.2.3 Ziff. 6 Halbsatz 2 Alt. 1 des Commander’s Handbook on the Law of Naval Operations, Department of the Navy, NWP 1-14M (Formerly NWP 9). 23 Ziff. 1042 S. 2 Halbsatz 2 des Handbuchs des humanitären Völkerrechts in bewaffneten Konflikten, Bundesverteidigungsministerium, ZDv 15/2 (August 1992), Hrsg.: D. Fleck (1994). 24 E. Caratheodory, Das Stromgebietsrecht und die internationale Flußschiffahrt, in: F. v. Holtzendorff (Hrsg.), Handbuch des Völkerrechts, Bd. 2 (1887), S. 277 ff. (Endnote 6 zu § 73, S. 326). 25 Art. 40 des Harvard Research Draft on Rights and Duties of Neutral States in Naval and Aërial War, AJIL 1939 (Bd. 33), Suppl., S. 175 ff. 26 Ziff. 87 des 1994 durch unabhängige, vom IIHL einberufene Fachleute erstellten San Remo Manual on International Law Applicable to Armed Conflicts at Sea, Hrsg.: L. Doswald-Beck (1995). 27 Vgl. die Kommentierung M. Bothes zu Ziff. 1048 des Handbuchs des humanitären Völkerrechts (Anm. 23), S. 409.

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2. Kap.: Mögliche Einschränkungen der Schiffahrtsfreiheit

prime celle des non-belligérants“28. Somit stellt sich die Frage, ob ein Verbot des Sperrens internationaler Flüsse mit Minen nachweisbar ist29. Nach dem Schiedsspruch Questions arising as to Danube shipping ist es zulässig, nicht geregelte Sonderfragen des Kriegsvölkerrechts ausnahmsweise unter Zuhilfenahme von Analogieschlüssen zu lösen30. Bezüglich der Errichtung von Minensperren bietet es sich insofern an, das Verbot der Blokkade internationaler Flüsse auf seine Analogiefähigkeit zu untersuchen. Das Verbot der Blockade grenzüberschreitender Flüsse beruht auf einer Abwägung des Interesses der Kriegführenden an einer völligen Abriegelung der feindlichen Küste und dem wirtschaftlichen Interesse der Neutralen an der Aufrechterhaltung wechselseitiger Handelsbeziehungen31. Für die Gewichtung dieser Interessen spielt es keine Rolle, ob ein Fluß durch eine förmliche Blockade oder durch das Legen von Minen gesperrt wird. In der Praxis werden Minen oftmals eingesetzt, um die Effektivität von Seeblockaden zu steigern32. Wäre es zulässig, grenzüberschreitende Flüsse mit Minen zu sperren, würde das Verbot der Blockade derartiger Flüsse in seiner praktischen Wirksamkeit beeinträchtigt: Die Blockadeschiffe bräuchten lediglich die Flußmündung zu verminen und könnten dann unter Hinweis darauf die gesamte Küste für blockiert erklären. Das Verbot der Blokkade grenzüberschreitender Flüsse ist deshalb so auszulegen, daß es auch die faktische Blockade mittels einer Minensperre umfaßt. Es stellt sich allerdings die weitere Frage, ob diese Auslegung mit der Staatenpraxis in Einklang steht. Die Donau ist lediglich während der beiden Weltkriege durch Minen vollständig versperrt worden. In der Anfangsphase des Ersten Weltkrieges verbarrikadierte Serbien knapp oberhalb des „Eisernen Tores“ die Passage zwischen unterer und mittlerer Donau33. Der betreffende Flußabschnitt bildete 28 P. Daillier/A. Pellet, Droit international public (Nguyen Quoc Dinh, 6. Aufl. 1999), S. 1145 (§ 693). 29 Zum prohibitiven Charakter des (See-)Kriegsrechts siehe oben, § 6 III. 1. 30 Questions arising as to Danube shipping (Alliierte Mächte, Deutschland, Österreich, Ungarn, Bulgarien), Schiedsspruch, 2. August 1921, RIAA Bd. I, S. 7 (S. 105). 31 Vgl. oben, § 6 III. 2. 32 Zur Praxis insbesondere der USA siehe W. Heintschel v. Heineggs Kommentierung zum Handbuch des humanitären Völkerrechts (Anm. 23), Ziff. 1053 (S. 377). Der Einsatz von Minen zur Verstärkung reiner Handelsblockaden ist allerdings unzulässig, vgl. das Kapitel 9.2.3 Ziff. 7 des Commander’s Handbook on the Law of Naval Operations (Anm. 22): „Naval mines may not be emplaced off the coasts and ports of the enemy with the sole objective of intercepting commercial shipping, but may otherwise be employed in the strategic [sic] blockade of enemy ports, coasts, and waterways“.

§ 8 Beeinträchtigung der Schiffahrt infolge von Kampfhandlungen

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seinerzeit die Grenze zwischen Serbien und Österreich-Ungarn. Stromaufwärts befand sich nur das Deutsche Reich, das sich (ebenso wie ÖsterreichUngarn) mit Serbien im Krieg befand34. Die Sperre „blockierte“ somit keine neutralen Flußabschnitte und widerspricht somit nicht der hier vorgenommenen weiten Auslegung des Verbots der Blockade grenzüberschreitender Flüsse. Das gleiche gilt für die anderen während der Weltkriege errichteten Minensperren in der Donau35. Während des russisch-türkischen Krieges von 1877/78 versuchte Rußland, die Bewegungsfreiheit der türkischen Flotte in der Donaumündung unter Zuhilfenahme von Minen einzuschränken36. Eine vollständige Minensperre wurde dabei indes nicht errichtet, so daß auch insoweit die Annahme eines Verbots der „Blockade“ durch Minensperren nicht falsifiziert wird. Allerdings errichtete Rußland eine sogenannte Steinblockade37, welche die weitere Frage nach der Zulässigkeit derartiger Vorgehensweisen aufwirft.

II. Das Errichten von „Steinblockaden“ Bei der „Steinblockade“ handelt es sich nicht um eine Blockade im Rechtssinne38, obwohl sie (wie auch die Minensperre) oft zur Verstärkung formeller Blockaden eingesetzt wird39. Trotz gelegentlicher Kritik im völkerrechtlichen Schrifttum40 ist in der Praxis ein allgemeines Verbot niemals ernsthaft in Erwägung gezogen worden. Bedenken gegen die Zulässigkeit 33

Der Weltkrieg, Bd. 9, Die Operationen des Jahres 1915, hrsg. vom Reichsarchiv (1933), S. 148; vgl. auch J. P. Chamberlain, The Regime of International Rivers: Danube and Rhine, Dissertation, New York 1923, S. 122, 124. 34 Die serbische Kriegserklärung an Deutschland erfolgte am 6. August 1914. 35 Die 1944 von britischen Flugzeugen in die Donau geworfenen Minen hatten z. B. zeitweise eine völlige Unterbrechung des Schiffsverkehrs zur Folge; ebenso die beim späteren deutschen Rückzug hinterlassenen Minensperren, J. Meister, Der Seekrieg in den osteuropäischen Gewässern 1941–45 (1958), S. 311 f., 331. 36 Chamberlain (Anm. 33), S. 63 f. 37 Ibid., S. 66. 38 Ziff. 1053 S. 6 des Handbuchs des humanitären Völkerrechts in bewaffneten Konflikten, Bundesverteidigungsministerium, ZDv 15/2 (August 1992), Hrsg.: D. Fleck (1994), H. Lauterpacht, Oppenheim’s International Law, Bd. II, Disputes, War and Neutrality (7. Aufl. 1952), S. 768 (§ 368), Anm. 1. 39 Im Dezember 1861 versenkten die USA z. B. steinbeladene Schiffe in den Einfahrten zahlreicher Häfen der Südstaaten, um damit ihre Kreuzerblockade zu verstärken, P. Fauchille, Traité de droit international public, Bd. II, Guerre et neutralité (8. Aufl. des Manuel von H. Bonfils, 1921), S. 951 (§ 1607). 40 A. Rivier, Lehrbuch des Völkerrechts (2. Aufl. 1899), S. 412, meinte, die sogenannte Steinblockade sei eine „Versündigung gegen alle Völker“, wenn dadurch fremde Häfen dauernd unzugänglich gemacht würden.

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von „Steinblockaden“ erheben sich jedoch, wenn damit der Zugang zu internationalen Flüssen versperrt wird41. Nach Meinung des ehemaligen französischen Vertreters in der Europäischen Donaukommission, Eduard Engelhardt, hatte die russische „Steinblockade“ vom Juli 1877 unter anderem gegen das Prinzip der Schiffahrtsfreiheit auf der Donau verstoßen42. Die Haltung der neutralen Großmächte zu dieser Frage ist jedoch nicht ganz eindeutig: Die Regierung in Wien hielt die „Steinblockade“ wohl für rechtswidrig43. Innerhalb des Foreign Office gab es hingegen Diskussionen44, deren Ergebnis aus den überlieferten Dokumenten nicht ersichtlich ist45. Ebensowenig aufschlußreich sind die gegenüber Rußland erhobenen Proteste der Europäischen Donaukommission: Der Kommission scheint es in erster Linie auf den Schutz der von ihr angelegten Fahrrinne angekommen zu sein46. Ob es ihr daneben auf die Wiederherstellung der Schiffahrtsfreiheit ankam, läßt sich nicht nachvollziehen. Richtigerweise wird man das Verbot der Blockade grenzüberschreitender Flüsse so auslegen müssen, daß auch „Steinblockaden“ davon umfaßt sind. Im Vergleich zur formellen Blockade und zur Minensperre stellt die „Steinblockade“ eine noch schwerwiegendere Beeinträchtigung der neutralen Schiffahrt dar, weil sie nach dem Ende der Kämpfe nicht ohne weiteres wieder beseitigt werden kann47. In Übereinstimmung mit der nahezu ein41 Der ehemalige britische Vertreter in der Europäischen Donaukommission, der Colonel J. Strokes, warf in einer Stellungnahme zur russischen „Steinblockade“ von 1877 die Frage auf, ob ein Belligerent das Recht habe „to injure permanently a great highway of nations“, Schreiben an das britische Außenministerium, 15. Juli 1877, in: H. Hajnal, Le droit du Danube international (1929), S. 119, Anm. 1. 42 E. Engelhardt, Régime des fleuves internationaux, RDILC 1881, S. 187 ff. (S. 190, Anm. 1). Zum weiteren Verstoß gegen die Neutralisierung der Werke und Einrichtungen der Europäischen Donaukommission siehe idem, Du régime conventionnel des fleuves internationaux (1879), S. 179 f., sowie oben, § 4 I. 2. 43 Der britische Botschafter in Wien, Sir Andrew Buchanan, setzte sich bei der britischen Regierung dafür ein, gegen die russische „Steinblockade“ zu protestieren, Hajnal (Anm. 41), S. 119. Dieses Engagement läßt mit einiger Wahrscheinlichkeit darauf schließen, daß seine Auffassung von der Regierung in Wien geteilt wurde. 44 Vgl. die Stellungnahme des ehemaligen britischen Vertreters in der Europäischen Donaukommission, Colonel Strokes, 15. Juli 1877 (Anm. 41). 45 Hajnal (Anm. 41), S. 119, meint zwar, Großbritannien habe keine Proteste abgegeben, das läßt sich aber mangels Quellenangabe nicht nachprüfen. Generell scheint Hajnal bei diesem Fragenkomplex von einigen unrichtigen Annahmen ausgegangen zu sein, vgl. oben, § 4, Anm. 39. 46 Siehe das Schreiben eines Vertreters der Europäischen Donaukommission an die türkische Admiralität, 19. September 1877, in: The Times (London), 6. Oktober 1877, S. 5. 47 Vgl. ibid. sowie J. P. Chamberlain, The Regime of International Rivers: Danube and Rhine, Dissertation, New York 1923, S. 66.

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helligen Auffassung im völkerrechtlichen Schrifttum ist die Verbarrikadierung internationaler Flüsse insofern als Verletzung der Schiffahrtsfreiheit anzusehen48. „Steinblockaden“ werden meist durch das Versenken mit Steinen oder Zement beladener Frachtschiffe errichtet49. Sie können aber auch auf andere Weise gebildet werden50, etwa durch das Sprengen von Brücken. Falls das Ziel der Sprengung allerdings nicht die Unterbrechung von Schiffahrtswegen ist, sondern die Mobilität von Landstreitkräften beeinträchtigt werden soll, können die seekriegsrechtlichen Regeln nicht zur Anwendung kommen.

III. Die Sprengung von Brücken Die Sprengung von Brücken ist ein legitimes Mittel der Kriegführung, wenn dadurch feindliche Truppenbewegungen oder Nachschubtransporte behindert werden sollen51. Während des Zweiten Weltkrieges wurden von beiden Kriegsparteien unter anderem zahlreiche Rheinbrücken gesprengt, obwohl dadurch die Verbindung der Schweiz zum offenen Meer beeinträchtigt wurde52 (1.). Ebenfalls keine Rücksicht auf die Belange von Binnenstaaten nahm die NATO, als sie während der Luftangriffe im Frühjahr 1999 serbische Donaubrücken bombardierte53 (2.). 1. Die Praxis des Zweiten Weltkrieges Zu Beginn des Zweiten Weltkrieges sprengte Frankreich zahlreiche Rheinbrücken54, um ein Übersetzen der deutschen Truppen nach Elsaß-Lothringen zu verhindern. Zum Zwecke der Schadensbegrenzung wurden die 48 Ebenso P. Fauchille, Du blocus maritime (1882), S. 176 und 178, E. Caratheodory, Das Stromgebietsrecht und die internationale Flußschiffahrt, in: F. v. Holtzendorff (Hrsg.), Handbuch des Völkerrechts, Bd. 2 (1887), S. 277 ff. (Endnote 6 zu § 73, S. 326), A. Ch. Boyd in seiner Ausgabe von H. Wheatons Elements of International Law (English edition 1878), S. 259 (§ 197a), Rivier (Anm. 40), S. 412, Anm. 3. Anderer Auffassung ist Hajnal (Anm. 41), S. 120, Anm. 1. 49 Vgl. die Beispiele bei H. Lauterpacht (Anm. 38), S. 768, Anm. 1 (§ 368). 50 Ziff. 1053 S. 6 des Handbuchs des humanitären Völkerrechts (Anm. 38). 51 Vgl. L. Green, The Contemporary Law of Armed Conflict (1993), S. 183, C. Pilloud/J. de Preux, in: Commentaire des Protocoles additionnels, CICR (1986), Y. Sandoz u. a. (Hrsg.), S. 648, Anm. 3, Ziff. 6 (I, Art. 52, Rn. 2002). 52 La Navigation du Rhin 1946, Le rétablissement de la navigation, S. 9 ff. (S. 9 f.). 53 Siehe oben, Einleitung, Anm. 6. 54 La Navigation du Rhin 1946, Le rétablissement de la navigation, S. 9 ff. (S. 10).

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Brücken jedoch nur teilweise demoliert, so daß die sie bald darauf provisorisch wiederaufgebaut werden konnten55. Gegen Ende des Krieges zerstörte die deutsche Armee systematisch alle Rheinbrücken unterhalb von Basel56, um den alliierten Vormarsch einige Tage aufzuhalten57. Die zirka fünfzig Brücken wurden diesmal allerdings vollständig gesprengt, so daß die Rheinschiffahrt trotz intensiver Arbeiten erst Ende 1945 wieder freigegeben werden konnte58. Die Qualifikation der gesprengten Rheinbrücken als legitime militärische Ziele ist unzweifelhaft gegeben, weil die Brücken in der konkreten Situation für Truppenbewegungen benötigt wurden59. Eine analoge Anwendung des Verbots der Blockade internationaler Flüsse drängt sich in diesen Fällen nicht auf. Bei der Sprengung der Rheinbrücken ging es nicht darum, die Bewegungsfreiheit feindlicher Kriegsschiffe zu behindern oder eine Blokkade zu verstärken, sondern es sollte die Bewegungsfreiheit von Landstreitkräften eingeschränkt werden. Präzedenzfälle dafür, daß dieses militärische Ziel gegenüber dem Interesse der neutralen Schiffahrt zurücktreten müßte, sind nicht ersichtlich. Es könnte jedoch ein Verstoß gegen den Grundsatz vorliegen, nach dem Einschränkungen der Zivilschiffahrt auf internationalen Flüssen nur in Fällen „zwingender militärischer Notwendigkeit“ zulässig sind60. Eine „zwingende“ militärische Notwendigkeit ist immer dann erforderlich, wenn von einem generellen kriegsrechtlichen Verbot ausnahmsweise 55 Ibid., La Navigation du Rhin 1947, Le déblaiement des ponts de StrasbourgKehl, S. 451 ff. (S. 453). 56 Ibid. (S. 452), La Navigation du Rhin 1946, Le rétablissement de la navigation, S. 9 ff. (S. 9). 57 La Navigation du Rhin 1948, Situation des voies navigables en Allemagne, S. 145 ff. (S. 145). 58 La Navigation du Rhin 1946, Les formations maritimes françaises du Rhin, S. 181 f. (S. 182). 59 Vgl. Art. 52 Abs. 2 S. 2 des Ersten Zusatzprotokolls zu den Genfer Abkommen von 1949, 8. Juni 1977, UNTS Bd. 1125, S. 3: Als militärische Ziele gelten „Objekte, die auf Grund ihrer Beschaffenheit, ihres Standorts, ihrer Zweckbestimmung oder ihrer Verwendung wirksam zu militärischen Handlungen beitragen und deren gänzliche oder teilweise Zerstörung, deren Inbesitznahme oder Neutralisierung unter den in dem betreffenden Zeitpunkt gegebenen Umständen einen eindeutigen militärischen Vorteil darstellt“. Zu militärisch wichtigen Verkehrswegen siehe die Nachweise oben, Anm. 51. 60 Vgl. das an Rußland gerichtete Schreiben des k.u.k. Außenministers Andrássy, 6. Mai 1877, Martens, NRG II 3, S. 201 f. (S. 202): Vorübergehende Einschränkungen der Donauschiffahrt seien zulässig, falls sie den allgemeinen völkerrechtlichen Regeln entsprächen und die Grenzen respektierten, die durch „zwingende militärische Notwendigkeiten“ gezogen würden („les limites tracées par la nécessité la plus impérieuse“).

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abgewichen werden darf61. Das Verbot der Beeinträchtigung der neutralen Schiffahrt auf internationalen Flüssen stellt ein solches Verbot dar62, so daß nicht jedwedes militärische Interesse geeignet ist, eine Beeinträchtigung der Zivilschiffahrt zu rechtfertigen. Fraglich ist somit, ob der Zerstörung der Rheinbrücken „zwingendes“ militärisches Erfordernis zugrunde lag. Die Zerstörung von Brücken ist geeignet, einen substantiellen Beitrag zur Verteidigung eines Flußufers zu leisten, so daß der Sprengung der Rheinbrücken im Zweiten Weltkrieg jeweils einem zwingenden militärischen Bedürfnis entsprach. Ob die Verteidigung nur vorübergehenden erfolgreich sein kann, spielt dabei keine Rolle63. Bedenken erheben sich jedoch gegen die Art und Weise der Brückensprengung kurz vor Kriegsende: Zwingend erforderlich wäre es nur gewesen, je einen Brückenpfeiler zu sprengen, um den gegnerischen Vormarsch zu behindern64. Mit dem Ziel der Behinderung des Vormarsches der Sowjetarmee wurden in den letzten Kriegsmonaten ebenfalls zahlreiche Donaubrücken gesprengt65. Ob dem jeweils eine zwingende militärische Notwendigkeit zugrunde lag, kann aber dahinstehen, weil auf der Donau seinerzeit ohnehin keine neutrale Schiffahrt stattfand.

61 Vgl. z. B. Art. 23 Lit. g) der Haager Landkriegsordnung, Anlage zum IV. Haager Abkommen betreffend der Gesetze und Gebräuche des Landkriegs, 18. Oktober 1907, RGBl. 1910, S. 132, Artikel 54 Abs. 5 des Ersten Zusatzprotokolls zu den Genfer Abkommen von 1949, 8. Juni 1977, UNTS Bd. 1125, S. 3; vgl. auch Y. Dinstein, Military Necessity, in: R. Bernhardt (Hrsg.), EPIL, Bd. 3, Lit. J-P (1997), S. 395 ff. (S. 396 f.). 62 Siehe oben, § 3 I. 1. a) (insb. bei Anm. 15 und 17) sowie § 3 I. 2. a). 63 Einer Kriegspartei kann nicht wegen ihrer absehbaren Niederlage das ius ad bellum abgesprochen werden; im Rahmen des ius in bello gilt im übrigen das Reziprozitätsprinzip, vgl. dazu M. Bothe, Friedenssicherung und Kriegsrecht, in: W. Graf Vitzthum (Hrsg.), Völkerrecht (2. Aufl. 2001), S. 661 (Abschn. 8, Rn. 93). 64 Vgl. die Einschätzung des Ingenieurs R. Poitrat, La Navigation du Rhin 1947, Le déblaiement des ponts de Strasbourg-Kehl, S. 451 ff. (S. 452): Die Zerstörungen auf dem deutsch-französischen Grenzabschnitt seien mit einer „sauvagerie que ne justifiait nullement la conduite de la guerre“ durchgeführt worden. Von Protesten seitens der Schweiz ist allerdings nichts bekannt; das mag aber daran liegen, daß die Schweiz seinerzeit nicht Vertragsstaat des Rheinstatuts war, vgl. oben, § 3, Anm. 80. 65 J. Meister, Der Seekrieg in den osteuropäischen Gewässern 1941–45 (1958), S. 317 f., 329 ff.

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2. Die Zerstörung von Donaubrücken während der NATO-Luftangriffe Während der NATO-Luftangriffe im Frühjahr 1999 wurden im Laufe des Monats April insgesamt sieben Donaubrücken ganz oder teilweise zerstört66. Bei der rechtlichen Beurteilung dieses Vorgangs ist zu unterscheiden zwischen dem Verhältnis der NATO-Staaten zu Drittstaaten [a)] und zu Jugoslawien [b)]. a) Das Verhältnis zwischen den Beteiligten der Luftangriffe und Drittstaaten Nach Meinung des Verteidigungsausschusses des House of Commons wären einige Ziele der NATO-Luftangriffe kaum zu rechtfertigen gewesen, darunter die Bombardierung der Donaubrücken in Novi Sad67 [aa)]. Seitens der betroffenen Donaustaaten wurden dennoch keine förmlichen Proteste erhoben68. Statt dessen forderten sie wirtschaftliche Hilfen entsprechend Artikel 50 der UN-Charta69 [bb)]. aa) Die Verletzung der Schiffahrtsfreiheit gegenüber Drittstaaten Die für die Bombardierung mehrerer Donaubrücken angeführten Gründe waren wenig substantiiert70 (1) und deshalb ungeeignet, die schweren wirtschaftlichen Folgen für die Donaustaaten71 aufzuwiegen (2).

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Siehe oben, Einleitung, Anm. 6. Siehe den Bericht des Defence Select Committee des britischen Unterhauses, Fourteenth Report, 23. Oktober 2000, § 124: „Some of the targets appear difficult to justify. No clear explanation of the decision to bomb the Danube bridges at Novi Sad yet appears to have been given“. 68 Vgl. allerdings die Kritik des Präsidenten der Donaukommission und österreichischen Botschafters in Budapest, Hellmuth Strasser, in einem Interview mit Voice of America, 29. Mai 1999, www.fas.org/man/dod-101/ops/docs99/990529-kosovo 20.htm. 69 Interview des rumänischen Präsidenten Emil Constantinescu und des stellvertretenden bulgarischen Premierministers Alexander Bozhkov mit Voice of America, 23. April 1999, www.fas.org/man/dod-101/ops/docs99/990423-kosovo62.htm, Stellungnahme des ukrainischen Vertreters im UN-Sicherheitsrat, Pressemitteilung zur 4011. Sitzung, 10. Juni 1999, SC/6686, S. 24. 70 Vgl. oben, Anm. 67. 71 Siehe oben, Einleitung, bei Anm. 133, 134. 67

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(1) Das Ziel der Zerstörung mehrerer Donaubrücken Die wiederholte Bombardierung von Donaubrücken wurde vom britischen Verteidigungsminister George Robertson72 sowie vom Pentagon73 mit dem Ziel begründet, Nachschubwege von der Vojvodina in Richtung des Kosovo zu unterbrechen74. Ob damit allerdings ein „eindeutiger militärischer Vorteil“ im Sinne von Artikel 52 Absatz 2 des Ersten Zusatzprotokolls zu den Rotkreuzabkommen75 erreicht werden konnte, erscheint in mancherlei Hinsicht zweifelhaft. Jugoslawien verfügte südlich der Donau sowie im Kosovo über hinreichend starke Kräfte, um die Verfolgung und Vertreibung der albanischstämmigen Kosovaren während der Luftangriffe fortzusetzen beziehungsweise gar auszuweiten76. Wohl nicht zuletzt deshalb lehnte Frankreich (unterstützt von einigen anderen Staaten) die Bombardierung zumindest der Belgrader Brücken ab und legte insoweit sein Veto ein77. Die Einstufung der Brücken als militärische Ziele bereitete überhaupt gewisse Schwierigkeiten. Angriffe auf feindliche Nachschublinien haben gewöhnlich zum Zweck, die Kampfkraft der feindlichen Truppen zu schwächen und damit der eigenen Armee einen Vorteil zu verschaffen. Die NATO hatte aber überhaupt keine Truppen in den Kosovo entsandt78 und 72 Pressekonferenz im britischen Verteidigungsministerium, 21. April 1999, Voice of America, www.fas.org/man/dod-101/ops/docs99/990421-kosovo03.htm. 73 Generalmajor Chuck Wald in der Pressekonferenz des US-Verteidigungsministeriums vom 9. April 1999, www.fas.org/man/dod-101/ops/docs99/t04091999_ t0409asd.htm. 74 Vgl. auch die identischen Angaben der Bundesregierung in ihrer Antwort auf eine kleine Anfrage der PDS-Bundestagsfraktion, übermittelt durch Schreiben des Bundesverteidigungsministeriums vom 11. Juni 1999, Bundestagsdrucksache 14/ 1140 vom 15. Juni 1999, S. 2. 75 Erstes Zusatzprotokoll zu den Genfer Abkommen von 1949, 8. Juni 1977, UNTS Bd. 1125, S. 3; vgl. den Wortlaut oben, in Anm. 59. 76 US Department of Defense, Report to the Congress, Kosovo/Operation Allied Force, After-Action Report, 31. Januar 2000, www.defenselink.mil/pubs/kaar0207 2000.pdf, S. 6. 77 Zum Veto Jacques Chiracs gegen Angriffe auf Brücken in Belgrad siehe die Aussage des britischen Verteidigungsstaatssekretärs Lord Gilbert vor dem Verteidigungsausschuß des House of Commons, Defence Committee, Fourteenth Report (Session 1999–2000), Minutes of Evidence – Vol. II (HC 347-II), Minutes of Evidence Taken Before the Defence Committee, 20. Juni 2000, § 1046; vgl. auch das Interview von NATO-Oberbefehlshaber Wesley Clark mit Le Monde, 28. Juni 2000, S. 5. 78 Vgl. das Memorandum von Ian Brownlie, in: House of Commons, Foreign Affairs Committee, (Session 1999–2000), Appendices to the Minutes of Evidence – Vol. II (HC 28-II), Appendix 2, § 120: „Against this background, how can one ap-

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beteuerte beständig, allein durch Luftangriffe die Verfolgung der Kosovaren verhindern zu können79. Erst im Laufe des Konflikts gelangten der britische Premierminister Blair und US-Präsident Clinton zu der Erkenntnis, auf eine Intervention mit Bodentruppen möglicherweise nicht verzichten zu können80. Der daraufhin gefaßte Plan, notfalls mit einer „Koalition der Willigen“ direkt zu intervenieren, konnte aber nicht rückwirkend zur Legitimierung der bereits abgeschlossenen Angriffe auf die Donaubrücken herangezogen werden81. Die ursprüngliche Strategie der NATO hatte darin bestanden, durch die Luftangriffe die Aktionsmöglichkeiten der jugoslawischen Einheiten im Kosovo zu beeinträchtigen82. Darüber hinaus sollte die jugoslawische Führung unter Druck gesetzt werden, um sie zum Einlenken in der Kosovo-Frage zu bewegen83. Dabei wurde unter anderem darauf spekuliert, daß eine indirekte Beeinträchtigung der serbischen Zivilbevölkerung die Machtbasis Slobodan Milosevics unterminieren würde84. Das entspricht einer traditionellen anglo-amerikanischen Militärdoktrin betreffend des Einsatzes überlegener Luftstreitkräfte85. ply the concept of military objective. There was no conflict on the ground. Is it lawful to destroy even military objectives simply with the purpose of coercing the State into accepting a set of proposals? The bombing of oil refineries could not involve military objectives because nowhere in Yugoslavia were NATO troops on the ground and in a position to benefit from the destruction of fuel sources“. 79 Daran hielt der britische Verteidigungsstaatssekretär Lord Gilbert auch nach dem Ende der Luftangriffe fest, vgl. seine Aussage vor dem Defence Committee (Anm. 77), 20. Juni 2000, § 1046. Der NATO-Oberbefehlshaber Wesley Clark meinte hingegen, ohne die spätere Drohung mit einer Bodenoffensive hätte Milosevic nicht nachgeben, Interview mit Le Monde, 28. Juni 2000, S. 5. 80 Zur Vorbereitung eines Einmarsches über Albanien siehe die Aussage des britischen Verteidigungsstaatssekretärs Lord Gilbert vor dem Defence Committee (Anm. 77), 20. Juni 2000, § 1058. 81 Nach Art. 52 Abs. 2 S. 2 des Ersten Zusatzprotokolls zu den Genfer Abkommen von 1949, 8. Juni 1977, UNTS Bd. 1125, S. 3, müssen Angriffe auf militärisch nutzbare Objekte „in dem betreffenden Zeitpunkt“ einen militärischen Vorteil versprechen. 82 US-Department of Defense, Report to the Congress, 31. Januar 2000 (Anm. 76), S. 7. 83 Ibid. 84 W. J. Fenrick, Targeting and Proportionality during the NATO Bombing Campaign against Yugoslavia, EJIL 2001, S. 489 ff. (S. 491). 85 Siehe bereits J. M. Spaight, An International Air Force (1938), S. 8 f. Zur Kritik dieser Strategie siehe G. Andréani, Force et diplomatie: à propos de la guerre du Kosovo, Annuaire français de relations internationales 2000 (Bd. 1), 163 ff. (S. 169): „La [. . .] volonté – en particulier américaine – de s’en prendre à des cibles dont la destruction symboliserait aux yeux de la population serve l’impuissance et la défaite militaire du régime (centrales électriques ou ponts sur le Danube) cadrait mal avec

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In einer Anhörungen vor dem Verteidigungsausschuß des House of Commons äußerte der britische Verteidigungsstaatssekretär Lord Gilbert, daß die „psychologische Beeinflussung“ der serbischen Zivilbevölkerung86 keine bloße Nebenfolge sondern eines der Ziele der Bombardierung von Donaubrücken gewesen sei87. Die möglicherweise längerfristige Beeinträchtigung der Donauschiffahrt wurde hingegen als Nebenwirkung in Kauf genommen88. (2) Die Verletzung des Prinzips der Schiffahrtsfreiheit Die NATO bestand beharrlich darauf, daß die Luftangriffe vom Frühjahr 1999 nicht als Krieg eingestuft werden konnten89. Man könnte deshalb bezweifeln, ob Drittstaaten überhaupt Einschränkungen ihrer Handelsschiffahrt hinnehmen mußten90. Aber auch auf der Grundlage des traditionellen Kriegs- und Neutralitätsrechts konnte man zu dem Schluß gelangen, daß die Schiffahrtsfreiheit auf der Donau mißachtet worden sei. les protestations alliées sur le fait que l’OTAN n’avait d’autre ennemi que le pouvoir de Milosevic et ne faisait pas la guerre à la Serbie“. Der Begriff „guerre“ muß in diesem Kontext im untechnischen Sinne verstanden werden, siehe C. Schmitt, Die Wendung zum diskriminierenden Kriegsbegriff (1938), S. 43, Anm. 45: Bei der Abkehr vom traditionellen Kriegsbegriff gehe es unter anderem darum, „die Luftwaffe als spezifische Sanktions- oder auch Bürgerkriegswaffe hinzustellen, um den Fortschritt der militärtechnischen Entwicklung gleichzeitig als einen weltgeschichtlichen Fortschritt zur Verwandlung des Krieges in eine Befriedungsaktion gegen rebellische oder zivilisatorisch rückständige Bevölkerungen zu erweisen“ etc. Die von Schmitt weiter geäußerte Kritik gegen das Abwerfen von Bomben auf Zivilisten trifft für den Kosovo-Konflikt allerdings nicht zu, weil die serbische Zivilbevölkerung nur indirekt beeinträchtigt werden sollte, siehe die Aussage des britischen Verteidigungsstaatssekretärs Lord Gilbert vor dem Defence Committee (Anm. 77), 20. Juni 2000, § 1046. 86 Zum Begriff des „psychological impact“ siehe die Stellungnahme des USamerikanischen Generalmajor Chuck Wald, 9. April 1999 (Anm. 73). 87 Aussage des britischen Verteidigungsstaatssekretärs Lord Gilbert vor dem Defence Committee (Anm. 77), 20. Juni 2000, § 1046. 88 Vgl. die ibid. zitierte Stellungnahme des US-Luftwaffengenerals Michael Short: „If you wake up in the morning and you have no power to your house and no gas to your stove and the bridge you take to work is down and will be lying in the Danube for the next 20 years I think you begin to ask `hey, Slobbo, what’s all this about?“. 89 Ian Brownlie, Memorandum in: House of Commons, Foreign Affairs Committee, (Session 1999–2000), Appendices to the Minutes of Evidence – Vol. II (HC 28II), Appendix 2, § 114. 90 Siehe M. Torrelli, La neutralité en question, RGDIP 1992, S. 5 ff. (S. 22): „Si l’état de guerre n’existe plus, il est alors normal d’affirmer la priorité du droit de la paix“. Zum Verzicht der NATO auf Kontrollen der Handelsschiffahrt siehe oben, § 7 III.

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Der Präsident der Donaukommission und österreichische Botschafter in Budapest, Hellmuth Strasser, meinte, die NATO habe den internationalen Status der Donau möglicherweise schlicht übersehen91. Bei einer Abwägung zwischen dem Prinzip der Schiffahrtsfreiheit und den militärischen Zielen der NATO habe jedenfalls den militärischen Belangen nicht der Vorrang eingeräumt werden dürfen92. Dem ist von der Warte des traditionellen Kriegs- und Neutralitätsrechts zuzustimmen: Die Bombardierung der Donaubrücken entsprach keiner zwingenden militärischen Notwendigkeit93 und der „militärische“ Vorteil der NATO stand in keinem Verhältnis zu den resultierenden Verlusten der Donaustaaten94. Gegen eine so durchgeführte Interessenabwägung erheben sich jedoch methodische Bedenken. Streng genommen verfolgte die NATO weniger militärische als humanitäre Ziele, nämlich die Beendigung der Gewalttaten im Kosovo. Hieran bestand ein kollektives Interesse, da Jugoslawien sowohl Sicherheitsratsresolutionen95 als auch erga omnes gültige Normen des zwingenden Völkerrechts96 verletzte. Zudem gab es auf der Donau kaum eine als „neutral“ zu bezeichnende Schiffahrt: Sämtliche Donaustaaten hatten die Notwendigkeit einer Intervention anerkannt97 und die meisten hatten sogar die militärischen Anstrengungen der NATO unterstützt98. Bei der Bombardierung der 91 Interview mit Voice of America, 29. Mai 1999, www.fas.org/man/dod-101/ ops/docs99/990529-kosovo20.htm. 92 Ibid. 93 Das Fehlen einer „zwingenden“ militärischen Notwendigkeit ergibt sich bereits aus dem französischen Veto gegen eine Zerstörung der verbleibenden Donaubrükken, vgl. die Nachweise oben, Anm. 77. 94 Zu den mehrere Milliarden Euro betragenden Einbußen der Donaustaaten siehe oben, Einleitung, bei Anm. 133, 134. 95 Sicherheitsratsresolutionen 1160 (1998), 31. März 1998, 1199 (1998), 23. September 1998, und 1203 (1998), 24. Oktober 1998. 96 Siehe oben, § 7, Anm. 141. 97 Vgl. z. B. die Rede des ukrainischen Außenministers Borys Tarasyuk bei einer NATO-Konferenz in Budapest, 22. Juni 1999, Ukraine-NATO Relations in the Context of New European Security Architecture of the 21st Century, www.brama.com/ ua-consulate/2206_vye.html: Sein Land meine, daß „mass and flagrant violations of human rights leading to a humanitarian disaster can not be considered as the sole prerogative of a sovereign state [. . .] Therefore Ukraine clearly condemned ethnic violence in Kosovo [. . .] There is no doubt that such human crises require interference from the international community“. 98 Zur Gewährung von Überflugrechten durch Rumänien und Bulgarien siehe die Nachweise oben, § 6, Anm. 426; zur Gewährung von Überflugrechten durch Kroatien siehe Congressional Research Service, Kosovo: International Reactions to NATO Air Strikes, 21. April 1999, www.fas.org/man/crs/RL30114.pdf, S. 9. Die Slowakei gewährte nicht nur Überflug- sondern auch Durchmarschrechte, United States Institute of Peace, 20. September 1999, De-Balkanizing the Balkans: Security and Stability in Southeastern Europe, www.usip.org/oc/sr/sr990920/sr990920.html.

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Donaubrücken standen sich somit nicht die Interessen der „Kriegführenden“ und der „Neutralen“ diametral gegenüber, sondern das Problem war die Gewichtung zweier kollektiver Interessen der internationalen Gemeinschaft. Die „Neutralen“ reagierten dementsprechend nicht mit förmlichen Protesten, sondern es wurde eine multilaterale Lösung analog Artikel 50 der UN-Charta angestrebt. bb) Der Ausgleich im Rahmen des Stabilitätspakts für Süd-Osteuropa Bereits während der Luftangriffe bildete sich ein Konsens, daß die Behinderung der „neutralen“ Schiffahrt nicht als Völkerrechtsverstoß zu behandeln war99 (1). Zum Ausgleich wurden Hilfen im Rahmen des Stabilitätspakts für Süd-Osteuropa in Aussicht gestellt100 (2). (1) Die Reaktion der Donaustaaten auf die Unterbrechung der Schiffahrt Trotz Kritik seitens der Donaukommission101 ist nicht ersichtlich, daß die Donaustaaten gegen die Bombardierung der Donaubrücken Protest eingelegt hätten. Deutschland und Ungarn hätten als NATO-Mitglieder die wiederholten Angriffe auf Donaubrücken verhindern können – nichts dergleichen geschah102. Ebensowenig bestanden Rumänien und Bulgarien auf eine Einstellung der betreffenden Angriffe. Statt dessen drängten der rumänische Präsident und der bulgarische Regierungschef in Washington103 und Der NATO-Staat Ungarn nahm nicht unmittelbar an den Luftangriffen teil, erlaubte aber die Benutzung seiner Luftwaffenstützpunkte etc., Congressional Research Service (a. a. O.), S. 4. Zur Teilnahme am Öl-Embargo der NATO siehe oben, § 7 III. 99 Vgl. die Nachweise oben, Anm. 69. 100 Siehe Abs. 7 der General Principles on the Political Solution to the Kosovo Crisis, Beschluß des G-8-Außenministertreffens vom 6. Mai 1999, Annex 1 zur Sicherheitsratsresolution 1244 (1999), 10. Juni 1999. 101 Siehe oben, bei Anm. 91, 92. 102 Die Auswahl der konkreten Angriffsziele lag nicht beim NATO-Rat, sondern bei der militärischen Führung der NATO. Die Listen mit den potentiellen Angriffszielen waren allerdings auf diplomatischer Ebene abgestimmt, und die Regierungen konnten jederzeit in die Entscheidungsprozesse eingreifen. Der Einfluß der kleineren Staaten war aber de facto begrenzt, da ihr Widerstand durch politischen Druck leicht zu überwinden war, A. Novosseloff, L’organisation politico-militaire de l’O.T.A.N. à l’épreuve de la crise du Kosovo, Annuaire français de relations internationales 2000 (Bd. 1), S. 179 ff. (www.stratisc.org/act/tri_alexnovo_afri.html). 103 Vgl. das Interview des rumänischen Präsidenten Emil Constantinescu sowie des stellvertretenden bulgarischen Premierministers Alexander Bozhkov mit Voice of

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2. Kap.: Mögliche Einschränkungen der Schiffahrtsfreiheit

Brüssel104 auf die Einrichtung eines Hilfsprogramms, mit dem der Kosovo und die vom Konflikt betroffene Region Süd-Osteuropas stabilisiert werden sollte. Dabei wurde nachdrücklich auf die wirtschaftlichen Folgen der Unterbrechung der Donauschiffahrt hingewiesen: Die nationalen Binnenschifffahrtsflotten seien zur Untätigkeit verurteilt und die Ausfuhren nach Mitteleuropa „blockiert“105. Am 6. Mai 1999 verabschiedeten die Außenminister der G-8 auf dem Bonner Petersberg die „General Principles on the Political Solution to the Kosovo Crisis“106. Darin war ein „comprehensive approach to the economic development and stabilization of the crisis region“ vorgesehen107. Auf dieser Grundlage wurde am 10. Juni 1999 der „Stabilitätspakt für Süd-Osteuropa“ vereinbart108. Damit sollten diverse Probleme, vor allem im Kosovo selbst, gelöst werden109. Der „Pakt“ entsprach aber zugleich der Erwartung der Donaustaaten, eine Entschädigung für die Einbußen infolge der „Donaublockade“ zu erhalten110. Durch den Absatz 1 der Resolution 1244 (1999) vom 10. Juni 1999 entschied der UN-Sicherheitsrat, die Lösung der Kosovokrise solle anhand der Petersberger Prinzipien der G-8 erfolgen. Die Ukraine merkte in der Sicherheitsratsdebatte an, die Lage in und um den Kosovo wäre zu verhindern gewesen, wenn der Sicherheitsrat seine Befugnisse nach Kapitel VII der UNCharta schon früher ausgeübt hätte111. Neben der humanitären Situation im Kosovo verdienten auch die schweren wirtschaftlichen Probleme von Drittstaaten Beachtung. Die Freiheit der Donauschiffahrt sei unterbrochen worden und man erwarte, daß der Sicherheitsrat die resultierenden Schwierigkeiten „in a positive and action-oriented way“ angehen werde. Sowohl die America, 23. April 1999, www.fas.org/man/dod-101/ops/docs99/990423-kosovo62. htm. 104 Zum Besuch des bulgarischen Premierministers Ivan Kostov in Brüssel, 21. April 1999, siehe das „Fact Sheet“ der bulgarischen Botschaft in Washington, Bulgaria and the War in Yugoslavia, www.bulgaria-embassy.org/International%20 Relations/Fact%20Sheet%20-%20Yugoslavia.htm. 105 Ibid. sowie Stellungnahme des rumänischen Präsidenten (Anm. 103). 106 Annex 1 zur Sicherheitsratsresolution 1244 (1999), 10. Juni 1999. 107 Abs. 7 der General Principles der G-8, ibid. 108 Stability Pact For South Eastern Europe, Kölner Außenministerkonferenz vom 10. Juni 1999, www.auswaertiges-amt.de/www/de/infoservice/download/pdf/ stabpact.pdf; vgl. auch die Ziff. 9 des Annex 2 zur Sicherheitsratsresolution 1244 (1999), 10. Juni 1999. 109 Vgl. die Ziff. 4 und 9 ff. des Stabilitätspakts für Süd-Osteuropa (Anm. 108). 110 Siehe die Ziff. 21 des Stabilitätspakts (Anm. 108) sowie die Nachweise oben, Anm. 103, 104. 111 Stellungnahme des ukrainischen Vertreters im UN-Sicherheitsrat, Pressemitteilung zur 4011. Sitzung, 10. Juni 1999, SC/6686, S. 24.

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Ukraine112 als auch Kroatien113 und Ungarn114 verlangten, in den Stabilitätspakt für Süd-Osteuropa einbezogen zu werden. (2) Die Infrastrukturmaßnahmen des Stabilitätspakts für Süd-Osteuropa Der Stabilitätspakt für Süd-Osteuropa nahm bereits nach wenigen Wochen seine Arbeit auf115. Wie schon in den Jahren 1993 bis 1995116 wurde die Ukraine jedoch nicht als Empfänger von Hilfsprojekten zugelassen117. Berücksichtigt wurden nur Nachbarstaaten der Bundesrepublik Jugoslawien, unter anderem Rumänien, Bulgarien, Kroatien und Ungarn. Der „Stabilitätspakt“ ist keine rechtsfähige zwischenstaatliche Organisation, sondern bildet nur ein Forum, das die Empfänger von Hilfsprojekten mit potentiellen Geberländern und internationalen Organisationen zusammenbringt118. Die Projekte betreffen die Bereiche Demokratie und Menschenrechte, wirtschaftlicher Wiederaufbau sowie innere und äußere Sicherheit119. Im Bereich wirtschaftlicher Wiederaufbau weisen mehrere Projekte einen Bezug zur Unterbrechung der Donauschiffahrt auf. Bereits im Jahre 1993 hatte Bulgarien beim Sanktionskomitee des Sicherheitsrats angeregt, eine zweite Donaubrücke zwischen Bulgarien und Rumänien zu errichten, um eine alternative Verbindung nach Mitteleuropa zu schaffen120. Die weit östlich gelegene einzige Brücke hatte sich als unzureichend erwiesen, die sonst durch Jugoslawien fließenden Verkehrsströme aufzunehmen121. Die Errichtung der anvisierten Brücke zwischen Vidin und Calafat scheiterte aber an Rivalitäten mit Rumänien. Die bulgarischen 112

Ibid. Stellungnahme der kroatischen Vertreterin, ibid. 114 Stellungnahme des ungarischen Vertreters, ibid., S. 25. 115 Die erste „Geberkonferenz“ des Stabilitätspakts fand am 29./30. Juli 1999 in Sarajevo statt, vgl. die Presseerklärung der bulgarischen Botschaft in Washington, The Bulgarian Position for the Stability Pact Summit in Sarajevo, 26. Juli 1999, www.bulgaria-embassy.org/International%20Relations/Saraevo.htm. 116 Vgl. oben, § 7, bei Anm. 110. 117 Siehe die Kritik des ukrainischen Außenministers Borys Tarasyuk bei einer NATO-Konferenz in Budapest, 22. Juni 1999, Ukraine-NATO Relations in the Context of New European Security Architecture of the 21st Century, www.brama.com/ ua-consulate/2206_vye.html. 118 Vgl. die Ziff. 41 des Stabilitätspakts für Süd-Osteuropa, 10. Juni 1999 (Anm. 108). 119 Ziff. 14 des Stabilitätspakts (Anm. 108). 120 Bulgarischen Schreiben an den UN-Sicherheitsrat, 7. Mai 1993, Appendix III, Ziff. 1, des beigefügten Memorandum, S/25743, Conseil de Sécurité, Documents officiels, Suppl. II 1993, S. 188 f. (S. 189). 113

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Exporte mußten deshalb ab April 1999 zu großen Teilen über den griechischen Hafen Thessaloniki abgewickelt werden122. Das Brückenprojekt war eines der ersten, über die im Stabilitätspakt eine Einigung erzielt werden konnte123. Die Vorarbeiten (Planungs- und Vergabeverfahren, Enteignung der Bauflächen) werden voraussichtlich im Jahre 2006 abgeschlossen, und Fertigstellung ist für das Jahr 2009 vorgesehen124. Die Kosten in Höhe von 180 Millionen Euro werden größtenteils durch die Europäische Investitionsbank finanziert; die übrigen Mittel werden von nationalen Entwicklungsbanken sowie von Bulgarien beigesteuert125. Ein weiteres Infrastrukturprojekt betrifft die Sanierung des Donauhafens von Lom in Bulgarien126. Der Hafen ist wegen des Rückgangs der Donauschiffahrt verfallen und soll zu gegebener Zeit für das Wiederaufleben der Schiffahrt vorbereitet werden. Wegen der andauernden Behinderungen auf dem jugoslawischen Flußabschnitt wurde dem Projekt jedoch keine Priorität eingeräumt127. Für Rumänien sind diverse Projekte zum Ausbau des Fernstraßennetzes bewilligt worden128. Unter anderem wird die Straße von der bestehenden Donaubrücke nach Norden auf zwei Spuren je Fahrtrichtung erweitert129. 121 Vgl. die Stellungnahme des bulgarischen Vertreters im UN-Sicherheitsrat, Sitzung vom 20. April 1993, S/PV. 3202, S. 8: Die Verbindungen von Bulgarien nach Mitteleuropa seien durch die Sanktionen nahezu völlig unterbrochen. Bulgarien meine deshalb, daß „des projets d’infrastructure directement liés aux effets des résolutions pertinentes du Conseil de sécurité devraient [. . .] être envisagées. Ces projets pourraient porter sur la construction d’un pont sur le Danube à Vidin/Calafat“ etc. 122 „Fact Sheet“ der bulgarischen Botschaft in Washington, Bulgaria and the War in Yugoslavia, Frühjahr 1999, www.bulgaria-embassy.org/International%20 Relations/Fact%20Sheet%20-%20Yugoslavia.htm. 123 Projekt Nr. II. B. 3101 des Stabilitätspakts, www.stabilitypact.org/stability pactcgi/other/qsp.cgi. 124 Interview des bulgarischen Transportminister Petar Moutafchiev mit der FOCUS News Agency, 8. Februar 2006. 125 Die Europäische Investitionsbank trägt 70 Millionen Euro; bei der Kreditanstalt für Wiederaufbau wurden 15 Millionen Euro beantragt, bei der französischen Agence de Développement sieben Millionen Euro, ibid. 126 Projekt Nr. II. B. 3311 des Stabilitätspakts, www.stabilitypact.org/stability pactcgi/other/qsp.cgi. 127 www.stabilitypact.org/stabilitypactcgi/catalog/view_descr.cgi?prod_id=5794& prop_type=product_descr. 128 Projekt Nr. II. B. 6101 (Straße von Bukarest nach Cernavodã), Projekt Nr. II. B. 6102 (Straße von Giurgiu nach Bukarest), www.stabilitypact.org/stabilitypactcgi/ other/qsp.cgi. 129 Straße von Giurgiu nach Bukarest, www.stabilitypact.org/qsp-report/annex02. doc.

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Weitere Infrastrukturmaßnahmen des Stabilitätspakts betreffen die Straßen- und Eisenbahnverbindungen zwischen Kroatien und Ungarn130. Damit soll der Zugang von Ungarn zum Meer verbessert werden131. *** Bei der Verabschiedung der Resolution 1244 (1999) bestand ein allgemeiner Konsens, daß die Hilfen im Rahmen des Stabilitätspakts einen Ausgleich für die erneute Unterbrechung der Donauschiffahrt schaffen sollten. Durch die Bezugnahme der Resolution auf den Stabilitätspakt132 sowie durch die Stellungnahmen in der Sicherheitsratsdebatte wurde klargestellt, daß damit eine (abschließende) Regelung dieser Problematik angestrebt wurde. Dementsprechend beschränkten sich die Donaustaaten darauf, eine Berücksichtigung der „Blockade“ der Donauschiffahrt im Rahmen des Stabilitätspakts anzumahnen. Weitergehende Forderungen wegen einer eventuellen Verletzung der Schiffahrtsfreiheit wurden nicht erhoben. b) Das Verhältnis zwischen den Beteiligten der Luftangriffe und Jugoslawien Die Bundesrepublik Jugoslawien ist irrigerweise der Meinung, die NATO-Staaten hätten ihr gegenüber die Schiffahrtsfreiheit nach dem Belgrader Statut verletzt133 [aa)]. Um eine Wiederherstellung der Donaubrükken zu erzwingen, verweigerte die ehemalige jugoslawische Führung deshalb die Räumung des Donauabschnitts in Novi Sad134 [bb)]. Trotz der mittlerweile bewerkstelligten Räumungsarbeiten135 [cc)] wird die Schiffahrt weiterhin durch eine provisorische Pontonbrücke beeinträchtigt136 [dd)]. 130

Projekt Nr. II. B. 4101 (Straße von Zagreb Richtung Budapest), Projekt Nr. II. B. 4201 (Eisenbahnstrecke vom Adriahafen Ploce Richtung Budapest, ibid. 131 Ibid. 132 Abs. 1 der Resolution 1244 (1999), 10. Juni 1999, i. V. m. Abs. 7 des Annex 1 und Ziff. 9 des Annex 2. 133 Siehe die von Jugoslawien gegen die zehn Teilnehmer der NATO-Luftangriffe eingereichte Klageschrift mit Antrag auf Erlaß vorläufiger Maßnahmen, 29. April 1999, IGH, Legality of Use of Force (Jugoslawien gegen Belgien etc.). Zur Suspension der Schiffahrtsfreiheit im Verhältnis zwischen den Konfliktparteien siehe oben, § 3 II. 1.; zur Unanwendbarkeit der Belgrader Konvention im Verhältnis zu Nichtvertragsstaaten siehe oben, § 2 III. 1. a) in fine. 134 Vgl. oben, Einleitung, bei Anm. 121 bis 123. 135 Zur provisorischen Wiedereröffnung des Flußabschnitts in Novi Sad im November 2001 sowie zur vollständigen Räumung im Herbst 2002 siehe The European Union Online, Reconstruction of the Sloboda Bridge at Novi Sad to begin, 23. Juli 2002, http://europa.eu.int/comm/external_relations/see/news/ip02_1123.htm.

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aa) Die Rechtmäßigkeit der Zerstörung der Brücken gegenüber Jugoslawien Die Schiffahrtsfreiheit nach dem Belgrader Statut konnte von den Teilnehmern der NATO-Luftangriffe137 nicht verletzt werden, weil keiner dieser Staaten Vertragspartei der Belgrader Konvention war138. Zudem ist die Schiffahrtsfreiheit im Verhältnis zwischen den Konfliktparteien suspendiert139, so daß auch keine Verletzung des Pariser Statuts140 oder der Prinzipien der Wiener Kongreßakte141 in Betracht kommt. Eine Rechtswidrigkeit der Zerstörung der Donaubrücken gegenüber Jugoslawien könnte allerdings aus einer Mißachtung des gewohnheitsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes resultieren142. Dabei muß die Abwägung indes anders als im Verhältnis zu Drittstaaten erfolgen: Die Freiheit der Do136 Kommuniqué zur 61. Jahrestagung der Donaukommission vom 7. bis 15. April 2003, www.danubecom-intern.org/GERMAN/Jahrestag/Treffen-Jahrestagungen.htm. 137 Die Verantwortung für die Bombardierung einzelner Ziele im Rahmen der Luftangriffe lag weniger bei der NATO als bei den Mitgliedstaaten, deren Streitkräften die Angriffsziele jeweils zugeteilt wurden. Den Staaten stand es frei, ihnen zugewiesene Ziele wegen rechtlicher Bedenken abzulehnen, mit der Folge, daß sie gänzlich gestrichen wurde, A. Gidron/C. Cordone (Amnesty International), Faut-il juger l’OTAN?, Le Monde diplomatique, Juli 2000, S. 1 und 18 f. (S. 18). Die internationale Verantwortung für die einzelnen Angriffe lag dementsprechend nicht bei der NATO, sondern bei den jeweils agierenden Mitgliedstaaten, vgl. bzgl. der Bombardierung der chinesischen Botschaft T. Gazzini, NATO Coercive Military Activities in the Yugoslav Crisis (1992–1999), EJIL 2001, S. 391 ff. (S. 424 f.). Jugoslawien ist allerdings der Meinung, die Teilnehmer der Luftangriffe seien gemeinschaftlich für die gesamte Operation verantwortlich, vgl. die Stellungnahme des jugoslawischen Vertreters in der Sitzung des IGH vom 12. Mai 1999, CR 99/25, Legality of Use of Force (Jugoslawien gegen Belgien etc.). Die NATO-Staaten lehnen eine solche Form von gemeinschaftlicher Verantwortung ab, P. Weckel, Cour Internationale de Justice, Affaires relatives à la licéité de l’emploi de la force, Ordonnances du 2 juin 1999, RGDIP 1999, S. 697 ff. (S. 699). 138 Siehe die Stellungnahme des französischen Vertreters vor dem IGH, Sitzung vom 10. Mai 1999, CR 99/17, sowie die Stellungnahmen der deutschen und spanischen Vertreter, Sitzung vom 11. Mai 1999, CR 99/18 und CR 99/22, Legality of Use of Force (Jugoslawien gegen Belgien etc.). Deutschland ist der Belgrader Konvention durch Art. 1 Abs. 1 des Zusatzprotokolls zur Belgrader Konvention vom 26. März 1998, BGBl. 1999 II S. 579, beigetreten; der Beitritt wurde am 28. Oktober 1999 wirksam, BGBl. 2000 II S. 176. 139 Siehe oben, § 3 II. 1. 140 Vgl. oben, § 2 III. 1. b). 141 Vgl. oben, § 2 III. 1. c). 142 Art. 51 Abs. 5 Lit. b), Art. 57 Abs. 2 Lit. a) Ziff. iii) des Ersten Zusatzprotokolls zu den Genfer Abkommen von 1949, 8. Juni 1977, UNTS Bd. 1125, S. 3; zur gewohnheitsrechtlichen Geltung des Verhältnismäßigkeitsprinzips siehe US Department of Defense, Report to the Congress on the Conduct of the Persian Gulf War,

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nauschiffahrt war im Verhältnis zwischen den Konfliktparteien suspendiert, und die Freiheit der neutralen Schiffahrt konnte nur von den „neutralen“ Staaten geltend gemacht werden143. Als schützenswertes ziviles Interesse käme somit nur die Nutzung der Donaubrücken durch die serbische Zivilbevölkerung in Betracht. Die Unbrauchbarmachung der Brücken stellte aber keinen „Kollateralschaden“ dar144, sondern sie war gerade das Ziel der Bombardierung145. Wegen der Nutzung der Brücken durch Militärkonvois konnten die Brücken per se als militärische Objekte eingestuft werden146, so daß die zivile Funktion bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung überhaupt nicht relevant wird – das scheint auch das Kalkül der NATO bei der gleichzeitig bezweckten „psychischen Beeinflussung“ der serbischen Zivilbevölkerung gewesen zu sein147. Wenn also die Unbrauchbarmachung der Brükken für Militärkonvois einen relevanten militärischen Vorteil darstellte, mußte die indirekte Beeinträchtigung der Zivilbevölkerung notwendigerweise hingenommen werden148. Der konkrete militärische Nutzen der Nachschublinien von der Vojvodina zum Kosovo war eher gering; er kann aber nicht gänzlich abgestritten werden149. Deshalb ist von der Rechtmäßigkeit der Zerstörung der DonaubrükAppendix O, The Role of the Law of the War, Juli 1991, ILM 1992 (Bd. 31), S. 615 ff. (S. 622). 143 Siehe oben, § 3, bei Anm. 150. 144 „Kollateralschäden“ sind Schäden, die an anderen Personen oder Objekten eintreten, als den anvisierten, z. B. an auf einer Brücke befindlichen Zivilisten oder an umstehenden Häusern, siehe C. Pilloud/J. de Preux, in: Commentaire des Protocoles additionnels, CICR (1986), Y. Sandoz u. a. (Hrsg.), S. 703 (I, Art. 57, Rn. 2214). 145 Siehe oben, § 8 III. 2. a) aa) (1). 146 Vgl. die strikte Unterscheidung zwischen zivilen und militärischen Objekten in Art. 52 Abs. 1 und 2 des Ersten Zusatzprotokolls zu den Genfer Abkommen, 8. Juni 1977 (Anm. 142): Wenn ein Objekt zu militärischen Handlungen beiträgt und seine Zerstörung einen „eindeutigen militärischen Vorteil“ darstellt, ist es ein militärisches Objekt und darf angegriffen werden; ansonsten ist es als ziviles Objekt geschützt. 147 Vgl. oben, § 8 III. 2. a) aa) (1) in fine. Die Beeinflussung der „Moral“ der Zivilbevölkerung ist kein legitimes militärisches Ziel, W. J. Fenrick, Targeting and Proportionality during the NATO Bombing Campaign against Yugoslavia, EJIL 2001, S. 489 ff. (S. 497). 148 Direkte Personenschäden sind bei der Bombardierung der Donaubrücken nicht eingetreten. Zu zivilen Opfern bei der Bombardierung anderer Brücken siehe ibid. (S. 501). 149 Der militärische Nutzen der Donaubrücken wird unter anderem dadurch indiziert, daß die jugoslawische Armee unverzüglich versuchte, Umgehungen wie z. B. Pontonbrücken einzurichten, vgl. die Stellungnahme von Generalmajor Chuck Wald in der Pressekonferenz des US-Verteidigungsministeriums vom 9. April 1999, www.fas.org/man/dod-101/ops/docs99/t04091999_t0409asd.htm. Zur generellen Be-

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2. Kap.: Mögliche Einschränkungen der Schiffahrtsfreiheit

ken auszugehen150. Unabhängig davon wurde die Freiheit der Donauschifffahrt gegenüber Jugoslawien nicht verletzt, so daß die betreffenden jugoslawischen Repressalien keinesfalls zu rechtfertigen waren. bb) Die jugoslawischen Gegenmaßnahmen Nach dem Ende des Kosovokonflikts verlangte Jugoslawien, daß die NATO-Staaten die Trümmer der zerstörten Donaubrücken beseitigen sollten, und daß die Brücken wiederaufgebaut werden müßten151. Die Erfüllung der Pflicht nach Artikel 3 Absatz 1 der Belgrader Konvention152, die Befahrbarkeit des eigenen Donauabschnitts sicherzustellen, wurde unter Hinweis auf die angebliche Verantwortung der NATO abgelehnt. Die NATO-Staaten waren demgegenüber der Meinung, die jugoslawische Führung habe durch ihre Gewalttaten im Kosovo die Luftangriffe provoziert und müsse deshalb die Konsequenzen daraus tragen153. Das entsprach dem fortgeltenden Sanktionsregime der Europäischen Union: Danach durfte kein Beitrag dazu geleistet werden, die von der NATO verursachten Schäden an Fabriken, Infrastrukturen etc. zu reparieren, falls damit die jugoslawische Repressionspolitik gefördert wurde154. Ein Wiederaufbau der Donaubrücken wurde deshalb abgelehnt155. Die mit der Europäischen Union assoziierten Staaten Süd-Osteuropas waren nach dem Sanktionsregime gehalten, sich dem betreffenden Standpunkt anzuschließen156. einträchtigung der Mobilität der jugoslawischen Armee siehe US Department of Defense, Report to the Congress, Kosovo/Operation Allied Force, After-Action Report, 31. Januar 2000, www.defenselink.mil/pubs/kaar02072000.pdf, S. 10 f. 150 Der Art. 52 Abs. 3 des Ersten Zusatzprotokolls zu den Genfer Abkommen, 8. Juni 1977 (Anm. 142), besagt zwar, daß im Zweifel zu vermuten ist, daß regelmäßig zivil genutzte Objekte nicht zu militärischen Aktivitäten beitragen. Diese Vermutung ist aber im Falle der Donaubrücken widerlegt, vgl. oben, Anm. 149. 151 Le Figaro, 12 Oktober 1999, S. 2 (La vengeance du Danube), FAZ, 27. Januar 2000, S. 16 (Gefährliche Blockade). 152 18. August 1948, UNTS Bd. 33, S. 196. 153 Voice of America, 17. Mai 2000, www.fas.org/man/dod-101/ops/2000/ 000517-kosovo4.htm. 154 Art. 5 des Gemeinsamen Standpunkts des Rates der EU betreffend zusätzlicher restriktiver Maßnahmen gegen die BRJ, 10. Mai 1999, ABl. Nr. L 123 vom 13. Mai 1999, S. 1. 155 Vgl. das Interview des Spezialkoordinators des Stabilitätspakts für Süd-Osteuropa, Bodo Hombach, in: SHAPE News, 3. November 1999, www.fas.org/man/dod101/ops/docs99/mu031199.htm. Zu graduellen Unterschieden in der Haltung der westlichen Staaten siehe Le Figaro, 12 Oktober 1999, S. 2 (La vengeance du Danube), sowie die in Österreich herausgegebene Zeitschrift Binnenschiffahrt (ZfB), Oktober 2000 (55. Jahrgang, Nr. 10), S. 19 (Debakel Donauräumung).

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Von der Donaukommission wurde demgegenüber eine Kompromißlösung angeregt: Die Wiederherstellung der Schiffahrtsfreiheit auf der Donau sei de facto nur möglich, wenn zumindest die „Freiheitsbrücke“ in Novi Sad wiederaufgebaut würde157. Ansonsten könne die behelfsmäßige Pontonbrücke nicht beseitigt werden, die bis heute den Schiffsverkehr beeinträchtigt. Eine komplementäre Auffassung wurde von den Anliegern der unteren Donau im Stabilitätspakt für Süd-Osteuropa vertreten: Beim Wiederaufbau der „Freiheitsbrücke“ handle es sich nicht um ein Nachgeben gegenüber der jugoslawischen Führung, sondern um eine humanitäre Maßnahme zugunsten der Zivilbevölkerung in Novi Sad158. Das örtliche Krankenhaus befinde sich in unmittelbarer Nähe zur Brücke und die Pontonbrücke könne erst abgebaut werden, wenn die „Freiheitsbrücke“ wiederhergestellt worden sei. Der Kompromißvorschlag scheiterte am strikten Festhalten der westlichen Staaten am Sanktionsregime gegen die damalige jugoslawische Führung159. Eine Finanzierung des Wiederaufbaus der „Freiheitsbrücke“ durch den Stabilitätspakt kam für sie nicht in Betracht, weil Jugoslawien die im Pakt festgeschriebenen Prinzipien von Demokratie und Menschenrechten nicht respektierte160. Die Weigerung der ehemaligen jugoslawischen Führung, den Flußabschnitt in Novi Sad wiederherzurichten, verstieß gegen das Prinzip der Schiffahrtsfreiheit sowie gegen die Pflicht zur Gewährleistung der Befahrbarkeit des eigenen Donauabschnitts161. Als Gegenmaßnahme gemäß Arti156 Art. 6 des Gemeinsamen Standpunkts vom 10. Mai 1999 (Anm. 154). Vgl. dementsprechend die Presseerklärung der bulgarischen Botschaft in Washington, The Bulgarian Position for the Stability Pact Summit in Sarajevo, 26. Juli 1999, www.bulgaria-embassy.org/International%20Relations/Saraevo.htm, Ziff. 8 Abs. 3: „The restoration of the free navigation on the river is of crucial importance. Any conditions that the current Government in Belgrade tries to impose are unacceptable“. 157 Abs. 3 Spiegelstrich 1 der Entscheidung der Donaukommission zum Projekt der „Wiederschiffbarmachung der Donau“ („Clearance of the fairway of the Danube“), 25. Januar 2000, CD/SES-V. Extr./4. 158 Rede des ukrainischen Außenministers Borys Tarasyuk in New York, 2. Mai 2000, The New Geopolitics of Southeastern Europe, www.mfa.gov.ua/eng/info/tara syuk/r2000/0502.html. Die Auffassung vom humanitären Charakter eines Brückenprojekts in Novi Sad wurde von Österreich und Italien geteilt, vgl. die in Österreich herausgegebene Zeitschrift Binnenschiffahrt (ZfB), Oktober 2000 (55. Jahrgang, Nr. 10), S. 19 (Debakel Donauräumung). 159 Ibid. 160 Vgl. Abs. 11 Unterabsatz 2 i. V. m. Abs. 5 und 9 des Stabilitätspakts für SüdOsteuropa, Kölner Außenministerkonferenz vom 10. Juni 1999, www.auswaertigesamt.de/www/de/infoservice/download/pdf/stabpact.pdf. 161 Art. 1 S. 1 und Art. 3 Abs. 1 der Belgrader Konvention, 18. August 1948, UNTS Bd. 33, S. 196.

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kel 49 der ILC’s Articles on State Responsibility162 war dies nicht zu rechtfertigen: Zum einen war die Schiffahrtsfreiheit gegenüber Jugoslawien überhaupt nicht verletzt worden und zum anderen beeinträchtigten die „Repressalien“ nicht die Teilnehmer der NATO-Luftangriffe, sondern die Anlieger der unteren und mittleren Donau – der Druck sollte also nicht direkt gegen die Urheber des vermeintlichen Völkerrechtsverstoßes erzeugt werden, sondern indirekt über ihre Partner in Süd-Osteuropa163. cc) Die Räumung des Flußbetts durch die Budapester Donaukommission Die Bundesrepublik Jugoslawien hatte sich im Jahre 1999 nicht nur geweigert, den durch Brückentrümmer blockierten Flußabschnitt in Novi Sad zu räumen, sondern sie sperrte sich auch gegen ein Angebot der Donaukommission, die Räumung der Fahrrinne zu übernehmen164. Ein Beschluß zu dieser Frage kam erst zustande, als die Donaukommission im Gegenzug zusicherte, sich für die Wiedererrichtung der „Freiheitsbrücke“ einzusetzen165. Durch den Beschluß der Donaukommission vom 25. Januar 2000 wurde das Projekt zur „Clearance of the fairway of the Danube“ angenommen166. Zur Finanzierung war vorgesehen, eine Unterstützung der Europäischen Union zu beantragen. Der Rat der Europäischen Union hatte bereits am 15. November 1999 seine grundsätzliche Bereitschaft erklärt, eine Wiederherstellung der Schifffahrtsfreiheit durch die Donaukommission zu unterstützen167. Mit einer gewissen Verzögerung bewilligte der Rat am 17. Juli 2000, bis zu 22 Millionen Euro beziehungsweise 85 Prozent der Kosten des Räumungsprojekts zu 162

Annex zur Resolution 56/83 der UN-Generalversammlung, 28. Januar 2002. Der Art. 49 Abs. 1 der ILC’s Articles on State Responsibility, ibid., sieht demgegenüber nur vor, daß der verletzte Staat gegen den Verantwortlichen einer Völkerrechtsverletzung Repressalien ergreifen kann, nicht aber gegen Drittstaaten. 164 Vgl. FAZ, 27. Januar 2000, S. 16 (Gefährliche Blockade). Die Donaukommission ist eigentlich nur zuständig, Arbeiten an der Schiffahrtsstraße vorzunehmen, wenn der Uferstaat dazu nicht in der Lage ist, Art. 4 Abs. 1 S. 1 der Belgrader Konvention, 18. August 1948, UNTS Bd. 33, S. 196. Ein solcher Fall ist bislang noch nicht eingetreten und er wurde nach den NATO-Luftangriffen lediglich fingiert, um die „politische“ Blockade zu überwinden. Die Durchführung von Arbeiten gemäß Art. 4 der Belgrader Konvention bedarf allerdings nach Art. 12 i. V. m. Art. 8 Abs. 2 Lit. c) der Belgrader Konvention der Zustimmung des betroffenen Uferstaates, so daß Jugoslawien in die Durchführung der Arbeiten einwilligen mußte. 165 Siehe Abs. 3 Spiegelstrich 2 der Entscheidung der Donaukommission zum Projekt der „Wiederschiffbarmachung der Donau“ („Clearance of the fairway of the Danube“), 25. Januar 2000, CD/SES-V. Extr./4. 166 Abs. 1 der Entscheidung vom 25. Januar 2000, ibid. 163

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übernehmen168. Die restlichen Mittel waren durch die Donaustaaten sowie Drittstaaten aufzubringen169. Die Verwaltung der Mittel wurde einem in Österreich gegründeten „Internationalen Fonds zur Räumung der Donau“170 anvertraut. Die praktische Umsetzung des Projekts wurde einer „Unité de Direction Technique“ der Donaukommission übertragen171. Ein am 17. Mai 2000 verabschiedeter Zeitplan hatte noch vorgesehen, mit den Arbeiten im Sommer des selben Jahres zu beginnen172. Das Projekt wurde aber dadurch blockiert, daß die Europäische Union keine Auftragserteilung an jugoslawische Firmen zulassen wollte173. Jugoslawien bestand indes auf eine Beteilung heimischer Firmen und verweigerte deshalb seinerseits die Erteilung der erforderlichen Genehmigungen durch seine Behörden174. Das Projekt zur Räumung der Donau konnte praktisch erst beginnen, nachdem die Führung Slobodan Milosevics durch die demokratische Regierung Vojislav Kostunicas abgelöst worden war175. Im April 2001 wurde der Auftrag an ein dänisch-ungarisches Firmenkonsortium erteilt176. Im Laufe 167 Presseerklärung zur 2217. Tagung des Rates der Europäischen Union, 15. November 1999, PRES/99/344, europa.eu.int/comm./external_relations/news/11_99/ pres_99_344.htm. 168 Art. 1 Abs. 1 des Beschlusses des Rats der EG vom 17. Juli 2000 über den Beitrag der Gemeinschaft zum Internationalen Fonds für die „Wiederschiffbarmachung der Donau“, ABl. Nr. L 187 vom 26. Juli 2000, S. 45 (2000/474/EG). 169 Neben den Donaustaaten beteiligten sich Kanada, die Niederlande und die Schweiz an dem Projekt, vgl. das Kommuniqué zur 60. Jahrestagung der Donaukommission vom 15. bis 23. April 2002, www.danubecom-intern.org/GERMAN/ Jahrestag/Treffen-Jahrestagungen.htm. 170 Bundesgesetz über den Internationalen Fonds zur Räumung der Schiffahrtsrinne der Donau, BGBl. (Österreich) 2000 I Nr. 70 vom 8. August 2000. 171 Siehe die Règles de procédure relatives à l’Unité de direction technique du projet de désobstruction du Danube, Donaukommission, 17. Mai 2000, www.duna com.org/clearance/rules/rop-fr.doc. 172 Section 3.01 Abs. 3 der Règles de procédure, ibid. 173 Rede des ukrainischen Außenministers Borys Tarasyuk in New York, 2. Mai 2000, The New Geopolitics of Southeastern Europe, www.mfa.gov.ua/eng/info/tara syuk/r2000/0502.html. Zur Relevanz des Sanktionsregimes bei der Umsetzung des Räumungsprojekts siehe Art. 1 Abs. 3 des Beschlusses des Rats der EG vom 17. Juli 2000 (Anm. 168) i. V. m. Art. 2 des Gemeinsamen Standpunkts des Rats der EU betreffend zusätzlicher restriktiver Maßnahmen gegen die BRJ, 10. Mai 1999, ABl. Nr. L 123 vom 13. Mai 1999, S. 1. 174 Zur Erforderlichkeit der behördlichen Genehmigungen vor der Auftragsvergabe siehe Section 3.01 Abs. 2 Lit. c), d) der Règles de procédure relatives à l’Unité de direction technique, 17. Mai 2000 (Anm. 171). 175 Korrespondentenbericht in den BBC News, 29. November 2001, Danube opens for shipping, http://news.bbc.co.uk/hi/english/world/europe/newsid_1682000/ 1682862.stm.

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2. Kap.: Mögliche Einschränkungen der Schiffahrtsfreiheit

der folgenden Monate wurden die hauptsächlichen Trümmer und Munitionsreste beseitigt und die versandete Fahrrinne neu ausgehoben. Der Flußabschnitt konnte daraufhin im November 2001 provisorisch wiedereröffnet werden177. Die Benutzung wurde wegen verbliebener Munitionsreste zunächst nur auf eigene Gefahr gestattet178. Die Räumung wurde dann im Jahre 2002 weitgehend abgeschlossen, wobei die Schiffahrt allerdings noch bis zum Jahre 2005 durch eine Pontonbrücke behindert wurde179. dd) Das Problem der Pontonbrücke in Novi Sad Die Schiffahrtsfreiheit wurde im November 2001 nur bedingt wiederhergestellt, weil die Schiffahrt weiterhin durch die Pontonbrücke in Novi Sad beeinträchtigt wurde. Die neue jugoslawische Regierung und die Stadtverwaltung von Novi Sad konnten – trotz der Existenz anderweitiger Behelfsbrücken – nicht zur endgültigen Demontage der Pontonbrücke bewegt werden. Als Kompromiß wurde vereinbart, daß die Pontonbrücke ab Januar 2002 zweimal und ab März 2002 dreimal wöchentlich über Nacht zu demontieren war, um die wartenden Schiffe passieren zu lassen180. Im Gegenzug wurde der jugoslawischen Seite in Aussicht gestellt, die „Freiheitsbrücke“ mit Mitteln der Europäischen Gemeinschaft wiederaufzubauen181. Im März 2002 bewilligte die Europäische Gemeinschaft das Brückenprojekt in Novi Sad und im Juli 2002 wurde eine Vereinbarung über die Bereitstellung von 34 Millionen Euro getroffen182. Die Durchführung des Projekts lag in den Händen der Europäischen Agentur für Wiederaufbau. Der 176 Donaukommission, Presseerklärung vom 9. April 2001, www.dunacom.org/ clearance/PR1.htm. 177 The European Union Online, Danube River again open for navigation at Novi Sad, 29. November 2001, http://europa.eu.int/comm/external_relations/see/news/ ip01_1689.htm. 178 Ziff. 6 der Erklärung der Donaukommission zur Wiederherstellung der freien Schiffahrt auf der Donau, Anhang zum Kommuniqué zur 60. Jahrestagung der Donaukommission vom 15. bis 23. April 2002, www.danubecom-intern.org/GERMAN/ Jahrestag/Treffen-Jahrestagungen.htm. 179 Kommuniqué zur 62. Jahrestagung der Donaukommission vom 29. März bis 2. April 2004, ibid. 180 FAZ, 7. Dezember 2001, S. 7 (Die Freiheitsbrücke liegt in der Donau), BBC News, 29. November 2001, Danube opens for shipping, http://news.bbc.co.uk/hi/ english/world/europe/newsid_1682000/1682862.stm. 181 Vgl. The European Union Online, Reconstruction of the Sloboda Bridge at Novi Sad to begin, 23. Juli 2002, http://europa.eu.int/comm/external_relations/see/ news/ip02_1123.htm. 182 Ibid.

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Beginn der Arbeiten war für den Herbst 2002 vorgesehen und als Bauzeit wurden etwas mehr als zwei Jahre veranschlagt. Trotz des Entgegenkommens der Europäischen Gemeinschaft beim Wiederaufbau der „Freiheitsbrücke“ verursachen jugoslawische Stellen weiterhin Schwierigkeiten bei der periodischen Demontage der Pontonbrücke. Ursprünglich war vereinbart worden, daß die Kosten der Demontage über eine Gebühr auf die passierenden Schiffe umgelegt werden könnten183. Dabei wurden aber keine genauen Konditionen der Gebührenerhebung festgelegt, mit der Folge, daß die jugoslawischen Stellen exzessiv hohe Transitgebühren verlangten. Der anfangs erzielte Erlös lag über 100.000 Euro pro Öffnung, das heißt zirka zehnmal höher als die geschätzten tatsächlichen Aufwendungen184. Vertreter der Donaukommission und der Europäischen Union verhandelten mehrfach mit den jugoslawischen Stellen, wobei aber nur graduelle Verbesserungen erreicht werden konnten185. Bei der Jahrestagung im April 2002 forderte die Donaukommission Jugoslawien auf, die Kosten der periodischen Demontage offenzulegen und die Gebühren entsprechend anzupassen186. Die Aufforderung zu einer „bedeutenden Senkung“ der Gebühren mußte im April 2003 wiederholt werden; zudem wurde gefordert, unbeladene Schiffe von der Gebührenpflicht auszunehmen. Eine substantielle Reduzierung der Gebühren pro Registertonne (0,1 Euro statt 0,3 Euro) erfolgte dann erst im Jahre 2004, allerdings ohne daß die absoluten Einnahmen dadurch wesentlich reduziert worden wären: Die Anzahl der passierenden Schiffe hatte sich nämlich zwischenzeitlich nahezu verdreifacht (von 3700 Einheiten im Jahre 2001 auf 9740 Einheiten im Jahre 2004)187. Nach der Belgrader Konvention wäre Jugoslawien an sich verpflichtet gewesen, die Pontonbrücke unverzüglich und endgültig zu demontieren188. In der Konvention findet sich überdies keine Rechtsgrundlage für die Erhebung der Transitgebühr189. Angesichts der Tatsache, daß die Vertragsstaaten 183

Vgl. ibid. FAZ, 7. Dezember 2001, S. 7 (Die Freiheitsbrücke liegt in der Donau). 185 Beispielsweise wurde erreicht, daß Passagierschiffe von der Transitgebühr ausgenommen wurden, Ziff. 3 der Erklärung der Donaukommission zur Wiederherstellung der freien Schiffahrt auf der Donau, Anhang zum Kommuniqué zur 60. Jahrestagung der Donaukommission vom 15. bis 23. April 2002, www.danubecomintern.org/GERMAN/Jahrestag/Treffen-Jahrestagungen.htm. 186 Ziff. 4 der Erklärung der Donaukommission, ibid. 187 Vgl. die Rede des damaligen Generaldirektors der Donaukommission, Danail Nedialkov, am 27./28. Januar 2005 in Wien, www.ivr.nl/downloads/Nedialkov% 20Statement.pdf. 188 Nach Art. 3 Abs. 1 S. 1 der Belgrader Konvention, 18. August 1948, UNTS Bd. 33, S. 196, sind die Donaustaaten verpflichtet, die Befahrbarkeit ihres jeweiligen Flußabschnitts zu gewährleisten. Brücken dürfen demnach nur so errichtet werden, daß sie die Befahrbarkeit des Flusses nicht beeinträchtigen. 184

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davon einvernehmlich eine Derogation erteilt hatten, war Jugoslawien zumindest verpflichtet, die Gebühr nicht als Profitquelle zu mißbrauchen190. Wegen der Einträglichkeit der Brückenöffnungen existierte aber scheinbar kein adäquates Druckmittel, um ein Einlenken der jugoslawischen Stellen zu erzwingen. Das Brückenprojekt in Novi Sad taugte jedenfalls nicht zur Ausübung wirtschaftlichen Drucks: Zwar handelt es sich um das teuerste Hilfsprojekt in Jugoslawien191, aber seine Verzögerung hätte den Schaden für die Donauschiffahrt nur noch weiter vergrößert. *** Die mit der Bombardierung der Donaubrücken verursachten wirtschaftlichen und politischen Nachteile stehen außer Verhältnis zum erstrebten „militärischen“ Vorteil. Französische Luftwaffenoffiziere hatten bereits während der NATO-Luftangriffe darauf hingewiesen, daß die westeuropäischen Staaten voraussichtlich für den kostspieligen Wiederaufbau der Brücken aufkommen müßten192. Daß allerdings jahrelange politische Querelen folgen würden, und daß die Partnerstaaten der NATO Einbußen von mehreren Milliarden Euro erleiden würden193, war offenbar nicht vorhergesehen worden – diese Aussicht hätte jedenfalls schon früher zum Abbruch der betreffenden Angriffe führen müssen194. Trotzdem wurde der befehlshabende US-amerikanische Luftwaffengeneral Michael Short bei einer späteren parlamentarischen Anhörung dahingehend zitiert, seiner Meinung nach hätten auch die Belgrader Brücken bombardiert werden sollen, selbst wenn sie zwanzig Jahre in der Donau gelegen hätten195. 189 In Art. 35 der Belgrader Konvention, ibid., ist vorgesehen, daß für die Instandhaltung des Schiffahrtsweges Gebühren erhoben werden dürfen. Die Pontonbrücke dient aber nicht der Instandhaltung des Schiffahrtsweges – Gebühren dürften somit allenfalls einmal für die endgültige Demontage verlangt werden. 190 Art. 37 der Belgrader Konvention, ibid. 191 The European Union Online, Reconstruction of the Sloboda Bridge at Novi Sad to begin, 23. Juli 2002, http://europa.eu.int/comm/external_relations/see/news/ ip02_1123.htm. 192 Interview des NATO-Oberbefehlshabers Wesley Clark mit Le Monde, 28. Juni 2000, S. 5. 193 Zu den Verlusten der Donaustaaten siehe oben, Einleitung, bei Anm. 133, 134. 194 Nach dem 29. April 1999 wurden keine weiteren Angriffe auf Donaubrücken geflogen, obwohl sie nur teilweise zerstört waren. Zu den Daten der Angriffe auf Donaubrücken siehe Serbia Info News, 5. Juni 1999, Chronology of Crimes and Dishonor of NATO, www.fas.org/man/dod-101/ops/docs99/12335.htm, zum Zerstörungsgrad siehe W. J. Fenrick, Targeting and Proportionality during the NATO Bombing Campaign against Yugoslavia, EJIL 2001, S. 489 ff. (S. 492). Vgl. auch die Nachweise oben, Einleitung, Anm. 6.

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Bei einem „gewöhnlichen“ zwischenstaatlichen Konflikt hätte eine Maßnahme wie die Bombardierung der Donaubrücken nachdrückliche Proteste der neutralen Uferstaaten hervorgerufen. Während der NATO-Luftangriffe gelang es den westlichen Staaten aber, ihre Partner in Süd-Osteuropa zur Duldung der betreffenden Maßnahmen zu bewegen, unter anderem indem die Hilfe des späteren Stabilitätspakts in Aussicht gestellt wurde und indem zusätzliche Kreditfazilitäten bei der Weltbank zugebilligt wurden196. Der dabei hergestellte Konsens über das Vorgehen in der Frage der Donauschifffahrt hat zur Folge, daß eine Verletzung der „neutralen“ Schiffahrt nicht festgestellt werden kann. Die jüngsten Ereignisse könnten den irrigen Eindruck erwecken, die Donauschiffahrt könne im Zusammenhang mit militärischen Auseinandersetzungen beliebig eingeschränkt werden und die dabei verursachten Hindernisse bräuchten anschließend nicht beseitigt zu werden. Bei der anstehenden Revision der Belgrader Konvention197 wäre es deshalb hilfreich, zur Klarstellung einen Artikel mit etwa folgender Formulierung aufzunehmen198: „Im Falle bewaffneter Konflikte ist die Freiheit der neutralen Schiffahrt zu gewährleisten. Einschränkungen dürfen nur zeitweilig erfolgen, soweit militärische Notwendigkeiten es zwingend erfordern. Sobald die militärische Lage es erlaubt, sind die Einschränkungen unbedingt aufzuheben“199. Eine Erwähnung des Vorrangs von UN-Sanktionen wäre wegen Artikel 103 der UN-Charta nicht erforderlich. Eine Reglementierung von Maßnahmen nach Artikel 41 Absatz 1 der ILC’s Articles on State Responsibility200 wäre ebenfalls entbehrlich, weil solche Maßnahmen einen Konsens aller beteiligten Staaten erfordern, der nur ad hoc hergestellt werden kann. 195

Bericht des Defence Select Committee des britischen Unterhauses, Fourteenth Report, 23. Oktober 2000, § 94, ursprünglich zit. in: House of Commons, Defence Committee, Fourteenth Report (Session 1999–2000), Minutes of Evidence – Vol. II (HC 347-II), Minutes of Evidence Taken Before the Defence Committee, 20. Juni 2000, § 1046. 196 Vgl. das „Fact Sheet“ der bulgarischen Botschaft in Washington, Bulgaria and the War in Yugoslavia, Frühjahr 1999, www.bulgaria-embassy.org/International %20Relations/Fact%20Sheet%20-%20Yugoslavia.htm. 197 Zur Tätigkeit des Vorbereitungskomitees zur Revision der Belgrader Konvention siehe Donaukommission, Ziff. 7 des Berichts über das Treffen der Experten für Rechts- und Finanzangelegenheiten vom 28. bis 31. Januar 2003, DK 37/II-2003 vom 12. Februar 2003. 198 Zum Regelungsbedarf betreffend der Gewährleistung der freien Schiffahrt in Krisen und im Konfliktfall siehe die Nachweise oben, § 2, Anm. 413. 199 Zu einem älteren Regelungsvorschlag zur „Neutralité dans son application à la navigation intérieure“ siehe E. Engelhardt, Du régime conventionnel des fleuves internationaux (1879), S. 182 f. 200 Annex zur Resolution 56/83 der UN-Generalversammlung, 28. Januar 2002.

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2. Kap.: Mögliche Einschränkungen der Schiffahrtsfreiheit

Bei der Revision des Belgrader Statuts wird angestrebt, der Europäischen Gemeinschaft einen Sitz in der Donaukommission einzuräumen201. Damit soll die Einbindung der Donau in das westeuropäische Wasserstraßennetz verbessert werden. Darüber hinaus wird so das gesamteuropäische Interesse an der Donauschiffahrt unterstrichen und seine Berücksichtigung bei den Entscheidungsprozessen in Brüssel erleichtert. Zwischenzeitlich sind bereits Frankreich und andere interessierte Drittstaaten als Beobachter bei der Donaukommission zugelassen worden202. Auch davon ist eine effektivere Garantie der Schiffahrtsfreiheit zu erwarten.

201 Ziff. 14 f. des Berichts über das Expertentreffen vom 28. bis 31. Januar 2003 (Anm. 197). Die gemeinsame Verkehrspolitik gemäß Art. 70 ff. EGV betrifft nach Art. 80 Abs. 1 EGV unter anderem den Binnenschiffsverkehr. Die Entwicklung einer gemeinsamen Binnenschiffahrtspolitik wurde aber über Jahrzehnte hin immer wieder verzögert, vornehmlich wegen Problemen bei der Harmonisierung mit der Mannheimer Rheinschiffahrtsakte von 1868, vgl. Th. Oppermann, Europarecht (2. Aufl. 1999), S. 604–606 (Rn. 1453–1456). Durch Art. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 3921/91 vom 16. Dezember 1991, ABl. Nr. L 373 vom 31. Dezember 1991, S. 1, wurde immerhin der Binnenschiffsverkehr innerhalb der EG-Mitgliedstaaten für die Transporteure aus anderen Mitgliedstaaten geöffnet. Durch Art. 1 f. der Verordnung (EG) Nr. 1356/96 vom 8. Juli 1996, ABl. Nr. L 175 vom 13. Juli 1996, S. 7, wurde diese Kabotagefreiheit auf den grenzüberschreitenden Verkehr zwischen EG-Staaten ausgedehnt. Die Rechte von Drittstaaten nach der Mannheimer Akte sowie dem Belgrader Statut blieben davon unberührt, Art. 6 der Verordnung (EWG) Nr. 3921/91 bzw. Art. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1356/96. Eine Realisierung der gemeinsamen Binnenschiffahrtspolitik ist insoweit erst durch einen Beitritt der EG zur Mannheimer Akte sowie zum Belgrader Statut zu erwarten, vgl. Oppermann, a. a. O., S. 606 (Rn. 1456), M. Sengpiel, Das Recht der Freiheit der Schiffahrt auf Rhein und Donau (1998), S. 132, 203, 217 f. 202 Frankreich und der Türkei wurde durch Beschlüsse der 59. Jahrestagung der Donaukommission, DK/TAG 59/35 bzw. DK/TAG 59/36 vom April 2001, der Beobachterstatus eingeräumt. Bei der 60. Jahrestagung folgten Tschechien und die Niederlande, Beschlüsse DK/TAG 60/19 bzw. DK/TAG 60/20 vom April 2002. Die EU verfügt neuerdings ebenfalls über den Beobachterstatus.

Zusammenfassung und Schlußbemerkung Zusammenfassung (1) Die Divergenzen über die Ablösung des Pariser durch das Belgrader Statut haben bislang nicht beigelegt werden können. Durch den Beitritt Österreichs und Deutschlands zur Belgrader Konvention sind aber mittlerweile alle Donaustaaten sowie Rußland in der Budapester Donaukommission vertreten. In praktischer Hinsicht sind die Schwierigkeiten, welche aus der Konkurrenz der beiden Schiffahrtsakten resultieren, damit größtenteils überwunden. (2) Die westlichen Siegermächte des Zweiten Weltkriegs halten weiter an ihren Rechten gemäß der Pariser Konvention fest. Die unzulängliche Gewährleistung der Schiffahrtsfreiheit durch die Belgrader Konvention wird aber inzwischen auch von den einstigen Ostblockstaaten als Problem angesehen. Bei der deshalb angestrebten Revision ist zu erwarten, daß die antiliberalen Tendenzen des Belgrader Statuts beseitigt werden. Sollte damit den Grundsätzen der Wiener Kongreßakte zur Schiffahrt auf internationalen Flüssen entsprochen werden, ist seitens der westeuropäischen Staate mit einer Anerkennung der revidierten Schiffahrtsakte zu rechnen. (3) Bereits heute ist allgemein anerkannt, daß es sich bei der Donau um einen Vertragsfluß im Sinne der Wiener Kongreßakte handelt. Die Pflicht zur Gewährleistung der Schiffahrtsfreiheit läßt sich ursprünglich auf den Allgemeinen Friedensvertrag von 1856 zurückführen. Danach ist die Anwendung des Prinzips der Schiffahrtsfreiheit auf die Donau Teil des „droit public de l’Europe“ und somit allgemein verbindlich. (4) Hinsichtlich des Befahrens der Donau mit Kriegsschiffen weisen die beiden Donaustatute markante Unterschiede auf. Wegen der strategischen Bedeutung der Donaumündung als Zugang zum Schwarzen Meer sieht das Pariser Statut vor, daß die Mitgliedsstaaten der Europäischen Donaukommission je zwei Kriegsschiffe in der Donaumündung stationieren dürfen. Demgegenüber verbietet das Belgrader Statut das Befahren der Donau durch Kriegsschiffe von Nichtdonaustaaten. Das entsprach dem sowjetischen Anspruch auf die Rolle einer Hegemonialmacht im Donau- sowie im Schwarzmeerraum. Durch die mittlerweile eingetretenen territorialen und politischen Veränderungen ist diese Vorschrift heute überholt und dürfte bei der anstehenden Revision der Belgrader Akte ersatzlos gestrichen werden.

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Zusammenfassung und Schlußbemerkung

(5) Die 1878 vereinbarte partielle Demilitarisierung der unteren Donau hat sich in der Praxis nicht bewährt. Die Aufnahme einer solch speziellen Vorschrift in die revidierte Belgrader Akte ist deshalb nicht wünschenswert. (6) Die Freiheit der neutralen Schiffahrt ist im Falle bewaffneter Konflikte zu gewährleisten, soweit nicht zwingende militärische Notwendigkeiten entgegenstehen. Wegen des mangelnden Respekts der Schiffahrtsfreiheit während der jüngsten Konflikte im ehemaligen Jugoslawien erscheint es angezeigt, diese im neunzehnten Jahrhundert etablierte Regel in der revidierten Belgrader Akte ausdrücklich in Erinnerung zu rufen. (7) Die Donau unterliegt – trotz ihres internationalen Status – der territorialen Souveränität der Uferstaaten. Dementsprechend ist der Fluß grundsätzlich dem Schauplatz des Landkrieges zuzurechnen. Eine Anwendung des Prisenrechts kommt nur ausnahmsweise in Betracht, falls auf dem Fluß befindliche Seeschiffe aufgebracht werden. Zur Bekämpfung des feindlichen Seehandels ist überdies die Ausübung des Prisenrechts gegen Hilfsschiffe der Seeschiffahrt zulässig. (8) Neutrale Donaustaaten sind verpflichtet, den Verkehr von Kriegsschiffen und Militärtransporten der Kriegsführenden auf ihrem Donauabschnitt zu verhindern. Das gleiche gilt für private Waffenlieferungen an die Konfliktparteien. Mit dem Belgrader Statut ist es überdies vereinbar, wenn private Lieferungen kriegswichtiger Güter wie Öl, Kohle und Stahl unterbunden werden. (9) Eine Blockade der Donau ist im Interesse der neutralen Anliegerstaaten verboten. Das gilt indes nicht für die Anordnung von Verkehrsbeschränkungen durch den UN-Sicherheitsrat. (10) Die Zerstörung der Donaubrücken während des Kosovokonflikts stand mit den herkömmlichen Regeln zum Schutz der neutralen Schiffahrt nicht im Einklang. Die betroffenen Drittstaaten haben aber auf die Geltendmachung dieser Regeln verzichtet und statt dessen eine Unterstützung analog Artikel 50 der UN-Charta gefordert. Das wurde im Rahmen des Stabilitätspakts für Süd-Osteuropa berücksichtigt, so daß eine Verletzung der „neutralen“ Schiffahrt nicht konstatiert werden kann. Eine Verletzung der Schiffahrtsfreiheit gegenüber Jugoslawien kommt hingegen nicht in Betracht, weil die Schiffahrtsfreiheit zwischen den Konfliktparteien suspendiert war. Demgemäß waren die von Jugoslawien ergriffenen Gegenmaßnahmen rechtswidrig.

Zusammenfassung und Schlußbemerkung

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Schlußbemerkung Die rechtliche Lage der Donauschiffahrt im Falle bewaffneter Konflikte variiert jeweils aufgrund der diversen anwendbaren Regelungskomplexe. Hervorzuheben ist zunächst die Konkurrenz des Pariser und des Belgrader Statuts, die bezüglich strategischer Fragen deutliche Gegensätze aufweisen. Weitere Differenzierungen ergeben sich aus der Grenzsituation der Donau als Übergangsbereich zwischen Land und Meer, mit dem traditionellen Gegensatz zwischen Land- und Seekriegsrecht. Eine besonders komplexe Situation entstand durch die Bombardierung von Donaubrücken während des Kosovo-Konflikts: Die Strategie der NATO basierte auf einem isolierten Einsatz ihrer überlegenen Luftstreitkräfte, wobei das konkret anvisierte Ziel die Nachschublinien der jugoslawischen Landstreitkräfte waren und der Kollateralschaden für die Zivilschiffahrt von Drittstaaten entstand. Die daraus resultierenden Probleme entziehen sich keineswegs einer rechtlichen Beurteilung. Es erweist sich jedoch als unabdingbar, die objektiven Unterschiede zwischen traditionellen Kriegen und sonstigen bewaffneten Konflikten – insbesondere kollektiven Zwangsmaßnahmen – zu berücksichtigen. Unter diesem Gesichtspunkt offenbaren sich deutliche Analogien zwischen dem UN-Sanktionsregime der Jahre 1993 bis 1995 und den NATO-Luftangriffen, mit den ergänzenden Maßnahmen im Rahmen des Stabilitätspakts für Süd-Osteuropa. Die Donau erweist sich als besonders geeignet, die Unterschiede zwischen den Kriegsschauplätzen sowie zwischen verschiedenen Arten bewaffneter Konflikte aufzuzeigen. Die vorliegende Untersuchung eröffnet zudem eine neue Perspektive auf das Donaustatut als solches: Seine Entstehung und Entwicklung zeigt sich in erheblichem Maße als die Konsequenz der im Donauraum ausgetragenen bewaffneten Konflikte. Letztlich ergeben sich auch neue Erkenntnisse über das Schicksal objektiver Regime im Falle bewaffneter Konflikte, nämlich sowohl in Bezug auf das Donaustatut als einem „Nutzungsregime“ als auch in Bezug auf die Regeln zur Stabilisierung der Lage in der strategisch wichtigen Donaumündungsregion.

Anhang Vertragliche Regelungen mit Bezug zum Status der Donauschiffahrt im Falle bewaffneter Konflikte – Artikel XV Absatz 1 des Allgemeinen Friedensvertrages, 30. März 18561: „L’Acte du Congrès de Vienne ayant établi les principes destinés à régler la navigation des fleuves qui séparent ou traversent plusieurs Etats, les Puissances Contractantes stipulent entre elles qu’à l’avenir ces principes seront également appliqués au Danube et à ses embouchures. Elles déclarent que cette disposition fait, désormais, partie du droit public de l’Europe, et la prennent sous leur garantie“.

– Artikel XIX des Allgemeinen Friedensvertrages: „Afin d’assurer l’exécution des règlements qui auront été arrêtés d’un commun accord, d’après les principes ci-dessus énoncés, chacune des Puissances Contractantes aura le droit de faire stationner, en tout temps, deux bâtiments légers aux embouchures du Danube“.

– Artikel 21 des Acte public zur Schiffahrt in der Donaumündung, 2. November 18652: „Les ouvrages et établissements de toute nature créés par la Commission européenne, ou par l’autorité qui lui succédera, en exécution de l’article 16 du Traité de Paris, notamment la caisse de navigation de Soulina, et ceux qu’elle pourra créer à l’avenir, jouiront de la neutralité stipulée dans l’article 11 dudit Traité, et seront, en cas de guerre, également respectés par tous les belligérants. Le bénéfice de cette neutralité s’étendra, avec les obligations qui en dérivent, à l’inspection générale de la navigation, à l’administration du port de Soulina, au personnel de la caisse de navigation et de l’hôpital de la marine, enfin au personnel technique chargé de la surveillance des travaux“.

– Artikel VII des Pontus-Vertrages, 13. März 18713: „Tous les ouvrages et établissements de toute nature, créés par la Commission européenne en exécution du Traité de Paris de 1856, ou du présent Traité, continueront à jouir de la même neutralité qui les a protégés jusqu’ici, et qui sera également respectée à l’avenir dans toutes les circonstances par les Hautes Parties 1 2 3

Pariser Vertrag, Martens, NRG I 15, S. 770. Schiffahrtsakte von Galatz, ibid. I 18, S. 144. Londoner Vertrag, ibid. I 18, S. 303.

Anhang

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Contractantes. Le bénéfice des immunités qui en dérivent s’étendra à tout le personnel administratif et technique de la Commission. Il est, cependant, bien entendu que les dispositions de cet article n’affecteront en rien le droit de la Sublime Porte de faire entrer, comme de tout temps, ses bâtiments de guerre dans le Danube en sa qualité de puissance territoriale“.

– Artikel LII des Berliner Vertrages, 13. Juli 18784: „Afin d’accroître les garanties assurées à la liberté de la navigation sur le Danube reconnue comme étant d’intérêt européen, les Hautes Parties contractantes décident que toutes les forteresses et fortifications qui se trouvent sur les parcours du fleuve depuis les Portes de fer jusqu’à ses embouchures seront rasées et qu’il n’en sera pas élevé de nouvelles. Aucun bâtiment de guerre ne pourra naviguer sur le Danube en aval des Portes de fer, à l’exception des bâtiments légers destinés à la police fluviale et au service des douanes. Les stationnaires des Puissances aux embouchures du Danube pourront toutefois remonter jusqu’à Galatz“.

– Artikel XXVI Absatz 1 des nicht ratifizierten Friedensvertrages von Bukarest, 7. Mai 19185: „Deutschland, Österreich-Ungarn, Bulgarien, die Türkei und Rumänien haben das Recht, auf der Donau Kriegsschiffe zu halten. Diese dürfen stromabwärts bis zum Meere, stromaufwärts bis zur oberen Grenze des eigenen Staatsgebiets fahren; sie dürfen aber mit dem Ufer eines anderen Staates, außer im Falle höherer Gewalt, nur mit der auf diplomatischem Wege einzuholenden Zustimmung dieses Staates in Verkehr treten oder dort anlegen“.

– Artikel 30 der Belgrader Konvention, 18. August 19486: „La navigation sur le Danube est interdite aux bâtiments de guerre de tous les pays non-danubiens. Les bâtiments de guerre des pays danubiens ne peuvent pas naviguer sur le Danube hors des frontières du pays dont le bâtiment bat le pavillon, sauf entente préalable entre les Etats danubiens intéressés“.

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Ibid. II 3, S. 449. Ibid. III 10, S. 856. UNTS Bd. 33, S. 196.

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Stichwortverzeichnis Aggression 215 ff., 249 f. Allgemeine Grundsätze der Schiffahrt auf internationalen Füssen siehe Prinzipien der Schiffahrt Barrieren 27, 148 ff., 160, 209, 273 ff. Belgrader Konferenz 34, 54, 68, 78, 83 f., 88 ff. Belgrader Statut 51 f., 86 ff., 98 ff., 116 ff., 128 ff., 136 ff., 146, 160, 209, 238, 253, 258, 267, 287 ff. Berliner Kongreß 28, 126, 134, 154, 156 Besatzungsmacht 69, 78 f., 82 ff., 110, 177, 180, 187 ff., 210 Beschlagnahme 22, 45, 86, 127, 169 ff., 213 f., 254; siehe auch Sequestrierungen Bessarabien 31, 66 f., 115 Bewaffnete Konflikte siehe Kriege Binnendonau 66 f. Blockade 27, 36, 146 ff., 160 ff., 239 ff., 246 ff., 272 ff., 284 Bombardierung von Brücken u. a. 20, 38, 141 f., 160, 270, 278 ff. Brücken 20, 32, 38 f., 52, 118, 138 f., 141, 144, 160, 166, 275 ff. Bukarester Friedensvertrag 75 f., 114 clausula rebus sic stantibus 85 ff. Demilitarisierung 28 f., 41, 71, 114, 126, 146 ff., 227 Dollart 243 Donauflottille 29, 32, 158 f., 225 f., 231, 238, 270

Donaukommission – Budapester 38, 40, 84, 87, 98, 100 ff., 136 ff., 254, 258 ff., 282 f., 291 ff. – Europäische 25, 30 f., 55 f., 60 ff., 85, 90, 146 ff., 226 ff., 274 – Internationale 31, 85 Donaukonferenz in Belgrad 33 f., 54, 64, 68, 83, 88 ff., 116 Donaumündung 24 ff., 55, 61 f., 66 ff., 81 f., 86, 90, 101, 113 ff., 146 ff., 205, 226 ff., 239 ff., 269 ff. Durchzug über neutrales Binnenland 224 ff.; siehe auch Transit Eisernes Tor 58, 113, 154, 158, 238, 272 Embargo 35 f., 48, 219, 223, 233, 246 ff., 263 ff. Festungen 26, 28, 156 ff., 234 f. Flüsse und Kanäle – Donau passim – Elbe 241 – Ems (mit der Dollart-Bucht) 243 – Kieler Kanal 56 ff., 135, 226 – Rhein 21, 59, 129 f., 132 ff., 142, 173, 234 f., 275 ff. – Rhein-Main-Donaukanal 81, 85 f., 101, 205, 245 – Rio Grande 108, 242 f. – Suez-Kanal 249, 268 – Weser 241 Flußkriegsschiffe 112 ff., 223 ff.; siehe auch Kriegsschiffe Freiheitsbrücke 38 f., 291 ff. Gegenmaßnahmen siehe Repressalien Generalversammlung der VN 215, 260 Grundsätze der Schiffahrt auf internationalen Flüssen siehe Prinzipien

Stichwortverzeichnis

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Haager Abkommen 22, 169 ff., 179, 187 f., 195, 203 ff., 224, 228, 234 ff., 268 ff. Hafenanlagen 99, 141 f., 204, 270 Hilfsschiffe der Seeschiffahrt 196 f., 200, 206

Kriegsschiffe 27 ff., 61 f., 112 ff., 143, 146 ff., 156 ff., 169, 173, 191, 215, 223 ff., 238 Kriegszustand 69 ff., 161, 211 ff., 233, 247 KSZE 254, 261

Institut de Droit International 130, 142 f., 172 ff., 181 International Law Association 131, 143

Landkriegsrecht 43 f., 47, 170 ff., 180, 195, 204, 207 ff. Londoner Deklaration 162, 167, 243 f. Luftangriffe 20, 32, 38, 138 f., 144, 166, 233, 264, 266, 278 ff.

Jugoslawien 19, 35 ff., 48, 52, 100, 104, 120 f., 137, 144, 232 f., 250 ff. Kanäle siehe Flüsse und Kanäle Konfiszierung 22, 176 ff., 237 Konterbande siehe Kriegskonterbande Kräftegleichgewicht 28, 67, 114 Kriege und bewaffnete Konflikte – amerikanische Unabhängigkeitskriege 182 f. – amerikanischer Bürgerkrieg 183 ff. – Bosnien-Konflikt 20, 48 f., 137 f., 250 ff., 260 ff. – deutsch-französischer Krieg 133 – Erster Weltkrieg 29 ff., 42 ff., 47, 74, 114, 127, 151, 158, 187, 190 ff., 224, 234, 238, 269, 272 – Kosovokonflikt 20, 38 ff., 52, 263, 105, 141, 232 f., 246, 263 ff. – Krimkrieg 24 f., 241 – Kroatien-Konflikt 136, 138 – russisch-türkischer Krieg 26 f., 73, 113, 122 ff., 140, 148 ff., 175 ff., 205, 208, 269, 273 – serbisch-bulgarischer Krieg 28, 41, 126, 158, 209, 226 – Zweiter Weltkrieg 45, 54 ff., 68 ff., 90, 116, 133, 142, 198 ff., 250, 269, 275 ff. Kriegsbeuterecht 43, 162, 169 f., 186 Kriegskonterbande 36, 76, 129, 132, 136, 162, 176 ff., 208 ff., 225, 231 Kriegsschauplätze 44 f., 161, 169 ff., 181 f., 192 ff., 203 ff., 221, 223

Manöver 118 Meerengenkonvention 61 ff., 113, 115, 155, 271 Militärische Notwendigkeiten 26, 124, 143, 145, 160, 176 f., 205, 220, 276 f., 282, 297 Minen 32, 113, 148, 166, 268 ff. Munitionstransporte siehe Truppen- und Munitionstransporte bzw. Nachschubtransporte Nachschubtransporte 29 ff., 142, 166 f., 187, 224, 228 ff., 248 f., 275, 279, 289 NATO-Luftangriffe siehe Luftangriffe NATO-Truppenstatut 118 f. Neutralisierung 25 ff., 71 ff., 113, 124 ff., 146 ff. Novi Sad 38 f., 153, 278, 291 ff. Obere Donau siehe Binnendonau Objektives Regime siehe Statusvertrag Ölembargo siehe Embargo Pariser Donaukonvention 23, 30, 43, 52, 56, 76 ff., 91 ff., 102, 114, 159, 229 Pariser Statut 24, 32, 41 ff., 52 ff., 69 ff., 90 ff., 104 ff., 113 ff., 122 ff., 146 ff., 227, 288 Piraterie 44, 175, 257

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Stichwortverzeichnis

Polizei- und Zollschiffe 113 f., 117 f., 156, 159, 230, 253, 266 Ponton-Brücke 38, 118, 270, 287, 291, 294 ff. Prinzipien der Schiffahrt auf internationalen Flüssen 42, 97, 106 ff. Prisenrecht 22, 43 ff., 162, 167 ff. Repressalien 26, 37, 58, 137, 152, 159, 192, 217, 236, 251, 255 ff., 290 ff. Resolutionen des UN-Sicherheitsrats 20 f., 36, 49, 165 f., 218 f., 246 f., 251 ff., 282 ff., 287 Revision der Belgrader Konvention 120 f., 146, 153, 160 Rheinbrücken 275 ff.; siehe auch Brükken bzw. Bombardierung von Brücken Rüstungsmaterial 228 San Remo Manual 169, 220 ff., 244, 271 Sanktionen 20, 36 f., 48, 137 f., 164 f., 246 ff., 285 f., 290 f., 297 Schiedsspruch zur Donausschiffahrt 22 f., 185 ff., 237 ff., 272 Schlepper 195 ff. Schwarzes Meer 26, 32, 62, 67, 73, 82, 101, 113 ff., 146 f., 226, 245, 269 Seekriegsrecht 46 f., 161, 165 ff., 208 ff., 275 Seerechtskonventionen 117 f. Sequestrierung 217, 221, 224, 254 Sicherheitsgebühr 37, 137 f., 255 ff. Sicherheitsrat der VN 20, 36 f., 48 ff., 137 f., 164 f., 218, 223, 246 ff., 282 ff. Sperrung 19, 40, 82, 98, 113, 123, 133, 149, 179, 248 Staatsschiffe siehe Polizei- und Zollschiffe Stabilitätspakt für Süd-Osteuropa 39, 283 ff. Stationsschiffe 114 ff., 156, 226 ff. Statusvertrag 41, 70 f., 119 f., 227 Statut von Barcelona 131 f., 161, 232

Steinblockaden 27, 148 ff., 160, 209, 273 ff. Suspendierung völkerrechtlicher Verträge 26, 70, 79 ff., 104 ff., 124, 129 ff., 141 ff., 288 f. Territoriale Souveränität 176, 180, 194 Torpedos 148 Transit 29, 35, 48, 137, 165, 167, 223 ff., 251 ff., 295 Truppen- und Munitionstransporte 47, 127, 142, 155 f., 167, 177, 187 f., 209, 224, 226, 275 f.; siehe auch Nachschubtransporte Übereinkommen von Sinaia und Bukarest 60 ff., 92, 153 f. Überflugrechte 233, 282 UN-Generalversammlung siehe Generalversammlung der VN Untere Donau siehe Donaumündung Unterstützung/Hilfsmaßnahmen i. S. v. Artikel 50 SVN 20, 49, 165, 259 ff., 278, 283 Verhältnismäßigkeitsprinzip 169, 212, 220 ff., 288 f. Versailler Vertrag 30, 55 ff., 76, 85, 88, 114 Verteidigungslinien 24 f., 123 ff., 175 f. Vertragsvernichtungstheorie 69 ff., 80 Viktoriasee 45, 194 f. Völkerbund 248 ff. WEU 36, 252 ff. Wiener Kongreßakte 24 f., 42, 56, 97 f., 106 ff., 128 ff. Wiener Vertragsrechtskonvention 58, 87, 104 Wirtschaftsembargo siehe Embargo bzw. Sanktionen Zollschiffe siehe Polizei- und Zollschiffe