Der Schutz des Kapitals der Aktiengesellschaft bei fremdfinanzierter Übernahme [1 ed.] 9783428533220, 9783428133222

Im Mittelpunkte der Arbeit stehen mit dem Einlagenrückgewährverbot (§ 57 Abs. 1, 3 AktG) und dem Verbot der finanziellen

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German Pages 417 Year 2010

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Der Schutz des Kapitals der Aktiengesellschaft bei fremdfinanzierter Übernahme [1 ed.]
 9783428533220, 9783428133222

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Abhandlungen zum Deutschen und Europäischen Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht Band 38

Der Schutz des Kapitals der Aktiengesellschaft bei fremdfinanzierter Übernahme Von

Johannes Fridrich

a Duncker & Humblot · Berlin

JOHANNES FRIDRICH

Der Schutz des Kapitals der Aktiengesellschaft bei fremdfinanzierter Übernahme

Abhandlungen zum Deutschen und Europäischen Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht Herausgegeben von Professor Dr. Holger Fleischer, LL.M., Hamburg Professor Dr. Hanno Merkt, LL.M., Freiburg Professor Dr. Gerald Spindler, Göttingen

Band 38

Der Schutz des Kapitals der Aktiengesellschaft bei fremdfinanzierter Übernahme Von

Johannes Fridrich

a Duncker & Humblot · Berlin

Die Juristische Fakultät der Eberhard-Karls-Universität Tübingen hat diese Arbeit im Jahre 2009 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten # 2010 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme: L101 Mediengestaltung, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 1614-7626 ISBN 978-3-428-13322-2 (Print) ISBN 978-3-428-53322-0 (E-Book) ISBN 978-3-428-83322-1 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Meinen Eltern

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Wintersemester 2009 von der Juristischen Fakultät der Eberhard-Karls-Universität Tübingen als Dissertation angenommen. Mein besonderer Dank gilt meinem sehr verehrten Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Heinz-Dieter Assmann, LL. M., für die Betreuung der Arbeit. Er hat mich seit Beginn meiner Tätigkeit am Lehrstuhl im Jahre 2004 unermüdlich gefördert. Sein in mich gesetztes Vertrauen, die konstruktive Zusammenarbeit und die familiäre Atmosphäre am Lehrstuhl führten dazu, dass mir diese Zeit in fachlich-wissenschaftlicher und persönlicher Hinsicht als äußerst wertvoller Abschnitt meines Lebens in Erinnerung bleiben wird. Herrn Prof. Dr. Dr. hc. Georg Sandberger danke ich für die äußerst zügige Erstellung des Zweitgutachtens und für die zahleichen wertvollen Ratschläge. Ganz herzlich danken möchte ich Dr. Philipp Pichler und Dr. Sebastian Seidel nicht zuletzt für ihre große Mühe bei der Korrektur der Arbeit. Ebenfalls Dank schulde ich Christoph Bastian, Dr. Felix Buchmann, Julius Forschner, Luisa Klink, David Moser, Manon Renter, Katharina Scheinpflug, Georg Seitz und Johannes Tschunko für ihre Unterstützung. Danken möchte ich auch meinen Lehrstuhlkollegen, allen voran Frau Elisabeth Dietz, die mir in vielfältiger Weise behilflich waren. Dem Arbeitskreis Wirtschaft und Recht schulde ich Dank für die Gewährung eines großzügigen Druckkostenzuschusses. Ebenfalls bedanken möchte ich mich für die Auszeichnungen durch das Deutsche Aktieninstitut und die Reinhold-und-Maria-Teufel-Stiftung. Schließlich gebührt der höchste Dank meinen Eltern Wolfgang und Gertraude Fridrich, die mich bei meiner gesamten Ausbildung in Tübingen und Aix-en-Provence bedingungslos und mit großem Rückhalt unterstützt haben, wie man es sich besser nicht wünschen kann. Meinem Vater danke ich zudem für die sorgfältige Korrekturdurchsicht. Meinen Eltern und meiner Großmutter Hilde Weller ist diese Arbeit gewidmet. Stuttgart, im April 2010

Johannes Fridrich

Inhaltsverzeichnis Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

19

§ 1 Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

19

§ 2 Eingrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Aktiengesellschaft als Ziel der Übernahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Derivativer Aktienerwerb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Rechtslage in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Steuerrechtliche Aspekte des Leveraged Buyouts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

28 28 29 31 33

§ 3 Gang der Darstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

34

Kapitel 1 Risiken und Chancen beim Leveraged Buyout

35

§ 1 Leveraged Buyout. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Grundstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Leverage-Effekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Kapitalstruktur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Finanzierung der Übernahme aus Mitteln der Zielgesellschaft . . . . . B. Unterformen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Beteiligungsquote . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

36 36 36 38 40 41 43

§ 2 Chancen und Risiken der Beteiligten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Zielgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Aktionäre der Zielgesellschaft. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Verkaufender Aktionär . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Minderheitsaktionär . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Risiken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Chancen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Vorstand der Zielgesellschaft. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Gläubiger der Zielgesellschaft. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Ausgangslage. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Insolvenzrisiko . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Problem der Unterinvestition. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Missbrauchsrisiko . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

45 46 46 46 48 48 49 50 51 52 53 53 54 55 56

10

Inhaltsverzeichnis B. Erwerber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Finanzinvestoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Strategische Investoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Finanzierende Kreditinstitute . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

56 56 59 59

§ 3 Ergebnis Kapitel 1. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

61

Kapitel 2 Allgemeine Kapitalschutzmechanismen

62

§ 1 Gläubigerschutz durch vertragliche Absicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Covenants als Instrument des Gläubigerschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Grenzen der Praktikabilität von Financial Covenants . . . . . . . . . . . . . II. Kein Schutz verhandlungsschwacher Gläubiger . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Nebeneinander aktienrechticher und einzelvertraglicher Instrumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Aktienrechtlicher Kapitalschutz als Grundsicherung . . . . . . . . . . . 2. Haftungsbeschränkung als Grund für die Notwendigkeit des Kapitalschutzsystems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

62 62 64 64 65

§ 2 Schutz durch Information. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Publizitätspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Regulierung der Finanzinvestoren durch das Risikobegrenzungsgesetz. . C. Finanzanalysen durch Rating-Agenturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

71 71 72 73

§ 3 Bankenaufsichtsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

74

§ 4 Schutz durch steuerrechtliche Beschränkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

74

67 67 68 70

§ 5 Pflichten bei öffentlichen Übernahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

78

§ 6 Schutz durch Insolvenzanfechtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

79

§ 7 Schutz durch allgemeines Zivilrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Nichtigkeit von Finanzierungsgeschäften nach § 138 Abs. 1 BGB . . . . . B. Missbrauch der Vertretungsmacht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

80 80 81

§ 8 Ergebnis Kapitel 2. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

83

Kapitel 3 Das aktienrechtliche Kapitalschutzsystem bei fremdfinanzierter Übernahme § 1 Kapitalschutz nach § 57 Abs. 1 und 3 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Reichweite des § 57 Abs. 1 und 3 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die Kapitalstruktur der Aktiengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

84 86 86 86

Inhaltsverzeichnis

11

1. Eigen- und Fremdkapital in der Bilanz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Grundkapital . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Kapital- und Gewinnrücklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Das Einlagenrückgewährverbot des § 57 Abs. 1 S. 1 AktG . . . . . . . 1. Das Einlagenrückgewährverbot als umfassende Vermögensbindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Keine umfassende Vermögensbindung durch Auslegung des § 57 Abs. 1 S. 1 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Keine umfassende Vermögensbindung im Wege richterlicher Rechtsfortbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Untersuchung von Sinn und Zweck des Einlagenrückgewährverbotes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Historische Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Ratio. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Fehlende Regelungslücke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die Gesamtvermögensbindung nach § 57 Abs. 3 AktG . . . . . . . . . . . IV. Relevanz der Unterscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vergleich zu europarechtlichen Vorgaben. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Auswirkungen auf die vorliegende Untersuchung . . . . . . . . . . . . . B. § 57 AktG als Schranke für fremdfinanzierte Übernahmen. . . . . . . . . . . . I. Personeller und zeitlicher Anwendungsbereich. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Leistungsempfänger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Aktueller Aktionär . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Zukünftiger und früherer Aktionär. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Zusammenhang zwischen Aktionärsstellung und Leistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Leistungen an den Verkäufer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Leistung an zukünftige Aktionäre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Dritte als Leistungsempfänger. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Behandlung der Leistung an einen Dritten als Leistung an Aktionär . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Private Equity Fonds als Verpflichteter nach §§ 62, 57 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Private Equity Fonds als „aktionärsgleicher Dritter“ (2) Leistung verbleibt bei der Erwerbergesellschaft . . . . (3) Regelungslücke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Sonstige Dritte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Ausländische Gesellschaft als Leistungsempfängerin . . . . . . . 2. Zielgesellschaft als Verbotsadressatin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Das Kriterium des vermögensmäßigen Opfers . . . . . . . . . . . . .

86 87 88 90 90 91 92 92 94 95 96 100 102 102 105 105 106 109 110 110 110 111 111 112 113 117 117 120 121 124 126 127 130 132 132

12

Inhaltsverzeichnis b) Leistungen von Unternehmen, an denen die Zielgesellschaft beteiligt ist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Zielgesellschaft als herrschendes Unternehmen . . . . . . . . . bb) Zielgesellschaft als nicht herrschendes Unternehmen . . . 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Sachlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Ausschüttung mit angemessener Gegenleistung. . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ausschüttungen ohne Gegenleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Verdeckte Vermögenszuwendung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Objektiver Tatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Subjektiver Tatbestand. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Unterscheidung nach Art des angegriffenen Kapitals. . . . b) Einzelfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Darlehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Rechtslage vor Inkrafttreten des MoMiG . . . . . . . . . . (2) „Novemberurteil“. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Rechtslage nach der Änderung des § 57 AktG durch das MoMiG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Hintergrund der Gesetzesänderung . . . . . . . . . . . . (b) Rechtstechnische Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Inhaltliche Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (aa) Das Vollwertigkeitskriterium als bilanzielle Schranke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (bb) Das Deckungsgebot als außerbilanzielle Schranke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (cc) Auswirkungen auf die Zulässigkeit fremdfinanzierter Übernahmen . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Angemessene Verzinsung . . . . . . . . . . . . (b) Besicherung des Darlehens . . . . . . . . . . (d) Zusammenfassende Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Stellung von Sicherheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Anteile an der Zielgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Sicherung aus dem Vermögen der Zielgesellschaft . . (a) Rechtslage vor Inkrafttreten des MoMiG. . . . . . . (b) Rechtslage nach der Änderung des § 57 AktG durch das MoMiG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Zusammenfassende Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Übernahme der Transaktionskosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Arten von Transaktionsgebühren . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Transaction Fee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Monitoring Fee. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Break-up Fee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

133 133 135 136 137 137 138 139 139 139 141 142 143 143 144 145 147 147 151 152 152 155 156 157 160 161 164 164 165 165 167 171 171 172 173 177 178

Inhaltsverzeichnis

13

(1) Break-up Fee bei Unternehmensübernahmen. . . . . . . (2) Sachlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Personeller Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Unterstützungshandlungen bei mehrstufigen Erwerbstatbeständen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Dividendenausschüttung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

178 180 180

§ 2 Kapitalschutz nach § 71a Abs. 1 S. 1 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Der Schutzzweck des Verbots der finanziellen Unterstützung . . . . . . . . . I. Entstehungsgeschichte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Bedeutung der Entstehungsgeschichte für die Auslegung . . . . . . 2. Die Entstehungsgeschichte des § 71a Abs. 1 S. 1 AktG . . . . . . . a) Historische Auslegung aus der Perspektive des nationalen Gesetzgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Historische Auslegung aus der Perspektive des europäischen Richtliniengebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Normentstehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Folgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Reform der Kapitalrichtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Schutzzweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Umgehungsverbot. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) § 71a Abs. 1 S. 1 als Umgehungsschutz für das Verbot des Erwerbs eigener Aktien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Eigenständiger Kapitalschutz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Schutzgut: Gesellschaftsvermögen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Hintergrund der Verschärfung des Kapitalschutzes beim Aktienerwerb durch Dritte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. § 71a AktG als Schranke für fremdfinanzierte Übernahmen. . . . . . . . . . . I. Personeller und zeitlicher Anwendungsbereich. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Leistungsempfänger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) „An einen anderen“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) „Zum Zweck des Erwerbs“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Funktionszusammenhang zwischen finanzieller Unterstützung und Erwerbsgeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Zeitlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Argumentation für die Erstreckung auf Finanzierungsvorgänge nach Erwerb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Argumentation für eine enge Auslegung des Art. 23 Abs. 1 der Kapitalrichtlinie . . . . . . . . . . . . . . . (3) Keine richtlinienkonforme Extension des § 71a Abs. 1 S. 1 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

185 185 186 186 189

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189 191 191 194 196 198 198 198 199 203 203 204 207 207 207 207 208 208 208 210 210 212 216

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Inhaltsverzeichnis 2. Zielgesellschaft als Verbotsadressatin. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Sachlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Ablehnung der Regelbeispielkonstruktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Einzelfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Darlehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Leistung einer Sicherheit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Vorschuss. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Unentgeltliche Zuwendungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Regelungslücke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Planwidrigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Folge. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Austauschverträge mit Äquivalenzstörungen . . . . . . . . . . . . . . . f) Rein tatsächliche Vermögenstransfers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Übernahme von Transaktionskosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . h) Break-up Fee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . i) Emission von Schuldverschreibungen, Kursgarantie, Verkaufsoption . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Liberalisierung der Kapitalrichtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Entstehungsgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Entwicklung seit Ende der neunziger Jahre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Regelungsvorbild von 1974 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Regelungsinhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Zustimmung der Hauptversammlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Geschäft zu marktüblichen und fairen Konditionen . . . . . . . . . . . . 3. Garantie des Grundkapitals und der gebundenen Rücklagen . . . . a) Probleme bei der Darlehensvergabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Probleme bei der Sicherheitenbestellung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Gleichbehandlungsgrundsatz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Vergleich zur Neuregelung des § 57 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Keine Übernahme der Neuregelung in das deutsche Aktienrecht . . .

§ 3 Das Verhältnis von § 57 Abs. 1, 3 AktG und § 71a Abs. 1 AktG . . . . . . . A. Abgrenzung auf Konkurrenzebene unter Einbeziehung der Rechtsfolge B. Abgrenzung auf Tatbestandsebene unter Einbeziehung der Rechtsfolge I. Ablehnung der analogen Anwendung des § 57 Abs. 1, 3 AktG auf Unterstützungshandlungen im Vorfeld der Übernahme . . . . . . . . . . . . II. Ablehnung der analogen Anwendung des § 71a Abs. 1 AktG auf Unterstützungshandlungen nach erfolgter Übernahme . . . . . . . . . . . . .

218 218 218 219 222 222 223 224 225 226 228 229 229 230 230 231 234 235 236 236 236 239 240 240 241 243 244 244 245 246 246 247 247 248 249 250 252 254 255

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C. Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Rechtsfolgen bei Verstoß gegen § 57 Abs. 1 und 3 AktG . . . . . . . . . 1. Die Rechtsfolge des § 62 AktG als abschließende Spezialregelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Inhalt des aktienrechtlichen Rückgewähranspruchs (§ 62 Abs. 1 S. 1 AktG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Rechtsfolgen bei Verstoß gegen § 71a Abs. 1 S. 1 AktG . . . . . . . . . 1. Nichtigkeit des Verpflichtungsgeschäfts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Anwendung des § 62 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Leistungen gegenüber zukünftigen Aktionären . . . . . . . . . . . . . aa) Anwendbarkeit der §§ 812 ff. BGB bei Ausblendung des § 57 AktG. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Notwendigkeit der Anwendung des § 62 AktG . . . . . . . . cc) Voraussetzungen für eine analoge Anwendung des § 62 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Leistungen gegenüber sonstigen Dritten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Der bereicherungsrechtliche Herausgabeanspruch als adäquate Rechtsfolge. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Anwendbarkeit des § 814 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Der Rückforderungsanspruch im Rahmen einzelner Finanzierungsgeschäfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Keine rechtsgeschäftliche Verbindung zwischen Aktiengesellschaft und Bank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Umgehung des Verbots der finanziellen Unterstützung durch Zwischenschaltung der Erwerbergesellschaft. . . . . bb) Ausdehnung der Nichtigkeit auf das Verfügungsgeschäft. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Korrektur über den Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Durchgriffskondiktion trotz Gültigkeit der Sicherungsabrede . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Lösungsvorschlag: Nichtigkeit auch der Sicherungsabrede, § 71a Abs. 1 S. 1 analog . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Lediglich Verfügungsgeschäft zwischen Aktiengesellschaft und Bank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Sicherungsabrede als „verstecktes“ Verpflichtungsgeschäft. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Bereicherungsanspruch bei Fehlen eines Verpflichtungsgeschäfts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Unterstützungshandlungen unter Verwendung eines Mittelsmanns . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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§ 4 Sonstige Instrumente zum Schutz des Vermögens der Zielgesellschaft 281 A. Schadensersatzanspruch gemäß § 93 Abs. 2 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 I. § 93 Abs. 2 S. 1 i. V. m. § 92 Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 5 . . . . . . . . . . . . 281

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Inhaltsverzeichnis II. Insolvenzverursachungshaftung (§ 93 Abs. 2 S. 1 i. V. m. § 92 Abs. 2 S. 3 AktG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 B. Schadensersatzanspruch gemäß § 117 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284 C. Existenzvernichtender Eingriff. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285

§ 5 Ergebnis Kapitel 3. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287 Kapitel 4 Kapitalschutz bei mehrstufigen Erwerbsmodellen § 1 Erwerbsmodell: Verschmelzung nach dem UmwG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Verschmelzung der Zielgesellschaft auf die Erwerbergesellschaft (Upstream Merger) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Vereinbarkeit mit dem Verbot der finanziellen Unterstützung (§ 71a Abs. 1 S. 1 AktG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Kein direktes Eingreifen des Verbots der finanziellen Unterstützung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Keine analoge Anwendung des Verbots der finanziellen Unterstützung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Gesellschaftsgläubiger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Minderheitsaktionäre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Sonderfall: Finanzielle Unterstützung mit nachfolgender Verschmelzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Vereinbarkeit mit der aktienrechtlichen Vermögensbindung (§ 57 Abs. 1 und 3 AktG). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Verschmelzung der Erwerbergesellschaft auf die Zielgesellschaft (Downstream Merger) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Kein Verstoß gegen das Verbot der finanziellen Unterstützung (§ 71a Abs. 1 S. 1 AktG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Vereinbarkeit mit der aktienrechtlichen Vermögensbindung (§ 57 Abs. 1 und 3 AktG). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Grundsätzliche Zulässigkeit eines Downstream Merger . . . . . . . . a) Keine Umgehung der Insolvenzantragspflicht . . . . . . . . . . . . . . b) Keine Kapitalerhöhungspflicht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Kein genereller Rechtsmissbrauch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verstoß gegen § 57 Abs. 1 und 3 AktG. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Verschmelzung einer überschuldeten Erwerbergesellschaft auf ihre Tochtergesellschaft als Fall des Einlagenrückgewährverbots . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Fehlende Vermögensausschüttung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Fehlender Vermögenszuwachs der (neuen) Aktionäre . . . 3. Analoge Anwendung des § 57 Abs. 1 und 3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Vergleichbare Interessenlage. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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b) Planwidrige Regelungslücke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Gläubigerschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Minderheitenschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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§ 2 Erwerbsmodell: Formwechsel. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Formwechsel der Zielgesellschaft in eine GmbH. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Kein Verstoß gegen die aktienrechtlichen Kapitalschutzvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Anfechtbarkeit des Umwandlungsbeschlusses wegen Rechtsmissbrauchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Formwechsel der Zielgesellschaft in eine Kommanditgesellschaft . . . . .

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§ 3 Erwerbsmodell: Verschmelzung außerhalb des UmwG. . . . . . . . . . . . . . . . A. Anwachsende Verschmelzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Kapitalschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Generelle Zulässigkeit der anwachsenden Verschmelzung . . . . . . 2. Kein Verstoß gegen das Verbot der finanziellen Unterstützung (§ 71a Abs. 1 S. 1 AktG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Vereinbarkeit mit der aktienrechtlichen Vermögensbindung (§ 57 Abs. 1 und 3 AktG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Analoge Anwendung des § 22 UmwG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Vergleichbare Interessenlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Planwidrige Regelungslücke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Sonderfall: Schuldübernahme mit anwachsender Verschmelzung . . . . . . I. Der Fall der Babcock Borsig AG gegen HDW . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Das Urteil des OLG Düsseldorf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Begründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die Genehmigung der Schuldübernahme als Verstoß gegen § 71a Abs. 1 S. 1AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Das Kriterium des Liquiditätsabflusses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Konkrete Vermögensgefährdung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Abstrakte Vermögensgefährdung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Genehmigung der Schuldübernahme als Verstoß gegen § 57 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Anwachsende Verschmelzung und Konfusion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Gläubigerschutz nach § 22 UmwG analog. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Bestehenbleiben der durch Konfusion untergegangenen Forderung gegenüber den Gläubigern der Zielgesellschaft . . . . . VI. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Übertragende Auflösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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§ 4 Ergebnis Kapitel 4 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 348

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Inhaltsverzeichnis Kapitel 5 Kapitalschutz im Unternehmensverbund

§ 1 Kapitalschutz im Vertragskonzern. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Unternehmensvertrag i. S. d. § 291 Abs. 1 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Anwendbarkeit des § 57 AktG. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die Regelung des § 291 Abs. 3 AktG a. F.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Regelung des § 57 Abs. 1 S. 3 Var. 1 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Konzeption der Neuregelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Existenzgefährdung und fehlende Vollwertigkeit des Verlustausgleichsanspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen § 302 AktG und §§ 62, 57 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Anwendbarkeit des § 71a Abs. 1 S. 1 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

349 350 350 351 351 353 353 354 357 358 359

§ 2 Eingliederung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 360 § 3 Kapitalschutz im faktischen Konzern. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Vorliegen eines faktischen Konzerns (§§ 311 ff. AktG) . . . . . . . . . . . . . . . I. Abhängigkeitsverhältnis nach der Übernahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Vorwirkendes Abhängigkeitsverhältnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Der qualifiziert faktische Konzern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Anwendung des § 57 Abs. 1, 3 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Gesetzliche Regelung und Systematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Verhältnis zum Vertragskonzern. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Nachteilsausgleich gemäß § 311 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Schadensersatzanspruch gemäß § 317 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Neuregelung des § 57 Abs. 1 S. 3 Var. 2 AktG . . . . . . . . . . . . . . . II. Folgerungen für die verschiedenen Zeitphasen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Rechtslage im Zeitpunkt der Vornahme des Rechtsgeschäfts . . . . a) Nachteiliges Rechtsgeschäft im Sinn des § 311 Abs. 1 AktG b) Existenzgefährdung und Scheitern des Ausgleichs nach § 311 Abs. 2 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechtslage im Ausgleichszeitraum bis zum Ende des Geschäftsjahres . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Rechtslage nach Ablauf des Ausgleichszeitraums . . . . . . . . . . . . . . C. Anwendung des § 71a Abs. 1 S. 1 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

361 361 361 363 364 366 367 367 368 369 369 370 370 370 371 372 375 379 383

§ 4 Ergebnis Kapitel 5. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 383 Zusammenfassung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 385 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 391 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 415

Einführung § 1 Problemstellung Als in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts im deutschen Rechtsraum kapitalschützende Normen Eingang in das Aktienrecht fanden, hatten die damaligen Gesetzgeber noch nicht die Gefahren im Blick, die gut hundert Jahre später bei fremdfinanzierten Übernahmen auftraten. Zwar wurde schon früh erkannt, dass die unabhängige Leitung der Aktiengesellschaft missbräuchlich Eigeninteressen verfolgen konnte. Auch die Gefahren von Spekulationsgeschäften, insbesondere in der Form des Zeitkaufes, waren bekannt1. Die Problematik, dass ein Investor den Aktienkauf aus Mitteln der Zielgesellschaft finanzieren könnte, spielte hingegen in den Überlegungen der Gesetzesväter keine Rolle. Zum einen lag dies an den Schwierigkeiten, Fremdkapital zu beschaffen. Eine Kreditfinanzierung von Aktienkäufen war bei den Banken, die bis weit in die Zeit der Hochindustrialisierung vorrangig im Staats- und Bodenkreditgeschäft tätig waren, ungebräuchlich2. Allgemein herrschte auch im gewerblichen Bereich die Grundeinstellung, dass Verschuldung unseriös sei3. Zum anderen war eine Refinanzierung des getätigten Investments aus Mitteln der Zielgesellschaft zur damaligen Zeit kaum möglich. Grund hierfür war, dass im Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuch (ADHGB) von 1861 und noch bei der zweiten Aktienrechtsnovelle im Jahre 1884 die Vorstellung dominierte, dass das von den Aktionären eingebrachte Grundkapital als gebundenes Dauervermögen im Wesentlichen das Gesellschaftskapital darstelle, während die generierten Gewinne an die Aktionäre auszubezahlen seien4. Diese Idealvorstellung entsprach auch bis Ende des Ersten Weltkrieges weitgehend der Wirklichkeit. Noch im Geschäftsjahr 1918/1919 schütteten die deutschen Aktiengesellschaften fast 80 Prozent des Jahresüberschusses an ihre Aktionäre aus5. Erst im Laufe des 20. Jahrhunderts setzen die ge1

Vgl. Assmann, in: Großkommentar AktG, Einl. Rn. 28. Bezzenberger, Das Kapital der Aktiengesellschaft, S. 48. 3 Borchardt, in: Borchardt, Wachstum, Krisen, Handlungsspielräume der Wirtschaftspolitik, 28, 33. 4 Bezzenberger, Das Kapital der Aktiengesellschaft, S. 55. 2

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genüber der Hauptversammlung an Macht gewinnenden Vorstände auf steigendes Wachstum und behielten Gewinne in der Gesellschaft ein. Während im Jahre 1880 noch 95 Prozent des Eigenkapitals aus dem Grundkapital bestand, war es 1990 nur noch knapp 40 Prozent6. Das überwiegende Gesellschaftskapital setzt sich heute hingegen aus den gebundenen gesetzlichen Rücklagen und den Gewinnrücklagen zusammen. Werden Gewinne nicht reinvestiert, bilden Aktiengesellschaften somit lohnende Ziele für Finanzinvestoren. Zur Finanzierung des Aktienkaufes wird hierbei auf das Vermögen der Aktiengesellschaft zurückgegriffen. Es ist daher nicht verwunderlich, dass seit Ende der neunziger Jahre auf dem sich immer weiter entwickelnden Kapitalmarkt die Anzahl von Unternehmensübernahmen in Deutschland durch zumeist ausländische Finanzinvestoren stark zugenommen hat7. Wie unterschiedlich sich solche fremdfinanzierten Übernahmen auf die erworbenen Aktiengesellschaften auswirken, lässt sich an den Beispielen der Friedrich Grohe AG8 und der Techem AG9 illustrieren: Im Jahre 1999 verkaufte der Mehrheitsaktionär der Friedrich Grohe AG seine Anteile an eine Investorengruppe unter der Leitung des britischen Private Equity Fonds BC Partners10. Zum Zweck des Erwerbs gründeten die Investoren die Grohe Holding GmbH. Die erworbene Gesellschaft wurde in die Friedrich Grohe AG & Co. KG umgewandelt und die Grohe Aktie von der Börse zurückgezogen. Der Kaufpreis wurde zu zwei Dritteln aus Bankkrediten finanziert und durch die Aktiva des erworbenen Unternehmens besichert. Ein Drittel der Finanzierung erfolgte über Eigenmittel der Investoren. Vor der Übernahme hatte der Grohe Konzern im Jahre 1998 eine Eigenkapitalquote von über 50 Prozent11. Diese verringerte sich Ende 2003 5 Statistisches Reichsamt, Die Geschäftsergebnisse der deutschen Aktiengesellschaften im Jahre 1918/1919 in Vierteljahresheft zur Statistik des Deutschen Reiches, 1921, Heft 3, S. 1, 2 zitiert nach Bezzenberger, Das Kapital der Aktiengesellschaft, S. 56. 6 Vgl. die Schaubilder auf Grundlage der statistischen Jahresbücher bei Bezzenberger, S. 41, 367 ff. 7 Siehe im Einzelnen Kapitel 1 § 1 A. I., auch zu dem vorübergehenden Rückgang durch die „Finanzkrise“. 8 Die Grohe AG mit Sitz in Hemer (Sauerland) ist Weltmarktführer bei Sanitärarmaturen. 9 Die Techem AG mit Sitz in Eschborn (Hessen) ist ein europaweit tätiges Energiedienstleistungsunternehmen. 10 Der Sachverhalt wird hier vereinfacht dargestellt; vgl. ausführlich zum Fall der Friedrich Grohe AG: Kußmaul/Phirmann/Tcherveniachki, DB 2005, 2533 ff. 11 Die hier und im Folgenden verwandten Daten ergeben sich aus Kußmaul/Phirmann/Tcherveniachki, DB 2005, 2533, 2535 ff. (Tabelle 1–4) unter Bezugnahme auf den Geschäftsbericht der Grohe AG 1994–2003.

§ 1 Problemstellung

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auf unter 7 Prozent12. Im gleichen Zeitraum stieg der Zinsaufwand um das vierzehnfache mit der Folge, dass trotz Umsatzsteigerungen in den Jahresabschlüssen Millionenverluste zu verzeichnen waren13. Im Jahre 2004 wurde das Unternehmen von BC Partners gewinnbringend an ein ausländisches Investorenkonsortium weiterverkauft14. Hierdurch stieg die Verschuldung weiter, da das Unternehmen zum zweiten Mal innerhalb weniger Jahre die eigene Übernahme refinanzieren musste15. Bei der Techem AG wurde ebenfalls der Private Equity Fonds BC Partners aktiv. Bis zum Einstieg des Finanzinvestors war die Aktiengesellschaft im Familienbesitz. Eine Nachfolgelösung wurde gesucht. Die Eigenkapitalquote betrug nur 7 Prozent. Einem geplanten Börsengang standen die Banken daher kritisch gegenüber16. Im Jahre 1996 übernahm BC Partners über die hierfür gegründete Techem Beteiligungs-GmbH die Mehrheit der Anteile17 der Techem AG, die in der Folge kurzzeitig in die Techem AG & Co. KG umgewandelt wurde. Zu einem geringen Prozentsatz (1,5 Prozent) wurde die Unternehmensführung beteiligt. Ein Großteil des Kaufpreises von über 300 Mio. DM wurde durch Kredite finanziert18. Wiederum diente das Kapital der übernommenen Gesellschaft als Sicherheit. Die Eigenkapitalquote lag 1998 bei nur noch 2,3 Prozent. Im Jahre 2000 12 Die Daten von 1998 und 2003 sind nicht direkt miteinander vergleichbar, da letztere unter einem anderen Rechnungslegungssystem (US-GAAP anstatt HGBKonzernabschluss) und auf Ebene der Konzernmutter ermittelt wurden. Dennoch lässt sich eine deutliche Reduzierung der Eigenkapitalquote feststellen, vgl. Kußmaul/Phirmann/Tcherveniachki, DB 2005, 2533, 2538. 13 Der Umsatzerlös stieg von 767 Mio. Euro (1999) auf 911 Mio. Euro (2004); das EBITDA (Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen) von 126 Mio. Euro (1999) auf 185 Mio. Euro (2004); dagegen war statt einem Jahresüberschuss vor Steuern von 94 Mio. Euro (1999), ein Verlust von 100 Mio. Euro (2004) zu verzeichnen (Zahlen gerundet); vgl. Blome-Drees/Rang, Private Equity-Investitionen in deutsche Unternehmen, S. 37, abrufbar unter: www.boeckler.de/pdf/mbf_finanz investoren_hambu_morgenp.pdf (Abrufdatum: 1.12.2008). 14 Der Weiterverkauf (sog. Secondary Sale) war Gegenstand zahlreicher Presseartikel vgl. Storn, „Abgedreht“, Die Zeit, 9.6.2005, S. 25–26; Köhn, „Der Fall Grohe liefert Zündstoff“, F. A. Z., 27.5.2005, S. 22. 15 Vgl. „Neue Investoren lasten Grohe hohe Schulden auf“, Börsen-Zeitung, 8.9.2004, S. 13: Schulden vor dem Secondary Buyout 0,7 Mrd. Euro, danach 1,2 Mrd. Euro; die Rating-Agentur Standard & Poor’s bewertet Grohe daraufhin nur noch mit B+ (nicht als Investment geeignet). 16 Gessner/Franke, MBO als Nachfolgelösung, S. 42. 17 1996 übernahm die Techem Beteiligungs-GmbH 51 Prozent, weitere 33 Prozent folgten 1997. 18 Zum Ablauf der Übernahme: Anmerkungen und Bestätigungsbericht zum Konzernabschluss vom 30. September 1998 und 1999, S. 44 und 49, abrufbar unter: www.techem.de/Deutsch/Investors/IRPublikationen/Geschaefts-_und_Zwischenbe richte_PDF (Abrufdatum: 7.5.2008).

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ging die Techem AG an die Börse. Hierbei profitierte die Gesellschaft im hohen Maße von den Beziehungen der BC Partners zu internationalen Banken und der Erfahrung mit Finanzierungsmodellen19. Der Börsengang wurde zum Erfolg20. BC Partners verkaufte 2001 gewinnbringend seine Anteile. Der Jahresüberschuss 2005/2006 lag über 20-mal so hoch wie beim Einstieg des Finanzinvestors, die Eigenkapitalquote beträgt nun über 30 Prozent21. Beide Fallbeispiele zeigen typische Merkmale fremdfinanzierter Übernahmen. Zur Akquisition wird jeweils zu einem möglichst großen Teil Fremdkapital – zumeist in Form von Bankdarlehen – und nur begrenzt Eigenkapital eingesetzt22. Der Erwerber macht sich hierbei die Hebelwirkung des Fremdkapitals für die Rentabilität des Eigenkapitals zunutze (sog. Leverage-Effekt)23. So nimmt die Rendite des eingesetzten Kapitals bei wachsender Verschuldung zu, solange die Gesamtkapitalrentabilität höher ist als der aufgrund des aufgenommenen Darlehens zu zahlende Fremdkapitalzins24. Hauptkennzeichen der wegen der beschriebenen Hebelwirkung als Leveraged Buyout (LBO)25 bezeichneten Übernahmeart ist das wirtschaftliche Ziel der Erwerberseite, die Zielgesellschaft zur Finanzierung der Übernahme heranzuziehen, indem ihr die Lasten der Fremdfinanzierung (Zinsaufwand, Tilgung etc.) aufgebürdet werden26. Auch in den beiden Ausgangsfällen wurden die Aktiva der Unternehmen zur Sicherung der Bankkredite verwendet. Die jeweils unmittelbar nach den Übernahmen eingetretene erhöhte Fremdkapitalquote zeigt, dass ein Teil der von den Erwer19

Gessner/Franke, MBO als Nachfolgelösung, S. 44. Börsenkursentwicklung: 19 Euro (Ausgabekurs im Februar 2000); 32,85 Euro (8.12.2000); 54, 48 Euro (5.6.2007). 21 Jahresüberschuss im Geschäftsjahr 2005/2006 ca. 57,5 Mio. Euro, gegenüber knapp 5 Mio. DM 1997/1998. Die Daten stammen aus den Geschäftsberichten 1999/2000 und 2005/2006 vor S. 1 (Auf einen Blick), abrufbar unter: www.techem. de/Deutsch/Investors/IRPublikationen/Geschaefts-_und_Zwischenberichte_PDF, (Abrufdatum: 7.5.2008). 22 Otto, in: Assmann/Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, 2. Auflage, § 26 Rn. 2; Holzapfel/Pöllath, Unternehmenskauf, Rn. 328c. 23 Lever = engl. Hebel; zur Funktionsweise des Leverage-Effektes siehe unten Kapitel 1 § 1 A. I. 24 Fleischer, AG 1996, 494, 497; Bieg/Kußmaul, Investitions- und Finanzierungsmanagement, Band 3, S. 45 ff. 25 Die Begriffe „Fremdfinanzierte Übernahme“ und „Leveraged Buyout“ werden im Folgenden synonym verwandt. Letzterer gibt den Vorgang nicht ganz passend wieder, da der bloße Leverage-Effekt nicht unmittelbar mit der beim Leveraged Buyout typischen Finanzierung der Übernahme aus Mitteln der Zielgesellschaft zusammenhängt. Zur Begriffsbestimmung siehe unten Kapitel 1 § 1. 26 Holzapfel/Pöllath, Unternehmenskauf, Rn. 328c; Lutter/Wahlers, AG 1989, 1 f.; Schmolke, WM 2005, 1828, 1829; Schäffler, BB-Special 9, 2006, 1. 20

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bern zur Finanzierung des Kaufpreises aufgenommenen Verbindlichkeiten auf die Zielgesellschaft verlagert wurde. Die Möglichkeit, das Kapital der Zielgesellschaft auf diesem Wege zu Gunsten des erwerbenden Aktionärs einzusetzen, verwundert, wenn man die aktienrechtlichen Kapitalschutzregeln betrachtet: Der Grundsatz der Kapitalerhaltung ist in § 57 AktG verankert. § 57 Abs. 1 S. 1 AktG verbietet der Gesellschaft, den Aktionären ihre Einlagen zurückzugewähren. Absatz 3 bestimmt, dass „vor Auflösung der Gesellschaft unter die Aktionäre nur der Bilanzgewinn verteilt werden [darf]“. Daneben ordnet § 71a Abs. 1 S. 1 AktG die Nichtigkeit eines Rechtsgeschäftes an, das „die Gewährung eines Vorschusses oder eines Darlehens oder die Leistung einer Sicherheit durch die Gesellschaft an einen anderen zum Zweck des Erwerbs von Aktien dieser Gesellschaft zum Gegenstand hat“. Diese Vorschrift beruht auf Art. 23 Abs. 1 der zweiten gesellschaftsrechtlichen EG-Richtlinie (sog.: Kapitalrichtlinie)27 und ist seit Juli 1979 im Aktiengesetz normiert28. Auf den ersten Blick scheinen beide Vorschriften auf die dargestellten fremdfinanzierten Übernahmen unmittelbar Anwendung zu finden. Sowohl im Fall Grohe als auch bei Techem waren Aktiengesellschaften Ziel der Übernahme. Für einen Leveraged Buyout ist gerade charakteristisch, dass der erwerbende Aktionär die Last der Finanzierung auf die Zielgesellschaft abwälzt. Dies geschieht, indem die für die Übernahme aufgenommenen Darlehensverpflichtungen des Erwerbers – wie auch in den Beispielsfällen – aus Mitteln der Zielgesellschaft bedient werden. Es findet also eine Vermögensverlagerung von der Aktiengesellschaft zu dem erwerbenden Neuaktionär statt, und zwar über den diesem zustehenden Teil des Jahresgewinns hinaus. Dies führt zur Verringerung der Eigenkapitalquote der Unternehmen. Gerade den Abfluss von Kapital zu Gunsten eines Aktionärs will § 57 Abs. 1, 3 AktG unterbinden. In beiden Fällen wurden die Bankkredite auch durch die Aktiva des erworbenen Unternehmens besichert, um den Investoren die Darlehensaufnahme und damit den Erwerb zu ermöglichen. Dies müsste nach dem Wortlaut von § 71a Abs. 1 S. 1 AktG die Nichtigkeit des Sicherungsgeschäftes zur Folge haben. Dass beide Vorschriften jedenfalls nicht unmittelbar Anwendung finden, liegt an der bei Übernahmen von Aktiengesellschaften in der Praxis ange27 Zweite gesellschaftsrechtliche Richtlinie, 77/91/EWG vom 13. Dezember 1976, ABl. EG 1977 L 26/8, S. 1–13. 28 § 71a Abs. 1 AktG wurde eingeführt durch das „Gesetz zur Durchführung der Zweiten Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaft zur Koordinierung des Gesellschaftsrechts“ vom 13.12.1978, BGBl. I 1978, S. 1956. Die Regelung trat gemäß Art. 5 des DurchfG am 1. Juli 1979 in Kraft.

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wandten Rechtstechnik, die Zielgesellschaft zumindest vorübergehend in eine andere Gesellschaftsform – hier in eine AG & Co. KG – mit weniger strengen Kapitalschutzregeln umzuwandeln. Der Formwechsel nach § 190 ff. UmwG ist nur einer von verschiedenen praktizierten Versuchen, dem aktienrechtlichen Kapitalschutz zu entgehen. Weit verbreitet ist auch die Praxis, die finanzstarke Zielgesellschaft auf die verschuldete Akquisitionsgesellschaft zu verschmelzen (sog. Upstream Merger29), um so das Kapital der Zielgesellschaft zur Rückzahlung der Darlehenschulden der Erwerbergesellschaft nutzbar zu machen30. Bei all diesen teilweise sehr komplexen Konstruktionen31 bewegen sich die Investoren dennoch auf unsicherem Terrain. So wird in Teilen des Schrifttums gefordert, § 71a Abs. 1 AktG auch auf „ungeschriebene“ Unterstützungshandlungen und auf Umgehungstatbestände wie vorliegend analog anzuwenden32 mit dem Ergebnis, dass Leveraged Buyouts von Aktiengesellschaften grundsätzlich unzulässig wären. Dagegen sehen andere § 71a Abs. 1 AktG schon wegen § 57 AktG als nahezu obsolet an und lehnen auch eine analoge Anwendung auf Formwechsel oder Verschmelzungen ab33. Dies führt in der Übernahmepraxis zu einer erheblichen Rechtsunsicherheit. Seinen Ursprung findet der Streit im ungeklärten Regelungszweck des § 71a Abs. 1 S. 1 AktG. Insbesondere ist umstritten, ob die Norm den typischen Tatbestand des Leveraged Buyouts beschreibt und diese Art der Fremdfinanzierung per se unterbinden will oder allein einen Umgehungsschutz für das Verbot des Erwerbs eigener Aktien nach § 71 AktG bietet34. Die Schwierigkeit, diese Frage zu beantworten, liegt in der Entstehungsgeschichte von § 71a Abs. 1 AktG begründet. So treffen weder die Materia29

Synonym: Merger Buyout oder Forward Merger, siehe ausführlich Kapitel 4. Schäffler, BB-Special 9 2006, 1, 2. 31 In der aktuellen Diskussion befindet sich die Unternehmensübernahme im Wege der befreienden Schuldübernahme (als Kaufpreis) unter Zustimmung der Zielgesellschaft und nachfolgender Erlöschung der Schuld durch Konfusion bei einer anwachsenden Verschmelzung der Zielgesellschaft auf die erwerbende Gesellschaft; vgl. den Fall der Babcock Borsig AG, OLG Düsseldorf, Urteil vom 18.9.2006 – I-5 U 6/06, NZG 2007, 273, Vorinstanz: LG Düsseldorf, Urteil vom 28.10.2005 – 39 O 180/04, ZIP 2006, 516 ff. Hierzu und zu den anderen Umgehungskonstruktionen, siehe Kapitel 4. 32 Kerber, NZG 2006, 50, 52 f.; ders., NZG 2007, 254, 255 f., Klass, Der Buyout von Aktiengesellschaften, S. 169 ff., 174 ff. 33 Habersack, in: FS Röhricht, S. 155, 166, 169 ff.; Freitag, AG 2007, 157, 163 f. 34 Vgl. Oechsler, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 71a Rn. 4; Hüffer, AktG, § 71a Rn. 1, 3; Schroeder, Finanzielle Unterstützung des Aktienerwerbs, S. 105 ff. 30

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lien zu Art. 23. der Kapitalrichtlinie noch jene zum Richtlinienumsetzungsgesetz eindeutige Aussagen, wie weit das Verbot der finanziellen Unterstützung reicht. Diese Unsicherheit bei der Normentstehung lädt dazu ein, dass in die Diskussion immer wieder grundsätzliche Erwägungen über den ökonomischen Sinn von Leveraged Buyouts einfließen. Einerseits wird die Gefahr der hohen Verschuldung der Zielgesellschaft wie im Fall Grohe betont, um einen weiten Anwendungsbereich des § 71a Abs. 1 S. 1 AktG als Mittel gegen den „Kapitalismus ohne Kapital“35 und die „Eigenkapitalräuber“36 zu rechtfertigen. Auf der anderen Seite werden die Finanzinvestoren als erwünschte Geldgeber und fremdfinanzierte Übernahmen als „Frischzellenkuren“37 dargestellt, die den Wert des Unternehmens wie bei der Erfolgsgeschichte der Techem AG steigern. Doch schon die beiden Fallbeispiele, bei denen jeweils derselbe Finanzinvestor beteiligt war, zeigen, dass pauschale Aussagen über Nutzen oder Schaden von fremdfinanzierten Übernahmen nur schwer getroffen werden können38, Stellungnahmen hierzu genuin politischen Charakter haben39 und eine rechtliche Auseinandersetzung über die Reichweite von § 71a Abs. 1 S. 1 AktG nicht ersetzen. Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, Tatbestand und Rechtsfolge des Verbots der finanziellen Unterstützung von Aktiengesellschaften neu zu bestimmen. Vor dem Hintergrund eines in sich stimmigen Kapitalschutzsystems ist es unverzichtbar, auch die Reichweite des § 57 Abs. 1 und 3 AktG zu beleuchten. Bei der Untersuchung der beiden Vorschriften soll ein besonderes Augenmerk auf die Unterscheidung zwischen Auslegung und richterlicher Rechtsfortbildung gelegt werden. Auch das Verhältnis von § 71a Abs. 1 AktG zu § 57 AktG ist ungeklärt40. Die Rechtsunsicherheit zeigte sich jüngst in einem Urteil des BGH41. Wegen Verstoßes gegen § 57 Abs. 1 S. 1 AktG bei Auszahlung einer Darlehensvaluta zum Zweck des Erwerbs einer Beteiligung wurde dort der Aktiengesellschaft ein Anspruch aus §§ 62 Abs. 1 S. 1, 57 AktG gegen den begünstigten Aktionär zuerkannt. Gleichzeitig bemühte das Gericht § 71a Abs. 1 S. 1 AktG mit der Rechtsfolge der Nichtigkeit des Darlehensvertrags, ohne jedoch mit einem Wort auf das Ver35

Kerber, NZG 2007, 254, 256. Vgl. hierzu allgemein Uwe H. Schneider, AG 2006, 577 ff.; ders., F. A. Z. vom 7.3.2007, S. 23. 37 Eilers, AG 2006, 792, 793. 38 Wenig hilfreich in diesem Zusammenhang daher die Ausführungen von Böhme, Kapitalschutz und die Bestellung von Sicherheiten beim Leveraged Buyout, S. 108 ff., der die positiven Auswirkungen eines LBO darstellt. 39 Ebenso Oechsler, ZHR 170 (2006), 72, 83. 40 Habersack, in: FS Röhricht, S. 155, 165 lässt die Frage explizit unbeantwortet. 41 BGH, Urteil vom 13.11.2007 – XI ZR 294/07, NZG 2008, 106 f. 36

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hältnis der beiden Vorschriften einzugehen und die Konsequenzen bei den Rechtsfolgen zu diskutieren. Bei der Untersuchung des Einlagenrückgewährverbots und des Verbots der finanziellen Unterstützung sind neue gesetzgeberische Entwicklungen zu berücksichtigen: Schon seit Ende der neunziger Jahre war man auf europäischer Ebene bestrebt, das strikte Verbot der finanziellen Unterstützung zu lockern oder ganz aufzuheben42, um sich ändernde Besitzverhältnisse an Aktiengesellschaften flexibler gestalten zu können43. Dieser Prozess mündete im Jahre 2006 in die Änderung von Art. 23 Abs. 1 der Kapitalrichtlinie, auf den § 71a AktG zurückgeht44. Der neue Art. 23 ermöglicht es den Mitgliedstaaten, unter engen Voraussetzungen, Finanzierungshilfen der Zielgesellschaft zu Gunsten der Erwerbergesellschaft zuzulassen, ohne die Umsetzung dieser Neuregelung verpflichtend festzuschreiben. Die Zielgesellschaft darf u. a. die Erwerber nur dann finanziell unterstützen, wenn dies unter „fairen und marktüblichen Konditionen“ geschieht, d.h. zu Bedingungen eines Drittgeschäftes45. Neben der Reichweite der neuen Ausnahmebestimmung ist zu analysieren, inwieweit sie mit § 57 AktG harmoniert, um schließlich eine Empfehlung abzugeben zu können, ob es angezeigt ist, die optionale Richtlinienvorgabe46 in deutsches Recht umzusetzen. Neue Impulse bezüglich der Liberalisierung aktienrechtlicher Kapitalschutzregeln kommen jedoch nicht nur aus Europa, sondern betreffen mit § 57 Abs. 1 AktG auch die zentrale Vorschrift des deutschen Kapitalerhaltungsrechts. Im Zuge der tiefgreifenden Veränderungen des GmbH-Rechts durch das „Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG)“ vom 23.10.2008 wurde neben § 30 Abs. 1 GmbHG weitgehend unbemerkt auch die strenge Vermögensbindung des § 57 AktG gelockert47. Die Neuregelung sieht in § 57 Abs. 1 S. 3 42 Die Abschaffung wurde insbesondere im angloamerikanischen Rechtskreis diskutiert vgl. Morse, Company Law, S. 184 f. 43 Vgl. Abschlussbericht der SLIM-Arbeitsgruppe („Simpler Legislation for the Internal Market“) von September 1999, ZIP 1999, 1944 ff., die darauf aufbauende Anregungen der „High Level Group“ von 2002, abrufbar unter: www.ec.europa.eu/ internal_market/company/modern/index_de.htm) und den Richtlinienvorschlag von 2004, KOM (2004), 730, insb. Erwägungsgrund 5. 44 Die „Richtlinie 2006/68/EG zur Änderung der Richtlinie 77/91/EWG des Rates in Bezug auf die Gründung von Aktiengesellschaften und die Erhaltung und Änderung ihres Kapital trat am 15. Oktober 2006 in Kraft, ABl. EU 2006 Nr. L 264, S. 32, zum Inkrafttreten vgl. Art. 3. 45 Vgl. hierzu Freitag, AG 2007, 157, 160. 46 Lutter/Drygala, in: Kölner Kommentar zum Aktiengesetz, § 71a Rn. 5. 47 BGBl. I 2008, 2026, 2035.

§ 1 Problemstellung

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AktG künftig vor, dass vom Verbot nicht mehr Leistungen umfasst sind, die „durch einen vollwertigen Gegenleistungs- oder Rückgewähranspruch gegen den Aktionär gedeckt sind.“ Neben einer Reihe von Auslegungsproblemen stellt sich hier die grundsätzliche Frage, ob dies für fremdfinanzierte Übernahmen eine Erleichterung bringen kann. Ungeklärt ist in diesem Zusammenhang, in welcher Weise § 71a Abs. 1 S. 1 AktG – in seiner jetzigen Form oder nach Umsetzung des reformierten Art. 23 der Kapitalrichtlinie – diese Neuregelung überlagert. Doch nicht nur das Verhältnis des Einlagenrückgewährverbots auf der einen und des Verbots der finanziellen Unterstützung auf der anderen Seite gibt Rätsel auf. Problematisch ist auch deren Beziehung zu den konzernrechtlichen Sondervorschriften. So liegt es in der Natur der Sache, dass sich bei Übernahmen Mehrheitsverhältnisse bilden. Auch in den Ausgangsfällen ging der Mehrheitsbesitz der Aktien jeweils auf hierfür gegründete Erwerbergesellschaften – die Grohe Holding GmbH und die Techem Beteiligungs-GmbH – über. Es stellt sich somit die Frage, welche Folgen sich ergeben, wenn zwischen Erwerber- und Zielgesellschaft ein Abhängigkeitsverhältnis i. S. d. § 17 AktG existiert. Auch hier brachte das MoMiG eine Änderung: Sowohl § 57 Abs. 1 S. 3 Var. 1 AktG als auch § 71a Abs. 1 S. 3 AktG stellen nunmehr klar, dass die Vorschriften bei Bestehen eines Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrags (§ 291) nicht anzuwenden sind. Klärungsbedürftig ist die Rechtslage im faktischen Konzern. Gemäß § 311 AktG ist es dem herrschenden Unternehmen verboten, die abhängige Gesellschaft zu veranlassen, für diese nachteilige Geschäfte zu tätigen, wenn nicht die Nachteile ausgeglichen werden48. Ob daneben noch § 57 Abs. 1, 3 AktG und § 71a Abs. 1 S. 1 AktG zur Anwendung kommen, ist umstritten49 und bedarf einer eingehenden Untersuchung. Dies auch vor dem Hintergrund, dass durch die Anwendung der allgemeinen, aktienrechtlichen Kapitalschutznormen konzerninterner Liquiditätsaustausch (sog. Cash-Pooling) im faktischen Konzern verhindert werden könnte. Hier schließt sich der Kreis, da Triebfeder für die Neuregelung des § 57 Abs. 1 S. 3 AktG u. a. war, die im Grundsatz ökonomisch sinnvolle Praxis des Cash-Pooling zu erlauben und gleichzeitig das Ausplündern der Zielgesellschaft bei Übernahmen zu verhindern50.

48 Die Folge eines Verstoßes gegen § 311 AktG regelt § 317 AktG, der der abhängigen Gesellschaft einen Schadensersatzanspruch gegenüber dem herrschenden Unternehmen einräumt. 49 Vgl. Oechsler, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 71a Rn. 8; Böhme, Kapitalschutz und die Bestellung von Sicherheiten beim Leveraged Buyout, S. 187 Fn. 1040 sieht die Frage der Anwendung des 71a AktG im faktischen Konzern als „noch weitgehend ungeklärt“.

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§ 2 Eingrenzung A. Aktiengesellschaft als Ziel der Übernahme Die Arbeit beschränkt sich auf die Untersuchung fremdfinanzierter Übernahmen von Aktiengesellschaften. Nicht verschwiegen werden soll an dieser Stelle, dass die meisten Leveraged Buyouts in Deutschland eine GmbH als Übernahmeziel haben. Dies liegt zum einen daran, dass ihre Zahl diejenige der Aktiengesellschaften um das vielfache übersteigt51, zum anderen an den weniger weit reichenden Kapitalschutzregeln52. So beschränkt § 30 Abs. 1 GmbHG das Auszahlungsverbot im Gegensatz zu § 57 Abs. 1, 3 AktG auf das Stammkapital53. Eine Parallelregelung zu § 71a AktG fehlt gänzlich. Das ungleiche Schutzniveau erklärt sich aus dem strukturellen Unterschied beider Rechtsformen. Während der Gesetzgeber bei der GmbH von einem überschaubaren, in sich geschlossenen Kreis von Gesellschaftern ausgeht und der Gesellschafterwechsel nach § 15 Abs. 3–5 GmbHG erschwerten Bedingungen unterliegt, ist das Leitbild der Aktiengesellschaft von einem großen, ständig wechselnden Kreis von Anteilseignern ohne persönliche Bindung geprägt und erfordert folgerichtig zum Schutz der Aktionäre ein streng formales Gewinnverteilungsverfahren54. Die Probleme, die sich 50

Vgl. Gesetzesentwurf der Bundesregierung (MoMiG), Stand 23. Mai 2007, S. 93, abrufbar unter: www.bmj.bund.de/files/-/2109/RegEProzent20MoMiG.pdf (Abrufdatum: 1.12.2008). 51 Im Jahre 2006 wurden deutschlandweit 455.030 Gesellschaften mbH und nur 7.329 Aktiengesellschaften (inkl. KGaA) durch die Umsatzsteuerklärung erfasst. Quelle: Deutsches Aktieninstitut, DAI-Factbook 2008, Tab. 01–5. Trotz der geringen Anzahl haben Aktiengesellschaft eine große Bedeutung für die deutsche Wirtschaft: Während im Jahre 2001 nur ca. 0,2 Prozent der deutschen Unternehmen als AG organisiert waren, erwirtschafteten sie – mit einem Durchschnittsumsatz von 121 Mio. Euro – 19,5 Prozent des Gesamtumsatzes (Zahlen: Statistisches Bundesamt 2001, vgl. Hansen, GmbHR 2004, 39, 41 f.). 52 Obschon Henze, in: Großkommentar zum AktG, § 57 Rn. 10 den aktienrechtlichen Kapitalschutz im Vergleich zur GmbH insgesamt zu Recht als „viel weitreichender“ charakterisiert, ist im Einzelnen zu differenzieren: Während der Umfang der Vermögensbindung bei § 30 GmbH auf die Stammeinlage beschränkt ist, ist die Rechtsfolge in § 31 GmbHG (Ausfallhaftung aller Gesellschafter) gegenüber § 62 AktG strenger, vgl. Hück/Fastrich, in: Baumbach/Hück, GmbHG, § 30 Rn. 4. 53 Während im Aktienrecht eine verbotene Auszahlung unabhängig davon vorliegt, ob das Grundkapital angegriffen wird, verlangt § 30 GmbHG das vorliegen einer Unterbilanz, vgl. hierzu: Roth/Altmeppen, GmbHG, § 30 Rn. 8 f.; Henze, in: Großkommentar zum AktG, § 57 Rn. 10; Westermann, in: Bürgers/Körber, AktG, § 57 Rn. 3 m. w. N.; Joost, ZHR 149 (1985), 419, 442; anders Schön, in: FS Röhricht, S. 559, 563, der auch bei § 57 AktG die Gewinne der Gesellschaft von der Vermögensbildung ausnehmen will.

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im Rahmen von § 30 Abs. 1 GmbHG ergeben, betreffen vorrangig die Ermittlung des geschützten Vermögens und waren schon mehrfach Gegenstand wissenschaftlicher Arbeiten55. Das GmbH-Recht wird hier nur insoweit behandelt, als es Auswirkungen auf den aktienrechtlichen Kapitalschutz bei fremdfinanzierten Übernahmen hat. Dies betrifft vornehmlich zwei Punkte: Zum einen hat der BGH in seiner als „Novemberurteil“ bekannt gewordenen Entscheidung56 entgegen der bis dahin vorrangig vertretenen rein bilanzrechtlichen Betrachtungsweise57 entschieden, dass eine Kreditgewährung an Gesellschafter auch dann gegen § 30 Abs. 1 GmbHG verstößt, wenn der Rückzahlungsanspruch gegen den Gesellschafter im Einzellfall vollwertig ist58. Diesem Standpunkt widersprach der Gesetzgeber in dem durch das MoMiG59 reformierten § 30 Abs. 1 GmbHG, indem er diese Form der Unterstützung dort nun explizit erlaubt und auch § 57 Abs. 1 AktG dementsprechend ergänzte. Zum anderen spielt das weniger strenge GmbH-Kapitalerhaltungsrecht insoweit eine Rolle, als in der Praxis aus diesem Grund Aktiengesellschaften vor der Übernahme in eine GmbH umgewandelt werden und sich die Frage stellt, ob damit die aktienrechtlichen Regeln unberücksichtigt bleiben.

B. Derivativer Aktienerwerb Des Weiteren sind ausschließlich Probleme des derivativen Aktienerwerbes Gegenstand der Untersuchung, während der Erwerb von Aktien über 54

Vgl. BT-Drucks. 8/3908, S. 67. Wilhelmi, Der Grundsatz der Kapitalerhaltung im System des GmbH-Rechts, S. 1 ff.; Böhme, Kapitalschutz und die Bestellung von Sicherheiten beim Leveraged Buyout, S. 89 ff.; Stimpel, in: FS 100 Jahre GmbHG, S. 335 ff.; zu neuen Ansätzen vgl. Bayer, ZGR 2007, 220 ff. 56 BGH, Urteil vom 24.11.2003 – II ZR 171/01, NJW 2004, 1111 f. Die Benennung als „Novemberurteil“ ist dabei wenig glücklich, da der Monat kein geeignetes Differenzierungsmerkmal darstellt. Mit der gleichen Berechtigung könnte man die „Trihotel“-Entscheidung als „Juli-Urteil“ oder das „Bremer Vulkan“-Urteil als „September-Entscheidung“ titulieren. Da jedoch die Benennung allgemein gebräuchlich und nicht mehr rückgängig zu machen ist, wird auch im Folgenden die Bezeichnung „Novemberurteil“ verwendet. 57 RG, Urteil vom 20.12.1935 – II 113/35, RGZ 150, 28, 34 ff.; Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 30 Rn. 16; Schmidt-Leithoff/Penz, in: Rowedder, GmbHG, § 30 Rn. 34, K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 37 III 1. c) (S. 1134). 58 Ähnlich auch Schön, ZHR 159 (1995) 351, 359 ff.; Stimpel, in: FS 100 Jahre GmbHG, S. 335 ff. 59 Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) vom 23. Oktober 2008, BGBl. Teil I 2008, 2026, 2029 (§ 30 GmbHG) bzw. 2035 (§ 57 AktG). 55

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eine Kapitalerhöhung der Aktiengesellschaft (originärer Erwerb) nicht behandelt wird. Zwar findet in britischen Rechtsraum das Verbot der „Financial Assistance“ entsprechend der dort seit 1948 aufgehobenen Unterscheidung zwischen Kapitalaufbringung und Kapitalerhaltung auch auf die Zeichnung60 von Aktien Anwendung. Folgerichtig findet sich auch in dem durch die Kapitaländerungsrichtlinie61 neu gefassten Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 5 für den originären Erwerb eine Regelung62. Jedoch folgt im deutschen Recht die finanzielle Unterstützung im Rahmen einer Kapitalerhöhung strengeren Regelungen; insbesondere unterliegt sie dem hier nicht näher zu erörternden Verbot der verdeckten Sacheinlage63. Dies entspricht der traditionellen deutschen Auffassung, wonach die Kapitalaufbringung im Vergleich zur Kapitalerhaltung einem strikteren Regelungsregime unterworfen wird. Damit erscheint es kaum sinnvoll, wie teilweise in der Literatur vertreten64, § 71a AktG auch auf originäre Erwerbsvorgänge anzuwenden. Auch die europarechtlich nicht verpflichtende Umsetzung der Ausnahmevorschrift des Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 5 in der Fassung der Kapitaländerungsrichtlinie ist nicht mit dem nach deutschem Recht generellen Verbot der Erwerbsfinanzierung vereinbar. Denn es wäre systemfremd, auf der Ebene der Kapitalaufbringung ein Sonderrecht für finanzielle Unterstützungshandlungen einzuführen65. Im Anwendungsbereich der hier näher zu untersuchenden §§ 57, 71a AktG spielt daher die Frage des Kapitalschutzes beim originären Erwerb entsprechend der im deutschen Aktienrecht angelegten Trennung von Kapitalaufbringung und Kapitalerhaltung keine Rolle. Mit der Begrenzung auf den derivativen Aktienerwerb entfällt auch die Behandlung des in der Praxis seltenen Unternehmenskaufs im Wege des sog. Asset Deals, bei dem einzelne Wirtschaftsgüter des Unternehmens ohne seinen Rechtsträger übertragen werden66. 60

Engl.: „Subscription“. Richtlinie 2006/68/EG vom 6.9.2006 „zur Änderung der Richtlinie 77/91/ EWG des Rates in Bezug auf die Gründung von Aktiengesellschaften und die Erhaltung und Änderung des Kapitals“, ABl. EU 2006 Nr. L 264, 32 ff. 62 Vgl. hierzu Drygala, Der Konzern 2007, 396, 405. 63 BGH, Urteil vom 15.10.1990 – II ZR 164/88, AG 1990, 298 ff.; BGH, Urteil vom 4.3.1996 – II ZR 89/95, NJW 1996, 1286 ff.; vgl. statt aller Ulmer, in: Großkommentar GmbHG, § 5 Rn. 164 ff. 64 So etwa Cahn, in: Spindler/Stilz, AktG, § 71a Rn. 14; differenzierend: Lutter/ Drygala, in: Kölner Kommentar zum Aktiengesetz, § 71a Rn. 21. 65 Wie hier etwa Drygala, Der Konzern 2007, 396, 405 f. 66 Ein Asset Deal kommt regelmäßig schon aus steuerlichen Gründen nicht in Betracht, Lutter/Drygala, in: Kölner Kommentar zum Aktiengesetz, § 71a Rn. 5; siehe unten Kapitel 2 § 4. Vgl. allgemein zum Asset Deal: Bruhns, in: FA-HGR, Kapitel 19, Rn. 7 ff., 172, 210 ff., 241; Holzapfel/Pöllath, Unternehmenskauf in Recht und Praxis, Rn. 131. 61

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C. Rechtslage in Deutschland Weiter konzentriert sich die Arbeit auf das deutsche Recht. Finanzierungsfragen beim Leveraged Buyout wurden schon mehrfach rechtsvergleichend untersucht67. Dies hat zweierlei Gründe: Zum einen waren fremdfinanzierte Übernahmen als Transaktionsmodell Anfang der siebziger Jahre als erstes in den U.S.A. zu beobachten68. Später griff das „Takeover-Fieber“ auf Großbritannien über69. Erst Ende der achtziger Jahre hat sich dieses Modell allmählich in Kontinentaleuropa ausgebreitet70. Probleme wie die Erhöhung des Insolvenzrisikos beim Leveraged Buyout traten daher zunächst im angloamerikanischen Raum auf, bevor sie in Deutschland in den neunziger Jahren relevant wurden. Zum anderen geht das Verbot der finanziellen Unterstützung (§ 71a Abs. 1 S. 1 AktG) auf Art. 23 Abs. 1 der Kapitalrichtlinie zurück. Dieser europarechtlichen Bestimmung soll eine Regelung des britischen Gesellschaftsrechts (Sec. 54 CA 1948) als Vorlage gedient haben71, was dazu animierte, die britischen Kapitalschutzregeln zu untersuchen72. Dennoch ist eine rechtsvergleichende Darstellung für die hier aufgeworfene Fragestellung wenig hilfreich, da sich die angesprochenen Abgrenzungsprobleme im „kapitalschützenden Dreieck“ zwischen § 57 AktG, § 71a AktG, und § 311 AktG bewegen und auf Besonderheiten des deutschen Aktienrechts beruhen. Insbesondere im Hinblick auf die Auslegung von § 71a Abs. 1 S. 1 AktG lohnt sich hingegen ein Blick auf die Regelungen der europäischen Nachbarländer. Die Arbeit geht von der bestehenden Gesetzeslage aus. Nicht eingehend behandelt werden Bestrebungen, das traditionelle europäische Kapitalschutzsystem zu deregulieren und durch ein an US-amerikanischen Regeln73 aus67 Böhme, Kapitalschutz und die Bestellung von Sicherheiten beim Leveraged Buyout; Lange, Rechtsfragen der Finanzierung eines feindlichen Übernahmeangebotes; Pühler, Das Verbot der Anteilsfinanzierung in Belgien, Frankreich, Italien und den Niederlanden; Schroeder, Finanzielle Unterstützung des Aktienerwerbs; Zerey, Rechtliche Probleme der Finanzierung von Leveraged Buyouts und Tender Offers. 68 Vgl. Schiessl, RIW 1988, 522 ff.; Böhme, Kapitalschutz und die Bestellung von Sicherheiten beim Leveraged Buyout, S. 1. 69 Lutter/Wahlers, AG 1989, 1. 70 Peltzer, DB 1987, 973, 974. 71 Schroeder, Finanzielle Unterstützung des Aktienerwerbs, S. 44. 72 Vgl. Schroeder, Finanzielle Unterstützung des Aktienerwerbs, S. 91 ff; Böhme, Kapitalschutz und die Bestellung von Sicherheiten beim Leveraged Buyout, S. 22 ff. 73 Das Kapitalsystem als Teil des Gesellschaftsrechts steht in den USA in der Gesetzeskompetenz der einzelnen Bundesstaaten. Hierbei nimmt das Recht des Bun-

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gerichtetes Gläubigerschutzkonzept zu ersetzen, welches als Kern anstatt der festen Ausschüttungsrestriktionen einen Solvenztest vorsieht74. Ausgelöst wurde die Debatte zum einen durch Änderungen auf dem Gebiet des europäischen Bilanzrechts75, zum anderen durch Vorschläge einer im Herbst 2001 eingesetzten „hochrangigen Gruppe von Experten auf dem Gebiet des Gesellschaftsrecht“ (sog. „High Level Group“), die sich für die Einführung einer Solvenzprüfung, bestehend aus einem Bilanztest und einer Liquiditätsprüfung, aussprach76. Dass es sich hierbei bestenfalls um „Zukunftsmusik“ handelt, zeigt schon die Reaktion der EU-Kommission, die auf den Abschlussbericht der „High Level Group“ am 21.5.2003 mit einem Aktionsplan antwortete77, der vorsieht, bis 2009 zunächst die Durchführbarkeit einer Alternative zum bisherigen Kapitalerhaltungssystem zu prüfen. Je nach Ergebdesstaates Delaware eine besondere Rolle ein, da dort die meisten Gesellschaften inkorporiert sind, vgl. Bebchuk/Cohen, Journal of Law and Economics 2003, 383 ff. Wichtig ist auch der Model Business Corporation Act (MBCA), der zur Harmonisierung des US-Amerikanischen Gesellschaftsrecht entwickelt wurde und an dem sich ca. 40 Staaten orientieren, vgl. Richard, Kapitalschutz der Aktiengesellschaft, S. 8 m. w. N. Da beide Regelungskomplexe mangels bestimmter Bilanzierungsregeln nicht verhindern können, dass unkontrolliert Kapital von der Gesellschaft an die Aktionäre fließt und der Gläubigerschutz daher sehr eingeschränkt ist, wird überwiegend als Vorbild für Europa der California Corporation Code angeführt, da dort ein bilanzorientiertes Testverfahren mit variablen Ausschüttungsgrenzen besteht, vgl. im Einzelnen Richard, Kapitalschutz der Aktiengesellschaft, S. 119 ff., 235. 74 Ausführlich hierzu: Richard, Kapitalschutz der Aktiengesellschaft, S. 89 ff. der diesen Themenkomplex umfassend erörtert, vgl. auch Jungmann, ZGR 2006, 638, 645 ff. In den U.S.A. weit verbreitet (MBCA, California Corporation Code) sind, jeweils mit Modifikationen, der Equity Insolvency Test, der die Liquiditätssituation des Unternehmens prüft und der Balance Sheet Test, der Insolenz aufgrund Überschuldung verhindern soll, vgl. hierzu Palmiter, Corporations, S. 521 ff. 75 Mit der Verordnung der EU Nr. 1606/2002 vom 19.7.2002 (ABl. EG L 243/1 vom 11.9.2002) und dem daran anschließenden Bilanzrechtsreformgesetz vom 4.12.2004 (BGBl. I 2004, Nr. 65, S. 3166–3182) wurde mit den International Financial Reporting Standards (IFRS) ein für Wertpapiere am geregelten Markt verpflichtender neuer Rechnungslegungsstandard eingeführt, der nicht mehr den Gläubigerschutz, sondern die Information der Aktionäre zum Ziel hat. Dies führt bei Aktiengesellschaften zur Doppelbelastung, da zusätzlich zum IFRS-Konzernabschluss zur Ausschüttungsbemessung und als Besteuerungsgrundlage der traditionellen HGBEinzelabschluss aufzustellen ist, vgl. Richard, Kapitalschutz der Aktiengesellschaft, S. 1 ff. m. w. N. 76 „High Level Group“ 2002, Bericht der Hochrangigen Gruppe von Experten auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts über moderne gesellschaftsrechtliche Rahmenbedingungen in Europa, 4. November 2002, abrufbar unter: www.ec.europa.eu/inter nal_market/company/docs/modern/report_de.pdf (Abrufdatum: 1.12.2008). 77 Aktionsplan der Kommission „Modernisierung des Gesellschaftsrechts und Verbesserung der Corporate Governance in der Europäischen Union“, KOM (2003) 284 abrufbar unter: www.eur-lex.europa.eu/LexUriServ/site/de/com/2003/com2003 _0284de01.pdf (Abrufdatum: 1.12.2008).

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nis der Machbarkeitsstudie soll dann eine langfristige Umsetzung erwogen werden78. Angesichts des starken Widerstandes gerade aus Deutschland79 erscheint eine radikale Änderung der Kapitalschutzregeln auch langfristig wenig wahrscheinlich. Allerdings setzt sich die Arbeit mit der Kritik der Autoren am herrschenden Gläubigerschutzsystem auseinander.

D. Steuerrechtliche Aspekte des Leveraged Buyouts Die letzte Eingrenzung betrifft steuerliche Fragestellungen. Fremdfinanzierte Übernahmen sind in hohem Maße von steuerrechtlichen Aspekten geleitet80. Verkürzt dargestellt geht es darum, für Erwerber und Veräußerer ein optimales Steuermodell zu finden. Dabei besteht auf Erwerberseite das Interesse, einen niedrigen Kaufpreis zu erzielen und dabei große Komponenten in abzugsfähige Betriebsausgaben umzugestalten. Spiegelbildlich will der Veräußerer einen hohen Verkaufspreis generieren, hierbei jedoch einer möglichst geringen Steuerbelastung ausgesetzt sein81. Verschiedene Vorgehensweisen in der Praxis sind dementsprechend nur mit Blick auf das Steuerrecht zu verstehen. Nicht übersehen werden darf auch, das der Gesetzgeber durch nachteilige steuerrechtliche Regelungen über eine Stellschraube verfügt, um unerwünschte Erwerbsmodelle unattraktiv zu gestalten. Insofern kann dem Steuerrecht mittelbar kapitalschützende Wirkung zukommen. Jüngstes Beispiel ist das Unternehmenssteuerreformgesetz 2008 vom 14.8.200782, das durch die Einführung einer Zinsschranke nach § 8a KStG herkömmliche Erwerbsmodelle beim Leveraged Buyout erschwert83. Bei alldem beschränkt sich die folgende Untersuchung auf eine knappe 78

Richard, Kapitalschutz der Aktiengesellschaft, S. 154 m. w. N. Ein Alternativkonzept ablehnend gegenüber stehen. die von Lutter einberufene Arbeitsgruppe Europäisches Gesellschaftsrecht („Group of German Experts on Corporate Law“, bestehend aus W. Bayer, M. Hoffmann-Becking, H. Fleischer, V. Röhricht, K. Schmidt, P. Ulmer, H. Wiedemann, M. Winter, W. Zöllner), ZIP 2003, 863, 872; kritisch auch der Arbeitskreis Bilanzrecht der Hochschullehrer Rechtswissenschaft, BB 2002, 2372, 2375 f.; Kleindiek, BB Beilage 2007 Nr. 5, S. 5; gegenüber einem Systemwechsel offen: Bauer, Gläubigerschutz durch formelle Nennkapitalziffer, S. 338 ff.; Engert, ZHR 170 (2006), 296 ff.; Jungmann, ZGR 2006, 638 ff.; Mülbert, Der Konzern 2004, S. 151, 160; Merkt, ZGR 2004; differenzierend: Veil, in: Das Kapital der Aktiengesellschaft in Europa, ZGR Sonderheft 17 (2006), 92, 112 f.; vgl. zum Meinungsstand auch Hopt, ZIP 2005, 461, 464. 80 Vgl. Holzapfel/Pöllath, Unternehmenskauf in Recht und Praxis, Rn. 340. 81 Kußmaul, Betriebswirtschaftliche Steuerlehre, S. 491. 82 BGBl. I 2007 Nr. 40, S. 1912 ff.; Kabinettentwurf vom 14.3.2007 abrufbar unter: www.bundesfinanzministerium.de (Abrufdatum: 1.12.2008); vgl. auch Kessler/ Ortmann-Babel/Zipfel, BB 2007, 523 ff. 83 Scheunemann/Socher, BB 2007, 1144 ff., siehe unten Kapitel 2 § 4. 79

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Darstellung der steuerlichen Gegebenheiten und Entwicklungen bei den verschiedenen Ausgestaltungen von fremdfinanzierten Unternehmensakquisitionen, ohne auf die technischen Details, beispielsweise der verschiedenen Bilanzierungs- und Gewinnermittlungsarten, näher einzugehen. Insoweit wird auf die einschlägige Fachliteratur verwiesen84.

§ 3 Gang der Darstellung Die vorliegende Arbeit sucht die aufgeworfenen Fragen mit dem nachfolgenden Gang der Bearbeitung zu beantworten: Im ersten Kapitel werden die Akteure eines Leveraged Buyouts und ihre Interessenlagen beleuchtet. Insbesondere ist herauszuarbeiten, worin die Risiken bei fremdfinanzierten Übernahmen liegen und welche Gruppen schützenswert sind. Im Anschluss daran wird im zweiten Kapitel die zur Einschränkung dieser Risiken vorgesehen Schutzmechanismen außerhalb des Aktienrechts untersucht, verbunden mit der Fragestellung, inwieweit sie die aktienrechtlichen Kapitalschutzregeln ersetzen oder ergänzen können. Im Mittelpunkt der Arbeit steht in Kapitel 3 die Herausarbeitung des bei fremdfinanzierten Übernahmen eingreifenden aktienrechtlichen Kapitalschutzsystems. Hierbei werden die tatbestandlichen Anwendungsbereiche von § 57 Abs. 1 und 3 AktG sowie § 71a Abs. 1 S. 1 AktG festgelegt. Es folgt die Bestimmung des Verhältnisses der beiden Vorschriften unter Berücksichtigung der jeweiligen Rechtsfolgen. In Kapitel 4 werden die gewonnenen Ergebnisse verwendet, um der Frage nachzugehen, ob § 57 AktG und § 71a Abs. 1 AktG auf die in der Übernahmepraxis üblichen mehrstufigen Erwerbsmodelle Anwendung finden. Die Arbeit schließt mit dem fünften Kapitel, in dem Konzernsachverhalte im Rahmen eines Leveraged Buyouts problematisiert werden.

84 Scheunemann/Socher, ebd.; Koenen/Gohr, DB 1993, 2541 ff.; Kußmaul, Betriebswirtschaftliche Steuerlehre, S. 491.

Kapitel 1

Risiken und Chancen beim Leveraged Buyout Welch unterschiedlichen Zielen mit fremdfinanzierten Übernahmen nachgegangen wird, zeigt schon ein Blick auf die beiden Ausgangsfälle. Während bei der Übernahme der Grohe AG die Börsenzulassung aufgrund der Umwandlung in eine börsenferne Gesellschaftsform (AG & Co. KG) beendet wurde (sog. kaltes Delisting1), verfolgte der Buyout der Techem AG mit dem Gang an die Börse den entgegengesetzten Weg. Ebenso können Leveraged Buyouts gegen den Willen des Vorstands der Zielgesellschaft (sog. feindliche Übernahmen2) oder im Einverständnis mit diesem (sog. freundliche Übernahmen) erfolgen3. Zielgesellschaft kann wie bei Grohe eine börsennotierte Aktiengesellschaft oder wie bei Techem eine nicht gelistete Aktiengesellschaft sein. Als Motiv der Übernahme kommen die Regelung der Unternehmensnachfolge gleichermaßen in Frage wie eine später gewinnbringende Weiterveräußerung4. Diese beispielhafte Aufzählung veranschaulicht, dass eine Leverage-Transaktion keine festgelegte Übernahmeart bezeichnet. Auch ist damit noch nicht entschieden, ob es sich um einen in der Praxis seltenen Asset Deal handelt, bei dem die einzelnen Wirtschaftsgüter des Unternehmens ohne seinen Rechtsträger übertragen werden, oder ein Share Deal, also die Veräußerung des Rechtsträgers durch Abtretung der Gesellschaftsanteile, vorliegt5. Vielmehr versteht man unter einem Leveraged Buyout eine bestimmte Finanzierungsart, die bei unterschiedlichen Formen des Unternehmenskaufs eingesetzt wird6. 1

Zum Begriff vgl. Pluskat, BKR 2007, 54 ff. Vgl. hiezu ausführlich Hahn, Die feindliche Übernahmen von Aktiengesellschaften, S. 1. 3 Anders Lange, Rechtsfragen der Finanzierung eines feindlichen Übernahmeangebots, S. 366 f., der bei feindlichen Übernahmen aufgrund der fehlenden Einwirkung auf den Vorstand im Vorfeld der Übernahme einen Leveraged Buyout nicht für möglich hält. Hierbei übersieht er, dass die Verwendung des Vermögens der Zielgesellschaft der Übernahme zeitlich nachfolgen kann z. B. durch Verschmelzung von Ziel- und Erwerbergesellschaft. Auch bei diesen zweistufigen Konstruktionen handelt es sich entgegen dessen Ansicht somit um Leveraged Buyouts. 4 Vgl. zu weiteren klassischen Anwendungsgebieten des Leveraged Buyouts Fleischer, AG 1996, 494, 498. 5 Vgl. zu den Begriffen Holzapfel/Pöllath, Unternehmenskauf in Recht und Praxis, Rn. 131; Bruhns, in: FA-HGR, Kapitel 19, Rn. 7–12. 2

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Kap. 1: Risiken und Chancen beim Leveraged Buyout

§ 1 Leveraged Buyout A. Grundstruktur I. Leverage-Effekt Wie schon der synonym verwandte Begriff der fremdfinanzierten Übernahme ausdrückt, erfolgt die Finanzierung beim Leveraged Buyout überwiegend durch Fremdkapital. Dies liegt darin begründet, dass es Leitmotiv jedes Leveraged Buyouts ist, die Rendite des Eigenkapitalinvestors zu steigern. Weshalb hierfür die Maximierung der Fremdkapitalquote erforderlich ist, zeigt folgendes Beispiel7: Der Investor erwirbt eine Zielgesellschaft (frei von Nettoverbindlichkeiten) für 100 Mio. Euro, davon 30 Mio. Euro Eigen- und 70 Mio. Euro Fremdkapital bei einem Zinssatz von 6 Prozent im Jahr. Aus dem freien Cash Flow8 der Zielgesellschaft tilgt der Käufer 10 Mio. Euro im ersten Jahr und verkauft diese für 100 Mio. Euro weiter. An den Kreditgeber wird die verbleibende Darlehensschuld von 60 Mio. Euro abgeführt. Nach Abzug der Zinsen (4,2 Mio. Euro) verbleiben noch 35,8 Mio. Euro. Die Eigenkapitalrendite beträgt damit gut 19 Prozent (5,8 Mio. Euro). Dagegen ergeben sich bei einem Eigenkapitaleinsatz von 80 Mio. Euro und einer Fremdkapitalquote von nur 20 Mio. Euro bei ansonsten unveränderter Bedingungen eine Eigenkapitalrendite von nur 11 Prozent (8,8 Mio. Euro). Bei einer regelmäßig angestrebten Eigenkapitalrendite von über 15 Prozent muss damit die Fremdkapitalquote mindestens 50 Prozent betragen9. Das allgemeine finanzwirtschaftliche Prinzip der Hebelwirkung des Fremdkapitaleinsatzes (Leverage-Effekt) führt dazu, dass Leverage-Trans6 Vgl. bezüglich des Regelungsortes (Investment Agreement) Bruhns, in: FA-HGR, Kapitel 19, Rn. 371. 7 Beispiel nach Diem, in: Achtleitner/Thoma, Handbuch Corporate Finance, Rn. 6.4.4, ohne Berücksichtigung von Zinseszinseffekten; vgl. zu weiteren Modellrechnungen Seibt, ZHR 171 (2007), 282, 288. 8 Betriebliche Zahlungsüberschuss nach Steuern und vor Zinsabzug, vgl. hierzu ausführlich: Behringer, Cash-flow und Unternehmensbeurteilungen, S. 1 ff.; Kessel, Leveraged Buy-out der Aktiengesellschaft, S. 31 ff. 9 Ein Anteil von über 50 Prozent Fremdkapital an der gesamten Kaufsumme wird in der Praxis zur Definition eines Leveraged Buyouts herangezogen. Die neuere Ansicht stellt nicht mehr auf dieses rein bilanztechnische Kriterium ab, sondern auf den dynamischen Verschuldungsgrad. Demnach ist ein LBO nur dann gegeben, wenn das Verhältnis Nettoverschuldung zu EBITDA größer als 3,0–3,5 und der Zinsdeckungsgrad geringer als 3,5–4,0 ist, Mittendorfer, Praxishandbuch der Akquisitionsfinanzierung, S. 13. Das Verhältnis Eigen- zu Fremdkapital beim LBO liegt regelmäßig zwischen 1:4 und 1:10, Bruhns, in: FA-HGR, Kapitel 19, Rn. 356.

§ 1 Leveraged Buyout

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aktionen sich einer zunehmenden Beliebtheit erfreuen. Dies gilt insbesondere, aber nicht ausschließlich, bei Übernahmen durch Finanzinvestoren. So stieg das Kreditvolumen zur Finanzierung von Unternehmenserwerben in Europa von 15 Mrd. Euro (2000) auf ca. 116 Mrd. Euro im Jahre 200610. Führten noch Ende der neunziger Jahre Leveraged Buyout-Investitionen von privaten Beteiligungsgesellschaften in Deutschland ein Schattendasein, bilden sie 2006 mit ca. 80 Prozent den weitaus größten Teil des so investierten Kapitals11. Der Anteil der Leveraged Buyouts in Deutschland stieg von rund 7 Prozent der Übernahmen 2001 auf ca. 25 Prozent im Jahre 200512. Auch die sog. „Finanzkrise“, die in den Jahren 2007 und 2008 zu einem Rückgang von Private Equity-Investitionen in Deutschland führte13, wird aller Voraussicht nach fremdfinanzierte Übernahmen nicht dauerhaft eindämmen. Zwar wird es aufgrund der vorübergehenden Schwierigkeiten bei der Fremdkapitalbeschaffung in naher Zukunft nur wenige Milliardentransaktionen geben. Jedoch ist damit zu rechnen, dass vermehrt Übernahmen von Betrieben in wirtschaftlicher Schieflage durch Finanzinvestoren durchgeführt werden14. Auch machen niedrige Börsenwerte viele Unternehmen zu interessanten Übernahmezielen15. Die gewinnsteigernde Hebelwirkung ist dabei nicht frei von Risiken. Fallen die mit dem Fremdkapital erzielten Erträge unter den Zinsaufwand, kehrt sich die Hebelwirkung gegen die Aktiengesellschaft. Damit ist der Leverage-Effekt nicht nur mit einer höheren Gewinnchance, sondern auch mit einem gesteigerten Verlustrisiko für das Unternehmen verbunden16. Des Weiteren ist zu betonen, dass, entgegen einer weit verbreiteten Ansicht17, 10 Seibt, ZHR 171 (2007), 282, 288 unter Berufung auf F. A. Z. vom 18.1.2007, Interview mit Steve Koltes (CVC), Nr. 15 S. 19 und F. A. Z. vom 2.3.2007, Zahlen von Standard & Poor’s, Nr. 52, S. 25. 11 Vgl. Entwicklung der Investitionen in Deutschland ab 1995, BVK Statistik Jahresbericht 2006, Tab. C4 (S. 34), abrufbar unter: www.bvk-ev.de/media/file/ 110.BVK_Jahresstatistik_2006_200207.pdf (Abrufdatum: 3.12.2008). 12 Mittendorfer, Praxishandbuch der Akquisitionsfinanzierung, S. 16. 13 2007: Rückgang des Investitionsvolumen um 43 Prozent auf 29 Mrd. Euro, Rückgang des Transaktionsvolumen um 58 Prozent auf 8,7 Mrd. Euro, Koenen, „Finanzinvestoren in Lauerstellung“, Handelsblatt vom 28.12.2007; 2008: Rückgang des Investitionsvolumen um ca. 50 Prozent auf 15 Mrd. Euro, wobei die Zahl der Übernahmen mit 166 konstant blieb, Nagl „Finanzinvestoren stehen vor dem Ruin“, Handelsblatt vom 30.12.2008. 14 Paul, „Die Private-Equity-Branche denkt um“, F. A. Z. vom 24.12.2008, S. 19. 15 Wand/Tillmann/Heckenthaler, AG 2009, 148, 149. 16 Vgl. Bezzenberger, Das Kapital der Aktiengesellschaft, S. 53. 17 Zu Unrecht wird der Leverage-Effekt in Investmentkreisen als „HeuschreckenMathematik“ bezeichnet, vgl. Seibt, ZHR 171 (2007), 282, 283.

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mit dem Leverage-Effekt nicht automatisch die Finanzierung der Transaktion aus Mitteln der Zielgesellschaft einhergehen muss, auch wenn sich dadurch der Leverage-Effekt erhöht18. Voraussetzung ist lediglich, dass die mit Hilfe des Fremdkapitals erwirtschaftete Gesamtkapitalrendite über dem Zins und den Tilgungsraten liegt, die für das Fremdkapital zu zahlen sind19. Insoweit spiegelt sich in der Bezeichnung „Leveraged Buyout“ die hierfür typische Finanzierung der Übernahme aus Mitteln der Zielgesellschaft nicht wider. II. Kapitalstruktur Bei einem typischen Leveraged Buyout wird das benötigte Kapital neben dem investierten Eigenkapitalanteil von üblicherweise 30–40 Prozent durch gesicherte zinsgünstige Bankdarlehen20 in Höhe von 50–60 Prozent eingebracht21. Dabei orientieren sich die finanzierenden Banken22 bei der Entscheidung über den Umfang der bereitzustellenden Fremdmittel an der operativen Leistung des zu übernehmenden Unternehmens23. Im Jahre 2003 überstieg der Umfang der Senior-Darlehen regelmäßig nicht das drei- bis vierfache des EBITDA24 der Zielgesellschaft25. Erst in den letzten Jahren stieg der durchschnittliche Leverage-Multiplikator (Fremdkapital/EBITDA) in Deutschland auf über fünf26. Dennoch liegt der deutsche Wert weit unter dem europäischen Durchschnitt (ca. acht im Jahre 2006)27. Dies ist den vergleichsweise strengen deutschen bankrechtlichen Vorschriften (insb. 18

Oechsler, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 71a Rn. 2. Weber-Rey, in: Semler/Volhard, § 14 Rn. 40. 20 Sog. Senior Debt. 21 Das Verhältnis Fremd- zu Eigenkapital kann je nach Risikostruktur der Anlage bis zu 4:1 betragen, Weber, ZHR 155 (1991), 120 f.; Mock/Westhoff, DZWiR 2004, 23 f.; Weitenauer, Management Buy-out, S. 7 f.; vgl. auch das Schaubild zur Finanzierungsstruktur eines LBO bei Weber-Rey, in: Semler/Volhard, § 14 Rn. 39. 22 Regelmäßig sind bei einem LBO mit einem Volumen über 200 Mio. Euro mehrere Banken als Fremdkapitalgeber beteiligt, vgl. Bruhns, in: FA-HGR, Kapitel 19, Rn. 377. 23 Schrell/Kirchner, BKR 2003, 13, 15. 24 „Earnings Before Interest and Taxes, Depreciation and Amortisation“ = Ergebnis vor Zins, Steuern und Abschreibungen. Zur Bestimmung vgl. Gladen, Performance Measurement, S. 64. Weitere Unternehmenskennzahl ist das Ergebnis vor Steuern und Zins (EBIT: „Earnings Before Interest and Taxes“). 25 Schrell/Kirchner, BKR 2003, 13, 15; Mittendorfer, Praxishandbuch der Akquisitionsfinanzierung, S. 73 f. 26 Siehe die Zahlen für das Jahr 2006 bei Eidenmüller, ZHR 171 (2007), 644, 655 auf Grundlage des Monatsbericht April 2007 der Deutschen Bundesbank. 27 Siehe Zahlen bei Eidenmüller, ZHR 171 (2007), 644, 655 auf Grundlage des Monatsberichts der European Central Bank, April 2007. 19

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§ 18 KWG) geschuldet, die vom Kreditgeber einzuhalten sind. Die Regelung des § 18 KWG schränkt die Möglichkeiten des Unternehmenskäufers ein, die Fremdkapitalquote durch Aufnahme gesicherter Darlehen unbegrenzt zu erhöhen und so die Rendite auf das eingesetzte Eigenkapital weiter zu steigern28. Oft schließen mezzanine29 Finanzierungsformen die verbleibende Finanzierungslücke30. Mezzanine-Kapital bezeichnet als Sammelbegriff unterschiedliche Arten von Nachrangkapital. Sie stellen eine Mischform zwischen Fremd- und Eigenkapital dar und sind für den Investor mit höheren Finanzierungskosten verbunden, da das Risiko für den Kreditgeber aufgrund der nur nachrangigen Sicherheiten erhöht ist, im Falle einer Insolvenz leer auszugehen31. Mezzanine-Finanzierungen können eigenkapitalähnlich ausgestaltet sein (z. B. Genussrechte, stille Beteiligungen) oder Fremdkapitalcharakter haben (z. B. nachrangige, partiarische Darlehen)32. Die Tilgung erfolgt regelmäßig erst nach Rückzahlung der erstrangigen Darlehen, woraus Laufzeiten von fünf bis zehn Jahren resultieren33. Für die vorliegende Untersuchung zum Kapitalschutz spielen in erster Linie fremdkapitalnahe Gestaltungsformen von Mezzanine-Finanzierungen eine Rolle, da insbesondere dort die Gefahr besteht, dass die Zielgesellschaft sich an Zinsen und Tilgung beteiligen muss und so Eigenkapital verliert. Hierbei ergeben sich jedoch keine grundlegenden Unterschiede zu den gesicherten Darlehen, außer dass die Gefahr des „Aussaugens“ der Zielgesellschaft durch die längeren Laufzeiten der nachrangigen Darlehen gemindert ist. Im Folgenden wird daher nicht gesondert auf Mezzanine-Finanzierungen eingegangen. Als Fremdkapitalkomponente werden in den letzten Jahren insbesondere bei der Rekapitalisierung durch die Zielgesellschaft auch zunehmend Schuldtitel eingesetzt, die in den ersten ca. acht Jahren keine Zins- und Til28

Zu den Details Bock, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, KWG, § 18 Rn. 1 ff. Der Begriff „Mezzanine“ stammt aus dem italienischen und bezeichnet ein für die Baukunst der Renaissance und des Barocks typisches niedriges Zwischengeschoss zwischen den Hauptetagen eines Gebäudes. 30 Ca. 90 Prozent der Mezzanine-Finanzierungen werden in Europa für die Durchführung von LBO zur Verfügung gestellt, Mittendorfer, Praxishandbuch der Akquisitionsfinanzierung, S. 23; allgemein zur Mezzanine-Finanzierung: Schrell/ Kirchner, BKR 2003, 13 ff.; dies., BKR 2004, 212 ff.; Kiethe, DStR 2006, 1763 ff.; Breuniger/Prinz, DStR 1345 ff.; Kessel, Leveraged Buy-out der Aktiengesellschaft, S. 100 ff. Eine Beteiligungsstruktur eines fiktiven LBO inklusive Mezzanine-Kapital findet sich bei Weber-Rey, in: Semler/Volhard, § 14 Rn. 74. 31 Schrell/Kirchner, BKR 2003, 13, 14. 32 Kiethe, DStR 2006, 1763. 33 Schrell/Kirchner, BKR 2003, 13, 16. 29

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gungsleistungen einfordern34. Nach Ablauf dieses Schonzeitraums werden hohe Rückzahlungen fällig (sog. Bullet Debts). Einen ähnlichen Effekt haben die sog. Payment-in-kind Debts, bei denen andere Schuldtitel für die Zinszahlung eingesetzt werden. Beide Finanzierungsinstrumente werden für die Zielgesellschaft als besonders gefährlich eingeschätzt, da sich die Belastung zunächst nicht real auswirkt, später jedoch die Zielgesellschaft „auf einen Schlag“ trifft35. Für die rechtliche Beurteilung der aktienrechtlichen Zulässigkeit gibt es gegenüber herkömmlichen Darlehen keine Besonderheiten. III. Finanzierung der Übernahme aus Mitteln der Zielgesellschaft Wie bereits erwähnt, hängt der Umfang der Kreditvergabe regelmäßig nicht von der Finanzausstattung der kreditaufnehmenden Erwerbergesellschaft ab, sondern von dem zu erwartenden operativen Cash Flow der Zielgesellschaft. Der Grund hierfür ist gleichzeitig das Hauptcharakteristikum des Leveraged Buyouts: Die Übernahme wird letztlich aus dem Vermögen der Zielgesellschaft finanziert. Kritiker vergleichen dies mit dem nicht ganz zutreffenden Bild eines Uhrenkäufers, der den Juwelier den Kaufpreis bezahlen läst36. Dieser Vergleich hinkt, da nicht der Verkäufer, im Beispiel also der Juwelier, den Kaufpreis zahlt, sondern die Zielgesellschaft, im Beispiel also (zu einem Teil) die Uhr. Korrekt, wenn auch kurios wäre daher folgendes Bild: Nicht der Käufer, sondern der gesamte Kuchen, letztlich also die Kaufsache, finanziert den Kauf eines einzelnen Kuchenstücks. Der Vermögenstransfer von der Zielgesellschaft auf die Erwerberseite kann sich hierbei auf unterschiedliche Art und Weise vollziehen. Denkbar sind direkte Unterstützungshandlungen wie die Tilgung der Erwerberdarlehen aus dem freien Cash Flow37 der Zielgesellschaft oder der indirekte Einsatz des Vermögens, indem für die Fremdkapitalfinanzierung Sicherheiten bestellt werden38. Für die Hochleitung des freien Cash Flow der operativen Zielgesellschaft auf die Erwerbergesellschaft kommen verschiedene Lösungsansätze in Betracht. Darunter fallen die Ausschüttung einer „Super34

Eidenmüller, ZHR 171 (2007), 644, 655 f. m. w. N. Vgl. Eidenmüller, ZHR 171 (2007), 644, 655 f. mit Verweis auf eine Studie der EZB (Large Banks and Private Equity-sponsored Leveraged Buyouts in the EU, April 2007, S. 23 f., 33, 41). 36 Uwe H. Schneider, AG 2006, 577, 578. 37 Zur Berechnung des freien Cash Flow vgl. Mittendorfer, Praxishandbuch der Akquisitionsfinanzierung, S. 17: EBITDA +/– Rückstellungszunahmen/-abnahmen – Steuern +/– Deinvestitionen des/Investitionen in das Anlagevermögen +/– Abnahme/Zunahme der Betriebsmittel). 38 Vgl. Holzapfel/Pöllath, Unternehmenskauf in Recht und Praxis, Aufl. 11, Rn. 328 (S. 277). 35

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dividende“ an den neuen Hauptaktionär39, die Bezahlung von Transaktionskosten und Dienstleistungen des neuen Investors40 oder die Umwandlung der Zielgesellschaft in eine Gesellschaft mit weniger strengen Kapitalschutzvorschriften. Beliebt sind auch Verschmelzungsvorgänge der Zielgesellschaft auf die Erwerbergesellschaft (sog. Upstream Merger) oder umgekehrt der Erwerbergesellschaft auf die Zielgesellschaft (sog. Downstream Merger)41, um so die Darlehenschulden der Erwerbergesellschaft auf der Ebene der operativen Gesellschaft zu tilgen. Als weitere Möglichkeit, das Vermögen der Zielgesellschaft zu nutzen, kann eine Organschaft zwischen Akquisitions- und Zielgesellschaft mit Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag begründet werden42. Die Frage, inwieweit das aktienrechtliche Kapitalschutzsystem diese Methoden zur Finanzierung des Kaufpreises zulässt, steht im Zentrum dieser Arbeit.

B. Unterformen Der primäre Einsatz von Fremdkapital und die Finanzierung aus Mitteln der Zielgesellschaft sind die beiden Definitionsmerkmale des Leveraged Buyouts. Darüber hinaus gibt es weitere begriffliche Differenzierungen, je nach Zusammensetzung der Erwerber43. Geht die Initiative zur Übernahme vom Vorstand der Zielgesellschaft aus, und übernehmen diese einen wesentlichen Anteil an der Gesellschaft spricht man vom Management (Leveraged) Buyout (MBO). Erwirbt ein von außen kommendes Managementteam die Zielgesellschaft, liegt ein Management Buyin (MBI) vor. Kombinationen werden als Buyin-Management-Buyout (BIMBO) tituliert44. Wird ein Finanzinvestor tätig, bezeichnet man die Übernahme als Institutionellen Buyout (IBO). Übernehmen bisherige Gesellschafter die Mehrheit der Geschäftsanteile durch Auskauf bestehender Gesellschafter, spricht man von Owner Buyout (OBO). Den Begriffsdschungel komplettiert der seltene Belegschafts-Buyout (BBO), an dem sich, neben dem Vorstand, Arbeitnehmer der Zielgesellschaft beteiligen. 39 Bei einer Übernahme des dänischen Telekommunikationskonzerns TDS A/S wurde eine Dividende von 28 Euro pro Aktie (insgesamt 5,6 Mrd.) ausgezahlt, vgl. Uwe H. Schneider, AG 2006, 577, 579; ders., NZG 2007, 889. 40 So wurde bei der Übernahme der Celanese AG durch Blackstone Dienstleistungen des Investors mit ca. 120 Mio. US-Dollar vergütet; für die Beendigung der Dienstleistung als „Abfindung“ weitere 35 Mio. US-Dollar, vgl. Uwe H. Schneider, AG 2006, 577, 579; Eidenmüller, ZHR 171 (2007), 644, 651 m. w. N. 41 Siehe Kapitel 4; einen Überblick bietet Schäffler, BB-Special 9, 2006, 1, 7 f. 42 Breuninger, in: FS Raupach, S. 437, 438. 43 Vgl. hierzu auch Fleischer, AG 1996, 494, 497. 44 Mittendorfer, Praxishandbuch der Akquisitionsfinanzierung, S. 36.

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Für die vorliegende Untersuchung ist die dargestellte Unterteilung nach unterschiedlichen Erwerbergruppen aus zwei Gründen wenig hilfreich: Zum einen ist die Einteilung schematisch und berücksichtigt nicht die Zwischenformen und Überschneidungen. So beteiligt sich beim Institutionellen Buyout als „typischer“ Unterform des Leveraged Buyout oftmals auch das Management, während beim Management Buyout, jedenfalls bei größeren Transaktionen, über 50 Prozent des Kapitals von Finanzinvestoren gehalten wird. Es ist daher nicht verwunderlich, dass die Grenzen fließend sind45 und die Frage, welchen Anteil der Vorstand bei einem Management Buyout innehaben muss, unterschiedlich beantwortet wird. Während in den Statistiken des Bundesverbands deutscher Kapitalgesellschaften ein Management Buyout schon ab einer Vorstandsbeteiligung von über 10 Prozent vorliegt46, wird teilweise eine Mehrheitsbeteiligung47 oder zumindest eine „wesentliche Beteiligung“48 der Unternehmensführung gefordert. Zum anderen fokussiert sich die vorliegende Analyse auf den Kapitalschutz beim Leveraged Buyout. Probleme ergeben sich hier typischerweise bei Finanzinvestoren auf der Erwerberseite, also dem institutionellen Buyout, der auch als Leveraged Buyout im engeren Sinne bezeichnet wird. Der Grund hierfür ist, dass Finanzinvestoren regelmäßig nach ca. drei bis fünf Jahren die Unternehmensbeteiligung weiterverkaufen49 und in dieser Zeitspanne das eingesetzte Fremd- und Eigenkapital50 zurückzuerlangen streben. Die Beteiligung des Vorstands der Zielgesellschaft am Buyout kann in der Praxis die Durchführung einer Übernahme erleichtern, die Chancen und Risiken für die weiteren Beteiligten bleiben jedoch unverändert, ob nun Finanzinvestoren, das Management oder andere Beteiligte Leverage-Techniken vornehmen.

45 Ebenso Otto, in: Assmann/Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, 2. Auflage, § 26 Rn. 3; Böhme, Kapitalschutz und die Bestellung von Sicherheiten beim Leveraged Buyout, S. 3. 46 Vgl. Jahresbericht 2006, S. 43, abrufbar unter: www.bvk-ev.de/media/file/ 110.BVK_Jahresstatistik_2006_200207.pdf. (Abrufdatum: 3.12.2008). 47 Mittendorfer, Praxishandbuch der Akquisitionsfinanzierung, S. 36. 48 Otto, in: Assmann/Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, 2. Auflage, § 26 Rn. 2 f. 49 Über 60 Prozent der europäischen LBO waren 2005 Secondary Buyouts, also Weiterverkäufe von Finanzinvestoren an Finanzinvestoren, Quelle: Standard & Poor’s, Leveraged Commentary & Data, abgedruckt in: Mittendorfer, Praxishandbuch der Akquisitionsfinanzierung, S. 49. 50 Die Rückführung des Eigenkapitals an den Investor wird als Rekapitalisierung („Recaps“) bezeichnet vgl. Mittendorfer, Praxishandbuch der Akquisitionsfinanzierung, S. 116.

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C. Beteiligungsquote Abschließend ist zu bestimmen, ab welcher Beteiligungsquote ein Buyout vorliegt und welche Schwellenwerte bei fremdfinanzierten Übernahmen von Bedeutung sind51. Die Höhe der Beteiligung der Erwerbergesellschaft an der Zielgesellschaft hat zwar keine unmittelbare Auswirkung auf die Problematik des Kapitalschutzes beim Leveraged Buyout. Die Beteiligungsquote gibt jedoch vor, welche Übernahmetechniken möglich sind, da teilweise hierbei Hauptversammlungsbeschlüsse mit qualifizierter Mehrheit benötigt werden. Eine Übernahme hat zum Ziel, die Kontrolle über ein Unternehmen zu erlangen. Folglich muss es die Beteiligung erlauben, sich gegen Miteigentümer durchzusetzen und aktiv die Geschäftspolitik der Gesellschaft zu bestimmen. Die Sperrminorität von 25 Prozent der Stimmrechte in der Hauptversammlung ist nicht ausreichend, da hierdurch nur grundlegende Entscheidungen der Hauptversammlung wie der Abschluss von Beherrschungsund Gewinnabführungsverträge (§ 293 Abs. 1 S. 2 AktG) verhindert werden können52. Einen Anhaltspunkt für die benötigte Beteiligung bietet § 29 Abs. 2 WpÜG. Dieser definiert die Kontrolle als das Halten von 30 Prozent der Stimmrechte der Zielgesellschaft. Hintergrund hierfür ist, dass aufgrund der durchschnittlichen Hauptversammlungspräsenz bei börsennotierten Unternehmen von unter 60 Prozent ab dieser Beteiligungsquote regelmäßig eine Hauptversammlungsmehrheit besteht53. Da die einfache Stimmrechtsmehrheit gemäß § 133 Abs. 1 AktG für Beschlüsse die gesetzliche Grundregel bildet, können somit Erwerber ab einer Beteiligung von § 30 Prozent de facto bei der Mehrzahl der Beschlüsse die Geschicke des Unternehmens bestimmen. Mit einfacher Stimmenmehrheit beschließt die Hauptversammlung etwa über die Verwendung des Bilanzgewinns (§§ 119 Abs. 1 Nr. 2, 174 Abs. 1, 58 Abs. 3 AktG). Die Ausschüttung einer „Superdividende“ aus dem Bilanzgewinn reicht jedoch regelmäßig nicht aus, um die vom Finanzinvestor für den Erwerb des Unternehmens aufgenommenen Darlehen zu tilgen. Wie bereits er51

Die Frage stellt sich nicht beim Asset Deal, sondern nur beim in der Praxis üblichen Share Deal. Vorausgesetzt wird hierbei die Anwendbarkeit des deutschen materiellen Rechts. 52 Aufgrund der üblichen Hauptversammlungspräsenz von unter 60 Prozent wird in der Praxis die Sperrminorität schon bei Beteiligungen von unter 15 Prozent erreicht, vgl. Holzapfel/Pöllath, Unternehmenskauf in Recht und Praxis, Rn. 280 (S. 224). 53 Möller, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 29 Rn. 9; Holzapfel/Pöllath, ebd.; zu aktuellen Entwicklungen der Hauptversammlungspräsenz DaunerLieb, WM 2007, 9 ff.

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Kap. 1: Risiken und Chancen beim Leveraged Buyout

wähnt, ist es daher übliche Übernahmepraxis, Erwerber- und Zielgesellschaft zu verschmelzen. Einen anderen Weg bietet der Wechsel der Zielgesellschaft in Gesellschaftsformen, die weniger strengen Kapitalschutzvorschriften unterliegen. So wurden auch die Grohe AG und die Techem AG in Personengesellschaften (AG & Co. KG) umgewandelt. Für Verschmelzungs- und Umwandlungsbeschlüsse bedarf es abweichend von der aktienrechtlichen Grundregel gemäß den §§ 65 Abs. 1, 240 Abs. 1 UmwG zumindest einer Mehrheit von drei Viertel des bei der Beschlussfassung vertretenen Grundkapitals. Gleiches gilt gemäß § 293 Abs. 1. S. 2 AktG für die benötigte Zustimmung der Hauptversammlung zu Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträgen. Zudem erfordert die sofortige Übernahme der Kontrolle der Zielgesellschaft durch die Erwerber, jedenfalls bei feindlichen Übernahmen, die Abberufung des Aufsichtsrats, da nur dieser die Bestellung von Vorstandsmitgliedern vor Ende der üblichen fünfjährigen Amtszeit nach § 84 Abs. 3 AktG widerrufen kann. Auch hierfür benötigt man einen Hauptversammlungsbeschluss mit drei Viertel der abgegebenen Stimmen (§ 103 Abs. 1 S. 2 AktG)54. Um diese Quoren zu erreichen, liegt die Beteiligung der Finanzinvestoren daher regelmäßig bei über 50 Prozent55. Der Erwerber kann allerdings nicht immer die Beteiligungsquote wählen, die ihm einerseits die Kontrolle über die Zielgesellschaft gewährt, ihn andererseits jedoch finanziell am wenigsten belastet. So muss im Anwendungsbereich des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes (WpÜG)56 der Bieter gemäß den §§ 35, 32 WpÜG sein Angebot auf alle Aktien der Gesellschaft erstrecken. Zwar kann der Bieter dabei eine Untergrenze als Beteiligung festlegen, da § 18 Abs. 1 WpÜG nur Bedingungen verbietet, auf die der Bieter Einfluss hat. Eine Obergrenze gibt es jedoch nicht, so dass der Bieter theoretisch mit dem Kauf aller Anteile rechnen muss. Dies 54 Die Arbeitnehmervertreter, die nach dem MitbestG in den Aufsichtsrat gewählt werden, können nicht vom Investor ausgewechselt werden. Jedoch verfügen die Anteilseigner auch bei paritätisch mitbestimmten Aufsichtsräten aufgrund es Zweitstimmrechts des zu den Anteilseignern gehörenden Aufsichtsratsvorsitzenden (Casting Vote) über die Mehrheit im Aufsichtsrat. 55 Wegen der durchschnittlichen Hauptversammlungspräsenz von unter 60 Prozent genügt gewöhnlich ein Anteil von 50 Prozent für die Dreiviertelmehrheit. Die durchschnittliche Präsenz bei im DAX 30 gelisteten Gesellschaften sank zwischen 1998 und 2005 auf rund 45 Prozent. 2006 wurde der Abwärtstrend gestoppt und eine durchschnittliche Präsenz von 49,6 Prozent erreicht, vgl. Dauner-Lieb, WM 2007, 9 m. w. N. Bei Zielgesellschaften mit wenig Streubesitz benötigt der Investor dagegen bis zu 75 Prozent der Anteile, um in der Hauptversammlung diese Mehrheit zu erreichen. 56 Dies betrifft alle Übernahmen, bei denen Aktien einer Zielgesellschaft erworben werden sollen, die an einem organisierten Markt gehandelt werden, §§ 1, 2 Abs. 7 WpÜG.

§ 2 Chancen und Risiken der Beteiligten

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gilt selbst dann, wenn in der Praxis die 100-Prozent-Schwelle nicht erreicht wird, da einige Aktionäre auch auf ein lukratives Angebot nicht reagieren, sei es aus Desinteresse oder aus bewusster Opposition. Erlangt der Erwerber eines an einem organisierten Markt notierten Unternehmens 95 Prozent der Aktien, hat er durch den in Umsetzung von Art. 15 der Übernahmerichtlinie57 eingeführten § 39a WpÜG die Möglichkeit, sich gegen Gewährung einer angemessenen Abfindung durch Gerichtsbeschluss die übrigen stimmberechtigten Aktien übertragen zu lassen und somit Alleineigentümer zu werden („übernahmerechtlicher Squeeze-Out“)58. Nach § 327a AktG besteht diese Option auch unabhängig von der Börsennotierung über die Hauptversammlung59. Ein Squeeze-Out verhindert, dass Minderheitsaktionäre beispielsweise den Verschmelzungsbeschluss unter den Gesichtspunkten des Ermessensmissbrauchs und der Ungleichbehandlung anfechten60. Zusammenfassend lässt sich festzuhalten, dass von einer Übernahme ab einer Beteiligung von 30 Prozent gesprochen werden kann. Beim Leveraged Buyout liegt die Höhe der Beteiligung aufgrund der teilweise erforderlichen qualifizierten Stimmenmehrheit bei Hauptversammlungsbeschlüssen regelmäßig bei über 50 Prozent. Die Squeeze-Out-Regelungen zeigen, dass eine Obergrenze der Beteiligung nicht besteht.

§ 2 Chancen und Risiken der Beteiligten Es stellt sich nun die Frage, ob Leveraged Buyouts, unabhängig von der sonstigen Gestaltung der Übernahmen, mit typischen Chancen und Risiken für die Beteiligten verbunden sind. Bezüglich des Kapitalschutzes interessieren hierbei insbesondere Anteilseigner und Gläubiger der Zielgesellschaft. Daneben ist zu untersuchen, ob und inwieweit die finanzspezifische Interessenlage der weiteren Teilnehmer, insbesondere der Investoren, Kreditgeber und des Vorstands, für die spätere Auslegung der kapitalschützenden Regeln zu berücksichtigen ist. 57 Richtlinie 2004/25/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21.4.2004 betreffend Übernahmeangebote, ABl. EU Nr. L 142 vom 30.4.2004, S. 12, 21, umgesetzt durch das Übernahmerichtlinie-Umsetzungsgesetz vom 8.7.2006, BGBl. 2006 I S. 1426 ff. (in Kraft seit 14.7.2006). Vgl. Ott, WM 2008, 384 ff.; Paefgen, WM 2007, 765 ff. 58 § 39a WpÜG eingeführt durch Gesetz vom 8.7.2006, BGBl. I S. 1426, mit Wirkung vom 14.7.2006. 59 § 327a AktG eingeführt durch Gesetz vom 20.12.2001, BGBl. I S. 3822 mit Wirkung vom 1.1.2002, vgl. hierzu: Bürger, in: Picot/Mentz/Seydel, XI Rn. 209 ff. 60 Vgl. Hüffer, AktG, § 327a Rn. 1; Fleischer, AG 1996, 494, 505.

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Kap. 1: Risiken und Chancen beim Leveraged Buyout

A. Zielgesellschaft Als Zielgesellschaft kommen inländische börsennotierte sowie inländische nicht gelistete Aktiengesellschaften in Frage, wobei die Anzahl Letzterer in Deutschland weit überwiegt61. Daneben gelten die aktienrechtlichen Kapitalschutzvorschriften über Art. 5 SE-VO auch für eine Europäische Gesellschaft (Societas Europaea, SE) mit Satzungssitz in Deutschland, die insoweit der deutschen Aktiengesellschaft gleichsteht62. I. Aktionäre der Zielgesellschaft Bei den Anteilseignern der Zielgesellschaft unterscheidet sich die Interessenlage der verkaufenden von den nach der Übernahme in der Gesellschaft verbleibenden Aktionären. 1. Verkaufender Aktionär

Der verkaufende Aktionär63 erhält einen Teil des fremdfinanzierten Kaufpreises. Zumeist wird er – auch bei feindlichen Übernahmen – dem Buyout freudig entgegenblicken, zeigt doch das Interesse des Bieters, dass dieser die Zielgesellschaft für rentabel hält. Beim Verkauf der Anteile sind in der Regel deutliche Veräußerungsgewinne zu erzielen64. Dabei erweitert die Möglichkeit der Beschaffung von Fremdkapital den Kreis der Investoren, so dass auch aufgrund des erhöhten Wettbewerbs die Veräußerungserlöse steigen65. 61 Kübler/Assmann, Gesellschaftsrecht, § 14 II 2. b) (S. 168) auch zum Begriff der inländischen Aktiengesellschaft (Fn. 22). Für die Frage der Anwendbarkeit des deutschen Aktienrechts ist das Gesellschaftsstatut entscheidend, vgl. hierzu allgemein, insbesondere zur Sitz- und Gründungstheorie als Anknüpfungspunkt, Altmeppen, in: Münchener Kommentar zum AktG, Europäisches AktienR, Kapitel I, Rn. 6 ff.; Kropholler, Internationales Privatrecht, § 55 I, II, S. 555 ff.; speziell zur Erstreckung des Gesellschaftsstatus auf die Kapitalerhaltungsvorschriften Assmann, in: Großkommentar AktG, Einl. Rn. 593; Großfeld, in: Staudinger IntGesR, Rn. 336. Zur Diskussion der Einführung einer Sonderanknüpfung für Kapitalerhaltungsregeln, Behrens, in: Vorschläge und Berichte zur Reform des europäischen und deutschen internationalen Gesellschaftsrechts, S. 230 f. (Sitzungsbericht vom 22. Mai und 26. November 2004). 62 Zu den Besonderheiten bei der Anwendung aktienrechtlicher Kapitalerhaltungsvorschriften auf die Europäische Gesellschaft vgl. Oechsler, NZG 2005, 449 ff.; allgemein zur SE, Jannott/Frodermann, in: FA-HGR, Kap. 14 Rn. 1 ff. 63 Zu den Gründen für den Verkauf im Rahmen einer Buyout Lösung vgl. WeberRey, in: Semler/Volhard, § 14 Rn. 52. 64 Vgl. Peltzer, ZIP 1989, 69 f. 65 Vgl. Böhme, Kapitalschutz und die Bestellung von Sicherheiten beim Leveraged Buyout, S. 108 f.

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Bei nicht börsennotierten Gesellschaften ist der Verkauf an einen Finanzinvestor mittels Leveraged Buyout auch oftmals die einzige Option, die Anteile an der Aktiengesellschaft zu versilbern. Die Risiken eines Leveraged Buyouts treffen den verkaufenden Aktionär hingegen nicht, verlässt er doch bildlich gesprochen das Schiff, bevor dieses durch die Erhöhung der Fremdkapitalquote in Schieflage geraten kann. Insofern kann von einem „vorgelagerten Kapitalschutz“ gesprochen werden: Der Aktionär schützt sein angelegtes Kapital durch Verkauf. Mit dem hier zu untersuchenden Schutz durch aktienrechtliche Kapitalerhaltungsvorschriften hat dies freilich nichts zu tun. Denn das Interesse des Verkäufers an der Zielgesellschaft endet mit Erhalt des Kaufpreises. Im Anwendungsbereich des WpÜG ist der Käufer aufgrund von § 35 Abs. 2 S. 1 i. V. m. den §§ 29, 31 f., 39 WpÜG verpflichtet, wenn er die Kontrollmehrheit von 30 Prozent erhält, durch ein Übernahme- oder Pflichtangebot allen Aktionären der Zielgesellschaft den Kauf ihrer Aktien zu einer angemessenen Gegenleistung anzubieten66. Gerade den Kleinaktionären, die typischerweise den Aktienkauf als reine Kapitalanlage sehen, bietet sich mit dem Verkauf die Möglichkeit, der Unsicherheit der Entwicklung der Aktie nach einem Leveraged Buyout aus dem Weg zu gehen. Denn die Kleinaktionäre haben abgesehen von der Gewinnaussicht wenig Interesse an der Geschäftspolitik und dem Erhalt von bestehenden Strukturen der Gesellschaft67. Kritiker bezeichnen hingegen die Wahl zwischen Verkauf und Verbleib in der übernommenen Gesellschaft als „Prisoner’s Dilemma“68, „Loss-Loss-Situation“ oder „faktischen Squeeze-Out“69. Bemängelt wird, dass Übernahmeangebote oft unter dem wahren Unternehmenswert liegen70, außenstehende Aktionäre jedoch zum Verkauf de facto gezwungen wären, da das Festhalten an der Beteiligung regelmäßig eine „schwere Fehlentscheidung“ darstelle71. Die erste Aussage verwundert, schützt doch § 31 WpÜG i. V. m. §§ 3–7 WpüG-AngVO den verkaufenden Aktionär vor einem nicht angemessenen Verkaufspreis. Demnach muss die für eine Aktie zu zahlende Gegenleistung 66 Vgl. hierzu ausführlich Süßmann, in: Assmann/Schütze, Handbuch des Kapitalanlegerechts, § 14 Rn. 5 ff. 67 Dies zeigt schon die niedrige Anwesenheitsquote der Kleinaktionäre in der Hauptversammlung von 2–5 Prozent, Kessel, Leveraged Buy-out der Aktiengesellschaft, S. 8.; vgl. zu den neueren Entwicklungen Dauner-Lieb, WM 2007, 9 ff. 68 Schnorbus, ZHR 166 (2002), 72, 109. 69 Nietsch, BB 2003, 2581, 2587 m. w. N. 70 Nietsch, ebd.; vgl. auch Heidel/Lochner, DB 2001, 2031, 2033. 71 Uwe H. Schneider/Burgard, DB 2001, 963, 965; Nietsch, ebd.

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mindestens dem durchschnittlichen Börsenkurs der letzten drei Monate vor Angebotsveröffentlichung entsprechen. Dies gilt sowohl für Pflicht-, als auch für freiwillige Übernahmeangebote72. Angesichts der oftmals zu beobachtenden Kursexplosionen im Vorfeld von Buyouts schon bei bloßen Übernahmephantasien sind daher gegenüber der obigen Beurteilung vorsichtige Zweifel angebracht73. Für die vorliegende Untersuchung interessanter ist die Äußerung, dass der Minderheitsaktionär eine „schwere Fehlentscheidung“74 trifft, wenn er sich für den Verbleib in der übernommenen Zielgesellschaft entscheidet, enthält sie doch zwei Behauptungen: Zum einen, dass bei Übernahmen das angelegte Kapital der außenstehenden Aktionäre Risiken ausgesetzt ist und diese demnach schutzbedürftig sind; zum anderen, dass nach jetziger Rechtslage dieser Schutz unzureichend ist. 2. Minderheitsaktionär

a) Risiken Es stellt sich somit die Frage, welche Risikofaktoren für die verbleibenden Minderheitsaktionäre nach der Übernahme bestehen. Zunächst geht ein Leveraged Buyout regelmäßig mit Umstrukturierungen einher. Der Minderheitsaktionär muss beispielsweise damit rechnen, dass wie im Fall der Grohe AG die Aktie nach der Transaktion aufgrund einer Umwandlung nicht mehr an der Börse gehandelt wird und damit kein funktionierender Markt mehr existiert, an dem die Wertpapiere später veräußert werden können. Schwerer wiegt, dass derartige Umstrukturierungsmaßnahmen regelmäßig vorgenommen werden, um die Kosten der Übernahme zu finanzieren. Wie bei Grohe und Techem wird hierfür die Fremdkapitalquote der Zielgesellschaft erhöht. Während sich dabei die Liquidationssituation wegen der erhöhten Zins- und Tilgungsleistungen verringert, bleibt die Vermögenslage gleich. Dies führt zur Erhöhung der Insolvenzanfälligkeit der Gesellschaft75. Hinzu kommt, dass der freie Cash Flow im Regelfall nicht zur Gewinnausschüttung und Neuinvestition, sondern zur Schuldentilgung verwen72

Dirksen, BKR 2003, 222, 223. Dies bestätigen Untersuchungen, wonach den Alt-Anteilseignern angebotene Prämien international bei etwa 25 Prozent über dem Börsenkurs vor Übernahmeankündigung liegen, vgl. Seibt, ZHR 171 (2007), 282, 291 unter Hinweis auf Financial News vom 21.8.2006, S. 17. Andere Studien sprechen von einer durchschnittlichen Steigerung des Aktienkurses um 40–50 Prozent, vgl. Eidenmüller, DStR 2007, 2116, 2117 m. w. N. 74 Uwe H. Schneider/Burgard, DB 2001, 963, 965. 75 Vgl. Oechsler, ZHR 170 (2006), 72, 82; Seibt, ZHR 171 (2007), 282, 291 f. 73

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det wird. Damit besteht die Gefahr, dass Kapitalanteile der Minderheitsaktionäre an Wert einbüßen. Die Gefahr für die Minderheitsaktionäre zeigt sich besonderes deutlich bei mehrstufigen Erwerbsmodellen im Wege der Verschmelzung. Hierbei wird entweder die Zielgesellschaft auf die überschuldete Erwerbergesellschaft (Upstream Merger) oder, in umgekehrter Richtung, die Erwerbergesellschaft auf die Zielgesellschaft verschmolzen (Downstream Merger). Zwar behalten die Minderheitsaktionäre in beiden Fällen ihre Aktionärsstellung. Durch die Vereinigung der Vermögensmassen (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 UmwG) partizipieren sie jedoch auch an den Schulden der Erwerbergesellschaft. Das ursprüngliche Vermögen der Zielgesellschaft wird dann für die Schuldentilgung eingesetzt76. Dies kann sich im Ergebnis wiederum negativ auf den Wert der Beteiligung niederschlagen. Die hohe Verschuldung kann überdies zu einer Lähmung der unternehmerischen Initiative führen77. Werden die Erträge zur Schuldentilgung und Refinanzierung eingesetzt, kann es an Kapital für risikoreiche Investitionen fehlen. Innovative Entwicklungen können jedoch auf lange Sicht für die Zukunftsfähigkeit eines Unternehmens entscheidend sein. Die Schutzbedürftigkeit von außenstehenden Aktionären wird vereinzelt dennoch bestritten. So könne die erforderliche Umstrukturierung nicht an den Minderheitsaktionären vorbei vorgenommen werden, da diese in der Praxis durch Anfechtung der erforderlichen Beschlüsse den Investor blockieren und „erpressen“ könnten78. Dieser Ansatz ist wenig überzeugend, da er von einem Minderheitsgesellschafter ausgeht, der sein Anfechtungsrecht missbraucht, um damit die Schutzbedürftigkeit aller Minderheitsgesellschafter zu verneinen. Im Übrigen können im Einzelfall unberechtigte Anfechtungsklagen vom herrschenden Gesellschafter initiierte Umstrukturierungsmaßnahmen verzögern, nicht jedoch dauerhaft verhindern. b) Chancen Die Gefahr der erhöhten Insolvenzanfälligkeit erlaubt jedoch noch kein Urteil darüber, ob sich fremdfinanzierte Übernahmen für Minderheitsaktionäre allgemein negativ auswirken und somit das Festhalten an der Beteiligung tatsächlich eine „schwere Fehlentscheidung“ darstellt. Es darf nicht 76 Vgl. Lutter/Wahlers, AG 1989, 1, 12; Schäffler, BB-Special 9, 2006, 1, 6; Ludwig, in: FG Happ S. 131, 132. 77 Oechsler, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 71a Rn. 2. 78 Böhme, Kapitalschutz und die Bestellung von Sicherheiten beim Leveraged Buyout, S. 117 (dort: Fn. 721).

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übersehen werden, dass spiegelbildlich zur Gefahr des Vermögensverlusts auch eine Chance auf Wertsteigerung der Beteiligung besteht. Häufig sind Leveraged Buyouts volkswirtschaftlich sinnvolle Marktreaktionen auf ineffiziente Unternehmensführung durch den Vorstand. Für Finanzinvestoren sind gerade die Unternehmen von Interesse, die unrentable Vermögenswerte gebunden haben, die nicht zur Steigerung des Unternehmenswertes beitragen, was eine Unterbewertung der Aktie zur Folge hat79. Mit der Neuausrichtung des Zielunternehmens und ggf. einer neu eingesetzten Unternehmensführung erreichen Zielgesellschaften empirischen Studien zu Folge nach einer Leverage-Transaktion oftmals ein höheres Umsatz- und Ertragswachstum als Branchenvergleichsunternehmen80. Dies kann sich wiederum positiv auf den Wert der Beteiligung aller Teilhaber auswirken. c) Bewertung Ob sich die Investition der AG in den Wechsel der eigenen Kontrollmehrheit für die Minderheitsgesellschafter auszahlt, hängt mithin vom jeweiligen Einzelfall ab, je nachdem ob die positiven oder negativen Effekte des Leveraged Buyout überwiegen. Der Minderheitsgesellschafter kann somit Gewinner oder Verlierer eines Leveraged Buyouts sein. Dabei trägt er wie jeder Aktionär das allgemeine Risiko eines Kursverlustes. Zu schützen ist er lediglich vor der beim Leveraged Buyout auftretenden spezifischen Gefahr, dass zur Finanzierung des Kaufpreises Unternehmenswerte unbeschränkt an das herrschende Käuferunternehmen abgeführt werden.

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Oechsler, ZHR 170 (2006), 72, 82. Viele Autoren sehen darin einen Selbstheilungsprozess, vgl. Kessel, Leveraged Buy-out der Aktiengesellschaft, S. 11 m. w. N. aus der Ökonomie. Kritisch zu den Auswirkungen Uwe H. Schneider, AG 2006, 577 ff. 80 Vgl. Eidenmüller, DStR 2007, 2116, 2117 m. w. N.; Frommann/Dahmann für den Bundesverband deutscher Kapitalbeteiligungsgesellschaften (BVK), Zur Rolle von Private Equity und Venture Capital in der Wirtschaft, S. 39 ff. abrufbar unter:www.bvk-ev.de/media/file/55.pe_wirtschaft.pdf (Abrufdatum: 3.12.2008); Bericht zum Forschungsprojekt 3/06 für das Bundesministerium der Finanzen vom 4.4.2007: „Erwerb und Übernahme von Firmen durch Finanzinvestoren“, Kapitel 5, erstellt vom Center for Entrepreneurial and Financial Studies (TU München, Leitung: Kaserer/Achleitner), European Business School, White & Case LLP, Kurfassung abrufbar unter:www.cefs.de/files/20070516_Kurzfassung_fe306.pdf (Abrufdatum: 3.12.2008), zitiert, F. A. Z. vom 5.3.2007, Nr. 54, S. 16. Einen Überblick bietet auch Bunker, M&A Review 2005, 201 ff.; zu weltweiten Studien vgl. Seibt, ZHR 171 (2007), 282, 292, Fn. 18 m. w. N. Zu den positiven Wirkungen eines Leveraged Buyouts auch Böhme, Kapitalschutz und die Bestellung von Sicherheiten beim Leveraged Buyout, S. 111 m. w. N. (Fn. 670). Kritisch dagegen: Uwe H. Schneider, AG 2006, 577 ff.

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II. Vorstand der Zielgesellschaft Chancen und Risiken hängen beim Vorstand der Zielgesellschaft stark von den Parametern der Übernahme ab. Bei einer feindlichen Übernahme droht dem Vorstand die Abberufung, wenn der neue Hauptaktionär über den von ihm kontrollierten Aufsichtsrat nach § 84 Abs. 3 S. 2 AktG (Vertrauensentzug durch die Hauptversammlung) einen Wechsel in der Unternehmensführung anstrebt81. Anderseits können in einem solchen Fall hohe Abfindungssummen aus dem Anstellungsvertrag locken82. Bei einem Management (Leveraged) Buyout hat der Vorstand als Teil der Erwerberseite ein eigenes Interesse an einem für die Käufer möglichst günstigen Vertragsabschluss83. Bei der Frage, ob bzw. in welchen Grenzen das Aktienrecht Leveraged Buyouts de lege lata zulässt oder de lege ferenda zulassen soll, können diese Risiken und Chancen aus mehreren Gründen keine Rolle spielen. Zunächst ist der Vorstand als Leitungsorgan verpflichtet, die Interessen der Gesellschaft und somit auch diejenigen ihrer Anteilseigner zu schützen. Er darf auf die Zusammensetzung des Aktionärskreises keinen Einfluss nehmen84. Als Verwalter fremden Vermögens muss er daher bei der Übernahme die eigenen Interessen zurückstellen85. Hieraus resultiert ein grundsätzliches Neutralitätsgebot bei Übernahmeangeboten, wie es nun in § 33 WpÜG geregelt ist86. Auch ein „vorgelagerter Kapitalschutz“ in der Form, dass der Vorstand „auf eigene Faust“ Übernahmen mit einem hohen Fremdkapitalanteil verhindern kann, besteht daher nicht87. Denn die Abwehrmaßnahmen könnten allenfalls mit dem Gesellschaftsinteresse begründet werden. Dies wird indes regelmäßig schwer fallen, da die (bisherigen und zukünftigen) 81 Vgl. zur Problematik der Abberufung von Vorstandsmitgliedern auf Druck Dritter Fleischer, DStR 2006, 1507, 1513. 82 Dagegen ist es jedenfalls im Anwendungsbereich des WpÜG verboten, dass Vorständen oder Aufsichtsräten durch die Erwerbergesellschaft ungerechtfertigte geldwerte Vorteile versprochen werden, vgl. zu der Reichweite des Verbots: Krause/ Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/Uwe H. Schneider, WpÜG, § 33 Rn. 327 ff. 83 Otto, in: Assmann/Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, 2. Auflage, § 26 Rn. 79. 84 Lutter, in: Kölner Kommentar zum AktG, 2. Aufl., § 71 Rn. 15; Mestmäcker, Verwaltung, Konzerngewalt und Recht der Aktionäre, S. 143 ff.; Kübler/Assmann, Gesellschaftsrecht, § 14 I 2 c) dd) (S. 159); Hopt, ZGR 1993, 534, 545 f. 85 Hopt, in: FS Lutter, S. 1361, 1375 f. 86 Außerhalb des Anwendungsbereich des WpÜG folgt dies aus §§ 76, 93 AktG, vgl. Hopt, in: FS Lutter, S. 1361, 1375 f. 87 Zu den Ausnahmen vom Verhinderungsverbot nach § 33 I S. 2 WpÜG Krause/ Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/Uwe H. Schneider, WpÜG, § 33 Rn. 126 ff. Zur Ermächtigung von Abwehrmaßnahmen durch die Hauptversammlung, dies., Rn. 200.

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Aktionäre die Risikoträger sind und ihr Interesse grundsätzlich jenes der Gesellschaft widerspiegelt88. Im Übrigen hängen die Risiken, mit denen der Vorstand bei Leveraged Buyouts konfrontiert ist, auch nicht an den spezifischen Gefahren dieser Finanzierungsform. Vielmehr werden die Vorstandsmitglieder bei jedem Wechsel der Kontrollmehrheit mit der Gefahr des Verlusts ihrer Position konfrontiert und können sich in ihren Anstellungsverträgen durch hohe Abfindungsklauseln dagegen absichern. Auf der anderen Seite verhindern die Schadensersatzpflicht nach § 93 Abs. 2 AktG für sorgfaltswidriges Verhalten sowie allgemein zivilrechtliche Instrumente wie der Missbrauch der Vertretungsmacht89 und § 826 BGB, dass Vorstandsmitglieder die sich ihnen bietenden Chancen beim Management (Leveraged) Buyout zu Lasten der Gesellschaft ausnutzen. III. Gläubiger der Zielgesellschaft Mit den (Alt-)Gläubigern der Zielgesellschaft ist eine Gruppe angesprochen, die nicht aktiv an der fremdfinanzierten Übernahme beteiligt ist, deren Interessen aber durch diese beeinträchtigt werden können. Dabei handelt es sich nicht um eine homogene Gruppe. Vielmehr versammeln sich unter diesen Begriff verhandlungsstarke Großgläubiger, also in erster Linie Banken, die bisher das Fremdkapital der Zielgesellschaft beschafften, ebenso wie Kleingläubiger, die auch als „nicht anpassungsfähige“ oder „verhandlungsschwache“ Unternehmensbeteiligte90 bezeichnet werden91. Hierunter fallen im Regelfall Lieferanten, Arbeitnehmer, Handwerker, Freiberufler und Kunden92. Als dritte Untergruppierung können die „unfreiwilligen“ Gläubiger ausgemacht werden, die nicht in vertraglicher Beziehung zu der Zielgesellschaft stehen. Die Gläubigeruntergruppen unterscheiden sich zwar in der Fähigkeit, sich gegen Gefahren der Leveraged Buyout 88

Hopt, in: FS Lutter, S. 1361, 1377; vgl. zum ökonomischen Befund, dass Aktionäre das Risiko der Unternehmung tragen, Kübler/Assmann, Gesellschaftsrecht, § 14 III 1 a) (S. 176). 89 Luther/Wahlers, AG 1989, 1, 11 f.; näher dazu Kapitel 2 § 7 B. 90 Vgl. zum Begriff Bebchuk/Fried, 105 Yale Law Journal, 857, 880 ff. (1996); Engert, ZHR 170 (2006), 296, 306. 91 Ausgenommen sind die Aktionäre der Zielgesellschaft, die zwar auch z. B. bei der Gewinnausschüttung eine Gläubigerposition gegenüber der Gesellschaft einnehmen, jedoch als gleichzeitige Anteilseigner anderen Interessen verfolgen (siehe oben Kapitel 1 § 2 A. I.). 92 Im Einzelfall können auch Vertreter dieser Gruppen über eine verhandlungsstarke Position verfügen wie etwa Großkunden oder strategisch wichtige Zulieferer, ebenso Enriques/Macey, Cornell Law Review 86 (2001), 1165, 1189.

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Transaktionen abzusichern und damit in dem Grad der Schutzbedürftigkeit, die Risiken, die diese Finanzierungsform mit sich bringt, sind für alle Gläubiger jedoch identisch. 1. Ausgangslage

Primäres Ziel der Gläubiger ist die Erfüllung ihrer Forderungen, oder negativ gewendet, keinen Forderungsausfall zu erleiden. Bei Aktiengesellschaften haftet für die Verbindlichkeiten nur das Gesellschaftsvermögen, § 1 Abs. 1 S. 2 AktG. Als Kehrseite zur beschränkten Gesellschafterhaftung müssen die Gesellschafter ihr eingesetztes Kapital zunächst dem Zugriff der Gläubiger überlassen, bevor sie Gewinne realisieren können (sog. Absolute Priority Rule)93. Dies bedeutet nicht, dass die Gläubiger kein Insolvenzrisiko treffen darf, sondern soll nur garantieren, dass sie kein unangemessenes Risiko der Nichterfüllung ihrer Forderung tragen94. Bei LeverageTransaktionen droht die angemessene Chancen-Risiko Verteilung aus dem Gleichgewicht zu geraten. 2. Insolvenzrisiko

Angesichts geringer Befriedigungsquoten ungesicherter Gläubiger im Falle einer Insolvenz, muss ein sinnvoller Gläubigerschutz in erster Linie daran anknüpfen, die Wahrscheinlichkeit einer Insolvenz zu verringern95. Beim Leveraged Buyout erhöht sich hingegen bei statistischer Betrachtung – das heißt ohne Berücksichtigung etwaiger positiver Effekte wie der Effizienzerhöhung – das Ausfallrisiko der Gläubiger. Grund hierfür ist, dass sich die Fremdkapitalquote erhöht und die Liquiditätssituation regelmäßig wegen der zu zahlenden Zins- und Tilgungsleistungen verschlechtert96. Die übernommenen Gesellschaften haben regelmäßig vor dem Buyout eine hohe Eigenkapitalquote. Dies macht sie für Investoren zum beliebten Zielobjekt. Eigenkapital verhindert als Verlustpuffer, dass die Gesellschaft zahlungsunfähig wird oder in Überschuldung gerät. Dies stellt für die Gläubiger in hohem Maße sicher, dass ihre Forderungen bedient werden. Daher 93 Jungmann, ZGR 2006, 638, 645 f. m. w. N. aus der finanzwirtschaftlichen Literatur, ähnlich Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Bd. 1, S. 514 ff. 94 Wiedemann, S. 516; Seibt, ZHR 171 (2007), 282, 293. 95 Engert, ZHR 170 (2006), 296, 301; allenfalls zweitrangig ist die Erhaltung einer „Haftungsmasse“ als Vollstreckungsgegenstand, da der Vorrang nach § 199 Abs. 2 InsO wenig nützt, ist in der Insolvenz das Nennkapital zumeist nicht mehr vorhanden. 96 Seibt, ZHR 171 (2007), 282, 288, 293, vgl. auch Eidenmüller, ZHR 171 (2007), 644, 656 und 682 m. w. N.; Oechsler, ZHR 170 (2006), 72, 82.

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verzichten Gläubiger häufig auf zusätzliche Kreditsicherheiten. Nach dem Buyout erhöht sich das Risiko einer Insolvenz97. Für eine nachträgliche Kreditsicherheit ist es dann zu spät98. 3. Problem der Unterinvestition

Die Erhöhung des Fremdkapitals kann noch aus einem weiteren Grund zur Gefährdung von Gläubigeransprüchen führen: So bildet das Eigenkapital in der Gesellschaft nicht nur die Haftungsmasse für Gläubiger, sondern sichert auch ab, dass die (Mehrheits-)Gesellschafter am dauerhaften Erfolg ihres Unternehmens interessiert sind99. Hingegen motiviert eine hohe Fremdkapitalquote dazu, Zahlungsüberschüsse nicht zu Gunsten eines Wachstums der Gesellschaft zu reinvestieren, sondern unmittelbar auszuschütten100. Denn auf der einen Seite kommt den Gesellschaftern das ausgeschüttete Kapital in vollem Umfang zugute, während sie den spiegelbildlichen Verlust des Gesellschaftsvermögens mit den Gläubigern teilen, deren Kreditausfallrisiko steigt. Damit kostet eine Ausschüttung die Gesellschafter ökonomisch weniger, als sie ihnen nutzt101. Diese Gefahr ist im System der Aktiengesellschaft angelegt, da aufgrund der beschränkten Haftung nach § 1 Abs. 1 S. 2 AktG und der dadurch entstehenden Trennung von Gesellschaftsvermögen und Privatvermögen der Gesellschafter eine asymmetrische Chancen- und Risikostruktur besteht. Während die Gewinnchancen der Aktionäre nach oben unbegrenzt sind, verlieren sie im schlechtesten Fall durch den Wertverlust der Aktien ihr investiertes Kapital102. Dabei stellt die Gewinnausschüttung von der Gesellschaft an die Aktionäre eine Einbahnstraße dar. Auch wenn eine Aktiengesellschaft nach einem Jahr mit hohen Gewinnen und daraus resultierenden hohen Dividendenauszahlungen an die Aktionäre im Folgejahr einen ebenso hohen Verlust einfährt, bleibt das mit der Dividendenzahlung aus dem ersten Jahr gefüllte Privatvermögen der Aktionäre unantastbar103. Was heute selbstverständlich erscheint, wurde im preußischen Aktiengesetz noch ausdrücklich klargestellt: „Bei entstehender 97 Vgl. Oechsler, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 71a Rn. 2; Eidenmüller, ZHR 171 (2007), 644, 656; Fleischer, AG 1996, 494, 498 f. 98 Vgl. hierzu Brealey/Myers/Marcus, Fundamental of Corporate Finance, S. 484 f. 99 Vgl. Alchian/Demsetz, American Economic Review 62 (1972) 777, 782 f., Engert, in: FS Heldrich, S. 87, 103 ff. 100 Wagenhofer/Ewert, Externe Unternehmensrechnung, 155 f. (mit Beispiel); Kuhner, ZGR 2005, 753, 766. 101 Ähnlich auch Engert, ZHR 170 (2006), 296, 302. 102 Ausführlich hierzu Bezzenberger, Das Kapital der Aktiengesellschaft, S. 90 ff. m. w. N. 103 Bezzenberger, Das Kapital der Aktiengesellschaft, S. 90.

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Insolvenz der Gesellschaft sind die Aktionaire zur Erstattung der früher an sie ausgezahlten (. . .) Dividenden nicht verbunden“104. Zwar hat die Haftungsbeschränkung bei einem gesunden Verhältnis von Eigen- und Fremdkapital den erwünschten Effekt, dass die Eigenkapitalgeber wirtschaftlich sinnvolle Investitionen vornehmen können. Im Falle einer unbeschränkten persönlichen Haftung würden hingegen oftmals notwendige, risikointensive Vorhaben unterlassen, da die Angst vor dem Ruin die Investierfreudigkeit bremsen würde. Dieser positive Effekt der Haftungsbeschränkung kann sich jedoch in sein Gegenteil verkehren, wenn durch eine geringe Eigenkapitalquote die Aussicht auf den sicheren Vermögenszuwachs der unmittelbaren Ausschüttung reizvoller erscheint, als das Kapital in der Gesellschaft zu belassen. Denn dort ist das Kapital dem vorrangigen Zugriff der Gläubiger ausgesetzt. Die angesichts der hohen Fremdkapitalquote nur vage Hoffnung auf steigende Gewinne kann diesen Nachteil nicht kompensieren. Bildlich gesprochen erscheint dann der „ungeteilte“ Spatz in der Hand erstrebenswerter, als die von Gläubigern umringte Taube auf dem Dach. 4. Missbrauchsrisiko

Als Begleiterscheinung der vorigen Punkte wird die Erhöhung des Missbrauchsrisikos angeführt105. So besteht die Gefahr, dass eine Verringerung des Vermögens der Zielgesellschaft zu Lasten der Gläubiger betrieben wird. Dies kann beispielsweise dadurch geschehen, dass wertvolle Aktiva des Unternehmens (sog.: Crown Jewels) zu nicht marktgerechten Preisen an eine von den Investoren kontrollierte Gesellschaft weiterveräußert werden. Eine weitere Möglichkeit, das Vermögen der Zielgesellschaften zum Nachteil der Gläubiger und Minderheitsaktionäre zu schmälern, ist der Ankauf überbewerteter Aktien von ausländischen Gesellschaften der Investoren106. Dies sind nur zwei Varianten des „cash in and run“: Der Erwerber rennt im übertragenen Sinn mit der Kasse davon, d.h. er bereichert sich unberechtigt zu Lasten der Zielgesellschaft107. Allerdings ist nicht jeder Verkauf von nicht betriebsnotwendigen Vermögensteilen nach einem Buyout missbräuchlich108, sondern kann auch im Rahmen von Pflichtsondertilgungen zur Entschuldung der Unternehmensgruppe beitragen109. Im Übrigen widerspricht es grundsätzlich auch den In104 105 106 107 108 109

§ 18 Preußisches AktG von 1843. Fleischer, AG 1996, 494, 499. Ebd. Vgl. Kuhner, ZGR 2005, 753, 766, Uwe H. Schneider, NZG 2007, 888 f. Sog. „Asset Stripping“. Mittendorfer, Praxishandbuch der Akquisitionsfinanzierung, S. 166 f.

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teressen des Anteilserwerbers, das Unternehmen auszuplündern, da in der Regel ein solchermaßen „entleertes“ Unternehmen nicht mehr gewinnbringend verkauft werden kann110. 5. Bewertung

Neben den Minderheitsaktionären111 sind somit auch die Altgläubiger schutzbedürftig. Dies gilt umso mehr, da sie keinerlei Einfluss auf Umstrukturierungen ihrer Schuldnergesellschaft haben und – im Gegensatz zu den Aktionären – über keine Anfechtungsrechte verfügen. Zudem stehen den Risiken anders als bei den Minderheitsaktionären keine gleichwertigen Chancen gegenüber. Im besten Fall erhalten die Gläubiger die ihnen zustehenden Forderungen. Ein „Plus“ können sie durch die Übernahme nicht erzielen. Allerdings ist im Rahmen des § 57 AktG zu untersuchen, in welcher Höhe Gläubiger nach der Konzeption des Aktienrechts auf ein garantiertes Haftungskapital als Verlustpuffer vertrauen dürfen.

B. Erwerber Nachdem mit den (Alt-)Gläubigern und Minderheitsaktionären der Zielgesellschaft zwei schützenswerte Gruppen ausgemacht wurden, sind nun die Chancen und Risiken auf Erwerberseite in den Blick zu nehmen. Hierbei ist darauf zu achten, inwieweit die Interessen der Erwerber denen der Gläubiger und Minderheitsaktionäre widersprechen oder ein Gleichlauf zu konstatieren ist. I. Finanzinvestoren Beim Leveraged Buyout treten auf Erwerberseite zumeist Finanzinvestoren auf. Diese erwerben Anteile an der Aktiengesellschaft im Unterschied zu „traditionellen Unternehmern“ mit dem alleinigen Ziel, das eingesetzte Kapital zu erhöhen. Treibende Kraft sind dabei die privaten Kapitalbeteiligungsgesellschaften (sog. Private Equity Fonds)112, die das von privaten und insti110

Vgl. ausführlich auch zu den möglichen deutschen und ausländischen Rechtsformen sowie zur Fondsstrukturierung Weber-Rey, in: Semler/Volhard, § 14 Rn. 46 ff.; Otto, DB 1989, 1389, 1390. 111 Siehe oben Kapitel 1 § 2 A. I. 2. 112 Zum Begriff, Geschichte und Funktionsweise von Private Equity Fonds vgl. Bruhns, in: FA-HGR, Kapitel 19, Rn. 352 ff.; Holzapfel/Pöllath, Unternehmenskauf in Recht und Praxis, 12. Auflage, Rn. 328 d; Eidenmüller, ZHR 171 (2007), 644, 649 ff.

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tutionellen Anlegern beschaffte Beteiligungskapital im Regelfall in Unternehmen außerhalb der Kapitalmärkte investieren, beziehungsweise, wie bei Grohe, sich an einem börsennotierten Unternehmen mehrheitlich beteiligen, um dieses dann von der Börse zurückzuziehen113. Private Equity Fonds haben in der Regel eine „Lebensdauer“ von zehn Jahren und sind in Deutschland regelmäßig als vermögensverwaltende GmbH & Co. KG, im angloamerikanischen Rechtskreis als Limited Partnership organisiert114. Die Größten unter ihnen verwalten ein Vermögen von 20 Milliarden US-Dollar115. Daneben fallen unter die Finanzinvestoren auch Hedge Fonds, die im Kapitalmarkt agieren, sich jedoch zumeist nur kurzfristig, anonym und ohne Mehrheitsbeteiligung an Unternehmen beteiligen und keine ManagementVerantwortung übernehmen116 und damit selten auf Erwerberseite bei fremdfinanzierten Übernahmen stehen117. Wie bei der Beschreibung des Leverage-Effektes dargestellt, ist es das Ziel der Investoren, eine hohe Eigenkapitalrendite zu erreichen118. Gleichzeitig versuchen sie das Risiko zu begrenzen. Aus diesem Grund gründen die Investoren eine Erwerbergesellschaft119 zumeist – aus steuer- und haftungsrechtlichen Gründen – in der Rechtsform einer GmbH oder eine Kapitalgesellschaft & Co. KG oder einer entsprechenden haftungsbegrenzten ausländischen Gesellschaftsform. Diese wird mit Eigenkapital ausgestattet und nimmt die für den Kauf der Zielgesellschaft benötigten Bankkredite auf. Die Erwerbergesellschaft wird auch als Hülsengesellschaft ohne Inhalt (sog. Shell Corporation) bezeichnet, da sie kein eigenes operatives Geschäft betreibt. Abgesehen von dem zum Kauf der Zielgesellschaft benötigten Eigenkapitalanteil der Investoren von ca. 30 Prozent des Kaufpreises, verfügt sie über keine Eigenmittel120. Da alle Risiken auf dieses Akquisitionsvehi113

Sog. „Going Private“. Eidenmüller, ZHR 171 (2007), 644, 649. 115 Ebd. 116 Eilers, AG 2006, 792. 117 Allerdings nehmen sie oft indirekt Einfluss auf die Unternehmen. So blockierte der Hedge Fonds Ellitot/Liverpool, der bei der Techem AG mit 15 Prozent investiert ist, die Übernahme durch BC Partner und Marquarie und setzte sich durch bei der Bestimmung eines Aufsichtsrates, vgl. Börsen Zeitung vom 27.3.2007, Nr. 60, S. 9; Börsen Zeitung vom 24.3.2007, Nr. 59, S. 13; Börsen Zeitung vom 20.2.2007, Nr. 55, S. 13; Börsen Zeitung vom 15.3.2007, Nr. 52, S. 12. 118 Holzapfel/Pöllath, Unternehmenskauf in Recht und Praxis, 12. Auflage, Rn. 328d (S. 272) nennt einen angestrebte Durchschnittsrendite von 20 Prozent pro Jahr. 119 Auch New Corporation (NewCo); ausführlich zur Satzung einer NewCo Weber-Rey, in: Semler/Volhard, § 14 Rn. 60 ff. 120 Lutter/Wahlers, AG 1989, 1, 3. 114

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kel konzentriert sind und die Investoren keine Sicherheiten stellen, beschränkt sich ihr Risiko regelmäßig auf das eingesetzte Eigenkapital. Ein Haftungsdurchgriff auf die Initiatoren des Buyouts, z. B. über eine Konkursausdehnung, ist schwer zu begründen121. Können die Tilgungs- und Zinslasten nicht aus dem Cash Flow der Zielgesellschaft getilgt werden, kündigt die Bank im schlimmsten Fall die Kredite gegenüber der Erwerbergesellschaft, die dann zahlungsunfähig wird. Die größeren Risiken liegen aber wie oben dargestellt122 bei der Zielgesellschaft, aus deren Vermögen dann die Kredite zurückgezahlt werden müssen. Kann sie dies nicht, droht die Insolvenz. Zu wenig Beachtung findet jedoch die Tatsache, dass der Finanzinvestor regelmäßig kein Interesse hat, das Vermögen der Zielgesellschaft über Gebühr zu strapazieren und die Zielgesellschaft in die Gefahr der Insolvenz zu bringen. Aus diesem Grund fassen die professionell agierenden Finanzinvestoren Unternehmen für die Übernahme ins Auge, die nach prognostischer Entscheidung, oftmals basierend auf einer durchgeführten Unternehmensbewertung123 im Stande sind, die zusätzliche Belastung der Fremdfinanzierung zu verkraften124. Denn wird die Zielgesellschaft unverhältnismäßig stark belastet, droht zum einen auch der Verlust des eingesetzten Eigenkapitals125, zum anderen bringt in den seltensten Fällen die Rekapitalisierung126 die erhoffte Rendite. Vielmehr erzielt der Finanzinvestor zumeist beim Weiterverkauf nach drei bis sieben Jahren127 – wie bei Grohe und Techem – den erhofften Gewinn. Hierfür muss sich der Wert der Zielgesellschaft in der Zeit der Beteiligung des Finanzinvestors erhöhen. Insofern besteht ein Gleichlauf mit den Interessen der Minderheitsaktionäre. Ein Interessengegensatz zu den (Alt-)Gläubigern besteht nicht. Allerdings übernimmt in der Mehrzahl der Fälle – wie beispielsweise im Fall Grohe – ein weiterer Finanzinvestor mit Hilfe von Leverage-Techniken die Betei121 Zur Diskussion über eine Konkursausdehnung auf die Investoren vgl. Kersting, Diskussionsbericht zu den Referaten von Spindler und Seibt, ZHR 171 (2007), 315, 319. 122 Siehe oben Kapitel 1 § 2 A. 123 Sog. „Financial Due Dilligence“. 124 Weitnauer, ZIP 2005, 790, 794. 125 Vgl. LG Düsseldorf, Urteil vom 28.10.2005 – 39 O 180/04, juris Rn. 87; Weitnauer, ZIP 2005, 790, 794. 126 Unter Rekapitalisierung versteht man hier die Rückführung des investierten Kapital auf Erwerberseite mit Hilfe anderer Finanzierungsformen (z. B. Ablösung von Bankkrediten oder Gesellschafterdarlehen) zu Lasten der Zielgesellschaft, vgl. ähnlich Eidenmüller, ZHR 171 (2007), 644, 678. 127 Weber-Rey, in: Semler/Volhard, § 14 Rn. 55. Dabei geht die Tendenz zu einem schnelleren Exit, so dass auch (Weiter-)Verkäufe unter drei Jahren keine Seltenheit sind.

§ 2 Chancen und Risiken der Beteiligten

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ligung128, so dass sich die Fremdkapitalquote und damit auch das Risiko der Gläubiger weiter erhöht. II. Strategische Investoren Leverage-Techniken wenden nicht nur Finanzinvestoren, sondern auch strategische Investoren mit eigenem operativem Geschäft bei Übernahmen an (sog. Corporate Buyout)129. Auch hierzu erfolgt häufig der Kauf über eine selbständige Erwerbergesellschaft ohne Haftungsrückgriff auf das kaufende Unternehmen. Prinzipiell bestehen die gleichen Chancen und Risiken wie bei Leveraged Buyouts durch Finanzinvestoren. Allerdings ist ein strategischer Investor im Normalfall an einer längerfristigen Gewinnmaximierung interessiert und plant nicht nach drei bis fünf Jahren den Exit. Insofern ist hier die Gefahr des „Aussaugens“ der Zielgesellschaft geringer.

C. Finanzierende Kreditinstitute Zuletzt ist noch ein Blick auf die Interessenlage der Kreditinstitute zu werfen, die das Fremdkapital für die Übernahme zur Verfügung stellen. Dabei fällt auf, dass bei der Diskussion um die Zulässigkeit von Leveraged Buyouts von Aktiengesellschaften die Chancen und Risiken der Finanzinstitute selten betrachtet werden130. Dies verwundert, spielen die Banken als Kreditgeber doch eine wichtige Rolle. Zunächst profitieren die Banken grundsätzlich von Leverage-Transaktionen, da diese wegen des potentiell gesteigerten Risikoprofils mit hohen Zinsmargen verbunden sind. Dass es sich hierbei um ein lukratives Geschäft handelt, zeigt auch der Anstieg des Kreditvolumens zur Finanzierung von Unternehmenserwerben in Europa von 15 Mrd. Euro (2000) auf ca. 116 Mrd. (2006)131. 128

So entfielen im Jahre 2005 über 60 Prozent des europäischen LBO-Marktes auf Secondary Buyouts und nur knapp 20 Prozent auf Verkäufe von Corporates, ca. 10 Prozent waren Veräußerungen von Familienunternehmen, knapp 11 Prozent machten Übernahmen börsennotierter Unternehmen aus, vgl. Verteilung des europäischen LBO-Markes, Quelle: S&P LCD abgedruckt bei: Mittendorfer, Praxishandbuch der Akquisitionsfinanzierung, S. 49. 129 Mittendorfer, Praxishandbuch der Akquisitionsfinanzierung, S. 37 ff.; Seibt, ZHR 171 (2007), 282, 287. 130 Die Problematik wird teilweise angesprochen bei Schäffler, BB-Special 9, 2006 1, 9 f.; Zerey, Rechtliche Probleme der Finanzierung von Leveraged Buyouts und Tender Offers, S. 137 ff.; lediglich zu den Chancen Seibt, ZHR 171 (2007), 282, 291.

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Kap. 1: Risiken und Chancen beim Leveraged Buyout

Das Risiko, dass die Bank mit ihrer Darlehensforderung ausfällt, hat sie selbst nach allgemeinen bankrechtlichen Vorschriften durch eine angemessene Bonitätsprüfung und dementsprechende Anpassung des Zinssatzes zu minimieren132. Dabei treffen die Banken ihre Kreditentscheidung in erster Linie auf der Basis des prognostizierten Cash Flow der Zielgesellschaft, da die Erwerbergesellschaft als Kreditnehmerin im Regelfall über keine werthaltigen Sicherheiten verfügt133. Die Banken nehmen damit auch eine Vorkontrolle des Anteilserwerbs vor. So werden Erwerbsinteressenten, die die Vor- und Nachteile einer Übernahme falsch kalkulieren, bei ordnungsgemäßer Kontrolle durch die Finanzmärkte nicht ausreichend Fremdkapital für eine Übernahme erhalten134. Bei der späteren Auslegung der Kapitalerhaltungsregeln wird dennoch auch die Interessenlage der finanzierenden Kreditinstitute mit einzubeziehen sein. So müssen die aktienrechtlichen Kapitalerhaltungsregeln gerade auch den Banken Rechtssicherheit bezüglich der Wirksamkeit der Finanzierungsvorgänge geben. Im Interesse einer funktionierenden Kreditwirtschaft gilt es bei den hier eingesetzten Großkrediten zu verhindern, dass 131 Seibt, ZHR 171 (2007), 282, 288 unter Berufung auf F. A. Z. vom 18.1.2007, Interview mit Steve Koltes (CVC), N.15 S. 19 und F. A. Z. vom 2.3.2007, Zahlen von Standard & Poor’s, Nr. 52, S. 25. die Bankenkrise kann diese Entwicklung nur vorübergehend bremsen, siehe oben Kapitel 1 § 1 A. I. 132 Die Vorschriften der §§ 18, 21 Abs. 1 KWG stellen die Kreditinstitute bei einem Leveraged Buyout Finanzierung vor eine besondere Herausforderung, da die für die Übernahme gegründete Erwerbergesellschaft (NewCo) Kreditnehmerin ist und als reine Zweckgesellschaft bei der Unterzeichnung der Kreditverträge über kein nennenswertes Vermögen verfügt. Hinzu kommt, dass bei Übernahmeangebot gemäß § 13 WpÜG der Bieter die mögliche Finanzierung sicherstellen muss und damit schon vor dem Angebot den Abschluss des Kreditvertrags nachzuweisen hat. Vor dem Closing der Akquisition kann die Erwerbergesellschaft jedoch bestenfalls die künftig zu erwerbende Gesellschaftsanteile der Zielgesellschaft verpfänden und etwaige Gewährleistungsansprüche aus dem Unternehmenskaufvertrag abtreten. Angesichts des strukturellen Nachteils der Bank als Gläubigerin der Erwerbergesellschaft gegenüber den vorrangig zu befriedigenden Gläubigern der Zielgesellschaft, sind diese Sicherheiten für die Kreditgeber nur von eingeschränktem Wert. Freilich ist es nicht untersagt, auf der Grundlage von Anteilsverpfändungen Kredite zu gewähren, doch sah die Bankenaufsicht diese in amtlichen Rundschreiben nicht als „echte Sicherheiten“ i. S. d. § 18 KWG an. Zwar wurden diese durch die BaFin mit Schreiben vom 9.5.2005 aufgehoben, um den Finanzinstituten größere Freiheiten einzuräumen, doch dürften auch weiterhin Anteilsverpfändungen nicht ausreichen, damit nach § 18 KWG „das Verlangen nach Offenlegung im Hinblick auf die bestellten Sicherheiten (. . .) offensichtlich unbegründet wäre“. Dies hat zur Folge, dass die Bilanzen des Kreditnehmers offen zu legen sind. Ob und inwieweit hierfür die Bilanzen des Zielunternehmens ausreichen, ist umstritten und kann nur im Einzelfall entschieden werden. 133 Diem, Akquisitionsfinanzierungen, § 1 Rn. 12 (S. 3). 134 Oechsler, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 71a Rn. 4.

§ 3 Ergebnis Kapitel 1

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beispielsweise Unsicherheiten bestehen, ob eine Sicherheitsleistung der Zielgesellschaft wirksam ist oder nicht.

§ 3 Ergebnis Kapitel 1 Unabhängig von den sonstigen sehr unterschiedlichen Parametern der Übernahme ergeben sich beim Einsatz von Leverage-Techniken für die Beteiligten typische Risiken und Chancen. Auf Seiten der Zielgesellschaft besteht für (Alt-)Gläubiger und Minderheitsaktionäre bei fremdfinanzierten Übernahmen insbesondere durch das erhöhte Insolvenzrisiko die Gefahr wirtschaftlicher Einbußen, bei Letzteren allerdings auch Chancen auf Wertzuwachs ihrer Beteiligung. Auf Erwerberseite ist das Risiko auf das eingesetzte Eigenkapital begrenzt. Die erste Etappe auf dem Weg zu dem Ziel, eine hohe Eigenkapitalrendite zu erreichen, ist die Finanzierung der aufgenommenen Darlehen aus dem freien Cash Flow der Zielgesellschaft. Insoweit sind die Interessen von Erwerber auf der einen und Gläubiger und Minderheitsgesellschafter auf der anderen Seite entgegengesetzt. Betrachtet man mit dem Exit die letzte Etappe eines Leveraged Buyouts, entfällt dieser Interessengegensatz zwischen diesen Beteiligten; er entsteht aber bei einem Secondary Buyout zwischen dem neuen Finanzinvestor und den (Alt-)Gläubigern und Minderheitsgesellschaftern erneut. Im Übrigen besteht bei der Frage der Zulässigkeit von Leveraged Buyouts insbesondere für die finanzierenden Banken die Notwendigkeit einer klaren Regelung, um in Anbetracht der hohen Kredite Rechtssicherheit zu schaffen.

Kapitel 2

Allgemeine Kapitalschutzmechanismen Im Mittelpunkt der Arbeit steht die Frage, ob und wie das aktienrechtliche Kapitalschutzsystem den Chancen und Risiken beim Leveraged Buyout angemessen Rechnung trägt. Teilweise wird jedoch bei fremdfinanzierten Übernahmen schon Regelungen außerhalb des Aktienrechts in weitem Umfang eine gläubiger- oder anteilseignerschützende Wirkung zugeschrieben1. Es stellt sich somit die Frage, ob bereits diese Instrumente einen angemessenen Schutz der Gläubiger und Minderheitsaktionäre bewirken oder, anders gewendet, ob sich angesichts dieser Schutzmechanismen ein aktienrechtliches Kapitalschutzsystem bei einer fremdfinanzierten Übernahme erübrigt.

§ 1 Gläubigerschutz durch vertragliche Absicherung A. Covenants als Instrument des Gläubigerschutzes In Teilen der Literatur2 werden Schutzmaßnahmen auf vertraglicher Basis weitgehend für ausreichend erachtet, um Gläubiger auch gegen die aufgezeigten Risiken beim Leveraged Buyout abzusichern. Dahinter steht das im amerikanischen Kapitalgesellschaftsrecht vorherrschende, klassisch-ökonomische Verständnis, dass das freie Spiel von Angebot und Nachfrage die Interessen der Beteiligten ohne staatliche Reglementierung gerecht ausbalanciert3. 1

Seibt, ZHR 171 (2007), 282, 294 f. Kuhner, ZGR 2005, 753, 760; Seibt, ZHR 171 (2007), 282, 294 f.; Richard, Kapitalschutz der Aktiengesellschaft S. 206; Klose-Mokroß, Gläubigerschutz im Kapitalgesellschaftsrecht am Beispiel der Lehre von der verdeckten Sacheinlage, S. 84. 3 Vgl. Bezzenberger, Das Kapital der Aktiengesellschaft, S. 3. Ähnliche Tendenzen sind auch auf europäischer Ebene zu erkennen, vgl. etwa den Vorschlag der Europäischen Kommission für eine Verordnung des Rates über das Statut der europäischen Privatgesellschaft, KOM (2008) 396, S. 8: „Der Vorschlag weicht von dem üblichen Ansatz ab, der die Anforderung eines hohen gesetzlichen Mindestkapital 2

§ 1 Gläubigerschutz durch vertragliche Absicherung

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Zunächst wird darauf verwiesen, dass nach dem Leitbild der Vertragsfreiheit niemand gezwungen sei, mit einem Unternehmen zu kontrahieren, das beispielsweise eine gefährliche Finanzierungsstruktur aufweist4. Darüber hinaus sei jeder Marktteilnehmer selbst dafür verantwortlich, durch vertragliche Regelungen der Gefahr vorzubeugen, dass etwa durch Änderung der Finanzstruktur des Vertragspartners bei einer Übernahme das Ausfallrisiko einseitig erhöht wird5. Vertragliche Gestaltungen böten zum Schutz der Gläubigeransprüche ein „reichhaltiges Arsenal“6. Angesprochen sind damit in erster Linie Vertragsklauseln, durch die sich ein Kreditnehmer gegenüber dem Gläubiger zu einem bestimmten Verhalten verpflichtet (sog. Auflagen7 oder Covenants)8. Eine wichtige Rolle spielen dabei die Financial Covenants, die – aus der US-amerikanischen Bankenpraxis kommend – seit Mitte der neunziger Jahre auch in deutschen Kreditverträgen verwendet werden. Diese definieren für die Laufzeit des Kredits Zielvorgaben („Leitplanken“) für Finanzkennzahlen und Bilanzrelationen, die vom Kreditnehmer zu erfüllen sind9. Dabei bezwecken Financial Covenants eine angemessene Liquidität und ein ausreichendes Eigenkapital des Kreditnehmers zu garantieren. Beispielsweise wird der zulässige Verschuldungsgrad10, also das Verhältnis von zinstragenden Verbindlichkeiten zum EBITDA11, festgelegt. Der Schuldendeckungsgrad12, der das Verhältnis von EBITDA zum Netto-Schuldendienst bezeichnet, gibt Aufschluss, ob der Kreditnehmer die Tilgungs- oder Zinszahlungen leisten kann. Bei einer Verschlechterung der Finanzkennzahlen hat der Gläubiger das Recht, die Kreditkonditionen dem höheren Ausfallrisiko anzupassen oder bei gravierenden Verstößen den Kredit zu kündigen13. Demnach haben Altgläubiger das als Mittel des Gläubigerschutz betrachtet. Aus Studien geht hervor, dass die Gläubiger heutzutage auf andere Gesichtspunkte als das Kapital schauen“. 4 Kuhner, ZGR 2005, 753, 760; Seibt, ZHR 171 (2007), 282, 294. 5 Vgl. Seibt, ebd. 6 Kuhner, ebd. 7 Teilweise finden sich die Auflagen auch in den Kreditverträgen unter der Überschrift „Undertakings“, vgl. Diem, Akquisitionsfinanzierungen, § 22 Rn. 3 (S. 88). 8 Vgl. hierzu Bezzenberger, Das Kapital der Aktiengesellschaft, S. 114 f.; Kästle, Rechtsfragen der Verwendung von Covenants in Kreditverträgen, S. 27; Süchting, Finanzmanagement. Theorie und Politik der Unternehmensfinanzierung, S. 181. 9 Diem, Akquisitionsfinanzierungen, § 22 Rn. 1 f. (S. 88). 10 „Total Leverage Ratio“, vgl. Diem, Akquisitionsfinanzierungen, § 22 Rn. 14 (S. 91). 11 „Earnings Before Interest and Taxes, Depreciation and Amortisation)“ = Ergebnis vor Zins, Steuern und Abschreibungen, siehe oben Kapitel 1 § 1 A. II. 12 „Debt Service Cover Ratio“, vgl. Diem, Akquisitionsfinanzierungen, § 22 Rn. 17 (S. 91). 13 Diem, Akquisitionsfinanzierungen, § 22 Rn. 33 f., 65 (S. 94, 100).

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Kap. 2: Allgemeine Kapitalschutzmechanismen

Recht, die Kreditverträge zu kündigen, wenn durch einen Leveraged Buyout das von den Vertragsparteien als angemessen angesehene Risikoverhältnis von Eigenkapital- und Fremdkapital sich zu Lasten des Eigenkapitals verändert. Die kostenintensiven und schwerfälligen Kapitalerhaltungsregeln seien daneben zum Schutz der Gläubiger überflüssig14.

B. Kritik I. Grenzen der Praktikabilität von Financial Covenants Dieser Beurteilung kann nicht gefolgt werden. Schon die Ausgangsannahme, dass durch einzelvertragliche Auslotung ein angemessenes Risikogleichgewicht zwischen den Vertragspartnern geschaffen werden kann, ist in der praktischen Durchführung problematisch. Voraussetzung hierfür wäre unter ökonomischer Betrachtung jeweils ein vollständiger Vertrag, der als sog. „First-Best-Lösung“ den Kapitalgeber (sog. Principal) schützt, ohne die Unternehmensleitung (sog. Agent) mehr als nötig zu beeinträchtigen. Demnach läge ein vollständiger Vertrag vor, wenn sich die Vertragsparteien auf keinen anderen Vertrag einigen können, der mindestens einen Vertragspartner besser stellt, ohne gleichzeitig den anderen Vertragspartner schlechter zu stellen. Dabei übernimmt jede Partei das Risiko, welches sie mit dem geringeren Aufwand kompensieren kann15. Gerade die Vereinbarung solcher effektiven Einzelverträge ist aber mit hohen Transaktions- und Informationskosten verbunden und daher in der Praxis kaum durchführbar16. Im Gegensatz dazu bilden die gesetzlichen Kapitalschutzregeln einen kostengünstigen – wenn auch nicht auf den Einzelfall zugeschnittenen – Schutz. So verhindern beispielsweise die Ausschüttungsverbote in § 57 Abs. 1 und 3 AktG, dass eine Aktiengesellschaft ihre Fremdkapitalquote am Kreditmarkt vorbei durch Ausschüttung von Eigenkapital an die Gesellschafter unkontrolliert erhöht und damit das Leistungsrisiko zu Lasten der Gläubiger verschiebt17. Dieser gesetzliche Grundschutz steht nicht im Widerspruch zu zusätzlichen vertraglichen Regelungen. Gerade wegen der gesetzlichen Vermögensbindung wird ein Unternehmen gezwungen, will es die Kapitalstruktur zu Gunsten einer höheren Fremdkapitalquote ändern, neue Kreditverträge mit entsprechenden vertraglichen Regelungen zu ver14 Vgl. Richard, Kapitalschutz der Aktiengesellschaft, S. 193, 206; Seibt, ZHR 171 (2007), 282, 295. 15 Vgl. hierzu Klass, Der Buyout von Aktiengesellschaften, S. 40 m. w. N. 16 Vgl. Bezzenberger, Das Kapital der Aktiengesellschaft, S. 116; Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse, S. 325. 17 Klass, Der Buyout von Aktiengesellschaften, S. 42 f.

§ 1 Gläubigerschutz durch vertragliche Absicherung

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einbaren. Letztere ergänzen mithin den gesetzlichen Schutz, machen diesen jedoch nicht überflüssig. Darüber hinaus ist empirischen Studien zufolge zweifelhaft, inwieweit praktikable Covenants in deutsche Kreditverträge Eingang gefunden haben18. Im Übrigen setzt das deutsche Recht der Reichweite der Covenants Grenzen. So dürfen die Banken nicht in die Geschäftsführung des Unternehmens eingreifen, indem sie Verfügungen über Vermögensgegenstände an ihre vorherige Zustimmung knüpfen19. Damit sind Financial Covenants als Frühwarnsystem nur bedingt geeignet, da die Banken erst nach der Berichterstattung und damit zeitverzögert von der Nichteinhaltung der Zielvorgaben erfahren20. II. Kein Schutz verhandlungsschwacher Gläubiger Entscheidend ist jedoch, dass nur die Kreditinstitute und die weiteren Finanzgläubiger die Möglichkeit haben, sich mit den beschriebenen Klauseln abzusichern. Dabei handelt es sich bei diesen verhandlungsstarken Partnern gerade um den am wenigsten schutzbedürftigen Teil aus der heterogenen (Alt-)Gläubigergruppe. So minimieren nach empirischen Untersuchungen in Deutschland Kreditinstitute ihr Ausfallrisiko bei mehr als zwei Dritteln der Kredite durch den Abschluss von Kreditsicherheiten wie Grundschulden und Bürgschaften21. Verhandlungsschwache Gläubiger, wie regelmäßig die Zulieferer, Handwerker und Kunden, haben hingegen kaum Möglichkeiten, Einwirkungsrechte oder schützende Klauseln in Kreditverträgen durchzusetzen22. Damit verbleiben dieser Gruppe neben den gesetzlichen Sicherungsrechten23 nur der Abschluss von herkömmlichen vertraglichen Sicherungsinstrumenten wie etwa dingliche oder persönliche Sicherheiten, Lieferungen 18 Vgl. die Studie von Leuz/Deller/Stubenrath, in: ABR, Vol. 28, 111, 122 ff. Danach haben 1998 bei einer empirischen Untersuchung von 19 Kreditverträgen bei acht Banken in Deutschland nur zwei Verträge die Einhaltung von Bestimmten Bilanzkennzahlen verlangt. Allerdings scheinen nun Financial Covenants vermehrt in deutschen Kreditverträgen vermehrt eingesetzt zu werden, vgl. Wittig, Früherkennung der Krise durch Kreditinstitute, in: K. Schmidt, Die GmbH in Krise, Sanierung und Insolvenz, S. 67 ff. m. w. N.; Schackmann/Behling, FB 2004, 789 ff.; Richard, Kapitalschutz der Aktiengesellschaft, S. 200. 19 BGH, Urteil vom 14.4.1964 – VI ZR 219/62, WM 1964, 671, 673; Diem, Akquisitionsfinanzierungen, § 22 Rn. 70 (S. 101). 20 Ähnlich Diem, Akquisitionsfinanzierungen, § 22 Rn. 9 f. (S. 90). 21 Klose-Mokroß, Gläubigerschutz im Kapitalgesellschaftsrecht am Beispiel der Lehre von der verdeckten Sacheinlage, S. 79 m. w. N. 22 Vgl. Hopt, in: FS Wiedemann, S. 1013, 1019. 23 Hierunter fallen z. B. die Sicherungsrechte für Werkunternehmer nach §§ 647 ff. BGB.

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Kap. 2: Allgemeine Kapitalschutzmechanismen

unter Eigentumsvorbehalt oder Vereinbarungen über bestimmte Zahlungsmodalitäten. Im Übrigen können sie Geschäftsrisiken bei der Kalkulation der Angebotspreise berücksichtigen. In der Praxis verzichten insbesondere Kleingläubiger oft auch auf diese theoretisch denkbaren Sicherungsrechte. Insbesondere dingliche Sicherheiten, die den Schutz der Kapitalschutzregeln ersetzen, sind mit hohen Transaktionskosten verbunden. Es liegt auf der Hand, dass ein Zulieferer nicht für eine kleinere Forderung die Bestellung einer erstrangigen Grundschuld durchsetzen kann. Würde er arbeitsaufwändige und teure Sicherungsmittel verlangen, wäre er am Markt nicht mehr konkurrenzfähig. Viele Kleingläubiger – wie fungible Zulieferer – sind gegenüber der Aktiengesellschaft in einer schwachen Verhandlungsposition, sodass eine Absicherung de facto ausscheidet. Hinzu kommt, dass aufgrund vor- und nachvertraglicher Informationsasymmetrien häufig eine angemessene Risikoabsicherung unterbleibt. Schon für die Banken ist es schwierig, das Kreditrisiko abzuschätzen, da dies genaue Informationen über die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Schuldnerunternehmens erfordert. Es liegt in der Natur der Sache, dass die kreditsuchende Aktiengesellschaft einen erheblichen Wissensvorsprung hat. Auch bei der Vergabe von Großkrediten besteht immer die Gefahr, dass die Kreditnehmer ein geschöntes Bild der Lage ihrer Gesellschaft zeichnen24. Doch während die Banken noch über die Instrumentarien verfügen, die Informationsasymmetrie auszugleichen, besitzen Kleingläubiger diese Möglichkeit nicht. Damit erkennen sie oft nicht das Erfordernis einer angemessenen Sicherung. Hinzu kommt, dass bei einer hohen Anzahl von Gläubigern mit geringen Einzelforderungen oft für keinen der Forderungsinhaber der Anreiz besteht, den Schuldner angemessen zu überwachen, auch wenn dies aus Sicht aller Gläubiger sinnvoll wäre (sog. „Trittbrettfahrerverhalten“)25. Nicht übersehen werden darf zuletzt auch die Gruppe der unfreiwilligen Gläubiger26, insbesondere der Deliktsgläubiger, die über keine vertraglichen Schutzinstrumente verfügen27. Teilweise wird die Schutzbedürftigkeit von verhandlungsschwachen Gläubigern mit dem Argument verneint, dass sie durch die Vertragsklauseln 24

Bezzenberger, Das Kapital der Aktiengesellschaft, S. 109 m. w. N. In diesem Punkt zustimmend Kuhner, ZGR 2005, 753, 763. 26 Neben den Deliktsgläubigern werden hierzu auch Steuergläubiger und teilweise bestimmte rechtsgeschäftliche Gläubiger (Arbeitnehmer, kleine Dienstleistungsgläubiger) gezählt, vgl. Kübler, in: FS Heinsius, S. 408 f.; Klose-Mokroß, Gläubigerschutz im Kapitalgesellschaftsrecht am Beispiel der Lehre von der verdeckten Sacheinlage, S. 90 ff. 27 Pflichtversicherungen können nur bedingt diese Schutzlücke schließen, vgl. hierzu ausführlich Bezzenberger, Das Kapital der Aktiengesellschaft, S. 128 ff. auch zur persönlichen Haftung der Organgläubiger in besonders schweren Fällen. 25

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der Alt-Kreditgeber und der die Übernahme finanzierenden Neu-Kreditgeber reflexartig geschützt werden28. So käme die Absicherung von Großgläubigern in Vertragsklauseln29 vor Risikoerhöhungen z. B. durch Steigerung des Fremdkapitalanteils oder Kontrollwechsel auch den Kleingläubigern zugute. Gleiches gälte für die Überwachung der Finanzkennzahlen durch Financial Covenants der Neu-Kreditgeber30. Auch dies überzeugt nicht. Zwar können die Vertragsklauseln auf die Kreditnehmer und damit mittelbar auch für die Zielgesellschaft eine disziplinierende Wirkung haben. Dies kann sich auch positiv auf die übrigen Gläubiger auswirken. Der wirkliche gläubigerschützende Wert muss sich jedoch in Krisenzeiten erweisen. In solchen Situationen werden jedoch die Großgläubiger allein ihr eigenes Interesse durchsetzen, wie z. B. die frühzeitige Tilgung der Kredite. Dies hat für die übrigen trittbrettfahrenden Gläubiger keinen positiven, sondern einen negativen Effekt31. In diesen Fällen wirken die vertraglichen Gläubigerschutzmechanismen nicht als Insolvenzprophylaxe, sondern fungieren, durch die frühzeitige Kündigung von Großkrediten, eher als Insolvenzbeschleuniger. III. Nebeneinander aktienrechticher und einzelvertraglicher Instrumente 1. Aktienrechtlicher Kapitalschutz als Grundsicherung

Damit kann der Annahme der Kritiker des Kapitalschutzsystems, die zwingenden aktienrechtlichen Kapitalerhaltungsregeln seien aufgrund der allen Gläubigern offen stehenden Palette privatautonomer Instrumentarien überflüssig und würden störend in die ausgewogenen einzelnen Vertragsverhältnisse eingreifen32, nicht gefolgt werden. Zutreffend ist allerdings, dass in einem funktionierenden Markt es den Vertragsparteien überlassen bleiben muss, die einzelnen Vertragsbestimmungen auszuhandeln. Hierzu gehört auch die Frage, wer welches Risiko zu tragen hat und wie dieses zu vergüten ist. Zu kritisieren ist jedoch der daraus gezogene Schluss, dass dadurch die gläubigerschützenden Regelungen des Aktienrechts überflüssig und störend 28

Seibt, ZHR 171 (2007), 282, 295; Mülbert, Der Konzern 2004, 151, 157. Häufig vereinbart werden „Poison Puts“ oder „Change of Control“-Klauseln. 30 Seibt, ZHR 171 (2007), 282, 295. 31 Ähnlich Merkt, ZGR 2004, 305, 314; Schön, EBOR 5 (2004), 429, 441. 32 Vgl. Bauer, Gläubigerschutz durch eine formelle Nennkapitalziffer, S. 110 ff.; 314 ff.; Enriques/Macey, Cornell Law Review 86 (2001), 1165 ff.; Kübler, ZHR 159 (1995), 550, 559 ff.; ders., in: FS Zöllner, Bd. 1, S. 324, 328 ff.; Spindler, AG 1998, 53; grundlegend: Manning/Hanks, Legal Capital, S. 91 ff., 182 ff.; Posner, Chicago Law Review 43, 499, 519 ff. 29

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Kap. 2: Allgemeine Kapitalschutzmechanismen

sind33. Denn die Kapitalerhaltungsregeln verbieten nicht die vertragliche Gestaltung, sondern legen lediglich den gesetzlichen Rahmen fest, innerhalb dessen die Parteien die Risikozuordnung privatautonom regeln können34. Dabei ist das Bild des Rahmens nicht ganz zutreffend, da durch die Kapitalschutzregeln nicht der inhaltliche Spielraum vertraglicher Gestaltung beschränkt wird, sondern hierdurch eine gesetzliche Grundsicherung der Gläubiger geschaffen wird35. Besser passt daher zur Illustration die „Gläubigerschutzleiter“, an deren Ende sich die schutzintensiven Sicherungsinstrumente wie etwa eine erstrangige Grundschuld befinden. Hier stehen alle Gläubiger von Gesetzes wegen schon durch die aktienrechtlichen Kapitalerhaltungsregeln auf der ersten Sprosse. Der Befund, dass Kapitalerhaltungsregeln und privatautonome Sicherungsinstrumente sich nicht ausschließen, wird auch durch die geschichtliche Entwicklung bestätigt. So erhielten die Kapitalschutzregeln im Jahre 1870 bei der 1. Aktienrechtsnovelle ihr heutiges Gepräge. Dies ging Hand in Hand mit der Umstellung vom staatlichen Konzessionswesen zur privaten Gründungsfreiheit der Aktiengesellschaft36. Die Kapitalerhaltungsvorschriften waren dementsprechend ein wichtiger Baustein für die Durchsetzung der Aktiengesellschaft am freien Markt37. 2. Haftungsbeschränkung als Grund für die Notwendigkeit des Kapitalschutzsystems

Warum ein aktienrechtliches Kapitalschutzsystem neben den einzelvertraglichen Sicherungsinstrumenten erforderlich ist, hängt eng mit dem Ausschluss der persönlichen Haftung der Gesellschafter nach § 1 Abs. 1 S. 2 AktG zusammen38. Hierfür hat sich der Begriff der Haftungsbeschränkung eingebürgert, auch wenn dies unpräzise ist, da einerseits die Gesellschaft unbeschränkt haftet, andererseits eine persönliche Außenhaftung der Gesellschafter nicht besteht. Die Haftungsbeschränkung ist als Definitionsmerkmal der Aktiengesellschaft für diese konstituierend39. Deren Notwendigkeit 33 Von einem „Entweder-Oder-Prinzip“ ausgehend aber Bauer, Gläubigerschutz durch eine formelle Nennkapitalziffer; Enriques/Macey, Cornell Law Review 86 (2001), 1165, 1173 ff., 1184 ff.; Kübler, ZHR 159 (1995), 550, 559 ff. 34 Bezzenberger, Das Kapital der Aktiengesellschaft, S. 76. 35 Siehe zur Reichweite des § 57 AktG Kapitel 3 A. 36 Vgl. Assmann, in: Großkommentar, Einl. Rn. 80. 37 Bezzenberger, ebd. 38 Nur in Ausnahmefällen und unter engen Voraussetzungen haften die Gesellschafter für Gesellschaftsschulden mit ihrem Privatvermögen („Haftungsdurchgriff“), vgl. Kübler/Assmann, Gesellschaftsrecht, § 24 II. 3. 39 Dabei ist die Terminologie uneinheitlich: nach Kübler/Assmann, Gesellschaftsrecht, § 14 I. 1. definiert § 1 AktG die AG, während Heider, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 1 Rn. die Haftungsbeschränkung explizit nicht als Definitions-

§ 1 Gläubigerschutz durch vertragliche Absicherung

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wird heute kaum mehr ernsthaft bestritten40. Eine persönliche Haftung der Aktionäre würde den Zweck der Aktiengesellschaft als Kapitalsammelbecken ad absurdum führen. Jeder Kleinaktionär müsste dann, um einer persönlichen Haftung zu entgehen, den Vorstand überwachen; eine Anlage in mehreren Aktiengesellschaften wäre aufgrund des unüberschaubaren Haftungsrisikos kaum mehr möglich41. Unbestritten ist jedoch auch, dass sich damit das Risiko von den Aktionären auf die Gesellschaftsgläubiger verlagert. Denn spiegelbildlich zu der Abnahme des Risikos bei den Aktionären steigt für die Gläubiger die Gefahr, in der Krise der Schuldnergesellschaft mit ihren Forderungen auszufallen, ohne dass sie auf das private Vermögen der Aktionäre zugreifen können42. Damit ist jedoch schon die Voraussetzung verfehlt, die Kritiker des aktienrechtlichen Kapitalschutzsystems annehmen, um zu begründen, dass durch privatautonome Verhandlungsergebnisse auch für Kleingläubiger „eine Wirtschaftsgüterallokation erreicht wird, deren Effizienz nicht durch alternative Koordinationsformen (z. B. staatlicher Gläubigerschutzregeln) gesteigert werden kann“43. Ausgangspunkt für den Ansatz ist nämlich der privatautonome Idealzustand, in dem das freie Spiel von Angebot und Nachfrage die Interessen der Vertragsparteien von alleine steuert. Verfolgt man diese Logik, wird die Balance nicht erst durch die zwingenden Kapitalschutzvorschriften gestört, sondern schon durch die gesetzliche Haftungsbeschränkung des § 1 Abs. 1 S. 2 AktG44. Denn der Normalzustand ist, dass „derjenige, der als Einzelperson oder in Gemeinschaft mit anderen Geschäfte betreibt, für die daraus entstehende Verpflichtung haftet“45.

merkmal, sondern als Wesensmerkmal versteht, was in der Sache jedoch keinen Unterschied macht. 40 Anstatt aller Wiedemann, Gesellschaftsrecht Bd. I, § 10 III 2a bb, S. 547; kritisch zur Haftungsbeschränkung unternehmerischer Aktionäre Mayer, Haftungsbeschränkung im Recht der Handelsgesellschaften, S. 1031 ff. 41 Easterbrook/Fischel, Economic Structure of Corporate Law, S. 41 f. 42 Vgl. hierzu ausführlich anstatt aller Meyer, Haftungsbeschränkung im Recht der Handelsgesellschaften, S. 951 ff. Dies geben auch jene Autoren zu, die sich für eine Selbstregulierung des Marktes aussprechen, vgl. Easterbrook/Fischel, Chicago Law Review 52 (1985), 89, 106; Manning/Hanks, Legal Capital 1990, S. 11 ff. 43 Zitat von Seibt, ZHR 171 (2007), 282, 294. Diese Ansicht ist nicht neu und wurde schon in den Motiven zur ersten Aktiennovelle vom 11. Juni 1870 vertreten. Dort sah es der Gesetzgeber als eigene Aufgabe der Gläubiger an, ihre Forderungen einzutreiben. Allerdings war damals auch die Bezahlung per Vorkasse üblich. Vgl. zum Ganzen Lieder, in: Bayer/Habersack, Aktienrecht im Wandel, Bd. 1, 318, 342 f. (Rn. 39). 44 So Bezzenberger, Das Kapital der Aktiengesellschaft, S. 85; Lieder, in: Bayer/ Habersack, Aktienrecht im Wandel, Bd. 1, 318, 342 (Rn. 39) bezeichnet dies als „moderne[s] Kapitalschutzverständnis“.

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Kap. 2: Allgemeine Kapitalschutzmechanismen

Dabei zeigt sich auch der entscheidende Unterschied zwischen Eigenund Fremdkapital. Während der Aktionär als Eigenkapitalgeber das Risiko des Verlustes ebenso wie die Chance auf Gewinn als Konsequenz seiner rechtsgeschäftlichen Beteiligung trägt, soll der Gläubiger seinen Anspruch von Rechts wegen erfüllt bekommen und kein unternehmerisches Risiko tragen müssen. Dies bedeutet nicht, dass den Gläubiger kein Verlustrisiko trifft, wie etwa wenn die Gesellschaft aufgrund schlechter Geschäftslage in die Insolvenz fällt. Die Erfüllung seines Anspruches stellt aber den rechtlichen Normalfall dar46. Hieraus resultiert die oben schon angesprochene Absolute Priority Rule, die besagt, dass zunächst das Kapital dem Zugriff der Gläubiger zu überlassen ist, bevor die Aktionäre Gewinne abschöpfen dürfen. Eben dies können nur die Kapitalschutzregeln sicherstellen, als Kehrseite der beschränkten Haftung. Zwar bedürfte es dieser Sicherung nicht, wenn die Vereinbarung von (vorrangigen) dinglichen oder persönlichen Sicherheiten die Regel wäre. Dies ist allerdings – wie sogleich zu zeigen sein wird – der Ausnahmefall. Die privatautonome Aushandlung, wer welches Risiko gegen welche Vergütung eingeht, kann hingegen gerade nicht das Risiko abdecken, welches die Kapitalschutzregeln im Blick haben. Freilich können die den Buyout finanzierende Bank und der Erwerber die Zinsen des Kredits privatautonom je nach Ausfallrisiko vereinbaren. Ebenso kann ein Dienstleister bei Vorleistung am freien Markt eine höhere Vergütung durchsetzten, als wenn er im Voraus bezahlt wird. Für die Gläubiger ist es jedoch nicht möglich, die Gefahr abzuschätzen und in die Vergütung einzupreisen, dass die Gesellschaft ihr Vermögen an den Gläubigern vorbei an einen oder mehrere Aktionäre ausschüttet, um etwa ein Übernahme zu finanzieren. Solch risikoerhöhendes Verhalten auf Seiten der Schuldnergesellschaft kann nicht vorhergesehen und einzelvertraglich austariert werden.

C. Zwischenergebnis Damit bleibt festzuhalten, dass allein durch die Möglichkeiten der Gläubiger, ihre Ansprüche vertraglich in Eigeninitiative zu schützen, kein angemessener Gläubigerschutz bei Leverage-Transaktionen erreicht werden kann.

45 BGH, Urteil vom 27.1.1997 – II ZR 123/94, BGHZ 134, 333, 335 (zur Begründung der unbeschränkten Gesellschafterinnenhaftung bei der Vor-GmbH). 46 Bezzenberger, Das Kapital der Aktiengesellschaft, S. 79.

§ 2 Schutz durch Information

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§ 2 Schutz durch Information A. Publizitätspflichten Als eine weitere wichtige Komponente zum Schutz der Gläubiger und Minderheitsaktionäre werden Publizitätspflichten angesehen, die sowohl für kapitalmarktnahe als auch für kapitalmarktferne Kapitalgesellschaften in den letzten Jahren erheblich ausgeweitet wurden47. Für die Beurteilung der Kapitalstruktur eines Unternehmens werden neben dem Verbindlichkeitenspiegel und der Besicherungsübersicht in Bilanz und Anhang insbesondere der Lagebericht (§§ 289, 315 HGB) genannt48. Dort ist auch auf die voraussichtliche Entwicklung des Unternehmens mit den damit verbundenen Chancen und Risiken einzugehen (§§ 289 Abs. 1 S.4, 315 Abs. 1 S. 5 HGB). Darüber hinaus sind die Ausfall- und Liquiditätsrisiken aufzuführen (§§ 289 Abs. 2 N. 2, 315 Abs. 2 Nr. 2 HGB). Die Jahresabschlüsse und Lageberichte sind gemäß § 325 HGB im elektronischen Unternehmensregister zu veröffentlichen und damit einfach für Gläubiger und Minderheitsaktionäre einzusehen. Gerade für verhandlungsschwache Gläubiger seien diese umfangreichen Informationen ein effektiver Schutz49. Sie könnten so mittelfristig angelegte Finanzrisiken erkennen und ihre vertraglichen Beziehungen an die veränderten Umstände anpassen50. Daneben trifft die Erwerbergesellschaft eine Meldepflicht beim Überschreiten einer bestimmten Beteiligungsquote. Im Anwendungsbereich des Wertpapierhandelsgesetzes besteht nach §§ 21, 22 WpHG die Mitteilungspflicht schon ab 3 Prozent. Fällt die Zielgesellschaft nicht unter das WpHG, greift eine entsprechende Pflicht gemäß den §§ 20, 21 AktG ab einer Beteiligung von 25 Prozent ein51. 47 Seibt, ZHR 171 (2007), 282, 295; allgemein zu den Publizitätspflichten von Unternehmen: Merkt, Unternehmenspublizität, S. 132 ff.; Zöllner, NZG 2003, 354 ff.; Noack, AG 2003, 537 ff.; Brellochs, Publizität und Haftung von Aktiengesellschaften im System des Europäischen Kapitalmarkts, S. 1 ff.; mit der Umsetzung der Richtlinie 2004/109/EG durch das Transparenzrichtlinienumsetzungsgesetz (TUG), in Kraft seit 20.1.2007, wurden rechnungslegungsbezogenen Veröffentlichungspflichten für kapitalmarktorientierte Unternehmen weiter verschärft, vgl. 37v ff. WpHG und hierzu Fleischer, ZIP 2007, 97 ff.; Bosse, DB 2007, 39 ff.; Hutter/Kaulamo, NJW 2007, 550 ff. 48 Seibt, ZHR 171 (2007), 282, 296. 49 Richard, Kapitalschutz der Aktiengesellschaft, S. 204. 50 Seibt, ZHR 171 (2007), 282, 295. 51 Vgl. Ausführlich zu den beim Anteilserwerb an börsennotierten Gesellschaften, Süßmann, in: Assmann/Schütze, Handbuch des Kapitalanlegerechts, § 13 Rn. 1 ff. Bzgl. des Erwerbs außerhalb des Anwendungsbereiches des WpHG vgl. Bayer, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 20 Rn. 1 ff.; § 21 Rn. 1 ff. m. w. N.

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Kap. 2: Allgemeine Kapitalschutzmechanismen

Die Einschätzung, Publizitätsvorschriften könnten maßgeblich zu einem angemessenen Gläubigerschutz bei fremdfinanzierten Übernahmen beitragen52, kann nicht geteilt werden. Zunächst ist schon fraglich, ob eine Ausweitung von Publizitätsvorschriften vor dem Hintergrund der auf die Kleingläubiger und Minderheitsaktionäre einbrechenden Informationsflut zu einer Transparenzerhöhung und, hieraus resultierend, zu einem verbesserten Informationsniveau führt53. Jedenfalls darf bezweifelt werden, dass die hier im Mittelpunkt stehenden Kleingläubiger über das notwendige Wissen und die erforderliche Zeit verfügen, die Informationen auszuwerten und darauf zu reagieren. Als plakatives Beispiel mag hier das Bild vom Klempner dienen, der zu einem Wasserrohrbruch gerufen wird und zuvor noch die Geschäftsberichte im elektronischen Unternehmensregister studiert, um die Liquiditätssituation des Auftragsgebers zu überprüfen. Im Übrigen ist der Gedanke, Publizitätsvorschriften könnten bei Leveraged Buyouts mithelfen, einen angemessenen Gläubigerschutz herzustellen, schon im Ansatz problematisch. So kann durch Informationen nur zukünftiges Verhalten gesteuert werden. Oft sind fremdfinanzierte Übernahmen auch für das mit den Gläubigern kontrahierende Zielunternehmen bei Vertragsschluss nicht vorauszusehen. Rein theoretische Risiken müssen jedoch auch nicht im Lagebericht nach § 289 Abs. 1 S. 4 HGB aufgeführt werden54. Weder Minderheitsaktionäre noch Altgläubiger können auf die Änderung der Beteiligungsstruktur noch reagieren. Dass nach einem Leveraged Buyout das Zielunternehmen bereit ist, alle alten Vertragsbeziehungen an die veränderte Finanzrisiken anzupassen55, ist gerade bei Kleingläubigern nicht vorstellbar. Die Publizitätsregelungen betreffen daher in erster Linie den Anlegerschutz i. S. d. Beeinflussung der zukünftigen Anlageentscheidung56 und weniger den Schutz der Altgläubiger und aktuellen Minderheitsaktionäre, die beiden zu schützenden Gruppen bei fremdfinanzierten Übernahmen.

B. Regulierung der Finanzinvestoren durch das Risikobegrenzungsgesetz Auch die Ausweitung der Publizitätsvorschriften gerade für Finanzinvestoren durch das Gesetz zur Begrenzung der mit Finanzinvestitionen verbun52

So Seibt, ZHR 171 (2007), 282, 294 ff. Richard, Kapitalschutz der Aktiengesellschaft S. 194 m. w. N. Zur Überforderung der Marktteilnehmer durch Informationsflut vgl. auch Weber, NJW 2004, 3674. 54 Merkt, in: Baumbach/Hopt, HGB, § 289 Rn. 1. 55 So aber wohl Seibt, ZHR 171 (2007), 282, 295. 56 Vgl. bzgl. §§ 21 f. WpHG Süßmann, in: Assmann/Schütze, Handbuch des Kapitalanlegerechts, § 13 Rn. 2. 53

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denen Risiken (Risikobegrenzungsgesetz)57 ändert an der obigen Einschätzung nichts. Hierdurch wurden die bereits nach §§ 21, 22 WpHG bestehenden Publizitätspflichten verschärft. Insbesondere wurde der Tatbestand des abgestimmten Verhaltens ausgeweitet (§ 22 Abs. 2 WpHG n. F.) und nach § 27a WpHG n. F. ist die Erwerbergesellschaft bei Überschreiten der 10 Prozent Schwelle nunmehr verpflichtet, Auskunft über Ziele und die Herkunft der verwendeten Mittel zu geben. Es darf jedoch bezweifelt werden, dass dadurch das in der Regierungsbegründung58 ausgesprochene Ziel erreicht wird, unerwünschte Aktivitäten von Finanzinvestoren zu erschweren oder zu verhindern, ohne zugleich Finanz- und Unternehmenstransaktionen, die effizienzfördernd wirken, zu beeinträchtigen59. Gerade die beim Leveraged Buyout auftretenden Risiken, insbesondere die Erhöhung des Insolvenzrisikos durch extreme Fremdkapitalisierung, werden in dem Gesetz nicht behandelt60. Hinzu kommt, dass Private Equity Fonds überwiegend in nicht am organisierten Markt gelistete Gesellschaften investieren61, auf die das WpHG keine Anwendung findet. Entscheidend ist jedoch, dass wiederum die Informationen für einen effektiven Schutz der Altgläubiger und Minderheitsaktionäre zu spät kommen.

C. Finanzanalysen durch Rating-Agenturen Neben den Publizitätsvorschriften wird bei kapitalmarktsnahen Unternehmen auch Bewertungsanalysen privater Rating-Agenturen eine Schutzfunktion für Gläubiger und Minderheitsaktionäre zugeschrieben. Hier gelten jedoch die gleichen Einschränkungen wie für die Publizitätsvorschriften. Zwar können insbesondere Großgläubiger durch die umfassende Bonitätsbewertung und Analyse der Finanzstruktur des Unternehmens sich bei Vertragsschluss ein Bild über die wirtschaftliche Lage ihres Vertragspartners machen und sich ihre Leistungen risikoentsprechend vergüten lassen. Ein später erfolgter Leveraged Buyout kann jedoch nicht berücksichtigt werden. Die dann erfolgende zeitverzögerte Abstufung durch die Rating-Agenturen, wie z. B. bei der fremdfinanzierten Übernahme der Grohe AG62, kommt als Warnung für die Altgläubiger und Minderheitsaktionäre zu spät. 57

Gesetz zur Begrenzung der mit Finanzinvestoren verbundenen Risiken vom 12.8.2008, BGBl. I 2008, 1666 ff., in Kraft seit 19.8.2008. 58 Begr. RegE. vom 7.12.2007, BT-Drucks. 16/7438, S. 8. 59 Ebenso Möllers/Holzner, NZG 2008, 166, 169; Eidenmüller, DStR 2007, 2116. 60 Eidenmüller, DStR 2007, 2116, 2119. 61 Vgl. hierzu für das Jahr 2005 Graphik von Standards & Poors, Leveraged Commentary & Data, abgedruckt in: Mittendorfer, Praxishandbuch der Akquisitionsfinanzierung, S. 49, nachdem nur ca. 11 Prozent der Übernahmen von Aktiengesellschaften über die Börse stattfinden.

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Kap. 2: Allgemeine Kapitalschutzmechanismen

§ 3 Bankenaufsichtsrecht Die Diskussion über die Reichweite des aktienrechtlichen Kapitalschutzes bei Leveraged Buyouts wäre auch dann hinfällig, wenn Vorschriften außerhalb des Aktienrechts diese Finanzierungsart bei Übernahmen derart einschränken würden, dass (Alt-)Gläubiger und Minderheitsaktionäre nicht den oben aufgezeigten Risiken ausgesetzt wären. Zu denken ist hierbei zunächst an Vorschriften des Bankenaufsichtsrechts, insbesondere §§ 13, 18 KWG, die den Banken bei Vergabe von Großkrediten Beschränkungen auferlegen. Allerdings erfüllen jene Vorschriften allein eine ordnungspolitische Funktion und dienen daneben dem Schutz des einzelnen Kreditinstituts63. Aber auch als Rechtsreflex verhindern sie Leveraged Buyouts nicht, da – unabhängig von der nur begrenzten Reichweite der Beschränkungen – hierfür schon die Rechtsfolgen nicht geeignet sind. So schränkt § 13 Abs. 3 KWG nur das Kreditvolumen einer einzelnen Bank oder Bankengruppe, nicht jedoch eines Konsortiums ein64 und ordnet darüber hinaus Sanktionen „unbeschadet der Wirksamkeit des Rechtsgeschäfts“ an. Für die in § 21 Abs. 1 KWG näher bezeichneten Kredite besteht zwar u. a. ab einer bei Leveraged Buyouts regelmäßig erreichten Größe von 750.000 Euro gemäß § 18 KWG die Pflicht, bei nicht ausreichend gesicherten Krediten die wirtschaftlichen Verhältnisse des Kreditnehmers offen zu legen. Eine Kreditvergabe verhindern sie jedoch nicht. Zudem greift deutsches Bankenaufsichtrecht nicht, wenn es sich um eine ausländische Bietergesellschaft handelt65.

§ 4 Schutz durch steuerrechtliche Beschränkungen Des Weiteren könnten steuerrechtliche Regelungen die Attraktivität von fremdfinanzierte Übernahmen senken und de facto verhindern, so dass ein aktienrechtlicher Schutz der (Alt-)Gläubiger und Minderheitsaktionäre vor den Risiken des Leveraged Buyouts nicht benötigt würde. Die steuerrechtliche Ausgangsposition beim Leveraged Buyout lässt sich folgendermaßen skizzieren: Während der Verkäufer einen hohen Kaufpreis nach Steuern erzielen will und daher danach strebt, die Steuerlast zu mini62 Die Rating-Agentur Standard & Poor’s bewertet Grohe nach dem Secondary Buyout im Jahre 2004 nur noch mit B+ (nicht als Investment geeignet). 63 Becker/Lehnhoff/Meyer, in: Reischauer/Kleinhans, KWG, Bd. 1, § 18, Rn. 1. 64 Lange, Rechtsfragen der Finanzierung eines feindlichen Übernahmeangebots, S. 263 Fn. 1061. 65 Vogel, ZIP 2002, 1421 f.; ders., in: Haarmann/Schüppen, WpÜG, § 13 Rn. 13; Lange, Rechtsfragen der Finanzierung eines feindlichen Übernahmeangebots, S. 263 Fn. 1061.

§ 4 Schutz durch steuerrechtliche Beschränkungen

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mieren, hat der Erwerber ein Interesse daran, den zu zahlenden Kaufpreis möglichst schnell einkommensmindernd geltend zu machen. Grundsätzlich wäre für Letzteren daher der Erwerb einzelner Wirtschaftsgüter (Asset Deal) optimal, da dort die Möglichkeit besteht, abnutzbare Wirtschaftsgüter und Goodwill abzuschreiben66. Da dies jedoch der steuerrechtlichen Interessenlage des Veräußerers entgegenläuft67 und im Übrigen die Einzelübertragung zeit- und kostenintensiv ist68, wird regelmäßig ein Share Deal durchgeführt. Bei diesem fallen laufende Abschreibungen aus, da Beteiligungen an Kapitalgesellschaften nicht zu den abnutzbaren Wirtschaftsgütern zählen69. Insofern konzentriert sich der Erwerber auf die Abzugsfähigkeit des Finanzierungsaufwandes, um die fremdfinanzierte Übernahme rentabel zu gestalten70. Gestaltungsziel ist hierbei in den meisten Fällen, den Fremdfinanzierungsaufwand mit dem operativen Gewinn der Zielgesellschaft zu verrechnen, um dadurch die Steuerquote des Unternehmens zu reduzieren71. Dies wird mit verschiedenen sog. Debt-Push-Down-Gestaltungen versucht, wie etwa mit der Bildung einer Organschaft zwischen Akquisitionsvehikel und Zielgesellschaft oder ihrer Verschmelzung72. Schon nach früherer Rechtslage wurden hierbei Leverage-Transaktionen teilweise erschwert, indem beispielsweise § 8a Abs. 6 a. F. KStG73 den Zinsabzug bei fremdfinanzierten konzerninternen Anteilsveräußerungen ein66 Vgl. Holzapfel/Pöllath, Unternehmenskauf in Recht und Praxis, Rn. 329a (S. 282); Lange, Rechtsfragen der Finanzierung eines feindlichen Übernahmeangebots, S. 277. 67 Die Besteuerung des Veräußerungsgewinns hängt vom Status des Veräußerers ab. Handelt es sich hierbei um eine natürliche Person oder Personengesellschaft ohne wesentliche Beteiligung in den letzten fünf Jahren bleiben diese steuerfrei (§ 17 Abs. 1 S. 1 EStG), bei privaten Veräußerungsgeschäften galt bisher § 23 EStG nachdem nach Ablauf der Spekulationsfrist von einem Jahr der Verkauf steuerfrei erfolgt, seit 1.1.2009 wird eine Abgeltungssteuer von 25 Prozent erhoben. Ist der Veräußerer Kapitalgesellschaft sieht § 8b Abs. 2 KStG unter gewissen Voraussetzungen die Befreiung von der Körperschaft- und Gewerbesteuer vor. 68 Gegen einen Asset Deal spricht auch das Erfordernis eines mit mindestens drei Viertel des vertretenen Kapitals vorgenommenen Hauptversammlungsbeschlusses (§§ 179 Abs. 2, 179a Abs. 1 S. 1 AktG), wenn (nahezu) das gesamte Gesellschaftsvermögen auf die Erwerbergesellschaft übertragen werden soll. Fehlt ein solcher findet Umwandlungsrecht Anwendung, vgl. Bruhns, in: FA-HGR, Kapitel 19, Rn. 159. 69 Vgl. hierzu ausführlich Eilers, in: Picot, Handbuch Mergers & Acquisitions, S. 79. 70 Ebenso Eilers, in: Picot, Handbuch Mergers & Acquisitions, S. 79 f. 71 Breuninger, in: FS Raupach, S. 437, 438. 72 Ausführlich zu den einzelnen Gestaltungsmöglichkeiten Breuninger, in: FS Raupach, S. 437, 438 ff. 73 Die Vorschrift wurde durch das Gesetz zur Umsetzung der Protokollerklärung der Bundesregierung zur Vermittlungsempfehlung zum Steuervergünstigungsabbaugesetz vom 22.12.2003, BGBl. I 03, 2840, 2842 (in Kraft zum 1.1.2004) eingeführt

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Kap. 2: Allgemeine Kapitalschutzmechanismen

schränkte74. Im Zuge der Unternehmenssteuerreform 2008 wurde nunmehr § 8a KStG neu gefasst und über den Verweis auf § 4h Abs. 1 EStG eine Zinsschranke eingeführt. Erklärtes Ziel ist hierbei, eine übermäßige Fremdkapitalfinanzierung des Unternehmens zu verhindern75. Demnach sind grundsätzlich nur 30 Prozent des steuerlichen EBITDA76 eines Betriebes abzugsfähig. Die finanzierende Akquisitionsgesellschaft hält regelmäßig nur die Beteiligungen, so dass mangels operativen Geschäfts nur ein steuerliches EBITDA von ca. 5 Prozent der Beteiligungserträge verfügbar ist77. Aber auch wenn durch Debt-Push-Down-Gestaltungen wie beispielsweise Verschmelzung oder Organschaft das steuerliche EBITDA der Akquisitionsgesellschaft und der Zielgesellschaft inklusive ihrer inländischen Tochtergesellschaften zusammengefasst werden kann, wird es im Regelfall nicht das Dreifache des Finanzierungsaufwands ausmachen, so dass ein vollständiger Abzug des Finanzierungsaufwandes schwer zu erreichen ist. Allerdings greift die Zinsschranke nach § 4h Abs. 2 S. 1 a–c EStG nicht ein, wenn der Zinssaldo unterhalb von einer Million Euro liegt (Freigrenze), kein Konzernverhältnis besteht oder wenn eine Konzerngesellschaft die Eigenkapitalquote des gesamten Konzerns einhält (sog. Escape-Klausel). Den Ausnahmetatbeständen wird bei fremdfinanzierten Übernahmen nach erster Einschätzung wenig Bedeutung zugemessen78. Zutreffend wird darauf verwiesen, dass aufgrund des erweiterten Konzernbegriffs eine Konzernierung beim Leveraged Buyout kaum zu vermeiden sei, da hierfür schon die Mehrheitsbeteiligung der Erwerbergesellschaft an der Zielgesellschaft ausreicht und darüber hinaus üblicherweise die Erwerbergesellschaft wiederum mehrheitlich von einer Gesellschaft79 gehalten wird80. Zu teilen ist auch die Einund trat am 18.8.2007 durch das Unternehmenssteuerreformgesetz 2008 vom 14.8.2007, BGBl. I. 07, 1912, 1927 f. („Korb II-Gesetz“) außer Kraft. 74 Ausführlich zu den Einschränkungen des § 8a a. F. für Leveraged Buyouts, Holzapfel/Pöllath, Unternehmenskauf in Recht und Praxis, Rn. 364a (S. 306 f.); zur Problematik der schädlichen Gesellschafter-Fremdfinanzierung Blumers/Goerg/ Tiede, BB 2004, 631 ff.; Scheunemann, BB 2004, 911; kritisch zu § 8a Abs. 6 KStG Breuninger, in: FS Raupach, S. 437, 443 ff.; Grotherr, DStR 2004, 390 ff. 75 Begr. RegE. vom 27.3.2007, BT-Drucks. 16/4841, S. 31. 76 Zu unterscheiden ist das steuerrechtliche EBITDA, das allein an steuerliche Einkommen anknüpft, vom handelsrechtlichen EBITDA, dass sich an dem Jahresüberschuss bzw. Bilanzgewinn orientiert; hierzu ausführlich Scheunemann/Socher, BB 2007, 1144, 1145 f. 77 Scheunemann/Socher, BB 2007, 1144, 1146. 78 Scheunemann/Socher, BB 2007, 1144, 1149 ff.; in der Tendenz auch Köhler, DStR 2007, 599, 604, der von einer flächendeckenden Einschränkung des Zinsabzuges spricht. 79 In der Praxis beliebt ist hierfür eine Luxemburgische – Société à Responsabilité limitée. 80 Scheunemann/Socher, 1149.

§ 4 Schutz durch steuerrechtliche Beschränkungen

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schätzung, dass die Escape-Klausel des § 4 h Abs. 2 S. 1 c EStG bei fremdfinanzierten Übernahmen häufig keine Anwendung findet, da die Eigenkapitalquote des gesamten Konzerns im Regelfall deutlich über der des zu finanzierenden Betriebs liegt81. Auch ist die Freigrenze wohl in der Mehrzahl der Fälle nicht einzuhalten, da Leverage-Transaktionen im Regelfall ein Fremdfinanzierungsvolumen von über 20 Millionen Euro aufweisen und damit bei einem Durchschnittszinssatz von 5 Prozent die Freigrenze überschritten wird82. Einen Ausweg bietet sicherlich der verstärkte Einsatz von Eigenkapital. Dies hätte für die Zielgesellschaft den positiven Effekt, dass die Last der Kaufpreisfinanzierung zurückgehen würde83. Die Folgerung, dass durch die Einführung des § 8a KStG keine Übernahmen mit einem hohen Anteil an Fremdkapital mehr stattfinden, erscheint jedoch zu weitgehend. Gegen eine signifikante Erhöhung des Eigenkapitalanteils bei Übernahmen spricht schon die Steigerung der Eigenkapitalrendite durch einen hohen Anteil an Fremdkapital (Leverage-Effekt84). Eine hohe Eigenkapitalquote ist für den Finanzinvestor wenig lukrativ. Es ist mithin davon auszugehen, dass in der Praxis Umgehungslösungen entwickelt werden, um die nachteiligen Auswirkungen des § 8a KStG zu umgehen und trotzdem zur Abzugsfähigkeit von Fremdfinanzierungsaufwendungen zu gelangen. Denkbar ist etwa, die Freigrenze auch bei größeren Transaktionen zu nutzen, indem mehrere parallel erwerbende Akquisitionsvehikel eingesetzt werden85. Der Nachteil höherer Gründungs- und Akquisitionskosten ist dabei in Kauf zu nehmen. Auch kann im Einzelfall erreicht werden, dass die Erwerbergesellschaft die Eigenkapitalquote des gesamten Konzerns – wie in der Escape-Klausel vorgesehen – einhält, indem die Erwerbergesellschaft die Konzernspitze darstellt. Hierfür wird der Einsatz eines „gesellschafterlosen“ Akquisitionsvehikels vorgeschlagen wie etwa inund ausländische investmentrechtliches Sondervermögen, Trusts und Stiftungskonstruktionen86. Zudem scheint es nicht unmöglich, dass die Zinsaufwendungen nur 30 Prozent des steuerlichen EBITDA ausmachen, was zu einem vollständigen Zinsabzug führt. Dies kann unter Umständen durch 81 Vgl. Reiche/Kroschewski, DStR 2007, 1330, 1334 f.; Scheunemann/Socher, 1150. 82 Scheunemann/Socher, ebd.; vgl. auch Reiche/Kroschewski, 1332; Köhler, DStR 2007, 597, 598. 83 Scheunemann/Socher, 1148 und 1151. 84 Zur Funktionsweise des Leverage-Effekts siehe oben Kapitel 1 § 1 A. I. 85 Reiche/Kroschewski, DStR 2007, 1330, 1333 f. Damit kann zusätzlich auch verhindert werden, dass eine schädliche Gesellschafterfremdfinanzierung vorliegt, die in § 8a KStG als Gegenausnahme zur Escape-Klausel und Konzernfreiheit geregelt ist, vgl. Reiche/Kroschewski, 1335. 86 Vgl. Reiche/Kroschewski, DStR 2007, 1330, 1334.

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Kap. 2: Allgemeine Kapitalschutzmechanismen

Verlagerung von Gewinnen der Zielgesellschaft ins Inland erreicht werden. Durch Verschmelzung oder Organschaft mit der Akquisitionsgesellschaft können diese Gewinne im zusammengefassten EBITDA dann für die Abzugsfähigkeit der Zinsaufwendungen der Akquisitionsgesellschaft fruchtbar gemacht werden. Auch wenn die steuerliche Optimierung erschwert wird, kann § 8a KStG fremdfinanzierte Übernahmen somit nicht verhindern. Vielmehr bedarf es eines zusätzlichen Strukturierungsaufwands, um die Abzugsfähigkeit des Zinsaufwandes weiter zu gewährleisten87. Damit besteht weiterhin der Bedarf, durch aktienrechtliche Kapitalschutzregelungen die oben aufgezeigten Risiken für (Alt-)Gläubiger und Minderheitengesellschaften beim Leveraged Buyout einzudämmen.

§ 5 Pflichten bei öffentlichen Übernahmen Ferner könnten Vorschriften des Wertpapierübernahmegesetztes den Schutz durch aktienrechtliche Kapitalerhaltungsvorschriften erübrigen. Im Fokus steht hier insbesondere die Vorschrift des § 13 WpÜG. Danach muss der Bieter vor Veröffentlichung des Angebots einen Kreditvertrag (oder eine andere Vereinbarung) abschließen, um nachzuweisen, dass er über die zur Erfüllung des Angebots notwendigen Mittel verfügt88. Da dies gerade bei feindlichen Übernahmen ohne Kooperation mit der Zielgesellschaft nicht möglich sei, würde die Finanzierungsform des Leveraged Buyouts ausscheiden89. Diese These ist jedoch zweifelhaft, da nicht per se ausgeschlossen werden kann, dass ein Finanzinvestor über Zwischenfinanzierungen (zunächst) auch ohne Zugriff auf das Vermögen der Zielgesellschaft die Voraussetzungen des § 13 WpÜG erfüllt. Unabhängig davon kann § 13 WpÜG einen Großteil der fremdfinanzierten Übernahmen schon deshalb nicht verhindern, da nur ca. 11 Prozent der Buyouts an einem organisierten Markt notierte Unternehmen zum Ziel haben90, auf die das WpÜG Anwendung findet. Unter diesen wird nur ein kleiner Teil „feindlich“, d.h. ohne 87

Ebenso Reiche/Kroschewski, 1336. Krause, in: Assmann/Pötzsch/Uwe H. Schneider, WpÜG, § 13 Rn. 35. Die Vorschrift schützt direkt ausschließlich den Aktienverkäufer, dem nach § 13 Abs. 2 WpÜG auch das Wertpapierdienstleistungsunternehmen haftet, wenn es zu Unrecht dem Bieter das Vorhandensein ausreichender Mittel zur Erfüllung des Anspruchs bestätigt hat. 89 Vogel, in: Haarmann/Schüppen, WpÜG, § 13 Rn. 40 ff.; Lange, Rechtsfragen der Finanzierung eines feindlichen Übernahmeangebots, S. 367. 90 Vgl. für das Jahr 2005 Graphik von Standard & Poor’s, Leveraged Commentary & Data, abgedruckt in: Mittendorfer, Praxishandbuch der Akquisitionsfinanzierung, S. 49. 88

§ 6 Schutz durch Insolvenzanfechtung

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Kooperation mit der Zielgesellschaft, durchgeführt. Im Übrigen können die für die Gläubiger und Minderheitsgesellschafter gefährlichen Vermögenstransfers von der Ziel- auf die Erwerbergesellschaft auch nach dem Aktienerwerb über Refinanzierungsmaßnahmen erfolgen. Schon wegen des begrenzten Anwendungsbereichs des WpÜG kann auch §§ 32, 35 Abs. 2 WpÜG keinen ausreichenden Schutz für Minderheitsgesellschafter bei fremdfinanzierten Übernahmen bieten. Nach diesen Vorschriften muss bei Übernahmen allen Aktionären die Möglichkeit eingeräumt werden, ihre Anteile an den Erwerber der Kontrollmehrheit zu verkaufen. Hinzu kommt, dass die Aktionäre das Recht haben – wie der Umkehrschluss zu der Squeeze-Out-Regelung in § 39a WpÜG zeigt – das Angebot abzulehnen, ohne einen Nachteil zu erleiden. Den Minderheitsaktionären kann mithin nicht mit Verweis auf die (entgangene) Verkaufsmöglichkeit ein aktienrechtlicher Kapitalschutz verwehrt werden.

§ 6 Schutz durch Insolvenzanfechtung Teilweise werden die Regeln der Insolvenzanfechtung für einen effektiven ex post-Gläubigerschutz ins Feld geführt91. Tatsächlich stellen im US-amerikanischen Recht die sowohl im Bundeskonkursgesetz als auch in den Einzelstaaten vorhandenen Fraudulent Conveyance-Regelungen92 die Hauptsäule des Gläubigerschutzes bei fremdfinanzierten Übernahmen dar93. Dies liegt sowohl an dem Fehlen effektiver gesellschaftsrechtlicher Kapitalschutzregeln als auch an dem weiten Anwendungsbereich der US-amerikanischen Anfechtungsrechte. Exemplarisch genannt seien die gerade in den einzelstaatlichen Vorschriften vorhandenen großzügigen Anfechtungsfristen und die Anfechtungsmöglichkeit auch gegenüber den finanzierenden Banken94. Ein anderes Bild ergibt sich nach deutschem Recht. Dort ist eine Anfechtung nach den §§ 129 ff. InsO nur unter engen Voraussetzungen möglich. Eine Anfechtung nach § 134 InsO scheitert oft an der fehlenden Unentgeltlichkeit, so dass auch diejenigen Autoren, die der Insolvenzanfechtung eine gewichtige Rolle zuschreiben, nur die Vorsatzanfechtung nach § 133 Abs. 1 und 2 InsO regelmäßig für einschlägig erachten95. Gerade in dem relevan91

Eidenmüller, ZHR 171 (2007), 644, 669 ff. Vgl. zu den einschlägigen US-amerikanischen Regelungen Eidenmüller, ZHR 171 (2007), 644, 670, insbesondere Fn. 126. 93 Seibt, ZHR 171 (2007), 282, 311. 94 Vgl. Baird, EBOR 7 (2006), 199 ff.; Eidenmüller, ZHR 171 (2007), 644, 670. 95 Ausführlich hierzu Eidenmüller, ZHR 171 (2007), 644, 671 ff. m. w. N. 92

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Kap. 2: Allgemeine Kapitalschutzmechanismen

ten Fall des § 133 Abs. 1 InsO muss jedoch der Insolvenzverwalter den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz auf Seiten der insolventen Gesellschaft nachweisen. Zusätzlich muss hiervon der Leistungsempfänger Kenntnis gehabt haben. Selbst wenn dies bewiesen werden kann, ist die gläubigerschützende Funktion beschränkt. Denn im Zeitpunkt der Insolvenz kann regelmäßig auch bei Anfechtung von gegebenen Sicherheiten etc. den Gläubigern mangels Vermögensbasis nur noch eine geringe Quote ausgezahlt werden. Insofern ist der ex post wirkenden Insolvenzanfechtung nach deutschem Recht nur eine residuale Gläubigerschutzfunktion zuzuerkennen96.

§ 7 Schutz durch allgemeines Zivilrecht Zuletzt könnten Finanzierungsgeschäfte im Rahmen fremdfinanzierter Übernahmen auch gegen allgemeine bürgerlichrechtliche Vorschriften und Institute verstoßen. Zum einen kann die Nichtigkeit des Finanzierungsgeschäfts aus einem Verstoß gegen die guten Sitten nach § 138 Abs. 1 BGB resultieren. Zum anderen kann die Zielgesellschaft aufgrund des Missbrauchs der Vertretungsmacht des handelnden Vorstands nicht wirksam vertreten und damit durch das Finanzierungsgeschäft nicht verpflichtet worden sein.

A. Nichtigkeit von Finanzierungsgeschäften nach § 138 Abs. 1 BGB Die Anwendung des § 138 Abs. 1 BGB im Rahmen eines Leveraged Buyouts wird insbesondere im Zusammenhang mit Sicherungsgeschäften der Aktiengesellschaft mit dem die Übernahme finanzierenden Kreditgeber zu Gunsten der Erwerbergesellschaft diskutiert97. Die Unwirksamkeit des Sicherungsgeschäftes könnte daraus resultieren, dass die sicherungsnehmende Bank wissentlich den strukturellen Vorrang der Gesellschaftsgläubiger unterläuft („Gläubigerbenachteiligung“)98. Des Weiteren darf durch die Akquisitionsfinanzierung die Zielgesellschaft nicht derart geknebelt werden, dass sie in der Führung ihres gewöhnlichen Geschäftsbetriebs unangemessen eingeschränkt ist99. Die Aktiengesellschaft muss daher weiterhin zur Aufnahme von Betriebskrediten in der Lage sein. Auch darf die Besiche96

Ebenso Seibt, ZHR 171 (2007), 282, 311. Vgl. Eidenmüller, ZHR 171 (2007), 644, 664. 98 Henze, in: Großkommentar zum AktG, § 57 Rn. 216; Schön, ZHR 159 (1995) 351, 370 f.; Mülbert, ZGR 1995, 578, 608 f. 99 Weitnauer, ZIP 2005, 790, 792 (zur entsprechenden Wertung im GmbH-Recht). 97

§ 7 Schutz durch allgemeines Zivilrecht

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rung der Kaufpreisfinanzierung nicht das gesamte Umlaufvermögen wie etwa Lieferforderungen und Vorräte umfassen100. Allerdings wird ein sittenwidriges Verhalten seitens des Kreditgebers nur in den seltensten Fällen vorliegen und zu beweisen sein. Das Sittenwidrigkeitsurteil des § 138 Abs. 1 BGB bildet nur eine restriktiv zu handhabende, äußerste Missbrauchsgrenze und schützt das Vermögen der Aktiengesellschaft und dadurch die Minderheitsaktionäre und Gläubiger bei Finanzierungsgeschäften zu Gunsten der Erwerbergesellschaft nur in absoluten Ausnahmefällen. Insbesondere kann aus einem Verstoß gegen § 57 Abs. 1, 3 AktG nicht auf die Nichtigkeit des mit der Bank geschlossenen Finanzierungsgeschäfts wegen Sittenwidrigkeit geschlossen werden, auch wenn die kreditgebende Bank Kenntnis hiervon hatte101. Als Ersatz für ein stimmiges aktienrechtliches Kapitalschutzsystem scheidet § 138 Abs. 1 BGB aus. Gleiches gilt für einen möglichen Schadensersatzanspruch der Aktiengesellschaft gegen die Erwerbergesellschaft oder den finanzierenden Kreditgeber aus § 826 BGB oder § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 266 StGB, da ein entsprechender Untreue- bzw. Schädigungsvorsatz oftmals nicht vorliegt bzw. nicht nachweisbar ist102.

B. Missbrauch der Vertretungsmacht Ähnlich verhält es sich mit dem Missbrauch der Vertretungsmacht. Trotz der gemäß § 82 Abs. 1 AktG grundsätzlich unbeschränkten Vertretungsmacht des auf Seiten der Aktiengesellschaft handelnden Vorstandsmitglieds kann die Aktiengesellschaft aus dem Finanzierungsgeschäft mangels wirksamer Vertretungsmacht in besonderen Konstellationen nicht in Anspruch genommen werden. Dies ist unstreitig bei Kollusion als Sonderfall der Sittenwidrigkeit nach § 138 Abs. 1 BGB der Fall, wenn also das handelnde Vorstandsmitglied bewusst zum Nachteil der Aktiengesellschaft mit der Erwerbergesellschaft oder finanzierenden Bank zusammenwirkt103. Als zweite Fallgruppe wird der als Anwendungsfall des § 242 BGB (Rechtsmissbrauch) einzuordnende104 offensichtliche Missbrauch genannt. Ein solcher 100

Weitnauer, 793. Vgl. BGH, Urteil vom 19.3.1998 – IX ZR 22/97, AG 1998, 342 ff.; Henze, in: Großkommentar zum AktG, § 57 Rn. 216. 102 Vgl. Sprau, in: Palandt, § 826 Rn. 9. Zum Sonderfall des existenzvernichtenden Eingriffs siehe unten Kapitel 3 § 4 C. 103 Heinrichs, in: Palandt, § 164 Rn. 13. Reich-Rohrwig, Grundsatzfragen der Kapitalerhaltung, S. 168. 104 Schramm, in: Münchener Kommentar zum BGB, § 164 Rn. 116; Schilken, in: Staudinger, BGB, § 167 Rn. 94. 101

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Kap. 2: Allgemeine Kapitalschutzmechanismen

liegt vor, wenn der Vorstand bewusst zum Nachteil der Gesellschaft handelt und der Vertragspartner vom Missbrauch weiß oder sich der Missbrauch ihm aufdrängen musste105. Legen besondere Umstände den Missbrauchsverdacht nahe, wird teilweise dem Vertragspartner eine Erkundigungspflicht auferlegt106. An der Unwirksamkeit solcher Geschäfte ändert auch die Billigung der Aktionärsmehrheit nichts, denn diese können auf die Einhaltung der Sorgfaltspflichten des Vorstands nicht verzichten. Es ist daher streng zu trennen zwischen den Interessen der Aktiengesellschaft auf der einen Seite und den Interessen ihrer Aktionäre auf der anderen Seite107. Bezüglich fremdfinanzierter Übernahmen ist umstritten, ob die Bestellung von Sicherheiten durch die Zielgesellschaft, die gegen Kapitalerhaltungsvorschriften verstoßen, wegen Missbrauchs der Vertretungsmacht unwirksam ist. Dies wird teilweise aufgrund der unbeschränkten und unbeschränkbaren Vertretungsmacht des Vorstands abgelehnt108. Dabei wird jedoch übersehen, dass es für einen Missbrauch der Vertretungsmacht auf die Überschreitung der Grenzen der Geschäftsführung im Innenverhältnis, und gerade nicht im Außenverhältnis ankommt109. Problematisch ist lediglich, ob ein Verstoß gegen aktienrechtliche Kapitalschutzvorschriften für den zuständigen Mitarbeiter des Kreditinstituts offensichtlich war. Nach einer Ansicht dürfte im Regelfall bekannt sein, dass mit dem Vermögen der Zielgesellschaft ein Darlehen von einer (zukünftig) beteiligten Gesellschaft gesichert wird110. Dies hätte zur Konsequenz, dass oftmals die Grundsätze des Missbrauchs der Vertretungsmacht anzuwenden wären mit der Folge der Unwirksamkeit des Sicherungsgeschäfts. An dieser Einschätzung sind jedoch Zweifel angebracht. So reicht nicht die bloße Erkennbarkeit, vielmehr muss der Verstoß für das Kreditinstitut als Vertragspartnerin evident sein. Gerade im Vorfeld der Übernahme, wenn die Erwerbergesellschaft noch nicht beteiligt ist, dürfte der Beweis, dass die Bank Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis von den Transaktionsvor105 Heinrichs, in: Palandt, § 164 Rn. 13 m. w. N.; ausführlich zu den im Einzelnen streitigen Voraussetzungen (objektive Evidenz oder fahrlässige Verletzung einer Informationspflicht) Schilken, in: Staudinger, BGB, § 167 Rn. 96 ff.; Schramm, in: Münchener Kommentar zum BGB, § 164 Rn. 115 ff.; K. Schmidt, in: Münchener Kommentar zum HGB, § 126 Rn. 20 ff. 106 Reich-Rohrwig, Grundsatzfragen der Kapitalerhaltung, S. 169 m. w. N.; in diese Richtung auch BGH, Urteil vom 13.10.1988 – III ZR 139/87, WM 1989, 168, 169. 107 Lutter/Wahlers, AG 1989, 1, 11. 108 Früh, GmbHR 2000, 105, 108 (zur entsprechenden Problematik bei der GmbH). 109 Schäffler, BB-Special 9, 2006, 1, 10. 110 Schäffler, BB-Special 9, 2006, 1, 9.

§ 8 Ergebnis Kapitel 2

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gängen hatte, schwer zu führen sein. Entscheidend ist jedoch, dass das Institut des Missbrauchs der Vertretungsmacht bei Finanzierungsgeschäften im Rahmen einer fremdfinanzierten Übernahme an aktienrechtliche Sorgfaltspflichten des Vorstands anknüpft111. Diese liegen in Buyoutfällen insbesondere in der Einhaltung der kapitalschützenden Vorschriften § 57 AktG und § 71a AktG. Ein Verstoß gegen die aktienrechtlichen Kapitalschutzregelungen ist mithin Voraussetzung für das Eingreifen des Missbrauchs der Vertretungsmacht. Das aktienrechtliche Kapitalschutzsystem wird somit durch dieses allgemein zivilrechtliche Institut ergänzt und nicht ersetzt.

§ 8 Ergebnis Kapitel 2 Regelungen aus unterschiedlichen Gebieten werden angeführt, um die Auffassung zu belegen, die aktienrechtlichen Kapitalschutzregeln beim Leveraged Buyout seien nahezu funktionslos. Grob kann man die zum Beleg angeführten Regelungen in zwei Gruppen einteilen: Vertragliche Absicherung, Publizitätspflichten, Finanzanalysen, Insolvenzanfechtung sowie allgemeine bürgerlich-rechtliche Regelungen sollen das System der aktienrechtlichen Kapitalerhaltung weitgehend im Sinne einer Funktionsäquivalenz ersetzen. Hingegen werden steuerrechtliche Vorschriften und vereinzelt Regelungen aus dem Gebiet des Bankenaufsichtrecht und des WpÜG angeführt, um zu zeigen, dass schon nach diesen Vorschriften die für (Alt-)Gläubiger und Minderheitsaktionäre risikoreichen Übernahmen mit einem hohen Anteil an Fremdkapital de facto ausgeschlossen sind. Beide Annahmen haben sich nicht bestätigt. So kann der Schutz verhandlungsschwacher Gläubiger nicht ihrer Eigeninitiative überlassen werden – weder durch vertragliche Regelungen noch durch das Einholen von Information. Die Insolvenzanfechtung kommt zwar auch den Kleingläubigern zugute, bietet aber aufgrund der strengen Voraussetzungen und der ex postWirkung nur einen begrenzten Schutz. Das allgemeine Zivilrecht bietet nur einen Grundschutz für gröbste Missbrauchsfälle. Im Übrigen können die untersuchten Regelungen – allen voran § 8a KStG – zwar die Durchführung von Leveraged Buyouts erschweren, jedoch nicht verhindern. Damit stellt sich in den folgenden Kapiteln die Frage, inwieweit das aktienrechtliche Kapitalschutzsystem den Risiken und Chancen der fremdfinanzierten Übernahme angemessen begegnet.

111

Vgl. Lutter/Wahlers, AG 1989, 1, 11 f.

Kapitel 3

Das aktienrechtliche Kapitalschutzsystem bei fremdfinanzierter Übernahme Bei der Erörterung der Frage, inwieweit das Aktienrecht verhindert, dass Vermögen der Zielgesellschaft zur Finanzierung der eigenen Übernahme eingesetzt wird, stehen mit § 57 AktG und § 71a AktG zwei Normen im Mittelpunkt, die eine unterschiedliche Vergangenheit aufweisen. Das Verbot der Einlagenrückgewähr in § 57 AktG hat im deutschen Aktienrecht eine lange Tradition und gilt als zentrale Regelung des Kapitalschutzes1. Schon gegen Ende des 19. Jahrhunderts gab es im ADHGB2 und später im HGB von 18973 Vorläufernormen der heutigen Regelung. Der aktuelle Tatbestand des § 57 AktG entspricht weitgehend der Regelung des Aktiengesetzes von 19374. Im Vergleich hierzu ist § 71a Abs. 1 S. 1 AktG eine Vorschrift der jüngeren aktienrechtlichen Geschichte, die im Gegensatz zu § 57 AktG in den knapp 30 Jahren ihrer Existenz in der Rechtsprechung kaum eine Rolle spielte5. Sie geht auf Art. 23 Abs. 1 der zweiten gesellschaftsrechtlichen Richtlinie (Kapitalrichtlinie) vom Dezember 1976 zurück und ist erst seit Juli 1979 im deutschen Aktiengesetz verankert6. Zu den „materiell bedeutsamen“ Änderungen des Aktienrechts wurde die Vorschrift bei ihrer Einführung nicht gezählt7. 1

Bayer, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 57 Rn. 1. Art. 216, 217 ADHGB in der Fassung vom 11.6.1870. 3 Art. 213 HGB 1897. 4 §§ 52, 54 AktG 1937. 5 Nur selten und vermehrt nur in der jüngeren Vergangenheit war § 71a Abs. 1 S. 1 AktG Gegenstand von Urteilen: BGH, Urteil vom 13.11.2007 – XI ZR 294/07, AG 2008, 120 ff.; BGH, Urteil vom 12.9.2006 – XI ZR 296/05, ZIP 2006, 2119 ff.; OLG München, Urteil vom 24.1.2006 – 5 U 4383/05, juris Rn. 1 ff.; LG Düsseldorf, Urteil vom 28.10.2005 – 39 O 180/04, DB 2005, 2512 ff.; LG Mainz, Urteil vom 27.8.2004 – 11 HKO 16/04, NZG 2005, 325; OLG Frankfurt a. M., Beschluss vom 22.12.2003 – 19 U 78/03, AG 2004, 567 f.; OLG Frankfurt a. M., Urteil vom 30.1.1992 – 16 U 120/90, AG 1992, 194 ff.; LG Mainz, Urteil vom 18.9.1986 – 12 HO 53/85, AG 1997, 91 ff.; OLG Hamburg, Zwischenurteil vom 30.3.2007 – 11 U 231/04, AG 2007, 870–873 (bzgl. Tatbestand). 6 Art. 1 Nr. 15 des Gesetzes zur Durchführung der Zweiten Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften zur Koordinierung des Gesellschaftsrecht vom 13.12.1978. Gemäß Art. 5 trat das Gesetz am 1. Juli 1979 in Kraft. 2

Kap. 3: Das aktienrechtliche Kapitalschutzsystem

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Gemeinsam ist beiden Regelungen, dass ihr jeweiliger Wortlaut Unklarheiten enthält. Dies hat zur Folge, dass trotz ihrer wenigstens jahrzehntelangen Präsenz im deutschen Aktiengesetz die Reichweite der Normen noch nicht abschließend geklärt ist8. Es kann daher nicht verwundern, dass die als „Novemberurteil“ bekannte Entscheidung des BGH vom 24.11.20039, in der das Gericht die Gewährung eines Darlehens aus gebundenem Vermögen dem Kapitalerhaltungsgebot des § 30 Abs. 1 GmbHG unterworfen hat, auch neue Diskussionen bezüglich des Schutzniveaus des § 57 AktG auch im Hinblick auf die Akquisitionsfinanzierung ausgelöst hat10. Im Zuge dieses Urteils wurde dann, neben § 30 GmbHG, auch § 57 AktG durch das Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) geändert11. Unabhängig davon wurde Art. 23 Abs. 1 der Kapitalrichtlinie, auf den § 71a AktG zurückgeht, ebenfalls reformiert. Diese Neuerungen mit den hierbei erfolgten Äußerungen des Gesetz- bzw. Richtliniengebers sind maßgeblich zur Klärung der Reichweite beider Vorschriften heranzuziehen. Interessant ist des Weiteren das noch ungeklärte Verhältnis der beiden Vorschriften zueinander, zumal sowohl bei § 57 Abs. 1 und 3 AktG als auch bei § 71a Abs. 1 S. 1 AktG Streit über die jeweilige Rechtsfolge herrscht. Die folgende Untersuchung wendet sich zunächst § 57 Abs. 1 und 3 AktG zu, um herauszuarbeiten, ob und inwieweit bereits diese zentrale Vorschrift der aktienrechtlichen Kapitalerhaltung den Gefahren fremdfinanzierter Übernahmen begegnet. Dies ist gerade vor dem Hintergrund von Interesse, dass in Teilen der Literatur § 71a Abs. 1 S. 1 AktG neben § 57 Abs. 1 und 3 AktG weitgehend als funktionslos und überflüssig angesehen wird12.

7

Begr. RegE., BT-Drucks. 8/1678, S. 10. Zu Recht bezeichnet Merkt, in: Großkommentar zum AktG, § 71a Rn. 11 diese Vorschrift auch heute noch als „terra incognita“, wie schon Fleischer, AG 1996, 494 gut zehn Jahre zuvor. 9 BGH, Urteil vom 24.11.2003 – II ZR 171/01, BGHZ 157, 72 = NJW 2004, 1111. 10 Vgl. etwa Weitnauer, ZIP 2005, 790 ff.; Stein, DZWiR 2004, 493 ff.; Seidel, DStR 2004, 1130, 1131 f.; Wessels, ZIP 2004, 793, 794; Habersack/Schürnbrand, NZG 2004, 689, 690. 11 Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) vom 23. Oktober 2008, BGBl. Teil I 2008, 2026, 2035. 12 Habersack, in: FS Röhricht, S. 155, 166; Freitag, AG 2007, 157, 162 f. jeweils vor Einführung des neuen § 57 Abs. 1 S. 3 AktG. 8

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Kap. 3: Das aktienrechtliche Kapitalschutzsystem

§ 1 Kapitalschutz nach § 57 Abs. 1 und 3 AktG A. Reichweite des § 57 Abs. 1 und 3 AktG Gemäß § 57 Abs. 1 S. 1 AktG „[dürfen] den Aktionären die Einlagen nicht zurückgewährt werden“. Absatz 3 bestimmt, dass „vor Auflösung der Gesellschaft unter die Aktionäre nur der Bilanzgewinn verteilt werden [darf]“. Um die Reichweite dieser Ausschüttungsverbote bestimmen zu können, bedarf es zunächst eines kurzen Überblicks über die Kapitalstruktur der Aktiengesellschaft. I. Die Kapitalstruktur der Aktiengesellschaft 1. Eigen- und Fremdkapital in der Bilanz

Das Gesellschaftsvermögen wird in der Bilanz abgebildet, die § 242 Abs. 1 S. 1 HGB als einen Abschluss definiert, der das Verhältnis des Vermögens und der Schulden der Gesellschaft darstellt. Zur Erstellung der Bilanz ist jeder Kaufmann am Schluss eines Geschäftsjahres verpflichtet. Für Aktiengesellschaften gelten hierfür die auf §§ 238 ff. HGB aufbauenden Spezialvorschriften der §§ 264 ff. HGB. Auf der Aktivseite der Bilanz erscheinen nach § 266 Abs. 2 HGB im Wesentlichen die Vermögenswerte der Gesellschaft, aufgeteilt nach dauerndem Anlagevermögen und Umlaufvermögen. Dies gibt Aufschluss über die Mittelverwendung der Aktiengesellschaft13. Aus Sicht der Kapitalerhaltung interessant ist die in § 266 Abs. 3 HGB geregelte Passivseite. Dort wird die Herkunft der Mittel aufgeschlüsselt14. Grundlegend ist hierbei der Unterschied zwischen Eigenkapital (A.) und Verbindlichkeiten (C.)15. Während das Eigenkapital mittelbar über den Anteil an der Gesellschaft den Aktionären zuzuordnen ist, spiegeln die Verbindlichkeiten den Anteil der Gesellschaftsgläubiger am Gesellschaftsvermögen wider. Zusammen mit den Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten und für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften gemäß § 249 Abs. 1 HGB bilden sie das Fremdkapital der Gesellschaft16.

13

Hüffer, in: Großkommentar Bilanzrecht, § 242 Rn. 7. Hüffer, in: Großkommentar Bilanzrecht, § 242 Rn. 7. 15 Die unter (B.) auszuweisenden Rückstellungen, die je nach ihrer Art Eigenoder Fremdkapitalcharakter haben, spielen für die vorliegende Untersuchung keine Rolle. 16 Vgl. Bezzenberger, Das Kapital der Aktiengesellschaft, S. 14, dort auch Fn. 15 mit Hinweis auf § 253 Abs. 1 S. 2 HGB. 14

§ 1 Kapitalschutz nach § 57 Abs. 1 und 3 AktG

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a) Grundkapital Das Eigenkapital ist wiederum in verschiedene Schichten unterteilt. Zunächst wird in § 266 Abs. 3 HGB unter A. I. das „gezeichnete Kapital“ angeführt. Der Begriff ist schwer zu verstehen, wenn man hierfür die Definition des § 272 Abs. 1 S. 1 HGB zu Rate zieht. Denn jener bezeichnet darunter „das Kapital, auf das die Haftung der Gesellschafter für die Verbindlichkeiten der Kapitalgesellschaft gegenüber den Gläubigern beschränkt ist“. Diese Definition passt aus zwei Gründen nicht. So wird in der Literatur zu Recht darauf hingewiesen, dass es eine Haftung der Gesellschafter gegenüber den Gläubigern in der Aktiengesellschaft wegen § 1 Abs. 2 AktG nicht gibt17. Aber auch wenn man die Definition dahingehend interpretiert, dass darunter die Vermögenswerte fallen, die die Aktionäre als haftende Einlage in die Gesellschaft einbringen, trifft sie nicht den Punkt. Denn gemeint ist in § 266 Abs. 3 HGB nicht das gesamte investierte haftende Eigenkapital der Aktionäre, sondern es wird nur, wie § 283 HGB klarstellt, der Nennbetrag in der Bilanz angesetzt. Damit entspricht es, wie auch § 152 Abs. 1 S. 1 AktG ausdrücklich betont, dem Grundkapital der Aktiengesellschaft18. Darunter versteht man den Kapitalbetrag, der bei Gründung der Aktiengesellschaft mindestens aufzubringen ist19. Dieser berechnet sich bei Nennbetragsaktien aus der Summe aller Aktiennennbeträge20. Die Höhe des Grundkapitals ist nach § 23 Abs. 3 Nr. 3 AktG in der Satzung zu bestimmen sowie nach § 39 AktG ins Handelsregister einzutragen. Dabei muss es gemäß den §§ 6, 7 AktG mindestens einen Nennbetrag von fünfzigtausend Euro aufweisen. Auch bei Verlusten der Gesellschaft bleibt auf der Passivseite der Betrag des Grund17 Hüttermann, in: Großkommentar Bilanzrecht, § 272 Rn. 5; Beater, in: Münchener Kommentar zum HGB, § 272 Rn. 6; Koller/Roth/Morck, HGB; § 272 Rn. 2, der die Definition als „schlichtweg falsch“ bezeichnet. Der Fehler erinnert an die Parallelproblematik beim Begriff der GmbH, der ja auch insoweit missverständlich ist, dass die Gesellschaft gerade unbeschränkt haftet. 18 Früher wurde es auch in der Bilanz als „Grundkapital“ ausgewiesen. Der neue Begriff des „gezeichneten Kapitals“ soll dabei keine inhaltliche Änderung bringen, sondern im Interesse der besseren Lesbarkeit des Jahresabschlusses gerade für Ausländer verdeutlichen, dass es sich dabei nicht notwendig um einbezahltes Kapital handelt, vgl. BT-Drucks. 10/317, S. 82; Merkt, in: Baumbach/Hopt, HGB, § 272 Rn. 1; Hüttermann, in: Großkommentar Bilanzrecht, § 272 Rn. 6; Beater, in: Münchener Kommentar zum HGB, § 272 Rn. 4; Fröschle/Hoffmann, in: Bilanz-Kommentar, § 272 Rn. 4. 19 Kübler/Assmann, Gesellschaftsrecht, § 14 I. 2. b) (S. 157). 20 Bei Stückaktien besteht ein entsprechender „virtueller Nennbetrag“, wenn man den Grundkapitalsbetrag durch die Anzahl der Aktien teilt. Bei einem Grundkapital von 50.000 Euro und 5.000 Aktien beträgt der „virtuelle Nennbetrag“ also 10 Euro, vgl. §§ 8 Abs. 3, 4 Var. 2; 9 Abs. 1.

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Kap. 3: Das aktienrechtliche Kapitalschutzsystem

kapitals mit der in der Satzung festgelegten Höhe bestehen. Sinkt also das auf der Aktivseite bilanzierte Reinvermögen unter den Wert des Grundkapitals, muss die Gesellschaft auf der Passivseite, um die Bilanz ausgeglichen zu halten, einen entsprechenden Verlustvortrag ausweisen21. Damit bildet das Grundkapital die Vermögensbasis, die in der Aktiengesellschaft mindestens vorliegen muss22. b) Kapital- und Gewinnrücklage Übersteigt das Eigenkapital der Gesellschaft das bilanzierte Grundkapital, wird dies in der Bilanz unter § 266 Abs. 3 A. II. und III. HGB als Rücklage aufgeführt. Dabei besteht ein grundlegender Unterschied zwischen der Kapitalrücklage (II.) und den Gewinnrücklagen (III.). Unter dem Posten „Kapitalrücklage“ sind gemäß § 272 Abs. 2 Nr. 1 HGB in erster Linie23 die Beträge auszuweisen, die die Aktionäre über das Grundkapital hinaus bei der Aktienausgabe an die Gesellschaft leisten (sog. Aufgeld oder Agio). Werden beispielsweise 5.000 Aktien mit einem Nennbetrag von 10 Euro zu einem Ausgabepreis von 30 Euro je Aktie ausgeben, beträgt das Grundkapital 50.000 Euro, während die weiteren 100.000 Euro als Aufgeld in der Bilanz unter dem Posten „Kapitalrücklage“ verbucht werden. Grundkapital und Aufgeld bilden damit den Vermögenspool ab, in dem sich das Kapital sammelt, das die Aktionäre zur Erlangung der Aktien an die Gesellschaft geleistet haben. Diese Gegenleistung der Aktionäre, die dem Ausgabebetrag der Aktie entspricht, wird, wie aus § 54 AktG zu entnehmen ist, als Einlage bezeichnet24. Der Unterschied zwischen Grundkapital und Aufgeld besteht darin, dass die Aufgelder in der Bilanz nicht eine unabänderliche Größe darstellen und daher zum Ausgleich für Verluste verwendet werden können (vgl. §§ 150 Abs. 3, 4 AktG). Sie müssen also im Gegensatz zum Grundkapital grundsätzlich nicht durch spätere Gewinne wieder aufgefüllt werden25. 21 Bezzenberger, Das Kapital der Aktiengesellschaft, S. 19 mit anschaulichem Beispiel. 22 Vgl. Hüffer, AktG § 1 Rn. 10. 23 Die unter § 272 Abs. 2 Nr. 2–4 HGB aufgeführten kleinere Posten der Kapitaleinlage können für die vorliegende Untersuchung vernachlässigt werden. Speziellen Regelungen unterliegen die freiwilligen Zahlungen der Aktionäre nach § 272 Abs. 2 Nr. 4, die nicht von § 150 AktG erfasst werden und daher nicht einer vergleichbaren Bindung wie die Einlageaufgelder unterliegen. 24 Die Einlagepflicht umschreibt schon anschaulich Art. 219 ADHGB: „Der Aktionär ist nicht schuldig, zu den Zwecken der Gesellschaft und zur Erfüllung ihrer Verbindlichkeiten mehr beizutragen, als den für die Aktie statutenmäßig zu leistenden Betrag“.

§ 1 Kapitalschutz nach § 57 Abs. 1 und 3 AktG

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Davon zu unterscheiden ist das Kapital, das durch die Geschäfte der Aktiengesellschaft erwirtschaftet wurde. In der Bilanz ist dies neben dem gesondert ausgewiesenen Jahresüberschuss unter § 266 Abs. 3 A. III. HGB (Unterpunkt: „andere Gewinnrücklagen“) vermerkt. Diese klare Trennung zwischen Einlagen auf der einen Seite und Gewinn auf der anderen Seite wird allerdings durch das Aktienrecht verkompliziert, da unter den Voraussetzungen des § 150 AktG ein Teil des Jahresüberschusses in eine gesetzliche Rücklage fließt. Diese fungiert als Puffer, um zu verhindern, dass bei schlechter Geschäftslage das Gesellschaftsvermögen sofort unter den Betrag des Grundkapitals absinkt26. In der Bilanz wird dieser Teil des Gewinnes zwar nach § 266 Abs. 3 A. III. unter Gewinnrücklagen (Unterpunkt: gesetzliche Rücklagen) aufgeführt, nach § 150 AktG folgen die gesetzlichen Rücklagen jedoch den gleichen Regeln wie die Kapitalrücklagen. Wirtschaftlich gesehen spielen die gesetzlichen Gewinnrücklagen allerdings kaum eine Rolle, da sie gemäß § 150 Abs. 2 AktG nur so lange gebildet werden müssen, bis sie zusammen mit den Kapitalrücklagen zehn Prozent des Grundkapitals ausmachen. Gerade größere Aktiengesellschaften erreichen diesen Wert schon durch die Aufgelder bei der Emission, so dass überhaupt keine Gelder in eine gesetzliche Gewinnrücklage fließen. Es wundert daher nicht, dass die gesetzliche Gewinnrücklage in der durchschnittlichen Kapitalstruktur einer Aktiengesellschaft nur sehr geringen Anteil ausmacht27. Sie ist für die folgende Untersuchung zu vernachlässigen. Wenn also hier von Gewinnrücklagen die Rede ist, ist damit der nach § 266 Abs. 3 A. III. HGB unter dem Unterpunkt „andere Gewinnrücklagen“ bilanzierte sogenannte „ausschüttungsfähige“, „freie“ oder „verteilbare“ Gewinn gemeint.

25

Vgl. Kropff, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 150 Rn. 5 zur Parallelproblematik der gesetzlichen Rücklagen, die nach § 150 AktG insoweit den gleichen Regeln unterfallen; Bezzenberger, Das Kapital der Aktiengesellschaft, S. 22. 26 Kübler/Assmann, Gesellschaftsrecht, § 16 II 1. a) (S. 241); Henze, NZG 2005, 115, 119. 27 Vgl. die Zahlen bei Bezzenberger, Das Kapital der Aktiengesellschaft, S. 65, 67 auf der Grundlage des Handbuch der deutschen Aktiengesellschaft, Jahrgang 1995/1996. Demnach machen gesamtstatistisch die gesetzlichen Gewinnrücklagen nur knapp 3 Prozent aller Gewinnrücklagen aus, was einem Anteil von 0,26 Prozent des Gesamtkapitals entspricht, vgl. auch Kropff, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 150 Rn. 6, der auch die Bedeutung der „gesetzlichen Rücklagen“ für den Kapitalschutz in Frage stellt.

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Kap. 3: Das aktienrechtliche Kapitalschutzsystem 2. Zwischenergebnis

Damit ergibt sich, leicht vereinfacht, folgende Kapitalstruktur einer Aktiengesellschaft, die in der Bilanz ablesbar ist28, wenn auch nicht in der hier dargestellten Reihenfolge29: Außer Reichweite der Aktionäre ist das den Gläubigern zuzuordnende Fremdkapital. Demgegenüber ist das Eigenkapital der Gesellschaft mittelbar über ihre Anteile den Aktionären zuzurechnen. Dabei kann man es in verschiedene Schichten einteilen, je nachdem wie fest es in der Gesellschaft verankert ist30. In weitester Distanz von dem Zugriff der Aktionäre ist das in der Bilanz als „gezeichnetes Kapital“ aufgeführte Grundkapital, gefolgt von den Kapitalrücklagen, die in erster Linie das Einlageaufgeld enthalten und die zusammen mit den hier zu vernachlässigenden gesetzlichen Rücklagen der Bindung des § 150 AktG unterliegen (sog. gebundene Rücklagen). Von diesen beiden Posten, die aus der Einlage der Aktionäre hervorgegangen sind, ist der erwirtschaftete Gewinn der Gesellschaft zu unterscheiden, der außer im gesondert aufgeführten Jahresüberschuss in den „anderen Gewinnrücklagen“ der Bilanz ausgewiesen ist und den Aktionären im übertragenen Sinne am nächsten steht. II. Das Einlagenrückgewährverbot des § 57 Abs. 1 S. 1 AktG Betrachtet man vor diesem Hintergrund das Ausschüttungsverbot des § 57 Abs. 1 S. 1 AktG, nach dem Einlagen nicht an die Aktionäre ausgeschüttet werden dürfen, scheint dessen Reichweite auf der Hand zu liegen. Denn unter den Begriff der Einlage, wie er auch in § 54 Abs. 1 AktG verwendet wird, fällt dasjenige, was der Aktionär für die Übernahme oder Zeichnung der Aktie an die Gesellschaft geleistet hat, also im Wesentlichen Grundkapital und Aufgeld31. Dies entspricht in der Bilanz dem „gezeichneten Kapital“ und dem wesentlichen Teil der „Kapitalrücklage“32. 28 Nicht in der Bilanz verzeichnet sind die sogenannten „stillen Reserven“, die dadurch entstehen, dass der bilanzierte Buchwert niedriger liegt, als der tatsächliche wirtschaftliche Wert. 29 In der Bilanz wird das Kapital insbesondere auf der Aktivseite aber auch auf der Passivseite nach Bindungsdauer untergliedert, daher die Reihenfolge Grundkapital, Rücklagen, Fremdkapital, vgl. Koller/Roth/Morck, HGB, § 266 Rn. 2. 30 Vgl. Bezzenberger, Das Kapital der Aktiengesellschaft, S. 24 mit Darstellung. 31 So schon Ballerstedt, Kapital, Gewinn und Ausschüttungen bei Kapitalgesellschaften, S. 122; Barz, in: Großkommentar zum AktG, 3. Aufl., § 57 Anm. 2. Hinzu kommen noch weitere für die Untersuchung jedoch zu vernachlässigende Posten wie etwas freiwillige Zahlungen z. B. um den Umtausch von Stammaktien in Vorzugsaktien zu erreichen, vgl. Geßler/Käpplinger, Aktiengesetz, § 57 Rn. 3.

§ 1 Kapitalschutz nach § 57 Abs. 1 und 3 AktG

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1. Das Einlagenrückgewährverbot als umfassende Vermögensbindung

Trotz des klaren Wortlauts zieht die Rechtsprechung und der überwiegende Teil der Literatur den Anwendungsbereich des § 57 Abs. 1 S. 1 AktG weiter. So sei § 57 Abs. 1 S. 1 AktG entgegen dem „mißverständlichen Gesetzeswortlaut dahin auszulegen, daß die Gesellschaft dem Aktionär keine auf seine Gesellschafterstellung beruhende Leistung erbringen darf, auf die ihm das AktG keinen Anspruch gewährt“33. „Einlagen“ dürften in § 57 Abs. 1 S. 1 AktG nicht i. S. d. § 54 Abs. 1 AktG als Einlageschuld der Aktionäre verstanden werden. Vielmehr fiele darunter alles, was keine Ausschüttung von Bilanzgewinn ist, also auch das, was die Gesellschaft aus den Einlagen gemacht hat34. Dagegen wird § 57 Abs. 3 AktG, der bestimmt, dass unter den Aktionären nur der Bilanzgewinn verteilt werden darf, zumeist keine eigenständige Bedeutung zugewiesen. Inhaltlich regele Absatz 3 nichts, was über dessen Absatz 1 hinausginge35. Bestenfalls bestätige Absatz 3 als anders gefasste Wiederholung die in § 57 Abs. 1 S. 1 AktG verankerte Bindung des gesamten Vermögens der Aktiengesellschaft36. Zwar wird allenthalben erkannt, dass der Wortlaut „Einlagen“ die vollständige Bindung des Vermögens nur „unvollkommen“, „irreführend“ „verfehlt“ „mehrfach missverständlich“ „wenig geglückt“ und „höchst unzureichend“ wiedergibt37. Jedoch belässt es die herrschende Ansicht bei dieser Feststel32 Das Verbot der Ausschüttung von Fremdkapital ist nicht gesetzlich geregelt, wird aber von § 57 Abs. 1 AktG vorausgesetzt, da die dort geregelte Bindung von Eigenkapital denknotwendig zunächst die Deckung des Fremdkapitals voraussetzt, Bezzenberger, Das Kapital der Aktiengesellschaft, S. 18. 33 BGH, Urteil vom 14.5.1992 – II ZR 299/90, AG 92, 317 unter Verweis auf Barz, in: Großkommentar zum AktG, 3. Aufl., § 57 Rn. 3; Hefermehl/Bungeroth, in: Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, AktG, § 57 Rn. 4 f.; Lutter, in: Kölner Kommentar zum AktG, 2. Aufl., § 57 Rn. 5, 8. 34 RG, Urteil vom 20.2.1923 – II 36/22, RGZ 107, 161, 168; OLG Hamburg, Urteil vom 23.5.1980 – 11 U 117/79, AG 1980, 275, 278; Bayer, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 57 Rn. 7; Lutter, in: Kölner Kommentar zum AktG, 2. Aufl., § 57 Rn. 5 f.; Henze, in: Großkommentar zum AktG, § 57 Rn. 8 f.; Hüffer, AktG, § 57a Rn. 2; Wiesner, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, § 16 Rn. 1, 42. 35 Henze, in: Großkommentar zum AktG, § 57 Rn. 181; Hüffer, AktG, § 57 Rn. 22; in diesem Sinne auch die Forderung, § 58 Abs. 5 a. F., die Vorgängernorm des § 57 Abs. 3 AktG, zu streichen, da sie nur wiederhole, was schon § 57 Abs. 1 S. 1 aussagt, vgl. BT-Drucks 12/6721, S. 8. 36 Fleischer, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 57 Rn. 44; Hüffer, AktG, § 57 Rn. 22; Wiesner, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, § 16 Rn. 1; Drinhausen, in: Heidel, AktG, § 57 Rn. 29; vgl. auch Mülbert, in: FS Lutter, S. 535, 536. 37 Vgl. BGH, Urteil vom 14.5.1992 – II ZR 299/90, AG 92, 317; Bayer, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 57 Rn. 7; Cahn/Senger, in: Spindler/Stilz,

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Kap. 3: Das aktienrechtliche Kapitalschutzsystem

lung und betont dagegen, dass bezüglich der Verankerung der umfassenden Vermögensbildung in § 57 Abs. 1 S. 1 AktG heute Einigkeit bestehe38. Wie man vom Wortlaut des § 57 Abs. 1 S. 1 AktG rechtstechnisch auf eine vollständige Bindung des Vermögens kommt, bleibt dabei im Dunkeln. Es wird darauf verwiesen, dass das Ausschüttungsverbot nur historisch erklärt werden könne und nicht wörtlich, sondern wertmäßig genommen werden dürfe39. Dabei sei die Bindung des gesamten Vermögens – entgegen dem Wortlaut – aus dem Sinn und Zweck der Vorschrift herauszulesen40. Teilweise wird auch der Zweck von Art. 57 Abs. 1 S. 1 AktG in der „Erhaltung des Grundkapitals“ gesehen und dennoch eine vollumfängliche Vermögensbindung angenommen41. Die Rechtsprechung sieht in der Annahme einer umfassenden Vermögensbildung eine Auslegung des missverständlichen Wortlauts42. Methodisch etwas deutlicher wird davon gesprochen, dass das Verbot der Einlagenrückgewähr über den eigentlichen Wortlaut hinaus „weit“ aufzufassen sei43. 2. Kritik

a) Keine umfassende Vermögensbindung durch Auslegung des § 57 Abs. 1 S. 1 AktG Im Wege der Wortlautauslegung des § 57 Abs. 1 S. 1 AktG zu einer umfassenden Vermögensbindung der Aktiengesellschaft zu kommen, erscheint problematisch. Nach der juristischen Methodenlehre bedeutet Auslegung die Darlegung des im Gesetzestext beschlossenen, aber noch verhüllten Sinnes44. Dabei soll einerseits der Ausleger nur den Text selbst zum Sprechen bringen, ohne etwas hinzuzufügen oder wegzulassen45, andererseits kann der vom Gesetzgeber gemeinte und gewollte Sinn und Zweck einbezogen werden46. Damit besteht heute – abgesehen von Nuancen – weitAktG, § 57 Rn. 14; Hüffer, AktG,§ 57 Rn. 2; Henze, in: Großkommentar zum AktG, § 57 Rn. 8; Lutter, in: Kölner Kommentar zum AktG, 2. Aufl., § 57 Rn. 5 f.; ders., in: FS Stiefel, S. 505, 526 insbesondere Fn. 60; Bommert, Verdeckte Vermögensverlagerungen im Aktienrecht, S. 54. 38 Bayer, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 57 Rn. 7. 39 Lutter, in: FS Stiefel, S. 505, 526 Fn. 60 m. w. N. 40 Bungeroth, in: Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, AktG, § 57 Rn. 4, 5 m. w. N. 41 Ludwig, in: FG Happ, S. 131, 140. 42 BGH, Urteil vom 14.5.1992 – II ZR 299/90, AG 92, 317. 43 Wiesner, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, § 16 Rn. 1. 44 Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 134. 45 Ebd. 46 Säcker, in: Münchener Kommentar zum BGB, Einleitung Rn. 130.

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gehend Einigkeit über die vier Auslegungskriterien Wortsinn, Systematik, historischer Wille des Gesetzgebers und teleologische Interpretation. Dies kann als Kompromiss zwischen der „objektiven Theorie“, die als Ziel der Auslegung die Erschließung des dem Gesetz selbst innewohnenden Sinnes sieht, und der „subjektiven Theorie“, die den historisch-psychologischen Willen des Gesetzgebers für maßgeblich hält, aufgefasst werden47. Dabei bestimmt der Wortsinn Ausgangspunkt und Grenze der Auslegung. Was jenseits des möglichen Wortsinns ist, kann auch nicht bei weitester Auslegung unter Berücksichtigung des Sinn und Zwecks und der historischen Intention des Gesetzgebers als Inhalt des Gesetzes gelten48. Denn Auslegung bedeutet Interpretation des Gesetzestextes, nicht jedoch dessen Ergänzung49. Die Lückenfüllung über den Wortlaut hinaus ist hingegen methodisch der richterlichen Rechtsfortbildung (im engen Sinne50) zuzuordnen51. Dabei bezeichnet man sie, wenn sie noch im Rahmen des ursprünglichen Plans, also der Teleologie des Gesetzes selbst, stattfindet, als geset47 Vgl. hierzu ausführlich Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 32 ff., 316. 48 Canaris, Die Feststellung von Lücken im Gesetz, S. 19 ff.; Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 164; vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 8.2.1983 – 1 BvL 20/81, BVerfGE 63, 131, 148; BVerfG, Beschluss vom 22.10.1985 – 1 BvL. 44/83, BVerfGE 71, 81, 105; Gsell, in: Staudinger, Eckpfeiler des Zivilrechts, S. 30; ausführlich Klatt, Theorie der Wortlautgrenze, S. 19 ff.; a. A. Säcker, in: Münchener Kommentar zum BGB, Einleitung Rn. 117, der im möglichen Wortsinn keine unübersteigbare Schranke der Auslegung sieht. 49 Vgl. ausführlich Canaris, Die Feststellung von Lücken im Gesetz, S. 19 ff.; a. A. etwa Sax, Analogieverbot, S. 87 f., der eine Analogie für die strengeren strafrechtlichen Tatbestände erst annimmt, wenn dem Gesetz keine andere Wertung zu entnehmen ist. Hiergegen spricht jedoch entscheidend, dass sich nur im Gesetzestext die Autorität des Gesetzgebers widerspiegelt und daher eine Ergänzung nur unter den strengen Voraussetzungen der Analogie zu befürworten ist, vgl. Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 243 f. Vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 11.06.1980 – 1 PBvU 1/79, BVerfGE 54, 277, 299 (Rn. 64), wonach „im Wege der Auslegung einem nach Wortlaut und Sinn eindeutigen Gesetz nicht ein entgegengesetzter Sinn verliehen, der normative Gehalt der auszulegenden Norm nicht grundlegend neu bestimmt, das gesetzgeberische Ziel nicht in einem wesentlichen Punkt verfehlt werden [darf].“ 50 Teilweise wird von der richterlichen Rechtsfortbildung im hier verstandenen engen Sinne (Abgrenzung zur bloßen Auslegung) die richterliche Rechtsfortbildung im weiten Sinne unterschieden, die unabhängig davon, ob es sich um Gesetzesauslegung oder Lückenfüllung im Wege der Analogie handelt, alle Urteile des BGH erfasst, die als Grundsatzentscheidung in die amtliche Sammlung aufgenommen wurden, vgl. Ulmer, in: Bayer/Habersack, Aktienrecht im Wandel, Bd. II, 113, 116 f. (Rn. 6 f.) m. w. N. Die richterliche Rechtsfortbildung im engen Sinne fasst Ulmer aus Darstellungsgründen allerdings noch enger, indem er nur die gesetzesübersteigende Rechtsprechung und nicht die Analogienbildung darunter subsumiert. 51 Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 191.

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Kap. 3: Das aktienrechtliche Kapitalschutzsystem

zesimmanente Rechtsfortbildung52. Hier sind als wichtigste Mittel der Erweiterung eines Tatbestandes die Analogie und die teleologische Extension zu nennen53. Legt man dies zugrunde, kann es sich bei der Erstreckung des Wortes „Einlagen“ in § 57 Abs. 1 S. 1 AktG auf das gesamte Vermögen der Aktiengesellschaft nicht um eine bloße Auslegung handeln, denn auch bei weitester Interpretation des Wortsinnes der „Einlagen“ fällt darunter jedenfalls nicht mehr der erwirtschaftete Gewinn der Aktiengesellschaft, der nicht von den Aktionären „eingelegt“, sondern in der Gesellschaft generiert wurde54. Dass hierbei die Grenzen des Wortlauts überschritten werden, räumen teilweise auch diejenigen ein, die die umfassende Vermögensbildung in § 57 Abs. 1. S. 1 AktG verankert sehen55. Schon ohne die Berücksichtigung des systematischen Bezugs zu § 54 Abs. 1 AktG stößt damit die Auslegung an ihre Grenzen. b) Keine umfassende Vermögensbindung im Wege richterlicher Rechtsfortbildung Somit kommt nur eine gesetzesimmanente Rechtsfortbildung in Betracht. Auszuscheiden ist hierbei eine Analogie, da es bei der Ausweitung des Anwendungsbereichs des Ausschüttungsverbots nicht darum geht, § 57 Abs. 1 S. 1 AktG auf ähnliche Sachverhalte zu erstrecken. Denn es lässt sich nicht sagen, dass die Bindung des gesamten Vermögens der Gesellschaft dem Verbot, die eingebrachten Einlagen auszuschütten, wertungsmäßig gleich steht. Eine gesetzesimmanente Rechtsfortbildung könnte hier daher nur in der Form einer teleologischen Extension56 vorliegen. Hierbei wird aufgrund der ratio der Norm ihr Tatbestand praeter verba legis erweitert, ohne dass es sich dabei um eine Analogie handelt57. Tatsächlich wird vereinzelt im 52

Ebd. Siehe hierzu ausführlich Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 370 ff. 54 Unzutreffend daher die Aussage von Lutter, in: Kölner Kommentar zum AktG, 2. Aufl., § 57 Rn. 5 „Einlage ist das ganze Vermögen der AG mit Ausnahme des förmlich festgestellten Bilanzgewinns“. 55 Westermann, in: Bürgers/Körber, AktG, § 57 Rn. 4; Wiesner, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, § 16 Rn. 1; Bungeroth, in: Geßler/Hefermehl/ Eckardt/Kropff, AktG, § 57 Rn. 5; anders wohl Lutter, in: Kölner Kommentar zum AktG, 2. Aufl., § 57 Rn. 5. 56 Siehe zum Begriff Canaris, Die Feststellung von Lücken im Gesetz, S. 89 f. 57 Fleischer, WM 2007, 909, 910; Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 216 ff. mit Beispielen; Canaris, Die Feststellung von Lücken im Gesetz, S. 90; Pawlowski, Methodenlehre für Juristen, Rn. 497 ff. 53

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Zusammenhang mit § 57 Abs. 1. S. 1 AktG die Figur der teleologischen Extension ins Spiel gebracht58. aa) Untersuchung von Sinn und Zweck des Einlagenrückgewährverbotes Voraussetzung für eine teleologische Extension des § 57 Abs. 1 S. 1 AktG ist neben einer Regelungslücke, dass Sinn und Zweck der Norm zwingend eine Ausweitung der Norm über den Wortlaut hinaus erfordern59. Demnach müsste die Verortung einer umfassenden Vermögensbindung in § 57 Abs. 1 S. 1 AktG zwingend notwendig sein, um den Zweck der Norm zu erreichen. Dies wird wie selbstverständlich von der herrschenden Ansicht angenommen, mit dem Hinweis, die Beschränkung auf die Einlagen sei „verfehlt, längst überholt und nur noch historisch zu verstehen“60, ohne jedoch den Grund hierfür zu nennen. Betrachtet man genauer Sinn und Zweck der Vorschrift und ihre geschichtliche Entwicklung, ist die Ansicht, Regelungsabsicht und immanente Teleologie würden die Ausweitung des Ausschüttungsverbotes auf das gesamte Vermögen unumgänglich machen, zumindest zweifelhaft. Unstreitig liegt die ratio des § 57 Abs. 1 S 1 AktG im Gläubigerschutz. Schon früh wurde der Gläubigerschutz durch Kapitalerhaltung als „Grundpfeiler des Aktienrechts“ bezeichnet61. Das Ausschüttungsverbot ist das Gegenstück zur Haftungsbeschränkung des § 1 Abs. 1 S. 2 AktG62. Indem das Gesetz einen Teil des Eigenkapitals dem Zugriff der Aktionäre entzieht, obwohl es wirtschaftlich ihnen gehört, gleicht es die Beschränkung des Verlustrisikos durch den Ausschluss der persönlichen Haftung aus63. Das OLG Nürnberg formuliert diese „Gegenleistung“ an58 Fleischer, WM 2007, 909, 910 bezüglich der Ausdehnung auf verdeckte Gewinnausschüttungen. 59 Vgl. Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 218. 60 Lutter, in: Kölner Kommentar zum AktG, 2. Aufl., § 57 Rn. 5; Fleischer, in: K. Schmidt/Lutter; AktG, § 57 Rn. 9. 61 RG, in: JW 1930, 3730; Flechtheim, in: Düringer/Hachenburg, Handelsgesetz, § 213 Anm. 1; Gadow, in: Großkommentar zum AktG, 1. Aufl., § 52 Anm. 1; ähnlich schon Brodmann, Aktienrecht, § 213 HGB Anm. 1a. 62 Begr. RegE. zu § 57 AktG bei Kropff, AktG, S. 73; Fleischer, in: K. Schmidt/ Lutter; AktG, § 57 Rn. 1 m. w. N.; Drinhausen, in: Heidel, AktG, § 57 Rn. 1; Gadow, in: Großkommentar zum AktG, 1. Aufl., § 52 Anm. 1.; Lutter, Sicherung der Kapitalaufbringung und Kapitalerhaltung, S. 38. 63 Allgemeine Ansicht vgl. Begr. RegE. zu § 57 AktG bei Kropff, AktG, S. 73; Urteil vom 16.3.1992 – II ZB 17/91, BGHZ 117, 323, 331 (entsprechend zur GmbH); Bayer, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 57 Rn. 1; Hüffer, AktG, § 57 Rn. 1; Henze, in: Großkommentar zum AktG, § 57 Rn. 7; Kübler/Assmann, Gesellschaftsrecht, § 14 I 2 c (S. 157 f.).

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Kap. 3: Das aktienrechtliche Kapitalschutzsystem

schaulich: „Die Gesellschafter müssen sich durch die Aufbringung und Erhaltung ihrer Kapitalbeteiligung die Haftungsbeschränkung erkaufen“64. Damit ist jedoch noch nicht gesagt, in welchem Umfang man den Gläubigern einen Haftungsfonds zubilligt. Ein Blick auf die Entwicklung des aktienrechtlichen Kapitalschutzes kann hier einen ersten Hinweis geben. (1) Historische Entwicklung Die Wurzeln des Verbots der Einlagenrückgewähr finden sich schon im Preußischen Aktiengesetz von 184365. Nach dessen § 17 Abs. 1 durfte die Gesellschaft „das statutenmäßige Grundkapital durch Rückzahlungen an die Aktionäre nicht verkleinern“. Eine wortgleiche Regelung war auch in Art. 179 Abs. 1 des Entwurfs eines Handelsgesetzbuches für Preußen von 1857 vorgesehen66. Mit Art. 216 Abs. 2 ADHGB wurde eine entsprechende Vorschrift in das Allgemeine Deutsche Handelsgesetzbuch aufgenommen67. Demnach war es den Aktionären untersagt, den eingezahlten Betrag von der Gesellschaft zurückzufordern. Inhaltlich war damit – wie im preußischen Entwurf – die Bindung des Grundkapitals gemeint68. Durch die erste Aktienrechtsnovelle 187069, bei der das Konzessionssystem zu Gunsten von Normativbestimmungen aufgehoben wurde, erfolgten weitere Präzisierungen70. Insbesondere wurde durch § 217 Abs. 1 S. 2 ADHGB ergänzt, dass die Aktionäre kein Recht auf die Auszahlung einer Dividende hatten, vor „Wiederergänzung des durch Verlust geminderten Gesamtbetrags der Einlagen“71. Die Novelle von 1884 stellte in den Artt. 185b, 239b ADHGB klar, dass auch das Aufgeld, das bei der Errichtung der Gesellschaft oder einer Kapi64 OLG Nürnberg, Urteil vom 19.4.2001 – 13 U 3405/00, NZG 2001, 943, 944 (zur GmbH). 65 Das (Preußische) Gesetz über Aktiengesellschaften vom 29.11.1843, Gesetzessammlung für die Königlichen Preußischen Staaten 1843, S. 341 ff. Vgl. zu dessen Anwendbarkeit Bayer, in: Bayer/Habersack, Aktienrecht im Wandel, Bd. II, 708, 717 (Rn. 14) insb. Fn. 37 m. w. N. Ausführlich zur gesamten Geschichte der Aktiengesellschaft: Assmann, in: Großkommentar zum AktG, Einl. Rn. 12 ff. 66 Vgl. Wilhelm, in: FS Flume, S. 337, 351. 67 Vgl. zum ADHGB 1861 Bayer, in: Bayer/Habersack, Aktienrecht im Wandel, Bd. II, 708, 719 (Rn. 18) m. w. N. 68 Vgl. Wilhelm, in: FS Flume, S. 337, 351; Bayer, in: Bayer/Habersack, Aktienrecht im Wandel, Bd. II, 708, 720 (Rn. 20). 69 Erste Aktienrechtsnovelle vom 11.6.1870, BGBl. des Norddeutschen Bundes, S. 375; vgl. hierzu Assmann, in: Großkommentar zum AktG, Einl. Rn. 79 ff. 70 Vgl. Völderndorff, Das Reichsgesetz, Art. 216, S. 523; Motive, Stenographischer Bericht über die Verhandlungen des Reichtags des Norddeutschen Bundes, I. Legislatur-Periode, Session 1970, Band 4 Anlage Nr. 158, 645, 655. 71 Vgl. Bayer, in: Bayer/Habersack, Aktienrecht im Wandel, Bd. II, 708, 725 f. (Rn. 32) m. w. N.

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talerhöhung erzielt wurde, gesetzlich gebunden war, so dass neben dem Grundkapital auch das Aufgeld unter den Begriff des „eingezahlten Betrags“ zu fassen war und nicht – wie zuvor vom Gesetzgeber angenommnen – zum ausschüttbaren Gewinn der Aktiengesellschaft zählte72. Die Regelung des Art. 216 Abs. 2 ADHGB ging 1897 in leicht veränderter Form in § 213 S. 1 Hs. 1 des neu geschaffenen Handelsgesetzbuches73 auf. Demzufolge dürften Aktionäre „ihre Einlagen nicht zurückfordern“. Die „Einlagen“ entsprachen mithin dem „einbezahlten Betrag“, eine sachliche Änderung war nicht beabsichtigt74. Bezüglich der Reichweite des § 213 S. 1 HS. 1 HGB a. F. bestand Einigkeit: „Was der Aktionär hingibt als Aequivalent für seine Mitgliedschaft, das ist Haftungsobjekt für die Gläubiger(. . .)“75. Explizit wurde auch darauf hingewiesen, dass der Begriff der „Einlagen“ in § 213 HGB S. 1 HS. 1 HGB a. F. dem des § 211 HGB a. F. entspräche76. Jener sah vor, dass die Verpflichtung des Aktionärs zur Leistung von Kapitaleinlagen durch den Nennbetrag bzw. den höheren Ausgabepreis begrenzt ist. Diese Regelung findet sich heute fast wortgleich in § 54 Abs. 1 AktG wieder. Vor diesem Hintergrund ist es schwer nachzuvollziehen, dass die herrschende Ansicht heute die Übereinstimmung der Begriffe ablehnt77. Gegenstand des Ausschüttungsverbotes in Art. 213 HGB a. F. war damit nur das von den Aktionären Geleistete, mithin Grundkapital und Aufgeld, und nicht – wie heute in § 57 Abs. 1 S. 1 AktG hineingelesen wird – das gesamte Vermögen78. Eine über die Einlage hinausgehende Vermögensbindung gab es damit nur über die Beschränkung des Verteilungsverfahrens. Entsprechend dem heutigen § 57 Abs. 3 AktG existierte schon in § 17 Abs. 2 S. 2 des preußischen AktG 184379, später in den Art. 217 Abs. 1 S. 1 HS. 2 ADHGB bzw. 72

Vgl. hierzu ausführlich Wilhelm, in: FS Flume, S. 337, 353 ff. Handelsgesetzbuch vom 10.5.1897, RGBl. I S. 213, vgl. Semler, in: Münchener Kommentar zum AktG, Einleitung Rn. 23. 74 Flechtheim, in: Düringer/Hachenburg, Handelsgesetz, § 213 Anm. 2 m. w. N.; vgl. auch Bayer, in: Bayer/Habersack, Aktienrecht im Wandel, Bd. II, 708, 733 (Rn. 55) „Die Kapitalerhaltungsvorschriften wurden keiner Neuerung unterzogen“. 75 Staub, Kommentar zum Handelsgesetzbuch, § 213 Anm. 1.; ähnlich Flechtheim, in: Düringer/Hachenburg, Handelsgesetz, § 213 Anm. 1. 76 Staub, Kommentar zum Handelsgesetzbuch, § 213 Anm. 1. 77 Vgl. für alle Henze, in: Großkommentar zum AktG, § 57 Rn. 8: „Einlage darf hier nicht i. S. d. § 54 Abs. 1 verstanden werden“. 78 Dieses Ergebnis bestätigt auch die amtliche Begründung zu § 30 des Entwurfs von 1892 zum GmbHG, RT-Aktenstück Nr. 660, S. 3729: „Es ist zwar nicht notwendig, daß, wie bei der Aktiengesellschaft, alle Beiträge, welche von den Gesellschaftern für die Zwecke der Gesellschaft zu leisten sind, zur Bildung dieses dauernd zu konservierenden Kapitals verwendet werde (. . .)“. 79 Nach § 17 Abs. 2 S. 1 AktG 1843 durfte nur der im Jahresabschluss ausgewiesene Gewinn ausgeschüttet werden, vgl. Kießling, in: Bayer/Habersack, Aktienrecht im Wandel, Bd. I, 193, 228 (Rn. 72). 73

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Kap. 3: Das aktienrechtliche Kapitalschutzsystem

§ 215 Abs. 1 HS. 2 HGB a. F.80 die von dem Verbot der Einlagenrückgewähr zu trennende Regelung81, dass nur der Reingewinn an die Aktionäre verteilt werden durfte82. Früher wie heute erfolgte die Ausschüttung über die Festsetzung des auszuschüttenden Teil des Reingewinns (heute: Bilanzgewinn) durch die Generalversammlung83, so dass auch damals eine Auszahlung des Gewinns an dem Aktionärsgremium vorbei unzulässig war. Dabei spielte im Gegensatz zu heute die Bindung des Vermögens der Aktiengesellschaft, das weder Grundkapital noch Jahresgewinn darstellte, keine große Rolle, da man Ende des 19. Jahrhunderts noch davon ausging, dass das Grundkapital weitgehend dem Vermögen der Gesellschaft entsprach84. So setzte das ADHGB von 1861 das Grundkapital mit dem Begriff des „Gesellschaftskapitals“ gleich, was auch nicht verwundert, da noch zwischen 1907 und 1919 die deutschen Aktiengesellschaften 80 Prozent des Jahresüberschusses als Dividende auszahlten85. Dies ändert jedoch nichts an der Tatsache, dass schon Ende des 19. Jahrhunderts zwischen der Bindung des Grundkapitals und des Aufgelds durch das Einlagenausschüttungsverbot auf der einen Seite und der Bindung des sonstigen Vermögens durch ein formelles Gewinnverteilungsverfahren auf der anderen Seite unterschieden wurde. 80 Vorgängerregelungen finden sich in § 17 Abs. 2 S. 2 des Preußischen Aktiengesetz von 1843 und in § 179 Abs. 2 des Entwurfs eines Preußischen Handelsgesetzes von 1857, vgl. Bayer, in: Bayer/Habersack, Aktienrecht im Wandel, Bd. II, 708, 718 f.; Wilhelm, in: FS Flume, S. 337, 351. 81 Anders Bayer, in: Bayer/Habersack, Aktienrecht im Wandel, Bd. II, 708, 752 (Rn. 109), der in dem Verbot der Einlagenrückgewähr und der Begrenzung der Ausschüttung auf den Jahresgewinn zwei Komponenten sieht, die „untrennbar miteinander verwoben sind“. 82 Vgl. hierzu Völderndorff, Das Reichsgesetz, Art. 217, S. 527 ff.; Staub, Kommentar zum Handelsgesetzbuch, § 215 mit Anmerkungen: „es darf nur dasjenige unter sie [die Aktionäre] verteilt werden, was sich nach der jährlichen Bilanz als reiner Gewinn (bzw. Reingewinn nach HGB a. F.:) ergibt“. Daneben stellte Art. 216 Abs. 2 bzw. § 213 Hs. 2 HGB a. F. klar, dass die Aktionäre nur Anspruch auf Auszahlung des Reingewinns haben, soweit er von der Verteilung nach Gesetz nicht ausgeschlossen (Fassung ADHGB) bzw. hierfür zur Verteilung bestimmt war (Fassung HGB a. F.). Diese Regelung findet sich heute in leicht veränderter Form in § 58 IV AktG wieder, der § 57 Abs. 3 konkretisiert ohne inhaltlich etwas Neues zu regeln. 83 Nach heutiger Terminologie: Hauptversammlung. Vgl. zur damaligen Regelung Straub, ADHGB, Art. 216 § 2 3. b) (S. 478); Flechtheim, in: Düringer/Hachenburg, Handelsgesetz, § 213 Anm. 19, § 215 Anm. 2 ff. Zur aktuellen Regelung Hüffer, AktG, § 174 Rn. 1 ff. Bei der Festsetzung der Dividende ist die Hauptversammlung an die regelmäßig von der Verwaltung festgestellte Jahresbilanz gebunden (§§ 174 Abs. 1 S. 1, 172, 58 Abs. 2 AktG). 84 Bezzenberger, Das Kapital der Aktiengesellschaft, S. 55. 85 Bezzenberger, S. 55 f. m. w. N.

§ 1 Kapitalschutz nach § 57 Abs. 1 und 3 AktG

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Das neue Aktiengesetz von 1937 brachte inhaltlich keine großen Änderungen. Wortgleich mit dem heutigen § 57 Abs. 1 S. 1 AktG legte dort § 52 S. 1 HS. 1 AktG 1937 als Nachfolgerregelung von § 213 S. 1 HS. 1 HGB a. F. fest, dass den Aktionären die Einlagen nicht zurückgewährt werden dürfen. Im Vergleich zur Vorgängernorm brachte die Vorschrift deutlicher zum Ausdruck, dass auch freiwillige Rückzahlungen der Einlagen durch die Gesellschaft unzulässig waren86, worüber jedoch schon bei § 213 S. 1 HS. 1 HGB a. F. Konsens herrschte87. Unter Einlagen wurde nach wie vor das verstanden, was die Aktionäre leisteten, also neben dem Grundkapital insbesondere das Aufgeld88. Die Regelung des § 215 Abs. 1 HS. 2 HGB a. F. fand sich inhaltlich unverändert in § 54 Abs. 1 S. 1 AktG 1937 wieder, getrennt von der Regelung des § 52 S. 1 HS. 1 AktG 1937. Aus § 52 S. 1 HS. 1 AktG ging 1965 unverändert der aktuelle § 57 Abs. 1 S. 1 AktG hervor. In der Begründung des Regierungsentwurfes heißt es, dass § 57 Abs. 1 S. 1 AktG wie schon § 52 AktG 1937 der „Erhaltung des Grundkapitals“ dient und den Aktionären verbietet, die Einlagen zurückzugewähren89. Von einer Bindung des gesamten Vermögens ist dort nicht die Rede. Auch aus dem Hinweis, das Verbot umfasse – wie bisher90 – auch verdeckte Gewinnausschüttungen91, kann ein solcher Schluss nicht hergeleitet werden. Denn dies besagt nur etwas über die Art der verbotenen Ausschüttungen, nicht über ihren Umfang. Neu eingeführt wurde durch die Aktienrechtsreform von 1965 der in § 62 AktG normierte Rückgewähranspruch. Die letzte Änderung in diesem Bereich erfolgte 199492. Die sich mittlerweile in § 58 Abs. 5 AktG 1965 befindende Regelung, wonach unter den Aktionären nur der Bilanzgewinn verteilt werden darf, wurde nun in § 57 Abs. 3 AktG verortet. Dabei konnten sich die Stimmen, die in § 58 Abs. 5 AktG 1965 nur eine bloße Wiederholung des Verbots der Einlagenrückgewähr in § 57 Abs. 1 S. 1 AktG sahen und daher im Gesetzgebungsverfahren die ersatzlose Streichung forderten93, im Rechtsausschuss gerade 86

Schlegelberger/Quassowski/Herbig, in: Schlegelberger, AktG, § 52 Rn. 1. Gadow, in: Großkommentar zum AktG, 1. Aufl., § 52 Anm. 1.; Flechtheim, in: Düringer/Hachenburg, Handelsgesetz, § 213 Anm. 3; Staub, Kommentar zum Handelsgesetzbuch, § 213 Anm. 2. 88 Schlegelberger/Quassowski/Herbig, in: Schlegelberger, AktG, § 52 Rn. 2. 89 Begründung Regierungsentwurf zu § 57 AktG 1965 bei Kropff, AktG 1965, S. 73. 90 Vgl. RG, Urteil vom 13.12.1935 – II 161/35, RGZ 149, 385, 400. 91 Begründung Regierungsentwurf zu § 57 AktG 1965 bei Kropff, AktG 1965, S. 73. 92 Gesetz für kleine Aktiengesellschaften und zur Deregulierung des Aktienrechts vom 2.8.1994, BGBl. I 1961. 93 Vgl. BT-Drucks. 12/6721 (Gesetzesentwurf), S. 8. 87

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Kap. 3: Das aktienrechtliche Kapitalschutzsystem

nicht durchsetzen94. Dies entsprach auch der Auffassung des Gesetzgebers von 1965, der zwar den „engen Zusammenhang“ mit dem Einlagenrückgewährverbot des § 57 Abs. 1 AktG betonte, jedoch nicht von einer überflüssigen Wiederholung ausging95. Die Gesetzesgeschichte zeigt, dass die kapitalschützenden Normen seit ihrer Einführung im 19. Jahrhundert bis zur Gegenwart, abgesehen von unbedeutenden sprachlichen Korrekturen und neuer Nummerierung, keine Änderung erfuhren. Schon Ende des 19. Jahrhunderts gab es die Trennung zwischen dem Verbot der Einlagenrückgewähr auf der einen und der Bestimmung, dass unter die Aktionäre der Bilanzgewinn verteilt werden darf, auf der anderen Seite. Anhaltspunkte, dass der Zweck des § 57 Abs. 1 S. 1 AktG nur durch die Ausweitung auf eine gesamte Vermögensbindung erreicht werden kann, finden sich an keiner Stelle. Noch im Jahre 1965 ist in den Gesetzesmaterialien von der „Erhaltung des Grundkapitals“ die Rede96. Auch auf der Sekundärebene ist die Trennung zwischen dem Verbot, die Einlagen zurückzugewähren (§ 57 Abs. 1 S. 1 AktG) und dem Ausschüttungsverbot bezüglich des sonstigen Vermögens (§ 57 Abs. 3 AktG) angelegt. So unterscheidet das Gesetz in § 93 Abs. 3 AktG zwischen dem Verstoß gegen das Einlagenrückgewährverbot (Nr. 1) auf der einen und der Verteilung von Gesellschaftsvermögen (Nr. 5) auf der anderen Seite. Der Gesetzgeber hatte es mehrfach in der Hand, das Verbot, die Einlagen auszuschütten, in ein Verbot, jedwedes Vermögen an die Aktionäre auszuschütten, umzuwandeln. Dass er dies unterließ und am Wortlaut des Verbots der Ausschüttung der Einlagen festhielt, geschah jedoch nicht aus einem Missverständnis heraus, sondern aus gutem Grund, wie ein Blick auf die ratio des § 57 Abs. 1 S. 1 AktG zeigt. (2) Ratio Wie oben festgestellt, dient § 57 Abs. 1 S. 1 AktG dem Gläubigerschutz97, ebenso wie § 30 GmbHG, der Parallelvorschrift im GmbH-Recht. 94 BT-Drucks. 12/7848 (Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses), S. 9; vgl. Hoffmann-Becking, ZIP 1995, 1, 5. Dies stellte eine Wiederholung der Geschichte dar, da schon die Erforderlichkeit des § 54 Abs. 1 a. F. bestritten wurde. So war im ersten Entwurf des Reichsministeriums 1930 die entsprechende Regelung zunächst nicht enthalten, wurde jedoch ein Jahr später in dem Entwurf II wieder aufgenommen, vgl. Ballerstedt, Kapital, Gewinn und Ausschüttungen bei Kapitalgesellschaften, S. 122. 95 Begründung Wilhelm Regierungsentwurf zu § 58 bei Kropff, AktG 1965, S. 78. 96 Vgl. Begründung Regierungsentwurf zu § 57 AktG 1965 bei Kropff, AktG 1965, S. 73. 97 Vgl. anstatt aller Fleischer, in: K. Schmidt/Lutter; AktG, § 57 Rn. 3 m. w. N.

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Bei § 30 GmbHG erstreckt sich das gebundene Reinvermögen auf die nominelle Höhe des Stammkapitals und bildet in dieser Höhe einen Garantiefonds für die Gläubiger. Dieser kann nur durch Verluste der Gesellschaft, nicht jedoch durch Ausschüttungen an die Gesellschafter aufgezehrt werden. Schon der Vergleich zum GmbH-Recht zeigt, dass eine vollständige Vermögensbindung allein unter Gläubigergesichtspunkten wenig Sinn ergibt. Es leuchtet nicht ein, warum gerade die Gläubiger einer Aktiengesellschaft in einem höheren Maße schutzwürdig sein sollen98. Gerade bei den traditionell finanzstärkeren Aktiengesellschaften erscheint eine Insolvenz weniger wahrscheinlich als bei der unter einfacheren Voraussetzungen zu gründenden GmbH. Gegen eine Ausweitung des Gläubigerschutzes bei der Aktiengesellschaft spricht auch die historische Entwicklung. Bemerkenswert ist diesbezüglich folgende Analyse Mitte des 19. Jahrhunderts, dass „nach dem Wesen der Actiengesellschaft deren Gläubiger nur das statutenmäßige Grundcapital als Garantie geboten und dieselben demnach so lange nicht beeinträchtigt sind, als dieses Capital nicht willkürlich vermindert wird“99. Letztlich zeigt ein Blick auf § 57 Abs. 3 i. V. m. § 174 AktG, dass unter Gläubigerschutzgesichtspunkten ein umfassendes in § 57 Abs. 1 S. 1 AktG verankertes Vermögensausschüttungsverbot keine Berechtigung hat. Unstreitig kann das Vermögen der Aktiengesellschaft bis zur Grenze des Grundkapitals zuzüglich der nach § 150 Abs. 3, 4 AktG, § 272 Abs. 2 HGB gebundenen Rücklagen ohne Beteiligung der Gesellschaftsgläubiger unter den Aktionären verteilt werden100. Aus Sicht der Gläubiger macht es indes wirtschaftlich keinen Unterschied, ob der Vermögenstransfer von der Gesellschaft auf die Aktionäre unter Einhaltung der innergesellschaftlichen Kompetenzregeln oder in innergesellschaftlich unzulässiger Weise erfolgt101. In beiden Fällen steht ihnen das Kapital nicht als Haftungssumme zur Verfügung. Den Gläubigern wird folglich durch die Ausschüttung von den finanziellen Mitteln, die über Grundkapital und gebundene Rücklagen hinausgehen, nichts genommen, was ihnen als Haftungssicherheit zustünde102. Da98

Vgl. Wilhelm, in: FS Flume, S. 337, 348 ff. der sich daher für die Angleichung des Kapitalschutzes der GmbH und der AG ausspricht. 99 Renaud, Recht der Actiengesellschaften, § 64, S. 569. 100 Schön, in: FS Röhricht, S. 559, 563 in Abgrenzung zur Kapitalherabsetzung, die nur unter Wahrung der Interessen der Gläubiger (Art. 225 AktG) durchgeführt werden kann. 101 Bommert, Verdeckte Vermögensverlagerungen im Aktienrecht, S. 98. 102 Diesen Gedanken formulierte schon Max Hachenburg 1932 in Hinblick auf die Nachgründung, Hachenburg, in: Düringer/Hachenburg, Handelsgesetz, § 207 Anm. 10; ihm folgend Barz, in: Großkommentar zum Aktienrecht, 2. Aufl., § 52 Anm. 3; vgl. auch Drygala, Der Konzern, 396, 399 m. w. N.

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Kap. 3: Das aktienrechtliche Kapitalschutzsystem

mit rechtfertigt es der Gläubigerschutz als ratio der Norm nicht, den Tatbestand des § 57 Abs. 1 S. 1 AktG praeter verba legis zu erweitern103. bb) Fehlende Regelungslücke Im Übrigen ist Voraussetzung jeder richterlichen Rechtsfortbildung auch das Bestehen einer planwidrigen Gesetzeslücke104. Von einer Unvollständigkeit des Gesetztes in § 57 Abs. 1 S. 1 AktG kann angesichts von § 57 Abs. 3 AktG, nachdem vor Auflösung der Gesellschaft nur der Bilanzgewinn verteilt werden darf, aber nicht gesprochen werden. Die Anhänger einer Auslegung von § 57 Abs. 1 S. 1 AktG über den Wortlaut hinaus, entlarven sich diesbezüglich selbst, wenn sie darauf verweisen, dass § 57 Abs. 3 AktG nichts regelt, was über Absatz 1 hinausgeht und damit eine überflüssige Wiederholung darstellt105. Denn eine „Wiederholung“ schließt denknotwendig eine Regelungslücke aus. Damit bleibt es, da weder über die Auslegung noch über eine teleologische Extension eine umfassende Vermögensbindung konstruiert werden kann, bei der aus Wortlaut, Historie und Sinn und Zweck folgenden Reichweite: Unter das Ausschüttungsverbot des § 57 Abs. 1 S. 1 AktG fallen demnach Grundkapital und Aufgeld, also jene Leistung, die der Aktionär in die Gesellschaft eingelegt hat106. III. Die Gesamtvermögensbindung nach § 57 Abs. 3 AktG Die Regelung des § 57 Abs. 3 AktG geht hingegen über das Ausschüttungsverbot des § 57 Abs. 1 S. 1 AktG hinaus. Dort ist normiert, dass nur der Bilanzgewinn unter die Aktionäre verteilt werden darf. Folgte man der Logik der herrschenden Meinung, müsste § 57 Abs. 3 AktG als Ausnahme der umfassenden Vermögensbindung des Absatz 1 gelten. Nach hier vertretener Ansicht kommt § 57 Abs. 3 AktG jedoch ein eigener Anwendungs103 Ebenso im Ergebnis Henze, AG 2004, 405, 409; Schön, in: FS Röhricht, S. 559, 563; a. A. Bayer, in: Bayer/Habersack, Aktienrecht im Wandel, Bd. II, 708, 751 (Rn. 107). 104 Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 191 ff.; Canaris, Die Feststellung von Lücken im Gesetz, S. 17 f. 105 Vgl. Henze, in: Großkommentar zum AktG, § 57 Rn. 181; Hüffer, AktG, § 57 Rn. 22; Mülbert, in: FS Lutter, S. 535, 536. 106 Eine Sonderstellung nimmt die gesetzliche Gewinnrücklage ein, der jedoch nur eine sehr geringe Bedeutung zukommt (siehe oben Kapitel 3 § 1 A. I. 1. b)). Diese gehört zwar nicht zum Einlagekapital, steht jedoch nach § 150 AktG bezüglich der Bindung den Kapitalrücklagen gleich, vgl. Bezzenberger, Das Kapital der Aktiengesellschaft, S. 203.

§ 1 Kapitalschutz nach § 57 Abs. 1 und 3 AktG

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bereich zu107. Während bezüglich des Grundkapitals und der gesetzlichen Rücklagen tatsächlich nur eine Wiederholung des Verbots der Einlagenrückgewähr vorliegt, umfasst die Vorschrift in der Zusammenschau mit den formellen Bilanzgewinnfeststellungs- und Verteilungsregeln der §§ 172 ff., 58 AktG auch das sonstige Vermögen der Aktiengesellschaft, also in erster Linie den ausschüttungsfähigen Gewinn, der in der Bilanz unter „andere Gewinnrücklagen“ erscheint108 und die stillen Reserven109. Schon der Wortlaut und die dargestellte geschichtliche Entwicklung der Absätze 1 und 3 des § 57 AktG, die sich bis 1965 in unterschiedlichen Paragraphen befanden, sprechen für diese Auffassung. Hinzu kommt, dass trotz wiederholter Bestrebungen, die Regelung zu streichen, dies bewusst unterblieb. Entscheidend ist jedoch die unterschiedliche ratio der beiden Vorschriften. Während Absatz 1 wie auch § 30 GmbHG allein dem Schutz der Gläubiger dienen, verfolgt Absatz 3 einen anderen Zweck. Dadurch, dass das Vermögen nur in einem formalen Gewinnverteilungsverfahren (§§ 174, 58 AktG) ausgeschüttet werden darf, werden nicht die Gläubiger, sondern die Minderheitsaktionäre geschützt, die im Übrigen wenig Einfluss auf Finanzierung und Gewinnverteilung der Gesellschaft haben110. Im Gegensatz zur GmbH, bei welcher der Gesetzgeber von einem eher geschlossenen Gesellschafterkreis ausgeht111, ist es in der Aktiengesellschaft schwieriger, sicherzustellen, dass die vielen verstreuten Kapitalanleger bei der Verteilung des freien Vermögens gleichbehandelt werden (§ 53a AktG). Dies erfordert zwingend die Möglichkeit der Aktionäre nachzuprüfen, welche Vermögenswerte an wen ausgeschüttet werden. Ansonsten könnten die Großaktionäre über ihren Einfluss bei der Bestimmung der Verwaltungsgremien (§§ 84, 101 AktG) dafür Sorge tragen, dass, von den Minderheitsaktionären unbemerkt, Kapital von der Gesellschaft zu ihnen transferiert wird. Schon das 107

Ebenso Hoffmann-Becking, ZIP 1995, 1, 5. Anders Wilhelmi, Der Grundsatz der Kapitalerhaltung im System des GmbHRechts, S. 17 f., der die umfassende Vermögensbindung nicht in § 57 Abs. 1, 3 AktG sondern allein in §§ 62, 174 Abs. 1 S. 1 AktG verortet. 109 Die stillen Reserven werden bilanziell ausgeblendet und sind damit auch im Rahmen des Bilanzgewinns für die Ausschüttung an Aktionäre gesperrt. Allerdings können sie vom Vorstand auch wieder „stillschweigend“ aufgelöst werden, um etwa Verluste eines schlechten Geschäftsjahres aufzufangen, vgl. hierzu Bezzenberger, Das Kapital der Aktiengesellschaft, S. 148 f.; zur entsprechenden österreichischen Regelung (auch GmbH-Recht) Reich-Rohrwig, Grundsatzfragen der Kapitalerhaltung, S. 98 f. 110 Anders RG, JW 1930, 3730, wonach die umfassende Vermögensbindung (§ 215 HGB 1897) auch „im Interesse und zum Schutze des mit der Gesellschaft in Rechtsbeziehung tretenden Publikums“ besteht. Dem folgend Bayer, in: Bayer/Habersack, Aktienrecht im Wandel, Bd. II, 708, 751 f., 755 (Rn. 116). 111 Dies zeigt schon § 15 Abs. 3 GmbHG, der für die Abtretung der Gesellschaftsanteile einen notariell geschlossenen Vertrag vorschreibt. 108

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Reichsgericht hat erkannt, dass die Kapitalerhaltungsvorschriften sicherstellen müssen, dass „das in der Aktiengesellschaft konzentrierte Kapital nicht zum Vorteil einzelner seinem Zweck nachträglich entfremdet wird“112. Die Gewinnverteilung soll sich daher im „hellsten Licht der Öffentlichkeit“ abspielen113. Dies gewährleistet § 57 Abs. 3 AktG i. V. m. §§ 174, 58 AktG, indem er alle Ausschüttungen an die Aktionäre außerhalb des kontrollierbaren Gewinnverteilungssystems verbietet114. Teilweise wird § 57 Abs. 3 AktG dieses Schutzziel abgesprochen, da die Norm auch eine gleichmäßige Vermögensverteilung verbiete und nicht zur Disposition der Anteilseigner stehe115. Die umfassende Vermögensbindung würde insofern über das Ziel der Gleichbehandlung hinausschießen116. Dieser Schluss ist schon deshalb problematisch, weil der angeblich überschießende Schutz des § 57 Abs. 3 AktG als Argument verwendet wird, die Schutzrichtung der Gleichbehandlung gänzlich zu verneinen. Darüber hinaus verkennt diese Ansicht, dass § 57 Abs. 3 AktG die gleichmäßige Gewinnverteilung gerade nicht verbietet, sondern eine solche für die zu schützenden Minderheitsaktionäre transparent macht. So verweist die Vorschrift auf das formale Gewinnverteilungsverfahren nach §§ 172 ff., 58 AktG, bei dem der Bilanzgewinn festgestellt und über dessen Verwendung beschlossen wird. Die Nachprüfbarkeit und Durchsichtigkeit der Verteilung des freien Vermögens zum Schutz der Minderheitsaktionäre und nicht der Gläubigerschutz steht daher hinter der strengen Vermögensbindung des Aktienrechts und bringt in § 57 Abs. 3 AktG die Verschärfung im Vergleich zu § 30 GmbHG117. 112

RG, Urteil vom 20.2.1923 – II 36/22, RGZ 107, 161, 168. Ballerstedt, Kapital, Gewinn und Ausschüttungen bei Kapitalgesellschaften, S. 133 in Abwandlung eines Wortes von Franz Klein. 114 Bezzenberger, Das Kapital der Aktiengesellschaft, S. 205; Bitter, ZHR 168 (2004), 302, 310 f.; vgl. auch Bayer, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 57 Rn. 2; Henze, in: Großkommentar zum AktG, § 57 Rn. 7; Ballerstedt, Kapital, Gewinn und Ausschüttungen bei Kapitalgesellschaften, S. 132 f., 139 ff.; Mestmäcker, Verwaltung, Konzerngewalt und Rechte der Aktionäre, S. 235, die auch den Schutz der Minderheitsaktionäre in der umfassenden Vermögensbindung des Aktienrechts verwirklicht sehen, ohne jedoch klar zwischen § 57 Absatz 1 und 3 AktG (bzw. §§ 52, 54 AktG a. F.) zu trennen. 115 Fleischer, WM 2007, 909, 910. 116 Bommert, Verdeckte Vermögenslagen im Aktienrecht, S. 96. 117 Daneben sichert § 57 Abs. 3 AktG i. V. m. § 93 Abs. 3 Nr. 1, 5 die diesbezüglich in §§ 58, 119, 174 geregelte Kompetenzabgrenzung zwischen Hauptversammlung und Verwaltungsorgane ab, Bezzenberger, Das Kapital der Aktiengesellschaft, S. 205; Lutter, in: FS Stiefel S. 505, 527; vgl. auch Bayer, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 57 Rn. 2; Henze, in: Großkommentar zum AktG, § 57 Rn. 7; ders., NZG 2005, 115, 120 f.; Ballerstedt, Kapital, Gewinn und Ausschüttungen bei Kapitalgesellschaften, S. 133, die jedoch wiederum nicht zwischen Absatz 1 und 3 unterscheiden. Fleischer, WM 2007, 909, 910 sieht darin einen bloßen Schutzreflex. 113

§ 1 Kapitalschutz nach § 57 Abs. 1 und 3 AktG

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IV. Relevanz der Unterscheidung 1. Vergleich zu europarechtlichen Vorgaben

Es kann somit festgehalten werden, dass § 57 AktG zwei in ihrer Reichweite unterschiedliche kapitalschützende Regelungen enthält. Während § 57 Abs. 1 S. 1 AktG die Ausschüttung der Leistungen der Aktionäre, also im Wesentlichen Grundkapital und Aufgeld, verbietet, geht Absatz 3 darüber hinaus, indem er alles, was nicht Bilanzgewinn ist, der Vermögensbindung unterwirft und nach §§ 172 ff., 58 AktG die Verteilung des Bilanzgewinns an ein formelles Verfahren knüpft. Beide Rechtssätze haben auch unterschiedliche Funktionen. Absatz 1 dient – wie auch § 30 GmbHG – dem Schutz der Gläubiger als Gegenstück zur Beschränkung der Haftung auf das Gesellschaftsvermögen (§ 1 Abs. 1 S. 2 AktG). Dagegen hat § 57 Abs. 3 i. V. m. §§ 172, 58 ff. AktG primär die Gleichbehandlung der Aktionäre zum Ziel. Damit erfüllt schon Absatz 1 die europarechtlichen Vorgaben der Kapitalrichtlinie von 1976. Denn Art. 15 Abs. 1 a der Kapitalrichtlinie verlangt nur die Bindung des „gezeichneten Kapitals“, also des Grundkapitals118. Im Übrigen überlässt die Vorschrift es den nationalen Rechtsordnungen, welche Rücklagen gebunden und welche ausschüttungsfähig sind (Art. 15 Abs. 1 a, c). Indem in § 57 Abs. 1 S. 1 AktG die gesamten Einlagen gebunden sind, geht das deutsche Recht schon an dieser Stelle über die Mindestanforderungen des Europarechts hinaus. Eine formale Gesamtvermögensbindung wie sie § 57 Abs. 3 AktG enthält, fordert das Europarecht in den Kapitalerhaltungsregeln der Richtlinie nicht119. Dies ist auch konsequent, da nicht der Gläubigerschutz hinter dieser Regelung steht, sondern die Gleichbehandlung der Aktionäre. Die Verpflichtung zur gleichmäßigen Verteilung des Gesellschaftsvermögens an die Aktionäre kann europarechtlich nur aus dem § 53a AktG entsprechenden Gleichbehandlungsgebot des Art. 42 der Kapitalrichtlinie gewonnen werden. Dieser untersagt freilich nicht wie § 57 Abs. 3 AktG pauschal alle Zuwendungen an Aktionäre au118 Auch aus Art. 15 Abs. 1 c der Kapitalrichtlinie folgt keine weitergehende Vermögensbindung, da dort nicht Ausschüttungen außerhalb des Bilanzgewinns verboten werden, sondern nur eine Obergrenze der Ausschüttung vorgegeben wird, die jedoch aufgrund des Rekurs auf die „Entnahmen aus hierfür verfügbaren Rücklagen“ flexibel ist, vgl. hierzu ausführlich Bezzenberger, Das Kapital der Aktiengesellschaft, S. 28 f.; a. A. Habersack, ZGR 2003, 724, 732; Schwarz, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 596. Keine Rolle spielt für diese Betrachtung die einzelnen zweckgebundenen Sonderrücklagen, die die Richtlinie teilweise vorsieht (vgl. Artt. 22 Abs. 1 b, 33, 36 Abs. 1 d, Art. 37 II; 39 lit. e der Kapitalrichtlinie). 119 Bezzenberger, Das Kapital der Aktiengesellschaft, S. 28 f.; a. A. Mülbert, in: FS Lutter, S. 535, 545 f.

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Kap. 3: Das aktienrechtliche Kapitalschutzsystem

ßerhalb des Bilanzgewinns. So ist die formale Gesamtvermögensbindung des deutschen Rechts eine sehr effektive Möglichkeit, die Gleichbehandlung herzustellen, jedoch nicht die einzige. Dies zeigt schon ein Blick auf die anderen europäischen Staaten, die eine formale Gesamtvermögensbindung überwiegend nicht kennen120. 2. Auswirkungen auf die vorliegende Untersuchung

Indes ist die Frage berechtigt, inwieweit die herausgearbeitete Unterscheidung von § 57 Abs. 1 S. 1 und 3 AktG Auswirkungen auf die vorliegende Untersuchung haben kann. Denn im Ergebnis besteht weitgehend Einigkeit darüber, dass alles, was nicht ordnungsgemäße Gewinnverteilung ist, eine unzulässige Ausschüttung darstellt – „tertium non datur“121. Dies ist der Grund, weshalb auch diejenigen Autoren, die erkennen, dass das Einlagenrückgewährverbot des § 57 Absatz 1 S. 1 AktG die umfassende Vermögensbindung allein nicht trägt, die zwei unterschiedlichen Rechtssätze ohne Differenzierung als umfassendes Gesamtausschüttungsverbot deuten122. Jene auf den ersten Blick verzeihliche Ungenauigkeit erweist sich jedoch bei genauerem Hinsehen – gerade im Hinblick auf das hier interessierende Verhältnis von § 57 und § 71a Abs. 1 S. 1 AktG – als heikel. Zunächst macht es rechtstechnisch einen Unterschied, ob man die umfassende Vermögensbindung schon in § 57 Abs. 1 S. 1 AktG verortet sieht oder in dessen Absatz 3. Denn wählt man mit der herrschenden Meinung den hier abgelehnten Weg, in § 57 Abs. 1 S. 1 AktG über dessen Wortlaut hinaus ein absolutes Ausschüttungsverbot zu erblicken, kommt man nicht bezüglich § 57 Abs. 3 AktG, sondern auch im Verhältnis zu § 71a Abs. 1 S. 1 AktG in Erklärungsnöte. Unstreitig spielt es für die Nichtigkeit eines Rechtsgeschäfts nach letzterer Vorschrift keine Rolle, aus welchen Vermögenswerten der Zielgesellschaft die finanzielle Unterstützung herrührt. Unter der von Rechtsprechung und weiten Teilen des Schrifttums vertrete120 Das britische Recht kennt keine gebundene Gewinnrücklage (Sec. 264 Abs. 1, 3 a CA 1985), das französische Recht nur gesetzliche Gewinnrücklagen (Art. L 232-10 Nouveau Code de Commerce); vgl. den Überblick bei Bezzenberger, Das Kapital der Aktiengesellschaft, S. 29 f. 121 Lutter, in: Kölner Kommentar, AktG, 2. Aufl., § 57 Rn. 5; ders., ZGR 1978, 351, 353; Hüffer; AktG § 57 Rn. 2; Bayer, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 57 Rn. 2, 7; a. A. Henze, NZG 2005, 120 f.; ders., AG 2004, 407, 410 bezüglich Zahlungen von Schadensersatzleistungen an Aktionäre. 122 Vgl. etwa Ballerstedt, Kapital, Gewinn und Ausschüttungen bei Kapitalgesellschaften, S. 132; Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, § 19 Rn. 1; Wiesner, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, § 16 Rn. 1. Ausdrücklich differenzierend hingegen Bezzenberger, Das Kapital der Aktiengesellschaft, S. 202; Schön, in: FS Röhricht, S. 559 ff.

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nen Annahme, dass sich (ansonsten) die beiden Tatbestände weitgehend überschneiden123, dürfte das Einlagenrückgewährverbot aufgrund der fehlenden Regelungslücke im Anwendungsbereich des § 71a Abs. 1 S. 1 AktG folgerichtig nicht eingreifen. Eine Konsequenz, die die herrschende Ansicht daraus jedoch nicht zieht124. Umgekehrt wird eine weite Auslegung oder teleologische Extension des Verbots der finanziellen Unterstützung nicht erforderlich sein, wenn schon § 57 Abs. 1 und 3 AktG ausdrücklich hierfür Regelungen vorsehen. Die Rückbesinnung auf die Unterscheidung zwischen Auslegung innerhalb der Wortlautgrenze auf der einen Seite und richterliche Rechtsfortbildung auf der anderen Seite hilft mithin dabei, Tatbestände voneinander abzugrenzen und fördert somit die Rechtssicherheit. Entscheidungserheblich ist die hier vorgenommene Differenzierung zwischen § 57 Abs. 1 und 3 AktG, wenn alle Aktionäre die Zustimmung zu einer Vermögensverlagerung geben, welche nicht das nach § 57 Abs. 1 AktG gebundene Kapital angreift. Denn entgegen den überwiegenden Stimmen in Rechtsprechung und Literatur, die das gesamte Vermögen nach § 57 Abs. 1 AktG im Gläubigerinteresse gebunden sehen125, greift nach hier vertretener Ansicht § 57 dann nicht ein: Absatz 1 nicht, weil dieser nur das gebundene Vermögen schützt, Absatz 3 nicht, da dessen Schutzzweck der Gleichbehandlung nicht betroffen ist126. Betrachtet man des Weiteren die Rechtsfolgenregelung des § 62 AktG, fällt auf, dass in dessen Absatz 2 auch Gläubiger die entgegen § 57 AktG an die Aktionäre gelangten Leistungen im Wege der gesetzlichen Prozessstandschaft127 zurückfordern können, soweit sie von der Gesellschaft keine Befriedigung erlangen. Die Unterscheidung zwischen § 57 Abs. 1 und 3 AktG legt indes nahe, dass die Gläubiger nicht per se die Rückzahlung sol123 BGH, Urteil vom 13.11.2007 – XI ZR 294/07, NZG 2008, 106 f.; Habersack, in: FS Röhricht, S. 155, 164; Oechsler, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 71a Rn. 10; ders., ZIP 2006, 1661, 1663; Merkt, in: Großkommentar zum AktG, § 71a Rn. 14; Lutter/Wahlers, AG 1989, 1, 9; zur hier vertretenen a. A. siehe unten Kapitel 3 § 3. 124 Vgl. etwa Oechsler, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 71a Rn. 10; ders., ZIP 2006, 1661, 1663 und 1666; Merkt, in: Großkommentar zum AktG, § 71a Rn. 14; Schroeder, Finanzielle Unterstützung des Aktienerwerbs, S. 116; siehe hierzu ausführlich Kapitel 3 § 3 A. 125 RG, Urteil vom 20.2.1923 – II 36/22, RGZ 107, 161, 168; BGH, Urteil vom 26.3.1984 – II ZR 171/83, BGHZ 90, 381, 386; Fleischer, WM 2007, 909, 910; Cahn/Senger, in: Spindler/Stilz, AktG, § 57 Rn. 6; Westermann, in: Bürgers/Körber, AktG, § 57 Rn. 2. 126 Wie hier Schön, in: FS Röhricht, S. 559, 565. 127 Bayer, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 62 Rn. 80; Hüffer, AktG, § 62 Rn. 13; Henze, in: Großkommentar zum AktG, § 62 Rn. 101 ff.

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cher Leistungen an die Aktiengesellschaft128 verlangen können, sondern nur, wenn gerade durch die rechtswidrigen Auszahlungen Grundkapital oder gebundenes Kapital angegriffen wurden, mit anderen Worten, bei Verstoß gegen § 57 Abs. 1 S. 1 AktG. Bei Missachtung des Absatzes 3 sind hingegen, wie gezeigt, nicht die Gläubiger Schutzobjekt, auch wenn ihnen als Reflex129 die Ausschüttungssperre mittelbar zugute kommt. Damit ergibt es aber wenig Sinn, ihnen diesbezüglich eine Rückforderungsmöglichkeit – wenn auch nur auf Zahlung an die Aktiengesellschaft – zu gewähren. Den Gläubigern soll gerade nicht jedes Insolvenzrisiko abgenommen werden, etwa wenn die Einlagen nachweislich durch nachteilige Geschäfte der Gesellschaft und nicht durch die rechtswidrigen Ausschüttungen verspielt wurden. Die differenzierte Betrachtung von Absatz 1 und 3 kann daher auch auf die Reichweite von § 62 AktG ausstrahlen. Mittelbar hat dies dann auch Auswirkungen auf die Beantwortung der Frage, inwieweit § 71a Abs. 1 S. 1 AktG bei Leveraged Buyouts den Gläubigerschutz im Verhältnis zu §§ 57, 62 AktG intensiviert. Im Übrigen finden sich durch die differenzierte Betrachtung der Schutzziele von § 57 Abs. 1 und 3 AktG Anhaltspunke, inwieweit es bei fremdfinanzierten Übernahmen notwenig ist, über den § 57 AktG hinaus die Beteiligten zu schützen. Mit den Gläubigern und Minderheitsaktionären wurden in dieser Arbeit beim Leveraged Buyout gerade die zwei Gruppen als schutzbedürftig erachtet130, die auch § 57 AktG vor Schaden bewahren will. Stellt man fest, dass der gezielte Gläubigerschutz sich in § 57 Abs. 1 S. 1 AktG auf die Einlagen beschränkt, lohnt es, der Frage nachzugehen, ob § 71a Abs. 1 S. 1 AktG bei Unternehmensübernahmen dieses Gläubigerschutzniveau verschärft. Spinnt § 71a Abs. 1 S. 1 AktG den Gläubigerschutz tatsächlich weiter, um der oben dargelegten spezifischen Gefahr bei Leveraged Buyouts entgegenzuwirken, bringt die hier vorgenommene Differenzierung der Schutzzwecke von Absatz 1 und 3 des § 57 AktG auch Aufschluss über das noch ungeklärte Verhältnis der beiden Gläubigerschutzvorschriften. Zuletzt wird auch bezüglich der Intensität der Vermögensbindung aufgrund der unterschiedlichen Schutzzwecke von § 57 Abs. 1 AktG und § 57 Abs. 3 AktG differenziert. Gerade für die LBO-relevanten Fallgruppen wie 128 Die h. M. geht von der alleinigen Empfangszuständigkeit der Aktiengesellschaft aus vgl. Bayer, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 62 Rn. 84; Hüffer, AktG, § 62 Rn. 14; Henze, in: Großkommentar zum AktG, § 62 Rn. 108 ff. 129 Auf die „eher reflexhafte Bedeutung für den Gläubigerschutz“ weist auch Drygala, Der Konzern 2007, 396, 403 hin, ohne aber zwischen den verschiedenen Ausschüttungsverboten des § 57 AktG zu differenzieren. 130 Siehe oben Kapitel 1 § 2 A. I. 2., III.

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der Kreditgewährung und -besicherung oder der Auszahlung aus einer AG & Co. KG sehen Teile des Schrifttums ein unterschiedliches Schutzniveau, je nachdem, ob das nach § 57 Abs. 1 AktG gebundene Vermögen angegriffen wird oder das allein durch § 57 Abs. 3 i. V. m. § 174 AktG geschützte „freie“ Vermögen131. Inwieweit diese Unterscheidung ihre Berechtigung hat, wird eine der im Folgenden zu beantwortenden Fragen sein. Bei aller Betonung der unterschiedlichen Reichweite der Absätze 1 und 3 von § 57 AktG darf nicht übersehen werden, dass letztlich das in Absatz 3 verortete umfassende Ausschüttungsverbot, das den Schutz der Minderheitsaktionäre bezweckt, mittelbar als Reflex132 auch den Gläubigern hilft. Denn, darf kein Vermögen an die Aktionäre außerhalb des Bilanzgewinns ausbezahlt werden, bleibt es zunächst in der Gesellschaft und bietet so faktisch den Gläubigern einen Puffer, jedenfalls so lange bis es im Rahmen des § 174 AktG als Dividende ausgeschüttet wird. Insofern kann ein Gleichlauf der Interessen der Gläubiger und Minderheitsaktionäre konstatiert werden, das Geld in der Gesellschaft zu belassen. Folglich spielt es auf Tatbestandsseite oftmals keine Rolle, ob eine Ausschüttung nur wegen § 57 Abs. 3 AktG oder zusätzlich wegen § 57 Abs. 1 AktG verboten war. Bei der folgenden Untersuchung, inwieweit Sachverhalte der fremdfinanzierten Übernahme von § 57 Abs. 1 und 3 AktG erfasst werden, kann daher im Ergebnis zumeist die Differenzierung ausgeblendet werden. Allerdings sind auch dort die unterschiedlichen Schutzzwecke der Regelung bei den strittigen Fallgruppen zu berücksichtigen.

B. § 57 AktG als Schranke für fremdfinanzierte Übernahmen Die Erwerber sind bei fremdfinanzierten Übernahmen eben an jenen Handlungen interessiert, die die kapitalschützenden Regelungen in § 57 Abs. 1 und 3 AktG unterbinden wollen: Das Vermögen der Zielgesellschaft soll für die Finanzierung des Kaufpreises nutzbar gemacht werden, was einen Vermögenstransfer von der übernommenen Gesellschaft auf die Erwerbergesellschaft erfordert. Gerade den unkontrollierten Abfluss von Kapital möchte § 57 Abs. 1 S. 1 AktG zum Schutz der Gläubiger in Höhe des gebundenen Vermögens und § 57 Abs. 3 AktG umfassend zu Gunsten der Minderheitsaktionäre verhindern. Wechselt man die Perspektive, kann man entsprechend eine Übereinstimmung dieser Schutzobjekte des § 57 AktG 131 So Schön, in: FS Röhricht, S. 559, 566 ff.; Henze, WM 2005, 717, 721; vgl. auch Altmeppen, ZIP 2006, 1025, 1031 f. in Bezug auf das Cash Pooling. 132 Vgl. auch Ebenroth, in: FS Trinkner, S. 119, 124; Schön, in: FS Röhricht, S. 559, 562.

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mit jenen beim Leveraged Buyout zu schützenden Gruppen feststellen. Damit zeigt sich schon auf den ersten Blick, dass § 57 AktG der Finanzierungsfreiheit Grenzen setzt. Bei der Untersuchung, inwieweit § 57 AktG Leveraged Buyout-Transaktionen im Rahmen der Eingangsfinanzierung oder späteren Refinanzierung im Wege steht, sind zwei Problemkreise zunächst auszuklammern: Zum einen bilden sich bei Übernahmen Mehrheiten und es entstehen Beherrschungsverhältnisse i. S. d. § 17 AktG. Die dann anwendbaren konzernrechtlichen Spezialregelungen der §§ 291 ff. bzw. §§ 311 ff. AktG und deren Verhältnis zu § 57 AktG und § 71a AktG sind Gegenstand eines eigenen Kapitels, ebenso wie die in der Praxis sehr beliebten mehrstufigen Erwerbsmodelle, bei denen aufgrund von Umwandlungen und Verschmelzungen Sondervorschriften gelten133. I. Personeller und zeitlicher Anwendungsbereich Voraussetzung für das Eingreifen der Ausschüttungsverbote in § 57 Abs. 1 und 3 AktG ist nach deren Wortlaut, dass Aktionäre Leistungsempfänger sind. Schwierigkeiten bestehen im Rahmen fremdfinanzierter Übernahmen, wenn Leistungen zu einem Zeitpunkt fließen, zu dem der Erwerber oder Verkäufer noch nicht oder nicht mehr Aktionär ist. Ebenfalls stellt sich die Frage, ob sich der Anwendungsbereich auch auf Leistungen an Dritte erstreckt. Auf der anderen Seite ist die (Ziel)-Gesellschaft Adressatin des Verbots, was zu Problemen führt, wenn die Leistung durch ein anderes Unternehmen erfolgt, an dem die Zielgesellschaft beteiligt ist. 1. Leistungsempfänger

a) Aktueller Aktionär Keine Schwierigkeiten treten auf, wenn der Vermögenstransfer von der Zielgesellschaft an die Erwerbergesellschaft ab dem Aktienerwerb und vor dem Weiterverkauf der Anteile erfolgt. In dieser Zeitspanne ist die Aktionärseigenschaft der Erwerbergesellschaft unproblematisch zu bejahen. Ebenso versperrt § 57 AktG die Möglichkeit, durch einseitige Leistungen direkt an den Aktienverkäufer die Erwerbergesellschaft finanziell zu unterstützen. Denn zu diesem Zeitpunkt ist der Verkäufer noch Aktionär und somit im personellen Anwendungsbereich des § 57 Abs. 1 S. 1, 3 AktG134. 133 Siehe unten Kapitel 4 zu den mehrstufigen Erwerbsmodellen sowie Kapitel 5 zur Konzernproblematik.

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b) Zukünftiger und früherer Aktionär aa) Zusammenhang zwischen Aktionärsstellung und Leistung Weitgehend Einigkeit besteht in Literatur und Rechtsprechung indes darin, dass § 57 AktG nicht allein an die formelle Aktionärseigenschaft anknüpft135. Gerade bei fremdfinanzierten Übernahmen erfolgt die Unterstützungshandlung der Zielgesellschaft zu Gunsten des Erwerbers oftmals im Vorfeld der Übernahme, bevor Aktienanteile erworben werden. Ebenfalls denkbar sind Leistungen an den Verkäufer, nachdem dessen Anteile schon auf die Erwerbergesellschaft übergegangen sind. Würde man einen zeitlichen Gleichlauf von Zuwendung und Aktionärseigenschaft verlangen, könnten – so die Argumentation der herrschenden Meinung – die Schranken des § 57 AktG durch bloßes zeitliches Taktieren ausgehebelt werden. Daher sieht die herrschende Ansicht von den Ausschüttungsverboten des § 57 Abs. 1 und 3 AktG auch Leistungen an künftige und ehemalige Aktionäre umfasst136. Verlangt wird allerdings, dass die Leistung aufgrund der künftigen oder ehemaligen Aktionärsstellung, also societatis causa erfolgt. Dies wird – in Parallele zur Problematik der verdeckten Sacheinlage137 – vermutet, wenn ein enger sachlicher und zeitlicher Zusammenhang der Leistung zur Aktio134 Vgl. BGH, Urteil vom 24.3.1954 – II ZR 23/53, BGHZ 13, 49, 54; OLG Koblenz, Urteil vom 10.2.1977 – 6 U 847/75, AG 1977, 231, 232; Michalski, AG 1980, 261, 267. 135 Vgl. zuletzt BGH, Urteil vom 13.11.2007 – XI ZR 294/07, ZIP 2008, 118, 119, der dies als „allgemeine Meinung“ bezeichnet. 136 BGH, Urteil vom 13.11.2007 – XI ZR 294/07, ZIP 2008, 118 f., OLG Hamburg, Urteil vom 23.5.1980 – 11 U 117/79, AG 1980, 275, 278; OLG Frankfurt a. M., Urteil vom 30.11.1995 – 6 U 192/91, AG 1996, 324, 325; Bayer, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 57 Rn. 57; Henze, in: Großkommentar zum AktG, § 57 Rn. 80; Fleischer, in: K. Schmidt/Lutter; AktG, § 57 Rn. 38; Hüffer, AktG, § 57 Rn. 14; Lutter, in: Kölner Kommentar zum AktG, 2. Aufl., § 57 Rn. 40; Cahn/ Senger, in: Spindler/Stilz, AktG, § 57 Rn. 51; Drygala, Der Konzern 396, 398 (Fn. 13 „wohl allg. Meinung“); Freitag, AG 2007, 157, 163; Habersack, in: FS Röhricht, S. 155, 162 f. 137 Vgl. hierzu OLG Koblenz, Urteil vom 28.4.1988 – 6 U 227/87, AG 1988, 242 f.; Pentz, in: Münchener Kommentar zum Aktiengesetz § 27 Rn. 84 ff. m. w. N.; Lutter, in: FS Stiefel, S. 505, 514 f. Allerdings bedarf es hier im Gegensatz zur verdeckten Sacheinlage (dort nach h. M. erforderlich für Zusammenhang zwischen Bareinlage und Erwerbergeschäft, vgl. Kübler/Assmann, Gesellschaftsrecht, § 15 I c (S. 191)) keiner Abrede zwischen Vorstand und Erwerber, um die Koppelung zwischen zukünftiger Aktionärseigenschaft und Leistung der Gesellschaft zu bejahen, denn die Einflussnahme erfolgt in der Regel über wenig nachvollziehbare, rein faktische, interne Vorgänge.

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närseigenschaft besteht138. Eine starre zeitliche Grenze festzulegen, stößt dabei auf Schwierigkeiten. Teilweise wird der zeitliche Zusammenhang nur bejaht, wenn die Aktionärseigenschaft spätestens sechs Monate nach bzw. vor der Leistung bestand139. Eine solch kurze, feste Frist hat jedoch wenig Sinn, da damit die Praxis zur Umgehung motiviert wird, indem gerade die notwendige Zeitspanne abgewartet wird140. Der zeitliche Rahmen kann daher nur als Indiz gelten141. Nach herrschender ansicht ist daher der in jedem Einzefall zu untersuchende sachliche Zusammenhang entscheidend. Beim Leveraged Buyout ist der von der herrschenden Ansicht verlangte sachliche Zusammenhang bei Leistungsversprechen oder Zuwendungen an den zukünftigen Hauptaktionär im Regelfall zu bejahen142. Denn es ist nur im Hinblick auf dessen künftige Aktionärsstellung und damit der Vorwirkung seines als Mehrheitsaktionär bestehenden gesellschaftsrechtlichen Einflusses auf die Verwaltung zu erklären, dass einseitig Leistungen aus dem Vermögen der Gesellschaft an diesen fließen. bb) Leistungen an den Verkäufer Weniger einleuchtend ist, dass ein sachlicher Zusammenhang auch bei Zuwendungen an den Verkäufer angenommen wird143, jedenfalls dann, wenn das Leistungsversprechen nach seinem Ausscheiden erfolgt. Zum einen hat der ehemalige Aktionär ab diesem Zeitpunkt keinerlei Einflussmöglichkeiten auf die Gesellschaft144. Zum anderen liegt wirtschaftlich in der Leistung an den Aktionär eine Unterstützung des herrschenden Erwerbers. Denn die Zuwendung an den Verkäufer vermindert dessen Kaufpreisschuld. In erster Linie kommt daher dem Erwerber und jetzigen Mehrheitsaktionär 138

BGH, Urteil vom 13.11.2007 – XI ZR 294/07, ZIP 2008, 118, 119; Bayer, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 57 Rn. 57; Henze, in: Großkommentar zum AktG, § 57 Rn. 80. Wiesner, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, § 16 Rn. 49. 139 Lutter, in: Kölner Kommentar zum AktG, 2. Aufl., § 57 Rn. 40; vgl. auch Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 5 Rn. 41 zur Parallelproblematik bei § 30 GmbHG (längstens ein Jahr). 140 Unschädlich aber wenig hilfreich ist die Festlegung einer großzügig bemessenen Obergrenze, die die Rechtsprechung bei drei Jahre sieht, vgl. BGH, Urteil vom 4.3.1996 – II ZB 8/95, BGHZ 132, 141, 146. 141 Ähnlich Hüffer, AktG,§ 57 Rn. 14. 142 Vgl. Habersack, in: FS Röhricht, S. 155, 163; vgl. auch Lutter/Wahlers, AG 1989, 1, 9.; Eidenmüller, ZHR 171 (2007), 644, 664 (Fn. 100). 143 So etwa Schroeder, Finanzielle Unterstützung des Aktienerwerbs, S. 181 f. m. w. N. 144 Vgl. Cahn/Senger, in: Spindler/Stilz, AktG, § 57 Rn. 52.

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die Zuwendung zugute und nicht dem Verkäufer, der im Gegenzug hierfür seinen Aktienanteil an den Erwerber übertragen hat. Zu Recht wird in diesem Zusammenhang von einer „Doppelwirkung“ der Leistung gesprochen145. Die Schlussfolgerung, dass sowohl gegen den Erwerber als auch gegen den Verkäufer ein Anspruch nach den §§ 62, 57 AktG bestehe146, überzeugt indes nicht. Denn nicht die frühere Aktionärsstellung des Verkäufers bedingt regelmäßig den Erwerb, sondern allein die jetzige Beteiligung des Mehrheitsaktionärs. Bezüglich eines Rückgewähranspruches gegen den ehemaligen Aktionär fehlt es mithin am sachlichen Zusammenhang147. Zahlungen an den Verkäufer sind daher wie Zahlungen an sonstige Dritte – wie etwa an eine Bank – zu behandeln. Anspruchsgegner des Rückgewähranspruchs der Gesellschaft nach § 62 AktG ist folglich nur die Erwerbergesellschaft. Insofern stellt sich in dieser Konstellation auch nicht das Problem einer erweiterten Auslegung von § 57 AktG, da der Erwerber zu diesem Zeitpunkt Aktionär ist. Zwar ist ein Anspruch gegen die Erwerbergesellschaft, die in der Regel mit wenig Mitteln ausgestattet ist, oftmals nicht werthaltig. Dies ist jedoch Folge der §§ 62, 57 AktG, die der Gesellschaft nicht generell einen Anspruch auf Rückgewähr einseitig erfolgter Leistungen einräumen, sondern nur in der Sondersituation, dass Aktionäre Zuwendungsempfänger sind. cc) Leistung an zukünftige Aktionäre Aber auch die von der herrschenden Meinung aus Gründen des Umgehungsschutzes unter teleologischen Gesichtspunkten vorgenommene Ausdehnung der §§ 62, 57 AktG auf künftige Aktionäre148 ist in dogmatischer Hinsicht nicht ohne Schwierigkeiten zu begründen. Die Problematik verdeutlicht der in dieser Konstellation bisher nicht diskutierte Fall des Scheiterns einer Übernahme: Unterstützt die Zielgesellschaft im Vorfeld eines Leveraged Buyouts die Erwerbergesellschaft und kommt – aus anderen 145

Lutter/Wahlers, AG 1989, 1, 10. So aber Lutter/Wahlers, AG 1989, 1, 10 f. 147 In diese Richtung auch Cahn/Senger, in: Spindler/Stilz, AktG, § 57 Rn. 52, a. A. Lutter, in: Kölner Kommentar zum AktG, 2. Aufl., § 57 Rn. 40; Lutter/Wahlers, AG 1989, 1, 10 f.; vgl. zur Gegenansicht auch BGH, Urteil vom 24.3.1954 – II ZR 23/53, BGHZ 13, 54 ff. (zur GmbH), Canaris, in: FS Fischer, S. 31, 32. 148 BGH, Urteil vom 13.11.2007 – XI ZR 294/07, ZIP 2008, 118 f., Henze, in: Großkommentar zum AktG, § 57 Rn. 80; Fleischer, in: K. Schmidt/Lutter; AktG, § 57 Rn. 38; Hüffer, AktG,§ 57 Rn. 14; Lutter, in: Kölner Kommentar zum AktG, 2. Aufl., § 57 Rn. 40; Cahn/Senger, in: Spindler/Stilz, AktG, § 57 Rn. 51. 146

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Gründen149 – die Übernahme nicht zustande, stellt sich die Frage, ob die §§ 62, 57 AktG dennoch Anwendung finden. Dagegen spricht der Wortlaut dieser Normen, da die Erwerbergesellschaft dann niemals die Aktionärseigenschaft besitzt und somit nicht Verbotsadressatin sein kann. In Betracht käme daher nur eine analoge Anwendung150. Zwar macht es für die Gläubiger und Minderheitsaktionäre der Zielgesellschaft bezüglich des Kapitalabflusses keinen Unterschied, ob die Übernahme gelingt oder scheitert, so dass wertungsmäßig dieser Tatbestand dem Fall der Leistung an einen Aktionär gleichsteht. Angesichts der Regelung in § 71a Abs. 1 S. 1 AktG ist jedoch das Vorliegen einer Regelungslücke als notwendige Voraussetzung zur Begründung einer Analogie fraglich. Dies lässt jedoch allgemein daran zweifeln, ob §§ 57, 62 AktG – wie ganz überwiegend angenommen wird151 – Leistungen an künftige Aktionäre umfassen kann. Denn im Moment der Zuwendung der Zielgesellschaft an die Erwerbergesellschaft ist es stets ungewiss, ob die Übernahme gelingt und es zu einer vom Wortlaut verlangten Aktionärseigenschaft kommt152. Die Rechtssicherheit gebietet es aber, dass es schon zu diesem Zeitpunkt feststeht, ob die §§ 57, 62 AktG einschlägig sind oder nicht. Ein Anknüpfen an die zukünftige Aktionärsstellung ist stets nur Prognose und kann sich beim Scheitern der Übernahme als falsch herausstellen. Der Weg über eine Rückwirkung, dass also §§ 57, 62 AktG, sobald der Erwerber Aktionär wird ex tunc eingreift, ist auch verstellt. Denn es handelt sich hierbei nicht um eine unter gewissen Voraussetzungen mögliche Rückwirkung von Rechtsfolgen, sondern um eine unter Rechtssicherheitsaspekten unzulässige Rückwirkung eines Verbots. Will man mit der herrschenden Meinung dennoch Leistungen an zukünftige Aktionäre zum Anwendungsbereich von §§ 57, 62 AktG zählen, müsste man anstatt des objektiven Tatbestandsmerkmals „den Aktionären“ dieses subjektivieren, indem man etwa in § 57 Abs. 3 AktG genügen lässt, dass „unter die Aktionäre und jene, die den Kauf von Aktien bezwecken“ nur der Bilanzgewinn verteilt werden darf. 149 Denkbar sind etwa kartellrechtliche Gründe oder ein Scheitern der Drittmittelfinanzierung. Auch kann eine Kursexplosion der Zielgesellschaft die Übernahme verhindern. 150 Ausführlich zu den Voraussetzungen, Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 202 ff. 151 BGH, Urteil vom 13.11.2007 – XI ZR 294/07, ZIP 2008, 118, 119; Bayer, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 57 Rn. 57; Henze, in: Großkommentar zum AktG, § 57 Rn. 80; Hüffer, AktG,§ 57 Rn. 14; Lutter, in: Kölner Kommentar zum AktG, 2. Aufl., § 57 Rn. 40; Cahn/Senger, in: Spindler/Stilz, AktG, § 57 Rn. 51. 152 Ähnlich auch Oechsler, ZIP 2006, 1661, 1663, der darauf hinweist, dass die Prognose, ob der etwaige Erwerber künftig unternehmerisch beteiligt sein wird, jedes Mal ex-post bei Zugrundelegung eines ex-ante Maßstabes zu überprüfen wäre, was mit erheblicher Unsicherheit belastet sei.

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Eine andere, wenn auch wenig griffige Lösung wäre, die hohe Wahrscheinlichkeit, Aktionär zu werden, ausreichen zu lassen. Ob man hierin lediglich eine extensive Auslegung sehen kann, um von der ratio des § 57 AktG umfasste Umgehungsgeschäfte einzufangen, erscheint indes zweifelhaft. So bildet der Wortsinn die Grenze der Auslegung153. Der Wortlaut „den Aktionären“ umfasst nicht eine mögliche künftige Aktionärsstellung, so dass die Grenze des Wortsinns überschritten wird, will man letzteren Fall in § 57 AktG verankern154. Von einer Auslegung ließe sich nur sprechen, wenn man die Grenze zwischen Auslegung und Analogie nicht nach den Grenzen des Wortsinns zöge, sondern mit einer vorwiegend in den fünfziger Jahren des 20. Jahrhunderts vertretenen Ansicht eine Gesetzeslücke erst annehmen würde, wenn dem Gesetz für einen bestimmten Fall keine Wertung zu entnehmen wäre155. Dies hätte zu Folge, dass sich alle Umgehungstatbestände durch bloße teleologische Auslegung unter die jeweilige Norm subsumieren ließen. Hiergegen spricht jedoch entscheidend, dass die Autorität des Gesetzgebers sich nur im Gesetzestext wieder findet156. Es ist eine reine Fiktion anzunehmen, dass der Gesetzgeber immer auch alle Gesetzesumgehungen erfassen will. Dies wird besonders deutlich, wenn man §§ 46 Abs. 5, 89 Abs. 3 und § 115 Abs. 2 AktG betrachtet, in denen der Gesetzgeber ausdrücklich Umgehungssachverhalte erfasst hat. Eine direkte Subsumtion aller Umgehungstatbestände im Wege der Auslegung unter die umgangene Norm, ohne die strengen Anforderungen einer Analogie zu prüfen, würde zudem der Rechtsunsicherheit Vorschub leisten. Gleiches gälte für eine denkbare Zwischenlösung, wonach bei erwiesener Umgehungsabsicht mangels planwidriger Gesetzeslücke eine bloße Gesetzesauslegung, ansonsten eine Analogie vorläge. Letzterer Ansatz stünde zudem im Widerspruch zur herrschenden Ansicht, wonach es sich bei der Gesetzesumgehung um einen Fall objektiver Gesetzesanwendung handelt157. Die besseren Argumente sprechen somit dafür, in der Leis153 Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 163 f.; Canaris, Die Feststellung von Lücken im Gesetz, S. 19 f.; siehe oben Kapitel 3 § 1 A. II. 2. a). 154 Im diesen Sinne beachtlich die Einschätzung von Habersack, in: FS Röhricht, S. 155, 165, der überlegt, „Leistungen der Gesellschaft an einen künftigen Aktionär, dem Anwendungsbereich des (seinem Wortlaut ohnehin nicht einschlägigen) § 57 AktG zu entziehen und stattdessen ausschließlich nach § 71a Abs. 1 S. 1 AktG zu würdigen“. 155 So etwa Sax, Analogieverbot, S. 87 f.; Bastian, Der Richter als Gesetzgeber, S. 52; vgl. für das Schweizer Recht Meier-Hayoz, Der Richter als Gesetzgeber, S. 54, 58, 61 (lediglich „formelle Lücke“); Schweizer, Freie richterliche Rechtsfindung inter legem als Methodenproblem, S. 43. 156 Canaris, Die Feststellung von Lücken im Gesetz, S. 20. 157 Vgl. Klass, Der Buyout von Aktiengesellschaften, S. 60.

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tung an einen „wahrscheinlich zukünftigen Aktionär“ einen Fall zu sehen, den § 57 AktG direkt nicht regelt158. Die für die Analogie erforderliche vergleichbare Interessenlage ist – wie bei den meisten Umgehungssachverhalten – leicht zu begründen. Denn unter einem Umgehungsgeschäft versteht man gerade eine Handlung, die einen dem Sinn des Verbotsgesetzes zuwiderlaufenden Erfolg herbeiführt, ohne gegen den Wortlaut der Norm zu verstoßen159. Im konkreten Fall ist die Interessenlage vergleichbar, da es für das Vermögen der Zielgesellschaft keinen Unterschied macht, wann der Vermögenstransfer vorgenommen wurde. Jedoch stellt sich für die Begründung der Analogie wiederum die Problematik einer angesichts von § 71a AktG schwer zu rechtfertigenden Regelungslücke. Denn § 71a Abs. 1 S. 1 AktG ordnet die Nichtigkeit von dort näher bezeichneten Rechtsgeschäften an, die „zum Zweck des Erwerbs von Aktien dieser Gesellschaft“ vorgenommen werden. Die Vorschrift scheint auf den ersten Blick die problematischen Fälle der Leistung an den zukünftigen Aktionär zu umfassen, weil es hier nicht auf die Vollendung des Aktienerwerbs ankommt, sondern subjektiv die hierauf gerichtete Absicht ausreicht160. Auf der anderen Seite erfasst der Wortlaut von § 71a Abs. 1 S. 1 AktG nur Rechtsgeschäfte, die „die Gewährung eines Vorschusses oder eines Darlehens oder die Leistung einer Sicherheit“ zum Gegenstand haben. Die Entscheidung, ob eine analoge Anwendung der §§ 57, 62 AktG bei Leveraged Buyout Fällen notwendig ist oder § 71a Abs. 1 S. 1 AktG lückenlosen Schutz bei den Fällen der Leistung an den künftigen Aktionär gewährt und damit diesbezüglich keine planwidrige Regelungslücke vorliegt, hängt mithin von dem später zu prüfenden Anwendungsbereich des § 71a Abs. 1 S. 1 AktG ab und muss an dieser Stelle noch offen bleiben161. Es kann jedoch schon hier festgehalten werden, dass der BGH wenig dogmatisches Feingespür erkennen lässt, wenn er einen Darlehensvertrag zwischen Aktiengesellschaft und zukünftigem Aktionär nach § 71a Abs. 1 S. 1 AktG als nichtig ansieht, dann aber, anstatt sich mit der hieraus resultieren158 Vgl. Habersack, in: FS Röhricht, S. 155, 165; Schroeder, Finanzielle Unterstützung des Aktienerwerbs, S. 182; Letzterer geht ohne weitere Begründung von einer Analogie aus. Für eine bloße teleologische Auslegung Lutter, in: Kölner Kommentar zum AktG, 2. Aufl., § 57 Rn. 40. 159 Armbrüster, in: Münchener Kommentar zum BGB, § 134 Rn. 11; Sack, in: Staudinger, BGB, § 134 Rn. 144 f. 160 Dies wird auch teilweise von Vertretern der h. M. erkannt, vgl. Drygala, Der Konzern 396, 398, der nach der Feststellung des Anwendungsbereichs des § 57 auf zukünftige Aktionäre bemerkt, dass dies gerade die Situation ist „die auch § 71a im Auge hat“. 161 Siehe unten Kapitel 3 § 2 B. I. 1. b); vgl. auch Habersack, in: FS Röhricht, S. 155, 165, der diese Frage offen lässt.

§ 1 Kapitalschutz nach § 57 Abs. 1 und 3 AktG

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den Rückabwicklung auseinanderzusetzen, auf §§ 62 Abs. 1 S. 1, 57 Abs. 1 S. 1 AktG rekurriert162. c) Dritte als Leistungsempfänger Nach § 57 AktG ist es ausschließlich Aktionären verboten, Leistungen von der Gesellschaft zu empfangen. Oft fließen bei fremdfinanzierten Übernahmen Vermögenswerte der Zielgesellschaft jedoch nicht unmittelbar an den erwerbenden Mehrheitsaktionär, sondern es werden Dritte wie etwa die finanzierende Bank in den Vermögenstransfer eingeschaltet. Umgekehrt kommen Leistungen an den Mehrheitsaktionär auch anderen zugute, wie etwa einem hinter der Erwerbergesellschaft stehenden Private Equity Fonds. In all diesen Konstellationen stellt sich die Frage, wann die §§ 62, 57 Abs. 1, 3 AktG Anwendung finden. Folgende Fallkonstellationen gilt es hierbei zu unterscheiden: aa) Behandlung der Leistung an einen Dritten als Leistung an Aktionär Zunächst kann dem Aktionär die Leistung an den Dritten zuzurechnen sein, auch wenn mit dem Vermögensabfluss bei der Zielgesellschaft kein unmittelbarer Vermögenszufluss bei dem Aktienerwerber korrespondiert. Der Vermögenstransfer an den Dritten muss in diesem Falle als Leistung an den Aktionär angesehen werden. Letzterer ist folgerichtig dann Anspruchsgegner der §§ 62, 57 AktG. Der Zurechnungsgrund wird dabei teilweise in der Rechtsbeziehung zwischen dem Leistungsempfänger und dem Aktionär gesehen163. Zutreffend ist, dass das Innenverhältnis dieser Akteure darüber Aufschluss geben kann, ob ein Zurechnungstatbestand vorliegt, etwa wenn der Dritte für Rechnung des Aktionärs handelt und im Innenverhältnis zur Herausgabe an den Aktionär verpflichtet ist. Allerdings ist solch eine wirksame Verpflichtung für die Zurechnung nicht zwingend. Auf einer höheren Abstraktionsebene werden daher als Zurechnungskriterien alternativ das Vorliegen eines wirtschaftlichen Vorteils beim Aktionär164 oder die Veranlassung des Vermögenstransfers durch den Aktionär165 verlangt. Beide 162

Vgl. BGH, Urteil vom 13.11.2007 – XI ZR 294/07, ZIP 2008, 118, 119. Cahn/Senger, in: Spindler/Stilz, AktG, § 57 Rn. 54. 164 OLG Hamburg, Urteil vom 23.5.1980 – 11 U 117/79, AG 1980, 275, 278; OLG Hamburg, Urteil vom 24.7.1984 – 11 U 182/86, WM 1987, 1163, 1167; Bayer, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 57 Rn. 56; Cahn/Senger, in: Spindler/Stilz, AktG, § 57 Rn. 69 m. w. N. 165 OLG Frankfurt a. M., Urteil vom 30.11.1995 – 6 U 192/91, AG 1996, 324, 326; Bayer, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 57 Rn. 68; Cahn/Senger, in: 163

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Merkmale stehen oftmals im Zusammenhang, da der Aktionär, der die Leistung an einen Dritten veranlasst, de facto den wirtschaftlichen Wert dieser im eigenen Interesse realisiert166. Vor dem Hintergrund eines effektiven Kapitalschutzes ist dabei das entscheidende Kriterium, dass der wirtschaftliche Erfolg dem Aktionär zugute kommt. Gerade bei Übernahme der Transaktionskosten durch die Zielgesellschaft über den Abschluss eines Mergers & Acquisitions-Dienstvertrags ist die Veranlassung der Erwerberseite als rein interner Vorgang schwer zu beweisen. Allerdings ist umgekehrt der Gegenbeweis zuzulassen, dass die einen Aktionär bevorteilende Leistung der Gesellschaft an einen Dritten, nicht von dem profitierenden Aktionär veranlasst wurde. Dieser Beweis dürfte freilich in der Akquisitionspraxis kaum gelingen, da nur die Erwerbergesellschaft ein Interesse an der Refinanzierung des Kaufpreises hat und als Mehrheitsgesellschafterin auch über die entsprechende Einflussmöglichkeit verfügt. Beim Leveraged Buyout sind daher im Regelfall beide Kriterien kumulativ erfüllt. Der Vermögenstransfer von der Zielgesellschaft hin zu einem Dritten auf Initiative der Erwerbergesellschaft bezweckt dabei die Verringerung der Kaufpreisschuld. Dritter ist somit zumeist ein Gläubiger der Erwerbergesellschaft, sei es, wie oben schon erwähnt, der Verkäufer der Anteile oder ein Darlehensgeber. Diese Sachverhalte finden sich in der Zurechungsfallgruppe „Tilgung einer Verbindlichkeit“ (§ 267 Abs. 1 S. 1 BGB) wieder167. In der Praxis fremdfinanzierter Übernahmen kaum von Bedeutung sind die weiteren, nur im Detail streitigen Fallgruppen der „Leistung an einen Strohmann“ oder an einen „nahen Verwandten“168. Rechtstechnisch ist zu beachten, dass, entgegen einiger Stimmen im Schrifttum169, § 57 AktG hierfür nicht analog angewandt werden muss. Denn in all den Fällen wird vermutet, dass die Leistung der Aktiengesellschaft dem Aktionär wirtschaftlich zugute kommt, so dass § 57 AktG – anders als bei der Leistung an den künftigen oder ehemaligen Aktionär – diSpindler/Stilz, AktG, ebd.; Henze, in: Großkommentar zum AktG, § 57 Rn. 88; Lutter, in: Kölner Kommentar zum AktG, 2. Aufl., § 57 Rn. 40. 166 Vgl. Cahn/Senger, in: Spindler/Stilz, AktG, § 57 Rn. 69. 167 BGH, DB 1968, 847; LG Düsseldorf, Urteil vom 22.12.1978 – 40 O 138/78, AG 1979, 290, 291; Bayer, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 57 Rn. 66; Henze, in: Großkommentar zum AktG, § 57 Rn. 87; Lutter, in: Kölner Kommentar zum AktG, 2. Aufl., § 57 Rn. 43; Cahn/Senger, in: Spindler/Stilz, AktG, § 57 Rn. 71; Westermann, in: Bürgers/Körber, AktG, § 57 Rn. 8. 168 Vgl. hierzu ausführlich Bayer, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 57 Rn. 69; Cahn/Senger, in: Spindler/Stilz, AktG, § 57 Rn. 73 m. w. N.; Canaris, in: FS Fischer, S. 31, 36 ff. 169 Canaris, in: FS Fischer, S. 31, 36, 38; Schroeder, Finanzielle Unterstützung des Aktienerwerbs, S. 183.

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rekt eingreift170. Ginge man von einer analogen Anwendung aus, müsste man dem Aktionär die Leistung an den Dritten nicht zurechnen. Umstritten ist schließlich die Anwendung des § 57 AktG bei vermögenswerten Leistungen der Zielgesellschaft an ein mit dem Aktionär verbundenes Unternehmen171. Im Mittelpunkt der Diskussion steht dabei die Frage, ob eine mehrheitliche Beteiligung des Aktionärs an dem die Leistung empfangenden Unternehmen ausreicht, um dem Aktionär die Leistung zuzurechnen. Dies bejaht die herrschende Ansicht unter Hinweis auf die Herrschaftsmacht des Mehrheitsaktionärs172. Dieser Meinungsstreit wird beim Leveraged Buyout jedoch in der Regel keine Rolle spielen, da die Erwerbergesellschaft idealtypisch nur als Transportvehikel zum Zweck des Erwerbs der Anteile gegründet wurde und keine Tochtergesellschaften beherrscht. Vielmehr wird die Erwerbergesellschaft selbst, teilweise über dazwischengeschaltete Gesellschaften, von den Finanzinvestoren beherrscht. Die Zurechnungsfrage stellt sich daher zumeist in der anderen Richtung, wenn die Zielgesellschaft an die herrschende Gesellschafterin des Aktionärs leistet. Auch wenn die Erwerbergesellschaft hier keinen unmittelbaren Vorteil erlangt, wird die Zurechnung zu bejahen sein, da die Vermutung, die Erwerbergesellschaft als die Schuldnerin des Kaufpreises hätte durch ihre Mehrheitsbeteiligung an der Zielgesellschaft den Vermögenstransfer veranlasst, kaum zu widerlegen sein dürfte173. In der Praxis sind jedoch die Ansprüche gegen die Erwerbergesellschaft im Regelfall wirtschaftlich uninteressant. So fungiert die Erwerbergesellschaft als bloßes Transportvehikel und ist nur mit dem zum Kauf notwendigen Kapital ausgestattet. Da in den Fällen der Leistungen an Dritte ihr auch keine Gelder von der Zielgesellschaft zufließen bzw. damit nur ihre Schul170 Vgl. Bayer, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 57 Rn. 65 f., 69; Bommert, Verdeckte Vermögensverlagerung im Aktienrecht S. 106, der ausdrücklich den bereicherungsrechtlichen Leistungsbegriff zu Grunde legt. 171 Bayer, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 57 Rn. 70 bezeichnet die Rechtslage als „noch nicht hinreichend geklärt“. 172 BGH, Urteil vom 21.9.1981 – II ZR 104/80, BGHZ 81, 311, 315; Bayer, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 57 Rn. 72 ff.; Geßler, in: FS Fischer, S. 131, 147 f.; Henze, in: Großkommentar zum AktG, § 57 Rn. 92 m. w. N.; a. A. Hüffer, AktG,§ 57 Rn. 15; Canaris, in: FS Fischer, S. 31, 43, der zusätzlich die Bösgläubigkeit der Mitgesellschafter verlangt. Differenzierend: Cahn/Senger, in: Spindler/Stilz, AktG, § 57 Rn. 75 f. Zur Frage der notwendigen Beteiligungsquote Westermann, in: Bürgers/Körber, AktG, § 57 Rn. 10. 173 Vgl. hierzu allgemein Cahn/Senger, in: Spindler/Stilz, AktG, § 57 Rn. 79. Auch ist die Konstellation nicht anders zu bewerten, als hätte der Aktionär die Leistung empfangen und dann an den Hintermann weitergeleitet, so zu Recht Canaris, in: FS Fischer, S. 31, 44.

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den gedeckt werden, wird ein Anspruch nach §§ 62, 57 AktG gegen sie zumeist nicht werthaltig sein. Interessanter ist daher die Frage, ob die Zielgesellschaft aus §§ 62, 57 AktG einen Anspruch gegen den hinter der Transportgesellschaft stehenden Finanzinvestor hat, ob, mit anderen Worten, auf das Vermögen des Fonds zurückgegriffen werden kann. bb) Private Equity Fonds als Verpflichteter nach §§ 62, 57 AktG Private Equity Fonds sind das Sammelbecken für außerbörsliches Beteiligungskapital und werden in haftungsbeschränkte Gesellschaftsformen – im angloamerikanischen Raum als Limited Partnership, in Deutschland zumeist als GmbH & Co. KG – organisiert174. Angesichts ihrer guten finanziellen Ausstattung – die größten Buyout-Fonds verfügen über ein Kapital von etwa 20 Milliarden US-Dollar175 – sind sie wenig insolvenzanfällig und daher Ansprüche gegen sie werthaltig. Bezüglich der Anwendung der §§ 62, 57 AktG lassen sich zwei Problemkreise unterscheiden: Zum einen ist problematisch, dass die Private Equity Gesellschaft bei einer Leverage-Transaktion im Regelfall zwar keine formale Aktionärsstellung innehat, jedoch – teilweise über komplizierte Konstruktionen wie etwa dazwischengeschaltete Holdinggesellschaften – die Transportgesellschaft beherrscht und so die gesamte Übernahme, inklusive des Transfers des Vermögens der Zielgesellschaft auf sich selbst, steuert. Hier ist zu untersuchen, ob der Fonds trotz fehlender formaler Aktionärseigenschaft als „aktionärsgleicher Dritter“ Verpflichteter der §§ 62, 57 AktG sein kann. Neben der Aktionärseigenschaft stellt die oftmals fehlende direkte Leistungsbeziehung zwischen Zielgesellschaft und Fondsgesellschaft den zweiten, kritischen Punkt dar. So fließen typischerweise Leistungen beim Leveraged Buyout zumeist nicht direkt von der Zielgesellschaft zu dem Finanzinvestor. Vielmehr kommen die Vermögenswerte der Zielgesellschaft dem Private Equity Fonds nur über dessen Anteil an der Erwerbergesellschaft mittelbar zugute. Nimmt die Erwerbergesellschaft etwa ein Darlehen zur Finanzierung des Kaufpreises auf und zahlt die Zielgesellschaft dieses aus ihrem Vermögen zurück, liegt darin in erster Linie eine Leistung an die Erwerbergesellschaft, deren Schulden bei der Bank getilgt werden. Es darf jedoch nicht übersehen werden, dass eigentliche Nutznießerin die herrschende Fondsgesellschaft ist, die letztlich von der finanziellen Unterstützung durch die Zielgesellschaft profitiert. Interessant ist daher die Frage, ob Leistungen, 174 175

Eidenmüller, ZHR 171 (2007), 644, 649 m. w. N. Vgl. F. A. Z. vom 25.7.2007, S. 19.

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die bei der Erwerbergesellschaft oder bei anderen dazwischengeschalteten Töchtern der Private Equity Gesellschaft verbleiben, letzterer zuzurechnen sind mit der Folge, dass der Finanzinvestor bei jedem Vermögenstransfer der Zielgesellschaft an eine seiner Töchter Anspruchsgegner des § 62 Abs. 1 S. 1 i. V. m. § 57 AktG ist. Aufgrund der in dieser Konstellation vorliegenden Abhängigkeiten der beteiligten Unternehmen können die konzernrechtlichen Spezialregelungen der §§ 291 ff., 311 ff. i. V. m. 16 ff. AktG die allgemeine Kapitalschutzregelung des § 57 AktG überlagern. Ob, wann und in welchem Umfang dies der Fall ist, ist jedoch Gegenstand des 5. Kapitels. Vorgreifend sei darauf hingewiesen, dass auch im faktischen Konzern bei Nichteinhaltung der Grenzen des § 311 AktG die Anwendung der §§ 62, 57 diskutiert wird176. Auch wenn Zielgesellschaft und Erwerbergesellschaft einen Konzern bilden, verliert die nachfolgende Problematik somit nicht ihre Relevanz. Ebenfalls ausgeblendet wird an dieser Stelle das sich in der Praxis ergebende Problem der praktischen Durchsetzbarkeit von etwaigen Ansprüchen gegen den in aller Regel ausländischen Private Equity Fonds. (1) Private Equity Fonds als „aktionärsgleicher Dritter“ Als erstes ist die Frage zu klären, ob ein Private Equity Fonds als „aktionärsgleicher Dritter“ Anspruchsgegner der §§ 62, 57 AktG sein kann. Keine brauchbare Lösung bietet hier ein rein bereicherungsrechtlicher Ansatz, da hier zunächst nicht die fehlende Leistungsbeziehung zwischen Zielgesellschaft und der Private Equity Gesellschaft Schwierigkeiten bereitet, sondern deren fehlende Aktionärseigenschaft. Es handelt sich also nicht um ein bloßes Vermögenszuordnungsproblem177. Eine Haftung des Fonds kann mithin nur begründet werden, wenn aufgrund der vergleichbaren Interessenlage eine analoge Anwendung der §§ 62, 57 AktG178 zu befürworten wäre. Ob und wann der für eine Analogie erforderliche Wertungsgleichklang vorliegt, ist umstritten. Rechtsprechung und herrschende Literatur nehmen dies an, wenn bei wirtschaftlicher Betrachtung dem Dritten faktisch die 176

Vgl. etwa OLG München, Urteil vom 15.12.2004 – 7 U 5665/03, AG 2005, 486, 488; Cahn/Senger, in: Spindler/Stilz, AktG, § 57 Rn. 76 m. w. N.; Habersack, in: Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 311 Rn. 83; Hüffer, AG 2004, 416, 418; Bayer/Lieder, ZGR 2005, 133, 148; Canaris, in: FS Fischer, S. 31, 42. 177 So aber Bommert, Verdeckte Vermögensverlagerungen im Aktienrecht, S. 108 f. 178 Vgl. Canaris, in: FS Fischer, S. 31, 36 und 40: „Auszugehen ist dabei auch hier von der Einsicht, daß Umgehungen durch analoge Anwendung der umgangenen Norm zu begegnen ist“ (S. 36).

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Kap. 3: Das aktienrechtliche Kapitalschutzsystem

Stellung eines Aktionärs zukommt179. Dies wird allgemein bei Treuhandoder Strohmannverhältnissen bejaht180, aber auch, wenn Leistungen an den Alleingesellschafter einer Gesellschaft fließen, die ihrerseits an der leistenden Aktiengesellschaft beteiligt ist181. Hierbei wird der Rechtsgedanke des § 46 Abs. 5 AktG (Gründerhaftung) entsprechend herangezogen182. Demnach wäre ein Anspruch nach §§ 62, 57 AktG183 gegen den Private Equity Fonds in den typischen Leveraged Buyout Konstellationen zu begründen, da die Transportgesellschaft, die als Aktionärin agiert, in aller Regel hundertprozentige Tochter des Fonds ist. Dies überzeugt, da es für die geschützten Gläubiger (§ 57 Abs. 1 AktG) und Minderheitsaktionäre (§ 57 Abs. 3 AktG) der Zielgesellschaft keinen Unterschied macht, ob der Private Equity Fonds direkt als Aktionär die Auszahlung an ihn veranlasst oder über eine oder – wie in der Buyoutpraxis häufig – mehrere dazwischengeschaltete hundertprozentige Töchter. Ebenso kann es keine Rolle spielen, ob die Leistung direkt an die herrschende Muttergesellschaft ausgezahlt wird oder über die Zweckgesellschaft als formale Aktionärin. Denn allen Fällen ist gemein, dass der Private Equity Fonds den Vermögenstransfer von der Zielgesellschaft – wenn auch über Umwege – an sich veranlasst184. 179 OLG Hamm, Urteil vom 10.5.1995 – 8 U 59/94, ZIP 1995, 1263, 1270; Bayer, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 57 Rn. 59 f.; Henze, in: Großkommentar zum AktG, § 57 Rn. 81 f. 180 Vgl. BGH, Urteil vom 20.2.1989 – II ZR 167/88, AG 1989, 243; OLG Hamburg. Urteil vom 23.5.1980 – 11 U 117/79, AG 1980, 275, 278; Bayer, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 57 Rn. 60; Fleischer, in: K. Schmidt/Lutter; AktG, § 57 Rn. 36; Henze, in: Großkommentar zum AktG, § 57 Rn. 81; Lutter, in: Kölner Kommentar zum AktG, 2. Aufl., § 57 Rn. 42; Westermann, in: Bürgers/Körber, AktG, § 57 Rn. 8; Canaris, in: FS Fischer, S. 31, 36 f. 181 OLG Hamm, Urteil vom 10.5.1995 – 8 U 59/94, ZIP 1995, 1263, 1270; Bayer, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 57 Rn. 59 f.; Drinhausen, in: Heidel, AktG, § 57 Rn. 41; Fleischer, in: K. Schmidt/Lutter; AktG, § 57 Rn. 36, Henze, in: Großkommentar zum AktG, § 57 Rn. 81 f.; Habersack, in: Großkommentar, GmbHG, § 30 Rn. 72 (zur GmbH); differenzierend: Cahn/Senger, in: Spindler/Stilz, AktG, § 57 Rn. 65, und § 62 Rn. 16 (widerlegbare Vermutung); a. A. Eidenmüller, ZHR 171 (2007), 644, 664; Bommert, Verdeckte Vermögensverlagerungen im Aktienrecht, S. 106 (rein bereicherungsrechtlicher Ansatz). 182 Bayer, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 57 Rn. 60; Canaris, in: FS Fischer, S. 31, 40 f. m. w. N. 183 A. A. Canaris, in: FS Fischer, S. 31, 36 f., der eine Analogie zu § 57 AktG annimmt, jedoch zu § 62 AktG aufgrund seiner „spezifisch gesellschaftsrechtlichen Natur“ ablehnt und eine bereicherungsrechtliche Rückabwicklung befürwortet. Dies überzeugt jedoch nicht, da die §§ 62, 57 AktG Teil eines kapitalschutzrechtlichen Systems sind. Bejaht man daher eine Analogie zu § 57 gegen gesellschaftsfremde Dritte, muss man folgerichtig in einem zweiten Schritt auch die Rechtsfolge des § 62 analog anwenden. 184 Die der herrschenden Gesellschaft teilweise eingeräumte Möglichkeit, die vermutete Veranlassung zu widerlegen (Cahn/Senger, in: Spindler/Stilz, AktG, § 57

§ 1 Kapitalschutz nach § 57 Abs. 1 und 3 AktG

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Fraglich ist, ob diese Kette zwischen Private Equity Fonds und Zielgesellschaft auch besteht, wenn der Fonds oder seine Tochtergesellschaften nur eine Mehrheitsbeteiligung an der Transportgesellschaft der Zielgesellschaft innehat185. Dies ist etwa denkbar, wenn neben dem federführenden Private Equity Fonds noch andere Finanzinvestoren an der Transaktion beteiligt sind und Anteile an der Transportgesellschaft halten. Allerdings wird in diesem Fall häufig eine Absprache zwischen den verschiedenen Finanzinvestoren vorliegen, so dass eine gegenseitige Zurechnung vorgenommen werden kann. Aber auch in den anderen Fällen sprechen die besseren Argumente dafür, eine Mehrheitsbeteiligung ausreichen zu lassen. Zum einen genügt eine solch bestimmende Mehrheit, um beherrschenden Einfluss auf den Aktionär auszuüben186, zum anderen gibt es in dieser Fallkonstellation keine zu schützenden Minderheitsgesellschafter, da der Anspruch aus §§ 62, 57 AktG hier nur den herrschenden Private Equity Fonds als Leistungsempfänger trifft187. Entscheidend ist mithin nur, dass die Zuwendung an den Private Equity Fonds wegen dessen Beteiligung an dem Aktionär der Zielgesellschaft und damit causa societatis erfolgte. Dies wird bei Allein- oder Mehrheitsbeteiligung vermutet und dürfte bei Buyout Konstellationen kaum zu widerlegen sein, da gerade der Vermögenstransfer weg von der Zielgesellschaft hin zu dem Finanzinvestor ein tragendes Element der LeverageFinanzierung darstellt. Damit ist die vergleichbare Interessenlage als erste Voraussetzung für eine Analogie in den Fällen der direkten Leistung der Zielgesellschaft an den Private Equity Fonds gegeben. Rn. 65; anders die h. M. vgl. OLG Hamm, Urteil vom 10.5.1995 – 8 U 59/94, ZIP 1995, 1263, 1270; Henze, in: Großkommentar zum AktG, § 57 Rn. 82 m. w. N.) ist bei Leverage-Finanzierungen nur theoretischer Natur und hat in der Praxis keine Bedeutung. 185 Dafür: Fleischer, in: K. Schmidt/Lutter; AktG, § 57 Rn. 36; Cahn/Senger, in: Spindler/Stilz, AktG, § 57 Rn. 65; dagegen: Bayer, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 57 Rn. 60 und Henze, in: Großkommentar zum AktG, § 57 Rn. 82 („Alleingesellschafter“). 186 Zumeist reichen in der Hauptversammlung 50,1 Prozent (ohne Berücksichtigung der tatsächlichen Anwesenheitsquote), anders wenn nach § 133 Abs. 1 2. HS eine größere Mehrheit vorgesehen ist, vgl. allgemein zur maßgeblichen Beteiligung BGH, Urteil vom 10.5.1993 – II ZR 74/92, BGHZ 122, 333, 339; Michalski, AG 1980, 261, 266. 187 Anders ist die Sachlage, wenn der herrschende Aktionär eine Leistung an seine Tochtergesellschaft vereinbart. Die Anwendung in diesem Fall wegen dem Schutz der Minderheitsaktionäre ablehnend Canaris, in: FS Fischer, S. 31, 42 gegen die h. M. (BGH, Urteil vom 21.9.1981 – II ZR 104/80, BGHZ 81, 311, 315; Henze, in: Großkommentar zum AktG, § 57 Rn. 92 m. w. N.). Dieser Fall spielt in der Übernahmepraxis jedoch keine Rolle, da die Erwerbergesellschaft als reines Akquisitionsvehikel regelmäßig keine Tochtergesellschaften besitzt.

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Kap. 3: Das aktienrechtliche Kapitalschutzsystem

(2) Leistung verbleibt bei der Erwerbergesellschaft Fraglich ist, ob die vergleichbare Interessenlage auch vorliegt, wenn die Zuwendung bei der Erwerbergesellschaft oder einer dazwischengeschalteten Tochtergesellschaft verbleibt und nicht direkt an den Private Equity Fonds ausgeschüttet wird. Während in der Praxis die unmittelbare Leistung an den Finanzinvestor einen seltenen Ausnahmefall bildet, sind Unterstützungshandlungen der Zielgesellschaft wie etwa zinslose Darlehen an die Transportgesellschaft weiter verbreitet. Diese Zuwendungen bleiben bei der Transportgesellschaft und werden dort verwendet, um beispielsweise Kaufpreisschulden gegenüber den Banken zu tilgen. In diesen Fällen bedarf es zur Begründung der vergleichbaren Interessenlage einer weiteren Parallelwertung. Denn der Private Equity Fonds muss dann für eine analoge Anwendung der §§ 62, 57 AktG entgegen der Sachlage nicht nur als „Aktionär“, sondern auch als „Leistungsempfänger“ angesehen werden. Diese „Mehrfachanalogie“ wird in der Literatur unter Heranziehung des Rechtsgedankens aus § 46 Abs. 5 AktG teilweise befürwortet188. Argumentiert wird, dass es in der freien Entscheidung des Hintermanns läge, ob und wie lange er dem Aktionär die Zuwendung belässt189. Durchsetzen würde sich hier die „Vorstellung von einer wirtschaftlichen Einheit des Konzerns“, so dass es gerechtfertigt wäre, neben dem Aktionär als unmittelbarem Empfänger auch das herrschende Unternehmen in Anspruch zu nehmen190. Auf den ersten Blick scheint es plausibel, zwischen der zuvor diskutierten Konstellation und der vorliegenden keinen Unterschied zu machen, da bei beiden davon auszugehen ist, dass der herrschende Privat Equity Fonds den Vermögenstransfer veranlasst hat. Es ist jedoch zu beachten, dass Vergleichmaßstab nicht etwa der Fall der unmittelbaren Leistung an den Private Equity Fonds im Wege der analogen Anwendung der §§ 62, 57 AktG sein kann, denn mit einer „Analogie der Analogie“ würde man den Anwendungsbereich immer weiter ausdehnen. Zu fragen ist vielmehr, ob die Interessenlage der Inanspruchnahme des Private Equity Fonds ohne Leistungsempfang dem Normalfall der §§ 62, 57 AktG, also der Leistung an einen Aktionär, entspricht. Dagegen sprechen gewichtige Gründe: Zunächst entfernt man sich dabei sehr weit vom Wortlaut. Der Fonds ist kein Aktionär der Zielgesellschaft und hat auch keine Leistung empfangen. 188

Canaris, in: FS Fischer, S. 31, 41. Ebd. 190 Westermann, in: Bürgers/Körber, AktG, § 62 Rn. 6, mit Verweis auf BGH, Urteil vom 14.5.1992 – II ZR 299/90, NJW 1992, 2821. Das Urteil betraf jedoch eine andere Fallkonstellation. 189

§ 1 Kapitalschutz nach § 57 Abs. 1 und 3 AktG

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Gerade unter Rechtssicherheitsaspekten ist dies problematisch, da für den juristisch unkundigen Rechtsanwender eine solch weite Ausdehnung der §§ 62, 57 AktG kaum nachzuvollziehen ist. Dies allein würde einer Analogie nicht entgegenstehen, jedoch sprechen auch in der Sache die besseren Argumente dafür, die vergleichbare Interessenlage abzulehnen. So regelt § 57 Abs. 1 und 3 AktG die Leistungsbeziehung zwischen zwei Parteien, der leistenden Aktiengesellschaft und dem empfangenden Aktionär. Der Aktionär muss bei Verstoß gegen § 57 Abs. 1 oder Abs. 3 AktG nach § 62 AktG die empfangene Leistung herausgeben. Dies ist eine reine Abschöpfung der rechtswidrigen Leistung, so dass andere Beteiligte wie etwa die Gläubiger des Aktionärs keine Nachteile erleiden. Gleiches gilt für den soeben behandelten Fall, bei dem der Private Equity Fonds die Leistung direkt erwirbt, denn auch er muss nur das zurückgeben, was er zu Unrecht erhalten hat. Auch hier sind die Interessen seiner Gläubiger nicht tangiert, den nur der rechtswidrige Vermögenszuwachs wird gemäß den §§ 62, 57 AktG der Zielgesellschaft wieder zugeführt. Diese Beschränkung auf die Interessen von Leistendem und Empfangenden wird jedoch durchbrochen, wenn man auch der herrschenden Muttergesellschaft und den zwischen ihr und der Erwerbergesellschaft dazwischengeschalteten Tochtergesellschaften die Verpflichtung nach §§ 62, 57 AktG aufbürdet, ohne dass jene die Leistung real empfangen haben. Zwar steigt im Regelfall das Vermögen der Muttergesellschaft schon bei dem Vermögenstransfer zwischen Zielgesellschaft und Erwerbergesellschaft, da die Beteiligungsquote des Private Equity Fonds an der Erwerbergesellschaft beim Leveraged Buyout (oftmals 100 Prozent) deutlich höher liegt als ihr durch die Erwerbergesellschaft vermittelter Anteil an der Zielgesellschaft. Jedoch wird dieser Zuwachs nie die Höhe der gesamten Leistung betragen, da der Wert ihres mittelbaren Anteils an der Zielgesellschaft gleichzeitig sinkt. Würde man daher nach §§ 62, 57 AktG vom herrschenden Private Equity Fonds den Gesamtbetrag einfordern, hätte dieser weniger als zuvor. Dies würde den Interessen der an den rechtswidrigen Ausschüttungen unbeteiligten Gläubigern des Private Equity Fonds entgegen laufen. Hinzu kommt, dass oftmals eine Kette von Tochtergesellschaften zwischen Erwerbergesellschaft und Finanzinvestor geschaltet ist. Sobald die Zielgesellschaft unter Verletzung von § 57 AktG an die Erwerbergesellschaft eine Leistung erbringt, müssten dann nach der Gegenansicht alle diese über die Erwerbergesellschaft zumindest mittelbar herrschenden Töchter gesamtschuldnerisch haften. Betroffen wären dann auch deren Gläubiger und – wenn der Private Equity Fonds nicht (mittelbarer) Alleingesellschafter ist – deren Minderheitsaktionäre. Zwar trifft es zu, dass eine solche Haftung auf allen Stufen im faktischen Konzern gemäß den §§ 317, 311 AktG angenommen wird, wenn die Muttergesellschaft über ihre Tochtergesellschaften den Vermögenstransfer von der Zielgesellschaft auf die Er-

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werbergesellschaft veranlasst hat191. Hierbei ist jedoch zu beachten, dass im faktischen Konzern durch die Einräumung der Möglichkeit eines Nachteilsausgleichs innerhalb des Geschäftsjahres nach § 311 Abs. 2 AktG privilegierende Sonderregeln bestehen, die einen „Erst-Recht-Schluss“ problematisch erscheinen lassen. Vielmehr liegt es nahe, die schwer begründbare Privilegierung faktischer Konzerne nicht durch eine weite Ausdehnung der strengeren Regeln der §§ 62, 57 AktG zu verstärken. Eine Alternative zur Ablehnung der Haftung der Hintermänner ist sicherlich, den Anspruch aus §§ 62, 57 AktG immer in Höhe der tatsächlichen Bereicherung zuzulassen192, denn in diesem Fall wären Gläubigerinteressen nicht berührt. Die Höhe des Anspruches würde sich aus der Differenz zwischen der Beteiligung des Private Equity Fonds (beziehungsweise der dazwischengeschalteten Tochtergesellschaften) an der Erwerbergesellschaft und der niedrigeren (mittelbaren) Beteiligung an der Zielgesellschaft berechnen. Die dadurch erreichte Schließung einer Schutzlücke der §§ 62, 57 AktG würde dann aber mit einer komplizierten und für den Rechtsanwender kaum zu durchschauenden Regelung erkauft. Vorzugswürdig bleibt daher, den Durchgriff auf den Private Equity Fonds und die dazwischengeschalteten Holdingsgesellschaften außerhalb der §§ 311, 317 AktG abzulehnen, wenn diese nicht unmittelbar Vermögensleistungen der Zielgesellschaft empfangen193. (3) Regelungslücke Aber auch für den Fall, in dem die vergleichbare Interessenlage bejaht wurde, weil der Private Equity Fonds als „aktionärsgleicher Dritter“ die Leistung der Zielunternehmens unmittelbar empfangen hat, bestehen Zweifel an der analogen Anwendung der §§ 62, 57 AktG. So wird bislang keine Aufmerksamkeit dem Vorliegen einer planwidrigen Regelungslücke als zweiter Voraussetzung zur Begründung einer Analogie geschenkt. Zu Unrecht, wie ein Blick auf das Verbot der finanziellen Unterstützung nach § 71a Abs. 1 S. 1 AktG zeigt. Dort werden verschiedene Unterstützungshandlungen der Zielgesellschaft, die sie einem anderen „zum Zweck des Erwerbs“ zukommen lässt, mit der Nichtigkeitsfolge bedacht. Es liegt mithin nicht fern, in Leistungen der Zielgesellschaft an den hinter dem Erwerb ihrer Anteile stehenden Private Equity Fonds solch eine nach § 71a Abs. 1 S. 1 AktG verbotene finanzielle Unterstützung zu sehen. Dann wäre jedoch mangels Regelungslücke der von der herrschenden Meinung angenommene 191

Vgl. Fett, in: Bürgers/Körber, AktG, § 317 Rn. 9 m. w. N. Vgl. hierzu Cahn/Senger, in: Spindler/Stilz, AktG, § 57 Rn. 75 m. w. N. (Fn. 187) zur ähnlichen Problematik bei Zuwendungen an Schwestergesellschaften. 193 Ebenso im Ergebnis Eidenmüller, ZHR 171 (2007), 644, 664. 192

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Weg einer analogen Anwendung des § 57 AktG in diesen Fällen versperrt. Ob bei der Leistung an den hinter der Erwerbergesellschaft stehenden Private Equity Fonds § 57 AktG analog oder 71a AktG Anwendung findet, hängt indes von der umstrittenen Reichweite des § 71a Abs. 1 S. 1 AktG ab und kann daher erst nach dessen Untersuchung geklärt werden194. cc) Sonstige Dritte Die Leistungsbeziehung beschränkt sich bei einer fremdfinanzierten Übernahme jedoch nicht nur auf das Verhältnis zwischen Zielgesellschaft und Erwerbergesellschaft und deren Hintermänner. Eine gewichtige Rolle spielen vielmehr auch die Banken, die bei einem externen Buyout den Kaufpreis finanzieren. Dabei verlangen die Banken regelmäßig eine Absicherung, die die überschuldete Erwerbergesellschaft nicht bieten kann und auch die hinter dieser stehenden Finanzinvestoren nicht leisten wollen. Zurückgegriffen wird daher typischerweise auf die Zielgesellschaft, die – auf Veranlassung der Erwerbergesellschaft – die notwendigen Sicherheiten stellt. Die Zuwendung findet dann im Verhältnis zwischen Zielgesellschaft und Bank statt. Dass diese Leistung der Zielgesellschaft an die Bank wirtschaftlich eine Leistung an die veranlassende Erwerbergesellschaft darstellt und dieser daher zugerechnet werden kann, wurde bereits erörtert195. Stellt etwa die Zielgesellschaft der Erwerbergesellschaft eine Sicherheit bei einer Bank, liegt zwischen Zielgesellschaft und Erwerbergesellschaft eine Leistungsbeziehung vor, da die Erwerbergesellschaft ohne die Sicherheit den Kredit nicht bekommen hätte196. Allein der Anspruch gegen die überschuldete Erwerbergesellschaft nach §§ 62, 57 AktG wird im Regelfall kaum werthaltig sein, so dass sich die Frage stellt, ob auf die Bank als tatsächliche Leistungsempfängerin zurückgegriffen werden kann. Indes erfasst §§ 62, 57 AktG seinem Wortlaut nach nur Aktionäre. Auch einer analogen Anwendung stehen – abgesehen von der Problematik der planwidrigen Regelungslücke – gewichtige Gründe entgegen. Zunächst stehen in systematischer Hinsicht die Normen im dritten Teil des ersten Buches, welches das Rechtsverhältnis der Gesellschaft und der Gesellschafter, nicht jedoch die Beziehung zu außenstehenden Dritten regelt197. Im Gegen194

Siehe unten Kapitel 3 § 3 B. II. Siehe oben Kapitel 3 § 1 B. I. 1. c) aa). 196 Vgl. OLG Düsseldorf, 24.10.1979 – 11 U 47/79, DB 1980, 2130, 2131; Diem, Akquisitionsfinanzierungen, § 46 Rn. 14 (S. 239). 197 Vgl. OLG Düsseldorf, ebd. 195

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satz zu Leistungen an den zukünftigen erwerbenden Mehrheitsaktionär oder den diesen beherrschenden Private Equity Fonds fehlt es hier auch an einer vergleichbaren Interessenlage. Denn die Bank kann grundsätzlich die Zielgesellschaft weder wie der zukünftige Mehrheitsgesellschafter zur Leistung einer Sicherheit veranlassen noch hat sie die Macht, den (zukünftigen) Mehrheitsgesellschafter zu kontrollieren. Dies zeigt sich schon daran, dass sich typischerweise im Innenverhältnis die Zielgesellschaft gegenüber der Erwerbergesellschaft, und nicht etwa gegenüber der Bank verpflichtet, die Sicherheit an Letztere zu leisten. Es ist daher wenig verwunderlich, dass Rechtsprechung und Literatur die analoge Anwendung der §§ 62, 57 AktG auf außenstehende Dritte wie Kreditgeber im Grundsatz fast einhellig ablehnen198. Etwas anderes gilt nur, wenn ausnahmsweise dem Kreditgeber eine Stellung eingeräumt wird, die über diejenige eines Sicherungsnehmers hinausgeht. Dies ist jedoch nur dann der Fall, wenn der finanzierenden Bank – etwa in einer schuldrechtlichen Nebenabrede – Befugnisse eingeräumt werden, die Geschicke der Zielgesellschaft einem Aktionär vergleichbar mitzubestimmen199. In aller Regel ist der Kreditgeber beim Leveraged Buyout jedoch nicht daran interessiert, derartige Mitgliedschaftsrechte auszuüben. Das Interesse der Bank erschöpft sich vielmehr darin, ihren Darlehensrückzahlungsanspruch werthaltig abzusichern. Der Kreditgeber wird auch nicht zum aktionärsgleichen Dritten, wenn er wirtschaftlichen Druck auf die Zielgesellschaft ausübt, etwa durch marktunübliche Covenants oder das Fehlen marktüblicher Verwertungsbeschränkungen zum Schutz des gesetzlich geschützten Kapitals (sog. Limitation Language200)201. Ein Blick auf die vergleichbare Rechtsprechung zu den §§ 17, 311 ff. AktG verdeutlicht dies. Dort wurde der Ansicht widersprochen, jeden Gläubiger, der seine wirtschaftliche Machtposition dazu ausnutzt, sich Einfluss auf die Gesellschaft zu verschaffen, in Hinblick auf Zuwendungen aus dem Vermögen der Gesellschaft als Aktionär anzusehen202. Dies ist auch richtig, da sich 198

Vgl. BGH, Beschluss vom 20.9.1982 – II ZR 268/81, WM 1982, 1402; BGH Urteil vom 19.3.1998 – IX ZR 22/97, BGHZ 138, 291 (zu § 30 GmbHG); OLG Düsseldorf, Urteil vom 24.10.1979 – 11 U 47/79, AG 1980, 273, 274; Henze, in: Großkommentar zum AktG, § 57 Rn. 216; Canaris, in: FS Fischer, S. 31, 34; Eidenmüller, ZHR 171 (2007), 644, 664; a. A. OLG Hamburg, HRR (Höchstrichterliche Rechtsprechung) 1932, Nr. 1762; Hees, DB 1955, 962 f.; Meister, WM 1980, 390, 395 (zur GmbH); Abramenko, GmbHR 1997, 875, 878 ff. (zur GmbH). 199 Vgl. BGH, Urteil vom 13.7.1992 – II ZR 251/91, BGHZ 119, 191, 195 ff.; Cahn/Senger, in: Spindler/Stilz, AktG, § 57 Rn. 67; Henze, in: Großkommentar zum AktG, § 57 Rn. 84, Bayer, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 57 Rn. 61. 200 Vgl. hierzu Diem, ZIP 2003, 1283, 1286 f. 201 Vgl. Cahn/Senger, in: Spindler/Stilz, AktG, § 57 Rn. 67. 202 BGH, Urteil vom 26.3.1984 – II ZR 171/83, NJW 1984, 1893, 1896 f.

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die Stellung eines Sicherungsnehmers und eines Aktionärs grundlegend unterscheiden. Beim Sicherungsnehmer begrenzt sich das finanzielle Interesse auf den Betrag der Darlehensforderung, während der Gesellschafter nach unbegrenzten Gewinnen strebt, die er jedoch erst nachrangig gegenüber den Gläubigern verwirklichen kann203. Betrachtet man zuletzt Sinn und Zweck der Ausschüttungsverbote in § 57 Abs. 1 und 3 AktG, bestätigt sich das gewonnene Ergebnis: Während nach hier vertretener Ansicht Absatz 1 als Gegenstück zur Haftungsbeschränkung der Aktionäre nach § 1 Abs. 2 AktG die Gläubiger bis zur Höhe der Einlagen schützt, hat die vollständige Vermögensbindung in Absatz 3 vorrangig die Gleichbehandlung der Aktionäre bei der Gewinnverteilung zum Ziel. Der Kreditgeber ist jedoch selbst Gläubiger und hat mit der Haftungsbeschränkung ebenso wenig zu tun wie mit der Gewinnverteilung. An dieser Tatsache ändert sich auch nichts, wenn der Kreditgeber zu Lasten der Zielgesellschaft kollusiv mit der Erwerbergesellschaft zusammenwirkt. Die Stimmen in Literatur und Rechtsprechung, die in diesem Fall die Nichtigkeit des Kausalgeschäfts zwischen der Zielgesellschaft und dem erwerbenden Aktionär nach § 134 BGB i. V. m. § 57 AktG auf das Sicherungsgeschäft mit dem Kreditinstitut erstrecken wollen204, übersehen die soeben beschriebene begrenzte Schutzrichtung des § 57 Abs. 1 und 3 AktG. Die Überstrapazierung des Kreises der Zuwendungsadressaten wird besonders augenfällig, wenn man mit einigen Autoren den Anwendungsbereich des § 57 Abs. 1 und 3 AktG noch weiter fasst und auch die Kenntnis205 oder bloße fahrlässige Unkenntnis206 des Kreditinstituts von der unzulässigen Zuwendung der Zielgesellschaft an den erwerbenden Aktionär für die Nichtigkeitsfolge genügen lässt. Weder durch kollusives Zusammenwirken noch durch bloße Kenntnis bekommt der Kreditgeber aber eine gesellschafterähnliche Stellung, die eine derartige Erstreckung der Nichtigkeitsfolge rechtfertigen würde. Die Unstimmigkeit der Gegenansicht zeigt sich auch darin, dass die Befürworter zwar den Anwendungsbereich von § 57 Abs. 1 und 3 AktG ausdehnen, sich jedoch davor scheuen, in einem zweiten Schritt § 62 AktG gegenüber dem außenstehenden Kreditgeber anzuwenden aufgrund dessen „spezifisch gesellschaftlicher Natur“207. 203

Cahn/Senger, in: Spindler/Stilz, AktG, § 57 Rn. 67. OLG Hamburg, Urteil vom 23.5.1980 – 11 U 117/79, AG 1980, 275, 279 f.; Lutter/Wahlers, AG 1989, 1, 11; vgl. auch BGH, Beschluss vom 20.9.1982 – II ZR 268/81, WM 1982, 1402 (zur GmbH). 205 Lutter/Wahlers, AG 1989, 1, 11; Canaris, in: FS Fischer, S. 31, 34 f. und 45 f.; Horn, ZIP 1987, 1225, 1227; Meister, WM 1980, 390, 398 ff. (zur GmbH); a. A. Sonnenhol/Stützle, WM 1983, 2, 6. 206 Peltzer/Bell, ZIP 1993, 1757, 1764. 207 Vgl. Lutter/Wahlers, AG 1989, 1, 11. 204

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Hat sich der Weg über eine Ausdehnung des § 57 AktG im Verhältnis zu außenstehenden Dritten als wenig überzeugend erwiesen, heißt dies jedoch nicht, dass es für den Kreditgeber ohne Sanktionen bleibt, wenn dieser mit der Erwerbergesellschaft bewusst zum Schaden der Zielgesellschaft zusammenwirkt. Hierfür bedarf es jedoch nicht der Ausdehnung des § 57 AktG über dessen Wortlaut und Schutzrichtung hinaus. Vielmehr bietet das allgemeine Zivilrecht mit §§ 138 Abs. 1, 826 BGB und dem Institut des Missbrauchs der Vertretungsmacht Instrumentarien, die in diesen Fällen die Zielgesellschaft schützen können208. Welchen Voraussetzungen diese unterliegen und ob ihr Schutz ausreichend ist, ist indes keine Frage des Anwendungsbereichs von § 57 AktG, sondern ein allgemein bürgerlich-rechtliches Problem209. Im Vorfeld der Übernahme kann zusätzlich das später näher zu untersuchende Verbot der finanziellen Unterstützung nach § 71a Abs. 1 S. 1 AktG eingreifen, da diese Vorschrift die Leistungsempfänger nicht auf Aktionäre beschränkt. An dieser Stelle ist jedoch festzuhalten, dass sich jedenfalls aus § 57 Abs. 1, 3 AktG keine Nichtigkeit von Rechtsgeschäften mit außenstehenden Dritten ergibt210. d) Ausländische Gesellschaft als Leistungsempfängerin In Folge der EuGH Rechtsprechung zur Niederlassungsfreiheit („Centros“211, „Überseering“212, „Inspire Art“213) können nun auch europäische Gesellschaften für die Unternehmensakquisition eingesetzt werden, da diese nun ihren Verwaltungssitz identitätswahrend nach Deutschland verlegen können214. Gerade beim Erwerb deutscher Unternehmen durch britische oder US-amerikanische Private Equity Fonds ist vermehrt damit zu rechnen, dass als Erwerbergesellschaft ausländische Kapitalgesellschaften wie etwa die britische Limited Partnership oder eine luxemburgische Société à Responsabilité limitée eingesetzt werden215. An der Anwendung von §§ 62, 208 Vgl. Henze, in: Großkommentar zum AktG, § 57 Rn. 216; ähnlich auch BGH, Urteil vom 19.3.1998 – IX ZR 22/97, BGHZ, 138, 291 ff. m. w. N. 209 Henze, in: Großkommentar zum AktG, § 57 Rn. 216. 210 Ebenso Henze, ebd. 211 EuGH, Urteil vom 9.3.1999 – C-212/97, Slg. 1999, I-1459 ff. = AG 1999, 226 ff. 212 EuGH, Urteil vom 5.11.2002, C-208/00, Slg. 2002, I-9919 ff. = AG 2003, 37 ff. 213 EuGH, Urteil vom 30.9.2003, C-167/01, Slg. 2003, I-10155 ff. = AG 2003, 680 ff. 214 Vgl. Kübler/Assmann, Gesellschaftsrecht, § 18 I 4d; Mock/Westhoff, DZWiR 2004, 23 f. 215 Vgl. Eidenmüller, ZHR 171 (2007), 644, 661.

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57 AktG kann dies freilich nichts ändern, da entscheidender Anknüpfungspunkt für die Anwendbarkeit der Kapitalschutzregeln das Gesellschaftsstatut der (deutschen) Zielgesellschaft bleibt, sowohl bezüglich des Tatbestands als auch bezüglich der Rechtsfolge216. Auch § 71a AktG zielt, obwohl er äußerlich die Wirksamkeit eines Rechtsgeschäftes in Frage stellt, was für das Vertragsstatut sprechen könnte, auf den Schutz des Gesellschaftsvermögens und damit auf ein genuin gesellschaftsrechtliches Regelungsinteresse217. Daran ändert sich auch nichts, wenn – wie in dem Referentenentwurf der Bundesregierung vom 7.1.2008218 geplant – die früher in Deutschland geltende Sitztheorie ausdrücklich aufgegeben und, unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des EuGH219, in neu gefassten §§ 10–10b EGBGB das Gründungsrecht für anwendbar erklärt wird220. Denn entscheidend bleibt die Herkunft der Zielgesellschaft, nur dass nicht ihr tatsächlicher Verwaltungssitz, sondern das Land, in dem sie in ein öffentliches Register eingetragen ist, das anzuwendende Recht vorgibt. Die Herkunft der leistungsempfangenden Erwerbergesellschaft, spielt hingegen weiter keine Rolle. Damit kann die Anwendung der (strengen) deutschen Kapitalschutzregeln nur umgangen werden, wenn auch die Zielgesellschaft in eine ausländische Gesellschaftsform umgewandelt wird221. Denn sind am Gesamt216 Oechsler, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 71 Rn. 60, der zu Recht darauf hinweist, dass bei Eingreifen des Vertragsstatuts die Norm durch eine ausländische Gesellschaft leicht im Wege der Rechtswahl abzubedingen wäre. Dies hätte die negative Folge, dass nur noch im Anwendungsbereich der Kapitalrichtlinie § 71a AktG (wegen Art. 27 Abs. 3 EGBGB) ein Wettbewerbshindernis darstellen würde, was ihrem kapitalschützenden Ziel widerspräche. Vgl. allgemein Altmeppen, in: Münchener Kommentar zum AktG, Europäisches AktienR, Kapitel I, Rn. 6 ff.; Kropholler, Internationales Privatrecht, § 55 I, II, S. 555 ff.; speziell zur Erstreckung des Gesellschaftsstatus auf die Kapitalerhaltungsvorschriften auch Assmann, in: Großkommentar AktG, Einl. Rn. 593; Großfeld, in: Staudinger, IntGesR, Rn. 336. Missverständlich Eidenmüller, ZHR 171 (2007), 644, 679: „Wiederum kann dieser Schutz mit der Verwendung eines ausländischen Transportvehikels ausgehebelt werden“. 217 Oechsler, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 71 Rn. 60. 218 Referentenentwurf vom 7.1.2008 eines Gesetz zum Internationalen Privatrecht der Gesellschaften, Vereine und juristischen Personen, abrufbar unter: www.bmj. bund.de/files/-/2751/RefEGesetzzumInternationalenPrivatrechtderGesellschaften,Ver eineundjuristischenPersonen.pdf (Abrufdatum 12.12.2008). 219 EuGH Urteil vom 27.9.1988, 81/87, Slg. 1988, I-5483 ff. = NJW 1989, 2186 ff. („Daily Mail“); EuGH, Urteil vom 9.3.1999 – C-212/97, Slg. 1999, I-1459 ff. = AG 1999, 226 ff.(„Centros“) EuGH, Urteil vom 5.11.2002, C-208/00, Slg. 2002, I-9919 ff. = AG 2003, 37–39 EuGH („Überseering“), Urteil vom 30.9.2003, C-167/01, Slg. 2003, I-10155 ff. AG 2003, 680–683 (Inspire Art). 220 Vgl. hierzu ausführlich Rechenberg, in: FA-HGR, Kap. 13 Rn. 12; Bollacher, RIW 2008, 200 ff.; Clausnitzer, NZG 2008, 321 ff.; C. Schneider, BB 2008, 566. 221 Zu den Möglichkeiten eines Wegzugs der Zielgesellschaft nach dem neu geplanten § 10b EGBGB vgl. Rechenberg, in: FA-HGR, Kap. 13 Rn. 12.

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vorgang nur ausländische Gesellschaften beteiligt, ist das deutsche Recht nicht anwendbar222. Für die hier relevante Fragestellung der Anwendung der §§ 62, 57 AktG hat die Nationalität der Leistungsempfängers mithin keine Bedeutung. Die Schwierigkeiten bei einer ausländischen Gesellschaft auf der Erwerberseite ergeben sich jedoch im praktischen Bereich bei der Durchsetzung des Anspruchs aus §§ 62, 57 AktG. Dabei besteht das Problem weniger in der – wie bei der britischen Limited Partnership – fehlenden Mindestkapitalausstattung. Denn angesichts der bei einer Übernahme gezahlten Kaufpreissummen macht auch das Stammkapital einer als Zweckgesellschaft eingesetzten GmbH kaum einen Unterschied. Problematisch ist vielmehr, dass Vermögenswerte sich oftmals im Ausland befinden, außerhalb des Zugriffs der deutschen Behörden. Ist etwa auf Erwerberseite ein US-amerikanischer Fonds tätig, der seine Vermögenswerte auf einer „Südseeinsel“ verwaltet, wird – auch wenn gegen ihn ein Anspruch aus §§ 62, 57 AktG zu bejahen wäre – der daraus folgende Titel kaum zu vollstrecken sein. Hier können nur internationale Vereinbarungen eine Lösung bringen. 2. Zielgesellschaft als Verbotsadressatin223

a) Das Kriterium des vermögensmäßigen Opfers Weniger problematisch als die Bestimmung des Leistungsempfängers ist die Frage, wann eine Zuwendung der Zielgesellschaft vorliegt. Doch auch hier kann durch Einschaltung Dritter versucht werden, die Ausschüttungsverbote in § 57 Abs. 1 und 3 AktG zu umgehen. Denn findet der Vermögenstransfer zwischen einem Dritten und der an diesem nicht beteiligten Erwerbergesellschaft statt, scheitert § 57 Abs. 1 und 3 AktG rein formal gesehen daran, dass nicht die Zielgesellschaft an ihren Aktionär leistet. Die bloße Personenverschiedenheit kann jedoch im Interesse eines wirksamen Gläubigerschutzes die Anwendung des § 57 AktG nicht verhindern. Entscheidend muss vielmehr sein, ob die Zielgesellschaft das vermögensmäßige Opfer bringt224. In diesem Fall kann die Leistung durch einen Dritten der Zielge222 Eidenmüller, ZHR 171 (2007), 644, 661 mit Nachweisen zu den möglichen Modellen. 223 Schwierigkeiten bereitet oftmals die richtige Terminologie: So verbietet § 57 Abs. 1 und 3 der Aktiengesellschaft eine Vermögensausschüttung an ihre Aktionäre. Die Zielgesellschaft ist daher Adressatin des Verbots; missverständlich daher Eidenmüller, ZHR 171 (2007), 644, 664, der die Aktionäre als „Verbotsadressaten“ des § 57 AktG bezeichnet. 224 OLG Hamburg, Urteil vom 23.5.1980 – 11 U 117/79, AG 1980, 275, 280; Westermann, in: Bürgers/Körber, AktG, § 57 Rn. 9.

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sellschaft als Adressatin der Ausschüttungsverbote des § 57 Abs. 1 und 3 zugerechnet werden, so dass die Vorschrift unmittelbar eingreift. Dies ist zunächst der Fall, wenn ein Dritter für Rechnung der Zielgesellschaft handelt, da es für das Vermögen der Aktiengesellschaft keinen Unterscheid macht, ob sie unmittelbar selbst die Leistung an ihren Aktionär erbringt oder ein Strohmann den Transfer tätigt225 b) Leistungen von Unternehmen, an denen die Zielgesellschaft beteiligt ist Schwierigkeiten bereitet die Zurechnung bei Leistungen von Unternehmen, an denen die Zielgesellschaft beteiligt ist. Dabei bestehen keine speziellen Abgrenzungsprobleme zwischen der Anwendung von §§ 62, 57 AktG und der Regelungen der §§ 311 ff. AktG, da hierfür nur die Konzernierung zwischen Erwerbergesellschaft und Zielgesellschaft relevant ist, jedoch nicht Abhängigkeiten, die sich nur auf die Zielgesellschaft und ihre Tochterunternehmen beschränken. Im Mittelpunkt der Diskussion steht vielmehr die Frage, wie eng die Verbindung der Zielgesellschaft zu dem tatsächlich leistenden Unternehmen sein muss, um die Zuwendung der Zielgesellschaft zurechnen zu können. aa) Zielgesellschaft als herrschendes Unternehmen Einmütig wird dies angenommen, wenn ein nach § 17 Abs. 1 AktG von der Zielgesellschaft abhängiges Unternehmen die Leistung erbringt und die herrschende Zielgesellschaft – wie im Regelfall – die Mehrheit dessen Anteile hält226. Das Vermögen der Zielgesellschaft ist dann schon deshalb tangiert, weil der Wert ihrer Beteiligung an der Tochtergesellschaft sinkt. In Höhe ihrer Beteiligungsquote bringt also letztlich die Zielgesellschaft das vermögensmäßige Opfer227. Hinzu kommt, dass diesbezüglich vermutet wird, dass der Vermögenstransfer auf Veranlassung der herrschenden Zielgesellschaft vorgenommen wurde228, was zu einer Nachteilsausgleichs225 Allgemeine Meinung: vgl. OLG Hamburg, Urteil vom 23.5.1980 – 11 U 117/79, AG 1980, 275, 278; Bayer, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 57 Rn. 48; Henze, in: Großkommentar zum AktG, § 57 Rn. 75; Hüffer, AktG, § 57 Rn. 13; Lutter, in: Kölner Kommentar zum AktG, 2. Aufl., § 57 Rn. 13. 226 Cahn/Senger, in: Spindler/Stilz, AktG, § 57 Rn. 56; Bayer, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 57 Rn. 44; Henze, in: Großkommentar zum AktG, § 57 Rn. 77. 227 Henze, ebd. 228 Cahn/Senger, ebd.

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pflicht der Zielgesellschaft – im Vertragskonzern nach § 302 AktG, im faktischen Konzern nach § 311 AktG – zu Gunsten ihrer Tochtergesellschaft führt. Problematisch ist, ob auch in den seltenen Fällen der Abhängigkeit nach § 17 Abs. 1 AktG ohne Mehrheitsbeteiligung, etwa bei lediglich faktischer Hauptversammlungsmehrheit oder Stimmbindungsverträgen229, eine Zurechnung stattfinden kann. Teilweise wird dies bei einer „ganz unerheblichen Beteiligung“ verneint230. Andere sehen einen Anteilsbesitz von 10 Prozent als Untergrenze unter Heranziehung des Rechtsgedankens aus § 32a Abs. 3 S. 2 HS 2 GmbHG a. F. (§§ 135 Abs. 4 i. V. m. § 39 Abs. 5 S. 2 InsO)231. Eine solche Einschränkung überzeugt nicht232. Eine nicht bezifferte Grenze führt zur Rechtsunsicherheit, eine Bezifferung mit 10 Prozent ist dem Einwand der Beliebigkeit ausgesetzt. Ebenso denkbar wäre ein Limit von 25 Prozent als gesetzliches Leitbild der konzernbedingten Gefahr, wie es in §§ 19, 56 Abs. 2, 328 AktG zum Ausdruck kommt. Entscheidend gegen die Einführung einer Mindestschwelle spricht, dass es hier um die Begründung eines Zurechnungstatbestandes geht. Ein in § 17 AktG angelegter Zurechnungsgrund ist hierbei, ob die Zielgesellschaft einen beherrschenden Einfluss auf die leistende Gesellschaft ausübt. Dies wird – wie auch § 17 Abs. 2 AktG suggeriert – zumeist mit einem Mehrheitsbesitz der Aktien einhergehen. Lässt man mit guten Argumenten aber auch die Begründung einer Abhängigkeit ohne Mehrheitsbesitz zu233, muss man konsequenterweise die Folgen der Beherrschung gleichermaßen anwenden, sei es nach §§ 302, 311 ff. AktG oder eben bei der Zurechnung im Rahmen von § 57 AktG. Das Gegenargument, dass bei einer geringen Beteiligung nicht die herrschende Gesellschaft, sondern die leistende Tochtergesellschaft den Vermögensschaden trägt, ist angesichts der Regelungen der §§ 302, 311, 317 AktG wenig überzeugend. Hinzu kommt, dass auch ein unmittelbarer Schaden der Zielgesellschaft, wenn auch je nach Beteiligung in geringerer Höhe, durch das Absinken des Wertes der Beteiligung eintritt, so dass auch hier der Schutzbereich des § 57 AktG eröffnet ist. Der Gefahr, dass die Zielgesellschaft nur einen geringen Wertverlust zu tragen hat, ihr jedoch der volle Rückgewähranspruch nach § 62 Abs. 1 AktG zugute kommt, so dass eine nicht gerechtfertigte Bereicherung stattfindet, kann begegnet werden, indem 229 Vgl. Bayer, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 17 Rn. 35 m. w. N.; Fett, in: Bürgers/Körber, AktG, § 17 Rn. 10 f. 230 Lutter, in: Kölner Kommentar zum AktG, 2. Aufl., § 57 Rn. 38. 231 Henze, in: Großkommentar zum AktG, § 57 Rn. 78. 232 Eine Einschränkung ablehnend auch Cahn/Senger, in: Spindler/Stilz, AktG, § 57 Rn. 56. 233 Vgl. Bayer, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 17 Rn. 35–37; Fett, in: Bürgers/Körber, AktG, § 17 Rn. 9 ff.

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auf der Rechtsfolgenseite die Zielgesellschaft beziehungsweise ihre Gläubiger nach § 62 Abs. 2 AktG nur Leistung an die Tochtergesellschaft fordern können. Allein in dem Fall, dass die herrschende Zielgesellschaft widerlegen kann, dass auf ihre Veranlassung hin der Vermögenstransfer von ihrem Tochterunternehmen an die Erwerbergesellschaft stattgefunden hat, kann die Zurechnung abgelehnt werden. Dieser Beweis dürfte freilich beim Leveraged Buyout – auch beim Fehlen einer Mehrheitsbeteiligung – kaum gelingen, ist doch gerade die Finanzierung aus Mitteln der Zielgesellschaft für diese Erwerbsart konstituierend. bb) Zielgesellschaft als nicht herrschendes Unternehmen Ist die Zielgesellschaft nicht herrschendes Unternehmen i. S. d. § 17 AktG, bedarf es für die Zurechnung einer unmittelbaren oder mittelbaren Mehrheitsbeteiligung an der leistenden Gesellschaft. Diese Fälle sind jedoch aufgrund der Vermutung des § 17 Abs. 2 AktG selten. Wann eine Mehrheitsbeteiligung vorliegt, richtet sich nach § 16 AktG234. Die Gleichstellung des Mehrheitsbesitzes mit der Beherrschung eines Unternehmens ist in § 56 Abs. 2 S. 1 AktG und § 71d S. 2 AktG angelegt. Hieraus lässt sich auch umgekehrt die Wertung entnehmen, dass nur Leistungen solcher Unternehmen als Leistung der (nicht herrschenden) Zielgesellschaft zu qualifizieren sind, von denen die Zielgesellschaft die Anteilsmehrheit hält235. Zwar findet auch bei geringerer Beteiligung durch den Wertverlust der Anteile ein Vermögensabfluss statt, jedoch fehlt es dann mangels Einflussmöglichkeit der Zielgesellschaft an der Veranlassung als Zurechnungsgrund. Bezüglich der Rechtsfolge ist darauf zu achten, dass die Zielgesellschaft durch die Geltendmachung des Anspruches nach §§ 62, 57 AktG auch nicht vermögensrechtlich besser gestellt werden darf als vor dem Vermögenstransfer. So gilt es zu verhindern, dass am Ende die Erwerberseite von den Kapitalschutzregelungen profitiert. Folgendes Beispiel verdeutlicht die Gefahr: 234 Bayer, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 57 Rn. 49, § 16 Rn. 4 ff.; Henze, in: Großkommentar zum AktG, § 57 Rn. 76. A. A. Cahn/Senger, in: Spindler/Stilz, AktG, § 57 Rn. 58 ff., der wegen Schwierigkeiten bei der Zurechnung nach § 16 Abs. 4 AktG eine teleologische Bestimmung der Mehrheitsbeteiligung präferiert und insbesondere die Mehrheit der Stimmrechte nicht ausreichen lässt. Dagegen sprechen jedoch Gründe der Praktikabilität und der Rechtssicherheit, da § 16 Abs. 1 AktG die Mehrheitsbeteiligung legaldefiniert. Angesichts der Regelung des § 17 AktG dürften die Auswirkungen des Streits in der Praxis minimal sein. 235 Cahn/Senger, in: Spindler/Stilz, AktG, § 57 Rn. 63; Henze, in: Großkommentar zum AktG, § 57 Rn. 76; Hüffer, AktG,§ 57 Rn. 13.

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Kap. 3: Das aktienrechtliche Kapitalschutzsystem

Die Erwerbergesellschaft (E), die 80 Prozent der Anteile der Zielgesellschaft (Z) hält, veranlasst über Z deren 51-prozentige Tochtergesellschaft (T) zu einer Ausschüttung von 1 Mio. Euro an sich, um den Kaufpreises zu refinanzieren. Wie oben erörtert wird die Leistung von T an E der Z zugerechnet. Sie hat damit einen Anspruch nach §§ 62 Abs. 1 S. 1 i. V. m. 57 AktG gegen E auf Zahlung von 1 Mio. Euro. Könnte sie die Zahlung an sich verlangen, würde dies letztlich zu dem widersinnigen Ergebnis führen, dass E hiervon profitiert, da dadurch der Wert ihres 80-prozentigen Anteils an Z steigt, während zuvor durch den Vermögenstransfer an sich nur ihr (durch Z vermittelter) 51-prozentiger Anteil an T gesunken ist. Im Ergebnis hätte sich E also zu Lasten der Gesellschafter der T, welche die restlichen 49 Prozent halten, bereichert. Allerdings wäre dies wegen der im Regelfall vorliegenden Abhängigkeit zwischen Zielgesellschaft und Tochtergesellschaft aufgrund der §§ 302, 311, 317 AktG nur eine zeitlich begrenzte Besserstellung. Auch liegt im Endeffekt nur eine Vermögensverlagerung von der Tochter- auf die Zielgesellschaft vor, die im Konzern schneller und kostengünstiger durch eine direkte Leistung der Zielgesellschaft an die Tochtergesellschaft erfolgen könnte, ohne dass §§ 62, 57 AktG eingreift, da diese von den §§ 302, 311 AktG verdrängt werden. Hinzu kommt, dass die Tochtergesellschaft regelmäßig auch einen eigenen Anspruch gemäß den §§ 62, 57 AktG gegen die Erwerbergesellschaft als Hintermann ihres Mehrheitsaktionärs hat. Dennoch sollte, um auch eine bloß zeitweise Besserstellung der Zielgesellschaft und folglich der Erwerbergesellschaft zu vermeiden, der Anspruch der Zielgesellschaft gegen die Erwerbergesellschaft nach §§ 62 Abs. 1 S. 1 i. V. m. 57 AktG nur auf Zahlung an ihre Tochtergesellschaft gehen, die tatsächlich die Leistung an die Erwerbergesellschaft vorgenommen hat. Zum einen wird damit dem Schutz des § 57 AktG Genüge getan, da die Zielgesellschaft so gestellt wird wie sie vor der vermögensschädigenden Verfügung stand, zum anderen werden komplizierte Ausgleichsansprüche im Innenverhältnis zwischen der Zielgesellschaft und ihrer Tochtergesellschaft von vornherein vermieden. 3. Zwischenergebnis

Der personelle Anwendungsbereich der §§ 62, 57 Abs. 1 und 3 AktG wird von der herrschenden Meinung in Literatur und Rechtsprechung gerade bezüglich des Leistungsempfängers (und entsprechend dem Verpflichteten in § 62 Abs. 1 AktG) weit gesehen. Künftige und ehemalige Aktionäre werden nahezu einhellig darunter gefasst, überwiegend auch die Hintermänner des Aktionärs wie beim Leveraged Buyout der Private Equity

§ 1 Kapitalschutz nach § 57 Abs. 1 und 3 AktG

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Fonds, teilweise sogar, wenn die Leistung nicht zu jenen gelangt ist. Hinter der großzügigen Bestimmung des personellen Anwendungsbereichs steht das begrüßenswerte Ziel, Umgehungstatbestände einzufangen und damit Schutzlücken der Kapitalerhaltung zu vermeiden. Hierbei ist jedoch darauf zu achten, dass nicht über das Ziel hinausgeschossen wird: Die Untersuchung hat gezeigt, dass eine Überstrapazierung des Anwendungsbereichs des § 57 Abs. 1 und 3 AktG bei der pauschalisierten Einbeziehung des ehemaligen Aktionärs vorliegt. Ebenso sind die Ausschüttungsverbote des § 57 AktG nicht anwendbar, wenn ein „aktionärsgleicher Dritter“ keine direkte Leistung empfängt. Desgleichen kommen sonstige Dritte, wie die den Buyout finanzierenden Banken, als Leistungsempfänger des § 57 AktG nicht in Betracht, unabhängig davon, ob sie Kenntnis von der verbotwidrigen Verfügung hatten oder mit dem empfangenden Aktionär kollusiv zusammengewirkt haben. In weiteren Fällen, die der Wortlaut von 57 Abs. 1 und 3 AktG direkt nicht erfasst, ist der Schutzzweck der beiden Ausschüttungsverbote zwar tangiert, jedoch das Vorliegen einer Regelungslücke fraglich. Dies gilt für Leistungen an den zukünftigen Aktionär und an „aktionärsgleiche Dritte“, wie etwa an den die Erwerbergesellschaft beherrschenden Private Equity Fonds. Hier wird die Bestimmung des Anwendungsbereichs des § 71a Abs. 1 S. 1 AktG letztlich entscheiden, ob § 57 Abs. 1 und 3 analog Anwendung finden oder die Fälle schon durch das Verbot der finanziellen Unterstützung erfasst werden. II. Sachlicher Anwendungsbereich Neben den Unsicherheiten im personellen Anwendungsbereich gibt es auch Streitpunkte bezüglich der sachlichen Reichweite der Ausschüttungsverbote in § 57 Abs. 1 und 3 AktG. Hierbei ist der Fokus auf die LBO-relevanten Unterstützungshandlungen zu richten. 1. Ausschüttung mit angemessener Gegenleistung

Da die Vermögensbindung nach § 57 Abs. 1 und 3 AktG nicht das Gesellschaftsvermögen in seiner gegenständlichen Zusammensetzung erhalten will, sondern vielmehr eine wertmäßige Bindung zum Ziel hat, sind Leistungen an Gesellschafter unstreitig erlaubt, für die die Gesellschaft eine angemessene Gegenleistung erhält236. Bei fremdfinanzierten Übernahmen sind 236

OLG Koblenz, Urteil vom 5.4.2007 – 6 U 342/04, AG 2007, 408, 409; Cahn/ Senger, in: Spindler/Stilz, AktG, § 57 Rn. 15; Bayer, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 57 Rn. 31 ff.; Hüffer, AktG, § 57 Rn. 8.

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Kap. 3: Das aktienrechtliche Kapitalschutzsystem

solche marktgerechten Austauschgeschäfte jedoch uninteressant, denn sie bringen für den Aktienerwerber im Hinblick auf die Kaufpreisfinanzierung keinerlei Vorteile. Allen beim Leveraged Buyout denkbaren Unterstützungshandlungen der Zielgesellschaft ist gemein, dass das Verhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung zu Gunsten der Erwerbergesellschaft ausfällt. Gerade der Vermögenstransfer von der Zielgesellschaft auf die Erwerbergesellschaft ist das Charakteristikum fremdfinanzierter Übernahmen. Reguläre Umsatzgeschäfte spielen daher für die vorliegende Untersuchung keine Rolle. Auch bei vermeintlichen Austauschgeschäften, etwa wenn die Zielgesellschaft ihrerseits eigene Aktien von der Erwerbergesellschaft zurückerwirbt (sog. Buy-back-Scheme)237, ist zu prüfen, ob hierfür ein angemessener Preis gezahlt wird. Ist dies nicht der Fall, liegt eine verdeckte Vermögenszuwendung vor. 2. Ausschüttungen ohne Gegenleistung

Unzulässig sind alle Ausschüttungen an Aktionäre ohne Gegenleistung außerhalb des aufgrund eines wirksamen Hauptversammlungsbeschlusses nach § 174 Abs. 2 Nr. 2 AktG zur Auszahlung an die Aktionäre vorgesehenen Bilanzgewinns238. Dabei ist unstreitig, dass schon die Verpflichtung zu einer (späteren) Leistung zum Eingreifen des Verbotstatbestands führt239. Solch offene Verstöße – zumindest gegen § 57 Abs. 3 AktG – sind bei Übernahmesachverhalten theoretisch denkbar, etwa wenn die Zielgesellschaft ein von ihr aufgenommenes Darlehen an die Erwerbergesellschaft ohne Rückzahlungs- und Zinsverpflichtung weiterleitet240, bei einer befreienden Schuldübernahme241, bei Dividendenzahlungen aufgrund nichtigen Jahresabschlusses (§§ 172, 173 AktG) oder Kapitalrückzahlungen ohne wirksamen Kapitalherabsetzungsbeschluss (§ 222 AktG)242. Zudem lässt 237 Vgl. hierzu Breuninger, in: FS Raupach, 437, 440. Zusätzlich müssen hierbei noch die Grenzen des § 71 AktG eingehalten werden. 238 Bayer, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 57 Rn. 7; Fleischer, in: K. Schmidt/Lutter; AktG, § 57 Rn. 10; Cahn/Senger, in: Spindler/Stilz, AktG, § 57 Rn. 18; Hüffer, AktG, § 57 Rn. 5; Henze, in: Großkommentar zum AktG, § 57 Rn. 25 ff. 239 RG, Urteil vom 13.12.1935 – II 161/35, RGZ 149, 385, 400; Bayer, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 57 Rn. 11. 240 Zumeist nimmt zuvor die Akquisitionsgesellschaft ihrerseits einen Kredit als Brückenfinanzierung auf (sog. Bridge Loan). Mit der von der Zielgesellschaft auf die Akquisitionsgesellschaft weitergelteiteten Darlehensvaluta werden dann die Bridge Loan zurückbezahlt, vgl. Schäffler, BB-Special 9, 2006, 1, 2. 241 Diem, Akquisitionsfinanzierungen, § 49 Rn. 47 (S. 274). 242 Vgl. Fleischer, in: K. Schmidt/Lutter; AktG, § 57 Rn. 10; Henze, in: Großkommentar zum AktG, § 57 Rn. 26 ff. m. w. N.

§ 1 Kapitalschutz nach § 57 Abs. 1 und 3 AktG

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sich die fraglos unzulässige Zusage, Aktien zu einem festen Kurs vom erwerbenden Aktionär zurückzukaufen (Kursgarantie)243, in diese Kategorie einordnen. In der Praxis kommen Fälle der offenen Vermögensrückgewährung244 nur selten vor245, sind sie doch aufgrund ihrer Unzulässigkeit als Strategie zur Akquisitionsfinanzierung untauglich. 3. Verdeckte Vermögenszuwendung

Damit konzentriert sich die vorliegende Untersuchung auf Inhalt und Reichweite des Verbots der verdeckten Vermögenszuwendung246 und der Frage, ob mit § 57 Abs. 1 und 3 AktG ein lückenloser Schutz vor Vermögensverlagerungen von der Zielgesellschaft auf die Erwerbergesellschaft gegeben ist. a) Grundlagen aa) Objektiver Tatbestand In der Theorie fällt eine Definition der verdeckten Vermögenszuwendung nicht schwer: Negativ ausgedrückt fallen darunter alle nicht offenen vermögensrelevanten Leistungen der Aktiengesellschaft an ihre Aktionäre, für die sie objektiv keine angemessene Gegenleistung erhält247. Positiv gewendet versteht man unter einer verdeckten Vermögenszuwendung einen Vermögenstransfer von der Gesellschaft an einen Aktionär, außerhalb der Verteilung von Bilanzgewinn, aufgrund eines unausgewogenen Geschäfts248. 243 Bayer, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 57 Rn. 86; Lutter, in: Kölner Kommentar zum AktG, 2. Aufl., § 57 Rn. 31; T. Bezzenberger, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 71a Rn. 13. 244 Verbreitet wird hierfür der Begriff der offenen Einlagenrückgewähr verwendet, vgl. etwa Fleischer, in: K. Schmidt/Lutter; AktG, § 57 Rn. 10. Dieser Begriff ist jedoch missverständlich, da er nur die Verstöße gegen § 57 Abs. 1 AktG umfasst, nicht aber gegen § 57 Abs. 3 AktG, der nach hier vertretener Auffassung im Zusammenspiel mit den §§ 172 ff. AktG das Kapital der Aktiengesellschaft über die Einlagen hinaus vor Ausschüttung schützt. 245 Hüffer, AktG, § 57 Rn. 5; Drinhausen, in: Heidel, § 57 Rn. 7. 246 Als Synonyme werden hierfür die Begriffe „verdeckte Gewinnausschüttung“ – in Anlehnung an das Steuerrecht – und „verdeckte Vermögensverlagerung“ verwendet, vgl. Fleischer, in: K. Schmidt/Lutter; AktG, § 57 Rn. 11 m. w. N. 247 Ähnlich OLG Koblenz, Urteil vom 5.4.2007 – 6 U 342/04, AG 2007, 408, 409. 248 Bezzenberger, Das Kapital der Aktiengesellschaft, S. 231; vgl. zu den Voraussetzungen auch Cahn/Senger, in: Spindler/Stilz, AktG, § 57 Rn. 19 ff.; Henze, in: Großkommentar zum AktG, § 57 Rn. 40 ff.; Hüffer, AktG, § 57 Rn. 8; Fleischer,

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Kap. 3: Das aktienrechtliche Kapitalschutzsystem

Dabei ist wesentliches Kriterium für das Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung bei Fehlen eines Marktpreises die Frage, ob die Aktiengesellschaft auch mit einem Nichtaktionär jenes Geschäft getätigt hätte249. Einigkeit besteht darüber, dass die Absätze 1 und 3 des § 57 AktG auch die verdeckte Vermögenszuwendung umfassen250. Dies folgt schon aus den Gesetzesmaterialien251 und kann auch indirekt aus § 61 AktG geschlossen werden, der für den Sonderfall der Leistung der Aktiengesellschaft an einen Aktionär auf gesellschaftsrechtlicher Grundlage die Wertangemessenheit gebietet252. Denn was für Leistungen auf gesellschaftsrechtlicher Grundlage gilt, muss auch für eine entsprechende schuldrechtliche Austauschbeziehung gelten253. Umstritten ist allein, ob die verdeckte Vermögenszuwendung schon nach dem Gesetzeswortlaut unter § 57 Abs. 1 und 3 fällt. So wird vertreten, dass der „höchst unglückliche“ Wortlaut des § 57 Abs. 1 S. 1 AktG die verdeckte Vermögenszuwendung nicht erfasst, so dass hierfür eine teleologische Extension praeter verba legis erforderlich ist254. Diese Ansicht vermischt jedoch zwei zu trennende Punkte: Richtig ist, dass der Gesetzeswortlaut „Einlagen“ in § 57 Abs. 1 S. 1 AktG nicht eine vollständige Vermögensbindung trägt. Daher ist nach hier vertretener Ansicht die umfassende Vermögensbindung in § 57 Abs. 3 AktG i. V. m. §§ 174, 58 AktG verortet255. Während mithin der Umfang der Vermögensbindung des § 57 Abs. 1 S. 1 AktG auf die Einlagen begrenzt ist, besteht bezüglich der Art WM 2007, 909, 912; Flume, ZHR 144 (1980) 18, 19; ders., BGB AT, 1. Bd. 2. Teil, § 8 IV 2 b) (S. 286). Ausführlich Bommert, Verdeckte Vermögensverlagerungen im Aktienrecht, S. 12 f. 249 OLG Koblenz, Urteil vom 5.4.2007 – 6 U 342/04, AG 2007, 408, 409; Lutter, in: Kölner Kommentar zum AktG, 2. Aufl., § 57 Rn. 15. 250 Cahn/Senger, in: Spindler/Stilz, AktG, § 57 Rn. 19 ff.; Henze, in: Großkommentar zum AktG, § 57 Rn. 40 ff.; Hüffer, AktG, § 57 Rn. 8; Fleischer, in: K. Schmidt/Lutter; AktG, § 57 Rn. 11 ff. Zur umstrittenen Frage, ob Art. 15 Abs. 1 der Kapitalrichtlinie auch verdeckte Gewinnzuwendungen umfasst vgl. bejahend: Fleischer, WM 2007, 909, 910; Schön, in: FS Kropff, S. 285, 291; Mülbert, in: FS Lutter, S. 535, 545 ff.; verneinend: Bezzenberger, Das Kapital der Aktiengesellschaft, S. 259 ff. m. w. N. 251 Begr. RegE. 1962 für das AktG, BT-Drucks. IV/171, 1962, Anlage 1, zu § 54, S. 113; vgl. auch Kropff, AktG 1965, S. 73. 252 Bezzenberger, Das Kapital der Aktiengesellschaft, S. 208; Fleischer, WM 2007, 909; ähnlich schon zu § 55 AktG 1937 Ballerstedt, Kapital, Gewinn und Ausschüttungen bei Kapitalgesellschaften, S. 124. 253 Fleischer, WM 2007, 909. 254 Fleischer, in: K. Schmidt/Lutter; AktG, § 57 Rn. 11; ders., WM 2007, 909, 910; vgl. auch Lutter, in: FS Stiefel, S. 505, 529. 255 Siehe oben Kapitel 3 § 1 A. III.

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und Weise, wie der Vermögenstransfer an den Aktionär vonstattengeht, keine Einschränkung. Dass es etwa keinen Unterschied machen kann, ob die Gesellschaft dem Aktionär seine Einlage in Höhe von 10.000 Euro bar ausbezahlt oder ihm einen Gegenstand im Wert von 10.000 Euro für 20.000 Euro abkauft, bedarf keiner ausdrücklichen gesetzlichen Regelung und folglich keiner teleologischen Extension der Norm. bb) Subjektiver Tatbestand Ein in der Vergangenheit viel diskutierter Streitpunkt ist überdies, ob neben dem objektiven Missverhältnis der beiderseitigen Leistungen auch als subjektives Tatbestandsmerkmal erforderlich ist, dass der Vermögensvorteil dem Aktionär causa societatis, also aufgrund seiner Mitgliedschaft zugewendet wird256. Dies lehnt die heute herrschende Meinung ab257. Eine neuere, vermittelnde Ansicht vermutet die gesellschaftsrechtliche Veranlassung bei Leistungen an einen Aktionär, eröffnet dem begünstigten Aktionär jedoch die Möglichkeit zu beweisen, dass die Zuwendung nichts mit seiner Aktionärsstellung zu tun hatte258. Gerade bei unausgeglichenen Leistungen an Kleinaktionäre ist die Zulassung eines Gegenbeweises sinnvoll und verhindert in Einzelfällen unbillige Ergebnisse259. Für die hier zu untersuchenden Fälle von Zuwendungen an die Erwerber einer Übernahme hat der Streit jedoch keine Relevanz. Denn dass eine unausgewogene Leistung an den Mehrheitsaktionär durch dessen Mitgliedschaft bedingt ist, ist „geradezu mit den Händen zu greifen“260; so dass der Gegenbeweis durch die Erwerbergesellschaft in der Praxis kaum gelingen kann.

256 Für ein zusätzliches subjektives Element: RG, Urteil vom 19.10.1934 – II 85/34, RGZ 146, 84, 92; OLG Frankfurt a. M., Urteil vom 30.11.1995 – 6 U 192/91, BB 1996, 445, 446; Flume, BGB AT, 1. Bd. 2. Teil, § 8 IV 2 b) (S. 286); Wilhelm, in: FS Flume, S. 337, 379 ff.; Ballerstedt, Kapital, Gewinn und Ausschüttungen bei Kapitalgesellschaften, S. 118 f.; ders., BGB AT, 1. Bd. 2. Teil, § 8 IV b) (S. 286). 257 BGH, Urteil vom 1.12.1986 – II ZR 306/85, NJW 1987, 1194, 1195; BGH, Urteil vom 14.12.1992 – II ZR 298/91, BGHZ 121, 31, 41 f.; OLG Koblenz, Urteil vom 5.4.2007 – 6 U 342/04, AG 2007, 408, 409; Lutter, in: Kölner Kommentar zum AktG, 2. Aufl., § 57 Rn. 27; ders., in: FS Stiefel, S. 505, 529; Hüffer, AktG, § 57 Rn. 10 f.; Henze, in: Großkommentar zum AktG, § 57 Rn. 46. 258 Bezzenberger, Das Kapital der Aktiengesellschaft, S. 234 f.; ähnlich: Cahn/ Senger, in: Spindler/Stilz, AktG, § 57 Rn. 26 f.; mit Sympathie für diese Ansicht Fleischer, in: K. Schmidt/Lutter; AktG, § 57 Rn. 20; ders., WM 2007, 909, 914. 259 Beispiele bei Bezzenberger, Das Kapital der Aktiengesellschaft, S. 233 f. 260 Bezzenberger, Das Kapital der Aktiengesellschaft, S. 232.

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Kap. 3: Das aktienrechtliche Kapitalschutzsystem

cc) Unterscheidung nach Art des angegriffenen Kapitals Grundsätzlich berührt eine verdeckte Vermögensverlagerung von der Aktiengesellschaft an einen Aktionär sowohl den Gläubigerschutz, der dem Einlagenrückgewährverbot des § 57 Abs. 1 zu Grunde liegt, als auch das Gebot der Gleichbehandlung, welches nach hier vertretener Auffassung maßgeblich die umfassende Vermögensbindung des § 57 Abs. 3 i. V. m. §§ 174, 58 AktG trägt. Damit ist regelmäßig die Unterscheidung hinfällig, ob durch die Vermögenszuwendung nur das allein durch § 57 Abs. 3 AktG geschützte „freie“ Vermögen der Aktiengesellschaft betroffen ist oder auch Grundkapital und gesetzliche Rücklagen tangiert sind, die auch durch § 57 Abs. 1 S. 1 AktG gesichert werden. Allerdings sind auch Fallkonstellationen denkbar, bei denen die hier vorgenommene Differenzierung zwischen § 57 Abs. 1 und 3 AktG entscheidungserheblich ist. Dies ist etwa der Fall, wenn die übrigen Gesellschafter ihr Einverständnis zur Vermögensverlagerung geben261. Während die herrschende Meinung, die das gesamte Vermögen der Aktiengesellschaft im Gläubigerinteresse gebunden sieht262, auch hier einen Verstoß gegen § 57 Abs. 1 S. 1 AktG annimmt, greifen nach der hier vertretenen Ansicht die Verbotstatbestände des § 57 AktG nicht ein: Absatz 1 nicht, weil dieser nur das gebundene Vermögen schützt, Absatz 3 nicht, da der Schutzzweck der Gleichbehandlung nicht betroffen ist263. Freilich wird dieser Beispielsfall im Bereich der fremdfinanzierten Übernahme kaum eine Rolle spielen, da die Minderheitsgesellschafter in aller Regel einer einseitigen Vermögensverlagerung auf den Erwerber nicht zustimmen. Jedoch wird der Unterscheidung zwischen Leistungen aus gebundenen und „freien“ Vermögen auch für die LBO-relevante Finanzierungsformen der Kreditgewährung und -besicherung eine Bedeutung zugemessen264. Inwieweit dies nach den Änderungen des § 57 durch das Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen 261 Schön, in: FS Röhricht, S. 559, 565. Auch die Sicherung der Kompetenzordnung, als weiterer Schutzzweck des § 57 Abs. 3 AktG ist in diesem Fall nicht tangiert, da Vorstand und Aktionäre mit der Vermögensübertragung einverstanden sind. Dies Stellt auch kein Verstoß gegen § 23 Abs. 5 AktG dar, da nicht der zwingende Charakter der Kapitalerhaltungsvorschriften negiert wird, sondern lediglich – mangels Eingreifen eines Schutzzwecks – eine teleologische Reduktion des § 57 Abs. 3 AktG vorgenommen wird. 262 RG, Urteil vom 20.2.1923 – II 36/22, RGZ 107, 161, 168; BGH, Urteil vom 26.3.1984 – II ZR 171/83, BGHZ 90, 381, 386; Fleischer, WM 2007, 909, 910; Cahn/Senger, in: Spindler/Stilz, AktG, § 57 Rn. 6; Westermann, in: Bürgers/Körber, AktG, § 57 Rn. 2. 263 Wie hier Schön, in: FS Röhricht, S. 559, 565. 264 Schön, in: FS Röhricht, S. 559, 566 f.; Henze, WM 2005, 717, 721.

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(MoMiG)265 noch zutreffend ist, wird im Folgenden im Rahmen der Betrachtung der Einzelfälle erörtert. b) Einzelfälle Vergleicht man den Tatbestand des Verbots der verdeckten Vermögenszuwendung mit den Merkmalen des Leveraged Buyouts, fällt eine Übereinstimmung auf: So ist der Vermögenstransfer von der Aktiengesellschaft auf einen Aktionär Definitionsmerkmal der verdeckten Vermögenszuwendung und zugleich Hauptcharakteristikum des Leveraged Buyouts266. Schon ein erster Blick zeigt daher, dass § 57 AktG einer Finanzierung des Erwerbs aus Mitteln der Zielgesellschaft durch (verdeckte) Vermögensübertragung regelmäßig im Wege steht. Noch nicht beantwortet ist damit aber die Frage, wann im Einzelfall eine verdeckte Vermögenszuwendung vorliegt und ob Unterstützungshandlungen denkbar sind, die einerseits nicht unter das Verbot der verdeckten Vermögenszuwendung fallen, andererseits aber bei der Finanzierung einer Unternehmensübernahme aus Mitteln der Zielgesellschaft eingesetzt werden können. Bei der Untersuchung der Einzelfälle ist insbesondere auf die bei den Grundlagen ausgeblendete Änderung des § 57 AktG durch das MoMiG267 einzugehen, welche eine Lockerung der strikten Vermögensbindung vorsieht268. aa) Darlehen Denkbar wäre zunächst, dass die Erwerbergesellschaft über ihre Beteiligung an der Zielgesellschaft darauf hinwirkt, dass diese ihr ein Darlehen (§ 488 BGB) zur Refinanzierung des Kaufpreises gibt. Dabei kann eine Verlagerung der Kreditverbindlichkeit von der Erwerbergesellschaft auf die Zielgesellschaft etwa dadurch erreicht werden, dass die Zielgesellschaft ihrerseits ein Darlehen bei der Bank aufnimmt und es der Erwerbergesellschaft als Darlehen zur Verfügung stellt. Die Erwerbergesellschaft zahlt damit die Akquisitionskredite zurück. Die Auszahlung der beiden Darlehen und die Rückzahlung des Kredits erfolgen dabei innerhalb einer juristischen Sekunde. Im Ergebnis tritt die Zielgesellschaft an die Stelle der Erwerbergesellschaft (sog. Debt Push-Down)269. 265

BGBl. Teil I 2008, 2026, 2035. Vgl. oben Kapitel 1 § 1 A. III. 267 Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) vom 23. Oktober 2008, BGBl. Teil I 2008, 2026, 2035. 268 So schon Habersack, F. A. Z. vom 21.11.2007, S. 25 vor Inkrafttreten der Regelung. 269 Diem, Akquisitionsfinanzierungen, § 49 Rn. 39 (S. 272). 266

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Kap. 3: Das aktienrechtliche Kapitalschutzsystem

Unstreitig verbietet § 57 Abs. 1 und 3 AktG schon die Verpflichtung zu einer (verbotenen) Leistung270, während der Rückgewähranspruch des § 62 Abs. 1 S. 1 AktG erst eingreift, wenn die vermögenswerte Zuwendung erfolgt ist271. Fraglich ist jedoch, unter welchen Voraussetzungen eine Darlehensvergabe unter die Ausschüttungsverbote des § 57 Abs. 1 und 3 AktG fällt. (1) Rechtslage vor Inkrafttreten des MoMiG Vor der Änderung des § 57 AktG durch das MoMiG272 verstieß ein Darlehen, das nicht oder gemessen am Marktpreis zu niedrig verzinst war, nach vorherrschender Ansicht gegen § 57 Abs. 1 und 3 AktG, da dann objektiv keine äquivalente Gegenleistung vorlag273. Darüber hinaus verlangte die herrschende Meinung die Stellung einer banküblichen Sicherheit, weil die Gesellschaft einem Dritten kein unzureichend gesichertes Darlehen zur Verfügung stellen würde (sog. „Drittvergleich“)274. Bezüglich des das Grundkapital und die nach § 150 AktG gebundenen Rücklagen schützenden § 57 Abs. 1 AktG wurde für diese strenge Vermögensbindung zu Recht das Argument ins Feld geführt, dass mit der Verlagerung von Liquidität auf den Aktionär eine Risikoverschiebung zwischen den zu schützenden Gläubigern der Aktiengesellschaft und den Gläubigern des darlehensaufnehmenden Aktionärs stattfände275. Doch auch § 57 Abs. 3 AktG war verletzt, bedeutet die Gabe eines ungesicherten Darlehens doch einen wirtschaftlichen Vorteil für den Darlehensnehmer und spiegelbildlich eine Vermögensgefährdung der Gesellschaft, zu Lasten der anderen Gesellschafter. Dieser Nachteil 270 RG, Urteil vom 13.12.1935 – II 161/35, RGZ 149, 385, 400; Bayer, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 57 Rn. 11. 271 Bayer, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 62 Rn. 31. 272 Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) vom 23.10.2008, BGBl. Teil I 2008, 2026, 2035. 273 Henze, in: Großkommentar zum AktG, § 57 Rn. 49 m. w. N.; Cahn/Senger, in: Spindler/Stilz, AktG, § 57 Rn. 32; vgl. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 29 II 2.a) (S. 891) m. w. N. 274 OLG Hamm, Urteil vom 10.5.1995 – 8 U 59/94, ZIP 1995, 1263, 1270; LG Dortmund, Urteil vom 1.8.2001 – 20 O 143/93, AG 2002, 97, 98 f.; Bayer, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 57 Rn. 101; Bayer/Lieder, ZGR 2005 133, 146; Habersack/Schürnbrand, NZG 689, 690. Teilweise wurde die Darlehensvergabe an Aktionäre trotz angemessener Verzinsung und banküblicher Sicherheiten als unzulässig angesehen, da eine Gesellschaft, die keine Bankgeschäfte betreibt, Dritten i. d. R. keine Kredite gewährt und somit der Drittvergleich immer scheitern müsste, vgl. Ziemons/Herchen, in: Nirk/Ziemons/Binnewies, Handbuch der Aktiengesellschaft, Teil 1, Rn. 5.704. Nach anderer Ansicht genügte die Werthaltigkeit des Rückzahlungsanspruchs, vgl. Cahn/Senger, in: Spindler/Stilz, AktG, § 57 Rn. 32; Cahn, Kapitalerhaltung im Konzern, S. 246 ff. 275 Schön, in: FS Röhricht, S. 559, 566.

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zeigte sich plastisch im Fall der Insolvenz des Darlehensnehmers, denn in diesem Fall realisiert sich die bis dahin nur abstrakte Schlechterstellung der übrigen Aktionäre276. Hinzu kam ein „Doppelrisiko“, das besonders dann auftrat, wenn – wie bei der typischen Erwerbergesellschaft – ein Großteil des Vermögens des Darlehensnehmers aus den Aktien der darlehensgebenden Aktiengesellschaft bestand. Letztere trug dann nicht nur das allgemeine Ausfallrisiko eines Darlehensgläubigers, sondern zusätzlich das Risiko, dass in der Krise der Gesellschaft die Aktien an Wert verloren und damit auch das Vermögen des Darlehensnehmers sank. Dies verminderte die Chance auf die Rückzahlung der Darlehenssumme277. Die Ausführungen zeigen, dass schon vor der als „Novemberurteil“ bekannt gewordenen Entscheidung des BGH im Jahre 2003278 die herrschende Ansicht mit guten Argumenten eine verdeckte Vermögensgefährdung bei der Aktiengesellschaft nicht von einer bilanziellen Schlechterstellung abhängig machte. Entscheidend war vielmehr – was selten ausgesprochen wurde279 – die wertmäßige Vermögensbindung. Auch Vermögenswerte, die nicht in der Bilanz ausgewiesen oder aktivierungsfähig waren, wurden geschützt, soweit sie real vorhanden waren280. Dies offenbarte sich schon darin, dass nicht der in der Handelsbilanz der Aktiengesellschaft aufgeführte Buchwert, sondern der Verkehrswert bei der Beurteilung einer verdeckten Vermögenszuwendung beim Grundstücksverkauf maßgeblich war281. Auf das Darlehen übertragen, konnte daher dessen bilanzielle Neutralität aufgrund des (angeblich) werthaltigen Darlehensrückzahlungsanspruches nicht ausreichen, um einen Verstoß gegen § 57 Abs. 1 und 3 AktG zu verhindern. (2) „Novemberurteil“ Dieser Ansicht folgte auch der BGH in der als „Novemberurteil“ bekannt gewordenen Entscheidung vom 24.11.2003 bezüglich der Kapitalerhaltung 276 A. A. Schön, in: FS Röhricht, S. 559, 567, der darauf verweist, dass dem darlehennehmenden Aktionär kein dauerhafter Vorteil verbleibt und in der Bilanz an der Stelle des ausgereichten Geldbetrages die Rückzahlungsforderung tritt. 277 Habersack, in: FS Röhricht, S. 155, 160. 278 BGH, Urteil vom 24.11.2003 – II ZR171/01, BGHZ 157, 72 = WM 2004, 325 = NJW 2004, 1111. 279 Vgl. Fleischer, WM 2007, 909, 914. Deutlich allerdings der österreichische OGH SZ 69/149, wonach „unter die Kapitalerhaltungsvorschriften Zuwendungen und Verfügungen aller Art ohne Rücksicht darauf [fallen], ob sie in der Handelsbilanz der Gesellschaft (. . .) einen Niederschlag finden“. 280 Henze, in: Großkommentar zum AktG, § 57 Rn. 11, 57 m. w. N.; Bayer, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 57 Rn. 7; Fleischer, WM 2007, 909, 914. 281 Henze, in: Großkommentar zum AktG, § 57 Rn. 57.

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in der GmbH282. So seien zukünftige schuldrechtliche Ansprüche kein Ausgleich für den Abfluss realer Werte, zumal sich die Bonität des Kreditnehmers im Zeitpunkt der Fälligkeit des Rückgewähranspruchs schlecht prognostizieren lasse283. Zudem überspiele die Kreditgewährung die strukturelle Nachrangigkeit der Gesellschaftergläubiger und es könnten auf diesem Wege verbotene Auszahlungen an Aktionäre verschleiert werden284. Zu Recht wurde auf die Übertragbarkeit dieser Überlegungen auf das Aktienrecht hingewiesen285. Allerdings war dies – wie die obigen Ausführungen zeigen – für die Aktiengesellschaft schon bisher herrschende Meinung; ein Faktum, das im Schrifttum bei den zahlreichen Kommentierungen des „Novemberurteils“ oftmals übersehen wurde286. Mithin brachte das „Novemberurteil“ im Aktienrecht keine Neuerung bezüglich der Reichweite der Vermögensbindung287. Folgerichtig hatte es auch keine Auswirkungen auf die Übernahmefinanzierung288. Schon vor dem „Novemberurteil“ lag ein Verstoß gegen § 57 Abs. 1 und 3 AktG vor, wenn die Zielgesellschaft der Erwerbergesellschaft ein Darlehen gab, es sei denn der Rückgewähranspruch war ausreichend gesichert. Ein gesichertes Darlehen hatte aber keinen Nutzen für die Kaufpreisfinanzierung, da die Erwerbergesellschaft keinen Vermögensvorteil aus dem Geschäft ziehen konnte. Denn sobald das Darlehensgeschäft zum Vorteil der Erwerbergesellschaft von einem üblichen Darlehensgeschäft abwich, griffen die Kapital282 BGH, Urteil vom 24.11.2003 – II ZR171/01, BGHZ 157, 72 = NJW 2004, 1111 = WM 2004, 325. 283 BGH, Urteil vom 24.11.2003 – II ZR171/01, BGHZ 157, 72, 75 f. unter Berufung auf die Argumentation von Stimpel, in: FS 100 Jahre GmbH-Gesetz, S. 335, 349 ff. 284 BGH, 76 f. teilweise unter Berufung auf die Argumentation von Schön, ZHR 159 (1995), 351, 361. Zur Kritik an der Argumentation vgl. Cahn/Senger, in: Spindler/Stilz, AktG, § 57 Rn. 32 m. w. N.; Cahn, Der Konzern 2004, 235, 238 ff.; Vetter, BB 2004, 1509 ff. 285 OLG Jena, Urteil vom 25.4.2007 – 6 U 947/05, AG 2007, 785, 787; Bayer, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 57 Rn. 100; Schön, in: FS Röhricht, S. 559, 567; Habersack/Schürnbrand, NZG 2004, 689, 690; Hüffer, AG 2004, 416, 417 f.; Bayer/Lieder, ZGR 2005, 133, 135. 286 Eine Verschärfung des aktienrechtlichen Kapitalschutzes durch das „Novemberurteil“ sehen etwa: Stein, DZWiR 493, 495; Seidel, DStR 2004, 1130, 1331 f.; Wessels, ZIP 2004, 793, 794.; Reiner/Brakemaier, BB 2005, 1458, 1461; Cahn, Der Konzern 2004, 235, 243 f. Zu Recht auf die bisherige h. M. hinweisend: Schön, in: FS Röhricht, S. 559, 567; Habersack/Schürnbrand, NZG 2004, 689, 690; Hüffer, AG 2004, 416, 417 f.; Bayer/Lieder, ZGR 2005 133, 135. 287 Ebenso Burgard, AG 2006, 527, 529. 288 So auch im Ergebnis Holzner, Private Equity, der Einsatz von Fremdkapital und Gläubigerschutz, S. 234. Zu den Auswirkungen auf die Akquisitionsfinanzierung bei der Übernahme einer GmbH vgl. Weitenauer, ZIP 2005, 790 ff.

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schutzvorschriften des § 57 AktG ein289. Diesbezüglich bestand sogar eine Schlechterstellung im Vergleich zu einem Drittdarlehen. Während Letzteres im konkreten Einzelfall auch ungesichert und mit einem marktunüblichen Zinssatz gültig war, wurde diese Möglichkeit eines „guten Geschäfts“ dem darlehensaufnehmenden Aktionär durch den abstrakten Vergleich zu einem marktgerechten Drittgeschäft verwehrt. Darlehen von der Zielgesellschaft an die Erwerbergesellschaft waren somit kein geeignetes Mittel zur Kaufpreisfinanzierung290. (3) Rechtslage nach der Änderung des § 57 AktG durch das MoMiG Zu untersuchen bleibt, ob die im Nachgang des „Novemberurteils“ durchgeführte Ergänzung des § 57 Abs. 1 AktG um einen Satz 3 durch das Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG)291 an der Reichweite dieser Vorschrift und der Möglichkeit, Darlehen als Mittel zur Übernahmefinanzierung einzusetzen, etwas geändert hat. (a) Hintergrund der Gesetzesänderung Anstoß für die Änderung der Kapitalschutzregeln war maßgeblich die Kritik an dem „Novemberurteil“ des BGH. In deren Zentrum stand insbesondere der Leitsatz, nach dem Kreditgewährungen an Gesellschafter bezüglich 289 Ebenso OLG Jena, Urteil vom 25.4.2007 – 6 U 947/05, DB 2007, 1079, 1089 f.; Fleischer, in: K. Schmidt/Lutter; AktG, § 57 Rn. 22 m. w. N. 290 An dieser Einschätzung ändert sich auch nichts, wenn man mit einer Mindermeinung in der Literatur (Oechsler, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 71a Rn. 6; ders., ZIP 2006, 1661, 1662; Seidel, DStR 2004, 1131, 1132) entsprechend dem Eigenkapitalersatzrecht auch für die umgekehrte Richtung bei der Darlehensvergabe von der Gesellschaft an den Aktionär eine unternehmerische Beteiligung des Aktionärs verlangt, damit die Absätze 1 und 3 des § 57 AktG eingreifen. Denn eine solche Beteiligung von mindestens 25 Prozent ist Voraussetzung jeder Übernahme (siehe oben Kapitel 1 § 1 C.). Im Übrigen bestehen bezüglich dieses einschränkenden Merkmals Bedenken, denn es gibt hierfür im Wortlaut des § 57 AktG keine Anhaltspunkte. Auch wäre damit der Umgehung des § 57 Abs. 1 und 3 „Tür und Tor“ geöffnet, wenn beispielsweise mehrere zusammen agierende Aktionäre jeweils unterhalb dieser Schwelle blieben (ablehnend daher Cahn/Senger, in: Spindler/Stilz, AktG, § 57 Rn. 33; Stein, DZWiR 493, 496). Um zu verhindern, dass etwa jeder Kleinaktionär einer Bank durch den Aktienbesitz als Darlehensnehmer der Bank ausscheidet, ist es vorzuziehen, den Gegenbeweis, also dass die Darlehensvergabe nicht causa societatis erfolgte, zuzulassen (siehe oben Kapitel 3 § 1 B. II. 3. a) bb)). 291 Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) vom 23. Oktober 2008, BGBl. Teil I 2008, 2026, 2035.

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des gebundenen Kapitals auch bei Vollwertigkeit des Rückzahlungsanspruches grundsätzlich als verbotene Auszahlung von Gesellschaftsvermögen zu bewerten seien. Hierin sahen Teile des Schrifttums eine Überdehnung des Tatbestandes des § 30 GmbHG, weil dadurch der gesetzlich vorgesehene Vermögensschutz in einen Liquiditätsschutz umfunktioniert werde292. Man befürchtete, dass dies in der Konsequenz, bei Übertragung auf das Aktienrecht, ein allgemeines Verbot für Darlehen an Aktionäre darstellen und eine wirtschaftlich sinnvolle Konzernfinanzierung (sog. Cash Management) verhindern würde293. Allerdings fußte die Kritik weitgehend auf einer Überinterpretation des „Novemberurteils“. So entfernte sich der BGH darin nicht von dem bisherigen Verständnis, dass eine Vermögenszuwendung an den Gesellschafter zulässig war, wenn die Gesellschaft im Gegenzug eine gleichwertige Gegenleistung erhielt294. Keineswegs wollte der BGH anstatt der wertmäßigen, die gegenständliche Zusammensetzung des Gesellschaftsvermögens schützen295. Auch blieb es für die Beurteilung, ob eine Unterbilanz i. S. d. § 30 GmbH vorlag bzw. das gebundene Kapital nach § 57 Abs. 1 S. 1 AktG betroffen war, bei der bilanziellen Betrachtungsweise. Die Aussage des BGH beschränkte sich im „Novemberurteil“ vielmehr darauf, wann bei einem Darlehen ein Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung vorlag. Hierbei legte der BGH einen sehr strengen Maßstab an, indem er einen aus ex ante-Sicht vollwertigen Darlehensrückzahlungsanspruch trotz ordnungsgemäßer Verzinsung nicht als angemessene Gegenleistung für die Auszahlung der Darlehensumme ansah, mit dem Argument, dass die Auszahlung eines realen Wertes nicht durch künftige schuldrechtliche Ansprüche kompensiert werden könne296. In ähnlicher Weise hatte der BGH schon 1981 judiziert, dass bei Stundung des Kaufpreises die Übereignung des gekauften Grundstücks nach § 30 GmbH unzulässig sei297. Obwohl somit kein Systemwechsel vorgenommen wurde, ist eine Klarstellung durch den Gesetzgeber zu begrüßen, hatte das „Novemberurteil“ 292 Vgl. ausführlich zur Kritik Cahn, Der Konzern, 235, 238 ff. Wessels, ZIP 2004, 793, 794 f.; Fuhrmann, NZG 2004, 552, 553; Vetter, BB 2004, 1509, 1511 ff.; Stein, DZWiR 2004, 493 ff.; Reiner, BB 2005, 1458, 1459 ff. 293 Geßler/Käpplinger, Aktiengesetz, § 57 Rn. 9b; Cahn, Der Konzern, 235, 244, der überdies § 15 Abs. 1 Nr. 10 KWG als Argument gegen ein Verbot der Kreditvergabe anführt. Allerdings verfängt diese Argumentation nicht, da das KWG rechtsformunabhängig gilt und nicht nur Kapitalgesellschaften erfasst. 294 Bayer/Lieder, ZGR 2005 133, 142. 295 So explizit BGH, Urteil vom 23.11.2003 – II ZR 171/01, NJW 2004, 1111 = BGHZ 157, 72, 73. Missverständlich daher Drygala/Kremer, ZIP 2007, 1289, 1292; Begr. RegE. vom 25.7.2007 (MoMiG), BT-Drucks. 16/6140, S. 52, 41. 296 BGH, Urteil vom 23.11.2003 – II ZR 171/01, NJW 2004, 1111 = BGHZ 157, 72, 75 f. 297 BGH, Urteil vom 21.9.1981 – II ZR 104/80, BGHZ 81, 311, 320.

§ 1 Kapitalschutz nach § 57 Abs. 1 und 3 AktG

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doch in der Praxis für erhebliche Unsicherheit gesorgt298. Insbesondere die Aussage, die Darlehengewährung sei auch bei „Vollwertigkeit“ unzulässig, rief Missverständnisse hervor, verleitete sie zu dem falschen Schluss, dass, auch wenn keinerlei Vermögensgefährdung bestand, die Kapitalschutzregelungen eingriffen299. Gerade die im „Novemberurteil“ in einem obiter dictum angesprochenen Ausnahmen, bei deren Eingreifen ein Darlehen eine gleichwertige Gegenleistung darstellen sollte, bedurften zur Schaffung von mehr Rechtssicherheit einer gesetzlichen Präzisierung. Als mögliche Kriterien für die Zulässigkeit eines Darlehens nannte der BGH in dem „Novemberurteil“ das Gesellschaftsinteresse, den Drittvergleich, die außer Frage stehende Kreditwürdigkeit des Darlehensnehmers und eine werthaltige Sicherheit300. In seinem Referentenentwurf griff das Bundesministerium für Justiz das Kriterium des Gesellschaftsinteresses auf: Demnach sah ein neu eingefügter § 57 Abs. 1 S. 3 E-AktG vor, dass „Vorleistungen der Gesellschaft aufgrund eines Vertrags mit einem Aktionär keine Rückgewähr von Einlagen [sind], wenn die Leistung im Interesse der Gesellschaft liegt“301. Zu Recht stieß dieser Vorschlag im Schrifttum auf wenig Zustimmung, konnte doch mit dem schillernden Begriff des Gesellschaftsinteresses keine Rechtssicherheit gewonnen werden302. Zwar sind ähnliche Formulierungen dem Aktienrecht nicht fremd (vgl. §§ 121, 131 Abs. 3 Nr. 1, 308 AktG), jedoch gibt es nicht das Interesse des Unternehmens an sich, bündeln sich doch darin die unterschiedlichen, teilweise entgegengesetzten Interessen der Ak298 Ebenso explizit der Referentenentwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) vom 29.5.2006, S. 53 abrufbar unter: www.bmj.bund.de/media/archive/1236.pdf (Abrufdatum: 8.5.2008). 299 Vgl. Bayer/Lieder, ZGR 2005 133, 142. Dass eine solche Interpretation fehl geht zeigt ein Urteil des OLG Jena, welches sich auf das „Novemberurteil“ beruft und ausdrücklich klar stellt, dass, wenn eine Vermögensgefährdung ausgeschlossen ist, wie etwa bei einer angemessenen Sicherung, kein Verstoß gegen § 57 vorliegt, OLG Jena, 25.4.2007 – 6 U 947/05, AG 2007, 785, 787. 300 BGH, Urteil vom 24.11.2003 – II ZR171/01, NJW 2004, 1111 f.; vgl. auch Goette, ZIP 2005, 1481, 1484. 301 Referentenentwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) vom 29.5.2006, S. 16 abrufbar unter: www.bmj.bund.de/media/archive/1236.pdf (Abrufdatum: 8.5.2008). 302 Vgl. die Kritik bei Grunewald, WM 2006, 2332, 2334; Pentz, in: Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2006; 115, 127 f.; Handelsrechtsausschuss des DAV, NZG 211, 216; Noack, DB 2006, 1475, 1482; Altmeppen, in: Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2006, 93, 107; Bayer/Lieder, GmbHR 2006, 1121, 1125 ff.; Bormann, DB 2006, 2616, 2620; Teichmann, NJW 2006, 2444, 2450. Die Regelung für praktikabel hielten Schäfer, DStR 2006, 2085, 2089; ders., BB-Special 7, 2006, 5, 8 f.; Gesmann-Nuissl, WM 2006, 1756, 1762.

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tionäre, der Verwaltung, der Gläubiger und der Arbeitnehmer303. Es verwundert daher nicht, dass trotz jahrzehntelanger Diskussion keine handfeste Formel für das Gesellschaftsinteresse gefunden werden konnte304. Auch die zur Konkretisierung in den Motiven unter anderen aufgeführten Merkmale des Drittvergleichs, der Kreditwürdigkeit des Schuldners und des Vorhandenseins von Sicherheiten305 hätten nicht für mehr Rechtssicherheit sorgen können, bliebe doch unklar, wie diese nicht abschließenden Interessens-Indizien – in freier Abwägung – zu gewichten wären. Die Bundesregierung reagierte auf die Kritik und rückte in ihrem Gesetzesentwurf306 von dem Begriff des Gesellschaftsinteresses ab. Nach der am 1.11.2008 in Kraft getretenen Neuregelung des § 57 Abs. 1 S. 3 AktG „gilt [Satz 1] nicht, bei Leistungen, die (. . .) durch einen vollwertigen Gegenleistungs- oder Rückgewähranspruch gegen den Aktionär gedeckt sind“. Damit stellt sich die Neuregelung bewusst gegen die Novemberentscheidung des BGH307, wonach die Vollwertigkeit des Rückzahlungsanspruchs gerade nicht eine verbotene Auszahlung verhindern soll. Tatsächlich wird in den Gesetzesmaterialien betont, dass der Entwurf zur bilanziellen Betrachtungsweise zurückkehrt, „die bis zum November 2003 problemlos anerkannt war“308. Die für das GmbH-Recht richtige Feststellung vernachlässigt allerdings, dass im Aktienrecht – wie oben aufgezeigt – Rechtsprechung und herrschende Literatur schon vor dem „Novemberurteil“ bei der Darlehensvergabe mit guten Argumenten einen bilanziell neutralen Rückzahlungsanspruch nicht für ausreichend hielten, sondern eine werthaltige Sicherheit verlangten309. Während damit die Neuregelung für das GmbH-Recht nur eine Klarstellung darstellt, wird für das Aktienrecht im Vergleich zur Rechtslage vor dem „Novemberurteil“ eine Liberalisierung der Kapitalschutzregeln vorgenommen. 303 Vgl. hierzu ausführlich Kübler/Assmann, Gesellschaftsrecht, § 14 III 1. b), 2 a) (177 f.) m. w. N.; Wiethölter, Interessen und Organisation der AG im amerikanischen und deutschen Recht, S. 41 f.; Schön, ZHR 168 (2004), 268 ff., 281 f. 304 Vgl. zur Unergiebigkeit der Diskussion Noack, DB 2006, 1475, 1482. 305 Referentenentwurf, a.a.O S. 54. daneben werden als Interessen-Indizien die bilanzielle Vollwertigkeit des Darlehensrückzahlungsanspruchs, die Kündigungsfrist und die Frage, ob Vorkehrungen für eine frühzeitige Erkennbarkeit der Verschlechterung der Bonität des Schuldners getroffen wurden, genannt. 306 RegE. vom 25.7.2007 (MoMiG), BT-Drucks, 16/6140, S. 13 (Art. 5 Nr. 5). 307 Ebenso Bayer, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 57 Rn. 111. 308 Begr. RegE. vom 25.7.2007 (MoMiG), BT-Drucks 16/6140, S. 52, 41. 309 OLG Hamm, Urteil vom 10.5.1995 – 8 U 59/94, ZIP 1995, 1263, 1270; LG Dortmund, Urteil vom 1.8.2001 – 20 O 143/93, AG 2002, 97, 98 f.; Bayer, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 57 Rn. 101; Bayer/Lieder, ZGR 2005 133, 146; Habersack/Schürnbrand, NZG 689, 690; a. A. Cahn/Senger, in: Spindler/Stilz, AktG, § 57 Rn. 32; Cahn, Kapitalerhaltung im Konzern, S. 246 ff.; vgl. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 29 II 2a (S. 891).

§ 1 Kapitalschutz nach § 57 Abs. 1 und 3 AktG

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Europarechtliche Regelungen stehen der neuen Ausnahmebestimmung nicht entgegen. Insbesondere verstößt § 57 Abs. 1 S. 3 Var. 2 AktG nicht gegen Art. 15 der Kapitalrichtlinie310. Denn Art. 15 Abs. 1 lit. a), c) verbietet nur die Ausschüttung des „gezeichneten Kapitals“. Bei Vollwertigkeit des Gegenleistungs- oder Rückgewähranspruch liegt jedoch ein bloßer Aktivtausch vor, der von vornherein nicht zur Minderung des Gesellschaftsvermögen führt, so dass schon keine Ausschüttung i. S. d. Art 15 Abs. 1 lit. a), c) vorliegt311. (b) Rechtstechnische Bewertung Die Einführung von wortgleichen Regelungen im GmbH- und Aktienrecht ist zu begrüßen, unterscheiden sich § 30 GmbH und § 57 AktG doch nur bezüglich des Umfangs der Vermögensbindung312. Die gleichen Wertungen müssen hingegen gelten, wenn es um die vorgelagerte Frage geht, ob überhaupt eine Vermögensminderung vorliegt, die dann – wenn das jeweils geschützte Vermögen betroffen ist – als unzulässig zu qualifizieren ist313. Insofern helfen die identischen Regelungen des § 30 Abs. 1 S. 1 GmbHG und § 57 Abs. 1 S. 3 AktG diesen Widerspruch bei der Anwendung beider Kapitalschutzregeln aufzulösen314. Um Missverständnisse zu vermeiden hätte die Regelung jedoch systematisch stimmiger in einem neuen Absatz 4 des § 57 AktG verortet werden sollen, da die Frage, wann eine unzulässige Auszahlung vorliegt, sowohl das Einlagenrückgewährverbot des Absatz 1 als auch die umfassende Vermögensbindung des Absatz 3 betrifft315. 310

Zur Reichweite des Art. 15 Abs. 1 a), c) siehe oben Kapitel 3 § 1 A. IV. 1. Wand/Tillmann/Heckenthaler, AG 2009, 148, 151. 312 Habersack/Schürnbrand, NZG 2004, 689, 690. 313 Keine Rolle spielt diesbezüglich, dass die umfassende Vermögensbindung in § 57 Abs. 3 AktG die Minderheitsgesellschafter und nicht wie § 30 GmbHG und § 57 AktG die Gesellschaftsgläubiger schützt. Denn die Frage, wann eine Vermögensminderung der Gesellschaft zu bejahen ist, ist eine Vorfrage, die für beide zu schützenden Gruppen identisch zu beantworten ist, auch wenn man in einem zweiten Schritt – etwa weil alle Minderheitsgesellschafter einverstanden sind – in Ausnahmefällen wegen Nichteingreifen des Schutzzweckes einen Verstoß verneinen kann. Anderer Ansicht wohl Schön, in: FS Röhricht, S. 559, 567. 314 Dieser Widerspruch war der Grund dafür, dass eine Mindermeinung in der Literatur (Cahn, Kapitalerhaltung im Konzern, S. 246 ff.) schon bisher im Aktienrecht die Vollwertigkeit des Rückzahlungsanspruchs genügen ließ, Habersack/Schürnbrand, NZG 2004, 689, 690 m. w. N. 315 Ebenso Winter, DStR 2007, 1484, 1488. Die Regelung in § 57 Abs. 1 S. 1 AktG mag dem Umstand geschuldet sein, dass nach herrschender, jedoch kreditwürdiger Ansicht die umfassende Vermögensbindung schon aus § 57 Abs. 1 S. 1 AktG folgt. Die neu getroffene Regelung betrifft jedoch nicht die Frage des Umfangs der Vermögensbindung, so dass hierin nicht die Aussage des Gesetzgebers gesehen wer311

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Kap. 3: Das aktienrechtliche Kapitalschutzsystem

Problematisch ist schließlich die gewählte Konstruktion, die parallel zu § 57 Abs. 1 S. 2 AktG mit der Formulierung „Satz 1 gilt nicht“ Leistungen bei Vorhandensein eines vollwertigen Gegenleistungs- oder Rückgewähranspruchs von der Anwendung des Verbots der Einlagenrückgewähr ausnimmt. Denn hieraus lässt sich – wie auch bei § 57 Abs. 1 S. 2 AktG316 – umgekehrt schließen, dass ohne die ausdrückliche Ausnahmeregelung die beschriebenen Leistungen unter das Einlagenrückgewährverbot fielen. Dies widerspricht jedoch der gerade im Regierungsentwurf propagierten „Rückkehr“ zur bilanziellen Betrachtungsweise. Denn nimmt man diese ernst, findet bei einem vollwertigen Gegenleistungs- oder Rückgewähranspruch keine Vermögensverlagerung statt, so dass in diesem Fall keine Einlagen i. S. d. § 57 Abs. 1 S. 1 AktG zurückgewährt werden. Ansonsten würde man § 57 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 AktG ohne die neue Ausnahmeregelung tatsächlich als Vorschrift auffassen, die das Gesellschaftsvermögen in seiner konkreten gegenständlichen Zusammensetzung schützt, was weder vor noch in dem „Novemberurteil“ vertreten wurde317. Der als Einwendung formulierte Passus „Satz 1 gilt nicht“ soll wohl verdeutlichen, dass im Falle der Inanspruchnahme des Aktionärs durch die Gesellschaft nach §§ 62 Abs. 1 i. V. m. § 57 Abs. 1 und 3 AktG der Aktionär die Beweislast für die Vollwertigkeit des Gegenleistungs- oder Rückgewähranspruches trägt. Die Ausschüttungsverbote des Absatz 1 und 3 sollen hingegen weiter gelten, nur sind sie bei Vorliegen des § 57 Abs. 1 S. 3 mangels Vermögensverlagerung nicht einschlägig. Vorzuziehen wäre daher die (klarstellende) Formulierung, dass die Ausschüttungsverbote in diesem Fall „nicht eingreifen“. (c) Inhaltliche Bewertung Die neu gefundene Formel enthält zwei Schranken, die die Lockerung des Kapitalschutzes durch die Neureglung bei richtiger Leseart relativieren: (aa) Das Vollwertigkeitskriterium als bilanzielle Schranke Zunächst bedarf es eines vollwertigen Gegenleistungs- oder Rückgewähranspruchs, damit eine Leistung an den Aktionär nicht unter die Ausschüttungsverbote des § 57 Abs. 1 und 3 AktG fällt. den kann, § 57 Abs. 1 S. 1 AktG enthalte entgegen dem Wortlaut eine umfassende Vermögensbindung. 316 Vgl. hierzu Cahn/Senger, in: Spindler/Stilz, AktG, § 57 Rn. 116; Hüffer, AktG, § 57 Rn. 20; Fleischer, in: K. Schmidt/Lutter; AktG, § 57 Rn. 45. 317 Vgl. Cahn/Senger, in: Spindler/Stilz, AktG, § 57 Rn. 15; Bayer/Lieder, ZGR 2005, 133, 142.

§ 1 Kapitalschutz nach § 57 Abs. 1 und 3 AktG

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Bei dem Kriterium der Vollwertigkeit handelt es sich um einen auslegungsbedürftigen, unbestimmten Rechtsbegriff318. In der Literatur ist strittig, ob die Business Judgment Rule des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG hierauf Anwendung findet. Teilweise wird dies aufgrund der möglichen tatsächlichen Unsicherheit bejaht319. Andere lehnen ein Eingreifen der Business Judgment Rule ab, da es sich um eine gesetzlich gebundene und nicht um eine unternehmerische Entscheidung handele320. Jedoch sei bei der Beurteilung der Vollwertigkeit dem Vorstand ein gewisser Beurteilungsspielraum zuzubilligen321. Die Diskussion geht jedoch an der Sache vorbei, da es sich bei dem vollwertigen Gegenleistungs- oder Rückgewähranspruch um ein objektives Tatbestandsmerkmal handelt322. Ob die Business Judgment Rule Anwendung findet, kann hingegen allein für die Frage eines Schadensersatzanspruchs des Vorstands nach § 93 Abs. 2 S. 1 AktG eine Rolle spielen323. Auch wenn der Vorstand etwa aufgrund einer Täuschung objektiv zu Unrecht, jedoch schuldlos das Vollwertigkeitskriterium bejaht, bleibt es bei einem Verstoß gegen § 57 AktG. Die Regierungsbegründung sieht in dem Vollwertigkeitsgebot zu Recht „eine nicht geringe Schutzschwelle“324. Hierbei kommt es entscheidend auf die Einschätzung der Realisierbarkeit der Forderung an. Dies ist der bilanziellen Betrachtungsweise immanent, da eine nur nominell gleichwertige Forderung, deren Durchsetzbarkeit aus ex ante-Sicht absehbar zweifelhaft ist, nicht in der Bilanz zum Nennwert angesetzt wird325 bzw. nach § 253 318

Wand/Tillmann/Heckenthaler, AG 2009, 148, 151. Falkenhausen/Kocher, BB 2009, 121, 122. 320 Kiefner/Theusinger, NZG 2008, 801, 805. 321 Ausführlich hierzu Kiefner/Theusinger, NZG 2008, 801, 805, der die Erstellung und Analyse einer umfassenden Informationsbasis fordert und dem Vorstand zu einer nachvollziehbaren Dokumentation des Entscheidungsprozesses rät. Drygala/ Kremer, ZIP 2007, 1289, 1292 weisen darauf hin, dass es häufig mehr als eine vertretbare Entscheidung für den Vorstand geben kann. Vgl. allgemein zum Beurteilungsspielraum des Vorstands bei der Einhaltung gesetzlicher Pflichten, Spindler, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 93 Rn. 65 f., 69. 322 Vgl. Altmeppen, ZIP 2009, 49, 51 zur entsprechenden Problematik im Rahmen des § 311 AktG. 323 Hier sprechen die besseren Argumente für die Nichtanwendung der Business Judgment Rule. Der Gegenansicht ist entgegenzuhalten, dass es sich – trotz der möglichen tatsächlichen Unsicherheit, ob das Kriterium der Vollwertigkeit erfüllt ist – bei der Einhaltung der Ausschüttungsverbote um eine gesetzliche Pflicht handelt. Bei rechtlich gebundenen Entscheidungen gibt es jedoch für den Fall des illegalen Verhaltens nach der Gesetzesbegründung gerade keinen sicheren Hafen, vgl. Begr. RegE. vom 14.3.2005 (UMAG), BT-Drucks. 15/5092, S. 11. 324 Begr. RegE. vom 25.7.2007 (MoMiG), BT-Drucks. 16/6140, S. 52, 41. 325 Vgl. BGH, Urteil vom 12.1.1998 – II ZR 82/93, BGHZ 137, 378, 380; Merkt, in: Baumbach/Hopt, HGB, § 252 Rn. 15; Drygala/Kremer, ZIP 2007, 1289, 1293 m. w. N. 319

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Abs. 3 S. 2 HGB abzuschreiben wäre (sog. Niederwertprinzip)326. Dem Vorsichtsprinzip des § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB folgend sind dabei alle im Zeitpunkt der Leistung vorhersehbaren Risiken zu beachten. Spätere, nicht vorhersehbare negative Entwicklungen, die regelmäßig mit einer bilanziellen Abwertung einhergehen, sollen nach der Gesetzesbegründung hingegen nicht nachträglich zu einer verbotenen Auszahlung führen327. Damit kann sich auch dann kein Verstoß gegen die Ausschüttungsverbote des § 57 Abs. 1 und 3 AktG ergeben, wenn sich die objektiv sorgfaltsgemäß vorgenommene Vollwertigkeitsprognose im Nachhinein als unzutreffend herausstellt328. Allerdings kann die nach § 93 Abs. 1 S. 1 AktG geschuldete Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters den Vorstand verpflichten, bei Bonitätsverschlechterung der darlehensaufnehmenden Gesellschaft mit einer Kreditkündigung zu reagieren oder – als milderes Mittel – eine nachträgliche Sicherheit einzufordern329. Verletzt ein Vorstandsmitglied diese fortlaufende Überwachungspflicht von langfristigen Darlehen330, führt dies jedoch nicht zu einem nachträglichen Verstoß gegen § 57 AktG. Vielmehr kommt in diesem Fall eine Schadensersatzpflicht nach § 93 Abs. 2 S. 1 AktG in Betracht. Auch hier zeigt sich, dass die Frage, ob die Ausschüttungsverbote des § 57 AktG eingreifen scharf zu trennen ist von der Frage, ob ein Sorgfaltspflichtverstoß vorliegt. Die Liberalisierung des Kapitalschutzes besteht nun zum einen darin, dass kein Drittvergleich mehr erforderlich ist. Die Vollwertigkeit des Rückgewähranspruchs hängt mithin nicht mehr davon ab, ob die Aktiengesellschaft ein gleiches Geschäft auch mit einem Nichtgesellschafter getätigt hätte331. Zum anderen muss die Kreditwürdigkeit nicht mehr „bei Anlegung strengster Maßstäbe außerhalb jeden vernünftigen Zweifels“332 stehen. Vielmehr ist ausreichend, dass sie nicht „absehbar in Frage gestellt“333 wird. Dies bedeutet, dass das Vollwertigkeitsgebot eingehalten ist, wenn die 326 Winter, DStR 2007, 1484, 1486; Wand/Tillmann/Heckenthaler, AG 2009, 148, 151; vgl. auch BGH, Urteil vom 1.12.2008 – II ZR 102/07, BB 2009, 118, 119 f. („MPS“). 327 Begr. RegE. vom 25.7.2007 (MoMiG), BT-Drucks. 16/6140, S. 52, 41. 328 Ebenso Kiefner/Theusinger, NZG 2008, 801, 805. 329 Vgl. Begr. RegE. vom 25.7.2007 (MoMiG), BT-Drucks. 16/6140, S. 52, 41; nunmehr ausdrücklich für die entsprechenden Problematik im Konzern: BGH, Urteil vom 1.12.2008 – II ZR 102/07, BB 2009, 118, 120 („MPS“). 330 Vgl. zu der Pflicht zur Einrichtung eines geeigneten Informations- oder „Frühwarnsystem“ BGH, Urteil vom 1.12.2008 – II ZR 102/07, BB 2009, 118, 120 („MPS“). 331 Für einen Drittvergleich noch OLG Koblenz, Urteil vom 5.4.2007 – 6 U 342/04, AG 2007, 408, 409. 332 BGH, Urteil vom 24.11.2003 – II ZR171/01, BGHZ 157, 72, 76. 333 Begr. RegE. vom 25.7.2007 (MoMiG), BT-Drucks. 16/6140, S. 52, 41.

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Durchsetzbarkeit absehbar nicht gefährdet ist und somit kein Abwertungsbedarf besteht334. Auf dieser Linie fordert nunmehr auch der BGH zu Recht für die Vollwertigkeit des Rückgewähranspruches keine „an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit der Darlehensrückzahlung“335. Die Gewährung eines ungesicherten Darlehens sei daher nur im Falle eines – aus der hier allein maßgeblichen ex ante-Perspektive bestehenden – konkreten Ausfallrisikos zu verweigern336. Zu kritisieren ist jedoch, dass der BGB darauf abstellt, ob die Forderung aus Sicht des Vorstands im diesem Sinne als vollwertig „erscheint“. Dies kann jedoch wie bereits erwähnt nur für eine etwaige Sorgfaltspflichtverletzung im Rahmen des § 93 AktG relevant sein. Für das objektive Tatbestandsmerkmal des vollwertigen Gegenleistungsoder Rückgewähranspruchs ist hingegen unbeachtlich, ob dies für den Vorstand erkennbar war oder nicht337. (bb) Das Deckungsgebot als außerbilanzielle Schranke In der Neuregelung versteckt sich eine weitere Schranke, die außerbilanzielle Aspekte berücksichtigt. Nach dem Gesetzeswortlaut greifen die Kapitalerhaltungsregeln nicht ein, wenn Leistungen durch Gegenleistungs- oder Rückgewähransprüche „gedeckt“ sind. Hierin sieht die Regierungsbegründung ein eigenständiges „Deckungsgebot“. Demnach soll trotz der bilanziellen Neutralität bei Weggabe eines immateriellen Wirtschaftsguts (§ 248 Abs. 2 HGB) oder des Verkaufs eines Gegenstandes zum bilanzierten historischen Anschaffungspreis (§ 253 Abs. 1 S. 1 HGB) dennoch ein Verstoß gegen § 57 AktG vorliegen, da für das Eingreifen der Ausnahmeregelung des § 57 Abs. 1 S. 3 AktG der Zahlungsanspruch „nicht nur vollwertig sein muss, sondern auch wertmäßig nach Marktwerten und nicht nach Abschreibungswerten den geleisteten Gegenstand decken muss“338. Dies verdeutlicht, dass die Neuregelung nicht den bilanziellen Ansatz in Reinform wählt, sondern ungeachtet der propagierten „Rückkehr“ zum bilanziellen Denken eine mittlere Linie verfolgt. Die Einbeziehung nicht bilanzieller Gesichtspunkte bei Austauschgeschäften – insbesondere die Berücksichtigung der stillen Reserven – leuchtet 334

Winter, DStR 2007, 1484, 1486; Kiefner/Theusinger, NZG 2008, 801, 804; ähnlich Falkenhausen/Kocher, BB 2009, 121. 335 BGH, Urteil vom 1.12.2008 – II ZR 102/07, BB 2009, 118, 120 („MPS“) zu § 311 AktG jedoch unter ausdrücklicher Bezugnahme auf die Neuregelung des § 57 Abs. 1 S. 3 AktG; vgl. hierzu Habersack, in: ZGR 2009, 347 ff. 336 BGH, ebd. 337 Ebenso zur entsprechenden Problematik im Rahmen des § 311 AktG Altmeppen, ZIP 2009, 49, 51. 338 Begr. RegE. vom 25.7.2007 (MoMiG), BT-Drucks. 16/6140, S. 52, 41.

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ein. Nur auf diese Weise kann das Ausplündern der Gesellschaft zum Nachteil ihrer Gläubiger und Minderheitsaktionäre verhindert werden, wenn etwa bei einem Verkaufsgeschäft ein Grundstück zum Buchwert von 20.000 Euro für 2 Mio. Euro veräußert wird. In diesen Fällen kann für die Zulässigkeit des Geschäfts ein bloßer Aktiventausch nicht ausreichen. Vielmehr muss durch den Kauf zum höheren Marktpreis ein bilanzieller Ertrag erzielt werden. Dass dadurch der bilanzielle Ansatz durchbrochen wird, ist vor dem Hintergrund einen effektiven Gläubiger- und Aktionärsschutz hinzunehmen. Zu fragen bleibt, ob das Deckungsgebot auch bei der Darlehensvergabe relevant werden kann. Dies wäre nur der Fall, wenn das Deckungsgebot über den intendierten Schutz stiller Reserven hinausgehend jeden Abfluss von liquider, gebundener Haftungsmasse verbieten wollte. Dies wird in der Unterbilanz der GmbH diskutiert339 und müsste folgerichtig zumindest bezüglich des nach § 57 Abs. 1 S. 1 AktG gebundenen Vermögens auch für die Aktiengesellschaft erwogen werden. Einen entsprechenden Schluss kann man jedoch nicht aus dem im Gesetz nur angedeuteten Deckungsgebot ziehen. Schon das Hineinlesen außerbilanzieller Aspekte in dieses Merkmal erfordert einige Phantasie, findet aber zumindest eine Stütze in den Gesetzesmaterialien. Ein Verbot der Auszahlung des gebundenen Vermögens ist hierin jedoch nicht einmal ansatzweise enthalten. Auch besteht zwischen dem entschädigungslosen Abfluss stiller Reserven und der Ersetzung liquider Mittel durch einen vollwertigen Darlehensrückzahlungsanspruch ein erheblicher Unterschied, so dass der Versuch einer Analogie nicht gelingen kann340. Darüber hinaus würde eine solche Interpretation sich in einen unauflösbaren Widerspruch zu den Ausführungen im Regierungsentwurf stellen, der die bilanzielle Schranke der Vollwertigkeit als Hauptkriterium installiert und nicht zwischen der Art des angegriffenen Kapitals unterscheidet. Für das Darlehen bleibt die entscheidende Schranke damit die Vollwertigkeit des Anspruchs341. (cc) Auswirkungen auf die Zulässigkeit fremdfinanzierter Übernahmen Was bedeutet die Neuregelung in concreto für den Einsatz von UpstreamDarlehen bei der Akquisitionsfinanzierung? Ziel des Gesetzgebers war nicht 339

Winter, DStR 2007, 1484, 1487; vgl. zum dogmatischen Hintergrund Stimpel, in: FS 100 Jahre GmbH-Gesetz, S. 340 ff.; Goette, DStR 2006, 767, 768. 340 Ähnlich Winter, DStR 2007, 1484, 1287. 341 Ebenso Wand/Tillmann/Heckenthaler, AG 2009, 148, 152 unter Verweis auf Begr. RegE. vom 25.7.2007 (MoMiG), BT-Drucks. 16/6140, S. 52, 41 „Das Deckungsgebot bedeutete das bei einem Austauschvertrag (. . .)“. Vgl. auch Kiefner/ Theusinger, NZG 2008, 801, 804 die das Deckungsgebot als „bare Selbstverständlichkeit“ bezeichnet.

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etwa, das Verbot, die Übernahme einer Gesellschaft mit dessen eigenen Mitteln zu finanzieren, aufzulockern342. Vielmehr sollte die in den Konzernen weit verbreitete Praxis des sog. Cash-Pooling weiterhin gewährleistet werden. Die Gefahr, dass die neue Freiheit durch Finanzinvestoren für die Finanzierung von Übernahmen ausgenutzt werden kann, hat der Gesetzgeber erkannt. So heißt es in der Regierungsbegründung, dass die Neuregelung keineswegs „das Ausplündern von Gesellschaften ermöglichen oder erleichtern [soll]“343. Ob diese Aussage sich bewahrheitet, hängt mithin von der materiellen Reichweite des neuen § 57 Abs. 1 S. 3 AktG ab. Im Gegensatz zur früheren herrschenden Ansicht verzichtet die Neuregelung auf einen Drittvergleich als positive Voraussetzung für eine zulässige Darlehensvergabe an einen Aktionär344. Es muss daher nicht mehr positiv feststehen, dass ein gewissenhaft handelnder Vorstand ein Geschäft unter sonst gleichen Bedingungen auch mit einem Nichtgesellschafter geschlossen hätte. Ein gelungener Drittvergleich war früher nur bei einer angemessenen Verzinsung und einer banküblichen Sicherung denkbar345. Es stellt sich die Frage, ob das an Stelle des Drittvergleichs getretene Kriterium der Vollwertigkeit des Gegenleistungs- oder Rückgewähranspruches ebenfalls jene beiden Voraussetzungen erfordert. (a) Angemessene Verzinsung Teilweise wird argumentiert, dass die Pflicht zur Verzinsung schon daraus folgt, dass bei der Darlehensvergabe neben dem Rückgewähranspruch auch der Gegenleistungsanspruch „gedeckt“ sein müsse346; insofern sei an Stelle des „oder“ in § 57 Abs. 1 S. 3 AktG bei der Darlehenvergabe ein „und“ zu lesen347. Bei einer zu niedrigen Verzinsung decke der Gegenleistungsanspruch die Leistung nicht, so dass der neue Ausnahmetatbestand nur eingreife, wenn das Darlehen angemessen verzinst sei348. Dieser Argumentation liegt jedoch eine unzulässige Ausweitung des Deckungsgebotes zu Grunde. Wie aus den Gesetzesmaterialien hervorgeht, soll das Kriterium 342 Andere Gesetzesvorhaben wie das „Risikobegrenzungsgesetz“ zielen vielmehr auf die Einschränkung der Handlungsfreiheit von Finanzinvestoren, vgl. Habersack, F. A. Z. vom 21.11.2007, S. 25. 343 Begr. RegE. vom 25.7.2007 (MoMiG), BT-Drucks. 16/6140, S. 52, 41. 344 Wand/Tillmann/Heckenthaler, AG 2009, 148, 152. 345 OLG Hamm, Urteil vom 10.5.1995 – 8 U 59/94, ZIP 1995, 1263, 1270; LG Dortmund, Urteil vom 1.8.2001 – 20 O 143/93, AG 2002, 97, 98 f.; Bayer, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 57 Rn. 101; Bayer/Lieder, ZGR 2005 133, 146; Habersack/Schürnbrand, NZG 689, 690. 346 Möller, Der Konzern 2008, 1, 5. 347 Winter, DStR 2007, 1484, 1487 (zur GmbH). 348 Möller, Der Konzern 2008, 1, 5; Winter, DStR 2007, 1484, 1487 (zur GmbH).

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Kap. 3: Das aktienrechtliche Kapitalschutzsystem

bei Austauschverträgen, wie etwa dem Verkauf eines Grundstücks, gewährleisten, dass sich Leistung und Gegenleistung wertmäßig decken, so dass über eine Veräußerung zum Buchwert keine Vermögensverlagerung zu Lasten der Aktiengesellschaft stattfinden kann349. Dagegen hat es nicht die Funktion, generell für marktgerechte Geschäfte zu sorgen. Würde man bei der Darlehensvergabe losgelöst von bilanziellen Erwägungen eine angemessene Verzinsung verlangen, bedeutete dies die Wiedereinführung des Drittvergleichs durch die Hintertür. Letztlich würde man dann nicht das Kapital der Aktiengesellschaft schützen, sondern dafür sorgen, dass der Darlehensgeber durch eine marktangemessene Verzinsung einen Gewinn erziele. Dies überschreitet den Schutzzweck des § 57 Abs. 1, 3 AktG, der gerade nicht die Funktion hat, zu kontrollieren, ob in einer Aktiengesellschaft ordnungsgemäß Gewinne generiert werden, sondern allein auf die Erhaltung des Gesellschaftsvermögens abzielt. Auch wäre dann das Vollwertigkeitskriterium weitgehend überflüssig. Aus dem Deckungsgebot kann daher nicht das Erfordernis einer angemessenen Gegenleistung hergeleitet werden. Auf der anderen Seite ist die „Oder“-Formulierung in § 57 Abs. 1 S. 3 Var. 2 AktG auch nicht so zu verstehen, dass beim Darlehen entweder der Gegenleistungsanspruch oder der Rückgewähranspruch vollwertig sein müssen. Denn Schutzrichtung des § 57 Abs. 1 und 3 AktG ist es, im Interesse der Gläubiger bzw. der Minderheitsaktionäre das Kapital in der Gesellschaft zu halten. Hierfür ist jedoch allein eine angemessene Verzinsung als Gegenleistung nicht ausreichend, wenn der Rückgewähranspruch nicht vollwertig ist. Denn Gesellschaftsgläubiger und Minderheitsgesellschafter sind nicht ausreichend geschützt, wenn das Darlehen zwar ordnungsgemäß verzinst ist, aber bei der Darlehensvergabe schon eine hohe Wahrscheinlichkeit besteht, dass die Darlehenssumme nicht an die Aktiengesellschaft zurückfließt. Die „Oder“-Formulierung ist damit den unterschiedlichen Leistungsarten geschuldet. Dieser Schluss lässt sich auch aus der Regierungsbegründung herauslesen, denn dort wird zum „Synallagma der Gegenanspruch“ und zur „Auszahlung mit Kreditcharakter der Rückerstattungsanspruch“ zugeordnet350. Gerade bei Austauschverträgen, bei denen die Leistung dauerhaft beim Aktionär verbleibt, gibt es auch keinen Rückgewähranspruch, der vollwertig sein könnte. Beim Darlehen hingegen ist allein der Rückgewähranspruch entscheidend, während der Gegenleistungsanspruch in Verbindung mit dem Deckungskriterium für den Kapitalschutz direkt keine Rolle spielt. Allerdings führt auch das Kriterium der Vollwertigkeit des Rückgewähranspruchs zu einer gewissen Verzinsungspflicht. Die pauschale Aussage, aufgrund des Verzichts auf einen Drittvergleich sei nunmehr die Angemes349 350

Vgl. Begr. RegE. vom 25.7.2007 (MoMiG), BT-Drucks. 16/6140, S. 52, 41. Ebd.

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senheit der Gegenleistung beim Darlehen kein Rechtmäßigkeitserfordernis mehr351, bedarf daher einer gewichtigen Einschränkung352. Hintergrund hierfür ist, dass in der Handelsbilanz unverzinsliche oder unterverzinsliche Forderungen nur mit dem niedrigen Barwert anzusetzen sind353, jedenfalls dann, wenn – wie bei Darlehen im Rahmen eines Leveraged Buyout üblich – die Laufzeit länger als ein Jahr beträgt354. Dies ist dem Umstand geschuldet, dass „Geld morgen weniger wert ist als Geld heute“355. Das Wertdefizit muss durch die Verzinsung ausgeglichen werden, ansonsten ist der Rückgewähranspruch nicht vollständig zum Nennwert zu aktivieren, mit der Folge, dass der Ausnahmetatbestand des § 57 Abs. 1 S. 1 AktG nicht eingreift356. Will eine Erwerbergesellschaft von der Zielgesellschaft ein längerfristiges Darlehen aufnehmen, muss dieses, um konform mit § 57 AktG zu gehen, damit auch in Zukunft angemessen verzinst sein357. Allerdings darf dadurch die Entscheidung des Gesetzgebers, auf das Kriterium des „Drittvergleich“ zu verzichten, nicht umgangen werden. Zu fragen ist also nicht, wie hoch eine Bank, die einen einzigen Kunden hätte, ein (ungesichertes) Darlehen verzinsen würde. Denn eine solche Überlegung würde regelmäßig dazu führen, die Angemessenheit zu verneinen. Entscheidend kann aufgrund der bilanziellen Schranke der Vollwertigkeit allein sein, ob die niedrige Verzinsung bilanzielle Auswirkungen hat. Bezüglich der Sanktion nach § 62 AktG stellt sich bei unzureichender Verzinsung die Frage, ob die gesamte Darlehensvaluta oder nur die Differenz zwischen Nennwert und dem gebotenen Bilanzansatz unter den Rückgewähranspruch des § 62 Abs. 1 AktG fällt. Für letztere Lösung wird die rechtliche Selbständigkeit des Zinsanspruchs sowie, mit Blick auf die neu geschaffene „Anrechnungslösung“ in § 19 Abs. 4 GmbHG, der gewollte Gleichlauf zwischen GmbH- und Aktienrecht angeführt358. Zutreffend ist, 351 Drygala/Kremer, ZIP 2007, 1289, 1293; wohl auch Bayer, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 57 Rn. 111, wonach nach dem Regierungsentwurf keine marktüblichen Konditionen erforderlich sind. 352 Vgl. auch Drygala/Kremer, der von „einer gewissen Einschränkung“ spricht. 353 Winter, DStR 2007, 1484, 1487 (zur GmbH). 354 Ellrott/Schmidt-Wendt, in: Beck’scher Bilanz-Kommentar, § 255 Rn. 257; Thiel/Lüdtke-Handjery, Bilanzrecht, Rn. 574; Ballwieser, in: Münchener Kommentar zum HGB, § 253 Rn. 63; Drygala/Kremer, ZIP 2007, 1289, 1293 m. w. N. Kurzfristige Darlehen unter einem Jahr können damit auch ggf. ohne Verzinsung vergeben werden. 355 Drygala/Kremer, ebd. 356 Ähnlich Kiefner/Theusinger, NZG 2008, 801, 804. 357 Ebenso im Ergebnis Drygala/Kremer, ZIP 2007, 1289, 1293; Winter, DStR 2007, 1484, 1487. 358 Kiefner/Theusinger, NZG 2008, 801, 804; vgl. auch Wand/Tillmann/Heckenthaler, AG 2009, 148, 150, 157.

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dass der Nachteil, der durch eine fehlende Verzinsung entsteht, nur wenige Prozentpunkte von der Darlehensvaluta beträgt. Im faktischen Konzern muss mithin nach § 311 Abs. 1 a. E., 2 AktG auch nur dieser Nachteil ausgeglichen werden359. Außerhalb des faktischen Konzerns geht es jedoch nicht um die Frage des Nachteilsausgleichs, sondern ob eine Darlehensvergabe im Ganzen zulässig oder unzulässig ist. Hierbei ist zu beachten, dass § 57 Abs. 1 S. 3 Var. 2 AktG als Ausnahmevorschrift konzipiert („Satz 1 gilt nicht“) ist. Liegen die Voraussetzungen nicht vor, ist das Darlehen als verbotene Ausschüttung nach § 57 Abs. 1, 3 AktG anzusehen. Folglich greift auch bezüglich der gesamten Darlehensvaluta die Rechtsfolge des § 62 Abs. 1 AktG, die der Aktionär mithin „entgegen den Vorschriften dieses Gesetzes“ erlangt hat. (b) Besicherung des Darlehens Unschädlich ist dagegen eine fehlende Besicherung360, denn es genügt, dass der vollwertige Rückgewähranspruch „gedeckt“ ist. Für eine Deckung dieses Anspruchs ist jedoch eine Besicherung nach dem Willen des Gesetzgebers keine Voraussetzung. Dies geht schon daraus hervor, dass die Gesetzesmaterialien eine etwaig notwendige Besicherung mit keinem Wort erwähnen. Darüber hinaus würde das entscheidende Kriterium der Vollwertigkeit und die diesem Begriff immanente Durchsetzbarkeit des Anspruchs seines Sinnes beraubt, folgte aus dem Deckungsgebot eine Sicherungspflicht. Auch der Passus im Regierungsentwurf, wonach eine spätere, nicht vorhersehbare negative Entwicklung der Forderung nicht nachträglich zur Unzulässigkeit der Auszahlung führt, ergäbe dann keinen Sinn361. Die Änderung im Vergleich zur Rechtslage vor dem „Novemberurteil“ liegt damit in erster Linie in dem Abrücken von der Forderung einer umfassenden Sicherung. Wurde noch jüngst in einem Urteil des OLG Jena ein Verstoß gegen § 57 AktG angenommen, da ein Darlehen zwar angemessen verzinst, nicht aber ausreichend gesichert war362, dürfte in Zukunft die feh359 So nun ausdrücklich BGH, Urteil vom 1.12.2008 – II ZR 102/07, BB 2009, 118, 120 („MPS“). 360 Vgl. Bayer, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 57 Rn. 111; Drygala/ Kremer, ZIP 2007, 1289, 1293 m. w. N.; Winter, DStR 2007, 1484, 1489; zweifelnd Bormann, BB 2616, 2620 (vor Erlass des Regierungsentwurfes). 361 Nur nach der hier abgelehnten Mindermeinung, die auch bei der Darlehensvergabe einen vollwertigen Gegenleistungsanspruch für erforderlich hält, kann die fehlende Besicherung mittelbar zur Unzulässigkeit führen, wenn ohne Besicherung die vereinbarte Verzinsung als unangemessen erscheint und damit die Leistung durch den Gegenleistungsanspruch nicht gedeckt ist, vgl. Winter, DStR 2007, 1484, 1487, 1489.

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lende Sicherung nicht automatisch zu einem Eingreifen der Ausschüttungsverbote in § 57 AktG führen. Dies bedeutet jedoch nicht, dass nun Erwerbergesellschaften, die typischerweise mit wenig Kapital ausgestattet sind, unbegrenzt verzinsliche Darlehen von der Zielgesellschaft aufnehmen und über Umwege dem Finanzinvestor zukommen lassen können, um so das Kapital in Einklang mit § 57 AktG zu Lasten der Minderheitsgesellschafter und Gesellschaftsgläubiger aus der Zielgesellschaft abzuziehen. Gerade das Beispiel einer finanzschwachen Erwerbergesellschaft wird in der Regierungsbegründung als Standardfall aufgeführt, bei dem die Vollwertigkeit des Rückgewähranspruchs zu verneinen sei363. Es handelt sich dann nicht um eine „nicht vorhersehbare negative Entwicklung“364 der Vermögensverhältnisse des Darlehensnehmers, was in der Regel auch leicht zu beweisen sein dürfte. Da davon auszugehen ist, dass das Kriterium der Vollwertigkeit von der Rechtsprechung entsprechend streng ausgelegt wird, kann damit auch in Zukunft nicht – wie teilweise im Schrifttum befürchtet365 – das Insolvenzrisiko des darlehensaufnehmenden Aktionärs unbeschränkt auf die Gesellschaft abgewälzt werden366. Dennoch zeigen sich Lücken im Schutzsystem, die auch bei einer fremdfinanzierten Übernahme ausgenutzt werden könnten, etwa, wenn die Erwerbergesellschaft bei der Darlehenvergabe kurzfristig mit ausreichend Kapital versorgt wird, so dass die Ausnahmeregelung des § 57 Abs. 1 S. 3 AktG greift, später jedoch das gesamte Kapital samt der Darlehenssumme auf die Investoren übertragen wird367. (d) Zusammenfassende Bewertung Bewertet man die Neuregelung, ist nicht zu leugnen, dass mit dem Verzicht auf eine marktübliche Sicherheit eine Risikoverschiebung zu Lasten der Gesellschaftsgläubiger (§ 57 Abs. 1 AktG) und Minderheitsaktionäre (§ 57 Abs. 3 AktG) einhergeht368. Fällt der Darlehensnehmer in die Insolvenz, realisiert sich diese schon bei der Darlehensvergabe angelegte Ver362 OLG Jena, Urteil vom 25.4.2007 – 6 U 947/05, AG 2007, 785, 788 = juris Rn. 51. 363 Begr. RegE. vom 25.7.2007 (MoMiG), BT-Drucks. 16/6140, S. 52, 41. 364 Ebd. 365 Bayer, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 57 Rn. 111. 366 Ähnlich auch Riegger, ZGR 2008, 233, 238 f. 367 Nur bei Darlehensvergabe erfolgt die Vollwertigkeitsprüfung. Eine späteres „Stehenlassen“ einer Forderung gegen die Erwerbergesellschaft fällt nach h. M. nicht unter das Auszahlungsverbot, da hierdurch bilanziell das Vermögen der Gesellschaft unverändert bleibt. Bildlich gesprochen sitzt die Taube bereits auf dem Dach des Gesellschafters, vgl. Wessels, ZIP 2006, 1701, 1704 m. w. N. 368 Ähnlich Bayer, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 57 Rn. 111.

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mögensgefährdung zu Lasten dieser beiden Gruppen. Insofern passt die Warnung von Stimpel, die Gesellschaft solle ihre Taube nicht auf das Dach fliegen lassen und mit dem Spatz in der Hand darauf warten, dass die Taube später zurückfliegt369. Gewinner der Neuregelung sind neben dem empfangenden Aktionär dessen Gläubiger, die regelmäßig vor den Gläubigern der Aktiengesellschaft Zugriff auf die Darlehensvaluta haben. Somit hat das Dogma des strukturellen Vorrangs der Gesellschaftsgläubiger vor den Gesellschaftergläubigern durch die Ausnahmeregelung des § 57 Abs. 1 S. 3 Var. 2 AktG eine gewichtige Einschränkung erfahren370. Kritisch anzumerken ist des Weiteren, dass eine gewisse Rechtsunsicherheit bezüglich der Auslegung des Vollwertigkeitskriteriums besteht, zumal bei der Beurteilung der Ausfallwahrscheinlichkeit dem darlehensgewährenden Vorstand ein Beurteilungsspielraum einzuräumen ist371. Es ist daher fraglich, ob durch die Neuregelung das Ziel des Gesetzgebers, die nach dem „Novemberurteil“ festgestellte „erhebliche Rechtsunsicherheit für die Praxis“ auszuräumen372, vollständig erreicht wird. Die mit der wortgleichen Änderung des § 30 Abs. 1 S. 2 GmbHG erreichte Ermöglichung des als ökonomisch sinnvoll erachteten konzerninternen Cash-Pooling im GmbH-Recht373, gelingt im Aktienrecht durch die Einführung des § 57 Abs. 1 S. 3 Var. 2 AktG mittelbar: Zwar überlagern die §§ 311, 317 AktG die Ausschüttungsverbote des § 57 AktG. Jedoch können in dem gegenüber den allgemeinen Regelungen privilegierten Konzernrecht keine strengeren Maßstäbe gelten, so dass die Neuregelung diesbezüglich auch für das Konzernrecht mehr Klarheit schaffen dürfte374. Gewährleistet § 57 Abs. 1 und 3 AktG mithin keinen lückenlosen Schutz mehr vor Vermögensverlagerungen von der Ziel- auf die Erwerbergesellschaft, heißt dies jedoch nicht, dass beim Leveraged Buyout einer Aktiengesellschaft nunmehr Darlehen an die Erwerbergesellschaft ein taugliches Instrument zur Kaufpreisfinanzierung darstellen. Gerade bei Übernahmesachverhalten dürfte die Anwendung des § 57 Abs. 1 S. 3 AktG regelmäßig an der geringen finanziellen Ausstattung der Erwerbergesellschaft scheitern375. 369

Stimpel, in: FS 100 Jahre GmbHG, S. 1992, 335, 352. Ähnlich Drygala/Kremer, ZIP 2007, 1289, 1291; Wand/Tillmann/Heckenthaler, AG 2009, 148, 151. 371 Drygala/Kremer, ZIP 2007, 1289, 1293. 372 Begr. RegE. vom 25.7.2007 (MoMiG), BT-Drucks. 16/6140, S. 52, 41. 373 Begr. RegE., S. 41. 374 So nun ausdrücklich BGH, Urteil vom 1.12.2008 – II ZR 102/07, BB 2009, 118, 120 („MPS“). Siehe hierzu ausführlich Kapitel 5. 375 Ähnlich Wand/Tillmann/Heckenthaler, AG 2009, 148, 150, 157, wonach bei einem Leveraged Buyout der Fall eines vollwertigen Rückgewähranspruches „eher theoretischer Natur“ ist. 370

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Besteht im Ausnahmefall ein vollwertiger Gegenleistungs- oder Rückgewähranspruch, dürfte es an einer – für eine endgültige Übernahmefinanzierung unerlässlichen – dauerhaften Vermögensverlagerung auf die Erwerbergesellschaft fehlen. Aber auch wenn es bei einer fremdfinanzierten Übernahme gelingen sollte, durch eine kurzfristige Kapitalausstattung der Erwerbergesellschaft unter den Ausnahmetatbestand des § 57 Abs. 1 S. 3 AktG zu fallen, ist die Zielgesellschaft nicht schutzlos. Es bleibt – insbesondere bei Pflichtverletzungen der Vorstandsmitglieder der Zielgesellschaft im Nachgang der Darlehensvergabe – als flankierender Schutz noch der Schadensersatzanspruch des § 93 Abs. 2 S. 1 AktG. Inwieweit die Einführung des § 57 Abs. 1 S. 3 AktG zur Konsequenz hat, dass in Zukunft § 71a Abs. 1 S. 1 AktG eine größere Bedeutung hinsichtlich des Schutzes des Gesellschaftsvermögens bei fremdfinanzierten Übernahmen zukommt376, ist im Rahmen des Anwendungsbereichs dieser Vorschrift zu untersuchen. Ein Nebeneffekt der Neuregelung ist, dass der in neuerer Zeit angedachten Differenzierung bei der Darlehensvergabe nach der Art des angegriffenen Kapitals eine Absage erteilt wurde. Nach dieser zunehmend im Schrifttum vertretenen Ansicht verböte § 57 Abs. 1 AktG die Hingabe eines ungesicherten Darlehens aus Gläubigerschutzgründen, während bezüglich des nach § 57 Abs. 3 AktG nur unter Gleichbehandlungsgesichtspunkten gebundenen „freien“ Vermögens ein angemessen verzinstes, ungesichertes Darlehen zulässig sein sollte377. Im letzteren Fall sei § 57 Abs. 3 AktG schon im Ansatz nicht berührt, weil dem empfangenden Gesellschafter nur eine zeitlich begrenzte Kapitalnutzung und kein dauerhafter Vorteil zugewendet würde378. Diese Einschätzung war vor Einführung des § 57 Abs. 1 S. 3 Var. 2 AktG zweifelhaft, zeigt doch der Insolvenzfall des darlehensaufnehmenden Aktionärs, dass auch ein nur zeitliches Nutzungsrecht trotz Verzinsung eine Schlechterstellung der anderen Aktionäre darstellen kann, jedenfalls dann, wenn die fehlende Sicherheit sich nicht in einer risikoangemessenen Verzinsung widerspiegelt. Mit der Erlaubnis nach § 57 Abs. 1 S. 3 Var. 2 AktG, auch bezüglich des im Gläubigerinteresse gebundenen Vermögens bei Vollwertigkeit des Gegenleistungs- oder Rückgewähranspruchs ein ungesichertes Darlehen an einen Aktionär zu geben, wurde zwar diesem Kritikpunkt – wie bereits moniert – nicht begegnet, sondern im Gegenteil noch mehr Angriffsfläche geboten. Jedoch entzieht die Neuregelung mit der undifferenzierten 376 So Habersack, F. A. Z. vom 21.11.2007, S. 25, der bisher § 71a AktG neben § 57 AktG weitgehend als überflüssig ansah, vgl. Habersack, in: FS Röhricht, S. 155, 166. 377 Schön, in: FS Röhricht, S. 559, 567; Henze, WM 2005, 717, 721; vgl. ähnlich Altmeppen, ZIP 2006, 1025, 1031 f. für das Cash Pooling; Eidenmüller, ZHR 171 (2007), 644, 664 (entsprechend für die Sicherheitsbestellung). 378 Schön, ebd.

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Anwendung der Ausnahmeregelung auf das Gesellschaftsvermögen der Unterscheidung zwischen der Art des angegriffenen Kapitals die Grundlage. bb) Stellung von Sicherheiten Die Frage der Besicherung spielt bei der Durchführung eines Leveraged Buyouts eine entscheidende Rolle. Ohne ausreichende Besicherung stellen die Banken das zur Vorfinanzierung des Kaufpreises notwendige Kapital nicht oder jedenfalls nur zu schlechten Konditionen zur Verfügung. Das vollständig besicherte Fremdkapital stellt auch die preiswerteste Art der Beschaffung von Fremdkapital dar, so dass die Finanzinvestoren auch im Interesse einer hohen Rendite die Aufnahme von gesicherten Darlehen (sog. Secured Senior Debts) bevorzugen379. (1) Anteile an der Zielgesellschaft Nach ganz herrschender Meinung ist eine Verpfändung der Anteile an der Zielgesellschaft möglich380. Diese stellen zumeist die einzigen Vermögenswerte der Erwerbergesellschaft dar. Allerdings werden die Anteile der Zielgesellschaft in der Regel von den Banken nicht als vollwertige Sicherheit akzeptiert, da im Verhältnis zu den Gläubigern der Zielgesellschaft der Anteilsgläubiger strukturell nachrangig gesichert ist und im Falle einer Insolvenz oft leer ausgeht381. Zwar könnte mit Hilfe einer Negative Pledge, also einer Verpflichtung, bei der Zielgesellschaft keine Sicherheiten zu bestellen, die wirtschaftliche Verwertbarkeit erhöht werden382, allerdings beträfe dies nicht schon die bestehenden Sicherheiten bei der Zielgesellschaft und würde überdies ihre wirtschaftliche Handlungsfähigkeit stark einschränken. Damit ist es regelmäßig notwendig, auch auf Vermögenswerte der Zielgesellschaft für die Sicherung der Darlehen zurückzugreifen383. 379

Böhme, Kapitalschutz und die Bestellung von Sicherheiten beim Leveraged Buyout, S. 99. 380 Westermann, in: Bürgers/Körber, AktG, § 57 Rn. 14 m. w. N.; Otto, in: Assmann/Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, 2. Auflage, § 26 Rn. 86 f. (zur GmbH), der darauf hinweist, dass auch das KWG eine Kreditvergabe auf Grundlage einer Anteilsverpfändung nicht verbietet; Weber, ZHR 155 (1991) 120, 124; Böhme, Kapitalschutz und die Bestellung von Sicherheiten beim Leveraged Buyout, S. 99. 381 Bruhns, in: FA-HGR, Kapitel 19, Rn. 380; Otto, in: Assmann/Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, 2. Auflage, § 26 Rn. 86 (zur GmbH). 382 Weber, ZHR 155 (1991) 120, 124. 383 Ebenso Otto, in: Assmann/Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, 2. Auflage, § 26 Rn. 88 (zur GmbH); Böhme, Kapitalschutz und die Bestellung von Sicherheiten beim Leveraged Buyout, S. 99.

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(2) Sicherung aus dem Vermögen der Zielgesellschaft Bezüglich der Frage, ob es mit § 57 AktG vereinbar ist, dass die Zielgesellschaft zu Gunsten der Erwerbergesellschaft deren Gläubiger Sicherheiten bestellt, kann eine parallele Entwicklung wie bei der Darlehensvergabe nachgezeichnet werden. (a) Rechtslage vor Inkrafttreten des MoMiG Bereits vor dem „Novemberurteil“ des BGH im Jahre 2003 dominierte bei der Aktiengesellschaft – im Gegensatz zum GmbH-Recht384 – die Auffassung, dass schon in der Bestellung einer Kreditsicherheit im Interesse eines Aktionärs grundsätzlich eine nach § 57 Abs. 1, 3 AktG verbotene Leistung zu sehen war385. Dies galt gleichermaßen für dingliche und schuldrechtliche Sicherheiten, da in beiden Fällen das Insolvenzrisiko des Aktionärs von der Aktiengesellschaft übernommen wurde386. Auch hier zeigt sich die im Aktienrecht zu dieser Zeit vorherrschende wirtschaftliche Betrachtungsweise, da Sicherheiten – solange keine Verwertung droht – gemäß den §§ 251 S. 1, 268 Abs. 7 HGB bilanzneutral („unter der Bilanz“) auszuweisen sind387. Ausnahmen von dieser strengen Vermögensbindung wurden – parallel zur Kreditvergabe – nur zugelassen, wenn die Sicherheit einem „Drittvergleich“ standhielt und mit angemessenem Entgelt (Avalprovision388) erfolgte. Diese strengen Voraussetzungen hatten für die Sicherheitsbestellung im Rahmen einer fremdfinanzierten Übernahme zur Folge, dass eine solche immer ge384 Vgl. hierzu OLG München, Urteil vom 19.6.1998 – 21 U 6130/97, GmbHR 1998, 986; KG Berlin, Urteil vom 11.1.2000 – 14 U 7683/97, NZG 2000, 479, 481; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 30 Rn. 19; Peltzer/Bell, ZIP 1993, 1760 f., ausführlich: Böhme, Kapitalschutz und die Bestellung von Sicherheiten beim Leveraged Buyout, S. 99 ff. m. w. N. 385 OLG München, Urteil vom 11.7.1979 – 15 U 1532/78, AG 1980, 272 f.; OLG Hamburg, Urteil vom 23.5.1980 – 11 U 117/79, AG 1980, 275, 278 f.; Henze, in: Großkommentar zum AktG, § 57 Rn. 51; Bayer, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 57 Rn. 104. 386 Henze, in: Großkommentar zum AktG, § 57 Rn. 51; Bayer, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 57 Rn. 104; vgl. auch Habersack/Schürnbrand, NZG 2004 689, 696. 387 Dies gilt auch für dingliche Sicherheiten. Zwar verliert etwa bei der Sicherungsübereignung die Aktiengesellschaft rechtlich das Eigentum an, jedoch verbleibt der Gegenstand wirtschaftlich in deren Vermögen und wird daher weiterhin in der Bilanz aktiviert, vgl. Ellrott, in: Beck’scher Bilanz-Kommentar, § 251 Rn. 7. 388 Ausführlich zur Avalprovision Rösler/Woite, Handbuch des Kreditgeschäfts, S. 166 ff.

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Kap. 3: Das aktienrechtliche Kapitalschutzsystem

gen § 57 Abs. 1 und 3 AktG verstieß, da die Gesellschaft das Delkredererisiko nie einem Dritten gegenüber übernehmen würde389. Nach überwiegender Ansicht änderte auch die Zahlung einer banküblichen Avalprovision daran nichts390. Zu Recht, denn während eine Bank das Risiko des Ausfalls über eine Vielzahl von Kunden streuen kann, ist dies bei der Besicherung eines einzigen Schuldners nicht möglich (sog. „Klumpenrisiko“)391. Kein vernünftig handelnder Vorstand würde dieses nur schwer kalkulierbare Risiko gegenüber einem Dritten eingehen. Damit ist eine angemessene Gegenleistung mangels Vergleichsmarkt kaum zu ermitteln und müsste jedenfalls um ein Vielfaches höher liegen, als bei den banküblichen Avalprovisionen392. Auch ein Freistellungsanspruch etwa nach § 775 BGB gegenüber dem kreditaufnehmenden Aktionär wurde nicht als angemessener Ausgleich für die Sicherheitsbestellung akzeptiert mit der schlüssigen Begründung, dass man zum Zeitpunkt der Sicherheitsbegründung nur prognostisch und damit nicht ausreichend sicher feststellen konnte, ob jener Anspruch wirtschaftlich vollwertig war393. Das „Novemberurteil“ brachte daher, was die Verschaffung von Sicherheiten für Gesellschafterverbindlichkeiten anbelangt, nur für das GmbHRecht394 eine Verschärfung. Für die Aktiengesellschaft bestätigte die Entscheidung implizit die bis dahin herrschende Ansicht des Verbots solcher Sicherungsgeschäfte395.

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Bayer, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 57 Rn. 104; Canaris, in: FS Fischer, S. 31, 46; Schön, ZHR 159 (1995) 351, 370; Peltzer, DB 1987, 973, 976. 390 Bayer, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 57 Rn. 105; Schön, ZHR 159 (1995), 351, 367; ausführlich: Böhme, Kapitalschutz und die Bestellung von Sicherheiten beim Leveraged Buyout, S. 165 ff.; vgl. auch Habersack, in: FS Röhricht, S. 155, 162; Habersack/Schürnbrand, NZG 2004 689, 696 jeweils m. w. N.; unklar diesbezüglich Henze, in: Großkommentar zum AktG, § 57 Rn. 51. 391 Vgl. Habersack, ebd.; Schön, ebd. 392 Böhme, Kapitalschutz und die Bestellung von Sicherheiten beim Leveraged Buyout, S. 166 m. w. N. (zur GmbH). 393 Henze, in: Großkommentar zum AktG, § 57 Rn. 51 mit weiteren Nachweisen und Argumenten. 394 Zu Recht wurde das „Novemberurteil“ für das GmbH-Recht dahingehend interpretiert, dass nunmehr – wie im Aktienrecht – schon die Bestellung einer Sicherheit eine i. S. d. § 30 GmbH relevante Auszahlung darstellen müsste. Dies war zu begrüßen, weil dadurch die durch den unterschiedlichen Umfang der Vermögensbindung nicht zu erklärenden Ungleichbehandlung zwischen Aktien- und GmbH-Recht aufhörte, vgl. Habersack/Schürnbrand, NZG 2004 689, 696. 395 Ebenso Bayer/Lieder, ZGR 2005, 133, 147; Habersack/Schürnbrand, NZG 2004 689, 696.

§ 1 Kapitalschutz nach § 57 Abs. 1 und 3 AktG

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(b) Rechtslage nach der Änderung des § 57 AktG durch das MoMiG Erst der durch das MoMiG396 eingeführte § 57 Abs. 1 S. 3 AktG gibt Anlass, die Frage der Zulässigkeit von Kreditsicherheiten für Aktionärsverbindlichkeiten nach § 57 Abs. 1 und 3 AktG neu aufzuwerfen. Die Regelung besagt, dass § 57 Abs. 1 S. 1 AktG „nicht bei Leistungen [gilt], die (. . .) durch einen vollwertigen Gegenleistungs- oder Rückgewähranspruch gegen den Aktionär gedeckt sind“. Wie im vorangegangenen Abschnitt erörtert, hat diese Lockerung der Vermögensbindung erhebliche Auswirkungen auf die Zulässigkeit von Darlehen an Aktionäre nach § 57 AktG. Während die Gesetzesmaterialien ausführlich auf diese Änderungen eingehen, finden sich bezüglich der Sicherheitsbestellung in den Anmerkungen zum Regierungsentwurf keine Ausführungen. Auch die Stellungnahmen der Sachverständigen enthalten diesbezüglich keine Anhaltspunkte397. Dennoch besteht weitgehend Einigkeit, dass die Neuregelung sich auch auf die Zulässigkeit von Sicherheiten auswirkt398. So kann man die Bestellung fremdnütziger Sicherheiten als eine besondere Kreditform (Haftungskredit) bezeichnen399. Wie bisher einen Drittvergleich zu verlangen, vertrüge sich überdies nicht mit der im Regierungsentwurf propagierten „Rückkehr“ zur bilanziellen Betrachtungsweise400. Die Schwierigkeit bei der Sicherheitsbestellung im Interesse eines Aktionärs besteht darin, dass im Unterschied zur Darlehensvergabe die Zuwendung an die sicherungsnehmende Bank und nicht direkt an den Aktionär erfolgt. Dass dies dennoch (wirtschaftlich) eine Leistung an den Aktionär darstellt, der regelmäßig ohne die Sicherheit keinen Kredit bekommen könnte, wurde schon an anderer Stelle erörtert401. Das Dreiecksverhältnis (Aktionär – Aktiengesellschaft – Bank) verkompliziert indes die hier interessierende Frage, welches der Kriterien in § 57 Abs. 1 S. 3 AktG, der nach seinem Wortlaut alternativ die Deckung durch einen „vollwertigen Gegenleistungs- oder Rückgewähranspruch“ verlangt, für die Beurteilung der Zulässigkeit von Sicherheiten maßgeblich ist. Da § 57 AktG nur das Verhältnis von Aktiengesellschaft und Aktionär behandelt, kann hierfür allein 396 Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) vom 23. Oktober 2008, BGBl. Teil I 2008, 2026, 2035. 397 Vgl. die Stellungnahmen von Goette, Grünewald, Lutter, Ries, Haas, Sünner u. a. abrufbar unter: www.bundestag.de/ausschuesse/a06/anhoerungen/28_MoMiG/ 04_Stellungnahmen/index.html (Abrufdatum: 22.5.2008). 398 Vgl. Drygala/Kremer, ZIP 2007, 1289, 1295; Habersack, F. A. Z. vom 21.11.2007, S. 25. 399 Wessels, ZIP 2004, 793, 797. 400 Vgl. Begr. RegE. vom 25.7.2007 (MoMiG), BT-Drucks. 16/6140, S. 41. 401 Siehe oben Kapitel 3 § 1 B. I. 1. c) aa).

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Kap. 3: Das aktienrechtliche Kapitalschutzsystem

die Rechtsbeziehung zwischen diesen Parteien relevant sein, während das Verhältnis zwischen der sicherungsnehmenden Bank und der sicherungsgebenden Aktiengesellschaft – zumeist wie bei der Bürgschaft ein einseitig verpflichtender Vertrag – auszublenden ist. Problematisch ist wiederum, ob hier die Vollwertigkeit des Gegenleistungs- oder des Rückgewähranspruches ausschlaggebend ist. Als Gegenleistung kommt gerade bei Bürgschaften und Garantien die Avalprovision in Betracht, die der Aktionär – zumeist im Rahmen eines Geschäftsbesorgungsvertrags (§ 675 BGB)402 – als Vergütung für das durch die Aktiengesellschaft übernommene Risiko zu bezahlen hat. Das Abstellen auf den Gegenleistungsanspruch ist jedoch unter der nun in erster Linie maßgeblichen bilanziellen Betrachtungsweise nicht angezeigt, da dies – wie oben für das Darlehen dargetan – zur Wiedereinführung des als Zulässigkeitskriterium aufgegebenen Drittvergleichs führen würde. Überdies schützt eine marktübliche Avalprovision allein – wie auch ein angemessener Zinssatz beim Darlehen – die Gesellschaftsgläubiger und Minderheitsaktionäre nicht im ausreichenden Maße vor dem Verlust des gesamten sichernden Kapitals. Wie beim Darlehen ist daher auf die Vollwertigkeit des Rückgewähranspruchs abzustellen. Im relevanten Verhältnis zwischen Aktiengesellschaft und Aktionär gibt es allerdings – anders als beim Darlehen – keinen klassischen Rückgewähranspruch403. Insofern ist der vom Gesetzgeber gewählte Begriff zu eng. Gemeint ist, wie aus den Gesetzesmaterialien hervorgeht, ein bilanzieller Ausgleichsanspruch für die (vorübergehende) Hingabe einer Leistung404. Anstelle des zu sehr auf das Darlehen zugeschnittenen „Rückgewähranspruchs“ wäre somit die Verwendung des umfassenderen Begriffs „Ausgleichsanspruch“ vorzuziehen gewesen. Jedenfalls ist § 57 Abs. 1 S. 3 AktG in diesem Sinne auszulegen. Für die Sicherheitsbestellung im Interesse eines Aktionärs heißt dies, dass ein Freistellungs- oder Regressanspruch vollwertig sein muss, damit die Ausnahmeregelung des § 57 Abs. 1 S. 3 Var. 2 AktG eingreift405. Freistellungsansprüche sind etwa bei der Bürgschaft von Gesetzes wegen vorgesehen (vgl. § 775 BGB) oder fol402

Vgl. BGH, Urteil vom 3.5.1984 – IX ZR 37/83, NJW 1984, 2088 f. Nicht zu berücksichtigen ist der Anspruch der Aktiengesellschaft gegen die Bank auf Rückgewähr der Sicherheit nach Wegfall des Sicherungszwecks, da das Verhältnis Bank – Aktiengesellschaft für § 57 AktG irrelevant ist und überdies ein solcher Anspruch nur besteht, wenn es nicht zum Sicherungsfall kommt. 404 Begr. RegE. vom 25.7.2007 (MoMiG), BT-Drucks. 16/6140, S. 52, 41; ähnlich Kiefner/Theusinger, NZG 2008, 801, 804 f. (Rückgriffsanspruch); zustimmend Wand/Tillmann/Heckenthaler, AG 2009, 148, 152. 405 Ebenso Drygala/Kremer, ZIP 2007, 1289, 1295; Kiefner/Theusinger, NZG 2008, 801, 805 („Rückgriffsanspruch). 403

§ 1 Kapitalschutz nach § 57 Abs. 1 und 3 AktG

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gen aus dem Geschäftsbesorgungsvertrag zwischen Aktiengesellschaft und Aktionär (§§ 675 Abs. 1, 670, 257 BGB). Nicht einfach zu beantworten ist dabei die Frage, nach welchen Kriterien die Vollwertigkeit eines solchen Anspruches schon im entscheidenden Zeitpunkt der Sicherheitsbestellung festzustellen ist. Teilweise wird aufgrund der Unsicherheit der Prognose die Möglichkeit eines vollwertigen Freistellungsanspruchs gänzlich verneint. So könne im Zeitpunkt der Sicherheitsbegründung nicht hinreichend rechtsicher festgestellt werden, ob der Ausgleichsanspruch vollwertig sei406. Von vornherein die Ausgleichsmöglichkeit durch einen vollwertigen Freistellungsanspruch abzulehnen, widerspräche jedoch der Intention des Gesetzgebers, der in § 57 Abs. 1 S. 3 AktG diesen Ausnahmefall gerade zulässt, und würde überdies zu Wertungswidersprüchen im Vergleich zur Darlehensvergabe führen. Auch ist ausreichend Rechtssicherheit gegeben, da das Vollwertigkeitskriterium eine bilanzielle Schranke darstellt. Einen Anhaltspunkt, wann ein Freistellungsanspruch nach der Bilanz vollwertig ist, kann man aus einer Parallelwertung zur Bilanzierung von Sicherheiten nach § 251 HGB gewinnen. Demnach sind Haftungsverhältnisse – und zu diesen zählen alle Kreditsicherheiten407 – als Eventualverbindlichkeiten grundsätzlich unter der Bilanz oder wahlweise gemäß § 268 Abs. 7 HGB im Anhang zu vermerken. Nur wenn eine Inanspruchnahme aus der Sicherheit wahrscheinlich ist, ist dies als Rückstellung in der Bilanz zu passivieren408. Dies zeigt, dass eine Prognose auch bei der Bilanzierung nicht untypisch ist und folgerichtig auch bei der Beurteilung der Vollwertigkeit des Rückgriffanspruchs einfließen kann. Ist schon die Inanspruchnahme aus der Kreditsicherheit nicht wahrscheinlich, spricht nach der nun auch für die Aktiengesellschaft im Grundsatz eingeführten bilanziellen Betrachtungsweise vieles dafür, mangels negativer Bilanz schon keine kapitalerhaltungsrelevante Auszahlung im Sinne des § 57 Abs. 1, 3 AktG anzunehmen409. Zwar hängt dies nicht unmittelbar mit dem Freistellungsanspruch zusammen, da eine Saldierung der Haftungsverhältnisse mit einer Rückgriffsforderung nach § 251 S. 2 HGB nicht zulässig ist410. In al406 Henze, in: Großkommentar zum AktG, § 57 Rn. 51; vgl auch Holzner, Private Equity, der Einsatz von Fremdkapital und Gläubigerschutz, S. 237, der daher auf die Sicherheitenverwertung abstellt. 407 Vgl. Hennrichs, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 251 HGB Rn. 7; Morck, in: Koller/Roth/Morck, HGB, § 251 Rn. 1; Wiedmann, in: Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, § 251 Rn. 10, § 268 Rn. 34. 408 Hennrichs, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 251 HGB Rn. 1; Morck, in: Koller/Roth/Morck, HGB, § 251 Rn. 1; Wiedmann, in: Ebenroth/Boujong/Joost/ Strohn, HGB, § 251 Rn. 1. 409 Ebenso Drygala/Kremer, ZIP 2007, 1289, 1295. Anders die bisher h. M. vgl. Habersack/Schürnbrand, NZG 2004, 689, 695 m. w. N. 410 Wiedmann, in: Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, § 251 Rn. 2.

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Kap. 3: Das aktienrechtliche Kapitalschutzsystem

ler Regel liegt es jedoch an der zu erwartenden Bonität des Aktionärs, dass der Eintritt des Sicherungsfalls wenig wahrscheinlich ist. Aus demselben Grund wäre dann zugleich ein etwaiger Freistellungsanspruch vollwertig. Kaum denkbar ist umgekehrt der Fall, dass eine Kreditsicherheit wegen wahrscheinlichen Eingreifens des Sicherungsfalls auf der Passivseite steht und jene durch einen vollwertigen Freistellungsanspruch auf der Aktivseite der Bilanz neutralisiert wird. Formal ist mithin bei der Sicherheitsbestellung eine zweistufige Prüfung vorzunehmen: Auf der ersten Stufe ist zu fragen, ob mit einer Inanspruchnahme aus der Sicherheit zu rechnen ist. Bejaht man dies, ist auf der zweiten Stufe zu untersuchen, ob der Sicherheitsgewährung ein werthaltiger Rückgriffsanspruch „neutralisierend“ gegenübersteht411. In der Praxis wird es jedoch selten auf den zweiten Schritt ankommen, da entweder, wenn die Inanspruchnahme der Kreditsicherheit nicht wahrscheinlich ist, nach der bilanziellen Betrachtungsweise schon keine Ausschüttung i. S. d. § 57 AktG vorliegt412, oder aber, wenn eine Inanspruchnahme der Sicherheit droht, auch der Freistellungsanspruch mangels Bonität des Aktionärs nicht vollwertig sein wird. Beim Leveraged Buyout wird verhältnismäßig häufig eine Inanspruchnahme aus der Sicherheit drohen, da die Erwerbergesellschaft ohne eigenes, operatives Geschäft auf die Dividendenzahlungen aus dem Cash Flow der Zielgesellschaft angewiesen ist. Reicht dieser aus ex ante-Sicht nicht aus, um die für den Kapitaldienst benötigten Mittel aufzubringen, droht der Rückgriff auf die Sicherheit413. In diesem Fall ist es dann auch aufgrund der fehlenden Bonität der Erwerbergesellschaft nahezu ausgeschlossen, dass der Freistellungsanspruch werthaltig ist414.

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Kiefner/Theusinger, NZG 2008, 801, 805. Die im Regierungsentwurf zur Neuregelung im Grundsatz installierte bilanzielle Betrachtungsweise („Der Entwurf [kehrt] zur bilanziellen Betrachtungsweise zurück“, Begr. RegE. vom 25.7.2007 (MoMiG), BT-Drucks. 16/6140, S. 52, 41) hat somit auch Auswirkungen auf die Frage, wann eine kapitalerhaltungsrelevante Ausschüttung nach § 57 Abs. 1, 3 AktG vorliegt. 413 Vgl. Weitnauer, ZIP 2005, 790, 791(zur GmbH). 414 Etwas anderes könnte nur gelten, wenn man auch einen etwaigen Regressanspruch gegen den hinter der Erwerbergesellschaft stehenden Private Equity Fonds als „Treiber der Akquisition“ bejahen würde. Allerdings kommt diesbezüglich ausschließlich eine Haftung des Finanzinvestors auf Sekundärebene in Betracht. Die Werthaltigkeit des Regessanspruchs wird hiervon nicht berührt, vgl. Weitnauer, ZIP 2005, 790, 791 (zur GmbH). 412

§ 1 Kapitalschutz nach § 57 Abs. 1 und 3 AktG

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(c) Zusammenfassende Bewertung Auch bei der Vergabe von Sicherheiten tritt durch die Neuregelung und die hieraus resultierenden Folgerungen für die Reichweite der Kapitalerhaltung im Vergleich zur bisherigen Rechtslage eine Lockerung der strikten Vermögensbindung des § 57 Abs. 1, 3 AktG ein415. Da nunmehr ein aus ex ante-Sicht vollwertiger Freistellungs- oder Regressanspruch genügt, einen Verstoß gegen § 57 AktG zu verhindern, erscheint eine Verlagerung des Gesellschaftsvermögens zu Gunsten des Aktionärs nicht mehr ausgeschlossen. Dies jedenfalls dann, wenn sich die Vermögenslage des Aktionärs nach Bestellung der Sicherheit verschlechtert416. Die Gefahr zeigt sich insbesondere beim Einräumen einer dinglichen Sicherheit, da hierbei den Gesellschaftsgläubigern und Minderheitsaktionären für den Vollstreckungs- und Insolvenzfall der Gegenstand zu Gunsten der Kreditgläubiger des Aktionärs entzogen wird (§§ 771 ZPO, 47 InsO)417. Dieses Risiko kann auch ein im Moment der Sicherheitenbestellung vollwertiger Ausgleichsanspruch nicht kompensieren, zumal bezüglich dessen Realisierung die Gesellschaftsgläubiger mit allen Aktionärsgläubigern konkurrieren. Dies verdeutlicht bei schuldrechtlichen Sicherheiten den wirtschaftlichen Minderwert der Ausgleichsansprüche418. Indes dürfte die Ausnahmeregelung des § 57 Abs. 1 S. 3 AktG bei der Stellung von Kreditsicherheiten durch die Zielgesellschaft im Rahmen einer Übernahmefinanzierung aufgrund der regelmäßig schlechten Bonität der Erwerbergesellschaft – wie auch beim Darlehen – selten eingreifen419. Bezüglich den verbleibenden Schutzlücken stellt sich wiederum die Frage, ob diese durch § 71a Abs. 1 S. 1 AktG geschlossen werden können und sollen. cc) Übernahme der Transaktionskosten Neben dem zu finanzierenden Kaufpreis entstehen bei einer fremdfinanzierten Übernahme auch erhebliche Transaktionskosten. Inwieweit diese 415

Ebenso Drygala/Kremer, ZIP 2007, 1289, 1295; Habersack, F. A. Z. vom 21.11.2007, S. 25. 416 Teilweise wird daher hinsichtlich des Verstoßes gegen § 57 AktG auf den Zeitpunkt der Sicherheitenvewertung abgestellt, vgl. Holzner, Private Equity, der Einsatz von Fremdkapital und Gläubigerschutz, S. 236 f. 417 Vgl. Henze, in: Großkommentar zum AktG, § 57 Rn. 51. 418 Ähnlich schon Henze, ebd. 419 Zu weitgehend daher die Einschätzung von Lutter/Drygala, in: Kölner Kommentar zum Aktiengesetz, § 71a Rn. 20, die – unter Ausblendung des § 71a AktG – aufgrund der Neuregelung des § 57 AktG dem Erwerbsinteressenten die Möglichkeit einer weitgehend Vorfinanzierung einräumen.

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Kap. 3: Das aktienrechtliche Kapitalschutzsystem

von der Zielgesellschaft im Einklang mit § 57 AktG übernommen werden können, ist umstritten, da die Gesellschaft nicht Partei des Beteiligungswechsels, sondern Gegenstand der Übernahme ist. (1) Arten von Transaktionsgebühren Bei einem Leveraged Buyout entstehen verschiedene Arten von Gebühren. Zu den Transaktionskosten im weiteren Sinne lassen sich die Verwaltungsgebühren (sog. Management Fees420) zählen, die den Managern des Private Equity Fonds zustehen und regelmäßig 1–2 Prozent pro Jahr des Fondsvermögens betragen421. Diese werden jedoch aus dem Fondskapital bezahlt und nicht der Zielgesellschaft in Rechnung gestellt. Daneben gehören zur Vergütungsstruktur des Fonds auch Gewinnanteile, üblicherweise in Höhe von 20 Prozent der Erträge422. Jene werden regelmäßig erst nach Wiederverkauf der Gesellschaftsanteile aus dem erzielten Erlös ausgeschüttet und konfligieren daher nicht mit § 57 AktG. Keine Bedenken bestehen auch hinsichtlich der Leistung einer sog. Finder’s Fee, die eine Aktiengesellschaft als Entgelt für die Suche eines Käufers – zumeist einer Investmentfirma oder einer Unternehmensberatung – bezahlt, da dies ein normales Austauschgeschäft darstellt und im Interesse der Zielgesellschaft stattfindet. Ein positiver Finanzierungseffekt zu Gunsten des Erwerbers ist hiermit nicht verbunden423. Problematisch ist jedoch die Finanzierung von Transaktionsgebühren im engeren Sinne (sog. Transaction Fees) durch die Zielgesellschaft. Darunter werden Kosten gefasst, die in erster Linie für anwaltliche Beratung und die Vermittlung durch Investmentbanken424 anfallen. Ziel der Umwälzung der Transaction Fee auf die Zielgesellschaft ist einerseits die Freistellung der Erwerberseite von dieser finanziellen Belastung, andererseits sollen die Kosten über den ertragssteuerlichen Betriebsausgabenabzug sowie den umsatzsteuerlichen Vorsteuerabzug optimal abgeschrieben werden425, was bei 420

Auch „Advisory Fee“ (Beratungsgebühr). Vgl. Eidenmüller, ZHR 171 (2007), 644, 650; Lerner/Hardymon/Leamon, Venture Capital and Private Equity, S. 75. 422 Eidenmüller, ZHR 171 (2007), 644, 650. 423 Vgl. Cahn, in: Spindler/Stilz, AktG, § 71a Rn. 41. 424 Die Kosten für die Suche eines (strategischen) Erwerbsinteressenten durch eine Investmentbank, einen Unternehmensmakler oder die M&A Abteilung einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaf im Auftrag der Zielgesellschaft hat Letztere als eigenes Geschäft selbst zu tragen, vgl. Hölters, in: Handbuch des Unternehmens- und Beteiligungskaufs, S. 38 ff.; Sigle/Zinger, NZG 2003, 301, 306. 425 Holzapfel/Pöllath, Unternehmenskauf in Recht und Praxis, Rn. 4a; Gasteyer, in: Semler/Volhard, § 4 Rn. 106 ff.; vgl. Sigle/Zinger, NZG 2003, 301. 421

§ 1 Kapitalschutz nach § 57 Abs. 1 und 3 AktG

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der Erwerbergesellschaft – mangels operativen Geschäfts – kaum möglich wäre. Von der Due-Diligence-Prüfung bis zum erfolgreichen Abschluss der Übernahme können die Transaktionsgebühren ein beträchtliches Volumen erreichen. Teilweise wird von bis zu 1 Prozent des Geschäftswertes gesprochen426, manche halten neben einem monatlichen Fixbetrag ein Erfolgshonorar von bis zu 2 Prozent des Transaktionswertes für üblich427. Dass es sich hierbei um erhebliche Summen handelt, zeigt die Übernahme des Autovermieters Hertz durch ein Private Equity Konsortium, bei der die Transaction Fee 439 Mio. US-Dollar betrug428. Daneben fallen oftmals noch Kontrollgebühren für die kontinuierliche Überwachung der Geschäftsentwicklung des übernommenen Unternehmens (sog. Monitoring Fees) an, die bei Hertz immerhin 15 Mio. US-Dollar pro Jahr ausmachten429. In diesem Zusammenhang ist es auch in der Praxis gebräuchlich, langfristige Beratungsverträge mit der Zielgesellschaft zu schließen, die bei frühzeitiger Aufhebung Auflösungsgebühren (sog. Monitoring Termination Fees) nach sich ziehen. Bei der Übernahme von Celanese durch den Finanzinvestor Blackstone waren schon 120 Mio. US-Dollar an Beratungsgebühren von der Zielgesellschaft an den Finanzinvestor geflossen, ehe die Beratungsverträge frühzeitig aufgelöst wurden, was mit einer weiteren Zahlung von 35 Mio. US-Dollar verbunden war430. Bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit ist zwischen Transaction Fee und Monitoring Fee zu unterscheiden: (2) Transaction Fee Grundsätzlich betrifft der Verkauf eines Gesellschaftsanteils ausschließlich den Verkäufer und den Erwerber. Folglich müssen diese die hiermit verbundenen Kosten tragen. Die Zielgesellschaft steht hingegen der Zusammensetzung ihrer Aktionäre neutral gegenüber431. So gehört es nicht zu den Leitungsentscheidungen des Vorstands (§ 76 Abs. 1 AktG), auf die Zusam426

Eidenmüller, ZHR 171 (2007), 644, 650. Sigle/Zinger, NZG 2003, 301; Holzapfel/Pöllath, Unternehmenskauf in Recht und Praxis, Rn. 4a. 428 Kessler, Blackstone’s World of Cash,Wall Street Journal vom 21.6.2007, S. A 17. 429 Kessler, ebd.; vgl. Eidenmüller, ZHR 171 (2007), 644, 650. 430 Celanese Corp., From Proxy Statement – Schedule 14A Information (vom 6.4.2006), S. 36 f.; vgl. hierzu Eidenmüller, ZHR 171 (2007), 644, 651; Uwe H. Schneider, AG 2006, 577, 579. 431 Ebenso Lutter, ZIP 1997, 613, 616 ff.; Hopt, ZGR 1993, 534, 545 ff.; Ziemons, AG 1999, 492, 495; Sieger/Hasselbach, BB 2000, 625, 628. 427

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Kap. 3: Das aktienrechtliche Kapitalschutzsystem

mensetzung des Kreises der Aktionäre einzuwirken432. Schon dem Gleichbehandlungsgebot des § 53a AktG lässt sich entnehmen, dass der Vorstand nicht dazu berufen ist, sich seine Wunschaktionäre auszusuchen und durch gezielte Anreize – wie die Übernahme von Transaktionskosten – die Zusammensetzung der Aktionäre zu steuern. Ebenso wie § 33 WpÜG für die öffentliche Übernahme im Grundsatz ein Verhinderungsverbot statuiert433, darf auch der Vorstand umgekehrt nicht gezielt durch Geldleistungen eine Übernahme fördern. Damit liegt regelmäßig, wenn die Zielgesellschaft ihren Aktionär von den Transaktionsgebühren freistellt oder selbst ein Vertragsverhältnis mit den Beratern zu Gunsten der Erwerberseite eingeht, mangels Eigeninteresse der Zielgesellschaft kein zulässiges Umsatzgeschäft vor. Auch Zahlungen der Aktiengesellschaft direkt an den Mergers & Acquisitions-Dienstleister als Dritten stellen eine unzulässige Leistung an den Aktienerwerber dar, denn diesem kommt letztlich der wirtschaftliche Erfolg zugute, so dass eine Zurechnung stattfindet434. Dies ist unstreitig, wenn die Beratungsleistung gegenüber dem erwerbenden Aktionär erfolgt435. Aber auch von vermittelnden Tätigkeiten des Mergers & Acquisitions-Dienstleister profitiert letztlich (neben dem Verkäufer) nur der Erwerber. Zwar mindert sich durch die Provisionszahlung der Zielgesellschaft auch der Wert seines Aktienanteils. Während jedoch alle Aktionäre dies bezahlen, hat allein der erwerbende Aktionär den Nutzen an der Maklertätigkeit des Dienstleisters. Im Übrigen kann er die Dienstleistungshonorare auch in die Kalkulation über Leistung- und Gegenleistung des Hauptvertrags mit dem verkaufenden Aktionär einfließen lassen. Regelmäßig wird die Verpflichtung zur Übernahme der Honorarkosten im Vorfeld der Übernahme stattfinden. Nach hier vertretener Auffassung ist im Anwendungsbereich von § 71a Abs. 1 S. 1 AktG eine Ausweitung des § 57 Abs. 1 und 3 AktG im Wege der richterlichen Rechtsfortbildung auf Leistungen an zukünftige Aktionäre mangels Regelungslücke abzulehnen436. Aber auch wenn das Verbot der finanziellen Unterstützung bei Leistungen vor Aktienerwerb eingreifen sollte, führte dies bezüglich der Übernahme der Transaktionskosten lediglich zur Nichtigkeit dieses Verpflichtungsgeschäfts437. 432 Kort, in: Großkommentar zum AktG, § 76 Rn. 100; vgl. auch Ziemons, AG 1991, 492, 497; Lutter, ZIP 1997, 613, 616. 433 Dazu näher Krause/Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/Uwe H. Schneider, WpÜG, § 33 Rn. 56 ff. 434 Siehe oben zum wirtschaftlichen Vorteil als entscheidendes Zurechnungskriterien, Kapitel 3 § 1 B. I. 1. c) aa); ebenso Rozijn, NZG 2001, 494, 502. 435 Vgl. Rozijn, NZG 2001, 494, 502. 436 Siehe oben Kapitel 3 § 1 B. I. 1. b) entgegen der h. M. 437 Siehe hierzu Kapitel 3 § 2 B. II. 2. f).

§ 1 Kapitalschutz nach § 57 Abs. 1 und 3 AktG

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Die vermögenswerte Zuwendung – etwa in Form der Provisionszahlung – erfolgt hingegen regelmäßig nach erfolgreicher Übernahme, wenn der Erwerber bereits Aktionär ist. Allein dieser Zeitpunkt ist für das Eingreifen des Rückforderungsanspruch gemäß § 62 Abs. 1 S. 1 AktG i. V. m. § 57 Abs. 1 und 3 AktG relevant438. Somit steht der Aktiengesellschaft im Regelfall bei Erstattung der Transaktionskosten ein solcher Anspruch gegen den erwerbenden Aktionär zu439. Etwas anderes kann nur gelten, wenn ausnahmsweise die Aktiengesellschaft ein betriebliches Interesse an einem Wechsel der Beteiligungsverhältnisse hat440. Denn wie es auch im Rahmen des § 33 WpÜG und auch außerhalb der spezialgesetzlichen übernahmerechtlichen Vorschriften ausnahmsweise zulässig sein kann, zur Wahrnehmung der in der Gesellschaft zusammentreffenden Interessen der Aktionäre, Arbeitnehmer und des Gemeinwohls sich gegen eine feindliche Übernahme zur Wehr zu setzen441, kann das Gesellschaftsinteresse es auch spiegelbildlich gebieten, eine Übernahme durch die Finanzierung der Transaktionskosten zu unterstützen. Allerdings ist dies nur unter strengen Voraussetzungen zu bejahen. Denkbar ist ein betriebliches Eigeninteresse insbesondere in den Fällen, in denen eine Aktiengesellschaft am Rande der Insolvenz zur Sanierung übernommen wird. Dabei kann jedoch nicht jeder zukünftig mögliche positive Einzeleffekt der Übernahme – wie etwa das Inaussichtstellen neuer Vertriebswege oder die vage Hoffnung auf Know-how – ausreichen, um die Übernahme der Transaktionskosten zu rechtfertigen442. Ansonsten wäre der Umgehung von § 57 Abs. 1 und 3 AktG Tür und Tor geöffnet. Das überwiegende betriebliche Interesse muss sich vielmehr bilanziell auswirken, indem sich etwa die Erwerbergesellschaft verbindlich zu einem Know-how-Transfer oder zu künftigen Investitionen verpflichtet. Im Gegenzug kann dann die Zielgesellschaft als „Gegenleistung“ einen entsprechenden Anteil der Transferkosten übernehmen. Dies entspricht auch der Neuregelung des § 57 438

Vgl. Bayer, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 57 Rn. 30 f. Ebenso Bayer, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 57 Rn. 94; Sigle/Zinger, NZG 2003, 301, 302; Rozijn, NZG 2001, 494, 502. 440 BGH, Urteil vom 3.4.1968 – VIII ZR 38/66, WM 1968, 570, 571 f.; Bayer, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 57 Rn. 94; ausführlich: Sigle/Zinger, NZG 2003, 301, 302 ff.; Rozijn, NZG 2001, 494, 503; vergleichbare Erwägungen finden sich bei der Frage der Zulässigkeit der Übernahme des Prospektrisikos durch die Gesellschaft bei der Umplatzierung von Aktien durch öffentliches Angebot, vgl. hierzu ausführlich Fleischer, ZIP 2007, 1969, 1973 ff. Zur Zulässigkeit der Übernahme von Umwandlungs- und Kurspflegekosten durch die Gesellschaft vgl. Westermann, in: FS Peltzer, S. 613, 622, 626 ff. 441 Vgl. hierzu Krause/Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/Uwe H. Schneider, WpÜG, § 33. Rn. 145; Kort, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 76 Rn. 102. 442 A. A. Sigle/Zinger, NZG 2003, 301, 305. 439

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Kap. 3: Das aktienrechtliche Kapitalschutzsystem

AktG durch das MoMiG443, die im Grundsatz von einer bilanziellen Betrachtungsweise ausgeht. So hat sich der Gesetzgeber gerade nicht – wie noch im Referentenentwurf zum MoMiG444 vorgesehen – für den schillernden Begriff des Gesellschaftsinteresses als Rechtfertigung für eine Leistung an einen Aktionär entschieden, sondern stellt nun in § 57 Abs. 1 S. 3 AktG auf die (bilanzielle) Deckung durch einen vollwertigen Anspruch ab445. Demzufolge muss sich das von der herrschenden Meinung446 als Rechtfertigung angeführte betriebliche Interesse in einem vollwertigen Anspruch der Zielgesellschaft konkretisieren, in einer Höhe, der die von der Zielgesellschaft zu übernehmenden Transaktionskosten deckt. Auch bei börsennotierten Gesellschaften ist damit nicht der Preis wichtiges Indiz für die Interessenlage der Beteiligten, sondern allein, ob und in welchem Umfang sich die Erwerberseite zu zusätzlichen Leistungen gegenüber der Zielgesellschaft verpflichtet447. Demnach wird ein unmittelbares betriebliches Eigeninteresse beim Leveraged Buyout nur in seltenen Fällen vorliegen. Denn konkrete Leistungszusagen im Bereich von Produktion, Einkauf, Vertrieb und Entwicklung werden bei der Übernahme durch die Erwerbergesellschaft selbst kaum zu beobachten sein, verfügt doch diese regelmäßig über kein eigenes operatives Geschäft. Ausgeschlossen ist das Eingreifen der Ausnahme bei der Investition durch einen Finanzinvestor dennoch nicht. So können auch aus Sicht des Finanzinvestors Investitionen in die Zielgesellschaft sinnvoll sein, um beim Ausstieg nach fünf Jahren einen guten Preis für die Beteiligung zu erzielen. Daneben besteht die Möglichkeit, dass über Mehrheitsbeteiligung des Private Equity Fonds an anderen Unternehmen Marktzugänge für die Zielgesellschaft eröffnet und sonstige werthaltige Leistungen erbracht werden, die zu konkreten Kostenersparnissen und Ertragssteigerungen bei der Zielgesellschaft führen. Auch kann – gerade in Zeiten der „Finanzkrise“448 – eine Gesellschaft Interesse an der Übernahme durch einen finanzstarken Investor haben, um eine Insolvenz abzuwenden. In diesen Fällen muss geprüft werden, ob die Leistung des Finanzinvestors an die 443 Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) vom 23. Oktober 2008, BGBl. Teil I 2008, 2026, 2035. 444 Referentenentwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) vom 29.5.2006, S. 16 abrufbar unter: www.bmj.bund.de/media/archive/1236.pdf (Abrufdatum: 8.5.2008). 445 BGBl. Teil I 2008, 2026, 2035. 446 Bayer, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 57 Rn. 7; Sigle/Zinger, NZG 2003, 301, 304 ff. 447 Anders Sigle/Zinger, NZG 2003, 301, 305. 448 Vgl. hierzu Paul, F. A. Z. vom 24.12.2008, S. 19, der in der Rettung und Sanierung notleidender Unternehmen die Zukunft der Private Equity Branche sieht.

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Zielgesellschaft schon im Moment der Übernahme der Transaktionskosten durch Letztere einen adäquaten Ausgleich entsprechend dem Gegenleistungsanspruch in § 57 Abs. 1 S. 3 AktG darstellt. (3) Monitoring Fee Bei den Monitoring Fees, also den Gebühren für Dienstleistungen der Erwerberseite, handelt es sich im Gegensatz zu den Transaction Fees um eine echte Gegenleistung im Rahmen eines Austauschvertrags. Zu weit ginge es zu fordern, dass der Gebührenempfänger in jedem Einzelfall beweisen muss, dass der (abdiskontierte) Nutzen für die Gesellschaft den für die Beratungsleistung gezahlten Preis wert ist449. Ein solcher Beweis wäre praktisch schwer zu führen, da der fiktive, zukünftige Nutzen der Zielgesellschaft regelmäßig von Interna abhängt, die dem Erwerber zunächst nicht oder nicht gut bekannt sind. Auch fiele eine konkrete Quantifizierung der Ertragsauswirkung der Beratungsleistung schwer450. Betrachtet man den Anspruch der Gesellschaft gegen den Aktionär nach § 62 Abs. 1 i. V. m. § 57 Abs. 1 und 3 AktG, gehört die Vermögensrückgewähr zu den anspruchsbegründenden Merkmalen, die grundsätzlich die Gesellschaft als Gläubigerin zu beweisen hat. Nur im Falle des § 57 Abs. 1 S. 3 AktG („Satz 1 gilt nicht“) besteht eine Beweislastumkehr für die Fälle, in denen die Gesellschaft wirtschaftlich in Vorleistung geht451. Bei Austauschverträgen ist jedoch aufgrund des Synallagmas die Gefahr der einseitigen Vermögensverlagerung geringer als bei wirtschaftlichen Vorleistungen wie der Darlehensvergabe. Im Übrigen muss auch im Rahmen des § 57 Abs. 1 S. 3 AktG nur die bilanzielle Vollwertigkeit des Gegenleistungs- oder Rückgewähranspruchs bewiesen werden. Würde man bei den sichereren Austauschverträgen einen konkreten Wertnachweis verlangen, führte dies mithin auch zu einem Wertungswiderspruch gegenüber § 57 Abs. 1 S. 3 AktG. Damit muss grundsätzlich bei Geltendmachung eines Anspruchs nach § 62 Abs. 1 i. V. m. § 57 Abs. 1 und 3 AktG die Aktiengesellschaft dem Gebührenempfänger nachweisen, dass seine Dienstleistung nicht objektiv nach Marktkonditionen dem gezahlten Entgelt entspricht. Dies ist dann der Fall, wenn der Dienstleistungsvertrag unter Einbeziehung eines unternehmerischen Ermessensspielraums einem Drittvergleich nicht standhält452. Nur ausnahmsweise, wenn es an einem Vergleichsmaßstab fehlt 449

So aber Bayer, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 57 Rn. 41. Eidenmüller, ZHR 171 (2007), 644, 680. 451 Zur Kritik an der Konstruktion siehe oben Kapitel 3 § 1 B. II. 3. b) aa). 452 Vgl. Henze, in: Großkommentar zum AktG, § 57 Rn. 41; Cahn/Senger, in: Spindler/Stilz, AktG, § 57 Rn. 21 f.; Eidenmüller, ZHR 171 (2007), 644, 680. 450

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Kap. 3: Das aktienrechtliche Kapitalschutzsystem

und auch eine Orientierung an marktüblichen Bewertungsverfahren453 nicht möglich ist, erscheint es gerechtfertigt, eine Darlegungslast jenem aufzubürden, der den Service leistet und die Vergütung einfordert454. Denn erbringt der Aktionär eine ungewöhnliche, nicht marktgängige Leistung, kann er besser als jeder andere den Wert einschätzen, so dass es unter dem Sphärengesichtspunkt nicht unangemessen erscheint, ihm die Darlegungslast aufzuerlegen455. Dennoch liegt es auf der Hand, dass wegen der schlechten Nachprüfbarkeit, ob die Dienstleistung nicht nur vereinbart, sondern tatsächlich ordnungsgemäß durchgeführt wurde, der Kapitalschutz nach § 57 AktG in der Praxis leicht durch angeblich ausgeglichene Austauschverträge zwischen Zielgesellschaft und Erwerbergesellschaft umgangen werden kann. Hier bietet jedoch die Haftung des Vorstands nach § 93 Abs. 2 AktG flankierenden Schutz, wenn es der Vorstand sorgfaltswidrig versäumt, die auf dem Papier werthaltige Dienstleistung von der Erwerberseite einzufordern. dd) Break-up Fee (1) Break-up Fee bei Unternehmensübernahmen Eine Sonderstellung nehmen die „Abbruchsgebühren“ (Sog. Break-up Fees)456 ein, die beim Scheitern einer Übernahme fällig werden, wenn also der Erwerber gerade nicht Gesellschafter der Aktiengesellschaft wird. Die Vereinbarung einer Break-up Fee hat den Hauptzweck, die schon im Vorfeld der Übernahme entstandenen Kosten – etwa für die Durchführung einer Due-Diligence-Prüfung oder für gutachterliche Stellungnahmen von Finanzdienstleistern – zu ersetzen und fungiert somit als Kostenversicherung für den Fall des Scheiterns der Transaktion457. Break-up Fees zwischen Verkäufer und Käufer knüpfen oftmals an Merkmale der jeweiligen Risikosphäre an (sog. Trigger Events458) und treffen folglich denjenigen, der für das 453

Vgl. hierzu Cahn/Senger, in: Spindler/Stilz, AktG, § 57 Rn. 22 m. w. N. Ebenso Henze, in: Großkommentar zum AktG, § 57 Rn. 44; Hüffer, AktG, § 57 Rn. 9. Nach Eidenmüller, ZHR 171 (2007), 644, 680 handelt es sich um eine Beweislastumkehr. 455 Ähnlich Eidenmüller, ZHR 171 (2007), 644, 680. 456 Teilweise werden die Gebühren auch als Abort-, Break-, Termination-, Inducement-, Cancellation-, Deal Protection-, Bust-up- oder Broken Deal Fees bezeichnet. Vereinzelt spricht man auch von Failed Cost- bzw. Failure Costs Agreement. Der deutsche Begriff „Abbruchgebühren“ hat sich in der Praxis nicht durchgesetzt. 457 Vgl. ausführlich zu den Details Guinomet, Break fee-Vereinbarungen, S. 28 ff. 458 Ausführlich zu den unterschiedlichen Auslösern der Gebühr Sieger/Hasselbach, BB 2000, 625, 629; Hilgard, BB 2008, 286, 287 f. 454

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Scheitern „verantwortlich“ ist459. Hingegen besteht bei Unternehmensübernahmen die Besonderheit, dass sich die Zielgesellschaft einseitig gegenüber dem „freundlich“ gesinnten Übernahmeinteressenten zur Zahlung einer Break-up Fee verpflichtet, ohne dass sie direkten Einfluss auf das Gelingen der Transaktion hat oder adäquat für das finanzielle Risiko entschädigt wird460. Dabei können die Break-up Fees eine beträchtliche Höhe – bis zu mehreren Milliarden US-Dollar – erreichen461. Während in den USA bis zu 6 Prozent des Transaktionswertes üblich sind, bestimmt der britische Takeover-Code 1 Prozent als Obergrenze. Dieser Wert hat sich auch bei Übernahmen deutscher Aktiengesellschaften eingebürgert462. Schon die Vereinbarung einer Break-up Fee zu Gunsten des Erwerbers wird teilweise als Leistung der Zielgesellschaft angesehen, da dadurch dem Interessenten wirtschaftlich gesehen eine Sicherheit bestellt werde463. Diese erleichtere dem Übernahmeinteressenten die Refinanzierung, da nunmehr jedem Kreditgeber (aus abgetretenem oder gepfändetem Recht) im Fall des Scheiterns der Übernahme ein weiterer Schuldner zur Verfügung stehe464. Auch verbillige sich die Fremdmittelaufnahme für die Bieterseite, weil sich die Erfolgsaussichten der Übernahme aufgrund des wirtschaftlichen Drucks der Zielgesellschaft und mittelbar ihrer Aktionäre, die Übernahme nicht scheitern zu lassen, erhöhen465. Diese Argumentation zeigt, dass es jedenfalls nicht abwegig ist, die Break-up Fee als Finanzierungsmittel zu bezeichnen466.

459 Zur rechtlichen Einordnung (pauschalierter Schadensersatz, selbständiges Strafversprechen oder Vertragsstrafe) siehe ausführlich Sieger/Hasselbach, BB 2000, 625, 626 f.; Hilgard, BB 2008, 286, 287 f. 460 Hilgard, BB 2008, 286, 291. 461 So vereinbarten Warner Lambert bei der Übernahme von American Home Products ca. 2 Mrd. US-Dollar, AT&T gegenüber TCI 1,75 Mrd. US-Dollar und die Barclays Bank bei der Übernahme der ABN-Amro 200 Mio. Euro als Kompensation. Eine Liste von Break-up Fees im Rahmen von Unternehmensübernahmen bis 1999 findet sich bei Sieger/Hasselbach, BB 2000, 625, 626; Beispielsfälle auch bei Hilgard, BB 2008, 286 f. 462 So Hilgard, BB 2008, 286, 291, der jedoch zu Recht auch darauf hinweist, dass bei kleineren Transaktionen der prozentuale Wert erheblich höher liegen kann. Im Jahre 2000 lag die Break-up Fee noch bei 0,5–0,9 Prozent des Transaktionswertes, vgl. Sieger/Hasselbach, BB 2000, 625, 629. 463 Oechsler, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 71a Rn. 29; vgl. auch Merkt, in: Großkommentar zum AktG, § 71a Rn. 39. 464 Oechsler, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 71a Rn. 29. 465 Ebd. 466 Ob diese Argumentation durchgreift wird im Rahmen von § 71a AktG streiterheblich und folglich dort behandelt (siehe unten Kapitel 3, § 2 B. II. 2. e)).

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Kap. 3: Das aktienrechtliche Kapitalschutzsystem

(2) Sachlicher Anwendungsbereich Fraglich ist, ob schon eine solche Vereinbarung gegen § 57 AktG verstößt. Teilweise wird dies bejaht, wenn die Verpflichtung nicht durch ein wohlverstandenes Interesse der Gesellschaft an der beabsichtigten Transaktion gedeckt sei467. Hierfür müsse mit der Erwerberseite eine angemessene Gegenleistung – etwa in Form substantieller Kostenersparnisse – vereinbart werden468. Diese Argumentation verläuft entsprechend der gerade behandelten Erstattung von Transaktionskosten durch die Zielgesellschaft bei erfolgreicher Übernahme. Des Weiteren ist hier zu beachten, dass die Break-up Fee auch als pauschalisierter Schadensersatz ausgestaltet werden kann469. Bei einem solchen schadensrechtlichen Kompensationsverhältnis soll § 57 nicht eingreifen, da die vertragliche Nachzeichnung eines gesetzlichen Anspruchs durch eine Break-up Fee eine verdeckte Vermögensausschüttung ausschließe470. Dies liegt auf der Linie der herrschenden Ansicht, die bei Schadensersatzleistungen im Rahmen eines zulässigen Umsatzgeschäftes der Aktiengesellschaft mit dem Aktionär einen Verstoß gegen § 57 AktG verneint471. (3) Personeller Anwendungsbereich Auf Fragen des sachlichen Anwendungsbereichs kommt es hier jedoch nicht an, da schon der personelle Anwendungsbereich des § 57 AktG nicht eröffnet ist. Denn die Break-up Fee wird im Unterschied zu sonstigen Transaktionsgebühren nur fällig, wenn der Übernahmeinteressent gerade nicht Aktionär wird. So könnte man kaum vertreten, dass einem Aktionär entgegen § 57 Abs. 1 AktG seine Einlage dadurch zurückgewährt wird, dass er, wenn er nicht Aktionär wird, die entstandenen Kosten von der Aktiengesellschaft erstattet bekommt. Zu Recht wird angemerkt, dass die Zahlung einer Break-up Fee und der Erwerb der Aktionärsstellung sich gegenseitig ausschließen472. Auch die herrschende Meinung verlangt für § 57 467

Fleischer, AG 2009, 345, 351 m. w. N.; Sieger/Hasselbach, BB 2000, 625,

628 f. 468

Sieger/Hasselbach, ebd.; Guinomet, Break fee-Vereinbarungen, S. 263; vgl. Fleischer, AG 2009, 345, 351 f. 469 Vgl. hierzu ausführlich – auch allgemein zur rechtlichen Qualifizierung – Guinomet, Break fee-Vereinbarungen, S. 159 ff., S. 261 m. w. N. 470 Guinomet, Break fee-Vereinbarungen, S. 261. 471 OLG Stuttgart Urteil vom 11.10.2006 – 5 U 108/06, 5 U, WM 2007, 447, 448; Bayer, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 57 Rn. 43; Henze, in: Großkommentar zum AktG, § 57 Rn. 37. 472 Krause, in: Assmann/Pötzsch/Uwe H. Schneider, WpÜG, § 22 Rn. 81.

§ 1 Kapitalschutz nach § 57 Abs. 1 und 3 AktG

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AktG, dass der Bedachte wenigstens zukünftig Aktionär „ist“473. Damit kommt es bei den Break-up Fees nicht auf die Frage einer angemessenen Gegenleistung oder der Einordnung als pauschalisierter Schadensersatz an, weil es schon an der für § 57 AktG erforderlichen Aktionärseigenschaft fehlt474. Dies gilt „erst recht“ beim Abstellen auf den Zeitpunkt nach Eintritt des Break-up Falls, wenn die Gebühr tatsächlich gezahlt wird. Denn dann steht fest, dass der Übernahmeinteressent nicht Aktionär wird. Nur in dem Sonderfall, dass die Erwerbergesellschaft zwar Aktionärin wird, die erfolgreiche Übernahme aber an einer zu geringen Quote scheitert, weil etwa bei einer öffentlichen Übernahme zu wenig Aktionäre das Angebot des Übernahmeinteressenten angenommen haben, könnte es – folgt man der herrschenden Meinung, die die zukünftige Aktionärseigenschaft ausreichen lässt – überhaupt auf die Frage der angemessenen Gegenleistung475 bzw. der Einordnung als pauschalisierte Schadensersatzregelung ankommen. Aber auch hier fehlt es daran, dass die Break-up Fee mit der Aktionärsstellung verknüpft ist476. Denn der Übernahmeinteressent erhält die Break-up Fee nicht wegen seiner Aktionärsstellung, sondern wegen des Scheiterns der Übernahme477. Im Übrigen zeigt sich hier wiederum, dass das Abstellen auf die zukünftige Aktionärseigenschaft problematisch ist, da zum entscheidenden Zeitpunkt der Break-Fee-Vereinbarung die Frage, ob der Übernahmeinteressent Aktionär wird, nur auf einer Prognose beruhen kann. Lässt man die Wahrscheinlichkeit einer späteren Aktionärseigenschaft ausreichen, dürfte daran auch ein späteres Scheitern der Übernahme nichts ändern; ein Schluss den die herrschende Meinung jedoch nicht zieht478. Dogmatischen Zweifeln begegnet es, die Frage, ob eine Vereinbarung vor dem geplanten Aktienerwerb unter die Ausschüttungsverbote des § 57 AktG fällt, ex post 473 Oechsler, ZIP 2006, 1661, 1663. Ebenso BGH, Urteil vom 13.11.2007 – XI ZR 294/07, ZIP 2008, 118, 119; Bayer, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 57 Rn. 57; Henze, in: Großkommentar zum AktG, § 57 Rn. 80; Hüffer, AktG, § 57 Rn. 14; Lutter, in: Kölner Kommentar zum AktG, 2. Aufl., § 57 Rn. 40; Cahn/Senger, in: Spindler/Stilz, AktG, § 57 Rn. 51. 474 Ebenso Oechsler, ZIP 2006, 1661, 1663, differenzierend Guinomet, Break feeVereinbarungen, S. 257 f. 475 Freilich läge eine adäquate Gegenleistung nur in seltenen Fällen vor, da nach der bilanziellen Betrachtungsweise eine bei der Vereinbarung der Break-up Fee bestehende bloße Chance auf eine positive Entwicklung durch den Beteiligungswechsel hierfür nicht ausreicht und beim Abstellen auf den Zeitpunkt der Zahlung der Break-up Fee sich diese Geschäftschance aufgrund des Scheiterns der Übernahme gerade nicht realisiert hat, vgl. hierzu oben Kapitel 3 § 1 B. II. 3. b) cc). 476 Dies übersieht Guinomet, Break fee-Vereinbarungen, S. 258. 477 Insoweit würde der Gegenbeweis, dass eine Leistung nicht causa societatis erfolgte, gelingen, siehe oben Kapitel 3 § 1 B. II. 3. a) bb). 478 Vgl. Oechsler, ZIP 2006, 1661, 1663 „§ 57 AktG setzt voraus, dass der Bedachte wenigstens künftig Aktionär ist“.

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Kap. 3: Das aktienrechtliche Kapitalschutzsystem

vom Erfolg des Erwerbs abhängig zu machen. In der Konsequenz der herrschenden Meinung müsste das Verbot des § 57 AktG damit auch greifen, wenn wegen des Scheiterns der Übernahme eine tatsächliche Aktionärseigenschaft nie vorlag479. Da nach § 57 Abs. 1 AktG „den Aktionären“ die Einlagen nicht zurückgewährt werden dürften, käme indes nur eine Analogie in Frage. Gerade bei Übernahmetatbeständen ist eine Regelungslücke angesichts von § 71a Abs. 1 S. 1 AktG im Vorfeld der Übernahme jedoch schwer zu begründen480. Im Ergebnis fallen Break-Fee-Vereinbarungen damit nicht unter die Ausschüttungsverbote des § 57 Abs. 1 und 3 AktG481. ee) Unterstützungshandlungen bei mehrstufigen Erwerbstatbeständen Neben den hier behandelten Fallgruppen, gibt es beim Leveraged Buyout noch weitere Vorgänge, die den Zweck verfolgen, dass letztlich nicht die Erwerbergesellschaft, sondern die Zielgesellschaft die Kaufpreislast trägt. Gegenstand eines Gerichtsverfahrens war etwa die Frage, ob schon die Zustimmung der Zielgesellschaft zu einer schuldbefreienden Übernahme nach § 415 Abs. 1 BGB gegen § 57 AktG verstößt482. Diese vorbereitenden Unterstützungshandlungen haben gemein, dass die eigentliche Kaufpreisfinanzierung erst auf der zweiten Stufe mit Hilfe von Verschmelzungen oder Umwandlungen der beteiligten Gesellschaften erfolgt. Diesen mehrstufigen Erwerbstatbeständen ist Kapitel vier gewidmet, in dessen Rahmen dann auch die Vereinbarkeit der vorbereitenden Handlungen mit § 57 AktG und § 71a AktG geprüft wird. 4. Dividendenausschüttung

Nachdem der Tatbestand der verdeckten Vermögenszuwendung erörtert wurde, ist zuletzt noch auf Vermögensverlagerungen einzugehen, die durch hohe Dividendenausschüttungen herbeigeführt werden. Gerade im Rahmen von Unternehmensakquisitionen setzt der Mehrheitskäufer hohe Dividenden479 Siehe hierzu ausführlich Kapitel 3 § 1 B. I. 1. b). Einen Verstoß gegen § 57 AktG könnte man dann nur mit dem Argument ablehnen, dass die Break-up Vereinbarung nicht causa societatis erfolgte. 480 Vgl. hierzu ausführlich Kapitel 3 § 1 B. I. 1. b). 481 Inwieweit § 71a AktG die Vereinbarungen von „Abbruchsgebühren“ verbietet, ist umstritten und wird bei der Untersuchung des Tatbestands dieser Norm behandelt. 482 LG Düsseldorf, Urteil vom 28.10.2005 – 39 O 180/04, ZIP 2006, 516 ff.

§ 1 Kapitalschutz nach § 57 Abs. 1 und 3 AktG

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zahlungen durch, um die zur Finanzierung des Kaufpreises investierte Summe an Eigen- und Fremdkapital innerhalb kurzer Zeit zu rekapitalisieren. Diese Finanzierungstechnik war schon in den 80er Jahren bei strategischen Übernahmen zu beobachten. Bei der Übernahme der Feldmühlen Nobel AG im Jahre 1985 wurde der Kaufpreis dadurch finanziert, dass die Zielgesellschaft auf Betreiben der Käufer wertvolle Vermögensgüter veräußerte und den hieraus erzielten Gewinn – nach Bildung eines Rumpfgeschäftsjahres – über eine hohe Dividende an die Aktionäre ausschüttete483. In neuerer Zeit nutzen Finanzinvestoren eben diese Möglichkeit, das Vermögen der Zielgesellschaft – auch unter Auflösung stiller Reserven – zu versilbern und über eine „Superdividende“ an sich auszukehren484. Die Private Equity Fonds refinanzieren die Übernahme damit zunehmend nicht mehr aus dem operativ erwirtschafteten Cash Flow der Zielgesellschaft, sondern unter Rückgriff auf über die Jahre entstandene wertvolle Vermögensgüter (sog. Crown Jewels) der Zielgesellschaft485. Als Beispiel hierfür kann die Übernahme des Autovermieters Hertz durch ein Private Equity Konsortium dienen. Schon sechs Monate nach der erfolgreichen Übernahme wurde eine Sonderdividende von 1 Mrd. US-Dollar – etwa die Hälfte des investierten Kapitals – an die Aktionäre ausgeschüttet486. Bei der Akquisition eines dänischen Telekommunikationsunternehmens wurden Dividenden in Höhe von 5,6 Mrd. Euro ausbezahlt. Dies entsprach einer Ausschüttung von 28 Euro pro Aktie anstatt der bisher üblichen 56 Cent487. Auch die Übernahme der Hugo Boss AG durch den Finanzinvestor Permira im Herbst 2007 wurde durch die Ausschüttung einer Sonderdividende von 345 Mio. Euro (neben der regulären Dividende von 100 Mio. Euro) refinanziert488. Zwischen einer solchen Vorgehensweise und den zuvor untersuchten verdeckten Vermögensverlagerungen besteht insofern eine Gemeinsamkeit, dass in beiden Fällen liquides Vermögen von der Zielgesellschaft auf die Erwerbergesellschaft übertragen wird, um den Erwerb der Aktien der Zielgesellschaft aus ihrem Vermögen zu finanzieren489. Der Unterschied liegt 483 Vgl. Lutter, in: FS Steindorff, S. 125 ff.; Schroeder, Finanzielle Unterstützung des Aktienerwerbs, S. 191. 484 Vgl. Uwe H. Schneider, NZG 2007, 888, 889. 485 Eidenmüller, ZHR 171 (2007), 644, 647. 486 Vgl. Eidenmüller, ebd. m. w. N. 487 Vgl. Uwe H. Schneider, AG 2006, 577, 579; ders., NZG 2007, 888, 889. 488 „Pemira bekommt von Hugo Boss großzügige Dividende“, F. A. Z. vom 13.3.2008, S. 17; Hesse, „Permira boxt Dividende durch“, in: Süddeutsche Zeitung vom 13.3.2008, abrufbar unter: www.sueddeutsche.de/wirtschaft/282/4360/text/ (Abrufdatum: 9.3.2009). 489 Schroeder, Finanzielle Unterstützung des Aktienerwerbs, S. 191.

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Kap. 3: Das aktienrechtliche Kapitalschutzsystem

jedoch darin, dass die Dividendenauszahlung den Regeln des in §§ 174, 172, 58 AktG normierten formalen Ausschüttungsverfahrens folgt. Dabei wird sichergestellt, dass die gesetzlich vorgeschriebenen Rücklagen und das Grundkapital nicht angetastet werden. Dementsprechend schützt § 57 Abs. 3 AktG nur vor Vermögensverlagerungen außerhalb des ordnungsgemäß festgestellten Bilanzgewinns. Dies zeigt wiederum, dass die umfassende Vermögensbindung nicht nach § 57 Abs. 1 AktG zum Schutz der Gläubiger erfolgt. Denn ob die Vermögensverlagerung innerhalb oder außerhalb des legalen Gewinnausschüttungsverfahrens stattfindet, macht im Ergebnis keinen Unterschied, da in beiden Fällen die Gläubiger nicht mehr auf das ausgezahlte Kapital zugreifen können490. Belange der Minderheitsaktionäre werden durch die Dividendenauszahlungen nicht berührt, da sie ihrem Anteil entsprechend berücksichtigt werden. Damit steht § 57 AktG einer Dividendenausschüttung in unbegrenzter Höhe nicht entgegen, solange die Regeln des Ausschüttungsverfahrens nach §§ 172 ff. i. V. m. 58 AktG eingehalten werden491. Die legale Finanzierung einer Übernahme durch Ausschüttung hoher Dividenden wird zwar als „Eigenkapitalraub“ kritisiert492, jedoch entspricht es dem Willen des Gesetzgebers, dass die Kapitalschutzregeln zu Gunsten der Gläubiger nur einen Mindestschutz in Höhe des Grundkapitals zuzüglich der zwingenden Rücklagen vorsehen. Darüber hinaus eignen sich die Kapitalschutzregeln nicht, volkswirtschaftlich gewünschte Ziele, wie etwa eine angemessene Eigenkapitalquote, durchzusetzen493. Im Übrigen kann jede Gesellschaft die Finanzierung ihrer Übernahme durch Dividenden dadurch verhindern, dass sie regelmäßig Dividenden an ihre Aktionäre ausschüttet und Gewinne investiert, anstatt sie in volkswirtschaftlich unproduktiven Vermögenswerten in der Gesellschaft zu belassen.

490 Damit bestätigt sich auch das oben gefundene Ergebnis, dass entgegen der herrschenden Ansicht nach § 57 Abs. 1 AktG nur das Grundkapital und die gesetzlich gebundenen Rücklagen im Gläubigerinteresse gebunden sind (siehe oben Kapitel 3 § 1 A. II. und III.). Nur mittelbar werden die Gläubiger durch § 57 Abs. 3 AktG geschützt, da die Dividendenausschüttungen über verpflichtende Publizitätsvorschriften der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden müssen und damit – im Gegensatz zu verdeckten Vermögensverlagerungen – für Gläubiger erkennbar sind, vgl. Schroeder, Finanzielle Unterstützung des Aktienerwerbs, S. 191 f. Allerdings schützt dies die Gläubiger in erster Linie bezüglich des Eingehens zukünftiger Verbindlichkeiten. 491 Zu den hiermit verbundenen steuerrechtlichen Fragen vgl. Hölters, in: Handbuch des Unternehmens- und Beteiligungskaufs, S. 32 ff., 448 ff. 492 So Uwe H. Schneider, AG 2006, 577, 579. 493 Ähnlich Schroeder, Finanzielle Unterstützung des Aktienerwerbs, S. 192.

§ 2 Kapitalschutz nach § 71a Abs. 1 S. 1 AktG

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III. Zwischenergebnis Die Untersuchung des Anwendungsbereichs von § 57 Abs. 1 und 3 AktG hat ergeben, dass diese Vorschrift bei einer fremdfinanzierten Übernahme Vermögensverlagerung von der Ziel- auf die Erwerbergesellschaft weitgehend, jedoch nicht lückenlos verbietet. Neben den im personellen Anwendungsbereich aufgezeigten Schutzlücken finden sich auch in sachlicher Hinsicht Wege, wie die Zielgesellschaft in Einklang mit § 57 AktG die Kaufpreisfinanzierung der Erwerberseite unterstützen kann. Gesetzeskonforme Dividendenzahlungen und die als Sicherheit fungierenden Break-up Fees fallen von vornherein nicht unter die Ausschüttungsverbote. Hinsichtlich der Vergabe von Darlehen und der Bestellung von Sicherheiten bringt der durch das MoMiG494 eingeführte § 57 Abs. 1 S. 3 Var. 2 AktG eine gewisse Lockerung der Vermögensbindung mit sich. Da die Neuregelung jedoch das Vorliegen eines vollwertigen Ausgleichsanspruchs verlangt und nur eine vorübergehende Vermögensverlagerung erlaubt, steht § 57 AktG auch weiterhin der endgültigen Refinanzierung einer Übernahme aus Mitteln der Zielgesellschaft entgegen. Inwieweit § 71a AktG die aufgezeigten Schutzlücken schließen kann, ist Gegenstand der folgenden Ausführungen. Hierbei zeigt sich auch, ob eine analoge Anwendung des § 57 AktG auf Vermögensverlagerungen im Vorfeld der Übernahme erforderlich ist.

§ 2 Kapitalschutz nach § 71a Abs. 1 S. 1 AktG A. Der Schutzzweck des Verbots der finanziellen Unterstützung Gemäß § 71a Abs. 1 S. 1 AktG „[ist] ein Rechtsgeschäft, das die Gewährung eines Vorschusses oder eines Darlehens oder die Leistung einer Sicherheit durch die Gesellschaft an einen anderen zum Zweck des Erwerbs von Aktien dieser Gesellschaft zum Gegenstand hat, nichtig.“ Die amtliche Überschrift von § 71a AktG lautet „Umgehungsgeschäfte“, was sich wohl auf die Regelung des § 71 AktG (Erwerb eigener Aktien) beziehen soll. Führte die Vorschrift in Rechtsprechung und Schrifttum seit ihrem Inkrafttreten im Jahre 1979 zunächst ein Schattendasein495, rückte sie in den letz494 Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) vom 23. Oktober 2008, BGBl. Teil I 2008, 2026, 2035. 495 Bis zum Jahre 2003 trat § 71a Abs. 1 S. 1 AktG in der Rechtsprechung kaum in Erscheinung: OLG Frankfurt a. M., Urteil vom 30.1.1992 – 16 U 120/90, AG 1992, 194 ff.; LG Mainz (Kammer für Handelssachen), Urteil vom 18.9.1986 – 12 HO 53/85, AG 1997, 91 ff.

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Kap. 3: Das aktienrechtliche Kapitalschutzsystem

ten Jahren in den Fokus der öffentlichen Diskussion. Im Mittelpunkt der „heftigen Meinungsstreitigkeiten“496 steht dabei die Frage, inwieweit das in § 71a Abs. 1 S. 1 AktG geregelte Verbot der finanziellen Unterstützung Vermögensverlagerungen von der Ziel- auf die Erwerbergesellschaft verhindert. Um hierauf eine Antwort zu finden, ist es erforderlich, den Schutzzweck Norm zu bestimmen. I. Entstehungsgeschichte Einen Hinweis auf den Schutzzweck des § 71a Abs. 1 S. 1 AktG kann aus seiner Entstehungsgeschichte gewonnen werden. Hierbei kann bezüglich der Fakten weitgehend auf die Darstellung von Schroeder zurückgegriffen werden, der in seiner Arbeit „Finanzielle Unterstützung des Aktienerwerbs“ die rechtsgeschichtlichen Grundlagen von § 71a AktG ausführlich untersucht hat497. 1. Bedeutung der Entstehungsgeschichte für die Auslegung

Dabei ist allerdings zu beachten, dass für die spätere Auslegung der Vorschrift die Vorstellung der an der Vorbereitung und Abfassung des Gesetzes beteiligten Personen zwar eine wertvolle Hilfe für das Normverständnis darstellt, jedoch nicht gleichzusetzen ist mit dem eigentlichen Willen des Gesetzgebers und daher für den Ausleger auch nicht verbindlich sein kann498. Insbesondere darf nicht übersehen werden, dass der dem allgemeinen Sprachgebrauch zu entnehmende Wortsinn Ausgangspunkt und Grenze einer möglichen Auslegung bildet499. Nur wenn der Wortsinn und der Bedeutungszusammenhang des Gesetzes Raum für unterschiedliche Interpretationen zulassen, ist derjenigen Auslegung der Vorzug zu geben, die der Regelungsabsicht des Gesetzgebers und dem Zweck der betreffenden Norm am ehesten gerecht wird500. Dieser für das nationale Recht geltende Auslegungsgrundsatz wird hier indes dadurch überlagert, dass § 71a Abs. 1 AktG auf eine europäische Richtlinie zurückgeht. Damit kommt der richtlinienkonformen Auslegung eine besondere Bedeutung zu. Jene hat nach herrschender Meinung den Status einer Vorzugsregel501. Dies bedeutet, dass derjenigen Auslegungsregel 496

Freitag, AG 2007, 157, 159. Schroeder, Finanzielle Unterstützung des Aktienerwerbs, S. 7 ff. 498 Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 165. 499 Bydlinski, Juristische Methodenlehre, S. 467 f.; Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 163. 500 Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 164. 497

§ 2 Kapitalschutz nach § 71a Abs. 1 S. 1 AktG

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der Vorrang zu geben ist, die zu einem richtlinienkonformen Ergebnis führt502. Darüber hinaus fließt die richtlinienkonforme Auslegung schon bei der Anwendung der klassischen Auslegungskriterien mit ein und kann so insbesondere die teleologische und historische Auslegung der nationalen Norm mitprägen503. Gleichwohl gebietet es die Rechtssicherheit, auch im Rahmen der richtlinienkonformen Auslegung (im engeren Sinne) den möglichen Wortsinn als Grenze der Auslegung zu erachten504. Allerdings ist bei der Grenzbestimmung das nationale Recht im Lichte des Wortlauts und des Zweckes der Richtlinie auszulegen505, was dazu führen kann, dass aufgrund der Einbeziehung des europäischen Begriffsverständnisses die Grenze des Wortsinnes der nationalen Vorschrift verschoben wird506. Dies darf jedoch nicht zur Konsequenz haben, dass Wortsinn und gesetzgeberischer Wille missachtet werden und so nach überkommenem nationalem Methodenverständnis die contra legem Grenze überschritten wird507. Auch der EuGH sieht die Pflicht zur europarechtskonformen Auslegung durch den Grundsatz der Rechtssicherheit und das Rückwirkungsverbot beschränkt. Insbesondere dürfe die gemeinschaftsrechtskonforme Auslegung „nicht als Grundlage für eine Auslegung contra legem des nationalen Rechts dienen“508. Diese Einschätzung verwundert, sprengt doch die richtlinienkon501 Vgl. EuGH, 29.4.2004 – Rs. C-371/02, Slg. 2004, I-5791 Rn. 13 (Björnekulla Fruktindustrier AB), Ehricke, RabelsZ 59 (1995), 598, 616; Roth, in: Europäische Methodenlehre, 308, 318; Gsell, in: Staudinger, Eckpfeiler des Zivilrechts, S. 488; zum Streit, ob der richtlinienkonformen Auslegung ein absoluter Vorrang vor den Auslegungsmethoden des nationalen Rechts zu kommt vgl. befürwortend: Lutter, JZ 1992, 593, 604; differenzierend: Canaris, in: FS Bydlinski, S. 47, 64 ff. ablehnend: Schnorbus, AcP 201 (2001), 860, 874 ff. 502 Roth, in: Europäische Methodenlehre, 308, 318 f. (Rn. 26); ausführlich: Babusiaux, Die richtlinienkonforme Auslegung im deutschen und französischen Zivilrecht, S. 37 ff. m. w. N. 503 So die überwiegende Ansicht vgl. Canaris, in: FS Bydlinski, S. 47, 79 ff. m. w. N.; Hommelhoff, AcP 192 (1992), 71, 95 ff.; Babusiaux, Die richtlinienkonforme Auslegung im deutschen und französischen Zivilrecht, S. 41. 504 Klein, in: FS für Everling, S. 641, 647; Babusiaux, Die richtlinienkonforme Auslegung im deutschen und französischen Zivilrecht, S. 41 m. w. N.; Assmann, ZGR 1994, 484, 500 mit zahlreichen Nachweisen aus der Rechtsprechung des EuGHs; vgl. auch Everling, ZGR 1992, 376, 382 ff. 505 Vgl. EuGH, Urteil vom 10.4.1984 – C-14/83, Slg. 1984, 1891, 1909 (von Colson und Kamann); EuGH, Urteil vom 13.11.1990 – C-106/89, Slg. 1990, 4135, 4159 (Marleasing). 506 Babusiaux, Die richtlinienkonforme Auslegung im deutschen und französischen Zivilrecht, S. 41. 507 Wie hier Gsell, in: Staudinger, Eckpfeiler des Zivilrechts, S. 488 f., Schürnbrand, JZ 2007, 910 ff.; a. A. Auer, NJW 2007, 1106, 1108; Roth, in: EWS 2005, 385, 395. 508 EuGH, Urteil vom 4.7.2006 – Rs C-212/04, Slg. 2006, I S. 6057, Rn. 110.

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Kap. 3: Das aktienrechtliche Kapitalschutzsystem

forme Auslegung oftmals die Grenzen des Wortlauts der nationalen Norm509. Der scheinbare Widerspruch löst sich jedoch auf, betrachtet man das europäische Begriffsverständnis der richtlinienkonformen „Auslegung“. So ist dem EuGH die im deutschen Rechtskreis anerkannte begriffliche Unterscheidung zwischen Auslegung innerhalb der Grenzen des Wortlauts auf der einen Seite und richterlicher Rechtsfortbildung beim Überschreiten des Wortlauts unbekannt510. Der europäisch geprägte Begriff der richtlinienkonformen Auslegung umfasst vielmehr beide Fälle. Überschreitet eine richtlinienkonforme „Auslegung“ den Wortlaut der nationalen Norm, bedarf es daher ebenfalls einer Regelungslücke im Sinne einer planwidrigen Unvollständigkeit der nationalen Norm, da es sich nach deutschem Begriffsverständnis um eine richtlinienkonforme Rechtsfortbildung handelt511. Bei der Frage der Übereinstimmung zwischen § 71a AktG und der Art. 23 der Kapitalrichtlinie ist daher darauf zu achten, ob nicht eine andere nationale Norm eine etwaige Lücke im Anwendungsbereich schließt. In diesem Fall wäre eine europarechtskonforme Auslegung in der rechtsfortbildenden Variante mangels Regelungslücke ausgeschlossen512. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass der mögliche Wortsinn des Richtlinientextes seinerseits die absolute Auslegungsgrenze darstellt513. Mit anderen Worten: Findet sich für eine Regelungsabsicht des Richtliniengebers schon im Wortlaut der Richtlinie kein Anhaltspunkt, kann auch eine aus der Entstehungsgeschichte herleitbare Interpretation nicht im Wege der richtlinienkonformen Auslegung die Reichweite der nationalen Regelung beeinflussen. Sowohl die Interpretation der Richtlinie als auch des Bundesgesetzes über ihren Wortlaut hinaus ist daher nicht durch bloße Auslegung, sondern nur unter den strengen Voraussetzungen der Rechtsfortbildung möglich514. Inwieweit sich die Entstehungsgeschichte und die hieraus ab509 Vgl. etwa die Verweigerung von Nutzungsersatz beim Verbrauchsgüterkauf entgegen § 439 Abs. 4 BGB i. V. m. § 346 Abs. 2 S. 1 BGB wegen Verstoßes gegen Art 3 der Verbrauchsgüterrichtlinie („Quelle Urteil“); (nunmehr gesetzlich in § 474 Abs. 2 S. 1 BGB geregelt). 510 Urteil vom 26.11.2008 – VIII ZR 00/05, juris Rn. 21. 511 Wie hier nun auch ausdrücklich BGH, Urteil vom 26.11.2008 – VIII ZR 00/05, juris Rn. 22. 512 Dies folgt auch schon aus dem Wesen der Richtlinie, die dem nationalen Gesetzgeber nur bezüglich des Ziels, nicht aber bezüglich der Art und Weise der (gesetzlichen) Umsetzung bindet. 513 Die Sprachenvielfalt der EU erweitert dabei tendenziell die Wortsinngrenze, vgl. Riesenhuber, in: Europäische Methodenlehre, 244, 252 (Rn. 19). 514 Ebenso Riesenhuber, in: Europäische Methodenlehre, 244, 253 (Rn. 20) (bzgl. Richtlinie); Babusiaux, Die richtlinienkonforme Auslegung im deutschen und französischen Zivilrecht, S. 42. (bzgl. richtlinienkonformen Auslegung der nationalen Norm).

§ 2 Kapitalschutz nach § 71a Abs. 1 S. 1 AktG

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leitbare Schutzrichtung der Norm auf die Reichweite von § 71a Abs. 1 S. 1 AktG auswirken, zeigt sich daher erst bei der Untersuchung des sachlichen und materiellen Anwendungsbereichs der Norm. Denn dann offenbart sich, in welchem Maße sich die Vorstellungen der historischen Normgeber im Wortlaut von § 71a Abs. 1 S. 1 AktG und der entsprechenden Richtlinienbestimmung wieder finden. 2. Die Entstehungsgeschichte des § 71a Abs. 1 S. 1 AktG

a) Historische Auslegung aus der Perspektive des nationalen Gesetzgebers Die Regelung des Verbots der finanziellen Unterstützung ist durch Art. 1 Nr. 15 des Gesetzes „zur Durchführung der Zweiten Richtlinie515 des Rates der Europäischen Gemeinschaften zur Koordinierung des Gesellschaftsrechts“516 in das Aktiengesetz eingeführt worden und trat am 1. Juli 1979 in Kraft517. Wie schon die Bezeichnung des Durchführungsgesetzes nahe legt, war ausschließliches Motiv die fristgerechte Umsetzung der Kapitalrichtlinie518. Eine Vorgängernorm gab es im deutschen Recht nicht. Sowohl der Bundestag als auch der Bundesrat519 enthielten sich eigener Stellungnahmen520. Im Gesetzesentwurf findet sich allein die Anmerkung, dass 515

„Zweite Richtlinie des Rates vom 13. Dezember 1976 zur Koordinierung der Schutzbestimmungen, die in den Mitgliedstaaten den Gesellschaften i. S. d. Art. 58 Abs. 2 EWGV im Interesse der Gesellschafter sowie Dritter für die Gründung der Aktiengesellschaften sowie für die Erhaltung und Änderung ihres Kapitals vorgeschrieben sind, um diese Bestimmungen gleichwertig zu gestalten“ (77/91/EWG), ABl. EG 1977 vom 31.1.1977, Nr. L 26/1, S. 1 ff. (sog. Kapitalrichtlinie) abgedruckt bei Habersack, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 206. 516 Durchführungsgesetz vom 13.12.1978, BGBl. I 1978, S. 1956 ff. 517 Vgl. Art. 5 Durchführungsgesetz. 518 Vgl. Begr. RegE., BT-Drucks. 8/1678, S. 1 (B.) „Zum Zweck der Umsetzung der Richtlinie“, 9 (I.) „Der Gesetzesentwurf dient der Umsetzung einer Richtlinie.“, und 10 (III) „Der Entwurf beschränkt sich im wesentlichen auf die Durchführung der Richtlinie“; ausführlich: Schroeder, Finanzielle Unterstützung des Aktienerwerbs, S. 11; vgl. auch Merkt, in: Großkommentar zum AktG, § 71a Rn. 5. 519 Der Regierungsentwurf des Durchführungsgesetzes wurde dem Bundesrat gemäß Art. 76 Abs. 2 1 GG am 6. Januar 1978 zugeleitet. Dort wurde lediglich eine Formulierung des § 71a Abs. 1 S. 2 HS. 2 kritisiert und auf Vorschlag des Bundesrats umformuliert, s. BR-Drucks. 2/78, Ziff. 4. 520 Vgl. ausführlich Schroeder, Finanzielle Unterstützung des Aktienerwerbs, S. 10 f. Hintergrund hierfür war sicherlich auch die knappe Umsetzungsfrist von 2 Jahren mit der hieraus resultierenden Pflicht, das Umsetzungsgesetz bis zum 18. Dezember 1978 im Bundesgesetzblatt zu verkünden, siehe Art. 43 Abs. 1 S. 1 der Kapitalrichtlinie sowie Begr. RegE., BT-Drucks. 8/1678, S. 9.

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§ 71a Abs. 1 AktG die Regelung des Art. 23 Abs. 1 der Kapitalrichtlinie umsetzt, sowie der kryptische Hinweis, dass die Richtlinienbestimmung „auf eine offenbar in Großbritannien verbreitete Praxis“ zurückgeht und die Bedeutung der Regelung für die Bundesrepublik Deutschland „hauptsächlich im Bereich der Kreditgeschäfte der Banken“ liegen dürfte521. Bei beiden Aussagen bleibt unklar, auf welchen Satz des § 71a Abs. 1 AktG sie sich beziehen. Die geringe Aufmerksamkeit, die der Vorschrift zugebilligt wurde, zeigt sich auch darin, dass die Vorschrift nicht zu den „materiell bedeutsamen“ Änderungen des Aktiengesetz gezählt wurde522. Als Anhaltspunkt, welchen Inhalt der deutsche Gesetzgeber der Neuregelung beimaß, können neben den erwähnten nebulösen Hinweisen nur die amtliche Überschrift „Umgehungsgeschäfte“ und der gewählte Ort im Rahmen des „Erwerbs eigener Aktien“ dienen. Dies wird als Beleg dafür gesehen, dass der Gesetzgeber davon ausging, es handele sich ausschließlich um einen Umgehungsschutz für die Regelung des § 71 AktG523. Dementsprechend sahen die Kommentierungen noch bis Ende der neunziger Jahre einhellig den Zweck der Neuregelung darin, das Verbot des Erwerbs eigener Aktien vor Umgehung zu schützen524. Eindeutig ist dies freilich nicht. So kann der Verweis auf die „offenbar in Großbritannien verbreitete Praxis“525 auch als Indiz gewertet werden, dass jedenfalls dem Regierungsentwurf der Bezug zur Takeover-Problematik durchaus bewusst war526, was wiederum Zweifel an der allgemeinen Einschätzung hervorruft, der Gesetzgeber habe den eigenständigen kapitalschützenden Charakter der Richtlinienregelung völlig übersehen. Die Mutmaßungen über die inhaltlichen Vorstellungen des Gesetzgebers sind jedoch wenig gewinnbringend vor dem Hintergrund, dass sie in den Gesetzesmaterialien keinen (weiteren) Niederschlag gefunden haben und die maßgeblichen Gesetzgebungsorgane sich eigener Stellungnahmen und Erklärungen enthielten527. Entscheidend ist vielmehr der Hinweis im Ge521

Begr. RegE., BT-Drucks. 8/1678, S. 16. Begr. RegE., S. 10 (IV.). 523 Schroeder, Finanzielle Unterstützung des Aktienerwerbs, S. 113. 524 Lutter, in: Kölner Kommentar zum AktG, 2. Aufl., § 71a Rn. 2; Hefermehl/ Bungeroth, in: Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, AktG, § 71a Rn. 1. 525 Begr. RegE., BT-Drucks. 8/1678, S. 16. 526 Bemerkenswert daher der Hinweis bei Lutter, in: Kölner Kommentar zum AktG, 2. Aufl., § 71a Rn. 1 „Motiv für die Abneigung des englischen Rechts gegenüber solchen Vorgängen ist (. . .), vor allem die Möglichkeit des Managements, Mittel der Gesellschaft bei Take-overs oder by-outs (gemeint wohl buy-outs, Anmerkung des Verfassers) in einer ihnen angenehmen Richtung einzusetzen.“ 527 Singhof, NZG 2002, 745, 746 spricht von einer „inhaltsleeren Entstehungsgeschichte“. 522

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setzesentwurf, dass § 71a Abs. 1 AktG der Regelung des Art. 23 Abs. 1 der Kapitalrichtlinie entspricht, was sich auch in der bezüglich des Tatbestands fast wortgleichen Regelung des Richtlinientextes und der Umsetzungsregel widerspiegelt. Der EuGH formuliert als gemeinschaftsrechtliche Vorgabe, dass „in Anbetracht des Art. 249 Absatz 3 EG davon auszugehen [ist], daß der Staat, wenn er von dem ihm durch die (Richtlinien-)Bestimmung eingeräumten Gestaltungsspielraum Gebrauch gemacht hat, die Absicht hatte, den sich aus der Richtlinie ergebenden Verpflichtungen in vollem Umfang nachzukommen“528. Dies gelte „ungeachtet entgegenstehender Auslegungshinweise, die sich aus den vorbereitenden Arbeiten zu der nationalen Regelung ergeben könnten“529. Folglich tritt eine im Widerspruch zur Richtlinie stehende konkrete Zwecksetzung des nationalen Gesetzgebers hinter seinem Willen, die Vorschrift richtlinienkonform umzusetzen, zurück, es sei denn, der Gesetzgeber verfolgt ausdrücklich eine richtlinienwidrige Lösung530. Hierfür gibt es in § 71a AktG jedoch keine Anhaltspunkte. b) Historische Auslegung aus der Perspektive des europäischen Richtliniengebers Damit kommt es bezüglich der historischen Auslegung der Norm entscheidend auf die maßgebliche Richtlinienbestimmung des Art. 23 der Kapitalrichtlinie an531. Dessen Absatz 1 lautet wie folgt: „Eine Gesellschaft darf im Hinblick auf den Erwerb ihrer Aktien durch Dritte weder Vorschüsse geben noch Darlehen gewähren noch Sicherheit leisten.“ aa) Normentstehung Betrachtet man die Entstehung der Richtlinie, fällt auf, dass eine entsprechende Regelung im Kommissionsvorschlag von 1970 noch gänzlich fehlte532. Auch in den anschließenden Stellungnahmen des Wirtschafts- und 528

EuGH vom 5.10.2004 – Rs. C-397/01, Slg. 2004, I-8835, Rn. 112. EuGH vom 29.4.2004 – Rs. C-371/02, Slg. 2004, I-5791. Rn. 13. 530 Roth, in: Europäische Methodenlehre, 308, 319 (Rn. 29). 531 „Zweite Richtlinie des Rates vom 13. Dezember 1976 zur Koordinierung der Schutzbestimmungen, die in den Mitgliedstaaten den Gesellschaften i. S. d. Art. 58 Abs. 2 EWGV im Interesse der Gesellschafter sowie Dritter für die Gründung der Aktiengesellschaften sowie für die Erhaltung und Änderung ihres Kapitals vorgeschrieben sind, um diese Bestimmungen gleichwertig zu gestalten“ (77/91/EWG), ABl. EG 1977 vom 31.1.1977, Nr. L 26/1, S. 1 ff. (sog. Kapitalrichtlinie) abgedruckt bei Habersack, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 206. 529

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Sozialausschusses und des europäischen Parlaments sucht man vergeblich nach Ausführungen zu dem Verbot der finanziellen Unterstützung des Anteilserwerbs, ebenso wie 1972 bei der Annahme des geänderten Vorschlags durch die Kommission533. Die Regelung des Art. 23 Abs. 1 der Kapitalrichtlinie entstand erst im Zuge der Arbeiten innerhalb des Rates ab dem Jahre 1973534. Hintergrund hierfür war, dass seit dem 1. Januar 1973 auch Vertreter der neuen Mitgliedstaaten Großbritannien, Irland und Dänemark teilnahmen. In Großbritannien war seit der Entscheidung Trevor v. Whitworth aus dem Jahre 1887 der Erweb eigener Aktien umfassend verboten535. Seit 1929 durfte gemäß Section 45 des Companies Acts von 1929 die Gesellschaft Dritte beim Erwerb ihrer Aktien in keiner Weise finanziell unterstützen536. Diese von der Greene-Kommission537 erarbeitete Regelung war eine Reaktion auf zahlreiche Unternehmenszusammenbrüche Anfang der zwanziger Jahre, die durch kreditfinanzierte, spekulative Übernahmen verursacht wurden538. So fielen viele der übernommenen Spinnerei- und Schifffahrtgesellschaften unter der Last der Rückzahlung der aufgenommenen Kredite in Insolvenz539. Hinter den Übernahmen standen die allein finanzielle Interessen verfolgenden Spekulanten (sog. Raider)540. Mit Hilfe von eigens hierfür ge532 Vgl. Annahme durch die Kommission am 5.3.1970, ABl. EG C 48 vom 24.4.1970, 8, 19 f. Vgl. ausführlich zur Entstehung der Richtlinie: Schroeder, Finanzielle Unterstützung des Aktienerwerbs, S. 15 ff. 533 Vgl. Anhörungen des WSA am 13.4.1970 und dessen Stellungnahmen am 26./27.5.1971, ABl. EG C 88 vom 6.9.1971, 1, 4; Stellungnahme des europäischen Parlament vom 19.10.1971 (einzige Lesung), ABl. EG Nr. C 114, 18, 20; Annahme des geänderten Vorschlag durch die Kommission am 30.10.1972, KOM 1972, 1310. 534 Ausführlich hierzu Schroeder, Finanzielle Unterstützung des Aktienerwerbs, S. 16 ff. 535 Trevor v. Whitworth, App. Case 1887, Bd. 12, S. 409; vgl. hierzu Ziebe, AG 1982, 187 f.; Schroeder, Finanzielle Unterstützung des Aktienerwerbs, S. 20 ff. 536 „Der Gesellschaft ist die Gewährung jedweder finanzieller Unterstützung zum Zweck oder in Verbindung mit einem bereits geschehenen oder noch zu geschehenen Erwerb von Aktien der Gesellschaft durch Dritte untersagt, ungeachtet, ob die Unterstützung direkt oder indirekt, in der Form eines Darlehens (Loan), einer Bürgschaft (Guarantee), Sicherheitsleistungen (Provision of Security) oder in anderer Weise erfolgt“. Sec. 45 CA 1929 und dessen Nachfolgeregelung sind abgedruckt bei Schroeder, Finanzielle Unterstützung des Aktienerwerbs, S. 303 f. (Anhang). 537 Die Kommission hat ihren Namen nach dem Vorsitzenden und späteren Master of the Rolls Wilfrid Lord Greene, ausführlich: Schroeder, Finanzielle Unterstützung des Aktienerwerbs, S. 25 f. 538 Merkt, in: Großkommentar zum AktG, § 71a Rn. 6; Fleischer, AG 1996, 494, 495; Wymeersch, in: FS Drobnig, S. 732 ff. Ausführlich Schroeder, Finanzielle Unterstützung des Aktienerwerbs, S. 23 ff. m. w. N. 539 Schroeder, Finanzielle Unterstützung des Aktienerwerbs, S. 24; Oechsler, ZHR 170 (2006), 73, 83.

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gründeten Gesellschaften erwarben sie die Zielgesellschaften und finanzierten die zur Zahlung des Kaufpreises benötigten Bankkredite aus dem Vermögen der Zielgesellschaft. Zusätzlich wurden auch Dividenden in Höhe von 30–75 Prozent des Gewinns ausgeschüttet541. In der neuen Terminologie würde man diese Finanzierungsart von Übernahmen als „Leveraged Buyout“ bezeichnen542. Demzufolge ist es nicht verwunderlich, dass auf der Tagung der Gruppe Wirtschaftsfragen am 4. und 5. Juli 1974 die britische Delegation erstmals anregte, direkte oder indirekte finanzielle Unterstützung der Gesellschaft im Hinblick auf den Erwerb oder Zeichnung ihrer eigenen Aktien in der EG zu verbieten, nach dem Vorbild der mittlerweile in Sec. 54 CA 1948543 normierten britischen Regelung544. Auf dem Treffen der Gruppe Wirtschaftsfragen am 24./25. Oktober 1974 wurde von britischer Seite hierzu ein Gesetzesvorschlag eingebracht. Dieser gestattete direkte und indirekte Unterstützung der Gesellschaft zum Erwerb ihrer Aktien u. a. nur, wenn die Hauptversammlung mit 2/3 Mehrheit zustimmte und wenn der Vorgang nicht dazu führte, „daß das Nettovermögen geringer als der Betrag des gezeichneten Kapitals zuzüglich der dazu aufgrund des Gesetzes oder der Satzung nicht verfügbarer Rücklagen ist“545. Unter finanzieller Unterstützung verstand der Vorschlag „jegliche Form“ der Unterstützung, „insbesondere die Gewährung von Darlehen sowie die Bestellung von Sicherheiten und Garantien“546. Auf der Tagung der Gruppe Wirtschaftsfragen am 12./13. Dezember wurde gegen den Entwurf eingewandt, dass er in den Bereich des Konzernrechts eingreife, was nicht Regelungsgegenstand der Richtlinie sei und sich überdies mit der schon bisher vorgesehenen Regelung über den Erwerb eigener Aktien durch Dritte für Rechnung der Gesellschaft teilweise decke547. In der Kommentarliteratur kaum beachtet wurde der daraufhin eingebrachte Alternativvorschlag der belgischen Delegation, wonach „eine Gesellschaft zum Zweck des Erwerbs ihrer Aktien durch Dritte keine Vorschüsse zahlen oder Kredite aus eigenen Mitteln gewähren [darf], wenn das Geschäft nicht im Rahmen ihrer 540 Oechsler, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 71a Rn. 1; ders., ZHR 170 (2006), 73, 83. 541 Schroeder, Finanzielle Unterstützung des Aktienerwerbs, S. 24 m. w. N. 542 Ebenso Merkt, in: Großkommentar zum AktG, § 71a Rn. 6. 543 Section 54 des Companies Akt von 1948 ist abgedruckt bei Schroeder, Finanzielle Unterstützung des Aktienerwerbs, S. 304 (Anhang). 544 Vgl. Ratsdokument 1481/74 (ES 127) vom 30.7.1974, S. 12. Ausführlich hierzu Schroeder, Finanzielle Unterstützung des Aktienerwerbs, S. 17. 545 Ratsdokument 2174/74 (ES 196) vom 13.12.1974, S. 2, Anlage Art. 18a Nr. 1.a) und c). 546 Ratsdokument 2174/74 (ES 196) vom 13.12.1974, S. 2., Anlage Art. 18a Nr. 3.). 547 Vgl. Schroeder, Finanzielle Unterstützung des Aktienerwerbs, S. 19.

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normalen Tätigkeit unter den Bedingungen und mit der Absicherung getätigt wird, die normalerweise für Vorgänge dieser Art erforderlich sind.“548 Letztlich enthält die in Art. 23 Abs. 1 der Kapitalrichtlinie aufgenommene Regelung sowohl Elemente der britischen Fassung als auch der belgischen Modifizierung.549 Auffällig ist, dass die Richtlinienvorschrift die im britischen und belgischen Entwurf vorgesehenen Erlaubnistatbestände für alle Aktiengesellschaften nicht aufnahm und damit eine rigidere Regelung schuf als von britischer Seite gefordert. Insbesondere wurde der in Art. 18a Nr. 1. vorgesehene Zulässigkeitstatbestand für finanzielle Unterstützung unter der Voraussetzung der Genehmigung durch zwei Drittel der Hauptversammlung und der Bewahrung des gebundenen Kapitals nicht übernommen. Auf der anderen Seite beschränkte sich nach dem Wortlaut der Neuregelung der sachliche Anwendungsbereich, da anstatt der indirekten und direkten finanziellen Unterstützung gemäß Art. 18a Nr. 1 des britischen Entwurfs nun lediglich die Gewährung eines Vorschusses, eines Darlehens oder einer Sicherheit verboten war. bb) Folgerungen Aus der Entstehungsgeschichte von Art. 23 Abs. 1 der Kapitalrichtlinie lässt sich mithin herleiten, dass die Richtliniengeber durch die Bestimmung zumindest auch der Gefahr begegnen wollten, die für das Gesellschaftsvermögen der Zielgesellschaft besteht, wenn sie ihre eigene Übernahme finanziell unterstützt. Damit kann die historische Auslegung dafür angeführt werden, dass der Zweck der Regelung in einem eigenständigen Kapitalschutz liegt550. Insoweit kann den Ausführungen von Schroeder gefolgt werden. Hieraus kann jedoch nicht der Schluss gezogen werden, dass für alle Auslegungsfragen des § 71a Abs. 1 AktG auf die bei Entstehung des Art. 23 der Kapitalrichtlinie maßgebliche britische Regelung (Sec. 54 CA 1948) zurückgegriffen werden darf. Zum einen haben die Ausführungen gezeigt, dass nicht etwa der britische Entwurf „eins zu eins“ übernommen wurde, sondern auch andere Vor548

Vgl. Schroeder, S. 19 m. w. N. Ebenso Schroeder, ebd. 550 Vgl. Cahn, in: Spindler/Stilz, AktG, § 71a Rn. 9, der allerdings zwischen eigenständigem Kapitalschutz und dem Takeover-Bezug zu trennen scheint: „Eigenständiger Kapitalschutz ist auch im deutschen Recht der primäre Regelungszweck des Verbots der finanziellen Unterstützung. Daneben bleibt (. . .) die Verhinderung von Unternehmensübernahmen unter Verwendung des Vermögens der Zielgesellschaft für das Verständnis des Verbots der finanziellen Unterstützung (. . .) von zentraler Bedeutung“. 549

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schläge wie etwa der belgische Entwurf in Art. 23. Abs. 1 AktG eingeflossen sind. Darüber hinaus gab es auch in anderen Ländern – wie etwa in Italien551 – Vorschriften zum Verbot der finanziellen Unterstützung, so dass nicht ausgeschlossen werden kann, dass bei der Normentstehung andere Vorstellungen eine Rolle spielten. Zum anderen – und das ist der entscheidende Punkt – sind europäische Regelungen immer autonom zu interpretieren, auch wenn sie einer nationalen Regelung nachempfunden werden552. Dies ist schon der Tatsache geschuldet, dass eine nationale Norm, auch wenn sie wie § 71a AktG einen europarechtlichen Hintergrund besitzt, nicht ihre Zugehörigkeit zur nationalen Rechtsordnung verliert553. Keineswegs darf eine Norm eines anderen Mitgliedstaates mit ggf. anderen rechtlichen Traditionen, die als Vorbild für die Richtlinienbestimmung gedient hat, nun die Auslegung diktieren. Vielmehr ist allein die Zwecksetzung des europäischen Gesetzgebers zu berücksichtigen. Dort fließen die unterschiedlichen Interessen und rechtlichen Traditionen der Mitgliedstaaten mit ein und jeder Regelung – auch wenn sie wie auch Art. 23 Abs. 1 der Kapitalrichtlinie nationale Regelungsvorbilder hat – wird eine neue, auf Kompromissen zwischen den verschiedenen Mitgliedstaaten basierende, eigenständige, europarechtliche Prägung gegeben. Mithin darf auch dann nicht auf eine mitgliedstaatliche Regelung zurückgegriffen werden, wenn diese der Richtlinienbestimmung als Vorbild gedient hat554. Damit kann der von Schroeder angewandten Methodik nicht gefolgt werden, die bei unklaren europäischen Regelungen auf die Auslegung des nationalen Regelungsvorbilds zurückreift555. Auch der Schluss, dass der Richtliniengeber mit der Orientierung an einer nationalen Regelung eines Mitgliedstaates die gleichen Normvorstellung und Auslegungsprinzipen verfolgt wie der nationale Gesetzgeber556, stellt eine unzulässige Fiktion dar, die in die Autonomie des europäischen Gesetzgebers und mittelbar auch in die der anderen nationalen Legislativorgane eingreift. Im konkreten Fall darf daher nicht auf die Auslegung von Sec. 54 CA 1948 rekurriert werden, um die Reichweite von § 71a AktG zu bestimmen. Ebenfalls bedenklich ist somit auch die Aussage, Art. 23 der Kapitalrichtlinie beruhe mit Sec. 54 CA 1948 auf britischem Gesellschaftsrecht und sehe daher „eine dem englischen Rechtsdenken typische funktionelle Betrachtungsweise vor“557. Bei 551

Vgl. zur italienischen Norm Fleischer, AG 1996, 494, 495. Cahn, in: Spindler/Stilz, AktG, § 71a Rn. 6; Lutter, JZ 1992, 593, 601 f.; Bleckmann, ZGR 1992, 364, 365 f.; Everling, ZGR 1992, 376, 386 f. 553 Ähnlich Klass, Der Buyout von Aktiengesellschaften, S. 22. 554 Assmann, in: Assmann/Uwe H. Schneider, WpHG, Einl. Rn. 70. 555 Vgl. Schroeder, Finanzielle Unterstützung des Aktienerwerbs, S. 68 ff. 556 So Schroeder, S. 44, 69 f. 557 So aber Just, BKR 2004, 3, 5. 552

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der später erfolgenden Bestimmung der Reichweite des § 71a Abs. 1 AktG kann mithin im Rahmen der historischen Auslegung der kapitalschützende Hintergrund des Art. 23 Abs. 1 AktG mitberücksichtigt werden. Die einzelnen Regelungsvorbilder der Mitgliedstaaten und ihre Auslegung durch die nationalen Gerichte sind hingegen für die Bestimmung des Anwendungsbereichs von § 71a AktG nicht von entscheidender Bedeutung. Folglich kann es auch keine Rolle spielen, inwieweit das britische Recht seinerseits Ausnahmen vom Verbot der „Financial Assistance“ zuließ. Der Hinweis, dass das britische Recht „seit jeher“ eine Reihe von Ausnahmen vorsehe und damit weniger streng erscheine als § 71a AktG558, ist somit für die Auslegung der deutschen Regelung ohne Relevanz. Überdies kam die hierfür als Beleg angeführte Ausnahmeregelung, wonach Unterstützungshandlungen erlaubt sind, wenn mit ihnen ein über den Anteilserwerb hinausgehender Zweck559 verfolgt wird, erst nach Erlass der Kapitalrichtlinie mit der Reform des Companies Act im Jahre 1981 in das britische Gesellschaftsrecht560. Schon aus diesem Grund kann diese Ausnahmeregelung nicht als Beweis dafür angeführt werden, dass „der auf Drängen des Vereinigten Königreichs eingefügte Art. 23 Abs. 1 der Kapitalrichtlinie niemals in dem strikten Sinne verstanden und praktiziert wurde, wie es nunmehr der Wortlaut der Richtlinie zum Ausdruck zu bringen scheint“561. 3. Die Reform der Kapitalrichtlinie

Im Jahre 2006 wurde im Zuge der Änderung der Kapitalrichtlinie auch Art. 23 Abs. 1 reformiert562. Nunmehr gestattet der neugefasste Art. 23 Abs. 1 den Mitgliedstaaten unter engen Voraussetzungen, den Erwerb ihrer Aktien finanziell zu unterstützen, „damit Änderungen in den Besitzverhältnissen flexibler gestaltet werden können“563. Dabei besteht jedoch für den 558

Habersack, in: FS Röhricht, S. 155, 168. Sog. „Lager Purpose“. 560 Sec. 42 Abs. 3 und 4 CA 1981. Seit der Reform im Jahre 1985 ist die Regelung nunmehr (unverändert) in Sec. 151 Abs. 1 CA 1985 verortet. Vgl. Schroeder, Finanzielle Unterstützung des Aktienerwerbs, S. 41 ff. 561 So aber Habersack, in: FS Röhricht, S. 155, 168, vgl. auch Oechsler, ZIP 2006, 1661, 1663 f., der überdies auf die rigide Handhabung der britischen Reglung durch das House of Lords hinweist. 562 Richtlinie 2006/68/EG vom 6.9.2006 „zur Änderung der Richtlinie 77/91/EWG des Rates in Bezug auf die Gründung von Aktiengesellschaften und die Erhaltung und Änderung des Kapitals“ ABl. EU 2006 Nr. L 264, 32 ff. Die sog. „Kapitaländerungsrichtlinie“ trat am 15.10.2006 in Kraft, vgl. zum Begriff Westermann, ZHR 172 (2008), 144, 145 (insb. Fn. 3). 563 Richtlinie 2006/68/EG vom 6.8.2006, ABl. EU 2006 Nr. L 264, 32, Erwägungsgrund (5); vgl. hierzu ausführlich Freitag, AG 2007, 157 ff.; Schmolke, WM 559

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nationalen Gesetzgeber keine Verpflichtung, die Lockerung des Verbots der finanziellen Unterstützung auf europäischer Ebene in § 71a AktG zu übernehmen564. Vielmehr zeigt die Formulierung von Art. 23 Abs. 1 n. F. („Wenn ein Mitgliedstaat es einer Gesellschaft gestattet“), dass der europäische Gesetzgeber den nationalen Gesetzgebern die Möglichkeit eingeräumt, nicht aber die Pflicht auferlegt hat, die finanzielle Unterstützung in engen Grenzen zuzulassen565. Da in Deutschland eine Änderung des § 71a AktG nicht absehbar ist und beachtliche Stimmen ihr kritisch gegenüberstehen566, hat die Neuregelung für die aktuelle Fassung des § 71a AktG unmittelbar keine Auswirkungen. Insbesondere kann eine nicht verpflichtende Lockerung des Kapitalschutzes auf europäischer Ebene, ebenso wenig wie Liberalisierungstrends in den Mitgliedsstaaten, auf die Auslegung der aktuellen Fassung des § 71a Abs. 1 AktG Einfluss nehmen567. Gerade vor dem Hintergrund der einheitlichen Anwendung des Europarechts und der benötigten Rechtssicherheit wäre es unzulässig, eine rechtsgültige Norm dem aktuellen gesellschaftsrechtlichen Zeitgeist ohne entsprechende gesetzgeberische Äußerung anzupassen568. Der durch die Kapitaländerungsrichtlinie569 neugefasste Art. 23 wird daher, auch unter Berücksichtigung seiner Entstehungsgeschichte, separat im Anschluss an die Untersuchung der aktuellen Reichweite des § 71a Abs. 1 2005, 1828 ff.; Oechsler, ZHR 170 (2006), 72 ff.; Westermann, ZHR 172 (2008), 144 ff.; Drygala, Der Konzern 2007, 296 ff. 564 Oechsler, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 71a Rn. 8 a. E. 565 Richtlinie 2006/68/EG vom 6.9.2006, ABl. EU 2006 Nr. L 264, 32, 35; Oechsler, ebd. Noch deutlicher formulierte der Parlamentsentwurf, wonach „es den Mitgliedstaaten offen stehen [sollte], den Gesellschaften zu gestatte, einen Dritten (. . .) zu unterstützen“, Plenarsitzungsdokument vom 28.2.3006, A6-0050/2006, 1, 6 (Erwägungsgrund 5). 566 Vgl. die Stellungnahme der Arbeitsgruppe Europäisches Gesellschaftsrecht vom 1.3.2003, ZIP 2003, 863, 873. 567 Dagegen zu verstoßen unterstellt Kerber, NZG 2006 50, 52 den Ausführungen von Habersack, in: FS Röhricht, S. 155, 169, der dort mit Blick auf die „SLIM“-Initiative (abgedruckt: ZIP 1999, 1944, 1946 ff) und des Aktionsplans der EG-Kommission „Modernisierung des Gesellschaftsrecht und Verbesserung der Corporate Governance in der Europäische Union“ (abgedruckt: NZG 2003, Beilage zu Heft 13) in die Auslegung auch „die „Politik“ der jeweiligen Vorschrift und damit deren rechtspolitisches Umfeld“ einfließen lassen will. Allerdings dürfte die Kritik von Kerber zu weit gehen, da an Habersack gleicher Stelle betont, dass sich aus den Liberalisierungsbestrebungen „für die gegenwärtige Fassung des Art. 23 Abs. 1 der Richtlinie unmittelbar nichts herleiten [lässt]“. Vgl. auch Oechsler, ZIP 2006, 1661, 1664. 568 In diesem Sinne auch Kerber, NZG 2006 50, 52. 569 Richtlinie 2006/68/EG vom 6.9.2006 „zur Änderung der Richtlinie 77/91/ EWG des Rates in Bezug auf die Gründung von Aktiengesellschaften und die Erhaltung und Änderung des Kapitals“ ABl. EU 2006 Nr. L 264, 32 ff.

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AktG analysiert570. Dabei wird die Frage im Mittelpunkt stehen, ob eine Umsetzung der Neuregelung für das deutsche Aktienrecht de lege ferenda wünschenswert wäre. Im Rahmen der Auslegung des aktuellen § 71a Abs. 1 AktG können die Gesetzesmaterialien zur neuen Richtlinienbestimmung lediglich verwendet werden, um Rückschlüsse auf den Schutzzweck des hierfür allein relevanten Art. 23 Abs. 1 der Kapitalrichtlinie von 1976 zu ziehen571. II. Schutzzweck Wie schon angeklungen, werden der Regelung des § 71a Abs. 1 AktG im Wesentlichen zwei unterschiedliche Schutzzwecke zuerkannt. Zum einen der von Anfang an in der Kommentarliteratur angeführte und aus der amtlichen Überschrift herauszulesende Schutz vor Umgehung des in § 71 AktG geregelten grundsätzlichen Verbots des Erwerbs eigener Aktien572, zum anderen der von § 71 AktG losgelöste Schutz des Gesellschaftsvermögens insbesondere im Zusammenhang mit Übernahmesachverhalten573. Für die vorliegende Arbeit ist insbesondere der letztgenannte Normzweck von Bedeutung. Dennoch kann die Frage, ob § 71a Abs. 1 S. 1 AktG (auch) eine Umgehungsschutzkomponente enthält, nicht ausgeblendet werden, da hieraus Rückschlüsse auf den weiteren Schutzzweck der Norm zu ziehen sind. 1. Umgehungsverbot

a) § 71a Abs. 1 S. 1 als Umgehungsschutz für das Verbot des Erwerbs eigener Aktien Die These, dass § 71a Abs. 1 S. 1 AktG die Umgehung des Verbots des Erwerbs eigener Aktien verhindert, stützt sich neben der systematischen Stellung als Folgenorm des § 71 AktG574 und der amtlichen Überschrift „Umge570

Siehe unten Kapitel 3 § 2 C. Freitag, AG 2007, 157, 164 spricht von „verdeutlichen“ des Schutzanliegens des Verbots der finanziellen Unterstützung. 572 LG Düsseldorf, Urteil vom 28.10.2005 – 39 O 180/04, ZIP 2006, 516, 518; Lutter/Drygala, in: Kölner Kommentar zum AktG, § 71a Rn. 6; Hefermehl/Bungeroth, in: Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, AktG, § 71a Rn. 1; Oechsler, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 71a Rn. 3 f.; Merkt, in: Großkommentar zum AktG, § 71a Rn. 2; Wieneke, in: Bürgers/Körber, AktG, § 71a Rn. 1; Lutter/Wahlers, AG 1989, 1, 9; ablehnend: Cahn, in: Spindler/Stilz, AktG, § 71a Rn. 8 f.; T. Bezzenberger, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 71a Rn. 7. 573 Cahn, in: Spindler/Stilz, AktG, § 71a Rn. 9; T. Bezzenberger, in: K. Schmidt/ Lutter, AktG, § 71a Rn. 2; Merkt, in: Großkommentar zum AktG, § 71a Rn. 4; Oechsler, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 71a Rn. 3 f. 571

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hungsgeschäfte“ vor allem auf das teleologische Argument, dass durch die finanzielle Unterstützung des Erwerbs Dritter die Gesellschaft wirtschaftlich mit vergleichbaren bzw. ähnlichen Risiken belastet wird wie beim Erwerb eigener Aktien575. Angeführt wird in erster Linie die Gefahr des für den Erwerb eigener Aktien charakteristischen „Doppelschadens“576. In einer Krise der Gesellschaft wirken sich die Verluste bilanziell doppelt aus: zum einen durch die eingetretenen Verluste aus dem operativen Geschäft, zum anderen durch das dadurch bedingte Sinken des Aktienkurses der sich im Vermögensbestand der Gesellschaft befindenden eigenen Aktien577. Zutreffend ist, dass ein potentiell ähnliches Risiko besteht, wenn die Gesellschaft einen Dritten beim Erwerb ihrer Aktien finanziell unterstützt. So kann in der Krise der Gesellschaft der Dritte mit der Rückzahlung ausfallen, wenn etwa – wie beim Leveraged Buyout üblich – das Vermögen allein aus dem gekauften Aktienbestand besteht. Allerdings wird zu Recht darauf hingewiesen, dass im Gegensatz zum Erwerb eigener Aktien der Doppelschadeneffekt keineswegs zwangsläufig ist578. Denn eine Krise der Gesellschaft kann auch keinerlei Auswirkungen auf die Solvenz des Erwerbers und damit auf die Werthaltigkeit der Darlehensforderung haben, etwa weil dieser – wie zumeist beim Leveraged Buyout – das Aktienpaket schon weiterveräußert hat579. b) Kritik Aber auch wenn man die Verwandtschaft der beiden Gefahren betont, leuchtet es nicht ein, § 71a AktG als Umgehungsschutznorm von § 71 AktG 574 Ebenso folgt auf europäischer Ebene Art. 23 der Kapitalrichtlinie unmittelbar im Anschluss an die Regeln über den Erwerb eigener Aktien (Art. 19–22 der Kapitalrichtlinie). 575 Lutter, in: Kölner Kommentar zum AktG, 2. Aufl., § 71a Rn. 2; Hefermehl/ Bungeroth, in: Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, AktG, § 71a Rn. 1; Oechsler, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 71a Rn. 3; Merkt, in: Großkommentar zum AktG, § 71a Rn. 2. 576 Merkt, in: Großkommentar zum AktG, § 71a Rn. 2; Lutter/Drygala, in: Kölner Kommentar zum Aktiengesetz, § 71a Rn. 6; Oechsler, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 71 Rn. 29, § 71a Rn. 3; kritisch: Cahn, in: Spindler/Stilz, AktG, § 71a Rn. 8; Habersack, in: FS Röhricht, S. 155, 158 f.; Schroeder, Finanzielle Unterstützung des Aktienerwerbs, S. 107 f. 577 Vgl. Begr. RegE. zu § 71 AktG bei Kropff, AktG, S. 90; Oechsler, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 71 Rn. 29; Schroeder, Finanzielle Unterstützung des Aktienerwerbs, S. 107 m. w. N. 578 Cahn, in: Spindler/Stilz, AktG, § 71a Rn. 8; Freitag, AG 2007, 157, 163; Schroeder, Finanzielle Unterstützung des Aktienerwerbs, S. 107; a. A. Lutter, in: Kölner Kommentar zum AktG, 2. Aufl., § 71a Rn. 1. 579 Vgl. Horn, ZIP 1987, 1225, 1226 und 1234.

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zu betrachten. Unter einem Umgehungsgeschäft versteht man allgemein einen Vorgang, mit dem der Handelnde nach dem Wortlaut nicht gegen die Verbotsnorm verstößt, aber dennoch im Ergebnis einen dem Sinn des Verbotsgesetzes zuwiderlaufenden Erfolg herbeiführt580. Entscheidendes Definitionsmerkmal ist mithin der vom Gesetz verbotene Erfolg, der mit Hilfe anderer rechtsgeschäftlicher Gestaltungsformen erreicht werden soll581. Der Erfolg, der im Grundsatz nach § 71 AktG verboten ist, ist der Erwerb eigener Aktien. Dabei gibt es viele Gründe, warum eine Aktiengesellschaft den Erwerb eigener Aktien anstrebt: als Signal für den Kapitalmarkt, zur Optimierung des Verhältnisses von Eigen- und Fremdkapital, als Alternative zur Dividendenausschüttung, zur Verhinderung fremdfinanzierter, feindlicher Übernahmen, insbesondere aber zur Gestaltung der Beteiligungsstruktur582. Handelte es sich bei § 71a AktG tatsächlich um eine Norm, die dem Schutz vor Umgehung des grundsätzlichen Verbots eigener Aktien diente, müsste zumindest im Ergebnis die von § 71a Abs. 1 S. 1 AktG verbotenen Handlungen zu einem entsprechenden Erfolg führen. Die Norm umfasst jedoch Fälle, in denen eine Gesellschaft einen Erwerber beim Kauf ihrer Aktien lediglich finanziell unterstützt, ohne dass die Gesellschaft dadurch mitgliedschaftliche Teilhaberrechte erhält, da der Erwerber gerade auf eigene Rechnung und aus eigenem Interesse handelt. Zwar könnte man einen entsprechenden Erfolg darin sehen, dass durch die Entscheidung des Vorstands, welchen Erwerber man finanziell unterstützt, Einfluss auf die Beteiligungsstruktur der AG genommen wird583. Jedoch ist dies kaum vergleichbar mit der Situation des Erwerbs eigener Aktien, da ein Darlehensgeber im Normalfall gerade nicht die Entscheidungen des Darlehensnehmers steuern kann. Auch die faktischen Einflussmöglichkeiten, die insbesondere dann gegeben sind, wenn die Rückzahlung der Darlehensvaluta stockt, führen nicht zu einer mit dem Halten eigener Aktien vergleichbaren Machtposition des Darlehengebers. Es besteht mithin gerade nicht die beim Erwerb eigener Aktien durch § 71b AktG verhinderte Gefahr, dass die Gesellschaft die mit den Aktien verbundene Kontrolle erlangt bzw. anderen entzieht. Die Umgehungsgefahr besteht vielmehr nur dann, wenn ein Dritter für Rechnung der Aktiengesellschaft mit ihren finanziellen Mitteln Aktien kauft. Diese Konstellation verhindert jedoch schon § 71a Abs. 2 AktG584, 580

Armbrüster, in: Münchener Kommentar zum BGB, § 134 Rn. 11 m. w. N. Vgl. RG, Urteil vom 1.6.1937 – VII 15/37, RGZ 155, 138, 146; BGH, Urteil vom 6.12.1990 – IX ZR 44/90, NJW 1991, 1060, 1061; Sack, in: Staudinger, BGB, § 134 Rn. 1. 582 Ausführlich Oechsler, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 71 Rn. 2–17. 583 So Oechsler, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 71a Rn. 4. 584 Ähnlich schon Schroeder, Finanzielle Unterstützung des Aktienerwerbs, S. 108. Vgl. zur Abgrenzung von § 71a Abs. 1 S. 1 und § 71a Abs. 2 Cahn, in: 581

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der als gesetzliches Umgehungsverbot fungiert und dem wohl auch die Überschrift „Umgehungsgeschäfte“ geschuldet ist. Auch die weiteren mit dem Erwerb eigener Aktien verfolgten Ziele wie etwa die Signalwirkung für den Kapitalmarkt oder die Optimierung der Kapitalstruktur können durch Unterstützungshandlungen zu Gunsten des Erwerbers nicht oder jedenfalls nicht in vergleichbarer Weise585 erreicht werden. Die Situation des Erwerbs eigener Aktien unterscheidet sich hinsichtlich des Risikos für das Kapital der Gesellschaft, der Einflussmöglichkeiten in der Hauptversammlung und nicht zuletzt durch die Ausnahmeregeln von der bloßen finanziellen Unterstützung eines dritten Erwerbers586. Es mutet seltsam an, eine Norm mit dem Etikett des Umgehungsschutzes zu belegen, ohne dass bei ihrer Verletzung im Regelfall ein entsprechender Erfolg zu erzielen ist, wie beim Verstoß gegen die vor Umgehung zu schützende Verbotsnorm. Dass § 71a Abs. 1 S. 1 AktG und § 71 AktG i. V. m. § 272 Abs. 4 HGB587 mit dem Kapital der Aktiengesellschaft partiell das gleiche Rechtsgut schützen, rechtfertigt nicht die These von Verbotsnorm und Umgehungsschutznorm. Ebenso fernliegend wäre es, § 57 Abs. 1 AktG als Umgehungsschutz für § 71 AktG (oder umgekehrt) zu begreifen, nur weil das eben beschriebene Risiko eines Doppelschadens auch jener Norm immanent ist588. Das Ergebnis wird zusätzlich von der bereits dargestellten Entstehungsgeschichte gestützt. Sieht man von der amtlichen Überschrift des § 71a AktG und der regelungstechnischen Nähe zum Erwerb eigener Aktien ab589, Spindler/Stilz, AktG, § 71a Rn. 13; Oechsler, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 71a Rn. 12; Merkt, in: Großkommentar zum AktG, § 71a Rn. 13. 585 Wie bereits erwähnt, bestehen Überschneidungspunkte lediglich noch darin, dass die Gesellschaft sowohl beim Erwerb eigener Aktien als auch im Rahmen des § 71a Abs. 1 S. 1 AktG auf die Zusammensetzung des Aktionärskreises und mittelbar auf den Aktienkurs Einfluss nehmen kann. Aber zum einen können diese wenig spezifizierten, allgemeinen „Erfolge“ auch im Rahmen vieler anderer Vorgänge innerhalb einer Aktiengesellschaft (z. B. verbotene Handlungen nach § 57 Abs. 1, 3 AktG) erzielt werden, zum anderen erlauben andere Normen gerade den Einfluss auf die Zusammensetzung (§ 33 Abs. 1, 2 WpÜG; § 68 Abs. 2 AktG), so dass dieser Gesichtspunkt bei den beiden Normen nur eine untergeordnete Rolle spielen dürfte, vgl. zum Ganzen Habersack, in: FS Röhricht, S. 155, 160. 586 Pühler, Das Verbot der Anteilsfinanzierung, S. 30 m. w. N. aus der italienischen Literatur. 587 Gemäß § 272 Abs. 4 HGB sind für den Anteil an eigenen Aktien Rücklagen zu bilden, um das beschriebene Risiko des „Doppelschadens“ aufzufangen. 588 Wenn die Gesellschaft einem Aktionär entgegen § 57 Abs. 1 AktG ein Darlehen auszahlt, besteht wie bei § 71a Abs. 1 AktG potentiell das Risiko, dass das Vermögen des Empfängers zum Großteil aus den Aktien besteht und durch eine Krise der Gesellschaft an Wert verliert, sodass dem Darlehensempfänger die Rückzahlung des Darlehens nicht möglich ist, so Habersack, in: FS Röhricht, S. 155, 160. 589 So ist das Verbot der finanziellen Unterstützung in Art. 23 der Kapitalrichtlinie gleich nach den Vorschriften über den Erwerb eigener Aktien (Artt. 19–22) ge-

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finden sich weder in den Gesetzesmaterialien zu § 71a AktG noch in dem für die Auslegung des Verbots der finanziellen Unterstützung entscheidenden Art. 23 der Kapitalrichtlinie Anhaltspunkte, die für den Umgehungsschutzcharakter der Vorschrift sprechen590. Im Gegenteil: der Hinweis zu § 71a Abs. 1 S. 2 AktG, dass die neue Regelung nach der Richtlinie unabhängig von der Zulässigkeit des Erwerbs eigener Aktien vorgesehen werden müsse591, lässt den Schluss zu, dass auch § 71a Abs. 1 S. 1 AktG vom Verbot des Erwerbs eigener Aktien abgekoppelt ist. Folgerichtig liegt auch ein Verstoß gegen § 71a Abs. 1 S. 1 AktG vor, wenn ausnahmsweise der Erwerb eigener Aktien nach § 71 AktG erlaubt wäre592. Ein Umgehungsschutz, der – ohne ersichtlichen Grund593 – weiter geht als die umgangene Norm, wäre zumindest ungewöhnlich594. Hinzu kommt, dass der Richtliniengeber sich der Umgehungsproblematik bezüglich des Erwerbs eigener Aktien im Jahre 1992 angenommen hat, indem er nun ausdrücklich die Regeln über den Erwerb eigener Aktien auf Strohmannsituationen ausdehnte595. Angesichts dieser späten Einführung eines Schutzes gegen die naheliegende Strohmanngefahr erscheint es wenig überzeugend, dass der Richtliniengeber schon in Art. 23 der Kapitalrichtlinie fernliegendere Umgehungssituationen regeln wollte596. regelt. Diese Nähe findet sich auch neben der deutschen Regelung in den Rechtsordnungen anderer Mitgliedstaaten wie etwa in Belgien, Frankreich, Italien und den Niederlanden, vgl. mit den entsprechenden Nachweisen Pühler, Das Verbot der Anteilsfinanzierung, S. 29 (Fn. 96). 590 Siehe oben Kapitel 3, § 2 A. I. 2. b). 591 Begr. RegE., BT-Drucks. 8/1678, S. 16, vgl. auch Ganske, DB 1978, 2462, 2464. 592 Begr. RegE., ebd.: „Die neue Regelung muß nach der Richtlinie unabhängig davon gesehen werden, ob die Gesellschaft selbst eigene Aktien erwerben darf“; ebenso Cahn, in: Spindler/Stilz, AktG, § 71a Rn. 8; Hüffer, AktG, § 71a Rn. 3; Lutter, in: Kölner Kommentar zum AktG, 2. Aufl., § 71a Rn. 6; Oechsler, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 71a Rn. 39; Wieneke, in: Bürgers/Körber, AktG, § 71a Rn. 1, a. A. Werner, AG 1990, 1, 14; Westermann, in: FS Peltzer, S. 613, 625 f.; in diese Richtung auch OLG Frankfurt a. M., Urteil vom 30.1.1992 – 16U 120/90, AG 1992, 194, 196 bzgl. Kurspflegekosten; differenzierend nach jeweiligen Erlaubnistatbestand des § 71 AktG: Lutter/Drygala, in: Kölner Kommentar zum Aktiengesetz, § 71a Rn. 42 f.; vgl. zum Streitstand Habersack, in: FS Röhricht, S. 155, 166 f. m. w. N. 593 Um den gleichen Schutz wie § 71b AktG zu erreichen hätte es genügt, die Stimmrecht finanzierter Aktien einzufrieren, Pühler, Das Verbot der Anteilsfinanzierung, S. 27 m. w. N. 594 Vgl. T. Bezzenberger, in: K. Schmidt/Lutter; AktG, § 71a Rn. 6: „(. . .) ein Umgehungsschutz kann nicht weiter gehen, als die umgangene Norm“; a. A. Klass, Der Buyout von Aktiengesellschaften, S. 30. 595 Richtlinie des Rates vom 23.11.1992 (92/101/EWG), in: ABl. EG Nr. L 347/64 vom 28.11.1992.

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Die besseren Argumente sprechen somit dafür, § 71a Abs. 1 S. 1 AktG nicht als Umgehungsschutznorm für § 71 AktG aufzufassen597. Allenfalls kann aufgrund der teilweisen Überschneidung der Schutzgüter von einer Ergänzung des § 71 AktG durch das Verbot der finanziellen Unterstützung gesprochen werden598. Damit muss die Regelung einen anderen Zweck verfolgen, unter der Prämisse, dass sie nicht – wie teilweise angenommen599 – (weitgehend) funktionslos ist. 2. Eigenständiger Kapitalschutz

a) Schutzgut: Gesellschaftsvermögen Um die Schutzrichtung des § 71a Abs. 1 S. 1 AktG zu ergründen, muss man nicht die Entstehungsgeschichte bemühen. Schon der Wortlaut gibt Aufschluss über das Schutzgut der Vorschrift. Demnach ist ein Rechtsgeschäft nichtig, das die finanzielle Unterstützung des Aktienerwerbers von Seiten der Gesellschaft durch die „Gewährung eines Vorschusses oder eines Darlehens oder die Leistung einer Sicherheit“ zum Inhalt hat. In all diesen Fällen trägt die Aktiengesellschaft das Insolvenzrisiko des Aktienerwerbers, 596

Pühler, Das Verbot der Anteilsfinanzierung, S. 29. An dieser Einschätzung dürfte auch nichts ändern, dass in Arbeitsunterlagen der Kommission sich der Passus befindet, dass Art. 23 der Kapitalrichtlinie „nicht nur zur Verhinderung der gegebenen Verbote des Erwerbs eigener Aktien dient“; siehe Kommission, Erläuterungen zur Kapitaländerungsrichtlinie, S. 4, abrufbar unter:www.ec.europa.eu/internal_market/company/docs/capital/2004-proposal/explanation_de.pdf (Abrufdatum: 27.9.2008). Denn diese Aussage gibt nur unreflektiert den Stand der derzeit h. M. wieder und enthält im Folgenden die eigentliche inhaltliche Aussage, dass die Richtlinienbestimmung (auch) den Schutz vor missbräuchlichen Praktiken gewähren soll, die die Minderheitsaktionäre und Gläubiger schädigen. 597 Ebenso im Ergebnis T. Bezzenberger, in: K. Schmidt/Lutter; AktG, § 71a Rn. 6; Cahn, in: Spindler/Stilz, AktG, § 71a Rn. 8; Pühler, Das Verbot der Anteilsfinanzierung, S. 29 f., 33; kritisch zum Umgehungsschutz auch Habersack, in: FS Röhricht, S. 155, 160, Schroeder, Finanzielle Unterstützung des Aktienerwerbs, S. 107 ff. Letzterer bejaht jedoch im Ergebnis die Umgehungsschutzfunktion, Schroeder, S. 113; ebenso wie LG Düsseldorf, Urteil vom 28.10.2005 – 39 O 180/04, ZIP 2006, 516, 518; Lutter, in: Kölner Kommentar zum AktG, 2. Aufl., § 71a Rn. 2; Hefermehl/Bungeroth, in: Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, AktG, § 71a Rn. 1; Oechsler, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 71a Rn. 3 f.; Merkt, in: Großkommentar zum AktG, § 71a Rn. 2; Wieneke, in: Bürgers/Körber, AktG, § 71a Rn. 1; Wiesner, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, § 15 Rn. 29; Lutter/Wahlers, AG 1989, 1, 9. 598 Von Ergänzung spricht auch Freitag, AG 2007, 157, 160 f., auch wenn er im Ergebnis sich der herrschenden Meinung anschließt. 599 Habersack, in: FS Röhricht, S. 155, 164 ff., 169 ff.; Freitag, AG 2007, 157, 163; Schmolke, WM 2005, 1828, 1831 ff.

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sei es, weil sie liquide Mittel gegen einen bloßen Rückgewähranspruch „tauscht“ oder – wie bei der Sicherung – für Verbindlichkeiten des Aktienerwerbers einsteht. Die Gemeinsamkeit liegt darin, dass mit diesen Rechtsgeschäften jeweils eine Gefährdung des Gesellschaftsvermögens einhergeht. Unabhängig von dem Erwerb eigener Aktien schützt das Verbot der finanziellen Unterstützung das Kapital der Gesellschaft und steht damit in engem Zusammenhang mit § 57 AktG, der Grundregel der Kapitalerhaltung. Diese Einschätzung bestätigt auch der Verweis der Ausnahmevorschrift des § 23 Abs. 2 S. 2 der Kapitalrichtlinie auf den die Kapitalerhaltung regelnden Art. 15 Abs. 1 a. Ist es nach deutschen Recht auf den ersten Blick nicht recht verständlich, warum zusätzlich zu dem umfassenden Vermögensschutz des § 57 Abs. 1 und 3 AktG noch § 71a Abs. 1 S. 1 AktG vonnöten ist, erschließt sich dies jedenfalls bei Betrachtung der Kapitalrichtlinie. Gemäß ihrem Art. 15 ist dort zu Gunsten der Gläubiger nur das gezeichnete Kapital zuzüglich der gebundenen Rücklagen geschützt, was nach hier vertretener Ansicht dem nach § 57 Abs. 1 S. 1 AktG geschützten Vermögen entspricht. Demgegenüber geht Art. 23 der Kapitalrichtlinie darüber hinaus und bindet für den Sonderfall des Aktienerwerbs durch einen Dritten das gesamte Gesellschaftsvermögen. Jedenfalls in der Logik der Richtlinie ist somit die Vorschrift keineswegs überflüssig600. b) Hintergrund der Verschärfung des Kapitalschutzes beim Aktienerwerb durch Dritte Es bleibt jedoch die Frage offen, warum europarechtlich beim Aktienerwerb durch Dritte der Vermögensschutz verschärft wird. Einen ersten Anhaltspunkt brachte diesbezüglich die Untersuchung der Entstehungsgeschichte, wonach in der Vergangenheit bei Unternehmensübernahmen unter Verwendung des Vermögens der Zielgesellschaft – insbesondere im angelsächsischen Raum – vermehrt Insolvenzen auftraten601. Es wäre jedoch voreilig, hieraus den Schluss zu ziehen, § 71a Abs. 1 S. 1 AktG habe den (alleinigen) Zweck, fremdfinanzierte Übernahmen zu verhindern. Zum einen verbietet § 71a Abs. 1 S. 1 AktG finanzielle Unterstützungen unabhängig von der Menge der zu erwerbenden Aktien. Auch beim Erwerb eines kleinen Anteils von Aktien greift die Vorschrift ein, was über600 Dies gilt unabhängig von dem Streit, ob verdeckte Gewinnausschüttungen von Art. 15 Abs. 1 der Kapitalrichtlinie erfasst sind, vgl. zum Meinungsstand Fleischer, WM 2007, 909, 910 f. 601 Siehe oben Kapitel 3 § 2 A. I. 2. b).

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dies auch dagegen spricht, dass der Schutz der Kompetenzverteilung Hauptzweck der Norm ist602. Zum anderen spricht der Wortlaut des Verbots der finanziellen Unterstützung gegen ein absolutes, kategorisches Verbot von Leveraged Buyouts. Denn sowohl die Formulierung von Art. 23 Abs. 1 der Kapitalrichtlinie „im Hinblick603 auf den Erwerb ihrer Aktien“ als auch die deutsche Version zum Zweck des Erwerbs von Aktien dieser Gesellschaft“ wählen ihrem Wortlaut nach die ex ante-Perspektive vor dem Erwerb. Unabhängig von der umstrittenen Frage, ob aus Umgehungsgründen auch eine Finanzierung in gewissen Grenzen nach dem Aktienerwerb verboten sein soll, zeigt dies, dass nicht eine spätere Refinanzierung des Investments etwa durch Dividendenausschüttungen oder mit Hilfe von Verschmelzungen per se untersagt werden soll. Vielmehr ist es nach dem Wortlaut des § 71a Abs. 1 S. 1 AktG dem Investor nur verboten, den Kontrollerwerb unmittelbar aus dem Vermögen der Aktiengesellschaft zu finanzieren. Ihm bleibt zunächst nur der Weg zu anderen verfügbaren Kreditgebern auf dem Kapitalmarkt604. Diese überprüfen im eigenen Interesse oder aufgrund von gesetzlichen Vorschriften (§§ 13, 18 KWG) die geplante Transaktion auf ihre wirtschaftliche Tragfähigkeit. Durch diese Vorkontrolle der Finanzmärkte wird die Aktiengesellschaft vor Anteilserwerbern geschützt, die durch falsche Kalkulation später jene in Insolvenzgefahr bringen könnte. Oechsler formuliert dies so: „Wenn es ihm (dem Investor605) nicht bei der Finanzierung des Anteilserwerbs gelungen ist, den Markt zu überzeugen, wird von ihm (. . .) wenig Gutes bei der Führung der Zielgesellschaft zu erwarten sein“606. Es geht vornehmlich darum, die Unterscheidung zwischen „schwarzen und weißen Schafen“ unter den Übernahmeinteressenten nicht einer Behörde, sondern dem Kapitalmarkt zu überantworten607. Das umfassende Verbot der finanziellen Unterstützung stellt einen gegenüber Art. 15 der Kapitalrichtlinie vorgelagerten und bezüglich des Umfangs erweiterten und damit eigenständigen Schutz des Gesellschaftsvermögens dar608. In der kritischen Situation der Übernahme wird das Vermögen der Zielgesellschaft geschützt, in erster Linie um die Gesellschaft und ihre Minderheitsaktionäre selbst zu schützen; mittelbar kommt dies den Gesellschaftsgläubigern zugute. In diese Richtung geht auch die jüngste Anmerkung der Kommission, 602 Ebenso im Ergebnis Cahn, in: Spindler/Stilz, AktG, § 71a Rn. 10, der den Schutz der Kompetenzordnung als bloßen Reflex ansieht. Vgl. auch Pühler, Das Verbot der Anteilsfinanzierung, S. 27 f. 603 Englisch: „with a view to“; französisch: „en vue de“. 604 Oechsler, in: Münchener Kommentar, AktG, § 71a Rn. 4. 605 Anmerkung des Verfassers. 606 Oechsler, in: Münchener Kommentar, AktG, § 71a Rn. 4 a. E. 607 Oechsler, ZIP 2006, 1661, 1665. 608 Cahn, in: Spindler/Stilz, AktG, § 71a Rn. 9.

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wonach Art. 23 der Kapitalrichtlinie auch dazu dient, „um in wesentlich allgemeinerem Sinne Schutz vor potenziell missbräuchlichen Praktiken zu gewähren, die Minderheitsaktionäre ebenso schädigen wie Gläubiger.“609 Aber auch dieser Erklärungsversuch kann nicht überzeugend darlegen, warum der europäische Gesetzgeber gerade in der Fallkonstellation des Erwerbs durch Dritte den Kapitalschutz im Vergleich zu Art. 15 der Kapitalrichtlinie zu Gunsten der Gesellschaftsgläubiger und Minderheitsaktionäre verschärft hat. So ist das Gesellschaftsvermögen, und damit auch die Gläubiger und Minderheitsaktionäre, in gleicher Weise gefährdet, wenn außerhalb des Anteilserwerbs durch Dritte die Gesellschaft einen Aktionär ohne Gegenleistung durch eine Darlehensvergabe oder Sicherheitsleistung finanziell unterstützt. Diesbezüglich beschränkt Art. 15 der Kapitalrichtlinie jedoch den Schutz auf das gezeichnete Kapital zuzüglich der gebundenen Rücklagen. Warum den Gläubigern bei einem Erwerb von Anteilen durch Dritte ein umfassenderer „Haftungsfonds“ zur Verfügung stehen soll, ist schwer nachzuvollziehen. Auch der aus der Entstehungsgeschichte hervorgehende Bezug des Art. 23 der Kapitalrichtlinie zu den Takeover-Konstellationen kann diesen Wertungswiderspruch nicht erklären, zumal hieraus nicht herausgelesen werden kann, dass Leveraged Buyouts per se verhindert werden sollen610. Die Kritik an der europäischen Regelung611 ändert jedoch nichts an der Tatsache, dass nunmehr über § 71a Abs. 1 S. 1 AktG das bezüglich des Umfangs des geschützten Gesellschaftsvermögens absolute Verbot der finanziellen Unterstützung zu beachten ist. Dabei entfällt der in der europäischen Regelung begründete Wertungswiderspruch im deutschen Recht jedenfalls auf Tatbestandsebene weitgehend, da § 57 Abs. 3 AktG über die Mindestkapitalbindung des Art. 15 der Kapitalrichtlinie hinausgeht und zu Gunsten der Minderheitsaktionäre das gesamte Vermögen schützt. Inwieweit die eigenständige Kapitalschutzregelung des § 71a Abs. 1 Abs. 1 AktG auch über § 57 AktG hinaus als Schranke für fremdfinanzierte Übernahmen fungiert, ist im Anschluss an das Zwischenergebnis zu untersuchen. 609 Arbeitsunterlagen der Kommission – Ausführliche Erläuterungen zur Kapitaländerungsrichtlinie, S. 4, abrufbar unter: www.ec.europa.eu/internal_market/company/docs/capital/2004-proposal/explanation_de.pdf (Abrufdatum: 27.9.2008). 610 Ähnlich auch Freitag, AG 2007, 157, 164; Lutter/Drygala, in: Kölner Kommentar zum Aktiengesetz, § 71a Rn. 16 f.; Drygala, Der Konzern, 396, 400. 611 Die Entstehungsgeschichte des Art. 23 der Kapitalrichtlinie zeigt exemplarisch, mit welchen Problemen die europäische Rechtsetzung zu kämpfen hat. So gibt es in Europa unterschiedliche Rechtstraditionen, die schwer zu vereinbaren sind. Oftmals steht am Ende ein Kompromiss, der weder in sich stimmig ist noch sich in die verschiedenen nationalen Normensysteme einfügt. Art. 23 der Kapitalrichtlinie dürfte somit nicht das letzte „europäische Geheimnis“ bleiben.

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III. Zwischenergebnis Das umfassende Verbot der finanziellen Unterstützung des Anteilserwerbs Dritter gemäß § 71a Abs. 1 S. 1 AktG stellt eine vom Verbot des Erwerbs eigener Aktien unabhängige, eigenständige Kapitalschutzregelung dar. Die traditionelle Einordnung als Umgehungsschutznorm des § 71 AktG ist aufzugeben; allenfalls kann von einer Ergänzung des Verbots des Erwerbs eigener Aktien gesprochen werden. Die Gründe, die den europäischen Gesetzgeber zu der Verschärfung des Kapitalschutzes beim Anteilserwerb durch Dritte bewogen haben, erschließen sich nicht widerspruchsfrei. Zwar soll die Norm, wie die Entstehungsgeschichte zeigt, zumindest auch die unmittelbare Finanzierung einer Übernahme aus Mitteln der Zielgesellschaft verhindern, ein umfassendes Verbot der bei einem Leveraged Buyout eingesetzten Finanzierungstechniken lässt sich hieraus jedoch nicht ableiten.

B. § 71a AktG als Schranke für fremdfinanzierte Übernahmen Ist § 71a Abs. 1 S. 1 AktG kein generelles Verbot für fremdfinanzierte Übernahmen zu entnehmen, bedarf es zur Bestimmung der Grenzen für die bei einem Leveraged Buyout eingesetzten Finanzierungstechniken einer detaillierten Analyse des personellen, zeitlichen und sachlichen Anwendungsbereiches der Norm. Hierbei ist aufgrund der unklaren Motivationslage des europäischen und deutschen Gesetzgebers Zurückhaltung bezüglich einer extensiven teleologischen Auslegung geboten. Denn können die Zwecke, die der Gesetzgeber durch das Gesetz zu verwirklichen sucht, wie im Falle des Verbotes finanzieller Unterstützung nicht zweifelsfrei bestimmt werden, muss gerade bei einer europaweiten Regelung der Wortsinn entscheidendes Auslegungskriterium bleiben. Ansonst kann keine Rechtsvereinheitlichung gewährleistet werden. Dies bedeutet nicht, dass eine richterliche Rechtsfortbildung im Wege einer Analogiebildung oder eines „Erst-Recht-Schlusses“ ausgeschlossen ist. Jedoch müssen die allgemeinen Voraussetzungen einer richterlichen Rechtsfortbildung, insbesondere die planwidrige Regelungslücke, sorgfältig begründet werden. I. Personeller und zeitlicher Anwendungsbereich 1. Leistungsempfänger

Der Leistungsempfänger wird durch zwei Tatbestandsmerkmale bestimmt: Die Leistung muss „an einen anderen“ erfolgen, und zwar „zum

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Kap. 3: Das aktienrechtliche Kapitalschutzsystem

Zweck des Erwerbs von Aktien dieser Gesellschaft“. Wie schon im Rahmen des § 57 AktG wird auch hier die Konzernproblematik bei der Leistung an ein abhängiges Unternehmen zunächst ausgeklammert. Die Frage, ob in diesen Konstellationen die §§ 291 ff., §§ 311 ff. AktG die Regelung des § 71 Abs. 1 S. 1 AktG verdrängen, ist Gegenstand des 5. Kapitels. a) „An einen anderen“ Im Vergleich zu § 57 Abs. 1, 3 AktG, nach dessen Wortlaut nur Aktionäre Empfänger der Leistung sein können, fasst § 71a Abs. 1 S. 1 AktG den Empfängerkreis mit der Formulierung „an einen anderen“ weiter. Darunter fallen alle von der unterstützenden Aktiengesellschaft zu unterscheidenden Rechtssubjekte. Der Leistungsempfänger muss also nicht gleichzeitig der Aktienerwerber sein, möglich ist insbesondere auch ein vom Aktienerwerber eingeschalteter Dritter612. Bei einem Leveraged Buyout kommen damit als Leistungsempfänger sowohl die Erwerbergesellschaft in Betracht als auch die hinter ihr stehenden Gesellschaften bis hin zum Private Equity Fonds. Auch die kreditgebenden Banken sind denkbare Empfänger. b) „Zum Zweck des Erwerbs“ aa) Funktionszusammenhang zwischen finanzieller Unterstützung und Erwerbsgeschäft Die wesentliche Einschränkung des Empfängerkreises besteht darin, dass finanzielle Unterstützungen an Dritte nicht generell verboten sind, sondern nur dann, wenn die Leistung „zum Zweck des Erwerbs von Aktien dieser Gesellschaft“ erfolgt. Die Leistung muss dem Empfänger gerade gewährt werden, um Aktien der unterstützenden Gesellschaft zu kaufen613. Dies ist unstreitig der Fall, wenn sich die Aktiengesellschaft mit dem Begünstigten 612 Allgemeine Ansicht vgl. u.v. Merkt, in: Großkommentar zum AktG, § 71a Rn. 42; Oechsler, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 71a Rn. 33. 613 Bezugspunkt des Verbots der finanziellen Unterstützung kann beim derivativen Aktienerwerb sowohl das obligatorische Rechtsgeschäft (Kaufvertrag) als auch das Verfügungsgeschäft sein, da bereits durch Finanzierungshilfen bezogen auf dem im Verpflichtungsgeschäft vereinbarten Kaufpreises das Gesellschaftsvermögen gefährdet wird, h. M. Merkt, in: Großkommentar zum AktG, § 71a Rn. 3 f.; Oechsler, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 71a Rn. 14 f.; teilweise a. A. Schroeder, Finanzielle Unterstützung des Aktienerwerbs, S. 151, der allein auf die Übertragung der Mitgliedschaf abstellt. Der Streit wirkt sich in aller Regel beim Leveraged Buyout jedoch nicht aus, da dort bei den Unterstützungshandlungen der Bezug auch zum dinglichen Erwerbsgeschäft unproblematisch gegeben ist.

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geeinigt hat, dass die Mittel zum Aktienerwerb eingesetzt werden614. Die erwerbsbezogene Mittelverwendung muss jedoch weder ausdrücklich noch konkludent Vertragsinhalt des Finanzierungsgeschäftes werden. Vielmehr genügt es, dass der objektive Zweck der Finanzierung in der Ermöglichung des Aktienerwerbs liegt und subjektiv Aktiengesellschaft und Leistungsempfänger um die Verknüpfung von Finanzierungs- und Erwerbsgeschäft wissen615. Beim Leveraged Buyout liegt der objektive Funktionszusammenhang im Normalfall vor, da regelmäßig das Finanzierungsgeschäft in einem engen zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit dem Erwerbsgeschäft abgeschlossen wird, was zu einer Vermutung der objektiven Zweckbindung führt. Bejaht man objektiv den Funktionszusammenhang, wird wiederum die entsprechende Willensbildung der Parteien widerleglich vermutet616. Der Gegenbeweis, dass die finanzielle Unterstützung in erster Linie anderen Zwecken als dem Erwerb der Aktien gedient hat, wird selten gelingen. In Frage kommt dies etwa bei Betriebsmittelkrediten oder bei Darlehen, die der Aktionär für sonstige Investitionen verwendet617. Denkbar ist auch der Nachweis eines eigenständigen, wirtschaftlichen Interesses der Aktiengesellschaft bei der Einbindung der Gesellschaft in ein konzernweites CashManagement-System618. Dann gelten jedoch die in Kapitel 5 behandelten Sonderregeln des Konzernrechts. Der Funktionszusammenhang könnte leicht durch Dazwischenschalten eines Mittelsmannes unterbrochen werden. Der Gesetzgeber hat diese Umgehungsgefahr jedoch gesehen und die Konstellation, bei der ein Dritter auf Rechnung der Aktiengesellschaft handelt, über den Verweis in § 71d S. 4 AktG dem Verbot der finanziellen Unterstützung unterworfen619. Steht der Mittelsmann auf Seiten des Erwerbers und besteht mit der Aktiengesellschaft Konsens darüber, dass dieser die finanzielle Unterstützung an den Er614 Allgemeine Meinung Lutter, in: Kölner Kommentar zum AktG, 2. Aufl., § 71a Rn. 6; Hüffer, AktG, § 71a Rn. 6; Oechsler, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 71a Rn. 35; Merkt, in: Großkommentar zum AktG, § 71a Rn. 45; Wieneke, in: Bürgers/Körber, AktG, § 71a Rn. 6; Cahn, in: Spindler/Stilz, AktG, § 71a Rn. 35. 615 T. Bezzenberger, in: K. Schmidt/Lutter; AktG, § 71a Rn. 14; Lutter/Wahlers, AG 1989, 1, 9; ähnlich auch Oechsler, ebd.; Merkt, ebd.; ausführlich: Schroeder, Finanzielle Unterstützung des Aktienerwerbs, S. 202 f.; a. A. noch Hefermehl/Bungeroth, in: Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, AktG, § 71a Rn. 6. 616 Cahn, in: Spindler/Stilz, AktG, § 71a Rn. 35.; Merkt, in: Großkommentar zum AktG, § 71a Rn. 45; Oechsler, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 71a Rn. 35; Schroeder, Finanzielle Unterstützung des Aktienerwerbs, S. 203 f. 617 Diem, Akquisitionsfinanzierungen, § 46 Rn. 39 (S. 243). 618 Vgl. hierzu Cahn, in: Spindler/Stilz, AktG, § 71a Rn. 35. 619 Vgl. hierzu Oechsler, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 71a Rn. 34. Ausführlich: Schroeder, Finanzielle Unterstützung des Aktienerwerbs, S. 265 ff.

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werber weiterleitet, erfolgt schon die Leistung an den Mittelsmann – wenn auch mittelbar – „zum Zweck des Erwerbs“. bb) Zeitlicher Anwendungsbereich Des Weiteren ist zu untersuchen, ob das Tatbestandmerkmal „zum Zweck des Erwerbs“ auch den zeitlichen Anwendungsbereich der Norm begrenzt. Im Gegensatz zu § 57 Abs. 1 und 3 AktG, bei dem jedenfalls nach dem Wortlaut der Begünstigte bei Leistungsempfang schon Aktionär sein muss, ist das Verbot der finanziellen Unterstützung unstreitig auf Finanzierungsvorgänge vor Aktienerwerb anwendbar, unabhängig davon, ob der Begünstigte später tatsächlich Aktionär wird620. Dies folgt sowohl aus dem Wortlaut als auch aus dem telos der Vorschrift, Investoren eine unmittelbare Finanzierung aus Mitteln der Zielgesellschaft zu verbieten und auf externe Kreditgeber zu verweisen621. Umgekehrt stellt sich hier jedoch die im Rahmen von § 57 AktG unproblematische Frage, ob Leistungsempfänger i. S. d. § 71a Abs. 1 S. 1 AktG nur der Erwerbsinteressent ist, oder auch derjenige, der bereits die Aktien erworben hat. Aus anderer Perspektive formuliert: Umfasst das Verbot der finanziellen Unterstützung nur die Zeitspanne bis zum Erwerb der Aktien oder unterfallen ihm auch Finanzierungen, die nach dem Erwerb erfolgen. (1) Argumentation für die Erstreckung auf Finanzierungsvorgänge nach Erwerb Die Rechtsprechung hat sich bisher noch nicht mit der Problematik beschäftigt, da die wenigen Fälle, in denen § 71a AktG bisher eine Rolle spielte, allesamt Unterstützungshandlungen vor dem Aktienerwerb zum Inhalt hatten622. Die Literatur sieht nahezu einhellig auch Finanzierungen nach Erwerb vom Anwendungsbereich des § 71a Abs. 1 S. 1 AktG erfasst623. 620 Oechsler, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 71a Rn. 6; Cahn, in: Spindler/Stilz, AktG, § 71a Rn. 30. 621 Siehe oben Kapitel 3 § 2 A. II. 2. b). 622 Vgl. BGH, Urteil vom 12.9.2006 – XI ZR 296/05, ZIP 2006, 2119 ff.; OLG Frankfurt a. M., Beschluss vom 22.21.2003 – 19 U 78/03, AG 2004, 567 ff.; OLG Frankfurt a. M., Urteil vom 30.1.1992 – 16 U 120/90, AG 1992, 194 ff.; OLG München, Urteil vom 24.1.2006 – 5 U 4383/05, juris Rn. 1 ff.; LG Mainz, Urteil vom 27.8.2004, 11 HKO 16/04, NZG 2005, 325; LG Mainz, Urteil vom 18.9.1986, – 12 HO 53/85, AG 1997, 91 ff.; LG Göttingen, Urteil vom 6.1.1992 – 8 O 123/91, WM 1992, 1373. 623 Cahn, in: Spindler/Stilz, AktG, § 71a Rn. 36; Hefermehl/Bungeroth, in: Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, AktG, § 71a Rn. 9; Hüffer, AktG, § 71a Rn. 3.; Lut-

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Zwar wird erkannt, dass der Wortlaut „zum Zweck des Erwerbs“ auf ein bevorstehendes Ereignis hinweist und somit nach dem Wortsinn lediglich Finanzierungen vor dem Aktienerwerb unter das Verbot fallen. Jedoch verweist die ganz herrschende Meinung auf die im Vergleich hierzu offenere Formulierung des Richtlinientextes in der deutschen („im Hinblick auf den Erwerb“), englischen („with a view to the acquisition“) und französischen Version („en vue de l’ acquisition“) und bezeichnet die weite Interpretation als „richtlinienkonforme Auslegung“624. Von Teilen der Literatur wird zusätzlich mit Blick auf die Entstehungsgeschichte darauf hingewiesen, dass auch die nationalen Vorgängernormen des Verbots der finanziellen Unterstützung Finanzierungen nach dem Aktienerwerb mit einbeziehen625. Als Hauptargument werden jedoch teleologische Erwägungen angeführt: So sprächen zwingende Gründe für ein weites Normverständnis, da ansonsten die besonders gefährliche Fallkonstellation der feindlichen Übernahme nicht erfasst sei626. Bei diesen ist der Aktienerwerber – mangels Kontrolle der Zielgesellschaft – zunächst auf eine externe Zwischenfinanzierung angewiesen627; die finanzielle Unterstützung erfolge stets nach dem Aktienerwerb. Auch würde § 71a Abs. 1 S. 1 AktG insgesamt leer laufen, wenn die Norm durch zwischenfinanzierte Kredite (sog. Bridging Loan) umgangen ter, in: Kölner Kommentar zum AktG, 2. Aufl., § 71a Rn. 6; Merkt, in: Großkommentar zum AktG, § 71a Rn. 46; Oechsler, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 71a Rn. 36; T. Bezzenberger, in: K. Schmidt/Lutter; AktG, § 71a Rn. 14; Wieneke, in: Bürgers/Körber, AktG, § 71a Rn. 6; Fleischer, AG 1996, 494, 501; Horn, ZIP 1987, 1234; Schroeder, Finanzielle Unterstützung des Aktienerwerbs, S. 194 ff.; Singhof, NZG 2002, 745, 746; Riegger, ZHR 2008, 233, 237; Seibt, ZHR 171 (2007), 282, 303; Nuyken, ZIP 2004, 1893, 1895; Schneider, NZG 2007, 888, 891; Diem, Akquisitionsfinanzierungen, § 46 Rn. 40 (S. 244); Ludwig, in: FG Happ, 131, 137 f.; Klass, Der Buyout von Aktiengesellschaften, S. 133 ff.; a. A. Otto, in: Assmann/Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, 2. Auflage, § 26 Rn. 114; ders., DB 1989, 1389, 1395; Semler, in: Handbuch des Unternehmens- und Beteiligungskaufs, Teil VII Rn. 207; jüngst auch Holzner, Private Equity, der Einsatz von Fremdkapital und Gläubigerschutz, S. 236 f.; differenzierend: Lutter/Wahlers, AG 1989, 1, 9; Becker, DStR 1429, 1431. 624 Vgl. Merkt, in: Großkommentar zum AktG, § 71a Rn. 46; vgl. auch Cahn, in: Spindler/Stilz, AktG, § 71a Rn. 36; Pühler, Das Verbot der Anteilsfinanzierung, S. 78 m. w. N. aus der europäischen Literatur (Fn. 266); Fleischer, AG 1996, 494, 501; Schroeder, Finanzielle Unterstützung des Aktienerwerbs, S. 195; Diem, Akquisitionsfinanzierungen, § 46 Rn. 40 (S. 244), Ludwig, in: FG Happ, 131, 138. 625 Merkt, in: Großkommentar zum AktG, § 71a Rn. 46 („Vorbild im englischen Recht“); Schroeder, Finanzielle Unterstützung des Aktienerwerbs, S. 196 mit Verweis auf Sec. 45 CA 1929; zurückhaltend: Fleischer, AG 1996, 494, 501. 626 Fleischer, AG 1996, 494, 501; Pühler, Das Verbot der Anteilsfinanzierung, S. 79; ähnlich: Merkt, in: Großkommentar zum AktG, § 71a Rn. 46. 627 Hieraus sind historisch die Junk Bonds entstanden, vgl. Oechsler, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 71a Rn. 36 m. w. N.

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Kap. 3: Das aktienrechtliche Kapitalschutzsystem

werden könnte628. Für Asset Stripper wäre es ein Leichtes, unmittelbar nach Kontrollwechsel mit der Ausplünderung der Gesellschaft zu beginnen629. Im Übrigen sei es für die Sicherung des Gesellschaftsvermögens zum Schutz der Gläubiger und Minderheitsaktionäre „völlig irrelevant“, ob die Aktiengesellschaft den Erwerb im Vorfeld oder im Nachhinein finanziere630. (2) Argumentation für eine enge Auslegung des Art. 23 Abs. 1 der Kapitalrichtlinie Diese Argumentation erscheint jedoch angreifbar. Ausgangspunkt und Grenze jeder Auslegung ist, wie bereits erwähnt, der mögliche Wortsinn631. Nach der Formulierung „zum Zweck des Erwerbs“ muss der Beweggrund des Begünstigten der Aktienerwerb sein. Ist ein Ziel aber schon verwirklicht, kommt es denknotwendig als Zweck nicht mehr in Betracht. In diesem Fall unterstützt die Leistung der Aktiengesellschaft nicht den Erwerb, sondern den Behalt der Aktien632. Unterstützungshilfen nach Erwerb sind damit nicht mehr vom Wortlaut des § 71a Abs. 1 S. 1 AktG erfasst633. Der Verweis der Kommentarliteratur auf eine richtlinienkonforme Auslegung, um diese Hürde zu überspringen, überzeugt aus mehreren Gründen nicht: Bevor die Voraussetzungen einer richtlinienkonformen Auslegung geprüft werden, müsste zunächst aus dem Richtlinientext (im Hinblick auf den Erwerb) die Erstreckung auf Finanzierungshilfen nach dem Aktienerwerb herauszulesen sein634. Die für eine weite Auslegung angeführte englische und französische Version des Richtlinientextes635 scheint hierfür jedoch we628 Vgl. Cahn, in: Spindler/Stilz, AktG, § 71a Rn. 36; Merkt, in: Großkommentar zum AktG, § 71a Rn. 46; Oechsler, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 71a Rn. 36; Fleischer, AG 1996, 494, 501; Lutter/Wahlers, AG 1989, 1, 9. 629 Fleischer, AG 1996, 494, 501. 630 Schroeder, Finanzielle Unterstützung des Aktienerwerbs, S. 196. 631 Canaris, Die Feststellung von Lücken im Gesetz, S. 19 ff.; Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 164; vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 8.2.1983 – 1 BvL 20/81, BVerfGE 63, 131, 148; BVerfG, Beschluss vom 22.10.1985, 1 BvL 44/83, BVerfGE 71, 81, 105; a. A. Säcker, in: Münchener Kommentar zum BGB, Einleitung Rn. 117, der im möglichen Wortsinn keine unübersteigbare Schranke der Auslegung sieht. 632 Dieser Gedanke findet sich schon bei Becker, DStR 1998, 1429, 1431. 633 Ähnlich auch Otto, in: Assmann/Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, 2. Auflage, § 26 Rn. 114; ders., DB 1989, 1389, 1395; a. A. Riegger, ZGR 2008, 233, 237. 634 Bei der Auslegung des Richtlinientextes sind alle Sprachfassungen gleichermaßen verbindlich, vgl. EuGH, Urteil vom 24.10.1996, C-72/95, Slg. 1996 I-05403; Wolf, in: Grabitz/Hilf, EU Bd. 3, Vorbem. Art. 1, Rn. 20. Der Verfasser beschränkt sich hier auf die französische, englische italienische und deutsche Sprachfassung.

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nig geeignet. Denn beide Fassungen („with a view to“ bzw. „en vue de“) zielen von ihrem Wortsinn her in die Zukunft636. Übersetzt werden sie mit „in der Absicht“, „mit dem Ziel auf“, „mit Blick auf“ oder „zwecks einer Sache“637. Allen Bedeutungsvarianten ist gemein, dass der beabsichtigte Vorgang – hier also der Aktienerwerb – noch nicht abgeschlossen ist. Die englische und französische Version des Richtlinientextes können daher nicht für ein weites, sondern für ein enges Normverständnis angeführt werden638. Auch die italienische Richtlinienfassung „per l’acquisto“ („um zu erwerben“ oder „für den Erwerb“) legt nahe, dass die finanzielle Unterstützung chronologisch vor dem Erwerb stattzufinden hat639. Damit spricht vieles dafür, auch die deutsche Version der Richtlinie „im Hinblick auf den Erwerb“ nicht als Synonym für „bezüglich“ aufzufassen, sondern, dem ursprünglichen Wortsinn folgend, als ein die zeitliche Reihenfolge vorgebendes Tatbestandsmerkmal zu begreifen. Ebenso sah es der deutsche Gesetzgeber, als er bei der Umsetzung des Art. 23 der Richtlinie anstatt „in Hinblick auf den Erwerb“, die nun sich in § 71a Abs. 1 S. 1 AktG befindende Formulierung „zum Zweck des Erwerbs“ wählte. Die Beschränkung auf Unterstützungshandlungen vor Aktienerwerb verhindert überdies auch die Rechtsunsicherheit bezüglich einer objektiven zeitlichen Grenze. So wird von den Befürwortern der Ausdehnung des Anwendungsbereiches auf Unterstützungshandlungen nach Aktienerwerb teilweise eine feste zeitliche Grenze angenommen (zumeist sechs Monate)640. Nach diesem Zeitraum sei ein Funktionszusammenhang abzulehnen641. Eine zeitliche Grenze erscheint jedoch willkürlich. Dies verdeutlicht ein Vergleich zu § 8a Abs. 6 Nr. 1 KStG a. F. Auch in dieser mittlerweile außer Kraft getretenen Vorschrift642 gab es den Passus, dass das Fremdkapital 635

Fleischer, AG 1996, 494, 501. Vgl. Pons, Collins, Großwörterbuch für Experten und Universität 1999, S. 1974 (Übersetzung: „In der Absicht, etwas zu tun“); Le petit Larousse 2002, S. 1079, (Synonym: „dans l’intension de“). 637 Vgl. die möglichen Übersetzungsvarianten unter www.leo.org; Pons, Collins, ebd.; Le petit Larousse, ebd. 638 A. A. Fleischer, AG 1996, 494, 501. 639 Dies konzediert auch die Gegenansicht, vgl. Fleischer, AG 1996, 494, 501. 640 Lutter, in: Kölner Kommentar zum AktG, 2. Aufl., § 71a Rn. 6 i. V. m. § 66 Rn. 34 (sechs Monate); ders., in: FS Stiefel, S. 504, 515 (mehrere Wochen); Riegger, ZGR 2008, 233, 303 (bzgl. Leveraged Recapitalization 6 Monate nach Aktienerwerb); ausführlich: Schroeder, Finanzielle Unterstützung des Aktienerwerbs, S. 197 f. m. w. N. 641 Lutter, in: Kölner Kommentar zum AktG, 2. Aufl., § 71a Rn. 6 i. V. m. § 66 Rn. 34; ders., in: FS Stiefel, S. 504, 515; Riegger, ZGR 2008, 233, 303. 642 Die Vorschrift wurde durch das Gesetz zur Umsetzung der Protokollerklärung der Bundesregierung zur Vermittlungsempfehlung zum Steuervergünstigungsabbau636

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Kap. 3: Das aktienrechtliche Kapitalschutzsystem

„zum Zweck des Erwerbs einer Beteiligung“ aufgenommen worden sein muss. Hier wurde allerdings vom Bundesministerium der Finanzen die nachzeitliche Grenze bei einem Jahr angesetzt643. Dies wurde teilweise kritisiert und unter Verweis auf die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs auch bei der steuerrechtlichen Vorschrift eine Ausdehnung nach Beteiligungserwerb abgelehnt644. Zu Recht wurde argumentiert, die Formulierung „zum Zweck des Erwerbs“ verlange einen unmittelbaren Veranlassungszusammenhang und könne nicht mit „anlässlich des Erwerbs“ gleichgesetzt werden645. Im Übrigen wird durch eine zeitliche Grenze das Argument, die nachzeitige Ausdehnung sei erforderlich, um Umgehungssachverhalte einzufangen, entkräftigt, da sich hierdurch – über längere Laufzeiten der Bridge Loan – lediglich die zeitliche Missbrauchslinie nach hinten verschiebt. Nicht überzeugen kann auch der Verweis auf die Regelungsvorbilder im britischen Gesellschaftsrecht (Sec. 45 CA 1929 bzw. Sec. 54 CA 1948), die auch Finanzierungsvorgänge nach dem Aktienerwerb erfassten. Zum einen zeigt die Entstehungsgeschichte, dass unterschiedliche nationale und europarechtliche Aspekte die Richtlinienbestimmung beeinflusst haben, zum anderen gilt der Grundsatz der autonomen Auslegung unionsrechtlicher Vorschriften, der einen Rückgriff auf nationale Vorschriften verbietet646. Schwerer wiegt das teleologische Argument, Art. 23 der Kapitalrichtlinie könnte bei Nichterstreckung auf Finanzierungsvorgänge nach Aktienerwerb leicht umgangen werden und sei bei enger Interpretation sinnentleert. Doch auch diesbezüglich widerspricht sich die (neuere) Kommentarliteratur: Denn einerseits wird betont, dass das Verbot der finanziellen Unterstützung nicht per se Leveraged Buyouts verhindern will, sondern dem Investor nur verbietet, den Kontrollerwerb unmittelbar aus dem Gesellschaftsvermögen der Erwerbergesellschaft zu finanzieren und ihn stattdessen zur Finanzierung an die Finanzmärkte verweist647. Andererseits wird gerade in dieser gesetz vom 22.12.2003, BGBl. I 03, 2840, 2842 (in Kraft zum 1.1.2004) eingeführt und trat am 18.8.2007 durch das Unternehmenssteuerreformgesetz 2008 vom 14.8.2007, BGBl. I. 07, 1912, 1927 f. („Korb II-Gesetz“) außer Kraft. 643 Verwaltungsanweisung des BMF vom 19.9.2006, 559, BStBl. I 06, 559 Tz. 9 ff.; Köplin/Koch, in: Erle/Sauter, KStG, § 8a Rn. 684. 644 Breuninger, in: FS Raupach, S. 437, 551 unter Verweis auf BFH Beschluss vom 4. Juli 1990, GrS 2-3/88, BStBl. II 1990, 817 (zu § 3c Abs. 1 EStG). 645 Breuninger, in: FS Raupach, S. 437, 450. 646 Cahn, in: Spindler/Stilz, AktG, § 71a Rn. 6; Lutter, JZ 1992, 593, 601 f.; Bleckmann, ZGR 1992, 364, 365 f.; Everling, ZGR 1992, 376, 386 f.; siehe hierzu ausführlich Kapitel 3 § 2 A. I. 2. b). 647 Oechsler, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 71a Rn. Rn. 4; ders., ZIP 2006, 1661, 1665.

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Zwischenfinanzierung eine Umgehung der Norm gesehen648. Wenn man aber hervorhebt, dass ein Übernahmevorhaben für das Gesetz akzeptabel ist, wenn es sich auf den Eigen- und Fremdkapitalmärkten durchgesetzt hat649 und dem Verbot der finanziellen Unterstützung in diesem Sinne als Hauptzweck einen „vorgelagerten Schutz“ zuerkennt650, kann man nicht gleichzeitig der Norm ihre Zweckmäßigkeit absprechen, sollten Finanzierungen nach Aktienerwerb nicht erfasst werden651. Auch wenn man Finanzierungen nach Anteilserwerb dem Anwendungsbereich von Art. 23 der Kapitalrichtlinie entzieht, verliert die Norm nicht ihre Daseinsberechtigung, sondern erfüllt mit dem Verweis des Anteilserwerbers auf die Vorkontrolle durch die Finanzmärkte eine wichtige Funktion. Für eine Beschränkung des Anwendungsbereichs auf finanzielle Unterstützungen im Vorfeld der Übernahme spricht auch die Entstehungsgeschichte. Im Kommissionsvorschlag zur Kapitalrichtlinie findet sich der Hinweis, dass sich die Ausdehnung der für den einzelnen Gesellschafter geltenden Vorschriften auf verbundene Unternehmen nur im Zusammenhang mit dem gesamten Komplex des Konzernrechts regeln ließe. Konzernrechtliche Aspekte sollten daher einer gesonderten Rechtsangleichung vorbehalten bleiben652. Zwar bezog sich diese Aussage allein auf die Ausdehnung der Beschränkung des Erwerbs eigener Aktien auf Konzernsachverhalte. Jedoch kann man hieraus generell schließen, dass die Kapitalrichtlinie nicht in das Konzernrecht der einzelnen Mitgliedstaaten eingreifen wollte653. Würde sich Art. 23 der Kapitalrichtlinie auf Unterstützungshandlungen nach Erwerb erstrecken, wäre eine Kollision mit den speziellen konzernrechtlichen Ausgleichs- und Haftungssystem hingegen unvermeidbar. Denn bei Übernahmen, dem Hauptanwendungsfall des Verbots der finanziellen Unterstützung, wird in aller Regel ein konzernrelevantes Abhängigkeitsverhältnis zwischen Erwerber- und Zielgesellschaft begründet654. Im deutschen 648

Oechsler, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 71a Rn. 36. Oechsler, Rn. 4; ders., ZIP 2006, 1661, 1665. 650 Cahn, in: Spindler/Stilz, AktG, § 71a Rn. 9. 651 So aber Oechsler, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 71a Rn. 36; Cahn, in: Spindler/Stilz, AktG, § 71a Rn. 36. 652 Anmerkung zu Art. 20. des Kommissionsvorschlages, ABl. EG Nr. C 48 vom 24.4.1970, S. 20. Diese Ansicht wurde auch vom deutschen Durchführungsgesetzgeber geteilt, vgl. Begr. RegE., BT-Drucks. 8/1678, S. 16. 653 Ebenso Schroeder, Finanzielle Unterstützung des Aktienerwerbs, S. 280; vgl. auch allgemein zur Nichtanwendbarkeit der Kapitalrichtlinie auf konzerngebundene Unternehmen: Langenbucher, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 291 Rn. 71; Emmerich, in: Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 291 Rn. 75, Wand/Tillmann/Heckenthaler, in: AG 2009, 148, 150, 153. 654 Vgl. für das deutsche Recht §§ 17, 16 Abs. 1, 311 AktG; siehe hierzu ausführlich Kapitel 5. 649

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Recht würde das Verbot der finanziellen Unterstützung mit der Ausgleichsregel des § 311 Abs. 1, 2 AktG kollidieren. Schließlich gibt auch der durch die Kapitaländerungsrichtlinie655 neu gefasste Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 3 S. 2 einen Hinweis, dass auch in der ursprünglichen Version nur Unterstützungshandlungen vor Aktienerwerb von der Richtlinienbestimmung erfasst werden sollten. Dort heißt es, dass das Verwaltungsorgan der Hauptversammlung einen schriftlichen Bericht vorzulegen hat, aus dem u. a. „der Preis hervorgeht, zu dem der Dritte die Aktien erwerben soll“. Dies zeigt, dass im Anwendungsbereich des Art. 23 der Aktienerwerb noch bevorsteht und noch nicht abgeschlossen ist. Berücksichtigt man noch, dass aufgrund der unklaren Motivationslage des europäischen Gesetzgebers Zurückhaltung bezüglich einer teleologischen Extension geboten ist, sprechen die besseren Argumente dafür, dass entgegen der ganz herrschenden Meinung Art. 23 der Kapitalrichtlinie Finanzierungen nach Erwerb nicht umfasst656. (3) Keine richtlinienkonforme Extension des § 71a Abs. 1 S. 1 AktG Doch auch wenn man bezüglich Art. 23 der Kapitalrichtlinie die Gegenansicht vertritt, bedeutet dies nicht automatisch, dass auch § 71a Abs. 1 S. 1 AktG Finanzierungen nach Anteilserwerb in das Verbot mit einschließt. Aufgrund des engen Wortlauts „zum Zweck des Erwerbs“ kommt dies nur über eine teleologische Extension657 in Betracht. Hierfür muss der Wortsinn vor dem Hintergrund der die ratio legis vorgebenden europäischen Regelung zu eng sein. Da es sich hierbei um eine den Wortlaut der Norm überschreitende gesetzesimmanente Rechtsfortbildung handelt, ist der in der Literatur übliche Begriff der richtlinienkonformen „Auslegung“ nicht ganz passend. Jedenfalls in der Terminologie der deutschen Methodenlehre müsste der Vorgang als richtlinienkonforme „Extension“ bezeichnet werden658. Vorausset655 Richtlinie 2006/68/EG vom 6.9.2006 „zur Änderung der Richtlinie 77/91/ EWG des Rates in Bezug auf die Gründung von Aktiengesellschaften und die Erhaltung und Änderung des Kapitals“ ABl. EU 2006 Nr. L 264, 32 ff. 656 Ebenso im Ergebnis Otto, in: Assmann/Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, 2. Auflage, § 26 Rn. 114; ders., DB 1989, 1389, 1395; Für Frankreich, Niederlande und Belgien vgl. Nachweise bei Pühler, Das Verbot der Anteilsfinanzierung, S. 78 (Fn. 264). 657 Vgl. hierzu Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 216 ff. mit Beispielen; Canaris, Die Feststellung von Lücken im Gesetz, S. 89 ff. 658 Die Bezeichnung „richtlinienkonforme Auslegung“ ist dem europäischen Begriffsverständnis geschuldet, das – anders als nach deutscher Methodenlehre – auch die Rechtsfortbildung unter den Begriff der Auslegung fasst, vgl. BGH, Urteil vom 26.21.2008 – VIII ZR 200/05, juris Rn. 21; richtig daher nach europäischen Ver-

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zung hierfür ist nach hier vertretener Ansicht das Vorliegen einer Regelungslücke659. Eine solche ist abzulehnen, wenn eine andere nationale Norm den fehlenden Anwendungsbereich abdeckt, da der nationale Gesetzgeber bezüglich der Art und Weise der Umsetzung einer Richtlinie frei ist, solange das europarechtlich vorgegebene Ziel erreicht wird. Auch wenn man entgegen der hier vertretenen Ansicht Art. 23 der Kapitalrichtlinie die Vorgabe entnimmt, dass Unterstützungshandlungen auch nach Aktienerwerb verboten sind, darf § 71a Abs. 1 S. 1 AktG mithin dann nicht extensiv erweitert werden, wenn schon § 57 Abs. 1 und 3 AktG die Finanzierungsunterstützung nach Aktienerwerb verbietet. Dies ist – wie oben ausführlich erörtert660 – unstreitig bei Unterstützungshandlungen an den Aktionär zu bejahen. Damit ist der Hauptanwendungsfall erfasst, weil nach Anteilserwerb der Erwerber Aktionär der unterstützenden Aktiengesellschaft ist. Lücken können sich damit nur bei Leistungen an Dritte – etwa den Kreditgeber – nach Aktienerwerb ergeben. Aber auch dort wird § 57 Abs. 1 und 3 AktG eingreifen, da Leistungen an Dritte, die „im Hinblick auf dem Erwerb“ erfolgen, in aller Regel dem Erwerber zuzurechnen sind. Zahlt etwa die Zielgesellschaft einen vom Erwerber aufgenommenen Kredit zurück, liegt eine Leistung an den Erwerber vor, da seine Verbindlichkeit getilgt wird661. Gerade die Fallgruppen, bei denen das Eingreifen des § 57 AktG problematisch ist (z. B. Leistung an den zukünftigen Aktionär, Break-up Fees), sind bei den Finanzierungshilfen nach Erwerb nicht einschlägig. Damit deckt § 57 Abs. 1 und 3 AktG jedenfalls weitgehend finanzielle Unterstützungshandlungen nach Erwerb ab662. An dieser Einschätzung dürfte auch der durch das MoMiG663 eingeführte § 57 Abs. 1 S. 3 AktG nichts ändern, da zuvor auch auf europäischer Ebene durch die Kapitaländerungsrichtlinie664 eine, wenn auch weniger weitgehende Liberalisierung eingetreten ist. Auch wenn diese Lockerung der Kapitalbindung im deutschen Recht noch nicht umgesetzt wurde, liegt jedenfalls keine Verletzung von Europarecht vor, solange man sich im Rahmen des durch die „Kapitaländerungsrichtlinie“ neu gefassten Art. 23 bewegt. ständnis die Feststellung von Gsell, in: Staudinger, Eckpfeiler des Zivilrechts, S. 488, dass „das Gebot richtlinienkonformer Auslegung die richterliche Rechtsfortbildung [einschließt ]“. 659 Siehe hierzu oben Kapitel 3 § 2 A. I. 1. 660 Siehe oben Kapitel 3 § 1 B. I. 661 Siehe oben Kapitel 3 § 1 B. I. 1. c) aa). 662 Ebenso Lutter/Wahlers, AG 1989, 1, 9 für die Bestellung von Sicherheiten; vgl. zu den Überschneidung auch Habersack, in: FS Röhricht, S. 155, 164 ff. 663 Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) vom 23. Oktober 2008, BGBl. Teil I 2008, 2026, 2035. 664 Richtlinie 2006/68/EG vom 6.9.2006 „zur Änderung der Richtlinie 77/91/ EWG des Rates in Bezug auf die Gründung von Aktiengesellschaften und die Erhaltung und Änderung des Kapitals“ ABl. EU 2006 Nr. L 264, 32 ff.

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Kap. 3: Das aktienrechtliche Kapitalschutzsystem

Verbleibende Lücken können dann immer noch über eine Analogie oder teleologische Extension des sachnäheren § 57 AktG geschlossen werden. 2. Zielgesellschaft als Verbotsadressatin

Bezüglich der Bestimmung der Verbotsadressatin („durch die Gesellschaft“) kann – insbesondere bei der Frage der Umgehung durch die Dazwischenschaltung Dritter – auf die Ausführungen zu § 57 Abs. 1 und 3 AktG verwiesen werden665. 3. Zwischenergebnis

Der Anwendungsbereich von § 71a Abs. 1 S. 1 AktG ist in zeitlicher Hinsicht durch das Tatbestandsmerkmal „zum Zweck des Erwerbs“ eingegrenzt. Das Verbot der finanziellen Unterstützung erfasst nur Rechtsgeschäfte vor dem Aktienerwerb, wobei es keine Rolle spielt, ob es tatsächlich zum Aktienerwerb kommt. In diesem Sinne ist auch Art. 23 der Kapitalrichtlinie auszulegen. Sieht man mit der Gegenansicht von Art. 23 auch Unterstützungshandlungen nach Aktienerwerb erfasst, wäre aufgrund § 57 Abs. 1 und 3 AktG eine entsprechende richtlinienkonforme Extension des § 71a Abs. 1 S. 1 AktG zumindest zweifelhaft. II. Sachlicher Anwendungsbereich Nach dem Wortlaut von § 71a Abs. 1 S. 1 AktG betrifft das Verbot der finanziellen Unterstützung nur „ein Rechtsgeschäft, das die Gewährung eines Vorschusses, eines Darlehens oder die Leistung einer Sicherheit“ zum Gegenstand hat. Bei einem Leveraged Buyout beschränken sich die möglichen Finanzierungshilfen jedoch nicht nur auf die drei aufgeführten Fälle, auch wenn mit dem Darlehen und der Sicherheitsleistung die zwei typischen Unterstützungshandlungen genannt sind. Wie ein Blick auf die im Rahmen des § 57 AktG untersuchten Fallgruppen zeigt, kommen auch (offene) Vermögenszuwendungen ohne Gegenleistung oder verdeckte Vermögenszuwendungen durch sonstige unausgeglichene Austauschverträge als Finanzierungshilfen in Betracht. Damit stellt sich die Frage, ob § 71a Abs. 1 S. 1 AktG ein offener Tatbestand mit Regelbeispielen ist oder ob die aufgeführten Unterstützungshandlungen einen nach der gewählten Regelungstechnik abschließenden Katalog bilden. Folgt man letzterer Ansicht ist zu entscheiden, ob der Gesetzgeber bewusst die Regelung nur auf die genannten Unterstützungshandlungen beschränken wollte oder ob der Weg, über 665

Siehe oben Kapitel 3 § 1 B. I. 2.

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eine richterliche Rechtsfortbildung weitere Unterstützungshandlungen zu erfassen, offen steht. Die Beantwortung dieser Fragen stellt auch eine Weichenstellung für die im 4. Kapitel zu untersuchenden mehrstufigen Erwerbstatbestände dar, bei denen u. a. streitig ist, ob die Zustimmung der Zielgesellschaft zu einer schuldbefreienden Übernahme gegen das Verbot der finanziellen Unterstützung verstößt. 1. Ablehnung der Regelbeispielkonstruktion

Überwiegend wird im Schrifttum vertreten, dass § 71a Abs. 1 S. 1 AktG keinen abschließenden Katalog enthalte, sondern auch über „die Gewährung eines Vorschusses, oder eines Darlehens oder der Leistung einer Sicherheit“ hinaus andere Finanzierungsgestaltungen umfasse666. Als offener Tatbestand mit Regelbeispiel würden die aufgezählten Fälle nur beispielhaft versinnbildlichen, welche Art von Geschäften unter den Verbotstatbestand fiele667. Auch in der Rechtsprechung wird eine Regelbeispielkonstruktion präferiert, indem darauf verwiesen wird, dass § 71a AktG zwar nicht jegliche finanzielle Hilfeleistung erfasse, aber solche, „die mit den im Gesetz aufgeführten Beispielen vergleichbar sind“668. Hintergrund hierfür sind dabei teleologische Erwägungen. Denn würde man einen abschließenden Katalog annehmen, könnte die Norm leicht umgangen werden, wenn man, anstatt eines Darlehens oder einer Sicherheit, das Finanzierungsgeschäft in eine in § 71a AktG nicht genannte rechtsgeschäftliche Form kleidete (z. B. Schenkung oder unausgeglichener Kaufvertrag). Der Sinn einer kapitalschützenden Norm sei „höchst zweifelhaft“, wenn die Vorschrift auf solch einfache Weise unterlaufen werden könne669. 666 Oechsler, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 71a Rn. 19; Merkt, in: Großkommentar zum AktG, § 71a Rn. 29, 41; ähnlich T. Bezzenberger, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 71a Rn. 12; Schroeder, Finanzielle Unterstützung des Aktienerwerbs, S. 174, 178 ff.; Singhof, NZG 2002, 745, 746, Drygala, Der Konzern 2007, 396, 397 „Es besteht Einigkeit darüber, dass der Katalog der verbotenen Maßnahmen nicht abschließen ist, (. . .)“ a. A. Habersack, in: FS Röhricht, S. 155, 170 unter Verweis auf den Anwendungsbereich von § 57 AktG. 667 Oechsler, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 71a Rn. 19; ders., ZIP 2006, 1161, 1162; ähnlich: Merkt, in: Großkommentar zum AktG, § 71a Rn. 41; Hüffer, AktG, § 71a Rn. 2; Block, in: Heidel, AktG, § 71a Rn. 7. Für die Annahme der Regelbeispielkonstruktion verweisen Merkt, Oechsler und Hüffer auf Schroeder, Finanzielle Unterstützung des Aktienerwerbs, S. 174, 178 ff. Letzterer argumentiert jedoch nur gegen die Annahme, der Gesetzgeber hätte bewusst einen abschließende Beschränkung des Tatbestands gewollt und wendet § 71a Abs. 1 S. 1 AktG analog auf sonstige Fälle finanzieller Unterstützung an. Ebenfalls für die wortlautübersteigende Analogie: Ludwig, in: FG Happ, 131, 133 ff. 668 LG Düsseldorf, Urteil vom 28.10.2005 – 39 O 180/04, ZIP 2006, 516, 518. 669 Schroeder, Finanzielle Unterstützung des Aktienerwerbs, S. 174.

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Kap. 3: Das aktienrechtliche Kapitalschutzsystem

Dagegen überzeugen die übrigen für die Regelbeispielkonstruktion angeführten Argumente nicht. So findet die Annahme, der Richtliniengeber habe mit den Rechtsgeschäften Darlehen, Vorschuss und Sicherheitsleistung typische und häufige Instrumente für die missbilligte Vorgehensweise bei der Erwerberfinanzierung umschreiben wollen670, in der Entstehungsgeschichte keinen Anhaltspunkt. Vielmehr konnte sich die ursprünglich weitere Formulierung der britischen Delegation („Finanzielle Unterstützung i. S. dieses Absatzes umfaßt finanzielle Unterstützung in jeglicher Form und schließt insbesondere die Gewährung von Darlehen sowie die Gestaltung von Sicherheiten und Garantien ein“671) gerade nicht durchsetzen. Der diesbezügliche Hinweis, der Einfluss des belgischen Alternativvorschlags auf den Richtlinientext sollte in der Sache nichts ändern672, sondern nur die Norm vereinfachen, stellt eine bloße Mutmaßung dar, zumal Art. 23 der Kapitalrichtlinie im Vergleich zum britischen Entwurf auch inhaltlich eine völlig neue Regelung schuf. Wollte der Richtliniengeber tatsächlich eine Generalklausel mit Regelbeispielen schaffen, hätte zumindest das hierfür übliche Signalwort „insbesondere“ nicht gestrichen werden dürfen. Zwar ist dessen Vorhandensein hierfür nicht zwingende Voraussetzung. Jedoch fehlt es hier auch an sonstigen, weniger expliziten Indikatoren, die das Regelmuster Generalklausel und Regelbeispiel anzeigen können673. Teilweise wird auch versucht, aus der Erwähnung des für finanzielle Unterstützungen eher ungewöhnlichen Vorschusses rückzuschließen, dass, wenn schon solch ausgefallene und getarnte Finanzierungsformen erfasst seien, dies auch für alle anderen Umgehungsgeschäfte gelten müsse674. Doch auch dieser Schluss ist wenig naheliegend, da der Vorschuss in der Praxis als getarnte Finanzierungsform keine Relevanz besitzt und auch in der für die extensive Auslegung angeführten britischen Parallelnorm keine Entsprechung fand. Gegen die Annahme eines offenen Tatbestands mit Regelbeispielen spricht damit entscheidend, dass es in Wortlaut und Konstruktion hierfür keine Anhaltspunkte gibt. Der Richtliniengeber hat sich jedenfalls nicht für die Verwendung des umfassenden Begriffs des Finanzmittels entschieden 670 Vgl. Schroeder, S. 179, der mit dieser Argumentation jedoch nur aufzeigen will, dass der gesetzgeberische Wille einer Analogie nicht entgegensteht. 671 Art. 18a Dok. R. 2174/74 (ES 196) vom 13.12.1974, Anlage S. 1 f., abgedruckt bei Schroeder, Finanzielle Unterstützung des Aktienerwerbs, S. 18 f. und im Anhang, S. 307. 672 Schroeder, Finanzielle Unterstützung des Aktienerwerbs, S. 179. 673 Vgl. zur Konstruktion von Generalklausel und Tegelbeispiel ausführlich Schünemann, JZ 2005, 271; ders., in: FS Georgiades, S. 1087 ff.; Kramer, Juristische Methodenlehre, S. 56. 674 Oechsler, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 71a Rn. 19.

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und stattdessen mit Vorschuss, Darlehen und Sicherheit konkrete Unterstützungshandlungen genannt675. Die Aussage von Schroeder, aus der Entstehungsgeschichte ließe sich nicht entnehmen, dass der Gesetzgeber die im Tatbestand aufgeführten Geschäftstypen bewusst abschließend gemeint hat676, trifft zwar zu. Als Argument für die gewollte Konstruktion eines offenen Tatbestands mit Regelbeispielen taugt sie indes nicht. Will man entgegen der Wortlautkonstruktion, die keine generalklauselartige Formulierung vorsieht, einen offenen Tatbestand annehmen, müssten umgekehrt hierfür zumindest in den Gesetzesmaterialien Nachweise gefunden werden. Allein aus dem Faktum, dass der Gesetzgeber nicht explizit nochmals betont hat, was der Wortlaut vorgibt, lässt sich ein solcher Schluss nicht ziehen. § 71a Abs. 1 S. 1 AktG enthält mithin entgegen der herrschenden Meinung keinen offenen Tatbestand mit Regelbeispielen. Dies bedeutet indes nicht, dass die Norm mit dem Verweis auf Vorschuss, Darlehen und Sicherheit nur einen eng begrenzten Anwendungsbereich hat, der die in der Praxis vorkommenden Unterstützungshandlungen nicht erfasst und damit leicht umgangen werden kann. Zunächst sind insbesondere die Finanzierungsformen Darlehen und Sicherheiten – wie bei der Untersuchung der Einzelfälle gleich im Anschluss näher ausgeführt wird – weit auszulegen. Daneben bleibt die Möglichkeit, mit Hilfe der richterlichen Rechtsfortbildung auch weitere Unterstützungshandlungen zu erfassen, da der Gesetzgeber nicht bewusst einer Ausdehnung auf weitere Fälle ausschloss677. Neben einer Analogiebildung steht hier insbesondere der „ErstRecht-Schluss“678 zur Verfügung679. Für beide Formen der richterlichen Rechtsfortbildung bedarf es jedoch des Vorhandenseins einer planwidrigen Regelungslücke680. Hierin unterscheidet sich der gewählte Ansatz von der 675 Enger noch Tilquin/Prioux, Revue de la Banque 1989, 195, 202 (für Belgien); Le Nabasque, JCP 1992, éd. E, II, 107, 17, 18 (für Frankreich), die aufgrund der klaren gesetzlichen Regelung davon ausgehen, dass der Richtliniengeber sich bewusst gegen den umfassenderen Begriff Trésorerie (Finanzmittel) entschieden hat. 676 Schroeder, Finanzielle Unterstützung des Aktienerwerbs, S. 174. 677 Auf diesen Punkt wird unter Kapitel 3 § 2 B. II. 2. d) bb) näher eingegangen. Unbeachtlich ist hierfür der Streit, ob Art. 23 der Kapitalrichtlinie eine Höchstregelung (hierfür Drygala, AG 2001, 291, 294) oder eine Mindestregelung darstellt. Denn eine den Schutzzweck der Norm sichernde richterliche Rechtsfortbildung stellt keine Verletzung der Höchstgrenze dar, vgl. Schmolke, WM 2005, 1828, 1832. 678 Auch „argumentum a fortiori“ genannt. Hier kommt insbesondere der „ErstRecht-Schluss“ in der Form „a maiore ad minus“, also der Schluss vom Größeren auf das Kleinere, in Betracht; vgl. hierzu Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 209 f. 679 So schon im Ergebnis Schroeder, Finanzielle Unterstützung des Aktienerwerbs, S. 187. 680 Kein gravierender Unterschiede zur h. M. besteht hingegen hinsichtlich des Kriteriums der „vergleichbaren Interessenslage“, da auch nach h. M. für das Eingrei-

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Kap. 3: Das aktienrechtliche Kapitalschutzsystem

Regelbeispielkonstruktion, bei der alle in ihrer Wirkung vergleichbaren Fälle eingefangen werden681. Das Ablehnen der Regelbeispielkonstruktion erhöht somit in erster Linie den Begründungsaufwand für die Ausdehnung der Norm über ihren Wortlaut hinaus. 2. Einzelfälle

Als Unterstützungshandlungen durch die Zielgesellschaft im Rahmen eines Leveraged Buyouts kommen neben dem Darlehen und der Leistung einer Sicherheit u. a. auch unentgeltliche Zuwendungen, Austauschverträge mit Äquivalenzstörungen, Kursgarantien und die Vereinbarung einer Break-up Fee in Betracht. Nicht nach § 71a AktG verboten sind Dividendenzahlungen. Zum einen gilt § 57 Abs. 3 AktG682, zum anderen folgt dies nach hier vertretener Ansicht schon aus dem begrenzten zeitlichen Anwendungsbereich der Norm, die nur Unterstützungshandlungen vor Aktienerwerb erfasst. a) Darlehen Unstreitig fällt unter den Begriff des Darlehens jedes Verschaffen und Überlassen von Geld oder vertretbaren Sachen auf Zeit gegen Entgelt gemäß den §§ 488, 607 BGB683. Um eine Umgehung zu erschweren, muss aus teleologischen Gesichtspunkten der Begriff über diesen engen technischen Fachterminus hinaus bis an die Wortlautgrenze hin weit ausgelegt werden684. Entscheidend ist damit nicht die zivilrechtliche Einordnung, sondern der wirtschaftliche Gehalt der Finanzierungshilfe685. Um die Vergleichbarkeit mit dem Darlehen nach § 488 BGB bejahen zu können, muss die finanzielle Unterstützung zumindest einen Kreditgewährungscharakter aufweisen. Damit können auch die Stundung oder die Einräumung eines fen des § 71a AktG die finanzielle Hilfeleistung mit den im Gesetz aufgeführten Beispielen „vergleichbar“ sein muss, vgl. LG Düsseldorf, Urteil vom 28.10.2005 – 39 O 180/04, ZIP 2006, 516, 518. 681 Vgl. LG Düsseldorf, ebd. 682 Vgl. Merkt, in: Großkommentar zum AktG, § 71a Rn. 36; Oechsler, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 71a Rn. 24, ausführlich: Schroeder, Finanzielle Unterstützung des Aktienerwerbs, S. 190 ff. 683 Cahn, in: Spindler/Stilz, AktG, § 71a Rn. 22; T. Bezzenberger, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 71a Rn. 11; Merkt, in: Großkommentar zum AktG, § 71a Rn. 31. 684 Diese teleologischen Erwägungen überlagern hier den allgemeinen Auslegungsgrundsatz, der besagt, dass Verbotsnormen eng auszulegen sind. 685 Habersack, in: FS Röhricht, S. 155, 170; Singhof, NZG 2002, 745, 746; vgl. Lutter/Drygala, in: Kölner Kommentar zum Aktiengesetz, § 71a Rn. 27 ff.

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Zahlungsziels wie etwa die Finanzierung von Aktienoptionsprogrammen als weitere Formen der Kreditgewährung unter den Darlehensbegriff des § 71a Abs. 1 S. 1 AktG gefasst werden686. Auch die Vereinbarung einer Beteiligung der Zielgesellschaft in einer Gesellschaft des Erwerbers als stille Gesellschafterin stellt eine Form der Kreditgewährung dar, so dass sich die mitunter schwierige Abgrenzung zum partiarischen Darlehen erübrigt687. Dabei gilt das Verbot, Darlehen an die Erwerbergesellschaft zu leisten, umfassend und – vorbehaltlich der Regelung des § 71a Abs. 1 S. 2 AktG – ausnahmslos. Nach der bestehenden Regelung kann die abstrakte Vermögensgefährdung auch nicht unter Verweis auf die außer Frage stehende Kreditwürdigkeit der Erwerbergesellschaft widerlegt werden. So wurde der britische Richtlinienentwurf, der noch Ausnahmen in engen Grenzen zuließ688, gerade nicht übernommen. Vielmehr wurde durch die generalisierende Betrachtungsweise bewusst darauf verzichtet, der Aktiengesellschaft die Berufung auf Umstände des Einzelfalls zu gestatten, so dass auch eine teleologische Reduktion in Fällen, in denen ein Darlehen an die Erwerbergesellschaft der Zielgesellschaft objektiv vorteilhaft ist, nicht in Betracht kommt689. Die aufgrund der Kapitaländerungsrichtlinie690 eingetretene Liberalisierung, die den Mitgliedstaaten in engen Grenzen gestattet, Ausnahmen vorzusehen, hat auf die bestehende Rechtslage keine Auswirkung691. Im Vergleich zur Kapitalschutzregelung des § 57 AktG, der Darlehensleistungen nach § 57 Abs. 1 S. 3 AktG in gewissen Grenzen erlaubt, sieht das Verbot der finanziellen Unterstützung somit eine rigidere Regelung vor. b) Leistung einer Sicherheit Wenig problematisch ist der Anwendungsbereich der gemäß § 71a Abs. 1 S. 1 AktG verbotenen Leistung einer Sicherheit. Einen Anhaltspunkt bietet die Aufzählung der Sicherungsmittel in § 232 BGB, auch wenn der Katalog 686 Vgl. Oechsler, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 71a Rn. 17; Hüffer, AktG,§ 71a Rn. 2 (Stundung). 687 Oechsler, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 71a Rn. 23; Merkt, in: Großkommentar zum AktG, § 71a Rn. 35; Lutter, in: Kölner Kommentar zum AktG, 2. Aufl., § 71a Rn. 5; Wieneke, in: Bürgers/Körber, AktG, § 71a Rn. 4; a. A. Schroeder, Finanzielle Unterstützung des Aktienerwerbs, S. 158. 688 Ratsdokument 2174/74 (ES 196) vom 13.12.1974, S. 2, Anlage Art. 18a. 689 Vgl. hierzu ausführlich Schroeder, Finanzielle Unterstützung des Aktienerwerbs, S. 166 ff. m. w. N. und Beispielsfällen. 690 Richtlinie 2006/68/EG vom 6.9.2006 „zur Änderung der Richtlinie 77/91/ EWG des Rates in Bezug auf die Gründung von Aktiengesellschaften und die Erhaltung und Änderung des Kapitals“ ABl. EU 2006 Nr. L 264, 32 ff. 691 Siehe Kapitel 3 § 2 A. I. 3.

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Kap. 3: Das aktienrechtliche Kapitalschutzsystem

nicht als abschließend zu betrachten ist. Nach allgemeiner Meinung ist der Begriff entsprechend der ratio der Norm weit zu verstehen692. Er umfasst alle Personalsicherheiten (Bürgschaft, Garantie, Wechselakzepte, harte Patronatserklärung, Schuldbeitritt) sowie erschöpfend die Realsicherheiten (Grundpfandrechte, Sicherungseigentum, Sicherungsabtretung, Verpfändungen, Hinterlegungen)693. Die Gleichstellung mit dem Darlehen leuchtet ein. Zwar erfolgt durch die Bestellung einer Sicherheit keine unmittelbare Vermögensverlagerung; jedoch trägt die Zielgesellschaft als Sicherungsgeber das Insolvenzrisiko des Dritten ebenso, als hätte Sie ihm ein Darlehen gewährt694. Die Aufnahme von Sicherheiten in den Verbotskatalog des § 71a AktG zeigt mithin, dass ein Liquiditätsabfluss keine Voraussetzung für dessen Eingreifen ist. Vielmehr ist Ziel der Vorschrift, eine durch die Übernahme des Ausfall- und Insolvenzrisikos bestehende abstrakte Vermögensgefährdung der Zielgesellschaft bereits im Vorfeld zu verhindern695. Als zu sichernde Hauptverbindlichkeit kommt bei einer fremdfinanzierten Übernahme in erster Linie die Kreditforderung der finanzierenden Bank in Betracht. Daneben könnte auch die Kaufpreisschuld des Aktienerwerbers direkt besichert werden. Auch für andere Forderungen können theoretisch Sicherheiten bestellt werden, so lange der funktionale Zusammenhang zwischen Erwerbsgeschäft und Sicherungsleistung vorhanden ist696. Aus § 71a Abs. 1 S. 1 AktG ergibt sich mithin ein umfassendes Verbot, bei fremdfinanzierten Übernahmen das Vermögen der Zielgesellschaft zur Sicherung von mit dem Erwerb zusammenhängenden Forderungen einzusetzen. c) Vorschuss Keinerlei praktische Relevanz bei der Durchführung eines Leveraged Buyouts hat der Vorschuss als dritter in § 71a Abs. 1 S. 1 AktG aufgeführter Fall einer verbotenen finanziellen Unterstützung. Denn in der Übernah692 Oechsler, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 71a Rn. 18; Wiesner, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, § 15 Rn. 29. 693 Oechsler, ebd.; Merkt, in: Großkommentar zum AktG, § 71a Rn. 37; Cahn, in: Spindler/Stilz, AktG, § 71a Rn. 25; Hüffer, AktG, § 71a Rn. 2; Block, in: Heidel, AktG, § 71a Rn. 6; Lutter, in: Kölner Kommentar zum AktG, 2. Aufl., § 71a Rn. 5; Wieneke, in: Bürgers/Körber, AktG, § 71a Rn. 4; T. Bezzenberger, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 71a Rn. 11. 694 Merkt, ebd.; Oechsler, ebd.; vgl. auch Freitag, AG 2007, 157, 160. 695 Vgl. Oechsler, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 71a Rn. 19, der darauf hinweist, dass eine konkrete Vermögensverlagerung – etwa wegen eines tatsächlichen erhöhten Risikos der Inanspruchnahme – nicht erforderlich ist. Differenzierend: Habersack, in: FS Röhricht, S. 155, 161. 696 Wieneke, in: Bürgers/Körber, AktG, § 71a Rn. 4; Schroeder, Finanzielle Unterstützung des Aktienerwerbs, S. 158.

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mepraxis kommt es nicht vor, dass die Erwerbergesellschaft gegen die Zielgesellschaft eine künftig entstehende oder noch nicht fällige Forderung hat, die die Aktiengesellschaft sofort erfüllt697. Im Übrigen hat diese Variante allgemein keine eigenständige Bedeutung und kann als Sonderfall eines Darlehens aufgefasst werden. Folgerichtig wurde dieser Fall in den entsprechenden Vorschriften der Mitgliedstaaten nicht übernommen698. d) Unentgeltliche Zuwendungen Bei einem Leveraged Buyout besteht das Ziel darin, eine endgültige Vermögensverlagerung von der Zielgesellschaft auf die Erwerbergesellschaft zu erreichen. Damit kommen als Unterstützungshandlungen insbesondere auch unentgeltliche Zuwendungen ohne Rückzahlungsanspruch (sog. verlorene Zuschüsse) in Betracht, wie etwa Forderungsverzicht, Erlass oder Schenkung. Unter diesen Begriff kann auch die Vereinbarung der Übernahme der im Rahmen des § 57 AktG ausführlich erörterten Transaktionskosten699 gefasst werden, da diese grundsätzlich der Erwerber zu tragen hat. Daher hat die Zielgesellschaft regelmäßig kein betriebliches Interesse an der Übernahme dieser Kosten, so dass – wenn sie die Transaktionskosten dennoch trägt – diese als unentgeltliche Zuwendung an die Erwerberseite zu qualifizieren sind. Teilweise wird versucht, diese unentgeltlichen Zuwendungen im Wege der Auslegung unter den Wortlaut des § 71a Abs. 1 S. 1 AktG zu fassen700. Hierbei wird jedoch die Wortlautgrenze überschritten, da man bei einer endgültigen Vermögensverlagerung mangels Kreditfunktion auch bei weitester Auslegung nicht mehr von einem Darlehen sprechen kann. Damit kommt nur noch eine Ausweitung des § 71a Abs. 1 S. 1 AktG über eine richterliche Rechtsfortbildung in Betracht. Hier liegt ein „ErstRecht-Schluss“ in der Form „a maiore ad minus“, also der Schluss vom Größeren auf das Kleinere, nahe701. Denn der Schutz des Gesellschaftskapitals als ratio des Verbots der finanziellen Unterstützung ist „erst recht“ bei einer endgültigen Vermögensverlagerung betroffen, die der Zielgesellschaft 697

So die Definition des Vorschusses, vgl. zu den Details Oechsler, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 71a Rn. 16; Merkt, in: Großkommentar zum AktG, § 71a Rn. 30, Block, in: Heidel, AktG, § 71a Rn. 4; ausführlich: Schroeder, Finanzielle Unterstützung des Aktienerwerbs, S. 161 f. 698 Vgl. Cahn, in: Spindler/Stilz, AktG, § 71a Rn. 23. 699 Siehe Kapitel 3 § 1 B. II. 3. b) cc). 700 Merkt, in: Großkommentar zum AktG, § 71a Rn. 32. 701 Vgl. hierzu ausführlich Klug, Juristische Logik, S. 146 ff.; Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 209 f.

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Kap. 3: Das aktienrechtliche Kapitalschutzsystem

keinen Rückzahlungsanspruch einräumt. Da die ratio legis mithin auf diesen Tatbestand in einem höheren Maße zutrifft, können unentgeltliche Zuwendungen unter § 71a Abs. 1 S. 1 AktG gefasst werden, wenn eine planwidrige Regelungslücke – denn diese ist Voraussetzung jeder richterliche Rechtsfortbildung702 – vorläge. aa) Regelungslücke Eine Gesetzeslücke703 wäre dann zu verneinen, wenn schon andere Bestimmungen eine § 71a Abs. 1 S. 1 AktG entsprechende Regelung zum Schutz vor Vermögensverlagerungen ohne Kompensation vorsehen würden. Europarechtlich ist hier an Art. 15 der Kapitalrichtlinie zu denken. Allerdings verlangt Art. 15 Abs. 1a der Kapitalrichtlinie nur die Bindung des dem Grundkapital entsprechenden „gezeichneten“ Kapitals704 und bleibt mithin hinter dem umfassenden Vermögensschutz des Art. 23 der Kapitalrichtlinie zurück. Zwar geht die für die Frage der Gesetzeslücke entscheidende deutsche Rechtsordnung mit § 57 AktG über diese Mindestanforderung der Richtlinienbestimmung hinaus und bindet in dessen Absatz 3 das gesamte Kapital vor Ausschüttungen an den Aktionär. Jedoch betrifft die umfassende Vermögensbindung des § 57 Abs. 3 AktG allein das Verhältnis zwischen Aktionär und Gesellschaft, während § 71a Abs. 1 S. 1 AktG unabhängig vom Empfänger jegliche Ausschüttung verhindert. Auch greift § 57 AktG jedenfalls nach seinem Wortsinn direkt nur in den Fällen ein, in denen der Erwerber schon Aktionär ist705, während umgekehrt § 71a Abs. 1 S. 1 AktG vom Wortlaut her Unterstützungshandlungen „zum Zweck des Erwerbs“ verbietet, also zeitlich eingreift, bevor der Erwerber die Aktionärseigenschaft inne hat. Die hier in Frage stehende Vereinbarung von unentgeltlichen Zuwendungen – wie etwa die Vereinbarung der Kostentragung der Transaction Fee706 – findet oftmals schon im Vorfeld der Übernahme, also vor dem Eingreifen des § 57 AktG, statt. Die Gesetzeslücke könnte damit nur über eine analoge Anwendung des § 57 Abs. 1 und 3 AktG geschlossen werden, indem man auch Vermögenstransfers verbietet, die im Hinblick auf die künftige Aktionärsstellung geleistet werden. Tatsächlich wendet die ganz herr702

Vgl. Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 191 ff., 209. Vgl. ausführlich zum Begriff der Gesetzeslücke Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 191 ff.; Canaris, Die Feststellung von Lücken im Gesetz, S. 1 ff. 704 Siehe Kapitel 3 § 1 A. IV., § 2 A. II. 2. b). 705 Siehe oben mit den entsprechenden Nachweisen Kapitel 3 § 1 B. I. 1. b). 706 Siehe ausführlich sogleich unter g). 703

§ 2 Kapitalschutz nach § 71a Abs. 1 S. 1 AktG

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schende Meinung § 57 Abs. 1 und 3 AktG auch auf Leistungen an den künftigen Aktionär an707. Dies führt Habersack zu dem Schluss, dass eine richterliche Rechtsfortbildung des § 71a Abs. 1 S. 1 AktG mangels Regelungslücke ausgeschlossen sei708. Eine analoge Anwendung des § 57 AktG auf zukünftige Aktionäre leuchtet bei Ausblendung des § 71a AktG unter teleologischen Gesichtspunkten ein, da ansonsten der Kapitalschutz durch bloßes zeitliches Taktieren leicht umgangen werden könnte. Jedoch gibt es nun mit § 71a Abs. 1 AktG eine Regelung, die speziell Unterstützungssachverhalte bei Erwerbstatbeständen empfängerunabhängig regelt. Im Gegensatz zu § 57 AktG ist das Verbot finanzieller Unterstützung auf den bei einem Leveraged Buyout stattfindenden personellen Wechsel der Gesellschafterstellung zugeschnitten und stellt somit die sachnähere Lösung dar709. Bezüglich der Rechtsfolge, die an späterer Stelle behandelt wird, sieht § 71a Abs. 1 S. 1 AktG mit der Nichtigkeitsanordnung im Vergleich zu dem Rückgewähranspruch nach §§ 62 Abs. 1, 57 AktG eine zumindest entsprechend scharfe Konsequenz vor. Daher sollten die Schutzlücken eher über eine richterliche Rechtsfortbildung des § 71a Abs. 1 S. 1 AktG geschlossen werden, als die Regelungslücke aufgrund einer analogen Anwendung des allgemeineren § 57 AktG zu verneinen710. Nähme man § 57 Abs. 1 und 3 AktG analog, führte dies zu einer unnötigen Komplizierung, da dann dennoch Schutzlücken entstehen, wenn der Empfänger auch kein künftiger Aktionär ist711. Dann bleibt nur noch der Weg über eine richterliche Rechtsfortbildung des § 71a Abs. 1 S. 1 AktG. Mangels Eingreifen des § 57 AktG ist eine Regelungslücke bezüglich unentgeltlicher Zuwendungen zur Unterstützung des Aktienerwerbs zu bejahen.

707 BGH, Urteil vom 13.11.2007 – XI ZR 294/07, ZIP 2008, 118 f., OLG Hamburg, Urteil vom 23.5.1980 – 11 U 117/79, AG 1980, 275, 278; OLG Frankfurt a. M., Urteil vom 30.1.1995 – 6 U 192/91, AG 1996, 324, 325; Bayer, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 57 Rn. 57; Henze, in: Großkommentar zum AktG, § 57 Rn. 80; Fleischer, in: K. Schmidt/Lutter; AktG, § 57 Rn. 38; Hüffer, AktG,§ 57 Rn. 14; Lutter, in: Kölner Kommentar zum AktG, 2. Aufl., § 57 Rn. 40; Cahn/Senger, in: Spindler/Stilz, AktG, § 57 Rn. 51; Drygala, Der Konzern 396, 398 (Fn. 13 „wohl allg. Meinung“); Habersack, in: FS Röhricht, S. 155, 162 f. 708 Habersack, in: FS Röhricht, S. 155, 170. In diese Richtung schon Lutter, in: Kölner Kommentar zum AktG, 2. Aufl., § 71a Rn. 19. 709 Finanzielle Unterstützung des Aktienerwerbs, S. 186. 710 Ebenso im Ergebnis Cahn, in: Spindler/Stilz, AktG, § 71a Rn. 37; Schroeder, Finanzielle Unterstützung des Aktienerwerbs, S. 186. 711 Cahn, in: Spindler/Stilz, AktG, § 71a Rn. 37.

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Kap. 3: Das aktienrechtliche Kapitalschutzsystem

bb) Planwidrigkeit Fraglich ist jedoch, ob die Regelungslücke planwidrig ist. Dies ist zu verneinen, wenn der Gesetzgeber bewusst eine abschließende Regelung getroffen hätte. Der deutsche Gesetzgeber wollte mit der Regelung allein Art. 23 der Kapitalrichtlinie umsetzen. Damit kommt es auch hier auf die Intention des europäischen Richtliniengebers an. Für eine bewusste Beschränkung auf die genannten Finanzierungsformen kann ins Feld geführt werden, dass in Art. 18a Nr. 1 des britischen Richtlinienentwurfs noch umfassend von direkter oder indirekter finanzieller Unterstützung die Rede war712. In Art. 18a Nr. 3 des Entwurfs wurde klargestellt, dass dies „finanzielle Unterstützung in jeglicher Form“ und „insbesondere die Gewährung von Darlehen sowie die Bestellung von Sicherheiten und Garantien“ umfasst. Über die Gründe, warum der Richtliniengeber letztlich auf die weitere Formulierung verzichtet hat – ob aus Vereinfachungsgründen oder bewusster Intention – kann, mangels Anhaltspunkten in den Gesetzesmaterialien, nur spekuliert werden. Keineswegs ist es erwiesen, dass dies zur Straffung und Vereinfachung des britischen Entwurfes geschah713. Dagegen spricht etwa, dass Art. 23 der Kapitalrichtlinie im Vergleich zu dem britischen Entwurf eine inhaltlich veränderte Regelung geschaffen und nicht nur sprachliche Modifikationen vorgenommen hat. So könnte man mit gleicher Berechtigung vermuten, dass der Richtliniengeber bewusst den sachlichen Anwendungsbereich auf Darlehen, Sicherheiten und Vorschüsse beschränkte, im Gegenzug für die Streichung der noch im britischen Entwurf vorhandenen Ausnahmebestimmungen. Letztlich muss den Ausschlag geben, dass der europäische Gesetzgeber mit der Norm – dies lässt sich aus den Gesetzesmaterialien herleiten714 – den Schutz des Gesellschaftsvermögens bezweckte. Zwingende Argumente dafür, dass der europäische Gesetzgeber bewusst Darlehen der Zielgesellschaft an die Erwerber verbieten, während er einseitige Zuwendungen ohne Rückzahlungsanspruch erlauben wollte, sind nicht ersichtlich. Denn während bei einem Darlehen aufgrund des Ausfall- und Insolvenzrisikos das Vermögen der darlehensgebenden Aktiengesellschaft gefährdet ist, tritt bei einer Zuwendung ohne Gegenleistung die Vermögensminderung unmittelbar ein. Unter der Prämisse, dass der europäische Gesetzgeber jedenfalls absichtlich keine unsinnigen Regelungen schafft, ist mithin davon auszugehen, dass er die Ausdehnung der Vorschrift auf andere finanzielle Unterstützungshandlungen nicht bewusst ausschließen wollte. 712

Ratsdokument 2174/74 (ES 196) vom 13.12.1974, S. 2, Anlage Art. 18a. Abs. 1. 713 So aber Schroeder, Finanzielle Unterstützung des Aktienerwerbs, S. 19, 179. 714 Siehe Kapitel 3 § 2 A. I. 2. b).

§ 2 Kapitalschutz nach § 71a Abs. 1 S. 1 AktG

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cc) Folge Alle Vereinbarungen über unentgeltliche Zuwendungen fallen somit „erst recht“ unter das Verbot der finanziellen Unterstützung gemäß § 71a Abs. 1 S. 1 AktG, wenn sie „zum Zweck des Erwerbs“ erfolgen. Dies trifft sowohl auf Zahlungsvereinbarungen zur Finanzierung des Kaufpreises zu als auch auf die Übername von Transaktionskosten, da auch Letztere in einem unmittelbaren funktionalen Zusammenhang mit dem Erwerb stehen. Sie trifft die Nichtigkeitsanordnung des Verbots der finanziellen Unterstützung. e) Austauschverträge mit Äquivalenzstörungen Des Weiteren kommen in der Praxis Austauschgeschäfte vor, die formal keine unentgeltliche Zuwendung darstellen, so dass der „Erst-RechtSchluss“ nicht eingreift, jedoch einen vergleichbaren Finanzierungseffekt haben. Hierunter fallen etwa Gegengeschäfte des Erwerbers, der ein ihm gehörendes praktisch wertloses Unternehmen an die Zielgesellschaft teuer verkauft715. Ebenfalls in diesen Kontext gehören die im Rahmen des § 57 AktG problematisierten Monitoring Fees, jedenfalls dann, wenn diese Gebühren für vornherein wertlose Dienstleistungen der Erwerberseite fällig werden bzw. nach der Vereinbarung die Dienstleistung nie erbracht werden sollen. Hier kann trotz der Zurückhaltung bei der richterlichen Rechtsfortbildung das Verbot des § 71a Abs. 1 S. 1 AktG in analoger Anwendung greifen, wenn die signifikante Unausgeglichenheit des Geschäfts nachgewiesen werden kann716. Bezüglich der planwidrigen Regelungslücke gelten die Ausführungen zu den unentgeltlichen Zuwendungen entsprechend. Die für eine analoge Anwendung erforderliche vergleichbare Interessenlage ist zu bejahen. Es macht keinen Unterschied, ob man isoliert ein Darlehen bzw. eine unentgeltliche Zuwendung dem Erwerber zukommen lässt oder aber im Rahmen eines Austauschgeschäfts eine den Marktpreis übersteigende Summe mit entsprechendem Finanzierungseffekt vereinbart717.

715

Vgl. Merkt, in: Großkommentar zum AktG, § 71a Rn. 34; Oechsler, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 71a Rn. 20. 716 Als Indiz kann hier das fehlende wirtschaftliche Interesse der Gesellschaft dienen, Lutter/Drygala, in: Kölner Kommentar zum Aktiengesetz, § 71a Rn. 29. 717 Vgl. Oechsler, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 71a Rn. 20, der jedoch keine analoge Anwendung annimmt.

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Kap. 3: Das aktienrechtliche Kapitalschutzsystem

f) Rein tatsächliche Vermögenstransfers Bisher kaum auf Interesse stieß die Frage, inwieweit mit den Tatbestandsmerkmalen „Rechtsgeschäft“ und „Gewährung“ eine Beschränkung einhergeht718. Unstreitig ist, dass ein Rechtsgeschäft zumindest eine Willenserklärung voraussetzt719. Auch erfordert die „Gewährung“ mindestens eine rechtserhebliche Handlung von Seiten der Zielgesellschaft720. Auf einen rein tatsächlichen Abfluss von Geldern passt schon nicht die Rechtsfolge der Nichtigkeit. Allerdings scheint dies, jedenfalls im Rahmen von fremdfinanzierten Übernahmen, ein Scheinproblem zu sein, da auch bei spekulativen und missbräuchlichen Anteilsübernahmen das Ausplündern der Gesellschaft nicht rein tatsächlich erfolgt, sondern durch ein Rechtgeschäft (z. B. verdeckte Schenkung) getarnt wird. Im Regelfall ist daher davon auszugehen, dass Überweisungen von der Ziel- an die Erwerbergesellschaft nicht rechtsgrundlos erfolgten, sondern ein entsprechendes Rechtsgeschäft zu Grunde liegt. Rein tatsächliche Vermögenstransfers sind damit nur in den seltenen Fällen denkbar, wenn der Vorstand Gelder veruntreut und sprichwörtlich mit der Gesellschaftskasse durchbrennt und sie dem Erwerber überbringt. Dann ist jedoch schon das Eingreifen der Tatbestandsmerkmale „durch die Gesellschaft“ und „zum Zweck des Erwerbs“ zweifelhaft. Für dieses strafrechtsrelevante Verhalten gibt es jedoch allgemeine und aktienrechtsspezifische Schutzmechanismen (§ 823 BGB i. V. m. 266 StGB, 826 BGB, § 93 Abs. 2 AktG), so dass Schutzlücken nicht entstehen. g) Übernahme von Transaktionskosten Im Rahmen des § 57 AktG wurde bereits erörtert, dass die Zielgesellschaft im Regelfall kein Interesse an der Übernahme der Transaktionskosten hat und diese wirtschaftlich – auch bei Eingehung einer Verpflichtung gegenüber einem Mergers & Acquisitions-Dienstleister – neben dem Verkäufer dem Erwerber zugute kommen721. Die Verpflichtung zur Übernahme der Transaktionskosten durch die Zielgesellschaft entspricht in ihrer Wirkung damit der Übernahme einer Verbindlichkeit an Stelle des Aktionärs722. 718

Soweit ersichtlich lediglich angesprochen bei Nuyken, ZIP 2004, 1893, 1894. Spellenberg, in: Münchener Kommentar zum BGB, Vorbem. zu Art. 11 Allg. Rechtsgeschäftslehre Rn. 3. 720 Ähnlich Nuyken, ebd. 721 Siehe oben Kapitel 3 § 1 B. II. 3. b) cc). 722 Rozijn, NZG 2001, 494, 502; vgl. Canaris, in: FS Fischer, S. 30, 53. 719

§ 2 Kapitalschutz nach § 71a Abs. 1 S. 1 AktG

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Es stellt sich mithin die Frage, ob darin ein nach § 71a Abs. 1 S. 1 AktG verbotenes Rechtsgeschäft zu sehen ist. Dass die Zielgesellschaft sich gegenüber einem Dienstleistungsunternehmen und nicht gegenüber dem Aktionär verpflichtet, hindert das Eingreifen des Verbots der finanziellen Unterstützung nicht, da nach § 71a Abs. 1 S. 1 AktG Gegenstand des Rechtsgeschäft lediglich die Leistung „an einen anderen“ sein muss. Auch der erforderliche funktionelle Bezug zur Akquisition („zum Zweck des Erwerbs“) liegt vor, da die Transaktionskosten einen Teil der Übernahmekosten darstellen. Da die Übernahme der Transaktionskosten nicht als Vorschuss, Darlehen oder Sicherheit zu qualifizieren ist, kommt nur eine Erstreckung des Verbots der finanziellen Unterstützung im Wege richterlicher Rechtsfortbildung in Betracht. Eine Regelungslücke liegt mangels Anwendbarkeit des § 57 AktG im Vorfeld des Erwerbs vor723. Gegenüber dem Erwerber der (ggf. zusammen mit dem Verkäufer) die Transaktionskosten zu tragen hätte, stellt sich die Übernahme der Transaction Fee durch die Zielgesellschaft als unentgeltliche Zuwendung dar, so dass der „Erst-RechtSchluss“ greift724. Dies gilt nur dann nicht, wenn ausnahmsweise die Zielgesellschaft ein Eigeninteresse an der Übernahme der Transaktionskosten hat. Damit ist ein Rechtsgeschäft, indem sich die Zielgesellschaft verpflichtet, die Transaktionskosten zu übernehmen nach § 71a Abs. 1 S. 1 AktG nichtig. Investmentbanken und Anwaltkanzleien sollten daher die Mergers & Acquisitions-Dienstleisterverträge mit einer Partei des Unternehmenskaufes und nicht mit der Zielgesellschaft abschließen. Für den Minderheiten- und Gläubigerschutz spielt indes das Verbot der finanziellen Unterstützung bezüglich Transaktionskosten nur eine geringe Rolle. Denn hierfür entscheidend ist in erster Linie nicht die Nichtigkeit des Finanzierungsgeschäfts, sondern die Rückforderung der vermögensrechtlichen Zuwendung. Da regelmäßig das Dienstleistungshonorar zum größten Teil – wie etwa die Maklerprovision – erst nach erfolgreicher Übernahme fällig wird, findet hierauf nicht § 71a Abs. 1 S. 1 AktG Anwendung. Vielmehr greifen die Ausschüttungsverbote in § 57 Abs. 1 und 3 AktG mit der Rechtsfolge des § 62 Abs. 1 S. 1 AktG ein. h) Break-up Fee Strittig ist, ob die Vereinbarung einer Break-up Fee725, bei der die Zielgesellschaft dem Übernahmeinteressenten verspricht, ihm bei Scheitern des 723

Siehe oben Kapitel 3 § 1 B. I. 1. b). Siehe oben Kapitel 3 § 2 B. II. 2. d). 725 Zur Relevanz von Break-Fee-Vereinbarungen im Rahmen eines LBO siehe Kapitel 3 § 1 B. II. 3. b) dd); Guinomet, Break fee-Vereinbarungen, S. 31. 724

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Kap. 3: Das aktienrechtliche Kapitalschutzsystem

Übernahmeversuchs die entstandenen Kosten zu erstatten, in den Anwendungsbereich des § 71a Abs. 1 S. 1 AktG fällt. In der Rechtsprechung wurde diese Frage bisher nicht behandelt726. Im Gegensatz zu § 57 AktG727 ist bei § 71a Abs. 1 S. 1 AktG der personelle und zeitliche Anwendungsbereich diesbezüglich eröffnet, da der Empfänger beim Verbot der finanziellen Unterstützung werdender Aktionär ist und Break-Fee-Vereinbarungen immer im Vorfeld der Transaktion und damit vor einem Aktienerwerb abgeschlossen werden. Nach der hier vertretenen Ansicht, wonach § 71a AktG keinen offenen Tatbestand mit Regelbeispielen darstellt, kann § 71a Abs. 1 S. 1 AktG die Vereinbarung einer Break-up Fee direkt nur dann erfassen, wenn die Zielgesellschaft dadurch „zum Zweck des Erwerbs“ einem anderen eine Sicherheit leisten würde. Tatsächlich sieht eine gewichtige Ansicht in den Break-up Fees „nichts anderes als die Leistung einer Sicherheit i. S. d. § 71a Abs. 1 S. 1“728. Argumentiert wird, dass dem Erwerber die Refinanzierung der Übernahme wesentlich erleichtert wird, da im Falle des Scheiterns der Übernahme dem Kreditgeber (aus abgetretenem oder gepfändetem Recht) ein weiterer Schuldner zur Verfügung stehe729. Auch verbillige sich die Fremdmittelaufnahme, da die Zielgesellschaft unter dem Druck steht, die Übernahme nicht scheitern zu lassen. Damit erfolge die Leistung auch „zum Zweck des Erwerbs“, da sie mithin einen Finanzierungseffekt habe730. Gegen die Subsumtion der Break-Fee-Vereinbarungen unter die Tatbestandsmerkmale „Leistung einer Sicherheit“ sowie „zum Zweck des Erwerbs“ bestehen jedoch erhebliche Bedenken. Zunächst fällt es schwer, solche Vereinbarungen in den herkömmlichen Katalog der Kreditsicherheiten einzuordnen. Eine Verwandtschaft besteht am ehesten zur Garantie, da die Zielgesellschaft „garantiert“, im Falle eines Scheiterns die entstandenen Beratungs- und Prüfungskosten zu übernehmen. Doch hierin zeigt sich schon der fehlende Bezug zum Erwerb, da gerade nicht Kredite für die Finanzierung des Erwerbs abgesichert werden, sondern das finanzielle Risiko des Scheiterns von der Zielgesellschaft getragen wer726 Eine Break-up Fee-Klausel war bisher nur Gegenstand einer gerichtlichen Entscheidung: LG Paderborn, Urteil vom 28.4.2000 – 2 O 132/00, NZG 2000, 899. Dort waren jedoch lediglich Formfragen betroffen. 727 Siehe Kapitel 3 § 1 B. II. 3. b) dd). 728 Oechsler, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 71a Rn. 29; ähnlich Merkt, in: Großkommentar zum AktG, § 71a Rn. 39; T. Bezzenberger, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 71a Rn. 12. 729 Oechsler, ebd.; Merkt, ebd. 730 Oechsler, Merkt, ebd.; a. A. Lutter/Drygala, in: Kölner Kommentar zum Aktiengesetz, § 71a Rn. 34.

§ 2 Kapitalschutz nach § 71a Abs. 1 S. 1 AktG

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den soll731. Dementsprechend wird die Break-Fee-Klausel oftmals als pauschalisierte Schadensersatzklausel, zur Erleichterung der Durchsetzung eines bestehenden schadensrechtlichen Kompensationsverhältnisses, zumeist aus culpa in contrahendo (§§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2 Nr. 1, 2, 241 Abs. 2 BGB), oder – bei Vorliegen eines verhaltenssteuernden Elements – als Vertragsstrafe zu qualifizieren sein732. Nur im „unjuristischen“ Sinn kann man von einer Absicherung des Erwerbers sprechen, da davon auszugehen ist, dass die Zielgesellschaft sich für den Erfolg der Übernahme einsetzen wird. Allerdings ist auch dieses Argument der Gegenansicht nicht überzeugend, da es bezüglich des Erfolges einer Übernahme maßgeblich auf die Bereitschaft der verkaufenden Aktionäre ankommt und der Vorstand der Zielgesellschaft – auch bei einer freundlichen Übernahme – grundsätzlich dem Neutralitätsgebot unterliegt733. Auch der angeführte Schutz des Kreditnehmers, der dadurch eine Sicherheit bekommen soll, dass er im Falle des Scheiterns der Übernahme einen weiteren Schuldner bekommt, überzeugt nicht. Denn allen Personal- und Realsicherheiten ist gemein, dass sie direkt den Sicherungsnehmer schützen. Eine Break-Fee-Vereinbarung schützt jedoch den Kreditgeber allenfalls reflexartig und mittelbar über einen weiteren Akt (Abtretung, Verpfändung)734. Das Ausfall- und Insolvenzrisiko des Aktienkäufers wird somit gerade nicht – wie charakteristisch für die Bestellung von Sicherheiten – von der Zielgesellschaft unmittelbar übernommen. Dies alles spricht schon gegen die Einordnung einer Break-FeeVereinbarung als Sicherheit i. S. d. § 71a Abs. 1. S. 1 AktG. Aber auch wenn man hierin untechnisch die Leistung einer Sicherheit sehen will, erfolgt sie nicht „zum Zweck des Erwerbs“. Ungenau ist es allerdings, die sachliche Anwendbarkeit des § 71a Abs. 1 S. 1 AktG auf BreakFee-Vereinbarung zu verneinen, da Geldleistungen erst anfallen könnten, wenn die Transaktion gescheitert sei und es so nicht zum Aktienerwerb komme735. Denn anders als § 57 AktG stellt das Verbot der finanziellen Unterstützung mit dem Leistungszweck auf ein subjektives Element ab736. Am Ergebnis ändert dies freilich nichts, da auch Zweck einer Break-Fee-Vereinbarung nicht die Unterstützung des Erwerbs von Aktien ist. Denn Inhalt ist 731

Ähnlich nun auch Fleischer, AG 2009, 345, 353. Ausführlich zur rechtlichen Qualifizierung, insbesondere zur Abgrenzung von Vertragstrafe, pauschalisierter Schadensersatz und unentgeltliche Zuwendung, Guinomet, Break fee-Vereinbarungen, S. 159–180. 733 Außerhalb des Anwendungsbereich des WpÜG folgt dies aus §§ 76, 93 AktG, vgl. Hopt, in: FS Lutter, S. 1361, 1375 f. 734 Ebenso Lutter/Drygala, in: Kölner Kommentar zum Aktiengesetz, § 71a Rn. 34. 735 So Sieger/Hasselbach, BB 2000, 625, 628 f. 736 Guinomet, Break fee-Vereinbarungen, S. 267. 732

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Kap. 3: Das aktienrechtliche Kapitalschutzsystem

gerade nicht die Finanzierung des Erwerbspreises, sondern – im Gegenteil – eine Schadensersatz- oder Kostentragungsregelung im Falle des Scheiterns des Erwerbs. Die Erwerberpartei verfolgt damit regelmäßig ein vermögensrechtliches Integritätsinteresse, das sich von dem Interesse an der Unterstützung des Aktienerwerbs grundlegend unterscheidet737. Auch wenn – im Ausnahmefall – die Regelung als unentgeltliche Zuwendung und nicht als pauschalisierte Schadensersatzklausel oder Vertragsstrafe konzipiert ist, bleibt es dabei, dass die Regelung nicht – wie alle anderen Fälle des § 71a Abs. 1 S. 1 AktG – der Finanzierung des Erwerbspreises dient738. Die von der herrschenden Ansicht aufgeführten mittelbaren Vorteile bei der Aufnahme von Fremdkapital sind als bloße Rechtsreflexe unbeachtlich und können nicht den funktionellen Zusammenhang zum Aktienerwerb herstellen. Hieraus folgt, dass eine analoge Anwendung des § 71a Abs. 1 S. 1 AktG auf Break-Fee-Vereinbarungen ausgeschlossen ist. Auch wenn man eine (planwidrige) Regelungslücke noch annehmen könnte, da § 57 Abs. 1 und 3 AktG Break-up Fees nicht verbietet739, fehlt es aufgrund der aufgezeigten grundlegenden Unterschiede zwischen einer Break-Fee-Vereinbarung und den aufgeführten Unterstützungshandlungen an der erforderlichen vergleichbaren Interessenlage740. i) Emission von Schuldverschreibungen, Kursgarantie, Verkaufsoption Zur Finanzierung der Übernahme kann die Aufnahme von Fremdkapital über Schuldverschreibungen (sog. Junk Bonds) erfolgen. Solange lediglich die (zu erwerbenden) Anteile der Zielgesellschaft als Sicherheit dienen, ist dies zulässig. Strittig ist hingegen, ob in den Anwendungsbereich des § 71a Abs. 1 S. 1 AktG fällt, wenn die Zielgesellschaft dem Erwerber unentgeltlich bezüglich der Anteile einen bestimmten Kurs garantiert741. Auch hier muss wiederum für eine analoge Anwendung des § 71a AktG entscheidend sein, ob – neben der im Vorfeld der Übernahme mangels Eingreifen des 737

Ebenso Guinomet, ebd. Vgl. Cahn, in: Spindler/Stilz, AktG, § 71a Rn. 42. 739 Siehe oben Kapitel 3 § 1 B. II. 3. b) dd). 740 Ebenso im Ergebnis Lutter/Drygala, in: Kölner Kommentar zum Aktiengesetz, § 71a Rn. 34; Fleischer, AG 2009, 345, 353; Cahn, in: Spindler/Stilz, AktG, § 71a Rn. 42. 741 Bejahend: Merkt, in: Großkommentar zum AktG, § 71a Rn. 38; Cahn, in: Spindler/Stilz, AktG, § 71a Rn. 39, 48; T. Bezzenberger, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 71a Rn. 13 (außerhalb des Anwendungsbereich von § 57 AktG); verneinend: Oechsler, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 71a Rn. 2; Wiesner, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, § 15 Rn. 77. 738

§ 2 Kapitalschutz nach § 71a Abs. 1 S. 1 AktG

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§ 57 AktG zu bejahenden (planwidrigen) Regelungslücke – eine vergleichbare Interessenlage vorliegt. Hier ist bei der Kursgarantie zu differenzieren: Erfolgt diese oder eine entsprechende Verkaufsoption aus Spekulationszwecken, greift das Verbot der Unterstützung mangels Vergleichbarkeit mit Sicherheit oder Darlehen und fehlender Verknüpfung mit dem Aktienerwerb nicht ein742. Erhöht jedoch die Aktiengesellschaft gezielt durch eine Kursgarantie oder eine Verkaufsoption die Werthaltigkeit der als Sicherheit für eine Schuldverschreibung (oder einen Akquisitionskredit) dienenden Aktienanteile, so entspricht dies in der Wirkung einer Sicherheitsleistung743. Dies muss unabhängig davon gelten, ob abzusehen ist, ob der Garantiefall eintritt oder nicht. Denn aufgrund der Kursgarantie oder Verkaufsoption erlangen die von Gesetzes wegen nachrangigen Inhaber der Schuldverschreibungen den gleichen Rang wie die Gläubiger der Zielgesellschaft744. Fällt die Erwerbergesellschaft in die Insolvenz, trägt die Zielgesellschaft das Verlustrisiko bezüglich der Differenz zwischen Börsenpreis und vereinbarten Kaufpreis745. Unschädlich ist dabei, dass die Höhe der Inanspruchnahme zum Zeitpunkt der Vereinbarung der Kursgarantie nicht feststeht. Zum einen gibt es dies auch bei Sicherungsmitteln wie der Höchstbetragshypothek, zum anderen verbietet § 71a Abs. 1 S. 1 AktG auch die teilweise Unterstützung des Aktienerwerbs eines Dritten746. 3. Zwischenergebnis

Das Verbot der finanziellen Unterstützung umfasst in direkter Anwendung lediglich die dort ausdrücklich aufgeführten Fälle und bildet keinen offenen Tatbestand mit Regelbeispielen. Eine Ausweitung ist nur im Wege richterlicher Rechtsfortbildung möglich. Demnach können unentgeltliche Zuwendungen durch einen „Erst-Recht-Schluss“ in den sachlichen Anwendungsbereich der Norm einbezogen werden, ebenso wie, über eine analoge Anwendung, Austauschverträge mit Äquivalenzstörungen. Dies gilt jedoch nur, soweit nachgewiesen wird, dass die vereinbarte Unterstützung „zum Zweck des Erwerbs“ erfolgt. Dieses Tatbestandmerkmal ist nicht analogiefähig. Zumindest aus diesem Grunde fallen Break-Fee-Vereinbarungen nicht 742

Ähnlich Cahn, in: Spindler/Stilz, AktG, § 71a Rn. 39. Vgl. Merkt, in: Großkommentar zum AktG, § 71a Rn. 38; Cahn, in: Spindler/ Stilz, AktG, § 71a Rn. 39; a. A. Oechsler, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 71a Rn. 25. 744 Cahn, in: Spindler/Stilz, AktG, § 71a Rn. 48. 745 Merkt, in: Großkommentar zum AktG, § 71a Rn. 38. 746 Merkt, ebd.; a. A. Oechsler, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 71a Rn. 25. 743

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Kap. 3: Das aktienrechtliche Kapitalschutzsystem

in den Anwendungsbereich von § 71a Abs. 1 S. 1 AktG. In seinem Anwendungsbereich ist das Verbot der finanziellen Unterstützung im Vergleich zu § 57 AktG strenger. Eine Ausnahmeregelung wie in § 57 Abs. 1 S. 3 AktG für Leistungen, die durch einen vollwertigen Gegenleistungs- oder Rückgewähranspruch gedeckt sind, existiert nicht. Inwieweit Unterstützungshandlungen wie etwa die Zustimmung zu einer befreienden Schuldübernahme oder Verschmelzungstatbeständen, die in der Praxis bei mehrstufigen Erwerbstatbestände eingesetzt werden, unter die Norm fallen, wird im vierten Kapitel dieser Arbeit – unter Bezugnahme auf die obigen Ausführungen – behandelt.

C. Liberalisierung der Kapitalrichtlinie Abschließend ist nun die Änderung des Art. 23 durch die im Jahre 2006 erlassene Kapitaländerungsrichtlinie747 in den Blick zu nehmen. Insbesondere interessiert dabei die Frage, ob dem deutschen Gesetzgeber zu empfehlen ist, die nicht verpflichtende748 Auflockerung des Verbots der Finanziellen Unterstützung umzusetzen und § 71a AktG entsprechend anzupassen. Dabei ist auch das Zusammenspiel mit dem durch das MoMiG749 reformierten § 57 AktG zu beachten. I. Entstehungsgeschichte 1. Entwicklung seit Ende der neunziger Jahre

Bezüglich der Entwicklung, die zur Liberalisierung des Verbots der finanziellen Unterstützung führte, wird in der Literatur auf ein Umdenken auf europäischer Ebene hingewiesen750. Insbesondere habe sich die britische 747 Richtlinie 2006/68/EG vom 6.9.2006 „zur Änderung der Richtlinie 77/91/EWG des Rates in Bezug auf die Gründung von Aktiengesellschaften und die Erhaltung und Änderung des Kapitals“ ABl. EU 2006 Nr. L 264, 32 ff. Die sog. „Kapitaländerungsrichtlinie“ trat am 15.10.2006 in Kraft, vgl. zum Begriff Westermann, ZHR 172 (2008), 144, 145 (insb. Fn. 3). 748 Richtlinie 2006/68/EG vom 6.9.2006, ABl. EU 2006 Nr. L 264, 32, 35; Oechsler, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 71a Rn. 8 a. E. Noch deutlicher formulierte der Parlamentsentwurf, wonach „es den Mitgliedstaaten offen stehen [sollte], den Gesellschaften zu gestatte, einen Dritten (. . .) zu unterstützen“, Plenarsitzungsdokument vom 28.2.3006, A6-0050/2006, 1, 6 (Erwägungsgrund 5). 749 Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) vom 23. Oktober 2008, BGBl. Teil I 2008, 2026, 2035. 750 Merkt, in: Großkommentar zum AktG, § 71a Rn. 7 f.; Lutter/Drygala, in: Kölner Kommentar zum Aktiengesetz, § 71a Rn. 5.

§ 2 Kapitalschutz nach § 71a Abs. 1 S. 1 AktG

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Haltung zum Verbot der „Financial Assistance“ seit dem Erlass der Kapitalrichtlinie im Jahre 1976 grundlegend geändert. Im Gegensatz zu damals werde ein uneingeschränktes Verbot der finanziellen Unterstützung nicht mehr für notwendig erachtet751. Als Nachweis wird darauf verwiesen, dass durch den Company Law Reform Bill 2006 das seit 1929 bestehende Verbot für geschlossene Gesellschaften vollständig abgeschafft wurde752. Bei näherer Betrachtung kann allerdings die These, dass nun ein Umdenken im britischen Rechtsraum zur Lockerung des Verbots der finanziellen Unterstützung auf europäischer Ebene geführt hat ebenso wenig bestätigt werden wie die herkömmlich vertretene Auffassung, dass das in Art. 23 der Kapitalrichtlinie strenge Verbot der finanziellen Unterstützung aus dem Jahre 1976 auf die (damalige) strikte Haltung von Großbritannien zurückgeht. Zutreffend ist, dass im Rahmen der 1996 gestarteten SLIM-Initiative753 1999 eine elfköpfige Gruppe europäischer Gesellschaftsrechtler der Kommission Vorschläge zur Änderung der Kapitalrichtlinie unterbreiteten. Dort wurde u. a. auch die Reduzierung der Regelung zur finanziellen Unterstützung „auf ein praktikables Mindestmaß“ empfohlen, um Unternehmensfinanzierungen flexibler gestalten zu können754. Nach der vom Vorsitzenden der Arbeitsgruppe Eddy Wymeersch federführend erarbeiteten Empfehlung sollte das Verbot der finanzielle Unterstützung sich entweder nur noch auf den Betrag des ausschüttungsfähigen Nettovermögen begrenzen oder sich auf die Zeichnung neuer Aktien beschränken755. Die im Herbst 2001 eingesetzte „hochrangige Gruppe von Experten auf dem Gebiet des Gesellschaftsrecht“756 sprach sich im November 2002 im Grundsatz für die von der SLIM-Initiative angeregte Änderung des Art. 23 der Kapitalrichtlinie aus. Sie präzisierte die Empfehlung dahingehend, dass man finanzielle Unterstützung innerhalb der Grenzen ausschüttungsfähiger Rücklagen zulassen sollte, wenn die Hauptversammlung die Verwaltungsorgane hierzu ermächtige (SLIM-Plus-Vorschlag)757. Trotz einiger kritischer Stimmen – etwa von der deutschen Arbeitsgruppe Europäisches Gesellschaftsrecht758 – nahm die 751

Merkt, ebd.; Lutter/Drygala, ebd.; vgl. Schmolke, WM 2005, 1828, 1829. Merkt, ebd. 753 „Simpler Legislation for the Internal Market“. 754 Oechsler, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 71a Rn. 8; Schmolke, WM 2005, 1828, 1829 f.; Freitag, AG 2007, 157 f.; ausführlich: Baldamus, Reform der Kapitalrichtlinie, S. 39 ff. 755 Schmolke, WM 2005, 1828, 1829. 756 „High Level Group“ (HLG), deutscher Vertreter: Klaus J. Hopt. 757 Vorschlag vom 4.11.2002, S. 84 ff., abrufbar unter: www.europa.eu.int/comm/ internal_market/en/company/company/modern/index.htm (Abrufdatum 1.10.2008). 758 Stellungnahme der Arbeitsgruppe Europäisches Gesellschaftsrecht (Group of German Experts on Corporate Law, bestehend aus W. Bayer, M. Hoffmann-Becking, 752

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Kap. 3: Das aktienrechtliche Kapitalschutzsystem

Kommission die SLIM-Plus-Empfehlungen in den im Mai 2003 verabschiedeten Aktionsplan zur „Modernisierung des Gesellschaftsrechts und Verbesserung der Corporate Governance in der Europäischen Union“ auf759. In dem am 21.9.2004 folgenden Vorschlag760 für eine Änderung der Kapitalrichtlinie berücksichtigte die Kommission neben SLIM-Plus auch die von der „Interdisciplinary Group on Capital Maintenance“ aufgestellte Forderung nach einer Solvenzprüfung761. Der Vorschlag mündete in Art. 1 Nr. 6. der Richtlinie 2006/68/EG vom 6.9.2006 („Kapitaländerungsrichtlinie“)762. Demnach wurde Art. 23 der Kapitalrichtlinie dahingehend geändert, dass die Mitgliedstaaten den Aktiengesellschaften gestatten können, einen Dritten beim Erwerb der eigenen Aktien mittelbar oder unmittelbar Vorschüsse zu zahlen, Darlehen zu gewähren oder Sicherheiten zu leisten. Voraussetzung hierfür ist, dass nach Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 2 n. F.763 das Geschäft unter der Verantwortung des Verwaltungs- und Leitungsorgans vorzunehmen ist und für die Unterstützungshandlung faire, marktübliche Bedingungen vorgesehen sein müssen. Dabei obliegt es dem Vorstand, die Kreditwürdigkeit des Dritten in angemessener Weise zu prüfen. Unterabsatz 3 statuiert eine Vorabgenehmigungspflicht durch die Hauptversammlung, wobei eine qualifizierte Mehrheit (Art. 40 der Kapitalrichtlinie) erforderlich ist. Hierfür muss der Vorstand in einem ausführlichen, schriftlichen Bericht die Zwecke, Risiken und Konditionen des Geschäfts, sowie insbesondere das Interesse der Gesellschaft daran, offen legen. Dieser Bericht ist beim Register zur Offenlegung einzureichen. Unterabsatz 4 bestimmt, dass, bedingt durch die gewährte Unterstützungsleistung, das Vermögen der Aktiengesellschaft H. Fleischer, V. Röhricht, K. Schmidt, P. Ulmer, H. Wiedemann, M. Winter, W. Zöllner), ZIP 2003, 863 ff.; kritisch auch: Drygala, AG 2001, 291, 296; Baldamus, Reform der Kapitalrichtlinie, S. 198 f. 759 Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament vom 21.5.2003 – Modernisierung des Gesellschaftsrecht und Verbesserung der Corporate Governance in der europäischen Union – Aktionsplan, KOM (2003) 284, sub. 3.2. (S. 21) mit Anhang (S. 29) abrufbar unter: www.europa.eu.int/eur-lex/de/com/cnc/ 2003/com2003/_0284de01.pdf (Abrufdatum 1.10.2008). 760 Vorschlag für eine Richtlinie des europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 77/91/EWG des Rates in Bezug auf die Gründung von Aktiengesellschaften und die Erhaltung und Änderung ihres Kapitals vom 21.9.2004, KOM (2004), 730, abrufbar unter: www.europa.eu.int/comm/internal_market/com pany/docs/capital/2004-proposal/proposal_de.pdf (Abrufdatum 1.10.2008). 761 Rickford, Reforming Capital, Report of the Interdisciplinary Group on Capital Maintenance, 15 EBLR (2004), 919, 986, 995 f.; Schmolke, WM 2005, 1828, 1830 m. w. N. 762 Richtlinie 2006/68/EG vom 6.9.2006 „zur Änderung der Richtlinie 77/91/ EWG des Rates in Bezug auf die Gründung von Aktiengesellschaften und die Erhaltung und Änderung des Kapitals“ ABl. EU 2006 Nr. L 264. 763 Die Änderung des Art. 23 ordnet Art. 1 Nr. 6 der Kapitaländerungsrichtlinie an.

§ 2 Kapitalschutz nach § 71a Abs. 1 S. 1 AktG

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zu keinem Zeitpunkt unter die Grenze des Nettoaktivvermögens (Art. 15 Abs. 1 a, b der Kapitalrichtlinie) sinken darf. In Höhe der finanziellen Unterstützung muss die Gesellschaft zudem eine nichtausschüttungsfähige Rücklage auf der Passivseite bilden764. 2. Regelungsvorbild von 1974

Weite Teile der Neuregelung haben ihren Ursprung jedoch nicht in der aufgezeigten Entwicklung seit 1998. Schon bei den Vorarbeiten zur Kapitalrichtlinie Ende 1974 brachte die damalige britische Regierung einen Entwurf für eine Regelung der „Financial Assistance“ ein, der der über 30 Jahre später folgenden Neufassung des Art. 23 ähnelt. Art. 18a Nr. 1 des britischen Entwurfes (1974) lautet wie folgt765: „Wenn die Gesetze der Mitgliedstaaten zulassen, daß eine Gesellschaft Dritten für den Erwerb oder die Zeichnung von Aktien dieser Gesellschaft oder im Zusammenhang damit eine direkte oder indirekte finanzielle Unterstützung gewährt, müssen sie dafür zumindest die folgenden Bedingungen vorschreiben: a) Der betreffende Vorgang muß von der Hauptversammlung, die vom Vorstand über Art und Zweck des Vorgangs unterrichtet und der ein vom Vorstand unterzeichnetes Schreiben vorgelegt wurde, in dem dieser befriedigt feststellt, dass die vorgeschlagenen Änderungen mit den Bestimmungen des Buchstabens c in Einklang stehen, mit einer Mehrheit von nicht weniger als zwei Drittel der Stimmen genehmigt werden; b) (. . .) c) der Vorgang darf nicht dazu führen, daß das Nettoaktivvermögen geringer als der Betrag des gezeichneten Kapitals zuzüglich der dazu aufgrund des Gesetzes oder der Satzung nicht verfügbaren Rücklagen ist; d) (. . .)“ Damit stammen mit der qualifizierten Zustimmung der Hauptversammlung und der Festlegung der Grenze des Nettoaktivvermögens zwei zentrale Voraussetzungen der Neuregelung weder ursprünglich von der SLIM-Initiative noch von der „High Level Group“ oder der „Interdisciplinary Group on Capital Maintenance“. Vielmehr war die britische Delegation schon vor Er764 Unterabsatz 5 sieht eine Besondere Voraussetzung („angemessener Preis“) für die hier nicht zu problematisierenden Fälle des originären Erwerbs aus einer Kapitalerhöhung oder des Erwerbs von Aktien, die der Aktiengesellschaft bereits gehören, vor. 765 Ratdokument 2174/74 (ES 196), abgedruckt bei Schroeder, Finanzielle Unterstützung des Aktienerwerbs, S. 18 und im Anhang S. 306.

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Kap. 3: Das aktienrechtliche Kapitalschutzsystem

lass der Kapitalrichtlinie Mitte der siebziger Jahre Urheberin dieser Regelung. Hieraus lässt sich schließen, dass das britische Recht von jeher weniger streng war, als das strikte Verbot des Art. 23 in der Fassung der Kapitalrichtlinie annehmen ließ. Dies zeigen im Übrigen auch die schon damals in Sec. 153, 154 CA normierten Ausnahmen vom Verbot der „Financial Assistance“766. Damit bestätigt sich das bereits oben767 mit weiteren Argumenten gefundene Ergebnis, dass aus dem britischen Recht keineswegs eine strikte Auslegung des Art. 23 der Kapitalrichtlinie hin zu einer umfassenden Verhinderung von Leveraged Buyouts folgt. 3. Bewertung

Die Neuregelung kann damit kaum als Produkt eines Umdenkens auf britischer Seite angesehen werden. Denn die nun gefundene Ausnahmeregelung ist durch die zusätzliche Voraussetzung fairer und marktüblicher Bedingungen gemäß Art. 1 Nr. 6 Unterabs. 2 der Finanzänderungsrichtlinie eher restriktiver als der britische Vorschlag von 1974. Zwar gab es einen Gesinnungswandel in Großbritannien, da die britische Regierung sich in jüngerer Vergangenheit für eine ersatzlose Streichung des Art. 23 der Kapitalrichtlinie aussprach768. Dieser Vorschlag konnte sich jedoch auf europäischer Ebene gerade nicht durchsetzen769. Es blieb bei der Einführung einer engen Ausnahmevorschrift, angelehnt an den britischen Regierungsvorschlag von 1974. Im Folgenden gilt es zu untersuchen, inwieweit die gestattete Ausnahme vom Verbot der finanziellen Unterstützung in der Akquisitions-Praxis zur Finanzierung der Übernahme eingesetzt werden kann. II. Regelungsinhalt Drei Hauptvoraussetzungen nennt die Richtlinienbestimmung, unter denen eine finanzielle Unterstützung zulässig sein kann: Die Hauptversammlung muss mit qualifizierter Mehrheit dem Geschäftsvorhaben zustimmen, das Geschäft muss zu fairen und marktüblichen Konditionen abgeschlossen werden und bedingt durch die finanzielle Unterstützung darf zu keinem 766

Ähnlich Habersack, in: FS Röhricht, S. 155, 168. Siehe oben Kapitel 3 § 2 A. I. 2. b). 768 Stellungnahme Großbritanniens zu den Empfehlungen der SLIM-Arbeitsgruppe an die EU-Kommission vom Oktober 1999, zitiert nach Baldamus, Reform der Kapitalrichtlinie, S. 192, Fn. 15; vgl. auch Schmolke, WM 2005, 1828, 1830 m. w. N. 769 Vgl. zu den Einzelheiten Baldamus, Reform der Kapitalrichtlinie, S. 193 insbesondere zur ablehnenden irischen Haltung. 767

§ 2 Kapitalschutz nach § 71a Abs. 1 S. 1 AktG

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Zeitpunkt das Nettoaktivvermögen unter den Betrag des gezeichneten Kapitals (Grundkapital) zuzüglich gebundenen Rücklagen sinken. 1. Zustimmung der Hauptversammlung

Die den Interessen der Minderheitsaktionäre dienende Zustimmung der Hauptversammlung (in der Terminologie der Richtlinie: Vorabgenehmigung) nach Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 3 n. F. stellt für den Finanzinvestor auf den ersten Blick kein Hindernis dar. Nicht im Weg steht etwa ein Ausschluss des Stimmrechts des unterstützten Aktionärs, da § 136 AktG diesen Fall nicht erfasst770. Auch dürfte die Beteiligungsquote im Regelfall beim Leveraged Buyout ausreichen, um die Anforderungen des Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 3 n. F. i. V. m. Art. 40 der neugefassten Kapitalrichtlinie (nicht weniger als zwei Drittel der Stimmen der vertretenen Wertpapiere oder des vertretenen gezeichneten Kapitals771) einzuhalten. Denn unter Berücksichtigung der tatsächlichen Hauptversammlungspräsenz, die bei börsennotierten Unternehmen durchschnittlich bei unter 60 Prozent liegt772, genügt regelmäßig eine Beteiligungsquote von 50 Prozent, um die erforderliche (mindestens) zwei Drittel Mehrheit zu überschreiten773. Allerdings betrifft Art. 23 nach hier vertretener Auffassung ausschließlich Unterstützungshandlungen im Vorfeld der Übernahme, so dass der Erwerber noch keine aktuelle Mehrheit in der Hauptversammlung hat. Diese Ansicht wird durch Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 3 S. 2 n. F. unterstützt. Demnach haben die Verwaltungsorgane der Hauptversammlung einen Bericht vorzulegen, aus dem u. a. „der Preis hervorgeht, zu dem der Dritte die Aktien erwerben soll“. Dies zeigt, dass der Erwerb noch in der Zukunft liegt. Damit dürfte bei feindlichen Übernahmen die Voraussetzung mangels Hauptversammlungsmehrheit im Vorfeld der Übernahme schwer zu erfüllen sein. Bei einer freundlichen Übernahme hingegen kann die erforderliche Mehrheit regelmäßig über die verkaufenden Noch-Aktionäre hergestellt werden, da diese ebenfalls ein Interesse an der finanziellen Unterstützung des Erwerbers zur Finanzierung des ihnen zugutekommenden Kaufpreises haben. Die Legitimation durch Verfahren kann aber auch bei freundlichen Übernahmen zum Problem werden, wenn eine von der Hauptversammlungs770

Allgemeine Ansicht, anstatt aller Hüffer, AktG, § 136 Rn. 17 m. w. N. Gemäß Art. 40 Abs. 2 der Kapitalrichtlinie können die Mitgliedstaaten bestimmen, dass die einfache Mehrheit genügt, sofern mindestens die Hälfte des gezeichneten Kapitals vertreten ist. 772 Möller, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 29 Rn. 9; zu aktuellen Entwicklungen der Hauptversammlungspräsenz Dauner-Lieb, WM 2007, 9 ff. 773 Siehe oben Kapitel 1 § 1 C. 771

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Kap. 3: Das aktienrechtliche Kapitalschutzsystem

mehrheit überstimmte Minderheit die materiellen Voraussetzungen der erteilten Ermächtigung bestreitet, indem etwa auf eine mangelhafte Information der Hauptversammlung durch den Vorstand über die Konditionen der Unterstützungshandlung und die Bonität des künftigen Aktionärs abgestellt wird774. So ergibt sich aus dem Verhältnis der Unterabsätze 2 und 3 des Art. 23 n. F. zueinander, dass die Fairness und Marktüblichkeit des Geschäfts Inhalt der Berichtspflicht ist und als materielle Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit des Hauptversammlungsbeschlusses erforderlich ist775. Gerade im Rahmen eines Leveraged Buyouts werden diese Anforderungen an die schriftliche Berichterstattung schwer einzuhalten sein, da gerade die ausreichende Kreditwürdigkeit einer regelmäßig mit wenig Eigenkapital ausgestatteten Erwerbergesellschaft schwer zu begründen sein wird, ebenso wie das Interesse der Gesellschaft an einer Darlehensvergabe zur Finanzierung ihrer eigenen Übernahme. Ob man derartige Streitigkeiten im Wege eines Spruch- oder Freigabeverfahrens beseitigen kann, ist zweifelhaft. Zu Recht wird auf die Schwierigkeit des Spruchverfahrens im Dreieckverhältnis (Aktiengesellschaft, unterstützter Erwerber, widersprechender Minderheitsaktionär) verwiesen776. Insbesondere stellt sich die Frage, auf was sich das Spruchverfahren beziehen kann, wenn der Erwerber etwa durch marktunüblich gute Konditionen bevorteilt wurde. Gegen eine Nachzahlungspflicht des Begünstigten spricht, dass er nicht Partei des Spruchverfahrens ist; gegen eine Ausgleichspflicht der Gesellschaft, die negativen Auswirkungen auf die Gläubiger, denen weitere Haftungsmasse entzogen wird777. Würde der Gesetzgeber bei der Umsetzung auf ein Spruchverfahren aus diesen Gründen verzichten, bestünde jedoch die Gefahr, dass Minderheitsaktionäre die Finanzierung der Übernahme durch die Zielgesellschaft durch Anfechtung des Hauptversammlungsbeschlusses gemäß § 243 ff. AktG verzögern und dadurch, aufgrund der in der Übernahmepraxis sensiblen zeitlichen Rahmenbedingungen, die Übernahme zum Scheitern bringen könnten. Als Lösungsweg bietet sich ein dreiseitiges Spruchverfahren an, mit dem Ziel einer Neufestsetzung der Konditionen der Unterstützungsleistungen778. Die Entschärfung der Problematik durch die Zulassung von Vorratsbeschlüssen wurde – entgegen dem Votum der HLG779 – aufgrund der sich naturgemäß ändernden Bonität des potentiellen Erwerbers abgelehnt780.

774 775 776 777 778

Westermann, ZHR (172) 2008, 144, 165. Drygala, Der Konzern, 396, 403. Ausführlich: Drygala, 404. Drygala, Der Konzern, 396, 404. Ebd.

§ 2 Kapitalschutz nach § 71a Abs. 1 S. 1 AktG

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Damit erweist sich das Zustimmungserfordernis für die Finanzierung feindlicher Übernahmen als nicht praktikabel. Bei freundlichen Übernahmen ist eine Zustimmung grundsätzlich möglich, jedoch bestehen Bedenken bezüglich einer etwaigen Anfechtungsmöglichkeit durch Minderheitsaktionäre. 2. Geschäft zu marktüblichen und fairen Konditionen

Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 2 n. F. zielt mit dem Erfordernis der marktüblichen und fairen Konditionen auf den Schutz des Gesellschaftsvermögens und schützt mithin die beim Leveraged Buyout gefährdeten Gruppen, Gläubiger und Minderheitsgesellschafter. Um ein Geschäft „at arms’ length“ durchzuführen, bedarf es regelmäßig vom Unterstützten zu leistender Zinsen und Sicherheiten781. Das Kriterium bewirkt indes, dass die nach Art. 23 Abs. 1 n. F. zulässige finanzielle Unterstützung für die Erwerbergesellschaft im Rahmen eines Leveraged Buyouts wirtschaftlich uninteressant ist. Denn muss die Darlehenvergabe bei der Zielgesellschaft einem Drittvergleich standhalten, gibt es keinen grundlegenden Vorteil im Vergleich zu den ohnehin verfügbaren Mitteln auf dem Kapitalmarkt782. Im Gegenteil: Zusätzlich sind die Leistungen, anders als bei der Kreditvergabe durch die Banken, mit dem Erfordernis eines Hauptversammlungsbeschlusses und dem diesem immanenten Anfechtungsrisiko sowie mit dem garantierten gebundenen Kapital (Unterabs. 4) an weitere Voraussetzungen geknüpft. Zu Recht wird mithin darauf hingewiesen, dass man mit der Neuregelung der Darlehenspraxis „eher Steine als Brot“ gegeben hat783. Für eine dauerhafte Akquisitionsfinanzierung ist die Ausnahmevorschrift somit unbrauchbar und auch zur Überbrückung kurzfristiger Liquiditätsengpässe erscheint der Erlaubnistatbestand angesichts des Drittvergleichs und des hohen und risikobehafteten Aufwands einer Vorabgenehmigung durch die Hauptversammlung wenig geeignet. Die Praxistauglichkeit der Neuregelung ist somit sehr zweifelhaft. Dies legt den Schluss nahe, dass die Akquisitionspraxis weiterhin auf die im nächsten Kapitel zu behandelnden mehrstufigen Erwerbstatbestände ausweichen wird784.

779 Vorschlag vom 4.11.2002, S. 84, 92 (angedacht 5 Jahre auf Vorrat), abrufbar unter: www.europa.eu.int/comm/internal_market/en/company/company/modern/in dex.htm (Abrufdatum 1.10.2008). 780 Schmolke, WM 2005, 1828, 1834. 781 Vgl. Art. 23 Abs. 1 S. 1 a. E., dazu Westermann, ZHR (172) 2008, 144, 162. 782 Ebenso Freitag, AG 2007, 157, 164. 783 Ebd. 784 Ähnlich die Einschätzung von Drygala, Der Konzern, 396, 406, Freitag, AG 2007, 157, 164, Westermann, ZHR (172) 2008, 144, 165 f.

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Kap. 3: Das aktienrechtliche Kapitalschutzsystem 3. Garantie des Grundkapitals und der gebundenen Rücklagen

Dieses Ergebnis bestätigt sich, betrachtet man die Anforderungen des Unterabsatzes 4. Demnach darf nach dessen Satz 1 die finanzielle Unterstützung zu keinem Zeitpunkt dazu führen, dass das gezeichnetes Kapital und die gebundenen Rücklagen beeinträchtigt werden. In Satz 2 wird die Gesellschaft verpflichtet, auf der Passivseite der Bilanz eine nicht ausschüttbare Rücklage in Höhe der finanziellen Unterstützung auszuweisen785. Letzteres wäre noch handhabbar, da gleichzeitig der nach Unterabsatz 2 hinreichend gesicherte Rückzahlungsanspruch aktiviert werden kann und so eine bilanzielle Doppelbelastung vermieden wird. Denn das Rückstellungserfordernis hat nur eine Daseinsberechtigung, wenn es dazu dient, den bilanzneutralen Aktivtausch von Liquidität gegen werthaltigen Rückforderungsanspruch als Belastung des Gesellschaftsvermögens auszuweisen zur Vermeidung der „Atomisierung“ des Gesellschaftsvermögens durch Umwandlung realer Werte in bloße schuldrechtliche Ansprüche786. Allerdings kann auch hier angesichts der Darlehensvergabe zu fairen und marktüblichen Konditionen gefragt werden, ob eine zusätzliche Rückstellung zum Schutz der Gläubiger notwendig ist. a) Probleme bei der Darlehensvergabe Als nicht praktikabel erweist sich indes die Nettoaktivvermögensgrenze, die „zu keinem Zeitpunkt“ von der Gesellschaft angetastet werden darf. Dies bedeutet, dass eine bei Darlehensvergabe zulässige finanzielle Unterstützung später während der Laufzeit des Darlehens durch ein Absinken des Gesellschaftsvermögens rechtwidrig werden kann787. Unabhängig von den hieraus resultierenden zivilrechtlichen Schwierigkeiten der Rückforderung der Darlehenssumme durch die Gesellschaft (Wegfall der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB, § 490 BGB analog, außerordentliches Kündigungsrecht), befindet sich hier der darlehensaufnehmende Erwerber in einer misslichen Situation, da er jederzeit mit der Rückforderung der Darlehensumme rechnen muss, ohne hierauf Einfluss zu haben. So greift das Verbot nach Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 4 S. 1 n. F. auch ein, wenn allein das sonstige Gesellschaftsvermögen der Aktiengesellschaft sich verringert. Denn dann führt der als Rückstellung passivierte Betrag in Höhe der finanziellen Unterstüt785 Damit könnten die Unterstützungsleistung nur aus den Gewinnrücklagen und aus Gesellschafterzuzahlungen nach § 272 Abs. 2 Nr. 4 stammen, vgl. Lutter/Drygala, in: Kölner Kommentar zum Aktiengesetz, § 71a Rn. 5. 786 Freitag, AG 2007, 157, 161. 787 Westermann, ZHR (172) 2008, 144, 164.

§ 2 Kapitalschutz nach § 71a Abs. 1 S. 1 AktG

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zung zur Unterbilanz, obwohl der Rückzahlungsanspruch werthaltig bleibt. Die Kausalitätskette stellt sich dann wie folgt dar: Wäre die Unterstützung nicht gewährt worden, hätten keine Rücklagen gebildet werden müssen und folgerichtig wäre keine Unterbilanz entstanden. Eine Ausklammerung dieses Falles im Wege der teleologischen Reduktion788 ist zwar der Sache nach zu begrüßen, entspricht aber nicht den Intentionen des Richtliniengebers, der durch dieses zukunftsgerichtete Element die Gläubiger während der gesamten Zeit der Darlehensvergabe umfassend gegen eine Verschlechterung der Befriedigungsaussicht schützen wollte789. Zu Recht wird daher die Anwaltschaft davor gewarnt, ohne Rückfrage bei der Berufshaftpflichtversicherung von einer teleologischen Reduktion auszugehen790. Eine weitere Konsequenz der Regelung ist, dass die Aktiengesellschaft regelmäßig nur Darlehen vergeben könnte, die zu einhundert Prozent abgesichert sind, was gegenüber den Anforderungen des Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 2 eine zusätzliche Verschärfung darstellt. Nur so könnte der Gefahr entgegengetreten werden, dass, wenn der Darlehensnehmer – entgegen der Kreditwürdigkeitsprognose – in Vermögensverfall gerät und gleichzeitig der passivierte Wert der Rückstellungen nicht mehr tatsächlich im Gesellschaftsvermögen vorhanden ist, eine Unterbilanz entsteht. Da eine hundertprozentige Sicherung in aller Regel nicht geliefert werden kann, wäre de facto eine zulässige Darlehensvergabe nach Art. 23 n. F. ausgeschlossen791. b) Probleme bei der Sicherheitenbestellung Auch bezüglich der Sicherheitsbestellung ergeben sich Schwierigkeiten. Kann bei Personalsicherheiten vertraglich geregelt werden, dass die Auszahlung nicht zu einer Unterbilanz der Aktiengesellschaft führen kann792, ist dies bei der Stellung von Realsicherheiten nicht möglich793. Denkbar wäre zwar eine schuldrechtliche Beschränkung der Verwertungsbefugnis, was jedoch – bei abredewidriger Verwertung von Seiten des Sicherungsnehmers – aufgrund der allein schuldrechtlichen Ersatzansprüche der Gesellschaft die Entstehung einer Unterbilanz nicht verhindern kann794. Damit wäre im Ergebnis die Stellung von Realsicherungen im Rahmen von Art. 23 n. F. unzulässig. Ein offensichtlich widersinniges Ergebnis, ange788 789 790 791 792 793 794

Hierfür Freitag, AG 2007, 157, 161. Drygala, Der Konzern, 396, 402. Westermann, ZHR (172) 2008, 144, 164. Freitag, AG 2007, 157, 161 f. Sog. „Limitation Language“. Ausführlich hierzu Freitag, AG 2007, 157, 162 m. w. N. Ebd.

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Kap. 3: Das aktienrechtliche Kapitalschutzsystem

sichts des in Erwägungsgrund 5 der Kapitaländerungsrichtlinie ausgegebenen Ziels, durch finanzielle Unterstützung die Besitzverhältnisse von Aktiengesellschaften flexibler zu gestalten. c) Bewertung Damit ist zu konstatieren, dass eine finanzielle Unterstützung der Aktienerwerber über Darlehen und Realsicherheiten in Einklang mit Art. 23 n. F. in der praktischen Durchführung kaum möglich ist. Es ist daher den Stimmen in der Literatur entgegenzutreten, die in den Ausnahmetatbeständen Regelungen sehen, die das Recht der „Financial Assistance“ nicht unerheblich liberalisieren795. Allein positiv zu bewerten ist, dass der Richtliniengeber klar stellt, dass – wie auch hier im Rahmen des § 57 AktG vertreten – der Gläubigerschutz auf das gezeichnete Kapital einschließlich gebundener Rücklagen zu beschränken ist. 4. Gleichbehandlungsgrundsatz

Zu all den Fallstricken, die die Ausnahmeregelung enthält, tritt mit dem in Art. 42 der Kapitalrichtlinie796 normierten Gebot der Gleichbehandlung der Aktionäre ein weiterer Problemkreis. Der Grundsatz der Gleichbehandlung findet in der gesamten Kapitalrichtlinie Anwendung, mithin auch in dem reformierten Art. 23797. Eine formelle Ungleichbehandlung liegt hier darin, dass dem erwerbenden Aktionär ein Darlehen oder eine Sicherheit gestellt wird, den anderen Minderheitsaktionären jedoch nicht. Von Teilen der Literatur wird daher vertreten, dass alle Aktionäre entsprechend ihrer Beteiligungsquote bei einem Angebot von Finanzierungshilfen entsprechend berücksichtigt werden müssten798. Nur durch die Einräumung eines solchen Bezugsfinanzierungsrechts könnten sich Minderheitsaktionäre – parallel zur Regelung des § 71 Abs. 1 Nr. 8 S. 5 AktG – davor schützen, dass sich das Kräfteverhältnis in der Gesellschaft durch die Unterstützung bestimmter Aktienkäufer zu Lasten nicht privilegierter Aktionäre verschiebt799. Damit 795

So etwa Böttcher, NZG 2008, 481, 484. Im deutschen Aktienrecht ist der Grundsatz der Gleichbehandlung in § 53a AktG geregelt. 797 Unstreitig, vgl. statt aller Habersack, Europäisches Gesellschaftsrecht, § 6 Rn. 22. 798 Oechsler, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 71a Rn. 9; ders., ZHR 170 (2006), 72, 86; vgl. auch Habersack, ZIP 2004, 1121, 1125; Paefgen, ZIP 2002, 1509. 799 Oechsler, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 71a Rn. 9, ders., ZHR 170 (2006), 72, 86. 796

§ 2 Kapitalschutz nach § 71a Abs. 1 S. 1 AktG

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hätte jeder Aktionär einen Anspruch auf finanzielle Unterstützung, was die Regelung vollends unhandbar machen würde, da es kaum möglich ist, für jeden einzelnen Aktionär die Bonitätsprüfung und sonstigen Voraussetzungen des Art. 23 n. F. durchzuführen800. Ein solches Bezugsfinanzierungsrecht würde von den Minderheitsaktionären – mangels eigenen Fremdfinanzierungsbedarfs – oftmals allein dazu verwendet, das Verfahren für die Aktiengesellschaft zu erschweren801. Zwar kann im Einzelfall die Ungleichbehandlung durch ein besonderes Interesse der Gesellschaft, den Aktienerwerber zu unterstützen, zu rechtfertigen sein (Kosteneinsparung, Sicherung von Arbeitsplätzen). Allerdings ist ein derartiges Interesse im Rahmen einer fremdfinanzierten Übernahme durch einen Finanzinvestor nicht leicht zu begründen, zumal ein fehlendes berechtigtes Interesse wieder Anknüpfungspunkt eines Anfechtungsverfahrens sein könnte802. Ähnlich schwierig ist der Weg über den Ausschluss eines Bezugsfinanzierungsrechtes durch qualifizierten Hauptversammlungsbeschluss803. Die unsichere Rechtslage bezüglich eines Verstoßes gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz ist jedenfalls allein schon geeignet, die Aktiengesellschaft von der Inanspruchnahme der Ausnahmeregelung des Art. 23 Abs. 1 n. F. abzuhalten und weiterhin auf die beim Leveraged Buyout üblichen verschmelzungs- und konzernrechtlichen Instrumente zurückzugreifen. 5. Zwischenergebnis

Die Zulassung von finanzieller Unterstützung gemäß Art. 23 Abs. 1 n. F. erweist sich für den gesamten Aktienerwerb, insbesondere aber für Finanzierungsmöglichkeiten eines Leveraged Buyouts als nicht praktikabel. Das in Erwägungsgrund 5 der Änderungsrichtlinie ausgegebene Ziel, Änderungen in den Besitzverhältnissen flexibler zu gestalten, wird durch die enge Ausnahmevorschrift kaum gefördert. III. Vergleich zur Neuregelung des § 57 AktG Möglicherweise erfordert jedoch das Zusammenspiel mit dem durch das MoMiG geänderten § 57 AktG804 die Übernahme der Richtlinienänderung in das deutsche Aktienrecht. Gemäß § 57 Abs. 1 S. 3 AktG verhindert nun800

Drygala, Der Konzern, 396, 405. Ebd. 802 Ebd. 803 Vgl. Westermann, ZHR (172) 2008, 144, 165. 804 Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) vom 23. Oktober 2008, BGBl. Teil I 2008, 2026, 2035. 801

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Kap. 3: Das aktienrechtliche Kapitalschutzsystem

mehr ein vollwertiger Gegenleistungs- oder Rückgewähranspruch einen Verstoß gegen die Kapitalschutzvorschrift805. Die Anforderungen an die Ausnahmevorschrift zum Verbot der „Financial Assistance“ nach Art. 23 der reformierten Kapitalrichtlinie sind mit dem Erfordernis der qualifizierten Hauptversammlungszustimmung und des Drittvergleichs (Geschäft zu marktüblichen und fairen Konditionen) im Vergleich zu dieser Regelung ungleich strenger. Ein einheitliches Schutzniveau vor (§ 71a AktG) und nach (§ 57 Abs. 1 und 3 AktG) einem fremdfinanzierten Aktienerwerb würde mithin auch bei Umsetzung des liberalisierten Art. 23 nicht bestehen. Aufgrund der aufgezeigten Schwierigkeiten bei der Handhabung der neuen Ausnahmevorschrift würde vielmehr keine nennenswerte Annäherung stattfinden. Wie bereits ausgeführt gibt es mit der Vorkontrolle des Anteilserwerbs durch die Finanzmärkte auch einen sachlichen, wenn auch nicht zwingenden Grund, Vermögensverlagerungen vor Aktienerwerb strenger zu behandeln als nach Erwerb der Aktionärseigenschaft806. Ein Wertungswiderspruch liegt insoweit nicht vor. Mithin folgt aus dem Verhältnis zu dem reformierten § 57 AktG keine Notwendigkeit zur Änderung des § 71a Abs. 1 AktG i. S. d. neu gefassten Art. 23 Abs. 1 der Kapitalrichtlinie. IV. Keine Übernahme der Neuregelung in das deutsche Aktienrecht Der Streit zwischen den Gegnern der Liberalisierung des Verbots finanzieller Unterstützung, die eine Neuregelung aufgrund der ungeklärten ökonomischen Wirkung von Leveraged Buyouts von vornherein ablehnten807, und den Befürwortern einer Umsetzung der Reformbemühungen auf Gemeinschaftsebene808 ist entschärft, da die Lockerung des Finanzierungsverbotes in Art. 23 der reformierten Kapitalrichtlinie keine für die Praxis brauchbare Regelung enthält. Zwar ist der Bewertung zuzustimmen, dass durch die Vorschrift Minderheitsaktionäre und Gläubiger nicht gefährdet werden809. Auch das befürchtete Spannungsverhältnis810 zu dem Gesetz zur Begrenzung der mit Finanzinvestoren verbundenen Risiken (Risikobegrenzungsgesetz)811 besteht angesichts der kaum handhabbaren Ausnahmevor805

Siehe oben Kapitel 3 § 1 B. II. 3. b) aa), bb). Siehe oben Kapitel 3 § 2 A. II. 2. b). 807 Stellungnahme der Arbeitsgruppe Europäisches Gesellschaftsrecht vom 1. März 2003, ZIP 2003, 863, 873. 808 Schmolke, WM 2005, 1828, 1837; Oechsler, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 71a Rn. 8. ders, ZHR 170 (2006), 72, 88. 809 Drygala, Der Konzern, 396, 406; Schmolke, WM 2005, 1828, 1836 f. 810 Habersack, F. A. Z. vom 21.11.2007, S. 25 („Brüssel rüttelt an der Finanzverfassung der Unternehmen“) vor Inkrafttreten der Regelung. 806

§ 3 Das Verhältnis von § 57 Abs. 1, 3 AktG und § 71a Abs. 1 AktG

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schrift nicht. Doch nur keinen Schaden anzurichten genügt für die Einführung einer nicht verpflichtenden europäischen Regelung nicht. Das in Erwägungsgrund 5 der Kapitaländerungsrichtlinie formulierte Ziel, durch eine zulässige finanzielle Unterstützung die Besitzverhältnisse von Aktiengesellschaften flexibler zu gestalten, wird mit der Neuregelung kaum gefördert. Die Einschätzung, durch die Zulassung der „Financial Assistance“ sei der als ökonomisch vorteilhaft erkannte Leveraged Buyout von unnötigen Restriktionen befreit worden und eine Umsetzung daher zu begrüßen812, kann nicht geteilt werden. Angesichts der praxisfernen Regelung kann schon nicht von einer „Zulassung“ der Financial Assistance gesprochen werden. Sogar die Voraussage, die Ausnahmeregelung würde sich nur auf wenige Ausnahmefälle beschränken813, erscheint angesichts der unpraktikablen und überstrengen Anforderungen recht optimistisch. Eine Ergänzung des § 71a AktG um die neue Ausnahmeregelung würde vielmehr die Schaffung eines von Anfang an „toten Rechts“ bedeuten und ist daher abzulehnen814. Der Nutzen der Neuregelung erschöpft sich somit darin, dass durch die – wenn auch für die Praxis uninteressante – Möglichkeit der Einführung einer Ausnahmeregelung implizit klargestellt wird, dass eine finanzielle Unterstützung des Aktienerwerbs nicht per se verwerflich ist, sondern zulässig sein kann, soweit die Minderheitsaktionäre und Gesellschaftsgläubiger ausreichend geschützt werden. Dies kann gerade bei den in Kapitel vier und fünf zu behandelnden Verschmelzungstatbeständen und Konzernlagen als Argument gegen eine Ausdehnung des Anwendungsbereichs von § 71a AktG auf diese Sachverhalte angeführt werden815.

§ 3 Das Verhältnis von § 57 Abs. 1, 3 AktG und § 71a Abs. 1 AktG Nach der Untersuchung der Ausschüttungsverbote in § 57 Abs. 1 und 3 AktG und des Verbots der finanziellen Unterstützung nach § 71 Abs. 1 S. 1 811

Gesetz zur Begrenzung der mit Finanzinvestoren verbundenen Risiken vom 12.8.2008, BGBl. I 2008, 1666 ff., in Kraft seit 19.8.2008. 812 Schmolke, WM 2005, 1828, 1837. 813 Oechsler, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 71a Rn. 8. 814 Es ist daher zu begrüßen, dass der Gesetzgeber im Gesetzesentwurf zur Umsetzung der Aktionärsrichtlinie (ARUG)vom 7.11.2008, BT-Drucks. 847/08 auf die Umsetzung der Ausnahmetatbestände für die „Financial Assistance“ verzichtet hat. Seibert/Florsted, ZIP 2008, 2145, 2149 sehen indes den Grund hierfür nicht in der Ineffizienz der Neuregelung, sondern in dem für eine Liberalisierung ungünstigen politischen Umfeld. 815 Freitag, AG 2007, 157, 164. Vgl. auch Seibt, ZHR 171 (2007), 282, 300 ff.

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Kap. 3: Das aktienrechtliche Kapitalschutzsystem

AktG können nun die Anwendungsbereiche der beiden Tatbestände voneinander abgegrenzt werden. Hierbei sind auch die Rechtsfolgen der beiden Vorschriften mit einzubeziehen, um mögliche Wertungswidersprüche und Schutzlücken aufzudecken. Dies ist insbesondere für die im Rahmen des § 57 AktG offen gelassene Frage relevant, ob eine analoge Anwendung dieser Norm auf Sachverhalte im Vorfeld des Erwerbes erforderlich ist. Bevor der hier vertretene neue Ansatz, der eine Abgrenzung der beiden kapitalschützenden Normen allein auf Tatbestandsebene vorsieht, dargelegt wird, sind zunächst die bislang vertretenen Lösungswege darzustellen. Diesen ist gemein, dass sie zumindest von einer partiellen Deckung der tatbestandlichen Anwendungsbereiche von Art. 57 Abs. 1, 3 AktG und Art. 71a Abs. 1 S. 1 AktG ausgehen, sodass nach bislang vertretener Ansicht das Verhältnis dieser beiden Vorschriften (auch) auf Konkurrenzebene zu untersuchen ist.

A. Abgrenzung auf Konkurrenzebene unter Einbeziehung der Rechtsfolge Bisher gehen Rechtsprechung und Literatur einhellig von einer Überschneidung des tatbestandlichen Anwendungsbereichs der Ausschüttungsverbote des § 57 Abs. 1 und 3 AktG und des Verbots der finanziellen Unterstützung nach § 71a Abs. 1 S. 1 AktG aus816. Dies liegt darin begründet, dass als „anerkannt“ angesehen wird, dass § 57 Abs. 1, 3 AktG über seinen Wortlaut hinaus auch Vermögenszuwendungen an künftige Aktionäre erfasst und umgekehrt § 71a Abs. 1 AktG auf Finanzierungsgeschäfte ausgedehnt wird, die erst nach Erwerb der Aktien erfolgen817. Strittig ist lediglich, wie groß die gemeinsame Schnittmenge der beiden Vorschriften ist. Während Habersack vor der Neufassung des Art. 57 AktG durch das MoMiG einen „nahezu vollständigen Gleichlauf“ konstatierte und das Verbot der finanziellen Unterstützung als obsolet betrachtete818, meint die Gegenansicht, dass sich die beiden Normen nur in Sonderfällen überschneiden819, 816 BGH, Urteil vom 13.11.2007 – XI ZR 294/07, NZG 2008, 106 f.; Oechsler, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 71a Rn. 5 ff., 10; ders., ZIP 2006, 1661, 1663; Lutter/Drygala, in: Kölner Kommentar zum Aktiengesetz, § 71a Rn. 18; Merkt, in: Großkommentar zum AktG, § 71a Rn. 14; Cahn, in: Spindler/Stilz, AktG, § 71a Rn. 11; T. Bezzenberger, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 71a Rn. 7; Lutter/Wahlers, AG 1989, 1, 9; Kerber, NZG 2006, 50, 51; Uwe H. Schneider, NZG 2007 888, 891, Habersack, in: FS Röhricht, S. 155, 164, Schroeder, Finanzielle Unterstützung des Aktienerwerbs, S. 115 m. w. N. (Fn. 428). 817 Statt aller Uwe H. Schneider, NZG 2007, 888, 891 m. w. N. 818 Habersack, in: FS Röhricht, S. 155, 164. 819 Kerber, NZG 2006, 50, 51.

§ 3 Das Verhältnis von § 57 Abs. 1, 3 AktG und § 71a Abs. 1 AktG

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ohne hierfür jedoch klare Abgrenzungskriterien aufzuzeigen. Die überwiegend vertretene, vermittelnde Auffassung befürwortet keine Deckung der Anwendungsbereiche, jedoch eine große gemeinsame Schnittmenge, so dass häufig zugleich § 57 Abs. 1, 3 AktG und § 71a Abs. 1 AktG Anwendung finden820. Dies ist unter der Prämisse der erwähnten Ausdehnung der beiden Tatbestände auch folgerichtig, da dann das Verbot der finanziellen Unterstützung nur in den Fällen einen eigenen Anwendungsbereich hat, in denen der Unterstützte nicht einmal künftiger Aktionär wird oder die Unterstützung zum Zweck des Erwerbs an Dritte erfolgt. Allen Ansichten ist gemein, dass sich aufgrund der Überschneidungen die Frage stellt, wie die Vorschriften – auf Konkurrenzebene – zueinander stehen. Dabei führt der Umgang mit den sich partiell deckenden Vorschriften in der Praxis zu großer Rechtsunsicherheit und wird – gerade auch hinsichtlich der Rechtsfolgen – zu Recht als „nicht geklärt“ bezeichnet821. Diese Rechtsunsicherheit tritt auch in der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu Tage. So wandte der 11. Senat des BGH in einem neueren Urteil822 § 62 Abs. 1 S. 1 AktG an, da die Auszahlung einer Darlehensvaluta zum Zweck des Erwerbs einer Beteiligung an der darlehensgebenden AG wegen Verstoßes gegen § 57 Abs. 1 S. 1 AktG eine unzulässige Leistung darstellte. Gleichzeitig bemühte das Gericht aber auch § 71a Abs. 1 S. 1 AktG mit der Folge der Nichtigkeit des Darlehensvertrags, ohne mit einem Wort auf das Verhältnis der beiden Vorschriften einzugehen823. Im Schrifttum wird § 71a Abs. 1 AktG überwiegend als Sonderfall gegenüber § 57 Abs. 1, 3 AktG angesehen mit der Konsequenz, dass in dessen Anwendungsbereich die allgemeinen Ausschüttungsverbote nach § 57 Abs. 1 und 3 AktG verdrängt werden824. Für das Verhältnis der Spezialität wird angeführt, dass § 71a Abs. 1 AktG den allgemeinen Kapitalschutz für Erwerbstatbestände als besondere Absicherung spezifiziere. Durch die Machtverschiebung bestünde eine erhöhte Gefahr, dass das Gesellschaftsvermögen durch Vermögensverlagerungen auf die Erwerber geschädigt würde825. 820 Oechsler, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 71a Rn. 10; ders., ZIP 2006, 1661, 1663; Merkt, in: Großkommentar zum AktG, § 71a Rn. 14; Becker, DStR 1998, 1429, 1431; Lutter/Wahlers, AG 1989, 1, 9. 821 Uwe H. Schneider, NZG 2007, 888, 891. 822 BGH, Urteil vom 13.11.2007 – XI ZR 294/07, NZG 2008, 106 f. 823 BGH, ebd.,106, 107. 824 Oechsler, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 71a Rn. 10; ders., ZIP 2006, 1661, 1663 und 1665 f.; Merkt, in: Großkommentar zum AktG, § 71a Rn. 14; Schroeder, Finanzielle Unterstützung des Aktienerwerbs, S. 116. 825 Schroeder, ebd.

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Kap. 3: Das aktienrechtliche Kapitalschutzsystem

Die Gegenansicht hält §§ 62, 57 AktG hingegen neben dem Verbot der finanziellen Unterstützung für anwendbar826. Diese Auffassung hat den Vorteil, Wertungswidersprüche zu vermeiden, die entstehen, wenn mit einem Teil der Literatur die Nichtigkeitsfolge des § 71a AktG nur auf das Verpflichtungsgeschäft827 und nicht – wie von der wohl herrschenden Ansicht im Rahmen des § 57 AktG828 – auf das Verfügungsgeschäft ausgedehnt wird. Denn sieht man § 71a AktG als verdrängende Spezialvorschrift und wendet gleichzeitig mit der bloßen Nichtigkeit des Verpflichtungsgeschäfts die im Vergleich zu § 57 AktG weniger weitgehende Rechtsfolge an829, wirkt das Verbot der finanziellen Unterstützung entgegen seiner Zwecksetzung als Privilegierung und nicht als Verschärfung des Kapitalschutzes. Dies erkennend, differenzieren Vertreter der Spezialität die Rechtsfolge, je nachdem, ob nur ein Verstoß gegen § 71a Abs. 1 S. 1 AktG vorliegt (Nichtigkeit ausschließlich des Verpflichtungsgeschäfts) oder auch § 57 AktG eingreifen würde (Nichtigkeit auch der Erfüllungsgeschäftes)830. Welches Rechtsfolgenkonzept stimmig ist, wird im Anschluss an den folgenden Lösungsvorschlag, der § 57 Abs. 1, 3 AktG und § 71a Abs. 1 S. 1 AktG auf Tatbestandsebene abgrenzt, diskutiert831.

B. Abgrenzung auf Tatbestandsebene unter Einbeziehung der Rechtsfolge Den aufgezeigten Schwierigkeiten bei der Bestimmung des Konkurrenzverhältnisses entgeht der hier vertretene neue Ansatz. Demnach handelt es sich bei den Ausschüttungsverboten in § 57 Abs. 1, 3 AktG und dem Verbot der finanziellen Unterstützung nach § 71a Abs. 1 AktG nicht um zwei 826 Cahn, in: Spindler/Stilz, AktG, § 71a Rn. 11; T. Bezzenberger, in: K. Schmidt/ Lutter, AktG, § 71a Rn. 7. 827 Für die ausschließliche Nichtigkeit des Verpflichtungsgeschäft T. Bezzenberger, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 71a Rn. 15; Lutter, in: Kölner Kommentar zum AktG, 2. Aufl., § 71a Rn. 8; Lutter/Wahlers, AG 1989, 1, 10; Schroeder, Finanzielle Unterstützung des Aktienerwerbs, S. 254, a. A. Cahn, in: Spindler/Stilz, AktG, § 71a Rn. 50; Joost, ZHR 149 (1985), 419, 430; differenzierend Merkt, in: Großkommentar zum AktG, § 71a Rn. 48; Oechsler, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 71a Rn. 40 f. 828 Henze, in: Großkommentar zum AktG, § 57 Rn. 203 ff.; Canaris, in: FS Fischer, S. 30, 33 f.; zweifelnd: Hüffer, AktG, § 57 Rn. 23. 829 So etwa Schroeder, Finanzielle Unterstützung des Aktienerwerbs, S. 116, 254. 830 Merkt, in: Großkommentar zum AktG, § 71a Rn. 48; Oechsler, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 71a Rn. 40 f. 831 Siehe unten Kapitel 3 § 3 C.

§ 3 Das Verhältnis von § 57 Abs. 1, 3 AktG und § 71a Abs. 1 AktG

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sich überschneidende Kreise, sondern um klar abgrenzbare Tatbestände832. Während § 71a Abs. 1 S. 1 AktG den Kapitalschutz bis zum Aktienerwerb gewährleistet, beginnt der Anwendungsbereich des § 57 Abs. 1 und 3 AktG erst in diesem Zeitpunkt, sobald der Erwerber die Aktionärseigenschaft erlangt. Dabei ist die angesichts der jahrzehntelangen Streitigkeiten simpel anmutende Abgrenzung nicht Folge eines juristischen Kabinettstücks, um Schwierigkeiten bei der Bestimmung des Konkurrenzverhältnisses der beiden Vorschriften zu umgehen, vielmehr ergibt sich diese klare zeitliche Trennlinie bereits – wie ausführlich dargelegt – aus dem Wortlaut der Vorschriften und allgemeiner Rechtsdogmatik: So ist das Verbot der finanziellen Unterstützung begrenzt auf Leistungen, die „zum Zweck des Erwerbs“ und damit im Vorfeld des Aktienerwerbs erfolgen. Dies unterstreicht nun auch Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 3 S. 2 der reformierten Kapitalrichtlinie, wonach aus dem Bericht, den die Verwaltung der Hauptversammlung vorzulegen hat, u. a. der Preis hervorgeht, „zu dem der Dritte die Aktien erwerben soll“. Diese Formulierung zeigt, dass der Erwerb in der Zukunft liegen muss. Hingegen wenden sich die Ausschüttungsverbote des § 57 AktG ausschließlich an Aktionäre als Leistungsempfänger. Der Erwerb der Aktionärseigenschaft erfolgt erst im Moment des Aktienerwerbs. Vorteil dieser vom Wortlaut der beiden Vorschriften ausgehenden tatbestandlichen Abgrenzung ist neben der Vermeidung von dogmatischen Unsauberkeiten der Gewinn an Rechtssicherheit. Allen Beteiligten – insbesondere auch Dritten wie den Banken und Mergers & Acquisitions-Dienstleistern – erschließt sich (weitgehend) schon aus dem Wortlaut der Normen deren Reichweite. Auch in dem Fall, dass der Darlehensvertrag vor dem Aktienerwerb abgeschlossen wird, die Leistung jedoch erst nach der Übernahme erbracht werden soll besteht kein Konkurrenzverhältnis. Denn bezieht sich die Vereinbarung auf einen Leistungszeitpunkt, in dem der Erwerber bereits Aktionär ist, erfolgt sie nicht „zum Zweck des Erwerbs“, sondern zum Zweck der Refinanzierung. Das Verbot der finanziellen Unterstützung findet mithin keine Anwendung. Stattdessen leistet die Zielgesellschaft an einen Aktionär, so dass die §§ 62, 57 Abs. 1, 3 AktG Anwendung finden. In einem Sonderfall können auch beide Tatbestände gleichzeitig eingreifen. Wenn die Erwerbergesellschaft bereits Aktionärin der Zielgesellschaft ist, finden bei der finanziellen Unterstützung eines weiteren Aktienkaufs so832 Im Ansatz auch Kerber, NZG 2006, 50, 51, der mit Verweis auf den unterschiedlichen Adressatenkreis von einer klaren funktionellen Abgrenzung spricht, jedoch in Sonderfällen einen überlappenden Anwendungsbereich von § 57 Abs. 1, 3 AktG und § 71a AktG annimmt.

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Kap. 3: Das aktienrechtliche Kapitalschutzsystem

wohl § 71a Abs. 1 AktG als auch § 57 AktG Anwendung. Hierbei handelt es sich jedoch nur scheinbar um ein Konkurrenzproblem. Vielmehr fallen hier zwei an sich getrennte Vorgänge zusammen: Der Aktienerwerb in der Vergangenheit, der Grundlage für die Anwendung des § 57 AktG ist und der zukünftige Aktienerwerb als Voraussetzung für § 71a Abs. 1 AktG. Beide Vorschriften sind daher in diesem eher theoretischen Ausnahmefall nebeneinander anzuwenden833. Die Grundunterscheidung zwischen dem Verbot der finanziellen Unterstützung und § 57 Abs. 1 und 3 AktG hat zur Konsequenz, dass – unter der noch zu untersuchenden Prämisse des ausreichenden Schutzes der jeweiligen Rechtsfolge für Minderheitsaktionäre und Gesellschaftsgläubiger – im Anwendungsbereich der einen Norm eine analoge Anwendung oder teleologische Extension der anderen Norm mangels Regelungslücke nicht in Betracht kommt. Zu untersuchen bleibt, ob bei fremdfinanzierten Übernahmen Lücken in den Anwendungsbereichen der beiden kapitalschützenden Vorschriften eine analoge Anwendung der jeweils anderen Norm erfordern. I. Ablehnung der analogen Anwendung des § 57 Abs. 1, 3 AktG auf Unterstützungshandlungen im Vorfeld der Übernahme Betrachtet man allein die Tatbestandsseite, erscheint bei fremdfinanzierten Übernahmen eine analoge Anwendung des § 57 Abs. 1 und 3 AktG auf Unterstützungshandlungen, die sich im Vorfeld des Aktienerwerbs abspielen, aufgrund des Eingreifens des § 71a Abs. 1 S. 1 AktG mangels Regelungslücke ausgeschlossen834. Dies gilt jedenfalls für die dort ausdrücklich genannten Fälle Darlehen, Sicherheitsleistung und Vorschuss. Im Rahmen des Verbotes der finanziellen Unterstützung besteht bei diesen Rechts833

Da beide Vorschriften zu einem Anspruch der Aktiengesellschaft nach § 62 Abs. 1 S. 1 AktG führen, wirkt sich dies jedoch nur hinsichtlich des Anspruchs nach § 812 Abs. 1 S. 1 Var. 1 BGB gegenüber einem Drittempfänger aus. Siehe im Einzelnen zu den Rechtsfolgen sogleich Kapitel 3 B. II. sowie Kapitel 5 § 3 C. zur hierbei in aller Regel vorliegenden konzernrechtlichen Problematik. 834 Die Untersuchung beschränkt sich auf finanzielle Unterstützungshandlungen im Rahmen einer Übernahme. Eine analoge Anwendung des § 57 AktG auf Leistungen an zukünftige Aktionäre außerhalb des Anwendungsbereichs des § 71a Abs. 1 AktG ist damit nicht ausgeschlossen. Bei Leistungen einer Aktiengesellschaft an einen zukünftigen Aktionär, die nicht „zum Zweck des Erwerbs“ erfolgen, kommt eine analoge Anwendung der §§ 57, 62 AktG somit in Betracht. Das Verbot der finanziellen Unterstützung steht dann dem Vorhandensein einer Regelungslücke nicht entgegen. Allerdings dürfte der Fall, dass eine Aktiengesellschaft an einen zukünftigen Aktionär Vermögenswerte zu einem anderen Zweck als der Finanzierung der Aktienanteile leistet, in der Praxis selten vorkommen.

§ 3 Das Verhältnis von § 57 Abs. 1, 3 AktG und § 71a Abs. 1 AktG

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geschäften im Vergleich zu § 57 AktG sogar ein höheres Kapitalschutzniveau. Während sie nach § 71a Abs. 1 S. 1 AktG nichtig sind, erlaubt § 57 Abs. 1 S. 3 Var. 2 AktG solche Geschäfte in gewissen Grenzen835. Die herrschende Meinung hat keinerlei Probleme, weitere Unterstützungshandlungen darunter zu fassen, da sie das Verbot der finanziellen Unterstützung in § 71a Abs. 1 S. 1 AktG als offenen Tatbestand mit Regelbeispielen betrachtet836. Aber auch im Rahmen der hier vertretenen Gegenansicht837 ist es sachnäher, die in § 71a Abs. 1 AktG nicht ausdrücklich genannten Vermögenstransfers der Zielgesellschaft an die Erwerbergesellschaft (z. B. unentgeltliche Zuwendungen, Austauschverträge mit Äquivalenzstörungen) über einem „Erst-Recht-Schluss“ bzw. eine Analogie dem Verbot der finanziellen Unterstützung zu unterwerfen838, anstatt auf § 57 AktG zurückzugreifen. Denn der Schritt von den in § 71a Abs. 1 AktG ausdrücklich genannten verbotenen Unterstützungshandlungen auf vergleichbare Fälle erscheint kleiner, als die allgemeine Kapitalschutzregelung des § 57 AktG entgegen ihrem Wortlaut in zeitlicher Hinsicht auf zukünftige Aktionäre auszudehnen. Insbesondere ergibt es keinen Sinn, solche Sachverhalte von § 57 Abs. 1 AktG erfasst zu sehen, da zu diesem Zeitpunkt regelmäßig noch keinerlei Einlagen geleistet wurden. Damit müssten die zwei maßgeblichen Tatbestandsmerkmale des § 57 Abs. 1 AktG analog angewandt werden, da weder ein Aktionär Leistungsempfänger ist noch Einlagen zurückgewährt werden. Zur fehlenden Regelungslücke kommt somit noch hinzu, dass bei einer Analogie aller wesentlichen Tatbestandsmerkmale kaum von einer vergleichbaren Interessenlage gesprochen werden kann. Darüber hinaus regelt § 71a AktG mit den Erwerbstatbeständen einen Sonderfall. Auch dies spricht dafür, auf die speziell auf den Wechsel von Beteiligungen ausgerichtete Norm zurückzugreifen, anstatt die allgemeine Kapitalschutzregelung zu bemühen. II. Ablehnung der analogen Anwendung des § 71a Abs. 1 AktG auf Unterstützungshandlungen nach erfolgter Übernahme Bereits ausführlich untersucht wurde die Frage, ob sich das Verbot der finanziellen Unterstützung nach Art. 23 der Kapitalrichtlinie auch auf Sachverhalte nach Aktienerwerb erstreckt. Dies wurde mit Verweis auf Wortlaut, Zweck und Historie der Norm verneint, so dass eine richtlinienkonforme Extension des § 71a Abs. 1 S. 1 AktG europarechtlich nicht geboten ist839. 835 836 837 838

Siehe oben Kapitel 3 § 1 B. II. 3. b) aa) (3). Siehe oben Kapitel 3 § 2 B. II. 1. Ebd. Siehe oben Kapitel 3 § 2 B. II. 2. b), c).

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Kap. 3: Das aktienrechtliche Kapitalschutzsystem

Unabhängig davon bedarf es auch keiner sonstigen analogen Anwendung des § 71a Abs. 1 AktG nach Aktienerwerb zur Schließung von Schutzlücken. Gläubiger (§ 57 Abs. 1 AktG) und Minderheitsaktionäre (§ 57 Abs. 3 AktG) werden durch die Grundnorm der Kapitalerhaltung ausreichend vor Vermögenstransfers an die Aktionäre geschützt. Die Auflockerung der Vermögensbindung durch die Zulassung von Leistungen bei vollwertigem Ausgleichsanspruch in dem durch das MoMiG840 neu eingeführten § 57 Abs. 1 S. 3 AktG beschneidet den Gläubiger- und Minderheitenschutz nicht unverhältnismäßig841. Überdies stellt die Neuregelung eine zu akzeptierende gesetzgeberische Entscheidung dar. Das hieraus resultierende unterschiedliche Kapitalschutzniveau vor und nach der Übernahme ist hinzunehmen. Mit der Vorkontrolle des Anteilserwerbs durch die Finanzmärkte besteht auch ein sachlicher, wenn auch nicht zwingender Grund, Vermögensverlagerungen vor Aktienerwerb strenger zu behandeln als nach Erwerb der Aktionärseigenschaft842. Entgegen einigen Stimmen in der Literatur843 hat die Einführung der Ausnahmeregelung in § 57 Abs. 1 S. 3 AktG mithin keinen Bedeutungszuwachs des Verbots der finanziellen Unterstützung zur Folge. Auch der gegenüber § 71a Abs. 1 S. 1 AktG eingeschränkte Empfängerkreis des § 57 AktG zwingt nicht zu einer analogen Anwendung des Verbots der finanziellen Unterstützung bei Leistungen an Dritte nach Aktienerwerb. Zum einen ist oftmals die Leistung – etwa an eine Bank – dem erwerbenden Aktionär zuzurechnen, so dass § 57 AktG unmittelbar eingreift844. Zum anderen behandeln die aktienrechtlichen Kapitalschutzregeln bewusst nicht (unausgeglichene) Leistungen an beliebige Dritte. Auch wenn § 71a Abs. 1 AktG – u. a. aus Beweisgründen – keine Einschränkung des Empfängerkreises vorsieht, macht der Zweckbezug zum Aktienerwerb deutlich, dass in letzter Konsequenz die finanzielle Unterstützung dem werdenden Aktionär zugute kommen muss845. Nicht ohne Grund stehen sowohl § 57 AktG als auch § 71a AktG im dritten Teil des ersten Buches unter der Überschrift „Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter“. So besteht nur 839

Siehe oben ausführlich, Kapitel 3 § 2 B. II. 2. b) bb). Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) vom 23. Oktober 2008, BGBl. Teil I 2008, 2026, 2035. 841 Siehe hierzu ausführlich Kapitel 3 § 1 B. II. 3. b) aa). 842 Siehe oben Kapitel 3 § 2 A. II. 2. b). 843 Habersack, F. A. Z. vom 21.11.2007, S. 25, der vor den Änderungen durch das MoMiG § 71a AktG neben § 57 AktG weitgehend als überflüssig ansah, vgl. Habersack, in: FS Röhricht, S. 155, 166. 844 Siehe oben Kapitel 3 § 1 B. I. 1. c) aa). 845 Vgl. LG Düsseldorf, Urteil vom 28.10.2005 – 39 O 180/04, ZIP 2006, 516, 521, wonach § 71a AktG primär das Verhältnis zwischen Ziel- und Erwerbergesellschaft regelt. 840

§ 3 Das Verhältnis von § 57 Abs. 1, 3 AktG und § 71a Abs. 1 AktG

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bei einer Leistung der Gesellschaft an einen (werdenden) Aktionär die erhöhte Gefahr, dass eine Einflussnahme auf die Entscheidungsgremien der Aktiengesellschaft von Seiten des Mehrheitsaktionärs zu diesem Vermögenstransfer führt. Im Übrigen bieten sowohl das allgemeine Zivilrecht mit den §§ 138, 826 BGB, § 823 BGB i. V. m. § 266 StGB und dem Institut des Missbrauchs der Vertretungsmacht als auch die aktienrechtliche Vorstandhaftung nach § 93 AktG genügend Instrumentarien, um gegen für die Zielgesellschaft schädigende Vermögensverlagerungen an Dritte vorzugehen846. Verbleibende Schutzlücken, etwa wenn eine Aktiengesellschaft nach Erwerb nicht an die Erwerbergesellschaft, sondern an den hinter dieser stehenden Private Equity Fonds leistet, können über eine Analogie des § 57 Abs. 1 und 3 AktG gelöst werden847. Denn in diesem Sonderfall besteht die von § 57 AktG unterbundene Verquickung zwischen Einwirkung auf die Entscheidungsfindung der Aktiengesellschaft und dem Vermögenstransfer. Nach Aktienerwerb ist hier § 57 AktG die sachnähere Norm, da der empfangende Private Equity Fonds dann als „aktionärsgleicher Dritter“ fungiert848. Eines Rückgriffs auf den vor Aktienerwerb einschlägigen § 71a Abs. 1 AktG bedarf es nicht. Während im Rahmen des § 57 Abs. 1 und 3 AktG allein das Tatbestandsmerkmal „den Aktionären“ im Wege der Analogie auf den die Leistung empfangenden Private Equity Fonds als „aktionärsgleichen Dritten“ ausgedehnt werden muss, würde die Anwendung des § 71a Abs. 1 S. 1 AktG ggf. eine Doppelanalogie erfordern, wenn kein Darlehen, sondern etwa ein unausgeglichenes Geschäft mit der Private Equity Gesellschaft zur Vermögensverlagerung auf diese führt. Denn zum einen handelt es sich in diesem Fall nicht um einen Vorschuss, ein Darlehen oder eine Sicherheitsleistung, und zum anderen erfolgt eine Leistung nach Aktienerwerb nicht „zum Zweck des Erwerbs“. Die §§ 57, 62 AktG bieten daher nach Aktienerwerb gegenüber einer Analogie zu § 71a Abs. 1 AktG die sachnähere Lösung.

C. Rechtsfolgen Die vorgenommene Abgrenzung auf Tatbestandsebene zwischen § 71a Abs. 1 S. 1 AktG vor Aktienerwerb und § 57 Abs. 1, 3 AktG ab Aktienerwerb bildet jedoch nur dann ein stimmiges Kapitalschutzsystem, wenn die Rechtsfolgen bei Verstoß gegen die Regelungen für das Vermögen der Aktiengesellschaft und damit für die geschützten Minderheitsaktionäre und 846

Vgl. Henze, in: Großkommentar zum AktG, § 57 Rn. 216; ähnlich auch BGH, Urteil vom 19.3.1998 – IX ZR 22/97, BGHZ, 138, 291 ff. m. w. N. 847 Vgl. hierzu ausführlich Kapitel 3 § 1 B. I. 1. c) bb). 848 Ebd.

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Kap. 3: Das aktienrechtliche Kapitalschutzsystem

Gläubiger jeweils einen ausreichenden Schutz vorsehen. Insoweit besteht auch bei der hier vertretenen Lösung – ähnlich wie im Rahmen der Konkurrenzlösung der Gegenansicht849 – die Schwierigkeit, Wertungswidersprüche zu vermeiden. Sowohl bezüglich der Rechtsfolge von § 57 Abs. 1 und 3 AktG als auch hinsichtlich jener bei Verstoß gegen § 71a Abs. 1 S. 1 AktG werden unterschiedliche Auffassungen vertreten. I. Rechtsfolgen bei Verstoß gegen § 57 Abs. 1 und 3 AktG 1. Die Rechtsfolge des § 62 AktG als abschließende Spezialregelung

Unstreitig umfassen die Ausschüttungsverbote des § 57 AktG nicht nur die tatsächliche verbotene Leistung, sondern schon die Verpflichtung hierzu850. Traditionell wird bei Verstoß gegen § 57 Abs. 1, 3 AktG sowohl das schuldrechtliche Grundgeschäft der Unterstützungshandlung (z. B. Darlehens-, Sicherungsvertrag) als auch das dingliche Erfüllungsgeschäft (z. B. Übereignung, Abtretung) gemäß § 134 BGB mit der Rechtsfolge der Nichtigkeit belegt851. Dies hätte zur Folge, dass neben dem nach Austausch der vermögenswerten Leistungen unstreitig Anwendung findenden aktienrechtlichen Rückgewähranspruch nach § 62 Abs. 1 S. 1 AktG die Gesellschaft auch nach § 985 BGB gegen den begünstigten Aktionär vorgehen könnte. Der dem Grunde nach regelmäßig bestehende Anspruch aus Leistungskondiktion gemäß § 812 Abs. 1 S. 1 Var. 1 BGB sollte hingegen von § 62 Abs. 1 S. 1 AktG verdrängt werden852. Vor allem in der obergerichtlichen Rechtsprechung wird als Mittelweg allein die Nichtigkeit des Verpflichtungsgeschäfts angenommen853. Die vordringende Gegenansicht sieht dagegen § 62 Abs. 1 S. 1 AktG als abschließende Spezialregelung und wendet sich gegen die Nichtigkeit von Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft854. 849

Siehe oben Kapitel 3 § 3 A. Bayer, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 57 Rn. 11. 851 Henze, in: Großkommentar zum AktG, § 57 Rn. 203 ff.; Canaris, in: FS Fischer, S. 30, 33 f.; zweifelnd: Hüffer, AktG, § 57 Rn. 23; Horn, ZIP 1987, 1225, 1227; Sonnenhol/Stützle, WM 1983, 2, 5. In diese Richtung auch OLG Koblenz, Urteil vom 10.2.1977 – 6U 847/75, AG 1977, 231, 232; OLG Hamburg Urteil vom 23.5.1980 – 11 U 117/79, AG 1980, 275, 279. 852 Henze, in: Großkommentar zum AktG, § 57 Rn. 224. 853 OLG Frankfurt a. M., Urteil vom 30.1.1995 – 6 U 192/91, AG 1996, 325, 327; OLG Düsseldorf, Urteil vom 24.10.1979 – 11 U 47/79, AG 1980, 273, 274; Lutter, in: Kölner Kommentar zum AktG, 2. Aufl., § 57 Rn. 64 ff.; Geßler, in: FS Fischer, S. 131, 143 f. 854 Bayer, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 57 Rn. 145 ff.; Cahn/Senger, in: Spindler/Stilz, AktG, § 57 Rn. 84 ff.; Flume, ZHR 144 (1980) 18, 23 ff.; Joost, ZHR 149 (1985), 419, 421 ff.; Bitter, ZHR 168 (2004), 302, 342 ff.; Rosengarten, 850

§ 3 Das Verhältnis von § 57 Abs. 1, 3 AktG und § 71a Abs. 1 AktG

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Für die Leistungen der Gesellschaft an die Erwerbergesellschaft im Rahmen eines Leveraged Buyouts spielt dieser Streit oftmals keine Rolle, da insbesondere bei Geldleistungen auf Bankkonten dingliche Herausgabeansprüche nicht in Betracht kommen. Die Frage der Nichtigkeit des Erfüllungsgeschäftes ist in diesem Falle auch bei einer etwaigen Forderungspfändung in der Zwangsvollstreckung regelmäßig schon aufgrund des im Rahmen der Kontokorrentabrede stattfindenden Saldoanerkenntnisses irrelevant855. Auswirkungen hat der Meinungsstreit jedoch insbesondere bei einem Vermögenstransfer durch Verfügungen von Sachen etwa zur Erfüllung eines (unausgeglichenen) Kauf- bzw. Schenkungsvertrags oder im Rahmen einer Sicherungsübereignung. Denn bei Nichtigkeit des Erfüllungsgeschäftes steht der Gesellschaft bei Insolvenz der begünstigten Erwerbergesellschaft ein Aussonderungsrecht (§ 47 InsO) zu. Vor Zugriffen Dritter ist sie über § 771 ZPO geschützt. Ebenso kann in der Zwangsvollstreckung die Gültigkeit der Abtretung eines Anspruchs der Gesellschaft gegen einen Dritten an den erwerbenden Aktionär entscheidungserheblich sein, wenn ein Gläubiger des Aktionärs diese Forderung pfänden will. Der Wortlaut des § 57 Abs. 1 und 3 AktG formuliert lediglich die Ausschüttungsverbote und gibt keinen Hinweis auf die Nichtigkeitsfolge. Für die Erstreckung des Nichtigkeitsanspruches auf den Erfüllungsanspruch könnte jedoch die teleologische Überlegung sprechen, dass die eigentliche Vermögensübertragung, die § 57 AktG verhindern möchte, gerade in der Verfügung liegt, während die Verpflichtung nur die Vorbereitung des Kapitalabflusses betrifft856. Hierbei wird jedoch übersehen, dass sich der Vermögensschutz des § 57 AktG im Grundsatz auf eine wertmäßige und nicht auf eine gegenständliche Bindung bezieht. In diesem Sinne wurde jüngst in den Gesetzesmaterialien zur Reformierung des § 57 AktG durch das MoMiG betont, dass der Entwurf zur bilanziellen Betrachtungsweise zurückkehrt, „die bis zum November 2003 problemlos anerkannt war“857. Auch gebieten Gesichtspunkte des Gläubigerschutzes nicht zwingend die Nichtigkeit des Erfüllungsanspruches, denn unabhängig von der regelmäßig fehlenden Relevanz bei Geldleistungen leuchtet es nicht ein, warum die Aktiengesellschaft besser dastehen soll als die sonstigen Gläubiger des begünstigten Aktionärs858. ZHR 168 (2004), 708, 719 ff.; Fleischer, WM 2007, 909, 916; K. Schmid, Gesellschaftsrecht, S. 893 f. Erste Ansätze befinden sich bereits bei Ballerstedt, Kapital, Gewinn und Ausschüttungen bei Kapitalgesellschaften, S. 122. 855 Vgl. Habersack, in: Münchener Kommentar zum BGB, § 781 Rn. 9 ff. 856 So Henze, in: Großkommentar zum AktG, § 57 Rn. 203. 857 Begr. RegE. vom 25.7.2007 (MoMiG), BT-Drucks. 16/6140, S. 41. 858 Bommert, Verdeckte Vermögenslagerungen, S. 85 f.; Fleischer, WM 2007, 909, 916.

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Kap. 3: Das aktienrechtliche Kapitalschutzsystem

Richtet sich die Rechtsfolge hingegen allein nach § 62 AktG, vermeidet man für den Rechtsanwender schwer nachvollziehbare, aus dem Wortlaut nicht erkennbare Anspruchskonkurrenzen. Dieser Ansatz führt somit zur Vereinfachung des Rechtsfolgensystems und erfüllt damit eine wichtige Aufgabe juristischer Theorienbildung859. Hinzu kommt, dass – wie noch im Rahmen der Rechtsfolge des § 71a Abs. 1 S. 1 AktG ausführlich zu erläutern sein wird – keine Wertungswidersprüche im Verhältnis zu dem Verbot der finanziellen Unterstützung entstehen. Ein weiterer Vorteil ist der hierdurch erreichte Gleichlauf mit den Kapitalerhaltungsregeln der GmbH860. Zum GmbH-Recht vertritt der BGH seit längerem die Ansicht, dass es nicht einmal zur Nichtigkeit des Verpflichtungs- und Erfüllungsgeschäfts kommt, wenn es den Parteien „auf die Umgehung der Kapitalerhaltungsvorschriften ankommt“861. Vielmehr gäbe es mit § 31 GmbH eine „auf den besonderen Fall zugeschnittene gesellschaftsrechtliche Spezialnorm“. Diese verdränge eine etwaige Nichtigkeit nach § 134 BGB862. Die aktienrechtliche Vermögensbindung unterscheidet sich im Vergleich zum GmbH-Recht im Umfang, nicht jedoch in der Art863. Für beide Rechtsformen soll verhindert werden, dass den Gesellschaftern ein Vermögensvorteil zugewendet wird. Entsprechend gibt es auch im Aktienrecht mit § 62 AktG eine auf den Verstoß gegen § 57 Abs. 1 und 3 AktG zugeschnittene Rechtsfolge. Die Parallele zur BGH-Rechtsprechung bezüglich § 31 GmbHG liegt somit auf der Hand und ist auch in der Sache überzeugend. Denn mit der Einführung der Spezialregelung des § 62 AktG hat der Gesetzgeber eine Rechtsfolge vorgesehen, die die bis dahin bestehende Hilfskonstruktion über § 134 BGB überflüssig macht864. § 134 BGB ordnet die Nichtigkeit verbotswidriger Rechtsgeschäfte nur an, wenn sich aus dem Gesetz nicht ein anderes ergibt865. Das die gesetzgeberische Intention die Ersetzung der bisherigen Regelung über die Nichtigkeitskonstruktion war, zeigt sich in den Gesetzesmaterialien, wonach „die bisherige Fassung [nicht befriedigt], weil sie zwar von dem Anspruch der Gesellschaft gegen den Aktionär auf Rückgewähr verbotener Leistung ausgeht, diesen Anspruch jedoch nicht ausdrücklich erwähnt“866. Dies zeigt, dass der Gesetzgeber die Unklarheiten 859

Fleischer, WM 2007, 909, 916; vgl. allgemein Canaris, JZ 1993, 377 ff. Ausführlich hierzu Rosengarten, ZHR 168 (2004), 708, 722 f. 861 BGH, Urteil vom 23.6.1997 – II ZR 220/95, NJW 1997, 2599, 2600. 862 BGH, a. a. O., 2601. 863 Habersack/Schürnbrand, NZG 2004, 689, 690. 864 Ebenso Bayer, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 57 Rn. 145; Rosengarten, ZHR 168 (2004), 708, 719 ff. 865 Cahn/Senger, in: Spindler/Stilz, AktG, § 57 Rn. 84 m. w. N. 860

§ 3 Das Verhältnis von § 57 Abs. 1, 3 AktG und § 71a Abs. 1 AktG

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mit § 62 AktG beseitigen wollte, der mithin die allgemeine Regelung des § 134 BGB als Spezialregelung verdrängt. Hierzu passt auch, dass der Gesetzgeber die Rücktrittregel nach § 346 a. F. BGB als Vorbild für § 62 AktG sah. Denn durch den Rücktritt wird ein Verfügungsgeschäft gerade nicht berührt867. Damit sprechen die besseren Argumente dafür, bei Verstoß gegen Art. § 57 Abs. 1 und 3 AktG ausschließlich § 62 AktG anzuwenden868. Ist die Leistung noch nicht erfolgt, besteht für die Aktiengesellschaft ein Leistungsverweigerungsrecht bzw. ein Leistungsverbot869. 2. Inhalt des aktienrechtlichen Rückgewähranspruchs (§ 62 Abs. 1 S. 1 AktG)

Der im Jahre 1965 ins Aktienrecht aufgenommene, verschuldensunabhängige Rückgewähranspruch nach § 62 Abs. 1 S. 1 AktG verbessert für die Aktiengesellschaft im Vergleich zu Kondiktionsansprüchen aus §§ 812 ff. BGB den Kapitalschutz. Weder gibt es die Beschränkungen der §§ 814, 817 S. 2 BGB noch die Berufung auf den Wegfall der Bereicherung nach § 818 Abs. 3 BGB, auch wenn Letzterer wegen § 819 BGB bei Anwendung des Bereicherungsrechts selten durchgreifen würde. Hinzu tritt die im Vergleich zur Regelverjährung von 3 Jahren (§ 195 BGB) großzügigere zehnjährige Verjährungsfrist gemäß § 62 Abs. 3 AktG. Nach § 62 Abs. 1 S. 1 AktG haben die Aktionäre der Gesellschaft Leistungen, die sie entgegen den Vorschriften dieses Gesetzes von ihr empfangen haben, zurückzugewähren. Bei Verstoß gegen § 57 Abs. 1, 3 AktG betrifft dies in erster Linie Geldleistungen. Es kommen aber auch andere Formen der Leistungsrückgewähr in Betracht, wie etwa die Rückübertragung 866

Begründung Regierungsentwurf zu § 57 AktG 1965 bei Kropff, AktG 1965,

S. 83. 867

Rosengarten, ZHR 168 (2004), 708, 720. Wie hier Bayer, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 57 Rn. 145 ff.; Cahn/Senger, in: Spindler/Stilz, AktG, § 57 Rn. 84 ff.; Flume, ZHR 144 (1980) 18, 23 ff.; Joost, ZHR 149 (1985), 419, 421 ff.; Bitter, ZHR 168 (2004), 302, 342 ff.; Rosengarten, ZHR 168 (2004), 708, 719 ff.; Fleischer, WM 2007, 909, 916; K. Schmid, Gesellschaftsrecht, S. 893 f. Erste Ansätze finden sich bereits bei Ballerstedt, Kapital, Gewinn und Ausschüttungen bei Kapitalgesellschaften, S. 122. 869 Sack, in: Staudinger, BGB, § 134 Rn. 196; Bayer, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 57 Rn. 137; Cahn/Senger, in: Spindler/Stilz, AktG, § 57 Rn. 84; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 29 II 2.b) aa) (S. 893). Im Ergebnis macht es dabei keinen Unterschied, ob man dies direkt aus § 57 AktG herleitet (so Sack, a. a. O.; K. Schmidt, ebd.) oder aus der Nichtigkeit des Verpflichtungsgeschäft nach § 57 AktG i. V. m. § 134 BGB (so Bayer, ebd.; Cahn/Senger, ebd.), vgl. Fleischer, WM 2007, 909, 916. 868

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Kap. 3: Das aktienrechtliche Kapitalschutzsystem

eines Grundstücks im Rahmen eines unausgeglichenen Kaufvertrags oder einer Sicherheitsübereignung. Die umstrittene Frage, was passiert, wenn die Zuwendung nicht mehr in Natur zurückgegeben werden kann, ist dahingehend zu lösen, dass dann Wertausgleich geleistet werden muss. Denn geschützt ist allein das wertmäßige Vermögen der Aktiengesellschaft, nicht die gegenständliche Zusammensetzung870. Sind vermögenswerte Leistungen noch nicht ausgetauscht und beschränkt sich der Verstoß gegen § 57 AktG auf das Eingehen einer Verpflichtung zu einer verbotenen Leistung, greift § 62 AktG nicht ein. Die Aktiengesellschaft ist diesbezüglich bereits durch das in § 57 AktG begründete Leistungsverweigerungsrecht (genauer: Leistungsverbot) ausreichend geschützt871. Nur wenn die Zielgesellschaft gegenüber einem Dritten eine Verpflichtung übernimmt – etwa bei einer Sicherheitsbestellung für einen Aktionärskredit zu Gunsten einer Bank – liegt eine Leistung an den Aktionär vor, so dass § 62 Abs. 1 S. 1 AktG eingreift872. Inhalt des Anspruchs gegenüber dem Aktionär ist dann ein Anspruch auf Freistellung gegenüber dem Dritten873. Schuldner des Anspruchs sind entsprechend der in § 57 AktG aufgeführten Leistungsempfänger die Aktionäre. Ist die Leistung an einen Dritten dem Aktionär zuzurechnen, dann kann die Gesellschaft direkt gegen diesen vorgehen874. Beim Leveraged Buyout kommt dies insbesondere bei Leistungen an Gläubiger der Erwerbergesellschaft wie etwa dem Verkäufer der Anteile oder dem Darlehensgeber in Betracht875. Wendet man in Ausnahmefällen § 57 Abs. 1 und 3 AktG analog auf „aktionärsgleiche Dritte“ an, korres870 So Wilhelm, in: FS Flume, S. 337, 387; Flume, ZHR 144 (1980), 18, 24; Joost, ZHR 148 (1984), 27, 54; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 29 II 2.b) (S. 891 f.); anders die bisher h. M., die allein die gegenständliche Rückgewähr propagiert und im Fall der Unmöglichkeit die §§ 275 ff. BGB anwendet: Lutter, in: Kölner Kommentar zum AktG, 2. Aufl., § 62 Rn. 27; Hüffer, AktG, § 62 Rn. 9. Vermittelnd (Wertausgleich als alternative Rückabwicklung wenn Vermögensbeeinträchtigung nicht mit Anpassung der Vertragsbedingungen ausgleichbar ist): Bayer, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 62 Rn. 50 m. w. N.; Westermann, in: Bürgers/Körber, AktG, § 62 Rn. 7; Cahn, in: Spindler/Stilz, AktG, § 62 Rn. 22. 871 Bayer, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 62 Rn. 31; vgl. Lutter, in: Kölner Kommentar zum AktG, 2. Aufl., § 62 Rn. 16. 872 Henze, in: Großkommentar, AktG, § 62 Rn. 13; Bayer, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 62 Rn. 31. 873 Lutter/Wahlers, AG 1989, 1, 10; Diem, Akquisitionsfinanzierungen, § 46 Rn. 29 (S. 241 f.). 874 Lutter, in: Kölner Kommentar zum AktG, 2. Aufl., § 62 Rn. 11 f.; Bayer, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 62 Rn. 14; Henze, in: Großkommentar zum AktG, § 62 Rn. 22; Cahn, in: Spindler/Stilz, AktG, § 62 Rn. 9. 875 Siehe oben Kapitel 3 § 1 B. I. 1. c) aa).

§ 3 Das Verhältnis von § 57 Abs. 1, 3 AktG und § 71a Abs. 1 AktG

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pondiert hiermit die Haftung dieser Drittempfänger gemäß § 62 AktG, ebenfalls in analoger Anwendung876. Dementsprechend kann auch der die Leistung empfangende Private Equity Fonds Schuldner des Anspruchs nach § 62 Abs. 1 S. 1 AktG sein877. Als Besonderheit sieht § 62 Abs. 3 AktG vor, dass auch Gläubiger im Wege der gesetzlichen Prozessstandschaft878 die entgegen § 57 AktG empfangene Leistung von den Aktionären an die Gesellschaft zurückfordern können, soweit die Gläubiger von der Gesellschaft keine Befriedigung erlangen. Bereits an anderer Stelle wurde erläutert, dass diese Möglichkeit nach hier vertretener Ansicht jedoch nur bei Verstoß gegen den ausschließlich das gebundene Kapital der Aktiengesellschaft schützenden § 57 Abs. 1 S. 1 AktG besteht und nicht bei Verletzung der allein zu Gunsten der Minderheitsaktionäre bestehenden umfassenden Vermögensbindung des § 57 Abs. 3879. II. Rechtsfolgen bei Verstoß gegen § 71a Abs. 1 S. 1 AktG 1. Nichtigkeit des Verpflichtungsgeschäfts

Gemäß § 71a Abs. 1 S. 1 AktG ist „ein Rechtsgeschäft, das die Gewährung eines Vorschusses oder eines Darlehens oder die Leistung einer Sicherheit durch die Gesellschaft an einen anderen zum Zweck des Erwerbs von Aktien dieser Gesellschaft zum Gegenstand hat, nichtig“. Nach zutreffender herrschender Ansicht trifft die Nichtigkeitssanktion allein das Verpflichtungsgeschäft880. Nicht überzeugend ist die Gegenansicht, wonach sowohl der obligatorische Finanzierungsvertrag als auch das Erfüllungsgeschäft die Gewährung der aufgezählten Rechtsgeschäfte zum Gegenstand hat und folglich beide von der Nichtigkeitsfolge erfasst sind881. Denn dies widerspricht dem Gebot der Trennung zwischen Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft. 876 Bayer, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 62 Rn. 17. m. w. N.; vgl. Westermann, in: Bürgers/Körber, AktG, § 62 Rn. 6. 877 Siehe oben Kapitel 3 § 1 B. I. 1. c) bb) und Kapitel 3 § 3 C. II. 1. b). 878 Bayer, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 62 Rn. 80; Hüffer, AktG, § 62 Rn. 13; Henze, in: Großkommentar zum AktG, § 62 Rn. 101 ff. 879 Siehe oben Kapitel 3 § 1 A. IV. 880 Merkt, in: Großkommentar zum AktG, § 71a Rn. 48; Lutter/Drygala, in: Kölner Kommentar zum Aktiengesetz, § 71a Rn. 50; Block, in: Heidel, AktG, § 71a Rn. 11; T. Bezzenberger, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 71a Rn. 15; Hüffer, AktG, § 71a Rn. 4; Wieneke, in: Bürgers/Körber, AktG, § 71a Rn. 11; Lutter/Wahlers, AG 1989, 1, 10; ebenso im Grundsatz: Oechsler, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 71a Rn. 40; Schroeder, Finanzielle Unterstützung des Aktienerwerbs, S. 254. 881 Cahn, in: Spindler/Stilz, AktG, § 71a Rn. 49; Joost, ZHR 149 (1985), 419, 430.

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Kap. 3: Das aktienrechtliche Kapitalschutzsystem

Während das Verpflichtungsgeschäft die nichtigkeitssanktionierte Gewährung eines Darlehens etc. enthält, ist Gegenstand des dinglichen Verfügungsgeschäfts allein die Erfüllung des Verpflichtungsgeschäfts und nicht eine weitere, davon unabhängige Gewährung der in § 71a Abs. 1 S. 1 AktG aufgeführten Unterstützungshandlungen. Hätte der Gesetzgeber auch die Nichtigkeit des Verfügungsgeschäftes gewünscht, hätte er eine andere Formulierung gewählt. Anstatt auf das Rechtsgeschäft, das die Leistung einer Sicherheit zum Gegenstand hat, abzustellen, hätte er direkt die Nichtigkeit der Sicherungsleistung anordnen können. Dass sich der Gesetzgeber bewusst für die ausschließliche Nichtigkeit des Verpflichtungsgeschäfts entschied, zeigt auch die Parallelität zu dem schon vor 1979 im deutschen Aktienrecht geregelten und nunmehr sich in § 71a Abs. 2 AktG befindlichen Verbot des Erwerbs eigener Aktien in mittelbarer Stellvertretung. Letzteres hat unstreitig nur die Nichtigkeit des schuldrechtlichen Geschäfts zwischen der Aktiengesellschaft und dem erwerbenden „anderen“ zur Folge882. Hiergegen kann man auch nicht anführen, dass in den meisten Mitgliedstaaten das Trennungs- und Abstraktionsprinzip unbekannt sei883, denn Art. 23 Abs. 1 der Kapitalrichtlinie lässt den Mitgliedstaaten gerade aus diesem Grund die Freiheit, entsprechend ihrer Rechtsordnung, die Rechtsfolge zu bestimmen. Auch Hilfskonstruktionen über die Annahme eines einheitlichen Geschäfts nach § 139 BGB oder eines Bedingungszusammenhangs gemäß § 158 BGB dürften in aller Regel in der Praxis mangels entsprechenden Willens der Parteien ausscheiden. Hintergrund des Bestrebens der Ausweitung der Nichtigkeit auf das Erfüllungsgeschäft ist es, Wertungswidersprüche mit § 57 AktG zu verhindern884. Da nach hier vertretener Auffassung bei Verstoß gegen § 57 Abs. 1 und 3 AktG eine Nichtigkeit des Erfüllungsgeschäfts über § 134 BGB wegen des speziellen aktienrechtlichen Rückgewähranspruchs nach § 62 Abs. 1 S. 1 AktG nicht in Betracht kommt, besteht auch kein praktisches Bedürfnis, entgegen dem Wortlaut des § 71a Abs. 1 S. 1 AktG die Nichtigkeitssanktion auf das Erfüllungsgeschäfts auszuweiten. 2. Anwendung des § 62 AktG

Fraglich ist indes, welche Ansprüche aus der Nichtigkeit des Verpflichtungsgeschäfts folgen. Anstatt der üblichen Rückgängigmachung von nichtigen Vertragsverhältnissen über Bereicherungsrecht könnte dieses durch den 882

Ausführlich Schroeder, Finanzielle S. 251 f. 883 Oechsler, ZIP 2006, 1661, 1666. 884 Vgl. ebd.

Unterstützung

des

Aktienerwerbs,

§ 3 Das Verhältnis von § 57 Abs. 1, 3 AktG und § 71a Abs. 1 AktG

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speziellen aktienrechtlichen Rückgewähranspruch gemäß § 62 Abs. 1 S. 1 AktG verdrängt werden. Zu unterscheiden sind dabei Leistungen gegenüber zukünftigen Aktionären885 und (sonstigen) Dritten. a) Leistungen gegenüber zukünftigen Aktionären aa) Anwendbarkeit der §§ 812 ff. BGB bei Ausblendung des § 57 AktG Überwiegend werden für die Rückabwicklung die allgemeinen zivilrechtlichen Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung nach den §§ 812 ff. BGB für anwendbar gehalten, unabhängig davon, ob es sich bei den Begünstigten um zukünftige Aktionäre oder sonstige Dritte handelt886. Dies erscheint zunächst überzeugend, da die Leistungskondiktion gemäß § 812 Abs. 1 S. 1 Var. 1 BGB passgenau einen Herausgabeanspruch für rechtsgrundlos erbrachte Leistungen enthält. Auf diesem Wege könnte beispielsweise die Aktiengesellschaft die aufgrund eines nach § 71a Abs. 1 S. 1 AktG nichtigen Darlehensvertrags geleistete Darlehensvaluta von dem Begünstigten zurückfordern, unabhängig davon, ob Letzterer (schon oder noch) Aktionär ist oder es sich um einen begünstigten Dritten (z. B. eine Bank) handelt. Ein Eingreifen des speziellen, aktienrechtlichen Rückgewähranspruches gemäß § 62 Abs. 1 AktG scheint hingegen wegen des eingeschränkten Kreises der Anspruchsgegner problematisch. Denn dieser richtet sich ausschließlich gegen Aktionäre. Das Verbot der finanziellen Unterstützung nach § 71a Abs. 1 AktG ordnet jedoch empfängerneutral die Nichtigkeit jedes der dort aufgeführten Geschäfte an, solange es „zum Zweck des Erwerbs“ dient. Wie aufgezeigt betrifft mithin der Tatbestand Unterstützungshandlungen im Vorfeld der Übernahme, bei dem die erwerbende Transportgesellschaft noch nicht Aktionärin ist, anders als vom Wortlaut des § 62 AktG gefordert. Denn der zukünftige Aktionär ist, wie in anderem Zusammenhang erläutert, nicht vom Wortlaut „Aktionär“ erfasst887. Das Argument, für eine extensive Auslegung (gemeint: Analogie) des § 62 AktG sei 885 Kein Unterscheidungsmerkmal für die etwaige analoge Anwendung des § 62 AktG ist indes, ob die Übernahme scheitert oder gelingt. Denn in beiden Fällen ist die Gefahr für das Vermögen der Zielgesellschaft gleich hoch und es bedarf jeweils mangels Aktionärseigenschaft im Zeitpunkt der Leistung einer Regelungslücke. 886 BGH, Urteil vom 12.9.2006 – XI ZR 296/05, ZIP 2006, 2119, 2120 f., juris Rn. 14 ff.; Lutter, in: Kölner Kommentar zum AktG, 2. Aufl., § 71a Rn. 8; Hefermehl/Bungeroth, in: Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, AktG, § 71a Rn. 10; Merkt, in: Großkommentar zum AktG, § 71a Rn. 48; Lutter/Wahlers, AG 1989, 1, 10. 887 Siehe oben Kapitel 3 § 1 B. I. 1. b).

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Kap. 3: Das aktienrechtliche Kapitalschutzsystem

aufgrund der einschlägigen Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung – mangels Regelungslücke – kein Raum888, überzeugt daher bei isolierter Betrachtung von § 71a AktG, §§ 812 ff. BGB und § 62 AktG. Zu kurz greift hingegen die Argumentation des OLG München, welches § 62 AktG im Rahmen von § 71a Abs. 1 S. 1 AktG anwendet, da der Wortlaut des § 62 Abs. 1 AktG nicht mehr verlange, als dass der Empfänger vor der Leistung Aktionär war. Dies gälte jedenfalls, solange feststehe, dass die Leistung mit Rücksicht auf seine zukünftige Aktionärseigenschaft erfolge889. Das Gericht fasst hier zu Unrecht zukünftige Aktionäre ohne nähere Begründung unter den Aktionärsbegriff. bb) Notwendigkeit der Anwendung des § 62 AktG Allerdings muss § 71a AktG im Kontext mit § 57 AktG gesehen werden. Beide Normen bilden hinsichtlich der hier interessierenden Übernahmesachverhalte ein nahezu lückenloses Kapitalschutzsystem bezüglich der Leistung an die Erwerber. Nach dem hier vertretenen, vom Wortlaut der Vorschriften ausgehenden Ansatz, umfasst § 71a AktG die Unterstützungshandlungen im Vorfeld der Übernahme, während § 57 Abs. 1, 3 AktG erst mit Erlangung der Aktionärseigenschaft (direkt) eingreift. Bevor § 71a AktG in Umsetzung der Kapitalrichtlinie im Jahre 1979 Eingang ins deutsche Aktienrecht fand, waren Unterstützungshandlungen an werdende Aktionäre im Vorfeld einer Übernahme unter § 57 Abs. 1 und 3 AktG in analoger Anwendung zu fassen. Ansonsten hätte der umfassend gedachte Kapitalschutz des § 57 Abs. 1, 3 AktG durch bloße zeitliche Vorverlegung der Unterstützungshandlung umgangen werden können. Folgerichtig fand der spezielle aktienrechtliche Rückgewähranspruch nach § 62 Abs. 1 S. 1 AktG zwischen dessen Einführung im Jahre 1965 bis zur Normierung des § 71a AktG im Jahre 1979 – ebenfalls über die Konstruktion einer Analogie – Anwendung auf die Fälle finanzieller Unterstützung der werdenden Aktionäre durch die Zielgesellschaft. Die Regelung des Verbots der finanziellen Unterstützung in § 71a AktG machte dann die analoge Anwendung des § 57 AktG bei Leistungen an zukünftige Aktionäre nicht nur überflüssig, sondern es entfiel mit der Regelungslücke eine notwendige Voraussetzung für die Analogiebildung. Damit ist jedoch noch nicht die Frage entschieden, ob auch der bis dahin anzunehmende Rückgewähranspruch nach § 62 Abs. 1 S. 1 AktG (analog) bei Leistungen an zukünftige Aktionäre nicht mehr Anwendung finden 888 889

Merkt, in: Großkommentar zum AktG, § 71a Rn. 48. OLG München, Urteil vom 24.1.2006 – 5 U 4383/05, juris Rn. 11.

§ 3 Das Verhältnis von § 57 Abs. 1, 3 AktG und § 71a Abs. 1 AktG

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sollte. Lehnte man dies mit Verweis auf die wegen § 812 ff. BGB fehlende Regelungslücke ab, würde die als Verschärfung gedachte Einführung des § 71a AktG im Ergebnis als Privilegierung wirken. Denn das Bereicherungsrecht schützt das Vermögen der Zielgesellschaft aufgrund der §§ 814, 817 S. 2 BGB und insbesondere § 818 Abs. 3 BGB sowie der regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren nach § 195 BGB nicht im selben Maße wie § 62 AktG, der diese Einschränkungen nicht enthält und eine zehnjährige Verjährung vorsieht. Überdies können die Gläubiger der Zielgesellschaft nach § 62 Abs. 2 AktG den Anspruch im Wege der gesetzlichen Prozessstandschaft einklagen. Würde man bei Unterstützungshandlungen vor Aktienerwerb die weniger strikten §§ 812 ff. BGB anwenden und mit Aktienerwerb dann § 62 AktG, hinge die Intensität des Vermögensschutzes von dem oft zufälligen Zeitpunkt der Unterstützungshandlung ab. Bei der Übernahme wäre dann die Erwerbergesellschaft gut beraten, auf eine finanzielle Unterstützung vor Erlangung der formellen Aktionärsstellung zu drängen. Ein einheitliches Schutzniveau bezüglich Vermögensverlagerungen an die Erwerbergesellschaft existierte folglich nicht. Der Zweck von Art. 23 Abs. 1 der Kapitalrichtlinie, einen umfassenderen Vermögensschutz durch frühzeitiges Eingreifen des Verbots der finanziellen Unterstützung zu erreichen, wäre damit ad absurdum geführt. Abgesehen von der Schwäche, dass § 62 AktG den Anspruch gegen Aktionäre und nicht gegen zukünftige Aktionäre richtet, spricht nichts gegen dessen Anwendung bei Verstoß gegen § 71a Abs. 1 S. 1 AktG. Gemäß § 62 Abs. 1 S. 1 AktG müssen die von den Aktionären zurückzugewährenden Leistungen „entgegen den Vorschriften dieses Gesetzes“ erfolgt sein. Die Vorschrift ist mithin nicht nur für Verstöße gegen § 57 AktG konzipiert. Zwar findet sich § 57 AktG in (systematischer) Nähe zu § 62 AktG, jedoch lässt der Wortlaut keine entsprechende Einschränkung erkennen890. Wollte § 62 AktG lediglich den Verstoß gegen die Ausschüttungsverbote des § 57 AktG erfassen, hätte der Gesetzgeber nicht die sehr weite Formulierung „entgegen den Vorschriften dieses Gesetzes“ gewählt. Dementsprechend findet § 62 AktG anerkanntermaßen auch bei Verstoß gegen die im Vergleich zu § 57 AktG sachferneren §§ 225 Abs. 2, 230, 232 f., 237 Abs. 2 AktG Anwendung891. Das Verbot der finanziellen Unterstützung nach § 71a Abs. 1 S. 1 AktG teilt hingegen mit § 57 AktG nicht nur die gleiche Schutzrichtung, sondern findet sich ebenfalls im dritten Teil des ersten Buchs, der die Rechtsverhältnisse zwischen der Gesellschaft und den Gesellschaftern regelt. Es wäre verwunderlich, wenn § 62 AktG gerade für den sich unmittelbar im 890

Ebenso Schroeder, Finanzielle Unterstützung des Aktienerwerbs, S. 258. Lutter, in: Kölner Kommentar zum AktG, 2. Aufl., § 62 Rn. 20; Westermann, in: Bürgers/Körber, AktG, § 62 Rn. 4 m. w. N. 891

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Kap. 3: Das aktienrechtliche Kapitalschutzsystem

Zusammenhang mit § 57 AktG befindenden, funktionsverwandten § 71a AktG ausgeschlossen sein sollte892. Ebenfalls kann nicht eingewendet werden, dass § 71a Abs. 1 S. 1 AktG keinen von § 62 AktG vorausgesetzten Verbotsgesetzcharakter hat, da die Vorschrift nur die Nichtigkeit des Unterstützungsgeschäfts ausspricht. Denn hinter dieser Regelung steht – entsprechend der Konzeption von Art. 23 der Kapitalrichtlinie – das Verbot der finanziellen Unterstützung. Insofern kann man problemlos die nach § 71a Abs. 1 S. 1 AktG nichtige Leistung unter das Tatbestandsmerkmal „entgegen den Vorschriften dieses Gesetzes“ subsumieren893. cc) Voraussetzungen für eine analoge Anwendung des § 62 AktG Damit bleibt als einzige Hürde die Ausdehnung des § 62 AktG auf zukünftige Aktionäre. Für eine Analogie bedarf es einer vergleichbaren Interessenlage und einer planwidrigen Regelungslücke. Die vergleichbare Interessenlage liegt vor, da es oftmals nur vom Zufall abhängt, ob zum Zeitpunkt der Unterstützungshandlung bereits der Aktienerwerb eingetreten ist oder nicht. Das OLG München formuliert diesen Gedanken etwas kryptisch, indem es darauf hinweist, dass „man andernfalls das mit der Nichtigkeitsfolge belegte Geschäft in § 71a Abs. 1 AktG unnatürlich in zwei Akte aufspalten [würde]“894. Zudem soll nach der Intention der europäischen und deutschen Legislativorgane gerade im Vorfeld der Übernahme das Schutzniveau vor Vermögensverlagerungen verstärkt werden, um zu verhindern, dass der Investor den Kontrollerwerb unmittelbar aus dem Vermögen der Aktiengesellschaft finanziert895. Die Interessenlage ist vor Erwerb daher nicht nur vergleichbar, sondern bedarf eines tendenziell höheren Schutzes. Dieser Gedanke leitet direkt zur Frage der planwidrigen Regelungslücke über. So genügen die Regelungen der §§ 812 ff. BGB mit den aufgezeigten Schwächen gerade nicht der Absicht des europäischen Richtliniengebers, im Vorfeld der Übernahme die Investoren vom Zugriff auf das Vermögen der Zielgesellschaft abzuhalten und auf den Kapitalmarkt zu verweisen. Insbesondere könnte oft § 814 BGB angenommen werden, da die von den künftigen Mehrheitsaktionären beeinflussten Führungsgremien der Aktiengesellschaft regelmäßig von dem Verstoß gegen § 71a Abs. 1 S. 1 AktG 892 893 894 895

Schroeder, Finanzielle Unterstützung des Aktienerwerbs, S. 258. Schroeder, S. 257 f. OLG München, Urteil vom 24.1.2006 – 5 U 4383/05, juris Rn. 11. Oechsler, in: Münchener Kommentar, AktG, § 71a Rn. 4.

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und damit von dem fehlenden Rechtsgrund Kenntnis haben dürften und dieses Wissen der Aktiengesellschaft nach § 166 Abs. 1 BGB (analog) zuzurechnen ist896. Es war die Intention des europäischen Richtliniengebers, durch die Einführung des Verbots der finanziellen Unterstützung den Schutz des Vermögens der Zielgesellschaft zu verstärken. In keiner Weise wollte man den Schutz verringern. Gerade dies würde jedoch erreicht, ließe man § 62 AktG durch das bürgerlich-rechtliche Bereicherungsrecht verdrängen. Da die §§ 812 ff. BGB keinen ausreichenden Schutz garantieren, spricht vieles dafür, eine planwidrige Regelungslücke zu bejahen. Dies eröffnet den Weg zur Anwendung des § 62 AktG auch im Rahmen des § 71a Abs. 1 S. 1 AktG. Mithin ist es dogmatisch möglich und zur Verhinderung des aufgezeigten Wertungswiderspruchs auch erforderlich, bei Verstoß gegen das Verbot der finanziellen Unterstützung nach § 71a Abs. 1 S. 1 AktG der Zielgesellschaft den aktienrechtlichen Rückgewähranspruch nach § 62 Abs. 1 S. 1 AktG analog gegenüber den zukünftigen Aktionären einzuräumen897. Entsprechendes gilt bei Leistungen an „aktionärsgleiche Dritte“ wie einem hinter der Erwerbergesellschaft stehenden Private Equity Fonds898. Denn auch bei Vermögensverlagerungen auf „aktionärsgleiche Dritte“ ist nach Übernahme der Anwendungsbereich der §§ 62, 57 AktG eröffnet899. Folgerichtig muss auch bei entsprechenden Leistungen im Vorfeld der Übernahme § 62 AktG i. V. m. § 71a Abs. 1 S. 1 AktG zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen eingreifen. Keine Probleme ergeben sich, wenn das Finanzierungsgeschäft im Vorfeld der Übernahme mit dem Verkäufer der Aktien abgeschlossen wird, da dieser zum Zeitpunkt der Sicherheitsleistung noch Aktionär ist und dann § 62 AktG direkt eingreift.

896 Siehe ausführlich zur Wissenszurechnung Schramm, in: Münchener Kommentar zum BGB, § 166 Rn. 24 ff. 897 Ebenso im Ergebnis OLG München, Urteil vom 24.1.2006 – 5 U 4383/05, juris Rn. 11; Lutter/Drygala, in: Kölner Kommentar zum Aktiengesetz, § 71a Rn. 53; Schroeder, Finanzielle Unterstützung des Aktienerwerbs, S. 257 ff.; Ludwig, in: FG Happ, 131, 138; unklar Oechsler, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 71a Rn. 41, wonach § 62 AktG und § 812 ff. parallel anzuwenden sind. A. A. (§ 812 ff.) BGH, Urteil vom 12.9.2006 – XI ZR 296/05, ZIP 2006, 2119, 2120 f. (juris Rn. 14 ff.), Lutter, in: Kölner Kommentar zum AktG, 2. Aufl., § 71a Rn. 8; Hefermehl/Bungeroth, in: Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, AktG, § 71a Rn. 10; Merkt, in: Großkommentar zum AktG, § 71a Rn. 48; Lutter/Wahlers, AG 1989, 1, 10. 898 Siehe zum Begriff des „aktionärsgleichen Dritten“ Kapitel 3 § 1 B. I. 1. c) bb). 899 Siehe oben Kapitel 3 § 1 B. I. 1. c) bb).

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Kap. 3: Das aktienrechtliche Kapitalschutzsystem

b) Leistungen gegenüber sonstigen Dritten aa) Der bereicherungsrechtliche Herausgabeanspruch als adäquate Rechtsfolge Ausgeschlossen ist die Anwendung des § 62 AktG dagegen bei Unterstützungsgeschäften an sonstige Dritte „zum Zweck des Erwerbs“, die ebenfalls nach § 71a Abs. 1 S. 1 AktG nichtig sind. Hier fehlt es schon an einer vergleichbaren Interessenlage, da § 62 AktG ausschließlich das Verhältnis von Aktionären und ihrer Gesellschaft im Blick hat. Dies entspricht auch seinem Standort im dritten Teil des ersten Buches, der mit „Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter“ betitelt ist. Über eine Analogie ist es zwar möglich, künftige Aktionäre und „aktionärsgleiche Dritte“ unter die Norm zu fassen, eine Ausdehnung auf sonstige Dritte wie Banken führte indes zu weit. Insbesondere haben gesellschaftsfremde Dritte regelmäßig keinen Einblick in gesellschaftsinterne Vorgänge, so dass es unter Verkehrsschutzaspekten unbillig wäre, ihnen bei der Rückgängigmachung von nichtigen Finanzierungsgeschäften die Berufung auf § 818 Abs. 3 BGB zu verwehren900. Der von seinem Wortlaut einschlägige bereicherungsrechtliche Herausgabeanspruch nach § 812 Abs. 1 S. 1 Var. 1 BGB stellt mithin die angemessene Rechtsfolge dar. Im Gegensatz zu Leistungen an zukünftige Aktionäre oder „aktionärsgleiche Dritte“ besteht auch kein Wertungswiderspruch im Zusammenspiel mit § 57 Abs. 1 und 3 AktG, da diese Ausschüttungsverbote sich von vornherein nicht an sonstige Dritte wenden. Der Grund, warum das Verbot der finanziellen Unterstützung den Kreis der Empfänger im Vergleich zu § 57 AktG weiter zieht, ist vor der aufgezeigten Funktionsäquivalenz und dem Regelungsstandort von § 71a AktG ebenfalls im dritten Teil des ersten Buches nicht leicht zu verstehen. Letztlich zeigt das Tatbestandsmerkmal „zum Zweck des Erwerbs“, dass im Ergebnis – wie bei § 57 AktG nach Aktienerwerb – der Erwerbgesellschaft die im Vorfeld der Übernahme stattfindende finanzielle Unterstützung zugute kommen muss, damit das Verbot der finanziellen Unterstützung eingreift. Insofern hat der weite Empfängerkreis des § 71a Abs. 1 S. 1 AktG lediglich die Funktion, etwaige Umgehungstatbestände über Leistungen an Intermediäre einzufangen und auch diese mittelbaren Finanzierungsgeschäfte mit der Rechtsfolge der Nichtigkeit zu belegen, zum umfassenden Schutz des Vermögens der Zielgesellschaft.

900

Schroeder, Finanzielle Unterstützung des Aktienerwerbs, S. 261.

§ 3 Das Verhältnis von § 57 Abs. 1, 3 AktG und § 71a Abs. 1 AktG

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bb) Anwendbarkeit des § 814 BGB Problematisch ist im Rahmen des Rückgewähranspruchs der Aktiengesellschaft gegen Dritte die Anwendung des § 814 BGB. Zwar erfordert § 814 BGB die vom Leistungsempfänger zu beweisende positive Kenntnis der Nichtschuld des Leistenden im Leistungszeitpunkt. Nicht ausreichend ist dagegen grob fahrlässige Unkenntnis oder die Kenntnis der Tatsachen, aus denen sich das Fehlen der rechtlichen Verpflichtung ergibt901. Dennoch kann dieser Beweis gelingen, da schon die Kenntnis eines auch als Wissensvertreter nicht handelnden Organmitglieds der Aktiengesellschaft gemäß § 166 Abs. 1 BGB (analog) zur Begründung der rechtshindernden Einwendung des § 814 BGB genügt. Damit hätte es ein ggf. von der Erwerbergesellschaft beeinflusstes Organmitglied in der Hand, die kapitalschützende Wirkung des § 71a Abs. 1 S. 1 AktG zu Lasten der Minderheitsgesellschafter und Gläubiger der Zielgesellschaft auszuhebeln. Dies kann man in Hinblick auf die Haftung des wissenden Vorstands nach § 93 Abs. 2 AktG als vom Gesetzgeber gewollt akzeptieren. Allerdings könnte Art. 23 Abs. 1 der Kapitalrichtlinie entgegenstehen, der diese Einschränkung nicht vorsieht. Jedoch statuiert Art. 23 Abs. 1 der Kapitalrichtlinie nur das Verbot der finanziellen Unterstützung und überlässt die Rechtsfolge den Mitgliedstaaten, so dass ein unmittelbarer Verstoß gegen Europarecht nicht vorliegt. Dennoch ist zu überlegen, § 814 BGB über eine teleologische Reduktion nicht anzuwenden. So liegt hier die Besonderheit vor, dass § 71a Abs. 1 S. 1 AktG die Nichtigkeit des Verpflichtungsgeschäfts gerade anordnet, um das Vermögen der leistenden Aktiengesellschaft vor Einflüssen des (zukünftigen) Mehrheitsgesellschafters zu Ungunsten der Gläubiger und Minderheitsgesellschafter zu schützen. Dieser Schutzzweck würde torpediert, wenn bei der Vornahme einer verbotenen Unterstützungshandlung mit der finanzierenden Bank die Kenntnis eines ggf. von der Erwerbergesellschaft in Kenntnis gesetzten Vorstandsmitglieds die Rückabwicklung verhindern könnte. 3. Der Rückforderungsanspruch im Rahmen einzelner Finanzierungsgeschäfte

Unproblematisch ist regelmäßig die Rückabwicklung, wenn sich sowohl die Finanzierungsabrede als auch das in Erfüllung dieser Verpflichtung Geleistete im Zweipersonenverhältnis zwischen der Aktiengesellschaft und einer anderen Partei abspielt. Das Grundgeschäft – etwa ein Darlehensvertrag 901 BAG, Urteil vom 9.2.2005 – 5 AZR 175/04, NJW 2005, 3082; anstatt aller Sprau, in: Palandt, § 814 Rn. 3.

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Kap. 3: Das aktienrechtliche Kapitalschutzsystem

– ist dann nach § 71a Abs. 1 S. 1 AktG nichtig. Die Aktiengesellschaft darf und muss daher die Erfüllung verweigern. Ist die Leistung schon erfolgt, kann sie das Geleistete zurückfordern: gegenüber dem (künftigen) Aktionär und „aktionärsgleichen Dritten“ nach § 62 Abs. 1 S. 1 AktG, gegenüber sonstigen Dritten aus § 812 Abs. 1 S. 1 Var. 1 BGB. Dies gilt auch für den Fall, dass der Vertragspartner des Darlehensvertrags die Aktiengesellschaft anweist, die Darlehensvaluta direkt an einen anderen, etwa den Veräußerer, auszubezahlen. Denn auch hier bleibt es eine Leistung an den Darlehensnehmer (vgl. § 362 Abs. 2 BGB). Eine Besonderheit ergibt sich im Fall der Sicherungsübereignung, da der Vollzug des Sicherungsvertrags regelmäßig über § 930 BGB und der Vereinbarung eines Besitzkonstitutes stattfindet. Die Nichtigkeit des Sicherungsvertrags zieht dann die Nichtigkeit des Verfügungsgeschäftes mit sich, da es an dem für den Eigentumsübergang notwendigen Besitzmittlungsverhältnis fehlt902. Damit bleibt die Aktiengesellschaft ausnahmsweise Eigentümerin des Sicherungsgegenstandes, so dass eine Herausgabe des Eigentums über § 62 AktG oder Kondiktionsrecht nicht stattfindet. Schwierigkeiten bestehen indes, wenn die Finanzierungsabrede und das (entscheidende) dingliche Geschäft im Dreipersonenverhältnis zwischen unterschiedlichen Parteien vorgenommen werden. Dies ist insbesondere bei der Bestellung von Sicherheiten übliche Praxis. Drei Konstellationen lassen sich unterscheiden: a) Keine rechtsgeschäftliche Verbindung zwischen Aktiengesellschaft und Bank aa) Umgehung des Verbots der finanziellen Unterstützung durch Zwischenschaltung der Erwerbergesellschaft Zum einen kann die Aktiengesellschaft, anstatt das Finanzierungsgeschäft direkt mit dem Kreditinstitut abzuschließen, zunächst mit dem Aktienerwerber eine Finanzierungsabrede vereinbaren und ihm auch die entsprechende Sicherheit bestellen. Dies hat die Nichtigkeit des Verpflichtungsgeschäfts gemäß § 71a Abs. 1 S. 1 AktG und somit einen Rückgewähranspruch der Aktiengesellschaft gegenüber der Erwerbergesellschaft nach § 62 Abs. 1 S. 1 AktG zur Folge; die Sicherheitenbestellung bleibt hingegen als Verfügungsgeschäft wirksam. Als zweiten Schritt schließt nun die Erwerbergesellschaft mit einem Kreditinstitut einen (weiteren) Sicherungsvertrag und 902 Bassenge, in: Palandt, § 930 Rn. 7, 9; T. Bezzenberger, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 71a Rn. 16.

§ 3 Das Verhältnis von § 57 Abs. 1, 3 AktG und § 71a Abs. 1 AktG

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überträgt als Berechtigte die von der Aktiengesellschaft erhaltene Sicherheit an den Kreditgeber im Wege der Abtretung (§ 398 BGB). In der Sicherungsabrede zwischen Erwerbergesellschaft und Bank ist es unüblich, nähere Informationen über den Zweck des zu sichernden Darlehens und die Herkunft der Sicherheit festzuhalten, auch wenn regelmäßig die Umstände der Transaktion dem Kreditinstitut bekannt sein dürften. Da zwischen dem Finanzier und der Aktiengesellschaft keinerlei vertragliche Vereinbarungen bestehen, würde die Bank die Sicherheit schuld- und sachenrechtlich wirksam erwerben. Das Verbot der finanziellen Unterstützung findet im Verhältnis Erwerbergesellschaft (Sicherungsgeber) und Kreditinstitut (Sicherungsnehmer) keine Anwendung, da die Sicherungsleistung nicht „durch die Gesellschaft“ erfolgt. Mit Hilfe der Zwischenschaltung der Erwerbergesellschaft könnte so der Schutz des § 71a Abs. 1 S. 1 AktG umgangen werden, mit dem Ergebnis, dass die Aktiengesellschaft und nicht der Kreditgeber das Insolvenzrisiko der beim Leveraged Buyout regelmäßig mit wenig Kapital ausgestatteten Erwerbergesellschaft trüge. Dies widerspricht dem Zweck des § 71a Abs. 1 S. 1 AktG, da zwar formell die Erwerbergesellschaft der Bank die Sicherheit bestellt, materiell jedoch die Sicherheit von der Aktiengesellschaft herrührt. Folglich müsste am Ende auch in diesem Verhältnis zwischen dem Kreditinstitut als Sicherungsnehmerin und der Aktiengesellschaft als eigentlicher Sicherungsgeberin die Nichtigkeitsfolge des Verbots der finanziellen Unterstützung eingreifen und ein Herausgabeanspruch bestehen. Zu diesem Ergebnis kommen auch alle in der Literatur vertretenen Ansichten903, wobei es jedoch bisher nicht gelungen ist, eine stimmige Begründung für das gewünschte Ergebnis zu finden. bb) Ausdehnung der Nichtigkeit auf das Verfügungsgeschäft Teilweise wird als Lösungsweg gewählt, die Nichtigkeit ausnahmsweise auf das Verfügungsgeschäft auszudehnen. Diese Ansicht wird in der Kommentarliteratur Schroeder zugeschrieben904, der dies jedoch lediglich für die Fälle akzessorischer Sicherungsmittel (Bürgschaft, Hypothek, Pfandrecht) vertritt, wenn die Sicherungsabrede gegenüber dem Erwerber erfolgt, die Sicherheitsbestellung hingegen zwischen der Aktiengesellschaft und dem Finanzier. In diesen Fällen soll – mangels Verpflichtungsgeschäft in 903 Merkt, in: Großkommentar zum AktG, § 71a Rn. 55; Oechsler, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 71a Rn. 32; Cahn, in: Spindler/Stilz, AktG, § 71a Rn. 53; vgl. Schroeder, Finanzielle Unterstützung des Aktienerwerbs, S. 166, 255, 262. 904 Oechsler, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 71a Rn. 32 (Fn. 102); Merkt, in: Großkommentar zum AktG, § 71a Rn. R. 52 (Fn. 147).

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Kap. 3: Das aktienrechtliche Kapitalschutzsystem

letzterem Verhältnis – die Nichtigkeit die Sicherheitsbestellung erfassen905. Dieser Lösungsansatz passt jedoch im vorliegend diskutierten Fall schon deshalb nicht, weil es dort keinerlei rechtsgeschäftliche Beziehungen zwischen Aktiengesellschaft und Kreditinstitut gibt und auch die (entscheidende) Sicherheitsbestellung zwischen der Erwerbergesellschaft und der Bank stattfindet. Es bliebe somit nur die Möglichkeit, schon die ursprüngliche Sicherheitsbestellung zwischen Aktiengesellschaft und Erwerbergesellschaft mit der Rechtsfolge der Nichtigkeit zu bedenken. Hiergegen spricht jedoch schon, dass zwischen diesen Parteien eine Finanzierungsabrede besteht, die nach § 71a Abs. 1 S. 1 AktG nichtig ist. Im Übrigen entfernt man sich mit der Erstreckung der Nichtigkeit auf das Erfüllungsgeschäft von der Konzeption des Gesetzgeber, der, wie aus dem Wortlaut und der Systematik zu § 71 Abs. 4 S. 1 AktG906 und § 71a Abs. 2 AktG hervorgeht, nur von der Nichtigkeit des schuldrechtlichen Geschäfts ausgeht907. cc) Korrektur über den Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) Ein zweiter, neuerer Ansatz setzt bei der Ausübungsbefugnis des Sicherungsnehmers an. Demnach kann sich die finanzierende Bank nicht auf die formale Rechtsposition des schuld- und sachenrechtlich wirksamen Erwerbs der Sicherheit berufen, da dies gegen den Grundsatz von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB verstoße908. Jedenfalls bei Kenntnis oder grob fahrlässiger Unkenntnis sei das Vertrauen der kreditgebenden Bank in den Bestand der Sicherheit nicht schützenswert. Hierfür spräche der Beweis des ersten Anscheins909. Bei dem Ansatz über einen angeblichen Verstoß gegen Treu und Glauben bleibt indes offen, wie sich hieraus ein Direktanspruch der Aktiengesellschaft gegen die sicherungsnehmende Bank konstruieren lässt. Zudem entfernt man sich mit dem Abstellen auf das allgemeine und unspe905

Schroeder, Finanzielle Unterstützung des Aktienerwerbs, S. 166, 255 f., 263. Zwar dient nach hier vertretender Ansicht § 71a AktG nicht dem Umgehungsschutz für das in § 71 AktG normierte grundsätzliche Verbot, eigene Aktien zu erwerben (siehe oben Kapitel 3 § 2 A. II. 1.), jedoch schützt § 71a Abs. 1 S. 1 AktG (partiell) die gleichen Rechtsgüter und steht mithin nicht nur aufgrund des Regelungsstandorts in systematischen Zusammenhang mit § 71 AktG. So kann man von einer Ergänzung des grundsätzlichen Verbots des Erwerbs eigener Aktien durch das Verbot der finanziellen Unterstützung sprechen, vgl. Freitag, AG 2007, 157, 160 f. 907 Ähnlich Merkt, in: Großkommentar zum AktG, § 71a Rn. 54; Oechsler, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 71a Rn. 32; ausführlich oben Kapitel 3 § 3 C. II. 2. b) aa). 908 Merkt, in: Großkommentar zum AktG, § 71a Rn. 55. 909 Ebd. 906

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zifische zivilrechtliche Korrektiv von dem System der Herausgabeansprüche aus § 62 AktG und dem Bereicherungsrecht. Auch erscheint das Rekurrieren auf § 242 BGB „ankerlos“, da die Vorschrift dem Richter gerade nicht ein Ermessen einräumt, die gesetzlichen Rechtsfolgen durch eine billigere oder angemessenere zu ersetzen, sondern vielmehr nur im Rahmen der von der Rechtsprechung und Lehre herausgebildeten Rechtsgrundsätze910. Hier könnte man zwar an die unzulässige Rechtsausübung in der Variante des unredlichen Erwerbs der eigenen Rechtsstellung denken. Doch spätestens hier offenbart sich die Schwäche dieses Lösungsweges, da diese Fallgruppe ein gesetzes-, sitten- oder vertragswidriges Verhalten verlangt911, was hier der Bank nicht per se unterstellt werden kann. Im Übrigen schafft § 242 BGB in aller Regel keinen eigenen Anspruch, sondern gibt dem Benachteiligten eine rechtshindernde oder rechtsvernichtende Einrede912. Somit überzeugt dieser Lösungsansatz weder von den tatbestandlichen Voraussetzungen noch von der Rechtsfolge. dd) Durchgriffskondiktion trotz Gültigkeit der Sicherungsabrede Der dritte Lösungsansatz schränkt den bereicherungsrechtlichen Vertrauensschutz ein und erlaubt eine Durchgriffskondiktion von der Aktiengesellschaft auf die Bank913. Zur Begründung wird angeführt, dass es der Zweck des § 71a Abs. 1 AktG zum Schutz der Gläubiger und Minderheitsaktionäre der Aktiengesellschaft gebiete, eine Ausnahme vom bereicherungsrechtlichen Subsidiaritätsprinzip und der Risikobegrenzungsfunktion des Sicherungsvertrags zuzulassen914. Ein bereicherungsrechtlicher Lösungsweg ist grundsätzlich zu begrüßen, da er sich innerhalb des Rechtsfolgensystems des Verbots der finanziellen Unterstützung hält. Allerdings bleibt diese Ansicht die Begründung schuldig, warum neben dem unproblematisch nichtigen Finanzierungsgeschäft zwischen Ziel- und Erwerbergesellschaft auch die zweckneutrale Sicherungsabrede zwischen Erwerbergesellschaft und der Bank nichtig sein soll, was Voraussetzung für eine Durchgriffshaftung wäre. Vielmehr trifft nach Oechsler die Nichtigkeitssanktion allein die Finanzierungsabrede zwischen Aktien- und Erwerbergesellschaft; im Übrigen wird allgemein vom gewünschten Ergebnis her argumentiert und auf die Sonderregelungen verwiesen, die für Risikogeschäfte wie jene der Fremdfinanzierung gelten müss910 911 912 913 914

Heinrichs, in: Palandt, § 242 Rn. 2. BGH, Urteil vom 26.11.2004 – V ZR 90/04, NJW-RR 2005, 743, 745. Heinrichs, in: Palandt, § 242 Rn. 41. Oechsler, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 71a Rn. Rn. 32. Ebd.

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ten915. Dies ändert jedoch nichts an der Einschätzung, dass für eine Durchgriffshaftung beide Kausalgeschäfte nichtig sein müssen. Hiergegen verstößt Oechsler, nach dessen Ansicht „die Nichtigkeit der Finanzierungsabrede im Verhältnis AG und Erwerber ausnahmsweise die Kondiktion gegenüber dem Finanzier [rechtfertigt]“. Insofern trifft die Kritik zu, die diesen Lösungsansatz als „dogmatisch fragwürdig“ bezeichnet, da die bereicherungsrechtlichen Regelungen auf schuld- und sachenrechtlich wirksame Rechtsgeschäfte ausgeweitet würden916. ee) Lösungsvorschlag: Nichtigkeit auch der Sicherungsabrede, § 71a Abs. 1 S. 1 analog Indes ist an der Wirksamkeit auch der Sicherungsabrede zwischen Erwerbergesellschaft und Bank zu zweifeln. In Betracht kommt hier eine analoge Anwendung des § 71a Abs. 1 S. 1 AktG. Zwar greift die Vorschrift nicht unmittelbar ein, da die Sicherheitsleistung durch die Erwerbergesellschaft und nicht – wie von § 71a Abs. 1 S. 1 verlangt – durch die Zielgesellschaft erfolgt. Jedoch kann vor dem Hintergrund der greifbaren Umgehung des nach der Intention des Richtliniengebers umfassenden Verbots der finanziellen Unterstützung eine planwidrige Regelungslücke angenommen werden, ebenso wie eine vergleichbare Interessenlage, da es keinen Unterschied macht, wer rein formell die Sicherheit bestellt, solange die Sicherheit aus dem Vermögen der Aktiengesellschaft gegeben wird. Unschädlich ist auch, dass die Sicherheitsbestellung nicht ausdrücklich „zum Zweck des Erwerbs“ erfolgt, weil hier der unstreitig vorliegende objektive Funktionszusammenhang zwischen Sicherheitsbestellung, Darlehensvergabe und Erwerbsgeschäft den entsprechenden Willen der Parteien widerleglich vermutet lässt917. Liegt mithin ein Doppelmangel vor, da sowohl das Finanzierungsgeschäft zwischen Aktiengesellschaft und Erwerbergesellschaft als auch zwischen Letzterer und dem Kreditinstitut nichtig ist, kann nun über die oben angesprochene Direktkondiktion nachgedacht werden, da der Vorwurf „der Ausweitung bereicherungsrechtlichen Regeln auf schuld- und sachenrechtliche wirksame Rechtsgeschäfte“918 nicht mehr greift. Freilich ist auch bei einem Doppelmangel die Direktkondiktion die Ausnahme, während die Kondiktion 915

Ebd. Merkt, in: Großkommentar zum AktG, § 71a Rn. 54. 917 Cahn, in: Spindler/Stilz, AktG, § 71a Rn. 35.; Merkt, in: Großkommentar zum AktG, § 71a Rn. 45; Oechsler, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 71a Rn. 35; Schroeder, Finanzielle Unterstützung des Aktienerwerbs, S. 203 f. 918 Merkt, in: Großkommentar zum AktG, § 71a Rn. 54. 916

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„über das Dreieck“ die Regel bildet, weil sich jede Partei grundsätzlich nur mit Mängeln des Vertragspartners auseinandersetzen muss919. Zur Begründung einer Direktkondiktion in diesem Fall können zwei verschiedene Argumentationsstränge verfolgt werden. Zum einen könnte man an eine analoge Anwendung des § 822 BGB, der eine Direktkondiktion anordnet, denken. In der Tat wird vertreten, dass – wie im Rahmen des § 988 BGB überwiegend vertreten – auch im Bereicherungsrecht (§§ 816 Abs. 1 S. 2, 822 BGB) der rechtsgrundlose Leistungsempfang dem unentgeltlichen gleichsteht920. Argumentiert wird, dass ein rechtsgrundloser Erwerb noch weniger schützenswert sei als ein unentgeltlicher921. Nach dieser Ansicht könnte die Aktiengesellschaft bei der Bank direkt kondizieren, wenn im Verhältnis Erwerbergesellschaft – Bank § 71a Abs. 1 S. 1 AktG analog eingreift. Dies ist nach hier vertretener Ansicht der Fall, es sei den Bank gelingt es zu beweisen, dass sie nicht wusste, dass das Darlehen und folglich auch die Bestellung der aus dem Vermögen der Zielgesellschaft stammenden, von der Erwerbergesellschaft abgetretenen Sicherheit, der Finanzierung des Erwerbs der Aktien dieser Zielgesellschaft diente. Gegen eine Gleichstellung von rechtsgrundlosem und unentgeltlichem Leistungsempfang spricht jedoch das beachtliche Argument, dass das Charakteristikum der Unentgeltlichkeit gerade eine freigiebige Absicht voraussetzt, die bei rechtsgrundlosem Erwerb nicht besteht922. Es ist somit zu befürworten, den aufgezeigten Fall neben den anerkannten Anweisungsfällen als weitere Ausnahme von der grundsätzlichen Regel der Kondiktion im jeweiligen Kausalverhältnis anzusehen. Hierzu passt, dass sich nach Ansicht des BGH bei der Frage des Bereicherungsausgleiches im Dreipersonenverhältnis „jede schematische Lösung verbietet“923 und „stets in erster Linie die Besonderheiten des einzelnen Falles für die sachgerechte bereicherungsrechtliche Abwicklung von Vorgängen, an denen mehr als zwei Personen beteiligt sind, zu beachten“ sei924. In dem vorliegenden Umgehungsfall gebietet der Schutz der Minderheitsgesellschafter 919

Lieb, in: Münchener Kommentar zum BGB, 4. Aufl., § 812 Rn. 47. Vgl. zum Streitstand Sprau, in: Palandt, § 816 Rn. 16–19. 921 Vgl. Grunsky, JZ 1962, 297 ff. m. w. N.; vgl. auch BGH, Urteil vom 12.7.1962 – VII ZR 28/61, WM 1962, 960 ff., der in einem Sonderfall im Rahmen von § 816 Abs. 1 S. 2 BGB den rechtsgrundlosen Erwerb den unentgeltlichen gleichstellte. 922 Vgl. hierzu Sprau, in: Palandt, § 816 Rn. 19. m. w. N. 923 BGH, Urteil vom 10.3.1993 – XII ZR 253/91, NJW 1993, 1578, 1579 f. (m. w. N.). 924 BGH, Urteil vom 30.5.1968 – VII ZR 2/66, BGHZ 50, 227, 229 unter Verweis auf Caemmerer, JZ 1962, 385, 386; vgl. ausführlich zur Rechtsprechung Lorenz, in: Staudinger BGB, § 812 Rn. 36. 920

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Kap. 3: Das aktienrechtliche Kapitalschutzsystem

und Gläubiger, den § 71a Abs. 1 S. 1 AktG bezweckt, dass die Aktiengesellschaft als eigentliche Sicherungsgeberin bei der Bank als Sicherungsnehmerin direkt kondiziert. Die Bank ist dabei ausreichend geschützt, da sie beweisen kann, dass sie nichts von den Transaktionsumständen wusste. In diesem Fall greift § 71a Abs. 1 S. 1 AktG analog im Verhältnis Erwerbergesellschaft – Bank mangels entsprechender Zweckvereinbarung nicht ein, so dass auch eine Direktkondiktion nicht möglich ist. Freilich dürfte dies die Ausnahme sein, weil die Bank regelmäßig bei der Abtretung der Sicherheit durch die Erwerbergesellschaft erkennt, dass die Sicherheit von der Zielgesellschaft herrührt. b) Lediglich Verfügungsgeschäft zwischen Aktiengesellschaft und Bank aa) Sicherungsabrede als „verstecktes“ Verpflichtungsgeschäft Nicht ausgeschlossen ist des Weiteren, dass sich die rechtsgeschäftliche Beziehung zwischen Aktiengesellschaft und Bank auf das Verfügungsgeschäft beschränkt, während Verpflichtungsgeschäfte lediglich im Innenverhältnis zwischen Aktiengesellschaft und Erwerbergesellschaft und zwischen Erwerbergesellschaft und der Bank bestehen. Dies kann etwa bei der Bestellung einer Hypothek (§ 1113 BGB) der Fall sein. Allerdings ist hier genau zu unterscheiden: Denn nicht der Geschäftsbesorgungsvertrag zwischen Aktien- und Erwerbergesellschaft, indem sich Erstere verpflichtet, zu Gunsten des Erwerbers eine Sicherheit zu leisten, bildet das Grundgeschäft für die Grundpfandrechtsbestellung, sondern der Sicherungsvertrag, dessen Inhalt sich regelmäßig auf Verschaffungsverpflichtung und der Festlegung der gesicherten Forderung beschränkt925. Parteien dieser oftmals stillschweigend geschlossenen Vereinbarung sind regelmäßig die Bank als Sicherungsnehmerin und die Aktiengesellschaft als Sicherungsgeberin. Nur in Ausnahmefällen schließt die Erwerbergesellschaft als Hauptschuldnerin direkt mit der Bank den Sicherungsvertrag926. Der Geschäftsbesorgungsvertrag zwischen Aktien- und Erwerbergesellschaft ist lediglich Anlass, nicht Rechtsgrund für die Hypothekenbestellung und als solcher für einen Rückgewähranspruch irrelevant. Mithin ist im Regelfall der Sicherungsvertrag als Finanzierungsgeschäft zwischen Aktiengesellschaft und Bank wegen Verstoßes gegen § 71a Abs. 1 925 Eickmann, in: Münchener Kommentar zum BGB § 1191 Rn. 13 (Grundschuld); Bassenge, in: Palandt, § 1113 Rn. 4 (Hypothek), § 1204 Rn. 3 (Pfandrecht). 926 Vgl. Bassenge, in: Palandt, § 1204 Rn. 3.

§ 3 Das Verhältnis von § 57 Abs. 1, 3 AktG und § 71a Abs. 1 AktG

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S. 1 AktG nichtig, so dass die Aktiengesellschaft gemäß § 812 Abs. 1 S. 1 Var. 1 BGB die Rückübertragung der Hypothek verlangen kann. Entsprechendes gilt auch für einen Bürgschaftsvertrag als Grundgeschäft der Bürgenverpflichtung, der in der Regel zwischen der Bank als Gläubigerin der Darlehensforderung und der Aktiengesellschaft als Bürgin vereinbart wird. Damit ist der Einschätzung von Schroeder zu widersprechen, der bei Pfandrechts- und Hypothekenbestellung sowie der Eingehung einer Bürgschaft kein zugrunde liegendes Verpflichtungsgeschäft zwischen Aktiengesellschaft und der Bank sieht und daher immer das Verfügungsgeschäft mit der Rechtsfolge der Nichtigkeit nach § 71a Abs. 1 S. 1 AktG belegen will927. Zum einen sprechen – wie oben dargelegt – Wortlaut und Systematik des § 71a Abs. 1 S. 1 AktG gegen eine Erstreckung der Nichtigkeit auf das Erfüllungsgeschäft928, zum anderen besteht grundsätzlich ein (nichtiger) Sicherungsvertrag zwischen Aktiengesellschaft und der finanzierenden Bank, so dass die Rückgewähr der Sicherheit über § 812 Abs. 1 S. 1 Var. 1 BGB unproblematisch möglich ist. bb) Bereicherungsanspruch bei Fehlen eines Verpflichtungsgeschäfts Nur selten verpflichtet sich der Erwerber gegenüber dem Kreditgeber, eine Sicherheit zu bestellen und die Aktiengesellschaft erfüllt diese Verpflichtung des Erwerbers, ohne dass die Leistung durch sie im Vertrag vorgesehen wäre. Doch auch hier kann die Aktiengesellschaft im Ergebnis ihre Sicherheit nach § 812 Abs. 1 S. 1 Var. 1 BGB kondizieren. Dies folgt schon aus einem „Erst-Recht-Schluss“ zur oben behandelten Fallgruppe: Wenn schon die Direktkondiktion bei Vorliegen keines Rechtsverhältnisses zwischen Aktiengesellschaft und Bank möglich ist, dann „erst recht“, wenn zumindest das Verfügungsgeschäft in diesem Verhältnis stattfindet. Begründen lässt sich dies wiederum mit der Nichtigkeit des Sicherungsvertrags zwischen Erwerbergesellschaft und Bank gemäß § 71a Abs. 1 S. 1 AktG in analoger Anwendung. Nur wenn der Bank der Beweis gelingt, dass sie keine Kenntnis von dem Zweck des Darlehens und folglich der Sicherheitenbestellung als Mittel zur Finanzierung der Anteile der sicherungsgebenden Aktiengesellschaft hat, ist eine Direktkondiktion der Aktiengesellschaft gegen die Bank ausgeschlossen; die Parteien sind dann für eine etwaige Rückabwicklung auf ihre Vertragspartner angewiesen.

927 928

Schroeder, Finanzielle Unterstützung des Aktienerwerbs, S. 166, 255, 263. Siehe oben Kapitel 3 § 3 C. II. 2. b) aa).

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Kap. 3: Das aktienrechtliche Kapitalschutzsystem

c) Unterstützungshandlungen unter Verwendung eines Mittelsmanns Zuletzt kann das Finanzierungsgeschäft auch über einen Mittelsmann abgewickelt werden. Ist jener für Rechnung des Erwerbers tätig, gelten die zu § 57 Abs. 1 AktG entwickelten Grundsätze entsprechend: Leistungen an den Dritten gelten als Leistungen an die Erwerbergesellschaft mit der Rechtfolge der Nichtigkeit und des Bereicherungsanspruches aus § 62 Abs. 1 S. 1 AktG929. Handelt der Dritte hingegen für Rechnung der Aktiengesellschaft, bestimmt § 71d S. 4 AktG die sinngemäße Anwendung des § 71a Abs. 1 S. 1 AktG. Hierbei besteht Streit, ob dies bedeutet, dass das vom Dritten abgeschlossene Finanzierungsgeschäft mit der Erwerbergesellschaft bzw. mit einem Dritten oder aber der mit der Aktiengesellschaft bestehende Geschäftsbesorgungsvertrag im Innenverhältnis nichtig ist. Im ersten Fall hätte die Aktiengesellschaft einen Direktanspruch gegen den Leistungsempfänger aus § 62 Abs. 1 S. 1 AktG analog (gegen die Erwerbergesellschaft) bzw. aus Leistungskondiktion (gegen die Bank); im letzteren lediglich einen Anspruch gegen den Mittelsmann. Teilweise wird der Geschäftsbesorgungsvertrag oder Auftrag im Innenverhältnis mit der Rechtsfolge der Nichtigkeit belegt, da sich in diesem Geschäft das entscheidende Gefahrenpotential für das Vermögen der Aktiengesellschaft befände930. Es sei kein Grund ersichtlich, warum „die Rechtsordnung in die Betragsbeziehung zwischen Drittem und Viertem eingreifen sollte“931. Diese Ansicht übersieht jedoch, dass der Mittelsmann hier regelmäßig nur als Zahlstelle fungiert932 und eine sinngemäße Anwendung des § 71a Abs. 1 S. 1 AktG dann nur bedeuten kann, dass das tatsächlich in das Vermögen der Aktiengesellschaft eingreifende Finanzierungsgeschäft nichtig ist. Auch im Rahmen des § 71a Abs. 1 S. 1 AktG trifft die Rechtsfolge der Nichtigkeit den Darlehens- oder Sicherungsvertrag als Rechtsgrund für die Vermögensverschiebung und nicht einen etwaigen Geschäftsbesorgungsvertrag oder Auftrag im Innenverhältnis zwischen Erwerbergesellschaft und 929 Oechsler, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 71a Rn. 34; siehe oben Kapitel 3 § 1 B. I. 1. c) aa). 930 Lutter, in: Kölner Kommentar zum AktG, 2. Aufl., § 71a Rn. 75; Schroeder, Finanzielle Unterstützung des Aktienerwerbs, S. 266 f. 931 Lutter, ebd. 932 Ähnlich Merkt, in: Großkommentar zum AktG, § 71a Rn. 57, der jedoch eine Umgehungsabsicht der Aktiengesellschaft bezüglich des Verbots der finanziellen Unterstützung fordert.

§ 4 Sonstige Instrumente zum Schutz des Vermögens der Zielgesellschaft 281

Aktiengesellschaft. Nach Abschluss des Finanzierungsgeschäfts und des Vermögenstransfers zwischen dem Mittelsmann und der Erwerbergesellschaft bzw. der finanzierenden Bank hilft der Aktiengesellschaft ein Anspruch gegen ihren Mittelsmann wenig, um wieder an ihr Vermögen zu gelangen. Auch der effektive Kapitalschutz gebietet daher die Nichtigkeit des Finanzierungsgeschäfts und nicht des Geschäftsbesorgungsvertrags im Innenverhältnis bei Einschaltung eines Mittelsmanns nach § 71d AktG933.

§ 4 Sonstige Instrumente zum Schutz des Vermögens der Zielgesellschaft Der Aktiengesellschaft können zusätzlich Ansprüche zustehen, die das dargestellte Kapitalschutzsystem komplettieren. Zu nennen sind hier insbesondere Schadensersatzansprüche der Vorstands- und Aufsichtsratmitglieder nach § 93 Abs. 2 AktG (ggf. i. V. m. § 116 AktG) sowie ein Schadensersatzanspruch wegen Einflussnahme zum Schaden der Gesellschaft nach § 117 AktG. Daneben kommt auch das Haftungskonzept des existenzvernichtenden Eingriffs in Betracht.

A. Schadensersatzanspruch gemäß § 93 Abs. 2 AktG I. § 93 Abs. 2 S. 1 i. V. m. § 92 Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 5 Verstoßen Vorstands- oder Aufsichtsratsmitglieder schuldhaft gegen ihre jeweiligen Pflichten, sind sie nach Maßgabe des § 93 Abs. 2 AktG (ggf. i. V. m. § 116 AktG) der Gesellschaft gesamtschuldnerisch zum Ersatz des hieraus entstehenden Schadens verpflichtet934. § 93 Abs. 3 AktG führt beispielhaft als Gesetzesverstoß die (unzulässige) Einlagenrückgewähr (Nr. 1) und die (rechtswidrige) Verteilung von Gesellschaftsvermögen (Nr. 5) auf. Hieran ändert auch ein Hauptversammlungsbeschluss bezüglich der Vermögensausschüttung nichts, da § 93 Abs. 4 AktG einen rechtmäßigen Beschluss voraussetzt und jedenfalls bei Verstoß gegen § 57 Abs. 1 S. 1 AktG die Nichtigkeitsfolge des § 241 Nr. 3 AktG eingreift935. Auch ein Verstoß gegen § 71a Abs. 1 S. 1 AktG löst die Haftung aus936. Der Ersatzanspruch 933 Ebenso im Ergebnis Cahn, in: Spindler/Stilz, AktG, § 71a Rn. 54; Oechsler, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 71a Rn. 34. Letzterer stellt zur Begründung maßgeblich auf den Rechtsgedanken des § 71d S. 5 AktG ab. 934 Vgl. bezüglich Verstößen gegen § 57 AktG und 71a AktG auch Wand/Tillmann/Heckenthaler, AG 2009, 148, 150, 152 f. 935 Schäffler, BB-Special 9, 2006, 1, 11. 936 Merkt, in: Großkommentar zum AktG, § 71a Rn. 58.

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Kap. 3: Das aktienrechtliche Kapitalschutzsystem

nach § 93 Abs. 5 AktG kann auch von Gesellschaftsgläubigern geltend gemacht werden, wenn sie keine Befriedigung von der Gesellschaft erlangen. Da der Anspruch sich nicht gegen Dritte wie die finanzierende Bank richtet und Privatpersonen – auch auf Vorstandsebene – angesichts der möglichen Schadenssummen oft kein lohnenswertes Haftungsziel bieten, liegt der eigentliche Nutzen der Vorschrift in der abschreckenden Wirkung auf die Führungsebene der Aktiengesellschaft, vermögensschädigende Handlungen zu unterlassen. II. Insolvenzverursachungshaftung (§ 93 Abs. 2 S. 1 i. V. m. § 92 Abs. 2 S. 3 AktG) Eine nicht zu unterschätzende präventive Wirkung dürfte auch der durch das MoMiG937 eingeführte § 92 Abs. 2 S. 3 AktG haben (Ergänzung des § 92 Abs. 3 a. F.)938. Demnach darf der Vorstand keine Zahlungen an Aktionäre leisten, „soweit diese zur Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft führen mussten, es sei denn, dies war auch bei Beachtung der in § 93 Abs. 1 S. 1 bezeichneten Sorgfalt nicht zu erkennen“. Für die Haftung des Vorstands genügt nicht, dass die Auszahlung in irgendeiner Art und Weise kausal ist. Vielmehr muss sie ohne Hinzutreten anderer Kausalbeiträge zur Zahlungsunfähigkeit der Aktiengesellschaft führen939. Es muss sich mithin schon im Moment der Leistung abzeichnen, dass bei normalem Fortgang der Dinge die Insolvenz nicht zu vermeiden ist940. Ein Verstoß gegen § 92 Abs. 2 S. 3 AktG löst gemäß § 93 Abs. 2 S. 1 AktG die Schadensersatzpflicht des pflichtwidrig handelnden Vorstandsmitglieds aus. Die Insolvenzverursachungshaftung soll nach der Gesetzesbegründung bei sich abzeichnender Zahlungsunfähigkeit Lücken im Gläubigerschutz bei Vermögensverschiebungen zwischen Gesellschaft und Aktionären schließen sowie den (weitgehenden) Gleichlauf zwischen Aktien- und GmbH-Recht wahren941. Ein entsprechender Haftungstatbestand wurde durch das MoMiG 937 Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen vom 23.10.2008, BGBl. I 2008, 2026, 2035. 938 Vgl. Knapp, DStR 2008, 2371, 2374. 939 Begr. RegE. vom 25.7.2007 (MoMiG), BT-Drucks. 16/6140, S. 46 f.; ausführlich: Knof, DStR 2007, 1536, 1539 f. 940 Begr. RegE., S. 47. 941 Begr. RegE., S. 52. Allerdings bestehen in der Konzeption Unterschiede, da der Anspruch im Aktiengesetz als Schadensersatz über § 93 Abs. 1 S. 1 AktG, in § 64 GmbHG jedoch als Erstattungsanspruch eigener Art ausgestaltet ist. Vgl. zu Letzterem BGH, Urteil vom 18.3.1974 – II ZR 2/72, NJW 1974, 1088 f.; BGH, Urteil vom 8.1.2001 – II ZR 88/99, juris Rn. 31; Knof, DStR 2007, 150, 1584. Der Frage, inwieweit dies insbesondere bezüglich des Haftungsumfangs zu Wertungs-

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in § 64 S. 3 GmbHG geschaffen942. Die aktienrechtliche Neuregelung verschärft den Gläubigerschutz des § 57 Abs. 1 S. 1 AktG in einer für Gesellschaftsgläubiger besonders gefährlichen Lage, wenn (voraussehbar) die Ausschüttungen an die Gesellschafter zur Insolvenz der Aktiengesellschaft führen mussten. In dieser Situation erscheint es gerechtfertigt, den Gläubigerschutz auf das gesamte Kapital der Aktiengesellschaft auszudehnen, unabhängig davon, ob das Grundkapital, die gebundenen oder die freie Rücklagen betroffen sind. Aufgrund der zum Schutz der Minderheitsaktionäre umfassenden Vermögensbindung (§ 57 Abs. 3 AktG) dürfte sich die Relevanz der Neuregelung freilich auf die Zahlungsunfähigkeit infolge von sog. „Superdividenden“943 beschränken. Die Ausschüttung einer solchen Sonderdividende tritt gerade in der Akquisitionspraxis zur Refinanzierung von fremdfinanzierten Übernahmen auf. Als Beispiel kann etwa die Übernahme der Hugo Boss AG im Jahre 2007 durch die Privat Equity-Gesellschaft Permira dienen. Neben der regulären Dividende von 100 Mio. Euro wurde auf Druck von Permira gegen die Stimmen der Arbeitnehmervertreter die Ausschüttung einer Sonderdividende von 354 Mio. Euro beschlossen944. Dies hatte zur Folge, dass die Eigenkapitalquote von 52 Prozent auf 20 Prozent sank945. Auch wenn der Vorgang im konkreten Fall nicht zur Zahlungsunfähigkeit führte, zeigt dieser Fall doch die Lücken des Kapitalschutzes, die der Gesetzgeber mit der Einführung des neuen § 92 Abs. 2 AktG schließen wollte. Im Rahmen der Insolvenzverursachungshaftung führt weder eine Weisung durch den Mehrheitsaktionär – der Vorstand leitet gemäß § 76 Abs. 1 AktG die Gesellschaft in eigener Verantwortung – noch eine Billigung durch den Aufsichtsrat (§ 93 Abs. 4 S. 2 AktG) zum Ausschluss der Haftung946. Der widersprüchen führen kann (z. B. beim Einwand eines geringeren Schadens bei rechtmäßigem Alternativverhalten), kann hier nicht nachgegangen werden. 942 Zu den Hintergründen der Neuregelung Gesetzesentwurf vom 25.7.2007, BTDrucks. 16/6140 (MoMiG), S. 46 f. Ausführlich zu den einzelnen Voraussetzungen (insbesondere Zurechnungszusammenhang, Solvenzprognose, Dokumentationspflicht und Beweislast) Knof, DStR 2007, 1536 ff.; ders., DStR 2007, 1580 ff. jeweils m. w. N. 943 Siehe oben Kapitel 1 § 1 A. III.; Kapitel 3 § 1 B. II. 4. 944 „Pemira bekommt von Hugo Boss großzügige Dividende“, F. A. Z. vom 13.3.2008, S. 17. 945 Hesse, „Permira boxt Dividende durch“, in Süddeutsche Zeitung vom 13.3. 2008, abrufbar unter: www.sueddeutsche.de/wirtschaft/282/4360/text/ (Abrufdatum: 9.3.2009). 946 Knapp, DStR 2007, 2371, 2374. Inwieweit im Rahmen der Insolvenzverursachungshaftung ein gesetzmäßiger Hauptversammlungsbeschluss die Haftung des Vorstands verhindert (§ 93 Abs. 4 S. 1 AktG) ist umstritten, ablehnend Spindler, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 92 Rn. 68 mit Verweis auf die gläubigerschüt-

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Kap. 3: Das aktienrechtliche Kapitalschutzsystem

Haftungsumfang soll dabei jedoch auf die Höhe des relevanten Zahlungsabflusses beschränkt sein. Was sich für die GmbH-Regelung aus dem Wortlaut des § 64 Abs. 1 S. 1, 3 GmbHG („Ersatz von Zahlungen“) ergibt, erscheint für das Aktienrecht jedoch weniger klar. Denn während § 64 GmbH nach herrschender Ansicht einen Erstattungsanspruch eigener Art enthält947, hat der Gesetzgeber die Neuregelung über § 93 Abs. 2 S. 1, Abs. 3 Nr. 6 AktG als Schadensersatzpflicht konzipiert. Da jedoch nach dem gesetzgeberischen Willen ein Gleichlauf der Regelungen gewünscht ist und folgerichtig in den Gesetzesmaterialien zur Neuregelung des § 92 Abs. 2 AktG auf die Gesetzesbegründung für § 64 S. 3 GmbHG verwiesen wird948, muss auch im Aktienrecht die Begrenzung auf die veranlasste Zahlung gelten. Denn dort heißt es, dass die Ersatzpflicht nur „in dem Umfang („soweit“) besteht, wie der Gesellschaft tatsächlich liquide Vermögensmittel entzogen (. . .) worden sind“949. Insbesondere können etwaige wesentlich höhere Reflexschäden nicht verlangt werden. Es handelt sich damit nicht um eine Kodifizierung der aus dem anglo-amerikanischen Recht bekannten „Wrongful Trading Rule“950. Allerdings finden sich – wie vom Gesetzgeber ausdrücklich betont – Parallelen zum sog. Solvency Test951. Auch wenn die Neuregelung einen Teilbereich der „Existenzvernichtungshaftung“ erfasst, soll sie ausweislich der Gesetzesbegründung diesbezüglich keine abschließende Regelung treffen952. Der eigenständige Tatbestand des haftungsvernichtenden Eingriffs wird im Anschluss an den in § 117 AktG geregelten Schadensersatzanspruch behandelt.

B. Schadensersatzanspruch gemäß § 117 AktG Der Schuldnerkreis des Verbots der vorsätzlichen Schädigung der Gesellschaft gemäß § 117 AktG ist im Vergleich zu § 93 AktG weiter. Nach deszende Wirkung des § 92 Abs. 2 AktG. Jedenfalls dürfte regelmäßig der Hauptversammlungsbeschluss nach § 241 Nr. 3 AktG nichtig sein, so dass schon aus diesem Grund der Haftungsausschluss nach § 93 Abs. 4 S. 1 AktG nicht eingreift. 947 BGH, Urteil vom 18.3.1974 – II ZR 2/72, NJW 1974, 1088 f.; BGH, Urteil vom 8.1.2001 – II ZR 88/99, juris Rn. 31; Knof, DStR 2007, 150, 1584. 948 Begr. RegE. vom 25.7.2007 (MoMiG), BT-Drucks. 16/6140, S. 52. 949 Begr. RegE., S. 46. 950 Knapp, DStR 2008, 2371, 2374. 951 Begr. RegE. vom 25.7.2007 (MoMiG), BT-Drucks. 16/6140, S. 46. Die Regelung wird auch teilweise als „deutscher Solvency Test“ bezeichnet, vgl. K. Schmidt GmbHR 2007, 1, 5 ff.; Seibert, ZIP 2006, 1157, 1167; Hölzle, GmbHR 2007, 729, 730 (jeweils zu § 64 S. 3 GmbHG). Hintergrund hierfür ist, dass die Solvenzprognose des Vorstands eine Liquiditätsprüfung zum Zeitpunkt der Auszahlung erfordert, ausführlich hierzu Knof, DStR 2007, 1536, 1540 ff. 952 Begr. RegE. vom 25.7.2007 (MoMiG), BT-Drucks. 16/6140, S. 46.

§ 4 Sonstige Instrumente zum Schutz des Vermögens der Zielgesellschaft 285

sen Absatz 1 besteht ein Schadensersatzanspruch der Gesellschaft gegen denjenigen, der vorsätzlich seinen Einfluss dazu benutzt, ein Mitglied der Führungsebene (Aufsichtsrat-, Vorstandsmitglied, Prokurist oder Handlungsbevollmächtigten) anzustiften, zum Schaden der Gesellschaft oder ihrer Aktionäre zu handeln. Nach Absatz 2 haften wiederum Vorstands- und Aufsichtratmitglieder bei entsprechender Pflichtverletzung. Nach § 117 Abs. 1 S. 2 AktG steht den Aktionären ein Direktanspruch zu, wenn ihnen über den Vermögensschaden der Aktiengesellschaft hinaus ein Schaden entstanden ist. Im Rahmen eines Leveraged Buyouts ist an die Einflussnahme des Private Equity Fonds auf die Führungsgremien der Aktiengesellschaft zu denken. Allerdings wird regelmäßig eine Beeinflussung über die als Haftungsziel mangels Kapitalausstattung uninteressante Erwerbergesellschaft vonstattengehen, so dass der Anspruch aus § 117 AktG leer läuft. Zudem ist das Vorsatzerfordernis schwer zu beweisen. Konzernsachverhalte werden nach § 117 Abs. 7 AktG aus dem Anwendungsbereich der Vorschrift genommen. Wiederum kommt die kreditgebende Bank als Schuldnerin in aller Regel nicht in Betracht, da von dieser Seite vorsätzlich kein Einfluss auf die Führungsebene der Aktiengesellschaft genommen wird953. Mit den aktienrechtlichen Kapitalschutzregeln – insbesondere mit dem Rückgewährverbot nach § 57 Abs. 1, 3 AktG – gibt es in tatbestandlicher Hinsicht eine Schnittmenge. Bestimmt etwa der Mehrheitsaktionär die Gesellschaft dazu, ihm ohne entsprechende Gegenleistung eine Vermögenszuwendung zukommen zu lassen, kann sowohl § 117 AktG als auch §§ 62 Abs. 1 S. 1, 57 AktG eingreifen. Bezüglich der Rechtsfolge geht § 117 über § 62 Abs. 1 S. 1 AktG hinaus, da der Schadensersatzanspruch auch den Ausgleich von Folgeschäden der Gesellschaft umfasst. Wegen des schwer zu beweisenden Vorsatzerfordernisses tritt das Verbot der vorsätzlichen Schädigung der Gesellschaft gegenüber dem Rückgewähranspruch jedoch zumeist in den Hintergrund954.

C. Existenzvernichtender Eingriff Zuletzt kann noch der Haftungstatbestand des existenzvernichtenden Eingriffs vorliegen, wenn die Zielgesellschaft durch missbräuchliche Handlungen eines Aktionärs die Insolvenzreife der Aktiengesellschaft herbeigeführt oder vertieft worden ist. Der zum GmbH-Recht entwickelte Haftungstat953 Eine Haftung der Bank als Kreditnehmer – auch nach vertraglichen Ansprüchen oder c.i.c. kann sich nur in Ausnahmefällen ergeben, wenn die Bank ihre Rolle als Kreditgeberin überschreitet, vgl. Heymann/Edelmann, in: Assmann/Schütze, Handbuch des Kapitalanlegerechts, § 5 Rn. 46. 954 Bezzenberger, Das Kapital der Aktiengesellschaft, S. 306.

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Kap. 3: Das aktienrechtliche Kapitalschutzsystem

bestand wurde jüngst im „Trihotel“-Urteil des BGH955 auf eine neue dogmatische Grundlage gestellt. Anstatt einer als Durchgriffsaußenhaftung konzipierten eigenständigen Haftungsfigur wird die Existenzvernichtungshaftung nunmehr vom Konzernrecht losgelöst als schadensrechtliche Innenhaftung gegenüber der Gesellschaft ausgestaltet und als Fallgruppe der sittenwidrigen, vorsätzlichen Schädigung nach § 826 BGB eingeordnet956. Mit dem Abstellen auf die allgemeine, zivilrechtliche Anspruchsgrundlage kann auch die bisher strittige Frage, ob eine Existenzvernichtungshaftung auch im Aktienrecht besteht957, bejaht werden958. Allerdings dürfte die Bedeutung einer derartigen Haftung im Aktienrecht und insbesondere bei fremdfinanzierten Übernahmen gering sein, auch wenn die strengen Voraussetzungen wie Kausalität und Schädigungsvorsatz im Einzelfall zu beweisen wären959. Zum einen ist kaum anzunehmen, dass die Existenzvernichtungshaftung gemäß § 826 BGB über die konkurrierende Innenhaftung des § 117 Abs. 1 AktG hinausgeht960. Letztere wurde im Jahre 1937 gerade eingeführt, um einen Rückgriff auf § 826 BGB überflüssig zu machen. Zum anderen richtet sich der Anspruch nur gegen den Mehrheitsgesellschafter, nicht aber gegen die finanzierende Bank, als lohnenswertes Haftungsziel961. Da die Erwerbergesellschaft neben den Aktienanteilen der insolventen Gesellschaft in aller Regel kein weiteres Vermögen hat, wird der Insolvenzverwalter regelmäßig von der Inanspruchnahme wegen existenzvernichtenden Eingriffs nach § 826 BGB absehen. Im Übrigen ist der Einschätzung zuzustimmen, dass im Regelfall einer Leverage-Transaktion eine Existenzvernichtungshaftung schon nicht in Betracht kommt, 955

BGH, Urteil vom 16.7.2007 – 16.7.2007, NJW 2007, 2689 = DStR 2007, 1585 mit Anm. Goette; bestätigt durch BGH, Beschluss vom 7.1.2008 – II ZR 314/05, ZIP 2008, 308, 310. 956 Vgl. zum haftungsbegründenden Tatbestand Habersack, ZGR 2008, 533, 544 ff. m. w. N. 957 Vgl. zum Meinungsstand vor dem „Trihotel“-Urteil: Seibt, ZHR 171 (2007), 282, 307 (Fn. 80); Henze, AG 2004, 405, 414 f. 958 Heider, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 1 Rn. 85 m. w. N.; Hüffer, AktG, § 1 Rn. 26 m. w. N.; Habersack, ZGR 2008, 533, 549 ff., der für die abhängige AG eine Ergänzung durch den spezifischen konzernrechtlichen Tatebestand der qualifizierten Nachteilszufügung befürwortet; Kölbl, in: B 2009, 1194, 1200; a. A. Fett, in: Bürgers/Körber, AktG, § 311 Rn. 28 ff. 959 Der Beweis der Kausalität wird regelmäßig nur gelingen, wenn die Insolvenz in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit der fremdfinanzierten Übernahme steht. Dies dürfte jedoch kaum vorkommen, gerade vor dem Hintergrund neuartiger Finanzierungsinstrumente („Bullet Debt“, „Payment-in-kind Debt“), bei denen erst Jahre nach der Übernahme die finanziellen Belastungen die Zielgesellschaft trifft, vgl. Eidenmüller, ZHR 171 (2007), 644, 667. 960 Hüffer, AktG, § 1 Rn. 26a. 961 Eidenmüller, ZHR 171 (2007), 644, 667 f.

§ 5 Ergebnis Kapitel 3

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weil Investoren und Finanzierungspartner die Transaktionen nur bei hoher Erfolgswahrscheinlichkeit durchführen962. Aufgrund der Risikoabwägung zum einen von Seiten des Investors, zum anderen von Seiten der finanzierenden Banken ist aus der entscheidenden ex ante-Perspektive nicht von einem unangemessenen Risikogeschäft der Zielgesellschaft auszugehen963. Damit beschränkt sich in Buyout-Fällen der mögliche Anknüpfungspunkt für § 826 BGB auf missbräuchliche und absprachewidrige Handlungen des Mehrheitsaktionärs bei der Refinanzierung im Nachgang der Übernahme.

§ 5 Ergebnis Kapitel 3 Die Untersuchung der Ausschüttungsverbote des § 57 Abs. 1 und 3 AktG und des Verbots der finanziellen Unterstützung haben gezeigt, dass beide Tatbestände sich nicht überschneiden, sondern ergänzen: Während § 57 AktG Ausschüttungen an Aktionäre verbietet und damit bei Übernahmesachverhalten erst nach Aktienerwerb eingreift, findet § 71a AktG im Vorfeld der Übernahme Anwendung und endet mit dem Erwerb der Aktionärseigenschaft. Zwar konnten vor Einführung des Verbots der finanziellen Unterstützung im Jahre 1979 Unterstützungshandlungen der Zielgesellschaft gegenüber dem Aktienerwerber über § 57 Abs. 1, 3 AktG analog eingefangen werden. Mit Einführung des § 71a AktG fehlt jedoch die für eine Analogie notwendige Regelungslücke. Schon aus diesem Grund ist das Verbot der finanziellen Unterstützung nicht (nahezu) obsolet964. Der Rückgewähranspruch des § 62 Abs. 1 S. 1 AktG findet nicht nur bei Verstoß gegen § 57 Abs. 1 und 3 AktG Anwendung, sondern auch – über eine Analogie – bei nach § 71a Abs. 1 S. 1 AktG nichtigen Unterstützungshandlungen zu Gunsten zukünftiger Aktionäre oder aktionärsgleicher Dritten. Ist eine Leistung aufgrund eines Verstoßes gegen das Verbot finanzieller Unterstützung im Verhältnis zu einem sonstigen Dritte wie der finanzierenden Bank rückabzuwickeln, bleibt es bei der Leistungskondiktion nach § 812 Abs. 1 S. 1 Var. 1 BGB. Eine Nichtanwendung des § 814 BGB im Wege der teleologische Reduktion ist zu befürworten. Inhaltlich bieten sowohl § 57 AktG als auch § 71a AktG ein hohes Schutzniveau vor Vermögensverlagerungen von der Ziel- auf die Erwerbergesellschaft im Rahmen einer fremdfinanzierten Übernahme. Flankiert wer962 Seibt, ZHR 171 (2007), 282, 309; Schulz/Israel, NZG 2005, 329; 332 (zur GmbH); ähnlich Wessels/König, M&A Review 2005, 312 (zur GmbH). 963 Ebenso Schulz/Israel, NZG 2005, 329, 332 (zur GmbH). 964 A. A. Habersack, in: FS Röhricht, S. 155, 166, 169 ff. und Freitag, AG 2007, 157, 163 f. vor Einführung des § 57 Abs. 1 S. 3 AktG.

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Kap. 3: Das aktienrechtliche Kapitalschutzsystem

den die Kapitalschutznormen von den aktienrechtlichen Schadensersatzansprüchen nach §§ 93 Abs. 2 AktG, 117 AktG sowie der in § 826 BGB verankerten Existenzvernichtungshaftung. An dem effektiven Schutz ändert auch die durch das MoMiG in § 57 Abs. 1 S. 3 Var. 2 AktG eingeführte Lockerung des Kapitalschutzes im Grundsatz nichts. Denn regelmäßig scheitert der Ausnahmetatbestand an der mangelnden finanziellen Ausstattung der Erwerbergesellschaft. Liegt im Ausnahmefall ein vollwertiger Gegenleistungs- oder Rückgewähranspruch vor, ist der Nutzen für die Finanzierung der Übernahme oftmals gering. Auch eine durch die Liberalisierung der Kapitalrichtlinie mögliche Auflockerung des Verbots der finanziellen Unterstützung nach § 71a Abs. 1 S. 1AktG würde nicht zu einer anderen Einschätzung führen. Denn die nun nach dem neu gefassten Art. 23 Abs. 1 der Kapitalrichtlinie erlaubten Finanzierungsmöglichkeiten im Rahmen eines Leveraged Buyouts haben sich als nicht praxistauglich erwiesen. Dementsprechend ist auch von einer Umsetzung dieser Richtlinienvorschrift in das deutsche Aktienrecht abzuraten. Da mithin § 71a Abs. 1 S. 1 AktG der Finanzierung der Übernahme aus Mitteln der Zielgesellschaft vor Übernahme und § 57 Abs. 1 und 3 AktG nach Übernahme im Wege stehen, sind die bisher untersuchten Finanzierungsformen in Rahmen einstufiger Erwerbsmodelle für das im Rahmen des Leveraged Buyouts angestrebte Ziel der Vermögensverlagerung von der Ziel- auf die Erwerbergesellschaft nicht geeignet. Aus der Perspektive der Gläubiger und Minderheitsaktionäre kann man einen ausreichenden Schutz konstatieren. Im Folgenden ist nun der Frage nachzugehen, wie der Kapitalschutz im Rahmen von mehrstufigen Erwerbsmodellen gewährleistet wird. Dabei kann bezüglich der Reichweite des Verbots der finanziellen Unterstützung und des Einlagenrückgewährverbotes an die gefundenen Ergebnisse angeknüpft werden.

Kapitel 4

Kapitalschutz bei mehrstufigen Erwerbsmodellen Ziel der mehrstufigen Erwerbsmodelle ist es, in einem der Kauf- und Finanzierungsphase nachfolgenden zweiten Schritt das Vermögen der Zielgesellschaft für die Refinanzierung nutzbar zu machen, ohne die aktienrechtlichen Kapitalschutzvorschriften zu verletzen. Unabhängig von dem gewählten Erwerbsmodell bedarf es hierfür Umstrukturierungen der Aktiengesellschaft, bei denen die als Grundregel in § 133 Abs. 1 AktG normierte einfache Stimmrechtsmehrheit nicht ausreicht. Vielmehr verlangen Umwandlungs- und Verschmelzungsbeschlüsse nach §§ 240 Abs. 1, § 65 Abs. 1, UmwG eine Mehrheit von drei Viertel des bei der Beschlussfassung vertretenen Grundkapitals. Neben der Sicherung der Gläubigerinteressen stellt sich wiederum die Frage, wie die (überstimmten) Minderheitsaktionäre1, die die Umstrukturierungsmaßnahmen nicht verhindern können, vor einem Wertverfall ihrer Beteiligung zu schützen sind.

§ 1 Erwerbsmodell: Verschmelzung nach dem UmwG Ein gängiges Übernahmemodell ist die Verschmelzung von Erwerberund Zielgesellschaft nach dem Umwandlungsgesetz. Hierdurch soll erreicht werden, dass sich das Vermögen der Zielgesellschaft mit den Schulden der Erwerbergesellschaft verbindet, damit die Vermögenswerte der Zielgesellschaft zur Rückzahlung der Erwerberdarlehen an die Banken eingesetzt werden können. Zwei Konstellationen sind hierbei zu unterscheiden: Zum einen kann die Zielgesellschaft auf die Erwerbergesellschaft (sog. Upstream Merger2), zum anderen umgekehrt die Erwerbergesellschaft auf die Zielgesellschaft verschmolzen werden (sog. Downstream Merger3). 1

Aufgrund der üblichen Hauptversammlungspräsenz bei börsennotierten Unternehmen von unter 60 Prozent kann im Einzelfall der zu schützende Teil der nicht zustimmenden Minderheitsaktionäre auch über 25 Prozent liegen, vgl. Möller, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 29 Rn. 9; Dauner-Lieb, WM 2007, 9 ff. 2 Synonym: Merger Buyout oder Forward Merger. 3 Synonym: Reversed Merger.

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Kap. 4: Kapitalschutz bei mehrstufigen Erwerbsmodellen

A. Verschmelzung der Zielgesellschaft auf die Erwerbergesellschaft (Upstream Merger) Bei einem Upstream Merger wird die Zielgesellschaft auf die Erwerbergesellschaft verschmolzen. Die Transaktion lässt sich in zwei Stufen unterteilen. In einem ersten Schritt nimmt die Erwerbergesellschaft Kredite auf und erwirbt damit die Mehrheit der Anteile der Zielgesellschaft. Die Geschäftsanteile der Zielgesellschaft dienen den Banken regelmäßig als Sicherheit4. Unter Kapitalschutzgesichtspunkten interessant ist der zweite Schritt, bei dem durch Verschmelzung die Zielgesellschaft und die Erwerbergesellschaft zu einer rechtlichen Einheit zusammengefasst werden5. Bei einer solchen „Verschmelzung durch Aufnahme“ (§ 2 Nr. 1 UmwG) bekommen die Anteilsinhaber der übertragenden Zielgesellschaft Anteile an der übernehmenden Erwerbergesellschaft (§ 20 Abs. 1 Nr. 3)6. Die Zielgesellschaft erlischt mit Eintragung der Verschmelzung (§ 20 Abs. 1 Nr. 2 UmwG). Die Rückzahlung eines zur Kaufpreisfinanzierung aufgenommenen Darlehens oder dessen Besicherung scheint nach der Verschmelzung möglich, ohne mit den aktienrechtlichen Kapitalschutzregeln zu konfligieren. Denn gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 UmwG geht das gesamte Vermögen der Zielgesellschaft auf die Erwerbergesellschaft über. Letztere kann somit ihr eigenes Kapital zur Begleichung der Schuld bzw. zur Leistung einer Sicherheit einsetzen7. Hiergegen wird argumentiert, dass es sich bei wirtschaftlich-materieller Betrachtungsweise um das Vermögen der auf die Erwerbergesellschaft verschmolzenen Zielgesellschaft handelt. Im Ergebnis finanziere die Zielgesellschaft ihre eigene Übernahme. Gerade dies wolle das Verbot der finanziellen Unterstützung nach § 71a Abs. 1 S. 1 AktG unterbinden8. 4

Schäffler, BB-Special 9, 2006, 1, 2. Vgl. zum technischen Ablauf: Diem, Akquisitionsfinanzierungen, § 49 Rn. 9 ff. (S. 266 f.). 6 Vgl. zu den Einzelheiten Schröer, in: Semler/Stengel, UmwG, § 5 Rn. 7 ff. Die regelmäßig bei einer Vermögensübernahme durch Anteilsgewährung durchgeführte Kapitalerhöhung gegen Sacheinlage bei der übernehmenden Erwerbergesellschaft ist gemäß den §§ 54 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, 68 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 UmwG bei der Verschmelzung der Tochter- auf die Muttergesellschaft verboten; a. A. soweit ersichtlich lediglich Petersen Der Gläubigerschutz im Umwandlungsrecht, S. 206; ders., GmbHR 2004, 728, 730, der trotz des gesetzlichen Kapitalerhöhungsverbotes beim Upstream Merger zu Gunsten der Gläubiger eine vorgelagerte Kapitalerhöhung fordert. 7 Vgl. Otto, in: Assmann/Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, 2. Auflage, § 26 Rn. 163 ff. 8 Ludwig, in: FG Happ, S. 131, 137; ähnlich Klass, Der Buyout von Aktiengesellschaften, S. 165. 5

§ 1 Erwerbsmodell: Verschmelzung nach dem UmwG

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Im Folgenden ist zu untersuchen, ob daher das Verbot der finanziellen Unterstützung und die aktienrechtliche Vermögensbindung nach § 57 Abs. 1 und 3 AktG auch im Rahmen eines Upstream Mergers zur Anwendung kommen. I. Vereinbarkeit mit dem Verbot der finanziellen Unterstützung (§ 71a Abs. 1 S. 1 AktG) 1. Kein direktes Eingreifen des Verbots der finanziellen Unterstützung

Es begegnet schon Schwierigkeiten, einen Anknüpfungspunkt für das Eingreifen des Verbots der finanziellen Unterstützung zu finden. Nach erfolgter Verschmelzung kommt eine Anwendung des § 71a Abs. 1 S. 1 AktG nicht mehr in Betracht. Da die Aktiengesellschaft dann nach § 20 Abs. 1 Nr. 2 UmwG erlischt, kann sie auch nicht mehr durch ein Rechtsgeschäft „zum Zweck des Erwerbs“ ihrer Aktien finanzielle Hilfe leisten9. Vielmehr handelt es sich bei nach Verschmelzung getätigten Sicherungsgeschäften mit den finanzierenden Banken um Rechtsgeschäfte der Erwerbergesellschaft. Die Haftung mit der von der Zielgesellschaft erworbenen Vermögensmasse ist nichts anderes als die Haftung einer Gesellschaft für ihre eigenen Verbindlichkeiten. Die Gegenansicht, wonach die zeitliche Abfolge von Zahlungs- und Übertragungsakten keine Rolle spiele, solange die Kaufpreiszahlung wirtschaftlich aus Mitteln der (erloschenen) Zielgesellschaft erfolge10, entfernt sich von allen wesentlichen Tatbestandsmerkmalen des § 71a Abs. 1 S. 1 AktG („Gewährung (. . .) durch die Gesellschaft (. . .) zum Zwecke des Erwerbs“) und ist daher abzulehnen11. Auch Befürworter der Anwendung des Verbots der finanziellen Unterstützung auf Verschmelzungstatbestände stellen daher auf den Verschmelzungsbeschluss (§ 13 Abs. 1 UmwG) als das die finanzielle Unterstützung enthaltende Rechtsgeschäft ab12. Denn zu diesem Zeitpunkt existiert die Ziel9 T. Bezzenberger, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 71a Rn. 19; Nuyken, ZIP 2004, 1893, 1898. 10 Ludwig, in: FG Happ S. 131, 139; ähnlich auch Kerber, NZG 2006, 50, 53, der den Erwerb und die Verschmelzung als einheitlichen Vorgang („ein Ganzes“) betrachtet. 11 Insbesondere die Formulierung „Gewährung eines Vorschusses (. . .) durch die Gesellschaft“ zeigt, dass eine Aktivität seitens der Zielgesellschaft erforderlich ist. Hieran fehlt es bei einer Besicherung nach Verschmelzung, vgl. Nuyken, ZIP 2004, 1893, 1898. 12 Klass, Der Buyout von Aktiengesellschaften, S. 169; vgl. auch Oechsler, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 71a Rn. 26; Diem, Akquisitionsfinanzierungen, S. § 49 Rn. 6 (S. 267), die im Ergebnis die Anwendung des § 71a AktG auf den Verschmelzungsbeschluss verneinen.

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Kap. 4: Kapitalschutz bei mehrstufigen Erwerbsmodellen

gesellschaft als Rechtssubjekt noch. Bei Verstoß gegen § 71a Abs. 1 AktG soll der Verschmelzungsbeschluss dann nach § 241 Nr. 3 AktG nichtig sein13. Aber auch bezüglich des Verschmelzungsbeschlusses findet § 71a Abs. 1 S. 1 AktG seinem Wortlaut nach keine Anwendung14. Zwar ist dieser Beschluss der Hauptversammlung ein mehrseitiges Rechtsgeschäft eigener Art15, jedoch hat er weder die „Leistung einer Sicherheit“ zum Gegenstand noch wird etwas „zum Zweck des Erwerbs“ gewährt. Letzteres folgt schon nach hier vertretener Auffassung aus der zeitlichen Abfolge, da der Verschmelzungsbeschluss erst nach der Übernahme erfolgt16. In der (wirtschaftlichen) Haftung des Vermögens der Zielgesellschaft nach Durchführung der Verschmelzung für Verbindlichkeiten der Erwerbergesellschaft kann auch keine Sicherheitsleistung gesehen werden, da dies gesetzlich angeordnete Folge der Verschmelzung und nicht Inhalt einer rechtsgeschäftlichen Vereinbarung ist17. 2. Keine analoge Anwendung des Verbots der finanziellen Unterstützung

Teilweise wird jedoch eine analoge Anwendung des § 71a Abs. 1 S. 1 AktG befürwortet18. Erwägenswert sind die Argumente, mit denen die hierfür erforderliche vergleichbare Interessenlage begründet wird. So verbiete der Schutzzweck der Norm generell, Zugriff auf das Vermögen der Zielgesellschaft zur Finanzierung eines Aktienerwerbs zu nehmen19. Bemüht wird der Gedanke der Gesetzesumgehung20. Ein Ziel, das der Gesellschaft auf 13

Klass, Der Buyout von Aktiengesellschaften, S. 174. Merkt, in: Großkommentar zum AktG, § 71a Rn. 24; Oechsler, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 71a Rn. 26. Eine direkte Anwendung lehnen auch Vertreter der Ansicht ab, die das Verbot der finanziellen Unterstützung auf Verschmelzungssachverhalte anwenden wollen, vgl. Ludwig, in: FG Happ S. 131, 133. 15 Vgl. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 15 I. 2. (S. 436 f.). 16 Siehe oben Kapitel 3 § 2 B. I. 1. b). 17 A. A. Klass, Der Buyout von Aktiengesellschaften, S. 168. 18 Ludwig, in: FG Happ S. 131, 133 ff.; Klass, Der Buyout von Aktiengesellschaften, S. 169 ff.; in diese Richtung auch Uwe H. Schneider, NZG 2007 888, 892; vgl. zu Nachweisen in den europäischen Nachbarländern Pühler, Das Verbot der Anteilsfinanzierung in Belgien, Frankreich, Italien und den Niederlanden, S. 251 ff.; Fleischer, AG 1996, 494, 501 ff. (Italien und Frankreich). 19 Ludwig, in: FG Happ S. 131, 135; ähnlich Klass, Der Buyout von Aktiengesellschaften, S. 165. 20 Klass, Der Buyout von Aktiengesellschaften, S. 167 ff.; ähnlich Kerber, NZG 2006, 50, 53. Vgl. hierzu auch Fleischer, AG 1996, 494, 504 ff., Becker, DStR 1998, 1429, 1433 die im Ergebnis eine Gesetzesumgehung jedoch ablehnen. 14

§ 1 Erwerbsmodell: Verschmelzung nach dem UmwG

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geradem Weg versperrt sei, dürfe nicht über rechtliche Nebenpfade noch erreicht werden. Die Absicht des Richtliniengebers und der Schutz des Gesellschaftsvermögens sprächen dafür, die Vorschrift unabhängig von der Art der Finanzierung und einer konkreten Beteiligung der Zielgesellschaft anzuwenden21. Allerdings kann insbesondere ein generelles Verbot von Leveraged Buyouts – wie nicht zuletzt die Äußerungen des Richtliniengebers anlässlich der Kapitaländerungsrichtlinie zeigen22 – nicht aus der Entstehungsgeschichte des Verbots der finanziellen Unterstützung herausgelesen werden23. Hinzu kommt, dass nach hier vertretener Auffassung das Tatbestandmerkmal „zum Zweck des Erwerbs“ die (zeitliche) Abgrenzung zu § 57 Abs. 1 und 3 AktG darstellt, so dass bezüglich der vergleichbaren Interessenlage eine analoge Anwendung des § 57 AktG näher läge24. Im Übrigen wird zu Recht darauf verwiesen, dass es nach § 71 Abs. 1 Nr. 5 AktG der Aktiengesellschaft auch erlaubt wäre, eigene Aktien durch (umwandlungsbedingte) Gesamtrechtsnachfolge zu erwerben25. Auch wenn § 71a Abs. 1 AktG nicht als Umgehungsschutznorm für § 71 AktG dient, sondern lediglich diesen ergänzt26, wäre es vor dem Hintergrund des Erlaubnistatbestands schwer nachzuvollziehen, wenn in einem Verschmelzungsbeschluss ein Verstoß gegen das Verbot der finanziellen Unterstützung des Aktienerwerbs läge27. Entscheidend gegen eine analoge Anwendung spricht, dass es aufgrund der nach § 1 Abs. 3 UmwG zwingenden umwandlungsrechtlichen Schutzvorschriften an einer Regelungslücke als weitere Voraussetzung für eine Analogie fehlt28. Den Belangen der Gesellschaftsgläubiger und Minderheits21

Ludwig, in: FG Happ S. 131, 136. Vgl. hierzu Freitag, AG 2007, 157, 164. 23 Siehe hierzu ausführlich Kapitel 3 § 2 A. 24 Siehe oben Kapitel 3 § 3 B. 25 Lutter/Drygala, in: Kölner Kommentar zum Aktiengesetz, § 71a Rn. 38; Oechsler, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 71a Rn. 26; Diem, Akquisitionsfinanzierungen, § 49 Rn. 7 (S. 268). 26 Siehe oben Kapitel 3 § 2 A. II. 1. 27 Ähnlich Oechsler, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 71a Rn. 26; Habersack, in: FS Röhricht, S. 155, 174, Oechsler, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 71a Rn. 26. 28 LG Düsseldorf, Urteil vom 28.10.2005 – 39 O 180/04, ZIP 2006, 516, 520; Lutter/Drygala, in: Kölner Kommentar zum Aktiengesetz, § 71a Rn. 38; Merkt, in: Großkommentar zum AktG, § 71a Rn. 24; Oechsler, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 71a Rn. 26; Cahn, in: Spindler/Stilz, AktG, § 71a Rn. 44; Merkt, in: Großkommentar zum AktG, § 71a Rn. 24; Schäffler, BB-Special 9, 2006, 1, 7; a. A. Ludwig, in: FG Happ, S. 131, 134, der allein mit dem Hinweis auf die Absicht des Richtliniengebers, das Vorgehen von Raidern generell zu unterbinden, eine planwidrige Regelungslücke bejaht. 22

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Kap. 4: Kapitalschutz bei mehrstufigen Erwerbsmodellen

aktionäre wird – wie im Folgenden gezeigt wird – durch das Umwandlungsrecht ausreichend Rechnung getragen29. a) Gesellschaftsgläubiger Der Schutz der Gesellschaftsgläubiger wird – neben einer Reihe von Informations- und Publizitätspflichten30 sowie der Schadensersatzhaftung der Vertretungs- und Aufsichtsorgane (§§ 25–27 UmwG) – über § 22 Abs. 1 UmwG31 bewerkstelligt. Den Gläubigern steht das Recht zu, eine Sicherheitsleistung von der übernehmenden Gesellschaft zu verlangen. Erforderlich ist hierfür lediglich die Anmeldung des Anspruchs nach Grund und Höhe. Zusätzlich müssen die Gläubiger die mit der Verschmelzung verbundene Gefährdung der Erfüllung ihrer Forderung glaubhaft machen32. Letzteres dürfte bei der Verschmelzung der vermögenden Schuldnergesellschaft auf eine hoch verschuldete Erwerbergesellschaft unter Hinweis auf die geringere Eigenkapitalquote leicht zu begründen sein33. Teilweise wird die Sechsmonatsfrist für die Geltendmachung des Anspruches, die gemäß § 22 Abs. 1 S. 1 UmwG nach Eintragung der Verschmelzung in das Register der Schuldnergesellschaft zu laufen beginnt, als zu kurz angesehen34. Denn „wer schaut schon regelmäßig in das Handels- oder Unternehmensregister?“35. Die Kritik kann indes nicht geteilt werden. Eine Verschmelzung vollzieht sich nicht im Geheimen. Bei börsennotierten Aktiengesellschaften ist schon vor dem Verschmelzungsbeschluss eine Ad-hocMeldung (§ 15 WpHG) über die geplante Verschmelzung zu veröffent29 So auch Merkt, in: Großkommentar zum AktG, § 71a Rn. 24; Lutter/Drygala, in: Kölner Kommentar zum AktG, § 71a Rn. 5; Oechsler, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 71a Rn. 26; Fleischer, AG 1996, 494, 505; Lutter/Wahlers, AG 1989, 1, 12 f.; Nuyken, ZIP 2004, 1893, 1897 ff.; Habersack, in: FS Röhricht, S. 155, 174; Riegger, ZGR 2008, 233, 248 f. 30 Vgl. hierzu Bork, in: Lutter/Winter, UmwG, § 17 Rn. 4. 31 Nach umstrittener Ansicht stellt § 22 UmwG ein Schutzgesetz i. S. v. § 823 Abs. 2 BGB dar, Starz, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG, § 22 Rn. 13; MarschBarner, in: Kallmeyer, § 22 Rn. 13, a. A. Grunewald, in: Lutter/Winter, UmwG, § 22 Rn. 30; Maier-Reimer, in: Semler/Stengel, UmwG, § 22 Rn. 67. 32 Vgl. hierzu BR-Drucks. 75/94, 71, 92; Starz, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG, § 22 Rn. 13: „es genügt, dass es überwiegend wahrscheinlich ist, dass sich die Befriedigungsmöglichkeiten des Gläubigers verschlechtern“. 33 Der Anspruch auf Sicherheitsleistung besteht indes nur, wenn die Forderung nicht fällig ist. Dies zu Recht, da neben einem fälligen Anspruch der Schutz durch einen zusätzlichen, auf Sicherheitsleistung gerichteten Anspruch überflüssig ist, vgl. Grunewald, in: Lutter/Winter, UmwG, § 22 Rn. 9. 34 Uwe H. Schneider, NZG 2007, 888, 892. 35 Ebd.

§ 1 Erwerbsmodell: Verschmelzung nach dem UmwG

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lichen. Im Übrigen ist es den Gläubigern zumutbar – insbesondere vor dem Hintergrund des nunmehr eingeführten elektronischen Unternehmensregisters – sich regelmäßig über Vorgänge bei der Schuldnergesellschaft zu informieren. Wollen sie dies nicht, müssen sich die Gläubiger entweder ausreichend vertraglich absichern lassen oder nicht in Vorleistung treten. Letztlich ist die Sechsmonatsfrist ein gesetzlich angeordneter, angemessener Ausgleich zwischen dem Planungsbedürfnis der Schuldnergesellschaft und dem Schutz der Gläubiger, zumal Letztere gemäß § 22 Abs. 1 S. 3 AktG in der Bekanntmachung der Registereintragung darauf hinzuweisen sind, dass sie unter den Voraussetzungen des § 22 UmwG ein Recht auf Sicherheitsleistung haben. Ebenfalls nicht zu überzeugen vermag die Argumentation, dass aufgrund der Transaktionskosten sowie der Kollision mit dem Sicherungsbedürfnis der Kreditgeber die Sicherheitsleistung nach § 22 UmwG im Vergleich zu § 71a AktG keinen gleichwertigen Schutz biete36. Vielmehr hat der Gesetzgeber an den Gläubigerschutz bei Verschmelzungen gedacht und hierfür eine Spezialregelung geschaffen. Dass die Altgläubiger der Zielgesellschaft gegenüber den Gläubigern der Erwerbergesellschaft nicht bevorrechtigt sind, ist eine gesetzgeberische Entscheidung. Auch ist hinzunehmen, dass in der Praxis Kleingläubiger aufgrund von Informations- und Durchsetzungskosten von einer Geltendmachung des Rechts auf Sicherheitsleistung absehen könnten. Sollten im Einzelfall hierdurch den Altgläubigern der Zielgesellschaft Nachteile entstehen, ist dies Folge der Gesetzgebung und kann mangels planwidriger Regelungslücke nicht über eine Analogie revidiert werden37. Überflüssig ist auch die de lege ferenda geforderte Einführung einer in Anlehnung an die §§ 225 Abs. 2 AktG, 58 GmbHG konzipierten besonderen Ausschüttungssperre bei der Verschmelzung auf eine Kapitalgesellschaft38. Eine solche Regelung könnte vorsehen, dass Ausschüttungen an die Gesellschafter der aufnehmenden Gesellschaft erst vorgenommen werden dürfen, nachdem den Gläubigern, die sich rechtzeitig gemeldet haben, Sicherheit geleistet wurde. Dies solle verhindern, dass etwa bei einer Verschmelzung einer Aktiengesellschaft mit hohem Grundkapital (z. B. 10 Mio. Euro) auf eine GmbH mit niedrigerem Stammkapital (z. B. 25.000 Euro) 36

So aber Klass, Der Buyout von Aktiengesellschaften, S. 171 ff. In diese Richtung auch Seibt, ZHR 171 (2007), 282, 304. 38 Ebenso Grunewald, in: Lutter/Winter, UmwG, § 22 Rn. 24. Für eine Änderung des § 22 UmwG de lege ferenda Uwe H. Schneider, NZG 2007, 888, 892; für eine analoge Anwendung der §§ 225 Abs. 2 AktG, 58 GmbHG Maier-Reimer, in: Semler/Stengel, UmwG, § 22 Rn. 56 f.; Koppensteiner, in: FS Westermann, S. 1157, 1164. 37

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Kap. 4: Kapitalschutz bei mehrstufigen Erwerbsmodellen

die Differenz an die Gesellschafter ausgekehrt wird, bevor die Gläubiger über die Sicherheitsleistung nach § 22 UmwG geschützt sind. Diese Ansicht übersieht jedoch, dass schon nach geltendem Recht eine derartige Auszahlung an die Minderheitsgesellschafter rechtswidrig ist, da sich die Ansprüche der Gläubiger auf Sicherheitsleistung in der Bilanz der Erwerbergesellschaft als Verpflichtung wiederfinden39. Ein weiteres (schuldrechtliches) Ausschüttungsverbot verbessert den Gläubigerschutz mithin nicht. Flankierenden Schutz bietet sowohl für Gläubiger als auch für die im Folgenden zu betrachtenden Minderheitsgesellschafter § 25 UmwG, der einen verschmelzungsbedingten Schadensersatzanspruch dieser Gruppen gegen Vorstand und Aufsichtsrat der Zielgesellschaft vorsieht, wenn die Verwaltungsorgane nicht nachweislich bei dem Verschmelzungsvorgang ihre Sorgfaltspflicht beachtet haben. b) Minderheitsaktionäre Die Minderheitsaktionäre werden mittelbar schon über §§ 8, 9 Abs. 1, 12 UmwG geschützt. Unabhängige Verschmelzungsprüfer kontrollieren den Verschmelzungsvertrag, insbesondere auf Angemessenheit des Umtauschverhältnisses, und müssen hierüber schriftlich berichten. Die Minderheitsaktionäre können darüber hinaus nach den aktienrechtlichen Regeln den Verschmelzungsbeschluss (§ 13 Abs. 1 UmwG) etwa wegen Ermessensmissbrauch oder Ungleichbehandlung anfechten40. Des Weiteren besteht eine Organhaftung für schuldhaft rechtswidrige Umwandlungsmaßnahmen (§ 25 UmwG). Auch der Mindestinhalt von Verschmelzungsvertrag und Umwandlungsbeschluss (§ 5 Abs. 1 UmwG) kann in der Reihe der umwandlungsrechtlichen Schutzinstrumente zu Gunsten der Anteilseigner aufgeführt werden. Den umfassendsten Schutz bietet jedoch § 29 Abs. 1 S. 1 UmwG (i. V. m. § 71 Abs. 1 Nr. 3 AktG), der auch über die Verbesserung des Umtauschverhältnisses über eine Zuzahlung nach § 15 UmwG hinausgeht41. Demnach 39

Grunewald, ebd. Grunewald, in: FS Röhricht, 129 f.; Fleischer, AG 1996, 494, 505; Diem, Akquisitionsfinanzierungen, § 49 Rn. 7 (S. 267). Ausgeschlossen ist allerdings gemäß § 14 Abs. 2 UmwG die Berufung auf ein zu niedrig bemessenes Umtauschverhältnis. Es besteht jedoch nach § 15 UmwG die Möglichkeit, zur Kompensation der wirtschaftlichen Schlechterstellung einen Barausgleich vom übernehmenden Rechtsträger zu verlangen. 41 Die Abfindungsregeln dienen ausschließlich dem Schutz der Anteilsinhaber, OLG Düsseldorf, Beschluss vom 6.12.2000 – 16 W 1/00 AktE, AG 2001, 596. Vgl. ausführlich zur Abfindungsregelung Marsch-Barner, in: Kallmeyer, § 29 Rn. 1 ff.; Kalss, in: Semler/Stengel, UmwG, § 29 Rn. 1 ff. 40

§ 1 Erwerbsmodell: Verschmelzung nach dem UmwG

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muss die Gesellschaft bei einer Mischverschmelzung – d.h. beim Leveraged Buyout einer Aktiengesellschaft, wenn die Erwerbergesellschaft selbst keine Aktiengesellschaft ist – jedem Anteilsinhaber, der dem Verschmelzungsbeschluss (zur Niederschrift des Notars) widerspricht und gegen ihn stimmt42, die Übernahme seiner Anteile gegen eine angemessene Barabfindung anbieten43. Ist das Angebot nicht angemessen, berührt dies zwar nicht die Wirksamkeit des Verschmelzungsbeschlusses, die Anteilsinhaber können jedoch das zu niedrige Angebot im Spruchverfahren gerichtlich angreifen und eine angemessene Barabfindung bestimmen lassen (§ 34 UmwG i. V. m. § 1 Nr. 4 SpruchG)44. Bei der Übernahme einer Aktiengesellschaft dürfte § 29 UmwG regelmäßig eingreifen, da es sich bei der Erwerbergesellschaft wegen der im Vergleich zur GmbH strengeren Gründungsvoraussetzungen und rigideren Kapitalerhaltungsregeln in aller Regel nicht um eine Aktiengesellschaft handelt45. Durch das Austrittsrecht mit Barabfindung als Alternative zu einer grundlegend veränderten Mitgliedschaftsstellung in der übernehmenden Erwerbergesellschaft46 werden die vermögensrechtlichen Interessen der Minderheitsgesellschafter hinreichend gewahrt. Insbesondere schützt sie § 29 UmwG davor, dass durch die Verschmelzung auf die überschuldete Erwerbergesellschaft ihre Anteile an Wert verlieren. Indem § 29 UmwG i. V. m. § 71 Abs. 1 Nr. 3 AktG der Erwerbergesellschaft erlaubt, gegen Barabfindung an die Minderheitsgesellschaft – ohne Verstoß gegen Kapitalschutzvorschriften (§ 57 Abs. 1 S. 2 AktG) – eigene Aktien zu erwerben, stellt das Gesetz den Schutz der Minderheitsgesellschafter sogar noch über den Schutz der Gläubiger47. Wiederum ist eine etwaige Schlechterstellung im Einzelfall – etwa durch höhere Informations- und Durchsetzungskosten – als gesetzgeberische Entscheidung hinzunehmen. Dass das Schutzniveau ausreichend hoch ist, zeigt exemplarisch die eingangs dargestellte Übernahme der Friedrich Grohe AG. Aufgrund der rechtlichen Möglichkeiten der Gläubiger und Minderheitsaktionäre wurde dort von einer Verschmelzung abgesehen48. 42

Grunewald, in: Lutter/Winter, UmwG, § 29 Rn. 10; Kalss, in: Semler/Stengel, UmwG, § 29 Rn. 22. 43 Bei der Ermittlung der angemessenen Abfindung ist auch der Börsenkurs zu berücksichtigen, vgl. BVerfG, Beschluss vom 27.4.1999 – 1 BVR 1623/94, AG 1999, 566 ff.; Kalss, in: Semler/Stengel, UmwG, § 29 Rn. 26. 44 Vgl. Marsch-Barner, in: Kallmeyer, § 29 Rn. 16. 45 Siehe oben Kapitel 1 § 2 B. I. 46 Kalss, in: Semler/Stengel, UmwG, § 29 Rn. 2. 47 Klein/Stephanblome, ZGR 2007, 351, 363. 48 Kußmaul/Phirmann/Tcherveniachki, DB 2005, 2533, 2537; allgemein zur Zurückhaltung der Verschmelzungspraxis aufgrund des umwandlungsrechtlichen Schutzsystems und steuerrechtlicher Nachteile: Mock/Westhoff, DZWiR 2004, 23 f.; a. A. H. Uwe Schneider, NZG 2007, 888, 892, der den umwandlungsrechtlichen Minderheitenschutz für nicht ausreichend erachtet.

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Kap. 4: Kapitalschutz bei mehrstufigen Erwerbsmodellen

Damit greift § 71a Abs. 1 S. 1 AktG grundsätzlich weder in direkter noch in analoger Anwendung bei einem Upstream Merger ein. 3. Sonderfall: Finanzielle Unterstützung mit nachfolgender Verschmelzung

Anders könnte jedoch der Sonderfall zu bewerten sein, wenn die Erwerbergesellschaft schon vor Anteilserwerb auf Vermögenswerte der Zielgesellschaft zugreift. So argumentiert Oechsler, dass der dann bestehende Anspruch der Aktiengesellschaft gegen die Erwerbergesellschaft nach § 62 Abs. 1 S. 1 AktG analog wegen Verstoßes gegen § 71a Abs. 1 S. 1 AktG nicht aufgrund der Verschmelzung durch Konfusion untergehen dürfe49. Ansonsten hätte es die Erwerbergesellschaft in der Hand, ob die Rechtsfolgen des Verbots der finanziellen Unterstützung eingreifen oder nicht. Auch sei es gerade im Rahmen eines Leveraged Buyouts der Aktiengesellschaft verwehrt, ihre Anteile unabhängig von der Prüfung ihrer langfristigen Solvenz zu finanzieren. Letztlich müsse die Einhaltung des Gleichbehandlungsgrundsatzes, der es der Aktiengesellschaft verböte, einem Aktionär vor anderen den Kontrollerwerb durch finanzielle Unterstützung zu ermöglichen, zu einer „Ausdehnung der Rechtsfolge der Norm“ (gemeint: § 71a Abs. 1 S. 1 AktG) führen50. Welche konkrete Rechtsfolge ein solches Vorgehen der Zielgesellschaft haben soll, bleibt hierbei im Dunkeln. Denkbar wäre, dass die Forderung trotz Erlöschens der Zielgesellschaft nach § 20 Abs. 1 Nr. 2 UmwG bestehen bleibt51 oder die Nichtigkeit des Verschmelzungsbeschlusses über § 241 Nr. 3 AktG. Beide Rechtsfolgen lassen sich nicht aus §§ 62, 71a Abs. 1 S. 1 AktG herleiten. Auch in der Sache kann eine analoge Anwendung der aktienrechtlichen Kapitalschutznorm nicht überzeugen. Unstreitig liegt in der finanziellen Unterstützung vor Anteilserwerb ein Verstoß gegen § 71a Abs. 1 S. 1 AktG, so dass die Rechtsfolge des § 62 Abs. 1 S. 1 AktG analog ausgelöst wird52. Bis zur Verschmelzung können folgerichtig die Gläubiger der Zielgesellschaft diesen Anspruch unter den Voraussetzungen des § 62 Abs. 2 AktG geltend machen53. Durch die Verschmelzung tritt 49

Oechsler, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 71a Rn. 26. Ebd. 51 Das Bestehenbleiben der Forderung trotz Konfusion wird bei besonderer Interessenlage etwa bei einer Sicherungsabtretung der Rechte aus einer Lebensversicherung an den Versicherer angenommen, vgl. Heinrichs, in: Palandt, Überbl. v. § 362 Rn. 4. 52 Siehe oben Kapitel 3 § 3 C. II. 53 Dies gilt nach hier vertretener Meinung allerdings nur bei Verletzung des gebundenen Kapitals, siehe oben Kapitel 3 § 1 A. IV. 2. 50

§ 1 Erwerbsmodell: Verschmelzung nach dem UmwG

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nun aber das spezielle Schutzsystem des Umwandlungsrechts an die Stelle der aktienrechtlichen Kapitalschutzregeln. Die Gläubiger können nach § 22 UmwG Sicherheitsleistung verlangen, die Minderheitsgesellschafter nach § 29 Abs. 1 UmwG eine angemessene Barabfindung. Bei letzterem Anspruch ist bezüglich des Wertes der Anteile am Vermögen der Zielgesellschaft auch der (noch bestehende) Anspruch der Zielgesellschaft gegen die Erwerbergesellschaft nach §§ 62, 71a Abs. 1 AktG zu berücksichtigen. Warum gerade der Verschmelzungsbeschluss im Falle des gesetzeswidrigen Zugriffs vor Aktienerwerb nach § 71a Abs. 1 S. 1 AktG nichtig sein soll, leuchtet nicht ein. Denn wirtschaftlich gesehen bleibt das Gesamtvermögen der Erwerber- und der Zielgesellschaft gleich, unabhängig davon, ob die Übernahme aus dem Vermögen der Zielgesellschaft vor Anteilserwerb oder nach Verschmelzung finanziert wird. Der Verstoß gegen die aktienrechtliche Kapitalschutznorm im Vorfeld der Übernahmen kann mithin nicht auf den hiervon zu trennenden Verschmelzungsbeschluss ausstrahlen. Die Konfusion der Forderungen ist dabei eine gesetzliche Folge der Verschmelzung und stellt keine Verletzung von Vorschriften i. S. d. § 241 Nr. 3 AktG dar. Beim Upstream Merger steht das Verbot der finanziellen Unterstützung der Wirksamkeit des Verschmelzungsbeschlusses mithin in keinem Fall entgegen. II. Vereinbarkeit mit der aktienrechtlichen Vermögensbindung (§ 57 Abs. 1 und 3 AktG) Ein Eingreifen des § 57 Abs. 1 und 3 AktG wäre im Vergleich zu § 71a AktG insoweit passender, dass der Verschmelzungsvorgang nach Anteilserwerb stattfindet und somit der zeitliche Anwendungsbereich dieser kapitalschützenden Norm eröffnet ist. Jedoch werden bei dem Verschmelzungsvorgang keine Ausschüttungen an Aktionäre vorgenommen54. Vielmehr erlischt die Aktiengesellschaft nach § 20 Abs. 1 Nr. 2 UmwG. Damit endet auch der aktienrechtliche Kapitalschutz. Die ehemaligen Gläubiger der Aktiengesellschaft sind dann aufgrund der gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 UmwG gesetzlich angeordneten Schuldübernahme Gläubiger der Erwerbergesellschaft. Sie sind – wie bereits erörtert – durch die spezialgesetzliche Regelung des § 22 UmwG ausreichend geschützt. Es bedarf auch weder – wie bereits im Rahmen des Upstream Mergers erörtert55 – de lege ferenda einer an §§ 225 Abs. 2 AktG, 58 GmbHG orientierten zusätzlichen Ausschüttungssperre bei der Verschmelzung der Aktiengesellschaft auf eine Erwer54 55

Vgl. Riegger, ZGR 2008, 233, 247. Siehe oben Kapitel 4 § 1 A. I. 2. a).

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Kap. 4: Kapitalschutz bei mehrstufigen Erwerbsmodellen

berkapitalgesellschaft, noch ist in diesem Fall – schon aufgrund der fehlenden Regelungslücke – eine analoge Anwendung dieser Vorschriften möglich56. Denn der Anspruch der Gläubiger auf Sicherheitsleistung schlägt sich in der Bilanzierung der Erwerbergesellschaft nieder und beeinflusst damit die Summe des gebundenen Kapitals, das nicht an die Anteilsinhaber ausgeschüttet werden darf57. Ebenfalls ausreichend geschützt sind die ehemaligen Minderheitsaktionäre der Aktiengesellschaft. Diese können zu einem angemessenen Umtauschverhältnis (§§ 5 Abs. 1 Nr. 3, 15 UmwG) gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 3 (dauerhaft) Anteilsinhaber der Erwerbergesellschaft werden. Zusätzlich besteht die Möglichkeit, sich unter den Voraussetzungen des § 29 UmwG angemessen abfinden zu lassen. Für eine (analoge) Anwendung des § 57 AktG besteht kein Raum. Ein Verstoß gegen § 57 Abs. 1 und 3 AktG kommt daher nur in Frage, wenn die übernehmende Gesellschaft eine Aktiengesellschaft ist und die übertragende Gesellschaft ein negatives Eigenkapital hat58. Dies ist jedoch die spiegelverkehrte Situation zum Leveraged Buyout einer Aktiengesellschaft, bei dem die übertragende Zielgesellschaft Vermögen mitbringt und die übernehmende Erwerbergesellschaft verschuldet ist. Bei einem Leveraged Buyout besteht eine ähnliche Problematik nur im Rahmen des Downstream Mergers.

B. Verschmelzung der Erwerbergesellschaft auf die Zielgesellschaft (Downstream Merger) Bei einem Downstream Merger wird die Erwerbergesellschaft, nachdem sie mehrheitlich die Anteile an der Zielgesellschaft erworben hat, auf die Zielgesellschaft verschmolzen. Diese Übernahmeart soll in der Praxis nur zur Anwendung kommen, wenn die Umwandlungsziele nicht durch einen Upstream Merger, also der Verschmelzung in umgekehrter Richtung, erreicht werden können59. Richtig ist, dass bei einem Leveraged Buyout die Erwerberseite regelmäßig aufgrund der im Vergleich zum GmbH-Recht strengeren und unflexibleren Regeln der Kapitalerhaltung und Organisation kein Interesse daran hat, dass als Ergebnis der Verschmelzung eine Aktiengesellschaft 56 Grunewald, in: Lutter/Winter, UmwG, § 22 Rn. 24; für eine Änderung de lege ferenda aber Uwe H. Schneider, NZG 2007, 888, 892; für eine analoge Anwendung Maier-Reimer, in: Semler/Stengel, UmwG, § 22 Rn. 56 f.; Koppensteiner, in: FS Westermann, S. 1157, 1164. 57 Grunewald, ebd. 58 Diem, Akquisitionsfinanzierungen, § 49 Rn. 17 (S. 269). 59 So Bock, GmbHR 2005, 1023.

§ 1 Erwerbsmodell: Verschmelzung nach dem UmwG

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verbleibt. Dennoch gibt es auch bei der Übernahme einer Aktiengesellschaft Argumente, die für einen Downstream Merger sprechen. So ermöglicht nur die Rechtsform der Aktiengesellschaft ein Handeln am Kapitalmarkt. Vornehmlich sind es jedoch steuerrechtliche Gründe, die Investoren auf den Downstream Merger zurückgreifen lassen60. Insbesondere fällt – im Gegensatz zum Upstream Merger – keine Grunderwerbsteuer auf die Übertragung des Immobilienvermögens der erworbenen Zielgesellschaft an61. Zudem ist der Aufwand für die nach § 17 Abs. 2 UmwG für den übertragenden Rechtsträger anzufertigende Schlussbilanz geringer, da die Erwerbergesellschaft als Zweckgesellschaft regelmäßig über kein operatives Geschäft verfügt62. Die Vereinbarkeit eines Downstream Mergers – insbesondere im Rahmen eines Leveraged Buyouts – mit den aktienrechtlichen Kapitalschutzregeln wird bestritten, da durch die Verschmelzung die Bilanz der erworbenen Gesellschaft durch die Akquisitionsfinanzierung belastet wird63. I. Kein Verstoß gegen das Verbot der finanziellen Unterstützung (§ 71a Abs. 1 S. 1 AktG) Teilweise wird in der Literatur zwischen Aufwärts- und Abwärts-Verschmelzung auch im Hinblick auf die Vereinbarkeit mit dem Verbot der finanziellen Unterstützung unterschieden. Während ein Upstream Merger nicht gegen § 71a AktG verstoßen soll, stelle ein Downstream Merger dann eine Umgehung des Finanzierungsverbotes dar, wenn – wie beim Leveraged Buyout üblich – eine verschuldete Muttergesellschaft auf die Tochter verschmolzen wird64. Argumentiert wird, dass die Zielgesellschaft durch die Verschmelzung eben die Verbindlichkeiten aus dem Erwerb ihrer Anteile trage, die dieser nach § 71a Abs. 1 S. 1 AktG gerade nicht auferlegt werden dürfe65. Tatsächlich gibt es zwischen einer Aufwärts- und einer Abwärtsverschmelzung Unterschiede, die eine Ungleichbehandlung rechtfertigen könn60 Der frühere Streit, ob auch der Downstream Merger wie unstreitig der Upstream Merger (§§ 11–13 UmwStG a. F.) steuerneutral durchgeführt werden kann, ist mit der Einführung des § 11 Abs. 2 S. 2, 3 UmwStG (in Kraft seit 13.12.2006) hinfällig. Die Notwendigkeit eines Billigkeitsantrages, den früher die Finanzverwaltung verlangt hat (BMF-Schreiben vom 16.12.2003, BStBl. I 2003, 786, 788), besteht somit nicht mehr, vgl. Klein/Stephanblome, ZGR 2007, 351, 352 (Fn. 4) m. w. N. 61 Mertens, AG 2005, 785, 788; Bock, GmbHR 2005, 1023. 62 Diem, Akquisitionsfinanzierungen, § 49 Rn. 29 (S. 270). 63 Mertens, AG 2005, 785, 786. 64 T. Bezzenberger, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 71a Rn. 19. 65 Ebd.

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Kap. 4: Kapitalschutz bei mehrstufigen Erwerbsmodellen

ten. Augenfällig ist zunächst, dass die erworbene Aktiengesellschaft als juristische Person bestehen bleibt, so dass im Gegensatz zum Upstream Merger nicht argumentiert werden kann, dass mit der Erlöschung nach § 20 Abs. 1 Nr. 2 UmwG auch der aktienrechtliche Kapitalschutz endet. Auch der lapidare Hinweis, die Richtung der Verschmelzung sei angesichts des effektiven, umwandlungsrechtlichen Kapitalschutzes irrelevant66, greift zu kurz. Zwar trifft es zu, dass die Gläubiger nach § 22 UmwG bei beiden Verschmelzungsarten den gleichen Schutz genießen. Jedoch wird oftmals übersehen, dass § 29 UmwG zum Schutz der Minderheitsaktionäre der Zielgesellschaft bei einem Downstream Merger nicht zur Anwendung kommt, da dieser nach seinem Wortlaut nur die Minderheitsaktionäre des übertragenden Rechtsträgers – hier also der Erwerbergesellschaft – schützt. Nicht überzeugend ist daher auch die Auffassung, die die Gleichbehandlung von Up- und Downstream Merger damit begründet, dass in beiden Fällen die Vermögensmassen durch die Verschmelzung addiert werden, so dass wirtschaftlich, unabhängig von der Richtung der Verschmelzung, das gleiche Ergebnis erzielt würde67. Ein Eingreifen des § 71a Abs. 1 S. 1 AktG (analog) ist dennoch abzulehnen68. Zum einen wird zu Recht darauf hingewiesen, dass sich eine Universalsukzession nach § 20 Abs. 1 UmwG grundlegend von der „Gewährung eines Vorschusses, oder eines Darlehens oder einer Leistung einer Sicherheit durch die Gesellschaft“ unterscheidet. Insbesondere fehlt es an einer entsprechenden Aktivität der Zielgesellschaft69. Zum anderen spricht hauptsächlich gegen eine analoge Anwendung die hier vertretene zeitliche Abgrenzung. Während § 71a Abs. 1 S. 1 AktG vor Erwerb eingreift, schützt § 57 Abs. 1 und 3 AktG bei Übernahmevorgängen das Kapital der Aktiengesellschaft ab dem Erwerb der Aktien70. Eine analoge Anwendung des § 71a Abs. 1 S. 1 AktG nach erfolgter Übernahme ist mangels Regelungslücke ausgeschlossen71. Da die Verschmelzung – wie auch beim Upstream Merger – erst in einem zweiten Schritt erfolgt, nachdem die Erwerbergesellschaft die Mehrheit der Anteile der Zielgesellschaft erlangt hat, kommt 66 Cahn, in: Spindler/Stilz, AktG, § 71a Rn. 44; ähnlich Nuyken, ZIP 2004, 1893, 1899; ungenau auch Diem, Akquisitionsfinanzierungen, § 49 Rn. 28 (S. 270), der im Wesentlichen auf die Ausführungen zum Upstream Merger verweist. 67 Nuyken, ZIP 2004, 1893, 1898. 68 Ebenso im Ergebnis Eidenmüller, ZHR 171 (2007), 644, 662, der auf die nicht vergleichbare Interessenlage abstellt und insbesondere den Schutz des Umwandlungsrecht hervorhebt (§§ 9, 22, 29 UmwG), ohne jedoch zwischen Up- und Downstream Merger zu differenzieren. 69 Nuyken, ZIP 2004, 1893, 1898. 70 Ausführlich hierzu Kapitel 3 § 3 B. 71 Siehe oben Kapitel 3 § 3 B. II.

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im Falle des Downstream Mergers allein die Anwendung des § 57 Abs. 1 und 3 AktG in Betracht. II. Vereinbarkeit mit der aktienrechtlichen Vermögensbindung (§ 57 Abs. 1 und 3 AktG) 1. Grundsätzliche Zulässigkeit eines Downstream Merger

Zunächst ist zu untersuchen, ob ein Downstream Merger schon aus anderen Gründen unzulässig ist, so dass es auf die Anwendung des § 57 AktG nicht ankäme. Eine hieraus resultierende etwaige Nichtigkeit des Verschmelzungsbeschlusses nach § 241 Nr. 3 Var. 2 AktG müsste zur Ablehnung des Antrags auf Eintragung der Verschmelzung ins Handelsregister führen, so dass die Wirkungen des § 20 UmwG nicht eintreten könnten72. Drei Ansatzpunkte werden diesbezüglich erwogen: a) Keine Umgehung der Insolvenzantragspflicht Zum einen wird diskutiert, ob die Downstream-Verschmelzung einer bereits überschuldeten Erwerbergesellschaft73 unzulässig sei74. Hierfür könnte sprechen, dass durch die Verschmelzung die Gläubiger der Erwerbergesellschaft um den Schutz der insolvenzrechtlichen Verfahrensvorschriften (§§ 15a, 21 InsO) gebracht werden75. Allerdings existiert im Verschmelzungsrecht gerade keine dem § 152 S. 2 UmwG entsprechende Regelung, die im Gläubigerinteresse76 die Ausgliederung des Unternehmens eines Einzelkaufmanns bei dessen Überschuldung untersagt. Zu Recht, denn die insolvenzrechtlichen Regelungen lassen sich problemlos vor der Verschmelzung getrennt auf Erwerber- und Zielgesellschaft und danach auf den verschmolzenen Rechtsträger anwenden. Für die Gläubiger der Erwerbergesellschaft ist eine Downstream-Verschmelzung auf die vermögende Zielgesell72 Ausführlich Klein/Stephanblome, ZGR 2007, 351, 357 bezüglich einer etwaigen Kapitalerhöhungspflicht. Diesbezüglich wird auch erörtert, ob sich die materielle Kontrolle der Registergerichte auf Nichtigkeitsgründe beschränken. 73 Bei der Beurteilung, ob die Erwerbergesellschaft überschuldet ist, müssen auf der Aktivenseite ihre Anteile an der Zielgesellschaft berücksichtigt werden, vgl. Klein/Stephanblome, ebd. 74 Klein/Stephanblome, ZGR 2007, 351, 366; vgl. Karollus, in: Lutter/Winter, UmwG, § 120 Rn. 19 zur verwandten Problematik bei der Verschmelzung einer Kapitalgesellschaft mit dem Vermögen ihres Alleingesellschafters gemäß § 120 UmwG. 75 Klein/Stephanblome, ZGR 2007, 351, 367; vgl. Karollus, ebd. 76 OLG Stuttgart, Beschluss vom 4.10.2005 – 8 W 426/05, ZIP 2005, 2066 f.

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Kap. 4: Kapitalschutz bei mehrstufigen Erwerbsmodellen

schaft in aller Regel vorteilhaft. Eine Umgehung insolvenzrechtlicher Vorschriften liegt demnach nicht vor77. b) Keine Kapitalerhöhungspflicht Zum anderen wird die Wirksamkeit einer Downstream-Verschmelzung teilweise von einer Kapitalerhöhung der Zielgesellschaft abhängig gemacht78. Auch hier unterscheiden sich Up- und Downstream Merger bezüglich der gesetzlichen Voraussetzungen. Während die §§ 54 Abs. 1 Nr.1, 68 Abs. 1 Nr. 2 UmwG eine Kapitalerhöhung bei einer Aufwärtsverschmelzung verbieten, regelt § 68 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 UmwG für die Abwärtsverschmelzung, dass die übernehmende Aktiengesellschaft ihr Grundkapital nicht erhöhen braucht „soweit ein übertragender Rechtsträger Aktien dieser Gesellschaft besitzt, auf die der Ausgabebetrag bereits voll geleistet ist“. In der Literatur wird letztere Regelung teilweise als Kapitalerhöhungspflicht interpretiert, wenn neben dem erwerbenden Hauptgesellschafter noch Minderheitsgesellschafter der Zielgesellschaft existieren und nicht sämtliche Gesellschafter der übernehmenden und übertragenden Gesellschaft auf eine Kapitalerhöhung verzichten würden79. So zeige die Regelung, dass nur dann von einer Kapitalerhöhung abgesehen werden könne, „soweit“ der übertragenden Erwerbergesellschaft Anteile an der übernehmenden Zielgesellschaft gehören, was bezüglich der außenstehenden Gesellschafter gerade nicht zutreffe. Eine Kapitalerhöhung sei in diesem Falle auch notwendig, weil ansonsten die Minderheitsgesellschafter nicht davor geschützt werden könnten, dass sich durch die Verschmelzung mit der überschuldeten Erwerbergesellschaft das Vermögen der Zielgesellschaft schmälere80. Überdies würden die §§ 54, 68 UmwG nur die Frage der Zulässigkeit von Kapitalerhöhungen durch, jedoch nicht vor der Verschmelzung regeln81. 77 So die ganz herrschende Meinung: OLG Stuttgart, Beschluss vom 4.10.2005 – 8 W 426/05, ZIP 2005, 2066 f.; Meier-Reimer, in: Semler/Stengel, UmwG, § 120 Rn. 13 m. w. N.; ausführlich: Klein/Stephanblome, ZGR 2007, 351, 366 f. 78 Mayer, in: Widmann/Mayer, UmwG, § 5 Rn. 38; Petersen, Der Gläubigerschutz im Umwandlungsrecht, S. 189 ff.; ders., Der Konzern 2004, 185, 188 ff.; ders., GmbHR 2004, 728 ff.; ähnlich zum österreichischen Recht OGH, Beschluss vom 11.11.1999 – 6Ob4/99b, GesRZ 2000, 25 ff., der beim Downstream Merger eine Kapitalherabsetzungspflicht annimmt, wenn die Tochtergesellschaft ein niedrigeres Garantiekapital aufweist als die Muttergesellschaft. 79 Mayer, in: Widmann/Mayer, UmwG, § 5 Rn. 38 (zum vergleichbaren Fall der Verschmelzung auf eine GmbH). 80 Ebd. 81 Petersen, GmbHR 2004, 728, 730, der so zu einer Kapitalerhöhungspflicht auch bei Upstream Mergers kommt.

§ 1 Erwerbsmodell: Verschmelzung nach dem UmwG

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Diese Argumentation überzeugt nicht. Zutreffend ist zwar die Annahme, dass die Minderheitsgesellschafter der Zielgesellschaft vor der Verschmelzung nicht schlechter stehen dürfen als nach der Verschmelzung. Indes ist nicht ersichtlich, wie eine (minimale) verpflichtende Kapitalerhöhung diesen Schutz garantieren soll. Insbesondere bleibt unklar, an wen die neuen Anteile ausgegeben werden sollen82. Die Vertreter der Gegenansicht berücksichtigen zu wenig, dass § 68 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 UmwG ausdrücklich eine Wahlmöglichkeit vorsieht. Sinn und Zweck der Vorschrift ist es, die Entstehung eigener Anteile bei der übernehmenden Gesellschaft zu verhindern83. „Soweit“ die Erwerbergesellschaft genügend Anteile der Zielgesellschaft hält, so dass ihre Gesellschafter mit entsprechenden Anteilen der Zielgesellschaft versorgt werden können, ist gerade keine Kapitalerhöhung erforderlich84. Im Rahmen eines Leveraged Buyouts, bei dem die Erwerbergesellschaft zumeist über mehr als 75 Prozent der Anteile der Zielgesellschaft verfügt85, dürfte dies in aller Regel zu bejahen sein. Den Schutz der Minderheitsgesellschafter der übernehmenden Gesellschaft hat die „soweit“-Regelung dagegen nicht im Blick. Mit der ganz herrschenden Meinung ist daher eine generelle Kapitalerhöhungspflicht bei der Durchführung eines Downstream Mergers abzulehnen86. Nichts anderes kann gelten, wenn in Rahmen eines Leveraged Buyouts die Erwerbergesellschaft zur Sicherung der Kaufpreisverbindlichkeiten ihre Anteile an der Zielgesellschaft verpfändet hat. Nur vereinzelt wird die Gegenansicht vertreten, dass schon bei einem einzelnen Pfandrecht eine Kapitalerhöhungspflicht bestehe87. So wird argumentiert, dass die Gesellschafter der übertragenden Muttergesellschaft unbelastete Teile hingeben würden und folglich auch einen Anspruch auf unbelastete Anteile an der übernehmenden Tochtergesellschaft hätten88. Aus dem Umwandlungsrecht lässt 82 Vgl. hierzu ausführlich Klein/Stephanblome, ZGR 2007, 351, 363 f. m. w. N. Demnach ist eine Ausgabe an die Minderheitsaktionäre unzulässig. Die Erlangung eigener Aktien ist nur in den Grenzen des § 71 AktG erlaubt und würde überdies zu Wertungswidersprüchen mit der Verschmelzung auf eine GmbH führen, da § 33 GmbHG ein strengeres Verbot des Erwerbs eigener Geschäftsanteile statuiert. 83 Reichert, in: Semler/Stengel, UmwG, § 54 Rn. 3 m. w. N. 84 Mertens, AG 2005, 785, 788; Klein/Stephanblome, ZGR 2007, 351, 359 f. 85 Siehe oben Kapitel 1 § 1 C. 86 OLG Frankfurt, Beschluss vom 10.3.1998 – 20 W 60/98, NJW-RR 1999, 185, 186 (Verweis auf die Möglichkeit, nach § 54 UmwG Verschmelzungen ohne Kapitalerhöhung durchzuführen); Winter, in: Lutter/Winter, § 54 Rn. 21 m. w. N.; Diekmann, in: Semler/Stengel, UmwG, § 68 Rn. 15; Mertens, AG 2005, 785, 788 f.; Enneking/Heckschen, DB 2006, 1099; Simon, Der Konzern 2004, 191 ff.; ausführlich: Klein/Stephanblome, ZGR 2007, 351, 358 ff. m. w. N. 87 Kallmeyer, UmwG, § 54 Rn. 8a, dies müsste folgerichtig dann auch im Rahmen des hier interessierenden § 68 Abs. 1 S. 2 UmwG gelten.

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Kap. 4: Kapitalschutz bei mehrstufigen Erwerbsmodellen

sich jedoch ein Anspruch der Gesellschafter der Erwerbergesellschaft auf rechtsfreien Erwerb der Anteile der übernehmenden Zielgesellschaft nicht herleiten. Ein solcher wäre auch nicht interessengerecht, da die Gesellschafter der Erwerbergesellschaft schon vor der Verschmelzung über eben diese Beteiligung die Belastung des Vermögens der Erwerbergesellschaft mit dem Pfandrecht mittragen89. Daher ist auch im Fall der Verpfändung der Anteile der Zielgesellschaft eine Kapitalerhöhungspflicht abzulehnen90. Das Pfandrecht setzt sich gemäß § 20 Abs 1 Nr. 3 S. 2 UmwG analog an den an die Gesellschafter der Erwerbergesellschaft ausgegebenen Anteile fort91. c) Kein genereller Rechtsmissbrauch Zuletzt könnte ein Downstream Merger als Instrument der Akquisitionsfinanzierung an der von den Gerichten durchgeführten Missbrauchskontrolle92 scheitern. Dies wäre der Fall, wenn durch die gezielte Schuldenübertragung auf die Zielgesellschaft das Verschmelzungsrecht zu sachfremden Zwecken instrumentalisiert werden würde93. Der Verschmelzungsbeschluss könnte bei Bejahung eines Rechtsmissbrauchs von den Minderheitsaktionären angefochten werden94. Hiervon kann jedoch nicht generell ausgegangen werden. Gerade die durch die Verschmelzung im Rahmen eines Leveraged Buyouts erreichte Verschlankung der Konzernstruktur sowie die Zuordnung der Verbindlichkeiten auf die operativ tätige Zielgesellschaft sind Ziele, die dem Umwandlungsrecht immanent sind95. Die Problematik liegt in derartigen Konstellationen mithin nicht in der grundsätzlichen Unwirksamkeit von Downstream Merger aufgrund von Rechtsmissbrauch, sondern in der Frage, ob und wie Gläubiger und Minderheitsaktionäre durch das Umwandlungsrecht und die aktienrechtlichen Kapitalschutznormen ausreichend geschützt werden. 88

Ebd. Klein/Stephanblome, ZGR 2007, 351, 389 f. 90 Mayer, in: Widmann/Mayer, UmwG, § 5 Rn. 40.2.; Vossius, in: Widmann/ Mayer, UmwG, § 20 Rn. 357.1; ausführlich Klein/Stephanblome, ZGR 2007, 351, 389 f. 91 Mayer, ebd.; Vossius, ebd.; a. A. Grunewald, in: Lutter/Winter, § 20 Rn. 60, die eine Erlöschung des Pfandrechts annimmt und im Gegenzug dem Dritten Schadensersatz- und Kondiktionsansprüche zuerkennt. 92 OLG Frankfurt, Beschluss vom 8.2.2006 – 12 W 185/05, juris Rn. 89; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 11.8.2006 – 15 W 110/05, juris Rn. 96. 93 OLG Frankfurt, Beschluss vom 8.2.2006 – 12 W 185/05, juris Rn. 89; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 11.8.2006 – 15 W 110/05, juris Rn. 96; Klein/Stephanblome, ZGR 2007, 351, 375 f. m. w. N. 94 Vgl. Klein/Stephanblome, ZGR 2007, 351, 375 m. w. N. 95 Klein/Stephanblome, ZGR 2007, 351, 376. 89

§ 1 Erwerbsmodell: Verschmelzung nach dem UmwG

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2. Verstoß gegen § 57 Abs. 1 und 3 AktG

a) Verschmelzung einer überschuldeten Erwerbergesellschaft auf ihre Tochtergesellschaft als Fall des Einlagenrückgewährverbots Von der ganz herrschenden Literaturansicht96 wird in der Verschmelzung einer überschuldeten Muttergesellschaft auf ihre Tochtergesellschaft ein Verstoß gegen das Einlagenrückgewährverbot des § 57 Abs. 1 S. 1 AktG gesehen. Auch der Oberste Gerichtshof Österreichs sah in einem entsprechenden Fall eine Verletzung der Kapitalschutzvorschriften (§ 52 öAktG, § 82 öGmbHG), die in ihrer Reichweite dem § 57 AktG gleichkommen97. Deutsche Gerichte haben sich – soweit ersichtlich – mit der Problematik bisher nicht befasst. Die Auffassung der herrschenden Meinung erscheint zunächst plausibel: Übersteigen die Verbindlichkeiten der Muttergesellschaft ihr Aktivvermögen, wird durch die Verschmelzung das Vermögen der Tochtergesellschaft belastet. Es kommt zu einem Verschmelzungsverlust zum Nachteil der Gläubiger und Minderheitsgesellschafter der Tochtergesellschaft. Exemplarisch wird auf die Konstellation des Leveraged Buyouts verwiesen98: Dort ist die Erwerbergesellschaft aufgrund der für die Kaufpreisfinanzierung aufgenommenen Verbindlichkeiten regelmäßig hoch verschuldet. Durch die Verschmelzung geht die Darlehensschuld auf die allein operativ tätige Erwerbergesellschaft über. Wirtschaftlich gesehen wird damit die Übernahme aus dem Vermögen der Zielgesellschaft finanziert zu Gunsten des erwerbenden Hauptgesellschafters. Gerade den kompensationslosen Ver96 Bayer, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 57 Rn. 95; Mayer, in: Widmann/Mayer, UmwG, § 5 Rn. 40.1; Moszka, in: Semler/Stengel, UmwG, § 24 Rn. 48 m. w. N. (Fn. 92); Diekmann, in: Semler/Stengel, UmwG, § 68 Rn. 15; Priester, in: Lutter/Winter, UmwG, § 24 Rn. 62 (bzgl. § 30 GmbHG); Hörtnagel, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG, § 24 Rn. 52; Klein/Stephanblome, ZGR 2007, 351, 383 ff.; Mertens, AG 2005, 785, 786; zuletzt: Priester, in: FS Spiegelberger, 890, 892 f.; a. A. Widmann, in: Widmann/Mayer, UmwG, § 24 Rn. 388; Bock, GmbHR 2005, 1023, 1027 ff. (bzgl. § 30 GmbHG); Enneking/Heckschen, DB 2006, 1099. 97 OGH, Beschluss vom 11.11.1999 – 6Ob4/99b, GesRZ 2000, 25 ff. Allerdings ist diese Rechtsprechung nicht eins zu eins auf das deutsche Recht übertragbar, da sich das österreichische Umwandlungsrecht in wesentlichen Punkten (Summengrundsatz bezüglich des garantierten Kapitals, Erfordernis des Übergangs eines positiven Vermögenswertes, Durchgangserwerb bezüglich der Anteile an der aufnehmenden Gesellschaft) von der deutschen Regelung unterscheidet, vgl. Bock, GmbHR 2005, 1023, 1025 m. w. N. 98 Vgl. den Beispielfall bei Klein/Stephanblome, ZGR 2007, 351, 364 ff.; vgl. auch OGH, Beschluss vom 11.11.1999 – 6Ob4/99b, GesRZ 2000, 25, 27.

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Kap. 4: Kapitalschutz bei mehrstufigen Erwerbsmodellen

mögenstransfer zwischen Aktiengesellschaft und einem Gesellschafter wolle § 57 Abs. 1 S. 1 AktG jedoch vermeiden99. Ein Verstoß gegen § 57 AktG hätte zur Folge, dass der Verschmelzungsbeschluss nach § 241 Nr. 3 Var. 2 AktG nichtig wäre. Damit müsste das Handelsregister den Antrag auf Eintragung der Verschmelzung ablehnen; die Wirkungen des § 20 UmwG könnten nicht eintreten100. Ein Downstream Merger auf eine Tochtergesellschaft in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft wäre damit grundsätzlich nicht möglich101. Etwas anderes könne nur gelten, wenn die Zustimmung sämtlicher betroffener Minderheitsgesellschafter der Tochtergesellschaft vorliege102 oder deren Vermögensinteressen, die durch den Verschmelzungsverlust tangiert sind, auf andere Weise gewahrt würden103. Für die Kompensation der Wertminderung werden im Wesentlichen zwei Wege vorgeschlagen: Zum einen sollen die von der Erwerbergesellschaft gehaltenen Anteile an der Zielgesellschaft nur nach Maßgabe des wirtschaftlichen Wertes – also unter Berücksichtigung der Schulden der Erwerbergesellschaft – auf die Gesellschafter der Erwerbergesellschaft übergehen und im Übrigen als eigene Aktien bei der Zielgesellschaft verbleiben104. Alternativ könnten zur Herbeiführung eines angemessenen Umtauschverhältnisses mit der Verschmelzung den außenstehenden Gesellschafter der Zielgesellschaft Ausgleichsanteile an dieser gewährt werden105. Diese zusätzlichen Anteile könnten durch eine Barkapitalerhöhung oder durch etwaige eigene Aktien der Zielgesellschaft bereitgestellt werden. Auch eine Übertragungsverpflichtung der Erwerbergesellschaft bzw. ihrer Gesellschafter soll möglich sein106. b) Kritik Das Schutzbedürfnis von Gläubigern und Minderheitsgesellschaftern der Zielgesellschaft bei einer Downstream-Verschmelzung mit einer überschuldeten Muttergesellschaft lässt sich nicht bestreiten. Indes bestehen Zwei99 Vgl. Bayer, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 57 Rn. 95; ausführlich: Klein/Stephanblome, ZGR 2007, 351, 383 ff. 100 Klein/Stephanblome, ZGR 2007, 351, 378. 101 Mertens, AG 2005, 785, 786. 102 Mayer, in: Widmann/Mayer, UmwG, § 5 Rn. 38; Mertens, AG 2005, ebd. 103 Mertens, AG 2005, 785, 789 ff.; Klein/Stephanblome, ZGR 2007, 351, 370 ff. 104 Stoye-Benk, Handbuch des Umwandlungsrecht, Rn. 173 a. E.; Mayer, in: Widmann/Mayer, UmwG, § 5 Rn. 40.1. 105 Mertens, AG 2005, 785, 790 f. 106 Mertens, 790.

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fel, ob das Ausschüttungsverbot des § 57 Abs. 1 S. 1 AktG der richtige Ansatzpunkt ist: aa) Fehlende Vermögensausschüttung Teilweise wird vertreten, dass weder die Auskehrung der von der Mutter gehaltenen Tochteranteile an die Gesellschafter der Muttergesellschaft noch die Übernahme von Finanzierungsverbindlichkeiten einen direkten Anwendungsfall des Einlagenrückgewährverbots darstelle107. Bezüglich der Auskehrung komme allenfalls eine mittelbare Vorteilszuwendung in Frage, da nach § 20 Abs. 1 Nr. 3 UmwG die Gesellschafter der Erwerbergesellschaft die Anteile indirekt über die Erwerbergesellschaft und nicht per Durchgangserwerb von der Zielgesellschaft erlangen. Aber auch eine solche sei abzulehnen, da die Erwerbergesellschaft nicht auf Rechnung der Zielgesellschaft, sondern – gesetzlich angeordnet – aus eigener Verpflichtung ihre Gesellschafter entschädige108. Die Übernahme der Vermögensverbindlichkeiten stelle keine Einlagenrückgewähr dar, da lediglich weitere Gläubiger hinzutreten, ohne dass die Haftungsmasse verringert werde109. Diese Argumentation vermag nicht zu überzeugen. Bei der Frage, ob die Übernahme von Verbindlichkeiten unter die Ausschüttungsverbote des § 57 Abs. 1 und 3 AktG fallen, ist zu berücksichtigen, dass sowohl der BGH als auch die herrschende Literaturansicht bei gläubigerschützenden Normen ein weites Begriffsverständnis verfolgen110. Im Übrigen schreibt § 57 Abs. 1 S. 1 AktG nicht vor, auf welche Art und Weise die Einlagen zurückgewährt werden, so dass nach dem Wortlaut nicht nur Geldleistungen, sondern auch Vermögensverlagerungen in anderer Form dem Ausschüttungsverbot unterfallen können. Auch nach der „Rückkehr“ zur bilanziellen Betrachtungsweise durch das MoMiG ist die Übernahme von Verbindlichkeiten grundsätzlich als Ausschüttung zu bewerten111. Schon durch die Eingehung einer Verbindlichkeit wird bilanziell das Gesellschaftsvermögen belastet und nach richtiger Betrachtungsweise auch wirtschaftlich Gesellschaftsvermögen entzogen112, wenn nicht – was bei einer Verschmelzung einer verschuldeten Erwerbergesellschaft auf die Zielgesellschaft nicht der Fall ist – ein voll107

Bock, GmbHR 2005, 1023, 1026 ff. (zu § 30 GmbHG). Bock, 1027. 109 Bock, 1027 f. 110 BGH, Urteil vom 10.5.1993 – II ZR 74/92, NJW 1922, 1923; Klein/Stephanblome, ZGR 2007, 351, 384 f. m. w. N. (jeweils bezüglich § 30 GmbHG). 111 Begr. RegE. vom 25.7.2007 (MoMiG), BT-Drucks 16/6140, S. 52, 41. 112 A. A. Bock, GmbHR 2005, 1023, 1027 (zu § 30 GmbHG), der die stillen Reserven der Gesellschaft der Verbindlichkeit entgegenhalten will. 108

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Kap. 4: Kapitalschutz bei mehrstufigen Erwerbsmodellen

wertiger Gegenleistungs- oder Rückgewähranspruch der Verbindlichkeit gegenübersteht (§ 57 Abs. 1 S. 3 Var. 2). Die von Bock befürwortete Gegenansicht113, die bei bloßer Eingehung einer schuldrechtlichen Verbindung in jedem Fall eine kapitalschutzrelevante Ausschüttung ablehnt, ist nach heutiger Rechtslage daher als überholt anzusehen. Auch die fehlende unmittelbare Leistungsbeziehung zwischen der Zielgesellschaft und ihren neuen Aktionären, den ehemaligen Gesellschaftern der Erwerbergesellschaft (§ 20 Abs. 1 Nr. 3 UmwG), steht einer Ausschüttung nach § 57 Abs. 1 S. 1 AktG nicht grundsätzlich entgegen. So können vor dem Hintergrund eines effektiven Rechtsschutzes auch Leistungen an Dritte einem Aktionär zuzurechnen sein, wenn dieser dadurch einen wirtschaftlichen Vorteil erlangt114 oder den Vermögenstransfer veranlasst hat115. Der direkten Anwendung des § 57 AktG steht mithin nicht entgegen, dass die Erwerbergesellschaft nicht auf Rechnung der Zielgesellschaft sondern – gesetzlich angeordnet – aus eigener Verpflichtung ihre Gesellschafter entschädigt116. Dies ist zu formal argumentiert, da kaum zu bestreiten ist, dass beim Leveraged Buyout die Gesellschafter der Erwerbergesellschaft, vermittelt durch die Erwerbergesellschaft, die Verschmelzung veranlasst haben. bb) Fehlender Vermögenszuwachs der (neuen) Aktionäre Entscheidend gegen die direkte Anwendung des § 57 Abs. 1 und 3 AktG auf Downstream Mergers spricht jedoch, dass durch die Verschmelzung die Aktionäre keinen zur Vermögensbelastung der Zielgesellschaft spiegelbildlichen wirtschaftlichen Vorteil erlangen. Nach dem Wortlaut des § 57 Abs. 1 S. 1 AktG „[dürfen] den Aktionären die Einlagen nicht zurückgewährt werden“. Bei einer Verschmelzung mangelt es jedoch schon an einem Vermögenstransfer von der übernehmenden Zielgesellschaft auf die (ehemaligen) Gesellschafter der Erwerbergesellschaft. Vielmehr liegt lediglich ein Anteilstausch auf Gesellschafterebene vor117. So gibt es bei den Gesellschaftern der Erwerbergesellschaft keinen Vermögenszuwachs, da sowohl 113

Ebd. OLG Hamburg, Urteil vom 23.5.1980 – 11 U 117/79, AG 1980, 275, 278; OLG Hamburg, Urteil vom 24.7.1984 – 11 U 182/86, WM 1987, 1163, 1167; Bayer, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 57 Rn. 56; Cahn/Senger, in: Spindler/Stilz, AktG, § 57 Rn. 69 m. w. N. 115 OLG Frankfurt, Urteil vom 30.11.1995 – 6 U 192/91, AG 1996, 324, 326; Bayer, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 57 Rn. 68; Cahn/Senger, in: Spindler/Stilz, AktG, ebd.; Henze, in: Großkommentar zum AktG, § 57 Rn. 88; Lutter, in: Kölner Kommentar zum AktG, 2. Aufl., § 57 Rn. 40. 116 So aber Bock, GmbHR 2005, 1023, 1027. 117 Widmann, in: Widmann/Mayer, UmwG, § 24 Rn. 388. 114

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vor als auch nach der Verschmelzung ihr Anteilswert durch die Kaufpreisverbindlichkeiten vermindert wird118. Schon vor der Verschmelzung waren die Anteilseigner der Erwerbergesellschaft an den Schulden der Erwerbergesellschaft und – mittelbar – am Vermögensstamm der Zielgesellschaft beteiligt, so dass ihre Vermögenslage bilanziell unverändert ist. Dieses Argument kann auch nicht mit dem Hinweis entkräftet werden, dass das entscheidende Kriterium die Vermögensbelastung der Zielgesellschaft und nicht die Vermögensmehrung bei der Erwerbergesellschaft bzw. ihren bisherigen Gesellschaftern sei119. Zwar ist es unbestritten, dass durch die Verschmelzung die Trennung der Vermögensmassen von Ziel- und Erwerbergesellschaft aufgehoben wird. Damit einher geht, dass nun die Zielgesellschaft die Verbindlichkeiten der Erwerbergesellschaft mittragen muss – zu Lasten ihrer Gläubiger und Minderheitsaktionäre, also gerade der Gruppen, die durch § 57 Abs. 1 und 3 AktG geschützt werden. Für das direkte Eingreifen des § 57 Abs. 1 und 3 AktG ist es aber nicht ausreichend, dass die Vermögenswerte von einer Aktiengesellschaft abfließen, vielmehr muss es gerade deren Aktionären zugute kommen. Zwar fällt der Verschmelzungsvorgang mit der Erlangung der Aktionärseigenschaft der ehemaligen Gesellschafter der Erwerbergesellschaft zusammen (§ 20 Abs. 1 Nr. 3 UmwG), so dass der personelle Anwendungsbereich von § 57 Abs. 1 AktG eröffnet sein könnte120. Jedoch korrespondiert hiermit kein Vermögenszuwachs der Aktionäre. So kann man ein Hinzutreten von neuen Schuldnern nicht mit einem Vermögenstransfer an die ehemaligen Gesellschafter der Erwerbergesellschaft gleichstellen. Da den Aktionären nichts zurückgewährt wird, können sie auch folgerichtig nicht Schuldner eines Rückgewähranspruchs nach § 62 Abs. 1 AktG sein. Möglicherweise kann jedoch über eine analoge Anwendung des § 57 AktG der Verschmelzungssachverhalt eingefangen werden. 3. Analoge Anwendung des § 57 Abs. 1 und 3

a) Vergleichbare Interessenlage Für eine analoge Anwendung bedarf es zunächst einer vergleichbaren Interessenlage. Hierfür kann angeführt werden, dass im Ergebnis die Zielgesellschaft einen Schuldenüberhang übernimmt, der wirtschaftlich den Gesellschaftern der Erwerbergesellschaft zuzurechnen ist. Man kann somit von einer Entlastung der ehemaligen Anteilsinhaber der Erwerbergesellschaft 118 119 120

Widmann, ähnlich Riegger, ZGR 2008, 233, 247. So aber Klein/Stephanblome, ZGR 2007, 351, 383 m. w. N. Siehe oben Kapitel 3 § 1 B. I. 1. a) und § 3 B.

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Kap. 4: Kapitalschutz bei mehrstufigen Erwerbsmodellen

sprechen121, da durch die Vereinigung der Vermögensmassen von Ziel- und Erwerbergesellschaft die Wirtschaftsgüter der Zielgesellschaft für die Kaufpreisfinanzierung verwendet werden können. Vor der Verschmelzung war dies aufgrund der Kapitalschutzvorschriften (§§ 57, 71a AktG) nicht möglich. Im Ergebnis macht es für das Vermögen der Zielgesellschaft jedoch keinen Unterschied, ob Vermögenswerte zur Begleichung der Darlehenskaufpreisschuld direkt an die Erwerbergesellschaft fließen – was unstreitig gegen § 71a Abs. 1 S. 1 AktG bzw. § 57 Abs. 1 und 3 AktG verstieße – oder aber die Zielgesellschaft für die Verbindlichkeiten nach der Verschmelzung mit ihrem eigenen Vermögen haftet. Eine vergleichbare Interessenlage – die mit einer vergleichbaren Gefährdungslage für Minderheitsgesellschafter und Gläubiger der Zielgesellschaft einhergeht – ist mithin gegeben. b) Planwidrige Regelungslücke Als zweite Voraussetzung für eine Analogie bedarf es einer planwidrigen Regelungslücke. Gemäß der Gesetzesbegründung soll durch die Regelungen des Umwandlungsgesetzes „der Schutz von Anlegern, insbesondere von Minderheitsbeteiligungen, und von Gläubigern in angemessener Weise berücksichtigt werden“122. Dies lässt zunächst vermuten, dass der Gesetzgeber an die Belange dieser beiden auch im Rahmen des § 57 AktG geschützten Gruppen gedacht hat, so dass eine planwidrige Regelungslücke ausscheidet. Auf den Fall des Downstream Mergers trifft dies jedoch nur teilweise zu. Wiederum ist hierbei zwischen dem Gläubigerschutz, dem § 57 Abs. 1 AktG dient, und dem Schutz der Minderheitsaktionäre, den § 57 Abs. 3 AktG gewährleistet, zu unterscheiden123. aa) Gläubigerschutz Das Verschmelzungsrecht sieht mit § 22 UmwG – wie beim Upstream Merger – eine Regelung zum Schutz der Gläubiger vor. Bei Verschmelzungen können Gläubiger von nicht fälligen, gefährdeten Ansprüchen Sicherheitsleistung verlangen124. In der Reichweite geht die Vorschrift mit dem Recht auf Sicherheitsleistung einerseits über § 57 AktG hinaus, andererseits ist es an zusätzliche Voraussetzungen geknüpft (Glaubhaftmachung der Ge121

Ebenso Klein/Stephanblome, ZGR 2007, 351, 385. BT-Drucks. 12/6699, S. 71 = BR-Drucks. 75/94, S. 71. 123 Siehe hierzu ausführlich Kapitel 3 § 1 A. I.–IV. 124 Siehe oben Kapitel 4 § 1 A. I. 2. a); vgl. ausführlich zu den einzelnen Tatbestandsmerkmalen Grunewald, in: Lutter/Winter, UmwG, § 22 Rn. 1 ff.; MaierReimer, in: Semler/Stengel, UmwG, § 22 Rn. 1 ff. 122

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fährdung des Anspruchs, schriftliche Anmeldung). Auch ist der Anspruch auf Sicherheitsleistung nicht durch eine Ausschüttungssperre geschützt125 und verhindert laut der Gesetzesmaterialien – anders als dies bei § 57 i. V. m. § 241 Nr. 3 AktG der Fall wäre – „nicht die Wirksamkeit einer Verschmelzung“126. Man könnte somit in § 22 UmwG eine nicht mit § 57 Abs. 1 S. 1 AktG vergleichbare Regelung sehen und damit zu einer Regelungslücke kommen. Tatsächlich funktioniert § 22 UmwG weder in gleicher Weise wie § 57 AktG noch verfolgt die Regelung die gleichen Ziele127. § 22 UmwG soll die Altgläubiger vor dem besonderen Risiko schützen, dass sie sich nun mit einer Schuldnergesellschaft konfrontiert sehen, die sie so bei Vertragsschluss nicht gewählt haben. Hingegen soll § 57 AktG Abs. 1 AktG nach hier vertretener Auffassung für die Grundkapitalausstattung der Aktiengesellschaft sorgen128. Gegen eine analoge Anwendung des § 57 Abs. 1 AktG beim Downstream Merger sprechen jedoch gewichtige Gründe: Unstreitig gilt das Einlagenrückgewährverbot vor und nach dem Verschmelzungsvorgang. Im Nachgang der Verschmelzung beeinflussen auch die aufgrund des § 22 UmwG zu leistenden Sicherheitsleistungen die Summe des gebundenen Kapitals, da sich diese in der Bilanzierung der Aktiengesellschaft niederschlagen129. Diesbezüglich besteht keine Schutzlücke. Da die herrschende Ansicht entgegen der hier vertretenen Auffassung das gesamte Vermögen der Aktiengesellschaft gemäß § 57 Abs. 1 AktG im Gläubigerinteresse gebunden sieht130, würde – bei Anwendung dieser Norm auf den Verschmelzungsvorgang – jede noch so geringe Verschuldung der Muttergesellschaft wegen Verstoßes gegen das Einlagenrückgewährverbot über § 241 Nr. 3 AktG zum Scheitern der Verschmelzung führen131. Dies läuft der Zielsetzung des Umwandlungsrechtes zuwider, den Rechtsträgern deutscher Unter125

Grunewald, in: Lutter/Winter, UmwG, § 22 Rn. 24. BT-Drucks. 12/6699, S. 92 = BR-Drucks. 75/94, S. 92. 127 Zur teilweise vorgenommenen Unterscheidung zwischen individuellem (§ 22 UmwG) und institutionellem (§ 57 AktG) Gläubigerschutz vgl. Priester, in: FS Spiegelberger, 890, 892 m. w. N. 128 Siehe oben Kapitel 3 § 1 A. II. 129 Grunewald, in: Lutter/Winter, UmwG, § 22 Rn. 24. 130 BGH, Urteil vom 14.05.1992 – II ZR 299/90, NJW 1992, 2821 = AG 92, 317 unter Verweis auf Barz, in: Großkommentar zum AktG, 3. Aufl., § 57 Rn. 3; Hefermehl/Bungeroth, in: Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, AktG, § 57 Rn. 4 f.; Lutter, in: Kölner Kommentar zum AktG, 2. Aufl., § 57 Rn. 5, 8; siehe ausführlich zum Meinungsstand Kapitel 3 § 1 A. II. m. w. N. 131 Vgl. Bayer, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 57 Rn. 95; Mayer, in: Widmann/Mayer, UmwG, § 5 Rn. 40.1; Moszka, in: Semler/Stengel, UmwG, § 24 Rn. 48 m. w. N. (Fn. 92); Diekmann, in: Semler/Stengel, UmwG, § 68 Rn. 15; Priester, in: Lutter/Winter, UmwG, § 24 Rn. 62 (bzgl. § 30 GmbHG); Hörtnagel, 126

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Kap. 4: Kapitalschutz bei mehrstufigen Erwerbsmodellen

nehmen die Anpassung ihrer rechtlichen Struktur an die veränderten Umstände des Wirtschaftslebens vereinfacht zu ermöglichen132. Die betroffenen Unternehmen wären einer erheblichen Rechtsunsicherheit ausgesetzt, was dazu führen könnte, dass notwendige Umstrukturierungen im Wege eines Downstream Mergers unterblieben. Überdies betont der Gesetzgeber in den Gesetzesmaterialien ausdrücklich, dass sogar die Gefährdung von Gläubigeransprüchen durch den Verschmelzungsvorgang die Wirksamkeit der Verschmelzung nicht verhindern kann, sondern lediglich gemäß § 22 UmwG einen schuldrechtlichen Anspruch auf Sicherheitsleistung auslöst133. Diese gesetzgeberische Entscheidung würde unterlaufen, hätte jede noch so geringe Verschuldung der übertragenden Muttergesellschaft die Nichtigkeit des Verschmelzungsbeschluss nach § 241 Nr. 3 AktG i. V. m. § 57 Abs. 1 S. 1 AktG zur Folge. Unerklärlich wäre überdies die Ungleichbehandlung mit dem Upstream Merger. Da dort die vermögende Aktiengesellschaft nach § 20 Abs. 1 Nr. 2 UmwG erlöscht, steht § 57 Abs. 1 und 3 AktG unstreitig der Verschmelzung nicht entgegen. Augenfällig wird der Wertungswiderspruch insbesondere, wenn eine vermögende, als Aktiengesellschaft organisierte Zielgesellschaft im Wege eines Upstream Mergers auf eine ebenfalls als Aktiengesellschaft organisierte Erwerbergesellschaft verschmolzen wird. Auch wenn dieser Fall so in der Praxis kaum vorkommen dürfte, zeigt er doch, dass eine Ungleichbehandlung zwischen Up- und Downstream Merger nicht angezeigt ist. Unabhängig von der Verschmelzungsrichtung bliebe in dem Beispielsfall als Ergebnis eine Aktiengesellschaft, die die Vermögenswerte bzw. Verluste der Erwerber- und Zielgesellschaft zusammenfasst. Der Gesetzgeber hat die Gefahr der mit der Verschmelzung einhergehenden Gläubigergefährdung gesehen und zu ihrem Schutz eine Sicherheitsleistung für ausreichend erachtet. Dies ist als gesetzgeberische Entscheidung ebenso zu akzeptieren wie der hiermit verbundene Mehraufwand der Gläubiger. Ein angemessener Gläubigerschutz ist nach den Intentionen des Gesetzgebers mithin nicht über eine Unzulässigkeit von Verschmelzungsbeschlüssen nach § 241 Nr. 3 AktG i. V. m. § 57 Abs. 1 S. 1 AktG analog zu gewährleisten, sondern über den Schutz des § 22 UmwG. Im Extremfall, wenn die Verschmelzung einer hoch überschuldeten Erwerbergesellschaft auf die Zielgesellschaft unmittelbar zur Insolvenz letzterer führt, greifen zusätzlich die allgemeinen aktien- und zivilrechtlichen Schutzmechanismen. Insbesondere kommen Schadensersatzansprüche nach §§ 93 Abs. 2, (116) AktG in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG, § 24 Rn. 52; Klein/Stephanblome, ZGR 2007, 351, 383 ff.; Mertens, AG 2005, 785, 786. 132 Vgl. BT-Drucks. 12/6699, S. 71 = BR-Drucks. 75/94, S. 71. 133 Vgl. BT-Drucks, S. 92.

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i. V. m. § 27 UmwG gegen die Unternehmensleitung sowie die Haftung des Mehrheitsaktionärs der Zielgesellschaft wegen existenzvernichtenden Eingriffs auf Grundlage des § 826 BGB in Betracht134. Eine planwidrige Regelungslücke, die eine analoge Anwendung des § 57 Abs. 1 S. 1 AktG zum Schutz der Gläubiger nach sich ziehen könnte, ist mithin abzulehnen. bb) Minderheitenschutz Etwas anderes könnte jedoch bezüglich des erforderlichen Minderheitenschutzes gelten. Denn das bei einer Upstream-Verschmelzung einschlägige angemessene Barabfindungsgebot gemäß § 29 UmwG gilt nach seinem Wortlaut nur zu Gunsten der Anteilsinhaber des übertragenden Rechtsträgers135. Bei einem Downstream Merger im Rahmen eines Leveraged Buyouts sind jedoch gerade die Minderheitsgesellschafter der Zielgesellschaft, also die Anteilseigner des übernehmenden Rechtsträgers, schützenswert. Diese sind mithin schutzlos der Entwertung ihrer Anteile durch die Verschmelzung mit der überschuldeten Erwerbergesellschaft ausgesetzt. Dies ist der Hauptgrund, warum die herrschende Ansicht die Anwendung des § 57 Abs. 1 und 3 AktG (analog) auf den Verschmelzungsvorgang befürwortet136. Ein Downstream Merger einer überschuldeten Erwerbergesellschaft auf eine Zielgesellschaft ist demnach nur zulässig, wenn die Minderheitsgesellschafter der Zielgesellschaft für die aufgrund des Verschmelzungsverlustes eingetretene Wertminderung ihrer Anteile einen Ausgleich erhalten137. Dieser sicherlich gangbare Weg hat jedoch den Nachteil, dass hierdurch der schon im Rahmen des Gläubigerschutzes aufgezeigte Wertungswiderspruch zu einer Upstream-Verschmelzung entsteht. Auch führt die analoge Anwendung des § 57 Abs. 3 AktG schon bei geringer Verschuldung der Erwerbergesellschaft über § 241 Nr. 3 AktG zur Nichtigkeit des Verschmelzungsbeschlusses. Insofern schießt eine analoge Anwendung der aktienrechtlichen Kapitalschutzvorschriften über das Ziel eines angemessenen Minderheitenschutzes hinaus. Dies ist vor dem Hintergrund problematisch, dass der Gesetzgeber durch das Umwandlungsgesetz gerade Umstrukturierungen erleichtern und einen angemessenen Schutz von Minderheits134

Vgl. Kapitel 3 § 4 A. I., C. Vgl. hierzu auch Mertens, AG 2005, 785, 790. 136 Bayer, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 57 Rn. 95; Mayer, in: Widmann/Mayer, UmwG, § 5 Rn. 40.1; Moszka, in: Semler/Stengel, UmwG, § 24 Rn. 48 m. w. N. (Fn. 92); Diekmann, in: Semler/Stengel, UmwG, § 68 Rn. 15; Priester, in: Lutter/Winter, UmwG, § 24 Rn. 62 (bzgl. § 30 GmbHG); Hörtnagel, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG, § 24 Rn. 52; Klein/Stephanblome, ZGR 2007, 351, 383 ff.; Mertens, AG 2005, 785, 786. 137 Siehe oben Kapitel 4 § 1 B. II. 2. a) (am Ende). 135

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beteiligungen im Umwandlungsrecht gewährleisten wollte138. Gerade das Austrittsrecht gegen Barangebot nach § 29 UmwG zu Gunsten widersprechender Minderheitsaktionäre wurde eingeführt, „um Verschmelzungen nicht zu erschweren“139. Es entspricht somit am ehesten der Intention des Gesetzgebers, als Lösungsweg § 29 UmwG in analoger Anwendung auch auf den Downstream Merger anzuwenden140. Die Interessenlage ist mit der Situation des Upstream Mergers vergleichbar. So soll das Austrittsrecht gegen Barabfindung gerade den Minderheitsaktionären eine Kompensation für die durch den Gesellschafterbeschluss verursachte wirtschaftliche Schlechterstellung gewähren141. Die Gefahr der wirtschaftlichen Benachteiligung besteht für die Minderheitsgesellschafter der Zielgesellschaft jedoch unabhängig von der Verschmelzungsrichtung. Dies hat der Gesetzgeber nicht bedacht, so dass auch eine planwidrige Regelungslücke zu bejahen ist. Der Lösung allein über § 29 UmwG analog soll jedoch der „Grundsatz der Mitgliederidentität“ entgegenstehen142. Dieser fordere, dass alle Anteilseigner der an der Verschmelzung beteiligten Rechtsträger die Möglichkeit haben, sich auch an der übernehmenden Gesellschaft zu beteiligen143. Hiergegen verstoße, wenn man den der Verschmelzung widersprechenden Anteilseignern allein einen finanziellen Anreiz für das Verlassen der Gesellschaft gäbe, ohne ihnen gleichzeitig ein angemessenes Umtauschverhältnis für den Verbleib in der Gesellschaft anzubieten144. Diese Kritik ist jedoch nicht berechtigt. Zum einen haben gerade die Kleinaktionäre, die den Aktienkauf in aller Regel als reine Kapitalanlage sehen, in erster Linie ein wirtschaftliches Interesse, das mit der angemessenen Barabfindung bedient wird. Zum anderen bleibt es den Minderheitsaktionären unbenommen, der Verschmelzung nicht zu widersprechen und in der Aktiengesellschaft zu verbleiben. Dies kann etwa sinnvoll sein, wenn man sich von der Übernahme durch den Finanzinvestor trotz der gestiegenen Fremdkapitalquote eine positive Kursentwicklung erwartet – etwa weil Restrukturierungsmaßnahmen oder Sparpläne greifen. Beim Downstream Merger besteht eine planwidrige Regelungslücke, da die Minderheitsgesellschafter der übernehmenden Aktiengesellschaft nach 138 139 140 141 142 143 144

Vgl. BT-Drucks. 12/6699, S. 71 = BR-Drucks. 75/94, S. 71. BT-Drucks. 12/6699, S. 94 = BR-Drucks. 75/94, S. 94. Ebenso ein Lösungsweg bei Mertens, AG 2005, 785, 790. Kalss, in: Semler/Stengel, UmwG, § 29 Rn. 2. So Klein/Stephanblome, ZGR 2007, 351, 375. Ebd. Ebd.

§ 2 Erwerbsmodell: Formwechsel

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den Regelungen des Umwandlungsrechts nicht ausreichend vor Verschmelzungsverlusten geschützt werden. Die Schutzlücke lässt sich sachnah über eine analoge Anwendung des § 29 UmwG schließen. Ein Eingreifen des § 57 Abs. 1, 3 AktG analog ist mithin auch nicht zu Gunsten der Minderheitsaktionäre der Zielgesellschaft erforderlich.

C. Zwischenergebnis Bei der Verschmelzung von Erwerber- und Zielgesellschaft im Rahmen eines Leveraged Buyouts wird der Schutz der Gläubiger und Minderheitsgesellschafter der Zielgesellschaft durch Regelungen des Umwandlungsgesetzes gewährleistet. Daneben finden – unabhängig von der Verschmelzungsrichtung – auf den Verschmelzungsvorgang weder das Verbot der finanziellen Unterstützung nach § 71a Abs. 1 S. 1 AktG noch die Ausschüttungsverbote des § 57 Abs. 1 und 3 AktG Anwendung.

§ 2 Erwerbsmodell: Formwechsel Ein einfacher Weg, den strengen aktienrechtlichen Kapitalschutz zu umgehen, könnte in der Umwandlung der Zielgesellschaft in eine Rechtsform mit schwächeren Kapitalerhaltungsvorschriften liegen. Dabei scheidet die Umwandlung der Aktiengesellschaft in eine OHG schon wegen der persönlichen, unbeschränkten Haftung der Gesellschafter und dem Erfordernis der Zustimmung aller Aktionäre gemäß § 233 Abs. 1 UmwG aus. Es bleibt die nach § 226 UmwG vorgesehene Umwandlung in eine GmbH oder in eine Kommanditgesellschaft. Die Umwandlung erfolgt im Rahmen eines Leveraged Buyouts nach Erlangung der Anteile der Zielgesellschaft durch die Erwerbergesellschaft, da es für den Umwandlungsbeschluss wiederum gemäß § 240 Abs. 1 bzw. § 233 Abs. 2 UmwG einer drei Viertel Mehrheit in der Hauptversammlung bedarf.

A. Formwechsel der Zielgesellschaft in eine GmbH Bei der GmbH ist – im Gegensatz zur Aktiengesellschaft – das Gesellschaftsvermögen nicht umfassend, sondern lediglich gemäß § 30 Abs. 1 GmbHG in Höhe des Stammkapitals gebunden. Bis zu dieser Grenze kann die Erwerbergesellschaft auf das Vermögen der Zielgesellschaft zugreifen, um die zur Kaufpreisfinanzierung aufgenommenen Darlehen zu bedienen und zurückzuzahlen. Die (längerfristige) Umwandlung der Aktiengesellschaft in eine GmbH scheint daher immer dann bedenkenswert, wenn nicht – wie etwa im Ausgangsfall der Techem AG – ein Börsengang bevorsteht oder das

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Kap. 4: Kapitalschutz bei mehrstufigen Erwerbsmodellen

Unternehmen auf den Zugang zum Eigenkapitalmarkt angewiesen ist. Möglich ist auch, dass die übernommene Gesellschaft – ähnlich wie im Fall der Grohe AG – vorübergehend von der Börse zurückgezogen wird145, um sie nach drei bis fünf Jahren beim Exit wieder an der Börse zu platzieren. Die Rechtsform der GmbH kommt dann für die Zwischenzeit in Betracht. Anknüpfungspunkt für einen Verstoß gegen aktienrechtliche Kapitalschutznormen ist der für den Formwechsel notwendige Umwandlungsbeschluss. Gemäß den §§ 193, 240 Abs. 1 UmwG muss dieser von der Hauptversammlung mit einer Mehrheit von drei Vierteln des bei der Beschlussfassung vertretenen Grundkapitals gefasst werden. I. Kein Verstoß gegen die aktienrechtlichen Kapitalschutzvorschriften Wiederum ist das Verbot der finanziellen Unterstützung nach seinem Wortlaut nicht anwendbar, da der den Formwechsel besiegelnde Beschluss kein Rechtsgeschäft darstellt, „das die Gewährung eines Vorschusses oder eines Darlehens oder die Leistung einer Sicherheit durch die Gesellschaft zum Zweck des Erwerbs von Aktien zum Gegenstand hat“. Dennoch wird vereinzelt die analoge Anwendung des § 71a Abs. 1 S. 1 AktG auf den Umwandlungsbeschluss befürwortet146. So würde der Formwechsel der Zielgesellschaft von der Aktiengesellschaft in eine Rechtsform mit weniger strengen Kapitalschutzvorschriften „dem ordnungspolitischen Funktionsmechanismus des § 71a Abs. 1 AktG“ zuwiderlaufen147. Durch den Formwechsel würde eine abstrakte Gefahr geschaffen, dass sich „die bestehenden Handlungsanreize in Richtung einer Eigenkapitalrückgewähr in konkreten Handlungen verwirklichen“148. Die weniger strenge Kapitalbindung habe einen Wertverlust der Forderungstitel der Gläubiger und spiegelbildlich einen Wertzuwachs bei der Erwerbergesellschaft zu Folge. Der Umverteilung des Leistungsrisikos müsse – ähnlich wie auch bei der Verschmelzung – durch einen Nichtigkeit des Umwandlungsbeschlusses nach § 241 Nr. 3 Var. 2 AktG i. V. m. § 71a Abs. 1 AktG analog begegnet werden149. Diese Argumentation ist aus mehreren Gründen zu kritisieren. Zunächst fehlt es an einer für die analoge Anwendung des Verbots der finanziellen Unterstützung erforderlichen vergleichbaren Interessenlage. Der Formwechsel führt – anders als bei der Verschmelzung – nicht einmal zur Ausweitung der Haftung des Vermögens der Zielgesellschaft. Durch den bloßen Wechsel 145 146 147 148 149

Sog. „Going Private“. Klass, Der Buyout von Aktiengesellschaften, S. 174 ff. Klass, S. 175. Ebd. Ebd.

§ 2 Erwerbsmodell: Formwechsel

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der Rechtsform werden auch keinerlei Vermögenswerte „an einen anderen“ gewährt. Hinzu kommt, dass nach hier vertretener Ansicht § 71a Abs. 1 AktG nicht auf Sachverhalte im Nachgang der Übernahme anwendbar ist, da eine solche Unterstützung nicht mehr „zum Zweck des Erwerbs“ erfolgt. Überdies fehlt es an einer Regelungslücke, da Gläubiger und Minderheitsgesellschafter hinreichend durch §§ 207, 204 i. V. m. § 22 UmwG geschützt werden. Nach dem Formwechsel greift §§ 30 f. GmbHG. Eine analoge Anwendung des Verbots der finanziellen Unterstützung auf den Umwandlungsbeschluss nach § 193 Abs. 1 UmwG ist somit abzulehnen150. Gleiches gilt auch für § 57 Abs. 1 und 3 AktG, da durch den Umwandlungsbeschluss den Aktionären nichts zurückgewährt wird. II. Anfechtbarkeit des Umwandlungsbeschlusses wegen Rechtsmissbrauchs Des Weiteren könnte der Umwandlungsbeschluss aufgrund von Rechtsmissbrauch anfechtbar sein151. Schon vor Inkrafttreten des Umwandlungsgesetzes hat der BGH den Formwechsel im Rahmen einer Missbrauchskontrolle daraufhin untersucht, ob die Umstrukturierung zu sachfremden Zwecken vorgenommen wurde152. Es stellt sich somit die Frage, ob es sachfremd ist, einen Formwechsel einer Aktiengesellschaft in eine GmbH vorzunehmen, um den strengen Kapitalschutzvorschriften (§§ 57, 71a AktG) zu entgehen. Mit anderen Worten: darf die Erwerbergesellschaft die Instrumentarien des Umwandlungsrechts nutzen, um ihr Ziel – die Finanzierung des Kaufpreises aus den Mitteln der Zielgesellschaft – zu erreichen? Diese Frage wird im Zusammenhang mit der Finanzierung eines Leveraged Buyouts bisher im Schrifttum kaum erörtert153. Eine Parallelproblema150 Ebenso im Ergebnis T. Bezzenberger, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 71a Rn. 19, der den Formwechsel der AG in eine GmbH als Möglichkeit sieht, dem Verbot der finanziellen Unterstützung zu entgehen. 151 In der Parallelproblematik der Umwandlung einer GmbH in eine AG allein zur Durchführung eines Squeeze-Outs wird zumeist die Anfechtbarkeit als zutreffende Rechtsfolge eines Rechtsmissbrauchs angenommen, so etwa Grunewald, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 327a Rn. 25; Fleischer, in: Großkommentar zum AktG, § 327a Rn. 77; Koppensteiner, in: Kölner Kommentar zum AktG, § 327 f. Rn. 11; Habersack, in: Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 327a Rn. 27; Markwardt, BB 2004, 277, 286 jeweils m. w. N. Nur vereinzelt wird für die Nichtigkeit gem. § 241 Nr. 3 AktG plädiert: OLG München, Urteil vom 23.11.2006 – 23 U 2306/06, AG 2007, 173 f. 152 BGH, Urteil vom 15.11.1982 – II ZR 62/82, BGHZ 85, 350, 360. 153 Ausführungen finden sich lediglich zur Frage des rechtsmissbräuchlichen Handelns im Rahmen eines Downstream Merger bei Klein/Stephanblome, ZGR 2007, 351, 375 f.

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Kap. 4: Kapitalschutz bei mehrstufigen Erwerbsmodellen

tik besteht jedoch bei der kontrovers diskutierten Frage, ob Rechtsmissbrauch vorliegt, wenn umgekehrt eine GmbH in eine Aktiengesellschaft allein zur Durchführung eines Squeeze-Outs (§§ 327a ff. AktG, § 39a WpÜG) umgewandelt wird. Teilweise wird hierin ein Verstoß gegen das Verbot rechtsmissbräuchlichen Handelns gesehen154. Es sei treuwidrig, wenn ein Formwechsel nicht aus unternehmerisch nachvollziehbaren Gründen, sondern lediglich vorgenommen wird, um Minderheitsgesellschafter aus der Gesellschaft zu drängen155. Auch der BGH nähme in der LinotypeEntscheidung156 eine Treuepflichtverletzung im vergleichbaren Fall der übertragenden Auflösung einer Aktiengesellschaft unter Umgehung der Liquidationsvorschriften an. Übertragen auf den Fall des Leveraged Buyouts könnte man nun argumentieren, dass es dem Sinn des Umwandlungsrechts widerspricht, einen Formwechsel in eine Gesellschaft mit schwächeren Kapitalschutzregeln ausschließlich zu dem Zweck vorzunehmen, das Vermögen der Zielgesellschaft zur Kaufpreisfinanzierung einzusetzen – zu Lasten deren Gläubiger und Minderheitsgesellschafter. Der Vergleich zur Linotype-Rechtsprechung hinkt, da der BGH dort als Anknüpfungspunkt für die Treuepflichtverletzung die Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes angeführt hat157. Die Umwandlung in eine andere Rechtsform trifft jedoch alle Gesellschafter in gleichem Maße. Erst in einem weiteren Schritt – etwa bei Auskehrung von Vermögenswerten ausschließlich an den Mehrheitsgesellschafter – kann eine Ungleichbehandlung vorliegen. Dies ist jedoch kein spezifisches Risiko des Formwechsels, sondern besteht in allen GmbH in gleicher Weise. Hier greifen die Schutzvorschriften des GmbH-Rechts (§§ 30 f., 43 GmbHG) ein. Entscheidend gegen die Einräumung der Anfechtungsmöglichkeit wegen Missbrauchs spricht, dass das Gesetz gerade keine sachliche Rechtfertigung für die Vornahme eines Formwechsels verlangt158. Auch wenn der Formwechsel nur der Vorbereitung eines Squeeze-Outs dient, liegt nach zutreffender Ansicht kein rechtsmissbräuchliches Handeln vor, sondern eine zulässige Nutzung der von Gesetzes wegen zur Verfügung gestellten Gestaltungsinstrumente159. Gleiches hat bei 154 Fleischer, in: Großkommentar zum Aktienrecht, § 327a AktG Rn. 78; Singhof, in: Spindler/Stilz, § 327a Rn. 27; Habersack, in: Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 327a Rn. 78; Gesmann-Nuissl, WM 2002, 1205, 1210; Krieger, BB 2002, 53, 61 f.; differenzierend Grunewald, ZIP 2002, 18, 22. 155 Hüffer, AktG, § 327a Rn. 12; Gesmann-Nuissl, WM 2002, 1205, 1210. 156 BGH, Urteil vom 1.2.1988 – II ZR 75/87, BGHZ 103, 184 ff. („Linotype“). 157 Vgl. Markwardt, BB 2004, 277, 283. 158 Dies betont auch der BGH in der Linotype-Entscheidung, BGHZ 103, 184, 190; vgl. Schäfer/Dette, NZG 2009, 1, 6; Habersack, in: Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 327a Rn. 28. 159 Decher, in: Lutter/Winter, § 195 Rn. 25.

§ 2 Erwerbsmodell: Formwechsel

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der Umwandlung einer Aktiengesellschaft in eine GmbH zu gelten, die in der Absicht vorgenommen wird, von den liberaleren Kapitalschutzvorschriften zu profitieren. Da keine Rechtfertigung für den Umwandlungsbeschluss gesetzlich vorgesehen ist, darf auch der erweiterte Zugriff auf das Vermögen der Zielgesellschaft nicht als sachfremder Zweck angesehen werden. Dass es für den Formwechsel gemäß § 240 UmwG lediglich einer Mehrheit von drei Vierteln des vertretenen Grundkapitals und keiner einstimmigen Entscheidung der Gesellschafter bedarf, ist als gesetzgeberische Entscheidung zu akzeptieren. Die Gefahren, die in dem Formwechsel für die Minderheitsgesellschafter und (mittelbar) für die Gläubiger der Zielgesellschaft liegen, hat der Gesetzgeber gesehen und ihren Schutz in §§ 207, 204 i. V. m. § 22 UmwG geregelt160. Hier zeigt sich, dass – wie auch beim Squeeze-Out – der Gesetzgeber die mitgliedschaftliche Stellung von Minderheitsgesellschaftern nicht umfassend schützt, sondern in bestimmten Fällen nur deren vermögensrechtliche Position als Kapitalanleger berücksichtigt und ihren Schutz – wie hier gemäß § 207 UmwG – auf eine wirtschaftliche Entschädigung beschränkt161. Dies entspricht der Rechtswirklichkeit, da Kleinanleger die Aktienanlage regelmäßig als reine Kapitalanlage betrachten. Damit bleibt festzuhalten, dass die Umgehung der strengen aktienrechtlichen Kapitalschutzvorschriften als Beweggrund für den Formwechsel hin zur GmbH nicht zur Anfechtbarkeit des Umwandlungsbeschlusses wegen Rechtsmissbrauchs führt162. Vielmehr unterliegt der Formwechsel von Kapitalgesellschaften der autonomen Entscheidung der Gesellschafter, die insoweit auch frei zwischen dem höheren Kapitalschutzstandard der Aktiengesellschaft und dem niedrigeren Standard der GmbH wählen können163. Dieses Ergebnis dient auch der Rechtssicherheit, da dann nicht die schwer ergründbaren und oftmals nicht einheitlichen Absichten der Gesellschafter über die Mangelhaftigkeit des Umwandlungsbeschlusses entscheiden. So gibt es neben den liberaleren Kapitalschutzvorschriften eine Vielzahl weiterer Gründe für die Wahl der GmbH als einer im Vergleich zur Aktiengesellschaft flexibler ausgestalteten, kostengünstigeren und einfacher zu handhabenden Rechtsform164. 160

Vgl. zu den Voraussetzungen Mertens, AG 2005, 785, 787 (Fn. 11). Vgl. Decher, ebd. 162 Ebenso im Ergebnis zur Parallelproblematik des Squeeze-Outs: Schnorbus, in: K. Schmidt/Lutter, § 327a Rn. 16; Decher; ebd. Markwardt, BB 2004, 277, 286; Pluskat, NZG 2007, 275 f., Schäfer/Schmitt, NZG 2009 1, 3 ff. 163 Mertens, AG 2005, 785, 787. 164 Zu den Vorteilen einer GmbH vgl. Kübler/Assmann, Gesellschaftsrecht, § 18 I 2. (S. 261 ff.): u. a. kein obligatorischer Aufsichtsrat, Gesellschafterbeschlüsse ohne Zusammenkunft und notarieller Beurkundung, keine Schutzvorkehrungen für Anleger. 161

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Kap. 4: Kapitalschutz bei mehrstufigen Erwerbsmodellen

Erwägenswert ist lediglich, Rechtsmissbrauch für die seltenen Ausnahmefälle in Betracht zu ziehen, wenn erstens die Umwandlung der Aktiengesellschaft in eine GmbH nur für einen kurzen Zeitraum vorgenommen wird, zweitens die Rückumwandlung schon beim Umwandlungsbeschluss feststeht und drittens ausgeschlossen werden kann, dass andere Gründe als der Zugriff auf Vermögenswerte der Aktiengesellschaft für den Formwechsel maßgeblich waren165. So könnte man argumentieren, dass in diesen Fällen die Gesellschafter keine GmbH als Rechtsform wählen, sondern – inhaltlich betrachtet – die Aktiengesellschaft beibehalten wollen, mit den liberalen Kapitalschutzbestimmungen der GmbH. Allerdings wäre der bei einem Leveraged Buyout übliche Zeitraum von drei bis fünf Jahre bis zur Rückumwandlung hierfür zu lange. Im Übrigen kann auch für diese Ausnahmefälle bezweifelt werden, ob hierfür die Rechtsmissbrauchskontrolle erforderlich ist oder nicht vielmehr § 207 UmwG die Vermögensinteressen der betroffenen Minderheitsgesellschafter ausreichend schützt.

B. Formwechsel der Zielgesellschaft in eine Kommanditgesellschaft Beliebt ist auch ein nach der aktuellen Fassung des Umwandlungsgesetzes166 gemäß den §§ 190, 191 Abs. 1 Nr. 2, 226 UmwG möglicher Formwechsel der Aktiengesellschaft in eine Kapitalgesellschaft und Co. KG. Die Zielgesellschaft wird hierbei in eine GmbH & Co. KG oder – wie die Beispielsfälle Grohe und Techem zeigen – in eine in der Praxis ansonsten nicht allzu häufig anzutreffende167 AG & Co. KG umgewandelt. Die Erwerbergesellschaft tritt dabei als nicht haftende Kommanditistin in die Gesellschaft ein, während eine von ihr abhängige Kapitalgesellschaft als einzig haftende Komplementärin fungiert168. Allerdings ist die alleinige Umwandlung der Aktiengesellschaft in eine Kommanditgesellschaft ohne persönlich haftenden Komplementär nicht geeignet, an den Kapitalerhaltungsvorschriften des GmbH- bzw. Aktienrechts vorbei einen Vermögenstransfer von der Ziel- auf die Erwerbergesellschaft 165 Vgl. zum Squeeze-Out (Parallelproblematik): Schäfer/Dette, NZG 2009, 1, 6; zu weitgehend Gesmann-Nuissl, WM 2002, 1205, 1210. 166 Dagegen ließ § 1 Abs. 2 UmwG 1969 eine Umwandlung einer Kapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft nicht zu, vgl. Liebscher, in: Sudhoff, GmbH & Co. KG, § 3 Rn. 19 (S. 50). 167 Kübler/Assmann, Gesellschaftsrecht, § 22 I 1. (S. 349); vgl. Beckmann, DStR 1995, 296. 168 Letztere muss bereits vor dem Formwechsel Gesellschafterin der Zielgesellschaft sein; vgl. Liebscher, in: Sudhoff, GmbH & Co. KG, § 3 Rn. 20 (S. 50 f.) m. w. N.

§ 3 Erwerbsmodell: Verschmelzung außerhalb des UmwG

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vorzunehmen. So ist in Rechtsprechung und Schrifttum anerkannt, dass – neben §§ 172 Abs. 4, 171 Abs. 1 S. 1 HGB – die jeweiligen Kapitalschutzvorschriften (§ 30 GmbHG, § 57 AktG) mittelbar in Bezug auf die Komplementärgesellschaft Anwendung finden169. Leistet die nunmehr als Kommanditgesellschaft organisierte Zielgesellschaft Vermögenswerte an die als Kommanditistin fungierende Erwerbergesellschaft und wird dadurch das gebundene Kapital der Komplementärin angegriffen, greift je nach Rechtsform der Komplementärgesellschaft § 30 Abs. 1 GmbHG oder § 57 Abs. 1, 3 AktG ein170. Eine Darlehensvergabe oder Sicherheitsleistung zu Gunsten der Erwerbergesellschaft ist demnach nach § 30 Abs. 1 S. 2 Var. 2 GmbHG bzw. § 57 Abs. 1 S. 3 Var. 2 AktG nur bei Vorliegen eines vollwertigen Gegenleistungs- oder Rückgewähranspruchs zulässig. Dies wird bei der oftmals überschuldeten Erwerbergesellschaft nicht der Fall sein und wäre dann auch nicht zielführend, da im Rahmen eines Leveraged Buyouts eine dauerhafte Refinanzierung bezweckt wird. Die Umwandlung in eine Kapitalgesellschaft und Co. KG ist daher im Rahmen eines Leveraged Buyouts zumeist nur ein Zwischenschritt zum Erwerbsmodell der „anwachsenden Verschmelzung“. Hierbei erfolgt die Verschmelzung von Ziel- und Erwerbergesellschaft außerhalb des Umwandlungsgesetzes.

§ 3 Erwerbsmodell: Verschmelzung außerhalb des UmwG A. Anwachsende Verschmelzung I. Verfahren Bei der „anwachsenden Verschmelzung“ scheiden nach der Umwandlung der Zielgesellschaft in eine Kommanditgesellschaft die von der Erwerbergesellschaft abhängige Komplementärgesellschaft sowie etwaige neben der Erwerbergesellschaft als Kommanditisten in der Gesellschaft verbliebene Minderheitsgesellschafter aus dieser aus171. Gemäß § 738 Abs. 1 S. 1 169

Für die GmbH & Co. KG: BGH, Urteil vom 19.2.1990 – II ZR 268/88, BGHZ 110, 342, 358; BGH, Urteil vom 27.3.1995 – II ZR 30/94, NJW 1995, 1960 f. nunmehr auch für den Fall, dass der Kommanditist nicht Gesellschafter der Komplementärin ist; Henze, in: Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, A. GmbH & Co. KG, Rn. 187 ff.; Kübler/Assmann, Gesellschaftsrecht, § 22 III 2. (S. 358) m. w. N.; Junker, DStR 1993, 1786, 1788 f. Ausdrücklich für die AG & Co. KG: Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, § 45 Rn. 15. 170 Vgl. Schäffler, BB-Special 2006, 1, 8. 171 Diese bei Leveraged Buyout gebräuchliche Variante der anwachsenden Verschmelzung wird auch „Quasi-Upstream-Verschmelzung“ genannt; vgl. zu dieser

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Kap. 4: Kapitalschutz bei mehrstufigen Erwerbsmodellen

BGB, der über §§ 105 Abs. 3, 161 Abs. 2 HGB auch für die Kommanditgesellschaft gilt, wachsen die Anteile der ausgeschiedenen Gesellschafter der Erwerbergesellschaft als nunmehr einzig verbliebenen Gesellschafterin zu172. Beim Ausscheiden des vorletzten Gesellschafters ist § 738 Abs. 1 S. 1 BGB analog anzuwenden, da die Norm nach ihrem Wortlaut das Verbleiben mehrerer Gesellschafter voraussetzt173. Sobald nur noch ein Kommanditist übrig ist, wird das Gesellschaftsverhältnis durch Konfusion beendet174. Die Kommanditgesellschaft erlischt ohne Auseinandersetzung. Die Erwerbergesellschaft tritt die Gesamtrechtsnachfolge in das Gesellschaftsvermögen an175. Als Variante der „anwachsenden Verschmelzung“ können sämtliche Kommanditisten ihre KG-Anteile in die Komplementär-Gesellschaft einbringen („erweitertes Anwachsungsmodell“)176. Auch ist denkbar, dass der vorletzte Gesellschafter auf die verbleibende Erwerbergesellschaft verschmolzen wird. Des Weiteren kann aus steuerrechtlichen Gründen als Komplementärin der GmbH (bzw. AG) & Co. KG eine weitere GmbH (bzw. AG) & Co. KG eingesetzt werden177. II. Kapitalschutz Das hier interessierende Problem des Kapitalschutzes ist in allen geschilderten Varianten identisch. Jeweils vereinigen sich aufgrund der gesetzlich angeordneten Rechtsfolge des § 738 Abs. 1 S. 1 BGB die Vermögensmassen von Erwerber- und Zielgesellschaft, ohne dass die Schutzvorschriften des Umwandlungsgesetzes (direkt) Anwendung finden. Die Erwerbergesellschaft hat somit innerhalb der kapitalschützenden Schranken ihrer Rechtsund zu weiteren Varianten der anwachsenden Verschmelzung und den entsprechenden steuerrechtlichen Überlegungen Seibt, in: FS Röhricht, S. 603, 605 ff. 172 Es handelt sich hierbei um einen Übergang kraft Gesetzes und nicht um eine rechtsgeschäftliche Übertragung von Anteilen vgl. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 45 II 5. (S. 1319); Krüger, NJW 1982, 2847. 173 Allgemeine Ansicht vgl. u.v. Ulmer, in: Münchener Kommentar zum BGB, § 738 Rn. 11; Sprau, in: Palandt, § 738 Rn. 1. 174 Diem, Akquisitionsfinanzierungen, § 49 Rn. 31 (S. 271). 175 Ganz herrschende Ansicht vgl. BGH, Urteil vom 16.12.1999 – VII ZR 53/97, NJW 2000, 1119; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 8 IV 2b (S. 209); Seibt, in: FS Röhricht, S. 603, 605 m. w. N. auch zur Gegenansicht. 176 Vgl. Seibt, in: FS Röhricht, S. 603, 609; Schmid/Dietel, DStR 2008, 529; zur steuerrechtlichen Behandlung Orth, DStR 2009, 192 ff. 177 Sog. mehrstufige oder doppelstöckige Kapitalgesellschaft und Co. KG. Vgl. zu den Besonderheiten der doppelstöckigen GmbH & Co. KG Liebscher, in: Sudhoff, GmbH & Co. KG, § 3 Rn. 18 ff. (S. 50). Zu den steuerlichen Besonderheiten Meyer-Scharenberg, DStR 1991, 919 ff.

§ 3 Erwerbsmodell: Verschmelzung außerhalb des UmwG

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form Zugriff auf das (ehemalige) Vermögen der Zielgesellschaft. Jenes kann somit eingesetzt werden, um die zur Finanzierung der Übernahme aufgenommenen Darlehensverbindlichkeiten zurückzuzahlen. Auf den ersten Blick lässt das Modell der „anwachsenden Verschmelzung“ „jeden Minderheiten- und Gläubigerschutz vermissen“178. Dieser Befund kann jedoch bezüglich der Minderheitsaktionäre nicht aufrechterhalten werden. Denn in der Kommanditgesellschaft verbleibende Minderheitsaktionäre können nicht gezwungen werden, aus dieser auszuscheiden. Vielmehr werden sie – wie in § 738 Abs. 1 S. 2 a. E. vorgesehen – sich ihr freiwilliges Ausscheiden angemessen vergüten lassen. Unter dem Aspekt des Minderheitenschutzes bestehen mithin keine Bedenken an der Zulässigkeit des Anwachsungsmodells. Anders verhält es sich mit dem Schutz der Gläubiger. Denn die Schutzvorschriften des Umwandlungsgesetzes, insbesondere der Anspruch auf Sicherheitsleistung nach § 22 UmwG, finden auf die „anwachsende Verschmelzung“ – jedenfalls direkt – keine Anwendung179. Auch ein Zustimmungsvorbehalt steht den Gläubigern anders als im Fall der Übernahme von Verbindlichkeiten im Wege der Einzelrechtsnachfolge (§ 415 BGB) nicht zu180. Die Altgläubiger der Zielgesellschaft sehen sich mit einer „neuen“ Gesellschaft konfrontiert, deren Fremdkapitalquote nach der Verschmelzung mit einer regelmäßig hoch verschuldeten Erwerbergesellschaft stark angestiegen ist181. Hieraus resultiert – zu Lasten der Altgläubiger – ein signifikant erhöhtes Insolvenzrisiko der verschmolzenen Zielgesellschaft. Bei der Prüfung der Zulässigkeit der „anwachsenden Verschmelzung“ ist mithin die Frage eines angemessenen Gläubigerschutzes von Bedeutung. 1. Generelle Zulässigkeit der anwachsenden Verschmelzung

Die „anwachsende Verschmelzung“ könnte unzulässig sein, wenn das Umwandlungsgesetz die Möglichkeiten der Verschmelzung abschließend regeln wollte. Tatsächlich statuiert § 1 Abs. 2 UmwG einen numerus clausus der Umwandlungsmöglichkeiten182. Dieser betrifft jedoch lediglich Umwandlungen nach dem UmwG („Eine Umwandlung i m S i n n e d e s 178

So Cahn, in: Spindler/Stilz, AktG, § 71a Rn. 45. Diem, Akquisitionsfinanzierungen, § 49 Rn. 33 (S. 271). 180 Otto, in: Assmann/Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, 2. Auflage, § 26 Rn. 138. 181 Siehe oben Kapitel 1 § 2 A. III. 1. 182 Lutter/Drygala, in: Lutter/Winter, UmwG, § 1 Rn. 26; Kallmeyer, UmwG, § 1 Rn. 20; Semler/Stengel, UmwG, 1 Rn. 58. 179

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Kap. 4: Kapitalschutz bei mehrstufigen Erwerbsmodellen

A b s a t z e s 1183 ist (. . .) nur möglich, wenn (. . .)“) und schließt ausweislich der Gesetzesbegründung die wirtschaftliche Verschmelzung außerhalb des UmwG nicht aus184. Das Umwandlungsgesetz stellt mithin lediglich ein Angebot des Gesetzgebers dar185. Eine Verpflichtung, die Umwandlung nach dessen Vorschriften vorzunehmen, besteht nicht. Folglich sind andere Arten der Umwandlung wie die „anwachsende Verschmelzung“ über § 738 Abs. 1 S. 1 BGB nicht wegen § 1 Abs. 2 UmwG generell unzulässig186. Noch nicht beantwortet ist damit die Frage, ob die Gläubigerschutzvorschriften des Umwandlungsgesetzes auf die „anwachsende Verschmelzung“ analog Anwendung finden. Dies ist jedoch nur dann in Betracht zu ziehen, wenn nicht schon die kapitalschützenden Normen des Aktienrechts (§ 71a AktG bzw. § 57 Abs. 1, 3 AktG) eingreifen. 2. Kein Verstoß gegen das Verbot der finanziellen Unterstützung (§ 71a Abs. 1 S. 1 AktG)

Kerber sieht in der Anwachsung einen Verstoß gegen das Verbot der finanziellen Unterstützung nach § 71a Abs. 1 AktG187. So habe die auf den Formwechsel der Aktiengesellschaft in eine Kommanditgesellschaft nachfolgende Anwachsung das alleinige Ziel, das Vermögen der Zielgesellschaft zur Finanzierung des Anteilserwerbs einzusetzen. Die Verschmelzung durch Anwachsung werde ausschließlich gewählt, um den transaktionshemmenden Vorschriften des Umwandlungsgesetzes zu entgehen. Hierin liege „ein Institutionenmissbrauch und ggf. ein Fall von Sittenwidrigkeit“. Die ratio des § 71a AktG solle gerade die durch die Leitungsmacht der Erwerbergesellschaft veranlasste, fusionsbedingte Vermischung von Aktiva und Passiva von Erwerber- und Zielgesellschaft verhindern188. Unklar bleibt, auf welchem Wege eine analoge Anwendung des § 71a Abs. 1 S. 1 AktG begründet werden soll. Nach hier vertretener Auffassung scheidet ein Verstoß gegen das Verbot der finanziellen Unterstützung schon aufgrund der zeitlichen Abfolge aus, da die Anwachsung erst nach der Übernahme und daher nicht mehr „zum Zweck des Erwerbs“ erfolgt189. 183

Gesperrte Hervorhebung vom Verfasser hinzugefügt. BT-Drucks. 12/6699, S. 80 = BR-Drucks. 75/94, S. 80; vgl. Kallmeyer, UmwG, § 1 Rn. 22. 185 Semler/Stengel, UmwG, 1 Rn. 60. 186 Ebenso Lutter/Drygala, in: Lutter/Winter, UmwG, § 1 Rn. 27; Kallmeyer, UmwG, § 1 Rn. 22. 187 Kerber, DB 2004, 1027, 1029; vgl. ders., NZG 2006, 50, 53. 188 Kerber, DB 2004, 1027, 1029. 189 Siehe oben Kapitel 3, § 2 B. I. 1. b). 184

§ 3 Erwerbsmodell: Verschmelzung außerhalb des UmwG

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Aber auch nach der herrschenden Gegenauffassung kommt hier eine analoge Anwendung nicht in Betracht. Zum einen besteht zum Zeitpunkt der Anwachsung aufgrund des Formwechsels der Zielgesellschaft in eine Kommanditgesellschaft keine Aktiengesellschaft mehr, so dass aus diesem Grund schon eine analoge Anwendung der aktienrechtlichen Kapitalschutzregel problematisch ist. Zum anderen liegt auch keine Umgehung der Schutzvorschriften des Umwandlungsrechts vor, da bei dem zuvor durchgeführten Formwechsel die Schutzvorschriften des Umwandlungsrechts eingreifen190. Hinzu kommt, dass eine Umgehung des Umwandlungsgesetzes schon ausscheidet, weil dieses Gesetz nur ein Angebot enthält, dessen sich die Gesellschaft bedienen kann jedoch – ausweislich der Gesetzesbegründung191 – nicht bedienen muss192. Im Übrigen will § 71a AktG nicht per se eine spätere Refinanzierung des Investments aus Mitteln der Zielgesellschaft verhindern, wie nicht zuletzt die Äußerungen des Richtliniengebers anlässlich der Kapitaländerungsrichtlinie zeigen193. Vielmehr verbietet das Verbot der finanziellen Unterstützung nur, den Kontrollerwerb unmittelbar aus dem Vermögen der Zielgesellschaft zu finanzieren. Der Investor wird auf den Kapitalmarkt verwiesen, wo eine Vorkontrolle der Finanzmärkte bezüglich der Tragfähigkeit des Übernahmekonzepts stattfindet194. Zuletzt wäre in der Praxis eine Rückabwicklung nach vollzogener Anwachsung – wie Kerber selbst einräumt – nahezu ausgeschlossen195. Aus all diesen Gründen steht § 71a Abs. 1 AktG der Anwachsung nicht entgegen196. 3. Vereinbarkeit mit der aktienrechtlichen Vermögensbindung (§ 57 Abs. 1 und 3 AktG)

Auch die aktienrechtlichen Ausschüttungsverbote in § 57 Abs. 1 und 3 AktG finden auf die „anwachsende Verschmelzung“ keine Anwendung. So wird durch das Ausscheiden des vorletzten Gesellschafters der Kommandit190 Oechsler, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 71a Rn. 27; Cahn, in: Spindler/Stilz, AktG, § 71a Rn. 45. 191 BT-Drucks. 12/6699, S. 80 = BR-Drucks. 75/94, S. 80. 192 Oechsler, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 71a Rn. 27; Semler/Stengel, UmwG, 1 Rn. 60, Habersack, in: FS Röhricht, S. 155, 176 m. w. N. 193 Vgl. hierzu Freitag, AG 2007, 157, 164. 194 Oechsler, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 71a Rn. 4; siehe oben ausführlich Kapitel 3 § 2 A. II. 2. b). 195 Kerber, DB 2004, 1027, 1031; Diem, Akquisitionsfinanzierungen, § 49 Rn. 34 (S. 271 f.). 196 Wie hier Oechsler, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 71a Rn. 27; Cahn, in: Spindler/Stilz, AktG, § 71a Rn. 45; Habersack, in: FS Röhricht, S. 155, 174 f.

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Kap. 4: Kapitalschutz bei mehrstufigen Erwerbsmodellen

gesellschaft kein Vermögen einer Aktiengesellschaft an ihre Aktionäre ausgeschüttet. Für einen Schutz von Minderheitsgesellschaftern, dem § 57 Abs. 3 AktG dient, ist schon im Ansatz kein Raum, da allein die Erwerbergesellschaft verbleibt und etwaige Minderheitsgesellschafter für ihr freiwilliges Ausscheiden gemäß § 738 Abs. 1 S. 2 BGB eine Abfindung erhalten. Auch das zum Schutz der Gläubiger bestehende Einlagenrückgewährverbot kann nicht eingreifen, da die Aktiengesellschaft zuvor in eine Kommanditgesellschaft umgewandelt wurde. Der Gläubigerschutz wird hierbei durch § 204 i. V. m. § 22 UmwG gewährleistet. Im Übrigen greifen nun die Kapitalschutzvorschriften der als Gesamtrechtsnachfolgerin der Kommanditgesellschaft weiter bestehenden Erwerbergesellschaft ein197. 4. Analoge Anwendung des § 22 UmwG

Allerdings kann der Einschätzung, dass der Schutz der Gläubiger der erloschenen Zielgesellschaft durch die Haftung des übernehmenden Gesellschafters besorgt wird198, nur teilweise zugestimmt werden. Zutreffend ist, dass die Rechtsform der Erwerbergesellschaft – zumeist eine GmbH – nunmehr das Kapitalschutzniveau vorgibt und die aktienrechtlichen Kapitalschutzvorschriften §§ 71a, 57 AktG beim Verschmelzungsvorgang keine Anwendung finden können. Jedoch besteht bei einer Verschmelzung eine spezifische Gefahr für die Gläubiger, die nicht durch die jeweils einschlägigen Kapitalschutzregeln vor und nach der Verschmelzung eingefangen werden kann. Denn eine Verschmelzung der Schuldnergesellschaft birgt für ihre Altgläubiger ein neues Risiko, welches über das von den Gläubigern zu tragende Insolvenzrisiko ihres Vertragspartners hinausgeht. Durch die Verschmelzung tragen sie nun auch das Insolvenzrisiko einer Gesellschaft mit, die sie sich nicht als Vertragspartner ausgesucht haben. Hinzu kommt, dass die neue Schuldnergesellschaft ggf. eine andere Rechtsform hat. Auf diesen Überlegungen beruht die Einführung des § 22 UmwG, der den Gläubigern einen Anspruch auf Sicherheitsleistung einräumt, wenn sie glaubhaft machen, dass durch die Verschmelzung die Erfüllung ihrer Forderungen gefährdet ist199. a) Vergleichbare Interessenlage Die „anwachsende Verschmelzung“ nach § 738 BGB sieht einen solchen Gläubigerschutz nicht vor. Dass jedoch für die Gläubiger das identische Schutzinteresse besteht, zeigt sich gerade in den Fällen des Leveraged Buy197 198 199

Vgl. Habersack, in: FS Röhricht, S. 155, 175. Habersack, in: FS Röhricht, S. 155, 175. Vgl. Grunewald, in: Lutter/Winter, UmwG, § 22 Rn. 3.

§ 3 Erwerbsmodell: Verschmelzung außerhalb des UmwG

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outs. Durch die Anwachsung vereinigen sich die Vermögensmassen der aufgrund der Darlehensverbindlichkeiten hoch verschuldeten Erwerbergesellschaft mit der in der Regel vermögenden Zielgesellschaft. Die Altgläubiger der Zielgesellschaft haben keine Handhabe, die Verschmelzung außerhalb des UmwG zu verhindern. Statt einer solventen Schuldnergesellschaft stehen sie nun einer „neuen“ Gesellschaft gegenüber, bei der aufgrund der erhöhten Fremdkapitalquote ein erhöhtes Insolvenzrisiko besteht. Die Erfüllung der Gläubigeransprüche ist dadurch oftmals verschmelzungsbedingt gefährdet. Dies entspricht exakt der Situation, die § 22 UmwG mit dem Anspruch auf Sicherheitsleistung begegnen will. Die Vorteile der „anwachsenden Verschmelzung“ – sie ist einfach, schnell und kostengünstig, da keine besonderen Verfahrensvorschriften einzuhalten sind200 – können auch bei einer analogen Anwendung des § 22 UmwG aufrechterhalten werden. Probleme bereitet alleine, dass es bei dem Anwachsungsmodell an einer gesetzlich angeordneten Handelsregistereintragung fehlt201. Denn die „Eintragung der Verschmelzung in das Register“ bildet im Rahmen des § 22 UmwG den Anknüpfungspunkt für die sechsmonatige Anmeldungsfrist der Gläubigeransprüche. Allerdings kann stattdessen an den im Handelsregister einzutragenden Anwachsungsvermerk angeknüpft werden, der die Gläubiger über die Umstrukturierung informiert202. Die für eine analoge Anwendung des § 22 UmwG erforderliche vergleichbare Interessenlage ist mithin gegeben. Da allein die Gläubigerinteressen gefährdet sind, bedarf es hingegen keiner analogen Anwendung der Vorschriften zum Schutz der Minderheitsgesellschafter wie etwa der Bestellung eines Verschmelzungsprüfers (§§ 9 f. UmwG) oder des Abfindungsangebots (§ 29 UmwG). Auch eine analoge Anwendung der Schadensersatzansprüche gegen Organmitglieder (§§ 25–27 UmwG) ist wegen der erheblichen Eingriffswirkung, die eine ausdrückliche Normengrundlage verlangt, abzulehnen203. b) Planwidrige Regelungslücke Fraglich ist, ob eine planwidrige Regelungslücke als zweite Voraussetzung für eine analoge Anwendung des § 22 UmwG besteht. Betrachtet man die gesetzliche ratio des Anwachsungsprinzips, zeigt sich, dass der Gesetzgeber bei der Anwachsung nicht bewusst auf ein Gläu200 201 202 203

Diem, Akquisitionsfinanzierungen, § 49 Rn. 35 (S. 272). Kritisch daher Seibt, in: FS Röhricht, S. 603, 625. Vgl. hierzu Gustavus, Handelsregister-Anmeldungen, A 33. Seibt, in: FS Röhricht, S. 603, 625.

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Kap. 4: Kapitalschutz bei mehrstufigen Erwerbsmodellen

bigerschutzsystem verzichtet hat. Zwar kann aus den Gesetzesmaterialien herausgelesen werden, dass er es absichtlich unterlassen hat, einen – bei der Einzelrechtsnachfolge gemäß § 415 BGB erforderlichen – Zustimmungsvorbehalt einzuführen204. Dadurch sollte der Übergang von geschlossenen Unternehmenseinheiten ermöglicht werden205 Die Interessen des letztverbleibenden Gesellschafters wurden folglich besonders gewichtet, während das Schutzbedürfnis der Gläubiger in den Hintergrund trat. Damit verbietet es sich, ein Zustimmungsvorbehalt zu Gunsten der Gläubiger anzunehmen, nicht jedoch einzelne umwandlungsrechtliche Gläubigerschutzbestimmungen analog anzuwenden206. Der Gesetzgeber sah die Anwachsung im ausgehenden 19. Jahrhundert nicht als Mittel, eine fremdfinanzierte Übernahme unter Umgehung des Gläubigerschutzes durchzuführen. Man kann somit von einer Planwidrigkeit der fehlenden Regelung sprechen, da dem Gesetzgeber zum damaligen Zeitpunkt weder das Gefahrenpotential der Regelung bewusst, noch die ca. 100 Jahre später im Umwandlungsgesetz eingeführte Gläubigerschutzvorschrift des § 22 UmwG bekannt war. Da § 738 BGB mithin keine gläubigerschützende Regelung vorsieht und eine solche auch nicht bewusst unterblieb, ist eine planwidrige Regelungslücke zu bejahen. Dagegen kann nicht angeführt werden, dass der Gesamtrechtsnachfolge durch Anwachsung bei der Aktiengesellschaft zwingend ein Formwechsel nach § 190 ff. UmwG vorangeht, bei dem die Gläubiger über § 204 UmwG in den Genuss des Anspruchs auf Sicherheitsleistung nach § 22 UmwG kommen207. Denn die für das Eingreifen des § 22 UmwG erforderliche Gefährdung der Gläubigerschutzansprüche wird regelmäßig nicht durch den Formwechsel verursacht, da auch in der Kapitalgesellschaft und Co. KG die jeweiligen Gläubigerschutzvorschriften der Kapitalgesellschaft Anwendung finden208. Erst mit der Anwachsung verbinden sich die Vermögensmassen von Erwerber- und Zielgesellschaft. Der Schutz des Umwandlungsgesetzes bei dem vorangegangenen Formwechsel läuft mithin ins Leere. 204

Ausführlich zur Entstehungsgeschichte Seibt, in: FS Röhricht, S. 603, 614 f. mit Nachweisen aus den Motiven zum 1. und 2. BGB Entwurf. 205 Ebd. 206 Ebenso Seibt, in: FS Röhricht, S. 603, 622. 207 Anders Oechsler, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 71a Rn. 27; Cahn, in: Spindler/Stilz, AktG, § 71a Rn. 45, die hierin wohl einen ausreichenden Gläubigerschutz sehen. 208 Für die GmbH & Co. KG: BGH, Urteil vom 19.2.1990 – II ZR 268/88, BGHZ 110, 342, 358; BGH, Urteil vom 27.3.1995 – II ZR 30/94, NJW 1995, 1960 f.; Henze, in: Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, A. GmbH & Co. KG, Rn. 187 ff.; Kübler/Assmann, Gesellschaftsrecht, § 22 III 2. (S. 358) m. w. N.; Junker, DStR 1993, 1786, 1788 f. Ausdrücklich für die AG & Co. KG: Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, § 45 Rn. 15. Zum Ganzen siehe oben Kapitel 4 § 2 B.

§ 3 Erwerbsmodell: Verschmelzung außerhalb des UmwG

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Zuletzt könnte § 1 Abs. 2 UmwG einer analogen Anwendung des § 22 UmwG auf die „anwachsende Verschmelzung“ entgegenstehen. Demnach sind Umwandlungen nach dem UmwG außer in den dort geregelten Fällen nur möglich, wenn sie gesetzlich durch Landes- oder Bundesrecht ausdrücklich vorgesehen sind. Hieraus wird teilweise ein Analogieverbot auch für einzelne Vorschriften des Umwandlungsgesetzes abgeleitet209. Der Rechtsprechung sei es verboten, im Wege der Rechtsfortbildung gesetzliche Umwandlungsvarianten durch Analogien zu Vorschriften des Umwandlungsgesetzes zu ergänzen. Ansonsten entstünde gegen den Willen des Gesetzgebers die Möglichkeit einer rechtsgeschäftlich veranlassten Gesamtrechtsnachfolge210. Hierin liegt jedoch eine Überinterpretation des umwandlungsrechtlichen Analogieverbotes. Zutreffend ist, dass § 1 Abs. 2 UmwG einer beliebigen Kombination der kraft Gesetzes vollzogenen wirtschaftlichen Umwandlungen mit den auf vertraglichen Regelungen basierenden Vorschriften des UmwG entgegensteht. Das Analogieverbot „im engeren Sinne“ sichert somit den in § 1 Abs. 2 UmwG festgeschriebenen numerus clausus der Umwandlungsmöglichkeiten auch gegenüber den wirtschaftlichen Verschmelzungen ab, die sich wie die „anwachsende Verschmelzung“ außerhalb des UmwG vollziehen211. Die Gefahr der Schaffung neuer rechtsgeschäftlicher Gesamtrechtsnachfolgemodelle besteht jedoch nicht, wenn man lediglich einzelne Wertungen des UmwG auf wirtschaftliche Umwandlungen überträgt. So wird die gesetzlich angeordnete Anwachsung nicht zu einer rechtsgeschäftlichen Verschmelzung, wenn man die gläubigerschützende Norm des § 22 UmwG analog anwendet. Ein solches „Analogieverbot im weiteren Sinne“ statuiert § 1 Abs. 2 UmwG gerade nicht212. Das Umwandlungsgesetz stellt gerade kein abgeschlossenes System dar, sondern bildet eine systematische Einheit mit dem HGB, AktG und GmbHG213. Mit der Rechtsprechung und der überwiegenden Ansicht in der Literatur ist somit eine analoge Anwendung einzelner Schutzvorschriften auf Sachverhalte außerhalb des UmwG zuzulassen214. Dem steht 209 Semler/Stengel, UmwG, § 1 Rn. 61 f.; Bungert, NZG 1998, 367, 368; Schnorbus, DB 2001, 1654, 1658; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 13 I 3 b) (363 f.). 210 Semler/Stengel, UmwG, § 1 Rn. 61. 211 Lutter/Drygala, in: Lutter/Winter, UmwG, § 1 Rn. 34. 212 Kallmeyer, UmwG, § 1 Rn. 23; Lutter/Drygala, in: Lutter/Winter, UmwG, § 1 Rn. 34. 213 Lutter/Drygala, § 1 Rn. 35. 214 LG Karlsruhe, Urteil vom 6.11.1997 – O 43-97, ZIP 1998, 385, 386 ff.; LG Frankfurt/M., Urteil vom 29.7.1997 – 3/5 O 162/95, ZIP 1997, 1698, 1701 f. bestätigt durch OLG Frankfurt/M. v. 23.3.1999, 5 U 193/97, NZG 1999, 887 ff. (jeweils zur analogen Anwendung bei der Ausgliederung durch Einzelrechtsübertragung); Kallmeyer, UmwG, § 1 Rn. 23; Lutter/Drygala, in: Lutter/Winter, UmwG, § 1 Rn. 35; ausführlich: Leinekugel, Die Ausstrahlungswirkungen des Umwandlungs-

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Kap. 4: Kapitalschutz bei mehrstufigen Erwerbsmodellen

auch nicht entgegen, dass ausweislich der Gesetzesbegründung die bisherige Verschmelzungsmöglichkeit des § 738 BGB erhalten bleiben soll, ohne dass zwingende Vorschriften des Umwandlungsgesetzes beachtet werden müssen215. Dies besagt lediglich, dass trotz des Inkrafttretens des Umwandlungsgesetzes die bisherigen gesetzlichen Umwandlungsmöglichkeiten weiterhin erhalten bleiben. Über eine Übertragung umwandlungsrechtlicher Schutzvorschriften auf die „anwachsende Verschmelzung“ trifft der Gesetzgeber keine Aussage. III. Zwischenergebnis Die in der Übernahmepraxis beliebte „anwachsende Verschmelzung“ nach § 738 Abs. 1 S. 1 BGB verstößt nicht gegen die aktienrechtlichen Kapitalschutzvorschriften § 57 Abs. 1, 3 AktG und § 71a Abs. 1 AktG. Zum Schutz der Gläubiger der Zielgesellschaft ist eine analoge Anwendung des § 22 UmwG zu befürworten.

B. Sonderfall: Schuldübernahme mit anwachsender Verschmelzung Eine besondere Gefährdungslage besteht, wenn der „anwachsenden Verschmelzung“ eine Schuldübernahme vorausgeht. Dabei finanziert die Erwerbergesellschaft den Kaufpreis nicht über eine Darlehensaufnahme vor, sondern übernimmt stattdessen eine Verbindlichkeit des Verkäufers gegen die Zielgesellschaft. Mit der Vereinigung von Erwerber- und Zielgesellschaft im Wege der „anwachsenden Verschmelzung“ erlischt die Forderung dann durch Konfusion. Damit erreicht die Erwerbergesellschaft, was das Verbot der finanziellen Unterstützung nach § 71a Abs. 1 S. 1 AktG im Grunde verhindern will216: die Finanzierung der Übernahme aus Mitteln der Zielgesellschaft, ohne sich der Vorkontrolle durch die Kapitalmärkte zu stellen. Der Streit, ob und an welcher Stelle bei diesem gestuften Vorgang die aktienrechtlichen Kapitalschutzvorschriften eingreifen, entzündete sich am Fall der Babcock Borsig AG gegen die Howaldtswerke Deutsche Werft GmbH (in Folgenden: HDW).

gesetzes, S. 156 ff. m. w. N.; a. A. LG Hamburg, Urteil vom 21.1.1997 – 402 O 122/96, DB 1997, 516 f.; Semler/Stengel, UmwG, § 1 Rn. 63 ff.; differenzierend: Seibt, in: FS Röhricht, S. 603, 616 ff.; Trölitzsch, DStR 1999, 764 ff. 215 Begr.-RegE., BT-Drucks. 12/6699, S. 80 = BR-Drucks. 75/94, S. 80. 216 Oechsler, in: Münchener Kommentar, AktG, § 71a Rn. 4; siehe oben Kapitel 3 § 2 A. II. 2. b).

§ 3 Erwerbsmodell: Verschmelzung außerhalb des UmwG

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I. Der Fall der Babcock Borsig AG gegen HDW217 Im Februar 2002 veräußerte die schon zu diesem Zeitpunkt unerkannt insolvente Babcock Borsig AG die Anteile ihrer Tochtergesellschaft, der Howaldtswerke Deutsche Werft AG (im Folgenden: HDW-alt), an die Investorengruppe OEP. Als Übernahmevehikel wurde von Seiten der OEP eine Erwerbergesellschaft in der Rechtsform der GmbH eingesetzt. Als Gegenleistung übernahm die Erwerbergesellschaft eine Verbindlichkeit der Babcock Borsig AG gegenüber der Zielgesellschaft (HDW-alt) in Höhe von 524 Mio. Euro. Die Forderung stammte aus dem konzernweiten zentralen Liquiditätsverbund zwischen Mutter- und Tochtergesellschaft. Etwa drei Jahre vor der Übernahme hatte HDW-alt der Babcock Borsig AG die Summe ungesichert als Darlehen überlassen. Die für die Wirksamkeit der Schuldübernahme gemäß § 415 Abs. 1 S. 1 BGB erforderliche Zustimmung des Gläubigers wurde von der HDW-alt erklärt. Im Folgenden wurde die Zielgesellschaft über die oben ausführlich beschriebene Methode218 der „anwachsenden Verschmelzung“ auf die Erwerbergesellschaft verschmolzen. Zunächst wurde hierfür die Zielgesellschaft HDW-alt nach §§ 190 ff. UmwG in eine GmbH & Co. KG umgewandelt. Die Erwerbergesellschaft erlangte dabei einen Kommanditanteil, eine weitere vermögenslose Zweckgesellschaft wurde als Komplementärin installiert. Durch das Ausscheiden aller Gesellschafter bis auf die Erwerbergesellschaft wuchs dieser gemäß § 738 Abs. 1 BGB das Vermögen der Zielgesellschaft im Wege der Gesamtrechtsnachfolge an. Bezüglich der als Kaufpreis von der Babcock Borsig AG übernommenen Verbindlichkeit in Höhe von 524 Mio. Euro kam es zur Vereinigung von Gläubiger und Schuldner. Dies führte nach den allgemeinen Regeln zum Erlöschen der ehemals der HDW-alt zustehenden Forderung durch Konfusion. Die formale Unterbilanz wurde durch die Aktivierung des Firmenwertes nach § 255 Abs. 4 HGB ausgeglichen. Im Juli 2002 wurde über das Vermögen der Babcock Borsig AG das Insolvenzverfahren eröffnet. Der Insolvenzverwalter bestritt die Wirksamkeit der Schuldübernahme wegen Verstoßes gegen § 71a Abs. 1 S. 1 AktG. Er verlangte von der nunmehr als HDW firmierenden Erwerbergesellschaft Zahlung des Kaufpreises in Höhe von 524 Mio. Euro.

217 Der Sachverhalt wird vereinfacht wiedergegeben aus den Feststellungen des LG Düsseldorf, Urteil vom 28.10.2005 – 39 O 180/04, ZIP 2006, 516 f. sowie der Sachverhaltwidergabe von Kerber, DB 2004, 1027 f. 218 Siehe oben, Kapitel 4 § 3 A.

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Kap. 4: Kapitalschutz bei mehrstufigen Erwerbsmodellen

II. Das Urteil des OLG Düsseldorf 1. Begründung

In letzter Instanz wies das OLG Düsseldorf die Klage des Insolvenzverwalters in einem mittlerweile rechtskräftigen Urteil ab219. Dabei ließ es das Gericht ausdrücklich offen, ob die aktienrechtlichen Kapitalschutzregelungen, §§ 71a, 57 AktG, auf die Schuldübernahme analog Anwendung fänden220. In erster Instanz hatte dies das LG Düsseldorf verneint221. In seiner Urteilsbegründung unterstellt der Senat zu Gunsten des Klägers und „ungeachtet der beachtlichen Einwendungen von Professor H.“222, dass die HDW-alt die Schuldübernahme wegen Verstoßes gegen § 71a AktG nicht wirksam genehmigen konnte223. Folgerichtig nimmt das Gericht weiter an, dass – wie vertraglich im Fall der fehlenden Genehmigung geregelt und in §§ 415 Abs. 3 S. 1, 329 BGB „im Zweifel“ vorgesehen – anstelle der Schuldübernahme ein Freistellungsanspruch der Babcock Borsig AG gegen die Erwerbergesellschaft trat. Die Verpflichtung, die Babcock Borsig AG von der Darlehensschuld gegen HDW-alt in Höhe von 524 Mio. Euro freizustellen, wandelte sich mit Eröffnung der Insolvenz der Babcock Borsig AG im September 2002 in einen in die Masse fallenden Zahlungsanspruch. Dieser hier nicht näher interessierende, insolvenzrechtliche Vorgang folgt aus dem Gleichbehandlungsgebot der Insolvenzgläubiger224. Dass das Gericht dennoch zur Ablehnung des Anspruches kam, hat seine Ursache in einer von Seiten des OLG befürworteten Bedingungskonstruktion. So stünde der Freistellungsanspruch und spätere Zahlungsanspruch unter der auflösenden Bedingung der Genehmigung der Schuldübernahme225. Mit der Umwandlung der HDW-alt in eine andere Rechtsform stand das fingierte Verbot des § 71a AktG der Genehmigung nicht mehr entgegen226. Damit konnte nach Auffassung des Senats die durch die „anwachsende Verschmelzung“ aus der HDW-alt als Rechtsnachfolgerin hervorgegangene HDW die Wirksamkeit der Schuldübernahmevereinbarung nachträglich ge219 OLG Düsseldorf, Urteil vom 28.9.2006 – I-5 U 6/06, NZG 2007, 273 ff. Der BGH hat die Nichtzulassungsbeschwerde abgelehnt, BGH, Beschluss vom 11.12.2007 – XI ZR 342/06 (Quelle: juris). 220 OLG Düsseldorf, 274. 221 LG Düsseldorf, Urteil vom 28.10.2005 – 39 O 180/04, ZIP 2006, 516 ff. 222 Das Gericht bezieht sich auf Ausführungen von Prof. H. (gemeint: Habersack); vgl. diesbezüglich Habersack, in: FS Röhricht, S. 155, 171 ff. 223 OLG Düsseldorf, Urteil vom 28.9.2006 – I-5 U 6/06, NZG 2007, 273, 274. 224 BGH, Urteil vom 16.9.1993 – IX ZR 255/92, NJW 1994, 49, 51; OLG Düsseldorf, 275 m. w. N. 225 OLG Düsseldorf, 275 f. 226 Insoweit unstreitig vgl. Oechsler, NZG 2007, 252.

§ 3 Erwerbsmodell: Verschmelzung außerhalb des UmwG

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nehmigen227. Nach § 158 Abs. 2 BGB ging damit der Zahlungsanspruch der insolventen Babcock Borsig AG gegen die Rechtsnachfolgerin der Erwerbergesellschaft unter. Gleichzeitig traten die Folgen der Schuldübernahme ein. Da Gläubiger (HDW-alt) und Neuschuldner (Erwerbergesellschaft) mittlerweile in einer Gesellschaft (HDW) verschmolzen waren, ging der Anspruch auf Zahlung der 524 Mio. Euro durch Konfusion unter. 2. Würdigung

Das OLG Düsseldorf hat im Ergebnis die Klage zu Recht abgewiesen. Würde man den Zahlungsanspruch der insolventen Babcock Borsig AG gegen die HDW bejahen, wäre der Zweck des aktienrechtlichen Kapitalschutzes ad absurdum geführt. Denn dann müsste letztlich die durch die Kapitalschutzvorschriften geschützte und nun mit der Erwerbergesellschaft verschmolzene Zielgesellschaft den Kaufpreis bezahlen228. Umgekehrt käme mit der Babcock Borsig AG die ehemalige Schuldnerin in den Genuss der Forderung über 524 Mio. Euro, die materiell-rechtlich der Zielgesellschaft zusteht. Anstelle des Schutzes ihrer Gläubiger würden die Gläubiger der Babcock Borsig AG ohne sachlichen Grund bevorteilt. Hingegen kann die Begründung des Gerichts nicht überzeugen. Zunächst ist die These, dass der Freistellungsanspruch aus §§ 415 Abs. 3 S. 1, 329 BGB auflösend bedingt durch den Vollzug der Schuldübernahme in die Masse gefallen sei, angreifbar. Denn anders als im Fall der auflösend bedingten Insolvenzanfechtung (§ 42 InsO), handelt es sich bei der Genehmigung nach §§ 415 Abs. 1, 185 BGB nicht um eine Bedingung, sondern um eine Rechtsbedingung, auf die die Grundsätze der §§ 158 ff. BGB nach h. M. keine Anwendung finden229. Des Weiteren ist unstreitig eine Heilung von ex nunc nichtigen Rechtsgeschäften nicht möglich230. Der Senat selbst nimmt daher nicht die Heilung der wegen § 71a AktG unterstellten nichtigen Genehmigung der Schuldübernahme an, sondern lässt eine „neue“ Genehmigung durch die aus der Verschmelzung von Erwerber- und Zielgesellschaft hervorgegangenen Rechtsnachfolgerin zu. In der Konsequenz würde dies für alle mehrstufigen Erwerbstatbestände den (unterstellten) Schutz von § 71a Abs. 1 S. 1 AktG aushebeln, da nach der Übernahme die Erwerberge227

OLG Düsseldorf, 276. Ähnlich LG Düsseldorf, Urteil vom 28.10.2005 – 39 O 180/04, ZIP 2006, 516, 521. 229 Oechsler, NZG 2007, 252 mit Verweis auf BGH, Urteil vom NJW 2000, 2272, 2273. 230 Ebenso OLG Düsseldorf, Urteil vom 28.9.2006 – I-5 U 6/06, NZG 2007, 273, 276. 228

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Kap. 4: Kapitalschutz bei mehrstufigen Erwerbsmodellen

sellschaft mit ihrer Mehrheit stets die Genehmigung der Schuldübernahme herbeiführen könnte. Unabhängig von der Frage, ob ein effektiver Kapitalschutz hier ein Eingreifen des Verbots der finanziellen Unterstützung verlangt, ist es nicht überzeugend, zunächst eine Norm hypothetisch anzuwenden, um sie dann durch die Zulassung der nachträglichen Genehmigung wirkungslos zu machen. Zuletzt begegnet der Argumentation des OLG auch von insolvenzrechtlicher Seite Bedenken. Die Zulassung einer Genehmigung der Schuldübernahme nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens käme einem Absonderungsrecht des Drittgläubigers gleich. Durch einseitige Genehmigungserklärung könnte der Drittschuldner seine Position als Insolvenzgläubiger in die Rechtstellung eines Absonderungsberechtigten umwandeln231. III. Die Genehmigung der Schuldübernahme als Verstoß gegen § 71a Abs. 1 S. 1AktG Mit der Ablehnung des Lösungsweges des OLG Düsseldorf bleibt die im Zentrum der erstinstanzlichen Auseinandersetzung stehende, höchstrichterlich ungeklärte232 Frage streitentscheidend, „ob und wenn ja, unter welchen Voraussetzungen die Genehmigung der zum Zwecke des Unternehmenskaufs vereinbarten Übernahme von Verbindlichkeiten des Veräußerers gegenüber der Zielgesellschaft eine unzulässige Finanzhilfe i. S. d. § 71a AktG und/oder eine nach § 57 AktG unzulässige Auszahlung darstellt“233. 1. Das Kriterium des Liquiditätsabflusses

Das LG Düsseldorf234 sieht im Einklang mit einer in der Literatur vertretenen Ansicht235 in der Genehmigung der Schuldübernahme grundsätzlich keinen Verstoß gegen § 71a Abs. 1 S. 1 AktG. Zur Begründung wird hauptsächlich darauf verwiesen, dass bei der Schuldübernahme keine liquiden Mittel aus dem Vermögen der diese genehmigenden Zielgesellschaft abflössen236. Das Kriterium des Liquiditätsabflusses erweist sich jedoch als nicht 231 Ausführlich hierzu Oechsler, NZG 2007, 252, 253, auch wenn hier wegen der Konfusion der Forderung in concreto eine Bevorzugung des Drittgläubigers nicht droht. 232 OLG Düsseldorf, Urteil vom 28.9.2006 – I-5 U 6/06, juris Rn. 59. 233 OLG Düsseldorf, versehen mit dem Hinweis, dass eine Streitentscheidung – entgegen der hier vertretenen Ansicht – offen bleiben kann. 234 LG Düsseldorf, Urteil vom 28.10.2005 – 39 O 180/04, ZIP 2006, 516 ff. 235 Habersack, in: FS Röhricht, S. 155, 172 f., ähnlich Nuyken, ZIP 2004, 1893, 1896 f. 236 LG Düsseldorf, Urteil vom 28.10.2005 – 39 O 180/04, ZIP 2006, 516, 519; Habersack, in: FS Röhricht, S. 155, 172.

§ 3 Erwerbsmodell: Verschmelzung außerhalb des UmwG

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geeignet, die von dem Verbot der finanziellen Unterstützung erfassten Fälle abzugrenzen. Das Gericht stellt zwar zu Recht klar, dass § 71a Abs. 1 S. 1 AktG nicht jegliche finanzielle Hilfeleistung für den Erwerber verbietet, sondern nur solche, die mit den ausdrücklich genannten Fällen „vergleichbar“ sind237. Während bei Darlehen und Vorschuss liquide Haftungsmassen die Zielgesellschaft verlassen, ist dies bei der ebenfalls genannten (schuldrechtlichen) Sicherheit nicht der Fall. Die These, die Mindestanforderung für § 71a Abs. 1 S. 1 AktG sei die Weggabe liquider Vermögenswerte aus dem Gesellschaftsvermögen238, kann daher nicht aufrechterhalten werden und wird auch vom LG Düsseldorf nicht konsequent verfolgt239. Auch der Versuch einer Abgrenzung über das auf eine Sicherheitsleistung zutreffende Kriterium der Begründung einer neuen, zusätzlichen Verbindlichkeit240 überzeugt nicht. Kleinster gemeinsamer Nenner für die Fälle des Verbots der finanziellen Unterstützung ist vielmehr eine Vermögensgefährdung. Dies folgt aus dem Schutzzweck der Norm, das Kapital der Zielgesellschaft zu erhalten241. 2. Konkrete Vermögensgefährdung

Dass für § 71a Abs. 1 S. 1 AktG weder die Begründung einer neuen Verbindlichkeit noch die Weggabe liquider Haftungsmasse Voraussetzung ist, zeigt gerade der Fall des Schuldnerwechsels. Tritt anstelle des solventen Schuldners eine Erwerbergesellschaft mit schlechter Bonität, erhöht sich das Ausfallrisiko. Eine Gefährdung des Gesellschaftsvermögens ist dann zu bejahen242. Die Genehmigung der Schuldübernahme erfolgt auch „zum Zweck des Erwerbs“, denn hierdurch wird der Erwerbergesellschaft ermöglicht, die Schuld zu übernehmen und damit den Kaufpreis für die Übernahme zu leisten. Dies führt zur Umgehung der Vorkontrolle der Finanzmärkte, da die Erwerbergesellschaft die Übernahme durchführen kann, ohne 237 Da hier im Vorfeld der Übernahme mangels Eingreifen des § 57 AktG das Kriterium der Regelungslücke erfüllt ist, kommt die Rechtsprechung mit der Regelbeispielskonstruktion zu den gleichen Ergebnissen wie die hier präferierte Lösung über eine analoge Anwendung des § 71a Abs. 1 S. 1 AktG; zu den Unterschieden in der dogmatischen Begründung siehe oben Kapitel 3 § 2 B. II. 1. 238 LG Düsseldorf, ebd. 239 Auch das LG Düsseldorf nimmt später einen Bonitätsvergleich von Alt- und Neuschuldner vor, LG Düsseldorf, 520; vgl. auch Habersack, in: FS Röhricht, S. 155, 173, der ebenfalls die Möglichkeit einer konkreten Vermögensgefährdung einräumt. 240 Vgl. LG Düsseldorf, 519; Habersack, 155, 172. 241 Siehe oben Kapitel 3 § 2 A. II. 242 Ebenso Cahn, in: Spindler/Stilz, AktG, § 71a Rn. 47; Habersack, in: FS Röhricht, S. 155, 173.

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Kap. 4: Kapitalschutz bei mehrstufigen Erwerbsmodellen

hierfür Fremdkapital aufzunehmen. Teilweise wird ein Verstoß gegen das Verbot der finanziellen Unterstützung trotz schlechterer Bonität des Neuschuldners verneint. Zur Begründung wird darauf verwiesen, dass die Zielgesellschaft im Hinblick auf die Finanzierung völlig inaktiv bliebe243. Diese Ansicht übersieht jedoch, dass die Zielgesellschaft mit der Genehmigung der Schuldübernahme eine conditio sine qua non für die Kaufpreisfinanzierung setzt und damit maßgeblich die Übernahme unterstützt. Ein Verstoß gegen § 71a Abs. 1 S. 1 AktG analog liegt somit vor, wenn der Schuldnertausch aufgrund der schlechteren Bonität des Neuschuldners das Risiko eines Forderungsausfalls erhöht. Im Fall der Babcock Borsig AG gegen HDW sprechen die tatsächlichen Umstände gegen eine solche konkrete Schlechterstellung, da die Babcock Borsig AG nach den Feststellungen des LG Düsseldorf244 zum Zeitpunkt der Schuldübernahme schon insolvent war. 3. Abstrakte Vermögensgefährdung

Des Weiteren stellt sich die Frage, ob über die Vermögensgefährdung im konkreten Fall hinaus nicht in jeder Genehmigung zu einer Schuldübernahme eine abstrakte Vermögensgefährdung und damit ein Anwendungsfall von § 71a Abs. 1 S. 1 AktG zu sehen ist. Dagegen spricht maßgeblich, dass bei einer Schuldübernahme lediglich der Darlehensschuldner ausgetauscht wird. Es handelt sich mithin um ein neutrales Geschäft245. Zu einer Verschlechterung kann es nur kommen, wenn der neue Schuldner im konkreten Fall eine schlechtere Bonität aufweist246. Eine abstrakte Vermögensgefährdung kann auch nicht mit der Schaffung eines von § 71a Abs. 1 S. 1 AktG missbilligten „Doppelrisikos“ begründet werden. Ein solches besteht, wenn Aktionärs- und Schuldnerstellung zusammenfallen. Sinkt der Aktienkurs, verschlechtern sich gleichzeitig die Vermögensverhältnisse des Schuldners. Dadurch kann die Rückzahlung der gegenüber der Zielgesellschaft bestehenden Schuld gefährdet werden, insbesondere wenn – wie oftmals bei den Erwerbergesellschaften – die Aktien der Zielgesellschaft den alleinigen Vermögenswert darstellen. Dies schadet 243

Nuyken, ZIP 2004, 1893, 1897. Vgl. zum festgestellten Sachverhalt LG Düsseldorf, Urteil vom 28.10.2005 – 39 O 180/04, ZIP 2006, 516. Unklar diesbezüglich die Ausführungen des LG Düsseldorf, S. 520 wonach es nicht darauf ankomme, ob die Babcock Borsig AG oder die Erwerbergesellschaft finanziell schlechter stünde, da allenfalls die erhoffte Verbesserung der Vermögenslage ausbliebe. 245 LG Düsseldorf, Urteil vom 28.10.2005 – 39 O 180/04, ZIP 2006, 516, 519; Habersack, in: FS Röhricht, S. 155, 172. 246 LG Düsseldorf, ebd. 244

§ 3 Erwerbsmodell: Verschmelzung außerhalb des UmwG

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wiederum der Vermögenslage der Zielgesellschaft. Bei der Schuldübernahme bestand dieses „Doppelrisiko“ jedoch bereits beim verkaufenden Altaktionär. Durch die Schuldübernahme wird damit lediglich das „Doppelrisiko“ nicht beseitigt247. Teilweise wird unabhängig von der Bonität des übernehmenden Schuldners eine Vermögensgefährdung darin gesehen, dass der Gläubiger den Altschuldner aus der Schuld entlässt248. Dies sei „ein Musterbeispiel einer verbotenen Ausschüttung“, gerade wenn die verkaufende Muttergesellschaft über ihre Mehrheitsbeteiligung Einfluss auf die erforderliche Genehmigung ihrer Tochter nach § 415 Abs. 1 S. 1 BGB nehmen kann249. Dieser Ansicht liegt jedoch ein zu formelles Verständnis der Schuldübernahme zu Grunde. So wird in der zivilrechtlichen Dogmatik die Schuldübernahme gerade nicht als eine Kombination aus Forderungsverzicht gegenüber dem Altschuldner und Novation gegenüber dem Neuschuldner verstanden. Vielmehr wird – spiegelbildlich zur Abtretung – die Identität der Schuld betont250. Die Zusammenfassung des Vorgangs als einheitliches Rechtsgeschäft spiegelt auch die wirtschaftliche Wirklichkeit wider. Die Zielgesellschaft entlässt gerade nicht den Altgläubiger ohne Gegenleistung, sondern nur aufgrund der Präsentation eines neuen Schuldners251. In der Schuldübernahme liegt damit nicht strukturell eine Gefährdung des Gesellschaftsvermögens der Zielgesellschaft. Dies wird besonders deutlich, wenn ein wirtschaftlich angeschlagener Schuldner durch einen solventen Neuschuldner ersetzt wird. In diesem Fall verbessert sich sogar die Vermögenslage der Zielgesellschaft. Zuletzt wird versucht, die Schuldübernahme im Rahmen eines Leveraged Buyouts unter das Verbot der finanziellen Unterstützung zu fassen, indem die subjektive Absicht der Parteien, die Forderung später durch Konfusion zum Erlöschen zu bringen, berücksichtigt wird252. Jeder Bonitätsvergleich zwischen Veräußerer und Erwerbergesellschaft erübrige sich, wenn später die Verschmelzung von Erwerber- und Zielgesellschaft geplant sei253. Ein subjektives Element ist dem Verbot der finanziellen Unterstützung jedoch fremd und würde überdies zu einem nicht kalkulierbaren Risiko für die Rechtssicherheit führen. Die Wirksamkeit eines Rechtsgeschäfts hinge so 247

Habersack, in: FS Röhricht, S. 155, 172 f. Oechsler, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 71a Rn. 28; ders., ZIP 2006, 1661, 1665. 249 Oechsler, ZIP 2006, 1661, 1665. 250 Insoweit unstreitig Möschel, in: Münchener Kommentar, Vor § 414 Rn. 2; Rieble, in: Staudinger, BGB, § 414 Rn. 1; Heinrichs, in: Palandt, vor § 414 Rn. 1. 251 A. A. Oechsler, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 71a Rn. 28; ders., ZIP 2006, 1661, 1665. 252 Kerber, NZG 2006, 50, 53; ders., ZIP 2006, 522, 524. 253 Kerber, NZG 2006, 50, 53. 248

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Kap. 4: Kapitalschutz bei mehrstufigen Erwerbsmodellen

vom erst nach der Übernahme zu Tage tretenden Willen der Parteien ab. Schuldübernahme und eine folgende Verschmelzung sind zwei rechtlich getrennte Vorgänge, die jeweils isoliert auf ihre Wirksamkeit zu untersuchen sind254. Die Forderung geht erst mit der Verschmelzung durch Konfusion unter. Dort ist die Frage des Gläubigerschutzes neu zu stellen. Für die Schuldübernahme haben später geplante Umstrukturierungen und ein hieraus resultierender Forderungsuntergang keine Relevanz. Damit ist als Ergebnis festzuhalten, dass bei einer Genehmigung zur Schuldübernahme das Verbot der finanziellen Unterstützung in analoger Anwendung nur eingreift, wenn aufgrund der schlechteren Bonität des Neuschuldners eine konkrete Vermögensgefährdung eintritt255. Im vorliegenden Fall war dies aufgrund der versteckten Insolvenz der verkaufenden Babcock Borsig AG abzulehnen256. IV. Genehmigung der Schuldübernahme als Verstoß gegen § 57 AktG Der Meinungsstand bezüglich eines Verstoßes gegen die Ausschüttungsverbote von § 57 Abs. 1 und 3 verläuft parallel zu den im Rahmen von § 71a Abs. 1 S. 1 AktG aufgezeigten Argumentationslinien. Während das LG Düsseldorf wiederum darauf abstellt, dass durch die Schuldübernahme kein liquides Vermögen von der Zielgesellschaft abgeflossen ist257, verweist die Gegenansicht darauf, dass die befreiende Schuldübernahme wirtschaftlich betrachtet dem Gläubiger das Opfer der Altschuld abverlangt258. Nach letzterer Ansicht würde § 57 AktG jedoch vom Verbot der finanziellen Unterstützung als Spezialnorm verdrängt259. Nach dem hier vertretenen Standpunkt kommt § 57 Abs. 1 und 3 AktG bezüglich einer Ausschüttung an die Erwerbergesellschaft schon deshalb nicht in Betracht, weil die Norm nur gegenüber Aktionären eingreift260. Die Genehmigung der Schuldübernahme erfolgt jedoch vor dem Aktienerwerb, so dass ausschließlich das Verbot der finanziellen Unterstützung anzuwenden ist. Eine verbotene Ausschüttung könnte jedoch gegenüber dem verkaufenden Altaktionär – hier also der Babcock Borsig AG – vorliegen, da dieser 254 Ebenso LG Düsseldorf, Urteil vom 28.10.2005 – 39 O 180/04, ZIP 2006, 516, 520. 255 So auch im Ergebnis Habersack, in: FS Röhricht, S. 155, 172 f. 256 So auch im Ergebnis LG Düsseldorf, ebd. 257 LG Düsseldorf, Urteil vom 28.10.2005 – 39 O 180/04, ZIP 2006, 516, 521. 258 Oechsler, ZIP 2006, 1661, 1665. 259 Ebd. 260 Siehe oben Kapitel 3 § 3 B.

§ 3 Erwerbsmodell: Verschmelzung außerhalb des UmwG

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zum Zeitpunkt der Genehmigung der Schuldübernahme Aktionär der Zielgesellschaft war. Tatsächlich wird ein Verstoß gegen die Ausschüttungsverbote des § 57 Abs. 1 und 3 AktG damit begründet, dass der Altschuldner ohne eine marktübliche Vereinbarung aus der Verbindlichkeit entlassen werde261. Wiederum verkennt diese Ansicht den Charakter der Schuldübernahme als einheitliches, die Identität der Schuld wahrendes Rechtsgeschäft262. Da anstelle des Altschuldners ein Neuschuldner tritt, handelt es sich für die Zielgesellschaft um ein neutrales Geschäft263. Auch der Altaktionär wird nicht einseitig bevorzugt, da er als Gegenleistung für die Schuldübernahme seinen Aktienanteil verliert. Die Zielgesellschaft wird gerade durch die nach § 415 Abs. 1 S. 1 BGB erforderliche Genehmigung zur Schuldübernahme vor einem Austausch eines solventen Schuldners durch einen Schuldner mit schlechterer Bonität geschützt. Erst wenn eine durch ihren aktuellen oder zukünftigen Mehrheitsgesellschafter beeinflusste Zielgesellschaft nicht ihre Vermögensinteressen vertritt, sondern die Genehmigung erteilt, obwohl sich das Ausfallrisiko der Forderung erhöht, verstößt sie gegen kapitalschützende Normen. Dann liegt eine konkrete Vermögensgefährdung vor. Im Vorfeld der Übernahme führt dies dann zur Nichtigkeit der Genehmigung der Schuldübernahme nach § 71a Abs. 1 S. 1 AktG. In diesem Fall tritt gemäß § 415 Abs. 3 BGB anstelle des Schuldübergangs „im Zweifel“ die Verpflichtung des Übernehmers, den Gläubiger rechtzeitig zu befriedigen. Die §§ 62, 57 AktG können somit im vorliegenden Fall nur bezüglich des Darlehens in Höhe von 524 Mio. Euro eingreifen, dass vor der Schuldübernahme von der HDW-alt an ihre damalige Muttergesellschaft, der Babcock Borsig AG, ausgezahlt wurde. Ein Verstoß gegen § 57 Abs. 1, 3 AktG ist – vorbehaltlich der in Kapitel 5 zu behandelnden konzernrechtlichen Spezialregelungen – gegeben, wenn die Darlehensverpflichtung nicht durch einen vollwertigen Gegenleistungs- oder Rückgewähranspruch gegen den Aktionär gedeckt ist (§ 57 Abs. 1 S. 3 AktG). Im vorliegenden Fall hätten diesbezüglich die Umstände der Entstehung der Cash-Pool-Verbindlichkeit näher beleuchtet werden können. Denn ausweislich des vom LG Düsseldorf festgestellten Sachverhalts wurde von HDW-alt sämtliche disponible Liquidität sicherungsfrei an die Babcock Borsig AG ausgeliehen264. Der Vorgang betrifft jedoch nicht die hier zu behandelnden Besonderheiten 261

Oechsler, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 71a Rn. 28. Vgl. Möschel, in: Münchener Kommentar zum BGB, Vor § 414 Rn. 2 („Sonderrechtsnachfolge unter Identitätswahrung der Schuld“); Rieble, in: Staudinger, BGB, § 414 Rn. 1; Heinrichs, in: Palandt, Überbl. vor § 414 Rn. 1. 263 Vgl. LG Düsseldorf, Urteil vom 28.10.2005 – 39 O 180/04, ZIP 2006, 516, 519. 264 LG Düsseldorf, Urteil vom 28.10.2005 – 39 O 180/04, ZIP 2006, 516. 262

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Kap. 4: Kapitalschutz bei mehrstufigen Erwerbsmodellen

der mehrstufigen Erwerbsvorgänge. Diesbezüglich kann auf die Ausführungen in Kapitel 3 und 5 verwiesen werden265. V. Anwachsende Verschmelzung und Konfusion 1. Gläubigerschutz nach § 22 UmwG analog

Die im Nachgang der Übernahme zwischen der Erwerbergesellschaft und der HDW-alt vorgenommene „anwachsende Verschmelzung“ nach § 738 Abs. 1 S. 1 BGB verstößt nach hier vertretener Ansicht nicht gegen die aktienrechtlichen Kapitalschutzvorschriften § 57 Abs. 1, 3 AktG und § 71a AktG266. Dies gilt auch bei der hier vorgenommenen internen Finanzierung, die durch das konfusionsbedingte Erlöschen der Cash-Pool-Verbindlichkeit gekennzeichnet ist. Der Einschätzung Kerbers, durch die Wahl der „anwachsenden Verschmelzung“ würden missbräuchlich die transaktionshemmenden Vorschriften des UmwG umgangen267, kann nicht gefolgt werden. Wie bereits ausgeführt, ist das UmwG nur ein Angebot des Gesetzgebers, dem der Gesetzesanwender folgen kann, aber nicht muss268. In der „anwachsenden Verschmelzung“ nach § 738 Abs. 1 S. 1 BGB kann daher weder ein Fall des Institutionenmissbrauchs noch der Sittenwidrigkeit gesehen werden269. Damit finden auch die Schadensersatzansprüche aus § 117 AktG und § 826 BGB, die flankierenden Schutz bieten, auf die vorliegende Konstellation regelmäßig keine Anwendung. Die Gegenansicht, die die gesamte Transaktion als „tendenziell kollusiv und potentiell sittenwidrig“ bezeichnet270, verfolgt mit der Nichtigkeit nach § 71a Abs. 1 S. 1 AktG eine radikale Lösung, die überdies zu unausgewogenen Ergebnissen führt. So würden von der Nichtigkeit der Schuldübernahme letztlich nur die Gläubiger der Babcock Borsig AG profitieren, nicht jedoch die Gläubiger der Zielgesellschaft271. Die Nichtigkeit der Verschmelzung hätte die Rückabwicklung aller Vorgänge zur Folge. Nach vollzogener 265 Siehe oben Kapitel 3 § 1 B. II. 3. b) aa); zu den konzernrechtlichen Besonderheiten siehe unten Kapitel 5 § 1 B., § 3 B. 266 Siehe oben Kapitel 4 § 3 A. II. 267 Kerber, DB 2004, 2027, 2029; ders., NZG 2006, 50, 53. 268 Oechsler, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 71a Rn. 27; Semler/Stengel, UmwG, 1 Rn. 60, Habersack, in: FS Röhricht, S. 155, 176 m. w. N.; vgl. auch BT-Drucks. 12/6699, S. 80 = BR-Drucks. 75/94, S. 80; siehe auch oben Kapitel 4 § 3 A. II. 1., 2. 269 Ebenso Habersack, S. 155, 175 f. 270 Kerber, NZG 2006, 50, 53. 271 Siehe oben Kapitel 4 § 3 B. II. 1.

§ 3 Erwerbsmodell: Verschmelzung außerhalb des UmwG

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Anwachsung wäre dies – wie Kerber selbst einräumt – aus praktischen Gründen nahezu ausgeschlossen272. Beachtlich ist jedoch der Hinweis der Gegenansicht, dass bei der „anwachsenden Verschmelzung“ der gesetzlich vorgesehene Gläubigerschutz unzureichend ist273. Während diese Art der Verschmelzung nicht gegen den Willen der Minderheitsgesellschafter durchgeführt werden kann – sie müssen ihren Austritt aus der Kommanditgesellschaft erklären –274, stehen die Gläubiger der Zielgesellschaft den Umstrukturierungen weitgehend machtlos gegenüber. Zwar steht ihnen bei dem im Vorfeld der „anwachsenden Verschmelzung“ durchgeführten Formwechsel der Aktiengesellschaft in eine Kommanditgesellschaft der umwandlungsrechtliche Gläubigerschutz der §§ 204, 22 UmwG zur Seite275. Der Anspruch auf Sicherungsleistung setzt indes nach § 22 Abs. 1 S. 2 UmwG voraus, dass der Gläubiger glaubhaft macht, dass seine Forderung gefährdet ist. Diese Gefahr entsteht aber regelmäßig erst bei der „anwachsenden Verschmelzung“ durch die Verschlechterung der Vermögenslage der Zielgesellschaft aufgrund des Untergangs der Cash-Pool-Forderung durch Konfusion. Damit müssten die Gläubiger mit den Verschmelzungsplänen der Kommanditgesellschaft argumentieren, die – wie jedes rein subjektive Element – schwer nachweisbar sind. Um diese Schutzlücke zu schließen, wird nach hier vertretener Ansicht die analoge Anwendung des § 22 UmwG auch auf die „anwachsende Verschmelzung“ befürwortet276. Freilich gibt dies im Vergleich zur Situation der Gläubiger vor Schuldübernahme und „anwachsender Verschmelzung“ keinen gleichwertigen Schutz, wie der Beispielsfall zeigt. Konnten die Gläubiger bei Nichtleistung der Zielgesellschaft in die Forderung der HDWalt gegen die Babcock Borsig AG vollstrecken, bliebe ihnen nach § 22 UmwG analog nur ein schuldrechtlicher Anspruch auf Sicherheitsleistung gegen die HDW-neu. Dies bringt ein erhöhtes Ausfallrisiko mit sich. Da auch bei Verschmelzungen nach dem Umwandlungsgesetz keine weitergehenden Sicherungen bestehen und auch dort Forderungen durch Konfusion erlöschen können, kann dies als gesetzgeberische Entscheidung akzeptiert werden. Jedenfalls ist die Nichtigkeit des gesamten Verschmelzungsvorgangs nach § 71a Abs. 1 S. 1 AktG analog nicht die adäquate Lösung, um die Stellung der Gläubiger zu stärken. 272 Kerber, DB 2004, 1027, 1031; Diem, Akquisitionsfinanzierungen, § 49 Rn. 34 (S. 271 f.). 273 Kerber, NZG 2006, 50, 53. 274 Vgl. Habersack, in: FS Röhricht, S. 155, 175 f. 275 Dies betont auch Habersack, in: FS Röhricht, S. 155, 176. 276 Siehe oben Kapitel 4 § 3 A. II. 4.

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Kap. 4: Kapitalschutz bei mehrstufigen Erwerbsmodellen 2. Bestehenbleiben der durch Konfusion untergegangenen Forderung gegenüber den Gläubigern der Zielgesellschaft

Zur Erhöhung des Schutzniveaus für die Gläubiger der Zielgesellschaft ist hingegen ein neuer Ansatz erwägenswert. Die Besonderheit der Fallkonstellation liegt hier in der Kombination der Schuldübernahme mit der Verschmelzung. Hierdurch wird die – wie im Fall der HDW-alt – oftmals einen Großteil des Vermögens der Zielgesellschaft ausmachende Cash-Pool-Forderung durch Konfusion zum Erlöschen gebracht. Die Gläubiger konnten vor der Schuldübernahme regelmäßig damit rechnen, dass sie – sollte die Zielgesellschaft nicht leisten – in diese Forderung vollstrecken können. Dieser Weg wird ihnen durch den mehrstufigen Übernahmevorgang, an dessen Ende die Konfusion der Forderungen steht, verbaut. Außerhalb des Gesellschaftsrechts gibt es Fallgruppen, bei denen trotz Vereinigung der Gläubiger und Schuldnerstellung die Forderung bestehen bleibt. Als gesetzliche Beispiele seien etwa die §§ 1976, 1991 Abs. 2, 2377 BGB genannt. Außerhalb dieser Vorschriften gilt dies entsprechend, wenn die besondere Interessenlage das Bestehenbleiben der Forderung rechtfertigt277. Dies ist gerade auch im relativen Verhältnis zwischen zwei Parteien möglich, wie der Fall des § 2377 BGB zeigt, bei dem erloschene Rechtsverhältnisse nur im Verhältnis zwischen Käufer und dem Verkäufer als nicht erloschen gelten. Übertragen auf die vorliegende Konstellation bedeutete dies, dass die Forderung der Zielgesellschaft gegen die Erwerbergesellschaft im Verhältnis zu den Gläubigern nicht erlöschen würde. Diese Lösung hätte gegenüber der Nichtigkeit nach § 71a Abs. 1 S. 1 AktG den Vorteil, dass – wie vom LG Düsseldorf angeregt278 – die Gläubiger der Zielgesellschaft auf den Anspruch der Zielgesellschaft gegenüber der Erwerbergesellschaft zurückgreifen könnten. Letztlich ist auch dieser Lösungsweg jedoch wenig praxistauglich, da die Erwerbergesellschaft regelmäßig bis auf die Anteile an der Zielgesellschaft mit wenig Eigenkapital ausgestattet ist. Ein Rückgriff auf das Kapital der hinter der Übernahme stehenden Investoren wird hierdurch nicht ermöglicht. Auch finden sich die Verbindlichkeiten und Vermögenswerte von Erwerbergesellschaft und Zielgesellschaft nach der Verschmelzung in einer Gesellschaft wieder, so dass im Ergebnis für die Gläubiger der Zielgesellschaft durch das Stehenlassen der Forderung wirtschaftlich gesehen keine Besserstellung erreicht wird.

277 278

Heinrichs, in: Palandt, vor § 362, Rn. 4. LG Düsseldorf, Urteil vom 28.10.2005 – 39 O 180/04, ZIP 2006, 516, 521.

§ 3 Erwerbsmodell: Verschmelzung außerhalb des UmwG

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VI. Zwischenergebnis Schuldübernahme und „anwachsende Verschmelzung“ sind zwei getrennt voneinander zu beurteilende Vorgänge. Die Zustimmung zur Schuldübernahme verstößt nicht allgemein gegen § 71a Abs. 1 S. 1 AktG analog, sondern nur bei Vorliegen einer konkreten Vermögensgefährdung. Bei der „anwachsenden Verschmelzung“ sind die aktienrechtlichen Kapitalschutzvorschriften nicht anwendbar. Der Gläubigerschutz wird auch im Falle der Konfusion der übernommenen Forderung über die analoge Anwendung des § 22 UmwG gewährleistet. Für den Fall der Babcock Borsig AG gegen HDW führt dies mangels konkreter Vermögensgefährdung zur Zulässigkeit des Übernahmevorgangs. Im Ergebnis haben die Gerichte die Klage zu Recht abgewiesen.

C. Übertragende Auflösung Eine weitere Variante der Verschmelzung außerhalb des Umwandlungsgesetzes ist die „übertragende Auflösung“279. Zunächst erwirbt die Akquisitionsgesellschaft Anteile der Zielgesellschaft, so dass sie in der Hauptversammlung eine drei Viertel Mehrheit des vertretenen Grundkapitals erreicht. Dieses Quorum benötigt die Erwerbergesellschaft gemäß den §§ 179a Abs. 1, 179 Abs. 2 AktG, um als nächsten Schritt die Veräußerung sämtlicher einzelner Wirtschaftsgüter der Zielgesellschaft an sich selbst zu beschließen. Gleichzeitig mit der Vermögensübertragung wird die Liquidation der Zielgesellschaft beschlossen280. Es handelt sich mithin um eine Kombination aus einem Share Deal und einem (internen) Asset Deal281. Die Gefährdung der Interessen der Minderheitsaktionäre liegt hier auf der Hand. Zum einen ist der Mehrheitsaktionär bei der Veräußerung der Vermögensgüter der Zielgesellschaft auf beiden Seiten des Geschäfts betei279 Die Bezeichnung geht auf Lutter/Drygala, FS Kropff, S. 191, 193 zurück und ist heute allgemein gebräuchlich; vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 23.8.2000, NJW 2001, 279, 281 („Moto Meter“); Stein, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 179a Rn. 71. Daneben wird der Vorgang auch als „auflösungsbedingte Übertragung“ bezeichnet, vgl. Wiedemann, ZGR 1999, 857, 860. 280 Als alternative Gestaltungsmöglichkeit ist auch der umgekehrte Weg gangbar, indem zunächst die Aktiengesellschaft durch Beschluss aufgelöst wird und die einzelnen Wirtschaftsgüter der Zielgesellschaft dann im Rahmen der Abwicklung auf die Erwerbergesellschaft übertragen werden, vgl. Habersack, in: Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 327a Rn. 10. 281 Schäffler, BB-Special 9, 2006, 1, 8.

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Kap. 4: Kapitalschutz bei mehrstufigen Erwerbsmodellen

ligt282. Es besteht mithin die Gefahr, dass jener seine eigenen finanziellen Interessen vor die der Zielgesellschaft stellt. Dieser Interessenkonflikt kann zu einer Unangemessenheit des Erwerbspreises führen283. Durch das Zustimmungserfordernis nach § 179a Abs. 1 AktG kann kein Interessenausgleich herbeigeführt werden, da die freie Preisbildung des Marktes durch den (partiellen) Interessengleichlauf von Verkäufer- und Käuferseite gestört wird. Zum anderen können die Minderheitsaktionäre im Gegensatz zu der technischen Verschmelzung nach dem UmwG und der „anwachsenden Verschmelzung“ über § 738 Abs. 1 S. 1 BGB gegen ihren Willen aus der Aktiengesellschaft herausgedrängt werden. Dies betrifft im Extremfall 24, 99 Prozent der Aktionäre und damit weit mehr, als es im Rahmen der Squeeze-Out-Regelungen (§ 39a WpÜG, § 327a AktG) zulässig ist. Dort benötigt der Hauptaktionär 95 Prozent der Anteile284. Dennoch wird von der herrschenden Meinung die „übertragende Auflösung“ zu Recht für verfassungs- und gesellschaftsrechtlich zulässig erachtet285. Weder bedarf es einer an den Squeeze-Out-Regeln orientierten maximalen Ausschlussquote286 noch einer gerichtlich über eine materielle Beschlusskontrolle kontrollierbare sachliche Rechtfertigung für die Liquidation287. Wiederum zeigt es sich, dass sich in den gesetzlich vorgesehen Fällen der Minderheitenschutz in einem Werterhalt der Investition erschöpft und kein absoluter Bestandsschutz besteht288. Die vermögensrechtlichen Interessen der Minderheitsaktionäre und Gläubiger der Zielgesellschaft werden ausreichend geschützt. So liegt unstreitig ein Verstoß gegen § 57 Abs. 1, 3 AktG vor, wenn die Zielgesellschaft von der Erwerbergesellschaft keinen angemessenen Kaufpreis für die Übertragung ihrer einzelnen Vermögensgüter erhält289. Die Gegenleistung für das 282 BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 23.8.2000 – 1 BvR 147/97, NJW 2001, 279, 280 („Moto Meter“); Stein, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 179a Rn. 72; Bürgers/Körber, AktG, § 179 Rn. 26. 283 Vgl. Stein, ebd.; Bürgers/Körber, AktG, ebd. 284 Vgl. hierzu Leinekugel, Die Ausstrahlungswirkungen des Umwandlungsgesetzes, S. 29 f. 285 BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 23.8.2000 – 1 BvR 147/97, NJW 2001, 279, 280 („Moto Meter“); OLG Stuttgart, Beschluss vom 4.12.1996 – 8 W 43/93, AG 1997, 136, 137; Stein, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 179a Rn. 73 ff. m. w. N.; Bürgers/Körber, AktG, § 179a Rn. 25. 286 Stein, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 179a Rn. 75 m. w. N.; Fleischer, ZGR 2002, 757, 789; Roth, NZG 2003, 998, 999 m. w. N.; a. A. Lutter/Drygala, in: FS Kropff, S. 193 ff.; Leinekugel, Die Ausstrahlungswirkungen des Umwandlungsgesetzes, S. 30; Wilhelm/Dreier, ZIP 2003, 1369, 1373 ff. 287 Ganz h. M. BGH, Urteil vom 1.2.1988 – II ZR 75/87, BGHZ 103, 184, 190 f. (Linotype); Stein, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 179a Rn. 76 m. w. N. 288 Stein, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 179a Rn. 77.

§ 3 Erwerbsmodell: Verschmelzung außerhalb des UmwG

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Veräußerungsgeschäft muss mithin einem Drittvergleich standhalten290. Tut sie es nicht, wird die Rechtsfolge des § 62 Abs. 1 AktG ausgelöst291. Der materielle Kapitalschutz wird ergänzt durch einen formellen Minderheitenschutz. Hierfür wird überwiegend die analoge Anwendung des im Spruchgesetz normierten Spruchverfahrens befürwortet292. Als Anknüpfungspunkt für die gerichtliche Kontrolle der Angemessenheit der Entschädigung kommt der Anspruch des Minderheitsaktionärs auf seinen Anteil am Liquidationserlös, ein eigenständiger Abfindungsanspruch sowie der Kaufpreisanspruch der Aktiengesellschaft gegen den Hauptaktionär in Betracht293. Da die in § 57 Abs. 1 und 3 AktG normierten aktienrechtlichen Ausschüttungsverbote direkt eingreifen, besteht kein Raum für eine analoge Anwendung des § 71a Abs. 1 S. 1 AktG. Im Übrigen folgt nach hier vertretener Auffassung die Nichtanwendung des Verbots der finanziellen Unterstützung schon daraus, dass das Austauschgeschäft erst nach der Anteilsübernahme und daher nicht mehr „zum Zweck des Erwerbs“ durchgeführt wird294. Die „übertragende Auflösung“ ist mithin für die Erwerbergesellschaft kaum brauchbar, um den Kaufpreis im Rahmen eines Leveraged Buyouts aus Mitteln der Zielgesellschaft zu finanzieren. Dies liegt jedoch nicht allein am Eingreifen des § 57 Abs. 1 und 3 AktG, sondern ebenfalls an den benötigten finanziellen Mitteln. So muss die Erwerbergesellschaft bei diesem Kombinationsmodell aus Share und Asset Deal nicht nur den Kauf der Anteile der Zielgesellschaft vorfinanzieren, sondern auch den Erwerb der Aktiva der Zielgesellschaft bezahlen. Erst dann kann sie das Vermögen der 289 Hüffer, AktG, § 179a Rn. 17; Bürgers/Körber, AktG, § 179a Rn. 8; Stein, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 179a Rn. 27, 36; Klass, Der Buyout von Aktiengesellschaften, S. 152; Eckhold, in: Marsch-Barner/Schäfer, Handbuch börsennotierte AG, § 63 Rn. 28. 290 Klass, Der Buyout von Aktiengesellschaften, S. 152. 291 Eckhold, in: Marsch-Barner/Schäfer, Handbuch börsennotierte AG, § 63 Rn. 28. 292 Stein, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 179a Rn. 84 ff.; Bürgers/Körber, AktG, § 179a Rn. 27 m. w. N.; Lutter/Leinekugel, ZIP 1999, 261, 265 ff.; a. A. OLG Zweibrücken, Beschluss vom 25.4.2005 – 3 W 255/04, AG 2005, 778 ff.; Lutter/Drygala, in: FS Kropff, 191, 215. Vgl. zum Meinungsstand Habersack, in: Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 327a Rn. 10. Nach Auffassung des BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 23.8.2000 – 1 BvR 147/97, NJW 2001, 279, 280 („Moto Meter“) kann der Schutz der Minderheitsaktionäre sowohl über das aktienrechtliche Spruchverfahren als auch über die Eröffnung einer Anfechtungsklage in ausreichendem Maße herbeigeführt werden. 293 Stein, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 179a Rn. 87. 294 Siehe oben Kapitel 3 § 2 B. I. 1. b).

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Kap. 4: Kapitalschutz bei mehrstufigen Erwerbsmodellen

Zielgesellschaft zur Rückzahlung der Kaufpreisverbindlichkeiten einsetzen. Die Übernahmepraxis wird daher eine technische Verschmelzung nach dem Umwandlungsgesetz oder die „anwachsende Verschmelzung“ nach § 738 BGB der Verschmelzung durch „übertragende Auflösung“ vorziehen295.

§ 4 Ergebnis Kapitel 4 Bei Umstrukturierungsmaßnahmen im Rahmen mehrstufiger Erwerbstatbestände greifen die Ausschüttungsverbote des § 57 AktG sowie das Verbot der finanziellen Unterstützung nach § 71a Abs. 1 S. 1 AktG nicht ein. Dies gilt sowohl für den Formwechsel als auch für Verschmelzungen innerhalb und außerhalb des Umwandlungsgesetzes. Der Schutz der Minderheitsgesellschafter und Gläubiger der Zielgesellschaft wird über die speziellen Schutzvorschriften des Umwandlungsgesetzes bewerkstelligt. Auf die „anwachsende Verschmelzung“ gemäß § 738 Abs. 1 S. 1 BGB ist eine analoge Anwendung des § 22 UmwG zu befürworten.

295

Vgl. auch Habersack, in: Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 327a Rn. 10, der der „übertragenden Auflösung“ im Verhältnis zu den gesetzlichen Squeeze-OutRegelungen „keine allzu große praktische Bedeutung“ einräumt.

Kapitel 5

Kapitalschutz im Unternehmensverbund Die Untersuchung widmet sich in ihrem letzten Kapitel der Frage, inwieweit konzernrechtliche Sonderregelungen im Rahmen einer fremdfinanzierten Übernahme die Anwendung der Ausschüttungsverbote des § 57 AktG und das Verbot der finanziellen Unterstützung nach § 71a Abs. 1 S. 1 AktG verdrängen oder überlagern. Zu unterscheiden ist hierbei zwischen der Geltung der allgemeinen kapitalschützenden Normen im Vertragskonzern (§§ 291 ff. AktG) und im faktischen Konzern (§§ 311 ff. AktG). Der Fokus liegt hierbei auf der Frage, ob die allgemeinen aktienrechtlichen Kapitalschutznormen auf Konzernsachverhalte Anwendung finden. Bezüglich Einzelheiten der konzernrechtlichen Schutzmechanismen wird auf das Schrifttum verwiesen1. Bei den hier allein interessierenden Übernahmesachverhalten besteht die Problematik darin, dass mit Hilfe der Konzernstruktur die herrschende Erwerbergesellschaft auf das Vermögen der abhängigen Zielgesellschaft zugreifen will, um die für die Kaufpreiszahlung aufgenommenen Darlehensverpflichtungen zu refinanzieren. Nicht explizit behandelt wird die übergeordnete Fragestellung der Zulässigkeit von Cash Pool Systemen im Allgemeinen2. Allerdings muss für alle Vorgänge im Konzern ein einheitliches Kapitalschutzniveau gelten. Damit ist bei der Austarierung der rechtlichen Grenzen von Vermögensverlagerungen innerhalb der Konzerngesellschaften darauf zu achten, dass die vom Gesetzgeber zur Liquiditätssteuerung als wirtschaftlich sinnvoll erachteten Leistungsbeziehungen im Rahmen eines Cash Pools3 möglich bleiben. Umgekehrt darf mit dem Verweis auf die Vorteile eines konzernweiten Cash Managements (z. B. Kostensenkung durch Reduzierung von Fremdverbindlichkeiten4) nicht der Schutz der Gläubiger und Minderheitsgesellschafter ausgehebelt werden. 1 Vgl. die Schrifttumsnachweise zum Konzernrecht bei Altmeppen, in: Münchener Kommentar zum AktG, Einl. vor §§ 291 ff. und Emmerich, in: Emmerich/ Habersack, Konzernrecht, zu § 291 AktG. 2 Vgl. hierzu Bayer, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 311 Rn. 184 ff. m. w. N.; Altmeppen, ZIP 2006, 1025 ff.; ders., ZIP 2009, 49 ff.; Schäfer, BB-Special 2006, 5 ff.; Seidel, DStR 2004, 1130 ff.; Wessels, ZIP 2006, 1701 ff. 3 Begr. RegE. vom 25.7.2007 (MoMiG), BT-Drucks, 16/6140, S. 52, 41. 4 Kropff, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 311 Rn. 184.

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Kap. 5: Kapitalschutz im Unternehmensverbund

§ 1 Kapitalschutz im Vertragskonzern A. Unternehmensvertrag i. S. d. § 291 Abs. 1 AktG Zur Begründung eines Vertragskonzerns bedarf es nach §§ 291 Abs. 1, 18 Abs. 1 AktG zunächst eines Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrags zwischen der Erwerbergesellschaft als herrschendem und der Zielgesellschaft als abhängigem Untenehmen (§ 17 Abs. 1 AktG). Wirksamkeitsvoraussetzung ist dabei gemäß § 293 Abs. 1 AktG die Zustimmung der Hauptversammlung mit drei Viertel des bei der Beschlussfassung vertretenen Grundkapitals. In der Akquisitionspraxis wird nach der Übernahme häufig ein Beherrschungsvertrag geschlossen, damit die Erwerbergesellschaft ein Weisungsrecht (§ 308 AktG) gegenüber dem Vorstand der Zielgesellschaft erhält. Mit einem Gewinnabführungsvertrag soll der Zugriff auf den gesamten Bilanzgewinn der Zielgesellschaft sichergestellt werden5. Zunächst stellt sich hierbei jedoch die Frage, ob es sich bei einer Erwerbergesellschaft um ein Unternehmen i. S. d. §§ 291 Abs. 1, 17 f. AktG handelt. Ein einheitlicher Unternehmensbegriff ist der deutschen Rechtsordnung fremd6. Auch innerhalb des Aktienrechts wird der Begriff je nach Schutzzweck der Vorschrift in unterschiedlicher Weise verwendet7. Für ein herrschendes Unternehmen i. S. d. § 17 Abs. 1 AktG ist nach gefestigter Rechtsprechung und herrschender Literaturansicht die Unternehmenseigenschaft zu bejahen, wenn der Mehrheitsgesellschafter neben seiner Beteiligung an der Aktiengesellschaft noch anderweitige wirtschaftliche Interessenbindungen hat8. Diese müssen nach Art und Intensität die ernsthafte Besorgnis begründen, der Mehrheitsaktionär könne seinen Einfluss zum Nachteil der Aktiengesellschaft verwenden9. Teilweise wird die Unternehmenseigenschaft der Erwerbergesellschaft bestritten, da diese als reines Akquisitionsvehikel regelmäßig kein eigenes operatives Geschäft führe und damit über die reine Kapitalbeteiligung hinaus keine anderweitigen wirtschaftlichen Interessen verfolge10. So sei eine 5

Vgl. Riegger, ZGR 2008, 322, 235. Kübler/Assmann, Gesellschaftsrecht, § 5 IV (S. 39 ff.). 7 Allgemeine Ansicht: BGH, Urteil vom 13.10.1977 – II ZR 123/76, AG 1978, 50, 51 (VEBA/Gelsenberg); Bayer, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 15 Rn. 9; Windbichler, in: Großkommentar, AktG, § 15 Rn. 10. 8 BGH, Urteil vom 13.10.1977 – II ZR 123/76, AG 1978, 50, 51 (VEBA/Gelsenberg); Bayer, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 15 Rn. 13 m. w. N. 9 BGH, ebd.; Bayer, ebd. 10 Koppensteiner, in: Kölner Kommentar zum AktG, § 15 Rn. 35, ähnlich: Wiedmann/Martens, AG 1976, 197, 201; Peltzer, DB, 1987, 973, 978; Wittkowski, GmbHR 1990, 544, 551; Lutter/Timm, BB 1978, 836, 837. 6

§ 1 Kapitalschutz im Vertragskonzern

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solche Holdinggesellschaft lediglich eine organisatorische Ausgliederung des unternehmerischen Entscheidungszentrums. Es bestünde daher ein Gleichlauf zwischen den Interessen und Unternehmenszielen der Erwerbergesellschaft und der Zielgesellschaft als einziger Tochtergesellschaft11. Diese Ansicht übersieht jedoch, dass auch in der vorliegenden Konstellation, unabhängig ob die Beteiligung nur verwaltend oder unternehmensleitend eingesetzt wird, die Risiken der vermögensrechtlichen und organisatorischen Verflechtung bestehen12. Gerade bei einer fremdfinanzierten Übernahme betätigt sich die Erwerbergesellschaft planend und gestaltend, indem sie die Refinanzierung der zur Kaufpreisfinanzierung aufgenommenen Verbindlichkeiten aus dem Cash Flow der Zielgesellschaft organisiert. Das Interesse an der Nutzung des Vermögens der Zielgesellschaft steht oftmals dem erwerbswirtschaftlichen Interesse letzterer diametral entgegen13. Damit liegt bei einer fremdfinanzierten Übernahme eine in Bezug auf die Zielgesellschaft eigene, anderweitige Interessensbindung der Erwerbergesellschaft vor. Die Unternehmenseigenschaft einer auch nicht operativ tätigen Erwerbergesellschaft ist mithin zu bejahen.

B. Anwendbarkeit des § 57 AktG Mit § 291 Abs. 3 AktG und dem durch das MoMiG14 neu eingeführten § 57 Abs. 1 S. 3 Var. 1 AktG behandeln zwei aktienrechtliche Bestimmungen die Frage, ob § 57 AktG im Vertragskonzern Anwendung findet. Dabei wurde mit der Neufassung des § 57 AktG auch § 291 Abs. 3 AktG dahingehend angepasst, dass die §§ 57, 58 und 60 schon bei „B e s t e h e n15 eines Beherrschungs- oder eines Gewinnabführungsvertrags“ nicht gelten. I. Die Regelung des § 291 Abs. 3 AktG a. F. § 291 Abs. 3 AktG a. F. sah hingegen vor, dass nur „Leistungen der Gesellschaft a u f G r u n d16 eines Beherrschungs- oder eines Gewinnabführungsvertrags“ nicht gegen §§ 57, 58 und 60 AktG verstießen. Wie auch nach der neuen Fassung wurde durch die Fiktion grundsätzlich die strenge Vermögensbindung des § 57 Abs. 1 und 3 AktG im Vertragskonzern auf11 Wiedmann/Martens, AG 1976, 197, 201 f. (zur Holdingsgesellschaft); Wittkowski, ebd. 12 Vgl. Windbichler, in: Großkommentar, AktG, § 15 Rn. 20. 13 Ebenso Klass, Der Buyout von Aktiengesellschaften, S. 122. 14 BGBl. Teil I 2008, 2026, 2035. 15 Gesperrte Hervorhebung vom Verfasser hinzugefügt. 16 Gesperrte Hervorhebung vom Verfasser hinzugefügt.

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Kap. 5: Kapitalschutz im Unternehmensverbund

gehoben. An deren Stelle traten die Regelungen der §§ 300 ff. AktG. Allerdings galt der Vorrang der Konzernregelungen nicht unbeschränkt. Im Falle eines isolierten Gewinnabführungsvertrags war § 57 AktG durch die spezialgesetzliche Regelung des § 291 Abs. 3 AktG a. F. nur im Hinblick auf die abgeführten Gewinne und nur innerhalb der Grenzen des § 301 AktG suspendiert17. Die Befugnisse bei einem Beherrschungsvertrag gingen weiter. Gemäß § 308 AktG waren auch nachteilige Weisungen gestattet, sofern sie den Belangen des herrschenden Unternehmens oder der konzernverbundenen Unternehmen dienten. Damit verstießen schon nach der Altregelung auch offene oder verdeckte Vermögenszuwendungen grundsätzlich nicht gegen § 57 AktG18. Eine Grenze zog die herrschende Meinung jedoch, wenn aus ex ante-Sicht Weisungen zu einer Existenzbedrohung der Aktiengesellschaft führten oder von vornherein zweifelhaft war, ob der nach § 302 AktG erforderliche Ausgleich des Jahresfehlbetrags gelingen konnte19. Letztere Fallgruppe entspricht nach neuerer Terminologie dem Fehlen der Vollwertigkeit des Verlustausgleichsanspruchs20. War das herrschende Unternehmen eine vermögenslose Erwerbergesellschaft, dürfte das Vollwertigkeitskriterium regelmäßig zu verneinen gewesen sein. In diesen Ausnahmefällen galt wieder die strenge Vermögensbindung des § 57 AktG, da dann die Grenze des zulässigen Weisungsrechts nach § 308 AktG überschritten wurde. Dies leuchtete ein, da die Suspendierung der umfassenden Vermögensbindung nach § 291 Abs. 3 AktG a. F. („Leistungen der Gesellschaft a u f G r u n d 21 eines Beherrschungs- oder eines Gewinnabführungsvertrags“) an den Kompensationsmechanismus des § 302 AktG gebunden war. Scheiterte dieser von vornherein, musste nach der Konzeption des § 291 Abs. 3 AktG a. F. im Interesse der Gesellschaft und ihrer Gläubiger wieder die allgemeine Kapitalschutzregelung des § 57 AktG Anwendung finden22. 17 Heute unstreitig: Bayer, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 57 Rn. 139 m. w. N.; Henze, in: Großkommentar, AktG, § 57 Rn. 188. 18 Allgemeine Ansicht: OLG München, vom 11.7.1979 – 15 U 1532/78, AG 1980, 272; Bayer, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 57 Rn. 141; Henze, in: Großkommentar, AktG, § 57 Rn. 189. 19 Vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 7.6.1990 – 19 W 13/86, AG 1990, 490, 492; Bayer, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 57 Rn. 142 f.; Henze, in: Großkommentar, AktG, § 57 Rn. 190 m. w. N.; Westermann, in: Bürgers/Körber, AktG, § 57 Rn. 38; Emmerich, in: Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 291 Rn. 74, § 308 Rn. 55 ff.; enger: Riegger, ZGR 2008, 233, 245, wonach bloße Zweifel an der Solvenz nicht ausreichen sollen; kritisch auch Koppensteiner, in: Kölner Kommentar zum AktG, § 308 Rn. 50; Veil, in: Spindler/Stilz, AktG, § 308 Rn. 31. 20 Vgl. Altmeppen, ZIP 2009, 49, 55. 21 Gesperrte Hervorhebung vom Verfasser hinzugefügt. 22 Weniger schützenswert sind dabei die Minderheitsaktionäre, da die §§ 304 f. umfangreiche Schutzvorschriften enthalten.

§ 1 Kapitalschutz im Vertragskonzern

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II. Die Regelung des § 57 Abs. 1 S. 3 Var. 1 AktG 1. Konzeption der Neuregelung

Durch das MoMiG wurde § 57 Abs. 1 S. 3 Var. 1 AktG neu in das Aktiengesetz eingeführt. Demnach gilt § 57 Abs. 1 S. 1 „nicht bei Leistungen, die bei B e s t e h e n23 eines Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrages (§ 291) erfolgen“. Im Regierungsentwurf war noch von Leistungen „zwischen den Vertragsteilen“ die Rede. Diese Formulierung wurde jedoch zu Recht nicht übernommen, um klarzustellen, dass auch Leistungen Dritter auf Veranlassung der Vertragsparteien unter die Regelung fallen24. Auch § 291 Abs. 3 AktG wurde entsprechend modifiziert. Damit sind beide Vorschriften hinsichtlich des Kapitalschutzes nach § 57 AktG inhaltsgleich25. Im Unterschied zur Vorschrift des § 291 Abs. 3 AktG a. F. verlangen die neuen Bestimmungen lediglich, dass ein Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrages besteht, nicht jedoch, dass die Leistung aufgrund dieses Vertrages erfolgt. Eine Leistung innerhalb eines Vertragskonzerns scheint somit unabhängig von der Einhaltung der Voraussetzungen der §§ 301 f., 308 AktG nie unter die strenge Vermögensbindung des § 57 AktG zu fallen. Dies würde gegenüber § 291 Abs. 3 AktG a. F. eine erhebliche Lockerung der Vermögensbindung im Vertragskonzern bedeuten und stünde im Widerspruch zur Einschätzung, dass der Neuregelung (überwiegend) nur eine klarstellende Funktion zukäme26. Unbestritten bringt § 57 Abs. 1 S. 3 Var. 1 AktG für den isolierten Gewinnabführungsvertrag eine Änderung mit sich. Darlehens- und Sicherheitsleistungen an das herrschende Unternehmen sind demnach nicht mehr per se wegen Verstoßes gegen § 301 AktG nach § 57 AktG unzulässig. Vielmehr ist die Art der Vermögenszuwendung nach der Neuregelung irrelevant, da grundsätzlich jede Leistung bei Bestehen eines Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrags vom Anwendungsbereich des § 57 AktG aus23

Gesperrte Hervorhebung vom Verfasser hinzugefügt. Vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des 6. Ausschusses vom 24.6.2008, BT-Drucks. 16/9737, 98, 102. 25 Beide Regelungen verstoßen nicht gegen Art. 15 der Kapitalrichtlinie, da diese nach h. M. Konzernsachverhalte nicht erfasst, vgl. Langenbucher, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 291 Rn. 71; Bayer, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 57 Rn. 150; Fleischer, in: Das Kapital der Aktiengesellschaft in Europa, ZGR Sonderheft 17 (2006), 114, 130 ff.; Emmerich, in: Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 291 Rn. 74; Wand/Tillmann/Heckenthaler, AG 2009, 148, 150, 153. Im Ergebnis auch Bezzenberger, Das Kapital der Aktiengesellschaft, S. 325, der dem Konzernecht ein europarechtskonformes Ausgleichs- und Haftungssystem zuspricht. 26 So Bayer, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 57 Rn. 111. 24

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Kap. 5: Kapitalschutz im Unternehmensverbund

geschlossen ist27. Dementsprechend ist auch das Vorliegen einer Weisung im Rahmen eines Beherrschungsvertrags nicht mehr erforderlich. So greift die Ausnahmevorschrift auch im unwahrscheinlichen Fall, dass der Vorstand der abhängigen Aktiengesellschaft von sich aus den Vermögenstransfer zu Gunsten des herrschenden Unternehmens vornimmt28. 2. Existenzgefährdung und fehlende Vollwertigkeit des Verlustausgleichsanspruchs

Noch nicht beantwortet ist damit jedoch die Frage, ob auch unter der Geltung der neuen Vorschrift die strenge Vermögensbindung des § 57 AktG wieder Anwendung findet, wenn der Vermögenstransfer aus ex anteSicht zu einer Existenzbedrohung der Aktiengesellschaft führt oder der Verlustausgleichsanspruch gemäß § 302 Abs. 1 AktG nicht vollwertig ist. Dieser Punkt ist für die Leveraged Buyout-Sachverhalte entscheidend, da aufgrund der regelmäßig schlechten Vermögenslage der Erwerbergesellschaft oftmals ex ante davon auszugehen ist, dass der jährliche Verlustausgleich nicht erfolgt. Der Erwerbergesellschaft geht es regelmäßig gerade nicht um eine zeitlich begrenzte Bedienung der zur Finanzierung des Kaufpreises aufgenommenen Darlehen, sondern um eine endgültige Refinanzierung. Unstreitig ist, dass sich durch die Neuregelung an der materiellen Pflicht der Vorstände der beiden Unternehmen, den Vermögenstransfer auf seine Rechtmäßigkeit zu überprüfen, nichts geändert hat (vgl. §§ 302, 308 f. AktG)29. Im Zeitpunkt der Erteilung der Weisung muss von beiden Seiten sorgfältig geprüft werden, ob der Vermögenstransfer zu einer Existenzvernichtung führen kann. Auch wenn das herrschende Unternehmen den Verlustausgleich voraussichtlich nicht vorzunehmen vermag, muss die Unterstützungsleistung unterbleiben. Nach neuerer Terminologie30: Kredite an die herrschende Gesellschaft sind verboten, wenn der Verlustausgleichsanspruch (§ 302 Abs. 1 AktG)31 nicht vollwertig ist. Fraglich ist jedoch, welche Konsequenzen eine Verletzung dieser Pflicht nach sich zieht. Die 27 Lutter/Drygala, in: Kölner Kommentar zum AktG, § 71a Rn. 46 (zur entsprechenden Bestimmung des § 71a Abs. 1 S. 3 AktG); Wand/Tillmann/Heckenthaler, AG 2009, 148, 150, 154; Kiefner/Theusinger, NZG 2008, 801, 803 a. E. 28 Lutter/Drygala, ebd. 29 Lutter/Drygala, Rn. 47 (zur entsprechenden Bestimmung des § 71a Abs. 1 S. 3 AktG). 30 Vgl. § 57 Abs. 1 S. 3 Var. AktG, der Ende 2008 durch das MoMiG eingeführt wurde. 31 Zur Bestimmung des Anspruchs auf Grundlage des fiktiven Jahresfehlbetrags vgl. BGH, Urteil vom 14.2.2005 – II ZR 361/02, NZG 2005, 481 f.

§ 1 Kapitalschutz im Vertragskonzern

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Begründung zum Regierungsentwurf schweigt diesbezüglich. Zwei Lösungsmöglichkeiten kommen in Betracht: Einerseits kann man sich auf den Standpunkt stellen, dass durch die Abkoppelung des § 57 Abs. 1 S. 3 Var. 1 AktG von der (rechtmäßigen) Leistung aufgrund eines Unternehmensvertrages die Verletzung der konzernrechtlichen Vorschriften lediglich zu Schadensersatzansprüchen der abhängigen Gesellschaft führt32. Dann würden lediglich die Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats der herrschenden und der abhängigen Gesellschaft gemäß den §§ 309, 310 AktG als Gesamtschuldner für den der abhängigen Gesellschaft entstandenen Schaden haften33. Unter den Voraussetzungen des § 309 Abs. 4 S. 4 AktG könnte der Eratzanspruch auch von den Gläubigern des abhängigen Unternehmens geltend gemacht werden. Andererseits wird vertreten, dass trotz der Regelung des § 57 Abs. 1 S. 3 Var. 1 AktG entsprechend der alten Rechtslage bei aus ex ante-Sicht festgestellter Existenzgefährdung oder fehlender Vollwertigkeit des Verlustausgleichsanspruchs nach § 302 AktG die allgemeine Vermögensbindung des § 57 AktG wieder Geltung erlangt34. Für die erste Ansicht scheint der Wortlaut der Neuregelung zu sprechen. Allerdings sagt weder die Formulierung des § 291 Abs. 3 a. F. („auf Grund“) noch die Neuregelung („bei Bestehen“) etwas darüber aus, ob für die Suspendierung des § 57 AktG aus ex ante-Perspektive der Verlustausgleichsanspruch (§ 302 AktG) vollwertig sein muss. Der Unterschied besteht lediglich darin, dass für die Altregelung der Gewinnabführungs- bzw. Beherrschungsvertrag Anlass für die Leistung sein musste. Auf dieses (überflüssige) Merkmal verzichtet die Neuregelung, da davon auszugehen ist, dass der Unternehmensvertrag immer Grund für den Vermögenstransfer ist. Die Neuregelung stellt klar, dass es zukünftig für den Kapitalschutz im Vertragskonzern keine Rolle spielt, aus welchem Vermögensbestandteil und aus welcher Intention heraus der Vermögenstransfer vorgenommen wird. Irrelevant ist insbesondere, ob überhaupt eine Weisung der herrschenden Gesellschaft vorliegt. Hiervon zu trennen ist die Frage, ob die Privilegierung des Vertragskonzerns auch gilt, wenn der Verlustausgleich nach § 302 Abs. 1 AktG voraussichtlich scheitern wird. Hierbei ist die allgemeine Konzeption des Vertragskonzerns zu beachten. Der Grund für die Privilegierung im Vertragskonzern 32

Zu diesem Lösungsansatz tendiert Altmeppen, ZIP 2009, 49, 56. Vgl. zu den Voraussetzungen der Haftung sowie zu ihrem Verhältnis zu den allgemeinen Haftungstatbeständen §§ 93, 116 AktG Altmeppen, ebd. 34 Lutter/Drygala, in: Kölner Kommentar zum AktG, § 71a Rn. 46; Wand/Tillmann/Heckenthaler, AG 2009, 148, 150, 154. 33

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Kap. 5: Kapitalschutz im Unternehmensverbund

liegt in der Wertentscheidung des Gesetzgebers, dass die positiven Aspekte einer einheitlichen Leitung im Konzern das Risiko der Insolvenz der Muttergesellschaft überwiegen35. Sinn und Zweck der Verlustübernahmepflicht ist dabei die Kompensation der nun nach §§ 57 Abs. 1 S. 3 Var. 1, § 291 Abs. 3 AktG angeordneten Lockerung der Vermögensbindung im Interesse der Gesellschaft und ihrer Gläubiger36. Ist von vornherein ernsthaft zu bezweifeln, dass die Muttergesellschaft ihrer Verantwortung für die finanzielle Ausstattung ihrer Tochtergesellschaft nachkommt, entfällt der Grund für die Privilegierung. Die umfassende Vermögensbindung wäre ansonsten ohne Korrelat preisgegeben37. An diesem Grundproblem hat sich durch die Neuregelung nichts geändert. Zu Recht wird auch darauf hingewiesen, dass der Gesetzgeber mit der Einführung des § 57 Abs. 1 S. 3 Var. 1 AktG lediglich die Änderung in § 30 Abs. 1 S. 2 Var. 1 GmbHG nachzeichnen wollte38. Letztere war notwendig geworden, da es vor Inkrafttreten des MoMiG umstritten war, ob § 291 Abs. 3 AktG a. F. auf den GmbH-Konzern entsprechend anwendbar ist39. In den Gesetzesmaterialien finden sich keinerlei Anhaltspunkte, dass der Gesetzgeber die Frage des Eingreifens des § 57 AktG im Vertragskonzern neu regeln wollte. Die besseren Argumente sprechen somit dafür, die Pflichtverletzung nicht als rein interne Angelegenheit der Aktiengesellschaft zu begreifen und allein mit Schadensersatzansprüchen nach § 309 f. AktG zu sanktionieren, sondern sie auf die Frage der Kapitalerhaltung durchschlagen zu lassen40. Damit findet trotz der erweiterten Formulierung der §§ 57 Abs. 1 S. 3 Var. 1, 291 Abs. 3 AktG die umfassende Vermögensbindung der §§ 57 Abs. 1, 62 AktG im Vertragskonzern dann Anwendung, wenn aus ex ante-Sicht eine Existenzgefährdung der Gesellschaft besteht oder der Verlustausgleichsanspruch nach § 302 AktG nicht vollwertig ist. Es bleibt mithin bei den schon zu § 291 Abs. 3 AktG a. F. anerkannten Ausnahmen. Wie bisher lebt § 57 AktG jedoch nicht wieder auf, wenn sich die Bonität der herrschenden Gesellschaft nachträglich verschlechtert41. 35

Schroeder, Finanzielle Unterstützung des Aktienerwerbs, S. 290. Bei Insolvenz der Muttergesellschaft scheitert der Verlustausgleich. 36 Vgl. BGH, Urteil vom 14.12.1987 – II ZR 170/87, BGHZ 103, 1, 10; Hüffer, AktG, § 302 Rn. 3; Ulmer, AG 1986, 123, 126; Klass, Der Buyout von Aktiengesellschaften, S. 125. Die Minderheitsgesellschafter werden über den Abfindungsanspruch und das Austrittrecht des § 305 AktG geschützt. 37 Klass, Der Buyout von Aktiengesellschaften, S. 125. 38 Wand/Tillmann/Heckenthaler, AG 2009, 148, 150, 154. 39 Vgl. zum Streitstand Cahn, Kapitalerhaltung im Konzern, S. 87. 40 Ebenso Lutter/Drygala, in: Kölner Kommentar zum AktG, § 71a Rn. 47 (zur entsprechenden Bestimmung des § 71a Abs. 1 S. 3 AktG); Wand/Tillmann/Heckenthaler, AG 2009, 148, 150, 154. 41 Lutter/Drygala, ebd. (zur entsprechenden Bestimmung des § 71a Abs. 1 S. 3 AktG).

§ 1 Kapitalschutz im Vertragskonzern

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Der Vorstand der Zielgesellschaft kann jedoch in diesem Fall seiner Gesellschaft gegenüber verpflichtet sein, den Unternehmensvertrag mit der Erwerbergesellschaft zu kündigen42. 3. Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen § 302 AktG und §§ 62, 57 AktG

Bemerkenswert ist, dass sich die allgemeine Kapitalschutzregelung durch die Neueinführung des § 57 Abs. 1 S. 3 Var. 2 AktG an die Sondervorschriften des Konzernrechts annähert. Der Gesetzgeber hat darin klargestellt, dass eine Darlehensvergabe bei vollwertigem Gegenleistungs- oder Rückgewähranspruch auch außerhalb des Konzernrechts zulässig ist. Bei einer Laufzeit unterhalb eines Jahres kann demnach auch ein zinsloses Darlehen an einen Aktionär unter gewissen Voraussetzungen rechtmäßig sein43. Dennoch stellt es vor dem Hintergrund eines effektiven Gläubigerschutz einen Unterschied dar, ob man es in den aufgezeigten Ausnahmefällen bei der Anwendung des Konzernrechts belässt oder auf §§ 57, 62 AktG zurückgreift. Zum einen ist zu beachten, dass sich das Vollwertigkeitskriterium des § 302 AktG im Gegensatz zu § 57 Abs. 1 S. 3 Var. 2 AktG nicht auf eine einzelne Forderung bezieht. Es betrifft vielmehr den negativen Saldo, der als Posten 20 bzw. 19 der Gewinn- und Verlustrechnung am Geschäftsjahresende auszuweisen ist44. Zum anderen greift bei Verstoß gegen § 57 Abs. 1 und 3 AktG mit § 62 AktG ein sofort fälliger Rückgewähranspruch, der unter den Voraussetzungen des § 62 Abs. 2 AktG auch von den Gläubigern eingefordert werden kann. Allerdings sind auch im Vertragskonzern die Gläubiger des beherrschten Unternehmens nicht schutzlos. So kann die beherrschte Gesellschaft gemäß § 302 Abs. 3 S. 1 AktG erst drei Jahre nach der Bekanntmachung der Eintragung der Beendigung des Beherrschungsvertrages im Handelsregister (§ 10 HGB) auf den Ausgleichsanspruch verzichten. Die zehnjährige Verjährungsfrist (§ 302 Abs. 4) läuft erst ab diesem Zeitpunkt. Endet der Beherrschungsvertrag, muss den Gläubigern bis zu diesem Zeitpunkt unter den Voraussetzungen des § 303 AktG Sicherheit geleistet werden. Den Schutz komplettiert der Schadensersatzanspruch der Gesellschaft gegen die gesetzlichen Vertreter der herrschenden Gesellschaft gemäß § 309 Abs. 2 AktG, wenn diese ihre Pflicht gegenüber der Tochtergesellschaft verletzen. Dieser Anspruch kann unter den Voraussetzungen des § 309 Abs. 4 AktG von den Aktionären geltend gemacht werden. 42 43 44

Altmeppen, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 302 Rn. 38. Siehe oben Kapitel 3 § 1 B. II. 3. b) aa). Wand/Tillmann/Heckenthaler, AG 2009, 148, 150, 154.

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Kap. 5: Kapitalschutz im Unternehmensverbund

Innerhalb und außerhalb eines Vertragskonzerns bieten die Schadensersatzansprüche der §§ 93 Abs. 2, 116 AktG flankierenden Schutz45. Bezüglich der Existenzgefährdung ist auf die durch das MoMiG neu eingeführte Insolvenzverursachungshaftung (§ 93 Abs. 2 S. 1 i. V. m. § 92 Abs. 2 S. 3 AktG) hinzuweisen46. III. Anwendbarkeit des § 71a Abs. 1 S. 1 AktG Vor den Änderungen durch das MoMiG war die Anwendung des Verbots der finanziellen Unterstützung bei Bestehen eines Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrages umstritten. So schloss § 291 Abs. 3 AktG einen Verstoß gegen § 71a Abs. 1 S. 1 AktG nicht ausdrücklich aus. Die herrschende Ansicht wandte jedoch die Ausschlussvorschrift analog an47. Zu Recht wurde hierfür hauptsächlich angeführt, dass das „System koordinierter Systemverantwortung“ der §§ 300 ff. AktG den Schutz des Verbots des § 71a Abs. 1 S. 1 AktG ersetzte48. Dieser Ansicht schloss sich auch der Gesetzgeber in dem durch das MomiG neu eingeführten § 71a Abs. 1 S. 3 AktG an, wonach bei Bestehen eines Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrages (§ 291 AktG) das Verbot der finanziellen Unterstützung nicht gilt. Bezüglich der Grenzen des Ausschlusses kann vollumfänglich auf die obigen Ausführungen zu dem nahezu wortgleichen § 57 Abs. 1 S. 3 Var. 1 AktG verwiesen werden49. Allerdings spielt das Problem der Anwendung des § 71a Abs. 1 S. 1 AktG bei Unternehmensverträgen im Rahmen fremdfinanzierter Übernahmen selten eine Rolle. Denn nach hier vertretener Ansicht greift das Verbot 45 Zu § 93 (i. V. m. § 116 AktG) siehe oben Kapitel 3 § 4 A. I. Vgl. auch Altmeppen, ZIP 2009, 49, 56 insbesondere zum Verhältnis von § 93 Abs. 2 AktG und den §§ 309 f. AktG. 46 Siehe oben Kapitel 3 § 4 A. II.; Wand/Tillmann/Heckenthaler, AG 2009, 148, 150, 155. 47 Merkt, in: Großkommentar zum AktG, § 71a Rn. 20 m. w. N.; Cahn, in: Spindler/Stilz, AktG, § 71a Rn. 15 ff.; Fleischer, AG 1996, 494, 507; ausführlich: Schroeder, Finanzielle Unterstützung des Aktienerwerbs, S. 284 ff. m. w. N.; a. A. Lutter/Wahlers, AG 1989, 1, 9; Klass, Der Buyout von Aktiengesellschaften, S. 139 ff.; dieser Ansicht folgend: T. Bezzenberger, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 71a Rn. 18; differenzierend unter Berücksichtigung von § 71d S. 2 AktG: Oechsler, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 71a Rn. 8. 48 Fleischer, AG 1996, 494, 507. Vgl. auch Merkt, in: Großkommentar zum AktG, § 71a Rn. 20 m. w. N. 49 Siehe oben Kapitel 5 § 1 B. II. 2. Dass § 71a Abs. 1 S. 3 AktG anknüpfend an das Verbot der finanziellen Unterstützung in S. 1 den Ausschluss im Vertragskonzern nicht wie in § 57 AktG für „Leistungen“, sondern für „Rechtsgeschäfte“ formuliert, spielt für die Reichweite der Vorschrift keine Rolle.

§ 1 Kapitalschutz im Vertragskonzern

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des § 71a Abs. 1 S. 1 AktG nur vor Aktienerwerb ein50. Unternehmensverträge werden indes regelmäßig erst nach Vollzug der Übernahme geschlossen. Dennoch ist die Klarstellung des Gesetzgebers zu begrüßen. Zum einen zeigt die gesetzliche Regelung, dass es sich entgegen einer weit verbreiteten Ansicht51 bei dem Verbot der finanziellen Unterstützung nicht um eine Umgehungsschutznorm für § 71 AktG handeln kann52. Denn auch bei bestehendem Beherrschungsvertrag gilt das Verbot des Erwerbs eigener Aktien außerhalb der Erlaubnistatbestände des § 71 Nr. 1–8 AktG weiter53. Zum anderen kann das Verbot der finanziellen Unterstützung ausnahmsweise auch bei Unternehmensverträgen eingreifen. Denkbar ist, dass das herrschende Unternehmen seinen Anteil an der Tochtergesellschaft erhöhen will, um etwa einen Squeeze-Out (§ 327a AktG, § 39a WpÜG) oder eine Eingliederung (§ 320 AktG) durchführen zu können. Besteht in diesem Fall bereits ein Unternehmensvertrag i. S. d. § 291 AktG zwischen den Unternehmen, stellt sich die nunmehr durch § 71a Abs. 1 S. 3 AktG beantwortete Frage, ob die vertragskonzernrechtlichen Regelungen das Verbot der finanziellen Unterstützung verdrängen.

C. Zwischenergebnis Nach der Einführung von § 57 Abs. 1 S. 3 Var. 1 AktG und § 71a Abs. 1 S. 3 AktG steht fest, dass die beiden kapitalschützenden Normen im Vertragskonzern grundsätzlich nicht anwendbar sind. Wie auch nach der alten Rechtslage (§ 291 Abs. 3 AktG a. F.) gilt die Fiktion der Nichtanwendung nicht, wenn aus ex ante-Sicht die Vermögensverlagerung auf die herrschende Gesellschaft zu einer Existenzgefährdung der abhängigen Gesellschaft führt oder der Verlustausgleichsanspruch nach § 302 AktG nicht vollwertig ist.

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Siehe oben Kapitel 3 § 2 B. I. 1. b) und § 3 B. I. Lutter, in: Kölner Kommentar zum AktG, 2. Aufl., § 71a Rn. 2; Hefermehl/ Bungeroth, in: Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, AktG, § 71a Rn. 1; Oechsler, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 71a Rn. 3; Merkt, in: Großkommentar zum AktG, § 71a Rn. 2. 52 Siehe oben Kapitel 3 § 2 A. II. 1. 53 Vgl. Schroeder, Finanzielle Unterstützung des Aktienerwerbs, S. 292. Umgekehrt führten Lutter/Wahlers AG 1989, 1, 9 vor der Neuregelung die Umgehungsschutzfunktion als Argument für die Anwendung des § 71a Abs. 1 S. 1 AktG im Rahmen des Vertragskonzern an. 51

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Kap. 5: Kapitalschutz im Unternehmensverbund

§ 2 Eingliederung Eine weitere Möglichkeit, das Kapital der Zielgesellschaft zu nutzen, ist die Eingliederung gemäß den §§ 319 ff. AktG. Voraussetzung hierfür ist, dass die Erwerbergesellschaft mindestens 95 Prozent der Anteile der Zielgesellschaft hält (§ 320 Abs. 1 AktG) und selbst als Aktiengesellschaft organisiert ist. Ähnlich wie im Vertragskonzern (§§ 57 Abs. 1 S. 3, 291 Abs. 3 AktG) gelten Leistungen der eingegliederten Gesellschaft an die Hauptgesellschaft gemäß § 323 Abs. 2 AktG nicht als Verstoß gegen § 57 AktG. Zulässig sind auch Vermögensverlagerungen, die nicht auf Weisungen der Hauptgesellschaft (§ 323 Abs. 1 AktG) beruhen und nicht vom Konzerninteresse gedeckt sind54. Im Gegensatz zum Vertragskonzern soll das Vermögen der Zielgesellschaft selbst dann keinen Bestandschutz genießen, wenn Vermögensverlagerungen zu einer Existenzbedrohung oder -vernichtung der eingegliederten Aktiengesellschaft führen55. Dieser Standpunkt wird vor dem Hintergrund von Arbeitnehmerinteressen bestritten56. Allerdings dürften diese Fälle über § 826 BGB („existenzvernichtender Eingriff“)57 zu lösen sein. Das Verbot der finanziellen Unterstützung spielt bei eingegliederten Unternehmen ebenfalls keine Rolle. Dies folgt nach hier vertretener Ansicht schon daraus, dass § 71a Abs. 1 S. 1 AktG nur vor Aktienerwerb eingreift58. Ein Verstoß kann somit auch theoretisch nur bezüglich des Erwerbs der letzten fünf Prozent in Frage kommen. Überdies folgt die Nichtanwendung aus einem „Erst-Recht-Schluss“ zu § 71a Abs. 1 S. 3 AktG. Wenn schon im Vertragskonzern das Verbot der finanziellen Unterstützung nicht anwendbar ist, gilt dies „erst recht“ für die Eingliederung als engerer Unternehmensverbindung mit strengeren Gläubigerschutzregeln (§ 321 AktG). Für die Akquisitionsfinanzierung im Rahmen eines Leveraged Buyouts ist die Eingliederung kaum von Bedeutung. Zum einen ist die Erwerberge54

Vgl. Begr. RegE. zu § 323 AktG bei Kropff, AktG, S. 427; Fleischer, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 57 Rn. 48; Eichholz, Das Recht konzerninterner Darlehen, S. 121 f. Die im Vergleich zum Vertragsrecht weitergehenden Eingriffsmöglichkeiten lassen sich durch den beim Eingliederungskonzern strengeren Gläubigerschutz (§ 321 Abs. 1 AktG: Anspruch auf Sicherheitsleistung) rechtfertigen, vgl. Eichholz, S. 148. 55 Henze, in: Großkommentar, AktG, § 57 Rn. 193; Hefermehl/Bungeroth, in: Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, AktG, § 57 Rn. 63; Fleischer, ebd.; Wiesner, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, § 16 Rn. 51. 56 Bayer, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 57 Rn. 145; Hüffer, AktG, § 323 Rn. 3. 57 Siehe oben Kapitel 3 § 4 C. 58 Siehe oben Kapitel 3 § 2 B. I. 1. b) und § 3 B. I.

§ 3 Kapitalschutz im faktischen Konzern

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sellschaft als reines Transaktionsvehikel nur selten als Aktiengesellschaft organisiert59. Zum anderen scheitert eine Eingliederung regelmäßig an der erforderlichen Mindestanteilsquote von 95 Prozent des Grundkapitals (§ 320 Abs. 1 AktG). Jedenfalls bei Übernahmen von börsennotierten Zielgesellschaften ist ein so hoher Aktienanteil für die Erwerbergesellschaft schwer zu realisieren60. Außerdem ist die Eingliederung kompliziert und mit hohen Rechtsrisiken verbunden61, so dass beim Erreichen der Quote die Erwerberseite eher einen Squeeze-Out (§ 327a AktG, § 39a WpÜG) als eine Eingliederung vornimmt.

§ 3 Kapitalschutz im faktischen Konzern Besteht kein Beherrschungsvertrag zwischen der Erwerbergesellschaft und der Zielgesellschaft, kommt die Anwendung der §§ 311 ff. AktG in Betracht. Im Gegensatz zum Vertragskonzern fehlt es in einem faktischen Konzern an einer ausdrücklichen Regelung, die das Verhältnis dieser konzernrechtlichen Sondervorschriften zu den allgemeinen kapitalschützenden Normen bestimmt. Im Mittelpunkt der nachfolgenden Untersuchung steht mithin die strittige Frage, inwieweit die Ausschüttungsverbote des § 57 AktG und das Verbot der finanziellen Unterstützung im faktischen Konzern gelten und welche Auswirkungen dies auf Übernahmesachverhalte hat. Mit einzubeziehen ist dabei auch die Neuregelung des § 57 Abs. 1 S. 3 Var. 2 AktG, wonach nicht gegen das Einlagenrückgewährverbot verstoßen wird, wenn die Leistung durch einen vollwertigen Gegenleistungs- oder Rückgewähranspruch gedeckt ist.

A. Vorliegen eines faktischen Konzerns (§§ 311 ff. AktG) I. Abhängigkeitsverhältnis nach der Übernahme Voraussetzung für die Anwendung der Bestimmungen der §§ 311 ff. AktG ist neben dem Fehlen eines Beherrschungsvertrags, dass die Aktiengesellschaft in einem Abhängigkeitsverhältnis zu einem herrschenden Unternehmen62 steht63. Ein Beherrschungsvertrag liegt oftmals unmittelbar 59

Diem, Akquisitionsfinanzierungen, § 49 Rn. 53 (S. 275). Klass, Der Buyout von Aktiengesellschaften, S. 126. 61 Diem, ebd. 62 Zur Frage, ob es sich bei einer Erwerbergesellschaft um ein Unternehmen im Sinne des Konzernrechts handelt, siehe oben Kapitel 5 § 1 A. 63 Unbeachtlich ist hingegen, ob ein Konzernverhältnis i. S. d. § 18 AktG besteht, anstatt aller Fett, in: Bürgers/Körber, AktG, § 311 Rn. 5. Allerdings wird gemäß 60

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Kap. 5: Kapitalschutz im Unternehmensverbund

nach einer Übernahme noch nicht vor, da die hierfür erforderliche Einberufung der Hauptversammlung und die Prüfung des Unternehmensvertrags (§§ 293b ff. AktG) einige Vorlaufzeit erfordert64. Gemäß § 17 Abs. 1 AktG versteht man unter einem abhängigen Unternehmen ein rechtlich selbständiges Unternehmen, auf das ein anderes Unternehmen unmittelbar einen bestimmenden Einfluss ausüben kann („herrschendes Unternehmen“). Dabei wird gemäß § 17 Abs. 2 AktG (widerlegbar65) vermutet, dass ein im Mehrheitsbesitz (§ 16 AktG) stehendes Unternehmen „von dem an ihm mit Mehrheit beteiligten Unternehmen abhängig ist“. In dem Zeitraum zwischen dem Abschluss der Übernahme mit Erwerb der Aktien und der Wirksamkeit eines Beherrschungsvertrags ist ein Abhängigkeitsverhältnis i. S. d. §§ 311 Abs. 1, 17 Abs. 1 AktG in aller Regel zu bejahen, da die Erwerbergesellschaft dann die Mehrheit der Anteile an der Zielgesellschaft hält (vgl. § 16 AktG) und damit die Vermutung des § 17 Abs. 2 AktG eingreift. Der Beweis, dass die Zielgesellschaft von der Erwerbergesellschaft nicht abhängig ist, dürfte in der Praxis kaum gelingen. Anknüpfungspunkt für die Widerlegung der Vermutung müsste in erster Linie sein, dass die Erwerbergesellschaft nicht die Fähigkeit hat, die Zusammensetzung des Aufsichtsrates und damit mittelbar die des Vorstands zu bestimmen (§§ 84, 101 AktG)66. Eine fehlende Stimmenmehrheit in der Hauptversammlung trotz Mehrheitsbesitzes kann etwa auf satzungsmäßigen Stimmrechtsbeschränkungen (§ 134 AktG) oder der Ausgabe von Mehrstimmrechtsaktien beruhen. Zusätzlich müssen nach herrschender Ansicht auch andere Einflussmöglichkeiten ausgeschlossen sein67. Unbeachtlich ist hingegen, ob tatsächlich ein beherrschender Einfluss ausgeübt wird68. Da bei einem Leveraged Buyout die Erwerberseite gerade die Kontrolle und somit auch die „Personalhoheit“ über die Zielgesellschaft erlangen will, wird die Erwerbergesellschaft in aller Regel die Stimmenmehrheit inne haben. Nach dem Erwerb der Aktien besteht mithin ein faktischer Konzern, so dass der Anwendungsbereich der §§ 311 ff. AktG eröffnet ist.

§ 18 Abs. 1 S. 3 AktG von einem abhängigen Unternehmen (§ 17 Abs. 1) vermutet, „daß es mit dem herrschenden Unternehmen einen Konzern bildet“. 64 Friedl, NZG 2005, 875, 876. 65 Hüffer, AktG, § 17 Rn. 17. 66 Emmerich, in: Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 17 Rn. 35. 67 Bayer, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 17 Rn. 95; Fett, in: Bürgers/ Körber, AktG, § 17 Rn. 29; Hüffer, AktG, § 17 Rn. 19 f.; Emmerich, in: Emmerich/ Habersack, Konzernrecht, § 17 Rn. 36; a. A. Windbichler, in: Großkommentar, AktG, § 17 Rn. 71. 68 Fett, in: Bürgers/Körber, AktG, § 17 Rn. 28; Emmerich, a.a.O, § 17 Rn. 38.

§ 3 Kapitalschutz im faktischen Konzern

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II. Vorwirkendes Abhängigkeitsverhältnis Fraglich ist jedoch, ob schon vor Abschluss der Übernahme ein faktischer Konzern vorliegt. Dies ist für die Frage der Anwendung des Verbots der finanziellen Unterstützung im faktischen Konzern von Bedeutung, da nach hier vertretener Ansicht § 71a Abs. 1 S. 1 AktG sich nur auf Unterstützungshandlungen im Vorfeld der Übernahme erstreckt69. Teilweise wird vertreten, dass ein Abhängigkeitsverhältnis nach §§ 311, 17 AktG regelmäßig schon im Zeitraum zwischen Aktienkauf und dinglicher Übertragung der Aktien vorliege70. Hierfür wird angeführt, dass der Vorstand der Zielgesellschaft schon vor Abschluss der Übernahme sein Handeln auf die zukünftig herrschende Erwerbergesellschaft ausrichte, um seine Position nicht zu gefährden. Entscheidend sei allein, dass die Übernahme aus der maßgeblichen Sicht der abhängigen Gesellschaft als sicher oder doch zumindest als wahrscheinlich erscheine71. Dies genüge für den von § 17 Abs. 1 AktG verlangten unmittelbar oder mittelbar beherrschenden Einfluss72. Schon der Gesetzeswortlaut spricht gegen ein solch weites Verständnis73. So verlangen die §§ 311, 17 AktG ein abhängiges Unternehmen und lassen ein künftiges Abhängigkeitsverhältnis gerade nicht genügen. Erst wenn die Erwerbergesellschaft nach dem dinglichen Übertragungsakt Inhaber der Aktien ist, besteht die Stimmenmacht und mit ihr die für die Beherrschung erforderliche „Personalhoheit“. Zwar ist es richtig, dass sich der vorausschauende Vorstand der Zielgesellschaft gerade bei „freundlichen“ Übernahmen an den Wünschen der zukünftigen „Herrscher“ orientiert und oftmals auch diesbezüglich schuldrechtliche Vereinbarungen geschlossen werden. Jedoch erfolgt dies im Interesse der Zielgesellschaft und nicht aufgrund der Beherrschung durch die Erwerbergesellschaft. Entscheidend gegen ein vorwirkendes Abhängigkeitsverhältnis spricht die Rechtssicherheit74. Für den Rechtsverkehr wäre kaum erkennbar, ab wann die Sonderregeln der §§ 311 ff. AktG eingreifen würden. Die Frage des beherrschenden Einflusses hinge nämlich von der Wirksamkeit und dem Inhalt schuldrechtlicher Verein69

Siehe oben Kapitel 3, § 2 B. I. 1. b). Bayer, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 17 Rn. 53 ff.; Weber, ZIP 1994, 678 ff.; Lutter, in: FS Steindorff, S. 125, 133; Schroeder, Finanzielle Unterstützung des Aktienerwerbs, S. 283 f. 71 Bayer, ebd. 72 Vgl. Lutter, in: FS Steindorff, S. 125, 133, der von einer vorgelagerten faktischen Herrschaft vor dem Hintergrund sicherer mitgliedschaftlicher Herrschaft spricht. 73 Friedl, NZG 2005, 875, 876. 74 Ebenso Friedl, ebd. 70

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Kap. 5: Kapitalschutz im Unternehmensverbund

barungen ab. Eine klare Abgrenzung, ab wann ein beherrschender Einfluss ausgeübt würde, wäre bei den internen Vorgängen kaum möglich. Zu fordern ist daher eine gesicherte, rechtliche Einflussmöglichkeit. Die herrschende Gesellschaft muss in der Lage sein, ihre Vorstellungen bei der abhängigen Gesellschaft rechtlich durchzusetzen75. Diese gesicherte Rechtsmacht besteht regelmäßig erst mit Abschluss der Übernahme, wenn die Erwerbergesellschaft die Stimmenmehrheit erlangt76. Mit der herrschenden Ansicht ist damit ein vorwirkendes Abhängigkeitsverhältnis abzulehnen und auf den klar feststellbaren Zeitpunkt des dinglichen Erwerbs der Aktienmehrheit abzustellen77. III. Der qualifiziert faktische Konzern Im Unterschied zum Vertragskonzern (§ 308 Abs. 1 AktG) besteht im faktischen Konzern nach den Vorschriften der §§ 311 ff. AktG kein Weisungsrecht der herrschenden Gesellschaft78. Der in § 311 AktG vorausgesetzte Einfluss der herrschenden Gesellschaft erfolgt nie in der Form rechtsverbindlicher Weisungen79. Übt die Erwerbergesellschaft trotz eines fehlenden Beherrschungsvertrags eine § 308 AktG entsprechende Leitungsmacht aus, so dass „die abhängige Gesellschaft wie eine unselbständige Betriebsabteilung des herrschenden Unternehmens geführt wird“80, liegt ein 75

Vgl. BGH, Beschluss vom 19.01.1993 – KVR 32/91, BGHZ 121, 137, 146; OLG Düsseldorf, Urteil vom 22.07.1993 – 6 U 84/92, AG 1994, 36, 37 f.; Fett, in: Bürgers/Körber, AktG, § 17 Rn. 3. 76 Schuldrechtliche Vereinbarungen führen hingegen nur zu einem Abhängigkeitsverhältnis, wenn aufgrund besonderer Abreden wie z. B. einem Stimmbindungsvertrag die Stimmenmacht schon vor dem dinglichen Übertragungsakt auf die Erwerbergesellschaft übergeht, vgl. Emmerich, in: Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 17 Rn. 12. 77 OLG Düsseldorf, Urteil vom 22.07.1993 – 6 U 84/92, AG 1994, 36, 37 f.; Hüffer, AktG, § 17 Rn. 9; Krieger, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, § 68 Rn. 53; ders., in: FS J. Semler, S. 503, 505 ff. (erste Problemerörterung); Friedl, NZG 2005, 875, 876; vgl. auch Emmerich, in: Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 17 Rn. 12. 78 Hüffer, AktG, § 311 Rn. 48 m. w. N.; Fett, in: Bürgers/Körber, AktG, § 311 Rn. 30 m. w. N.; Habersack/Schürnbrand, NZG 2004, 689, 691; vgl. ausführlich Kübler/Assmann, Gesellschaftsrecht, § 31 II 6. a) (S. 446 f.). 79 Altmeppen, ZIP 2009, 49, 50. 80 Lutter/Timm, NJW 1982, 409, 412 (zum GmbH-Recht); vgl. Bayer, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 18 Rn. 11. Im Einzelfall können komplizierte Abgrenzungsprobleme bestehen, vgl. die bildhafte Formulierung von Lutter, AG 1990, 179, 180: „Wie lange handelt es sich um zwei an den Rändern mehr oder minder stark verbundene, aber noch immer isolierbare Spiegeleier, und wann geht es um Rührei?“.

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Missbrauchstatbestand vor. Dieser Zustand wird als qualifiziert faktischer Konzern beschrieben81. Hierbei handelt es sich nicht um eine spezielle Form des Konzerns, sondern um einen unzulässigen Eingriff der herrschenden Gesellschaft82. Der Umfang der im faktischen Konzern erlaubten Konzernleitungsbefugnis ist überschritten, wenn die zugefügten Nachteile nicht mehr einzelnen Maßnahmen zuzuordnen sind und so der in § 311 AktG vorgesehene Einzelausgleich scheitern muss83. Eine derart weitgehende Einflussnahme der Erwerbergesellschaft außerhalb eines Beherrschungsvertrages verstößt gegen § 76 Abs. 1 AktG, der die eigenverantwortliche Leitung der Gesellschaft durch den Vorstand festschreibt. In einem solchen Fall wird von der ganz herrschenden Ansicht eine entsprechende Anwendung der §§ 302 ff. AktG befürwortet84. Während im GmbH-Recht die Rechtsfigur des qualifiziert, faktischen Konzerns vom BGH durch die Existenzvernichtungshaftung ersetzt wurde, gilt sie nach herrschender Ansicht im Aktienrecht fort85. Dabei greift die Privilegierung des § 291 Abs. 3 AktG mangels eines in ordnungsgemäßer Weise abgeschlossenen Beherrschungsvertrags nicht ein. Nur ein Beherrschungsvertrag macht das Recht der Erwerbergesellschaft zur Beherrschung der abhängigen Aktiengesellschaft für die Gläubiger und Minderheitsaktionäre transparent86. Im qualifiziert faktischen Konzern finden mithin neben den § 302 ff. AktG analog die allgemeinen aktienrechtlichen Kapitalschutzregeln – insbesondere die Ausschüttungsverbote des § 57 AktG – uneingeschränkt Anwendung87.

81

Anstatt aller Fett, in: Bürgers/Körber, AktG, § 311 Rn. 27 ff.; vgl. zur Herkunft des Begriffs aus dem GmbH-Recht, Bayer, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 18 Rn. 11; ausführlich: Eichholz, Das Recht konzerninterner Darlehen, S. 118 ff. 82 Vgl. Servatius, in: BeckOK, GmbHG, Konzern Rn. 500 (zur entsprechenden Problematik bei der GmbH). 83 Kübler/Assmann, Gesellschaftsrecht, § 31 II 6. a) (S. 447). 84 Bayer, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 18 Rn. 11, 14; Fett, in: Bürgers/Körber, AktG, § 311 Rn. 30 f. m. w. N.; Henze, in: Großkommentar, AktG, § 57 Rn. 192 m. w. N.; Habersack, in: Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 317 Rn. 5, 17; Kübler/Assmann, Gesellschaftsrecht, § 31 II 6. a) (S. 448); Servatius, BeckOK, GmbHG, Konzern Rn. 500 (zur entsprechenden Problematik im GmbH Recht). 85 Bayer, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 18 Rn. 11; Schall, in: Spindler/Stilz, AktG, § 18 Rn. 4; Emmerich, in: Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 18 Rn. 3; Kübler/Assmann, § 31 II 6 a) (S. 448). 86 Bayer, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 57 Rn. 151. 87 Ebd.

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Kap. 5: Kapitalschutz im Unternehmensverbund

B. Anwendung des § 57 Abs. 1, 3 AktG Im Folgenden ist nun auf das Verhältnis von § 57 Abs. 1, 3 AktG zu den §§ 311 ff. AktG einzugehen. Im Schrifttum werden hierzu unterschiedliche Standpunkte vertreten: Teilweise wird angenommen, dass die Konzernregeln die allgemeinen Bestimmungen über die Vermögensbindung vollständig verdrängen und die §§ 57, 62 AktG auch bei Scheitern des Nachteilsausgleichs (§ 311 Abs. 2 AktG) nicht wieder aufleben88. Nach der Gegenansicht beanspruchen die allgemeinen Kapitalerhaltungsvorschriften neben § 311 ff. AktG in vollem Umfang Geltung89. Die vermittelnde, herrschende Meinung sieht in §§ 311, 317 AktG eine den §§ 57, 62 AktG vorgehende Sonderegelung90. Auch innerhalb letzterer Ansicht ist die Terminologie uneinheitlich. So sollen die Konzernregeln die Ausschüttungsverbote des § 57 AktG im Wege der Spezialität „zeitweise verdrängen“91 bzw. „vorübergehend hemmen“92. Andere sprechen davon, dass die allgemeine Vermögensbindung „in konzernspezifischer Weise ausgeformt“93 wird. Als dogmatische Konstruktion wird überwiegend ein auflösend bedingter Ausschluss der Rechtswirkungen der Kapitalschutzvorschriften befürwortet94.

88 Bezzenberger, Das Kapital der Aktiengesellschaft, S. 326 ff.; Michalski, AG 1980, 261, 264. 89 Cahn/Senger, in: Spindler/Stilz, AktG, § 57 Rn. 76; Bälz, in: FS Raiser, 287, 302 ff. (insb. 315); Bommert, Verdeckte Vermögenslagerungen, S. 182 f.; Cahn, Kapitalerhaltung im Konzern, S. 64 ff.; Altmeppen, ZIP 1996, 693, 695 ff. 90 BGH, Urteil vom 1.12.2008 – II ZR 102/07, BB 2009, 118, 119 („MPS“); BGH, Urteil vom 1.3.1999 – II ZR 312/97, BGHZ 141, 79, 87; OLG Hamm, Urteil vom 10.5.1995 – 8 U 59/94, AG 512, 516 („Harpener Omni“); OLG Frankfurt a. M., Urteil vom 30.1.1995 – 6 U 192/91, AG 1996, 325, 327; OLG München, Urteil vom 15.12.2004 – 7 U 5665/03; NZG 2005, 181, 183; Bayer, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 57 Rn. 147 m. w. N.; Henze, in: Großkommentar, AktG, § 57 Rn. 196: Westermann, in: Bürgers/Körber, AktG, § 57 Rn. 39; Fleischer, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 57 Rn. 48; Habersack/Schürnbrand, NZG 2004, 689, 691 f.; vgl. schon Kropff, DB 1967, 2147, 2149 f. unter Einbeziehung der Entstehungsgeschichte des Konzernrechts. 91 Bayer, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 57 Rn. 147. 92 Klass, Der Buyout von Aktiengesellschaften, S. 124 m. w. N. 93 Henze, in: Großkommentar, AktG, § 57 Rn. 104 m. w. N.; Fleischer, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 57 Rn. 48. 94 Ausführlich: Strohn, Die Verfassung der Aktiengesellschaft im faktischen Konzern, S. 152 ff., 179 ff. m. w. N.; vgl. auch Wiedemann/Strohn, AG 1979, 113, 120; Koppensteiner, in: Kölner Kommentar zum Aktiengesetz, § 317 Rn. 40; Schroeder, Finanzielle Unterstützung des Aktienerwerbs, S. 281 f. (Letzterer zur entsprechenden Problematik bei § 71a Abs. 1).

§ 3 Kapitalschutz im faktischen Konzern

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I. Gesetzliche Regelung und Systematik Eckpunkte für die Anwendbarkeit des § 57 Abs. 1 und 3 AktG im faktischen Konzern ergeben sich aus der gesetzlichen Regelung und der Systematik des Konzernrechts: 1. Verhältnis zum Vertragskonzern

Zunächst ist festzuhalten, dass eine ausdrückliche gesetzliche Befreiung von den Ausschüttungsverboten des § 57 AktG für die §§ 311 ff. AktG fehlt. Eine solche Regelung besteht nur für den Vertragskonzern. Zusätzlich zur bisherigen Regelung (§ 291 Abs. 3 AktG) hat dies nunmehr der Gesetzgeber in dem durch das MoMiG neu eingeführten § 57 Abs. 1 S. 3 Var. 1 AktG normiert. Aus dem Fehlen einer Parallelregelung für den faktischen Konzern wird teilweise geschlossen, dass im Rahmen der §§ 311 ff. AktG die allgemeinen Kapitalerhaltungsvorschriften vollumfänglich Anwendung fänden. So wird argumentiert, dass es für den Gesetzgeber ein Leichtes gewesen wäre, Leistungen im faktischen Konzern entsprechend zu privilegieren95. Vor dem Hintergrund, dass es dem Gesetzgeber bei der Neufassung des § 57 Abs. 1 AktG in erster Linie um die Nachzeichnung der Änderung in § 30 GmbHG ging96 und die Regelung des § 311 AktG weiter besteht, ist dieser Schluss jedoch keineswegs zwingend. Allerdings ergibt sich aus der Systematik zu den vertragskonzernrechtlichen Regelungen ein „Erst-Recht-Schluss“: Wenn schon Leistungen im Vertragskonzern trotz der Privilegierung der §§ 57 Abs. 1 S. 3 Var. 1, 291 Abs. 3 AktG ausnahmsweise unter die Ausschüttungsverbote des § 57 AktG fallen, muss dies „erst recht“ im faktischen Konzern gelten. Denn bei einer lediglich faktischen Konzernierung, bei der im Gegensatz zum Vertragskonzern kein Weisungsrecht (§ 308 AktG) und keine umfassende Verlustübernahmepflicht (§ 302 AktG) besteht, dürfen Eingriffe nicht in einem weiteren Umfang erlaubt sein als im Rahmen der §§ 291 ff. AktG97. Im Vertragskonzern bleibt es bei der Anwendung der allgemeinen Kapitalschutzvorschriften, wenn aus ex ante-Sicht durch die Vermögensverlagerung auf die herrschende Gesellschaft eine Existenzgefährdung der Gesellschaft droht oder der Verlustausgleichsanspruch nach § 302 AktG nicht vollwertig 95

Lutter/Drygala, in: Kölner Kommentar zum Aktiengesetz, § 71a Rn. 48 zu entsprechenden Erwägungen bezüglich des Verbotes der finanziellen Unterstützung. 96 Wand/Tillmann/Heckenthaler, AG 2009, 148, 150, 154. 97 Vgl. Michalski, AG 1980, 261, 265 der daher fordert, dass wie im Vertragskonzern nach § 308 Abs. 1 S. 1 AktG auch im faktischen Konzern die nachteiligen Rechtsgeschäfte dem Konzerninteresse dienen müssen.

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Kap. 5: Kapitalschutz im Unternehmensverbund

ist98. Zumindest in diesen Fällen muss auch im faktischen Konzern § 57 Abs. 1 und 3 AktG Anwendung finden. 2. Nachteilsausgleich gemäß § 311 AktG

§ 311 Abs. 1 AktG verbietet es der herrschenden Gesellschaft, die abhängige Aktiengesellschaft zu veranlassen, „ein für sie nachteiliges Rechtsgeschäft vorzunehmen, es sei denn, daß die Nachteile ausgeglichen werden“. Absatz 2 sieht vor, dass spätestens am Ende des Geschäftsjahres der abhängigen Gesellschaft ein Rechtsanspruch auf die zum Ausgleich bestimmten Vorteile zu gewähren ist, wenn nicht der Ausgleich der Nachteile schon während des Geschäftsjahres tatsächlich erfolgte. Die konzernrechtliche Regelung steht damit im Widerspruch zu der allgemeinen Vermögensbindung des § 57 AktG99. Während nachteilige Leistungen nach §§ 62 Abs. 1 S. 1, 57 Abs. 1, 3 AktG einen sofort fälligen Rückgewähranspruch nach sich ziehen, lässt § 311 AktG einen nachträglichen Ausgleich zu. Hier zeigt sich somit eine Grenze für die Anwendung des § 57 AktG im faktischen Konzern, die die These von der Spezialität der Konzernregelung stützt. Denn was § 311 AktG im faktischen Konzern erlaubt, kann die allgemeine Regelung des § 57 AktG nicht verbieten. Ansonsten würde die in § 311 AktG eingeräumte Möglichkeit zum Nachteilsausgleich leer laufen100. In seinem Anwendungsbereich muss somit § 311 AktG als lex specialis vorgehen101. Abzulehnen ist daher die Gegenansicht102, die §§ 57, 62 AktG im faktischen Konzern vollumfänglich für anwendbar hält. Auch ihr Argument, es sei widersprüchlich, dass das herrschende Unternehmen, welches nicht die Vorteilszuwendung veranlasst habe, nach §§ 57, 62 ff. AktG schärfer haften würde, als das veranlassende Unternehmen nach §§ 311 ff. AktG103, kann nicht überzeugen. Zum einen sind die konzernrechtlichen Ausgleichs- und Haftungsbestimmungen mit der auch Folgeschäden erfassenden Schadensersatzregelung in § 317 AktG nicht per se milder104, zum anderen ist der 98

Siehe oben Kapitel 5 § 1 B. II. 2. Ebenso Hüffer, AktG, § 57 Rn. 49. 100 Vgl. LG Düsseldorf, Urteil vom 22.12.1978 – 40 O 138/78, AG 1979, 290, 292; Bezzenberger, Das Kapital der Aktiengesellschaft, S. 328. 101 Ebenso Lutter, in: Kölner Kommentar zum AktG, 2. Aufl., § 57 Rn. 80 m. w. N. 102 Würdinger, in: Großkommentar, AktG, § 311 Rn. 5; Bälz, in: FS Raiser, 287, 302 ff. (insb. 315); Bommert, Verdeckte Vermögenslagerungen, S. 182 f.; Cahn, Kapitalerhaltung im Konzern, S. 64 ff.; Altmeppen, ZIP 1996, 693, 695 ff. 103 Cahn, Kapitalerhaltung im Konzern, S. 65 f.; Spindler, ZHR 171 (2007), 245, 264. 99

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gesetzgeberische Wille, der die Ausgleichsmöglichkeit in § 311 Abs. 2 AktG vorsieht, zu beachten105. 3. Schadensersatzanspruch gemäß § 317 AktG

Unterbleibt der Nachteilsausgleich entgegen § 311 AktG, sieht § 317 AktG einen Schadensersatz vor. Anknüpfungspunkt ist die Nachteilsveranlassung sowie der unterlassene Nachteilsausgleich. Über den Verweis in § 317 Abs. 4 AktG können auch die Aktionäre der Gesellschaft sowie deren Gläubiger unter den Voraussetzungen des § 309 Abs. 4 AktG den Anspruch geltend machen. Anhaltspunkte dafür, ob der Anspruch neben dem allgemeinen aktienrechtlichen Rückgewähranspruch des § 62 Abs. 1 S. 1 AktG anwendbar ist oder letzteren verdrängt, lassen sich aus der Vorschrift nicht gewinnen. 4. Neuregelung des § 57 Abs. 1 S. 3 Var. 2 AktG

Zu berücksichtigen ist des Weiteren die Neuregelung des § 57 Abs. S. 3 Var. 2 AktG. Leistungen, die durch einen vollwertigen Gegenleistungsoder Rückgewähranspruch gedeckt sind, unterfallen nicht der strengen Vermögensbindung des § 57 AktG106. Nach den Gesetzesmaterialien will es die Vorschrift „den Gesellschaften erleichtern, mit ihren Gesellschaftern – vor allem im Konzern – alltägliche und wirtschaftlich sinnvolle Leistungsbeziehungen zu unterhalten und zu entwickeln“107. Diese Äußerung verwundert zunächst, bedenkt man, dass § 57 AktG im Vertragskonzern grundsätzlich keine Anwendung findet108 und im faktischen Konzern nach h. M. durch die spezielleren §§ 311 ff. AktG verdrängt wird109. Die Gesetzes104 Ausführlich Bezzenberger, Das Kapital der Aktiengesellschaft, S. 323 ff.; 330 m. w. N. 105 So schon Kropff, in: DB 1967, 2147, 2154; Strohn, Die Verfassung der Aktiengesellschaft im faktischen Konzern, S. 25. 106 Siehe oben Kapitel 3 § 1 B. II. 3. b) aa) (3). 107 Begr. RegE. MoMiG vom 25.7.2007 (MoMiG), BT-Drucks. 16/6140, S. 41, 52. 108 Siehe oben Kapitel 5 § 1 B. 109 BGH, Urteil vom 1.3.1999 – II ZR 312/97, BGHZ 141, 79, 87; OLG Hamm, Urteil vom 10.5.1995 – 8 U 59/94, AG 512, 516 („Harpener Omni“); OLG Frankfurt a. M., Urteil vom 30.1.1995 – 6 U 192/91, AG 1996, 325, 327; OLG München, Urteil vom 15.12.2004 – 7 U 5665/03; NZG 2005, 181, 183; Bayer, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 57 Rn. 147 m. w. N.; Henze, in: Großkommentar, AktG, § 57 Rn. 196: Westermann, in: Bürgers/Körber, AktG, § 57 Rn. 39; Fleischer, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 57 Rn. 48; Habersack/Schürnbrand, NZG 2004, 689, 691 f.; vgl. schon Kropff, DB 1967, 2147, 2149 f. unter Einbeziehung der Entstehungsgeschichte des Konzernrechts.

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begründung trifft an dieser Stelle jedoch keine Aussage über die Anwendung des § 57 AktG im faktischen Konzern. Sie betont vielmehr die Auswirkungen der Gesetzesänderung für das Konzernrecht. So beeinflusst die Neuregelung zwangsläufig auch das Kapitalschutzniveau im faktischen Konzern. Denn im gegenüber § 57 AktG privilegierten faktischen Konzern können jedenfalls keine strengeren Maßstäbe gelten als nach der allgemeinen aktienrechtlichen Kapitalschutznorm110. II. Folgerungen für die verschiedenen Zeitphasen Bei der Frage, inwieweit in den verschiedenen Zeitphasen § 57 AktG innerhalb des faktischen Konzerns Anwendung findet, sind somit drei Punkte vorgegeben: Zum einen kann die Privilegierung im faktischen Konzern nicht weiter gehen als im Vertragskonzern. Als zweiter Punkt ist die Ausgleichregelung des § 311 AktG zu beachten. Zuletzt darf im faktischen Konzern kein strengeres Schutzniveau gelten als im Rahmen des § 57 AktG. 1. Rechtslage im Zeitpunkt der Vornahme des Rechtsgeschäfts

a) Nachteiliges Rechtsgeschäft im Sinn des § 311 Abs. 1 AktG Die Vorschrift des § 311 Abs. 1 AktG verbietet der herrschenden Gesellschaft lediglich, die abhängige Gesellschaft zu einem nachteiligen Rechtsgeschäft zu veranlassen. Aufgrund der aufgezeigten Verbindung zwischen § 57 AktG und den Konzernvorschriften liegt mithin kein nachteiliges Rechtsgeschäft vor, wenn die vereinbarte Leistung durch einen vollwertigen Gegenleistungs- oder Rückgewähranspruch gegen den Aktionär gedeckt ist (vgl. § 57 Abs. 1 S. 3 Var. 2 AktG). Diese Verknüpfung hat nun auch der BGH in seinem als „Meilenstein“111 bezeichneten „MPS-Urteil“ vom Dezember 2008 ausdrücklich bestätigt112. Zu Recht stellt das Gericht fest, dass ein nachteiliges Rechtsgeschäft i. S. d. § 311 AktG nicht schon aufgrund der Vergabe eines ungesicherten Darlehens an die herrschende Gesellschaft bejaht werden könne113. Entsprechend der 110 So nun ausdrücklich BGH, Urteil vom 1.12.2008 – II ZR 102/07, BB 2009, 118, 119 („MPS“). 111 Rubel, NJW-Spezial 2009, 47, 48. 112 BGH, Urteil vom 1.12.2008 – II ZR 102/07, BB 2009, 118, 119 f; vgl. hierzu Habersack, in: ZGR 2009, 347 ff. 113 Anders noch die vor Inkrafttreten des § 57 Abs. 1 S. 3 Var. 2 AktG h. M. vgl. Bayer, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 57 Rn. 100, 102; Bayer/Lieder,

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bilanziellen Betrachtungsweise sei ein solches Rechtsgeschäft vielmehr dann nicht nachteilig, wenn aus ex ante-Perspektive ein vollwertiger Darlehensrückzahlungsanspruch bestünde114. Dabei bedürfe es bezüglich der Rückzahlungsprognose keine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit. Vielmehr seien die Bilanzierungsmaßstäbe des § 253 HGB heranzuziehen. Nur bei einem konkreten Ausfallrisiko im Zeitpunkt der Vornahme des Rechtsgeschäfts habe der Vorstand das unbesicherte Darlehen nicht zu gewähren, um seiner Sorgfaltspflicht nach § 93 Abs. 1 S. 1 AktG gerecht zu werden115. Mit dem BGH gilt somit bei der Bestimmung, ob ein Rechtsgeschäft nachteilig i. S. d. § 311 Abs. 1 AktG ist, der gleiche Maßstab wie in § 57 Abs. 1 S. 3 Var. 2 AktG116. Auch im faktischen Konzern ist die Vollwertigkeit des Gegenleistungs- oder Rückgewähranspruchs das entscheidende Kriterium. Wann dies bei der Darlehens- und Sicherheitsvergabe im Rahmen eines Leveraged Buyout der Fall ist, wurde bereits zu § 57 Abs. 1 S. 3 Var. 2 AktG ausführlich erörtert. Auf diese Ausführungen wird verwiesen117. b) Existenzgefährdung und Scheitern des Ausgleichs nach § 311 Abs. 2 AktG Fehlt es an einem vollwertigen Gegenleistungs- oder Rückgewähranspruch, liegt ein nachteiliges Rechtsgeschäft118 nach § 311 Abs. 1 AktG vor, wenn die Minderung oder konkrete Gefährdung der Vermögens- oder Ertragslage der Zielgesellschaft auf die Abhängigkeit zurückzuführen ist119. ZGR 2005, 131, 148 f.; Henze, in: Großkommentar, AktG, § 57 Rn. 197; Hüffer, AktG, § 311 Rn. 49a; ders., AG 2004, 416, 418; Schön, ZHR 159 (1995), 351, 372. 114 Vgl. auch Altmeppen, ZIP 2009, 49, 50. 115 BGH, Urteil vom 1.12.2008 – II ZR 102/07, BB 2009, 118, 119 f. 116 Anders noch vor Einführung des § 57 Abs. 1 S. 3 Var. 2 die h. M. vgl. Habersack, in: Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 311 Rn. 47 f. m. w. N. 117 Siehe oben Kapitel 3 § 1 B. II. 3. b) aa) (3) (c) (Darlehen), Kapitel 3 § 1 B. II. 3. b) bb) (2) (b) (Sicherheit). 118 Ob ein nachteiliges Rechtsgeschäft vorliegt, wird dabei objektiv bestimmt. Unbeachtlich ist mithin, ob der Nachteil für die Geschäftsleitung erkennbar war, so zu Recht Altmeppen, ZIP 2009, 49, 51 m. w. N. gegen BGH, Urteil vom 1.12.2008 – II ZR 102/07, AG 2009, 81, der die subjektiven Voraussetzungen für eine Haftung nach § 317 AktG mit dem objektiven Tatbestandsmerkmal der Benachteiligung vermengt. 119 Vgl. BGH, Urteil vom 1.3.1999 – II ZR 312/97, BGHZ 141, 79, 84; BGH, Urteil vom 1.12.2008 – II ZR 102/07, AG 2009, 81; Hüffer, AktG, § 311 Rn. 25; Habersack, in: Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 311 Rn. 47 f.; Bezzenberger, Das Kapital der Aktiengesellschaft, S. 330 auch zum scheinbaren Wertungswiderspruch, dass das herrschende Unternehmen bei veranlasster Zuwendung nach den angeblich milderen konzernrechtlichen Regeln haftet.

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Grundsätzlich erlaubt in diesem Fall § 311 Abs. 2 AktG in gewissen Grenzen einen nachträglichen Ausgleich. Besteht jedoch aus ex ante-Sicht eine Existenzgefährdung der Zielgesellschaft oder ist von einem Scheitern des Nachteilsausgleichs auszugehen, entfällt – wie im Vertragskonzern120 – auch im faktischen Konzern der Grund für die Privilegierung121. Die verzögerte Ausgleichspflicht nach § 311 Abs. 2 AktG hat nur ihre Berechtigung, wenn die herrschende Erwerbergesellschaft ihrer Finanzierungsverantwortung für die abhängige Zielgesellschaft nachkommen kann. § 311 AktG erlaubt mithin keine dauerhafte Vermögensverlagerung von der Ziel- auf die Erwerbergesellschaft, sondern privilegiert lediglich die zeitlich beschränkte Nutzung. Bei einer fremdfinanzierten Übernahme hat die herrschende Erwerbergesellschaft hingegen das Interesse, mit dem Kapital der Zielgesellschaft die für den Kaufpreis aufgenommenen Verbindlichkeiten dauerhaft zurückzuzahlen. Typischerweise erwirtschaftet die Erwerbergesellschaft als bloßes Akquisitionsvehikel auch keinen eigenen Gewinn, so dass oftmals schon zum Zeitpunkt des nachteiligen Rechtsgeschäfts voraussehbar ist, dass der Ausgleich nach § 311 Abs. 2 AktG scheitern wird122. Dann greifen jedoch ausnahmsweise auch im faktischen Konzern die Ausschüttungsverbote des § 57 Abs. 1, 3 AktG ein, mit der Folge, dass mit der nachteiligen Vermögensverlagerung der Rückgewähranspruch nach § 62 Abs. 1 S. 1 AktG entsteht. 2. Rechtslage im Ausgleichszeitraum bis zum Ende des Geschäftsjahres

Zunächst stellt sich die Frage, in welchen Fällen es überhaupt zu einem zeitlich verzögerten Ausgleich gemäß § 311 Abs. 2 AktG kommen kann. Die bisherige Untersuchung hat gezeigt, dass der Anwendungsbereich der Privilegierung in zwei Richtungen eingeschränkt ist: Ist die Darlehens- oder Sicherheitsleistung von einem vollwertigen Ausgleichsanspruch gedeckt123, 120

Siehe oben Kapitel 5 § 1 B. II. 2. Vgl. Bayer, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 57 Rn. 149 („nicht ausgleichsfähig“). Dessen Folgerung, alle Darlehens- und Sicherheitsleistungen seien verboten, da das herrschende Unternehmen das Insolvenzrisiko nicht auf die abhängige AG überwälzen dürfe, geht jedoch vor dem Hintergrund der Neuregelung des § 57 Abs. 1 S. 3 AktG zu weit. 122 Ähnliche Erwägungen finden sich bei Wand/Tillmann/Heckenthaler, AG 2009, 148, 150, 156 f.; Riegger, ZGR 2008, 233, 241. 123 Der allgemeine Begriff des Ausgleichsanspruchs umfasst sowohl den für die Darlehensvergabe passenden Begriff des „Rückgewähranspruchs“ als auch den bei der Sicherheitsvergabe maßgeblichen „Freistellungsanspruch“, siehe oben Kapitel 3 § 1 B. II. 3. b) bb) (1) (b). 121

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fehlt es an einem nachteiligen Rechtsgeschäft. Folglich besteht keine Ausgleichspflicht nach § 311 Abs. 2 AktG. Der Nachteilsausgleich hätte in diesem Fall auch keine eigenständige Funktion. So bestimmt § 311 Abs. 2 S. 2 AktG, dass „auf die zum Ausgleich bestimmten Vorteile der abhängigen Gesellschaft ein Rechtsanspruch zu gewähren [ist]“. Mit dem vollwertigen Ausgleichsanspruch existiert jedoch ein derartiger Rechtsanspruch von Anfang an. Die zweite Einschränkung betrifft den Fall, dass zum Zeitpunkt des Rechtsgeschäfts davon auszugehen ist, dass ein späterer Nachteilsausgleich scheitern wird. Dann bleibt es bei der Anwendung der §§ 62, 57 AktG. Bei der Gewährung eines Darlehens oder der Bestellung einer Sicherheit wird dies regelmäßig angenommen, wenn die Vollwertigkeit des Ausgleichsanspruchs zu verneinen ist124. Bezüglich der Darlehensvaluta und der Sicherheitsleistung spielt damit die Möglichkeit des hinausgeschobenen Nachteilsausgleichs regelmäßig keine Rolle: Entweder liegt objektiv aus ex ante-Sicht ein vollwertiger Ausgleichsanspruch vor, mit der Folge, dass keine Ausgleichspflicht nach § 311 Abs. 2 AktG ausgelöst wird, oder die herrschende Gesellschaft haftet bei Empfang der Leistung gemäß § 62 Abs. 1 S. 1 AktG wegen Verstoßes gegen § 57 Abs. 1 und 3 AktG auf Rückgewähr des Empfangenen. Darlehens- und Sicherheitsleistungen innerhalb und außerhalb eines faktischen Konzerns unterfallen somit regelmäßig den gleichen Regeln. Diese Erkenntnis ist nicht neu. Schon zur Rechtlage vor dem MoMiG wurde vertreten, dass wenn die Gewährung eines Darlehens oder die Bestellung einer Sicherheit nach den allgemeinen Grundsätzen der Vermögensbindung als Verstoß gegen § 57 Abs. 1 S. 1 AktG zu qualifizieren sei, auch § 311 AktG daran nichts ändern kann125. Geändert hat sich durch § 57 Abs. 1 S. 3 Var. 2 AktG lediglich das Schutzniveau, nicht jedoch der Kern dieser Aussage. Insofern kann der Satz um die Aussage ergänzt werden, dass, wenn § 57 AktG die Gewährung eines Darlehens oder die Bestellung einer Sicherheit erlaubt oder verbietet, auch § 311 AktG hieran in aller Regel nichts ändert. Der Kapitalschutz im faktischen Konzern unterscheidet sich mithin nur dann von den allgemeinen Grundsätzen der Vermögensbindung, wenn ein nachteiliges Rechtsgeschäft vorliegt, die Zielgesellschaft hierdurch aus ex ante-Sicht nicht in Existenznot gerät und keine ernstzunehmenden Zweifel bestehen, dass die herrschende Gesellschaft willens und fähig ist, den Nachteil nach den Regeln des § 311 Abs. 2 AktG auszugleichen. Dies kann bei 124 Vgl. Altmeppen, ZIP 2009, 49, 51, 55. Zur entsprechenden Problematik im Vertragskonzern siehe oben Kapitel 5 § 1 B. I. und II. 2. 125 Henze, in: Großkommentar, AktG, § 57 Rn. 197.

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einseitigen Leistungsversprechen der Fall sein oder bei einem unausgewogenen Ausgleichsgeschäft. Da es bei solchen Rechtsgeschäften keine vollwertigen Gegenleistungs- oder Rückgewähransprüche geben kann, liegt hierin immer ein Verstoß gegen § 57 Abs. 1, 3 AktG mit der Folge des sofortigen Rückgewähranspruches nach § 62 Abs. 1 S. 1 AktG. Im faktischen Konzern hingegen hat die herrschende Gesellschaft gemäß § 317 Abs. 2 AktG bis zum Ende des Geschäftsjahres Zeit, die Nachteile tatsächlich auszugleichen bzw. einen (vollwertigen) Anspruch auf Ausgleich der Nachteile einzuräumen126. Dies gilt auch bezüglich eines Vermögensabflusses zu Lasten des Grundkapitals und der gesetzlichen Rücklagen127. Eine unausgewogene Leistung kann auch bei der Darlehensvergabe eine Rolle spielen, jedoch nicht bezüglich der zurückzugewährenden Darlehensvaluta, sondern in Bezug auf eine angemessene Verzinsung. Diesbezüglich kann die Privilegierung des § 311 AktG eingreifen. Bereits oben wurde erörtert, dass das Vollwertigkeitskriterium bei Darlehen mit einer Laufzeit von über einem Jahr eine angemessene Verzinsung erfordert, um bilanzielle Nachteile auszugleichen. Fehlt es hieran, liegen die Voraussetzungen für die Ausnahmeregelung des § 57 Abs. 1 S. 3 Var. 2 AktG nicht vor. Parallel hierzu ist das Darlehen im faktischen Konzern als ein nachteiliges Rechtsgeschäft i. S. d. § 311 Abs. 1 AktG einzuordnen128. Während außerhalb eines faktischen Konzerns nach hier vertretener Ansicht mangels Eingreifen der Ausnahmevorschrift die gesamte Darlehensvaluta nach § 62 Abs. 1 S. 1 AktG zurückzugewähren ist, ist die Rechtslage im faktischen Konzern eine andere. Der durch die fehlende Verzinsung entstandene Nachteil kann unter den Voraussetzungen des § 311 Abs. 2 AktG ausgeglichen werden. Denn in diesem Fall scheitert die Vollwertigkeit des Darlehenrückgewähranspruchs nicht an der fehlenden Fähigkeit der herrschenden Gesellschaft, den Nachteilsausgleich vorzunehmen, sondern an der objektiven Unausgewogenheit der Leistungen. Für diese Fallgruppe sieht 126 Gleichzeitig mit §§ 57, 62 AktG treten diesbezüglich die allgemeinen Haftungstatbestände zurück (Haftung des herrschenden Unternehmens wegen Verletzung der mitgliedschaftlichen Treuepflicht, Haftung des Vorstands bzw. Aufsichtsrats nach §§ 93, 116 AktG vgl. Habersack/Schürnbrand, NZG 2004, 689, 692. 127 So die h. M. OLG Stuttgart, Urteil von 21.12.1993 – 10 U 48/93, AG 1994, 411, 412; Kropff, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 311 Rn. 326 ff.; Hüffer, AktG, § 311 Rn. 49, Habersack, in: Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 311 Rn. 82; Habersack/Schürnbrand, NZG 2004, 689, 692; a. A. Altmeppen, ZIP 1996, 693, 695 ff.; Cahn, Kapitalerhaltung im Konzern, S. 57 ff.; Schön, in: FS Röhricht 2005, 559, 562 ff.; Henze, AG 2004, 405 ff., ders., WM 2005, 717, 720 f.; Burgard, AG 2006, 527, 532; auf Grund der Ausstrahlungswirkung der Neuregelung des § 57 Abs. 1 S. 3 AktG dürfte die Minderansicht überholt sein, siehe oben Kapitel 3 § 1 B. II. 3. b) aa) (d). 128 BGH, Urteil vom 1.12.2008 – II ZR 102/07, BB 2009, 118, 120, Rn. 17.

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jedoch § 311 Abs. 2 AktG gerade den hinausgeschobenen Nachteilsausgleich vor. Es hat sich mithin gezeigt, dass die Fälle, bei denen es im faktischen Konzern zu einem privilegierten Nachteilsausgleich kommen kann, begrenzt sind. In erster Linie werden von der Privilegierung unausgewogene Austauschgeschäfte erfasst. Diese sind dann im Unternehmensverbund innerhalb des Ausgleichzeitraums zulässig und wirksam. Die allgemeinen Vermögensbindungsregeln stehen dann hinter der als lex specialis anzusehenden Konzernregelung des § 311 AktG zurück129. Für die Akquisitionsfinanzierung bedeutet dies jedoch keinen entscheidenden Vorteil. So erlaubt § 311 Abs. 2 AktG keine dauerhafte Vermögensverlagerung130. Hinzu kommt, dass nach hier vertretener Ansicht auch bei Verstoß gegen § 57 AktG das nachteilige Rechtsgeschäft nicht nichtig ist, sondern lediglich die Rechtsfolge des § 62 Abs. 1 S. 1 AktG ausgelöst wird131. Spätestens am Ende des Geschäftsjahres ist im faktischen Konzern gemäß § 311 Abs. 2 S. 2 AktG der abhängigen Gesellschaft ein entsprechender Rechtsanspruch auf Ausgleich der Vorteile zu gewähren. Im Übrigen wird in der Literatur zu Recht darauf hingewiesen, dass die Konzernregeln insgesamt den Schutz der abhängigen Gesellschaft eher verstärken als lockern132. Zum einen erfasst das Ausgleichs- und Haftungssystem im faktischen Konzern auch vom herrschenden Unternehmen veranlasste Vermögensverlagerungen zu Gunsten von Nichtaktionären. Zum anderen besteht eine erweiterte Dokumentationspflicht (§§ 312–316 AktG). Schließlich geht der konzernrechtliche Schadensersatzanspruch des § 317 AktG, der auch den entgangenem Gewinn und Folgeschäden erfasst, über die Regelung des § 62 AktG hinaus133. 3. Rechtslage nach Ablauf des Ausgleichszeitraums

Unterbleibt der Ausgleich am Ende des Geschäftsjahres entgegen § 311 Abs. 2 AktG, kommen unter Kapitalschutzaspekten zwei Lösungsansätze in 129

Ebenso die h. M. OLG Stuttgart, Urteil von 21.12.1993 – 10 U 48/93, AG 1994, 411, 412; Kropff, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 311 Rn. 326 ff.; Hüffer, AktG, § 311 Rn. 49, Habersack, in: Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 311 Rn. 82. 130 Vgl. Bezzenberger, Das Kapital der Aktiengesellschaft, S. 325, der daher die Regelung auch in Einklang mit der Art. 15 der Kapitalrichtlinie sieht. Zur Europarechtskonformität vgl. Habersack, in: Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 311 Rn. 82, ders., ZGR 2003, 724, 733 f. 131 Siehe oben Kapitel 3 § 3 C. II. 1. 132 Bezzenberger, Das Kapital der Aktiengesellschaft, S. 323 f., 328 m. w. N. 133 Ausführlich Bezzenberger, Das Kapital der Aktiengesellschaft, S. 324.

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Betracht. Entweder man sieht in der Schadensersatzregelung des § 317 AktG eine abschließende Regelung oder man wendet neben dieser konzernrechtlichen Regelung zusätzlich die §§ 62, 57 AktG an. Rechtsprechung und herrschende Literatur lassen die allgemeinen Kapitalschutzregelungen der §§ 62, 57 AktG wieder aufleben, wenn die herrschende Gesellschaft der abhängigen Gesellschaft am Ende des Geschäftsjahres unter Verstoß gegen § 311 Abs. 2 AktG keinen Ausgleichsanspruch einräumt134. Hierfür wird angeführt, dass die verdrängende Wirkung der Privilegierung des § 311 AktG nur solange andauern kann, wie sich der Sachverhalt innerhalb der Grenzen des § 311 AktG abspielt135. Warum dies so ist, wird dabei nicht näher erörtert. Einen durch das Unterbleiben des Nachteilsausgleichs (§ 311 Abs. 2 AktG) auflösend bedingten Ausschluss der §§ 62, 57 AktG anzunehmen ist nicht unproblematisch. Gerade wenn man – anders als hier vertreten136 – mit der herrschenden Meinung bei Verstoß gegen § 57 Abs. 1 und 3 AktG das dem Vermögenstransfer zu Grunde liegende Rechtsgeschäft nach § 134 BGB für nichtig hält137, führt diese Konstruktion zu einer nicht unerheblichen Rechtsunsicherheit138. Bis zum Ende des Geschäftsjahres ist es für den Rechtsverkehr nicht feststellbar, ob das nachteilige Rechtsgeschäft gültig bleibt oder nach § 57 AktG i. V. m. § 134 BGB rückwirkend nichtig wird. Eine Rückabwicklung des nichtigen Geschäfts kann überdies zu hohen Kosten und Reibungsverlusten führen139. Hinzu kommt, dass sich die 134 OLG Hamm, Urteil vom 10.5.1995 – 8 U 59/94, AG 512, 516 („Harpener Omni“); OLG Frankfurt a. M., Urteil vom 30.1.1995 – 6 U 192/91, AG 1996, 325, 327; OLG München, Urteil vom 15.12.2004 – 7 U 5665/03; NZG 2005, 181, 183; dieser Ansicht zuneigend BGH, Urteil vom 1.3.1999 – II ZR 312/97, BGHZ 141, 79, 87; ausdrücklich: Bayer, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 57 Rn. 147 m. w. N.; Henze, in: Großkommentar, AktG, § 57 Rn. 196; Westermann, in: Bürgers/ Körber, AktG, § 57 Rn. 39; Lutter, in: Kölner Kommentar zum AktG, 2. Aufl., § 57 Rn. 81; Fleischer, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 57 Rn. 48; Koppensteiner, in: Kölner Kommentar zum Aktiengesetz, 2. Aufl., § 317 Rn. 40. Vgl. schon Kropff, DB 1967, 2147, 2149 f. unter Einbeziehung der Entstehungsgeschichte des Konzernrechts. 135 OLG Hamm, Urteil vom 10.5.1995 – 8 U 59/94, AG 512, 516 („Harpener Omni“); Henze, in: Großkommentar, AktG, § 57 Rn. 196. 136 Siehe oben Kapitel 3 § 3 C. II. 1. a). 137 OLG Frankfurt a. M., Urteil vom 30.1.1995 – 6 U 192/91, AG 1996, 325, 327; OLG Düsseldorf, Urteil vom 24.10.1979 – 11 U 47/79, AG 1980, 273, 274; Henze, in: Großkommentar zum AktG, § 57 Rn. 203 ff.; Hüffer, AktG, § 57 Rn. 23; Lutter, in: Kölner Kommentar zum AktG, 2. Aufl., § 57 Rn. 64 ff.; Canaris, in: FS Fischer, S. 30, 33 f. 138 Bezzenberger, Das Kapital der Aktiengesellschaft, S. 332. 139 Ebd.

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Nichtigkeitssanktion u. U. auf mit dem nachteiligen Finanzierungsgeschäft verbundene Rechtsgeschäfte mit unbeteiligten Dritten auswirkt. Des Weiteren wird zu Recht darauf hingewiesen, dass die abhängige Gesellschaft mit dem zusätzlichen Rückgewähranspruch gemäß § 62 Abs. 1 S. 1 S. AktG i. V. m. § 57 AktG kaum etwas gewinne140. In der Rechtsfolge geht der Schadensersatzanspruch nach § 317 Abs. 1 AktG über § 62 Abs. 1 S. 1 AktG hinaus, da er auch Folgeschäden und den Ersatz von entgangenem Gewinn erfasst. Ebenso wie bei dem allgemeinen aktienrechtlichen Rückgewähranspruch können die Gläubiger gemäß den §§ 317 Abs. 4, 309 Abs. 4 AktG den Anspruch der abhängigen Gesellschaft geltend machen. Zwar trifft es zu, dass § 317 Abs. 1 AktG mit der Veranlassung des herrschenden Unternehmens ein zusätzliches zu beweisendes Tatbestandsmerkmal enthält. Jedoch bestehen bei § 62 Abs. 1 S. 1 AktG kaum Beweisvorteile, da auch der Verstoß gegen § 57 AktG voraussetzt, dass die Vermögenszuwendung durch die Aktionärseigenschaft bedingt ist141. Überdies greifen bezüglich der Veranlassung durch die herrschende Gesellschaft erhebliche Beweiserleichterungen ein142. Mithin erscheint ein Rückgriff auf §§ 62, 57 AktG im faktischen Konzern zumindest weitgehend überflüssig. In der Sache gibt es somit durchaus beachtenswerte Argumente, auch im faktischen Konzern die allgemeinen kapitalschützenden Regeln der §§ 57, 62 AktG nicht anzuwenden. Entscheidend gegen ein vollständiges Zurücktreten der §§ 62, 57 AktG spricht jedoch die Gesetzessystematik. Während der Gesetzgeber Leistungen innerhalb des Vertragskonzerns gemäß den §§ 57 Abs. 1 S. 3 Var. 1, 293 Abs. 3 AktG ausdrücklich vom Anwendungsbereich des § 57 AktG ausnimmt, fehlt eine entsprechende Regelung für den faktischen Konzern. Zumindest im Zeitpunkt der Einführung des § 57 Abs. 1 S. 3 Var. 1 AktG durch das MoMiG ist davon auszugehen, dass dem Gesetzgeber der Streit über die Anwendung des § 57 AktG im faktischen Konzern bekannt war. Der Gesetzgeber hätte problemlos auch die Vorschriften der §§ 311 ff. 140

Ausführlich Bezzenberger, ebd.; Michalski, AG 1980, 261, 264. Die Exkulpationsmöglichkeit nach § 317 Abs. 2 AktG wird in den seltensten Fällen eingreifen. Welche Verjährungsregelung von Vorteil ist (§ 62 Abs. 3 S. 1 AktG: 10 Jahre ab Leistungsempfang bzw. §§ 317 Abs. 4, 309 Abs. 5: 5 Jahre), kommt auf den Einzelfall an. 141 BGH, Urteil vom 13.11.2007 – XI ZR 294/07, ZIP 2008, 118, 119; Bayer, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 57 Rn. 57; Henze, in: Großkommentar zum AktG, § 57 Rn. 80; Wiesner, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, § 16 Rn. 49. 142 Kropff, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 311 Rn. 81 ff. (Vermutung); Habersack, in: Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 311 Rn. 32 f. (Anscheinsbeweis).

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AktG nach dem Vorbild des Vertragskonzern privilegieren können143. Dass er dies unterließ, ist als gewichtiges Indiz dafür zu bewerten, dass er (weiterhin) von einer Anwendung des § 57 AktG innerhalb des faktischen Konzerns ausgeht. Zwar kann hieraus nicht geschlossen werden, dass § 57 AktG in vollem Umfang im faktischen Konzern Anwendung findet. Dem steht wie bereits erörtert § 311 AktG entgegen, da diese spezielle konzernrechtliche Ausgleichsregelung den allgemeinen Ausschüttungsverboten partiell widerspricht. Hält sich die Vermögensverlagerung jedoch mangels rechtmäßigen Ausgleichs nicht mehr im Rahmen des § 311 AktG, müssen nach der jetzigen Gesetzeslage die §§ 62, 57 AktG wieder aufleben. Um das „Wiederaufleben“ der §§ 62, 57 AktG juristisch zu fassen, geht die wohl herrschende Meinung davon aus, dass das nachteilige Rechtsgeschäft unter der auflösenden Bedingung wirksam ist, dass der Nachteilsausgleich des § 311 Abs. 2 AktG unterbleibt144. Man kann auch daran denken, dass ein neuer, eigenständiger Verstoß gegen § 57 Abs. 1 und 3 AktG dann vorläge, wenn man entgegen § 311 Abs. 2 S. 2 AktG keinen Ausgleichsanspruch einräumt. Dadurch entginge man der Problematik der rückwirkenden Anordnung der Nichtigkeit des ursprünglichen nachteiligen Rechtsgeschäfts. Dies ist jedoch nicht möglich, da § 57 AktG eine Handlung seitens der Aktiengesellschaft erfordert. Die Einräumung des Anspruches nach § 311 Abs. 2 S. 2 AktG ist hingegen eine Pflicht der nicht weisungsbefugten Muttergesellschaft. Damit bleibt es bei der zeitweiligen Verdrängung der §§ 57, 62 AktG im zulässigen Ausgleichszeitraum des § 311 Abs. 2 AktG. Kommt die Muttergesellschaft ihrer Ausgleichspflicht bis zum Ende des Geschäftsjahres nicht nach, tritt nach verbreiteter Ansicht die auflösende Bedingung ein145. Demnach würde das nachteilige Rechtsgeschäft gemäß § 57 AktG i. V. m. § 134 BGB rückwirkend nichtig146. 143 Ebenso Lutter/Drygala, in: Kölner Kommentar zum Aktiengesetz, § 71a Rn. 48 bezüglich der Parallelproblematik beim Verbot der finanziellen Unterstützung. 144 Strohn, Die Verfassung der Aktiengesellschaft im faktischen Konzern, S. 152 ff., 179 ff.; Wiedemann/Strohn, AG 1979, 113, 120; Koppensteiner, in: Kölner Kommentar zum Aktiengesetz, § 317 Rn. 40; vgl. auch Schroeder, Finanzielle Unterstützung des Aktienerwerbs, S. 281 f. zur entsprechenden Problematik bei § 71a Abs. 1. 145 Strohn, Die Verfassung der Aktiengesellschaft im faktischen Konzern, S. 152 ff., 179 ff.; Wiedemann/Strohn, AG 1979, 113, 120; Koppensteiner, in: Kölner Kommentar zum Aktiengesetz, § 317 Rn. 40; vgl. auch Schroeder, Finanzielle Unterstützung des Aktienerwerbs, S. 281 f. zur entsprechenden Problematik bei § 71a Abs. 1 AktG. 146 Vgl. Henze, in: Großkommentar zum AktG, § 57 Rn. 203 ff.; Canaris, in: FS Fischer, S. 30, 33 f.; zweifelnd: Hüffer, AktG, § 57 Rn. 23; Horn, ZIP 1987, 1225, 1227; Sonnenhol/Stützle, WM 1983, 2, 5. In diese Richtung auch OLG Koblenz,

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Dieser Bedingungskonstruktion bedarf es jedoch nicht, weil nach hier vertretener Ansicht ein Verstoß gegen § 57 AktG nicht zur Nichtigkeit des nachteiligen Rechtsgeschäfts führt147. Dies erweist sich an dieser Stelle als Vorteil. Insbesondere vermeidet man hierdurch die Rechtsunsicherheit, die durch eine drohende Nichtigkeitssanktion entstehen würde148. Einzige Rechtsfolge bei Unterlassung des Ausgleichs entgegen § 311 Abs. 2 AktG ist mithin die Haftung der herrschenden Gesellschaft gemäß § 62 AktG. Der Rückgewähranspruch tritt dabei neben den Schadensersatzanspruch des § 317 AktG149. De lege ferenda kann darüber nachgedacht werden, Leistungen im faktischen Konzern aus dem Anwendungsbereich des § 57 AktG herauszunehmen. Hierfür könnte der Gesetzgeber § 57 Abs. 1 S. 3 Var. 1 AktG entsprechend ergänzen. Zwar besteht im Gegensatz zum Vertragskonzern (§ 302 Abs. 1 AktG) kein gesetzlicher Ausgleichsanspruch, sondern nur gemäß § 311 Abs. 2 AktG eine Verpflichtung, einen Rechtsanspruch zu gewähren. Durch die weitgehende Schadensersatzregelung des § 317 AktG ist ein Rückgriff auf § 62 AktG jedoch entbehrlich.

C. Anwendung des § 71a Abs. 1 S. 1 AktG Nach wie vor ungeklärt ist die Geltung des § 71a Abs. 1 S. 1 AktG im faktischen Konzern. Grund hierfür ist, dass das Verbot der finanziellen Unterstützung eine besondere Fallkonstellation behandelt und sich somit die §§ 311 ff. AktG im Verhältnis hierzu nicht ohne weiteres als lex specialis einordnen lassen. Ein Teil der Literatur spricht sich dafür aus, dass § 71a Abs. 1 S. 1 AktG in gleicher Weise wie § 57 AktG durch die spezielleren konzernrechtlichen Regelungen verdrängt wird150. Die Gegenansicht hält Urteil vom 10.2.1977 – 6 U 847/75, AG 1977, 231, 232; OLG Hamburg, Urteil vom 23.5.1980 – 11 U 117/79, AG 1980, 275, 279. 147 Siehe oben Kapitel 3 § 3 C. II. 1. 148 Vgl. Bezzenberger, Das Kapital der Aktiengesellschaft, S. 332. 149 Ebenso im Ergebnis OLG Frankfurt a. M., Urteil vom 30.1.1995 – 6 U 192/91, AG 1996, 325, 327; OLG München, Urteil vom 15.12.2004 – 7 U 5665/03, NZG 2005, 181, 183; Bayer, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 57 Rn. 147 m. w. N.; Henze, in: Großkommentar, AktG, § 57 Rn. 196; Lutter, in: Kölner Kommentar zum AktG, 2. Aufl., § 57 Rn. 81; Westermann, in: Bürgers/Körber, AktG, § 57 Rn. 39; Fleischer, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 57 Rn. 48; Henze, in: Großkommentar, AktG, § 57 Rn. 196. 150 Oechsler, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 71a Rn. 13; Merkt, in: Großkommentar zum Aktiengesetz, § 71a Rn. 22; Fleischer, in: AG 1996, 494, 507; Habersack, in: FS Röhricht, S. 155, 165 (Fn. 44); Riegger, ZGR 2008, 233, 240; Wand/Tillmann/Heckenthaler, in: AG 2009, 148, 150, 160 f.; ausführlich Schroeder, Finanzielle Unterstützung des Aktienerwerbs, S. 274 ff.

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Kap. 5: Kapitalschutz im Unternehmensverbund

den besonderen Vermögensschutz des § 71a Abs. 1 S. 1 AktG im faktischen Konzern für anwendbar151. Die Rechtsprechung hat die Frage bisher nicht entschieden152. Beide Meinungen gehen von einem sich überschneidenden Anwendungsbereich des Verbots der finanziellen Unterstützung und der Vorschriften im faktischen Konzern aus153. In den allermeisten Fällen sei eine unzulässige Unterstützungshandlung i. S. d. § 71a Abs. 1 S. 1 AktG zugleich ein nachteiliges Rechtsgeschäft gemäß den §§ 311, 317 AktG154. Dieser Einschätzung kann jedoch nicht gefolgt werden. Zum einen greift nach hier vertretener Ansicht das Verbot der finanziellen Unterstützung bei Finanzierungsgeschäften nach vollendeter Übernahme nicht ein155, zum anderen finden die §§ 311 ff. AktG vor Abschluss der Übernahme mangels Abhängigkeitsverhältnis keine Anwendung156. Damit beschränkt sich die Kollisionsproblematik auf den Sonderfall, bei dem ein herrschendes Unternehmen noch weitere Anteile an einer abhängigen Aktiengesellschaft erwirbt und zur Finanzierung auf deren Vermögen zugreift157. Nur in dieser Ausnahmekonstellation ist der Meinungsstreit entscheidungserheblich. Für die Geltung des § 71a Abs. 1 S. 1 AktG im faktischen Konzern kann somit nicht angeführt werden, dass bei Verdrängung durch die konzernrechtlichen Regelungen die Vorschrift in ihrem „Kernbereich“ außer Kraft gesetzt würde158. Nicht weiter hilft auch der Verweis von § 71d S. 2, 1 AktG auf § 71a Abs. 1 S. 1 AktG, den manche Autoren in den Mittelpunkt ihrer Überlegungen stellen159. Die Regelung besagt lediglich, dass auch ein abhängiges Unternehmen den Erwerb von Aktien der herrschenden Aktiengesellschaft nicht finanziell unterstützen darf. Sie betrifft damit nur den Er151 Cahn, in: Spindler/Stilz, AktG, § 71a Rn. 21; Lutter/Drygala, in: Kölner Kommentar zum Aktiengesetz, § 71a Rn. 48; T. Bezzenberger, in: K. Schmidt/ Lutter, AktG, § 71a Rn. 18; Lutter/Wahlers, in: AG 1989, 1, 9 (bzgl. Vertragkonzern); Klass, Der Buyout von Aktiengesellschaften, S. 136 ff.; Kühlbacher, Darlehen an Konzernunternehmen, S. 133 f. 152 Das LG Düsseldorf, Urteil vom 28.10.2005 – 39 O 180/04, ZIP 2006, 516 ff. lässt die Frage offen. 153 Merkt, in: Großkommentar zum Aktiengesetz, § 71a Rn. 22; Cahn, in: Spindler/Stilz, AktG, § 71a Rn. 21; Schroeder, Finanzielle Unterstützung des Aktienerwerbs, S. 274. 154 Schroeder, ebd. 155 Siehe oben Kapitel 3 § 2 B. I. 1. b) und § 3 B. I. 156 Siehe oben Kapitel 5 § 3 A. II. 157 Siehe oben Kapitel 3 § 3 B. 158 So aber Cahn, in: Spindler/Stilz, AktG, § 71a Rn. 21; ähnlich Lutter/Drygala, in: Kölner Kommentar zum Aktiengesetz, § 71a Rn. 48. 159 Vgl. Oechsler, in: Münchener Kommentar zum Aktiengesetz, § 71a Rn. 13; Lutter/Wahlers, in: AG 1989, 1, 9.

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werb von Aktien der herrschenden Gesellschaft. Eine Aussage über die Finanzierung von Anteilen der abhängigen Zielgesellschaft kann § 71d S. 2 AktG nicht entnommen werden. Einen Anhaltspunkt hinsichtlich des Verhältnisses von § 71a AktG und § 311 ff. AktG gibt hingegen die Entstehungsgeschichte des Verbots der finanziellen Unterstützung160. Sowohl der europäische Gesetzgeber als auch der Gesetzgeber des Durchführungsgesetzes haben sich bezüglich des Erwerbs eigener Aktien mit konzernrechtlichen Aspekten beschäftigt. Im Kommissionsvorschlag zur Kapitalrichtlinie findet sich die vom Rat161 und vom deutschen Durchführungsgesetzgeber162 geteilte Auffassung, dass der gesamte Komplex des Konzernrechts Gegenstand einer gesonderten Rechtangleichung sein sollte163. Zwar bezieht sich diese Aussage unmittelbar nur auf die Beschränkung des Erwerbs eigener Aktien. Jedoch kann hieraus insgesamt geschlossen werden, dass alle Vorschriften der Kapitalrichtlinie und somit auch das Verbot der finanziellen Unterstützung164 die bestehenden mitgliedstaatlichen Konzernregelungen unberührt lassen wollten165. Dies spricht dafür, dass die Sondervorschriften des Konzernrechts auch § 71a Abs. 1 S. 1 AktG entsprechend den zu §§ 57, 62 AktG entwickelten Grundsätzen verdrängen. Das Ergebnis wird durch die gesetzgeberischen Äußerungen anlässlich der Einführung der vertragskonzernrechtlichen Kollisionsregelung des § 71a Abs. 1 S. 3 AktG untermauert. Demnach sollten mit dieser Vorschrift Widersprüche zu dem geänderten § 57 Abs. 1 AktG vermieden werden166. Geht der Gesetzgeber im Vertragskonzern von einer Funktionsäquivalenz von § 57 Abs. 1, 3 AktG und § 71a Abs. 1 S. 1 AktG aus, kann im faktischen Konzern nichts anderes gelten. Dass das Verbot der finanziellen Unterstützung mithin eine besondere Kapitalschutzregelung enthält und keinen darüber hinausgehenden Schutzzweck verfolgt167, zeigt auch die Liberalisierung des Art. 23 durch die Kapitaländerungsrichtlinie168. 160

Vgl. Schroeder, Finanzielle Unterstützung des Aktienerwerbs, S. 279 f. Vgl. Ganske, DB 1978, 2461, 2464; Schroeder, Finanzielle Unterstützung des Aktienerwerbs, S. 280. 162 Begr. RegE., BT-Drucks. 8/1678, S. 16. 163 Anmerkung zu Art. 20. des Kommissionsvorschlages, ABl. EG Nr. C 48 vom 24.4.1970, S. 20. 164 Art. 23. Abs. 1 der Kapitalrichtlinie. 165 Schroeder, Finanzielle Unterstützung des Aktienerwerbs, S. 280. 166 Beschlussempfehlung und Bericht des 6. Ausschusses vom 24.6.2008, BTDrucks. 16/9737, 98, 102. 167 Anders Klass, Der Buyout von Aktiengesellschaften, S. 138 f., der § 71a Abs. 1 AktG als echtes gesetzliches Umgehungsverbot sieht. 161

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Kap. 5: Kapitalschutz im Unternehmensverbund

Damit sind für die seltenen Fälle, in denen das Verbot der finanziellen Unterstützung mit den §§ 311 ff. AktG kollidiert, die zu § 57 AktG gefunden Grundsätze zu übertragen: Das Verbot der finanziellen Unterstützung bleibt anwendbar, wenn aus ex ante-Sicht eine Existenzgefährdung der Zielgesellschaft besteht oder von einem Scheitern des Nachteilsausgleichs auszugehen ist. Im Übrigen wird § 71a AktG von der Spezialregelung des § 311 AktG verdrängt. Unterlässt die herrschende Gesellschaft den Nachteilsausgleich entgegen § 311 Abs. 2 AktG, lebt § 71a Abs. 1 AktG wieder auf. Dann ist – insofern anders als bei § 57 AktG – das Finanzierungsgeschäft von Anfang an nichtig169. Als Rechtsfolge hat die abhängige Aktiengesellschaft gegen die herrschende Erwerbergesellschaft einen Anspruch gemäß § 62 Abs. 1 S. 1 AktG analog auf Rückgewähr der Leistung. Veranlasste das herrschende Unternehmen die Aktiengesellschaft zu einem nachteiligen Rechtsgeschäft gegenüber einem Dritten, greift §§ 812 Abs. 1 S. 1 Var. 1 BGB ein170. Nur wenn ein Dritter die Leistung empfängt, geht der Anspruch über § 317 AktG und die §§ 62, 57 AktG hinaus. Nur in diesem Sonderfall innerhalb der Ausnahmekonstellation hat § 71a AktG im faktischen Konzern einen eigenen Anwendungsbereich171. Vor dem Hintergrund, dass der europäische Gesetzgeber, auf den die Regelung des § 71a Abs. 1 AktG zurückgeht, nicht in das nationale Konzernrecht eingreifen wollte172, ist es bedenkenswert, vom herrschenden Gesellschafter veranlasste, nachteilige, Finanzierungsgeschäfte de lege ferenda ausschließlich nach den §§ 311, 317 AktG zu bewerten. Hierfür könnte der Gesetzgeber § 71a Abs. 1 S. 3 AktG dahingehend ergänzen, dass auch im faktischen Konzern das Verbot der finanziellen Unterstützung nicht eingreift. Da der bisherige Anwendungsbereich des § 71a Abs 1 AktG im faktischen Konzern ohnehin nur einen Ausnahmefall betrifft, wäre damit kein relevantes Absinken des Kapitalschutzniveaus verbunden. Auf der anderen Seite könnte jedoch Rechtsklarheit gewonnen werden, da im beschriebenen Sonderfall eine rückwirkende Nichtigkeit des Finanzierungsgeschäfts ver168

Riegger, ZGR 2008, 233, 240; zur Neufassung des Art. 23 der Kapitaländerungsrichtlinie siehe oben Kapitel 3 § 2 C. 169 Ausführlich Schroeder, Finanzielle Unterstützung des Aktienerwerbs, S. 281 ff: Der Ausschluss der Rechtswirkung des § 71a Abs. 1 AktG ist auflösend bedingt durch die Unterlassung des Nachteilsausgleichs. 170 Siehe oben Kapitel 3 § 3. 171 Vgl. Schroeder, Finanzielle Unterstützung des Aktienerwerbs, S. 282. 172 Schroeder, Finanzielle Unterstützung des Aktienerwerbs, S. 280, vgl. Langenbucher, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 291 Rn. 71; Bayer, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 57 Rn. 150; Fleischer, in: Das Kapital der Aktiengesellschaft in Europa, ZGR Sonderheft 17 (2006), 114, 130 ff.; Emmerich, in: Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 291 Rn. 74; Wand/Tillmann/Heckenthaler, AG 2009, 148, 150, 153.

§ 4 Ergebnis Kapitel 5

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mieden würde. Die Rechtsfolgen im faktischen Konzern würden sich – für den Rechtsverkehr erkennbar – ausschließlich nach den §§ 311, 317 AktG richten.

D. Zwischenergebnis Im faktischen Konzern verdrängt die spezielle Ausgleichsregelung des § 311 AktG grundsätzlich die allgemeinen, aktienrechtlichen Kapitalschutznormen. Scheitert der Ausgleich, finden nach aktueller Gesetzeslage die §§ 57, 62, 71a Abs. 1 AktG neben § 317 AktG wieder Anwendung. Das Verbot der finanziellen Unterstützung nach § 71a Abs. 1 S. 1 AktG kann nur in der Sonderkonstellation eingreifen, in der ein bereits herrschendes Unternehmen weitere Aktien einer abhängigen Gesellschaft kauft. De lege ferenda ist eine vollständige Verdrängung der allgemeinen aktienrechtlichen Kapitalschutzregelungen im faktischen Konzern zu befürworten.

§ 4 Ergebnis Kapitel 5 Übernimmt eine Erwerbergesellschaft eine Aktiengesellschaft, hat dies zur Folge, dass ab dem Zeitpunkt des Mehrheitserwerbs aufgrund des entstehenden Abhängigkeitsverhältnisses (§ 17 Abs. 1 AktG) die im dritten Buch des Aktiengesetzes geregelten Spezialvorschriften für verbundene Unternehmen eingreifen. Dies hat in erster Linie Auswirkungen auf die Anwendbarkeit des § 57 AktG. Dagegen spielen die Spezialvorschriften für § 71a Abs. 1 AktG kaum eine Rolle, da die Vorschrift das Kapital der Aktiengesellschaft vor der Übernahme schützt und zu diesem Zeitpunkt in aller Regel noch keine Konzernierung vorliegt. Besteht zwischen Erwerber- und Zielgesellschaft ein Unternehmensvertrag i. S. d. § 291 Abs. 1 AktG, finden die allgemeinen Kapitalschutzregelungen – wie in den §§ 57 Abs. 1 S. 3, Var. 1, 71a Abs. 1 S. 3, 291 Abs. 3 AktG ausdrücklich normiert – keine Anwendung. An ihre Stelle tritt gemäß § 302 Abs. 1 AktG die Verpflichtung der herrschenden Gesellschaft, den Jahresfehlbetrag der Zielgesellschaft auszugleichen. Im faktischen Konzern werden die allgemeinen Kapitalschutzregelungen bis zum Ende des in § 311 AktG festgelegten zulässigen Ausgleichszeitpunkts verdrängt. In beiden Konzernformen wird es somit der Erwerbergesellschaft erlaubt, über die allgemeinen, aktienrechtlichen Grenzen hinaus auf das Kapital der Zielgesellschaft zuzugreifen. Für die im Rahmen eines Leveraged Buyout angestrebte Refinanzierung des Kaufpreises eignen sich die besonderen Konzernvorschriften jedoch

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nicht. Zum einen bleibt es bei der Geltung der allgemeinen, aktienrechtlichen Kapitalschutzregelung, wenn aus ex ante-Sicht die Vermögensverlagerung auf die herrschende Gesellschaft zu einer Existenzgefährdung der Aktiengesellschaft führt oder der Ausgleichsanspruch nicht vollwertig ist. Dies wird bei einer fremdfinanzierten Übernahme häufig der Fall sein, da die Erwerbergesellschaft regelmäßig nicht mit genügend Kapital ausgestattet ist, um den Ausgleich nach § 302 Abs. 1 AktG bzw. § 311 Abs. 2 AktG vorzunehmen. Zum anderen erlauben die Konzernregeln nur einen vorübergehenden Zugriff auf das Kapital der Zielgesellschaft, während die Erwerbergesellschaft an einer dauerhaften Refinanzierung interessiert ist. Lediglich hinsichtlich einer kurzfristigen Zwischenfinanzierung kann die Möglichkeit des zeitlich verzögerten Ausgleichs Vorteile bringen. Umgekehrt besteht aus der Perspektive der Gläubiger und Minderheitsaktionäre der abhängigen Gesellschaft sowohl im Vertragskonzern (§§ 302 ff. AktG) als auch im faktischen Konzern (§§ 311, 317 f. AktG) ein effektives Schutzsystem, welches einen Rückgriff auf die allgemeinen, kapitalschützenden Normen überflüssig macht. In einem verbundenen Unternehmen ist mithin der Zugriff auf das Vermögen der Zielgesellschaft über den Bilanzgewinn hinaus nur sehr eingeschränkt möglich. Die Finanzinvestoren werden daher auch zukünftig – wie bei der Friedrich Grohe AG und der Techem AG – auf die in Kapitel 4 dargestellten mehrstufigen Erwerbsmodelle zurückgreifen.

Zusammenfassung Zusammenfassend lassen sich folgende Ergebnisse der Untersuchung festhalten1: 1. Die Hauptmerkmale eines Leveraged Buyouts sind eine hohe Fremdkapitalquote und die Refinanzierung des Kaufpreises aus Mitteln der Zielgesellschaft. Hieraus resultiert ein erhöhtes Schutzbedürfnis für die Gläubiger und Minderheitsgesellschafter der Zielgesellschaft. 2. Vertragsklauseln, Informationspflichten, bürgerlich-rechtliche Vorschriften und Regelungen aus dem Insolvenzrecht können das aktienrechtliche Kapitalschutzsystem ergänzen, jedoch nicht ersetzen. Insbesondere kann der Schutz verhandlungsschwacher Gläubiger nicht ihrer Eigeninitiative überlassen werden. Die Zinsschranke des § 8a KStG sowie Regelungen aus dem Gebiet des Bankenaufsichtsrechts und des WpÜG erschweren die Durchführung von Übernahmen mit einer hohen Fremdkapitalquote, können diese jedoch nicht verhindern. 3. § 57 AktG enthält zwei in ihrer Reichweite unterschiedliche Ausschüttungsverbote: Während das Einlagenrückgewährverbot des § 57 Abs. 1 S. 1 AktG im Gläubigerinteresse das von den Aktionären geleistete Kapital (Grundkapital und Aufgeld) bindet, folgt die den Schutz der (Minderheits-)Aktionäre bezweckende Gesamtvermögensbindung aus § 57 Abs. 3 i. V. m. §§ 174, 58 AktG. 4. Die Ausschüttungsverbote des § 57 AktG erfassen direkt nur Leistungen an gegenwärtige Aktionäre. Leistungen an zukünftige Aktionäre fallen nicht in den Anwendungsbereich der Vorschrift, da hier § 71a Abs. 1 AktG eingreift und eine analoge Anwendung mangels Regelungslücke ausscheidet. 5. Leistungen der Zielgesellschaft an einen Dritten (finanzierende Bank, Aktienverkäufer) sind der Erwerbergesellschaft zuzurechnen, wenn ihr der wirtschaftliche Erfolg zugute kommt. Dagegen ist der Verkäufer als ehemaliger Aktionär ebenso wenig tauglicher Leistungsempfänger i. S. d. § 57 AktG wie die finanzierende Bank. 1

Die wesentlichen Ergebnisse der Untersuchung sind auch am Ende der einzelnen Kapitel umrissen worden, siehe oben Kapitel 1 § 3, Kapitel 2 § 8, Kapitel 3 § 5, Kapitel 4 § 4, Kapitel 5 § 4.

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6. Der hinter der Erwerbergesellschaft stehende Private Equity Fonds kommt über eine analoge Anwendung des § 57 Abs. 1, 3 AktG nur dann als Anspruchsgegner des § 62 Abs. 1 AktG in Betracht, wenn er tatsächlich Leistungen von der Zielgesellschaft empfangen hat. Nicht ausreichend ist es, wenn die Zuwendung bei der Erwerbergesellschaft oder einer dazwischengeschalteten Tochtergesellschaft verbleibt. 7. Leistungen eines von der Zielgesellschaft beherrschten oder in ihrem Mehrheitsbesitz stehenden Unternehmens an einen ihrer Aktionäre sind der Zielgesellschaft zuzurechnen. Sie kann gemäß § 62 Abs. 1 S. 1 AktG i. V. m. § 57 AktG von dem begünstigten Aktionär verlangen, die Leistung an ihre Tochtergesellschaft zurückzugewähren. 8. Der durch das MoMiG neu eingefügte § 57 Abs. 1 S. 3 AktG bringt sowohl bei der Darlehensvergabe als auch bezüglich Sicherheitsleistungen eine Lockerung der Vermögensbindung mit sich. Entscheidendes Merkmal der Ausnahmevorschrift ist die Vollwertigkeit des Gegenleistungs- oder Rückgewähranspruchs. Eine Besicherung des Darlehens bedarf es hierfür nicht. Sicherheiten sind auch ohne Avalprovision zulässig. Das Kriterium des „Drittvergleichs“ wurde aufgegeben. Bei der Sicherungsbestellung ist auf der ersten Stufe zu fragen, ob mit einer Inanspruchnahme aus der Sicherheit zu rechnen ist. Bejaht man dies, ist auf der zweiten Stufe zu untersuchen, ob der Sicherheitsgewährung ein werthaltiger Rückgriffsanspruch „neutralisierend“ gegenübersteht. 9. Das „Deckungsgebot“ soll außerbilanzielle Gesichtspunkte bei Austauschgeschäften berücksichtigen. Eine Verzinsungspflicht für Darlehen folgt hieraus nicht. Bei Darlehen mit einer Laufzeit von über einem Jahr gebietet die bilanzielle Schranke der Vollwertigkeit des Rückgewähranspruchs eine gewisse Verzinsung, um den Wertverlust des Geldes auszugleichen. Unterbleibt eine solche, ist die gesamte Darlehensvaluta nach § 62 Abs. 1 S. 1 AktG zurückzugewähren. 10. Trotz der Lockerung des Kapitalschutzniveaus ist eine (dauerhafte) Refinanzierung des Kaufpreises im Rahmen eines Leveraged Buyouts nicht möglich. Bei Kreditsicherheiten und Darlehen von der Ziel- an die Erwerbergesellschaft greift die Ausnahmevorschrift des § 57 Abs. 1 S. 3 Var. 2 AktG regelmäßig nicht ein. Aufgrund der schlechten finanziellen Ausstattung der Erwerbergesellschaft fehlt es zumeist an einem vollwertigen Ausgleichsanspruch. 11. Die Einführung des § 57 Abs. 1 S. 3 Var. 2 AktG ist grundsätzlich zu begrüßen. Systematisch stimmiger wäre die Vorschrift jedoch als Absatz 4 in § 57 AktG zu verorten. „Satz 1 gilt nicht“ ist als „Satz 1 greift nicht ein“ zu lesen. Um auch Sicherheitsleistungen zu erfassen, wäre anstelle des

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vollwertigen Gegenleistungs- oder Rückgewähranspruchs die allgemeinere Formulierung des vollwertigen Ausgleichsanspruchs zu bevorzugen. Aufgrund der Probleme bei der Auslegung des Begriffs der Vollwertigkeit ist es fraglich, ob das Ziel des Gesetzgebers, „erhebliche Rechtssicherheit für die Praxis“ zu schaffen, erreicht wird. 12. Die Übernahme der Transaktionskosten durch die Zielgesellschaft verstößt gegen § 57 AktG, wenn nicht die Zielgesellschaft ausnahmsweise ein bilanziell fassbares betriebliches Eigeninteresse an der Übernahme hat. Gebühren für Dienstleistungen der Erwerberseite (Monitoring Fees) sind zulässig, soweit die Gegenleistung nicht hinter der Vergütung zurückbleibt. Hierfür trägt die Zielgesellschaft grundsätzlich die Beweislast, es sei denn es handelt sich um eine nicht marktübliche Leistung. Break-up Fees fallen nicht unter die Verbote des § 57 AktG. Gleiches gilt für die Ausschüttung von „Superdividenden“, solange die aktienrechtlichen Vorschriften des Gewinnverteilungsverfahrens (§§ 172 ff., 58 AktG) eingehalten werden. 13. Das umfassende Verbot der finanziellen Unterstützung gemäß § 71a Abs. 1 S. 1 AktG stellt eine von § 71 AktG unabhängige, eigenständige Kapitalschutzregelung dar. Die traditionelle Einordnung als Umgehungsschutznorm des § 71 AktG ist aufzugeben; allenfalls kann von einer Ergänzung des Verbots des Erwerbs eigener Aktien gesprochen werden. 14. Die Gründe, die den europäischen Gesetzgeber zu der Verschärfung des Kapitalschutzes beim Anteilserwerb durch Dritte bewogen haben, erschließen sich nicht widerspruchsfrei. Zwar soll die Norm, wie die Entstehungsgeschichte zeigt, zumindest auch die unmittelbare Finanzierung einer Übernahme aus Mitteln der Zielgesellschaft verhindern, ein umfassendes Verbot der bei einem Leveraged Buyout eingesetzten Finanzierungstechniken lässt sich hieraus jedoch nicht ableiten. 15. Der Anwendungsbereich von § 71a Abs. 1 S. 1 AktG ist in zeitlicher Hinsicht durch das Tatbestandsmerkmal „zum Zweck des Erwerbs“ auf Rechtsgeschäfte, die vor dem Aktienerwerb geschlossen werden, eingegrenzt. Sieht man mit der Gegenansicht auch Rechtsgeschäfte nach Aktienerwerb von Art. 23 Abs. 1 der Kapitalrichtlinie erfasst, ist eine richtlinienkonforme Extension des § 71a Abs. 1 AktG aufgrund des Eingreifens des § 57 AktG nicht erforderlich. 16. Das Verbot der finanziellen Unterstützung umfasst in direkter Anwendung lediglich die dort ausdrücklich aufgeführten Fälle und bildet keinen offenen Tatbestand mit Regelbeispielen. Die ausdrücklich genannten Unterstützungshandlungen Darlehensvergabe und Sicherheitsleistung sind weit auszulegen. Daneben fallen unentgeltliche Zuwendungen über einen

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„Erst-Recht-Schluss“ und Austauschverträge mit Äquivalenzstörungen über eine analoge Anwendung unter das Verbot. Nicht erfasst werden Break-up Fees, da sie nicht „zum Zweck des Erwerbs“ vereinbart werden. 17. Die Liberalisierung des in Art. 23 Abs. 1 geregelten Verbots der finanziellen Unterstützung durch die im Jahre 2006 erlassene Kapitaländerungsrichtlinie lehnt sich in weiten Teilen an einen 30 Jahre alten britischen Entwurf an. Die Ausnahmevorschrift bringt aufgrund der strengen Voraussetzungen (Geschäft zu marktüblichen und fairen Konditionen, Garantie des Grundkapitals und der gesetzlichen Rücklagen) für die Finanzierung einer Übernahme keine Erleichterungen. Das in Erwägungsgrund 5 der Richtlinie formulierte Ziel, Änderungen in den Besitzverhältnissen flexibler zu gestalten, kann durch die enge Ausnahmevorschrift nicht erreicht werden. Eine Umsetzung der optionalen Richtlinienbestimmung in das deutsche Recht ist angesichts der unpraktikablen Regelung nicht zu befürworten. 18. Das Verbot der finanziellen Unterstützung und die Ausschüttungsverbote des § 57 AktG haben keinen gemeinsamen Anwendungsbereich. Vor Aktienerwerb greift § 71a Abs. 1 AktG ein, ab Aktienerwerb § 57 Abs. 1, 3 AktG. Ein Konkurrenzverhältnis besteht zwischen den Vorschriften nicht. Verbleibende Schutzlücken sind über eine analoge Anwendung des § 71a Abs. 1AktG (vor Aktienerwerb) bzw. des § 57 Abs. 1, 3 AktG (ab Aktienerwerb) zu schließen. 19. Ein Verstoß gegen § 57 Abs. 1, 3 AktG hat nicht die Nichtigkeit des Verfügungsgeschäfts nach § 134 BGB zur Folge. Die Rechtsfolge richtet sich ausschließlich nach der Spezialregelung des § 62 AktG. Über eine analoge Anwendung findet diese Vorschrift auch bei Verstößen gegen das Verbot der finanziellen Unterstützung Anwendung, wenn die Leistung an den zukünftigen Aktionär erfolgt. Ist ein Dritter Leistungsempfänger bleibt es bei der Rechtsfolge der §§ 812 ff. BGB. Eine Nichtanwendung des § 814 BGB im Wege der teleologische Reduktion ist zu befürworten. 20. Fehlt es bei einer Sicherheitsbestellung an einer rechtsgeschäftlichen Verbindung zwischen Zielgesellschaft und finanzierender Bank, weil die Erwerbergesellschaft dazwischengeschaltet ist, kann dennoch die Zielgesellschaft direkt von der Bank kondizieren. Die Direktkondiktion ist ausnahmsweise zuzulassen, um eine Umgehung des Verbots der finanziellen Unterstützung zu verhindern. Die hierfür erforderliche Nichtigkeit der Sicherungsabrede zwischen Erwerbergesellschaft und Bank folgt aus einer analogen Anwendung des § 71a Abs. 1 S. 1 AktG. 21. Die Vorschriften des Umwandlungsrechts gewährleisten bei einer Verschmelzung der Zielgesellschaft auf die Erwerbergesellschaft (Upstream Merger) einen ausreichenden Schutz der Gläubiger und Minderheitsaktio-

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näre. Eine analoge Anwendung von § 57 Abs. 1, 3 AktG und § 71a Abs. 1 AktG auf den Verschmelzungsbeschluss scheidet mangels Regelungslücke aus. Dies gilt auch für den Sonderfall, dass der Verschmelzung eine nach § 71a Abs. 1 AktG unerlaubte finanzielle Unterstützung vorausging. 22. Um einen Wertungswiderspruch zu einer Upstream-Verschmelzung zu vermeiden, ist auch bei der Verschmelzung der Erwerbergesellschaft auf die Zielgesellschaft (Downstream Merger) eine analoge Anwendung der §§ 57 Abs. 1, 3, 71a Abs. 1 AktG abzulehnen. Der mangelnde Schutz der Minderheitsaktionäre ist über eine analoge Anwendung des § 29 UmwG sicherzustellen. 23. Die aktienrechtlichen Kapitalschutzvorschriften finden auf den Umwandlungsbeschluss bei einem Formwechsel der Zielgesellschaft in eine GmbH (§ 193 UmwG) keine Anwendung. Es liegt auch dann kein Fall des Rechtsmissbrauchs vor, wenn der Formwechsel das alleinige Ziel hat, den strengeren aktienrechtlichen Kapitalschutzvorschriften zu entgehen. 24. Die „anwachsende Verschmelzung“ nach § 738 Abs. 1 S. 1 BGB verstößt nicht gegen die aktienrechtlichen Kapitalschutzvorschriften des § 57 Abs. 1, 3 AktG und des § 71a Abs. 1 AktG. Zum Schutz der Gläubiger der Zielgesellschaft ist eine analoge Anwendung des § 22 UmwG zu befürworten. 25. Schuldübernahme und „anwachsende Verschmelzung“ sind zwei getrennt voneinander zu beurteilende Vorgänge. Die Zustimmung zur Schuldübernahme verstößt nicht allgemein gegen § 71a Abs. 1 S. 1 AktG analog, sondern nur bei Vorliegen einer konkreten Vermögensgefährdung. Bei der „anwachsenden Verschmelzung“ sind auch im Falle der Konfusion der übernommenen Forderung die aktienrechtlichen Kapitalschutzvorschriften nicht anwendbar. Der Gläubigerschutz wird über die analoge Anwendung des § 22 UmwG gewährleistet. 26. Bei der „übertragenden Auflösung“, einem Kombinationsmodell aus Share- und Asset Deal, wird der Schutz der Minderheitsaktionäre und Gläubiger über § 57 Abs. 1, 3 AktG sichergestellt. Für die Refinanzierung einer fremdfinanzierten Übernahme eignet sich dieses Erwerbsmodell nicht. 27. Nach der Einführung von § 57 Abs. 1 S. 3 Var. 1 AktG und § 71a Abs. 1 S. 3 AktG steht fest, dass die beiden kapitalschützenden Normen im Vertragskonzern grundsätzlich nicht anwendbar sind. Wie auch nach der alten Rechtslage (§ 291 Abs. 3 AktG a. F.) gilt die Fiktion der Nichtanwendung nicht, wenn aus ex ante-Sicht die Vermögensverlagerung auf die herrschende Gesellschaft zu eine Existenzgefährdung der abhängigen Gesellschaft führt oder der Verlustausgleichsanspruch nach § 302 AktG nicht vollwertig ist.

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28. Im faktischen Konzern verdrängt die spezielle Ausgleichsregelung des § 311 AktG die allgemeinen, aktienrechtlichen Kapitalschutznormen. Scheitert der Ausgleich, finden nach aktueller Gesetzeslage die §§ 57, 62, 71a Abs. 1 AktG neben § 317 AktG wieder Anwendung. Da vor der Übernahme kein Abhängigkeitsverhältnis i. S. d. § 311, 17 AktG besteht, kann das Verbot der finanziellen Unterstützung nach § 71a Abs. 1 S. 1 AktG dabei nur in der Sonderkonstellation eingreifen, in der ein bereits herrschende Unternehmen weitere Aktien einer abhängigen Gesellschaft kauft. De lege ferenda ist eine vollständige Verdrängung der allgemeinen aktienrechtlichen Kapitalschutzregelungen im faktischen Konzern zu befürworten. 29. Für die im Rahmen eines Leveraged Buyout angestrebte dauerhafte Refinanzierung des Kaufpreises eignen sich die besonderen Konzernvorschriften nicht. Zum einen bleibt es bei der Geltung der allgemeinen, aktienrechtlichen Kapitalschutzregelung, wenn aus ex ante-Sicht die Vermögensverlagerung auf die herrschende Gesellschaft zu einer Existenzgefährdung der Aktiengesellschaft führt oder der Ausgleichsanspruch nicht vollwertig ist. Zum anderen erlauben die Konzernregeln nur einen vorübergehenden Zugriff auf das Kapital der Zielgesellschaft.

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Stichwortverzeichnis Absolute Priority Rule 53, 70 Aktiengesellschaft siehe Zielgesellschaft Analogie 114 ff., 121 ff., 255 ff., 268, 311 ff., 328 f. Analogieverbot 331 Anwachsende Verschmelzung 323 ff. Asset Deal 30, 35, 75, 345 Auslegungsmethoden 90 f. Ausschüttungsverbot (§ 57 AktG) – Personeller Anwendungsbereich 110 ff. – Sachlicher Anwendungsbereich 137 ff.

Financial Covenants 62 ff. Finanzinvestoren 56 ff. Finanzkrise 37 Formwechsel AG – in GmbH 317 ff. – in Kommanditgesellschaft 322 ff.

Bankenaufsichtsrecht 74 Belegschafts-Buyout 41 Beteiligungsquote 43 ff. Break-up Fee 178 ff., 231 ff. Bullet Debts 40 Business Judgment Rule 153

Insolvenzanfechtung 79 f. Insolvenzantragspflicht 303 Insolvenzverursachungshaftung 282 ff. Institutioneller Buyout 41

Cash Flow 38, 40, 48

Kapitaländerungsrichtlinie 196, 236 ff. Kapitalerhöhungspflicht 304 Kapitalrichtlinie 23, 84, 105, 196 ff. Konfusion 339, 342 ff. Kreditinstitute 59 ff.

Darlehen 143 ff., 222 ff. Deckungsgebot 155 f. Derivativer Aktienerwerb 29 f. Dividendenausschüttung 182 ff. Downstream Merger 300 ff. Durchgriffskondiktion 275 f. Eingliederung 360 f. Einlagenrückgewährverbot 90 ff. Escape-Klausel 77 Existenzvernichtender Eingriff 285 ff. Faktischer Konzern 361 ff. Financial Assistance 196, 237

Gesellschaftsstatut 46, 131 Gleichbehandlungsgrundsatz 245 GmbH 28 f., 100 f., 150 ff., 260, 317 ff. High Level Group 32, 237, 239

Junk Bonds 234

Leveraged Buyout – Begriff 36 ff. – Beteiligungsquote 43 ff. – Chancen und Risiken 45 ff. – Kapitalstruktur 38 ff. – Unterformen 41 f. Leverage-Effekt 22, 36 ff. Linotype-Urteil 320

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Stichwortverzeichnis

Management Buyin 41 Management Buyout 41 f. Mezzanine-Kapital 39 Missbrauch der Vertretungsmacht 81 f. MoMiG 85, 143, 147 ff., 167 ff. Monitoring Fee 177 f. MPS-Urteil 154 f., 162, 366, 370 Nachteilsausgleich (§ 311 AktG) 368 Novemberurteil 145 ff., 166 Owner Buyout 41 Payment-in-kind Debts 40 Private Equity Fonds 120 ff. Publizitätspflichten 71 f. Qualifiziert faktischer Konzern 364 ff. Rating-Agenturen 73 Regelungslücke 102, 126, 226, 268, 312, 329 Richterliche Rechtsfortbildung 93, 188 Richtlinienkonforme Auslegung 187, 216 Richtlinienkonforme Extension 216 f. Risikobegrenzungsgesetz 72 f. Rückgewähranspruch (§ 62 AktG) 258 ff., 264 ff. Schadensersatz 281 f., 284 f., 369 Schuldübernahme 332 ff. Share Deal 35, 75, 345 Sicherheiten 164 ff., 245 f. Sittenwidrigkeit 80 f. SLIM-Initiative 237 ff. SLIM-Plus 238 Societas Europaea 46 Solvenztest 32 Squeeze-out 45, 79, 320 Strategische Investoren 59 Superdividende 183, 283

Transaction Fee 173 ff. Transaktionskosten 171 ff., 230 f. Treu und Glauben 274 f. Trihotel-Urteil 286 Übernahme (Begriff) 43 ff. Übertragende Auflösung 345 ff. Ungerechtfertigte Bereicherung 265 ff., 270 f., 279 Unterinvestitionsproblem 54 f. Unternehmenssteuerreform 76 Unternehmensvertrag 350 f. Upstream Merger 290 ff. Verbot der finanziellen Unterstützung (§ 71a AktG) – Entstehungsgeschichte 186 ff. – Personeller Anwendungsbereich 207 ff. – Sachlicher Anwendungsbereich 218 ff. – Schutzzweck 198 ff. – Zeitlicher Anwendungsbereich 210 ff. Verdeckte Vermögenszuwendung 139 ff. Verlustausgleichsanspruch 354 ff. Verschmelzung – außerhalb des UmwG 323 ff. – nach UmwG 289 ff. Vertragskonzern 350 ff. Vollwertigkeitsgebot 152 ff. Vorwirkendes Abhängigkeitsverhältnis 363 f. Zielgesellschaft 46 ff. – Gläubiger 52 ff. – Kapitalstruktur 86 ff. – Minderheitsaktionär 48 ff. – Verkaufender Aktionär 46 f. – Vorstand 51 f. Zinsschranke 33, 76