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German Pages 143 Year 1918
Der internationale Geld- und Kapitalmarkt nach dem Kriege Von Willi Prion
Duncker & Humblot reprints
Der internationale Geld- und Kapitalmarkt nach dem Kriege Von
Dr. W. Prion Professor an der Handelshochschule Berlin
M ü n c h e n u n d Leipzig Verlag
von
Duncker 1918 By
&
Humblot
A l l e Rechte vorbehalten.
Altenburg Pierersche Hofbuchdruckerei Stephan Geibel & Co.
Vorwort. D i e Geldwirtschaft h a t i n diesem Kriege einen nicht vorauszusehenden U m f a n g angenommen. Sowohl was die Höhe der Umsätze als auch den Kreis der Personen anlangt, die i n den Geldverkehr hineingezogen worden sind. Die Gesamtheit der Beziehungen, die die Personen u n d Organe dieses Geldverkehrs miteinander verbinden, stellt sich begrifflich als der Geld- u n d K a p i t a l m a r k t eines Landes dar. M i t seiner zukünftigen E n t w i c k l u n g beschäftigt sich gern der Bankmann, aber auch der K a u f m a n n , der Unternehmer schlechthin, schließlich jeder Wirtschafter oder P r i v a t m a n n , der über K a p i t a l verfügt. Wie überhaupt die Erörterungen über die wirtschaftliche E n t w i c k l u n g nach dem Kriege bei uns einen viel breiteren Spielraum einnehmen als bei unseren Gegnern. Überraschen k a n n das nicht. Militärisch haben w i r längst unser Ziel erreicht: w i r haben den A b w e h r k a m p f bestanden. Die politische Auswertung des militärischen Sieges ist i m Gange. B l e i b t noch zu t u n : die Neuordnung unserer durch den K r i e g aus ihrem alten Geleise geworfenen Volkswirtschaft. Sie beschäftigt heute i n Deutschland weite Kreise; während m a n i n den Ländern unserer Gegner noch an der Lösung der militärischen Frage herumberät. Der äußere Anlaß, über die zukünftige E n t w i c k l u n g des internationalen Geld- u n d Kapitalmarktes einige Ausführungen zu machen, war gegeben durch die Feier des Geburtstages Seiner Majestät des Kaisers, für die m i r die Ehre zuteil geworden war, am 27. Januar 1918 i n der A u l a der Handelshochschule B e r l i n die Festrede zu übernehmen. Zukunftsbetrachtungen anzustellen, ist immer m i ß l i c h : es k a n n anders kommen u n d k o m m t i n der Regel anders. U n d gerade der 3
Wissenschaftler wird, da er zahlreiche unsichere oder noch nicht übersehbare Einflüsse u n d E n t w i c k l u n g e n i n seine Rechnung einstellen u n d selbst dort, wo sich der Praktiker mehr auf sein Gefühl verläßt (und verlassen kann), verstandesmäßige Unterlagen für seine Schlüsse suchen muß, i n der Deutung der Z u k u n f t besonders vorsichtig sein. E r w i r d daher seine Hauptaufgabe immer wieder darin sehen müssen, die gegenw ä r t i g vorhandenen Voraussetzungen künftiger E n t w i c k l u n g e n m i t möglichster Genauigkeit zu erkennen u n d abzuschätzen. Deshalb ist auf den nachfolgenden B l ä t t e r n — i n Erweiterung des ursprünglichen Vortrages — eine Darstellung der E n t w i c k l u n g des internationalen Geld- u n d Kapitalmarktes während des Krieges u n d dieser wieder eine solche über die Lage u n d Verfassung desselben vor dem Kriege vorangestellt worden. D u r c h diese A n o r d n u n g waren Wiederholungen nicht ganz zu vermeiden. T r o t z dieser Erweiterung des ursprünglichen Vortrages ist der Gesichtspunkt: nur das Wesentlichste i n knappster F o r m zu bringen, n i c h t außer acht gelassen worden. Für eine gründliche u n d lückenlose Darstellung fehlt heute zum T e i l noch das Tatsachenmaterial; z u m Teil sind Rücksichten auf die Kriegführung bestimmend gewesen, wenn insbesondere für Deutschland nicht i n jeder Beziehung eine Vollständigkeit der Ausführungen angestrebt worden ist. Ob ein gründlicher Ausbau i n dieser R i c h t u n g das i n der nachfolgenden Skizze gezeichnete B i l d i n seinen Grundzügen wesentlich verändern w ü r d e , glaubt der Verfasser verneinen zu sollen. Das B i l d würde wahrscheinlich nur i n seinen Einzelzügen deutlicher u n d i m ganzen vielleicht beweiskräftiger werden. Gleichzeitig würde aber auch die Darstellung ziffernreicher, langatmiger, umfangreicher (also: wissenschaftlicher!) u n d — sicherlich wegen Papiermangels nicht gedruckt werden . . . Infolge Verzögerungen i n der Drucklegung konnten die Ereignisse des ersten Halbjahres 1918 noch berüksichtigt werden, so daß die Darstellung m i t dem Beginn des fünften Kriegsjahres abschließt. G r u n e w a l d , den 1. J u l i 1918. 4
W . Prion.
Inhaltsverzeichnis. Seite
Vorwort
3 Erster
Teil:
A. Vorbemerkungen I. Die Begriffe: Geldmarkt und Kapitalmarkt II. Der internationale Geldmarkt vor dem Kriege III. Der internationale Kapitalmarkt vor dem Kriege . . . . I V . Der internationale Geld- und Kapitalmarkt bei Kriegsausbruch B. Der internationale Geld- und Kapitalmarkt während des Krieges . I. Der Geld- und Kapitalmarkt der Mittelmächte . . . . II. Der Geld- und Kapitalmarkt der Ententeländer . . . . III. Die Beziehungen des Geld- und Kapitalmarktes der Ententeländer zum Ausland IV. Die Beziehungen der Geld- und Kapitalmärkte der Mittelmächte zum Ausland V. Die Geld- und Kapitalmärkte der neutralen europäischen Länder VI. Der Geld- und Kapitalmarkt der Vereinigten Staaten von Nordamerika VII. Zusammenfassung der Ergebnisse. Die Zinssätze . . .
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Zweiter Teil: C Der internationale Geld- und Kapitalmarkt nach dem Kriege . . . 68 I. Der » internationale« Kapitalmarkt 71 1. Der Kapitalbedarf der kriegführenden Länder in Wettbewerb mit den Ansprüchen ihrer Volkswirtschaften: die Konsolidierung der Kriegsanleihen 71 2. Das Angebot von langfristigem Leihkapital 82 3. Die Folgen des voraussichtlichen Kapitalmangels für die nationalen Kapitalmärkte und den internationalen Kapitalverkehr 85 4. Die Hilfe der neutralen Länder und der Ver. Staaten von Nordamerika 89 II. Der »internationale« Geldmarkt 96 1. Die inländischen Ansprüche 96 2. Die Quellen des kurzfristigen Kredits 100 5
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3. Die Befriedigung des internationalen Bedarfs an kurzfristigem Kredit 4. Die Wiederaufrichtung des internationalen Geldmarktes III. Die Zinssätze nach dem Kriege 1. Die Zinssätze am Kapitalmarkt 2. Die Zinssätze am Geldmarkt D. Maßnahmen zur Beseitigung des Kapitalmangels nach dem Kriege . I. Die Vorschläge betr. Vermehrung der Zahlungsmittel. Internationale Tragung der Kriegsschulden? II. Herstellung des Gleichgewichts am Kapitalmarkt. . . 1. Staatskredit und Volkswirtschaft 2. Verringerung der Staatsschulden, Vermögensabgabe, Kriegsentschädigung, Tilgung aus Steuern 3. Förderung der Kapitalneubildung
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"Erster Teil.
Α. Vorbemerkungen. I. Die Begriffe: Geldmarkt und Kapitalmarkt. V o n dem Recht der Aufstellung u n d Verwendung eigener Begriffe w i r d insofern Gebrauch gemacht, als — i n Anlehnung an den Sprachgebrauch — unter Geldmarkt: der M a r k t für kurzfristige L e i h k a p i t a l i e n und unter K a p i t a l m a r k t : der M a r k t für langfristige Leihkapitalien verstanden w i r d . A u f dem Geldmarkt suchen die augenblicklich verfügbaren Kassenbestände der Einzelwirtschaften, wie der Gemein- u n d Staatswirtschaften, bis zu ihrer Wiederverwendung i n Produktion, i n K o n s u m t i o n oder i n der öffentlichen F i n a n z w i r t schaft Anlage i n kurzfristigen Geschäften, die auf der anderen Seite den Geld- (Kapital-) Suchenden zur Befriedigung ihres, auf kurze Dauer bemessenen Kreditbedürfnisses dienen. Solche Geschäfte sind: die Diskontierung v o n Wechseln, die Gewährung v o n Vorschüssen i m Bankverkehr ( K o n t o k o r r e n t u n d Lombard) u n d das (Lombard-) Darlehnsgeschäft i n Gestalt des täglichen Geldes, des Ultimogeldes u n d des Reportgeschäftes i m Börsenverkehr. Gewöhnlich finden die dem Geldmarkt zufließenden, kurzfristig verfügbaren Geldkapitalien n i c h t unmittelbar Anlage i n jenen Geschäften, sondern sie sammeln sich — auf G r u n d des v o n den B a n k e n eingerichteten Zahlungsverkehrs u n d der für solche Guthaben bewilligten Zinsen — i n Gestalt v o n Depositen, Kontokorrentguthaben u n d Spareinlagen bei den Banken u n d sonstigen K r e d i t i n s t i t u t e n an, v o n wo aus sie dann den genannten Geschäften, sei es i m I n l a n d oder auch i m Ausland, zugeführt werden. 7
A u f dem K a p i t a l m a r k t treffen sich die auf längere Zeit einen Rentenbezug suchenden Sparkapitalien m i t der Nachfrage nach langfristigen, für dauernde Zwecke bestimmten Leihkapitalien, die — wie die kurzfristigen Geldkapitalien — äußerlich naturgemäß die F o r m des Geldes annehmen. Die A b w i c k l u n g der Kapitalmarktgeschäfte beeinflußt i n vielen Fällen den Geldmarkt, wie überhaupt eine strenge Scheidung zwischen diesen M ä r k t e n schon deshalb nicht möglich ist, weil sehr häufig ihrer N a t u r nach langfristige Sparkapitalien v o r übergehend — h i n u n d wieder auch w o h l dauernd — Anlage auf dem eigentlichen Geldmarkt suchen u n d finden, u n d u m gekehrt eigentliche Geldmarktkapitalien auch i n langfristigen Kapitalanlagen Verwendung finden. Diese Vermischung beider M ä r k t e w i r d i n Deutschland gefördert durch das hier herrschende Banksystem, nach dem es üblich ist, Teile des kurzfristigen Depositenkapitals i n langfristigen Kontokorrent- oder Wechselkrediten zu immobilisieren. Hierbei ist allerdings zu beachten, daß die Depositen der deutschen Banken zum T e i l auch eigentliche Sparkapitalien enthalten, daß ferner für die langfristigen Geschäfte i n erster Linie das Eigenkapital der Banken gerade zu stehen hat, u n d daß endlich die enge Verbindung der Banken m i t dem K a p i t a l m a r k t die Rückzahlung der langfristigen Kredite leicht durch nachfolgende U m w a n d l u n g derselben i n eigentliche Kapitalmarktanlagen durchführbar macht. I n den anderen Ländern ist — wenigstens formell, durchaus aber nicht immer auch materiell — eine strengere Scheidung zwischen dem eigentlichen Geldmarkt, also den kurzfristigen Geld- u n d Kreditgeschäften, u n d dem Verkehr i n langfristigen Leihkapitalien, dem K a p i t a l m a r k t , zu beobachten. Als Geschäfte des Kapitalmarktes kommen i n Frage: die Anlegung v o n K a p i t a l i e n i n Wertpapieren, also — auf der anderen Seite — die Beschaffung v o n K a p i t a l auf Grund der Ausgabe v o n Wertpapieren u n d ferner die Anlegung von K a p i t a l i e n i n Hypotheken, also — auf der anderen Seite — die Beschaffung v o n K a p i t a l i e n für den Grundkredit. Im engeren Sinne scheidet der letztere Verkehr aus dem üblichen Begriff des K a p i t a l m a r k t e s aus. Aber doch insoweit als die vermittelnde Tätigkeit der B a n k k r e d i t i n s t i t u t e das K a p i t a l
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durch Ausgabe von Pfandbriefen zu erfassen sucht, gehört die Anlage v o n K a p i t a l i e n i n diesen mobilisierten Hypothekenanteilen zu den Geschäften des Kapitalmarktes i n engerem Sinne, der es also nur m i t dem Verkehr i n Wertpapieren zu t u n h a t . Daß diese Geschäfte i m übrigen, also Kapitalanlage wie Kapitalbeschaffung, eine große Buntscheckigkeit nach A r t der Wertpapiere (Anleihe, Pfandbriefe, A k t i e n , Obligationen), wie nach A r t der Schuldner (Privatunternehmungen, K o m m u n e n , Staaten) u n d endlich nach den Börsenhandelsplätzen (ob v o n lokaler, nationaler oder internationaler Bedeutung) aufweisen, ist hier nicht weiter auszuführen. Dagegen ist noch m i t ein paar W o r t e n auf die Verknüpfung dieser Märkte zu einem internationalen Geld- u n d K a p i t a l m a r k t u n d auf die Bedeutung des letzteren vor dem Kriege einzugehen.
IL Der internationale Geldmarkt vor dem Kriege. Ehe es zu einer vollen Ausbildung von nationalen Geldmärkten gekommen war, hatte schon der internationale Zahlungs- u n d Kapitalverkehr i m Anschluß an den internationalen Waren- u n d Diensteaustausch große Bedeutung erlangt u n d bestimmte Formen angenommen. I n jahrhundertlanger E n t w i c k l u n g hatte dieser Verkehr bis z u m Ausbruch des Krieges eine Vollendung erreicht, die k a u m noch zu übertreffen war. I m Grunde wickelte sich der internationale Zahlungsverkehr so ab, daß der I m p o r t e u r v o n Waren entweder aus eigenen Guthaben i m Ausland oder m i t aufgekauften Guthaben der Exporteure, m i t Wechseln, die aus dem internationalen Handelsverkehr entstanden, seinen Schuldbetrag deckte. Die Preise für diese Wechsel aufs Ausland, für die ausländische Valuta, waren durch die Goldwährung, zu der die führenden Länder i m Laufe des letzten Jahrhunderts übergegangen waren, fest verankert. Kleine Schwankungen waren innerhalb der sogenannten Goldpunkte möglich bzw. durch die Versendung des baren Goldes als Zahlungsmittel von L a n d zu L a n d begrenzt. Z u mehr als 97 ° / 0 dürfte jedoch der internationale Zahlungsverkehr durch bargeldlose U m 9
Schreibungen, Verrechnungen u n d durch die Verwendung des Wechsels ausgeglichen worden sein. N u r der geringe A n t e i l v o n höchstens 3 % entfiel auf die Bezahlung durch Versendung v o n Gold. I n diesen Ausgleich griff freilich auf beiden (oder besser auf allen beteiligten) Seiten der K r e d i t ein. Steigerten sich die Zahlungen v o n einem Lande zum anderen, u n d genügte dieser gesteigerten Nachfrage nach Zahlungsmitteln das A n gebot oder der Vorrat v o n solchen nicht, dann fanden die Banken, als die berufsmäßigen V e r m i t t l e r i n diesem Zahlungsverkehr, es vorteilhaft, K r e d i t e i m Ausland aufzunehmen, u m daraus Zahlungsmittel zur Verfügung zu stellen. Gleichzeitig erblickte darin das Ausland eine Gelegenheit, Leihkapitalien kurzfristig anzulegen; denn beide Parteien erhofften die Rückzahlung v o n einer entsprechenden Verschiebung der Handelsbilanz (in diesem Falle durch Steigerung der Ausfuhr nach dem Ausland), oder v o n einer Änderung der Zahlungsbilanz überhaupt, oder endlich v o n einer Ablösung dieser kurzfristigen K r e d i t e durch die U m w a n d l u n g i n langfristige Anleihen, die auf dem ausländischen K a p i t a l m a r k t untergebracht wurden. D a ein augenblicklicher Mangel an Zahlungsmitteln auf das Ausland i n jedem Lande auftreten konnte, so war auch die vorübergehende Inanspruchnahme v o n K r e d i t wechselseitig v o n L a n d zu L a n d gegeben u n d d a m i t auch die Indienststellung des nationalen Geldmarktes der einzelnen Länder für internationale Zahlungs- u n d Kreditzwecke. I n sinnfälliger Weise kamen diese Übertragungen z u m Ausdruck i n der Diskontierung fremdländischer Wechsel (in mannigfachen Formen), i m Börsenlombardgeschäft u n d i n dem gegenseitigen K o n t o korrentverkehr der Banken. Dieses dem internationalen Zahlungsverkehr zugrundeliegende K r e d i t - u n d Kapitalanlagegeschäft setzte freilich das Bestehen internationaler Geschäftsbeziehungen u n d Verabredungen der beteiligten Banken über F o r m u n d Dauer der Kredite, über Bedingungen u n d Höhe derselben voraus. I m Laufe der Zeit hatte sich aber ein solch engmaschiges Netz v o n Geschäfts- u n d Kreditverbindungen v o n L a n d zu L a n d gebildet, u n d war i n dem internationalen Wechsel eine solch
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fungible Ware entstanden, daß eine das Angebot v o n ausländischen Zahlungsmitteln übersteigende Nachfrage nach solchen sofort aus dem Reservoir der Guthaben, der K r e d i t e oder der Wechsel befriedigt werden konnte. Das, was Bagehot i n seinem Buche: Lombard-Street so meisterhaft dargestellt u n d damals schon (1873) als eine vollkommene Organisation gepriesen h a t t e , ist i n den letzten 40 Jahren i m Zusammenhang m i t der weltwirtschaftlichen Verknüpfung der Völker u n d den Fortschritten der Verkehrstechnik weiter vervollkommnet worden. Die Schnelligkeit des telephonischen A u f trags, der telegraphischen Anweisung u n d Auszahlung v o n L a n d zu L a n d wetteiferte m i t der Formlosigkeit u n d der Sicherheit der Abwicklung. V o r dem Kriege genügte das leiseste Anzeichen eines Mißverhältnisses zwischen Angebot u n d Nachfrage nach ausländischen Zahlungsmitteln, dargestellt durch das Steigen oder Fallen der Wechselkurse, als des Preises für ausländische Zahlungsmittel, oder genügte die Veränderung der Diskontsätze eines Landes, als des Maßstabes für die Lage des nationalen Geldmarktes, u m die ganze, oben geschilderte internationale Maschinerie i n Bewegung zu setzen u n d einen Ausgleich der Diskrepanz herbeizuführen. U n d diese i m ganzen mustergültige Organisation war ganz aus sich selbst heraus geworden, gewachsen, ohne daß sie v o n einem Obrigkeitsgehirn ausgedacht, beschlossen oder geschaffen worden wäre, j a sogar ohne daß die beteiligten Länder oder Parteien oder Personen als solche vereinbart hätten, sie zu schaffen. Sie war aus den Bedürfnissen heraus entstanden, nach dem wirtschaftlichen Grundsatz des größten Nutzens bei kleinstem A u f w a n d entwickelt worden, u n d so erklärt es sich auch, daß alle Beteiligten m i t ihr zufrieden waren. Lediglich v o n den als letztes Ausgleichsmittel i n Frage kommenden internationalen Goldtransporten konnten K r i t i k e r m i t einem Schein von Recht sagen, daß sie nicht dem Grundsatz des geringsten Kostenaufwandes entsprachen. Die Ersetzung überflüssiger Transporte v o n Gold durch ein internationales Clearing ist vor dem Kriege v o n vielen Seiten gefordert, jedoch von den Notenbanken aller Länder k a u m
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ernstlich ins Auge gefaßt worden. Der Krieg hat die Berechtigung dieser ablehnenden H a l t u n g erwiesen. Ob die politischen Gründe für das Verhalten der Notenbanken auch nach dem Kriege noch ausschlaggebend sein werden, w i r d i n den folgenden Ausführungen zu streifen sein. F ü r die Zeit vor dem Kriege k a m aber noch hinzu, daß einzelne Länder fortgesetzt bestrebt waren, Gold zur Stärkung ihrer Währungsreserven an sich zu ziehen, wodurch natürlich ein internationales Clearing, das auf dem Ausgleich wechselnder Richtungen i m Gold verkehr basiert, i n der Wurzel seiner Existenzfähigkeit getroffen sein würde. Die Gesamtheit der Beziehungen, die dem internationalen Ausgleich v o n Zahlung u n d kurzfristigem K r e d i t dienten, wurde der Name: internationaler Geldmarkt beigelegt. Der internationale Geldmarkt war also nicht etwa ein neben den nationalen Geldmärkten stehender selbständiger Geldmarkt m i t eigenen Organen u n d eigenem Leben. E r setzte sich vielmehr aus jenen Teilen der nationalen Geldmärkte derjenigen Länder zusammen, die an dem internationalen Austausch beteiligt waren; er empfing v o n den einzelnen nationalen Geldm ä r k t e n sein Leben u n d seinen I n h a l t . ,,Der internationale Geldmarkt ist flüssig' 4 hieß, daß m a n international Geldkapitalien zu billigem Zins aufnehmen konnte. W o das i m einzelnen Falle möglich u n d durchführbar war, das zeigten die Diskontsätze der einzelnen Länder u n d der Stand der Wechselkurse allen Interessenten m i t größter Deutlichkeit an. D o r t brachte m a n Wechsel zur Diskontierung, nahm m a n Vorschüsse auf, oder zog m a n Guthaben ab, je nachdem es vorteilhaft erschien oder nicht. So ist es auch schwierig, den internationalen Geldmarkt nach Ländern abzugrenzen, zu sagen, welche Länder i h m angehörten. I m weiteren Sinne konnte m a n etwa sagen: alle Länder, die durch die Goldwährung verbunden, ein organisiertes K r e d i t - u n d Bankwesen Batten u n d dem internationalen Warenverkehr angeschlossen waren. I m engeren Sinne gehörten vor allem: England, Deutschland, Frankreich, Österreich-Ungarn, Belgien, H o l l a n d u n d die Vereinigten Staaten dem internationalen Geldmarkt an. Infolge der überragenden Stellung Englands i m internationalen Waren12
verkehr bildete London den M i t t e l p u n k t des internationalen Zahlungsverkehrs, der seinerseits ein umfangreiches Depositenu n d Kreditgeschäft zur Voraussetzung u n d zur Folge hatte. A m Londoner Geldmarkt sammelten sich i n bevorzugtem Maße die internationalen Guthaben, während auf der anderen Seite die Londoner Banken u n d Bankiers Guthaben i n großen Summen i n aller W e l t ausstehen hatten. M i t Recht ist der Londoner Geldmarkt als das Clearing für die internationalen kurzfristigen Kreditgeschäfte bezeichnet worden.
III. Der internationale Kapitalmarkt vor dem Kriege. A u f dem internationalen K a p i t a l m a r k t , als dem M a r k t für langfristige Leihkapitalien, lagen die Dinge ein wenig anders. Zwar hatte sich auch hier m i t der Ausbildung des übertragbaren Wertpapiers u n d seines besonderen Marktes, der Börse, i m Laufe der Zeit ein Übergreifen der K a p i t a l anlage u n d der Kapitalnachfrage v o n L a n d zu L a n d i n systematischer u n d vollendeter Weise entwickelt. D a es sich bei diesem K a p i t a l verkehr u m langfristige Leihkapitalien handelte, so kamen als Ausleiher nur solche Länder i n Frage, die K a p i t a l i e n auf längere Zeit entbehren konnten, die gewissermaßen ihren Kapitalüberschuß i m Ausland anlegen wollten. A u f der anderen Seite waren die kapitalsuchenden Länder solche, die einen Mangel an langfristigem K a p i t a l hatten, das entliehene K a p i t a l auf lange Zeit oder immer i n ihrer Volkswirtschaft benutzen wollten. So schieden sich — i m Gegensatz zu dem Geldmarkt, wo auch kapitalarme Länder als Geldgeber auftreten k o n n t e n (und dies auch i n umfangreichem Maße je nach der Lage ihrer augenblicklichen Zahlungsbilanz getan haben) — , hier deutlich zwei Gruppen v o n Ländern: nämlich erstens K a p i t a l exportländer, wie England, Deutschland, Belgien, Frankreich, u n d zweitens Kapitalimportländer wie Österreich-Ungarn, die Balkanstaaten, die nordischen Staaten, vor allem die überseeischen Länder, die Vereinigten Staaten v o n Amerika, Südamerika, die englischen Kolonien, China u n d Japan. Dazwischen standen drittens auch einige wenige Länder, die, wie H o l l a n d u n d die Schweiz, sowohl K a p i t a l i e n ausliehen wie 13
einführten, also a m internationalen K a p i t a l m a r k t eine A r t Vermittlerrolle e i n n a h m e n 1 ) . N u n h a t t e n die ausländischen Kapitalanlagen der erstgenannten Länder i n der letzten Zeit vor dem Kriege i n außerordentlichem Maße zugenommen. M a n schätzte den Besitz an ausländischen Wertpapieren i n England auf . . 80 Milliarden M k . i n Frankreich auf . 4 0 ,, ,, i n Deutschland auf 30 ,, ,,
*?ei + e i n ^ m bestand an Wertpapieren 120 Milliarden M k . 100 ,, „ 80 ,, ,,
Angesichts dieser E n t w i c k l u n g waren wiederholt Stimmen l a u t geworden, die die R i c h t i g k e i t u n d Zweckmäßigkeit einer solchen K a p i t a l p o l i t i k für einzelne der beteiligten Länder i n Zweifel zogen. A u f diese Auseinandersetzungen ist hier nicht einzugehen, sondern nur zu erwähnen, daß sich i n den letzten fünf Jahren a m internationalen K a p i t a l m a r k t ausgesprochene nationalistische Tendenzen bemerkbar machten, die auf eine Einschränkung des Kapitalexportes hinzielten (und die hier u n d dort auch schon auf die G e l d m a r k t p o l i t i k übergriffen). So wurde i n Frankreich die Verbindung der Kapitalhingabe m i t wirtschaftlichen u n d politischen H a u p t - u n d Nebenzwecken offen als das zu erstrebende Ziel bezeichnet u n d auch praktisch danach gehandelt. Die französische Regierung mischte sich i n den K a p i t a l m a r k t ein, indem sie besondere Maßnahmen für die Emission v o n ausländischen Wertpapieren an den französischen Börsen vorsah. I n wesentlich abgeschwächterem Maße machten sich diese Tendenzen kurz vor Kriegsausbruch auch i n Deutschland bemerkbar, während die Unterbringung v o n ausländischen Anleihen i n England, Holland, der Schweiz, lediglich v o n den Börseneinrichtungen u n d v o n der Bereitwilligkeit der B a n k - u n d Emissionskreise i n diesen Ländern abhängig war. Diese Bereitwilligkeit richtete sich jedoch nicht nur nach den Bedürfnissen der heimischen Volkswirtschaft u n d des heimischen Kapitalmarktes, sondern auch nach den Be*) Näheres über die letzten Ursachen der internationalen Kapitalwanderungen ist zu lesen bei A. Lansburgh : Der internationale Kapitalmarkt im Kriege und nach dem Kriege, Stuttgart 1917, Ferd. Enke^ 14
dingungen, die der Schuldner für die Kapitalbeschaffung z u bewilligen geneigt war. I m m e r h i n gab es einen internationalen K a p i t a l m a r k t insofern, als bestimmte Schuldner Anleihen i n den K a p i t a l exportländern aufnehmen konnten, sich diese Länder an der Übernahme ausländischer Anleihen beteiligten oder letztere allein übernahmen. So entstanden international gehandelte Wertpapiere, die auch nach der erfolgten Emission noch nach dem einen oder anderen Lande abfließen oder i m Laufe der Jahre h i n u n d her wandern konnten. Außerdem k o n n t e n sich die K a p i t a l i s t e n i n den einzelnen Ländern an der Emission ausländischer Wertpapiere selbst dann beteiligen, wenn die Wertpapiere nicht i n ihrem Lande offiziell zur E i n f ü h r u n g gelangt waren. Sie brauchten die Papiere nur an den Plätzen zu kaufen, wo sie offiziell oder sogar nur inoffiziell gehandelt wurden. F ü r das L a n d , dem der Käufer angehörte, bedeutete dieser K a u f selbstverständlich einen K a p i t a l e x p o r t u n d f ü r den internationalen K a p i t a l m a r k t eine neue u n d nicht z u unterschätzende Unterstützung seiner die einzelnen Länder umfassenden Verbindungen.
IV. Der internationale Geld- und Kapitalmarkt bei Kriegsausbruch. I n dieses Gebilde h a t der Krieg, wie auf vielen anderen Gebieten, m i t rauher H a n d eingegriffen. Schon vor Ausbruch des Krieges suchten alle Länder i n schneller H a s t ihre auswärtigen Guthaben einzuziehen, ihre Wechsel u n d Wertpapiere auf das Ausland zu versilbern, selbst aber m i t der Zahlung der v o n ihnen geforderten Beträge zurückzuhalten. Die Schließung der Börsen an fast allen Plätzen der W e l t machte bald der Veräußerung der als Kriegsreserve hochgepriesenen ausländischen Wertpapiere ein Ende, während wilde Sprünge auf den Devisenmärkten, meist zugunsten Englands, die völlige Desorganisation des internationalen Zahlungsverkehrs, zugleich aber auch die Tatsache anzeigten, daß E n g l a n d seine auf 3 bis 4 Milliarden M a r k zu beziffernden kurzfristigen Guthaben i n aller W e l t m i t rücksichtsloser Strenge einzuziehen begann. 15
Inzwischen suchten die einzelnen Länder die i m Innern aus dem ungestümen Begehr nach K r e d i t u n d Zahlungsmitteln aufsteigende Gefahr zu bannen: die einen, wie Frankreich, Österreich-Ungarn, Rußland, Italien, indem sie durch Erlaß eines allgemeinen Moratoriums den Zahlungs- u n d Kreditverkehr einfach lahmlegten, oder: wie Deutschland, das unter Verzicht auf ein allgemeines M o r a t o r i u m für ausreichenden K r e d i t u n d genügende Zahlungsmittel sorgte, oder endlich: wie England, wo sich die B a n k v o n E n g l a n d dieser nationalen Aufgabe entzog u n d sich der Staat gezwungen sah, sowohl ein Moratorium für alle Zahlungen, als auch obendrein noch sechs Bankenfeiertage anzuordnen, u m zunächst einmal für diese Zeit der Befriedigung der Ansprüche enthoben zu sein. A l l e n diesen Maßnahmen war aber gemeinsam, daß infolge der d a m i t verbundenen Uneinlösbarkeit der Banknote bzw. Unterbindung der Goldausfuhr dem internationalen Geldm a r k t auch die eigentliche Grundlage seines Aufbaues sowie sein letztes Ausgleichsmittel verloren ging : nämlich das Gold. D e n stärksten Stoß erhielt jedoch der internationale Geld- u n d Kreditverkehr durch das v o n E n g l a n d ausgehende Zahlungsverbot u n d das weitergehende Verbot, m i t dem Feinde Handel zu treiben. Dadurch wurden alle Forderungen auf das feindliche Ausland uneinbringlich, Wechsel u n d Wertpapiere unveräußerlich, wurde jeder Geschäftsverkehr unterbunden: der internationale Geld- u n d K a p i t a l m a r k t hatte aufgehört zu bestehen. N u r der Verkehr zwischen den kriegführenden u n d den neutralen Ländern dauerte zunächst f o r t ; er gewann zeitweilig sogar — t r o t z der vielen, auch hier entstehenden Schwierigkeiten — an Bedeutung, besonders auch deshalb, weil h i n u n d wieder über i h n ein Austausch zwischen den Angehörigen der kriegführenden Parteien möglich wurde. Die Verschärfung der bestehenden Bestimmungen sowie das Vorgehen der E n t e n t e gegen das feindliche E i g e n t u m i n ihren Gebieten haben auch die letzten Reste des früheren allgemeinen Geld- u n d Kapitalaustausches ausgelöscht : am brutalsten i n E n g l a n d u n d Rußland, wo das deutsche E i g e n t u m einfach verschleudert wurde, m i t gewisser Nach16
sieht i n Frankreich, schonend Händen i n Deutschland.
in
Italien,
zu
getreuen
Seit dieser Zeit bilden die Geld- u n d K a p i t a l m ä r k t e der beiden kriegführenden Parteien vollständig für sich abgeschlossene u n d selbständige Gebiete, die jetzt ein eigenes, v o n der Kriegswirtschaft ihres Landes bestimmtes Leben führen. Sie sind zwar noch m i t den Geldmärkten der neutralen Länder verbunden, aber sowohl die Beziehungen zu diesen M ä r k t e n als auch die Beziehungen zu den M ä r k t e n der Verbündeten — wie auch endlich die Beziehungen der neutralen Märkte untereinander — sind i m Laufe des Krieges ganz andere geworden, als sie früher waren. Diese Veränderungen beziehen sich sowohl auf die äußere F o r m des noch stattfindenden Verkehrs, wie auf seinen materiellen I n h a l t . Entscheidend für diese Gestaltung ist der Einfluß gewesen, den i m weiteren Verlauf des Krieges Kriegswirtschaft u n d Kriegsfinanzierung auf die Geld- u n d K a p i t a l m ä r k t e der drei Gruppen v o n Ländern ausgeübt hat. I m folgenden ist dies i n aller Kürze nachzuweisen.
B. Der internationale Geld- und Kapitalmarkt während des Krieges. I. Der Geld- und Kapitalmarkt der Mittelmächte. I n den Ländern der Mittelmächte hat die Absperrung ihrer Volkswirtschaften v o m Weltverkehr eine weitgehende Aufzehrung aller Vorräte, eine umfangreiche U m w a n d l u n g v o n Produktionskapital i n Geldkapital zur Folge gehabt. D a die Wiederanlegung i n der P r o d u k t i o n zurzeit nur i n beschränktem Maße möglich ist, so fließen neben diesen K a p i t a l i e n auch jene dem Geldmarkt i n ununterbrochener Folge zu, die aus der Verwertung der eigenen P r o d u k t i o n entstehen, sowie endlich jene, die ihren Ursprung i n den reichlichen Kriegsgewinnen haben. Dieser niemals für möglich gehaltene Kapitalzufluß, der sowohl am Geldmarkt wie am K a p i t a l m a r k t der beiden Länder zinsbringende Anlage sucht, ist i n Deutschland mehr Prior.
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oder weniger ausschließlich dem Staatsbedarf vorbehalten worden. Die anfängliche u n d erst i n jüngster Zeit gemilderte Schließung der Börse, die Einstellung der Emissionen, die Kontrolle des K a p i t a l m a r k t e s durch die Reichsbank, die gesetzlichen Vorschriften über die Ausgabe v o n Teilschuldverschreibungen u n d endlich über den Genehmigungszwang für neu zu errichtende Gesellschaften u n d Kapitalerhöhungen stellen i m einzelnen die Maßnahmen dar, die das Fernhalten privater, vor allem auch ausländischer Ansprüche v o m deutschen K a p i t a l m a r k t bezwecken. Allerdings haben diese Maßnahmen nicht vermocht, jede Beanspruchung des deutschen K a p i t a l m a r k t e s v o n privater Seite zu verhindern. So sind i n Deutschland nach der Zeitschrift ,,Die B a n k " — bis z u m i . J u l i 1918 noch Neugründungen i m Betrage v o n 1900 Millionen M k . Kapitalerhöhungen i m Betrage v o n 2400 ,, ,, durchgeführt worden. V o n diesen Beträgen entfällt jedoch ein großer T e i l auf kriegswichtige Betriebe, während ein anderer, n i c h t unbedeutender Teil, lediglich Kapitalverwässerungen darstellt, die keine Beanspruchung des Kapitalmarktes bedeuten. Ganz aufgehört hat dagegen die Ausgabe von Hypothekenpfandbriefen, K o m m u n a l - u n d Staatsanleihen sowie vor allem die Unterbringung ausländischer Anleihen. Selbst die den verbündeten Ländern gewährten Valutaanleihen sind nicht zur öffentlichen Auflegung gelangt, sondern befinden sich noch i m Besitze der deutschen Banken. Soweit die ihrer N a t u r nach langfristigen inländischen Kapitalansprüche unaufschiebbar waren, wie z. B. die der Gemeinden, haben sie i n äußerlich kurzfristigen Geschäften (Lombarddarlehen, Kontokorrentvorschüssen, Wechseldiskontierungen) Deckung aus jenen Summen gefunden, die die fortschreitende L i q u i d a t i o n des Volksvermögens i n Gestalt v o n Depositen, Spareinlagen, Kontokorrentguthaben zu den K r e d i t i n s t i t u t e n treibt. Letztere sind zu dieser Darlehnsgewährung u m so eher i n der Lage, als ein kurzfristiger K a p i t a l b e d a r f von privater Seite (Handel, Industrie, Börse) infolge der allgemein üblich gewordenen Barzahlung heute k a u m noch besteht. F ü r den U m f a n g dieser neuen Kreditgeschäfte ist freilich die 18
Erwägung maßgebend, inwieweit sich die Anlegung kurzfristiger Geldkapitalien i n langfristigen K r e d i t e n m i t den Grundsätzen einer gesunden B a n k p o l i t i k rechtfertigen läßt. I c h habe m i c h darüber i n meiner Schrift: „ D i e deutschen K r e d i t b a n k e n i m Kriege u n d nachher" auf S. 95 u. f. ausgesprochen. A u f die d a m i t verbundene Überleitung eigentlicher Geldmarktkapitalien auf den K a p i t a l m a r k t ist u n t e n zurückzukommen. I n der Donau-Monarchie liegen die Dinge ähnlich. N u r ist dort die Absperrung des K a p i t a l m a r k t e s gegenüber den privaten Ansprüchen nicht so streng durchgeführt wie i n Deutschland. Insbesondere haben dort außer den eigentlichen Kriegsunternehmungen auch die Banken umfangreiche E r höhungen ihrer eigenen K a p i t a l i e n vorgenommen. Bezeichnenderweise entfällt der größere Teil der Beanspruchung des Kapitalmarktes auf U n g a r n , wo allein i m Jahre 1917 nicht weniger als 355 neue Gesellschaften m i t einem K a p i t a l v o n 309 Millionen Kronen gegründet worden sind, u n d sogar 610 Gesellschaften i h r K a p i t a l u m nominal 888 Millionen Kronen erhöht haben. I m m e r h i n t r i f f t auch hier die T a t sache zu, daß beträchtliche Summen freigewordener K a p i t a l i e n an den Geld u n d K a p i t a l m a r k t strömen, denen i m ganzen verhältnismäßig geringe private Ansprüche gegenüberstehen. Der K a p i t a l s t r o m w i r d — wie erwähnt — i n den Ländern der Mittelmächte i n der Hauptsache von den Finanzverwaltungen m i t der jährlich zweimal wiederkehrenden Ausgabe v o n langfristigen Kriegsanleihen aufgefangen. I n Deutschland sind auf diese Weise 'bis J u l i 1918 r u n d 89 Milliarden Mark, i n Österreich-Ungarn über 52 Milliarden K r o n e n (Österreich 35 u n d Ungarn 17 Milliarden Kronen) i n die Staatskassen gelenkt worden. Die regelmäßige Wiederverwendung der halbjährlich aufgenommenen 12—15 Milliarden M a r k i n Deutschland, der 7—9 Milliarden Kronen i n Österreich-Ungarn verschafft der Industrie beider Länder (mittelbar u n d u n m i t t e l b a r auch der Landwirtschaft) fortgesetzt große Einnahmen, v o n denen der Gegenwert für i m Augenblick nicht ersetzbare Produkte, für unterbliebene Instandhaltungs- u n d Meliorisationsarbeiten, für Verlag von Ferd. Enke, Stuttgart 1917. 19
nicht ausführbare Erweiterungen, Ergänzungen, Verbesserungen der Produktionsanlagen, — u n d nicht zuletzt die erheblichen Gewinne immer wieder v o n neuem jenen sprichwörtlichen, aber nicht unbedingt zutreffenden Kreislauf des flüssigen Kapitals schaffen 1 ), aus denen die Finanz Verwaltungen — scheinbar unerschöpflich — die M i t t e l für die stark ansteigenden Kriegskosten gewinnen. W a r u m jener Kreislauf i n W i r k l i c h k e i t nicht geschlossen ist, u n d noch viel weniger wegen der m i t i h m verbundenen Vermögensverschiebungen als Ideal zu preisen ist, ist hier ebensowenig zu erörtern als die Frage, ob u n d i n welchem Umfange zwischen dieser Methode der Kriegsfinanzierung u n d der i n beiden Ländern zu beobachtenden gewaltigen Steigerung aller Preise Zusammenhänge bestehen. Für den Geld- u n d K a p i t a l m a r k t dieser Länder ist allein von Bedeutung, daß die Aufbringung v o n 88 Milliarden Mark u n d 52 Milliarden Kronen bisher nur möglich war — u n d daß die Aufbringung weiterer Milliarden nur möglich sein w i r d — , weil außer dem sich j ä h r l i c h neubildenden K a p i t a l , das m a n in Deutschland während der ersten vier Kriegs jähre auf über 60 Milliarden Mark, i n Österreich-Ungarn auf etwa 30 Milliarden Kronen schätzen k a n n (das reine Sparkapital naturgemäß geringer), eben jene Summen dem K a p i t a l m a r k t zur Verfügung standen, die i n der P r o d u k t i o n keine Verwendung -finden können. Die Kriegsanleihen beider Länder enthalten also erhebliche Beträge solcher K a p i t a l i e n , die gar nicht als eigentliche Rentenkapitalien anzusprechen u n d auch nicht als dauernde Anlage i n Kriegsanleihe gedacht sind. I n der Zurückverwandlung dieser Teile der Kriegsanleihen i n Produktionsk a p i t a l liegt i n erster Linie das Problem für den Geld- und K a p i t a l m a r k t der Mittelmächte nach dem Kriege. Trotz des gewaltigen Zustroms von K a p i t a l aus der Prod u k t i o n an den Geld- u n d K a p i t a l m a r k t , der i n Deutschland allein bisher auf über 120 Milliarden M a r k zu beziffern ist, ist es jedoch weder Deutschland noch Österreich-Ungarn gelungen, die gesamten bisher aufgelaufenen Kosten des Krieges *) Vgl. meinen Vortrag: Der deutsche Geld- und Kapitalmarkt im Kriege und nachher, abgedruckt im «Landwirtschaftlichen Genossenschaftsblatt«, Jahrgang 1918, Nr. 2 und 3. 20
auf dem W e g der festen Anleihe zu decken. Vielmehr ziehen v o n Anleihe zu Anleihe größer werdende Restbeträge kurzfristiger Schatzanweisungen daneben dauernd M i t t e l v o m eigentlichen Geldmarkt i n die Staatskassen ab. V o m Geldm a r k t : v o n den Banken, die formell kurzfristige Depositengelder z u m A n k a u f dieser äußerlich kurzfristigen, ihrem inneren Wesen nach aber langfristigen Schatzanweisungen verwenden ; v o n der Notenbank, die gegen den Erwerb solcher Schatzanweisungen den U m l a u f ihrer Noten v o n Jahr zu Jahr zu steigern sich gezwungen sieht. Während die Deutsche Reichsbank bei einer durchschnittlichen bankmäßigen Anlage (die i n der Hauptsache diskontierte Reichsschatzanweisungen darstellt) in Höhe v o n 10,5 M i l liarden Mark i m Jahre 1917 auf einen durchschnittlichen U m lauf von Noten i n Höhe von 9 Milliarden Mark, am 30. J u n i 1918 auf einen solchen v o n 12 Milliarden Mark angekommen war, betrug der Notenumlauf der Österreich-Ungarischen B a n k am 30. J u n i 1918 nicht weniger als 23 Milliarden Kronen. Die Frage, ob i n dieser gewaltigen Vermehrung der Zahlungsm i t t e l eine unnatürliche Aufblähung des Zahlungsmittelfonds gegenüber einem eingeschränkten Gütervorrat, eine I n f l a t i o n zu erblicken ist, steht als eine Frage des Geldwesens wiederum hier nicht zur Lösung. F ü r die Beurteilung des Geldmarktes ist allein v o n Bedeutung, daß der hohe Betrag der umlaufenden Noten nur zu einem Teil m i t der Flüssigkeit des Marktes i n Zusammenhang zu bringen ist. Denn der größere Teil dieser neugeschaffenen Zahlungsmittel ist zweifellos zurzeit für inu n d ausländische Zahlungszwecke gebunden. E i n geringer T e i l — i n Österreich-Ungarn mehr — dürfte auch der Thesaurierung dienen. Die für die augenblickliche Verfassung des Geldmarktes beider Länder charakteristische Flüssigkeit spiegelt sich i n erster Linie i n dem gewaltigen Anwachsen der Depositen bei den K r e d i t i n s t i t u t e n wider, die j e t z t nicht nur, wie früher, die verfügbaren Kassenbestände der Einzelwirtschaften, sondern auch die hier schon mehrfach erwähnten, flüssig gewordenen Produktionskapitalien an sich ziehen. So sind z. B. die gesamten fremden Gelder bei 16 der größten deutschen K r e d i t b a n k e n v o n 5,0 auf 18,1 Milliarden Mark (1913—1917), 21
bei 87 österreichisch-ungarischen Banken von 8,0 auf 17,1 Milliarden K r o n e n (1913—1916) gestiegen. Alle Anzeichen deuten darauf h i n , daß sich die Steigerungen i n der nachfolgenden Z e i t , für die noch keine statistischen Ausweise vorliegen, fortgesetzt haben. — Den Geld- u n d K a p i t a l m ä r k t e n der Mittelmächte ist also wesentlich, daß ihnen — gefördert durch die Absperrung der Volkswirtschaften u n d die Kriegsfinanzpolitik dieser Länder — fortgesetzt gewaltige Beträge flüssiger K a p i t a l i e n zufließen, die nur zu einem — wenn auch an sich sehr erheblichen — T e i l v o n den Kriegsanleihen ergriffen werden. Z u einem andern Teil bilden sie stark anwachsende Depositen bei den K r e d i t i n s t i t u t e n , aus denen freilich die Finanzverwaltungen nochmals — auf G r u n d v o n kurzfristigen Schatzanweisungen i n Deutschland, auf G r u n d von L o m b a r d auf Kriegsanleihe i n Österreich — M i t t e l für die Kriegsfinanzierung schöpfen. Obwohl hierdurch noch M i t t e l für andere Zwecke — Kredite an K o m m u n e n u n d K a p i t a l für Kriegsunternehmen — übrig bleiben, müssen beide Länder noch auf die Notenbanken zurückgreifen, die i n steigendem Maße i n Vorschuß für die Kriegsfinanzierung treten. J a , i m letzten Kriegsjahr haben die noch außerhalb der Kriegsfinanzierung stehenden freien M i t t e l des Geld- u n d Kapitalmarktes einen solchen Umfang angenommen, daß sie — m i t andern Ursachen — zur Grundlage einer lebhaften Börsentätigkeit wurden, die insbesondere i n Österreich-Ungarn die F o r m einer regelrechten Spekulationsw u t angenommen hat. U m auch diese K a p i t a l i e n für die Kriegsfinanzierung nutzbar zu machen, ist i n Deutschland neben der Kriegsanleihe ein beschränkter Betrag v o n 4 % % igen, nach einigen Jahren zurückzahlbaren Schatzanweisungen zur Ausgabe gelangt, während i n Österreich noch über die zu ergreifenden Maßnahmen diskutiert wird. Bevor v o n den Beziehungen zu den neutralen Geldmärkten gesprochen w i r d , ist — zur schärferen Beleuchtung der U n t e r schiede — die Gegenüberstellung der entsprechenden inneren Verhältnisse auf den Geld- u n d K a p i t a l m ä r k t e n der Ententeländer zweckmäßig.
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IL Der Geld- und Kapitalmarkt der Ententeländer. I n den Ländern unserer Gegner ist — oder besser j e t z t : — w a r die für die Geldmärkte der Mittelmächte festgestellte Geldflüssigkeit lange Zeit nicht vorhanden. Es fehlte diesen Ländern •die gewaltsame u n d unnatürliche Absperrung v o m Weltverkehr, wie sie bei den M i t t e l m ä c h t e n eingetreten ist, u n d d a m i t auch der eiserne Z w a n g , m i t den Vorräten der eigenen V o l k s w i r t schaft u n d den i n i h r lebendig zu machenden K r ä f t e n zu wirtschaften. F ü r die Entente stand i n der ersten Zeit des Krieges der W e g über die See fast ganz offen, war die Möglichkeit des Handels m i t den Kolonien, Neutralen u n d vor a l l e m m i t A m e r i k a noch i n vollem U m f a n g gegeben. Die P r o d u k t i o n für Friedenswaren ging — soweit überhaupt die Produktion nicht eingestellt war — einstweilen weiter; u n d auch der Handel schaffte weiter Rohstoffe, Lebensmittel u n d Friedenswaren aller A r t heran. Lange Zeit lieferte A m e r i k a den größten T e i l des benötigten Kriegsmaterials. Erst i m weiteren Verlauf des Krieges, als die Zahlungen für die Lieferungen immer größere Schwierigkeiten verursachten u n d als sich herausstellte, daß der große Sieg, der dem K r i e g bereits i m Jahre 1915 ein Ende bereiten sollte, ausblieb, ging die Entente — voran England, auf dessen D r u c k auch Frankreich, aus Wirtschaftsnöten endlich I t a l i e n — dazu über, die eigene Volkswirtschaft i n größerem Maße auf die Kriegsproduktion umzustellen. Aber t r o t z dieser — i n E n g l a n d restlos durchgeführten — Umstellung bestand der sehr gewichtige U n t e r schied gegenüber den M i t t e l m ä c h t e n darin, daß immer noch ein Handel m i t Übersee u n d unter den Verbündeten i m Gange war, der — wenn er auch durch den U - B o o t k r i e g i m letzten Jahr eingeschränkt worden ist — i n allen Ländern lange Zeit hindurch erhebliche K a p i t a l i e n gebunden hat. Ebenso dürften auch die Läger der Industrie dort nicht i n dem Maße geräumt sein, wie bei uns. F ü r den Geld- u n d K a p i t a l m a r k t bedeutete dies: erst in der letzten Zeit h a t der Bei r a g der i n Handel u n d Industrie freiwerdenden Produktionskapitalien eine größere Bedeutung für die Gestaltung der Geld- u n d K a p i t a l m ä r k t e der Ententeländer erlangt. 23
Das ist — neben dem anderen Umstand, daß i n weiten Kreisen der Bevölkerung das Vertrauen zu dem endgültigen Sieg der Entente fehlt — der hauptsächlichste Grund, warum die Unterbringung fester, langfristiger Kriegsanleihen weder i n England, noch i n Frankreich, noch i n I t a l i e n gelingt, ganz zu schweigen v o n dem vormärzlichen Rußland. Zwar geht i n diesen Ländern die Kapitalneubildung, die zweite große Quelle, aus der der Geldmarkt gespeist wird, weiter, sind die Kriegsgewinne durchweg erheblich, selbst i n England, wo eine weitestgehende Sozialisierung der Munitionsbetriebe Platz gegriffen hat u n d trotzdem der Handel v o n Übersee u n d m i t den Verbündeten ein Ergebnis der Kriegsgewinnsteuer von 4,5 Milliarden Mark allein i m Steuerjahr 1917/18 abwirft. Es haben aber lange Zeit jene gewaltigen Milliardenbeträge von i n der P r o d u k t i o n freigewordenen K a p i t a l i e n gefehlt, die i n den Ländern der Mittelmächte, insbesondere i n Deutschland, i n geschickter Weise der Kriegsanleihe zugeführt worden sind. Dazu k o m m t , daß i n E n g l a n d eine scharfe Besteuerung erhebliche Beträge der K a p i t a l n e u b i l d u n g entzieht: während der ersten vier Kriegs jähre hat die englische Volkswirtschaft genau 20 Milliarden M a r k an Einkommen- u n d Kriegsgewinnsteuer an das Schatzamt abgeführt 1 ). U m die M i t t e l zur Deckung der Kriegskosten aufzubringen, sahen sich daher die Finanzminister aller Ententeländer gen ö t i g t , mehr m i t kurzfristigen Schatzanweisungen oder m i t nach 2—5 Jahren rückzahlbaren Schatzscheinen zu arbeiten, die die K a p i t a l i s t e n i n dem Vertrauen erworben haben, daß sie nach dieser Zeit das Geld zur Wiederverwendung i n Handel u n d Industrie oder i n ausländischen Kapitalanlagen zurückerhalten würden. V o n den gesamten Kriegskosten Englands 2 ) bis 31. März 1918 i n Höhe v o n 145 Milliarden Mark waren durch laufende Einnahmen 38 Milliarden Mark durch feste, langfristige Anleihen . . . 43 *) Vgl. die Denkschrift: Steuer- und Anleihepolitik in England während des Krieges. Von W . Prion, Verlag von Julius Springer, Berlin 1918, S. 16. 2 ) Desgl. S. 48. 24
durch 2—5 jährige Schatzscheine . . 23 Milliarden M a r k durch kurzfristige Schatzwechsel u n d Vorschüsse etwa 23 ,, durch Anleihen i m Ausland . . . . . 19 ,, ,, aufgebracht. 6 0 % der Anleihen entfallen also auf mehr oder weniger kurzfristige Schulden, die der Rückzahlung ausgesetzt sind. Noch ungünstiger ist das Verhältnis bei Frankreich. V o n den Gesamtkosten am 1. August 1918 i n Höhe v o n 140 M i l liarden Franken waren durch laufende Einnahmen . . . . 20 Milliarden Franken durch feste langfristige Anleihen .34 ,, ,, durch Vorschüsse bei der B a n k v o n Frankreich 20 ,, ,, durch Vorschüsse i m Ausland . . . 35 „ ,, durch kurzfristige Anleihen . . . . 30 aufgebracht. V o n den auf den Anleiheweg verwiesenen 120 Milliarden F r a n k e n waren nur 34 Milliarden durch langfristige Anleihen gedeckt, also nur 25 % des Gesamtbetrages. Diese Anpassung der Anleihepolitik an die Bedürfnisse der K a p i t a l i s t e n ist aber nicht — wie viele glauben — ein Zeichen der Überlegenheit staatlicher F i n a n z p o l i t i k , sondern nichts anderes als ein Notbehelf, zu dem zu greifen, sich die Finanzverwaltungen gezwungen sahen, weil sie die v o m Standp u n k t der staatlichen Finanzwirtschaft allein richtige Ausgabe langfristiger geordneter Anleihen t r o t z vieler Versuche nicht durchzusetzen vermochten. Die weitgehende Wirtschaft m i t kurzfristigen Schatzwechseln u n d Schatzscheinen, m i t erheblichen Beträgen schwebender Schulden ließe sich vielleicht noch rechtfertigen, wenn die Finanzminister der Ententestaaten m i t einer Kriegsentschädigung rechnen könnten, die ihnen die Rückzahlung der kurzfristig geliehenen K a p i t a l i e n nach dem Kriege ermöglichte . . . Während also das Problem für die Mittelmächte darin liegt, wie der K a p i t a l m a r k t dieser Länder die Rückverwandlung der Kriegsanleihe i n Geldkapital vertragen wird, stehen die Ententeländer vor der viel größeren Aufgabe, während des 25
Krieges K a p i t a l i e n aus Quellen an sich zu ziehen, die mehr oder weniger spärlich fließen, nach dem Kriege aber auf kurzfristige Verpflichtungen Summen zurückzuzahlen, die dann noch viel weniger vorhanden sein werden. So sehen w i r denn auch hier Maßnahmen zum Schutze der Kriegsfinanzierung i n K r a f t : sowohl i n England, wie i n Frankreich u n d i n I t a l i e n ist die Inanspruchnahme des K a p i t a l m a r k t e s für andere Zwecke als staatliche v o n der Genehmigung der Behörden abhängig gemacht worden. N u r R u ß l a n d hat v o n einer solchen Beschränkung des K a p i t a l m a r k t e s lange Zeit absehen zu können geglaubt, wie Österreich auf der Gegenseite. Am französischen K a p i t a l m a r k t ist die Ausgabe v o n privaten inu n d ausländischen Anleihen während des Krieges fast ganz unterblieben, während i n E n g l a n d noch i n geringem Umfange dringende Ansprüche der heimischen Industrieunternehmungen sowie der Kolonien u n d nach Verabredung m i t den Regierungen auch umfangreiche Darlehnswünsche der Verbündeten befriedigt worden sind. F ü r fremde Schuldner ist also j e t z t auch der frühere H a u p t k a p i t a l m a r k t der W e l t — E n g l a n d — gesperrt. W e n n t r o t z reichlicher K a p i t a l n e u b i l d u n g u n d noch reichlicherer K a p i t a l u m w a n d l u n g selbst die M i t t e l m ä c h t e — wie w i r gesehen haben — noch andere Quellen als diese zur Deckung der Kriegskosten heranziehen mußten, so k a n n es nicht wundernehmen, wenn sich die Ententeländer, i n denen die U m wandlung v o n Produktionskapital i n Geldkapital eine geringere Rolle spielte, zu gleichem Vorgehen veranlaßt sahen. A m ausgiebigsten h a t R u ß l a n d v o n der Notenausgabe Gebrauch gemacht. Der Notenumlauf der Russischen Reichsbank betrug vor dem Kriege 1630 Millionen Rubel, am 1. Januar 1916 schon 5600 Millionen Rubel, am 1. Januar 1917 bereits 9100 Millionen Rubel u n d nach 200 Tagen der neuen Regierung sogar 15 400 Millionen Rubel. A m 23. Oktober 1917 hatte er die Summe v o n 18 917 Millionen Rubel erreicht. ( A m 1. J u l i 1918 w i r d er auf 60 Milliarden Rubel geschätzt). Die direkten Vorschüsse bei der Staatsbank waren bis zum 14. September 1917 auf 12,3 Milliarden Rubel, a m 23. Oktober 1917 auf 15,5 M i l liarden R u b e l angewachsen. A u c h i n I t a l i e n hat die Notenausgabe helfen müssen: es liefen Ende 1917 über 7,5 Milliarden 26
Lire N o t e n u m gegen 2,2 Milliarden Lire vor dem Kriege. I n Frankreich betrugen die Vorschüsse der B a n k v o n Frankreich an den Staat am 27. J u n i 1918 über 18 600 Millionen Franken bei einem Notenumlauf v o n 28 550 Millionen Franken. In England, wo die B a n k v o n E n g l a n d sich weigert, ihre N o t e n i n den Dienst der Kriegsfinanzierung zu stellen, hat der Staat eigene, sogenannte currency notes ausgegeben, v o n denen am ι . J u n i 1918 248 Millionen Pfd. St. umliefen. Sie waren durch ein Golddepot v o n nur 28,5 Millionen Pfd. St. gedeckt. Die Benutzung der anderen Quellen der Kapitalbeschaffung zeigt sich jedoch i n E n g l a n d mehr d a r i n , daß erstlich die Banken große Vorschüsse auf Kriegsanleihe gegeben haben 1 ), u n d daß zweitens das Schatzamt die M i t t e l des englischen Geldmarktes, also die kurzfristigen Betriebskapitalien der Volkswirtschaft dauernd u n d fast restlos m i t der Ausgabe v o n 3—9 monatlichen Schatzwechseln i n Anspruch n i m m t , also diese kurzfristigsten aller Geldkapitalien der langfristigen Kriegsfinanzierung zuführt. W e n n diese P o l i t i k des englischen Schatzamtes i n der letzten Zeit ohne Zwischenfälle verlaufen ist, so liegt das auch daran, daß der U - B o o t k r i e g die Absperrung Englands v o n den überseeischen Rohstoffm ä r k t e n vergrößert, die Aufzehrung der Vorräte beschleunigt u n d — da das K a p i t a l nicht i n gleichem U m f a n g wie früher i n P r o d u k t i o n u n d Handel wieder angelegt werden k a n n — die Kapitalansammlung fördert, eine ungewollte finanzielle Nebenw i r k u n g des U-Bootkrieges. Sie entspricht der, die der englische Aushungerungsplan i n Deutschland hervorgerufen hat. *) Die englischen Banken haben bei den ersten zwei Kriegsanleihen nicht nur selbst erhebliche Beträge für eigene Rechnung übernehmen müssen, sondern im weiteren Verlauf der Kriegsfinanzierung auch in weitgehendem Umfang Vorschüsse auf Kriegsanleihe gewährt. »The Economist« wird nicht müde, immer wieder zu betonen, daß das Anwachsen der Depositen bei den Banken mit dieser »inflationistischen« Kriegsfinanzpolitik der englischen Regierung zusammenhängt. Bei den englischen Banken betrugen in Millionen Pfd. Steri.: 1913/14 1917/18 Zunahme die Anlagen und Vorschüsse . . 874,0 1337,1 463,1 die Depositen 1033,0 1705,8 672,8
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III. Die Beziehungen des Geld- und Kapitalmarktes der Ententeländer zum Ausland. Bei unseren Gegnern geht aber v o n der Kriegsfinanzierung noch ein anderer, nicht minder bedeutsamer Einfluß auf den Geld- u n d K a p i t a l m a r k t ihrer Länder u n d i m Zusammenhang d a m i t auf den der neutralen Länder aus. W e i l der Handel unserer Gegner nur m i t den Mittelmächten, nicht aber m i t der übrigen W e l t gänzlich abgeschnitten ist, ist die E i n f u h r aus den neutralen Staaten, aus den eigenen Kolonien, vor allem aber aus Amerika, das die eigentlichen Kriegsmaterialien lieferte, während des Krieges gewaltig gesteigert worden. I n den ersten drei Kriegsjahren betrug: L ä n d e r England (in Millionen Pfd. St.) 1914 1915 1916 1917 Frankreich (in Millionen Franken) 1914 1915 1916 1917 i) Rußland (in Millionen Rubel) 1914 1915 1916 Italien (in Millionen Lire) 1914 1915 1916 1917
die Einfuhr
die Ausfuhr
Überschuß der Einfuhr
657 855 949 1 065
431 385 507 595
226 470 442 470
6 402 11036 15 159 14 245
4 869 3 937 5116 3 550
1533 7 099 10 043 10 795
1098 1 153 2 750
956 402 575
142 751 2 175
2 923 4 703 5 458 7 722
2 210 2 533 2 293 2 259
713 2170 3 165 5 463
I m Jahre 1918 hat sich die Steigerung des Einfuhrüberschusses i n allen Ländern fortgesetzt, u n d zwar — worauf es hier a n k o m m t — infolge der hohen Preise nur dem Werte u n d nicht *) Nur für die ersten 10 Monate des Jahres. 28
der Menge nach. Letztere ist infolge des U-Bootkrieges überall beträchtlich zurückgegangen. Insgesamt k a n n man die Zahlungsverpflichtungen der Entente an das Ausland, wenn m a n die zu weiteren Zahlungen nicht verwertbare Ausfuhr i n die Länder der Bundesgenossen außer acht läßt u n d die sonstigen U n genauigkeiten der veröffentlichten Handelsausweise i n Rechnung stellt, für die 4jährige Kriegsdauer auf r u n d 100 Milliarden Mark veranschlagen. Das zweite große Problem, vor dem die Entente i n ihrer Kriegsfinanzierung stand, war die Bezahlung dieser gewaltigen Schuld an die ausländischen Lieferanten. Die zahlreichen Maßnahmen, zu denen die Länder greifen mußten, u m die notwendigen Zahlungsmittel zu beschaffen, haben naturgemäß tiefgreifende Spuren i n der E n t w i c k l u n g der Geldmärkte zurückgelassen. Alle Länder haben — soweit die Ausfuhr v o n Waren u n d die Leistung v o n Diensten nicht genügte — zuerst m i t ihren ausstehenden Guthaben gezahlt. Eine Quelle, die — wie bei E n g l a n d u n d Frankreich — eine Zeitlang reichlich floß, jedoch b a l d infolge der großen Summen, die beschafft werden mußten, zum Versiegen kam. D a m i t ist ein hervorragender A n t e i l insonderheit des englischen u n d französischen Geldmarktes am internationalen Geldmarkt, nämlich die U n t e r h a l t u n g großer Guthaben an allen wichtigen Plätzen der W e l t verschwunden. Es folgten dann i n Ermangelung v o n weiteren ausländischen Zahlungsmitteln umfangreiche Goldsendungen an die Gläubigerländer. Die gesamten Goldausgänge aus den Ententestaaten sind bis Ende 1917 auf 5000 Millionen M a r k zu schätzen, v o n denen nach europäischen Neutralen ungefähr 1500 Millionen M k . nach A m e r i k a nicht weniger als 3500 gegangen sind. Dieser gewaltige U m f a n g der Goldsendungen hat sogar i n E n g l a n d Stimmen laut werden lassen, die eine Einschränkung der Goldabgabe an die Vereinigten Staaten, j a die Einstellung der Goldzahlungen überhaupt fordern. F ü r den Geldmarkt der Entente ist wiederum wichtig, daß der freie Goldverkehr den privaten Händen nach u n d nach entzogen worden ist, u n d an seine Stelle zuerst Abmachungen der Regierungen m i t den Banken i m neutralen Ausland, dann A b k o m m e n unter den Verbündeten über Zusammenwerfung
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der Goldvorräte u n d endlich A b k o m m e n der führenden englischen Regierung m i t der offiziellen amerikanischen B a n k behörde getreten sind. Dieses letztere Abkommen, das formell zwischen der B a n k v o n E n g l a n d u n d der New-Yorker Bundesreservebank i m M a i 1917 abgeschlossen worden ist, sieht eine Stabilisierung der Wechselkurse u n d die Vermeidung unnötiger Goldtransporte durch Kredite u n d einfache Abzweigung i n den Goldbeständen der abschließenden Banken vor. Es stellt somit die E r f ü l l u n g eines auch schon vor dem Kriege v o n vielen F i n a n z p o l i t i k e r n geäußerten Vorschlages zur Vereinfachung des internationalen Zahlungsverkehrs dar. Es w i r d , wenn es i n diesem Falle auch aus der Notlage der Beteiligten, nämlich Englands, geboren ist, zweifellos bei der Neuordnung der Währungen der kriegführenden Staaten nach dem Kriege als V o r b i l d eine wichtige Rolle spielen. Neben dem Goldverkehr bemächtigte sich die Staatsgewalt, vertreten durch die Agenten der Zentralnotenbanken, auch b a l d des v o n L a n d zu L a n d laufenden Kreditverkehrs, indem sie neben u n d an die Stelle der v o n Geschäftshaus zu Geschäftshaus u n d v o n B a n k zu B a n k abgeschlossenen Einzelkredite die regierungsseitig aufgenommenen kurzfristigen D a r lehen i n großen runden Summen setzte, für die außer den besonderen Deckungsmitteln, wie Gold u n d Wertpapiere, auch die Regierungen durch Hinterlegung oder Ausstellung v o n Schatzscheinen Bürgschaft leisteten. A u f diese Weise sind die Ententeländer i n 4 Kriegsjahren untereinander u n d ans Ausl a n d r u n d 75 Milliarden M a r k schuldig geworden, davon allein r u n d 35 Milliarden M a r k i n Amerika. W ä h r e n d Rußland u n d I t a l i e n i n einer für ihre Volkswirtschaften unerträglichen Weise zu den bestehenden Schulden weitere gehäuft haben, sind E n g l a n d u n d Frankreich, die früher auf dem M a r k t der k u r z fristigen Leihkapitalien, also auf dem eigentlichen internationalen Geldmarkt Gläubiger waren, j e t z t i n erheblichem Umfange Schuldner ihrer ehemaligen Schuldnerländer geworden. • Diesen Veränderungen auf dem Gebiet des kurzfristigen Leihkredits geht eine tiefgreifende Umschichtung der ausländischen Kapitalanlagen parallel. Zur Schaffung von ausländischen Zahlungsmitteln i m neutralen Ausland haben nämlich die 30
Länder unserer Gegner große Teile ihres Besitzes an ausländischen Wertpapieren zum Verkauf gebracht bzw. als Sicherheiten für Darlehen i m Auslande hinterlegen müssen. Der Verkauf erfolgte anfänglich p r i v a t u n d v o n den Besitzern der Papiere selbst, soweit der Stand der Kurse u n d die V e r fassung der einheimischen wie ausländischen Börsen dies m i t Nutzen zuließ. Später griffen die Regierungen m i t Aufrufen ein, i n denen zur freiwilligen Überlassung der ausländischen Wertpapiere gegen Vergütung des Gegenwertes i n eigenen Staatsanleihen aufgefordert wurde. U n d endlich m u ß t e n direkte u n d indirekte Zwangsmaßnahmen angewandt werden, u m die noch widerstrebenden Besitzer zur Herausgabe dieses so wertvollen Mittels zur internationalen Schuldentilgung zu bewegen. So haben insbesondere E n g l a n d u n d Frankreich erhebliche Teile ihrer veräußerbaren, i m Verlauf v o n Jahrzehnten dem internationalen K a p i t a l m a r k t zur Verfügung gestellten K a p i t a l i e n zurückgefordert, die Erträge dieser K a p i t a l anlagen aus ihrer gegenwärtigen, wie zukünftigen Zahlungsbilanz getilgt u n d an ihre Stelle den ehemaligen Besitzern der ausländischen Anleihen i n entsprechenden Beträgen Schatzanweisungen des eigenen Landes ausgehändigt. Den ganzen Umfang dieser zweifellos auch i n politischer Beziehung bedeutungsvollen Verschiebung der ausländischen Kapitalwanderungen w i r d m a n erst ermessen können, wenn ein genauer Nachweis über die verschiedenen A r t e n der abgestoßenen Wertpapiere (nach Schuldner u n d Beträgen) vorliegt, u n d wenn zu übersehen ist, ob u n d wie die zu einem Teil nur als Sicherheit hinterlegten Wertpapiere durch Rückzahlung der auf sie entnommenen Darlehen wieder frei werden. Denn daß insbesondere England, trotz seiner großen N o t i n ausländischen Zahlungsm i t t e l n , eine gewisse Auswahl der verwendeten Wertpapiere danach getroffen hat, ob m i t ihrer Abstoßung seine wirtschaftliche u n d politische Herrschaft über den Gläubiger gefährdet ist oder nicht, beweisen die v o m Schatzamt herausgegebenen Listen, i n denen die einzelnen Wertpapiere nach bestimmten Gattungen aufgerufen wurden. D a aber letzten Endes die A b t r a g u n g aller außer Landes aufgenommenen Schulden nur durch eine gesteigerte Ausfuhr u n d durch neue K a p i t a l b i l d u n g 31
erfolgen kann, so ergibt sich v o n selbst, daß die Wiedergewinnung der früheren Stellung z u m internationalen K a p i t a l m a r k t sowohl für Frankreich wie für E n g l a n d auf Jahre hinaus ausgeschlossen erscheinen muß 1 ) . Daß aber die Abstoßung der ausländischen Kapitalanlagen überhaupt gelang, daß die Schuldnerländer oder andere Länder i n der Lage waren, ihre Schuldtitel u n d andere i n solch erheblichen Beträgen zurückzukaufen, ist nur dadurch möglich geworden, daß die Länder unserer Gegner ihren ehemaligen Schuldnern selbst die M i t t e l dazu i n die H a n d gegeben haben — durch die Übertragung großer Kriegsaufträge u n d durch den A n k a u f ihrer Rohstoffe u n d Waren. A u f die Stellung dieser Länder, der neutralen wie der der Vereinigten Staaten zu den Veränderungen auf dem internationalen Geld- u n d K a p i t a l m a r k t ist unten zurückzukommen. I n diesem Zusammenhang ist dagegen noch festzustellen, daß t r o t z der zahlreichen — insbesondere v o n E n g l a n d i n vorbildlicher Weise durchgeführten — Maßnahmen es den Ententeländern nicht gelungen ist, die Kurse ihrer Wechsel i m Ausl a n d auf dem Paristande zu halten. V o n Rußland, wo eine überstürzte K a p i t a l f l u c h t den Niedergang des Rubelkurses beschleunigt hat, ganz zu schweigen, auch das italienische Lire, der französische F r a n k wie selbst das englische Pfund Sterling haben — vorzüglich i n den europäischen neutralen Ländern — scharfe E n t w e r t u n g e n erfahren. So stieg i m Den von diesen Ländern abgestoßenen Wertpapieren und von ihnen aufgenommenen Schulden stehen zwar, wie eingewendet werden kann, diejenigen Vorschüsse gegenüber, die Frankreich und England an die Verbündeten geleistet haben. Jedoch ist dieser Betrag für Frankreich weit geringer als die Summe der im Auslande aufgenommenen Schuldbeträge, während bei den sehr erheblichen Vorschüssen Englands an seine Verbündeten im Betrage von etwa 27 Milliarden Mark, ein großer Teil auf Schuldner entfällt, von denen England politisch wie handelspolitisch keine neuen Vorteile zu erwarten hat. Für die Zahlungsbilanz entscheidend ist aber, daß England nicht auf eine volle Rückzahlung dieser Beträge, nicht einmal auf pünktliche Zahlung der Zinsen rechnen kann, denn ein großer Schuldner: Rußland ist zahlungsunfähig. Serbien ist verarmt und Italien und Frankreich werden nach dem Kriege Englands Geld als Subsidien betrachten, für die sie den Gegenwert bereits in Gut und Blut geleistet haben. 32
Jahre 1917 das Disagio des i^-Wechsels i n Stockholm zeitweilig (November) auf nicht weniger als 3 6 % , das des FrsWechsels auf 40%. Nach kräftiger Erholung gegen Ende des Jahres ist i m M a i 1918 wieder eine Verschlechterung eingetreten; i n der Schweiz stieg das Disagio auf 2 5 % bzw. 3 0 % . Italienische Noten wurden dortselbst m i t einem Verlust v o n 5 6 % notiert. Bemerkenswert ist, daß diese E n t w e r t u n g e n eingetreten sind, obwohl der Handelsverkehr der Ententeländer nicht i n dem Maße gestört ist, wie bei den Mittelmächten. Auf der anderen Seite h a t aber auch die E n t w e r t u n g der Kurse gerade deshalb eine größere Bedeutung, weil die Zahlungen der Ententeländer an das Ausland entsprechend größer sind. I n Amerika ist es hingegen E n g l a n d dank der schon frühzeitig eingefädelten englisch-amerikanischen Finanzverbrüderung gelungen, den Wechselkurs seit mehr als zwei Jahren auf 4,765 für ι Pfd. St. zu stabilisieren. Daß nach dem E i n t r i t t Amerikas i n den K r i e g der amerikanische D o l l a r i n E u r o p a eine andauernd sich verschärfende Minderbewertung — i n H o l l a n d bis 27 % — erfahren hat, gehört zu einer der vielen schmerzlichen Enttäuschungen der sich schon als Weltbankiers dünkenden amerikanischen Trustmagnaten. Das Disagio findet seine E r k l ä r u n g darin, daß sich die v o n allen ausländischen Zahlungsmitteln entblößten Ententeländer nach E n t r i t t A m e r i kas i n den K r i e g m i t großer Gier auf den Bundesdollar stürzten, u m d a m i t an die Neutralen i n Europa zu zahlen. Die Schaffung von Gegenwerten ist aber A m e r i k a bei der Herrschaft des U-Bootkrieges nur schwer möglich, zumal inzwischen auch das Gold — wie w i r noch sehen werden — v o n seiner alten K a u f k r a f t in den neutralen Ländern eingebüßt hat. Die E n t w i c k l u n g der Zahlungsbilanz, insonderheit die Sorge u m die Wechselkurse hat i n den Ententeländern zu Maßnahmen geführt, die den ehemals freien Zahlungsverkehr j e t z t mehr oder weniger eingeschränkt haben. A m weitesten gehen diese Maßnahmen i n Rußland, wo i m Herbst 1917 das schon einmal aufgehobene Ausfuhrverbot für Rubel wieder eingeführt worden ist, u n d i n Italien, wo der Devisenhandel zentralisiert u n d unter Kontrolle der Regierung gestellt worden ist. I n Frankreich besteht nur die Vorschrift, daß die Banken ein Register z u Prion.
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führen haben, i n das die Devisengeschäfte einzutragen sind. Praktisch liegt das Devisengeschäft ganz i n den Händen der B a n k v o n Frankreich. E n g l a n d hat bisher zwar von besonderen Vorschriften für den Devisenhandel A b s t a n d nehmen können. Trotzdem besteht auch hier eine Einschränkung des Zahlungsverkehrs insofern, als für eine Reihe v o n Waren Ausfuhrverbote erlassen worden sind, die eben verordnet worden sind, weil die Beschaffung der ausländischen Wechsel Schwierigkeiten machte. U n d endlich ist i n allen Ländern zur Regel geworden, daß die Abgabe v o n Devisen aus den K r e d i t e n erfolgt, die die Regierungen i m Ausland abgeschlossen u n d aufgenommen haben. I n allerjüngster Zeit (21. Dezember 1917) ist i n England sogar ein Kapitalausfuhrverbot ergangen. Danach sind alle Kapitalanlagen i m Ausland, die n i c h t i m Interesse der englischen Volkswirtschaft liegen, verboten. Alle Zahlungen nach dem Ausland sind daraufhin zu prüfen, ob sie zu einer K a p i t a l anlage führen. Mittelst Gesetz v o m 3. A p r i l 1918 sind auch i n Frankreich die Vorschriften über den K a p i t a l e x p o r t verschärft worden. Die wirtschaftliche Indienststellung der ganzen W e l t i m Kampfe gegen die Mittelmächte hat also — wie aus den voraufgegangenen Ausführungen hervorgeht — den Ententeländern erhebliche Verschiebungen u n d Verminderungen ihres Volksvermögens gebracht. Die finanzschwächeren Genossen haben an Frankreich u n d E n g l a n d Gold u n d Wertpapiere geliefert, außerdem v o n diesen Vorschüsse erhalten, die auf 20 Milliarden M a r k zu beziffern sind, u n d darüber hinaus selbständig Schulden bei den Neutralen gemacht. Frankreich hat an Engl a n d Gold abgetreten — angeblich 3 Milliarden Franken u n d leihweise — sowie gleichfalls am Londoner Geldmarkt Vorschüsse entnommen u n d i n A m e r i k a umfangreiche Darlehen erhalten, am 1. J u l i 1918 i m ganzen über 33 Milliarden Franken an Schulden i m Ausland ausstehen. U n d endlich hat England, das auf der einen Seite i n großem Umfange Geldgeber seiner M i t k ä m p f e r ist, auf der anderen Seite seine Auslandsguthaben völlig realisiert, Gold i n Höhe v o n etwa 4500 Millionen Mark nach dem Ausland geschickt, einen erheblichen Teil seiner ausländischen Wertpapiere z u m Verkauf gebracht u n d obendrein 34
noch Auslandsschulden i n Höhe v o n r u n d 20 Milliarden M a r k aufgenommen. Der größere Teil der für diese Zahlungen erhaltenen Gegenwerte ist als Kriegsmaterial verbraucht, verpufft oder durch unsere U-Boote auf den Meeresboden geschickt worden, während ein Teil der englischen u n d französischen Forderungen an die Bundesgenossen, die die Finanzminister noch als volle A k t i v a buchen, bereits heute schon auf zahlungsschwache u n d zahlungsunfähige Schuldner lautet. A n Stelle der auswärtigen Kapitalanlage ist für den ursprünglichen Besitzer der ausländischen Wertpapiere die einheimische Staatsschuldverschreibung, die Verpflichtung seines eigenen Staates getreten. Hierdurch wie durch die weitere Schuldaufnahme i m Ausland sind beträchtliche Teile des Volksvermögens ins Ausland gegangen — bei nur geringer Zuführung neuer produktiver Werte i n das eigene L a n d : Das Volksvermögen unserer Gegner hat während des Krieges nicht nur infolge des u n m i t t e l baren Verbrauches v o n Gütern für den Krieg, sondern auch infolge der Bezahlung der i m Ausland gekauften Waren m i t nationalen Werten eine erhebliche Einbuße erlitten.
IV. Die Beziehungen der Geld- und Kapitalmärkte der Mittelmächte zum Ausland. Daß die Verhältnisse i n dieser Beziehung bei den M i t t e l mächten anders liegen, weiß jedes K i n d . Es ist aber ein großer I r r t u m anzunehmen, als ob die Mittelmächte gänzlich v o n einer Auslandsverschuldung» verschont geblieben wären. D i e Absperrung der Volkswirtschaften dieser Länder v o m A u s l a n d ist durchaus keine vollständige. Der Handelsverkehr m i t den angrenzenden Neutralen ist geblieben. U n d wenn auch der Druck der Entente auf diese Länder fortgesetzt verstärkt worden ist, so ist die E i n f u h r nach den M i t t e l m ä c h t e n z u m mindestens noch so beträchtlich, daß sie durch eine Ausfuhr von Waren nach dem Ausland nicht v o l l gedeckt werden k a n n . Die große Nachfrage nach ausländischen Zahlungsmitteln h a t vielmehr die Kurse der. fremden Wechsel i n Deutschland stark gesteigert, die V a l u t a der Mittelmächte noch stärker als die der Entente, von Rußland abgesehen, i m Ausland entwertet. 35
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A n dieser E n t w e r t u n g ist eine schwächliche V a l u t a p o l i t i k der Mittelmächte nicht ganz unschuldig. Die Zentralnotenbanken haben w o h l i n großem Umfange Gold aus ihren Beständen, die sie aus dem inneren U m l a u f aufgefüllt haben, i n das Ausland gegeben. Darüber hinaus haben sie jedoch nur zögernd i n die Preisbestimmungsfaktoren für die ausländischen Wechselkurse eingegriffen. I n Deutschland sind zwar die Besitzer v o n ausländischen Wertpapieren auf den vorteilhaften Verkauf ihres Besitzes rechtzeitig aufmerksam gemacht worden, h a t die Reichsbank nach i 1 ^ jährigem Zusehen die K o n t r o l l e über den gesamten Devisen verkehr übernommen; die Lücken dieser K o n t r o l l e sind aber erst viel später durch die Hineinziehung aller auf das Ausland entstehenden Forderungen u n d Schulden u n d endlich durch die Regelung der E i n - u n d Ausfuhr von Waren ausgefüllt worden. I n allen diesen Maßnahmen ist die Donaumonarchie nachgehinkt, haben profitgierige Spekulanten i n beiden Ländern m i t V o r t e i l lange Zeit h i n d u r c h Umgehungsversuche zuungunsten der M a r k angestellt. Heute ( i . J u l i 1918) ist der gesamte Zahlungsverkehr m i t dem Ausland streng geregelt, d. h. Einkäufe u n d Zahlungsverpflichtungen dürfen nur erfolgen, wenn Zahlungsmittel, für die die Zentralstellen sorgen, zur Verfügung gestellt werden. Selbst i m Verkehr der beiden verbündeten Länder untereinander mußten zeitweilig einengende Vorkehrungen getroffen werden, u m die M a r k v a l u t a i m Ausland vor großen Verkäufen v o n Seiten Österreich-ungarischer F i r m e n zu schützen. So ist auch aus den LänderÄ der Mittelmächte Gold ins Ausland abgeflossen, sind ausländische Wertpapiere abgestoßen, K r e d i t e u n d Anleihen i m Ausland aufgenommen worden, letztere anfänglich v o n P r i v a t f i r m a zu Privatfirma, von B a n k z u B a n k , endlich unter M i t w i r k u n g der Reichsbank u n d unter H a f t u n g des Reiches. Aber alle diese Maßnahmen haben nicht verhindert, daß die ausländischen Wechselkurse weiter stiegen, die deutsche u n d österreichische V a l u t a i m Ausland zeitweilig bis auf u n d unter die H ä l f t e ihres früheren Wertes sanken. Verhetzende Machenschaften u n d spekulative Verkäufe von Seiten unserer Gegner, denen m a n Gewandtheit i n finanziellen Dingen nicht absprechen kann, haben dazu beigetragen, Miß36
trauen zu den sich i m Ausland ansammelnden Zahlungsmitteln der Zentralmächte, zu der staatlichen Finanzgebarung, j a M i ß trauen zu der Zahlungsfähigkeit dieser Länder zu verbreiten. Eine durchgreifende Änderung der Beziehungen zum Ausland ist erst erzielt worden durch eine systematische Verbindung der Regelung der E i n - u n d Ausfuhr v o n Waren m i t der K r e d i t beschaffung, wie sie ihren Niederschlag i n den sogenannten Handelsabkommen gefunden hat, die das Deutsche Reich m i t den angrenzenden neutralen Staaten bereits abgeschlossen h a t (Schweiz u n d Holland) oder abzuschließen i m Begriffe steht. I n diesen A b k o m m e n , bei deren Abschluß Deutschland seine Monopolwaren wie Kohle, Eisen u n d Chemikalien v o l l w i c h t i g i n die Wagschale werfen kann, werden A r t u n d Menge der gegenseitig zu liefernden Waren, i h r Preis, sowie die zu bewilligenden K r e d i t e vereinbart, so daß ein Fehlbetrag an Zahlungsmitteln nicht mehr entstehen kann. A u f diese Ordnung des Zahlungsverkehrs m i t dem Ausland ist auch die m i t dem Beginn der Friedensverhandlungen i n Brest einsetzende Aufwärtsbewegung der Kurse für deutsche Wechsel, die Besserung der deutschen V a l u t a an den neutralen Geldmärkten zurückzuführen. D a die Ententeländer ebenfalls z u m Abschluß solcher Handelsabkommen m i t den neutralen Staaten, wie auch untereinander übergehen u n d endlich solche Handelsabkommen auch v o n Neutralen zu Neutralen Platz greifen, so w i r d m a n i n ihnen zweifellos ein typisches Schlußglied i n der E n t w i c k l u n g des auswärtigen Handels- u n d Zahlungsverkehrs während des Krieges zu erblicken haben . . . Das, worauf es hier aber a n k o m m t , ist : daß auch die Zentralmächte während des Krieges Werte an das Ausland abgeben, wofür sie zum Teil unproduktives Kriegsmaterial erhalten, daß sie Kredite, Anleihen i m Auslande aufnehmen, die sie zusammen m i t der n i c h t unbeträchtlichen Summe ihrer i m Ausland umlaufenden N o t e n nach dem Kriege zurückzahlen müssen. Der Kreislauf des K a p i t a l s ist also keineswegs geschlossen, das „ G e l d " bleibt durchaus n i c h t i n vollem Umfange i m L a n d e ; freilich geht es nicht i m entferntesten i n den Summen i n das Ausland, wie w i r das für die Entente festgestellt haben. Genaue statistische Angaben liegen nicht vor. Eine deutliche 37
Sprache redet aber die Tatsache, daß der Goldbestand der Österreich-Ungarischen B a n k v o n 1238 Millionen Kronen vor dem Kriege auf 264 Millionen K r o n e n Ende 1917 zurückgegangen ist. D a i n Deutschland während des Krieges keine Ziffern über den Außenhandel veröffentlicht werden, so sind auch keine zahlenmäßigen Angaben über die Auslandsverschuldung möglich. W i e bei England, so stehen auch den deutschen Auslandsverpflichtungen die an die Verbündeten geleisteten Vorschüsse gegenüber. Aber die Lage Deutschlands ist bei weitem günstiger: nicht nur entsprechen den i m ganzen geringeren Auslandsverpflichtungen bedeutend geringere Vorschüsse an die Verbündeten, sondern diese Vorschüsse stellen auch vollwertige A k t i v p o s t e n dar, auf deren Zinseingang bes t i m m t zu rechnen ist. Das andere, worauf es a n k o m m t , i s t : auch bei den M i t t e l mächten hat der früher freie, keiner staatlichen Einmischung unterworfene Zahlungs- u n d K r e d i t v e r k e h r einer umfassenden obrigkeitlichen Regelung Platz machen müssen. Sie geht so weit, daß niemand mehr selbständig über seine ausländischen Wechsel, Guthaben, Zahlungsmittel verfügen u n d niemand m i t solchen zahlen kann, ohne dazu die obrigkeitliche Genehmigung zu besitzen. D a r i n liegt endlich auch eine einschneidende K o n trolle über den K a p i t a l v e r k e h r v o n L a n d zu Land. Denn sowohl die Aufnahme langfristiger Anleihen müßte, wenn sie möglich wäre, u n d das Geld ins Ausland gehen sollte, die Devisenzentrale der Mittelmächte ebenso passieren, wie der ins Ausl a n d beorderte Erlös aus verkauften Wertpapieren. — Kriegswirtschaft u n d Kriegsfinanzierung haben also die Geld- u n d K a p i t a l m ä r k t e aller kriegführenden Länder von G r u n d auf umgestaltet, sie m i t hohen, zum Teil unübersteigbaren Schranken umgeben, die Länder sozusagen zu mehr oder minder ,,geschlossenen Finanzstaaten" gemacht. Auf diesen geschlossenen M ä r k t e n hat die Staatsgewalt i n das Angebot u n d die Nachfrage nach Geldkapitalien eingegriffen, der Zeit u n d F o r m sowie dem Erfolge nach verschieden, überall aber m i t der W i r k u n g , daß die Grundlagen des ehemaligen internationalen Geld- u n d K a p i t a l m a r k t e s zertrümmert worden sind. Bevor auf die Frage nach der Gestaltung der E n t w i c k l u n g nach 3S
dem Kriege eingegangen werden k a n n , ist der letzte, aber nicht minder wichtige Bestandteil des internationalen Geldund Kapitalmarktes einer kurzen Sichtung zu unterziehen.
V. Die Geld- und Kapitalmärkte der neutralen europäischen Länder. M i t Ausnahme v o n Spanien sind alle europäischen neutralen Länder v o n kriegführenden Staaten umgeben. I n zweifacher Weise äußert sich diese Tatsache i n der volkswirtschaftlichen E n t w i c k l u n g jener Länder während des Krieges. I n erster Linie werden die Wirtschaftskräfte der neutralen Länder v o n den kriegführenden Parteien aus beiden Lagern i n stärkstem Maße beansprucht. Die Kriegführenden suchen i n neutralen Ländern aufzukaufen, was ihnen i m eigenen Lande zur w i r k samen Durchführung dieses n i c h t nur v o n Heer zu Heer, sondern auch v o n Volkswirtschaft zu Volkswirtschaft geführten Weltkrieges mangelt. Infolge dieser gewaltigen Nachfrage nach Erzeugnissen aller A r t , sei es nach Rohstoffen, Lebensmitteln, Waren oder Kriegsmaterial, ist eine nie gesehene Hochk o n j u n k t u r über die neutralen Länder hereingebrochen, die eine weitgehende Bereicherung aller m i t den Lieferungen an das Ausland beteiligten Kreise m i t sich gebracht h a t u n d noch m i t sich bringt. Die Angrenzung der neutralen Länder an die der Kriegführenden h a t aber auf der anderen Seite auch zur Folge, daß beide Parteien der Kriegführenden unausgesetzt auf die neutralen Länder einen starken D r u c k — m i t politischen oder wirtschaftlichen M i t t e l n — ausüben, u m die letzteren zu veranlassen, die Lieferungen an die Gegenparteien ganz einzustellen. So ist insbesondere die Entente, der sich A m e r i k a voll angeschlossen hat, i n letzter Zeit immer mehr dazu übergegangen, die Zufuhr nach den neutralen Ländern nach deren eigenem Bedarf genau zu rationieren „ d a m i t die Blockade gegen die Mittelmächte wirkungsvoller werde". Kontrollorganisationen i n den Ländern der Neutralen sorgen für die Durchführung all der die Wiederausfuhr betreffenden Maßnahmen, versuchen sogar die Ausfuhr der i n den neutralen
L ä n d e r n selbst gewonnenen oder hergestellten Erzeugnisse m i t allen erdenklichen Schikanen zu hintertreiben. Die Rückw i r k u n g dieses Druckes v o n Seiten der beiden kriegführenden Gruppen sind eine fortschreitende Erschöpfung der Läger, eine für H a n d e l u n d Industrie fühlbare K n a p p h e i t an Rohstoffen u n d Waren u n d dementsprechend eine wachsende Ansammlung n i c h t wieder i n vollem Umfange i n der P r o d u k t i o n oder i m H a n d e l anzulegender flüssiger Kapitalien. Verstärkte K a p i t a l n e u b i l d u n g infolge reichlich fließender Kriegsgewinne u n d stete Zunahme flüssiger Geldkapitalien sind auch i n den neutralen Ländern die Zeichen, unter denen die Geld- u n d K a p i t a l m ä r k t e jener Länder eigenartige Leistungen während des Krieges hervorgebracht haben. Diese E n t w i c k l u n g spiegelt sich i n erster L i n i e i n der Gestaltung der Handelsbilanz der neutralen Länder wider. I n allen Ländern ist — wie aus der nachfolgenden Tabelle hervorgeht, der die Handelsbilanz vor dem Kriege auszeichnende Einfuhrüberschuß v o n Jahr zu Jahr zurückgegangen u n d zuletzt i n einen Ausfuhrüberschuß umgeschlagen. Außenhandel der neutralen Ländern: L ä n d e r
Holland ί (in Millionen Gulden) | Spanien (in Millionen Pesetas) Schweiz 1 (in Millionen Franken) 1 Schweden (in Millionen Kronen)
Jahr
Einfuhr
Ausfuhr
Überschuß der Einfuhr — der Ausfuhr +
1913 1914 1915 1916
3917 2889 2110
3113 3082 1749
— 835 — 384 -361
1913 1914 1915 1916 1917 1913 1914 1915 1916 1913 1914 1915 1916 1917
1414 1021 967 913 736
1195 867 1242 1368 1290 1376 1186 1670 2447 817 772 1316 1308 900
-219 — 154 + 274 + 454 + 554 -542 -291 - 10 + 69 - 29 + 45 + 173 + 408 + 469
1919 1478 1680 2378 846 727 1142 900 431 40
Die Zahlen für Schweiz u n d H o l l a n d für 1917 bzw. 1916 liegen noch n i c h t vor. Es ist aber als sicher anzunehmen, daß die E n t w i c k l u n g i n derselben R i c h t u n g weitergegangen ist u n d die A k t i v i t ä t der Handelsbilanz überall weitere Fortschritte gemacht hat. (Wie oben bei den kriegführenden Ländern hervorgehoben, hängen auch hier die Verschiebungen i n erster L i n i e m i t den Preisen zusammen; die Mengenbilanz, auf die hier nicht einzugehen ist, hat ein anderes Aussehen.) Die oben geschilderte Unmöglichkeit der kriegführenden Länder, den Ausfuhrüberschuß immer u n d rechtzeitig m i t den Zahlungsmitteln der ausführenden Länder zu begleichen, hat — wie ebenfalls schon ausgeführt — zu einer erheblichen Überwertung der Wechselkurse i n den neutralen Ländern, zur B i l d u n g eines mehr oder minder großen Disagios auf Wechsel u n d Noten der kriegführenden Länder geführt. A m erheblichsten ist das Disagio der fremden Wechsel in Schweden, dessen Ausfuhr auch die größte Zunahme aufzuweisen hat. Die E n t w i c k l u n g der Wechselkurse i n Stockholm ist aus der nachfolgenden Tabelle zu ersehen. Wechselkurse i n Stockholm i m Jahre 1917. (Disagio i n %.) auf Berlin (Sicht) 35.6 36.7 40.4 41.8 43.2 47,1 51.6 53,1 54.7 60.9 53.3 32.5
auf London (Sicht)
11,2
11,2 13,0 12,4
12,8
14,0 21.3
22,0
24,6 36.4 30,9 21.5
auf Paris (Sicht)
auf Petersburg (Sicht)
19.2 19,45
20,8
18,8
19,1 20,4 27,1 28.3 31,0 40,9 35.4 26,7
U n d es ist vielleicht eine der interessantesten u n d merkwürdigsten Erscheinungen i n der Revolutionierung des internationalen Geldmarktes, daß v o n diesem Umbildungsvorgang auch die spanische V a l u t a i n nachhaltigster Weise ergriffen 41
worden ist. Während vor dem Kriege die spanische Peseta i n Paris u n d L o n d o n lange Zeit m i t einem Disagio notiert wurde, ist heute n i c h t nur dieses Disagio verschwunden, sondern es weist auch die Peseta gegenüber der ehemaligen StandardWährung, dem englischen Pfund Sterling, ein erhebliches Agio auf, das ( J u n i 1918) bis zu 34 % betragen hat. Daß die Peseta sogar ihren alten wirtschaftlichen u n d militärischen Rivalen, den Dollar, geschlagen hat, indem der letztere i n Spanien m i t einem Disagio v o n etwa 32 % notiert wird, w i r d den Spaniern wohl selbst etwas wunderlich vorkommen. I m Zusammenhang m i t dieser Überbewertung der neutralen Zahlungsmittel steht die beträchtliche Vermehrung dér Gold Vorräte i n den neutralen Ländern. Eine die gesamte E i n fuhr i n diese Länder umfassende Goldstatistik liegt zurzeit nicht vor. W i l l m a n jedoch zu einer ungefähren Vorstellung von den Mengen Goldes kommen, die der K r i e g i n die neutralen Länder getrieben h a t , so k a n n m a n den Betrag i n rohem Überschlag etwa auf 3 Milliarden M a r k schätzen. Einen gewissen A n h a l t s p u n k t für die Richtigkeit dieser Schätzung geben die Ausweise der Zentralnotenbanken der einzelnen Länder. Goldbestand u n d Notenumlauf i n Millionen der W ä h r u n g des betreffenden Landes: Goldbestand Banken
Niederländische Bank . Schweiz. Nationalbank. Bank von Spanien. . . Schwed. Reichsbank . . Norwegische Bank. . . Dänisdie Nationalbank
Noten
Deckung in Prozent
Ende Juli 1914
Ende Dezember 1917
Ende Juli 1914
Ende Dezember 1917
Ende 1917
162 192 544 104 81 78
698 356 1967 244 114 176
310 409 1919 228 115 156
890 639 2782 556 333 338
78 56 70 44 43 52
D a der durch die H o c h k o n j u n k t u r bedingte lebhafte Zahlungsu n d K a p i t a l v e r k e h r erhöhte Mengen Zahlungsmittel i m eigenen Lande n ö t i g gemacht hat, der U m l a u f an N o t e n i n allen neutralen Ländern gleichfalls gesteigert werden mußte, so entspricht — was hier noch festgestellt werden mag — die Gesamtlage der 42
Notenbanken u n d i m besonderen die Metalldeckung der N o t e n nicht dem glänzenden Ergebnis der Goldbilanz. I n den skandinavischen Ländern ist die Deckungsziffer sogar recht niedrig zu nennen. A u f die besonderen Gründe ist zurückzukommen. Überhaupt fängt die — nach Vorkriegsbegriffen als günstig zu bezeichnende — Gestaltung der Zahlungsbilanz an, den beteiligten Ländern alles andere, als erwünscht zu sein. Es w i r d ihnen, was einsichtsvolle Leute vorausgesagt haben, allmählich klar, daß der große Goldzufluß mehr oder weniger an die Stelle v o n Gütern getreten ist, die ins Ausland gegangen u n d für die keine neuen Güter hereingekommen sind. Sie empfinden, daß der Goldbestand eine tote Last darstellt, die den K e i m zur Ausdehnung der Kreditgewährung, der Spekulation u n d zur Steigerung des Notenumlaufes i n sich t r ä g t . Die Länder erkennen heute, daß sie als Gegenwert für ihre Ausfuhr Waren, Rohstoffe u n d Lebensmittel benötigten, die beginnen, auch bei ihnen selten zu werden u n d demzufolge ständig steigende Preise zu bedingen. Der Abschluß v o n besonderen Handelsabkommen, die ihnen gegen entsprechende Gegenleistungen die Zuführung v o n notwendigen Waren sichert, liegt daher auch i m Interesse der neutralen Staaten selbst. U n d es ist nicht wenig bezeichnend, wenn neuerdings sogar die neutralen Staaten untereinander dazu übergehen, gegenseitig die Lieferung v o n Waren gegen Überlassung v o n Gold zu vereinbaren, wie dies v o n Seiten Hollands gegenüber Spanien u n d den skandinavischen Ländern geschehen ist. V o n hier aus sind auch die Maßnahmen zu beurteilen, die einzelne Notenbanken (wie Spanien u n d Skandinavien) ergriffen haben, u m die ihnen als reichlich erscheinende Zufuhr v o n Gold zu stoppen. Durch die Herabsetzung des Ankaufspreises für Gold bekunden diese Länder, daß sie i m Augenblick kein dringendes Bedürfnis nach Gold haben, was übrigens auch andere neutralen Länder (Holland u n d Schweiz), ohne dahingehende offizielle K u n d machungen zu erlassen, des öfteren bei Regelung des Zahlungsu n d Kreditverkehrs m i t den kriegführenden Ländern ausgesprochen haben. F ü r die Währungstheorie ist das Vorgehen der skandinavischen u n d spanischen Zentralnotenbank, nämlich ihre Weigerung, jedes Q u a n t u m Gold zu dem Inlands43
preise anzukaufen, zweifellos ein höchst lehrreicher Sonderfall, mehr aber auch n i c h t ; denn keineswegs ist aus der durch die besonderen Verhältnisse des Krieges bedingten P o l i t i k jener Banken allein die Aussicht auf eine etwaige Demonetisierung des Goldes nach dem Kriege abzuleiten. A u c h die entwertete V a l u t a der kriegführenden Länder erfährt i n den neutralen Ländern nicht mehr die günstige Beurteilung, wie dies namentlich zu Anfang des Krieges zu beobachten war. Der i n den niedrigen Kursen liegende Anreiz zum billigen I m p o r t ist durch den Mangel an importfähigen Waren u n d die dadurch möglich gewordene Preispolitik der exportierenden Länder (Preise für deutsche K o h l e n i n der Schweiz) illusorisch geworden. A u f der anderen Seite bleibt ebenso die Behinderung der Ausfuhr durch das Disagio der fremden Wechselkurse nur theoretisch zu Recht bestehen. D e n n i n W i r k l i c h k e i t w i r d die Ausfuhr durch die Dringlichkeit der Nachfrage v o n Seiten der Kriegführenden bestimmt u n d trotz der niedrigen Wechselkurse durch entsprechende Erhöhung der Preise i n Gang gesetzt. Dagegen leben die neutralen Länder i n der nicht ganz unberechtigten Angst, daß die hohen Wechselkurse nach dem Kriege den Ländern m i t entwerteter V a l u t a einen Vorsprung i n der E x p o r t p o l i t i k geben werden, wodurch insbesondere Zwischenhandelsländer oder Exportländer wie H o l l a n d u n d die Schweiz hart getroffen würden. D a z u k o m m t ferner, daß der Rückgang der fremden V a l u t e n auch zu einer E n t w e r t u n g großer Teile der ausländischen Kapitalanlagen geführt u n d insbesondere schon während des Krieges die Zinseingänge aus den Anlagen, soweit sie i n das Gläubigerland abgeführt worden sind, beträchtlich geschmälert hat. U n d endlich haben die Exporteure i n allen neutralen Ländern erfahren müssen, daß das Sinken der Wechselkurse die Preiskalkulationen i n gröbster Weise stört u n d ihnen fortgesetzt Verluste an ihren Außenständen einbringt, da sie nicht i n der Lage sind, das Kursrisiko durch entsprechende Zahlungsbedingungen auszuschließen. Dieses Desinteressement, das die neutralen Staaten an der Beibehaltung des jetzigen Zustandes der ausländischen Wechselkurse haben, w i r d der Neuordnung dieser Dinge nach dem Kriege nur v o n V o r t e i l sein. 44
Die gewaltigen Zahlungen des Auslandes, verbunden m i t der wachsenden Schwierigkeit, die Erlöse aus den Verkäufen samt den großen Gewinnen wieder i n Handel u n d I n d u s t r i e anzulegen, haben die Geldmärkte der neutralen Länder i n einen Zustand großer Geldflüssigkeit versetzt. Diese Geldflüssigkeit gestattete den neutralen Ländern, jene beträchtlichen Summen von Wertpapieren aufzunehmen, die aus den kriegführenden Ländern an die Börsen der neutralen Länder zum Verkauf gelangten. Dieser R ü c k k a u f bezog sich nicht n u r auf die Staatspapiere der einzelnen Länder, sondern auch Pfandbriefe v o n Hypothekenbanken (besonders der nordischen Staaten), Obligationen u n d A k t i e n der Eisenbahngesellschaften u n d Industrieunternehmungen (Schweiz) sind in erheblichen Beträgen ins Schuldnerland zurückgeflossen. Die Rückkäufe haben bis i n die letzte Zeit angehalten u n d naturgemäß die Börsenentwicklung i n starkem Maße beeinflußt. So sind die Kurse der festverzinslichen Papiere an den neutralen Börsen zeitweilig sehr gedrückt gewesen, während die A k t i e n der einheimischen Unternehmungen b a l d v o n der H o c h k o n j u n k t u r -entsprechend erfaßt wurden. Über die Gesamtsumme der zurückgewanderten Wertpapiere liegen zuverlässige Statistiken nicht v o r ; m a n erhält aber eine Vorstellung v o n der Höhe dieser Rückwanderungen, wenn m a n hört, daß allein Spanien für ungefähr ι Milliarde Pes. spanische Wertpapiere zurückgekauft haben soll. Insbesondere dieses L a n d , wie auch die nordischen Staaten haben d a m i t i n wenigen Monaten erhebliche Teile ihrer Zinszahlungen an das Ausland abgelöst, die vor dem Kriege ohne Unterbrechung i m Wachsen begriffen waren. F ü r die Schweiz, die ein K a p i t a l i m p o r t - u n d exportland war u n d mehr an der Zinsspannung der ausländischen Schulden u n d Forderungen ein Interesse hatte, liegen die Dinge insofern etwas anders, als j e t z t die Frage entsteht, ob die Schweiz das nach dem Ausland gegebene K a p i t a l dort weiter arbeiten lassen w i l l , nachdem es das früher v o m Ausland erhaltene K a p i t a l während des Krieges mehr oder weniger zurückgezahlt hat. Die neutralen Länder haben aber nicht nur ihre eigenen Wertpapiere zurückgekauft, sondern haben darüber hinaus 45
auch noch Anleihen der kriegführenden Staaten übernommen, sei es, daß sie für ihre Warenlieferungen kurzfristige Schatzscheine i n Zahlung genommen haben, sei es, daß sie W e r t papiere der kriegführenden Staaten des niedrigen Kursstandes oder sonstiger Vorteile wegen gekauft haben. E n d l i c h sind die überschüssigen M i t t e l des Geldmarktes der neutralen Länder den Kriegführenden i n zahllosen Einzelkrediten u n d B a n k vorschüssen gegen Wechsel- u n d Wertpapierverpfändung zugute gekommen. Über die Einzelheiten dieser Kreditgewährungen u n d ihre E n t w i c k l u n g bis zu der j e t z t üblichen F o r m der kombinierten Handels- u n d K r e d i t a b k o m m e n ist oben (S. 37) berichtet worden. Die Gesamtverschuldung der kriegführenden Staaten an die europäischen neutralen Länder läßt sich auf mehr als 20 Milliarden M a r k schätzen. Diese Summe soll einige Zeit nach Friedensschluß zurückgezahlt werden, wenigstens ist diese Bedingung meistens i n den K r e d i t abmachungen vorgesehen worden. F ü r die weitere E n t w i c k l u n g der neutralen Geldmärkte sowie für die Beurteilung ihrer Leistungsfähigkeit nach dem Kriege ist von Wichtigk e i t , zu wissen, ob u n d w a n n die Länder m i t der Rückzahlung der erheblichen Summen rechnen können, die sie an die Kriegführenden ausgeliehen haben. Aus den unten folgenden Ausführungen über den internationalen Geld- u n d K a p i t a l m a r k t nach dem Kriege ist hier vorwegzunehmen, daß eine Rückzahlung dieser Beträge sofort oder kurze Zeit nach Kriegsschluß als ausgeschlossen erscheinen muß. Dazu werden die kriegführenden Länder auch schon deshalb nicht imstande sein, weil ihnen gerade i n der ersten Zeit nach dem Kriege aus Rohstoffbezügen neue Zahlungsverpflichtungen erwachsen werden. M i t der Konsolidierung zum mindesten eines großen Teiles der gegebenen Vorschüsse i n mehr oder minder langfristigen Anleihen müssen daher die neutralen Staaten w o h l oder übel rechnen. Diese Aussicht bedeutet aber nichts anderes, als daß die i m Kriege zweifellos gesteigerte Leistungsfähigkeit der neutralen Geldmärkte zum großen T e i l schon heute eskomptiert worden ist. M a n darf nämlich nicht übersehen, daß die Beanspruchung der neutralen Geldmärkte durch die kriegführenden Länder 46
auch schon während des Krieges u n d insbesondere i n der letzten Zeit keine grenzenlose u n d hemmungslose gewesen i s t . I n allen Ländern haben sich die Notenbanken v o n einer unmittelbaren Unterstützung der kreditbedürftigen Grenznachbarn ferngehalten; hier und dort haben sie auch für die Banken des Landes die Parole ausgegeben, ihrerseits zurückhaltend i n der Gewährung von Vorschüssen an das Ausland zu sein. In dieser ihrer H a l t u n g sind die Notenbanken wiederholt v o n der Presse ihres Landes unterstützt worden, die — wie insbesondere i n der Schweiz — darauf hingewiesen hat, daß es notwendig sei, die M i t t e l des Geldmarktes für die unmittelbaren Bedürfnisse der eigenen Volkswirtschaft nach dem Kriege zusammenzuhalten. So hat auch i n der Schweiz die i n den Handelsabkommen (mit beiden Parteien) vereinbarte laufende K r e d i t gewährung nicht die Z u s t i m m u n g aller Kreise gefunden. Schweden ist jüngst so weit gegangen, die Gewährung v o n K r e d i t e n an das Ausland v o n bestimmten Bedingungen u n d v o n der Genehmigung der Regierung abhängig zu machen. A u c h i n Norwegen machen sich ähnliche Bestrebungen bemerkbar. Diese Vorgänge geben wichtige Ausblicke i n die E n t w i c k l u n g des Kreditverkehrs nach dem Kriege für den, der sehen w i l l . . . Trotz der umfangreichen Kreditgewährung an die kriegführenden Staaten sind den Geldmärkten der neutralen Staaten noch reichliche M i t t e l für einheimische Zwecke übriggeblieben. Sie treten — da der Kreditbedarf i n H a n d e l u n d Industrie wegpn der immer größer werdenden Beengung der überseeischen Zufuhren nicht weiter ansteigt — i n dem Anwachsen der Depositen bei den Banken u n d der Spareinlagen bei den Sparkassen deutlich i n die Erscheinung. Darüber hinaus machen sie sich L u f t i n der Ausbreitung der Börsenspekulation, die insbesondere i n den nordischen Ländern auf dem Gebiete der Schiffahrtspapiere zeitweilig tolle B l ü t e n getrieben hat. Die glänzenden Gewinne, die die Schiffahrtsgesellschaften aus den riskanten Fahrten u n d hochgetriebenen Frachten ziehen, üben auf das beschäftigungslose K a p i t a l immer wieder eine große Anziehungskraft aus. So h a t sich i n H o l l a n d die Dividende der führenden Schiffahrtsgesellschaften v o n durchschnittlich 47
i o — 2 0 % i m Jahre 1913 auf 50—100 % i m Jahre 1916 gehoben. Die Holland-Amerika-Linie verteilte 1916 nicht weniger als 55 % Dividende. I n Schweden stieg der Reingewinn v o n drei Gesellschaften v o n 4,34 Millionen K r o n e n i m Jahre 1913 auf 30,34 Millionen K r o n e n i m Jahre 1916. Die B r u t t o einnahmen der norwegischen Schiffahrt werden für 1916 m i t 1060 Millionen K r o n e n gegen 110 Millionen K r o n e n vor dem Kriege angegeben. U n d endlich betrug der Reingewinn der dänischen F l o t t e i m Jahre 1916 nicht weniger als 163 Millionen K r o n e n gegen 10 Millionen i m Jahre 1913 oder 13 Millionen K r o n e n mehr als das gesamte A k t i e n k a p i t a l der dänischen Schiffahrtsgesellschaft ausmacht (Neue Freie Presse v o m I i . September 1917). E i n Agiotaumel sondergleichen hat — vor allem i n Norwegen u n d Dänemark — weite Kreise der Bevölkerung ergriffen. Selbstverständlich hat es auch schon Rückschläge u n d empfindliche Verluste gegeben. Die Verschärfung der Blockade v o n Seiten der Entente, vor allem die lang hinhaltenden Verhandlungen m i t Amerika, sowie der uneingeschränkte U - B o o t k r i e g haben zeitweilig die Spekulationslust gedämpft. I n H o l l a n d haben die Schiffsrequisitionen sowie die Verbilligung der Frachten i m letzten Jahr ernüchternd gewirkt. Trotzdem h a t die Spekulation immer wieder neue Nahrung aus der großen Geldflüssigkeit gezogen, i n deren Banne die neutralen Geldmärkte stehen. E n d l i c h k o m m t die Geldflüssigkeit z u m Ausdruck i n der allerorts zu beobachtenden lebhaften Gründungstätigkeit. Wieder sind es die nordischen Staaten, die den Vogel abschießen. I n Dänemark hat sich die Z a h l der Aktiengesellschaften bis Ende 1917 u m 450 m i t einem K a p i t a l v o n 426 Millionen Kronen erhöht. Die Emissionen i n Schweden haben die Summe v o n 2000 Millionen Kronen überschritten. Es sind 2748 neue Gesellschaften gegründet worden u n d über 2000 Gesellschaften sind zu Kapitalerhöhungen geschritten. F ü r Norwegen liegt eine Gesamtstatistik nicht vor. In Christiania sind bisher für 500 Millionen K r o n e n neue W e r t papiere ausgegeben worden. Das beliebteste Gründungsobjekt sind Banken u n d Versicherungsgesellschaften. I n Norwegen sind während des Krieges 70 neue Banken m i t einem K a p i t a l 48
von 150 Millionen Kronen entstanden, so daß das L a n d bei