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German Pages 329 Year 2006
CHRISTIAN HUBATSCH
Der Immobilienerwerb in der Europäischen Union
Schriften zum Europäischen Recht Herausgegeben von
Siegfried Magiera und Detlef Merten Band 120
Der Immobilienerwerb in der Europäischen Union Vor dem Hintergrund der Osterweiterung
Von Christian Hubatsch
Duncker & Humblot . Berlin
Die Juristische Fakultät der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg hat diese Arbeit im Wintersemester 200412005 als Dissertation angenommen.
Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
D 16
Alle Rechte vorbehalten
© 2006 Duncker & Humblot GmbH, Berlin
Fremddatenübernahme und Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0937-6305 ISBN 3-428-12068-X 978-3-428-12068-0 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 § Internet: http://www.duncker-humblot.de
Meinen geliebten Eltern
Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Wintersemester 2004/2005 von der Juristischen Fakultät der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg als Dissertation angenommen. Literatur und Rechtsprechung befinden sich auf dem Stand des Monats September 2005. Meinem verehrten Doktorvater, Herrn Professor Dr. Dres. h.c. Jochen Abraham Frowein, M.C.L., sei für seine fachliche Unterstützung und die zügige Erstellung des Erstgutachtens sehr herzlich gedankt. Besonders danke ich auch Herrn Professor Dr. Karl Doehring für die unverzügliche Erstellung des Zweitgutachtens. Dank gebührt Herrn Professor Dr. Siegfried Magiera und Herrn Professor Dr. Dr. Detlef Merten für die Aufnahme der Arbeit in diese Schriftenreihe. Besonders danke ich meinem Freund und Corpsbruder Herrn Dr. Ekkehard Finkeißen, der mir rund um die Uhr mit Rat und Tat zur Seite stand. Aufrichtige Anerkennung und Dank für ihre Unterstützung und ihre stets aufmunternde und entgegenkommende Art gebührt den beiden Sekretärinnen Professor Froweins, Frau Dagli und Frau Emrich. Den nunmehr erfolgreichen Abschluß meiner Arbeit verdanke ich letzten Endes meinen treuen Eltern. Ihnen, die mich stets umfassend unterstützt und immer wieder ermutigt haben, sei diese Arbeit gewidmet. Berlin, im September 2005
Christian Hubatsch
Inhaltsübersicht A. Einleitung ..........................................................................
23
B. Grundstückseigentum im Recht der Europäischen Union
28
C. Immobilienerwerb innerhalb der Grundfreiheiten ...................................
48
D. Immobilienerwerb und Gemeinschaftsgrundrechte ........ . ......................... 151 E. Immobilienerwerb außerhalb wirtschaftlicher Betätigung................... . ....... 181
F. Verhältnis der Immobilienerwerbsrechte zueinander ................................ 219 G. Gemeinschaftsrechtliche Sonderregelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 225 H. Immobilienerwerb und Osterweiterung der Europäischen Union .................... 248 I. Leitlinien für nationale Immobilienerwerbsregelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 287
J. Zusammenfassung der Ergebnisse .................................................. 292 K. Anhang: Spezielle Dokumente betreffend den Immobilienerwerb
302
Literaturverzeichnis
315
Sachverzeichnis ... . ...... . . . ........ . . . . . ........ . . . . . ...... . . . .......... . . . .......... 323
Inhaltsverzeichnis A. Einleitung ..... . .......... . ........................... . .......... . .......... . ......
23
I. Problematik des Immobilienerwerbs hinsichtlich der Osterweiterung der Europäischen Union ...............................................................
23
II. Gegenstand der Untersuchung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . .
26
B. Grundstückseigentum im Recht der Europäischen Union. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
28
I. Allgemeine Bedeutung des Grundstücksverkehrs in der EU ...................
28
II. Regelung des Eigentums im Gemeinschaftsrecht ..............................
30
1. Eigentumsordnung der Mitgliedstaaten gemäß Art. 295 EGV ...... . ........
30
a) Funktion................................................................
30
(I) Formeller Vorbehalt ........... . .......... . . . ............ . ..........
32
(2) Materieller Vorbehalt .................................. . ............
34
(3) Kompetenzsperre I negative Kompetenznorm .............. . ........
34
b) Verhältnis zu anderen Regelungen ......................................
35
2. Zusammenfassung .........................................................
35
III. Gemeinschaftsrechtliche Regelungskompetenzen für den Immobilienerwerb ..
36
I. Allgemeines zur Rechtsetzungskompetenz der Gemeinschaft ........... . . . .
36
2. Primärrechtliche Grundlagen ....... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
37
a) Gemeinschaftsverträge .................................................
37
(1) Spezielle, den Immobilienerwerb betreffende Regelungen ..........
38
(a) Artikel 44 Abs. 2 lit. e EGV ...... . .............................
38
(b) Artikel 57 Abs. 1 und 2 EGV ...................................
39
(c) Protokoll betreffend den Erwerb von Immobilien in Dänemark i.V.m. Art. 311 EGV ........ ............................ .......
40
(d) Allgemeines Aufenthaltsrecht des Art. 18 EGV und Evolutivklausel des Art. 22 EGV ........................................
41
12
Inhaltsverzeichnis (2) Allgemeine Ermächtigungsgrundlagen für den Immobilienerwerb ..
42
(a) Allgemeine Rechtsangleichungl Art. 94 ff. EGV ................
42
(b) Vertragslückenschließungl Art. 308 EGV .......................
46
b) Ungeschriebenes primäres Gemeinschaftsrecht .........................
46
3. Sekundärrechtliche Grundlagen ............................................
47
C. Immobilienerwerb innerhalb der Grundfreiheiten ......... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
48
I. Allgemeine Bedeutung und Systematik der Grundfreiheiten ...................
48
11. Grundfreiheitlicher Immobilienerwerb und Art. 295 EGV .....................
51
III. Immobilienerwerb innerhalb der Arbeitnehmerfreizügigkeit ........... . . . . . . . .
52
1. Rechtsgrundlagen .................. . .......................................
52
2. Gewährleistungsinhalt ........................ . .......... . .......... . ......
53
a) Grundsätzliche Gewährleistungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
53
b) Relevanz für den Immobilienerwerb ....................................
54
(1) Erwerb von Erst-I Hauptwohnsitzen ................................
54
(2) Erwerb von Zweitwohnsitzen .......................................
59
3. Schranken .................................................................
60
4. Zusammenfassung.......................... . ..............................
63
IV. Immobilienerwerb innerhalb der Niederlassungsfreiheit .......................
63
1. Rechtsgrundlagen ..........................................................
64
2. Gewährleistungsinhalt .....................................................
65
a) Grundsätzliche Gewährleistungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
65
b) Relevanz für den Immobilienerwerb ............................ .. ......
66
(I) Betriebsgrundstücke ............... . . . ..............................
66
(2) Privatgrundstücke ..................................................
68
(a) Erwerb von Erst-I Hauptwohnsitzen ............................
69
(b) Erwerb von Zweitwohnsitzen ...................................
70
(3) Sonderfall Landwirtschaft ............. . .......... . .......... . ......
73
(4) Sonderfall Immobiliengeschäfte ....................................
74
3. Schranken .................................... . ............................
75
4. Zusammenfassung .................................................... . ....
80
V. Immobilienerwerb innerhalb der Dienstleistungsfreiheit ................ . ......
81
1. Rechtsgrundlagen ..........................................................
81
Inhaltsverzeichnis 2. Gewährleistungsinhalt
13
82
a) Grundsätzliche Gewährleistungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
82
b) Relevanz für den Immobilienerwerb ....................................
84
(1) Betriebsgrundstücke ....................... . .......... . .............
87
(2) Privatgrundstücke .................................................. (3) Sonderfall Landwirtschaft ..........................................
89 91
(4) Sonderfall Immobi1iengeschäfte ....................................
92
3. Schranken .................. . ..............................................
93
4. Zusammenfassung ..................... . .......... . ........................
94
VI. Immobilienerwerb innerhalb der Kapitalverkehrsfreiheit ........ . . . ...........
94
1. Rechtsgrundlagen .................................................... .. .. ..
95
2. Gewährleistungsinhalt .....................................................
96
a) Grundsätzliche Gewährleistungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
96
b) Relevanz für den Immobilienerwerb .................................... 102 3. Schranken ................................................................. 108 a) Kapitalverkehrsrechtlicher Beschränkungsbegriff ....................... 108 b) Ausnahmen vom Beschränkungsbegriff . .. .. . .. .. . .. .. .. .. .. . .. .. .. .. .. . 11 0 c) "Zwingende Erfordernisse des Allgemeinwohls" .......... . . . . . . . . . . . . . . 111 d) Ausnahmeregelungen, insbesondere Art. 57 und 58 EGV ...............
111
(1) Art. 57 EGV ........................................................
112
(2) Art. 58 EGV ........................................................ 115 e) Anwendung des dualen Beschränkungssystems auf den Grundstücksverkehr ................................................................. 118 (1) Rechtssache Konle .................................................
119
(2) Rechtssache Association Eglise de scientologie de Paris ............ 121 (3) Rechtssache Albore ................................................ 121 (4) Rechtssache Reisch u. a. ............................................ 128 (5) Rechtssache Salzmann .............................................. 131 (6) Rechtssache Ospelt ................................................. 133 4. Zusammenfassung ......................................................... 140 VII. Verhältnis der Immobilienerwerbsrechte zueinander........................... 141 1. Verhältnis der Kapitalverkehrsfreiheit zur Arbeitnehmerfreizügigkeit ....... 144
2. Verhältnis der Kapitalverkehrsfreiheit zur Niederlassungsfreiheit ........... 146 3. Verhältnis der Kapitalverkehrsfreiheit zur Dienstleistungsfreiheit ........... 148
14
Inhaltsverzeichnis
D. Immobilienerwerb und Gemeinschaftsgrundrechte .............................. 151 I. Allgemeiner Grundrechtsschutz im Gemeinschaftsrecht .... . . . ... . ............ 152
1. Dogmatischer Rahmen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152
2. Herleitung und Geltungsgrund des gemeinschaftlichen Grundrechtsschutzes 153 a) Rechtsquellen .......................................................... 153 b) Rechtserkenntnisquellen ................................................ 154 3. Grundrechtsrang ........................................................... 157 4. Grundrechtsberechtigte ........... . ........................... . ...... . ..... 157 5. Grundrechtsverpflichtete ................................................... 158 a) Gemeinschaftsorgane ................................................... 158 b) Mitgliedstaaten......................................................... 159 (l) Durchführung von Gemeinschaftsrecht .............................
160
(2) Handeln "im Anwendungsbereich des Gemeinschaftsrechts" .... . ... 161 (3) Rein nationaler Bereich ohne Gemeinschaftsbezug .................. 164 6. Grundrechtsschranken und Schranken-Schranken .......................... 164 7. Kollisionen und Konkurrenzen ............................................. 166 H. Bedeutung der Eigentumsfreiheit für den Immobilienerwerb .................. 166 I. Auswirkungen des Art. 295 EGV auf das Eigentumsgrundrecht ......... . . . . 167 2. Schutzbereich .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 a) Verfügungsbefugnis und Nutzung....................................... 169 b) Erwerb/Erlangung eines Mindestfreiheitsraumes im vermögensrechtlichen Bereich .......................................................... 170 (I) Erwerbsmöglichkeit als Voraussetzung der Institutsgarantie ......... 171 (2) Berücksichtigung spezifisch gemeinschaftsrechtlicher Zielsetzungen 172 (3) Erweiterung des Art. 1 des Ersten Zusatzprotokolls zur EMRK durch Art. 14 EMRK ...................................................... 173 3. Schranken und Schranken-Schranken ...................................... 176 III. Bedeutung der Berufsfreiheit für den Immobilienerwerb ...................... 177 1. Schutzbereich ............................ . . . . . . . . . . . . . . . .. . . .. . . .. . . . . . . . . . 178
2. Abgrenzung zum Eigentumsgrundrecht ................ .... .. .. ..... .... ... 178 3. Schranken und Schranken-Schranken ........ . ............................. 179 4. Zusammenfassung ............................................ . ............ 179
E. Immobilienerwerb außerhalb wirtschaftlicher Betätigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 181 I. Stetige Vertiefung der Integration des Individuums innerhalb der Europäischen
Union......................................................................... 181
Inhaltsverzeichnis
15
11. Allgemeine Aufenthaltsregelungen ............................................ 183 1. Allgemeine Aufenthaltsrichtlinie ...... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183
2. Pensionistenrichtlinie ............................................... . ...... 185 3. Studentenrichtlinie ......................................................... 186 111. Immobilienerwerb innerhalb der Unionsbürgerschaft .......................... 188 1. Entwicklung vom "Marktbürger" zum "Unionsbürger" ..................... 188
2. Allgemeines Aufenthaltsrecht des Art. 18 EGV ............................ 191 a) Bedeutung und systematische Einordnung des Aufenthaltsrechts ........ 192 b) Unmittelbare Anwendbarkeit der Regelung..... . .......... . ... . ........ 192 c) Gewährleistungsinhalt und Schutzbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 (l) Allgemeiner sachlicher Schutzbereich ..............................
195
(2) Recht auf physische Präsenz oder Vollintegration ................... 196 d) Einschränkungen und Ausführungsvorschriften .................. . ...... 201 e) Verhältnis zu den Grundfreiheiten ....................................... 205 3. Zusammenfassung ............................................ . ............ 205 IV. Immobilienerwerb und allgemeines Diskriminierungsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 206 1. Allgemeine Bedeutung .... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 206
2. Verhältnis zu anderen Regelungen, insbesondere zu den Grundfreiheiten ... 208 3. Reichweite des Diskriminierungsverbotes .................................. 209 4. Relevanz für den Immobilienerwerb ....................................... 209 5. Einschränkungen durch Art. 295 EGV ..................................... 213 6. Diskriminierungen im Bereich des Immobilienerwerbs und ihre Rechtfertigung ....................................................................... 214 V. Immobilienerwerb und allgemeiner Gleichheitssatz ........................... 216 1. Inhalt, dogmatische Einordnung und Bedeutung für den Immobilienerwerb 217
2. Gleichheitsverstöße und ihre Rechtfertigung ............................... 218 F. Verhältnis der Immobilienerwerbsrechte zueinander ............... . ............ 219 I. Grundfreiheitlicher Immobilienerwerb ........................................ 219 11. Grundrechtlicher Immobilienerwerb .................. . ....................... 220 111. Immobilienerwerbsrechte außerhalb wirtschaftlicher Betätigungen ............ 222 IV. Verhältnis der Regelungen zueinander. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 222
16
Inhaltsverzeichnis
G. Gemeinschaftsrechtliche Sonderregelungen ...................................... 225
I. Protokoll betreffend den Erwerb von Immobilien in Dänemark ................ 225 11. Protokoll Nr. 2 über die Alandinseln ...................... . ................... 227 III. Protokoll Nr. 6 über den Erwerb von Zweitwohnsitzen in Malta
228
IV. Gemeinsame Erklärung Nr. 5 zu Zweitwohnungen ............................ 229 V. Beitrittsakte der skandinavischen Staaten und Österreichs
230
VI. Inhalt und Funktion der Regelungen .......................................... 231 I. Materieller Regelungsgehalt ............................................... 231
2. Rangverhältnis der Sonderregelungen zu sonstigem Gemeinschaftsrecht . . .. 232 3. Inhaltliche Begrenzungen bei der Vereinbarung von Sonderregelungen ..... 235 a) Unions- und gemeinschaftsrechtliche Grenzen .......................... 236 b) Volkerrechtliche Bindungen der Mitgliedstaaten ........................ 243 c) Vorgaben der nationalen Verfassungen.................................. 245 H. Immobilienerwerb und Osterweiterung der Europäischen Union
248
I. Immobilienerwerb vor dem Hintergrund der Osterweiterung .................. 248 11. Immobilienerwerb im Rahmen der Beitrittsverhandlungen .................... 252 I. Allgemeine Verhandlungsentwicklungen zwischen der EU und den MOES 252 2. Bedeutung des Immobilienerwerbs innerhalb der Beitrittsvoraussetzungen 254 a) Allgemeine Beitrittsvoraussetzungen ................................... 254 b) Übernahme des gemeinschaftlichen Besitzstandes ...................... 255 c) Einordnung des Immobilienerwerbs innerhalb des Besitzstandes ........ 257 (I) Grundfreiheitlicher Immobilienerwerb ............... . . .. . . . . . . . .. .. 257 (2) Grundrechtlicher Immobilienerwerb ................................ 257 (3) Immobilienerwerb außerhalb wirtschaftlicher Betätigung ........... 258 (4) Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes ................... 258 d) Ausschluß- und Einschränkungsmöglichkeiten bezüglich des Besitzstandes ..................................................................... 258 (I) Territoriale Beschränkungen des Besitzstandes. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 259 (2) Vereinbarung dauerhafter Ausnahmeregelungen ......... . .......... 260 (3) Vereinbarung von Übergangsregelungen ............................ 260
Inhaltsverzeichnis
17
III. Künftige Bedeutung nationaler Immobilienerwerbsregelungen in den MOES .. 274 1. Verhältnis nationaler Immobilienerwerbsregelungen zu gemeinschaftlichen Ausnahme- und Übergangsregelungen und sonstigem Gemeinschaftsrecht .. 275 2. Regelung des Immobilienerwerbs in einzelnen Beitrittsländern ... . . . ....... 276 a) Regelung des Immobilienerwerbs in Polen .............................. 277 (1) Erwerb durch natürliche Personen
278
(2) Erwerb durch juristische Personen
278
(3) Immobilienerwerb im Zusammenhang mit dem Erwerb von Gesellschaftsanteilen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 279 (4) Ausnahmen von der Genehmigungspflicht .......................... 279 (5) Besondere Grundsätze der Genehmigungserteilung ................. 281 (6) Vereinbarkeit der Regelungen mit dem Unions- und Gemeinschaftsrecht ............................................................... 282 b) Regelung des Immobilienerwerbs in den übrigen MOES
285
I. Leitlinien für nationale Immobilienerwerbsregelungen ............. . ............ 287 I. Gemeinschaftsrechtliche Vorgaben für nationale Immobilienerwerbsregelungen ........................................................................... 288 H. Legislative Absicherung nationaler Gemeinwohlinteressen .................... 290 1. Beibehaltung von Genehmigungspflichten bei gleichzeitiger Einräumung eines Rechtsanspruches im Falle von EU-Bürgern.......................... 290 2. Ausnahme erwerbsberechtigter EU-Bürger vom Anwendungsbereich bestehender Genehmigungserfordernisse unter Aufstellung eines bloßen Erklärungsverfahrens ...... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. .. 291 3. Durchsetzung nationaler Interessen der Raumordnung, der Wirtschafts- und Bodenpolitik sowie des Landschafts- und Umweltschutzes ................. 291
J. Zusammenfassung der Ergebnisse...................... . ......................... 292 K. Anhang:. Spezielle Dokumente betreffend den Immobilienerwerb ............... 302
Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 315 Sachverzeichnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 323
2 Hubatsch
Abkürzungsverzeichnis a.A.
anderer Ansicht
a. a. O.
am angegebenen Ort
ABLEG
Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften
Abs.
Absatz
a. F.
alte Fassung
Art.
Artikel
Aufl.
Auflage
Bd.
Band
BGBL
Bundesgesetzblatt
Bull.
Bulletin
BVerfG
Bundesverfassungsgericht
BVerfGE
Amtliche Entscheidungssammlung des Bundesverfassungsgerichts
bzw.
beziehungsweise
CMLRev.
Common Market Law Review
DF
Dienstleistungsfreiheit (Art. 49 ff. EGV)
d. h.
das heißt
EAGV
Vertrag zur Gründung der Europäischen Atomgemeinschaft
EEA
Einheitliche Europäische Akte
EFfA
European Free Trade Association
EG
Europäische Gemeinschaft( en)
EGBGB
Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch (Deutschland)
EGKS
Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl
EGMR
Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte
EGV
Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften
EMRK
Europäische Menschenrechtskonvention
EP
Europäisches Parlament
EU
Europäische Union
EuGH
Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (Luxemburg)
EGMR
Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte (Straßburg)
EuGRZ
Europäische Grundrechte-Zeitschrift
EUV
Vertrag zur Gründung der Europäischen Union
EuZW
Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht
2*
20 EWG
Abkürzungsverzeichnis Europäische Wirtschaftsgemeinschaft
EWGV
Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft
EWR
Europäischer Wirtschaftsraum
FA
Freizügigkeit der Arbeitnehmer (Art. 39 ff. EGV)
FAZ
Frankfurter Allgemeine Zeitung
f.
folgende
ff.
fortfolgende
Fn
Fußnote
GA
Generalanwalt
GG
Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland
Hg.
Herausgeber
h.M.
herrschende Meinung
ILC
International Law Commis si on
i. S. v.
im Sinne von
i.V. m.
in Verbindung mit
JöR
Jahrbuch des öffentlichen Rechts der Gegenwart
JuS
Juristische Schulung
KOM
Dokumente der Kommission der Europäischen Gemeinschaften
KVF
Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 56 ff. EGV)
lit.
litters
m.w.N.
mit weiteren Nachweisen
n. F.
neue Fassung
NF
Niederlassungsfreiheit (Art. 43 ff. EGV)
NJW
Neue Juristische Wochenschrift
NVwZ
Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht
RabelsZ
Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht
RIW
Recht der internationalen Wirtschaft
RL
Richtlinie
Rn
Randnummer
Rs.
Rechtssache
S.
Seite
Slg.
Sammlung der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften und des Gerichts Erster Instanz
st. Rspr.
ständige Rechtsprechung
u. a.
unter anderem, und andere
usw.
und so weiter
verb.
verbundene e)
Verf.
Verfasser
Abkürzungsverzeichnis vgl.
vergleiche
VO
Verordnung
Vol.
Volume
WVRK
Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge
WWU
Wirtschafts- und Wahrungsunion
ZaöRV
Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht
z.B.
zum Beispiel
ZEuS
Zeitschrift für europarechtliche Studien
ZP
Zusatzprotokoll (zur Europäischen Menschenrechtskonvention)
21
A. Einleitung I. Problematik des Immobilienerwerbs hinsichtlich der Osterweiterung der Europäischen Union
Im Zuge des jüngsten Beitritts mittel- und osteuropäischer Staaten (MOES) zur Europäischen Union, I namentlich in den Fällen Ungarns, Polens und der Tschechischen Republik, waren Fragen der allgemeinen Eigentumsordnung, insbesondere die Regelung der Eigentumsverhältnisse an Grund und Boden, von großer politischer und rechtlicher Bedeutung. Ein eingehendes Verständnis der Problematik wird erst durch die Kenntnis der unterschiedlichen geschichtlichen, wirtschaftlichen und politischen Hintergründe möglich, die an dieser Stelle kurz skizziert werden sollen. 2 Bis zum Fall des so genannten Eisernen Vorhanges im Jahre 1989 war die planwirtschaftlich-sozialistische Wirtschaftsordnung in den ehemaligen Ostblockstaaten dadurch gekennzeichnet, daß die Gewährleistung von Privateigentum auf Gegenstände des persönlichen Gebrauchs beschränkt und ansonsten weitestgehend ausgeschlossen war. Eigentum an Produktionsmitteln, insbesondere auch an Grund und Boden, war dem zentral verwalteten Kollektiv vorbehalten, welches die konkrete Nutzung festlegte. 3 Nunmehr hingegen enthalten alle neu erlassenen oder neu gefaßten postsozialistischen Verfassungen ein ausdrückliches Bekenntnis zur Garantie der Eigentumsfreiheit und zum Rechtsinstitut des Privateigentums. 4 DemI Das Schrifttum zur Osterweiterung ist Legion. Siehe dazu Oppermann, Europarecht, § 32 Rn 27 ff. m. w. N. 2 So zählt die Liberalisierung des Grundstücksverkehrs im Zuge der geplanten Osterweiterung der EU vor allem in der Tschechischen Republik und in Polen zu den brisanten rechtspolitischen Themen, insbesondere vor dem Hintergrund der Vertreibungen deutscher Volksgruppen während und nach dem 2. Weltkrieg; vgl. Ludwig, Die Liberalisierung der Grundstücksmärkte stößt in Warschau und Prag auf viele Vorbehalte, FAZ vom 26. 5. 2000, S. 58. 3 Karl Marx sah im Privateigentum an Boden und Produktionsmitteln die Wurzel von Ausbeutung, wirtschaftlicher Ungleichheit und sozialer Deklassierung. Als Lösung postulierte er im Kommunistischen Manifest ein umfassendes Enteignungs-, Verstaatlichungs- und Vergesellschaftungsprogramm. Dieses wurde rigoros nach der Oktoberrevolution von den Bolschewiki unter Lenin und dann von Stalin in der späteren Sowjetunion in die Praxis umgesetzt. Siehe hierzu Roggemann, Zum Verhältnis von Eigentum und Privatisierung in den postsozialistischen Ländern, ROW 3/ 1996, S. 89 ff. 4 Roggemann, S. 90; Gärtner, Neugestaltung der Wirtschaftsverfassungen in Ostmitteleuropa, Berlin 1996; derselbe, Die Eigentumsgarantien in den Verfassungen Polens, Ungarns, der Tschechischen und der Slowakischen Republik - Verfassungsrechtliche Grundlagen und Verfassungspraxis; ROW 1995, S. 75 ff.
24
A. Einleitung
entsprechend hat auch eine (Wieder-)Einführung des Privateigentums an Grund und Boden stattgefunden. Das teilweise Fehlen funktionsfähiger Grundbuchsysteme bereitet allerdings noch einige praktische Schwierigkeiten. Zudem wird der Erwerb von Grundeigentum durch Ausländer durchweg nicht uneingeschränkt gewährleistet, sondern ist vielmehr in einigen osteuropäischen Verfassungen ganz oder teilweise ausgeschlossen. 5 Darüber hinaus beschloß der bulgarische Gesetzgeber 1995 eine rückwirkende Umwandelung durch Ausländer erworbener Eigentumsrechte an (landwirtschaftlichen) Grundstücken in Nutzungsrechte. 6 Im Gegensatz zu den planwirtschaftlichen Konzeptionen der ehemaligen Ostblockstaaten sind die Wirtschaftsordnungen der Mitgliedsstaaten der Europäischen Union von jeher einheitlich marktwirtschaftlich geprägt und basieren auf dem Grundsatz des freien Wettbewerbs.? Lediglich Art und Umfang des öffentlichen Wirtschaftssektors, welcher in allen Mitgliedsstaaten in Form von Unternehmen existiert, welche der Staat direkt oder über die Innehabung kontrollierender Stimmanteile beeinflussen kann, ist teilweise unterschiedlich gewichtet. 8 Für das Funktionieren marktwirtschaftlicher Mechanismen und die Verwirklichung eines der Hauptziele der Gemeinschaft, die Errichtung des Gemeinsamen Marktes,9 ist jedoch das Vorhandensein von Privateigentum an Produktionsmitteln, vor allem auch an Grund und Boden, von maßgeblicher Bedeutung. Nur durch die freie Disposition über die jeweils benötigten Produktionsmittel ist der hohe Grad an Wettbewerbsfähigkeit, den die Gemeinschaft für ihre Mitglieder anstrebt,1O zu realisieren und kann unternehmerische Initiative in ausreichender Weise gefördert werden. Ein staatliches Monopol in der Form, daß allein der Staat Eigentümer der Produktionsmittel ist und diese dem privaten Unternehmer unter bestimmten Bedingungen zur Verfügung stellt, führte hingegen zu einer Lähmung dieser Initiative. Im Hinblick auf den bei einem Beitritt neuer Mitgliedstaaten zur Europäischen Union geltenden Grundsatz der Wahrung des gemeinschaftlichen Besitzstandes (sog. "acquis communautaire )ll soll untersucht werden, welche Regelungen bezüglich des Immobilienerwerbs im Gemeinschaftsrecht vorhanden sind und welche H
Beispiele: Bulgarien, Kroatien, Slowenien, Polen: mit ministerieller Genehmigung. Roggemann, S. 92, stellt in diesem Zusammenhang die Frage, ob dieser erste Fall postsozialistischer Enteignung nicht eher einen kontraproduktiven "Reform schritt" darstellt. 7 Vgl. Art. 4 Abs. 1 EGV, der eine ausdrückliche Verpflichtung auf den Grundsatz einer "offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb" vorsieht. 8 Diese staatlich gelenkte Wirtschaftstätigkeit war in Frankreich und Italien seit jeher ausgeprägter als in Deutschland oder den Benelux-Staaten, vgl. Everling, Eigentumsordnung und Wirtschaftsordnung in der Europäischen Gemeinschaft, in: Funktionswandel der Rechtsinstitutionen, Festschrift für Raiser, 1974, 379, 384 ff. 9 Vgl. Art. 2 EGV. 10 Vgl. Art. 2 EGV. II Zu dieser auch "Übemahmeprinzip" genannten Beitrittswirkung siehe Oppermann, § 32 Rn 13, 19. 5
6
I. Problematik des Immobilienerwerbs
25
konkrete Ausprägung sie in der Anwendung durch die Gemeinschaftsorgane, vor allem durch den Europäischen Gerichtshof (EuGH), erfahren. Der Gerichtshof hat sich in jüngerer Zeit gerade mit der Frage der Vereinbarkeit von das Grundeigentum betreffenden Verfügungsbeschränkungen bzw. Einschränkungen bestimmter Grundstücksnutzungen mit dem Gemeinschaftsecht befaßt. 12 Neben den Möglichkeiten des Grundstückserwerbs im Rahmen der EG-Grundfreiheiten ist darüber hinaus auch der Erwerb außerhalb rein wirtschaftlicher Betätigung von Bedeutung. 13 In diesem Zusammenhang ist der Gewährleistungsgehalt zunehmend an Integrationsdichte gewinnender Rechtsinstitute - wie z. B. allgemeiner Freizügigkeits- und Aufenthaltsrechte der Unionsbürger, des allgemeinen Diskriminierungsverbotes, des allgemeinen Gleichheitssatzes und anderer allgemeiner Rechtsgrundsätze - zu erfassen. Insbesondere in Polen und Tschechien stellt die Liberalisierung des Grundstücksverkehrs eines der brisantesten und sensibelsten rechtspolitischen Themen dar. Hintergrund sind die auf den Gebieten dieser Staaten während des Zweiten Weltkrieges und der unmittelbaren Folgezeit durchgeführten Vertreibungen deutscher und ungarischer Volksgruppen. Mit den Vertreibungen war u. a. die umfassende, entschädigungslose Enteignung von Grundbesitz verbunden. Restitution durch Wiedereinräumung des ursprünglichen Besitzes bzw. die Zahlung einer Entschädigung sind bisher gänzlich unterblieben. Nun fürchtet man vor allem in Polen und Tschechien, durch eine mit der Osterweiterung der EU einhergehende Öffnung der Grundstücksmärkte könnten ehemalige Vertriebene bzw. deren Nachkommen in größerer Zahl in ihre angestammte Heimat zurückkehren und durch den Erwerb von Grundstücken zu privaten und landwirtschaftlichen Zwecken die aus den Kriegsgeschehen resultierenden Ergebnisse auf diese Weise faktisch in Frage stellen. Eine ominöse "Angst vor den Deutschen", wohl hauptsächlich im Sinne der Befürchtung vor wirtschaftlicher Fremdherrschaft, spielte eine gewichtige psychologische Rolle in den Beitrittsverhandlungen. 14 12 Z. B. Rs. C-224/97, Sig. 1999, S. 1-2517 (Ciola); Rs. C-355/97, Sig. 1999, S. 1-4977 (Beck); Rs. C-302/97, Sig. 1999, S. 1-3099 (Konle); Rs. C-54/99, Sig. 2000, S. 1-1335 (Eglise de Scientologie); Rs. C-423/98, Sig. 2000, S. 1-5965 (Albore); verb. Rs. C-515/99, C-519/99 bis C-524/99 und C-526/99 bis C-540/99, Sig. 2002, S. 1-2157 (Reisch u. a.); Rs. C-300/01, Sig. 2003, S. 1-4899 (Salzmann); Rs. C-452/01, Sig. 2003, S. 1-9743 (Ospelt). J3 Vgl. Sabathil, Gesamteuropäische Ziele einer Osterweiterung der Europäischen Union, in: Blumenwitz (Hg.), Der Beitritt der Staaten Ostmitteleuropas zur Europäischen Union und die Rechte der deutschen Volksgruppen und Minderheiten sowie der Vertriebenen, 1997, S. 105, 110 ff. Nach seiner Auffassung handelt es sich bei der Frage des Immobilienerwerbs, insbesondere in Bereichen, die nicht direkt mit dem Wirtschaftsverkehr verknüpft sind, um ein offenes Rechtsgebiet. 14 Die "Angst vor den Deutschen" war nach Auffassung der polnischen "Gazeta Wyborcza" der Grund für die von Polen bisher starr eingeforderte 18-jährige Übergangsfrist, vgl. Ludwig, Polnischer EU-Spagat - Warschaus schwierige Verhandlungsposition, in FAZ v. 5.6.2001, S. 5; derselbe, die Liberalisierung der Grundstücksmärkte stößt in Warschau und Prag auf viele Vorbehalte, in FAZ v. 26. 5. 2000, S. 58.
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A. Einleitung
Neben diesen eher historisch begründeten Vorbehalten in einigen Beitrittsländem spielen in der Debatte um eine Liberalisierung des Grundstückmarktes vor allem auch ökonomische Faktoren eine gewichtige Rolle. Zur Zeit befinden sich die meisten östlichen Volkswirtschaften noch in einem gewaltigen wirtschaftlichen und politischen Transformationsprozeß. Zwischen ihnen und dem "Euroraum" besteht mitunter ein erhebliches wirtschaftliches Gefälle und eine sehr unterschiedliche Kaufkraft. Daraus resultiert mitunter die große Befürchtung, daß eine Liberalisierung des Grundstücksmarktes zu einem "Ausverkauf der Regionen" und damit einhergehenden Preissteigerungen auf dem Immobiliensektor zu Lasten der einheimischen Bevölkerung führen könnte. Auslandsinvestitionen mögen zwar wirtschaftlich allgemein erwünscht sein. Insbesondere unter dem Aspekt der Zweitoder Ferienwohnungen besteht indes häufig die Befürchtung vor Überfremdung bzw. Verödung einzelner Gebiete durch Ferienkolonien. 15 Derartige Interessenlagen haben bereits vor der Osterweiterung innerhalb der Union zu einigen Ausnahmeregelungen hinsichtlich des Zweitwohnungserwerbs geführt, wie z. B. das Protokoll betreffend den Erwerb von Immobilien in Dänemark zeigt. 16 11. Gegenstand der Untersuchung
Im ersten Teil der Untersuchung erfolgt eine Darstellung des Immobilienerwerbs im Recht der Europäischen Union. Da es sich beim Liegenschaftserwerb um einen Unterfall des allgemeinen Eigentumserwerbs handelt, lassen sich die grunderwerbsspezifischen Fragestellungen bereits weitgehend aus dem Verhältnis der gemeinschaftlichen Eigentumsordnung zu den Eigentumsordnungen der Mitgliedstaaten beantworten. In diesem Zusammenhang wird zunächst das Verhältnis der einschlägigen Zentralnorm des Art. 295 EGV zu anderen Regelungen zu klären sein. Sodann wird untersucht werden, weiche Kompetenzen die Rechtsetzungsorgane der Gemeinschaft im Bereich des Immobilienerwerbs besitzen. Der zweite Teil befaßt sich mit der Bedeutung der Grundfreiheiten des EGV für den Grundstücksverkehr. Es soll untersucht werden, inwieweit der Immobilienerwerb für die Verwirklichung dieser für den Binnenmarkt konstitutiven Freiheiten erforderlich ist. Trotz gewisser Parallelen zu den Grundfreiheiten erfordert die eigenständige dogmatische Funktion der Gemeinschaftsgrundrechte deren nähere Erörterung unter dem Aspekt des Liegenschaftserwerbs. Im dritten Teil der Untersuchung soll geklärt werden, weiche Bedeutung dem Grunderwerb speziell innerhalb der Gemeinschaftsgrundrechte der Eigentums- und Berufsfreiheit zukommt. Im anschließenden vierten Teil geht es um die Erörterung der Problematik, inwieweit der Grundstückserwerb auch außerhalb wirtschaftlicher Betätigung mög15
16
V gl. dazu Sabathil, S. 105, 110 ff. Siehe dazu ausführlich unten G. I.
H. Gegenstand der Untersuchung
27
lieh ist. Ein besonderes Augenmerk wird dabei auf den sich zunehmend verdichtenden Integrationsstand der gemeinschaftlichen Freizügigkeits- und Unionsbürgerrechte zu richten sein. Nach einer Klärung des Verhältnisses der einzelnen Grunderwerbsregelungen zueinander soll im fünften Teil der Untersuchung aufgezeigt werden, welche Funktion bestehende gemeinschaftliche Sonderregelungen betreffend den Immobilienerwerb besitzen. Der sechste Abschnitt behandelt Fragen des Immobilienerwerbs vor dem Hintergrund des großen und zentralen Themas der Osterweiterung der Europäischen Union. Dabei geht es zum einen um die Einordnung des Liegenschaftserwerbs innerhalb der spezifischen Beitrittsvoraussetzungen. Zum anderen soll untersucht werden, inwieweit die bestehende Rechtslage innerhalb einzelner Beitrittsländer auch noch nach deren EU-Beitritt respektive des Immobilienerwerbs mit dem gemeinschaftlichen Besitzstand vereinbar ist. Gleichsam im Wege einer Zusammenfassung der gefundenen Untersuchungsergebnisse werden schließlich im siebten Teil der Arbeit allgemeine Leitlinien für eine gemeinschaftsrechtskonforme Ausgestaltung gegenwärtiger und künftiger nationaler Immobilienerwerbsregelungen der Mitgliedstaaten entwickelt.
B. Grundstückseigentum im Recht
der Europäischen Union
I. Allgemeine Bedeutung des Grundstücksverkehrs in der EU
Die Problematik des Immobilienerwerbs bzw. der Wohnungsnahme durch Ausländer i. S. v. Nichtstaatsangehörigen steht nicht erst seit der Diskussion über den Beitritt der mittel- und osteuropäischen Staaten zur Europäischen Union auf der politischen Tagesordnung der europäischen Staaten. Derartige Fragen spielten bereits im Vorfeld des Beitritts einiger Staaten zum Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) sowie auch anläßlich der vorletzten Erweiterungsrunde der Union eine gewichtige Rolle. Schon die vom Europarat erarbeiteten Europäischen Niederlassungsübereinkommen für natürliche (1957) 1 und juristische Personen (1966), 2 stellten Inländergleichbehandlungspflichten - gerade auch hinsichtlich des Liegenschaftserwerbs - auf. Im Zusammenhang mit der Ausübung wirtschaftlicher Betätigungen erlangte der Ausländergrundstücksverkehr ebenfalls im Rahmen des im Jahre 1960 ratifizierten EFTA-Übereinkommens eine gewisse Bedeutung. So enthielt Art. 16 EFTA-Vertrag die Bestimmung, daß "Beschränkungen hinsichtlich der Niederlassung und des Betriebs von wirtschaftlichen Unternehmen" gegenüber Angehörigen anderer EFTA-Staaten nicht derart angewendet werden sollten, daß die Vorteile der EFTA wieder zunichte gemacht werden. Hinsichtlich der rechtlichen Verbindlichkeit dieser Norm hieß es jedoch im offiziellen Kommentar zum EFTA-Übereinkommen, daß es sich hierbei nur um die Anwendung und keineswegs um das Bestehen dieser staatlichen Normen an sich handele. 3 Bestehende Beschränkungen des Immobilienerwerbs durch Ausländer wurden also nicht angetastet. Nach Auffassung eines Autors verabschiedete sich die Bestimmung deshalb in die Sphäre diplomatischer Leerformeln. 4 1 Europäisches Niederlassungsübereinkommen (Nr. 19) vom 13. 12. 1957; Text in: Couneil of Europe (ed.), Conventions and Agreements, Vol. I, 1949-1961 (1971), S. 115 ff. 2 Europäisches Übereinkommen über die Niederlassung von Gesellschaften (Nr. 57) vom 20. I. 1966; Text in: Council of Europe (ed.), Conventions and Agreements, Vol. 11, 19611970 (1972), S. 269 ff. Trotz mehrfacher Anläufe wurden diese Übereinkommen aufgrund ihrer grundstücksverkehrsrechtlichen Relevanz nicht von Österreich ratifiziert; vgl. Hummer/Schweitzer, Ausverkauf, S. 15. 3 EFfA-Sekretariat (Hg.) The Stockholm Convention Examined, 2. Aufl. 1963, S. 43. 4 Hummer/Schweitzer, Ausverkauf, S. 16 unter Bezug auf Urlesberger, Einheitliches Wirtschaftsgebiet und Europäische Integration, in: Seidl-Hohenveldem (Hg.), Österreich als einheitliches Wirtschafts gebiet und die Europäische Gemeinschaft, Festschrift für Hans Klinghoffer, S. 123.
I. Allgemeine Bedeutung des Grundstücksverkehrs in der EU
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Ungeachtet seiner großen praktischen Relevanz für die Realisierung des Binnenmarktes und insbesondere der damit einhergehenden Grundfreiheiten5 findet sich im Gemeinschaftsrecht keine abschließende Regelung des Grundstücksverkehrs. Vielmehr handelt es sich hierbei um eine sog. Querschnittsmaterie, 6 welche sich vom Primärrecht, einschließlich der Protokolle7 zum EGV und EUV, bis zum Sekundärrecht erstreckt. Dies liegt u. a. daran, daß der Immobilienerwerb durch Ausländer für die meisten größeren Mitgliedstaaten der Union kein weiteres Problem darstellt, da sie über ausreichende Flächen verfügen. 8 Jedoch kommt es in kleineren Staaten, vor allem in landschaftlich attraktiven Regionen, welche sich beispielsweise zur Freizeitwohnsitznahme anbieten, mitunter zu Verteilungsproblemen. Dies hat dort zu teilweise hochemotionalen Befürchtungen vor einem etwaigen Wegfall restriktiver Ausländergrunderwerbsregelungen geführt,9 wie er notwendige Folge einer mit einem Beitritt zur EU einhergehenden Rechtsharmonisierung sein könnte. Da der Immobilienerwerb lediglich einen Unterfall des allgemeinen Eigentumserwerbs darstellt, lassen sich die den Grunderwerb betreffenden Fragestellungen nur aus der gesamten gemeinschaftsrechtlichen Eigentumsordnung heraus beantworten. Daher werden zunächst diejenigen gemeinschaftsrechtlichen Regelungen, welche - über den Unterfall des Grundeigentums hinaus - das Eigentum allgemein betreffen, dargestellt. Von zentraler Bedeutung ist hierbei die Vorschrift des Art. 295 EGV, welche sich auf das Verhältnis der Eigentumsordnungen der Mitgliedstaaten zum EGV bezieht. Schließlich soll untersucht werden, inwieweit der Immobilienerwerb bereits Regelungsgegenstand im Gemeinschaftsrecht geworden ist und welche Rechtsetzungskompetenzen EU und EG diesbezüglich innehaben.
5 Wie noch unten im zweiten Teil der Untersuchung aufgezeigt wird, weist der Grundstücksverkehr - mit Ausnahme der Warenverkehrsfreiheit - Bezüge zu sämtlichen Grundfreiheiten auf. 6 So u. a. Novak, Grunderwerb durch Ausländer im EWR, in: St. Galler Europarechtsbrief B vom August 1996, S. 248. 7 So z. B. das Protokoll betreffend den Erwerb von Immobilien in Dänemark, ABI. 1992 Nr. C 224/ 104. 8 Siehe dazu nur den jüngeren Gesetzesentwurf der CDU / CSU / FDP Fraktionen, welche sämtliche Grunderwerbsbeschränkungen in der Bundesrepublik Deutschland für ausländische Investoren und Staaten - auch außerhalb der EU - beseitigen wollen; BT-Drucksache 13/10534, abgedruckt in: WIB, Heft 8/05.05.98. 9 So waren z. B. in Österreich viele Menschen über einen drohenden "Ausverkauf der Heimat" und eine "Überfremdung" durch ausländische Zweitwohnsitznehmer beunruhigt, vgl. Hummer/Schweitzer, Ausverkauf, S. 15 ff. Ähnliche Befürchtungen bestehen nunmehr vor allem in Polen und der Tschechischen Republik, vgl. Ludwig, Die Liberalisierung der Grundstücksmärkte stößt in Warschau und Prag auf viele Vorbehalte, FAZ vom 26.5.2000, S. 58.
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B. Grundstückseigentum im Recht der Europäischen Union
11. Regelung des Eigentums im Gemeinschaftsrecht
Schon bei der Gründung der drei Europäischen Gemeinschaften in den Jahren 1951 und 1957 gingen die damals noch sechs Mitgliedstaaten von einer auf Privateigentum aufbauenden Wirtschaftsordnung aus. Diese Wirtschaftsordnung sollte marktwirtschaftlich geprägt und maßgeblich von freiem Wettbewerb bestimmt sein. lo Für die Erreichung dieser Zielsetzungen sowie für das weitergehende Ziel der Errichtung eines Gemeinsamen Marktes 11 spielt das Vorhandensein von Privateigentum an unterschiedlichen Produktionsmitteln eine gewichtige Rolle. In den Gemeinschaftsverträgen findet sich neben den Vorschriften der Art. 83 EGKSV und Art. 86 ff. EAGV, welche die Eigentumsordnung an den Kohle und Stahl produzierenden Unternehmen sowie für Kernbrennstoffe regeln, die Vorschrift des Art. 295 EGv. 12 Ihr kommt für das Verhältnis der Gemeinschaft zu den nationalen Eigentumsordnungen der Mitgliedstaaten eine zentrale Bedeutung zu, die nunmehr näher beleuchtet werden soll. I. Eigentumsordnung der Mitgliedstaaten gemäß Art. 295 EGV
Die Vorschrift des Art. 295 EGV befindet sich im sechsten Teil des Vertrages, welcher mit "Allgemeine und Schlußbestimmungen" überschrieben ist. Sie hat daher übergreifende Bedeutung für den gesamten Vertrag. Sie lautet: "Dieser Vertrag läßt die Eigentumsordnung in den verschiedenen Mitgliedstaaten unberührt."
a) Funktion Die Vorschrift stellt ihrer Formulierung nach einen Vorbehalt zugunsten der Eigentumsordnung in den Mitgliedstaaten dar. 13 Die Bestimmung ihres maßgeblichen Regelungsgehaltes ergibt sich insbesondere aus der Auslegung des Begriffs "Eigentumsordnung". Eine isolierte wörtliche l4 Auslegung gelangt dazu, unter den Begriff der Eigentumsordnung die Gesamtheit derjenigen nationalen Vorschriften zu fassen, welche 10 Vgl. Art. 4 Abs. 1 EGV, welcher seit dem Vertrag von Maastricht eine ausdrückliche Verpflichtung auf den Grundsatz einer "offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb" vorsieht. Diesen Grundsatz nennt auch Art. 98 EGY. 11 V gl. Art. 2 EGY. 12 Art. 222 E(W)GVa.F. 13 Schweitzer, in: GrabitzlHilf, Art. 295 EGV Rn 1; Thiel, Europa 1992: Grundrechtlicher Eigentumsschutz im EG-Recht, in: JuS 1991, S. 274 ff.; Burghard, S. 67 spricht auch von einer allgemeinen Schranke für den Kompetenzbereich der Gemeinschaftsorgane. Zur Entstehungsgeschichte siehe Burghard, Die Eigentumsordnungen in den Mitgliedstaaten und der EWG-Vertrag, 1969, S. 26 ff. Eine historische Auslegung der Vorschrift findet sich zudem bei Riegel, Die Einwirkung des europäischen Gemeinschaftsrechts auf die Eigentumsordnung der Mitgliedstaaten, in: RIW 1979, S. 744, 746 ff.
11. Regelung des Eigentums im Gemeinschaftsrecht
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die konstitutiven Elemente des Instituts Eigentum und der aus ihm abzuleitenden Rechte und Pflichten, sowohl der Privaten als auch des Staates, beinhalten. 15 Eingeschlossen sind insoweit alle verfassungsrechtlichen Vorschriften über Enteignung bzw. Sozialisierung sowie die Schranken der Eigentumsnutzung, 16 aber auch die Regelungen des bürgerlichen Rechts, welche die Übertragung, Belastung usw. des Eigentums betreffen. Daraus könnte man folgern, daß Art. 295 EGV die jeweiligen innerstaatlichen Eigentumsrechte in ihrer konkreten Ausprägung schützen und die Gemeinschaftsorgane somit an diese binden soll. Demzufolge wären gemeinschaftsrechtliche Regelungen, welche die konkrete Ausgestaltung des Eigentums bzw. die Stellung des Eigentümers in einem Mitgliedstaat berührten, grundsätzlich unzulässig. Nichtsdestoweniger läßt sich bei systematischer Betrachtungsweise feststellen, daß im EGV sehr wohl eine Reihe von Vorschriften existieren, welche die Stellung des Eigentümers und des Eigentums in einem Mitgliedstaat berühren. Als solche zu nennen sind z. B. Art. 28 ff. EGV für die Warenverkehrsfreiheit, Art. 43 ff. EGV für die Niederlassungsfreiheit, wobei insbesondere für den Immobilienerwerb die Vorschrift des Art. 44 Abs. 2 lit. e EGV zu beachten ist. Sie sieht im Rahmen der Herstellung der Niederlassungsfreiheit zugunsten von EU-Bürgern die Aufhebung von Verfügungsbeschränkungen für Grundbesitz vor. 17 Um eines der Hauptziele der Gemeinschaft, die Errichtung des Gemeinsamen Marktes, zu erreichen, sieht der Vertrag schließlich in vielen Bereichen die Angleichung innerstaatlicher Rechtsvorschriften (Art. 3 Abs. I lit. h EGV) zu dem Zweck vor, die Hindernisse für den freien Waren-, Personen-, Dienstleistungs- und Kapitalverkehr zwischen den Mitgliedstaaten zu beseitigen (vgl. Art. 3 Abs. I lit. c EGV). Diese Rechtsharmonisierung, welche auf eine enge Koordinierung der mitgliedstaatlichen Wirtschaftspolitiken abzielt (vgl. Art. 4 Abs. I EGV), berührt in vielen Bereichen notwendigerweise auch die Ausgestaltung nationaler Eigentumsrechte. Es stellt sich deshalb die Frage, wie das Verhältnis von Art. 295 EGV, 18 welcher von einer "Nichteinmischung" des EGV spricht, zu diesen, eindeutig die natio14 Die Verbindlichkeit des Wortlauts der Vorschriften des EGVergibt sich aus Art. 314 EGV. Danach sind 12 Sprachen als authentisch anzusehen. Dies erschwert ein einheitliches Verständnis des Wortlauts. 15 Riegel, S. 744. 16 Schweitzer, in: Grabitzl Hilf, Art. 295 EGV Rn 3. 17 Die Eigentumsnutzung betreffende Regelungen finden sich zudem unter den Wettbewerbsvorschriften der Art. 81 ff. EGY. Siehe dazu Everling, Eigentumsordnung und Wirtschaftsordnung in der Europäischen Gemeinschaft, in: Festschrift für Raiser, 1974, S. 387 ff., der zahlreiche Beispiele für gemeinschaftsrechtliche Eigentumsbindungen, wie z. B. Qualitätsvorschriften, Anbaubeschränkungen und Beschränkungen der Verfügungsrnacht der Eigentümer anführt. Von einer "Neutralität der Gemeinschaft gegenüber den mitgliedstaatlichen Eigentumsordnungen" (Everling, a. a. 0., S. 390) kann dann allerdings keine Rede mehr sein, vgl. Riegel, S. 747 ff. IB Die zeitliche Geltung der Vorschrift erstreckt sich nicht nur auf den Zeitpunkt des Beitritts einzelner Mitgliedstaaten - im Sinne einer Art "Eintrittskarte" -, wie dies von Riegel,
32
B. Grundstückseigentum im Recht der Europäischen Union
nalen Eigentumsregelungen tangierenden Vorschriften zu bestimmen ist. Folgt man nämlich dem - weit zu verstehenden 19 - Wortlaut der Regelung, und legt dem Begriff der "Eigentumsordnung" sämtliche nationalen Eigentumsregelungen in ihrer konkreten Ausprägung zugrunde, welche gemäß der Vorschrift "unberührt" bleiben sollen, setzt sich die Norm möglicherweise in Widerspruch zu den Zielen des Vertrages und ließe sich als integrationsfeindlich 2o bzw. als "offene Flanke des Gemeinsamen Marktes,,21 charakterisieren. 22 Aus der systematischen Stellung der Vorschrift im EGV und der historischen Ausgangssituation bei ihrem Erlaß lassen sich mehrere Schlußfolgerungen für die Funktion des Art. 295 EGV ziehen: (1) Formeller Vorbehalt
Zunächst bleibt durch Art. 295 EGV rein formal "die mitgliedstaatliche Eigentumsgewährleistung institutionell gemeinschaftsrechtlich respektiert".23 Das Eigentum wird dadurch als Grundsatz bzw. objektiver Wert unmittelbar für die Gemeinschaftsorgane verbindlich. Dies läßt sich bereits aus der Zielsetzung des EGV, S. 746, 747 unter Bezugnahme auf Stendardi, in: Il regime di propriet3 ... , Il Diritto negli scambi internazionali, 1963, S. 275 ff., vertreten wird. Für diese Auslegung spricht zwar, daß sie Diskrepanzen vermeidet zwischen Art. 295 EGV und anderen Einzelregelungen, welche die mitgliedstaatliche Eigentumsordnung durchaus berühren können. Sie ignoriert aber die Tatsache, daß Art. 295 EGV im sechsten Teil, welcher mit "Allgemeine und Schlußbestimmungen" überschrieben ist, steht. Die Vorschrift ist nicht als Übergangsregelung formuliert, wie ein Vergleich zu den Übergangsregelungen der Art. 13 und 33 EGV a. F. zeigt. Auch die übrigen Vorschriften des sechsten Teils werden nicht als bloße Übergangsregelungen interpretiert. Zudem widerspricht eine derartige zeitliche Reduktion der Intention der Mitgliedstaaten, welche sich auch zukünftig die Möglichkeit der Sozialisierung bzw. (Re-)Privatisierung einzelner Wirtschaftszweige vorbehalten wollten; vgl. HummerlSchweitzer, Raumordnung, S. 301. Gegen eine zeitliche Reduktion des Geltungsbereichs auch von Milczewski, Der grundrechtliche Schutz des Eigentums im Europäischen Gemeinschaftsrecht, 1994, S. 27 ff. 19 Die weite Auslegung ergibt sich aus der zum Teil großen Unterschiedlichkeit der mitgliedstaatlichen Eigentumsordnungen. Sie findet sich auch entsprechend im französischen, italienischen und niederländischen Sprachgebrauch, vgl. Burghardt, S. 18 f.; Riegel, S. 745. 20 So Burghard, S. 107; Everling, S. 400. 21 Zuleeg, Die Wirtschaftsverfassung der EG, in: Wirtschafts- und gesellschaftspolitische Ordnungsprobleme der Europäischen Gemeinschaften, 1978, S. 73, 92. 22 Auch Schweizer, in: Grabitzl Hilf, Art. 295 EGV Rn 2, spricht pauschal davon, daß durch Art. 295 EGV eine Einflußnahme der Gemeinschaft auf die nationalen Eigentumsordnungen ausgeschlossen werde. Diese Auslegung, welche sich einzig auf den Wortlaut der Vorschrift stützen kann, läßt entweder die Existenz anderer Vorschriften des EGV, weIche mitgliedstaatliche Eigentumsregelungen berühren, unberücksichtigt oder es muß ihr ein anderes Begriffsverständnis der "Eigentumsordnung" zugrunde gelegt werden. 23 Pernice, Grundrechtsgehalte, S. 181 (noch zu Art. 222 EWGV), unter Bezug auf lpsen, Europäisches Gemeinschaftsrecht, 1972, S. 729; Burghard, S. 68 spricht auch von einer Vorbehalts- oder Reservatfunktion zugunsten des nationalen Gesetzgebers.
11. Regelung des Eigentums im Gemeinschaftsrecht
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welcher von der Grundlage des Privateigentums ausgeht und dieses als unerläßlich voraussetzt,24 folgern. Art. 295 EGV kommt insoweit lediglich eine deklaratorische Bedeutung zu.zs Ausgangslage beim Erlaß der Regelung waren die unterschiedlich gewichteten Anteile des öffentlichen und privaten Wirtschafts sektors in den einzelnen Mitgliedstaaten. Diese befürchteten, die Gemeinschaft könnte auf die bestehende Aufteilung der Wirtschaftssektoren Einfluß nehmen, sowie mögliche zukünftige Neuordnungen verhindern. 26 Im Hinblick auf diese historische Situation behält die Vorschrift es den Mitgliedstaaten vor, weiterhin über Privat- und Gemeineigentum als Ausdruck ihrer Wirtschafts- und Sozial ordnung zu entscheiden. 27 Es steht den Staaten dabei grundsätzlich 28 frei, ob sie durch eine Ausweitung des öffentlichen Sektors direkten Einfluß auf den Ablauf des nationalen Wirtschaftsgeschehens nehmen wollen oder dies rein marktwirtschaftlichen Prinzipien überlassen. Sie sollen weiterhin über den Umfang und Inhalt von Wettbewerbswirtschaft und staat~ licher Intervention entscheiden dürfen. Darüber hinaus beinhaltet die Vorschrift ein mitgliedstaatliches "Kompetenzreservat,,29 insoweit, als es den Mitgliedstaaten weiterhin prinzipiell überlassen bleibt, über Inhalt und Umfang ihrer nationalen Eigentumsrechte im Rahmen ihrer jeweiligen Verfassungsordnungen zu bestimmen. In dem Maß, in welchem den Gemeinschaftsorganen der Einfluß auf die Gestaltung der nationalen Eigentumsordnungen verwehrt ist, sind eben die Mitgliedstaaten noch "Herren ihrer Eigentumsordnung" geblieben.
Riegel, S. 747. Pemice, Grundrechtsgehalte, S. 182. 26 So von Milczewski, S. 24; Bär-Bouyssiere,in: von der GroebenlSchwarze, Art. 295 EG Rn I; Everling, S. 384 ff.; vgl. auch die amtliche Erläuterung der Bundesrepublik Deutschland in: Deutscher Bundestag, 2. Wahlperiode, BT-Ds. 3440, Anlage C, S. 154. 27 Thiele, S. 276; Schweitzer; Art. 295 Rn 2; Bär-Bouyssiere, in: von der Groebenl Schwarze, Art. 295 EG Rn 9. Diese Ausgangslage wird auch von französisch- und italienischsprachigen Autoren bei der Interpretation der Vorschrift zugrundegelegt. So wird zwischen mindestens zwei "regime de propriete" bzw. "regime de proprieül", nämlich einem privaten und einem öffentlichen, unterschieden. Vgl. Vignes in: MegretlWaelbroecklLouislVignesl Dewost, Le droit de la Communaute economique europeenne, Commentaire du traite et des textes pris pour son application, Volume 15, zu Art. 222, S. 421; Stendardi, Il regime di proprieta nei paesi membri delle Communita Economiche Europee, Il diritto negli scambi internazionali, 1963, S. 275, 276; weitere Nachweise bei von Milczewski, S. 25. 28 Eine TotalverstaatIichung ganzer Wirtschaftszweige, welche auf die gänzliche Abschaffung des Privateigentums in dem betreffenden Bereich hinausliefe, wird jedoch als unzulässig, da mit dem Marktprinzip des EGV unvereinbar, angesehen, vgl. Riegel, S. 748; Schweitzer; Art. 295 EGV Rn 4; Bär-Bouyssiere, in: von der GroebenlSchwarze, Art. 295 EGRn9. 29 Burghardt, S. 68, der die Vorschrift allerdings in einem weiteren Sinne auslegt. 24
25
3 Hubatsch
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B. Grundstückseigentum im Recht der Europäischen Union
(2) Materieller Vorbehalt
Fraglich ist aber, ob Art. 295 EGV über seine rein formale Vorbehaltsfunktion hinaus die Gemeinschaftsorgane auch derart einschränkt, daß sich die Mitgliedstaaten unter Berufung auf die Regelung von Inhalt und Schranken nationaler Eigentumsrechte im Einzelfall von prinzipiell bestehenden gemeinschaftsrechtlichen Verpflichtungen freistellen können. Die Gemeinschaftsorgane wären somit an die jeweilige Ausprägung der innerstaatlichen Eigentumsrechte gebunden?O Einer solchen materiellen Vorbehaltsfunktion stehen aber, wie bereits ausgeführt, zahlreiche Einzelvorschriften des EGVentgegen, deren Anwendung sich auf den Inhalt und die Ausübung nationaler Eigentumsgewährleistungen auswirken kann - und nach dem Willen der Mitgliedstaaten als Vertragsparteien ja auch soll. Die Beachtung dieser Vertragsnormen durch die Mitgliedstaaten und die mit ihnen verfolgten Vertragszie1e stünden aber bei einer materiellen Bindung der Gemeinschaftsorgane an die jeweiligen mitgliedstaatlichen Eigentumsrechte unter dem Vorbehalt anderweitiger Regelungen in Eigentumsfragen im konkreten Einzelfall. Die Einheit der Gemeinschaftsrechtsordnung wäre dadurch in höchstem Maße gefahrdet 31 und die Vertragsanwendung der mehr oder weniger freien Disposition der Mitgliedstaaten unterstellt. 32 Eine materielle Vorbehaltsfunktion der Regelung im genannten Sinne ist daher abzulehnen. 33 (3) Kompetenzsperre / negative Kompetenznorm
Mitunter wird vertreten, daß das Pendant zur (formellen) Vorbehaltsfunktion zugunsten des nationalen Gesetzgebers die Charakterisierung der Vorschrift als Kompetenzsperre bzw. negative Kompetenznorm 34 gegenüber der Gemeinschaft sei. Zwar seien Beeinträchtigungen nationaler Eigentumsrechte aufgrund spezieller Ermächtigungsgrundlagen des EGV möglich, andererseits sollten Eingriffe der Gemeinschaft über die generellen Ermächtigungsnormen der Art. 94 ff. EGV im Wege der allgemeinen Angleichung von Rechtsvorschriften oder über Art. 308 EGV im Rahmen des sog. Vertragslückenschließungsverfahrens ausgeschlossen werden?5 Ob und inwieweit der Norm die Funktion einer solchen negativen 30 Zu diesem Ergebnis könnte eine isolierte, wörtlich-grammatikalische Auslegung der Vorschrift, welche von einem umfassenden nationalen Begriff der Eigentumsordnung ausgeht, gelangen, vgl. Thiele, S. 274. 31 EuCH, Rs. 44/79, Slg. 1979, S. 3727, 3744 ff. (Hauer), unter Bezug auf Rs. 11/70, Slg. 1970, S. 1125 (Internationale Handelsgesellschaft). 32 von Milczewski, S. 27. 33 Im übrigen ist das Erfordernis der einheitlichen Anwendbarkeit des Gemeinschaftsrechts auch der Grund dafür, daß die Vorschrift keine - national ausgeprägte - Eigentumsgarantie für den Bürger enthalten kann. Sie steht daher der Entwicklung eines gemeinschaftsgrundrechtlichen Eigentumsschutzes nicht entgegen, vgl. Thiele, S. 276, 280. 34 Hörtenhuber, (Ausländer-)Grundverkehr nach dem EU-Beitritt, in: ZfRV 1995, S. 222; Röttinger, in: Lenz, EGV (1994), Art. 222 EGV (a. E) Rn 3.
11. Regelung des Eigentums im Gemeinschaftsrecht
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Kompetenznorm beigemessen werden kann, wird unten bei der Untersuchung der Gemeinschaftskompetenzen im Bereich des Immobilienerwerbs noch näher zu untersuchen sein. b) Verhältnis zu anderen Regelungen Wie bereits angesprochen wurde, stehen dem durch Art. 295 EGV den Mitgliedstaaten verbliebenen Freiraum eine Reihe anderweitiger Vertragspflichten gegenüber. So können sich Konflikte zwischen mitgliedstaatlichen Maßnahmen, welche auf Art. 295 EGV gestützt werden, und der Einhaltung anderweitiger vertraglicher Vorgaben ergeben. 36 Eine mitgliedstaatliches Tätigwerden im Bereich der nationalen Eigentumsordnung kann nämlich zugleich Auswirkungen auf weitergehende Bereiche haben, in denen der Mitgliedstaat allerdings in seiner Handlungsfreiheit gemeinschaftsrechtlich eingeschränkt wird.
In diesen Fällen ist von dem Vertragsziel einer sinnvollen Verwirklichung und Anwendung der in ihm enthaltenen Normen auszugehen. Vergleichbar mit dem nationalen, verfassungsrechtlichen Grundsatz der praktischen Konkordanz, müssen dabei die Grundaussagen in Streit stehender Regelungen gewahrt bleiben und in Einklang gebracht werden. Dabei ist eine wechselseitige Beschränkung der Normen untereinander denkbar, dies derart, daß die mitgliedstaatliche Freiheit aus Art. 295 EGV durch andere Vertragsbestimmungen begrenzt, oder letztere ihrerseits durch Art. 295 EGVeingeschränkt werden. 3? Das Verhältnis der jeweiligen Normen zu Art. 295 EGV, insbesondere die Bedeutung der Regelung sowohl für die den Immobilienerwerb berührenden Grundfreiheiten und allgemeinen Aufenthaltsrechte als auch für die einschlägigen Gemeinschaftsgrundrechte wird im Rahmen der jeweiligen Abschnitte noch näher erörtert werden. 2. Zusammenfassung
Der Begriff der "Eigentumsordnung" i. S. v. Art. 295 EGV umfaßt zum einen die Befugnis der Mitgliedstaaten, als Ausdruck ihrer Wirtschafts- und Sozialordnung über die Zuordnung bestimmter Eigentumsrechte an den öffentlichen oder privaten Wirtschaftssektor zu entscheiden. Zudem verbleibt ihnen auch weiterhin grundsätzlich die konkrete Bestimmung von Inhalt und Schranken der jeweiligen Eigentumsrechte. Insoweit begründet die Vorschrift ein Kompetenzreservat zugunsten der Mitgliedstaaten. Jene sind dabei aber an die gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben, insbesondere den Grundsatz der Nichtdiskriminie35 Burghard, S. 68, 101 f.; Schweitzer; in Grabitzl Hilf, Art. 295 Rn 2; derselbe, Raumordnung, S. 301, 303; a. A.: Riegel, S. 747 ff. betreffend Harmonisierungsrichtlinien gern. Art. 100 EWGY. 36 Burghard, S. 72. 37 Burghard, S. 72.
3*
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B. Grundstückseigentum im Recht der Europäischen Union
rung, gebunden. 38 Daher wird auch nicht ausgeschlossen, daß die Gemeinschaft zumindest aufgrund ausdrücklicher Ermächtigungsgrundlagen im EGV Eigentumsrechte einzelner Wirtschaftssubjekte beeinträchtigen kann. 39 III. Gemeinschaftsrechtliche Regelungskompetenzen für den Immobilienerwerb J. Allgemeines zur Rechtsetzungskompetenz der Gemeinschaft
Vor der Übertragung hoheitsrechtlicher Befugnisse auf die Gemeinschaft durch die Gründungsverträge waren die Mitgliedsstaaten umfassend und ausschließlich zur Rechtsetzung zuständig. Auch wenn bezüglich der EG / EU mit fortschreitendem Integrationsstand mitunter von gewissen "Staatsähnlichkeiten" oder gar "Teilsouveränität" die Rede ist, kommt ihr bisher dennoch kein Staatscharakter zu, aus welchem sich eine virtuell unbegrenzte Rechtsetzungsbefugnis, eine sog. Kompetenz-Kompetenz, ableiten ließe. Vielmehr stellt das Gemeinschaftsrecht ein nach Maßgabe der mitgliedstaatlichen Verleihung eingegrenztes Recht dar. 4o Insoweit bleibt die EG / EU auf eine zusätzliche Übertragung von Hoheitsrechten durch die Mitgliedsstaaten im Wege der Vertragsergänzung (Art. 48 EUV) angewiesen. Dies kommt auch in dem - für den Bereich des Erlasses von Sekundärrecht geltenden sog. "Prinzip der begrenzten bzw. enumerativen Einzelermächtigung,,41 zum Ausdruck, wonach die Gemeinschaft grundsätzlich nur dort rechtsetzend tätig werden darf, wo ihr dies ausdrücklich zugewiesen worden ist. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist nun zu untersuchen, ob, und wenn ja, in welchem Umfang die Gemeinschaft zum Erlaß von Regelungen, welche den Eigentumserwerb an Grundstücken betreffen, befugt ist und inwieweit den Mitgliedstaaten als "Herren der Verträge,,42 Regelungskompetenzen verbleiben.
38 St. Rspr. - Rs. 6/64, Sig. 1964, S. 1251, 1273 ff. (Costa/E.N.E.L.); Rs. 182/83, Sig. 1984, S. 3677, 3685 (Fearon); im Ergebnis so auch Burghard, S. 104 f. 39 So spricht auch Pemice, Grundrechtsgehalte, S. 185, davon, daß trotz des Vorbehalts (des Art. 222 EWGV) das nationale Eigentum "gemeinschaftsrechtlich überlagert" werde und von der Gemeinschaft "originär mitgestaltet, mitbegrenzt und mitverwirklicht bzw. -erweitert werden" könne. Vgl. auch Härtenhuber; S. 222; im Ergebnis Thiel, S. 276. 40 Oppennann, § 6 Rn 10. 41 Vgl. Art. 5 Abs. I EGV "innerhalb der Grenzen der ihr in diesem Vertrag zugewiesenen Befugnisse und gesetzten Ziele" sowie Art. 3 Abs. 1 und Art. 4 Abs. 1 und 2 EGV "nach Maßgabe dieses Vertrags"; Oppennann, § 6 Rn 60 ff. 42 Oppennann, § 6 Rn 10.
III. Regelungskompetenzen für den Immobilienerwerb
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2. Primärrechtliche Grundlagen a) Gemeinschaftsverträge Werden die Gemeinschaftsorgane legislativ tätig, ist zu beachten, daß - ähnlich dem staatlichen Verhältnis zwischen Verfassung und einfachem Gesetz - die primärrechtlichen Verträge nach der klassischen Formel des EuGH "Grundlage, Rahmen und Grenze" der Rechtsetzungsgewalt der EG bedeuten. 43 Die Vorgaben der Verträge und ihr Vorrang vor abgeleitetem, sekundärem Recht sind von den Gemeinschaftsorganen bei der Rechtsetzung zu beachten. Innerhalb der Gemeinschaftsverträge bestehen nun einerseits spezielle, den Immobilienerwerb betreffende Regelungen. Diesbezügliche Vorschriften finden sich etwa vereinzelt innerhalb der Grundfreiheiten. Keine ausdrücklich auf den Immobilienerwerb bezogene Regelung, jedoch damit in einem engen sachlichen Zusammenhang stehend, ist das durch die Unionsbürgerschaft gewährleistete allgemeine Aufenthaltsrecht (Art. 18 EGV). In diesem Kontext könnten als potentielle Ermächtigungsnormen für Regelungen des Immobilienerwerbs Art. 18 Abs. 2 EGV und die sog. Evolutivklausel des Art. 22 EGV in Betracht kommen. Ergänzend zu diesen spezielleren Regelungen treten allgemeine Rechtsangleichungsvorschriften (z. B. Art. 94 ff. EGV) und sogenannte Vertragsabrundungsklauseln, wobei insbesondere die Regelung des Art. 308 EGV von Bedeutung ist. Letztere soll der EG auch in unscharfen vertraglichen Randzonen ein flexibles Handeln ermöglichen. Neben diesen ausdrücklichen Ermächtigungsnormen bestehen auch stillschweigend mitgeschriebene EG-Zuständigkeiten ("implied powers"). Zu einer weiten Auslegung sowohl der ausdrücklichen als auch der stillschweigend mitgeschriebenen Kompetenzen führt der - vornehmlich von der Rechtsprechung des EuGH immer wieder herangezogene - Gedanke der vollen Ausschöpfung gegebener Zuständigkeiten ("effet utile "),44 obgleich in diesen Bereichen die Abgrenzung zur nötigen Vertragsänderung gemäß Art. 48 EUV nicht aus dem Blickfeld geraten darf. Kompetenzbegrenzend wirken andererseits das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung (Art. 5 EUV, Art. 5 Abs. I EGV), wonach jeder verbindlich abgeleitete Rechtsakt einer ausdrücklichen oder zumindest auslegungsmäßig nachweisbaren 45 Rechtsgrundlage innerhalb der Verträge bedarf,46 sowie das Subsidiaritätsprinzip im Bereich der konkurrierenden Rechtsetzungskompetenz. Schließlich ist im Rahmen jeglicher Rechtsetzung durch die Gemeinschaftsorgane der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz des Art. 5 Abs. 3 EGV zu beachten. 43 EuGH, Rs. 26/78, Slg. 1978, S. 1771 ff. - st. Rspr.; weitere Nachweise bei Oppermann, § 6 Rn 60. 44 Oppermann, § 6 Rn 69 f. 45 Oppermann, § 6 Rn 62. 46 Es handelt sich um ein allgemeines Prinzip, welches auch in anderen Vertragsvorschriften zum Ausdruck kommt, vgI. etwa Art. 3 Abs. 1, Art. 4 Abs. 1 und 2 EGV "nach Maßgabe dieses Vertrags", Art. 7 Abs. 1 EGV "nach Maßgabe der ( ... ) in diesem Vertrag zugewiesenen Befugnisse" etc.
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( 1) Spezielle, den Immobilienerwerb betreffende Regelungen
Im Bereich des geschriebenen Primärrechts finden sich speziell zu Fragen des Immobilienerwerbs vier Regelungen, nämlich Art. 44 Abs. 2 lit. e EGV innerhalb der Regelungen über die Niederlassungsfreiheit, Art. 57 Abs. 1 und 2 EGV betreffend kapitalverkehrsrechtliche Direktinvestitionen in Drittstaaten, das Protokoll betreffend den Erwerb von Immobilien in Dänemark von 1992 sowie jüngst das Protokoll Nr. 6 über den Erwerb von Zweitwohnsitzen in Malta. Beide Protokolle sind gemäß Art. 311 EGV Bestandteil des Vertrages. (a) Artikel 44 Abs. 2 lit. e EGV Art. 44 Abs. 2 lit. e EGV befindet sich im dritten Teil des Vertrages unter den Vorschriften über das Niederlassungsrecht selbständig Erwerbstätiger. Die Norm überträgt dem Rat und der Kommission die Aufgabe, zwecks Verwirklichung der Niederlassungsfreiheit den Erwerb und die Nutzung von Grundbesitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates durch Angehörige eines anderen Mitgliedstaates zu ermöglichen, wobei gewisse Grundsätze der gemeinsamen Agrarpolitik (Art. 33 Abs. 2 EGV) zu berücksichtigen sind. Art. 44 Abs. 2 EGV stellt es den Gemeinschaftsorganen grundsätzlich frei, welche Maßnahmen im Sinne von Art. 249 EGV sie zur Erfüllung der genannten Aufgabe ergreifen wollen. Allerdings ist insoweit auch das Verhältnismäßigkeitsprinzip des Art. 5 Abs. 3 EGV zu berücksichtigen, welches verlangt, daß die Maßnahmen der Gemeinschaft nicht über das für die Erreichung der Vertragsziele erforderliche Maß hinausgehen Während die Verordnung gemäß Art. 249 EGV in allen ihren Teilen verbindlich ist und unmittelbar gilt, ist die Richtlinie nur hinsichtlich des zu erreichenden Zieles verbindlich und überläßt den Mitgliedstaaten die freie Wahl der Form und Mittel. Die Richtlinie stellt also einen im Vergleich zur Verordnung geschmeidigeren Rechtsakt dar. Sie läßt den innerstaatlichen Stellen bei der Art und Weise der Umsetzung freie Hand und respektiert so die Vielfalt nationaler Rechtsformen und -traditionen weitgehender als die starre Verordnung. 47 Sie ist deshalb bei gleicher Geeignetheit zur Erreichung des Zieles, den freien Erwerb und die Nutzung von Grundstücken durch niederlassungs willige EU-Ausländer zu ermöglichen, der Verordnung vorzuziehen. Der von Art. 44 Abs. 2 lit. e EGV in Bezug genommene Immobilienerwerb durch EU-Ausländer kann auch Gegenstand mitgliedstaatlicher Gesetzgebung sein. 48 Werden die Mitgliedstaaten in diesem Bereich legislativ tätig, handelt es 47 Oppermann, § 6 Rn 84 ff. In der Gemeinschaftspraxis ist allerdings zunehmend eine Tendenz erkennbar, Richtlinien als "loi uniforme" möglichst so detailliert und präzise zu gestalten, daß die Umsetzungsspielräume der Mitgliedstaaten stark eingeschränkt werden und zwangsläufig gleichförmiges Recht in den verschiedenen Mitgliedstaaten die Folge ist. Es kommt dann praktisch zu einer Einebnung mancher Unterschiede zwischen Verordnung und Richtlinie. 48 Vgl. z. B. den Gesetzesentwurf der CDU ICSU und FDP Fraktionen zur Beseitigung von Erwerbsbeschränkungen für ausländische Investoren und Staaten, BT-DS 13110534, in
III. Regelungskompetenzen für den Immobilienerwerb
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sich um eine konkrete Ausgestaltung ihrer nationalen Eigentumsordnung im Sinne des Art. 295 EGY. Da die Gemeinschaft diesen Bereich bisher nicht umfassend und detailliert durchnormiert hat, ist davon auszugehen, daß Art. 44 Abs. 2 lit. e EGV lediglich eine konkurrierende bzw. parallele Gesetzgebungskompetenz der Gemeinschaft begründet,49 so daß diesbezüglich das Subsidiaritätsprinzip des Art. 5 Abs. 2 EGV Anwendung findet. Demgemäß darf die Gemeinschaft nur tätig werden, wenn und soweit die Ziele einer konkret geplanten immobilienerwerbsrelevanten Regelung auf Ebene der Mitgliedstaaten nicht ausreichend erreicht und daher wegen ihres Umfanges oder ihrer Wirkungen besser auf Gemeinschaftsebene verwirklicht werden können. Im Hinblick auf Art. 44 Abs. 2 lit. e EGV wird dies allgemein dann der Fall sein, wenn die gemeinschaftsrechtliche Regelung zu dem Zweck erlassen werden soll, in sämtlichen Mitgliedstaaten eine einheitliche Behandlung des Grundstückserwerbs im Bereich der Niederlassungsfreiheit herbeizuführen und damit für einheitlichere Wettbewerbsbedingungen zu sorgen. Soweit die Gemeinschaftsorgane in diesem Bereich tätig werden, werden die einschlägigen nationalen Regelungen im konkreten Einzelfall aufgrund des Anwendungsvorranges des Gemeinschaftsrechts verdrängt. (b) Artikel 57 Abs. 1 und 2 EGV Die ebenfalls im dritten Teil des Vertrages befindliche Vorschrift des Art. 57 EGV bezieht sich auf die in Art. 56 Abs. 1 EGV verankerte Kapitalverkehrsfreiheit. Wie weiter unten noch ausführlich dargelegt werden wird, gewährleistet die Kapitalverkehrsfreiheit ein prinzipiell umfassendes Recht zum Immobilienerwerb. 50 Art. 57 Abs. I EGV betrifft zulässige Ausnahmen zu dem in Art. 56 Abs. 1 EGV geregelten grundsätzlichen Verbot jeglicher Beschränkungen des Kapitalverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten und dritten Ländern. Danach sollen diejenigen einzelstaatlichen oder gemeinschaftlichen Vorschriften, welche bereits am 31. Dezember 1993 als Beschränkungen auf dritte Länder im Zusammenhang mit Direktinvestitionen, einschließlich der Anlagen in Immobilien, bestanden haben, zulässig sein. Im Umkehrschluß sind Beschränkungen, welche die Mitgliedstaaten untereinander betreffen, nicht zulässig. Aber auch nach dem 31. Dezember 1993 ergangene Einschränkungen, die den Kapitalverkehr mit Drittländem betreffen, werden nicht erlaubt. Art. 57 Abs. 1 EGV normiert somit lediglich einen status dem - auch für Ausländer aus Nicht-EU-Staaten oder dort ansässige juristische Personen eine uneingeschränkte Grundstückserwerbsfreiheit hergestellt werden soll. Dem Entwurf zufolge sollen Beschränkungen beim Grundstückserwerb durch Ausländer, wie sie nach dem EGBGB nach Landesrecht möglich sind, ersatzlos beseitigt werden. Mit dem Inkrafttreten des Gesetzes würden entsprechende landesrechtliche Vorschriften gemäß Art. 31 GG nichtig. 49 Die Annahme einer wirklich "ausschließlichen" EG-Kompetenz ist bei näherer Analyse höchst unsicher. Diese wird letztlich nur dort vorliegen, wo die Gemeinschaft einen Bereich mit Sekundärrecht so durchnormiert hat, daß die nationale Zuständigkeit komplett und abschließend verdrängt worden ist, vgl. Oppermann, § 6 Rn 64. 50 Siehe unten C. VI.
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qua, kann aber nicht als Ermächtigungsnorm für spätere, die Kapitalverkehrsfreiheit beschränkende Rechtsvorschriften herangezogen werden. 51 Weitergehend ist insofern die Vorschrift des Art. 57 Abs. 2 EOV. Sie ermächtigt den Rat, auf Vorschlag der Kommission mit qualifizierter Mehrheit Maßnahmen für den Kapitalverkehr mit dritten Ländern im Zusammenhang mit Direktinvestitionen, einschließlich Anlagen in Immobilien, zu beschließen. Dabei bedürfen Maßnahmen, welche im Rahmen des Gemeinschaftsrechts für die Liberalisierung des Kapitalverkehrs mit dritten Ländern einen Rückschritt darstellen, der Einstimmigkeit. Art. 57 Abs. 2 EGV ist die einzige Handlungsermächtigung der Gemeinschaft im Kapitel über den Kapitalverkehr. Da auf den in Art. 57 EGV genannten Gebieten zugleich Zuständigkeiten der Mitgliedstaaten bestehen, richtet sich die Regelungszuständigkeit nach dem Subsidiaritätsprinzip des Art. 5 Abs. 2 EGv. 52 Dies bedeutet, daß im jeweiligen Einzelfall genau zu prüfen ist, ob die mit einer immobilienerwerbsrelevanten Regelung verfolgten Ziele auf der Ebene der Mitgliedstaaten nicht ausreichend erreicht werden können und daher wegen ihres Umfanges oder ihrer Wirkungen besser auf Gemeinschaftsebene verwirklicht werden sollten. Dies wird generell der Fall sein, wenn es darum geht, einheitliche Bedingungen für kapitalverkehrsrelevante Immobilientransaktionen gegenüber dritten Ländern im gesamten Gebiet der EU sicherzustellen. Aus dem Umkehrschluß der Regelung folgt, daß Beschränkungen des Kapitalverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten ebensowenig zulässig sind, wie dies nach Art. 57 Abs. I EGV der Fall ist. Für die vom Rat getroffenen Maßnahmen ist schließlich auch das Verhältnismäßigkeitsprinzip des Art. 5 Abs. 3 EGV zu beachten. Die Regelung des Art. 57 Abs. 2 EGV bezieht sich zwar vornehmlich auf Beschränkungen des Kapitalverkehrs, nichts desto weniger wohnt ihr - zumindest potentiell - auch eine liberale Zielrichtung inne, welche auf den Bemühungen um eine möglichst weitgehende Liberalisierung des Kapitalverkehrs der Mitgliedstaaten mit dritten Ländern sowie dem Einstimmigkeitserfordernis im Falle diesbezüglicher Rückschritte beruht. Die Regelung ist also nicht nur als Rechtsgrundlage für Beschränkungen, sondern auch für weitere Liberalisierungen erga amnes auf den genannten Gebieten heranzuziehen. 53 Cc) Protokoll betreffend den Erwerb von Immobilien in Dänemark i. V. m. Art. 311 EGV Von großer praktischer Relevanz für den Eigentumserwerb an Immobilien in Dänemark ist das 1992 dem EU-Vertrag beigefügte Protokoll betreffend den Erwerb von Immobilien in Dänemark. Es hat folgenden Wortlaut: 51
52 53
Siehe zu dieser Regelung ausführlich unten C. VI. 3. d) (I). Kiemel, in: von der Groeben/Schwarze, Art. 57 EG Rn 18. Kiemel, in: von der Groeben/Schwarze, Art. 57 EG Rn 20.
III. Regelungskompetenzen für den Immobilienerwerb
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"Die hohen Vertragsparteien - von dem Wunsch geleitet, gewisse besondere Probleme betreffend Dänemark zu regeln - sind über folgende Bestimmung übereingekommen, die dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften beigefügt wird: Ungeachtet des Vertrags kann Dänemark seine geltenden Rechtsvorschriften für den Erwerb von Zweitwohnungen beibehalten...54
Gemäß Art. 311 EGV ist das Protokoll Bestandteil des EGV. Es stellt allerdings keine gemeinschaftliche Ermächtigungsnorm zur Regelung von Fragen des Grundstückserwerbs dar, sondern hat die Funktion einer primärrechtlichen Sonderregelung und Absicherung Dänemarks vor sonstigen vertraglichen Vorschriften. 55 Auf die Bedeutung und Funktion des Protokolls wird noch gesondert im Abschnitt über die gemeinschaftlichen Sonderregelungen eingegangen werden. (d) Allgemeines Aufenthaltsrecht des Art. 18 EGV und Evolutivklausel des Art. 22 EGV Denkbar wäre schließlich, daß eine den Immobilienerwerb betreffende Regelung auf Art. 18 Abs. 2 EGV oder auf Art. 22 EGV gestützt wird. Beide Normen befinden sich im zweiten Teil des EGV über die Unionsbürgerschaft. Art. 18 Abs. I EGV regelt das für die Unionsbürgerschaft außerordentlich bedeutsame allgemeine Freizügigkeits- und Aufenthaltsrecht der Unionsbürger. Abs. 2 enthält eine Ermächtigung des Rates, Regelungen zu erlassen, mit der die Ausübung der nach Abs. I gewährten Rechte erleichtert wird. Da ein allgemeines Immobilienerwerbsrecht der Verwirklichung des Aufenthaltsrechts im Einzelfall sehr dienlich sein kann, wird man die Regelung auch als mögliche Rechtsgrundlage für den Grunderwerb betreffende Regelungen des Rates ansehen können. Gleiches gilt für die sog. Evolutivklausel des Art. 22 Abs. 2 EGV, welche der Fortentwicklung der Unionsbürgerschaft dient. Auf die Bedeutung der Unionsbürgerschaft für den Immobilienerwerb wird weiter unten noch ausführlich eingegangen werden. An dieser Stelle sei lediglich angemerkt, daß in der Unionsbürgerschaft die Schaffung einer neuen Rechtssphäre deutlich wird, die sich in einem Prozeß stetig vertiefender Integration befindet und durch eine hohe Dynamik und Evolution gekennzeichnet ist. 56 Art. 18 EGV begründet in diesem Zusammenhang ein Aufenthaltsrecht mit einer über bloß wirtschaftliche Aspekte hinausgehenden integrationspolitischen Zielsetzung.
Abgedruckt in ABI. 1992 Nr. C 224/104; Hervorhebungen des Verfassers. Entsprechendes gilt für das im Anhang der Arbeit abgedruckte Protokoll Nr. 6 über den Erwerb von Zweitwohnsitzen in Malta, welches anläßlich der Osterweiterung der EU vereinbart wurde. Siehe dazu näher unten G. III. 56 Vgl. Marias, From Market Citizen to Union Citizen, in: derselbe (Hg.), European Citizenship, 1994, S. l7. 54 55
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(2) Allgemeine Ermächtigungsgrundlagen für den Immobilienerwerb
(a) Allgemeine Rechtsangleichung/ Art. 94 ff. EGV Unter Rechtsangleichung 57 ist die Beseitigung von für das ordnungsgemäße Funktionieren des Gemeinsamen Marktes abträglichen Unterschiedlichkeiten innerhalb der einzelnen mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen zu verstehen. 58 Es handelt sich hierbei gemäß Art. 3 Abs. I lit. h EGV um eine selbständige Aufgabe der EG, welche sich über ein sehr breites Spektrum von Rechtsgebieten erstreckt und welcher eine "dienende und integrationsbezogene Funktion gegenüber den materiellen Vertragszielen" zukommt. 59 Zugleich werden die möglicherweise zu erlassenden Maßnahmen gemäß Art. 3 Abs. 1 lit. h EGV unter die einschränkende Voraussetzung gestellt, daß sie für das Funktionieren des Gemeinsamen Marktes erforderlich sind. Sinn und Zweck der Harmonisierung der innerstaatlichen Rechtsvorschriften ist u. a. die Ermöglichung einer verbesserten Ausübung der Grundfreiheiten sowie die Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen. Als einschlägige Generalnormen der Rechtsangleichung sind die Art. 94 - 97 EGV heranzuziehen. Es handelt sich hierbei um nicht ausschließliche Gemeinschaftskompetenzen, 60 auf welche demgemäß das Subsidiaritätsprinzip des Art. 5 Abs. 2 EGV Anwendung findet. Dabei stellt Art. 94 EGV die allgemeine Handlungsermächtigung für die Rechtsangleichung im Sinne von Art. 3 Abs. 1 lit. h EGV dar, während in Art. 95 EGV ein spezielleres Verfahren für die "Binnenmarkt-Rechtsangleichung" vorgesehen ist. Als wesentliche Komponenten des Gemeinsamen Marktes sind insbesondere die Grundfreiheiten zu nennen, deren Ausübung zugleich gemäß Art. 14 Abs. 2 EGV konstitutives Element des Binnenmarktes ist. Es sind nun mannigfaltige Fälle denkbar, in denen der Immobilienerwerb in unmittelbarem oder mittelbarem Zusammenhang mit der Ausübung der Grundfreiheiten stehen kann, sei es zwecks Wohnsitznahme für einen Arbeitnehmer, Selbständigen, Erbringer einer Dienstleistung, als Betriebsgrundstück oder als Kapitalanlage. 61 Insofern besitzt der Grunderwerb sowohl Relevanz für das Funktionieren des Gemeinsamen Marktes i. S. v. Art. 94 EGVals auch i. S. d. spezielleren Regelung des Art. 95 EGV für die Verwirklichung des Binnenmarktes. Da der "Gemeinsame Markt" i. S. v. Art. 94 EGV die Summe der in Art. 2-4 EGV angesprochenen Tätigkeiten umfaßt, soweit ihnen wirtschaftliche Relevanz 57 Im EGV wird die Rechtsangleichung auch öfters als "Harmonisierung" oder "Koordinierung" von Rechtsvorschriften bezeichnet. 58 Oppermann, § 18 Rn l. 59 Oppermann, § 18 Rn 5. 60 5tr., vgl. Oppermann, § 18 Rn 15. 61 Wie unter C. noch zu zeigen sein wird, weist der Grunderwerb - mit Ausnahme der Warenverkehrsfreiheit - Bezüge zu sämtlichen Grundfreiheiten auf.
III. Regelungskompetenzen für den Immobilienerwerb
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beizumessen ist,62 stellt sich angesichts dieses weiten Aufgaben- und Tätigkeitsfeides der Gemeinschaft allerdings auch die Frage einer Kompetenzabgrenzung zu den in der Hand der Mitgliedstaaten verbleibenden Regelungsbefugnissen. Im Bereich des Immobilienerwerbs geht es dabei insbesondere um die Anwendbarkeit der allgemeinen Rechtsangleichungsvorschriften der Art. 94 ff. EGV im Hinblick auf die negative Kompetenzfunktion des Art. 295 EGV. 63 Diesbezüglich wird einerseits vertreten, daß über Richtlinien gemäß Art. 94 EGV tiefgreifende Veränderungen der mitgliedstaatlichen Eigentumsordnungen möglich und diese Umgestaltungen im Wege der Rechtsangleichung auch nicht durch Art. 295 EGVausgeschlossen seien. 64 Obwohl es zunächst im krassen Gegensatz zum Wortlaut des Art. 295 EGV stehe, werde durch zahlreiche vertragliche Einzelvorschriften (z. B. Art. 28 ff., 43 ff., 81 ff. EGV) unmittelbar oder mittelbar auf mitgliedstaatliche Eigentumsrechte eingewirkt. Angesichts der Weite des Begriffes Eigentumsordnung sei es gar nicht haltbar, warum dies dann nicht auch im Wege der allgemeinen Rechtsangleichung gemäß Art. 94 EGV möglich sein sollte. In diese Richtung zielt auch die Argumentation, Art. 295 EGVenthalte selbst insofern immanente Grenzen, als durch die von ihm geschützten nationalen Eigentumsordnungen die Vertragsziele - d. h. eben auch die Angleichung von Rechtsvorschriften, soweit dies für das Funktionieren des Gemeinsamen Marktes erforderlich ist (Art. 3 Abs. 1 lit. h EGV) - nicht in Frage gestellt werden dürften. 65 Nach anderer Auffassung könne die Gemeinschaft zwar unter besonderen Regelungsgesichtspunkten rechtsetzend tätig werden und insoweit auch auf die Ausübung von Eigentumsrechten in den Mitgliedstaaten einwirken. Jedoch solle über Art. 295 EGV gerade verhindert werden, daß die Gemeinschaft sich dabei auf die allgemeinen Ermächtigungen der Art. 94 ff. EGV stützt. 66 Dies wird zum einen damit begründet, daß es gemäß Art. 295 EGV zunächst einmal das ausschließliche Recht der Mitgliedstaaten sei, ihre Eigentumsordnungen nach ihren Vorstellungen zu regeln. Dieses Recht fände erst dort seine Grenze, wo z. B. durch diskriminierende eigentumsrelevante Regelungen 67 Grundsätze des Gemeinschaftsrechts verletzt würden oder das Gemeinschaftsrecht selbst im Rahmen ausdrücklicher GeOppennann, § 18 Rn 11. Siehe dazu bereits oben B. H. 1. a) (3). 64 Vgl. Riegel, S. 746, 747 (noch zu Art. 222 EWGV und Art. 100 ff. EWGV), wobei Art. 222 EWGV dahingehend auslegt wird, daß er lediglich für den Zeitpunkt des Vertragsschlusses i. S. einer "Eintrittskarte" in das Vertragssystem konzipiert worden sei, für die Zukunft aber keine weitere Bedeutung mehr habe. Dagegen spricht aber die systematische Stellung der Vorschrift unter den durchgängige Geltung beanspruchenden Allgemeinen und Schlußbestimmungen sowie ihre Formulierung, welche im Gegensatz zu eindeutigen Übergangsregelungen nicht auf eine bloß befristete Geltung der Norm schließen läßt. 65 Pernice, Grundrechtsgehalte, S. 183, ebenfalls noch zu Art. 222 EWGY. 66 Schweitzer; Raumordnung, S. 301; Burghardt, S. 68, 101 ff. 67 Vgl. zu diesem Aspekt EuCH, Rs. 182/83, Sig. 1984, S. 3677 Rn 7 (Fearon); Rs. C-302/97, Sig. 1999, S. 1-3099 (Konle). 62
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meinschaftskompetenzen eigentumsrelevante Regelungen enthalte. 68 Art. 295 EGV begründe insoweit ein mitgliedstaatliches "Kompetenzreservat", welches von den allgemeinen Ermächtigungsnormen zugunsten der Gemeinschaftsorgane abzugrenzen sei. 69 Außerdem wird angeführt, daß Ausgangspunkt des Art. 295 EGV der unterschiedliche Bestand und die unterschiedliche Bedeutung staatseigener Unternehmen in den einzelnen nationalen Wirtschaftsordnungen sei. Die hierin begründeten verschiedenen Eigentumsordnungen sollten neben dem zu vereinheitlichenden Recht grundsätzlich beibehalten werden. Soweit schädliche Folgen dieser Unterschiede beseitigt werden sollten, habe der Vertrag dafür in einzelnen, spezielleren Vorschriften Vorsorge getroffen. Eine darüber hinausgehende Rechtsangleichungskompetenz über die Art. 94 ff. EGV scheitere somit an der Schrankenfunktion des Art. 295 EGV Diese Schrankenfunktion gegenüber allen Handlungen der Gemeinschaftsorgane habe zur Folge, daß jene über die Art. 94 ff. EGV nicht zur Angleichung eigentumsordnender Vorschriften im Sinne des Art. 295 EGV befugt seien. 70 Zwar ist richtig, daß sich Art. 295 EGV seiner Entstehungsgeschichte nach vornehmlich auf die unterschiedlich ausgeprägten nationalen Eigentumsordnungen, d. h. die verschiedenen Gewichtungen des öffentlichen und privaten Wirtschaftssektors in ihrer Funktion als wirtschaftspolitische Steuerungsmittel, bezieht. Dies hat zur Folge, daß die Gemeinschaft diese Eigentumsordnungen nicht umgestalten darf. 71 Davon zu unterscheiden ist aber die konkrete Gewährleistung einzelner Eigentumsrechte. 72 Der unterschiedliche Bestand und die Bedeutung staatseigener Unternehmen wird aber weder durch die vielfältigen und speziellen, für Inhalt und konkrete Ausprägung des Eigentums relevanten Einzelermächtigungen der Gemeinschaft in Frage gestellt, noch ist dies dann der Fall, wenn die Gemeinschaft aufgrund der ihr zugewiesenen Aufgabe und Befugnis zur allgemeinen Rechtsangleichung (Art. 3 Abs. I lit. h i. V m. Art. 94 ff. EGV) legislativ tätig wird. Eine notwendige und hinreichende Begrenzung der gemeinschaftlichen Rechtsetzung ergibt sich dabei zum einen aus der immanenten Beschränkung des Art. 3 Abs. J Lit. h EGV, welcher rechtsangleichende Maßnahmen nur zuläßt, soweit dies für das Funktionieren des Gemeinsamen Marktes erforderlich ist. Außerdem handelt es sich bei den Art. 94 ff. EGV nicht um eine ausschließliche Regelungskompetenz der Gemeinschaft, so daß zusätzlich sowohl das Subsidiaritätsprinzip als auch der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz des Art. 5 EGV Anwendung finden. Art. 3 Abs. I Hörtenhuber, (Ausländer-)Grundverkehr nach dem EU-Beitritt, S. 222. Burghardt, S. 101. 70 Burghardt, S. 102. 71 Pemice, Grundrechtsgehalte, S. 182 spricht allerdings davon, daß die Mitgliedstaaten aufgrund ihrer Pflicht zur Gemeinschaftstreue gemäß Art. 5 EWGV (Art. 10 EGV n. F.) nur noch begrenzt zur Umgestaltung ihrer Eigentumsordnungen befugt seien. So gebe es Grenzen des "Verstaatlichungsvorbehalts" durch eine Selbstbindung der Mitgliedstaaten aufgrund der Annahme der Vertragsgrundsätze. 72 Frowein in: GrewelRupplSchneider, Festschrift Kutscher, S. 189. 68 69
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lit. h EGV stellt insoweit eine vertragliche (Teil-)Konkretisierung des allgemeinen Verhältnismäßigkeitsprinzips dar. Bezüglich der Frage, ob die Gemeinschaft über die allgemeinen Rechtsangleichungsvorschriften der Art. 94 ff. EGV auch zum Erlaß immobilienerwerbsrelevanter Regelungen befugt ist, läßt sich feststellen, daß die auf Art. 295 EGV gestützte Unterscheidung zwischen zulässigen eigentumsrelevanten Einzelermächtigungen einerseits und unzulässigen allgemeinen Rechtsangleichungskompetenzen andererseits nicht überzeugend ist. Durch die der Gemeinschaft von den Mitgliedstaaten übertragenen vertraglichen Aufgaben- und Kompetenzzuweisungen ergibt sich eine "Eigentumskompetenz" der Gemeinschaft, mit der Folge, daß nationale Eigentumsrechte trotz des Vorbehaltes des Art. 295 EGV "gemeinschaftsrechtlich überlagert", d. h. konkret mitgestaltet und mitbegrenzt werden können. 73 Dies dient nicht zuletzt dem Zweck, die einheitliche Anwendung des Gemeinschaftsrechts zu gewährleisten. 74 Der einheitlichen Anwendbarkeit des Gemeinschaftsrechts dienen gerade auch die allgemeinen Harmonisierungsbefugnisse der Art. 94 ff. EGv. 75 Es gibt daher gute Gründe dafür, daß auch im Rahmen der Aufgabe und Befugnis der Gemeinschaft zur allgemeinen Rechtsangleichung - begrenzt durch die immanenten Erfordernisse des Art. 3 Abs. 1 lit. h EGV sowie die anwendbaren Grundsätze der Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit - die Gemeinschaft prinzipiell sogar verpjlichtet76 ist, den Immobilienerwerb betreffende Regelungen zu erlassen. Von den allgemeinen Rechtsangleichungsvorschriften der Art. 94 ff. EGV zu unterscheiden sind diesen gegenüber vorrangige, spezielle Ermächtigungsnormen, welche beispielsweise die Harmonisierung zum Zwecke der Verwirklichung der Arbeitnehmerfreizügigkeit (vgl. Art. 40 EGV) oder die Verwirklichung der Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit (vgl. Art. 44, 46-48, 52, 55 EGV) sichern sollen. Auch hierbei wird die Funktion des Art. 295 EGVals negative Kompetenznorm gesondert zu untersuchen sein.
Pemice, GrundrechtsgehaIte, S. 185. Pe mice, Grundrechtsgehalte, S. 181. 75 Auch der EuGH, Slg. 1968, S. 111 (Parke-Davis), geht wohl von einer lediglich vorläufigen, zeitlich begrenzten Befugnis der Mitgliedstaaten aus, Inhalt und Grenzen von (in casu gewerblichen und kommerziellen) Eigentumsrechten zu bestimmen, bis diese innerstaatlichen Vorschriften vereinheitlicht werden. So hat er im Hinblick auf die nationale Regelung derartiger Eigentumsrechte festgestellt: "Die einzelstaatlichen Vorschriften über den Schutz des gewerblichen Eigentums sind in der Gemeinschaft noch (!) nicht vereinheitlicht". Er setzt somit die Möglichkeit der Harmonisierung nationaler Eigentumsregelungen konkludent voraus, wenn er dabei auch offenläßt, ob dies nur über spezielle Ermächtigungen oder auch über die allgemeinen Harmonisierungsnormen der Art. 94 ff. EGV möglich sein soll. Siehe dazu Pe mice, Grundrechtsgehalte, S. 184; Riegel, S. 747, 748. 76 Die Gemeinschaft hat gemäß Art. 94 EGV ("erläßt") eine Handlungspflicht, vgl. Oppermann, § 18 Rn 12. 73
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B. Grundstückseigentum im Recht der Europäischen Union
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(b) Vertragslückenschließung / Art. 308 EGV Die sog. Vertragsabrundungsklausel des Art. 308 EGV dient einer vertragsimmanenten Fortentwicklung des Gemeinschaftsrechts "unterhalb" der förmlichen Vertragsänderung. 77 Durch sie können gewisse Lücken bei der Verwirklichung der Ziele der EG geschlossen bzw. die Gemeinschaftskompetenzen in begrenzter Weise sinnvoll abgerundet werden. Sie enthält eine nicht ausschließliche Rechtsetzungskompetenz der Gemeinschaft, welche durch das auf sie anwendbare Subsidiaritätsprinzip und den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz in ihrer Anwendbarkeit unter schärfere Voraussetzungen gestellt ist. 78 Bei ihrer Inanspruchnahme ist stets die Grenze zwischen zulässiger inhärenter VertragsJortentwicklung und einer deutlichen Vertragserweiterung, welche nur im Rahmen einer förmlichen Vertragsänderung (Art. 48 EUV) möglich ist, zu beachten. 79 Die aufgrund der Klausel erlassenen Rechtsakte ergehen in den Formen des abgeleiteten Rechts (VO, RL usf.) und lassen sich daher dem Bereich des sekundären Gemeinschaftsrechts zuordnen. 8o Es ist jedoch fraglich, ob die Klausel für Regelungen des Immobilienerwerbs überhaupt herangezogen werden kann. Zweifel an ihrer Anwendbarkeit ergeben sich zunächst daraus, daß der Gemeinschaft diesbezüglich sowohl spezielle Ermächtigungsgrundlagen, etwa im Bereich der Grundfreiheiten, als auch die oben erörterten allgemeinen Rechtsangleichungsnormen der Art. 94 ff. EGV zur Verfügung stehen. Damit dürfte die negative Tatbestandsvoraussetzung des Art. 308 EGV "und sind in diesem Vertrag die ( ... ) erforderlichen Befugnisse nicht vorgesehen" erfüllt und somit die Anwendbarkeit der Norm ausgeschlossen sein. Ein Rückgriff auf die Vertragsabrundungsklausel erscheint allenfalls dann denkbar, wenn speziellere Ermächtigungsnormen oder die allgemeinen Rechtsangleichungsregelungen der Art. 94 ff. EGV nicht zur Verwirklichung der Vertragsziele auf dem Gebiet des Immobilienerwerbs ausreichen würden. Dies wäre z. B. der Fall, wenn statt einer nach Art. 94 EGV lediglich zulässigen Richtlinie der Erlaß einer Verordnung erforderlich wäre. 81 In einem solchen Fall stünde dann auch Art. 295 EGV der Anwendung des Art. 308 EGV aus den gleichen Gründen wie bei den allgemeinen Harmonisierungsregelungen nicht entgegen. b) Ungeschriebenes primäres Gemeinschaftsrecht Aus dem Bereich des ungeschriebenen primären Gemeinschaftsrechts, welches sowohl Gemeinschaftsgewohnheitsrecht als auch die allgemeinen Rechtsgrund77 78 79 80
81
Oppennann, § 6 Rn 68. Oppennann, § 6 Rn 68. Vgl. BVerfGE 89,155,210 ("Maastricht"). Oppennann, § 6 Rn 58, 68 f., § 18 Rn 33. Vgl. Oppennann, § 6 Rn 33, § 18 Rn 35 f.
III. Regelungskompetenzen für den Immobilienerwerb
47
sätze umfaßt, sind für Fragen des Immobilienerwerbs prinzipiell auch die weiter unten noch zu erörternden Gemeinschaftsgrundrechte von Bedeutung. In ihrer Funktion als Abwehr- und Teilhaberechte des einzelnen gegenüber der durch die Gemeinschaftsorgane ausgeübten Hoheitsgewalt kommt ihnen darüber hinaus aber keine kompetenzerweiternde Funktion82 für die rechtsetzend tätig werdenden Gemeinschaftsorgane zu. 3. Sekundärrechtliche Grundlagen
Abgeleitetes, von den Gemeinschaftsorganen erlassenes Recht, welches sich auf Fragen des Immobilienerwerbs bezieht, stützt sich vor allem auf diverse Einzelermächtigungen innerhalb der Regelungen über die Grundfreiheiten. Zu nennen sind hier z. B. die Allgemeine Aufenthaltsrichtlinie (RL 364 / 90 / EWG), die "Pensionistenrichtlinie" (RL 365/90/ EWG) sowie die Studentenrichtlinie (RL 366/ 90/EWG). Auf ihre Bedeutung für den Immobilienerwerb wird bei der Behandlung der Möglichkeiten des Immobilienerwerbs außerhalb einer wirtschaftlichen Betätigung noch ausführlich eingegangen werden. 83
82
83
Kingreen, S. 864 rn. w. N. Siehe dazu unten E.
c. Immobilienerwerb innerhalb der Grundfreiheiten
I. Allgemeine Bedeutung und Systematik der Grundfreiheiten
Die Grundfreiheiten zählen seit jeher zu den fundamentalen Bestandteilen des Gemeinschaftsrechts. 1 Durch sie wird die Ausübung wirtschaftlicher Tätigkeiten innerhalb der Gemeinschaft in umfassender Weise gewährleistet. Es kommt ihnen deshalb eine herausragende Bedeutung für eines der Hauptziele der Gemeinschaft, die Verwirklichung des Binnenmarktes, zu? In diesem Abschnitt soll nun untersucht werden, ob und inwieweit der Grunderwerb für die Verwirklichung und Ausübung der einzelnen Grundfreiheiten von Relevanz ist. Fragen des Immobilienerwerbs können sich dabei vor allem im Bereich der sog. Personenfreizügigkeitsrechte stellen, also im Rahmen der Freizügigkeit der Arbeitnehmer (Art. 39 ff. EGV), der Niederlassungsfreiheit der Selbständigen (Art. 43 ff. EGV) sowie der Dienstleistungsfreiheit (Art. 49 ff. EGV). Da eine Immobilie aber nicht nur im Hinblick auf die Ausübung einer grenzüberschreitenden wirtschaftlichen Tätigkeit bedeutsam sein kann, sondern sich stets auch als eine Kapitalanlage betrachten läßt, ist der Grunderwerb außerdem im Bereich der Freiheit des Kapitalverkehrs (Art. 56 ff. EGV) von Bedeutung. 3 Das allgemein für die Anwendung der Grundfreiheiten erforderliche grenzüberschreitende Element 4 knüpft im Bereich des Grundstückserwerbs entweder bei der erwerbenden Person oder beim Kapital an, welches die Grenzen überschreitet. Bevor näher auf die Bedeutung des Immobilienerwerbs für die Ausübung der Grundfreiheiten eingegangen wird, sollen zum besseren Verständnis vorab noch einige allgemeine Charakteristika sowie die systematische Einordnung der Grundfreiheiten innerhalb des Gemeinschaftsrechts beleuchtet werden. 1 Sie sind schon seit 1957 im EWGVenthalten und bis heute fast unverändert geblieben, vgl. Schilling. ARG, S. 4. 2 Vgl. Art. 3 Abs. I lit. c EGV und Art. 14 Abs. 2 EGV: "Der Binnenmarkt umfaßt einen Raum ohne Binnengrenzen, in dem der freie Verkehr von Waren, Personen, Dienstleistungen und Kapital ( ... ) gewährleistet ist". 3 Der Grunderwerb hat für die Warenverkehrsfreiheit (Art. 28 ff. EGV) von vornherein keine Bedeutung, da es sich bei Grundstücken nicht um bewegliche Waren im Sinne jener Vorschriften handelt. 4 Das Erfordernis eines grenzüberschreitenden Elementes für die Anwendbarkeit der Grundfreiheiten ist insbesondere in bezug auf die Kapitalverkehrsfreiheit umstritten, siehe dazu unten VI. 2. a).
I. Allgemeine Bedeutung und Systematik der Grundfreiheiten
49
Zunächst ist bereits das Verhältnis der Grundfreiheiten zu den GemeinschaftsgrundrechtenS nicht immer klar. So werden die Grundfreiheiten mitunter den Grundrechten zugerechnet. 6 Hierbei ist allerdings zu beachten, daß die Grundfreiheiten stets an grenzüberschreitenden Vorgängen ausgerichtet sind. Daher schützen sie prinzipiell nur Staatsangehörige eines Mitgliedstaates gegen das Handeln eines anderen Mitgliedstaates, so daß sich Inländer gegenüber ihrem Heimatstaat grundsätzlich nicht auf sie berufen können. Auch verpflichten sie - im Gegensatz zu den Gemeinschaftsgrundrechten7 - in erster Linie nur die Mitgliedstaaten, Einschränkungen der Wirtschaftsfreiheit von Staatsangehörigen anderer Mitgliedstaaten zu beseitigen und nicht mehr einzuführen. Nach ihrer ursprünglichen Konzeption waren sie ein Mittel zur Erreichung des Gemeinsamen Marktes bzw. Binnenmarktes und vermochten lediglich als Reflex in bestimmten Bereichen den Bürger zu schützen. 8 Dementsprechend sollte der Gemeinschaft und ihren Organen in gewissen Grenzen das Recht zustehen, die Grundfreiheiten aus wirtschaftspolitischen Gründen einzuschränken. Im Zuge der sich ständig fortentwickelnden Integration durch die Rechtsprechung des EuGH ist der Adressatenkreis der Grundfreiheiten jedoch dahingehend erweitert worden, daß neben den Mitgliedstaaten nun auch die Gemeinschaftsorgane in den Kreis der Verpflichteten einbezogen worden sind. Die Grundfreiheiten wirken somit auch gegenüber der Gemeinschaftsgewalt und lassen sich damit als bürgerschützende allgemeine Rechtsgrundsätze qualifizieren. 9 Materiell beinhalten die Grundfreiheiten jeweils speziellere Ausprägungen des allgemeinen Diskriminierungsverbotes des Art. 12 EGV. Sie postulieren in ihrem Bereich den Grundsatz der Inländergleichbehandlung. 10 Dieses Gebot gilt nicht nur in den Fällen, in denen eine bestimmte diskriminierende Maßnahme tatbestandlich-formell an das Kriterium der Staatsangehörigkeit anknüpft (sog. unmittelbare/direkte bzw. offene Diskriminierung). Erfaßt werden vielmehr auch sog. mittelbare/indirekte bzw. versteckte Diskriminierungen. Diese sind dadurch gekennzeichnet, daß eine Maßnahme - ohne dabei ausdrücklich an das Merkmal der Staatsangehörigkeit anzuknüpfen - den Grundfreiheitsberechtigten gegenüber Zur Bedeutung der Gemeinschaftsgrundrechte für den Immobilienerwerb siehe unten D. Grundlegend dazu Bleckmann, Die Freiheiten des Gemeinsamen Marktes als Grundrechte, in: Bieber/Bleckmann/Capotorti (Hg.), Das Europa der zweiten Generation: Gedächtnisschrift für Christoph Sasse, S. 665 ff.; weitere Nachweise aus Literatur und Rechtsprechung bei Schilling, ARG, S. 4. 7 Die Gemeinschaftsgrundrechte richten sich als bürgerschützende allgemeine Rechtsgrundsätze grundsätzlich nur an die Gemeinschaft und ihre Organe. Nur wenn die Mitgliedstaaten aufgrund der Vorrangwirkung des Gemeinschaftsrechts von der Bindung an nationale Grundrechte freigestellt sind, werden sie ausnahmsweise durch die Gemeinschaftsgrundrechte gebunden, siehe dazu näher unten D. 1. 5. b). 8 Schilling, ARG, S. 4. 9 Schilling, ARG, S. 10 m. w. N. 10 Die speziellen, in den Marktfreiheiten enthaltenen Diskriminierungsverbote verdrängen als leges speziales das allgemeine Diskriminierungsverbot des Art. 12 Abs. 1 EGV, vgl. EuCH, Rs. 330/91, Slg. 1993, S. 1-4017 Rn 21 (Commerzbank). 5
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4 Hubalseh
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C. Immobilienerwerb innerhalb der Grundfreiheiten
einem Inländer regelmäßig und typischerweise faktisch schlechter stellt und somit im Ergebnis die gleiche nachteilige Auswirkung zeitigt wie eine offene Diskriminierung. II SO findet sich in einigen Mitgliedstaaten mitunter die Praxis, den Erwerb eines Grundstücks von einem Wohnsitzerfordemis abhängig zu machen l2 bzw. den Erwerb von Wohnungseigentum an die formell unterschiedslos für In- und Ausländer geltende Voraussetzung einer mehrjährigen Ortsansässigkeit zu knüpfen. Dies ist insofern problematisch, als es sich hierbei um eine Bedingung handelt, die von Inländern wesentlich häufiger als von Ausländern erfüllt werden wird. Letztere werden dadurch naturgemäß stärker behindert. In diesen Fällen liegt daher prinzipiell der Verdacht einer versteckten Diskriminierung nahe. Allerdings hat der EuGH bereits mehrfach festgestellt, daß ein Wohnsitzerfordernis unter bestimmten Voraussetzungen durchaus als nichtdiskriminierend und damit als mit den Grundfreiheiten vereinbar angesehen werden kann. l3 In diesen Fällen galt das Erfordernis allerdings nicht für das gesamte Territorium des betreffenden Mitgliedstaates, sondern war auf ein bestimmtes geographisches Gebiet beschränkt. Es diente in nachvollziehbarer Weise jeweils der Verfolgung spezifischer Zwecke und betraf Inländer außerhalb eines abgegrenzten Gebietes in gleicher Weise wie Angehörige anderer Mitgliedstaaten. 14 Durch die Rechtsprechung ist die Bedeutung der Grundfreiheiten noch in anderer Hinsicht erweitert worden. So soll ihnen teilweise über das Diskriminierungsverbot im Sinne eines Inländergleichbehandlungsgebotes hinaus ein allgemeines Beschränkungsverbot zu entnehmen sein. Der Gerichtshof führt dazu in der Rechtssache Gebhard im Hinblick auf sämtliche Grundfreiheiten aus: "Aus der Rechtsprechung ( ... ) ergibt sich ( ... ), daß nationale Maßnahmen, die die Ausübung der durch den Vertrag garantierten grundlegenden Freiheiten behindern oder weniger attraktiv machen können, vier Voraussetzungen erfüllen müssen: Sie müssen in nichtdiskriminierender Weise angewandt werden, sie müssen aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt sein, sie müssen geeignet sein, die Verwirklichung des mit ihnen verfolgten Zieles zu gewährleisten, und sie dürfen nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Zieles erforderlich ist".15 Demgemäß sind auch nichtdiskriminierende mitgliedstaatliche EinschränVgl. die Nachweise bei Brähmerin: CalliesslRuffert, Art. 43 Rn 19 (Fn 35). Vgl. z. B. EuGH, Rs. C-224/97, Slg. 1999, S. 1-2536 Rn 14 (Ciola) unter Bezugnahme aufRs. C-350/96, Slg. 1998, S. 1-2521 Rn 29 (Clean Car Autoservice). 13 So zuletzt in der Rs. C-452/01, Slg. 2003, S. 1-9802 Rn 37 (Ospelt), wo das Wohnsitzerfordernis für den Erwerb landwirtschaftlicher Grundstücke dazu diente, in einer bestimmten Region die landwirtschaftliche Bevölkerung und ihre Betriebe zu erhalten. Siehe dazu näher die Schlußanträge des GA Geelhoed (S. 1-9776 Rn 125 ff.) sowie unten VI. 3. e) (6). 14 Auf diese Konstellationen wird bei der Behandlung der einzelnen Grundfreiheiten näher eingegangen werden. 15 EuGH, Rs. C-55 194, Slg. 1995, S. 1-4197 Rn 37 (Gebhard); bestätigt in Rs. C-212/97, Slg. 1999, S. 1-1459 Rn 34 (Centros Ltd.) - Hervorhebungen des Verfassers. I1
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H. Grundfreiheitlicher 1mmobilienerwerb und Art. 295 EGV
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kungen der Grundfreiheiten nur erlaubt, wenn sie verhältnismäßig sind. Diese dogmatische Konstruktion wird noch näher bei den Beschränkungsmöglichkeiten des Immobilienerwerbs im Rahmen der einzelnen Grundfreiheiten erörtert werden. Schließlich zeichnet sich in der jüngeren Entwicklung noch eine weitere Funktion der Grundfreiheiten ab, welche auch im Bereich des Liegenschaftserwerbs von Relevanz sein kann: So sollen die Grundfreiheiten allgemein auch als Anknüpfungspunkte für Gemeinschaftsgrundrechte dienen können. Auf diese - unter kompetentiellen Gesichtspunkten nicht unproblematische - Ausstrahlungswirkung der Gemeinschaftsgrundrechte auf die Grundfreiheiten wird in Abschnitt D. der Untersuchung, der sich mit der Bedeutung der Gemeinschaftsgrundrechte für den Immobilienerwerb beschäftigt, noch näher einzugehen sein. 16
11. Grundfreiheitlicher Immobilienerwerb und Art. 295 EGV
Bevor die grundfreiheitlichen Immobilienerwerbsrechte näher erörtert werden, ist vorab ihr Verhältnis zu Art. 295 EGV zu klären. Fragen des Immobilienerwerbs berühren nämlich prinzipiell die Eigentumsordnung der Mitgliedstaaten, welche gemäß der Regelung "unberührt" bleiben soll. Es wäre deshalb vorderhand denkbar, daß Art. 295 EGV jeglichem Grunderwerb, egal ob dieser im Rahmen der Personenfreizügigkeitsrechte (Art. 39 ff., 43 ff. EGV), der Dienstieistungsfreiheit (Art. 49 ff. EGV) oder der Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 56 ff. EGV) gewährt werden soll, entgegensteht. Hinsichtlich der Kompetenzverteilung zwischen Mitgliedstaaten und Gemeinschaft stellt sich also die Frage, inwieweit Art. 295 EGV es den Mitgliedstaaten überläßt, den Immobilienerwerb im Rahmen ihrer jeweiligen Eigentumsordnung frei zu regeln. Der Gerichtshof hat dazu bereits mehrfach entschieden, daß die Regelung des Grundeigentums nach Art. 295 EGV zwar weiterhin in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten fällt, die Bestimmung eine solche Regelung jedoch nicht den Grundprinzipien des EGVentzieht. 17 Als solche Grundprinzipien sieht der EuGH insbesondere die Grundfreiheiten an. Wie bereits erörtert wurde, stellen sie spezielle vertragliche Regelungen dar, die nicht zuletzt aufgrund des Willens der Mitgliedstaaten als Vertragsparteien die mitgliedstaatliche Eigentumsordnung insoweit berühren können, als die durch die Grundfreiheiten gewährleisteten Grunderwerbsrechte nichts anderes sind als konkrete Ausprägungen der Arbeitnehmerfreizügigkeit, der Niederlassungs-, Dienstleistungs- und Kapitalverkehrsfreiheit. Art. 295 EGV steht diesen konkretisierenden Regelungen somit nicht entgegen.
Siehe dazu unten 0.1. 5. b) (2). EuGH, Rs. C-302/97, Slg. 1999, S. 1-3134 Rn 38 (Konle); Rs. 182/83, Slg. 1984, S. 3677 Rn 7 (Fearon) - sI. Rspr. 16
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C. Immobilienerwerb innerhalb der Grundfreiheiten
III. Immobilienerwerb innerhalb der Arbeitnehmerfreizügigkeit Die in den Art. 39 ff. EGV gewährleistete Freizügigkeit der Arbeitnehmer (FA) ist in erheblichem Maße sowohl von wirtschaftlicher als auch von sozialer und allgemeinpolitischer Bedeutung für die europäische Integration. Neben der Ermöglichung eines ungehinderten Warenaustausches ist für die Verwirklichung des Binnenmarktes gerade auch die grundsätzlich unbeschränkte örtliche Wahl des Arbeitsplatzes eine Grundvoraussetzung. Nur durch die so hergestellte Mobilität des Produktionsfaktors Arbeit können die Unternehmen in den einzelnen Mitgliedstaaten optimal ausgelastet und eine positive Wirtschaftsentwicklung gefördert werden. 18 Die Problematik des Immobilienerwerbs stellt sich in diesem Zusammenhang zum einen bereits für die Zeit der Aufnahme einer unselbständigen Tätigkeit eines EU-Bürgers in einem anderen Mitgliedstaat. Da viele Wanderarbeitnehmer nach Beendigung ihrer Beschäftigung aber nicht mehr in ihr Heimatland zurückkehren, sondern im Aufnahmeland verbleiben (v gl. Art. 39 Abs. 3 lit. d EGV), wird die Bewerkstelligung ihrer langfristigen sozialen und politischen Eingliederung zunehmend wichtiger. In diesem Zusammenhang kann die Möglichkeit des Immobilienerwerbs eine besondere Rolle spielen. Dies betrifft insbesondere gewisse integrationsfördernde "Begleitrechte" in Form von Aufenthalts- und Verbleiberechten. 1. Rechtsgrundlagen
Die Freizügigkeit der Arbeitnehmer ist primärrechtlich in den Art. 39-42 EGV 19 geregelt. Gestützt auf die einschlägigen Kompetenznormen haben die Gemeinschaftsorgane Sekundärrecht in Form von Richtlinien und Verordnungen erlassen. Zentrale Ermächtigungsnorm für Freizügigkeits-Rechtsakte des Rates ist hierbei Art. 40 EGY. Als wichtige sekundärrechtliche Regelungen für die Verwirklichung der FA sind insbesondere die VO 1612/68/EWG,2o die VO 1251/ 70/EWG21 sowie die RL 68/30/EWG22 zu nennen. Nach der Rechtsprechung des EuGH sind die Vertragsbestimmungen des Art. 39 EGV, soweit sie das Prinzip der Inländergleichbehandlung beinhalten, unmittelbar anwendbar, d. h. der einzelne kann sich auf sie vor den innerstaatlich zu ihrer Anwendung verpflichteten Stellen (Verwaltung / Gerichte) berufen, ohne daß es dazu Oppennann, § 25 Rn 2 ff. Die Art. 39 ff. EGV regeln die Freizügigkeitsrechte der Arbeitnehmer für alle Tätigkeiten umfassend. In Art. 69 EGKSV und Art. 96, 97 EAGV finden sich Spezialregelungen für bestimmte Arbeitnehmergruppen aus dem Bereich Kohle, Stahl und Kemindustrie. 20 VO 1612/681 EWG, ABI. 1968 Nr. L 25712 ff., für die Herstellung der Freizügigkeit. 21 VO 1251170/EWG (Verbleiberecht), ABI. 1970 Nr. L 142/24. 22 RL68/360/EWG,ABI.1968Nr.L257/13ff. 18
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III. Immobilienerwerb innerhalb der Arbeitnehmerfreizügigkeit
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einer weiteren Maßnahme der Gemeinschaft oder der Mitgliedstaaten bedürfte. Letzteren kommt bei der Durchführung kein Ermessenspielraum zu. 23 2. Gewährleistungsinhalt
a) Grundsätzliche Gewährleistungen Die Anwendung der Freizügigkeitsregelungen bezieht sich grundsätzlich auf "Arbeitnehmer der Mitgliedstaaten" (Art. 39 Abs. 2 EGV). Der Begriff des "Arbeitnehmers" richtet sich nach Gemeinschaftsrecht24 und ist grundsätzlich weit auszulegen. Darunter fällt jeder Staatsangehörige eines Mitgliedstaates,25 der "während einer bestimmten Zeit für einen anderen nach dessen Weisung Leistungen erbringt, für die er als Gegenleistung eine Vergütung erhält".26 Erfaßt werden also alle unselbständig Tätigen, d. h. gleichermaßen Arbeiter und Angestellte sowie prinzipiell auch Beamte. 27 Ein abgeleitetes Freizügigkeitsrecht wird auch den Familienangehörigen der Arbeitnehmer, selbst wenn es sich dabei um Drittstaatsangehörige handeln sollte, gemäß Art. 10-12 der VO 1612/68/EWG eingeräumt. 28 Wesentlicher Inhalt der FA ist das Gebot der Inländergleichbehandlung (Art. 39 Abs. 2 EGV). Die Aufstellung dieses Verbotes jeder auf der Staatsangehörigkeit beruhenden unterschiedlichen Behandlung der Arbeitnehmer der Mitgliedstaaten in bezug auf Beschäftigung, Entlohnung und sonstige Arbeitsbedingungen stellt eine Konkretisierung des allgemeinen Diskriminierungsverbotes des Art. 12 EGV dar und sichert dessen Verwirklichung im Bereich der Arbeitsbedingungen. 29 Erfaßt werden auch sogenannte verdeckte bzw. indirekte Diskriminierungen, welche zwar nicht offen an das Kriterium der Staatsangehörigkeit anknüpfen, aber regelmäßig und typischerweise nur Staatsangehörige eines anderen Mitgliedstaates betreffen, wie z. B. Wohnsitzerfordemisse, das Abstellen auf das Kriterium der 23 EuGH, Rs. 41/74, Sig. 1974, S. 1347 Rn 5/7 (van Duyn) - st. Rspr.; weitere Hinweise bei Oppermann, § 25 Rn 12. 24 EuGH, Rs. 75/63, Sig. 1964, S. 397 (Unger) - st. Rspr. 25 Für den Sonderfall türkischer Arbeitnehmer gelten das Assoziierungsabkommen zwischen der Türkei und der EWG vom 12. 9. 1963 (ABI. 1964, S. 3687 ff.), insbes. dessen Art. 12, sowie das Zusatzprotokoll vom 23. 11. 1970 (ABI. 1972 Nr. L 293, S. 3 ff.), insbes. Art. 36, welche jedoch keinen einklagbaren Anspruch auf Einreise und Aufenthalt zu Beschäftigungszwecken gewähren, vgl. EuGH, Rs. 12/86, Sig. 1987, S. 3753 (Demirei). 26 EuGH, Rs. 66/85, Sig. 1986, S. 2144 Rn 17 (Lawrie-Blum). 27 EuGH, Rs. 66/85, Sig. 1986, S. 2145 (Lawrie-Blum). Zur weiteren Erstreckung der Freizügigkeitsrechte, insbes. auf Auszubildende und Studenten, siehe Hummer / Schweitzer, Ausverkauf, S. 181 f. m. w. N. 28 Allgemein zum Arbeitnehmerbegriff sowie der Erstreckung der Freizügigkeitsrechte auf Familienangehörige siehe Oppermann, § 25 Rn 15 ff. 29 Oppermann, § 25 Rn 20.
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C. Immobilienerwerb innerhalb der Grundfreiheiten
Haupterwerbstätigkeit,30 Sprachregelungen etc. Darüber hinaus hat die Rechtsprechung das spezielle Diskriminierungsverbot wohl zu einem allgemeinen Beschränkungsverbot erweitert?l b) Relevanz für den Immobilienerwerb ( 1) Erwerb von Erst- / Hauptwohnsitzen
Innerhalb der Vorschriften der Art. 39 ff. EGV kann der Immobilienerwerb in mehrfacher Hinsicht von Bedeutung sein. Zum einen könnte er unter eine "sonstige Arbeitsbedingung" i. S. d. Art. 39 Abs. 2 EGV zu subsumieren sein. Naheliegend erscheint auch eine Verbindung des Immobilienerwerbs zu dem gemäß Art. 39 Abs. 3 lit. c EGV gewährten Aufenthaltsrecht des Arbeitnehmers zum Zwecke der Ausübung einer Beschäftigung. Schließlich kann der Liegenschaftserwerb dem Verbleib des Arbeitnehmers und seiner Familienangehörigen nach Beendigung der Beschäftigung dienen, wie dies in Art. 39 Abs. 3 lit. d EGV vorgesehen ist. Näher zu untersuchen ist somit, ob sich bereits aus diesen primärrechtlichen, unmittelbar anwendbaren Vertragsbestimmungen ein Recht auf Immobilienerwerb ableiten läßt. Die einzelnen Vorschriften werden dabei insbesondere im Hinblick auf ihren Wortlaut, ihre systematische Stellung sowie ihren Sinn und Zweck auszulegen sein. Zudem werden zum Zwecke der Konkretisierung und näheren Bestimmung der primärrechtlichen Vorschriften einschlägige sekundärrechtliche Regelungen, insbesondere diejenigen der VO 1612/68/EWG,32 herangezogen. Aus dem isolierten Wortlaut der primärrechtlichen Regelungen läßt sich ein Recht auf Grunderwerb noch nicht ableiten. Es ist deshalb darüber hinaus nach deren Sinn und Zweck zu fragen. Art. 39 Abs. 2 EGVerstrebt die Gleichstellung des ausländischen Arbeitnehmers mit Inländern in den genannten Bereichen. Eine Auslegung des Begriffes der "sonstigen Arbeitsbedingungen " wäre nun auch dahingehend denkbar, daß er über die unmittelbar am Arbeitsplatz im Hinblick 30 Vgl. dazu die Schlußanträge des GA Da Cruz Vi/aca in der Rs. 63/86, Slg. 1988, S. 38 Rn 15 (Kommission 1Italien). 31 EuGH. Rs. C-55 194, Slg. 1995, S. 1-4197 Rn 37 (Gebhard); bestätigt in Rs. C-212/97, Slg. 1999, S. 1-1495 Rn 34 (Centros Ltd.). Siehe auch das zur Dogmatik der Arbeitnehmerfreizügigkeit ergangene Grundsatzurteil in der Rs. C-415/93, Slg. 1995, S. 1-4921 ff. (Bosman), in welcher der Gerichtshof die Arbeitnehmerfreizügigkeit erstmals auch auf nichtdiskriminierende Sachverhalte angewandt hat. Somit ist auch in diesem Bereich von einem allgemeinen Beschränkungsverbot mit Verhältnismäßigkeitskontrolle auszugehen, vgl. Schwarze, EU-Kommentar, Art. 39 EGV Rn 41 ff. 32 In der auf Art. 40 EGV (Art. 49 EGVa. F.) gestützten VO sind die Freizügigkeitsrechte der Arbeitnehmer näher konkretisiert worden. In ihren Begründungserwägungen wird die Freizügigkeit als "ein Grundrecht der Arbeitnehmer und ihrer Familien" bezeichnet sowie die Notwendigkeit der Beseitigung aller der Mobilität des Arbeitnehmers entgegenstehenden Hindernisse betont.
III. Immobilienerwerb innerhalb der Arbeitnehmerfreizügigkeit
55
auf eine konkrete Tätigkeit geltenden Bedingungen und Verhältnisse, wie sie sich etwa in Sicherheitsvorschriften, Arbeitszeiten usw. niederschlagen, hinausgeht. Als Anhaltspunkt für eine derartige weitergehende Auslegung, welche gerade auch Fragen der Wohnung des Arbeitnehmers einschließt, läßt sich zunächst die Präambel der va 1612/68/EWG heranziehen. Ihr zufolge muß sich die Gleichbehandlung des Arbeitnehmers tatsächlich und rechtlich auf alles erstrecken, "was mit der Beschaffung einer Wohnung im Zusammenhang steht". Hierbei ist allerdings zu berücksichtigen, daß eine Präambel ihrem Wesen nach lediglich allgemeine Zielsetzungen und Hintergründe der ihr nachfolgenden Rechtsnormen verdeutlichen soll. Aus ihr allein werden sich aber in der Regel keine subjektiven Rechte ableiten lassen. Gleichwohl kann ihr im Rahmen der Auslegung anderer Rechtsnormen eine besondere Bedeutung zukommen. So verhält es sich gerade auch mit der Präambel der VO 1612/68 /EWG, jedenfalls insoweit, als sich der EuGH häufig auf die in ihr niedergelegten Begründungserwägungen beruft und in seinen Entscheidungen zur FA die Bestimmungen der Art. 39 ff. EGV generell sehr integrationsfreundlich auslegt?3 Die Verwendung des Terminus "Beschaffung einer Wohnung" schließt den Eigentumserwerb an einer Immobilie zumindest nicht aus. Es liegt daher nahe, die angesprochene Gleichbehandlung der ausländischen Arbeitnehmer hinsichtlich der "Beschaffung einer Wohnung" nicht bloß mittels schuldrechtlichen Vertrages (z. B. Miete, Pacht), also ohne Eigentumsübertragung, als zulässig zu erachten, sondern darüber hinaus auch die Möglichkeit des Eigentumserwerbs an einer Wohnung zumindest dann zu gewähren, wenn dies inländischen Arbeitnehmern ebenfalls ermöglicht wird. Für eine derartige Interpretation läßt sich allgemein auch die weitergehende Entfaltung des in Art. 39 EGV enthaltenen Gleichbehandlungsgrundsatzes ("effet utile") anführen.
Diese Interpretation wird vor allem durch Art. 9 Abs. 1 der va 1612/68/EWG bekräftigt. Gemäß dieser Regelung sollen diejenigen Arbeitnehmer, welche die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaates besitzen und im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaates beschäftigt sind, auch "hinsichtlich einer Wohnung, einschließlich der Erlangung des Eigentums an der von ihnen benötigten Wohnung, alle Rechte und Vergünstigungen wie inländische Arbeitnehmer" genießen. Dies gilt nicht nur für aktuelle Arbeitnehmer, sondern wird gemäß Art. 7 der VO 1251170/EWG34 auch auf diejenigen Arbeitnehmer erstreckt, welche nach Beendigung ihrer Tätigkeit im Aufnahmeland verbleiben.
Unter Berufung auf das in Art. 48 Abs. 3 EWGV (Art. 39 Abs. 3 EGV n. E) enthaltene Aufenthaltsrecht hat der Gerichtshof in der Rechtssache Kommission/ Griechenland, in der es um die Vereinbarkeit nationaler Grunderwerbsbeschränkungen für Ausländer mit den Grundfreiheiten ging, entschieden, "daß der in Artikel 9 der Verordnung Nr. 1612/68 vorgesehene Zugang zu einer Wohnung und 33 34
Nachweise bei Oppermann, § 25 Rn 20 ff. ABI. 1970 Nr. L 142/24.
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C. Immobilienerwerb innerhalb der Grundfreiheiten
zum Eigentum an der Wohnung die notwendige Ergänzung zur Freizügigkeit der Arbeitnehmer darstellt und daher unter das in Art. 48 EWG-Vertrag niedergelegte Verbot der Diskriminierung eines Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats fällt, der in einem anderen Mitgliedstaat eine Tätigkeit im Lohn- oder Gehaltverhältnis ausüben möchte." Nationale Rechtsvorschriften, welche dieses Recht der Arbeitnehmer aus anderen Mitgliedstaaten von Voraussetzungen abhängig machen, die für die eigenen Staatsangehörigen nicht vorgeschrieben sind, stünden demnach in Widerspruch zu Art. 48 EWGV. 35 Die Bestimmung des Art. 9 Abs. 1 der VO 1612/68/EWG räumt den Arbeitnehmern allerdings wörtlich "nur" das Recht ein, Eigentum an einer Wohnung zu begründen. Deshalb ist mitunter strittig, ob darunter lediglich der Erwerb einer Wohnung im engeren Sinne (eventuell verbunden mit einem Grundstücksanteilseigentum) zu verstehen ist, oder ob die Regelung darüber hinaus auch das Recht beinhaltet, Eigentum an Grundstücken zum Zwecke der Errichtung einer Wohnung, etwa auch in Form eines Einfamilienhauses zu erwerben. 36 Zur näheren Bestimmung des Sinngehaltes des Begriffes der "Wohnung" im Sinne des Art. 9 Abs. 1 der VO 1612/68/EWG eignet sich zunächst ein Vergleich mit anderen Vorschriften des Primär- und Sekundärrechts, welche ebenfalls den Grundstückserwerb betreffen. So spricht Art. 44 Abs. 2 lit. e EGV von Erwerb von "Grundbesitz", Art. 6 Abs. 4 der Kapitalverkehrsrichtlinie37 benutzt den Begriff "Erwerb von Zweitwohnsitzen" und in deren Anhang I das Wort "Immobilien". Die landwirtschaftliche Niederlassung betreffendes Sekundärrecht spricht von "landwirtschaftlichen Grundstücken". All diese Begriffe erscheinen nach allgemeinem Begriffsverständnis weitergehend als der Wohnungsbegriff des Art. 9 Abs. 1 der VO 1612/68/EWG. Daraus könnte man schlußfolgern, daß "Wohnung" nicht als Synonym für "Grundstück" verwendet werden kann,38 und somit die Norm im Zweifelsfalle keine Ermächtigung zum Erwerb von Grundstücken zum Zwecke der Errichtung von Eigentumshäusern einräumt. Die wörtliche Interpretation einer Norm, d. h. ihre Auslegung im Rahmen des möglichen Wortsinns, dient aber neben einer ersten Orientierung lediglich der 35 EuCH, Rs. 305/87, Sig. 1989, S. 1478 Rn 18, 19 (Kommission/Griechenland) - Hervorhebungen des Verfassers. 36 Eine abschließende Klärung des Streits erübrigt sich, wenn man die Möglichkeit des Grundstückserwerbs bereits aus der primärrechtlichen Vorschrift des Art. 39 Abs. 2 EGV ableitet. Den Eigentumserwerb an Grundstücken bejaht Novak, Grunderwerb durch Ausländer im EWR, in: St. Galler Europarechtsbrief EU B 8/1996, S. 251; Härtenhuber, (Ausländer-) Grundverkehr nach dem EU-Beitritt, in: ZfRV 1995, S. 221, 224; Burtscher, Ausländergrundverkehr und EG-Beitritt, in: Economy 1989, F 5; ablehnend HummerlSchweitzer, Raumordnung, S. 317; dieselben, Ausverkauf, S. 186 ff.; Schmidjell, Einschränkungen der Freiheit des Grundverkehrs in der Europäische Gemeinschaft, S. 8. 37 RL 88/361 / EWG des Rates v. 24. 6. 1988 zur Durchführung von Art. 67 des Vertrages, ABI. 1988 Nr. L 178, S. 5 ff. 38 So Schweitzerl Hummer, Ausverkauf, S. 187.
III. Immobilienerwerb innerhalb der Arbeitnehmerfreizügigkeit
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Grenzziehung weiterer Auslegung. 39 So ist eine Auslegung unzulässig, welche gegen den möglichen Wortsinn einer Regelung verstößt. 40 Jedoch ist es nach allgemeinem Sprachgebrauch nicht ausgeschlossen, daß auch derjenige eine Wohnung erwirbt, der dies in Form eines Einfamilienhauses tUt. 41 Im Wege einer ergänzend heranzuziehenden teleologischen Auslegung sind Sinn und Zweck der Norm zu erfassen, um ihren Gewährleistungsgehalt zur vollen Geltung zu bringen. Dies entspricht in der Sache auch dem vom EuGH aufgestellten Grundsatz des "effet utile". Zwar ist mit der Ausübung der FA nicht notwendigerweise der Erwerb von Grundstücken verbunden, d. h. die Rechte des Arbeitnehmers werden durch ein mangelndes Recht auf Grundstückserwerb grundsätzlich nicht vereitelt oder wesentlich behindert. Auch steht respektive des Inländergleichbehandlungsgebotes dem Inländer der Immobilienerwerb wohl vor allem um seiner Staatsbürgerschaft und nicht seiner Arbeitnehmereigenschaft willen ZU. 42 Betrachtet man allerdings die gesamte Fortentwicklung der Grundfreiheiten von rein wirtschaftspolitischen Steuerungsinstrumenten hin zu bürgerschützenden allgemeinen Rechtsgrundsätzen,43 zeichnet sich ein zunehmende Erweiterung der durch sie eröffneten Perspektiven und Gewährleistungsdimensionen ab. Allgemein wird dies bereits dadurch deutlich, daß der Gerichtshof in der Rechtssache Bosman44 die Regelungen über die Arbeitnehmerfreizügigkeit erstmals auch auf nichtdiskriminierende Sachverhalte angewendet hat, sie also über den Grundsatz der Inländergleichbehandlung hinaus zu einem allgemeinen Beschränkungsverbot mit Verhältnismäßigkeitskontrolle erweitert. 45 Folgt man diesem Ansatz, so läßt sich daraus bereits eine generelle Erlaubnis der Wanderarbeitnehmer zum Erwerb von Grundstücken ableiten, die gemäß der vom Gerichtshof aufgestellten Kriterien nur aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses und zudem vereinbar mit dem Verhältnismäßigkeitsprinzip eingeschränkt werden darf. 39 Der sprachlich mögliche Wortsinn einer Regelung stellt die Grenze zwischen Auslegung und das Gesetz ergänzender oder umbildender Rechtsfortbildung dar, vgl. Larenz/ Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 144. 40 Eine Deutung, welche nicht mehr im Bereich des möglichen Wortsinnes liegt, ist nicht mehr Ausdeutung, sondern wäre Umdeutung. Diese ist aber allenfalls im Wege richterlicher Rechtsfortbildung zum Zwecke der Lückenschließung möglich. Allerdings sind die Grenzen zwischen einer .. weiten" Auslegung des Wortlauts und einer Lückenergänzung durch Analogie mitunter fließend, da auch die Grenzen des sprachlich möglichen Wortsinns nicht immer genau abzustecken sind, vgl. Larenz/Canaris, S. 143. 41 Weder der englische Wortlaut .. housing", die französische Fassung "logement", die italienische Übersetzung "allogio" noch der niederländische Ausdruck "huisvesting, woongelegenheid" lassen eindeutige Schlüsse zu. 42 Schweitzer/Hummer; Ausverkauf, S. 185. 43 Vgl. Schilling, ARG, S. 10 m. w. N. 44 EuGH, Rs. C-415/93, Slg. 1995, S. 1-4921 ff. (Bosman). 45 EuGH, Rs. C-415/93, Slg. 1995, S. 1-5071 Rn 104; Novak, S. 252; Schwarze, EU-Kommentar, Art. 39 EGV Rn 41 ff.
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C. Immobilienerwerb innerhalb der Grundfreiheiten
Im Hinblick auf die konkrete Situation des Wanderarbeitnehmers in seinem jeweiligen Aufnahmeland zeichnet sich zudem ein bedeutsamer Wandel ab. So wird der Arbeitnehmer nach und nach nicht mehr nur als bloßer Produktionsfaktor oder "Humankapital" aus wirtschaftlicher Sicht der Unternehmen beurteilt, sondern er soll sein "Recht auf Freizügigkeit nach objektiven Maßstäben in Freiheit und Menschenwürde" wahrnehmen können. 46 In einem seiner Schlußanträge stellt GA Jacobs fest: "Das Gemeinschaftsrecht betrachtet den Wanderarbeitnehmer ( ... ) nicht nur als ein(en) Wirtschafts- und Produktionsfaktor ( ... ); es sieht ihn als einen Menschen, der Anspruch darauf hat, (im Gastland) in Freiheit und Menschenwürde zu leben".47 Der darin zum Ausdruck kommende subjektivrechtliche Charakter der Freizügigkeitsregelungen zielt auf eine Verbesserung der Arbeitsund Lebensbedingungen ab, verbunden mit der Möglichkeit eines sozialen Aufstiegs. Über die Gleichberechtigung des Arbeitnehmers in seinem unmittelbaren Arbeitsumfeld hinaus wird das Ziel seiner sozialen Eingliederung und Gleichstellung in anderen, von seiner Arbeitssituation unabhängigen Bereichen angestrebt. 48 Schließlich sind für die Wahl des Arbeitsplatzes nicht nur Aspekte wie die Sicherheit der Beschäftigung, die Gewährung von Sozialleistungen und die Höhe des Lohnes von Bedeutung. Mit zunehmender wirtschaftlicher Prosperität erweitern sich in aller Regel auch die Ansprüche an die Lebensqualität, welche auch davon abhängig ist, inwieweit sich das materielle Bedürfnis nach einem qualitativ hochwertigen Wohnstandard befriedigen läßt. So ist es für einen wirtschaftlich erfolgreichen, in einem höher qualifizierten Bereich49 tätigen Arbeitnehmer mit entsprechenden Verdienstmöglichkeiten durchaus eine Standortfrage, ob er für sich und seine Familie ein entsprechendes Haus oder "nur" eine Eigentumswohnung zum Lebensmittelpunkt machen kann. Vor dem Hintergrund der durch die Rechtsprechung des Gerichtshofes zunehmend an Integrationsdichte gewinnenden Zielsetzungen der FreizügigkeitsbestimFünfte Begründungserwägung der Präambel der VO 1612/68/EWG. Schlußanträge in der Rs. C-168/91, Slg. 1993, S. 1-1191 (Konstantinidis) - Hervorhebung des Verfassers. 48 Eilmannsberger; Baugrundverkehr im Europarecht, in: Ecolex 1993, S. 5. Eine weitergehend beabsichtigte Integration des Arbeitnehmers und seiner Familie zeigt sich insbesondere auch daran, daß gemäß Art. 7 Abs. 2 der VO 1612/68/ EWG dem ausländischen Arbeitnehmer die gleichen "sozialen und steuerlichen" Vergünstigungen wie den inländischen Arbeitnehmern zu gewähren sind. Das in Art. 9 der VO 1612/68/EWG konkretisierte Inländergleichbehandlungsgebot bezieht sich auf "alle Rechte und Vergünstigungen", also auch auf den Zugang zu Sozialwohnungen oder in diesem Zusammenhang gewährte Fördermittel. 49 Es ist anzunehmen, daß zum Zeitpunkt des Erlasses der einschlägigen sekundärrechtlichen Vorschriften die berufliche Qualifikation und damit auch die Verdienstmöglichkeiten der einwandernden Arbeitnehmer überwiegend niedriger waren, als sie es heute sind. In Deutschland handelte es sich im Zuge der ersten Zuwanderungsbewegungen überwiegend um Arbeiter im Bereich der Industrie und des Bauhandwerks mit relativ niedrigen Löhnen. Nunmehr werden aber gerade in neuen, zukunftsträchtigen Bereichen, wie z. B. der Informationstechnologie, aber auch im Wirtschafts- und Bankensektor durchweg hochqualifizierte Arbeitskräfte mit entsprechenden Verdienstmöglichkeiten aus dem Ausland rekrutiert. 46 47
III. Immobilienerwerb innerhalb der Arbeitnehmerfreizügigkeit
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mungen spricht dies alles dafür, dem Arbeitnehmer über das Erwerbsrecht an einer Eigentumswohnung hinaus das Recht einzuräumen, ein Grundstück zum Zwecke der Errichtung eines Wohnhauses für sich und seine Familie50 zu erwerben. 51 (2) Erwerb von Zweitwohnsitzen Fraglich ist, ob dem Arbeitnehmer über das Recht zum Erwerb eines Hauptwohnsitzes hinaus auch das Recht zusteht, im Aufnahmeland ein Grundstück zwecks Errichtung eines Zweit- oder Ferienwohnsitzes zu erwerben. In Anlehnung an das Gleichbehandlungsgebot wird von der Kommission und in der Literatur die Auffassung vertreten, daß dem EU-Ausländer das gleiche Recht zustehe, in dem Land, in welchem er beschäftigt ist, einen Zweitwohnsitz zu begründen, wie dies den Inländern gewährt wird. Das Erholungsbedürjnis des Arbeitnehmers wird hierbei als Teil des Erwerbslebens angesehen. Danach ergibt sich bereits aus dem Primärrecht im Sinne der "sonstigen Arbeitsbedingungen" das Recht, für Freizeitzwecke einen Zweitwohnsitz zu erwerben. 52 In diesem Zusammenhang verdient auch die von den Mitgliedstaaten im Jahre 1994 anläßlich des Beitritts Österreichs, Finnlands und Schwedens ausgehandelte Gemeinsame Erklärung Nr. 5 zu Zweitwohnungen Beachtung. Sie hat folgenden Wortlaut: "Keine Bestimmung des gemeinschaftlichen Besitzstands hindert die einzelnen Mitgliedstaaten, auf nationaler, regionaler oder örtlicher Ebene Maßnahmen betreffend Zweitwohnungen zu treffen, sofern sie aus Gründen der Raumordnung, der Bodennutzung und des Umweltschutzes erforderlich sind und ohne direkte oder indirekte Diskriminierung von Staatsangehörigen einzelner Mitgliedstaaten in Übereinstimmung mit dem gemeinschaftlichen Besitzstand angewendet werden. ,,53 50 Gemäß Art. lO der VO 1612/68/EWG haben auch die Familienmitglieder des Arbeitnehmers ungeachtet ihrer Staatsangehörigkeit das (abgeleitete) Recht, bei dem Arbeitnehmer zu wohnen, wobei ihnen daraus jedoch kein eigenständiges Immobilienerwerbsrecht erwächst. 51 Zudem spricht der EuGH in der Rs. 305/87, Slg. 1989, S. 1478 (Kommission/Griechenland) in Randziffer 18 zwar noch von "Eigentum an einer Wohnung", in Randziffer 19 bezieht er sich aber allgemein auf das "Recht der ( ... ) Arbeitnehmer, ( ... ) Rechtsgeschäfte über Immobilien vorzunehmen". Darin kommt zum Ausdruck, daß für ihn die Unterscheidung zwischen "Wohnung" und "Grundstück" im Rahmen der Grundfreiheiten nicht von Bedeutung ist. Eine unterschiedliche Behandlung beider Immobilienformen ist somit nicht gerechtfertigt; vgl. dazu auch die Schlußanträge des GA Jacobs, welcher a. a. 0., S. 1471, Ziffer 13 vertritt, daß sich Art. 48 EWGVauf das Eigentum an Immobilien beziehe und feststellt, daß "die Gleichbehandlung ( ... ) in Wohnungsangelegenheiten " erforderlich sei, um die Freizügigkeit der Arbeitnehmer im Sinne des Art. 48 herzustellen - Hervorhebungen des Verfassers. 52 Vgl. Schmidjell, S. 8; ihm folgend Novak, S. 252; Knapp, Diskriminierende Grunderwerbsbeschränkungen, in: EWS 1999, S. 409, 412.
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C. Immobilienerwerb innerhalb der Grundfreiheiten
Die Erklärung ist nicht nur gemäß Art. 31 Abs. 2 lit. a WVRK für die Auslegung und Anwendung der Beitrittsakte von Bedeutung, sondern sie stellt, wie die allgemeine Bezugnahme auf den gemeinschaftlichen Besitzstand und sämtliche Mitgliedstaaten zeigt, einen Teil des allgemeinen Gemeinschaftsrechts dar. 54 Ihr läßt sich zwar nicht positiv entnehmen, daß eine bestimmte Grundfreiheit - als Teil des in Bezug genommenen gemeinschaftlichen Besitzstandes - den Zweitwohnungserwerb grundsätzlich gewährleistet. Es wird jedoch klargestellt, daß auch im Bereich des Zweitwohnungserwerbs ausdrücklich nur nichtdiskriminierende mitgliedstaatliche Regelungen erlaubt sind. Einschränkungen dürfen sich zudem nur auf die genannten Gründe - Raumordnung, Bodennutzung, Umweltschutz - stützen. Dies bedeutet, daß im Bereich der FA dem ausländischen Arbeitnehmer ein Recht auf Erwerb einer Zweitwohnung zumindest dann zustehen muß, wenn der Aufnahmestaat dies in einem bestimmten Gebiet gegenüber seinen eigenen Staatsangehörigen zuläßt. Das Recht des Arbeitnehmers zum Erwerb einer Zweitwohnung in seinem Aufnahmeland, etwa zu Freizeitzwecken, läßt sich somit aus guten Gründen bejahen. 55 3. Schranken
Als Rechtfertigungsgründe für nichtdiskriminierende Beschränkungen des mit der FA im Zusammenhang stehenden Grundstückserwerbs kommen bereits im Allgemeininteresse bestehende raumplanerische Ziele, wie die Erhaltung einer dauerhaft ansässigen Bevölkerung, der Schutz der regionalen Wirtschaftsstruktur durch eine vom Tourismus unabhängige Wirtschaftstätigkeit56 oder die Verhinderung von Bodenspekulationen57 in Betracht. Auch auf diese Gründe gestützte Beschränkungen des Grundstückserwerbs, etwa durch Aufstellen eines vorherigen Genehmigungserfordernisses, sind neben der Voraussetzung, daß sie nicht diskriminierend angewandt werden dürfen, nur zulässig, wenn keine anderen, weniger einschneidenden Verfahren zum gleichen Ergebnis führen. 58 53 Akte über die Bedingungen des Beitritts des Königreichs Norwegen, der Republik Österreich, der Republik Finnland und des Königreichs Schweden und die Anpassungen der die Europäische Union begründenden Verträge, Schlußakte - II. Erklärung der Bevollmächtigten - 5. Gemeinsame Erklärung zu Zweitwohnungen, ABI. 1994 Nr. C 241 /382 - Hervorhebungen des Verfassers. 54 Ress/Ukrow, in: Crabitz/ Hilf, vor Art. 56 EGV Rn 19. Eine eingehende Erörterung der Regelung erfolgt unter G. IV. 55 Diese Lösung steht unabhängig davon, daß Sekundärrecht primärrechtliche Regelungen nicht abändern oder gar derogieren kann, auch nicht in Widerspruch zu den unten noch ausführlich zu untersuchenden allgemeinen Aufenthaltsrichtlinien, welche den Zweitwohnungserwerb teilweise ausdrücklich ausschließen. Die Richtlinien betreffen nämlich allgemeine Aufenthalts- und Verbleiberechte unabhängig von der Ausübung einer wirtschaftlichen Betätigung im Aufnahmeland. Siehe dazu näher unten E. II. 56 EuCH, Rs. C-302/97, Slg. 1999, S. 1-3135 Rn 40 (Konle). 57 EuCH, Rs. C-182 / 83, Slg. 1984, S. 3684 ff. Rn 3 ff. (Fearon).
III. Immobilienerwerb innerhalb der Arbeitnehmerfreizügigkeit
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In der letztgenannten Voraussetzung spiegelt sich die durch die Rechtsprechung erfolgte Fortentwicklung der FA zu einem allgemeinen Beschränkungsverbot wider. So sind allgemein auch nichtdiskriminierende Behinderungen der FA nur dann gerechtfertigt, wenn sie aus "zwingenden Gründen des Allgemeininteresses" erforderlich und verhältnismäßig i. e. S. sind. 59 Als solche "zwingenden Gründe" kommen alle "mit dem Vertrag zu vereinbarenden berechtigten Zwecke" in Betracht. 6o Dagegen sind diskriminierende Beschränkungen gemäß Art. 39 Abs. 3 EGV ausschließlich aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit61 erlaubt. Der Begriff der öffentlichen Ordnung ist nicht nach nationalem Recht, sondern gemeinschaftsrechtlich zu interpretieren. Um eine möglichst weitgehende Ausübung der Grundfreiheiten zu gewährleisten, ist er eng auszulegen, überläßt dabei jedoch den Mitgliedstaaten aufgrund der landestypischen Besonderheiten einen Beurteilungsspielraum innerhalb der durch den Vertrag gesetzten Grenzen. 62 Allerdings kann nicht in jedweder Gesetzesverletzung eine Störung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung erblickt werden, sondern es bedarf einer tatsächlichen und hinreichend schweren Gefährdung, welche ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. 63 An einer solchen hinreichend schweren Gefährdung fehlt es beispielsweise, wenn der Mitgliedstaat gegenüber seinen eigenen Staatsangehörigen keine entsprechenden Maßnahmen ergreift, um die Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung abzuwehren. 64 Auch sind rein wirtschaftlich motivierte Beschränkungen der Freizügigkeitsrechte, etwa um die heimische Wirtschaft vor ausländischer Konkurrenz zu schützen, unstatthaft. Möglich sind jedoch Einschränkungen zum Zwecke der Bekämpfung schwerwiegender Straftaten wie Steuerhinterziehung, Geldwäsche und organisierte Kriminalität. Gleichfalls können Gründe der Landesverteidigung geltend gemacht werden,65 wobei auch in diesen Fällen stets auf das persönliche Verhalten der betroffenen Personen abgestellt werden muß. Generalpräventive Gründe genügen zur Berufung auf Sonderregelungen nicht. 66 58 Vgl. EuGH, Rs. C-302/97, Sig. 1999, S. 1-3135 Rn 40 (Konle) betreffend ein Genehmigungserfordernis nach dem Tiroler Grundverkehrsgesetz für den Erwerb von Grundstücken durch Staatsangehörige anderer Mitgliedstaaten. 59 EuGH, Rs. C-415/93, Sig. 1995, S. 1-5071 Rn 104 (Bosman). 60 Schwarze, EU-Kommentar, Art. 39 EGV Rn 43. 61 Die öffentliche Gesundheit dürfte im Bereich des Immobilienerwerbs kaum praktische Relevanz besitzen. 62 SO Z. B. EuGH, Rs. 41/74, Sig. 1974, S. 1350 Rn 18 f. (van Duyn). 63 EuGH, Rs. 36/75, Sig. 1975, S. 1231 Rn 26, 28 (Rutili). 64 EuGH, Rs. 115/81 und 116/81, Sig. 1982, S. 1707 f. Rn 8 (Adoui und Cornuaille). 65 Diese können auf der Grundlage des Art. 297 EGV geltend gemacht werden. Erforderlich sind aber zumindest (bürger-)kriegsartige Situationen, von denen konkrete, schwerwiegende Störungen oder Gefahren für die öffentliche Ordnung ausgehen. 66 Vgl. dazu das Urteil des OLG Frankfurt v. 13.2.1992 (16 U 229/88), IPRax 1992, S. 314 ff., welches sich auf spanische Gesetze, die EG-Ausländern den Grunderwerb in
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C. Immobilienerwerb innerhalb der Grundfreiheiten
Auch auf Art. 39 Abs. 3 EGV gestützte, diskriminierende Grunderwerbsbeschränkungen sind nur dann zulässig, wenn sie verhältnismäßig sind. Das nicht nur generell-abstrakt, sondern konkret auf jeden Einzelfall anzuwendende 67 Verhältnismäßigkeitsprinzip erfordert, daß die den Grundstückserwerb beschränkenden nationalen Maßnahmen zur Erreichung der mit ihnen zulässigerweise verfolgten Ziele geeignet sind, nicht über das zu ihrer Erreichung erforderliche Maß hinausgehen sowie in einem angemessenen Verhältnis zu diesen Zielen stehen. In diesem Zusammenhang findet sich in einigen Mitgliedstaaten mitunter die Praxis, den Erwerb eines Grundstücks von einem Wohnsitzetj"ordemis abhängig zu machen 68 bzw. den Erwerb von Wohnungseigentum an die - unterschiedslos für In- und Ausländer geltende - Voraussetzung einer mehrjährigen Ortsansässigkeit zu knüpfen. Dies ist deshalb problematisch, weil es sich hierbei um eine Bedingung handelt, die von Inländern wesentlich häufiger als von Ausländern erfüllt werden dürfte. Letztere werden dadurch in aller Regel stärker behindert. Es liegt deshalb der Verdacht einer versteckten Diskriminierung nahe. Nichtsdestotrotz hat die Kommission die Zulässigkeit einer solchen Warteregel bei der Wohnungsvergabe, "die ohne Ansehen der Staatsangehörigkeit oder des früheren Wohnsitzes gilt", grundsätzlich bejaht. 69 Die Verwendung des Begriffs "Wohnungsvergabe" dürfte den Schluß zulassen, daß das Ortsansässigkeitserfordernis zumindest bei der Vergabe von Sozialwohnungen und finanziellen Förderungen zum Wohnungserwerb legitim ist. Auch die jüngere Rechtsprechung des Gerichtshofes 70 zeigt, daß ein Wohnsitzerfordernis unter gewissen Voraussetzungen als legitim angesehen werden kann. In der Regel ist es dann auf ein bestimmtes geographisches Gebiet beschränkt, betrifft Inländer außerhalb dieses Gebietes in gleicher Weise wie Ausländer und dient der Verfolgung spezifischer, legitimer und nachvollziehbarer Ziele, wie etwa der Erhaltung der landwirtschaftlichen Bevölkerung in einer bestimmten Region. Nichtsdestotrotz bleibt auch in diesen Fällen stets genau zu prüfen, ob tatsächlich ein mit dem Wohnsitzerfordernis erstrebtes Allgemeininteresse besteht oder es sich nicht doch um eine - versteckte - Diskriminierung von Arbeitnehmern anderer Mitgliedstaaten handelt.
besonders geschützten militärischen Zonen zum Zwecke der gewerblichen Niederlassung untersagen, bezieht. Das OLG folgt ansonsten der Rechtsprechung des EuGH in der Rs. 305/87, Sig. 1989, S. 1461 ff. (Kommission/Griechenland). 67 EuGH, Rs. 30/77, Sig. 1977, S. 2012 Rn 27 ff. (Bouchereau). 68 Vgl. z. B. EuGH, Rs. C-224/97, Sig. 1999, S. 1-2536 Rn 14 (Ciola) und Rs. C-350/96, Sig. 1998, S. 1-2521 Rn 29 (Clean Car Autoservice). 69 Vgl. die Antwort von Lord Cockfield auf die schriftliche Anfrage Nr. 721 /88, ABI. 1989 Nr. C 36/23. 70 So z. B. Rs. C-182/83, Slg. 1984, S. 3677 ff. (Fearon); Rs. C-452/01, Slg. 2003, S. 1-9802 Rn 37 (Ospelt).
IV. Immobilienerwerb innerhalb der Niederlassungsfreiheit
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4. Zusammenfassung
Bereits aus dem Primärrecht (Art. 39 Abs. 2 EGV) ergibt sich das Recht des Arbeitnehmers, im Sinne einer "sonstigen Arbeitsbedingung" ein Grundstück sowohl zum Zwecke der Errichtung eines Erst- bzw. Hauptwohnsitzes als auch eines Zweitwohnsitzes, etwa zu Freizeitzwecken, zu erwerben, soweit dies Inländern auch gestattet wird. Bestätigt wird dieses Ergebnis durch die sekundärrechtliche Vorschrift des Art. 9 Abs. I der VO 1612/68/EWG sowie die dazu ergangene Rechtsprechung des EuGH. Diese Rechte können außerhalb der Vorbehaltsregelung des Art. 39 Abs. 3 EGV nur in nichtdiskriminierender Weise aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses eingeschränkt werden, wobei diese Einschränkungen mit dem Verhältnismäßigkeitsprinzip vereinbar sein müssen. IV. Immobilienerwerb innerhalb der Niederlassungsfreiheit
Die in den Art. 43 ff. EGV geregelte Niederlassungsfreiheit (NF) betrifft das Gebiet selbständiger Betätigungen, d. h. gewerbliche, kaufmännische, handwerkliche, landwirtschaftliche und freiberufliche Tatigkeiten. 71 Parallel zu den Zielsetzungen der FA auf dem Gebiet der unselbständigen Beschäftigungen soll die NF für die selbständig Erwerbstätigen vor allem die freie Standortwahl innerhalb der Gemeinschaft gewährleisten, damit eine optimale Allokation und Ausnutzung wirtschaftlicher Ressourcen und Verhältnisse stattfinden kann. Die Möglichkeit der Standortverlegung innerhalb des Gemeinsamen Marktes sowie die freie Gründung von Filialen, Zweigniederlassungen usw. ist von großer wirtschaftlicher Bedeutung sowohl für die einzelnen Unternehmen als auch für das Florieren des Marktes überhaupt. Als Freizügigkeit der Selbständigen ist die NF konstituierender und unabdingbarer Bestandteil für die Schaffung des Binnenmarktes zwischen den Mitgliedstaaten. 72 Ihre praktische Bedeutung ist mit der Vollendung des Binnenmarktes und dem damit einhergehenden Abbau innergemeinschaftlicher Hindernisse stetig gewachsen.
71 Vgl. dazu die in Art. 50 EGV genannten Regelbeispiele, welche die Dienstleistungsfreiheit betreffen. Von dieser unterscheidet sich die Niederlassungsfreiheit v. a. durch die Komponente der Dauerhaftigkeit der Tätigkeit. Für die Eröffnung des Anwendungsbereichs der Niederlassungsfreiheit ist eine Gewinnerzielungsabsicht nicht erforderlich, jedoch muß es sich um eine wirtschaftliche Tätigkeit stabiler und kontinuierlicher Art handeln. Die Verfolgung rein karitativer, religiöser, ideeller oder sportlicher Zwecke ist nicht ausreichend. 72 Vgl. nur Art. 3 Abs. 1 lit. c und Art. 14 Abs. 2 EGY. Die NF wird vom EuGH deshalb auch als grundlegende Vorschrift des Gemeinschaftsrechts bezeichnet, vgl. Rs. C-19/92, Slg. 1993, S. 1-1696 Rn 29 (Kraus).
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C. Immobilienerwerb innerhalb der Grundfreiheiten
1. Rechtsgrundlagen
Die primärrechtlichen Vorschriften der NF befinden sich in den Art. 43 ff. EGV Für den Grundstückserwerb hervorzuheben ist insbesondere Art. 44 Abs. 2 Lit. e EGV, welcher den Erwerb und die Nutzung von Grundbesitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates durch Angehörige eines anderen Mitgliedstaates betrifft. Darüber hinaus haben die Gemeinschaftsorgane, gestützt auf diverse Einzelermächtigungen, wie z. B. Art. 44 Abs. 1,46 Abs. 2, 47 Abs. 1 und 2 EGV, Sekundärrecht zum Zwecke der Liberalisierung der NF73 sowie der Harmonisierung und Koordinierung nationaler Rechtsvorschriften in den verschiedensten beruflichen Bereichen erlassen. 74 Für Fragen des Grundstückserwerbs von besonderem Interesse sind dabei diejenigen Rechtsakte, welche dem begünstigten Personenkreis Aufenthaltsund Verbleiberechte einräumen, wie etwa die RL 73/148/EWG,75 RL 75/341 EWG76 und RL 75 I 35 I EWG,77 oder die Koordinierung von Sondervorschriften regeln, welche die Einreise und den Aufenthalt von Ausländern betreffen, wie etwa die RL 64/221 I EWG. 78 Schließlich existieren auch Regelungen, welche die Verwirklichung der NF auf dem Gebiet der Immobiliengeschäfte betreffen. 79 Der Gerichtshof hat die Art. 43 ff. EGV für unmittelbar anwendbar erklärt, soweit sie den Grundsatz der Inländergleichbehandlung beinhalten. 8o Der einzelne kann sich somit gegenüber dem Aufnahmestaat unmittelbar auf die Vorschriften berufen. Dessen Behörden sind zu ihrer Beachtung verpflichtet, ohne daß der Erlaß nationaler Durchführungsbestimmungen erforderlich wäre. 81 73 Z. B. das Allgemeine Programm zur Aufhebung der Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit, ABI. 1962, S. 36 ff. 74 Eine Übersicht zu den Regelungen in unterschiedlichsten Berufsfeldern gibt Oppermann, § 26 Rn 43 ff. 75 RL 73/148/EWG des Rates v. 21. 5.1973 zur Aufhebung der Reise- und Aufenthaltsbeschränkungen für Staatsangehörige der Mitgliedstaaten innerhalb der Gemeinschaft auf dem Gebiet der Niederlassung und des Dienstleistungsverkehrs, ABI. 1973 Nr. L 172/14. 76 RL 75/34/EWG des Rates v. 17. 12. 1974 über das Recht der Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats, nach Beendigung der Ausübung einer selbständigen Tätigkeit im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats zu verbleiben, ABI. 1975 Nr. L 14/10. 77 RL 75/35/EWG des Rates v. 17.12.1974 zur Erweiterung des Geltungsbereiches der RL 64/221/EWG zur Koordinierung der Sondervorschriften für die Einreise und den Aufenthalt von Ausländern, soweit sie aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit gerechtfertigt sind, auf die Staatsangehörigen eines Mitgliedstaates, die von dem Recht, nach Beendigung einer selbständigen Tätigkeit im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates zu verbleiben, Gebrauch machen, ABI. 1975 Nr. L 14/4. 78 RL 64/221/EWG des Rates v. 25.2.1964 zur Koordinierung der Sondervorschriften für die Einreise und den Aufenthalt von Ausländern, soweit sie aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit gerechtfertigt sind, ABI. 1964, S. 850 ff. 79 Vgl. die RL des Rates v. 12. 1. 1967 über die Verwirklichung der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs für selbständige Tätigkeiten auf dem Gebiet der Immobiliengeschäfte, ABI. 1967, S. 140 ff. 80 EuGH, Rs. 2/74, Sig. 1974, S. 652 Rn 24 ff. (Reyners) noch zu Art. 52 EWGV - st. Rspr.
IV. Immobilienerwerb innerhalb der Niederlassungsfreiheit
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2. Gewährleistungsinhalt
a) Grundsätzliche Gewährleistungen Gemäß Art. 43 Abs. 2 EGV umfaßt die NF die Aufnahme und Ausübung selbständiger Erwerbstätigkeit sowie die Gründung und Leitung von Unternehmen nach den Bestimmungen des Aufnahmestaates für seine eigenen Angehörigen. Dies beinhaltet auch die sog. sekundäre NF, nämlich die Gründung von Agenturen, Zweigniederlassungen oder Tochtergesellschaften (Art. 43 Abs. 1 S. 2 EGV). Kern der NF ist also die Herstellung der Inländergleichbehandlung. Auf die Frage, ob die NF ein darüber hinausgehendes allgemeines Beschränkungsverbot derart enthält, daß auch auf In- und Ausländer unterschiedslos anwendbare nationale Regelungen nur dann zulässig sind, wenn sie durch "zwingende Erfordernisse des Allgemeininteresses" gerechtfertigt sind, wird noch einzugehen sein. Begünstigte der NF sind zum einen alle natürlichen Personen mit der Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaates, welche auf Dauer einer selbständigen Erwerbstätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat nachgehen bzw. dort ein Unternehmen gründen und leiten wollen. Für Hauptniederlassungen gilt dies unabhängig davon, ob ihre Inhaber selbst ihren Wohnsitz innerhalb oder außerhalb der Gemeinschaft haben. 82 Im Bereich der Sekundärniederlassungen ist allerdings erforderlich, daß deren Gründer im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates ansässig sind (Art. 43 Abs. 1 S. 2 EGV). Drittstaatsangehörige sind zwar selbst nicht Träger eines eigenständigen Niederlassungsrechts, kommen aber, ähnlich wie bei der Freizügigkeit der Arbeitnehmer, als Familienangehörige eines Begünstigten in den Genuß von Reise- und Aufenthaltsrechten nach der RL 73/ 148/EWG. 83 Gemäß Art. 48 Abs. 1 EGV sind den natürlichen EG-Angehörigen die nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaates gegründeten Gesellschaften, die ihren satzungsmäßigen Sitz, ihre Hauptverwaltung oder ihre Hauptniederlassung innerhalb der Gemeinschaft haben, gleichgestellt. Dazu zählen auch Gesellschaften des bürgerlichen Rechts, des Handelsrechts einschließlich der Genossenschaften und sonstige juristische Personen des öffentlichen und privaten Rechts. Voraussetzung 81 Dies gilt auch für Staatsangehörige eines Mitgliedstaates, welche aus dem EG-Ausland "nach Hause" zurückkehren möchten, vgl. dazu EuGH, Rs. 115/78, Sig. 1979, S. 410 Rn 24 (Knoors) für die Fälle, in denen ein Unionsbürger nach Erwerb einer ausländischen Qualifikation in sein eigenes Land zurückkehrt und sich in einer Lage befindet, welche mit Angehörigen anderer Mitgliedstaaten vergleichbar ist. Es bedarf jedoch auch in diesen Fällen stets eines grenzüberschreitenden Elements - hier des rechtmäßigen Aufenthaltes in einem anderen Mitgliedstaat. Auf rein interne Verhältnisse finden die Vorschriften der Grundfreiheiten keine Anwendung. 82 Oppermann, § 26 Rn 7 f. 83 Art. 1 Abs. 1 lit. c und d der RL 73/ 148/ EWG beziehen sich auf den Ehegatten, Kinder unter 21 Jahren, sowie Verwandte in auf- und absteigender Linie, denen Unterhalt gewährt wird.
5 Hubatsch
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C. Immobilienerwerb innerhalb der Grundfreiheiten
ist lediglich, daß sie einen Erwerbszweck verfolgen (Art. 48 Abs. 2 EGV), d. h. am allgemeinen Wirtschaftsleben teilnehmen. 84 b) Relevanz für den Immobilienerwerb Im Rahmen der NF kann der Immobilienerwerb in mehrfacher Hinsicht von Bedeutung sein: Zum einen kann ein Grundstück für die Ausübung einer selbständigen Tätigkeit benötigt werden, um darauf Produktionsstätten oder sonstige, der selbständigen Tätigkeit unmittelbar dienende Einrichtungen zu errichten (Betriebsgrundstücke). Einen Sonderfall stellt dabei die Grundstücksnutzung zu landwirtschaftlichen Zwecken dar. Darüber hinaus kommt der Erwerb von Grundeigentum zum Zwecke der Errichtung eines Wohnsitzes, wiederum unterschieden nach Erst- und Zweitwohnsitzen, in Betracht (Privatgrundstücke). Schließlich ist auch noch denkbar, daß der An- und Verkauf bzw. eine damit zusammenhängende Vermietung oder Verpachtung von Immobilien den eigentlichen Gegenstand der selbständigen Tätigkeit des sich Niederlassenden ausmacht (Immobiliengeschäfte).
(1) Betriebsgrundstücke Der in Art. 43 Abs. 2 EGVaufgestellte Grundsatz der Inländergleichbehandlung bezieht sich zunächst auf all diejenigen Handlungen, welche mit der Ausübung der NF in direktem Zusammenhang stehen. Insofern ist zu untersuchen, ob dem Niederlassungswilligen, welcher i. d. R. für die Ausübung seiner Tätigkeiten Räumlichkeiten bzw. Betriebsflächen benötigt, lediglich das Recht eingeräumt wird, sich diese mittels schuldrechtlicher Miet- oder Pachtverträge zu beschaffen, oder ob er darüber hinaus auch die Möglichkeit hat, Grundstücke zwecks Errichtung von Betriebsstätten zu Eigentum zu erwerben. In diese Richtung zielt bereits eine 1984 an die Kommission gerichtete schriftliche Anfrage folgenden Wortlauts: "Kann die Kommission mitteilen, ob es für Firmen oder Einzelpersonen eines Mitgliedstaats Beschränkungen rechtlicher, steuerlicher oder anderer Art gibt, Grundstücke für Büros, Ausstellungsräume oder Werkstätten in einem anderen Mitgliedstaat zu erwerben?"
Darauf nimmt die Kommission folgendermaßen Stellung: "Durch den unmittelbar anwendbaren Artikel 52 EWG-Vertrag sind Beschränkungen aller Art für den Erwerb von Grundstücken, die für die Ausübung einer beruflichen 1ätigkeit bestimmt sind, in einem Mitgliedstaat durch Gesellschaften oder Staatsangehörige eines anderen Mitgliedstaats aufgehoben worden. Die einzigen zulässigen Ausnahmen ergeben sich aus dem Vertrag selbst, beispielsweise in Anwendung von Art. 56 aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit.,,85 84 Oppermann, § 26 Rn 10. Eine darüber hinausgehende Gewinnerzielungsabsicht ist nicht erforderlich. 85 ABI. 1984 Nr. C 213, S. 12 f. - Hervorhebung des Verfassers.
IV. Immobilienerwerb innerhalb der Niederlassungsfreiheit
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GA Jacobs äußert sodann in der Rechtssache Kommission/Griechenland 86 : "Das Recht, in einem anderen Mitgliedstaat Eigentümer von Immobilien zu sein oder sie zu mieten, ist offensichtlich ein unentbehrliches Attribut des Rechts, sich dort niederzulassen, wenn dieses Recht irgendeinen praktischen Gehalt haben soll. Darüber hinaus muß das Recht, Eigentümer von Immobilien zu sein oder sie zu mieten, wenn es Sinn haben soll, auch das Recht umfassen, die Immobilien zu nutzen und frei über sie zu verfügen.,,87
Bestätigt wird diese Auffassung durch die primärrechtliche Vorschrift des Art. 44 Abs. 2 Lit. e EGV, welche dem Rat und der Kommission die Aufgabe überträgt, zwecks Verwirklichung der NF den Erwerb und die Nutzung von Grundbesitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates durch Angehörige eines anderen Mitgliedstaates zu ermöglichen. 88 In Verbindung mit dem Allgemeinen Programm zur Aufhebung der Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit, 89 welches ebenfalls auf das Recht zum Erwerb unbeweglichen Vermögens verweist,90 läßt sich daraus die grundsätzliche Entscheidung für die Freiheit des Immobilienerwerbs innerhalb der NF ableiten. 91 Schließlich folgt auch der Gerichtshof im Urteil Kommission/Griechenland den Ausführungen des Generalanwalts und sieht den Erwerb und die Nutzung von Immobilien als durch die NF gewährleistet an, indem er feststellt: "Insbesondere stellt das Recht, im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats Immobilien zu erwerben, zu nutzen und darüber zu verfügen, die notwendige Ergänzung der Niederlassungsfreiheit dar, wie sich aus Artikel 54 Absatz 3 Buchstabe e EWG-Vertrag und aus 86 EuGH, Rs. 305/87, Sig. 1989, S. 1473 ff. 87 Schlußanträge von GA Jacobs in der Rs. 305/87, Sig. 1989, S. 1469 f. Rn 8. 88 Die Anwendbarkeit der in Art. 44 Abs. 2 EGV genannten Grundsätze ist nicht mehr vom Erlaß weiterer Durchführungsmaßnahmen abhängig, da sie sämtlich auf die Inländergleichbehandlung abzielen und daher unmittelbar anwendbares Recht darstellen, vgl. Eilmannsberger; S. 6 (Fn 5). 89 ABI. 1962, S. 36 ff. Der EuGH sieht in diesem Programm eine Orientierungshilfe derart, daß es "nützliche Hinweise zur Durchführung der Bestimmungen des Vertrages über die Niederlassungsfreiheit und den freien Dienstleistungsverkehr" enthält, vgl. Rs. 63/86, Sig. 1988, S. 52 Rn 14 (Kommission/Italien). 90 Vgl. Abschnitt III A lit. d des Programms, ABI. 1962, S. 36 ff., der sich auf die normalerweise mit der Ausübung einer selbständigen Tätigkeit verbundenen Rechte bezieht, insbesondere auf die Befugnis ,,( ... ) unbewegliches Vermögen zu erwerben, zu nutzen oder darüber zu verfügen". Darauf nimmt auch GA Da Cruz Vilaca in seinen Schlußanträgen in der Rs. 63/86, Sig. 1988, S. 44 Rn 57 (Kommission !Italien) Bezug, um damit die Möglichkeit des Erwerbs von Wohnungen, welche mit öffentlichen Mitteln errichtet worden sind, im Rahmen der Niederlassungsfreiheit zu begründen. 91 Hörtenhuber; S. 224. Auch GA Jacobs, Rs. 305/87, Sig. 1989, S. 1469 f. Rn 8 (Kommission I Griechenland) zieht zur Begründung eines Immobilienerwerbsrechts neben Art. 54 Abs. 3 lit. e EWGV das Allgemeine Programm heran. Die Kommission charakterisiert in diesem Rechtsstreit das Recht, Immobilien im Rahmen der Ausübung des Niederlassungsrechts zu erwerben und zu nutzen als speziellere Ausdrucksform der Niederlassungsfreiheit, vgl. den diesbezüglichen Sitzungsbericht unter III A (S. 1465). 5*
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C. Immobilienerwerb innerhalb der Grundfreiheiten dem Allgemeinen Programm zur Aufhebung der Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit vom 18. Dezember 1961 ( ... ) ergibt.,,92
Soweit also der Niederlassungswillige Räumlichkeiten bzw. Betriebsflächen für die Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit benötigt, wird ihm auch das Recht eingeräumt, zu diesem Zweck Grundstücke unter den gleichen Voraussetzungen zu erwerben wie ein Inländer. 93 Dies gilt unabhängig davon, ob der Tätigkeit im Sinne einer Haupt- oder lediglich Sekundärniederlassung, d. h. Agentur, Zweigstelle oder Tochtergesellschaft, nachgegangen wird. Auch im letzteren Falle ist der Erwerb einer Liegenschaft unmittelbar mit der wirtschaftlichen Tätigkeit verknüpft. Nur auf diese Weise wird dem Inländergleichbehandlungsgebot des Art. 43 Abs. 2 EGVentsprochen. (2) Privatgrundstücke
Ob sich aus Art. 43 i. V. m. Art. 44 Abs. 2 lit. e EGV sowie dem zitierten Allgemeinen Programm zur Aufhebung der Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit auch das Recht des Selbständigen ergibt, Grundeigentum zu privaten Wohn zwecken zu erwerben, war zunächst umstritten. 94 Gegen ein derartiges Erwerbsrecht wurde eingewendet, daß privat genutzte Grundstücke im allgemeinen für den wirtschaftlichen Erfolg einer Niederlassung nicht unbedingt erforderlich seien, da die Wirtschaftskraft eines Unternehmens nicht davon abhänge, ob der Unternehmer in einem eigenen Haus oder lediglich zur Miete wohne. Dem Tenor des Allgemeinen Programms zur Aufhebung der Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit läßt sich lediglich entnehmen, daß dem Selbständigen die Möglichkeit einzuräumen ist, unbewegliches Vermögen insoweit zu erwerben, zu nutzen und darüber zu verfügen, als es sich um ein "normalerweise mit einer selbständigen Tatigkeit verbundenes Recht" handelt. Dabei wird aber gerade keine Aussage darüber getroffen, ob der Grunderwerb zu Wohnzwecken ein solches Recht darstellt. 95 Die Beantwortung dieser Frage bedarf daher noch einer näheren Untersuchung. Aufgrund der unterschiedlichen Interessenlage wird dabei im Ansatzpunkt wiederum zwischen Erst- bzw. Hauptwohnsitzen einerseits und Zweitwohnsitzen andererseits unterschieden.
92 EuCH, Rs. 305/87, Sig. 1989, S. 1478 f. Rn 22, zuletzt in Rs. C-302/97, Sig. 1999, S. 1-3131 Rn 22 (Konle). 93 So auch Eilmannsberger, S. 6; Novak, S. 254. 94 Dagegen etwa Rande1zhofer, in: Crabitz/ Hilf, (EL 5), Art. 54 Rn 28: "ausschließlich zu gewerblichen Zwecken". 95 Hummer/Schweitzer, Ausverkauf, S. 158.
IV. Immobilienerwerb innerhalb der Niederlassungsfreiheit
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(a) Erwerb von Erst-/Hauptwohnsitzen Hinsichtlich des Rechts, Grundeigentum zum Zwecke der Wohnungsnahme am Orte der (Haupt-)Niederlassung zu erwerben, hat der Gerichtshof bereits in der Rechtssache Kommission/Italien unter Bezugnahme auf das Allgemeine Programm zur Aufhebung der Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit entschieden: "Bei einer natürlichen Person setzt die Ausübung der beruflichen Tätigkeit nicht nur die Möglichkeit voraus ( ... ), Zugang zu Räumlichkeiten zu erhalten, von denen aus die Tätigkeit betrieben werden kann, sondern auch die Möglichkeit, eine Wohnung zu beziehen. "
Weiter wird ausgeführt: "Um die vollständige Gleichheit im Wettbewerb zu sichern, ist es deshalb erforderlich, daß Angehörige eines Mitgliedstaats, die in einem anderen Mitgliedstaat eine selbständige Tlitigkeit auszuüben wünschen, dort unter den gleichen Voraussetzungen eine Wohnung beziehen können wie ihre Mitbewerber, die Angehörige des letztgenannten Staates sind. ,,96
Der Ausdruck des "Beziehens einer Wohnung" wird zwar im Zusammenhang mit dem Zugang zu Sozialwohnungen und sonstigen finanziellen Begünstigungen zum Zwecke der Abmilderung der mit einem Wohnungsbezug verbundenen finanziellen Belastungen verwendet. Er ist aber nicht nur im Sinne eines Rechts zum Erwerb oder gar nur zum Anmieten einer Wohnung im engeren Sinne zu verstehen, sondern bezieht sich, wie die Berufung auf das im Allgemeinen Programm umfassend gewährte Recht, unbewegliches Vermögen erwerben zu können, zeigt, auch auf den Erwerb von Grundstücken. Für eine derartige Auslegung lassen sich zudem die Ausführungen des EuGH in der Rechtssache Kommission/Griechenland heranziehen. Dort wird das Recht zum Immobilienerwerb allgemein als notwendige Ergänzung der NF bezeichnet und nicht zwischen einer privaten und einer gewerblichen Nutzung der Grundstücke unterschieden. Zudem ist die Einräumung eines umfassenden Grunderwerbsrechts auch vor dem Hintergrund einleuchtend, daß in der Praxis die Abgrenzung zwischen einer privaten und gewerblichen Nutzung nicht immer exakt durchführbar sein wird. So sind diverse Fallgestaltungen, etwa im Bereich der Heimarbeit, denkbar, in denen der Selbständige von seinem Wohnhaus aus seiner gewerblichen Tatigkeit nachgeht bzw. auf dem gewerblich genutzten Grundstück wohnt. Dies spricht dafür, daß von einem von der Nutzungsart unabhängigen Erwerbsrecht des sich Niederlassenden ausgegangen werden kann. Der Erwerb eines Grundstücks zu Wohnzwecken am Ort der Hauptniederlassung wird nicht zuletzt auch deshalb zu bejahen sein, um eine SchlechtersteIlung des Selbständigen im Verhältnis zu einem Arbeitnehmer - entgegen den Zielen des EGV - zu vermeiden. 97 EuGH, Rs. 63/86, Slg. 1988, S. 52 f. Rn 14- 16 - Hervorhebungen des Verfassers. So auch Hörtenhuber, S. 224; Hummer/Schweitzer, Raumordnung, S. 312; dieselben, Ausverkauf, S. 159. 96
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C. Immobilienerwerb innerhalb der Grundfreiheiten
Da eine Wohnungsnahme zur Ausübung der erwerbs wirtschaftlichen Tatigkeit grundsätzlich erforderlich sein kann bzw. ein Recht zum Immobilienerwerb in der Terminologie des Gerichtshofes eine "nützliche allgemeine Befugnis,,98 der NF darstellt, läßt sich ein Recht des Selbständigen, ein Grundstück zu Wohnzwecken am Orte der Hauptniederlassung zu erwerben, bejahen. 99 (b) Erwerb von Zweitwohnsitzen Zunächst ist fraglich, ob dem Niederlassungswilligen ein Recht zum Grunderwerb zum Zwecke der Errichtung eines Wohnsitzes auch für den Fall zusteht, daß er in dem betreffenden Mitgliedstaat lediglich eine Sekundärniederlassung begründen oder gar bloß einen Freizeitwohnsitz, etwa ein Ferienhaus oder -appartement, erwerben will. Die Kommission vertritt unter Berufung auf Art. 54 Abs. 3 lit. e EWGV (Art. 44 Abs. 2 lit. e EGV n. E), das Allgemeine Programm zur Aufhebung der Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit sowie die RL 67/43/ EWG IOO allgemein die Auffassung, daß die NF als speziellere Ausdrucksform das Recht beinhalte, eine Zweitwohnung zu erwerben, wenn dies der Ausübung der NF zugute komme. 101 In diese Richtung zielt auch die Entscheidung des Gerichtshofes in der Rechtssache Kommission / Italien, in der er zunächst allgemein judiziert, das von der NF umfaßte Diskriminierungsverbot betreffe "nicht allein die Vorschriften, die sich speziell auf die Ausübung der einschlägigen Berufstätigkeiten beziehen, sondern auch diejenigen, bei denen es um die verschiedenen,für die Ausübung dieser 1ätigkeiten nützlichen allgemeinen Befugnisse geht." 102 Als Beispiel für diese allgemeinen Befugnisse nennt er dann - ohne dabei zwischen Erst- und Zweitwohnsitzen zu differenzieren - u. a. das Recht, unbewegliches Vermögen zu erwerben, zu nutzen oder darüber zu verfügen. Der EuGH erkennt aber auch, daß in der Praxis das Bedürfnis nach einer Wohnung nicht in allen Fällen der Niederlassung gleich stark ist, und führt weiter aus: "Es läßt sich jedoch nicht von vornherein ausschließen, daß jemand zwar seine Hauptniederlassung in einem bestimmten Mitgliedstaat 98 Zu diesem bereits ausreichenden Aspekt siehe EuGH, Rs. 305/87, Sig. 1989, S. 1478 Rn 21 (Kommission / Griechenland). 99 Nicht zuletzt stellt die Möglichkeit des Grunderwerbs am Orte der Hauptniederlassung einen nicht unbeträchtlichen Anreizfaktor zur Verlegung der beruflichen Tätigkeit in einen anderen Mitgliedstaat dar und dient somit einer generellen Verwirklichung und Förderung der Niederlassungsfreiheit im Binnenmarkt. 100 RL 67/43/ EWG des Rates vom 12. 1. 1967 über die Verwirklichung der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs für selbständige Tatigkeiten auf dem Gebiet der Immobiliengeschäfte, ABI. 1967, S. 140. 101 Vgl. den Sitzungsbericht zur Rs. 305/87, Sig. 1989, S. 1465 f. (Kommission/Griechenland). 102 EuGH, Rs. 63/86, Sig. 1988, S. 48 Rn 14 (Kommission /Italien), bestätigt in Rs. 305/87, Sig. 1989, S. 1478 Rn 21 (Kommission/Griechenland) - Hervorhebung des Verfassers.
IV. Immobilienerwerb innerhalb der Niederlassungsfreiheit
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beibehält, jedoch genötigt ist, seine berufliche Tätigkeit während eines derart ausgedehnten Zeitraums in einem anderen Mitgliedstaat auszuüben, daß er dort eine feste Wohnung benötigt ( ... ). Hieraus ergibt sich, daß nicht zwischen verschiedenen Formen der Niederlassung unterschieden werden kann ( ... )".103 Diese Ausführungen beziehen sich erkennbar auf Fälle des Grunderwerbs zu Wohnzwecken am Orte einer Sekundämiederlassung, also Zweigstellen, Filialen oder ähnlichem. In diesem Bereich kommt es im jeweiligen Einzelfall darauf an, wie groß der ZeitauJwand des Betriebsinhabers oder Geschäftsführers für die Bewältigung seiner beruflichen Tätigkeit ist und inwieweit er gegebenenfalls ein berechtigtes Bedürfnis zur Wohnungsnahme und damit zum Grundstückserwerb hat. 104 Entscheidend ist also, inwieweit der Grundstückserwerb für den betrieblichen Erfolg des Selbständigen von Bedeutung ist. Kriterien für die Festlegung der erforderlichen Zeitdauer des berufsbedingten Aufenthaltes sind bisher jedoch noch nicht aufgestellt worden und bleiben letztlich der Rechtsprechung des EuGH überlassen. Von der Begründung eines Zweitwohnsitzes am Orte der Sekundärniederlassung zu unterscheiden ist schließlich noch der Fall, daß ein Selbständiger ein Grundstück zum Zwecke der Errichtung eines Ferienwohnsitzes erwerben will, ohne daß der Erwerb also in einem unmittelbaren Bezug zu seiner beruflichen Tätigkeit steht. Ein solches Recht wird in der Literatur überwiegend abgelehnt. 105 Es bedarf hier von vornherein einer weiteren Unterscheidung möglicher Fallkonstellationen: Denkbar ist nämlich zum einen der Fall, daß ein Unionsbürger in einem Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit er nicht besitzt, einen Ferienwohnsitz ohne Bezug zu einer selbständigen Tätigkeit in diesem Land errichten will, um sich dort - im umgangssprachlichen Sinne - "niederzulassen". Die Berufung auf die NF ist hier schon deshalb ausgeschlossen, weil der Grundstückserwerb in keinerlei Zusammenhang mit einer grenzüberschreitenden selbständigen Tätigkeit steht, und daher der Anwendungsbereich der NF nicht eröffnet ist. Davon zu unterscheiden ist derjenige Fall, in dem ein selbständig Erwerbstätiger eines anderen Mitgliedstaates in seinem Aufnahmeland, in welchem er eine Haupt- oder Zweitniederlassung begründet hat, ein Grundstück zu Freizeit- und Erholungszwecken erwerben möchte. Hier ist der Anwendungsbereich der NF nämlich grundsätzlich eröffnet. 103 EuGH, Rs. 63/86, a. a. 0., Rn 19; GA Da Cruz Vilaca verneint dagegen in seinen Schlußanträgen das Recht zum Wohnungserwerb im Falle einer Zweitniederlassung mit der Begründung, es bestehe zwischen dem Berufstätigen und dem Ort der Tatigkeit kein dauerhaftes und festes Band, das es gestatte, eine ausreichend gesicherte Beziehung zwischen Berufsausübung und Wohnungserwerb anzunehmen. Er spricht sich deshalb für eine Unterscheidung zwischen Haupt- und Zweitniederlassung aus, vgl. Slg. 1988, S. 44 Rn 59 ff. 104 So auch Hummer/Schweitzer, Ausverkauf, S. 159 f.; Hörtenhuber, S. 224 f.; SchmidjeU, S. 11. 105 Hörtenhuber, S. 225; Novak, S. 254.
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C. Immobilienerwerb innerhalb der Grundfreiheiten
Gegen ein Grunderwerbsrecht in diesen Fällen ließe sich vordergründig die Rechtsprechung anführen, welche bereits den Grunderwerb zu Wohnzwecken am Orte der Sekundärniederlassung insoweit bedingt hat, als im Einzelfall ein längerer zeitlicher Aufenthalt des Selbständigen zur Verfolgung seiner Tätigkeit nötig erscheinen muß. Dann, so ließe sich argumentieren, müßte erst recht in den Fällen, in denen gar keine (unmittelbar) berufliche Notwendigkeit zum Aufenthalt besteht, ein Erwerbsrecht zu bloßen Freizeitzwecken abgelehnt werden. Allerdings ist zu beachten, daß die Möglichkeit, sich im Aufnahmeland zu Erholungszwecken einen Freizeitwohnsitz zulegen zu können, einen nicht unbeträchtlichen Anreiz zur Niederlassung in diesem Mitgliedstaat darstellen kann. Dies kann für die Ausübung dieser auch als "Grundpfeiler der Verwirklichung des Binnenmarktes" bezeichneten Grundfreiheit durchaus sehr förderlich sein. 106 Vor allem ist zu berücksichtigen, daß es sich hier um einen Fall handelt, welcher mit der Freizügigkeit der Arbeitnehmer bis auf den Unterschied vergleichbar ist, daß es sich dort um eine unselbständige Tätigkeit handelt. Dem Arbeitnehmer wurde die Möglichkeit des Erwerbs eines Freizeitwohnsitzes mit der Begründung zugestanden, daß die Erholung in der Freizeit der Wiederherstellung der Arbeitskraft und damit mittelbar auch der Ausübung der wirtschaftlichen Tätigkeit selbst dient. Die Erholung wird als eine "sonstige Arbeitsbedingung" im Sinne des Art. 39 Abs. 2 EGV angesehen. Nichts anderes kann für den Selbständigen gelten. Auch ihm ermöglicht Freizeit die Wiederherstellung und Erholung seiner Leistungsfähigkeit und dient damit - zumindest mittelbar - der wirtschaftlichen Betätigung selbst. Sie kann folglich als wichtige Bedingung der selbständigen Tätigkeit begriffen und somit dem Anwendungsbereich der NF zugeordnet werden. Da kein nachvollziehbarer Grund dafür ersichtlich ist, die in dieser Hinsicht parallel verlaufenden Fälle von FA und NF unterschiedlich zu behandeln und damit Selbständige gegenüber Arbeitnehmern zu benachteiligen, muß auch ersteren ein Grunderwerbsrecht zu Freizeitzwecken zugestanden werden, wenn und soweit dies Inländern ebenfalls gestattet ist. Diese Lösung ist zudem mit der Gemeinsamen Erklärung Nr. 5 zu Zweitwohnungen vereinbar, welche es den Mitgliedstaaten zwar erlaubt, aus Gründen der Raumordnung, Bodennutzung und des Umweltschutzes Einschränkungen im Bereich der Zweitwohnungen vorzunehmen, andererseits aber nur In- und Ausländer gleichermaßen betreffende Maßnahmen zuläßt. 107 Um vor allem eine willkürlich erscheinende Benachteiligung des Selbständigen gegenüber einem Arbeitnehmer zu vermeiden, dürfte ein Grunderwerbsrecht zum Zwecke der Errichtung eines Freizeitwohnsitzes im Aufnahmeland des Selbständigen grundsätzlich zu bejahen sein. Die Verwirklichung der NF würde dadurch jedenfalls optimal gefördert, da in einer solchen Erwerbsmöglichkeit im Einzelfall ein erheblicher Anreiz zur Standortverlegung liegen kann. Für die endgültige 106 So Hummer/Schweitzer, Ausverkauf, S. 159 für die Möglichkeit der Beschaffung von privatem Grundeigentum am Ort der Niederlassung. 107 Siehe dazu oben III. 2. b) (2) bezüglich der FA sowie ausführlich unten G. IV.
IV. Immobilienerwerb innerhalb der Niederlassungsfreiheit
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Beantwortung dieser Frage bleibt allerdings die weitere Rechtsprechung des EuGH abzuwarten, der bezüglich des Zweitwohnungserwerbs im Rahmen einer sekundären Niederlassung ein bislang nicht näher konkretisiertes Mindestzeiterfordernis postuliert und sich zur Frage eines Ferienwohnsitzes noch gar nicht geäußert hat. (3) Sonderfall Landwirtschaft
Einen Sonderfall der NF stellt die Landwirtschaft dar. Diese Sonderstellung ergibt sich u. a. aus Art. 44 Abs. 2 lit. e EGV, der als programmatische Vorschrift über den Erwerb von Grundbesitz auf die Regelung des Art. 33 Abs. 2 EGV verweist und damit den Immobilienerwerb an die Gestaltungserfordernisse der gemeinsamen Agrarpolitik koppelt. 108 Dies entspricht der im Vertrag allgemein angelegten Sonderstellung der Landwirtschaft und Agrarpolitik. 109 Die Notwendigkeit des Grunderwerbs ist im Bereich der Landwirtschaft - außerhalb planwirtschaftlicher Wirtschaftsformen - evident. Dies gilt vor allem für den Bereich der Betriebsgrundstücke, d. h. der unmittelbar landwirtschaftlich genutzten Flächen. Zwar enthält das Kapitel Landwirtschaft selbst keine unmittelbaren Bestimmungen über den Erwerb von Grund und Boden. Der Rat hat jedoch auf Grundlage des Art. 54 Abs. 2 und 3 EWGV (Art. 44 Abs. 2 EGV n.F.) einschlägige sekundärrechtliche Vorschriften 110 erlassen, denen allerdings wegen der nunmehr unmittelbaren Anwendbarkeit des Art. 43 EGV bloß vorübergehende Bedeutung zukam. Für die nicht ausdrücklich durch die einschlägigen Richtlinien geregelten Fragen läßt sich die Freiheit des Grunderwerbs im landwirtschaftlichen Bereich nunmehr direkt aus Art. 43 i. V. m. Art. 44 Abs. 2 lit. e EGVableiten. 111 Dies gilt auch für das Recht zum Grunderwerb zu privaten Wohnzwecken, welches prinzipiell zu bejahen ist. Insoweit kann auf die allgemeinen Ausführungen zu den Privatgrundstücken verwiesen werden. 108 Siehe näher zu diesem Zusammenhang zwischen der gemeinsamen Agrarpolitik und Regelungen des Liegenschaftserwerbs die Schlußanträge des GA Geelhoed in der Rs. C-452/01, Sig. 2003, S. 1-9771 Rn \05 ff. (Ospelt). 109 Hummer/Schweitzer, Ausverkauf, S. 163. 110 So z. B. die RL 63/261/EWG über die Einzelheiten für die Verwirklichung der Niederlassungsfreiheit in der Landwirtschaft im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates für Angehörige der anderen Länder der Gemeinschaft, die als landwirtschaftliche Arbeitnehmer zwei Jahre lang ohne Unterbrechung in diesem Mitgliedstaat gearbeitet haben, ABI. 1963, S. 1323 ff., die in Art. 4 Abs. 2 lit. a i. V. m. Art. 1 ein Grunderwerbsrecht gewährt; RL 63/2621 EWG über die Einzelheiten für die Verwirklichung der Niederlassungsfreiheit für landwirtschaftliche Betriebe, die seit mehr als zwei Jahren verlassen sind oder brachliegen, ABI. 1963, S. 1327 ff., ein Erwerbsrecht folgt hier aus Art. 4 Abs. llit. a. Weitere Nachweise zu einschlägigen sekundärrechtlichen Vorschriften finden sich bei Hummer/Schweitzer, Ausverkauf, S. 164. 111 Hummer/Schweitzer, Ausverkauf, S. 165 (noch zu Art. 52 i. V. m. Art. 54 Abs. 3 lit. e EWGV).
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C. Immobilienerwerb innerhalb der Grundfreiheiten
(4) Sondeifall Immobiliengeschäfte
Über die Fälle des Erwerbs von Privat- und Betriebsgrundstücken hinaus kann der Immobilienerwerb auch insofern von Bedeutung sein, als der An- und Verkauf, die Vermietung oder Verpachtung sowie die Verwaltung von Grundeigentum den eigentlichen Gegenstand einer selbständigen Tätigkeit ausmacht. In diesem Bereich existiert eine sekundärrechtliche Sonderregelung in Form der Richtlinie 67/43/EWG des Rates vom 12.1.1967 über die Verwirklichung der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs für selbständige Tätigkeiten auf dem Gebiet 1. der " Immobiliengeschäfte (außer 6401)" (Gruppe aus 640 ISIC), 2. einiger " sonstiger Dienste für das Geschäftsleben" (Gruppe 839 ISIC). 112 Die RL ist u. a. auf Art. 54 Abs. 2 u. 3 EWGV (Art. 44 Abs. 1 u. 2 EGV n. F.) sowie auf das Allgemeine Programm zur Aufhebung der Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit gestützt. Gemäß Art. 2 Abs. 2 der RL werden alle Immobiliengeschäfte der Personen oder Gesellschaften umfaßt, die ihr Einkommen gewerbsmäßig entweder aus Kauf, Verkauf, Vermietung, Verpachtung oder Verwaltung von bebauten oder unbebauten Grundstücken oder aus der Tätigkeit als Sachverständiger oder Vermittler bei Geschäften mit diesen Sachen erwirtschaften. Wie sich aus den in Art. 2 der RL genannten Tätigkeiten ergibt, stellt der Immobilienerwerb in diesen Fällen eine unabdingbare Voraussetzung für deren Ausübung dar. Ziel der RL ist die Beseitigung von Beschränkungen dieser Tätigkeiten, unabhängig von der Bezeichnung der Personen, die diese ausüben. Die einzelnen zu beseitigenden Beschränkungen werden in Art. 5 der RL aufgezählt und betreffen allgemein sämtliche Hindernisse, welche den Begünstigten daran hindern, sich unter den gleichen Bedingungen und mit den gleichen Rechten wie Inländer im Aufnahmeland niederzulassen. Einschränkungen in diesen Bereichen müssen also dem Grundsatz der Inländergleichbehandlung entsprechen. Als Beispiel für solche Beschränkungen kommen vor allem Ziele der Raumordnung in Betracht. Nicht die sekundärrechtliche RL sondern die unmittelbar anwendbaren primärrechtlichen Regelungen der NF sind anwendbar, wenn der Grundstückserwerb zwar Voraussetzung für ein Immobiliengeschäft ist, dieses aber nicht im Kauf, Verkauf, Vermietung, Verpachtung oder in der Verwaltung bzw. Vermittlung von bebauten oder unbebauten Grundstücken besteht. Zu denken ist hier beispielsweise an einen Bauunternehmer, der im Aufnahmeland Häuser auf eigene Rechnung errichten möchte, um sie anschließend weiterzuverkaufen. Soweit er sich auf die NF und damit auf den Grundsatz der Inländergleichbehandlung berufen kann, steht ihm ein Grunderwerbsrecht in den Fällen zu, in denen auch Inländer bei der Ausübung einer solchen Erwerbstätigkeit ein Grunderwerbsrecht besitzen. 113
112 113
ABI. 1967, S. 140 ff. Beispiel nach Hummer/Schweitzer; Ausverkauf, S. 166.
IV. Immobilienerwerb innerhalb der Niederlassungsfreiheit
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3. Schranken
Parallel zu den Beschränkungsmöglichkeiten des Immobilienerwerbs im Rahmen der FA können auch die dem Niederlassungswilligen prinzipiell gewährten Grunderwerbsrechte sowohl in nichtdiskriminierender als auch in diskriminierender Weise eingeschränkt werden. An die Rechtmäßigkeit solcher Einschränkungen sind dementsprechend unterschiedliche Anforderungen zu stellen. Bezüglich nichtdiskriminierender bzw. unterschiedslos anwendbarer Einschränkungen kann auf die hinsichtlich der FA genannten Griinde verwiesen werden. Dazu zählen insbesondere im Allgemeininteresse bestehende raumplanerische Ziele hinsichtlich einer bestimmten Art der Bodennutzung, des Natur- und Umweltschutzes etc. Einen praktisch relevanten Sonderfall stellt das Kriterium einer MindestauJenthaltsdauer als Voraussetzung für den Immobilienerwerb dar. Zwar besteht das Recht zur Wohnungsnahme bzw. zum Liegenschaftserwerb grundsätzlich unabhängig von einer bestimmten Mindestaufenthaltsdauer des Selbständigen. 114 Wie die Kommission in einer Anfragebeantwortung jedoch ausdriicklich feststellt, steht dies unterschiedslos anwendbaren Beschränkungen aus sachlich gerechtfertigten Griinden, wie etwa der Verhinderung von Mißbrauch, nicht entgegen. Konkret heißt es dazu: "Das Gemeinschaftsrecht steht ( ... ) grundsätzlich nicht Bedingungen, die an die Wohnungsvergabe geknüpft sind, wie z. B. mehrjährige Ortsansässigkeit, entgegen, solange diese Bestimmungen unterschiedslos ohne Ansehen der Staatsangehörigkeit oder des früheren Wohnsitzes gelten, es sei denn, mit dieser Auflage - möglicherweise in Kombination mit ähnlichen Bedingungen in anderen Ortschaften der gleichen Region - wird in erster Linie bezweckt, es Angehörigen anderer Mitgliedstaaten unmöglich zu machen, sich in dieser Region als Selbständiger oder Angestellter niederzulassen.,,115
Derartige Einschränkungen des Grunderwerbs durch Erfordernisse einer Mindestaufenthaltsdauer bzw. mehrjährigen Ortsansässigkeit des Erwerbers begegnen jedoch im Hinblick auf die Ausübung sämtlicher Grundfreiheiten Bedenken, da sie überwiegend nur von Inländern erfüllt werden. So kommt auch in der Anfragebeantwortung der Kommission zum Ausdruck, daß in diesen Fällen, welche auf den ersten Blick lediglich eine unterschiedslos anwendbare Einschränkung des Grunderwerbs darstellen, stets genau zu priifen ist, ob nicht eine versteckte Diskriminierung der EU-Ausländer gegeben ist. Vor allem ist bei dem Erfordernis einer mehrjährigen Ortsansässigkeit für die Vergabe von Wohnungen zu beriicksichtigen, daß dieses generell die Ausübung der Freizügigkeit in nicht unerheblicher Weise erschwert und durchaus geeignet ist, Niederlassungswillige davon abzuhalten, sich in der betreffenden Region anzusiedeln. 114 Schmidjell, S. 12. 115 Anfragebeantwortung Nr. L 721/88, übernommen aus Schmidjell, S. 12 - Hervorhebung des Verfassers.
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C. Immobilienerwerb innerhalb der Grundfreiheiten
Darüber hinaus bedarf es der Erörterung, ob es für die Rechtmäßigkeit von Beschränkungen des Grunderwerbs bereits ausreichend ist, daß diese auf In- und Ausländer gleichermaßen anwendbar sind, oder ob weitergehende Anforderungen an sie zu stellen sind. Diese Frage stellt sich deshalb, weil möglicherweise auch die Bestimmungen des Niederlassungsrechts über das Gebot der Inländergleichbehandlung hinaus ein allgemeines Beschränkungsverbot enthalten. Auf eine solche Erweiterung des Regelungsgehalts der Vorschriften des Niederlassungsrechts deuten sowohl die jüngere Rechtsprechung des EuGH als auch einige Stimmen in der Literatur l16 hin. Dies hätte zur Folge, daß selbst unterschiedslos anwendbare nationale Regelungen, welche die Ausübung der durch die Niederlassungsfreiheit prinzipiell gewährleisteten Grunderwerbsrechte einschränken, nur dann rechtmäßig wären, wenn sie objektiv durch öffentliche Interessen gerechtfertigt und zudem verhältnismäßig wären. Der Gerichtshof hatte ursprünglich ein engeres Verständnis der NF im Sinne eines bloßen Gebotes der Inländergleichbehandlung vertreten. 117 In der Rechtssache Kraus stellt er jedoch fest, daß Art. 52 EGV (Art. 44 EGV n. F.) grundsätzlich jeder nationalen Regelung entgegensteht, die "zwar ohne Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit anwendbar", aber geeignet ist, "die Ausübung der durch den EWG-Vertrag garantierten grundlegenden Freiheiten durch die Gemeinschaftsangehörigen einschließlich der Staatsangehörigen des Mitgliedstaats, der die Regelung erlassen hat, zu behindern oder weniger attraktiv zu machen".118 Dabei wird die Hinwendung zum Verständnis der NF als "Behinderungsverbot" noch dadurch unterstrichen, daß der EuGH als Ausnahme von einem derartigen Verbot auf die "zwingenden Gründe des Allgemeininteresses", einen Satz der allgemeinen Grundfreiheitsdogmatik, 119 verweist. In seiner Klarheit besonders eindringlich und grundlegend ist insofern auch das Urteil in der Rechtssache Gebhard, in welcher der Gerichtshof die Entwicklung und den Stand der Grundfreiheitsdogmatik resümiert. Demgemäß müssen nationale Maßnahmen, welche "die Ausübung der durch den Vertrag garantierten grundlegenden Freiheiten behindern oder weniger attraktiv machen", vier Voraussetzungen erfüllen: "Sie müssen in nichtdiskriminierender Weise angewandt werden, sie müssen aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt 116 Bleckmann. Europarecht, Rn 1652; Blumenwitz. Rechtsprobleme im Zusammenhang mit der Angleichung von Rechtsvorschriften auf dem Gebiet des Niederlassungsrechts der freien Berufe, in: NJW 1989, S. 621; Everling. Das Niederlassungsrecht in der EG als Beschränkungsverbot - Tragweite und Grenzen, in: Schön (Hg.), Gedächtnisschrift für Brigitte Knobbe-Keuk, 1997, S. 608; Tiedje/Troberg. in: von der Groeben/Schwarze, Art. 43 EG Rn 87 ff.; Oppermann. § 26 Rn 13; Nachweise zum früheren Streitstand bei Bröhmer; in: Calliess / Ruffert, Art. 43 EGV Rn 28. 117 EuGH. Rs. 221 /85, Sig. 1987, S. 736 Rn 9 f. (Kommission/Belgien); eine ausführliche Darstellung der Rspr. findet sich bei Bröhmer; in: Calliess / Ruffert. Art. 43 EGV Rn 21 ff. IIS EuGH. Rs. C-19/92, Sig. 1993, S. 1-1697 Rn 32 (Kraus). 119 Bröhmer; in: Calliess / Ruffert, Art. 43 EGV Rn 25.
IV. Immobilienerwerb innerhalb der Niederlassungsfreiheit
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sein, sie müssen geeignet sein, die Verwirklichung des mit ihnen verfolgten Zieles zu gewährleisten, und sie dürfen nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Zieles erforderlich iSt.,,120 Für die Annahme eines weiten Verständnisses der NF als allgemeines Beschränkungsverbot spricht zunächst der Wortlaut des neuen Art. 43 Abs. 1 Satz 1 EGV, welcher gegenüber Art. 52 EGVa. F. eine Neuformulierung enthält: Demnach sind "Beschränkungen der freien Niederlassung von Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats ( ... ) verboten". Insofern ist die Entwicklung der Rechtsprechung nunmehr im Vertrag kodifiziert worden. 121 Der in Art. 43 Abs. 2 EGVenthaltene Hinweis auf die Unterwerfung des Niederlassungswilligen unter die "Bestimmungen des Aufnahmestaates für seine eigenen Angehörigen" schneidet diesbezügliche Überlegungen nicht ab, weil eine entsprechende Wendung ebenfalls in Art. 50 Abs. 3 EGVexistiert. Dies hindert die überwiegende Meinung im Schrifttum jedoch nicht daran, die Regelungen über die Dienstleistungsfreiheit ebenfalls als Beschränkungsverbote zu interpretieren. 122 Zudem legt ein Vergleich der NF mit der FA, welche der EuGH ebenfalls zu einem allgemeinen Beschränkungsverbot erweitert hat, ein weiteres Verständnis der NF als Behinderungsverbot nahe. In beiden Fällen hält sich der EG-Ausländer nämlich auf Dauer in einem anderen Mitgliedstaat zum Zwecke der Ausübung einer Erwerbstätigkeit auf. Unter dem Stichwort "Konvergenz der Grundfreiheiten" wird deshalb für eine einheitliche Auslegung der grundfreiheitlichen Gewährleistungen plädiert. 123 Gegen eine voreilige und pauschalisierende Heranziehung dieses "Konvergenz"-Argumentes und eine damit einhergehende Interpretation der NF als allgemeines Beschränkungsverbot wird u. a. auf die jeweiligen Unterschiede und Besonderheiten der einzelnen Marktfreiheiten verwiesen. So bestehe der besondere Charakter der NF - im Gegensatz zur Dienstleistungsfreiheit - in dem Element der EuGH, Rs. C-55 /94, Slg. 1995, S. 4197 Rn 37 - Hervorhebungen des Verfassers. Es ist allerdings zu beachten, daß GA Da Cruz Vilcaca in der Rs. 63/86, Slg. 1988, S. 46 Rn 68 (Kommission /Italien) unter Berufung auf die Rspr. in der Rs. 221/85, Slg. 1987, S. 719 Rn 9 u. 10 (Kommission/Belgien) davon spricht, daß .. ( ... ) jede Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit als Beschränkung der Niederlassungsfreiheit" (Hervorhebung des Verfassers) untersagt werde. Der Terminologie nach werden also Diskriminierung und Beschränkung gleichgesetzt, ohne daß ein inhaltlicher Unterschied bezüglich des gewährten Schutzumfanges gemacht wird. 122 Die Vorschrift des Art. 43 Abs. 2 EGV müsse insofern umgedeutet werden, als sie sich nur noch auf solche Bestimmungen beziehe, die sich durch ein objektives öffentliches Interesse rechtfertigen lassen, vgl. Troberg, in: G IT I E, Art. 52 Rn 46 (Fn 56). Zur Interpretation der Niederlassungsfreiheit als Behinderungsverbot durch den EuGH siehe nunmehr Tiedje I Troberg, in: von der Groebenl Schwarze, Art. 43 Rn 87 ff. m. w. N. 123 Vgl. Bröhmer, in: Calliess I Ruffert, Art. 43 EGV Rn 29; Behrens, Die Konvergenz der wirtschaftlichen Freiheiten im europäischen Gemeinschaftsrecht, in: EuR 1992, S. 145 ff.; Eberhartinger, Konvergenz und Neustrukturierung der Grundfreiheiten, in: EWS 1997, S. 43 ff. 120 121
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Dauerhaftigkeit der Eingliederung des Niederlassungswilligen in das Gebiet eines anderen Mitgliedstaates und damit auch "in die Obhut einer anderen Rechtsordnung".124 Dieses Argument läßt sich allerdings insoweit relativieren, als gleiches für die unselbständig Tätigen gilt, welche sich auf die vom EuGH zu einem allgemeinen Beschränkungsverbot erweiterte Arbeitnehmerfreizügigkeit berufen können. Gewichtiger erscheint jedoch der Einwand, daß es bei der Frage Diskriminierungsverbot/ Beschränkungsverbot letztlich um die Freiheit und das Ausmaß nationaler Regelungskompetenzen in dem Bereich der jeweiligen Marktfreiheit geht. Deshalb dürfen die "föderale Struktur" der Gemeinschaft sowie das sie widerspiegelnde Subsidiaritätsprinzip nicht aus dem Blickfeld geraten. 125 Demnach steht die rechtliche Ausgestaltung der niederlassungsrelevanten Vorschriften in Abwesenheit gemeinschaftsrechtlicher Harmonisierungsmaßnahmen den Mitgliedstaaten ZU. 126 Da ein allgemeines Beschränkungsverbot tief in die verbliebenen Befugnisse der Mitgliedstaaten, innerstaatliche Verhältnisse autonom zu regeln, eingreift und eventuell störende Regelungsunterschiede grundsätzlich nur durch Koordinierungsmaßnahmen gemäß Art. 46 Abs. 2 und Art. 47 EGV abzubauen sind,127 kommt der Beachtung des Subsidiaritätsprinzips eine besonders große Bedeutung zu. Bei genauerer Betrachtung der Debatte, ob die NF bloß ein Diskriminierungsverbot oder ein weitergehendes Beschränkungsverbot beinhaltet, fällt jedoch auf, daß die Fragestellung auf einen inkonsequenten Gebrauch der Begriffe "Diskriminierung" einerseits und "unterschiedslos anwendbar" andererseits zurückzuführen iSt. 128 So handelt es sich bei den vom Gerichtshof entschiedenen Fällen um Sachverhalte, denen - unter Berücksichtigung auch mittelbarer / versteckter DiskrimiBröhmer; in: Calliess I Ruffert, Art. 43 EGV Rn 29; Eberhartinger; S. 46. Bröhmer; in: Calliessl Ruffert, Art. 43 EGV Rn 20, 29; Everling, Der Gegenstand des Niederlassungsrechts in der Europäischen Gemeinschaft, in: Ress (Hg.), Vorträge, Reden und Berichte aus dem Europa-Institut, Nr. 208,1990, S. 24, 26. 126 Der Gerichtshof betont in der Rs. 221/85, Slg. 1987, S. 736 Rn 9 f. (Kommission/ Belgien), "daß es jedem Mitgliedstaat vorbehaltlich der Beachtung (der) Gleichbehandlung mangels einschlägiger Gemeinschaftsbestimmungen freisteht", die Tatigkeiten, die im Rahmen der Ausübung des Niederlassungsrechts anfallen, "in seinem Hoheitsgebiet zu regeln". Darauf beruft sich auch GA Da Cruz Vilaca in der Rs. 63/86, Slg. 1988, S. 46 Ziffer 68. Der Kompetenzabgrenzung zwischen Gemeinschaft und Mitgliedstaaten kommt somit auch aus Sicht des EuGH eine maßgebliche Bedeutung zu. 127 Troberg, in: GIT I E, Art. 52 Rn 47. 128 Bröhmer; in: Calliess I Ruffert, Art. 43 EGV Rn 30 m. w. N. Nach Ansicht des GA Geelhoed in der Rs. C-452/ 01, Slg. 2003, S. 1-9775 Rn 124 (Ospelt) beanstandet der EuGH Maßnahmen, die zu einer unterschiedlichen Behandlung aus Gründen der Staatsangehörigkeit führen, formell als diskriminierend. Wenn demgegenüber eine Regelung für all diejenigen gelten solle, weIche die betreffende Tatigkeit im Hoheitsgebiet eines bestimmten Mitgliedstaates ausüben, werde die Regelung, auch wenn sie ausdrücklich ein Wohnsitz- oder Niederlassungserfordernis vorsieht, als "ohne Unterschied anwendbar" betrachtet. Deshalb könnten sich nationale Maßnahmen, auch wenn sie ohne Unterschied anwendbar sind, diskriminierend auswirken. 124 125
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nierungen - stets ein diskriminierendes Element innewohnte. Es ging darin jeweils um nationale Maßnahmen, welche typischerweise (EG-)Ausländer betrafen und diese gegenüber Inländern benachteiligten. Gerade das Abstellen auf die materiellen, faktisch nachteiligen Auswirkungen einer Maßnahme auf EG-Ausländer kennzeichnet die indirekte Diskriminierung und unterscheidet sie von der unmittelbaren Diskriminierung, welche sich formal auf die Staatsangehörigkeit der Regelungssubjekte bezieht. Die Betrachtung in ihren Auswirkungen nachteiliger Maßnahmen als diskriminierend kann aber nicht zugleich als "unterschiedslos anwendbare" Maßnahme angesehen werden. Eine Antwort auf die Problematik Diskriminierungs- oder Beschränkungsverbot hat sowohl der Bedeutung des Immobilienerwerbs für die Verwirklichung der NF als auch der grundsätzlich bei den Mitgliedstaaten verbliebenen Regelungszuständigkeit für niederlassungsrelevante Vorschriften Rechnung zu tragen. Man wird somit zu dem Schluß gelangen können, daß nationale Grunderwerbsbeschränkungen unter der Voraussetzung zulässig sind, daß sie sich durch objektiv nachvollziehbare öffentliche Interessen, welche jegliche - insbesondere auch "versteckte" - Diskriminierungen von EG-Ausländern ausschließen, rechtfertigen lassen. Dabei ist in vorderster Linie zu prüfen, ob es sich nicht bloß um marktabschirmende Maßnahmen handelt, welche vornehmlich den Zugang zu einer bestimmten wirtschaftlichen Betätigung behindern sollen. Je mehr der Grunderwerb zur Ausübung der beruflichen Tätigkeit erforderlich ist, desto höher sind die Anforderungen an diesbezügliche Einschränkungen zu stellen. Diese müssen hinsichtlich der Erreichung der öffentlichen Interessen verhältnismäßig sein. Andererseits führen berechtigte, teilweise recht unterschiedliche nationale Interessen sowie die angemessene Berücksichtigung des Subsidiaritätsprinzips dazu, daß den Mitgliedstaaten in diesem Bereich ein relativ weiter Ermessensspielraum zuzubilligen sein dürfte. 129 Mitunter ist die Anwendung des Verhältnismäßigkeitsprinzips auf nichtdiskriminierende nationale Regelungen im Bereich des Grundstückserwerbs mit der Begründung abgelehnt worden, einer solchen Erweiterung der NF stehe die Schranke des Art. 295 EGV entgegen. 130 Einer derartigen Interpretation des Art. 295 EGV läßt sich entgegenhalten, daß nach Ansicht des Gerichtshofes die Regelung des Grundeigentums nach Art. 295 EGV zwar weiterhin in die Zuständigkeit der einzelnen Mitgliedstaaten fällt, die Vorschrift aber eine diesbezügliche nationale Regelung nicht den Grundprinzipien des EGVentzieht. 131 Als solche Grundprinzipien des EGV kommen gerade auch die Grundfreiheiten - gegebenenfalls in ihrer konkreten Ausprägung durch die Rechtsprechung als allgemeine Beschränkungsverbote - in Betracht. Nationale Grunderwerbsregelungen sind demnach nur So auch Härtenhuber; S. 225. Hummer/Schweitzer; Raumordnung, S. 311; dieselben, Ausverkauf, S. 154 f. 131 St. Rspr. seit EuGH, Rs. 182/83, Slg. 1984, S. 3685 Rn 7 (Fearon), zuletzt bestätigt in Rs. C-452/01, Slg. 2003, S. 1-9798 Rn 24 (Ospelt). 129 130
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zulässig, wenn sie die NF nicht über das zur Erreichung des angestrebten Zieles erforderliche Maß hinaus einschränken. Nur eine solche Interpretation läßt sich schließlich mit dem insoweit klaren und eindeutigen Wortlaut des Art. 43 Abs. 1 Satz 1 EGV vereinbaren, welcher im Grundsatz sämtliche Beschränkungen des Niederlassungsrechts verbietet. Diskriminierende Beschränkungen des niederlassungsrechtlich gewährleisteten Immobilienerwerbs sind nur gemäß Art. 46 Abs. I EGV aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit zulässig. Diesbezüglich kann auf die zur FA gemachten Ausführungen verwiesen werden. Zwar ist den Mitgliedstaaten im Rahmen der Ausfüllung dieser unbestimmten Rechtsbegriffe ein Ermessenspielraum zuzubilligen, jedoch haben sie im Hinblick auf die Ergreifung konkreter Maßnahmen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu beachten. Die ausschließliche Verfolgung rein wirtschaftlicher Interessen ist in diesem Zusammenhang unzulässig. 132 Schließlich ist zu beachten, daß es den Mitgliedstaaten nur so weit und so lange möglich ist, diese Vorbehalte materiell und prozessual frei auszugestalten, als die Gemeinschaftsorgane noch keine sekundärrechtlichen Koordinierungsvorschriften gemäß Art. 46 Abs. 2 EGV erlassen haben, welche inhaltlich und verfahrensrechtlich einheitliche Voraussetzungen aufstellen können. 133 4. Zusammenfassung
Den Begünstigten der NF steht ein Immobilienerwerbsrecht grundsätzlich sowohl zu betrieblichen als auch zu privaten Zwecken zu. Eine Unterscheidung zwischen Haupt- und Sekundärniederlassungen ist nach der Rechtsprechung des EuGH prinzipiell nicht zulässig. Der Erwerb von Grundstücken zu privaten Zwecken am Orte der Sekundärniederlassung wird allerdings von einem bisher nicht näher spezifizierten Zeiterfordemis des sich Niederlassenden abhängig gemacht. Ob auch ein Grunderwerbsrecht des Selbständigen zu Freizeit- und Erholungszwecken (Ferienwohnsitze) besteht, ist vom Gerichtshof noch nicht geklärt worden. Um eine willkürliche Ungleichbehandlung des Selbständigen gegenüber einem Arbeitnehmer zu vermeiden, dürfte ein solches Recht aber zu bejahen sein. 132 Vgl. Art. 2 Abs. 2 der RL 64/221 IEWG des Rates vom 25.2. 1964 zur Koordinierung der Sondervorschriften für die Einreise und den Aufenthalt von Ausländern, soweit sie aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit gerechtfertigt sind, ABI. 1964, S. 850 ff.; siehe dazu auch EuCH, Rs. C-484/93, Sig. 1995, S. 1-3976 Rn 15 (Svensson, Gustavsson); Rs. C-288 I 89, Sig. 1991, S. 1-4040 Rn 11 (Collectieve Antennevoorziening Gouda). 133 Derartige einheitliche Interpretationsvorgaben für Schutzbestimmungen, Garantien und Rechtsbehelfe finden sich z. B. in der RL 64/221 I EWG. Sie befaßt sich nicht mit den Begriffen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit per se, welche von den Mitgliedstaaten im Rahmen des ihnen eingeräumten Ermessens in ihrer Tragweite zu definieren sind, sondern mit den Maßnahmen, welche aus jenen Gründen gerechtfertigt sind.
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Der Sonderfall der Immobiliengeschäfte wird schließlich in der RL 67/431 EWG geregelt. Diese Rechte können nur aus objektiv nachvollziehbaren, zwingenden Gründen des Allgemeininteresses eingeschränkt werden. Diskriminierende Einschränkungen sind ausschließlich im Rahmen des Vorbehaltes des Art. 46 Abs. 1 EGV zulässig. In beiden Fällen ist vor allem das Verhältnismäßigkeitsprinzip zu beachten. V. Immobilienerwerb innerhalb der Dienstleistungsfreiheit Die Freiheit des Dienstleistungsverkehrs (DF) stellt als Ermöglichung der vorübergehenden Ausübung selbständiger Tätigkeiten außerhalb des Heimatstaates ebenfalls einen unabdingbaren Bestandteil für die Schaffung des Binnenmarktes zwischen den Mitgliedstaaten dar. Durch die Liberalisierung aller in der Regel gegen Entgelt erbrachten Leistungen mit grenzüberschreitendem Charakter trägt sie maßgeblich zur Verwirklichung einer freien Wettbewerbswirtschaft und damit zu einer optimalen Ausnutzung und Allokation wirtschaftlicher Ressourcen innerhalb der Gemeinschaft bei. Im Verhältnis zu den anderen Marktfreiheiten stellt die DF eine Art "Aujfangtatbestand" dar und soll gewährleisten, daß jede gegen Entgelt geleistete Tätigkeit, die weder unter den freien Waren- und Kapitalverkehr noch unter die Freizügigkeit der Personen fällt, im Sinne des Art. 49 EGV liberalisiert wird. 134 1. Rechtsgrundlagen
Die maßgeblichen primärrechtlichen Regelungen finden sich in den Art. 49 ff. EGY. Über die Art. 52, 55 i. Y. m. 46 Abs. 2 und 47 EGV sind den Gemeinschaftsorganen Ermächtigungsgrundlagen für den Erlaß von Liberalisierungs- und Koordinierungsrichtlinien eingeräumt worden. Davon wurde in den unterschiedlichsten Berufsfeldem Gebrauch gemacht. 135 Zudem existiert ein Allgemeines Programm zur Aufhebung der Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs. 136 Begleitende Aufenthalts- und Verbleiberechte werden durch diverse sekundärrechtliche Normen, wie z. B. die RL 731 148/EWG 137 und RL 75/34/EWG,138 gewährt. Vgl. Art. 50 Abs. 1 EGV sowie Oppermann, § 26 Rn 18. Einen Überblick gibt Oppermann, § 26 Rn 43 ff. 136 ABI. 1962, S. 32 ff. Das Allgemeine Programm stellt kein verbindliches sekundäres Gemeinschaftsrecht i. S. d. Art. 249 EGV dar, dient aber den Gemeinschaftsorganen, insbesondere dem EuGH, als Auslegungshilfe bzw. Bezugspunkt bei Rechtsetzung und Rechtsprechung, vgl. Hummer/Schweitzer, Ausverkauf, S. 147 f. 137 RL 73/ 148/EWG des Rates vom 21. 5.1973 zur Aufhebung der Reise- und Aufenthaltsbeschränkungen für Staatsangehörige der Mitgliedstaaten innerhalb der Gemeinschaft auf dem Gebiet der Niederlassung und des Dienstleistungsverkehrs, ABI. 1973 Nr. L 172, S. 14 ff. 134
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Auf die Liberalisierung der DF speziell im Bereich der Immobiliengeschäfte bezieht sich die RL 67/43/EWG. 139 Der Gerichtshof erklärte bereits im Jahre 1974 die Art. 59 und 60 Abs. 3 EWGV (Art. 49, 50 Abs. 3 EGV n. E) als grundlegende Rechtsvorschriften der Gemeinschaft für unmittelbar anwendbar, soweit sie den Grundsatz der Inländergleichbehandlung regeln. 140 Weitere Liberalisierungsrichtlinien zur Verwirklichung dieses Grundsatzes wurden dadurch überflüssig, da sich der einzelne nunmehr auch ohne das Erfordernis weiterer staatlicher Umsetzungs akte direkt auf seine Rechte in allen Tätigkeitsbereichen vor den nationalen Stellen berufen kann. 141 2. Gewährleistungsinhalt
a) Grundsätzliche Gewährleistungen Begünstigte der DF sind gemäß Art. 49 Abs. 1 EGValle Angehörigen der Mitgliedstaaten. Diese müssen jedoch in einem anderen Staat der Gemeinschaft als demjenigen des Leistungsempfängers ansässig sein. Von der in Art. 49 Abs. 2 EGV enthaltenen Ermächtigung des Rates, die DF auch auf Staatsbürger eines Drittstaates auszudehnen, die innerhalb der Gemeinschaft ansässig sind, ist bisher noch kein Gebrauch gemacht worden. Den natürlichen Personen sind gemäß Art. 55 i. V. m. Art. 48 EGV diejenigen nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaates gegründeten Gesellschaften gleichgestellt, die ihren satzungsmäBigen Sitz, ihre Hauptverwaltung oder ihre Hauptniederlassung innerhalb der Gemeinschaft haben. Erfaßt werden alle juristischen Personen des privaten und des öffentlichen Rechts, welche einen Erwerbszweck verfolgen. Vergleichbar den Fällen der FA und NF handelt es sich auch bei der DF um die Konkretisierung des in Art. 12 EGV verankerten, allgemeinen Diskriminierungsverbotes für den Bereich der erfaBten Tätigkeiten. Zentraler Gedanke ist ebenfalls 138 RL 75/34/EWG des Rates vom 17.12.1974 über das Recht der Staatsangehörigen eines Mitgliedstaates, nach Beendigung der Ausübung einer selbständigen Tatigkeit im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaates zu verbleiben. Da die Regelung grundsätzlich von einer längeren Ausübung der selbständigen Tatigkeit ausgeht, bezieht sie sich wohl vornehmlich auf die Niederlassungsfreiheit. 139 RL 67/43/ EWG des Rates vom 12. 1. 1967 über die Verwirklichung der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs für selbständige Tätigkeiten auf dem Gebiet 1. der "Immobiliengeschäfte (außer 6401)" (Gruppe aus 640 ISIC), 2. einiger "sonstiger Dienste für das Geschäftsleben" (Gruppe 839 ISIC), ABI. 1967, S. 140 ff. 140 EuGH, Rs. 33/74, Sig. 1974, S. 1299 ff. (van Binsbergen) - st. Rspr. 141 Der Erlaß von Richtlinien zum Zwecke der Koordinierung und Harmonisierung nationaler Rechts- und Verwaltungsvorschriften gemäß Art. 55 i. V. m. 47 EGV bleibt aber in wesentlichen Tatigkeitsfeldern weiterhin erforderlich, da auch nichtdiskriminierende nationale Regelungen im Bereich der Ausbildung, Berufszulassung und Berufsausübung tatsächliche Hindernisse für die Ausübung der DF darstellen, vgl. Oppemumn, § 26 Rn 40 ff.
V. Immobilienerwerb innerhalb der Dienstleistungsfreiheit
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der Grundsatz der Inländergleichbehandlung. Die Begünstigten sollen unter den gleichen Voraussetzungen wie Inländer ihre Dienstleistungen erbringen dürfen (v gl. Art. 50, 54 EGV). Aus den einzelnen Vertragsvorschriften ergibt sich darüber hinaus das Ziel, mit fortlaufender Integration sämtliche Beschränkungen des Dienstleistungsverkehrs aufzuheben (vgl. Art. 49 Abs. 1,52,53,54 EGV). In diese Richtung zielt auch die Rechtsprechung des Gerichtshofes, der bereits in seiner ersten Entscheidung zur DF diese als ein über das bloße Diskriminierungsverbot hinausgehendes allgemeines Beschränkungsverbot interpretiert hat. 142 Art. 50 EGV definiert Dienstleistungen im gemeinschaftsrechtlichen Sinne l43 als Leistungen, die in der Regel gegen Entgelt erbracht werden, und zählt dazu in Form von Regelbeispielen ("insbesondere") gewerbliche, kaufmännische, handwerkliche und freiberufliche Tätigkeiten. Grundsätzlich sind drei verschiedene Konstellationen des Gebrauchmachens von der DF denkbar: (a) Im Regelfall des Art. 50 Abs. 3 EGV begibt sich der Leistende zwecks Erbringung seiner Leistung in den Staat des Dienstleistungsempfängers. Dies ist etwa der Fall, wenn sich ein Rechtsanwalt zwecks Beratung seines Mandanten in einen anderen Mitgliedstaat begibt. Die Abgrenzung zur NF erfolgt hier vor allem durch die zeitliche Komponente: Art. 50 Abs. 3 bezieht sich nur auf vorübergehende Tätigkeiten, während die NF bereits vom Wortlaut her auf eine dauerhafte Eingliederung des Selbständigen in einen anderen Mitgliedstaat abstellt. 144 (b) Der Dienstleistungsempfänger begibt sich in das Land des Leistenden (sog. "passive" oder" negative" DF); z. B. läßt sich ein Patient in einem anderen Mitgliedstaat von einem dort ansässigen Arzt behandeln. 145 (c) Lediglich die Dienstleistung überschreitet die Grenze, während Leistender und Leistungsempfänger ihren Standort beibehalten (sog. "Korrespondenzdienstleistung"). Dies ist z. B. der Fall bei der Ausstrahlung grenzüberschreitender 142 EuGH, Rs. 33/74, Sig. 1974, S. 1308 Rn 10, 12 (van Binsbergen); zuletzt allgemein für alle Grundfreiheiten Rs. C- 55/94, Sig. 1995, S. 1-4165 ff. (Gebhard). 143 Der gemeinschaftsrechtliche Begriff der Dienstleistung ist nicht mit dem volkswirtschaftlichen Begriff gleichzusetzen und wird maßgeblich durch das Kriterium eines entgeltlichen, grenzüberschreitenden Tatbestandes charakterisiert, vgl. Oppermann, § 26 Rn 18. 144 Zur Abgrenzung siehe EuGH, Rs. 55/94, Slg. 1995, S. 1-4195 Rn 25 ff. (Gebhard). 145 Ein weiteres Beispiel wäre die Inanspruchnahme von Dienstleistungen im Rahmen kommerzieller Studien- oder Geschäftsreisen, vgl. EuGH, Rs. 286/82 und Rs. 26/83, Slg. 1984, S. 377 ff. (Luisi und Carbone). Um eine Ausuferung des Tatbestandes zu vermeiden, wird beim derzeitigen Integrationsstand allerdings gefordert, daß es sich stets um einen grenzüberschreitenden Wirtschaftsvorgang, d. h. eine Geschäftstätigkeit mit dem Ziel der Kostendeckung und Gewinnerzielung, handelt, vgl. Oppermann, § 26 Rn 20. Staatliche Ausbildungs leistungen - etwa ein Studienaufenthalt im Ausland - erfüllen diese Voraussetzungen grundsätzlich nicht, vgl. EuGH, Rs. 293/83, Slg. 1985, S. 593 ff. (Gravier).
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Fernsehsendungen,146 oder einem transnationalen Telephongespräch eines Kunden mit seinem Anlageberater. Das für den gewöhnlichen Fall der DF erforderliche Aufenthaltsrecht des Leistungserbringers bzw. Leistungsempfängers wird als Begleitrecht von den Art. 49, 50 EGV mitgarantiert l47 und ist sekundärrechtlich näher ausgestaltet worden. 148 Da es sich bei den einschlägigen Tätigkeiten dem Grundsatz nach um solche vorübergehender Natur handelt, kommt es in aller Regel nicht zu einer dauerhaften Integration des Leistungserbringers in den Staat des Leistungsempfängers, bzw. - im Falle der "passiven" DF - des Leistungsempfängers in den Staat des Leistungserbringers. b) Relevanz für den Immobilienerwerb Eine den Liegenschaftserwerb betreffende, Art. 44 Abs. 2 lit. e EGV vergleichbare primärrechtliche Norm findet sich im Bereich der DF nicht. Obgleich zwischen DF und NF ein enger Zusammenhang besteht,149 lassen sich die im Rahmen der NF gewährten Grunderwerbsrechte nicht einfach auf die DF übertragen. Einer solchen Parallele stünden bereits systematische Gründe entgegen: Die Regelung des Art. 55 EGV, welche die Vorschriften des Niederlassungsrechts der Art. 45 - 48 EGV im Bereich der DF für anwendbar erklärt, klammert nämlich die den Grunderwerb betreffende Vorschrift des Art. 44 Abs. 2 lit. e EGV aus. Die Vertragsparteien haben die dort getroffene programmatische Entscheidung für den Zusammenhang zwischen NF und Immobilienerwerb im Bereich der DF also gerade nicht getroffen. 150 Andererseits läßt sich aus dem Fehlen einer solchen programmatischen Verknüpfung noch nicht der Umkehrschluß ziehen, daß der Immobilienerwerb im Rahmen der DF von vornherein ausgeschlossen sein soll. Vielmehr ist zu erörtern, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen der Grunderwerb nicht doch zur Ausübung der DF geboten sein kann. Die Frage nach dem Bestehen eines Grunderwerbsrechts im Bereich der DF läßt sich somit nur unter teleologischen Gesichtspunkten beantworten. Es ist also zu 146 In diesem Fall kann eine zeitliche Begrenzung der Dienstleistung entfallen und diese dauerhaft erbracht werden, da auf den kontinuierlich grenzüberschreitenden Wirtschaftsvorgang abgestellt wird, weIcher den Anwendungsbereich der Art. 49 ff. eröffnet, vgl. Oppermann, § 26 Rn 21. 147 Kluth in: CalliesslRuffert, Art. 50 EGV Rn 43. 148 Gemäß Art. 1 Abs. 1 lit. c und d der RL 73/48/ EWG ist der Kreis der Begünstigten hinsichtlich Reise und Aufenthalt auf bestimmte Verwandte ausgedehnt worden, ohne diese dabei in den Anwendungsbereich der DF einzubeziehen. 149 Nichtsdestotrotz schließen sich NF und DF aus, da aus Art. 50 EGV klar hervorgeht, daß die Bestimmungen über den freien Dienstleistungsverkehr nur unter der Bedingung anwendbar sind, daß die Vorschriften über das Niederlassungsrecht nicht einschlägig sind. Vgl. zu diesem Aspekt näher auch GA Leger in seinen Schlußanträgen zur Rs. C-55/94, Slg. 1995, S. 1- 4171 Rn 18 ff. (Gebhard). 150 Hummer I Schweitzer, Ausverkauf, S. 170.
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untersuchen, ob und inwieweit der Erwerb von Grundeigentum für die Ausübung der durch die DF normalerweise gewährten Rechte erforderlich ist. In diese Richtung zielt vom Ansatz her auch das von den Gemeinschaftsorganen als Interpretationshilfe und Bezugspunkt verwendete Allgemeine Programm zur Aufhebung der Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs. 151 In dessen Abschnitt III A Abs. 3 lit. e zählt es zu den aufzuhebenden Vorschriften und Praktiken, die allein für Ausländer die Ausübung der normalerweise mit der DF verbundenen Rechte ausschließen oder beschränken, auch solche, die sich auf den Grunderwerb beziehen. Zunächst besteht die Notwendigkeit des Immobilienerwerbs in einem anderen Mitgliedstaat, um von der DF Gebrauch zu machen, von vornherein nicht in den Fällen der sog. "Korrespondenzdienstleistungen", in denen also lediglich die Dienstleistung die Grenze überschreitet, während Erbringer und Empfänger der Leistung in ihrem Mitgliedstaat verbleiben. Im Falle der "passiven" DF, in dem sich der Dienstleistungsempjänger in den Staat des Leistenden begibt, wird in der Literatur mitunter ein Grunderwerbsrecht bejaht. Begründet wird dies mit demselben Argument, mit dem ein Grunderwerbsrecht des Dienstleistungserbringers im Falle der aktiven DF zu rechtfertigen sei, nämlich der möglichen Kostenersparnis gegenüber der Anmietung von Räumen bei wiederholter grenzüberschreitender Dienstleistungserbringung. 152 Auch GA Geelhoed führt in einem seiner jüngeren Schlußanträge 153 bezüglich österreichischer Regelungen zur Einschränkung des Erwerbs von Zweitwohnsitzen mehrere Beispiele an, in denen er eine Verbindung zwischen der Ausübung der passiven DF und der Möglichkeit des Immobilienerwerbs herstellt. So gehe etwa der Erwerb und die Nutzung einer Zweitwohnung zwangsläufig mit der Inanspruchnahme von Dienstleistungen an den Wohnungsinhaber einher. Dies könnten sowohl Dienstleistungen im Zusammenhang mit der Wohnung selbst, wie etwa Reparaturarbeiten, als auch Fremdenverkehrstätigkeiten sein. Darüber hinaus sei der Erwerber eines unbebauten Grundstücks, der darauf eine (Zweit-)Wohnung bauen läßt, ebenfalls als Empfänger entsprechender Dienstleistungen anzusehen. 154 Diese Ausführungen des Generalanwalts und der Literatur erscheinen auf den ersten Blick recht plausibel, begegnen aber bei genauerer dogmatischer Analyse der DF einem gewichtigen prinzipiellen Einwand. So darf aus Gründen der dogmatisch notwendigen Abgrenzung der DF von der NF auch der DienstleistungsABI. 1962, S. 32 ff. Pechstein/ Bunk, Das Aufenthaltsrecht als Auffangrecht, in: EuGRZ 1997, S. 547,553. 153 Schlußanträge vom 20. 11. 2001 zu der verb. Rs. C-515 /99, C-519 /99 bis C-524/99 und C-526/99 bis C-540/99, Sig. 2002, S. 1-2161 ff. (Reisch u. a.); in seinem Urteil geht der EuGH aber in keiner Weise auf die diesbezüglichen Ausführungen des GA ein, sondern prüft die österreichischen Grunderwerbsregelungen ausschließlich am Maßstab der Kapitalverkehrsfreiheit. Siehe dazu ausführlich unten VI. 3. e) (4). 154 Vgl. Schlußanträge in der Rs. Reisch u. a., Rn 31, 33, 56 unter Verweis auf die Rs. 286/82 und 26/83, Sig. 1984, S. 377 (Luisi und Carbone). 151
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empfänger seine Eigenschaft als Gebietsfremder nicht verlieren. 155 Bei längerfristigen Aufenthalten des Leistungsempfängers handelte es sich nämlich bloß um einen Leistungsaustausch zwischen zwei gebietsansässigen Wirtschaftspartnern, der allenfalls unter die Regeln über die FA oder die NF fiele. Dann könnte aber nicht mehr von einem für die DF charakteristischen, grenzüberschreitenden Vorgang gesprochen werden. Das Merkmal der zeitlichen Begrenzung ist somit nicht nur für die Erbringung einer Dienstleistung i. S. v. Art. 50 Abs. 3 EGV, sondern auch für die auswärtige Inanspruchnahme einer solchen Leistung kennzeichnend. In den Genuß der durch die DF gewährten Rechte kommt also nur derjenige Leistungsempfänger, der sich vorübergehend in einem anderen Mitgliedstaat aufhält und dort nicht ansässig wird. 156 Allenfalls könnten für ein Grunderwerbsrecht solche Fälle in Betracht kommen, in denen sich der Leistungsempfänger in regelmäßigen Abständen, jeweils für kurze Zeit, in das Land des Leistungserbringers begibt, wobei jedoch die Inanspruchnahme der Dienstleistung bei wertender Betrachtung Diskontinuität aufweisen muß. 157 Diese Fälle dürften jedoch keine größere praktische Relevanz besitzen. Speziell im Hinblick auf das von GA Geelhoed angeführte Beispiel des Erwerbs eines unbebauten Grundstücks ist festzustellen, daß zwar die spätere Bebauung mit der Inanspruchnahme der dazu erforderlichen Dienstleistungen (im volkswirtschaftlichen Sinne) einhergehen mag. Dennoch hat der Grunderwerb hier letztendlich nicht das Ziel, von der passiven DF Gebrauch zu machen. Die mit der Bebauung des Grundstücks verbundenen Dienstleistungen sind vielmehr ein bloßes Mittel zum Zwecke der Ermöglichung einer weitergehenden Grundstücksnutzung - etwa als Ferienwohnsitz oder gewerblich genutztes Mietobjekt. In diesem Zusammenhang ist die (passive) DF gegenüber der Ausübung anderweitiger Grundfreiheiten sekundär und tritt aufgrund ihrer bloßen Auffangfunktion (vgl. Art. 50 Abs. 1 EGV) grundsätzlich hinter diese anderen Freiheiten zurück. Auf das damit angesprochene Problem der Abgrenzung der verschiedenen grundfreiheitlich gewährleisteten Immobilienerwerbsrechte voneinander wird weiter unten noch ausführlich eingegangen. 158 Schließlich ist auch im Normalfall der DF, in dem sich der Leistende in den Staat des Leistungsempfängers begibt (vgl. Art. 50 Abs. 3 EGV), die Möglichkeit des Immobilienerwerbs von vornherein problematisch, da es sich dem Wesen nach stets um eine vorübergehende Tätigkeit handeln muß, wobei also prinzipiell kein längerer Aufenthalt in einem anderen Mitgliedstaat erforderlich ist. Ansonsten 155
Oppermann, § 26 Rn 20.
Oppermann, § 26 Rn 20; Steindorff, Dienstleistungsfreiheit im EG-Recht, RIW 1983, S.831ff. 157 Vgl. dazu auch die Schlußanträge des GA Leger in der Rs. C-55/94, Sig. 1995, S. 1-4174 Rn 36 (Gebhard), in denen er es als kennzeichnend für die (aktive) DF ansieht, daß der Leistungserbringer seine Tätigkeit für kurze Zeit und von Zeit zu Zeit ausübt, sie mit anderen Worten Diskontinuität aufweisen müsse. 158 Siehe dazu unten VII. 156
V. Immobilienerwerb innerhalb der Dienstleistungsfreiheit
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stellt sich das Problem der Abgrenzung zur NF, welche grundsätzlich von einer dauerhaften Integration des Selbständigen in das Aufnahmeland ausgeht. 159 Die Gewährung eines Immobilienerwerbsrechts im Rahmen der DF ist deshalb verschiedentlich aus prinzipiellen Erwägungen abgelehnt worden. 160 Zudem wird teilweise im Schrifttum bezweifelt, ob das Erfordernis einer lediglich vorübergehenden Ausübung der zu erbringenden Tätigkeit die (dauerhafte) Anschaffung einer bestimmten Infrastruktur (z. B. Büros, Gewerbeflächen etc.) von vornherein zwingend ausschließt. 161 Der Gerichtshof stellt jedoch diesbezüglich fest, daß sich der vorübergehende Charakter einer Tätigkeit nicht nur unter Berücksichtigung der Dauer der Leistung, sondern auch ihrer Häufigkeit, regelmäßigen Wiederkehr oder Kontinuität beurteilen läßt. Deshalb schließt die Existenz einer bestimmten Infrastruktur als solche den Anwendungsbereich der DF grundsätzlich noch nicht aus. 162 ( 1) Betriebsgrundstücke
Die Möglichkeit des Grunderwerbs stellt im Regelfall sicher keine zwingende und unabdingbare Voraussetzung für die Ausübung der DF dar. Ob ein Grunderwerbsrecht zu betrieblichen Zwecken dennoch einzuräumen ist, wird deshalb im konkreten Einzelfall davon abhängen, ob der Erwerb einer Immobilie trotz des prinzipiell vorübergehenden Charakters der jeweiligen Tätigkeit für deren tatsächliche und effektive Ausübung erforderlich ist. Zu denken wäre hier vor allem an Fälle im Bereich beratender Tätigkeiten, die einen längeren Zeitraum in Anspruch nehmen, ohne daß man bereits von einer Niederlassung sprechen könnte. Beispielsweise kann das Mandat zur Umstrukturierung eines Unternehmens die regel159 Kluth, in: Calliessl Ruffert, Art. 50 EGV Rn 13; siehe zu den einzelnen Abgrenzungskriterien insbesondere EuGH, Rs. C-55 194, Sig. 1995, S. 1-4195 Rn 25 ff. (Gebhard). 160 So z. B. die Auffassung von GA Da Cruz Vi/aca in seinen Schlußanträgen zu der Rs. 63/86, Sig. 1988, S. 44 Rn 60 ff., 74 (Kommission 1Italien) im Hinblick auf den Erwerb privater Wohnungen. 161 So noch Troberg, in GITIE, Art. 52 EGV Rn 4. Nunmehr differenzierter TiedjelTroberg, in: von der Groebenl Schwarze, Art. 43 EG Rn 7 ff., die zwar beim Vorhandensein einer "festen und dauerhaften Einrichtung" eine Niederlassung vermuten, aber maßgeblich auf deren Funktion und den Umfang ihrer tatsächlichen Benutzung im Einzelfall abstellen wollen. 162 EuGH, Rs. C-55/94, Sig. 1995, S. 1-4195 Rn 27 (Gebhard); Rs. C-3/95, Sig. 1996, S. 1-6536 Rn 21 (Reisebüro Broede). Mitunter erfordert das sekundäre Gemeinschaftsrecht sogar für einige Dienstleistungen eine Ansprechstelle im jeweiligen Mitgliedstaat, an die sich der Dienstleistungsempfanger wenden kann, vgl. Art. 46 Abs. 2 UAbs. 4 der Dritten Richtlinie zur Schadensregulierung, RL 92/49/EWG v. 18.6.1992, ABl. 1992 Nr. L 2281 I. Obwohl der EuGH zunächst regelmäßig entschieden hatte, daß die Forderung nach einer ständigen Präsenz im Gastland nicht mit dem Prinzip der DF vereinbar sei, hat er sich später gar dahingehend geäußert, daß einem Wirtschaftsprüfer "das Unterhalten einer organisatorischen Einrichtung für die Ausführung der Arbeiten" trotz Art. 59 EGV zur Pflicht gemacht werden dürfe, vgl. Rs. C-106/91, Sig. 1992, S. 1-3351 ff. (Rarnrath). Siehe dazu Kluth, in: Calliessl Ruffert, Art. 50 EGV Rn 13; kritisch Troberg, in: G IT I E, Art. 52 EGV Rn 4.
C. Immobilienerwerb innerhalb der Grundfreiheiten
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mäßig wiederkehrende Anwesenheit von Mitarbeitern über einen gewissen Zeitraum notwendig machen. 163 Die Betrachtung des konkreten Einzelfalles deckt sich auch mit der Rechtsprechung des Gerichtshofes in der Rechtssache Kommission/Griechenland, in welcher es um die Vereinbarkeit von Immobilienerwerbsbeschränkungen für Ausländer mit den Grundfreiheiten ging. Hinsichtlich der Vereinbarkeit solcher Beschränkungen mit der DF urteilt der Gerichtshof unter Berufung auf die im Allgemeinen Programm zur Aufhebung der Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs genannte Befugnis, Immobilien und Rechte daran zu erwerben, zu nutzen oder darüber zu verfügen: "Was den freien Dienstleistungsverkehr angeht, wird der Zugang zum Eigentum an und zur Nutzung von Immobilien in gleicher Weise durch Art. 59 EWG-Vertrag garantiert, soweit er für die tatsächliche Ausübung dieser Freiheit von Nutzen ist."
Weiter heißt es: "In diesem Zusammenhang hat der Gerichtshof bereits entschieden ( ... ), daß die Erbringer von Dienstleistungen von der Anwendung des Verbots der Diskriminierung auf dem Gebiet des Zugangs zum Eigentum an und zur Nutzung von Immobilien nicht ausgeschlossen werden dürfen. Dies trifft insbesondere auf den in Artikel 60 Absatz 3 EWGVertrag geregelten FaH zu."
Schließlich endet der EuGH mit der Feststellung: "Die ( ... ) Beschränkungen für Staatsangehörige der anderen Mitgliedstaaten beim Erwerb einer Immobilie, von der aus oder in der die Dienstleistung erbracht wird, steHen folglich ein Hindernis für die Ausübung des freien Dienstleistungsverkehrs dar und stehen damit im Widerspruch zu Artikel 59 EWG-Vertrag."I64
Demzufolge wird das Recht zum Erwerb eines Betriebsgrundstücks im Rahmen der DF nicht erst dann gewährt, wenn es sich für die Ausübung der wirtschaftlichen Tätigkeit als unerläßlich darstellt, sondern es besteht bereits in den Fällen, in denen es für die tatsächliche und effektive Ausübung der Tätigkeit von Nutzen ist. Etwas restriktiver urteilt der Gerichtshof dann aber in der bereits genannten Rechtssache Gebhard. Soweit es für die Erbringung einer Leistung erforderlich sei, müsse die Möglichkeit für den Dienstleistenden bestehen, sich im Aufnahmemitgliedstaat mit einer bestimmten Infrastruktur (einschließlich eines Büros, einer Praxis oder Kanzlei) auszustatten. 165 Somit läßt sich feststellen, daß es auch im Rahmen der DF grundsätzlich möglich sein muß, daß beispielsweise ein Rechtsanwalt seiner Tätigkeit im AufBeispiel nach Novak, S. 255. EuGH, Rs. 305/87, Sig. 1989, S. 1479 Rn 24-27 (Kommission/Griechenland). Der Gerichtshof schließt sich insoweit der Auffassung des GA Jacobs, a. a. 0., S. 1470 Rn 9, an. 165 EuGH, Rs. C-55/94, Slg. 1995, S. 1-4195 Rn 27 (Gebhard). 163
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V. Immobilienerwerb innerhalb der Dienstleistungsfreiheit
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nahmeland durch Anschaffung der dafür benötigten Infrastruktur, einschließlich einer eigenen Kanzlei, nachgehen kann und er sich nicht in jedem Falle damit begnügen muß, seine Dienste lediglich von einem Hotelzimmer aus erbringen zu können. Da aber in der Praxis in den meisten Fällen ein Bedürfnis zum Grunderwerb eher nicht vorliegen wird, trifft den Dienst1eistungserbringer die Beweislast dafür, darzulegen, daß die Verweigerung des Grunderwerbs die effektive Ausübung seiner Tätigkeit behindern würde. 166 (2) Privatgrundstücke Wenn bereits das Bedürfnis zum Erwerb von Betriebsgrundstücken einer genaueren Überprüfung des Einzelfalles bedarf, wird man vom Ansatz her mindestens ebenso strenge Anforderungen an die Ermöglichung des Grunderwerbs zu rein privaten Zwecken, insbesondere der Wohnungsnahrne, stellen müssen. Vereinzelt ist ein solches Recht sogar in grundsätzlicher Weise bestritten worden. 167 In der Rechtssache Kommission/Italien nimmt der EuGH zu dieser Frage Stellung. In seinen Ausführungen bezieht er sich nahezu einheitlich sowohl auf die NF als auch auf die DF, indem er beide unter den Begriff "berufliche" bzw. "selbständige" Tätigkeiten zusammenfaßt. Zunächst stellt der Gerichtshof fest, daß das in den Bestimmungen über den freien Dienstleistungsverkehr enthaltene Diskriminierungsverbot nicht nur die Vorschriften betrifft, "die sich speziell auf die Ausübung der einschlägigen Berufstätigkeiten beziehen, sondern auch diejenigen, bei denen es um die verschiedenen, für die Ausübung dieser Tätigkeiten nützlichen allgemeinen Befugnisse geht.,d68 Unter Bezugnahme auf die in den Allgemeinen Programmen enthaltene Befugnis, unbewegliches Vermögen zu erwerben, zu nutzen oder darüber zu verfügen, führt er sodann aus: "Bei einer natürlichen Person setzt die Ausübung einer beruflichen Tätigkeit nicht nur die Möglichkeit voraus ( ... ), Zugang zu Räumlichkeiten zu erhalten, von denen aus die Tatigkeit betrieben werden kann, sondern auch die Möglichkeit, eine Wohnung zu beziehen." 166 So auch Novak. S. 255. Ebenfalls in diesem Sinne GA Leger in seinen Schlußanträgen zur Rs. C-55 /94, Slg. 1995, S. 1-4178 Rn 56 (Gebhard). 167 GA Da Cruz Vi/aca lehnt in seinen Schlußanträgen in der Rs. 63/86, Slg. 1988, S. 44 Rn 60 ff. (Kommission/ltalien) ein Grunderwerbsrecht im Rahmen der DF kategorisch mit der Begründung ab, daß zwischen dem Selbständigen und dem Ort, an dem er seine Tätigkeit ausübt, "kein dauerhaftes oder festes Band" bestehe, "das es gestatten würde, eine ausreichend gesicherte Beziehung zwischen dieser Ausübung und der Möglichkeit, eine Wohnung zu beziehen, anzunehmen ( ... )". Ablehnend auch Hummer / Schweitzer, Ausverkauf, S.I72. 168 EuGH. Rs. 63/86, Slg. 1988, S. 52 Rn 14 (Kommission/Italien) - Hervorhebung des Verfassers.
C. Immobilienerwerb innerhalb der Grundfreiheiten
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Weiter heißt es: "Um die vollständige Gleichheit im Wettbewerb zu sichern, ist es deshalb erforderlich, daß Angehörige eines Mitgliedstaats, die in einem anderen Mitgliedstaat eine selbständige Tätigkeit auszuüben wünschen, dort unter den gleichen Voraussetzungen eine Wohnung beziehen können, wie ihre Mitbewerber, die Angehörige des letztgenannten Staates sind."
Konkret bezogen auf die DF wird schließlich ausgeführt: "Es trifft zwar zu, daß in der Praxis ( ... ) das Bedürfnis nach einer ständigen Wohnung ( ... ) im Falle der Erbringung von Dienstleistungen normalerweise nicht besteht. ( ... ) Es läßt sich jedoch nicht von vornherein ausschließen, daß jemand ( ... ) genötigt ist, seine berufliche Tätigkeit während eines derart ausgedehnten Zeitraums in einem anderen Mitgliedstaat auszuüben, daß er dort eine feste Wohnung benötigt; ( ... ) Hieraus ergibt sich, ( ... ) daß den Erbringern von Dienstleistungen die Vergünstigungen des grundlegenden Prinzips der Inländerbehandlung nicht vorenthalten werden können ... 169
Die Bezugnahme auf die in den Allgemeinen Programmen enthaltene Befugnis, unbewegliches Vennögen im umfassenden Sinne zu erwerben, zeigt, daß sich die Aussagen des Gerichtshofes nicht nur auf den Zugang zu Wohnungen im engeren Sinne, sondern auf jegliche Fonnen des Immobilienerwerbs beziehen. Indem der Gerichtshof das Bedürfnis nach einer ständigen Wohnung für die Ausübung der DF nonnalerweise als nicht gegeben erachtet, schließt er ein solches - im Gegensatz zu GA Da Cruz Vilaca 170 - aber auch nicht kategorisch aus. Vielmehr räumt er ein, daß ein solcher Bedarf in Ausnahmefällen gegeben sein kann, und die Erbringer von Dienstleistungen dann unter den Grundsatz der Inländerg1eichbehandlung fallen müssen. 171 Den Ausführungen des EuGH ist zuzustimmen. Ebenso wie im Bereich der NF ist auch hier zu bedenken, daß eine strikte Trennung zwischen privater und gewerblicher Nutzung einer Immobilie in der Praxis mitunter sehr schwierig durchführbar sein wird. Dies gilt für den Bereich der DF um so mehr, als es sich dort in der Regel um Tätigkeiten mit geringfügigem Infrastrukturbedarf handeln dürfte und somit eine gemischte Nutzung naheliegt. Aufwendiger angelegte Produktionsstätten wären zudem prinzipiell als Haupt- oder Sekundärniederlassung einzustufen und damit dem Bereich der NF zuzuordnen. Gesteht man aber dem Dienstleistenden im konkreten Einzelfall ein Immobilienerwerbsrecht zu betrieblichen Zwecken zu, wird er die diesbezügliche Liegenschaft jedenfalls auch zu privaten (Wohn-)Zwecken nutzen dürfen. 169 EuCH, Rs. 63/86, Slg. 1988, S. 52 Rn 14, 15, 16, 18, 19 - Hervorhebungen des Verfassers. 170 Schlußanträge zu der Rs. 63/86, a. a. 0., S. 44 Rn 60 ff., 74. 171 Auf diese Ausführungen des Gerichtshofes bezieht sich auch CA Jacobs in der Rs. 305/87, Slg. 1989, S. 1470 Rn 9 (Kommission/Griechenland), indem erfordert, daß Dienstleistungserbringer auch im Wohnungsbereich nicht von dem Grundsatz der Inländergleichbehandlung ausgeschlossen werden dürfen.
V. Immobilienerwerb innerhalb der Dienstleistungsfreiheit
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Andererseits wird man den Erwerb eines Grundstücks zwecks Errichtung eines Freizeit- oder Ferienwohnsitzes nicht mehr als von den Gewährleistungen der DF umfaßt ansehen können. Im Fall der beabsichtigten Eigennutzung läßt sich dies damit begründen, daß der Dienstleistende nach dem Wesen der DF nicht auf Dauer in die Rechts- und Wirtschaftsordnung des Aufnahmestaates integriert wird, und seine Situation in dieser Hinsicht nicht mit der eines Arbeitnehmers oder niedergelassenen Selbständigen vergleichbar ist. 172 Bei einer dauerhaften Integration des Dienstleistenden kann es sich immer nur um einen Fall der NF oder FA handeln. Aus diesem Grund wird in aller Regel auch die Errichtung gewerblich zu vermietender Freizeitwohnsitze bzw. Ferienparks 173 nicht von der DF erfaßt. Zwar ist damit die Erbringung diverser touristischer Dienstleistungen verbunden. Auch machen Gäste aus einem anderen Mitgliedstaat, die Ferienwohnungen vorübergehend mieten, von ihrer (passiven) DF Gebrauch. Der Grundstückseigentümer / Vermieter wird in diesen Fällen aber wegen der regelmäßigen Dauerhaftigkeit der Leistungserbringung in Ausübung der (primären oder sekundären) NF tätig. 174 (3) Sonderfall Landwirtschaft
Im Vergleich zu den Regelungen über die NF enthalten die Vorschriften über die DF keine Art. 44 Abs. 2 lit. e EGVentsprechende Norm, welche den Grunderwerb mit der Landwirtschaft in Verbindung brächte. Art. 44 Abs. 2 lit. e EGV wird auch nicht von Art. 55 EGV, der auf die Vorschriften des Niederlassungsrechts verweist, erfaßt. Dennoch hat der Rat auf der Grundlage des Art. 63 Abs. 2 EWGV (Art. 52 Abs. 1 EGV n.F.) zwei Dienstleistungsrichtlinien erlassen, denen jedoch wegen der nunmehr unmittelbar anwendbaren Vorschriften der Art. 49 Abs. 1 und 50 Abs. 3 EGV nur vorübergehende Bedeutung zukam. Sämtliche in den Richtlinien nicht erörterten Fragen sind nunmehr direkt aus den unmittelbar anwendbaren primärrechtlichen Vorschriften heraus zu beantworten. 175 Bei den Richtlinien handelt es sich zum einen um die RL 65/1/ EWG v. 14. 12. 1964 über die Einzelheiten der Verwirklichung des freien Dienstleistungsverkehrs in den Berufen der Landwirtschaft und des Gartenbaus. 176 Sie postuliert das Recht 172 Neben der zeitlichen Komponente besteht ein weiteres Merkmal der DF nämlich darin, daß der Mittelpunkt der Tatigkeit des Leistenden in einern anderen Mitgliedstaat als dem liegen muß, in dem die Leistung erbracht wird. Vgl. dazu GA Leger in seinen Schlußanträgen zur Rs. C-55 /94, Slg. 1995, S. 1-4174 Rn 37 ff. (Gebhard). 173 Siehe zu diesem Sonderfall der Immobiliengeschäfte auch unten (4). 174 Dies verkennt GA Geelhoed in seinen Schlußanträgen zur verb. Rs. C-515/99, C-519/99 bis C-524/99 und C-526/99 bis C-540/99, Slg. 2002, S. 1-2167 Rn 31, 32, 56 (Reisch u. a.), der die Vermietung von Ferienwohnungen pauschal der DF zuordnet, die zeitliche Komponente der Leistungserbringung - in Abgrenzung zur NF - aber völlig außer acht läßt. 175 Hummer/Schweitzer, Ausverkauf, S. 176. 176 ABI. 1965, S. 1 ff.
C. Immobilienerwerb innerhalb der Grundfreiheiten
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auf Inländergleichbehandlung, insbesondere auch hinsichtlich des Rechts, unbewegliches Vermögen zu erwerben, zu nutzen und darüber zu verfügen (Art. 1 i. V. m. Art. 5 Abs. 1 der RL i. V. m. Abschnitt III A Abs. 3 lit. d des Allgemeinen Programms zur Aufhebung der Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs). Mehrheitlich können allerdings die in Art. 2 Abs. 1 der RL aufgezählten Dienstleistungen der Sache nach nur auf fremden Grundstücken erbracht werden, so daß für den Erwerb von Betriebsgrundstücken nur wenige Anwendungsfälle verbleiben, wie etwa Grundstücke zu Lager- und Maschinenparkzwecken. l77 Bei der zweiten Regelung handelt es sich um die RL 67/654/ EWG vom 24. 10. 1967 über die Einzelheiten der VelWirklichung der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs für die selbständigen Tätigkeiten in der Forstwirtschaft und der Holzgewinnung. 178 Auch hier gilt das Gebot der Inländergleichbehandlung, insbesondere bezüglich des Rechts, unbewegliches Vermögen zu erwerben, zu nutzen und darüber zu verfügen (Art. 1 i. V. m. Art. 3 Abs. 1 der RL i. V. m. Abschnitt III A Abs. 3 lit. d des Allgemeinen Programms zur Aufhebung der Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs). Wiederum ist zu beachten, daß die meisten der in der Anlage zur RL aufgeführten Dienstleistungen der Sache nach entweder nur im Rahmen der NF oder auf fremden Grundstücken erbracht werden dürften. Die hier interessierenden Fälle des Grunderwerbs beziehen sich also wiederum im wesentlichen auf den Grunderwerb zu Zwecken der Lagerhaltung bzw. der Anschaffung eines Fuhr- oder Maschinenparks. 179 Keine der genannten Richtlinien enthält jedoch eine Regelung über den Immobilienerwerb zu privaten Wohnzwecken. Diese Frage ist direkt aus den unmittelbar anwendbaren Art. 49 Abs. I und 50 Abs. 3 EGV heraus zu beantworten. Es wird insoweit auf die allgemeinen Ausführungen zum Erwerb von Privatgrundstücken im Rahmen der DF verwiesen. Ein solches Recht ist also nur in wenigen Ausnahmefällen, soweit es eben für die Verwirklichung der DF erforderlich ist, zu gewähren. (4) Sonderfall Immobiliengeschäfte Der besonderen Funktion der DF auf dem Immobiliensektor trägt die RL 67/43/ EWG I80 Rechnung. Begünstigt sind Personen und Gesellschaften, die ihr Einkommen gewerbsmäßig aus Kauf, Verkauf, Vermietung, Verpachtung oder Verwaltung von bebauten oder unbebauten Grundstücken oder aus einer diesbezügHummer/Schweitzer, Ausverkauf, S. 176. ABI. 1967, S. 6 ff. 179 Hummer/ Schweitzer, Ausverkauf, S. 176. 180 RL 67/43/EWG des Rates vom 12. I. 1967 über die Verwirklichung der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs für selbständige Tätigkeiten auf dem Gebiet I. der "Immobiliengeschäfte (außer 6401)" (Gruppe aus 640 ISIC), 2. einiger "sonstiger Dienste für das Geschäftsleben" (Gruppe 839 ISIC), ABI. 1967, S. 140 ff. 177 178
V. Immobilienerwerb innerhalb der Dienstleistungsfreiheit
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lichen Vennittlertätigkeit beziehen. Begründet wird ein unbeschränktes Recht auf Grunderwerb zu den genannten Zwecken. Ausgenommen ist der Erwerb zum Zwecke der Eigennutzung, soweit er nicht bereits unter eine andere Grundfreiheit fällt. 181 Die RL betrifft den Sonderfall der Immobiliengeschäfte sowohl im Bereich der NF als auch der DF. Folgt man ihrem Wortlaut, würde z. B. auch die gewerbliche Vennietung von Ferienwohnungen, die oft noch mit einer Reihe anderer (touristischer) Dienstleistungen verbunden ist, unter die Ausübung der DF fallen. Indes stellt sich hier das Problem der Abgrenzung zur NF. Zwar machen Gäste aus einem anderen Mitgliedstaat, die Ferienwohnungen vorübergehend mieten, von ihrer (passiven) DF Gebrauch. Dies ändert aber nichts daran, daß der Grundstückseigentümer in seiner Funktion als Vennieter in aller Regel dauerhaft tätig sein wird. Damit fehlt es aber an dem für die DF konstitutiven Merkmal der vorübergehenden Leistungserbringung (vgl. Art. 50 Abs. I EGV). Aus diesem Grund handelt es sich bei der Vennietung und Verpachtung von Grundstücken in einem anderen Mitgliedstaat regelmäßig nicht um die Ausübung der (aktiven) DF, sondern um diejenige der (primären oder sekundären) NF. Die RL ist daher in ihrer Anwendung auf die DF dahingehend zu reduzieren, daß sie grundsätzlich nur Fälle der Vennittlung und des Verkaufs, nicht aber der längerfristig angelegten Vennietung und Verpachtung von Grundstücken erfaßt. 182 3. Schranken
Vergleichbar mit den übrigen Grundfreiheiten kann auch die DF sowohl in diskriminierender als auch in nichtdiskriminierender Weise eingeschränkt werden. Während diskriminierende Einschränkungen nur unter den engen Voraussetzungen der Art. 55 i. V. m. 46 Abs. 1 EGV aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit erlaubt sind, lassen sich nichtdiskriminierende Beschränkungen mit zwingenden Erfordernissen des Allgemeininteresses, z. B. Zielen der Raumordnung und des Umweltschutzes, rechtfertigen. 183 Diese Einschränkungen müssen auch verhältnismäßig sein. Zudem hat der Gerichtshof den Beschränkungsbegriff im Rahmen der DF besonders weit gefaßt und meint damit nicht nur das Unterbinden und Behindern von Dienstleistungen, sondern auch den Fall, daß die Erbringung der Dienstleistung weniger attraktiv gemacht wird. 184
181 Hummer/Schweitzer, Ausverkauf, S. 177; zum näheren Inhalt der RL siehe oben IV. 2. b) (4). 182 In diesem Sinne auch Hummer/ Schweitzer, Ausverkauf, S. 177. 183 Siehe dazu bereits oben die Ausführungen zur FA und NF (Ill. 3., IV. 3.). 184 EuGH, Rs. C-3/95, Sig. 1996, S. 1-6537 Rn 25 (Reisebüro Broede); hinsichtlich der dazu vertretenen, unterschiedlich weitgehenden Interpretationen vgl. Kluth in: Calliess / Ruffert, Art. 50 EGV Rn 39 ff.
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c. Immobilienerwerb innerhalb der Grundfreiheiten 4. Zusammenfassung
Ein durch die DF gewährleistetes Immobilienerwerbsrecht kommt in der Praxis prinzipiell nur für den Fall in Betracht, daß der Leistungserbringer sich in das Land des Leistungsempfängers begibt (Normalfall der "aktiven" DF des Art. 50 Abs. 3 EGV). Dem Begünstigten steht ein Recht zum Grunderwerb zu, wenn dieser für die tatsächliche und effektive Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit erforderlich bzw. in maßgeblicher Weise von Nutzen ist. Den Dienstleistenden trifft insoweit die Beweislast dafür, darzulegen, daß ein solches Bedürfnis im konkreten Einzelfall besteht. Hingegen dürfte der Fall, daß ein Bedürfnis zum Grunderwerb für den Leistungsempfänger im Rahmen der "passiven" DF anzuerkennen ist, überwiegend theoretischer Natur sein. Da es in der Praxis in vielen Fällen schwierig sein dürfte, die rein wirtschaftliche Nutzung eines Grundstücks von derjenigen zu privaten Zwecken scharf abzugrenzen, und zudem der im Bereich der DF benötigte Infrastrukturbedarf prinzipiell eher gering ausfallen dürfte - ansonsten handelte es sich meist schon um eine Haupt- oder Zweitniederlassung, welche in den Bereich der NF fiele -, besteht ein solches Recht sowohl für den Erwerb zu beruflichen als auch zu privaten Zwecken. Ausgeschlossen ist allerdings der Grunderwerb zu reinen Freizeit- und Erholungszwecken, da die Lage des DienstIeistenden, der grundsätzlich nicht im Land des DienstIeistungsempfängers ansässig sein darf und dort auch nicht integriert ist, insoweit nicht mit derjenigen eines Arbeitnehmers oder niedergelassenen Selbständigen vergleichbar ist. Dies gilt auch für die gewerbliche Vermietung und Verpachtung von Ferienanlagen, da diese regelmäßig dauerhaft erfolgen und daher von der NF erfaßt werden. Möglichkeiten der Einschränkung der durch die DF gewährleitsteten Grunderwerbsrechte bestehen in gleichem Umfange wie im Rahmen der NE Es wird auf die diesbezüglichen Ausführungen verwiesen. VI. Immobilienerwerb innerhalb der Kapitalverkehrsfreiheit Die in den Artikeln 56 ff. EGV geregelte Freiheit des Kapitalverkehrs (KVF) hat nicht nur in wirtschaftlicher, sondern auch in integrationspolitischer Hinsicht 185 bereits heute eine große Bedeutung erlangt. Diese wächst im Zuge der sog. Globalisierung der Wirtschaft, insbesondere der damit verbundenen Globalisierung der Kapitalsträme, stetig an. Die EG trägt den damit einhergehenden Herausforderungen 186 der Weltwirtschaft in offensiver Weise Rechnung, indem sie die Freiheit 185 Vgl. nur Art. 3 lit. c und Art. 14 EGV n. F., welche die KVF zu einem zentralen Bestandteil des Binnenmarktes erklären. 186 Technische Fortschritte, vor allem im Bereich moderner Kommunikationsmittel, ermöglichen die Bewegung und wechselseitige Beeinflussung der Kapitalmärkte rund um die Uhr. Dies hat neben einer weltweiten Marktinterdependenz zugleich den zunehmenden Ver-
VI. Immobilienerwerb innerhalb der Kapitalverkehrsfreiheit
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des Kapitalverkehrs nach innen und außen grundsätzlich uneingeschränkt gewährt. Sie verspricht sich davon optimale Allokationsmöglichkeiten für den zunehmend gewichtigeren Produktionsfaktor Kapital und damit einhergehend den größtmöglichen Nutzen für die Volkswirtschaft. 187 Der grenzüberschreitende Erwerb von Immobilien steht mit der Freiheit des Kapitalverkehrs in unmittelbarem Zusammenhang. Dies ergibt sich daraus, daß der Grunderwerb unabhängig davon, ob er der Ausübung einer sonstigen Grundfreiheit dient, stets auch eine Investition des Kapitaleigners darstellt. Dieser Anlage- und Investitionscharakter ist es, welcher den Bezug zur KVF herstellt. Nach einer kurzen Darstellung ihrer allgemeinen Charakteristika soll auf die besondere Relevanz des Grunderwerbs für die Verwirklichung dieser vierten Grundfreiheit näher eingegangen werden. I. Rechtsgrundlagen Im Zuge mehrfacher Vertragsbereinigungen und Neunumerierungen durch den Vertrag von Amsterdam finden sich die einschlägigen primärrechtlichen Regelungen zur KVF nunmehr in den Art. 56 bis 60 EGY. Der frühere Art. 67 EWGV gewährte die KVF nur soweit, wie "es für das Funktionieren des Gemeinsamen Marktes notwendig" war. Aufgrund dieser Bedingtheit kam der Norm keine unmittelbare Anwendbarkeit zu. 188 Art. 56 Abs. 1 EGV stellt nunmehr unmittelbar anwendbares Recht dar, auf welches sich der Unionsbürger vor staatlichen Institutionen berufen kann. 189 Bereits vor Inkrafttreten dieser primärrechtlichen Vorschrift konnten sich die Marktbürger gegebenenfalls unmittelbar auf die Vorschriften der Kapitalverkehrsrichtlinie 88/3611EWG 190 berufen, welche in Art. 1 Abs. 1 einen umfassenden und unbedingten Liberalisierungsauftrag enthält. 191 Mitgliedstaatliche Regelungen, welche diesen unmittelbar anwendbaren gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen entgegenstehen, müssen aufgrund des Anwendungsvorranges des Gemeinschaftsrechts unangewendet bleiben. lust staatlicher Steuerungsmöglichkeiten zur Folge. Die aus dieser Entwicklung resultierenden politischen Auswirkungen sind noch gar nicht absehbar. 187 Siehe dazu näher Bröhmer in: Calliess / Ruffert, Art. 56 EGV Rn 4. 188 EuGH, Rs. 203/80, Sig. 1981, S. 2595 ff. (Casati). Die unmittelbare Anwendbarkeit einer gemeinschaftsrechtlichen Norm richtet sich danach, ob sie eine hinreichend konkrete, individualschützende und unbedingte Regelung beinhaltet, vgl. dazu EuGH, Rs. 26/62, Sig. 1963, S. 1 ff. (van Gend & Loos). 189 Bröhmer, in: Calliess / Ruffert, Art. 56 EGV Rn 3 m. w. N. Strittig ist, ob Art. 56 Abs. I EGVauch eine Drittwirkung gegen private Kapitalverkehrsbeschränkungen entfaltet, ablehnend Ress / Ukrow, in: Grabitz/ Hilf, Art. 56 EGV Rn 67 ff. sowie GA Geelhoed in der verb. Rs. C-515/99, C-519/99 bis C-524/99 und C-526/99 bis C-540/99, Sig. 2002, S. 1-2172 Rn 52 (Reisch u. a.), der bezüglich privatrechtlicher Beschränkungen allenfalls einen Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht erblicken will. 190 RL 88/361/EWG des Rates vom 24. 6.1988 zur Durchführung von Art. 67 des Vertrages, ABl. 1988 Nr. L 178, S. 5 ff. 191 EuGH, verb. Rs. C-358/93 u. C-416/93, Sig. 1995, S. 1-387 Rn 32 ff. (Bordessa).
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C. Immobilienerwerb innerhalb der Grundfreiheiten
Teilweise wurde früher die Auffassung vertreten, der KFV käme lediglich eine der Verwirklichung der übrigen Grundfreiheiten dienende und ergänzende Funktion zu. Sie sei bloß als eine unselbständige "Hilfsfreiheit" zu verstehen und käme nur dort zur Anwendung, wo Rechte aus der Freiheit des Warenverkehrs, der Freizügigkeit der Personen und des freien Dienstleistungsverkehrs geltend gemacht würden (sog. Akzessorietät der KFV). Gestützt wurde diese Ansicht vor allem auf Art. 67 EWGV, der die KVF eben nur insoweit gewährte, als es "für das Funktionieren des Gemeinsamen Marktes notwendig" war. Für den Bereich des Immobilienerwerbs hätte eine derartige Interpretation zur Folge, daß die KFV nur insoweit zur Anwendung gelangen könnte, als im Rahmen einer sonstigen Grundfreiheit von einem Grunderwerbsrecht Gebrauch gemacht würde. Wo eine Berufung auf eine sonstige Grundfreiheit nicht in Betracht käme, könnte dann auch die KVF kein eigenständiges Recht zum Grundstückserwerb gewähren. l92 Diese Auffassung ist jedoch spätestens seit Inkrafttreten des Vertrages von Maastricht und den damit einhergehenden Vertragsänderungen nicht mehr haltbar. Sowohl Art. 73 b Abs. 1 EGVa. E (Art. 56 Abs. 1 EGV n. E) als auch schon Art. 1 Abs. 1 der Kapitalverkehrsrichtlinie enthalten einen unbedingten Liberalisierungsauftrag. Die KFV ist damit keine angehängte "Hilfsfreiheit" mehr, sondern erfaßt auch eigenständige, von der Ausübung anderer Grundfreiheiten unabhängige Kapitalverkehrsvorgänge (sog. Nicht-Akzessorietät der KVF).193 Es bedarf daher einer gesonderten Untersuchung, ob und inwieweit auch durch diese vierte Grundfreiheit eigenständige Immobilienerwerbsrechte gewährleistet werden. 2. Gewährleistungsinhalt
a) Grundsätzliche Gewährleistungen Begünstigte der KVF sind alle natürlichen und juristischen Personen, die Kapitaleigner bzw. Kapitalempfangende sind, und zwar unabhängig von ihrem Aufenthaltsort. 194 Als wichtige Ausnahme zu den übrigen Grundfreiheiten spielt dabei die Staatsangehörigkeit überhaupt keine Rolle, so daß sich gleichfalls Angehörige dritter Staaten auf die KVF berufen können. 192 Vgl. Hummer/Schweitzer, Ausverkauf, S. 193. 193 Knapp, S. 412. Vgl. Art. 3 Abs. 11it. c und Art. 14 Abs. 2 EGV, die den freien Kapitalverkehr als eigenständigen, konstitutiven Bestandteil des Binnenmarktes anführen. Zur genaueren Entwicklung der KVF und zu ihrer Bedeutung für die Wirtschafts- und Währungsunion siehe Ress/Ukrow, in: Grabitz/Hilj, vor Art. 56 EGV Rn 15 ff. sowie die Schlußanträge des GA Geelhoed in der verb. Rs. C-515 /99, C-519 /99 bis C-524/99 und C-526/99 bis C-540/99, Slg. 2002, S. 1-2170 Rn 46 ff. (Reisch u. a.). 194 Die früheren Art. 67 Abs. 1 EWGV, Art. 1 Abs. 1 der RL 88/361 /EWG erforderten noch, daß die Kapitaleigner in den Mitgliedstaaten ansässig waren. Da Art. 56 Abs. 1 EGV die Ansässigkeit nicht mehr verlangt, ist diese für den persönlichen Anwendungsbereich der KVF auch nicht mehr erforderlich, vgl. Ohler, Die Kapitalverkehrsfreiheit und ihre Schranken, in: WM 1996, S. 1801, 1806; Geiger, Art. 56 EGV Rn 6; a.A.: Jarass, EuR 1995,202,208.
VI. Immobilienerwerb innerhalb der Kapitalverkehrsfreiheit
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Eine abschließende und umfassende Definition des Kapitalverkehrs findet sich weder in den Gemeinschaftsverträgen noch im sekundären Gemeinschaftsrecht. Auch der EuGH hat sich bisher einer abschließenden Begriffsbestimmung enthalten. Dennoch läßt sich aus einer Zusammenschau der primär- und sekundärrechtlichen Regelungen, der Rechtsprechung sowie dem ökonomischen Begriffsverständnis eine Begriffsformel dahingehend finden, daß unter Kapitalverkehr jede über die Grenzen eines Mitgliedstaates der Gemeinschaft hinweg stattfindende Übertragung von Geld- oder Sachkapital zu verstehen ist, die primär zu Anlagezwecken erfolgt. 195 Kennzeichnend für die KVF ist also vor allem der investitionsorientierte Charakter von Geldbewegungen. Bei den Anlageobjekten wird prinzipiell zwischen Geld- und Sachkapital unterschieden. Sachkapital stellt den Oberbegriff für Direktinvestitionen, Immobilien und Unternehmensbeteiligungen dar, während unter Geldkapital Anleihen, Bürgschaften, Kredite und Wertpapieranlagen aller Art zusammengefaßt werden. Mitunter wird in der Literatur vertreten, daß es sich bei den jeweiligen Transaktionen dem Wesen nach grundsätzlich nicht um einen reziproken Austausch von Leistung und Gegenleistung, sondern um einseitige Wertübertragungen von einem Mitgliedstaat in einen anderen handeln müsse. 196 Dem steht entgegen, daß grenzüberschreitende Investitionen im allgemeinen sowie der Erwerb von Grundstücken im besonderen in nahezu sämtlichen Fällen auf einem Gegenseitigkeitsverhältnis beruhen dürften. 197 Insbesondere dürften die dem Eigentumserwerb zugrunde liegenden zivilrechtlichen Rechtsgeschäfte (z. B. Kauf, Schenkung sowie dingliche Übereignung) stets gegenseitiger Natur sein - eine Ausnahme könnte lediglich im Erwerb aufgrund einer Erbschaft erblickt werden. Man wird deshalb zu dem Schluß gelangen können, daß das Abstellen auf die Einseitigkeit der Wert195 Kapitalverkehr i. S. d. Art. 56 ff. EGV liegt nicht schon allein deshalb vor, weil Kapital die Grenzen eines anderen Mitgliedstaates überschreitet. Entscheidend ist vielmehr der Zweck der Kapitalbewegung. Der EuGH hat deshalb auch in der verb. Rs. 286/82 und 26/83, Sig. 1984, S. 404 Rn 21 (Luisi und Carbone) entschieden, daß es sich im Rahmen der KVF um Geschäfte handelt, "bei denen es in erster Linie um die Anlage und Investition des betreffenden Kapitals geht und nicht um die Vergütung einer Dienstleistung" - Hervorhebung des Verfassers. Siehe dazu auch Bröhmer, in: Calliess / Ruffert, Art. 56 EGV Rn 5, 11 ff. 196 Kiemel, in: von der Groeben/Schwarze, Art. 56 EG Rn 1; Ipsen, Europäisches Gemeinschaftsrecht, s. 650; Streinz, Europarecht, Rn 763. Der für die Verwirklichung anderer Grundfreiheiten notwendige Austausch von Finanzmitteln wird von der in Art. 56 Abs. 2 EGV geregelten Freiheit des Zahlungsverkehrs erfaßt. Sie stellt nach allgemeiner Meinung das komplementäre, gegenleistungsbestimmte Recht zur Wahrnehmung der Waren-, Dienstleistungs-, Personen- und Kapitalverkehrsfreiheit dar, vgl. Ohler, S. 1801. 197 In diesem Sinne auch Freitag, Mitgliedstaatliche Beschränkungen des Kapitalverkehrs und Europäisches Gemeinschaftsrecht, in: EWS 1997, S. 186,187; Seidel, Rechtliche Grundlagen eines einheitlichen Kapitalmarktes der Europäischen Gemeinschaft, in: Festschrift für Lukes, S. 575, 578. Daran ändert sich auch nichts dadurch, daß sich die gegenleistungsbestimmte Kaufpreiszahlung für die Immobilie grundsätzlich dem Anwendungsbereich der Zahlungsverkehrsfreiheit des Art. 56 Abs. 2 EGV unterstellen läßt. Vgl. zu dieser Einordnung Ohler, S. 1802. 7 Hubatsch
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C. Immobilienerwerb innerhalb der Grundfreiheiten
übertragung allgemein zu kurz greift und nur allzu leicht darüber hinweg täuscht, daß es sich in der Regel um wirtschaftliche Austauschverhältnisse handelt, welche umfassender gemeinschaftsrechtlicher Würdigung bedürfen. 198 Daher kann es für die Bestimmung des Kapitalverkehrsbegriffs weniger auf die Ein- oder Gegenseitigkeit der jeweiligen Wertübertragungen als vielmehr auf deren Anlage- und Investitionscharakter ankommen. 199 Bislang ungeklärt und umstritten ist die Frage, ob es für die Anwendbarkeit der KVF stets eines grenzüberschreitenden Bezuges bedarf, oder ob auch ein rein interner Sachverhalt ausreichend sein kann. So wird die KVF in der Literatur mitunter als" Wettbewerbsgleichheit" interpretiert mit der Folge, daß aufgrund des Binnenmarktkonzeptes nicht mehr danach zu unterscheiden sei, ob ein Vorgang im Rahmen der Grundfreiheiten die Binnengrenzen überschreitet oder ob er sich lediglich innerhalb eines Mitgliedstaates abspielt. 2oo Dem Gerichtshof ist in zwei jüngeren Rechtssachen betreffend den Immobilienerwerb wiederholt die Frage gestellt worden, ob sich EU-Bürger auch bei rein innerstaatlichen Vorgängen auf die KVF berufen können.z° l Die Generalanwälte setzten sich z.T. ausführlich mit dieser Frage auseinander.2°2 Ansatzpunkt ist das Bestehen eines einheitlichen Kapitalund Binnenmarktes im Zusammenhang mit der Wirtschafts- und Währungsunion (WWU). Die innerhalb der vollendeten WWU entstandene Einheitlichkeit des Kapitalmarktes führe dazu, daß beim freien Kapitalverkehr nicht mehr von einer rein internen Situation gesprochen werden könne. Vielmehr ergäben sich stets grenzüberschreitende Wirkungen, auch wenn eine nationale Regelung tatsächlich nur Wirtschaftsteilnehmer innerhalb eines Mitgliedstaates betreffen sollte. 203 Dies Ohler; S. 1805. So auch Ohler; S. 1806. 200 Kiemel, in: von der Groeben/Schwarze, Art. 56 EG Rn 25, aber dazu im Widerspruch Rn 13. 201 So in der verb. Rs. C-515/99, C-519/99 bis C-524/99 und C-526/99 bis C-540/99, Slg. 2002, S. 1-2157 ff. (Reisch u. a.) und Rs. C-300/01, Slg. 2003, S. 1-4899 ff. (Salzmann). Den Ausgangsverfahren lagen rein innerstaatliche Sachverhalte zugrunde. 202 Vgl. die Schlußanträge des GA Geelhoed in der Rs. Reisch u. a., S. 1-2177 Rn 75 ff., wo sich eine ausführliche Darstellung der Rspr. zur Problematik der Anwendbarkeit der Grundfreiheiten bei rein internen Situationen findet. Dabei wird deutlich, daß der Gerichtshof die Frage in bezug auf die jeweils einschlägige Grundfreiheit unterschiedlich zu handhaben scheint. Er stellt entweder auf den (konkreten) Sachverhalt des Ausgangsverfahrens (so bezüglich Art. 39, 43, 49 EGV) oder (abstrakt) auf Art und Inhalt der nationalen Maßnahme (bezüglich Art. 28 EGV) ab. GA Geelhoed sieht für diese unterschiedliche Vorgehensweise keinen nachvollziehbaren Grund. Ob der Sachverhalt des Ausgangsverfahrens internen Charakter besitzt, sei reiner Zufall. Entscheidend sei daher, ob eine grundfreiheitsbeschränkende nationale Regelung nach Art und Inhalt Außenwirkung haben und deshalb den freien Verkehr tatsächlich oder potentiell behindern könne (a. a. 0., Rn 99 f.). 203 Vgl. die Schlußanträge des GA Geelhoed in der Rs. Reisch u. a., S. 1-2185 Rn 104 ff., der vergleichsweise die Einheitlichkeit des Zollgebietes der Gemeinschaft und die dazu ergangene Rspr. des EuGH heranzieht. Danach gebiete die Zollunion, daß der freie Warenverkehr innerhalb der Union allgemein und nicht nur im zwischenstaatlichen Handel sicher198
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führe im Ergebnis dazu, daß sich Bürger auch gegen den eigenen Mitgliedstaat, in dem sie ansässig sind, auf die KVF berufen könnten. 204 Nach Ansicht der Kommission sind die Art. 56 ff. EGV nicht anwendbar, wenn der zu beurteilende Sachverhalt in allen seinen Elementen auf denselben Mitgliedstaat beschränkt ist. 205 Der Gerichtshofhat die Frage, ob die KVF auch bei rein internen Sachverhalten anwendbar ist, bisher nicht eindeutig beantwortet. Er erörtert sie lediglich unter dem Gesichtspunkt der Zu lässigkeit einer Vorabentscheidungsfrage i. S. d. Art. 234 EGY. Er bejaht diese Zulässigkeit über die Konstruktion eines nationalen 0) umgekehrten Diskriminierungsverbotes. So schreibt das österreichische Recht vor, daß einem Inländer die gleichen Rechte zustehen, die den Staatsangehörigen anderer Mitgliedstaaten in vergleichbarer Lage kraft Gemeinschaftsrechts zustehen würden. Dazu führt der EuGH sinngemäß aus: Zwar ergebe sich, daß das Ausgangsverfahren mit keinem Element über die Grenzen eines einzigen Mitgliedstaates hinausweise. Eine nationale (Grunderwerbs-)Regelung, die unterschiedslos auf Inländer und EU-Ausländer anwendbar ist, könne aber nur dann Vertragsbestimmungen über die Grundfreiheiten betreffen, wenn sie auf Sachlagen anwendbar sei, die eine "Verbindung zum innergemeinschaftlichen Handel" aufweisen?06 Diese Erwägungen hätten jedoch nicht zur Folge, daß die Vorlagefragen nicht zu beantworten seien. So könne die Auslegung des Gemeinschaftsrechts durch den EuGH für ein nationales Gericht "von Nutzen" sein, wenn das von ihm anzuwendende nationale Recht unter Bezug auf das Gemeinschaftsrecht ein (umgekehrtes) Diskriminierungsverbot zugunsten der eigenen Staatsangehörigen statuiert. Die Tragweite der nationalen Regelungen hänge dann nämlich von den Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts ab. Unabhängig davon, unter welchen Voraussetzungen die aus dem Gemeinschaftsrecht übernommenen Bestimmungen oder Begriffe angewandt werden sollen, bestehe an deren einheitlicher Auslegung ein klares Interesse der Gemeinschaft, um künftige Auslegungsunterschiede zu verhindern. Daher sei auch in diesem Fall - in dem die gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen bloß durch gestellt werde. In seinen Schlußanträgen zur Rs. C-452/01, Slg. 2003, S. 1-9755 Rn 37 (Ospelt) heißt es, daß die mit einer vollständigen Wirtschafts- und Währungsunion innerhalb der Eurozone verbundene Wahrungspolitik eine vollständige Einheit des Geld- und Kapitalverkehrs voraussetze. Im Falle einer zentralisierten Währungspolitik dürfe dann kein Unterschied mehr bestehen zwischen grenzüberschreitenden Transaktionen und solchen, die innerhalb der nationalen Sphäre eines Mitgliedstaates stattfinden. 204 Vgl. GA Geelhoed, in der Rs. Reisch u. a., S. 1-2187 Rn 115 in bezug auf das Salzburger Grundverkehrsgesetz. 205 Vgl. Schlußanträge des GA Leger in der Rs. C-300/01, Slg. 2003, S. 1-4907 Rn 20 (Salzmann). 206 EuGH, verb. Rs. C-515/99, C-519/99 bis C-524/99 und C-526/99 bis C-540/99, Slg. 2002, S. 1-2202 Rn 24 (Reisch u. a.); Rs. C-300/01, Slg. 2003, S. 1-4934 Rn 32 (Salzmann). 7*
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das nationale Recht für anwendbar erklärt werden (!) - deren Auslegung geboten und somit die Vereinbarkeit der nationalen Grunderwerbsregelungen mit der KVF zu prüfen,z°7 Diese dogmatische Konstruktion, nach der die Zuständigkeit des EuGH zur Beantwortung von Vorlagefragen ausschließlich von nationalen 0) Rechtsvorschriften abhängig sein soll, hat heftige Kritik erfahren. 208 Aber auch die Frage, ob eine Grundfreiheit, mithin die KVF, ebenfalls bei rein innerstaatlichen Sachverhalten anwendbar sein kann, wird nicht mit der gebotenen Klarheit beantwortet. Dies betrifft im wesentlichen die Aussage, eine (unterschiedslos anwendbare) nationale Regelung könne nur dann die Grundfreiheiten betreffen, wenn sie auf Sachverhalte anwendbar sei, die eine "Verbindung zum innergemeinschaftlichen Handel" aufweisen. Zum einen läßt der Gerichtshof offen, ob er in diesem Zusammenhang auf den konkreten Ausgangssachverhalt oder den abstrakten Inhalt einer nationalen Regelung und deren potentielle Auswirkungen abstellt. 209 Zum anderen bleibt schleierhaft, ob der in Bezug genommene "innergemeinschaftliche Handel" ein grenzüberschreitendes Element impliziert oder auch rein innerstaatliche Wirtschaftsvorgänge erfaßt werden. Insgesamt liegt es näher, anzunehmen, daß der EuGH auch für die Anwendbarkeit der KVF einen - zumindest potentiellen - grenzüberschreitenden Bezug für erforderlich hält. Sonst würde er nicht zwischen dem (Nichtvorliegen) eines grenzüberschreitenden Elements bzw. der "Verbindung zum innergemeinschaftlichen Handel" einerseits und der Zulässigkeit einer Vorlagefrage andererseits, die sich im konkreten Fall lediglich aus der Verweisung des nationalen Rechts ergeben soll, unterscheiden. 210 Die oben skizzierten Überlegungen der Generalanwälte, die wegen der Einheitlichkeit des Kapitalmarktes und der damit zusammenhängenden Wirtschafts- und Währungsunion in der Eurozone auf ein grenzüberschreitendes Element verzichten wollen bzw. dieses auch bei rein innerstaatlichen Kapitaltransaktionen für gegeben erachten, erscheinen unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten durchaus konsequent. Zudem würde mit dieser Konstruktion das Problem der Inländerdiskriminierung im Bereich des Kapitalverkehrs gelöst, ohne daß es entsprechender nationaler Regelungen, wie im Falle Österreichs, bedürfte. Da der Zugang zu Kapital eine wesentliche Bedingung für die Entfaltung wirtschaftlicher Tätigkeiten darstellt, EuGH, Rs. C-300/01, Slg. 2003, S. 1-4934 Rn 32-36 (Salzmann). Vgl. die Schlußanträge des GA Leger in der Rs. Salzmann, S. 1-4909 Rn 29 m. w. N. 209 Vgl. EuGH, Rs. C-300/01, Sig. 2003, S. 1-4932 Rn 25 ff. (Salzmann), in der sowohl auf die konkreten Umstände des Ausgangsverfahrens als auch auf die mögliche Reichweite der nationalen Regelungen Bezug genommen wird. 210 In diese Richtung geht auch die Interpretation des GA Leger in seinen Schlußanträgen zur Rs. Salzmann (S. 1-4909 Rn 28). Er spricht davon, daß es in diesem Zusammenhang um Fälle gehe, in denen der Gerichtshof zwar seine Zuständigkeit für die Beantwortung einer Vorlagefrage bejahe, in denen der Ausgangssachverhalt aber außerhalb des Anwendungsbereichs des Gemeinschaftsrechts liege. 207
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würde mit dem Verzicht auf einen - wie auch immer gearteten - grenzüberschreitenden Bezug schließlich ein nicht unerheblicher Beitrag zur Verwirklichung der Wettbewerbsfreiheit innerhalb der Gemeinschaft geleistet. Trotz allem spricht gegen eine derartige Interpretation der KVF insbesondere der klare Wortlaut des Art. 56 EGV, welcher nur Beschränkungen des Kapitalverkehrs "zwischen" und nicht etwa "in" den Mitgliedstaaten verbietet. 211 Da der EuGH offensichtlich nicht gewillt ist, in dieser Frage Klarheit zu schaffen, bleibt es dem Gemeinschaftsgesetzgeber überlassen, gegebenenfalls dafür zu sorgen. Bis dahin ist davon auszugehen, daß es (auch weiterhin) eines transnationalen Elements für die Anwendbarkeit der KVF bedarf?l2 Gemäß Art. 56 Abs. 1 EGV sind (schlicht) alle Beschränkungen des Kapitalverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten untereinander sowie zwischen ihnen und Drittländern verboten?l3 Die Vorschrift statuiert somit ein allgemeines Beschränkungsverbot. Bezweckt wird nicht nur eine Gebietsansässigen- oder Inländergleichbehandlung, sondern die grundsätzliche Beseitigung sämtlicher Hindernisse für den freien Kapitalverkehr sowie die Verhinderung eines versteckten Protektionismus. Vergleichbar einer Ware im Rahmen der Warenverkehrsfreiheit soll das Kapital - unabhängig von der Staatsangehörigkeit seines Eigners - ungehindert zirkulieren können,zl4 Begünstigt und "befreit" ist somit nicht bloß der Kapitalleistende oder -empfangende, sondern primär das Kapital selbst. 2l5 Dem Wortlaut nach enthält Art. 56 EGV zwar kein Diskriminierungsverbot, jedoch besteht Einigkeit darüber, daß das durch ihn statuierte allgemeine Beschränkungsverbot erst recht das Verbot diskriminierender Beschränkungen umfaßt. 2l6 Dies beinhaltet auch das Verbot verdeckter bzw. mittelbarer Diskriminierungen, welche zwar nicht formal an die Staatsangehörigkeit anknüpfen, in ihren Auswirkungen jedoch regelmäßig und typischerweise zu einer Benachteiligung von Ausländern führen. 2l7 Als Beispiel für eine mittelbare Diskriminierung im Bereich 211 Auf das Wortlautargument stützt sich auch die Kommission, vgl. die Schlußanträge des GA Leger in der Rs. Salzmann, S. 1-4907 Rn 20. 212 So im Ergebnis auch Bröhmer, in: Calliess I Ruffert, Art. 56 Rn 15. 213 Die grundsätzliche Wirkung des Beschränkungsverbotes auch gegenüber Drittländem wird als "Erga-omnes-Prinzip" bezeichnet. Damit wird dem Grundsatz einer "offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb", auf den Art. 4 Abs. 1 und 2 EGV die Mitgliedstaaten und die Gemeinschaft verpflichten, sowie den Erfordernissen der WWU Rechnung getragen, vgl. Kiemel, in: von der Groeben I Schwarze, Art. 56 EG Rn 26. 214 Novak, S. 256; Ohler, S. 1806; HummerlSchweitzer, Ausverkauf, S. 192. 215 Weber, Kapitalverkehr und Kapitalmärkte im Vertrag über die Europäische Union, in: EuZW 1992, S. 561, 563; Kiemel, in: von der GroebenlSchwarze, Art. 56 EG Rn 24. 216 ResslUkrow, in: GrabitzlHilf, Art. 56 EGV Rn 39; Knapp, S. 413; Ohler, S. 1806. 217 Knapp, S. 413. Ein solches Verbot läßt sich auch dem Hinweis in Art. 58 Abs. 3 EGV entnehmen, welcher erfordert, daß mitgliedstaatliche Beschränkungen der KVF weder ein Mittel zur willkürlichen Diskriminierung noch eine verschleierte Beschränkung des freien Kapitalverkehrs im Sinne des Art. 56 EGV darstellen dürfen.
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C. Immobilienerwerb innerhalb der Grundfreiheiten
des Liegenschaftserwerbs ist prinzipiell die an ein Grunderwerbsrecht geknüpfte und für das gesamte Hoheitsgebiet geltende Unterscheidung nach dem Wohnsitz einer natürlichen Person bzw. nach dem Sitz einer Gesellschaft zu nennen, da der grenzüberschreitende Grunderwerb, etwa zu Investitionszwecken oder zwecks Begründung eines Zweitwohnsitzes, regelmäßig nicht mit einer Hauptwohnsitzverlagerung oder Sitzverlagerung in den jeweiligen Mitgliedstaat verbunden iSt. 218 Umgekehrt sind Staatsangehörige des betreffenden Mitgliedstaates regelmäßig in diesem ansässig und erfüllen somit das Kriterium der Gebietsansässigkeit, so daß typischerweise nur Ausländer betroffen sind. Allerdings hat der EuGH klargestellt, daß ein Wohnsitzerfordernis unter bestimmten Voraussetzungen auch als nichtdiskriminierend und daher mit den Grundfreiheiten vereinbar angesehen werden kann. In diesen Fällen gilt das Erfordernis allerdings nicht für das gesamte Territorium des betreffenden Mitgliedstaates, sondern ist auf ein bestimmtes geographisches Gebiet beschränkt. Es dient in nachvollziehbarer Weise jeweils der Verfolgung spezifischer Zwecke und betrifft Inländer außerhalb eines abgegrenzten Gebietes in gleicher Weise wie Angehörige anderer Mitgliedstaaten. 219 b) Relevanz für den Immobilienerwerb Ein primärrechtlicher Hinweis darauf, daß der Immobilienerwerb auch im Rahmen der KVF von Bedeutung ist, findet sich zunächst in Art. 57 EG\!, welcher die Anwendung ausnahmsweise zulässiger Beschränkungen des Kapitalverkehrs auf dritte Länder betrifft. Der Vorschrift läßt sich entnehmen, daß die KVF grundsätzlich auch Bezüge zu Direktinvestitionen, einschließlich der Anlagen in Immobilien, sowie zu Transaktionen im Zusammenhang mit der Niederlassung aufweist. 220 Der Begriff der Direktinvestition ist für den Immobilienerwerb gleichfalls von Bedeutung, weil er sich auf Investitionen jeglicher Art bezieht, welche von natürlichen 218 Knapp, S. 413. Auch das Kriterium der Haupterwerbstätigkeit kann eine mittelbare Diskriminierung begründen, vgl. die Schlußanträge des GA Da Cruz Vilaca in der Rs. 63/86, Slg. 1988, S. 38 Rn 15 (Kommission/Italien). 219 In der Rs. C-182/83, Slg. 1984, S. 3677 ff. (Fearon) erachtet es der EuGH für rechtens, den Schutz vor Enteignungsmaßnahmen bei Grundstücksgesellschaften davon abhängig zu machen, daß die Anteilseigner auf dem betroffenen Grundstück oder in dessen unmittelbarer Nähe wohnen. Ein derartiges Wohnsitzkriterium betrifft grundSätzlich Inländer und Ausländer gleichermaßen, da die konkrete Nähe zu dem jeweiligen Grundstück für die Ungleichbehandlung ausschlaggebend ist. Insofern liegt also keine mittelbare Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit vor. In der Rs. C-452/01, Slg. 2003, S. 1-9802 Rn 37 (Ospelt) dient das ebenfalls als zulässig befundene Wohnsitzerfordernis für den Erwerb landwirtschaftlicher Grundstücke dazu, in einer bestimmten Region die landwirtschaftliche Bevölkerung und ihre Betriebe zu erhalten; siehe dazu auch die diesbezüglichen Schlußanträge des GA Geelhoed (S. 1-9776 Rn 125 ff.). 220 Bröhmer; in: CalliesslRuffert, Art. 56 EGV Rn 7; ResslUkrow, in: GrabitzlHilj Art. 56 EGV Rn 14.
VI. Immobilienerwerb innerhalb der Kapitalverkehrsfreiheit
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Personen, Handels-, Industrie- oder Finanzunternehmen (Investoren) zur Schaffung und Aufrechterhaltung dauerhafter und direkter Beziehungen zwischen ihnen und den Unternehmern oder Unternehmen, für weIche die Mittel zum Zwecke einer wirschaftlichen Tätigkeit bestimmt sind, vorgenommen werden. 221 Der Begriff der Direktinvestition ist also im weitesten Sinne gemeint und beinhaltet z. B. auch den Fall, daß ein Betriebsgrundstück mit Anlagen gekauft wird?22 Im Bereich des Sekundärrechts läßt insbesondere die Kapitalverkehrsrichtlinie 88/361/EWG einen Zusammenhang zwischen KVF und Grunderwerb erkennen. Zwar ist die KVF nunmehr umfassend in den Art. 56 ff. EGV geregelt worden, so daß sie nicht mehr durch Richtlinien konkretisiert zu werden braucht. 223 Dennoch behält die RL auch noch nach der Neuordnung der primärrechtlichen Vorschriften ihre Bedeutung, weil mit den Art. 56 ff. EGV der mit ihr erreichte Stand nicht unterschritten werden sollte. 224 Aus normhierarchischen Gründen ist allerdings zu beachten, daß die RL als sekundärrechtliche Regelung den Rechtsgehalt von Primärrecht weder determinieren noch derogieren kann?25 Ihr kommt allerdings die Funktion einer Rechtserkenntnisquelle ZU. 226 SO zählt die RL in ihrem Anhang Ilmmobilieninvestitionen allgemein zu den Kapitalverkehrsgeschäften, die gemäß Art. I der RL prinzipiell beschränkungsfrei sein sollen. 227 Soweit sie nicht bereits als Direktinvestitionen anzusehen sind, wer221 Vgl. die Begriffsdefinition der RL 88/361/ EWG. Im Anhang I der RL werden Direktinvestitionen u. a. definiert als Gründung, Erweiterung oder vollständige Übernahme von Zweigniederlassungen und Unternehmen sowie die Beteiligung an neuen oder bestehenden Unternehmen zur Schaffung oder Aufrechterhaltung dauerhafter Wirtschaftsbeziehungen. 222 Ohler; S. 1804; zur erforderlichen Abgrenzung zur Niederlassungsfreiheit siehe unten VII. 2. 223 Folglich sieht der Vertrag auch keine Art. 69 E(W)GV vergleichbare Richtlinienkompetenz mehr vor. 224 Bröhmer; in: Calliessl Ruffert, Art. 56 EGV Rn 9. Die Kapitalverkehrsrichtlinie ist auch nicht förmlich aufgehoben worden, so daß - trotz Wegfalls ihrer Rechtsgrundlage - von ihrem Fortbestand auszugehen ist. Sie zählt zum gemeinschaftlichen Besitzstand, der nach Art. 3 EUV gewahrt werden muß, vgl. Kiemel, in: von der Groebenl Schwarze, Art. 56 EG Rn 41 ff.; Knapp, S. 412; EuGH, Rs. C-222/97, Sig. 1999, S. 1-1678 Rn 21 (Trummer und Mayer). 225 So auch Schön, Europäische Kapitalverkehrsfreiheit und nationales Steuerrecht, in: Schön (Hg.), Gedächtnisschrift für Brigitte Knobbe-Keuk, S. 747. 226 Die RL kann als Auslegungshilfe herangezogen werden. Gemäß Art. 31 1 der Wiener Vertragsrechtskonvention (WVRK) sind völkerrechtliche Verträge nach Treu und Glauben in Übereinstimmung mit der gewöhnlichen Bedeutung auszulegen. Bei Mehrdeutigkeit oder zur Bestätigung des derart ermittelten Ergebnisses können dann gemäß Art. 32 WVRK auch die Umstände des Vertragsabschlusses herangezogen werden. Die RL enthält im Anhang eine Nomenklatur zum Kapitalverkehr und lag - wie aus gleichartigen Formulierungen hervorgeht - auch dem Abschluß des EU-Vertrages mit den in ihm enthaltenen Änderungen des E(W)GV zugrunde, vgl. Weber; S. 561; Ohler; S. 1801. 227 Die im Annex 1 der RL aufgeführten Kapitalverkehrsvorgänge nach Fallgruppen steilen jedoch weder eine abschließende Nomenklatur zur Begriffsdefinition des Kapitalverkehrs (vgl. Rubrik XIII lit. F "Sonstiger Kapitalverkehr: Verschiedenes") noch eine Beschreibung
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C. Immobilienerwerb innerhalb der Grundfreiheiten
den unter Punkt 11 A. der Nomenklatur ausdrücklich Immobilieninvestitionen von Gebietsfremden im Inland genannt. Gemäß der Begriffsbestimmungen der Nomenklatur sind unter Immobilieninvestitionen insbesondere der Kauf von bebauten und unbebauten Grundstücken sowie der Bau von Gebäuden zu Erwerbszwecken oder persönlichen Zwecken durch Privatpersonen zu verstehen. 228 In der jüngeren Entscheidung Konle, in der es um die Frage der gemeinschaftsrechtlichen Vereinbarkeit eines nationalen Genehmigungserfordernisses für den Erwerb von Grundstücken durch Staatsangehörige anderer Mitgliedstaaten geht, beruft sich auch der Gerichtshof auf die Kapitalverkehrsrichtlinie, indem er feststellt: "Zunächst müssen innerstaatliche Regelungen des Grundstückserwerbs sich im Rahmen der Bestimmungen des EG-Vertrags ( ... ) über den freien Kapitalverkehr halten. ( ... ) Der Kapitalverkehr umfaßt auch die Geschäfte, durch die Gebietsfremde in einem Mitgliedstaat Immobilieninvestitionen vornehmen, wie sich aus der Nomenklatur für den Kapitalverkehr im Anhang 1 der Richtlinie 88/361 / EWG ( ... ) ergibt. ,,229
Durch diese Bezugnahme auf die RL wird klargestellt, daß ihrem Inhalt - trotz Wegfalls ihrer ursprünglichen Rechtsgrundlage 230 - insoweit auch zukünftig Bedeutung für den Immobilienerwerb zukommt, als der EuGH ihn im Wege seiner Rechtsprechung zur Konkretisierung der primärrechtlichen Vorschriften heranzieht und ihn damit materiell zum Bestandteil der KVF erklärt. 23 1 Nach dem bisherigen Untersuchungsstand läßt sich sowohl aus den genannten Regelungen des Primär- und Sekundärrechts als auch aus der sie konkretisierenden Rechtsprechung des EuGH schlußfolgern, daß grundsätzlich jeglicher Immobilienerwerb eines EU-Bürgers in einem anderen Mitgliedstaat in den Anwendungsbereich der KVF fällt. 232 des Mindestumfanges der KVF dar, da zumindest rechtstheoretisch auch die KVF dem Subsidiaritäts- und Verhältnismäßigkeitsprinzip unterliegt. Der EuGH wäre also nicht daran gehindert, einen scheinbar durch die RL liberalisierten Bereich ganz oder teilweise vom Geltungsbereich des Art. 56 EGVauszunehmen, vgl. Bröhmer, in: Calliess / Ruffert, Art. 56 EGV Rn 9. 228 Daneben werden auch Nießbrauchsrechte, Grunddienstbarkeiten und Erbbaurechte umfaßt. 229 EuCH, Rs. C-302/97, Slg. 1999, S. 1-3131 Rn 22 (Konle). 230 Die RL wurde auf Art. 69 und 70 Abs. 1 EWGV gestützt, weIche gemäß Art. 73 a EGV a. F. durch die Art. 73 b ff. EGVersetzt worden sind. Eine den Art. 69, 70 EWGV entsprechende Richtlinienkompetenz des Rates findet sich darunter aber nicht mehr. 231 SO Z. B. in der Rs. C-452/01, Slg. 2003, S. 1-9789 Rn 7 (Ospelt), wo der EuCH der RL "Hinweischarakter" für die Definition des Begriffs des Kapitalverkehrs zumißt. 232 So auch Knapp, S. 412; a. A. CA Ceelhoed, der in den Schlußanträgen zur Rs. Reisch u. a., Slg. 2002, S. 1-2170 Rn 43 lediglich den Erwerb zu Spekulationszwecken der KVF zuordnen und danach unterscheiden will, ob sich eine nationale Regelung auf eine bestimmte Nutzung oder auf den Anlage- bzw. Spekulationszweck des Grundstückserwerbs bezieht. Dahingegen subsumiert der EuGH entsprechende Regelungen stets auch unter die KVF. Zum Verhältnis der KVF zu den anderen Grundfreiheiten siehe unten VII.
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Allerdings ist fraglich, ob der Kapitalverkehrsbegriff durch Heranziehung weiterer, den GrundsWckserwerb betreffender Rechtsakte auf Tatbestandsebene 233 Eingrenzungen bzw. Modifikationen erfährt. Neben den aufgezeigten, unmittelbaren Bezügen des EGV sowie einschlägiger sekundärrechtlicher Vorschriften zum Immobilienerwerb existieren nämlich verschiedene Protokolle und Erklärungen zum EUV und EGV, die sich mit kapitalverkehrsrelevanten Vorgängen im Immobiliensektor beschäftigen. Dazu kommen u. a. auch die Beitrittsakten der skandinavischen Staaten und Österreichs. In diesen Rechtsakten ist der Grunderwerb im allgemeinen sowie der Zweitwohnungserwerb im besonderen Gegenstand einer Reihe einschränkender Sonderregelungen: So heißt es zunächst im Protokoll betreffend den Erwerb von Immobilien in Dänemark: "Die hohen Vertragsparteien - von dem Wunsch geleitet, gewisse besondere Probleme betreffend Dänemark zu regeln - sind über folgende Bestimmung übereingekommen, die dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften beigefügt wird:
Ungeachtet des Vertrags kann Dänemark seine geltenden Rechtsvorschriften für den Erwerb von Zweitwohnungen beibehalten... 234
Eine ähnliche Regelung betreffend Zweitwohnsitze findet sich nach dem Beitritt der MOES in dem Protokoll Nr. 6 über den Erwerb von Zweitwohnsitzen in Malta. 235 Gemäß Art. 311 EGV sind diese Protokolle Bestandteile des Vertrages. Sie haben unter anderem die Funktion primärrechtlicher Sonderregelungen und dienen der Absicherung Dänemarks und Maltas vor sonstigen vertraglichen Vorschriften?36 Umstritten ist allerdings, ob sich aus ihrer Existenz schließen läßt, daß der Zweitwohnungserwerb grundsätzlich Gegenstand der KVF ist. Dagegen wird eingewandt, daß die Protokolle dänische bzw. maltesische Immobilienerwerbsregelungen nicht nur vor den Gewährleistungen der KVF, sondern vor allen aus dem EGVableitbaren Einwänden, insbesondere auch aus dem Bereich der Arbeitnehmerfreizügigkeit und der Niederlassungsfreiheit, schützen sollten. 237 Zwar legt die dem Erlaß der Protokolle zugrunde liegende Intention Dänemarks und Maltas, sich im Bereich des Zweitwohnungserwerbs in umfassender Weise abzusichern, nicht zwingend den Schluß nahe, daß der Zweitwohnungserwerb grundsätzlich Bestandteil der KFV ist. Der Umkehrschluß ist allerdings ebensowenig zwingend. Näheren Aufschluß zur Beantwortung dieser Frage können aber sowohl 233 Dies betrifft die Ebene des Schutzbereichs der KVF. Davon zu trennen ist die noch gesondert zu erörternde Schrankenebene. 234 Abgedruckt in ABI. 1992 Nr. C 224/ 104; Hervorhebungen des Verfassers. 235 Das Protokoll ist im Anhang K. der Arbeit abgedruckt. 236 Siehe ausführlich zu der Funktion dieser Regelungen unten G. VI. 237 So bezüglich des Protokolls betreffend Dänemark Brähmer, in: Calliessl Ruffert, Art. 56 EGV Rn 8; a. A. ResslUkrow, in: GrabitzlHilf, Art. 56 EGV Rn 14; Knapp, S. 412, 413.
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C. Immobilienerwerb innerhalb der Grundfreiheiten
die Präambel als auch Art. 6 Abs. 4 der Kapitalverkehrsrichtlinie 88/361/EWG geben, welche sich im oben erörterten Sinne der Rechtsprechung des EuGH als Auslegungshilfe bzw. Rechtserkenntnisquelle heranziehen lassen. 238 So heißt es in der Präambel der RL zur Problematik des Zweitwohnungserwerbs: "Die vollständige Liberalisierung des Kapitalverkehrs könnte in einigen Mitgliedstaaten und insbesondere in Grenzgebieten zu Schwierigkeiten auf dem Markt für Zweitwohnsitze beitragen. Bestehende einzel staatliche Rechtsvorschriften zur Regelung dieser Käufe sollten durch die Anwendung dieser Richtlinie nicht berührt werden."
Entsprechend schränkt Art. 6 Abs. 4 der RL das grundsätzlich gewährte Immobilienerwerbsrecht für den Bereich der Zweitwohnungen ein, indem er statuiert: "Bestehende einzelstaatliche Rechtsvorschriften zur Regelung des Erwerbs von Zweitwohnsitzen dürfen aufrechterhalten werden, bis der Rat weitere diesbezügliche Vorschriften gemäß Art. 69 des Vertrages erläßt. Die vorliegende Vorschrift berührt nicht die Anwendbarkeit anderer Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts."
Bereits der in der Präambel hergestellte Zusammenhang zwischen einer "vollständigen Liberalisierung" und den befürchteten "Schwierigkeiten auf dem Markt für Zweitwohnsitze" impliziert, daß im Falle einer vollständigen Liberalisierung des Kapitalverkehrs gerade auch der Erwerb von Zweitwohnsitzen durch die KVF gewährleistet würde. Dies war anscheinend auch der Grund dafür, daß Art. 6 Abs. 4 auf ausdrückliches Betreiben Dänemarks 239 in die Kapitalverkehrsrichtlinie aufgenommen wurde. Die Regelung überläßt es nämlich den Mitgliedstaaten, sich auf bestehende, den Zweitwohnungserwerb einschränkende, nationale Regelungen zu berufen. Sie stellt aber zugleich ausdrücklich fest, daß durch sie der Erwerb aufgrund anderer Regelungen nicht eingeschränkt werden darf. Indem die Regelung lediglich bestehende Einschränkungen des Zweitwohnungserwerbs für zulässig erklärt, läßt sich aus ihr bloß der Umkehrschluß ziehen, daß die Normadressaten nicht zum Neuerlaß beschränkender Rechtsvorschriften ermächtigt sind. 24o Für 238 Eine inhaltliche Begrenzung der primärrechtlichen Vorschriften der Art. 56 ff. EGV durch die sekundärrechtliche Kapitalverkehrsrichtlinie ist aus rechtssystematischen Gründen jedoch nicht möglich. 239 Schmidtjell, S. l7; Hummer/Schweitzer, Ausverkauf, S. 196; Kiemel, in: von der Groeben/Schwarze, vor Art. 56 bis 60 EG Rn 19 (Fn 22). Art. 6 Abs. 4 der RL steht zwar ausdrücklich unter einem Liberalisierungsvorbehalt durch den Rat gemäß Art. 69 EWGY. Letztere Ermächtigungsgrundlage ist aber durch die Art. 73 a ff. EGVa. F. ersetzt worden, ohne daß eine äquivalente Ersatzregelung getroffen wurde. Diese ist aufgrund des nunmehr unbedingten und unmittelbaren Liberalisierungsauftrages des Art. 73 b EGV (Art. 56 EGV n. F.) auch nicht mehr nötig. 240 Kiemel, in: von der Groeben/Schwarze, Art. 56 EG Rn 42, interpretiert Art. 6 Abs. 4 der RL als eine sämtlichen Mitgliedstaaten bisher eingeräumte Möglichkeit, den Zweitwohnungserwerb durch bestehende Vorschriften einzuschränken. Er geht jedoch davon aus, daß diese Möglichkeit durch das Protokoll betreffend den Immobilienerwerb in Dänemark materiell ersetzt worden ist. Dies hätte zur Folge, daß Einschränkungen in diesem Bereich ausnahmsweise nur noch Dänemark zustünden. Eine eingehende Untersuchung des Regelungsumfangs des Protokolls sowie sein Verhältnis zu anderen Vorschriften erfolgt unten unter G. I.
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eine generelle Ausklammerung des Zweitwohnungserwerbs aus dem Schutzbereich der KVF gibt die Vorschrift indes nichts her. Regelungsgehalt ist lediglich die Ermöglichung einer temporär begrenzten Ausnahme zu dem durch die Kapitalverkehrsrichtlinie grundsätzlich umfassend gewährten Grunderwerbsrecht, welches ausdrücklich auch auf persönliche Zwecke gestützt werden kann. Einen solchen persönlichen Zweck verfolgt gerade auch der Grunderwerb zum Zwecke der Begründung eines Zweit- oder Freizeitwohnsitzes. All dies läßt den Schluß zu, daß die KVF auch gemäß der Kapitalverkehrsrichtlinie - in ihrer Funktion als Rechtserkenntnisquelle - den Erwerb von Zweitwohnsitzen prinzipiell beinhaltet. Zu dem gleichen Ergebnis gelangt Hörtenhuber, der aufgrund der Nonnenhierarchie und der allgemeinen Grundsätze der lex posterior und lex specialis die Kapitalverkehrsrichtlinie einschließlich ihres Art. 6 Abs. 4 als durch den Erlaß der Art. 73 b ff. EGVa. E (Art. 56 ff. EGV n. E) materiell derogiert ansieht. 241 An diesem Ergebnis ändert auch die bereits angeführte - allgemeines Gemeinschaftsrecht darstellende - Gemeinsame Erklärung Nr. 5 zu Zweitwohnungen 242 nichts. Die Bestimmung bezieht sich lediglich auf einzelne, enumerativ aufgeführte Beschränkungsmöglichkeiten des Zweitwohnungserwerbs. Sie betrifft somit die Schrankenebene, gibt aber für die Erörterung des Schutzbereichs der KVF oder anderer Bestimmungen nichts her. Ebensowenig lassen sich aus Art. 70, 87 und 114 der Akte über die Bedingungen des Beitritts des Königreichs Norwegen, der Republik Österreich, der Republik Finnland und des Königreichs Schweden und die Anpassungen der die Europäische Union begründenden Verträge 243 gegenteilige Schlüsse ziehen. Durch die Regelungen wurde diesen - mit Ausnahme Norwegens - der EU beigetretenen Staaten abweichend von den Verpflichtungen im Rahmen der die EU begründenden Verträge lediglich eine fünfjährige Übergangs!rist zugestanden, ihre jeweils bestehenden Rechtsvorschriften über Zweitwohnungen beizubehalten. Diese Übergangsfrist lief zum 1. 1. 2000 aus. Schließlich führt auch das Protokoll Nr. 2 über die Alandinseln, 244 welches Grunderwerbsbeschränkungen für natürliche Personen ohne regionalen Bürgerstatus auf den finnischen Alandinseln zum Zwecke des Schutzes der schwedischen 241 Hörtenhuber, S. 226. Die seiner Ansicht nach nicht mehr anwendbare Bestimmung des Art. 6 Abs. 4 der RL ist vermutlich auch der Grund dafür gewesen, daß Dänemark durch das Protokoll zum EUV auf primärrechtlicher Ebene seine Regelungen betreffend den Erwerb von Zweitwohnsitzen abgesichert hat. Der EuGH hat sich zwar auch nach Erlaß der Art. 73 a ff. EGV noch generell auf die RL berufen und ihren Inhalt insoweit zum Bestandteil der KVF erklärt, als Immobilieninvestitionen Gebietsfremder in einem Mitgliedstaat grundsätzlich von der KVF umfaßt werden - vgl. Rs. C-302/97, Sig. 1999, S. 1-3131 Rn 22 (Konle). Zu dem speziellen weiteren Schicksal von Art. 6 Abs. 4 der RL hat er sich bisher aber noch nicht geäußert. 242 ABI. 1994 Nr. C 241/382; siehe dazu näher unten G. IV. 243 ABI. 1994 Nr. C 241 /2\. 244 ABI. 1994 Nr. C 241 /352; siehe dazu näher unten G. II.
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Minderheit vorsieht, zu keinem anderen Ergebnis. Aus dem Protokoll läßt sich lediglich folgern, daß der Erwerb und Besitz von Grundeigentum allgemein kapitalverkehrsrelevant ist. 245 Somit läßt sich feststellen, daß die KVF grundsätzlich den Immobilienerwerb jeglicher Art, also sowohl zu Investitions- als auch zu persönlichen Zwecken, gewährleistet. 246 In letzterem Fall kommt es nicht auf eine Unterscheidung zwischen Erst- und Zweitwohnsitzen an. 247 Dieses Erwerbsrecht steht nicht nur EU-Bürgern, sondern - aufgrund der umfassenden Liberalisierungsverpflichtung der Art. 56 ff. EGV - prinzipiell auch Drittstaatsangehörigen zu. 3. Schranken
a) Kapitalverkehrsrechtlicher Beschränkungsbegriff Die KVF enthält nach dem Wortlaut des Art. 56 Abs. I EGV ein allgemeines Beschränkungsverbot. Allerdings wird der diesem Verbot zugrunde liegende Beschränkungsbegriff im EGV genausowenig definiert wie der Begriff des Kapitalverkehrs. Auch der EuGH hat es bisher unterlassen, über den Einzelfall hinaus generell-abstrakte Aussagen zur Bestimmung eines spezifisch kapitalverkehrsrechtlichen Beschränkungsbegriffes zu treffen. Es stellt sich daher die Frage, ob ein eigenständiger kapitalverkehrsrechtlicher Beschränkungsbegriff überhaupt existiert, oder ob dieser aus einer sich verfestigenden allgemeinen Grundfreiheitendogmatik abzuleiten ist. Um den für die Rechtspraxis zu groben Maßstab des Art. 56 Abs. 1 EGV zu verfeinern, wird in der Literatur die Heranziehung der Rechtsprechung zu anderen Grundfreiheiten vorgeschlagen. 248 Begründet wird dies mit einer gewissen Vergleichbarkeit und Parallelität der KVF mit der Warenverkehrsfreiheit und der Dienstleistungsfreiheit sowie der Ähnlichkeit dahinter stehender wirtschaftlicher Konstellationen. 249 Ress/Ukrow, in: Crabitz/Hilf, Art. 56 EGV Rn 14. Vgl. EuCH, Rs. C-423 198, Sig. 2000, S. 1-6001 Rn 14 (Albore); Rs. C-302/97, Sig. 1999, S. 1-3131 Rn 22 (Konle). 247 Davon zu unterscheiden ist die noch zu erörternde Möglichkeit von Nutzungsbeschränkungen, etwa in dem Sinne, daß zwar der Erwerb eines Grundstücks zu reinen Geldanlagezwecken zugelassen, die Nutzung als Feriendomizil aber verboten wird. 248 So bereits Weber, S. 562 ff. 245
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249 Ohler, S. 1806. Da primär das Kapital selbst - und nicht der Kapitaleigner oder -empfänger - befreit werden soll, liegt insbesondere eine mit der Warenverkehrsfreiheit vergleichbare Konstellation vor, welche es nahelegt, die vom EuGH dazu ergangenen grundlegenden Entscheidungen Dassonville (Rs. 8/74, Sig. 1974, S. 837 ff.), Cassis-de-Dijon (Rs. 120/78, Sig. 1979, S. 649 ff.) und Keck (verb. Rs. C-267 u. 268/91, Sig. 1993, S. 1-6097 ff.) zur näheren Konkretisierung des Beschränkungsbegriffes heranzuziehen.
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In Anlehnung an die zur Warenverkehrsfreiheit entwickelte, sog. DassonvilleFonnellassen sich dann zunächst all diejenigen (innerstaatlichen) Maßnahmen als eine Beschränkung des Kapitalverkehrs ansehen, die geeignet sind, den Zufluß, Abfluß oder Durchfluß von Kapital der Fonn, dem Wert oder der Menge nach dauerhaft oder zeitweilig, unmittelbar oder mittelbar; aktuell oder potentiell zu behindern, zu begrenzen oder völlig zu untersagen. 250 Diese Grundformel ist äußerst weitreichend. Zudem wird nicht in sämtlichen von ihr erfaßten Sachverhalten der Berechtigte durch mitgliedstaatliche Maßnahmen in einer unzumutbaren und unverhältnismäßigen Weise eingeschränkt - man denke nur an äußere Rahmenbedingungen für Kapitalverkehrsgeschäfte, welche gerade auch dem Schutz bestimmter Anlegerinteressen dienen. 251 Die Formel bedarf daher einer Einschränkung. Der Gerichtshof nahm eine solche im Bereich der Warenverkehrsfreiheit zunächst dadurch vor, daß er unterschiedslos anwendbare Regelungen 252 als zulässig erachtete, wenn diese einerseits notwendig und aus zwingenden Erfordernissen des Allgemeinwohls gerechtfertigt sind, sowie andererseits keine gemeinschaftliche Regelung besteht (sog. Cassis-Fonnel). Als derartige zwingende Erfordernisse werden - übertragen auf den Kapitalverkehr - insbesondere der Anlegerschutz sowie die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes qualifiziert. In einzelnen Entscheidungen zur KVF hat der Gerichtshof auch auf das Konzept der zwingenden Allgemeininteressen abgestelle 53 und zudem die Cassis-Rechtsprechung ausdrücklich auf sämtliche Grundfreiheiten ausgedehnt. 254 Damit bettet er auch die KVF in eine einheitliche Konzeption der allgemeinen Grundfreiheitendogmatik ein. Auf der Grundlage des so entwickelten Beschränkungsbegriffes existiert damit auch im Bereich der KVF ein duales Beschränkungssystem: Während nichtdiskriminierende Beschränkungsmaßnahmen bereits auf (ungeschriebene) zwingende Erfordernisse des Allgemeinwohls als Teil der Grundregel des Art. 56 Abs. 1 EGV gestützt werden können, dürfen diskriminierende Beschränkungen nur aufgrund ausdrücklicher Aunahmeregelungen (z. B. Art. 57, 58 EGV) erfolgen?55 Dabei ist in bei den Fällen das Verhältnismäßigkeitsprinzip zu beachten. Weber, S. 562 f.; Ressl Ukrow, in: Grabitzl Hilf, Art. 56 EGV Rn 35. Brähmer, in: Calliess I Ruffert, Art. 56 EGV Rn 20 spricht insoweit von einer "Grauzone von Beschränkungen", welche sich als bloße "Hande1smodalität" des Kapitalverkehrs schon gar nicht als eine Beschränkung der KVF qualifizieren ließen. Sogar auf die Beeinflussung der Kapitalverkehrsströme zielgerichtete Maßnahmen seien denkbar, welche ein Land für Auslandsinvestitionen attraktiver machen sollten, ohne daß deren Auswirkungen auf den Kapitalfluß als Beschränkungen gewertet werden dürften. 252 Übertragen auf den Kapitalverkehr bedeutet dies: "unterschiedslos" im Hinblick auf alle Personen, egal ob diese gebietsansässig sind und es sich bei ihnen um eigene Staatsangehörige oder Drittstaatsangehörige handelt. 253 EuGH, Rs. C-148/91, Sig. 1993, S. 1-487 ff. Rn 9, 13, 15 (Veronica). 254 EuGH, Rs. C-55/94, Sig. 1995, S. 1-4197 Rn 37 (Gebhard). 250 251
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b) Ausnahmen vom Beschränkungsbegriff Bevor das duale Beschränkungssystem für den Bereich des Immobilienerwerbs näher konkretisiert wird, soll noch untersucht werden, ob der äußerst weitgehende Beschränkungsbegriff im Sinne der Dassonville-Formel seinerseits gewisse inhaltliche Begrenzungen erfahren sollte. Die Anwendung der die Dassonville-Formel einschränkenden Keck-Rechtsprechung auf die KVF legt es nämlich nahe, von vornherein schon diejenigen mitgliedstaatlichen Maßnahmen aus dem Beschränkungsbegriff herausfallen zu lassen, welche - im Sinne einer "Handelsmodalität,,256 - lediglich gewisse äußere Rahmenbedingungen des Kapitalverkehrs betreffen. Dazu zählen im Bereich des Immobilienerwerbs etwa Grundbuchvorschriften oder Notarpflichten, welche der Ordnung und Sicherheit des Rechtsverkehrs sowie vor allem auch dem Schutz der Investoren dienen. 257 Hierbei handelt es sich ungeachtet der "potentiellen oder tatsächlichen Auswirkungen auf den Zu-, Durch- oder Abfluß von Kapital" schon gar nicht um Beschränkungen der KVF, sondern um eine Bereichsausnahme. Es bleibt in diesen Fällen jedoch stets genau zu prüfen, ob es sich nicht doch um eine verschleierte bzw. versteckte Diskriminierung im Sinne des Art. 58 Abs. 3 EGV handelt. Hierbei ließe sich in Anlehnung an die jüngere Rechtsprechung des EuGH zur Warenverkehrsfreiheit darauf abstellen, ob eine - formal unterschiedslos anwendbare - Regelung im Ergebnis letztlich doch dazu führt, daß der Zugang zum Kapitalmarkt für Ausländer im Vergleich zu Inländern wesentlich erschwert bzw. stärker behindert wird. 258 In diesen Fällen handelte es sich dann um eine prinzipiell unzulässige (versteckte) Diskriminierung.
255 Bröhmer, in: Calliess / Ruffert, Art. 56 EGV Rn 19; Weber, S. 563; ihm folgend Hörfenhuber, S. 226 f. In der grunderwerbsrechtlichen Praxis der Mitgliedstaaten spielt zudem die
Berufung auf militärische Sicherheitsinteressen, wie sie von Art. 297 EGV erfaßt werden, eine nicht unbeträchtliche Rolle, vgl. dazu EuGH, Rs. C-423/98, Sig. 2000, S. 1-5965 ff. (Albore). 256 So Bröhmer, in: Calliess/ Ruffert, Art. 56 EGV Rn 20, der parallel zu dem vom EuGH zur Warenverkehrsfreiheit verwendeten Begriff der "Verkaufsmodalitäten" - vgl. die verb. Rs. C-267 u. 268/91, Slg. 1993, S. 1-6097 ff. (Keck) - für den Bereich der KVF von "Handeismodalitäten" spricht. 257 Zu diesen Funktionen bestimmter Formerfordemisse siehe auch die Schlußanträge des GA Geelhoed in der verb. Rs. C-515/99, C-519/99 bis C-524/99 und C-526/99 bis C-540/99, Slg. 2002, S. 1-2189 Rn 128 (Reisch u. a.). 258 Vgl. dazu das Urteil in der Rs. C-254/98, Slg. 2000, S. 1-170 Rn 25 ff. (TK-Heimdienst). Der EuGH schränkt hier die Keck-Rechtsprechung wieder dahingehend ein, daß unterschiedslos anwendbare Regelungen dann nicht (mehr) als bloße "Verkaufsmodalität" aus dem Anwendungsbereich des Art. 28 EGV herausfallen sollen, wenn sie im Ergebnis dazu führen, daß der Marktzugang für Waren aus anderen Mitgliedstaaten im Vergleich zu inländischen Waren stärker behindert wird.
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c) "Zwingende Erfordernisse des Allgemeinwohls" Unterschiedslos anwendbare Maßnahmen, welche eine Einschränkung der KFV zur Folge haben, sind im Sinne der Cassis-Formel zulässig, wenn sie aus zwingenden Erfordernissen des Allgemeinwohls gerechtfertigt sind und keine einheitliche Gemeinschaftsregelung besteht. Die zu berücksichtigenden Allgemeininteressen sind nicht abschließend definiert?59 Der EuGH hat im Bereich des Immobilienerwerbs als solche bereits anerkannt: - Raumplanerische Ziele, die dem Schutz der regionalen Wirtschaftsstruktur dienen, wie z. B. die Erhaltung einer dauerhaft ansässigen Bevölkerung und einer in einigen Gebieten vom Tourismus unabhängigen Wirtschaftstätigkeit;260 - die Verhinderung von Bodenspekulationen;261 - die Bebauung von Grundstücken innerhalb eines angemessenen Zeitraumes in einer dem Flächenwidmungsplan entsprechenden oder sonst im öffentlichen Interesse liegenden Weise zwecks sinnvoller Ausnutzung des inneren Siedlungsraumes;262 - die Erhaltung der landwirtschaftlichen Bevölkerung, die Wahrung einer die Entwicklung lebensfähiger Betriebe und die harmonische Pflege des Raumes und der Landschaft ermöglichende Aufteilung des Grundeigentums; - die Förderung einer vernünftigen Nutzung der verfügbaren Flächen unter Bekämpfung des Drucks auf dem Grundstücksmarkt und unter Vorbeugung gegen natürliche Gefahren. 263 d) Ausnahmeregelungen, insbesondere Art. 57 und 58 EGV Ausdrückliche Ausnahmereglungen zu der in Art. 56 Abs. 1 EGV umfassend gewährten KVF finden sich insbesondere in den Art. 57 und 58 EGV
259 Vgl. die Schlußanträge des GA Leger in der Rs. C-300/01, Sig. 2003, S. 1-4911 Rn 42 (Salzmann), wo dieser feststellt, daß der EuGH die Liste berechtigter Beschränkungsgründe unaufhörlich erweitert hat. 260 EuGH, Rs. C-302/97, Sig. 1999, S. 1-3135 Rn 40 (Konle). 261 EuGH, Rs. C-182/ 83, Sig. 1984, S. 3684 Rn 3 (Fearon). 262 EuGH, Rs. C-300/01, Sig. 2003, S. 1-4937 Rn 43 (Salzmann). 263 EuGH, Rs. C-452/01, Sig. 2003, S. 1-9802 Rn 39 ff. (Ospelt). Der EuGH weist darauf hin, daß die damit verfolgten Ziele zugleich denjenigen der gemeinsamen Agrarpolitik (Art. 33 Abs. 1 lit. b EGV) entsprechen, weIche darauf abzielen, der landwirtschaftlichen Bevölkerung eine angemessene Lebenshaltung zu ermöglichen.
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C. Immobilienerwerb innerhalb der Grundfreiheiten
(1) Art. 57 EGV
Art. 57 EGV bezieht sich ausschließlich auf Beschränkungen des Kapitalverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten und dritten liindern. Gemäß Art. 57 Abs. 1 EGV bleiben von dem in Art. 56 Abs. 1 EGV verankerten allgemeinen Beschränkungsverbot diejenigen Beschränkungen auf dritte Länder unberührt, welche bereits am 31. Dezember 1993 aufgrund einzelstaatlicher oder gemeinschaftlicher Rechtsvorschriften für den Kapitalverkehr mit dritten Ländern im Zusammenhang mit Direktinvestitionen, einschließlich der Anlagen in Immobilien usw., bestanden. Einerseits trifft die Mitgliedstaaten also keinerlei Verpflichtung, Beschränkungen des Kapitalverkehrs anzupassen, wenn die nationalen Vorschriften am Stichtag des 31. Dezember 1993 bereits galten. 264 Andererseits kommt der Vorschrift damit lediglich die Funktion einer Stillstands klausel zu, da sie die Mitgliedstaaten nicht zu späteren, die Kapitalverkehrsfreiheit beschränkenden Rechtsvorschriften ermächtigt. 265 In diesem Zusammenhang ist jedoch zu beachten, daß für die Beantwortung der Frage, ob es sich um "bestehende Rechtsvorschriften " i. S. d. Art. 57 Abs. 1 EGV handelt, nicht nur eine zeitliche, sondern auch eine materiellrechtliche Beurteilung maßgeblich ist. So sind Regelungen, die nach dem genannten Stichtag erlassen wurden, nicht allein wegen des späteren Zeitpunktes ihres Inkrafttretens von der Stillhalteklausel ausgenommen. Es handelt sich bei ihnen auch dann um "bestehende Rechtsvorschriften", wenn sie inhaltlich den bereits vor dem Stichtag erlassenen Regelungen entsprechen. Die Maßnahme muß dabei lediglich in den wichtigsten Punkten mit den früheren Rechtsvorschriften übereinstimmen. Zudem kann auch eine mit früheren Vorschriften einhergehende Behinderung der Ausübung der KVF abgemildert oder beseitigt werden. Dahingegen kann eine neue Regelung, die auf einem anderen Grundgedanken beruht als ihre Vorgängerin und die neue Verfahren einführt, nicht mit bestehenden Rechtsvorschriften gleichgesetzt werden. Allgemeiner gesagt, sind die Mitgliedstaaten aufgrund der Stillhalteklausel berechtigt, die bestehenden Rechtsvorschriften anzupassen, ohne die bestehende Rechtslage zu ändern. 266 Majore ad minus besteht wahlweise die Möglichkeit, bestehende Beschränkungen ganz, teil- oder schrittweise abzuschaffen, d. h. einzelne Behinderungen für die Ausübung der KVF zu beseitigen. Bei der Anwendung des Art. 57 Abs. 1 EGV sind zudem sonstige völkerrechtliche Verpflichtungen der Gemeinschaft und ihrer Mitgliedstaaten gegenüber Drittländern zu beachten. 267 Dies gilt namentlich im Hinblick auf das Abkommen über 264 Vgl. die Schlußanträge des GA Geelhoed in der Rs. C-452/01, Slg. 2003, S. 1-9758 Rn 52 (Ospelt). 265 Vgl. die Schlußanträge des GA Geelhoed in der Rs. C-452/0I, a. a. 0., S. 1-9758 Rn 49 ff. (Ospelt). 266 Dabei ist auch die bestehende Verwaltungspraxis zu berücksichtigen, vgl. die Schlußanträge des GA Geelhoed in der Rs. C-452/01, a. a. 0., S. 1-9758 Rn 52-54 unter Verweis auf die entsprechenden Ausführungen des EuGH in der Rs. C-302/97, Slg. 1999, S. 1-3138 Rn 53 (Konle) bezüglich Art. 70 der Beitrittsakte Österreich.
VI. Immobilienerwerb innerhalb der Kapitalverkehrsfreiheit
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den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR-Abkommen) und die Europäische Freihandelszone (EFfA). In diesem Zusammenhang ist fraglich, ob sich die EG-Mitgliedstaaten bei Beschränkungen des Immobilienerwerbs gegenüber EWR-Vertragsstaaten auf Art. 57 Abs. 1 EGV berufen können. 268
Eines der Hauptziele des EWR-Abkommens 269 ist die Ausweitung des EG-Binnenmarktes auf die EFTA-Staaten. 27o Zwar sind auch diese Staaten dritte Länder i. S. d. Art. 57 EGV. 271 Jedoch beinhaltet das EWR-Abkommen ebenfalls Vorschriften, nach denen der Kapitalverkehr in bezug auf Berechtigte, die in den EGMitgliedstaaten oder den EFfA-Staaten ansässig sind, keinen Beschränkungen und Diskriminierungen unterliegen darf. 272 267 Vgl. die Schlußanträge des GA Geelhoed in der Rs. C-452/01, a. a. 0., S. 1-9756 Rn 41 ff. (Ospelt), der feststellt, daß im Zuge einer weltumspannenden Liberalisierung des Kapitalverkehrs diverse völkerrechtliche Instrumentarien (OWZE, WTO, IWF etc.) geschaffen worden sind. Die Existenz dieser Liberalisierungsinstrumente sei auch für die Auslegung der in den Art. 57 ff. EGV statuierten Ausnahmen vom freien Kapitalverkehr mit Drittländern von Bedeutung. So dürften diese Ausnahmen nicht derart angewendet werden, daß es damit zu einem Widerspruch zu den völkerrechtlichen Verpflichtungen der EG und ihrer Mitgliedstaaten käme. 268 Diese Frage stellte sich jüngst in der Rs. C-452/0l, Slg. 2003, S. 1-9743 ff. (Ospelt). Die Klägerin des Ausgangsverfahrens war Angehörige des Fürstentums Liechtenstein (EWRMitglied seit dem 1. 1. 1994) und besaß in Österreich (EWR-Mitglied seit dem 1. 5. 1995) Liegenschaften. Die nationalen Grundstücksverkehrsbehörden untersagten ihr die Übertragung der Grundstücke auf eine Stiftung, da die Voraussetzungen für den Erwerb durch Ausländer nicht erfüllt seien. In dem Vorlageverfahren vor dem EuGH berief sich Österreich u. a. auf Art. 57 EGV mit der Begründung, es handele sich bei der Klägerin um eine Angehörige eines Drittstaates. GA Geelhoed vertritt diesbezüglich die Ansicht, daß die Berufung eines Mitgliedstaates auf die Ausnahme des Art. 57 EGV nicht dazu führen dürfe, daß Angehörige eines EWR -Vertragsstaates die ihnen kraft des EWR -Abkommens zustehenden Rechte nicht oder nicht vollständig wahrnehmen könnten (a. a. 0., S. 1-9757 Rn 44). Zu dem diesbezüglichen Urteil siehe unten e) (6). 269 Das EWR-Abkommen wird vom EuGH als integrierender Bestandteil der Gemeinschaftsrechtsordnung bezeichnet. vgl. Rs. C-452/01, Slg. 2003, S. 1-9799 Rn 27. 270 EuGH, Rs. C-452/01, a. a. 0., S. 1-9799 Rn 29 (Ospelt); siehe dazu auch die Schlußanträge des GA Geelhoed, a. a. 0., S. 1-9763 Rn 69 ff. 271 Vgl. die Schlußanträge des GA Geelhoed, a. a. 0., S. 1-9758 Rn 51: Jeder Staat, der kein Mitgliedstaat der EU ist, ist ein dritter Staat. Das EWR-Abkommen ist lediglich ein Assoziierungsabkommen i. S. d. Art. 310 EGVund ändert daran nichts. 272 Art. 40 des EWR-Abkommens bestimmt: "Im Rahmen dieses Abkommens unterliegt der Kapitalverkehr in bezug auf Berechtigte, die in den EG-Mitgliedstaaten oder den EFTAStaaten ansässig sind, keinen Beschränkungen und keiner Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit oder des Wohnortes der Parteien oder des Anlageortes. Die Durchführungsbestimmungen zu diesem Artikel sind in Anhang XII enthalten." In Anhang XII wird die Kapitalverkehrsrichtlinie 88/361/ EWG auf den Europäischen Wirtschaftsraum für anwendbar erklärt. Gemäß Anhang 1 der Richtlinie umfaßt der Begriff des Kapitalverkehrs u. a. Geschäfte, mit denen Gebietsfremde Immobilieninvestitionen im Gebiet eines Mitgliedstaates vornehmen [siehe näher zur Kapitalverkehrsrichtlinie oben 2. b)]. Art. 40 EWRAbkommen ist unmittelbar anwendbar, vgl. die Schlußanträge des GA Geelhoed, a. a. 0., S. 1-9763 Rn 72.
8 Hubatsch
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C. Immobilienerwerb innerhalb der Grundfreiheiten
Der Gerichtshof hat entschieden, daß die kapitalverkehrsrechtlichen Bestimmungen des EWR-Abkommens in den Beziehungen zwischen den EWR-Staaten - unabhängig davon, ob es sich um Mitglieder der Gemeinschaft oder der EFfA handelt - mit den Regelungen identisch sind, die das Gemeinschaftsrecht für die Beziehungen zwischen den Mitgliedstaaten aufstellt. Art. 40 und Anhang XII des EWR-Abkommens besäßen dieselbe rechtliche Tragweite wie die im wesentlichen identischen Bestimmungen der Art. 56 ff. EGv. 273 Nationale Grunderwerbsregelungen seien daher der Anwendung der Regelungen des EWR-Vertrages nicht in stärkerem Maße entzogen als im Gemeinschaftsrecht. Im Hinblick auf die mit dem EWR-Abkommen verfolgte Ausweitung des EG-Binnenmarktes auf die EFfAStaaten sei eine einheitliche Auslegung des Abkommens im gesamten EWR sicherzustellen. Diesem Ziel einer einheitlichen Anwendung der Vorschriften über den freien Kapitalverkehr innerhalb des EWR widerspreche es, wenn ein EWR-Vertragsstaat (hier: Österreich) nach seinem EU-Beitritt, gestützt auf Art. 73c EGV (Art. 57 EGV n. E), Rechtsvorschriften beibehalten könnte, die diese Freiheit gegenüber einem anderen Vertragsstaat (hier: dem Fürstentum Liechtenstein) einschränken. Daher könnten sich die Mitgliedstaaten seit dem (jeweiligen) Zeitpunkt des Inkrafttretens des EWR-Abkommens in bezug auf einen bestimmten Vertragsstaat in den von diesem Abkommen erfaßten Bereichen gegenüber diesem Staat nicht mehr auf Art. 73 c EGV (Art. 57 EGV n. F.) berufen. Folglich habe der Gerichtshof nicht mehr nach dieser Bestimmung zu prüfen, ob nationale Beschränkungen des Kapitalverkehrs (hier: in Form des Vorarlberger Grundverkehrsgesetzes) zwischen Österreich und Liechtenstein am 31. Dezember 1993 im wesentlichen bereits in Kraft waren und deshalb nach diesem Artikel hätten beibehalten werden dürfen,z74 Art. 57 Abs. 1 EGV darf also bei Sachverhalten, bei denen die Berufung eines Mitgliedstaates auf diese Bestimmung dazu führen würde, daß ein Angehöriger eines EWR-Landes ein ihm kraft des EWR-Abkommens zustehendes Recht nicht ausüben kann, nicht angewendet werden. 275 Verallgemeinernd läßt sich demnach folgendes für die Anwendbarkeit des Art. 57 Abs. 1 EGV festhalten: Assoziierungsabkommen mit Drittländern i. S. v. Art. 310 EGV, wie das EWR-Abkommen, können für einzelne unmittelbar anwendbare Rechte im Bereich des Kapitalverkehrs begründen. Für die Gemeinschaft und die Mitgliedstaaten besteht dann die Pflicht, dafür zu sorgen, daß die Begünstigten ihre diesbezüglichen Ansprüche im Gebiet der EU auch geltend machen können. Die Mitgliedstaaten können sich daher im Umfang der durch die Assoziierungsabkommen gewährten Begünstigungen nicht auf die Ausnahmeregelung des Art. 57 Abs. 1 EGV berufen, um damit Beschränkungen des Immobilien273 274 275
EuGH, Rs. C-452/01, a. a. 0., S. 1-9799 Rn 28 ff. (Ospelt). EuGH, Rs. C-452/01, Slg. 2003, S. 1-9799 Rn 28-31. GA Geelhoed, Rs. C-452/01, Slg. 20003, S. 1-9765 Rn 78.
VI. Immobilienerwerb innerhalb der Kapitalverkehrsfreiheit
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erwerbs zu rechtfertigen. Dies führt im Ergebnis dazu, daß Länder, die dem EWRAbkommen angehören, aber nicht Mitgliedstaaten der EU sind, zwar den Status eines dritten Landes i. S. d. Art. 57 Abs. I EGV besitzen, in der Praxis aber oft den Mitgliedstaaten gleichgestellt sind. 276 Weitergehend ist die Vorschrift des Art. 57 Abs. 2 EGV. Sie ermächtigt den Rat, auf Vorschlag der Kommission mit qualifizierter Mehrheit Maßnahmen für den Kapitalverkehr mit dritten liindern im Zusammenhang mit Direktinvestitionen, einschließlich der Anlagen in Immobilien, zu beschließen. Dabei bedürfen Maßnahmen, welche im Rahmen des Gemeinschaftsrechts für die Liberalisierung des Kapitalverkehrs mit dritten Ländern einen Rückschritt darstellen, der Einstimmigkeit. Art. 57 Abs. 2 EGV ist die einzige Handlungsennächtigung der Gemeinschaft im Kapitel über den Kapitalverkehr. Da auf den in Art. 57 EGV genannten Gebieten zugleich Zuständigkeiten der Mitgliedstaaten bestehen, richtet sich die Regelungszuständigkeit gegebenenfalls nach dem Subsidiaritätsprinzip des Art. 5 Abs. 2 EOv. 277 Trotz der in ihr enthaltenen Ermächtigung zur Beschränkung des Kapitalverkehrs wohnt der Vorschrift überwiegend eine liberale Zie1richtung inne, welche auf den Bemühungen um eine möglichst weitgehende Liberalisierung des Kapitalverkehrs mit dritten Ländern sowie dem Einstimmigkeitserfordernis im Falle diesbezüglicher Rückschritte beruht. Die Vorschrift ist nicht nur Rechtsgrundlage für Beschränkungen, sondern auch für weitere Liberalisierungen erga omnes auf den genannten Gebieten. 278 (2) Art. 58 EGV
Art. 58 EGV räumt den Mitgliedstaaten die Möglichkeit des Schutzes bestimmter Rechtsgüter ein und erlaubt insoweit gewisse Einschränkungen der KVF. Da nicht anzunehmen ist, daß die Gemeinschaft intern andere oder gar weitgehendere Beschränkungen zulassen möchte als im Verhältnis zu Drittstaaten, erstreckt sich der Anwendungsbereich der Vorschrift auch auf dritte Länder. 279 Die jeweiligen Ausnahmen sind aufgrund der umfassenden und zwingenden Formulierung des Art. 56 EGV allerdings restriktiv auszulegen und eng auf die genannten Tatbestände zu begrenzen. Insbesondere muß der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gewahrt b1eiben?SO Die einzeln gewährten Rechte betreffen verschiedene Tatbestände. Art. 58 Abs. I und Abs. 2 sind jeweils in Verbindung mit Art. 58 Abs. 3 276 Vgl. GA Geelhoed, a. a. 0., S. 1-9765 Rn 77 -80, der darauf hinweist, daß sich auch Angehörige von EG-Mitgliedstaaten auf das EWR-Abkommen berufen können. Die praktische Gleichstellung von EWR-Staaten mit EG-Ländern entspreche dem Sondercharakter des EWR-Abkommens: Eine weitgehende Integration, deren Ziele über die eines bloßen Freihandelsabkommens hinausgingen. 277 Kiemel, in: von der Groebenl Schwarze, Art. 57 EG Rn 18. 278 Kiemel, in: von der GroebenlSchwarze, Art. 57 EG Rn 20. 279 Bröhmer, in: Calliess I Ruffert, Art. 58 EGV Rn I. 280 Kiemel, in: von der Groebenl Schwarze, Art. 58 EG Rn 2; Weber, S. 563.
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C. Immobilienerwerb innerhalb der Grundfreiheiten
EGV zu lesen, demzufolge die den Mitgliedstaaten eingeräumten Rechte weder ein Mittel zur willkürlichen Diskriminierung noch eine verschleierte Beschränkung des freien Kapitalverkehrs darstellen dürfen. Zunächst erlaubt Art. 58 Abs. I lit. a EGV den Mitgliedstaaten, die einschlägigen Vorschriften ihres Steuerrechts anzuwenden, die Steuerpflichtige mit unterschiedlichem Wohnort oder Kapitalanlageort unterschiedlich behandeln. Die Besonderheit der Vorschrift besteht darin, daß sie ausdrücklich diskriminierende Maßnahmen zuläßt. 28I Derartige Diskriminierungen knüpfen allerdings nicht an die Staatsangehörigkeit, sondern an die Eigenschaft als Steuerinländer oder Steuerausländer an. 282 Letztere richtet sich entweder nach dem Wohnort als Ort des gewöhnlichen Aufenthalts oder nach dem Kapitalanlageort, im Immobilienbereich also nach dem Ort der Belegenheit des Grundstücks,z83 Art. 58 Abs. 1 lit. b EGV gewährt den Mitgliedstaaten das Recht, die unerläßlichen Maßnahmen zu treffen, um Zuwiderhandlungen gegen innerstaatliche Rechts- und Verwaltungsvorschriften, insbesondere auf dem Gebiet des Steuerrechts und der Aufsicht über Finanzinstitute, zu verhindern, sowie Meldeveifahren für den Kapitalverkehr zwecks administrativer oder statistischer Informationen vorzusehen oder Maßnahmen zu ergreifen, die aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit gerechtfertigt sind. Das erstgenannte Recht der Mitgliedstaaten, die unerläßlichen Maßnahmen zu treffen, um Zuwiderhandlungen gegen innerstaatliche Rechts- und Verwaltungsvorschriften zu verhindern, bezweckt als Ausnahme zu Art. 56 Abs. I EGV die Achtung der nationalen Rechtsordnungen. Die Vorschrift enthält dabei nur eine beispielhafte und keine abschließende Aufzählung möglicher Rechtsbereiche, nämlich das Steuerrecht sowie die Aufsicht über Finanzinstitute. Angesichts des Ausnahmecharakters der Vorschrift ist eine restriktive Auslegung geboten, welche ihren Anwendungsbereich nur auf wesensähnliche Bereiche erstrecken darf?84 Auch darf es sich bei den zu schützenden nationalen Rechtsvorschriften nicht um solche handeln, die final auf eine Beschränkung des Kapital- und Zahlungsver281 Gegenüber der Kapitalverkehrsrichtlinie 88/3611EWG, die eine derartige Beschränkungsmöglichkeit nicht vorsieht, ist in dieser Vorschrift ein Liberalisierungsrückschritt zu sehen. Die Mitgliedstaaten haben diesen aber in einer "Erklärung zu Art. 73 d" (Schlußakte zum Vertrag über die Europäische Union v. 7. 12. 1992 und die beigefügte Erklärung zu Art. 73 d des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft) insoweit eingeschränkt, als im innergemeinschaftlichen Bereich der Vorbehalt nationaler diskriminierender Steuervorschriften nur für solche Regelungen gelten soll, die Ende 1993 schon bestanden. Spätere Differenzierungen sind damit unstatthaft, vgl. Brähmer; in: Calliess / Ruffert, Art. 58 EGV Rn 2; Freitag, S. 194. 282 Diskriminierungen aufgrund der Staatsangehörigkeit sind bereits nach Art. 12 EGV - unbeschadet besonderer Bestimmungen des Vertrages - verboten. Sie werden vom EuGH auch dann nicht zugelassen, wenn sie steuerrechtlicher Natur sind, vgl. Rs. C-279/93, Sig. 1995, S. 1-258 Rn 24 (Schumacker). 283 Brähmer; in: Calliess / Ruffert, Art. 56 EGV Rn 4; Kiemel, Art. 73 d EGV Rn 10, 14. 284 Weber; S. 564.
VI. Immobilienerwerb innerhalb der Kapitalverkehrsfreiheit
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kehrs gerichtet sind, sondern nur um solche, die ihren außerhalb des Kapital- und Zahlungsverkehrs liegenden Schutzzweck ohne jegliche Kontrollmaßnahmen nicht oder nur eingeschränkt erfüllen könnten. 285 Gestützt wird diese Auslegung durch die gleichfalls zu beachtenden Anforderungen des Art. 58 Abs. 3 EGV, welcher willkürliche Diskriminierungen sowie verschleierte Beschränkungen des Kapitalverkehrs verbietet. Da die jeweiligen Maßnahmen unerläßlich sein müssen, sind sie eng auszulegen?86 Einerseits muß es sich bei den zu verhindernden Rechtsverletzungen um solche schwerwiegender Natur handeln, andererseits müssen die zu ergreifenden Maßnahmen dem Verhältnismäßigkeitsprinzip entsprechen. 287 Dies bedeutet, daß es sich bei den nationalen Maßnahmen primär nur um Kontrollmaßnahmen, wie etwa Rechte zur Auskunft und Einsichtnahme, handeln darf. Der EuGH legt dabei dem jeweiligen Mitgliedstaat die Beweislast dafür auf, daß die getroffene Maßnahme auch tatsächlich die mildest mögliche ist. 288 In diesem Sinne sind auch die in Art. 58 Abs. I lit. b EGV vorgesehenen Meldeverfahren für den Kapitalverkehr zwecks administrativer oder statistischer Information zu interpretieren. Diese stellen keine Beschränkungen der KVF dar und dürfen deshalb nicht über den genannten Zweck hinaus angewendet werden, da sie ansonsten im Widerspruch zum Vertragstext stünden?89 Durch die Berufung auf Maßnahmen aus Gründen der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung kann die KVF allerdings eingeschränkt werden. Es handelt sich dabei letztlich um einen Auffangtatbestand, unter den sich die ersten bei den Alternativen der Bewahrung der Rechtsordnung und der Meldeverfahren zu administrativen oder statistischen Zwecken subsumieren lassen?90 Als Ausnahmevorschrift ist dieser "Ordre-public"-Vorbehalt ebenfalls eng auszulegen. Der EuGH zählt dazu insbesondere Maßnahmen zur Sicherstellung der Wirksamkeit der Steueraufsicht und zur Bekämpfung rechtswidriger Tätigkeiten, wie der Steuerhinterziehung, der Geldwäsche oder vergleichbar schwerer Straftaten.291 Zu beachten ist, daß die Verfolgung rein wirtschaftlicher Zwecke nicht unter den Begriff der öffentlichen Sicherheit und Ordnung fällt. 292 285 Bröhmer; in: Calliess / Ruffert, Art. 58 EGV Rn 9; Weber; S. 563 f., spricht davon, daß es sich um andere Normen gleichsam "flankierende" Maßnahmen handeln müsse. 286 Bereits in früheren Urteilen hat der EuCH hinsichtlich administrativer Kontrollrnaßnahmen auf dem Gebiet des Kapitalverkehrs bestimmt, daß diese nur insoweit zulässig sind, als sie zur Kontrolle des Kapitalverkehrs unerläßlich sind, vgl. EuCH, Rs. 157/85, Sig. 1986, S. 2030 ff. (Brugnoni und Ruffinengo). 287 Allgemeine Meinung: vgl. Weber, S. 564; Freitag; S. 194; Kiemel, in: von der Croeben/Schwarze, Art. 58 EG Rn 19. 288 EuCH, verb. Rs. C-358/93 und C-416/93, Slg. 1995, S. 1-386 Rn 30 (Bordessa). 289 Kiemel, in: von der Croeben/Schwarze, Art. 58 EG Rn 21. 290 Freitag, S. 194; Bröhmer; in: Calliess/Ruffert, Art. 58 EGV Rn 9. 291 Vgl. EuCH, verb. Rs. C-358/93 u. C-416/93, Slg. 1995, S. 1-385 Rn 21 f. (Bordessa). 292 Jüngst bestätigt vom EuCH in der Rs. C-54/99, Slg. 2000, S. 1-1361 Rn 17 (Egli se de Scientologie).
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C. Immobilienerwerb innerhalb der Grundfreiheiten
Gemäß Art. 58 Abs. 2 EGV dürfen die Mitgliedstaaten auch die mit dem Vertrag zu vereinbarenden Beschränkungen des Niederlassungsrechts anwenden. Die Vorschrift stellt klar, daß nicht durch Berufung auf Art. 56 EGV zulässige Beschränkungen der NF umgangen werden dürfen. Diese bleiben also auch dann anwendbar, wenn sie für sich betrachtet in eigentlich unzulässiger Weise in die KFV eingreifen würden. 293 Art. 58 Abs. 3 EGV begrenzt die nach Abs. 1 und 2 zulässigen Maßnahmen dadurch, daß diese weder ein Mittel zur willkürlichen Diskriminierung noch eine verschleierte Beschränkung des freien Kapitalverkehrs darstellen dürfen. Die Regelung präzisiert die Zulässigkeit der genannten Maßnahmen und kann als vertragliche Verpflichtung zur engen Auslegung der Ausnahmen verstanden werden. 294 Bei der Auslegung des Tatbestandsmerkmals der willkürlichen Diskriminierung ist zu berücksichtigen, daß Art. 58 Abs. 1 lit. a EGV ausdrücklich Diskriminierungen zuläßt, die an den Wohn- bzw. Kapitalanlageort anknüpfen, so daß derartige Diskriminierungen nicht prinzipiell als willkürlich eingestuft werden können. Um nicht willkürlich zu sein, bedarf die Diskriminierung aber eines anerkennenswerten sachlichen Grundes. Die diskriminierende Maßnahme muß geeignet und erforderlich sein, diesen konkreten Zweck zu erreichen?95 e) Anwendung des dualen Beschränkungssystems auf den Grundstücksverkehr Direkte Eingriffe in kapitalverkehrsrelevante Immobilientransaktionen stellen stets auch Beschränkungen der KVF dar. In der Grundstücksverkehrspraxis handelt es sich dabei vor allem um (Erwerbs-)Verbote sowie Genehmigungs- oder Anmeldeerfordemisse. Aber auch sonstige, indirekte Behinderungen in Form nationaler Rechts- und Verwaltungsvorschriften werden erfaßt?96 Als solche kommen insbesondere bestimmte Nutzungsbeschränkungen von Grundstücken in Betracht. Diese lassen zwar die Möglichkeit des Erwerbs unberührt, können aber beispielsweise die Nutzung einer Liegenschaft als Erholungs- oder Feriendomizil verbieten. Die Einordnung derartiger Regelungen als indirekte Beschränkungen der KVF stützt sich darauf, daß der mit ihnen verfolgte Zweck in der Regel darin liegt, die Preisentwicklung auf dem Immobiliensektor zu kontrollieren und einzudämmen, worin zumindest indirekt auch eine Entwertung der Geldanlage erblickt werden kann?97 293 Brähmer; in: Calliessl Ruffert, Art. 58 EGV Rn 13; Kiemel, in: von der Groebenl Schwarze, Art. 58 EG Rn 29. 294 Kiemel, in: von der Groebenl Schwarze, Art. 58 EG Rn 31; Brähmer; in: Calliess I RuJJen, Art 58 EGV Rn 15 ff. 295 Brähmer; in: CalliesslRuffert, Art. 58 EGV Rn 16. 296 V gl. die Nachweise bei Bröhmer; in: Calliess I Ruffert, Art. 56 EGV Rn 17 ff. 297 Vgl. dazu Eilmannsberger; S. 7 f.
VI. Immobilienerwerb innerhalb der Kapitalverkehrsfreiheit
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Allgemein können diese direkten oder indirekten Beschränkungen der KVF sowohl auf "zwingende Erfordernisse des Allgemeininteresses" als auch auf ausdrückliche Ausnahmevorschriften gestützt werden. Zur näheren Konkretisierung soll nun die einschlägige Rechtsprechung des EuGH untersucht werden, der sich bereits in mehreren Entscheidungen mit unterschiedlichen Beschränkungen des Immobilienerwerbs zu befassen hatte. ( 1) Rechtssache Konle
In der Rechtsache Konle 298 hatte sich der EuGH mit der Zulässigkeit eines nationalen Genehmigungserfordernisses für den Grunderwerb zu beschäftigen. Der Gerichtshof entschied zunächst, daß eine grunderwerbsrelevante Regelung
(§ 10 Abs. 2 TGVG 1993), welche nur die eigenen Staatsangehörigen davon
befreit, eine Genehmigung für den Erwerb eines bebauten Grundstücks beantragen und zu diesem Zwecke nachweisen zu müssen, daß der beabsichtigte Erwerb nicht der Schaffung eines Freizeitwohnsitzes dient, eine die Angehörigen der anderen Mitgliedstaaten diskriminierende Beschränkung des Kapitalverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten darstellt, welche grundsätzlich nach Art. 56 EGV verboten ist. Im Hinblick auf eine nationale Regelung (§ 9 Abs. 1 lit. a und § 12 Abs. 1 TGVG 1996), welche das Erfordernis einer behördlichen Genehmigung zum Erwerb eines Grundstücks auf sämtliche Erwerber ausdehnt, somit also unterschiedslos Anwendung findet, entschied der Gerichtshof, daß dies nur unter bestimmten Voraussetzungen mit Art. 56 EGV vereinbar ist. Dazu führt er näher aus: "Hält ein Mitgliedstaat eine vorherige Genehmigung aus im Allgemeininteresse liegenden raumplanerischen Zielen wie der Erhaltung einer dauerhaft ansässigen Bevölkerung und einer in einigen Gebieten vom Tourismus unabhängigen Wirtschaftstätigkeit für erforderlich, so ist die darin liegende Beschränkung nur zulässig, wenn sie nicht diskriminierend angewandt wird und wenn keine anderen, weniger einschneidenden Verfahren erlauben, das gleiche Ergebnis zu erreichen. ,,299
Der Gerichtshof bewegt sich damit auch im Falle eines Genehmigungserfordernisses für den Erwerb von Grundstücken im Rahmen der von ihm entwickelten allgemeinen Grundfreiheitsdogmatik: Außerhalb einer ausdrücklichen Ausnahmeregelung (z. B. Art. 58 EGV) muß ein solches Genehmigungserfordernis unterschiedslos, d. h. in nichtdiskriminierender Art und Weise, angewandt werden und muß zudem verhältnismäßig, d. h. zur Erreichung der im Allgemeininteresse liegenden Ziele geeignet und erforderlich sein. 30o EuGH, Urteil vom 1. Juni 1999, Rs. C-302/97, Slg. 1999, S. 1-3099 ff. EuGH, Rs. C-302/97, Slg. 1999, S. 1-3135 Rn 40 - Hervorhebungen des Verfassers. 300 Knapp, S. 414 f.; Ohler; S. 1806; speziell für den Bereich des Art. 73 d Abs. 1 EGV (Art. 58 Abs. 1 EGV n.F.) Freitag, S. 194. 298
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C. Immobilienerwerb innerhalb der Grundfreiheiten
Der EuGH betont insbesondere die Notwendigkeit der Überprüfung der Erforderlichkeit eines vorherigen Genehmigungsverfahrens. Gemäß Art. 58 EGV berühre zwar Art. 56 EGV nicht das Recht der Mitgliedstaaten, die unerläßlichen Maßnahmen zu treffen, um Zuwiderhandlungen gegen innerstaatliche Rechts- und Verwaltungsvorschriften zu verhindern. Unter Bezugnahme auf seine frühere Rechtsprechung weist der Gerichtshof aber darauf hin, daß Vorschriften, welche die Ausfuhr von Devisen von einer vorherigen Genehmigung abhängig machen, um mitgliedstaatliche Kontrollen zu ermöglichen, nicht zur Folge haben dürfen, daß die Ausübung einer durch den EGV gewährten Freiheit in das Ermessen der Verwaltung gestellt und sie damit illusorisch gemacht wird. Die sich aus dem Erfordernis einer vorherigen Genehmigung ergebenden Beschränkungen des freien Kapitalverkehrs könnten in diesem Fall durch die Einführung eines sachgerechten Anmeldesystems beseitigt werden, ohne dabei die wirksame Verfolgung der angestrebten Ziele zu beeinträchtigen. 301 Der Gerichtshof räumt indes ein, daß jene Erwägungen nicht ohne weiteres auf ein dem Grundstückserwerb vorgelagertes Verfahren übertragbar seien, da hier das behördliche Eingreifen ein anderes Ziel verfolge. Im Falle eines Devisentransfers, dem sich die nationalen Behörden von Rechts wegen grundsätzlich nicht widersetzen könnten, diene eine Kontrolle, etwa in Gestalt eines Anmeldeverfahrens, hauptsächlich der Befriedigung bloßer Informationsbedürfnisse. Eine dem Grundstückserwerb vorgelagerte Kontrolle gehe darüber hinaus, da sie mit der Versagung der Genehmigung enden könne, ohne damit gegen Gemeinschaftsrecht verstoßen zu müssen. 302 Um eine bestimmungsgemäße Nutzung von Grund und Boden zu gewährleisten, reiche nämlich ein bloßes Anmeldeverfahren nicht unbedingt aus. Für den Fall, daß nach dem Erwerb ein Verstoß gegen die (schriftliche) Erklärung bezüglich der beabsichtigten Grundstücksnutzung festzustellen sei, müßten die Mitgliedstaaten die Möglichkeit haben, bestimmte Maßnahmen zu treffen. Im Hinblick auf mögliche Verstöße gegen innerstaatliche Rechtsvorschriften über Zweitwohnsitze nennt der EuGH die Verhängung von Geldbußen, die hoheitliche Auferlegung von Unterlassungspflichten hinsichtlich der unzulässigen Verwendung des Grundstücks unter Androhung der Zwangsversteigerung sowie die Feststellung der Nichtigkeit des Erwerbs mit anschließender Wiederherstellung der ursprünglichen Eigentumsverhältnisse. 303 Im konkreten Fall vertrat der Gerichtshof allerdings die Auffassung, daß die Ausgestaltung des Genehmigungserfordernisses angesichts des weiten, nahezu 301 EuGH, Rs. C-302/97, a. a. 0., S. 1-3135 Rn 43 f. unter Verweis auf die Rs. 286/82 und 26/83, Slg. 1984, S. 377 Rn 34 (Luisi und Carbone), Rs. C-358/93 und 416/93, Slg. 1995, S. 1-361 Rn 25, 27 (Bordessa u. a.), Rs. C-163/94, C-165/94 und C-250/94, Slg. 1995, S. 1-4821 Rn 25-27 (Sanz de Lera u. a.). 302 Dies ist beispielsweise bei innerstaatlichen Vorschriften über Zweitwohnsitze der Fall, die der Gemeinsamen Erklärung Nr. 5 zu Zweitwohnungen entsprechen oder deren Beibehaltung einzelnen Mitgliedstaaten innerhalb von Übergangsfristen eingeräumt worden ist. 303 EuGH, Rs. C-302/97, Slg. 1999, S. 1-3136 Rn 45-47.
VI. Immobilienerwerb innerhalb der Kapitalverkehrsfreiheit
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freien Ermessens der Genehmigungsbehörden mit einer Diskriminierungsgefahr verbunden sei. In Anbetracht anderweitiger Möglichkeiten des Mitgliedstaates, die Einhaltung seiner raumplanerischen Vorgaben sicherzustellen, stelle das Genehmigungsverfahren daher keine unerläßliche Beschränkung des Kapitalverkehrs dar, um Zuwiderhandlungen gegen innerstaatliche Rechtsvorschriften über Zweitwohnsitze zu verhindern. 304 (2) Rechtssache Association Eglise de scientologie de Paris In der Rechtssache Association Eglise de scientologie de Paris, Scientology International Reserves Trust/Premier ministre305 stellt der Gerichtshof unter Berufung auf die Rechtssache Konle klar, daß ein System der vorherigen Genehmigung nicht unter allen Umständen als unrechtmäßig angesehen werden muß. So seien durchaus Fälle denkbar, in denen eine Genehmigung tatsächlich zur Wahrung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich ist. Insbesondere könne es die bei ausländischen Direktinvestitionen 306 vorhandene Schwierigkeit, einmal in einen Mitgliedstaat eingeflossenes Kapital zu ermitteln oder zu sperren, erfordern, Transaktionen, welche die öffentliche Ordnung oder Sicherheit beeinträchtigen würden, von vornherein zu verhindern. Für den Fall, daß ausländische Direktinvestitionen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit tatsächlich und hinreichend schwer gefährden, könne sich ein bloßes Meldeverfahren als unzureichend für die Abwehr dieser Gefahr erweisen. Ein in diesem Fall erforderliches Genehmigungsverfahren dürfe aber nicht allgemein für jede ausländische Direktinvestition verlangt werden, die geeignet ist, die öffentliche Ordnung oder Sicherheit zu gefährden, ohne daß dabei die besonderen, eine Genehmigung erfordernden Umstände genannt würden. Die betroffenen Investoren müßten vielmehr einen Hinweis darauf erhalten, unter welchen besonderen Voraussetzungen eine Genehmigung erforderlich ist. Eine zu allgemeine und unbestimmte Genehmigungspflicht, welche den Umfang der Rechte und Pflichten aus Art. 73 b EGV (Art. 56 EGV n. F.) für den einzelnen nicht erkennbar werden läßt, verstoße daher gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit. 307 (3) Rechtssache Albore In der Rechtssache Aibore 308 hatte sich der Gerichtshof mit der Frage zu befassen, ob das Gemeinschaftsrecht einer nationalen Regelung entgegensteht, die EuCH, Rs. C-302/97, a. a. 0., S. 1-3137 Rn 49. EuCH, Urteil vom 14. März 2000, Rs. C-54/99, Slg. 2000, S. 1-1335 ff. 306 Wie bereits oben dargelegt, kann auch der Immobilienerwerb, etwa der Erwerb eines Betriebsgrundstücks, eine Direktinvestition im Sinne der KVF darstellen. Zur Abgrenzung zur NF siehe unten VII. 307 EuCH, Rs. C-54/99, a. a. 0., S. 1-1362 Rn 19-22. 308 EuCH, Rs. C-423 /98, Slg. 2000, S. 1-5965 ff. 304 305
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C. Immobilienerwerb innerhalb der Grundfreiheiten
den Erwerb dinglicher Rechte an Grundstücken durch Ausländer in bestimmten Landesteilen, die zu Gebieten von militärischer Bedeutung erklärt worden sind, von einer vorherigen Genehmigung abhängig macht, eigene Staatsangehörige von diesem Erfordernis jedoch ausnimmt. Konkreter Hintergrund war die Ablehnung der Eintragung eines von deutschen Staatsangehörigen abgeschlossenen Kaufvertrages über Grundstücke auf der italienischen Insel Ischia. Die Eintragung in das Grundstücksregister war mit der Begründung verweigert worden, daß die Käufer nicht zuvor die Genehmigung eingeholt hätten, die nach italienischem Recht für ausländische natürliche und juristische Personen erforderlich sei, weil die Grundstücke in einem Landesteil lägen, der zuvor zu einem Gebiet von militärischer Bedeutung erklärt worden war. Der EuGH sollte nun entscheiden, ob sich eine derartige nationale Regelung mit den gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen über das allgemeine Diskriminierungsverbot, die Niederlassungsfreiheit und den freien Kapitalverkehr (Art. 12,43 und 46 EGV) vereinbaren läßt. Zunächst stellt der Gerichtshof fest, daß der Erwerb eines Grundstücks in einem Mitgliedstaat durch einen Gebietsfremden, aus welchen Gründen auch immer er erfolgt, eine Immobilieninvestition darstellt, welche in die Kategorie des Kapitalverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten fällt und durch Art. 73 b EGV (Art. 56 EGV n. E) gewährleistet wird. Eine Regelung, welche ausschließlich eigene Staatsangehörige davon befreit, eine Genehmigung für den Erwerb eines Grundstücks in bestimmten Teilen des Staatsgebietes beantragen zu müssen, stellt eine die Staatsangehörigen der anderen Mitgliedstaaten diskriminierende Beschränkung des Kapitalverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten dar und ist gemäß Art. 73 b EGV verboten, wenn sie nicht aus einem nach dem EGV zulässigen Grunde gerechtfertigt ist. 309 Im Hinblick auf mögliche Rechtfertigungsgründe für das nationale Genehmigungserfordernis folgert der EuGH aus dem Gegenstand der mitgliedstaatlichen Regelung, daß die streitige Maßnahme aus Gründen, welche mit der öffentlichen Sicherheit zusammenhängen, getroffen worden sei. Der Begriff der öffentlichen Sicherheit im Sinne des EGV umfasse auch die äußere Sicherheit eines Mitgliedstaates. Derartige Erfordernisse könnten Ausnahmen von den Bestimmungen des EGV jedoch nur unter Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes rechtfertigen und dürften zudem gemäß Art. 58 Abs. 3 EGV nicht zur Rechtfertigung von Maßnahmen angeführt werden, die ein Mittel zur willkürlichen Diskriminierung oder eine verschleierte Beschränkung des Kapitalverkehrs darstellen?IO Falls die Lage des betreffenden Mitgliedstaates nicht gerade unter Art. 224 EGV (Art. 297 EGV n. E) fällt, könne die Berufung auf Erfordernisse der Landesverteidigung eine Diskriminierung Angehöriger anderer Mitgliedstaaten hinsichtlich der Möglichkeit, Grundbesitz in einem ganzen Teil des Staatsgebietes zu erwerben, 309 EuCH, Rs. C-423/98, a. a. 0., S. 1-6001 Rn 14 -17 unter Hinweis auf die Rs. C-302/ 97, Slg. 1999, S. 1-3099 Rn 22, 23 (Konle). 310 EuCH, Rs. C-423/98, a. a. 0., S. 1-6002 Rn 18-20.
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nicht rechtfertigen. Eine nationale Regelung, welche aus Gründen der Landesverteidigung nur die eigenen Staatsangehörigen davon befreit, eine Genehmigung für den Erwerb eines Grundstücks in einem Landesteil, welcher zu einem Gebiet von militärischer Bedeutung erklärt worden ist, zu beantragen, verstoße daher prinzipiell gegen Art. 73 b EGV (Art. 56 EGV n.F.). Etwas anderes gelte nur dann, wenn für jedes Gebiet, welches der Beschränkung unterliegt, dargetan werden kann, daß eine nichtdiskriminierende Behandlung der Staatsangehörigen der anderen Mitgliedstaaten reale, konkrete und schwere Gefahren für die militärischen Interessen des betreffenden Mitgliedstaates mit sich brächte, denen nicht auf weniger einschneidende Weise begegnet werden könnte. 311 Eine Überprüfung der Vereinbarkeit des italienischen Genehmigungserfordemisses mit dem allgemeinen Diskriminierungsverbot des Art. 12 EGV und der Niederlassungsfreiheit des Art. 43 EGV unterließ der EuGH mit der Begründung, daß bereits ein Verstoß gegen die Kapitalverkehrsfreiheit vorliege?12 Obwohl der Gerichtshof die Möglichkeit einer Rechtfertigung aufgrund des Art. 297 EGV (Art. 224 EGVa. F.) abstrakt angesprochen hatte, ging er im konkreten Fall nicht näher auf das Vorliegen seiner Tatbestandsvoraussetzungen ein. GA Cosmas hingegen weist in seinen Schlußanträgen ausführlich auf die Besonderheiten hin, welche im Bereich nationaler Maßnahmen auf dem Gebiet der Streitkräfte und der Landesverteidigung respektive des Grunderwerbs zu beachten sind. 313 Bei staatlichen Maßnahmen zur Verteidigung nationaler Sicherheitsinteressen handele es sich im Hinblick auf das Gemeinschaftsrecht um einen besonders sensiblen Bereich, welcher unmittelbar das Wesen der staatlichen Souveränität und den Kembereich des Staates berühre. Aus diesen Gründen berücksichtige auch das primäre Gemeinschaftsrecht in einigen Vorschriften ausdrücklich bestimmte Fälle der Landesverteidigung oder sonstige außergewöhnliche Situationen, in denen ein Mitgliedstaat eventuell auf militärische Mittel zurückgreift. Dies komme insbesondere in den Bestimmungen des EUV zur Einführung einer gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik sowie in den Art. 296 und 297 EGV zum Ausdruck. Im übrigen fielen Aspekte staatlicher Sicherheitspolitik (nach innen und außen) sowie die hierzu erforderlichen Maßnahmen auch nach Auffassung des Gerichtshofes in die EuGH, Rs. C-423/98, a. a. 0., S. 1-6002 Rn 21, 22. EuGH, Rs. C-423 / 98, a. a. 0., S. 1-6004 Rn 25. Notar Albore begründete seine Beschwerde u. a. auch damit, daß sich aus dem Diskriminierungsverbot in Verbindung mit dem Recht auf Achtung des Privatlebens das gemeinschaftsrechtliche Verbot einer nationalen Regelung ergebe, welche es den Angehörigen anderer Mitgliedstaaten auferlege, anzugeben, zu welchen Zwecken sie ein dingliches Recht erwerben wollten, die eigenen Staatsangehörigen aber von dieser Verpflichtung freistelle, vgl. dazu auch die Schlußanträge des GA Cosmas, a. a. O. S. 1-5970 Rn 12. 313 Schlußanträge des GA Cosmas, a. a. 0., S. 1-5971 Rn 16 ff. Auch wenn der Gerichtshof auf die diesbezüglichen Äußerungen des Generalanwalts im vorliegenden Fall nicht näher eingegangen ist, lassen sich ihnen erfahrungsgemäß mögliche Hinweise dafür entnehmen, in welche Richtung die zukünftige Rechtsprechung des EuGH in gleichgelagenen Fällen gehen könnte. 311
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C. Immobilienerwerb innerhalb der Grundfreiheiten
ausschließliche Zuständigkeit der Mitgliedstaaten. Die Behandlung militärischer Angelegenheiten eines Mitgliedstaates dürfe dann aber nicht durch die Gemeinschaftsrechtsordnung behindert und damit die nationale Entscheidungsfreiheit aufgehoben werden. 314 Daraus folge wiederum nicht, daß sich dieser nationale Zuständigkeitsbereich jeglicher gemeinschaftsrechtlichen Beurteilung entziehe. Vielmehr unterlägen auch staatliche Regelungen im Interesse nationaler militärischer Ziele insoweit der gemeinschafts rechtlichen Überprüfung, als ihre Anwendung die Verwirklichung des Gemeinschaftsrechts verhindere oder beeinträchtige. 315 Ausführlich befaßt sich der GA sodann mit der Anwendbarkeit des Art. 297 EGVauf den vorliegenden Fall. Erstens sei die Vorschrift als Ausnahmevorschrift vom allgemeinen Regelungssystem des Gemeinschaftsrechts eng auszulegen. Zweitens sei ihre Anwendung nur in extremen Fällen, welche ausdrücklich und erschöpfend in der Vorschrift genannt seien, zulässig. Allerdings verneint der GA - im Gegensatz zum Gerichtshof - eine automatische Subsidiarität der Vorschrift in dem Sinne, daß auf sie nur in denjenigen Fällen zurückgegriffen werden darf, in denen eine andere gemeinschaftsrechtliche Regelung fehlt, mit der den in Rede stehenden Erfordernissen der öffentlichen Sicherheit genügt werden kann. 316 Zwar berge eine systematische Berufung der Mitgliedstaaten auf die Vorschrift die Gefahr der Beeinträchtigung einer ausgewogenen Anwendung des Vertrages. Die Mitgliedstaaten hätten nämlich ein großes Interesse daran, eine Überprüfung nationaler Maßnahmen ausschließlich am Maßstab des Art. 297 EGV zu erreichen, da insoweit gemäß Art. 298 EGV nur eine eingeschränkte Mißbrauchskontrolle zulässig sei. Dahingegen fände im Rahmen sonstiger vertraglicher Vorbehaltsklauseln, wie etwa Art. 30, 46, 55 EGV usw., eine strenge und umfassende Verhältnismäßigkeitsprüfung statt. Aufgrund der von Art. 297 EGV erfaßten Ausnahmesituationen, in denen es aufgrund von Gefahren für die Mitgliedstaaten zu einer Veränderung von Art, Intensität und Umfang der Bindungen Schlußanträge des GA Cosmas, a. a. 0., S. 1-5971 Rn 16, 17. Schlußanträge des GA Cosmas, a. a. 0., S. 1-5972 Rn 18. Der GA stellt im Hinblick auf das primäre Gemeinschaftsrecht weiter fest, daß - außerhalb der besonderen Vorbehalte der Art. 296 ff. EGV - nationale Regelungen, die militärische Angelegenheiten oder die Landesverteidigung betreffen und die Anwendung des Gemeinschaftsrechts verhindern oder beeinträchtigen, nur in denjenigen Fällen und unter den Voraussetzungen gerechtfertigt sein könnten, die der Gemeinschaftsgesetzgeber förmlich festgelegt habe. Als solche kämen die Art. 30, 46, 55, 58 und 95 EGV in Betracht. Diese Bestimmungen enthielten aber keine besonderen Regelungen zu Fragen des Militärs und der Landesverteidigung, sondern beträfen ganz allgemein Maßnahmen, die aus Gründen der öffentlichen Ordnung und Sicherheit gerechtfertigt seien. In diesem Bereich käme dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz besondere Bedeutung zu, und der Gerichtshof habe eine weitreichende materielle Überprüfungsbefugnis. Aufgrund der besonderen Bedeutung und Sensibilität des Bereichs nationaler Verteidigungs- und Sicherheitsinteressen spricht sich der GA jedoch für einen vom Gerichtshof zu entwickelnden, besonderen Prüfungsmaßstab für diese Gebiete aus (a. a. 0., S. 1-5972 Rn 19 ff.). 316 Schlußanträge des GA Cosmas, a. a. 0., S. 1-5974 Rn 23-25. 314 315
VI. Immobilienerwerb innerhalb der Kapitalverkehrsfreiheit
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zwischen nationaler Rechtsordnung und Gemeinschaftsrechtsordnung komme, sei eine Überprüfung der Voraussetzungen der Vorschrift aber in jedem Falle angezeigt. 317
Die Anwendung der Vorschrift erfordere nicht unbedingt die konkrete Verwirklichung der in ihr genannten Ereignisse und Situationen (schwerwiegende innerstaatliche Störungen der öffentlichen Ordnung, Kriegsfall, eine ernste Kriegsgefahr usw.). Hauptzweck der Regelung sei es nämlich, den Mitgliedstaaten einen möglichst großen Entscheidungsspielraum für die Bewältigung außergewöhnlicher und sehr gefährlicher Situationen einzuräumen. 318 Es müsse daher genügen, daß der Erlaß auf die Vorschrift gestützter nationaler Maßnahmen in unmittelbarem und ausschließlichem Zusammenhang mit den genannten Ereignissen und Szenarien stehe. Die Mitgliedstaaten seien insoweit auch zu entsprechenden Präventivmaßnahmen ermächtigt. Andernfalls würde die Vorschrift ihrer praktischen Wirksamkeit beraubt. 319 Allerdings erfordere es die Außerordentlichkeit der in Art. 297 EGV genannten Sachverhalte, daß die getroffenen staatlichen Maßnahmen grundsätzlich immer nur vorläufiger Natur sein dürften. Einerseits müßten die auf die Regelung gestützten Maßnahmen zwar nicht notwendigerweise zeitlich mit den tatbestandlich erfaßten Sachverhalten zusammenfallen, jedoch könnten sie andererseits auch nicht beliebig lange aufrechterhalten werden. Hierbei handele es sich zumindest um eine widerlegliche Auslegungsvermutung. 320 Hinsichtlich der Frage, ob Verbotsvorschriften über den Grundstückserwerb in Landesteilen, die zu Gebieten von militärischer Bedeutung erklärt wurden, in den Anwendungsbereich des Art. 297 EGV fallen können, wird dies zumindest unter der Bedingung nicht ausgeschlossen, daß es sich dabei um vorläufige und spezielle Verbote handelt. Da die betreffenden Regelungen in concreto aber auf Dauer angelegt waren, konnten sie nach Ansicht des GA nicht unter Art. 297 EGV fallen. 321 Zu dem Vorbringen, daß die in Italien geltende Verpflichtung, den Behörden den Zweck des beabsichtigten Grunderwerbs zu offenbaren, das Recht auf Achtung der Privatsphäre verletze, äußerte sich der GA insoweit, als zwar die Gemeinschaftsrechtsordnung dieses Grundrecht schütze, es aber nicht schrankenlos gewährleistet Schlußanträge des GA Cosmas, a. a. 0., S. 1-5974 Rn 26, 27, 29. Mit diesem weiten Beurteilungs- und Entscheidungsspielraum der Mitgliedstaaten im Hinblick auf politische, militärische und geopolitische Wertungen gehe folglich eine nur sehr eingeschränkte, lediglich auf eine Mißbrauchskontrolle reduzierte Prüfungsbefugnis des Gerichtshofes einher, vgl. Schlußanträge, a. a. 0., S. 1-5975 Rn 29. 319 Schlußanträge des GA Cosmas, a. a. 0., S. 1-5976 Rn 30, 31. 320 Schlußanträge des GA Cosmas, a. a. 0., S. 1-5976 Rn 32. 321 Schlußanträge des GA Cosmas, a. a. 0., S. 1-5977 Rn 33, 35. Nach Ansicht des GA sollten die von ihm für Art. 297 EGV entwickelten Maßstäbe auch auf andere vertragliche Rechtsgrundlagen Anwendung finden, so daß für die Mitgliedstaaten kein Anlaß mehr bestehe, sich in ausgedehnter Weise auf diese Vorschrift zu berufen. 317 318
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C. Immobilienerwerb innerhalb der Grundfreiheiten
werde. Im vorliegenden Fall würden etwaige Eingriffe in dieses Grundrecht jedenfalls durch ein überwiegendes öffentliches Interesse in Form der Landesverteidigung gerechtfertigt. 322 Die übrigen Ausführungen des GA beschränken sich im wesentlichen auf die Vereinbarkeit der italienischen Regelungen mit der Kapitalverkehrsfreiheit und beziehen sich u. a. auch auf die bereits erörterten Rechtssachen Kommission/ Griechenland und Konle. Der vorliegende Fall sei nach Ansicht des GA allerdings insofern nicht mit der Rechtssache Konle vergleichbar, als es dort zu einer umfassenden Verhältnismäßigkeitskontrolle des nationalen Genehmigungserfordernisses für den Grunderwerb gekommen sei. Ein solcher Prüfungsmaßstab sei aber aufgrund der besonderen militärischen Notwendigkeiten im vorliegenden Fall nicht angemessen. Vielmehr sei es angebracht, daß sich im Bereich der öffentlichen Sicherheit die gerichtliche Verhältnismäßigkeitskontrolle von einer umfassenden Rechtmäßigkeitskontrolle zu einer bloßen Überprüfung der Grenzen des Ermessensspielraums der Mitgliedstaaten wandele. Im Bereich des Schutzes militärischer Interessen und der Landesverteidigung, welche besondere Teilaspekte der öffentlichen Sicherheit darstellten, sei den Mitgliedstaaten ein besonders weiter Ermessens- und Handlungsspielraum zuzubilligen, dem umgekehrt ein im gleichen Maße verengter Spielraum für eine gerichtliche Überprüfung der darauf gestützten nationalen Maßnahmen entspreche. 323 Zwar stehe es allein dem nationalen Gesetzgeber zu, einem Sachverhalt militärische Bedeutung zuzuschreiben und nach Mitteln für die Erreichung der besonderen, im öffentlichen Interesse liegenden Ziele zu suchen. Allerdings stehe das Gemeinschaftsrecht einer abstrakt-generellen Berufung der Mitgliedstaaten auf derartige nationale Interessen, seien sie auch militärischer Art, entgegen. Erforderlich sei zumindest eine logisch nachvollziehbare Minimalbegründung hinsichtlich der konkret zu verfolgenden Ziele und deren Erreichung mittels nationaler Regelungen, damit es nicht zu verschleierten Diskriminierungen oder mißbräuchlichem Verhalten der Mitgliedstaaten kommen könne. In concreto sei also darzulegen, welche Logik dem System der Erklärung bestimmter Landesteile zu Gebieten von militärischer Bedeutung zugrunde liegt, welche allgemeinen Grundsätze bei der Festlegung dieser Gebiete maßgeblich sind, warum speziell von ausländischen Erwerbern eine vorherige Genehmigung verlangt wird und nach welchen Gesichtspunkten im Einzelfall die betreffende Genehmigung erteilt oder verweigert wird?24 Schlußanträge des GA Cosmas, a. a. 0., S. 1-5980 Rn 43. Schlußanträge des GA Cosmas, a. a. 0., S. 1-5984 Rn 53, 54. Somit würde nicht nur die Verhältnismäßigkeitsprüfung im Rahmen der Art. 30, 46, 55 oder 58 EGV durch den besonderen Charakter der jeweiligen nationalen Maßnahmen beschränkt, sondern es würde auch der Mißbrauchskontrolle im Sinne des Art. 298 EGVentsprochen. Dadurch würde die Wiederherstellung des Gleichgewichts bei der Anwendung des primären Gemeinschaftsrechts gewährleistet, ohne dabei die nationale Souveränität durch Ausübung einer übertriebenen Kontrolle zu beeinträchtigen, vgl. Fn 36 (welche sich auf Art. 36, 59, 69 und 73 d EGVa. F. bezieht). 324 Schlußanträge des GA Cosmas, a. a. 0., S. 1-5985 Rn 55, 56, 58 ff. 322
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VI. Immobilienerwerb innerhalb der Kapitalverkehrsfreiheit
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Die italienische Regierung begründete das ausschließlich für Ausländer bestehende Genehmigungserfordernis damit, daß die eigenen Staatsangehörigen ihrer Nation allgemein ein erhöhtes Maß an Loyalität entgegenbrächten, als Teilhaber an den nationalen Interessen Italiens angesehen werden könnten und zudem besonderen Verpflichtungen zur Wahrung dieser Interessen unterworfen seien. Daher sei die italienische Staatsangehörigkeit ausreichend, um den Erwerb eines Grundstücks in einem Gebiet von militärischer Bedeutung nicht als Bedrohung der nationalen militärischen Interessen erscheinen zu lassen, während entsprechende Garantien im Falle des Erwerbs durch Ausländer nicht bestünden?25 Derartige Verallgemeinerungen, welche eigenen Staatsangehörigen apriori eine Art Unbedenklichkeitsbescheinigung ("Garantie") ausstellen und Ausländer unter einen entsprechenden Generalverdacht stellen in dem Sinne, daß diese antinationalen Akten von vornherein eher zugeneigt scheinen, ließ der GA zu Recht nicht gelten. Es laufe der hinter dem Schutz nationaler militärischer Interessen stehenden Logik zuwider, wenn die italienische Rechtsordnung den Verstoß gegen derartige Interessen durch eigene Staatsangehörige zunächst hinnehme und erst dann ahnde, während sie zum Schutz derselben Interessen gegenüber Handlungen von Ausländern präventive Maßnahmen für geboten halte. Möglicherweise verberge sich hinter der italienischen Regelung eine allgemein negative Einstellung des nationalen Gesetzgebers gegenüber Nichtitalienern. Insofern handele es sich allerdings um eine politische und keine rechtliche Kritik, da es im gegenwärtigen Stadium der europäischen Einigung einem Mitgliedstaat generell unbenommen bleibe, zwischen eigenen Staatsangehörigen und Ausländern zu unterscheiden. Die Mitgliedstaaten könnten davon ausgehen, daß in bestimmten Fällen und unter bestimmten Voraussetzungen das Verhalten eigener Staatsangehöriger ein potentiell geringeres Risiko für die nationale militärische Sicherheit darstelle als das von Ausländern. 326 Nach Ansicht des GA reichten im konkreten Fall die Darlegungen der italienischen Regierung zur Logik des Verfahrens allerdings nicht aus, um dessen gemeinschaftsrechtliche Rechtfertigung feststellen zu können. Vielmehr erscheine es nicht ausgeschlossen, daß die fragliche italienische Regelung ein Mittel der willkürlichen Diskriminierung zu Lasten derjenigen sei, die von der Kapitalverkehrsfreiheit Gebrauch machen wollen. 327 Sie sei daher als nicht gerechtfertigter Verstoß gegen die KVF anzusehen. Schlußanträge des GA Cosmas, a. a. 0., S. 1-5987 Rn 63, 64. Schlußanträge des GA Cosmas, a. a. 0., S. 1-5988 Rn 65, 66. Derartige Unterscheidungen beim Grunderwerb dürften momentan aufgrund der akuten Bedrohungen militärischer und sonstiger staatlicher Einrichtungen durch terroristische Anschläge eine gewisse Unterstützung finden. 327 Schlußanträge des GA Cosmas, a. a. 0., S. 1-5991 Rn 74, 75. Dieser Verdacht wurde dadurch verstärkt, daß sämtliche kleinen italienischen Inseln, worunter viele von besonderem touristischen Interesse sind und deshalb sehr attraktive Investitionen darstellen, zu Gebieten von militärischer Bedeutung erklärt worden waren. 325
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C. Immobilienerwerb innerhalb der Grundfreiheiten
(4) Rechtssache Reisch u. a.
Das Urteil Reisch u. a. 328 hatte die Grunderwerbsregelungen des österreichischen Bundeslandes Salzburg (Salzburger Grundverkehrsgesetz 1997) zum Gegenstand. Ähnlich wie bereits in der Rechtssache Konle ging es dabei um Einschränkungen des Erwerbs von Zweitwohnsitzen und ihre Vereinbarkeit mit der Kapitalverkehrsfreiheit. 329 Das Salzburger GVG sieht für die Übertragung des Eigentums an Baugrundstücken ein abgestuftes Anzeige- und Erklärungs- sowie ein Genehmigungsverfahren vor. So ist der Erwerb nur zulässig, wenn der Erwerber das Geschäft innerhalb einer bestimmten Frist anzeigt und eine Erklärung mit dem Inhalt abgibt, daß er erstens Österreicher ist oder ein Ausländer, der eine nach dem EG-Vertrag oder dem EWR-Abkommen garantierte Freiheit in Anspruch nimmt. Zweitens muß er erklären, daß er das Grundstück als Hauptwohnsitz oder zu gewerblichen Zwecken nutzen wird. Eine Nutzung als Zweitwohnung ist nur dann möglich, wenn eine entsprechende Nutzung bereits vor dem I. März 1993 erfolgte oder wenn das Grundstück in einem eigens dazu bestimmten Zweitwohnungsgebiet liegt. Im Regelfall wird aufgrund der Erklärung eine Bestätigung erteilt. Diese kann nur abgelehnt werden, wenn aufgrund konkreter Anhaltspunkte zu befürchten ist, daß das Grundstück nicht der Erklärung entsprechend genutzt werden wird oder der Erwerb nicht mit dem Zweck des Gesetzes in Einklang steht. In diesem Fall kann der Erwerber die Zustimmung einer übergeordneten Behörde (Grundverkehrslandeskommission) zum Erwerb verlangen. Die Zustimmung wird erteilt, wenn sich nach einer Prüfung herausstellt, daß die vorgenannten, das Verbot der Nutzung als Zweitwohnung betreffenden materiellen Voraussetzungen erfüllt sind. Bestätigung bzw. Zustimmung sind für den Eigentumserwerb konstitutiv?3o Der Erwerber ist verpflichtet, das Grundstück gemäß der abgegebenen Erklärung zu nutzen. Um dies sicherzustellen, kann die Zustimmung unter Bedingungen und Auflagen erteilt und vom Erwerber die Leistung einer Sicherheit bis zur Höhe des Grundstückswertes bzw. Kaufpreises verlangt werden. Zudem existieren besondere Sanktionen für den Fall der Zuwiderhandlung: Zum einen kann das Grundstücksgeschäft gerichtlich für nichtig erklärt werden, wenn es sich hierbei um ein Schein- oder Umgehungsgeschäft handelt. Schließlich ist auch der Fall, daß der 328 EuCH, Urteil vom 5. März 2002, verb. Rs. C-515/99, C-519/99 bis C-524/99 und C-526/99 bis C-540/99, Slg. 2002, S. 1-2157 ff. 329 Im Gegensatz zum EuGH sieht CA Ceelhoed in seinen Schlußanträgen (a. a. 0., S. 1-2167 Rn 31 ff., 69 ff.) primär die Dienstleistungsfreiheit als betroffen an, da das GVG die konkrete Art und Weise der Nutzung des Grundstücks, nicht aber die für den Erwerb erforderliche Kapitaltransaktion regele. Trotz ausdrücklicher Kritik des GA (a. a. 0., S. 1-2177 Rn 74) zieht der EuGH "dem Ersuchen des vorlegenden Gerichts entsprechend" (a. a. 0., S. 1-2204 Rn 31) ausschließlich die Vorschriften der Art. 56 ff. EGVals Prüfungsmaßstab heran. 330 Wenn weder Bestätigung noch Zustimmung erteilt wurde, fehlt es an der nach österreichischem Recht für die Eigentumsübertragung erforderlichen Bewilligung.
VI. Immobilienerwerb innerhalb der Kapitalverkehrsfreiheit
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Erwerber keine Anzeige vorgenommen oder keine Zustimmung zum Erwerb beantragt hat oder das Grundstück in unzulässiger Weise nutzt, mit Geld- und Freiheitsstrafe bewehrt. 33 \ Im Hinblick auf die Vereinbarkeit dieser Grunderwerbsregelungen mit den Art. 56 ff. EGV stellt der Gerichtshof zunächst fest, daß ein dem Grundstückserwerb vorgeschaltetes Anzeige- bzw. Genehmigungsverfahren zu einer Beschränkung des freien Kapitalverkehrs führt. Gleichwohl könnten derartige Beschränkungen zulässig sein, wenn die nationalen Vorschriften in nichtdiskriminierender Weise ein im Allgemeininteresse liegendes Ziel verfolgen und dabei den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahren. Hinsichtlich der mit dem Salzburger GVG verfolgten Ziele stellt der EuGH unter Bezug auf die Rechtssache Konle fest, daß Beschränkungen der Errichtung von Zweitwohnungen in einem bestimmten geographischen Gebiet als Beitrag zur Verfolgung legitimer raumplanerischer Ziele, wie der Erhaltung einer dauerhaft ansässigen Bevölkerung und einer vom Tourismus unabhängigen Wirtschaftstätigkeit, angesehen werden können. Anderweitige Belange, wie solche des Umweltschutzes, könnten hinzutreten. 332 Die Regelungen des Salzburger GVG bewirkten auch keine Ungleichbehandlung von österreichischen Bewerbern und Personen, die ihren Wohnsitz in anderen Mitgliedstaaten haben und die Grundfreiheiten ausüben wollen?33 Des weiteren unterscheidet der Gerichtshof zwischen dem vorgeschalteten Anzeige- und Erklärungsverfahren einerseits und dem darüber hinausgehenden Zustimmungs- bzw. Genehmigungsverfahren andererseits. Das aus raumplanerischen Gründen aufgestellte Erfordernis einer dem Grundstückserwerb vorausgehenden Erklärung, das mit der Möglichkeit von Sanktionen für den Fall eines Verstoßes bewehrt ist, stehe mit dem Gemeinschciftsrecht in Einklang. Dem entspreche insoweit auch das Verfahren nach dem Salzburger GVG, welches im 331 Offensichtlich hat sich der Salzburger Gesetzgeber hier an den Hinweisen des EuGH im Urteil Konle (Rs. C-302/97, Slg. 1999, S. 1-3136 Rn 45 -47) bezüglich möglicher Sanktionsmechanismen orientiert. 332 EuGH, verb. Rs. C-515/99, C-519/99 bis C-524/99 und C-526/99 bis C-540/99, Slg. 2002, S. 1-2205 Rn 34. Die Nennung des Umweltschutzes als im Allgemeininteresse liegendes Ziel korrespondiert mit den Ausführungen des GA Geelhoed, der in seinen Schlußanträgen (a. a. 0., S. 1-2166 Rn 25) den Naturschutz und den Schutz bedrohter Landschaften als naheliegende raumplanerische Zielsetzungen bezeichnet. 333 Da die Kapitalverkehrsfreiheit auch Drittstaatsangehörige begünstigt, erscheint die Feststellung des EuGH, das Salzburger GVG führe zu keiner Ungleichbehandlung von Österreichem und Personen mit Wohnsitz in einem anderen Mitgliedstaat (a. a. 0., S. 1-2205 Rn 34), mißverständlich. Der EuGH zitiert nämlich die einschlägige Vorschrift des GVG über das Erklärungserfordernis in seinem Urteil (a. a. 0., S. 1-2197 Rn 6) falsch. Dort heißt es: ,,( ... ) daß er Österreicher oder Angehöriger eines anderen Mitgliedstaats ist und eine der vom EG-Vertrag ( ... ) garantierten Freiheiten in Anspruch nimmt." Aus den Schlußanträgen des GA Geelhoed (a. a. 0., S. 1-2161 Rn 4) ergibt sich jedoch, daß es diesbezüglich heißen muß: ,,( ... ) oder ein Ausländer; der eine nach dem EG-Vertrag ( ... ) garantierte Freiheit in Anspruch nimmt." Demnach werden auch Drittstaatsangehörige erfaßt.
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C. Immobilienerwerb innerhalb der Grundfreiheiten
wesentlichen Erklärungscharakter habe. 334 Dieses Minimalerfordemis einer vorherigen Anzeige des Erwerbs habe im Unterschied zu nachträglichen Kontrollverfahren den Vorteil, daß es dem Erwerber eine gewisse Rechtssicherheit biete?35 Eine vorherige Prüfung sei zudem besser geeignet, bestimmten schwer wiedergutzumachenden Schäden vorzubeugen, die durch eine schnelle Verwirklichung von Bauvorhaben verursacht werden könnten. Daher stelle die Formalität einer vorherigen Anzeige eine Ergänzung der Strafsanktionen und der Klage auf Feststellung der Nichtigkeit der Veräußerung dar. Unter diesem Gesichtspunkt könne das Anzeigeverfahren des Salzburger GVG als mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar betrachtet werden. 336 Anders verhält es sich nach Ansicht des Gerichtshofes mit dem im GVG vorgesehenen Zustimmungs- bzw. Genehmigungsveifahren, welches bei Zweifeln an der Rechtmäßigkeit der beabsichtigten Grundstücksnutzung durchzuführen ist. Unter Verweis auf seine frühere Rechtsprechung stellt der EuGH allgemein fest, daß die sich aus dem Erfordernis einer vorherigen Genehmigung ergebenden Beschränkungen des Kapitalverkehrs durch ein angemessenes Anmeldesystem beseitigt werden können, ohne dadurch die wirksame Verfolgung der angestrebten Ziele zu beeinträchtigen. 337 So verhalte es sich auch mit dem Genehmigungserfordernis des Salzburger GVG. Angesichts der durch das Verfahren der vorherigen Anzeige eröffneten Kontrollmäglichkeit sowie der Existenz von Strafsanktionen und einer besonderen Nichtigkeitsklage im Falle eines Verstoßes gegen die ursprüngliche Erklärung, könne das dem Erwerb vorgeschaltete Genehmigungsverfahren nicht als absolut unerläßlich zur Verhinderung von Zuwiderhandlungen gegen die im GVG statuierten Regelungen über Zweitwohnsitze angesehen werden. Dies gelte um so mehr, als die Verwaltung die Genehmigungserteilung zusätzlich von der Einhaltung von Auflagen und Bedingungen, für die das Gesetz keinerlei inhaltliche Vorgaben enthalte, sowie von der Leistung einer Sicherheit bis zur Höhe des Grundstückswertes abhängig machen könne. Unter diesen Umständen gingen die Vorschriften des GVG über die Genehmigungserteilung über das für die Verfolgung der festgelegten raumplanerischen Ziele Erforderliche hinaus. Gleiches gelte für etwaige Maßnahmen gemäß Art. 58 Abs. I lit. b EGV, welche die Mitgliedstaaten treffen können, um Zuwiderhandlungen gegen ihre Rechts- und Verwaltungsvorschriften zu verhindern. 338 334 Denn nur im Falle begründeter Befürchtungen vor einer rechtswidrigen Grundstücksnutzung muß sich der Erwerber einem Genehmigungsverfahren unterziehen. 335 Auf diesen Aspekt verweist auch GA Geelhoed in seinen Schlußanträgen (a. a. 0., S. 1-2189 Rn 128 f.). Beim Erwerb von Grundstücken stellten vorangehende Fonnalitäten nicht notwendig eine schwerwiegendere Behinderung als nachträgliche Kontrollen dar. Für den Erwerber komme es darauf an, daß er den Besitz rechtmäßig erwerben und behalten könne. Nach Abschluß eines dem Erwerb vorgeschalteten Anzeige- und Genehmigungsverfahrens könne er davon ausgehen, das Grundstück weiterhin ungestört nutzen zu dürfen. 336 EuGH, a. a. 0., S. 1-2205 Rn 35, 36. 337 EuGH, a. a. 0., S. 1-2206 Rn 37. 338 EuGH, a. a. 0., S. 1-2207 Rn 39.
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Im Ergebnis stehe somit das im Salzburger GVG vorgesehene Anzeige- und Erklärungsverfahren im Einklang mit den Art. 56 ff. EGV, während das vorherige Genehmigungsverfahren gegen diese Vorschriften verstoße?39
(5) Rechtssache Salzmann Wiederum mit Grunderwerbsregelungen der Republik Österreich, in diesem Falle mit denjenigen des Bundeslandes Vorarlberg, hatte sich der Gerichtshof in der Rechtssache Salzmann 340 zu beschäftigen. Erneut ging es um die Einschränkung des Erwerbs von Ferienwohnsitzen sowie die Verwirklichung raumplanerischer Zielsetzungen mittels eines Genehmigungsverfahrens. Nach dem Vorarlberger Grundverkehrsgesetz von 1993 (VGVG) bedarf grundsätzlich jeder Grundstückserwerb der Genehmigung. Diese ist Voraussetzung für die Eigentumseintragung im Grundbuch, somit für den Eigentumserwerb konstitutiv. Das VGVG unterscheidet zwischen dem Erwerb unbebauter und bebauter Grundstücke. Für den Erwerb unbebauter Grundstücke ist ein vorheriges Genehmigungsverfahren durchzuführen, während für den Erwerb bebauter Grundstücke u. U. ein bloßes Erklärungsverfahren ausreichend ist. Der Erwerb unbebauter Grundstücke, ausgenommen zu Ferienzwecken, ist gemäß § 8 VGVG zu genehmigen, wenn der Erwerber glaubhaft macht, daß er innerhalb einer angemessenen Frist das Grundstück einer dem Flächenwidmungsplan entsprechenden Nutzung zuführt oder es zur Erfüllung öffentlicher, gemeinnütziger oder kultureller Aufgaben benötigt wird. Hierbei ist ein Bedarf des Erwerbers zu berücksichtigen. 339 Damit weicht der EuGH in einigen Punkten von den Empfehlungen des GA Geelhoed ab. Dieser prüft das Salzburger GVG vornehmlich am Maßstab der Dienstleistungsfreiheit. Anders als der Gerichtshof hält er ein Genehmigungsverfahren nicht für grundsätzlich unzulässig, da das im GVG dafür statuierte Erfordernis begründeter Zweifel an der späteren Nutzungsart des Grundstücks dem Betroffenen ausreichende Garantien gegen eine willkürliche Anwendung dieses Verfahrens biete (a. a. 0., S. 1-2190 Rn 130). Andererseits beanstandet er die mit dem Genehmigungsverfahren möglicherweise verbundenen Auflagen und Bedingungen sowie das Verlangen einer Sicherheitsleistung. Mangels genauerer inhaltlicher Vorgaben werde den Behörden diesbezüglich ein (zu) weites Ermessen eingeräumt. Damit bestehe das Risiko, daß die an die Erteilung einer Genehmigung geknüpften Bedingungen und Auflagen derart belastend ausfallen könnten, daß ein Bürger vom Grundstückserwerb abgeschreckt werde. Derartige Auflagen und Bedingungen bzw. das Verlangen einer (hohen!) Sicherheitsleistung müßten jedenfalls strikten Beschränkungen unterliegen (a. a. 0., S. 1-2190 Rn 131-133). 340 EuGH, Urteil vom 15. Mai 2003, Rs. C-300101, Sig. 2003, S. 1-4899 ff. (Doris Salzmann). Das Ausgangsverfahren war bereits Gegenstand einer Vorlagefrage in der Rs. C-1781 99, Slg. 2001, S. 1-4421 ff., in der sich der EuGH aber für unzuständig erklärte, da das vorlegende Bezirksgericht als Grundbuchgericht eine verwaltende Tlitigkeit ausübe und daher nicht als Gericht i.S.v. Art. 234 EGVangesehen werden könne.
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C. Immobilienerwerb innerhalb der Grundfreiheiten
Für bebaute Grundstücke sieht § 7 VGVG eine Ausnahme von dem Erfordernis der Genehmigung vor, wenn der Erwerber eine Erklärung abgibt, daß das Grundstück bebaut ist, der Erwerb nicht zu Ferienzwecken erfolgt und daß er österreichischer Staatsbürger ist oder eine der Voraussetzungen des § 3 VGVG erfüllt. Nach § 3 VGVG sind Ausländer - soweit sich dies aus dem Recht der Europäischen Union, insbesondere aus der Ausübung der Grundfreiheiten ergibt - Österreichern gleichgestellt. In seiner Prüfung der Vereinbarkeit dieser Regelungen mit der Kapitalverkehrsfreiheit bezieht sich der EuGH zunächst auf die Urteile Konle und Reisch u. a. Er konstatiert, daß das Genehmigungsverfahren des VGVG eine Beschränkung des Kapitalverkehrs darstellt. Diese könne gleichwohl zulässig sein, wenn sie einem im Allgemeininteresse liegenden Ziel diene, in nichtdiskriminierender Weise angewandt werde und verhältnismäßig sei. Hinsichtlich der mit dem Genehmigungserfordernis verfolgten raumplanerischen Ziele gehe es zum einen darum, die Ansiede1ung von Gebäuden zu verhindern, die nicht mit den Vorgaben des Flächenwidmungsplans übereinstimmen, zum anderen um eine sinnvolle Ausnutzung des inneren Siedlungsraumes im Land Vorarlberg. Eine zu diesem Zweck erfolgende Beschränkung der Errichtung von Zweitwohnungen in einem bestimmten geographischen Gebiet könne als sinnvoller Beitrag zur Erreichung dieser Zielsetzungen angesehen werden. 341 Ein Genehmigungserfordernis wie § 8 VGVG räume jedoch dadurch, daß es dem Erwerber den Beweis für die künftige Nutzung des Grundstückes auferlege, den Genehmigungsbehörden einen weiten Beurteilungsspielraum ein, der einem freien Ermessen sehr nahe komme. 342 Dadurch könne nicht ausgeschlossen werden, daß ein solches Genehmigungsverfahren diskriminierend angewandt werde. 343 341 Wie CA Leger in seinen Schlußanträgen (a. a. 0., S. 1-4911 Rn 42) bemerkt, hat der EuGH die Liste berechtigter Gründe, auf die sich die Mitgliedstaaten für Beschränkungen der KVF berufen können, beständig erweitert. 342 Zu beachten ist, daß der EuGH die Begriffe Beurteilungsspielraum und Ermessen gleichsetzt. In der deutschen Verwaltungsrechtslehre hingegen wird der Terminus Beurteilungsspielraum auf der Tatbestandsseite einer Norm - bezogen auf die Konkretisierung unbestimmter Rechtsbegriffe -, der Terminus Ermessen auf der Rechtsfolgenseite verwendet. 343 EuCH, a. a. 0., S. 1-4937 Rn 43 -47. CA Leger begründet die seiner Ansicht nach bestehende Diskriminierungsgefahr damit, daß die für die Genehmigungserteilung genannten Kriterien - Vereinbarkeit mit dem Flächenwidmungsplan, Erfüllung gemeinnütziger oder kultureller Aufgaben - nicht hinreichend gesetzlich präzisiert seien. Insbesondere werde nicht angegeben, wie die Genehmigungsbehörde einem dieser Bestimmungszwecke den Vorrang verschaffen könne. Diese Unbestimmtheit der Genehmigungsvoraussetzungen führe dazu, daß der Verwaltung ein allzu weites Ermessen eingeräumt werde. Ein System der vorherigen Genehmigung müsse jedoch auf objektiven, nichtdiskriminierenden und vorher bekannten Kriterien beruhen, welche dem Ermessen der Verwaltung Grenzen setzen und seine mißbräuchliche Ausübung verhindern. Die Unbestimmtheit der Kriterien für die Genehmigungserteilung habe auch zur Folge, daß für den einzelnen der Umfang seiner Rechte und Pflichten nicht klar erkennbar sei. Hierin liege ein Verstoß gegen den Grundsatz der Rechts-
VI. Immobilienerwerb innerhalb der Kapitalverkehrsfreiheit
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Zudem sei das Genehmigungsverfahren zur Erreichung der mit ihm verfolgten Ziele auch nicht erforderlich: Zwar sei einzuräumen, daß ein Anmeldeverfahren allein nicht stets ausreichend sei. Jedoch könne ein solches Anmeldeverfahren, sofern es mit angemessenen rechtlichen Möglichkeiten verbunden sei, ein vorheriges Genehmigungsverfahren entbehrlich machen, ohne daß dadurch die wirksame Verfolgung der angestrebten Ziele beeinträchtigt werde. 344 Wegen der für die Verwaltung durch ein vorheriges Anmeldeverfahren eröffneten Möglichkeit der Kontrolle, ob Grunderwerbs- und Bauvorhaben dem Flächenwidmungsplan entsprechen, sowie aufgrund des Bestehens finanzieller Sanktionen, einer besonderen Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit des Kaufvertrages und einer möglichen Zwangsversteigerung des Grundstücks könne das vorherige Genehmigungsverfahren nicht als unerläßlich zur Erreichung der mit ihm angestrebten Zielsetzungen angesehen werden. In einem solchen Falle gebiete es das Allgemeininteresse nicht, daß die Ausübung der in Anspruch genommenen Freiheit suspendiert bleibe, bis die Verwaltung das Erwerbsvorhaben geprüft habe. Aufgrund der mit dem Genehmigungsverfahren des VGVG im Einzelfall verbundenen Diskriminierungsgefahr und der Tatsache, daß es zur Erreichung der mit ihm verfolgten Ziele nicht strikt unerläßlich sei, stelle es sich als eine mit den Art. 56 ff. EGV unvereinbare Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit dar. 345 (6) Rechtssache Ospelt
Die jüngste Entscheidung des EuGH zur Vereinbarkeit von Grunderwerbsbeschränkungen mit der Kapitalverkehrsfreiheit ist die Rechtssache Ospelt und Schlässle Weissenberg Familienstiftung. 346 Diese weist gleich in mehrfacher Hinsicht Besonderheiten auf: Zum einen geht es nicht unmittelbar um die Anwendung der Art. 56 ff. EGV, sondern um die entsprechenden kapitalverkehrsrechtlichen Regelungen des EWR-Abkommens, da im Ausgangsverfahren eine Angehörige des Fürstentums Liechtenstein beteiligt war. 347 Zum anderen hat der EuGH erstmalig sicherheit [a. a. 0., S. 1-4917 Rn 72-75 unter Verweis auf die Rs. C-205/99, Slg. 2001, S. 1-1271 (Analir) und Rs. C-54/99, Slg. 2000, S. 1-1335 (Eglise de Scientologie)J. 344 EuGH, a. a. 0., S. 1-4939 Rn 49, 50 unter Verweis auf die Rs. C-163/94, C-165/94 und C-250/94 (Sanz de Lera u. a.) und die Rs. Konle. 345 EuGH, a. a. 0., S. 1-4939 Rn 51, 52. Der EuGH folgt damit im wesentlichen den Ausführungen des GA Leger. Er überließ es dem vorlegenden nationalen Gericht, zu prüfen, ob das Genehmigungsverfahren des VGVG aufgrund Art. 70 der Beitrittsakte bis zum 1. Januar 2000 beibehalten werden durfte. 346 EuGH, Urteil vom 23. September 2003, Rs. C-452/01, Slg. 2003, S. 1-9743 ff. 347 Frau Ospelt, eine Staatsangehörige des Fürstentums Liechtenstein, ist Eigentümerin landwirtschaftlich genutzter Flächen im Land Vorarlberg, die sie an Landwirte verpachtet. Aus erbrechtlichen Erwägungen gründete sie eine Stiftung mit Sitz in Liechtenstein, deren Erstbegünstigte sie ist und der sie die betreffenden Grundstücke übertragen wollte. Die Stiftung sollte die Grundstücke weiterhin denselben Landwirten wie bisher verpachten. Die Genehmigungsbehörde lehnte den Antrag auf Erteilung der nach dem Vorarlberger Grund-
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C. Immobilienerwerb innerhalb der Grundfreiheiten
ein dem Grundstückserwerb vorgeschaltetes Genehmigungsveifahren in bezug auf die konkreten Umstände des Einzelfalles für prinzipiell zulässig erklärt und damit seine diesbezügliche Rechtsprechung weiter konkretisiert und präzisiert. 348 Das bereits in der Rechtssache Salzmann behandelte und auch hier einschlägige Vorarlberger Grundverkehrsgesetz von 1993 (VGVG) enthält spezielle Bestimmungen betreffend den Erwerb land- undforstwirtschaftlicher Grundstücke. Unter anderem sieht es in § 1 Abs. 3 folgende Zielsetzungen vor: (a) land- und forstwirtschaftliche Grundstücke den bäuerlichen Familienbetrieben im Interesse einer Verbesserung ihrer strukturellen Verhältnisse entsprechend den natürlichen Gegebenheiten des Landes zu erhalten, (b) eine möglichst breite, sozial erträgliche und der Größe des Landes entsprechende Streuung des Grundeigentums zu erhalten sowie (c) den Grunderwerb durch Ausländer, die nicht durch das Recht der Europäischen Union Inländern gleichgestellt sind,349 Beschränkungen zu unterwerfen. Gemäß § 4 VGVG bedarf u. a. die Übertragung des Eigentums an land- und forstwirtschaftlichen Grundstücken sowie das Pachtrecht an landwirtschaftlichen Betrieben einer vorherigen behördlichen Genehmigung. 350 Nach § 5 Abs. 1 VGVG darf der Rechtserwerb nur genehmigt werden, (a) - im Falle landwirtschaftlicher Grundstücke -, wenn er dem allgemeinen Interesse an der Erhaltung eines leistungsfähigen Bauernstandes entspricht und der Erwerber das Grundstück im Rahmen eines landwirtschaftlichen Betriebes selbst bewirtschaftet und im Betrieb auch seinen ständigen Wohnsitz hat oder, soweit ein solches nicht in Frage kommt, er der Erhaltung und Schaffung eines wirtschaftlich gesunden, mittleren und kleinen landwirtschaftlichen Grundbesitzes nicht widerspricht, (b) - im Falle forstwirtschaftlicher Grundstücke -, wenn er dem Interesse der Forstwirtschaft im besonderen und dem allgemeinen volkswirtschaftlichen Interesse nicht widerspricht. verkehrsgesetz erforderlichen Genehmigung mit der Begründung ab, die Voraussetzungen für den Erwerb durch Ausländer seien nicht erfüllt. 348 Daß unter bestimmten Voraussetzungen ein dem Erwerb vorgeschaltetes Genehmigungsverfahren zulässig sein könnte, hat der EuGH bereits im Urteil Kanle (Rs. 302/97, Slg. 1999, S. 1-3136 Rn 45) angedeutet. Im Ergebnis hat er dies aber u. a. wegen des weiten Ermessens der Genehmigungsbehörden und einer damit verbundenen Diskriminierungsgefahr verneint und ein bloßes Anmelde- und Erklärungsverfahren für angemessener erachtet. 349 Gemäß § 3 VGVG gelten die Regelungen über den Grunderwerb durch Ausländer nicht für Personen und Gesellschaften zum Zwecke von Direktinvestitionen, Immobilieninvestitionen und sonstigen Geschäften des Kapitalverkehrs, soweit sich dies aus dem Recht der Europäischen Union ergibt. 350 Wird die Genehmigung versagt, so wird das Rechtsgeschäft über den Erwerb nach § 25 VGVG rückwirkend unwirksam. Die Genehmigung entfaltet damit einen für den Eigentumserwerb konstitutiven Charakter.
VI. Immobilienerwerb innerhalb der Kapitalverkehrsfreiheit
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Diese Genehmigungsvoraussetzungen sind gemäß § 5 Abs. 2 VGVG insbesondere dann nicht erfüllt, wenn (a) das Grundstück ohne wichtigen Grund der landwirtschaftlichen oder forstwirtschaftlichen Nutzung entzogen würde, (b) anzunehmen ist, daß das Grundstück nur zur Bildung oder Vergrößerung von Großgrundbesitz oder von Jagdgebieten erworben wird, (c) anzunehmen ist, daß die Selbstbewirtschaftung längerfristig nicht gesichert ist oder die dazu erforderlichen Fachkenntnisse nicht vorhanden sind, (d) die im Zuge eines Agrarverfahrens erzielte günstige Bodenbesitzgestaltung ohne zwingenden Grund wieder gestört würde. Bezüglich der Vereinbarkeit dieser Reglungen mit der Kapitalverkehrsfreiheit erklärt der Gerichtshof zunächst die entsprechenden Vorschriften des EWR-Abkommens für anwendbar.35I Nationale Regelungen, durch die der Verkehr mit land- und forstwirtschaftlichen Grundstücken verwaltungsbehördlichen Beschränkungen unterworfen wird, müßten im Falle einer Transaktion zwischen Staatsangehörigen von EWR-Vertragsstaaten anhand von Art. 40 und Anhang XII EWR-Vertrag 352 beurteilt werden. Diese Regelungen hätten dieselbe rechtliche Tragweite wie die im wesentlichen identische Bestimmung des Art. 56 EGv. 353 351 EuGH, a. a. 0., S. 1-9799 Rn 27 ff. Das EWR-Abkommen wird vom EuGH als integrierender Bestandteil der Gemeinschaftsrechtsordnung bezeichnet. Österreich ist seit dem I. Januar 1994, Liechtenstein seit dem I. Mai 1995 Partei. 352 Art. 40 des EWR-Abkommens bestimmt: "Im Rahmen dieses Abkommens unterliegt der Kapitalverkehr in bezug auf Berechtigte, die in den EG-Mitgliedstaaten oder den EFfAStaaten ansässig sind, keinen Beschränkungen und keiner Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit oder des Wohnortes der Parteien oder des Anlageortes. Die Durchführungsbestimmungen zu diesem Artikel sind in Anhang XII enthalten." In Anhang XII wird die Kapitalverkehrsrichtlinie 88/361/ EWG auf den Europäischen Wirtschaftsraum für anwendbar erklärt. Gemäß Anhang I der Richtlinie umfaßt der Begriff des Kapitalverkehrs u. a. Geschäfte, mit denen Gebietsfremde Immobilieninvestitionen im Gebiet eines Mitgliedstaates vornehmen [siehe näher zur Kapitalverkehrsrichtlinie oben 2. b)]. 353 EuGH, a. a. 0., S. 1-9799 Rn 29, 32 zu Art. 73 b EGVa. F. Aus den einschlägigen Bestimmungen des EWR-Vertrages ergebe sich, daß die Vorschriften, nach denen Beschränkungen des Kapitalverkehrs und die dadurch bewirkte Diskriminierung untersagt sind, in den Beziehungen zwischen den Vertrags staaten des Abkommens - unabhängig davon, ob es sich um Mitglieder der Gemeinschaft oder der EFfA handele - mit denen identisch seien, die das Gemeinschaftsrecht für die Beziehungen zwischen den Mitgliedstaaten aufstellt. Nationale Grunderwerbsregelungen seien daher der Anwendung der genannten Vorschriften nicht in stärkerem Maße entzogen als im Gemeinschaftsrecht. Zudem sei eines der Hauptziele des EWR-Abkommens die möglichst umfassende Ausweitung des EG-Binnenmarktes auf die EFTA-Staaten. Im Hinblick darauf dienten mehrere Bestimmungen des EWR-Abkommens dazu, seine möglichst einheitliche Auslegung im gesamten EWR sicherzustellen. Diesem Ziel der einheitlichen Anwendung der Vorschriften über den freien Kapitalverkehr innerhalb des EWR würde es widersprechen, wenn ein EWR-Vertragsstaat, wie Österreich, nach seinem EU-Beitritt - gestützt auf Art. 73 c EGV (Art. 57 EGV n. E) - Rechtsvorschriften beibehalten könnte, die diese Freiheit gegenüber einem anderen EWR-Vertragsstaat beschrän-
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C. Immobilienerwerb innerhalb der Grundfreiheiten
Bezogen auf die konkrete Ausgestaltung des Genehmigungsverfahrens des VGVG führt der EuGH aus, daß derartige Beschränkungen des Kapitalverkehrs zulässig sein können, wenn mit ihnen in nichtdiskriminierender Weise ein im Allgemeininteresse liegendes Ziel verfolgt wird und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt bleibt. Da es sich hier um die Erteilung einer vorherigen Genehmigung handele, müßten sich diesbezügliche Maßnahmen auf objektive und im voraus bekannte Kriterien stützen. Zudem müsse jedem, der von einer solchen einschränkenden Maßnahme betroffen ist, der Rechtsweg offen stehen. 354 In bezug auf § 3 VGVG stellt der EuGH fest, daß das Gebot der Inländergleichbehandlung bezogen auf Personen, die keine Österreicher sind, aber ihren Wohnsitz in einem der Mitgliedstaaten haben und die Grundfreiheiten in Anspruch nehmen, gewahrt ist. 355 Hinsichtlich des Wohnsitzerfordernisses des § 5 Abs. 1 VGVG stehe fest, daß es Bestandteil einer gesetzlichen Regelung über das Eigentum an landwirtschaftlichen Grundstücken sei, mit der spezifische Ziele der Erhaltung einer landwirtschaftlichen Bevölkerung und lebensfähiger landwirtschaftlicher Betriebe verfolgt würden. Da insoweit nicht zwischen Inländern und Unions- bzw. EWR-Bürgern unterschieden werde, habe es apriori keinen diskriminierenden Charakter. 356 Des weiteren erkennt der EuGH die mit dem Genehmigungserfordernis des VGVG verfolgten Zwecke als legitime, im Allgemeininteresse liegende Zielsetzungen an. Zum einen stellten die Erhaltung der landwirtschaftlichen Bevölkerung und die Wahrung einer die Entwicklung lebensfähiger Betriebe sowie die harmonische Pflege des Raumes und der Landschaft ermöglichende Aufteilung des Grundeigentums im gesellschaftlichen Interesse liegende Ziele dar. Gleiches gelte ken. Folglich könnten sich die EU-Mitgliedstaaten seit dem Inkrafttreten des EWR-Abkommens in den von ihm erfaßten Bereichen gegenüber anderen EWR-Staaten nicht mehr auf Art. 73 c EGV berufen. Zur näheren Bedeutung des Art. 57 EGV für Beschränkungen der Kapitalverkehrsfreiheit siehe oben 3. d) (1). 354 EuCH, a. a. 0., S. 1-9801 Rn 34 unter Verweis auf die Rs. C-205/99, Sig. 2001, S. 1-1271 (Analir u. a.). 355 EuCH, a. a. 0., S. 1-9801 Rn 35. Mangels Bezugnahme des VGVG auf das EWRAbkommen sei allerdings nicht sicher, ob sich die gebotene Gleichstellung mit Inländern auch auf Personen mit Wohnsitz in EFTA-I EWR-Staaten, die aber keine EG-Mitgliedstaaten sind, erstrecke. Es sei Sache des vorlegenden Gerichts, zu beurteilen, ob die nationalen Regelungen in einer mit Art. 40 des EWR-Abkommens vereinbaren Weise ausgelegt werden können. 356 EuCH, a. a. 0., S. 1-9802 Rn 37. Die Bedingung eines Wohnsitzes für die Ausübung grundfreiheitlicher Tätigkeiten birgt oftmals das Risiko einer - versteckten - Diskriminierung von Ausländern, da diese - im Gegensatz zu Inländern - dieses Erfordernis regelmäßig und typischerweise nicht erfüllen. Bereits in der Rs. C-182/83, Sig. 1984, S. 3677 ff. (Fearon) wurde jedoch deutlich, daß ein solches Erfordernis, wenn es auf ein bestimmtes geographisches Gebiet beschränkt ist, spezifische Zwecke verfolgt und Inländer außerhalb eines abgegrenzten Gebietes ebenso betrifft wie Angehörige anderer Mitgliedstaaten, als nichtdiskriminierend angesehen werden kann. Siehe dazu auch die diesbezüglichen Ausführungen des CA Ceelhoed, a. a. 0., S. 1-9776 Rn 125 ff.
VI. Immobilienerwerb innerhalb der Kapitalverkehrsfreiheit
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für die Förderung einer vernünftigen Nutzung der verfügbaren Flächen unter Bekämpfung des Drucks auf den Grundstücksmarkt und unter Vorbeugung gegen natürliche Gefahren. Zum anderen entsprächen diese Ziele auch denjenigen der gemeinsamen Agrarpolitik, weIche gemäß Art. 33 Abs. I EGV darauf abziele, der Landbevölkerung eine angemessene Lebenshaltung zu gewährleisten. Dabei sei ausdrücklich (Art. 33 Abs. 2 lit. a EGV) die besondere Eigenart der landwirtschaftlichen Tatigkeit, die sich aus dem sozialen Aufbau der Landwirtschaft und den strukturellen und naturbedingten Unterschieden der verschiedenen landwirtschaftlichen Gebiete ergebe, zu berücksichtigen. 357 Die Verhältnismäßigkeit der Regelungen des VGVG betreffend führt der EuGH aus, daß ein System der vorherigen Genehmigung in bestimmten Fällen erforderlich sein und in angemessenem Verhältnis zu den mit ihm verfolgten Zielen stehen kann, wenn diese Ziele nicht durch weniger restriktive Maßnahmen, namentlich durch ein Meldesystem, zu erreichen sind. Dies sei der Fall, wenn sich die nationalen Stellen bemühen, die Entwicklung der landwirtschaftlichen Bodenstrukturen zu beherrschen, indem sie sich Ziele, wie die im VGVG genannten, setzen. Das Ziel der Unterstützung und Entwicklung einer lebensfähigen Landwirtschaft im Hinblick auf Erwägungen sozialer Art und der Raumordnung impliziere nämlich die Beibehaltung der landwirtschaftlichen Bestimmung der zu diesem Gebrauch verwendeten Flächen und die Fortführung ihrer Bewirtschaftung unter zufriedenstelIenden Bedingungen. In diesem Zusammenhang diene die behördlich ausgeübte vorherige Kontrolle nicht bloß einem Informationsbedürfnis. Vielmehr solle sie gewährleisten, daß die Veräußerung landwirtschaftlicher Grundstücke nicht die Einstellung ihrer Bewirtschaftung oder eine Nutzung, die ihre dauerhafte Verwendung für die Bedürfnisse der Landwirtschaft gefährden könnte, zur Folge hat. Eine Kontrolle nach der Veräußerung der Grundstücke böte nicht dieselben Sicherheiten. Sie könne nämlich eine Veräußerung, die im Widerspruch zu dem Ziel der Fortführung der Bewirtschaftung stünde, nicht verhindern. Zudem könnten nachträgliche Eingriffe, wie die Nichtigerklärung der Transaktion, Sanktionsmaßnahmen oder Räumungsentscheidungen nur von den Gerichten im Zuge eines längeren Verfahrens vorgenommen werden. Derartige Verzögerungen seien aber mit den Erfordernissen der Fortführung der Bewirtschaftung und der ordnungs357 EuGH, a. a. 0., S. 1-9802 Rn 39 und 40. Vgl. zu diesem Aspekt auch die Ausführungen des GA Geelhoed (a. a. 0., S. 1-9771 Rn 105 ff.). Ihm zufolge stehen bei der gemeinsamen Agrarpolitik zunehmend Maßnahmen der Entwicklung der Landbevölkerung im Vordergrund. Die im Bereich der gemeinsamen Agrarpolitik vorherrschende Intensität der Gemeinschaftsintervention bedeute nicht, daß die Agrarpolitik in die ausschließliche Zuständigkeit der EG falle. Im Gegenteil bliebe aufgrund der besonderen Umstände in den unterschiedlichen Regionen der EU viel Raum für ergänzende nationale Maßnahmen. Maßnahmen, die wie das VGVG den Erwerb von Grund und Boden im Interesse der Erhaltung der Landbevölkerung in einer bestimmten Region beschränken, könnten daher zugleich als Förderung der Ziele der gemeinsamen Agrarpolitik gelten.
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C. Immobilienerwerb innerhalb der Grundfreiheiten
gemäßen Bodennutzung nur schwer vereinbar. Auch würde dadurch die Rechtssicherheit beeinträchtigt, die eines der wesentlichen Anliegen jeder Regelung der Übertragung von Grundeigentum sei.
Während Kontrollrnaßnahmen, die auf das Verbot der Errichtung von Zweitwohnsitzen nach der Veräußerung von Baugrundstücken zielen, auch noch nach der Transaktion erfolgen könnten, ohne dieses Ziel zu beeinträchtigen, könnten die mit dem VGVG gesetzten Ziele nur dann erreicht werden, wenn die landwirtschaftliche Bestimmung der Flächen nicht unwiederbringlich beeinträchtigt werde. Unter diesen Umständen sei ein System der vorherigen Genehmigung nicht zu beanstanden. 358 Allerdings dürfe der gewählte Mechanismus der vorherigen Genehmigung in seinen Modalitäten und inhaltlichen Voraussetzungen nicht über das zur Erreichung des verfolgten Zieles Erforderliche hinausgehen. Eine der im VGVG aufgestellten Voraussetzungen entspreche diesen Anforderungen nicht vollends. Zwar beruhe das VGVG auf Kriterien, die es den betroffenen Anlegern ermöglichen, von den konkreten und objektiven Umständen, unter denen ihrem Antrag stattgegeben wird, Kenntnis zu nehmen. Die Voraussetzung, daß der Erwerber das Grundstück stets im Rahmen eines landwirtschaftlichen Betriebes selbst bewirtschaften und im Betrieb auch seinen Wohnsitz haben muß, sei aber nicht in jedem Fall für die Erreichung der verfolgten Ziele erforderlich. Dies betreffe namentlich die Konstellation, daß das Grundstück zum Zeitpunkt des Verkaufs nicht vom bisherigen Eigentümer, sondern von einem Landwirt als Pächter bewirtschaftet wird. Das Erfordernis der Selbstbewirtschaftung und des Wohnsitzes stehe dann einer Veräußerung an einen Erwerber entgegen, der den Betrieb zwar ebenfalls nicht selbst bewirtschaften und nicht auf dem Grundstück wohnen würde, sich aber gegebenenfalls dazu verpflichtet habe, die Bewirtschaftung des Grundstücks durch denselben Pächter beizubehalten. Damit würden die Erwerbs- und Bewirtschaftungsmöglichkeiten auf Landwirte beschränkt, die über hinreichende finanzielle Mittel für den Eigentumserwerb verfügen. Dies habe zur Folge, daß die Pachtmöglichkeiten für Landwirte, die nicht über solche Mittel verfügen, eingeschränkt würden. Darüber hinaus würde der Erwerb durch juristische Personen, einschließlich solcher, die Landwirtschaft betreiben wollen, ausgeschlossen. Das Selbstbewirtschaftungs- und Wohnsitzerfordernis stehe somit auch solchen Veräußerungen entgegen, die per se die landwirtschaftliche Nutzung und Bewirtschaftung der Grundstücke durch Landwirte und juristische Personen in keiner Weise in Frage stellten. Zudem könnten andere Maßnahmen, die den Kapitalverkehr in geringerem Maße beeinträchtigen, zum gleichen Ziel des Erhalts einer lebensfähigen landwirt358 EuGH, a. a.O., S. I-9803 Rn 41-45. Dahingegen hält GA Geelhoed (a. a. 0., S. I-9783 Rn 158 f.) das vorherige Genehmigungsverfahren des VGVG aufgrund des den Behörden eingeräumten Ermessensspielraums für unverhältnismäßig. Seiner Ansicht nach sei ein bloßes - für den Erwerb nicht konstitutives - Erklärungsverfahren ausreichend, um die mit dem VGVG angestrebte Bodennutzung zu gewährleisten.
VI. Immobilienerwerb innerhalb der Kapitalverkehrsfreiheit
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schaftlichen Bevölkerung beitragen. Die Veräußerung landwirtschaftlicher Grundstücke an eine juristische Person könnte z. B. an besondere Verpflichtungen, wie die langfristige Verpachtung des Grundstücks, geknüpft werden. Denkbar wären auch Vorkaufsmechanismen zugunsten der Pächter. Wenn diese nicht das Eigentum erwerben, bestünden Erwerbsmöglichkeiten (nur) für solche nicht selbst bewirtschaftenden Personen, die sich verpflichteten, die landwirtschaftliche Nutzung des Grundstücks beizubehalten. 359 Allerdings sehe § 5 Abs. I lit. a VGVG vor, daß der Erwerb auch genehmigt werden kann, soweit er der Erhaltung und Schaffung eines wirtschaftlich gesunden, mittleren und kleinen landwirtschaftlichen Grundbesitzes nicht widerspricht. Wenn diese Bestimmung von den nationalen Stellen dahingehend ausgelegt werden könnte, daß die Genehmigung auch anderen Personen als Landwirten, die auf dem betreffenden Grundstück wohnen, erteilt werden kann, wenn diese die erforderlichen Garantien hinsichtlich der Beibehaltung der landwirtschaftlichen Nutzung der Grundstücke abgeben, dann beschränke das VGVG den freien Kapitalverkehr nicht über das zur Erreichung seiner Ziele erforderliche Maß hinaus. 36o Zusammenfassend läßt sich also folgendes feststellen: Im Falle des Erwerbs landwirtschaftlicher Grundstücke kann ein vorheriges Genehmigungsverfahren, welches dem VGVG vergleichbare Ziele verfolgt und entsprechende Genehmigungsvoraussetzungen aufstellt, als grundsätzlich mit den Art. 56 ff. EGV vereinbar angesehen werden. Ein Verstoß gegen die Kapitalverkehrsfreiheit liegt aber dann vor, wenn die Genehmigungserteilung starr und unabhängig vom Einzelfall an ein bestimmtes Erfordernis, wie z. B. die Selbstbewirtschaftung bzw. den Wohnsitz im Betrieb, geknüpft wird. Entscheidend ist, ob die Genehmigungsvoraussetzungen stets für die Erreichung der gesetzlich in zulässiger Weise verfolgten Ziele erforderlich sind, oder ob dafür auch anderweitige, die Kapitalverkehrsfreiheit weniger beeinträchtigende Mittel zur Verfügung stehen. So mußten etwa im vorliegenden Fall alternative Möglichkeiten des Erwerbs für Nichtlandwirte und juristische Personen bestehen, wenn diese die Fortführung der land- und forstwirtschaftlichen Nutzung der Grundstücke auf andere Weise, etwa durch Eingehung besonderer Verpachtungspflichten, hinreichend gewährleisten können.
EuGH, a. a. 0., S. 1-9804 Rn 46-52. EuGH, a. a. 0., S. 1-9806 Rn 54. Bei der Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe wie "wirtschaftlich gesunder, mittlerer und kleiner Grundbesitz" bedürfte es aus Gründen der Rechtssicherheit einer näheren gesetzlichen Präzisierung, etwa bezüglich Größe und Wirtschaftskraft des landwirtschaftlichen Betriebes. Nur dann können die Erfordernisse an Bestimmtheit und Klarheit der Genehmigungsvoraussetzungen gewahrt und kann der Gefahr einer Diskriminierung bei der Genehmigungserteilung wirksam begegnet werden. V gl. zu diesen Anforderungen an die Bestimmtheit und Genauigkeit der Genehmigungsvoraussetzungen die Schlußanträge des GA Geelhoed (a. a. 0., S. 1-9782 Rn 154 ff.) sowie des GA Liger in der Rs. Salzmann (Slg. 2003, S. 1-4917 Rn 72 - 75) unter Verweis auf die Rs. C-205 / 99, Sig. 2001, S. 1-1271 Rn 38 (Analir). 359
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C. Immobilienerwerb innerhalb der Grundfreiheiten
4. Zusammenfassung
Die KVF gewährt ein prinzipiell umfassendes Immobilienerwerbsrecht. Dieses besteht unabhängig von der Staatsangehörigkeit und der Ansässigkeit innerhalb der Gemeinschaft. 361 Eine Unterscheidung nach Erst- und Zweitwohnsitzen findet nicht statt. Sie kann aber bei Beschränkungen der KVF insoweit eine Rolle spielen, als eine bestimmte Art und Weise der Grundstücksnutzung entweder aufgrund zwingender Erfordernisse des Allgemeininteresses oder innerhalb des Art. 58 EGV vorgeschrieben werden kann. Unter Einbeziehung der Rechtsprechung läßt sich für mögliche Beschränkungen des Immobilienerwerbs folgendes festhalten: Während nichtdiskriminierende Maßnahmen bereits auf (ungeschriebene) zwingende Eifordemisse des Allgemeinwohls, wie z. B. raumplanerische Zielsetzungen, Natur- und Umweltschutz etc., gestützt werden können, sind diskriminierende Beschränkungen ausschließlich aufgrund ausdrücklicher Ausnahmeregelungen (z. B. Art. 57, 58 EGV) möglich. 362 In bei den Fällen muß das Verhältnismäßigkeitsprinzip beachtet werden. Ihm kommt in derartigen Fällen eine herausgehobene Bedeutung zu. So lassen sich bestimmte Gemeinwohlziele oft schon dadurch erreichen, daß statt eines für den Erwerber aufwendigen Genehmigungsverfahrens lediglich auf ein Anmelde- bzw. Erklärungsveifahren zurückgegriffen wird. Während ein dem Erwerb vorgeschaltetes Genehmigungsverfahren die betreffende Kapitaltransaktion aussetzt und somit zu einer Behinderung des freien Kapitalverkehrs führt,363 ist dies bei einem bloßen Anmelde- und Erklärungsverfahren nicht der Fall. Obwohl bei letzterem die Kapitaltransaktion ungehindert vonstatten gehen kann, verbleiben den Mitgliedstaaten in aller Regel hinreichende Möglichkeiten, ihre raumplanerischen Zielsetzungen zu verwirklichen. Zur Sicherung wahrheitsgemäßer Angaben besteht dann die Möglichkeit, Falschangaben mit diversen Strafen und Sanktionen zu bewehren. 361 Bisher nicht definitiv geklärt ist, ob sich EU-Bürger auch bei rein innerstaatlichen Sachverhalten, d. h. bei Erwerbsgeschäften ohne grenzüberschreitenden Bezug, auf die KVF berufen können. Siehe dazu oben 2. a). 362 Auch die Berufung eines Mitgliedstaates auf Erfordernisse der Landesverteidigung - soweit es sich dabei nicht um einen Fall des Art. 297 EGV handelt - kann eine Diskriminierung von Angehörigen anderer Mitgliedstaaten beim Grunderwerb (etwa durch ausschließlich für Ausländer aufgestellte Genehmigungserfordernisse) prinzipiell nicht rechtfertigen. Etwas anderes gilt gemäß der Rechtsprechung nur dann, wenn für jedes Gebiet, welches einer diskriminierenden Beschränkung unterliegt, dargetan werden kann, daß eine nichtdiskriminierende Behandlung der Staatsangehörigen der anderen Mitgliedstaaten reale, konkrete und schwere Gefahren für die militärischen Interessen des betreffenden Mitgliedstaates mit sich brächte, denen nicht auf weniger einschneidende Weise begegnet werden kann. 363 Der EuGH hat klargestellt, daß sich an dem Charakter einer Genehmigungspflicht für eine bestimmte Kapitaltransaktion als Beschränkung des Kapitalverkehrs auch dadurch nichts ändert, daß die Genehmigung nach Ablauf einer bestimmten Zeitspanne nach Eingang des Genehmigungsantrages als erteilt gilt, falls die zuständige Stelle nicht innerhalb dieser Frist die Aussetzung der betreffenden Transaktion anordnet. Ebensowenig ist es ohne Belang, daß die Nichtbeachtung der Verpflichtung, eine vorherige Genehmigung einzuholen, nicht sanktioniert wird, vgl. Rs. C-54/99, Sig. 2000, S. 1-1361 Rn 15 (Eglise de Scientologie).
VII. Verhältnis der Immobilienerwerbsrechte zueinander
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Ein Genehmigungserfordernis ist auch unter dem Gesichtspunkt der Beweislast dafür, daß ein Grundstück künftig (nur) in einer bestimmten Art und Weise genutzt werden wird - z. B. nicht als Zweitwohnsitz -, für den Antragsteller mit höheren Anforderungen verbunden. Zudem kann den Behörden bei der Entscheidung über den Beweiswert der Angaben des AntragssteIlers ein nahezu freies Ermessen eingeräumt sein, womit dann zugleich die Gefahr einer Diskriminierung verbunden ist. Im Falle eines bloßen Anme1deverfahrens obliegt es hingegen der Behörde, dem potentiellen Erwerber die den Grunderwerb ausschließenden Tatsachen entgegenzuhalten. Anmelde- und Erklärungsverfahren sind also prinzipiell als milderes, die KVF weniger beeinträchtigendes Mittel einem Genehmigungsverfahren vorzuziehen. Allerdings hat der EuGH anerkannt, daß in manchen Fällen ein Anmeldeverfahren bzw. ein nachträgliches Kontrollverfahren zur Erreichung bestimmter (raumplanerischer) Zielsetzungen nicht ausreichend ist. So sind Grundstücksnutzungen denkbar, die in bestimmten Gebieten zu irreparablen Schäden führen bzw. raumplanerische Zielsetzungen, etwa im Bereich der Landwirtschaft oder des Naturschutzes, dauerhaft in Frage stellen können. In derartigen Fällen kann ein dem Erwerb vorgeschaltetes Genehmigungsverfahren zur Erreichung der mit ihm verfolgten Ziele ausnahmsweise erforderlich und damit zulässig sein. Neben der Einhaltung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes hat der EuGH speziell für die Zulässigkeit eines vorherigen Genehmigungsverfahrens die Voraussetzung aufgestellt, daß sich das Verfahren auf objektive, nichtdiskriminierende und im voraus bekannte Kriterien stützen muß. Diese müssen hinreichend genau bestimmt sein, um eine mißbräuchliche bzw. diskriminierende Ermessensausübung der nationalen Behörden zu verhindern. Nur wenn die Voraussetzungen, unter denen die Genehmigung erteilt bzw. versagt wird, für den einzelnen hinreichend genau erkennbar sind, läßt sich das Genehmigungsverfahren auch mit dem Grundsatz der Rechtssicherheit vereinbaren. Schließlich muß jedem Betroffenen be zügIich der Versagung der Genehmigung bzw. ihrer Erteilung unter Auflagen und Bedingungen der Rechtsweg offen stehen. VII. Verhältnis der Immobilienerwerbsrechte zueinander
Sämtliche Grundfreiheiten gewähren unter bestimmten Voraussetzungen ein Recht zum Immobilienerwerb innerhalb der Gemeinschaft. Da jeder mit einer Grenzüberschreitung verbundene Grunderwerb - für sich betrachtet - zumindest auch in den Anwendungsbereich der KVF fällt,364 könnte man daraus schließen, 364 Jedem Immobilienerwerb wohnt nämlich auch ein Element der Anlage und Investition inne, vgl. dazu die Schlußanträge des GA Geelhoed in der verb. Rs. C-515 / 99, C-519 / 99 bis C-524/99 und C-526/99 bis C-540/99, Sig. 2002, S. 1-2176 Rn 67, 70, 73 (Reisch u. a.). Diese Feststellung sagt allerdings noch nichts darüber aus, welcher Grundfreiheit der Erwerb im konkreten Einzelfall letztendlich zuzuordnen ist.
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C. Immobilienerwerb innerhalb der Grundfreiheiten
daß ihr die Funktion eines Auffangtatbestandes zukommt. 365 Das Beispiel der Direktinvestitionen macht allerdings deutlich, daß sich viele Tätigkeiten nicht ausschließlich unter eine Grundfreiheit zwängen lassen. So kann der Erwerb eines Betriebsgrundstücks sowohl der Ausübung der NF durch Errichtung einer Hauptoder Sekundärniederlassung als auch der Schaffung und Aufrechterhaltung dauerhafter und direkter Beziehungen zwischen Investor und Investitionsempfänger im Sinne einer kapitalverkehrsrelevanten Direktinvestition dienen. 366 Ähnlich verhält es sich etwa beim Erwerb einer ausländischen Immobilie durch eine Bank für ihren Kunden. Erhält die Bank dafür zumindest ihre "Verwaltungskosten" erstattet, liegt ein Gemenge von Dienstleistungs- und Kapitalverkehrselementen vor. Denn unabhängig davon, ob die Bank als selbständiger Käufer oder lediglich als Stellvertreter bzw. Strohmann handelt, liegt in dem Grundstückserwerb ein typisches Geschäft im Sinne des Art. 56 Abs. 1 EGV, während in der entgeltlichen Vermittlungs- bzw. Finanzierungstätigkeit der Bank für ihren Kunden eine Dienstleistung zu sehen ist. Anhand dieser Beispiele wird deutlich, daß in vielen Fällen durch den Kauf und Erwerb einer Immobilie mehrere Grundfreiheiten zumindest indirekt berührt werden können, wobei es sich dabei stets um eine Kombination der KVF mit einer anderen Grundfreiheit handeln wird. Fraglich ist nun, ob der Grunderwerb in einem konkreten Fall ausschließlich einer Grundfreiheit zuzuordnen ist (Exklusivität) oder zugleich in den Anwendungsbereich verschiedener Grundfreiheiten fallen kann (Parallelität bzw. Kumulation). Fiele der einem bestimmten Sachverhalt zugrunde liegende Immobilienerwerb nämlich unter mehrere Grundfreiheiten, könnte er folglich auch auf jedem dieser Gebiete durch nationale Maßnahmen beschränkt werden. Jede Einschränkung des Immobilienerwerbs bedeutete dabei zumindest auch eine Beschränkung der KFV, da diese grundsätzlich jedwede Form des grenzüberschreitenden Immobilienerwerbs tatbestandlich erlaßt. Weitere Folge wäre, daß innerstaatliche (kapitalmarktrechtliche) Maßnahmen nicht nur die KVF im Sinne des Art. 56 EGV, sondern zugleich auch andere Grundfreiheiten beschränken könnten (Janusköpfigkeit).367 Es richtete sich dann nach der Art der Beschränkung, weIche Grundfreiheit letztlich im Einzelfall betroffen wäre. Da sich Prüfungsmaßstäbe 365 In diesem Sinne Knapp, S. 412; a. A. GA Geelhoed, a. a. 0., S. 1-2170 Rn 43, der den Grundstückserwerb nur dann unter die KVF subsumieren will, wenn er - zumindest im Schwergewicht - zu Anlage- und Spekulationszwecken erfolgt. 366 Ohler, S. 1804. Dabei ist allerdings zu beachten, daß sich die NF und der Bereich der Direktinvestitionen hinsichtlich der zugrunde liegenden Sachverhalte oft unterscheiden. Während die NF stets mit einer dauerhaften Grenzüberschreitung des Niederlassungsberechtigten verbunden ist, muß bei Direktinvestitionen lediglich das Kapital, nicht aber der Investor die Grenze überschreiten. Der Grunderwerb dient bei der NF deren wirtschaftlicher Ausübung, im Rabmen der Direktinvestitionen ist er aber vornehmlich unter Anlage- und Gewinngesichtspunkten von Bedeutung. Auch wird der Niederlassungswillige das Grundstück regelmäßig selbst zur Ausübung seiner Tätigkeit nutzen, während bei Direktinvestitionen das investierte Kapital typischerweise einem Dritten zur Verfügung gestellt wird. 367 Vgl. zu dieser Problematik Weber, S. 564 f.
VII. Verhältnis der Immobilienerwerbsrechte zueinander
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und Schutzklauseln der einzelnen Grundfreiheiten unterscheiden und zudem die KVF auch das Verhältnis zu Drittstaaten umfaßt, ist es notwendig, Beschränkungen des Immobilienerwerbs einer oder mehreren Grundfreiheiten zuzuordnen. 368 Es stellt sich damit letztlich die Frage des Verhältnisses der grundfreiheitlichen Immobilienerwerbsrechte zueinander. Die Klärung dieses Verhältnisses wird allerdings nur relevant für die Frage, ob die jeweiligen Grundfreiheiten auf den gleichen Sachverhalt - den Erwerb eines Grundstücks in einem konkreten Fall - kumulativ oder exklusiv Anwendung finden. Davon zu unterscheiden ist die an anderer Stelle vorzunehmende Prüfung, ob eine mitgliedstaatliche oder gemeinschaftliche Rechtsvorschrift, die den Liegenschaftserwerb regelt, gleichzeitig in mehrere Grundfreiheiten eingreift, weil sie simultan verschiedene wirtschaftliche Sachverhalte betrifft. Solch eine Regelung ist dementsprechend anhand sämtlicher Freiheiten zu überprüfen, die auf die einzelnen Sachverhalte anwendbar sind. 369 Hinsichtlich der DF und der NF hat der EuGH allgemein entschieden, daß beide Freiheiten einander ausschließen. 37o Dies folgt bereits aus der unterschiedlichen Konzeption der jeweiligen Tatbestände, die entweder an eine vorübergehende (DF, vgl. Art. 50 Abs. 3 EGV) oder an eine dauerhafte (NF) wirtschaftliche Betätigung anknüpfen. Auch zwischen der FA einerseits und der DF und NF andererseits handelt es sich jeweils um ein Ausschließlichkeitsverhältnis, da die FA nur dauerhafte und unselbständige wirtschaftliche Tätigkeiten umfaßt. Somit bleibt lediglich das Verhältnis der KFV zu den anderen Grundfreiheiten zu erörtern. Prinzipiell denkbar ist sowohl ein Verhältnis der Parallelität als auch der Exklusivität.
Vgl. allgemein Weber, S. 564. Vgl. dazu allgemein Ohler, S. 1803. Speziell bezüglich des Immobilienerwerbs siehe die Schlußanträge des GA Geelhoed in der verb. Rs. C-5l5/99, C-5l9 /99 bis C-524/99 und C-526/99 bis C-540/99, Slg. 2002, S. 1-2170 Rn 43,62-74 (Reisch u. a.), der es im Hinblick auf Sinn und Zweck nationaler Grunderwerbsregelungen für entscheidend hält, auf welche tatsächliche Tatigkeit (Nutzung des Grundstücks in bestimmter Weise oder Kapitalanlage) diese sich beziehen. Hinsichtlich des heranzuziehenden Prüfungsmaßstabes sei entscheidend, ob ein unmittelbarer Eingriff in eine bestimmte Grundfreiheit gegeben sei. Dies richte sich nach Art und Inhalt der jeweiligen Regelung. Behindere diese unmittelbar den Kapitaltransfer, indem sie ihn unmöglich mache oder erschwere, z. B. durch Genehmigungserfordernisse oder währungsbezogene Beschränkungen, so falle sie unter Art. 56 EGY. Sei die Behinderung der Kapitalbewegungen lediglich indirekter Natur, und stelle die Maßnahme in erster Linie eine nicht währungsbezogene Beschränkung sonstiger Grundfreiheiten dar, so fänden allein letztere Anwendung. Der EuGH ist diesem Ansatz allerdings nicht gefolgt. Trotz entsprechender Kritik (vgl. die Schlußanträge, a. a. 0., S. 1-2177 Rn 74) prüft er nationale Immobilienerwerbsregelungen seit der Rs. C-302/97, Sig. 1999, S. 1-3099 ff. (Konle) nur noch am Maßstab der KVF. Siehe zur Rechtsprechung oben VI. 3. e) sowie die Schlußanträge des GA Geelhoed in der Rs. Reisch u. a., a. a. 0., S. 1-2173 Rn 59 ff. 370 EuGH, Rs. C-55 /94, Slg. 1995, S. 1-4193 Rn 20 (Gebhardt). Zur näheren Abgrenzung der DF von der NF bei der Errichtung und Vermietung von Ferienwohnsitzen siehe oben V. 2. b) (2) und (4). 368 369
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C. Immobi1ienerwerb innerhalb der Grundfreiheiten
1. Verhältnis der Kapitalverkehrsfreiheit zur Arbeitnehmerjreizügigkeit
Immobilienerwerbsrechte werden primärrechtlich sowohl durch die FA als "sonstige Arbeitsbedingung" (Art. 39 Abs. 2 EGV) als auch durch die KVF (Art. 56 Abs. I EGV) gewährt. SekundärrechtIiche Konkretisierungen finden sich in Art. 9 Abs. I der VO 1612/68/EWG für Arbeitnehmer sowie in Art. I i. V. m. der Nomenklatur des Anhangs I der Kapitalverkehrsrichtlinie 88/3611EWG für sämtliche Begünstige der KVF. Art. 9 Abs. 1 der VO 1612/68/EWG gewährt allerdings nur Arbeitnehmern mit der Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaates das Recht auf Gleichbehandlung hinsichtlich der Erlangung des Eigentums an einer benötigten Wohnung. 371 Dahingegen räumt die Kapitalverkehrsrichtlinie ein umfassendes Grunderwerbsrecht für prinzipiell jedennann - unabhängig von Staatsangehörigkeit, wirtschaftlicher Betätigung und Aufenthaltsort - ein, indem sie regelt, daß der Kauf von bebauten und unbebauten Grundstücken sowie der Bau von Gebäuden zu Erwerbszwecken oder persönlichen Zwecken durch Privatpersonen Bestandteil der (sekundärrechtIichen) KVF ist. Das durch die Kapitalverkehrsrichtlinie gewährte Grunderwerbsrecht umfaßt damit materiell auch die Gewährleistung des Art. 9 Abs. 1 der VO 1612/68/EWG für die abhängig Beschäftigten. Man könnte deshalb zu dem Schluß gelangen, daß letztere Vorschrift praktisch überflüssig ist. Dies wäre nur dann nicht der Fall, wenn die Regelungen über die FA als speziellere Vorschriften die kapitalverkehrsrechtlichen Nonnen verdrängten. Während die Kapitalverkehrsrichtlinie nur insoweit anwendbar ist, als sie mit den Art. 56 ff. EGV vereinbar ist,372 stellt auch Art. 9 der VO 1612/68/EWG lediglich eine Konkretisierung des primärrechtlich (Art. 39 Abs. 2 EGV) gewährleisteten Grunderwerbsrechts dar, welches bereits vom Schutzzweck des Vertrages mitumfaßt ist. 373 Eine Abgrenzung bei der Freiheiten hat daher auf primärrechtlicher Ebene zu erfolgen. Als maßgebliches materielles Kriterium der KVF wurde vor allem der Anlageund Investitionscharakter der betreffenden Kapitaltransaktion herausgestellt. Dieser steht jedoch beim Immobilienerwerb des Arbeitnehmers zum Zwecke eigenen Wohnens nicht im Vordergrund. Es überwiegt dort vielmehr die Gleichstellung des ausländischen Arbeitnehmers mit inländischen Arbeitnehmern hinsichtlich der konkreten Ausgestaltung des Lebensmittelpunktes am Ort des Arbeitsplatzes und 371 Der Begriff der Wohnung ist umfassend im Sinne von Grundeigentum zu verstehen, siehe dazu oben III. 2. b) (1). 372 Die RL besitzt nach Einführung des Art. 56 EGV nur noch Hinweischarakter für die Begriffsdefinition des Kapitalverkehrs, vgl. EuGH, Rs. C-222/97, Slg. 1999, S. 1-1678 Rn 21 (Trummer und Mayer). 373 Ohler, S. 1803; Erhard, in: Lenz, EGV (1994), Art. 48 EGV (a.F.) Rn 19. Der auf Inländergleichbehandlung abzielende Schutzzweck des Art. 39 EGV beinhaltet den typischerweise mit der Aufnahme einer abhängigen Beschäftigung verbundenen Grunderwerb, insbesondere zum Zwecke eigenen Wohnens; vgl. dazu auch Seidel, Freier Kapitalverkehr und Währungspolitik, in: Festschrift Kutscher, 1997, S. 397,403.
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damit der auf die wirtschaftliche Tätigkeit bezogenen materiellen Entfaltungsmöglichkeiten. In diesem Fall ist sozusagen der "Annexbereich" der Art. 39 ff. EGV berührt. Dies hat zur Folge, daß das im Rahmen der FA gewährte Immobilienerwerbsrecht dem kapitalverkehrsrechtlichen Grunderwerbsrecht als speziellere Bestimmung vorgeht. 374 Folglich sind auch Beschränkungen dieses Grunderwerbsrechts allein an Art. 39 Abs. 3 EGV und nicht an Art. 58 EGV zu messen?75 KVF und FA stehen somit in einem grundsätzlichen Exklusivitätsverhältnis zueinander. Stehen jedoch anderweitige Zwecke, vor allem Anlagegesichtspunkte, im Vordergrund, ist der Grunderwerb prinzipiell allein nach den Vorschriften über die Kapitalverkehrsfreiheit zu beurteilen. Ein Problem ergibt sich dabei auf den ersten Blick beim Erwerb eines Zweitwohnsitzes, da dieser zwar ebenfalls im Rahmen der FA gewährleistet wird, zugleich aber auch unter Anlage- und Investitionsgesichtspunkten von Bedeutung sein kann. 376 In der Praxis wird sich eine scharfe Abgrenzung mitunter schwer vornehmen lassen. 377 Man wird deshalb auf der Tatbestandsebene eine Parallelität der Grunderwerbsrechte und auf der Schrankenebene die Zu lässigkeit kapitalverkehrsrechtlicher Beschränkungen (Art. 58 EGV) bejahen können. 378 Praktisch kommt dieser Unterscheidung im Bereich der Zweitwohnsitze aber keine größere Bedeutung zu, zumal diskriminierende steuerrechtliche Beschränkungen gemäß Art. 58 Abs. 1 lit. a EGV, welche an einen unterschiedlichen Kapitalanlageort anknüpfen, schon deshalb ausscheiden, da es sich bei dem Arbeitnehmer stets um einen Steuerinländer handeln dürfte. Im Bereich der "zwingenden Erfordernisse des Allgemeininteresses" sowie der "Ordre-Public"Vorbehalte der Art. 39 Abs. 3 und 58 Abs. 1 lit. b EGV besteht zudem eine materielle Deckungsgleichheit der Rechtfertigungsgründe für mögliche Beschränkungen, da insbesondere Gründe der öffentlichen Gesundheit im Sinne des Art. 39 Abs. 3 EGV beim Grunderwerb kaum eine Rolle spielen dürften. 374 In diesem Sinne auch Freitag, S. 189; Ohler, S. 1803 f.; Bröhmer, in: CalliesslRuffert, Art. 56 EGV Rn 12. 375 Praktisch ist diese Unterscheidung allerdings ohne größere Bedeutung, da sowohl bezüglich der ungeschriebenen "zwingenden Erfordernisse" im Sinne der Cassis-Rechtsprechung als auch der "Ordre-Public"-Vorbehalte (Art. 39 Abs. 3, Art. 58 Abs. Ilit. b EGV) eine weitgehende Deckungsgleichheit der Beschränkungsmöglichkeiten besteht. Insbesondere scheiden auch diskriminierende steuerrechtliche Beschränkungen gemäß Art. 58 Abs. I lit. a EGV aus, da der Arbeitnehmer aufgrund seines Kapitalanlageortes im Inland stets als Steuerinländer zu behandeln ist. 376 Neben dem in der Immobilie verkörperten Sachwert ist etwa an die Fälle zu denken, in denen aus der zeitweisen Weitervermietung an Dritte Kapitaleinkünfte erzielt werden. 377 Wird ein Zweitwohnsitz allerdings erst begründet, nachdem der Arbeitnehmer bereits einen Hauptwohnsitz im sei ben Mitgliedstaat errichtet hat, kommt es in der Regel nicht mehr zu einem grenzüberschreitenden Kapitaltransfer. Der Anwendungsbereich der KVF ist dann von vornherein nicht mehr eröffnet. 378 Die Zulässigkeit kapitalverkehrsrechtlicher Beschränkungen ergibt sich aus der grundsätzlichen Parallelität von FA und NF. Für die NF existiert die Vorbehaltsklausel des Art. 43 Abs. 2 EGV, welche bezweckt, auch im Rahmen der NF aus der KVF herrührende Beschränkungen zuzulassen.
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2. Verhältnis der Kapitalverkehrsfreiheit zur Niederlassungsfreiheit Unter den Vertragsbestimmungen des Niederlassungsrechts befindet sich zunächst die Vorschrift des Art. 43 Abs. 2 EGV, derzufolge die NF "vorbehaltlich des Kapitels über den Kapitalverkehr" gewährleistet wird. Gestützt auf diesen Wortlaut wird mitunter vertreten, daß Art. 43 EGV nicht eingreife, soweit der Anwendungsbereich der KVF eröffnet sei. 379 In eine ähnliche Richtung geht die Ansicht, daß sämtliche zur Niederlassung erforderlichen Investitionen und Transfers nicht nach den Art. 43 ff. EGV, sondern nach den Vorschriften über den Kapitalverkehr zu behandeln seien. 38o Da der Anwendungsbereich der KVF für sich betrachtet bei prinzipiell jeder grenzüberschreitenden Immobilieninvestition eröffnet ist, wären die im Rahmen der NF gewährten Grunderwerbsrechte folglich überflüssig. Dieser Auffassung stehen jedoch Art. 44 Abs. 2 lit. e EGV, das einschlägige Sekundärrecht38 1 sowie die zur NF ergangene Rechtsprechung des EuGH 382 entgegen, welche durchweg von einer eigenständigen Bedeutung des Grunderwerbs im Rahmen der NF ausgehen und ausdrücklich Grunderwerbsrechte zum Zwecke der Ausübung der NF einräumen. Zudem ist bei genauerer Betrachtung der historischen Entwicklung der KVF auch eine andere Auslegung des Art. 43 Abs. 2 EGV denkbar. Wie die Fassung des alten Art. 67 EWGV demonstriert, standen die Mitgliedstaaten einem völlig liberalisierten Kapitalverkehr ursprünglich sehr skeptisch gegenüber und gewährleisteten ihn daher nur, "soweit es für das Funktionieren des Gemeinsamen Marktes notwendig" war. Bei Würdigung dieser Ausgangslage erscheint es durchaus nachvollziehbar, daß die Mitgliedstaaten Art. 43 Abs. 2 EGV (Art. 52 Abs. 2 EGV a. E) nur deshalb erließen, weil sie besorgt waren, daß es durch eine Subsumtion besonders kapitalverkehrsrelevanter Sachverhalte unter andere Grundfreiheiten zu einer Ausklammerung dieser Sachverhalte aus dem Anwendungsbereich der KVF und damit zu einer Umgehung ihrer Schranken kommen könnte. Weniger die rechtsdogmatische Abgrenzung der Grundfreiheiten voneinander als vielmehr die Verhinderung der Umgehung kapitalverkehrsrechtlicher Beschränkungen war daher wohl Beweggrund für den Erlaß der Regelung. 383 Art. 43 Abs. 2 EGV hat deshalb für die Abgrenzung der Grundfreiheiten In diese Richtung Ress/ Ukrow, in: Grabitz/ Hilf, Art. 73 d EGVa. F. Rn 16. So Tiedje/Troberg, in: von der Groeben/Schwarze, Art. 43 EG Rn 20, die Art. 43 Abs. 2 EGV ebenso wie die kapitalverkehrsrechtliche Vorbehaltsklausel des Art. 58 Abs. 2 EGV nicht als Einschränkung des Liberalisierungsgrades zugunsten der jeweiligen anderen Freiheit interpretieren, sondern darin nur einen Hinweis auf einen möglichen Wechsel der Rechtsgrundlage erblicken. 381 Vgl. Z. B. Abschnitt III A lit. d des Allgemeinen Programms zur Verwirklichung der Niederlassungsfreiheit vom 18. 12. 1961, ABI. 1962, S. 36 ff., welcher sich auf die normalerweise mit der Ausübung einer selbständigen Tatigkeit verbundenen Rechte bezieht, insbesondere auf die Befugnis ,,( ... ) unbewegliches Vermögen zu erwerben, zu nutzen oder darüber zu verfügen". 382 Siehe die Nachweise bei IV. 2. b) (1) und (2). 383 So auch Freitag, S. 190. 379 380
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auf Tatbestandsebene keine Bedeutung, sondern stellt als Gegenstück zur kapitalverkehrsrechtlichen Regelung des Art. 58 Abs. 2 EGV lediglich klar, daß zulässige Beschränkungen des Kapitalverkehrs (Art. 57, 58 EGV) auch bei der NF zu beachten sind. Zudem kann das Verhältnis des niederlassungsrechtlich gewährten Immobilienerwerbs zur KVF bereits aufgrund der Parallelität von NF und FA nicht prinzipiell unterschiedlich im Vergleich zu letzterer behandelt werden. Bei der NF stellt der Grunderwerb ebenfalls ein vom Schutzzweck des Vertrages umfaßtes Recht dar (v gl. Art. 44 Abs. 2 lit. e EGV), gleichgültig ob es sich dabei um Betriebs- oder Privatgrundstücke für Wohnzwecke handelt. Da in diesem Bereich der Grunderwerb ebenfalls weniger unter Anlage- und Investitionsgesichtspunkten erfolgt, sondern maßgeblich der Ausübung der wirtschaftlichen Betätigung des Selbständigen dient, tritt das kapitalverkehrsrechtliche Grunderwerbsrecht zuTÜck. 384 Im Bereich der Zweitwohnsitze wird auf die Ausführungen zur FA verwiesen. So kann in der Praxis die Abgrenzung reiner Erholungszwecke, welche der Wiederherstellung der Arbeitskraft und damit der wirtschaftlichen Betätigung selbst dienen, von Anlage- und Investitionsgesichtspunkten schwierig sein. 385 Es ist daher in diesem Bereich gleichfalls von einer Parallelität der Grundfreiheiten auf Tatbestandsebene auszugehen. 386 Aus den genannten Erwägungen wird auch in der Literatur im Bereich der Direktinvestitionen eine Abgrenzung der KVF von der NF vorgenommen: So seien Direktinvestitionen, die ausschließlich zum Zwecke der Ausübung einer selbständigen wirtschaftlichen Betätigung in einem anderen Mitgliedstaat getätigt werden, allein den Regelungen des Niederlassungsrechts zu unterstellen. Es gehe dann nämlich in erster Linie nicht um eine für die KVF charakteristische Anlage- oder Investitionsentscheidung. 387 Lasse sich beispielsweise ein Freiberufler oder Handwerker im Ausland nieder, stelle der mit der Niederlassung verbundene Kapitalverkehr lediglich einen Annex des Freizügigkeitsrechts dar. Gleiches gelte auch für den Immobilienerwerb zu Wohnzwecken. Je weniger aber umgekehrt ein Handeln unter Gesichtspunkten der Personenfreizügigkeit erfolge, desto mehr stünden in der Regel Anlage- und Investitionsaspekte im Vordergrund. Daraus folge, daß derartige Vorgänge parallel an der NF und an der KVF zu messen seien. 388 384 Vgl. Freitag, S. 191; Ohler; S. 1804; a. A. wohl TiedjelTroberg, in: von der Groebenl Schwarze, Art. 43 EG Rn 18 ff., die davon ausgehen, daß sich Niederlassung und Kapitalverkehr nicht ausschließen, sondern ergänzen. Dagegen spricht aber vor allem, daß die NF im Vergleich zur parallel gelagerten FA ohne ersichtlichen Grund anders behandelt würde. 385 Man denke nur daran, daß das Ferienhaus außerhalb der Urlaubssaison an Dritte weitervermietet wird. 386 Wechselseitige Beschränkungen beider Freiheiten durch Schutzziele sowohl aus dem Bereich der NF als auch der KVF können ohnehin aufgrund der Art. 43 Abs. 2 und 58 Abs. 2 EGVerfolgen. 387 Brähmer; Art. 56 EGV Rn 12; Ohler; S. 1803 ff.; Freitag, S. 190 ff.
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Diesen Erwägungen ist zuzustimmen. Denn sie tragen den unterschiedlichen grundfreiheitlichen Konstellationen in differenzierter Weise Rechnung und berücksichtigen angemessen das Schwergewicht der jeweiligen wirtschaftlichen Tätigkeit, zu deren Ausübung der Immobilienerwerb im Einzelfall dient. Dem Erwerb eines Betriebsgrundstücks liegen nämlich bei der Ausübung der NF zumeist andere Umstände zugrunde als im Bereich der KVF. Die Ausübung einer dauerhaften selbständigen Betätigung, wie sie durch die NF ermöglicht wird, ist stets mit der dauerhaften Grenzüberschreitung des Niederlassungsberechtigten selbst verbunden. Der Grunderwerb ist dabei in vielen Fällen eine nahezu unabdingbare Voraussetzung für die Verwirklichung der wirtschaftlichen Tätigkeit. Dies liegt bei Betriebsgrundstücken auf der Hand, gilt aber, wie bereits dargelegt, auch für den Grunderwerb zu Wohnzwecken. Dahingegen stehen bei reinen Kapitalinvestitionen Anlage- und Gewinngesichtspunkte im Vordergrund des Erwerbs. In diesen Fällen muß lediglich das Kapital, nicht aber der Investor die Grenze überschreiten. Dem Immobilienerwerb kommt in beiden Konstellationen eine unterschiedliche Bedeutung zu, welche bei wertender Betrachtung seine differenzierte Zuordnung zur NF oder zur KVF im Sinne eines grundsätzlichen Exklusivitätsverhältnisses rechtfertigt. 389 3. Verhältnis der Kapitalverkehrsfreiheit zur Dienstleistungsfreiheit
Für die Einordnung und Abgrenzung der sowohl durch die DF als auch durch die KVF gewährten Grunderwerbsrechte muß es nach den oben entwickelten Kriterien entscheidend darauf ankommen, zu welchem Zweck und mit welchem Inhalt eine wirtschaftliche Betätigung grenzüberschreitend vorgenommen wird und welche Funktion dem Immobilienerwerb dabei zukommt. Handelt es sich überwiegend um Anlage- und Investitionszwecke, ist die KFV einschlägig. Ist die Immobilie hingegen maßgeblich geeignet oder gar erforderlich, die Verwirklichung der vom Erwerber künftig zu erbringenden Dienstleistungen zu ermöglichen, fällt 388 Praktikabel erscheint auch eine Abgrenzung zwischen NF und kapitalverkehrsrechtlicher Direktinvestition danach, ob der Anleger ein rein passiver Geldgeber ohne unternehmerischen Einfluß bleibt (dann nur Direktinvestition i. S. einer "Portfolio-Investition"), eine unternehmerische Funktion durch rechtliche oder faktische Kontrolle über ein Unternehmen erwirbt (dann sowohl Niederlassung als auch Direktinvestition) oder freiberuflich tätig wird, ohne daß eine gesetzliche Kapitalanforderung besteht und eine Fremdfinanzierung aus dem Herkunftsland erforderlich ist (dann nur Niederlassung). Vgl. dazu Freitag, S. 190 f.; Ohler; S. 1804; Bröhmer; in: CalliesslRuffert, Art. 56 EGV Rn 12. 389 Nach Ansicht von TiedjelTroberg, in: von der GroebenlSchwarze, Art. 43 EG Rn 26 sind bei Investitionen im Zusammenhang mit der Niederlassung im Ausland sowohl Art. 43 EGVals auch das Kapitalverkehrsrecht anwendbar. Es wird also von einer generellen Parallelität beider Freiheiten ausgegangen. Diese Auffassung wird jedoch den unterschiedlichen wirtschaftlichen Sachverhalten und der damit einhergehenden unterschiedlichen Relevanz des Immobilienerwerbs bei einer echten Niederlassung einerseits und einer reinen Kapitalinvestition andererseits nicht gerecht.
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auch der Grunderwerb in den Anwendungsbereich der DF. 39o Diese Einordnung des Grunderwerbs gilt stets für Zwei-Personen-Verhältnisse. Handelt es sich hingegen um ein Drei-Personen-Verhältnis, z. B. eine Bank erwirbt für einen Kunden ein Grundstück in einem anderen Mitgliedstaat und finanziert den Kaufpreis mittels eines Darlehens, kann der Erwerb im Verhältnis zwischen Bank und Grundstücksveräußerer in den Anwendungsbereich der KVF fallen, während er im Verhältnis zum Kunden möglicherweise als Dienstleistung im Sinne der Art. 49 ff. EGV zu werten ist. 391 Dies ist zumindest dann der Fall, wenn die Bank das Grundeigentum zunächst im eigenen Namen erwirbt, um es - im Sinne eines Kommissionsgeschäftes - erst danach auf den Kunden zu übertragen?92 Während der Erwerb durch die Bank eine reine Kapitalinvestition darstellt, liegt in der Beschaffung und Weiterveräußerung an den Kunden eine Dienstleistung, soweit die Bank dem Kunden für das Erwerbsgeschäft eine Vermittlungsprovision in Rechnung stellt. 393 Handelt die Bank hingegen als direkter Stellvertreter des Kunden, hat dies zur Folge, daß jener unmittelbar, d. h. ohne vorherigen Zwischenerwerb der Bank, Eigentümer des Grundstücks wird. Im Hinblick auf den eigentlichen Erwerbsakt handelt es sich dann genau genommen wieder um ein Zwei-Personen-Verhältnis, bei dem die Bank lediglich als Stellvertreter zwischengeschaltet ist. Der Erwerber kann sich dann je nach Zweck des Grundstückserwerbs auf die FA, NF oder DF berufen, soweit das Grundstück der Ausübung einer entsprechenden grenzüberschreitenden Tätigkeit dient. Ansonsten wird es sich entweder um einen Zweitwohnsitz, eine reine Wertanlage oder eine Direktinvestition handeln, welche generell in den Anwendungsbereich der KVF fallen. Stellt man also auf den wirtschaftlichen Zweck des Immobilienerwerbs ab, lassen sich mit Hilfe des Kriteriums des Anlagecharakters sowohl im Zwei- als auch im Drei-Personen-Verhältnis die jeweiligen Vorgänge in der Regel eindeutig einer bestimmten Grundfreiheit zuordnen. Sollten dennoch diesbezügliche Zweifel aufkommen, kann gegebenenfalls von einer Parallelität beider Grundfreiheiten ausgegangen werden. So ergibt sich auch aus der Rechtsprechung, daß die Regelungen 390 Siehe zu dieser Abgrenzung nach dem Schwergewicht der Grundstücksnutzung auch die Schlußanträge des GA Geelhoed in der verb. Rs. C-515 / 99, C-519 / 99 bis C-524 / 99 und C-526/99 bis C-540/99, Sig. 2002, S. 1-2177 Rn 73 (Reisch u. a.). 391 Freitag, S. 192 (am Beispiel des Aktienkaufs); Bröhmer, in: Calliess / Ruffert, Art. 56 EGV Rn 13. 392 Voraussetzung ist hierbei jedoch, daß sich das von der Bank zu erwerbende Grundstück in einem anderen Mitgliedstaat befindet, da die KVF stets einen grenzüberschreitenden Vorgang erfordert. 393 Auch die Darlehensgewährung stellt grundsätzlich eine (Finanz-)Dienstleistung dar. Überweist die Bank die Darlehensvaluta dem Darlehensnehmer jedoch in einen anderen Mitgliedstaat, kann nach Ansicht von Ohler, S. 1805, darin auch ein der KVF unterfallender Vorgang liegen, da es sich au grund der regelmäßig mit der Darlehensvergabe zu erwirtschaftenden Zinsgewinne um ein Austauschgeschäft mit Anlagecharakter handelt. Eine genauere Abgrenzung ist für die vorliegende Untersuchung jedoch nicht weiter von Relevanz, da der Grunderwerb davon isoliert zu betrachten ist.
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über die DF und die KVF durchaus nebeneinander Anwendung finden können. 394 Aus der Regelung des Art. 50 Abs. 1 EGV, demzufolge die DF Anwendung findet, soweit es sich nicht um Leistungen handelt, die den Vorschriften über den freien Waren- und Kapitalverkehr sowie über die Freizügigkeit der Personen unterfallen, läßt sich lediglich ableiten, daß die DF als Auffangkategorie konzipiert ist. Eine Hierarchie der Grundfreiheiten in dem Sinne, daß die DF gegenüber den anderen Grundfreiheiten subsidiär wäre, folgt hingegen aus der Regelung nicht (mehr).395 Schließlich hat der EuGH das Verhältnis von KVF und DF noch insofern konkretisiert, als er aus Art. 50 Abs. 1 EGV folgert, daß die DF zulässigen Beschränkungen des Kapitalverkehrs nicht entgegengehalten werden könne. Daraus folgt seiner Ansicht nach, daß die "Vertragsvorschriften zur DF nicht zur Anwendung kommen können, wenn es um eine mit dem Gemeinschaftsrecht in Einklang stehende Beschränkung des freien Kapitalverkehrs geht. ,,396 Dies setzt jedoch voraus, daß es sich bei dem Immobilienerwerb im konkreten Fall überhaupt um eine überwiegend kapitalverkehrsrelevante Transaktion handelt. Stehen beim Grunderwerb nämlich keine Anlagezwecke im Vordergrund, sondern dient dieser vorrangig der Ausübung der DF des Erwerbers, greifen - parallel zu den Abgrenzungskriterien in den Fällen der FA und der NF - die Kapitalverkehrsfreiheit und die aus ihr resultierenden Beschränkungsmöglichkeiten erst gar nicht ein. 397 Selbst wenn man aber die Regelung des Art. 50 Abs. 1 EGV nicht nur als Ausdruck der Auffangfunktion der DF, sondern darüber hinausgehend als Subsidiaritätsklausel interpretieren will, liegt in der ausschließlichen Zuordnung des Immobilienerwerbs zur DF kein Widerspruch: Denn es geht insoweit nicht um den Grunderwerb als Dienstleistung, sondern zum Zwecke der Verwirklichung zukünftiger und weitergehender Dienstleistungen des Erwerbers. 398
394 So z. B. in EuGH. Rs. C-484/93, Sig. 1995, S. 1-3955 (Svensson und Gustavson). Weitere Nachweise finden sich in den Schlußanträgen des GA Geelhoed in der verb. Rs. C-515/ 99, C-519/99 bis C-524/99 und C-526/99 bis C-540/99, Sig. 2002, S. 1-2173 Rn 59ff. (Reisch u. a.). 395 Vgl. die Schlußanträge des GA Geelhoed in der Rs. Reisch u. a., a. a. 0., S. 1-2175 Rn 66 mit Hinweis auf die Rspr. des EuGH sowie auf die im Laufe der Zeit stetig zunehmende Bedeutung der DF für die europäische Integration. 396 EuGH. Rs. C-222/95, Sig. 1997, S. 1-3919 Rn 9, IO (Parodi). Siehe dazu auch Bröhmer, in: CalliesslRuffert. Art. 56 EGV Rn 13, 14. 397 Auch insoweit dürfte ein Exklusivitätsverhältnis bestehen. 398 Diesen Aspekt berücksichtigt Freitag. S. 192. nicht, wenn er meint, der Erwerb von Grundstücken im Ausland habe aufgrund des Investitionscharakters der Transaktionen mit einer Dienstleistung im Sinne des Vertrages nichts zu tun. Denn es geht insoweit nicht um die Frage, ob der Grunderwerb per se eine Dienstleistung im Sinne des Art. 50 EGV darstellt, sondern ob er der Verwirklichung anderweitiger Dienstleistungen des Erwerbers dient.
D. Immobilienerwerb und Gemeinschaftsgrundrechte Grundrechte, welche vornehmlich die Freiheitssphäre des einzelnen vor Eingriffen hoheitlicher Gewalt schützen sollen, bestehen nicht nur innerhalb der Verfassungen der Mitgliedstaaten, sondern auch auf der Ebene des Unions- und Gemeinschaftsrechts. Die bisher lediglich auf Richterrecht basierenden I Gemeinschaftsgrundrechte sollen den einzelnen in erster Linie vor Eingriffen der Gemeinschaftsorgane schützen. Nur unter bestimmten Voraussetzungen kommt ihnen auch eine Schutz- und Abwehrfunktion gegenüber der Hoheitsgewalt der Mitgliedstaaten zu. Darin liegt ein grundlegender Unterschied zu den Grundfreiheiten, welche sich hauptsächlich an die Mitgliedstaaten richten. Andererseits verpflichten die Grundfreiheiten aufgrund ihrer Anknüpfung an grenzüberschreitende Sachverhalte die Mitgliedstaaten prinzipiell nur dazu, Einschränkungen der wirtschaftlichen Betätigung anderer Mitgliedstaatsangehöriger zu unterlassen, während diese Unterscheidung zwischen Inländern und (EU-)Ausländern für die Anwendbarkeit der Gemeinschaftsgrundrechte im allgemeinen ohne Bedeutung ist?
Im Zusammenhang mit Fragen des Immobilienerwerbs sind insbesondere die grundrechtliche Eigentumsfreiheit sowie die Berufsfreiheit von Interesse. Nach einer kurzen Darstellung der allgemeinen Grundrechtsdogmatik sollen Gewährleistungsinhalt und Bedeutung dieser Gemeinschaftsgrundrechte für den Liegenschaftserwerb untersucht werden. I Zwar existiert im Gemeinschaftsrecht mittlerweile auch eine geschriebene Grundrechtscharta, welche im Auftrag des Europäischen Rates von Köln von einem Gremium unter dem Vorsitz von ROl1U1n Herzog erarbeitet und im Dezember 2000 auf der Regierungskonferenz von Nizza feierlich proklamiert worden ist. Vorerst wird die Erklärung aber noch rechtlich unverbindlich bleiben, bis die nationalen Parlamente eine förmliche Zustimmung für ihre Ratifizierung abgeben. Allerdings ist davon auszugehen, daß die Gemeinschaftsorgane die Charta bereits im Vorfeld beachten werden, zumal sich die konkreten Ausprägungen der einzelnen Grundrechte sehr stark an der dazu gegebenenfalls ergangenen Rechtsprechung des EuGH bzw. an der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) orientieren. Dementsprechend wird wohl auch der EuGH bei der ihm gemäß Art. 6 Abs. 2 EUVaufgetragenen Ermittlung der gemeinsamen Verfassungstraditionen der Mitgliedstaaten auf die Charta zurückgreifen, wobei er jedoch auch über das durch die Charta gewährleistete Schutzniveau hinausgehen kann, wenn sich weitergehende Verfassungstraditionen finden lassen. Der Grundrechtsschutz wird durch die Charta also in keiner Weise verkürzt. In nunmehriger Anlehnung an die Charta wird die Verbürgung der klassischen Grundrechte aber auch weiterhin im wesentlichen auf Richterrecht beruhen, welches der EuGH, dem gemäß Art. 220 EGV die Wahrung des Rechts zukommt, in ständiger Rechtsprechung fortentwickeln wird. Siehe dazu näher Hilf, Die Charta der Grundrechte der Europäischen Union, Sonderbeilage zu NJW u. a., S. 5 ff. 2 Zum Verhältnis der Grundfreiheiten zu den Gemeinschaftsgrundrechten siehe bereits oben C. I.
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D. Immobilienerwerb und Gemeinschaftsgrundrechte
I. Allgemeiner Grundrechtsschutz im Gemeinschaftsrecht
Kennzeichnend für den supranationalen Charakter der EU ist die Übertragung originär bei den Mitgliedstaaten liegender Hoheitsrechte auf die Gemeinschaft. Durch die Übertragung von Rechtsetzungs-, Verwaltungs- und Rechtsprechungsgewalt auf die Gemeinschaft ist gleichsam "der Mantel der Staaten" im Sinne einer uneingeschränkten Herrschaftsmacht aufgebrochen worden, und ein Teil ihrer Hoheitsgewalt wird nunmehr gemeinsam von den Organen der Gemeinschaft nicht nur für sie, sondern in ihrem eigenen Zuständigkeitsbereich wahrgenommen. 3 Einzelne Rechtsgebiete, wie z. B. das Wirtschaftsverwaltungsrecht, werden mittlerweile sogar überwiegend durch die gemeinschaftliche Gesetzgebung anstatt durch die nationalen Parlamente geregelt. 4 Dadurch ergeben sich zunehmend mehr "Berührungsflächen der Gemeinschaftsgewalt mit elementaren Individualrechtspositionen".5 Es drängt sich daher die Frage nach dem Schutz des einzelnen vor der Gemeinschaftsgewalt durch grundrechtliche Gewährleistungen auf. 1. Dogmatischer Rahmen Das Erfordernis der Entwicklung eines spezifisch gemeinschaftsrechtlichen Grundrechtsschutzes resultiert aus den vom EuGH aufgestellten dogmatischen Rahmenbedingungen der unmittelbaren Geltung und des Vorranges des Gemeinschaftsrechts vor nationalem Recht. Unmittelbare Geltung meint das Hineinwirken des Gemeinschaftsrechts in die nationale Rechtssphäre derart, daß es, ohne daß es eines weiteren Vollzugsaktes durch die Mitgliedstaaten bedürfte, unmittelbare Rechte und Pflichten für die einzelnen Bürger begründet. 6 Nach dem Grundsatz 3 Frowein, Legitimation und Wirkung der Europäischen Union/Gemeinschaft, in: MüllerGraf! (Hg.), Perspektiven des Rechts in der Europäischen Union, 1998, S. 105, 119 unter Bezug auf Hallstein, Der unvollendete Bundesstaat, 1969, S. 33; derselbe, Die Verfassung der Europäischen Union aus der Sicht der Mitgliedstaaten, in: EuR 1995, S. 315, 317. 4 Kingreen, Die Gemeinschaftsgrundrechte, JuS 2000, S. 857 unter Bezugnahme auf die von Jacques Delors bereits 1988 vor dem EP gehaltenen Rede (Bulletin EG 1988, Nr. 7/8, S. 124), in welcher jener davon ausging, daß beinahe 80% des Wirtschafts- und Wirtschaftsverwaltungsrechts gemeinschaftsrechtlich determiniert seien. 5 Dauses, JöR n.F. 1982, 1,3. 6 Ruf!ert, in: Calliess / Ruf!ert, Art. 249 Rn. 73 ff. In der Rechtssache van Gend & Loos (Rs. 26/52, Sig. 1963, S. 1,25) hat der EuGH den Schritt von der traditionellen Völkerrechtsordnung zur supranationalen Funktionsordnung vollzogen und festgestellt, daß nicht nur die Mitgliedstaaten, sondern auch der einzelne Rechtssubjekt des Gemeinschaftsrechts ist: "Das von der Gesetzgebung der Mitgliedstaaten unabhängige Gemeinschaftsrecht soll daher den einzelnen, ebenso wie es ihnen Pflichten auferlegt, auch Rechte verleihen." Siehe dazu auch Frowein, Die Verfassung der Europäischen Union aus der Sicht der Mitgliedstaaten, a. a. 0., S. 317 f., der betont, daß ohne die vom EuGH abgeleitete unmittelbare Wirkung des Gemeinschaftsrechts ein bloßer Staatenverbund existiert hätte, bei dem die Durchsetzung von Gemeinschaftsrecht in jedem Einzelfall in das Belieben der politischen Organe der Mitgliedstaaten gestellt worden wäre.
1. Allgemeiner Grundrechtsschutz im Gemeinschaftsrecht
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des Vorranges des Gemeinschaftsrechts vor den nationalen Rechtsordnungen wird eine Prüfung gemeinschaftlichen Handeins am Maßstab nationalen Rechts, insbesondere auch am Maßstab nationaler Grundrechte, ausgeschlossen. Begründet wird dies vor allem mit dem Erfordernis der einheitlichen Geltung des Gemeinschaftsrechts. 7 Diese für die einheitliche Anwendung 8 in den Mitgliedstaaten erforderlichen, vom EuGH postulierten Eigenschaften des Gemeinschaftsrechts sind im Grundsatz allgemein anerkannt. 9 2. Herleitung und Geltungsgrund des gemeinschaftlichen Grundrechtsschutzes Bei der Entwicklung, Konkretisierung und Präzisierung der Grundrechte ist zwischen Rechtsquellen und Rechtserkenntnisquellen zu unterscheiden: a) Rechtsquellen Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH gehören die Grundrechte zu den allgemeinen Rechtsgrundsätzen des Gemeinschaftsrechts, deren Einhaltung er zu gewährleisten habe. 1O Eine normative Begründung erfolgte zunächst nicht. Im Schrifttum wurden bislang recht unterschiedliche Begründungsansätze für die Berechtigung des EuGH zur Ermittlung der Grundrechte als allgemeine Rechtsgrundsätze vertreten. 11 7 In EuGH, Rs. 11 /70, Sig. 1970, S. 1135 Rn 3 (Internationale Handelsgesellschaft) heißt es dazu: "Die einheitliche Geltung des Gemeinschaftsrechts würde beeinträchtigt, wenn bei der Entscheidung über die Gültigkeit von Handlungen der Gemeinschaftsorgane Normen oder Grundsätze des nationalen Rechts herangezogen würden. Die Gültigkeit solcher Handlungen kann nur nach dem Gemeinschaftsrecht beurteilt werden, denn dem vom Vertrag geschaffenen, somit aus einer autonomen Rechtsquelle fließenden Recht können wegen seiner Eigenständigkeit keine wie immer gearteten innerstaatlichen Rechtsvorschriften vorgehen, wenn ihm nicht sein Charakter als Gemeinschaftsrecht aberkannt oder wenn nicht die Rechtsgrundlage der Gemeinschaft selbst in Frage gestellt werden soll." 8 Explizit hervorgehoben in EuGH, Rs. 44179, Slg. 1979, S. 3744 Rn 14 (Hauer). 9 Dies hat auch das BVerfG in seiner sog. Solange-II-Entscheidung (BVerfGE 73, 339, 387) festgestellt. Daran hat sich nach überwiegender Auffassung auch nichts durch das im Maastricht-Urteil (BVerfGE 89, 155, 175) konstruierte "Kooperationsverhältnis" zwischen BVerfG und EuGH geändert. Das BVerfG verortet den Grundsatz des Vorranges des Gemeinschaftsrechts allerdings nicht, wie der EuGH, in einer autonomen Gemeinschaftsrechtsordnung, sondern führt als Geltungsgrund Art. 23 I GG (bzw. Art. 24 I GG a. F.) i. V. m. dem entsprechenden Zustimmungsgesetz an (BVerfGE 73, 339, 375). Bedingung für den Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechts sei daher ein "im wesentlichen" vergleichbarer Grundrechtsschutz auf Gemeinschaftsebene, vgl. dazu Kingreen, S. 858. 10 EuGH, Rs. 29/69, Sig. 1969, S. 425 Rn 7 (Stauder); Rs. 11 170, Sig. 1970, S. 1135 Rn 4 (Internationale Handelsgesellschaft); Rs. 4173, Slg. 1974, S. 507 Rn 13 (Nold).
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D. Immobilienerwerb und Gemeinschaftsgrundrechte
Nunmehr ist in Art. 6 Abs. 2 EUV die Grundrechtsbindung der Gemeinschaft ausdrücklich primärrechtlich kodifiziert, so daß sich ein Rückgriff auf Art. 220 EGV oder andere Vorschriften grundsätzlich erübrigt. Gemäß Art. 6 Abs. 2 EUV hat die Union die Grundrechte zu achten, wie sie in der EMRK gewährleistet sind und wie sie sich aus den gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten als allgemeine Grundsätze des Gemeinschaftsrechts ergeben. Gemäß Art. 46 Iit. d EUV erstreckt sich die Zuständigkeit des EuGH - im Gegensatz zu Art. L EUVa. F. - jetzt auch auf Art. 6 Abs. 2 EUV, so daß diese Vorschrift - wenn nicht gar als alleinige l2 - so doch als wesentliche Rechtsquelle für die Gemeinschaftsgrundrechte angesehen werden kann. b) Rechtserkenntnisquellen Von der die Gemeinschaft unmittelbar bindenden Rechtsquelle des Art. 6 Abs. 2 EUV ist der Begriff der Rechtserkenntnis- oder auch Inspirationsquelle 13 zu unterscheiden. Darunter sind die für die Auslegung und Konkretisierung der Grundrechtsgehalte maßgeblichen normativen Leitbilder zu verstehen: Die Europäische Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) sowie die gemeinsamen Veifassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten. Art. 6 Abs. 2 EUV, welcher auf diese Rechtserkenntnisquellen verweist, kodifiziert insoweit die schon vor Schaffung des EUV im Jahre 1992 ergangene Rechtsprechung des EuGH, welcher in der Entscheidung Internationale Handelsgesellschaft auf die gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten verweist l4 und sich in der Rechtssache Nold zusätzlich auf die von den Mitgliedstaaten abgeschlossenen internationalen Verträge über den Schutz der Menschenrechte stützt. IS Durch die Regelung wird diese Rechtsprechung nunmehr auch förmlich im Rahmen der Unionsverfassung anerkannt. 16 Der Gerichtshof bedient sich bei der Findung allgemeiner Rechtsgrundsätze einer Methode wertender Rechtsvergleichung. 17 Dabei erlangt die von allen Mit11 Einen Überblick geben Wetter, Grundrechtscharta, S. 75 ff. und Cirkel, Die Bindungen der Mitgliedstaaten an die Gemeinschaftsgrundrechte, S. 24 ff. 12 Kingreen, S. 859. 13 Oppermann, § 6 Rn 491; Schilling, Bestand und allgemeine Lehren der bürgerschützenden allgemeinen Rechtsgrundsätze des Gemeinschaftsrechts, in: EuGRZ 2000, S. 11. 14 EuCH, Rs. 11 /70, Slg. 1970, S. 1135 Rn 4 (Internationale Handelsgesellschaft). 15 EuCH, Rs. 4173, Slg. 1974, S. 507 Rn 13 (Nold). Auch wenn Art. 6 Abs. 2 EUV sich ausschließlich auf die EMRK bezieht, bleibt es den Gemeinschaftsgerichten unbenommen, Hinweise auf allgemeine Rechtsgrundsätze des Gemeinschaftsrechts auch aus anderen Texten zu entwickeln, etwa aus der Europäischen Sozialcharta oder den internationalen Menschenrechtspakten, vgl. HiljlSchorkopf, in: CrabitzlHilf, Art. 6 EUV Rn 54. 16 Frowein, Legitimation und Wirkung des Rechts der Europäischen Union/Gemeinschaft, S. 105, 116; derselbe, Die Verfassung der Europäischen Union aus der Sicht der Mitgliedstaaten, S. 315, 327.
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gliedstaaten der Union ratifizierte EMRK einen besonderen Stellenwert, wie dies gerade auch in Art. 6 Abs. 2 EUV zum Ausdruck kommt. Die grundlegende Bedeutung dieser Regelung wird in der betonten Hinwendung zur EMRK als Kern der gesamteuropäischen Verfassungsordnung gesehen. 18 Der EuGH stellt diesbezüglich fest, daß "die leitenden Grundsätze dieser Konvention im Rahmen des Gemeinschaftsrechts zu berücksichtigen,,19 sind und "in der Gemeinschaft keine Maßnahmen als Rechtens anerkannt werden können, die mit der Bedeutung der so anerkannten und gewährleisteten Menschenrechte unvereinbar sind"?O Zudem verweist der EuGH bei seiner Entscheidungsfindung gelegentlich auch auf Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR)?1 Bisher ist allerdings noch nicht eindeutig geklärt, auf welche Weise die EU / EG an die EMRK gebunden ist. Der Wortlaut des Art. 6 Abs. 2 EUV läßt grundsätzlich zwei Deutungen zu: Entweder wird die Union im Sinne einer uneingeschränkten materiellen22 Achtung sämtlicher Rechte der EMRK als allgemeine Grundsätze des Gemeinschaftsrechts gebunden, oder es besteht eine Bindung nur insoweit, als die Rechte der EMRK als allgemeine Grundsätze des Gemeinschaftsrechts angesehen werden können. 23 Für eine nur eingeschränkte bzw. unter Vorbehalt stehende Bindung an die Konventionsrechte läßt sich die Annahme ins Feld führen, daß die Mitgliedstaaten mit Art. 6 Abs. 2 EUV eigentlich nur den bisher erreichten Stand der Rechtsprechung des EuGH festschreiben wollten. Diese ist dem Bekenntnis zu einer eindeutig materiellen Bindung der EU lEG an 17 Zweigert, in: RabelsZ 28 (1964), S. 601, 611; Pemicel Mayer in: Grabitzl Hilf, Art. 220 EGV Rn 47. Der EuGH legt dabei seinen Entscheidungen im Verhältnis zu den nationalen Rechtsordnungen weder einen minimalen noch einen maximalen Grundrechtsstandard zugrunde. Allgemeiner Rechtsgrundsatz ist vielmehr, was sich nach einer kritischen rechtsvergleichenden Umschau als die "beste" Lösung darstellt. Maßgeblich ist die Eigenschaft des zu findenden Grundrechts, sich in Struktur und Ziele der Gemeinschaft einfügen und zu einer sachgerechten Ausbalancierung der Gemeinschafts- und Individualinteressen führen zu können (vgl. Oppermann, § 6 Rn 491; Wetter, S. 48). Die gefundene Lösung kann zwar mit einer nationalen Regelung übereinstimmen, sie kann aber auch auf nationaler Ebene unbekannt, bzw. sogar mit ihr unvereinbar sein. Dann kommt - selbst auf verfassungsrechtlicher Ebene der Grundsatz des Anwendungsvorranges des Gemeinschaftsrechts zum Tragen. Die dieser Methode innewohnende "Elastizität" wird mitunter als fehlende Methodentransparenz kritisiert, da es bei der gegebenen erheblichen richterlichen Gestaltungsfreiheit auf der Suche nach der "besten" Lösung keine festen Maßstäbe gebe, vgl. Streinz, Bundesverfassungsgerichtlicher Grundrechtsschutz und Europäisches Gemeinschaftsrecht, 1989, S. 384 ff.; Pernice I Mayer, in: Grabitzl Hilf, nach Art. 6 EUV Rn 14. 18 Frowein, Verfassungsperspektiven der Europäischen Gemeinschaft, EuR Beiheft 11 1992, S. 75 (noch zu Art. F Abs. 2 EUVa. F.). 19 EuGH, Rs. 222/84, Slg. 1986, S. 1682 Rn 18 (Johnston). 20 EuGH, Rs. 5/88, Slg. 1989, S. 2639 Rn 17 (Wachauf). 21 EuGH, Rs. C-368 195, Slg. 1997, S. 3717 Rn 26 (Familiapress). 22 Eine formelle Bindung scheidet mangels Vertrags stellung in der EMRK aus. Vgl. dazu auch das Gutachten des EuGH 2/94 nach Art. 228 EGV, Slg. 1996, S. 1-1789. 23 Vgl. HiljlSchorkopf, in: GrabitzlHilf, Art. 6 EUV Rn 47 ff. Der Wortlaut des Art. 6 Abs. 2 EUV ist insofern nicht eindeutig.
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die EMRK bisher überwiegend ausgewichen. 24 Für eine uneingeschränkte Achtung der in der EMRK gewährleisteten Grundrechte spricht andererseits der Gedanke der Rechtsnachfolge der Union in die menschenrechtlichen Bindungen der Mitgliedstaaten. Eine derartige Bindungswirkung wird in der Literatur mit der Begründung bejaht, daß mittlerweile sämtliche EG-Mitglieder Vertragsparteien der EMRK geworden sind, und somit auch eine Nachfolge der Gemeinschaft bzw. Union in die Konvention eingetreten sei. Ein derartiger Sukzessionseffekt sei notwendig, damit sich die Staaten durch die Übertragung von Hoheitsgewalt an zwischen- und überstaatliche Einrichtungen nicht einseitig von den völkerrechtlichen Bindungen der Konvention freistellen könnten. 25 Aus Sicht der Gemeinschaft gebiete es dann der Grundsatz der Gemeinschaftstreue, die weiterhin verantwortlichen Mitgliedstaaten nicht der Verantwortung gegenüber den Organen der EMRK für hoheitliches Handeln der Gemeinschaft zu überlassen, und deshalb von einer (zumindest) materiellen Bindung auch der Gemeinschaft an die Konvention auszugehen. 26 In diesem Zusammenhang ist zum einen zu berücksichtigen, daß der EuGH die Konvention schon seit geraumer Zeit als Ausdruck der gemeinsamen Rechtsüberzeugungen der Mitgliedstaaten zitiert. Somit wird die EMRK auch weiterhin als Maßstab für die Entwicklung der Gemeinschaftsgrundrechte dienen. 27 Zum anderen hat auch die Rechtsprechung der Straßburger Konventionsorgane ein Ausmaß erreicht, das diesen Grundrechten einen immer prägnanteren gemeineuropäischen Verfassungscharakter zuweist. 28 Im Ergebnis wird man deshalb von einer zumindest materiellen Bindung der EU / EG an die EMRK auszugehen haben. Dies HilflSchorkopf, in: GrabitzlHilf, Art. 6 EUV Rn 49. Vgl. die Entscheidung der EKMR v. 9. 2. 1990, D.R. 64, 138 (X v. Germany), in der die Kommission betonte, daß die EMRK die Übertragung von Kompetenzen an eine internationale Organisation durch einen oder mehrere Mitgliedstaaten zwar nicht ausschließe, die Staaten jedoch auch weiterhin für jeden Bruch der Verpflichtungen aus der Konvention verantwortlich blieben. Siehe näher dazu Grabenwarter, EMRK, S. 30 ff. sowie zu dem Begriff der "equivalent protection" Ress, Die EMRK und das Europäische Gemeinschaftsrecht, in: ZEuS 1999, S. 471, 482 ff. 26 Hilf, in: Grabitzl Hilf, Art. F EUVa. F. Rn 28 m. w. N. sowie HilfI Schorkopf, in: Grabitzl Hilf, Art. 6 EUV Rn 48, 69; Pescatore, Der Schutz der Grundrechte in den Europäischen Gemeinschaften und seine Lücken, in: MoslerlBemhardtlHilf, Grundrechtsschutz in Europa, S. 64, 70 ff.; Tomuschat, Aller guten Dinge sind III? Zur Diskussion um die SolangeRechtssprechung des Bundesverfassungsgerichts, in: EuR 1990, S. 340, 357. 27 Frowein, Der Straßburger Grundrechtsschutz in seinen Auswirkungen auf die nationalen Rechtsordnungen und das Gemeinschaftsrecht, in: Hutter (Hg.), Das gemeinsame Haus Europa: Menschenrechte zwischen Atlantik und Ural, 1998, S. 35,42 f. 28 Frowein, Die Herausbildung europäischer Verfassungsprinzipien, in: Festschrift Maihofer, S. 149, 152 ff. Es läßt sich also unabhängig vom Bestehen eines geschriebenen Grundrechtskataloges feststellen, daß die EMRK durch die Rechtsprechung der Konventionsorgane zunehmend den Charakter eines in seiner Bedeutung durch Gerichtsentscheidungen konkretisierten Grundrechtskataloges gewinnt, vgl. Frowein, Europäische Grundrechtsprobleme, in: BieberlBleckmannlCapotorti (Hg.), Das Europa der zweiten Generation: Gedächtnisschrift Sasse, S. 727, 733. 24
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kommt auch in dem in Art. 6 Abs. 2 EUVenthaltenen Begriff "achtet" zum Ausdruck. Die im Präsens gehaltene gebieterische Formel geht über die bisherige, eher zurückhaltende Rechtsprechung des EuGH hinaus. Sie kann nicht bloß im Sinne einer bloßen Pflicht zur Mitberücksichtigung, sondern muß - vergleichbar den Begriffen "Bindung" oder "Gewährleistung" - im Sinne einer grundsätzlich uneingeschränkten materiellen Rechtsbindung verstanden werden. 29 3. Grundrechtsrang
Die Bestimmung des Ranges der Grundrechte ist von Bedeutung im Falle möglicher Kollisionen mit anderen Rechtsnormen. Derartige Kollisionen sind innerhalb der Gemeinschaftsrechtsordnung sowohl mit Primär- als auch Sekundärrecht denkbar. Im Hinblick auf den Immobilienerwerb ist die Rangfrage der Gemeinschaftsgrundrechte der Eigentumsfreiheit und der freien Berufsausübung im Verhältnis zu gemeinschaftsrechtlichen Sonderregelungen, wie z. B. dem Protokoll betreffend den Erwerb von Immobilien in Dänemark, zu erörtern?O 4. Grundrechtsberechtigte
Grundrechtsträger sind alle natürlichen Personen und juristischen Personen des Privatrechts, welche der Einflußsphäre des Gemeinschaftsrechts unterstehen und aufgrund des Subordinationsverhältnisses zur supranationalen Gewalt ein besonderes Schutzbedürfnis erkennen lassen. 3l Dies gilt zunächst für alle Unionsbürger. Ob auch juristische Personen des öffentlichen Rechts und Angehörige von Drittstaaten sich auf Gemeinschaftsgrundrechte berufen können, hat der EuGH - soweit ersichtlich - bisher offengelassen. Drittstaatsangehörigen wird allgemein ein Grundrechtsschutz zugesprochen, wenn sie durch gemeinschaftsrechtliche Maßnahmen in gleicher Weise betroffen werden wie Unionsbürger und gesetzliche Vorschriften keine Sonderbehandlung erfordern. 32 Derartige Sondervorschriften können sich z. B. im Rahmen des Aufenthaltsrechts und der Freizügigkeit ergeben. 29 HilflSchorkopf, in: GrabitzlHilf, Art. 6 EUV Rn 61, 69. Um Diskrepanzen zu dem durch die Straßburger Konventionsorgane gewährten Grundrechtsstandard zu vermeiden, ist es letztlich entscheidend, daß sich die EU / EG an der Straßburger Rechtsprechung orientieren und diese integrieren, vgl. Frowein, Die Verfassung der Europäischen Union aus der Sicht der Mitgliedstaaten, a. a. 0., S. 327. Andererseits dürfte es die Beachtung der EMRK nicht ausschließen, die Konvention in begründeten Fällen unter Berücksichtigung der Struktur und Ziele der Unions- und Gemeinschaftsverträge auszulegen, bzw. auch über den durch sie gewährten Schutzstandard hinauszugehen, vgl. HilfI Schorkopf, in: Grabitzl Hilf, Art. 6 EUV Rn 48. 30 Siehe dazu näher unten G. VI. 2. 3\ Cirkel, S. 39; Wetter, S. 80. 32 Wetter, S. 81.
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Die Grundrechtsbetroffenheit kann sich aus zwei Perspektiven ergeben: Zum einen geht es um den direkten Schutz vor Grundrechtsverletzungen durch die Gemeinschaftsorgane, zum anderen um Schutz vor Übergriffen eines Mitgliedstaates in gemeinschaftsrechtlich gewährleistete Freiheitssphären. 33 Letzterer Bereich kann im Hinblick auf nationale Beschränkungen des Immobilienerwerbs insoweit von Bedeutung sein, als dieser, wie noch ausgeführt wird, durch die Eigentumsund Berufsfreiheit gewährleistet wird.
5. Grundrechtsverpflichtete a) Gemeinschaftsorgane
In ihrer Funktion als Abwehrrechte gegen die supranationale Hoheitsgewalt binden die Grundrechte zunächst einmal die Gemeinschaftsorgane. Dies betrifft sowohl die praktisch eher seltenen Fälle des direkten Vollzuges von Gemeinschaftsrecht als auch die legislative Tätigkeit beim Erlaß von Verordnungen und Richtlinien i. S. v. Art. 249 EGY. Gemeinschaftsorgane handeln stets in Anwendung und Ausführung des Gemeinschaftsrechts, so daß eine in vollem Umfang am Maßstab der Gemeinschaftsgrundrechte erfolgende Überprüfung stattfindet. Nach der Rechtsprechung des EuGH ist dabei jeder Rückgriff auf nationale Verfassungsprinzipien oder Grundrechte unzulässig. 34 Für den Bereich der Grundfreiheiten und die damit in Zusammenhang stehenden Möglichkeiten des Immobilienerwerbs bedeutet dies, daß die Grundrechte als Maßstabsnormen und Auslegungsdirektiven für dasjenige Sekundärrecht heranzuziehen sind, welches von den Gemeinschaftsorganen zwecks näherer Konkretisierung der Grundfreiheiten erlassen wird. Die Gemeinschaftsgrundrechte binden die Gemeinschaftsorgane nämlich in umfassendem Sinne, also auch beim Erlaß von Maßnahmen, welche sich auf vertragliche Einzelermächtigungen innerhalb der Grundfreiheiten stützen. Dies betrifft insbesondere Maßnahmen zum Zwecke der Herstellung der Freizügigkeit (Art. 40 EGV) sowie Programme zur Aufhebung von Beschränkungen im Bereich der Niederlassungsfreiheit (Art. 44, 47 EGV) und der Dienstleistungsfreiheit (Art. 52, 55 EGV i. Y. m. den Vorschriften über das Niederlassungsrecht).35 Wetter, S. 83 m. w. N. St. Rspr., z. B. Rs. 97 -99/87 (Dow Chemical Iberica), Slg. 1989, S. 3191 Rn 38. 35 Zwar ist davon auszugehen, daß die aufgrund der jeweiligen Einzelermächtigungen erfolgenden Maßnahmen zur Herstellung der Freizügigkeit bzw. Aufhebung von Beschränkungen zwecks Verwirklichung der Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit die - auch grundrechtlich gewährleisteten - Freiheitsräume des einzelnen eher erweitern als einschränken dürften. Durch derartige Maßnahmen erfahrt dann z. B. der Anwendungsbereich des Grundrechts der Berufsfreiheit bzw. der wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit eine spezielle Konkretisierung. Eine Grundrechtsbeeinträchtigung, z. B. unter Gleichheitsgesichtspunkten, kann aber auch hier nicht generell ausgeschlossen werden. 33
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b) Mitgliedstaaten Die Frage nach der Bindung der Mitgliedstaaten an die Gemeinschaftsgrundrechte 36 berührt den sensiblen Bereich des Verhältnisses zwischen nationalem und europäischem Grundrechtsschutz. Dabei gilt generell, daß mitgliedstaatliche Maßnahmen allein an nationalen Grundrechten zu messen sind. Die Gemeinschaftsgrundrechte sind prinzipiell nur an die Gemeinschaft und ihre Organe adressiert, wie es sich auch als Motiv der Regelung des Art. 46 lit. d EUVentnehmen läßt, welcher die Zuständigkeit des EuGH für die Gewährleistung der Grundrechte nach Art. 6 Abs. 2 EUV nur "in bezug auf Handlungen der Organe" eröffnet. 37 Die Gemeinschaftsgrundrechte sind Folge der Übertragung nationaler Kompetenzen, haben aber selbst keine kompetenzerweitemde Funktion. 38 So läßt sich insbesondere aus dem Subsidiaritätsprinzip des Art. 5 Abs. 2 EGV im Wege systematischer Interpretation ableiten, daß die Gemeinschaftsgrundrechte nur dort Schutz gewähren sollen, wo der nationale Grundrechtsschutz infolge der Prämissen des Gemeinschaftsrechts, namentlich seines Vorranges vor nationalem Recht und seiner einheitlichen Anwendbarkeit, nur unzureichend eingreifen kann. Dies betrifft also in erster Linie die Fälle, in denen die Mitgliedstaaten in bestimmten gemeinschaftlich geregelten Bereichen kraft des Anwendungsvorranges des Gemeinschaftsrechts von der Bindung an nationale Grundrechte freigestellt sind. 39 An die Stelle dieser Bindung muß dann im Interesse des Bürgers grundsätzlich diejenige an Gemeinschaftsgrundrechte treten. 40 Dasselbe muß gelten, wenn es um die Verletzung der vertraglich gewährten Freiheitssphäre des einzelnen durch ein grundrechtswidriges Verhalten eines Mitgliedstaates geht. Voraussetzung einer gemeinschaftsgrundrechtlichen Bindung der Mitgliedstaaten ist also, daß sie "im Anwendungsbereich des Gemeinschaftsrechts" handeln. Bei der Frage der Bindung41 der Mitgliedstaaten an die Gemeinschaftsgrundrechte lassen sich je nach der Nähe des mitgliedstaatlichen Handeins zum Gemeinschaftsrecht verschiedene Fallgruppen bzw. Handlungsfelder unterscheiden: 36 Umfassend dazu Cirkel, Die Bindungen der Mitgliedstaaten an die Gemeinschaftsgrundrechte, 2000. 37 Schilling, ARG, S. 8. 38 EuGH, Rs. 249/96, Slg. 1998, S. 1-650 Rn 45 (Grant). Die grundsätzliche Kompetenzvermutung zugunsten der Mitgliedstaaten darf deshalb auch nicht durch einen "richterrechtlich-unitarisierenden Grundrechtsschutz" auf der Gemeinschaftsebene überspielt werden, vgl. Kingreen, S. 864. 39 Kingreen, S. 864; Schilling, ARG, S. 8. Nationale Grundrechte dürfen aufgrund des Erfordernisses der einheitlichen Anwendbarkeit des Gemeinschaftsrechts nicht als Prüfungsmaßstab für dieses herangezogen werden. 40 Streinz, Europarecht, Rn 368; Schilling, ARG, S. 8. 41 Prinzipiell ist sowohl eine direkte als auch eine indirekte Bindung mitgliedstaatlichen Handeins an die Gemeinschaftsgrundrechte denkbar. Im Falle einer direkten Bindung käme den Gemeinschaftsgrundrechten eine unmittelbare Maßstabsfunktion für nationales Recht zu. Eine bloß indirekte Bindung läge vor, wenn nicht das mitgliedstaatliche Handeln per se, son-
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( 1) Durchführung von Gemeinschaftsrecht
Eine mitgliedstaatliche Bindung an die Gemeinschaftsgrundrechte ist dann weitgehend anerkannt, wenn ihre Organe Gemeinschaftsrecht auf nationaler Ebene umsetzen oder durchführen. 42 Der Mitgliedstaat ist in diesem Fall sozusagen als "Auftragsverwalter" bzw. "verlängerter Arm" des Gemeinschaftsgesetzgebers tätig. 43 Dabei ist der unmittelbare vom mittelbaren Vollzug zu unterscheiden. Unmittelbarer Vollzug meint die direkte Anwendung von Gemeinschaftsrecht, insbesondere von Verordnungen, im innerstaatlichen Bereich. Unter mittelbarem Vollzug ist der Erlaß nationalen Rechts in Umsetzung gemeinschaftsrechtlicher Vorgaben, z. B. die Umsetzung von Richtlinien, zu verstehen. 44 Die Gemeinschaft erscheint hier gleichsam als Miturheber mitgliedstaatlichen Handeins, ihre Verantwortung für die durchzuführenden Regelungen reicht in die mitgliedstaatliche Sphäre hinein und rechtfertigt somit die Eröffnung des gemeinschaftsgrundrechtlichen Verantwortungsbereichs. In diesen Fällen sind die Grundrechte als Auslegungsdirektiven für diejenigen sekundärrechtiichen Bestimmungen heranzuziehen, welche im Falle einer Auftragssituation den gemeinschaftlichen Auftrag an die Mitgliedstaaten enthalten. Beim Vollzug von Verordnungen und (auch unmittelbar anwendbaren) Richtlinien sind die mitgliedstaatlichen Behörden nach der Rechtsprechung des EuGH verpflichtet, das ihnen mitunter eingeräumte Ermessen unter Berücksichtigung der Erfordernisse des gemeinschaftsrechtlichen Grundrechtsschutzes auszuüben. 45 Dem liegt die Auffassung zugrunde, daß Sekundärrecht der Prüfung am Maßstab nationaler Grundrechte entzogen ist. Wenn dies für das autonome Gemeinschaftsrecht selbst gelten soll, muß es auch für das seiner Umsetzung dienende Recht der dem diejenigen gemeinschaftsrechtlichen Rechtsakte, welche den "Bereich des Gemeinschaftsrechts" begründen, in welchem die Mitgliedstaaten von der Beachtung nationaler Grundrechte freigestellt sind, an die Gemeinschaftsgrundrechte gebunden wären. Gegen eine direkte Bindungskraft der Gemeinschaftsgrundrechte sprechen vor allem prozessuale Gründe, nämlich daß gemäß Art. 46 lit. d EUV der EuGH für die Gewährleistung der Grundrechte nach Art. 6 Abs. 2 EUV nur "in bezug auf Handlungen der Organe" zuständig sein soll. Dieser Wortlaut widerspräche im Falle einer direkten Bindung der Mitgliedstaaten dem Interesse an einer einheitlichen Anwendung des Gemeinschaftsrechts, da der EuGH die einheitliche Anwendung der Gemeinschaftsgrundrechte mangels Zuständigkeit gar nicht gewährleisten könnte. Der Konflikt wird im Falle einer lediglich indirekten Bindung vermieden, da der EuGH die den "Bereich des Gemeinschaftsrechts" konstituierenden Gemeinschaftsrechtsakte überprüfen kann; vgl. dazu näher Schilling, ARG, S. 34. 42 Zimmerling, in: Lenz/ Borchardt, Anh. zu Art. 6 EUV Rn 31; Rengeling, Grundrechtsschutz in der EG, 1993, S. 189 ff. 43 Kingreen, S. 864 m. w. N.; Schilling, ARG, S. 9; Wetter, S. 91. 44 Rengeling, Die Entwicklung verwaltungsrechtlicher Rechtsgrundsätze durch den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften, in: EuR 1984, S. 331, 333; Wetter, S. 91. 45 EuCH, Rs. 5/88, Sig. 1989, S. 2639 Rn 19 (Wachauf). Kritisch dazu Schilling, ARG, S. 8, der den Versuch, zu bestimmen, welche Sachverhaltsgesta1tungen in den Ermessensbereich des nationalen Gesetzgebers fallen, nicht für aussichtsreich hält und daher für eine positive Bestimmung des "Bereichs des Gemeinschaftsrechts" plädiert.
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Mitgliedstaaten, welche als verlängerter Arm des Gemeinschaftsgesetzgebers tätig geworden sind, gelten. Ansonsten drohte nämlich die Aushebelung des Vorranges von Verordnung bzw. unmittelbar anwendbarer Richtlinie vor nationalem Recht durch nationale Grundrechte. 46 (2) Handeln "im Anwendungsbereich des Gemeinschaftsrechts"
Fraglich ist, ob und inwieweit die Mitgliedstaaten auch dann an Gemeinschaftsgrundrechte gebunden sein können, wenn sie zwar Gemeinschaftsrecht nicht unmittelbar vollziehen oder umsetzen, jedoch nach der Terminologie des EuGH "im Anwendungsbereich des Gemeinschaftsrechts,,47 handeln. Dies betrifft vor allem diejenigen Situationen, in welchen sich die Mitgliedstaaten auf ihnen vertraglich eingeräumte Vorbehaltsmäglichkeiten und Ausnahmeklauseln berufen, um damit Einschränkungen der Grundfreiheiten zu rechtfertigen. Derartige Rechtfertigungsgründe finden sich z. B. in den Art. 39 Abs. 3, 46 Abs. 1, 55 i. V. m. 46 Abs. 1, 58 EGV bzw. sind von der Rechtsprechung als sogenannte "zwingende Erfordernisse" oder als "überwiegendes Allgemeininteresse" anerkannt worden. 48 Die Beantwortung dieser Frage ist deshalb von Bedeutung, weil von ihr möglicherweise Umfang und Inhalt nationaler Einschränkungen des grundfreiheitlich gewährleisteten Immobilienerwerbs abhängen. Der EuGH vertritt allgemein den Standpunkt, daß die im Rahmen der Vorbehalte grundsätzlich erlaubten mitgliedstaatlichen Beschränkungen der Grundfreiheiten dann unzulässig seien, wenn sie über diese Einschränkungen hinaus gegen allgemeine Rechtsgrundsätze des Gemeinschaftsrechts verstießen. 49 In der Rechtssache ERT konkretisierte der Gerichtshof dies dahingehend, daß die gemeinschaftsrechtlichen Rechtfertigungsgründe zur Einschränkung der Grundfreiheiten im Lichte der Gemeinschaftsgrundrechte auszulegen seien. 5o Somit kommt es nach Ansicht des Gerichtshofes zu einer Ausstrahlungswirkung der Gemeinschaftsgrundrechte auf die grundfreiheitlichen Vorbehaltsmäglichkeiten der Mitgliedstaaten. Diese "Modifikation des normativen Gehalts der GrundKingreen, S. 857, 864. SO Z. B. EuGH, Rs. C-260/89, Slg. 1991, S. 1-2964 Rn 42 (ERT). 48 Zu diesen Schranken der Grundfreiheiten siehe oben C. 49 Vgl. Schilling, ARG, S. 9 m. w. N. zur Rspr. sowie Streinz, Europarecht, Rn 703. 50 EuGH, Rs. C-260/89, Slg. 1991, S. 1-2964 Rn 43 (ERT) zu Ausnahmeregelungen gemäß Art. 66 i. V. m. 56 EGV (Art. 55 i. V. m. 46 EGV n. E). Eine Fortsetzung dieser Rspr. findet sich in EuGH, Rs. C-369/95, Slg. 1997, S. 1-3715 Rn 19 ff. (Familiapress). Vgl. auch die Schlußanträge des GA Trabucchi in der Rs. 118/75, Slg. 1976, S. 1207 (Watson und Beiman), demzufolge die Gemeinschaftsgrundrechte dann eingriffen, "wenn das Grundrecht, dessen Verletzung behauptet wird, mit dem Schutz eines wirtschaftlichen Rechts verknüpft werden kann, das zum spezifischen Gegenstand des Vertrages gehört". Überwiegende Zustimmung findet sich in der Lit.: Bausback, in: Erberichl Hörsterl Hoffmannl Kingreenl PünderlStörmer (Hg.), Frieden und Recht, 1998, S. 92 ff.; Kühling, Grundrechtskontrolle durch den EuGH, in: EuGRZ 1997, S. 296, 299 ff. 46
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11 Hubatsch
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freiheiten" wird von einigen Vertretern des Schrifttums u. a. deshalb begrüßt, weil sich durch diese Verknüpfung der Gemeinschaftsgrundrechte mit den Grundfreiheiten Ansätze einer objektiven Wertordnung herausbildeten. 51 Zudem könne nur auf diese Weise der Vorrang und die einheitliche Anwendbarkeit des Gemeinschaftsrechts garantiert werden. 52 Dagegen wird eingewandt, daß die Ausnahmeklauseln durch Anerkennung berechtigter nationaler Interessen den weiten Anwendungsbereich der Grundfreiheiten zu Gunsten der Mitgliedstaaten kompensieren sollten. 53 Das von den Befürwortern der Rechtsprechung vorgetragene Argument, nur durch eine gemeinschaftsgrundrechtliche Bindung der Mitgliedstaaten könne der Vorrang des Gemeinschaftsrechts bzw. dessen einheitliche Anwendbarkeit gewährleistet werden, trage nur in den Fällen, in welchen Maßnahmen der Gemeinschaft einheitlicher Interpretation bedürften. Die Einschränkungsmöglichkeiten der Grundfreiheiten bestünden aber einzig und allein im nationalen Interesse der Mitgliedstaaten, so daß sich eine Vereinheitlichung dieser Interessen über einen gemeinschaftsrechtlichen Grundrechtsschutz verbiete. 54 In der Literatur wird mitunter bezweifelt, ob der EuGH noch innerhalb des gemeinschaftlichen Kompetenzbereiches judiziert, wenn er auch solche nationalen Vorschriften am Maßstab der Gemeinschaftsgrundrechte überprüft, welche aufgrund der den Mitgliedstaaten ausdrücklich eingeräumten Vorbehaltsmöglichkeiten ergangen sind. 55 Bei diesen nationalen Vorbehalts- und Einschränkungsmöglichkeiten handele es sich nämlich um die explizite Anerkennung originär bei den Mitgliedstaaten verbleibender Kompetenzen, welche klar von den Zuständigkeiten der Gemeinschaft abzugrenzen seien. Die Mitgliedstaaten seien in diesem eng umgrenzten Bereich aus dem Anwendungsbereich des Vertrages entlassen. Diese Einwände sind durchaus bedenkenswert. Kompetenzfragen haben vor allem den Grundsatz der begrenzten Einzelermächtigung56 sowie das Subsidiari51 Wetter, S. 91. Auf die im nationalen Recht gegebene Orientierung der gesamten Rechtsordnung an den Grundrechten des Grundgesetzes, welche eine objektive Wertordnung begründen, verweist auch Ruffert, Die Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft als Verpflichtete der Gemeinschaftsgrundrechte, in: EuGRZ 1995, S. 528, 529 m. w. N., bezweifelt aber, daß den Gemeinschaftsgrundrechten im EG-Recht eine solche Funktion bereits zukomme. 52 Zu weiteren Begründungen siehe Ruffert, S. 528. 53 Kingreen, S. 865. 54 Vgl. Kingreen, S. 865; differenzierend Ruffert, S. 529, welcher sich grundsätzlich für die Überprüfung der jeweiligen mitgliedstaatlichen Regelungen am Maßstab nationaler Grundrechte ausspricht und die gemeinschaftsrechtliche Kontrolle auf schwerwiegende Verstöße beschränken will. 55 Sehr kritisch zu diesem Kompetenzproblem, welches auch als "offensive use of human rights" bezeichnet wird, Coppel/O'Neill, The European Court of lustice: Taking Rights Seriously?, in: CML Rev. 29 (1992), S. 669. 56 Vgl. Art. 5 Abs. I EGV "innerhalb der Grenzen der ihr in diesem Vertrag zugewiesenen Befugnisse und gesetzten Ziele" sowie Art. 3 Abs. I und Art. 4 Abs. I und 2 EGV "nach Maßgabe dieses Vertrags".
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tätsprinzip des Art. 5 Abs. 2 EGV zu berücksichtigen. Gerade im Bereich der grundfreiheitlichen Vorbehaltsklauseln liegt es in der Tat nahe, daß durch sie - in engen Grenzen - originär bei den Mitgliedstaaten verbliebene Kompetenzen ausdrücklich anerkannt worden sind. Diese sind von den Zuständigkeiten der Gemeinschaft scharf abzugrenzen. Die von den Mitgliedstaaten als "Herren der Verträge" festgeschriebenen Zuständigkeitsabgrenzungen dürfen nicht durch die Konstruktion einer "Ausstrahlungswirkung" verwässert oder gar überschritten werden. In diesem Zusammenhang ist zu beachten, daß die Mitgliedstaaten im Bereich der grundfreiheitlichen Vorbehalte auch nicht von der Beachtung jeglicher Grundrechte freigestellt werden, sondern an ihr nationales GrundrechtsreglementS? gebunden bleiben und das Verhältnismäßigkeitsprinzip zu beachten haben. 58 Aus diesen Erwägungen heraus wird man - je nachdem, ob man nun eine Bindung der Mitgliedstaaten an die Gemeinschaftsgrundrechte in diesem Bereich befürwortet oder ablehnt - zu folgender Lösung kommen können: Bejaht man auch im Bereich der grundfreiheitlichen Vorbehalte ein Handeln der Mitgliedstaaten im Anwendungsbereich des Gemeinschaftsrechts und damit eine Bindung an die Gemeinschaftsgrundrechte, wird man ihnen jedoch bei der Ausfüllung dieser Vorbehalte weite Ermessensspielräume zuzubilligen haben. Damit korrelierend wird sich die richterliche Kontrolldichte des EuGH lediglich auf eine Überprüfung mitgliedstaatlichen Handeins auf grobe Ermessensfehler bzw. auf Ermessensmißbrauch beschränken müssen. Schließlich sollen die Mitgliedstaaten in diesem eng umgrenzten Bereich ihre teilweise sehr unterschiedlichen Interessen in geeigneter Weise wahrnehmen können. Aber auch ohne eine Heranziehung der Gemeinschaftsgrundrechte als Schranken-Schranken der Grundfreiheiten wird einem effektiven Rechtsschutz des in seiner Wirtschaftsfreiheit Betroffenen dadurch genügt, daß die nationalen Einschränkungen der Grundfreiheiten in jedem Falle verhältnismäßig sein müssen. 59
57 Daß der nationale Grundrechtsschutz in den einzelnen Mitgliedstaaten nach Art und Umfang unterschiedlich ausfällt, stellt bloß den Ausdruck der weiterhin fortbestehenden mitgliedstaatlichen Autonomie bei der Ausgestaltung und Gewährung von Grundrechten dar. Diese Selbstverständlichkeit kann dann aber nicht dazu herangezogen werden, die Mitgliedstaaten um "der Einheit des Gemeinschaftsrechts willen" dort an die Gemeinschaftsgrundrechte binden zu wollen, wo sie im rein nationalen Interesse handeln können sollen; vgl. Kingreen, S. 865. 58 Die von Schilling, ARG, S. 34 geltend gemachten Bedenken, die Mitgliedstaaten sollten über die nationalen Vorbehalte nicht zu unverhältnismäßigem, diskriminierendem oder grundrechtswidrigem Handeln angehalten bzw. ermächtigt werden, verlieren somit stark an Gewicht. 59 So im Ergebnis auch Kingreen, S. 865.
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D. Immobilienerwerb und Gemeinschaftsgrundrechte
(3) Rein nationaler Bereich ohne Gemeinschaftsbezug
Bei rein internen Vorgängen im legislativen, exekutiven oder judikativen Bereich ohne jeden Gemeinschaftsbezug ist allein nationales Verfassungsrecht maßgeblich und finden die Gemeinschaftsgrundrechte keine Anwendung. Eine Bindung der Mitgliedstaaten an die Gemeinschaftsgrundrechte in diesem Bereich bedeutete "einen Qualitätssprung in der Gemeinschaftsstruktur, der in der geltenden Verfassung der EG nicht angelegt ist".60 Bisher sind weder in der "Gemeinschaftsverfassung" noch im politischen Konsens zwischen den Mitgliedstaaten hinreichend föderale Strukturen erkennbar, welche eine derartige Ausweitung des gemeinschaftlichen Grundrechtsschutzes nahe legen könnten, noch ist der EuGH dazu befugt, mitgliedstaatliches Recht zu überprüfen oder gar für nichtig zu erklären. 6l 6. Grundrechtsschranken und Schranken-Schranken
Wie auch in den nationalen Rechtsordnungen werden die einzelnen Grundrechte nicht schrankenlos gewährleistet. Der EuGH stellt insoweit fest: "Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes können die Grundrechte ( ... ) Beschränkungen unterworfen werden, sofern diese tatsächlich dem Gemeinwohl dienenden Zielen entsprechen und nicht einen im Hinblick auf den verfolgten Zweck unverhältnismäßigen, nicht tragbaren Eingriff darstellen, der die so gewährten Rechte in ihrem Wesensgehalt antastet. ,,62 In anderen Entscheidungen heißt es dazu, die Grundrechte müßten sich in Struktur und Ziele der Gemeinschaft einfügen63 und im Hinblick auf die gesellschaftliche Funktion der geschützten Rechtsgüter und Tiitigkeiten 64 erblickt werden. Sie könnten somit aus Gründen des Gemeinwohls beschränkt werden. Als solche Gründe kommen z. B. die Durchsetzung des Binnenmarktprinzips und des Umweltschutzes in Betracht. 65 Pernice, Gemeinschaftsverfassung und Grundrechtsschutz, in: NJW 1990,2409,2417. Ruffert, S. 529. 62 EuCH, Rs. C-62/90, Sig. 1992, S. 1-2609 Rn 23 (Kommission/Deutschland); Rs. 44179, Sig. 1979, S. 3747 Rn 23 (Hauer) - Hervorhebungen des Verfassers. Der Entwurf der EU-Grundrechtscharta nimmt diese Rechtsprechung nunmehr auf. So bestimmt die allgemeine Einschränkungsregelung des Art. 52 Abs. I der Charta: "Jede Einschränkung der Ausübung der in dieser Charta anerkannten Rechte und Freiheiten muß gesetzlich vorgesehen sein und den wesentlichen Gehalt dieser Rechte und Freiheiten achten. Unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit dürfen Einschränkungen nur vorgenommen werden, wenn sie notwendig sind und den von der Union anerkannten, dem Gemeinwohl dienenden Zielsetzungen oder den Erfordernissen des Schutzes der Rechte und Freiheiten anderer tatsächlich entsprechen." 63 EuCH, Rs. 11/70, Sig. 1970, S. 1135 Rn 4 (Internationale Handelsgesellschaft). 64 EuCH, Rs. 5/88, Sig. 1989, S. 2639 Rn 18 (Wachauf). 65 Pernice / Mayer, in: Crabitz/ Hilf, nach Art. 6 EUV Rn 41 m. w. N. zur Rspr. 60
6\
I. Allgemeiner Grundrechtsschutz im Gemeinschaftsrecht
165
Hinsichtlich der vom EuGH bei Grundrechtseingriffen geforderten Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes läßt sich feststellen, daß diesem wohl eine andere Bedeutung zukommt als in der deutschen Grundrechtslehre. 66 Unabhängig von dessen dogmatischer Positionierung67 wird der Bedeutung des Verhältnismäßigkeitsprinzips in der Rechtsprechung des EuGH überwiegend kritisch begegnet. So führten insbesondere die den Gemeinschaftsorganen beim Erlaß von Sekundärrecht eingeräumten großen Ermessensspie1räume zu einer ungewöhnlichen Zurücknahme der grundrechtlichen Kontrolldichte. 68 Schwerer noch wiege allerdings der Umstand, daß eine konkrete Abwägung der betroffenen Individualrechtsgüter im Einzelfall, eine Überprüfung unter den Gesichtspunkten der Erforderlichkeit und Angemessenheit sowie die Ermittlung der Eingriffstiefe zu unterbleiben scheine. 69 Als weitere Grenze für Grundrechtsbeschränkungen stellt der EuGH regelmäßig auf die Unantastbarkeit des Wesensgehalts der betreffenden Rechte ab. Dieser - offensichtlich der deutschen Grundrechtsdogmatik entlehnte 70 - Begriff ist in seiner dogmatischen Bedeutung bisher noch nicht klar durch den EuGH umrissen worden. 71 In der Literatur wird überwiegend einem relativen Verständnis des Begriffs dahingehend gefolgt, daß nur unverhältnismäßige Eingriffe zugleich den Wesens gehalt eines Grundrechts antasteten. 72 Dies hätte zur Folge, daß das Wesensgehaltserfordernis gegenüber dem Verhältnismäßigkeitsprinzip seine eigenständige Bedeutung verlöre. Der Gerichtshof selbst hat bisher noch keine Regelung an einer Beeinträchtigung des Wesensgehalts scheitern lassen. 73 Bisher läßt sich lediglich folgern, daß eine Verletzung des Wesensgehalts bei Totalentzug des betroffenen Grundrechts vorliegt. Solange allerdings noch ein Restbestand an Grundrechtsausübungsmöglichkeiten besteht, ist auch der Wesensgehalt noch gewährleistet. 74 Cirkel, S. 42; Günter; Berufsfreiheit und Eigentum in der EU, S. 27. Im Schrifttum werden unterschiedliche dogmatische Einordnungen vorgenommen. So wird das Verhältnismäßigkeitsprinzip teils als Schranke (Wetter; S. 102 ff.), SchrankenSchranke (Cirkel, S. 43; Günter, S. 29 ff.; Kingreen, S. 863) oder gar als eigenständiger allgemeiner Rechtsgrundsatz, welcher als objektivrechtlicher Ausdruck der allgemeinen Handlungsfreiheit mit dieser zusammenfalle (Schilling, ARG, S. 37, 4\), qualifiziert. 68 Kingreen, S. 863; kritisch auch Nettesheim, Grundrechtliche Prüfdichte durch den EuGH, in: EuZW 1995, S. 106 ff., demzufolge die fonnale Anerkennung von Grundrechten erkennbar über deren Effektuierung hinausginge. 69 Kingreen, S. 863. Eine - ausnahmsweise - Überprüfung von Erforderlichkeit und Angemessenheit findet sich in der Rs. 265/87, Slg. 1989, S. 2269 Rn 21 (Schräder). 70 Vgl. Art. 19 Abs. 2 GG. Eine unreflektierte und pauschale Übernahme der in der deutschen Verfassungslehre vertretenen Auffassung, die Wesensgehaltsgarantie schütze einen unveräußerlichen Kernbereich der Grundrechte, welcher einem Eingriff entzogen sei, verbietet sich allerdings aus rechtssystematischen Gründen, vgl. Günter; S. 29. 71 Pemice, Gemeinschaftsverfassung und Grundrechtsschutz, in: NJW 1990, S. 2416. 72 Kingreen, S. 863; Pemice I Mayer; in: Grabitzl Hilf, nach Art. 6 EUV Rn 43; Schilling, ARG, S. 12; Thiel, S. 280. 73 Wetter; S. 108 m. w. N. 74 Wetter; S. 109. Nach anderer Ansicht erschöpft sich die Wesensgehaltsgarantie nicht in einer Gleichsetzung mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, sondern hat eine darüber 66 67
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D. Immobilienerwerb und Gemeinschaftsgrundrechte
Fonnell ist nach der Rechtsprechung des EuGH schließlich noch erforderlich, daß in allen Mitgliedsstaaten Eingriffe der öffentlichen Gewalt in die Privatsphäre jeder natürlichen oder juristischen Person aufgrund einer Rechtsgrundlage erfolgen. 75 Bisher ist noch nicht klargestellt worden, welche spezifischen fonnellen Anforderungen an einen solchen Gesetzesvorbehalt zu stellen sind. Für Gemeinschaftsrechtsakte ist hierbei an die spezifischen Fonnen der Gesetzgebung im Gemeinschaftsrecht anzuknüpfen, wobei den unterschiedlichen Beteiligungsfonnen des Parlaments (Art. 249 ff. EGV) besondere Bedeutung beizumessen ist. 76 7. Kollisionen und Konkurrenzen
Die Behandlung der Frage, welches Grundrecht in Fällen mit Berührungen zu verschiedenen Schutzbereichen maßgeblich ist, erfolgt im Rahmen der nunmehr zu erörternden Grundrechte der Eigentumsfreiheit und Berufsfreiheit. Bisher war für den EuGH, soweit ersichtlich, eine Klärung möglicher Konkurrenzen nicht notwendig, und einschlägige Grundrechte wurden entweder entsprechend einer Idealkonkurrenz hintereinander oder, wie im Falle der Eigentums- und Berufsfreiheit, zusammen geprüft. 77 11. Bedeutung der Eigentumsfreiheit für den Immobilienerwerb
Das Eigentum ist in sämtlichen Mitgliedstaaten der EU geschützt. 78 Zudem findet es in einigen primärrechtlichen Vorschriften, wie z. B. den Art. 30 und 295 EGV, Erwähnung, ohne daß sich daraus jedoch eine grundrechtliche Verbürgung dieses Schutzgutes ableiten ließe. Einschlägig hierfür ist vielmehr die weitgefächerte Rechtsprechung des EuGH. 79 Nach anfänglicher Ablehnung gehört das Eigentumshinausgehende materielle Funktion inne. Dies wird u. a. damit begründet, daß der EuGH systematisch klar zwischen Verhältnismäßigkeit und Wesensgehalt im Prüfungsaufbau trenne. Er habe über die Bedeutung des Verhältnismäßigkeitsprinzips hinaus den Wesensgehalt im Sinne einer "Restrechtskonzeption .. angelegt. Allerdings komme dem Wesens gehalt auch unter Berücksichtigung der mitgliedstaatIichen Rechtsordnungen, weIche dieses Institut kennen, und an weIchen sich der EuGH bei seiner Rechtsschöpfung im Wege wertender Rechtsvergleichung zu orientieren habe, nur eine untergeordnete praktische Bedeutung zu, vgl. Günter; S. 29 ff. (zur Berufsfreiheit) m. w. N. zur Rspr., S. 47 f. (zur Eigentumsfreiheit) sowie S. 247 f. 75 EuGH, verb. Rs. 46/87 und 227/88, Slg. 1989, S. 2924 Rn 19 (Hoechst). Vgl. auch Art. 52 Abs. 1 des Entwurfs der EU-Grundrechtscharta, der für Grundrechtseinschränkungen fordert, daß diese "gesetzlich vorgesehen" sein müssen. 76 Kingreen, S. 863. 77 EuGH, Rs. 44/79, Slg. 1979, S. 3727 (Hauer); vgl. Cirkel, S. 45; Schilling, ARG, S. 11; Wetter; S. 99. 78 Siehe dazu die eingehende Darstellung bei Günter; S. 50 ff. 79 Eine ausführliche Darstellung findet sich bei von Milczewski, S. 53 ff., eine Rechtsprechungsanalyse bei Schilling, Eigentum und Marktordnung nach Gemeinschafts- und nach deutschem Recht, in: EuGRZ 1998, S. 177 ff.
II. Bedeutung der Eigentumsfreiheit für den Immobilienerwerb
167
recht seit langer Zeit zum festen Bestandteil des vom Gerichtshof entwickelten Grundrechtskataloges. Für die Entwicklung des Eigentumsgrundrechts durch den Gerichtshof haben sowohl die gemeinsamen Verfassungskonzeptionen der Mitgliedstaaten als auch Art. I des Ersten Zusatzprotokolls zur EMRK, welcher das Eigentum schützt, eine maßgebliche Bedeutung. so Die herausgehobene Stellung der EMRK kommt nun auch in Art. 17 des Entwurfes der EU-Grundrechtscharta, welcher Art. 1 des Ersten Zusatzprotokolls zur EMRK entspricht,SI zum Ausdruck. Es ist deshalb davon auszugehen, daß sich die das Eigentumsgrundrecht betreffende Rechtsprechung des EuGH auch zukünftig stark an der Konvention orientieren wird. 1. Auswirkungen des Art. 295 EGVauf das Eigentumsgrundrecht
Bevor der Schutzbereich des Eigentumsgrundrechts näher beschrieben wird, ist zu klären, welche Bedeutung der Regelung des Art. 295 EGV in dieser Hinsicht zukommt. Danach läßt der EGV die Eigentumsordnung in den verschiedenen Mitgliedstaaten unberührt. Wenn diese Vorschrift als Garantie der innerstaatlichen Eigentumsrechte zu interpretieren und folglich eine Bindung der Gemeinschaftsorgane an jene anzunehmen wäre, würde sich ein spezifisch gemeinschaftsrechtlicher Eigentumsschutz erübrigen bzw. sogar verbieten. 82 Es wurde bereits festgestellt, daß die Norm zum einen lediglich Ausdruck der unterschiedlichen mitgliedstaatlichen Verhältnisse von Privat- und GemeineigenGrundlegend EuGH, Rs. 44179, Sig. 1979, S. 3727 Rn 17 ff. (Hauer). Art. 1 des Ersten Zusatzprotokolls zur EMRK lautet: "Jede natürliche oder juristische Person hat das Recht auf Achtung ihres Eigentums. Niemandem darf sein Eigentum entzogen werden, es sei denn, daß das öffentliche Interesse es verlangt, und nur unter den durch Gesetz und durch die allgemeinen Grundsätze des Völkerrechts vorgesehenen Bedingungen. Abs. I beeinträchtigt jedoch nicht das Recht des Staates, diejenigen Gesetze anzuwenden, die er für die Regelung der Benutzung des Eigentums im Einklang mit dem allgemeinen Interesse oder zur Sicherung der Zahlung der Steuern oder sonstigen Abgaben oder von Geldstrafen für erforderlich hält." Art. 17 des Entwuifes der EU-Grundrechtscharta lautet entsprechend: ,,(1) Jede Person hat das Recht, ihr rechtmäßig erworbenes Eigentum zu besitzen, zu nutzen, darüber zu verfügen und es zu vererben. Niemandem darf sein Eigentum entzogen werden, es sei denn aus Gründen des öffentlichen Interesses in den Fällen und unter den Bedingungen, die in einem Gesetz vorgesehen sind, sowie gegen eine rechtzeitige und angemessene Entschädigung für den Verlust des Eigentums. Die Nutzung des Eigentums kann gesetzlich geregelt werden, soweit dies für das Wohl der Allgemeinheit erforderlich ist. (2) Geistiges Eigentum wird geschützt." Die Formulierung wurde zeitgemäßer gestaltet, doch hat dieses Recht gern. Art. 52 Abs. 3 der Charta die gleiche Bedeutung und Tragweite wie das in der EMRK garantierte Recht, wobei nicht über die in der EMRK vorgesehenen Einschränkungen hinausgegangen werden darf, vgl. Hilf, Entwurf der Charta der Grundrechte der EU, S. 10. Die in der Literatur mitunter geäußerten Bedenken, durch Schaffung eines geschriebenen Grundrechtskataloges könne es möglicherweise zu einem von der EMRK abweichenden Schutzstandard kommen (vgl. Frowein, Die Verfassung der Europäischen Union aus der Sicht der Mitgliedstaaten, S. 327 f.; derselbe, Europäische Grundrechtsprobleme, S. 737), dürften damit ausgeräumt sein. 82 Schweitzerl Hummer, Raumordnung, S. 304; Thiel, S. 274. 80
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D. Immobilienerwerb und Gemeinschaftsgrundrechte
turn ist. Zum anderen wird durch sie rein formal "die mitgliedstaatliche Eigentumsgewährleistung institutionell gemeinschaftsrechtlich respektiert".83 Das Eigentum wird somit als objektiver Wert für die Gemeinschaftsorgane verbindlich, und es bleibt den Mitgliedstaaten auch weiterhin prinzipiell vorbehalten, über Inhalt und Umfang nationaler Eigentumsrechte im Rahmen ihrer jeweiligen Verfassungsordnung zu entscheiden. Andererseits steht Art. 295 EGV nicht jeglicher gemeinschaftsrechtlichen Kompetenz in Eigentumsfragen entgegen, sondern läßt vielmehr eigentumsrelevante Regelungen aufgrund spezieller vertraglicher Ermächtigungen zu. Somit können durch die Tatigkeit der Gemeinschaften im Rahmen ihrer Befugnisse Eigentumsrechte einzelner Wirtschaftssubjekte beeinträchtigt werden. 84 Weder verpflichtet die Norm die Gemeinschaft dabei zur Beachtung nationaler Eigentumsgrundrechte in ihrer konkreten Ausprägung, noch enthält sie selbst eine subjektiv-rechtliche Eigentumsgarantie zugunsten des einzelnen. 85 Sie stellt somit weder einen Ansatz noch eine Verweigerungsnorm für ein europäisches Eigentumsgrundrecht dar. 86 Art. 295 EGV steht nach alledem einer Herleitung des Eigentumsgrundrechts als allgemeiner Rechtsgrundsatz durch den Gerichtshof nicht entgegen. 87 2. Schutzbereich
Eine abstrakte Begriffsdefinition des Eigentums findet sich in der Rechtsprechung des EuGH bisher nicht. 88 Der Gerichtshof hat jedoch seit der grundlegenden Hauer-Entscheidung89 unter Berücksichtigung des Art. I des Ersten Zusatzproto83 Pemice, Grundrechtsgehalte, S. 181 unter Verweis auf Ipsen, Europäisches Gemeinschaftsrecht, S. 729. 84 Frowein, Eigentumsschutz im Europarecht, S. 189; Burghardt, S. 71; Thiel, S. 274 m.w.N. 85 Wetter, S. 131 unter Verweis auf Röttinger, in: Lenz, EGV (1994), Art. 222 EGV (a. F.) Rn3. 86 Burghardt, S. 71; Thiel, S. 276; so im Ergebnis auch Pemice, Grundrechtsgehalte, S. 182. Ihm ist zuzustimmen, wenn er in diesem Zusammenhang bei der Bestimmung von Inhalt und Grenzen des gemeinschaftlichen Eigentumsschutzes die "Eigentumskompetenz" der Gemeinschaft aus den von den Mitgliedstaaten gemeinsam begründeten vertraglichen Aufgaben- und Kompetenzzuweisungen an ihre Organe herleitet (a. a. 0., S. 185). Allerdings geht er so weit, daß trotz Art. 222 EWGV das nationale Eigentum "gemeinschaftsrechtlich überlagert" und "originär mitgestaltet, mitbegrenzt und mitverwirklicht bzw. -erweitert" werden könne. Diese Inhaltsbestimmung nationaler Eigentumsgewährleistungen durch das Gemeinschaftsrecht erscheint jedoch allzu weitgehend. Vielmehr läßt sich die Effektuierung des gemeinschaftsrechtlichen Eigentumsschutzes auch durch die Konstruktion des Anwendungsvorranges des Gemeinschaftsrechts vor den nationalen Rechtsordnungen erreichen. 87 So auch Kingreen, in: Calliess / Ruffert, Art. 6 EUV Rn 96 und Art. 295 EGV Rn 4. 88 Siehe dazu näher Pemice/Mayer, in: Grabitz/Hilf, nach Art. 6 EUV Rn 148; Günter, S.33. 89 EuGH, Rs. 44/79, Sig. 1979, S. 3727 ff. (Hauer). Siehe dazu Colinet, La protection du droit de propriete dans la Communaute europeenne au travers de I'arret "Hauer" de la Cour
11. Bedeutung der Eigentumsfreiheit für den Immobilienerwerb
169
kolls zur EMRK sowie einiger mitgliedstaatlicher Verfassungsregelungen im Wege wertender Rechtsvergleichung bestimmte Fallgruppen entwickelt. 9o In der Literatur wird allgemein vertreten, daß als schutzfähige Positionen alle von der Rechtsordnung einem bestimmten Inhaber zugeordneten vermögenswerten Rechte in Betracht kommen. 91 Läßt man in gebotener Weise Art. 1 des 1. ZP zur EMRK in die Definition des gemeinschaftsrechtlichen Eigentumsbegriffes einfließen, so erstreckt sich der Eigentumsbegriff auf alle "wohlerworbenen" vermögenswerten Rechte und beinhaltet selbstverständlich auch das hier interessierende Grundstückseigentum. 92 Dieses wird in mehrfacher Hinsicht geschützt: a) Verfügungsbefugnis und Nutzung Die Hauer-Entscheidung betrifft den hier interessierenden Fall des Schutzes von Grundstückseigentum. Dieses wird in zweierlei Richtung geschützt: Zum einen gegen die Entziehung, zum anderen gegen Beschränkungen der Ausübung desselben. Der erste Fall meint einen - zumindest partiellen - Substanzverlust, der zweite Fall eine Nutzungsbeschränkung des Grundstücks. Der Eigentumsschutz bezieht sich also nicht nur auf den Bestand des Grundeigentums, sondern er umfaßt auch die Ausübung der mit dem Eigentum verbundenen Rechte, insbesondere die Befugnis des Grundstückseigentümers, über sein Eigentum zu verfügen. 93 Wird beispielsweise einem Grundstückseigentümer untersagt, seine Immobilie an einen de lustice des Communautes europeennes, du 13-12-1979, in: BieberlBleckmannlCapotorti (Hg.), Das Europa der zweiten Generation: Gedächtnisschrift für Christoph Sasse, 1981, S. 739 ff. 90 Mitunter wird in der Literatur vertreten, es handele sich bei den wirtschaftlichen Grundrechten, also auch der Eigentumsfreiheit, nicht um die Konzeption einer "Antwort auf besondere Freiheits- und Rechtsgefahrdungen", sondern lediglich um bestimmte Aspekte des Auffanggrundrechts der allgemeinen Handlungsfreiheit. Die wirtschaftlichen Grundrechte wären mangels abgegrenzter spezifischer Tatbestände und Schranken ohne eigenständige Bedeutung, vgl. Schilling, ARG, S. 12. 91 Kingreen, in: Calliess I Ruffert, Art. 6 EUV Rn 97 ff. Hinsichtlich des Art. 1 des 1. ZP zur EMRK zugrundeliegenden Eigentumsbegriffes ist zu beachten, daß sich diese Garantie ebenfalls auf alle verrnögenswerten Rechtspositionen bezieht und nicht an einen bloß technischen Eigentumsbegriff anknüpft, vgl. Frowein, Straßburger Grundrechtsschutz, S. 40 f. mit dem Hinweis auf die authentischen englischen und französischen Texte ("possessions" bzw. "biens"). 92 Schilling, Der EuGH, das Eigentum und das deutsche Recht, in: EuZW 1991, S. 310; speziell zur EMRK: Peukert, in: Froweinl Peukert, Art. I des 1. ZP zur EMRK Rn 4 mit Verweis auf E 7656/76, Wiggins . /. GB, DR 13,40 (46), in der die EKMR das Argument der britischen Regierung, nur bewegliches Eigentums sei geschützt, zurückgewiesen hat; Gelinsky, Der Schutz des Eigentums gemäß Art. 1 des Ersten Zusatzprotokolls zur Europäischen Menschenrechtskonvention, 1996, S. 23 f.; Müller-Michaels, Grundrechtlicher Eigentumsschutz in der Europäischen Union, S. 65. 93 Die aus der Eigentumsgarantie fließende Verfügungsbefugnis wird ausdrücklich genannt in Art. 17 Abs. I S. I der EU-Grundrechtscharta. Gleiches gilt für Art. I des I. ZP zur EMRK, vgl. Peukert, in: Frowein / Peukert, Art. I des I. ZP Rn 9; Villigel; Handbuch der Europäischen Menschenrechtskonvention, 2. Aufl., S. 442.
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D. Immobilienerwerb und Gemeinschaftsgrundrechte
Dritten, etwa an einen Ausländer, zu veräußern, ist er in seiner grundrechtlich geschützten Verfügungsbefugnis betroffen mit der Folge, daß dieser Eingriff einer besonderen Rechtfertigung bedarf. Die genannten Schutzrichtungen des Eigentumsgrundrechts kann allerdings nur derjenige beanspruchen, welcher bereits Eigentum an Grundstücken erworben hat. Ob das gemeinschaftliche Eigentumsgrundrecht darüber hinaus auch einen Anspruch auf den Erwerb von Grundeigentum beinhaltet, bedarf daher einer gesonderten Überprüfung. b) Erwerb / Erlangung eines Mindestfreiheitsraumes im vermögensrechtlichen Bereich Im Hinblick auf den Gegenstand der vorliegenden Untersuchung ist es natürlich vorrangig von Interesse, ob das gemeinschaftliche Eigentumsgrundrecht über den Schutz des bereits erworbenen Eigentums hinaus auch die Erwerbsmöglichkeit desselben umfaßt. Im Schrifttum wird diesbezüglich nahezu einhellig vertreten, daß das Eigentumsgrundrecht - in Abgrenzung zur Berufsfreiheit - Bestandsschutz, nicht aber Erwerbsschutz gewähre. 94 Geschützt werde allein das Ergebnis einer wirtschaftlichen Betätigung, während die Berufsfreiheit die Betätigung selbst, also auch den Erwerb des Eigentums schütze. Ein Recht zum Eigentumserwerb sei ebensowenig aus Art. I des 1. ZP zur EMRK abzuleiten. 95 Diese Auffassung deckt sich mit der Rechtsprechung der Konventionsorgane, denen zufolge das Eigentumsrecht nur für bereits bestehende Eigentumspositionen gilt. 96 Insbesondere treffe auch die Mitgliedstaaten der Konvention keine Verpflichtung zum Erlaß von Regelungen, welche den Erwerb des Eigentums und dessen Nutzung erst ermöglichen. Zwar beinhalte das Eigentum die Berechtigung, den Eigentumsgegenstand zum Zwecke finanzieller Investitionen und individueller Absicherung zu nutzen, daraus könne jedoch nicht der Anspruch auf die Existenz eines freien Marktes zur gewerblichen Nutzung des Eigentums abgeleitet werden. 97 Dies wird u. a. damit begründet, daß es nicht die Absicht der Konventionsgründer gewesen sei, den Schutz des Eigentums zu einem Anspruch auf Eigentum auszudehnen. 98 Dementsprechend bezieht sich auch das in Art. 17 Abs. 1 S. 1 des Entwurfes der EU94 Kingreen, in: Calliess/Rujjert, Art. 6 EUV Rn 95, 104; vgl. zu dieser Faustformel im deutschen Recht BVeifGE 88, S. 366, 377; Depenheuer, in: von Mangoldt/ Klein/ Starck, GG, Art. 14 Rn 99. 95 Peukert, in: Frowein/ Peukert, Art. 1 des I. ZP Rn 4 m. w. N.; Gelinsky, S. 23; Mittelherger, Der Eigentumsschutz nach Art. 1 des Ersten Zusatzprotokolls zur EMRK im Lichte der Rechtsprechung der Straßburger Organe, Bem, 2000, S. 14; Müller-Michaels, S. 65; Villiger, S. 442. 96 Vgl. z. B. E 11628/85, D.R. 47, 270; E 6776/74, D.R. 2,123 ff. 97 Nachweise bei Brandt, Eigentumsschutz in europäischen Völkerrechtsvereinbarungen, 1995, S. 107. 98 SO Z. B. E 6776/74, D.R. 2, 123; E 8724179, D.R. 20, 226.
11. Bedeutung der Eigentumsfreiheit für den Immobilienerwerb
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Grundrechtscharta festgeschriebene Eigentumsgrundrecht seinem Wortlaut nach lediglich auf "erworbenes" Eigentum. Zudem findet sich in der zweiten Rechtserkenntnisquelle zur Schöpfung allgemeiner Rechtsgrundsätze, den mitgliedstaatlichen Verfassungen, keine derartige Interpretation des Eigentumsgrundrechts. 99 Dennoch ergeben sich bei genauerer Analyse unterschiedliche Anknüpfungspunkte für einen weitergehenden Ansatz im Sinne eines vom Eigentum umfaßten, prinzipiellen Erwerbsrechts: (1) Erwerbsmöglichkeit als Voraussetzung der Institutsgarantie Zunächst läßt sich für eine zumindest prinzipielle Erwerbsmöglichkeit die auch aus der deutschen Grundrechtsdogmatik bekannte Institutsgarantie des Eigentumsgrundrechts anführen. So wird das Eigentum neben seiner Funktion als subjektives Recht auch als Rechtsinstitut gewährleistet. Dieses verbietet, solche Sachbereiche der Privatrechtsordnung zu entziehen, die zum elementaren Bestand grundrechtlich geschützter Betätigung im vermögensrechtlichen Sinne gehören. IOO Ziel ist insoweit die Gewährleistung von Freiheit im vermögensrechtlichen Bereich. Schon vor dem Hintergrund der historischen Entwicklung wird deutlich, daß gerade das Immobiliareigentum von jeher zum absoluten Kernbereich des Eigentumsgrundrechts gehört. Es ermöglicht vielfach erst eine weitergehende Grundrechtsausübung im vermögensrechtlichen Bereich. In einem liberalen Wirtschaftssystem, wie es auch auf Gemeinschaftsebene festgeschrieben ist, 101 stellt es oft die notwendige Ausgangsbasis für diejenigen Betätigungen dar, die dem einzelnen wirtschaftliche Selbständigkeit und eine damit einhergehende persönliche Freiheit I02 ermöglichen. Wenn nun aber der durch die Institutsgarantie zu gewährleistende Mindeststandard privatnützig zugeordneter Vermögensrechte lO3 Wirkung entfalten soll, darf die grundsätzliche Möglichkeit des Erwerbs von (Grund-)Eigentum nicht von vornherein ausgeschlossen werden. Denn denknotwendig hat der Schutz subjektiver Eigentumspositionen nur dann Sinn, wenn diese zuvor auch (rechtsgeschäftlich) erworben werden können. 104 99 Eine Ausnahme außerhalb der EU stellt lediglich die Schweiz dar, vgl. Mittelberger, S. 14 (Fn 64) m. w. N. Eine detaillierte rechtsvergleichende Studie über die Gewährleistungsinhalte der mitgliedsstaatlichen Verfassungen findet sich bei Günter, S. 50 ff. 100 Bzgl. Art. 14 des deutschen Grundgesetzes siehe BVeifG E 24, 367 (389); 50, 290 (339). 101 Vgl. die in Art. 2-4 EGV niedergelegten Grundsätze. 102 Den naturrechtlichen Gedanken, daß der Schutz des Eigentums Ausdruck des menschlichen Freiheitsanspruches ist und auch heute noch das allgemeine Völkerrecht prägt, betont Frowein, The Protection of Property, in: Macdonald u. a. (Hg.), The European System for the Protection of Human Rights, 1993, S. 515. 103 Zur Funktion der Institutsgarantie des Art. 14 GG als Mindeststandard und strikt zu beachtendes Untermaß verbot siehe Depenheuer, in: von Mangoldt! Klein! Starck, GG, Art. 14 Rn 91 f., der die Garantie allerdings auf die Sicherung vorhandener subjektiver Eigentumsrechte bezieht.
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D. Immobilienerwerb und Gemeinschaftsgrundrechte
(2) Berücksichtigung spezifisch gemeinschafts rechtlicher Zielsetzungen
Möglicherweise erlordert auch die Verwirklichung der in den Gründungsverträgen der EU / EG niedergelegten Zielsetzungen eine über den bloßen Schutz bereits erworbener Eigentumspositionen hinausgehende Schutzbereichsbestimmung des gemeinschaftlichen Eigentumsgrundrechts. Bei der Erörterung möglicher Grundrechtsbeschränkungen ist bereits festgestellt worden, daß sich die Gemeinschaftsgrundrechte in die Ziele und Strukturen der Gemeinschaft einfügen 105 und im Hinblick auf die gesellschaftliche Funktion der geschützten Rechtsgüter und Tätigkeiten lO6 erblickt werden müssen. Diese vom EuGH aufgestellten Grundsätze gelten aber nicht nur auf Ebene der Grundrechtsschranken, sondern sie erlangen auch für die Bestimmung der grundrechtlichen Schutzbereiche Bedeutung. Dem Gerichtshof kommt nämlich die Aufgabe zu, die in der Gemeinschaftsrechtsordnung verankerten Ziel vorgaben und Erlordernisse hinreichend zu berücksichtigen und in die Ausgestaltung der grundrechtlichen Schutzbereiche einfließen zu lassen. Für die Inhaltsbestimmung des Eigentumsgrundrechts bedeutet dies, daß insbesondere dessen wirtschaftliche Funktion innerhalb der Gemeinschajtsrechtsordnung zu beachten ist. Zum einen sichert das Eigentumsrecht den Vermögens be stand an sich. Dieser wiederum ist Voraussetzung für die Ausübung der umfassend geschützten allgemeinen Handlungsfreiheit, welche sich maßgeblich in der Ausübung wirtschaftlicher Betätigungen niederschlägt. Darüber hinaus spielt das Eigentum eine bedeutsame Rolle für das Erreichen des in Art. 2 EGV genannten Zieles der Hebung der Lebenshaltung und Lebensqualität innerhalb der Gemeinschaft. In der Literatur wird diesbezüglich vertreten, die beabsichtigte Hebung des Lebensstandards impliziere die Notwendigkeit des Erwerbs von Eigentum in weiten Kreisen der Bevölkerung. Daraus folge, daß auch die Eigentumsbildung durch die Gemeinschaftsrechtsordnung zu schützen sei. 107 Daher könne im Europäischen Gemeinschaftsrecht über den durch Art. 1 des 1. ZP zur EMRK gewährleisteten Schutz bereits erworbenen Eigentums hinaus ein Anspruch auf Eigentum insoweit angenommen werden, als ein solcher für die Verwirklichung der Ziele und Bedürlnisse des Art. 2 EGVerlorderlich sei. 104 Zu menschenrechtlichen Begründungen einer prinzipiellen Erwerbsmöglichkeit siehe Dicke, Zur Begründung eines Menschenrechts auf Eigentum, in: EuGRZ 1982, S. 361 ff. Seiner Ansicht nach dient das Privateigentum vorrangig der Existenzsicherung menschlicher Gemeinschaften gegen den Einfluß des Öffentlichen. Privates Eigentum ermögliche die Entfaltung eines Privat- und Familienlebens im Sinne einer "Behausung" des Menschen. Dieser Sinngehalt würde zerstört, wenn einzelnen oder Gruppen von Menschen die Möglichkeit des Eigentumserwerbs gänzlich verwehrt würde oder der Staat sich zum Gesamteigentümer aufschwänge und jegliches Privateigentum öffentlicher Kontrolle unterzöge. 105 EuGH, Rs. 11/70, Sig. 1970, S. 1135 Rn 4 (Internationale Handelsgesellschaft). 106 EuGH, Rs. 5/88, Sig. 1989, S. 2639 Rn 18 (Wachauf). 107 Brandt, S. 182 f. unter Verweis auf Feger; Die Grundrechte im Recht der EG, S. 153 und Pemice, Grundrechtsgehalte, S. 194 ff.
11. Bedeutung der Eigentumsfreiheit für den Immobilienerwerb
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Diesen Ausführungen ist grundsätzlich zuzustimmen. Die besonderen gemeinschaftlichen Zielsetzungen erfordern unter Umständen eine andere Gewichtung der Grundrechte auf Gemeinschaftsebene als auf Ebene der Mitgliedstaaten oder im Rahmen der EMRK und ihres Ersten Zusatzprotokolls. 108 Dementsprechend beruft sich auch der EuGH nicht ausschließlich auf die EMRK, sondern berücksichtigt diese immer nur vor dem Hintergrund der gesamten Gemeinschaftsrechtsordnung. In diesem Zusammenhang ist zu beachten, daß es sich sowohl bei der EMRK als auch bei den nationalen Verfassungsordnungen der Mitgliedstaaten lediglich um einzelne Rechtserkenntnisquellen handelt, aus denen der EuGH gemäß Art. 220 EGV die Gemeinschaftsgrundrechte als allgemeine Rechtsgrundsätze schöpft. So sehr sich der Gerichtshof bei dieser Aufgabe an den jeweiligen Rechtserkenntnisquellen zu orientieren hat, so wenig dürfen diese einer eigenständigen Entwicklung der Gemeinschaftsgrundrechte im Wege stehen, wenn Aufgaben und Ziele der Gemeinschaft dies im Einzelfalle erfordern. Der Einfluß der EMRK darf sich bei der Interpretation gemeinschaftlicher Grundrechte nicht als Hemmschuh der Integration erweisen. Um dies zu vermeiden und den Anforderungen einer autonomen und dynamischen Unionsrechtsordnung gerecht zu werden, dürfen die materiellen Gewährleistungen der EMRK lediglich als ein von der EU zu beachtender Mindeststandard,109 nicht aber als Grenze einer möglichen Entwicklung der Gemeinschaftsgrundrechte angesehen werden. Es ist dem EuGH deshalb ohne weiteres möglich, über den durch Art. I des 1. ZP gewährleisteten Schutz hinauszugehen und auch den Erwerb von Eigentum dem Schutzbereich des gemeinschaftlichen Eigentumsgrundrechts zu unterstellen. Dies kann sich zum Zwecke der Verwirklichung gemeinschaftlicher Zielsetzungen als notwendig erweisen. Für eine Erstreckung des Schutzbereichs auf Möglichkeiten des Eigentumserwerbs sprechen gute Gründe: Zum einen erfordern wirtschaftliche Zielsetzungen, wie die Hebung des gemeinschaftlichen Lebensstandards, die grundsätzliche Möglichkeit der Eigentumsbildung. Zum anderen ist die Möglichkeit des Erwerbs von Eigentum im allgemeinen und von Grundeigentum im besonderen für zwei Kernbereiche der Gemeinschaft von herausragender Bedeutung: Dies betrifft sowohl die Errichtung des Gemeinsamen Marktes, einschließlich der Ausübung der Grundfreiheiten, als auch die Realisierung einer freien Wettbewerbswirtschaft (vgl. Art. 2 ff. EGV). (3) Erweiterung des Art. 1 des Ersten Zusatzprotokolls zur EMRK durch Art. 14 EMRK
Wie bereits ausgeführt, gewährleistet die konventionsrechtliche Eigentumsgarantie des Art. 1 des 1. ZP zur EMRK für sich betrachtet kein Recht auf Eigen108 Bezogen auf Abweichungen zu den mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen vgl. Brandt, S. 17S m. w. N. zur Lit. 109 Grabenwarter, EMRK, S. 31, 38 unter Hinweis auf die Art. S2 und S3 der (mangels Ratifikation derzeit noch nicht rechtswirksamen) EU-Grundrechtscharta, wonach ein gegenüber der EMRK weitergehender Schutz durch das Unionsrecht unberührt bleiben soll.
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D. Immobilienerwerb und Gemeinschaftsgrundrechte
turnserwerb. Gleichwohl stellt sich die Frage nach der Möglichkeit des Erwerbs von Grundeigentum unter einem ganz speziellen Gesichtspunkt: Für den Fall nämlich, daß speziell Ausländer durch nationale Regelungen von der für Inländer allgemein bestehenden Möglichkeit des Immobilienerwerbs ausgeschlossen werden, ist problematisch, ob derartige Diskriminierungen mit der konventionsrechtlichen Eigentumsgarantie des Art. J des J. ZP zur EMRK i. V. m. dem Diskriminierungsverbot des Art. 14 EMRK zu vereinbaren sind. Gemäß Art. 14 EMRK ist der Genuß der in der Konvention festgelegten Rechte und Freiheiten ohne Benachteiligung zu gewährleisten, die sich insbesondere auf die nationale Herkunft oder einen sonstigen Status gründet. 110 Die Regelung ist zwar nicht als allgemeines Gleichheitsgebot zu verstehen, sie verbietet aber eine Diskriminierung im Rahmen der in den übrigen Vorschriften der Konvention und ihrer Zusatzprotokolle enthaltenen Rechte und Freiheiten. Art. 14 EMRK stellt in seiner Eigenschaft als integraler Bestandteil der übrigen materiellen Konventionsnormen lll praktisch eine Ergänzung derselben dar. Dadurch wird deren Schutzbereich erweitert. Eine Verletzung kommt dann bei allen Maßnahmen in Betracht, die den so erweiterten Schutzbereich der einschlägigen Norm berühren, auch wenn sie keinen durch einen Vorbehalt gedeckten oder ungedeckten Eingriff in das in Frage stehende Recht per se darstellen. 1I2 Nach Auffassung der Konventionsorgane kann selbst in den Fällen, in denen ein Staat einer bestimmten Personengruppe eine Begünstigung gewährt, die von der Konvention nicht gefordert wird, eine gegen Art. 14 EMRK verstoßende Diskriminierung vorliegen, wenn nämlich diese Personengruppe im Verhältnis zu einer anderen günstiger behandelt wird. 113 Danach erscheint es zumindest nicht ausgeschlossen, daß ein solcher Fall im Zusammenhang mit Art. 1 des 1. ZP auch dann gegeben ist, wenn ein Staat eigenen Staatsangehörigen das Recht zum Immobilienerwerb einräumt, speziell ausländische Staatsangehörige aber von dieser Möglichkeit ausschließt. Bei wertender Betrachtung erscheint nämlich die Lage ausländischer Staatsangehöriger im Hinblick 110 Zu beachten ist, daß Art. 14 EMRK nicht nur auf der Ebene des Schutzbereichs sondern gerade auch bei an sich zulässigen Einschränkungen der Konventionsrechte von Bedeutung ist. Der EGMR vertritt insoweit die Auffassung, daß Art. 14 zwar keine selbständige, von den übrigen normativen Vorschriften der Konvention losgelöste Bedeutung zukomme, die Anwendbarkeit der Regelung jedoch nicht von der Verletzung einer Konventionsgarantie abhängig sei. So könne eine Maßnahme, welche für sich betrachtet den Erfordernissen einer bestimmten Konventionsnorm entspreche, dennoch gegen jene Norm in Verbindung mit Art. 14 verstoßen, weil sie im Ganzen gesehen diskriminierend sei, vgl. Peukert, in: Frowein/ Peukert, EMRK, Art. 14 Rn 2. 111 Die Einordnung des Art. 14 EMRK als integraler Bestandteil der übrigen materiellen Konventionsnormen erfolgt ungeachtet der Natur derselben, d. h. sowohl in Fällen, in denen die Einhaltung der Konvention von den Mitgliedstaaten ein positives Tun als auch ein bloßes Unterlassen von Eingriffen verlangt, vgl. Peukert, in: Frowein/ Peukert, EMRK, Art. 14 Rn 1,2. 112 Peukert, in: Frowein/ Peukert, EMRK, Art. 14 Rn 9. 113 So in GH 94, S. 42 ff. Ziff. 82 (Abdulaziz u. a.) = EuGRZ 1985, S. 572; Nachweis bei Peukert, in: Frowein/ Peukert, EMRK, Art. 14 Rn 13.
11. Bedeutung der Eigentumsfreiheit für den Immobilienerwerb
175
auf den Eigentumserwerb durchaus mit derjenigen von Inländern vergleichbar. Eine solche vergleichbare Lage reicht für die Anwendbarkeit des Art. 14 EMRK aus, da für eine unterschiedliche Behandlung im Sinne des konventionsrechtlichen Diskriminierungsverbotes nicht vorausgesetzt wird, daß identische Situationen ungleich geregelt werden. Vielmehr ist insoweit kein allzu strenger Maßstab anzulegen. 114 Der EGMR hatte sich schon einmal mit den Auswirkungen des Art. 14 EMRK auf Art. 1 des 1. ZP und einem möglicherweise daraus ableitbaren Recht auf Eigentumserwerb zu befassen. In dem Fall/nze l15 wurde eine Regelung des Kärntner Erbhöfegesetzes, wonach Bauernhöfe ungeteilt auf einen Erben überzugehen haben und bei gesetzlicher Erbfolge eheliche Abkömmlinge als Anwärter auf diesen Erbteil gegenüber unehelichen Abkömmlingen bevorzugt werden, als Verletzung des Art. 1 des 1. ZP i. V. m. Art. 14 EMRK qualifiziert. Zwar war in diesem Falle die Erbschaft bereits angefallen. 116 Nichtsdestoweniger ging es um solche Güter, welche das Kind gemäß der nationalen Gesetzgebung nicht geerbt hatte und die es daher zu Eigentum erwerben wollte. 117 Obwohl es sich also um Güter handelte, deren Erwerb dem unehelichen Kinde von vornherein versagt wurde und die es dementsprechend auch nicht nutzen konnte, bezog der EGMR sie in den Schutzbereich des Art. 1 des 1. ZP i. V. m. Art. 14 EMRK ein. Auch wenn man an der Idee festhalten möchte, daß Art. 1 des 1. ZP zumindest im Prinzip kein Recht auf den Erwerb von Eigentum garantiert, wird man unter Berücksichtigung der Konventionsrechtsprechung die Regelung im Lichte des Art. 14 EMRK dahingehend interpretieren können, daß das Recht auf den Zugang zu Eigentum unter bestimmten Voraussetzungen selbst als ein Art. 1 des 1. ZP unterfallendes Gut angesehen werden kann. 118 Im Schrifttum werden diesbezüglich drei Voraussetzungen genannt: Zum einen muß es sich bei dem Gegenstand (Sache oder Recht) um die Verkörperung eines ökonomischen Interesses bzw. um einen wirtschaftlichen Wert handeln. Zudem muß dieser Wert in einer aktuellen und grundsätzlich unbedingten Weise realisierbar sein, d. h., es darf sich nicht 114 Peukert, in: Froweinl Peukert, EMRK, Art. 14 Rn 19 mit dem Hinweis, daß geringen tatbestandlichen Unterschieden auch im Rahmen der Rechtmäßigkeitsprüfung der unterschiedlichen Behandlung Rechnung getragen werde könne. 115 GH 126, S. 17 ff. 116 Darin liegt der wichtige Unterschied zu dem Fall Marckx (GH 31, S. 16 = EuGRZ 1979, S. 454 ff.), wo der EGMR festgestellt hatte, daß das Erbrecht eines Kindes den Schutzbereich des Art. 8 EMRK (Achtung des Privat- und Familienlebens), nicht aber des Art. I des 1. ZP berühre. 117 Vgl. dazu auch Condorelli, in: Pettitil Decauxllmbert, S. 978. Irreführend ist die Ausführung Peukerts, in: Froweinl Peukert, EMRK, Art. 14 Rn 49, der meint, der Beschwerdeführer habe bereits ein anteilmäßiges Eigentumsrecht am noch ungeteilten Nachlaß erworben. Das Eigentum am Bauernhof wird vielmehr erst durch die nachfolgende gerichtliche Verfügung übertragen, bis dahin besteht allenfalls eine Anwartschaft der ehelichen Erben. Daran ändert sich auch durch eine finanzielle Ausgleichspflicht des späteren Hoferben gegenüber anderen (unehelichen) Erben nichts. 118 Condorelli, in: PettitilDecauxllmbert, S. 979.
176
D. Immobilienerwerb und Gemeinschaftsgrundrechte
lediglich um die bloße Hoffnung des Erwerbes, wie etwa im Falle einer noch nicht angefallenen Erbschaft, handeln. Schließlich muß das Objekt des wirtschaftlichen Interesses klar abgegrenzt und identifizierbar sein. Diese Voraussetzungen werden beim rechts geschäftlichen Erwerb einer Immobilie klar erfüllt: Ein Grundstück verkörpert einen wirtschaftlichen Wert, der auf dem freien Markt prinzipiell unbedingt 119 erworben werden kann und der eindeutig abgrenzbar und identifizierbar ist. Insoweit kann das Recht zum Erwerb von Grundeigentum also auch unter die Regelungen der Konvention fallen. Dies hat dann zur Folge, daß auch das Diskriminierungsverbot des Art. 14 EMRK seine volle Wirkung entfalten kann. Dementsprechend hält auch eine neuere Ansicht des Schrifttums eine zukünftige Kontrolle nationaler Regelungen, welche beispielsweise Ausländer vom Immobilienerwerb ausnehmen, am Maßstab der Konvention durchaus für möglich. 120 Man wird deshalb aus guten Gründen vertreten können, daß sich der durch Art. 14 EMRK erweiterte Schutzbereich des Art. 1 des 1. ZP zumindest dann auch auf den Immobilienerwerb erstreckt, wenn dieser in prinzipieller Weise gewährleistet wird und lediglich bestimmte Gruppen, wie etwa Ausländer, davon ausgenommen werden. Eine solche Ausnahme ist allerdings nicht von vornherein ausgeschlossen, sondern bedarf einer besonderen, objektiven Rechtfertigung. Es bleibt diesbezüglich die weitere Fortentwicklung der Konventionsrechtsprechung sowie deren etwaige Übernahme durch den EuGH abzuwarten. 3. Schranken und Schranken-Schranken
In der Hauer-Entscheidung suchte der EuGH die Beantwortung der Frage nach zulässigen Beschränkungen des Eigentumsrechts noch den gemeinsamen Verfassungskonzeptionen der Mitgliedsstaaten sowie Art. 1 Abs. 2 des 1. ZP zur EMRK zu entlehnen. 121 Ausweislich der späteren Rechtsprechung stellt diese Entscheidung aber keinen Präzedenzfall für die Herleitung der Schranken aus jenen Rechtserkenntnisquellen dar. 122 Vielmehr geht der Gerichtshof in seiner jüngeren Rechtsprechung von für die wirtschaftlichen Grundrechte einheitlich geltenden Beschränkungsmöglichkeiten aus, ohne etwa spezifische Unterschiede zwischen Eigentum und Berufsfreiheit herauszukristallisieren. Zwar läge es in der Konsequenz der vom Gerichtshof selbst entwickelten Methode richterlicher Rechtschöpfung, im Wege wertender Rechtsvergleichung zu untersuchen, ob und inwieweit das Eigentum im Hinblick auf seine soziale Funk119 Die Tatsache, daß eigene Staatsangehörige in aller Regel eine finanzielle Gegenleistung zu erbringen haben, stellt keine Bedingung des dinglichen Erwerbsgeschäftes dar. 120 Condorelli, in: Pettitil Decauxllmbert, S. 979. 121 EuGH, Rs. 44/79, Slg. 1979, S. 3745 Rn 17. 122 Schilling, ARG, S. 12 m. w. N.
III. Bedeutung der Berufsfreiheit für den Immobilienerwerb
177
tion in den einzelnen Mitgliedstaaten 123 beschränkbar ist und welche öffentlichen Belange und Interessen dabei heranzuziehen sind. Diese in der Hauer-Entscheidung noch erfolgte, detaillierte Auseinandersetzung mit mitgliedsstaatlichen Beschränkungsmöglichkeiten ist aber bisher ein Einzelfall geblieben. Den Schwerpunkt in der Rechtsprechung des Gerichtshofes bildet die Heranziehung der dem allgemeinen Wohl der Gemeinschaft dienenden Ziele sowie, im Sinne von Schranken-Schranken, allgemeiner Verhältnismäßigkeitserwägungen und der Wesensgehaltsgarantie. 124
Als mögliche Rechtfertigungsgründe für Einschränkungen des Immobilienerwerbs können beispielsweise raumordnungspolitische Erwägungen oder Gründe des Umweltschutzes in Betracht kommen. Spezielle Einschränkungen für Ausländer könnten auch auf sicherheitspolitische Aspekte gestützt werden, wobei der Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes eine gewichtige Bedeutung zukommen muß. 125 III. Bedeutung der Berufsfreiheit für den Immobilienerwerb
Der EuGH hat in mehreren Entscheidungen 126 auch das Grundrecht der Berufsfreiheit bzw. der wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit 127 grundsätzlich anerkannt. Im Hinblick auf die Möglichkeiten des Immobilienerwerbs ist vor allem an Konstellationen zu denken, in denen der Erwerb eines Grundstücks (und evtl. die anschließende Veräußerung) zum Gegenstand einer wirtschaftlichen, der Bestreitung des Lebensunterhalts dienenden Tätigkeit wird oder sich als eine unabdingbare Voraussetzung für die Verfolgung einer solchen Betätigung darstellt. Neben dem reinen Handel mit Grundstücken fällt hierunter auch der Grundstückserwerb zwecks Errichtung eines Gewerbebetriebes. 128 123 Günter; S. 44; Thiel, S. 280; Rengeling, Grundrechtsschutz in der Europäischen Gemeinschaft, S. 42: "Schranken gemäß den Verfassungskonzeptionen der Mitgliedstaaten"; vgl. EuGHin der Rs. 44/79, a. a. 0., S. 3746 Rn 20 (Hauer). 124 Mangels ausdrücklicher Anknüpfung an mitgliedsstaatliche Einschränkungsmöglichkeiten wird im Schrifttum mitunter vertreten, daß der Gerichtshof der Methode wertender Rechtsvergleichung nicht mehr gerecht werde, vgl. Günter; S. 45 m. w. N. 125 Zu weiteren möglichen Rechtfertigungsgründen für Einschränkungen des Immobilienerwerbs siehe die diesbezüglichen Ausführungen zu den Grundfreiheiten bei C. 126 EuGH, Rs. 4/73, Sig. 1974, S. 491 ff. (Nold); zum Grundrecht der "freien Berufsausübung" vgl. Rs. 44/79, Sig. 1979, S. 3727 ff. (Hauer). 127 Der EuGH benutzt beide Begriffe nahezu synonym, vgl. EuGH, verb. Rs. C-143/88 und C-92/89, Sig. 1991, S. 1-552 Rn 72 (Zuckerfabrik Süderdithmarschen). Nach Ansicht Günters, S. 23 liegt der Schwerpunkt der wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit auf einer "spezifisch unternehmerischen" Betätigung und nicht auf einer allgemeinen beruflichen Betätigung. Hierbei handele es sich aber nicht um eine gegensätzliche, sondern um eine eher graduelle Abstufung, welcher kaum praktische Relevanz beizumessen sein dürfte. 128 Es handelt sich also prinzipiell um Interessenkonstellationen, wie sie auch den Grundfreiheiten zugrunde liegen.
12 Hubatsch
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D. Immobilienerwerb und Gemeinschaftsgrundrechte
1. Schutzbereich
Eine Definition der Berufsfreiheit durch den Gerichtshof erfolgte bisher noch nicht. Als grundlegender Wegbereiter dieses Grundrechts kommt wiederum die Rechtssache Hauer in Betracht, wo der EuGH zwischen Berufsaufnahme und Berufsausübung unterschieden und beiden Komponenten Schutz gewährt hat. 129 Beide Bestandteile stehen in einem sogenannten "Mittelbarkeitsverhältnis", in welchem der Berufsausübung ein geringeres Schutzniveau zukommt, als der Berufswahl. 130 Kaufmännische Interessen oder bloße Gewinnaussichten werden nach der Rechtsprechung allerdings nicht erfaßt. 131 Andererseits bezog der Gerichtshof in der Entscheidung Neu 132 die freie Wahl des Geschäftspartners als besonderen Ausdruck der Berufsausübung in den Anwendungsbereich des Grundrechts ein. Der Erwerb von Grundstücken wird insoweit von der Berufsfreiheit umfaßt, als er für die Ausübung einer gewerblichen Tätigkeit vonnöten ist. Zu denken ist hier an Immobiliengeschäfte aller Art, etwa an die Weiterveräußerung zu Spekulationszwecken, die Vermietung oder Verpachtung, aber auch den Erwerb zum Zwecke der Errichtung eines eigenen Gewerbebetriebes. Der Erwerb eines Grundstücks zu privaten Wohnzwecken ist davon jedoch nicht erfaßt, da es sich hierbei nicht um eine wirtschaftliche Betätigung handelt, die unmittelbar der Bestreitung des Lebensunterhalts dient. 2. Abgrenzung zum Eigentumsgrundrecht
In der Rechtssache Hauer prüfte der Gerichtshof die beiden Grundrechte Eigentum und Berufsfreiheit nebeneinander im Sinne einer Idealkonkurrenz. 133 Diese sind somit, soweit ihr Schutzbereich eröffnet ist, beide zu prüfen, ohne daß dabei einem von ihnen ein Vorrang einzuräumen wäre. Der Schwerpunkt der Berufsfreiheit liegt dabei auf der Ausübung einer spezifischen wirtschaftlichen Tätigkeit als Selbstständiger oder auch abhängig Beschäftigter. 134 Der Schutzbereich des Eigentumsrechts ist insofern weitergehend, als er private Vermögenswerte nicht nur vor der Beeinträchtigung ihrer Substanz sowie die diesbezügliche Nutzungsund Verfügungs gewalt schützt, sondern - wie hier vertreten - auch den der reinen 129 Diese Unterscheidung zwischen Berufswahl und Berufsausübung wurde seitdem beibehalten, vgl. EuGH, Rs. 116/82, Slg. 1986, S. 2519 ff. (Kommission/Deutschland). 130 Günter; S. 17. 131 EuGH, Rs. 4173, Slg. 1974, S. 507 ff. (Nold). 132 EuGH, verb. Rs. C-90 und 91/90, Slg. 1991, S. 1-3638 Rn 13; bestätigt in Rs. 307/91, Slg. 1993, S. 1-6835 Rn 14 (Luxlait). \33 Das zwanglose Nebeneinander beider Grundrechte führt allerdings zu systematischen Unschärfen und erschwert nach Ansicht des Schrifttums die Vorhersehbarkeit zukünftiger Grundrechtsrechtsprechung, vgl. Günter; S. 15. 134 Die dem EuGH bisher vorgelegten Fälle betrafen - soweit ersichtlich - ausschließlich selbstständige Tätigkeiten. Daraus läßt sich aber noch nicht schließen, daß unselbstständige Tätigkeiten nicht in den Schutzbereich der Berufsfreiheit fielen, vgl. Günter; S. 18.
III. Bedeutung der Berufsfreiheit für den Immobilienerwerb
179
Vennögensbildung dienenden Erwerb umfaßt. Sieht man die zumindest prinzipielle Möglichkeit des Eigentumserwerbes als ebenfalls vom Eigentumsgrundrecht erfaßt an, läßt sich dieses Recht im Verhältnis zur Berufsfreiheit als allgemeineres Auffanggrundrecht charakterisieren. 3. Schranken und Schranken-Schranken
Vergleichbar den Beschränkungsmöglichkeiten des Eigentums unterliegt auch die Berufsfreiheit bzw. die Freiheit wirtschaftlicher Betätigung sowohl Schranken gemäß den gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedsstaaten als auch spezifisch gemeinschaftsrechtlichen Grundrechtsbeschränkungen. 135 Demzufolge ist die Berufsfreiheit im Hinblick auf die soziale Funktion der geschützten Tätigkeit in den einzelnen Mitgliedsstaaten zu sehen und steht unter dem Vorbehalt von Einschränkungen im öffentlichen Interesse. 136 In der Praxis läßt der Gerichtshof den nationalen Beschränkungsmöglichkeiten allerdings nur sehr selten eine erkennbare Bedeutung zukommen und führt überwiegend gemeinschaftsspezifische Schranken an. Im Bereich des Grunderwerbs ist hier etwa an Belange der Raumordnung, des Boden- und Umweltschutzes oder sonstiger integrationspolitischer Zielsetzungen zu denken. Als Schranken-Schranken der Berufsfreiheit lassen sich wiederum das Verhältnismäßigkeitsprinzip sowie die Wesensgehaltsgarantie anführen, wobei insoweit auf die allgemeinen Ausführungen zu den Grundrechtsschranken verwiesen werden kann. 4. Zusammenfassung
Der Schutzbereich des gemeinschaftlichen Eigentumsgrundrechts umfaßt nach hier vertretener Auffassung nicht nur den Schutz des bereits Erworbenen, sondern er erstreckt sich auch auf die prinzipielle Möglichkeit des (Grundstücks-)Erwerbs. Dafür sprechen neben der Institutsgarantie des Eigentums, welche den Erwerb logischerweise voraussetzt, vor allem diverse integrationspolitische Erwägungen, wie etwa die Hebung des allgemeinen Lebensstandards innerhalb der EU. In diesem Zusammenhang muß es dem Europäischen Gerichtshof möglich sein, die inhaltliche Ausgestaltung der Gemeinschaftsgrundrechte den unterschiedlichen Zielsetzungen der Verträge gemäß vorzunehmen. Einzelne Rechtserkenntnisquellen, wie etwa Art. 1 des 1. ZP zur EMRK, stehen einer solchen autonomen Rechtsschöpfung nicht entgegen. Sie begründen lediglich einen grundrechtlichen Mindeststandard, der von den Gemeinschaftsorganen und den Mitgliedstaaten nicht 135 Siehe zu dieser systematisch konsequenten Unterscheidung zwischen Schranken der mitgliedsstaatlichen Verfassungen und spezifisch gemeinschaftsrechtlichen Grundrechtsgrenzen Rengeling, Grundrechtsschutz in der Europäischen Gemeinschaft, S. 42 f.; Günter; S. 24. 136 EuGH, Rs. 4/73, Sig. 1974, S. 507 Rn 14 (Nold).
12*
180
D. Immobilienerwerb und Gemeinschaftsgrundrechte
unterschritten werden darf. Ein Recht auf den Erwerb von Grundstücken läßt sich unter bestimmten Voraussetzungen auch auf Art. 1 des 1. ZP i. V. m. Art. 14 EMRK gründen. Dies betrifft namentlich diejenigen Fälle, in denen das Recht auf Grunderwerb eigenen Staatsangehörigen uneingeschränkt gewährt wird, speziell Ausländer aber von dieser Gewährleistung ausgeschlossen werden. Die bisherige Fortentwicklung des Eigentumsgrundrechts durch die Straßburger Konventionsorgane läßt eine solche materielle Erweiterung des Art. 1 des I. ZP jedenfalls nicht ausgeschlossen erscheinen. Auch im Rahmen der Berufsfreiheit bzw. der Freiheit wirtschaftlicher Betätigung fallt der berufsmäßige Erwerb von Immobilien in den Schutzbereich des Grundrechts. Dies betrifft zumindest die Fälle, in denen der Erwerb selbst Gegenstand einer beruflichen Tatigkeit ist oder das Grundstück zur Ausübung einer bestimmten wirtschaftlichen Betätigung benötigt wird. Auf der Schrankenebene sind allerdings weitgehende Einschränkungen dieser Freiheitsrechte im öffentlichen Interesse möglich. Speziell im Hinblick auf den Immobilienerwerb kann es sich hier etwa um Belange des Boden- und Umweltschutzes oder der Raumordnung handeln.
E. Immobilienerwerb außerhalb wirtschaftlicher Betätigung Der folgende Teil der Untersuchung befaßt sich mit der Erörterung der Möglichkeiten, auch außerhalb einer rein wirtschaftlichen Betätigung in einem anderen Mitgliedstaat Grundeigentum erwerben zu können. Es geht hier - im Gegensatz zu den Grundfreiheiten und Grundrechten - nicht um diejenigen Fälle, in denen der Grundstückserwerb der Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit dient bzw. für diese Voraussetzung ist. Vielmehr steht in dem hier zu erörternden Zusammenhang die politische Integration des Individuums innerhalb der Union im Vordergrund, wirtschaftspolitische Zielsetzungen spielen dabei eine eher untergeordnete Rolle. Zum besseren Verständnis dieser unterschiedlichen integrationspolitischen Zielsetzungen soll zunächst etwas näher auf die stetig an Tiefe gewinnende Integration des einzelnen innerhalb der Union eingegangen werden, um sich vor diesem Hintergrund dann mit den konkreten Möglichkeiten des Liegenschaftserwerbs zu befassen.
I. Stetige Vertiefung der Integration des Individuums innerhalb der Europäischen Union Vorrangige Zielsetzung sowohl der Freizügigkeitsregelungen als auch des freien Kapitalverkehrs ist die wirtschaftliche Integration der Mitgliedstaaten. Mittels den Wirtschaftsteilnehmern eingeräumter Mobilitätsrechte sowie einer grundsätzlich ungehinderten Errnöglichung von Investitionen sollen die wirtschaftlichen Ressourcen in den Mitgliedstaaten in bestmöglicher Weise genutzt werden. Durch eine optimierte Auslastung der Produktions stätten soll letztendlich der allgemeine Wohlstand innerhalb der Gemeinschaft gefördert werden. Wanderarbeitnehmer und Selbständige werden demzufolge von den Vertrags vorschriften überwiegend in ihrer Funktion als " Produktionsfaktor Arbeit" betrachtet. l In diese rein ökonomischen Zielsetzungen reihen sich auch die grundfreiheitlich gewährten Immobilienerwerbsrechte ein. Der Grunderwerb ist dort stets an die Ausübung einer wirtschaftlichen Betätigung geknüpft. Er dient einzig dazu, die Verwirklichung der Grundfreiheiten in bestmöglicher Weise zu gewährleisten und zu fördern, indem die grundfreiheitlich Berechtigten auch in diesem Bereich den Inländern gleichgestellt werden. I
Oppermann, § 25 Rn 2 f.
182
E. Immobilienerwerb außerhalb wirtschaftlicher Betätigung
Allgemein ermöglichten die Marktfreiheiten und der ihnen immanente Grundsatz der Inländergleichbehandlung bezüglich der Ausübung der jeweiligen wirtschaftlichen Betätigung den Wanderarbeitnehmern und Selbständigen in verstärktem Maße eine dauerhafte Eingliederung in die Arbeitswelt des Aufnahmelandes. Mit zunehmender Verlangsamung der Wanderungsbewegungen innerhalb der Gemeinschaft und dem daraus resultierenden dauerhaften Verbleib der Freizügigkeitsberechtigten im aufnehmenden Mitgliedstaat rückten jene zunehmend als nicht mehr nur im beruflichen Bereich gleichzustellende "Marktbürger", sondern als darüber hinaus politisch und sozial zu integrierende Unionsbürger ins Blickfeld. 2 Besonders sichtbar wurde diese Entwicklung erstmals im Vertrag von Maastricht (1992) durch Einführung der sogenannten Unionsbürgerschaft (Art. 17 ff. EGV n. E). Diese räumt sämtlichen Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten einzelne bürgerliche und politische Rechte ein. Die Entwicklung der EG von einer reinen Wirtschaftsgemeinschaft hin zu einem "Europa der Bürger,,3 läßt sich nach dem bisherigen Untersuchungsstand zumindest ansatzweise auch im Bereich des Immobilienerwerbs erkennen. Zwar ist die Einräumung von Grunderwerbsrechten im Rahmen der Grundfreiheiten zwangsläufig an die Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit gekoppelt und dient damit der Verwirklichung des Binnenmarktes. Es wurde jedoch bereits in diesem Bereich deutlich, daß dem ursprünglich als reiner Produktionsfaktor angesehenen "Marktbürger" zunehmend auch solche Rechtspositionen eingeräumt werden, welche seiner wirtschaftlichen Aktivität lediglich mittelbar dienen, die jedoch keine unabdingbare Voraussetzung für deren Verwirklichung darstellen. Dies ist nicht nur beim Zugang zu gewissen sozialen Vergünstigungen der Fall, sondern gilt gerade auch für das Recht zum. Erwerb von Zweitwohnsitzen zu Freizeit- und Erholungszwecken. Primär steht dabei zwar die Wiederherstellung der Arbeitskraft im Vordergrund, jedoch wird der Wirtschaftsteilnehmer dadurch zugleich im Aufnahmeland stärker eingegliedert und verwurzelt. Im Hinblick auf diese Entwicklung, welche allgemein durch eine sich stetig vertiefende Integration der EG-Bürger auf gesellschaftlichem und allgemeinpolitischem Gebiet geprägt ist, fragt sich nun, ob die Möglichkeit des Grunderwerbs auch außerhalb rein wirtschaftlicher Betätigung bestehen kann. Dies bedeutete - auch gegenüber dem Zweitwohnungserwerb zu Freizeit- und Erholungszwecken - eine andere Qualität der Grunderwerbsrechte. Diese wären nicht mehr bloß ein Mittel zum Zweck der Förderung wirtschaftlicher Aktivitäten des Grund2 Dies zeigt sich beispielhaft daran, daß der EuCH den Begriff der "sozialen Vergünstigung" in Art. 7 Abs. 2 der VO 1612/68/ EWG von einer notwendigen Verbindung mit einem Arbeitsvertrag löste. Darüber hinaus räumen die Art. 10 ff. der VO auch Familienangehörigen der AN gewisse Rechte ein. Schließlich zeigt die seit dem Maastrichter Unionsvertrag von 1992 eingeführte, unten noch näher zu behandelnde Unionsbürgerschaft, daß der Status von Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten zunehmend um allgemeine bürgerliche und politische Rechte erweitert wird. 3 Siehe dazu ausführlicher Oppermann, § 24 Rn 1 ff.
II. Allgemeine Aufenthaltsregelungen
183
stückserwerbers, sondern dienten der Verwirklichung des weitergehenden Zieles einer möglichst umfassenden Möglichkeit zur Entfaltung materieller Freiheitsräume des einzelnen, der gegenseitigen sozialen Durchdringung innerhalb der Gemeinschaft sowie einer möglichst umfassenden Eingliederung des Erwerbers in den jeweiligen Mitgliedstaat. Im Fortgang der Untersuchungen richtet sich der Blick deshalb vornehmlich auf diejenigen gemeinschaftsrechtlichen Regelungen, welche allgemeine Freizügigkeits-, Aufenthalts- und Unionsbürgerrechte gewähren. Außerdem soll untersucht werden, welche Bedeutung das allgemeine Diskriminierungsverbot des Art. 12 EGV und der allgemeine Gleichheitssatz für den Immobilienerwerb haben. 11. Allgemeine Aufenthaltsregelungen
Im Bereich des Sekundärrechts hat der Rat drei Aufenthaltsrichtlinien erlassen, welche das Aufenthaltsrecht über den Kreis der Arbeitnehmer und selbständig Erwerbstätigen hinaus ausdehnen. Es handelt sich dabei um von der Erwerbstätigkeit unabhängige Aufenthaltsrechte, durch welche die Verwirklichung des Freizügigkeitsgedankens über seinen wirtschaftlichen Ursprung hinaus in Richtung eines "Europas der Bürger" deutlich wird. Die durch die Richtlinien gewährten Aufenthaltsrechte stehen lediglich unter dem Vorbehalt ausreichender Finanzmittel sowie einer Krankenversicherung. Damit soll sichergestellt werden, daß die Begünstigten während ihres Aufenthaltes nicht die Sozialhilfe des Aufnahmemitgliedstaates in Anspruch nehmen müssen. Die Richtlinien sind unmittelbar anwendbar, falls sie nicht oder nur unzureichend in nationales Recht umgesetzt sein sollten. 4 1. Allgemeine Aufenthaltsrichtlinie Art. 1 Abs. 1 der auf Art. 235 EGV a. E (Art. 308 EGV n. E) gestützten RL 90/364/ EWG über das Aufenthaltsrecht5 gewährt den Angehörigen der Mitgliedstaaten, denen ein Aufenthaltsrecht nicht bereits aufgrund anderer Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts zuerkannt ist, unter der Bedingung ein Aufenthaltsrecht, daß sie über eine Krankenversicherung sowie ausreichende Existenzmittel verfügen. Das Recht erstreckt sich gemäß Art. 1 Abs. 1 und 2 der RL auch auf die dort näher bezeichneten Familienangehörigen. 4 Khan, Zur unmittelbaren Anwendbarkeit der EG-Richtlinien über die allgemeine Personenfreizügigkeit, in: ZAR 1992, S. 161, 166. 5 RL des Rates vom 28.6. 1990 über das Aufenthaltsrecht (90/364/EWG), ABI. 1990 Nr. L 180/26.
184
E. Immobilienerwerb außerhalb wirtschaftlicher Betätigung
Umstritten ist, ob und inwieweit sich aus der RL auch ein Recht zum Erwerb von Grundeigentum ableiten läßt. 6 Ein Anhaltspunkt ergibt sich aus Art. 1 Abs. 2 der RL, demzufolge näher bestimmte Verwandte? ungeachtet ihrer Staatsangehörigkeit bei dem Aufenthaltsberechtigten in einem anderen Mitgliedstaat " Wohnung nehmen" dürfen. Allerdings ist fraglich, wie dieser Terminus zu verstehen ist. Eine eindeutige Beantwortung der Frage, ob daraus auch ein Recht zum Grunderwerb folgt, läßt sich bei isolierter Betrachtung des Wortlauts der Regelung nicht gewinnen. Mitunter wird vertreten, daß es sich insoweit nur um die Gewährung eines Nachzugsrechts aufenthaltsrechtlicher Natur handele. 8 Näheren Aufschluß gibt Art. 2 Abs. 3 der RL, demzufolge die RL nicht die geltenden Vorschriften für den Erwerb von Zweitwohnungen berührt. Aus dem Umkehrschluß der Regelung ergibt sich, daß der Erwerb zwecks Errichtung eines Hauptwohnsitzes grundsätzlich zulässig sein muß. 9 Diese Auslegung der Norm im Sinne einer bloßen Einschränkung eines ansonsten prinzipiell gewährleisteten Grunderwerbsrechts läßt sich vor allem auf den systematischen Gesamtkontext der RL stützen. So muß der in Art. lAbs. 2 der RL verwendete Terminus "Wohnung nehmen" so ausgelegt werden, daß er nicht nur das Recht zum Erwerb einer Wohnung im engeren Sinne, sondern auch zum Erwerb eines Grundstücks, welches der Errichtung eines Hauptwohnsitzes dienen soll, umfaßt. Dem Wortlaut der Vorschrift ist nämlich weder ein bestimmter Rechtstitel (Eigentum, Miete) zu entnehmen, noch wird damit eine bestimmte Größe intendiert (Eigentumswohnung, Wohnhaus mit mehreren Wohnungen, Einfamilienhaus). Da durch die RL gewährleistet werden soll, daß auch die näher bezeichneten unterhaltsberechtigten Verwandten gemeinsam mit dem Aufenthaltsberechtigten leben können,1O läßt sich diesen im Einzelfall recht unterschiedlichen Wohnbedürfnissen nur mit einem flexiblen und grundsätzlich umfassenden Grunderwerbsrecht Rechnung tragenY 6 Gegen ein Grunderwerbsrecht HummerlSchweitzer; Raumordnung, S. 324 f.; dieselben, Ausverkauf, S. 152 f.; bejahend: Eilmannsberger; S. 6 f. ; Hörtenhuber; S. 223. 7 Es handelt sich dabei um die Verwandten und den Ehegatten sowie dessen Verwandten, denen in auf- oder absteigender Linie Unterhalt gewährt wird. 8 HummerlSchweitzer; Raumordnung, S. 324, die den Terminus bloß im übertragenen Sinne interpretieren und ein Grunderwerbsrecht generell ablehnen; Schmidjell, S. 19 bezüglich der gleichlautenden Formulierung in der Pensionistenrichtlinie. 9 So auch Eilmannsberger; S. 7; Knapp, S. 412; im Ergebnis auch Hörtenhuber; S. 223. Gegen einen solchen Umkehrschluß HummerlSchweitzer; Raumordnung, S. 324 mit der allerdings nicht überzeugenden Begründung, der Wortlaut der Richtlinie erhalte keinen Anhaltspunkt für ein Grunderwerbsrecht und die Regelung des Art. 2 Abs. 3 sei daher eigentlich überflüssig. 10 Den Verwandten steht allerdings selbst kein eigenes Grunderwerbsrecht zu, da sie lediglich über ein abgeleitetes Aufenthaltsrecht verfügen. 11 Dem steht auch die in Art. 2 Abs. I der RL geregelte, zeitlich zu befristende Aufenthaltserlaubnis zum Nachweis des Aufenthaltsrechts nicht entgegen, da diese nur an die Staatsangehörigkeit anknüpft und lediglich deklaratorischen Charakter besitzt.
11. Allgemeine Aufenthaltsregelungen
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Ein solches Grunderwerbsrecht läßt sich ergänzend auch aus den Vorschriften der RL in Verbindung mit dem allgemeinen Diskriminierungsverbot des Art. 12 EGVableiten. Nach letzterer Bestimmung ist unbeschadet besonderer Bestimmungen des (EG-)Vertrages in seinem Anwendungsbereich jede Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit verboten. Definiert man den Anwendungsbereich des Vertrages dahingehend, daß er sowohl die Bestimmungen des Vertrages selbst als auch die darauf gegründeten Rechtsakte der Gemeinschaftsorgane umfaßt,12 wird auch die RL und das durch sie gewährleistete Grunderwerbsrecht erfaßt. Eine Einbeziehung der durch die RL Begünstigten in den Anwendungsbereich des Vertrages ergibt sich vor allem daraus, daß der Immobilienerwerb eine notwendige Ergänzung des in der Aufenthaltsrichtlinie gewährten Aufenthaltsrechts darstellt. 13 Daraus folgt, daß jede - offene oder versteckte - Ungleichbehandlung im Anwendungsbereich der RL eine verbotene Ungleichbehandlung im Sinne des Art. 12 EGV darstellt. Aufgrund der Regelung des Art. 2 Abs. 3 der RL besteht jedoch kein Rechtsanspruch auf Grunderwerb zum Zwecke der Begründung eines Zweit- oder Ferienwohnsitzes. Gemäß Art. 2 Abs. 2 der RL dürfen die Mitgliedstaaten die Bestimmungen der RL nur aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Volksgesundheit einschränken. In diesem Fall wird auf die RL 64 / 221 / EWG verwiesen. Bezüglich der näheren Interpretation dieses "Ordre-Public"-Vorbehalts wird auf die Ausführungen zu den Grundfreiheiten verwiesen. 2. Pensionistenrichtlinie
Ebenfalls gestützt auf Art. 235 EGV (Art. 308 EGV n. E) hat der Rat die RL 90/365/ EWG über das Aufenthaltsrecht der aus dem Erwerbsleben ausgeschiedenen Arbeitnehmer und selbständig Erwerbstätigen,14 die sog. Pensionistenricht-
linie, erlassen. Dadurch soll das Aufenthaltsrecht auf diejenigen freizügigkeitsberechtigten Personen erstreckt werden, die aus dem Erwerbsleben ausgeschieden sind, auch wenn sie während ihres Beruflebens von dem Recht auf Freizügigkeit keinen Gebrauch gemacht haben. Gemäß Art. 1 Abs. 1 der RL wird den Angehörigen der Mitgliedstaaten, die in der Gemeinschaft eine Tätigkeit als Arbeitnehmer oder als Selbständige ausgeübt haben, sowie deren Familienangehörigen unter der Bedingung ein Aufenthaltsrecht
12 So Zuleeg, in: von der GroebenlSchwarze, Art. 12 EG Rn 11; weiter von Bogdandy, in: Grabitzl Hilf, Art. 6 EGVa. F. Rn 36 ff. Zur Bedeutung des allgemeinen Diskriminierungsverbotes für den Grundstückserwerb siehe unten IV. 13 Eilmannsberger, S. 7. 14 RL des Rates v. 28. 6. 1990 über das Aufenthaltsrecht der aus dem Erwerbsleben ausgeschiedenen Arbeitnehmer und selbständig Erwerbstätigen (90/365 I EWG), ABI. 1990 Nr. L 180/28.
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E. Immobilienerwerb außerhalb wirtschaftlicher Betätigung
gewährt, daß sie eine Invaliditäts-, Vorruhestands- oder Altersrente oder eine Rente wegen Arbeitsunfalls oder Berufskrankheit in einer solchen Höhe beziehen, daß sie während ihres Aufenthalts nicht die Sozialhilfe des Aufnahmemitgliedstaates in Anspruch nehmen müssen und einen umfassenden Krankenversicherungsschutz genießen. Parallel zu den einschlägigen Regelungen der allgemeinen Aufenthaltsrichtlinie dürfen gemäß Art. 1 Abs. 2 der Pensionistenrichtlinie Ehegatte und unterhalts beziehende Angehörige ungeachtet ihrer Staatsangehörigkeit "Wohnung nehmen". Ebenso statuiert Art. 2 Abs. 3, daß die Pensionistenrichtlinie nicht die geltenden Rechtsvorschriften für den Erwerb von Zweitwohnungen berührt. Hinsichtlich der Auslegung der Vorschriften und ihrer Relevanz für den Immobilienerwerb kann aufgrund der gleichlautenden Formulierungen auf die näheren Ausführungen zu der allgemeinen Aufenthaltsrichtlinie verwiesen werden. Dementsprechend läßt sich aus den Regelungen, insbesondere im Umkehrschluß aus Art. 2 Abs. 3 der RL, ein grundsätzliches Immobilienerwerbsrecht der Aufenthaltsberechtigten ableiten. 15 Da die RL zugleich in den Anwendungsbereich des EGV fällt, ergibt sich dieses Ergebnis gleichermaßen aus der Anwendung des allgemeinen Diskriminierungsverbotes des Art. 12 EGVin Verbindung mit den einschlägigen Regelungen der RL. Ein Immobilienerwerbsrecht besteht wiederum nur zur Begründung eines Hauptwohnsitzes. Der Zweitwohnungserwerb steht gemäß Art. 2 Abs. 3 der RL unter dem Vorbehalt anderweitiger nationaler und gemeinschaftsrechtlicher Regelungen. Gemäß Art. 2 Abs. 2 der RL dürfen die Mitgliedstaaten die gewährten Rechte nur aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung oder der Volksgesundheit beschränken. Zur näheren Konkretisierung wird wiederum auf die RL 64/221 /EWG verwiesen. 3. Studenten richtlinie Die RL 93/96/ EWG über das Aufenthaltsrecht der Studenten 16 wurde nicht auf Art. 235 EGV a. E (Art. 308 EGV n. E), sondern auf Art. 7 und 128 EWGV (Art. 12 und 127 EGV n. E) gestützt. 17 Letztere Regelungen verbieten nach der 15 Die Pensionistenrichtlinie und die allgemeine Aufenthaltsrichtlinie betreffen zudem sehr ähnlich gelagerte Sachverhalte, die keine abweichende Beurteilung hinsichtlich des Immobilienerwerbs rechtfertigen. Den Angehörigen des Aufenthaltsberechtigten steht wiederum nur ein abgeleitetes Aufenthaitsrecht, nicht aber ein eigenes Grunderwerbsrecht zu, es sei denn, sie erfüllen selbst die Voraussetzungen der Vorschrift. 16 RL 93/96/EWG des Rates v. 29.10.1993 über das Aufenthaitsrecht der Studenten, ABI. 1993 Nr. L 317/59. 17 Der EuGH hatte in der Rs. C-295 / 90 die gleichlautende, ursprünglich auf Art. 235 EGV gestützte RL 90/366/EWG (ABI. 1990 Nr. L 180/30) für nichtig erklärt, gleichzeitig aber entschieden, daß deren Wirkungen bis zum Inkrafttreten einer auf der zutreffenden Rechtsgrundlage erlassenen RL fortgelten sollten.
11. Allgemeine Aufenthaltsregelungen
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Rechtsprechung des EuGH jede unterschiedliche Behandlung zwischen Angehörigen der Mitgliedstaaten hinsichtlich des Zugangs zur beruflichen Bildung in der Gemeinschaft. Ziel der Regelung ist es somit, den Angehörigen der Mitgliedstaaten den nichtdiskriminierenden Zugang zur Berufsausbildung in einem anderen Mitgliedstaat durch die Gewährung effektiver Aufenthaltsrechte zu erleichtern. Art. 1 der RL gewährt jedem Studenten, der Angehöriger eines Mitgliedstaates ist und dem ein Aufenthaltsrecht nicht bereits aufgrund anderer Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts zusteht, sowie seinem Ehegatten und seinen unterhaltsberechtigten Kindern unter der Voraussetzung ein Aufenthaltsrecht, daß er über ausreichende Existenzmittel verfügt,18 umfassend krankenversichert ist und in einer anerkannten Lehranstalt zum Erwerb einer beruflichen Bildung eingeschrieben ist. Hinsichtlich des Einflusses der RL auf das Grundstücksverkehrsrecht ist zunächst festzustellen, daß die RL keinerlei Hinweise auf den Grunderwerb enthält. Insbesondere fehlt eine Art. 2 Abs. 3 der beiden anderen Aufenthaltsrichtlinien entsprechende Regelung, aus der im Umkehrschluß ein grundsätzliches Immobilienerwerbsrecht gefolgert werden könnte. Zudem ist gemäß Art. 2 Abs. 1 die Geltungsdauer des Aufenthaltsrechts lediglich auf die Dauer der Ausbildung beschränkt. Ziel der RL ist es also nicht, die rechtlichen Voraussetzungen für eine dauerhafte soziale Integration im Gastland zu schaffen. Das die beiden anderen Aufenthaltsrichtlinien bestimmende Ziel der gegenseitigen sozialen Durchdringung der Gemeinschaft tritt gegenüber dem Ziel des erleichterten Zugangs zu Bildungseinrichtungen anderer Mitgliedstaaten zurück. 19 In den Anwendungsbereich der RL fallen nur solche Sachverhalte, die mit deren Regelungszweck in unmittelbarem Zusammenhang stehen. Daher kann sich auch das allgemeine Diskriminierungsverbot des Art. 12 EGV nur auf diejenigen Ansprüche erstrecken, die direkt den Zugang zu Bildungsangeboten im Gastland betreffen. Da die RL somit nur eine begrenzte Integration für einen bestimmten Zeitraum der Ausbildung bezweckt, wird in der Literatur überwiegend vertreten, daß Studenten keinerlei Grunderwerbsrechte zustünden. 2o Diesen Erwägungen ist dem Grunde nach sicher zuzustimmen. Normalerweise werden sich Studenten aufgrund ihres i. d. R. nur befristeten Aufenthalts um die Anmietung eines Zimmers, einer Wohnung oder um einen Platz in einem Studentenwohnheim bemühen. Ein Problem praktischer Art ergibt sich jedoch dann, wenn der Wohnungsmarkt keine entsprechenden Angebote bietet, sei es, daß die 18 Siehe zu diesem Erfordernis näher EuGH, Rs. C-184/99, Sig. 2001, S. 1-6244 Rn 40 ff. (Grzelczyk) sowie die diesbezüglichen Schlußanträge des GA Alber; a. a. 0., S. 1-6197 ff. Rn 84 - 88, 109 f. Danach soll der Nachweis bzw. das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel keine konstitutive Voraussetzung für das Aufenthaitsrecht, sondern die Inanspruchnahme von Sozialhilfe lediglich ein möglicher Beendigungstatbestand für dieses Recht sein. 19 Eilmannsberger, S. 7. 20 Schmidjell, S. 20; Hummer/Schweitzer, Raumordnung, S. 324, die lediglich darauf verweisen, daß die Regelung keinerlei Bezug zum Immobilienerwerb aufweise; Eilmannsberger, S.7.
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E. Immobilienerwerb außerhalb wirtschaftlicher Betätigung
Mietpreise zu hoch sind oder eine Unterkunft überhaupt nicht erhältlich ist. Der Student könnte sich deshalb dazu entschließen, mittels eines Kredits eine Wohnung zu finanzieren. Zwar ließe sich ein solcher Wohnungserwerb grundsätzlich auch unter die Kapitalverkehrsfreiheit subsumieren. Dabei ginge allerdings der spezifische Bezug zu den Ausbildungszwecken, welche eine potentielle Vorstufe zur späteren Inanspruchnahme der Freizügigkeitsrechte im Aufnahmeland darstellen, verloren. Es ist deshalb nicht auszuschließen, daß auch einem Studenten im Rahmen der Studentenrichtlinie für den Fall ein Recht zum Grunderwerb - zumindest zum Erwerb einer Eigentumswohnung - zugestanden werden muß, daß keine anderen zumutbaren Unterkunftsmöglichkeiten am Ausbildungsort bestehen. 21 Gemäß Art. 2 Abs. 2 der RL besteht wiederum ein Vorbehalt zugunsten der Mitgliedstaaten, welche die durch die RL gewährten Rechte aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit einschränken dürfen, dabei aber die RL 64/221 IEWG zu beachten haben. III. Immobilienerwerb innerhalb der Unionsbürgerschaft
Nunmehr soll untersucht werden, ob möglicherweise auch durch die Vorschriften über die Unionsbürgerschaft (Art. 17 ff. EGV) das Recht gewährt wird, außerhalb einer (grundfreiheitlich-)wirtschaftlichen Betätigung in einem anderen Mitgliedstaat Grundeigentum zu erwerben. Zum besseren Verständnis der Problematik werden zunächst die allgemeinen Hintergründe der Unionsbürgerschaft kurz beleuchtet. Sodann richtet sich das Augenmerk speziell auf das in Art. 18 EGV gewährleistete Freizügigkeits- und Aufenthaltsrecht. In diesem Zusammenhang werden insbesondere dessen Verhältnis zu den Grundfreiheiten sowie mögliche Erweiterungen durch das allgemeine Diskriminierungsverbot des Art. 12 EGV zu erörtern sein. 1. Entwicklung vom "Marktbürger" zum "Unionsbürger" Mit dem 1993 in Kraft getretenen Maastrichter-Vertrag über die Europäische Union sind die Vorschriften über die Unionsbürgerschaft (Art. 17 ff.) in den EGVertrag eingefügt worden. Bis dahin war das Verhältnis der Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten zur Gemeinschaft nicht ausdrücklich geregelt, sondern resultierte unmittelbar aus denjenigen Normen des Primär- und Sekundärrechts, welche ihnen begünstigende und berechtigende subjektive Rechtspositionen einräumten. Dieses Verhältnis, welches vor allem durch die grundfreiheitlichen Gewährlei21 In diese Richtung gleichfalls Novak, S. 253. Auch Eilmannsberger; S. 7 (Fn. 20) räumt ein, daß die Inanspruchnahme des Aufenthaltsrechts bei Studenten nur unter normalen Umständen, d. h. bei ausreichender Verfügbarkeit von Mietwohnungen und anderen Unterkunftsmöglichkeiten, nicht von einem Wohnungserwerbsrecht abhängig ist.
III. Immobilienerwerb innerhalb der Unionsbürgerschaft
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stungen bestimmt wurde, knüpfte im wesentlichen an ökonomische Sachverhalte an. Die Europäischen Gemeinschaften waren eben ursprünglich als reine Wirtschaftsgemeinschaften konzipiert worden und betrachteten den einzelnen infolgedessen primär als bloßen homo oeconomicus im Sinne eines Produktions- und Wirtschaftsfaktors, kaum jedoch als einen mit weitergehenden politischen Teilhabe- und Leistungsrechten ausgestatteten Bürger im klassisch politischen Sinne. Es lag in der Konsequenz dieser Sichtweise, den einzelnen, soweit er als Teilnehmer oder Benutzer des Gemeinsamen Marktes agierte, als Marktbürger zu bezeichnen. 22 Allerdings bestand auch schon seit den Anfängen der Gemeinschaften die Idee der Gewährung (politischer) Bürgerrechte auf europäischer Ebene. Bereits im früheren EWGV kam eine über rein ökonomische Zielsetzungen hinausgehende Intention zum Ausdruck. Gemäß des ersten Erwägungsgrundes seiner Präambel ist die Gemeinschaft auf "einen immer engeren Zusammenschluß der europäischen Völker" angelegt. Deutlicher noch wurde diese Zielsetzung sodann durch die im Zuge des Maastrichter-Unionsvertrages einhergehende Umbenennung der Europäischen WirtschaJtsgemeinschaft in die Europäische Gemeinschaft. Diese zunehmende Erweiterung der vertraglichen Zielsetzungen über rein wirtschaftliche Aspekte hinaus hin zu gesellschaftlichen und allgemeinpolitischen Erwägungen läßt sich schlagwortartig als Entwicklung hin zu einem "Europa der Bürger" bezeichnen. 23 Hintergrund dieser Entwicklung war vor allem die durch die Grundfreiheiten erfolgte Einräumung des Rechts auf Inländergleichbehandlung hinsichtlich der jeweiligen wirtschaftlichen Betätigung. Sie ermöglichte nach und nach eine dauerhafte Eingliederung der Freizügigkeitsberechtigten in ihrem jeweiligen Gastland. Die Marktbürger wurden im Aufnahmeland seßhaft, soweit sie dort die günstigsten Voraussetzungen für die Schaffung und Erhaltung ihrer materiellen Lebensgrundlage fanden. Je mehr aber die Wanderungsbewegungen innerhalb der Gemeinschaft zum Stillstand kamen, und eine dauerhafte Ansiedelung der Freizügigkeitsberechtigten in ihrem Aufnahmeland erfolgte, desto mehr wurden jene nicht nur als im beruflichen Bereich gleichzustellende "Marktbürger", sondern darüber hinausgehend als gesellschaftlich und allgemeinpolitisch zu integrierende Unionsbürger betrachtet. 24 22 Ipsen, Europäisches Gemeinschaftsrecht, 1972, S. 187; van den Berghe I Huber, European Citizenship, in: Gedächtnisschrift für Christoph Sasse, S. 755, 759. 23 So lautete der Name der sog. Ad-hoc-Gruppe unter dem Vorsitz von Pietro Adonnino, die dem Europäischen Rat 1985 zwei Berichte mit Vorschlägen für unterschiedliche Bürgerrechte vorlegte (abgedruckt in Bull. EG Beilage 7/85, S. 9 ff. und 19 ff.). Wesentliche Zielsetzung dieses "Europas der Bürger" war, daß der einzelne die Gemeinschaft aufgrund konkreter und individueller Erfahrungen als "seine Sache" begreifen kann, vgl. Hrbek (Hg.), Bürger und Europa, 1994; Oppermann, § 24 Rn 2. 24 Siehe zu dieser Entwicklung ausführlich Marias, From Market Citizen to Union Ci tizen, in: derselbe (Hg.), European Citizenship, 1994, S. 1 ff.
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E. Immobilienerwerb außerhalb wirtschaftlicher Betätigung
Mit der Einführung der Unionsbürgerschaft25 sollte sodann der mit der Gründung der Europäischen Gemeinschaften begonnene Prozeß der europäischen Integration auf eine neue Stufe in Richtung einer immer engeren Union der Völker Europas gehoben werden. 26 Kennzeichnend dafür ist die angestrebte Intensivierung der Beziehungen zwischen den Völkern und Einzelpersonen der Union. Der im Begriff der Unionsbürgerschaft anklingende Bürgerstatus spiegelt allgemein das besondere Verhältnis einer politischen Gemeinschaft zu ihren Angehörigen wider. Er symbolisiert den Charakter einer Solidar- und politischen Schicksalsgemeinschaft. 27 Durch Schaffung der Unions bürgerschaft bringt die Europäische Union somit zum Ausdruck, daß sie sich nicht nur als technokratische Zweckvereinigung, sondern als politische Rechtsgemeinschaft versteht?8 Allerdings ist zu beachten, daß trotz des ersten Anscheins aufgrund begrifflicher Parallelen Unionsbürgerschaft und Staatsbürgerschaft wesensverschieden sind. Es fehlt nicht nur an der Staatsqualität der Union und Gemeinschaft sowie an einem "europäischen Volk", sondern vor allem auch an der notwendigen Intensität der Rechtsbeziehungen zwischen Bürgern und Gemeinschaft. 29 Des weiteren handelt es sich bei der Unionsbürgerschaft auch nicht um ein eigenständiges, sondern lediglich um ein über die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaates vermitteltes Rechtsverhältnis, welches zu dieser streng akzessorisch ist und insbesondere auch nicht durch Drittstaatsangehörige geltend gemacht werden kann. 3o Art. 17 Abs. 1 Satz 3 EGV stellt nunmehr ausdrücklich klar, daß die Unionsbürgerschaft die nationale Staatsbürgerschaft lediglich ergänzt, sie aber nicht ersetzt. Gleichwohl kann die Unionsbürgerschaft wesentlich zur Identifikation der Bürger mit dem Zusammenwachsen der Mitgliedstaaten beitragen. Aufgrund der über den wirtschaftlichen Bereich hinausgehenden politischen Rechte stellt sie sich als 25 Zur näheren historischen Entwicklung der Unionsbürgerschaft sowie zur Abgrenzung des ihr verwandten Begriffs der Staatsbürgerschaft von der Staatsangehörigkeit siehe Hilf, in: Grabitz/ Hilf, Art. 17 EGV Rn 7 ff. sowie Fischer; Die Unionsbürgerschaft, in: EuZW 1992, S. 566 ff. 26 V gl. die Präambel und Art. 1 EUV. Dieser Entwicklung ging die Einheitliche Europäische Akte von 1986 (ABI. Nr. L 169, S. 1) voraus, welche in der Absicht geschlossen wurde, die Gesamtheit der Beziehungen der Staaten zu vereinheitlichen, siehe dazu näher Fischer; S. 567. 27 Kluth, in: Calliess/Ruffert, Art. 17 EGV Rn 3 unter Verweis auf lsensee, Grundrechtsvoraussetzungen und Verfassungserwartungen an die Grundrechtsausübung, in: ders. / Kirchhof (Hg.), Handbuch des Staatsrechts, Bd. V, 1992, § 115 Rn 107. 28 Kluth, in: Calliess / Ruffert, Art. 17 EGV Rn 4. Gleichwohl handelt es sich bei den im Rahmen der Unionsbürgerschaft gewährten Bürgerrechten noch nicht um eine umfassende Gewährung politischer Rechte, sondern sie stellt lediglich eine Vorstufe zu einem in Zukunft zu verwirklichenden europäischen Bürgerrechtsstatus in einem umfassenderen Sinne dar, vgl. Hilf, in: Grabitz/ Hilf, Art. 17 EGV Rn 61. 29 Haag, in: von der Groeben/ Schwarze, Art. 17 EG Rn 5; Hilf, in: Grabitz/ Hilf, Art. 17 EGV Rn 60. 30 Kaufmann-Bühler; in: Lenz/ Borchardt, Art. 17 EGV Rn 2; Kluth, in: Calliess / Ruffert, Art. 17 EGV Rn 8.
III. Immobilienerwerb innerhalb der Unionsbürgerschaft
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Fortentwicklung der Marktbürgerschaft dar und kann daher zwischen Marktbürgerschaft und StaatsbürgerschaJt angesiedelt werden. 3 I Durch sie wird - zumindest in einigen Bereichen - ein Gleichstellungsstatus der Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten im Sinne eines europäischen Indigenats begründet. 32 Der Gerichtshof führt hierzu in seiner jüngeren Rechtsprechung folgendes aus: "Der Unionsbürgerstatus ist ( ... ) dazu bestimmt, der grundlegende Status der Angehörigen der Mitgliedstaaten zu sein, der es denjenigen unter ihnen, die sich in der gleichen Situation befinden, erlaubt, unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit und unbeschadet der insoweit ausdrücklich vorgesehenen Ausnahmen die gleiche rechtliche Behandlung zu genießen. ,,33
Von großer Bedeutung ist die besondere Offenheit und Dynamik der Unionsbürgerschaft. Dies wird nicht nur in den einzelnen, in den jeweiligen Artikeln enthaltenen Ermächtigungen zur sekundärrechtlichen Ausgestaltung der Unionsbürgerrechte deutlich, sondern kommt vor allem auch in der Evolutivklausel des Art. 22 Abs. 2 EGV zum Ausdruck. Die Unionsbürgerschaft ist auf die weitere Zuerkennung von Rechten und damit auf eine Vertiefung der Integration angelegt. 34 Der bisherige Integrationsstand ist daher als prinzipiell nicht beschränkbarer Mindeststatus zu werten?5 2. Allgemeines Aufenthaltsrecht des Art. 18 EGV
Im Hinblick auf die eben skizzierte, sich stetig vertiefende Integration des einzelnen innerhalb der Gemeinschaft soll nun die materielle Reichweite des in Art. 18 EGV verankerten allgemeinen Aufenthaltsrechts respektive des Immobilienerwerbs untersucht werden. Die Regelung des Art. 18 Abs. 1 EGV lautet: "Jeder Unionsbürger hat das Recht, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten vorbehaltlich der in diesem Vertrag und in den Durchführungsvorschriften vorgesehenen Beschränkungen und Bedingungen frei zu bewegen und aufzuhalten.,,36
31 Hilf, in: Grabitz/ Hilf, Art. 17 EGV Rn 6 \. 32 Hilf, in: Grabitz/ Hilf, Art. 17 EGV Rn 63. 33 EuGH, Rs. C-184/99, Sig. 2001, S. 1-6242 Rn 31 (Grze\czyk); Rs. C-224/98, Sig. 2002, S. 1-6223 Rn 28 (D'Hoop); Rs. C-148/02, Sig. 2003, S. 1-11644 Rn 22 f. (Garcia Avel10) - Hervorhebungen des Verfassers. 34 Marias, S. 17: ,,( ... ) Union rights will expand constantly as the process of political integration evolves. The evolving dimension of European Citzizenship means that Union citizen's rights are bound to be extended in the near future". 35 Kluth, in: Calliess / Ruffert, Art. 17 EGV Rn 7. 36 Zur allgemeinen Entstehungsgeschichte der Regelung siehe Hilf, in: Grabitz/ Hilf, Art. 18 EGV Rn 2 ff. sowie Haag, in: von der Groben/Schwarze, Art. 18 EG Rn 1 ff.
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E. Immobilienerwerb außerhalb wirtschaftlicher Betätigung
a) Bedeutung und systematische Einordnung des Aufenthaltsrechts Das in Art. 18 EGV gewährleistete Freizügigkeits- und Aufenthaltsrecht ist sowohl für die Verfassung der Union als auch für den Unionsbürgerstatus von fundamentaler Bedeutung, da sich in ihm die Reichweite der Integration in einer für jeden einzelnen Unionsbürger konkret erfahrbaren Weise widerspiegelt. 37 Hierdurch wird in einem zentralen Bereich staatsbürgerlicher Rechte eine Gleichstellung vollzogen. Systematisch kommt diese zentrale Bedeutung der Vorschrift durch ihre Stellung an der Spitze des Katalogs der Unionsbürgerrechte zum Ausdruck. 38 Zwar sind bereits vor Erlaß des Art. 18 EGV weitreichende Aufenthaltsrechte, welche nicht an eine wirtschaftliche Betätigung anknüpfen, sekundärrechtlich begründet worden. 39 Art. 18 EGV kann diese vielfältigen Rechtsvorschriften nicht ersetzen. Dennoch kommt der Vorschrift nicht bloß symbolischer Charakter zu. Durch sie wird das allgemeine Recht auf Freizügigkeit und freien Aufenthalt auf Vertragsebene konsolidiert und verstärkt. Ihre Bedeutung liegt in der Bündelung der bestehenden Rechte sowie in der Funktion eines Ausgangspunktes für weitere Ausgestaltungen des Freizügigkeits- und Aufenthaltsrechtes. 4o b) Unmittelbare Anwendbarkeit der Regelung Umstritten ist allerdings, ob Art. 18 EGV unmittelbar anwendbar ist, ihm also die Funktion eines einklagbaren subjektiv-öffentlichen Rechts zukommt, oder ob sich das diesbezügliche Freizügigkeits- und Aufenthaltsrecht erst aus den Regelungen des sekundären Gemeinschaftsrechts ergibt. 4 \ Die unmittelbare Anwendbarkeit der Vorschrift wird in der Literatur teilweise mit der Begründung abgelehnt, 37 Kluth, in: Calliess / Ruffert, Art. 18 EGV Rn 2. Siehe dazu auch den zweiten Bericht der Kommission über die Unionsbürgerschaft vom 27. 5. 1997, KOM (1997) 230, S. 29, wo die Freizügigkeit als wichtigstes Merkmal der Unionsbürgerschaft bezeichnet wird. 38 Die grundlegende Bedeutung der Regelung betont auch GA La Pergola in der Rs. C-85/96, Slg. 1998, S. 1-2702 Rn 18 (Martfnez Sala). Dort bezeichnet er Art. 8a EGVa. E (Art. 18 EGV n. E) als ein nicht nur aus der Unionsbürgerschaft abgeleitetes, sondern untrennbar mit dieser verbundenes Recht, welches zwingende Folge dieses neuen und allen Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten gemeinsamen Status sei. 39 Ein Überblick über sämtliche sekundärrechtlichen Gewährleistungen findet sich bei Kluth, in: Calliess / Ruffert, Art. 18 EGV Rn 1. 40 Hilf, in: Grabitz/ Hilf, Art. 18 EGV Rn 1. 4\ Siehe zum Streitstand in der Literatur Pechstein/ Bunk, Das Aufenthaltsrecht als Auffangrecht, in: EuGRZ 1997, S. 547 ff. Neben jenen Autoren spricht sich gegen eine unmittelbare Anwendbarkeit der Regelung aus: Degen, Die Unionsbürgerschaft nach dem Vertrag über die europäische Union unter besonderer Berücksichtigung des Wahlrechts, in: DÖV 1993, S. 749, 752. Auch die Kommission lehnt eine unmittelbare Anwendbarkeit der Vorschrift ab, vgl. die Schlußanträge des GA Alber in der Rs. C-184/99, Slg. 2001, S. 1-6212 Rn 62 (Grzelczyk). Eine aktuelle Darstellung der unterschiedlichen Auffassungen einiger Mitgliedstaaten findet sich in denselben Schlußanträgen Rn 27, 42,57.
III. Immobilienerwerb innerhalb der Unionsbürgerschaft
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die Vorschrift stehe - u. a. nach dem historischen Willen der Regierungskonferenz 42- unter einem sekundärrechtlichen Ausgestaltungsvorbehalt. Auch der Wortlaut der Regelung, wonach die gewährten Rechte vorbehaltlich der genannten Bedingungen und Beschränkungen gewährt werden, spreche gegen deren unmittelbare Anwendbarkeit. Schließlich wird geltend gemacht, daß es zwecks effektiver Umsetzung des Aufenthaltsrechts einer subjektiv-rechtlichen Interpretation des Art. 18 EGV nicht bedürfe. 43 Der EuGH hat hinsichtlich der Frage der unmittelbaren Anwendbarkeit des Art. 18 EGV bisher nicht eindeutig Stellung genommen. Auch in seinen jüngeren Entscheidungen bezeichnet er die Unionsbürgerschaft lediglich allgemein als "grundlegenden Status", der auf der "Garantie gleicher rechtlicher Behandlung bei Ausübung der Freizügigkeit" beruhe. In diesem Zusammenhang nennt er das allgemeine Aufenthaltsrecht des Art. 18 EGV - ebenso wie die Grundfreiheiten als in den "Geltungsbereich des Gemeinschaftsrechts" fallend. 44 In einer Entscheidung, in der er um eine Inhaltsbestimmung des allgemeinen Aufenthaltsrechts gebeten wurde, lehnte er eine Auslegung unter Hinweis auf den im konkreten Fall ebenfalls einschlägigen Art. 52 EGV (Art. 43 EGV n. E) ab. 45 Da der Gerichtshof aber ein echtes Spezialitätsverhältnis zwischen Niederlassungsfreiheit und allgemeinem Aufenthaltsrecht anzunehmen scheint,46 geht er möglicherweise implizit von einer unmittelbaren Anwendbarkeit des Art. 18 EGV aus, da er Art. 52 EGV für unmittelbar anwendbar erklärt hat. 47 Andernfalls könnte nicht von einem echten Spezialitätsverhältnis zwischen dem Grundtatbestand des Art. 18 EGV und der spezielleren Niederlassungsfreiheit gesprochen werden. 48 In einem jüngeren Vorabentscheidungsverfahren haben sich sowohl die Kommission als auch GA La Pergola für eine unmittelbare Anwendbarkeit des Art. 18 EGV ausgesprochen. 49 Das Freizügigkeits- und Aufenthaltsrecht ergebe sich unmittelbar aus dem Vertrag, während die in der Vorschrift genannten Beschränkungen und Bedingungen lediglich die Ausübung und nicht das Bestehen dieses RechDegen, S. 752 Fn. 19. So Pechstein/ Bunk, S. 548 ff. 44 EuGH, Rs. C-184/99, Slg. 2001, S. 1-6242 Rn 31- 33 (Grze1czyk); Rs. C-224/98, Slg. 2002, S. 1-6223 Rn 28-35 (D'Hoop); Rs. C- 224/02, Slg. 2004, S. 1-5763 Rn 16 ff. (Pusa). 45 EuGH, Rs. 193/94, Slg. 1996, S. 1-951 Rn 22 (Skanavi, Chryssanthopoulos). 46 So auch GA Alber in den Schlußanträgen in der Rs. C-184/99 (Grze1czyk), a. a. 0., S. 1-6213 Rn 64, der das aus der Arbeitnehmerfreizügigkeit resultierende Aufenthaltsrecht als speziellere Regelung gegenüber Art. 18 EGV interpretiert. 47 EuGH, Rs. 2174, Slg. 1974, S. 653 Rn 32 (Reyners). 48 Diesen Schluß ziehen auch Pechstein / Bunk, S. 548. Auf ein Spezialitätsverhältnis deuten auch die Äußerungen des Gerichtshofes in der Rs. C-274/96, Slg. 1998, S. 1-7655 Rn 15 (Bickel und Franz) hin, obgleich der Gerichtshof auch in diesem Fall eine eindeutige Stellungnahme vermeidet. 49 Schlußanträge in der Rs. C-85/96, Slg. 1998, S. 1-2701 Rn 15, 18 (Martfnez Sala). Die gegenteilige Auffassung vertritt die Kommission nunmehr jedoch in der Rs. Grze1czyk, vgl. die dortigen Schlußanträge, a. a. 0., S. 1-6212 Rn 62. 42
43
13 Hubatsch
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E. Immobilienerwerb außerhalb wirtschaftlicher Betätigung
tes beträfen. Die in Art. 8 EGVa. E (Art. 17 EGV n. E) verankerte Unionsbürgerschaft begründe einen neuen Status des einzelnen und beinhalte eine neue subjektive Rechtsqualität. Art. 8a EGV a. E (Art. 18 EGV n. E) verknüpfe mit dieser subjektiven Stellung des Unionsbürgers das Recht, sich in jedem Mitgliedstaat frei zu bewegen und aufzuhalten. 50 Obwohl der Generalanwalt die Rechtssache als Testfall für eine Reihe zukünftig klärungsbedürftiger Probleme bezeichnete,51 nahm der Gerichtshof wiederum nicht näher zu der Frage Stellung, ob Art. 18 EGVein eigenständiges Aufenthaltsrecht gewährt, da sich die Betroffene seiner Ansicht nach bereits aufgrund anderer Regelungen erlaubterweise in dem betreffenden Mitgliedstaat aufhielt. 52 Wie bereits erwähnt, spricht der Gerichtshof im Zusammenhang mit der Unionsbürgerschaft immerhin von einem grundlegenden "Status" der Unionsbürger sowie einem "Anspruch" bzw. einer" Garantie" auf gleiche rechtliche Behandlung bei Ausübung der Freizügigkeit. Diese Terminologie sowie die Tatsache, daß er das allgemeine Aufenthaltsrecht in einem Atemzug mit den - sämtlich unmittelbar anwendbaren - Grundfreiheiten nennt, begründet zumindest ein gewichtiges Indiz dafür, daß er letztlich auch dem allgemeinen Aufenthaltsrecht des Art. 18 EGV unmittelbare Wirkung beimißt. Insgesamt dürften die Gründe, welche für eine unmittelbare Anwendbarkeit der Regelung sprechen, überwiegen. So wird bereits nach ihrem Wortlaut für jeden Unionsbürger ein Aufenthaltsrecht begründet, ohne daß es dazu einer näheren sekundärrechtlichen Konkretisierung bedürfte. Es wird eine klare und eindeutige Berechtigung für den einzelnen ausgesprochen, ohne daß den Mitgliedstaaten dabei ein näherer Umsetzungs- und Gestaltungsspielraum eröffnet wäre oder eine anderweitige Rechtsbedingung aufgestellt würde. Der in Art. 18 EGV genannte Vorbehalt der im EGV und den Durchführungsvorschriften vorgesehenen Beschränkungen und Bedingungen bezieht sich nicht auf solche rechtlicher sondern tatsächlicher Art. Derartige Beschränkungen und Bedingungen finden sich auch bei den allgemeinen Aufenthaltsrichtlinien, ohne daß dies ihrer unmittelbaren Anwendbarkeit entgegenstünde. 53 Der Einwand, eine subjektiv-rechtliche Deu50 Schlußanträge des GA La Pergola in der Rs. C-85/96, Sig. 1998, S. 1-2703 Rn 19f. (Martfnez Sala). Vgl. auch die darauf Bezug nehmenden Schlußanträge des GA Geelhoed in der Rs. C-413/99, Slg. 2002, S. 1-7127 Rn. 103 ff. (Baumbast und R.), wo er sich für eine unmittelbare Anwendbarkeit (direct effect) des Art. 18 EGVausspricht, da es sich um eine klare und unbedingte Gewährleistung handele, welche keiner näheren Präzisierung bedürfe. Auch aus teleologischen Gesichtspunkten sei eine solche unmittelbare Anwendbarkeit zu befürworten, da die Nonn ansonsten ihre Bedeutung und Effektivität verlöre. Für eine unmittelbare Wirkung ("subjektive Rechtsposition") spricht sich nunmehr auch GA Alber in seinen Schlußanträgen in der Rs. Grzelczyk, a. a. 0., S. 1-6227 Rn 120 aus. 51 Schlußanträge in der Rs. C-85 /96, Sig. 1998, S. 1-2705 Rn 23 (Martfnez Sala). 52 EuGH, Rs. C-85 /96, Slg. 1998, S. 1-2725 Rn 60 f. (Martfnez Sala). 53 Siehe oben 11. Die allgemeinen Aufenthaltsrichtlinien stehen sämtlich unter dem Vorbehalt ausreichender finanzieller Mittel und einer Krankenversicherung. Die Studentenrichtlinie erfordert zusätzlich die ordnungsgemäße Einschreibung in eine Lehranstalt.
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tung der Vorschrift sei zur effektiven Umsetzung des Aufenthaltsrechts nicht erforderlich,54 vermag nicht zu überzeugen. 55 Dasselbe Argument ließe sich ansonsten auch den unmittelbar anwendbaren Grundfreiheiten entgegenhalten, da diese ebenfalls durch zahlreiche sekundärrechtliche Vorschriften konkretisiert werden. Auch bliebe dabei unberücksichtigt, daß die sekundärrechtlich gewährleisteten allgemeinen Aufenthaltsrechte von teilweise unterschiedlichen Bedingungen abhängig gemacht werden. Nicht zuletzt liegt eine unmittelbare Anwendbarkeit der Regelung unter systematischen Gesichtspunkten nahe. Art. 18 Abs. 2 EGVermöglicht den Erlaß von Vorschriften, mit denen die Ausübung der Rechte nach Abs. 1 erleichtert wird und setzt damit die subjektive Gewährleistung der in Abs. 1 gewährten Rechte gerade voraus. 56 Schließlich lassen sich noch der Sinn und Zweck der Regelung anführen, nämlich die bereits bestehenden primärrechtlichen Aufenthaltsrechte, die als Annexgewährleistungen der Grundfreiheiten unmittelbare Rechtspositionen enthalten, thematisch auszudehnen. 57 Damit steht es in Einklang, Art. 18 EGVals politische Grundfreiheit58 bzw. als Grundrecht59 zu bezeichnen. c) Gewährleistungsinhalt und Schutzbereich ( 1) Allgemeiner sachlicher Schutzbereich Art. 18 Abs. 1 EGV erstreckt sich räumlich auf das Hoheitsgebiet sämtlicher Mitgliedstaaten. 6o Er gewährt dabei das Recht, aus einem Mitgliedstaat zum Zwecke der Einreise in einen anderen Mitgliedstaat auszureisen, in einen anderen Mitgliedstaat einzureisen sowie sich innerhalb eines Mitgliedstaates frei zu beSo Pechstein/ Bunk, S. 548. So auch Kluth, in: Calliess/Rujfert, Art. 18 EOV Rn 9. 56 Haag, in: von der Groeben/Schwarze, Art. 18 EO Rn 7; Kluth, in: Calliess/Ruffert, Art. 18 EOV Rn 9. 57 Kluth, in: Calliess / Ruffert, Art. 18 EOV Rn 9; für unmittelbare Anwendbarkeit auch Hilf, in: Grabitz/Hilf, Art. 18 EOV Rn 1,21, Art. 17 EOV Rn 37; König/Pechstein, Die Europäische Union, S. 178; Wouters, European Citizenship and the Case-Law of the Court of lustice of the European Communities on the Free Movement of Persons, in: Marias (ed.), European Citizenship, S. 49. 58 Haag, in: von der Groeben / Schwarze, Art. 18 EO Rn 6. 59 Kluth, in: Calliess/Ruffert, Art. 18 EOV Rn 9. Vgl. auch die Ausführungen des GA Jacobs in der Rs. 274/96, Sig. 1998, S. 1-7645 Rn 24 (Biekel und Franz) sowie die Schlußanträge des GA Geelhoed in der Rs. C-413/99, Sig. 2002, S. 1-7128 Rn 105 (Baumbast und R.), der Art. 18 EOVals "fundamental right ( ... ) in favour of both economically active and non-active citizens ( ... )" bezeichnet. Siehe dazu allgemein Hilf, in: Grabitz/ Hilf, Art. 18 EOV Rn 21, der von einer grundrechtsähnlichen Formulierung spricht. 60 Umstritten ist, ob damit lediglich der in Art. 299 EOV geregelte Oeltungsbereich des Vertrages (so Haag, in: von der Groeben/Schwarze, Art. 18 EO Rn 14) gemeint ist, oder ob weitergehende, völkerrechtliche Kategorien zur Bestimmung des Hoheitsgebiets der Mitgliedstaaten Anwendung finden sollen (so Hilf, in: Grabitz/ Hilf, Art. 18 EOV Rn 8). 54 55
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wegen und aufzuhalten. Die Regelung unterscheidet insoweit nicht zwischen dem Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit ein Unionsbürger besitzt, und anderen Mitgliedstaaten. Daher gelten die Rechte aus Art. 18 EGVauch im Verhältnis zwischen einem Unionsbürger und dem Mitgliedstaat, dessen Angehöriger er iSt. 61 Ein grenzüberschreitendes Element ist also im Gegensatz zu den wirtschaftlichen Grundfreiheiten nicht erforderlich. 62
Grundsätzlich bestehen die gewährten Rechte ohne zeitliche Begrenzung. Dies ergibt sich aus dem Begriff des Aufenthalts (sejour I residence), welcher keine zeitliche Beschränkung impliziert. 63 (2) Recht auf physische Präsenz oder Vollintegration
Fraglich ist nun, ob das in Art. 18 EGV gewährleistete Aufenthaltsrecht auch das Recht zum Immobilienerwerb beinhaltet. Allgemein wird vertreten, daß jedenfalls ein Recht auf den ständigen Aufenthalt an einem Orte einschließlich der Wohnsitznahrne, sozusagen ein "Recht auf Heimat" von Art. 18 Abs. 1 EGVerfaßt wird. 64 Der Wortlaut der Regelung gibt hinsichtlich des Grunderwerbs 65 allerdings nichts her. Zur Beantwortung dieser Frage ist deshalb auf die systematische Stellung sowie Sinn und Zweck der Norm abzustellen. Insoweit ist näher zu präzisieren, ob das allgemeine Aufenthaltsrecht lediglich ein Recht auf physische Präsenz oder darüber hinausgehend ein Recht auf Vollintegration in dem Sinne gewährleistet, daß jede erdenkliche Handlung, die in einem sachlichen Zusammenhang mit der Ausübung des Aufenthaltsrechts steht, von Art. 18 EGV erfaßt wird und eine vollständige Gleichstellung mit den Staatsbürgern des jeweiligen Mitgliedstaates verlangt. 61 Haag, in: von der GroebenlSchwarze, Art. 18 EG Rn 9; Kluth, in: CalliesslRuffert, Art. 18 EGV Rn 8, EuGH, Rs. C-224/98, Slg. 2002, S. 1-6223 Rn 30 (D'Hoop), wo die Berechtigte allerdings zuvor von ihrem Freizügigkeitsrecht in einem anderen Mitgliedstaat Gebrauch gemacht hatte. 62 Anderer Ansicht: Martfnez Soria, in: JZ 2002, S. 643, 646. 63 Haag, in: von der Groebenl Schwarze, Art. 18 EG Rn 12; Hilf, in: Grabitzl Hilf, Art. 18 EGV Rn 7. Siehe dazu auch den Bericht der Kommission über die Unionsbürgerschaft vom 21. 12. 1993, KOM (93) 702 endg., Ziffer IV 1A, in der englischen Fassung abgedruckt in: Marias (Hg.), European Citizenship, S. 157 ff. 64 So Kluth, in: CalliesslRuffert, Art. 18 EGV Rn 3; Haag, in: von der GroebenlSchwarze, Art. 18 EG Rn 8. 65 Die Relevanz der Unionsbürgerschaft für den Grunderwerb wurde bereits in der Beantwortung des Rates auf die schriftliche Anfrage E-1674/94 von lean-Marie Le Pen (NI) an den Rat vom I. 9.1994 (95/C 30107) (ABI. 1995 Nr. C 30/4) angedeutet, welche dahin ging, ob die in Österreich teilweise bestehenden Regelungen, welche Ausländern den Grunderwerb untersagen, nicht im Widerspruch zum Geist und Inhalt der Römischen Verträge stünden. In seiner Antwort vom 2. 12. 1994 (ABI. 1995 Nr. C 30/4) wies der Rat auf Art. B, dritter Gedankenstrich des EUV hin, wonach zu den Zielen der Union "die Stärkung des Schutzes der Rechte und Interessen der Angehörigen ihrer Mitgliedstaaten durch Einführung der Unionsbürgerschaft" gehörten.
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In diesem Zusammenhang ist von großer praktischer Bedeutung, daß Art. 18 EGV den Anwendungsbereich des allgemeinen Diskriminierungsverbotes des Art. 12 EGVerweitert. So hat der Gerichtshof bereits mehrfach entschieden, daß jeder "Angehörige eines Mitgliedstaats, der sich rechtmäßig im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats aufhält, ( ... ) in den Anwendungsbereich der Vertragsbestimmungen über die Unionsbürgerschaft" fällt. Art. 8 Abs. 2 EGV (Art. 17 Abs. 2 EGV n.F.) knüpfe an den Status des Unionsbürgers u. a. "das in Art. 6 (EGV) festgelegte Recht, im sachlichen Anwendungsbereich des Vertrages nicht aus Gründen der Staatsangehörigkeit diskriminiert zu werden".66 In diesen Geltungsbereich des Gemeinschaftsrechts fielen u. a. Situationen, in denen es um die Ausübung der Grundfreiheiten, namentlich der in Art. 18 EGV verliehenen Freiheit gehe, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten zu bewegen und aufzuhalten. 67 Auch in der Literatur wird die Anwendbarkeit des allgemeinen Diskriminierungsverbotes auf Art. 18 EGV generell bejaht. 68 Begründet wird dies zum Teil damit, daß Art. 18 EGV die Inländergleichbehandlung nicht ausdrücklich anordne. 69 Nach anderer Ansicht stellt Art. 18 EGV im Verhältnis zum allgemeinen Diskriminierungsverbot des Art. 12 EGV die speziellere Regelung dar. 7o Gegen letzteren Standpunkt läßt sich allerdings einwenden, daß weder der Wortlaut noch systematische oder teleologische Gesichtspunkte für eine Interpretation des Art. 18 EGV als eigenständiges und spezielles Inländergleichbehandlungsgebot sprechen, zumal die Anwendung des Art. 12 EGV in ihrer Wirkung nicht hinter einem Art. 18 EGV immanenten Diskriminierungsverbot zurückbleibt. Es läßt sich daher kein Argument für die Notwendigkeit oder Nützlichkeit (effet utile) eines derartigen 66 EuGH, Rs. C-85 196, Slg. 1998, S. 1-2725 Rn 61 f. (Martinez Sala). Siehe dazu auch die Schlußanträge des GA La Pergola, a. a. 0., S. 1-2704 Rn 20-22, nach dessen Ansicht sich die Schaffung der Unionsbürgerschaft insoweit auf den Anwendungsbereich des Vertrages auswirke, als dem einzelnen durch sie ein neuer Status im Sinne einer neuen subjektiven Rechtsstellung zuerkannt worden sei, weIche Art. 8a EGV mit dem Recht, sich in jedem Mitgliedstaat zu bewegen und aufzuhalten, verknüpfe. 67 EuGH, Rs. C-184/99, Slg. 2001, S. 1-6242 Rn 31-33 (GrzeIczyk); Rs. C-224/98, Slg. 2002, S. 1-6223 Rn 28 f. (D'Hoop); Rs. C-148/02, Slg. 2003, S. 1-11644 Rn 22-24 (Garcia Avello); Rs. C-224 102, Slg. 2004, S. 1-5763 Rn 17 f. (Pusa). Der EuGH ist damit der Ansicht des GA Pergola in der Rs. Martinez Sala in vollem Umfange gefolgt. 68 So z. B. Wouters, European Citizenship and the Case-Law of the Court of Justice of the European Communities on the Free Movement of Persons, in: Marias (ed.), European Citizenship, S. 49. 69 Kluth, in: Calliess! Ruffert, Art. 18 EGV Rn 5; Pechstein! Bunk, S. 553 f. 70 Hilf, in: Grabitz! Hilf, Art. 18 EGV Rn 5. In diesem Sinne auch GA Jacobs in der Rs. C-274/96, Slg. 1998, S. 1-7645 Rn 24 (Bickel und Franz), der das Diskriminierungsverbot als wesentlichen Bestandteil der Unionsbürgerschaft qualifiziert. Deutlicher noch vertritt GA La Pergola in der Rs. C-85 196, Slg. 1998, S. 1-2704 Rn 20 (Martinez Sala), daß sich das Recht, gegenüber den Staatsangehörigen des Aufnahmestaates nicht diskriminiert zu werden, unmittelbar und als eigenständiger Anspruch aus der primärrechtlichen Vorschrift des Art. 8 EGV (Art. 17 EGV n. E) ergebe.
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Gebotes finden. 71 Diese Interpretation deckt sich dogmatisch auch mit der angeführten Rechtsprechung des EuGH. 72 Inwieweit die Anwendung des Diskriminierungsverbotes auf Art. 18 EGV nun dessen sachlichen Gehalt erweitert oder zumindest konkretisiert, hängt zum einen von der Reichweite des Aufenthaltsbegriffes, zum anderen vom genauen Umfang der Anwendbarkeit des Diskriminierungsverbotes auf die Regelung ab. 73 Wenn das Aufenthaltsrecht lediglich das Recht auf physische Präsenz im Aufenthaltsstaat absichern soll, kann auch das Diskriminierungsverbot nicht viel bewirken. Ist allerdings eine Vollintegration des Aufenthaltsberechtigten beabsichtigt, ist dessen Gleichstellung mit Inländern in einer Vielzahl von Einzelbelangen möglich. Das Aufenthaltsrecht umfaßte damit grundsätzlich jede auch den Inländern gestattete Tätigkeit und damit prinzipiell auch das Recht zum Grunderwerb. Durch die Anwendbarkeit des Art. 12 EGV wäre dann auch in dieser Hinsicht jede nach der Staatsangehörigkeit vorgenommene Diskriminierung grundsätzlich verboten. 74 Eine Begrenzung des Aufenthaltsrechts auf ein bloßes Recht auf physische Präsenz, ergänzt um einige dafür funktional erforderliche Marginalien, würde dazu führen, daß das allgemeine Aufenthaltsrecht sogar noch hinter dem durch die DF gewährleisteten Aufenthaltsrecht zurückbliebe. Der EuGH hatte ein Freizügigkeits- und Aufenthaltsberecht in diesem Bereich als Annexgewährleistung anerkannt. 75 Er hat es insoweit für ausreichend erachtet, daß ein Unionsbürger sich in einen anderen Mitgliedstaat begibt und dort lediglich die Möglichkeit hat, eine Dienstleistung in Empfang zu nehmen. 76 Bliebe das allgemeine Aufenthaltsrecht des Art. 18 EGV hinter diesen Befugnissen aus der DF zurück, wäre seine Einfügung aber völlig überflüssig gewesen. 77 Andererseits ist die Annahme, Art. 18 EGV begründe ein Recht auf Vollintegration in dem Sinne, daß das Aufenthaltsrecht jegliche mit dem Aufenthalt in So auch Pechstein/Bunk, S. 553 f. So jedenfalls in der Rs. C-184/99, Sig. 2001, S. 1-6243 Rn 36 f. (Grzelczyk). In der späteren Rs. C-224 198, Sig. 2002, S. 1-6223 Rn 28 (D'Hoop) und Rs. C-224/02, Sig. 2004, S. 1-5763 Rn 16 ff. (Pusa) findet Art. 12 EGV keine gesonderte Erwähnung mehr. Der EuGH nimmt aber auf das frühere Urteil Grzelczyk Bezug. 73 Pechstein/ Bunk, S. 552. 74 Pechstein/ Bunk, S. 554. 75 EuGH, Rs. 286/82 und 26183, Sig. 1984, S. 401 (Luisi und Carbone). Nach Ansicht des GA Cosmas [Schlußanträge in der Rs. C-423/98, Sig. 2000, S. 1-5979 Rn 41 (Albore)) stehe sogar der bloße Versuch, irgendwo im Gemeinschaftsgebiet ein Grundstück zu erwerben, einer Inanspruchnahme der Freizügigkeit oder der Niederlassungsfreiheit gleich - auch wenn es dabei Spekulation bliebe, ob der beabsichtigte Grundstückskauf tatsächlich mit der Ausübung der genannten Grundfreiheiten zusammenhänge. 76 EuGH, Rs. C-274/96, Sig. 1998, S. 1-7655 Rn 15 (Biekel und Franz). Aus dem durch die passive Dienstleistungsfreiheit gewährten Freizügigkeits- und Aufenthaltsrecht folgt nach hier vertretener Auffassung aber prinzipiell kein Grunderwerbsrecht, vgl. oben C. V. 2. b); a. A.: Pechstein/Bunk, S. 553. 77 So auch Pechstein/ Bunk, S. 553. 71
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Zusammenhang stehende Tätigkeit gewährleiste und eine vollständige Gleichstellung mit den Inländern in sämtlichen Bereichen erfordere,78 problematisch. Zwar ist das Aufenthaltsrecht nicht mehr an die Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit geknüpft. Jedoch ließe sich eine umfassende Gleichstellung der in einem Mitgliedstaat aufenthaltsberechtigten EU-Ausländer mit den Angehörigen dieses Staates beim gegenwärtigen Integrationsstand der EU wohl kaum mit den an die Staatsangehörigkeit geknüpften Rechten und Pflichten vereinbaren. 79 Darüber hinaus bedeutete ein Anspruch auf Inländergleichbehandlung für jede aus Anlaß des Aufenthalts erdenkliche Handlung unter Umständen ein Unterlaufen des Prinzips der begrenzten Einzelermächtigung. Diese allgemein anerkannte und gesicherte thematische Beschränkung des EGV, welche auch im Bereich des Art. 12 EGV gilt, muß aber dringend beachtet werden, um nicht die Legitimationsgrundlage der Union in Frage zu stellen. Dies hat zur Folge, daß ein auf Art. 18 i. V. m. Art. 12 EGV gestützter Anspruch auf Inländergleichbehandlung nur in solchen Fällen bestehen kann, die in einem engen sachlichen Zusammenhang mit dem Aufenthalt stehen und dessen effektiver Ausübung dienen. 8o Da das Aufenthaltsrecht indes nach wohl einhelliger Auffassung zeitlich unbegrenzt ist und auch das Recht einer dauerhaften Wohnsitznahme umfaßt, läßt sich daraus auch ein prinzipieller Anspruch auf Gleichbehandlung im Rahmen des unmittelbar damit in Zusammenhang stehenden Immobilienerwerbs folgern. 81 Für ein solches allgemeines Immobilienerwerbsrecht sprechen darüber hinaus eine Reihe unterschiedlicher Gesichtspunkte: So ist zum einen das durch Art. 18 EGV gewährleistete allgemeine Aufenthaltsrecht bereits als politische bzw. nicht wirtschaftliche Grundfreiheit charakterisiert worden. 82 Darin kann ein entscheidender dogmatischer Ansatzpunkt für ein von Art. 18 EGV umfaßtes, auf Vollintegration abzielendes Immobilienerwerbsrecht erblickt werden. Führt man sich nämlich vor Augen, daß der Immobilienerwerb durch sämtliche wirtschaftlichen Grundfreiheiten, insbesondere auch durch die Dienstleistungsfreiheit, als Annex 78 So Pechstein I Bunk, S. 554. Auch der EuGH postuliert in seinen jüngeren Entscheidungen bezüglich des allgemeinen Aufenthaltsrechts einen umfassenden Anspruch auf gleiche rechtliche Behandlung [zuletzt in der Rs. C-224/02, Sig. 2004, S. 1-5763 Rn 18,20 (Pusa)]. Er hat sich jedoch im Zusammenhang mit der Unionsbürgerschaft noch nicht speziell mit der Frage des Immobilienerwerbs befassen müssen. 79 So auch der Einwand der französischen Regierung in der Rs. C-184/99, Sig. 2001, S. 1-6240 Rn 22 (Grzelczyk) bezüglich der Gewährung von Sozialhilfe an einen Studenten aus einem anderen Mitgliedstaat. 80 Kluth, in: Calliess I Rujfert, Art. 18 EGV Rn 5; allgemein zu diesem Aspekt BVeifG E 88, S. 155, 192 ff. 81 So auch Kluth, in: CaliiesslRujfert, Art. 18 EGV Rn 5; im Ergebnis PechsteinlBunk, S.553. 82 Siehe dazu insbesondere die Stellungnahme der spanischen Delegation, in: Corbett (Hg.), The Treaty of Maastricht, 1993, S. 156, 157; Stellungnahme der Kommission vom 21. 10. 1990, in: Corbett, S. 165 ff., 169; Papier der italienischen Ratspräsidentschaft vom 16.11. 1990, in: Corbett, S. 191 ff., 194.
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gewährleistet wird, stellt ein Immobilienerwerbsrecht im Rahmen des allgemeinen Aufenthaltsrechts lediglich eine Gleichstellung mit den übrigen Grundfreiheiten dar. Materiell bedeutet ein solches Grunderwerbsrecht außerhalb rein wirtschaftlicher Aktivitäten einen weiteren wichtigen Schritt in Richtung einer sich zunehmend vertiefenden Integration des Individuums innerhalb der Union. Eine solche Vertiefung liegt nur in der Konsequenz der bereits skizzierten Entwicklung der Gemeinschaften von einer ursprünglich rein wirtschaftlich orientierten Zweckgemeinschaft hin zu einer immer engeren Union der Völker Europas. Mit der Einführung der Unionsbürgerschaft wird bezweckt, das Modell eines Europas der Bürger weiter voranzutreiben, sowie die Union für den einzelnen nicht nur als technokratische Zweckgemeinschaft, sondern als rechtliche und politische Schicksalsgemeinschaft in besonderer Weise erfahrbar zu machen. Dem Aufenthaltsrecht des Art. 18 EGV kommt dabei - wie schon seine systematische Stellung an der Spitze der Vorschriften über die Unionsbürgerschaft zeigt - eine überragende Bedeutung zu, da sich in ihm die Reichweite der Integration in einer für jeden einzelnen Unionsbürger konkret erfahrbaren Weise widerspiegelt. 83 Derartige integrationspolitische Erwägungen scheinen in jüngster Zeit offenbar auch bei den Generalanwälten des EuGH Anklang zu finden. So hat GA Geelhoed in der Rechtssache Reisch u. a. betont, daß ,,( ... ) die immer weitere Auslegung des Bewegungs- und Aufenthaltsrechts innerhalb der Europäischen Union dazu führt, daß auch der Aufenthalt in einer Zweitwohnung unter dieses Recht fallen kann". 84 Nicht zuletzt können durch die Möglichkeit, sich auch außerhalb der Verfolgung rein wirtschaftlicher Zwecke dauerhaft und gleichberechtigt in jedem Mitgliedstaat niederzulassen, weitere wichtige Zielsetzungen innerhalb des europäischen Einigungsprozesses in optimaler Weise verfolgt werden: Es handelt sich dabei um die Förderung der Unionsloyalität des einzelnen und die Schaffung einer europäischen Identität im Innern. 85 83 Kluth, in: Calliess / Ruffert, Art. 18 EGV Rn 2. Siehe dazu auch den zweiten Bericht der Kommission über die Unionsbürgerschaft vom 27. 5.1997, KOM (1997) 230, S. 29, wo die Freizügigkeit als wichtigstes Merkmal der Unionsbürgerschaft bezeichnet wird. 84 Verb. Rs. C-515/99, C-519/99 bis C-524 I 99 und C-526/99 bis C-540/99, Sig. 2002, S. 1-2173 Rn 58. 85 Die Herausbildung einer europäischen Identität und die Unionsbürgerschaft stehen in einem Spannungsverhältnis zu der gemäß Art. 6 Abs. 3 EUV von der Union zu achtenden nationalen Identität ihrer Mitgliedstaaten. In diesem Spannungsverhältnis kommt die Offenheit des Entwicklungsprozesses, für den der EUV bisher kein Endziel festgeschrieben hat, zum Ausdruck. Art. 6 Abs. 3 EUV steht jedoch einer Integrationsvertiefung, wie sie gerade auch in einem allgemeinen Immobilienerwerbsrecht erblickt werden kann, nicht entgegen. Zwar ist die Regelung - zusammen mit den Grundsätzen der begrenzten Einzelermächtigung und der Subsidiarität (vgl. insbes. Art. 5 Abs. I u. 2 EGV) - erkennbar auf die Begrenzung der Kompetenzen der Union angelegt und soll deren föderativen Aufbau betonen. Sie bildet aber keine Sperre gegenüber der Weiterentwicklung des gemeinsamen Besitzstandes (Art. 2 Abs. 1,5. Spiegelstrich EUV) bzw. gegenüber der weiterhin anzustrebenden "immer engeren
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Schließlich läßt sich noch eine historische Parallele für ein Grunderwerbsrecht außerhalb wirtschaftlicher Betätigung anführen: Bereits oben wurde erläutert, daß mit der Einführung der Unionsbürgerschaft ein Gleichstellungsstatus der Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten im Sinne eines europäischen Indigenats begründet worden ist. 86 Es liegt deshalb ein Vergleich mit Art. 3 Abs. I der Reichsveifassung vom 16.4. IB7/ nahe, der wiederum Art. 3 der Verfassung des Norddeutschen Bundes entsprach und für ganz Deutschland ein gemeinsames Indigenat vorsah. Dieses hatte - in verblüffender Ähnlichkeit zur Unionsbürgerschaft und dem allgemeinem Diskriminierungsverbot des Art. 12 EGV - die Wirkung, daß die Angehörigen eines jeden Bundesstaates in jedem anderen Bundesstaate "als Inländer zu behandeln und demgemäß zum festen Wohnsitz ( ... ) (und) zur Erwerbung von Grundstücken ( ... ) unter denselben Voraussetzungen wie der Einheimische zuzulassen ( ... )" waren. Damit wurde innerhalb des Reiches die "Ausländerei" abgeschafft. 87 Die Anerkennung eines allgemeinen Immobilienerwerbsrechts außerhalb einer rein wirtschaftlichen Betätigung liegt damit in der Konsequenz einer systematischen Fortentwicklung der Unionsbürgerschaft, die von ihrer Konzeption her auf die weitere Zuerkennung von Rechten und damit auf eine Vertiefung der Integration angelegt ist. 88 d) Einschränkungen und Ausführungsvorschriften Das Aufenthaltsrecht wird vorbehaltlich der in den übrigen Vertragsbestimmungen 89 und in den sekundärrechtlichen Durchführungsvorschriften geregelten Beschränkungen und Bedingungen gewährt. Es steht somit unter einem Schrankenvorbehalt. Da die sonstigen Vertragsbestimmungen an eine wirtschaftliche TätigUnion der Völker Europas" (Art. 1 Abs. 2 EUV). Vielmehr sind letztere Zielsetzungen des EUVals Art. 6 Abs. 3 EUV gegenläufige Vertragsbestimmungen anzusehen, vgl. Hi/fISchorkopf, in: Grabitzl Hilf, Art. 6 EUV Rn 73, 86. 86 Indigenat (lat. indigena = eingeboren) ist eine früher gebräuchliche Bezeichnung für die Zugehörigkeit einer Person zu einem bestimmten Gemeinwesen, insbesondere aber auch für die aus dieser Zugehörigkeit entspringenden Rechte, vgl. Creifelds. Rechtswörterbuch, 18. Aufl., 2004, S. 679; Hilf, in: Grabitzl Hilf, Art. 17 EGV Rn 63; Habe, Die Unionsbürgerschaft nach dem Vertrag von Maastricht - Auf dem Weg zum europäischen Bundesstaat?, in: Der Staat, 1993 (Bd. 32), S. 245, 267. 87 Vgl. dazu näher Hilf, in: GrabitzlHilf, Art. 17 EGV Rn 14. 88 Diese stetige Integrationsvertiefung läßt sich insbesondere anhand der Rechtsprechung des EuGH nachvollziehen. So erkannte der Gerichtshof, gestützt auf Art. 18 i. V. m. 12 EGV, bereits an: Den Anspruch auf eine beitragsunabhängige Sozialleistung an einen Studenten (Rs. Grzelczyk), auf Überbrückungsgeld (Rs. D'Hoop) sowie die Anrechnung im Ausland zu entrichtender Steuern auf den zwangsvollstreckungsrechtlichen Pfändungsfreibetrag (Rs. Pusa). 89 Gemeint sind ausschließlich die Vorschriften des EGV und nicht auch die Bestimmungen des EUV, vgl. Haag, in: von der GroebenlSchwarze, Art. 18 EG Rn 15.
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keit anknüpfen, erstrecken sich die darauf gestützten Einschränkungen nicht auf einen Aufenthalt außerhalb wirtschaftlicher Betätigung. Dogmatisch lassen sich Einschränkungen des allgemeinen Aufenthaltsrechts aber entweder direkt auf Art. 18 Abs. 1 EGV 90 oder auf eine Rechtsanalogie bezüglich der grundfreiheitlichen Schrankenbestimmungen stützen. Dieser Ansatz rechtfertigt sich durch die Entwicklung einer einheitlichen Dogmatik der Grundfreiheiten einschließlich der zu ihnen ergangenen Durchführungsbestimmungen. 91 Im Hinblick auf mögliche Beschränkungen des durch Art. 18 EGV gewährleisteten Immobilienerwerbsrechts sind zunächst einschränkende (primärrechtliche) Sonderregelungen, wie etwa die Gemeinsame Erklärung Nr. 5 zu Zweitwohnungen oder das Protokoll betreffend den Erwerb von Immobilien in Dänemark, zu beachten. 92 Da jede Person, die von der im Rahmen der Grundfreiheiten gewährleisteten Personenfreizügigkeit und den damit verbundenen Aufenthaltsrechten Gebrauch macht, zugleich die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der durch Art. 18 EGV gewährten Rechte erfüllt, muß die Ausübung des allgemeinen Aufenthaltsrechts aus systematischen Gründen zumindest denselben Beschränkungen unterworfen werden können, wie die Personenverkehrsfreiheiten. Letztere sollten durch die Einfügung des Art. 18 EGV sicherlich nicht überflüssig gemacht werden. 93 Der Verweis auf die sonstigen Vertragsbestimmungen dient damit der Sicherung des Fortbestandes der besonderen Schrankensystematik im Bereich der Grundfreiheiten. 94 Inhaltlich hat der Verweis auf die sonstigen Vertragsbestimmungen und Durchführungsvorschriften zur Folge, daß auf die für sie jeweils maßgeblichen Gründe und Grenzen abzustellen ist. Einschränkungen lassen sich daher zumindest auf Gründe der öffentlichen Sicherheit, Ordnung oder Gesundheit stützen, wie sie auch in den Schrankenvorbehalten der Grundfreiheiten und dem dazu erlassenen Sekundärrecht95 enthalten sind. 96 Zu denken ist auch an die vom EuGH im Rahmen der 90 Anderer Ansicht: Hilf, in: Grabitz/Hilf, Art. 18 EGV Rn 15, der Art. 18 Abs. 1 EGV nicht den Charakter einer Ermächtigungsgrundlage beimessen und Einschränkungen daher nur aufgrund anderer Rechtsvorschriften zulassen will. 91 Kluth, in: Calliess/Ruffert, Art. 18 EGV Rn 13. 92 Siehe zu diesen Sonderregelungen ausführlich G. 93 Pechstein/ Bunk, S. 552 (Fn 37). 94 Haag, in: von der Groeben/Schwarze, Art. 18 EG Rn 15; Kluth, in: Calliess/Ruffert, Art. 18 EGV Rn 11; Pechstein/Bunk, S. 552. 95 Richtlinie 64/221 /EWG des Rates vom 25. 2. 1964 zur Koordinierung der Sondervorschriften für die Einreise und den Aufenthalt von Ausländern, soweit sie aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit gerechtfertigt sind, ABI. 1964, S. 850. 96 Fischer; S. 566, 568; Kluth, in: Calliess/ Ruffert, Art. 18 EGV Rn 12. Siehe dazu auch die Ausführungen des GA Geelhoed in der Rs. C-413/99, Slg. 2002, S. 1-7129 Rn 108 (Baumbast und R.), der vertritt, daß die durch Art. 18 EGV gewährten Rechte nicht unbegrenzt seien, sondern vielmehr durch öffentliche Belange, wie etwa die öffentliche Sicherheit
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allgemeinen Grundfreiheitendogmatik entwickelten zwingenden Eifordernisse des Allgemeininteresses. Darüber hinaus bedient sich der Gerichtshof in bezug auf die mögliche Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung von Unionsbürgem bei Ausübung der Freizügigkeit seiner bisher schon zu Art. 12 EGV verwendeten Terminologie. Demnach könne eine Ungleichbehandlung gerechtfertigt sein, wenn sie auf objektiven, von der Staatsangehörigkeit der Betroffenen unabhängigen Erwägungen beruhe und in einem angemessenen Verhältnis zu einem zulässigerweise verfolgten Zweck stünde. 97 Teilweise wird vertreten, daß sich der materiell-rechtliche Maßstab für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit von Einschränkungen, welche auf sonstige Vertragsbestimmungen und deren Durchführungsvorschriften gestützt werden, durch die Einführung des Art. 18 EGV nicht geändert habe und daher für eine Überprüfung der bisher erlassenen Beschränkungen an Art. 18 EGV kein Anlaß bestehe. 98 Nach anderer Ansicht soll das allgemeine Aufenthaltsrecht jedoch im Rahmen der Auslegung dieser anderen gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften, wie etwa bei Beschränkungen der aus den Verkehrsfreiheiten fließenden Aufenthaltsrechte, zu berücksichtigen sein. Insbesondere müßten die einschränkenden Vorschriften ihrerseits die Wertentscheidung des Art. J8 EGV beachten und im Lichte der Bedeutung des Rechts des Unionsbürgers auf Aufenthalt ausgelegt werden. Der Wesensgehalt der Regelung dürfe dabei nicht angetastet werden. 99 Letztere Grundsätze, die sich wohl an die vom deutschen Bundesverfassungsgericht zur Einschränkung der Meinungsfreiheit des Art. 5 GG aufgestellte "Wechselwirkungslehre"lOo anlehnen, stellen zumindest keinen Widerspruch zu der vom EuGH bisher entwickelten Grundfreiheitendogmatik dar. Einschränkungen sind jedenfalls am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit auszurichten und bedürfen stets einer besonderen Rechtfertigung. 101 Unter den in Art. 18 EGV genannten Bedingungen sind beispielsweise die in den allgemeinen Aufenthaltsrichtlinien enthaltenen Bedingungen ausreichender Existenzmittel sowie einer Krankenversicherung zu verstehen. 102 Dies gilt zuminund Ordnung, die öffentliche Gesundheit sowie auch finanzielle Interessen der Mitgliedstaaten gerechtfertigt werden könnten. 97 EuGH, Rs. C-274/96, Slg. 1998, S. 1-7658 Rn 27 (Biekel und Franz); Rs. C-224/98, Slg. 2002, S. 1-6224 Rn 36 (D'Hoop). 98 Kluth, in: Calliessl Rujfert, Art. 18 EGV Rn 12. 99 So Haag, in: von der GroebenlSchwarze, Art. 18 EG Rn 6,16; Hilf, in: GrabitzlHilf, Art. 18 EGV Rn 13. 100 Vgl. dazu BVerfG E 7, S. 198,207 ff. (Lüth). 101 Kluth, in: CalliesslRujfert, Art. 18 EGV Rn 13; EuGH, C-224/98, Slg. 2002, S. 1-6224 Rn 36 (D'Hoop). 102 Fischer, S. 568. Diese Auffassung deckt sich mit den zitierten Schlußanträgen des GA Geelhoed in der Rs. C-413/99, Slg. 2002, S. 1-7094 ff. (Baumbast und R.). Demgegenüber vertritt GA La Pergola in seinen Schlußanträgen in der Rs. C-85 /96, Slg. 1998, S. 1-2702 Rn 18 (Martfnez Sala) die Ansicht, das Bestehen des allgemeinen Aufenthaltsrechts könne
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dest dem Grundsatz nach. Speziell im Hinblick auf das Aufenthaltsrecht für Studenten, wie es in der RL 93/96/ EWG konkretisiert wird,103 hat der EuGH eine etwas andere Interpretation der Bedingung ausreichender Existenzmittel vorgenommen. So könne von einem Studenten nicht das Vorhandensein von Existenzmitteln in einer bestimmten Höhe verlangt werden. Der Student müsse lediglich glaubhaft machen, daß er über ausreichende Mittel verfüge, so daß er und ggf. seine Familie nicht die Sozialhilfe des Aufnahmemitgliedstaates in Anspruch nehmen müßten. 104 Von den Schranken und Bedingungen deutlich zu trennen sind die nach Art. 18 Abs. 2 EGV fakultativ zu erlassenden Durchführungsvorschriften, welche die Ausübung des Aufenthaltsrechts erleichtern sollen. Beschränkungen lassen sich daher nicht auf Absatz 2 stützen. 105 Dadurch wird der bereits erreichte Stand des Aufenthaltsrechts im Sinne eines Mindeststandards abgesichert. I06 Die Bestimmung bestätigt zudem, daß das allgemeine Aufenthaltsrecht bereits allein aufgrund des Vertrages besteht und die Durchführungsbestimmungen lediglich dessen Entfaltung dienen.
aufgrund seines subjektiv-rechtlichen Charakters nicht von in anderen Gemeinschaftsvorschriften enthaltenen Bedingungen abhängig gemacht werden. Damit wäre womöglich auch die Bedingung einer ausreichenden finanziellen Absicherung des Unionsbürgers im Gastland, wie sie die Aufenthaltsrichtlinien vorsehen, unzulässig. Dagegen spricht jedoch, daß das durch Art. 18 EGV gewährte Recht ausdrücklich unter dem Vorbehalt von Bedingungen steht und damit grundSätzlich auch Umstände denkbar sind, unter denen dieses Recht gar nicht besteht bzw. nicht (mehr) in Anspruch genommen werden kann, vgl. Hilf, in: Grabitz/ Hilf, Art. 18 EGV Rn 11 f. Letztlich relativiert GA La Pergola seine Ausführungen auch wieder dadurch, daß ihm zufolge die Richtlinie 90/364/ EWG, welche ein Aufenthaltsrecht durch ausreichende finanzielle Mittel bedingt, die Voraussetzungen regeln könne, um das im Vertrag niedergelegte Freiheitsrecht "in Anspruch zu nehmen". 103 Siehe dazu oben H. 3. 104 EuGH, Rs. C-184/99, Sig. 2001, S. 1-6244 Rn 38-45 (Grzelczyk). Dies wird mit den Besonderheiten des (zeitlich auf die Dauer des Studiums begrenzten) Aufenthalts von Studenten gegenüber dem (dauerhaft möglichen) Aufenthalt der durch die RL 90/364/ EWG und 90/365/ EWG Begünstigten gerechtfertigt. Für letztere stellt das Vorhandensein von Existenmitteln in bestimmter Höhe eine (konstitutive) Bedingung des Aufenthaltsrechts dar. Nach Ansicht des EuGH folge allerdings aus sämtlichen Aufenthaltsrichtlinien eine bestimmte finanzielle Solidarität der Mitgliedstaaten mit den Angehörigen der jeweils anderen Mitgliedstaaten. Nichtsdestoweniger könne die Inanspruchnahme von Sozialhilfe gegebenenfalls einen Beendigungstatbestand für das Aufenthaltsrecht schaffen. Siehe dazu auch die Schlußanträge des GA Alber; a. a. 0., S. 1-6227 Rn 122 f. sowie allgemein Martinez Soria, Die Unionsbürgerschaft und der Zugang zu sozialen Vergünstigungen, in: JZ 2002, S. 643 ff. 105 Zu berücksichtigen ist aber, daß einzelne Maßnahmen gegenüber dem bisherigen Rechtszustand zwar eine Erleichterung darstellen können, aber dennoch als fortbestehende, teilweise Beschränkungen des umfassenden Aufenthaltsrechts angesehen werden können, vgl. Hilf, in: Grabitz/ Hilf, Art. 18 EGV Rn 16. 106 Haag, in: von der Groeben/Schwarze, Art. 18 EG Rn 17; Kluth, in: Calliess/Ruffert, Art. 18 EGV Rn 15.
III. Immobilienerwerb innerhalb der Unionsbürgerschaft
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e) Verhältnis zu den Grundfreiheiten Da das Recht zum Immobilienerwerb auch durch die wirtschaftlichen Grundfreiheiten (Art. 39 ff., 43 ff., 49 ff., 56 ff. EGV) gewährleistet wird, ist deren Verhältnis zum allgemeinen Aufenthaltsrecht des Art. 18 EGV zu klären. Die Ableitung eines Aufenthalts- und damit verbundenen Immobilienerwerbsrechts als Annex zu den Grundfreiheiten könnte nämlich durch Art. 18 EGVobsolet geworden sein. Diese Deutung ist allerdings nur sinnvoll, wenn Art 18 Abs. 1 EGV das Aufenthaltsrecht auch im Anwendungsbereich der übrigen Vertragsbestimmungen, einschließlich der Grundfreiheiten, schützte. Dagegen läßt sich jedoch einwenden, daß ein Aufenthalts- und Immobilienerwerbsrecht zum Zwecke der Ausübung einer bestimmten wirtschaftlichen Tätigkeit in unauflösbar sachlichem Zusammenhang mit der jeweiligen Grundfreiheit steht, wenn diese nicht ohne Aufenthalt und Grunderwerb im jeweiligen Mitgliedstaat ausgeübt werden kann. 107 Da die einzelnen Grundfreiheiten speziellere Verhaltensformen erfassen als Art. 18 EGV, wird man in Einklang mit der einhelligen Auffassung der Literatur und der Generalanwälte vertreten können, daß die (wirtschaftlichen) Grundfreiheiten (einschließlich des dazugehörigen Sekundärrechts) gegenüber dem allgemeinen Aufenthaltsrecht im Umfang ihrer Berechtigungen und den dazugehörenden Beschränkungen die spezielleren Vorschriften darstellen. 108 Art. 18 EGV kommt insoweit lediglich die Bedeutung einer Auffangberechtigung zu. 109 Allerdings ist zu berücksichtigen, daß - im Gegensatz zu den Grundfreiheiten - ein grenzüberschreitendes Element für Art. 18 EGV nicht erforderlich ist, so daß sich Unionsbürger auch gegenüber ihrem eigenen Mitgliedstaat auf die Vorschrift berufen können. Im Unterschied zur KVF steht dieses Recht aber nur Unionsbürgem zu. 3. Zusammenfassung
Die Untersuchung des allgemeinen Freizügigkeits- und Aufenthaltsrechts des Art. 18 EGV hat ergeben, daß jedem Unionsbürger prinzipiell das Recht eingeräumt wird, auch unabhängig von der Verfolgung rein wirtschaftlicher Zwecke 107 Vgl. Kluth, in: Calliess / Ruffert, Art. 18 EGV Rn 10 bezüglich des Aufenthalts allgemein. 108 Haag, in: von der Groeben/ Schwarze, Art. 18 EG Rn 6; Hilf, in: Grabitz/ Hilf, Art. 18 EGV Rn 5; Kluth, in: Calliess / Ruffert, Art. 18 EGV Rn 10; Pechstein/ Bunk, S. 553. Siehe auch die Schlußanträge des GA Alber in der Rs. C-184/99, Slg. 2001, S. 1-6213 Rn 64, 90 ff. (Grze1czyk), der einerseits von einem Spezialitätsverhältnis des durch die Arbeitnehmerfreizügigkeit gewährten Aufenthaltsrechts gegenüber demjenigen aus Art. 18 EGV ausgeht, andererseits sowohl ein Nacheinander als auch eine Parallelität der Aufenthaltsberechtigung aus verschiedenen Rechtsgrundlagen für möglich erachtet. Im Hinblick auf das Problem, daß an die jeweilige Rechtsgrundlage unterschiedliche Rechte und Pflichten geknüpft sein können, sollten im Interesse der Freizügigkeit die jeweils günstigeren Folgen für den Aufenthaltsberechtigten zum Tragen kommen. 109 Pechstein/ Bunk, S. 553.
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E. Immobilienerwerb außerhalb wirtschaftlicher Betätigung
in jedem Mitgliedstaat der Gemeinschaft Immobilien zu erwerben. Ein solches Recht läge jedenfalls in der Konsequenz der zunehmenden Vertiefung der Integration des einzelnen innerhalb der EU. Der EuGH hat sich zu einem solchen allgemeinen Grunderwerbsrecht für Unionsbürger noch nicht äußern müssen. Allerdings sind entsprechende Überlegungen bereits von einigen Generalanwälten angestellt worden. Das allgemeine Immobilienerwerbsrecht kann jedoch durch (primärrechtliche ) Sonderregelungen, aufgrund zwingender Allgemeinwohlbelange sowie aus Griinden der öffentlichen Sicherheit, Ordnung oder Gesundheit beschränkt werden. 110 Zudem erscheint es naheliegend, das allgemeine Grunderwerbsrecht durch das Erfordernis ausreichender finanzieller Mittel zu bedingen, damit der Aufnahmestaat gegen die Inanspruchnahme seiner sozialen Sicherungssysteme abgesichert ist. 111
IV. Immobilienerwerb und allgemeines Diskriminierungsverbot
Als Grundsatz des EGV befindet sich in seinem ersten Teil die Regelung des Art. 12, demzufolge unbeschadet besonderer Bestimmungen des Vertrages in seinem Anwendungsbereichjede Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit verboten ist. Dieses allgemeine Diskriminierungsverbot ist bereits im Zusammenhang mit den Grundfreiheiten, den allgemeinen Aufenthaltsrichtlinien und dem allgemeinen Aufenthaltsrecht des Art. 18 EGV behandelt worden. An dieser Stelle soll die Regelung einer eigenständigen Betrachtung im Hinblick auf ihre Bedeutung für den Immobilienerwerb unterzogen werden. Dabei ist auch ihr Verhältnis zu anderen Vorschriften, insbesondere zu den Grundfreiheiten, zu klären. I. Allgemeine Bedeutung Wie sich bereits der systematischen Stellung im ersten Teil "Grundsätze" des EGVentnehmen läßt, handelt es sich bei Art. 12 EGV um eine grundlegende, im gesamten Anwendungsbereich des Vertrages zu beriicksichtigende Regelung, weiche seine Systematik, Funktionsweise und Ausgestaltung im einzelnen prägt. In der herausgehobenen Positionierung der Vorschrift wird zugleich ihre fundamentale Bedeutung für die angestrebte Integration deutlich. Das durch sie statuierte allgemeine Prinzip der Nichtdiskriminierung wird in anderen Vorschriften aufgegriffen und näher konkretisiert bzw. erweitert, so daß es sich auch als "Leitmotiv Siehe dazu oben C. bezüglich der allgemeinen Dogmatik der Grundfreiheiten. In diese Richtung zielt auch der neue Art. 18 Abs. 3 EGV, der anläßlich der Regierungskonferenz von Nizza in den EGVeingefügt worden ist. Er ist eine Reaktion auf die ausufernde Interpretation des Art. 18 i. V. m. Art. 12 EGV durch den EuGH hinsichtlich der Gewährung sozialer Vergünstigungen. Siehe allgemein dazu Martfnez Soria. in: JZ 2002, S. 643, 651. 110
111
IV. Immobilienerwerb und allgemeines Diskriminierungsverbot
207
des Vertrages" charakterisieren läßt. 112 Als Interpretationsmaxime sämtlicher weiterer Vertragsbestimmungen verfolgt das allgemeine Diskriminierungsverbot letztlich den Zweck, nationale Präferenzen der Mitgliedstaaten für die eigenen Staatsangehörigen zu überwinden und dadurch nicht nur die Voraussetzungen für einen funktionierenden Binnenmarkt, sondern darüber hinaus die Grundlage für die Verwirklichung einer immer engeren Union der Völker zu schaffen. Die mit dieser Union angestrebte Integration wird nämlich nur bei einer weitreichenden Überwindung des Fremdenstatus möglich. 113
Art. 12 EGV ist unmittelbar wirksam, da er ein bestimmtes und konkretes Verbot in Form einer Unterlassungspflicht beinhaltet, zur deren Umsetzung es keines weiteren Vollzugsaktes bedarf und den Adressaten auch keinen Ermessensspielraum einräumt. Dadurch gewährt die Regelung dem einzelnen eine gerichtlich durchsetzbare Rechtsposition, so daß ihr damit ein grundrechtsähnlicher Charakter zukommt. 114 Normadressaten sind vorrangig die Mitgliedstaaten, es werden aber auch die Gemeinschaftsorgane gebunden. I 15 Art. 12 EGV wird weitgehend als eine besondere Ausprägung des allgemeinen Gleichheitssatzes qualifiziert. 116 Dabei darf allerdings nicht übersehen werden, daß der Anwendungsbereich des Art. 12 EGV gegenüber den Mitgliedstaaten erheblich weiter ist als derjenige des allgemeinen Gleichheitssatzes. Letzterer gilt als allgemeiner Rechtsgrundsatz primär gegenüber der Gemeinschaft und dient vor allem der Kontrolle von Sekundärrecht. Gegenüber den Mitgliedstaaten kommt er nur zur Anwendung, wenn diese zur Durchführung des Gemeinschaftsrechts handeln. 117
112 von Bogdandy, in: GrabitzlHilf, Art. 6 EGVa. F. Rn 1; Epiney, in: CalliesslRuffert, Art. 12 EGV Rn 1. Auch der EuGH zieht die Vorschrift als Auslegungsgrundsatz für die besonderen Vertragsbestimmungen heran, vgl. EuGH, Rs. 175178, Slg. 1979, S. 1134 Rn 6 ff. (Saunders); Rs. 136178, Slg. 1979, S. 448 Rn 16 ff. (Auer). 113 von Bogdandy, in: Grabitzl Hilf, Art. 6 EGVa. F. Rn 1. 114 Epiney, in: Calliess I Ruffert, Art. 12 EGV Rn 2; Pernice, Grundrechtsgehalte, S. 196 ff. Teilweise wird das Diskriminierungsverbot gar als Grundrecht bezeichnet, vgl. Lenz, in: Lenz, EGV (1994), Art. 6 EGV (a. F.) Rn 1; in diese Richtung auch von Bogdandy, in: Grabitzl Hilf, Art. 6 EGV a. F. Rn 2. Die Gemeinschaftsgrundrechte als allgemeine Rechtsgrundsätze des Gemeinschaftsrechts binden jedoch in erster Linie die Gemeinschaftsorgane, während Art. 12 EGV sich vor allem an die Mitgliedstaaten richtet und diese umfassend verpflichtet. 115 Epiney, in: CalliesslRuffert, Art. 12 EGV Rn 43. Ob und inwieweit das Diskriminierungsverbot auch zwischen Privaten wirkt, ist eine Frage des Anwendungsbereichs des Vertrages. 116 EuGH, Rs. 147/49, Slg. 1980, S. 3019 Rn 7 (Hochstrass). Im Gegensatz zu Art. 12 EGV, welcher an das Kriterium der Staatsangehörigkeit anknüpft, bezieht sich der allgemeine Gleichheitssatz auf jeden Anknüpfungspunkt einer Differenzierung. 117 Vgl. von Bogdandy, in: Grabitzl Hilf, Art. 6 EGV a. F. Rn 6 f. Zur Bedeutung des allgemeinen Gleichheitssatzes für den Immobilienerwerb siehe unten V.
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E. Immobilienerwerb außerhalb wirtschaftlicher Betätigung
2. Verhältnis zu anderen Regelungen, insbesondere zu den Grundfreiheiten
Das Diskriminierungsverbot des Art. 12 EGV gilt nur unbeschadet besonderer Bestimmungen des Vertrages. Dies führt zu einer Einschränkung des Diskriminierungsverbotes, denn unbeschadet bedeutet vorbehaltlich. 118 Die Ursache für diese Einschränkung liegt darin, daß der Grundsatz der Nichtdiskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit in zahlreichen anderen Vorschriften aufgegriffen und konkretisiert, gegebenenfalls sogar erweitert wird. Als solche besonderen Bestimmungen kommen alle besonderen Diskriminierungsverbote, insbesondere die Grundfreiheiten, in Betracht. Dieses Beispiel zeigt zugleich, daß sich die besonderen Bestimmungen nicht in einem Diskriminierungsverbot erschöpfen müssen, sondern - wie etwa die Interpretation einer Grundfreiheit als Behinderungsverbot zeigt - auch darüber hinausgehen können. In diesen Bereichen erscheint dann ein Rückgriff auf Art. 12 EGV weder sinnvoll noch notwendig, da durch die besonderen Bestimmungen sichergestellt wird, daß auch in ihrem Bereich grundsätzlich keine Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit erfolgen darf. Andererseits hat der Vorrang spezieller Diskriminierungsverbote auch zur Folge, daß Art. 12 EGV selbst dann keine Anwendung findet, wenn derartige Bestimmungen, wie beispielsweise Art. 39 Abs. 3 EGV, ausdrücklich tatbestandliche Diskriminierungen im Sinne des Art. 12 EGV zulassen. 119 Im Einklang mit der Rechtsprechung des EuGH läßt sich Art. 12 EGVallerdings aufgrund seines "Leitmotivcharakters" für die Auslegung dieser besonderen Bestimmungen heranziehen. 120 In der neueren Rechtsprechung überwiegt die Tendenz, auf Art. 12 EGV nur dort zurückzugreifen, wo der Vertrag keine besonderen Diskriminierungsverbote enthält. 12l Dies hat zur Folge, daß auch im Bereich des Immobilienerwerbs nur dann auf die allgemeine Regelung des Art. 12 EGV zurückgegriffen werden muß, wenn der Grunderwerb nicht durch besondere Vorschriften, wie etwa die Grundfreiheiten, geregelt wird. Da die Grundfreiheiten wiederum die Ausübung erwerbswirtschaftlicher Tatigkeiten in umfassender Weise regeln, kann das allgemeine Diskriminierungsverbot von vornherein nur für den Bereich des Immobilienerwerbs außerhalb wirtschaftlicher Betätigung eine eigenständige Bedeutung erlangen.
EuGH, Rs. 8/77, Sig. 1977, S. 1506 Rn 11 (Sagulo, Brenca und Bakhouche). PechsteinlBunk, S. 547, 553 unter Verweis auf EuGH, Rs. C-112/91, Sig. 1993, S. 1-471 (Wemer). 120 Epiney, in: CalliesslRujJert, Art. 12 EGV Rn 7 ff. 121 EuGH, Rs. 305/87, Sig. 1989, S. 1477 Rn 13 (Kommission/Griechenland). In der früheren Rechtsprechung griff der Gerichtshof allerdings regelmäßig neben den besonderen Bestimmungen auf Art. 12 EGV zurück, vgl. Rs. 175/78, Slg. 1979, S. 1134 Rn 6 ff. (Saunders), aus jüngerer Zeit siehe Rs. 45/93, Sig. 1994, S. 1-920 Rn 10 (Kommission / Spanien), wo Art. 7 und 59 EWG-Vertrag a. F. (Art. 12 und 49 EGV n. F.) parallel herangezogen werden. 118 119
IV. Immobilienerwerb und allgemeines Diskriminierungsverbot
209
3. Reichweite des Diskriminierungsverbotes Inhaltlich verbietet Art. 12 EGV nicht Diskriminierungen jeglicher Art, sondern nur solche, welche auf dem Kriterium der Staatsangehörigkeit beruhen. Dies betrifft aber nicht nur formelle / unmittelbare Diskriminierungen, d. h. Benachteiligungen, die in ihren Tatbestandsvoraussetzungen ausdrücklich und unmittelbar an die Staatsangehörigkeit anknüpfen. Vielmehr werden auch materielle / mittelbare Diskriminierungen erfaßt. Diese sind dadurch gekennzeichnet, daß sie durch Anwendung sonstiger Tatbestandsmerkmale in ihren Auswirkungen überwiegend und typischerweise zu einer faktischen Benachteiligung von Ausländern führen und deshalb einer formellen Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit gleichzustellen sind. 122 Eine solche Interpretation des allgemeinen Diskriminierungsverbotes kann mit dem "effet utile" der Regelung begründet werden, da sie ohne Erfassung materieller Diskriminierungen leicht zu umgehen und damit ihrer Wirkungskraft beraubt wäre. 123 Ein Beispiel für eine mittelbare Diskriminierung im Bereich des Immobilienerwerbs ist prinzipiell die Voraussetzung einer mehrjährigen Gebietsansässigkeit bzw. eines bereits errichteten Hauptwohnsitzes, da diese Voraussetzung bei Inländern grundsätzlich erfüllt ist, während dies bei Ausländern überwiegend nicht der Fall sein dürfte. 124
4. Relevanzfür den Immobilienerwerb Für die prinzipielle Anwendbarkeit des Art. 12 EGV ist erforderlich, daß der Anwendungsbereich des Vertrages eröffnet ist. Hintergrund dieses Erfordernisses ist der Gedanke, daß durch den EGV nur bestimmte Hoheitsrechte auf die Gemeinschaft übertragen worden sind. Eine allgemeine Unterwerfung sämtlicher staatlicher Maßnahmen unter Art. 12 EGV läßt sich damit nicht vereinbaren. 125 Somit hängt auch die Beantwortung der Frage, ob und inwieweit Art. 12 EGV für Möglichkeiten und Beschränkungen des Immobilienerwerbs von Bedeutung ist, davon ab, inwieweit diese im konkreten Einzelfall dem sachlichen Anwendungsbereich des Vertrages unterfallen. Im Schrifttum werden bisweilen unterschiedliche (abstrakte) Ansätze zur genaueren Bestimmung des sachlichen Anwendungsbereichs des Vertrages vertreSiehe dazu Epiney, in: CalliesslRuffert, Art. 12 EGV Rn 13 m. w. N. Zu/eeg, in: von der GroebenlSchwarze, Art. 12 EG Rn 4. 124 Zu den besonderen Fallkonstellationen, in denen ein Wohnsitzerfordernis ausnahmsweise zulässig sein kann, siehe die entsprechenden Ausführungen zu den Grundfreiheiten (e. 1.) m. w. N. zur Rechtsprechung. So hat der EuGH z. B. in der Rs. C-274/96, Slg. 1998, S. 1-7658 Rn 26 f. (Bickel und Franz) ein Wohnsitzerfordernis hypothetisch für den Fall als gerechtfertigt angesehen hat, daß dieses auf objektiven, von der Staatsangehörigkeit der Betroffenen unabhängigen Erwägungen beruht und in einem angemessenen Verhältnis zu dem zulässigerweise damit verfolgten Zweck steht. 125 Epiney, in: Calliess I Ruffert, Art. 12 EGV Rn 17. 122 123
14 Hubatsch
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E. Immobilienerwerb außerhalb wirtschaftlicher Betätigung
ten.!26 Eine sehr weite Auslegung will darunter die Gesamtheit der von den vertraglichen Regelungen erfaßten Bereiche, einschließlich der (potentiellen) Reichweite allgemeiner Kompetenzgrundlagen, wie etwa Art. 94, 95, 308 EGV, verstehen. Erfaßt würden damit sämtliche Bereiche, die grundsätzlich Gegenstand einer gemeinschaftlichen Regelung sein können.!27 Da sich aber die Bestimmung der genauen (potentiellen) Tragweite einiger vertraglicher Regelungen in vielen Fällen lediglich auf Vermutungen und Projektionen in die Zukunft stützen läßt und sich daher sehr schwierig gestalten kann, birgt dieser Ansatz die Gefahr, daß damit eine Ausdehnung des vertraglichen Anwendungsbereichs auch auf solche Gebiete einhergehen könnte, die nicht vom derzeitigen Integrationsstand erfaßt werden.!28 Einer entgegengesetzten, restriktiven Auffassung zufolge soll der Anwendungsbereich des Vertrages ausgehend von den Rechtswirkungen der vertraglichen Bestimmungen und des Sekundärrechts bestimmt werden. Er sei daher auf diejenigen Gebiete zu beschränken, die Gegenstand verbindlicher (primärer oder sekundärer) Rechtsakte sind.!29 Maßgeblich sei die augenblickliche Tragweite geltenden Gemeinschaftsrechts. Rechtsgrundlagen mit schwer bestimmbaren Anwendungsfeldern, deren genaue Reichweite nur sehr schwer abschließend eingrenzbar ist, wie z. B. die allgemeinen Rechtsangleichungskompetenzen der Art. 94, 95 EGVoder das Vertragslückenschließungsverfahren des Art. 308 EGV, müßten dabei als Anknüpfungspunkte außen vor bleiben. 13o Dieser engen Interpretation läßt sich wiederum entgegenhalten, daß sie den Anwendungsbereich des Art. 12 EGV in der Praxis sehr weit einschränkt und auch solche Anwendungsfelder außen vor läßt, die mit der Verwirklichung gemeinschaftlicher Zielsetzungen oder Bestimmungen in engem und notwendigem Zusammenhang stehen.!3! Um der Komplexität der vertraglich erfaßten Bereiche sowie den weiten Tätigkeitsfeldern der Gemeinschaft gerecht zu werden, erscheint es näherliegend, auf eine abstrakte und allgemeine Definition des Anwendungsbereichs des Vertrages zu verzichten. Hierbei ist zu berücksichtigen, daß es sich bei der Bestimmung des vertraglichen Anwendungsbereichs nicht um einen statisch fest determinierten Bereich handelt, sondern das Gemeinschaftsrecht sich in einem dynamischen Entwicklungsprozeß befindet, welcher die genauere Überprüfung des jeweiligen Einzelfalles erfordert. Die Entwicklung des - sich in aller Regel zunehmend verdichtenden - Integrationsstandes des Gemeinschaftsrechts hat sich bereits deutlich im Bereich der Grundfreiheiten und der Unionsbürgerschaft abgezeichnet und soll nun für den Bereich des Immobilienerwerbs außerhalb wirtschaftlicher Betätigung ausgelotet werden. 126 127 128
129 130 131
Einen Überblick liefert Epiney, in: Calliessl Ruffert, Art. 12 EGV Rn 21. In diese Richtung von Bogdandy, in: Grabitzl Hilf, Art. 6 EGVa. F. Rn 27 ff. So Epiney, in: CalliesslRuffert, Art. 12 EGV Rn 22. Zuleeg, in: von der GroebenlSchwarze, Art. 12 EG Rn 11. Zuleeg, in: von der Groebenl Schwarze, Art. 12 EG Rn 12. Epiney, in: Calliess I Ruffert, Art. 12 EGV Rn 22.
IV. Immobilienerwerb und allgemeines Diskriminierungsverbot
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Daß das allgemeine Diskriminierungsverbot prinzipiell auch im Bereich des Grunderwerbs von Bedeutung ist, zeigt sich bereits in der Beantwortung einer Anfrage an die Kommission zum Verbot des Erwerbs von Ferienhäusern in Dänemark. Darin vertritt die Kommission die Auffassung, daß eine solche Regelung "nicht gegen das Diskriminierungsverbot" verstoße. 132 In einer anderen Anfrage an den Rat, betreffend den Erwerb eines Grundstücks in Österreich durch einen Ausländer, weist der Rat darauf hin, daß auch die der Union beitretenden neuen Mitgliedstaaten die allgemeinen Grundsätze des Gemeinschaftsrechts übernähmen, "wozu insbesondere die Gleichbehandlung der Bürger und das Verbot der Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit im Anwendungsbereich des Gemeinschaftsrechts" gehörten. Diese Grundsätze gälten auch für den Erwerb von Grundeigentum durch Staatsangehörige anderer Mitgliedstaaten. 133 Sodann macht die Kommission in der Rechtssache Kommission/Griechenland geltend, daß eine nationale Bestimmung, welche den Erwerb von in bestimmten Grenzgebieten belegenen Immobilien durch ausländische natürliche oder juristische Personen mit der Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaates verbietet oder einschränkt, neben den einschlägigen Grundfreiheiten zugleich das allgemeine Diskriminierungsverbot verletze. 134 Allerdings trägt sie weiter vor, daß Art. 7 EWGV (Art. 12 EGV n. E) lediglich die lex generalis zu den leges speciales der Grundfreiheiten darstelle und, da letztere im vorliegenden Fall einschlägig seien, eine Überprüfung der streitigen nationalen Rechtsvorschriften am Maßstab des allgemeinen Diskriminierungsverbotes nicht angebracht sei. Insoweit genüge die Feststellung, "daß Immobiliengeschäfte grundsätzlich wirtschaftliche Tätigkeiten darstellen, die in den Anwendungsbereich des Vertrages fallen".135 Im konkreten Fall beruft sich die Kommission letztlich auch nur hilfsweise auf den Grundsatz des Art. 7 EWGY. Der Gerichtshof führt dementsprechend aus, daß das in Art. 7 EWGV niedergelegte Diskriminierungsverbot durch die Art. 48, 52 und 59 EWGV (Art. 39, 43 und 49 EGV n. E) in besonderen Bereichen umgesetzt worden sei. Jede Regelung, 132 Anfrage des Abgeordneten Seeler an die Kommission vom 7.10. 1987, ABI. 1987 Nr. C 1405/87; Antwort der Kommission vom 2.2.1988, ABI. 1988 Nr. C 127/9. In diesem Zusammenhang ist allerdings zu beachten, daß zum Zeitpunkt der Antwort der Kommission weder die Kapitalverkehrsrichtlinie 88/361/ EWG v. 24. 6. 1988 noch die unmittelbar anwendbaren primärrechtlichen Regelungen über die Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 73 b ff. EGV a. E), welche ein prinzipiell unbeschränktes Immobilienerwerbsrecht gewährleisten, in Kraft getreten waren. Die Frage nach einer eigenständigen Bedeutung des allgemeinen Diskriminierungsverbotes innerhalb des aktuellen Integrationsstandes läßt sich aus der Stellungnahme der Kommission daher nicht beantworten. 133 Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Jean-Marie Le Pen (NI) an den Rat vom I. 9. 1994 (95/ C 30/07), Antwort des Rates vom 2. 12. 1994, beide abgedruckt in ABI. 1995 Nr. C 30/4 und 5. 134 EuGH, Rs. 305/87, Slg. 1989, S. 1463 ff. 135 EuGH, Rs. 305/87, Slg. 1989, S. 1467.
14*
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E. Immobilienerwerb außerhalb wirtschaftlicher Betätigung
die mit jenen Bestimmungen unvereinbar ist, stehe folglich auch zu Art. 7 EWGV in Widerspruch. Art. 7 EWGV könne daher autonom nur auf durch das Gemeinschaftsrecht geregelte Fallgestaltungen angewendet werden, für die der Vertrag keine besonderen Diskriminierungsverbote vorsieht. Da im vorliegenden Fall ein Verstoß gegen die spezielleren Grundfreiheiten vorliege, bestehe kein Anlaß, einen spezifischen Verstoß gegen Art. 7 EWGV festzustellen. 136 Diese Ausführungen stützen sich im wesentlichen auf die Subsidiarität des Art. 12 EGV gegenüber den besonderen grundfreiheitlichen Diskriminierungsverboten. Jedoch lassen sich weder den Äußerungen der Kommission, noch den Ausführungen des Gerichtshofes nähere Hinweise für die Beantwortung der Frage entnehmen, ob und inwieweit der Immobilienerwerb auch außerhalb der Grundfreiheiten dem Anwendungsbereich des Vertrages unterfallen und damit eine autonome Anwendbarkeit des Art. 12 EGV begründen könnte. Die Kommission qualifiziert Immobiliengeschäfte lediglich pauschal als wirtschaftliche Tätigkeiten. 137 Mit dieser Einordnung unterstellt sie den Grunderwerb dann generell dem Anwendungsbereich des Vertrages, ohne dabei aber eine Zuordnung zu einer bestimmten gemeinschaftsrechtlichen Regelung vorzunehmen. Auch der Gerichtshof hat in seinen bisherigen Fällen aufgrund der jeweiligen Einschlägigkeit der Grundfreiheiten noch nicht gesondert die Vereinbarkeit einer grunderwerbsrelevanten Regelung mit dem allgemeinen Diskriminierungsverbot überprüft. Seinen Ausführungen läßt sich lediglich entnehmen, daß er den Immobilienerwerb insoweit als dem Anwendungsbereich des Vertrages unterfallend betrachtet, als dieser im Rahmen der Grundfreiheiten gewährleistet wird. In seinen jüngeren Entscheidungen zur gemeinschaftsrechtlichen Zulässigkeit nationaler Immobilienerwerbsbeschränkungen subsumiert er den grenzüberschreitenden Grunderwerb ausschließlich unter die Kapitalverkehrsfreiheit, obwohl seitens mitgliedstaatlicher Gerichte ebenfalls Anfragen bezogen auf Art. 12 EGV gestellt worden waren. 138 Da die Grundfreiheiten die Ausübung grenzüberschreitender wirtschaftlicher Betätigungen in umfassender Weise regeln, kann eine autonome Anwendbarkeit des allgemeinen Diskriminierungsverbotes (nur) dort zum Zuge kommen, wo der Grunderwerb nicht unmittelbar mit der Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit in Verbindung steht. Dies betrifft insbesondere diejenigen Fälle, in denen sich Personen auf allgemeine Aufenthaltsrechte berufen können, wie sie etwa aus der all136 EuCH, Rs. 305/87, Sig. 1989, S. 1476 Rn 12, 13,28 - Hervorhebungen des Verfassers. Der Gerichtshof folgt insoweit den Ausführungen des CA Jacobs, S. 1472 Rn 14, der die Feststellung eines Verstoßes gegen Art. 7 EWGV nur bei Diskriminierungen von Personen, die nicht durch eine speziellere Vorschrift des Gemeinschaftsrechts erfaßt werden, für sachgerecht erachtet. 137 Dieses Kriterium wird mitunter auch in der Literatur zur Bestimmung des Anwendungsbereichs des Vertrages herangezogen, vgl. Epiney, in: Calliess/ Ruffert, Art. 12 EGV Rn 22 m. w. N. 138 Vgl. die Schlußanträge in der Rs. C-452/0l, Sig. 2003, S. 1-9751 Rn 26 (Ospelt) und das Urteil a. a. 0., S. 1-9785 ff.
IV. Immobilienerwerb und allgemeines Diskriminierungsverbot
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gemeinen Aufenthaltsrichtlinie, der Pensionistenrichtlinie oder der Unionsbürgerschaft (Art. 18 Abs. 1 EGV) folgen. 139 Diese Normen werden selbst nach der restriktiven Auffassung vom Anwendungsbereich des Art. 12 EGVerfaßt, da sie Gegenstand verbindlicher primär- und sekundärrechtlicher Regelungen sind. Somit ist im Ergebnis festzuhalten, daß das allgemeine Diskriminierungsverbot des Art. 12 EGV zumindest und gerade in den letztgenannten Bereichen nicht erwerbswirtschaftlicher Betätigung Anwendung finden muß. Nationale Beschränkungen des Immobilienerwerbs in diesen Bereichen sind demzufolge nur unter Beachtung des allgemeinen Diskriminierungsverbotes zulässig. 140 5. Einschränkungen durch Art. 295 EGV
Fraglich ist, ob sich im Bereich des Immobilienerwerbs außerhalb wirtschaftlicher Betätigung Ungleichbehandlungen dadurch rechtfertigen lassen, daß gemäß Art. 295 EGV die Eigentumsordnung in den Mitgliedstaaten unberührt bleiben muß. Diese Eigentumsordnung könnte nämlich eine Ausnahme vom Anwendungsbereich des Vertrages darstellen mit der Folge, daß bezüglich des Grunderwerbs das allgemeine Diskriminierungsverbot keine Anwendung fände. Bereits bei der Untersuchung der Grundfreiheiten wurde festgestellt, daß Art. 295 EGVes den Mitgliedstaaten zwar grundsätzlich überläßt, ihre Eigentumsordnung und damit auch die Ausgestaltung des Grundeigentums nach ihrem Willen frei zu regeln. Der EuGH schränkt diese mitgliedstaatliche Zuständigkeit jedoch insoweit ein, als Art. 295 EGV derartige Regelungen nicht den Grundprinzipien des EGVentziehen kann. 141 Zu diesen Grundprinzipien zählt gerade das allgemeine Diskriminierungsverbot des Art. 12 EGY. Es handelt sich bei dieser Vorschrift um nicht weniger als "das" Leitmotiv des Vertrages, welches dessen Funktion, Auslegung und Systematik grundlegend prägt. Seine Bedeutung ist noch gewichtiger als diejenige der einzelnen Grundfreiheiten, da der gesamte Anwendungsbereich des EGVerfaßt wird. Im Zusammenhang mit den jeweiligen allgemeinen Aufenthaltsrechten unterfällt auch der Immobilienerwerb dem Anwendungsbereich des Vertrages. Demzufolge können sich die Mitgliedstaaten auch in diesem Bereich nicht durch Berufung auf ihre nationale Eigentumsordnung der Vorschrift entziehen. Vielmehr müssen sie alle diskriminierenden Maßnahmen unterlassen, die geeignet sind, den ImmobilienSiehe dazu bereits oben 11. I. und 2. sowie III. 2. c). So im Ergebnis auch Hörtenhuber, S. 222, 223; offen lassend: Novak, S. 249, 250. Diese Lösung stimmt auch mit der Gemeinsamen Erklärung Nr. 5 zu Zweitwohnungen überein, der zufolge mitgliedstaatliche Maßnahmen betreffend Zweitwohnungen nur ohne direkte oder indirekte Diskriminierung zulässig sind. 141 EuGH, Rs. C-302/97, Slg. 1999, S. 1-3134 Rn 38 (Konle); Rs. 182/83, Slg. 1984, S. 3685 Rn 7 (Fearon). 139
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E. Immobilienerwerb außerhalb wirtschaftlicher Betätigung
erwerb respektive die Verwirklichung der Aufenthalts- und Freizügigkeitsrechte außerhalb erwerbswirtschaftlicher Betätigung zu beeinträchtigen. Dies folgt ergänzend aus dem in Art. 10 EGV niedergelegten Grundsatz der Gemeinschaftstreue. 6. Diskriminierungen im Bereich des Immobilienerwerbs und ihre Rechtfertigung
Art. 12 EGV verbietet jede Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit. Man könnte deshalb folgern, daß dieses Verbot absolut gelten soll in dem Sinne, daß eine Ungleichbehandlung aus Gründen der Staatsangehörigkeit in jedem erdenklichen Falle untersagt ist, und auch eine ausnahmsweise Rechtfertigung durch sachliche Gründe nicht in Betracht kommt. Andererseits wird das Diskriminierungsverbot des Art. 12 EGV von Rechtsprechung und Teilen der Literatur als eine spezielle Ausprägung des allgemeinen Gleichheitssatzes charakterisiert. In dessen Rahmen besteht aber die grundsätzliche Möglichkeit, eine Ungleichbehandlung sachlich zu rechtfertigen. Deshalb liegt es wiederum nahe, solche Rechtfertigungsmöglichkeiten auch im Rahmen des Art. 12 EGV zuzulassen. Der EuGH führt zur Auslegung des Art. 12 EGVaus: "Der allgemeine Gleichheitssatz zählt zu den Grundprinzipien des Gemeinschaftsrechts; das Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit stellt lediglich eine besondere Ausformung dieses Grundsatzes dar. Danach dürfen vergleichbare Lagen nicht unterschiedlich behandelt werden, soweit eine Differenzierung nicht objektiv gerechtfertigt ist. ,,142 So läßt der EuGH im Bereich materieller Diskriminierungen die Möglichkeit einer Rechtfertigung grundsätzlich zu. In Fällen formeller Diskriminierungen hingegen wird das Vorliegen rechtfertigender Umstände in aller Regel nicht geprüft. 143
In der Literatur werden im wesentlichen drei Auffassungen vertreten: Einerseits wird davon ausgegangen, daß Art. 12 EGVein absolutes Diskriminierungsverbot darstelle und deshalb keine Ausnahmen zulasse. Die Vorschrift enthalte ein absolutes Verbot der Differenzierung aufgrund des Kriteriums der Staatsangehörigkeit, da aus teleologischen Gesichtspunkten in einem gemeinsamen Markt eine Unterscheidung nach der Staatsangehörigkeit prinzipiell nicht durch sachliche Gründe gerechtfertigt werden könne. l44 Jede Ungleichbehandlung stellte danach zugleich 142 Vgl. EuGH, Rs. 147179, Sig. 1980, S. 3019 Rn 7 (Hochstrass) - Hervorhebung des Verfassers. In seinen Schlußanträgen (a. a. 0., S. 3024 f.) weist GA Mayras darauf hin, daß unter einer Diskriminierung nur eine sachlich ungerechtfertigte Differenzierung zu verstehen sei. Das Gebot der Gleichbehandlung gelte nur insoweit, als keine besonderen Anknüpfungspunkte vorlägen, die eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigten. 143 Hinweise zur Rechtsprechung finden sich bei Epiney, in: Calliess I Ruffert, Art. 12 EGV Rn 38 ff. (Fn 61-63). 144 Reitmaier, Inländerdiskriminierungen nach dem EWG-Vertrag: zugleich ein Beitrag zur Auslegung von Art. 7 EWG-Vertrag, S. 36 ff.; in diese Richtung auch von Bogdandy, in: Grabitzl Hilf, Art. 6 EGVa. F. Rn 23 ff.
IV. Immobilienerwerb und allgemeines Diskriminierungsverbot
215
eine verbotene Diskriminierung dar. Einer anderen Ansicht zufolge soll zwischen formellen und materiellen Diskriminierungen unterschieden werden. Im Bereich formeller Diskriminierungen gelte Art. 12 EGVabsolut, während materielle Diskriminierungen durch objektive Gründe gerechtfertigt werden könnten. 145 In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung wird schließlich noch vertreten, daß Art. 12 EGV als besondere Ausprägung des allgemeinen Gleichheitssatzes eben grundsätzliche Rechtfertigungsmöglichkeiten zulasse und daher als relatives Diskriminierungsverbot aufzufassen sei. 146 Gegen die Interpretation des Art. 12 EGV als absolutes Verbot ohne jegliche Möglichkeit einer Rechtfertigung von Differenzierungen spricht vor allem, daß es sich bei der Anwendung des Gemeinschaftsrechts im konkreten Einzelfall als zu starr und unflexibel erweisen kann. So mag es im Einzelfall durchaus gute Gründe für eine Ungleichbehandlung geben. Dies gilt um so mehr, wenn man berücksichtigt, daß auch mittelbare Diskriminierungen unter das Verbot des Art. 12 EGV fallen und somit sein Anwendungsbereich im Einzelfall sehr weitgehend sein kann. Auch für die differenzierte Sichtweise, weIche hinsichtlich der Zulässigkeit von Rechtfertigungsmöglichkeiten von vornherein zwischen formellen und materiellen Diskriminierungen unterscheiden will, lassen sich keine überzeugenden Argumente anführen. In bei den Fällen handelt es sich nämlich um Benachteiligungen aufgrund des Kriteriums der Staatsangehörigkeit. Das Erfassen materieller Diskriminierungen dient dabei gerade dem Zweck, eine Umgehung der Vorschrift zu verhindern und ihr damit zu einer effektiven Verwirklichung (effet utile) zu verhelfen. 147 Es überwiegen letztlich die Gründe für eine Interpretation des Art. 12 EGV als nur relatives Diskriminierungsverbot. Dafür spricht, daß nur auf diese Weise die für die Integration notwendige Flexibilität des Gemeinschaftsrechts sichergestellt werden kann. Aus diesem Grunde beinhalten schließlich auch die Grundfreiheiten in Form ausdrücklicher Vorbehalte die Möglichkeit diskriminierender Ungleichbehandlungen, wenn diese durch höherstehende Interessen des Gemeinwohls als gerechtfertigt angesehen werden können. Da die Grundfreiheiten nach wohl einhelliger Auffassung speziellere Ausprägungen des allgemeinen Diskriminierungsverbotes darstellen, lassen sich diese Überlegungen dem Grunde nach auf Art. 12 EGV übertragen. Nur so läßt sich einem echten Spezialitätsverhältnis zwischen den Grundfreiheiten und Art. 12 EGV in konsequenter Weise Rechnung tragen. 148 Amull, The General Principles of EEC Law and the Individual, S. 274. Zuleeg, in: von der GroebenlSchwarze, Art. 12 EG Rn 3; weitere Nachweise bei Epiney, in: CaliiesslRuffert, Art. 12 EGV Rn 41 (Fn 68). 147 Epiney, in: Calliess I Ruffert, Art. 12 EGV Rn 42. 148 Mitunter wird aus dem Fehlen vergleichbarer Einschränkungsmöglichkeiten bei Art. 12 EGV geschlossen, daß die Vorschrift - zumindest im Bereich unmittelbarer Diskriminierungen - ein absolutes Diskriminierungsverbot enthalte, vgl. von Bogdandy, in: Grabitzl Hilf, Art. 6 EGV a. F. Rn 23. Eine Ausdehnung der grundfreiheitlichen Einschränkungsmöglichkeiten auf Art. 12 EGV wird mit der Begründung abgelehnt, diese deckten solche Bereiche allgemeiner Interessen ab, in denen allein eine Differenzierung aufgrund der Staatsangehörig145
146
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E. Immobilienerwerb außerhalb wirtschaftlicher Betätigung
Entscheidend muß daher sein, ob eine Ungleichbehandlung im konkreten Einzelfall einzig aus Gründen der Staatsangehörigkeit oder wegen darüber hinausgehender sachlicher Umstände erfolgt. Die sich als formelle oder materielle Diskriminierungen darstellenden Regelungen und Maßnahmen bieten dann lediglich Anhaltspunkte dafür, ob ein sachlicher Grund tatsächlich vorliegt. Generell wird das Vorliegen eines solchen Grundes im Bereich materieller Diskriminierungen öfter von Bedeutung sein, während dies im Bereich formeller Diskriminierungen regelmäßig ausgeschlossen werden kann, und der Verdacht einer willkürlichen Diskriminierung nahe liegt. Letztendlich kann es aber nur darauf ankommen, ob ein solcher sachlicher Rechtfertigungsgrund tatsächlich vorliegt oder nicht. 149 Aufgrund seiner engen Verknüpfung mit dem Diskriminierungsverbot wird dabei auch das Verhältnismäßigkeitsprinzip zu beachten sein. 150 Im Hinblick darauf, ob und in welcher Weise ein auf das allgemeine Diskriminierungsverbot gestütztes Immobilienerwerbsrecht außerhai b erwerbswirtschaftlicher Betätigung durch sachliche Gründe eingeschränkt werden kann, bleibt die künftige Rechtsprechung des EuGH abzuwarten. Es liegt auch in diesem Bereich nahe, daß der Gerichtshof - parallel zu den grundfreiheitlichen "zwingenden Erfordernissen des Allgemeininteresses" - die Möglichkeit der Rechtfertigung (materieller) Ungleichbehandlungen durch sachliche Gründe grundsätzlich anerkennen wird.
v. Immobilienerwerb und allgemeiner Gleichheitssatz Der allgemeine Gleichheitssatz ist bereits im Zusammenhang mit der Bedeutung des allgemeinen Diskriminierungsverbotes des Art. 12 EGV für den Immobilienerwerb erwähnt worden. So stellt Art. 12 EGV nach Ansicht des EuGH eine besondere Ausformung des allgemeinen Gleichheitssatzes dar. Letzterer keit legitim sei. Warum dies aber nicht auch im Bereich des Art. 12 EGV grundSätzlich möglich sein soll, ist nicht einleuchtend. Die Anerkennung bestimmter allgemeiner Interessen, welche eine Diskriminierung im Rahmen der Grundfreiheiten rechtfertigen, spricht gerade für ein nur relatives Verständnis des Art. 12 EGY. Folgerichtig findet aufgrund des Spezialitätsverhältnisses zwischen Art. 12 EGV und den Grundfreiheiten erstere Regelung keine Anwendung, wenn einschlägige Bestimmungen des Vertrages, etwa Art. 39 Abs. 3 EGV, tatbestandliehe Diskriminierungen zulassen. Siehe dazu PechsteinlBunk, S. 553. 149 Epiney, in: CalliesslRuffert, Art. 12 EGV Rn 42. 150 Vgl. Zuleeg, in: von der GroebenlSchwarze, Art. 12 EG Rn 3. Der EuGH hat z. B. auch ein Wohnsitzeifordemis, welches sich prinzipiell dem Verdacht einer versteckten Diskriminierung ausgesetzt sieht, nicht als stets mit dem allgemeinen Diskriminierungsverbot unvereinbar gewertet. In der Rs. C-274/96, Sig. 1998, S. 1-7637 ff. (Biekel und Franz), in der es darum ging, ob die Verfahrenssprache in einem Strafverfahren vom Wohnsitz des Betroffenen abhängig gemacht werden darf, hat er ein solches Erfordernis hypothetisch als gerechtfertigt angesehen, wenn dieses auf objektiven, von der Staatsangehörigkeit der Betroffenen unabhängigen Erwägungen beruht und in einem angemessenen Verhältnis zu dem Zweck steht, der mit den nationalen Rechtsvorschriften zulässigerweise verfolgt wird (a. a. 0., S. 1-7658 Rn 26 f.).
V. Immobilienerwerb und allgemeiner Gleichheitssatz
217
Grundsatz wird vom Gerichtshof wiederum als Grundprinzip des Gemeinschaftsrechts bezeichnet. 151 Seine Bedeutung für den Immobilienerwerb soll kurz erörtert werden. 1. Inhalt. dogmatische Einordnung und Bedeutung für den Immobilienerwerb
Der allgemeine Gleichheitssatz erfordert inhaltlich, daß vergleichbare Sachverhalte nicht unterschiedlich. unterschiedliche nicht gleich behandelt werden. soweit eine Differenzierung bzw. Gleichbehandlung nicht objektiv gerechtfertigt ist. 152 Es handelt sich dabei um einen allgemeinen Grundsatz, der prinzipiell auf jeden Sachverhalt Anwendung findet und unabhängig von einem bestimmten Unterscheidungskriterium gilt. 153 Ihm stehen speziellere Gleichheitssätze bzw. Diskriminierungsverbote gegenüber, welche nur ein bestimmtes Differenzierungskriterium verbieten. Zu nennen sind hier etwa das allgemeine Diskriminierungsverbot des Art. 12 EGV sowie die Grundfreiheiten, welche einzig an das Kriterium der Staatsangehörigkeit anknüpfen. Der allgemeine Gleichheitssatz stellt als allgemeiner Grundsatz des Gemeinschaftsrechts zugleich ein Gemeinschaftsgrundrecht dar. Er ist aus diesem Grunde auch unmittelbar anwendbar. 154 Im Gegensatz zu Art. 12 EGV kommen als Normadressaten primär die Gemeinschaftsorgane in Betracht. Eine Bindung der Mitgliedstaaten ist lediglich "im Anwendungsbereich des Gemeinschaftsrechts" denkbar, d. h. in den Fällen, in denen sie in gemeinschaftsrechtliche Rechtspositionen eingreifen. Das Ausmaß mitgliedstaatlicher Bindung hängt daher unmittelbar mit dem Ausmaß der Regelungsbefugnis der Gemeinschaft in dem betroffenen Bereich zusammen. 155 Der Immobilienerwerb wird vom Anwendungsbereich des Gemeinschaftsrechts insoweit erfaßt, als er sowohl durch die wirtschaftlichen Grundfreiheiten als auch EuGH. Rs. 147/79, Slg. 1980, S. 3019 Rn 7 (Hochstrass). EuGH, Rs. 147/79, Slg. 1980, S. 3019 Rn 7 (Hochstrass). Das Erfordernis des allgemeinen Gleichheitssatzes, daß unterschiedliche Sachverhalte nicht gleich behandelt werden dürfen, gilt aber nicht für das allgemeine Diskriminierungsverbot des Art. 12 EGV, welches insoweit gerade eine Statusgleichheit postuliert, als faktisch unterschiedliche Sachverhalte als gleich zu gelten haben. Siehe dazu Kischel, Zur Dogmatik des Gleichheitssatzes in der Europäischen Union, in: EuGRZ 1997, S. 1,4 m. w. N. 153 Unterschiede in der Behandlung, welche sich allein aus Unterschieden zwischen den verschiedenen Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten ergeben, werden nicht erfaßt. Die Harmonisierung nationaler Rechtsvorschriften soll durch entsprechende gemeinschaftliche Rechtsakte und nicht durch den allgemeinen Gleichheitssatz erfolgen, damit die der Gemeinschaft anheimgegebenen abgestuften Harmonisierungsinstrumentarien nicht umgangen werden, vgl. Kischel, S. 8 f. m. w. N. 154 Kischel. S. 8. ISS Kischel. S. 6 f. Insoweit wird auf die unter D. I. 5. b) erörterte Problematik der mitgliedstaatlichen Bindung an die Gemeinschaftsgrundrechte verwiesen. 151
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E. Immobilienerwerb außerhalb wirtschaftlicher Betätigung
durch diverse allgemeine Aufenthaltsrechte - die allgemeinen Aufenthaltsrichtlinien sowie Art. 18 i. V. m. Art. 12 EGV - gewährleistet wird. In diesem Umfang findet prinzipiell auch der allgemeine Gleichheitssatz Anwendung. Die erforderliche Vergleichbarkeit der Sachverhalte liegt dann z. B. in der sämtlichen Erwerbern gemeinsamen Unionsbürgerschaft lS6 begründet. Allerdings läßt sich daraus kein eigenständiges Grunderwerbsrecht ableiten, welches inhaltlich über die im Rahmen der Unionsbürgerschaft und der Grundfreiheiten gewährleisteten Erwerbsrechte hinausgeht. Vielmehr ist von einer materiellen Deckungsgleichheit der Erwerbsrechte auszugehen. Deshalb dürften die durch die Grundfreiheiten und die Unionsbürgerschaft gewährten Immobilienerwerbsrechte als jeweils speziellere Regelungen einem aus dem allgemeinen Gleichheitssatz ableitbaren Grunderwerbsrecht in aller Regel vorgehen. IS7 2. Gleichheitsverstöße und ihre Rechtfertigung
Der allgemeine Gleichheitssatz beinhaltet per definitionem nicht ein absolutes, sondern lediglich ein relatives Dijferenzierungsverbot. Mit der Ungleichbehandlung gleicher bzw. der Gleichbehandlung ungleicher Sachverhalte steht der Verstoß gegen den Gleichheitssatz also nicht absolut, d. h. unwiderleglich, fest. Vielmehr muß im jeweiligen Einzelfall das Bestehen einer sachlichen Rechtfertigung für die Behandlung geprüft werden. IS8 Hinsichtlich möglicher Beschränkungen des Immobilienerwerbs und ihrer Rechtfertigung kann auf die diesbezüglichen Ausführungen zu den Grundfreiheiten und der Unionsbürgerschaft verwiesen werden. Naheliegend sind Einschränkungen des Grunderwerbs insbesondere aus Gründen der Raumordnung, des Umwelt- und Bodenschutzes etc.
Drittstaatsangehörige können sich auf die Kapitalverkehrsfreiheit berufen. Ein zwingendes Ausschließlichkeitsverhältnis zwischen allgemeinem Gleichheitssatz und speziellen Gleichheitssätzen läßt sich - soweit ersichtlich - weder der Literatur noch der Rechtsprechung des EuGH entnehmen. Der EuGH läßt die streitentscheidende Norm vielmehr (ohne Not) offen. Mitunter werden die speziellen Gleichheitssätze auch lediglich als austauschbare Ausprägungen des allgemeinen Gleichheitssatzes angesehen, vgl. Kischel, S. 3 f. 158 Kischel, S. 4 f. 156 157
F. Verhältnis der Immobilienerwerbsrechte zueinander Die bisherigen Untersuchungen haben gezeigt, daß die einzelnen Immobilienerwerbsrechte in zum Teil recht unterschiedlichen gemeinschaftsrechtlichen Bereichen geregelt werden. Es handelt sich hierbei um eine Querschnittsmaterie. So folgen Grunderwerbsrechte zum einen aus den primärrechtlichen Grundfreiheiten 1 und Gemeinschaftsgrundrechten,2 zum anderen auch aus primär- und sekundärrechtlich näher ausgestalteten allgemeinen Aufenthaltsregelungen. 3 Letztere Vorschriften werden teilweise durch das allgemeine Diskriminierungsverbot des Art. 12 EGVergänzt. Diese Rechtsquellen unterscheiden sich sowohl in ihrer dogmatischen Konstruktion als auch bezüglich ihres Adressatenkreises. So richtet sich der Kreis der jeweils Begünstigten (EU-Bürger lEU-Ausländer) und Verpflichteten (Gemeinschaftsorgane / Mitgliedstaaten) maßgeblich nach der rechtlichen Gestalt der konkret einschlägigen Grunderwerbsregelung. Inhaltlich bestehen teils dekkungsgleiche, teils abweichende Regelungsgehalte und Beschränkungsmöglichkeiten in bezug auf die konkrete Nutzungsart der zu erwerbenden Grundstücke. Zum Zwecke der KlarsteIlung und systematischen Abgrenzung soll deshalb an dieser Stelle näher auf das Verhältnis der einzelnen Grunderwerbsrechte zueinander eingegangen werden.
I. Grundfreiheitlicher Immobilienerwerb
Mit Ausnahme der Warenverkehrsfreiheit wird der Immobilienerwerb durch sämtliche Grundfreiheiten gewährleistet. 4 Unterschiede bestehen allerdings bezüglich der Reichweite der einzelnen Erwerbsrechte. Am umfassendsten ist insoweit die Kapitalverkehrsfreiheit des Art. 56 EGY. Da auf ihrer Schutzbereichsebene keine Unterscheidung zwischen Erst- und Zweitwohnsitzen, Privat- und Betriebsgrundstücken etc. getroffen wird, kommt ihr innerhalb der Grundfreiheiten respektive des Immobilienerwerbs eine Auffangfunktion zu. Unterschiedliche Arten der Grundstücksnutzung können freilich auf der Ebene möglicher Einschränkungen der Kapitalverkehrsfreiheit eine Rolle spielen. Siehe dazu oben C. Siehe dazu oben D. 3 Siehe dazu oben E. 4 Zum Verhältnis der einzelnen grundfreiheitlichen Immobilienerwerbsrechte zueinander siehe oben C. VII. I
2
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F. Verhältnis der Immobilienerwerbsrechte zueinander
Entsprechend ihrer ursprünglichen Konzeption verpflichten die Grundfreiheiten primär nur die Mitgliedstaaten, Einschränkungen des Immobilienerwerbs durch Staatsangehörige anderer Mitgliedstaaten zu beseitigen und nicht mehr einzuführen. Im Zuge fortschreitender Integration durch die Rechtsprechung des EuGH ist der Adressatenkreis der Grundfreiheitsverpflichteten dann auch auf die Gemeinschaftsorgane ausgedehnt worden. 5 Daraus folgt, daß auch letztere nicht (mehr) beliebig über die grundfreiheitlich gewährten Immobilienerwerbsrechte disponieren können. Im Unterschied zu den Gemeinschaftsgrundrechten erfordern die Grundfreiheiten für ihre Anwendbarkeit stets einen grenzüberschreitenden Vorgang. 6 Geschützt werden grundsätzlich nur Staatsangehörige eines Mitgliedstaates gegen das Handeln eines anderen Mitgliedstaates, so daß sich ein Inländer gegenüber seinem Heimatstaat in aller Regel nicht auf die Grundfreiheiten berufen kann. Dies gilt durchweg für die Grunderwerbsrechte, wie sie zum Zwecke der Ausübung der Arbeitnehmerfreizügigkeit, der Niederlassungs- und der Dienstleistungsfreiheit gewährt werden. Eine gewichtige Ausnahme stellt indes die Kapitalverkehrsfreiheit dar: Für den kapitalverkehrsrechtlich zu beurteilenden Immobilienerwerb kommt es nämlich weder auf die Staatsangehörigkeit noch auf den Aufenthaltsort des Kapitaleigners bzw. Kapitalerwerbers an. Somit können sich auch Drittstaatsangehörige, die außerhalb der EU ansässig sind, auf die Kapitalverkehrsfreiheit berufen. Neben dem grenzüberschreitenden Charakter des jeweiligen Kapitaltransfers kommt es für die Anwendbarkeit der Kapitalverkehrsfreiheit jedoch entscheidend auf den Anlage- und Investitionszweck des beabsichtigten Immobilienerwerbs an.?
11. GrundrechtIicher Immobilienerwerb
Der Immobilienerwerb wird auch von den Gemeinschaftsgrundrechten der Eigentumsfreiheit und der Berufsfreiheit in prinzipieller Weise umfaßt. 8 Die wichtigste Funktion dieser Gemeinschaftsgrundrechte besteht in der Schaffung und Aufrechterhaltung eines individuellen Freiheitsraumes des einzelnen durch die Einschränkung und Abwehr hoheitlicher Gewalt. Die Grundrechte teilen sich mit den Grundfreiheiten den gleichen primärrechtlichen Rang. Dennoch besteht zwischen beiden Rechtsquellen ein wesentlicher dogmatischer und funktioneller Unterschied: Während sich die Grundfreiheiten in erster Linie an die Mitgliedstaaten richten, besteht die Schutzfunktion der GemeinSiehe dazu näher C. I. Dies ist für die Kapitalverkehrsfreiheit allerdings umstritten, vgl. oben C. VI. 2. 7 Im Anlagecharakter des Immobilienerwerbs liegt das entscheidende Abgrenzungskriterium zu den übrigen Grundfreiheiten, siehe dazu oben C. VI. 2. a) und VII. 8 Siehe dazu oben D. H. und III. 5
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11. Grundrechtlicher Immobilienerwerb
221
schaftsgrundrechte generell nur gegenüber der Gemeinschaft und ihren Organen. Dies betrifft sowohl die praktisch eher seltenen Fälle des direkten Vollzuges von Gemeinschaftsrecht als auch die Rechtssetzung in Form von Verordnungen und Richtlinien i. S. v. Art. 249 EGY. Erlassen die Gemeinschaftsorgane beispielsweise Sekundärrecht zwecks näherer Konkretisierung einzelner - etwa grundfreiheitlich gewährleisteter - Immobilienerwerbsrechte, so haben sie die einschlägigen Gemeinschaftsgrundrechte zu beachten. 9 Diese dienen dann als Maßstabsnormen bzw. Auslegungsdirektiven, speziell auch im Falle einer Rechtmäßigkeitsprüfung des diesbezüglichen Sekundärrechts durch den EuGH. Hingegen entfalten die Gemeinschaftsgrundrechte für die Mitgliedstaaten prinzipiell keinerlei Bindungswirkung. Mitgliedstaatliche Maßnahmen sind generell allein an nationalen Grundrechten zu messen. Nur wenn die Mitgliedstaaten aufgrund der Vorrangwirkung des Gemeinschaftsrechts von der Bindung an nationale Grundrechte freigestellt sind, werden sie ausnahmsweise durch die Gemeinschaftsgrundrechte gebunden. 1O Eine - indirekte - Bindung der Mitgliedstaaten kommt namentlich dann in Betracht, wenn sie Gemeinschaftsrecht auf nationaler Ebene umsetzen bzw. vollziehen. Darüber hinaus besteht nach Ansicht des EuGH auch eine mitgliedstaatliche Bindung "im Anwendungsbereich des Gemeinschaftsrechts", d. h. insbesondere in den Fällen, in denen sich die Mitgliedstaaten auf Ausnahmeklauseln zu den Grundjreiheiten ll berufen. Dies hätte zur Folge, daß auf diese Ausnahmeklauseln gestützte Einschränkungen des grundfreiheitlichen Immobilienerwerbs nur unter Beachtung der Gemeinschaftsgrundrechte erfolgen dürfen. Dieser Konstruktion einer "Ausstrahlungswirkung" der Gemeinschaftsgrundrechte auf die grundfreiheitlichen Vorbehalte ist jedoch aus kompetentiellen Gründen mit großer Skepsis zu begegnen. Vielmehr ist davon auszugehen, daß es den Mitgliedstaaten im Rahmen dieser eng umgrenzten Ausnahmeregelungen möglich sein soll, Einschränkungen des Immobilienerwerbs vorzunehmen, ohne dabei an die Gemeinschaftsgrundrechte gebunden zu sein. 12 Ein weiterer Unterschied des grundrechtlich geschützten Immobilienerwerbs im Vergleich zu den Erwerbsmöglichkeiten innerhalb der Grundfreiheiten ergibt sich schließlich noch bezüglich des begünstigten Adressatenkreises: Zum einen bedarf es für die Anwendbarkeit der Gemeinschaftsgrundrechte keines grenzüberschreitenden Sachverhaltes, zum anderen kommt es prinzipiell auch nicht auf die Unterscheidung zwischen Inländern und (EU-)Ausländern an. 9 Zu denken ist hier etwa an Maßnahmen zum Zwecke der Herstellung der Freizügigkeit (Art. 40 EGV) oder an Programme zur Aufhebung von Beschränkungen im Bereich der Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit (Art. 44, 47,52,55 EGV). IO Siehe zu diesen Ausnahmen oben D. I. 5. b). 11 Z. B. Art. 39 Abs. 3, 46, 55 i. Y. m. 46, 58 EGY. 12 Dies entbindet die Mitgliedstaaten indes nicht von der Beachtung ihrer nationalen Grundrechte sowie des Verhältnismäßigkeitsprinzips, siehe dazu oben D. I. 5. b) (2).
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F. Verhältnis der Immobilienerwerbsrechte zueinander
Somit bleibt festzuhalten, daß sich grundsätzlich jedennann gegenüber den Gemeinschaftsorganen auf die durch die Eigentums- und Berufsfreiheit gewährleisteten Immobilienerwerbsrechte berufen kann, gegenüber den Mitgliedstaaten gilt dies allerdings nur in dem erwähnten, eingeschränkten Umfang. IH. Immobilienerwerbsrechte außerhalb wirtschaftlicher Betätigungen
In Bereichen, in denen der Immobilienerwerb zur Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit nicht erforderlich ist bzw. mit einer solchen nicht in engerem Zusammenhang steht, wird er durch das allgemeine Aufenthaltsrecht des Art. 18 EGV 13 sowie drei selbständige Aufenthaltsrichtlinien 14 gewährleistet. Die allgemeinen Aufenthaltsrechte enthalten entweder ein ausdrückliches Grunderwerbsrecht oder erfahren - wie im Falle des Art. 18 EGV - durch Heranziehung des allgemeinen Diskriminierungsverbotes des Art. 12 EGV eine entsprechende Erweiterung ihres materiellen Schutzbereichs. Diese Erwerbsrechte bestehen allerdings - im Gegensatz zur Kapitalverkehrsfreiheit und den Grundrechten - nur für Unionsbürger. Andererseits ist für das allgemeine Aufenthaltsrecht des Art. 18 EGV ein grenzüberschreitendes Element nicht erforderlich. Somit kann sich ein Unionsbürger prinzipiell auch gegenüber seinem Heimatstaat auf die Vorschrift berufen. IV. Verhältnis der Regelungen zueinander
Im Verhältnis zu den Immobilienerwerbsrechten, wie sie aus den Grundrechten und den allgemeinen Aufenthaltsregelungen folgen, stellen die Grundfreiheiten (einschließlich des dazugehörigen Sekundärrechts) im Umfang ihrer Berechtigungen und Beschränkungsmöglichkeiten die spezielleren Regelungen dar. 15 Durch sie sollen nämlich die entsprechenden wirtschaftlichen Tätigkeiten, inklusive des zu ihrer Verwirklichung notwendigen Immobilienerwerbs, in umfassender und abschließender Weise geregelt werden. Die Grundrechte können und müssen in diesem Zusammenhang lediglich ergänzend herangezogen werden, etwa wenn es um die sekundärrechtliche Konkretisierung der Grundfreiheiten aufgrund vertraglicher Einzelermächtigungen (z. B. Art. 40, 44, 47, 52 EGV) geht. 16 Siehe dazu oben E. III. 2. c). Siehe dazu oben E. 11. 15 So auch GA Alber in seinen Schlußanträgen zur Rs. C-184/99, Sig. 2001, S. 1-6213 Rn 64 (Grzelczyk) in bezug auf den Vorrang des durch die Arbeitnehmerfreizügigkeit gewährleisteten Aufenthaltsrechts vor den allgemeinen Aufenthaltsrechten aus Art. 18 EGV und der RL 93/96/EWG. 16 Siehe dazu oben D. I. 5. a). 13
14
IV. Verhältnis der Regelungen zueinander
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In der Regel kommt auch Art. 18 EGV bezüglich des Grunderwerbs lediglich die Funktion einer Auffangberechtigung zu. 17 Die Kapitalverkehrsfreiheit gewährt nämlich ein prinzipiell umfassendes Grunderwerbsrecht. Deshalb bleibt für Art. 18 EGV nur dort Raum, wo beim Erwerb keine Investitions- und Anlagezwecke im Vordergrund stehen - etwa beim Kauf eines Ferienhauses I8_, oder wo der für die Anwendbarkeit der Kapitalverkehrsfreiheit erforderliche grenzüberschreitende Bezug nicht (mehr) vorhanden ist. Die Einordnung des allgemeinen Diskriminierungsverbotes des Art. 12 EGV in die Systematik des gemeinschaftsrechtlichen Grunderwerbs folgt im wesentlichen denselben Kriterien: Gegenüber Art. 12 EGV beinhalten die Grundfreiheiten ebenfalls die spezielleren Regelungen,19 da sie die Ausübung der jeweiligen wirtschaftlichen Tätigkeit einschließlich des dazu erforderlichen Grunderwerbs in umfassendem Sinne normieren. Eine autonome Anwendbarkeit des allgemeinen Diskriminierungsverbotes kann daher nur in solchen Fällen in Betracht kommen, in denen der Grunderwerb nicht zum Zwecke der Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit - insbesondere auch nicht zu Anlagezwecken (Art. 56 EGV) - erfolgt. Dies betrifft im Ergebnis diejenigen Fälle, in denen sich Personen auf allgemeine Aufenthaltsrechte berufen können, wie sie etwa aus Art. 18 EGV oder den drei Aufenthaltsrichtlinien folgen. Art. 12 EGV erlangt in diesem Zusammenhang eine ergänzende bzw. schutzbereichserweiternde Funktion. Der allgemeine Gleichheitssatz hat indes für den Liegenschaftserwerb außerhalb wirtschaftlicher Betätigung keine eigenständige Bedeutung, da Art. 12 EGV insoweit als die speziellere Regelung vorgeht. 20
Vgl. oben E. III. 2. e). Allerdings ist auch beim Kauf eines Ferienhauses eine klare Abgrenzung in der Praxis mitunter schwierig vorzunehmen. Man denke nur daran, daß der Eigentümer das Haus außerhalb der von ihm genutzten Zeit an Dritte weitervermietet. Dann stehen - je nach Einzelfall neben Anlagezwecken (Art. 56 EGV) möglicherweise auch dienstleistungsfreiheitliche Elemente (Art. 43 bzw. 49 EGV) im Vordergrund. 19 Vgl. oben E. IV. 2. und 4. 20 V gl. oben E. V. I. 17
18
F. Verhältnis der Immobilienerwerbsrechte zueinander
224
Systematik der einzelnen Grunderwerbsrechte Rechtsquelle
Begünstigte
Verpflichtete
Grundfreiheiten
Unionsbürger und EU- Gesellschaften; gemäß Art. 56 EGV auch Drittstaatsangehörige
Grundrechte
natürliche und grds. nur Gemeinschaftsorgane, juristische Personen des Privatrechts, ausnahmsweise grds. auch Drittstaats- Mitgliedstaaten angehörige
Mitgliedstaaten und Gemeinschaft
Voraussetzungen / Einschränkungen / Funktion grenzüberschreitender Bezug erforderlich, Art. 56 EGVerfaßt sämtliche Erwerbsbzw. Nutzungsarten zu Anlagezwecken kein grenzüberschreitender Bezug erforderlich; Erwerb unabhängig von Nutzungsart; ergänzende und subsidiäre Funktion gegenüber Grundfreiheiten
Allgemeines Unionsbürger Aufenthaltsrecht, Art. 18 i. V. m. Art. 12EGV
Mitgliedstaaten
kein grenzüberschreitender Bezug erforderlich; unabhängig von wirtschaftlicher Betätigung; ggf. Erfordernis ausreichender finanzieller Mittel; subsidiäre Auffangberechtigung gegenüber Grundfreiheiten
Allgemeine Aufenthalts-RL 90/364/EWG
Unionsbürger
Mitgliedstaaten
erfaßt nur Hauptwohnsitze; Bedingung einer Krankenversicherung und ausreichender Existenzmittel
Pensionisten-RL 90/365/EWG
ehemalige Arbeitnehmer und Selbständige der Mitgliedstaaten
Mitgliedstaaten
erfaßt nur Hauptwohnsitze; Bedingung einer ausreichenden Rente und Krankenversicherung
Studenten-RL 93/96/EWG
Studenten der Mitgliedstaaten
Mitgliedstaaten
Erwerb nur ausnahmsweise, soweit für Ausbildungszwecke erforderlich
G. Gemeinschaftsrechtliche Sonderregelungen Im Kontext der bisherigen Untersuchungen sind verschiedene, den Immobilienerwerb betreffende gemeinschaftsrechtliche Sonderregelungen angesprochen worden. Derartige Regelungen finden sich nicht unmittelbar im EGV selbst, sondern sie sind in diversen anderen (primärrechtlichen) Vorschriften enthalten. Nichtsdestoweniger stellen sie durchweg einen Teil des gemeinschaftlichen Besitzstandes dar. Insbesondere für die jüngst beigetretenen Staaten Mittel- und Osteuropas (MOES) sind diese Regelungen von großer Bedeutung. So sind diese Staaten gehalten, grundsätzlich den gesamten acquis communautaire zu übernehmen und ihre nationalen Rechtsordnungen dementsprechend anzupassen. I Wie noch erläutert wird, ermöglichen die einschlägigen Sonderregelungen durchweg Einschränkungen des Grunderwerbs. Es ist für die beigetretenen MOES daher von großem Interesse, ob und inwieweit diese Regelungen für die Ausgestaltung ihrer künftigen nationalen Grundstücksverkehrsgesetzgebung 2 von Bedeutung sein können. 3 Im Folgenden soll nun die genaue Bedeutung und Funktion der unterschiedlichen Sonderregelungen im Gefüge des Gemeinschaftsrechts eruiert werden. I. Protokoll betreffend den Erwerb von Immobilien in Dänemark
Bereits Ende der 50er Jahre hatte Dänemark den Erwerb von Liegenschaften durch Ausländer von einer allgemeinen Bewilligungspflicht abhängig gemacht, von der zugunsten von EG-Bürgern nur in eng begrenzten Ausnahmetatbeständen abgesehen wurde. Insbesondere blieb der Erwerb von Zweitwohnungen uneingeschränkt einem allgemeinen und restriktiv gehandhabten Genehmigungseifordemis des dänischen Justizministeriums unterworfen. Diese restriktive Haltung Dänemarks beruhte vor allem auf der Befürchtung, daß bei einer Freigabe des Immobilienmarktes namentlich bundesdeutsche Erholungssuchende oder auch KapitalZur Übernahme des sog. acquis siehe ausführlich unten H. 11. 2. b). Die Anpassung der nationalen Grunderwerbsregelungen an die gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben muß spätestens mit Ablauf der den MOES eingeräumten Übergangsjristen erfolgen, innerhalb derer sie ihre bisherigen Vorschriften - zumindest teilweise - noch beibehalten dürfen. Die Ausgestaltung der einzelnen Übergangs- und Ausnahmeregelungen für diese Staaten wird ausführlich unter H. 11. 2. d) (2) und (3) erörtert. 3 Zu möglichen Leitlinien für die künftige Immobiliengesetzgebung in den MOES siehe unten I. I
2
15 Hubatsch
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G. Gemeinschaftsrechtliche Sonderregelungen
anleger mit nicht gewerblicher Zielsetzung in größerem Umfang Ferienhäuser entlang der dänischen Küste aufkaufen würden. Dadurch, so wurde befürchtet, käme es zu erheblichen Preissteigerungen auf dem dänischen Immobilienmarkt. 4 Mit Inkrafttreten der sog. Kapitalverkehrsrichtlinie 88/3611EWG5 konnten sich die EG-Bürger dann aber auf die unmittelbar anwendbare und nicht (mehr) bloß "akzessorische" Kapitalverkehrsfreiheit berufen. 6 Die bisherigen dänischen Regelungen, welche für EG-Bürger Ausnahmen von den allgemeinen Grunderwerbsbeschränkungen vorsahen, erwiesen sich damit als zu eng, da sie nur die Tatbestände der Arbeitnehmerfreizügigkeit, der Niederlassungsfreiheit und der Dienstleistungsfreiheit sowie des - zu diesen einzelnen Marktfreiheiten lediglich akzessorischen - Kapitaltransfers vorsahen. Um dennoch die restriktiven Regelungen betreffend den Erwerb von Sommerhäusern aufrechterhalten zu können, wurde auf Wunsch Dänemarks die Regelung des Art. 6 Abs. 4 in die Kapitalverkehrsrichtlinie aufgenommen. Ihr zufolge durften bestehende einzelstaatliche Rechtsvorschriften zur Regelung des Erwerbs von Zweitwohnsitzen aufrechterhalten werden, bis der Rat weitere diesbezügliche Vorschriften gemäß Art. 69 EWGV erlassen würde. 7 Gemäß letzterer Vorschrift wurde der Rat ermächtigt und verpflichtet, mit qualifizierter Mehrheit auf Vorschlag der Kommission und nach Anhörung des Währungsausschusses die erforderlichen Richtlinien für die schrittweise Durchführung des Art. 67 EWGV zu erlassen. Aufgrund des lediglich qualifizierten Mehrheitserfordernisses bedurfte eine Änderung der Kapitalverkehrsrichtlinie und des in ihr enthaltenen Art. 6 Abs. 4 aber keiner Einstimmigkeit, so daß es Dänemark allein nicht mehr möglich war, diesbezügliche Änderungen einseitig zu blockieren. Aus diesem Grunde bestand Dänemark anläßlich der Unterzeichnung des Vertrages über die Europäische Union am 7. Februar 1992 in Maastricht darauf, dem Vertrag folgendes Protokoll beizufügen: 8 "Die hohen Vertragsparteien - von dem Wunsch geleitet, gewisse besondere Probleme betreffend Dänemark zu regeln - sind über folgende Bestimmung übereingekommen, die dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften beigefügt wird: 4 Siehe zu diesen Motiven Hammerl/Sippel, Der Erwerb von Sommerhäusem in Dänemark durch EG-Ausländer und das Recht der Europäischen Gemeinschaften, in: RIW 1992, S. 883, 884; Hummer/Schweitzer; Raumordnung, S. 343 f. 5 RL 88/361 / EWG des Rates vom 24. 6. 1988 zur Durchführung von Artikel 67 des Vertrages, ABI. 1988 Nr. L 178, S. 5. Siehe dazu ausführlich oben C. VI. 2. b). 6 Zur Entwicklung der KVF von einer "Hilfsfreiheit" zu einer eigenständigen, unmittelbar anwendbaren Marktfreiheit siehe oben C. VI. 1. 7 Die Regelung des Art. 69 E(W)GV ist mit Einführung der zweiten Stufe der Wirtschaftsund Währungsunion durch die Art. 73b ff. EGV a. F. (Art. 56 ff. EGV n. F.) ersetzt worden. Eine entsprechende Richtlinienkompetenz ist nicht mehr vorgesehen und aufgrund der nunmehr in Art. 56 EGV enthaltenen, unbedingten Liberalisierungsverpflichtung bezüglich des Kapitalverkehrs auch nicht mehr erforderlich. 8 Abgedruckt in ABI. 1992 Nr. C 224/ 104.
11. Protokoll Nr. 2 über die Alandinseln
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Ungeachtet des Vertrags kann Dänemark seine geltenden Rechtsvorschriften für den Erwerb von Zweitwohnungen beibehalten. "
Gemäß Art. 311 EGV ist das Protokoll Bestandteil des EGY. Der von Dänemark mit der Verabschiedung des Protokolls verfolgte Zweck war die Normierung einer primärrechtlichen Sonderregelung, um sich damit sowohl gegen künftige Abänderungen der sekundärrechtlichen Regelung des Art. 6 Abs. 4 der Kapitalverkehrsrichtlinie als auch gegenüber allen sonstigen (primärrechtlichen) Vorschriften des Gemeinschaftsrechts abzusichern. Damit sind insbesondere auch Einwendungen aus den nunmehr uneingeschränkt geltenden kapitalverkehrsrechtlichen Vorschriften der Art. 56 ff. EGV im Bereich der Zweitwohnungen gegenüber Dänemark ausgeschlossen. Nicht zuletzt beugt das Protokoll einer theoretisch möglichen Rechtsprechung des EuGH vor, welche in den dänischen Bestimmungen ansonsten eine verbotene (verdeckte) Diskriminierung erblicken könnte. 9 Aus dem insoweit eindeutigen Wortlaut der Regelung ergibt sich allerdings, daß diese Ausnahme ausschließlich für Dänemark und nicht für andere Staaten, insbesondere auch nicht für neue Mitgliedstaaten der EU, gilt. In dieser Hinsicht kann ihr lediglich die Rolle einer "politischen Vorreiterfunktion" zukommen. 10 11. Protokoll Nr. 2 über die Alandinseln
Der Akte über die Bedingungen des Beitritts des Königreichs Norwegen, der Republik Österreich, der Republik Finnland und des Königreichs Schweden II wurde das sogenannte Protokoll Nr. 2 über die Alandinseln l2 beigefügt. Gemäß Art. 174 der Beitrittsakte ist es Bestandteil derselben. Mit dem Protokoll soll unter anderem der völkerrechtliche Sonderstatus der Alandinseln berücksichtigt und ein existenzfähiges lokales Wirtschaftsleben aufrechterhalten werden. Gemäß Art. I des Protokolls lassen die Bestimmungen des EGV die Anwendung der am I. 1. 1994 in bezug auf die Alandinseln geltenden Bestimmungen unberührt, welche die - in nichtdiskriminierender Weise anzuwendende - Einschränkung des Rechts natürlicher Personen, die nicht den regionalen Bürgerstatus (hembygdsrätt / kotiseutuoikeus) der Alandinseln besitzen, sowie juristischer Personen betreffen, ohne Genehmigung der zuständigen Behörden der Alandinseln auf diesen Inseln Grundeigentum zu erwerben und zu besitzen. Schmidjell, S. 35 f. HummerlSchweitzer; Raumordnung, S. 348. 11 Akte über die Bedingungen des Beitritts des Königreichs Norwegen, der Republik Österreich, der Republik Finnland und des Königreichs Schweden und die Anpassungen der die Europäische Union begründenden Verträge, ABI. 1994 Nr. C 241/21. Der Beitritt Österreichs, Finnlands und Schwedens erfolgte zum 1. Januar 1995. In Norwegen wurde der Beitritt zum wiederholten Male abgelehnt. 12 ABI. 1994 Nr. C 241 /352. 9
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G. Gemeinschaftsrechtliche Sonderregelungen
Es handelt sich hierbei um eine dauerhafte Ausnahmevorschrift zum EGV, insbesondere im Hinblick auf die kapitalverkehrsrechtlichen Vorschriften der Art. 56 ff. EGV 13 Damit wird zugleich der territoriale Anwendungsbereich des Vertrages gemäß Art. 299 Abs. 5 EGV modifiziert. Die Regelung gilt ausweislich ihres Wortlauts ausnahmslos für die Alandinseln, kann also nicht von den anderen Mitgliedstaaten bzw. künftigen Beitrittsländern als Ausnahmevorschrift zum gemeinschaftlichen Besitzstand herangezogen werden. III. Protokoll Nr. 6 über den Erwerb von Zweitwohnsitzen in Malta
Anläßlich der jüngst erfolgten Osterweiterung der EU wurde den Beitrittsverträgen mit den MOES ein speziell für Malta geltendes Protokoll betreffend den Zweitwohnungserwerb 14 beigefügt. Es hat folgenden Wortlaut: "Die Hohen Vertragsparteien sind wie folgt übereingekommen: Angesichts der äußerst geringen Anzahl von Wohneinheiten in Malta und des sehr begrenzt verfügbaren Baulandes, das lediglich zur Deckung der durch die demographische Entwicklung der derzeitigen Bewohner entstehenden Grundbedürfnisse ausreicht, kann Malta in nichtdiskriminierender Weise die geltenden Bestimmungen des Immobilieneigentumsgesetzes (Erwerb durch Nicht-Gebietsangehörige) (Kapitel 246) über den Erwerb und den Unterhalt von Immobilieneigentum als Zweitwohnsitze durch Staatsangehörige der Mitgliedstaaten, die sich nicht mindestens fünf Jahre rechtmäßig in Malta aufgehalten haben, beibehalten. Malta wird für den Erwerb von Immobilieneigentum als Zweitwohnsitze in Malta Genehmigungsverfahren anwenden, die auf veröffentlichten, objektiven, dauerhaften und transparenten Kriterien beruhen. Diese Kriterien werden auf nichtdiskriminierende Weise angewandt und dürfen nicht zwischen maltesischen Staatsangehörigen und Staatsangehörigen anderer Mitgliedstaaten unterscheiden. Malta wird gewährleisten, daß Staatsangehörige der Mitgliedstaaten auf keinen Fall restriktiver behandelt werden als Staatsangehörige von Drittstaaten. Liegt der Wert eines von einem Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten zu erwerbenden Grundeigentums über dem nach maltesischen Rechtsvorschriften festgelegten Schwellenwert von 30.000 MTL für Wohnungen bzw. von 50.000 MTL für andere Arten von Grundeigentum als eine Wohnung oder ein Objekt von historischem Wert, so wird eine Genehmigung erteilt. Malta kann diese gesetzlichen Schwellenwerte überprüfen, um Änderungen auf dem Immobilienmarkt in Malta Rechnung zu tragen."
Im Hinblick auf die mögliche Beibehaltung nationaler Regelungen des Zweitwohnungserwerbs handelt es sich um eine dauerhafte Ausnahmeregelung. Diese gilt allerdings nur gegenüber solchen EU-Bürgern, die nicht bereits seit mindestens 13 Ress/ Ukrow, in: Grabitz/ Hilf, vor Art. 56 EGV Rn 19. Gemäß Art. 3 des Protokolls hat die Republik Finnland jedoch sicherzustellen, daß sämtlichen natürlichen und juristischen Personen der Mitgliedstaaten Gleichbehandlung auf den Alandinseln gewährt wird. 14 Protokoll Nr. 6 zum Beitrittsvertrag vom 4. April 2003 über den Erwerb von Zweitwohnsitzen in Malta (AA 2003 endg., S. 4774).
IV. Gemeinsame Erklärung Nr. 5 zu Zweitwohnungen
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fünf Jahren rechtmäßig in Malta ansässig waren. Länger ansässig gewesene l5 Unionsbürger können sich also schon zum jetzigen Zeitpunkt auf die - für Inländer bzw. Gebietsansässige l6 in gleicher Weise - geltenden Grunderwerbsregelungen berufen. Das Protokoll sieht außerdem ausdrücklich vor, daß dem Grunderwerb VOfgeschaltete Genehmigungsverfahren dem Gebot der Nichtdiskriminierung - auch im Vergleich zu Drittstaatsangehörigen - Rechnung tragen müssen. Überdies besteht eine Pflicht zur Genehmigungserteilung bei Überschreitung eines bestimmten Schwellenwertes von Immobilien, die aufgrund ihres höheren Preises ohnehin nicht für die Befriedigung der durch die demographische Entwicklung Maltas hervorgerufenen Wohnbedürfnisse in Betracht kommen dürften. Das Protokoll bezieht sich ausschließlich auf den Erwerb durch Angehörige der Mitgliedstaaten. Der Erwerb durch Drittstaatsangehärige, welcher ebenfalls von der Kapitalverkehrsfreiheit umfaßt ist, erfährt keine nähere Regelung. Andererseits ergibt sich aus dem Wortlaut des Protokolls, daß Drittstaatler gegenüber EU-Bürgern nicht besser gestellt werden sollen. Es liegt daher der Schluß nahe, daß die Kapitalverkehrsfreiheit gegenüber Drittstaatsangehörigen weitergehenden Beschränkungsmöglichkeiten als gegenüber Mitgliedstaatsangehörigen unterliegt. Da sich das Gebot der Nichtdiskriminierung auf das Verhältnis zwischen Maltesern und Mitgliedstaatsangehörigen beschränkt, ist nicht auszuschließen, daß gegenüber Drittstaatsangehörigen künftig auch diskriminierende Erwerbsregelungen möglich bleiben.
IV. Gemeinsame Erklärung Nr. 5 zu Zweitwohnungen
In der Schlußakte zum Beitritt Österreichs, Finnlands und Schwedens von 1994 findet sich eine Gemeinsame Erklärung Nr. 5 zu Zweitwohnungen 17 mit folgendem Wortlaut: "Keine Bestimmung des gemeinschaftlichen Besitzstandes hindert die einzelnen Mitgliedstaaten, auf nationaler, regionaler oder örtlicher Ebene Maßnahmen betreffend Zweit15 Die Auslegung des Wortlauts ("aufgehalten haben") läßt den Schluß zu, daß diese Personen lediglich irgendwann (vor oder nach dem Beitritt/ mit oder ohne zeitliche Unterbrechung) in Malta ansässig gewesen sein müssen. Es ist also nicht erforderlich, daß sie gegenwärtig noch in Malta ansässig sind, um wie Gebietsansässige behandelt werden zu müssen. 16 Das protokollarisch genannte Immobilieneigentumsgesetz bezieht sich genau genommen nicht auf die (ausländische) Staatsangehörigkeit, sondern spricht nur vom Erwerb durch Nicht-Gebietsangehörige. Darunter könnten auch maltesische Staatsangehörige faUen, die nicht in Malta ansässig sind. Der Wortlaut der Regelung ist diesbezüglich nicht eindeutig. 17 Akte über die Bedingungen des Beitritts des Königreichs Norwegen, der Republik Österreich, der Republik Finnland und des Königreichs Schweden und die Anpassungen der die Europäische Union begründenden Verträge, Schlußakte - 11. Erklärung der Bevollmächtigten - 5. Gemeinsame Erklärung zu Zweitwohnungen, ABI. 1994 Nr. C 241 /382.
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G. Gemeinschaftsrechtliche Sonderregelungen
wohnungen zu treffen, sofern sie aus Gründen der Raumordnung, der Bodennutzung und des Umweltschutzes erforderlich sind und ohne direkte oder indirekte Diskriminierung von Staatsangehörigen einzelner Mitgliedstaaten in Übereinstimmung mit dem gemeinschaftlichen Besitzstand angewendet werden."
Die Erklärung ist nicht nur gemäß Art. 31 Abs. 2 lit. a WVRK für die Auslegung und Anwendung der Beitrittsakte VOn Bedeutung, sondern sie stellt darüber hinaus, wie die allgemeine Bezugnahme auf den gemeinschaftlichen Besitzstand und sämtliche Mitgliedstaaten zeigt, einen Teil des allgemeinen Gemeinschajtsrechts dar. 18 Somit können sich auch die der Union jüngst beigetretenen MOES auf die Regelung berufen. Zwar läßt sich der Erklärung nicht positiv entnehmen, durch welche konkrete Regelung des gemeinschaftlichen Besitzstandes der Zweitwohnungserwerb gewährleistet wird. Sie stellt aber ausdrücklich klar, daß auch im Bereich des Zweitwohnungserwerbs bzw. der Nutzung einer Immobilie als Zweitwohnung nur nichtdiskriminierende mitgliedstaatliche Regelungen erlaubt sind, welche außerdem nur auf die genannten Gründe - Raumordnung, Bodennutzung und Umweltschutz gestützt werden dürfen.
V. Beitrittsakte der skandinavischen Staaten und Österreichs
Ebenfalls aus Anlaß des Beitritts Österreichs, Finnlands und Schwedens zur Europäischen Union wurde diesen Staaten in den Art. 70, 87 und 114 der Beitrittsakte l9 abweichend von den Verpflichtungen im Rahmen der die Union begründenden Verträge eine jünfjährige Übergangsjrist zugestanden, ihre jeweils bestehenden Rechtsvorschriften über Zweitwohnungen beizubehalten?O Diese Übergangsfrist ist zum 1. 1. 2000 abgelaufen. Dennoch soll hier kurz auf diese Regelungen eingegangen werden, zumal sich auch der EuGH bereits mit ihnen befaßt hat. Dabei geht es im wesentlichen um die Auslegung des Begriffes der "bestehenden Rechtsvorschriften " betreffend Zweitwohnungen, welche bis zum 1. 1. 2000 beibehalten werden durften. Der Gerichtshof stellt zunächst fest, daß die Regelungen der Beitrittsakte aufgrund ihres Ausnahmecharakters nur dann anzuwenden sind, wenn innerstaatliche Bestimmungen ohne eine solche Regelung an sich mit dem Gemeinschaftsrecht unvereinbar wären. Erst dann ist zu prüfen, ob derartige 18 ResslUkrow, in: GrabitzlHilf, vor Art. 56 EGV Rn 19; siehe dazu auch Kiemel, in: von der Groebenl Schwarze, Art. 56 EG Rn 33. 19 Akte über die Bedingungen des Beitritts des Königreichs Norwegen, der Republik Österreich, der Republik Finnland und des Königreichs Schweden und die Anpassungen der die Europäische Union begründenden Verträge, ABI. 1994 Nr. C 241/21. 20 Wie noch zu zeigen ist, stellen derartige Übergangsregelungen einen Weg dar, der mehrheitlich auch im Rahmen des Beitritts der MOES eingeschlagen worden ist. Siehe dazu ausführlich unten H. II. 2. d) (3).
VI. Inhalt und Funktion der Regelungen
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innerstaatliche Bestimmungen zu den zur Zeit des Beitritts bestehenden Rechtsvorschriften betreffend Zweitwohnungen gehören?1 Sodann führt der Gerichtshof aus, daß der Begriff der bestehenden Rechtsvorschriften im Sinne der Beitrittsakte auf einem materiellen Kriterium beruhe. Auch wenn einschlägige Vorschriften erst nach dem Beitritt erlassen würden, seien sie nicht schon allein deswegen von der Ausnahmeregelung der Beitrittsakte ausgeschlossen. Eine nationale Bestimmung falle vielmehr auch dann unter die Ausnahmeregelung, wenn sie im wesentlichen mit einer früheren (im Zeitpunkt des Beitritts bestehenden) Regelung übereinstimme oder nur ein Hindernis, das nach der früheren Regelung der Ausübung gemeinschaftlicher Rechte und Freiheiten entgegenstand, abmildere oder beseitige. Beruhe eine (nach dem Beitritt erlassene) Regelung hingegen auf einem anderen Grundgedanken als das frühere Recht und führe sie neue Verfahren ein, so könne sie den zum Zeitpunkt des Beitritts bestehenden Rechtsvorschriften nicht gleichgestellt werden. 22
VI. Inhalt und Funktion der Regelungen Neben der inhaltlichen Erörterung der Sonderregelungen geht es nunmehr um die Klärung ihres Verhältnisses zu den unions- und gemeinschaftsrechtlich gewährten Möglichkeiten des Immobilienerwerbs. In diesem Zusammenhang ist auch zu untersuchen, ob die Mitgliedstaaten bei der Vereinbarung solcher Sondervorschriften mit neuen Beitrittsländem völlig frei sind, oder ob dabei gewisse inhaltliche Begrenzungen bestehen.
1. Materieller Regelungsgehalt Materiell handelt es sich bei den Sondervorschriften entweder um bloße Übergangsregelungen (so die Art. 70, 87 und 114 der Beitrittsakte Österreich, Finnland, Schweden) oder auch dauerhafte Ausnahmevorschriften, welche nahezu ausschließlich einen bestimmten Mitgliedstaat betreffen (so das Protokoll betreffend den Erwerb von Immobilien in Dänemark, das Protokoll über die Alandinseln sowie das Protokoll betreffend Zweitwohnsitze in Malta). Allein die Gemeinsame Erklärung Nr. 5 zu Zweitwohnungen stellt einen dauerhaften und allgemeingültigen Teil des gemeinschaftlichen Besitzstandes dar und kann somit auch von sämtlichen der Union beigetretenen MOES für Einschränkungen des Grunderwerbs bzw. die Festlegung einer bestimmten Grundstücksnutzungsart herangezogen werden. EuGH, Rs. C-355/97, Sig. 1999, S. 1-4997 Rn 28 (Beck). EuGH, Rs. C-355/97, Sig. 1999, S. 1-4998 Rn 31, 34-37 (Beck) unter Hinweis auf Rs. C-302/97, Sig. 1999, S. 1-3132 Rn 28, 52 f. (Konle). Zur gleichartigen Interpretation "bestehender Rechtsvorschriften" i. S. d. Art. 57 EGV bezüglich Beschränkungen der KVF gegenüber Drittstaaten siehe oben C. VI. 3. d) (1). 21
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G. Gemeinschaftsrechtliche Sonderregelungen
Aus den genannten Regelungen läßt sich ableiten, daß der Immobilienerwerb durch EU-Bürger als Bestandteil des gemeinschaftlichen "acquis" grundsätzlich auch von den neu beigetretenen MOES zu gewährleisten ist. Sein dauerhafter Ausschluß ist allenfalls in eng begrenzten Ausnahmefällen denkbar?3 Dazu bedarf es einer gesonderten vertraglichen Vereinbarung mit dem jeweiligen Mitgliedstaat. Derartige Ausnahmen sind jedoch nicht im Wege der Analogie auf andere Mitgliedstaaten übertragbar. Zudem sind Einschränkungen des Grundstückserwerbs prinzipiell nur in nichtdiskriminierender Weise zulässig. Dauerhafte - auch diskriminierende - Beschränkungen lassen sich nur aus besonders gewichtigen Gründen rechtfertigen. Dies zeigt sich exemplarisch an den speziellen Ausnahmevorschriften für Finnland und Malta. Die mit diesen Regelungen ermöglichten dauerhaften und teilweise auch diskriminierenden Einschränkungen des Grundstückserwerbs wurden für nötig befunden, um den Schutz regionaler Minderheiten zu gewährleisten bzw. um die - angesichts der konkreten demographischen Entwicklung nur sehr beschränkte Verfügbarkeit von Bauland in ausreichendem Umfang zu sichern. 2. Rangverhältnis der Sonderregelungen zu sonstigem Gemeinschaftsrecht Nach der Intention der Mitgliedstaaten und des Gemeinschaftsgesetzgebers stellen die erörterten Sonderregelungen zum Immobilienerwerb Ausnahmevorschriften zu den ungeschriebenen allgemeinen Rechtsgrundsätzen der Gemeinschaftsgrundrechte sowie zu sonstigem geschriebenen Primär- und Sekundärrecht dar. Damit ist allerdings noch nicht geklärt, ob diese Spezialvorschriften auch tatsächlich sonstigem (primären) Recht vorgehen können, und welche Norm in einem möglichen Kollisionsfalle Anwendung finden muß. Ein mögliches Eingreifen der Sonderregelungen wäre nämlich zu verneinen, wenn die Grundfreiheiten oder die Gemeinschaftsgrundrechte einen höheren Rang als jene innehätten. Dann könnten auch die durch die Grundfreiheiten oder durch allgemeine Aufenthaltsrechte gewährleisteten Grunderwerbsrechte nicht durch Sonderregelungen verdrängt oder eingeschränkt werden. Es bedarf daher der Klärung des Verhältnisses der Vorschriften zueinander. Dieses hängt wiederum von der RangsteIlung der jeweils kollidierenden Rechtsnormen ab. Allgemein geht es hierbei um den Rang der jeweiligen Regelungen hinsichtlich ihrer derogatorischen Kraft, d. h. ihrer Durchsetzungskraft gegenüber anderen Rechtsnormen. Maßgeblich für die Bestimmung des Ranges innerhalb einer bestimmten Rechtsordnung ist dabei prinzipiell nicht der Inhalt24 der Norm, sondern der Rang des Normsetzers?5 23 Es besteht für die MOES jedoch regelmäßig die Möglichkeit zeitlich befristeter Einschränkungen des Immobilienerwerbs in bestimmten Bereichen (z. B. beim Erwerb von Zweitwohnungen oder Wald- und Ackerland). Dies ist durch die Bewilligung entsprechender Übergangsregelungen erreicht worden. Siehe zu Funktion und Anwendungsbereich der jeweiligen Übergangsregelungen ausführlich H. II. 2. d) (3) und III. 1.
VI. Inhalt und Funktion der Regelungen
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Bei den Grundfreiheiten und den durch sie gewährten Immobilienerwerbsrechten handelt es sich um vertragliches Primärrecht, welches teilweise sekundärrechtlich konkretisiert worden ist, etwa in Form des Art. 9 der VO 1612/68/ EWG zur Arbeitnehmerfreizügigkeit. 26 Ein prinzipiell unbeschränktes Grunderwerbsrecht läßt sich insbesondere aus der Kapitalverkehrsfreiheit ableiten. 27 Die sekundärrechtlichen Konkretisierungen, etwa in Form der Kapitalverkehrsrichtlinie, geben lediglich Aufschluß über den Inhalt der primärrechtlichen Gewährleistungen. Gleiches gilt für die Immobilienerwerbsrechte außerhalb wirtschaftlicher Betätigung, wie sie primärrechtlich durch die Unionsbürgerschaft (Art. 18 i. V. m. Art. 12 EGV) und sonstige allgemeine Aufenthaltsrechte sekundärrechtlicher Ausprägung gewährt werden. 28 Hingegen ist der Rang der Gemeinschaftsgrundrechte, welche in Form der Eigentums- und Berufsfreiheit ebenfalls Rechte zum Immobilienerwerb beinhalten, im Verhältnis zu sonstigem Primärrecht nicht klar. Aus der Rechtsprechung des EuGH lassen sich bisher keine eindeutigen Schlüsse ziehen. Da der Gerichtshof das Sekundärrecht am Maßstab allgemeiner Rechtsgrundsätze prüft, läßt sich daraus lediglich schließen, daß die Grundrechte für ihn regelmäßig dem Sekundärrecht vorgehen und ihm als Maßstabsnormen für dessen rechtliche Beurteilung und Auslegung dienen?9 Daraus läßt sich aber noch nicht folgern, daß die Grundrechte oberhalb des Primärrechts anzusiedeln sind, mit ihm denselben Rang teilen sollen oder gar zwischen Primär- und Sekundärrecht30 liegen. Eine Positionierung oberhalb des vertraglichen Primärrechts scheidet eigentlich schon begrifflich aus und kommt auch deshalb nicht in Betracht, weil dem Gemeinschaftsrecht das Konzept eines "Überverfassungsrechts" fremd iSt. 31 Die 24 So gibt es innerhalb der primärrechtlichen Gemeinschaftsverträge sowohl Grundsatznormen, welche allgemeine Zielsetzungen (z. B. Art. 2 ff. EGV), grundsätzliche Aufgaben (z. B. Art. 3 EGV) und grundlegende Gebote bzw. Verbote (z. B. Art. 10, 12 EGV) benennen und deshalb Gültigkeit für den gesamten Anwendungsbereich der Verträge beanspruchen. Daneben existieren sachgebietsbezogene Vorschriften, welche nur für bestimmte Teilbereiche (z. B. Art. 81 ff. EGV - Wettbewerbspolitik) gelten und der Abgrenzung von Gemeinschaftskompetenz und mitgliedstaatlicher Zuständigkeit dienen. Trotz unterschiedlichen Inhalts teilen beide Normkategorien den gleichen Rechtsrang, vgl. Oppermann, § 6 Rn 477 ff. 25 Schilling, ARG, S. 30. 26 Siehe dazu oben C. III. 2. b) (I). 27 Siehe dazu oben C. VI. 2. b). 28 Siehe dazu oben E. 11. und III. 2. 29 Wetter, S. 97, 99 m. w. N.; Schilling, ARG, S. 30; vgl. auch die Darstellung der Rechtsprechung bei Ress / Ukrow, Neue Aspekte des Grundrechtsschutzes in der Europäischen Gemeinschaft, Anmerkungen zum Hoechst-Urteil des EuGH, in: EuZW 1990, S. 499 ff. 30 So Bleckmann, Die Rechtsquellen des Europäischen Gemeinschaftsrechts, in: NVwZ 1993,824,826; differenzierend unter Annahme eines "veränderungsfesten Verfassungskems" einzelner Grundrechtsgehalte Rengeling / Szczekalla, Grundrechte in der Europäischen Union, S. 70 ff. 31 Oppermann, § 6 Rn 488.
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G. Gemeinschaftsrechtliche Sonderregelungen
Entwicklung und Ableitung der Grundrechte als allgemeine Rechtsgrundsätze aus den mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen oder auch aus einer Zusammenschau "dogmatischer Sätze" des EGV 32 läßt sich auf die aus Art. 220 EGV herauszulesende Ermächtigung und Verpflichtung des EuGH, "Recht zu wahren", stützen?3 Art. 220 EGV ist eine primärrechtliche Ermächtigungsnorm. Das auf seiner Grundlage in die Gemeinschaftsrechtsordnung eingeführte Recht läßt sich als Übernahme durch die Mitgliedstaaten als Vertragsparteien qualifizieren. 34 Kraft des Ranges der Mitgliedstaaten als "Herren der Gemeinschaftsverträge" und Setzer des gemeinschaftlichen Primärrechts teilen dann die auf primärrechtlicher Grundlage geförderten allgemeinen Rechtsgrundsätze, somit auch die Gemeinschaftsgrundrechte, deren primärrechtlichen Rang nach der derogatorischen Kraft. 35 Sämtliche den Immobilienerwerb betreffenden Sonderregelungen sind im Rahmen der Beitrittsverhandlungen erlassen worden. Sie gehen maßgeblich auf die Mitgliedstaaten zurück und sind aufgrund deren Rangstellung ebenfalls als geschriebenes Primärrecht zu qualifizieren. Damit stehen die Sonderregelungen den durch die Grundfreiheiten, Grundrechte und die Unionsbürgerschaft gewährten Immobilienerwerbsrechten in ihrem (primärrechtlichen) Rang gleich. Vorbehaltlich der noch zu erörternden Fragen, ob es innerhalb des Primärrechts weitere Hierarchisierungen gibt und die Mitgliedstaaten beim Erlaß von Sonderregelungen bestimmten inhaltlichen Beschränkungen unterliegen,36 ergibt sich daraus grundsätzlich folgende Situation: Kommt es zu einem Konflikt zwischen den Sonderregelungen und beispielsweise den Gemeinschaftsgrundrechten, wären die Regeln des Vorranges der lex posterior bzw. der lex specialis anzuwenden. Da die vom EuGH im Wege wertender Rechtsvergleichung entwickelten Grundrechte ihre Grundlage in Art. 220 EGV haben, sind sie auf den Tag von dessen Inkrafttreten zu datieren. 3? Dies hat dann zur Folge, daß die Grundrechte, auch wenn sie erst nach Inkrafttreten des EGV vom EuGH entwickelt worden sind, gegenüber sonstigem geschriebenen Vertragsrecht niemals leges posteriores sein und es aus diesem Grunde auch nicht verdrän32 Zu dieser Unterscheidung zwischen "nicht statuierten Prinzipien", welche nicht auf dem EGV beruhen, sondern insbesondere den mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen entnommen werden, und "dogmatischen Prinzipien", welche sich aus einer Zusammenschau mehrerer Rechtssätze des EGV gewinnen lassen, vgl. Schilling, ARG, S. 30. 33 Pemice, Grundrechtsgehalte, S. 26; Schilling, ARG, S. 30; Wetter, S. 76 ff. m. w. N., welche Art. 164 EGVa. F. (Art. 220 EGV n. F.) jedoch nur deklaratorische Wirkung beimißt. 34 Lecheier; Einführung in das Europarecht, S. 118 f.; Schilling, ARG, S. 30. 35 Schilling, ARG, S. 30; Oppermann, § 6 Rn 496. Auch das BVeifG (E 73,339,231 ff.) erachtet die allgemeinen Rechtsgrundsätze als primäres Gemeinschaftsrecht. 36 Die Frage nach weiteren normativen Abstufungen innerhalb des Primärrechts ist eng mit der Frage verknüpft, ob die Mitgliedstaaten bei dessen Änderung inhaltlichen Beschränkungen unterliegen. Siehe dazu unten 3. 37 Schilling, ARG, S. 37.
VI. Inhalt und Funktion der Regelungen
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gen können. Sie können allerdings - mitunter in erheblichem Maße - dessen Auslegung beeinflussen. Umkehrt können die betreffenden Sonderregelungen mit primärrechtlichem Rang als Spezialregelungen den Grundrechten vorgehen, wenn und soweit deren Verfasser von allgemeinen Rechtsgrundsätzen abweichen wollten, die dem Recht der Mitgliedstaaten bekannt waren. 38 Dies gilt entsprechend für die Einschränkung der übrigen primär- oder sekundärrechtlich ausgestalteten Immobilienerwerbsrechte, wie sie etwa im Rahmen der Grundfreiheiten, der Unionsbürgerschaft oder allgemeiner Aufenthaltsrechte gewährt werden. 39 Allerdings sind die Mitgliedstaaten beim Erlaß solcher Sonderregelungen nicht völlig frei, sondern unterliegen inhaltlichen Vorgaben und Begrenzungen durch höherrangige und für die Existenz der Union unabdingbare Grundsätze. Diese inhaltlichen Begrenzungen beim Erlaß von Sonderregelungen sollen nun näher dargelegt werden. 3. Inhaltliche Begrenzungen bei der Vereinbarung von Sonderregelungen
Die angeführten Sonderregelungen begründen (dauerhafte und zeitweilige) Ausnahmen vom allgemeinen gemeinschaftlichen Besitzstand respektive des Immobilienerwerbs in der EU. Damit beinhalten sie zugleich eine materielle Vertragsänderung. Mit dieser Feststellung ist allerdings noch nichts über die materielle Rechtmäßigkeit solcher Änderungen gesagt. Vielmehr bedarf es erst noch der Untersuchung, ob die Mitgliedstaaten beim Erlaß solcher den Immobilienerwerb in der Union einschränkenden Sondervorschriften irgendwelchen inhaltlichen Begrenzungen (i. S. v. Schranken-Schranken) unterliegen. Diese Frage kann sich etwa dann stellen, wenn durch Sondervorschriften der Immobilienerwerb für bestimmte Personen, etwa aus Gründen ihrer ethnischen Herkunft bzw. Zugehörigkeit zu einer bestimmten Volksgruppe, in einem bestimmten Beitrittsland ausgeschlossen oder erheblich eingeschränkt werden sol1.40 Grenzen für die inhaltliche Zulässigkeit des Erlasses derartiger Sondervorschriften könnten dann sowohl aus dem Unions- und Gemeinschaftsrecht, aus (anderweitigen) völkerrechtlichen Bindungen der Mitgliedstaaten als auch aus ihren jeweiligen nationalen Verfassungsordnungen resultieren. Dies soll nunmehr näher untersucht werden.
Vgl. Schilling, ARG, S. 30. Zur gleichen Funktion (zeitlich begrenzter) Übergangsregelungen für die neuen Beitritts länder siehe unten H. III. 1. 40 Speziell in bezug auf die mit Polen vereinbarte Regelung, die aus "historischen Gründen" zu unterschiedlich langen Erwerbsfristen für den westlichen und östlichen Teil des Landes führt, siehe unten H. 11. 2. d) (3). 38 39
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G. Gemeinschaftsrechtliche Sonderregelungen
a) Unions- und gemeinschaftsrechtliche Grenzen
Im Grundsatz bleibt es den Mitgliedstaaten als "Herren der Verträge" unbenommen, durch den Erlaß primärrechtlicher Sonderregelungen die Anwendbarkeit der jeweiligen Immobilienerwerbsrechte zu modifizieren bzw. deren Inhalt und Schranken näher zu bestimmen. Bei der Vereinbarung solcher Sonderregelungen werden sie nämlich nicht "im Bereich des Gemeinschaftsrechts,,41 tätig, sondern setzen dieses als souveräne Vertragsparteien originär selbst. 42 Die darin zum Ausdruck kommende mitgliedstaatliehe Verfügungsbefugnis über den Unionsvertrag und die Gemeinschaftsverträge wird zwar als Grundsatz allgemein anerkannt. 43 Dennoch wird in der Literatur seit geraumer Zeit heftig über die Frage gestritten, ob es für die Mitgliedstaaten bei der Setzung von Primärrecht materielle Begrenzungen gibt. 44 Oft damit verknüpft ist die Frage nach dem Bestehen weiterer Hierarchien innerhalb des Primärrechts mit der Folge, daß auch primärrechtswidriges Primärrecht anzuerkennen sei. 45 In diesem Zusammenhang wird vertreten, daß es angesichts des fortgeschrittenen Standes der gemeinschaftlichen Integration mittlerweile einen änderungsfesten Kern des Unions- bzw. Gemeinschaftsrechts gebe, der die "Grundlagen der Gemeinschaft selbst" absichere. An diesen Kernbereich seien die Mitgliedstaaten auch dann gebunden, wenn sie primäres Recht setzten bzw. abänderten. Mittlerweile seien im Unions41 Siehe zu diesem - umstrittenen - Bereich mitgliedstaatlicher Bindung an die Gemeinschaftsgrundrechte oben D. I. 5. b) (2). 42 Da dies anläßlich von Beitrittsverhandlungen geschieht, unterliegen sie veifahrensrechtlieh den Erfordernissen des Art. 49 EUV, der in diesem Fall als lex specialis gegenüber Art. 48 EUV vorrangig ist, vgl. Vedder / Folz, in: Grabitz/ Hilf, Art. 48 EUV Rn 2; Meng, in: von der Groeben/Schwarze, Art. 48 EU Rn 95. 43 Vedder/ Folz, in: Grabitz/ Hilf, Art. 48 EUV Rn 49 f. m. w. N. 44 Die Existenz materieller Beschränkungen bejahend: Bieber; Les limites materielles et formelles a la revision des traites etablissant la communaute europeenne, RMC 1993, S. 343 ; derselbe, Wandel und Unveränderlichkeit als Strukturmerkmale des Europarechts, in: ZSchwR 112 I (1993), S. 327 ff.; da Cruz Vilaca/ Picarra, Ya-t-il des limites materielles la revision des traites instituant les communautes europeennes?, in: CDE 1993, S. 3 ff.; Herdegen, Vertragliche Eingriffe in das "Verfassungssystem" der Europäischen Union, in: Festschrift Everling, Bd. I, S. 447 ff.; Klein, in: Hailbronner/Klein/Magiera/Müller-Grajf; EUV IEGV, Art. N Rn 15; Meng, in: von der Groeben/ Schwarze, Art. 48 EU Rn 54 ff.; Vedder / Folz, in: Grabitz/Hilf, Art. 48 EUV Rn 14 ff.; dagegen: Cremer; in: Calliess/Ruffert, Art. 48 EUV Rn 4 m. w. N.; Heintzen, Hierarchisierungsprozesse innerhalb des Primärrechts der Europäischen Gemeinschaft, in: EuR 1994, S. 35 ff. 45 So jüngst von Arnauld, Normenhierarchien innerhalb des primären Gemeinschaftsrechts, in: EuR 2003, S. 191 ff. mit dem Hinweis, daß zwischen der Frage nach Normenhierarchien im Gemeinschaftsrecht und möglichen materiellen Grenzen einer Vertragsänderung keine völlige Kongruenz bestehe. Herdegen (S. 460 f.) votiert für eine dreistufige Gliederung des Primärrechts in Fundamentalsätze, die jedenfalls während des Bestehens der Gemeinschaften nicht aufgegeben werden dürften, institutionelle Vorschriften, die einer formellen Vertragsänderung zugänglich seien und sonstige Vorschriften ohne vergleichbaren Änderungsschutz. Dagegen explizit Heintzen, S. 38 f.
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VI. Inhalt und Funktion der Regelungen
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und Gemeinschaftsrecht bestimmte unabänderbare Grundsätze und Strukturprinzipien identifiziert und festgeschrieben worden. Daraus resultierten systemimmanente Grenzen für Vertragsänderungen, die zu einer materiellen Einschränkung der "Herrschaft" der Mitgliedstaaten über die Verträge führten. 46 Zu einem solchen änderungsfesten Kern werden insbesondere die der Union und der Gemeinschaft zugrundeliegenden Strukturprinzipien der Demokratie, der Achtung der Menschenrechte und Grundfreiheiten sowie das Rechtsstaatsprinzip gezählt. Diese Prinzipien sind nunmehr auch explizit in Art. 6 Abs. 1 und 2 EUV erwähnt. Nach überwiegender Ansicht handelt es sich hierbei um den .. Veifassungskem" der Union, übergreifende Verfassungsgrundsätze,47 die nicht angetastet werden könnten, ohne die Existenz der Union als Rechts- und Wertegemeinschaft48 in Frage zu stellen. 49 Zumindest hätten sich die Mitgliedstaaten im Wege der Selbstbindung zur Einhaltung dieser Strukturprinzipien auch auf Unionsebene verpflichtet. Diese Selbstbindung ergebe sich u. a. daraus, daß die Einhaltung der in Art. 6 Abs. I EUV genannten Grundsätze sowohl Bedingung für einen Beitritt (Art. 49 EUV) als auch für den Verbleib in der Union (vgl. Art. 7 EUV) sei. 5o 46 Vedderl Folz, in: Grabitzl Hilf, Art. 48 EUV Rn 14 ff.; Klein, a. a. 0., Art. N Rn 15 in bezug auf das erste Gutachten 1/91 (Slg. 1991, S. 1-6079 ff.) zum EWR-Vertrag, in dem der EuGH von einem Verstoß gegen die .. Grundlagen der Gemeinschaft selbst" (S. 1-6107, 6111) spricht. Dadurch werde ein Art. 79 Abs. 3 GG vergleichbarer, änderungsfester Kern des EGV festgestellt. Zugleich liege darin "ein zentraler Angriff auf die RechtsteIlung der MS als "Herren der Verträge" und "eine weitere gewichtige Ablösung der Gern. vom tragenden Willen der MS". 47 Beutler; in: von der GroebenlSchwarze, Art. 6 EU Rn I; HiljlSchorkopf, in: Grabitzl Hilf, Art. 6 EUV Rn 1. 48 Siehe dazu Speer; Die Europäische Union als Wertegemeinschaft, in: DÖV 2001, S. 980 ff. sowie Art. 1-2 des Entwuifes einer Europäischen Veifassung, der sich mit den " Werten der Union" befaßt. Darin werden neben den in Art. 6 Abs. 1 EUVerwähnten Strukturprinzipien die "Achtung der Menschenwürde", "Gleichheit", "Gerechtigkeit" und "Nichtdiskriminierung" als Wertefundament genannt. Siehe dazu HiljI Schorkopf, in: Grabitzl Hilf, Art. 6 EUV Rn 40. 49 Herdegen, S. 458 ff., spricht diesbezüglich von identitätsbestimmenden, unantastbaren Strukturprinzipien, die jedenfalls während des Bestehens der Gemeinschaften nicht aufgegeben werden dürften; HiljlSchorkopf, in: GrabitzlHilf, Art. 6 EUV Rn 33: "Existenzvoraussetzungen der Union"; Beutler; in: von der Groebenl Schwarze, Art. 6 EU Rn I: "Kern der Union"; Bieber; S. 333, nennt zusätzlich das Prinzip der Nichtdiskriminierung als für den Fortbestand der Union unabdingbares Element. 50 HiljlSchorkopf, in: GrabitzlHilf, Art. 6 EUV Rn 35 f. So im Ergebnis auch Vedderl Folz, in: GrabitzlHilf, Art. 48 EUV Rn 19 f., die zur Begründung der Änderungsfestigkeit der Strukturprinzipien aber nicht - unmittelbar - auf den EUV und die Gemeinschaftsverträge, sondern auf die veifassungs- und völkerrechtlichen Bindungen der Mitgliedstaaten zurückgreifen wollen. Für eine funktionale Differenzierung danach, ob die Mitgliedstaaten vertragsändernd oder im Rahmen des Vertrages rechtsetzend tätig werden, plädiert von Arnauld, S. 198 ff. Primärrechtliche (Selbst-)Bindungen bestünden nur in letzterem Fall (wie z. B. in dem Verfahren nach Art. 269 EGV), nicht aber, soweit die Mitgliedstaaten die Verträge ausdrücklich änderten oder ergänzten. Spezielle Ausnahmebestimmungen, wie z. B. das Protokoll betreffend den Erwerb von Immobilien in Dänemark, seien von den Mitgliedstaaten
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G. Gemeinschaftsrechtliche Sonderregelungen
Gegen die Konstruktion einer solchen Hierarchisierung innerhalb des Primärrechts unter Herausbildung eines änderungsfesten Kerns werden vor allem staatsund verfassungstheoretische Einwände erhoben. Ungeachtet des "supranationalen" Charakters der Union hätten die Mitgliedstaaten ihre Souveränität in Form ihrer "Herrschaft über die Verträge", d. h. ihre freie und ohne inhaltliche Bindungen bestehende Verfügungsbefugnis über diese, nicht eingebüßt. Die Union sei trotz sich zunehmend herausbildender föderaler Strukturen kein Staat mit eigener, d. h. von der Zustimmung der Mitgliedstaaten unabhängiger, Hoheitsgewalt. 51 Ebensowenig lasse sich daher das unions- und gemeinschafts rechtliche Primärrecht als staatliches Verfassungsrecht qualifizieren. Aus der zuweilen gebrauchten Bezeichnung der Gründungsverträge als Verfassung dürften im Hinblick auf die Fundierung hierarchisch höherrangigen und insbesondere änderungsfesten Primärrechts keine normativen Schlüsse gezogen werden. 52 Zudem käme es beim Erlaß von Primärrecht - als "Verfassungsrecht" der Union - zu einem Zusammenfallen der "verfassungsgebenden" (pouvoir constituant) mit der "verfassungsändernden" Gewalt (pouvoir constitue).53 Somit handelten die Mitgliedstaaten in bei den Fällen als souin ihrer Rolle als vertragsändernde Gewalt beschlossen worden. In dieser Funktion bestünden für sie - vorbehaltlich etwaiger materieller Grenzen (!) - keine (Selbst-)Bindungen aus dem Primärrecht heraus (S. 2(0). Nach diesem dogmatischen Ansatz ist also die Frage nach Normenhierarchien auf der Ebene des Primärrechts unabhängig von der Frage nach dem Bestehen absoluter, d. h. änderungsfester, Grenzen einer Vertragsänderung zu beantworten. 51 Meng, in: von der Groeben/Schwarze, Art. 48 EU Rn 26; Vedder/Folz, in: Grabitz/ Hilf, Art. 48 EUV Rn 49 f.: "Realiter sind die Mitgliedstaaten das Entscheidungs- und Machtzentrum der EU und der EG. Die Macht- und Souveränitätsfrage ist nicht zugunsten der EU / EG beantwortet." 52 Meng, in: von der Groeben/Schwarze, Art. 48 EU Rn 28; Vedder/Folz, in: Grabitz/ Hilf, Art. 48 EUV Rn 16,49 ff.; Heintzen, S. 40. 53 Die verfassungstheoretische Unterscheidung zwischen einem - normativ völlig freien Verfassungsgeber (pouvoir constituant) und einem - an die identitätsprägenden Grundentscheidungen der Verfassung gebundenen - verfassungsändernden Gesetzgeber (pouvoir constitue) geht zurück auf die Verfassungslehre Carl Schmitts von 1928 (S. 98). Durch diese Bindung sollen die Grundentscheidungen des Verfassungsgebers geschützt werden. Staatsgrundentscheidungen seien keiner legalen Änderung zugänglich, ihre Aufgabe bedeute einen revolutionären Vorgang (S. 24 ff.). Die Lehre Schmitts und sein radikaler Souveränitätsbegriff ("Souverän ist, wer über den Ausnahmezustand entscheidet.", in: Politische Theologie, 1922, 4. Aufl., 1984, S. 11 ff.) bilden einen wichtigen Bezugs- und Reibungspunkt in der europäischen Verfassungsdebatte. Insbesondere kollidiert das radikal bindungslose Souveränitätsverständnis Schmitts mit der Hypothese der Existenz materieller Schranken einer Vertragsänderung bzw. eines "änderungsfesten Kerns der Unionsverfassung". Siehe dazu die Ausführungen bei von Amauld, S. 196 ff. ("Selbstbindung, die sich ( ... ) in dem begrenzten Souveränitätsverzicht der Mitgliedstaaten (der seinerseits ein Akt der Souveränität ist) und der hieraus entstandenen grundsätzlich eigenständigen Gemeinschaftsrechtsordnung ausdrückt"); Heintzen, S. 41 f.; Herdegen, S. 451 ff., der unter Bezug auf den von Doehring, in: ZRP 1993, S. 99, verwendeten Terminus der "amputierten Souveränität" der Mitgliedstaaten behauptet, die "Letztverantwortung für eine Reihe existentieller Belange (hänge) im Verhältnis von Gemeinschaften und Mitgliedstaaten gewissermaßen in der Schwebe".
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veräne, d. h. an keinerlei materielle "Verfassungsgrundsätze" gebundene Rechtssubjekte. 54 Zugleich folge daraus, daß die Mitgliedstaaten eine etwaige Selbstbindung jedenfalls einvernehmlich beenden bzw. modifizieren könnten, etwa durch den einstimmigen Erlaß bestimmter primärrechtlicher Vorschriften. Wenn es ihnen sogar freistehe, die Union aufzuheben bzw. zu beenden,55 so könnten sie erst recht deren vertragliche Grundlagen ändern und massive Eingriffe in deren Strukturprinzipien vornehmen, ohne dabei inhaltlich gebunden zu sein. 56 Diese vehement geführte Diskussion über eine wie auch immer geartete "Herrschaft über die Verträge" beleuchtet das Spannungsverhältnis zwischen etwaigen materiellen (Selbst-)Bindungen der Mitgliedstaaten bei der Setzung und Änderung des Primärrechts einerseits und ihrer staatlichen Souveränität bzw. "nationalen Identität" andererseits. 57 Die Debatte läßt sich nur vor dem Hintergrund der noch immer ungeklärten "Finalität der Union" und der kaum mehr überschaubaren Diskussion über eine "EU -Verfassung" verstehen. 58 Sie kann und braucht an dieser Stelle nicht weiter vertieft, geschweige denn entschieden werden. 59 Heintzen, S. 42, 49. BVerfGE 89, 190; Frowein, Das Maastricht-Urteil und die Grenzen der Verfassungsgerichtsbarkeit, in: ZaöRV 54 (1994), S. 10; Tomuschat, Die Europäische Union unter der Aufsicht des Bundesverfassungsgerichts, in: EuGRZ 1993, S. 489, 494 f.; a. A.: Everling, in Festschrift Mosler, S. 173, 190; Vedder I Folz, in: Grabitzl Hilf, Art. 48 EUV Rn 14. 56 Vgl. Herdegen, S. 457 f. (im Ergebnis ablehnend); Cremer; in: Calliess I Ruffert, Art. 48 EUV Rn 5 bezogen auf verfahrensrechtliche Aspekte einer Vertragsänderung. 57 So ist die Sorge um einen mit der europäischen Integration einhergehenden, "schleichenden" Souveränitätsverlust der Hauptgrund für die Neufassung des Art. 6 Abs. 3 EUV, demzufolge die Union die "nationale Identität" ihrer Mitgliedstaaten zu achten hat. Siehe dazu näher HiljlSchorkopf, in: GrabitzlHilf, Art. 6 EUV Rn 72 ff.; Doehring, Die nationale "Identität" der Mitgliedstaaten in der Europäischen Union, in: Festschrift Everling, S. 263 ff. 58 Vgl. etwa Herdegen, S. 456: "Die Existenz materieller Schranken für die Vertragsänderung bildet ( ... ) einen Prüfstand für die normative Substanz, die sich hinter der Formel vom Verfassungscharakter der vertraglichen Grundlagen von Europäischer Union und Europäischer Gemeinschaft ausmachen läßt." Dagegen warnt Heintzen, S. 40 f., vor Begriffsjurisprudenz beim Umgang mit einem unions- bzw. gemeinschaftsrechtlichen Verfassungsbegriff. Es handele sich hierbei lediglich um eine "dogmatische Systematisierungs- und Verdeutlichungskategorie", aus der man nicht mehr herauslesen könne, als durch die Normen, auf die dieser Begriff zurückdeute, in sie hineingelegt worden sei. Im Primärrecht seien ausdrückliche Beschränkungen der Vertragsänderungsbefugnis der Mitgliedstaaten (vergleichbar mit Art. 79 Abs. 3 GG) nicht zu finden. Alle dogmatischen "Konstitutionalisierungen" des primären Gemeinschaftsrechts änderten nichts daran, daß die Regelungen über die Änderung der Gemeinschaftsverträge ihren völkerrechtlich-intergouvemementalen Charakter beibehielten. Die Mitgliedstaaten seien unverändert die souveränen "Herren der Verträge", die jedenfalls gemeinsam in den vorgesehenen Verfahren über die Gemeinschaft verfügen könnten (S. 42, 48). Ebenfalls gegen normative Schlußfolgerungen aus der Qualifizierung des Primärrechts als Verfassung, namentlich in bezug auf die Begründung hierarchisch höherrangigen, änderungsfesten Primärrechts, wenden sich Vedderl Folz, in: Grabitzl Hilf, Art. 48 EUV Rn 16. 59 Siehe zur gesamten Thematik ausführlich Beutler; in: von der Groebenl Schwarze, Art. 6 EU Rn 3 ff. 54 55
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Bei den in Art. 6 Abs. 1 EUV genannten und von Art. 7 und 49 EUV in Bezug genommenen Grundsätzen handelt es sich jedenfalls nicht nur um politische, rein deklaratorische Programmsätze. Vielmehr kommt ihnen darüber hinaus eine normative Beachtlichkeit zu. 60 Es liegt in der Tat nahe, daß sich die Mitgliedstaaten bezüglich der Einhaltung dieser Grundprinzipien einer Selbstbindung unterworfen haben. Dies folgt bereits aus dem Wortlaut des Art. 6 Abs. 1 Hs. 2 EUV ("diese Grundsätze sind allen Mitgliedstaaten gemeinsam,,).61 Aus systematischer Sicht wird diese rechtliche Selbstbindung besonders deutlich unterstrichen durch die Existenz der Art. 7 EUV und Art. 309 EGV, welche für den Fall einer schwerwiegenden und anhaltenden Verletzung der in Art. 6 Abs. 1 EUV genannten Grundsätze durch einen Mitgliedstaat diverse Sanktionsmöglichkeiten, bis hin zur Aussetzung von Mitgliedschaftsrechten in der EU, vorsehen. 62 Allerdings besagt die damit zum Ausdruck gebrachte eminente Bedeutung dieser Prinzipien per se noch nichts über ihre etwaige Änderungsfestigkeit im Sinne einer absoluten, d. h. irreversiblen, Selbstbindung der Mitgliedstaaten. 63 Vielmehr setzt eine solche Unabänderlichkeit entweder eine spezielle Vorschrift oder eine Hierarchisierung innerhalb des Primärrechts voraus,64 oder sie ergibt sich aus Systematik und Teleologie des betreffenden Rechts. 65 Zunächst gibt der Wortlaut der Verträge für eine derartige Änderungsfestigkeit nichts her. Insbesondere fehlt es an einer Art. 79 Abs. 3 GG vergleichbaren Vorschrift mit ausdrücklich änderungsfestem Kernbestand. 66 Aus dem Fehlen einer solchen "Ewigkeitsklausel" folgt aber noch nicht im Umkehrschluß die beliebige Abänderbarkeit sämtlicher primärrechtlicher Grundsätze. Wie gesagt, kann sich deren Änderungsfestigkeit nämlich auch aus anderen Gründen ergeben. Diese Änderungsresistenz läßt sich allerdings nicht schon mit einer etwaigen Hierarchisierung innerhalb des Primärrechts begründen. Zumindest kann allein die Existenz einer solchen Hierarchie nicht dazu führen, daß die Mitgliedstaaten in ihrer Verfügungsbefugnis über die Verträge beschränkt würden. Dies gilt jedenfalls, solange die Union die Schwelle zur Staatlichkeit nicht überschritten hat und somit auch das Primärrecht nicht zu staatlichem Verfassungsrecht geworden 60 Beutler; in: von der GroebenlSchwarze, Art. 6 EU Rn 1; RengelinglSzczekalla, Grundrechtscharta, § 2 Rn 103; Speer; S. 982. 61 Vgl. VedderlFolz, in: GrabitzlHilf, Art. 6 EUV Rn 35; Beutler; in: von der Groebenl Schwarze, Art. 6 EU Rn 1, 13, 18, 20: Beachtung der "Wertequadriga" als gemeinsame Rechtsgrundlage für die Union und die Mitgliedstaaten und als "Voraussetzungen gemeinsamen Handeins der Mitgliedstaaten und dessen Wirksamkeit in der Union". 62 In diesem Sinne auch Beutler; in: von der GroebenlSchwarze, Art. 6 EU Rn 37. 63 So auch VedderlFolz, in: GrabitzlHilf, Art. 48 EUV Rn 17. 64 Vedder I Folz, in: Grabitzl Hilf, Art. 48 EUV Rn 15. 65 Beutler; in: von der Groeben I Schwarze, Art. 48 EU Rn 60 ff. 66 Beutler; in: von der GroebenlSchwarze, Art. 48 EU Rn 60; VedderlFolz, in: Grabitzl Hilf, Art. 48 EUV Rn 15.
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ist. 67 Auf einem anderen Blatt steht, daß die Einhaltung bestimmter Grundsätze für die Zukunft der Union politisch von existentieller Bedeutung sein kann. Weder der Wortlaut der Verträge noch eine möglicherweise bestehende Hierarchie innerhalb des Primärrechts geben also eine hinreichende Antwort auf die Frage nach der etwaigen Existenz inhaltlicher Begrenzungen bei der Vereinbarung primärrechtlicher Sondervorschriften, durch welche der Immobilienerwerb in der Union eingeschränkt werden darf. Die Beantwortung dieser Frage kann daher nur über eine systematische und teleologische Betrachtung der gemeinschaftlichen Integration und des sie konstituierenden Rechts erfolgen. Nach herrschender Ansicht sind die Mitgliedstaaten als souveräne Staaten im Sinne des Völkerrechts nach wie vor in der Lage, die Union aufzuheben bzw. zu beenden. 68 Gleichwohl läßt sich aus dieser sicherlich richtigen Annahme nicht zwingend schließen, daß die Mitgliedstaaten erst recht sämtliche rechtlichen Grundsätze und Prinzipien, wie sie etwa in Art. 6 Abs. 1 EUV für die Union und die Mitgliedstaaten als bei den gemeinsam kodifiziert worden sind, beliebig abändern könnten. Zumindest muß man sich dann der Konsequenzen einer solchen als möglich erachteten Abänderung für die weitere Integration bewußt sein. So gilt es zu unterscheiden zwischen der Aufhebung einer Rechtsgemeinschaft als ganzer und der bloßen Abänderung einzelner ihrer Regeln von unterschiedlicher Bedeutung und Tragweite. In vielen Bereichen mag eine solche Abänderung ohne weiteres möglich sein. Sie findet aber jedenfalls dort ihre Grenzen, wo sie Bestimmungen betrifft, deren Einhaltung für den Fortbestand der Rechtsgemeinschaft in ihrer grundlegenden Struktur unabdingbar ist. Mit anderen Worten bedeutet die Möglichkeit der Beendigung der EU nicht, daß es auch möglich wäre, die sie in ihrem Wesen als Rechts- und Wertegemeinschaft prägenden Strukturprinzipien in beliebigem Umfange abzuändern, ohne daß sie irgendwann aufhörte, als solche zu existieren. Die EU wird gerne bildlich als "Dach der Integration" dargestellt. Stellen wir sie uns als ein Gebäude vor. Die Möglichkeit des Abrisses dieses Gebäudes bedeutet nicht, daß jedes seiner Bestandteile, insbesondere seine tragenden Stützpfeiler, beliebig verändert werden können, ohne daß das Gebäude irgendwann in sich zusammenfiele. Dies käme nämlich im Ergebnis einem "Abriß des Integrationsgebäudes" gleich. Als derartige "Stützpfeiler" bzw. "Fundamente" der EU fungieren die in Art. 6 EUV genannten Strukturprinzipien. 69 Es handelt sich bei ihnen um nicht weniger Vgl. Vedderl Folz, in: Grabitzl Hilf, Art. 48 EUV Rn 49 ff. m. w. N. BVeifG E 89, 190; Frowein, Das Maastricht-Urteil und die Grenzen der Verfassungsgerichtsbarkeit, in: ZaöRV 54 (1994), S. 10; Tomuschat, Die Europäische Union unter der Aufsicht des Bundesverfassungsgerichts, in: EuGRZ 1993, S. 489, 494 f.; a. A.: Everling, in: Festschrift Mosler, S. 173, 190; VedderlFolz, in: GrabitzlHilf, Art. 48 EUV Rn 14. 69 Folgerichtig werden diese Prinzipien im EUV selbst als "Grundlagen der Union" bzw. als "fundamentale Grundsätze" bezeichnet. 67
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als die tradierten Strukturmerkmale des freiheitlichen Verfassungsstaates. 70 Es ist schwerlich vorstellbar, daß diese übergreifenden Verfassungs grundsätze, die bereits vor ihrer Kodifikation der Rechtsordnung der Union und der Gemeinschaften zugrunde lagen,7l abänderbar sein sollen, ohne die Union in ihrer bisherigen Existenz als Rechts- und Werte gemein schaft in Frage zu stellen. Solange die Union als eine solche Gemeinschaft weiterbestehen soll, sind jedenfalls ihre in Art. 6 Abs. 1 EUV festgeschriebenen "Stützpfeiler" als änderungsfest anzusehen. 72 Darüber hinaus läßt sich ein derart änderungsfester Kern des Unions- und Gemeinschaftsrechts mit der Herkunft der genannten Rechtsprinzipien begründen: Unabhängig von ihrer Kodifikation in Art. 6 Abs. I EUV handelt es sich bei ihnen nämlich um allen Mitgliedstaaten gemeinsame, ihrer Verjügungsgewalt entzogene Grundsätze. Diese werden nicht erst durch den Unions vertrag gewährt, sondern sind ihm bereits vorgegeben und werden durch ihn lediglich anerkannt. 73 Dies gilt namentlich für die Einhaltung grundlegender Menschenrechte. Diese stehen dem Menschen um seiner selbst willen zu. Aufgrund ihrer Verankerung vor allem menschlichen Recht 74 kann weder der einzelne noch der Staat über sie verfügen. Menschenrechte unterliegen keinerlei utilitaristischen Erwägungen und werden auch nicht durch hoheitliche Gewalt verliehen. Der Staat kann sie lediglich achten, anerkennen und fördern. 75 Zu diesen jeder legitimen staatlichen Ordnung vorgegebenen Prinzipien zählt nach dem Verständnis des aufgeklärten Liberalismus auch die Gewährleistung von Rechtsstaatlichkeit, d. h. die Bindung aller staatlichen bzw. hoheitlichen Gewalt an das Recht und damit die Verhinderung von Willkür. 76 HilflSchorkopf, in: GrabitzlHilf, Art. 6 EUV Rn 8. HilflSchorkopf, in: GrabitzlHilf, Art. 6 EUV Rn 1. 72 Eine Änderungsresistenz sonstiger "Eckpfeiler" des Gemeinschaftsrechts, wie z. B. dessen Vorrang und unmittelbare Wirkung oder der bisher erreichte Integrationsstand, dürfte sich hingegen nicht feststellen lassen, vgl. Meng, in: von der GroebenlSchwarze, Art. 48 Rn 61 ff.; Schwarze, EU-Kommentar, Art. 48 EUV Rn 8; VedderlFolz, in: GrabitzlHilf, Art. 48 EUV Rn 20. 73 So auch Schwarze, Art. 48 EUV Rn 8; Meng, in: von der GroebenlSchwarze, Art. 48 Rn 65 f. Ein änderungsfester menschenrechtlicher Mindeststandard wird auch von den Kritikern materieller Grenzen einer Vertragsänderung eingeräumt, vgl. Heintzen, S. 43 ff. 74 Schwarze, Art. 48 EUV Rn 8; Meng, in: von der GroebenlSchwarze, Art. 48 Rn 65. Siehe auch Rengeling I Szczekalla, Grundrechtscharta, § 3 Rn 255, wonach Grundrechte nur "gewährleistet" und nicht "gewährt" würden. Sie lägen also zumindest in ihrem Kerngehalt jeder - staatlichen oder supranationalen - Rechtsordnung voraus. 75 Vgl. nur die Formulierung der Präambel der EMRK, in der von einer "Anerkennung", "Achtung" und "Gewährleistung" der Menschenrechte die Rede ist. 76 Die Ableitung des Willkürverbotes aus dem Rechtsstaatsprinzip betont BVerfGE 21, 362, 382: "allgemeiner Rechtsgrundsatz, der bereits aus dem Wesen des Rechtsstaats, dem Prinzip der allgemeinen Gerechtigkeit folgt". Siehe dazu näher von Lindeiner; Willkür im Rechtsstaat?, S. 38, 195 ff. 70 71
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Diese Verpflichtungen zur Einhaltung grundlegender Menschenrechte und zur Gewährleistung von Rechtsstaatlichkeit finden sich in sämtlichen mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen. Die Mitgliedstaaten sind allesamt verfassungsrechtlich daran gehindert, sie für sich einzuschränken oder gar abzuschaffen. 77 Diese Bindungen bestehen nicht nur unmittelbar im Binnenverhältnis der Staaten zu "allen ihrer Hoheitsgewalt unterstehenden Personen" (vgl. Art. I EMRK). Sie müssen auch Geltung beanspruchen, wenn die Staaten durch Gründung einer zwischenoder überstaatlichen Einrichtung lediglich mittelbar Hoheitsgewalt ausüben bzw. diese auf solche Einrichtungen übertragen. 78 Aus all diesen Gründen müssen die Mitgliedstaaten auch bei der originären Setzung bzw. Änderung des Primärrechts, hier in Form der den Immobilienerwerb betreffenden Sonderregelungen, die genannten Grundsätze beachten. Dies betrifft namentlich das rechts staatlich begründete Willkürverbot. Diese Verpflichtung bedeutet keinerlei Beeinträchtigung oder gar Angriff auf ihren nach wie vor fortbestehenden Status als "Herren der Verträge".79 Im Gegenteil: Gerade die Einhaltung grundlegender Menschenrechte, die Gewährung von Rechtsstaatlichkeit und damit die Verhinderung von Willkür begründen letzten Endes die Legitimation80 ihrer souveränen Herrschaft. 81 b) V6lkerrechtliche Bindungen der Mitgliedstaaten Neben den skizzierten, zum Teil "überverfassungsrechtlichen" Pflichten ist an sonstige völkerrechtliche Bindungen zu denken, denen die Mitgliedstaaten un77 Vedder I Folz, in: Grabitzl Hilf, Art. 48 Rn 18; Meng, in: von der Groebenl Schwarze, Art. 48 EU Rn 66; HilfI Schorkopf, in: Grabitzl Hilf, Art. 6 EUV Rn 27, 30 ff. mit weiteren rechtsvergleichenden Hinweisen. Für Deutschland folgt die Unantastbarkeit rechtsstaatlicher Grundsätze aus Art. 23 Abs. 1,79 Abs. 3,20 Abs. 1 GG. 78 VedderlFolz, in: GrabitzlHilf, Art. 48 Rn 18 m. w. N. 79 Die Debatte um die "Herrschaft über die Verträge" hatte schon in ihrem Ursprung stets die Frage nach etwaigen materiellen Bindungen der Mitgliedstaaten im Blick, siehe hierzu Everling, Sind die Mitgliedstaaten noch Herren der Verträge?, in: Festschrift Mosler, S. 173, 189 ff.; derselbe, Zur Stellung der Mitgliedstaaten der Europäischen Union als "Herren der Verträge", in: Festschrift Bernhardt, S. 1161, 1169 ff. 80 V gl. Speer, S. 982, nach dessen Ansicht die durch die Verträge anerkannten Verfassungswerte die eigentliche Basis der mitgliedstaatlichen und der supranationalen Rechtsordnungen bilden und diese legitimieren. HilflSchorkopf, in: GrabitzlHilf, Art. 6 EUV Rn 7 weisen der "Homogenitätsklausel" des Art. 6 Abs. 1 EUV vier Funktionen zu: I. Sicherung der Legitimationsgrundlagen der EU, 2. Herstellung von Konsens zwischen den Mitgliedstaaten als Voraussetzung für die Integration, 3. Stärkung einer europäischen Identitätsbildung und 4. generelle Sicherstellung der Funktionsfähigkeit der Union und Gemeinschaften. 81 Daß die Legitimation jeder "höchsten Gewalt" bzw. des Souveräns vornehmlich auf der Verhinderung von Willkür gründet und gerade auch .. die Erhaltung des Eigentums der Zweck der Regierung und das Ziel ist, weshalb Menschen in die Gesellschaft eintreten ", findet sich schon bei lohn Locke, Two Treatises of Government, 1689, Chap. XI, 135 -140.
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G. Gemeinschaftsrechtliche Sonderregelungen
abhängig von ihrer Zugehörigkeit zu der supranationalen Gemeinschaft EU unterliegen. Dazu gehört zunächst ein grundlegender Kernbestand der Menschenrechte. Dieser bildet sowohl nach Auffassung des Internationalen Gerichtshofes 82 als auch der Staaten und der Völkerrechtslehre einen Bestandteil des universell zwingenden Rechts, gegen den gemäß Art. 53 und 64 WVRK kein völkerrechtlicher Vertrag verstoßen darf. 83 Nach einer neueren Ansicht in der Literatur zählen zu einem solchen "harten Kern" der Menschenrechte nicht nur die nach Art. 15 EMRK notstandsfesten Garantien,84 sondern mittlerweile auch das Recht auf Eigentum sowie das allgemeine Diskriminierungsverbot. 85 Wegen ihrer vorrechtlichen Verankerung sind diese menschenrechtlichen Mindestgarantien nicht disponibel. Ihre Nichtachtung kann keine rechtmäßige Option einer Rechtsordnung mehr sein, die sie einmal anerkannt hat. Aus diesem Grunde sind sie (absolut) änderungsfest. 86 Zudem bestehen zahlreiche völkervertragliche Bindungen der Mitgliedstaaten, insbesondere aus den ihrerseits abgeschlossenen internationalen Menschenrechtsverträgen. Bereits im Zusammenhang mit der Frage nach der Beachtlichkeit der EMRK in der Union gemäß Art. 6 Abs. 2 EUV wurde festgestellt, daß die Mitgliedstaaten sich ihrer völkervertraglich begründeten Verpflichtung zur Einhaltung der in der Konvention anerkannten Menschenrechte nicht durch die Übertragung von Hoheitsrechten auf eine zwischen- oder überstaatliche Einrichtung entledigen können. 87 Dies gilt entsprechend für Verpflichtungen aus sonstigen völkerrechtlichen Verträgen oder aus dem Völkergewohnheitsrecht. Die Übertragung von Hoheitsrechten befreit die Mitgliedstaaten nicht von diesen völkerrechtlichen Verpflichtungen, sondern führt bloß dazu, daß sie nunmehr auch für das Handeln der inter- bzw. supranationalen Institution einzustehen haben. 88 Diese völkerrechtlichen Bindungen der Mitgliedstaaten bestehen selbstverständlich auch dann, wenn sie primärrechtliche Sondervorschriften erlassen, auf deren Grundlage der Immobilienerwerb in der EU eingeschränkt werden darf. Dabei sind u. a. die in diversen Menschenrechtsverträgen anerkannten Rechte, insbesondere deren allgemeine und spezielle Diskriminierungsverbote,89 zu beachten. Barcelona Traction Light and Power Company, Second Phase, IC] Rep. 1970, S. 3, 32. Meng, in: von der GroebenlSchwarze, Art. 48 Rn 65. 84 Recht auf Leben, Verbot der Folter, Sklaverei und Leibeigenschaft sowie der Grundsatz nulla poena si ne lege. 85 HilflSchorkopf, in: GrabitzlHilf, Art. 6 EUV Rn 31 m. w. N. 86 Meng, in: von der GroebenlSchwarze, Art. 48 Rn 65; Schwarze, EU-Kommentar, Art. 48 EUV Rn 8. 87 Siehe oben D. I. 2. b), sowie Grabenwarter; EMRK, S. 32 m. w. N. zur Lit. und Rspr. desEGMR. 88 So auch Vedder I Folz, in: Grabitzl Hilf, Art. 48 EUV Rn 18. Damit korrespondiert die aus dem Grundsatz der Gemeinschaftstreue (Art. 10 EGV) folgende Pflicht der Union (!), ihre Mitgliedstaaten nicht durch eine Verletzung dieser Pflichten der völkerrechtlichen Verantwortlichkeit auszusetzen. 82
83
VI. Inhalt und Funktion der Regelungen
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c) Vorgaben der nationalen Verfassungen Eine inhaltliche Bindung der Mitgliedstaaten bei der Setzung und Änderung des Primärrechts resultiert schließlich auch aus den einschlägigen Vorgaben ihrer nationalen Verfassungen. Dabei geht es um diejenigen konstitutionellen Bestimmungen, welche die Art und Weise der Integration der jeweiligen Staaten in die EU / EG betreffen. Für Deutschland ergeben sich solche inhaltlichen Vorgaben und Begrenzungen vor allem aus den Art. 23 Abs. 1, 79 Abs. 3 und 20 Abs. 1 GG. Der "Integrationshebel" des Art. 23 Abs. 1 GG fordert als Voraussetzung für die Mitgliedschaft Deutschlands in der Europäischen Union u. a. die Beachtung demokratischer und rechtsstaatlicher Grundsätze sowie die Gewährleistung eines dem Grundgesetz im wesentlichen vergleichbaren Grundrechtsschutzes. Art. 23 Abs. 1 Satz 3 GG verweist für Änderungen der vertraglichen Grundlagen der Union und vergleichbare Regelungen, durch die das Grundgesetz seinem Inhalt nach geändert oder ergänzt wird oder solche Änderungen oder Ergänzungen ermöglicht werden, explizit auf die für Verfassungsänderungen einschlägige Norm des Art. 79 Abs. 2 und 3 GG. Damit unterliegt jede Änderung des gemeinschaftlichen Primärrechts, an der die Bundesrepublik Deutschland beteiligt ist und die in ihrem Hoheitsgebiet Geltung beanspruchen soll, dem Erfordernis ihrer inhaltlichen Vereinbarkeit mit den materiellen Vorgaben des Grundgesetzes. Durch den in Art. 23 Abs. 1 Satz 3 GG enthaltenen Verweis auf Art. 79 Abs. 3 i. V. m. Art. 1 und 20 GG wird ein eigens für die Bundesrepublik Deutschland verbindlicher, änderungsfester Kern des Unionsrechts begründet. Art. 23 Abs. 1 GG statuiert damit verfassungsimmanente Grenzen einer Änderung des EU-Rechts zum Zwecke der Wahrung und Sicherung wesentlicher Aspekte der Verfassung. 90 Unions- und Gemeinschaftsrecht, welches inhaltlich gegen diese Grundsätze der deutschen Verfassung verstößt, ist zwar nicht automatisch nichtig. Es kann - soweit es nicht gegen zwingendes Volkerrecht verstößt - völkerrechtlich für Deutschland verbindlich sein. Unabhängig davon entfaltet es aber kraft der deutschen Verfassung keine rechtliche Wirkung innerhalb der Bundesrepublik, da das deutsche Zustimmungsgesetz zum EUV und EGV gemäß Art. 23 GG keine Verstöße gegen das Grundgesetz abdeckt. Unions- und Gemeinschaftsrecht, welches gegen die in Art. 23 Abs. 1 GG statuierten Grundsätze verstößt, nimmt damit auch nicht an dem ansonsten geltenden Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechts vor nationalem Recht im Hoheitsgebiet Deutschlands teil. Mit Art. 23 GG vergleichbare nationale Struktursicherungs- bzw. Homogenitätsklauseln finden sich auch in den Verfassungen der übrigen Mitgliedstaaten. 91 89 Z. B. Art. 26 IPbpR und Art. 14 EMRK i. V. m. Art. 1 des I. Zusatzprotokolls, woraus nach hier vertretener Ansicht auch ein Recht auf diskriminierungsfreien Eigentumserwerb abgeleitet werden kann. Siehe dazu oben D. 11. 2. b) (3). 90 Vedderl Folz, in: Grabitzl Hilf, Art. 48 EUV Rn 19; siehe dazu auch BVeifG E 37, 271; E 58, 1; E 73, 339.
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G. Gemeinschaftsrechtliche Sonderregelungen
AufUnionsebene korrespondiert mit ihnen Art. 6 Abs. 1 EUV. Diese "Verfassungsstrukturklausel der EU" verpflichtet wiederum die Union, die Integrationsklauseln der Mitgliedstaaten in ihrer jeweiligen spezifischen Reichweite anzuerkennen. 92 Hinsichtlich des Inhalts dieser nationalen Integrationsklauseln kann auf die (derzeit noch rechtlich unverbindliche) EU-Grundrechtscharta als Ausdruck der gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten 93 verwiesen werden. Diese wechselseitige Verflechtung der nationalen Verfassungen mit der Unionsund Gemeinschaftsebene hat eine wichtige Konsequenz: Die Mitgliedstaaten können durch die Übertragung von Hoheitsrechten den Anwendungsbereich ihrer verfassungsrechtlich gewährleisteten Garantien und Institute nicht aushöhlen. Dies bedeutet, daß es ihnen verfassungsrechtlich unmöglich ist, im Wege der Vertragsänderung die (z. B. mit Art. 23 Abs. 1 GG korrespondierenden) Strukturprinzipien der Union (Art. 6 Abs. 1 EUV) einzuschränken. Änderte ein Mitgliedstaat vor einer solchen Einschränkung seine Verfassung entsprechend, würde er den Voraussetzungen der Mitgliedschaft in der EU nicht mehr genügen und sich Sanktionen nach Art. 7 EUV und Art. 309 EGVaussetzen. Unionsrecht, Gemeinschaftsrecht und nationales Verfassungsrecht stabilisieren sich also gegenseitig. 94 Formal denkbar wäre allein der Weg einer gleichzeitigen Änderung der nationalen Verfassungen und des EU- bzw. EGY. In der Literatur ist dieser Weg drastisch, aber durchaus zutreffend als "das Ende der westlichen Verfassungsstaatlichkeit" bezeichnet worden. 95 Zusammenfassend läßt sich feststellen, daß die Mitgliedstaaten bei der Setzung bzw. Änderung des Primärrechts diversen inhaltlichen Begrenzungen unterliegen. Diese bestehen folgerichtig auch für die Vereinbarung primärrechtlicher Sondervorschriften, auf deren Grundlage der Immobilienerwerb in der EU eingeschränkt werden kann. Inhaltlich entsprechen diese Schranken-Schranken im wesentlichen den in Art. 6 Abs. 1 EUV kodifizierten Strukturprinzipien. Die Bindung an grundlegende Menschenrechte und die Verpflichtung zur Gewährleistung von Rechtsstaatlichkeit und zur Verhinderung von Willkür und Diskriminierung läßt sich bereits mit dem Selbstverständnis der EU als Rechts- und Wertegemeinschaft begründen. Vor allem aber ergeben sich solche Bindungen aus dem menschenrechtlichen Kemgehalt dieser Grundsätze, die jeder legitimen staatlichen Ordnung bereits vorausliegen. Komplementäre inhaltliche Schranken für die Vereinbarung von Sonderregelungen resultieren auch aus den völkerrechtlichen Verpflichtungen der Mitgliedstaaten, insbesondere aus den ihrerseits abgeschlossenen Menschenrechts9\ HilflSchorkopf, in: GrabitzlHilf, Art. 6 EUV Rn 33; VedderlFolz, in: GrabitzlHilf, Art. 48 EUV Rn 19 m. w. N.; bestätigt wird dies im 3. Erwägungsgrund der Präambel zum EUV. 92 HilfI Schorkopf, in: Grabitzl Hilf, Art. 6 EUV Rn 5, 8, 10. 93 HilflSchorkopf, in: GrabitzlHilf, Art. 6 EUV Rn 67. 94 Vedderl Folz, in: Grabitzl Hilf, Art. 48 EUV Rn 19. 95 Vedderl Falz, in: Grabitzl Hilf, Art. 48 EUV Rn 19.
VI. Inhalt und Funktion der Regelungen
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verträgen. Nicht zuletzt schreiben die nationalen Verfassungen bestimmte Voraussetzungen für die Integration der Mitgliedstaaten in die EU fest, welche inhaltlich mit den in Art. 6 Abs. 1 EUV genannten Strukturprinzipien der Union korrespondieren. Dadurch wird sowohl im Verhältnis der Mitgliedstaaten untereinander als auch in ihrem Verhältnis zur Union ein Mindestmaß an Homogenität hergestellt. Diese inhaltlichen Begrenzungen für die Vereinbarung primärrechtlicher Sonderregelungen zum Immobilienerwerb beschränken zwar die Rechtsetzungskompetenz der Mitgliedstaaten. Entgegen dem ersten Anschein liegt darin aber keine wirkliche Beeinträchtigung ihres Status als "Herren der Verträge". Bei genauerer Betrachtung wird vielmehr deutlich, daß es sich bei der Gewährleistung elementarer Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit i. S. der Verhinderung von Willkür und Diskriminierung lediglich um Mindestvoraussetzungen für die eigentliche Legitimation ihrer souveränen Herrschaft handelt.
H. Immobilienerwerb und Osterweiterung der Europäischen Union Der vorliegende Teil der Untersuchung befaßt sich nun speziell mit Fragen des Immobilienerwerbs vor dem Hintergrund des jüngst erfolgten Beitritts der mitteIund osteuropäischen Staaten zur Europäischen Union. Um die besondere Sensibilität grunderwerbsrelevanter Fragestellungen in den einzelnen Beitrittsländern besser zu verstehen, werden zunächst die damit zusammenhängende politische Situation und die historischen Hintergründe kurz skizziert. Sodann richtet sich der Blick auf das zentrale Thema der Bedeutung des Immobilienerwerbs im Rahmen der Beitrittsverhandlungen. Es erfolgt eine eingehende Darstellung und Erörterung der endgültig erzielten Verhandlungsergebnisse. Im Anschluß daran soll geklärt werden, wie sich die in Form diverser Ausnahme- und Übergangsregelungen erzielten Vereinbarungen auf die bisher bestehenden Grunderwerbsregelungen in den einzelnen Beitrittsländern auswirken. Zu diesem Zweck werden einige nationale Regelungen exemplarisch dargestellt und vor dem Hintergrund der abgeschlossenen Beitrittsverhandlungen auf ihre Vereinbarkeit mit den gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben überprüft. I. Immobilienerwerb vor dem Hintergrund der Osterweiterung
Im Vorfeld des Beitritts der mittel- und osteuropäischen Staaten zur Europäischen Union, 1 namentlich in den Fällen Polens und der Tschechischen Republik, sind Fragen des Immobilienerwerbs von großer politischer und rechtlicher Bedeutung gewesen. Bis zum Fall des sogenannten Eisernen Vorhanges im Jahre 1989 I Bereits in den Präambeln des EUV und der Gemeinschaftsverträge wird der Willen der Mitgliedstaaten bekundet, weitere europäische Staaten zur Teilnahme am europäischen Einigungsprozeß einzuladen. Der EUV nennt die historische Bedeutung der Überwindung der Teilung des europäischen Kontinents und die Notwendigkeit, feste Grundlagen für die Gestalt des zukünftigen Europas zu schaffen, sowie die Entschlossenheit der Mitgliedstaaten, den Prozeß der Schaffung einer immer engeren Union der Volker Europas weiterzuführen (Präambel Abs. 2 und 8). Der EGV enthält in Abs. 8 seiner Präambel die Aufforderung an "die anderen Volker Europas, die sich zu dem gleichen hohen Ziel bekennen, sich diesen Bestrebungen anzuschließen." Die Erweiterung der Europäischen Union gehört nach Ansicht der Kommission zu den wichtigsten Herausforderungen für die EU bei ihren Vorbereitungen auf das 21. Jahrhundert. Ihr zufolge bietet sie gleichzeitig eine einzigartige Gelegenheit, die Integration des europäischen Kontinents mit friedlichen Mitteln voranzubringen und die Zone von Stabilität und Wohlstand auf die neuen Mitglieder auszudehnen, vgl. KOM (2000) 183, PHARE-Programm Jahresbericht 1998, S. 5.
I. Immobilienerwerb vor dem Hintergrund der Osterweiterung
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war die Wirtschaftsordnung in den ehemaligen Ostblockstaaten dadurch gekennzeichnet, daß im Rahmen der Planwirtschaft die Gewährleistung von Privateigentum auf Gegenstände des persönlichen Gebrauchs beschränkt und ansonsten weitestgehend ausgeschlossen war. Eigentum an Produktionsmitteln, vor allem auch an Grund und Boden, war dem zentral verwalteten Kollektiv vorbehalten, welches die konkrete Nutzung festlegte. 2 Nunmehr enthalten alle neu erlassenen oder neu gefaßten postsozialistischen Verfassungen ein ausdrückliches Bekenntnis zur Garantie der Eigentumsfreiheit und zum Rechtsinstitut des Privateigentums. 3 Insbesondere hat auch eine (Wieder-)Einführung des Privateigentums an Grund und Boden stattgefunden. Praktische Schwierigkeiten bereitet noch das teilweise Fehlen funktionsfähiger Grundbuchsysteme. 4 In einigen osteuropäischen Verfassungen ist allerdings der Erwerb von Grundeigentum durch bestimmte Personengruppen, insbesondere durch Ausländer, ganz oder teilweise ausgeschlossen. 5 Darüber hinaus beschloß der bulgarische Gesetzgeber im Jahre 1995 eine rückwirkende Umwandelung durch Ausländer erworbener Eigentumsrechte an (landwirtschaftlichen) Grundstücken in bloße Nutzungsrechte. 6 Insbesondere in Polen und Tschechien zählt die Liberalisierung des Grundstücksverkehrs zu den brisantesten und sensibelsten rechtspolitischen Themen. 2 Karl Marx sah im Privateigentum an Boden und Produktionsmitteln die Wurzel von Ausbeutung, wirtschaftlicher Ungleichheit und sozialer Deklassierung. Als Lösung postulierte er im Kommunistischen Manifest ein umfassendes Enteignungs-, Verstaatlichungs- und Vergesellschaftungsprogramm. Dieses wurde rigoros nach der Oktoberrevolution von den Bolschewiki unter Lenin und dann von Stalin in der späteren Sowjetunion in die Praxis umgesetzt. Siehe hierzu näher Roggemann, Zum Verhältnis von Eigentum und Privatisierung in den postsozialistischen Ländern, ROW 3/ 1996, S. 89 ff. 3 Roggemann, S. 90; Gärtner, Neugestaltung der Wirtschaftsverfassungen in Ostmitteleuropa, Berlin 1996; derselbe, Die Eigentumsgarantien in den Verfassungen Polens, Ungarns, der Tschechischen und der Slowakischen Republik - Verfassungsrechtliche Grundlagen und Verfassungspraxis; ROW 1995, S. 75 ff. 4 So nennt der Beschluß des Rates vom 30. 3.1998 über die Grundsätze, Prioritäten, Zwischenziele und Bedingungen der Beitrittspartnerschaft mit der Tschechischen Republik (ABI. 1998 Nr. L 121, S. 41-45) die Einrichtung eines funktionierenden Grundstücksmarktes und die Fertigstellung eines Katasters als kurzfristige Priorität im Rahmen der wirtschaftlichen Kriterien. Im gleichlautenden Beschluß des Rates vom 6. 12. 1999 zur Republik Polen werden die Verbesserung der Funktionsweise des Bodenmarktes und die baldige Einführung eines Grundbuches als kurzfristige Priorität, die Konsolidierung des Bodenmarktes und die Fertigstellung des Grundbuches als mittelfristige Priorität ermittelt (ABI. 1999 Nr. L 335, S. 8 -14). Der Beschluß für die Republik Slowenien nennt die Umsetzung eines effizienten Katastersystems und die Umstellung der Grundbuchämter auf EDV als kurzfristige Priorität (ABI. 1999 Nr. L 335, S. 61-66). 5 Beispiele: Bulgarien, Kroatien, Polen: mit ministerieller Genehmigung. 6 Vgl. Roggemann, S. 92, der diesen ersten Fall postsozialistischer Enteignung als eher kontraproduktiven "Reformschritt" im Hinblick auf den geplanten Beitritt zur EU bezeichnet.
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H. Immobilienerwerb und Osterweiterung der Europäischen Union
Hintergrund sind die auf den Gebieten dieser Staaten während des Zweiten Weltkrieges und der unmittelbaren Folgezeit durchgeführten Vertreibungen deutscher und ungarischer Volksgruppen. 7 Mit den Vertreibungen war u. a. die umfassende entschädigungslose Enteignung jeglichen Grundbesitzes verbunden. Restitution durch Wiedereinräumung des ursprünglichen Besitzes oder die Zahlung einer Entschädigung sind bisher - zumindest gegenüber deutschen Staatsbürgern - gänzlich unterblieben. Zwar sind die betreffenden Konfiskationsmaßnahmen nach überwiegender Ansicht westlicher Völkerrechtswissenschaftler rechtswidrig. 8 Daher besteht zumindest theoretisch die Möglichkeit ihrer Geltendmachung im Wege diplomatischen Schutzes. 9 Ungeachtet dessen sind die insoweit zuständigen deutschen Regierungen in dieser Frage bisher untätig geblieben. Diese Passivität mag zu einem großen Teil auf der Furcht vor etwaigen Gegenforderungen der ehemaligen Vertreiberstaaten, welche ebenfalls erhebliche Verluste durch die deutsche Kriegsführung erlitten haben, beruhen. Im Zusammenhang mit diesen historischen Ereignissen entbrannte am Vorabend der EU-Osterweiterung eine heftige Debatte über die Frage, ob bestimmte, in einigen MOES zum Teil noch heute fortgeltende 7 Vgl. Ludwig, Die Liberalisierung der Grundstücksmärkte stößt in Warschau und Prag auf viele Vorbehalte, in: FAZ vom 26. 5. 2000, S. 58. 8 Vgl. Ermacora, Das deutsche Vermögen in Polen, München, 1996; derselbe, Die sudetendeutschen Fragen. Rechtsgutachten, München, 1992; Tomuschat, Die Vertreibung der Sudetendeutschen - Zur Frage des Bestehens von Rechtsansprüchen nach Völkerrecht und deutschem Recht in: ZaöRV, Bd. 56 (1996), S. 1,65; Dolzer; Die Vertreibung der Sudetendeutschen 1945 - 1946 und die Benes-Dekrete im Lichte des Völkerrechts, Bonn, 2002, S. 95 ff. (Rn 145 ff.); Nettesheim, Der EU-Beitritt Tschechiens: Die Benes-Dekrete als Beitrittshindernis?, Tübingen, 2002, S. 76 ff.; die Rechtfertigung der tschechischen Konfiskationen offenlassend: Frowein, Legal Opinion concerning Benes-Decrees and related issues, Heidelberg, 2002, S. 8 (Rn 16, Fn 9). Die Bundesregierung hat stets den Standpunkt vertreten, daß die Vertreibungen und Enteignungen auf Grundlage der Benesch-Dekrete völkerrechtswidrig sind. Dies betonte für die Regierung Schröder etwa der Staatsminister im Auswärtigen Amt Vollmer; vgl. BT-Drucksache 14/2097. 9 Nach dem im Völkerrecht bisher geltenden Prinzip der Mediatisierung des einzelnen (vgl. das Urteil des IGH im Fall Barcelona Traction vom 5. 2. 1970, !Je Reports 1970,3,32) wird nur der Schutzstaat durch die Verletzung völkerrechtlicher Normen zum Nachteil seiner Angehörigen verletzt. Die geschädigten Individuen gelten als lediglich in tatsächlicher, nicht aber in rechtlicher Hinsicht betroffen. Deshalb soll auch nur der jeweilige Schutzstaat zur Geltendmachung entsprechender Haftungsansprüche im Wege diplomatischen Schutzes berechtigt sein. Eine wesentlich reifere, das Individuum und seine spezifische Würde angemessen berücksichtigende Tendenz geht dahin, zumindest in Fällen gravierender Menschenrechtsverletzungen neben den jeweiligen Schutzstaaten auch den individuell Betroffenen in eigener Person Wiedergutmachungsansprüche einzuräumen und sie insofern als (partielle) Völkerrechtssubjekte anzusehen, vgl. Doehring, Handelt es sich bei einem Recht, das durch diplomatischen Schutz eingefordert wird, um ein solches, das dem die Protektion ausübenden Staat zusteht, oder geht es um die Erzwingung von Rechten des betroffenen Individuums?, in: Ress / Stein (Hg.), Der diplomatische Schutz im Völker- und Europarecht, Aktuelle Probleme und Entwicklungstendenzen, 1996, S. 14 ff.; konkret bezogen auf die Tschechische Republik siehe Allstadt, Die offene Völkerrechtslage im deutsch-tschechischen Verhältnis und ihre Bedeutung für die Osterweiterung der Europäischen Union, Frankfurt am Main 2000, S. 61 f., 191.
I. Immobilienerwerb vor dem Hintergrund der Osterweiterung
251
Vorschriften, auf deren Grundlage die Vertreibungen erfolgt waren, der Aufnahme dieser Staaten in die Union entgegenstehen. \0 Dennoch ist die Wiedergutmachung von Vertreibungsunrecht zu keinem Zeitpunkt zur Bedingung eines EU-Beitritts der betreffenden Staaten gemacht worden. Ungeachtet dessen wird vor allem in Polen und Tschechien befürchtet, daß im Zuge einer Freigabe der Grundstücksmärkte Vertriebene bzw. deren Nachkommen in größerem Stile versuchen könnten, ihre ehemaligen Besitztümer käuflich zurückzuerwerben und sich in ihrer angestammten Heimat anzusiedeln. Zu diesen historischen Hintergründen und der daraus resultierenden prinzipiellen Abwehrhaltung einzelner Beitrittsländer gegenüber einer Freigabe des Grundstücksverkehrs gesellen sich gewichtige ökonomische Gesichtspunkte: Zur Zeit besteht noch ein erhebliches wirtschaftliches Gefälle und eine sehr unterschiedliche Kaufkraft zwischen dem "Euroraum" und den östlichen, sich noch stark im Umbruch befindlichen Volkswirtschaften. Daraus resultiert in einzelnen Beitrittsländern die große Befürchtung, daß eine Liberalisierung des Grundstücksmarktes zu einem "Ausverkauf der Regionen" und damit einhergehenden Preissteigerungen auf dem Immobiliensektor zu Lasten der einheimischen Bevölkerung führen könnte. Auslandsinvestitionen mögen zwar grundsätzlich wirtschaftlich erwünscht sein, jedoch spielte die Furcht vor Überfremdung und wirtschaftlicher Fremdherrschaft mitunter eine bedeutsame Rolle im Rahmen der Beitrittsverhandlungen. 11 IO Das EP hatte ursprünglich die Aufhebung der tschechischen Benesch-Dekrete, auf deren Grundlage die Vertreibung der Sudetendeutschen erfolgt war, gefordert. Hingegen ließ der deutsche Bundeskanzler Schröder verlautbaren, er sehe die Dekrete nicht als Hindernis für einen Beitritt der Tschechischen Republik an, vgl. FAZ v. 12.5.2000, S. 5. Als dann u. a. der tschechische Politiker Klaus deren Absicherung in einem gesonderten Protokoll zum EUV gefordert hatte (vgl. FAZ v. 23. 2. 2003), wurden die ungelösten Vertriebenenfragen im Hinblick auf die Osterweiterung der EU sowohl in den nationalen Parlamenten als auch auf EU-Ebene heftig diskutiert. Daraufhin sind entsprechende Rechtsgutachten erstattet worden, insbesondere von Frowein, Do/zer und Nettesheim (vgl. die Nachweise in Fn 8). Die vom EP beauftragten Gutachter Frowein, Bernitz und Lord Kingsland sahen in den tschechischen Vertreibungsdekreten kein Beitrittshindernis (a. A. Blumenwitz in seinem Gutachten v. 7. 10.2002, s. a. Nettesheim und Dolzer in ihren Gutachten im Auftrag der bayerischen Staatsregierung, vgl. FAZ v. 9. 10. 2002, S. 2 und v. 11. 10. 2002, S. 2). Unter Hinweis auf die Gutachten von Frowein u. a. beschloß das EP dann am 20. 11. 2002, daß die Dekrete einem Beitritt "aus Sicht des EU-Rechts" im Ergebnis nicht entgegenstünden [KOM (2002) 700-C5-0474/2002-2002/2160(lNI)]. Zur gesamten Problematik siehe Nettesheim, EUBeitritt und Unrechtsaufarbeitung, EuR 2003, S. 36 ff. Das Thema ist auch nach dem erfolgten Beitritt Tschechiens und Polens weiterhin aktuell, vgl. RengelinglSzczekalla. Grundrechte in der Europäischen Union, 2004, S. 68 ff. m. w. N. zu (teilweise noch anhängigen) Restitutionsverfahren vor dem Menschenrechtsausschuß der Vereinten Nationen und dem EGMR. 11 Vgl. Ludwig, Das schwarze Szenario vermeiden - Polens neue Verhandlungsstrategie mit der Europäischen Union, in: FAZ v. 24. 11. 2001, S. 6; zu vergleichbaren Befürchtungen vor dem Beitritt Österreichs siehe HummerlSchweitzer, Ausverkauf, S. 16 f. sowie Sabathil, Gesamteuropäische Ziele einer Osterweiterung der Europäischen Union, S. 105, 110 ff. Die Befürchtung vor Überfremdung bzw. Verödung einzelner Gebiete durch Ferienkolonien hatte bereits vor der Osterweiterung innerhalb der Union zu einigen Ausnahmeregelungen hin-
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H. Immobilienerwerb und Osterweiterung der Europäischen Union
11. Immobilienerwerb im Rahmen der Beitrittsverhandlungen
Thema dieses Abschnitts sind die mit den MOES geführten Beitrittsverhandlungen respektive des Immobilienerwerbs. Nach einer kurzen Darstellung der allgemeinen Verhandlungsentwicklungen erfolgt eine eingehende Erörterung der Bedeutung des Grunderwerbs innerhalb der Beitrittsvoraussetzungen, insbesondere im Hinblick auf das für die Beitrittsstaaten bestehende Erfordernis der Übernahme des gemeinschaftlichen Besitzstandes (sog. "acquis communautaire"). Die endgültig erzielten Verhandlungsergebnisse werden aufgezeigt und einer näheren Analyse unterzogen. I. Allgemeine Verhandlungsentwicklungen zwischen der EU und den MOES Nach der Anerkennung der EG durch die Sowjetunion im Jahre 1988 stand zunächst der Weg offen für auf Art. 133 EGV gestützte Handelsabkommen zwischen der EG und den Staaten Mittel- und Osteuropas, einschließlich der späteren GUSStaaten. In einer ersten Phase der Beziehungen wurden entsprechende Abkommen vereinbart. Im Eindruck des politischen Umbruchs wurden diese vertraglichen Beziehungen schrittweise zu einem Netzwerk von Kooperations- und Handelsabkommen ausgebaut. Im Hinblick auf einen möglichen späteren Beitritt einiger dieser Staaten zur EU wurden diese Abkommen schließlich durch sog. Europa-Abkommen abgelöst, durch die auf der Grundlage des Art. 310 EGV sog. Beitrittsassoziationen gegründet wurden. 12 Übereinstimmendes Ziel dieser Assoziationen ist vorderhand der politische Dialog, der sich auf die schrittweise Annäherung an die EU, aber auch auf sonstige internationale Fragen gemeinsamen Interesses bezieht. Neben der Ausweitung des gegenseitigen Handels durch schrittweise Schaffung einer Freihandelszone sowie der angestrebten Entwicklung der Wirtschaft der assoziierten Staaten durch wirtschaftliche Zusammenarbeit geht es vor allem um die kontinuierliche Integration der assoziierten Staaten in den Binnenmarkt, namentlich durch die stufenweise Übernahme der Grundfreiheiten und eine diesbezügliche Rechtsangleichung. 13 sichtlich des Zweitwohnungserwerbs geführt, wie z. B. das Protokoll betreffend den Erwerb von Immobilien in Dänemark zeigt. Siehe dazu oben G. I. 12 Bei den Beitrittsassoziationen handelt es sich um gemischte Abkommen zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und dem Beitrittskandidaten andererseits, so z. B. das Europa-Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Republik Ungarn andererseits v. 16. 12. 1991, ABI. Nr. L 1993, 347/1; Polen, v. 16. 12. 1991, ABI. Nr. L 1993, 348/l; Tschechische Republik, v. 4. 10. 1993, ABI. Nr. L 1994 36011. Beitrittsassoziationen wurden zudem mit Rumänien (1993), Bulgarien (1993), der Slowakischen Republik (1993), den baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen (1995) sowie Slowenien (1996) begründet. Siehe dazu näher Vedder; in: Grabitzl Hilf, Art. 49 EUV Rn 22. 13 Eingehend Vedder; in: GrabitzlHilf, Art. 49 EUV Rn 22. Auch im Weißbuch der Kommission vom 3. 5.1995, KOM (95) 163 endg., wird die schrittweise Rechtsangleichung zum
11. Immobilienerwerb im Rahmen der Beitrittsverhandlungen
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Im Jahre 1993 hatte der Europäische Rat von Kopenhagen die nächste Erweiterungsrunde um mittel- und osteuropäische Staaten politisch im Grundsatz beschlossen.1 4 Neben der erstmaligen Formulierung bestimmter Beitrittsvoraussetzungen wurde dabei auch eine sog. Präadhäsions- bzw. Heranführungsstrategie skizziert. Diese Strategie gründet sich auf mehrere Beschlüsse des Europäischen Rates und wird mit Hilfe des sog. strukturierten Dialogs,15 der Europa-Abkommen, des PHARE-Programms, der Europakonferenz l6 und der Beitrittspartnerschaften l7 umgesetzt. Es handelt sich dabei um einen Prozeß, der letztlich in die volle rechtliche, politische und wirtschaftliche Beitrittsfähigkeit der betreffenden Staaten münden sol1. 18 Aus den diversen Europa-Abkommen läßt sich entnehmen, daß allgemein ein Junktim zwischen der Vollendung der politischen, wirtschaftlichen und rechtlichen Reformen und dem Beitritt der assoziierten Staaten hergestellt worden iSt. 19 Auf der Tagung des Europäischen Rates in Luxemburg im Dezember 1997 wurde der Beschluß gefaßt, den Erweiterungsprozeß "insgesamt", d. h. für alle Bewerberstaaten, zu eröffnen und in Beitrittsverhandlungen zu treten. 20 Konkrete Beitrittsverhandlungen wurden darauf im Jahre 1998 unter anderem mit den sog. Visegrad-Staaten Polen, Ungarn und Tschechien aufgenommen und entsprechende Beitrittspartnerschaften abgeschlossen. 21 Damit war der Beitrittsprozeß für diese Zwecke der Übernahme des Binnenmarktrechts genannt. Das Weißbuch stellt ein weiteres Mittel zur Heranführung der assoziierten Länder an die EU dar, enthält aber im Unterschied zu den Europa-Abkommen keine rechtsverbindlichen Auflagen. \4 Vedder; in: Grabitzl Hilf, Art. 49 EUV Rn 21, 60. \5 Schlußfolgerungen des Europäischen Rats von Essen v. 10.12.1994, Bull. EU 121994, S. 13. Der strukturierte Dialog ist ein multilateraler Rahmen für intensiven Dialog und Konsultationen zwischen der EU und den durch Europa-Abkommen assoziierten Staaten. 16 Die Europakonferenz wurde als begleitendes Forum für den langen Prozeß der Beitrittsverhandlungen auf Vorschlag der Kommission eingerichtet. An ihr sind die Mitgliedstaaten und alle europäischen Staaten, die für einen Beitritt in Frage kommen und über Assoziierungsabkommen mit der EG verbunden sind, beteiligt (Kommission, Agenda 2000 v. 15.7. 1997, Bull. EU Beil. 5/97, S. 62). Sie tagt unter Vorsitz der EU-Präsidentschaft einmal jährlich auf Ebene der Staats- und Regierungschefs sowie der Außenminister. 17 Die ebenfalls von der Kommission eingerichtete sog. Partnerschaft für den Beitritt stellt ein weiteres Instrument dar, welches die konkreten Programme zur wirtschaftlichen Vorbereitung der einzelnen Staaten zusammenfaßt (Agenda 2000, a. a. 0., S. 59 f.). Im Zuge der Beitrittspartnerschaft stellt jeder Beitrittskandidat ein "Nationales Programm zur Übernahme des gemeinschaftlichen Besitzstandes" auf, in dem geregelt ist, wie die in den Beitrittspartnerschaften formulierten Schwerpunkte im einzelnen umgesetzt werden sollen. \8 Vedder; in: Grabitzl Hilf, Art. 49 Rn 20 f. 19 SO Z. B. Abs. 10 der Präambel des Assoziierungsabkommens mit Slowenien, ABI. 1999 Nr. L 51 / I. Siehe dazu näher Vedder; in: Grabitzl Hilf, Art. 49 Rn 22. 20 Schlußfolgerungen des Vorsitzes, Doc /97/24 v. 13. 12. 1997. 2\ Daneben wurden Verhandlungen aufgenommen mit Estland, Slowenien und Zypern. Gemäß den Beschlüssen des Europäischen Rates von Helsinki im Dezember 1999 wurde ab dem 14. Februar 2000 auch in Beitrittsverhandlungen mit Bulgarien, Rumänien, Lettland, Litauen, der Slowakei und Malta eingetreten.
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H. Immobilienerwerb und Osterweiterung der Europäischen Union
Staaten offiziell eingeleitet worden. Am 16. April 2003 erfolgte dann die Unterzeichnung des Beitrittsvertrages 22 mit zehn Beitrittsländern in Athen. Der Beitritt dieser Staaten23 ist nunmehr am 1. Mai 2004 erfolgt.
2. Bedeutung des Immobilienerwerbs innerhalb der Beitrittsvoraussetzungen a) Allgemeine Beitrittsvoraussetzungen Die allgemein für den Erwerb der Mitgliedschaft in der Union geltenden Voraussetzungen formuliert Art. 49 EUV. Gemäß Art. 49 Abs. 1 EUV kann "jeder europäische Staat, der die in Art. 6 Absatz 1 genannten Grundsätze achtet", beantragen,24 Mitglied der Union zu werden. Damit stellt die Regelung zunächst einmal klar, daß ein Beitritt nur zur Union insgesamt möglich ist und auf diese Weise zugleich die Mitgliedschaft in den Europäischen Gemeinschaften beinhaltet. Ein Beitritt nur zu diesen oder nur zu einzelnen Gemeinschaften kommt nicht in Betracht. 25 Durch den Verweis auf die in Art. 6 Abs. 1 EUV genannten Grundsätze normiert Art. 49 EUV nunmehr Freiheit, Demokratie, Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeif ausdrücklich als politische und rechtliche Beitrittsvoraussetzungen. Damit sind diese bisher ungeschriebenen Voraussetzungen sowohl eines Beitritts als auch einer fortdauernden Mitgliedschaft mit dem Vertrag von Amsterdam kodifiziert worden. 26 Bei der Anwendung und Interpretation des Art. 49 EUV ist jedoch zu beachten, daß dieser in Übereinstimmung mit seinen Vorgängern nur rudimentäre Regelungen enthält. Die Vorschrift ist deshalb über ihren Wortlaut hinaus, aus der Gesamtsystematik des EUV und EGV schöpfend, durch Beschlüsse des Europäischen Rates - autoritativ interpretierend - aufgeladen und konkretisiert worden?7 Dies bezieht Beitrittsvertrag vom 4. April 2003 (AA 2003 endg.). Estland, Lettland, Litauen, Malta, Polen, Slowakei, Slowenien, Tschechien, Ungarn, Zypern. 24 In korrigierender Auslegung des Art. 49 EUV müssen die Beitrittsvoraussetzungen nicht schon bei Stellung des Beitrittsantrages, sondern erst im Moment des Beitritts vorliegen, so daß im Verlauf des Beitrittsprozesses noch erhebliche Fortschritte gemacht werden können, vgl. Vedder; in: Grabitz/ Hilf, Art. 49 EUV Rn 13. 25 Geiger; Art. 49 EUV Rn 6; Vedder; in: Grabitz/ Hilf, Art. 49 EUV Rn 1. Bereits durch den Vorläufer des Art. 49 EUV (Art. 0 EUV a. E) wurden die separaten Beitrittsartikel der drei Gemeinschaftsverträge (Art. 237 EGV, Art. 205 EAGV, Art. 98 EGKSV) in die Klammerbestimmungen des EUV überführt. 26 Vedder; in: Grabitz/Hilf, Art. 49 EUV Rn I, 13 ff. Die Gewährleistung dieser Strukturprinzipien der EU erfolgt durch die in Art. 7 EUV und Art. 309 EGVeröffnete Sanktionsmöglichkeit der Suspension von Mitgliedschaftsrechten. 27 Vedder; in: Grabitz/ Hilf, Art. 49 EUV Rn I, 13. Art. 49 EUV ist in bezug auf weitere (ungeschriebene) Beitrittsvoraussetzungen jedenfalls nicht erkennbar abschließend gefaßt 22 23
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sich insbesondere auf die sog. "Kopenhagener-Kriterien ",28 die oben bereits angesprochene Heranführungsstrategie von 1993 sowie die Beschlüsse von Luxemburg (1997)29 und Helsinki (1999). Ungeschriebene Beitrittsvoraussetzungen finden sich zudem in den die Beitritte vorbereitenden Europa-Abkommen?O b) Übernahme des gemeinschaftlichen Besitzstandes Es handelt sich bei Art. 49 EUV um den Beitritt zu einer bestehenden Union, deren Identität grundsätzlich unverändert bleiben soll. Dadurch wird eine Neuverhandlung ausgeschlossen, bei der die Integrationsverträge und ihr Folgerecht wesentlich zur Disposition stünden. 31 Dies ergibt sich eigentlich schon aus der Existenz der besonderen Beitrittsklausel des Art. 49 EUV neben der Möglichkeit der Vertragsänderung gemäß Art. 48 EUV. Ein Beitritt setzt deshalb die grundsätzliche Bereitschaft des neuen Mitgliedstaates voraus, in die EU, so wie sie besteht, einzutreten. Neuverhandlungen über das Unions- bzw. Gemeinschaftsgefüge haben über Art. 48 EUV zu erfolgen und sind angesichts des Verfassungscharakters der Verträge praktisch nur in sehr engen Grenzen vorstellbar. 32 und steht deshalb einer entsprechenden systematischen Auslegung nicht entgegen. Nach Ansicht von Richter, Die Erweiterung der Europäischen Union, 1997, S. 29 ff. (noch zu Art. 0 Abs. I S. 1 EUV Maastrichter Fassung), erweise sich eine solche Auslegung u. a. auch aus Gründen der "Einheit der Verfassung" (im Sinne einer Freiheit von Lücken und Widersprüchen) im Unionsrecht als notwendig. 28 Die "Kopenhagener-Kriterien" (BulI. EG 6-1993, S. 13) stellen für eine Mitgliedschaft folgende Voraussetzungen auf (Kurzbezeichnungen nach Bruha/Vogt, VRÜ 1998, 477,485 f.): 1. "institutionelle Stabilität als Garantie für demokratische und rechtsstaatliche Ordnung, für die Wahrung der Menschenrechte sowie die Achtung und den Schutz von Minderheiten", sog. "Veifassungsstaatlichkeit", 2. "eine funktionsfähige Marktwirtschaft sowie die Fähigkeit, dem Wettbewerbsdruck und den Marktkräften innerhalb der Union standzuhalten", sog. "Binnenmarktfähigkeit", 3. die Fähigkeit der Beitrittsländer, "die aus einer Mitgliedschaft erwachsenden Verpflichtungen zu übernehmen und sich die Ziele der politischen Union sowie der Wirtschafts- und Wahrungsunion zu eigen zu machen", sog. "Integrationswilligkeit", 4. sowohl für die Union als auch für die Beitrittskandidaten die "Fähigkeit der Union, neue Mitglieder aufzunehmen, dabei jedoch die Stoßkraft der europäischen Integration zu erhalten", sog. "Erweiterungsfähigkeit der EU". Bei der letzten Voraussetzung geht es vor allem um die Erhaltung der Fähigkeit, die Integration noch zu vertiefen. Dies erfordert gemäß dem Demokratieprinzip die Akzeptanz der Erweiterung durch die Völker der Mitgliedstaaten, da die Union bereits heute - im Bereich der EG - staatsähnliche Züge trägt und solche in "einer immer engeren Union der Völker" (vgl. Art. lAbs. 2 EUV) noch weiter herausbilden soll, vgl. Geiger; Art. 49 EUV Rn 8. 29 Der Europäische Rat von Luxemburg hatte u. a. die Achtung der Grundsätze des Völkerrechts als Voraussetzung für die Teilnahme an der Europakonferenz formuliert. Dieses Kriterium ist als weitere Beitrittsvoraussetzung anzusehen, vgl. Vedder; in: Grabitz/ Hilf, Art. 49 EUVRn60. 30 Vedder, in: Grabitz/ Hilf, Art. 49 EUV Rn 13. 31 Oppermann, § 32 Rn 13. 32 Oppermann, § 32 Rn 19.
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Auch aus Art. 49 Abs. 2 Satz 1 EUV, der u. a. von den "durch eine Aufnahme erforderlich werdenden Anpassungen" der Unions- und Gemeinschaftsverträge spricht, läßt sich folgern, daß ein Beitrittskandidat im Grundsatz mit den Vertragsprinzipien übereinstimmen muß. Dies ergibt sich daraus, daß diese Prinzipien lediglich - soweit erforderlich - angepaßt, d. h. gerade nicht grundlegend umgestaltet werden sollen. 33 Inhaltlich läßt sich dies damit rechtfertigen, daß die Vergemeinschaftung bisher mitglied staatlicher Kompetenzen ein Mindestmaß an Homogenität der beteiligten Staaten voraussetzt. 34 Die mit Abstand wichtigste Beitrittsvoraussetzung stellt deshalb die Bereitschaft und Fähigkeit der beitretenden Staaten zur Übernahme des gemeinschaftlichen Besitzstandes, des sog. "acquis communautaire ", dar. 35 Dieser ist Gegenstand der Beitrittsverhandlungen und des gemäß Art. 49 Abs. 2 EUV zwischen den Mitgliedstaaten und dem antragstellenden Staat abzuschließenden völkerrechtlichen Beitrittsabkommens (an dem die Gemeinschaften nicht beteiligt sind).36 Der Beitritt hat dann neben der Mitgliedschaft der beitretenden Staaten in der Union die Wirkung, daß sich grundSätzlich der gesamte gemeinschaftliche Besitzstand auf die neuen Mitgliedstaaten erstreckt. 37 Die Kommission hat in ihrem Bericht an den Europäischen Rat von Lissabon eine Definition des gemeinschaftlichen Besitzstandes abgegeben: 38
" Voraussetzung für die Mitgliedschajt39 ist die Übernahme aller derzeitigen und künftigen Rechte und Pflichten der Gemeinschaft und ihres institutionellen Rahmens - des sogenannten "Besitzstandes". Darunter fallen: Richter, S. 37,47. Ipsen, Europäisches Gemeinschaftsrecht, 1972, S. 64 f. 35 Oppermann, § 32 Rn 13, der insoweit von "Übemahmeprinzip" spricht, sich allerdings nur auf das Gemeinschaftsrecht bezieht. Der Begriff des "acquis communautaire" wird hier im umfassenden Sinne, d. h. unter Einschluß des Unionsrechts, verwendet. Er wird in Art. 3 Abs. I und Art. 47 EUV garantiert. 36 Nach Ansicht von Cremer, in: Calliess I Ruffert, Art. 49 Rn 4, wird der gemeinschaftliche Besitzstand in den Beitrittsabkommen als "Aufnahmebedingung" i. S. v. Art. 49 Abs. 2 EUV festgelegt; a. A. Richter, S. 29 f. sowie Vedder, in: GrabitzlHilf, Art. 49 EUV Rn 40, weiche die "Aufnahmebedingungen" i. S. v. Art. 49 Abs. 2 S. 1 EUV als bloße Übergangsregelungen interpretieren. 37 Geiger, Art. 49 EUV Rn 17 ff. Die völkerrechtliche Identität der Gemeinschaften wird durch den Beitritt nicht berührt. Völkerrechtliche Abkommen der EG sind nach dem Prinzip der beweglichen Vertragsgrenzen ohne weiteres auf das Gebiet der neuen Mitgliedstaaten anwendbar. Für Altverträge des neuen Mitgliedstaates mit Drittstaaten gilt Art. 307 EGV entsprechend. Durch den Beitrittsvertrag treten die neuen Mitgliedstaaten insbesondere auch den Beschlüssen und Vereinbarungen der im Rat vereinigten Vertreter der Mitgliedstaaten bei. Ebenso sind sie verpflichtet, allen Übereinkünften mit Drittstaaten beizutreten, die in Verbindung mit der Tätigkeit von Union und Gemeinschaft getroffen wurden. Dies gilt für die gemischten Abkommen (Art. 300 EGV) und auch für die gemischten Assoziierungsabkommen (Art. 310 EGV). 38 Bull. EG Beil. 3/92, S. 12. 33
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- Inhalt, Grundsätze und politische Ziele der Verträge, einschließlich des Vertrages von Maastricht; - das Folgerecht und die Rechtsprechung des Gerichtshofes; - die Erklärungen und Entschließungen der Gemeinschaft; - die internationalen Abkommen und Abkommen zwischen den Mitgliedstaaten, die die Tätigkeit der Gemeinschaft betreffen." c) Einordnung des Immobilienerwerbs innerhalb des Besitzstandes Der Immobilienerwerb hat innerhalb des gemeinschaftlichen Besitzstandes folgende Bedeutung: 4o
( 1) Grundfreiheitlicher Immobilienerwerb Möglichkeiten des Immobilienerwerbs im Rahmen und zwecks Realisierung der Grundfreiheiten41 stellen entweder einen Bestandteil des primären Gemeinschaftsrechts (z. B. Art. 44 Abs. 2 lit. e, Art. 56 EGV) oder auch des abgeleiteten Rechts (z. B. Art. 9 der VO 1612/68/EWG)42 dar. Die Grundfreiheiten sind konstitutiv für die Verwirklichung des Binnenmarktes (vgl. Art. 3 Abs. 1 lit. c EGV) und zählen zu den wesentlichen Bestandteilen der gemeinschaftlichen Wirtschaftsordnung, welche die beitretenden Staaten in der Form zu übernehmen haben, wie sie rechtlich ausgestaltet ist. 43
(2) Grundrechtlicher Immobilienerwerb Auch die Gemeinschaftsgrundrechte der Eigentums- und Berufsfreiheit gewährleisten den Immobilienerwerb. 44 Sie stellen als allgemeine Grundsätze des Gemeinschaftsrechts (vgl. Art. 6 Abs. 2 EUV) bisher lediglich einen Bestandteil des ungeschriebenen45 Primärrechts dar und bedürfen im wesentlichen der Entwicklung und Konkretisierung durch den EuGH gemäß Art. 220 EGY. Hervorhebung des Verfassers. Die Kommission erörtert den Immobilienerwerb in ihren regelmäßigen Berichten über die Fortschritte der einzelnen MOES auf dem Weg zum Beitritt lediglich im Hinblick auf die Kapitalverkehrsfreiheit. Diese stellt respektive des Grunderwerbs zwar eine Art "Auffangfreiheit" dar, vgl. oben F. I. Wie bereits gezeigt, hat der Grunderwerb aber eine wesentlich weitergehende Bedeutung für die Verwirklichung des "acquis", insbesondere auch in Bereichen außerhalb der Grundfreiheiten. 41 Siehe dazu oben C. 42 Verordnung 1612/68/EWG des Rates v. 15. 10. 1968 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft, siehe dazu oben C. III. 2. b). 43 Vedder, in: Grabitzl Hilf, Art. 49 EUV Rn 16. 44 Siehe dazu oben D. II. und III. 45 Zur Bedeutung der bisher noch nicht in Kraft getretenen EU-Grundrechtscharta siehe oben D. (Fn 1). 39
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H. Immobilienerwerb und Osterweiterung der Europäischen Union
(3) Immobilienerwerb außerhalb wirtschaftlicher Betätigung
Diverse Grunderwerbsmöglichkeiten außerhalb rein wirtschaftlicher Betätigung resultieren entweder aus primärem Gemeinschaftsrecht, wie etwa Art. 18 i. V. m. Art. 12 EGV,46 oder auch aus abgeleitetem Recht, wie beispielsweise den allgemeinen Aufenthaltsrichtlinien. 47 Diese Regelungen sind ebenfalls Bestandteil des gemeinschaftlichen Besitzstandes. (4) Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes
Schließlich zählt auch die den Immobilienerwerb in der EU betreffende Rechtsprechung des EuGH48 zum Bestandteil des acquis communautaire. Sie ist maßgeblich für die konkrete Anwendung und Auslegung der einschlägigen Immobilienerwerbsrechte im Einzelfall. Sämtliche Immobilienerwerbsrechte einschließlich der dazu ergangenen Rechtsprechung stellen also wesentliche Bestandteile des gemeinschaftlichen Besitzstandes dar und sind von den beitretenden Staaten grundsätzlich sofort und vollständig zu übernehmen. 49 Mit dem Beitritt der MOES vergrößert sich der Geltungsbereich des einschlägigen primären und sekundären Gemeinschaftsrechts gemäß Art. 299 EGV sowie gemäß Art. 47 EUV der Geltungsbereich des EUV und des sekundären Unionsrechts. 5o d) Ausschluß- und Einschränkungsmöglichkeiten bezüglich des Besitzstandes Im Rahmen der mit den MOES geführten Beitrittsverhandlungen waren grundsätzlich drei verschiedene Möglichkeiten denkbar, die Übernahme des gemeinSiehe dazu oben E. 111. 2. Zu den einzelnen Richtlinien siehe oben E. II. 48 EuGH, Rs. C-182/83, Slg. 1984, S. 3677 ff. (Fearon); Rs. C-63/86, Slg. 1988, S. 29 ff. (Kommission/Italien); Rs. C-305/87, Slg. 1989, S. 1461 ff. (Kommission/Griechenland); Rs. C-55/94, Slg. 1995, S. 1-4165 ff. (Gebhard); Rs. C-302/97, Slg. 1999, S. 1-3099 ff. (Konle); Rs. C-355/97, Slg. 1999, S. 1-4977 ff. (Beck und Bergdorf); Rs. C-423/98, Slg. 2000, S. 1-5965 ff. (Albore); Rs. C-54/99, Slg. 2000, S. 1-1335 ff. (Eglise des scientologie); verb. Rs. C-515/99, C-519/99 bis C-524/99 und C-526/99 bis C-540/99, Slg. 2002, S. 1-2157 ff. (Reisch u. a.); Rs. C-3OO/01, Slg. 2003, S. 1-4899 ff. (Salzmann); Rs. C-452/ 01, Slg. 2003, S. 1-9743 ff. (Ospelt). 49 EuGH, Rs. 258/81, Slg. 1982, S. 4279 Rn 8 (Metallurgiki Halyps). Der Zeitpunkt eines möglichen Beitritts richtet sich seit dem Europäischen Rat von Helsinki v. 10. / 11. 12. 1999 nach dem Fortschritt in den Verhandlungen über 31 Kapitel des gemeinschaftlichen Besitzstandes, weIche die Kommission mit den Kandidatenstaaten im Blick auf eine Umsetzung in nationales Recht erläuternd behandelt, sogenanntes "Screening". Siehe dazu näher Vedder, in: Grabitz/ Hilf, Art. 49 EUV Rn 60, 61. 50 Vedder; in: Grabitzl Hilf, Art. 49 EUV Rn 42 ff. 46
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schaftlichen Besitzstandes im Hinblick auf den Grunderwerb - zumindest zeitweise - auszuschließen bzw. einzuschränken. Eine - theoretisch gebliebene - Möglichkeit hätte in einem Beitritt mit lediglich einem Teil des Staatsgebietes bestanden. Die anderen bei den - letztlich auch gewählten - Alternativen bestanden in der Vereinbarung (dauerhafter) Ausnahmevorschriften bzw. (temporärer) Übergangsregelungen. Diese Möglichkeiten sollen nun erörtert werden, wobei sich das Augenmerk insbesondere auf die bisherige Beitrittspraxis51 richtet. (I) Territoriale Beschränkungen des Besitzstandes
Staaten treten regelmäßig mit ihrem gesamten Staatsgebiet bei, auf welches sich dann auch der gemeinschaftliche Besitzstand vollständig erstreckt. Dem Gesamtzusammenhang der Regelung des Art. 299 EGV läßt sich jedoch entnehmen, daß das Gemeinschafts- und Unionsrecht grundsätzlich nur in den in Europa liegenden Teilen der mitgliedstaatlichen Gebiete uneingeschränkt gilt, während für andere, etwa überseeische Gebiete, ein besonderes und abweichendes Reglement Anwendung finden kann. Eine territoriale Beschränkung des Geltungsbereichs des Unions- und Gemeinschaftsrechts ist somit prinzipiell möglich. Sofern ein Staat nicht mit seinem gesamten Staatsgebiet beitreten will, bedarf dies allerdings einer ausdrücklichen Regelung in Art. 299 EGv. 52 In der bisherigen Beitrittspraxis finden sich dazu einige Beispiele: So ist Dänemark ohne die FaröerInseln (vgl. Art. 299 Abs. 6 lit. a EGV) und Finnland aufschiebend bedingt ohne die Alandinseln (vgl. Art. 299 Abs. 5 EGV) beigetreten. 53 Auch eine spätere territoriale Beschränkung der Wirkungen eines erfolgten Beitritts ist grundsätzlich möglich, wie sich am Beispiel des Ausscheidens Grönlands als Teil Dänemarks aus der Gemeinschaft gezeigt hat. Dazu bedarf es allerdings einer Vertragsänderung, wie sie für Grönland ausdrücklich und in einem vereinfachten Verfahren in Art. 188 EGV vorgesehen war. 54 Eine territoriale Beschränkung des Geltungsbereichs der den Immobilienerwerb betreffenden Regelungen des Unions- und Gemeinschaftsrechts kann etwa zum 51 Gemäß Art. 31 III lit. b WVRK ist ein völkerrechtlicher Vertrag (hier: der EUV und EGV) auch im Lichte der einvernehmlichen nachfolgenden Praxis der Parteien auszulegen. Ohne auf die umfangreiche Kontroverse über die Rechtsnatur des Gemeinschafts- bzw. Unionsrechts als einer autonomen bzw. einer weitgehend völkerrechtlicher Interpretation zugänglichen Rechtsordnung näher einzugehen, besteht wohl kaum ein Zweifel daran, daß das Primärrecht "genetisch Völkervertragsrecht" (lpsen, Europarecht, S. 133) darstellt. Die "besondere Struktur und Finalität der Union" erheischt in diesem Falle keine abweichende unionsrechtliche Lösung. Siehe dazu näher Richter, S. 40 f. m. w. N. 52 Vedder, in: Grabitzl Hilf, Art. 49 EUV Rn 9. 53 Siehe oben G. Ir. zum Protokoll Nr. 2 über die Alandinseln sowie Ehlennann, Mitgliedschaft in der Europäischen Gemeinschaft, Rechtsprobleme der Erweiterung, der Mitgliedschaft und der Verkleinerung, in: EuR 1984, S. 113, 114 zu den Faröer-Inseln. 54 Vedder; in: Grabitzl Hilf, Art. 49 EUV Rn 9.
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Zwecke des Schutzes nationaler Minderheiten in Betracht kommen, wie dies beim Erlaß des Protokolls Nr. 2 über die Alandinseln55 zum Schutz der dortigen Regionalbevölkerung geschehen ist. Anläßlich der letzten Erweiterungsrunde kam es allerdings nicht zu einer entsprechenden Regelung. (2) Vereinbarung dauerhafter Ausnahmeregelungen Prinzipiell denkbar ist auch die Vereinbarung einer Ausnahmeregelung, auf deren Grundlage der Immobilienerwerb im Beitrittsstaat durch Nichtstaatsangehörige dauerhaft ausgeschlossen oder beschränkt werden darf. Eine solche dauerhafte Ausnahmeregelung findet sich im Protokoll betreffend den Erwerb von Immobilien in Dänemark 56 hinsichtlich des Erwerbs von Zweitwohnungen. Dem Protokoll ist in einigen Fällen die Rolle einer politischen Vorreiterfunktion beigemessen worden. Eine solche dauerhafte Ausnahmeregelung steht jedoch prinzipiell in starkem Widerspruch zu dem Grundsatz der sofortigen und vollständigen Anwendung des Gemeinschaftsrechts auf die neuen Mitgliedstaaten. 57 Anläßlich der vorletzten Erweiterung der EU ist eine solche Vorschrift - trotz dahingehender Ambitionen Österreichs - nicht erreicht worden. Im Rahmen des jüngst erfolgten Beitritts der MOES wurde allein Malta aufgrund der dort vorherrschenden Baulandknappheit eine dauerhafte Ausnahmevorschrift für den Immobilienerwerb zugestanden. 58 (3) Vereinbarung von Übergangsregelungen Obwohl in einigen Fällen der bisherigen Beitrittspraxis rechtlich weitergehende Umgestaltungen mittels einer Vertragsänderung gemäß Art. 48 EUV möglich gewesen wären, hat diese neben unvermeidlichen technischen Anpassungen 59 ABI. 1994 Nr. C 241 /352. ABI. 1992 Nr. C 224/ 104. Siehe dazu ausführlich G. 1. 57 EuCH, Rs. 258/81, Sig. 1982, S. 4279 Rn 8 (Metallurgiki Halyps). 58 Vgl. das Protokoll Nr. 6 über den Erwerb von Zweitwohnsitzen in Malta. Darin wurde vereinbart, daß der Erwerb von Zweitwohnsitzen für all diejenigen EU-Bürger eingeschränkt werden darf, die noch nicht seit mindestens fünf Jahren in Malta ansässig gewesen sind. Siehe dazu oben G. III. Eine Mischfonn zwischen dauerhafter Ausnahmeregelung und bloßer Übergangsfrist besteht im Falle Polens in Form dem Erwerb (dauerhaft) vorgelagerter Wohnund Pachtfristen. Siehe dazu ausführlich (3). 59 Im Gegensatz zu Art. 48 EUV gestattet Art. 49 Abs. 2 Satz I EUV nur die durch eine Aufnahme neuer Mitglieder erforderlichen Anpassungen der Verträge. Darunter sind in erster Linie die zwingend mit dem Beitritt verbundenen Änderungen des primären Rechts (etwa Vorschriften über die geänderte Zusammensetzung der Gemeinschaftsorgane / Reform der Institutionen) zu verstehen. Darüber hinaus ermöglicht Art. 49 EUV nur solche Änderungen, die kausal durch die Erweiterung veranlaßt sind. Weitergehende oder gar die Integration gefährdende Änderungen - auch bei Gelegenheit eines Beitritts - bedürfen einer Vertragsänderung nach Art. 48 EUV. Siehe dazu ausführlich Vedder; in: Crabitz/ Hilf, Art. 49 EUV Rn 40 f. 55
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prinzipiell nur Übergangsregelungen nach sich gezogen. Dadurch sind den Neumitgliedern zwecks erleichterter Integration in die Gemeinschaft mehrjährige Fristen eingeräumt worden. 6o Derartige Übergangsregelungen gestatten als "Aufnahmebedingungen" im Sinne des Art. 49 Abs. 2 EUV 61 den beitretenden Staaten zeitlich begrenzte Abweichungen von primärem und sekundärem Gemeinschaftsrecht. 62 Die Kommission hat in diesem Zusammenhang ausgeführt: "Für die Übernahme (des Besitzstandes) durch einen neuen Mitgliedstaat können in den Beitrittsverhandlungen technische Anpassungen, zeitweilige (nicht dagegen dauernde) Abweichungen sowie Übergangsregelungen vereinbart werden. Die Gemeinschaft wird für die Anpassungsprobleme, die sich neuen Mitgliedern stellen könnten, Verständnis aufbringen und nach angemessenen Lösungen suchen. Der Grundsatz der Übernahme des "Besitzstandes" zur Wahrung dessen, was die Gemeinschaft bereits erreicht hat, muß jedoch unter allen Umständen aufrechterhalten werden. ,,63 Vor diesem Hintergrund war es bereits anläßlich der vorletzten Erweiterungsrunde der Union zu folgenden Übergangsregelungen gekommen: • Österreich: Fünfjährige Übergangsfrist für die Umgestaltung von Regelungen, die in diskriminierender Weise den Erwerb von Zweitwohnungen durch Unionsbürger beschränken;64 • Finnland: Fünfjährige Übergangsfrist für diskriminierende Regelungen im Bereich des Zweitwohnungserwerbs;65 • Schweden: Fünfjährige Übergangsfrist für diskriminierende Regelungen im Bereich des Zweitwohnungserwerbs. 66 60 Ein umfassender Überblick zu Übergangsregelungen findet sich bei Vedder, in: Grabitz/ Hilf, Art. 49 EUV Rn 50 ff. 61 Diese Aufnahmebedingungen werden durch den Beitrittsvertrag geregelt und stellen die zwischen den Mitgliedstaaten und den beitretenden Staaten zu regelnden Modalitäten des Beitritts, nicht aber dessen rechtliche, politische und wirtschaftliche Vorbedingungen dar, vgl. EuGH, Rs. 93/78, Sig. 1978, S. 2203, 2211 (Mattheus/Doego); Vedder, in: Grabitz/Hilf, Art. 49 EUV Rn 40 ff. 62 Vedder, in: Grabitz/ Hilf, Art. 49 EUV Rn 40. 63 Bull. EG, Beilage 3/92, S. 12. Auf S. 6 heißt es: Die Erweiterung "darf ( ... ) nicht zu Lasten der Vertiefung gehen. Die bisherigen Errungenschaften der Gemeinschaft dürfen nicht verwässert werden. " - Hervorhebungen des Verfassers. 64 Art. 70 der Beitrittsakte, ABI. 1994 Nr. C 241 121. Nichtdiskriminierende Beschränkungen des Zweitwohnungserwerbs sind gemäß der Gemeinsamen Erklärung Nr. 5 zu Zweitwohnungen, ABI. 1994 Nr. C 241 1382, zulässig. Siehe dazu oben G. IV. 65 Art. 86 der Beitrittsakte, ABI. 1994 Nr. C 241/21. Eine dauerhafte Ausnahmeregelung besteht in Form des Protokolls Nr. 2 über die Alandinseln (ABI. 1994 Nr. C 241/352), die einen völkerrechtlichen Sonderstatus besitzen. Siehe dazu oben G. H. 66 Art. 114 der Beitrittsakte, ABI. 1994 Nr. C 241/21.
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Im Vorfeld der Osterweiterung waren der Kommission von den einzelnen MOES zunächst recht unterschiedliche Übergangsfristen vorgeschlagen worden. Die daraufhin geführten Beitrittsverhandlungen, die bis auf die Fälle Bulgariens und Rumäniens endgültig abgeschlossen worden sind, haben zu unterschiedlich langen Fristen mit besonderen Ausprägungen geführt. In ihrem sachlichen Anwendungsbereich unterscheiden die Regelungen generell zwischen dem Erwerb landwirtschaftlich genutzter Flächen (agricultural and forestry land)67 und dem Erwerb von Zweitwohnsitzen (secondary residences). Der Landerwerb zu reinen Investitionszwecken ist grundsätzlich schon ab dem Tage des Beitritts möglich. Im Bereich des Grunderwerbs zu landwirtschaftlichen Zwekken handelt es sich überwiegend um eine siebenjährige Frist, während für Zweitwohnsitze eine fünfjährige Frist vorgesehen ist, innerhalb derer weiterhin das nationale Recht der betreffenden Länder Anwendung finden darf. Einen Sonderfall stellen die Regelungen für Polen dar. Polen wurde im Bereich des Erwerbs landund forstwirtschaftlicher Flächen eine - im Vergleich zu den übrigen Beitrittsländern - wesentlich längere Übergangsfrist bewilligt. Obendrein erfolgte hinsichtlich des räumlichen Anwendungsbereichs der Übergangsregelungen eine Aufteilung des Landes in einen westlichen und einen östlichen Teil, welche mit unterschiedlich langen Wohn- und Pachtfristerfordemissen vor dem eigentlichen Landerwerb kombiniert wurde. Mitunter bestehen in persönlicher Hinsicht (Rück-)Ausnahmen von den Übergangsregelungen für bestimmte, bereits unmittelbar ab dem Beitrittszeitpunkt zum Grunderwerb Berechtigte. Zudem ist einigen Staaten die Berufung auf eine allgemeine wirtschaftliche Schutzklausel 68 bewilligt worden, um im Bedarfsfalle die gewährten Übergangsfristen um einen weiteren Zeitraum zwischen drei und sieben Jahren verlängern zu können. Damit korrelliert regelmäßig eine vorzeitige Überprüfung der Berechtigung des Fortbestehens der Übergangsmaßnahmen mit der Möglichkeit einer Verkürzung bzw. vorzeitigen Beendigung der Übergangszeiträume. Schließlich ist mit Malta eine spezielle Vereinbarung getroffen worden, welche an ein zeitliches Ansässigkeitserfordemis anknüpft. Die einzelnen Verhandlungsergebnisse69 lauten wie folgt: • Estland, Lettland, Litauen: Lediglich für den Erwerb von Wald- und Ackerland ist eine siebenjährige Frist ab dem Beitrittszeitpunkt vereinbart worden. Davon sind selbständige Landwirte, die seit mindestens drei Jahren ansässig sind und aktiv Landwirtschaft betreiben, ausgenommen. Es besteht die Möglichkeit einer 67 Die Nutzung von Grundeigentum zu landwirtschaftlichen Zwecken betrifft vornehmlich die Ausübung der Niederlassungsfreiheit, kann aber auch unter Investitionsgesichtspunkten dem Bereich des Kapitalverkehrs unterstellt werden. Zur Abgrenzung der Grundfreiheiten voneinander siehe oben C. VII. 68 Der Wortlaut der Schutzklausel und eine diesbezügliche Erklärung der Kommission finden sich im Anhang K. der Arbeit. 69 Vgl. auch den wörtlichen Auszug der Regelungen im Anhang K. der Arbeit.
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dreijährigen Verlängerung des Übergangszeitraumes im Falle schwerwiegender Störungen des Agrargrundstücksmarktes. Nach drei Jahren ist eine allgemeine Überprüfung der Fristen vorgesehen. 7o • Polen: Nach überaus zähen und schwierigen Verhandlungen 7l ist Polen für den Erwerb von Zweitwohnsitzen eine Jünfjährige Frist ab dem Beitrittszeitpunkt bewilligt worden. Davon sind Unions- und EWR-Bürger, die seit mindestens vier Jahren in Polen ansässig sind, ausgenommen. Für den Erwerb land- und Jorstwirtschaftlicher Flächen ist eine zwölfjährige Frist ab dem Beitrittszeitpunkt vereinbart worden. Letztere Übergangsregelung gilt jedoch nicht für selbständige Landwirte aus anderen Mitgliedstaaten oder EWR-Vertragsstaaten, wenn sie seit mindestens drei Jahren ununterbrochen in Polen ansässig sind und - je nach Region - Nutzflächen für mindestens drei bzw. sieben Jahre ununterbrochen gepachtet haben. Die dreijährige Pachtfrist vor dem Landerwerb besteht für die östlichen, die siebenjährige Pachtfrist für die westlichen Regionen (sog. Woiwodschaften). Die Fristen beginnen mit Abschluß des Pachtvertrages, der zugleich mit einem Erstkaufsrecht verbunden ist. Sie gelten auch für bereits in Polen ansässige selbständige Landwirte. 72 Nach drei Jahren erfolgt eine Überprüfung der Übergangsfristen durch die Kommission. 73 • Slowakei: Eine siebenjährige Übergangsfrist ab dem Beitritt besteht für den Erwerb von Forst- und Ackerland, ausgenommen selbständige Landwirte, die seit mindestens drei Jahren in der Slowakei ansässig sind und dort aktive LandwirtAnhänge VI, VIII, IX, S. 2587, 2751, 2813 des Beitrittsvertrages. Ursprünglich hatte Polen sowohl für den Erwerb von Zweitwohnsitzen als auch von Wald- und Ackerland eine 18-jährige Übergangsjrist gefordert. Für den Erwerb von Grundstücken zu reinen Investitionszwecken war eine fünfjährige Frist verlangt worden, welche dann aber fallengelassen wurde. Die von der Kommission zunächst vorgeschlagenen generellen Übergangsfristen von sieben Jahren für den Erwerb von Wald- und Ackerland bzw. fünf Jahren für den Erwerb von Zweitwohnsitzen wurden von Polen nicht akzeptiert. Siehe zu den Verhandlungsentwicklungen Ludwig, Das schwarze Szenario vermeiden - Polens neue Verhandlungsstrategie mit der Europäischen Union, in: FAZ v. 24. 11. 200 I, S. 6. 72 Bei den Landwirten handelt es sich um eine Berufsgruppe, die potentiell zu dem am meisten interessierten Käuferkreis zählen dürfte - nach Angaben der Kommission haben seit 1989 etwa 400 selbständige Landwirte den Weg nach Polen gefunden. Die nationale Gesetzgebung zur Regelung des Landerwerbs ist noch nicht abgeschlossen. Nach dem Vorschlag der polnischen Bauernpartei PSL sollen Berufsverbände der polnischen Landwirte oder die Behörden künftig entscheiden, welche Ausländer in Polen als Landwirte anerkannt werden. Der Erwerb von Ackerland soll demnach an eine Konzession als Landwirt gekoppelt sein. Um diese zu erhalten, müsse u. a. auch der Nachweis der Kenntnis der polnischen Sprache erbracht werden. Auf diesem Umweg könnten möglicherweise kaufwillige Nichtlandwirte aus dem Ausland ganz vom Kauf landwirtschaftlichen Nutzlandes ausgeschlossen werden. Des weiteren plante die Regierung, ein Vorkaufsrecht des Staates oder der polnischen Anrainer für Land einzuführen, welches zum Verkauf steht, vgl. FAZ v. 24. 11. 2001, S. 6. In Anbetracht der geplanten polnischen Regelungen wird künftig genau zu untersuchen sein, ob in ihnen - zumindest versteckte - Diskriminierungen von EU-Bürgern enthalten sind. 73 Anhang XII, S. 3761 des Beitrittsvertrages. 70 71
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schaft betreiben. Daneben besteht die Möglichkeit einer dreijährigen Verlängerung der Frist im Falle ernsthafter wirtschaftlicher Störungen. Nach drei Jahren erfolgt eine Überprüfung der Regelungen. 74 • Slowenien: Für jegliche Form des Immobilienerwerbs besteht für einen Zeitraum von sieben Jahren ab dem Beitritt die Möglichkeit der Berufung auf die allgemeine Schutzklausel 75 aus wirtschaftlichen Gründen. 76 • Tschechische Republik: Für den Erwerb von Zweitwohnsitzen ist eine jünfjährige Übergangsfrist ab dem Beitrittszeitpunkt vereinbart worden. Davon sind diejenigen EG-Bürger und Gesellschaften ausgenommen, die bereits in Tschechien ansässig bzw. niedergelassen sind. Im Bereich des Erwerbs von Wald- und Ackerland wird eine Frist von sieben Jahren ab dem Beitritt bewilligt. Davon ausgenommen sind selbständige Landwirte aus der EU, die sich in Tschechien niederlassen wollen. Eine dreijährige Verlängerungsmöglichkeit besteht in diesem Bereich im Falle ernsthafter wirtschaftlicher Störungen. Nach drei Jahren erfolgt eine allgemeine Überprüfung. 77 • Ungarn: Betreffend Zweitwohnsitze gilt ab dem Beitritt eine jünfjährige Übergangsfrist. Davon ausgenommen sind EU- und EWR-Bürger, die mindestens vier Jahre ununterbrochen ihren rechtmäßigen Wohnsitz in Ungarn hatten. Für den Erwerb von Wald- und Ackerland besteht ab dem Beitritt eine Frist von sieben Jahren, davon ausgenommen selbständige EG-Landwirte, die seit mindestens drei Jahren ununterbrochen rechtmäßig in Ungarn ansässig waren und dort aktive Landwirtschaft betrieben haben. Es besteht in diesem Bereich die Möglichkeit einer dreijährigen Verlängerung im Falle wirtschaftlicher Störungen. Nach drei Jahren erfolgt eine allgemeine Überprüfung. 78 • Malta: Eine sehr spezielle Vereinbarung wurde bezüglich des Erwerbs von Zweitwohnsitzen getroffen. Danach kann der Zweitwohnungserwerb für all diejenigen EU-Bürger eingeschränkt werden, die nicht mindestensjünj Jahre rechtmäßig in Malta ansässig waren. Es handelt sich also für die betroffenen EUBürger um eine individuell auf fünf Jahre befristete, dauerhafte Ausnahmeregelung. Hingegen werden länger als fünf Jahre ansässige EU-Bürger nicht (mehr) von ihr betroffen. 79 • Zypern: Lediglich für den Erwerb von Zweitwohnsitzen ist eine jünfjährige Übergangsfrist ab dem Beitrittszeitpunkt vereinbart worden. 80 Anhang XIV, S. 4665 des Beitrittsvertrages. Art. 37 der Beitrittsakte, siehe dazu Anhang K. der Arbeit. 76 Anhang XIII, S. 4479 des Beitrittsvertrages. 77 Anhang V, S. 2547 des Beitrittsvertrages. 78 Anhang X, S. 3216 des Beitrittsvertrages. 79 Protokoll Nr. 6 über den Erwerb von Zweitwohnsitzen in Malta, S. 4774 des Beitrittsvertrages. Siehe dazu näher oben G. 111. 80 Anhang VII, S. 2611 des Beitrittsvertrages. 74 75
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Im Hinblick auf zukünftige Beitritte sind außerdem für die Beitrittskandidaten Bulgarien und Rumänien aller Voraussicht nach folgende Übergangsregelungen beabsichtigt: • Bulgarien: Für den Erwerb von Zweitwohnsitzen ist eine fünfjährige Übergangsfrist ab dem Beitrittszeitpunkt vorgesehen. Von dieser sollen diejenigen EU- und EWR-Bürger ausgenommen werden, die bereits in Bulgarien ansässig sind. Eine siebenjährige Frist ab dem Beitritt ist für den Erwerb von Forst- und Ackerland geplant, davon ausgenommen selbständige Landwirte. • Rumänien: Vorläufig vereinbart wurde eine fünfjährige Übergangsfrist ab dem Beitritt für den Zweitwohnungserwerb, ausgenommen alle EU- und EWRBürger, die bereits in Rumänien ansässig sind. Für den Erwerb von Wald- und Ackerland soll ab dem Beitritt eine siebenjährige Frist gelten, davon ausgenommen selbständige Landwirte, die bereits in Rumänien ansässig sind.
In sämtlichen Fällen ist vereinbart worden, daß im Übergangszeitraum keine SchlechtersteIlung von EU-Bürgern gegenüber dem Vorbeitrittszeitraum erfolgen darf. Das Ersuchen um Übergangsregelungen reflektiert die besondere Sensibilität grunderwerbsrelevanter Fragestellungen in den betreffenden Staaten. Es spiegeln sich darin die mit einer vollständigen und sofortigen Liberalisierung des Grundstücksverkehrs verbundenen Schwierigkeiten sowie die ihr entgegenstehenden nationalen Interessen wider. Dabei handelt es sich nicht nur um wirtschaftliche Gesichtspunkte, wie etwa ein Preisgefälle zwischen dem beitretenden Staat und der EU auf dem Immobiliensektor sowie eine relativ geringere Kaufkraft der einheimischen Bevölkerung. Es geht darüber hinaus um eine Reihe wichtiger und bisher ungelöster interner Probleme. Während der Beitrittsverhandlungen sind unterschiedliche Gründe für die Einräumung von Übergangsregelungen genannt worden: 81 Betreffend den Erwerb von Zweitwohnsitzen wurde von einigen Beitrittsländern geltend gemacht, daß auf ihrem heimischen Immobilienmarkt Wohnungsknappheit herrsche, und zudem eine Deregulierung der bisher staatlich festgelegten Wohnungspreise noch nicht abgeschlossen sei. Deshalb wurde vorgeschlagen, den Erwerb durch Nicht-Gebietsansässige erst dann zu akzeptieren, wenn die Kaufkraft Einheimischer sowie das allgemeine Niveau der Grundstückspreise sich der Situation innerhalb der EU wesentlich angenähert hätten. Es wird befürchtet, daß es durch eine allzu frühzeitige Liberalisierung zu größeren Aufkäufen der ohnehin nicht in ausreichender Menge vorhandenen Grundstücke durch Ausländer und 81 Die folgenden Ausführungen beziehen sich teilweise auf ein dem Verfasser zugänglich gemachtes internes Arbeitspapier der Kommission (DG Erweiterung) aus dem Jahr 200l. Darin wird zu den Verhandlungspositionen einzelner Beitrittsländer bezüglich Kapitel 4 (Freier Kapitalverkehr) Stellung genommen. Das Dokument ist in englischer Sprache im Anhang K. der Arbeit abgedruckt.
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damit verbundenen hohen Preissteigerungen auf dem heimischen Immobilienmarkt zu Lasten der ansässigen Bevölkerung kommen könnte. Eine ähnliche Argumentation war seinerzeit von Altmitgliedern, wie etwa Österreich, im Rahmen der damaligen Beitrittsverhandlungen vorgetragen und durch die Bewilligung entsprechender Übergangsfristen berücksichtigt worden. Die Kommission vertrat hinsichtlich der MOES die Auffassung, daß die Einräumung entsprechender Fristen nur begrenzte Auswirkungen auf den Binnenmarkt und die ihm immanenten Freiheiten mit sich brächte, zumal sie generell nur diejenigen EU-Angehörigen (natürliche und juristische Personen) betreffe, die nicht bereits in dem beitretenden Staat ansässig seien. Durch die ausschließliche Anknüpfung an Zweitwohnsitze würden ausländische Direktinvestitionen nicht berührt und auch die Ausübung der Niederlassungsfreiheit nicht behindert. Daher sei eine fünfjährige Übergangsfrist in diesem Bereich für EU-Bürger, die nicht in dem betreffenden Staat ansässig seien, gerechtfertigt. Diesen Erwägungen der Kommission kann jedoch nicht uneingeschränkt gefolgt werden. So ist zu beachten, daß die Abgrenzung zwischen einer Direktinvestition zu Anlagezwecken und dem Grunderwerb zu Freizeit- und Erholungszwecken in der Praxis nicht immer einfach durchzuführen ist, zumal auch eine gemischte Nutzung der betreffenden Immobilie in Betracht kommen kann. 82 Räumt man, wie hier vertreten, einem Niedergelassenen außerdem das Recht ein, sich im Aufnahmestaat zu Freizeit- und Erholungszwecken einen Zweitwohnsitz zuzulegen,83 wird dieses Recht durch eine diesbezügliche Übergangsregelung nur dann nicht beeinträchtigt, wenn die bereits in den MOES Gebietsansässigen von ihr ausgenommen werden. 84 Im Bereich des Erwerbs von Wald- und Ackerland scheinen sich in einigen Beitrittsländern besondere interne Probleme zu ergeben, die mit unterschiedlichen wirtschaftlichen und rechtlichen Faktoren zusammenhängen. Zunächst sind auch hier rein ökonomische Gesichtspunkte, wie etwa noch recht große Unterschiede zwischen der in den Beitrittsländern und der EU vorhandenen Kaufkraft sowie die gegenwärtig noch relativ niedrigen Landpreise innerhalb der MOES, zu nennen. Darüber hinaus sind die einzelnen Bodenmärkte teilweise noch sehr unterentwickelt und reformbedürftig. Als wichtigster Faktor wird in diesem Zusammen82 Man denke nur an die Vermietung eines Ferienhauses an Dritte, solange dieses nicht vom Eigentümer selbst genutzt wird. Diese Vermietung fällt - je nach Einzelfall - in den Bereich der Niederlassungs- oder Dienstleistungsfreiheit. 83 Siehe oben C. IV. 2. b) (2) (b). 84 Für diesen Personenkreis hätte also bereits zum Zeitpunkt des Beitritts ein diskriminierungsloser Zweitwohnungserwerb ermöglicht werden müssen. Diese Lösung entspräche auch dem Inhalt der Gemeinsamen Erklärung Nr. 5 zu Zweitwohnungen (ABI. 1994 Nr. C 241/ 382), die den Mitgliedstaaten bestimmte Einschränkungen in diesem Bereich zugesteht, soweit diese andere EU-Angehörige nicht diskriminieren. Regelungen, die - wie z. B. im Falle Ungarns - Übergangsfristen auch für bereits niedergelassene EU-Bürger vorsehen, stehen dazu prinzipiell in Widerspruch.
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hang die von einigen Beitrittsländern noch vorzunehmende Restrukturierung des Agrarsektors anzusehen sein. Diese bereitet vor allem deshalb rechtliche Probleme, weil die Rückgängigmachung ehemaliger Verstaatlichung von Grundbesitz im Rahmen nunmehr eingeleiteter Restitutions- und Privatisierungsprozesse oftmals mit ungeklärten Eigentums- und Besitzverhältnissen einhergeht. Deshalb ist die (Re-)privatisierung von Wald- und Ackerland in einigen Staaten auch noch nicht besonders weit fortgeschritten. Die Kommission erachtete die Einräumung von Übergangsfristen zum Zwecke der Lösung dieser als politisch hoch sensibel eingestuften Probleme für gerechtfertigt. Ihrer Ansicht nach sollten die Fristen im Bereich des Erwerbs von Wald- und Ackerland mindestens ebenso lange veranschlagt werden wie im Bereich des Zweiwohnungserwerbs, zumal die Probleme im Bereich der Agrar- und Forstwirtschaft als besonders komplex betrachtet werden. Dies dürfte auch der ausschlaggebende Grund dafür gewesen sein, einigen Staaten die Möglichkeit einzuräumen, im Falle des Auftretens ernsthafter wirtschaftlicher Störungen im Bereich des Agrargrundstücksmarktes die Verlängerung der vereinbarten Übergangszeiträume zu beantragen. 85 Es darf jedoch nicht übersehen werden, daß der Erwerb von Wald- und Ackerland nicht nur eng mit der Ausübung der Kapitalverkehrsfreiheit. sondern auch mit der Betätigung weiterer; für den Binnenmarkt grundlegender Freiheiten verbunden sein kann. 86 Dies gilt namentlich für die Niederlassungsfreiheit selbständiger Landwirte. Jegliches Ersuchen um eine Verlängerung der den MOES eingeräumten Übergangsfristen im Bereich des Agrarlandes muß daher zumindest auch im Lichte der potentiellen Auswirkungen auf diese Freiheit87 untersucht und beurteilt werden. Ursprünglich hatte die Kommission angeregt, auch den Immobilienerwerb zu reinen Investitionszwecken dem Bereich der Übergangsfristen zu unterstellen. Ihr schwebte dabei der Fall vor Augen, daß ein Investor Land zu dem einzigen Zweck erwirbt, es zunächst zu behalten und darauf zu hoffen, es zu einem späteren Zeitpunkt wieder gewinnbringend zu veräußern (Spekulationsgeschäft bzw. reine Wertanlage). Ein derartiger Erwerb sei zwar für die Integration der Kapitalmärkte und eine damit einhergehende Gleichstellung der Vermögenspreise innerhalb der EU von Bedeutung, berühre aber nicht die Ausübung der übrigen Marktfreiheiten. Der zweite Fall betrifft den Landerwerb eines EU-Angehörigen mit dem Ziel der Weitervermietung im Beitrittsland. Zwar bedeute hier die Einschränkung des Erwerbs zugleich eine Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit. 88 Der Umstand, daß ein 85 Im Falle Sloweniens betrifft diese Möglichkeit durch Berufung auf die allgemeine wirtschaftliche Schutzklausel sämtliche Formen des Immobilienerwerbs. 86 Vgl. das Kommissionspapier bezüglich der Reichweite von Übergangsfristen für den Erwerb von Ackerland im Anhang K. der Arbeit. 87 Auch die Arbeitnehmerfreizügigkeit ist - indirekt - betroffen, falls die Agrarflächen von Wanderarbeitnehmern aus anderen Mitgliedstaaten bewirtschaftet werden sollen.
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EU-Bürger aus einem anderen Mitgliedstaat beim Kauf von Land in Wettbewerb mit lokalen Landwirten trete, habe jedoch eine besondere politische Bedeutung. Deshalb könne auch diese Konstellation Gegenstand einer Übergangsregelung sein. 89 Wie die endgültigen Verhandlungsergebnisse zeigen, hat sich dieser Standpunkt aber letztlich nicht durchgesetzt. 9o Des weiteren sind bestimmte Sachverhalte - zumindest teilweise - vom Anwendungsbereich der Übergangsrege1ungen ausgenommen worden: Dies betrifft namentlich die Fälle selbständiger Landwirte. Vor Abschluß der Beitrittsverhandlungen hatte die Kommission noch vertreten, daß ein selbständiger Landwirt, der in das Beitrittsland zieht, dort Land kauft und einen Bauernhof gründet, überhaupt nicht von den Übergangsfristen erfaßt werden sollte, mit der Folge, daß ein sofortiger Erwerb zum Beitrittszeitpunkt möglich wäre. Begründet wurde dies damit, daß es einerseits ziemlich unwahrscheinlich sei, daß von dieser Ausnahme in nennenswerter Weise Gebrauch gemacht würde. Andererseits würde mit dieser Lösung berücksichtigt, daß die Ausübung der Niederlassungsfreiheit bereits zum Beitrittszeitpunkt garantiert werden sol1.91 Dieser integrationsfreundliche Vorschlag ist aber mehrheitlich nicht durchgesetzt worden. So besteht in den meisten Beitrittsländern ein mehrjähriges Mindestansässigkeitseifordemis vor der Möglichkeit des Landerwerbs. 92 In Polen existiert zusätzlich ein dem Erwerb vorgeschaltetes drei- bzw. siebenjähriges Wohn- und Pachteifordemis. Zudem ist in einigen Fällen vereinbart worden, das Reglement der Übergangsfristen nach Ablauf von drei Jahren einer allgemeinen Überprüfung zu unterziehen. Diese Nachprüfung beruht auf einem Tatsachenbericht der Kommission, der von einem konkreten Vorschlag an den Rat begleitet wird. Auf der Grundlage dieses Vorschlages kann der Rat dann einstimmig darüber befinden, ob die Übergangsfristen gekürzt oder gar aufgehoben werden. In diesem Zusammenhang dürften insbesondere die Bewegungen der relativen Eigentumspreise während der Übergangsperiode 93 sowie die einzelnen regionalen Entwicklungen 94 berücksichtigt werden. 88 Da die Leistungserbringung im Rahmen der DF - in Abgrenzung zur NF - lediglich vorübergehend erfolgen darf, handelt es sich bei der längerfristig beabsichtigten Vermietung in aller Regel um die Ausübung der NP. Siehe zu dieser Abgrenzung oben C. V. 2. b) (2) und (4). 89 V gl. das Kommissionspapier (pure capital investments and investment for letting). 90 Eine mögliche Ausnahme besteht für den Fall Sloweniens, soweit sich das Land auf die allgemeine wirtschaftliche Schutzklausel beruft. Dann könnten gegebenenfalls auch entsprechende Direktinvestitionen eingeschränkt werden. 91 Vgl. das Kommissionspapier. 92 Dieses Erfordernis besteht für die drei baltischen Staaten, die Slowakei und Ungarn. Ausnahmen sind Slowenien, Tschechien, Zypern und Malta, wo der Grunderwerb für Landwirte bereits ab dem Beitrittszeitpunkt möglich ist. 93 Ausweislich des Kommissionspapiers (Fn 1) soll die Annäherung der Gesamtpreise für Ackerböden im Beitrittsland an den entsprechenden Durchschnittspreis innerhalb der EU zum Zeitpunkt des Beitritts überprüft werden. Sollte die Preisbewegung ergeben, daß - bei
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Dieses System der zwischenzeitlichen Überprüfung verfolgt das Ziel, den unterschiedlichen Problemen und Interessen der einzelnen Beitrittsländer Rechnung zu tragen. Zugleich soll es einen angemessenen Ausgleich ermöglichen zwischen den Anliegen dieser Staaten und denjenigen Bestimmungen des Unions- und Gemeinschaftsrechts, die für die Verwirklichung des Binnenmarktes von großer Bedeutung sind. Der gemeinschaftliche Besitzstand soll eben nur so weit wie erforderlich, aber nicht mehr als nötig durch Übergangsregelungen materielle Einschränkungen erfahren. Gewisse Unsicherheiten birgt in diesem Zusammenhang die einigen MOES eingeräumte Möglichkeit der Berufung auf ernsthafte wirtschaftliche Störungen bzw. auf die allgemeine wirtschaftliche Schutzklausel, 95 um die Übergangsfristen für den Bereich des Erwerbs von Wald- und Ackerland ein weiteres Mal zu verlängern. 96 Zwar erscheint die Möglichkeit, Übergangsfristen für den Fall noch unbewältigter Probleme verlängern zu können, aus Sicht der einzelnen Beitrittsländer durchaus vorteilhaft. Es darf jedoch nicht im freien Belieben der betreffenden MOES stehen, die Geltung des materiellen Gemeinschaftsrechts weiter hinauszuzögern. Deshalb bedürfte es noch der Festlegung hinreichend bestimmter und (gerichtlich) überprüfbarer Kriterien 97 für eine Fristverlängerung. Ansonsten besteht allzu leicht die Gefahr, daß der notwendige Druck zu Reformen des Bodensektors in den betreffenden Staaten nicht wirksam aufrechterhalten werden kann. Alles in allem unterscheidet sich das von der Kommission für den Beitritt der MOES entwickelte System der Übergangsregelungen in vielerlei Hinsicht von den Konzeptionen anläßlich früherer Erweiterungen der EU. Es weist insgesamt eine Zugrundelegung eines linearen Anstieges der Preisbewegung - der Preis im Beitrittsland den Preis innerhalb der EU zum Zeitpunkt des Beitritts nicht übersteigen wird, so soll die Übergangsfrist in voller Länge (i. d. R. sieben Jahre) beibehalten werden dürfen. 94 Falls die Nachprüfung keine hinreichenden Gründe dafür ergibt, daß das jeweilige Beitrittsland die Übergangsfrist während ihrer vollen Länge auf sein gesamtes Staatsgebiet anwendet, soll es Informationen über langsamer verlaufende Preisentwicklungen in einzelnen Gebieten des Landes vorbringen können. In diesem Fall könnte dann evtl. die Übergangsfrist in voller Länge auf diese näher bestimmten Gebiete Anwendung finden. Zudem soll es dem Beitrittsland unbenommen bleiben, rechtzeitig weitere relevante Faktoren, die seiner Ansicht nach im Bericht und Vorschlag der Kommission an den Rat enthalten sein sollten, vorzubringen. Vgl. dazu das Kommissionspapier (Fn 2). 95 Der Klauselwortlaut und eine diesbezügliche Erklärung der Kommission finden sich im Anhang K. der Arbeit. 96 Diese Möglichkeit besteht für die drei baltischen Staaten, die Slowakei, Slowenien, Tschechien und Ungarn. 97 In Betracht kommen z. B. die Entwicklung der Kaufkraft, Bodenpreise, demographische Entwicklung etc. Der Wortlaut der allgemeinen Schutzklausel und die diesbezügliche Erklärung der Kommission sprechen lediglich allgemein von "erheblichen und anhaltenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten". Dies erscheint als Voraussetzung für eine weitere Fristverlängerung allzu unbestimmt und dem Erfordernis der Rechtssicherheit nicht genügend Rechnung zu tragen.
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größere Differenziertheit in sachlicher und zeitlicher Hinsicht auf. Dies kommt zum einen in der grundsätzlichen Unterscheidung zwischen Zweitwohnsitzen einerseits und Wald- und Ackerland andererseits zum Ausdruck. Im Hinblick auf die jeweils betroffenen Grundfreiheiten ermöglicht die weitere Unterscheidung nach unterschiedlichen Erwerbs- und Nutzungszwecken (reine Kapitalanlage, Weitervermietung, Eigennutzung als selbständiger Landwirt oder zu Freizeit- und Erholungszwecken) eine erhöhte Flexibilität im Einzelfall. Die Einführung eines Überprüfungssystems, welches vor Ablauf der möglichen Gesamtlaufzeit eine Anpassung der Fristen in zeitlicher und räumlicher Hinsicht ermöglicht, geht in dieselbe Richtung und sollte aus diesem Grunde auch für künftig anstehende Verhandlungen herangezogen werden. Dadurch können pauschale Lösungen eher vermieden werden, die entweder den Problemen und Interessen der beitretenden Staaten nicht in ausreichender Weise Rechnung tragen oder den gemeinschaftlichen Besitzstand in überzogener Weise einschränken und damit zu Lasten der Integrationstiefe gehen. Mit einem großen Fragezeichen zu versehen ist allerdings die für Polen entwikkelte Lösung, welche sich in wesentlichen Punkten von den übrigen Übergangsregelungen unterscheidet. Dies betrifft zum einen die zeitliche Dimension. Bereits die Übergangsfrist von zwölf Jahren für den Erwerb landwirtschaftlicher Flächen und Wälder ist ungewöhnlich lange. Zwar sind selbständige Landwirte von dieser Frist ausgenommen. Für sie besteht jedoch innerhalb dieses Zeitraumes das Erfordernis der Einhaltung einer dreijährigen Wohn- und Pachtfrist für die östlichen und einer siebenjährigen Wohn- und Pachtfrist für die westlichen Landesteile (sog. Woiwodschaften) vor der eigentlichen Möglichkeit des Landerwerbs. Dieses Verhandlungsergebnis wird von der Kommission sehr allgemein mit der "außergewöhnlichen Lage" Polens im Vergleich zu anderen Beitrittsländern sowie mit nicht näher spezifizierten historischen und wirtschaftlichen Argumenten begründet. 98 Es liegt auf der Hand, daß die generelle zwölfjährige Frist sowie die zusätzlichen Wohn- und Pachterfordernisse vor dem Erwerb von Ackerland gegenüber anderen MOES, insbesondere auch gegenüber Tschechien und Ungarn, eine sehr beachtliche Bevorzugung bedeuten. 99 Man fragt sich, warum es dazu kam. Allein mit Problemen des polnischen Agrarsektors läßt sich eine zufriedenstellende Antwort sicher nicht begründen. Es wäre nämlich nicht ersichtlich, warum die Bewältigung dieser spezifischen Probleme in den westlichen Landesteilen mit siebenjähriger Wohn- und Pachtfrist mit größeren Schwierigkeiten verbunden sein sollte 98 Vgl. Süddeutsche Zeitung v. 22.3.2002. Weder in den offiziellen Dokumenten der Kommission noch der deutschen Bundesregierung findet sich eine nähere Begründung für das Polen betreffende Verhandlungsergebnis. 99 Entsprechend sprach auch der polnische Unterhändler Truszczynski von einem "optimalen Ergebnis, das als Erfolg der polnischen Seite bezeichnet werden kann", vgl. Brössler, Polen schützt sich vor dem "Ausverkauf', in: Süddeutsche Zeitung v. 22. 3. 2002.
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als in den östlichen Gebieten, für die "nur" ein dreijähriges Wohn- und Pachterfordernis gilt. Zudem werden diese Probleme bereits anderweitig berücksichtigt. 100 Die in Polen äußerst emotional geführten Diskussionen sowie die Begründung der Kommission lassen anderweitige Motive vermuten. So spricht einiges dafür, daß die wesentlich längere Erwerbsfrist für die nahe an die Bundesrepublik Deutschland angrenzenden, westlichen Landesteile vor allem dazu dienen soll, den Erwerb durch Bundesbürger im allgemeinen und ehemalige Heimatvertriebene bzw. deren Nachkommen im besonderen möglichst lange zu verhindern. 101 Dazu würde es jedenfalls passen, daß die mit der längeren, siebenjährigen Pachtfrist belegten westlichen Woiwodschaften genau diejenigen Gebiete umfassen, in denen deutsche Volksgruppen vor ihrer Vertreibung zu großen Teilen angesiedelt waren. 102 Berücksichtigt man das durchschnittlich sehr hohe Lebensalter dieser potentiellen Erwerbergruppe, so bewirkt die für Polen gefundene Lösung jedenfalls faktisch den dauerhaften Ausschluß dieser Menschen von den in der EU gewährten Möglichkeiten des Immobilienerwerbs. Dieses Ergebnis steht damit in offenem Widerspruch zu den sinngemäß auch auf Polen übertragbaren Ausführungen des Europäischen Parlaments in der Vertriebenendebatte anläßlich des Beitritts der Tschechischen Republik. 103 Zugleich stellt sich die Frage, ob mit dieser für Polen vereinbarten Regelung - zumindest auch eine Diskriminierung namentlich deutscher Staatsbürger verbunden oder gar intendiert ist. Zwar betrifft die Regelung formell sämtliche EU-Ausländer. Eine offene 100 Die Probleme des Agrarsektors in Polen sind bereits Gegenstand der allgemeinen wirtschaftlichen Schutzklausel, vgl. die diesbezügliche Erklärung der Kommission im Anhang K. der Arbeit. 101 Siehe näher zu diesen Beweggründen, welche zwar nicht offiziell in den Verhandlungsdokumenten genannt werden, die jedoch in der öffentlichen politischen Debatte Polens und der Tschechischen Republik eine sehr bedeutsame Rolle spielen, Ludwig, in FAZ v. 26. 5. 2000, S. 58, FAZ v. 5. 6. 2001, S. 5, FAZ v. 24. 11. 2001, S. 6. 102 Wie aus dem Anhang K. ersichtlich, handelt es sich hierbei u. a. um Gebiete im ehemaligen Schlesien, Masuren und Pommern. 103 Unter Hinweis auf das Gutachten von Frowein (oben Fn 8) beschloß das EP am 20. 11. 2002, daß die tschechischen Benesch-Dekrete, auf deren Grundlage die Vertreibung deutscher und ungarischer Volksgruppen erfolgt war, einem Beitritt Tschechiens nicht entgegenstünden. Dabei hob das EP jedoch ausdrücklich hervor, daß durch den Beitritt ein Zustand geschaffen werde, der insbesondere durch die grundfreiheitlichen Garantien (und die damit verbundenen Möglichkeiten des Immobilienerwerbs) zu einer wesentlichen Verbesserung der Situation aller Betroffenen führen werde (FundsteIlennachweise bei Rengeling / Szczekalla, Grundrechtscharta, § 2 Rn 128, Fn 79). Es wurde auch in der Literatur (Rengeling / Szczekalla, a. a. 0.) geäußert, daß der Beitritt zumindest zu einer annähernden Verwirklichung der Rechte aller Betroffenen führen werde und deshalb einem Unterbleiben der Erweiterung u. a. aus grundrechtlichen Erwägungen vorzuziehen sei. Ähnlich äußert sich auch Nettesheim, EUBeitritt und Unrechtsaufarbeitung, in: EuR 2003, S. 36,43. Es wurde also unisono davon ausgegangen, daß es hinsichtlich des (grundfreiheitlichen) Immobilienerwerbs in den ehemaligen Vertreiberstaaten zu keinerlei Diskriminierungen, erst recht in bezug auf die Vertriebenen, kommen würde.
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Diskriminierung scheidet daher aus. Aus den bereits genannten Umständen läßt sich aber ohne weiteres auf das Vorliegen einer mittelbaren bzw. versteckten Diskriminierung bundes deutscher Erwerber und speziell ehemaliger Heimatvertriebener schließen. Von der für die westlichen Landesteile Polens vereinbarten längeren Frist sind eben in erster Linie Vertriebene betroffen, die in diesen Gebieten ehedem angesiedelt waren, und die daher ein besonderes Interesse am Landerwerb in diesen Regionen haben könnten. Ein gewichtiges Indiz für diese Hypothese sind die von der Kommission angeführten "historischen Gründe", wie sie auch in Polens politischer Öffentlichkeit bis auf den heutigen Tag anklingen. Eine derartige Intention läßt sich also schwerlich von der Hand weisen. Sie ist im Hinblick auf die große politische Brisanz des Themas und die Ängste in großen Teilen der polnischen Bevölkerung sicherlich verständlich. Nichtsdestotrotz ist zweifelhaft, ob eine auf diesen Gründen basierende Diskriminierung europarechtlich zulässig sein kann. Die Möglichkeit des Grundstückserwerbs in der Union resultiert aus den Grundfreiheiten, den Gemeinschaftsgrundrechten, der Unionsbürgerschaft und anderen allgemeinen Aufenthaltsrechten. Im Falle des Beitritts neuer Staaten zur EU bleibt es den Mitgliedstaaten grundsätzlich unbenommen, durch den Erlaß primärrechtlicher Sonderregelungen die Anwendbarkeit der jeweiligen Immobilienerwerbsrechte zu modifizieren bzw. deren Inhalt und Schranken näher zu bestimmen. Dies folgt daraus, daß die Mitgliedstaaten bei der Vereinbarung solcher Sondervorschriften nicht "im Bereich des Gemeinschaftsrechts" tätig werden, sondern dieses als souveräne Vertragsparteien originär selbst setzen. Gleichwohl sind die Mitgliedstaaten bei der Vereinbarung solcher Sonderregelungen nicht völlig frei. Wie bereits klargestellt, dürfen sie insbesondere nicht gegen rechtsstaatlich begründete Willkür- und Diskriminierungsverbote verstoßen. Diese Verbote sind wesentliche Bestandteile fundamentaler Strukturprinzipien der EU, die zugleich in sämtlichen europäischen Verfassungen verankert und darüber hinaus auch völkerrechtlich für sämtliche Mitgliedstaaten bindend sind. 104 Derartige Grundsätze und Garantien, namentlich das Verbot der Diskriminierung aus Gründen der ethnischen Herkunft bzw. Zugehörigkeit zu einer bestimmten Volksgruppe, sind Bestandteil eines "änderungsfesten Kerns" des Unions- und Gemeinschaftsrechts. Sie statuieren inhaltliche Begrenzungen, denen die Mitgliedstaaten auch bei der Setzung bzw. Änderung des gemeinschaftlichen Primärrechts unterliegen. Damit haben sie die Funktion materieller Schranken für den Erlaß primärrechtlicher Sondervorschriften, auf deren Grundlage der Immobilienerwerb in der EU eingeschränkt werden darf. Die für Polen vereinbarten Sonderregelungen verstoßen gegen diese inhaltlichen Begrenzungen. Sie beinhalten eine versteckte bzw. mittelbare Diskriminierung na104 Siehe dazu ausführlich oben G. VI. 3. sowie Pernice I Mayer, in: Grabitzl Hilf, nach Art. 6 EUV Rn 161 ff. zu Kapitel III der (derzeit noch rechtlich unverbindlichen) EU-Grundrechtscharta mit dem Titel "Gleichheit".
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mentlich deutscher Heimatvertriebener. Hauptanlaß für die insbesondere die westlichen Landesteile Polens betreffende Sonderregelung ist nämlich allem Anschein nach die (historische) Verwurze1ung der von ihr primär betroffenen Volksgruppen in eben diesen Regionen. Genau genommen liegt darin also eine versteckte bzw. mittelbare Diskriminierung der Vertriebenen aufgrund ihrer ethnischen Zugehörigkeit und Herkunft. Wie sich sowohl aus den gemeinschaftsrechtlich als auch in den nationalen Verfassungen kodifizierten Diskriminierungsverboten einhellig ergibt,105 ist die (auch nur mittelbare) Anknüpfung 106 an diese Merkmale für eine SchlechtersteIlung der betroffenen Gruppe ausnahmslos unzulässig. 107 Dies ergibt sich im wesentlichen aus der engen Verbindung dieser (absoluten) Differenzierungs- bzw. Begründungsverbote mit dem Grundsatz der Menschenwürde. 108 Daher ist auch eine aus diesen Gründen anzuerkennende Rechtfertigung des für Polen vereinbarten Verhandlungsresultats von vornherein ausgeschlossen. Es bestehen mithin erhebliche Zweifel an der Vereinbarkeit der für Polen bewilligten Sonderregelungen mit menschenrechtlichen und rechtsstaatlichen Grundsätzen, namentlich im Hinblick auf die Einhaltung des diesen Prinzipien immanenten Willkürverbotes. Allerdings ist fraglich, welche rechtlichen Konsequenzen der hier angenommene Verstoß gegen diese Prinzipien hat. Angesichts der fundamentalen Bedeutung der verletzten Grundsätze und Garantien läßt sich die Nichtigkeit der betreffenden Sondervorschriften nicht von vornherein ausschließen. Diese Rechtsfolge dürfte indes nicht zwingend und automatisch eintreten. Zumindest folgt aus dem Verstoß gegen die genannten Grundsätze die Gemeinschaftsrechtswidrigkeit der für Polen bewilligten Regelungen. Aus den genannten Gründen kann außerdem ein Verstoß gegen (sonstige) völkerrechtliche Bindungen der Mitgliedstaaten sowie gegen ihr jeweiliges nationales Verfassungsrecht in Betracht kommen. 109 105 Vgl. nur Art. 21 der EU-Grundrechtscharta, wonach Diskriminierungen insbesondere wegen der ethnischen Herkunft, der Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit und der Geburt verboten sind. Auf nationaler Ebene ist etwa der Art. 3 Abs. 3 des deutschen Grundgesetzes zu erwähnen. Danach darf niemand u. a. wegen seiner Abstammung und seiner Heimat und Herkunft benachteiligt oder bevorzugt werden. 106 So für Art. 3 GG Heun, in: Dreier, GG, Art. 3 Rn 116, 122 ff. mit dem Hinweis, daß auch nach Ansicht des BVerfG mittelbare bzw. verdeckte Diskriminierungen von Art. 3 Abs. 3 GG erfaßt werden. 107 Hingegen kann eine Besserstellung, insbesondere beim Immobilienerwerb, zulässig sein, wenn dies zum Schutze des Fortbestandes dieser Volksgruppen erforderlich ist. Dies zeigt sich etwa an dem Protokoll Nr. 2 über die Alandinseln, welches Einschränkungen des Grunderwerbs zum Schutze der dortigen Bewohner zuläßt. Siehe dazu oben G. 11. 108 Dürig, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 3 Abs. 3 Rn 1; Starck, in: von Mangoldt/Klein/ Starck, GG, Art. 3 Abs. 3 Rn 367; Heun, in: Dreier, GG, Art. 1 Rn 59 und Art. 3 Rn 15, 116; Kriele, Freiheit und Gleichheit, in: Recht - Vernunft - Wirklichkeit, 1990, S. 143, 158 f. 109 Zu diesen unterschiedlichen Quellen für materielle Begrenzungen der Primärrechtsetzungsbefugnis der Mitgliedstaaten siehe näher oben G. VI. 3.
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Ob dieser Verstoß durch eine Angleichung der die westlichen Landesteile betreffenden Vorschriften an die für die östlichen Landesteile geltenden, kürzeren Fristen geheilt werden könnte oder ob die Regelungen in ihrer Gesamtheit einer Neukonzeption bedürfen, läßt sich schwerlich sagen. Es handelt sich hierbei zumindest auch um eine (integrations-)politische Entscheidung der Mitgliedstaaten. Die Frage nach den genauen Rechtsfolgen des Verstoßes muß also an dieser Stelle offenbleiben. Ihre Beantwortung obliegt den dafür zuständigen gemeinschaftlichen und gegebenenfalls auch völkerrechtlichen und nationalen Institutionen. Diese dürften allein in der Lage sein, die betreffenden Sondervorschriften unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des Einzelfalles auf ihre Rechtmäßigkeit hin zu überprüfen und einen Verstoß gegen höherrangiges Recht zu korrigieren. 111. Künftige Bedeutung nationaler Immobilienerwerbsregelungen in den MOES
Vor dem Hintergrund der soeben aufgezeigten Ergebnisse der Beitrittsverhandlungen stellt sich die Frage nach dem weiteren rechtlichen Schicksal der in den neuen Mitgliedstaaten bisher bestehenden Immobilienerwerbsgesetze. Es ergibt sich nämlich folgende Situation: Einerseits stehen die nationalen Regelungen in (zumindest partiellem) Widerspruch zu den allgemeinen gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben für die Ermöglichung des Grunderwerbs durch (EU -)Ausländer. Andererseits dürfen nationale Einschränkungen des Immobilienerwerbs von den einzelnen MOES auch noch nach deren Beitritt zur EU zumindest teilweise - auf Dauer oder nur während einer Übergangszeit - beibehalten werden. Letzteres ist darauf zurückzuführen, daß mittels primärrechtlicher Übergangs- und Ausnahmeregelungen llO ein Vorrang der betreffenden nationalen Vorschriften gegenüber sonstigem primären und sekundären Gemeinschaftsrecht begründet worden ist. Dieses Verhältnis wird zunächst näher erläutert. Sodann werden einzelne nationale Immobilienerwerbsregelungen exemplarisch skizziert und auf ihre zukünftige Relevanz für den Grunderwerb durch EU-Bürger überprüft.
110 Siehe dazu oben G. bezüglich den Immobilienerwerb betreffender dauerhafter Ausnahmevorschriften sowie H. 11. 2. d) (3) bezüglich befristeter Übergangsregelungen. Diese betreffen überwiegend nur den Erwerb von Zweitwohnsitzen und landwirtschaftlichen Flächen. Der Erwerb zu reinen Investitionszwecken wird generell nicht erfaßt.
III. Künftige Bedeutung nationaler Immobilienerwerbsregelungen
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1. Verhältnis nationaler 1mmobilienenverbsregelungen zu gemeinschaftlichen Ausnahme- und Übergangsregelungen und sonstigem Gemeinschaftsrecht
Die bereits unter G. dargestellten dauerhaften Ausnahmevorschriften sowie die unter H. 11. 2. d) (3) näher erörterten, zeitlich befristeten Übergangsregelungen zum Immobilienerwerb stellen primäres Gemeinschaftsrecht dar, welches (dauerhaft bzw. zeitlich befristet) von sonstigem primären und sekundären Gemeinschaftsrecht abweicht und diesem vorgeht. 111 Dieser Vorrang besteht grundsätzlich gegenüber sämtlichen gemeinschaftlichen 1mmobilienenverbsrechten, wie sie etwa durch die Grundfreiheiten, Grundrechte oder sonstige (allgemeine) Aufenthaltsrechte verbürgt werden. Er resultiert aus der Tatsache, daß die Ausnahme- und Übergangsregelungen von den Mitgliedstaaten als "Herren der Verträge" und Setzer des gemeinschaftlichen Primärrechts im Rahmen der jeweiligen Beitrittsverhandlungen mit neuen Mitgliedstaaten erlassen worden sind. 112 Dennoch sind die Mitgliedstaaten beim Erlaß derartiger Sondervorschriften nicht völlig frei. Wie sich gezeigt hat, haben sie auch in diesem Fall gewisse inhaltliche Vorgaben und Begrenzungen zu beachten, deren Einhaltung Voraussetzung für die materielle Rechtmäßigkeit der Ausnahme- und Übergangsregelungen iSt. 113 Allgemein stellen solche gemeinschaftsrechtlichen Sonderregelungen eine Ausnahme von dem Grundsatz der sofortigen und vollständigen Übernahme des Gemeinschaftsrechts 114 im Falle eines Beitritts dar. Zudem führen sie zu einer dauerhaften bzw. temporären Rechtszersplitterung. 115 Im vorliegenden Zusammenhang wird durch sie ein primärrechtlicher Vorbehalt zugunsten der nationalen 1mmobilienenverbsregelungen der Beitrittsländer im Verhältnis zu sonstigem Gemeinschaftsrecht begründet. Dadurch dürfen die erfaßten nationalen Einschränkungen des Immobilienerwerbs teils dauerhaft, teils nur bis zum Ablauf der dem betreffenden Beitrittsland eingeräumten Übergangsfrist, beibehalten und angewendet werden. In den allermeisten Fällen gilt dies jedoch nur insoweit, als die nationalen Vorschriften den Erwerb von Zweitwohnsitzen sowie von Wald- und Ackerland einBezüglich Übergangsfristen allgemein Vedder, in: Grabitzl Hilf, Art. 49 EUV Rn 46. Zur Einordnung der entsprechenden Regelungen als primäres Gemeinschaftsrecht siehe oben G. VI. 2. Die dortigen Ausführungen gelten nicht nur für dauerhafte Ausnahmevorschriften, sondern auch für die mit den MOES vereinbarten Übergangsregelungen zum Immobilienerwerb. 113 Siehe dazu oben G. VI. 3. sowie H. II. 2. d) (3) bezüglich der Sonderregelungen für Polen. 114 EuGH, Rs. 258/81, Slg. 1982, S. 4279 Rn 8 (Metallurgiki Halyps): "Grundsatz der sofortigen vollständigen Anwendung der Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts auf die neuen Mitgliedstaaten ( ... ), wobei Abweichungen nur insoweit zulässig sind, als sie in den Übergangsbestimmungen ausdrücklich vorgesehen sind". 115 Vedder; in: GrabitzlHilf, Art. 49 EUV Rn 46. 111
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H. Immobilienerwerb und Osterweiterung der Europäischen Union
schränken. Der Grunderwerb zu reinen Anlage- und Investitionszwecken wird generell nicht erfaßt und ist demzufolge bereits ab dem Beitrittszeitpunkt zu gewährleisten. Mit anderen Worten: Der den MOES ermöglichte Ausschluß des Grunderwerbs durch (EU-)Ausländer ist nicht umfassender Natur. Soweit nämlich die nationalen Erwerbsbeschränkungen inhaltlich nicht mehr vom Anwendungsbereich der jeweiligen Ausnahme- und Übergangsvorschriften erfaßt werden, etwa im Bereich der Direktinvestitionen oder hinsichtlich der Ausübung der Niederlassungsfreiheit, nehmen sie auch nicht mehr an der durch letztere vermittelten Vorrangwirkung gegenüber sonstigem Gemeinschaftsrecht teil. Folglich werden die nationalen Regelungen insoweit aufgrund des Anwendungsvorranges des Gemeinschaftsrechts im konkreten Einzelfall verdrängt. Die Berechtigten können sich also außerhalb des materiellen Anwendungsbereiches der gemeinschaftsrechtlichen Sonderregelungen (Ausnahme- und Übergangsvorschriften) 116 bereits ab dem Beitrittszeitpunkt unmittelbar auf die jeweils einschlägigen gemeinschaftsrechtlichen Immobilienerwerbsrechte berufen. Dieses recht differenzierte Verhältnis der nationalen Immobilienerwerbsgesetze zu den diesbezüglichen gemeinschaftsrechtlichen Sonderregelungen und sonstigem (allgemeinen) Gemeinschaftsrecht gilt es bei der nun folgenden Betrachtung der in den MOES bisher bestehenden Grunderwerbsregelungen zu berücksichtigen. 2. Regelung des Immobilienerwerbs in einzelnen Beitrittsländern
Wie soeben erläutert, dürfen die bisherigen nationalen Grunderwerbsgesetze der beigetretenen MOES wegen ihrer durch gemeinschaftsrechtliche Sonderregelungen (Ausnahme- und Übergangs vorschriften) vermittelten Vorrangstellung gegenüber sonstigem Gemeinschaftsrecht in näher bestimmten Bereichen weiterhin Anwendung finden. Daher sollen diese nationalen Vorschriften, welche durchweg Einschränkungen des Liegenschaftserwerbs beinhalten, im folgenden näher dargestellt und genauer auf ihre künftige Relevanz für den Immobilienerwerb durch (EU-)Ausländer untersucht werden. Als Beispiel eignet sich dazu besonders die Immobiliengesetzgebung des neuen Mitgliedstaates Polen, die den Grunderwerb durch (EU-)Ausländer relativ weit einschränkt. Ausweislich der Polen bewilligten Übergangsregelungen darf dieses Land seine nationalen Vorschriften über den Erwerb von Zweitwohnsitzen für fünf Jahre und über den Erwerb land- und forstwirtschaftlicher Grundstücke für zwölf Jahre nach dem EU-Beitritt beibehalten. I I?
116 Siehe zur inhaltlichen Reichweite der dauerhaften Ausnahmevorschriften oben G., bezüglich der ÜbergangsregeIungen H. H. 2. d) (3). 117 Vgl. Anhang K. der Arbeit sowie oben H. H. 2. d) (3).
III. Künftige Bedeutung nationaler Immobilienerwerbsregelungen
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a) Regelung des Immobilienerwerbs in Polen Der Immobilienerwerb in Polen 118 durch ausländische natürliche oder juristische Personen unterliegt durchweg einer ministeriellen Genehmigungspf/.icht. 119 Wichtigste Rechtsgrundlage ist das Gesetz über den Erwerb von Grundstücken durch Ausländer vom 24. März 1920. 120 Ausländer im Sinne des zitierten Gesetzes ist (1) eine natürliche Person, die nicht die polnische Staatsangehörigkeit besitzt; 121
(2) eine juristische Person, die ihren Sitz im Ausland hat; (3) eine Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit der unter den Punkten 1 und 2 genannten Personen, die ihren Sitz im Ausland hat und gemäß der Gesetzgebung fremder Staaten gegründet wurde; (4) eine juristische Person und Handelsgesellschaft, die keine Rechtspersönlichkeit besitzt und zwar ihren Sitz auf dem Gebiet der Republik Polen hat, jedoch unmittelbar oder mittelbar von unter den Punkten 1, 2 und 3 genannten Personen kontrolliert wird. 122 118 Ausführliche Informationen zum Thema Grundstückserwerb durch Ausländer können auch auf der Internetseite des Ministeriums für Innere Angelegenheiten und Verwaltung (www.mswia.gov.pl) bezogen werden. Die folgenden Ausführungen beziehen sich auf eine Informationsschrift dieses Ministeriums für den Grundstückserwerb in Polen. 119 Das Genehmigungserfordernis bezieht sich sowohl auf den Erwerb des Eigentums als auch auf den Erwerb eines Erbnießbrauchs an einem Grundstück. Die Genehmigung erteilt der Direktor der Abteilung Genehmigungen und Konzessionen des Ministeriums für Innere Angelegenheiten und Verwaltung in Vollmacht des Ministers für Innere Angelegenheiten und Verwaltung im Einvernehmen mit dem Minister für nationale Verteidigung und im Falle landwirtschaftlicher Grundstücke auch im Einvernehmen mit dem Minister für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung. Die Genehmigung wird in Form eines Verwaltungsakts aufgrund eines entsprechenden Antrages erteilt. Im Verfahren finden die Vorschriften des Verwaltungsverfahrensgesetzbuches (VwVfGB vom 14. Juni 1960, Dz. U. 2000, Nr. 98, Pos. 1071) Anwendung. Gegen die Versagung der Genehmigung bestehen die Rechtsmittel des Antrages auf erneute Prüfung der mit dem ministeriellen Bescheid abgeschlossenen Sache sowie der Klage vor dem Hauptverwaltungsgericht gegen den ministeriellen Bescheid wegen mangelnder Rechtmäßigkeit, wofür das Gesetz über das Hauptverwaltungsgericht vom 11. Mai 1995 (Dz. U. 74, Pos. 368) einschlägig ist. 120 Gesetz über den Erwerb von Grundstücken durch Ausländer vom 24. März 1920 (Dz. U. 1996, Nr. 54, Pos. 245, mit späteren Änderungen). Der Erwerb des Eigentums oder des Erbnießbrauchs an einem Grundstück entgegen den Vorschriften dieses Gesetzes ist von Rechts wegen unwirksam. 121 Gesetz über die polnische Staatsangehörigkeit vom 15. Februar 1962 (Dz. U. 2000, Nr. 28, Pos. 353, neugefaßter Text); Ausländer i. S. des zitierten Grunderwerbsgesetzes sind auch Staatenlose, nicht aber polnische Staatsbürger, die gleichzeitig die Staatsangehörigkeit eines oder mehrerer anderer Staaten besitzen. 122 Eine Handelsgesellschaft gilt als kontrolliert, wenn in ihr ein oder mehrere Ausländer eine dominierende Position innehaben. Art. 4 § 1 Punkt 4 des Gesetzbuches für Handelsgesellschaften vom 15. September 2000 (Dz. U. Nr. 94, Pos. 1037) findet entsprechende Anwendung.
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H. Immobilienerwerb und Osterweiterung der Europäischen Union
Bei der Prüfung der Genehmigungsvoraussetzungen wird grundsätzlich zwischen natürlichen und juristischen Personen unterschieden. Zudem gelten besondere Bestimmungen für den Erwerb bzw. die Übernahme von Anteilen oder Aktien einer Gesellschaft mit Sitz in Polen durch Ausländer, wenn die Gesellschaft Eigentümer oder Erbnießbraucher eines Grundstücks iSt. 123 ( J) Erwerb durch natürliche Personen
Bei der Prüfung individueller Genehmigungsanträge einer natürlichen Person wird speziell auf das etwaige Bestehen einer persönlichen Verbindung des Ausländers zu Polen geachtet. Ins Gewicht fällt dabei insbesondere (a) der Umstand polnischer Nationalität 124 oder polnischer Abstammung; (b) die Eingehung der Ehe mit einem Staatsangehörigen der Republik Polen; (c) das Wohnen in Polen auf der Grundlage einer Daueraufenthaltskarte; 125 (d) die Zugehörigkeit zum Führungspersonal (Vorstandsvorsitzender, Vorstandsmitglied, eingetragen ins Handelsregister) von Unternehmen mit ausländischem Kapital; (e) die Ausübung einer Wirtschaftstätigkeit auf dem Gebiet Polens gemäß den im Wirtschaftstätigkeitsgesetz beschriebenen Grundsätzen. 126 Zudem berücksichtigt der zuständige Minister die Lebensbedürfnisse von Antragstellern bis zu einer Grenze von etwa 50 Ar (5000 m2 ) und im Falle des Erwerbs eines Grundstücks für eine Wirtschaftstätigkeit, ob dieses unmittelbar für die Ausübung der Tätigkeit erforderlich ist. (2) Erwerb durch juristische Personen
Bei der Prüfung individueller Genehmigungsanträge juristischer Personen wird die Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit gemäß den Vorschriften des polnischen Rechts besonders beachtet. Eine Genehmigung können demnach erhalten: 123 Außer einer Genehmigung kann auch die Erteilung einer bloßen Genehmigungszusage (sog. Promesse) beantragt werden. Der Antrag muß alle formalrechtlichen Bedingungen erfüllen, die auch im Falle des Begehrens einer Genehmigung gelten. Die Promesse stellt ebenfalls einen Verwaltungsakt dar und beschreibt die Bedingungen, nach deren Erfüllung der Ausländer eine Genehmigung beantragen kann. Im Zeitraum der Wirksamkeit der Promesse (sechs Monate) kann die Genehmigungserteilung nicht abgelehnt werden, es sei denn, daß eine wesentliche Änderung des entscheidungserheblichen Sachverhalts stattgefunden hat. 124 Die Nationalität kann im Umkehrschluß zur Ausländerdefinition nicht mit der Staatsangehörigkeit gleichgesetzt werden, sondern entspricht wohl lediglich der gleichfalls genannten Abstammung. 125 Die Erteilung der Daueraufenthaltskarte richtet sich nach dem Ausländergesetz vom 25. Juni 1997 (Dz. U. 114, Pos. 739, mit späteren Änderungen). 126 Wirtschaftstätigkeitsgesetz vom 19. November 1999 (Dz. U. Nr. 101, Pos. 1178, mit späteren Änderungen).
III. Künftige Bedeutung nationaler Immobilienerwerbsregelungen
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(a) Handelsgesellschaften mit Sitz in Polen, wenn der Erwerb des Grundstücks unmittelbar für den Zweck der Ausübung der wirtschaftlichen Tätigkeit erforderlich ist; (b) Unternehmer mit Sitz im Ausland, die in Polen eine Vertretung oder eine Niederlassung besitzen, und zwar für deren Bedarf. 127 (3) Immobilienerwerb im Zusammenhang mit dem Erwerb von Gesellschaftsanteilen
Eine Genehmigungspflicht besteht auch für den Fall, daß ein Ausländer Anteile oder Aktien einer Gesellschaft mit Sitz in Polen erwerben will, wenn die Gesellschaft Eigentümer oder Erbnießbraucher eines Grundstücks ist und sie darüber hinaus (a) infolge des Erwerbs oder der Übernahme der Anteile oder Aktien zu einer kontrollierten Gesellschaft wird, bzw. (b) bereits eine kontrollierte Gesellschaft ist und die Anteile oder Aktien von einem Ausländer erworben oder übernommen werden sollen, der nicht Anteilseigner oder Aktionär dieser Gesellschaft iSt. 128 (4) Ausnahmen von der Genehmigungspflicht
Es bestehen gewisse Ausnahmen von der Verpflichtung zur Einholung einer Genehmigung, wobei wiederum zwischen natürlichen und juristischen Personen unterschieden wird. 129 So finden die Vorschriften des Gesetzes über den Erwerb von Grundstücken durch Ausländer keine Anwendung auf den Grunderwerb im Wege der Erbfolge durch natürliche Personen, die zum Kreis der gesetzlichen Erben gehören. Mit Ausnahme von Grundstücken, welche im Grenzgebiet gelegen sind, sowie von landwirtschaftlichen Böden mit einer Fläche von mehr als 1 ha ist die Einholung einer Genehmigung durch eine natürliche Person nicht erforderlich: 127 Wirtschaftstätigkeitsgesetz vom 19. November 1999 (Dz. U. Nr. 101, Pos. 1178, mit späteren Änderungen). 128 Gesetz über den Erwerb von Grundstücken durch Ausländer vom 24. März 1920 (Dz. U. 1996, Nr. 54, Pos. 245, mit späteren Änderungen) i. V. m. Art. 7 Punkt 1 des Gesetzes vom 8. August 1996 - Einführungsbestimmungen des Gesetzes zur Reformierung der Funktion der Wirtschaft und der öffentlichen Verwaltung (Dz. U. 1996, Pos. 497, mit späteren Änderungen). 129 Gesetz über den Erwerb von Grundstücken durch Ausländer vom 24. März 1920 (Dz. U. 1996, Nr. 54, Pos. 245; Dz. U. 1997, Nr. 140, Pos. 939; Dz. U. 1998, Nr. 106, Pos. 668 und Dz. U. 2001, Nr. 16, Pos. 166) i. V. m. Art. 7 Punkt I des Gesetzes vom 8. August 1996 (Dz. U. 1996, Pos. 497, mit späteren Änderungen). Siehe zu diesen Ausnahmen auch die zuvor genannte Informationsschrift des polnischen Ministeriums für innere Angelegenheiten und Verwaltung.
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H. Immobilienerwerb und Osterweiterung der Europäischen Union
(a) beim Erwerb eigenständigen Wohnraums durch einen Ausländer. Dies betrifft nicht eine Garage und andere Räumlichkeiten, die nicht Bestandteile des Wohnraums sind, und auch nicht anderweitige Geschäftsräume; (b) beim Grundstückserwerb durch einen Ausländer, der seit mindestens fünf Jahren ab Erhalt der Daueraufenthaltskarte in Polen wohnt; (c) beim Grundstückserwerb durch einen Ausländer, der mit einem polnischen Staatsangehörigen verheiratet ist und seit mindestens zwei Jahren ab Erhalt der Daueraufenthaltskarte in Polen wohnt, sofern das erworbene Grundstück in die gesetzliche Gütergemeinschaft der Eheleute fällt; (d) beim Grundstückserwerb durch einen Ausländer, der im Zeitpunkt des Erwerbs zum Kreis der gesetzlichen Erben des Veräußerers des Grundstücks gehört, wenn der Veräußerer mindestens fünf Jahre Eigentümer oder Erbnießbraucher dieses Grundstücks ist. Im Bereich des Grundstückserwerbs durch juristische Personen findet das Gesetz über den Erwerb von Grundstücken durch Ausländer von vornherein keine Anwendung in Fällen der bloßen Umwandlung einer Handelsgesellschaft. Wiederum mit der Ausnahme von Grundstücken, die in Grenzgebieten gelegen sind, sowie von landwirtschaftlichen Böden mit einer Fläche von mehr als I ha, ist eine Genehmigung nicht erforderlich: (a) beim Erwerb eigenständigen Wohnraums im Sinne des Raumeigentumsgesetzes l30 durch einen Ausländer. Dies betrifft nicht eine Garage und andere Räumlichkeiten, die nicht Bestandteile des Wohnraums sind und ebensowenig andere Geschäftsräume; (b) beim Erwerb von unbebauten Grundstücken, deren Gesamtfläche im Inland 0,4 ha städtischen Bodens nicht überschreitet, durch eine juristische Person mit Sitz in Polen für ihre satzungsmäßigen Zwecke; (c) beim Grundstückserwerb infolge der Übernahme des Eigentums am Grundstück bei einer fruchtlosen Versteigerung im Zwangsvollstreckungsverfahren durch einen Ausländer, der eine Bank und gleichzeitig Hypothekengläubiger ist. Ein Genehmigungserfordernis für den Enverb bzw. die Übernahme von Anteilen oder Aktien einer Gesellschaft mit Sitz in Polen, die Eigentümer oder Erbnießbraucher eines Grundstücks ist, besteht nicht, wenn die Gesellschaft Eigentümer oder Erbnießbraucher eines Grundstücks ist, für dessen Erwerb sie keine Genehmigung einholen müßte. Dies betrifft, wiederum unter Ausnahme von in Grenzgebieten gelegenen Grundstücken sowie landwirtschaftlichen Böden mit einer Fläche von mehr als I ha: (a) den Erwerb eigenständigen Wohnraums im Sinne des Raumeigentumsgesetzes. Dies gilt jedoch nicht für eine Garage und andere Räumlichkeiten, die nicht Bestandteile des Wohnraums sind, oder für anderweitige Geschäftsräume; 130
Raumeigentumsgesetz vom 24. Juni 1994 (Dz. U. Nr. 85, Pos. 388).
III. Künftige Bedeutung nationaler Immobilienerwerbsregelungen
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(b) den Erwerb unbebauter Grundstücke, deren Gesamtfläche im Inland 0,4 ha städtischen Bodens nicht überschreitet, durch die Gesellschaft für ihre satzungsmäßigen Zwecke; (c) den Grundstückserwerb infolge der Übernahme des Eigentums am Grundstück bei einer fruchtlosen Versteigerung im Zwangsvollstreckungsverfahren durch einen Ausländer, der eine Bank und gleichzeitig Hypothekengläubiger ist; (d) den Erwerb eines Grundstücks, wenn die Aktien zum öffentlichen Verkehr zugelassen wurden. Darüber hinaus besteht keine Genehmigungspflicht im Falle der Umwandlung einer Handelsgesellschaft sowie des Erwerbs oder der Übernahme von Aktien oder Anteilen einer Gesellschaft, die Eigentümer oder Erbnießbraucher eines Grundstücks ist, unter Ausnahme von Grundstücken, die im Grenzgebiet liegen, sowie von landwirtschaftlichen Böden mit einer Fläche von mehr als I ha, durch eine Bank, die eine in Art. lAbs. 2 Punkt 3 des Gesetzes genannte juristische Person ist, im Zusammenhang mit der Geltendmachung von Forderungen aus Bankgeschäften durch diese Bank. (5) Besondere Grundsätze der Genehmigungserteilung
Neben dem Erfordernis der Angabe ausführlicher Informationen des Antragsstellers 131 gelten für den Erwerb eines Grundstücks durch ein Unternehmen der Gemeinschaft 132 besondere Grundsätze. So wird eine Genehmigung erteilt, wenn das betreffende Unternehmen oder dessen Niederlassung in der Republik Polen gegründet wurde, und der Grunderwerb unmittelbar für die ausgeübte wirtschaftliche Tätigkeit erforderlich ist, für die das Unternehmen oder die Niederlassung gegründet wurde. Umgekehrt wird die Erteilung einer Genehmigung für ein Unternehmen oder eine Niederlassung der Gemeinschaft abgelehnt, wenn dies durch sozialpolitische Aspekte, Aspekte der öffentlichen Sicherheit oder der allgemeinen Gesundheit begründet ist. Zudem ist sowohl im Falle des Grunderwerbs durch eine ausländische juristische Person als auch im Falle des Erwerbs von Anteilen oder Aktien einer Gesellschaft mit Sitz in Polen, die Eigentümer oder Erbnießbraucher eines Grundstücks ist, durch einen Ausländer die Vornahme einer Kontrolle hinsichtlich der Beachtung der in der Genehmigung beschriebenen Bedingungen durch den Minister für innere Angelegenheiten innerhalb von zehn Jahren ab Erteilung der Genehmigung vorgesehen. Wird festgestellt, daß die Genehmigung entgegen den Rechtsvor131 Eine detaillierte Auflistung der vom Antragsteller mitzuteilenden Informationen sowie der Rechte der Parteien im Verwaltungs verfahren und etwaiger Rechtsmittel findet sich in den Informationsschriften des Ministers für Innere Angelegenheiten und Verwaltung, die auch im Internet (www.mswia.gov.pl) zu beziehen sind. 132 Gemeint ist wohl ein Unternehmen mit Sitz oder Hauptverwaltung innerhalb der Europäischen Union.
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H. Immobilienerwerb und Osterweiterung der Europäischen Union
schriften ausgenutzt wurde, stellt der Minister die Unwirksamkeit des Genehmigungsbescheides fest. 133 (6) Vereinbarkeit der Regelungen mit dem Unions- und Gemeinschaftsrecht
Die nationalen Einschränkungen des Immobilienerwerbs dürfen bis zum Ablauf der für Polen bewilligten Übergangsfristen beibehalten werden, soweit sie den Erwerb von Zweitwohnsitzen sowie von Wald- und Ackerland betreffen. 134 Darüber hinaus, etwa im Bereich des Erwerbs zu reinen Anlagezwecken oder zwecks Ausübung der Niederlassungsfreiheit, stehen diese Regelungen schon jetzt in Widerspruch zu den gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben für den Immobilienerwerb durch (EU-)Ausländer, wie sie sich aus den Grundfreiheiten, Gemeinschaftsgrundrechten und allgemeinen Aufenthaltsrechten ergeben. Denn in diesen Bereichen werden die nationalen Einschränkungen des Immobilienerwerbs inhaltlich nicht mehr von den bewilligten Übergangsregelungen erfaßt und können deshalb aufgrund des Anwendungsvorranges des Gemeinschaftsrechts im konkreten Einzelfall verdrängt werden. Dieser Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechts erstreckt sich nach Ablauf der jeweiligen Übergangszeit (2009 bzw. 2016) auch auf die bis dahin noch vorbehaltenen Bereiche des Erwerbs von Zweitwohnungen und Ackerland. Zur gemeinschaftsrechtlichen Vereinbarkeit im einzelnen: In aller Regel schränkt ein allgemeines Genehmigungseifordemis speziell für den Immobilienerwerb durch Ausländer die einschlägigen europarechtlichen Erwerbsrechte in unzulässiger, da nicht verhältnismäßiger Weise ein und führt zu einer (außerhalb des Erwerbs von Zweiwohnsitzen sowie von Wald- und Ackerland unzulässigen) Diskriminierung erwerbswilliger EU-Bürger. Dies betrifft sowohl den Grunderwerb durch natürliche als auch durch juristische Personen. Es gilt der vom EuGH aufgestellte Grundsatz, daß ein bloßes Anmelde- und Erklärungssystem (gegebenenfalls mit der Möglichkeit sich anschließender Kontroll- und Sanktionsmechanismen) gegenüber einem Genehmigungseifordemis regelmäßig das mildere und damit verhältnismäßigere Mittel zum Zwecke der Sicherung legitimer nationaler Interessen darstellt. Denn die Ausübung der betroffenen Rechte wird durch das Erfordernis einer bloßen Anmeldung des Erwerbs nicht behindert. 135 133 Allgemein ist der Minister für Innere Angelegenheiten und Verwaltung im Falle der Feststellung der Verletzung der gesetzlichen Vorschriften berechtigt, bei Gericht die Feststellung der Unwirksamkeit der Transaktion zu beantragen. 134 Zur inhaltlichen Reichweite der Übergangsfristen siehe oben I. 135 Siehe dazu die einschlägige Rspr. des EuGH unter C. VI. 3. e). Ein bloß (nachträgliches) Kontrollsystem sieht (außer im Falle des Erwerbs durch natürliche Personen) auch der polnische Gesetzgeber innerhalb von zehn Jahren nach Erteilung der Genehmigung vor. Kontrolliert wird die Einhaltung der in der Genehmigung beschriebenen Bedingungen. Bei Ausnutzung der Genehmigung entgegen den Rechtsvorschriften wird die Unwirksamkeit des Genehmigungsbescheides festgestellt. Ein derartiges Kontrollsystem wäre auch im Bereich des Erwerbs durch natürliche Personen einem Genehmigungserfordemis generell vorzuziehen.
III. Künftige Bedeutung nationaler Immobilienerwerbsregelungen
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Die näheren Anforderungen an die gesetzliche Ausgestaltung eines Genehmigungsverfahrens sind in der für Polen bewilligten Übergangsregelung festgeschrieben. 136 Danach ist Polen schon jetzt gehalten, ein Verfahren anzuwenden, das die Genehmigungserteilung für den Immobilienerwerb (mit Ausnahme der Zweitwohnsitze und des Wald- und Ackerlandes) 137 nach transparenten, objektiven, dauerhaften und veröffentlichten Kriterien gewährleistet. Diese Kriterien müssen auf nichtdiskriminierende Weise angewandt werden und dürfen nicht zwischen Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten mit Wohnsitz in Polen differenzieren. An der (außerhalb des Erwerbs von Zweitwohnsitzen sowie von Wald- und Ackerland unzulässigen) Diskriminierung natürlicher Personen ändern auch die bestehenden Ausnahmen von der Genehmigungspflicht, insbesondere für den Erwerb eigenständigen Wohnraums und bei mehr als fünfjähriger Ansässigkeit in Polen, nichts. Diese Ausnahmen genügen noch nicht einmal den durch die Arbeitnehmerfreizügigkeit und die Niederlassungsfreiheit gewährleisteten Grunderwerbsrechten bezüglich privater Grundstücke, da lediglich eine Wohnung, nicht aber ein ganzes Grundstück zur privaten Nutzung genehmigungsfrei erworben werden kann. 138 Auch der für die Ausübung der Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit gegebenenfalls erforderliche Erwerb von Betriebsgrundstücken und Geschäftsräumen wird nicht erfaßt, sondern bleibt für Ausländer ausdrücklich genehmigungspflichtig. 139 Ferner muß der Immobilienerwerb zu reinen Investitionszwecken, wie er durch die Kapitalverkehrsfreiheit gewährleistet wird, bereits ab dem Beitrittszeitpunkt möglich sein. Er wird nämlich inhaltlich nicht von den Übergangsfristen erfaßt mit der Folge, daß sich Investoren insoweit schon heute uneingeschränkt auf die KFV berufen können. Dahingegen darf der Zweitwohnungserwerb innerhalb der Übergangsfrist von fünf Jahren auch in diskriminierender Weise eingeschränkt werden. Vgl. den siebten Absatz der Übergangsregelung im Anhang K. der Arbeit. Diese Ausnahmen werden in Absatz 7 der Übergangsregelung zwar nicht explizit genannt. Sie müssen jedoch aus Gründen des Gesamtzusammenhangs der Regelung, insbesondere wegen der Absätze I und 2, die im Gegensatz zu Absatz 7 diskriminierende Beschränkungen zulassen, in Absatz 7 hineingelesen werden. 138 Dies folgt aus den Ziffern I und 2 der Ausnahmeregelungen, welche eine Garage und andere Räumlichkeiten, die nicht Bestandteile des Wohnraums sind, nicht erfassen und sie somit der allgemeinen Genehmigungspflicht unterstellen. Ein (nicht in einem Grenzgebiet gelegenes) Grundstück kann ein Ausländer nach Ziffer 2 erst dann erwerben, wenn er seit mindestens fünf Jahren ab Erhalt einer Daueraufenthaltskarte in Polen wohnt. 139 Bei der vom Minister lediglich zu berücksichtigenden Tatsache, daß der beabsichtigte Grundstückserwerb für die Ausübung einer wirtschaftlichen Tlitigkeit unmittelbar erforderlich ist, handelt es sich nämlich nicht um einen Ausnahmetatbestand zu dem grundsätzlichen Genehmigungserfordernis. Zudem ist bei der Ausnahme des Erwerbs eigenständigen Wohnraums von der Genehmigungspflicht zu berücksichtigen, daß diese nicht für den Erwerb von in Grenzgebieten gelegenen Grundstücken gilt, so daß auch hier eine Diskriminierung vorliegt, wenn und soweit der Erwerb durch polnische Staatsbürger genehmigungsfrei möglich ist. 136 137
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H. Immobilienerwerb und Osterweiterung der Europäischen Union
Des weiteren bedeutet das als Ausnahme von der generellen Genehmigungspflicht vorgesehene fünfjährige Mindestaufenthaltserfordernis einen generellen Ausschluß und damit zugleich eine Diskriminierung all derjenigen EU-Bürger, die noch nicht so lange in Polen ansässig sind. Wohn- bzw. Mindestaufenthaltserfordernisse für den Grunderwerb sehen sich stets dem Verdacht einer verdeckten Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit ausgesetzt, da sie von Ausländern im Gegensatz zu Inländern regelmäßig und typischerweise nicht erfüllt werden. 140 Dazu kommt, daß sich die genannte Ausnahme nicht auf in Grenzgebieten gelegene Grundstücke bzw. auf landwirtschaftliche Böden mit einer Fläche von mehr als 1 ha bezieht. Dies hat zur Folge, daß auch eine Diskriminierung der bereits seit mehr als fünf Jahren in Polen wohnenden Ausländer in Betracht kommt, wenn und soweit der Grunderwerb in diesen Fällen durch polnische Staatsbürger möglich ist bzw. diese von der Genehmigungspflicht ausgenommen werden. 141 Hinsichtlich des Immobilienerwerbs durch juristische Personen sind die Einschränkungen nicht ganz so weitgehend. Allgemein können sowohl Handelsgesellschaften mit Sitz in Polen als auch Unternehmer mit Sitz im Ausland, die in Polen eine Vertretung oder eine Niederlassung besitzen, eine Genehmigung erhalten, wenn der Grunderwerb für die Ausübung ihrer wirtschaftlichen Tätigkeiten erforderlich ist. Auch Unternehmen der Gemeinschaft wird gemäß den allgemeinen Grundsätzen eine Genehmigung zum Grunderwerb regelmäßig erteilt, wenn das Unternehmen oder dessen Niederlassung in der Republik Polen gegründet wurde, und die Immobilie unmittelbar für ihre wirtschaftliche Tätigkeit erforderlich ist. Damit wird im Falle der Genehmigungserteilung zumindest die Ausübung der primären und sekundären Niederlassungsfreiheit ermöglicht. Allerdings wird man auch dann, wenn eine Genehmigung regelmäßig erteilt werden sollte, davon ausgehen können, daß ein bloßes Anmelde- und Erklärungsverfahren für die Sicherung der bisher mit dem Genehmigungsverfahren verfolgten Zwecke in aller Regel ausreichen und daher als verhältnismäßigeres Mittel letzterem vorzuziehen sein wird. Des weiteren ist auch der Erwerb eines Grundstücks im Sinne einer kapitalverkehrsrelevanten Direktinvestition für juristische Personen nicht genehmigungsfrei vorgesehen, was ebenfalls zu einer schon heute unzulässigen Diskriminierung ausländischer Investoren führt. Der polnische Gesetzgeber sieht die Möglichkeit der Versagung der Genehmigung vor, wenn dies durch sozialpolitische Aspekte, Aspekte der öffentlichen Sicherheit oder der allgemeinen Gesundheit begründet ist. Dieser Vorbehalt entspricht hinsichtlich der Gründe der öffentlichen Sicherheit und Gesundheit den in der Vorbehaltsklausel des Art. 46 Abs. I EGV genannten Gründen, welche 140 Zu mittelbaren Diskriminierungen im Bereich des Grundstückserwerbs siehe oben E. IV. 3. 141 Die diskriminierende Beschränkung des Erwerbs landwirtschaftlicher Flächen ist jedoch bis zum Ablauf der entsprechenden Übergangsregelung zulässig.
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im Einzelfall eine diskriminierende Einschränkung der Niederlassungsfreiheit rechtfertigen können. Die zusätzlich genannten sozialpolitischen Aspekte dürfen allerdings nur im Rahmen nichtdiskriminierender Einschränkungen des Grunderwerbs aufgrund zwingender Erfordernisse des Allgemeinwohls Berücksichtigung finden. 142 Schließlich bleibt noch zu erwähnen, daß auch das ausschließlich für Ausländer aufgestellte Genehmigungserfordernis für den Erwerb bzw. die Übernahme von Anteilen oder Aktien einer Gesellschaft mit Sitz in Polen, die Eigentümer oder Erbnießbraucher eines Grundstücks ist, grundsätzlich eine nicht mit dem Gemeinschaftsrecht zu vereinbarende Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit bzw. der Niederlassungsfreiheit darstellt. Dies gilt jedenfalls insoweit, als der Erwerb ausschließlich zu Investitionszwecken oder zwecks Ausübung einer dauerhaften selbständigen Erwerbstätigkeit erfolgen sollte. In all diesen Bereichen ist Polen ausweislich der bewilligten Übergangsregelung schon jetzt gehalten, ein Verfahren anzuwenden, das die Genehmigungserteilung für den Immobilienerwerb nach transparenten, objektiven, dauerhaften und veröffentlichten Kriterien gewährleistet. Diese Kriterien müssen auf nichtdiskriminierende Weise angewandt werden und dürfen nicht zwischen Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten mit Wohnsitz in Polen differenzieren. 143 Nach Ablauf der jeweiligen Übergangsfristen gelten diese Erfordernisse auch für den Erwerb von Zweitwohnungen und Ackerland, damit auch dort dem gemeinschaftlichen Besitzstand Rechnung getragen wird. Zusammengefaßt ist also die nationale Gesetzgebung außerhalb des materiellen Anwendungsbereichs der Übergangsfristen schon heute, hinsichtlich des erfaßten Zwei wohnungs- und Ackerlanderwerbs spätestens nach Fristablauf, entsprechend anzupassen. b) Regelung des Immobilienerwerbs in den übrigen MOES Die in den übrigen MOES geltenden Immobilienerwerbsregelungen sind ebenfalls Gegenstand entsprechender (dauerhafter) Ausnahmevorschriften und (zeitlich befristeter) Übergangsregelungen. Diesbezüglich wird auf die im Anhang dieser Arbeit jeweils genannten nationalen Vorschriften verwiesen. Die Übergangsregelungen erlauben den betreffenden Neumitgliedstaaten, in den inhaltlich in Bezug genommenen Bereichen ihre nationale Gesetzgebung (vorerst) beizubehalten. Dies betrifft aber überwiegend nur bestehende Einschränkungen des Erwerbs von Zweitwohnungen sowie von Wald- und Ackerland. 144 142 Dies entspricht auch den Vorgaben für ein Genehmigungsverfahren während der Übergangszeit, wie sie im siebten Absatz der für Polen bewilligten Übergangsregelung enthalten sind, vgl. Anhang K. der Arbeit. 143 Vgl. den siebten Absatz der Übergangsregelung in Anhang K. der Arbeit.
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H. Immobilienerwerb und Osterweiterung der Europäischen Union
Außerhalb des materiellen Anwendungsbereichs der Ausnahme- und Übergangsvorschriften ist schon jetzt eine Anpassung an die allgemeinen gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben erforderlich. 145 Nach Ablauf der Übergangsfristen wird eine solche Anpassung ebenfalls in den von ihnen erfaßten Bereichen nötig, welche gegenwärtig noch weitgehend eingeschränkt werden dürfen. In diesem Zusammenhang wird auf die sinngemäß übertragbaren Ausführungen zu der Immobiliengesetzgebung Polens verwiesen. Zusammengefaßt besteht also ein recht differenziertes Verhältnis der bisherigen nationalen Immobilienerwerbsregelungen zu den gemeinschaftlichen Ausnahmeund Übergangsvorschriften und den allgemeinen gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben für die Ermöglichung des Immobilienerwerbs durch (EU-)Ausländer. Diese Beziehungen sowie die daraus resultierenden Erfordernisse an die (aktuelle bzw. künftige) Gesetzgebung der MOES bilden die Grundlage für den nunmehr folgenden, letzten Teil dieser Arbeit: Er hat das Aufstellen allgemeiner Leitlinien für eine europarechtskonforme Ausgestaltung nationaler Immobilienenverbsregelungen zum Gegenstand.
144 So die Regelungen für die drei baltischen Staaten, die Tschechische Republik und Ungarn. Für die Slowakei besteht eine Übergangsregelung allein für den Erwerb landwirtschaftlicher Flächen, für Zypern nur für Zweitwohnsitze. Malta wurde eine dauerhafte Ausnahmeregelung für Zweitwohnsitze gewährt, Slowenien kann sich in sämtlichen Bereichen auf eine allgemeine Schutzklausel berufen. Siehe näher zu diesen Regelungen oben G. 111. und H. 11.
2. d) (3). 145
Dies betrifft insbesondere den Bereich der Direktinvestitionen.
I. Leitlinien für nationale Immobilienerwerbsregelungen Der vorangegangene Untersuchungsabschnitt hat gezeigt, daß die der Union beigetretenen MOES aufgrund der ihnen bewilligten Ausnahme- und Übergangsvorschriften ihre nationalen Immobilienerwerbsregelungen in bestimmten Bereichen dauerhaft bzw. übergangsweise beibehalten dürfen. Die gemeinschaftsrechtlichen Sonderregelungen begründen nämlich zugunsten der nationalen Erwerbsvorschriften einen primärrechtlichen Vorbehalt gegenüber sonstigem Gemeinschaftsrecht. 1 Es darf jedoch nicht übersehen werden, daß die neuen Mitgliedstaaten außerhalb des materiellen Anwendungsbereichs der Sondervorschriften schon zum jetzigen Zeitpunkt gehalten sind, ihre nationalen Regelungen den allgemeinen gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben für die Ermöglichung des Immobilienerwerbs durch (EU-)Ausländer anzupassen. Das gleiche gilt spätestens nach Ablauf der Übergangsfristen in den von diesen inhaltlich erfaßten Bereichen, z. B. hinsichtlich des Erwerbs von Zweitwohnsitzen oder von Wald- und Ackerland. Der Grunderwerb muß dann auch in diesen Bereichen grundsätzlich in diskriminierungsfreier Weise ermöglicht werden. In diesem letzten Teil der Arbeit wird deshalb versucht, allgemeine Leitlinien für die gegenwärtige bzw. künftige Ausgestaltung nationaler Grundstücksverkehrsregelungen zu entwickeln. Dabei geht es einerseits um die Frage, wie die (neuen) Mitgliedstaaten ihre Rechtsordnungen bezüglich des Immobilienerwerbs ausgestalten müssen, damit sie gegenwärtig bzw. auch in Zukunft nicht gegen unions- und gemeinschaftsrechtliche Vorgaben verstoßen. Andererseits sollen diese Staaten ihre berechtigten nationalen Interessen, die durch den Immobilienerwerb gegebenfalls berührt werden, auch weiterhin möglichst umfassend zur Geltung bringen können. Dazu sollen unterschiedliche, europarechtlich zulässige Möglichkeiten aufgezeigt werden. Bei der folgenden Aufstellung allgemeiner Leitlinien für die nationale Immobiliengesetzgebung wird einzig die für sämtliche Mitgliedstaaten geltende, dauerhafte Ausnahmeregelung der Gemeinsamen Erklärung Nr. 5 zu Zweitwohnungen gedanklich einbezogen. 2 Andere dauerhafte Ausnahmevorschriften, welche lediglich Geltung für einen bestimmten Mitgliedstaat beanspruchen können,3 bleiben hingegen außer Betracht. 4 Ebensowenig werden an dieser Stelle die den MOES Siehe oben H. III. 1. Siehe dazu oben G. IV. 3 Siehe die unter G. I.-III. genannten Ausnahmevorschriften. 4 Dies gilt auch für das sog. dänische Grundstücksverkehrsmodell, welches sich im Ergebnis nicht auf die Immobilienerwerbsregelungen anderer Mitgliedstaaten übertragen läßt. Siehe 1
2
288
I. Leitlinien für nationale Immobilienerwerbsregelungen
jeweils bewilligten Übergangsregelungen berücksichtigt, da diese Vorschriften inhaltlich einige Unterschiede aufweisen und ohnehin nur zeitlich befristet gelten. Bezüglich ihrer zeitlichen und inhaltlichen Reichweite wird auf die an anderer Stelle erfolgten Ausführungen verwiesen. 5 I. Gemeinschaftsrechtliche Vorgaben für nationale Immobilienerwerbsregelungen
1. Der Immobilienerwerb ist für EU-Bürger zwecks Ausübung der Grundfreiheiten und allgemeiner Aufenthaltsrechte zu gewährleisten. Besondere Bedeutung kommt dabei der Kapitalverkehrsfreiheit zu, die nicht nur EU-Bürgern, sondern auch Drittstaatsangehörigen (natürliche und juristische Personen) ein prinzipiell unbeschränktes Recht zum Immobilienerwerb gewährt. Diskriminierende Beschränkungen dieser Erwerbsrechte sind einzig aufgrund der in den vertraglichen Vorbehaltsklauseln ausdrücklich und abschließend genannten Gründe statthaft oder lassen sich auf (dauerhafte oder zeitweilige) gemeinschaftsrechtliche Sondervorschriften 6 stützen. Nichtdiskriminierende, d. h. auf In- und Ausländer gleichermaßen anwendbare, Beschränkungen können zudem auf "zwingende Erfordernisse des Allgemeinwohls" gestützt werden. Der Katalog dieser von der Rechtsprechung bisher anerkannten Gründe ist nicht abschließend (z. B. Naturund Landschaftsschutz, Belange des Fremdenverkehrs, Aufrechterhaltung einer vom Tourismus unabhängigen Bevölkerungsstruktur, nicht aber: rein wirtschaftliche Interessen, etwa zur Abschottung des heimischen Arbeitsmarktes). 2. Dem Grunde nach beinhaltet die Kapitalverkehrsfreiheit auch das Recht zum Erwerb von Zweitwohnsitzen in einem anderen Mitgliedstaat. Dieses Recht kann generell nur durch nichtdiskriminierende Regelungen eingeschränkt werden. Insoweit ist auf die Gemeinsame Erklärung Nr. 5 zu Zweitwohnungen hinzuweisen.? Das Protokoll betreffend den Erwerb von Immobilien in Dänemark, welches auch diskriminierende dänische Grunderwerbsregelungen schützt, ist als Ausnahmevorschrift für Dänemark nicht auf andere Mitgliedstaaten übertragbar. 8 Hält sich ein EU-Bürger in Ausübung der Arbeitnehmerfreizügigkeit oder der Niederlassungsfreiheit dauerhaft in einem anderen Mitgliedstaat auf, so hat er jedenfalls dann auch ein Recht zum Erwerb eines Zweit- oder Feriendazu näher Hummer/Schweitzer, Raumordnung, S. 1 ff., 343 ff.; Schmahl, Der Grunderwerb in Dänemark und seine Beschränkungen, Itzehoe, 1977; Schmidjell, Einschränkung der Freiheit des Grundverkehrs in der Europäischen Gemeinschaft - Das dänische Grundverkehrsrecht und seine Anwendbarkeit für Österreich, Regensburg, 1992. 5 Vgl. H. 11. 2. d) (3) und III. I. sowie den Anhang K. der Arbeit. 6 Siehe dazu oben G. sowie H. II. 2. d) (3). 7 Diskriminierende Beschränkungen sind allenfalls bis zum Ablauf der den MOES jeweils bewilligten Übergangsfristen zulässig. 8 Dies gilt ebenfalls für das Protokoll Nr. 6 über den Erwerb von Zweitwohnsitzen in Malta, siehe dazu oben G. I. und III.
I. Gemeinschaftsrechtliche Vorgaben für nationale Immobilienerwerbsregelungen 289
wohnsitzes, wenn eine solche Möglichkeit für inländische Arbeitnehmer oder Selbständige ebenfalls besteht (Grundsatz der Inländergleichbehandlung). Möglich scheint die Begründung eines Zweitwohnsitzes auch für den Fall, daß ein Arbeitnehmer oder Selbständiger aus irgendwelchen Gründen seinen Hauptwohnsitz in seinem Herkunftsland beibehalten will, im Inland aber für die Dauer seines Arbeitsverhältnisses einen Zweitwohnsitz, etwa in Form einer Wohnung, einrichten will (Grenzgänger). 3. Das prinzipielle Recht zum Immobilienerwerb kann ganz oder teilweise ausgeschlossen werden, wenn und soweit nationale Regelungen dies für Inländer und Angehörige anderer EU-Mitgliedstaaten in gleicher, d. h. nichtdiskriminierender, Weise vorsehen. Dazu bedarf es allerdings einer besonderen Rechtfertigung (z. B. Naturschutz oder sonstige Belange der Raumordnung). 4. Genehmigungseifordemisse für den Immobilienerwerb sind prinzipiell unzulässig, insbesondere dann, wenn sie nur für (EU -)Ausländer gelten. Statthaft können sie allenfalls unter der Bedingung sein, daß sie für In- und Ausländer gleichermaßen gelten, mithin also keinen diskriminierenden Charakter besitzen. 9 In diesem Zusammenhang ist zu beachten, daß es nicht zulässig wäre, Personen, die bereits seit geraumer Zeit in dem betreffenden Mitgliedstaat wohnen, von der allgemeinen Genehmigungspflicht auszunehmen. Ansässigkeits- und Wohnsitzeifordernisse, auch wenn sie formal für In- und Ausländer gleichermaßen gelten, sehen sich nämlich dem generellen Verdacht einer verschleierten Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit ausgesetzt, da Inländer diese Erfordernisse im Gegensatz zu Ausländern regelmäßig und typischerweise erfüllen. 10 Bei der Aufstellung von Genehmigungserfordernissen ist schließlich zu beachten, daß es im Hinblick auf die Grundfreiheiten nicht nur auf die Einhaltung des Grundsatzes der Inländergleichbehandlung ankommt, sondern daß die Rechtsprechung mittlerweile wohl sämtliche Marktfreiheiten zu allgemeinen Beschränkungsverboten mit Verhältnismäßigkeitskontrolle aufgewertet hat. Deshalb kommt selbst bei unterschiedslos anwendbaren, nichtdiskriminierenden Beschränkungen des Immobilienerwerbs, etwa in Form allgemeiner Genehmigungserfordernisse, der Beachtung des Verhältnismäßigkeitsprinzips eine große Bedeutung zu. Bloße Anmelde- und Erklärungsveifahren, gegebenenfalls in Verbindung mit bestimmten Strafsanktionen für den Fall wahrheitswidriger Angaben bzw. von der Erklärung abweichender Grundstücksnutzungen, sind einem Genehmigungsverfahren grundsätzlich vorzuziehen und erweisen sich in aller Regel als gleichfalls geeignet, die damit verfolgten nationalen Interessen zu wahren. Ausnahmsweise kann ein dem Erwerb vorgeschaltetes Genehmigungsverfahren zulässig sein, wenn es zur Erreichung der mit ihm verfolgten Ziele erforderlich ist. 9 Vgl. EuCH, Rs. C-452/01, Slg. 2003, S. 1-9743 ff. (OspeIt). Siehe dazu näher oben C. VI. 3. e) (6). 10 Beispiele für ausnahmsweise zulässige Wohnsitzerfordemisse finden sich oben bei C. I. und VI. 2. a).
19 Hubatsch
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I. Leitlinien für nationale Immobilienerwerbsregelungen
So können bestimmte Grundstücksnutzungen möglicherweise zu praktisch irreparablen Schäden führen bzw. raumplanerische Zielsetzungen, etwa im Bereich der Landwirtschaft oder des Naturschutzes, dauerhaft in Frage stellen. In derartigen Fällen kann sich ein erst nachträglich eingreifendes Kontrollverfahren als unzureichend erweisen. Bei der Aufstellung eines für derartige Fälle erforderlichen Genehmigungsverfahrens ist aber darauf zu achten, daß sich das Verfahren auf objektive, nichtdiskriminierende und im voraus bekannte Kriterien stützen muß. Zudem müssen diese Kriterien hinreichend genau bestimmt sein, um eine mißbräuchliche bzw. diskriminierende Ermessensausübung der Genehmigungsbehörden zu verhindern. Nur wenn die Voraussetzungen, unter denen die Genehmigung erteilt bzw. versagt wird, für den Antragsteller hinreichend erkennbar sind, genügt das Verfahren auch dem Grundsatz der Rechtssicherheit. Schließlich muß dem Antragsteller bezüglich der Versagung der Genehmigung bzw. ihrer Erteilung unter Auflagen und Bedingungen der Rechtsweg eröffnet sein. Die hier aufgezeigten allgemeinen Grundsätze beziehen sich sowohl auf den Grundstückserwerb zu Wohnzwecken, als auch auf den Erwerb von Betriebsgrundstücken bzw. Grundstücken für land- und forstwirtschaftliche Nutzungen.
11. Legislative Absicherung nationaler Gemeinwohlinteressen Einerseits ist den hier erörterten Grundsätzen für die Ermöglichung des Immobilienerwerbs durch (EU-)Ausländer in sämtlichen neuen (und alten) Mitgliedstaaten Rechnung zu tragen. Andererseits bestehen in diesen Staaten auch noch nach der letzten Erweiterung der Union bestimmte berechtigte Interessen, deren Verfolgung und Sicherung mitunter maßgeblich mit der gesetzgeberischen Ausgestaltung und Gewährleistung des Liegenschaftserwerbs zusammenhängen. Beispiele für derartige nationale Interessen sind Ziele der Raumordnung, der Wirtschafts- und Bodenpolitik sowie des Landschafts- und Umweltschutzes. In diesem Zusammenhang sollen abschließend verschiedene Möglichkeiten erörtert werden, wie sich diese Interessen bestmöglich und in europarechtskonformer Weise legislativ absichern lassen. 1. Beibehaltung von Genehmigungspflichten bei gleichzeitiger Einräumung eines Rechtsanspruches im Falle von EU-Bürgern
Vorderhand denkbar ist es, bestehende Genehmigungspflichten für den Liegenschaftserwerb durch Ausländer generell beizubehalten, EU-Bürgern jedoch für den Fall der Geltendmachung eines aus den Grundfreiheiten oder aus allgemeinen Aufenthaltsrechten resultierenden Immobilienerwerbsrechts einen Rechtsanspruch auf die Genehmigung des Erwerbs einzuräumen. Allerdings bedeutete selbst die Einräumung eines derartigen Genehmigungsanspruches noch eine Ungleichbehandlung gegenüber Inländern, falls diese sich
II. Legislative Absicherung nationaler Gemeinwohlinteressen
291
keinem vergleichbaren Genehmigungsverfahren unterziehen müssen. Hierin wäre folglich eine Diskriminierung der EU-Ausländer aufgrund ihrer Staatsangehörigkeit zu sehen, welche gemäß Art. 12 EGV prinzipiell unzulässig wäre und zugleich zu einer Behinderung der einschlägigen Rechte führte. 2. Ausnahme erwerbsberechtigter EU-Bürger vom Anwendungsbereich bestehender Genehmigungserfordemisse unter Aufstellung eines bloßen Erklärungsverfahrens
Eine stets vorhandene Möglichkeit besteht darin, diejenigen Personen, die sich auf ein bestimmtes Grunderwerbsrecht berufen können, vom Anwendungsbereich restriktiver Grunderwerbsregelungen auszunehmen. Um dennoch die Verfolgung legitimer nationaler Interessen sicherzustellen, wäre die Einführung eines auf Inund (EU-)Ausländer gleichermaßen anwendbaren Anmelde- und Erklärungsverfahrens denkbar. Dadurch würde weder die Ausübung der einschlägigen Rechte behindert, noch könnte darin eine unzulässige Diskriminierung der Betroffenen erblickt werden. Zur Absicherung des Wahrheitsgehaltes der abzugebenden Erklärung hinsichtlich des Vorliegens eines Grunderwerbsanspruches und der Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben für die Art und Weise der Grundstücksnutzung könnten dann nachträgliche Kontrollen in Verbindung mit bestimmten Sanktionsmechanismen für den Fall der Wahrheitswidrigkeit eingeführt werden. 3. Durchsetzung nationaler Interessen der Raumordnung, der Wirtschaftsund Bodenpolitik sowie des Landschafts- und Umweltschutzes
Die als dringend empfundenen politischen Interessen der Mitgliedstaaten können somit trotz der europarechtlichen Vorgaben im Bereich des Immobilienerwerbs auch zukünftig verfolgt werden. Außerhalb spezieller Ausnahme- und Übergangsregelungen besteht allerdings die Voraussetzung, daß dies in nichtdiskriminierender Weise geschieht und die Einschränkungen des Grunderwerbs im Hinblick auf die damit verfolgten Ziele verhältnismäßig sind. Dann besteht sogar die Möglichkeit, den Immobilienerwerb in bestimmten Gebieten aus Gründen des Umweltschutzes oder der Raumordnung generell zu verbieten, oder allgemeine Genehmigungspflichten, welche für In- und Ausländer gleichermaßen gelten, aufzustellen. Ebenso kann es zulässig sein, eine bestimmte Nutzungsart der Immobilie vorzuschreiben (z. B. eine landwirtschaftliche Nutzung) bzw. bestimmte Nutzungsverbote (etwa für Freizeitwohnsitze) aufzustellen, wenn diese Verpflichtungen bloß Inländer und EU-Ausländer in (rechtlich und tatsächlich) gleicher und verhältnismäßiger Weise betreffen. Letztlich hat es also der nationale Gesetzgeber auch weiterhin selbst in der Hand, berechtigte politische Interessen durch den Erlaß entsprechender Vorschriften zu wahren. 11 11 Vgl. sinngemäß Hummer/Schweitzer, Ausverkauf, S. 210 bezüglich österreichischer Interessen.
19*
J. Zusammenfassung der Ergebnisse Grundstückseigentum im Recht der Europäischen Union
Obwohl der Immobilienerwerb von großer Bedeutung für die Verwirklichung des Binnenmarktes und die damit verbundene Ausübung der Grundfreiheiten ist, findet sich im Gemeinschaftsrecht keine abschließende Regelung des Grundstücksverkehrs. Vielmehr handelt es sich hierbei um eine Querschnittsmaterie, welche sich über das Primärrecht, einschließlich der Protokolle zum EGV und EUV, bis zum Sekundärrecht erstreckt [siehe B. I.]. Die den Grundstückserwerb betreffenden Fragestellungen lassen sich nur aus der gesamten gemeinschaftsrechtlichen Eigentumsordnung heraus beantworten. Von zentraler Bedeutung ist in diesem Zusammenhang die Vorschrift des Art. 295 ECV, der zufolge die Eigentumsordnung der Mitgliedstaaten unberührt bleiben muß. Bei näherer Untersuchung zeigt sich allerdings, daß diese Regelung einer gemeinschaftlichen Rechtsetzung auf dem Immobiliensektor nicht entgegensteht [siehe B. 11.]. So kann sich der Gemeinschaftsgesetzgeber bei der Regelung des Immobilienerwerbs auf unterschiedliche Rechtsetzungskompetenzen stützen. Unter Beachtung der allgemeinen Erfordernisse und Voraussetzungen für die Rechtsetzung, insbesondere der Prinzipien der begrenzten Einzelerrnächtigung, des Subsidiaritäts- und Verhältnismäßigkeitsprinzips, ist die Gemeinschaft zum Erlaß immobilienerwerbsrelevanter Regelungen in den unterschiedlichsten Bereichen befugt. Als einschlägige Errnächtigungsgrundlagen lassen sich speziell Art. 44 Abs. 2 lit. e EGV im Rahmen der Niederlassungsfreiheit, Art. 57 Abs. 2 EGV für den Kapitalverkehr sowie die Art. 18 Abs. 2 und 22 EGV innerhalb der Regelungen über die Unionsbürgerschaft nennen. Den Liegenschaftserwerb betreffende Regelungen können schließlich auch auf spezielle Rechtsangleichungskompetenzen innerhalb der Grundfreiheiten, die allgemeinen Rechtsangleichungskompetenzen der Art. 94 ff. EGV sowie - in engen Grenzen - auf die Vertragsabrundungsklausel des Art. 308 EGV gestützt werden [siehe B. III.]. Immobilienerwerb innerhalb der Grundfreiheiten
Der Immobilienerwerb wird im Prinzip durch sämtliche Grundfreiheiten gewährleistet. Im Falle der Arbeitnehmelj"reizügigkeit betrifft dies den Erwerb von Privatgrundstücken zu Wohnzwecken sowie generell auch den Erwerb eines Zweitwohnsitzes zu Freizeit- und Erholungszwecken im Aufnahmemitgliedstaat des Arbeitnehmers [siehe C. III.].
J. Zusammenfassung der Ergebnisse
293
Im Bereich der Niederlassungsfreiheit wird darüber hinaus der Erwerb von Betriebsgrundstücken, unter Einschluß der Sonderfälle landwirtschaftlich genutzter Grundstücke und bestimmter Immobiliengeschäfte, umfaßt. Nach Ansicht des EuGH besteht allerdings im Falle der sekundären Niederlassungsfreiheit, in der es lediglich um den Betrieb einer Zweigstelle, Filiale oder Tochtergesellschaft (Art. 43 Abs. 1 Satz 2 EGV) geht, eine Besonderheit für den Grunderwerb zu privaten Wohnzwecken. Hier kommt es im jeweiligen Einzelfall darauf an, wie groß der ZeitauJwand des Betriebsinhabers oder Geschäftsführers für die Bewältigung seiner beruflichen Tätigkeiten ist, und ob er gegebenenfalls ein berechtigtes Bedürfnis zur Wohnungsnahme hat. Entscheidend ist dabei, inwieweit der Grundstückserwerb für den betrieblichen Erfolg des Selbständigen von Bedeutung ist [siehe C. IV.]. Auch im Regelfall der (aktiven) Dienstleistungsfreiheit (Art. 50 Abs. 3 EGV) ist der Erwerb von Betriebsgrundstücken dem Grunde nach möglich. Allerdings hängt die Gewährleistung dieses Rechts im konkreten Einzelfall davon ab, ob der Immobilienerwerb trotz des prinzipiell vorübergehenden Charakters der jeweiligen Tätigkeit für deren tatsächliche und effektive Ausübung erforderlich ist. Da in der Praxis in den meisten Fällen ein derartiges Bedürfnis eher nicht vorliegen wird, trifft den Dienstleistungserbringer die Beweislast dafür, darzulegen, daß die Verweigerung des Grunderwerbs die effektive Ausübung seiner Tätigkeit behindern würde. Das Recht zum Erwerb von Privatgrundstücken wird wegen des prinzipiell vorübergehenden Charakters der erfaßten Tätigkeiten in den allermeisten Fällen zu verneinen sein. Allerdings hat der EuGH auch ein solches Erwerbsrecht nicht kategorisch ausgeschlossen. Man wird deshalb ebenfalls das Vorliegen eines Erwerbsbedürfnisses im konkreten Einzelfall prüfen müssen, wobei den Dienstleistenden dafür wiederum die Beweislast trifft. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, daß eine eindeutige Abgrenzung zwischen betrieblicher und privater Nutzung der Immobilie in der Praxis nicht immer möglich ist, und daher auch eine gemischte Nutzung in Betracht kommen kann. Der Erwerb eines Grundstücks zwecks Errichtung eines Zweit- oder Ferienwohnsitzes dürfte hingegen nicht mehr von der Dienstleistungsfreiheit umfaßt sein. Denn die Lage des Dienstleistenden ist insoweit nicht mit derjenigen eines Arbeitnehmers oder niedergelassenen Selbständigen vergleichbar. Auf die Dienstleistungsfreiheit kann sich nur derjenige EU-Bürger berufen, der nicht dauerhaft im Land des Dienstleistungsempfängers ansässig ist. Die der Dienstleistungsfreiheit immanente zeitliche Beschränkung ist auch der Grund dafür, daß im Fall der sog. "passiven" Dienstleistungsfreiheit, in dem sich der Leistungsempfänger in das Land des Leistungserbringers begibt, der Immobilienerwerb keine größere praktische Bedeutung erlangen dürfte. Das Merkmal der zeitlichen Begrenzung ist nämlich nicht nur für die Erbringung einer Dienstleistung i. S. v. Art. 50 Abs. 3 EGV, sondern auch für die auswärtige Inanspruchnahme einer solchen Leistung kennzeichnend. Schließlich bestehen auch für die Sonderfälle der Landwirtschaft und bestimmter Immobiliengeschäfte gesonderte Grunderwerbsrechte [siehe C. v.].
294
J. Zusammenfassung der Ergebnisse
Die Kapitalverkehrsfreiheit gewährt ein prinzipiell umfassendes Immobilienerwerbsrecht. Eine Unterscheidung zwischen Betriebs- und Privatgrundstücken sowie zwischen Erst- und Zweitwohnsitzen findet nicht statt. Da dieses Erwerbsrecht außerdem unabhängig von der Staatsangehörigkeit und Ansässigkeit innerhalb der Gemeinschaft besteht, kommt der Kapitalverkehrsfreiheit innerhalb des grundfreiheitlichen Immobilienerwerbs die Funktion eines Auffangtatbestandes zu. Dabei ist umstritten, ob es für ihre Anwendbarkeit (weiterhin) eines grenzüberschreitenden Bezuges bedarf [siehe C. VI.]. Die Abgrenzung von den übrigen Grundfreiheiten erfolgt in erster Linie durch das Kriterium des Anlage- und Investitionscharakters. Stehen beim Grundstückserwerb vornehmlich Anlage- und Investitionszwecke im Vordergrund, ist die Kapitalverkehrsfreiheit einschlägig. Dient das Grundstück hingegen der Ausübung einer sonstigen wirtschaftlichen Betätigung, ist der Erwerb einer der übrigen, jeweils einschlägigen Grundfreiheiten (Arbeitnehmerfreizügigkeit, Niederlassungsoder Dienstleistungsfreiheit) zuzuordnen. Dabei besteht zwischen der Kapitalverkehrsfreiheit und den übrigen Grundfreiheiten grundsätzlich ein Exklusivitätsverhältnis [siehe C. VII.]. Sämtliche grundfreiheitlichen Immobilienerwerbsrechte können entweder aufgrund ausdrücklicher vertraglicher Vorbehalte (Art. 39 Abs. 3, 46 Abs. I, 55 i. V. m. 46 Abs. 1,57 und 58 EGV) oder aufgrund "zwingender Erfordernisse des Allgemeininteresses" eingeschränkt werden (duales Beschränkungssystem). Zu unterscheiden ist dabei nach der Art der Beschränkung: Während die vertraglichen Vorbehalte (auch) diskriminierende Beschränkungen zulassen, müssen die auf "zwingende Erfordernisse" gestützten Einschränkungen stets nichtdiskriminierender Natur sein. Rein wirtschaftliche Gründe werden allerdings nicht von den vertraglichen Vorbehaltsklauseln erfaßt. Auch die Berufung eines Mitgliedstaates auf Erfordernisse der Landesverteidigung, soweit es sich nicht um einen Fall des Art. 297 EGV handelt, kann eine Diskriminierung von Angehörigen anderer Mitgliedstaaten beim Grunderwerb prinzipiell nicht rechtfertigen. Wirtschaftliche Erwägungen können allenfalls im Rahmen der "zwingenden Erfordernisse" eine gewisse Rolle spielen. Der Katalog derartiger Gemeinwohlinteressen ist nicht abschließend. Zu nennen sind etwa raumplanerische Ziele oder Belange des Umweltschutzes. Solche Interessen können dazu führen, daß eine bestimmte Nutzungsart des Grundstücks - z. B. als Ferienhaus - reglementiert oder eingeschränkt wird. Innerhalb des auf den Immobilienerwerb anwendbaren dualen Beschränkungssystems kommt dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz eine herausragende Bedeutung zu. So ist ein bloßes Anmelde- und Erklärungsverfahren, gegebenenfalls in Kombination mit bestimmten Sanktionsmechanismen zwecks Sicherstellung des Wahrheitsgehaltes der abzugebenden Erklärung, in aller Regel als gleich geeignetes und milderes Mittel zur Sicherung mitgliedstaatlicher Interessen gegenüber einem Genehmigungsverfahren vorzuziehen [siehe dazu insbesondere C. VI. 3. e)].
J. Zusammenfassung der Ergebnisse
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Immobilienerwerb und Gemeinschaftsgrundrechte
Immobilienerwerbsrechte werden auch durch die Gemeinschaftsgrundrechte der Eigentums- und Berufsfreiheit gewährleistet. Bezüglich der Berufsfreiheit liegt dies auf der Hand. Sie ermöglicht den Immobilienerwerb, soweit dieser für die Ausübung einer wirtschaftlichen Betätigung, etwa als Betriebsgrundstück oder zum Zwecke der Weiterveräußerung, erforderlich ist [siehe D. III.]. Entgegen der bisher überwiegenden Ansicht in Schrifttum und Rechtsprechung bestehen gute Gründe für die Annahme, daß auch die Eigentumsfreiheit den Immobilienerwerb gewährleistet. Neben der Institutsgarantie des Eigentums, welche den Erwerb logischerweise voraussetzt, lassen sich insbesondere integrationspolitische Zielsetzungen der Gemeinschaftsverträge, wie etwa die Hebung des allgemeinen Lebensstandards in weiten Kreisen der Unionsbevölkerung, anführen. Die praktische Verwirklichung derartiger Zielsetzungen kann es durchaus erforderlich machen, auch die Möglichkeit des Liegenschaftserwerbs als vom Schutzbereich der Eigentumsfreiheit umfaßt anzusehen. In diesem Zusammenhang besteht die wesentliche Aufgabe des EuGH darin, die Grundrechte diesen Vertragszielen entsprechend inhaltlich autonom zu bestimmen. Ein Recht zum Immobilienerwerb läßt sich gegebenenfalls auch auf Art. I des I. Zusatzprotokolls zur EMRK i. V. m. Art. 14 EMRK stützen. Es handelt sich dabei um den Fall, daß das Recht zum Grunderwerb eigenen Staatsangehörigen prinzipiell uneingeschränkt gewährt wird, speziell Ausländer aber von dieser Gewährleistung ausgeschlossen werden. Art. 14 EMRK erweitert dann den materiellen Anwendungsbereich des Art. I des I. Zusatzprotokolls dahingehend, daß unter bestimmten Voraussetzungen auch das Recht auf Zugang zum Immobilienerwerb als geschützte Eigentumsposition erfaßt wird. Die bisherige Entwicklung des Eigentumsrechts durch die Straßburger Konventionsorgane läßt eine solche materielle Erweiterung jedenfalls möglich erscheinen [siehe D. H. 2. b)]. Indes unterliegen die grundrechtlichen Gewährleistungen des Immobilienerwerbs relativ weitreichenden Beschränkungsmöglichkeiten. Denkbar sind überwiegende öffentliche Interessen aller Art, insbesondere Belange der Raumordnung, des Umweltschutzes oder der Bodenpolitik. Immobilienerwerb außerhalb wirtschaftlicher Betätigung
Möglichkeiten des Immobilienerwerbs außerhalb einer rein wirtschaftlichen Betätigung ergeben sich zum einen aus dem sekundären Gemeinschaftsrecht in Form drei verschiedener Aufenthaltsrichtlinien [siehe E. H.]. Die allgemeine Aufenthaltsrichtlinie 90/364 / EWG gewährt den Angehörigen der Mitgliedstaaten, denen ein Aufenthaltsrecht nicht bereits aufgrund anderer Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts zuerkannt ist, unter der Bedingung ein Aufenthaltsrecht, daß sie über eine Krankenversicherung sowie ausreichende Existenzmittel verfügen. Dieses
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J. Zusammenfassung der Ergebnisse
Aufenthaltsrecht umfaßt auch ein Recht zum Immobilienerwerb zum Zwecke der Errichtung eines Hauptwohnsitzes. Der Erwerb zum Zwecke der Begründung eines Zweit- oder Ferienwohnsitzes ist hingegen ausdrücklich ausgenommen. Auch die sog. Pensionistenrichtlinie 90/365/ EWG gewährt den aus dem Erwerbsleben ausgeschiedenen Arbeitnehmern und Selbständigen ein Aufenthaltsrecht, selbst wenn sie während ihres Berufslebens von dem Recht auf Freizügigkeit keinen Gebrauch gemacht haben. Dieses Aufenthaltsrecht enthält das Recht zum Grunderwerb zwecks Errichtung eines Hauptwohnsitzes, während der Zweitwohnsitzerwerb unter dem Vorbehalt anderweitiger nationaler Regelungen steht. Dieses Recht steht unter zwei Bedingungen: Die Begünstigten müssen eine Rente in solcher Höhe beziehen, daß sie während ihres Aufenthalts nicht die Sozialhilfe des Aufnahmemitgliedstaates in Anspruch nehmen müssen, und sie müssen zudem umfassend krankenversichert sein. Die sog. Studentenrichtlinie 93/96/ EWG gewährt zwar jedem Studenten eines Mitgliedstaates, dem ein Aufenthaltsrecht nicht bereits aufgrund anderer Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts zusteht, unter der Voraussetzung ein Aufenthaltsrecht, daß er über ausreichende Existenzmittel verfügt, umfassend krankenversichert ist und in einer anerkannten Lehranstalt zum Erwerb einer beruflichen Bildung eingeschrieben ist. Da die Geltungsdauer des Aufenthaltsrechts aber auf die Dauer der Ausbildung beschränkt ist, wird ein Grunderwerbsrecht prinzipiell abzulehnen sein. Ein Recht zum Erwerb einer Eigentumswohnung kann allenfalls dann einzuräumen sein, wenn keine anderen zumutbaren Unterkunftsmöglichkeiten am Ausbildungsort bestehen. Die durch die drei Richtlinien gewährten Grunderwerbsrechte stehen sämtlich unter dem Vorbehalt mitgliedstaatlicher Einschränkungen aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit. Darüber hinaus spricht vieles dafür, daß auch das unionsbürgerschaftliche Aufenthaltsrecht des Art. 18 EGVein Recht zum Immobilienerwerb beinhaltet [siehe E. III. 2.]. Die unmittelbare Anwendbarkeit der Regelung ist bisher noch nicht eindeutig geklärt, läßt sich aber aus guten Gründen bejahen. In diesem Zusammenhang ist von besonderer Bedeutung, daß das allgemeine Diskriminierungsverbot des Art. 12 EGV den Anwendungsbereich des allgemeinen Aufenthaltrechts des Art. 18 EGVerweitert. Dadurch umfaßt der materielle Anwendungsbereich des Art. 18 EGV nicht bloß ein Recht auf physische Präsenz, sondern er wird - nicht zuletzt durch die Rechtsprechung des EuGH - zunehmend im Sinne eines Rechts auf Vollintegration interpretiert. Da das zeitlich unbegrenzte Aufenthaltsrecht auch das Recht einer dauerhaften Wohnsitznahme umfaßt, läßt sich daraus ein prinzipieller Anspruch auf Gleichbehandlung bezüglich des unmittelbar damit in Zusammenhang stehenden Immobilienerwerbs ableiten. Ein solches Recht führt im Ergebnis zu einer Gleichstellung der "politischen Grundfreiheit" des Art. 18 EGV mit den wirtschaftlichen Grundfreiheiten, welche allesamt den Immobilienerwerb als Annex gewährleisten. In Verbindung mit Art. 12 EGV begründet Art. 18 EGV in diesem Bereich einen Gleichstellungsstatus im Sinne eines europäischen Indigenats. Da die Regelung nicht zwischen dem Mitgliedstaat, dessen
J. Zusammenfassung der Ergebnisse
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Staatsangehörigkeit ein Unionsbürger besitzt, und einem anderen Mitgliedstaat unterscheidet, gelten diese Rechte auch im Verhältnis zwischen dem Unionsbürger und dem Mitgliedstaat, dessen Angehöriger er ist. Ein grenzüberschreitendes Element ist also, im Gegensatz zu den wirtschaftlichen Grundfreiheiten, nicht erforderlich. Andererseits gilt das durch Art. 18 i. V m. Art. 12 EGV gewährleistete Grunderwerbsrecht - anders als die Kapitalverkehrsfreiheit - nur für Unionsbürger. Einschränkungen können durch (primärrechtliche) Sonderregelungen, aufgrund zwingender Erfordernisse des Allgemeininteresses sowie aus Gründen der öffentlichen Sicherheit, Ordnung oder Gesundheit erfolgen. Zudem ist es naheliegend, das unionsbürgerschaftliche Grunderwerbsrecht durch das Erfordernis ausreichender finanzieller Mittel zu bedingen, damit der Aufnahmestaat gegen die Inanspruchnahme seiner sozialen Sicherungssysteme abgesichert ist. Diese Fragen werden zukünftig noch vom EuGH zu entscheiden sein. Als "Leitmotiv des Vertrages" und Interpretationsmaxime sämtlicher weiteren Vertragsbestimmungen ist auch das allgemeine Diskriminierungsverbot des Art. 12 EGV für den Grunderwerb außerhalb wirtschaftlicher Betätigung von Bedeutung [siehe E. IV]. Dies betrifft vor allem die Fälle, in denen sich Personen auf allgemeine Aufenthaltsrechte berufen können, wie sie z. B. aus den drei Aufenthaltsrichtlinien oder dem allgemeinen Aufenthaltsrecht des Art. 18 EGV folgen. Art. 12 EGV steht diesen Bestimmungen ergänzend zur Seite bzw. erweitert deren materiellen Schutzbereich. Bezüglich sachlicher Einschränkungen der auf Art. 12 EGV gestützten Immobilienerwerbsrechte bleibt die künftige Rechtsprechung des EuGH abzuwarten. Es liegt nahe, daß der Gerichtshof - parallel zu den "zwingenden Erfordernissen des Allgemeininteresses" bei den Grundfreiheiten - eine Rechtfertigung (materieller) Ungleichbehandlungen durch sachliche Gründe anerkennen wird. Der allgemeine Gleichheitssatz hat für den Liegenschaftserwerb außerhalb wirtschaftlicher Betätigung keine eigenständige Bedeutung, da insoweit Art. 12 EGV als die speziellere Regelung vorgeht [siehe E. V].
Verhältnis der Immobilienerwerbsrechte zueinander l
Die einzelnen Immobilienerwerbsrechte stehen in einem unterschiedlichen Verhältnis zueinander [siehe E]. Im Verhältnis zu den Erwerbsmöglichkeiten, wie sie sich aus den Grundrechten und den allgemeinen Aufenthaltsregelungen ergeben, stellen die Grundfreiheiten (inklusive des dazugehörigen Sekundärrechts) im Umfang ihrer Berechtigungen und Beschränkungsmöglichkeiten die spezielleren Regelungen dar. Durch sie sollen nämlich die erfaßten wirtschaftlichen Tätigkeiten 1
Siehe dazu auch die systematische Übersicht unter F. IV.
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J. Zusammenfassung der Ergebnisse
mitsamt des dazu notwendigen Immobilienerwerbs in umfassender und abschließender Weise geregelt werden. Die Grundrechte können und müssen in diesem Zusammenhang lediglich ergänzend herangezogen werden, etwa wenn es um die sekundärrechtliche Konkretisierung der Grundfreiheiten aufgrund vertraglicher Einzelermächtigungen (z. B. Art. 40,44,47,52 EGV) geht. Überwiegend dürfte auch Art. 18 EGV bezüglich des Grunderwerbs bloß die Funktion einer Auffangberechtigung zukommen. Die Kapitalverkehrsfreiheit gewährt nämlich ein prinzipiell umfassendes Grunderwerbsrecht. Deshalb bleibt für Art. 18 EGV nur dort Raum, wo beim Erwerb keine Investitions- und Anlagezwecke im Vordergrund stehen, oder wo der für die Anwendbarkeit der Kapitalverkehrsfreiheit erforderliche grenzüberschreitende Bezug nicht (mehr) vorhanden ist. Die Einordnung des allgemeinen Diskriminierungsverbotes des Art. 12 EGV in die Systematik des gemeinschaftsrechtlichen Grunderwerbs folgt im wesentlichen denselben Kriterien: Gegenüber Art. 12 EGV beinhalten die Grundfreiheiten die spezielleren Regelungen, da sie die Ausübung der jeweiligen wirtschaftlichen Betätigung einschließlich des dazu erforderlichen Grunderwerbs umfassend normieren. Eine autonome Anwendbarkeit des allgemeinen Diskriminierungsverbotes bleibt auf diejenigen Fälle beschränkt, in denen der Grunderwerb nicht zu dem Zweck der Ausübung einer (rein) wirtschaftlichen Tätigkeit - insbesondere auch nicht zu Anlagezwecken (Art. 56 EGV) - erfolgen soll. Übrig bleiben also hauptsächlich die Fälle, in denen sich Personen auf allgemeine Aufenthaltsrechte berufen können, wie sie etwa aus Art. 18 EGV oder den drei Aufenthaltsrichtlinien folgen. Art. 12 EGVentfaltet dann in diesem Zusammenhang seine ergänzende bzw. schutzbereichserweiternde Funktion.
Gemeinschaftsrechtliche Sonderregelungen Den Immobilienerwerb betreffende Sonderregelungen finden sich nicht unmittelbar im EGV selbst, sondern sie sind in diversen anderen (primärrechtlichen) Vorschriften enthalten. Ungeachtet dessen sind sie durchweg ein Teil des gemeinschaftlichen Besitzstandes [siehe G. I. bis V]. Aufgrund dieser Sonderregelungen bleiben nationale Einschränkungen des Grunderwerbs durch (EU-)Ausländer auch nach dem Beitritt der betreffenden Länder zur Union rechtlich zulässig. Inhaltlich handelt es sich dabei entweder um dauerhafte Ausnahmevorschriften oder bloße Übergangsfristen, innerhalb derer nationale Einschränkungen des Immobilienerwerbs (noch) beibehalten werden dürfen [siehe G. VI. 1.]. Die Sonderregelungen stellen speziellere Vorschriften gegenüber den Grundfreiheiten, den Gemeinschaftsgrundrechten und sonstigen (primär- und sekundärrechtlich ausgestalteten) allgemeinen Aufenthaltsrechten dar [siehe G. VI. 2.].
J. Zusammenfassung der Ergebnisse
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Indes sind die Mitgliedstaaten bei der Vereinbarung derartiger Sondervorschriften nicht völlig frei, sondern sie unterliegen gewissen inhaltlichen Begrenzungen [siehe G. VI. 3.]. Materielle (Schranken-)Schranken resultieren zum einen aus der integrationspolitischen (Selbst-)Bindung der Mitgliedstaaten zur Aufrechterhaltung der EU als Rechts- und Wertegemeinschaft. Sie folgen zudem aus ihren völker- und verfassungsrechtlichen Verpflichtungen zur Einhaltung grundlegender Menschenrechte und zur Gewährleistung rechtsstaatlicher Prinzipien. Insbesondere dürfen Sonderregelungen nicht zu einer willkürlichen Diskriminierung bestimmter Personengruppen beim Grundstückserwerb führen. Dahingehende Zweifel bestehen bezüglich der für Polen bewilligten Regelung [siehe H. 11. 2. d) (3)].
Im Hinblick auf die EU-Osterweiterung läßt sich aus den diversen Sonderregelungen ableiten, daß der Immobilienerwerb durch EU-Bürger als Bestandteil des gemeinschaftlichen "acquis" auch von den MOES Staaten grundsätzlich in vollem Umfang zu gewährleisten ist. Ein dauerhafter Ausschluß ist allenfalls in eng begrenzten Ausnahmefällen denkbar. Dazu bedarf es einer gesonderten vertraglichen Vereinbarung mit dem jeweiligen Mitgliedstaat. Derartige Ausnahmen sind nicht im Wege der Analogie auf andere Mitgliedstaaten übertragbar. Zudem sind Einschränkungen generell nur in nichtdiskriminierender Weise zulässig. Dauerhafte und diskriminierende Beschränkungen sind nur ausnahmsweise aus besonders gewichtigen Gründen zu rechtfertigen, wie etwa spezielle Ausnahmevorschriften für Finnland und Malta zeigen.
Immobilienerwerb und Osterweiterung der Europäischen Union
Im Zusammenhang mit der Osterweiterung der Europäischen Union sind Fragen des Immobilienerwerbs aus unterschiedlichen historischen, wirtschaftlichen und politischen Gründen von besonderer Sensibilität innerhalb der Beitrittsverhandlungen gewesen [siehe H. 1.]. In einem gewissen Spannungsverhältnis dazu stand die mit Abstand wichtigste Beitrittsvoraussetzung in Form der Bereitschaft und Fähigkeit der beitretenden Staaten zur Übernahme des gemeinschaftlichen Besitzstandes (sog. "acquis communautaire"). Der Beitritt hat neben der Mitgliedschaft der beitretenden Staaten in der Union die Wirkung, daß sich grundsätzlich der gesamte Besitzstand auf die neuen Mitgliedstaaten erstreckt. In diesem Zusammenhang ist der Immobilienerwerb in mehrfacher Hinsicht von Bedeutung: Zum einen ist er Bestandteil der Grundfreiheiten und Grundrechte in ihrer jeweiligen primär- und sekundärrechtlichen Ausprägung. Zum anderen wird er außerhalb rein wirtschaftlicher Betätigung durch primär- und sekundärrechtliche allgemeine Aufenthaltsrechte, insbesondere durch Art. 18 i. V. m. Art. 12 EGV und die allgemeinen Aufenthaltsrichtlinien, gewährleistet. Zum Besitzstand zählt schließlich auch die diese Rechte konkretisierende Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes [siehe H. II. 2. b) und c)].
300
J. Zusammenfassung der Ergebnisse
Ausnahmen von diesem von den MOES zu übernehmenden Besitzstand sind - im Falle Maltas - durch die Gewährung einer (dauerhaften) Ausnahmevorschrift, in den übrigen Fällen durch die Bewilligung zeitlich begrenzter Übergangsregelungen erfolgt. Derartige Ausnahme- und Übergangsvorschriften sind allgemein als Ausnahme von dem Grundsatz der sofortigen und vollständigen Übernahme des Gemeinschaftsrechts im Falle eines Beitritts zu qualifizieren. Zudem führen sie zu einer (dauerhaften bzw. temporären) Rechtszersplitterung [siehe G. III. und H. H. 2. d)]. Respektive des Immobilienerwerbs ist durch diese gemeinschaftsrechtlichen Sonderregelungen ein primärrechtlicher Vorbehalt zugunsten der nationalen lmmobilienerwerbsregelungen der Beitrittsländer im Verhältnis zu sonstigem Gemeinschaftsrecht begründet worden. Dadurch dürfen die jeweils erfaßten nationalen Einschränkungen des Immobilienerwerbs teils dauerhaft, teils nur bis zum Ablauf der dem betreffenden Beitrittsland bewilligten Frist, beibehalten und angewendet werden. Für die meisten MOES gilt dies jedoch nur insoweit, als ihre bestehenden Vorschriften den Erwerb von Zweitwohnsitzen sowie von Wald- und Ackerland einschränken. Der Grunderwerb zu reinen Anlage- und Investitionszwecken wird generell nicht erfaßt und ist demzufolge bereits ab dem Beitrittszeitpunkt zu gewährleisten. Der den MOES ermöglichte Ausschluß des Grunderwerbs durch (EU-)Ausländer ist also nicht umfassender Natur: Soweit nämlich die nationalen Erwerbsbeschränkungen inhaltlich nicht mehr vom Anwendungsbereich der jeweiligen Ausnahme- und Übergangsvorschriften erfaßt werden, etwa im Bereich der Direktinvestitionen oder hinsichtlich der Ausübung der Niederlassungsfreiheit, nehmen sie auch nicht mehr an der durch letztere vermittelten Vorrangwirkung gegenüber sonstigem Gemeinschaftsrecht teil. Demzufolge werden die nationalen Regelungen insoweit aufgrund des Anwendungsvorranges des Gemeinschaftsrechts im konkreten Einzelfall verdrängt. Außerhalb des materiellen Anwendungsbereichs der Sonderregelungen können sich die Berechtigten also bereits ab dem Beitrittszeitpunkt unmittelbar auf die im Einzelfall einschlägigen Immobilienerwerbsrechte berufen [siehe H. III. 1.]. Dieses besondere Verhältnis der nationalen Immobilienerwerbsregelungen zu den gemeinschaftsrechtlichen Sondervorschriften und zu sonstigem (allgemeinen) Gemeinschaftsrecht hat Konsequenzen für die aktuelle und künftige Immobiliengesetzgebung der MOES: Außerhalb des materiellen Anwendungsbereichs der Ausnahme- und Übergangsvorschriften ist schon jetzt eine Anpassung nationaler Regelungen an die allgemeinen gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben für die Ermöglichung des Immobilienerwerbs durch (EU-)Ausländer erforderlich. Nach Fristablauf wird eine solche Anpassung ebenfalls in denjenigen Bereichen nötig, die aktuell noch aufgrund von Übergangsregelungen eingeschränkt werden dürfen [siehe H. III. 2.].
J. Zusammenfassung der Ergebnisse
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Allgemeine Leitlinien für nationale Immobilienerwerbsregelungen
Die den Immobilienerwerb betreffenden gemeinschaftsrechtlichen Sonderregelungen begründen ein besonderes Verhältnis der nationalen Grunderwerbsregelungen zu den allgemeinen gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben für die Ermöglichung des Immobilienerwerbs durch (EU -)Ausländer. Daraus resultieren bestimmte Erfordernisse an die aktuelle und künftige Immobiliengesetzgebung sämtlicher Mitgliedstaaten, einschließlich der jüngst beigetretenen MOES. Diese Erfordernisse bilden die Grundlage für die Entwicklung allgemeiner Leitlinien für eine europarechtskonforme Ausgestaltung nationaler Immobilienerwerbsgesetze. Diesbezüglich wird auf die näheren Ausführungen im letzten Teil dieser Arbeit verwiesen [siehe I.].
K. Anhang: Spezielle Dokumente betreffend den Immobilienerwerb Protokoll Nr. 6 über den Erwerb von Zweitwohnsitzen in Malta
Die Hohen Vertragsparteien sind wie folgt übereingekommen: Angesichts der äußerst geringen Anzahl von Wohneinheiten in Malta und des sehr begrenzt verfügbaren Baulandes, das lediglich zur Deckung der durch die demographische Entwicklung der derzeitigen Bewohner entstehenden Grundbedürfnisse ausreicht, kann Malta in nichtdiskriminierender Weise die geltenden Bestimmungen des Immobilieneigentumsgesetzes (Erwerb durch Nicht-Gebietsangehörige) (Kapitel 246) über den Erwerb und den Unterhalt von Immobilieneigentum als Zweitwohnsitze durch Staatsangehörige der Mitgliedstaaten, die sich nicht mindestens fünf Jahre rechtmäßig in Malta aufgehalten haben, beibehalten. Malta wird für den Erwerb von Immobilieneigentum als Zweitwohnsitze in Malta Genehmigungsverfahren anwenden, die auf veröffentlichten, objektiven, dauerhaften und transparenten Kriterien beruhen. Diese Kriterien werden auf nichtdiskriminierende Weise angewandt und dürfen nicht zwischen maltesischen Staatsangehörigen und Staatsangehörigen anderer Mitgliedstaaten unterscheiden. Malta wird gewährleisten, daß Staatsangehörige der Mitgliedstaaten auf keinen Fall restriktiver behandelt werden als Staatsangehörige von Driustaaten. Liegt der Wert eines von einem Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten zu erwerbenden Grundeigentums über dem nach maltesischen Rechtsvorschriften festgelegten Schwellenwert von 30.000 MTL für Wohnungen bzw. von 50.000 MTL für andere Arten von Grundeigentum als eine Wohnung oder ein Objekt von historischem Wert, so wird eine Genehmigung erteilt. Malta kann diese gesetzlichen Schwellenwerte überprüfen, um Änderungen auf dem Immobilienmarkt in Malta Rechnung zu tragen.
Artikel 37 der Beitrittsakte (Allgemeine Schutzklausel) (1) Für einen Zeitraum von bis zu drei Jahren nach dem Beitritt kann ein neuer
Mitgliedstaat bei Schwierigkeiten, welche einen Wirtschaftszweig erheblich und voraussichtlich anhaltend treffen oder welche die wirtschaftliche Lage eines bestimmten Gebiets beträchtlich verschlechtern können, die Genehmigung zur Anwendung von Schutzmaßnahmen beantragen, um die Lage wieder
K. Anhang: Spezielle Dokumente betreffend den Immobilienerwerb
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auszugleichen und den betreffenden Wirtschaftszweig an die Wirtschaft des Gemeinsamen Marktes anzupassen. Unter den gleichen Bedingungen kann ein derzeitiger Mitgliedstaat die Genehmigung zur Anwendung von Schutz maßnahmen gegenüber einem oder mehreren der neuen Mitgliedstaaten beantragen. (2) Auf Antrag des betreffenden Staates bestimmt die Kommission im Dringlichkeitsverfahren die ihres Erachtens erforderlichen Schutzmaßnahmen und legt gleichzeitig die Bedingungen und Einzelheiten ihrer Anwendung fest. Im Fall erheblicher wirtschaftlicher Schwierigkeiten entscheidet die Kommission auf ausdrücklichen Antrag des betreffenden Mitgliedstaates binnen fünf Arbeitstagen nach Eingang des mit Gründen versehenen Antrages. Die beschlossenen Maßnahmen sind sofort anwendbar; sie tragen den Interessen aller Beteiligten Rechnung und dürfen keine Grenzkontrollen mit sich bringen. (3) Die nach Absatz 2 genehmigten Maßnahmen können von den Vorschriften des EG-Vertrages und von dieser Akte abweichen, soweit und solange dies unbedingt erforderlich ist, um die in Absatz I genannten Ziele zu erreichen. Es sind mit Vorrang solche Maßnahmen zu wählen, die das Funktionieren des Gemeinsamen Marktes am wenigsten stören. Erklärung der Kommission der Europäischen Gemeinschaften zu der Allgemeinen Wirtschaftlichen Schutzklausel, der Binnenmarkt-Schutzklausel und der Schutzklausel für die Bereiche Justiz und Inneres
Vor einer Entscheidung über die Anwendung der Binnenmarkt-Schutzklausel und der Schutzklause1 für die Bereiche Justiz und Inneres wird die Kommission der Europäischen Gemeinschaften die Auffassung(en) und die Position(en) des bzw. der von den betreffenden Maßnahmen unmittelbar betroffenen Mitgliedstaaten zur Kenntnis nehmen und diese Auffassungen und Positionen gebührend berücksichtigen. Die allgemeine wirtschaftliche Schutzklausel erstreckt sich auch auf die Landwirtschaft. Sie kann in Anspruch genommen werden, wenn es in bestimmten Agrarsektoren zu Schwierigkeiten kommt, die ernster Art sind und voraussichtlich von längerer Dauer sein werden oder die zu einer ernsthaften Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage in einem bestimmten Gebiet führen könnten. Unter Berücksichtigung der spezifischen Probleme des Agrarsektors in Polen können die Maßnahmen, die die Kommission zur Verhinderung von Marktstörungen im Rahmen der allgemeinen wirtschaftlichen Schutzklausel ergreift, auch Systeme zur Beobachtung der Handelsströme zwischen Polen und den übrigen Mitgliedstaaten umfassen.
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K. Anhang: Spezielle Dokumente betreffend den Immobilienerwerb
Liste nach Artikel 24 der Beitrittsakte I Freier Kapitalverkehr
Estland
Ungeachtet der Verpflichtungen aus den Verträgen, auf die sich die Europäische Union gründet, kann Estland seine zum Zeitpunkt der Unterzeichnung der vorliegenden Akte geltenden Rechtsvorschriften über den Erwerb von landwirtschaftlichen Flächen und Wäldern durch Staatsangehörige der Mitgliedstaaten und durch Gesellschaften, die nach den Gesetzen eines anderen Mitgliedstaates gegründet wurden und in Estland weder niedergelassen noch eingetragen sind und dort auch keine Zweigniederlassungen oder -stellen haben, ab dem Tag des Beitritts sieben Jahre lang beibehalten. Auf keinen Fall darf ein Staatsangehöriger eines Mitgliedstaates beim Erwerb von landwirtschaftlichen Flächen und Wäldern ungünstiger als am Tag der Unterzeichnung des Beitrittsvertrages behandelt werden, noch darf er restriktiver behandelt werden als Staatsangehörige von Drittstaaten. Staatsangehörige eines anderen Mitgliedstaates, die sich in Estland als selbständige Landwirte niederlassen, dort ihren Wohnsitz haben wollen und die seit mindestens drei Jahren ununterbrochen ihren rechtmäßigen Wohnsitz in Estland haben und dort seither ununterbrochen landwirtschaftlich tätig sind, dürfen weder den Bestimmungen des vorstehenden Absatzes noch anderen Verfahren unterworfen werden, als sie für estnische Staatsangehörige gelten. Im dritten Jahr nach dem Tag des Beitritts wird eine allgemeine Überprüfung dieser Übergangsmaßnahmen vorgenommen. Die Kommission wird dem Rat dazu einen Bericht unterbreiten. Der Rat kann auf Vorschlag der Kommission einstimmig beschließen, den im ersten Absatz genannten Übergangszeitraum zu verkürzen oder zu beenden. Gibt es hinreichende Anzeichen dafür, daß nach Ablauf des Übergangszeitraumes schwere Störungen des Agrargrundstücksmarktes in Estland eintreten oder zu befürchten sind, so beschließt die Kommission auf Antrag Estlands über eine Verlängerung des Übergangszeitraumes um höchstens drei Jahre. Lettland
Ungeachtet der Verpflichtungen aus den Verträgen, auf die sich die Europäische Union gründet, kann Lettland seine zum Zeitpunkt der Unterzeichnung der vorliegenden Akte geltenden Rechtsvorschriften über den Erwerb von landwirtschaftlichen Flächen und Wäldern durch Staatsangehörige der Mitgliedstaaten und durch Gesellschaften, die nach den Gesetzen eines anderen Mitgliedstaates gegründet wurden und in Lettland weder niedergelassen noch eingetragen sind und dort auch keine Zweigniederlassungen oder -stellen haben, nach dem Tag des Beitritts sieben Jahre lang beibehalten. Auf keinen Fall darf ein Staatsangehöriger eines Mitgliedstaates beim Erwerb von landwirtschaftlichen Flächen und Wäldern ungünstiger
K. Anhang: Spezielle Dokumente betreffend den Immobilienerwerb
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als am Tag der Unterzeichnung des Beitrittsvertrages behandelt werden, noch darf er restriktiver behandelt werden als Staatsangehörige von Drittstaaten. Staatsangehörige eines anderen Mitgliedstaates, die sich in Lettland als selbständige Landwirte niederlassen und dort ihren Wohnsitz haben wollen, die seit mindestens drei Jahren ununterbrochen ihren rechtmäßigen Wohnsitz in Lettland haben und dort seither ununterbrochen landwirtschaftlich tätig sind, dürfen weder den Bestimmungen des vorstehenden Absatzes noch anderen Verfahren unterworfen werden, als sie für lettische Staatsangehörige gelten.
Im dritten Jahr nach dem Tag des Beitritts wird eine allgemeine Überprüfung dieser Übergangsmaßnahmen vorgenommen. Die Kommission wird dem Rat dazu einen Bericht unterbreiten. Der Rat kann auf Vorschlag der Kommission einstimmig beschließen, den im ersten Absatz genannten Übergangszeitraum zu verkürzen oder zu beenden. Gibt es hinreichende Anzeichen dafür, daß nach Ablauf der Übergangszeit schwere Störungen des Agrargrundstücksmarktes in Lettland eintreten oder zu befürchten sind, so beschließt die Kommission auf Antrag Lettlands über eine Verlängerung der Übergangszeit um höchstens drei Jahre. Litauen
Ungeachtet der Verpflichtungen aus den Verträgen, auf die sich die Europäische Union gründet, kann Litauen seine am Tag der Unterzeichnung der vorliegenden Akte geltenden Rechtsvorschriften über den Erwerb von landwirtschaftlichen Flächen und Wäldern durch Staatsangehörige der Mitgliedstaaten und durch Gesellschaften, die nach den Gesetzen eines anderen Mitgliedstaates gegründet wurden und in Litauen weder niedergelassen noch eingetragen sind und dort auch keine Zweigniederlassungen oder -stellen haben, nach dem Tag des Beitritts sieben Jahre lang beibehalten. Auf keinen Fall darf ein Staatsangehöriger eines Mitgliedstaates beim Erwerb von landwirtschaftlichen Flächen und Wäldern ungünstiger als zum Datum der Unterzeichnung des Beitrittsvertrages behandelt werden, noch darf er restriktiver behandelt werden als Staatsangehörige von Drittstaaten. Staatsangehörige eines anderen Mitgliedstaates, die sich in Litauen als selbständige Landwirte niederlassen und dort ihren Wohnsitz haben wollen, die seit mindestens drei Jahren ununterbrochen ihren rechtmäßigen Wohnsitz in Litauen haben und in dieser Zeit landwirtschaftlich tätig waren, dürfen weder den Bestimmungen des vorstehenden Absatzes noch anderen Verfahren, als sie für litauische Staatsangehörige gelten, unterworfen werden.
Im dritten Jahr nach dem Tag des Beitritts wird eine allgemeine Überprüfung der Übergangsmaßnahmen vorgenommen. Die Kommission wird dem Rat dazu einen Bericht unterbreiten. Der Rat kann auf Vorschlag der Kommission einstimmig beschließen, den im ersten Absatz genannten Übergangszeitraum zu verkürzen oder zu beenden. 20 Hubatsch
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K. Anhang: Spezielle Dokumente betreffend den Immobilienerwerb
Gibt es hinreichende Anzeichen dafür, daß nach Ablauf der Übergangszeit schwere Störungen des Agrargrundstücksmarktes in Litauen eintreten oder zu befürchten sind, so beschließt die Kommission auf Antrag Litauens über eine Verlängerung der Übergangszeit um höchstens drei Jahre. Polen
Unbeschadet der Verpflichtungen aus den Verträgen, auf die sich die Europäische Union gründet, kann Polen die Vorschriften über den Erwerb von Zweitwohnsitzen des Gesetzes vom 24. März 1920 über den Erwerb von Immobilien durch Ausländer (Dz.U. 1996 Nr. 54, poz. 245, geändert) nach dem Beitritt fünf Jahre lang beibehalten. Staatsangehörige der Mitgliedstaaten und Staatsangehörige der Vertragsparteien des EWR-Abkommens, die vier Jahre lang ununterbrochen ihren rechtmäßigen Wohnsitz in Polen hatten, dürfen beim Erwerb von Zweitwohnsitzen weder den Bestimmungen des vorstehenden Unterabsatzes noch anderen Verfahren als denjenigen unterworfen werden, die für polnische Staatsangehörige gelten. Unbeschadet der Verpflichtungen aus den Verträgen, auf die sich die Europäische Union gründet, kann Polen die Vorschriften über den Erwerb von landwirtschaftlichen Flächen und Wäldern des Gesetzes vom 24. März 1920 über den Erwerb von Immobilien durch Ausländer (Dz.U. 1996 Nr. 54, poz. 245, geändert) nach dem Beitritt zwölf Jahre lang beibehalten. Auf keinen Fall dürfen Staatsangehörige der Mitgliedstaaten oder juristische Personen, die gemäß den Gesetzen eines anderen Mitgliedstaates geschaffen wurden, beim Erwerb von landwirtschaftlichen Flächen und Wäldern ungünstiger als zum Datum der Unterzeichnung des Beitrittsvertrages behandelt werden. Staatsangehörige eines anderen Mitgliedstaates oder einer Vertragspartei des EWR-Abkommens, die sich als selbständige Landwirte niederlassen wollen, mindestens drei Jahre lang ununterbrochen ihren rechtmäßigen Wohnsitz in Polen hatten und dort mindestens drei Jahre lang ununterbrochen als natürliche oder juristische Person Land gepachtet hatten, dürfen ab dem Tag des Beitritts beim Erwerb von landwirtschaftlichen Flächen und Wäldern weder den Bestimmungen des vorstehenden Unterabsatzes noch anderen Verfahren als denjenigen unterworfen werden, die für polnische Staatsangehörige gelten. In den Woiwodschaften Warmisko-Mazurskie, Pomorskie, Kujawsko-Pomorskie, Zachodnio-pomorskie, Lubuskie, Dolno 1 skie, Opolskie und Wielkopolskie wird der im vorstehenden Satz genannte Wohn- und Pachtzeitraum auf sieben Jahre verlängert. Der Pachtzeitraum vor dem Erwerb des Landes wird für jeden Staatsangehörigen eines Mitgliedstaates, der in Polen Land gepachtet hat, individuell ab dem beglaubigten Datum der ursprünglichen Pachtvereinbarung berechnet. Selbständige Landwirte, die das Land nicht als natürliche, sondern als juristische Personen gepachtet haben, können die sich aus der Pachtvereinbarung ergebenden Rechte der juristischen Person auf sie selbst als natürliche Person übertragen. Für
K. Anhang: Spezielle Dokumente betreffend den Immobilienerwerb
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die Berechnung des dem Recht auf Erwerb vorausgehenden Pachtzeitraumes wird der Zeitraum der Pacht als juristische Person angerechnet. Pachtvereinbarungen natürlicher Personen können rückwirkend mit einem beglaubigten Datum versehen werden, und der gesamte Pachtzeitraum eines beglaubigten Vertrages wird angerechnet. Für selbständige Landwirte gibt es keine Frist für die Umwandlung ihrer gegenwärtigen Pachtverträge in Verträge als natürliche Personen oder in schriftliche Verträge mit beglaubigten Datum. Das Verfahren für die Umwandlung von Pachtverträgen muß transparent sein und darf keinesfalls ein neues Hindernis darstellen. Im dritten Jahr nach dem Tag des Beitritts wird eine allgemeine Überprüfung dieser Übergangsmaßnahmen vorgenommen. Die Kommission wird dem Rat dazu einen Bericht unterbreiten. Der Rat kann auf Vorschlag der Kommission einstimmig beschließen, die in Unterabsatz 1 genannte Übergangszeit zu verkürzen oder zu beenden. Während der Übergangszeit wird Polen ein gesetzlich geregeltes Genehmigungsverfahren anwenden, mit dem gewährleistet wird, daß die Erteilung von Genehmigungen für den Erwerb von Immobilien in Polen nach transparenten, objektiven, dauerhaften und veröffentlichten Kriterien erfolgt. Diese Kriterien werden auf nichtdiskriminierende Weise angewandt und differenzieren nicht zwischen Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten mit Wohnsitz in Polen. Slowakei
Unbeschadet der Verpflichtungen aus den Verträgen, auf die sich die Europäische Union gründet, kann die Slowakei die den Erwerb von landwirtschaftlichen Flächen und Wäldern durch Gebietsfremde betreffenden Bestimmungen des Außenhandelsgesetzes Nr. 202/ 1995 Coll. und des Gesetzes Nr. 229/ 1991 Col!. über das Eigentum an Immobilien und an Ackerland (geänderte Fassung) nach dem Beitritt sieben Jahre lang beibehalten. Staatsangehörige eines Mitgliedstaates dürfen auf keinen Fall beim Erwerb von landwirtschaftlichen Flächen und Wäldern ungünstiger als zum Datum der Unterzeichnung des Beitrittsvertrages behandelt werden, noch dürfen sie restriktiver behandelt werden als Staatsangehörige eines Drittstaates. Staatsangehörige der anderen Mitgliedstaaten, die sich als selbständige Landwirte niederlassen wollen und seit mindestens drei Jahren ununterbrochen ihren rechtmäßigen Wohnsitz in der Slowakei haben und seit mindestens drei Jahren ununterbrochen in der Slowakei in der Landwirtschaft tätig sind, dürfen weder den Bestimmungen des vorstehenden Absatzes noch anderen Verfahren als denjenigen unterworfen werden, die für slowakische Staatsangehörige gelten. Vor Ablauf des dritten Jahres nach dem Tag des Beitritts wird eine allgemeine Überprüfung dieser Übergangsmaßnahmen vorgenommen. Die Kommission wird dem Rat dazu einen Bericht unterbreiten. Der Rat kann auf Vorschlag der Kommis20'
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K. Anhang: Spezielle Dokumente betreffend den Immobilienerwerb
sion einstimmig beschließen, den in Unterabsatz 1 genannten Zeitraum zu verkürzen oder zu beenden. Sollte die Slowakei während des Übergangzeitraumes Genehmigungsverfahren für den Erwerb von Grundeigentum durch Gebietsfremde in der Slowakei einführen, so müssen diese auf transparenten, objektiven, dauerhaften und veröffentlichten Kriterien beruhen. Diese Kriterien werden auf nichtdiskriminierende Weise angewandt und dürfen nicht zwischen slowakischen Staatsangehörigen und Staatsangehörigen anderer Mitgliedstaaten differenzieren. Liegen hinreichende Anhaltspunkte dafür vor, daß bei Ablauf der Übergangsfrist der Markt für landwirtschaftliche Flächen in der Slowakei ernsthaft gestört ist oder daß solche ernsthaften Störungen drohen, so entscheidet die Kommission auf Antrag der Slowakei über eine Verlängerung der Übergangsfrist von bis zu drei Jahren. Slowenien
Im Zusammenhang mit dem Immobilienmarkt kann Slowenien die in Artikel 37 dieser Akte vorgesehene allgemeine Schutzklausel für einen Zeitraum von bis zu sieben Jahren ab dem Tag des Beitritts in Anspruch nehmen. Tschechische Republik
Ungeachtet der Verpflichtungen aus den Verträgen, auf die sich die Europäische Union gründet, kann die Tschechische Republik die Bestimmungen des Außenhande1sgesetzes Nr. 219/ 1995 Sb. (geänderte Fassung) über den Erwerb von Zweitwohnungen durch Staatsangehörige der Mitgliedstaaten ohne Wohnsitz in der Tschechischen Republik und durch Gesellschaften, die nach den Gesetzen eines anderen Mitgliedstaates gegründet wurden und in dem Hoheitsgebiet der Tschechischen Republik weder niedergelassen sind noch dort eine Niederlassung oder eine Vertretung haben, nach dem Tag des Beitritts fünf Jahre lang beibehalten. Ungeachtet der Verpflichtungen aus den Verträgen, auf die sich die Europäische Union gründet, kann die Tschechische Republik die Bestimmungen des Außenhandelsgesetzes Nr. 219/1995 Sb. (geänderte Fassung), des Gesetzes Nr. 229/1991 Sb. (zur Regelung von Eigentumsverhältnissen von Ackerland und sonstigen landwirtschaftlichen Flächen) und des Gesetzes Nr. 95/ 1999 Sb. (über die Bedingungen für die Übertragung landwirtschaftlicher Flächen und Wälder vom Staatseigentum in das Eigentum anderer Stellen) über den Erwerb landwirtschaftlicher Flächen und Wälder durch Staatsangehörige der Mitgliedstaaten und durch Gesellschaften, die nach den Gesetzen eines anderen Mitgliedstaates gegründet wurden und in der Tschechischen Republik weder niedergelassen noch eingetragen sind, nach dem Tag des Beitritts sieben Jahre lang beibehalten. Auf keinen Fall dürfen Staatsangehörige eines Mitgliedstaates beim Erwerb landwirtschaftlicher Flächen
K. Anhang: Spezielle Dokumente betreffend den Immobilienerwerb
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und Wälder ungünstiger als am Tag der Unterzeichnung des Beitrittsvertrages noch restriktiver als Staatsangehörige dritter Länder behandelt werden. Selbständige Landwirte mit der Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaates, die sich in der Tschechischen Republik niederlassen und dort einen Wohnsitz anmelden wollen, dürfen weder den Bestimmungen des vorstehenden Unterabsatzes noch anderen Verfahren unterworfen werden, als denjenigen, die für tschechische Staatsangehörige gelten. Im dritten Jahr nach dem Tag des Beitritts wird eine allgemeine Überprüfung dieser Übergangsmaßnahmen vorgenommen. Die Kommission wird dem Rat dazu einen Bericht unterbreiten. Der Rat kann auf Vorschlag der Kommission einstimmig beschließen, den in Unterabsatz I genannten Übergangszeitraum zu verkürzen oder zu beenden. Liegen hinreichende Anhaltspunkte dafür vor, daß bei Ablauf der Übergangsfrist der Markt für landwirtschaftliche Flächen in der Tschechischen Republik ernsthaft gestört ist oder daß solche ernsthaften Störungen drohen, so entscheidet die Kommission auf Antrag der Tschechischen Republik über eine Verlängerung der Übergangsfrist von bis zu drei Jahren. Ungarn
Unbeschadet der Verpflichtungen aus den Verträgen, auf die sich die Europäische Union gründet, kann Ungarn die Beschränkungen des Erwerbs von Zweitwohnsitzen gemäß seinen zum Zeitpunkt der Unterzeichnung dieser Akte geltenden Rechtsvorschriften nach dem Beitritt fünf Jahre lang beibehalten. Staatsangehörige der Mitgliedstaaten und Staatsangehörige der Vertragsparteien des EWR-Abkommens, die mindestens vier Jahre lang ununterbrochen ihren rechtmäßigen Wohnsitz in Ungarn hatten, dürfen weder den Bestimmungen des vorstehenden Unterabsatzes noch anderen Regeln und Verfahren als denjenigen unterworfen werden, die für ungarische Staatsangehörige gelten. Während der Übergangszeit wird Ungarn für den Erwerb von Zweitwohnsitzen Genehmigungsverfahren anwenden, die auf objektiven, dauerhaften, transparenten und veröffentlichten Kriterien beruhen. Diese Kriterien werden auf nichtdiskriminierende Weise angewandt und dürfen nicht zwischen Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten mit Wohnsitz in Ungarn differenzieren. Unbeschadet der Verpflichtungen aus den Verträgen, auf die sich die Europäische Union gründet, kann Ungarn die Verbote des Erwerbs von landwirtschaftlichen Flächen durch natürliche Personen, die weder ihren Wohnsitz in Ungarn haben noch ungarische Staatsbürger sind, sowie durch juristische Personen gemäß seinen zum Zeitpunkt der Unterzeichnung dieser Akte geltenden Rechtsvorschriften nach dem Beitritt sieben Jahre lang beibehalten. Auf keinen Fall dürfen Staatsangehörige der Mitgliedstaaten oder juristische Personen, die gemäß den Gesetzen
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K. Anhang: Spezielle Dokumente betreffend den Immobilienerwerb
eines anderen Mitgliedstaates geschaffen wurden, beim Erwerb von landwirtschaftlichen Flächen ungünstiger als am Tag der Unterzeichnung des Beitrittsvertrages behandelt werden. Auf keinen Fall dürfen Staatsangehörige der Mitgliedstaaten schlechter gestellt werden als Staatsangehörige eines Drittstaates. Staatsangehörige eines anderen Mitgliedstaates, die sich als selbständige Landwirte niederlassen wollen, mindestens drei Jahre lang ununterbrochen ihren rechtmäßigen Wohnsitz in Ungarn hatten und dort mindestens drei Jahre lang ununterbrochen in der Landwirtschaft tätig waren, dürfen weder den Bestimmungen des vorstehenden Unterabsatzes noch anderen Regeln und Verfahren als denjenigen unterworfen werden, die für ungarische Staatsangehörige gelten. Im dritten Jahr nach dem Tag des Beitritts wird eine allgemeine Überprüfung dieser Übergangsmaßnahmen vorgenommen. Die Kommission wird dem Rat dazu einen Bericht unterbreiten. Der Rat kann auf Vorschlag der Kommission einstimmig beschließen, den in Absatz 2 Unterabsatz 1 genannten Übergangszeitraum zu verkürzen oder zu beenden. Sollte Ungarn während der Übergangszeit Genehmigungsverfahren für den Erwerb von landwirtschaftlichen Flächen anwenden, so müssen diese auf objektiven, dauerhaften, transparenten und veröffentlichten Kriterien beruhen. Diese Kriterien werden auf nichtdiskriminierende Weise angewandt und dürfen nicht zwischen Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten mit Wohnsitz in Ungarn differenzieren. Liegen hinreichende Anhaltspunkte dafür vor, daß bei Ablauf der Übergangsfrist der Markt für landwirtschaftliche Flächen in Ungarn ernsthaft gestört ist oder daß solche ernsthaften Störungen drohen, so entscheidet die Kommission auf Antrag Ungarns über eine Verlängerung der Übergangsfrist von bis zu drei Jahren. Zypern
Unbeschadet der Verpflichtungen im Rahmen der Verträge, auf die sich die Europäische Union gründet, kann Zypern seine am 3l. Dezember 2000 geltenden Rechtsvorschriften über den Erwerb von Zweitwohnsitzen (Gesetz über den Erwerb von Immobilien (Ausländer) (Kapitel 109), Gesetze Nr. 52/ 1969, 55/ 1972 und 50/1990, Beschluß des Ministerrates Nr. 50.228 vom 25.8.1999 und Runderlaß des Innenministers an die Bezirksbeamten vom 30.9. 1999) ab dem Tag des Beitritts fünf Jahre lang beibehalten.
K. Anhang: Spezielle Dokumente betreffend den Immobilienerwerb
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Kommissionspapier zum Verhandlungsstand bezüglich Kapitel 4 (Freier Kapitalverkehr) aus dem Jahr 2001 (nicht veröffentlicht)
(XXXXX = bestimmtes Beitrittsland) Evaluation in DCP / Real estate
In CONF-XX X/Ol, XXXXX modifies its position in respect of the country's requests for transitional periods and requests a 5-year transitional period for the acquisition by Community nationals and Community companies of secondary residences and plots for building such residences and a lO-year transitional period for agricultural land and forests. The earlier request concerning acquisition of real estate by non-residents from third countries (non-EU Member States) is withdrawn. The request for a transitional period reflects the sensitivity of the real estate issue in the country as weil as the difficulties and concerns that exist in this sector as explained in the (first) additional information to the Position Paper. The request is based on economic and social factors explained not only by the disparity of prices between XXXXX and the neighbouring EU Member States and by the relative lower purchasing power of the local population, but also by a number of important and as yet unresolved internal problems. Secondary residences
In the case of secondary residences these internal problems relate to the shortage of housing and as yet incomplete deregulation of the state housing prices. Studies conducted by the XXXX authorities suggest that acquisition by non-residents should only be accepted when the ratio of purchasing power of XXXX residents and prices of plots approach the situation in the EU. XXXXX has in CONF-XX X/OI defined the request to 5 years for non-residents. The XXXX request is limited both in scope and time. It applies only to EU nationals (natural and legal persons) not residing in XXXXX. The request is also in line with the period granted regarding secondary residences in the enlargement with Austria, Finland and Sweden. The requested transitional period would have limited impact on the internal market and the freedoms it entails: It is only related to the acquisition of secondary residences; it is not linked to direct foreign investment purposes; and it will not impede the exercise of freedom of establishment for professions. The Commission proposes therefore that the EU should accept the request and grant XXXXX a 5-year transitional period for the acquisition of secondary residences and plots for building such residences by EU nationals not residing in XXXXX.
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Agricultural andforestry land
XXXXX's justification In the case of agricultural land and forests the particular internal problems are related to a combination of factors of which the most important are the restructuring of the sector, underdeveloped land markets, the process of restitution and legal problems of property ownership. XXXXX needs to progressively reorient its agriculture sec tor and further develop the markets for agriculture and forestry land. In CONF-XX26/00 the EU noted that XXXXX explains this situation not only by economic reasons, such as the disparity in the purchasing power of XXXX residents and those in neighbouring EU Member States, but also by a number of yet unresolved important legal problems. Among these, the EU noted that: the process of restitution of the land is not yet achieved and that in this respect there are problems concerning property rights; that there are as yet unresolved problems of ownership rights of land between municipalities and the State and subsequent registration in the Land Fund is therefore not completed; and that the privatisation of agricultural land and forests is in the early stages. It should, however, be pointed out that on forestland, convincing arguments are not evident from XXXXX's response. Free movement of capital does not imply a right for foreigners to buy state property or prevent expropriation of forestland by the state. Neither does it automatically imply that if the state decides to seil its forests it cannot choose who the buyer might be, with the proviso that any sales procedure adopted does not discriminate against EU participants. On the other hand it might be difficult to distinguish forestland from agriculturalland. XXXXX explains that both the agriculture and forestry in XXXXX are in the process of long-term transformation. In many areas the owner of agricultural land mayaiso own forests which potentially could be for sale. Due to given links between agricultural and forestry land the issue is of high political sensitivity in XXXXX. The Commission therefore suggests to cover forestry land as an integrated part of the request on farmland.
Commission assessment and proposal for the transitional period
The question of transitional periods with regard to agricultural land is politically highly sensitive in XXXXX. The combination of current land prices, the purchasing power disparity, the need to further reform the agricultural sector as weil as to resolve important legal problems would justify aperiod in which certain acquisition of real estate would not be desirable. From a technical point of view, such a transitional period should be at least as long as for the acquisition of secondary residences because the justification put forward by the XXXX authoriti es is similar and because the problems in this area are complex and likely to take longer to solve. However, it is difficult to justify that the necessary reforms would need a 10 year period from accession, (until 31. 12. 2012 on the basis of
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XXXXX's reference date for accession to the EU) to allow foreign investors on the land market. The Commission suggests therefore that XXXXX should be granted a transitional period of 7 years from accession (until 31. 12. 2009 on the basis of the above mentioned reference date), during wh ich XXXXX will continue to apply the national legislation regulating the acquisition of real estate. A review of the transition regime shall be held after 3 years (before 31. 12.2005). This review shall be based on a factual report from the Commission, which may be accompanied by a proposal to the Council, to be delivered before the end of 2005. On the basis of such proposal, the Council shall unanimously act on a proposal from the Commission whether to shorten or lift the transitional period. This review should take into account: - the movement of relative property prices during the transitional period 1 - particular regional developments 2 • XXXXX mayaiso advance at the time of the review other relevant factors it considers should be taken into consideration in the Commission report and proposal. Scope ofthe transitional period In contrast to secondary residences, the acquisition of agriculturalland is c10sely linked to the actual operation of not only the free movement of capital, but also other freedoms which are fundamental to the internal market. Any demand for transitional periods in the area of agricultural land must therefore be judged in the light of the potential impact on the four freedoms of the internal market. Suggested to be covered by the scope ofthe transitional period: Pure capital investments and investment for letting An investor may purchase land for the sole purpose of holding it and hoping at a later stage to seil it for monetary gain. While this could be c1assed as of relevance to the integration of capital markets and a corresponding equalisation of asset prices in the EU, it would not affect other freedoms. However, it is questionable whether such investments are desirable in the light of the objectives of the CAP. I In particular the review will assess the approximation of overall agricultural land prices to the average price for agricultural land in the EU upon accession. Should the movement in price between the starting level and the EU average price upon accession, over the initial 3 year period, not exceed that suggested by a linear approximation taken over the whoJe period, grounds can be established for maintaining the full transitional period. 2 In the case where grounds cannot be established for maintaining the full transitional period on a national basis, XXXXX may advance information which shows slower price developments in particular areas of the country. In this case grounds may be established for maintaining the full transitional period in these defined areas.
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K. Anhang: Spezielle Dokumente betreffend den Immobilienerwerb
Another transaction could involve the purchase of land by an EU operator with the objective of renting it out in the accession country. Here the restriction on acquisition affects the freedom to provide services. However, given the political connotations of an EU economic operator buying up land in competition with local farmers, the EU might consider it a candidate for transitional provisions. Suggested to be excluded from the scope of the transitional period: Self employedfarmers The Commission proposes that a self employed EU farmer moving to XXXXX, buying land and starting up a farm should be excluded from the scope of the transitional period. While it is unlikely that there would be a substantial number of operations of this type, it is considered that the possibility of exercising the fundamental freedom of establishment should be guaranteed upon accession. The exclusion of self-employed farmers should not cause any major problem for XXXXX since EU citizens resident in XXXXX already now enjoy equal rights to XXXX nationals. A general review of the transitional period shall be held in the third year of the transitional period. To that aim, the Commission shall report in due time to the Council. The Council may, acting unanimously on a proposal from the Commission, decide to shorten or lift the transitional period.
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Sachverzeichnis acquis communautaire siehe Besitzstand Agrarpolitik, gemeinsame 137 Alandinseln 227 Anlagezwecke 97, 149 Anlegerschutz 109 AnmeIdeverfahren 118, 120, 121, 128, 131 - und Bedingungen und Auflagen 128 - und Rechtssicherheit 130 - und Sanktionen 120, 128, 133 - und Sicherheitsleistung 128 Anzeigeverfahren siehe Anmeldeverfahren Arbeitnehmerfreizügigkeit 52 - 63 - Arbeitnehmerbegriff 53 - sozialer Aufstieg der Arbeitnehmer 58 - Verordnung 1612/68/EWG 54 Assoziierungsabkommen 114 Aufenthaltsregelungen 183 - Art. 18 EGV 191 - Aufenthaltsrichtlinie 90/364 / EWG 183 - Pensionistenrichtlinie 90/365/ EWG 185 - Studentenrichtlinie 93/96/ EWG 186 Ausnahmeregelungen siehe Besitzstand und Sonderregelungen Beitrittsakte Finnland, Österreich, Schweden 230 Beitrittsassoziationen 252 Beitrittsverhandlungen 252- 274 Beitrittsvoraussetzungen 254 - 257 - Kopenhagener Kriterien 255 - Übernahme des Besitzstandes 255 - und Vertreibungsunrecht 250 Berufsausbildung 187 Berufsfreiheit 177 - 179 Beschränkungsverbot50,57,61, 76,83,101 Besitzstand, gemeinschaftlicher 225, 230 - dauerhafte Ausnahmen 231, 260 - Definition 256 - territoriale Beschränkungen 259 - Übergangsregelungen 231, 260 21 *
Betriebsgrundstücke 66, 73, 87 Binnenmarkt 42 Bodenspekulationen 60 Bulgarien 265 Bürgerrechte 189 Dänemark 40, 225 Demographie 232 Dienstleistungsfreiheit 81 - 94 - aktive 83, 86 - Dienstleistungsbegriff 83 - Korrespondenzdienstleistung 83, 85 - passive 83, 85 - und Beweislast 89 Direktinvestitionen 102, 142, 147 - und Genehmigungsverfahren 121 Diskriminierung - offene / unmittelbare 49 - umgekehrte 99 - versteckte/ mittelbare 49,62,75, 110 - Vertriebener 271 - willkürliche 118 Diskriminierungsgefahr 121, 132 Diskriminierungsverbot, allgemeines 206-216 - autonome Anwendbarkeit 212 - Erweiterung durch Art. 18 EGV 197 - unmittelbare Anwendbarkeit 207 Drittländer 39, 112, 114 Drittstaatsangehörige 96, 157, 190, 229 effet utile 37, 209, 215 EFTA siehe Europäische Freihandelszone EGMR siehe Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte Eigentumsfreiheit 166 - 177 - Eigentumsentziehung 169 - Eigentumserwerb 170 - Institutsgarantie 171 - Nutzungsbeschränkungen 169
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Sachverzeichnis
Eigentumsordnung - Begriff 30 - der EG / EU 30 - der Mitgliedstaaten 30 - 36, 51 - und Rechtsangleichung 43 Einzelermächtigung, begrenzte 37, 199 EMRK siehe Europäische Menschenrechtskonvention Erklärungsverfahren siehe Anmeldeverfahren Ermessen, freies 121, 132 Erstwohnsitze 54, 69, 108 Erwerbsverbote 118,291 Estland 262 EuGH siehe Europäischer Gerichtshof Europa der Bürger 182, 189 Europäische Freihandelszone (EFTA) 28, 113 Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) - Art. 1 des 1. Zusatzprotokolls 167, 170 - Bindung der EU / EG 155 - Eigentumserwerb 174 - Mindeststandard 173 - Rechtserkenntnisquelle 154 Europäischer Gerichtshof (EuGH) - Rechtssache Albore 121 - Rechtssache Eglise de scientologie 121 - Rechtssache Gebhard 76 - Rechtssache Grze1czyk 187,197 - Rechtssache Hauer 168 - Rechtssache Kommission / Griechenland 55,67,88,211 - Rechtssache KommissionIItalien 69, 70, 89 - Rechtssache Konle 104, 119 - Rechtssache Martfnez Sala 197 - Rechtssache Ospelt 133 - Rechtssache Reisch u. a. 128 - Rechtssache Salzmann 131 Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) - Fall Inze 175 Europäischer Wirtschaftsraum (EWR) 28, 113, 133 - Inländergleichbehandlung 28 Evolutivklausel 41
EWR siehe Europäischer Wirtschaftsraum Existenzmittel 204 Familienangehörige 65, 184, 186, 187 Ferienwohnsitze 59, 70, 91, siehe auch Zweitwohnsitze Finalität der EU 239 Flächenwidmungsplan 131, siehe auch Raumplanung Freizügigkeit siehe Arbeitnehmerfreizügigkeit Gebhard-Formel 50, 76 Gebiet militärischer Bedeutung 122 Geldbußen 120 Geldwäsche 61, 117 Gemeinsame Erklärung zu Zweitwohnungen 59,72,229 Gemeinsamer Markt 24, 42 Gemeinschaftsgrundrechte 151 - 180 - Achtung der Privatsphäre 125 - allgemeiner Gleichheitssatz 216 - 218 - Berufsfreiheit 177 - 179 - Bindung der Gemeinschaftsorgane 158 - Bindung der Mitgliedstaaten 159 - Drittstaatsangehörige 157 - Eigentumsfreiheit 166-177 - Rang 157,233 - Schranken 164, 176, 179 - und Grundfreiheiten 49,151,158,161 - und Grundrechtscharta 151 Gemeinschaftsrecht - einheitliche Anwendbarkeit 153 - Kollision mit dem Grundgesetz 245 - unmittelbare Geltung 152 - Vollzug durch Mitgliedstaaten 160 - Vorrang vor nationalem Recht 152 Gemeinschaftstreue 156,214 Genehmigungsverfahren 118, 119, 121, 122, 128, 131, 134 - und Achtung der Privatssphäre 125 - und Beweislast 141 - und Diskriminierungsgefahr 121,132 - und freies Ermessen 121, 132 - und Rechtssicherheit 121, 138 - und Rechtsweg 136 - Zulässigkeit 137 Gerichtshof siehe Europäischer Gerichtshof
Sachverzeichnis Gesellschaften 65, 82 Gesetzesvorbehalt 166 Gleichheitssatz, allgemeiner 216 - 218 - unmittelbare Anwendbarkeit 217 Globalisierung 94 Grenzüberschreitung, Element der 48, 98, 196 Grundbuchvorschriften 110 Grundfreiheiten 48-150 - allgemeine Systematik 48 - Arbeitnehmerfreizügigkeit 52 - 63 - Beschränkungsverbot 50 - Dienstleistungsfreiheit 81 - 94 - grenzüberschreitender Bezug 48, 98 - Kapitalverkehrsfreiheit 94-141 - Niederlassungsfreiheit 63 - 81 - und Gemeinschaftsgrundrechte 49, 151, 158, 161 - und Unionsbürgerschaft 205 - unmittelbare Anwendbarkeit 52, 64, 82, 95 - Verhältnis der Erwerbsrechte zueinander 141 Grundgesetz, deutsches - Vorgaben für Sonderregelungen 245 Grundrechte siehe Gemeinschaftsgrundrechte Grundrechtscharta 151,246 Grundstücksverkehr im Recht der EU - Querschnittsmaterie 29, 219
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Harmonisierung 31, 42 Hauptwohnsitze 54, 69, 108 Herrschaft über die Verträge 163,236
- und Eigentumsfreiheit 166 - 177 - und Europäischer Wirtschaftsraum 113 - und Gemeinschaftsgrundrechte 151-180 - und Grundfreiheiten 48-150 - und Kapitalverkehrsfreiheit 94-141 - und Niederlassungsfreiheit 63 - 81 - und Osterweiterung der EU 248 - 286 - und Steuerrecht 116 - und Unionsbürgerschaft 188 - 206 Immobilienerwerbsrechte - Verhältnis zueinander 219-224 Immobilienerwerbsregelungen der MOES - Verhältnis zu Gemeinschaftsrecht 275 - zukünftige Bedeutung 274 - 286 Immobilienerwerbsregelungen, nationale - Leitlinien 287 - 291 Immobiliengeschäfte 74, 92 Immobilienmarkt - Kaufkraftunterschiede 251, 265 - Preisgefalle 265 - Preissteigerungen 251, 266 - Privatisierung 267 - Spekulations geschäfte 267 - Wohnungsknappheit 265 implied powers 37 Indigenat, europäisches 191, 201 Inländergleichbehandlung 49, 53, 64, 83, 101, 189 Institutsgarantie 171 Integration - der Mitgliedstaaten 181 - des einzelnen 182 - Offenheit und Dynamik 191
Identität - europäische 200 - nationale 239 Immobilienerwerb - außerhalb wirtschaftlicher Betätigung 181-218 - innerhalb des Besitzstandes 257 - und allgemeiner Gleichheitssatz 216-218 - und allgemeines Diskriminierungsverbot 206-216 - und Arbeitnehmerfreizügigkeit 52 - 63 - und Beitrittsverhandlungen 252- 274 - und Berufsfreiheit 177 - 179 - und Dienstleistungsfreiheit 81 - 94
Kapitalverkehrsfreiheit 94 - 141 - als Wettbewerbsgleichheit 98 - Bereichsausnahmen 11 0 - Beschränkungen 108 - Cassis-Formel 109 - Dassonville-Formel 109 - duales Beschränkungssystem 109, 118 - einheitlicher Kapitalmarkt 98 - Kapitalverkehrsbegriff 97, 105 - Kapitalverkehrsrichtlinie 88/361/EWG 103 - Keck-Formel 110 - und Drittländer 112 - und Wirtschafts- und Währungsunion 98
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Sachverzeichnis
Kaufkraftunterschiede 251, 265 Konfiskation 250 Kopenhagener Kriterien 255 Krankenversicherung 204 Kriminalität, organisierte 61 Land- und Forstwirtschaft 73, 91, 134 Landesverteidigung 61, 122 Landwirte, selbständige 268 Legitimation 243 Leitlinien für nationale Immobilienerwerbsregelungen 287 - 291 Lettland 262 Litauen 262 Malta 228, 264 Marktbürger 182, 189 Marktwirtschaft 24 Meldeverfahren 117, siehe auch Anmeldeverfahren Menschenrechte 242, 244 - und Eigentumserwerb 171 - und Willkürverbot 273 Militär 61, 122 Minderheitenschutz 232, 260 Mindestaufenthaltsdauer 75 Mißbrauchskontrolle 124, 163 Mitgliedstaaten - Handeln "im Anwendungsbereich des Gemeinschaftsrechts" 161 - Handeln ohne Gemeinschaftsbezug 164 - Herren der Verträge 163,236 - Selbstbindung 237 - verbliebene Kompetenzen 162 - völkerrechtliche Bindungen 243 - Vollzug des Gemeinschaftsrechts 160 Mittel- und osteuropäische Staaten (MOES) - künftige Bedeutung nationaler Immobilienerwerbsregelungen 274 - 286 - Sonderregelungen 262-274 Nichtigerklärung des Erwerbs 120, 128 Niederiassungsfreiheit 63 - 81 Notarpflichten 110 Nutzungsbeschränkungen 118,291 Ordre-Public-Vorbehalte 61, 80, 116,202 - Grundrechtsbindung der Mitgliedstaaten 161
- richterliche Kontrolldichte 163 - wirtschaftlich motivierte Beschränkungen 61 Ortsansässigkeitserfordernis 50, 62 Osterweiterung der EU 248 - 286 - historische, wirtschaftliche, politische Hintergründe 23 - 26, 248 - 251 Pachterfordernis 139,263,270 Pensionistenrichtlinie 90/365/ EWG 185 Planwirtschaft 23, 249 Polen - Diskriminierung Vertriebener 271 - nationale Immobiliengesetze 277 - 285 - Übergangsregelungen 263, 270 Präadhäsionsstrategie 253 Preisgefälle 265 Preissteigerungen 226, 251, 266 Primärrecht - änderungsfester Kern 236 - und nationale Verfassungen 245 - weitere Hierarchien innerhalb 236 Privatgrundstücke 54, 68, 89, 104 Pri vatisierung 267 Querschnittsmaterie 29, 219 Raumplanung 60, 119, 132 Rechtsangleichung 31, 42 Rechtsetzungskompetenzen der EU 36-47 - allgemeine Rechtsangleichung 42 - Art. 22 Abs. 2 EGV 41 - Art. 44 Abs. 2 EGV 38 - Art. 57 EGV 39 - Art. 308 EGV 46 - begrenzte Einzelerrnächtigung 37 - effet utile 37 - Gemeinschaftsverträge 37 - implied powers 37 - konkurrierende 39 - Sekundärrecht47 - Subsidiaritätsprinzip 37 - ungeschriebenes Primärrecht 46 - Verhältnismäßigkeitsprinzip 37 Rechtsgemeinschaft 190,237,241 Rechtsgrundsätze, allgemeine 49, 153, siehe auch Gemeinschaftsgrundrechte Rechtssicherheit 121, 130, 138
Sachverzeichnis Rechtsstaatlichkeit 242, 245 Rechtsweg 136, 141 Restitution 267 Restrukturierung des Agrarsektors 267 Rumänien 265 Sachverhalt, interner 98 Sanktionen 120, 128, 133 Scheingeschäfte 128 Schutzklausel, wirtschaftliche 262, 269 Selbständige 63 Selbstbewirtschaftungserfordernis 138 Sicherheit, öffentliche 122 Sicherheitsleistung 128 Slowakei 263 Slowenien 264 Sonderregelungen 225 -247,262- 274 - als Vertragsänderung 235 - Beitrittsakte Finnland, Österreich, Schweden 230 - Gemeinsame Erklärung zu Zweitwohnungen 59, 72, 229 - Inhalt und Funktion 231 - inhaltliche Begrenzungen 235 - MOES 262-274 - Protokoll Alandinseln 227 - Protokoll Dänemark 40, 225 - Protokoll Malta 228 - Rangverhältnis 232 - Verstoß gegen Willkürverbot 273 - vorzeitige Überprüfung 268 Souveränität - der Mitgliedstaaten 238 - und Legitimation 243 - und militärische Sicherheit 123 - und Selbstbindung 240 Sozialhilfe 183 Spekulationsgeschäfte 267 Staatsangehörigkeit 199, 209 Staatsbürgerschaft 190 Steuerhinterziehung 61, 117 Steuerrecht 116 Strukturprinzipien der EU 237, 241 - Menschenrechte 242 - Rechtsstaatlichkeit 242 - Willkürverbot 242 Studentenrichtlinie 93/96/ EWG 186
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Subsidiaritätsprinzip 37 Supranationalität 152 Tschechische Republik 264 Überfremdung 251 Übergangsregelungen siehe Besitzstand und Sonderregelungen Übernahmeprinzip 256 Umgehungsgeschäfte 128 Umweltschutz 129, 164 Ungarn 264 Unionsbürgerschaft 41, 182, 188 - 206 - allgemeines Aufenthaltsrecht 191 - grenzüberschreitender Bezug 196 - Recht auf Vollintegration 196 - und Grundfreiheiten 205 - unmittelbare Anwendbarkeit 192 Unterlassungspflichten 120 Verfassung 238 Verfassungsgrundsätze der EU 237, siehe auch Strukturprinzipien der EU Verfassungsordnung, gesamteuropäische 155 Verhältnis der Immobilienerwerbsrechte 219-224 Verhältnismäßigkeitsprinzip 37, 62 Verordnung 1612/68/ EWG 54 Vertragsabrundungsklausel 46 Vertragsänderung - systemimmanente Grenzen 237 - Vorgaben des Grundgesetzes 245 Vertreibung - Ausschluß Vertriebener vorn Erwerb 271 - und Restitution 250 Vorkaufsrecht 139 Wald- und Ackerland 73,91, 134,266 - Selbstbewirtschaftung 138 - Übergangsfristen für MOES 262 Wertegemeinschaft 237 Willkürverbot 242 - Verstoß 272 Wirtschafts- und Währungsunion (WWU) 98 Wirtschaftsgemeinschaft 189
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Sachverzeichnis
Wohnsitzerfordernis 50, 53, 62, 102, 136, 138 Wohnungsknappheit 265 Woiwodschaften 263, 270 WWU siehe Wirtschafts- und Währungsunion Zwangsversteigerung 120 Zweitwohnsitze 59, 70, 91, 105, 108, 185, 186,200,225,228,229,230 - Übergangsfristen für MOES 262 Zwingende Erfordernisse des Allgemeinwohls 50, 111
-
Anlegerschutz 109 Belange der Landwirtschaft 136 Bodenspekulationen 60 demographische Entwicklung 232 Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes 109 - gemeinsame Agrarpolitik 137 - militärische Interessen 123 - Raumplanung 60,119,132 - Umweltschutz 129, 164 Zwingendes Recht 244 Zypern 264