Der Gewerkschaftsbegriff des MitbestG im Lichte der kollektiven Koalitionsfreiheit. [1 ed.] 3428190106, 9783428190102

Der Gewerkschaftsbegriff hat sich historisch funktionsgebunden entwickelt und entzieht sich mithin einer einheitlichen B

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German Pages 441 [442] Year 2023

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Der Gewerkschaftsbegriff des MitbestG im Lichte der kollektiven Koalitionsfreiheit. [1 ed.]
 3428190106, 9783428190102

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Abhandlungen zum deutschen und internationalen Arbeits- und Sozialrecht Band 14

Der Gewerkschaftsbegriff des MitbestG im Lichte der kollektiven Koalitionsfreiheit

Von

Caroline Frank

Duncker & Humblot · Berlin

CAROLINE FRANK

Der Gewerkschaftsbegriff des MitbestG im Lichte der kollektiven Koalitionsfreiheit

Abhandlungen zum deutschen und internationalen Arbeits- und Sozialrecht Band 14

Der Gewerkschaftsbegriff des MitbestG im Lichte der kollektiven Koalitionsfreiheit

Von

Caroline Frank

Duncker & Humblot · Berlin

Die Rechtswissenschaftliche Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster hat diese Arbeit im Jahre 2023 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

D6 Alle Rechte vorbehalten © 2023 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Satz: 3w+p GmbH, Rimpar Druck: CPI books GmbH, Leck Printed in Germany ISSN 2747-9021 ISBN 978-3-428-19010-2 (Print) ISBN 978-3-428-59010-0 (E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Meinen Eltern

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Sommersemester 2023 von der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster als Dissertation angenommen. Literatur und Rechtsprechung sind im Wesentlichen auf dem Stand von Juli 2023. Zunächst bin ich meinem Doktorvater Herrn Professor Dr. Clemens Höpfner zum Dank verpflichtet, an dessen Lehrstuhl ich in der Entstehungszeit dieser Dissertation als wissenschaftliche Mitarbeiterin tätig war. Herrn Professor Dr. Matthias Casper danke ich gleichermaßen für die rasche Erstellung des Zweitgutachtens. Meine Zeit am Institut für Arbeits-, Sozial- und Wirtschaftsrecht werde ich vor allem dank meiner großartigen Kollegen stets in guter Erinnerung halten. Aus ihnen sind Freunde geworden, mit denen ich nicht nur viele bereichernde Fachgespräche führen, sondern auch unzählige heitere Momente erleben durfte. Dies gilt in besonderem Maße für meinen langjährigen Bürokollegen, Herrn Dr. Sebastian Friese, der nicht nur mein liebster Diskussionspartner ist, sondern auch ein guter Freund, der mein Leben auf vielfältige Weise mit Humor und Intelligenz bereichert. Für ihre warmherzige Freundschaft und unerschöpfliche Zuversicht danke ich auch Herrn Akademischem Rat auf Zeit Dr. Jan Alexander Daum und Frau Dr. Jara Streuer. Sie haben mir zudem den unbezahlbaren Freundschaftsdienst erwiesen, diese Arbeit Korrektur zu lesen. Mein Dank gilt in diesem Zusammenhang auch Herrn Dr. Thorben Eick, dessen unvergleichlicher Optimismus mir eine stete Inspiration ist. Meinen tief empfundenen Dank möchte ich Frau Richterin am Landgericht Claudia Karreh aussprechen, die mich von Anbeginn meines Rechtsreferendariats als Ausbilderin gleichermaßen gefördert und gefordert hat. Auf meinem Weg aus der Wissenschaft in die juristische Praxis hat sie mich mit Geduld, Wohlwollen und wertvollen Ratschlägen begleitet und auf diese Weise mein juristisches Selbstverständnis nachhaltig geprägt. Diese Dissertation beschließt nun ein prägendes Kapitel meines persönlichen und akademischen Lebensweges. Meiner Familie sei daher in dem Bewusstsein gedankt, dass ich diesen ohne ihre Unterstützung nicht beschreiten könnte. So danke ich namentlich meiner Tante, Frau Angelika Frank, für das gewissenhafte Lektorat dieser Arbeit und die kurzweiligen Gespräche. Der größte Dank gebührt jedoch meinen Eltern, Frau Dr. med. Sabine und Herrn Dr. med. Andreas Frank. Ihre bedingungslose Liebe und aufopfernde Unterstützung sind mein steter Antrieb und Rückhalt zugleich. Mit ihrem unerschütterlichen

8

Vorwort

Vertrauen in mich und meine Fähigkeiten leisten sie einen unverzichtbaren Beitrag zu all meinen Erfolgen und lassen mich jeden Selbstzweifel überwinden. Ihnen ist diese Arbeit daher in ewiger Liebe und Dankbarkeit gewidmet. Münster, im August 2023

Caroline Frank

Inhaltsübersicht Einleitung und Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23

1. Kapitel Der einheitliche Gewerkschaftsbegriff als Status quo

26

A. Der Gewerkschaftsbegriff des § 2 Abs. 1 TVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 I. II.

Das Verhältnis von Koalitions- und Gewerkschaftseigenschaft . . . . . . . . . . . . . . 26 Koalitionseigenschaft nach Art. 9 Abs. 3 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30

III.

Voraussetzungen der Tariffähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36

B. Historische Begriffsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 I.

Die Etymologie des Gewerkschaftsbegriffes als Selbstbezeichnung . . . . . . . . . . 61

II.

Die Externalisierung des Gewerkschaftsverständnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62

C. Die Gewerkschaft als unbestimmter Rechtsbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 I. II.

Der Inhalt des Gewerkschaftsbegriffes in seinem bestimmten Kern . . . . . . . . . . 63 Zusammenfassung und Bedeutung für den Fortgang der Arbeit . . . . . . . . . . . . . 84

D. Der einheitliche Gewerkschaftsbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 I. Darstellung und Kritik des Meinungsbildes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 II.

Die Fehlobjektive der Widerspruchslosigkeit – Keine „Einheit der Rechtsordnung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94

III.

Kritische Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99

E. Zwischenergebnis und Bedeutung für die nachfolgende Untersuchung . . . . . . . . . . . . 103 I. II.

Zwischenergebnis: Der Gewerkschaftsbegriff als unbestimmter Rechtsbegriff – kein verfassungsrechtliches Einheitlichkeitserfordernis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 Bedeutung für die nachfolgende Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104

2. Kapitel Der Grundgedanke der Mitbestimmung

106

A. Die historische Entwicklung vom Teilhabegedanken zur Mitbestimmung . . . . . . . . . . 106 I.

Von den Anfängen der Koalitionsbewegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107

II. III.

Das Ende der Koalitionsverbote und die Blütezeit der Koalitionsbewegung . . . 112 Die Sozialistengesetze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118

10

Inhaltsübersicht IV.

Die gesetzliche Anerkennung der Koalitionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120

V.

Die Umsetzung des Rätesystems durch das BRG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125

VI. Zwischenergebnis: Die volatile Machtposition der Koalitionen . . . . . . . . . . . . . 128 VII. Vom Nationalsozialismus bis heute . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 VIII. Zwischenergebnis: Die historische Parallelentwicklung der Mitbestimmungsinstrumentarien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 B. Mitbestimmung als Kollektivkonzept zur Herstellung von Parität . . . . . . . . . . . . . . . . 135 I.

Grundsätzliche Erkenntnisse zur Parität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135

II.

Der Grundsatz der Parität im Kontext der Mitbestimmungsmechanismen . . . . . 136

C. Mitbestimmung und Parität als Verfassungsideen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 I. II.

Parität im Gefüge der Arbeits- und Wirtschaftsverfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 Parität im Gefüge der sozialen Ordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144

3. Kapitel Das Recht der Unternehmensmitbestimmung

166

A. Die normativen Anknüpfungspunkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 I.

Art. 9 Abs. 3 GG als verfassungsrechtliche Grundlage der Unternehmensmitbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166

II.

Die einfachgesetzliche Konkretisierung der Unternehmensmitbestimmung durch das MitbestG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201

B. Die Rolle der Gewerkschaften in der Unternehmensmitbestimmung . . . . . . . . . . . . . . 236 I.

Der Schutz der Koalitionen innerhalb der Koalitionsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . 237

II.

Die Arbeitnehmerrepräsentation als verfassungsrechtliche Ordnungsfunktion

253

4. Kapitel Der mitbestimmungsgesetzliche Gewerkschaftsbegriff

275

A. Die Begriffsfindung im Wege der klassischen Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275 I. Die Auslegung des Gewerkschaftsbegriffes im MitbestG . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275 II.

Das Ergebnis der klassischen Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 337

III.

Keine Korrektur durch ein Rangverhältnis der Auslegungsmittel . . . . . . . . . . . . 338

B. Die verfassungskonforme Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 340 I. II.

Die Grundlagen der verfassungskonformen Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 341 Die verfassungskonforme Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 344

III.

Das Ergebnis der verfassungskonformen Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 369

C. Zusätzliche Voraussetzungen zum Zwecke der Funktionssicherung de lege ferenda? 370 I.

Anerkennung des Mitbestimmungsrechtes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 371

Inhaltsübersicht

11

II.

Beschlusswilligkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 373

III.

Branchenspezifische Fachkenntnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 375

D. Der Gewerkschaftsbegriff nach dem MitbestG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 378 Die Ergebnisse der Untersuchung in Thesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 379

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 386 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 440

Inhaltsverzeichnis Einleitung und Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23

1. Kapitel Der einheitliche Gewerkschaftsbegriff als Status quo

26

A. Der Gewerkschaftsbegriff des § 2 Abs. 1 TVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 I.

Das Verhältnis von Koalitions- und Gewerkschaftseigenschaft . . . . . . . . . . . . . . 26 1. Art. 9 Abs. 3 GG als Ausgangspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 2. Das TVG als Konkretisierung der Tarifautonomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27

II.

Koalitionseigenschaft nach Art. 9 Abs. 3 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 1. Vereinigung im Sinne des Art. 9 Abs. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 2. Gegnerfreiheit und Gegnerunabhängigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32

III.

3. Unabhängigkeit von Staat, Kirche und Parteien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 Voraussetzungen der Tariffähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 1. Demokratische Organisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 a) Die demokratische Organisation zur Legitimation tariflicher Normsetzung 37 b) Die Voraussetzungen an die demokratische Organisation . . . . . . . . . . . . . . 38 2. Tarifwilligkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 3. Anerkennung des staatlichen Tarif-, Schlichtungs- und Arbeitskampfrechtes (Rechtstreue) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 4. (Organisatorische) Leistungsfähigkeit und Durchsetzungskraft . . . . . . . . . . . 43 5. Soziale Mächtigkeit im Sinne einer sozialen Durchsetzungskraft . . . . . . . . . 45 a) BAG v. 9. 7. 1968 – 1 ABR 2/67 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 b) BAG v. 23. 4. 1971 – 1 ABR 26/70 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 c) BAG v. 15. 3. 1977 – 1 ABR 16/75 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 d) BAG v. 14. 3. 1978 – 1 ABR 2/76 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 e) BAG v. 16. 11. 1982 – 1 ABR 22/78 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 f) BAG v. 26. 6. 2018 – 1 ABR 37/16 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 g) Zwischenergebnis: Der Funktionalitätsbezug der sozialen Mächtigkeit . . . 56 aa) Die richterrechtlichen Anforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 bb) Kritische Betrachtungen aus verfassungsrechtlicher Perspektive . . . . . 59

B. Historische Begriffsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 I. Die Etymologie des Gewerkschaftsbegriffes als Selbstbezeichnung . . . . . . . . . . 61

14

Inhaltsverzeichnis II.

Die Externalisierung des Gewerkschaftsverständnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62

C. Die Gewerkschaft als unbestimmter Rechtsbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 I. Der Inhalt des Gewerkschaftsbegriffes in seinem bestimmten Kern . . . . . . . . . . 63 1. Eine methodische Grundlegung und historische Kontextualisierung . . . . . . . 64 a) Der unbestimmte Rechtsbegriff zwischen Auslegung und Rechtsfortbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 b) Die Begriffshistorie als Ausgangspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 2. Die Entwicklung bis zum TVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 a) Die Entstehungsgeschichte der TVVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 b) Die normative Konkretisierung durch die TVVO sowie die verfassungsrechtliche Verankerung in der WRV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 aa) Die tariffähigen Verbände im Sinne des § 1 TVVO . . . . . . . . . . . . . . . 69 (1) Die Verknüpfung von Verband und Tariffähigkeit . . . . . . . . . . . . . 69 (2) Die Mindestvoraussetzungen der Tariffähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . 70 bb) Die „beiderseitigen Organisationen“ des Art. 165 Abs. 1 S. 2 WRV 72 cc) Das historische „Zentralkriterium“ der Gegnerunabhängigkeit . . . . . . 73 (1) Die Berufsvereine nach der Vorstellung Sinzheimers . . . . . . . . . . . 75 (2) Zwischenergebnis: Die Merkmale der „Vereinigungen“ und „Organisationen“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 3. Das TVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 a) Die intendierte Offenheit des Begriffes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 b) Die begrifflichen Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 4. Die Bedeutung des Staatsvertrages über die Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion vom 18. Mai 1990 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 a) Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 b) Aussagekraft und Bindungswirkung des Vertragswerkes . . . . . . . . . . . . . . 83 II.

Zusammenfassung und Bedeutung für den Fortgang der Arbeit . . . . . . . . . . . . . 84

D. Der einheitliche Gewerkschaftsbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 I.

Darstellung und Kritik des Meinungsbildes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 1. Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 a) Die historische Argumentationslinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 b) Die funktionale Argumentationslinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90

II.

2. Das Meinungsbild in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 Die Fehlobjektive der Widerspruchslosigkeit – Keine „Einheit der Rechtsordnung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 1. Kein Einheitspostulat von Verfassungsrang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94

III.

2. Kein einheitliches Gewerkschaftsverständnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 Kritische Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 1. Fehlende Berücksichtigung der begriffshistorischen Offenheit . . . . . . . . . . . . 100 2. Unvollständigkeit der funktionalen Betrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100

Inhaltsverzeichnis

15

3. Die Konsequenz: Entkoppelung von Tariffähigkeit und Gewerkschaftsbegriff 101 E. Zwischenergebnis und Bedeutung für die nachfolgende Untersuchung . . . . . . . . . . . . 103 I. Zwischenergebnis: Der Gewerkschaftsbegriff als unbestimmter Rechtsbegriff – kein verfassungsrechtliches Einheitlichkeitserfordernis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 II.

Bedeutung für die nachfolgende Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104

2. Kapitel Der Grundgedanke der Mitbestimmung

106

A. Die historische Entwicklung vom Teilhabegedanken zur Mitbestimmung . . . . . . . . . . 106 I.

Von den Anfängen der Koalitionsbewegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 1. Vom feudalen Zunftwesen zur Gewerbefreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 2. Die Industrialisierung als Ursprung des Mitbestimmungsgedankens . . . . . . . 107

II.

3. Die Koalitionsverbote als Reaktion auf die Mitbestimmungsidee . . . . . . . . . . 111 Das Ende der Koalitionsverbote und die Blütezeit der Koalitionsbewegung . . . 112 1. Die Koalitionsgründungen und die Gewerbeordnung von 1869 . . . . . . . . . . . 112 2. Erste vorkonstitutionelle tarifliche und betriebliche Regelungen . . . . . . . . . . 115 a) Der Abschluss von Tarifverträgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 b) Erste Regelungen der Betriebsordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116

III.

Die Sozialistengesetze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118

IV.

Die gesetzliche Anerkennung der Koalitionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 1. Das Stinnes-Legien-Abkommen als Ursprung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 2. Die TVVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121

V.

3. Die verfassungsrechtliche Anerkennung durch die WRV . . . . . . . . . . . . . . . . 122 Die Umsetzung des Rätesystems durch das BRG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 1. Die Einführung des dualistischen Systems der Mitbestimmung . . . . . . . . . . . 125

2. Die betriebliche und unternehmensbezogene Mitbestimmung . . . . . . . . . . . . 125 VI. Zwischenergebnis: Die volatile Machtposition der Koalitionen . . . . . . . . . . . . . 128 VII. Vom Nationalsozialismus bis heute . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 1. Die Mitbestimmung im Widerspruch zum „Führerprinzip“ . . . . . . . . . . . . . . 129 2. Die Mitbestimmung in Ost- und Westdeutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 3. Die deutsche Wiedervereinigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 VIII. Zwischenergebnis: Die historische Parallelentwicklung der Mitbestimmungsinstrumentarien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 B. Mitbestimmung als Kollektivkonzept zur Herstellung von Parität . . . . . . . . . . . . . . . . 135 I. II.

Grundsätzliche Erkenntnisse zur Parität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 Der Grundsatz der Parität im Kontext der Mitbestimmungsmechanismen . . . . . 136

16

Inhaltsverzeichnis

C. Mitbestimmung und Parität als Verfassungsideen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 I.

Parität im Gefüge der Arbeits- und Wirtschaftsverfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 1. Keine garantierte Wirtschaftsverfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 2. Ausgestaltung des Gesetzgebers im Rahmen der Verfassung . . . . . . . . . . . . . 140 a) Die Folge der verfassungsrechtlichen Offenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 b) Die Verortung der Koalitionsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 c) Zwischenergebnis: Parität als Voraussetzung der Wirtschaftsordnung . . . . 142

II.

Parität im Gefüge der sozialen Ordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 1. Sozialstaat und soziale Ordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 a) Die Sozialordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 b) Der soziale Regelungsauftrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 aa) Die Staatsfundamentalnormen als mittelbarer Maßstab . . . . . . . . . . . . 149 bb) Die Aktualisierung des Sozialstaatsprinzips durch die Grundrechte 150 (1) Die freiheitliche Konzeption der Verfassung als Ausgangspunkt

150

(2) Die Wirkweise des Sozialstaatsprinzips . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 cc) Zwischenergebnis: Parität als Auftrag des Sozialstaates . . . . . . . . . . . 154 2. Soziale Ordnung durch Koalitionsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 a) Das Verhältnis von Art. 9 Abs. 3 GG und Art. 20 Abs. 1 GG . . . . . . . . . . . 157 aa) Die Koalitionsfreiheit im Lichte verfassungsrechtlicher Ordnung . . . . 158 bb) Umsetzung des verfassungsrechtlichen Regelungsauftrages . . . . . . . . 161 b) Zwischenergebnis: Parität als Auftrag an die Koalitionsfreiheit . . . . . . . . . 162

3. Kapitel Das Recht der Unternehmensmitbestimmung

166

A. Die normativen Anknüpfungspunkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 I.

Art. 9 Abs. 3 GG als verfassungsrechtliche Grundlage der Unternehmensmitbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 1. Die Maßgeblichkeit einer historischen Kontextualisierung . . . . . . . . . . . . . . . 167 2. Die Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen als sachlicher Gewährleistungsgehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 a) Art. 159, 165 WRV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 aa) Die Erweiterung des materiellen Gewährleistungsgehaltes durch die WRV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 bb) Die begriffliche und funktionale Teilung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen durch Art. 159 und 165 WRV . . . . . . . . . . . . . . . 173 (1) Die Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen des Art. 159 S. 1 WRV 173 (2) Die doppelte Bedeutung des Art. 165 WRV . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 (a) Art. 165 Abs. 1: Die funktionale Komplementärwirkung der Mitbestimmungsregime . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175

Inhaltsverzeichnis

17

(b) Art. 165 Abs. 2 – 6: Das Rätesystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 b) Art. 9 Abs. 3 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 aa) Das Meinungsbild . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 bb) Kritik: Fehlende Berücksichtigung der historischen Konzeption . . . . . 182 c) Ergebnis: Die Fusion von Art. 159, 165 WRV in Art. 9 Abs. 3 GG . . . . . . 185 3. Konsequenzen für den Koalitionsbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 a) Die Aussagekraft des Art. 159 S. 1 WRV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 aa) Das zentrale Kriterium der Unabhängigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 bb) Keine Arbeitskampfbereitschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 b) Die Bedeutung des Art. 165 Abs. 1 S. 2 WRV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 c) Die verfassungsrechtliche Apotheose der demokratischen Organisation

193

4. Gesamtergebnis und Bedeutung für die Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 a) Die Unternehmensmitbestimmung als Schutzgut der Koalitionsfreiheit . . 196 b) Parität als funktionales Element der Koalitionsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . 198 II.

Die einfachgesetzliche Konkretisierung der Unternehmensmitbestimmung durch das MitbestG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 1. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 a) Die Systematik der Regelungswerke zur betrieblichen und unternehmensbezogenen Mitbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 aa) Die Unternehmensmitbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 bb) Der systematische Zusammenhang mit dem BetrVG . . . . . . . . . . . . . . 204 cc) Zwischenergebnis: Die systematische Aktualisierung der Koalitionsmittel des Art. 9 Abs. 3 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 b) Parität als funktionales Element innerhalb der einfachgesetzlichen Mechanismen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 2. Das MitbestG als einfachgesetzliche Konkretisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 a) Anwendungsbereich des MitbestG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 b) Der mitbestimmte Aufsichtsrat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 c) Die Gewerkschaftsrechte in der Unternehmensmitbestimmung . . . . . . . . . 214 aa) Vorschlagsrecht und Beteiligung im Rahmen der Mandatierung . . . . . 214 (1) Das Vorschlagsrecht gem. § 16 MitbestG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 (2) Das Aufsichtsratsmandat – Rechte und Pflichten der Gewerkschaftsvertreter im Rahmen ihrer Mandatierung . . . . . . . . . . . . . . 216 bb) Die Mitbestimmungsfunktion des Aufsichtsrates im Lichte des Unternehmensinteresses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 (1) Einführung in die Problematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 (2) Unternehmensinteresse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 (a) Die ersten Definitionsversuche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 (b) Die rechtliche Verankerung des Unternehmensinteresses . . . . 222 (c) Konsequenz: Die Verankerung des Interessenpluralismus . . . . 223 (aa) Gesellschafterinteressen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224

18

Inhaltsverzeichnis (bb) Arbeitnehmerinteressen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 (cc) Sonstige Interessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 (dd) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 (d) Das Unternehmensinteresse in der Entscheidungsfindung . . . . 226 (3) Zwischenergebnis: Die Systemimmanenz der Arbeitnehmerinteressen in der Unternehmensverfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 cc) Die Willensbildung durch Aufsichtsratsbeschluss . . . . . . . . . . . . . . . . 231 (1) Die Rechtsnatur des Aufsichtsratsbeschlusses . . . . . . . . . . . . . . . . 231 (2) Der Willensbildungsprozess in der aufsichtsratlichen Praxis . . . . . 232 (3) Ein Vergleich mit dem Tarifvertrag und der Betriebsvereinbarung 234

B. Die Rolle der Gewerkschaften in der Unternehmensmitbestimmung . . . . . . . . . . . . . . 236 I.

Der Schutz der Koalitionen innerhalb der Koalitionsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . 237 1. Historische Kontextualisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 2. Art. 159, 165 WRV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 a) Die individualfreiheitliche Grundkonzeption der Koalitionsfreiheit . . . . . . 238 b) Die Zweckbezogenheit des kollektiven Schutzes als Ausdruck des Zusammenspiels von Art. 159 und Art. 165 WRV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 3. Art. 9 Abs. 3 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 a) Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 b) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 aa) Der Wortlaut des Art. 9 Abs. 3 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 bb) Die abweichende Konzeption des Art. 9 Abs. 3 GG . . . . . . . . . . . . . . . 248 cc) Die Bedeutung des Art. 19 Abs. 3 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 (1) Der kollektive Grundrechtsschutz in der WRV . . . . . . . . . . . . . . . . 249 (2) Der kollektive Grundrechtsschutz durch das Grundgesetz . . . . . . . 250

II.

4. Zwischenergebnis: Wesentlichkeitsbezug des Kollektivschutzes . . . . . . . . . . 252 Die Arbeitnehmerrepräsentation als verfassungsrechtliche Ordnungsfunktion 253 1. Keine Ordnungsaufgabe und keine Gemeinwohlbindung der Koalitionen . . . 255 a) Ordnungswirkung statt Ordnungsaufgabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 aa) Die Ordnungswirkung des Tarifvertrages . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 bb) Die betriebliche Ordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 cc) Die faktische Ordnungswirkung des Aufsichtsratsbeschlusses . . . . . . 262 b) Keine Gemeinwohlverpflichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 aa) Keine Gemeinwohlbindung in der Tarifautonomie . . . . . . . . . . . . . . . . 265 bb) Keine Gemeinwohlbindung in der Unternehmensmitbestimmung . . . . 266 cc) Zwischenergebnis: Kein Gemeinwohl im Rahmen legitimierter Interessenvertretung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 2. Zwischenergebnis: Ordnungswirkung durch Allgemeinrepräsentation und deren Legitimationserfordernis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 3. Eigene Konzeption: Die negative Koalitionsmittelwahlfreiheit . . . . . . . . . . . . 272

Inhaltsverzeichnis

19

4. Kapitel Der mitbestimmungsgesetzliche Gewerkschaftsbegriff

275

A. Die Begriffsfindung im Wege der klassischen Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275 I.

Die Auslegung des Gewerkschaftsbegriffes im MitbestG . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275 1. Wortlaut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276 a) Der Erkenntniswert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277 b) Das Auslegungsergebnis: Die Unergiebigkeit des Wortlauts . . . . . . . . . . . 278 2. Systematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279 a) Der Erkenntniswert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 aa) Das MitbestG zwischen Arbeits- und Gesellschaftsrecht . . . . . . . . . . . 281 bb) Das MitbestG als eigenes System . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 (1) Die Verweise auf § 18 Abs. 1 AktG und § 5 Abs. 3 BetrVG . . . . . 282 (2) Die Möglichkeit der Wahlanfechtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284 (3) Das Doppelstimmrecht gem. § 29 MitbestG . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286 (4) Kein Quorum für Gewerkschaftsvertreter gem. § 16 MitbestG . . . 287 (5) Das Vertretensein der Gewerkschaftsvertreter nach § 7 Abs. 5 MitbestG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288 (6) Die Beschlussfassung und die Gleichheit der Mandatsträger . . . . . 290 b) Das Auslegungsergebnis: Kein systematisches Erfordernis der Tariffähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290 3. Die Historie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291 a) Die Entstehungsgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292 aa) Die Diskussion um die Erweiterung der Unternehmensmitbestimmung 292 bb) Erste gesetzgeberische Ansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294 cc) Der Weg zum Gesetzgebungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296 b) Das Gesetzgebungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 300 aa) Der Entwurf als Kompromiss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 300 bb) Die Kritik der Sozialpartner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 301 cc) Verhandlungen und Beschluss des Gesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 302 c) Der Erkenntniswert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 304 aa) Der Bericht der Mitbestimmungskommission vom 4. Februar 1970 305 (1) Eine Kontextualisierung des Mitbestimmungsberichtes . . . . . . . . . 306 (2) Der Inhalt des Berichtes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307 (a) Die Rolle der Gewerkschaften im mitbestimmten Aufsichtsrat 307 (b) Das Nominationsrecht nach den Empfehlungen der Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 312 bb) Die Stellungnahme der Bundesregierung zum Mitbestimmungsbericht vom 4. Dezember 1970 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317 cc) Der erste Regierungsentwurf vom 20. Februar 1974 unter Berücksichtigung der Koalitionsvereinbarung vom 22. Januar 1974 . . . . . . . . 318

20

Inhaltsverzeichnis dd) Die 404. Sitzung des Deutschen Bundesrates vom 5. April 1974 . . . . 318 ee) Der Gesetzentwurf zum MitbestG vom 29. April 1974 . . . . . . . . . . . . 320 (1) Zur Rolle der Gewerkschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 320 (2) Zum Merkmal des Vertretenseins . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 321 (3) Die Behandlung anderer unbestimmter Rechtsbegriffe . . . . . . . . . 322 ff) Die erste Lesung des Regierungsentwurfes vom 20. Juni 1974 . . . . . . 323 gg) Die Protokolle des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung . . . . . . 325 (1) Zum Begriff des „leitenden Angestellten“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 327 (2) Zum Wahlverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 329 hh) Der Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung vom 10. März 1976 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 331 ii) Die zweite und dritte Lesung des Entwurfes vom 18. März 1976 . . . . 332 d) Das Auslegungsergebnis: Teleologische Erschütterung des Anscheins der Einheitlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 335 II. III.

Das Ergebnis der klassischen Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 337 Keine Korrektur durch ein Rangverhältnis der Auslegungsmittel . . . . . . . . . . . . 338

B. Die verfassungskonforme Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 340 I. Die Grundlagen der verfassungskonformen Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 341 1. Ausgangspunkt und Voraussetzungen der verfassungskonformen Auslegung 341 II.

2. Der Gang der Auslegung im vorliegenden Fall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 344 Die verfassungskonforme Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 344 1. Tarifwilligkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 346 a) Die verfassungsrechtlichen Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 347 b) Zwischenergebnis: Die satzungsmäßige Verpflichtung zum Tarifabschluss als Verstoß gegen die negative Koalitionsmittelwahlfreiheit . . . . . . . . . . . 348 2. Anerkennung des staatlichen Tarif-, Arbeitskampf- und Schlichtungsrechtes 350 a) Die verfassungsrechtlichen Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 350 aa) Anerkennung des Tarifvertragsrechtes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 352 bb) Anerkennung des Arbeitskampfrechtes und des Schlichtungsrechtes

354

(1) Die verfassungsrechtliche Gleichrangigkeit von Arbeitskampf und Unternehmensmitbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 354 (2) Die Vereinbarkeit der beiden Instrumentarien . . . . . . . . . . . . . . . . 355 (a) Vereinbarungsversuche in Lehre und Praxis . . . . . . . . . . . . . . . 355 (b) Verfassungsrechtliche Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 357 b) Zwischenergebnis: Tarifvertragsspezifische Rechtstreue nicht erforderlich 358 3. Organisatorische Leistungsfähigkeit und Durchsetzungskraft . . . . . . . . . . . . . 359 a) Die verfassungsrechtlichen Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 359 b) Zwischenergebnis: Die mitbestimmungsspezifischen Anforderungen an die organisatorische Leistungsfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 360

Inhaltsverzeichnis

21

4. Soziale Mächtigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 361 a) Die verfassungsrechtlichen Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 362 aa) Das Paritätserfordernis innerhalb der Mitbestimmungsverfahren . . . . 362 (1) Das Doppelstimmrecht als Paritätshindernis? . . . . . . . . . . . . . . . . . 363 (2) Zwischenergebnis: Parität innerhalb unterschiedlicher Mitbestimmungsmechanismen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 363 bb) Die Rolle der Gewerkschaftsvertreter als Mandatsträger . . . . . . . . . . . 365 (1) Fachkenntnisse und Sachverstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 365 (2) Die Ausschussarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 366 (3) Die fehlende Rückanbindung an die Gewerkschaften . . . . . . . . . . 367 III.

b) Zwischenergebnis: Kein Erfordernis sozialer Macht zur Paritätssicherung 368 Das Ergebnis der verfassungskonformen Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 369

C. Zusätzliche Voraussetzungen zum Zwecke der Funktionssicherung de lege ferenda? 370 I.

Anerkennung des Mitbestimmungsrechtes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 371

II. III.

Beschlusswilligkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 373 Branchenspezifische Fachkenntnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 375 1. Das Erfordernis branchenspezifischer Fachkenntnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . 375 2. Die Differenzierung zwischen Gewerkschaft und Gewerkschaftsvertreter . . . 377

D. Der Gewerkschaftsbegriff nach dem MitbestG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 378 Die Ergebnisse der Untersuchung in Thesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 379

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 386 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 440

Einleitung und Gang der Untersuchung Der Gewerkschaftsbegriff ist seit jeher streitig. Aufgrund der gesellschaftlich exponierten Stellung der Gewerkschaften im Arbeitsleben, die längst über ihren tarifrechtlichen Tellerrand hinausgewachsen ist, folgen aus diesen Unsicherheiten mannigfaltige Probleme, von welchen eines durch die nachfolgende Arbeit vertieft in den Blick genommen werden soll. Zweifellos ist hierbei in besonderem Maße relevant, inwiefern die Tariffähigkeit für den Gewerkschaftsbegriff konstitutiv ist.1 Insofern geht es insbesondere um die Konzeptionalität des einheitlichen Gewerkschaftsbegriffes, welcher ungeachtet ihres Betätigungsfeldes stets dieselben Voraussetzungen an die Gewerkschaften stellt.2 In seinem Beschluss vom 15. Mai 2019 legte der 7. Senat des Bundesarbeitsgerichtes den seit Jahrzehnten3 in ständiger Rechtsprechung verfestigten „einheitlichen Gewerkschaftsbegriff“ erstmals auch dem MitbestG zugrunde.4 Dieser einheitliche Gewerkschaftsbegriff findet seinen Ursprung in § 2 Abs. 1 TVG. Die sich aus dieser tarifvertragsrechtlichen Prägung ergebenden Anforderungen an die Tariffähigkeit sind nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichtes erforderlich, um die für die Aushandlung von Tarifverträgen notwendige Parität der sozialen Gegenspieler sicherzustellen. Gewerkschaften in diesem Sinne seien daher tariffähige Arbeitnehmervereinigungen. Die Anzahl der Verfahren, in denen Gewerkschaften – meist aufgrund von Klagen konkurrierender Gewerkschaften – die Tariffähigkeit aberkannt wurde, ist groß.5 Doch auch außerhalb des Tarifrechtes geriert sich der Gewerkschaftsbegriff als „Eintrittskarte“6 für die Vertretung der Arbeitnehmerbelange. In seinem für die Rechtsordnung einheitlichen Begriffsverständnis überträgt das Bundesarbeitsgericht 1 Grundlegend Löwisch, ZfA 1970, 295, 299, der den Gewerkschaftsbegriff als „einen aus der allgemeinen Vorstellung entnommenen Begriff“ ansieht. Ebenso Schüren, Legitimation der tariflichen Normsetzung, S. 277. 2 Angedeutet bereits im betriebsverfassungsrechtlichen Kontext in BAG v. 23. 4. 1971 – 1 ABR 26/70, AP ArbGG 1953 § 97 Nr. 2. 3 Erstmals nachweislich in BAG v. 6. 7. 1956 – 1 AZB 18/55, NJW 1956, 1332. 4 BAG v. 15. 5. 2019 – 7 ABR 35/17, AP MitbestG § 22 Nr. 3. 5 Beispielhaft für die CGHB BAG v. 16. 1. 1990 – 1 ABR 93/88, AP TVG § 2 Nr. 38; für die CGBCE BAG v. 16. 1. 1990 – 1 ABR 10/89, AP TVG § 3 Nr. 39; für den BTÜ BAG v. 6. 6. 2000 – 1 ABR 10/99, AP TVG § 2 Nr. 55; für den VGB im Rahmen des BetrVG BAG v. 19. 9. 2006 – 1 ABR 53/05, AP BetrVG 1972 § 2 Nr. 5; für die CGZP BAG v. 14. 12. 2010 – 1 ABR 19/10, AP TVG § 2 Tariffähigkeit Nr. 6; jüngst BAG v. 22. 6. 2021 – 1 ABR 28/20, AP TVG § 2 Tariffähigkeit Nr. 12. 6 So treffend Uffmann, ZIP 2020, 2051.

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Einleitung und Gang der Untersuchung

die Tariffähigkeitsvoraussetzungen einheitlich und ausnahmslos auf sämtliche Rechtsnormen, in denen von Gewerkschaften die Rede ist. Die Gewerkschaftsrechte des MitbestG stehen gem. §§ 7 Abs. 2, Abs. 5, 16 MitbestG den im Unternehmen vertretenen Gewerkschaften zu. Eine entsprechende Legaldefinition des Gewerkschaftsbegriffes leistet das MitbestG nicht. Auch wird nicht ausdrücklich auf das TVG als „Konkretisierungsreferenz“ verwiesen. Sieht man in der Idee des „einheitlichen Gewerkschaftsbegriffes“ keinen systematischen und noch weniger einen grammatikalischen Automatismus, wirft diese Regelung – ebenso wie damals § 2 Abs. 1 TVG – die Frage nach der Auslegung des Begriffes auf. Gegenstand dieser Arbeit ist daher, unter dieser Prämisse den Inhalt des Gewerkschaftsbegriffes im MitbestG zu bestimmen. Kapitel 1 zeichnet zunächst das vorherrschende Begriffsverständnis im Sinne einer Bestandsaufnahme nach. Hierzu wird zunächst das Begriffsverständnis des Bundesarbeitsgerichtes dargestellt. Sodann wird der Gewerkschaftsbegriff als Rechtsbegriff historisch beleuchtet und methodisch eingeordnet (Abschnitte B. und C.). Auf dieser Grundlage wird in Abschnitt D. schließlich dessen Einheitlichkeit kritisch hinterfragt Um die aus diesem Teil der Untersuchung gewonnenen Erkenntnisse auf das MitbestG und seinen Gewerkschaftsbegriff übertragen zu können, erfolgt in Kapitel 2 sodann eine ausführliche Auseinandersetzung mit der Koalitions- und Mitbestimmungsbewegung. In Abschnitt B. sollen von den vorab herausgearbeiteten Unterschieden und Gemeinsamkeiten Rückschlüsse auf die Verknüpfung von Parität und Mitbestimmung im Allgemeinen geschlossen werden. Geht man davon aus, dass die für den tarifvertraglichen Gewerkschaftsbegriff – nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichtes – konstitutive Tariffähigkeit eine Parität herstellen soll, und ist eine solche für die Mitbestimmung grundsätzlich verfassungsrechtlich gefordert, so könnte dies zunächst für eine entsprechende Übertragung des Gewerkschaftsbegriffes sprechen. Aus diesem Grunde wird in Kapitel 3 Abschnitt A. I. der Inhalt der Koalitionsfreiheit analysiert. Dieser macht verbindliche Vorgaben für die einfachgesetzliche Ausgestaltung der Unternehmensmitbestimmung durch das MitbestG (s. dazu Abschnitt A. II.). Hier wird der Grundstein für eine funktionale Betrachtung der Gewerkschaften in nach dem MitbestG mitbestimmten Aufsichtsräten gelegt. Die Voraussetzungen an den mitbestimmungsspezifischen Gewerkschaftsbegriff ergeben sich aus den ihnen vom einfachen Gesetzgeber übertragenen Rechten und Pflichten, denen sie gerecht werden müssen. Hierüber soll die Analyse der einfachgesetzlichen Mitbestimmungsregelungen des MitbestG in Abschnitt A. II. Auskunft geben. Ausgehend hiervon kann sodann auch auf die Stellung und der Schutz der Koalitionen aus Art. 9 Abs. 3 GG geschlossen werden (Abschnitt B.). Kapitel 4 widmet sich der Auslegung des Gewerkschaftsbegriffes, wie er u. a. in §§ 7 Abs. 2, 5 MitbestG verwandt wird. Die Auslegung folgt hierbei zunächst dem klassischen Kanon der Auslegungsmittel in seiner subjektivistischen Prägung (Ab-

Einleitung und Gang der Untersuchung

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schnitt A.). Daran schließt sich in Abschnitt B. eine verfassungskonforme Auslegung an. Abschließend sollen über den so ausgelegten und bestimmten Begriff hinaus zusätzliche Merkmale de lege ferenda erwogen werden (Abschnitt C.).

1. Kapitel

Der einheitliche Gewerkschaftsbegriff als Status quo A. Der Gewerkschaftsbegriff des § 2 Abs. 1 TVG Nachfolgend soll auf die durch das Bundesarbeitsgericht entwickelten Merkmale der Gewerkschaften als tariffähige Arbeitnehmerkoalitionen eingegangen werden. Als Auslegungsmaßstab dient dabei nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichtes1 Art. 9 Abs. 3 GG in seiner historischen Prägung wie auch der Staatsvertrag zur Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik vom 18. Mai 1990.2 Daher soll im Folgenden zunächst Art. 9 Abs. 3 GG beleuchtet werden und im Anschluss daran das TVG als dessen einfachgesetzliche Konkretisierung.3

I. Das Verhältnis von Koalitions- und Gewerkschaftseigenschaft 1. Art. 9 Abs. 3 GG als Ausgangspunkt Bereits der Koalitionsbegriff selbst ist offen gestaltet und verantwortet damit im Zusammenwirken mit dem Koalitionszweck auch die Ausgestaltungsbedürftigkeit des Art. 9 Abs. 3 GG.4 Das heißt, dass bereits die Vereinigungsfreiheit in ihrer durch Art. 9 Abs. 3 GG garantierten Reinform folglich „auf Regelungen angewiesen ist, welche die freien Zusammenschlüsse und ihr Leben in die allgemeine Rechtsordnung einfügen, die Sicherheit des Rechtsverkehrs gewährleisten, Rechte der Mitglieder sichern und den schutzwürdigen Belangen Dritter oder auch öffentlichen 1 BAG v. 6. 6. 2000 – 1 ABR 21/99, AP ArbGG 1979 § 97 Nr. 9 [B. II. 4. c)]; s. auch Henssler, Soziale Mächtigkeit, S. 14. 2 BGBl. II 1990, S. 537. 3 Für eine Ausgestaltungsbedürftigkeit zuletzt BAG v. 31. 1. 2018 – 10 AZR 279/16, AP TVG § 2 Tarifzuständigkeit Nr. 25 Rn. 34; Tariffähigkeitsvoraussetzungen als Eingriff BAG v. 28. 3. 2006 – 1 ABR 58/04, AP TVG § 2 Tariffähigkeit Nr. 4 Rn. 57 (für das Kriterium der sozialen Mächtigkeit Rn. 40 und für die organisatorische Leistungsfähigkeit Rn. 54); MüHb ArbR/Klumpp, Band 3, § 232 Rn. 3, 13; Jacobs/Krause/Oetker/C. Schubert/C. Schubert, Tarifvertragsrecht, § 2 Rn. 35. 4 BVerfG v. 20. 10. 1981 – 1 BvR 404/78, AP TVG § 2 Nr. 31 [B. I. 1.]; Löwisch/Rieble, TVG, Grundlagen Rn. 118; Scholz, Koalitionsfreiheit als Verfassungsproblem, S. 36; Jacobs/ Krause/Oetker/C. Schubert/C. Schubert, Tarifvertragsrecht, § 2 Rn. 15.

A. Der Gewerkschaftsbegriff des § 2 Abs. 1 TVG

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Interessen Rechnung tragen“.5 In Bezug auf die garantierte Gründung von Koalitionen müssen von der Rechtsordnung Gesellschafts- und Organisationsformen bereitgestellt werden. Diese ermöglichen im Rahmen ihrer normativen Ausgestaltung eine geschützte Teilhabe der Koalitionen über ihren Zweckzusammenschluss hinaus im Rechtsverkehr als (rechtsfähige) juristische Personen.6 Doch nicht nur die Gründung von Koalitionen wird geschützt, sondern auch deren Betätigung. Daher bedarf es zur effektiven Verwirklichung des freiheitlichen Gewährleistungsinhaltes einer weiteren Ausgestaltung durch die Individuen und das Kollektiv im Rahmen und Geltungsbereich der Rechtsordnung.7 Diese Ausgestaltungsbefugnis wird wiederum in dem Umfang zu einer Ausgestaltungspflicht, in dem der Gesetzgeber funktionsfähige Betätigungssysteme – so z. B. ein funktionsfähiges Tarifsystem – zur Verfügung stellen muss.8 2. Das TVG als Konkretisierung der Tarifautonomie Gem. § 2 Abs. 1 TVG kann Partei eines Tarifvertrages u. a. auch eine Gewerkschaft sein.9 Die Tariffähigkeit wird gesetzlich nicht definiert, ist jedoch im Nachgang vereinzelt normativ aufgegriffen worden.10 Innerhalb ihrer Ausgestaltungsbefugnis bezüglich der Tarifautonomie hat die Rechtsprechung die Tariffähigkeit vielmehr als Wirksamkeitserfordernis geschaffen.11 Demnach bezeichnet Tariffähigkeit also die Fähigkeit, am Tarifsystem teilzunehmen und in diesem Rahmen tarifautonome Vereinbarungen mit normativer Wirkung abzuschließen.12 Nach Rieble13 erinnert diese Fähigkeit vereinzelt an die Geschäftsfähigkeit nach §§ 116 ff. BGB. Obschon auch diese Beschränkung der Vertragsfreiheit den Schutz vor ungerechten Verhandlungsergebnissen gewährleisten soll,14 hinkt der Vergleich zumindest im Hinblick auf die persönliche Schutzkomponente. Diese ist aufgrund ihrer 5

BVerfG v. 1. 3. 1979 – 1 BvR 532/77 u. a., AP MitbestG § 1 Nr. 1 [C. III. 2. a)]. Löwisch/Rieble, TVG, Grundlagen Rn. 119. 7 Löwisch/Rieble, TVG, Grundlagen Rn. 118. 8 BVerfG v. 1. 3. 1979 – 1 BvR 532/77 u. a., AP MitbestG § 1 Nr. 1 [C. III. 2. a)]; Löwisch/ Rieble, TVG, Grundlagen Rn. 119 f.; kritisch J. Ipsen, DVBl. 1984, 1102, 1105. 9 Bruhn, Tariffähigkeit von Gewerkschaften und Autonomie, S. 131. 10 Beispiele sind §§ 2 Abs. 1 Nr. 2, 2a Abs. 1 Nr. 4 ArbGG, § 74 Abs. 2 S. 1 BetrVG, § 66 Abs. 2 S. 3 BPersVG. 11 Henssler, Soziale Mächtigkeit, S. 13. 12 BVerfG v. 19. 10. 1966 – 1 BvL 24/65, NJW 1966, 2305; BAG v. 28. 3. 2006 – 1 ABR 58/ 04, AP TVG § 2 Tariffähigkeit Nr. 4 Rn. 35; BAG v. 5. 10. 2010 – 1 ABR 88/09, AP TVG § 2 Tariffähigkeit Nr. 7 Rn. 32; BAG v. 14. 12. 2010 – 1 ABR 19/10, AP TVG § 2 Tariffähigkeit Nr. 6 Rn. 64; MüHbArbR/Klumpp, Band 3, § 232 Rn. 1; Wiedemann/Oetker, TVG, § 2 Rn. 10; Rieble, FS Wiedemann 2002, S. 519, 523; ähnlich bereits Sinzheimer, Grundzüge des Arbeitsrechts, S. 73 als „Vertretungsfähigkeit“. 13 Rieble, FS Wiedemann 2002, S. 519, 523 f. 14 Mit dieser Begründung auch Rieble, FS Wiedemann 2002, S. 519, 524. 6

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1. Kap.: Der einheitliche Gewerkschaftsbegriff als Status quo

normativen Wirkung im Falle des Tarifvertrages dreigeteilt. Die Erzeugung bzw. Sicherstellung einer Verhandlungsparität soll nicht in erster Linie die Vertragspartei schützen, sondern den Arbeitnehmer, welcher aufgrund seiner mitgliedschaftlichen Legitimation von dem Inhalt der Tarifvertragsnormen beschwert wird.15 Etwas anderes mag zwar für den schuldrechtlichen Teil des Tarifvertrages gelten, welcher direkt allein das Rechtsverhältnis der Tarifvertragsparteien regelt. Dennoch kann auch in diesem Verhältnis eine mittelbare Wirkung für die Arbeitnehmer gesehen werden, denen aufgrund der Friedensverpflichtung eine Durchsetzung etwaiger Forderungen im Wege des Streiks zunächst verwehrt bleibt.16 Während Arbeitgeber und Arbeitgeberverbände ihre Tariffähigkeit ipso iure kraft ihrer Parteistellung erlangen, haben sich im Hinblick auf Gewerkschaften Kriterien herausgebildet, welche ihrerseits die Tariffähigkeit von Arbeitnehmerkoalitionen bedingen. Gewerkschaften und Arbeitnehmerkoalitionen unterscheiden sich in ihrer Tariffähigkeit: Gewerkschaften sind als tariffähige Arbeitnehmerkoalitionen auch stets ein Spezialfall ebensolcher; umgekehrt sind nicht alle Arbeitnehmerkoalitionen auch Gewerkschaften.17 Der Koalitionsbegriff wird somit mit den für die Funktionsfähigkeit der Tarifautonomie erforderlichen Tariffähigkeitskriterien der Rechtsprechung aufgestockt.18 Gewerkschaften in diesem Sinne sind nach herrschender Ansicht nur tariffähige Arbeitnehmerkoalitionen.19 Folge dessen ist, dass die Konkretisierung der Tarifautonomie durch die Tariffähigkeitsvoraussetzungen mit ihren restriktiven Voraussetzungen solche Koalitionen, die hinter ihnen zurückbleiben, von einem Aspekt ihrer koalitiven Betäti15 Insofern taugt eine Anlehnung an die Grundsätze des Vertrages zulasten Dritter, s. nur MüKoBGB/Gottwald, Band 3, § 328 Rn. 263 ff. 16 Kritisch auch ErfK/Franzen, § 2 TVG Rn. 4; MüHbArbR/Klumpp, Band 3, § 232 Rn. 6; Wiedemann/Oetker, TVG, § 2 Rn. 15; kritisch auch gegenüber einer Einordnung als Rechtsfähgkeit Jacobs/Krause/Oetker/C. Schubert/C. Schubert, Tarifvertragsrecht, § 2 Rn. 3. 17 MüHbArbR/Klumpp, Band 3, § 232 Rn. 15; Jacobs/Krause/Oetker/C. Schubert/ C. Schubert, Tarifvertragsrecht, § 2 Rn. 15; a. A. Hueck/Nipperdey/Nipperdey, Arbeitsrecht, Band 2/I, S. 105. 18 Isenhardt, Relative Tariffähigkeit, S. 33; Jacobs/Krause/Oetker/C. Schubert/C. Schubert, Tarifvertragsrecht, § 2 Rn. 15. 19 Grundlegend zum Erfordernis der Tariffähigkeit BVerfG v. 18. 11. 1954 – 1 BvR 629/52, NJW 1954, 1881, 1882; BVerfG v. 26. 1. 1995 – 1 BvR 2071/94, AP GG Art. 9 Nr. 77 [II. 2. a)]; BAG v. 9. 7. 1968 – 1 ABR 2/67, BAGE 21, 98, 102; BAG v. 15. 3. 1977 – 1 ABR 16/75, AP GG Art. 9 Nr. 24 [III. 1.]; BAG v. 14. 3. 1978 – 1 ABR 2/76, AP TVG § 2 Nr. 30 [III. 2.]; BAG v. 10. 9. 1985 – 1 ABR 32/83, AP TVG § 2 Nr. 34 [B. IV. 1.]; BAG v. 16. 1. 1990 – 1 ABR 10/89, AP TVG § 2 Nr. 39 [II. 1., 2.]; BAG v. 6. 6. 2000 – 1 ABR 10/99, AP TVG § 2 Nr. 55 [B. II. 1.]; BAG v. 28. 3. 2006 – 1 ABR 58/04, AP TVG § 2 Tariffähigkeit Nr. 4 Rn. 34; BAG v. 5. 10. 2010 – 1 ABR 88/09, AP TVG § 2 Tariffähigkeit Nr. 7 Rn. 28; BAG v. 14. 12. 2010 – 1 ABR 19/10, AP TVG § 2 Tariffähigkeit Nr. 6 Rn. 65; BAG v. 26. 6. 2018 – 1 ABR 37/16 AP TVG § 2 Tariffähigkeit Nr. 10 Rn. 52; ErfK/Franzen, § 2 TVG Rn. 3; Henssler, Soziale Mächtigkeit, S. 17; Henssler/Willemsen/Kalb/Henssler, § 2 TVG Rn. 4; MüHbArbR/Klumpp, Band 3, § 232 Rn. 12; Wiedemann/Oetker, TVG, § 2 Rn. 10, 32; kritisch Löwisch/Rieble, TVG § 2 Rn. 12, 16.

A. Der Gewerkschaftsbegriff des § 2 Abs. 1 TVG

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gungsgarantie ausschließt.20 Nicht jede durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützte Koalition ist daher berechtigt bzw. befähigt, als Tarifvertragspartei Tarifverträge im Sinne des TVG abzuschließen. In dem Umfang, in welchem § 2 TVG eine Konkretisierung des Art. 9 Abs. 3 GG ist, muss jegliche Konkretisierung und Fortbildung des § 2 TVG durch den einfachen Gesetzgeber oder durch die Judikative an Art. 9 Abs. 3 GG gemessen werden.21 In diesem Zusammenhang ist im Einzelfall zu prüfen, ob die jeweilige Konkretisierung nicht den Grundgewährleistungsgehalt der Koalitionsfreiheit in unverhältnismäßiger Weise beschneidet. Bereits der Prüfungsmaßstab ist davon abhängig, ob die Konkretisierung noch eine Ausgestaltung oder bereits einen Eingriff darstellt.22 Diese Unterscheidung wird uneinheitlich beantwortet und hängt nicht zuletzt auch maßgeblich von den angenommenen Wechselbeziehungen von Ausgestaltung und Eingriff ab. Zum Teil wird ein Verhältnis der Exklusivität angenommen, innerhalb dessen die Unterscheidung anhand einer „Freiheitsverkürzung“23 oder aber nach dem Regelungsziel vorgenommen wird. In Frage steht nach dieser Herangehensweise dann, ob die Koalitionsfreiheit „geopfert“ werden soll.24 Eine andere Ansicht betrachtet das Verhältnis von Ausgestaltung und Eingriff im Sinne einer Parallelität. Demnach liegt in einer Konkretisierung immer auch eine Ausgestaltung. Sobald aber der Freiheitsgedanke des Grundrechtes und der Autonomiewille der Berechtigten nicht zur Genüge Berücksichtigung gefunden haben, liegt darüber hinaus auch ein Eingriff vor.25 Vereinzelt wird auch davon ausgegangen, dass aufgrund der Offenheit des Grundrechtes stets nur eine Ausgestaltung unterschiedlicher Intensität vorgenommen werden kann.26 Die Beschränkung auf tariffähige Arbeitnehmervereinigungen wird aus der Funktionsfähigkeit des Tarifsystems abgeleitet und grundsätzlich darüber begründet bzw. gerechtfertigt.27 Die normative Wirkung des Tarifvertrages bedinge und erlaube

20 BAG v. 14. 12. 2004 – 1 ABR 51/03, AP TVG § 2 Tariffähigkeit Nr. 1; BAG v. 28. 3. 2006 – 1 ABR 58/04, AP TVG § 2 Tariffähigkeit Nr. 4; MüHbArbR/Klumpp, Band 3, § 232 Rn. 3. 21 Jacobs/Krause/Oetker/C. Schubert/C. Schubert, Tarifvertragsrecht, § 2 Rn. 35. 22 Mit einer ausführlichen Darstellung des Streitstandes Löwisch/Rieble, TVG, Grundlagen Rn. 121 ff.; für eine Ausgestaltung MüHbArbR/Klumpp, Band 3, § 232 Rn. 13. 23 Engels, RdA 2008, 331, 335. 24 Maschmann, Tarifautonomie im Zugriff des Gesetzgebers, S. 64 f., 183. 25 Cornils, Ausgestaltung der Grundrechte, S. 441. 26 Henssler, ZfA 1998, 1, 11. 27 BAG v. 28. 3. 2006 – 1 ABR 58/04, AP TVG § 2 Tariffähigkeit Nr. 4 Rn. 37; BAG v. 7. 7. 2010 – 4 AZR 549/08, AP GG Art. 9 Nr. 140 Rn. 60; Bayreuther, Tarifautonomie, S. 57 ff.; Henssler/Willemsen/Kalb/Henssler, § 2 TVG Rn. 4; Höpfner, Tarifgeltung im Arbeitsverhältnis, S. 229 ff.; MüHbArbR/Klumpp, Band 3, § 232 Rn. 3; Wiedemann/Oetker, TVG, § 2 Rn. 14.

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1. Kap.: Der einheitliche Gewerkschaftsbegriff als Status quo

vielmehr einschränkende Regelungen der Tariffähigkeit.28 Nur so könne die durch die Tarifautonomie zu gewährleistende Ordnung des Arbeitslebens garantiert werden.29 Aus diesem Grunde sei es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, die Betätigung der Tarifvertragsparteien im Tarifsystem von weiteren Voraussetzungen abhängig zu machen, um die Vertragsgerechtigkeit zu garantieren und die Aushandlung autonomer Vereinbarungen zumindest zu ermöglichen. Denn bereits die Tarifautonomie strebe an, die Unterlegenheit der einzelnen Arbeitnehmer mittels einer Kollektivbildung auszugleichen.30 Diese Bestrebungen nach Vertragsparität müssen sich sodann auf kollektiver Ebene in Ausübung der Tarifautonomie fortsetzen.31 Sie ist es sogleich auch, die einer Beschränkung der tarifautonomen Betätigung der Koalitionen funktionale Grenzen im Sinne eines Tariffähigkeitserfordernisses setzen kann, jedoch nur in dem Umfang, wie es die Erfüllung des Zwecks – also die Bewahrung des Tarifsystems – erforderlich macht. Die Beschränkungen müssen also diesem System gerade immanent sein.32 Bereits hier zeigen sich die Auswirkungen des einheitlichen Gewerkschaftsbegriffes. Geht man davon aus, dass nur die Tarifautonomie durch Art. 9 Abs. 3 GG garantiert wird, sind auch nur die in diesem Zusammenhang konzipierten Voraussetzungen direkt an Art. 9 Abs. 3 GG zu messen. Den Koalitionen bleibt im Übrigen nur die allgemeine Vereinigungsfreiheit.33

II. Koalitionseigenschaft nach Art. 9 Abs. 3 GG Koalitionen im Sinne des Art. 9 Abs. 3 GG sind solche Vereinigungen nach Abs. 1, die den Zweck verfolgen, Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen zu fördern. Damit handelt es sich bei ihnen um eine Spezialform der Vereinigungen gem. Art. 9 Abs. 1 GG.34 Den besonderen Schutz des Art. 9 Abs. 3 GG genießen nur solche Vereinigungen, die sich im Interesse ihrer Mitglieder der Förderung und Wahrung der

28 BVerfG v. 18. 11. 1954 – 1 BvR 629/52, NJW 1954, 1881, 1882; Richardi, FS Wißmann 2005, S. 159, 162; Rieble, FS Wiedemann 2002, S. 519, 526. 29 BVerfG v. 18. 11. 1954 – 1 BvR 629/52, NJW 1954, 1881, 1882. 30 BVerfG v. 26. 6. 1991 – 1 BvR 779/85, AP GG Art. 9 Arbeitskampf Nr. 117 [C. I. 1. 3. b) aa)]. 31 Rieble, FS Wiedemann 2002, S. 519, 526. 32 In diese Richtung auch BVerfG v. 18. 11. 1954 – 1 BvR 629/52, NJW 1954, 1881, 1882; Rieble, FS Wiedemann 2002, S. 519, 527. 33 S. zu Koalitionsvereinbarungen ausführlich Höpfner, RdA 2020, 129, 130, 143 ff. 34 So wohl noch BVerfG v. 26. 6. 1991 – 1 BvR 779/85, AP GG Art. 9 Arbeitskampf Nr. 117 [C. I. 1. a)]; a. A. nunmehr BVerfG v. 11. 7. 2017 – 1 BvR 1571/15 u. a., AP GG Art. 9 Nr. 151 Rn. 143; Dreier/Bauer, GG, Band 1, Art. 9 Rn. 29; Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, Rn. 415; ErfK/Linsenmaier, Art. 9 GG Rn. 22 f.; Löwisch/Rieble, TVG, § 2 Rn. 54; MüHbArbR/Rieble, Band 3, § 218 Rn. 55.

A. Der Gewerkschaftsbegriff des § 2 Abs. 1 TVG

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Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen verschrieben haben.35 Obschon Art. 9 Abs. 3 GG keine darüber hinausgehenden, konkretisierenden Anforderungen an die Koalitionseigenschaft im Sinne des Abs. 3 stellt, besteht Einigkeit darüber, dass noch weitere Voraussetzungen an die Koalitionseigenschaft gem. Art. 9 Abs. 3 GG zu knüpfen sind.36 1. Vereinigung im Sinne des Art. 9 Abs. 1 GG Etymologisch betrachtet bedeutet Koalition zunächst nichts anderes als die Zusammenkunft von zwei oder mehr Einheiten. Im systematischen Kontext des Absatzes 1 bezeichnet die arbeitsrechtliche Koalition „eine Mehrheit natürlicher oder juristischer Personen oder Personenvereinigungen [, die sich] für längere Zeit zur Verfolgung eines gemeinsamen Zwecks auf freiwilliger Basis zusammenschließt und einer einheitlichen Willensbildung unterwirft“37. Als Vereinigungen in diesem Sinne gelten sodann Vereine und Gesellschaften.38 Aus entstehungszeitlichen Gründen können entgegen der üblichen Normenhierarchie darüber hinaus die § 2 Abs. 1 i. V. m. § 16 VereinsG als Konkretisierungshilfe herangezogen werden.39 Hiernach handelt es sich bei einer Vereinigung zugleich auch um einen Verein, wenn sich eine Mehrheit juristischer oder natürlicher Personen freiwillig für einen längeren Zeitraum zu einem gemeinsamen Zweck zusammenbindet und einer organisierten Willensbildung unterwirft.40 Die dort postulierten Voraussetzungen organisierter Willensbildung wie auch der Dauer des Zusammenschlusses sind weit zu verstehen, sodass der Vereinigungsbegriff nach Art. 9 Abs. 1 GG einer recht extensiven Interpretation unterliegen dürfte.41 Mittels der oben genannten Kriterien sollten lediglich ad-hoc-Versammlungen auf die Versammlungsfreiheit verwiesen werden und es sollte sichergestellt werden, dass der Zweckverfolgung ein einheitlich gefasster Wille des Kollektivs zugrunde liegt, welcher über eine einmalige Meinungsäußerung

35 Stellv. ErfK/Linsenmaier, Art. 9 GG Rn. 23; Löwisch/Rieble, TVG, § 2 Rn. 54; MüHb ArbR/Rieble, Band 3, § 218 Rn. 55; früher auch BVerfG v. 26. 6. 1991 – 1 BvR 779/85, AP GG Art. 9 Arbeitskampf Nr. 117 [C. I. 1. a)]. 36 Däubler/Hege, Koalitionsfreiheit, S. 75 f.; Löwisch/Rieble, TVG, § 2 Rn. 53; zu den Anforderungen an solche Voraussetzungen MüHbArbR/Rieble, Band 3, § 218 Rn. 56. 37 BVerwG v. 12. 2. 1998 – 3 C 55 – 96, NJW 1998, 2545 f.; s. auch Jarass/Pieroth/Jarass, GG, Art. 9 Rn. 3. 38 Isenhardt, Relative Tariffähigkeit, S. 34; Löwisch/Rieble, TVG, § 2 Rn. 54; für eine dauernde Verbindung auch bereits Sinzheimer, Grundzüge des Arbeitsrechts, S. 68. 39 Dreier/Bauer, GG, Band 1, Art. 9 Rn. 38; Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, Rn. 411; Isenhardt, Relative Tariffähigkeit, S. 34; Löwisch/Rieble, TVG, § 2 Rn. 55; MüHb ArbR/Rieble, Band 3, § 218 Rn. 57; zu der entstehungszeitlichen Bedeutung auch BVerfG v. 7. 12. 2001 – 1 BvR 1806/98, NVwZ 2002, 335, 336. 40 S. § 2 Abs. 1 VereinsG; s. auch Jarass/Pieroth/Jarass, GG Art. 9 Rn. 4; Wiedemann/ Jacobs, TVG, Einleitung Rn. 136. 41 So auch Jarass/Pieroth/Jarass, GG, Art. 9 Rn. 3.

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1. Kap.: Der einheitliche Gewerkschaftsbegriff als Status quo

hinaus fortbesteht.42 Ein bestimmter Prozess der Willensbildung wie auch das Erfordernis demokratischer Legitimation werden nicht gefordert.43 Mittels des Freiwilligkeitsvorbehaltes sollten schließlich Zwangsmitgliedschaften und verpflichtende Zusammenschlüsse aus dem Schutzbereich der Koalitionsfreiheit ausgeschlossen werden.44 Da solche automatisierten Zwangsbeitritte den Stereotyp öffentlich-rechtlich organisierter Zusammenschlüsse darstellen, wird daraus oftmals das zusätzliche Merkmal privatrechtlicher Verfassung entnommen.45 Der Rückschluss, dass bereits aus diesem Grunde jegliche öffentlich-rechtlich verfasste Organisationen ausgenommen sind, ist indes verfehlt. Ein dahingehender Ausschluss ergibt sich aus anderen Gründen: Ihnen wird es vielmehr regelmäßig an der erforderlichen Unabhängigkeit mangeln.46 2. Gegnerfreiheit und Gegnerunabhängigkeit Dieser Gegnerunabhängigkeit und -reinheit bedarf es, um eine effektive Vertretung der Mitgliederinteressen durch die Vereinigung zu garantieren.47 Nur dann ist die konkrete oder abstrakte Gefahr der Beeinflussung durch den sozialen Gegenspieler behoben.48 Absolute Funktionsvoraussetzung für jedes Instrument koalitiver Betätigung ist die Adäquanzvermutung ihres Ergebnisses. Voraussetzung dafür ist, dass die sozialen Gegenspieler in der Bildung sowie Durchsetzung ihrer Meinungen und Ziele unabhängig sind. Unabhängigkeit und Freiheit vom sozialen Gegenspieler

42 Däubler/Hege, Koalitionsfreiheit, S. 60; ErfK/Linsenmaier, Art. 9 GG Rn. 4; Löwisch/ Rieble, TVG, § 2 Rn. 55 ff.; MüHbArbR/Rieble, Band 3, § 218 Rn. 57; im Kontext der „wilden Streiks“ Rüthers, DB 1970, 2120, 2121. 43 MüHbArbR/Rieble, Band 3, § 218 Rn. 58; Löwisch/Rieble, TVG, § 2 Rn. 57; für eine daraus folgende Rechtsformunabhängigkeit bereits Sinzheimer, Grundzüge des Arbeitsrechts, S. 68. 44 MüHbArbR/Rieble, Band 3, § 218 Rn. 59; BVerfG v. 18. 11. 1954 – 1 BvR 629/52, NJW 1954, 1881; BVerfG v. 18. 12. 1974 – 1 BvR 430/65, AP GG Art. 9 Nr. 23; Löwisch/Rieble, TVG, § 2 Rn. 58. 45 Löwisch/Rieble, TVG, § 2 Rn. 60. 46 Löwisch/Rieble, TVG, § 2 Rn. 60. 47 BVerfG v. 18. 11. 1954 – 1 BvR 629/52, NJW 1954, 1881, 1882; BVerfG v. 6. 5. 1964 – 2 BvF 3/89, NJW 1991, 159, NJW 1964, 1267, 1268; bereits RAG v. 10. 10. 1928 – 144/28, ARS 4, 299, 302 für einen Werkverein; Däubler, SR 2017, 85; Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke/Kannengießer, GG, Art. 9 Rn. 25; MüHbArbR/Rieble, Band 3, § 218 Rn. 60; Jacobs/ Krause/Oetker/C. Schubert/C. Schubert, Tarifvertragsrecht, § 2 Rn. 57. 48 BAG v. 5. 10. 2010 – 1 ABR 88/09, AP TVG § 2 Tariffähigkeit Nr. 7 Rn. 31; BAG v. 26. 6. 2018 – 1 ABR 37/16, AP TVG § 2 Tariffähigkeit Nr. 10 Rn. 55; bereits für den Entwurf eines Tarifvertragsgesetzes in der Weimarer Zeit RArbBl. 1921, S. 497; Kobler, Fremdeinflüsse auf die tarifliche Willensbildung, S. 42; Nipperdey, FS Möhring 1965, S. 87, 111 für Koalitionen im öffentlichen Dienst; Zöllner/Seiter, ZfA 1970, 97, 131 f.

A. Der Gewerkschaftsbegriff des § 2 Abs. 1 TVG

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sind damit für die Wahrung des Gegenspielerprinzips unerlässlich.49 Diese Einschätzung entspricht insofern bereits derjenigen des Gesetzgebers der Weimarer Zeit, der an verschiedener Stelle die besonders elementare Bedeutung der Gegnerunabhängigkeit hervorhob.50 In concreto verbietet daher die Gegnerunabhängigkeit zunächst jegliche finanzielle wie organisatorische Unterstützung der Gegenseite von außen oder innen.51 Dies stellt nicht zuletzt auch Art. 2 des ILO-Abkommens Nr. 98 sicher, wonach „den Organisationen der Arbeitnehmer und der Arbeitgeber […] in bezug auf ihre Bildung, Tätigkeit und Verwaltung gebührender Schutz gegen jede Einmischung von der anderen Seite, sowohl seitens der Organisationen wie auch ihrer Vertreter oder Mitglieder, zu gewähren [ist.]“52 Eine interne Einflussnahme auf die Entscheidungsfindung in der Vereinigung kann daneben jedoch auch durch mitgliedschaftliches Abstimmverhalten erfolgen. Von daher sind Vereinigungen nur Koalitionen im Sinne des Art. 9 Abs. 3 GG, wenn und solange sie intern gegnerfrei organisiert werden.53 Dabei kommt es jedoch nicht auf eine aktive Teilnahme am Entscheidungsprozess durch Abstimmungs- oder organmitgliedschaftliches Verhalten an. Bereits eine abstrakt zu befürchtende Gefahr durch personelle Doppelverquickungen genügt.54 Dagegen werden passive oder Gastmitgliedschaften als nicht schädlich angesehen.55 Im Falle der Unternehmensmitbestimmung nach dem MitbestG hatte das Bundesverfassungsgericht eine Gegnerabhängigkeit der Arbeitgeberverbände durch die Mitgliedschaften von Gewerkschaftsvertretern im Aufsichtsrat noch mit 49

Herschel, JZ 1965, 81, 82; MüHbArbR/Rieble, Band 3, § 218 Rn. 60; Kobler, Fremdeinflüsse auf die tarifliche Willensbildung, S. 42, der etwas verkürzt den Abschluss von Tarifverträgen in den Vordergrund stellt; Wiedemann, RdA 1976, 72, 73. 50 Verhandlungen des Reichtstages, Band 411, Nr. 2795, S. 119; dahingehend auch die Aussage des damaligen Reichsarbeitsministers Brauns in der 248. Sitzung des Reichstages v. 11. 12. 1926, S. 8460 D; s. auch mit dieser Interpretation Mansfeld, BRG, § 8 Anm. 2. 51 MüHbArbR/Rieble, Band 3, § 218 Rn. 61; Wiedemann, RdA 1976, 72, 73; für das Problem der Vergütung von Betriebsratsmitgliedern Däubler, SR 2017, 85 passim. 52 Übereinkommen über die Vereinigungsfreiheit und das Recht zu Kollektivverhandlungen vom 1. 7. 1949; Herschel, JZ 1965, 81, 82; Löwisch/Rieble, TVG, § 2 Rn. 81; MüHbArbR/ Rieble, Band 3, § 218 Rn. 61. 53 Zu den Voraussetzungen im Hinblick auf Anwalts- und Notarvereine bereits RG v. 1. 10. 1923 – IV 789/22, RGZ 107, 144, 146; RG v. 18. 11. 1927 – III 134/27, RGZ 119, 13, 14; dazu Wiedemann, RdA 1976, 72 f.; Kobler, Fremdeinflüsse auf die tarifliche Willensbildung, S. 41; Kempen/Zachert/Kempen, TVG, §2 Rn. 74 verwendet die Begriffe Gegenerunabhängigkeit und Gegnerfreiheit scheinbar alternativ; zum Grundsatz der Gegnerreinheit auch Wiedemann, RdA 1976, 72, 74; Zöllner/Seiter, ZfA 1970, 97, 127; auf dieser Grundlage gegen die Koalitionseigenschaft sog. „Harmonieverbände“ Sinzheimer, Grundzüge des Arbeitsrechts, S. 69. 54 BVerfG v. 1. 3. 1979 – 1 BvR 532/77 u. a., AP MitbestG § 1 Nr. 1 [C. IV. 2.]; Gamillscheg, Kollektives Arbeitsrecht, Band 1, S. 417; MüHbArbR/Rieble, Band 3, § 218 Rn. 60; besonders strikt noch Art. 161 Abs. 2 des deutsch-polnischen Abkommens über Oberschlesien v. 15. 5. 1922, RGBl. II 1922, S. 238, 305, der ein Verbot der gegnerischen Mitgliedschaft enthielt. 55 Kobler, Fremdeinflüsse auf die tarifliche Willensbildung, S. 43; Löwisch/Rieble, TVG, § 2 Rn. 68; MüHbArbR/Rieble, Band 3, § 218 Rn. 60.

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1. Kap.: Der einheitliche Gewerkschaftsbegriff als Status quo

der Argumentation abgelehnt, etwaige Beeinflussungen seien zu vernachlässigen, soweit die Arbeitnehmervertreter von einer Beeinflussung tarifpolitischer Entscheidungen im Rahmen ihrer Aufsichtsratstätigkeit absähen.56 Um das Gegenspielerprinzip effektiv aufrecht zu erhalten, verhält sich die Unabhängigkeit ebenso wie auch die Gegnerfreiheit nicht absolut, sondern relativ zur Tarifzuständigkeit.57 Bereits die Bestimmung einer Gegnerschaft lässt sich damit nicht nach einer Lagerdifferenzierung in Arbeitnehmer- und Arbeitgeberseite vornehmen. Das Vorliegen einer sozialen Gegenspielerschaft bestimmt sich nach dem räumlichem, sachlichen und personalen Streitfeld, auf dem sich die Parteien gemäß ihrer satzungsmäßigen Bestimmung gegenübertreten.58 Streitig ist zuletzt das Verhältnis von Gegnerunabhängigkeit und Überbetrieblichkeit der Organisation.59 Das vermittelnde Moment liegt wohl in der möglichen vollkommenen Einflussnahme eines Arbeitgebers auf die Vereinigung, sofern sämtliche Mitglieder der Vereinigung in einem Betrieb und damit im Regelfall bei demselben Arbeitgeber angestellt sind. Selbst lässt man Überlassungskonstellationen außen vor, die zu Beginn dieser Streitigkeit im Hinblick auf sog. Werkvereine noch nicht allzu verbreitet waren, blieben dem Arbeitgeber sein Direktionsrecht sowie seine unternehmerische Handhabe über den Betrieb, um Einfluss auf die Interessenvertretung der Arbeitnehmervertreter zu nehmen.60 Eine solche Einflussnahme ist jedoch wenigstens dann nicht zu besorgen, wenn die Arbeitnehmervertretung überbetrieblich organisiert ist.61 Zum Teil wird die überbetriebliche Organisation abschwächend zumindest als Tariffähigkeitsvoraussetzung62 oder noch weiter abschwächend als Indiz im Hinblick auf eine Unabhängigkeit angesehen.63 56

BVerfG v. 1. 3. 1979 – 1 BvR 532/77 u. a., AP MitbestG § 1 Nr. 1 [C. IV. c)] unter der Prämisse, dass die Parität der Mitbestimmung nicht gefährdet und die Koalition auch überbetrieblich organisiert ist; zur Frage der Streikbeteiligung von Arbeitnehmervertretern mitbestimmter Aufsichtsräte Möllers, Treuepflichten und Interessenkonflikte bei Vorstands- und Aufsichtsratsmitgliedern, in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder, Handbuch Corporate Governance, S. 423, 439; Wiedemann/Jacobs, TVG, Einleitung Rn. 136; MüHbArbR/Rieble, Band 3, § 218 Rn. 60; Wiedemann, RdA 1976, 72, zur Lage vor dem MitbestG auch S. 75 f. 57 Löwisch/Rieble, TVG, § 2 Rn. 98. 58 Löwisch/Rieble, TVG, § 2 Rn. 100. 59 Zu dem Meinungsstand Jacobs/Krause/Oetker/C. Schubert/C. Schubert, Tarifvertragsrecht, § 2 Rn. 71. 60 Dazu RAG v. 10. 10. 1928 – 144/28, ARS 4, 239, 242; Eitel, Ungleichbehandlung, S. 77; Höfling, RdA 1999, 182, 184; Jacobs/Krause/Oetker/C. Schubert/C. Schubert, Tarifvertragsrecht, § 2 Rn. 71; bereits Sinzheimer, Grundzüge des Arbeitsrechts, S. 70, der die Überbetrieblichkeit jedoch im Rahmen der Unabhängigkeit problematisiert. 61 Noch BVerfG v. 18. 11. 1954 – 1 BvR 629/52, NJW 1954, 1881, 1882; Hueck/Nipperdey/Nipperdey, Arbeitsrecht, Band 2/I, S. 98 f. 62 Nikisch, Arbeitsrecht, Band 2, S. 11; Kempen/Zachert/Kempen, TVG, § 2 Rn. 76 (als Voraussetzung der Tariffähigkeit aber als „notwendiges Element“ der Unabhängigkeit); vgl. auch Löwisch, ZfA 1970, 295, 314; a. A. Jacobs/Krause/Oetker/C. Schubert/C. Schubert, Tarifvertragsrecht, § 2 Rn. 72, die die Überbetrieblichkeit sowohl als Koalitions- als auch als Tariffähigkeitsvoraussetzung ablehnt.

A. Der Gewerkschaftsbegriff des § 2 Abs. 1 TVG

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3. Unabhängigkeit von Staat, Kirche und Parteien Neben der Unabhängigkeit vom relativen sozialen Gegner müssen die Vereinigungen als Koalitionen auch eine Unabhängigkeit von Staat, Kirche und den politischen Parteien aufweisen.64 Besonders dieses Koalitionsmerkmal weist im arbeitsrechtlichen Kontext nach dem zuvor Gesagten eine hohe historische Prägung auf. Schließlich unterlagen die Arbeitnehmervereinigungen in der Vergangenheit häufig politisch motivierten Agenden oder Klimawechseln.65 Doch auch die freiwillige Assoziation von Gewerkschaften und politischen Parteien brachte für erstere häufiger eine Schwächung ihres Einflusses als eine Stärkung. Die notwendige Freiheit von staatlicher Einflussnahme war insbesondere bereits im Rahmen des Erfordernisses privatrechtlicher Verfassung relevant. Klar ist mit dem Erfordernis staatlicher Unabhängigkeit zumindest auch, dass nicht nur staatlich angeordnete Zwangszusammenschlüsse von Art. 9 Abs. 1 GG nicht erfasst werden (s. o.), sondern auch (freiwillige) Zusammenschlüsse öffentlich-rechtlicher juristischer Personen nicht dem Vereinigungsbegriff nach Art. 9 Abs. 1 GG unterfallen.66 Hinter den Anforderungen an staatliche Unabhängigkeit blieben daher zunächst solche staatsnahen Gewerkschaften zurück wie der FDGB in der DDR.67 Darüber hinaus darf es auch keine staatliche Subventionierung koalitiver Tätigkeiten geben. Beihilfen im Sinne der Parteisubventionierung sind daher weder vorgesehen noch zulässig.68 Gleiches gilt für die Gewährung steuerlicher Vorteile.69 Im Rahmen staatlicher Leistungen anlässlich eines Arbeitskampfes ist nach Anlass und Zielrichtung der Zahlungen zu differenzieren: Finanzielle Zuwendungen sind demnach dann gestattet, wenn sie einen finanziellen Ausgleich der Gewerkschaftsmitglieder suchen. Unzulässig sind dementgegen Leistungen zur finanziellen Unterstützung der sich im Arbeitskampf befindlichen Gewerkschaft.70 Die staatliche Unabhängigkeit bezieht sich insgesamt auch auf das Verhältnis zu fremden Staaten.71

63 Dreier/Bauer, GG, Band 1, Art. 9 Rn. 78; Höfling, RdA 1999, 182, 184; MüHbArbR/ Rieble, Band 3, § 218 Rn. 65; Waltermann, Arbeitsrecht, Rn. 491. 64 BVerfG v. 1. 3. 1979 – 1 BvR 532/77 u. a., AP MitbestG § 1 Nr. 1 [C. IV. 2. a)]; Löwisch/ Rieble, TVG, § 2 Rn. 102 ff.; MüHbArbR/Rieble, Band 3, § 218 Rn. 67. 65 S. hierzu eingehend Kapitel 2, Abschnitt A.; auch im Hinblick auf die Gegnerunabhängigkeit Hueck, RdA 1956, 45, 46. 66 Jarass/Pieroth/Jarass, GG, Art. 9 Rn. 4. 67 Löwisch/Rieble, TVG, § 2 Rn. 103; MüHbArbR/Rieble, Band 3, § 218 Rn. 69. 68 Löwisch/Rieble, TVG, § 2 Rn. 104; Rieble, Arbeitsmarkt und Wettbewerb, Rn. 1881; MüHbArbR/Rieble, Band 3, § 218 Rn. 69 zu Streitfragen der Tarifnormerstreckung auf Außenseiter und § 5 TVG. 69 Löwisch/Rieble, TVG, § 2 Rn. 104. 70 Löwisch/Rieble, TVG, § 2 Rn. 105; Rieble, Arbeitsmarkt und Wettbewerb, Rn. 1882. 71 Löwisch/Rieble, TVG, § 2 Rn. 107.

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1. Kap.: Der einheitliche Gewerkschaftsbegriff als Status quo

Nicht gleichbedeutend mit der staatlichen Unabhängigkeit ist indes die Neutralität.72 Dies gilt insbesondere für die Unabhängigkeit von politischen Parteien und Kirchen. Den Koalitionen ist es deshalb durchaus gestattet, ihre arbeitspolitische Interessenwahrnehmung und die ihr zugrunde liegenden Überzeugungen auf politische Einstellungen oder religiöse Glaubensvorstellungen zurückzuführen.73 Auch können Gewerkschaften und Gewerkschaftsmitglieder in politischen Parteien vertreten sein. Der umgekehrte Weg ist jedoch problematisch, sobald die jeweiligen politischen oder religiösen Institutionen auf monetärem oder organschaftlichem Wege die Einflussnahme auf die Willensbildung der Koalitionen suchen.74

III. Voraussetzungen der Tariffähigkeit Die Tariffähigkeit ist weder Tatbestandsvoraussetzung noch Rechtsfolge der Koalitionseigenschaft nach Art. 9 Abs. 3 GG.75 Es wird vielmehr unterschieden zwischen Koalitionen nach Art. 9 Abs. 3 GG und solchen, die darüber hinaus auch fähig sind, im Sinne der Tarifautonomie an dem aus ihr hervorgegangenen Tarifvertragssystem des TVG teilzunehmen.76 Nach herrschender Ansicht ist die Tariffähigkeit somit zumindest konstituierendes Merkmal der Gewerkschaftseigenschaft im Sinne von § 2 Abs. 1 TVG.77 Um tariffähig zu sein, bedarf es bestimmter Mindestvoraussetzungen, welche sich schlussendlich an Art. 9 Abs. 3 GG messen lassen müssen. Die zumindest konkretisierenden, aber gleichsam auch einschränkenden Anforderungsmerkmale sind im Lichte der durch Art. 9 Abs. 3 GG garantierten Tarifautonomie zu betrachten und müssen eben dieser Gewährleistung auch dienlich sein. Damit geht es bei den Tariffähigkeitsvoraussetzungen stets um eine funktionale Betrachtung.78 Nach Ansicht auch des Bundesverfassungsgerichtes erfordert die 72 Löwisch/Rieble, TVG, § 2 Rn. 108; MüHbArbR/Rieble, Band 3, § 218 Rn. 68; Wiedemann, RdA 1976, 72, 77. 73 Löwisch/Rieble, TVG, § 2 Rn. 108; MüHbArbR/Rieble, Band 3, § 218 Rn. 68; Dürig/ Herzog/Scholz/Scholz, GG, Art. 9 Rn. 219. 74 Löwisch/Rieble, TVG, § 2 Rn. 109; MüHbArbR/Rieble, Band 3, § 218 Rn. 68; Wiedemann, RdA 1976, 72, 77. 75 Zu dieser Streitfrage mit dem entsprechenden Meinungsbild Eitel, Ungleichbehandlung, S. 80 f. 76 ErfK/Franzen, § 2 TVG Rn. 3; ErfK/Linsenmaier, Art. 9 GG Rn. 66, der im Vergleich zur Vorauflage aber nunmehr auf den Begriff der „Mächtigkeit“ verzichtet: ErfK/Linsenmaier, 21. Auflage, Art. 9 Rn. 66; Wiedemann/Oetker, TVG, § 2 Rn. 32; Reuß, RdA 1964, 362, 363; Rüthers, DB 1970, 2120, 2122; a. A. Hueck/Nipperdey/Nipperdey Arbeitsrecht, Band 2/I, S. 422; Schnorr, RdA 1955, 3, 8; Zöllner, AöR 98 (1973), 71, 91. 77 Buchner, FS BAG 1979, S. 56; zur Katalogeigenschaft dieser normativen Voraussetzungen und ihrer Kollektivprüfung Dütz, AuR 1976, 65, 80 (im Kontext des Mächtigkeitselementes). 78 BAG v. 28. 3. 2006 – 1 ABR 58/04, AP TVG § 2 Tariffähigkeit Nr. 4 Rn. 37; BAG v. 7. 7. 2010 – 4 AZR 549/08, AP GG Art. 9 Nr. 140 Rn. 60; MüHbArbR/Klumpp, Band 3, § 232 Rn. 3.

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Koalitionsfreiheit eine Konkretisierung der Tariffähigkeitsvoraussetzungen, um ihren Gewährleistungsgehalt effektiv zu aktualisieren.79 Die Zwecke der Tarifautonomie – der Schutz der Koalitionen und ihrer Mitglieder sowie, daraus resultierend, die abstrakte Gewährleistung einer Vertragsrichtigkeit – bedingen über die Koalitionseigenschaft hinausgehende Anforderungen an die Tarifvertragsparteien.80 Gleichzeitig begrenzt dieser Schutz jedoch auch die Zusatzvoraussetzungen in Gegenstand und Reichweite. An die Tariffähigkeit dürfen keine Voraussetzungen geknüpft werden, die nicht durch ein entsprechendes Schutzerfordernis gedeckt sind, da sie dieses sogleich konterkarieren würden.81 Die Funktion des Tarifvertragssystems als Konkretisierung der Koalitionsmittelgarantie ist somit Auftrag und Beschränkung zugleich. Sie beschränkt die an die Tariffähigkeit zu stellenden Anforderungen als Ursprung und Grenze auf das für eine Funktionalität der Verhandlungsparität Geeignete und Erforderliche.82 Nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichtes erfordert die Funktionsfähigkeit der Tarifautonomie eine demokratische Organisation der an ihr beteiligten Koalitionen sowie Tarifwilligkeit, Rechtstreue, organisatorische Durchsetzungskraft und soziale Mächtigkeit.83 1. Demokratische Organisation a) Die demokratische Organisation zur Legitimation tariflicher Normsetzung Aus Funktionalitätserwägungen, welche das Tarifvertragssystem in seiner privatautonomen Verfassung betreffen, ist die demokratische Verfassung nach herrschender Meinung auch nicht bereits Voraussetzung einer Koalition im Sinne des Art. 9 Abs. 3 GG.84 Grundlegender Gedanke ist das Bedürfnis einer Legitimation der 79 S. BVerfG 18. 11. 1954 – 1 BvR 629/52, NJW 1954, 1881, 1882; BAG v. 28. 03. 2006 – 1 ABR 58/04, AP TVG § 2 Tariffähigkeit Nr. 4 Rn. 41; vgl. auch Kobler, Fremdeinflüsse auf die tarifliche Willensbildung, S. 53; Löwisch, ZfA 1970, 295, 300 f.; Rieble, FS Wiedemann 2002, S. 519, 526; Jacobs/Krause/Oetker/C. Schubert/C. Schubert, Tarifvertragsrecht, § 2 Rn. 3. 80 ErfK/Franzen, § 2 TVG Rn. 7; Löwisch/Rieble, TVG, § 2 Rn. 111. 81 S. nur Lerche, Zentralfragen, S. 41. 82 BVerfG 18. 11. 1954 – 1 BvR 629/52, NJW 1954, 1881, 1882; BVerfG v. 6. 5. 1964 – 1 BvR 79/62, NJW 1964, 1267, 1268; BVerfG v. 1. 3. 1979 – 1 BvR 532/77 u. a., AP MitbestG § 1 Nr. 1 [C. IV. 1.]; BAG v. 28. 3. 2006 – 1 ABR 58/04, AP TVG § 2 Tariffähigkeit Nr. 4 Rn. 44; BAG v. 14. 12. 2010 – 1 ABR 19/10, AP TVG § 2 Tariffähigkeit Nr. 6 Rn. 88; Henssler/Willemsen/Kalb/Henssler, § 2 TVG Rn. 4; Wiedemann/Oetker, TVG, § 2 Rn. 36. 83 BAG v. 20. 10. 1981 – 1 BvR 404/78, AP TVG § 2 Nr. 31 [B. I. 2.]; BAG v. 10. 9. 1985 – 1 ABR 32/83, AP TVG § 2 Nr. 34 [B. IV. 1.]; BAG v. 25. 11. 1986 – 1 ABR 22/85, AP TVG § 2 Nr. 36 [II. 2., 3. a)]; BAG v. 14. 12. 2004 – 1 ABR 51/03, AP TVG § 2 Tariffähigkeit Nr. 1 [B. III. 1.]; BAG v. 28. 3. 2006 – 1 ABR 58/04, AP TVG § 2 Tariffähigkeit Nr. 4; ErfK/ Franzen, § 2 TVG Rn. 7; Henssler, Soziale Mächtigkeit, S. 17; MüHbArbR/Klumpp, Band 3, § 232 Rn. 12; zu den einzelnen Voraussetzungen im Detail Löwisch/Rieble, TVG, § 2 Rn. 112 ff. 84 BAG v. 28. 3. 2006 – 1 ABR 58/04, AP TVG § 2 Tariffähigkeit Nr. 4 Rn. 55; Biedenkopf, Grenzen der Tarifautonomie, S. 53 ff.; ErfK/Franzen, § 2 TVG Rn. 15; Henssler/Moll/Bepler/

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normativen Regelungsmacht der Tarifvertragsparteien.85 Eine demokratische Willensbildung sei demnach nur dann erforderlich, wenn die Koalition eine gegenüber ihren Mitgliedern bestehende Normsetzungsbefugnis habe und diese auch ausübe.86 Das Bundesarbeitsgericht hat eine demokratische Binnenorganisation für die Tariffähigkeit bislang nicht ausdrücklich gefordert.87 b) Die Voraussetzungen an die demokratische Organisation Der demokratische Anspruch stellt sich vornehmlich an den Prozess der Willensbildung der Mitglieder.88 Nachdem eine Koalition in der Lage sein muss, einen Kollektivwillen zu bilden, ermöglicht eine Willensbildung nach demokratischem Vorbild eine (in)direkte Repräsentation der mehrheitlichen Einzelinteressen in der Willensbildung und eine entsprechende Spiegelung in der Willensausübung.89 Prozessual erfolgt die Demokratisierung des Willensbildungs- und -äußerungsprozesses meist mehrgestaltig. Zunächst verhindern Kontrollrechte die Ausprägung eines totalitären Systems, nach welchem der Verbandswille durch die Führungsriege entsprechend ihrer Bestrebungen durchgesetzt werden kann.90 Die Effektivität dieser Kontrollrechte wird durch umfassende Informationsrechte gewährleistet. Dies betrifft Grundsatzentscheidungen des alltäglichen Verbandslebens ebenso wie Entscheidungen über den möglichen Inhalt von Tarifverträgen im Rahmen der Verhandlungen.91 Eine stete Rückkopplung des Vorstandshandelns an den Willen der Mitglieder kann darüber hinaus mittels hochfrequenter Abstimmungen erreicht werden. Die von der Rechtsprechung aufgestellten Ansprüche an die Legitimation gehen im Ergebnis über eine faktische, rein hypothetische kaum hinaus. Es wird vielmehr auf die Repräsentanz der Mitglieder kraft Mitgliedschaft zurückgegriffen.92 Diejenigen Anforderungen, welche aufgrund des Legitimationserfordernisses an den Greiner, Tarifvertrag, Teil 2 Rn. 85; Henssler/Willemsen/Kalb/Henssler, § 2 TVG Rn. 13; Höpfner, ZfA 2009, 541, 547; im Ergebnis ebenso MüHbArbR/Klumpp, § 232 Rn. 16 f.; Löwisch/Rieble, TVG, § 2 Rn. 57; Preis/Greiner, Kollektivarbeitsrecht, Rn. 87; a. A. Gamillscheg, Kollektives Arbeitsrecht, Band 1, S. 400 ff.; uneindeutig insofern Richardi/Bayreuther/ Bayreuther, Kollektives Arbeitsrecht, § 2 Rn. 41. 85 BVerfG v. 6. 5. 1964 – 1 BvR79/62; BAG v. 15. 11. 1963 – 1 ABR 5/63, SAE 1964, 193; BAG v. 9. 7. 1968 – 1 ABR 2/67, BAGE 21, 98; BAG v. 25. 11. 1986 – 1 ABR 22/85, AP TVG § 2 Nr. 36. 86 Dahingehend Preis/Greiner, Kollektivarbeitsrecht, Rn. 87. 87 BAG v. 28. 3. 2006 – 1 ABR 58/04, AP TVG § 2 Tariffähigkeit Nr. 4 Rn. 55. 88 MüHbArbR/Klumpp, Band 3, § 232 Rn. 16; Külp, Lohnbildung im Wechselspiel, S. 46 ff.; Löwisch/Rieble, TVG, § 2 Rn. 112; zur Legitimationswirkung BAG v. 28. 3. 2006 – 1 ABR 58/04, AP TVG § 2 Tariffähigkeit Nr. 4. 89 MüHbArbR/Klumpp, Band 3, § 232 Rn. 17; Löwisch/Rieble, TVG, § 2 Rn. 113. 90 Löwisch/Rieble, TVG, § 2 Rn. 114. 91 Grundsätzlich Löwisch/Rieble, TVG, § 2 Rn. 114; zu letzterem Kobler, Fremdeinflüsse auf die tarifliche Willensbildung, S. 83 f. 92 MüHbArbR/Klumpp, Band 3, § 232 Rn. 19; Löwisch/Rieble, TVG, § 2 Rn. 116.

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Grad der Demokratisierung gestellt werden, betreffen somit nicht ein etwaiges Abstimmverhalten oder bestimmte Mehrheitserfordernisse als Mindeststandard, sondern die Konditionen der Mitgliedschaft im konkreten Fall ebenso wie relativ im Verhältnis zu anderen Mitgliedern.93 Dem Erfordernis demokratischer Organisation wird eine Vereinigung dann gerecht, wenn sie strukturell eine demokratische Gesamtwillensbildung sicherstellen kann.94 Verlangt wird die satzungsmäßige Garantie eines entsprechenden Mindeststandardes. Dazu gehören die Gleichheit der Mitglieder sowie ein ausreichender Minderheitenschutz.95 2. Tarifwilligkeit Darüber hinaus müssen die Arbeitnehmerkoalitionen – wie auch die Tarifvertragspartner auf Arbeitgeberseite – den satzungsmäßig zu bestimmenden und bestimmten Willen haben, Tarifverträge abzuschließen.96 Als notwendiger Satzungsbestandteil im Sinne des § 25 BGB ist die Tarifwilligkeit fester Bestandteil der Verbandsverfassung.97 Dies ist nicht zuletzt auch aufgrund der legitimatorischen Kraft des Mitgliedsbeitritts erforderlich. Die Unterstützung eines Verbandes bei Kenntnis der Tarifwilligkeit entfaltet legitimatorische Kraft und die Unterwerfung unter die normative Wirkung des Tarifvertrages.98 Die Entscheidung über die tarifvertragliche Zweckorientierung hat der Verband autonom zu fällen – maßgeblich ist dabei auch erneut die demokratische Verfassung des Verbandes, durch die eine autonome Willensbildung sichergestellt wird.99 Aus diesem Grunde ist die Entscheidung über eine Tarifwilligkeit auch nicht dem Arbeitskampf zugänglich.100 Entscheidet sich eine Vereinigung gegen den Abschluss von Tarifverträgen als Koalitionsmittel, unterliegt sie weiterhin dem Schutz der Koalitionsfreiheit. Zwar ist sie sodann nicht tariffähig, ihr bleibt jedoch die verfassungsrechtlich garantierte Freiheit, die Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen auf andere Weise zu wahren und zu fördern.101 Entscheidet sich die Vereinigung für das Koalitionsmittel des Tarifvertrages, so genügt eine bloß theoretische Tarifwilligkeit 93

BAG v. 28. 3. 2006 – 1 ABR 58/04, AP TVG § 2 Tariffähigkeit Nr. 4 Rn. 55. MüHbArbR/Klumpp, Band 3, § 232 Rn. 16; Löwisch/Rieble, TVG, § 2 Rn. 57. 95 Henssler/Moll/Bepler/Greiner, Tarifvertrag, Teil 2 Rn. 85; Henssler/Willemsen/Kalb/ Henssler, § 2 TVG Rn. 13; Höpfner, ZfA 2009, 541, 548. 96 BVerfG v. 20. 10. 1981 – 1 BvR 404/78, AP TVG § 2 Nr. 31; BAG v. 10. 9. 1985 – 1 ABR 32/83, AP TVG § 2 Nr. 34 [B. IV. 1.]; BAG v, 25. 11. 1968 – 1 ABR 22/85, AP TVG § 2 Nr. 36 [II. 2.]; BAG v. 6. 6. 2000 – 1 ABR 21/99, AP ArbGG 1979 § 97 Nr. 9; MüHbArbR/Klumpp, Band 3, § 232 Rn. 37; Löwisch/Rieble, TVG, § 2 Rn. 214; Jacobs/Krause/Oetker/C. Schubert/ C. Schubert, Tarifvertragsrecht, § 2 Rn. 7 97 Löwisch/Rieble, TVG, § 2 Rn. 217. 98 Löwisch, ZfA 1970, 304; Löwisch/Rieble, TVG, § 2 Rn. 216. 99 Löwisch, ZfA 1970, 295, 304. 100 Löwisch/Rieble, TVG, § 2 Rn. 215. 101 Löwisch/Rieble, TVG, § 2 Rn. 215. 94

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1. Kap.: Der einheitliche Gewerkschaftsbegriff als Status quo

indes nicht.102 Ihr kann sich der Verband weder durch Nicht-Abschluss noch durch Nicht-Durchsetzung von Tarifverträgen entziehen.103 Ebenso kann der Verband nach herrschender Meinung den Abschluss von Tarifverträgen weder persönlich noch inhaltlich beschränken.104 Die Tarifwilligkeit ist nach herrschendem Verständnis nicht relativ, da nur so der Komplexität und Interdependenz der materiellen Arbeitsund Lohnbedingungen angemessen Rechnung getragen wird.105 Nach dem örtlichen und damit mittelbar auch nach dem fachlichen und persönlichen Umfang der Tarifwilligkeit bestimmt sich sodann die Tarifzuständigkeit der Vereinigung.106 In konsequenter Anwendung des einheitlichen Gewerkschaftsbegriffes beschränkt die Entscheidung gegen eine Tarifwilligkeit und damit die Tariffähigkeit diese entsprechende Betätigung indes auf solche Felder, die nicht an eine Gewerkschaftseigenschaft knüpfen. Insofern steht bereits die faktische Autonomie der Entscheidung zugunsten einer satzungsmäßigen Verpflichtung zur tarifautonomen Betätigung in Frage.107 Die Tarifwilligkeit einer Vereinigung ist indes klar zu trennen von einem etwaig zu fordernden Willen zum Arbeitskampf.108 Nachdem das Bundesverfassungsgericht das Erfordernis der Arbeitskampfbereitschaft als Voraussetzung für die Tariffähigkeit bereits abgelehnt hat,109 ist auch die Durchsetzungs- und Leistungsfähigkeit einer Vereinigung stets nur abstrakt zu bewerten.110 Um tariffähig zu sein, bedarf es vielmehr lediglich der theoretischen Macht der Vereinigung, ihre Forderungen notwendigenfalls auch im Wege des Streiks durchzusetzen.

102 BAG v. 15. 3. 1977 – 1 ABR 16/75, AP GG Art. 9 Nr. 24 [IV. 3.]; Löwisch/Rieble, TVG, § 2 Rn. 219. 103 Löwisch/Rieble, TVG, § 2 Rn. 219. 104 Für die herrschende Ansicht einer absoluten Tariffähigkeit BAG v. 28. 3. 2006 – 1 ABR 58/04, AP TVG § 2 Tariffähigkeit Nr. 4; MüHbArbR/Klumpp, Band 3, § 232 Rn. 38; Löwisch/ Rieble, TVG, § 2 Rn. 223; Wiedemann/Oetker, TVG, § 2 Rn. 487; Däubler/Peter/Rödl, TVG, § 2 Rn. 64; Jacobs/Krause/Oetker/C. Schubert/C. Schubert, Tarifvertragsrecht, § 2 Rn. 99; Kempen/Zachert/Wendeling-Schröder, TVG, § 2 Rn. 203; a. A. für eine relative Tariffähigkeit Dütz, DB 1996, 2385, 2389; Isenhardt, Relative Tariffähigkeit, S. 138; Rieble, FS Wiedemann 2002, S. 519, 529 ff.; zumindest kritisch ggü. der Absolutheit Henssler, Soziale Mächtigkeit, S. 35, 36. 105 MüHbArbR/Klumpp, Band 3, § 232 Rn. 38; für die Tariffähigkeit Wahl, Relativität des Gewerkschaftsbegriffs, S. 136, der allerdings im Folgenden ungenau zwischen relativer Tariffähigkeit und relativem Gewerkschaftsbegriff differenziert. 106 Löwisch/Rieble, TVG, § 2 Rn. 222; so wohl auch MüHbArbR/Klumpp, Band 3, § 232 Rn. 38; Wiedemann/Oetker, TVG, § 2 Rn. 488. 107 S. explizit zur Tarifwilligkeit später ausführlich Kapitel 4, Abschnitt B. II. 1. 108 MüHbArbR/Klumpp, Band 3, § 232 Rn. 39; Wiedemann/Oetker, TVG, § 2 Rn. 494, 496; Jacobs/Krause/Oetker/C. Schubert/C. Schubert, Tarifvertragsrecht, § 2 Rn. 83 f. 109 Zuvor noch BAG v. 19. 1. 1962 – 1 ABR 14/60, AuR 1962, 223; BVerfG v. 6. 5. 1964 – 1 BvR 79/62, NJW 1964, 1267, 1269. 110 MüHbArbR/Klumpp, Band 3, § 232 Rn. 40; Löwisch/Rieble, TVG, § 2 Rn. 213; Jacobs/ Krause/Oetker/C. Schubert/C. Schubert, Tarifvertragsrecht, § 2 Rn. 85.

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3. Anerkennung des staatlichen Tarif-, Schlichtungsund Arbeitskampfrechtes (Rechtstreue) Die tarifvertragliche Aushandlung von Arbeits- und Lohnbedingungen kann überdies noch solchen Vereinigungen überlassen werden, die das entsprechende System mit seinen Instrumentarien des Tarifvertrags und des Arbeitskampfes anerkennen.111 Notwendigerweise muss sich diese Rechtstreue indes auch auf die koalitionsfreiheitlichen Garantien ausweiten, und zwar sowohl hinsichtlich der individuellen Koalitionsfreiheit ihrer Mitglieder und, in Anbetracht der negativen Koalitionsfreiheit, von Nicht-Mitgliedern als auch hinsichtlich der kollektiven Koalitionsfreiheit der Vereinigung selbst und anderer Vereinigungen.112 Ob von den Vereinigungen darüber hinaus auch die grundsätzliche Anerkennung der verfassungsrechtlichen Ordnung zumindest als Voraussetzung für die Verleihung der Tariffähigkeit gefordert werden kann, ist fraglich.113 Zum Teil wird eine für die Tarifautonomie spezifische Rechtstreue als reine Selbstverständlichkeit gleichmütig hingenommen,114 andere Stimmen lehnen eine solche Forderung mit der Begründung ab, dass sie lediglich in Leitsatz A. III. 2. des Staatsvertrages zur Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion aufgeführt wurde,115 um die Eingliederung des FDGB zu ermöglichen. Die Bestrebungen zur Rechtsangleichung sind sicherlich als Nebeneffekt anzuerkennen. Die Rechtsprechung forderte jedoch bereits im Jahre 1964 die Anerkennung des Tarifrechtes. Eine allein kausale Verbindung zu einer möglichen Wiedervereinigung ist daher wohl wenig naheliegend.116 Den Gegnern einer spezifischen Rechtstreue muss jedoch zugestanden werden, dass eine Grenze spätestens dort gezogen werden muss, wo eine faktische Grundrechtsbindung der Vereinigungen entsteht. Sonst würde nicht zuletzt ein erheblicher Widerspruch zur privatautonomen Qualifizierung des Tarifabschlusses entstehen. Ein Vergleich mit Selbstverwaltungskörperschaften oder Beliehenen kann gerade nicht gezogen werden.117

111 BVerfG v. 6. 5. 1964 – 1 BvR 79/62, NJW 1964, 1267, 1268; BVerfG v. 20. 10. 1981 – 1 BvR 404/78, AP TVG § 2 Nr. 31; BAG v. 10. 9. 1985 – 1 ABR 32/83, AP TVG § 2 Nr. 34 [B. IV. 1.]; BAG v. 25. 11. 1986 – 1 ABR 22/85, AP TVG § 2 Nr. 36 [II. 2.]; Löwisch/Rieble, TVG, § 2 Rn. 226; Wiedemann/Oetker, TVG, § 2 Rn. 535 ff.; Jacobs/Krause/Oetker/C. Schubert/ C. Schubert, Tarifvertragsrecht, § 2 Rn. 81; a. A. Däubler/Peter/Rödl, TVG, § 2 Rn. 66. 112 Löwisch/Rieble, TVG, § 2 Rn. 226. 113 Nikisch, Arbeitsrecht, Band 2, S. 14; ablehnend für den Zweck des Klassenkampfes zumindest Hueck/Nipperdey/Nipperdey, Arbeitsrecht, Band 2/I, S. 105. 114 Als Selbstverständlichkeit bspw. Kempen/Zachert/Kempen, TVG, § 2 Rn. 84. 115 BGBl. II 1990, S. 537, 545. 116 So aber Kempen/Zachert/Kempen, TVG, § 2 Rn. 86. 117 Kempen/Zachert/Kempen, TVG, § 2 Rn. 85; kritisch auch Däubler/Hege, Koalitionsfreiheit, S. 73 f.; Wiedemann/Oetker, TVG, § 2 Rn. 537; Waltermann, FS BAG 2004, S. 913, 194 f.; Zöllner, Rechtsnatur der Tarifnormen, S. 17.

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1. Kap.: Der einheitliche Gewerkschaftsbegriff als Status quo

Die Grenzziehung wird – wenn auch grundsätzlich dem Einzelfall vorbehalten – abstrakt am ehesten mithilfe eines funktional beschränkten Verständnisses der verfassungsmäßigen Ordnung erfolgen können. Als privatrechtliche Zusammenschlüsse sind die Verbände gerade nicht unmittelbar grundrechtsgebunden.118 Dennoch versteht sich jede natürliche oder juristische Person, die nach dem Recht der Bundesrepublik mit Rechten im Privatrechtsverkehr ausgestattet ist, auf dem Boden derjenigen Verfassung, welche ihr diese Rechte gewährt. Grundsätze der demokratischen und rechtsstaatlichen Ordnung bilden stete Anforderungen, welche auch an die relative autonome Privatrechtssetzung und an das entsprechende Verhalten der Personen gestellt werden – nicht zuletzt, da die mittelbare Grundrechtsbindung der Privaten das Erfordernis rechtskonformer Abreden mit sich bringt.119 Betrachtet man die Funktionserhaltung und Funktionsgewähr der Tarifautonomie als stetes Leitmotiv der Tariffähigkeitsbeschränkungen, so muss auch die Anerkennung der Rechtsordnung in diesem Lichte funktional betrachtet werden. Die Vereinigungen müssen zumindest auch diejenigen verfassungsrechtlichen Grundprinzipien wie Rechtsstaatlichkeit und Sozialstaatlichkeit zumindest soweit anerkennen, wie sie für ihre Rechtssetzung virulent sind. Diese Erwägungen sind auch den übrigen Tariffähigkeitsvoraussetzungen nicht fremd. So wird aus Legitimationserfordernissen eine demokratische Verfassung der Vereinigungen verlangt, da aus rechtsstaatlichen wie demokratieprinzipiellen Gründen nur eine solche autonome Willensbildung als freiheitlich und damit verbindlich anerkannt wird.120 Betrachtet man entgegen der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes und mit der herrschenden Lehrmeinung die Schranke des Art. 9 Abs. 2 GG als anwendbar,121 so ergibt sich im Ergebnis ein ähnliches Bild. Der dort verwendete Begriff der verfassungsmäßigen Ordnung vereint in sich nicht sämtliche Grundrechtsgarantien, sondern beschränkt sich im Wesentlichen auf die in Art. 20 GG aufgeführten Grundsatzprinzipien und die freiheitliche demokratischen Grundordnung.122 Unabhängig davon jedoch ist zumindest der Umkehrschluss problemlos möglich: Anerkennt die Vereinigung die Prinzipien der Koalitionsfreiheit nicht, stellt sie sich damit zwangsläufig auch in diesem Belang gegen die verfassungsmäßige Ordnung

118

11. 119

Zuletzt BAG v. 19. 12. 2019 – 6 AZR 536/18, NZA 2020, 734, 738; Jobst, NJW 2020,

ErfK/Linsenmaier, Art. 9 GG Rn. 78 f.; jüngst auch Jobst, NJW 2020, 11. Löwisch/Rieble, TVG, Grundlagen Rn. 235. 121 In diesem Sinne Lerche, Zentralfragen, S. 33 ff.; MüHbArbR/Rieble, Band 3, § 218 Rn. 45; Dürig/Herzog/Scholz/Scholz, GG, Art. 9 Rn. 336 f.; dagegen BVerfG v. 11. 7. 2017 – 1 BvR 1571/15, AP GG Art. 9 Nr. 151 Rn. 143; v. Münch/Kunig/Winkler, GG, Band 1, Art. 9 Rn. 182. 122 BVerfG v. 11. 7. 2017 – 1 BvR 1571/15 u. a., AP GG Art. 9 Nr. 151 Rn. 143; ausführlich Dürig/Herzog/Scholz/Scholz, GG, Art. 9 Rn. 127; dahingehend auch MüHbArbR/Rieble, Band 3, TVG, § 218 Rn. 49, 51. 120

A. Der Gewerkschaftsbegriff des § 2 Abs. 1 TVG

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als Bestandteil eben dieser. In diesem Fall ist ihr bei Vorliegen der Voraussetzungen die Tariffähigkeit abzuerkennen – zumindest auch mangels Rechtstreue.123 Die Ermittlung der Rechtstreue erfolgt stets zukunftsorientiert nach dem Prognoseprinzip. Der Tariffähigkeit abträglich sind isolierte Rechtsbrüche damit nur in ihrer Gesamtschau, soweit daraus der gerechtfertigte Eindruck entsteht, dass sich die Vereinigung auch in Zukunft dauerhaft nicht mehr an die verfassungsrechtlichen Vorgaben des Tarif- und Arbeitskampfwesens halten will.124 In der Folge resultiert bereits aus einzelnen, aber geplanten Verstößen die Beendigung der Tariffähigkeit.125 4. (Organisatorische) Leistungsfähigkeit und Durchsetzungskraft Das Kriterium der (organisatorischen) Leistungsfähigkeit bildet zusammen mit der sozialen Mächtigkeit ein grundsätzliches Erfordernis der Durchsetzungsfähigkeit.126 Im Zusammenwirken mit der sozialen Macht muss zur effektiven Ausübung der Tarifautonomie gewährleistet sein, dass die Vereinigung den Gegenspieler zumindest zur Aufnahme von Tarifverhandlungen veranlassen kann.127 Dafür muss die Vereinigung zunächst so organisiert sein, dass sie dauerhaft die Erfüllung der satzungsmäßigen Aufgaben sicherstellen kann.128 Im Hinblick auf den Abschluss von Tarifverträgen bedeutet dies, dass die Vereinigung zunächst in der Lage sein muss, einen Tarifabschluss angemessen und zielführend vorzubereiten.129 Daraufhin muss die Vereinigung auch über die organisatorischen Kapazitäten verfügen, Tarifverhandlungen zu führen.130 Die organisatorische Leistungsfähigkeit betrifft indes nicht nur das Verhältnis der Tarifpartner zueinander. Die Vereinigung muss vielmehr so verfasst sein, dass im Rahmen der Tarifverhandlungen der Wille ihrer Mitglieder angemessen berücksichtigt wird. An dieser Stelle wird damit quasi 123

Zu den Rechtsfolgen eines Rechtsverstoßes MüHbArbR/Klumpp, Band 3, § 232 Rn. 41. MüHbArbR/Klumpp, Band 3, § 232 Rn. 41; Löwisch/Rieble, TVG, § 2 Rn. 227; Wiedemann/Oetker, TVG; § 2 Rn. 415; Jacobs/Krause/Oetker/C. Schubert/C. Schubert, Tarifvertragsrecht, § 2 Rn. 82. 125 Löwisch/Rieble, TVG, § 2 Rn. 227; für den Arbeitskampf Löwisch, RdA 1987, 219, 225. 126 BAG v. 15. 3. 1977 – 1 ABR 16/75, AP GG Art. 9 Nr. 24 [III. 4.]; BAG v. 14. 3. 1978 – 1 ABR 2/76, AP TVG § 2 Nr. 30 [III. 3.]; BAG v. 16. 1. 1990 – 1 ABR 10/89, AP TVG § 2 Nr. 39 [II. 2.]; Henssler, Soziale Mächtigkeit, S. 18; angesichts der Gliederung der Merkmale wohl auch MüHbArbR/Klumpp, Band 3, § 232 Rn. 20, 32; ebenso Däubler/Peter/Rödl, TVG, § 2 Rn. 27, 37; für die Leistungsfähigkeit als Indiz einer Durchsetzungskraft Jacobs/Krause/Oetker/C. Schubert/C. Schubert, Tarifvertragsrecht, § 2 Rn. 94. 127 BVerfG v. 20. 10. 1981 – 1 BvR 404/78; Däubler/Peter/Rödl, TVG, § 2 Rn. 49. 128 BVerfG v. 20. 10. 1981 – 1 BvR 404/78, AP TVG § 2 Nr. 31 [B. I. 2.]; BAG v. 10. 9. 1985 – 1 ABR 32/83, AP TVG § 2 Nr. 34 [B. IV. 1.]; MüHbArbR/Klumpp, Band 3, § 232 Rn. 32; Löwisch/Rieble, TVG, § 2 Rn. 206. 129 Löwisch/Rieble, TVG, § 2 Rn. 205; zu den Phasen des Tarifabschlusses Kobler, Fremdeinflüsse auf die tarifliche Willensbildung, S. 81 ff. 130 Löwisch/Rieble, TVG, § 2 Rn. 205. 124

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1. Kap.: Der einheitliche Gewerkschaftsbegriff als Status quo

das abstrakte Erfordernis der demokratischen Verfassung aktiviert: Die Durchführung von Urabstimmungen über einzelne Tarifforderungen muss, sofern vorgesehen, ebenso praktisch möglich sein wie die Durchsetzung der Verhandlungsposition mittels Streikes. Schließlich muss auch die Erfüllung der schuldrechtlichen Verpflichtungen aus dem Tarifvertrag gewährleistet sein und über die pflichtgemäße Durchführung des Tarifvertrages gewacht werden.131 Dies betrifft das Verhältnis zum sozialen Gegenspieler in gleichem Maße wie die interne Durchsetzung der eigenen verbandlichen Verpflichtung gegenüber den eigenen Mitgliedern.132 Trotz dieser aus legitimatorischen Gründen erforderlichen Rekursion auf den Willen der Mitglieder muss die Vereinigung aus Effektivitätsgesichtspunkten in ihrer korporativen Verfassung unabhängig von ihren Mitgliedern und insbesondere von deren Austritt sein.133 Nur auf diese Weise kann sichergestellt werden, dass die Vereinigung in der Lage ist, einen kontinuierlichen und dauerhaften Willen zu bilden. Dieser soll sich nicht aus dem durch die Verbandsgründung folgenden einmaligen Willensbekenntnis perpetuieren, sondern flexibel auf die Erfordernisse der Aufgabenerfüllung gerichtet sein. Der Verband selbst muss fähig sein, dynamisch und effektiv auf veränderte Umstände der Tarifverhandlung und des Alltagsgeschäfts zu reagieren und entsprechend in Eigenregie zu agieren.134 Neben diesen korporativen Erfordernissen bedarf es für eine effektive Aufgabenwahrnehmung entsprechender monetärer wie administrativer Kapazitäten.135 Feste numerische Grenzen sind nicht gesetzt, vielmehr muss im konkreten Einzelfall darüber entschieden werden, ob die vorliegenden personellen und finanziellen Mittel für die Wahrnehmung der Aufgaben des Verbandes genügen.136 Da es stets nur um die autonom in der Satzung festgelegten Aufgaben des Verbandes gehen kann, verhält sich die Durchsetzungsfähigkeit parallel zur Tarifzuständigkeit.137 Durch eine regionale Eingrenzung des Tätigkeitsbereiches ist es insbesondere auch kleineren Verbänden möglich, mit vergleichsweise geringem

131

Löwisch/Rieble, TVG, § 2 Rn. 205, 213. MüHbArbR/Klumpp, Band 3, § 232 Rn. 33. 133 Löwisch/Rieble, TVG, § 2 Rn. 208. 134 Löwisch/Rieble, TVG, § 2 Rn. 209; Däubler/Peter/Rödl, TVG, § 2 Rn. 38. 135 Henssler, Soziale Mächtigkeit, S. 22; Löwisch/Rieble, TVG, § 2 Rn. 210; Däubler/ Peter/Rödl, TVG, § 2 Rn. 46, 49; Jacobs/Krause/Oetker/C. Schubert/C. Schubert, Tarifvertragsrecht, § 2 Rn. 95. 136 Beispielhaft für die Entscheidung im Einzelfall BAG v. 14. 12. 2004 – 1 ABR 51/03, AP TVG § 2 Tariffähigkeit Nr. 1 B. [III.2. f)]; BAG v. 6. 6. 2000 – 1 ABR 10/99, AP TVG § 2 Nr. 55 [B. II. 1.]; BAG v. 28. 3. 2006 – 1 ABR 58/04 AP TVG § 2 Tariffähigkeit Nr. 4 Rn. 52; BAG v. 5. 10. 2010 – 1 ABR 88/09, AP TVG § 2 Tariffähigkeit Nr. 7 Rn. 39; Henssler, Soziale Mächtigkeit, S. 22. 137 BAG v. 14. 12. 2004 – 1 ABR 51/03, AP TVG § 2 Tariffähigkeit Nr. 1 [B. III. 2. e) aa, f) aa)]; BAG v. 28. 3. 2006 – 1 ABR 58/04, AP TVG §2 Tariffähigkeit Nr. 4 Rn. 53; Henssler, Soziale Mächtigkeit, S. 22; MüHbArbR/Klumpp, Band 3, § 232 Rn. 34. 132

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administrativen Aufwand seine Aufgaben effektiv zu erfüllen.138 Dafür ist nicht erforderlich, dass die Aufgaben ausschließlich von eigens dafür eingestellten hauptamtlichen Mitarbeitern ausgeführt werden.139 Im Falle ehrenamtlicher Mitarbeiter muss jedoch sichergestellt werden, dass die sich aus einem Arbeitsverhältnis ergebenden Treuepflichten gleichermaßen freiwillig und selbstverständlich auch von den freiwilligen Mitarbeitern gewahrt werden.140 Diese müssen dafür zwar nicht finanziell, so doch zumindest ideell frei von Fremdeinflüssen sein, die sich mittels der Ausführung von Tätigkeiten und dem Treffen konkreter Entscheidungen negativ auf die Unabhängigkeit der Vereinigung selbst auswirken.141 5. Soziale Mächtigkeit im Sinne einer sozialen Durchsetzungskraft Neben der organisatorischen Durchsetzungskraft wird von der Rechtsprechung zusätzlich auch eine soziale Durchsetzungskraft gefordert.142 Eine Vereinigung muss, um tariffähig zu sein, demnach auch auf sozialer Ebene so mächtig sein, dass die Gegenseite ihre Tarifforderungen für ernsthaft hält und mit ihr in Verhandlungen tritt.143 Daraufhin forderte das Bundesarbeitsgericht144 zunächst eine Arbeitskampfbereitschaft unter Hinweis darauf, dass die Gewerkschaften bereits historisch aus dem Arbeitskampf erwachsen seien und diesen wesentlich mitgeprägt hätten.145 Setze man diese Bereitschaft, den Arbeitskampf als ultima ratio zur Durchsetzung der eigenen Forderungen zu nutzen, nicht voraus, verfügten die Gewerkschaften nicht über die für eine funktionierende Sozialpartnerschaft erforderliche Durchsetzungsfähigkeit. Eine Einschränkung sei lediglich für solche Vereinigungen zu machen, deren fehlende Bereitschaft zum Arbeitskampf nicht freiwillig, sondern 138 BAG v. 14. 12. 2004 – 1 ABR 51/03, AP TVG § 2 Tariffähigkeit Nr. 1 [III. 2. e) aa)]; BAG v. 28. 3. 2006 – 1 ABR 58/04, AP TVG § 2 Tariffähigkeit Nr. 4 Rn. 53; Däubler/Peter/ Rödl, TVG, § 2 Rn. 49. 139 BAG v. 14. 12. 2004 – 1 ABR 51/03, AP TVG § 2 Tariffähigkeit Nr. 1 [III. 2. f) aa)]; BAG v. 28. 3. 2006 – 1 ABR 58/04, AP TVG §2 Tariffähigkeit Nr. 4 Rn. 54; MüHbArbR/ Klumpp, Band 3, § 232 Rn. 34; Däubler/Peter/Rödl, TVG, § 2 Rn. 49. 140 Vgl. BAG v. 5. 10. 2010 – 1 ABR 88/09, AP TVG § 2 Tariffähigkeit Nr. 7 Rn. 37. 141 Mit einem starken Bezug zur Gegnerunabhängigkeit Ulber, RdA 2011, 353, 355; s. auch Däubler/Peter/Rödl, TVG, § 2 Rn. 49; Jacobs/Krause/Oetker/C. Schubert/C. Schubert, Tarifvertragsrecht, § 2 Rn. 94. 142 S. dazu nur Henssler, Soziale Mächtigkeit, S. 18. 143 Stellv. BAG v. 25. 11. 1986 – 1 ABR 22/85, AP TVG § 2 Nr. 36 [II. 3.a), c)]; BAG v. 5. 10. 2010 – 1 ABR 88/09, AP TVG § 2 Tariffähigkeit Nr. 7 Rn. 32; BAG v. 14. 12. 2010 – 1 ABR 19/10, AP TVG § 2 Tariffähigkeit Nr. 6 Rn. 94; Henssler, Soziale Mächtigkeit, S. 18. 144 Offen noch BAG v. 6. 7. 1956 – 1 AZB 18/55, NJW 1956, 1332; explizit gefordert durch BAG v. 19. 1. 1962 – 1 ABR 14/60, AuR 1962, 223. 145 BAG v. 6. 7. 1956 – 1 AZB 18/55, NJW 1956, 1332; BAG v. 19. 1. 1962 – 1 ABR 14/60, AuR 1962, 223; Eitel, Ungleichbehandlung, S. 36.

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1. Kap.: Der einheitliche Gewerkschaftsbegriff als Status quo

vielmehr zwangsläufig auf Verbote zurückzuführen sei.146 Auch die Aufgabe des Begriffes der „wirtschaftlichen Vereinigungen von Arbeitnehmern“ belege, dass der Gesetzgeber den Gewerkschaften aus ihrer Historie heraus gerade eine Durchsetzungsfähigkeit abverlange, die nur durch die Bereitschaft zum Arbeitskampf gegenüber dem sozialen Gegenspieler auch Wirkung entfalte.147 Vereinigungen, die diese Anforderungen nicht erfüllten, kenne das Tarifrecht im Gegensatz zu anderen einfachgesetzlichen Regelungen nicht. So habe der Gesetzgeber in dem im Jahre 1955 neugefassten ArbGG gerade auch nicht tariffähigen Vereinigungen der Arbeitnehmer Rechte zugestanden, welche diese im Rahmen der sozial- und berufspolitischen Unterstützung ihrer Mitglieder ausüben könnten. Gleichzeitig zeuge diese Regelung jedoch von einer gesetzgeberischen Differenzierung zwischen tariffähigen, weil arbeitskampfbereiten, Vereinigungen und solchen, die das Mittel des Streiks nicht nutzen könnten oder wollten.148 Diese engen Anforderungen befand das Bundesverfassungsgericht in seiner „Hausgehilfinnenentscheidung“ Anfang der 1980er Jahre jedoch als nicht mehr mit Art. 9 Abs. 3 GG vereinbar, da es die Betätigungsfreiheit der Koalitionen unverhältnismäßig einschränke.149 Zwar konstatierte das Gericht, dass die Aussicht eines bevorstehenden Arbeitskampfes einem Tarifvertragsabschluss dienlich sein könne.150 Daran ändere auch die Tatsache nichts, dass die überwiegende Mehrzahl der Tarifverträge friedlich und konsensual abgeschlossen werde, da die Drohung des Arbeitskampfes vielmehr zumindest abstrakt im Raum stehe.151 Die Beschränkung der Tariffähigkeit auf kampfwillige Organisationen sei dennoch aus funktionalen Gründen nicht mehr gerechtfertigt. Ausweislich der Berufe des Haushaltes sei eine Kampfwilligkeit nicht per se erforderlich oder angemessen, um die Funktionsfähigkeit der Tarifautonomie zu gewährleisten.152 Bis in das Jahr 1933 habe der Abschluss von Tarifverträgen auch kampfunwilligen Vereinigungen offengestanden, ohne dass die Tarifautonomie nennenswerten Schaden genommen hätte. Zwar habe es in dieser Zeit die Möglichkeit der Zwangsschlichtung gegeben. Als ultima ratio habe sie den Arbeitskampf jedoch nicht ersetzt, sondern ihn vielmehr vorausgesetzt.153 Die Prämisse des bedingungslosen Antagonismus, welcher einer konsensualen, freiwilligen Kompromissfindung bereits im Vorhinein entgegenstehe, sei fehlerhaft. Die Vereinigungen beider Seiten würden vielmehr in der Vielzahl der 146

BAG v. 19. 1. 1962 – 1 ABR 14/60, AuR 1962, 223, 224. BAG v. 19. 1. 1962 – 1 ABR 14/60, AuR 1962, 223 f. 148 BAG AP § 2 TVG Nr. 13; Eitel, Ungleichbehandlung, S. 37. 149 BVerfG v. 6. 5. 1964 – 1 BvR 79/62, NJW 1964, 1267; s. hierzu auch Kocher, FS Kempen 2013, S. 166, 167 f. 150 BVerfG v. 6. 5. 1964 – 1 BvR 79/62, NJW 1964, 1267, 1268. 151 BVerfG v. 6. 5. 1964 – 1 BvR 79/62, NJW 1964, 1267, 1268; mit dieser Argumentation bereits Sinzheimer, Ein Arbeitstarifgesetz, S. 56 f. 152 BVerfG v. 6. 5. 1964 – 1 BvR 79/62, NJW 1964, 1267, 1268; s. auch Giere, Soziale Mächtigkeit, S. 30. 153 BVerfG v. 6. 5. 1964 – 1 BvR 79/62, NJW 1964, 1267, 1268, 1269. 147

A. Der Gewerkschaftsbegriff des § 2 Abs. 1 TVG

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Fälle ein Mindestmaß an Einsicht und Kompromissbereitschaft an den Tag legen, welches einen Arbeitskampf nicht zur steten Notwendigkeit der Entscheidungsfindung mache.154 Im Gegenteil könne auch der drohende Arbeitskampf, der wie ein Damoklesschwert über den Verhandlungspartnern schwebe, eine Belastung darstellen. Die Anerkennung auch kampfunwilliger Vereinigungen als tariffähig beschränke ferner auch nicht die kampfwilligen Vereinigungen in ihrer Tarifvertragsfreiheit. Es sei vielmehr systemlogisch, die Konkurrenz der einzelnen Verbände den freien Kräften des Marktes zu überantworten. Sei schließlich ein Tarifvertrag – auch einer kampfunwilligen Vereinigung – einmal geschlossen, erfülle auch er die der Tarifautonomie innewohnenden Ordnungs- und Befriedungsfunktionen.155 Dennoch bestand nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichtes weiterhin die Notwendigkeit, die Tariffähigkeit von Arbeitnehmerkoalitionen neben den bereits bestehenden (s. o.) noch von weiteren Voraussetzungen abhängig zu machen, um die Funktionsfähigkeit der Tarifautonomie und des auf ihr beruhenden Tarifvertragssystems sicherzustellen.156 Der Fokus lag dabei auf der Herstellung und Sicherung von Verhandlungsparität als systemrelevantem Funktionserfordernis des Gegenspieler- bzw. Gegenmachtprinzips, nach dem die Herstellung einer paritätischen Interessenwahrung nur durch Aushandlung gleichberechtigter Partner geschehen kann.157 Daher ist ungeachtet einer tatbestandlichen Konkretisierung eine „Gegenwehr“ und Vorstoßfähigkeit (nicht notwendigerweise auch -bereitschaft) erforderlich.158 Dieses Verständnis war bereits in dem Erfordernis der organisatorischen Leistungsfähigkeit angeklungen. In der Konzeption der sozialen Mächtigkeit ging das Bundesarbeitsgericht indes einen entscheidenden Schritt weiter. Im Vordergrund stand weiterhin die Fähigkeit, Druck auszuüben; an der Motivation, durch die Merkmale der Tariffähigkeit die Ausübung der Tarifautonomie auf solche Vereinigungen zu beschränken, die effektive Gegenspieler der Arbeitgeber und Arbeitgeberverbände darstellen könnten, hatte sich somit auch durch die Aufgabe der Kampfwilligkeit nichts geändert. Auch bei der sozialen Mächtigkeit geht es um die Herstellung und Sicherung von Gewaltengleichheit und Verhandlungsparität zur Aufrechterhaltung der „Richtigkeitsvermutung“.159 Maßgeblich muss dafür aber nicht zwangsläufig die Effektivität der Durchsetzung eigener Forderungen in der Verhandlung durch konkrete oder nur theoretische Drohung mit dem Arbeitskampf 154

BVerfG v. 6. 5. 1964 – 1 BvR 79/62, NJW 1964, 1267, 1269. BVerfG v. 6. 5. 1964 – 1 BvR 79/62, NJW 1964, 1267, 1269; s. auch Giere, Soziale Mächtigkeit, S. 30. 156 So explizit BAG v. 15. 3. 1977 – 1 ABR 16/75, AP GG Art. 9 Nr. 24 [III. 4.]. 157 Henssler, Soziale Mächtigkeit, S. 18; Löwisch/Rieble, § 2 Rn. 178. 158 Vgl. so auch Dütz, AuR 1976, 65, 79. 159 BAG v. 5. 10. 2010 – 1 ABR 88/09, AP TVG § 2 Tariffähigkeit Nr. 7 Rn. 37; MüHb ArbR/Klumpp, Band 3, § 232 Rn. 20; Rieble, ZfA 2000, 5, 17; Schliemann, FS P. Hanau 1999, S. 577, 581, 596; Jacobs/Krause/Oetker/C. Schubert/C. Schubert, Tarifvertragsrecht, § 2 Rn. 86; Wank/B. Schmidt, RdA 2008, 257, 259. 155

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1. Kap.: Der einheitliche Gewerkschaftsbegriff als Status quo

sein. Die soziale Mächtigkeit knüpft vielmehr früher an: Mit ihren verschiedenen Indizien zeichnet sie bereits im Vorhinein das Bild einer starken Gewerkschaft, welche von der Gegenseite auch stetig als solche wahrgenommen wird. Sollen Arbeits- und Lohnbedingungen ausgehandelt werden, tritt die Gegenseite mit dieser Erwartungshaltung sodann auch in entsprechende Verhandlungen mit der Gewerkschaft. Gleichzeitig wirkt dieser Eindruck auch latent während der Verhandlungen fort und mag auch an der Bereitschaft, möglicherweise auf einen Arbeitskampf nicht zu verzichten, keinen Zweifel lassen. Es wird demnach eine Kampfwilligkeit lediglich suggeriert und muss nicht von den Gewerkschaften selbst hervorgehoben, bewiesen und gelebt werden. Da kein anderes Merkmal der Tariffähigkeit so umstritten ist oder ein vergleichbar facettiertes Meinungsbild aufweist,160 soll nachfolgend zunächst die historische Entwicklung der sozialen Mächtigkeit in der Rechtsprechung chronologisch nachgezeichnet werden. a) BAG v. 9. 7. 1968 – 1 ABR 2/67 Rekurrierend auf die „Hausgehilfinnenentscheidung“ des Bundesverfassungsgerichtes, in welchem die Arbeitskampfbereitschaft als Merkmal der Tariffähigkeit mangels Erforderlichkeit abgelehnt worden war, zog das Bundesarbeitsgericht zur erstmaligen Ausformung der Druckausübungsfähigkeit die funktionale Betrachtung der Tarifautonomie erneut heran.161 Demnach sei die Tarifautonomie den Vertragsparteien in der Erwartung und mit der Notwendigkeit übertragen worden, durch den Abschluss von Tarifverträgen das Arbeitsleben zu ordnen und schlussendlich die Gemeinschaft zu befrieden.162 Tariffähig sind nur solche Vereinigungen von Arbeitnehmern, die die tariflichen Aufgaben einer Koalition ihrem Zwecke entsprechend wahrnehmen können. Dies bedeutet, dass sie im Rahmen des (für sie) geltenden Rechtes in der Lage sein müssen, die Gegenseite durch Ausübung von Druck und Gegendruck zum Abschluss von Tarifverhandlungen zu veranlassen. Auf andere Weise würde die den Tarifvertragsparteien (den Koalitionen) auferlegte Ordnungsfunktion im Hinblick auf das Arbeitsleben konterkariert.163 Dieser Aufgabe könnten indes nur solche Vereinigungen gerecht werden, die auf ihren Gegenspieler einen zulässigen, aber dennoch spürbaren Druck ausüben könnten.164 Druck und Gegendruck seien schließlich die Mittel zur Herbeiführung einer Friedensordnung.165 Dieser eigene Druck sei für die Verbände zudem erforderlich, da sie bereits geg160

Mit diesem Befund auch Eitel, Ungleichbehandlung, S. 63. BVerfG v. 6. 5. 1964 – 1 BvR 79/62, NJW 1964, 1267; BAG v. 9. 7. 1968 – 1 ABR 2/67, BAGE 21, 98, 101. 162 BVerfG v. 6. 5. 1964 – 1 BvR 79/62, NJW 1964, 1267, 1268. 163 Dütz, AuR 1976, 65, 73. 164 BAG v. 9. 7. 1968 – 1 ABR 2/67, BAGE 21, 98, 101 f. 165 BAG v. 9. 7. 1968 – 1 ABR 2/67, BAGE 21, 98, 102. 161

A. Der Gewerkschaftsbegriff des § 2 Abs. 1 TVG

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nerfrei organisiert sein müssten und damit eine interne Lösung der Konflikte nicht mehr möglich sei.166 Diese Beschränkung der Tariffähigkeitsvoraussetzungen sei auch noch mit Art. 9 Abs. 3 GG vereinbar. Kleineren bzw. jüngeren Koalitionen sei der Weg in die Tariffähigkeit nicht per se versperrt, sodass den bereits tarifrechtlich anerkannten Verbänden ein Wettbewerbsvorteil entstehe.167 Anwärtern sei es unbenommen, mittels Mitgliederwerbung in die Druckausübungsfähigkeit hineinzuwachsen. Überdies sei die Anzahl der Verbandsmitglieder auch nicht allein entscheidendes Kriterium. Auch ein vergleichbar kleiner Zusammenschluss von Arbeitnehmern könnte Druck auf den Verhandlungspartner ausüben, soweit seine Stellung im Arbeitsleben die erforderliche kritische Schwere aufweise.168 Die bloße Wahrscheinlichkeit eines zukünftigen Mitgliederzuwachses genüge indes nicht.169 b) BAG v. 23. 4. 1971 – 1 ABR 26/70 Diese Entscheidung ist aus zweierlei Gründen an dieser Stelle interessant. Einmal konkretisierte das Bundesarbeitsgericht zunächst die indiziellen Anforderungen an die soziale Mächtigkeit. Einen entsprechenden Druck könnte die Gegenseite indes nur dann ausüben, wenn sie entweder aufgrund ihrer Mitgliederzahl oder aber zumindest aufgrund der Stellung ihrer Mitglieder im Arbeitsleben befähigt wäre, Einfluss auszuüben.170 Damit erhob das Gericht erstmals explizit die Mitgliederzahl bzw. hilfsweise die Bedeutung der Mitglieder zu den maßgeblichen Indizien sozialer Mächtigkeit. Eine tatsächliche Streikaufnahme sei zwar nicht erforderlich.171 Die Gewerkschaft müsse jedoch wenigstens stark genug sein, um den Konflikt überhaupt einzugehen.172 Das Bundesarbeitsgericht legte aber auch einen nächsten Grundstein für sein Konstrukt des einheitlichen Gewerkschaftsbegriffes: Eine Fähigkeit zur Druckausübung sei auch im Hinblick auf die Ausübung der Rechte aus dem BetrVG zu fordern.173 Während der überwiegende Teil der Argumentation des Bundesarbeitsgerichtes an dieser Stelle die Ordnungsfunktion des Tarifvertragsrechtes betraf,174 spezifizierte es die Anforderungen an die Vereinigungen auch im betriebsverfassungsrechtlichen Sinne. Die soziale Mächtigkeit, welche sich im Tarifvertragswesen mit der Aufnahme von Tarifverhandlungen zeige, sei auch im betrieblichen Bereich erforderlich. Die Vereinigung müsse auch im Betrieb in der Lage sein, mit demje166

BAG v. 9. 7. 1968 – 1 ABR 2/67, BAGE 21, 98, 102, 104. BAG v. 9. 7. 1968 – 1 ABR 2/67, BAGE 21, 98, 103. 168 BAG v. 9. 7. 1968 – 1 ABR 2/67, BAGE 21, 98, 103. 169 BAG v. 9. 7. 1968 – 1 ABR 2/67, BAGE 21, 98, 105. 170 BAG v. 23. 4. 1971 – 1 ABR 26/70, AP ArbGG 1953 § 97 Nr. 2 [1.]. 171 BAG v. 23. 4. 1971 – 1 ABR 26/70, AP ArbGG 1953 § 97 Nr. 2 [1.]. 172 BAG v. 23. 4. 1971 – 1 ABR 26/70, AP ArbGG 1953 § 97 Nr. 2 [1.]. 173 BAG v. 23. 4. 1971 – 1 ABR 26/70, AP ArbGG 1953 § 97 Nr. 2 [1.]. 174 BAG v. 23. 4. 1971 – 1 ABR 26/70, AP ArbGG 1953 § 97 Nr. 2 [1.]. 167

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1. Kap.: Der einheitliche Gewerkschaftsbegriff als Status quo

nigen „Gewicht“ aufzutreten, dessen es bedürfe, um die Aufgaben des Betriebsverfassungsrechtes effektiv erfüllen zu können.175 Dem eklatanten Kontrast zwischen der funktionalen Betrachtung der Tarifautonomie und den betriebsverfassungsrechtlichen Aspekten wurde an dieser Stelle kaum Rechnung getragen. Welche etwaigen Friedenspflichten oder strukturellen Gegebenheiten eine unmittelbare Übertragung der tarifspezifischen Funktionserwägungen bedingen könnten, bleibt offen. c) BAG v. 15. 3. 1977 – 1 ABR 16/75 Mit diesem Beschluss konkretisierte das Bundesarbeitsgericht die Voraussetzungen der sozialen Mächtigkeit nicht nur im Hinblick auf Zahl und Bedeutung der Mitglieder, sondern erweiterte den Indizienkatalog auch um einen entsprechenden organisatorischen Aufbau der Vereinigung sowie ihre finanzielle Kapazität.176 Zudem ist der Beschluss auch in verfassungsrechtlicher Hinsicht von grundlegender Bedeutung, da das Bundesarbeitsgericht hier erstmals die Kongruenz von Koalitions- und Gewerkschaftseigenschaft explizit ablehnte und damit seine bis dato offene Haltung gegenüber diesem Streit in der Literatur ein Ende setzte. Die Koalitionsfreiheit nach Art. 9 Abs. 3 GG erfordert demnach nicht zwangsläufig die Zuerkennung der Tariffähigkeit.177 Die Grenzen dieser Anforderung an die Tariffähigkeit liege in den Umständen, „die nicht von der im Allgemeininteresse liegenden Aufgabe der Ordnung und Befriedung des Arbeitslebens gefordert sind.“178 Die soziale Mächtigkeit garantiert nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichtes allerdings die „Tauglichkeit“ zur Erfüllung der durch die Tarifautonomie gestellten Aufgaben.179 Sie fordere zu diesem Zwecke nicht nur Leistungsfähigkeit, sondern auch einen diesem Zweck förderlichen organisatorischen Aufbau.180 Diese Voraussetzungen bestünden zudem ungeachtet der koalitiven Betätigungsbereiche der Vereinigung.181 Über die ursprüngliche Tätigkeit im Bereich des Tarifwesens hinaus hätten sich die Vereinigungen der Förderung und Wahrung von Arbeitnehmerinteressen „schlechthin“ angenommen. Auch hier sei jedoch Leistungsfähigkeit und Mächtigkeit erforderlich.182 Gewerkschaftseigenschaft komme daher nur solchen 175

BAG v. 23. 4. 1971 – 1 ABR 26/70, AP ArbGG 1953 § 97 Nr. 2 [1.]. BAG v. 15. 3. 1977 – 1 ABR 16/75, AP GG Art. 9 Nr. 24 [5. LS, III. 1.]. 177 BAG v. 15. 3. 1977 – 1 ABR 16/75, AP GG Art. 9 Nr. 24 [III. 2]; ebenso BVerfG v. 18. 11. 1954 – 1 BvR 629/52, NJW 1954, 1881, 1882; Dütz, AuR 1976, 65, 67; Zöllner, AöR 98 (1973), 71, 91. 178 BAG v. 15. 3. 1977 – 1 ABR 16/75, AP GG Art. 9 Nr. 24 [3. LS] unter Berufung auf BVerfG v. 18. 11. 1954 – 1 BvR 629/52, NJW 1954, 1881, 1882; BVerfG v. 6. 5. 1964 – 1 BvR 79/62, NJW 1964, 1267. 179 BAG v. 15. 3. 1977 – 1 ABR 16/75, AP GG Art. 9 Nr. 24 [III. 4.]. 180 BAG v. 15. 3. 1977 – 1 ABR 16/75, AP GG Art. 9 Nr. 24 [III. 5.]. 181 BAG v. 15. 3. 1977 – 1 ABR 16/75, AP GG Art. 9 Nr. 24 [III. 5.]. 182 BAG v. 15. 3. 1977 – 1 ABR 16/75, AP GG Art. 9 Nr. 24 [III. 5.]. 176

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Arbeitnehmervereinigungen als Koalitionen zu, die tariffähig seien. Der Gewerkschaftsbegriff sei einheitlich zu verstehen und sei trotz seines überwiegend tarifrechtlichen Ursprungs auch in anderen Gesetzen keiner abweichenden Interpretation zugänglich.183 Auch an dieser Stelle sieht sich das Bundesarbeitsgericht durch die in der funktionellen Argumentation begründeten Widersprüche veranlasst, diesen gravierenden Einschnitt in die Koalitionsmittelfreiheit näher zu begründen. Während es seine Argumentation größtenteils auf die gegengewichtige Auseinandersetzung mit dem sozialen Gegenspieler stützt, geht das Gericht an einer Stelle des Beschlusses ohne nähere Ausführungen davon aus, die in der sozialen Macht und Leistungsfähigkeit ruhende „Autorität“ müsse zudem zwischen Vereinigung und ihren Mitgliedern selbst bestehen.184 Systematisch scheint diese Anforderung an das erforderliche organisatorische Gerüst der Vereinigung geknüpft. Ausgeschlossen werden soll auf diese Art möglicherweise eine Untergrabung der nach außen getragenen Kollektivinteressen durch gehaltvoll präsentierte Einzelinteressen, welche gegebenenfalls die Suggestion von Macht im Außenverhältnis konterkarieren könnten. d) BAG v. 14. 3. 1978 – 1 ABR 2/76 Weitere Konkretisierungen der Indizien sozialer Mächtigkeit erfolgten ein knappes Jahr später im Rahmen der Revision über die Feststellung der Tariffähigkeit des DAV. Grundlegend bestätigte das Gericht zunächst das Erfordernis sozialer Macht anhand der nach seiner Ansicht bestehenden antagonistischen Ausgangssituation der Tarifpartner in Ausübung der Tarifautonomie. Aufgrund der Gegengewichtigkeit der Interessen bedürfe es der Gleichgewichtigkeit ihrer Vertreter.185 Erneut wies das Bundesarbeitsgericht ohne nähere Ausführungen darauf hin, dass die für dieses Gleichgewicht erforderliche Druckausübung als Autorität sowohl nach außen wie auch nach innen in Richtung der eigenen Mitglieder bestehen müsse.186 Ob eine Vereinigung demnach sozial mächtig sowie leistungsfähig – und damit tariffähig – ist, müsse im Rahmen einer objektivierten Gesamtschau der Umstände auch aus funktionalen Gründen bestimmt werden.187 Die Feststellung habe über eine „Selbsteinschätzung“ des Tarifpartners selbst hinauszugehen, der sich für stark genug und bereit halte, in Tarifverhandlungen einzutreten.188 Im Ergebnis sei

183

BAG v. 15. 3. 1977 – 1 ABR 16/75, AP GG Art. 9 Nr. 24 [III. 1.]. BAG v. 15. 3. 1977 – 1 ABR 16/75, AP GG Art. 9 Nr. 24 [III. 5]. 185 BAG v. 14. 3. 1978 – 1 ABR 2/76, AP TVG § 2 Nr. 30 [III. 2.]. 186 BAG v. 14. 3. 1978 – 1 ABR 2/76, AP TVG § 2 Nr. 30 [III. 3.]. 187 BAG v. 14. 3. 1978 – 1 ABR 2/76, AP TVG § 2 Nr. 30 [III. 3.]. 188 BAG v. 14. 3. 1978 – 1 ABR 2/76, AP TVG § 2 Nr. 30 [III. 3.].

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maßgeblich, dass die Koalition nach außen ein überzeugendes Bild der Stärke und des Willens abgebe, mithilfe ihrer Mitglieder ihre Interessen durchzusetzen.189 Nach dem zugrunde liegenden Sachverhalt ordnete das Bundesarbeitsgericht die klagende Vereinigung als „Koalition mit sozialpolitischer Zielsetzung“ ein – nicht aber als Gewerkschaft im arbeitsrechtlichen Sinne.190 Zwar konnte die Vereinigung in Nordrhein-Westfalen und Hessen nennenswerte Mitgliederzahlen aufweisen. In den übrigen Bundesländern verfügte sie aber mangels Mitgliedern nicht über die nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichtes erforderliche numerische wie organisatorische Mitgliederstruktur. Da die in Rede stehenden Arbeitnehmer auch nicht in Schlüsselpositionen beschäftigt waren, vermochte dies keinen Ausgleich für die fehlenden Mitgliederzahlen zu schaffen.191 Darüber hinaus verfügte die Vereinigung auch nicht über ausreichende finanzielle Mittel, um an dieser Stelle das Fehlen einer Mitgliederstruktur auszutarieren.192 Ebenso wenig gereichte die administrative und organisatorische Struktur der Vereinigung dazu, sicherzustellen, dass die Vereinigung einigermaßen unabhängig von wirtschaftlichen Fluktuationen in der Lage sein würde, Tarifverhandlungen effektiv aufzunehmen und zu Ende zu bringen.193 Ein Beleg könne nach Ansicht des Gerichtes insbesondere sein, dass ernsthafte nennenswerte Tarifverhandlungen nachgewiesen werden könnten.194 In diesem Zuge konkretisierte das Bundesarbeitsgericht auch die Indiztauglichkeit vergangener Tarifverhandlungen. Gefälligkeits- oder Anschlusstarifverträge genügten demnach gerade nicht, da sie nicht Zeugnis effektiv ausgeübten Druckes bzw. Gegendruckes seien. Sie entstünden vielmehr als freiwilliges Zugeständnis aus dem Übergewicht einer der beiden Parteien. Ihr Ergebnis könne nicht als „richtig“ vermutet werden, sondern es müsse davon ausgegangen werden, dass es in einem der einseitigen Macht entsprechenden Umfang die Interessen der stärkeren Partei reflektiere.195 In Bezug auf das Betriebsverfassungsrecht äußerte sich das Bundesarbeitsgericht dahingehend, dass die Anzahl von Betriebsratsmandaten kein taugliches Indiz sozialer Macht sein könne. Konkretere Ausführungen musste das Gericht indes nicht tätigen, da die Anzahl der Betriebsratsmandate im konkreten Fall bereits nicht ausreichten.196

189

BAG v. 14. 3. 1978 – 1 ABR 2/76, AP TVG § 2 Nr. 30 [III. 4.]. BAG v. 14. 3. 1978 – 1 ABR 2/76, AP TVG § 2 Nr. 30 [IV. 2.]. 191 BAG v. 14. 3. 1978 – 1 ABR 2/76, AP TVG § 2 Nr. 30 [IV. 2.]. 192 BAG v. 14. 3. 1978 – 1 ABR 2/76, AP TVG § 2 Nr. 30 [IV. 2.]. 193 BAG v. 14. 3. 1978 – 1 ABR 2/76, AP TVG § 2 Nr. 30 [IV. 4.]. 194 BAG v. 14. 3. 1978 – 1 ABR 2/76, AP TVG § 2 Nr. 30 [IV. 5.]. 195 BAG v. 14. 3. 1978 – 1 ABR 2/76, AP TVG § 2 Nr. 30 [IV. 5.]. 196 BAG v. 14. 3. 1978 – 1 ABR 2/76, AP TVG § 2 Nr. 30 [IV. 6.]. 190

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e) BAG v. 16. 11. 1982 – 1 ABR 22/78 Nachdem das Bundesarbeitsgericht in der ersten Entscheidung über die Tariffähigkeit der VOE an das zuständige Landgericht zurückverwiesen hatte, folgte in der zweiten Entscheidung eine weitere Konkretisierung der Mächtigkeitsvoraussetzungen am Einzelfall. Im Vordergrund stand die Beurteilung finanzieller Leistungsfähigkeit. Das Bundesarbeitsgericht gestand der Gewerkschaft die Mächtigkeit zu, obgleich sie nicht in der Lage war, ihre Mitglieder in Zeiten eines Arbeitskampfes über einen längeren Zeitraum finanziell zu unterstützen.197 Da die Mitglieder jedoch aufgrund der Höhe ihres Arbeitsentgeltes nicht auf die finanziellen Zuwendungen der Vereinigung angewiesen seien, stehe der Erfolg bzw. die Durchschlagskraft auch nur eines kurzen Arbeitskampfes nicht ernsthaft in Gefahr. Aus diesem Grunde sei davon auszugehen, dass die Vereinigung über die notwendige Druckausübungsfähigkeit verfüge.198 Hinzu kam für das Bundesarbeitsgericht, dass die Vereinigungsmitglieder über die argumentative Qualität sowie den fachlichen Sachverstand verfügten, um ihren Forderungen auch ein einem solch beschränkten Rahmen hinreichenden Nachdruck zu verleihen.199 f) BAG v. 26. 6. 2018 – 1 ABR 37/16 Durch das Inkrafttreten des Tarifeinheitsgesetzes200 sah sich das Bundesarbeitsgericht schließlich der Frage gegenüber, wie sich die Begründungsansätze zur Tarifeinheit auf den Gewerkschaftsbegriff auswirken könnten.201 Die vorliegende Entscheidung markiert hierin einen wesentlichen Schaltpunkt in der Reihe der Entscheidungen über die Voraussetzungen sozialer Durchsetzungsfähigkeit. Nachdem die gerichtliche Auseinandersetzung sich in den Jahren zuvor im Wesentlichen auf die Bestätigung älterer Rechtsprechung beschränkt hatte, wärmte der Beschluss des Bundesarbeitsgerichtes zu den Auswirkungen des Tarifeinheitsgesetzes sowie des MiLoG den Streit über die Erforderlichkeit sozialer Mächtigkeit erneut auf.202 Im Fokus der Beurteilung stand dabei die Frage des Einflusses von Tarifeinheit und gesetzlichem Mindestlohn auf die Anforderungen der Tariffähigkeit und inwiefern an den Voraussetzungen der Tariffähigkeit weiterhin festgehalten werden durfte.203 In 197

BAG v. 16. 11. 1982 – 1 ABR 22/78, AP TVG § 2 Nr. 32 [B. III. 2. b)]. BAG v. 16. 11. 1982 – 1 ABR 22/78, AP TVG § 2 Nr. 32 [B. III. 2. b)]. 199 BAG v. 16. 11. 1982 – 1 ABR 22/78, AP TVG § 2 Nr. 32 [B. III. 2. b)]. 200 Gesetz zur Tarifeinheit (Tarifeinheitsgesetz) v. 3. 7. 2015, BGBl. I 2015, 1130 (im Folgenden TEG). 201 LAG Hamburg v. 4. 5. 2016 – 5 TaBV 8/15, BeckRS 2016, 69929 Rn. 100; Deinert, AuR 2016, 444. 202 Davor zuletzt statt aller BAG v. 5. 10. 2010 – 1 ABR 88/09, AP TVG § 2 Tariffähigkeit Nr. 7 Rn. 29 ff. 203 Dies eben ablehnend in der Vorinstanz das LAG Hamburg v. 04. 05. 2016 – 5 TaBV 8/ 15, BeckRS 2016, 69929. 198

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diesem Zusammenhang ging es wiederum maßgeblich um die Wechselwirkung der Mächtigkeitsindizien untereinander.204 Im Ergebnis lehnte das Bundesarbeitsgericht eine Relativierung der Tariffähigkeitsvoraussetzungen aufgrund der Regelungen über den gesetzlichen Mindestlohn sowie die Tarifeinheit ab.205 Der Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn nach § 1 Abs. 1 MiLoG bestehe neben dem arbeits- oder tarifvertraglichen Lohnanspruch und beschränke daher die Verhandlungsautonomie der Tarifvertragsparteien nicht. Da die freie Aushandlung der Arbeitsentgelte damit weiterhin uneingeschränkt den Tarifvertragsparteien obliege, könne und müsse an den Anforderungen für einen angemessenen Interessenausgleich uneingeschränkt festgehalten werden.206 Ebenso wenig bedinge die gesetzliche Regelung der Tarifeinheit eine Herabsenkung der Tariffähigkeitsvoraussetzungen.207 Mit der Kollisionsregel des § 4a TVG, nach der im Zweifelsfall der Tarifvertrag der mitgliederstärksten Gewerkschaft Anwendung findet, habe der Gesetzgeber lediglich das Verhältnis der Arbeitnehmervereinigungen untereinander im Betrieb regeln wollen, nicht aber die Voraussetzungen ihrer Anerkennung.208 Grundlegende Voraussetzung für die Funktionsfähigkeit der Tarifautonomie sei weiterhin die Parität – nicht zuletzt in Anbetracht der „Richtigkeitsvermutung“.209 Diese wiege gerade dort besonders schwer, wo von ursprünglich zwingenden Arbeitsschutznormen unmittelbar mittels Tarifvertrages oder mittelbar durch Bezugnahmeklauseln abgewichen werden könne. Dies könne vom Gesetzgeber nur in dem Umfang und so lange gestattet werden, wie die Parität der Verhandlungspartner eine gleichmäßige und gleichberechtigte Berücksichtigung der verschiedenen Interessen sicherstelle.210 Dieses Funktionalitätsargument betreffe dabei in besonderem Maße die soziale Mächtigkeit.211 Zwar erkannte das Bundesarbeitsgericht zu, dass die strengen Tariffähigkeitsvoraussetzungen einen Eingriff in die Betätigungsfreiheit der Koalitionen darstellten. Dieser sei jedoch zur Funktionssicherung der Tarifautonomie erforderlich und auch im Übrigen verhältnismäßig.212 Weder die Regelungen über den gesetzlichen Mindestlohn noch die Tarif-

204

Vgl. Greiner/Pionteck, Anmerkung zu BAG v. 26. 6. 2018 – 1 ABR 37/16, AP TVG § 2 Tariffähigkeit Nr. 10 [I.]. 205 BAG v. 26. 6. 2018 – 1 ABR 37/16, AP TVG § 2 Tariffähigkeit Nr. 10 Rn. 61. 206 BAG v. 26. 6. 2018 – 1 ABR 37/16, AP TVG § 2 Tariffähigkeit Nr. 10 Rn. 65. 207 BAG v. 26. 6. 2018 – 1 ABR 37/16, AP TVG § 2 Tariffähigkeit Nr. 10 Rn. 67 mit Verweis auf BT-Drs. 18/4062, S. 12. 208 BAG v. 26. 6. 2018 – 1 ABR 37/16, AP TVG § 2 Tariffähigkeit Nr. 10 Rn. 67 mit Verweis auf BT-Drs. 18/4062, S. 12. 209 BAG v. 26. 6. 2018 – 1 ABR 37/16, AP TVG § 2 Tariffähigkeit Nr. 10 Rn. 62. 210 BAG v. 26. 6. 2018 – 1 ABR 37/16, AP TVG § 2 Tariffähigkeit Nr. 10 Rn. 63. 211 BAG v. 26. 6. 2018 – 1 ABR 37/16, AP TVG § 2 Tariffähigkeit Nr. 10 Rn. 62 f. 212 BAG v. 26. 6. 2018 – 1 ABR 37/16, AP TVG § 2 Tariffähigkeit Nr. 10 Rn. 64.

A. Der Gewerkschaftsbegriff des § 2 Abs. 1 TVG

55

einheit würden daran etwas ändern.213 Eine dahingehende Wirkung sei in ihnen bereits nach dem Willen des Gesetzgebers nicht angelegt gewesen.214 Das Bundesarbeitsgericht traf darüber hinaus auch Aussagen betreffend die Würdigung der Mächtigkeitsindizien. Die Feststellung der Durchsetzungsfähigkeit habe zunächst im Rahmen einer freien Würdigung der Umstände des Einzelfalles zu erfolgen.215 Diese seien als Hilfstatsachen zu würdigen, sodass eine ausreichende Gewissheit über die Druckausübungsfähigkeit bestehen müsse, ohne dass Restzweifel einer positiven Feststellung endgültig entgegenstünden.216 Mandate der betrieblichen oder unternehmensbezogenen Mitbestimmung seien in dieser Gesamtschau jedoch nicht zu berücksichtigen.217 Gleiches gelte für die Berücksichtigung von ehrenamtlichen Richterpositionen in der Arbeits- und Sozialgerichtsbarkeit.218 Im Rahmen dieser Prüfung sind die Indizien für eine soziale Mächtigkeit allerdings hierarchisch konzipiert: Regelmäßig erster Anknüpfungspunkt ist nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichtes demnach die Mitgliederzahl.219 Diese soll dabei insbesondere herangezogen werden, um die Organisationsstärke relativ zum satzungsmäßigen Zuständigkeitsbereich der Koalition zu ermitteln.220 Erst hilfsweise dürfe zur Beseitigung bleibender Zweifel auf die Tarifhistorie der Vereinigung abgestellt werden.221 In dieser untergeordneten Systematik der zu würdigenden Umstände spiegelt sich sodann jedoch eben kein Alternativitätsverhältnis gleichschwerer Tatsachen: Die Tarifhistorie ist nicht alternativ zum Ausgleich fehlender mitgliedschaftlicher Stärke heranzuziehen. In ihr ruht die Annahme einer daraus erwachsenden finanziellen Leistungsfähigkeit sowie eines stabilen Organisationsgrades.222 Die Mitgliederstärke ist damit weiterhin nicht absolut, sondern relativ zum gewählten Zuständigkeitsbereich zu sehen.223 Nur gesetzt den Fall, dass nach Auswertung der Mitgliederzahlen und der darin ruhenden organisatorischen Kraft noch Zweifel an der sozialen Macht zurückbleiben, können vergangene Verhandlungserfolge und Tarifabschlüsse als Zünglein an der Waage der zu würdigenden Tatsachen herangezogen werden.224 Gleichzeitig sei 213 BAG v. 26. 6. 2018 – 1 ABR 37/16, AP TVG § 2 Tariffähigkeit Nr. 10 Rn. 64, 68 mit Verweis auf BVerfG v. 11. 7. 2017 – 1 BvR 1571/15, AP GG Art. 9 Nr. 151 Rn. 164. 214 BAG v. 26. 6. 2018 – 1 ABR 37/16, AP TVG § 2 Tariffähigkeit Nr. 10 Rn. 64. 215 BAG v. 26. 6. 2018 – 1 ABR 37/16, AP TVG § 2 Tariffähigkeit Nr. 10 Rn. 78. 216 BAG v. 26. 6. 2018 – 1 ABR 37/16, AP TVG § 2 Tariffähigkeit Nr. 10 Rn. 78. 217 BAG v. 26. 6. 2018 – 1 ABR 37/16, AP TVG § 2 Tariffähigkeit Nr. 10 Rn. 97. 218 BAG v. 26. 6. 2018 – 1 ABR 37/16, AP TVG § 2 Tariffähigkeit Nr. 10 Rn. 97. 219 BAG v. 26. 6. 2018 – 1 ABR 37/16, AP TVG § 2 Tariffähigkeit Nr. 10 Rn. 60. 220 BAG v. 26. 6. 2018 – 1 ABR 37/16, AP TVG § 2 Tariffähigkeit Nr. 10 Rn. 60. 221 BAG v. 5. 10. 2010 – 1 ABR 88/09, AP TVG § 2 Tariffähigkeit Nr. 7 Rn. 40; BAG v. 26. 6. 2018 – 1 ABR 37/16, AP TVG § 2 Tariffähigkeit Nr. 10 Rn. 60, 79. 222 BAG v. 26. 6. 2018 – 1 ABR 37/16, AP TVG § 2 Tariffähigkeit Nr. 10 Rn. 79, 88. 223 BAG v. 26. 6. 2018 – 1 ABR 37/16, AP TVG § 2 Tariffähigkeit Nr. 10 Rn. 89. 224 BAG v. 26. 6. 2018 – 1 ABR 37/16, AP TVG § 2 Tariffähigkeit Nr. 10 Rn. 60, 79 f.

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1. Kap.: Der einheitliche Gewerkschaftsbegriff als Status quo

die Tarifhistorie in Bezug auf die gegenwärtige und zukünftige Durchsetzungsfähigkeit nur bedingt aussagekräftig.225 Insbesondere könne nicht jeder Tarifabschluss als Indiz herangezogen werden. Die in der Vergangenheit abgeschlossenen Tarifverträge müssten innerhalb des noch immer aktuellen satzungsmäßigen Zuständigkeitsbereiches abgeschlossen worden sein, bzw. einen wesentlichen Teil dieses Zuständigkeitsbereiches betreffen.226 Die Vereinigungen müssen damit also über einen längeren Zeitraum beständig in dem von ihnen konzise gewählten Zuständigkeitsbereich an Tarifabschlüssen beteiligt sein, damit daraus ein hilfsweises Indiz sozialer Mächtigkeit hervorgehen kann.227 Einen Verstoß gegen die Betätigungsbzw. Satzungsfreiheit der Koalitionen sieht das Bundesarbeitsgericht darin nicht.228 Im Zuge dieses Ausbaus bestätigt es auch die Rechtsprechung zur absoluten Tariffähigkeit.229 g) Zwischenergebnis: Der Funktionalitätsbezug der sozialen Mächtigkeit aa) Die richterrechtlichen Anforderungen Das Fundament der Mächtigkeitsrechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes bildet die Prämisse, dass Druckausübung für die Tarifautonomie funktionserforderlich ist. Sie ist das Instrument zur Herstellung von Verhandlungs- und Vertragsparität, welche wiederum eine „Richtigkeitsvermutung“230 des Tarifvertrages 225

BAG v. 26. 6. 2018 – 1 ABR 37/16, AP TVG § 2 Tariffähigkeit Nr. 10 Rn. 81. BAG v. 26. 6. 2018 – 1 ABR 37/16, AP TVG § 2 Tariffähigkeit Nr. 10 Rn. 81. 227 BAG v. 26. 6. 2018 – 1 ABR 37/16, AP TVG § 2 Tariffähigkeit Nr. 10 Rn. 84, e contrario Rn. 90. 228 BAG v. 26. 6. 2018 – 1 ABR 37/16, AP TVG § 2 Tariffähigkeit Nr. 10 Rn. 82. 229 BAG v. 26. 6. 2018 – 1 ABR 37/16, AP TVG § 2 Tariffähigkeit Nr. 10 Rn. 59. 230 Bereits grundlegend für das allgemeine Zivilrecht Schmidt-Rimpler, AcP 147 (1941), 130 passim; ders., FS Nipperdey 1955, S. 1. Von einer Richtigkeitsvermutung bzw. einem „fairen“ Interessenausgleich spricht auch jüngst BVerfG v. 11. 7. 2017 – 1 BvR 1571/15, u. a., AP GG Art. 9 Nr. 151 Rn. 141; vgl. dazu insbesondere Löwisch, NZA 2017, 1423; Rieble, NZA 2017, 1157; s. auch BVerfG v. 26. 6. 1991 – 1 BvR 779/85, AP GG Art. 9 Arbeitskampf Nr. 117; mit wechselnder Bezeichnung auch BAG v. 7. 6. 2006 – 4 AZR 316/05, AP BGB § 611 Hausmeister Nr. 15 Rn. 29; BAG v. 21. 5. 2014 – 4 AZR 50/13, AP BGB § 242 Gleichbehandlung Nr. 220 Rn. 25; ebenso Böhm, Wettbewerb und Monopolkampf, S. 273 mit Beispielen; Bötticher, Waffengleichheit und Gleichbehandlung der Arbeitnehmer im kollektiven Arbeitsrecht, S. 3 f.; kritisch ggü. der Bezeichnung als „Richtigkeitsgewähr“ Herschel, AuR 1978, 321, 322; Nörr, Leiden des Privatrechts, S. 110; s. auch Mestmäcker, Wirtschaftsordnung und Geschichtsgesetz, in: Ludwig-Erhard-Stiftung, Wirtschaftsordnung als Aufgabe, S. 111, 123; Reinhardt, Wo liegen für den Gesetzgeber die Grenzen, gemäß Art. 14 des Bonner Grundgesetzes über Inhalt und Schranken des Eigentums zu bestimmen?, in: Reinhardt/Scheuner, Verfassungsschutz des Eigentums, S. 1, 15; Richardi, Individualwille und Kollektivgewalt, S. 37 ff.; Säcker, Gruppenautonomie, S. 236, allerdings auf der Grundlage einer Ordnungsaufgabe; Stürner, Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im Schuldvertragsrecht, S. 8; Weber, FS OLG Celle 1961, S. 239, 246. Für die Richtigkeitsgewähr im Tarifvertragsrecht s. stellv. Badura, RdA 1976, 275, 278; Löwisch/Rieble, TVG, Grundlagen 226

A. Der Gewerkschaftsbegriff des § 2 Abs. 1 TVG

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als Verhandlungsergebnis rechtfertigt.231 Diese dient dem Schutze der Tarifautonomie, da das Aushandlungsergebnis eben keiner Angemessenheits- und Billigkeitskontrolle unterliegt.232 Eine solche Richtigkeitsvermutung – und damit ein Ausbleiben staatlicher Regulierung – kann jedoch nur so lange bestehen, wie die auf Autonomie fußende Aushandlung der Tarifinhalte unter den Parteien gleichberechtigt und gleichgewichtig funktioniert und das Ergebnis nicht allein die Interessen der stärkeren Partei berücksichtigt.233 Dies soll in besonderem Maße durch das Erfordernis der sozialen Mächtigkeit bzw. der Durchsetzungs- und Leistungsfähigkeit sichergestellt werden. Diese Voraussetzungen können nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichtes auch in Ansehung einer Einschränkung der koalitiven Betätigungsfreiheit nicht herabgesetzt werden. Es handele sich bei den Voraussetzungen in ihrer aktuellen Konzeption um das relativ mildeste Mittel zur Funktionssicherung und damit um eine verhältnismäßige Einschränkung der Betätigungsfreiheit.234 Insofern ist besonders der letztgenannte Beschluss zum TEG im Hinblick auf die Rechtfertigung der Tariffähigkeitsvoraussetzungen von Bedeutung, während die vorherigen Entscheidungen sich eher mit der materiellen Ausarbeitung der Tariffähigkeitsvoraussetzungen beschäftigten. Zwar hatte das Bundesarbeitsgericht auch in diesen Entscheidungen vorausgeschickt, dass sich sämtliche Tariffähigkeitsvoraussetzungen – und damit auch die Frage der sozialen Mächtigkeit – an den Funktionen der verfassungsrechtlichen Gewährleistung des Art. 9 Abs. 3 GG zu messen hätten.235 Die Entscheidung zur Tariffähigkeit des DHV stellte dennoch die Mächtigkeitsvoraussetzungen erneut in concreto in Frage. Im Rahmen der Feststellung der sozialen Mächtigkeit können aus Gründen der Funktionssicherung der Tarifautonomie nur objektiv nachvollziehbare Umstände berücksichtigt werden. Das Selbstverständnis der Koalition und deren eigene Einschätzung ihrer Mächtigkeit spielen keine Rolle.236 Vorrangiger Anknüpfungspunkt ist daher zunächst die Mitgliederstärke.237 Diese gibt wiederum Aufschluss über die finanzielle wie organisatorische Kapazität der Vereinigung und muss so ausgestaltet Rn. 231; vgl. auch Wiedemann/Jacobs, TVG, Einleitung Rn. 100 ff.; Wiedemann, NZA 2018, 1587 f. 231 S. nur BAG v. 26. 6. 2018 – 1 ABR 37/16, AP TVG § 2 Tariffähigkeit Nr. 10 Rn. 62; Greiner/Pionteck, Anmerkung zu BAG v. 26. 6. 2018 – 1 ABR 37/16, AP TVG § 2 Tariffähigkeit Nr. 10 [II. 1.]; Wiedemann, NZA 2018, 1587. 232 BAG v. 28. 3. 2006 – 1 ABR 58/04, AP TVG § 2 Tariffähigkeit Nr. 4 Rn. 46; Greiner/ Pionteck, Anmerkung zu BAG v. 26. 6. 2018 – 1 ABR 37/16, AP TVG § 2 Tariffähigkeit Nr. 10 [II. 1. a)]; kritisch Waltermann, RdA 2014, 86, 88 f. 233 S. auch die Zusammenfassung bei MüHbArbR/Klumpp, Band 3, § 232 Rn. 20. 234 BAG v. 26. 6. 2018 – 1 ABR 37/16, AP TVG § 2 Tariffähigkeit Nr. 10 Rn. 62, 64. 235 BVerfG v. 20. 10. 1981 – 1 BvR 404/78, AP TVG § 2 Nr. 31 [B. I. 2.]; BAG v. 28. 3. 2006 – 1 ABR 58/04, AP TVG § 2 Nr. 4 Rn. 36; BAG v. 26. 6. 2018 – 1 ABR 37/16, AP TVG § 2 Tariffähigkeit Nr. 10 Rn. 64. 236 S. auch MüHbArbR/Klumpp, Band 3, § 232 Rn. 23. 237 MüHbArbR/Klumpp, Band 3, § 232 Rn. 24; Löwisch/Rieble, TVG, § 2 Rn. 179; für eine untergeordnete Bedeutung Dütz, AuR 1976, 65, 80.

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1. Kap.: Der einheitliche Gewerkschaftsbegriff als Status quo

sein, dass die Vereinigung von ihrem sozialen Gegenspieler so ernst genommen wird, dass er sich der Aufnahme von Tarifverhandlungen nicht entziehen kann. Verbleiben im Rahmen dieser Betrachtung relevante Zweifel an der sozialen Mächtigkeit, kann in einem beschränkten Umfang auf die in der Vergangenheit abgeschlossenen Tarifverträge zurückgegriffen werden. Gleichzeitig kann aber eine noch so erhebliche Anzahl vergangener Tarifabschlüsse nicht über offenkundige infrastrukturelle Defizite hinweghelfen. Die erforderliche Mitgliederzahl ist relativ zum satzungsmäßigen Zuständigkeitsbereich zu betrachten. Je enger dieser gesteckt ist, desto weniger finanziellen und personellen Aufwandes bedarf es, die gewerkschaftlichen Aufgaben gegenüber dem sozialen Gegenspieler wie auch den eigenen Mitgliedern wahrzunehmen. Eine eindeutige Mindestanzahl an Mitgliedern ist nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichtes zumindest nicht erforderlich, sodass es auch keine unwiderleglichen Werte gibt.238 Aufgrund des engen Zusammenwirkens der einzelnen Mächtigkeitsfaktoren sind aber in der Rechtsprechungsgeschichte Belastungen prozentualer Schwellenwerte nicht ausgeblieben.239 Unwiderleglich sind solche Werte bereits nicht, da das Argument der kritischen Masse im Streikfall nicht nur von quantitativer, sondern auch von qualitativer Seite betrachtet werden muss. So kann auch die Arbeitsniederlegung vergleichsweise weniger Arbeitnehmer genügen, sofern es sich um Arbeitnehmer in Schlüsselpositionen handelt. Verbleiben ernstzunehmende Zweifel an der sozialen Mächtigkeit, kann hilfsweise subsidiär die Tarifhistorie der Vereinigung in die Betrachtung einbezogen werden. Auch auf einen Qualitätsvergleich des Verhandlungsergebnisses mit den Tarifverträgen vermeintlich noch stärkerer Vereinigungen kommt es nicht an.240 Nicht ausreichend sind außerdem Gefälligkeitstarifverträge als solche, die augenscheinlich ein freiwilliges Zugeständnis der Gegenseite darstellen.241 Diese Argumentation ist auch Grund dafür, dass das Bundesarbeitsgericht von seiner ursprünglichen rein quantitativen Betrachtung der Tarifabschlüsse Abstand nahm.242 Eine Betrachtung gänzlich unabhängig von einer Abschlussfrequenz erfolgt auf der anderen Seite jedoch auch nicht.243 Seine strenge Ablehnung von Anschlusstarifverträgen als tauglichem Bezugsobjekt sozialer Macht hat das Bundesarbeitsgericht indes über den Lauf der Zeit zumindest abgemildert.244 Mitentscheidend ist nach Ansicht des Bundesarbeitsge238

MüHbArbR/Klumpp, Band 3, § 232 Rn. 25. S. BAG v. 28. 3. 2006 – 1 ABR 58/04, AP TVG § 2 Tariffähigkeit Nr. 4 Rn. 79; mit beinahe festen Schwellenwerten LAG Hamburg v. 21. 3. 2012 – 3 TaBV 7/11, BeckRS 2013, 72934 [II. 3.2.2.1.]; MüHbArbR/Klumpp, Band 3, § 232 Rn. 25. 240 BAG v. 10. 9. 1985 – 1 ABR 32/83, AP TVG § 2 Nr. 34 [B. IV. 3.]; s. auch Eitel, Ungleichbehandlung, S. 45. 241 So auch noch BAG v. 10. 9. 1985 – 1 ABR 32/83, AP TVG § 2 Nr. 34 [B. IV. 3.]. 242 Vgl. MüHbArbR/Klumpp, Band 3, § 232 Rn. 27. 243 Für den einmaligen Abschluss eines Firmentarifvertrages BAG v. 25. 11. 1986 – 1 ABR 22/85, AP TVG § 2 Nr. 36. 244 Streng ablehnend noch BAG v. 14. 03. 1978 – 1 ABR 2/76, AP TVG § 2 Nr. 30; milder nun BAG v. 10. 9. 1985 – 1 ABR 32/83, AP TVG § 2 Nr. 34 [B. IV. 2. b), 3.]; BAG v. 25. 11. 239

A. Der Gewerkschaftsbegriff des § 2 Abs. 1 TVG

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richtes schließlich auch, dass die Vereinigung über eine entsprechende interne Durchsetzungsfähigkeit verfügt. Mehrfach geht es dabei davon aus, dass die soziale Mächtigkeit nicht nur gegenüber dem sozialen Gegenspieler, sondern auch gegenüber den Vereinigungsmitgliedern bestehen muss. Während das Gericht diese Erwägung an keiner Stelle näher ausführt, kann damit wohl nichts anderes gemeint sein als eine Verbandsstruktur, welche die Durchsetzung der ausgehandelten Tarifverträge auch gegenüber den Mitgliedern erlaubt und die Durchführung überwacht werden kann.245 Nicht nur würde jede andere Verbandsstruktur der effektiven Ausübung der Tarifautonomie selbst widersprechen, sodass sie wiederum aus funktionalen Gründen gefordert werden kann. Auch würde eine Vereinigung, deren Mitglieder sich nicht an die Tarifabreden zwischen ihrer Vereinigung und deren Gegenspieler halten, die Vereinigung selber nach außen schwächen, sodass sie im Tarifleben nicht mehr ernst genommen würde. Aus diesem Grund muss die Durchsetzung der Einhaltung der tariflichen Regelungen gerade auch die schuldrechtliche Ebene eines Tarifvertrages betreffen. Ob ein zu diesem Zweck erforderlicher Organisationskörper besteht, ist relativ im Kontext der Tarifzuständigkeit zu überprüfen.246 Hier spielen folglich erneut sowohl personelle als auch administrative Aspekte eine Rolle. Ein konkretes Strukturerfordernis kann aus Gründen der Organisationsfreiheit der Koalitionen nicht bestehen.247 Insgesamt hat die Würdigung der Umstände somit in einer freien Gesamtschau nach § 286 ZPO i. V. m. § 46 Abs. 2 ArbGG zu erfolgen. bb) Kritische Betrachtungen aus verfassungsrechtlicher Perspektive Während das Bundesverfassungsgericht das Erfordernis einer Arbeitskampfbereitschaft – und damit in Teilen auch die Tariffähigkeitsvoraussetzungen – noch für mit der Koalitionsfreiheit unvereinbar erklärt hatte, sieht es in der neu eingekleideten Fassung auf der Grundlage sozialer Macht keinen verfassungsrechtlichen Verstoß. Wie bereits dargestellt hält es auch das Bundesverfassungsgericht für erforderlich, die Teilnahme am Tarifwesen von weiteren, einschränkenden Voraussetzungen abhängig zu machen und nicht allein von der Koalitionseigenschaft des Art. 9 Abs. 3 GG. Während der Schutz der Funktionalität der Tarifautonomie gehobene Tariffähigkeitsvoraussetzungen fordere, bilde dieser Schutz gleichzeitig auch die Grenze im Sinne der Verhältnismäßigkeit.248 Die Teilhabe am Tarifvertragswesen müsse und dürfe demnach zwar nicht jeder Koalition im Sinne des Art. 9 Abs. 3 GG gewährt werden. Sie dürfe jedoch nicht an solche Voraussetzungen geknüpft werden, „die 1986 – 1 ABR 22/85, AP TVG § 2 Nr. 36 [II. 4.]; mit dieser Beobachtung auch Eitel, Ungleichbehandlung, S. 49. 245 MüHbArbR/Klumpp, Band 3, § 232 Rn. 33. 246 MüHbArbR/Klumpp, Band 3, § 232 Rn. 34. 247 MüHbArbR/Klumpp, Band 3, § 232 Rn. 34. 248 Vgl. BVerfG v. 18. 11. 1954 – 1 BvR 629/52, NJW 1954, 1881, 1882.

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1. Kap.: Der einheitliche Gewerkschaftsbegriff als Status quo

nicht von der Sache selbst, also von der im allgemeinen Interesse liegenden Aufgabe der Ordnung und Befriedung des Arbeitslebens gefordert sind […].“249 Auch nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichtes sind die so aufgestellten Anforderungen nicht unverhältnismäßig hoch. Einmal, da es noch nicht tariffähigen Vereinigungen mithilfe von Mitgliederwerbung möglich sei, neue Mitglieder zu akquirieren und auf diese Weise den Anforderungen der Durchsetzungskraft zu genügen. Zudem verbliebe in Grenzfällen hilfsweise die Tarifhistorie der Vereinigung, um eine dennoch bestehende Durchsetzungskraft zu belegen. In dieser Hinsicht schwächt sich das Bundesarbeitsgericht in seiner Argumentation jedoch selbst: Denkt man die Konstruktion der Verknüpfung von Tariffähigkeit und Gewerkschaftseigenschaft im Lichte des einheitlichen Verständnisses des Bundesarbeitsgerichtes250 konsequent zu Ende, steht nicht tariffähigen Vereinigungen mangels Gewerkschaftseigenschaft gerade kein Recht auf Mitgliederwerbung zu.251 Eine stete Steigerung der Tariffähigkeitsvoraussetzungen kann gleichwohl nicht erkannt werden. Zwar wirkt sich die Mächtigkeitslehre auf den Koalitionspluralismus im Wandel der Zeit unterschiedlich aus und diese Auswirkungen schlagen je nach Gewerkschaftskonjunktur verschieden zu Buche. Von einer davon unabhängigen objektiven Verschärfung der Tariffähigkeitsvoraussetzungen kann jedoch zumindest in den letzten Jahrzehnten nicht gesprochen werden.252 Im Gegenteil ist vielleicht sogar eine Milderung der Anforderungen an die Tarifhistorie der Vereinigungen zu verzeichnen, nach welcher Anschlusstarifverträge nicht von vornherein als untaugliches Indiz einer Durchsetzungskraft in der Vergangenheit angesehen werden.253 Jedenfalls aber relativierte das Bundesarbeitsgericht im Jahr 2004 noch einmal die Anforderungen an begünstigende Zuwendungen.254 Auch die Versagung der Tariffähigkeit im Falle der GKH hat nur eingeschränkte Aussagekraft, da dort die Mitgliederzahl mangels Angaben nicht berücksichtigt werden konnte.255 Die dortige Fokussierung auf die Bedeutung der Mitgliederzahl ging gleichwohl eher mit einer Konkretisierung einher, denn mit einer Verschärfung.256 In ähnlicher Weise bewirkte schließlich die (Re-)Konturierung der Missbrauchskontrolle durch die Entscheidung im Falle der 249

BVerfG v. 6. 5. 1964 – 1 BvR 79/62, NJW 1964, 1267, 1268. Dazu der nachfolgende Abschnitt D. I. 1. dieses Kapitels. 251 S. dazu konzise Buchner, FS BAG 1979, S. 55, 70; im Ergebnis so wohl auch Uffmann, ZIP 2020, 2051, 2052. 252 A. A. zum Zeitpunkt der frühen 1990er Jahre noch Eitel, Ungleichbehandlung, S. 50; s. auch Buchner, FS BAG 1979, S. 55, 58 ff. Die Missbrauchskontrolle verschärft die Anforderungen allenfalls faktisch, s. hierzu Löwisch/Rieble, TVG, § 2 Rn. 188. 253 S. BAG v. 28. 3. 2006 – 1 ABR 58/06, AP TVG § 2 Tariffähigkeit Nr. 4 Rn. 61; sowie den vorherigen Abschnitt A. III. 5. g) aa). 254 BAG v. 14. 12. 2004 – 1 ABR 51/03, AP TVG § 2 Tariffähigkeit Nr. 1 [B. III. 2. d) aa)]; s. auch Rieble, Anmerkung zu BAG v. 14. 12. 2004 – 1 ABR 51/03, SAE 2006, 89, 91. 255 BAG v. 5. 10. 2010 – 1 ABR 88/09, AP TVG § 2 Tariffähigkeit Nr. 7 2. Leitsatz sowie Rn. 45. 256 So im Ergebnis wohl auch Ulber, RdA 2011, 353, 360, 362. 250

B. Historische Begriffsentwicklung

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CGZP257 auch nur eine mittelbar-faktische Verschärfung der Tariffähigkeitsvoraussetzungen.258

B. Historische Begriffsentwicklung Die nun folgende historische wie methodische Analyse des Gewerkschaftsbegriffes als Rechtsbegriff muss der Erörterung der einheitlichen Übertragung der Tariffähigkeitskriterien auf den Gewerkschaftsbegriff anderer Rechtsnormen vorausgehen. Nur so kann die Argumentation zugunsten eines einheitlichen Begriffsverständnisses nachvollzogen werden, da diese sowohl auf historischen als auch funktional-teleologischen Erwägungen aufbaut.

I. Die Etymologie des Gewerkschaftsbegriffes als Selbstbezeichnung Der Begriff der Gewerkschaft steht auch im arbeitsrechtlichen Kontext zunächst losgelöst von der nach aktuellem Rechtsverständnis rechtlich falschen Verknüpfung zu der Herstellung eines Werkes. Abhängige Arbeit wurde vielmehr bereits vor der Entwicklung des regulatorischen Instrumentariums des Arbeitsvertrages in den Jahren der Industrialisierung verrichtet. In der Folge der Gewerkschaftsbewegung wurden Vereinigungen zur Interessenvertretung der abhängig beschäftigten Bevölkerung unter unterschiedlicher Überbezeichnung gegründet. So gab es etwa „Gewerkvereine“, welche im Jahre 1866 auf Initiative von Karl Marx gegründet wurden. Unter Leitung von August Bebel wurden im selben Jahr die „Gewerkgenossenschaften“ etabliert ebenso wie die „Arbeiterschaften“, an deren Gründung wiederum August Lassalle federführend beteiligt war.259 Im Verlauf der Zeit und durch verschieden bedingte Fusionen einzelner Vereinigungen setzte sich schließlich der Begriff der Gewerkschaft durch.260 Dennoch handelte es sich hierbei nicht um einen Neologismus der Koalitionsbewegung. Vielmehr herrschte der Gewerkschaftsbegriff bereits in der Zeit der Zünfte vor. Als Gewerke wurden damals Handwerks- oder Zunftgenossen im Bereich des Bergbaus bezeichnet, wobei das Suffix „-schaft“ eine Kollektivierung der ein-

257 258

sim. 259

BAG v. 14. 12. 2010 – 1 ABR 19/10, AP TVG § 2 Tariffähigkeit Nr. 6. Zu den Auswirkungen dieser Entscheidung ausführlich Schüren, RdA 2011, 369 pas-

S. Abendroth, Deutsche Gewerkschaften, S. 9. Kluge, Etymologisches Wörterbuch, Stichwort Gewerkschaft; Pfeifer, Etymologisches Wörterbuch des Deutschen, Stichwort Gewerkschaft, S. 446. 260

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1. Kap.: Der einheitliche Gewerkschaftsbegriff als Status quo

zelnen Teilhaber eines Bergwerkes vermittelte.261 Dass der Bergbau in diesem Zusammenhang für die Koalitionsbewegung begrifflich prägend war, kann darauf zurückgeführt werden, dass vor allem der Erzbergbau als „Schlüsselindustrie“ mit ca. 430.000 Arbeitern den größten Teil der damaligen Beschäftigungsverhältnisse umfasste.262 Im Zuge der Industrialisierung, mit der die abhängige Arbeit über alle Produktionszweige und -weisen hinweg Einzug hielt, öffnete sich die Bedeutung der Gewerkschaft für andere Vereinigungen der Arbeitnehmer.263 Während sich diese Öffnung zunächst auf die Gesamtheit der Vertreter eines Betriebes beschränkte, erweiterte sie sich im Laufe der Zeit entsprechend ihrer mitgliedschaftlichen Verfassung.264 Der Begriff der Gewerkschaften diente jedoch bis zu ihrer Regulierung durch die TVVO und wenig später ihrer verfassungsrechtlichen Anerkennung durch Art. 159, 165 WRVeher als Eigenbezeichnung. War er zu Beginn seiner Entwicklung noch ein Differenzierungskriterium, mittels dessen sich die Verbände voneinander unterschieden, wurde er mit der Fortentwicklung ihrer Zusammenschlüsse und ihrer Solidarisierung ein Begriff der Abgrenzung von politischen oder Arbeitgebervereinigungen. Mit dem Begriff der Gewerkschaft verband man in der Gesellschaft eine bestimmte Zielrichtung, welche den Gewerkschaften noch immer innewohnt: die Interessenvertretung der Arbeitnehmer zur Verbesserung ihrer Arbeitsverhältnisse.

II. Die Externalisierung des Gewerkschaftsverständnisses Erstmals im Stinnes-Legien-Abkommen vom 15. November 1918265 wurden die Gewerkschaften auch von einem Vertragspartner als eben solche bezeichnet.266 Ausdruck der zu diesem Zeitpunkt noch recht volatilen Offizialität dieses Begriffes war jedoch, dass im nachfolgenden Vertragstext wieder von „Berufsverbänden“ gesprochen wurde. Angesichts der Selbstbezeichnung der Verbände in der Vergangenheit als Gewerkschaften und dem Anlass des Abkommens kann diese Unterscheidung wohl nur so verstanden werden, dass die Verwendung des Begriffes „Gewerkschaften“ als ein Zugeständnis an die beteiligten Arbeitnehmervereini261 So § 94 des Allgemeinen Berggesetzes v. 24. 6. 1865, PrGS. S. 705. S. dazu Kittner/ Däubler, Geschichte der Betriebsverfassung, S. 37; Kluge, Etymologisches Wörterbuch, Stichwort Gewerkschaft. 262 Kittner/Däubler, Geschichte der Betriebsverfassung, S. 37. 263 Kluge, Etymologisches Wörterbuch, Stichwort Gewerkschaft; Pfeifer, Etymologisches Wörterbuch des Deutschen, Stichwort Gewerkschaft, S. 445. 264 Pfeifer, Etymologisches Wörterbuch des Deutschen, Stichwort Gewerkschaft, S. 445. 265 Vereinbarung zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbänden v. 15. 11. 1918, RArbBl. 1918 S. 874. Die gängige Bezeichnung als Stinnes-Legien-Abkommen folgt den federführenden Unterzeichnern Hugo Stinnes und Carl Legien. S. dazu Kittner/Däubler, Geschichte der Betriebsverfassung, S. 148 ff.; Limmer, Deutsche Gewerkschaftsbewegung, S. 54 ff. 266 Ziffer 1 der Vereinbarung.

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gungen gewertet werden und diese als „gleichberechtigte“ Parteien des Abkommens ansprechen sollte. Bei dem Terminus der Berufsverbände sollte es sich anschließend um einen rein „technischen“ Begriff handeln, der dem Abkommen auch in der Wissenschaft und Praxis Halt und Wirkung verschaffen sollte, indem es die in der Außenwelt bekanntere Bezeichnung verwandte – dies nicht zuletzt deshalb, da in Rechtswissenschaft und Praxis bis zu diesem Zeitpunkt eher von „Vereinigungen der Arbeitnehmer“ bzw. „wirtschaftlichen Vereinigungen der Arbeitnehmer“ oder eben „Berufsvereinen“ bzw. „Berufsverbänden“ die Rede war.267 Es bestand insofern eine Diskrepanz zwischen gesellschaftlicher und Eigenbezeichnung einerseits und Rechtsbegriff andererseits. So waren die Gewerkschaften noch in § 1 TVVO als „Vereinigungen von Arbeitnehmern“ bezeichnet worden, und in Art. 165 Abs. 1 S. 2 WRV waren lediglich die „beiderseitigen Organisationen“ anerkannt worden.268 Doch auch in der TVVO, die als provisorische Regelung die Eckpfeiler des Tarifvertrages und seine Wirkung auf den Arbeitsvertrag normierte, fand sich keine Legaldefinition des Gewerkschaftsbegriffes.269 Regelungen über die Anforderungen an die Tarifpartner und den Begriff der Gewerkschaft sollte die Nachfolgeverordnung in Form einer Dauerlösung enthalten, zu der es bekanntlich nicht mehr kam.270 Der Begriff der Gewerkschaft ersetzte erst nach Ende des Zweiten Weltkrieges denjenigen der Vereinigungen von Arbeitnehmern vollständig:271 Im TVG der BRD aus dem Jahre 1949272 war nicht mehr von wirtschaftlichen Vereinigungen von Arbeitnehmern die Rede, sondern von Gewerkschaften.273

C. Die Gewerkschaft als unbestimmter Rechtsbegriff I. Der Inhalt des Gewerkschaftsbegriffes in seinem bestimmten Kern Ausgehend von der Prämisse, dass es sich bei dem Begriff der Gewerkschaft zunächst um einen Begriff des alltäglichen Lebens handelte, der aus einer Selbstbezeichnung der Verbände heraus entstand und ihre Interessen und Bestrebungen 267 Eitel, Ungleichbehandlung, S. 72 f.; für „Berufsvereine“ Sinzheimer, Korporativer Arbeitsnormenvertrag, Band 1, S. 67; ders., Ein Arbeitstarifgesetz, 1. Auflage, S. 55. 268 Mit dieser Beobachtung auch Eitel, Ungleichbehandlung, S. 72; vgl. auch Buchner, FS BAG 1979, S. 55, 56; Dütz, AuR 1976, 65, 69. 269 Eitel, Ungleichbehandlung, S. 74; Hueck, Recht des Tarifvertrages, S. 8. 270 So übereinstimmend Hueck/Nipperdey/Tophoven/Hueck, TVG, 3. Auflage, Einleitung Anm. 4.; Dersch/Volkmar, ArbGG, 4. Auflage, § 10 Anm. 4b; Flatow/Joachim, ArbGG, § 10 Anm. 3 B.; vorläufiger Entwurf von 1921, RArbBl. 1921, S. 491; Wahl, Relativität des Gewerkschaftsbegriffs, S. 19. 271 S. dazu Eitel, Ungleichbehandlung, S. 72, 82 f. 272 Tarifvertragsgesetz v. 9. 4. 1949, WiGBl. 1949, S. 55. Für Einzelheiten s. Dütz, AuR 1976, 65, 71. 273 Für die möglichen Beweggründe des Gesetzgebers s. Dütz, AuR 1976, 65, 71.

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1. Kap.: Der einheitliche Gewerkschaftsbegriff als Status quo

nach außen kommunizieren sollte, ist nun dem Gewerkschaftsbegriff in seiner Konstitution als Rechtsbegriff nachzugehen. Zwar war bereits im ArbGG aus dem Jahre 1946 auf Grundlage des Kontrollratsgesetzes Nr. 21 von „Gewerkschaften“ die Rede. In einem tarifrechtlichen Kontext war erstmals jedoch sodann im TVG von 1949 von „Gewerkschaften“ als Tarifvertragspartnern die Rede,274 sodass dieses im Folgenden den legislativen Anknüpfungspunkt darstellen soll. Diese erstmalige Verwendung bedingt auch, dass sich die nun folgende rechtliche Betrachtung zunächst auf den Gewerkschaftsbegriff nach dem TVG beschränkt. Erst in einem nachfolgenden, denklogisch nachgelagerten Schritt soll der Frage nachgegangen werden, ob dieser Begriff absolut auch für andere Gesetze gelten kann, in denen von Gewerkschaften die Rede ist.275 1. Eine methodische Grundlegung und historische Kontextualisierung a) Der unbestimmte Rechtsbegriff zwischen Auslegung und Rechtsfortbildung Aufgrund der planmäßigen Offenheit des Gewerkschaftsbegriffes ist dieser als unbestimmter Rechtsbegriff einzuordnen. Dies hat zunächst folgende grundsätzliche Konsequenz: In seiner Unbestimmtheit liegt die Delegation der Rechtsfindung von der Legislative an die Judikative als Gesetzes- und damit Rechtsanwenderin.276 In seiner Bestimmtheit ist der Begriff hingegen bereits positives Recht, welches zur Auflösung von Unklarheiten über den Norminhalt der Auslegung unterliegt. Dabei ist der Rechtsanwender an Recht und Gesetz gebunden, Art. 20 Abs. 3, 97 Abs. 1 GG.277 Gleiches gilt bereits im Ausgangspunkt für die Ermittlung von bestimmtem respektive unbestimmtem Begriffsteil an sich. Geht es also einmal um die Ermittlung des historischen Normzwecks, sind die klassischen Auslegungsmittel heranzuziehen: Die grammatikalische, die systematische sowie die historische Auslegung.278 Der historische Normzweck ist in diesem Zusammenhang streng abzugrenzen vom rechtspolitischen Regelungszweck. Letzterer ist lediglich Teil des historischen Normzweckes, welcher neben dem Regelungsziel auch Aspekte der Durchführung beinhalten kann. Die Motivation des Gesetzgebers, einen rechtlich relevanten Sachverhalt in einer bestimmten Art und Weise zunächst tatbestandlich zu umreißen 274 Vgl. dazu Buchner, FS BAG 1979, S. 55, 56; Wittholz, AuR 1953, 228, 229. Zu der Neufassung des ArbGG von 1953 (BGBl. I 1953, S. 1267) Boldt, RdA 1953, 401, 402. 275 S. für eine kritische Auseinandersetzung mit dem einheitlichen Begriffsverständnis des Bundesarbeitsgerichts Abschnitt D. dieses Kapitels sowie für den Fall des Gewerkschaftsbegriffes im MitbestG die entsprechende Auslegung in Kapitel 4. 276 Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, Rn. 822. 277 Höpfner/Schneck, AL 2020, 201, 202, 204. Für die Einheitlichkeit der Rechtsprechung relevant ist daher auch das Verhältnis von Art. 97 zu Art. 95 Abs. 3 GG, dazu Bumke, Verfassungsrechtliche Grenzen fachrichterlicher Rechtserzeugung, in: ders., Richterrecht zwischen Gesetzesrecht und Rechtsgestaltung, S. 33, 38 f. 278 Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, Rn. 725 ff.

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und sodann mit einer Rechtsfolge zu versehen, verläuft parallel zu den für ihn ausschlaggebenden Zielen und Zwecken – also dem Telos der Norm. Aus diesem Grunde kann auch die aus dem klassischen Auslegungskanon bekannte teleologische Auslegung nicht betrieben werden. Sie ist weniger Auslegungsmittel als vielmehr Bestandteil des Auslegungszieles.279 Bindend sind die Regelungszwecke und -ziele gleichwohl stets nur in dem Umfang, in dem sie vom Gesetzgeber als bindend angesehen wurden. Der unbestimmte Begriffsteil kann in Ermangelung eines normativen Gehaltes in diesem Sinne keine Gesetzesbindung entfalten.280 Das Tätigwerden der Gerichte im Bereich der Legislative wirft nicht nur Fragen der Gewaltenteilung, sondern auch des Gesetzesvorbehaltes auf.281 Grundsätzlich ist es die Aufgabe des Gesetzgebers, offengehaltene verfassungsrechtliche Schutzbereiche durch einfaches Recht näher auszugestalten.282 Dieser Aufgabe wird er nicht allein durch den Erlass eines formellen Gesetzes gerecht, sondern durch die darin enthaltenen Normen und Regelungstatbestände mitsamt ihren Rechtsfolgen. Die Legitimationsproblematik stellt sich dabei zunächst auf der kompetenziellen Ebene und sodann nachfolgend auf der Durchsetzungsebene. Für den Umfang der Ersatzgesetzgebung durch Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe ist indes letztlich ausschlaggebend, inwiefern der Gesetzgeber die legislativen Aufgaben mehr oder weniger explizit an die Gerichte delegiert hat.283 Damit lässt der Gesetzgeber bei der Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe den Gerichten in besonderem Maße einen weiten Auslegungsspielraum angedeihen.284 Nach dem oben Gesagten muss daher für die Auslegung und Rechtsfortbildung des Gewerkschaftsbegriffes nicht zuletzt auch durch das Bundesarbeitsgericht Folgendes gelten: Aufgrund der intendierten Offenheit des Begriffes über die historisch fixierten Merkmale hinaus hat der Gesetzgeber zumindest des TVG die darüber hinaus erforderliche Ausbildung des Gewerkschaftsbegriffes durch die notwendigen Voraussetzungen den Gerichten übertragen. In Wahrnehmung dieser Aufgaben sind die Gerichte freilich an die verfassungsmäßigen Garantien gebunden und haben die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit in mindestens dem Maße zu wahren, wie es auch für den Gesetzgeber selbst verpflichtend gewesen 279

Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, Rn. 725 ff., 730a. Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, Rn. 722 f., 822. 281 Bumke, Verfassungsrechtliche Grenzen fachrichterlicher Rechtserzeugung, in: ders., Richterrecht zwischen Gesetzesrecht und Rechtsgestaltung, S. 33, 43 ff.; J. Ipsen, Richterrecht und Verfassung, S. 128 ff.; Reuß, AuR 1972, 136, 142; Schneider, AöR 82 (1957), 1, 14 ff., 17; kritisch daher auch im Hinblick auf den Umfang richterlicher Rechtsbildung Richardi, FS Wißmann 2005, S. 159, 163, 173; Schneider, AöR 82 (1957), 1, 12 f.; zur Befugnis der Rechtsfortbildung auch Wank, Juristische Begriffsbildung, S. 85 f. 282 Stellv. BVerfG v. 26. 06. 1991 – 1 BvR 779/85, AP GG Art. 9 Arbeitskampf Nr. 117 [C. I. 2. a)]. 283 J. Ipsen, Richterrecht und Verfassung, S. 77, 188 f.; vertiefend Röhl/H. C. Röhl, Allgemeine Rechtslehre, S. 240 ff., 546 f. 284 Höpfner, Systemkonforme Auslegung, S. 176. 280

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1. Kap.: Der einheitliche Gewerkschaftsbegriff als Status quo

wäre.285 Der genaue Umfang richterlicher Ersatzgesetzgebung kann hier nicht näher erörtert werden.286 Er wird sich jedoch nicht auf jene speziell legislativen Instrumentarien wie die Einschätzungsprärogative und andere erweiterte Prognosebefugnisse erstrecken können.287 Bei unbestimmten Rechtsbegriffen obliegt die Begriffsauslegung und -fortbildung somit den Gerichten.288 Dabei muss es dem Rechtsanwender zumindest darum gehen, das gefundene Ergebnis möglichst „passgenau“ und widerspruchsfrei in das bestehende System einzugliedern.289 Dieses entspricht am ehesten dem hypothetischen Willen des historischen Gesetzgebers und demjenigen, was er geregelt hätte, hätte er gewollt oder gekonnt. Ein geltungszeitliches Moment kommt der Rechtsfortbildung damit nur in beschränktem Maße zu, also lediglich so, wie es die Lösung der konkreten Fallfrage als Auslöser erforderlich macht.290 Im Übrigen ist der Rechtsanwender als Rechtssetzer frei.291 Im Mindesten muss er sich – wie bereits dargetan – innerhalb der verfassungsrechtlichen Maßgaben der Grundrechte und Staatsziele bewegen.292 Diese Bindung ist zweigestaltig: Zum einen betreffend die Wahl der Rechtssetzungsinstrumente, zum anderen sodann die Verwendung dieser.293 Im Rahmen dieser Lücke ist die Rechtsprechung als „Er-

285 J. Ipsen, Richterrecht und Verfassung, S. 86; im Hinblick auf den Arbeitskampf Zeuner, FS BAG 1979, S. 727, 739. 286 S. dazu sehr früh bereits Herschel, Tariffähigkeit und Tarifmacht, S. 23, der von einer „politischen“ Entscheidung des Richters spricht, diese aber in seinem Umfang aus Legitimationserwägungen beschränken will. 287 Vgl. BGH v. 21. 9. 1971 – IV ZB 61/70, NJW 1972, 330, 333; Herschel, AuR 1972, 129, 131; ders., RdA 1973, 147. 288 Vgl. zur Rolle und Bedeutung des stellvertretenden Richterrechtes im Arbeitsrecht Herschel, RdA 1973, 147 passim; kritisch Herschel, RdA 1973, 147, der das Richterrecht auf das „Unvermeidliche“ beschränken möchte; zur Pflicht der Rechtsfortbildung Höpfner/ Schneck, AL 2020, 201, 207; ähnlich auch Richardi, FS Wißmann 2005, S. 159, 163, 173; zum Maßstab der Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe Höpfner, Systemkonforme Auslegung, S. 60, 176. 289 Bydlinski, Juristische Methodenlehre, S. 473; Höpfner/Schneck, AL 2020, 201, 207; vgl. zum Widerspruch im Recht auch Battis, FS Ipsen 1977, S. 11, 12. 290 A. A. Herschel, Tariffähigkeit und Tarifmacht, S. 24; gegen die Verwirklichung sozialer oder rechtspolitischer Eigenüberzeugungen des Gerichtes Bumke, Verfassungsrechtliche Grenzen fachrichterlicher Rechtsüberzeugung, in: ders., Richterrecht zwischen Gesetzesrecht und Rechtsgestaltung, S. 33, 41 unter beispielhaftem Verweis auf BVerfG v. 19. 10. 1983 – 2 BvR 485/80 u. a., NJW 1984, 475, 476; ebenso Herschel, Tariffähigkeit und Tarifmacht, S. 24. 291 Zu Recht einschränkend Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, Rn. 704; s. auch Herschel, Tariffähigkeit und Tarifmacht, S. 23; Wahl, Relativität des Gewerkschaftsbegriffs, S. 128, 147. 292 BVerfG v. 6. 5. 1964 – 1 BvR 79/62, NJW 1964, 1267; Bumke, Verfassungsrechtliche Grenzen fachrichterlicher Rechtserzeugung, in: ders., Richterrecht zwischen Gesetzesrecht und Rechtsgestaltung, S. 33, 42; Herschel, Tariffähigkeit und Tarifmacht, S. 22 mit Verweis auf Tatarin-Tarnheyden, Berufsverbände, S. 28; Höpfner/Schneck, AL 2020, 201, 207. 293 Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, Rn. 704.

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satzgesetzgeber“ zur Rechtsbildung durch Rechtsfortbildung berufen und verpflichtet.294 Die aufgezeigten Anforderungen vermögen jedoch nur das „Wie“, also die Modalitäten der Rechtsfortbildung zu beschreiben. Eine weitere Grenze der Rechtsfortbildung bildet der unbestimmte Bestandteil des Rechtsbegriffes selbst. Seine Abgrenzung zum bestimmten Kern des Rechtsbegriffes bildet die Grenze des „Ob“ der Rechtsfortbildung. Da die Rechtssetzung in diesem Zusammenhang eine intendierte Lücke im Gesetz schließen soll, kann sie nur in eben diesem Umfang überhaupt Anlass zur Rechtsfortbildung geben.295 Die Trennung zwischen dem Finden und dem Schließen der Lücke im Wege der Rechtsfortbildung ist verfassungsrechtlich und damit methodisch geboten, aber freilich praktisch nicht immer stringent möglich.296 Mit dem Erkennen des unbestimmten Begriffsbestandteiles als Lücke durch eine Abgrenzung von dem bestimmten Begriffskern beginnt oftmals auch bereits die Schließung der Lücke. Umfang und Grenze der Gesetzesbindung als Weiche zwischen Auslegung und Rechtsfortbildung gebieten es also, den Gewerkschaftsbegriff in seiner heutigen Ausprägung zunächst nach seinen bestimmten und unbestimmten Bestandteilen hin zu unterteilen. Dies erfolgt im Wege der Begriffsauslegung. b) Die Begriffshistorie als Ausgangspunkt Mit dem Zugeständnis maßgeblicher historischer Begriffsprägung ist auch der methodische – also in erster Linie zeitliche – Beginn dieser Untersuchung eindeutig. Primärer Anknüpfungspunkt für das Verständnis des Gewerkschaftsbegriffes des § 2 TVG ist zunächst das normhierarchische Pendant der Weimarer Zeit, § 1 TVVO. Gleichzeitig können jedoch die höherrangigen, wenn auch chronologisch nachgefolgten verfassungsrechtlichen Verankerungen der Koalitionen in den Art. 159, 165 WRV nicht unbeachtet bleiben. Das Verhältnis von einfachgesetzlicher Regelung und verfassungsrechtlichem Fundament wird dabei maßgeblich von der Erkenntnis ihrer zu der Normhierarchie diametralen Entstehungschronologie geprägt. Hinzu kommt, dass in § 1 TVVO wie auch in Art. 159 WRV von „Vereinigungen“ bzw. „Vereinigungsfreiheit“ die Rede ist, während Art. 165 Abs. 1 S. 2 die „beiderseitigen Organisationen“ anerkennt. Es wird in diesem Zusammenhang also darauf ankommen, wie sich die Normen ob der gewählten unterschiedlichen Bezeichnungen 294 Bydlinski, Juristische Methodenlehre, S. 472 f.; Höpfner/Schneck, AL 2020, 201, 207; Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, Rn. 823. 295 S. nur Herschel, Tariffähigkeit und Tarifmacht, S. 22 f.; Höpfner/Schneck, AL 2020, 201, 207; zum Lückenbegriff Freischmidt, Aspekte des Lückenproblems in der Gesetzgebungstheorie, in: Rödig, Studien zu einer Theorie der Gesetzgebung, S. 421, 424 ff. 296 Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, Rn. 755b, 762a; ähnlich ist wohl auch C. Jacobi, Methodenlehre der Normwirkung, S. 350 zu verstehen, obschon er in Abweichung von der hier vertretenen Ansicht für die Schließung einer Lücke auch eine Auslegung für möglich erachtet.

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gegenseitig ergänzen, decken oder gar widersprechen. Diese Auseinandersetzung verläuft dabei unter der Prämisse, dass Arbeitnehmervereinigungen bereits vor ihrer ersten einfachgesetzlichen wie verfassungsrechtlichen Normierung in einer bestimmten Form bestanden.297 Da jedoch die einfachgesetzliche der verfassungsrechtlichen Regelung zumindest im Tarifwesen zuvorkam, muss die TVVO in die verfassungsrechtliche Betrachtung einfließen. 2. Die Entwicklung bis zum TVG a) Die Entstehungsgeschichte der TVVO Die Entwicklung bis hin zu einer ernsthaften Ausarbeitung der TVVO kann bis zu den Anfängen des 20. Jahrhunderts zurückverfolgt werden. Schon damals gab es Bestrebungen, die legitimierende und demokratisierende Wirkung des Tarifvertrages als bereits praktiziertes Instrument gesetzlich zu verankern.298 Die Gründe des Scheiterns eines Gesetzes über den Tarifvertrag lagen nicht nur in der teilweise ablehnenden Haltung der Beteiligten,299 sondern auch in der Haltung der jeweiligen Regierungen. Diese befürchteten bis zuletzt, mit einer verfrühten Normierung in die Dynamik des Tarifwesens einzugreifen und eher ein Korsett als ein strukturierendes Gerüst zu erschaffen.300 Der Tarifvertrag wie auch seine Parteien hätten sich auch ohne gesetzliche Regelung entwickelt und schließlich durchgesetzt. Aus diesem Grunde wurde es auch als vorzugswürdig angesehen, das Tarifwesen und seine Ausgestaltung den Parteien selbst und im Übrigen den Gerichten zu überlassen.301 Doch der Abschluss des Stinnes-Legien-Abkommens am 15. November 1918302 versetzte den Gesetzgeber schließlich in Zugzwang.303 Bedauerlicherweise kann der Gang der Verhandlungen und Beratungen mangels ausgiebiger Materialien nicht mit dem Anspruch auf Vollständigkeit nachvollzogen werden.304

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S. nur Mansfeld, BRG, § 8 Anm. 2; vertiefend die historische Darstellung in Kapitel 2, Abschnitt A. 298 Hainke, Vorgeschichte und Entstehung der TVVO, S. 31, 34. 299 Dazu Hainke, Vorgeschichte und Entstehung der TVVO, S. 15 ff. für die Haltung der Arbeitnehmer und S. 24 ff. für die der Arbeitgeber. 300 Hainke, Vorgeschichte und Entstehung der TVVO, S. 35 m. w. N.; für Bedenken in der Literatur auch Molitor, TVVO, Einleitung S. 2, 4. 301 Hainke, Vorgeschichte und Entstehung der TVVO, S. 35. 302 RArbBl. 1918, S. 874. 303 Hainke, Vorgeschichte und Entstehung der TVVO, S. 101; Höpfner, ZfA 2019, 108, 111; Molitor, TVVO, Einleitung S. 3. 304 Dies bedauert auch Molitor, TVVO, Einleitung, S. 4; ebenso ersichtlich in der Darstellung von Hainke, Vorgeschichte und Entstehung der TVVO, S. 104 f.

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b) Die normative Konkretisierung durch die TVVO sowie die verfassungsrechtliche Verankerung in der WRV Über das bereits zu diesem Zeitpunkt vorherrschende Alltagsverständnis der Vereinigungen hinaus wurde eine weitergehende Definition weder durch die Verfassung noch die TVVO vorgenommen. Die fehlende begriffliche Konkretisierung durch die TVVO rief Wissenschaft und Praxis zu einer Weiter- und Ausgestaltung des Begriffes auf. Dabei orientierte man sich am Zweck des Tarifvertrages, welchen dieser bereits vor der Verordnung durch das Stinnes-Legien-Abkommen erhalten hatte, sowie später an der durch Art. 159, 165 WRV verkörperten Historie der Koalitionen.305 aa) Die tariffähigen Verbände im Sinne des § 1 TVVO (1) Die Verknüpfung von Verband und Tariffähigkeit In Bezug auf die TVVO wurde bereits früh klargestellt, dass darunter tariffähige Verbände zu verstehen seien.306 Nur sie konnten Parteien eines Tarifvertrages im Sinne des § 1 TVVO sein.307 Die Tariffähigkeit bezeichnete somit die Fähigkeit, Partei eines Tarifvertrages zu sein. Sie war damals zunächst weniger Rechtsbegriff als vielmehr eine „juristische Erscheinung“308, durch die dem Tarifvertrag als Instrument sozialer kollektiver „Selbstverwaltung“309 Rechnung getragen werden sollte.310 Ziel der Tariffähigkeit war demnach bereits nach damaligem Verständnis, durch entsprechende Anforderungen die „Richtigkeitsgewähr“ des Tarifvertrages zu wahren.311 Aufgrund seines engen schöpferischen Konnexes zum Tarifvertrag, welcher noch eher einfachgesetzlich durch die TVVO kodifiziert wurde als die verfassungsrechtliche Anerkennung der Vereinigungen der Arbeitnehmer, wurde die Tariffähigkeit bereits sehr früh in vorhandene bürgerlich-rechtliche Kategorien wie Rechtsfähigkeit oder Geschäftsfähigkeit eingeordnet. Gleichzeitig erlangte die Tariffähigkeit auch in der Praxis große Bedeutung, da sie in Ermangelung eines ausgefeilten kohärenten Tarif- und Schlichtungssystems viele gewichtige Folgefragen aufwarf.312 Indem mit der normativen Wirkung der Tarifvertragsnormen argumen305

Dütz, AuR 1976, 65, 70; Hainke, Vorgeschichte und Entstehung der TVVO, S. 93, 101. S. eindrücklich Höpfner, ZfA 2019, 108, 110; Hueck/Nipperdey/Nipperdey, Arbeitsrecht, Band 2/I, S. 421; Tatarin-Tarnheyden, Berufsverbände, S. 28; konkludent Molitor, TVVO, § 1 Rn. 7 ff. 307 S. dazu Jacobi, Grundlehren, S.157. 308 Herschel, Tariffähigkeit und Tarifmacht, S. 5. 309 Herschel, Tariffähigkeit und Tarifmacht, S. 25. 310 Herschel, Tariffähigkeit und Tarifmacht, S. 25 f.; Sinzheimer, Grundzüge des Arbeitsrechts, S. 68. 311 Herschel, Tariffähigkeit und Tarifmacht, S. 30. 312 S. dazu Herschel, Tariffähigkeit und Tarifmacht, S. 1 f., 38; Jacobi, Grundlehren, S. 156. 306

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tiert wurde, wurde den tarifunfähigen Vereinigungen vereinzelt zumindest zugestanden, Verträge anderer Art und Wirkung abzuschließen.313 Diese Erwägung kommt dem heutigen Verständnis von schuldrechtlichen Koalitionsvereinbarungen recht nahe.314 Auch in anderen einfachen Gesetzen der Weimarer Zeit wurde von „Vereinigungen der Arbeitnehmer“ gesprochen.315 Zum Teil wurde unter Rückschluss auf die TVVO davon ausgegangen, dass damit stets die Eigenschaft der Tariffähigkeit als konstitutives Merkmal einhergehen müsse.316 Diese Schlussfolgerung verkennt jedoch die zum Teil eindeutigen Anordnungen innerhalb dieser Normen, die vielerorts die Anwendung der verwandten Bezeichnung auf das jeweilige Gesetz beschränkten.317 Zwar verwendeten diese Gesetze auch den Begriff der Tariffähigkeit. Darin liegt methodisch jedoch stets eine gesetzgeberseitige Entscheidung im Einzelfall, die nicht auf ein (pauschal) einheitliches Verständnis schließen lässt. (2) Die Mindestvoraussetzungen der Tariffähigkeit Zumindest im Hinblick auf die TVVO bestand auch damals weitgehend Klarheit darüber, dass die Tariffähigkeit an bestimmte Mindestvoraussetzungen zu knüpfen war, um die Erreichung der Ziele des Tarifvertrages als Instrument sozialer kollektiver Selbstbestimmung sicherzustellen. Lediglich anknüpfend an Art. 165 S. 2 WRV wurde dies indes zum Teil abgelehnt, da sonst eine Anerkennung nicht mehr gewährleistet wäre.318 Selbst nach dieser Ansicht muss jedoch zumindest einmal Kongruenz im Hinblick auf die Voraussetzungen der Organisationen nach Art. 165 S. 2 WRV bestehen. Ob darüber hinaus weitere positivrechtliche Voraussetzungen an die tariffähigen Verbände zu knüpfen sind, kann nur der jeweiligen legislativen Entstehungsgeschichte entnommen werden. Innerhalb dieser zeichnet sich aufgrund der Reihenfolge der privatrechtlichen und der gesetzgeberseitigen Anerkennung der Verbände eine praxisnahe, phänotypologische Sichtweise ab. Die TVVO sollte, in Reaktion auf die volatilen politischen Verhältnisse, als Provisorium das Instrument des Tarifvertrages regeln. Dabei konnte der Gesetzgeber auf eine vorbestehende und über Jahre perpetuierte Praxis von Tarifabschlüssen zurückgreifen, deren Vertragspartner sich bereits im Vorhinein durch das Stinnes-Legien-Abkommen vom 313

Jacobi, Grundlehren, S. 157. Zu schuldrechtlichen Koalitionsvereinbarungen instruktiv Höpfner, RdA 2020, 129 passim. 315 So z. B. in § 10 des Arbeitsgerichtsgesetzes v. 23. 12. 1926, RGBl. I 1926, S. 507, wobei dessen § 2 Nr. 1 von „Tarifvertragsparteien“ spricht. 316 So Tatarin-Tarnheyden, Berufsverbände, S. 28. 317 So bspw. die Regierungserklärung zu dem Entwurf eines Arbeitsgerichtsgesetzes als Anlage 3 der Verhandlungen des Reichtstages, Band 411, Nr. 2795, S. 119: „Wirtschaftliche Vereinigungen der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer im Sinne dieses Entwurfes […]“ (Hervorhebung durch die Verfasserin). S. hierzu nur Flatow/Joachim, ArbGG, § 10 Anm. 3 B.; ungenau Tatarin-Tarnheyden, Berufsverbände, S. 28. 318 Wohl auch Tatarin-Tarnheyden, Berufsverbände, S. 28 f. 314

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15. November 1918 eigenmächtig anerkannt hatten. Bei der Kodifikation durch die TVVO handelte es sich damit insgesamt um eine Wiedergabe und normative Rekonstruktion der historischen Entwicklung, die sich später in dem Verständnis der Weimarer Zeit fortsetzte. Bereits die TVVO war also weniger Konkretisierung denn postulierende Manifestation des historisch Geschaffenen.319 Doch auch in der Wissenschaft kristallisierten sich anhand dieser tarifrechtlich geprägten Erwägungen im Laufe der Zeit einige Voraussetzungen heraus, die an die Vereinigungen der Arbeitnehmer zu stellen waren, obschon es bereits hierbei ob der engen historischen Kontextualisierung eher um die Systematisierung eines status quo ging. Sie sollten demnach stark320, selbstständig,321 unabhängig von Staat und Arbeitgeber322 sowie gegnerrein323 sein. Diese Unabhängigkeit sollte sowohl in ideeller wie finanzieller Hinsicht bestehen. Daneben sollte das Merkmal der Gegnerreinheit die Gewerkschaften endgültig von Harmonieverbänden und den gelben Gewerkschaften distanzieren, die bereits nicht Partei des Stinnes-Legien-Abkommens gewesen waren.324 Die somit als berechtigt angesehenen Gewerkschaften sollten stets willens und in der Lage sein, den Interessen ihrer Mitglieder gerecht zu werden.325 Die Gewerkschaften selbst trugen das Selbstverständnis dieser Aufgaben und der damit korrespondierenden organisatorischen Anforderung im Rahmen ihres Grundsatzpapiers vom 2. Januar 1920 nach außen.326 Ferner wurde auch über eine gewisse „Tarifberechtigung“ diskutiert und mit einer „Tarifwilligkeit“ in Zusammenhang gebracht. Der Schluss auf das heutige Tariffähigkeitsmerkmal der Tarifwilligkeit griffe aber zu kurz. Eine tiefere Auseinandersetzung mit den entsprechenden Literaturstimmen unter Zugrundelegung des historischen Kontextes verdeutlicht ein anderes Verständnis: Tarifberechtigt sollten solche Vereinigungen sein, die sich den Abschluss von Tarifverträgen zur satzungsmäßigen Aufgabe und zum Zweck ihres Zusammenschlusses gemacht hatten. Der Zusammenschluss musste dabei freiwillig nach den Vorgaben des Privatrechtes erfolgt sein. Damit grenzte sich die Tarifberechtigung auch klar von der Tarifwilligkeit ab, welche im jeweiligen Einzelfall in Bezug auf einen konkreten Tarifabschluss gegeben sein musste.327 Letztere war damit auch nicht Voraussetzung für die Tariffähigkeit der Vereinigung.328 319 Vgl. Jacobi, Grundlehren, S. 165; beispielhaft dafür ist die Definition des Tarifvertrages in § 1 Abs. 1, siehe dazu Hainke, Vorgeschichte und Entstehung der TVVO, S. 106. 320 Sinzheimer, Grundzüge des Arbeitsrechts, S. 71. 321 Sinzheimer, Grundzüge des Arbeitsrechts, S. 70. 322 Sinzheimer, Grundzüge des Arbeitsrechts, S. 70. 323 Jacobi, Grundlehren, S. 159 unter Verweis auf die Bescheidungspraxis des Reichsarbeitsministeriums, u. a. RArbBl. 1925, S. 138. 324 Dütz, AuR 1976, 65, 70. 325 Dütz, AuR 1976, 65, 70; Flatow/Kahn-Freund, BRG, § 8 Anm. 5. 326 Abgedruckt bei Nörpel/Gusko, Gewerkschaften und kollektives Arbeitsrecht, S. 5 f. 327 Jacobi, Grundlehren, S. 162 f. 328 Jacobi, Grundlehren, S. 162 f.

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1. Kap.: Der einheitliche Gewerkschaftsbegriff als Status quo

bb) Die „beiderseitigen Organisationen“ des Art. 165 Abs. 1 S. 2 WRV Noch weiter nachgelagert als die einfachgesetzliche Kodifikation des Tarifvertrages war die verfassungsrechtliche Anerkennung seiner „Verwender“ durch Art. 165 Abs. 1 S. 2 WRV.329 Hier greift in besonderer Weise die verfassungsrechtliche Anerkennung der Vereinigungen der Arbeitnehmer das Stinnes-LegienAbkommen auf.330 Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang auch, dass Art. 165 Abs. 1 S. 2 WRV lediglich von „beiderseitigen Organisationen“ spricht, sich also keines eindeutig rechtlichen Begriffes bedient. Auch dies spricht wiederum für eine starke Bezugnahme auf das bereits vor der Verfassungsgarantie Gelebte und (privatrechtlich) Verankerte. In der Literatur prägte sich in diesem Kontext wiederum die Bezeichnung als „Berufsverbände“.331 Aber auch die Schöpfung des Art. 159 WRV lässt sich an dieser Stelle fruchtbar machen. Dort wurde erstmals in Spezialität zur Vereinigungsfreiheit des Art. 124 WRV die Koalitionsfreiheit als zweckgebundene Vereinigungsfreiheit gewährleistet. Auf eine begriffliche Differenzierung zwischen Koalitions- und Vereinigungsfreiheit wurde lediglich deshalb verzichtet, da man sich sorgte, sonst zumindest implizit auch ein Streikrecht verfassungsrechtlich zu verankern.332 Um den Schutz der Vereinigungsfreiheit nicht im Sinne einer „zweiten“ Vereinigungsfreiheit zu doppeln, erfolgte eine zweckbezogene Konkretisierung.333 Bereits Sinzheimer hatte in den Beratungen nicht mehr von „Koalitionsfreiheit“ gesprochen, sondern – wohl in semantischer Abgrenzung zur allgemeinen Vereinigungsfreiheit – von einer wirtschaftlichen Vereinigungsfreiheit.334 Während Art. 123, 124 WRV also die allgemeine Vereinigungsfreiheit gewährleisteten, regelte Art. 159 WRV die Koalitionsfreiheit als „Vereinigungsfreiheit zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen“. Die durch Art. 159 WRV kodifizierte „Vereinigungsfreiheit“ sollte Vereinigungen schützen, welche sich speziell „zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen“ durch den Zusammenschluss 329

S. nur Tatarin-Tarnheyden, Berufsverbände, S. 21. Sinzheimer, Grundzüge des Arbeitsrechts, S. 72 f. 331 Tatarin-Tarnheyden, Berufsverbände, S. 27. 332 Verfassungsgebende Nationalversammlung, Band 328, S. 1749 C; zu den Bestrebungen einer Bezeichnung als Koalitionsfreiheit Anschütz, Verfassung des Deutschen Reichs, Art. 159 Anm. 5 unter Hinweis auf die ersten drei Beschlüsse; s. auch Poetzsch-Heffter, WRV, Art. 159, S. 492; ebenso Pieroth, FS BVerfG 2001, Band 2, S. 239, 294. Freilich wurde diese Thematik insbesondere im Lichte vertragsbrüchigen Verhaltens der Arbeiter und Arbeitnehmer behandelt und zeugt von einem politisierten Verständnis des Streiks und der Koalitionen, deren Verankerung zwar in der Gesellschaft bereits weit fortgeschritten war, im Hinblick auf Recht und Gesetz indes noch in den Kinderschuhen steckte. 333 Katzenstein in: Verfassungsgebende Nationalversammlung, Band 336, Nr. 391, S. 389; ungeachtet ihres hierarchischen Verhältnisses spiegelt sich insofern das Verhältnis der Art. 9 Abs. 1 und 9 Abs. 3 GG. Für Art. 159 WRV als Spezialfall des Art. 124 WRV auch PoetzschHeffter, WRV, Art. 159, S. 492; s. auch Höpfner, RdA 2020, 129, 133 f. 334 Als „wirtschaftliche Vereinigungen“ z. B. Sinzheimer, FS RG 1929, Band 4, S. 1, 3. 330

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von Arbeitern und Arbeitnehmern aller Berufe bildeten. Zu der allgemeinen Versammlungsfreiheit verhielt sie sich daher als eine lex specialis.335 Doch auch diese Zweckbindung wurde schon vor der Verfassungsgebung im Jahre 1919 gefordert und gelebt. Dabei ging es nicht nur um die rein formale dogmatische Abgrenzung zur allgemeinen Vereinigungsfreiheit. Berufsvereine sollten bereits nach dem Vorentwurf Sinzheimers zum „Arbeitstarifgesetz“ nur solche Vereinigungen sein, deren Zweck in der „Einwirkung auf Arbeits-, Gehalts- und Lohnbedingungen“336 lag. Als formelle Voraussetzung der Tariffähigkeit sah er deshalb eine zumindest auch darauf gerichtete satzungsmäßige Zwecksetzung an.337 Aus dieser historischen Betrachtung heraus erschließt sich also einmal die Gestalt der Tarifberechtigung sowie ihre Vergleichbarkeit mit den Koalitions- und Tariffähigkeitsmerkmalen nach heutigem Verständnis. Eine (satzungsmäßige) Zweckkonkretisierung musste mithin vorgenommen werden, um die abstrakten Voraussetzungen der Berufsvereine bzw. Arbeitnehmervereinigungen als Berechtigte im Sinne des § 1 TVVO als einziger normativer Anknüpfungspunkt zu umreißen. Im Angesicht der nur konkret zu fordernden Tarifwilligkeit geriert sich die Tarifberechtigung nach heutigem Zusammenwirken einfachgesetzlicher Regelungen des TVG mit Art. 9 Abs. 3 GG als Koalitionseigenschaft der zweckbezogenen Vereinigung im Sinne des Art. 9 Abs. 1 GG. Das Aufgaben- und Zweckpostulat vermittelt also in einem Gutteil den Zweckkonnex der Koalitionsfreiheit, welche später in Art. 159 S. 1 WRV und sodann in Art. 9 Abs. 3 S. 1 GG zum Ausdruck kam. Nebeneffekt dieser Zweckausrichtung war wiederum die interne Stärke der jeweiligen Vereinigung in Richtung ihrer Mitglieder.338 Die Interessenwahrnehmung durch die Vereinigung muss von den Mitgliedern auch als erfüllbar und glaubwürdig wahrgenommen werden.339 Nur dann kann von der Vereinigung auch die Einhaltung und Durchführung der Tarifvertragsregelungen durch ihre Mitglieder effektiv durchgesetzt werden. Wird auch in diesem Kontext von „Kraft“, „Stärke“ oder gar „Macht“ gesprochen, knüpft diese nicht an eine indizienbasierte Idee sozialer Macht an, sondern an die eigenmächtige Zielsetzung der Vereinigung selbst.340 cc) Das historische „Zentralkriterium“ der Gegnerunabhängigkeit Folgt man dem Argumentationsfluss der einzelnen Merkmale mit dem Anspruch auf einen übergreifenden Zusammenhang, so kommt man nicht umhin, zwischen der 335 Stellv. Gebhard, Handkommentar WRV, Art. 159 Anm. 3; Poetzsch-Heffter, WRV, Art. 159, S. 492; a. A. Anschütz, Verfassung des Deutschen Reichs, Art. 159 Anm. 1, der von einem Grundrecht sui generis ausging; ähnlich Nipperdey/Nipperdey, Grundrechte, Band 3, Art. 159, S. 402. 336 Sinzheimer, Ein Arbeitstarifgesetz, S. 55. 337 Sinzheimer, Ein Arbeitstarifgesetz, S. 62. 338 Jacobi, Grundlehren, S. 165. 339 Jacobi, Grundlehren, S. 165 f. 340 Jacobi, Grundlehren, S. 165 f.

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1. Kap.: Der einheitliche Gewerkschaftsbegriff als Status quo

Stärke der Vereinigung und ihrer Gegnerunabhängigkeit bzw. -reinheit wie auch der Zwecksetzung eine mehr oder weniger offenbare Wechselwirkung zu erkennen. Ein eindrucksvolles Beispiel bietet Sinzheimers Auseinandersetzung mit dem Erfordernis der Kampfbereitschaft. Eingangs sieht er zwar die generelle Kapazität, den eigenen Forderungen Nachdruck zu verleihen, als erforderlich an.341 Dies bedingt nach ihm jedoch nicht die Forderung eines konkreten Kampfmomentes. Ein solches habe bereits der Gesetzgeber im Rahmen der TVVO nicht im Blick gehabt.342 Es lasse sich vielmehr lediglich ein adverser Umkehrschluss bilden: Fehlende Kampfbereitschaft zeuge im Zweifel von fehlender Unabhängigkeit.343 In ähnlicher Weise wurden auch die Gegnerreinheit und eine ggf. erforderliche Überbetrieblichkeit stets nur mit Bezug zur Unabhängigkeit und Selbstständigkeit der Vereinigungen genannt.344 Bereits die Historie des Gewerkschaftsbegriffes zeichnete dabei die theoretische Möglichkeit eines Arbeitskampfes ungeachtet seiner Ausprägung durch Rechtsprechung oder Praxis.345 Über die Eigenschaft der Mächtigkeit mussten sich die damaligen Gesetzgeber jedoch gerade keine Gedanken machen, da sie die Gewerkschaften erst im Nachhinein in ihrer damaligen Form und Verfassung anerkannten. Dieses normative Anerkenntnis erkämpften sich die Gewerkschaften mithilfe ihrer mitgliederbedingten Durchsetzungskraft in einer Zeit, die durch Kriege und Wirtschaftskrisen der zu leistenden Arbeit einen existenziellen Stellenwert zuwies. Dies galt bereits für die Gesellenbünde als Ausläufer der Zünfte im Mittelalter und zu Beginn der Industrialisierung.346 Nach dem in der Weimarer Republik vorherrschenden Verständnis setzte der Vereinigungsbegriff nicht das Bekenntnis zum Arbeitskampf als Voraussetzung der Tariffähigkeit voraus.347 Die Tatsache, dass bereits vor einer Kodifizierung des Tarifvertrages – als Instrument der Wahrung und Förderung der Arbeitsbedingungen – entsprechende Regelungen und Vereinbarungen getroffen wurden, beweist diese zumindest numerische und ökonomische Macht eindrucksvoll. Die Emanzipation der Vereinigungen im Arbeitsleben gipfelte schließlich im „Gewerkschaftskongreß“ des Jahres 1899 und dem Stinnes-LegienAbkommen.348 Mitgliederschwache Splittergruppen wurden nicht normativ von der Gestaltung des Arbeitslebens abgehalten, dies geschah vielmehr durch die Kraft des Faktischen. Ihre Durchschlagskraft war auch in organisierter Form zu gering, um den

341

Sinzheimer, Grundzüge des Arbeitsrechts, S. 71. Sinzheimer, Grundzüge des Arbeitsrechts, S. 71 f. 343 Sinzheimer, Grundzüge des Arbeitsrechts, S. 72. 344 Vgl. Sinzheimer, Ein Arbeitstarifgesetz, S. 57, 58. 345 Hueck/Nipperdey/Tophoven/Tophoven, TVG, 3. Auflage, § 2 Rn. 38 ff. 346 So auch Dütz, AuR 1976, 65, 69. Ausführlich zur Koalitionsbewegung Kapitel 2, Abschnitt A. 347 RAG v. 10. 10. 1928 – RAG 144/28, RAGE 2, 299, 302; RAG v. 9. 2. 1929 – RAG 365/ 28, RAGE 3, 170, 173; RAG v. 21. 5. 1930 – RAG 52/30, RAGE 6, 139, 143; Buchner, FS BAG 1979, S. 55, 56; Giere, Soziale Mächtigkeit, S. 27. 348 Dütz, AuR 1976, 65, 69. 342

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Arbeitgeber ohne eine bestehende Verpflichtung zum Einlenken zu verleiten.349 Das Stinnes-Legien-Abkommen betraf daher alle beteiligten Gewerkschaften in ihrer damaligen Verfassung. (1) Die Berufsvereine nach der Vorstellung Sinzheimers Ein erster Entwurf eines Arbeitstarifgesetzes350 stellte ebensolche Kriterien auch in seinem § 4 Abs. 3 Nr. 3 auf.351 Dieser gründete auf einen Entwurf Sinzheimers, welcher in § 2 Abs. 3 seines Arbeitstarifgesetzes eine Tariffähigkeit der „Berufsvereine“ forderte. Diese sei wiederum von der Erfüllung gewisser formeller wie materieller Voraussetzungen abhängig.352 Aufgrund des herausgehobenen Zweckes des Tarifvertrages sei es insbesondere gerechtfertigt, diese Voraussetzungen strenger zu setzen als jene für die Arbeitgeberseite.353 Es müsse sichergestellt werden, dass die Berufsvereine der Arbeitnehmer sinnvolle und funktionsfähige Parteien einer Tarifverhandlung sein könnten. Sie müssten jederzeit in der Lage sein, die Interessen der Arbeitnehmer als Kollektiv zu vertreten. Dieses Ideal kollektiver Assoziation trügen gerade die gelben Gewerkschaften und die Harmonieverbände nicht in sich.354 In den Vordergrund treten besonders die Gegnerfreiheit und die (gegnerische) Unabhängigkeit als Voraussetzungen für Vereinigungen beider Seiten gleichermaßen.355 Auf konkrete Kampfkapazitäten konnte aus diesem Grunde verzichtet werden, solange die Vereinigungen abstrakt willens wie imstande waren, ihre Anliegen notfalls auch mittels Streik durchzusetzen.356 Ein Vergleich des Abschlusses des Tarifvertrages der Leipziger Buchdrucker aus dem Jahre 1848 mit dem „wilden“ Streik der Munitionsarbeiter im Jahre 1917 zeigt, dass weder die Aushandlung noch die streikweise Durchsetzung der Forderungen stets dem heutigen, streng mitgliedschaftlich organisierten Vorgehen glich.357 In Konsequenz dessen wurde die Abwesenheit sogar eines abstrakten Kampfwillens als mangelnde Unabhängigkeit vom 349

So auch Kaskel/Dersch, Arbeitsrecht, S. 52. Zu den Bemühungen um ein Arbeitstarifgesetz eindrücklich Bohle, Einheitliches Arbeitsrecht in der Weimarer Republik, S. 34 ff. 351 RArbBl. 1921, S. 491, 493; Dütz, AuR 1976, 65, 70. 352 Sinzheimer, Ein Arbeitstarifgesetz, S. 55, 63; Richardi, FS Wißmann 2005, S. 159, 160. 353 Sinzheimer, Ein Arbeitstarifgesetz, S. 55. 354 Sinzheimer, Ein Arbeitstarifgesetz, S. 58 f.; ebenso für die TVVO Molitor, TVVO, § 1 Rn. 10. 355 Giere, Soziale Mächtigkeit, S. 29; Sinzheimer, Ein Arbeitstarifgesetz, S. 55; s. auch dazu Kempen/Zachert/Kempen, TVG, § 2 Rn. 73 f.; Wahl, Relativität des Gewerkschaftsbegriffs, S. 20; Wiedemann, RdA 1976, 72. 356 RAG v. 10. 10. 1928, RAGE 2, 299, 302 f.; Dütz, AuR 1976, 65, 70; Sinzheimer, Ein Arbeitstarifgesetz, S. 57; Sinzheimer, Grundzüge des Arbeitsrechts, S. 71 f.; angedeutet noch in Hueck/Nipperdey/Nipperdey, Arbeitsrecht, Band 2/I, S. 142. 357 Für den Tarifvertrag der Buchdrucker s. nur Abendroth, Deutsche Gewerkschaften, S. 6; für den „[n]ichtgewerkschaftliche[n]“ Streik der Munitionsarbeiter s. Kittner/Däubler, Geschichte der Betriebsverfassung, S. 136 ff. 350

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1. Kap.: Der einheitliche Gewerkschaftsbegriff als Status quo

sozialen Gegenspieler angesehen.358 Anhand dieser Kriterien wurden auch Vereinigungen außerhalb des Stinnes-Legien-Abkommens auf ihre Eigenschaften hin geprüft.359 Diese materiellen Voraussetzungen wurden nach der Konzeption Sinzheimers durch eine entsprechende satzungsmäßige Ausrichtung formell flankiert.360 Eine gewisse Mindestmitgliederzahl wurde indes im Rahmen der Diskussion um die Voraussetzungen der Vereinigungen der Arbeitnehmer nicht ernsthaft in Betracht gezogen.361 Gleichwohl ging man aus faktischen, recht praktischen Erwägungen davon aus, dass für die erforderliche Durchsetzungsfähigkeit eine gewisse Anzahl an Mitgliedern und Vertretern der entsprechenden Verhandlungspositionen aus der Arbeitnehmerschaft vonnöten sein müsste.362 So konnten sich nach vereinzelter Ansicht die Mitgliedsverhältnisse räumlich auch auf einen (kleinen) Betrieb beschränken. Der Tariffähigkeit dieses Zusammenschlusses stand seine Betrieblichkeit nur dann im Wege, wenn er deckungsgleich mit der betriebsrätlichen Interessenvertretung war. Nicht die Personalunion, sondern die gemeinsame Mandatswahrnehmung schloss sodann die Tariffähigkeit aus.363 Ob die Mitgliederanzahl für die einzelnen Vereinigungen ausreichend und damit konstitutiv war, wurde als Frage des Einzelfalles angesehen.364 (2) Zwischenergebnis: Die Merkmale der „Vereinigungen“ und „Organisationen“ Das endgültige Regelwerk der TVVO und im Besonderen § 1 Abs. 1 TVVO legt das Verständnis Sinzheimers über die Tarifvertragsparteien im Sinne der „Verbandstheorie“ zugrunde. Der Gesetzgeber der TVVO schloss sich diesem Verständnis ausweislich der entsprechenden Dokumentation an und kodifizierte damit zu einem Gutteil die bereits gelebte Praxis.365 Demnach waren die Vereinigungen der Arbeitnehmer als „Berufsvereine“ mögliche Partei eines Tarifvertrages, sofern sie tariffähig waren. Die dafür erforderlichen formellen und sachlichen Voraussetzungen lassen sich im Einklang mit dem Herausgearbeiteten wie folgt zusammenfassen: Bei den tariffähigen Vereinigungen musste es sich um freiwillige Vereinigungen der Arbeitnehmer mit dem Zweck der „Einwirkung“ auf Arbeitsverhältnisse des je358

So Sinzheimer, Grundzüge des Arbeitsrechts, S. 72. Dersch/Volkmar, ArbGG, 4. Auflage, § 10 Anm. 4c; Dütz, AuR 1976, 65, 70; Flatow/ Joachim, ArbGG, § 10 Anm. 3 B. 360 Sinzheimer, Ein Arbeitstarifgesetz, S. 62 f. 361 Giere, Soziale Mächtigkeit, S. 28; Jacobi, Grundlehren, S. 178; Dütz, AuR 1976, 65, 70. Zur Geschichte des Merkmals der Durchsetzungsfähigkeit mit einer kritischen Auseinandersetzung Gamillscheg, Kollektives Arbeitsrecht, Band 1, S. 433 ff. 362 Dütz, AuR 1976, 65, 70; Giere, Soziale Mächtigkeit, S. 28; Wahl, Relativität des Gewerkschaftsbegriffs, S. 21. 363 Jacobi, Grundlehren, S. 138 f. 364 Dütz, AuR 1976, 65, 70; mit beispielhaft aufgeführten Einzelentscheidungen Kaskel/ Dersch, Arbeitsrecht, S. 52. 365 Vgl. Hainke, Vorgeschichte und Entstehung der TVVO, S. 93, 101. 359

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weiligen Berufszweiges handeln.366 Dieser Zweck musste in formeller Hinsicht zudem in der Satzung der Vereinigung festgehalten sein.367 Zuletzt – und hier mutet diese Darstellung schon beinahe redundant an – sollten die Vereinigungen unabhängig und gegnerfrei sein.368 Eben diese bestimmten Mindestvoraussetzungen decken sich sodann auch mit dem Begriff der „beiderseitigen Organisationen“ des Art. 165 S. 2 WRV.369 3. Das TVG a) Die intendierte Offenheit des Begriffes Das unsichere politische Klima nach dem Zweiten Weltkrieg und die prekären Lebensverhältnisse der Bevölkerung veranlassten den Gesetzgeber wohl nicht zuletzt dazu, auch dem Arbeitsleben so schnell wie möglich wieder eine Ordnung angedeihen zu lassen. Hierbei sollten ihm vor allem die Gewerkschaften und ihr gesamtwirtschaftlicher Einfluss helfen. Die Schaffung eines kodifizierten Tarifvertragsrechtes wurde auf diese Weise auch politisch aufgeladen und als Symbol ordnungspolitischer Bestrebungen besonders priorisiert.370 Auch deshalb sollte jedoch eine frühe provisorische Fixierung der bestehenden Rechtslage durch dieses Regelwerk möglichst vermieden und gerade in dem Bewusstsein der Dynamik der Koalitionsbewegung von Definitionen abgesehen werden. Aus gestalterischer Sicht sollte der Kreis der möglichen Tarifvertragsparteien unter Berücksichtigung der Historie offen gehalten werden.371 Eine Legaldefinition der Gewerkschaft wurde daher auch vom Gesetzgeber des TVG nicht geleistet.372 Vielmehr sollte durch die Verwendung des aus der Zivilgesellschaft heraus gewachsenen Gewerkschaftsbegriffes eine Anpassung an den allgemeinen Sprachgebrauch vorgenommen wer-

366 Sinzheimer, Ein Arbeitstarifgesetz, S. 55; s. auch zusammenfassend Hainke, Vorgeschichte und Entstehung der TVVO, S. 57; für Art. 165 Abs. 1 S. 2 WRV Tatarin-Tarnheyden, Berufsverbände, S. 27. 367 Sinzheimer, Ein Arbeitstarifgesetz, 58 f.; s. auch Hainke, Vorgeschichte und Entstehung der TVVO, S. 58. 368 Buchner, FS BAG 1979, S. 55, 57; Hainke, Vorgeschichte und Entstehung der TVVO, S. 57 f. 369 S. dazu Tatarin-Tarnheyden, Berufsverbände, S. 27. S. zum Koalitionsbegriff nach herrschendem Verständnis bereits Kapitel 1, Abschnitt A. II. sowie zu den begrifflichen Konsequenzen der hiesigen Schutzbereichsauslegung des Art. 9 Abs. 3 GG Kapitel 3 Abschnitt A. I. 3. 370 Herschel, ZfA 1973, 183 ff. 371 Zur „gezielten“ Offenheit auch Buchner, FS BAG 1979, S. 55, 57; Dütz, AuR 1976, 65 ff. 372 Herschel, AuR 1976, 225, 229 für das TVG; ebenso Hueck/Nipperdey/Tophoven/ Nipperdey/Tophoven, TVG, 3. Auflage, § 2 Rn. 9; Kaskel/Dersch, Arbeitsrecht, S. 51.

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1. Kap.: Der einheitliche Gewerkschaftsbegriff als Status quo

den.373 Auch die Gewerkschaften selbst wollten durch die Regelung des Tarifvertragswesens lediglich in ihrer existierenden Form als tariffähig anerkannt werden.374 Bereits in den Vorentwürfen zum TVG375 ist daher einheitlich von „Gewerkschaften“ die Rede.376 Die Begründung zu § 1 des „Lemgoer-Entwurfes“ ging sodann gar davon aus, dass der Begriff der Tariffähigkeit, der in § 1 Abs. 1 mit demjenigen der „Gewerkschaft“ verknüpft wird, bereits vor seiner Normierung inhaltlich gefestigt war und verweist in seiner Begründung ausdrücklich auf die TVVO.377 Von dem Gewerkschaftsbegriff erwartete man sich dabei gerade kein gehobenes Streitpotenzial.378 Der Begriff der Begriff der „Arbeitgeberverbände“ oder der „wirtschaftliche[n] Vereinigungen von Arbeitgebern“ war im Gegensatz hierzu deutlich kontroverser.379 Folglich ging es bei der Gesetzgebung des TVG nicht um eine konkrete Fortgestaltung des Gewerkschaftsbegriffes. Es sollte der historische Kontext der Weimarer Zeit gewahrt bleiben und gleichzeitig Raum für Entwicklung eingeräumt werden.380 Mit dem Begriffswechsel von „Vereinigungen von Arbeitnehmern“ in § 1 Abs. 1 S. 1 TVVO hin zu „Gewerkschaften“ in § 2 Abs. 1 TVG sollte kein Verständniswechsel im Sinne einer begrifflichen Verengung vollzogen werden.381 Auch die wirtschaftlichen Vereinigungen von Arbeitnehmern wurden zuvor mehrheitlich als tariffähige Koalitionen verstanden.382

373 Herschel, ZfA 1973, 183, 186 f.; als „eindeutiger Begriff“ auch BAG v. 19. 1. 1962 – 1 ABR 14/60, AuR 1962, 223; im Sinne einer leichteren Verständlichkeit auch auch BAG v. 14. 12. 2010 – 1 ABR 19/10, AP TVG § 2 Tariffähigkeit Nr. 6 Rn. 64. 374 Herschel, ZfA 1973, 183, 186 f. 375 Abgedruckt in ZfA 1973, S. 129 ff. 376 § 1 Abs. 1 des sog. Lemgoer-Entwurfes, § 1 Abs. 1 des sog. Zusmarshausener bzw. Stuttgarter Entwurfs, § 1 Abs. 1 des ersten und zweiten Vorentwurfes zu dem Entwurf des Bundesvorstandes des Gewerkschaftsbundes für die britische Zone, § 1 Abs. 1 des Entwurfes des Bundesvorstandes des Deutschen Gewerkschaftsbundes für die britische Zone vom 26. April 1948 sowie schließlich § 1 Abs. 1 des Entwurfes eines Tarifvertragsgesetzes des Gewerkschaftsrates der Vereinigten Zonen vom 7. 9. 1948, sämtlich abgedruckt in: ZfA 1973, S. 129 – 149. 377 Abgedruckt in ZfA 1973, 129, 133. 378 So auch die Begründung zum Lemgoer-Entwurf, ZfA 1973, 129, 133; Dütz, AuR 1976, 65, 71; MitbestG 1976 Praxiskommentar/Schwegler, § 7 Rn. 22; Wahl, Relativität des Gewerkschaftsbegriffs, S. 23. 379 ZfA 1973, 129, 133. 380 Dütz, AuR 1976, 65, 71; Hueck/Nipperdey/Nipperdey, Arbeitsrecht, Band 2/I, S. 82 ff., 88, 102 f.; für die Neufassung des ArbGG von 1953 Boldt, RdA 1953, 401, 402; a. A. wohl BAG v. 19. 1. 1962 – 1 ABR 14/60, AuR 1962, 223; kritisch gegenüber der historischen Darstellung des Bundesarbeitsgerichtes Buchner, FS BAG 1979, S. 55, 61. 381 A. A. Herschel, ZfA 1973, 183, 189. 382 Buchner, FS BAG 1979, S. 55, 56; a. A. wohl BAG v. 19. 1. 1962 – 1 ABR 14/60, AuR 1962, 223 (Austausch der Begriffe zugunsten der Arbeitskampfbereitschaft).

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Der Gewerkschaftsbegriff hatte im Zeichen dieser spezifisch tarifvertraglichen Regelungen noch kein ausgeweitetes Tariffähigkeitsgepräge im Sinne des heutigen Verständnisses.383 Zwar war eine Tariffähigkeit in den Vorentwürfen zum TVG aufgenommen worden,384 eine Regelung erfolgte jedoch nur für Spitzenverbände gem. § 2 Abs. 3 TVG.385 Vergleicht man die Formulierungen bereits der Vorentwürfe, so ist bei systematischer Betrachtung erkennbar, dass der Begriff der Tariffähigkeit mit dem der Tarifparteieigenschaft gleichzusetzen ist.386 b) Die begrifflichen Konsequenzen Damit wollte der Gesetzgeber explizit nur diejenigen Voraussetzungen an den Gewerkschaftsbegriff knüpfen, die die Gewerkschaften nach ihrem gesellschaftlichen Selbstverständnis der Weimarer Zeit bereits in sich vereinten.387 Dabei war das Begriffsbild, weil aus einer Beobachtung der Praxis heraus entstanden, von der Idee eines einheitlichen Gewerkschaftsbegriffes geprägt.388 Besonders hervorzuheben sind hierbei finanzielle wie institutionelle Unabhängigkeit und Gegnerfreiheit. Gerade diese Anforderungen indizierten nach dem historischen Verständnis auch die für den Abschluss von Tarifverträgen erforderliche Stärke.389 Im Übrigen wollte der Gesetzgeber nach dem obigen historischen Befund den Gewerkschaftsbegriff den zukünftig zu erwartenden Entwicklungen anheimstellen, deren Auswirkung auf den Begriff selbst er den Gerichten als „Ersatzgesetzgeber“390 überantwortete. 4. Die Bedeutung des Staatsvertrages über die Währungs-, Wirtschaftsund Sozialunion vom 18. Mai 1990 Eine hervorgehobene Bedeutung vor allem in der Argumentationslinie des Bundesarbeitsgerichtes, aber auch des sich ihm anschließenden Schrifttumes nimmt der Staatsvertrag vom 18. Mai 1990 ein. Im Vertragstext selbst wird die Bezeichnung der Vereinigungen der Arbeitnehmer zumindest nicht vollständig durchgehalten. An 383

Dütz, AuR 1976, 65, 71 f. Abgedruckt in ZfA, 1973, 129 ff. 385 Als Ausnahmeregelung bereits § 1 Abs. 2 des Lemgoer-Entwurfes, abgegedruckt in ZfA 1973, 129, 130. 386 Gewerkschaften als „Träger der Tariffähigkeit“: Begründung zu § 1 Abs. 1 des Lemgoer-Entwurfs, ZfA 1973, 129, 133. 387 Vgl. zu möglichen „Reibungsverlusten“ im Sprachgebrauch Wank, Juristische Begriffsbildung, S. 82; vgl. im Hinblick auf die Kodifikation des Gewerkschaftsbegriffes und seinen Umfang Herschel, ZfA 1973, 183, 189. 388 So auch Buchner, FS BAG 1979, S. 55, 57 f. 389 Vgl. Kaskel/Dersch, Arbeitsrecht, S. 51 ff., 53; ähnlich wohl auch Isenhardt, Relative Tariffähigkeit, S. 33. 390 Mit dieser Bezeichnung auch Linsenmaier, RdA 2019, 157, 158; Wahl, Relativität des Gewerkschaftsbegriffs, S. 133; Zeuner, FS BAG 1979, S. 727. 384

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1. Kap.: Der einheitliche Gewerkschaftsbegriff als Status quo

verschiedenen Stellen ist von Vereinigungen391, Gewerkschaften392 und auch tariffähigen Gewerkschaften393 die Rede. Welche materiellrechtlichen Rückschlüsse daraus nun gezogen werden können, ist fraglich.394 Klar ist, dass der Vertrag selbst weder materielles Recht darstellt noch über die deutsche Wiedervereinigung hinaus Gültigkeit für sich beanspruchen kann.395 Zum Teil wird angenommen, der Inhalt des Staatsvertrages habe aufgrund des Zustimmungsgesetzes vom 25. Juni 1990 zumindest auch den Willen und das Verständnis des westdeutschen Gesetzgebers widergespiegelt und sei damit für das Begriffsverständnis maßgeblich.396 Das Bundesarbeitsgericht ging in seiner in vielerlei Hinsicht wegweisenden Entscheidung vom 6. Juni 2000397 so weit, dass „auf Grund des Staatsvertrages und des Gemeinsamen Protokolls über die Leitsätze, A. III. Nr. 2, i. V. m. dem Zustimmungsgesetz, eine wesentliche Änderung der Qualität der Kriterien für die Annahme einer Gewerkschaft eingetreten [ist], die einer Gesetzesänderung gleichzusetzen ist“. Hilfsweise geht das Gericht davon aus, dass die Zustimmung als Willensbekundung des Gesetzgebers im Wege der Auslegung nachträglich zu berücksichtigen sei.398 Entscheidend ist somit nicht nur der Inhalt des Vertrages, sondern auch dessen Aussagekraft und Bindungswirkung.399 a) Inhalt Bereits bei A. III. 2. des Gemeinsamen Protokolls über die Leitsätze ist die Rede davon, dass „[t]ariffähige Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände frei gebildet, gegnerfrei, auf überbetrieblicher Grundlage organisiert und unabhängig sein, sowie das geltende Tarifrecht

391

Leitsatz A. III. Nr. 1, BGBl. II 1990, S. 537, 545. Leitsatz A. III. Nr. 3, BGBl. II 1990, S. 537, 545. 393 Leitsatz A. III. Nr. 2, BGBl. II 1990, S. 537, 545. 394 Mit dieser Feststellung auch Oetker, FS Stahlhacke 1995, S. 363, 364. 395 BAG v. 6. 6. 2000 – 1 ABR 21/99, AP ArbGG 1979 § 97 Nr. 9; Henssler/Willemsen/ Kalb/Henssler, § 2 TVG Rn. 1 nennt ihn „unverbindlichen Anhaltspunkt“; Richardi, FS Wißmann 2005, S. 159, 168; Jacobs/Krause/Oetker/C. Schubert/C. Schubert, Tarifvertragsrecht, § 2 Rn. 2; Suckow, Gewerkschaftliche Mächtigkeit als Determinante korporatistischer Tarifysteme, S. 122; a. A. wohl Schrader, „Durchsetzungsfähigkeit“ als Kriterium für Arbeitgeber im Tarifvertragsrecht, S. 138 ff., 142. Grundlegend zum Inhalt des Staatsvertrages Kissel, NZA 1990, 545 passim. 396 BAG v. 6. 6. 2000 – 1 ABR 21/99, AP ArbGG 1979 § 97 Nr. 9 [B. II. 4. c)]; Henssler, Soziale Mächtigkeit, S. 14; recht knapp Olbrich, Tariffähigkeit von Arbeitnehmervereinigungen, S. 31 f. 397 BAG v. 6. 6. 2000 – 1 ABR 21/99, AP ArbGG 1979 § 97 Nr. 9 [B. II. 4. c)]. 398 BAG v. 6. 6. 2000 – 1 ABR 21/99, AP ArbGG 1979 § 97 Nr. 9 [B. II. 4. c)]; Kissel, NZA 1990, 545, 549; Müller, DB 1992, 269, 273 Fn. 43; a. A. aufgrund methodischer Bedenken Säcker/Oetker, Grundlagen und Grenzen der Tarifautonomie, S. 3. 399 So auch Richardi, FS Wißmann 2005, S. 159, 169. 392

C. Die Gewerkschaft als unbestimmter Rechtsbegriff

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als für sich verbindlich anerkennen [müssen]; ferner müssen sie in der Lage sein, durch Ausüben von Druck auf den Tarifpartner zu einem Tarifabschluß zu kommen.“400

Diese Ausführungen werfen bereits isoliert betrachtet mindestens zwei hier entscheidende Fragen auf. Zum einen wird hier der Begriff der Tariffähigkeit von demjenigen der Gewerkschaft getrennt. Die Formulierung erweckt damit den Anschein, als müssten nur tariffähige Gewerkschaften die nachfolgenden Voraussetzungen erfüllen. Eine Einordnung als Gewerkschaft sei aber auch losgelöst von einer Tariffähigkeit möglich. Dies stünde im Widerspruch zur ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes, nach welcher als Gewerkschaften gerade nur tariffähige Arbeitnehmerkoalitionen in Betracht kommen.401 Die zweite Frage betrifft die Tariffähigkeitsvoraussetzungen der Arbeitgebervereinigungen. Prima facie muss man aus der Nummer 3 des Leitsatzes A. III. lesen, dass sowohl Arbeitnehmer- als auch Arbeitgebervereinigungen für eine Tariffähigkeit die nachfolgenden Merkmale aufweisen müssen. Besonders im Hinblick auf das Erfordernis der Druckausübung ist dies jedoch nach ständiger Auffassung des Bundesarbeitsgerichtes, gebilligt durch das Bundesverfassungsgericht, gerade nicht der Fall.402 Ähnliche Widersprüche ergeben sich auch dann, betrachtet man Leitsatz A. III. in seiner Makrostruktur. Nummer 1 des Leitsatzes gibt beinahe wortgetreu die Formulierung des Art. 9 Abs. 3 GG wieder. In diesem verfassungsrechtlich angehauchten Kontext wird nur von Vereinigungen gesprochen. Auf den Inhalt der Nummer 2 wurde bereits eingegangen. In Nummer 3 wird sodann festgestellt, dass die Regelung der „Löhne und sonstige[n] Arbeitsbedingungen“ nicht vom Staat, sondern durch Gewerkschaften, Arbeitgeberverbände und Arbeitgeber im Rahmen ihrer Vereinbarungen festgesetzt werden. Von tariffähigen Gewerkschaften und Arbeitgebervereinigungen ist in diesem Kontext nicht mehr die Rede. Auch die Ausweitung der Vereinbarungsbefugnis auf die Arbeitgeber selbst kann zwar Aufschluss über die Voraussetzungen dieser Organisationen geben. Gleichzeitig bestehen Merkmale und Voraussetzungen der Tariffähigkeit im Sinne der Nummer 2, welche von einzelnen Arbeitgebern schlechterdings nicht erfüllt werden können. Zu welchem Zweck also zwischen Nummer 2 und Nummer 3 des Leitsatzes differenziert wurde, ist nicht vollkommen schlüssig. Hinzu kommt die Beschränkung der Regelungskompetenz auf Arbeitsbedingungen. Die in Nummer 1 in Anlehnung an Art. 9 Abs. 3 GG angesprochenen Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen sowie dahingehende Anforderungen und Zuständigkeiten finden keine vertiefte Erwähnung. 400

Leitsatz A. III. 2., BGBl. II 1990, S. 537, 545. Stellv. BVerfG v. 18. 11. 1954 – 1 BvR 629/52, NJW 1954, 1881, 1882; BAG v. 20. 11. 1990 – 1 ABR 62/89, AP TVG § 2 Nr. 40 [B. II. 2. a)]. S. den nachfolgenden Abschnitt D. für eine kritische Analyse. 402 BVerfG v. 26. 06. 1991 – 1 BvR 779/85 [C. I. 3. b) aa)]; BAG v. 20. 11. 1990 – 1 ABR 62/89, AP TVG § 2 Nr. 40; kritisch diesbezüglich auch Richardi, FS Wißmann 2005, S. 159, 169. 401

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1. Kap.: Der einheitliche Gewerkschaftsbegriff als Status quo

Da insbesondere die Begründung zum Leitsatz keine Aufschlüsse zu geben vermag, muss die hier erfolgte Aufwerfung von Problemen und Fragen eine abschließende Beantwortung schuldig bleiben. Bedeutsam für das Begriffsverständnis ist insofern jedoch die Begründung zum Leitsatz A. III. Nr. 2. Dort wird ausdrücklich noch einmal auf die Offenheit des Begriffes hingewiesen. Bestätigung findet auch das Fehlen einer gesetzgeberischen Definition bzw. Konkretisierung des Gewerkschaftsbegriffes sowie seiner konstitutiven Merkmale. Solche zu schaffen sei vielmehr Aufgabe der zuständigen Gerichte. Obschon also die überwiegenden Aussagen als wenig konzise angesehen werden müssen, kann in dieser Aussage durchaus eine belastbare Bestätigung des Gewerkschaftsbegriffes als unbestimmter Rechtsbegriff gesehen werden. Selbst sähe man in dem Zustimmungsgesetz eine gesetzgeberische Aneignung des Vertragsinhaltes, dürfte eine Zustimmung in dieser Hinsicht lediglich die Bestimmung der Unbestimmung sein. Fest steht im Ergebnis so zumindest, dass der Begriff aus der Perspektive der damaligen Zeit unter Berücksichtigung des Ziels des Vertrages sowie des Adressaten differenziert betrachtet werden muss.403 Es erscheint durchaus plausibel, dass die Verwendung verschiedener gängiger Bezeichnungen für die Vereinigungen der Arbeitnehmer eine lediglich klarstellende Funktion haben sollte.404 Möglicherweise ging es um untechnische Klarstellungen zugunsten einer Rechtseinheit in Vorbereitung auf die Wiedervereinigung. Die Rechtslage der BRD sollte im Rahmen eines vertraglichen Paktes deskriptiv aufgezeigt werden, um die erforderlichen Maßnahmen vorbereiten zu können.405 Auch andere Gesetze bedienen sich des Begriffs,406 jedoch auch hier ohne Legaldefinition.407 Über die nationale Rechtsordnung hinaus kennt weder das Unions- noch das geltende internationale Völkerrecht eine solche Konkretisierung der Arbeitnehmervereinigungen.408

403

Im Ergebnis ähnlich auch Löwisch/Rieble, TVG § 2 Rn. 17. Allgemein zur Bedeutung der Adressaten für das Ergebnis der Auslegung Bydlinski, Juristische Methodenlehre, S. 439. 404 So Isensee, in der Aussprache im Anschluss an den Beitrag von Tettinger, Öffentliche und private Wirtschaft in den neuen Bundesländern, in: Stern, Deutsche Wiedervereinigung, Band 2/II, S. 181. 405 So auch P. Hanau, Kurzkommentar zu BAG v. 20. 11. 1990 – 1 ABR 62/89, EWiR 1990, 917, 918; Henssler, Soziale Mächtigkeit, S. 15; Löwisch/Rieble, TVG, § 2 Rn. 17; Oetker, FS Stahlhacke 1995, S. 363, 385; Suckow, Gewerkschaftliche Mächtigkeit als Determinante korporatistischer Tarifsysteme, S. 122; für eine „Fixierung“ der Rechtslage auch Kissel, NZA 1990, 545, 549 f., wenn auch mit anderer Schlussfolgerung; in diese Richtung auch Schrader, „Durchsetzungsfähigkeit“ als Kriterium für Arbeitgeber im Tarifvertragsrecht, S. 141 f. 406 § 2 BetrVG, § 4 MontanMitbestG, § 137i SGB V, § 7 MitbestG. 407 Grunsky, Anmerkung zu BAG v. 15. 3. 1977 – 1 ABR 16/75, JZ 1977, 470, 473; Isenhardt, Relative Tariffähigkeit, S. 33. 408 Keine Definition, nach Art. 11 EMRK aber wohl autonom zu bestimmen EuArbR/ C. Schubert, Art. 11 EMRK Rn. 11; s. auch Henssler, Soziale Mächtigkeit, S. 16.

C. Die Gewerkschaft als unbestimmter Rechtsbegriff

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b) Aussagekraft und Bindungswirkung des Vertragswerkes Sowohl Inhalt und Verbindlichkeit des Staatsvertrages als auch seine Parteien gebieten eine genauere Betrachtung. Die Unterzeichnung am 18. Mai 1990 war ein erster Schritt in Richtung eines Beitritts der DDR zur BRD im Sinne des Art. 23 GG. Gem. Art. 4 Abs. 1 des Vertrages sollten die rechtlichen Verhältnisse in der BRD auf das gesamte Bundesgebiet ausgedehnt werden.409 Vertragsparteien des Staatsvertrages waren die BRD auf der einen und die DDR auf der anderen Seite, vertreten durch ihre jeweiligen Regierungen.410 Urheber des Gesetzes zum Staatsvertrag vom 25. Juni 1990 war der Bundestag als Gesetzgeber in Ausübung seiner rechtsstaatlichen, parlamentarischen Befugnisse mit der Zustimmung des Bundesrates.411 Bei dem Zustimmungsgesetz handelt es sich im Übrigen um ein einfaches formelles Gesetz. Gem. Art. 1 stimmt der Bundestag dem Vertrag sowie seinen Protokollen und der Anlagen zu. Gleiches gilt wohl für den Staatsvertrag als Völkerrechtsvertrag selbst.412 Darüber hinausgehende Verpflichtungen sind dem Zustimmungsgesetz gerade nicht zu entnehmen. Zu ändernde Gesetze und Einzelvorschriften betreffen vielmehr die Ermöglichung einer effektiven Durchführung des Vertrages, welcher (lediglich) die DDR verpflichtet.413 Diese räumte der BRD zur mittelfristigen Verwirklichung der Wiedervereinigung Hoheitsbefugnisse ein, die mithilfe der Gesetzesänderungen auf Seiten der BRD fruchtbar gemacht werden sollten.414 Die Artikel des Vertrages selbst sowie seine Leitsätze im Gemeinsamen Protokoll und Anlagen wurden unmittelbar geltendes Recht, welches Rechte und Pflichten für Einzelne wie auch Staatsorgane begründete.415 Art. 2 Abs. 2 normierte zu diesem Zwecke einen Anwendungsvorrang. In der Zustimmung des westdeutschen Gesetzgebers zu diesem völkerrechtlichen Vertrag kann somit aufgrund der unterschiedlichen Urheberschaft gerade nicht ohne weiteres eine konkrete Willensäußerung oder Aneignung rechtlicher Inhalte gesehen werden.416 Mangels BRD-seitiger Verpflichtungen im Vertrag kann auch der Inhalt des Staatsvertrages dem Gesetzgeber der BRD nicht zugerechnet werden. Für die 409

Höfler, Gewerkschaftsbegriff, S. 74; Oetker, FS Stahlhacke 1995, 363, 364 f.; Stern/ Schmidt-Bleibtreu/Schmidt-Bleibtreu, Staatsvertrag, S. 57. 410 Stern/Schmidt-Bleibtreu/Stern, Staatsvertrag, S. 3. 411 Gesetz zu dem Vertrag vom 18. Mai 1990 über die Schaffung einer Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik Deutschland, BGBl. II 1990, S. 518. 412 Suckow, Gewerkschaftliche Mächtigkeit als Determinante korporatistischer Tarifsysteme, S. 118 f. 413 Löwisch/Rieble, TVG, § 2 Rn. 17. 414 Stern/Schmidt-Bleibtreu/Schmidt-Bleibtreu, Staatsvertrag, S. 53. 415 Stern/Schmidt-Bleibtreu/Schmidt-Bleibtreu, Staatsvertrag, S. 53. 416 Ähnlich auch Henssler, Soziale Mächtigkeit, S. 15; Henssler/Willemsen/Kalb/Hennsler, § 2 TVG Rn. 1; Richardi, NZA 2004, 1025, 1028.

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1. Kap.: Der einheitliche Gewerkschaftsbegriff als Status quo

Rechtslage in der BRD – Verantwortlichkeit des Gesetzgebers – sollte der Staatsvertrag vielmehr lediglich deklaratorische Wirkung haben. Aus diesem Blickwinkel muss auch die Zustimmung des Bundestages betrachtet werden. Hat also das Zustimmungsgesetz für die Tarifrechtslage post 25. Juni 1990 keine konstitutive Wirkung, muss gefragt werden, ob die Zustimmung zur Darstellung der Rechtslage im Vertrag im Wege einer Auslegung überhaupt berücksichtigt werden darf oder muss. Im Mindesten muss die Berücksichtigungsmöglichkeit im Rahmen der historischen Auslegung in Ablehnung der geltungszeitlichen Perspektive beschränkt werden.417 Es kann also allenfalls insofern eine Rolle spielen, als es Aufschluss über den Willen des Gesetzgebers am Tag des Inkrafttretens des TVG zu geben vermag.418

II. Zusammenfassung und Bedeutung für den Fortgang der Arbeit Die Bedeutung der Tariffähigkeit besteht für die Beurteilung des Gewerkschaftsbegriffes als Rechtsbegriff in deren Wechselwirkung. Es geht um die Frage der Tariffähigkeit als Voraussetzung der Gewerkschaftseigenschaft. Dies ist besonders relevant im Kontext des einheitlichen Gewerkschaftsbegriffes, der die Voraussetzungen des Gewerkschaftsbegriffes, wie er aus Anlass des § 2 Abs. 1 TVG Gegenstand der Auslegung durch das Bundesarbeitsgericht ist, auf alle anderen Betätigungsfelder der Gewerkschaften ausweitet. In diesem Zusammenhang verdeutlicht die uneinheitliche Verwendung der Begriffe „Gewerkschaft“ und „Vereinigung“ sowie die begriffliche Differenzierung des Gewerkschaftsbegriffes und des Merkmals der Tariffähigkeit die wenig technische Bezeichnungspraxis der Legislative. In ihr setzt sich die bereits im TVG sowie zuvor der TVVO begonnene phänotypische und im Lichte des Tarifvertragswesens auch funktional isolierte Betrachtungsweise der Gewerkschaften fort. Insofern würde auch eine tatbestandliche Verknüpfung von Gewerkschaftsbegriff und Tariffähigkeit zu keinem begrifflich divergierenden Ergebnis kommen: Die historische Betrachtung hat verdeutlich, dass aufgrund der negativen Erfahrungen der Vergangenheit mit der politischen wie wirtschaftlichen Abhängigkeit der Gewerkschaften von Duldung und Unterstützung durch Regierung und Arbeitgeber eine Trennung der Interessenvertretung von wirtschaftlichen und politischen Gegenspielern wie auch Unterstützern im Vordergrund stand.419 Die Fähigkeit, die Interessen ihrer Mitglieder als fähige Partei eines Tarifvertrages auch notfalls mittels 417 Dazu allgemein Bydlinski, Juristische Methodenlehre, S. 428 f.; dies lehnt G. Hirsch, JZ 2007, 853, 855 ab, mit dem Argument, der „Alterungsprozess“ eines Gesetzes müsse berücksichtigt werden. 418 Stern/Schmidt-Bleibtreu/Schmidt-Bleibtreu, Staatsvertrag, S. 54; s. dazu vertieft bereits Kapitel 1, Abschnitt C. I. 3. 419 Dütz, AuR 1976, 65, 70.

D. Der einheitliche Gewerkschaftsbegriff

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Streik durchzusetzen, lag vielmehr bereits in der Unabhängigkeit selbst.420 Das Merkmal der sozialen Mächtigkeit ist somit gerade kein Kind der Weimarer Zeit.421 Ein soziales Machtpotenzial der Gewerkschaften wurde in ihren Anfängen nicht gefordert.422 Auch die Erwägungen des Reichsarbeitsgerichtes können nicht als Forderung einer sozialen Mächtigkeit gedeutet werden, sondern betreffen vielmehr das Erfordernis staatlicher, politischer und gegnerseitiger Unabhängigkeit. Diese war in erster Linie ein Relikt der Anfänge der Gewerkschaftsbewegung, die immer wieder unter politischer oder staatlicher Einflussnahme stand und deren Forderungen innerhalb der Betriebe aufgrund von arbeitgeberseitiger Abhängigkeit keinen Rückhalt fanden.423 Der bestimmte Bestandteil des Gewerkschaftsbegriffes beinhaltet somit die Voraussetzungen der Vereinigung nach Art. 9 Abs. 1 GG mit Zwecksetzung, Gegnerunabhängigkeit bzw. auch Gegnerreinheit. Diese Voraussetzungen sind damit positives Recht und für den Rechtsanwender bindend. Im Übrigen ist der Begriff nicht vorbestimmt und damit unbestimmt. Dieser Offenheit war man sich bereits zur Zeit des Weimarer Diskurses bewusst.424 Sie wurde sodann im Rahmen der Rekodifikation nach dem Zweiten Weltkrieg in demselben Maße und in dem Wissen um eben diese Offenheit perpetuiert. Hieraus folgt, dass es sich bei den zusätzlichen Voraussetzungen des tarifvertragsspezifischen Gewerkschaftsbegriffes um eine Rechtsfortbildung innerhalb des unbestimmten, offenen Begriffsbestandteiles handelt.

D. Der einheitliche Gewerkschaftsbegriff Nachdem nun die Chronologie des tarifvertraglichen Gewerkschaftsbegriffes in der Gesetzessprache zumindest in ihren Grundzügen nachgezeichnet worden ist – und dabei insbesondere mit der Tariffähigkeit verknüpft wurde –, soll im Folgenden der Frage nachgegangen werden, ob dieser Gewerkschaftsbegriff im Hinblick auf die Arbeitsrechtsordnung einheitlich zu verstehen ist. In Rede steht also, ob die Voraussetzungen des Gewerkschaftsbegriffes im Sinne des § 2 Abs. 1 TVG insoweit Bestand auch für die Verwendung des Gewerkschaftsbegriffes in anderen Rechtsnormen haben bzw. haben müssen. Grundlage der Analyse ist daher auch das ab420

So auch Sinzheimer, Ein Arbeitstarifgesetz, S. 57. So auch Buchner, FS BAG 1979, S. 55, 57; Eitel, Ungleichbehandlung, S. 81 f.; Giere, Soziale Mächtigkeit, S. 29; Hemmen, Durchsetzungsfähigkeit als Kriterium für den Gewerkschaftsbegriff, S. 30; Schrader, „Durchsetzungsfähigkeit“ als Kriterium für Arbeitgeber im Tarifvertragsrecht, S. 31; Wiedemann, Anmerkung zu BAG v. 15. 3. 1977 – 1 ABR 16/75, AP GG Art. 9 Nr. 24 [I. 1.]; a. A. wohl Doehrlich, Tariffähigkeit einer Gewerkschaft, S. 158, 179 f. 422 Henssler, Soziale Mächtigkeit, S. 13; Richardi, FS Wißmann 2005, S. 159, 161. 423 S. die historische Betrachtung der Koalitionsbewegung in Kapitel 2, Abschnitt A. 424 Herschel, Tariffähigkeit und Tarifmacht, S. 20, 21; Jacobi, Grundlehren, S. 158. 421

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1. Kap.: Der einheitliche Gewerkschaftsbegriff als Status quo

solute Verständnis der Tariffähigkeitsvoraussetzungen, sodass die Relativität einzelner Merkmale unbeachtet bleibt.425 Mit der nachfolgenden Untersuchung soll eine Vorarbeit für die anschließende Auslegung des Gewerkschaftsbegriffes des MitbestG geleistet werden. Bei konsequenter historischer Betrachtung handelte es sich bei den unter Abschnitt C. I. 2. dieses Kapitels angestellten historischen Überlegungen bereits um einen Teil der historischen Auslegung auch des Gewerkschaftsbegriffes des MitbestG. Dessen Gesetzgeber stand es fraglos offen, den Gewerkschaftsbegriff losgelöst von dieser historischen Prägung abweichend zu definieren. Inwiefern er dennoch die historisch vorgezeichneten Merkmale berücksichtigte, wird Gegenstand der in Kapitel 4 zu erfolgenden Auslegung sein. Gleiches gilt für die nun folgende methodische Kritik an dem einheitlichen Verständnis des Gewerkschaftsbegriffes. Auch sie ist strenggenommen bereits Teil der Wortlautauslegung des Gewerkschaftsbegriffes des MitbestG. Gleichwohl ist es zunächst zwingend, der Einheitlichkeit von Rechtsbegriffen abstrakt nachzugehen. Hierzu soll das relevante Meinungsbild in Rechtsprechung und Literatur nachgezeichnet werden. Im Anschluss wird auf der Grundlage der rechtsmethodischen Grundsatzerwägungen eine wertende Betrachtung und Auseinandersetzung mit diesem Meinungsspektrum erfolgen. Einer vertieften Betrachtung soll in diesem Rahmen insbesondere das Prinzip der Einheit der Rechtsordnung unterzogen werden. Obschon die so vorgezeichnete Fragestellung bereits vielfach Gegenstand praktischer wie wissenschaftlicher Auseinandersetzung war, darf dies den Blick auf das diesem Diskurs zugrunde liegende rechtstheoretische Fundament nicht versperren. In Wirklichkeit geht es dabei nämlich nicht um die gegensätzlichen Ansichten zur Möglichkeit absoluter oder relativer Begriffe, wie sie sich zum Teil in der Darstellung teleologischer Begriffsbildung widerspiegeln.426 Vielmehr geht es um die Validität eines Auslegungsergebnisses, welches in einem einheitlichen oder eben einem dynamischen Begriff liegen kann – also u. a. die methodische Grundsatzfrage nach dem Ziel der Auslegung und der Gewichtung einzelner Auslegungsmittel innerhalb des klassischen Kanons.427 Vorgreifend sei daher wie folgt festgelegt: Mit der Ermittlung des Willens des jeweiligen historischen Gesetzgebers als erklärtem Ziel der Auslegung geht einher, dass sich die Auslegung eines Begriffes als absolut bzw. einheitlich wieder und wieder in den relevanten Normen spiegeln muss. Durch sie wird der Einheitlichkeitsansatz stetig fortgeführt. Etwas anderes würde freilich nur dann gelten, wenn die einheitliche Auslegung eines Begriffes von Verfassungs wegen geboten oder gar angeordnet würde. Diese verfassungsrechtliche Maßgabe müsste sodann im Rahmen der (verfassungskonformen) Auslegung berücksichtigt werden 425

Hierzu vertieft u. a. Isenhardt, Relative Tariffähigkeit, passim; Kocher, FS Kempen 2013, S. 166 passim; sowie dies., DB 2005, 2816 f., 2820 ff. 426 So beispielsweise Wank, Juristische Begriffsbildung, passim. 427 Zu den klassischen Auslegungsmitteln s. nur Möllers, Juristische Methodenlehre, § 4 Rn. 18 ff.; Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, Rn. 725 ff., 730a.

D. Der einheitliche Gewerkschaftsbegriff

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und ließe nur ein Ergebnis zu: den einheitlichen Rechtsbegriff. Diese Erwägungen werden oftmals zugunsten einer Einheit der Rechtsordnung angeführt. Der darin liegende Grundsatz der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung verpflichte Rechtsanwender wie Rechtssetzer gleichermaßen, Rechtsbegriffe – vor allem unbestimmte – einheitlich auszulegen bzw. fortzubilden.428

I. Darstellung und Kritik des Meinungsbildes 1. Rechtsprechung Ausführungen betreffend den Inhalt des Gewerkschaftsbegriffes und dessen Begründung finden sich in vielen bundesarbeitsgerichtlichen Entscheidungen. Gleiches gilt zumindest im Grundsatz auch für das damit einhergehende einheitliche Begriffsverständnis.429 Erläuternde Aussagen und darüber hinausgehende Erklärungsansätze sind indes auffallend rar gesät.430 Dies wiegt umso schwerer, da die Ansicht des Bundesarbeitsgerichtes zur Einheitlichkeit des Gewerkschaftsbegriffes in der (Arbeits-)Rechtsordnung beinahe bis zu den Anfängen des Tarifvertragsgesetzes und des Grundgesetzes – auf das Jahr 1956 – zurückgeht. In seiner ersten Entscheidung vom 6. Juli 1956431 argumentiert das Gericht noch damit, der Gewerkschaftsbegriff sei historisch geprägt und entstamme dem Tarifrecht. Die einfachgesetzlich verliehenen Rechte darüber hinaus – gemeint waren wohl solche, die nunmehr das MitbestG, BetrVG oder auch das ArbGG normieren – erführen ihre Berechtigung aus eben dieser Tariffähigkeit.432 Die Tariffähigkeit sei auch als in diesem Sinne garantierte „Rechtsfähigkeit“ im Bereich des kollektiven Arbeitsrechtes zu verstehen.433 In den Folgejahren wurde diese Rechtsprechung zur ständigen bestätigt, vertiefende Begründungsansätze folgten indes nicht. Einzig die Argumentationslinie, die Wahrung der Einheit der Rechtsordnung und die damit zu garantierende Rechtssicherheit bedingten ein einheitliches Verständnis nach dem Vorbild des Begriffes des TVG, wurde weiter vertieft.434 Auch in seinem Beschluss vom 15. Mai 2019 gingen 428

So wohl auch Canaris, Systemdenken und Systembegriff, S. 16 f., wenn er die Einheit der Rechtsordnung in den Verfassungsrang hebt. 429 Vgl. BAG v. 6. 7. 1956 – 1 AZB 18/55, NJW 1956, 1332. 430 Beispielhaft BAG v. 23. 4. 1971 – 1 ABR 26/70, AP ArbGG 1953 § 97 Nr. 2; mit der gleichen Beobachtung auch Eitel, Ungleichbehandlung, S. 60. 431 BAG v. 6. 7. 1956 – 1 AZB 18/55, NJW 1956, 1332. 432 BAG v. 6. 7. 1956 – 1 AZB 18/55, NJW 1956, 1332. 433 BAG v. 6. 7. 1956 – 1 AZB 18/55, NJW 1956, 1332; BAG v. 22. 12. 1960 – 2 AZR 140/ 58, AP ArbGG 1953 § 11 Nr. 25 [III 2. b)]; kritisch Frey, Anmerkung zu BAG v. 6. 7. 1956 – 1 AZB 18/55, AuR 1957, 124, 125 f. 434 Ohne Begründung BAG v. 23. 4. 1971 – 1 ABR 26/70, BAG AP ArbGG 1953 § 97 Nr. 2; BAG v. 15. 3. 1977 – 1 ABR 16/75, AP GG Art. 9 Nr. 24; grundlegend zu dem Zusammenhang

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1. Kap.: Der einheitliche Gewerkschaftsbegriff als Status quo

die Ausführungen des 7. Senates nicht über die Feststellung hinaus, dass „von einem gesetzesübergreifend einheitlichen Gewerkschaftsbegriff auszugehen [ist], der das Erfordernis der Tariffähigkeit mit einschließt“.435 Eine inhaltliche Auseinandersetzung mit abweichenden Ansichten erfolgt nicht. Ungeachtet der materiellen Bewertung des Einheitlichkeitsdogmas ist somit zumindest einmal der Begründungsaufwand des Bundesarbeitsgerichtes zu kritisieren: Auseinandersetzungen mit einem im normativen Einzelfall etwaig entgegenstehenden gesetzgeberischen Willen und damit verbundenen teleologischen Aspekten erfolgte gerade nicht. Dies vermag umso mehr zu verwundern, nachdem das Bundesverfassungsgericht – hatte es noch die modifizierte Tariffähigkeitsrechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes gebilligt – die Frage der Einheitlichkeit des Gewerkschaftsbegriffes bis heute explizit offengelassen hat.436 a) Die historische Argumentationslinie Das historische Argument des Bundesarbeitsgerichtes kann zunächst dahingehend relativiert werden, dass das Bild der wirtschaftlichen Vereinigungen der Arbeitnehmer und Arbeitgeber in der Weimarer Zeit zwar in diesem Zusammenhang vielfach von einem einheitlichen Verständnis geprägt war.437 Die entsprechenden Formulierungen in den einfachen Gesetzen sprachen hingegen stets von einem auf das jeweilige Gesetz beschränkten Tariffähigkeitsverständnis.438 Zudem wurde eine Einheitlichkeit der Begriffe „Vereinigung“ bzw. „Organisation“ gerade aufgrund der historischen Prägung und der damit einhergehenden Vorherrschaft des Tarifvertrages in der Praxis oftmals in einem tarifrechtlichen Kontext verstanden. Gleichzeitig war jedoch durch die Formulierung der „Förderung und Wahrung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen“ klar, dass den Verbänden auch über das Tarifwesen hinaus Aufgaben und Funktionen zuteilwerden sollten.439 Das Erfordernis der Tariffähigkeit war demnach mehr der starken Fokussierung auf die Aufgaben nach der TVVO von Einheit der Rechtsordnung und Rechtssicherheit Canaris, Systemdenken und Systembegriff, S. 17. 435 BAG v. 15. 5. 2019 – 7 ABR 35/17, AP MitbestG § 22 Nr. 3 Rn. 23 mit Verweis auf die ständige bundesarbeitsgerichtliche Rechtsprechung. 436 BVerfG v. 20. 10. 1981 – 1 BvR 404/78, AP TVG § 2 Nr. 31 [B. I. 3.]. Kritisch auch Uffmann/Heitmann, Anm. zu BAG v. 15. 5. 2019 – 7 ABR 35/17, AP MitbestG § 22 Nr. 3, [I.], die den einheitlichen Gewerkschaftsbegriff sowohl aus methodischen wie auch verfassungsrechtlichen Aspekten ablehnen. 437 So die Regierungserklärung zu dem Entwurf eines Arbeitsgerichtsgesetzes als Anlage zu den Verhandlungen des Reichtstages, Band 411, Nr. 2795, S. 119; s. nur Dütz, AuR 1976, 65, 70; dafür auch Buchner, FS BAG 1979, S. 55, 56; a. A. Brox, Anmerkung zu BAG v. 10. 9. 1985 – 1 ABR 32/83, SAE, 1986, 229, 234. 438 So die bereits erwähnte Regierungserklärung zu dem Entwurf eines Arbeitsgerichtsgesetzes als Anlage 3 der Verhandlungen des Reichtstages, Band 411, Nr. 2795, S. 119; ungenau daher Tatarin-Tarnheyden, Berufsverbände, S. 28 Fn. 73. 439 Sinzheimer, Die Arbeit 1926, 669, 672.

D. Der einheitliche Gewerkschaftsbegriff

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geschuldet, als auf ein einheitliches Verständnis zurückzuführen, welches die Tariffähigkeit auch für die Aufgabenwahrnehmung nach bspw. § 8 BRG als notwendig ansah.440 Dies wird auch dann deutlich, führt man sich vor Augen, dass die Vereinigungen nach § 1 TVVO und nach Art. 159 WRV ebenso wie die Organisationen nach Art. 165 WRV – auf welche die kompetenzielle Differenzierung der Gewerkschaftsaufgaben maßgeblich zurückzuführen sein dürfte – stets dieselben Voraussetzungen aufwiesen. Diese Tariffähigkeitsvoraussetzungen waren solche, die trotz dahingehender vorrangiger Zielsetzung inhaltlich gerade nicht tarifspezifisch waren. Das Erfordernis der Unabhängigkeit, welches als das wohl wesentliche Merkmal der Arbeitnehmervereinigungen angesehen werden konnte, wurde im Besonderen aus der Zielsetzung und der kampfgeleiteten Entstehungsgeschichte der Verbände abgeleitet und als für die Aufgabenbewältigung unerlässlich angesehen. Insofern besteht ein unmittelbarer Kausalzusammenhang dazu, dass sich die Verbände der Arbeitnehmervertretung ihren Platz in der Arbeits- und Wirtschaftsverfassung angesichts der späten gesetzlichen Anerkennung erkämpfen und gegen lange andauernde Phasen der Koalitionsfeindlichkeit verteidigen mussten.441 Im Vordergrund sämtlicher Koalitionsbetätigung stand die generelle Fähigkeit zur echten sozialen Gegnerschaft.442 Diese Aufgabenbewältigung betrifft jedoch nicht nur das Tarifwesen. Hinzu kommt, dass der Gesetzgeber bereits damals von einem dynamischen, offenen Begriff ausging, der nur an wenige feste Voraussetzungen geknüpft war. Selbst ein einheitliches Verständnis unterstellt, könnte dies also logisch bereits nicht die später in Rechtsfortbildung entstandenen Begriffsmerkmale umfassen.443 Dafür spricht nicht zuletzt, dass das Weimarer Verständnis von einem tatbestandlichen Gleichlauf der Voraussetzungen für Arbeitnehmer- wie auch für Arbeitgebervereinigungen ausging.444 Damals wie heute schließlich bezeichnet Tariffähigkeit die Tauglichkeit einer Vereinigung, Partei eines Tarifvertrages zu sein. Dem Grunde nach tauglich ist eine Vereinigung der Arbeitnehmer zunächst, wenn sie generell in der Lage ist, zur Verbesserung der Situation der Arbeitnehmer beizutragen.445 Dass dies nur für die tarifautonome Gestaltung der Arbeits- und Lohnbedingungen gelten soll, ist nicht ersichtlich. Vielmehr muss dies für sämtliche den Vereinigungen garantierte Tätigkeitsbereiche gelten. Die Tarifautonomie mit dem sie gewährleistenden Tarifvertragssystem ist nur eines der koalitiven Betätigungsmittel. Warum in der Folge 440

So zumindest Sambale, BRG, § 8, S. 9. Vgl. Jacobi, Grundlehren, S. 165; Sinzheimer, Ein Arbeitstarifgesetz, S. 56; ders., Grundzüge des Arbeitsrechts, S. 71; Tatarin-Tarnheyden, Berufsverbände, S. 20 f.; Sinzheimer, Die Arbeit 1926, 699, 675; Wahl, Relativität des Gewerkschaftsbegriffs, S. 18. 442 So bezeichnend Buchner, FS BAG 1979, S. 55, 57 unter Berufung auf Dütz, AuR 1976, 65 ff. 443 Diese Kritik klingt auch an bei Uffmann, ZIP 2020, 2051, 2055. 444 Beispielhaft nur der Verweis auf die Regierungserklärung zu dem Entwurf eines Arbeitsgerichtsgesetzes, in: Verhandlungen des Reichtstages, Band 411, Nr. 2795, S. 119. 445 Für eine marktbezogene Betrachtung auch Herschel, AuR 1978, 321, 323. 441

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1. Kap.: Der einheitliche Gewerkschaftsbegriff als Status quo

eine Tauglichkeit zur Erfüllung der Funktionen einer dieser Systeme die Tauglichkeit für ein anderes gleichberechtigtes System bedingen soll, ist nicht nachvollziehbar.446 Eine Tauglichkeit muss sich gerade an der inhaltlichen Gestalt des jeweiligen Systems mitsamt seinen Herausforderungen und Widrigkeiten orientieren. Zwar mögen sich die Systeme in diesem Hinblick vereinzelt überschneiden, sodass auch die in ihnen tätigen Vereinigungen ähnliche Voraussetzungen erfüllen können.447 Eine absolute Tauglichkeit kann dennoch keinesfalls a priori bestehen. Dies gilt unabhängig von der Frage, ob bereits Art. 9 Abs. 3 GG verschiedene gleichrangige und sich ergänzende Systeme der Förderung und Wahrung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen bereitstellt.448 b) Die funktionale Argumentationslinie Ersichtlich wird aus seiner historischen Argumentation, dass das Bundesarbeitsgericht das historische Argument auch in ein funktionales einkleidet. Aufgrund der Herausforderungen der Tarifautonomie dürften nur solche Vereinigungen an ihr teilnehmen, die diesen Herausforderungen mittels bestimmter Eigenschaften und Fähigkeiten gerecht werden könnten.449 Sodann geht das Bundesarbeitsgericht davon aus, dass diejenigen Zwecke, die die weitergehenden Anforderungen an die Tariffähigkeit erfordern, auch für andere einfache Gesetze gelten müssen.450 Das Funktionalitätsargument des Bundesarbeitsgerichtes in der Einheitlichkeitsfrage geht zurück auf die grundlegende Auseinandersetzung mit der Aufgabe der Koalitionen und ihrem Verhältnis zueinander. Ausgedrückt wird dies nicht zuletzt auch in der vom Bundesarbeitsgericht gebildeten Voraussetzung sozialer Mächtigkeit für eine Tariffähigkeit. Seinen Ausgang findet die Mächtigkeitstheorie wie auch zuvor das grundsätzliche Bedürfnis gleichberechtigter Gegenspieler in dem Bestreben der Privatautonomie nach Ausgleichsgerechtigkeit. Diese wird, wenn auch zweifelhaft betitelt, in der „Richtigkeitsgewähr“ des Vertrages verkörpert. Auf die verfassungsrechtlichen Herausforderungen und Mechanismen einer solchen Parität soll in Kapitel 2, Abschnitt C. ausführlich eingegangen werden. Hier soll es lediglich bei 446 447

474.

Mit dieser Kritik auch Gamillscheg, Kollektives Arbeitsrecht, Band 1, S. 435. So auch Grunsky, Anmerkung zu BAG v. 15. 3. 1977 – 1 ABR 16/75, JZ 1977, 470,

448 Stellv. an dieser Stelle BVerfG v. 1. 3. 1979 – 1 BvR 532/77 u. a., AP MitbestG § 1 Nr. 1 [C. IV. 2. a)]. Zum Gewährleistungsgehalt des Art. 9 Abs. 3 GG ausführlich Kapitel 3, Abschnitt A. I. 449 So die ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes, vgl. nur BAG v. 15. 3. 1977 – 1 ABR 16/75, AP GG Art. 9 Nr. 24; ebenso BVerfG v. 18. 11. 1954 – 1 BvR 629/52, NJW 1954, 1881, 1882; BVerfG v. 6. 5. 1964 – 1 BvR 79/62, NJW 1964, 1267, 1268. 450 BAG v. 15. 3. 1977 – 1 ABR 16/75, AP GG Art. 9 Nr. 24 [III.]; zumindest konkludent bereits zu § 118 BetrVG 1972 das BAG v. 21. 11. 1975 – 1 ABR 12/75, AP BetrVG 1972 § 118 Nr. 6 [II. 1 a)]; s. ebenso zuvor zur Frage der Beteiligtenfähigkeit und Antragsfähigkeit nach § 97 ArbGG BAG v. 23. 04. 1971 – 1 ABR 26/70, AP ArbGG 1953 § 97 Nr. 2 [1.]; dagegen u. a. auch ErfK/Franzen, § 2 TVG Rn. 16.

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der Feststellung verbleiben, dass die Verfassung – aktualisiert und konkretisiert durch das einfache Recht – den Koalitionen im Bereich der Arbeits- und der Wirtschaftsverfassung Rahmenbedingungen bereitgestellt hat, anstatt durch normative Eingriffsregelungen einen solchen Ausgleich herzustellen. Die Leitsätze 4 und 5 des Staatsvertrages über die Schaffung einer Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion stellen in diesem Zuge eine Verknüpfung von tarifautonomen Aufgaben, Leistungsfähigkeit und sozialer Macht als Tariffähigkeitskriterien her. So soll eine autoritative Verhandlungsweise ermöglicht werden.451 Dieser Betrachtung liegt die Prämisse einer antagonistischen Verhandlungsgrundlage zugrunde. Sie setzt voraus, dass sich die Parteien auf der Grundlage widerstreitender Interessen treffen und ein Kompromiss „erkämpft“ werden muss. Auch der Regierungsentwurf der TVVO ging von einer aus dem Tarifvertrag bekannten antagonistischen Verhandlungssituation aus.452 Das Bundesarbeitsgericht sieht nun diese Ausgangslage des Aufeinandertreffens als auf andere Fälle der Koalitionsbetätigung übertragbar an. Dabei verkennt es jedoch, dass es sich in vielen anderen Fällen weniger als Aufeinandertreffen denn als ein Zusammentreffen darstellt. Bereits oberflächlich betrachtet verhandeln die „Gegner“ im Aufsichtsrat auf einer anderen Basis und mit dem Ziel der Bildung eines gemeinschaftlichen Organwillens. Unterzieht man Gegenstand der Verhandlungen und Veranlassung einer genaueren Betrachtung, so wird deutlich, dass sich Beginn, Ablauf wie auch Zielsetzung dieser Zusammentreffen – zumindest nach der gesetzlichen Ausgestaltung – grundlegend anders gerieren.453 Auf diese Weise werden unwillkürlich die Ziele und Zwecke einer Norm auf andere Normen erweitert. Missachtet wird dabei, dass sich Normziele und -zwecke niemals objektiv aus der Norm selbst heraus entnehmen lassen, sondern dieser vielmehr als Ausdruck des normschöpferischen Willens zugrunde liegen. Folglich können Normzwecke niemals nachträglich übertragen werden. Die Oktroyierung eines davon abweichenden Willens würde einen Verstoß gegen Demokratie- und Gewaltenteilungsprinzip darstellen.454 Damit ist freilich nicht gesagt, dass verschiedene Gesetze oder Einzelnormen nicht in ihrer Zielsetzung übereinstimmen können, sondern lediglich, dass diese Zielsetzungen durch den gesetzgeberischen Willen ausgedrückt werden müssen. 2. Das Meinungsbild in der Literatur Während die Ansicht des Bundesarbeitsgerichtes lange Zeit überwiegend Zuspruch in der Literatur fand, ist die Kritik in den letzten Jahren zunehmend lauter 451

BAG v. 15. 3. 1977 – 1 ABR 16/75, AP GG Art. 9 Nr. 24 [II. 4.]. Als „Fehde“ Sinzheimer, Ein Arbeitstarifgesetz, S. 39, vertiefend S. 56. 453 S. dazu Kapitel 3, Abschnitt A. II. 2. c) cc) für eine Gegenüberstellung von Tarifvertrag und Aufsichtsratsbeschluss. 454 Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, Rn. 718 ff. So bereits Abschnitt C. I. 1. a) dieses Kapitels. 452

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geworden. Befürworter des einheitlichen Begriffsverständnisses455 berufen sich neben der Aufnahme des gerichtlichen Argumentationsstranges vorwiegend auf die Begriffslehre,456 bedienen sich aber auch historischer Argumente.457 Geprägt ist dieses Meinungsbild jedoch stets von objektiv-teleologischen Erwägungen. Söllner bspw. verweist konkret auch auf das BetrVG in der Fassung des Jahres 1952 wie auch auf das ArbGG von 1953 und geht, gerade in Ermangelung gesetzgeberischer Aussagen zum Begriffsverständnis in den entsprechenden Materialien, von einem einheitlichen Begriffsverständnis aus.458 Diesem legt er ausdrücklich und ausweislich seiner aufgezeigten Chronologie konkludent den tarifrechtlichen Begriff zugrunde.459 Die Grenze typologischer Begriffswirkungen zieht er mithilfe des arbeitsrechtlichen Kontextes.460 Methodisch handelt es sich bei der Argumentation Söllners um einen klassischen Fall der Auslegung des Begriffes „Gewerkschaft“ nach seinem Wortlaut. Demnach erwägt der Rechtsanwender im Rahmen der Auslegung des Gewerkschaftsbegriffes diesen so zu verstehen, wie er typischerweise in der Rechts- oder auch Alltagssprache verstanden wird. In diesem Zuge kann freilich die Intention des Gesetzgebers von einem üblicherweise in einer bestimmten Ausgestaltung verwendeten Begriff herangezogen werden. Die Übernahme dieses typischen Verständnisses darf indes nicht zwingend unterstellt werden.461 Maßgeblich bleiben kann nur der Wille des jeweiligen historischen Normgebers. Überdies kann bereits die Einordnung des Gewerkschaftsbegriffes in die Begriffsklassifizierung von Klassenbegriff und Typusbegriff nicht unhinterfragt hingenommen werden. Zu erwägen ist vielmehr, von der Tariffähigkeit als Typusbegriff zu sprechen, bei deren Vorliegen die Vereinigung im Sinne des § 2 Abs. 1 TVG fähig ist, Partei eines Tarifvertrages zu sein. Die Merkmale dieser Tariffähigkeit hat sodann die Recht-

455

Däubler, Anmerkung zu BAG v. 15. 3. 1977 – 1 ABR 16/75, AuR 1977, 281, 286; Habersack/Henssler/Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 7 MitbestG Rn. 57; Raiser/Veil/ Jacobs/Raiser/Jacobs, MitbestG/DrittelbG, § 7 MitbestG Rn. 18; Berg/Kocher/Schumann/ Kocher, TVG und Arbeitskampfrecht, Teil 2, § 2 Rn. 6; MitbestG 1976 Praxiskommentar/ Schwegler, § 7 Rn. 22; konkludent Henssler/Willemsen/Kalb/Seibt, § 7 MitbestG Rn. 12; a. A. Buchner, FS BAG 1979, S. 55 passim; Dütz, DB 1996, 2385, 2390; ErfK/Franzen, § 2 TVG Rn. 16; Franzen, RdA 2001, 1, 7 ff.; Gamillscheg, Kollektives Arbeitsrecht, Band 1, S. 435 ff.; Rieble, Arbeitsmarkt und Wettbewerb, Rn. 1874 ff.; Wiedemann/Oetker, § 2 Rn. 216 ff. 456 S. dazu auch Wahl, Relativität des Gewerkschaftsbegriffs, S. 148; grundlegend Bydlinski, Juristische Methodenlehre, S. 299 ff.; Wank, Juristische Begriffsbildung, passim. 457 MitbestG 1976 Praxiskommentar/Schwegler, § 7 Rn. 22. 458 Söllner, AuR 1976, 321. 459 Söllner, AuR 1976, 321. 460 Söllner, AuR 1976, 321. 461 So auch Brox, Anmerkung zu BAG v. 10. 9. 1985 – 1 ABR 32/83, SAE 1986, 229, 234; ErfK/Franzen, § 2 TVG Rn. 16; Wank, Juristische Begriffsbildung, S. 24, 111 ff.

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sprechung erschaffen462 und prüft diese anhand von Indizien im Rahmen einer Gesamtschau nach § 286 ZPO. Doch auch derjenige Teil der Literatur, der einen einheitlichen Gewerkschaftsbegriff ablehnt, konzentriert sich in seiner Argumentation auf die verfassungsrechtliche Bewertung des Ausbaus der „Mächtigkeitstheorie“, welche zu einer Monopolisierung wirtschaftlicher und sozial ordnender Macht führe.463 Ausgangspunkt bildet die Prämisse, der historische Gesetzgeber habe auch nach dem Zweiten Weltkrieg seiner Normsetzung ein einheitliches Begriffsverständnis zugrunde gelegt.464 Eine Abkehr von diesem einheitlichen Verständnis wird damit gerechtfertigt, die jüngeren Fortbildungen des Bundesarbeitsgerichtes hätten schließlich zu einer verfassungswidrigen Einengung der Tariffähigkeitsvoraussetzungen geführt und diese in der Einheitlichkeit des Begriffsverständnisses rechtswidrig perpetuiert. Diese Schlussfolgerung kann zumindest in Konsequenz der Verwendung historischer Argumente keinen Bestand haben. Sofern damit argumentiert wird, dass die Einheitlichkeit mit Fortschreiten der Zeit und dabei stetig stringenteren Anforderungen an die Tariffähigkeit nicht mehr haltbar ist,465 ist dies nicht gänzlich zutreffend. Die verfassungskonforme Rechtsfortbildung des Gewerkschaftsbegriffes hat keine zeitlichen Grenzen, welche unabhängig von der materiellen Normsetzung betrachtet werden können. Ein einzelnes „einengendes“ Kriterium kann durchaus grundrechtsrelevant und verfassungswidrig sein. Dies wäre es jedoch auch bereits zum Zeitpunkt der ersten Rechtsfortbildung gewesen. Ein verfassungsrechtlich relevantes Zusammenwirken verschiedener Kriterien hin zur Verfassungswidrigkeit kennt kein zeitliches Moment, bei dessen Überschreiten ein metaphorisches Maß gefüllt ist. Auch sind die Rechtssetzer im Rahmen der Fortbildung nur in beschränktem Umfang derart gebunden, sodass von einer Unumkehrbarkeit der Rechtssetzung nur in bedingtem Maße gesprochen werden kann. Der Rechtsprechung bleibt folglich ein Spielraum, in welchem das „kollusive“ Zusammenwirken einzelner Merkmale oder Voraussetzungen abgeschwächt und beeinflusst werden kann – sei es auch erst über einen gewissen Zeitraum. Allein durch die Abweichung oder Aufgabe ständiger Rechtsprechung ist die Grenze des Willkürverbotes in der obig nachgezeichneten Form nicht überschritten. Die Argumentation mit der Verfassungswidrigkeit verschiedener Tariffähigkeitskriterien überspringt zudem den argumentativen Scheidepunkt, welcher bereits in der Verknüpfung von Tariffähigkeit und Gewerkschaftsbegriff liegt.

462 S. bereits Abschnitt A. I. und III. mit der verfassungsrechtlichen Einordnung und den Voraussetzungen. Zum historischen Inhalt des Gewerkschaftsbegriffes Abschnitte B. und C. I. 2. ff. 463 ErfK/Franzen, § 2 TVG Rn. 16; ders., RdA 2001, 1, 6 f.; Grunsky, Anmerkung zu BAG v. 15. 3. 1977 – 1 ABR 16/75, JZ 1977, 470, 473; abgeschwächt Buchner, FS BAG 1979, S. 55, 63. 464 Für diese Argumentationslinie beispielhaft Buchner, FS BAG 1979, S. 55, 58. 465 So ist wohl Buchner, FS BAG 1979, S. 55, 62 zu verstehen.

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II. Die Fehlobjektive der Widerspruchslosigkeit – Keine „Einheit der Rechtsordnung“ Die Idee der Einheit der Rechtsordnung wird sowohl in der Lehre als auch in der Praxis regelmäßig dann fruchtbar gemacht, wenn es darum geht, ein Auslegungsergebnis oder eine bestimmte Rechtssetzung zu rechtfertigen.466 Aber auch vice versa werden vermeintlich „abweichende“ Ergebnisse oftmals mit der Argumentation abgewiesen, dass sie entgegen der Einheit der Rechtsordnung unlösbare Fragen der Rechtssicherheit und Gerechtigkeit aufwürfen.467 In diesen Fällen wird die Einheit der Rechtsordnung sodann zumeist entweder aus rechtsstaatlichen468 und/oder Gleichbehandlungsgründen469 gefordert. Eine einheitliche Rechtsordnung sei nicht zuletzt aus Gründen der Rechtssicherheit erforderlich. Dieses Einheitspostulat für sich kann Auslegungsergebnisse jedoch nur rechtfertigen, wenn die diese Einheit moderierenden Grundprinzipien nicht positivrechtlich auf Verfassungsebene verankert werden können.470 Die Qualifikation als bloße Rechtsidee genügt hingegen nicht. Eine Rechtsidee erweist sich stets als historisch volatil und abhängig von dem jeweiligen zeitgeistigen Verständnis überpositiven Rechtes.471 1. Kein Einheitspostulat von Verfassungsrang Voraussetzung einer verfassungsrechtlichen Verankerung der Einheit der Rechtsordnung ist eine systemische Einheit, von der überhaupt abgewichen werden kann. Das Prinzip der Einheit der Rechtsordnung operiert hierbei unter der Prämisse der (Gesamt-)Rechtsordnung als Wertesystem.472 Hierin sind grundlegende Werteentscheidungen vereint, die sich zu einem kohärenten Gefüge zusammenschließen. Definiert als „Teil von einem Ganzen“ ist der Systembegriff freilich relativ. Bereits 466

S. dazu nur Felix, Einheit der Rechtsordnung, S. 5 ff. S. dazu Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, Rn. 775. 468 In Bezug auf widersprückliche Rechtsfolgenanordnungen BVerfG v. 7. 5. 1998 – 2 BvR 1876/91 u. a., NJW 1998, 2346, 2347; für die Einheit der Rechtsordnung als kompetenzübergreifende Bestrebung BVerfG v. 7. 5. 1998, 2 BvR 1991 – 95 u. a., NJW 1998, 2341, 2342; mit dem Problem der Einzelfallentscheidungen BVerfG v. 31. 5. 1988 – 1 BvR 520/83, NJW 1989, 666, 667; bzgl. Zuständigkeitsbestimmungen BVerfG v. 15. 7. 2003 – 2 BvF 6/98, NVwZ 2003, 1497, 1498. 469 Canaris, Systemdenken und Systembegriff, S. 16 f.; Neuner, Rechtsfindung contra legem, S. 165 f.; Rittner, FS Nörr 2003, S. 801, 810. 470 Degenhart, Systemgerechtigkeit, S. 1; Höpfner, Systemkonforme Auslegung, S. 38. 471 Kritisch auch Engisch, Einheit der Rechtsordnung, 35 f.; Heck, Begriffsbildung und Interessenjurisprudenz, S. 158; Höpfner, Systemkonforme Auslegung, S. 39; eindrucksvoll dargestellt durch Rüthers, Unbegrenzte Auslegung, S. 445 ff., vor dem Hintergrund des Nationalsozialismus, S. 101 ff. Als Beispiel der Wandelbarkeit des juristischen Zeitgeistes dient in besonderem Maße der Wandel des Rechtsverständnisses im Dritten Reich: Larenz, Deutsche Rechtserneuerung, S. 35, 36, wenn von einem lebendigen Gemeinwillen die Rede ist. 472 Röhl/H. C. Röhl, Allgemeine Rechtslehre, S. 56 ff., 153 f.; Zippelius, Methodenlehre, S. 43. 467

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eine einzelne Norm kann sich mit ihren Absätzen und Sätzen, Regelungsanordnungen und Geboten zu einem System zusammensetzen.473 Zumeist bezieht sich das Argument der Einheit der Rechtsordnung jedoch auf das „innere System“ der Rechtsordnung im Kontrast zum äußeren Gerüst der Rechtsgebiete des öffentlichen, Zivil- und Strafrechtes.474 Besteht auch Streit darüber, wie mit dieser Idee der inneren Ordnung umzugehen ist, herrscht insoweit überwiegend Einigkeit, dass es sich bei der auf diese Weise postulierten Widerspruchslosigkeit der Rechtsordnung um eine zunächst nur theoretische Wunschvorstellung handeln kann.475 Einem solchen Anspruch könnte die Rechtsordnung bereits originär nicht gerecht werden, da das bestehende System niemals strikt als solches in seinem Selbstzweck besteht. Vielmehr ist es die strukturelle Ausprägung des jeweiligen gesetzgeberischen Willens als sein Schöpfer. Nur in diesem Kontext ist das Rechtssystem für die Rechtssetzung relevant. Aus ihr heraus entsteht sodann auch das Verbot willkürlicher Rechtssetzung.476 Das Rechtsstaatsprinzip i. V. m. Art. 3 GG fordert eine nachprüfbare normative Grundlage für alles staatliche Handeln, welches mit der Verfassung vereinbar sein muss.477 Doch nicht jede Ungleichbehandlung von Gleichem oder Gleichbehandlung von Ungleichem stellt auch eine unzulässige Benachteiligung dar. Dies gilt ungeachtet einer Differenzierung zwischen Rechtsanwendung und Rechtssetzung gleichermaßen. Lediglich unsachliche Differenzierungen sind verfassungsrechtlich zu beanstanden.478 Mit dem Zugeständnis bestehender Widersprüche geht auch Hecks Systemverständnis einher, in welchem er das System in der Existenz gesetzgeberischer Konfliktentscheidungen sieht.479 Damit ergibt sich das innere System in der Realität aus den natürlichen Wertungswidersprüchen und korrespondierenden Versuchen, diese so gut wie möglich in ein zusammenhängendes Gefüge zu bringen.480 Dies gilt für einfachgesetzliche wie verfassungsrechtliche Widersprüche gleichermaßen.481 Besinnt man sich untechnisch darauf, dass das Recht von Menschen ge473

Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, Rn. 744. Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, Rn. 750. 475 S. nur R. Schmidt, FS Canaris 2007, Band 2, S. 1353; a. A. Bergmann, BB 1981, 2001, 2003, der die Einheit der Rechtsordnung für verfassungsrechtlich geboten und daher nicht als bloßes Ideal betrachtet; unter dieser Prämisse auch vertiefend ders., FR 1981, 292 passim; Röhl, Allgemeine Rechtslehre, 1. Auflage, S. 601 geht von einer Gleichsetzung von Postulat und Forderung aus. 476 BVerfG v. 23. 1. 1990 – 1 BvL 44/86 u. a., NZA 1990, 161, 168; Jarass/Pieroth/Jarass, GG, Art. 3 Rn. 34; Dürig/Herzog/Scholz/P. Kirchhof, Art. 3 Abs. 1 Rn. 429 ff. 477 Ausführlich zu den entsprechenden Garantiegehalten und zur Gesetzesbindung Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, Rn. 194 ff.; Sachs/Sachs, GG, Art. 20 Rn. 113 ff.; s. für die konkrete Fragestellung auch Höpfner, Systemkonforme Auslegung, S. 50; Peine, Recht als System, S. 24. 478 Degenhart, Systemgerechtigkeit, S. 25. 479 Heck, Begriffsbildung und Interessenjurisprudenz, S. 149 ff.; s. auch Baldus, Einheit der Rechtsordnung, S. 102 ff.; Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, Rn. 751. 480 Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, Rn. 752. 481 Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, Rn. 755. 474

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macht wird, wird offenbar, dass es zwangsläufig zu Wertungswidersprüchen kommen muss. Doch auch außerhalb der Fehlbarkeit des Gesetzgebers beruhen Normen und Gesetze auf dem Handeln unterschiedlicher Gesetzgeber.482 Die historische Einbettung der Gesetzgebung stellte diese vor divergierende Probleme, deren sie mit demselben Mittel Herr zu werden versuchten.483 Gemeint sind in diesem Kontext nicht unterschiedliche parallel existierende Gesetzgeber, wie der Unions- und der mitgliedstaatliche Gesetzgeber, sondern die chronologisch aufeinanderfolgenden Normsetzer innerhalb einer Regelungskompetenz. Damit wird Rechtseinheit vom Rechtsanwender nie vorgefunden, sondern allenfalls produziert – vorrangig von den obersten Bundesgerichten und dem Bundesverfassungsgericht.484 Dies hat zur Folge, dass das Einheitspostulat mehr noch für die Rechtsfortbildung als für die Auslegung als Argument dient, da in der Auslegung „Eingelegtes“485 gesucht und nicht geschaffen wird.486 Damit stellt sich vielmehr die Frage, wie streng und vehement diese Bestrebungen nach Einheit und Widerspruchslosigkeit durch eine Angleichung verfolgt werden sollen oder gar müssen.487 Dies gilt umso mehr bei der Behandlung von Richterrecht, welches es als gesetztes Recht in das bestehende System einzupassen gälte.488 Für den Rechtssetzer – legislativ wie judikativ – kann nicht von einer engen Bindung ausgegangen werden. Sie ist einmal auf legislativer Ebene nicht praktikabel, da sie die Rechtssetzung als Reaktion auf sich wandelnde sozioökonomische, politische oder wirtschaftliche Wandel ad absurdum führen würde. Eine solche Versteinerung des bestehenden Normengefüges würde damit Widersprüche geradezu provozieren.489 Für die judikative Rechtssetzung ergibt sich dies ebenfalls – wenn auch mit einem Zwischenschritt über die Delegation der Rechtssetzung mithilfe offener Normen.490 Auf diese Weise kann auch das Streben nach einer einheitlichen Rechtsordnung mit dem lenkenden Faktor des gesetzgeberischen Willens in Einklang gebracht werden. Die angebrachten verfassungsrechtlichen Anknüpfungspunkte wie Art. 3 Abs. 1, 20 Abs. 1, 3 GG können als Argument dafür herangezogen werden, dass auch der Gesetzgeber nach einer einheitlichen Behandlung von gleichen Sachverhalten auf der Grundlage eines kohärenten Systemes strebt.491 Im 482

Vertiefend zum Begriff des Gesetzgebers Frieling, Gesetzesmaterialien, S. 23 ff. Höpfner, Systemkonforme Auslegung, S. 12 f.; Jarass, AöR 126 (2001), 588; Rüthers, Unbegrenzte Auslegung, S. 445 ff.; Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, Rn. 775. 484 Grimm, AcP 171 (1971), 266; Höpfner, Systemkonforme Auslegung, S. 13 f. 485 Mit dieser Formulierung Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, Rn. 722. 486 So wohl auch Höpfner, Systemkonforme Auslegung, S. 13. 487 Mit dieser Frage auch Höpfner, Systemkonforme Auslegung, S. 13 f. 488 Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, Rn. 744, 746, 762a. 489 Vgl. Höpfner, Systemkonforme Auslegung, S. 45. 490 Höpfner, Systemkonforme Auslegung, S. 45. 491 Für widersprüchliche Rechtsfolgenanordnungen Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, Rn. 775; aus Gründen der „Funktionsgerechtigkeit“ Hill, Einführung in die Gesetzgebungslehre, S. 96 ff., 124. 483

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Bewusstsein des Nutzens eines solchen Normgefüges wird es von ihm als Optimum angestrebt.492 Unter dieser Prämisse können Normen ausgelegt und angewandt werden. In Ermangelung eines solchen einheitlichen Systemes geht es jedoch regelmäßig um eine grammatikalische Auslegung, in deren Rahmen gleichlautende Begrifflichkeiten den rechtsuntechnischen ersten Anschein eines gleichen Verständnisses erwecken können.493 Dieser Anschein stellt an die Abwägung der in die Auslegung einfließenden Einzelaspekte dabei geringere Ansprüche als eine widerlegliche Vermutung. Eine solche würde den Wortlaut zwangsläufig stärker gewichten, indem dessen Auslegungsergebnis erst widerlegt – also explizit abgelehnt – werden müsste. Die Wortlautauslegung stellt aber im Kontext des Auslegungskanons vielmehr weiterhin lediglich ein mögliches Auslegungsmittel dar,494 sodass abweichende systematische und historische Erwägungen diesen Anschein zugunsten eines abweichenden Verständnisses erschüttern können.495 Dies setzt freilich voraus, dass eine Harmonisierung bzw. Vereinheitlichung von Widersprüchen überhaupt geboten und von daher anzustreben ist. Insofern ist mit Höpfner zwischen Kollisionen und Widersprüchen zu differenzieren. Auf diese Weise kann bei einer Divergenz von Normen und ihren Regelungsanordnungen zunächst wertfrei von Kollisionen gesprochen werden, die trotz oder gar wegen eines Auslegungsergebnisses nicht aufgehoben werden können. Sofern auch die Anwendung der Kollisionsregeln scheitert, kann von einem Widerspruch gesprochen werden.496 2. Kein einheitliches Gewerkschaftsverständnis Um die Argumentation des Bundesarbeitsgerichtes nachzuvollziehen, soll nun einmal unterstellt werden, dass die historische Auslegung des Gewerkschaftsbegriffes nach dem MitbestG zu einem anderen Ergebnis geführt hat als das herrschende Verständnis des Gewerkschaftsbegriffes beruhend auf dem TVG. Nach dem klassischen Widerspruchsverständnis würde es sich sodann um einen „(gesetzes-) technischen Widerspruch“497 handeln, der einer Einheit der Rechtsordnung nicht abträglich wäre.498 In der deutschen Rechtsordnung gibt es eine Vielzahl von 492

Höpfner, Systemkonforme Auslegung, S. 53, 54. Strenger und im Sinne einer Willkür als Indiz einer widerleglichen Vermutung: Degenhart, Systemgerechtigkeit, S. 22. 494 Gleichsam Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, Rn. 734. Zur Gleichrangigkeit der Auslegungsmittel s. Kapitel 4, Abschnitt A. III. 495 Die Parallele zum Anscheinsbeweis im Sinne des § 286 ZPO darf freilich nicht streng technisch verstanden werden. Hierzu s. dennoch stellv. Musielak/Voit/Foerste, ZPO, § 286 Rn. 24 f. 496 Höpfner, Systemkonforme Auslegung, S. 15 f. 497 Engisch, Einführung in das juristische Denken, S. 225; s. auch Hill, Einführung in die Gesetzgebungslehre, S. 99. 498 Engisch, Einheit der Rechtsordnung, S. 45 f. 493

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gleichlautenden Begriffen, die je nach normativer Einordnung mit einer unterschiedlichen Bedeutung bedacht sind.499 Dies gilt zunächst für Begriffe, die über verschiedene Rechtsgebiete (Straf-, Zivil- und öffentliches Recht) hinaus Verwendung finden, wie beispielsweise der Begriff des Vorsatzes. Dieser umfasst im Zivilrecht weitergehend als im Strafrecht auch das Bewusstsein der Rechtswidrigkeit.500 Aber auch innerhalb eines Rechtsgebietes und dort sogar innerhalb eines Gesetzes können Begriffe unterschiedliche Bedeutung haben. Beispielhaft hierfür sind der Arbeitnehmerbegriff in seinen arbeitsrechtlichen oder sozialversicherungsrechtlichen Ausprägungen und der Begriff des Schuldverhältnisses, welcher durch § 311 Abs. 1 und § 241 Abs. 1 BGB unterschiedlich ausgefüllt wird.501 Auf Verfassungsebene schließlich können die unterschiedlichen Bedeutungen von „verfassungsmäßige[r] Ordnung“ nach Art. 9 Abs. 2 und Art. 2 Abs. 1 GG sowie „Gesetz“ nach Art. 100 Abs. 1 GG und bspw. Art. 5 Abs. 2 GG genannt werden. Diese Unterschiede sind sodann nach dem klassischen Lösungsansatz die natürliche Konsequenz der Relativität der Rechtsbegriffe, welche durch Telos und Ziel der Norm bestimmt würden.502 Zu einer Unbeachtlichkeit der terminologischen Differenzen gelangt man ebenso mithilfe der hier vertretenen Differenzierung. Erachtet man den Kern einer Norm nicht in deren Wortlaut, sondern diesen vielmehr als Kommunikationsinstrument ihres jeweiligen Regelungszieles, so bestünde in dem vorliegenden Fall bereits keine Kollision. Die Normen divergieren aufgrund ihrer unterschiedlichen regulatorischen Intention weder in Tatbestand noch Rechtsfolge – es besteht bereits keine Kollision. Im Gegenteil führt die Ansicht des Bundesarbeitsgerichtes und ihre Gleichläufigkeit der Begriffe erst zu einem ggf. auflösungsbedürftigen Widerspruch: Das Bundesarbeitsgericht geht von einem gleichen inhaltlichen Begriffsverständnis aus, einmal aus funktionalen Gründen (s. o.), einmal aus systematischen Gründen. Die Annahme gleichläufiger Funktionen führt jedoch erst zu dem Bedürfnis der terminologischen Gleichstellung, um eine Kollision aufzulösen. Nur eine unterschiedliche Behandlung der Normzwecke ermöglicht eine widerspruchsfreie Ordnung – sei sie nun geboten oder nicht.

499

Mit weiteren Beispielen Engisch, Einheit der Rechtsordnung, S. 43 f.; ders., Einführung in das juristische Denken, S. 116; Hill, Einführung in die Gesetzgebungslehre, S. 124 f.; Olbrich, Tariffähigkeit von Arbeitnehmervereinigungen, S. 29 f. 500 BeckOK-BGB/Lorenz, § 276 Rn. 10. 501 Zu der Differenzierung der Schuldverhältnisse im engeren und weiteren Sinne stellv. MüKoBGB/Bachmann, Band 2, § 241 Rn. 4. 502 Engisch, Die Relativität der Rechtsbegriffe, in: Murad, Deutsche Landesreferate zum V. Internationalen Kongress für Rechtsvergleichung in Brüssel 1958 S. 59 ff.; Wank, Juristische Begriffsbildung, S. 111 ff. passim.

D. Der einheitliche Gewerkschaftsbegriff

99

III. Kritische Würdigung Die einheitliche Fortbildung des Gewerkschaftsbegriffes nach dem Vorbild des tarifrechtlichen Verständnisses ist demnach kein Automatismus und nicht verfassungsrechtlich geboten. Die Begriffsauslegung erfolgt auch bei unbestimmten Rechtsbegriffen nach dem klassischen Kanon der Auslegungsmittel: Grammatik, System und Historie.503 Bestehende Begriffsinterpretationen wie das tarifrechtliche Gewerkschaftsverständnis können im Rahmen der Wortlautauslegung herangezogen werden. Das Prinzip der Einheit der Rechtsordnung führt aber nicht zu einer erhöhten Belastbarkeit des Wortlautes. Gleichlautende Terminologie kann eine Vermutung dahingehend begründen, sie sei jeweils gleich zu verstehen; sie wird aber durch das Bestreben nach einer einheitlichen Rechtsordnung nicht weniger widerleglich. Die Möglichkeit der einheitlichen Fortbildung ist zwar eine solche – aber auch nicht mehr. In ihrer pauschalen, lediglich an den tarifrechtlichen Besonderheiten ausgerichteten Rechtssetzung ist sie jedoch mit der Verfassung bereits nicht vereinbar, da sie in ihrer Vorgriffigkeit willensantizipatorisch ist und damit den möglicherweise bestehenden Willen des Gesetzgebers des jeweiligen einfachen Gesetzes außer Acht lässt. Doch nur dann kann sich die Gesetzesbindung in der Rechtsanwendung aktualisieren.504 Der Wille ist dabei normativ als Organwille gem. Art. 20 Abs. 2 GG zu verstehen, sodass individuelle abweichende Ansichten oder auch konforme Einzelansichten nicht maßgeblich sind. Sie können allenfalls als Hilfsmittel im Rahmen der Willensfindung herangezogen werden, wenn es um die Interpretation von Gesetzgebungsmaterialien geht.505 Die Gewaltenteilung im Sinne des Art. 20 Abs. 3 GG berechtigt nämlich zuerst den legitimierten parlamentarischen Gesetzgeber nicht nur zur originären Rechtsetzung, sondern auch zur Rechtsfortbildung. Auf den Gewerkschaftsbegriff des MitbestG bezogen bedeutete dies, dass jede weitere Voraussetzung an die Fähigkeiten der Gewerkschaften eine Rechtsfortbildung des Gewerkschaftsbegriffes darstellte. An diese würde der Richter als Rechtsanwender durch Art. 97 GG gebunden – im Übrigen weiterhin frei bleiben. Es darf dabei nicht um die Anforderungen an einen Begriff gehen, sondern um die Anforderungen an die Bewältigung durch Normen gestellter Aufgaben. Nachdem die Befähigung zur Erfüllung dieser Aufgaben durch Kriterien und entsprechende Indizien sichergestellt worden ist, schließt dies auf den Inhalt des Gewerkschaftsbegriffes.506 Der Begriff für sich ist kein Selbstzweck. 503

S. vertieft Kapitel 4, Abschnitt A. I.; auch zu den einzelnen Auslegungsmitteln. Fischer, Topoi verdeckter Rechtsfortbildung, S. 487 f.; Höpfner/Schneck, AL 2020, 201, 203; ebenso im Ausgangspunkt Hassemer, Rechtstheorie 39 (2008), 1, 3, der sodann aus dem uneindeutigen Wortlaut auf die Unzulänglichkeit des Gesetzes als Anknüpfungspunkt der Gesetzesbindung schließt, S. 8. 505 Zu der Aussagekraft von Gesetzesmaterialien Frieling, Gesetzesmaterialien, S. 131 f.; kritisch Wischmeyer, Zwecke im Recht des Verfassungsstaates, S. 380. 506 Ungenau Buchner, FS BAG 1979, S. 55, 60. 504

100

1. Kap.: Der einheitliche Gewerkschaftsbegriff als Status quo

1. Fehlende Berücksichtigung der begriffshistorischen Offenheit Die Belastung rein historischer Argumente zugunsten eines einheitlichen Gewerkschaftsbegriffes greift zunächst aufgrund der gewollten Offenheit des Begriffes zu kurz. Hätte der Gesetzgeber ein einheitliches Verständnis avisiert, hätte er es bereits zu einem früheren Zeitpunkt fixieren können und müssen. Zugunsten einer verbesserten Ausrichtung an der Dynamik des Rechtes entschied sich der Gesetzgeber bereits in der TVVO für einen unbestimmten Rechtsbegriff als Rechtssetzungstechnik.507 Dieser Entscheidung ist jedoch immanent, dass sich auch Rechtsund Lebenslagen in den verschiedenen Bereichen des Arbeitsrechtes unterschiedlich entwickeln können und die sich stellenden Aufgaben den Vereinigungen auch verschiedene Fähigkeiten abverlangen würden. Dies zeigt sich auch in der Gesetzgebung zur Weimarer Zeit: In mehreren Normen wird der Begriff der Vereinigung der Arbeitnehmer lediglich im Rahmen der Geltung des jeweiligen Einzelgesetzes definiert.508 2. Unvollständigkeit der funktionalen Betrachtung Insofern das Bundesarbeitsgericht eine einheitliche Fortbildung für aus funktionalen Gründen unerlässlich hält, ist diese in ihrer Pauschalität abzulehnen. Die Fähigkeit, seinen Forderungen Nachdruck zu verleihen, ist allen Aufgabenbereichen der Gewerkschaften gemein und überdies bereits historischer Bestandteil der Verfassung und Zielrichtung jeder Gewerkschaft. Diese sind niemals alleinige Gestalterinnen, sondern stets Interessenvertreterinnen und darin Verhandlungspartnerinnen. Daran vermag auch die gremiale Ausgestaltung des mitbestimmten Aufsichtsrates oder die Konzeption des Betriebsrates in der Betriebsverfassung nichts zu ändern. Ihrer Rolle als Gegenstimme und Fürsprecherin kollektiver Arbeitnehmerinteressen ist es immanent, auf der Suche nach einer konsensualen Lösung auf den Widerstand einer Gegenseite zu stoßen. Diese Rolle nimmt sie auch innerhalb eines Gremiums selbst ein, in welchem Vertreter unterschiedlicher Interessen und damit unterschiedlichen Gruppen Verpflichtete zusammenkommen – ungeachtet dessen, ob endlich ein Organwille gebildet wird oder zwei kongruente Willenserklärungen zum Abschluss eines Vertrages führen. Damit ist auch die Voraussetzung der Gegnerunabhängigkeit und -reinheit legitimiert, welche als bestimmter Bestandteil dem Gewerkschaftsbegriff zwingend zugrunde liegen muss. Keineswegs zwingend ist hingegen eine Einheitlichkeit des Begriffsverständnisses. Die gemeinsame Schnittmenge bildet der bestimmte Kern des Begriffes, im Übrigen ist der Begriff der Rechtsfortbildung offen. 507

S. dazu als Regelungstechnik nur Hill, Einführung in die Gesetzgebungslehre, S. 114. S. Tatarin-Tarnheyden, Berufsverbände, S. 28 Fn. 73. Seine eigene Schlussfolgerung aus den zitierten Quellen ist zumindest ungenau, denn in dem Regierungsentwurf zum ArbGG erfolgte trotz wohl einheitlichen Verständnisses die Definition nur für das jeweilige Gesetz: Verhandlungen des Reichtstages, Band 411, Nr. 2795, S. 119. 508

D. Der einheitliche Gewerkschaftsbegriff

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3. Die Konsequenz: Entkoppelung von Tariffähigkeit und Gewerkschaftsbegriff Zu oberflächlich bleibt insgesamt die Auseinandersetzung mit dem Kausalverhältnis von Tarifautonomie, Tariffähigkeitserfordernis und Gewerkschaftsbegriff. Nicht die Gewerkschaften müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllen, damit die Zwecke der Tarifautonomie erfüllt werden können, sondern diese Voraussetzungen sind an ihre Tarifparteifähigkeit geknüpft. Erst in einem zweiten Schritt entsteht die Frage, ob diese Tarifparteifähigkeit konstitutiv für den Gewerkschaftsbegriff ist und ob dieser Gewerkschaftsbegriff in der gesamten (Arbeits-)Rechtsordnung dieselben Voraussetzungen hat. Damit wiederum wäre die Tarifparteifähigkeit auch von Gewerkschaften zu fordern, die als solche Rechte nach dem MitbestG wahrnehmen wollen. Die Auflösung der automatischen Verknüpfung von Tariffähigkeit und Gewerkschaftsbegriff ermöglicht eine Neubetrachtung des einheitlichen Begriffsverständnisses. Sieht man in der Verknüpfung von Gewerkschaftsbegriff und Tariffähigkeit nicht mehr einen Automatismus, sondern eine tarifrechtliche Notwendigkeit im normativen Einzelfall, wird die historisch gewollte Offenheit des Gewerkschaftsbegriffes klar. Die Historie zeigt nämlich, dass es sich umgekehrt verhalten muss: Die Gewerkschaftseigenschaft ist konstitutiv für die Tariffähigkeit.509 Das Erfordernis echter sozialer Gegnerschaft für die Funktionalität des Tarifsystems prägte nicht die (begrifflichen) Voraussetzungen ihrer Parteien, sondern deren Fähigkeiten. Sie mussten in der Lage sein, in Tarifverhandlungen spürbar und zielführend Druck auf die Gegenseite auszuüben, um auf diese Weise die Interessen ihrer Mitglieder zu wahren. Ist eine Vereinigung dazu nicht in der Lage, muss sich dies nicht zwangsläufig auf ihre Konstitution auswirken. Sie ist vielmehr lediglich nicht fähig und befähigt, diese bestimmte Aufgabe wahrzunehmen. Im Falle der Tarifautonomie bleibt sie Gewerkschaft, ist jedoch als solche nicht fähig, Tarifverträge abzuschließen und auf diese Weise die Arbeits- und Lohnbedingungen ihrer Mitglieder zu beeinflussen. Sowohl Bundesarbeitsgericht als auch Bundesverfassungsgericht sind der tatbestandlichen Kongruenz von Koalitionseigenschaft und Gewerkschaftseigenschaft Ende der 1970er Jahre vehement mit der Argumentation entgegengetreten, dass die Koalitionsfreiheit nach Art. 9 Abs. 3 GG nicht nur die Förderung und Wahrung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen mittels Tarifvertrages garantiere.510 Wären 509

So wohl auch Wahl, Relativität des Gewerkschaftsbegriffs, S. 136 (Tariffähigkeit als Rechtsfolge der Gewerkschaftsfähigkeit); ähnlich Hoffknecht, Leitende Angestellten im Koalitions- und Arbeitskampfrecht, S. 75, der allerdings für Koalitionen nach Art. 9 Abs. 3 GG auch die Tariffähigkeitsvoraussetzungen fordert, S. 74; a. A. für die herrschende Meinung Buchner, FS BAG 1979, S. 55, 56; Berg/Kocher/Schumann/Kocher, TVG und Arbeitskampfrecht, Teil 2, § 2 Rn. 6. 510 S. dazu BVerfG v. 18. 11. 1954 – 1 BvR 629/52, NJW 1954, 1881, 1882; BVerfG v. 19. 10. 1966 – 1 BvL 24/65, NJW 1966, 2305, 2306 f.; BAG v. 15. 3. 1977 – 1 ABR 16/75, AP GG Art. 9 Nr. 24 [III. 2.]; BAG v. 14. 3. 1978 – 1 ABR 2/76, AP TVG § 2 Nr. 30 [III. 2.].

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1. Kap.: Der einheitliche Gewerkschaftsbegriff als Status quo

Koalitionseigenschaft und Gewerkschaftseigenschaft deckungsgleich, würden Vereinigungen, die sich nicht des Abschlusses von Tarifverträgen bedienten, auf die allgemeine Vereinigungsfreiheit nach Art. 9 Abs. 1 GG verwiesen.511 Es bedarf jedoch einer eingehenderen Betrachtung dahingehend, ob nicht die Voraussetzung eines einheitlichen Gewerkschaftsbegriffes auf anderem Wege dasselbe Ergebnis produziert. Die einheitliche Auslegung des Gewerkschaftsbegriffes im arbeitsrechtlichen Sinne bedeutet in der Konsequenz die Perpetuierung der Tariffähigkeitsvoraussetzung über die Grenzen des Tarifrechtes hinaus. Während das Bundesverfassungsgericht und mit ihm das Bundesarbeitsgericht den Koalitionen im Rahmen der Koalitionsfreiheit die Betätigung auch außerhalb des Tarifwesens zugestehen, knüpfen sie diese an stets dieselbe Voraussetzung – die Tariffähigkeit. Erfüllen Koalitionen diese nicht, sind sie wie im Falle einer Parallelität von Koalitionsbegriff und Gewerkschaftsbegriff nur durch die allgemeine Vereinigungsfreiheit geschützt. An dieser Stelle können auch die verfassungsrechtlichen Bedenken angebracht werden, der einheitliche Gewerkschaftsbegriff verstoße gegen die Koalitionsgründungsfreiheit und konterkariere den Koalitionspluralismus.512 Darin sei ein Eingriff in Art. 9 Abs. 3 GG zu sehen, der nicht gerechtfertigt werden könne. Sofern das Bundesarbeitsgericht in Verbindung mit einer einheitlichen Rechtsordnung mit der Förderung der Rechtssicherheit argumentiert, ist dies sicherlich prima facie valide.513 Aber auch dieses Anliegen kann über einen möglicherweise entgegenstehenden Willen des einfachen Gesetzgebers nicht hinweghelfen. Die Garantie von Rechtssicherheit ist zunächst Aufgabe des Gesetzgebers. In der Erfüllung dieser Aufgabe hat er sich an mannigfaltige verfassungsrechtliche Prinzipien zu halten, wie z. B. das Bestimmtheitsgebot. Dies hindert ihn indes nicht daran, Begriffe bewusst offenzuhalten. Das Gegenteil von Rechtssicherheit ist nämlich nicht einfach nur Rechtsunsicherheit, sondern es muss auch ein funktionierendes System des Rechtes für den Rechtsanwender und den Rechtsverpflichteten bzw. -berechtigten geschaffen werden. So kann es dieser Rechtsfunktionalität abträglich sein, wenn der Gesetzgeber in einer Idealvorstellung inhaltlich feststehende Begriffe für die Bewältigung von Lebenssachverhalten schafft, die einer solchen Dynamik unterworfen sind, dass die Begriffe zu einem späteren Zeitpunkt nicht mehr herangezogen werden können. Dies würde sodann eine Rechtsfortbildung erfordern, da die innerte Bestimmtheit des Begriffes aufgrund konkret formulierter gesetzgeberseitiger Vorstellungen eine Auslegung nicht mehr zuließe. In einem solchen Fall stünde dieser Rechtssetzer an derselben Stelle wie derjenige Rechtssetzer, der bemächtigt wurde, einen unbestimmten Begriff fortzubilden. Rechtssicherheit ist damit 511

BAG v. 14. 3. 1978 – 1 ABR 2/76, AP TVG § 2 Nr. 30 [III. 2.]. Für einen Verstoß wohl Franzen, RdA 2001, 1, 7; Rieble, Arbeitsmarkt und Wettbewerb, Rn. 1856 f. Das Bundesverfassungsgericht hat den Verfassungsrang des Koalitionspluralismus nicht abschließend bejaht: BVerfG v. 20. 10. 1981 – 1 BvR 404/78, AP TVG § 2 Nr. 31; mit dieser Einschätzung auch Bialluch, Tarifeinheitsgesetz, S. 45. 513 Ebenso Däubler, Anmerkung zu BAG v. 15. 3. 1977 – 1 ABR 16/75, AuR 1977, 281, 287. 512

E. Zwischenergebnis und Bedeutung für nachfolgende Untersuchung

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bereits aus der Kraft des Faktischen in ihrer Extremform eine Illusion, welcher man weder durch eine übersteigerte Bestimmtheit noch eine Unbestimmtheit begegnen kann. Sicherheit entfaltet vielmehr nur die Gewissheit eben darüber und das daraus folgende, auf der Verfassung fußende System der nachgelagerten Normgebung. Für die konkrete Argumentationsstruktur des Bundesarbeitsgerichtes bedeutet dies, dass Rechtssicherheit nicht durch die dogma-artige Vereinheitlichung des Gewerkschaftsbegriffes beseitigt werden kann, sondern in erster Linie durch eine reflektierte Auseinandersetzung mit dem Willen des Mitbestimmungsgesetzgebers. Bereits auf den ersten Blick lassen sich keine Anhaltspunkte dazu entnehmen, dass der Gesetzgeber ausdrücklich einen „typischen“ Gewerkschaftsbegriff angenommen hat. Selbst gesetzt den Fall, er habe sich über den Begriff keinerlei Gedanken gemacht, kann dieses Schweigen nur im Rahmen einer grammatikalischen Auslegung des Begriffes berücksichtigt werden. Über eine Begriffsauslegung kann das Argument der Rechtssicherheit nicht erhaben sein. Der Rechtsanwender muss es zunächst unternehmen, die für diese Argumentation erforderliche Rechtsunsicherheit durch Auslegung zu beseitigen. Die allgemeine Rechtsunsicherheit im Rahmen unbestimmter Rechtsbegriffe genügt dafür gerade nicht. Abschließend sei folgendes Beispiel aus der Praxis angeführt: Im Rahmen der Kodifizierung des Arbeitsvertrages bzw. des Arbeitnehmerbegriffes in § 611a BGB im Rahmen der AÜG-Reform von 2017514 wies der Gesetzgeber in den Materialien expressis verbis auf das entsprechend im Wege der Rechtsfortbildung geprägte Begriffsverständnis des Bundesarbeitsgerichtes hin.515 Dies kann als Beleg dafür herangezogen werden, dass es durchaus auch möglich ist, etwaigen Rechtsunsicherheiten aufgrund richterlicher Ersatzgesetzgebung durch ausdrückliche Übernahme entgegenzuwirken.

E. Zwischenergebnis und Bedeutung für die nachfolgende Untersuchung I. Zwischenergebnis: Der Gewerkschaftsbegriff als unbestimmter Rechtsbegriff – kein verfassungsrechtliches Einheitlichkeitserfordernis Die Ergebnisse der vorangegangenen Untersuchung sind in mehrerlei Hinsicht für den Kern der vorliegenden Arbeit relevant: Bei dem Gewerkschaftsbegriff handelt es sich – unabhängig von seiner jeweiligen normativen Anknüpfung – um einen unbestimmten Rechtsbegriff. Er spaltet sich in einen (vor-)bestimmten und einen unbestimmten Bestandteil auf, die sodann methodisch unterschiedlich zu behandeln 514

Gesetz zur Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes und anderer Gesetze v. 21. 2. 2017, BGBl. I 2017, S. 258 ff., für § 611a BGB s. S. 261. 515 Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes und anderer Gesetze v. 20. 7. 2016, BT-Drs. 18/9232, S. 15.

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1. Kap.: Der einheitliche Gewerkschaftsbegriff als Status quo

sind. Der bestimmte Begriffsteil ist feststehend und entfaltet damit normative Wirkung. An ihn ist der Rechtsanwender gebunden. In ihm hat sich gesetzgeberischer Wille entfaltet, der sodann Ziel und Grenze der Auslegung ist. Mit Blick auf den Gewerkschaftsbegriff des TVG betrifft dies die Voraussetzungen einer Vereinigung im Sinne des Art. 9 Abs. 1 GG, die gegnerunabhängig und -rein sein muss – sowohl im Hinblick auf den sozialen Gegenspieler wie auch auf Kirche, Parteien und Staat. Im Übrigen ist der Begriff von seinem historischen Gesetzgeber bewusst offengelassen und die Ausfüllung an die Gerichte delegiert worden. In ihrer Rechtsfortbildung kommt den Gerichten zwar ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Sie bleiben jedoch an die Verfassung gebunden und zudem dazu aufgerufen, das Ergebnis ihrer Rechtsfortbildung an dem bestehenden System zumindest zu orientieren. Dies betrifft das gegenwärtige Normensystem ebenso wie bereits vorangegangene einschlägige Rechtsfortbildungen in den Grenzen des Willkürverbotes bzw. Art. 3 GG. Das Prinzip der Einheit der Rechtsordnung stellt keine darüber hinausgehenden Anforderungen an die Rechtsfortbildung. Bei gleichlautender Terminologie besteht weiterhin nur ein erster Anschein für ein einheitliches Verständnis.516 Dieser führt weder zu einer Änderung der Beweislast im Rahmen der Ermittlung des gesetzgeberischen Willens, noch spricht das Prinzip der einheitlichen Rechtsordnung einen Verwerfungsbefehl im absoluten Sinne aus. Dies ist grundlegend bereits damit zu begründen, dass die Idee der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung kein realistisches Ziel der Rechtsanwendung ist – zumindest nicht in ihrem originären Befund. Freilich ist es erstrebenswert, in der Schöpfung neuen Rechtes sowie in der Anwendung durch Auslegung systematisch vorzugehen und bereits ergangene gesetzgeberische Entscheidungen zu berücksichtigen. In Bezug auf den Gewerkschaftsbegriff besteht indes bereits kein dahingehender Bedarf. Aufgrund der unterschiedlichen Ziele und Zwecke der mitbestimmungsgesetzlichen Normen und jenen des TVG besteht keine Kollision, die als möglicher Widerspruch zu behandeln ist. Die Einheit der Rechtsordnung kann daher nicht als Richtschnur für die Begriffsauslegung oder -fortbildung herangezogen werden, sofern das Telos der Normen keiner Harmonisierung bedarf.

II. Bedeutung für die nachfolgende Untersuchung Die Darstellung und Analyse des bundesarbeitsgerichtlichen Gewerkschaftsverständnisses hat zum einen eine starke tarifvertragliche Prägung zum Vorschein gebracht. Zum anderen hat sich der Paritätsgedanke als für dieses Begriffsbild prägendes Leitmotiv herausgestellt. Unter der Prämisse der Einheitlichkeit dieses Begriffes muss nun dem Ursprung dieses Grundsatzes nachgegangen werden. Es gilt 516 Strenger im Sinne einer widerleglichen Vermutung Eitel, Ungleichbehandlung, S. 64; Michl, Unionsgrundrechte aus der Hand des Gesetzgebers, S. 35; Zippelius, Methodenlehre, S. 47 f.; a. A. gegen eine Vermutung Sack, BB 1984, 1195, 1198 f.

E. Zwischenergebnis und Bedeutung für nachfolgende Untersuchung

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herauszuarbeiten, in welchem Umfang Parität historischer wie normativer Idealzustand ist, der mit den an den Gewerkschaftsbegriff gestellten Voraussetzungen angestrebt wird. Gegenstände des nachfolgenden Kapitels sind daher zunächst die historische Entwicklung des Mitbestimmungsgedankens sowie im Anschluss eine Auseinandersetzung mit den ideengeschichtlichen Zielsetzungen der Mitbestimmung. Darauf aufbauend soll es sodann unternommen werden, das Paritätsprinzip in der Verfassung zu verankern, vor dem Hintergrund, dass es auf dieser Ebene verbindliche Regelungsaufträge an die Mitbestimmungsinstrumentarien und, innerhalb dieser, Anforderungen an den Gewerkschaftsbegriff stellen kann.

2. Kapitel

Der Grundgedanke der Mitbestimmung A. Die historische Entwicklung vom Teilhabegedanken zur Mitbestimmung Der Ursprung des Mitbestimmungsgedankens kann nicht losgelöst von der normativen Entwicklung der kollektiven Interessenwahrnehmung der Arbeitnehmer auf normativer Ebene betrachtet werden.1 Die Mitbestimmung als Teilhabe sowohl in Form der Tarifauseinandersetzung als auch durch Unternehmens- bzw. betriebliche Mitbestimmung nahm in der Folge zwar unterschiedliche normative Formen an.2 Eine Differenzierung nach den heute gängigen Teilhabeinstrumentarien des BetrVG sowie der Unternehmensmitbestimmung in ihrer normativen Vielfalt wie auch des Kollektivvertragswesens (Tarifvertrags- und Arbeitskampfrecht) ist dennoch, zumindest zunächst, in dieser entsprechenden Tiefe nicht erforderlich. Insofern nämlich verlief die historische Entwicklung der den Regelungswerken zugrunde liegenden Ideologien zunächst parallel.3 Diese finden ihren Ursprung aber in der historischen und gesellschaftlichen Entwicklung gleichermaßen.4 Untrennbar mit der Nachverfolgung der Arbeitnehmermitbestimmung verbunden ist hierbei auch die Entstehung und die Entwicklungshistorie der Koalitionen und Gewerkschaften. Sie waren und sind die organisatorische Repräsentanz der Interessenvertretung durch Mitbestimmung als Kollektivinstrument. Dies bewahrheitet sich – wie noch zu zeigen sein wird – für sämtliche Mitbestimmungsinstrumentarien.

1

Jahnke, Tarifautonomie und Mitbestimmung, S. 18, 21; vgl. dazu auch GK-MitbestG/ Naendrup, Band 1, Einleitung II Rn. 58, 110 ff; Papier, AG 1978, 241, 242 ff.; Zweigert, Die Neutralität des Grundgesetzes gegenüber der paritätischen Mitbestimmung, in: Vetter, Mitbestimmung, Wirtschaftsordnung, Grundgesetz, S. 205; mit einer Rekursion auf die Entwicklung der Mitbestimmung auch der Abgeordnete Sund im Rahmen der Mitbestimmungsgesetzgebung in der 230. Sitzung des Deutschen Bundestages v. 18. 3. 1976, S. 15999 B. 2 Hieraus folgt auch ein denkbar indifferentes Begriffsverständnis. Nachfolgend soll im Sinne einer Mitbestimmung – sofern nicht konkreter eingeschränkt – ein abstraktes Teilhabekonzept verstanden werden. Für eine Auseinandersetzung mit der Begriffsstruktur s. auch Meissinger, RdA 1950, 41 passim. 3 Jahnke, Tarifautonomie und Mitbestimmung, S. 18; Picker, ZfA 2009, 215, 218. 4 BVerfG v. 1. 3. 1979 – 1 BvR 532/77 u. a., AP MitbestG § 1 Nr. 1 [C. IV. 2. b) bb)]; Badura, Paritätische Mitbestimmung, S. 56; ähnlich Wißmann/Kleinsorge/C. Schubert/Wißmann, Mitbestimmungsrecht, Vorbemerkung Rn. 5.

A. Entwicklung vom Teilhabegedanken zur Mitbestimmung

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I. Von den Anfängen der Koalitionsbewegung 1. Vom feudalen Zunftwesen zur Gewerbefreiheit Durch gemeinsame Interessen geleitete Zusammenschlüsse lassen sich bis in das Mittelalter zurückverfolgen. Bereits damals war die arbeitende Bevölkerung entsprechend ihrer Berufe in Zünften organisiert. Eine Unterscheidung nach Meistern und Gesellen wurde nicht vorgenommen. Die Organisation des Arbeitslebens erfolgte verbindlich aufgrund von Zwangsmitgliedschaften innerhalb der Zunftstruktur.5 Wenngleich sie als Vorläufer der heutigen organisierten Arbeitnehmerschaft angesehen werden können, unterschieden sie sich jedoch in ihren Beweggründen und Zielsetzungen. Die mittelalterlichen Zusammenschlüsse erfolgten zum Zweck der allgemeinen Lebensgestaltung. Obwohl sie bereits damals eine stete Verbesserung der Arbeits- und Lebenssituation in sozialer wie ökonomischer Hinsicht anstrebten, fehlte ihnen ein dahingehender kämpferischer Durchsetzungswille.6 Dieser war letztlich aufgrund des insofern monopolartigen Systems und des Fehlens gewerblicher Freiheit auch nicht notwendig.7 Dennoch nahmen sie später erheblichen Einfluss auch auf die Gestaltung des Arbeits- und Wirtschaftslebens.8 Gleiches galt auch für Gesellenbünde und Bruderschaften, die mit steigender Organisation ihren Weg vom rein gesellschaftlichen Leben ins Arbeits- und Wirtschaftsleben fanden.9 Da insofern die Zunftorganisation für das Leben ihrer Mitglieder allumfassend prägend war, wirkte das in ihnen verankerte berufsständische Denken noch lange Zeit bis zu den Gewerkschaften im heutigen Sinne nach.10 2. Die Industrialisierung als Ursprung des Mitbestimmungsgedankens Während die Gestaltung der Arbeitsbedingungen in der feudalen Wirtschaft um das Jahr 1800 noch wenig virulent war, begannen sich mit fortschreitender Industrialisierung der deutschen Wirtschaft die Arbeitsprozesse verstärkt in Richtung arbeitsteiliger Vorgänge zu verändern.11 Bis in das 19. Jahrhundert fußte die Ge5 Francke, Zunftwesen und Gewerbefreiheit, S. 4; Höfler, Gewerkschaftsbegriff, S. 49; Höpfner, ZfA 2019, 108, 109; Picker, ZfA 2009, 215, 217. 6 Höfler, Gewerkschaftsbegriff, S. 49; Hueck/Nipperdey/Nipperdey, Arbeitsrecht, Band 2/ I, S. 113. 7 Francke, Zunftwesen und Gewerbefreiheit, S. 4 f. 8 Ausführlich Brentano, Arbeitergilden der Gegenwart, Band 1, S. 35 ff.; Höfler, Gewerkschaftsbegriff, S. 49; Höpfner, Tarifgeltung im Arbeitsverhältnis, S. 33 ff. 9 S. Giere, Soziale Mächtigkeit, S. 21; Hueck/Nipperdey/Nipperdey, Arbeitsrecht, Band 2/ I, S. 114. 10 Abendroth, Deutsche Gewerkschaften, S. 7; Schönhoven, Geschichte der deutschen Gewerkschaften: Phasen und Probleme, in: Schröder, Handbuch Gewerkschaften in Deutschland, S. 59, 63. 11 Richardi, JbArbR 13 (1976), 19, 20; Bruhn, Tariffähigkeit von Gewerkschaften und Autonomie, S. 73; DGB, Mitbestimmung, S. 7.

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2. Kap.: Der Grundgedanke der Mitbestimmung

sellschaft auf einer Ständeordnung, welche jedem Menschen qua Herkunft seinen Platz im Sozial- und Gesellschaftsgefüge zuwies.12 Dieses Selbstverständnis der durch den eigenen Stand begrenzten Entfaltungsmöglichkeit stellten die Aufklärung und das mit ihr verknüpfte Naturrecht nunmehr in Frage.13 Die Verbindung von Gesetzlichkeit und dem freiheitlichen Verständnis des Einzelnen, aus der eigenen Vernunft heraus nur dem eigenen Willen verbunden zu sein,14 fand sich schließlich auch in liberalpolitischen Strömungen wieder, welche die Vertragsfreiheit als Instrument der persönlichen autonomen Entfaltung und Verwirklichung ansahen.15 So trat an die Stelle des feudalen Zunftwesens die Gewerbefreiheit und das damit einhergehende liberale Verständnis: Die Arbeitskraft wurde als Dienstleistung auf einem freien Markt angeboten. Dieser würde durch die so gewährleistete freie Entfaltung auf dem (Arbeits-)Markt im Sinne einer allgemeinen Gleichheit geordnet.16 Auch die Ausgestaltung des Arbeitsvertrages und der Beschäftigungsbedingungen sollte der freien Entscheidungsmacht der Parteien obliegen. Die Arbeitnehmer wurden Teil eines Produktionsapparates, der durch Abhängigkeit und Fremdbestimmung gekennzeichnet war.17 Die Aufstiegschancen eines abhängigen Gesellen zur Selbstständigkeit als Meister in der handwerklichen Arbeit wurden durch die hierarchische Eingliederung in einen anonymen, unselbstständigen Produktionsprozess weitgehend ausgeschlossen.18 Diese Entwicklung brachte in der Folge verschiedene Lösungsansätze hervor, um diese Divergenz von Produktionsmitteleigentum und Arbeit als Kapital, ausgeführt von Individuen, auszugleichen: Sowohl die katholische Soziallehre19 und die 12

Richardi, Recht der Betriebs- und Unternehmensmitbestimmung, Band 1, S. 9. Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte, Band 4, S. 1135; Richardi, Recht der Betriebsund Unternehmensmitbestimmung, Band 1, S. 9. 14 So konzipierte Kant im Rahmen seiner Kritik der praktischen Vernunft ein „Grundgesetz der reinen praktischen Vernunft“, abgedruckt in Kant, Sämtliche Werke, Band 1, S. 525 ff.; s. auch dessen Kritik der reinen Vernunft in Kant, Sämtliche Werke, Band 1, S. 422, 431 ff.; zur Diskursethik Kants als Ethik der konsensualen Normenbegründung Sala, Kommentar zu Kants Kritik der praktischen Vernunft, S. 356 f.; s. auch Nelson, Kritische Ethik, S. 66, 67. Im Ergebnis auch Mayer-Maly, RdA 1975, 59, der jedoch diese geistesgeschichtlichen Ideen bereits im vorindustriellen Arbeitsrecht erkennen will. 15 Limmer, Deutsche Gewerkschaftsbewegung, S. 18 f.; Richardi, Recht der Betriebs- und Unternehmensmitbestimmung, Band 1, S. 9. 16 Höpfner, Tarifgeltung im Arbeitsverhältnis, S. 34; Picker, ZfA 2009, 215, 218; Säcker, Gruppenautonomie, S. 8. 17 Abendroth, Deutsche Gewerkschaften, S. 5; Richardi, JbARbR 13 (1976) 19, 20; DGB, Mitbestimmung, S. 7; Picker, ZfA 2009, 215, 219. Dies galt insbesondere, als sich das Direktionsrecht des Arbeitgebers noch nicht aus dem Arbeitsvertrag, sondern aus dem Eigentum an den Produktionsmitteln ergab, Reuter, Die Wirtschaftliche Mitbestimmung der Arbeitnehmer, in: Ludwig-Erhard-Stiftung, Wirtschaftsordnung als Aufgabe, S. 71, 87 mit Verweis auf Sinzheimer, Grundzüge des Arbeitsrechts, S. 25 ff., 146 ff. 18 Abendroth, Deutsche Gewerkschaften, S. 5; Nestriepke, Gewerkschaftslehre, S. 3. 19 Leo XIII., Rerum novarum, Rn. 11 f., 15 f., 37; vgl. auch später Zweites Vatikanisches Konzil, Pastoralkonstitution: Die Kirche in der Welt von heute, Nr. 67 f.; mit einer Erläuterung 13

A. Entwicklung vom Teilhabegedanken zur Mitbestimmung

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evangelische Kirche20 als auch diverse wirtschaftsliberale Ansätze21 versuchten, eine Demokratisierung der Wirtschaft innerhalb und unter Anerkennung des autonomiegeprägten Gesellschaftssystemes zu erreichen.22 Ansätze, die sich später auch in der Mitbestimmungsgesetzgebung wiederfanden.23 Diametral hierzu sah der Marxismus in der Desintegration der Arbeiterschaft im Zuge des wirtschaftlichen Aufschwungs den Kernfehler der bürgerlich-liberalen Rechts- und Gesellschaftsordnung. Die freie Wirkung der marktwirtschaftlichen Kräfte sei in ihrem Fundament defizitär und könne nur durch eine Sozialisierung der Gesellschaft, in deren Zentrum die Abschaffung des Privateigentums lag, geheilt werden. So würden in der Konsequenz auch der Arbeitsmarkt und die Arbeitsverhältnisse reguliert und ihre Ausgestaltung gesteuert.24 Nur durch eine vollständige Eliminierung des Privateigentums könne eine soziale und gerechte Gesellschaftsordnung herbeigeführt werden.25 des II. Vatikanischen Konzils und seinem Dekret vom 7. 12. 1965 auch Baraúna, Die Kirche in der Welt von heute, S. 339. Für eine enstsprechende Konkretisierung im Hinblick auf die Mitbestimmung in Betrieb und Unternehmen s. auch Kübler, Mitbestimmung als gesellschaftspolitisches Ziel der katholischen Soziallehre, in: Nemitz/Becker, Mitbestimmung und Wirtschaftspolitik, S. 49; Stollreither, Mitbestimmung, S. 136. 20 Beispielhaft Rat der Evangelischen Kirche, Sozialethische Erwägungen zur Mitbestimmung passim, sowie mit einer Verbindung von „Wirtschaftlichkeit und Menschlichkeit“ der Gliederungspunkt III.; vgl. hierzu auch Smolarski, Evangelische Kirche, S. 89 ff. 21 So z. B. das liberale Verständnis von Lorenz v. Stein und später auch von Friedrich Naumann. Stellv. s. den 4. Vortag Friedrich Naumanns „Die politische Aufgabe der Sozialdemokratie“ aus der Vortragsreihe zur „Politik der Gegenwart“ gehalten in Hamburg und Berlin, abgedruckt in: Vogt, Naumann – Ausgewählte Schriften, S. 212 f. Zu dem Verständnis von Selbstbestimmung als Aspekt der Menschenwürde und der Schlussfolgerung in Richtung einer Teilhabe durch Mitbestimmung Flach/Maihofer/Scheel/Maihofer, Die Freiburger Thesen der Liberalen, S. 30 ff., 43; vgl. auch über den Prozess hin zu dem liberalen Mitbestimmungskonzept FAZ Nr. 249 v. 26. 10. 1972, S. 4; SZ Nr. 261 v. 13. 11. 1972, S. 2 bzgl. eines Basiskonsensens mit der SPD. 22 Plakativ „durch Demokratisierung der Wirtschaft zum Sozialismus“, Naphtali, Wirtschaftsdemokratie, S. 13; s. auch Stollreither, Mitbestimmung, S. 62; Zuleeg, RdA 1978, 223; ähnlichen im Ergebnis auch Papier, AG 1978, 241, 246. 23 So formulierte die Mitbestimmungskommission zum MitbestG, „daß die Unterordnung des Arbeitnehmers unter fremder Leitungs- und Organisationsgewalt im Unternehmen mit seiner Selbstbestimmtheit, der ihm rechtlich zuerkannten Möglichkeit, seine Zwecke selbst zu wählen und eigene Initiativen zu entfalten, nur solange vereinbar ist, als sie ihre Entsprechung in Gestalt der Freiheit der Beteiligung an den Entscheidungen findet, die den Arbeitsprozeß regeln und gestalten“: BT-Drs. VI/334, S. 56. S. für die allgemeine Abwägung Böhm, FS Kronstein 1967, S. 11, 32 ff; Jarass/Pieroth/Jarass, GG. Art. 14 Rn. 35a; v. Münch/Kunig/ Bryde, GG, Band 1, Art. 14 Rn. 66 ff. Zum Verhältnis von katholischer Soziallehre und Sozialpflichtigkeit des Eigentums vertieft Casper, FS Baums 2017, Band 1, S. 193, 206 m. w. N.; Dürig/Herzog/Scholz/Papier/Shirvani, GG, Art. 14 Rn. 24. 24 Marx, Manifest der kommunistischen Partei, S. 13; s. auch Kübler/W. Schmidt/Simitis, Mitbestimmung als gesetzgebungspolitische Aufgabe, S. 114 f. 25 Marx, Manifest der kommunistischen Partei, S. 15; s. auch Richardi, Recht der Betriebsund Unternehmensmitbestimmung, Band 1, S. 9; Stollreither, Mitbestimmung, S. 62.

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Dabei war eine Disparität der Entscheidungsautonomie bereits auf der vorgelagerten Ebene der Entscheidung über einen Vertragsschluss gegeben: Der Arbeitnehmer war zur Bewältigung seines Lebensunterhaltes auf das Arbeitsverhältnis als Einkommensquelle angewiesen. Jedoch waren auch hier die wirtschaftliche Abhängigkeit des potenziellen Arbeitnehmers von der marktwirtschaftlichen Situation als Mitbewerber um Arbeitsplätze wie auch die finanzielle Abhängigkeit von einer Entgeltzahlung größer als die des Arbeitgebers26 – ungeachtet der tatsächlichen Situation auf dem Arbeitsmarkt. Denn als Kehrseite der wirtschaftlichen Erfolge der Industrialisierung stieg auch die wirtschaftliche Not der abhängig Beschäftigten.27 Durch die Suche nach Arbeit stieg die Bevölkerungsdichte in den Städten rasant an. Dies wiederum befeuerte die Konkurrenz der Arbeiter um begrenzte Arbeitsplätze. Im Kampf um diese Arbeitsplätze waren sie gewillt, zu geringeren Löhnen und schlechteren Arbeitsbedingungen zu arbeiten, was ihre Verhandlungsposition deutlich schwächte. Ein Kreislauf der Armut und Abhängigkeit entfaltete sich.28 In der Folge gestaltete sich die Entscheidungsfreiheit des Arbeitnehmers als eine eher formale.29 Aufgrund der hohen Arbeitslosigkeit30 war der Verhandlungsstandpunkt der Arbeiterschaft geschwächt – weder die Arbeitsbedingungen noch die Aufnahme der Arbeit selbst konnten gleichberechtigt ausgehandelt werden.31 Diese Hoffnungslosigkeit war es schließlich, an welcher sich sodann der Gedanke der solidarischen Zusammenarbeit und Förderung gemeinsamer Anliegen entzündete.32 Die Machtposition, welche aus der Beherrschung der Produktionsmittel, aber auch der Weisungsmacht gegenüber der Arbeitskraft hervorging, musste mit der ebenso angestrebten Würdegarantie des Einzelnen in einen Ausgleich gebracht

26 Dahingehend auch Abendroth, Deutsche Gewerkschaften, S. 5 f.; mit einer ähnlichen Betrachtung aus historischer Sicht Limmer, Deutsche Gewerkschaftsbewegung, S. 14; s. auch Neumann, Die Arbeit 1931, 588, 592, der in dem Arbeitsrecht den „Wegbereiter“ für das Wirtschaftsrecht sieht. 27 Jahnke, Tarifautonomie und Mitbestimmung, S. 22. 28 Vgl. Picker, ZfA 2009, 215, 219; Zöllner, AcP 196 (1996), 1, 15 ff.; als „Konkurrenzparadoxon“ Hütter-Brungs, Tarifautonomie und unternehmerische Freiheit, S. 38; unter dem Stichwort des Lohndumpings ist dies noch immer Ziel der Gesetzgebung. So z. B. auch des Unionsgesetzgebers im Rahmen der Entsende-RL, s. dazu EuArbR/Krebber, Art. 1 RL 96/71/ EG Rn. 1 f. 29 S. AK-GG/Kittner/Schiek, Art. 9 Abs. 3 Rn. 3 f.; vgl. auch Abendroth, Deutsche Gewerkschaften, S. 6; Bruhn, Tariffähigkeit von Gewerkschaften und Autonomie, S. 72; Limmer, Deutsche Gewerkschaftsbewegung, S. 19; kritisch gegenüber einer Übertagbarkeit gerade dieser Aspekte der „Verelendungstheorie“ auf die heutige Diskussion Bayreuther, Tarifautonomie, S. 62 f. 30 Zahlen bei Limmer, Deutsche Gewerkschaftsbewegung, S. 16. 31 Höpfner, Tarifgeltung im Arbeitsverhältnis, S. 35 f.; Karakatsanis, Kollektivrechtliche Gestaltung des Arbeitsverhältnisses, S. 31 f.; Limmer, Deutsche Gewerkschaftsbewegung, S. 19. 32 S. Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte, Band 4, S. 1135; Hueck/Nipperdey/Nipperdey, Arbeitsrecht, Band 2/I, S. 116.

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werden.33 Der Grundgedanke der Arbeitnehmermitbestimmung im abstrakten Verständnis als konstituierende Teilhabe an unternehmerischen Entscheidungsprozessen sollte verhindern, dass das Individuum – einem gegenständlichen Produktionsmittel gleich – bloßer Bestandteil des Arbeitsprozesses würde. Dem Direktionsrecht des Arbeitgebers über die konkrete Ausübung der Arbeitstätigkeit sollte ein Instrument entgegengesetzt werden, mithilfe dessen der Arbeitnehmer ein Minimalteil des Arbeitsverhältnisses und speziell seine Arbeitsbedingungen bestimmen könnte. 3. Die Koalitionsverbote als Reaktion auf die Mitbestimmungsidee Erste konkrete Erscheinungsform dieses neuerlichen Dagegenhaltens der Arbeiter war die Arbeitsniederlegungen mit dem Ziel der kollektiven Vertretung der Arbeitnehmerinteressen in Lohnfragen und zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen. Auf Arbeitgeber- bzw. Unternehmerseite war man angesichts dessen um die Effektivität und Rentabilität der Unternehmungen besorgt.34 Ganz im Sinne des liberalen Verständnisses des Arbeitsvertrages, welches von Individualismus und freier Entfaltung geprägt war, sah jedoch auch der Staat in der Interessenassoziation und der kollektiven Durchsetzung von (Einzel-)Interessen eine Verletzung der individuellen Vertragsfreiheit beider Parteien.35 Als Relikt der Französischen Revolution versuchte daher auch die preußische Gewerbeordnung von 1845 den Anfängen der Koalitionsbewegung zu wehren.36 So wurden kampfwillige Arbeitgeber- wie Arbeitnehmerkoalitionen gem. § 181 f. GewO 1845 absolut verboten, während kampfunwillige Arbeitnehmerorganisationen einem polizeilichen Erlaubnisvorbehalt (§ 184 GewO 1845) unterlagen.37 Dass kampfunwillige Arbeitgeberorganisationen weiterhin ausnahmslos gestattet waren, macht die besondere Bedrohlichkeit gerade der Arbeitnehmerorganisationen im Hinblick auf die vorkonstitutionelle Ordnung sichtbar. Die wirtschaftsfriedlichen, sog. gelben Verbände waren geboren.38 Der erste nennenswerte Versuch, den Gedanken der Teilhabe der Arbeiterschaft an der Gestaltung der Arbeitsprozesse auch legislativ in die geplante neue Gewerbeordnung einfließen zu lassen, wurde schließlich, ausgehend von der Märzrevolution 1848/1849 im Zuge der Vorbereitung der späteren „Paulskirchenverfassung“, 33 Ausführlich hierzu im jüngeren Kontext Däubler, Grundrecht auf Mitbestimmung, S. 130 ff., insbesondere S. 133. 34 Zu der Bildung von Arbeitgeberverbänden und deren Motiven s. Berghäuser, Koalitionsfreiheit als demokratisches Grundrecht, S. 145 ff. 35 Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte, Band 4, S. 1135. 36 Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte, Band 4, S. 1135 f.; eingehend zur Geschichte des Koalitionsverbotes Ritscher, Koalitionen und Koalitionsrecht in Deutschland, S. 134 ff. 37 S. dazu vertieft Höpfner, Tarifgeltung im Arbeitsverhältnis, S. 65 f.; Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte, Band 4, S. 1136. 38 Vgl. Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte, Band 4, S. 1136.

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von Seiten der Handwerker- und Arbeiterkongresse unternommen.39 Sie übermittelten ihre Vorstellungen bzgl. Fabrikausschüssen und -räten mit Arbeiterbeteiligung an einige Abgeordnete der Nationalversammlung. Die Initiative scheiterte letztlich an der bürgerlichen Mehrheit in der Versammlung.40 Dennoch waren diese Vorschläge insofern bedeutsam, als sie Schlichtungsgremien in den Fabriken vorsahen, welche im Falle von Streitigkeiten zwischen Arbeitgeber und Arbeitern vermitteln sollten.41 In der Folge wagten die Arbeiterkongresse immer wieder Vorstöße, die die kollektive Mitgestaltung der Lohnfestsetzung im Rahmen eines Austausches von Arbeitgeber- und Arbeiterverbänden vorsahen. Obgleich diese Versuche zumindest zunächst ohne Erfolg blieben, war der Gedanke der Teilhabe der Arbeitnehmer an der Gestaltung des Arbeitslebens unwiederbringlich im Bewusstsein der Bevölkerung verankert. Angestoßen durch diese Entwicklung setzte sich die Bildung von Arbeitnehmer-, aber auch Arbeitgeberinteressenverbänden im Sinne von Koalitionen in Gang. Daran vermochte auch der nach Ende der Revolution wiedererstarkte politische Gegenwind nichts zu ändern.42 Die Koalitionsverbote im Sinne der §§ 181, 182 GewO 1845 entfalteten zwar theoretisch noch Wirksamkeit, der Staat übte sich jedoch ob der wachsenden Gegenmacht der Vereinigungen in Zurückhaltung.43 Die kampfunwilligen Arbeitnehmerorganisationen wurden von dem Erfordernis der polizeilichen Erlaubnis befreit und somit den entsprechenden Arbeitgeberverbänden gleichgestellt.44

II. Das Ende der Koalitionsverbote und die Blütezeit der Koalitionsbewegung 1. Die Koalitionsgründungen und die Gewerbeordnung von 1869 Nicht zuletzt aus dieser neugewonnenen Freiheit bildeten daraufhin die 1860er Jahre einen ersten relativen Höhepunkt der Koalitionsbewegung.45 Mit der stetig 39

Däubler/Hege, Koalitionsfreiheit, S. 13 f.; DGB, Mitbestimmung, S. 7. Raiser/Veil/Jacobs/Raiser, MitbestG/DrittelbG, Einleitung MitbestG Rn. 1; Jahnke, Tarifautonomie und Mitbestimmung, S. 18. 41 Raiser/Veil/Jacobs/Raiser, MitbestG/DrittelbG, Einleitung MitbestG Rn. 1; Jahnke, Tarifautonomie und Mitbestimmung, S. 18. 42 Bundesbeschluß über Maßregeln zur Aufrechterhaltung der gesetzlichen Ordnung und Ruhe im Deutschen Bunde, insbesondere das Vereinswesen betreffend vom 13. 7. 1854, abgedruckt in Huber, Dokumente zur deutschen Verfassungsgeschichte, Band 2, Nr. 4; s. auch Abendroth, Deutsche Gewerkschaften, S. 7; Höpfner, Tarifgeltung im Arbeitsverhältnis, S. 68 f. 43 Höfler, Gewerkschaftsbegriff, S. 53; Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte, Band 4, S. 1136. 44 Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte, Band 4, S. 1136. 45 Mit dieser Beobachtung auch Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte, Band 4, S. 1141. 40

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voranschreitenden Kapitalisierung der Arbeitskraft und der Abhängigkeit der Arbeiter selbst traten deren wirtschaftliche und soziale Belange immer weiter in den Vordergrund. Im Jahre 1863 wurde zunächst der Allgemeine Deutsche Arbeiterverein als Arbeiterpartei gegründet. Als erste Gewerkschaft folgte sodann der Zentralverband der Tabakarbeiter (1865). In den Folgejahren wurden weitere Interessenverbände begründet, die als Berufsverbände organisiert waren und damit zunächst noch einen Teil der altbekannten Zunftstruktur wahrten.46 Die sich bildenden Vereinigungen waren zwar in ihrer Zielsetzung, der Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen ihrer Mitglieder, vereint. Sie unterschieden sich jedoch stark in ihren Lösungsansätzen und ideologischen wie politischen Ausrichtungen.47 Die Gewerkschaftslandschaft war durch eine strukturelle Dreifaltigkeit geprägt, die sich in Form der freien sozialistischen, der christlichen sowie der liberalen Gewerkschaften zusammenfassen lässt. Die freien Gewerkschaften, die in ihren Bestrebungen den marxistischen Gewerkvereinen ähnelten, sahen sich als Instrument des proletarischen Klassenkampfes gegen das Kapital und strebten die Einführung einer sozialistischen Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung an.48 Sie standen der sozialdemokratischen Partei sowohl ideologisch als auch strukturell sehr nahe und betrachteten als Endziel weniger die Gleichstellung von Arbeitnehmern und Arbeitgebern, als die Etablierung eines Gesellschaftssystems nach sozialistischem Vorbild.49 Die Begründung der liberalen Gewerkschaften als Hirsch-Dunckersche Gewerksvereine folgte dem Allgemeinen Deutschen Arbeiterkongreß vom 27. September 1868 und beruhte auf dem konstituierenden Statut von Max Hirsch und Franz Duncker aus demselben Jahr. Sie stellten sich explizit den Bestrebungen der sozialistischen Vereinigungen entgegen und vertraten eher die Ideen sozialliberaler Reformisten wie z. B. Lujo Brentano.50 Sie verstanden sich außerdem als Vermittler zwischen Arbeit und Kapital mit dem Ziel, Instrument des Ausgleichs und Förderer der Arbeitnehmerautonomie zu sein, welche den liberalkapitalistischen Entwicklungen der industriellen Wirtschaft zum Opfer gefallen war.51 Da die fehlenden normativen Regelungen zur Geltung und Durchführung der verschiedenen Kollektivinstrumentarien sowohl bei der Arbeiterschaft als auch bei den Interessenvertretern beider Seiten für erhebliche Rechtsunsicherheit sorgten, verlief die Entwicklung der kollektiven Interessenwahrnehmung dennoch recht schleppend.52 46 Im Jahre 1866 der Zentralverband der Buchdrucker, im Jahre 1867 der Zentralverband der Schneider, im Jahre 1868 der Zentralverband der Zimmerer und im Jahre 1869 der Zentralverband der Metallarbeiter; s. Höfler, Gewerkschaftsbegriff, S. 52. 47 Picker, ZfA 2009, 215, 220. 48 Abendroth, Deutsche Gewerkschaften, S. 9. 49 Marx, Manifest der kommunistischen Partei, S. 15; Picker, ZfA 2009, 215, 222 f. 50 S. dazu Brentano, Arbeitsverhältnis, S. 194 ff., 210. 51 Schönhoven, Geschichte der deutschen Gewerkschaften: Phasen und Probleme, in: Schröder, Handbuch Gewerkschaften in Deutschland, S. 59, 60, 64. 52 Für einen Einfluss fehlender Normsetzung Jahnke, Tarifautonomie und Mitbestimmung, S. 20.

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2. Kap.: Der Grundgedanke der Mitbestimmung

Gerade die Gründung größerer Gewerkschaften und Gewerkschaftsverbände erfolgte aufgrund der in dieser Zeit verbreiteten politischen Strömungen nicht kontinuierlich. Sozialdemokraten, Liberale und Vertreter kommunistisch-marxistischer Ideologien gründeten unter der Leitung von Vertretern der jeweiligen Politlager Gewerkschaftsverbände, welche insbesondere im Fall der marxistischen Vertreter auch als Nährboden politischer Bewegungen dienen sollten. Im Jahre 1868 kam es unter der Führung von Jean Baptist v. Schweitzer und Max Fritsche zur Einberufung des Allgemeinen Deutschen Arbeiterkongresses, in dessen Rahmen zwölf Zentralverbände, mit dem Allgemeinen Deutschen Arbeiterschaftsverband an der Spitze, gegründet werden sollten. Zur gleichen Zeit stießen Max Hirsch und Franz Duncker die Gründung der mit der liberalen Fortschrittspartei affiliierten Gewerkschaft an. Die ursprünglich auf marxistischen Ideen fußenden Pläne Gewerkschaftsgründungen formten u. a. den Leipziger Arbeiterbildungsverein. August Bebel, Vorsitzender des darüber gebildeten Dachverbandes, war sodann auch Mitbegründer der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei. Dies zeigt eindrucksvoll die zu diesem Zeitpunkt gravierende politische Verknüpfung von Arbeiterbewegung und den politischen Strömungen, die sich zwar inhaltlich zum Teil diametral unterschieden, in ihren Bestrebungen, das obrigkeitsbezogene Gesellschaftssystem zu beseitigen, jedoch vereint waren. Dennoch blieb die Konzentration auf politische Macht als Ziel der Gewerkschaften streitbar. Die engen Verwebungen von Interessenverbänden und Parteien waren zwar aus Schutzgesichtspunkten nachvollziehbar, vor allem wenn man auf die enge Verknüpfung von machtpolitischen Interessen und Strukturen mit dem Schicksal der Vereinigungen zurückblickt. Andererseits schürten sie das Konfliktpotential der Gewerkschaftslager untereinander.53 Mit der anwachsenden Stärke der Arbeiterverbände musste beinahe zwangsläufig auch die Regierung ihre koalitionsfeindliche Haltung aufgeben. In der Gewerbeordnung des Norddeutschen Bundes vom 29. Mai 186954 wurden erstmals eine – wenn auch enggefasste – Freiheit der Koalitionsbildung einfachgesetzlich kodifiziert und bestehende Verbote aufgehoben.55 Daher stellte sie zwar einen Schritt hin zur rechtlichen Anerkennung und Freiheit der Arbeitnehmervereinigungen dar, blieb jedoch noch immer als Relikt der koalitionsfeindlichen Haltung der Regierung personell wie materiell restriktiv. So behielt der Staat durch §§ 152 Abs. 2, 153 GewO 1869 weitgehend die Kontrolle über Betätigung und Gründung von Vereinigungen.56 Die restriktive Handhabung des § 152 GewO 1869 war besonders im Hinblick auf mögliche politische Aktivitäten für die Gewerkschaften problematisch. Solche Bestrebungen, die über die Arbeits- und Lohnbedingungen hinausgingen, konnten gem. § 8 Abs. 1 des preußischen Vereinsgesetzes behördlich beschränkt werden. Auf Überschreitungen der gewerkschaftlichen Befugnisse wurde mit 53 Schönhoven, Geschichte der deutschen Gewerkschaften: Phasen und Probleme, in: Schröder, Handbuch Gewerkschaften in Deutschland, S. 59, 64. 54 Bundesgesetzblatt des Norddeutschen Bundes, Band 1869, Nr. 26, Seite 245. 55 Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte, Band 4, S. 1140. 56 Abendroth, Deutsche Gewerkschaften, S. 8.

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strafrechtlichen Sanktionen reagiert.57 Gleichwohl kann in der erstmals gewährten Freiheit ein erstes Anerkenntnis der Funktion der Waffengleichheit der Sozialpartner gesehen werden. Waren die Verbände der Arbeitnehmer denen der Arbeitgeber trotz Verzichtes auf Kampfmaßnahmen durch die GewO von 1845 noch unterlegen gewesen, konnten sie diesen nunmehr gleichberechtigt gegenübertreten. Zudem stand der freien Entfaltung der diesem Gegenspiel innewohnenden Kräfte auch kein Streikverbot mehr im Wege. Insofern wurde letztlich die Ordnung des Arbeitslebens durch die in ihm vertretenen Kollektive erstmals Teil eines übergeordneten Verfassungssystems, welches den Ausgleich zwischen wirtschaftlicher Freiheit und sozialer Verpflichtung fazilitierte.58 2. Erste vorkonstitutionelle tarifliche und betriebliche Regelungen a) Der Abschluss von Tarifverträgen Der erste Tarifabschluss, welcher mit seinen Eigenschaften noch immer exemplarisch für das heutige Tarifvertragsverständnis wirkt, ist auf das Druckereigewerbe zurückzuführen.59 Als Produkt langwieriger und von Arbeitskämpfen gezeichneter Verhandlungen zwischen dem Verband der deutschen Buchdrucker einerseits und dem Deutschen Buchdruckerverein andererseits im Jahre 1873 beinhaltete er zunächst Lohnbestimmungen sowie Berechnungsgrundlagen für die Arbeitszeit. Ferner legitimierte er die Einrichtung von Schlichtungsstellen, deren Kompetenzen auf die Klärung von Handhabungs- und Auslegungsdifferenzen im Hinblick auf den Tarifvertrag begrenzt waren.60 Während damit also erstmals eine kollektivrechtliche Vereinbarung bezüglich der Lohn- und Arbeitsbedingungen von Arbeitern getroffen worden war, blieben Reichweite und Bindungswirkung des Tarifvertrages als abstraktes Regelungsinstrument weiterhin ungeklärt. Dennoch wurden auf theoretischer Ebene immer wieder Versuche unternommen, den Charakter des Tarifvertrages zu definieren.61 Zunächst blieb die Wirkkraft des Tarifvertrages in der Praxis jedoch 57

Formell bezeichnet als Verordnung über die Verhütung eines die gesetzliche Freiheit und Ordnung gefährdenden Mißbrauchs des Versammlungs- und Vereinigungsrechtes v. 11. 3. 1850, GS 1850, S. 277; Däubler/Hege, Koalitionsfreiheit, S. 17; vgl. auch Höpfner, Tarifgeltung im Arbeitsverhältnis, S. 68 f.; ders., ZfA 2019, 108. Zum Umfang der Beschränkungen Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte, Band 4, S. 1140 f. 58 Eingehend Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte, Band 4, S. 1140. 59 Abgedruckt in Ullmann, Tarifverträge und Tarifpolitik, nach S. 65; s. auch Imle, Entstehungs- und Entwicklungsgeschichte der Tarifgemeinschaften in Deutschland, S. 11 ff.; Jahnke, Tarifautonomie und Mitbestimmung, S. 19. Mit einer tabellarischen Auflistung der tarifvertraglichen Kodifizierung von Arbeitsbedingungen Spilger, Tarifvertragliches Betriebsverfassungsrecht, S. 63 ff. 60 Jahnke, Tarifautonomie und Mitbestimmung, S. 19; Kempen/Zachert/Kempen/Zachert, TVG, Grundlagen Rn. 22. 61 So etwa das Reichsgericht für eine privatrechtliche Natur mit „öffentlich-rechtlichem Einschlag“, in ihrer Entscheidung v. 30. 6. 1925 – III 371/24, RGZ 111, 166, 172; ähnlich

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gering. Insbesondere hinderte der Abschluss eines Tarifvertrages die Arbeitgeber nicht daran, auch zulasten der Arbeitnehmer von den Vereinbarungen abzuweichen.62 b) Erste Regelungen der Betriebsordnung Die betriebliche Mitbestimmung fand ihren Ursprung weniger im Handelsgewerbe, sondern war ein besonderes Phänomen der Fabrik- und Bergarbeit.63 Den historischen Ausgangspunkt bildete der sog. Bergarbeiterstreit im Jahre 1889. Infolge des regulativen Rückzuges des Staates aus der Beschäftigungspolitik verschlechterten sich die Beschäftigungsverhältnisse der dortigen Arbeiter erheblich. Die Vorherrschaft gelber Gewerkschaften verhinderte überdies den Abschluss von Tarifverträgen.64 Durch ein betriebliches, auf die jeweilige Fabrik beschränktes Mitspracherecht erhofften sie sich eine Verbesserung der Arbeits- und Lohnverhältnisse.65 Die Reaktion des Gesetzgebers folgte im Jahre 1890 mit der Gewerbeordnungsnovelle von 1891 (sog. lex Berlepsch)66, die in §§ 134a, 134d die verpflichtende Errichtung einer Arbeitsordnung sowie die Anhörung der Arbeiter bzw., sofern vorhanden, eines freiwilligen ständigen Arbeiterausschusses vorsah.67 Aufgrund seiner inhaltlichen Restriktionen blieb dieses erste Mitbestimmungsrecht jedoch ein recht stumpfes Schwert.68 Angestoßen durch die grundsätzliche Debatte führten jedoch viele Industrielle und Fabrikinhaber Mitbestimmungsordnungen sowie Gewinnbeteiligungen69 auf freiwilliger Basis ein: Üblich waren im Wege von Betriebsverfassungen eingerichtete Gremien, die über die Ordnung im Betrieb wachen sollten. Betriebsbezogene Entscheidungen wurden unter Mitwirkung des Inhabers mehrheitlich gefällt.70 Die Betriebsverfassung der Optischen Werkstätten von Carl Zeiss sah bspw. Anhörungsrechte in sämtlichen betrieblichen Angelegenheiten sowie Mitspracherechte bei Entlassungen vor.71 Parallel zu dieser Entwicklung bildeten sich betriebsintern Unterstützungskassen, deren ZuständigkeitsSinzheimer, Grundzüge des Arbeitsrechts, S. 257; als ausschließlich privatrechtliches Institut betrachtet Jacobi den Tarifvertrag in: Grundlehren, S. 251 ff. 62 Höpfner, Tarifgeltung im Arbeitsverhältnis, S. 114; ders. ZfA 2019, 108, 110. 63 Hierzu ausführlich mit Beispielen Teuteberg, Geschichte der industriellen Mitbestimmung, S. 254 ff. 64 Kittner, Arbeitskampf, S. 348; Kittner/Däubler, Geschichte der Betriebsverfassung, S. 88. 65 Jahnke, Tarifautonomie und Mitbestimmung, S. 23. 66 Gesetz, betreffend Abänderung der Gewerbeordnung v. 1. 6. 1891, RGBl. 1891, S. 261. 67 Vertieft Kittner/Däubler, Geschichte der Betriebsverfassung, S. 97 ff. 68 Kritisch insb. Sinzheimer, Korporativer Arbeitsnormenvertrag, Band 1, S. 6 f.; aus heutiger Sicht als „Minimallösung“ Kittner/Däubler, Geschichte der Betriebsverfassung, S. 98, vertieft zum Inhalt S. S. 99 ff. 69 Hierzu Teuteberg, Geschichte der industriellen Mitbestimmung, S. 264. 70 Teuteberg, Geschichte der industriellen Mitbestimmung, S. 259 f. 71 Teuteberg, Geschichte der industriellen Mitbestimmung, S. 267 ff.; s. auch Rückert/ Friedrich, Betriebliche Arbeiterausschüsse, S. 31.

A. Entwicklung vom Teilhabegedanken zur Mitbestimmung

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bereich sich in der Folge jedoch auch auf andere Bereiche ausweitete; allerdings noch immer ohne gesetzliche Grundlage, sodass ein Anspruch auf Teilhabe jedweder Art noch nicht bestand.72 Die Einführung betrieblicher Regelungen oder betriebsverfassungsrechtlicher Übereinkommen erfolgte stets unter fördernder Mithilfe der Betriebsinhaber als Arbeitgeber. Bereits an dieser Stelle spalteten sich also die aus derselben Kollektivierungsidee gewachsenen unterschiedlichen Teilhabeinstrumentarien anhand ihrer Bezugspunkte und Inhalte. Ursprung der industrieübergreifenden (Mit-)Gestaltung der Arbeitsbedingungen wiederum waren das Handwerk und das Kleingewerbe.73 Diese zweigleisige Entwicklung der Interessenwahrnehmung wurde von den Gewerkschaften zunächst zurückhaltend bis kritisch betrachtet. Sie fürchteten, die betriebliche Interessenwahrnehmung durch rechtlich unabhängige Arbeitnehmervertreter könnte als zusätzlicher Gegenspieler eine alternative Interessenwahrnehmung darstellen, die Arbeiterschaft spalten und somit die gewerkschaftliche Verhandlungsgrundlage stören, die auf der Solidarität der gesamten Arbeiterschaft über Betriebsgrenzen hinaus beruhte.74 Diese ablehnende Haltung schwand jedoch zunehmend mit der Erkenntnis, in den betrieblich organisierten Interessenverbänden Verbündete in der Durchsetzung ihrer Tarifpolitik auf Betriebsebene zu haben. Gleichzeitig erkannten die betrieblichen Interessenvertretungen die Vorteile einer unabhängigen und durchsetzungsfähigen Gewerkschaft als Verbündete.75 Als somit die Arbeitnehmervereinigungen langsam an Bedeutung und Kraft gewannen, schlossen sich auch die Arbeitgeber, die ihre Ziele aufgrund ihrer Machtposition bis dahin in Betrieb und Politik auch allein hatten durchsetzen können, zu Vereinigungen zusammen. So entstanden zunächst einzelne Arbeitgebervereinigungen, die sich schließlich in zentralisierten Verbänden vereinten.76 Ob seiner Größe und politischen Bedeutung nennenswert ist zwar der in Heidelberg im Jahre 1861 gegründete Deutsche Handelstag (DHT) als Spitzenverband deutscher und österreichischer Kaufmanns- und Handelsorganisationen.77 Hierbei handelte es sich jedoch vornehmlich um einen politischen Zweckverband, dessen wirtschaftliche Bestrebungen stets nur mittelbar mit der Bildung eines deutschen Nationalstaates zusammenhin-

72 Jahnke, Tarifautonomie und Mitbestimmung, S. 19; Teuteberg, Geschichte der industriellen Mitbestimmung, S. 275 ff., 288. 73 Jahnke, Tarifautonomie und Mitbestimmung, S. 22 f. 74 Biedenkopf, Grenzen der Tarifautonomie, S. 266; Jahnke, Tarifautonomie und Mitbestimmung, S. 19; Nikisch, Arbeitsrecht, Band 2, S. 197; Richardi, Individualwille und Kollektivgewalt, S. 248. 75 Jahnke, Tarifautonomie und Mitbestimmung, S. 20; Teuteberg, Geschichte der industriellen Mitbestimmung, S. 491 ff. 76 Höpfner, Tarifgeltung im Arbeitsverhältnis, S. 80 f.; Simon, Macht und Herrschaft der Unternehmerverbände, S. 35 mit Zahlen zur Vereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände ab 1913. 77 Simon, Macht und Herrschaft der Unternehmerverbände, S. 15.

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2. Kap.: Der Grundgedanke der Mitbestimmung

gen.78 Um Arbeitgebervereinigungen im hiesigen Sinne handelt es sich hingegen bei der „Blockade“, die sich in Hamburg streikenden Hafenarbeitern entgegenstellte, sowie dem Verein zum Schutz gegen die Ansprüche von verlotterten Gehilfen, die 1840 respektive 1850 entstanden.79 Diese eher punktuell anmutenden Zweckbündnisse zeigen, dass auch einzelne Unternehmer zunächst noch in der Lage waren, aufgrund des bestehenden Machtgefälles gegen die Gewerkschaften zu bestehen.80 Im Jahre 1909 hingegen waren es bereits 2.592 Unternehmerverbände.81

III. Die Sozialistengesetze Die Kraft dieser Entwicklung war es wohl auch, die in der Folge der Attentate auf Kaiser Wilhelm I.82 die koalitionsfeindliche Haltung der 1880er Jahre mit sich brachte.83 Während der erste Entwurf eines Gesetzes über den Ausschluss der Sozialdemokraten noch scheiterte,84 wurde ein entsprechendes Gesetz schließlich am 18. Oktober 1878 angenommen.85 Zwar richteten sich die Verbote vornehmlich gegen die sozialistischen Parteien. Die Gewerkschaften gerieten indes ob ihrer Affiliation zwangsläufig ebenso ins Kreuzfeuer.86 Allein in den ersten zehn Jahren der Sozialistengesetze wurden 17 Zentralverbände und 120 Berufsorganisationen aufgelöst.87 Erst die Aufhebung der Koalitionsverbote innerhalb der Gewerbeordnung von 186988 sowie der Sozialistengesetze89 ermöglichte die Neubildung von Interessenverbänden und mündete im Jahre 1891 in die Novelle der Gewerbeordnung90, die in 78

Simon, Macht und Herrschaft der Unternehmerverbände, S. 15. Simon, Macht und Herrschaft der Unternehmerverbände, S. 16. 80 Simon, Macht und Herrschaft der Unternehmerverbände, S. 17. 81 Simon, Macht und Herrschaft der Unternehmerverbände, S. 27. 82 Wilhelm Friedrich Ludwig von Preußen (1797 – 1888). 83 Ausführlich zu der Gewerkschaftsbewegung s. Limmer, Deutsche Gewerkschaftsbewegung, S. 28 ff. Zu einem Zusammenhang der Gesetzgebung mit dem Attentat Wachenheim, Deutsche Arbeiterbewegung 1844 – 1914, S. 200 f. 84 S. dazu Wachenheim, Deutsche Arbeiterbewegung 1844 – 1914, S. 201. 85 Wachenheim, Deutsche Arbeiterbewegung 1844 – 1914, S. 206. 86 Abendroth, Deutsche Gewerkschaften, S. 10 f.; Höpfner, Tarifgeltung im Arbeitsverhältnis, S. 77 f. 87 Zahlen nach Abendroth, Deutschen Gewerkschaften, S. 11; s. auch Giere, Soziale Mächtigkeit, S. 22. 88 § 152 der Gewerbeordnung für den Norddeutschen Bund v. 21. 6. 1869, Bundes-Gesetzblatt des Norddeutschen Bundes 1869, S. 245; vertiefend Abendroth, Deutsche Gewerkschaften, S. 8; s. auch Nikisch, Arbeitsrecht, Band 2, S. 18. 89 Das Gesetz über die gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie v. 21. 10. 1878, RGBl. S. 351 trat schließlich am 30. 9. 1890 durch Gesetz v. 18. 3. 1888, RGBl. S. 109 außer Kraft. Ausführlich Wachenheim, Deutsche Arbeiterbewegung 1844 – 1914, S. 268 ff. 90 Gesetz betreffend Abänderung der Gewerbeordnung v. 1. 1. 1891, RGBl. 1891, S. 261. 79

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§ 134h die Errichtung von Arbeiterausschüssen genehmigte und erstmalig auch Anhörungsrechte vorsah.91 Hierbei handelte sich indes nicht um eine Zwangsvorschrift. Vielmehr war die Einrichtung von Arbeiterausschüssen von dem Wohlgefallen des einzelnen Arbeitgebers abhängig.92 Daher lässt sich dieser Norm zwar kein über eine nunmehr duldende Haltung des Gesetzgebers hinausgehender gesetzgeberischer Erklärungsinhalt entnehmen. Diese Gesetzgebung brachte dennoch das Ende zumindest der koalitionsfeindlichen Haltung mit sich, welche Mitte des 19. Jahrhunderts durch Koalitionsverbote und erhebliche Einschränkungen der Vereins- und Versammlungsfreiheit auch Eingang in die Gesetzgebung gefunden hatte.93 Konträr zu den Bestrebungen hinter den Sozialistengesetzen hatten die Jahre der Unterdrückung das Gefühl der Solidarisierung in den Gewerkschaftslagern aber nicht nur geschürt, sondern sie in ihrem Ziel, die Interessen der Arbeitnehmer zu vertreten, sogar geeint.94 Mit dieser Entwicklung erfuhr das Gewerkschaftsverständnis eine weitere maßgebliche Prägung: Im Laufe der Zeit erhielten die Organisationen fortschreitende Anerkennung dergestalt, dass ihre Existenz kraft Landesrechtes nicht nur mehr gebilligt, sondern ihre Beteiligung an der Interessenvertretung gar vorgesehen wurde.95 Im Jahre 1916 folgte für diejenigen Unternehmen, die für die militärische Ausund Aufrüstung des Landes von Belang waren, das sog. Hilfsdienstgesetz.96 Obschon es sich dabei in seinem Ursprung aufgrund der Kriegssituation wohl nur um die Beschwichtigungsmaßnahme einer Übergangsregierung handelte, wurden die Gewerkschaften als Interessenvertreter der Arbeitnehmer so erstmals mit Mitbestimmungsinstrumentarien versehen.97 In allen in den Anwendungsbereich fallenden Betrieben mit mehr als 50 Arbeitern mussten zudem verbindlich Arbeiterausschüsse, vergleichbar mit den heutigen Betriebsräten, eingeführt werden.98 Die darauffolgenden Abschlüsse von Tarifverträgen erfolgten dennoch weiterhin ohne gesetzliche 91 Höpfner, ZfA 2019, 108, 109; Jahnke, Tarifautonomie und Mitbestimmung, S. 20; Spilger, Tarifvertragliches Betriebsverfassungsrecht, S. 61. 92 Mit dieser Einschätzung später auch die Verfassungsgebende Nationalversammlung, Band, Nr. 928, S. 18. 93 Ausführlich Wachenheim, Deutsche Arbeiterbewegung 1844 – 1914, S. 268, 272; vgl. auch Galperin, AuR 1965, 1. 94 Abendroth, Deutsche Gewerkschaften, S. 11; Schönhoven, Geschichte der deutschen Gewerkschaften: Phasen und Probleme, in: Schröder, Handbuch Gewerkschaften in Deutschland, S. 59, 64. 95 S. zu dieser Entwicklung Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte, Band 6, S. 1104; auch bereits ders., Deutsche Verfassungsgeschichte, Band 5, S. 107 f. 96 Gesetz über den vaterländischen Hilfsdienst v. 5. 12. 1916, RGBl. 1916, S. 1333. 97 Däubler, Arbeitskampfrecht, § 4 Rn. 6; Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte, Band 6, S. 1114; Hueck/Nipperdey/Nipperdey, Arbeitsrecht, Band 2/1, S. 118; Nörr, ZfA 1986, 403, 404, 411. Siehe zum historischen Kontext in den das Gesetz erlassen wurde ausführlich D. Krüger, Stinnes-Legien-Abkommen, S. 73 ff. 98 S. dazu H. Fechner, Arbeiter und Wirtschaftsräte, in: Voigt, Aufbruch zur Demokratie, S. 801, 802; Milert/Tschirbs, Die andere Demokratie, S. 108 f., 146.

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2. Kap.: Der Grundgedanke der Mitbestimmung

Grundlage.99 Auch blieb der Tarifvertrag als Instrumentarium der Teilhabe weiterhin schwach, da sich die besonders relevanten Großunternehmen weiterhin vor Verhandlungen mit Interessenvertretern der Arbeiterschaft verschlossen.100

IV. Die gesetzliche Anerkennung der Koalitionen 1. Das Stinnes-Legien-Abkommen als Ursprung Den Weg hin zu einer gesetzlichen Anerkennung und Regelung der Koalitionen und ihrer Betätigung ebnete schließlich die Vereinbarung über die Zentralarbeitsgemeinschaft vom 15. November 1918.101 Ideologien- und branchenübergreifend reagierten die Gewerkschaften und der Spitzenverband der Unternehmer damit auf einen zweiwöchigen Protest im November des Jahres 1918.102 Gem. § 1 der Satzung der Zentralarbeitsgemeinschaft sollten durch die Zusammenarbeit alle „die Industrie und das Gewerbe Deutschlands berührenden wirtschaftlichen und sozialen Fragen, sowie [die] sie betreffenden Gesetzgebungs- und Verwaltungsangelegenheiten“ beantwortet werden.103 Während im Nachklang des Ersten Weltkrieges die Interessenlagen der Sozialpartner denkbar unterschiedlich waren, erkannten sie die Vorteile einer zeitweisen Zusammenarbeit und waren angesichts dessen zu Zugeständnissen bereit.104 Die Gewerkschaften würden sich sozialistisch motivierter Vorstöße enthalten und die Arbeitgeber sowie ihre Interessenverbände sich mit den Gewerkschaften auf die Festsetzung von Arbeitsbedingungen kraft Kollektivvereinbarung einigen.105 Auf Grundlage dieser Vereinbarung sollten darüber hinaus auch Arbeiterausschüsse als Kontrollorgane im Betrieb ein99

Jahnke, Tarifautonomie und Mitbestimmung, S. 20. Kempen/Zachert/Kempen/Zachert, TVG, Grundlagen Rn. 23; Limmer, Deutsche Gewerkschaftsbewegung, S. 33 ff. 101 Die Vereinbarung zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbänden v. 15. 11. 1918, RArbBl. 1918 S. 874. 102 Hierzu und zu der Verbindung zum Abschluss des Stinnes-Legien-Abkommens Kittner/ Däubler, Geschichte der Betriebsverfassung, S. 145 f. 103 Die Satzung der Zentralarbeitsgemeinschaft ist abgedruckt im Anschluss an das Abkommen, RArbBl. 1918, S. 874 f. 104 Dahingehend kann bereits die Präambel der Satzung verstanden werden, die besagte: „Durchdrungen von der Erkenntnis und der Verantwortung, daß die Wiederaufrichtung […] aller wirtschaftlichen und geistigen Kräfte und allseitiges Zusammenarbeiten verlangt […]“, RArbBl. 1918, S. 874; zu den Interessenpositionen s. Schönhoven, Geschichte der deutschen Gewerkschaften: Phasen und Probleme, in: Schröder, Handbuch Gewerkschaften in Deutschland, S. 59, 67. 105 Eindrücklich zum Abkommen D. Krüger, Stinnes-Legien-Abkommen, S. 163 ff.; s. auch Abendroth, Deutsche Gewerkschaften, S. 22; Däubler/Däubler, TVG, Einleitung Rn. 23; Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte, Band 6, S. 1114 f.; Schönhoven, Geschichte der deutschen Gewerkschaften: Phasen und Probleme, in: Schröder, Handbuch Gewerkschaften in Deutschland, S. 59, 67. 100

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gerichtet werden.106 Zudem wurde den Unternehmen die Unterstützung interessenheterogener gelber Gewerkschaften untersagt und der Acht-Stunden-Tag eingeführt.107 Zur Kontrolle der Einhaltung und Umsetzung des Abkommens wurde schließlich entsprechend der Satzung der Zentralarbeitsgemeinschaft ein paritätisch besetzter Zentralausschuss gebildet.108 Diese gegenseitige Anerkennung der Spitzenverbände griff einer einfachgesetzlichen Normierung des Tarifvertrages vor und zeigt auf diese Weise eindrucksvoll die zwangssymbiotische Beziehung der beiden Parteien als Bestandteil einer eigenen Normsetzungsinstanz.109 2. Die TVVO Am 21. Dezember 1918 schließlich folgte die Verordnung über Tarifverträge, Arbeiter- und Angestelltenausschüsse und Schlichtung von Arbeitsstreitigkeiten (TVVO).110 Sie sah erstmals eine gesetzliche Regelung des Tarifvertrages vor und hob ihn als Rechtsinstitut kollektivvertraglicher Regelung von Arbeitsbedingungen in die normative Legitimität. Der Abschluss und die Wirkung eines Tarifvertrages waren aufgrund dessen Unabdingbarkeit nicht mehr von einem willkürlichen Gewährenlassen durch den Staat abhängig.111 Ursprünglich nur als vorübergehendes Lösungsmodell gedacht, wurde die TVVO durch die Verordnung vom 31. Mai 1920112 sowie durch Gesetz vom 23. Januar 1923113 noch einmal erweitert.114 Entsprechend dem Vertragsmodell, welches in der Literatur zur Legitimierung des Tarifvertrages favorisiert worden war,115 bestimmte § 1 Abs. 1 S. 1 TVVO den Tarifvertrag als Vertrag zwischen Vereinigungen von Arbeitnehmern auf der einen Seite und solchen der Arbeitgeber bzw. einzelnen Arbeitgebern auf der anderen 106

Jahnke, Tarifautonomie und Mitbestimmung, S. 21. Mit einer Auflistung der Vereinbarungen Höfler, Gewerkschaftsbegriff, S. 56. 108 Fercher, Arbeiter und Wirtschaftsräte, in: Voigt, Aufbruch in die Demokratie, S. 801, 802. 109 Kaiser, Parität der Sozialpartner, S. 26. 110 Verordnung über Tarifverträge, Arbeiter- und Angestelltenausschüsse und Schlichtung von Arbeitsstreitigkeiten v. 23. 12. 1918, RGBl. 1918, S. 1456. 111 Bogs, FS v. Gierke 1950, S. 39, 41; Höpfner, ZfA 2019, 108, 112; Jahnke, Tarifautonomie und Mitbestimmung, S. 21; Müller, Arbeitskampf und Recht, S. 19; Nörr, ZfA 1986, 403, 404. 112 Die §§ 6a, 6b TVVO über die Publizität von Tarifverträgen wurden durch die Verordnung betreffend die Änderung des Abschnitts I der Verordnung über Tarifverträge, Arbeiterund Angestelltenausschüsse und Schlichtung von Arbeitsstreitigkeiten v. 31. 5. 1920, RGBl. 1920, S. 1128, eingefügt. 113 Durch das Gesetz über die Erklärung der allgemeinen Verbindlichkeit von Tarifverträgen v. 23. 1. 1923, RGBl. I 1923, S. 67 wurde der urspr. § 5 Abs. 2 S. 2 TVVO abgeändert und dem § 6 ein Absatz 2 beigefügt. 114 Vertiefend Höpfner, ZfA 2019, 108, 111 f. 115 Vgl. stellv. Köppe, Arbeitstarifvertrag als Gesetzgebungsproblem, S. 290 ff.; s. auch Höpfner, ZfA 2019, 108, 113. 107

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2. Kap.: Der Grundgedanke der Mitbestimmung

Seite.116 Damit wurde der Abschluss von Tarifverträgen erstmals auch kraft Gesetzes Aufgabe der Koalitionen. Kernstück der TVVO war die unmittelbar normative Geltung des Tarifvertrages.117 Mit der Normierung des Günstigkeitsprinzips in § 1 Abs. 1 S. 1 TVVO wurde er verbindliche Rechtsquelle für die in ihm niedergeschriebenen Arbeitsbedingungen – ein Abweichen war nunmehr nur noch zugunsten der Arbeitnehmer möglich.118 Insofern kodifizierte die Verordnung das Verständnis Hugo Sinzheimers, welcher im Gesetzgebungsverfahren mit seinem Vorschlag über ein Arbeitstarifgesetz aus dem Jahre 1916 in der tariflichen Vereinbarung einen Akt objektiver Rechtssetzung gesehen hatte.119 Ferner sahen die §§ 7 – 14 TVVO eine Erweiterung im Vergleich zum Hilfsdienstgesetz von 1916 dergestalt vor, dass sowohl die Anzahl derjenigen Betriebe erhöht wurde, die Arbeiter- und Angestelltenausschüsse einzurichten hatten, als auch ein Schwellenwert für die Errichtung solcher Ausschüsse ab einer Betriebsgröße von 20 Arbeitern normiert wurde.120 3. Die verfassungsrechtliche Anerkennung durch die WRV Vollumfänglichen normativen Schutz erhielten die Vereinigungen der Arbeitnehmer jedoch erst mit Inkrafttreten der WRV am 11. August 1912.121 Mit der Kodifizierung der Koalitionsfreiheit als Fundament der kollektiven Interessenwahrnehmung reagierte die Weimarer Nationalversammlung zumindest politisch auch auf die immer stärker werdenden Bestrebungen der Arbeitnehmer hin zu mehr Teilhabe. Durch die Art. 159, 165 WRV wurde die kollektive Interessenwahrnehmung in den Verfassungsrang erhoben und entsprach bereits in vielen Aspekten dem heutigen Art. 9 Abs. 3 GG.122 Diese verfassungsrechtliche Gewährleistung kodifizierte erstmalig über die klassischen Freiheitsrechte des 19. Jahrhunderts hinaus einen gewissen status quo der Arbeitnehmermitwirkung mit der Funktion von Schutz- und Abwehrrechten.123 Die Verfassungsgarantie sicherte jedoch nicht nur den Schutz der TVVO inhaltlich ab, sondern wirkte vielmehr überschießend.124 § 152 GewO 1869, welcher zuvor Koalitionsbildung und -betätigung, wenn nicht garantiert, so doch

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Höpfner, ZfA 2019, 108, 113. Nörr, ZfA 1986, 403, 404. 118 Belling, Günstigkeitsprinzip, S. 35 ff.; s. zu den Auswirkungen auch Höpfner, ZfA 2019, 108, 130. 119 Sinzheimer, Ein Arbeitstarifgesetz, S. 50; Sinzheimer, Grundzüge des Arbeitsrechts, S. 256 ff.; s. auch Däubler/Däubler, TVG, Einleitung Rn. 24; Höfler, Gewerkschaftsbegriff, S. 56 f.; Nörr, ZfA 1986, 403, 414. 120 Richardi, Recht der Betriebs- und Unternehmensmitbestimmung, Band 1, S. 5. 121 S. Galperin, AuR 1965, 1. Ausführlich zur Entstehungsgeschichte der Weimarer Verfassung Gusy, JZ 1994, 753 passim. 122 Vgl. dazu Kapitel 3, Abschnitt A. I. 1. und 2. 123 Bruhn, Tariffähigkeit von Gewerkschaften und Autonomie, S. 74. 124 Vgl. Nikisch, Arbeitsrecht, Band 2, S. 19. 117

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erlaubt hatte, verlor insoweit – und noch mehr unter Hinzuziehung der allgemeinen Vereinigungsfreiheit – seinen Sinngehalt.125 Durch Art. 159 WRV war nun auch das Verhältnis der Tarifvertragsparteien zueinander normiert und so auch mittelbar die Vereinbarung als solche in ihrem Bestand gestärkt.126 Den Kollektivvereinbarungen der Tarifparteien kam objektivrechtliche Wirkung zu. Sie bewegten sich somit zwischen der bis dahin allein relevanten Individualrechtsquelle des Arbeitsrechtvertrages und dem Gesetzesrecht.127 Inwiefern die Koalitionen selbst in Bestand und Betätigung geschützt wurden oder auch die Garantie einer negativen Koalitionsfreiheit blieben in der Folgezeit umstritten.128 Art. 165 WRV sah darüber hinaus vor, die Arbeiter gleichberechtigt neben dem Unternehmer an den Regelungen über die Beschäftigungsbedingungen zu beteiligen und sie vollumfänglich an der wirtschaftlichen Entwicklung der „produktiven Kräfte“ mitwirken zu lassen.129 Zu diesem Zwecke sah der Verfassungsgeber ein dreistufiges Hierarchiesystem der Räte vor (Betriebsräte, Bezirksräte und an der Spitze ein Rat für das gesamte Reich). Während die Idee eines Rätesystems innerhalb des Parteispektrums im Prinzip einheitlich befürwortet worden war, hatte im Rahmen des Verfassungsgebungsverfahrens durchaus Uneinigkeit über Inhalt und Ausgestaltung eines solchen Systems geherrscht.130 Von Seiten der Sozialisten war ein „reines Rätesystem“ angestrebt worden, das – entsprechend der fundamentalen Bestrebungen von Vergesellschaftungen und einer Organisation der Wirtschaft „von unten“ – auch erhebliche legislative Verantwortung übernehmen sollte.131 Weniger radikal waren die Ideen der Sozialdemokraten, die neben Betriebsräten paritätisch besetzte, branchenspezifische Produktionsräte gefordert hatten, die aus Arbeitneh125

RG v. 2. 7. 1925 – IV 154/25, RGZ 111, 199, 200; Meik, Kernbereich, S. 75; so wohl auch Nikisch, Arbeitsrecht, Band 2, S. 19 f.; vgl. auch Hueck/Nipperdey/Nipperdey, Arbeitsrecht, Band 2/I, S. 119; zu § 152 GewO 1869 Schwerdtfeger, Koalitionsfreiheit, S. 1 f. 126 Burkiczak, Grundgesetz und Deregulierung, S. 33; Höpfner, Tarifgeltung im Arbeitsverhältnis, S. 99; ders., ZfA 2019, 108, 115 f.; Kempen/Zachert/Kempen, TVG, Grundlagen Rn. 89; Hueck/Nipperdey/Nipperdey, Arbeitsrecht, Band 2/I, S. 119; Nörr, ZfA 1986, 403, 411. 127 Nörr, ZfA 1986, 403, 411. 128 Umfangreiche Erläuterung bei Burkiczak, Grundgesetz und Deregulierung, S. 33 ff. Für eine Institutionsgarantie Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte, Band 6, S. 123, 1115 ff., ders., AöR 62 (1933), 1, 74 ff. Zu Inhalt und heutiger Bedeutung des Art. 159 WRV s. bereits Kapitel 1, Abschnitt C. I. 2. und Kapitel 3, Abschnitt A. I. 1. und 2. 129 Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte, Band 6, S. 124. 130 Mit einer Darstellung der Extrempositionen bereits Sinzheimer, Über die Formen und Bedeutung der Betriebsräte, in: Kahn-Freund/Ramm, Arbeitsrecht und Rechtssoziologie, S. 321; ausführlich auch die Darstellung der einzelnen Positionen bei Weipert, KJ 2019, 292 passim. 131 H. Fechner, Arbeiter- und Wirtschaftsräte, in: Voigt, Aufbruch in die Demokratie, S. 801, 803; v. Oertzen, Betriebsräte in der Novemberrevolution, S. 96 ff.; Thiele, Zum kommenden Räte-Gesetz, S. 18 ff.

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mern und Arbeitgebern bzw. Unternehmern bestehen sollten.132 DDP sowie Zentrum schlossen sich dem damals vorliegenden Verfassungsentwurf mit wenigen Differenzen an.133 Dieser sah vor, das Rätesystem entsprechend der Vorstellungen einer sozialorientierten Produktionssicherung zu verankern, und entsprach insoweit maßgeblich Erwägungen, die bereits von Hugo Sinzheimer angestellt worden waren, wonach die Räte einen wesentlichen Bestandteil der Wirtschaftsverfassung bildeten.134 Bereits Art. 34a des Verfassungsentwurfes, wie er der Verfassungsgebenden Nationalversammlung vorlag, sah die Einsetzung eines Rätesystems vor.135 Dieses sollte sodann im Wege einfacher Gesetzgebung konkretisiert werden. Schon der Entwurfsbegründung ist die hervorgehobene Wichtigkeit für den Verfassungsgeber zu entnehmen, das Verhältnis eben dieser Räte zu den Koalitionen zu regeln. Diese sollten die „wertvolle und notwendige Arbeit der Gewerkschaften“ nicht ersetzen, sondern sie vielmehr im Sinne einer „sozialpolitischen“ Funktion ergänzen.136 Neben die mitgliedschaftliche Repräsentation durch die Vereinigungen der Arbeitnehmer sollte eine sozialpolitische Aufgabenwahrnehmung der Räte treten. In diesem Sinne erkannte Art. 165 Abs. 1 S. 2 WRV später auch die Arbeitnehmer- und Arbeitgebervereinigungen ausdrücklich an (vgl. dazu vertiefend Kapitel 3 Abschnitte A. I. und B. I.). Indem das Rätesystem in dem „Räteartikel“ auch in seiner Struktur verankert war, erfuhr – analog zu den Koalitionen gem. Art. 159 WRV – die betriebliche wie unternehmensbezogene Mitbestimmung eine entsprechende (Institutions-)Garantie.137 Bis auf wenige Änderungen glich der Art. 34a des Entwurfes bereits dem späteren Art. 165 WRV.138 Nichtsdestoweniger überwog die praktische Relevanz der Gewerkschaften.139 Diese verflochten sich schließlich auch in die Strukturen der Räteorganisation.140

132 H. Fechner, Arbeiter- und Wirtschaftsräte, in: Voigt, Aufbruch in die Demokratie, S. 801, 803; zu den Bestrebungen Max Cohens und der SPD v. Oertzen, Betriebsräte in der Novemberrevolution, S. 200 f. 133 Schulze, Kabinett Scheidemann 13. Februar bis 20. Juni 1919, S. 72 ff., 103 f., 131 ff.; Thiele, Zum kommenden Räte-Gesetz, S. 20 f.; vgl. auch H. Fechner, Arbeiter- und Wirtschaftsräte, in: Voigt, Aufbruch in die Demokratie, S. 801, 803. 134 Verfassungsgebende Nationalversammlung, Band 335, Nr. 385, S. 228 ff.; Sinzheimer, Das Rätesystem, in: Kahn-Freund/Ramm, Arbeitsrecht und Rechtssoziologie, S. 325 ff., insbesondere 327; H. Fechner, Arbeiter- und Wirtschaftsräte, in: Voigt, Aufbruch in die Demokratie, S. 801, 804. 135 Verfassungsgebende Nationalversammlung, Band 335, Nr. 385, S. 228 ff. 136 So die Verfassungsgebende Nationalversammlung, Band 335, Nr. 385, S. 228. 137 Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte, Band 6, S. 124. 138 Die genannten Änderungen werden sichtbar in einem Vergleich des Entwurfes mit dem Text der Verfassungsgebenden Nationalversammlung, Band 336, Nr. 391, S. 399. 139 Höpfner, Tarifgeltung im Arbeitsverhältnis, S. 99; Nörr, ZfA 1986, 403, 405, 408. 140 H. Fechner, Arbeiter- und Wirtschaftsräte, in: Voigt, Aufbruch in die Demokratie, S. 801, 806 f.; Nörr, ZfA 1986, 403, 406 mit Verweis auf Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte, Band 6, S. 393.

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V. Die Umsetzung des Rätesystems durch das BRG 1. Die Einführung des dualistischen Systems der Mitbestimmung Während die WRV der einfachgesetzlichen Garantie der Tarifautonomie und der Koalitionen als solche erst nachgefolgt war, ebnete sie den Weg für eine Interessenvertretung auf betrieblicher und Unternehmensebene. Zu einer permanenten einfachgesetzlichen Ausgestaltung dieses Rätesystems kam es mit Ausnahme des vorläufigen Reichswirtschaftsrates jedoch nur noch auf Ebene der Betriebsräte. Das Betriebsrätegesetz vom 4. Februar 1920141 stellte sodann auch das vorläufige Ende der normativen Entwicklung der kollektiven Interessenwahrnehmung dar. Das BRG suchte die Rechtsposition der Arbeitnehmervereinigungen über ihre Eigenschaft als Tarifvertragspartner hinaus auch in den einzelnen Betrieben zu stärken und beschränkte daher seinen Regelungskomplex auf eben dieses Tätigkeitsfeld. Insofern orientierte es sich an der Zuständigkeitsvorstellung Hugo Sinzheimers, der allein den Gewerkschaften die Förderung und Wahrung der Arbeitnehmerinteressen auftragen wollte, während die Betriebsräte auf einer (sekundären) Parallelebene über die praktische Einhaltung der Kollektivvereinbarungen wachen sollten.142 Das BRG stellte folglich das erste Gesetz dar, welches im Sinne der heutigen dualistischen Arbeitsrechtsordnung zwischen kollektivvertraglicher und unternehmensbezogener bzw. betrieblicher Mitbestimmung differenzierte.143 2. Die betriebliche und unternehmensbezogene Mitbestimmung „Zur Wahrnehmung der gemeinsamen wirtschaftlichen Interessen“144 sollten gem. § 1 BRG Betriebsräte gebildet werden, aus dessen Mitgliedern sich wiederum Angestellten- und Arbeiterräte bildeten,145 § 15 Abs. 4 BRG. Zur Wahrnehmung dieser Interessen sah das BRG sowohl Anhörungsrechte für bestimmte Unternehmensentscheidungen vor146 als auch nach Maßgabe der §§ 66, 74 BRG die gestalterische Durchsetzung verschiedener Beschäftigungsbedingungen kraft Betriebsvereinba141 Betriebsrätegesetz v. 4. 2. 1920, RGBl. 1920, S. 147; vgl. auch Papier, AG 1978, 241, 242; Richardi, Recht der Betriebs- und Unternehmensmitbestimmung, Band 1, S. 6. Vorübergehend kam es zu der Bildung eines Reichswirtschaftsrates mit 326 Sitzen auf der Grundlage der Verordnung der Regierung über den vorläufigen Reichswirtschaftsrat v. 4. 5. 1920, RGBl. 1920, S. 858. Siehe dazu im Details H. Fechner, Arbeiter- und Wirtschaftsräte, in: Voigt, Aufbruch in die Demokratie, S. 801, 806 f.; Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte, Band 6, S. 394 ff. 142 Sinzheimer, Grundzüge des Arbeitsrechts, S. 70, 71; Höfler, Gewerkschaftsbegriff, S. 58. 143 S. auch Jahnke, Tarifautonomie und Mitbestimmung, S. 22. 144 Hervorhebung durch die Verfasserin. 145 Zu den praktischen und wissenschaftlichen Diskussionen um die begriffliche wie funktionelle Abgrenzung dieser Institute s. Kittner/Däubler, Geschichte der Betriebsverfassung, S. 178. 146 Bspw. § 74 BRG.

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2. Kap.: Der Grundgedanke der Mitbestimmung

rung.147 Das Gesetz über die Entsendung von Betriebsratsmitgliedern in den Aufsichtsrat vom 15. Februar 1922148 (ARG) konkretisierte die in § 70 BRG normierte Entsendung von bis zu zwei Betriebsratsmitgliedern in den Aufsichtsrat, um dort die „Ansichten und Wünsche […] der Arbeitnehmer hinsichtlich der Organisation des Betriebes“ zu vertreten. Die entsandten Arbeitnehmer wurden in das bestehende Aufsichtsratsgremium eingegliedert und erhielten gem. § 3 ARG dieselben Rechte wie die Aufsichtsratsmitglieder der Anteilseignerseite.149 Hiermit sollte auch eine funktionale Erweiterung der Mitbestimmungsgegenstände einher gehen und auch gesamtwirtschaftliche Unternehmensgegenstände sollten erfasst werden.150 Diese Mitbestimmung war jedoch nicht numerisch paritätisch, sodass eine spürbare Einflussnahme auf die Entscheidungsfindung des Aufsichtsrates a priori ausgeschlossen war.151 Auch eine Konsultation der entsandten Betriebsratsmitglieder mit Gewerkschaften zur vollumfänglichen Berücksichtigung sämtlicher Interessen war – außer kraft tarifvertraglicher Regelung – nicht vorgesehen.152 Eine Vergütung erhielten die im Aufsichtsrat vertretenen Betriebsratsmitglieder nicht.153 Insgesamt kristallisierten sich zwei parallele Aufgabenbereiche der Arbeiterbzw. Betriebsräte als Betriebsvertretungen heraus: Unter den ersten Aufgabenbereich – die Wahrnehmung sozialer und wirtschaftlicher Interessen – fielen zunächst solche Aspekte, die das Arbeitsverhältnis unmittelbar betrafen. Hier sollten sich Betriebsrat und Arbeitgeber gar als Parteien des Arbeitsverhältnisses entgegentreten.154 Kompetenziell wurden durch diese Aspekte nach Maßgabe der §§ 66 ff. BRG und §§ 78 ff. BRG zwischen dem Betriebsrat einerseits und dem Arbeiter- bzw. Angestelltenrat andererseits aufgeteilt, wobei der Betriebsrat im Sinne des § 78 BRG subsidiär an die Stelle des Arbeiter- oder Angestelltenrates treten sollte. In diesem Zusammenhang sollten gem. § 78 Nr. 1 BRG die Durchführung der „zugunsten der Arbeitnehmer gegebenen gesetzlichen Vorschriften und die maßgebenden Tarifverträge sowie die von den Beteiligten anerkannten Schiedssprüche“ überwacht,155 bei fehlenden tariflichen Regelungen an der Regelung der Löhne und sonstigen 147 S. dazu Däubler, Arbeitskampfrecht, § 4 Rn. 9 f. mit weiteren Beispielen der Mitbestimmungsrechte. 148 Gesetz über die Entsendung von Betriebsratsmitgliedern in den Aufsichtsrat v. 15. 2. 1922, RGBl. I 1922, S. 209. 149 Mansfeld, BRG, § 70 Anm. 3. 150 I. S. e. funktionell neuen Aufgabe der Betriebsräte bereits die Begründung des Regierungsenwurfes v. 9. 8. 1919, Erste Beilage zum Deutschen Reichsanzeiger und Preußischen Staatsanzeiger v. 9. 8. 1919, Nr. 179; s. auch RG v. 11. 1. 1924 – II 274/23, RGZ 107, 221, 224; Mansfeld, BRG, § 70 Anm. 3. 151 Mit dieser Einschätzung auch Papier, AG 1978, 241, 244 f. 152 Sambale, BRG, § 70, S. 32. 153 Flatow, Betriebsrätegesetz, § 70 Anm. 4. 154 Verfassungsgebende Nationalversammlung, Band 338, Nr. 928, S. 19, 20. 155 Zu den Kompetenzen s. die vorläufigen Dienstanweisungen der Verfassungsgebenden Nationalversammlung, Band 335, Nr. 385, S. 232.

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Arbeitsverhältnissen mitgewirkt (§ 78 Nr. 2 BRG) sowie gem. § 78 Nr. 3 BRG eine Arbeitsordnung vereinbart werden.156 Außerdem sollte der Arbeiter- oder hilfsweise der Betriebsrat versuchen, gem. § 78 Nr. 5 BRG Streitigkeiten und Uneinigkeiten zwischen Arbeitgeber und Belegschaft, wenn erforderlich durch Anrufen einer Schlichtungsstelle, zu befrieden, Unfall- und Gesundheitsgefahren im Sinne von § 78 Nr. 6 BRG vorzubeugen und die Verwaltung von Wohlfahrtseinrichtungen im Wege der Mitwirkung zu unterstützen. Eine große Mehrheit dieser Tätigkeiten ist auch nach heutigem Verständnis Bestandteil der betrieblichen Mitbestimmung nach dem BetrVG.157 Aber auch der zweite grundsätzliche Aufgabenbereich – die „Einflußnahme auf Betriebsleitung und Betriebsleistung“ – spiegelt das Interesse des Gesetzgebers wider, die Beteiligung der Arbeitnehmer im Rahmen einer direkten Interessenvertretung durch den Betriebsrat158 nicht in der Unternehmens- bzw. Betriebsleitung zu institutionalisieren, sondern dem Arbeitgeber vielmehr nur ein antagonistisches Kontrollgremium entgegenzustellen, welches selbst keinen Einfluss auf die wirtschaftliche und unternehmerische Planung des Unternehmens hat. Die mit dem zweiten Aufgabenkomplex korrespondierenden Rechte beschränkten sich auf Anhörungsrechte bei für die Arbeitsverhältnisse wichtigen Betriebsvorgängen sowie gem. § 72 BRG bei größeren Betrieben auf das Recht auf Vorlage der Betriebs- bzw. Unternehmensbilanz und gem. § 74 BRG auch die Mitwirkung bei der Einführung neuer Arbeitsmethoden.159 Die Betriebsratsmitglieder sollten ähnlich den früheren Arbeiterausschüssen „ihre Erfahrung und Sachkunde fördernd“ einbringen.160 Doch auch hinsichtlich dieses Aufgabenbereiches lassen sich die Befugnisse des Betriebsrates nicht von deren unmittelbarer Legitimation durch die einzelnen Arbeitsverhältnisse trennen. Selbst inhaltlich wurden die Beteiligungsrechte durch ihre Relevanz für das Arbeitsverhältnis begrenzt.161

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H. Fechner, Arbeiter- und Wirtschaftsräte, in: Voigt, Aufbruch in die Demokratie, S. 801, 805; sowie die Verfassungsgebende Nationalversammlung, Band 335, Nr. 385, S. 228 f. 157 Vgl. §§ 80, 87, 89 BetrVG. 158 Verfassungsgebende Nationalversammlung, Band 338, Nr. 928, S. 19. 159 S. hierzu Verfassungsgebende Nationalversammlung, Band 338, Nr. 928, S. 20 f. 160 So bereits die Verfassungsgebende Nationalversammlung, Band 335, Nr. 385, S. 229; kritisch hinsichtlich der praktischen Umsetzung Kittner/Däubler, Geschichte der Betriebsverfassung, S. 196. 161 Verfassungsgebende Nationalversammlung, Band 338, Nr. 928, S. 21. Vergleiche dazu auch die heutigen Rechte der §§ 90, 91, 92, 92a BetrVG.

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2. Kap.: Der Grundgedanke der Mitbestimmung

VI. Zwischenergebnis: Die volatile Machtposition der Koalitionen Von den dargestellten legislativen Fortschritten darf jedoch nicht darauf geschlossen werden, dass sich die Gewerkschaften damit in Arbeitswelt und Gesellschaft mithilfe dieser Gesetzgebung abschließend etabliert hatten. Zuvörderst ihre Rolle im Scheitern des Kapp-Putsches im März des Jahres 1920 suggeriert eine Stabilität und politische Kraft, die unter dem Einfluss der Nachkriegszeit letztlich doch stark fluktuierte. Mit vereinten Kräften über die ideologischen Grenzen hinaus hatten sie zwar mithilfe eines Generalstreiks den Umsturzversuch Wolfgang Kapps verhindern können.162 Die Inflation und eine damit verbundene Unzufriedenheit der Arbeitnehmerschaft mit den Maßnahmen der Gewerkschaften führten gleichwohl zu erheblichen Mitgliedereinbußen.163 Angriffe der Arbeitgeber und Unternehmen konnten sie nur gemeinsam unter Aufgabe letzter ideologischer Differenzen überstehen.164 Doch vor allem für den marxistisch geprägten Allgemeinen Deutsche Gewerkschaftsbund erschien eine Demokratisierung der Wirtschaft durch Mitbestimmung der Arbeiter außerhalb eines sozialistischen Systems zunächst noch unmöglich.165 Entsprechende Vorschläge wurden im Jahre 1925 im Rahmen des Breslauer Gewerkschaftskongresses vom Vorstand des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes in ein Arbeitspapier übernommen, welches im Jahre 1928 unter der Redaktion von Fritz Naphtali unter dem Titel „Wirtschaftsdemokratie – Ihr Wesen, Weg und Ziel“ erschien.166 Im Vordergrund standen die Interessen der Allgemeinheit und nicht solche einzelwirtschaftlichen Erwägungen, wie sie Gegenstand einer betrieblichen oder gar überbetrieblichen Mitbestimmung im Unternehmen gewesen wären.167 Eine kollektive Interessenvertretung der Arbeiter war in den Augen der marxistischen Gewerkschaften nur durch diese selbst möglich. Nur auf diese Weise könnte eine gesamtwirtschaftliche Ökonomie und eine dahingehend orientierte Interessenvertretung erreicht werden. Demgemäß wurde noch einmal die Regelungsmacht des Tarifvertrages in den Vordergrund gerückt und der Aufgabenbereich der Betriebsräte auf die Überwachung der betriebsinternen Prozesse zurückgestutzt.168 Entsprechend gerierte sich auch die Vorstellung vom Aufgaben162 Abendroth, Deutsche Gewerkschaften, S. 25; Höfler, Gewerkschaftsbegriff, S. 58 f.; Schönhoven, Geschichte der deutschen Gewerkschaften: Phasen und Probleme, in: Schröder, Handbuch Gewerkschaften in Deutschland, S. 59, 68. 163 Abendroth, Deutsche Gewerkschaften, S. 29. 164 Schönhoven, Geschichte der deutschen Gewerkschaften: Phasen und Probleme, in: Schröder, Handbuch Gewerkschaften in Deutschland, S. 59, 68. 165 Naphtali, Wirtschaftsdemokratie, S. 18. 166 Plakativ „durch Demokratisierung der Wirtschaft zum Sozialismus“, Naphtali, Wirtschaftsdemokratie, S. 13; vertiefend auch Stollreither, Mitbestimmung, S. 62; mit einer ähnlichen Einschätzung auch Papier, AG 1978, 241, 246. 167 Naphtali, Wirtschaftsdemokratie, S. 17; vgl. auch O. Kunze, Wirtschaftliche Mitbestimmung als Legitimationsproblem, S. 5. 168 Naphtali, Wirtschaftsdemokratie, S. 152 f.; vgl. auch Papier, AG 1978, 241, 246.

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bereich der Gewerkschaften im marxistischen System. Zwar sollten diese auch eine Verbesserung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen der Arbeiterschaft anstreben. Gleichzeitig sollten sie aber auch in dem kapitalgesellschaftlichen Umsturz eine stark politisierte Stellung einnehmen.169 Mehrheitlich wuchs jedoch das Interesse daran, Forderungen nicht mehr im ständigen ideologischen und politischen Antagonismus zu der Arbeitgeberseite zu erkämpfen, sondern vielmehr jenseits antikapitalistischer Bestrebungen im Rahmen einer demokratischen und liberalen Wirtschaftsordnung mit der Arbeitgeberseite zu kooperieren.170 Aufgrund schwindender Durchsetzungskraft konnten dahingehende Pläne in der Weimarer Republik jedoch nicht mehr umgesetzt werden.171

VII. Vom Nationalsozialismus bis heute 1. Die Mitbestimmung im Widerspruch zum „Führerprinzip“ Jegliche Vorwärtsentwicklung auf diesem Gebiet fand schließlich in der Zeit des Nationalsozialismus erst einmal ein jähes Ende. Da die unabhängige Interessenvertretung der Arbeitnehmer dem „Führerprinzip“172 widersprach, wurden ihre Mitbestimmungsrechte in der Zeit des NS-Regimes nach und nach beseitigt.173 Die Betriebsräte wurden zwar zunächst durch Vertrauensräte ersetzt.174 Diese unterlagen ab 1935 jedoch nicht mehr der Wahl durch die Belegschaft, sodass von einer Legitimation der (Mit-)Entscheidungen spätestens zu diesem Zeitpunkt nicht mehr gesprochen werden konnte.175

169 S. Lassalle, Offenes Antwortschreiben an das Zentralkomitee zur Berufung eines Allgemeinen Deutschen Arbeiterkongresses in Leipzig, S. 56, 57; zudem Limmer, Deutsche Gewerkschaftsbewegung, S. 26 f., 29; Picker, ZfA 2009 215, 221. 170 Vgl. Mommsen, Klassenkampf oder Mitbestimmung, S. 25; Schönhoven, Geschichte der deutschen Gewerkschaften: Phasen und Probleme, in: Schröder, Handbuch Gewerkschaften in Deutschland, S. 59, 68. 171 Schönhoven, Geschichte der deutschen Gewerkschaften: Phasen und Probleme, in: Schröder, Handbuch Gewerkschaften in Deutschland, S. 59, 69. 172 § 1 des Gesetzes zur Ordnung der Nationalen Arbeit v. 20. 1. 1934, RGBl. I 1934, S. 45 und § 2 des Gesetzes zur Ordnung der Arbeit in öffentlichen Verwaltungen und Betrieben v. 23. 3. 1934, RGBl. I 1934, S. 220; s. dazu nur Hueck/Nipperdey/Nipperdey, Arbeitsrecht, Band 2/I, S. 119. 173 Durch § 65 des Gesetzes zur Ordnung der nationalen Arbeit. 174 § 3 Abs. 1 des Gesetzes zur Ordnung der Arbeit in öffentlichen Verwaltungen und Betrieben. 175 Richardi, Recht der Betriebs- und Unternehmensmitbestimmung, Band 1, S. 6.

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2. Kap.: Der Grundgedanke der Mitbestimmung

2. Die Mitbestimmung in Ost- und Westdeutschland Nach dem Ende der nationalsozialistischen Diktatur lebte der Gedanke der Mitbestimmung der Arbeitnehmer jedoch alsbald wieder auf.176 Allerdings schlug sich die unterschiedliche sozialpolitische Ordnung in West- und Ostdeutschland merklich in der Wirtschafts- und Unternehmensordnung nieder. In der sowjetischen Besatzungszone wurde die Arbeitnehmervertretung zentralisiert durch den FDGB als Einheitsgewerkschaft wahrgenommen.177 Aufgrund des Befehls Nr. 2178 wurde die Koalitionsfreiheit sowohl kollektiv als auch individuell zwar gewährleistet. Ein Streikrecht gab es indes nicht.179 Letztlich sah das kommunistische Regime den FDGB und die unselbstständigen Einzelgewerkschaften lediglich als Exekutivorgan der SED an, welches durch Personalunionen in Partei und Bund gefördert wurde.180 Der Begriff der „Staatsgewerkschaft“ war geboren.181 Im Gegensatz zur politischen Homogenität der DDR galt in den westalliierten Besatzungszonen eine Vielzahl von Betriebsverfassungsgesetzen.182 Dennoch manifestierte sich das Verständnis der Sozialpartner als notwendige Gestaltungsinstanz innerhalb einer sozialen und durch sie normativen Ordnung: Während die Alliierten in ihrem Ziel, die Demokratie im Wege einer Sozialisierung wieder zu etablieren, die Gewerkschaften recht früh anerkannten, wurden es die Arbeitgeberverbände und ihre Unterorganisationen zunächst nicht. Dieses Machtungleichgewicht suchten die Gewerkschaften alsbald wieder auszugleichen, indem sie für eine Gleichstellung der Arbeitgeberverbände eintraten.183 So darf auch nicht verwundern, dass bereits vor der einfachgesetzlichen Neugestaltung des Tarifwesens durch das TVG im Mai 1945 wieder Tarifverträge geschlossen wurden.184 Wie bereits in der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg verlief die Tarifpraxis damit losgelöst von einer entsprechenden Normierung. Als abstraktes Gegenargument zu der Delegationstheorie eignet sich diese

176 Das Kontrollratsgesetz Nr. 22 v. 10. 4. 1946 sah die Wahl von Betriebsräten im System einer Betriebsverfassung für ganz Deutschland vor. Mit einer ausführlichen Darstellung Gloria Müller, Mitbestimmung in der Nachkriegszeit, S. 86 ff. 177 S. u. a. Richardi, Recht der Betriebs- und Unternehmensmitbestimmung, Band 1, S. 7. 178 Befehl Nr. 2 des Obersten Chefs der Sowjetischen Militärischen Administration betr. Zulassung freier Gewerkschaften usw. v. 10. 6. 1945, Verordnungsblatt der Stadt Berlin 1945, S. 28; vgl. dazu auch Lohmann, Zur Staats- und Rechtsordnung der DDR, S. 163. 179 Höfler, Gewerkschaftsbegriff, S. 70. 180 Kittner, Arbeitskampf, S. 574. 181 Vgl. Schönhoven, Geschichte der deutschen Gewerkschaften: Phasen und Probleme, in: Schröder, Handbuch Gewerkschaften in Deutschland, S. 59, 71. 182 Biedenkopf, Grenzen der Tarifautonomie, S. 141. 183 Kaiser, Parität der Sozialpartner, S. 14 f.; ders., Repräsentation organisierter Interessen, S. 185 f.; für eine gegenseitige Anerkennung auch Galperin, AuR 1965, 1, 8; ebenso MayerMaly, GS Peters 1967, S. 938, 939. 184 Kaiser, Parität der Sozialpartner, S. 26.

A. Entwicklung vom Teilhabegedanken zur Mitbestimmung

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Beobachtung indes nicht.185 Betrachtet man die Delegationstheorie neben dem Verständnis des Tarifvertrages als kollektivautonomes Produkt mandatarischer Legitimierung, so verändert sich nicht die Anerkennung der Gestaltungsmacht der Sozialpartner als Institution, sondern ihre Legitimation zur Setzung von zwingendem, unmittelbar geltendem Recht in Durchbrechung der Relativität der Schuldverhältnisse. Trotz ihrer Anerkennung gingen die Gewerkschaften geschwächt aus dem Zweiten Weltkrieg hervor. Aus diesem Grunde konnte auch der 1949 in der BRD gegründete DGB seine Pläne für mehr Unternehmensmitbestimmung der Arbeitnehmer zunächst nicht umsetzen. So enthielt das BetrVG 1952186 zwar Regelungen über eine Unternehmensmitbestimmung, sah jedoch keine Teilhabe externer Arbeitnehmervertreter vor. Eine Unternehmensmitbestimmung konnten die Gewerkschaften durch das MontanMitbestG187 nur in der für den Wiederaufbau unentbehrlichen Montanindustrie umsetzen.188 Mit seiner öffentlichen Unterstützung der SPD im Bundestagswahlkampf 1953 erhoffte sich der DGB schließlich eine günstige Veränderung des politischen Klimas. Nicht nur wurde diese Wahl jedoch verloren, der DGB musste die Aufgabe seiner politischen Neutralität auch mit der Abspaltung des Christlichen Gewerkschaftsbundes bezahlen.189 In der Folgezeit reagierten die Gewerkschaften mit ihren Forderungen eher punktuell auf die jeweilig virulenten Anliegen ihrer Mitglieder. Sie konnten höhere tarifliche Löhne aushandeln und im Zuge der Wirtschaftskrise für Arbeitsplatzsicherheit sorgen.190 Die Montanmitbestimmung wurde durch das MitbestErgG191 auf die Konzernobergesellschaften

185 Vgl. Kaiser, Parität der Sozialpartner, S. 26 f. auf der Grundlage des Verständnisses von Triepel, Delegation und Mandat im öffentlichen Recht, S. 83; so auch Bogs, RdA 1956, 1, 2; vgl. Galperin, FS Molitor 1962, S. 143, 154, 157; Herschel, in: Ständige Deputation des Deutschen Juristentages, Verhandlungen des 46. DJT, Band 2, S. D 7, D 11; Hirsch, Öffentliche Funktionen der Gewerkschaften, S. 47; a. A. zugunsten eines staatlichen Rechtssetzungsmonopol Karakatsanis, Kollektivrechtliche Gestaltung des Arbeitsverhältnisses, S. 58. 186 Betriebsverfassungsgesetz v. 11. 10. 1952, BGBl. I, S. 681, vollständig aufgehoben durch Art. 6 Abs. 2 des Zweiten Gesetzes zur Vereinfachung der Wahl der Arbeitnehmervertreter in den Aufsichtsrat v. 18. 5. 2004, BGBl. I 2004, S. 974, 979. 187 Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer in den Aufsichtsräten und Vorständen der Unternehmen des Bergbaus und der Eisen und Stahl erzeugenden Industrie v. 21. 5. 1951, BGBl. I 1951, S. 347, zuletzt geändert durch Art. 5 des Gesetzes für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst v. 24. 4. 2015, BGBl. I 2015, S. 642, 656. 188 S. dazu Kittner, Arbeitskampf, S. 598 ff. 189 Vgl. dazu Eitel, Ungleichbehandlung, S. 27 f.; Höfler, Gewerkschaftsbegriff, 66 f.; Limmer, Deutsche Gewerkschaftsbewegung, S. 99 ff. 190 Höfler, Gewerkschaftsbegriff, S. 67. 191 Gesetz zur Ergänzung des Gesetzes über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer in den Aufsichtsräten und Vorständen der Unternehmen des Bergbaus und der Eisen und Stahl erzeugenden Industrie v. 7. 8. 1956, BGBl. I 1956, S. 707 („1. lex Mannesmann“).

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2. Kap.: Der Grundgedanke der Mitbestimmung

ausgedehnt192 und die Fortgeltung der Mitbestimmungsnormen für sechs Jahre über den Fortfall der Voraussetzungen hinaus angeordnet.193 Das BetrVG 1952 wurde durch das BetrVG 1972 ersetzt, wobei die Regelungen über eine drittelparitätische Mitbestimmung in Aufsichtsräten in §§ 76 – 77a BetrVG 1952 zunächst aufgrund normativen Auftrages in § 129 BetrVG 1972 fortgalten194 und später aus dem BetrVG in das DrittelbG195 ausgelagert wurden.196 Im Jahre 1976 trat nach langer Vorbereitung schließlich das MitbestG197 in Kraft. 3. Die deutsche Wiedervereinigung Im Zuge des Wiedervereinigungsprozesses stellte sich die Frage nach der rechtlichen Anerkennung und Einordnung der Arbeitnehmervereinigungen schließlich erneut. Mit der BRD und der DDR kollidierten zwei politisch gegensätzliche Staatssysteme, welche sich direkt oder indirekt auch auf das jeweilige Rollenverständnis der Gewerkschaften ausgewirkt hatten. Der Staatsvertrag zwischen der BRD und der DDR über die Schaffung einer Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion198 sollte daher eine erste gemeinsame Grundlage des gesellschaftlichen wie politischen Zusammenlebens schaffen.199 Mit Blick auf das Arbeitsrecht als Kernbestandteil der Sozialunion etablierte der Vertrag auf dem Hoheitsgebiet der DDR gem. Art. 1 Abs. 4 eine Arbeitsrechtsordnung nach dem Vorbild der sozialen Marktwirtschaft. Unter Berücksichtigung der 192 Raiser/Veil/Jacobs/Raiser, MitbestG/DrittelbG, Einleitung MitbestG Rn. 5; ausführlich zur Entwicklung der Montanmitbestimmung E. Potthoff, Kampf um die Montanmitbestimmung, S. 76 ff. 193 Gesetz zur Änderung des Montanmitbestimmungsgesetzes und des Mitbestimmungsergänzungsgesetzes v. 21. 5. 1981, BGBl. I 1981, S. 441 („2. lex Mannesmann“). Die Fortgeltung wurde später durch das Gesetz zur Verlängerung von Auslaufzeiten in der Montanmitbestimmung v. 23. 7. 1987, BGBl. I 1987, S. 1676 noch einmal verlängert. 194 Siehe dazu zusammenfassend Galperin, BetrVG 1972, S. 154. 195 Gesetz über die Drittelbeteiligung der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat v. 18. 5. 2004, BGBl. I 2004, S. 974, zuletzt geändert durch Art. 8 des Gesetzes für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen in der Wirtschaft und im öffentlichen Dienst v. 24. 4. 2015, BGBl. I 2015, S. 642, 658. 196 Übernahme mit Modifikationen in das DrittelbG vom 18. 5. 2004, Art. 1. 197 Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer vom 4. 5. 1976, BGBl. I 1976, S. 1153, zuletzt geändert durch Art. 7 des Gesetzes für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen in der Wirtschaft und im öffentlichen Dienst vom 24. 4. 2015, BGBl. I 2015, S.642, 657. 198 Vertrag über die Schaffung einer Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik v. 18. 5. 1990, BGBl. II 1990, S. 537 ff., abgedruckt nach dem Gesetz zu dem Vertrag v. 18. Mai 1990 über die Schaffung einer Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik v. 25. 6. 1990, BGBl. II 1990, S. 518 ff. (im Folgenden zitiert als BGBl. II 1990, S. 537). 199 Stern/Schmidt-Bleibtreu/Schmidt-Bleibtreu, Staatsvertrag, S. 43, 48.

A. Entwicklung vom Teilhabegedanken zur Mitbestimmung

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besonderen Verhältnisse der DDR beinhaltete dies namentlich auch ein System der sozialen Gerechtigkeit und Sicherheit. Das Bekenntnis zur Rechts- und Sozialstaatlichkeit nach Art. 2 Abs. 1 beinhaltete gerade auch die Freiheit, zum Zwecke der Wahrung und Förderung von Arbeitsbedingungen entsprechende Vereinigungen zu bilden. Dies bedeutete für das DDR-System gem. Anlage III, III. Nr. 1 die Aufgabe des Gewerkschaftsmonopols des FDGB und den Einzug des Gewerkschaftspluralismus. Gem. Art. 17 des Staatsvertrages baute die Arbeitsrechtsordnung auf Koalitionsfreiheit, Tarifautonomie, Arbeitskampfrecht, betrieblicher und Unternehmensmitbestimmung wie auch dem Kündigungsschutz auf. Grundlegend wurde nach den Leitsätzen des Gemeinsamen Protokolls zum einen für jedermann das Recht gewährleistet, zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen Vereinigungen zu bilden, ihnen sowohl beizutreten als auch fernzubleiben, wie abschließend auch, sich in solchen Vereinigungen zu betätigen, A. III. Nr. 1 S. 1. Ebenso wurden nach A. III. Nr. 1 S. 3 Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände in Bildung, Existenz und organisatorischem Bestand ebenso wie in ihrer koalitionsmäßigen Betätigung geschützt. In diesem Sinne wurde in der Begründung des Leitsatzes A. III. Nr. 1 des Vertrages das Verständnis des Art. 9 Abs. 3 GG nach der Interpretation durch das Bundesverfassungsgericht und die höchstinstanzlichen Bundesgerichte zugrundgelegt.200 Nach der deutschen Wiedervereinigung gingen die meisten Einzelgewerkschaften unter der Herrschaft des FDGB in den DGB über.201 Die numerischen Mitgliederanstiege waren jedoch nur von kurzer Dauer. Hohe Arbeitslosenzahlen und niedrige Löhne prägten ein Klima der Unzufriedenheit einerseits und der Zurückhaltung gegenüber gewerkschaftlicher Identifizierung andererseits. Auf diese Weise sank der Organisationsgrad, und es bildeten sich weitere Sparten- und Kleingewerkschaften, die sich dem Christlichen Gewerkschaftsbund zuwandten.202 Es folgten in der nachfolgenden Zeit auch nach der endgültigen Zusammenführung von DDR und BRD verschiedene Gesetze und Gesetzesänderungen betreffend die Rechte der Gewerkschaften – weniger jedoch ihre Institution.

VIII. Zwischenergebnis: Die historische Parallelentwicklung der Mitbestimmungsinstrumentarien Abschließend kann somit zunächst festgehalten werden, dass die historische Entwicklung des Mitbestimmungsgedankens im Hinblick auf eine Differenzierung der Mitbestimmungsinstrumentarien parallel verlief, wenn die Instrumentarien auch 200

Leitsatz A. III. Nr. 1, BGBl. II 1990, S. 537, 545. Kittner, Arbeitskampf, S. 687 f. 202 Niedenhoff/Pege, Gewerkschaftshandbuch, S. 30 f.; A. Schmidt, Tariffähigkeit christlicher Gewerkschaften, S. 44 f.; s. auch Däubler/Däubler, TVG, Einleitung Rn. 45 ff.; Greiner, Rechtsfragen, S. 15; Höfler, Gewerkschaftsbegriff, S. 71 f. 201

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2. Kap.: Der Grundgedanke der Mitbestimmung

durch die verschiedenen Arbeitsweisen der Zeit geprägt wurden.203 So sah die Betriebsverfassung des BRG zwar erstmals eine Mitwirkung der Arbeitnehmervertreter in Betrieb und Unternehmen als eine ihrer Wesensmerkmale vor.204 Allerdings war diese Konzeption mit dem dualistischen Systemverständnis der Arbeitnehmermitbestimmung heute nicht vergleichbar.205 Zwar sollten die Befugnisse der bis dahin allenfalls in der Rechtswirklichkeit gelebten Arbeiterausschüsse auf die Betriebsräte übertragen und deren Kompetenzen erweitert206 sowie mit der Entsendung der Betriebsratsmitglieder in den Aufsichtsrat eine Mitbestimmung auf Unternehmensebene geschaffen werden.207 Eine eingehendere Betrachtung der Gesetzesbegründung zeigt jedoch, dass eine institutionalisierte paritätische Mitbestimmung der Arbeitnehmer auf Augenhöhe mit dem Arbeitgeber innerhalb eines Gremiums gerade nicht geschaffen werden sollte.208 Eine konsequente Beteiligung der Arbeitnehmer auf Unternehmensebene hätte zu einer Teilung bzw. einer Kooperation in der Unternehmensleitung geführt. Dieses Konzept widersprach den Formen der Unternehmensleitung, wie sie von der Nationalversammlung als funktionsfähig angesehen wurden. Nach Auffassung des Gesetzgebers bestand neben der individuellen Betriebsleitung durch den Arbeitgeber (individuell oder im Kollektiv) eine gemeinschaftliche Betriebsführung lediglich in der organisierten Führung des Volkes, eines Volksteils oder in Form einer genossenschaftlichen Durchführung.209 Eine Kollaboration von Vertretern unterschiedlicher Interessen auf Unternehmens- bzw. Betriebsebene würde hingegen aufgrund der Differenzen die Funktionsfähigkeit des Unternehmens bzw. des Betriebes nachteilig beeinflussen.210 Wenngleich sich die damalige Mitbestimmung auf Unternehmensebene also erheblich von der heutigen unterscheidet, war die besondere Bedeutung der Teilhabe der Arbeitnehmer auf Unternehmensebene bereits damals für den Gesetzgeber offenkundig; wenn auch die Abwägung aufgrund eines abweichenden Verständnisses von unternehmens- und Betriebsleitung letztlich zugunsten der Funktionalität des Unternehmens ausfiel.211 Die dieser Abwägung zugrunde liegende Diskrepanz sollte sich auch im Zuge der Mitbestimmungsgesetzgebung nach dem Zweiten Weltkrieg erneut bemerkbar machen und findet sich in besonderem Maße in den sog. Pattlö203 In diesem Sinne wohl auch das Fazit von Richardi, Arbeitsrecht als Teil freiheitlicher Ordnung, S. 30. 204 Richardi, Recht der Betriebs- und Unternehmensmitbestimmung, Band 1, S. 6. 205 Stellv. Richardi/Richardi, BetrVG, Einleitung Rn. 4. 206 Verfassungsgebende Nationalversammlung, Band 338, Nr. 928, S. 18. 207 Verfassungsgebende Nationalversammlung, Band 338, Nr. 928, S. 22. 208 Verfassungsgebende Nationalversammlung, Band 338, Nr. 928, S. 20 f. 209 Verfassungsgebende Nationalversammlung, Band 338, Nr. 928, S. 19. 210 Verfassungsgebende Nationalversammlung, Band 338, Nr. 928, S. 20. 211 Vgl. mit dieser Befürchtung auch Verfassungsgebende Nationalversammlung am 16. 8. 1919, Band 338, Nr. 928, S. 20. Für das heutige Mitbestimmungsregime nach dem MitbestG auch Wiedemann, Anmerkung zu BVerfG v. 1. 3. 1979 – 1 BvR 532/77 u. a., AP MitbestG § 1 Nr. 1 [II. 2.].

B. Mitbestimmung als Kollektivkonzept zur Herstellung von Parität

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sungsmodellen wieder, die im Interesse einer ungehinderten Unternehmensfortführung eine Beschlussfassung trotz Stillstands im mitbestimmten Aufsichtsrat ermöglichen sollen.212 Zudem blieb die einfachgesetzliche Umsetzung des Räteartikels unvollkommen und ließ daher wesentliche Aspekte der wirtschaftlichen Mitbestimmung, wie sie von Art. 165 Abs. 2 – 6 WRV vorgesehen war, bis zuletzt vermissen. Vor allem kann aus diesem Umstand noch nicht der Rückschluss gezogen werden, das Paritätsprinzip sei ein politisches Phänomen der einfachen Gesetzgebung und nicht bereits auf Verfassungsebene für die Koalitionsfreiheit funktional konstitutiv.213

B. Mitbestimmung als Kollektivkonzept zur Herstellung von Parität I. Grundsätzliche Erkenntnisse zur Parität Der Mitbestimmungsgedanke ist somit stets von der Idee geleitet, der Macht des Arbeitgebers durch Zusammenschluss in Verhandlungen gleichberechtigt gegenübertreten zu können.214 Der Herstellung günstigerer Beschäftigungsbedingungen ist die Generierung einer gleichberechtigten Verhandlungsposition und eines austarierten Verhandlungsprozesses vorangestellt. Aus diesem Grunde ist die Mitbestimmung auch nicht an die tatsächliche und garantierte Herbeiführung eines günstigen Ergebnisses geknüpft, sondern vorrangig an das Verhandlungsmedium bzw. an die Verhandlung als Instrumentarium.215 Der liberale Gedanke, die Mitbestimmung der Arbeitnehmer in die kapitalgetragene Gesellschaftsordnung einzufügen, formte demokratisierte und damit demokratisierende Verfahren, mit dem ihnen in ihrer Diversität übergeordneten Ziel, unterschiedliche Interessen auszugleichen und Abhängigkeitsverhältnisse durch annähernde Gegenseitigkeit zu legitimieren.216 All diesen Verfahren ist in ihrem Ursprung zunächst ein Prinzip gemein, welches zumindest in seinem Ausgangspunkt der Idee der Vereinigungs- und Koalitionsbildung zu widersprechen scheint: Im 212 Vgl. BT-Drs. IV/334, S. 21; beispielhaft §§ 27 Abs. 1, 2, 29 Abs. 1, 2. Auf Letzteren sei in der Folge in noch eingegangen: Zur Bedeutung im Rahmen der Auslegung s. Kapitel 4, Abschnitt A. I. 2. b) bb) (3) für die systematische Einordnung und Kapitel 4, Abschnitt A. I. 3. a), b) zur Diskussion um Pattlösungsmechanismen im Rahmen der Gesetzgebung. 213 Hierzu die nachfolgenden Abschnitte B. und C. dieses Kapitels. 214 Kramer, Krise des liberalen Vertragsdenkens, S. 35, 42 ff.; Picker, ZfA 1986, 199, 256 ff.; ders., ZfA 2009, 215, 221; Sinzheimer, Grundzüge des Arbeitsrechts, S. 67. Für eine ganzheitliche Betrachtung auch der gewerkschaftlichen Zusammenschlüsse im Kontext der Einheitsgewerkschaften auch Beier, Archiv für Sozialgeschichte 13 (1973), 207, 213 f. 215 So auch Biedenkopf, Merkur 1973, 897, 904. 216 Scholz, Koalitionsfreiheit als Verfassungsproblem. S. 28.

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2. Kap.: Der Grundgedanke der Mitbestimmung

Zentrum der liberalen Gesellschaftsanschauung stehen das Individuum und seine Freiheit, sich selbst zu verwirklichen und zu entfalten.217 In dem zwangsweisen Zusammenschluss wurde daher ein Hindernis auf dem Weg der eigenen Fortentwicklung gesehen, welches wiederum in Ungleichbehandlung und Ungleichheit derjenigen Menschen münden sollte, welche in ihrer Zielerreichung gehindert wurden. In den freiwilligen Zusammenschlüssen, garantiert durch die Vereinigungsfreiheit als grundlegende Freiheit, sah man allerdings die autonome Entscheidung nicht zur individuellen, sondern zur kooperativen Interessenverfolgung in der Gewissheit, bestimmte Interessen – wenn auch im Ergebnis für sich selbst – nur als Gemeinschaft erreichen zu können.218 In ihren Grundfesten war diese Erkenntnis nicht auf die kollektive Interessenvertretung am Arbeitsplatz begrenzt, sondern begründete gleichberechtigt neben der freien Meinungsäußerung oder auch der Pressefreiheit den kommunikationsrechtlichen Boden des liberalen Verfassungsverständnisses.219 Diese Idee der kollektiven oder assoziativen Selbsthilfe kann jedoch ohne Widersprüche mit dem ihm zugrunde liegenden liberalen Ideenwerk nur in ein individuelles Verständnis der Vereinigungsfreiheit münden. Die Zielverfolgung bleibt ein Individualinteresse, welches sich des Kollektivs lediglich als Instrumentarium bedient. Die Vereinigungsfreiheit und mit ihr die Vereinigungen werden daher von den Individuen instrumentalisiert und nur durch sie legitimiert, während ihr selbst kein eigenständiger Wertgehalt zukommt. Sie ist ein formelles Gebilde, welches in Begründung und Bestand von dem Individuum abhängig ist, und kein Selbstzweck.220

II. Der Grundsatz der Parität im Kontext der Mitbestimmungsmechanismen Lenkt man nun den Blick zurück auf die hier maßgebliche Frage der ideengeschichtlichen Begründung der Mitbestimmung im weitesten Sinne und damit auch der Koalitionsfreiheit, so kann auf diese aus der Vereinigungsfreiheit durch eine konkrete Zielsetzung der Individuen geschlossen werden.221 Ihr liegt wiederum die 217

So bereits angedeutet in Abschnitt A. I. dieses Kapitels. Bartholomeyczik, Das Gegengewichtsprinzip, in: Forschungsinstitut für Wirtschaftsverfassung und Wettbewerb, Das Gegengewichtsprinzip in der Wirtschaftsordnung, Band 3, S. 16, 50; Bruhn, Tariffähigkeit von Gewerkschaften und Autonomie, S. 73; Jahnke, Tarifautonomie und Mitbestimmung, S. 25; Karakatsanis, Kollektivrechtliche Gestaltung des Arbeitsverhältnisses, S. 32; Limmer, Deutsche Gewerkschaftsbewegung, S. 21; Mayer-Maly, GS Peters 1967, S. 938, 943; Rieble, ZfA 2000, 5, 23; Scholz, Koalitionsfreiheit als Verfassungsproblem, S. 30; nur für die Tarifautonomie Zöllner, ZfA 1973, 227, 236. 219 S. Schwerdtfeger, Koalitionsfreiheit, S. 3. 220 Jahnke, Tarifautonomie und Mitbestimmung, S. 25; Scholz, Koalitionsfreiheit als Verfassungsproblem, S. 31. 221 Jahnke, Tarifautonomie und Mitbestimmung, S. 25; Scholz, Koalitionsfreiheit als Verfassungsproblem, S. 31. 218

C. Mitbestimmung und Parität als Verfassungsideen

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Erkenntnis der Arbeitnehmer zugrunde, ihre Interessen an gerechten Lohn- und Arbeitsbedingungen sowie einer Teilhabe und Teilnahme an gestaltenden Unternehmensentscheidungen nur im Kollektiv durchsetzen zu können. Dementsprechend ist noch heute das Verhältnis von Vereinigungsfreiheit und Koalitionsfreiheit durch die Präzisierung der Zielsetzung auf die Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen geprägt.222 Diese Zielverfolgung bildet auch maßgeblich die Gestaltungsbefugnisse und Zuständigkeiten des Kollektivs ab.223 Gemeinsamer Nenner aller Mitbestimmungsinstrumentarien bleibt insgesamt jedoch die hierzu jeweils erforderliche Parität der Beteiligten. Die unterschiedliche Ausgestaltung der Mechanismen wirkt sich sodann auf die zur Herstellung dieser Parität notwendigen Anforderungen an den Gewerkschaftsbegriff aus. Der Paritätsgrundsatz stellt damit bestimmte Anforderungen an die Kollektive, die diese herstellen sollen, sodass der Paritätsgedanke eine stark funktionale Prägung erfährt. Diese Anforderungen sowie die Bindungswirkung der Parität sind letztlich aber von drei Faktoren abhängig: Einmal davon, ob Parität in Art. 9 Abs. 3 GG verfassungsrechtlich verankert ist.224 Ist dies der Fall, wird relevant, wie die Mitbestimmungsmechanismen mit der Koalitionsfreiheit zusammenhängen.225 Nur dann stellt ihre Gewährleistungsgehalt gleichrangige und gleich strenge Anforderungen an die normative Ausgestaltung. Zuletzt ist entscheidend, wie genau die Mitbestimmung im Einzelfall einfachgesetzlich ausgestaltet ist, geht man davon aus, dass Parität in erster Linie autonomiebezogene Defizite ausgleichen will.226

C. Mitbestimmung und Parität als Verfassungsideen Bevor in einem nächsten Schritt die verfassungsrechtliche Verankerung der Mitbestimmung in Art. 9 Abs. 3 GG untersucht wird, soll die Parität und ihre Konkretisierung durch die Mitbestimmung in die Verfassung als Ganzes eingeordnet werden. Gegenstand der nachfolgenden Untersuchung ist daher die Frage, ob und inwieweit das Grundgesetz auf Parität beruhende Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen vorgibt. Dieses Unterfangen muss indes ob der mannigfaltigen Facetten der grundgesetzlichen Verfassung und in Vorleistung auf die nachfolgende Beantwortung der Kernfrage auf einzelne Subsysteme der Verfassung beschränkt werden. In ihrer Zielsetzung als Vermittlerin zwischen wirtschaftlichen, unternehmerischen und 222 So auch BVerfG v. 26. 6. 1991 – 1 BvR 779/85, AP GG Art. 9 Arbeitskampf Nr. 117 [C. I. 1. a)]; stellv. Dürig/Herzog/Scholz/Scholz, GG, Art. 9 Rn. 14; Jarass/Pieroth/Jarass, GG, Art. 9 Rn. 32; v. Münch/Kunig/Löwer, GG, Art. 9 Rn. 72; vgl. mit einer Erläuterung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen auch Poscher, RdA 2017, 235, 236, 238 f. 223 Jahnke, Tarifautonomie und Mitbestimmung, S. 26. 224 Hierzu der nachfolgende Abschnitt C. dieses Kapitels, insb. dort II. 2. b). 225 Hierzu Kapitel 3, Abschnitt A. I. , mit dem Ergebnis dort 4. 226 Hierzu Kapitel 3, Abschnitt A. I. 1. a) cc) mit der Conclusio.

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2. Kap.: Der Grundgedanke der Mitbestimmung

sozialen Fragen der abhängigen Arbeit ist der Fokus auf die „Wirtschaftsverfassung“ und die soziale Ordnung gelegt, wie sie in den Verfassungsnormen ihren Anklang finden.

I. Parität im Gefüge der Arbeits- und Wirtschaftsverfassung 1. Keine garantierte Wirtschaftsverfassung Fragt man sich zunächst, was unter der Wirtschaftsverfassung zu verstehen ist, so könnte man die Antwort in einer Betrachtungsweise suchen, welche die Wirtschaft „als eine Rechtsverfassung des Wirtschaftslebens“227 abzubilden sucht.228 Dabei handelt es sich bei der Wirtschaftsverfassung keineswegs um ein geschlossenes System im Sinne einer fixierten Anweisung an den einfachen Gesetzgeber.229 Die Verfassung enthält weder eine Bewertung noch eine Entscheidung zugunsten einer bestimmten Wirtschaftsform.230 Genauso wenig macht sie Vorgaben im Hinblick auf die Gesellschaftsverfassung, deren Bestandteil die Wirtschaftsverfassung neben der Arbeits- und der Sozialverfassung ist.231 Obschon darin bereits das liberale Grundrechtsverständnis des Verfassungsgebers Anklang findet, war diese Offenheit wohl nicht zuletzt auch dem ursprünglich provisorischen Charakter des Grundgesetzes in Erwartung einer Wiedervereinigung geschuldet.232 Spiegelbilder dieses angesprochenen liberalen Gesellschaftsverständnisses des Grundgesetzgebers sind die freiheitlichen und gleichheitlichen Dimensionen der Grundrechte sowie die Funda227 Mestmäcker, Wirtschaftsordnung und Geschichtsgesetz, in: Ludwig-Erhard-Stiftung, Wirtschaftsordnung als Aufgabe, S. 111, 117. 228 Zum Wirtschaftsbegriff s. Scholz, Öffentliche Einrichtungen, S. 114 ff.; ders., ZHR 132 (1969), 97, 107 f. 229 BVerfG v. 20. 7. 1954 – 1 BvR 459/52 u. a., NJW 1954, 1235, 1236; BVerfG v. 1. 3. 1979 – 1 BvR 532/77 u. a., AP MitbestG § 1 Nr. 1 [C. III. 2. a) cc)]; Badura, AöR 92 (1967), 382 ff., 384, 393; Däubler, Grundrecht auf Mitbestimmung, S. 163 ff.; „rudimentär“ im Grundgesetz geregelt auch Feudner, DB 1995, 2114; Lerche, Zentralfragen, S. 64 f.; L. Raiser, FS v. Gierke 1950, S. 181, 182; Richardi, Individualwille und Kollektivgewalt, S. 104 f.; Scheuner, Die Rolle der Sozialpartner, in: Streithofen, Die Rolle der Sozialpartner in Staat und Gesellschaft, S. 9, 10; Scholz, Koalitionsfreiheit als Verfassungsproblem, S. 179. 230 BVerfG v. 1. 3. 1979 – 1 BvR 532/77 u. a., AP MitbestG § 1 Nr. 1 [C. II. 1.]; Däubler/ Hege, Koalitionsfreiheit, S. 45; Richardi, AG 1979, 29, 30; Scholz, Koalitionsfreiheit als Verfassungsproblem, S. 165; a. A. Nipperdey, Soziale Marktwirtschaft, S. 64; anders noch für die WRV Böhm, Wettbewerb und Monopolkampf, S. 322; ausführlich zur „These von der wirtschaftspolitischen Neutralität“ vgl. Ehmke, Wirtschaft und Verfassung, S. 43 ff.; vgl. mit einer vertiefenden Auseinandersetzung auch Bretschneider, Mitbestimmung, Wirtschaftsordnung und Grundgesetz, S. 1 ff. 231 Mit diesem offenen Verständnis bereits der Verfassungskonvent: Verfassungsausschuss, Bericht über den Verfassungskonvent auf Herrenchiemsee, S. 29; zum Inhalt der Arbeitsverfassung Dürig/Herzog/Scholz/Scholz, GG, Art. 9 Rn. 165 mit Verweis auf Krüger, DÖV 1976, 613, 615. 232 Häberle, Entstehungsgeschichte der Artikel des Grundgesetzes, S. 43.

C. Mitbestimmung und Parität als Verfassungsideen

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mentalprinzipien in Art. 20 Abs. 1, 28 Abs. 1 GG. Sie prägen nicht nur das Verhältnis von Staat und Gesellschaft zueinander, sondern damit einhergehend auch das Selbstverständnis der Gesellschaft, sich in Autonomie freiheitlich zu verfassen.233 Damit ist der Verfassungsgesetzgeber seiner hoheitlichen Aufgabe, die Gesellschaftsverfassung im Rahmen seiner Zuständigkeit zu ordnen, nachgekommen.234 Im Wege der Normierung einzelner subjektiver Freiheitsrechte hat er ein grundlegendes Ordnungssystem geschaffen, ohne hierbei im Grundgesetz eine bestimmte Sozialund Wirtschaftsverfassung explizit zu verankern. Die Wirtschaftsverfassung ist vielmehr ein Kollektivum für die durch die Individualgrundrechte und Verfassungsprinzipien ausgestaltete verfassungsgemäße Ordnung betreffend das Wirtschaftsleben.235 Insofern wird sie durch die grundsätzlich separat anzusehenden Schutzbereiche der freiheitlichen Grundrechte gleichsam geformt wie begrenzt.236 Gleichzeitig schließen sich die einzelnen grundrechtlichen Garantien in ihrer Gesamtbetrachtung wiederum zu einem reziproken Ordnungssystem zusammen.237 Um es mit Erich Kaufmann zu beschreiben: „In der Tat kommt in ihnen [den Grundrechten] das für die Struktur der einzelnen Staaten wesentliche institutionelle Verständnis von Staat und Gesellschaft auf den einzelnen Lebensgebieten zum verfassungsrechtlichen Ausdruck.“238

Konstitutiv für die Wirtschaftsverfassung erscheinen hierbei neben den für eine Ordnungsaufgabe nötigen Zuständigkeitsnormen der Art. 74 ff. GG die Art. 2, 9 Abs. 3 S. 1, 12, 14 GG sowie die angesprochenen Staatsfundamentalnormen.239 Löst man zum Zwecke einer genaueren Betrachtung die Wirtschaftsverfassung von der „Gesamtverfassung“, so baut sie also auf den sie konstituierenden verfassungsrechtlichen Individualgarantien des Grundgesetzes auf – darf und kann ihnen in den sie jeweils berührenden Verfassungsinstituten jedoch nicht zuwiderlaufen.240 Aufgrund des freiheitlichen Charakters der Grundrechte kann auf die gleiche Weise das Grundgesetz für die Wirtschaftsverfassung und in concreto für das wirtschaft-

233 S. BT-Drs. VII/2423, S. 168 Ziffer 287, S. 167 Ziffer 281; zudem ausführlich in Abschnitt C. I. 2. und C. II. dieses Kapitels. 234 Gegen eine staatliche „Indifferenz“ Scholz, Koalitionsfreiheit als Verfassungsproblem, S. 166; a. A. wohl Bayreuther, Tarifautonomie, S. 58. 235 Badura, Wirtschaftsverfassung, Rn. 14; ders., AöR 92 (1967), 381, 395. 236 BVerfG v. 1. 3. 1979 – 1 BvR 532/77 u. a., AP MitbestG § 1 Nr. 1 [C. II. 1., C. III. 2. a) cc)]; Häberle, Wesensgehaltgarantie, S. 4 f.; wohl auch Richardi, Individualwille und Kollektivgewalt, S. 104; deskriptiv auch Badura, Paritätische Mitbestimmung, S. 34. 237 Häberle, Wesensgehaltgarantie, S. 6; Scholz, Koalitionsfreiheit als Verfassungsproblem, S. 177; wohl auch Badura/Rittner/Rüthers, Mitbestimmungsgesetz 1976, S. 246 f. 238 Im Rahmen der Aussprache zum ersten Beratungsgegenstand, in: VVDStRL 4 (1928), 77 in Reaktion auf Rudolf Smend, VVDStRL 4 (1928), 44, 46. 239 Scholz, Koalitionsfreiheit als Verfassungsproblem, S. 166; für Art. 9 Abs. 3 Dürig/ Herzog/Scholz/Scholz, GG, Art. 9 Rn. 155. 240 Im Hinblick auf die paritätische Mitbestimmung Papier, AG 1978, 241.

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2. Kap.: Der Grundgedanke der Mitbestimmung

liche Zusammenleben keine expliziten Entscheidungen treffen; die Wirtschaftsverfassung ist bis auf das Wesentliche keinen Wertentscheidungen verbunden.241 2. Ausgestaltung des Gesetzgebers im Rahmen der Verfassung a) Die Folge der verfassungsrechtlichen Offenheit Unweigerliche Folge der beschriebenen wirtschaftsverfassungsrechtlichen Freiheit ist eine autonome Entscheidungsfreiheit sowohl über Ziele und Eigenfunktion des Einzelnen und des Kollektivs als auch über die Instrumentarien, mit denen diese Ziele erreicht werden sollen.242 Ungeachtet dessen diente eben diese „Offenheit“ als historischer wie auch ideologischer Nährboden für die Typisierung verschiedener Funktionszuweisungen und -anmaßungen.243 Diese Funktionen bzw. Wirkweisen erkennt das Grundgesetz vereinzelt wertungsfrei im Wege von Freiheitsgarantien an und lässt sie so zu Bestandteilen ihres übergeordneten Ordnungssystems – der Wirtschaftsverfassung – werden.244 In diesem Sinne schließt das Grundgesetz ein Nebeneinander verschiedener Instrumente zur Erfüllung der Funktionen also nicht aus.245 b) Die Verortung der Koalitionsfreiheit Betrachtet man in diesem Lichte nun Art. 9 Abs. 3 S. 1 GG, wird zunächst ganz allgemein die freiheitliche Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen gewährleistet. Die in dieser Freiheit niedergelegten Subsysteme – vornehmlich die Interessenwahrnehmung durch das Kollektiv kraft kollektiver Assoziation (durch Tarifverhandlungen inklusive Arbeitskampf, betriebliche und unternehmensbezogene Teilhabe) – sollen nun die Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen fördern und so für eine funktionelle Ordnung der abhängigen Arbeit sor-

241 Badura, AöR 92 (1967), 282, 284; Lerche, Verfassungsfragen um Sozialhilfe und Jugendwohlfahrt, S. 26 f.; Scholz, Koalitionsfreiheit als Verfassungsproblem, S. 166, 178 f. 242 Scholz, Koalitionsfreiheit als Verfassungsproblem, S. 179. 243 Scholz, Koalitionsfreiheit als Verfassungsproblem, S. 179. Siehe dazu für die Koalitionen Kapitel 3, Abschnitt B. 244 Richardi, JbArbR 13 (1976), 19, 25; Scholz, Koalitionsfreiheit als Verfassungsproblem, S. 180. 245 Für die Mitbestimmung als Bestandteil der Koalitionsfreiheit BVerfG v. 1. 3. 1979 – 1 BvR 532/77, u. a., AP MitbestG § 1 Nr. 1 [C. IV. 2. b) cc)]; eingehend Höpfner, RdA 2020, 129, 136 f.; ebenso im Ergebnis auch Däubler/Hege, Koalitionsfreiheit, S. 51; Jahnke, Tarifautonomie und Mitbestimmung, S.33; Kübler/W. Schmidt/Simitis, Mitbestimmung als Gesetzgebungspolitische Aufgabe, S. 215; ebenso Papier, AG 1978, 241 unter Hinweis auf die historische Entwicklung des Mitbestimmungsgedankens. Dazu Kapitel 2, Abschnitt A. sowie zu den verfassungsrechtlichen Folgen Kapitel 3, Abschnitt A. I.

C. Mitbestimmung und Parität als Verfassungsideen

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gen.246 In dieser Form ist die Arbeitsordnung als spezifisches Ordnungssystem Bestandteil der übergeordneten Wirtschaftsverfassung.247 Das kollektivautonome Gestalten der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen, wie es durch Art. 9 Abs. 3 GG gewährleistet wird, ist in seinen Grundfesten Wesensmerkmal der Wirtschaftsverfassung. Zur Betrachtung herangezogen werden können dabei freilich nicht die jeweiligen einfachgesetzlichen Ausgestaltungen – unterliegen sie in ihrem Inhalt doch der Entscheidungsprärogative des historischen einfachen Gesetzgebers.248 Bildlich gesprochen bewegen sie sich vielmehr innerhalb der Wirtschaftsverfassung und nicht an dem äußeren, die Wirtschaftsverfassung kennzeichnenden Rand. Unternimmt man also den Versuch, den Anteil der Koalitionsfreiheit an der Wirtschaftsverfassung als Ordnungssystem zu ergründen, ohne eines der durch sie garantierten Teilhabeinstitute zu isolieren, kann dies nur geschehen, indem man die Wesensmerkmale der kollektiven Teilhabe herauszeichnet, auf welchen die einfachgesetzliche Ausgestaltung als das von der Wirtschaftsverfassung Sichtbare sodann aufbaut. Letztlich geht es um die Funktion der Koalitionen in der Wirtschaftsverfassung sowie den Anteil ihrer Mittel und Instrumentarien an der Wirtschaftsordnung.249 Während die Verfassung ein Gerüst bildet, ist die Wirtschaftsordnung nicht das Konstrukt, sondern das Ergebnis freiheitlicher Betätigung innerhalb des durch die Wirtschaftsverfassung eingerichteten Systems.250 Dieses System wiederum ist die Summe der den subjektiven Freiheitsrechten des Grundgesetzes innewohnenden Individualgarantien. Die Ordnungsvorstellung ist damit eine auf den Freiheitsrechten ruhende Erwartung, durch sie gesamtsoziale, „transsubjektive“ Effekte zu erzeugen,251 die jenseits des individuellen Gewährleistungsgehaltes liegen. Dem Wesen der Grundrechte als Freiheitsrechte ist jedoch gleichsam immanent, dass diese auf ihnen ruhende Ordnungsvorstellung nicht ihre Ausübung durch die Bürger beschränken kann.252 Dem widerspräche ein auf eine demokratische Ordnung gerichtetes Verständnis der Koalitionen und ihres verfassungsrechtlichen Freiheitsraumes, wie er auch durch Art. 1 Abs. 3 GG gewährt wird.253 Die Ordnung ist 246

MüHbArbR/Rieble, Band 3, § 218 Rn. 8; Scholz, Koalitionsfreiheit als Verfassungsproblem, S. 180. 247 Richardi, Individualwille und Kollektivgewalt, S. 111; Scholz, Koalitionsfreiheit als Verfassungsproblem, S, 158. 248 Dazu BVerfG v. 11. 7. 2017 – 1 BvR 1571/15 u. a., AP GG Art. 9 Nr. 151 Rn. 149. 249 Löwisch/Rieble, TVG, Grundlagen Rn. 34. 250 Scholz, Koalitionsfreiheit als Verfassungsproblem, S. 165; im Ergebnis im Hinblick auf die gesamtwirtschaftliche Verantwortung zweifelhaft Weber, FS OLG Celle 1961, S. 239, 249. 251 Bayreuther, Tarifautonomie, S. 59; Ladeur, AöR 131 (2006), 644, 647; Scholz, Koalitionsfreiheit als Verfassungsproblem, S. 178; so auch Säcker, Grundprobleme, S. 43, allerdings unter Bedienung der Delegationstheorie. 252 Ladeur, AöR 131 (2006), 644, 648; mit ähnlichem Verständnis auf den freien Wettbewerb bezogen Böhm, Wettbewerb und Monopolkampf, S. 20. 253 So jedoch wohl Ridder, Stellung der Gewerkschaften, S. 24 ff., 29 f. mit dem Hinweis auf die genetische Bedeutung des Stinnes-Legien-Abkommen v. 15. 11. 1918; ähnlich wohl auch Galperin, Stellung der Gewerkschaften, S. 13, 15.

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2. Kap.: Der Grundgedanke der Mitbestimmung

vielmehr das Ergebnis individuell ausgeübter Freiheiten innerhalb ihrer Schranken als hoheitliche normative Korrekturen der Autonomie.254 c) Zwischenergebnis: Parität als Voraussetzung der Wirtschaftsordnung Eine autonome Willensbildung kann allerdings nur sichergestellt und damit erst gewährt werden, solange die Parteien ebenbürtig sind.255 Innerhalb eines durch Parität gesicherten autonomen Wettbewerbes durch freiheitliche Teilnahme am Wirtschaftsleben können eine Verteilungsrichtigkeit und -gerechtigkeit, wenn nicht garantiert, so doch zumindest vermutet werden.256 Ein Machtgleichgewicht ist damit stete Funktionsvoraussetzung für die autonome Gestaltung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen. Die Gewährung dieser autonomen Gestaltung durch den Staat, nicht im Sinne einer Delegation, sondern in Form der unkorrigierten Wahrnehmung freiheitlicher Rechte durch die Rechtssubjekte, geschieht stets nur unter der Prämisse der Funktionsfähigkeit selbiger als Regelungsinstrument.257 254 Biedenkopf, FS Böhm 1965, S. 113, 114 ff.; Kaiser, Parität der Sozialpartner, S. 2; Mestmäcker, Wirtschaftsordnung und Geschichtsgesetz, in: Ludwig-Erhard-Stiftung, Wirtschaftsordnung als Aufgabe, S. 111, 120; im Kontext des MitbestG Reuter, Die Wirtschaftliche Mitbestimmung der Arbeitnehmer, in: Ludwig-Erhard-Stiftung, Wirtschaftsordnung als Aufgabe, S. 71, 80. 255 Grundlegend Flume, FS DJT 1960, Band 1, S. 135, 143 f.; s. für den Tarifvertrag auch Badura, RdA 1976, 275, 277. 256 Bereits grundlegend für das allgemeine Zivilrecht Schmidt-Rimpler, AcP 147 (1941), 130, passim; ders., FS Nipperdey 1955, S. 1. Von einer Richtigkeitsvermutung bzw. einem „fairen“ Interessenausgleich spricht auch jüngst BVerfG v. 11. 7. 2017 – 1 BvR 1571/15, u. a., AP GG Art. 9 Nr. 151 Rn. 141; vgl. dazu insbesondere Löwisch, NZA 2017, 1423; Rieble, NZA 2017, 1157; s. auch BVerfG v. 26. 6. 1991 – 1 BvR 779/85, AP GG Art. 9 Arbeitskampf Nr. 117; mit wechselnder Bezeichnung auch BAG v. 7. 6. 2006 – 4 AZR 316/05, AP BGB § 611 Hausmeister Nr. 15 Rn. 29; BAG v. 21. 5. 2014 – 4 AZR 50/13, AP BGB § 242 Gleichbehandlung Nr. 220 Rn. 25; ebenso Böhm, Wettbewerb und Monopolkampf, S. 273 mit Beispielen; Bötticher, Waffengleichheit und Gleichbehandlung der Arbeitnehmer im kollektiven Arbeitsrecht, S. 3 f.; kritisch ggü. der Bezeichnung als „Richtigkeitsgewähr“ Herschel, AuR 1978, 321, 322; Nörr, Leiden des Privatrechts, S. 110; s. auch Mestmäcker, Wirtschaftsordnung und Geschichtsgesetz, in: Ludwig-Erhard-Stiftung, Wirtschaftsordnung als Aufgabe, S. 111, 123; Reinhardt, Wo liegen für den Gesetzgeber die Grenzen, gemäß Art. 14 des Bonner Grundgesetzes über Inhalt und Schranken des Eigentums zu bestimmen?, in: Reinhardt/Scheuner, Verfassungsschutz des Eigentums, S. 1, 15; Richardi, Individualwille und Kollektivgewalt, S. 37 ff.; Säcker, Gruppenautonomie, S. 236, allerdings auf der Grundlage einer Ordnungsaufgabe; Stürner, Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im Schuldvertragsrecht, S. 8; Weber, FS OLG Celle 1961, S. 239, 246. Für die Richtigkeitsgewähr im Tarifvertragsrecht s. stellv. Badura, RdA 1976, 275, 278; Löwisch/Rieble, TVG, Grundlagen Rn. 231; vgl. auch Wiedemann/Jacobs, TVG, Einleitung Rn. 100 ff.; Wiedemann, NZA 2018, 1587 f. 257 Badura, AöR 92 (1967), 381, 384, 395; Bartholomeyczik, Das Gegengewichtsprinzip, in: Forschungsinstitut für Wirtschaftsverfassung und Wettbewerb, Das Gegengewichtsprinzip in der Wirtschaftsordnung, Band 3, S. 16, 48; Bayreuther, Tarifautonomie, S. 73; Biedenkopf, FS Böhm 1965, S. 113, 133; Kübler/W. Schmidt/Simitis, Mitbestimmung als gesetzgebungspolitische Aufgabe, S. 197; Neumann, Die Arbeit 1931, 588, 590; Richardi, Individualwille

C. Mitbestimmung und Parität als Verfassungsideen

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Das Gegenspielerprinzip, also das Verhältnis der Sozialpartner zueinander, in seiner Bestimmung durch die Verfassung und ausgestaltet durch die einfachgesetzlich zugewiesenen Funktionen, ist Kernelement dieser Arbeits- und Wirtschaftsverfassung.258 Als konstitutives wie summarisches Element muss gleichsam auch der Paritätsgrundsatz in der Wirtschaftsverfassung verankert sein: Betrachtet man also jegliche bestimmungsgemäße Wahrnehmung der zugewiesenen Funktionen und Aufgaben (Tarifvertrag, Arbeitskampf, Arbeitsgerichtsbarkeit und Rechtsberatung, betriebliche und unternehmensbezogene Mitbestimmung) für sich, so fügen sie sich doch zu einem Gebilde zusammen, welches durch gegensätzliche Interessen geprägt ist. Erforderlich bleibt stets Parität im Sinne einer Chancengleichheit als Voraussetzung ihrer Funktionsfähigkeit.259 Gegenspielerprinzip und Parität im Sinne einer Waffengleichheit verhalten sich somit dergestalt zueinander, dass die kollektive Macht der antagonistischen Sozialpartner aufeinander wirkt und auf diese Weise unter der Prämisse einer Waffengleichheit ein interessengemäßes Ergebnis erzielt wird.260 Jede Partei kann ihre Interessen nicht einseitig durchsetzen, sondern muss auf der Suche nach einem Kompromiss Zugeständnisse machen.261 Eine sinnvolle Ordnung kann nicht autark durch einseitiges Handeln entstehen, sondern erlangt ihre Sinnhaftigkeit durch Verhandlungen paritätischer Gegenspieler. Diese Parität der Wettbewerber kann gleichermaßen durch die Herstellung einer Waffengleichheit gewährleistet werden, ohne dabei die Autonomie als solche zu beschränken.262 Damit ist gerade die Parität als Schutzmechanismus der Gegenspieler Bestandteil eben dieser Ordnung.263 Hier wirkt sich sodann auch das Sozialstaatsprinzip als Verfassungsprinzip zugunsten des weniger mächtigen Sozialpartners aus.264 Kehrt man nun konkret zur Arbeitsordnung zurück, sind dieses Gebilde sowie das Zusammenwirken von Verfassung und Ordnung freilich einer gewissen Dynamik und Kollektivgewalt, S. 44; Scheuner, Die Rolle der Sozialpartner, in: Streithofen, Die Rolle der Sozialpartner in Staat und Gesellschaft, S. 9, 35; a. A. wohl Hartwich, Sozialstaatspostulat, S. 337. 258 Bartholomeyczik, Das Gegengewichtsprinzip, in: Forschungsinstitut für Wirtschaftsverfassung und Wettbewerb, Das Gegengewichtsprinzip in der Wirtschaftsordnung, Band 3, S. 16, 48, 50; Kaiser, Parität der Sozialpartner, S. 3. 259 Kaiser, Parität der Sozialpartner, S. 3, 8 f.; Weber, FS OLG Celle 1961, S. 239, 243. 260 Instruktiv Weber, FS OLG Celle 1961, S. 239, 246. 261 Im Kontext des Mitbestimmungsurteils BVerfG v. 1. 3. 1979 – 1 BvR 532/77 u. a., AP MitbestG § 1 Nr. 1 [C. I. 1.]; instruktiv zum Ausgleichsprinzip im Rahmen der Interessenabwägung Hubmann, AcP 155 (1956), 85, 127 ff. 262 Bartholomeyczik, Das Gegengewichtsprinzip, in: Forschungsinstitut für Wirtschaftsverfassung und Wettbewerb, Das Gegengewichtsprinzip in der Wirtschaftsordnung, Band 3, S. 16, 50; Bayreuther, Tarifautonomie, S. 59. 263 Bayreuther, Tarifautonomie, S. 72. 264 Vgl. Bayreuther, Tarifautonomie, S. 71 Fn. 66; ebenso wie Hartwich, Sozialstaatspostulat, S. 152 ff; zur Schutzfunktion der Tarifautonomie ErfK/Franzen, TVG, § 1 Rn. 1. Zu Wirkung und Funktion des Sozialstaatsprinzips Abschnitt C. II. dieses Kapitels.

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2. Kap.: Der Grundgedanke der Mitbestimmung

ausgeliefert, und auch ihre historischen Kernelemente „Kapital und Arbeit“ sind in ihrem die Arbeits- und Wirtschaftsordnung prägenden Wesen selbst volatil.265 Gleiches gilt auch für die einfachgesetzliche Ausgestaltung des Verhältnisses der Sozialpartner zueinander.266 Im Rahmen der Ideengeschichte bilden sie den Kern des klassenkämpferischen Gedankengutes und nicht nur deshalb noch immer einen gewichtigen Aspekt besonders der Mitbestimmungsdiskussion.267 Gleichwohl hat sich durch den technologischen Fortschritt und damit verbundene neue Arbeitsweisen das Verständnis eines antagonistisch-dualistischen Bildes im Sinne einer Gegenüberstellung von Kapital und Arbeit, wenn nicht in ein monistisches, so doch in ein kooperatives gewandelt.268

II. Parität im Gefüge der sozialen Ordnung Geht man somit davon aus, dass Parität eine Voraussetzung der Wirtschaftsverfassung ist, soll nachfolgend untersucht werden, welche Vorgaben die Verfassung zur Herstellung und zum Erhalt der Parität macht. Ihre Interpretation als Werkzeug zur Herstellung gerechter Beschäftigungsverhältnisse im Wege des Ausgleiches von Machtimbalancen legt eine Verbindung zur durch das Sozialstaatsprinzip vermittelten sozialen Ordnung nahe.269 So beschrieb die Bundesregierung im Rahmen der Mitbestimmungsgesetzgebung Arbeitnehmermitbestimmung als „Substanz des Demokratisierungsprozesses der Gesellschaft“. In der Gesetzgebung sah sie eine jener Reformen, welche „in ihrer Summe den freiheitlichen Sozialstaat möglich machen“ würden.270 In diesem Kontext kann die Koalitionsfreiheit daher als Bestandteil dieses Prozesses und des Reformbestrebens verstanden werden, einen freiheitlichen Sozialstaat auszugestalten.271

265 Grundlegend für die Gesellschaftsverfassung Scholz, Koalitionsfreiheit als Verfassungsproblem, S. 179. 266 BVerfG v. 1. 3. 1979 – 1 BvR 532/77 u. a., AP MitbestG § 1 Nr. 1 [C. I. 1.]; Däubler/ Hege, Koalitionsfreiheit, S. 47; Scheuner, DÖV 1980, 473, 477 f.; kritisch Raiser, Grundgesetz und paritätische Mitbestimmung, S. 92 f., 98 f.; zweifelnd Rupp, Grundgesetz und Wirtschaftsverfassung, S. 26 f. 267 Nicht zuletzt aufgegriffen und detailliert erörtert im Bericht der Mitbestimmungskommission, BT-Drs. VI/334, S. 18 f.; s. auch v. Reitzenstein, Solidarität und Gleichheit, S. 132 f. 268 Kaiser, Parität der Sozialpartner, S. 7, siehe dort auch S. 8 Fn. 15. 269 Mit dieser Verknüpfung auch M. Schneider, Archiv der Sozialgeschichte 13 (1973), 243, 249. 270 Regierungserklärung in der 7. Sitzung des Bundestages v. 18. 1. 1973, S. 131 D. 271 BT-Drs. VII/2172, S. 17.

C. Mitbestimmung und Parität als Verfassungsideen

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1. Sozialstaat und soziale Ordnung Eine wesentliche Änderung der Bonner Verfassung vom Mai 1949 im Vergleich zur Verfassung der Weimarer Republik war der Verzicht auf explizit wirtschafts- und sozialordnende Grundrechte.272 Damit einher ging das Ideal einer grundsätzlich offenen Sozialverfassung.273 Beweggründe waren nicht zuletzt eine größere Justiziabilität der grundgesetzlichen Vorgaben aufgrund höherer Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers sowie der ursprünglich angedachte provisorische Charakter des Grundgesetzes.274 Auch die Verfassungskommission der Jahre 1982 und 1983 brachte keine Mehrheit für eine Überarbeitung des Grundgesetzes in Richtung eines Kataloges sozialer Grundrechte,275 obschon man sich von Beginn an deren verfassungsprägenden Charakters bewusst war.276 Daneben trat nun das neuartige Postulat eines sozialen Bundesstaates in Art. 20 Abs. 1 GG und in Art. 28 Abs. 1 GG das eines sozialen Rechtsstaates.277 Dieses Sozialstaatsprinzip war in der Folge lange kaum umrissen und in seinem Inhalt wenig

272 Mit einem Vergleich zur Verfassung der DDR BT-Drs. VII/2423, S. 168 Ziffer 284; dazu auch Richardi, Individualwille und Kollektivgewalt, S. 97. Grundlegend Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 454 ff.; Dreier/Dreier, GG, Band 1, Vorbemerkung Rn. 89; im Hinblick auf Art. 151 Abs. 1 WRV Badura, DÖV 1989, 491, 492; Berghäuser, Koalitionsfreiheit als demokratisches Grundrecht, S. 86 ff. mit einer Nachzeichnung der parteipolitischen Auseinandersetzung; Klein, ZgSt 106 (1950), 390, 400; für das Sozialstaatsprinzip als „soziales Grundrecht“ Leibholz, Strukturprobleme der modernen Demokratie, S. 87; Neumann, Die Arbeit 1930, 569, 578 ff. 273 Badura, DÖV 1989, 491, 494; Forsthoff, VVDStRL 12 (1954), 8, 24; Scholz, Der Staat 13 (1974), 91, 94. 274 Zur mangelnden Greifbarkeit der Weimarer Verfassung Pikart/Werner, Der Parlamentarische Rat 1948 – 1949, Band 5/II, S. 31, und zum provisorischen Charakter S. 43; BT-Drs. VII/2423, S. 167 Ziffer 281; Bericht der Sachverständigenkommission, Staatszielbestimmungen/Gesetzgebungsaufträge, S. 44 Rn. 49; Verfassungsausschuss, Bericht über den Verfassungskonvent auf Herrenchiemsee, S. 17; Abendroth, Zum Begriff des demokratischen und sozialen Rechtsstaates im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland, in: Kempen, Sozialstaatsprinzip und Wirtschaftsordnung, S. 70, 74; Benda, Industrielle Herrschaft und sozialer Staat, S. 51; kritisch Ipsen, Über das Grundgesetz, S. 17, 21; Mayer-Maly, GS Peters 1967, S. 938, 940; Menzel, DÖV 1972, 537; HbGR/Papier, Band 2, § 30 Rn. 13; Wege, Positives Recht, S. 159 f., Fn. 149. 275 Bericht der Sachverständigenkommission, Staatszielbestimmungen/Gesetzgebungsaufträge, S. 45 Rn. 51; Konegen, Grundrechte und Staatszielbestimmungen, in: ders./Nitschke, Revision der Grundrechte?, S. 29, 39 ff.; HbGR/Papier, Band 2, § 30 Rn. 14 f. 276 Pikart/Werner, Der Parlamentarische Rat 1948 – 1949, Band 5/II, S. 36; Verfassungsausschuss, Bericht über den Verfassungskonvent auf Herrenchiemsee, S. 20; ebenso Scheuner, DÖV 1971, 505, 507. 277 Ausführlich zur Entstehungsgeschichte des sozialen Gedankens Abendroth, Zum Begriff des demokratischen und sozialen Rechtsstaates im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland, in: Kempen. Sozialstaatsprinzip und Wirtschaftsordnung, S. 70, 72; s. auch Menzel, DÖV 1972, 537.

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2. Kap.: Der Grundgedanke der Mitbestimmung

greifbar.278 Weder betreffend das Verhältnis des Sozialstaatsprinzips sowie der übrigen Strukturprinzipien des Art. 20 Abs. 1 GG zueinander noch deren respektiven Inhalt lassen sich den Gesetzgebungsmaterialien des Parlamentarischen Rates konkrete Anhaltspunkte entnehmen.279 Sie haben vielmehr in der Feststellung eines in ihrem Zusammenwirken für die staatliche Struktur fundamentalen Charakters ihr Bewenden.280 Kumulativ bedingen die Fundamentalnormen und die Grundrechte als Grundlage der freiheitlichen Gesellschaftsverfassung eine Begrenzung der Gestaltungsmacht des Staates. In seinem abstrakten Gewand erinnert das Rechtsstaatsprinzip den Staat an die grundsätzlich autonome Ausgestaltung der Gesellschaftsverfassung und das Bekenntnis zu einem von Freiheit und Gesetzmäßigkeit geleiteten Verhältnis von Staat und Gesellschaft.281 Als Element der Staatsfundamentalnormen des Art. 20 Abs. 1 GG waren insbesondere das Verhältnis zur Rechtsstaatlichkeit und dessen Einfluss auf das Sozialstaatsprinzip nicht eindeutig.282 Es galt nunmehr, dem Verständnis des Rechtsstaates, nach welchem die Bürger als Ausdruck ihrer Gleichheit vor dem Gesetz nicht willkürlich, sondern auf der Grundlage von Recht und Gesetz behandelt werden sollten, eine soziale Komponente hinzuzufügen.283 a) Die Sozialordnung Soziale Tendenzen sollten nicht nur auf das Verhältnis von Staat und Gesellschaft zueinander einwirken, sondern auch auf das Verhältnis gesellschaftlicher Konsti278 Bieback, EuGRZ 1985, 657; Isensee, FS Broermann 1982, S. 365, 372 mit vielfältigen Nachweisen; als „schillernd“ Kempen, Einleitung, in: Kempen, Sozialstaatsprinzip und Wirtschaftsordnung, S. 7. 279 Mit dieser Feststellung auch Gerber, AöR 81 (1956), 2, 4; ebenso wie Wege, Positives Recht, S. 156. 280 Vgl. dazu Pikart/Werner, Der Parlamentarische Rat 148 – 1949, Band 5/II, S. 290. 281 Fechner, Recht und Staat 174 (1953), 3, 15; Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, Rn. 183 ff.; Menger, Recht und Staat 173 (1953), 3, 10 f.; Scheuner, FS DJT 1960, Band 2, S. 229, 232; Scholz, Paritätische Mitbestimmung, S. 24 ff.; Stern, Staatsrecht, Band 1, S. 615 f., 621, 623; Ridder, Stellung der Gewerkschaften, S. 9 ff.; Badura, Verwaltungsrecht des liberalen Rechtsstaates, S. 22 ff., 51 ff. 282 Für ein widersprüchliches Verhältnis Forsthoff, VVDStRL 12 (1954), 8, 19; ders. Rechtsfragen der leistenden Verwaltung, S. 53; Klein, ZgSt 106 (1950), 390, 399. 283 Stellv. für die Rspr. des BVerfG s. BVerfG v. 19. 12. 1951 – 1 BvR 220/51, NJW 1952, 297; BVerfG v. 17. 8. 1956 – 1 BvB 2/51, BVerfGE 5, 85, 198; zur Legitimation des Rechtsstaates Bachof, VVDStRL 12 (1954), 37, 38; s. auch Fechner, Recht und Staat 174 (1953), 3, 5; Huber, Rechtsstaat und Sozialstaat in der modernen Industriegesellschaft, in: Forsthoff, Rechtsstaatlichkeit und Sozialstaatlichkeit, S. 590; Isensee, FS Broermann 1982, S. 365, 373; Menzel, DÖV 1972, 537, 539; Scheuner, FS DJT 1960, Band 2, S. 229, 231, 233; für Scholz ist Demokratie wohl zunächst ein staatsverfassungsmäßiges Konzept, Der Staat (13) 1974, 91, 96; ders. Koalitionsfreiheit als Verfassungsproblem, S. 181, 183 ff.; ähnlich wohl auch Schwerdtfeger, Mitbestimmung und Grundgesetz, S. 192 ff.; Weber, FS OLG Celle 1961, S. 239, 240; HbStR/Zacher, Band 2, § 28 Rn. 111.

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tutionen zueinander, das heißt Einflüsse gesellschaftlich-wirtschaftlicher Mächte auf Individuen und Kollektive moderieren.284 Wenn auch die unterschiedlichen Konzeptionen der Verfassungstexte von Grundgesetz und WRV einen Vergleich oder gar Rückschlüsse nicht prima facie nahelegen, mag diese Annahme in der Zielsetzung der sozialen Grundrechte der WRV zumindest widerhallen. Während die WRV in dem fünften Abschnitt ihres zweiten Hauptteiles über das „Wirtschaftsleben“ explizite soziale oder wirtschaftsbezogene Grundrechte vorsah, zu denen auch die wirtschaftliche Vereinigungsfreiheit und das Rätesystem gehörten, wurde bereits im Ausschuss für Grundsatzfragen erwogen, dem Grundgesetz „gewisse Rechte wirtschaftlicher oder sozialpolitischer Art […] in einem Abschnitt über die Gesetzgebung oder die Zuständigkeit als Mindestauflagen oder als Beschränkungen für den Gesetzgeber“ einzuräumen.285 Die soziale Orientierung der Verfassung sollte eine staatliche Einflussnahme dergestalt ermöglichen, dass die durch die liberale Wirtschaftsverfassung begünstigten Machtgebilde zugunsten einer in materieller Gerechtigkeit liegenden Gleichheit umverteilt und ausgeglichen würden.286 Diese Umverteilung wird nicht zuletzt in einem zweiten Schritt auch im Rahmen des allgemeinen Gleichheitssatzes gem. Art. 3 Abs. 1 GG sowie Art. 9 Abs. 3 GG virulent.287 Konsensfähig erscheint damit zumindest, dass es dem Verfassungsgeber darum ging, der Verfassung von Staat und Gesellschaft eine widerstreitende Interessen ausgleichende und damit Macht moderierende Zielrichtung zu geben, sodass auf diesem Wege ein menschenwürdiges Dasein gewährleistet werden könnte.288 Dies findet seinen Ausdruck nicht zuletzt auch in der freien Entfaltung der Persönlichkeit des Einzelnen und der Verantwortung des Kollektivs.289 Damit enthält das Sozialstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1, 28 Abs. 1 GG) zumindest eine grundlegende Entscheidung zugunsten einer gerechten Sozialordnung.290 Eines solchen sozialen Ausgleiches bedurfte und bedarf es insbesondere in jenen Bereichen gesellschaftlichen Zusammenlebens, in denen ein solches Machtgefälle durch unterschiedlich starke Kräfte in der Interessenvertretung und -durchsetzung besonders 284

Pikart/Werner, Der Parlamentarische Rat 1948 – 1949, Band 5/II, S. 48 f. So der Berichterstatter Bergsträsser in der 3. Sitzung des Ausschusses für Grundsatzfragen, abgedruckt in Pikart/Werner, Der Parlamentarische Rat 1948 – 1949, Band 5/I, S. 37. 286 Mit dieser Parallele Bieback, EuGRZ 1985, 657, 658 m. w. N. zu den sozialen Grundrechten der WRV; siehe auch Wege, Positives Recht, S. 159. 287 Friauf, DVBl. 1971, 674, 678; HbStR/Zacher, Band 2, § 28 Rn. 37. Zum Verhältnis von Sozialstaatsprinzip und Koalitionsfreiheit vgl. den nachfolgenden Abschnitt C. II. 2. 288 Fechner, Recht und Staat, 174 (1953), 3, 5; Friauf, DVBl. 1971, 674, 676. 289 BVerfG v. 11. 6. 1958 – 1 BvR 596/56, NJW 1958, 1035, 1037; Dreier, JZ 1994, 741; Fröhler, Verfassungsrechtliche Grundlegung des sozialen Rechtsstaats, S. 34; Grabitz, Freiheit und Verfassungsrecht, S. 113; Hamel, Bedeutung der Grundrechte im sozialen Rechtsstaat, S. 31; Dürig/Herzog/Scholz/Herdegen, GG, Art. 1 Abs. 1 Rn. 84. 290 BVerfG v. 18. 7. 1967 – 2 BvF 3/62 u. a., NJW 1967, 1795, 1796; Huber, Rechtsstaat und Sozialstaat in der modernen Industriegesellschaft, in: Forsthoff, Rechtsstaatlichkeit und Sozialstaatlichkeit, S. 589; Kempen/Zachert/Kempen, TVG, Grundlagen Rn. 82; Ruffert, Vorrang der Verfassung, S. 258. 285

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2. Kap.: Der Grundgedanke der Mitbestimmung

angelegt ist.291 Diese Tendenzen sind nicht zuletzt auch kennzeichnend für die Arbeits- und Wirtschaftswelt im kontextualen Wandel hin zu einer liberalen, industriellen Gesellschaft, in welche das Grundgesetz bereits hineingeboren wurde.292 Die in diesem Kontext erforderliche Sicherung eines Existenzminimums, wie sie nicht nur zufällig in der Nachkriegszeit besonders virulent war, ist nicht zuletzt Ergebnis der wirtschaftlichen Angleichung der Lebensverhältnisse.293 Konstitutive Elemente eines Sozialstaates sind damit soziale Gerechtigkeit und Sicherheit sowie eine soziale Ordnung.294 b) Der soziale Regelungsauftrag Wen und in welchem Umfang diese Ziele verpflichten, hängt wiederum maßgeblich von der verfassungsrechtlichen Einordnung des Sozialstaatsprinzips in die übrigen Fundamentalnormen und von seinem Verhältnis zu den Grundrechten ab: Während anfangs davon ausgegangen wurde, es handele sich – insbesondere im Vergleich zum Rechtsstaatsprinzip – um eine Leerformel, welche die Staatsgewalten nach Art. 1 Abs. 3 GG weder berechtige noch verpflichte,295 gingen andere mit der auch heute herrschenden Ansicht davon aus, dass auch das Sozialstaatsprinzip als Staatsziel einen allgemeinen Regelungsauftrag an die Staatsgewalten enthalte, mit den ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln den oben angedeuteten Ausgleich durch aktive Gestaltung zu erzeugen und zu fördern.296 Hauptakteur der aktiven Sozial291 BVerfG v. 20. 7. 1954 – 1 BvR 459/52 u. a., NJW 1954, 1235, 1236; BVerfG v. 30. 9. 1987 – 2 BvR 933/82, AP GG Art. 33 Abs. 5 Nr. 7 [II. 2.]; vgl. mit einem Hinweis auf das Arbeitsrecht Bieback, EuGRZ 1985, 657, 660; zu der Problematik von Zwangsmitgliedschaften im Kontext sozialer Ordnung und Politik am Beispiel der Bayrischen Ärzteversorgung s. BVerfG v. 25. 2. 1960 – 1 BvR 239/52, NJW 1960, 619 f., 620; im Hinblick auf den Missbrauch der Vertragsfreiheit Kramer, Krise des liberalen Vertragsdenkens, S. 19; zweifelnd hingegen Schwerdtfeger, Mitbestimmung und Grundgesetz, S. 193. 292 Badura, DÖV 1989, 491, 492; Benda, Industrielle Herrschaft und sozialer Staat, S. 13 ff.; ähnlich Klein, ZgSt 106 (1950), 390, 404; Abendroth, Staatsverfassung und Betriebsverfassung, in: Sultan/Abendroth, Bürokratischer Verwaltungsstaat, S. 103, 106; mit einer ähnlichen Einschätzung Wege, Positives Recht, S. 157. 293 Stellv. BVerfG v. 9. 2. 2010 – 1 BvL 1/09 u. a., NJW 2010, 505; Ruffert, Vorrang der Verfassung, S. 258; HbStR/Zacher, Band 2, § 28 Rn. 32. 294 Stellv. BVerfG v. 19. 12. 1951 – 1 BvR 220/51, NJW 1952, 297; BVerfG v. 12. 5. 1976 – 1 BvL 31/73, NJW 1976, 2117; Badura, DÖV 1989, 491, 493; Ipsen, VVDStRL 10 (1952), 74; AK-GG/Kittner/Schiek, Art. 9 Abs. 3 Rn. 82; HbGR/Papier, Band 2, § 30 Rn. 10; Stern, Staatsrecht, Band 1, S. 692, 711; zum Sozialhilfeanspruch Wertenbruch, FS Küchenhoff 1967, S. 343 passim; HbStR/Zacher, Band 2, § 28 Rn. 32 ff. 295 Insbesondere Forsthoff, VVDStRL 12 (1954), 8, 27 f. – entgegen einer Qualifizierung als Rechtsbegriff Leitsatz XV.; als „Blankettbegriff“ Grewe, DRZ 1949, 349, 351; als „politisches Schlagwort“ und gegen eine Einordnung als Rechtsbegriff Jerusalem, NJW 1953, 1134. 296 BT-Drs. VII/2423, S. 166 Ziffer 278; BVerfG v. 19. 12. 1951 – 1 BvR 220/51, NJW 1952, 297, 298; BVerfG v. 6. 11. 1979 – 1 BvR 81/76, AP BetrVG 1972 § 118 Nr. 14 [B. I. 1. c)]; BVerfG v. 13. 1. 1982 – 1 BvR 848/77, AP GG Art. 5 Abs. 1 Rundfunkfreiheit Nr. 1

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gestaltung bleibt jedoch der Gesetzgeber, der mit dem Mittel der einfachen Gesetzgebung den ihm erteilten Auftrag umsetzt. In dem jeweiligen einfachen Gesetz konkretisiert sich sodann das Sozialstaatsprinzip.297 Der Offenheit der Gesellschaftsbzw. Sozialverfassung trägt die dementsprechend weitgehende Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers Rechnung.298 Dabei bedeutet die Offenheit der Verfassung kein Bestreben einer Ordnungslosigkeit oder eine ausschließliche Delegation der Ordnungsaufgabe an die Gesellschaft, sondern soll gerade eine Reaktion auf die verschiedenen Ordnungsbelange im Kontext stetiger gesellschaftstatsächlicher Dynamiken ermöglichen.299 Somit gilt für die Arbeits- und Sozialverfassung als Bestandteil der Gesellschaftsverfassung das zur Wirtschaftsverfassung Gesagte.300 aa) Die Staatsfundamentalnormen als mittelbarer Maßstab Die soziale Zielbestimmung ist folglich, wenn auch nicht als unmittelbar bindende Verfassungsnorm konkreten Inhaltes, so wenigstens doch als zwar konkretisierungsbedürftiger,301 aber gleichwohl richtungsweisender Regelungsauftrag und Leitsatz staatlichen Handelns – im Kontext der Judikative und Exekutive als Auslegungshilfe – zu verstehen.302 Dabei erhält das Sozialstaatsprinzip denselben Rang [C. II. 2. a) bb)]; BVerfG v. 19. 10. 1983 – 2 BvR 485/80 u. a., NJW 1984, 475, 476; BVerfG v. 30. 9. 1987 – 2 BvR 933/82, AP GG Art. 33 Abs. 5 Nr. 7 [V.]; Grundlegend Ipsen, VVDStRL 10 (1952), 74; ders., Über das Grundgesetz, S. 14, 17; ebenso Bachof, VVDStRL 12 (1954), 37, 39; Badura, DÖV 1989, 491, 492 f.; Friauf, DVBl. 1971, 674, 677; Grabitz, Freiheit und Verfassungsrecht, S. 132; Dürig/Herzog/Scholz/Grzeszick, GG, Art. 20 Rn. 17 f.; Klein, ZgSt 106 (1950), 390, 400; Menger, DVBl. 1960, 297, 298; HbGR/Papier, Band 2, § 30 Rn. 2 ff., 8; Ruffert, Vorrang der Verfassung, S. 257; Stern, Sozialstaat, in: Evangelisches Staatslexikon, Band 2, Spalte 3269, 3275; ders., Staatsrecht, Band 1, S. 689. 297 BT-Drs. VII/2423, S. 166 Ziffer 278. 298 Zum Umfang der gesetzgeberischen Prärogative BVerfG v. 25. 2. 1960 – 1 BvR 239/52, NJW 1960, 619, 621; BVerfG v. 24. 7. 1963 – 1 BvL 11/61 u. a., NJW 1963, 1723, 1726; BVerfG v. 26. 11. 1964 – 1 BvL 14/62, NJW 1965, 195, 196; BVerfG v. 3. 12. 1969 – 1 BvR 624/56, NJW 1970, 799, 802; Dürig/Herzog/Scholz/Scholz, GG, Art. 9 Rn. 155; HbStR/Zacher, Band 2, § 28 Rn. 17. 299 Scholz, Der Staat 13 (1974), 91, 95; Weber, FS OLG Celle 1961, S. 239, 240; Zeidler, DRiZ 1972, 221. 300 Abschnitt C. I. dieses Kapitels. 301 Für einen Konkretisierungs- und Gestaltungsauftrag vornehmlich an den Gesetzgeber BVerfG v. 19. 10. 1983 – 2 BvR 485/80, 2 BvR 486/80, NJW 1984, 475, 476; zuvor bereits zur Prärogative des Staates stellv. BVerfG v. 13. 1. 1982 – 1 BvR 848/77, AP GG Art. 5 Abs. 1 Rundfunkfreiheit Nr. 1 [C. II. 2. a) bb)]; Isensee, FS Broermann 1982, S. 365, 371; Scholz, Paritätische Mitbestimmung, S. 26. 302 Stellv. BVerfG v. 6. 11. 1979 – 1 BvR 81/76, AP BetrVG 1972 § 118 Nr. 14 [B. I. 1. c)]; BVerfG v. 13. 1. 1982 – 1 BvR 848/77, AP GG Art. 5 Abs. 1 Rundfunkfreiheit Nr. 1 [C. II. 2. a) bb)]; Abendroth, Zum Begriff des demokratischen und sozialen Rechtsstaates im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland, in: Kempen, Sozialstaatsprinzip und Wirtschaftsordnung, S. 70, 72; Badura, DÖV 1989, 491, 492 f., 494; Dürig/Herzog/Scholz/Grzeszick, GG, Art. 20 Rn. 17 f.; Jahnke, Tarifautonomie und Mitbestimmung, S. 40; Müller, DB 1956, 524, 524 f.;

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2. Kap.: Der Grundgedanke der Mitbestimmung

wie die übrigen Staatsfundamentalnormen des Grundgesetzes gem. Art. 20 Abs. 1, 28 Abs. 1 GG.303 Gemeinsam bilden sie die strukturelle Grundlage der Verfassung.304 Der damit einhergehende Regelungsauftrag kann sich jedoch nie allein auf das Sozialstaatsprinzip berufen, ebenso wenig wie Letzteres als alleinige Legitimationsgrundlage tauglich ist. Die (sozial-)ordnende Gestaltung kann stets nur im Wege eines Zusammenspiels von Sozial- und Bundesstaatlichkeit sowie dem Demokratieprinzip erfolgen.305 bb) Die Aktualisierung des Sozialstaatsprinzips durch die Grundrechte (1) Die freiheitliche Konzeption der Verfassung als Ausgangspunkt Gleiches gilt für die Grundrechte: Sie bilden das Verhältnis des Staates zur ihn legitimierenden Gesellschaft nicht zuletzt auch in kompetenzieller Hinsicht ab und errichten das strukturelle Gerüst der deutschen Verfassungsordnung nach dem Grundgesetz. Auf der anderen Seite kann das Sozialstaatsprinzip die einfachgesetzliche Konkretisierung der grundrechtlichen und fundamentalnormativen Vorgaben durch den Staat in ihrer autonom-freiheitlichen Dimension der Gesellschaft gegenüber verantworten (vgl. Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG).306 Geht man davon aus, dass das Prinzip des sozialen Staates mit seinem Bestreben einer sozialen (Gesellschafts-) Ordnung in seiner Entscheidung nicht nur strukturell konstitutiv ist, sondern vielmehr auch materiell im Wege der Auslegung auf die Grundrechte ausstrahlt,307 wird man aufgrund dieser so entstandenen inhaltlichen Verknüpfung auch eine Wirkung in entgegengesetzter Richtung annehmen können: In gleicher Weise wie sich die Entscheidung zugunsten eines sozialen Rechtsstaates in den Geltungs- und WirHbGR/Papier, Band 2, § 30 Rn. 2; für eine eingeschränkte Tauglichkeit als Auslegungsdirektive Ruffert, Vorrang der Verfassung, S. 258. 303 Bachof, VVDStRL 12 (1954), 37; Ipsen, FS Zweigert 1981, S. 747, 757; Krüger in der Aussprache zum ersten Beratungsgegenstand, in: VVDStRL 12 (1954), 110; Menzel, DÖV 1972, 537; ausführlich zu dem Verhältnis Scholz, Koalitionsfreiheit als Verfassungsproblem, S. 183 ff.; Stern, Staatsrecht, Band 1, S. 682 f.; anders und für einen Vorrang des Rechtsstaatsprinzips Forsthoff, VVDStRL 12 (1954), 8, 15, 34 Leitsatz IV. 304 Pikart/Werner, Der Parlamentarische Rat 1948 – 1949, Band 5/II, S. 290. 305 Isensee, FS Broermann 1982, S. 365, 371, 376; HbGR/Papier, Band 2, § 30 Rn. 4; ausführlich zu dem Verhältnis der Staatsfundamentalprinzipien des Art. 20 Abs. 1 GG Scholz, Koalitionsfreiheit als Verfassungsproblem, S. 183 ff.; hinsichtlich des Demokratieprinzips Badura, DÖV 1989, 491, 497; ähnlich Leibholz, Strukturprobleme der modernen Demokratie, S. 88, 130; Ruffert, Vorrang der Verfassung, S. 257; nach HbStR/Zacher, Band 2, § 28 Rn. 122 begründet das Sozialstaatsprinzip keine Kompetenzen. 306 Dürig/Herzog/Scholz/Papier/Shirvani, GG, Art. 14 Rn. 415. 307 So BVerfG v. 13. 1. 1982 – 1 BvR 848/77, AP GG Art. 5 Abs. 1 Rundfunkfreiheit Nr. 1 [C. II. 2. a) bb)]; ebenso Abendroth, Zum Begriff des demokratischen und sozialen Rechtsstaates im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland, in: Kempen, Sozialstaatsprinzip und Wirtschaftsordnung, S. 70, 72, im Hinblick auf Art. 14 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 und 15 GG, S. 76; für eine Konkretisierung des Sozialstaatsprinzips durch Art. 6 IV GG Ruffert, Vorrang der Verfassung, S. 262.

C. Mitbestimmung und Parität als Verfassungsideen

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kungsbereichen der einzelnen Grundrechtsgarantien wiederfindet, konkretisieren diese im Rahmen eben dieser Bereiche die vom Verfassungsgeber angestrebte soziale Ordnung.308 Das Verhältnis der Grundrechte zum Sozialstaatsprinzip ist somit strukturell wie materiell reziprok. Solche Verfassungsnormen, die das Verhältnis von Staat und Gesellschaft zueinander betreffen sollten, wurden recht früh in der Verfassungsgebung diskutiert.309 Dabei war man sich auch über die Rolle der Grundrechte in diesem Belang gewahr – also darüber, dass auch einzelne Grundrechtsgarantien selbst oder im Verbund über ihre klassische Form als Abwehrrechte hinaus Instrument gesellschaftskonstituierender Bestrebungen sein könnten.310 Diesbezüglich gelangte besonders ihr Bezug zu der Gesetzgebung und einer entsprechenden Beschränkung bzw. Rechtfertigungsbedürftigkeit derselben in den Vordergrund.311 Dies folgte aus dem bereits dargestellten Bild einer freiheitlichen Gesellschaft – verfasst aus autonomen, vom Staat freien Individuen und Kollektiven.312 Konsequenz dessen sind die Anerkennung der Rechtsstaatlichkeit und die damit verbundene Gleichheit eines jeden voreinander und vor dem Staat. Die Gleichheit eines jeden ist damit auch unmittelbarer Ausgangspunkt der entsprechend proklarierten Autonomie.313 Die Beziehung von Staat und Gesellschaft zueinander führt damit zu einer reziproken Legitimierung und Beschränkungen;314 es ist ein Verhältnis gegenseitiger funktionaler Bedingtheit.315 Staat und Gesellschaft sind als Konstrukte derart verknüpft, dass die Gesellschaft grundsätzlich die gestalterische Einwirkung des Staates zulässt.316 Die Qualifizierung der Grundrechte als Abwehr- und Freiheitsrechte verhindert eine ausufernde staatliche Gestaltungsfreiheit.317 Dieses Verhältnis findet seine Extreme einerseits in dem totalen Staat, welcher die Freiheit der Subjekte im Sinne seiner eigenen Regelungsmacht beschneidet, und andererseits in dem liberalen Freiheitsstaat, in dem in Ermangelung von Regelungen die Subjekte in Ausübung ihrer Freiheit eine interessengeleitete Verfassung entwickeln, welche sich durch

308 Im Ergebnis so wohl auch Badura, DÖV 1989, 491, 495; s. auch Zacher, FS Ipsen 1977, S. 207, 228. 309 Vgl. Pikart/Werner, Der Parlamentarische Rat 148 – 1949, Band 5/II, S. 37. 310 Vgl. Pikart/Werner, Der Parlamentarische Rat 148 – 1949, Band 5/II, S. 36 f. 311 Pikart/Werner, Der Parlamentarische Rat 148 – 1949, Band 5/II, S. 37. 312 Pikart/Werner, Der Parlamentarische Rat 148 – 1949, Band 5/II, S. 29. 313 Pikart/Werner, Der Parlamentarische Rat 148 – 1949, Band 5/II, S. 30. 314 Ridder, Stellung der Gewerkschaften, S. 14, 17. 315 Scholz, Der Staat 13 (1974), 91, 93; mit einer ausführlichen Ausarbeitung der unterschiedlichen Blickrichtungen Ehmke, FS Smend 1962, S. 23 passim. 316 Ausführlich Böckenförde, FS Hefermehl 1972, S. 11 passim; s. auch Abendroth, Zum Begriff des demokratischen und sozialen Rechtsstaates im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland, in: Kempen, Sozialstaatsprinzip und Wirtschaftsordnung, S. 70, 74. 317 S. Dreier/Dreier, GG, Band 1, Vorbemerkung Rn. 88; Stern, Staatsrecht, Band 1, S. 721; im Kontext des so verfassten liberalen Rechtsstaates Klein, ZgSt 106 (1950), 390, 402.

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2. Kap.: Der Grundgedanke der Mitbestimmung

Machtverhältnisse selbst ordnet.318 Damit einher geht auch das jeweilige Regelungsverständnis des Staates: Begrenzt ein Staat seine Maßnahmen auf punktuell korrektive Gesetzgebung, handelt es sich in Anerkennung eines liberalen Rechtsstaates auch in seinem Extrem um einen Eingriffsstaat (Fehlinterpretation verfassungsmäßiger Offenheit).319 Im Gegensatz dazu handelt der Staat als leistender Staat, wenn er durch Regelungen der Planung und Lenkung zwar auf die Verläufe der Gesellschafts(selbst-)verfassung Einfluss nimmt, sich jedoch auf die Schaffung von Rahmenkonstrukten beschränkt.320 Die Mechanismen der sozialen Ordnung und deren Auswahl durch den Staat sind maßgeblich von dessen Verhältnis zur Gesellschaft bestimmt.321 (2) Die Wirkweise des Sozialstaatsprinzips Eigenheit des Sozialstaates ist gerade seine leistende Komponente; indem der Staat mit der Folge der Leitung Umverteilung und Planung leistet, erfüllt sich das verfassungsrechtliche Postulat der Sozialstaatlichkeit in der Moderation gegenseitiger Lebenstatsächlichkeiten hin zu einem Ausgleich.322 Die Differenzierung ist fließend, da die Folge der jeweiligen Leistung zudem notwendig freiheitsbegrenzend wirkt.323 Dabei darf indes nicht die Frage nach Ausgestaltung und Eingriff außer Acht gelassen werden. Von ihrer Beantwortung hängt maßgeblich der Maßstab der Rechtfertigung der „Freiheitsbegrenzung“ ab.324 Das freiheitliche Verständnis des gesellschaftlichen Zusammenlebens, welches auch bereits ohne Rückgriff auf das Rechtsstaatsprinzip Ausdruck der Grundrechte als Abwehrrechte gegen ein Einwirken des Staates ist, tritt damit dem durch das Sozialstaatsprinzip gewährleisteten, in gewissem Maße idealen Zustand von sozialer Gerechtigkeit, Sicherheit und einem angemessenen Ausgleich gegenläufiger Interessen entgegen.

318 Vgl. Schwerdtfeger, Mitbestimmung und Grundgesetz, S. 193; für die soziale Ordnung nach dem Grundgesetz BVerfG v. 1. 3. 1979 – 1 BvR 532/77 u. a., AP MitbestG § 1 Nr. 1 [C. III. 2. a)]. 319 Scholz, Der Staat 13 (1974), 91, 95. 320 BVerfG v. 18. 7. 1972 – 1 BvL 32/70 u. a., NJW 1972, 1561, 1564; mit einem Kommentar dieser Entscheidung Fromme, FAZ Nr. 166 v. 21. 7. 1972, S. 2; s. auch Badura, DÖV 1989, 491, 493; Häberle, DÖV 1972, 729 ff.; Hartmann, Negative Tarifvertragsfreiheit, S. 130; Stern, Staatsrecht, Band 1, S. 711. 321 BT-Drs. VII/2423, S. 166 Ziffer 279. 322 Ridder, Stellung der Gewerkschaften, S. 10; zur leistenden Komponente der Koalitionsfreiheit auch Bialluch, Tarifeinheitsgesetz, S. 43 ff. 323 Gallwas, Faktische Beeinträchtigungen, S. 12, 49 ff.; s. dazu auch Friauf, DVBl. 1971, 674, 680. 324 Siehe dazu ausführlich Cornils, Ausgestaltung der Grundrechte, S. 40 ff.; MüHbArbR/ Rieble, Band 3, § 218 Rn. 77 ff. Hierzu im Kontext der Koalitionsfreiheit Kapitel 1, Abschnitt A. I.

C. Mitbestimmung und Parität als Verfassungsideen

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Aufgabe des Sozialstaatsprinzips ist es nunmehr, zwischen diesen Extremen zu moderieren.325 Beide Erscheinungen heben sich jedoch keineswegs gegenseitig auf, sodass die Gesellschaft nur in einer von beiden Gestalten bestehen könnte. Vielmehr kann die in den Grundrechten begründete Freiheit des Einzelnen nicht ohne das ausgleichende Korrektiv des Sozialstaates existieren. Autonomie bedarf zunächst der Fähigkeit sowie Freiwilligkeit und Freiwilligkeit bedarf der Zwanglosigkeit.326 Diese Zusammenhänge mögen prima facie widersprüchlich zu dem zuvor Gesagten erscheinen. Doch für eine Zwanglosigkeit ist wiederum eine Gleichgewichtigkeit und Gleichwertigkeit des Individuums im Vergleich zu der ordnenden Kraft erforderlich. Wissens- oder Willensmängel, wie sie das Privatrecht beispielsweise im Rahmen der §§ 119, 164 BGB kennt, wirken autonomiefeindlich und konterkarieren die adäquate Ordnung.327 Zwar mögen diese Mängel Verhandlung und Verhandlungsergebnis nur einseitig, das heißt eine der Parteien betreffend, beeinflussen, sodass die andere Seite ungehindert ihren Willen freiheitlich und freiwillig durchsetzen kann. Sie stehen jedoch im Widerspruch zu den im Sozialstaatsprinzip sowie in den Grundrechten (Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG) verankerten Grundsatzentscheidungen der freiheitlichen Entfaltung sowie des Ausgleichs widerstreitender Interessen. Hierzu gehört wiederum auch die jeweils freiheitliche Entscheidungs- und Handlungsfreiheit. Mit dieser Erkenntnis wird diese Freiheit indes zu einem stetig multilateralen Konstrukt.328 Die Freiheit des einen oder auch eines Kollektivs kann die Einschränkung der Freiheit eines anderen bedeuten.329 Die freiheitliche Ausübung der durch das Grundgesetz garantierten Rechte geschieht stets im Rahmen der freiheitlich verfassten Gesellschaftsordnung als allumfassendes Gebilde. Da dieses jedoch aus der Summe aller Individuen mit eben derselben Freiheit konzipiert ist, ist diese Wechselwirkung der Freiheit als Beschränkung einer freiheitlich verfassten Gesellschaft immanent.330 Dieser Ausgleich bedeutet somit einen Ausgleich von Kenntnis- und

325 Badura, DÖV 1989, 491, 492; Fechner, Recht und Staat 174 (1953), 3, 9 f.; Friauf, DVBl. 1971, 674, 675; im Hinblick auf die Vermittlung privater Interessen Kempen/Zachert/ Kempen, TVG, Grundlagen Rn. 82. 326 Friauf, DVBl. 1971, 674, 676; Grünberger, Personale Gleichheit, S. 106; Häberle, Wesensgehaltgarantie, S. 121; a. A. Tosch, Entwicklung und Auflösung der Lehre vom Vertrag, S. 170, nach dem Machtdiskrepanzen der Wirksamkeit eines Vertrages nicht entgegenstehen. 327 I. S. e. Selbstbestimmtheit als Grundlage autonomer Entscheidungen Grünberger, Personale Gleichheit, S. 106; ebenso Mayer-Maly, FS Merkl 1970, S. 247, 250. 328 Am Beispiel der Vertragsfreiheit vertieft Suhr, Rechtsstaatlichkeit und Sozialstaatlichkeit, in: Kempen, Sozialstaatsprinzip und Wirtschaftsordnung, S. 151, 168. 329 Flume, FS DJT 1960, Band 1, S. 135, 143, mit der Schlussfolgerung einer Unvereinbarkeit von Zwang und Privatautonomie; Höfling, Vertragsfreiheit, S. 45; Kramer, Krise des liberalen Vertragsdenkens, S. 49. 330 Fechner, Recht und Staat 177 (1954), 1, 3; grundlegend Jahrreiss, Freiheit und Sozialstaat, S. 23 f.; zur Freiheit einer Gesellschaft als Summe individueller Freiheiten Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 196.

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2. Kap.: Der Grundgedanke der Mitbestimmung

Willensdiskrepanzen – Machtdisparitäten.331 Diese können in diesem Zusammenhang sowohl punktueller wie auch struktureller Natur sein. Letztere werden beispielsweise auf differenzierte Art und Weise in den Tariffähigkeitsvoraussetzungen sichtbar, die im Rahmen der Indizwirkung der Mitgliederstärke nuanciert auch die Qualifikationen, Fähigkeiten und Stellung der Arbeitnehmer berücksichtigten.332 cc) Zwischenergebnis: Parität als Auftrag des Sozialstaates Betrachtet man also den Ausgleich von Machtdisparitäten und die Verhinderung deren Missbrauchs als Kernelemente bereits des Sozialstaatsprinzips und ein dementsprechendes Gleichgewicht als Bestandteil einer sozialen Gesellschaftsordnung, berechtigt und verpflichtet das Sozialstaatsprinzip die an es Gebundenen, denjenigen Ausgleich zu erwirken, welcher nicht in der freien Entfaltung der autonomen Kräfte erreicht zu werden vermag.333 Eine faktische Gleichheit aller kann indes nicht erreicht werden. Es geht vielmehr um die Annäherung an eine Freiheit und Gleichheit in den Entfaltungsmöglichkeiten, welche nicht zuletzt auch Teilaspekt der Menschenwürde sind. Es sollen Mittel und Rahmenbedingungen geschaffen werden, welche die Auswahl bestimmter, aus einer Bandbreite verschiedener Möglichkeiten nicht bereits a priori ausschließen.334 Eine Einflussnahme konterkariert damit nicht die Freiheit, sondern macht sie erst möglich.335 Es muss zwar zugestanden werden, dass eine solche verantwortete Freiheit eine beschränkte Freiheit ist, welche die autonome Entscheidungs- und Handlungsfreiheit in den Dienst der Gesamtheit stellt: Während also die freiheitliche Konzeption des Grundgesetzes und subsequent die Verfassung der Gesellschaft von der Adäquanz autonomer Verhandlungen in Ausübung eben dieser Freiheit ausgehen, bringt die Herstellung der Autonomie die Assoziation der Beschränkung und Begrenzung mit sich.336 Aber auch die grundrechtlich garantierte Freiheit als Fundament der Autonomie kennt Schranken verschiedener Art, seien sie auch nicht verfassungsimmanent.337 Etwas anderes kann insbesondere dann nicht gelten, wenn man in den Grundrechten je eine verfassungsimmanente Konkretisierung des So331 Bieback, EuGRZ 1985, 657, 659; Isensee, FS Broermann 1982, S. 365, 373; Suhr, Rechtsstaatlichkeit und Sozialstaatlichkeit, in: Kempen, Sozialstaatsprinzip und Wirtschaftsordnung, S. 151, 170. 332 BAG v. 14. 3. 1978 – 1 ABR 2/76, AP TVG § 2 Nr. 30 [IV. 2.]. 333 Abendroth, Zum Begriff des demokratischen und sozialen Rechtsstaates im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland, in: Kempen, Sozialstaatsprinzip und Wirtschaftsordnung, S. 70, 74; Fechner, Recht und Staat 174 (1953), 3, 13. 334 Fundamental Rawls, Theorie der Gerechtigkeit, S. 86 ff. 335 Bieback, EuGRZ 1985, 657, 659; Fechner, Recht und Staat 174 (1953), 3, 16 f., 18; Häberle, Wesensgehaltgarantie, S. 16; a. A. Badura, DÖV 1989, 491, 498. 336 Mit einer ausführlichen Darstellung Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 159 ff., 336 ff.; zur Adäquanzvermutung im Privatrecht Mayer-Maly, FS Merkl 1970, S. 247, 249. 337 Kritisch Badura, DÖV 1989, 491, 498.

C. Mitbestimmung und Parität als Verfassungsideen

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zialstaatsprinzips sieht.338 Freiheit ist kein absolutes Recht, welches entweder in vollem Umfang zugestanden oder aber vollständig aufgehoben werden kann. Die Sozialstaatlichkeit dient vielmehr als Korrektiv in demjenigen Umfang, in dem dasselbe Ziel nicht durch die autonome Willensbildung des Individuums bzw. der Gesellschaft erreicht werden kann.339 Je weniger die freiheitliche Entscheidung als Ursprung des autonomen Interessenausgleiches dienen kann, desto eher und weitreichender ist eine im Eingriff liegende Gestaltung eines solchen Zustandes erforderlich.340 Eine Einschränkung der Freiheit ist somit stets nur in ihrer jeweiligen Verhältnismäßigkeit gerechtfertigt.341 Freiheit und Zwang sind daher zwar auch als Gegenpole zu sehen. Sie ergänzen und balancieren einander jedoch auch.342 Dieses auf das Verhältnis von Rechts- und Sozialstaat heruntergebrochene Wechselspiel mag man bis zu einer „Einheit“ der Verfassung zurückverfolgen.343 Letztlich kann sich etwas anderes jedoch gerade dann nicht unter Einbeziehung der Grundrechte ergeben.344 Möchte man Inhalt und Einfluss des Sozialstaates nachvollziehen, sind die Grundrechte Ausgangspunkt dieser Betrachtung. Ihre Einordnung zwischen den Polen von (klassischen) Abwehrrechten einerseits und Leistungsrechten andererseits ist der Maßstab für das angesprochene Wechselspiel von Freiheit und Zwang – in seinem angedeuteten Rudiment. Selbst geht man davon aus, dass sich Sinn und Zweck der Grundrechte vorrangig in ihrem klassisch abwehrenden Gewand manifestieren, ist notwendige Vorfrage für diese Freiheit, eben die in den Grundrechten inhaltlich garantierten Handlungen oder Institutionen wahrzunehmen, die (hypothetische) Möglichkeit der Ausübung dieser Freiheit. Nimmt man dies nicht an, so scheinen die freiheitlichen Garantien eben dieses Zweckes beraubt.345 338 So wohl aber Badura, DÖV 1989, 491, 495. Für Art. 6 Abs. 4 GG Ruffert, Vorrang der Verfassung, S. 262. 339 S. HbStR/Zacher, Band 2, § 28 Rn. 39 ff.; ebenso Degenhart, FS Scupin 1983, S. 537, 459; Ruffert, Vorrang der Verfassung, S. 258. 340 Vgl. im Kontext der Berufsfreiheit BVerfG v. 7. 2. 1990 – 1 BvR 26/84, AP GG Art. 12 Nr. 65 [C. I. 3.]. 341 Stellv. jüngst die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes zu Hartz-IV Sanktionen v. 5. 11. 2019 – 1 BvL 7/16, NJW 2019, 3703. Im Sinne einer Rechtfertigungsbedürftigkeit Badura, DÖV 1989, 491, 494; ebenso der Bericht der Sachverständigenkommission, Staatszielbestimmungen/Gesetzgebungsaufträge, S. 34 Rn. 29; im Grundsatz wohl auch Isensee, FS Broermann 1982, S. 365, 376; Scheuner, FS DJT 1960, Band 2, S. 229, 254, vor dem Hintergrund behördlichen Ermessens S. 252; mit Blick auf die Arbeitsverfassung MüHbArbR/ Rieble, Band 3, § 218 Rn. 8; zur Verhältnismäßigkeit und Erforderlichkeit eines Eingriffs stellv. Lerche, Übermaß und Verfassungsrecht, S. 19 f.; im Ergebnis dem nicht entgegen Cornils, Ausgestaltung der Grundrechte, S. 39 f. 342 Fechner, Recht und Staat 174 (1953), 3, 16, 18; im Ergebnis auch Bachof, VVDStRL 12 (1954), 37; mit einer Betrachtung der Grundrechtsschranken Fechner, Recht und Staat 177 (1954), 1, 4; ebenso Badura, DÖV 1989, 491, 494. 343 Bieback, EuGRZ 1985, 657, 659 mit Verweis auf Stern, Staatsrecht, Band 1, S. 688 f. 344 Vgl. dazu Bieback, EuGRZ 1985, 657, 659 ff. 345 BVerfG v. 18. 7. 1972 – 1 BvL 32/70 u. a., NJW 1972, 1561, 1564 als „wertlos“; BVerwG v. 22. 9. 1967 – VII C 71/66, NJW 1968, 613 f.; ebenso wohl Häberle, Wesensge-

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2. Kap.: Der Grundgedanke der Mitbestimmung

Wirken Ungleichgewichtigkeiten folglich als Auslöser der Unfreiheit, gilt es eine Gleichheit herzustellen.346 Das Sozialstaatsprinzip ist in diesem Kontext Ursprung einer solchen geleisteten Freiheit.347 Auf diese Weise wird eine Parität als notwendige Voraussetzung einer Freiheitsausübung generiert. Gleichzeitig folgt hieraus eine Förderung desjenigen objektiven Wertesystemes, welches bereits den Grundrechten in ihrer abwehrrechtlichen Konzeption zugrunde liegt.348 Konsequenz dessen wiederum ist eine Ergänzung des Grundrechtscharakters: Neben einer Freiheit durch Abwehr besteht eine (Vor-)Freiheit durch Leistung.349 Leistungsansprüche des Bürgers lassen sich aus dem Sozialstaatsprinzip dennoch nicht herleiten, solche subjektiven öffentlich-rechtlichen Ansprüche auf Teilhabe bedürfen vielmehr der einfachgesetzlichen Ausformung.350 Das Sozialstaatsprinzip selbst verfügt nur über eine objektiv-rechtliche Seite, welche dem Staat einen entsprechend offenen Gestaltungs-, Konkretisierungs- und Harmonisierungsauftrag erteilt.351 2. Soziale Ordnung durch Koalitionsfreiheit Im Rahmen der nachfolgenden Einordnung der Koalitionsfreiheit in die vom Sozialstaatsprinzip geprägten Grundsatzentscheidungen bildet dessen Regelungsund Ausgestaltungsauftrag an den einfachen Gesetzgeber die Grundlage.352 Trotz des haltgarantie, S. 121; ders., DÖV 1972, 729, 731; wohl auch Höfling, Vertragsfreiheit, S. 46, wenn er formale und reale Freiheit gleichsetzt; ebenso am Beispiel der Privatautonomie Flume, FS DJT 1960, Band 1, S. 135, 143; für die Voraussetzung sozialer Macht für eine Freiheitsausübung am Beispiel der Tariffähigkeit Isensee, Die Verfassungsrechtliche Verankerung der Tarifautonomie, in: Walter-Reymond-Stiftung, Die Zukunft der sozialen Partnerschaft, S. 159, 160. 346 Bieback, EuGRZ 1985, 657, 659. Als „Schutz vor den Auswirkungen der Privatautonomie im Namen der Privatautonomie“ Kittner, FS Dieterich 1999, S. 279, 282; s. auch Coester-Waltjen, AcP 190 (1990), 1, 14; Limbach, JuS 1985, 10 ff., insbesondere 13 f. 347 Friauf, DVBl. 1971, 674, 677; Häberle, Wesensgehaltgarantie, S. 15 – 17, 121 mit Verweis auf Hamel, Bedeutung der Grundrechte im sozialen Rechtsstaat, insbesondere S. 23; ders., DÖV 1972, 729, 731; Menger, DVBl. 1960, 297, 298. 348 BVerfG v. 18. 7. 1972 – 1 BvL 32/70 u. a., NJW 1972, 1561, 1564; mit einer Besprechung Häberle, DÖV 1972, 729, 730; ders., Wesensgehaltsgarantie, S. 15 – 18, 121. 349 BVerfG v. 18. 7. 1972 – 1 BvL 32/70 u. a., NJW 1972, 1561, 1564; Bieback, EuGRZ 1985, 657, 663; Friauf, DVBl. 1971, 674, 677; Häberle, DÖV 1972, 729, 730; ders., VVDStRL 30 (1972), 43, 112 ff.; im Kern ebenso Cornils, Ausgestaltung der Grundrechte, S. 37 f.; grundlegend Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 199 f. 350 BVerfG v. 19. 12. 1951 – 1 BvR 220/51, NJW 1952, 297, 298; BVerfG v. 5. 4. 1960 – 1 BvL 31/57, NJW 1960, 955, 956; zu Ausnahmen BVerfG v. 18. 7. 1972 – 1 BvL 32/70 u. a., AP GG Art. 12 Nr. 46 [C. I. 1.]; BSG v. 23. 6. 1959 – 2 RU 257/57, NJW 1959, 2135; BSG v. 27. 7. 1961 – 1 RV 1099/60, BeckRS 1961, 139 Rn. 19; s. auch BT-Drs. VII/2423, S. 167 Ziffer 281; Badura, DÖV 1989, 491, 495; Menzel, DÖV 1972, 537, 539, 542; HbGR/Papier, Band 2, § 30 Rn. 9. 351 Auch in Zusammenwirkung mit Grundrechten Bieback, EuGRZ 1985, 657, 664. 352 v. Mangoldt in seinem schriftlichen Bericht über die Grundrechte, abgedruckt in: Parlamentarischer Rat, Anlage zum stenographischen Bericht der 9. Sitzung v. 6. 5. 1949,

C. Mitbestimmung und Parität als Verfassungsideen

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materiellen Facettenreichtumes der sozialen Ordnung sollen die folgenden Ausführungen auf das Zusammenwirken von Sozialstaatsprinzip und Koalitionsfreiheit nach Art. 9 Abs. 3 GG beschränkt werden. Ungeachtet – oder gar aufgrund – der beabsichtigten inhaltlichen Weite des Sozialstaatsprinzips wird der Staat verpflichtet, innerhalb einer Gesellschaft mit oftmals diametral verlaufenden Interessen einen sozialen Ausgleich und ein Mindestmaß an sozialer Sicherheit herzustellen.353 Dabei gilt es, bestehende Ungerechtigkeiten abzubauen und gesellschaftliche Veränderungen ggf. legislativ zu moderieren.354 Der Gesetzgeber erfüllt seinen Gestaltungsauftrag durch Schaffung von Ordnungsinstrumentarien, gerichtet auf eine soziale Ordnung. In diesem Zusammenhang stehen sich nicht zuletzt Wirtschaftsordnung und Sozialordnung gegenüber, wobei die Zielsetzung sozialen Ausgleiches der Offenheit der Gesellschafts- und auch Wirtschaftsverfassung mit ihrem privatautonomen Regulativ im Sinne einer Schranke gegenübersteht.355 Diesbezüglich dient das Sozialstaatsprinzip als fundamentaler gesetzgeberischer Gestaltungsauftrag (konkretisiert durch die Grundrechte) nicht zuletzt auch der Beschränkung einer interessenmonistischen Gesellschafts- bzw. Wirtschaftsordnung.356 a) Das Verhältnis von Art. 9 Abs. 3 GG und Art. 20 Abs. 1 GG Der Charakter des Art. 9 Abs. 3 GG als Sozialordnungsnorm357 ergibt sich in seiner stärksten Ausformung erst aus einem Zusammenspiel mit Art. 20 Abs. 1 GG, ebenso wie der Inhalt des Sozialstaatsprinzips noch auf Verfassungsebene durch eine Verbindung mit der Koalitionsfreiheit stringentere Konturen annimmt.358 Dabei soll Drs. 850/54, S. 11. Mit einer Darstellung des Erkenntnisstandes Dürig/Herzog/Scholz/Grzeszick, GG, Art. 20 Rn. 17 f., mit Verweis auf die Rspr. des BVerfG stellv. BVerfG v. 12. 1. 1967 – 1 BvR 169/63, NJW 1967, 619, 620 (gegen ein freies Spiel der Kräfte); BVerfG v. 1. 3. 1979 – 1 BvR 532/77 u. a., AP MitbestG § 1 Nr. 1 [C. III. 1. a)] für einen verhältnismäßigen Ausgleich; s. auch Rüthers, AöR 133 (2008), 134, 136; Scholz, Koalitionsfreiheit als Verfassungsproblem, S. 181. 353 BVerfG v. 19. 12. 1951 – 1 BvR 220/51, NJW 1952, 297, 298; BVerfG v. 7. 8. 1956 – 1 BvB 2/51, BVerfGE 5, 85, 198; BVerfG v. 18. 7. 1967 – 2 BvF 3/62 u. a., NJW 1967, 1795, 1796; BVerfG v. 3. 12. 1969 – 1 BvR 624/56, NJW 1970, 799, 802; BVerfG v. 18. 7. 1972 – 1 BvL 32/70 u. a., AP GG Art. 12 Nr. 46 [C. I. 2.]; Jahnke, Tarifautonomie und Mitbestimmung, S. 40; HbGR/Papier, Band 2, § 30 Rn. 10. 354 Scholz, Paritätische Mitbestimmung, S. 26; Zöllner/Loritz/Hergenröder/Hergenröder, Arbeitsrecht, § 9 Rn. 50. 355 Für die Privatautonomie Grünberger, Personale Gleichheit, S. 32. 356 Mit einer Verknüpfung von Mitbestimmung in Großunternehmen Säcker, JbArbR 12 (1975), 17, 49. 357 Brox/Rüthers/Rüthers, Arbeitskampfrecht, S. 37; bereits auch Brox/Rüthers, Arbeitskampfrecht, 1. Auflage, S. 43; für eine sozialstaatliche Funktion des Art. 9 Abs. 3 GG auch ErfK/Linsenmaier, Art. 9 GG Rn. 53. 358 Stellv. Kempen/Zachert/Kempen, TVG, Grundlagen, Rn. 91; zur Wechselwirkung von Sozialstaatsprinzip und Grundrechten s. Abschnitt C. II. 1. dieses Kapitels.

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2. Kap.: Der Grundgedanke der Mitbestimmung

in der nachfolgenden Analyse besonders das aus dieser Verbindung heraus erstarkte Paritätsprinzip betrachtet werden. In der Weise, in der Art. 9 Abs. 3 GG den autonomen Ausgleich widerstreitender Interessen sowie daraus resultierender Machtgefälle selbst beinhaltet und Anlass zur einfachgesetzlichen Konkretisierung bietet, ist die Verfassungsnorm bereits selbst Maßstab und Mechanismus sozialer und damit gesellschaftlicher Ordnung zugleich.359 In diesem Sinne zieht auch das Bundesverfassungsgericht die Konkretisierung der sozialen Entscheidung der Verfassung durch die Koalitionsfreiheit heran, um die Rechtsposition der Gewerkschaften auch im Rahmen ihrer Beteiligung in der Personalvertretung zu begründen.360 aa) Die Koalitionsfreiheit im Lichte verfassungsrechtlicher Ordnung Die kollektive Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen ist in ihrer Umsetzung und ihrem Erfolg maßgeblich von dem Verhältnis von Staat und Gesellschaft zueinander bestimmt: Auf der Grundlage der freiheitlichen Grundverfassung erfordert das Gesellschaftskollektiv zur Bildung eines autonomen Willens die Freiheit vom Staat.361 Diese Staatsfreiheit wird durch die in erster Linie als Abwehrrechte konzipierten Grundrechte gewährleistet.362 Gleichsam besteht die Berechtigung und Verpflichtung des Staates, im Rahmen des formell sowie materiell Möglichen und Notwendigen zur Ordnung des Soziallebens gestalterisch auf das Kollektiv Einfluss zu nehmen. Im Zentrum dieser Ordnung steht die Korrektur gesellschaftlicher Machtungleichwichte innerhalb des Kollektivs selbst sowie in ihrer Außenwirkung.363 Das Moment der Selbstbestimmung und Selbstverantwortung, welches sich nicht zuletzt aus dem freiheitlichen Grundverständnis der Koalitionsfreiheit ergibt, bildet das konnektive Element von Kollektiv- und Privatautonomie.364 Aus diesem Verhältnis ergeben sich zudem die ersten strukturellen Anforderungen an die Koalitionsfreiheit – und im Besonderen die kollektive Koalitionsfreiheit: Sofern sie als Ausgleichsmechanismus für solche privatautonomen Defizite dienen soll, die aufgrund von Machtungleichheiten im Ausgang des Verfahrens bestanden, so darf das 359 Ebenso Badura, AöR 104 (1979), 246, 248; Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, Rn. 279; Kempen/Zachert/Kempen, TVG, Grundlagen Rn. 76; ErfK/Linsenmaier, Art. 9 GG Rn. 20; MüHbArbR/Rieble, Band 3, § 218 Rn. 8. 360 BVerfG v. 30. 11. 1965 – 2 BvR 54/62, NJW 1966, 491, 492 nur unter Anwendung der „Kernbereichslehre“; dagegen später offengelassen durch BVerfG v. 24. 5. 1995 – 2 BvF 1/92, NVwZ 1996, 574, 576. 361 Gegen eine Einordnung der Koalitionsfreiheit in das klassische Regime der Freiheitsrechte Kempen/Zachert/Kempen, TVG, Grundlagen Rn. 67. 362 Cornils, Ausgestaltung der Grundrechte, S. 36 f., zur „Mehrdimensionalität“ S. 37 ff.; Dreier/Dreier, GG, Band 1, Vorbemerkung Rn. 82; Friauf, DVBl. 1971, 674. 363 Ridder, Stellung der Gewerkschaften, S. 19. 364 Kempen/Zachert/Kempen, TVG, Grundlagen Rn. 78; einen Unterschied in den Autonomieansprüchen sieht ohne nähere Begründung Grunsky, Anmerkung zu BAG v. 15. 3. 1977 – 1 ABR 16/75, JZ 1977, 470, 473.

C. Mitbestimmung und Parität als Verfassungsideen

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an diese Stelle tretende kollektive Regelungsinstrument nicht an denselben Ausgangsfehlern kranken. Geht man davon aus, dass das Arbeitsverhältnis aufgrund seiner vertraglichen Ausgestaltung den Grundsätzen der Privatautonomie unterliegt und in einem nächsten Schritt die Kollektivierung der Wahrung und Förderung der Beschäftigungsbedingungen gleichsam wie die weitergefassten Wirtschaftsbedingungen dem Ausgleich von Kräfteungleichgewichten in diesem Verhältnis dienen soll, ist es kaum denkbar, ein solches Gleichgewicht im Kollektivverhältnis nicht für unabdingbar zu erklären. Alles andere wäre die legislative Perpetuierung eines faktischen Fehlers. Ist freiheitliche Entschlussfassung damit strukturelle Voraussetzung für ein Verfahren, das ein „faires“, adäquates Ergebnis von vornherein vermuten lässt, muss diese in Ausgang wie Beschlussfassung garantiert sein.365 Einer Disparität innerhalb des Kollektivs kann mit einer Machtlegitimation „von unten nach oben“ nach demokratischem Vorbild entgegengewirkt werden. Insofern bildet schließlich das Gesellschaftskollektiv im Kleinen die gesellschaftliche Ordnung im Großen nach.366 Disparitäten mit Außenwirkung erfordern eine Stärkung des jeweiligen Gegenpols. Als Beispiel kann der § 105 GewO in der Fassung vom 26. Juli 1900 angeführt werden, welcher bereits in den Anfängen einer industrialisierten Gesellschaft eine autonome Regelung der Arbeitsbedingungen im Arbeitsvertrag durch die Parteien vorsah.367 Diese Freiheit zur privatautonomen Begründung eines Arbeitsverhältnisses blieb jedoch eine rein hypothetische, da sie an dem faktischen Ungleichgewicht der Kräfte der Parteien praktisch scheiterte.368 Zur Stärkung des Gegenpols bedarf es jedoch einer Maßnahme des Staates nach Vorbild des Leistungs- und/oder Eingriffsstaates. Der Rechtsstaat in seiner Verfassung als liberaler Freiheitsstaat versteht sich als Eingriffsstaat, der die freiheitliche Selbstordnung der Gesellschaft allenfalls normativ korrigiert. Die Korrektur durch das Sozialstaatsprinzip kann unter Rückgriff auf die Mechanismen von Eingriffs- und Leistungsstaat auf zwei Arten erfolgen: Einmal können punktuelle Korrekturen der individuellen Vertragsfreiheit erfolgen, welche sowohl die Vertragsfreiheit bereits vor ihrer Ausübung für spezielle Fälle beschränken (so bspw. durch das KSchG oder das MuSchG) als auch nachträglich gestalterisch eingreifen (Arbeitslosengeld II, Grundsicherung im Alter oder Kindergeld). Gleichsam kann der Staat jedoch auch der Ausübung der Autonomie einen äußeren Rahmen geben, innerhalb dessen die

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Kempen/Zachert/Kempen, TVG, Grundlagen Rn. 109. Ridder, Stellung der Gewerkschaften, S. 19. 367 § 105 GewO lautete in dieser Fassung: „Die Festsetzung der Verhältnisse zwischen den selbstständigen Gewerbetreibenden und den gewerblichen Arbeitnehmern ist, vorbehaltlich der durch Reichsgesetz begründeten Beschränkungen, Gegenstand freier Uebereinkunft.“, RGBl. 1900, S. 871. 368 Bötticher, Waffengleichheit und Gleichbehandlung der Arbeitnehmer im kollektiven Arbeitsrecht, S. 4 f.; Jahnke, Tarifautonomie und Mitbestimmung, S. 101; kritisch Zöllner, AcP 176 (1976), 221, 236 ff. 366

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2. Kap.: Der Grundgedanke der Mitbestimmung

Vertragsfreiheit vollumfänglich Bestand hat, jedoch auf die Ausgangssituation der Ausübung gestalterisch Einfluss genommen wird.369 Das Bestreben der sozialen Ordnung des Gesellschaftslebens spiegelt sich in der kollektiven Ordnung des Arbeitslebens nach eben den Grundsätzen, die bereits das Staatsziel der Sozialordnung in ihrem Ausgangspunkt prägen. Als Reflex ist eine interessengerechte Arbeitsordnung unerlässlicher Bestandteil einer freiheitlichen sozialen Grundordnung.370 Auf diese Weise findet das Sozialstaatsprinzip auch in der in Art. 9 Abs. 3 GG angelegten Idee der kollektiven Selbsthilfe seine Entsprechung.371 Entspringt der Gedanke der Selbstverantwortung auch bereits einem liberalen Rechtsstaat, findet der Schutz einer ausgeglichenen Interessenwahrnehmung im Sozialstaatsprinzip seine Stütze. Der Schutz sozialer Freiheit und Gleichheit erfordert auch die Kontrolle gesellschaftlicher Machtdisparitäten.372 Zwar sind diese notwendige Folge der innert freiheitlichen Konstitution der Gesellschaft. Die Erfüllung des Sozialstaatspostulates bedingt eine Limitierung und Verantwortung dieser Kräfte, ändert im Umkehrschluss jedoch nichts an dem fundamental individual-freiheitlichen Verständnis der Koalitionsfreiheit.373 Aus ihr entspringt die autonome Interessenverfolgung des Kollektivs ebenso wie die Gewähr ihrer Angemessenheit.374 Sofern an die Stelle normativer Rechtsetzung als staatliches Regulativ die (Vereinbarungen der) Koalitionen treten, müssen diese im Sinne einer Verhältnismäßigkeit gleichsam effektiv sein. In der Weise, wie also der Gesetzgeber auf der Grundlage der demokratisch legitimierten Verfassung und den sich aus ihr ergebenen Prinzipien der Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Gewaltenteilung legitimiert ist und damit die durch ihn normierten Tatbestände und ihre Rechtsfolgen Verbind369 Für die Herrstellung von Parität BVerfG v. 11. 7. 2017 – 1 BvR 1571/15, AP GG Art. 9 Nr. 151 Rn. 149; jüngst auch im Kontext des Arbeitskampfes BVerfG v. 19. 6. 2020 – 1 BvR 842/17, AP GG Art. 9 Arbeitskampf Nr. 192 Rn. 33; s. auch Kempen/Zachert/Kempen, TVG, Grundlagen Rn. 93; bereits Sinzheimer, Ein Arbeitstarifgesetz, S. 34. Zur Voraussetzung einer „Vor-Freiheit“ s. bereits Abschnitt C. I. 2. c) dieses Kapitels. 370 Richardi, Individualwille und Kollektivgewalt, S. 90; s. auch Nikisch, Arbeitsrecht, Band 2, S. 43 ff., 45. 371 Kempen/Zachert/Kempen, TVG, Grundlagen Rn. 66; Dürig/Herzog/Scholz/Scholz, GG, Art. 9 Rn. 155; ebenso HbStR/Zacher, Band 2, § 28 Rn. 31 Fn. 163, allerdings mit dem Ergebnis einer sozialstaatlichen Bindung der Koalitionen. 372 Ridder, Stellung der Gewerkschaften, S. 15 mit Verweis auf Forsthoff, Rechtsfragen der leistenden Verwaltung, S. 18, der ein Zunutzemachen der freiheitlichen demokratischen Grundordnung durch die industrielle Gesellschaft annimmt; in diese Richtung auch Jahnke, Tarifautonomie und Mitbestimmung, S. 40 f. 373 Brox/Rüthers, Arbeitskampfrecht, 1. Auflage, S. 43; Kübler/W. Schmidt/Simitis, Mitbestimmung als Gesetzgebungspolitische Aufgabe, S. 44; Richardi, Individualwille und Kollektivgewalt, S. 91; Scholz, Koalitionsfreiheit als Verfassungsproblem, S. 191, 193; für die im Wege freiheitlicher Grundrechtsausübung gewährleisteten Autonomie der Gesellschaftsordnung ders., Paritätische Mitbestimmung, S. 25; Sinzheimer, Grundzüge des Arbeitsrechts, S. 46. 374 Zur Angemessenheits- bzw. Richtigkeitsvermutung im Kontext der Tariffähigkeit s. bereits Kapitel 1, Abschnitt A. III. 5. g).

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lichkeit erhalten, müssen dies nun die entsprechenden koalitiven Instrumentarien tun.375 Mangels unmittelbarer Grundrechtsbindung ist die Angemessenheitskontrolle im Vergleich freilich auf ein Mindestmaß zu beschränken.376 bb) Umsetzung des verfassungsrechtlichen Regelungsauftrages Die Koalitionsfreiheit kann bereits aus dem oben Gesagten heraus weder Legitimationsgrundlage noch Verpflichtung für die aus der Koalitionsfreiheit Geschützten darstellen. Der aus der sozialstaatlichen Gesellschaftsverfassung hervorgehende Regelungs- und Schutzauftrag adressiert allein den Staat;377 wie auch das Sozialstaatsprinzip sich auf der Ebene der Umsetzung allein an die staatlichen Gewalten richtet. Die freiheitliche Verfassung auch des Arbeits- und Soziallebens erhält im Kontext des Sozialstaatsprinzips eine Absicherung und Verantwortlichkeit. Dabei ist es dem Staat aufgegeben, mit den ihm zugänglichen Regelungsmechanismen eine solche soziale Ordnung herzustellen und zu bewahren.378 So gewährleistet der Staat durch einfachgesetzliche Einrichtung der Tarifautonomie sowie der betrieblichen und unternehmensbezogenen Teilhabe ordnende Rahmenkonzepte, welche lediglich in dem Maße verbindliche Vorgaben machen (dürfen), in dem die Autonomie nicht in der Lage ist, eine entsprechende Garantie abzugeben.379 Dahingehend sind auch die normative Wirkung der tariflichen Bestimmungen sowie das Günstigkeitsprinzip zu verstehen. Sie sind Ausdruck der Anerkennung der Adäquanzvermutung kollektiver Regelungen.380 Ausgefüllt wird der rechtliche Rahmen von den Parteien in Selbstverantwortung.381 Auf diese Weise bleibt der freiheitliche Grundgedanke bestehen und der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gewahrt.382 Dazu

375 Für eine Substitution der regelungsbefugten Parteien auch Richardi, FS Wißmann 2005, S. 159, 165. 376 S. nur BAG v. 19. 12. 2019 – 6 AZR 563/18, AP AP TVöD § 46 Nr. 5 Rn. 19; ErfK/ I. Schmidt, Art. 3 GG Rn. 26; Wiedemann/Wank, TVG, § 1 Rn. 1004. 377 Ridder, Stellung der Gewerkschaften, S. 14; Scholz, Paritätische Mitbestimmung, S. 27; anders wohl Schwerdtfeger, Koalitionsfreiheit, S. 39, wenn er aus Art. 9 Abs. 3 GG eine Ordnungsaufgabe der „Gewerkschaften“ entnimmt. 378 Kempen/Zachert/Kempen, TVG, Grundlagen Rn. 112, 142; Richardi, Individualwille und Kollektivgewalt, S. 91; Ipsen, VVDStRL 10 (1952), 74; Benda, Industrielle Herrschaft und sozialer Staat, S. 75 ff., 154; Fechner, Freiheit und Zwang im sozialen Rechtsstaat, S. 13. 379 Für die Tarifautonomie und den Arbeitskampf BVerfG v. 27. 2. 1973 – 2 BvL 27/69, AP HAG § 19 Nr. 7 [B. II. 4. a)]; BVerfG v. 26. 6. 1991 – 1 BvR 779/85, AP GG Art. 9 Arbeitskampf Nr. 117 [C. I. 1. a)]. 380 Kempen/Zachert/Kempen, TVG, Grundlagen Rn. 106. 381 BVerfG v. 7. 2. 1990 – 1 BvR 26/84, AP GG Art. 12 Nr. 65 [C. I. 3.]. 382 Jahnke, Tarifautonomie und Mitbestimmung, S. 101 f. unter Verweis auf Rüthers, Betriebsverfassungsrechtliches Mitbestimmungsrecht und Individualbereich, in: Deutscher Arbeitsgerichtsverband, Zwei arbeitsrechtliche Vorträge, S. 7, 33; Richardi, FS v. Lübtow 1970, S. 755, 782.

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2. Kap.: Der Grundgedanke der Mitbestimmung

gehört auch die privatautonome Entscheidung der Mitglieder für eine Tarifbindung kraft Mitgliedschaft.383 b) Zwischenergebnis: Parität als Auftrag an die Koalitionsfreiheit Unter dieser Prämisse ist Art. 9 Abs. 3 GG als Regelungsmechanismus von Verfassungsrang zu bezeichnen, innerhalb dessen die einfachgesetzliche Ausgestaltung der Koalitionsfreiheit sich einer sozialstaatlichen Effektuierung nicht entziehen kann. Die in der Koalitionsfreiheit enthaltenen Zwecksetzungen und Prinzipien dienen der Herstellung einer sozialen Ordnung durch den Staat.384 Wird zum Teil dem Sozialstaatsprinzip in seiner Verbindung mit den Grundrechten auch eine gesellschaftsverpflichtende Komponente auferlegt, die in sozialer Selbstverantwortung und Integration gesehen wird,385 kann dies allenfalls mittelbar und in den Grenzen des Art. 1 Abs. 3 GG gelten.386 Das Sozialstaatsprinzip kann in diesem Verhältnis niemals konstitutiv, allenfalls (mittelbar) limitierend wirken, Art. 2 Abs. 1, 14 Abs. 2, 3 GG.387 Die regulatorische Kraft des Autonomen lässt nunmehr das Konstrukt einer „dienenden“ Freiheit388 obsolet werden. Eine Allgemeinwohlbindung von Freiheitsausübung ist dort nicht erforderlich, wo zumindest der Freiheitsausübung eine Allgemeinwohladäquanz immanent ist. Nichts anderes liegt in der Entscheidung des Verfassungsgebers zugunsten einer freiheitlichen Grundordnung. Bleibt die Autonomie diese ihr eigene Adäquanz einmal schuldig, muss von Seiten des Staates eine Autonomie hergestellt werden. Nicht die Adäquanz ist Gegenstand der Regulierung, sondern die Autonomie. Ziel ist keinesfalls eine staatliche Optimierung, sondern die Aktualisierung des Autonomiepotenzials. Ein nach objektivem Maßstab „richtiges“ Ergebnis ist weder Ziel staatlicher Intervention noch dessen Erreichen Aufgabe der Autonomie. Ein Konsensus wird vielmehr dann als „richtig“ angesehen, wenn die Parteien die gleichen Chancen hatten, auf eine Lösung hinzuwirken und ihre Interessen zu vertreten.389 Gewährleistungsgegenstand ist 383

Kempen/Zachert/Kempen, TVG, Grundlagen Rn. 106. Scholz, Koalitionsfreiheit als Verfassungsproblem, S.191. 385 Scholz, Koalitionsfreiheit als Verfassungsproblem, S. 182, 192. 386 Fundamental zur mittelbaren Drittwirkung der Grundrechte die Entscheidung des BVerfG v. 15. 1. 1958 – 1 BvR 400/57, NJW 1958, 257; s. auch v. Münch/Kunig/Ernst, GG, Band 1, Art. 8 Rn. 112 f.; kritisch Dürig/Herzog/Scholz/Langenfeld, GG, Art. 3 Abs. 3 Rn. 81 f. 387 S. Dreier/Wieland, GG, Band 1, Art. 14 Rn. 104; Dürig/Herzog/Scholz/Papier/Shirvani, GG, Art. 14 Rn. 422; ähnlich, aber mit dem Verständnis einer Gesellschaftsbindung Scholz, Koalitionsfreiheit als Verfassungsproblem, S. 187. 388 Friese, Kollektive Koalitionsfreiheit, S. 48 unter Verweis auf die Terminologie in BVerfG v. 16. 6. 1981 – 1 BvL 89/78, NJW 1981, 1774, 1775; BVerfG v. 24. 3. 1987 – 1 BvR 147/86 u. a., NJW 1987, 2987. 389 S. Mayer-Maly, FS Merkl 1970, S. 247, 251. 384

C. Mitbestimmung und Parität als Verfassungsideen

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damit lediglich die „Verfahrensgerechtigkeit“.390 Der Anspruch auf ein bestimmtes Ergebnis besteht nicht. Die Gewährleistung einer paritätischen Auseinandersetzung genügt nicht zuletzt deshalb, weil in ihr selbst die Vermutung eines adäquaten Ergebnisses liegt. Diese Gewähr beinhaltet indes nicht die Garantie dafür, dass die widerstreitenden Interessen in einem nach objektivem Maßstab optimalen Verhältnis zueinander ausgehandelt wurden oder nicht gar die Interessen und Belange einer Partei kaum Berücksichtigung gefunden haben. Parität ist somit kein ergebnisorientiertes Gewährleistungskonzept, sondern eine theoretische Garantie, welche bei ihrem Vorliegen das Ergebnis antizipativ legitimiert. Das Moment der Autonomiedisparität ist damit auch Spiegelbild der Korrektivmaßnahme des Staates in konsequenter Fortführung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. Diese Grenzen werden besonders in der Kontrollbefugnis und -dichte der Gerichte deutlich.391 In diesem Sinne umschreibt der Begriff des „zwingenden Sozialordnungsrechtes“392 nichts anderes. Je weiter die autonome Regelung der Lebens- und Arbeitsverhältnisse hinter ihren (verfassungsrechtlichen) Anforderungen zurückbleibt, desto härter und extensiver darf und muss die entsprechende Regelung des Staates ausfallen. Die Anforderungen an die Verhältnisse legt die Verfassung in ihren Strukturprinzipien und den grundrechtlichen Garantien an und erlaubt im Rahmen ihrer Offenheit eine politische Konkretisierung.393 Die Bedeutung der Sozialpartner für die soziale Ordnung in Art. 9 Abs. 3 GG selbst sowie auch in Art. 20 Abs. 1 GG wird auf Verfassungsebene umrissen.394 Dies ändert nichts an der grundsätzlich staatlichen Ordnungsaufgabe; vielmehr manifestieren sich in ihr die Ordnungsmechanismen. Die Verfassung anerkennt die sozialordnende Wirkung der Sozialpartner auch über die Grenzen der mitgliedschaftlichen Legitimation hinaus – gibt ihnen diese jedoch nicht auf.395 Die Ordnung durch Autonomie bedeutet zugleich legitimierte Ordnung.396 In der autonomen Auseinandersetzung und dem Zugeständnis eines Erfolges als Ergebnis einer Interessenabwägung liegt die Legitimierung für die Verhandlung sowie das Ergebnis und seine Bindungswirkung. Nichts anderes erklärt der Grundsatz pacta 390

So die Bezeichnung von Rawls, Theorie der Gerechtigkeit, S. 107 ff.; s. im Kontext der Unternehmensmitbestimmung auch Biedenkopf, Merkur 1973, 897, 904. 391 Zuletzt eindrücklich BAG v. 9. 12. 2020 – 10 AZR 333/20 (A), BeckRS 2020, 45443 Rn. 66 zur Kontrolle tariflicher Regelungen an Art. 3 Abs. 1 GG. 392 Bezüglich des MitbestG Habersack/Henssler/Habersack, Mitbestimmungsrecht, Einleitung MitbestG Rn. 37; s. zu dieser Frage auch Ballerstedt, ZGR 1977, 133, 141. 393 Zum Umfang der politischen Prärogative stellv. Raiser/Veil/Jacobs/Raiser, MitbestG/ DrittelbG, Einleitung MitbestG Rn. 41 m. w. N. 394 Weber, FS OLG Celle 1961, S. 239, 240. 395 Als Titulierung der Aufgaben der Sozialpartner Weber, FS OLG Celle 1961, S. 239, 241 f.; zu einer Gemeinwohlverpflichtung s. C. Schubert, ZfA 2013, 1, 38 ff.; Kempen/Zachert/Kempen, TVG, Grundlagen Rn. 112. 396 Daher zumindest verwunderlich BAG v. 18. 03. 2003 – 4 AZR 64/08, AP TVG § 3 Nr. 41 Rn. 60, 71, 72; s. dazu Hartmann, Negative Tarifvertragsfreiheit, S. 130 ff.; im Lichte der Tarifbindung von Außenseitern Löwisch/Rieble, TVG, Grundlagen Rn. 51.

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2. Kap.: Der Grundgedanke der Mitbestimmung

sunt servanda im Rahmen der einfachen Privat- bzw. Vertragsautonomie.397 Diese Legitimation bedingt folglich nicht nur den Grund rechtlicher Bindung, sondern auch deren Grenze. Sie kann niemanden binden, der nicht wissentlich und willentlich Akteur der Verhandlungen geworden ist. So wie es Aufgabe des Staates ist, eine positive Ausübung von Freiheit zu gewährleisten, muss stets auch eine negative Freiheit gewährleistet sein.398 Die Begründung eines Funktionszuwachses der Koalitionen als Ausdruck des „Wandels“ vom liberalen Rechtsstaat zum Sozialstaat399 unterliegt dem Zugeständnis, einen solchen Wandel in seiner verfassungsrechtlichen Dimension nicht historisch nachzeichnen zu können. Selbst die erstmalige verfassungsrechtliche Verankerung der Koalitionsfreiheit in Art. 159 WRV, mit welchem sich der Verfassungsgeber fraglos von der liberalen Neutralität abwandte, ist nicht bloß eine isolierte Neuverfassung der Gesellschaftsstruktur gewesen.400 Gleiches kann für die zeitlich vorangegangene einfachgesetzliche Regelung des Tarifvertragswesens durch die TVVO gesagt werden. Der Gesetzgeber griff nicht punktuell ein, wie er es später etwa im Mutterschutz oder bei dem Verbot der Kinderarbeit tat, sondern verfasste strukturelle Rahmen, welche – wenn auch den Strukturen der liberalen Individualautonomie nachgebildet – die Adäquanz des Verfahrens sicherstellten und darauf aufbauend die Adäquanz des Ergebnisses vermuten lassen durften.401 Allenfalls kann es sich also um den Ausdruck einer zunehmenden Sozialgestaltung durch den Gesetzgeber handeln, denn nur dieser kann die Aufgabe der Ordnung übernehmen, innerhalb derer die Verbände in Ausübung ihrer Grundfreiheiten die Ordnungsfunktion übernehmen. Sind Tarifautonomie und betriebliche wie unternehmensbezogene Teilhabe eben solche Mechanismen, verbleiben sie als regulativer Rahmen begründet auf dem Verständnis eines gleichgewichtigen Interessenausgleichs auf dem Gebiet der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen.402 Damit verbunden ist sodann die Vermutung eines interessenharmonischen Ergebnisses, dessen Legitimation in der Funktionsfähigkeit (Parität) des Ausgleichsmechanismus selbst liegt.403 Damit kann es sich bei der Parität aber nicht um ein homogenes Konzept handeln. Da sich Parität und Funktionalität bedingen, wird das Paritätsverständnis im Rahmen der einzelnen Ordnungsmechanismen konkretisiert und modifiziert. Je nach ein397 BVerfG v. 7. 2. 1990 – 1 BvR 26/84, AP GG Art. 12 Nr. 65 [C. I. 2.]; Höfling, Vertragsfreiheit, S. 52; Höpfner, RdA 2019, 146, 150; Riesenhuber, ZfPW 2018, 352, 358. 398 Als Strukturprinzip der Privatautonomie Grünberger, Personale Gleichheit, S. 33; grundlegend Dreier/Dreier, GG, Band 1, Vorbemerkung Rn. 87. 399 Popp, Öffentliche Aufgaben und innerverbandliche Willensbildung, S. 12. 400 S. dazu Kempen/Zachert/Kempen, TVG, Grundlagen Rn. 74. 401 S. dazu Kempen/Zachert/Kempen, TVG, Grundlagen Rn. 93. 402 Jahnke, Tarifautonomie und Mitbestimmung, S. 41; mit einer ähnlichen Observation im Grundsatz wohl auch Bogs, RdA 1956, 1, 2. 403 Fundamental Luhmann, Rechtssoziologie, S. 327; ebenso Kramer, Krise des liberalen Vertragsdenkens, S. 23.

C. Mitbestimmung und Parität als Verfassungsideen

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fachgesetzlicher Ausgestaltung ergeben sich Schnittstellen zwischen Verfahrensund Ergebnisparität. Die durch die Parität avisierte Demokratisierung der Entscheidungsfindung entspringt bereits den Verfassungsfundamentalnormen und mündet noch auf Verfassungsebene in Art. 9 Abs. 3 GG. Von dort finden die einfachgesetzlichen Konkretisierungen der Gewährleistungsgehalte der Koalitionsfreiheit ihre jeweils ureigene Form. Die konkreten Erscheinungsformen innerhalb der Unternehmens- aber auch der betrieblichen Mitbestimmung sollen nachfolgend im Anschluss an die verfassungsrechtliche Betrachtung dargestellt werden.404

404

Kapitel 3, Abschnitt II. 1. b).

3. Kapitel

Das Recht der Unternehmensmitbestimmung A. Die normativen Anknüpfungspunkte I. Art. 9 Abs. 3 GG als verfassungsrechtliche Grundlage der Unternehmensmitbestimmung Nachfolgend soll nun in Fortführung der allgemeinen verfassungsrechtlichen Erwägungen der verfassungsrechtliche Rang der Unternehmensmitbestimmung innerhalb der Koalitionsfreiheit ermittelt werden. Zu diesem Zwecke wird die Koalitionsfreiheit des Art. 9 Abs. 3 GG zunächst in sachlicher Hinsicht zu untersuchen sein.1 Diese Betrachtung geht über die Institutionsgarantie der Koalitionen hinaus und betrifft ihre Betätigungsinstrumente. Leitmotiv dieser Auslegung sind die Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen, zu deren Wahrung und Förderung sich die Koalitionen betätigen. In der Begriffsbestimmung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen findet sich der Umfang derjenigen Betätigungen, welche durch Art. 9 Abs. 3 GG nicht nur geschützt, sondern bereits garantiert sind. Wird in diesem Zusammenhang eine unternehmensbezogene Mitbestimmung nicht nur – wie das Bundesverfassungsgericht in seinem „Mitbestimmungsurteil“ annahm2 – in der einfachgesetzlichen Ausgestaltung von Art. 9 Abs. 3 GG geschützt, sondern aus dieser Blickrichtung die Unternehmensmitbestimmung, welche unfraglich z. B. konkrete Lohnbestimmungen allenfalls peripher tangiert, von Art. 9 Abs. 3 GG ihrem Wesen nach garantiert, wirkt sich dies auf Abwägungsebene im Rahmen einer Verfassungsprüfung aus. Eine Abwägungsentscheidung im Sinne einer Verhältnismäßigkeit wird in einem zweiten Schritt zwar nicht obsolet. Betroffene Grundrechtspositionen begegnen sich als kollidierendes Verfassungsrecht sodann aber im Rahmen praktischer Konkordanz.3 Doch auch für die Auslegung des Gewerkschaftsbegriffes, welche in Kapitel 3 vorgenommen wird, macht die verfassungsrechtliche Verankerung der Unternehmensmitbestimmung in Art. 9 Abs. 3 GG zwingende Vorgaben.

1 Für den persönlichen und vor allem kollektiven Schutz des Art. 9 Abs. 3 GG s. Abschnitt B. I. dieses Kapitels. 2 BVerfG v. 1. 3. 1979 – 1 BvR 532/77 u. a., AP MitbestG §1 Nr. 1 [C. IV. 2. b)]. 3 So insbesondere auch Höpfner, RdA 2020, 129, 132.

A. Die normativen Anknüpfungspunkte

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1. Die Maßgeblichkeit einer historischen Kontextualisierung Die Koalitionsfreiheit ist wie kaum ein anderes Grundrecht historisch und gesellschaftlich geprägt.4 Die historische Entwicklung der Koalitionsfreiheit ist deshalb in Bezug auf Sinn und Gewährleistungsgehalt der Koalitionsfreiheit in besonderem Maße zu berücksichtigen.5 Möchte man nun also den entsprechenden Gewährleistungsgehalt des Art. 9 Abs. 3 GG einer vertieften Betrachtung unterziehen, so kommt man nicht umhin – so wie es auch das Bundesverfassungsgericht nach Inkrafttreten des Grundgesetzes zur Auslegung des Art. 9 Abs. 3 GG noch häufig tun sollte – für Fragen der Koalitionsfreiheit auf ihre Gewährleistung in der Weimarer Zeit als historischen Anknüpfungspunkt zu verweisen. Dabei muss auch hier allein die historische Idee der verfassungsmäßigen Kodifikation der Koalitionsfreiheit maßgeblicher Anfangspunkt der darstellten Betrachtung sein. Die Bestimmung des Gewährleistungsgehaltes der Koalitionsfreiheit kann als in besonderem Maße gesellschaftlich gefärbtes Grundrecht freilich niemals gänzlich losgelöst von dem ihr jeweils zugrunde liegenden sozialen wie ideellen Werdegang erfolgen.6 Indes nicht aus einem ihr eigens oktroyierten Sinngehalt, sondern aus der ihr in diesem Kontext durch den Gesetzgeber vermachten Aktualisierung, welche ihre Kontextualisierung notwendigerweise aus dem jeweiligen historischen und ideellen Bezug erhält.7 Nicht genügend sind daher etwaige – wenn auch stimmige – ideelle Erwägungen in der Entwicklung des Koalitionswesens.8 Zwar mögen diese im Hinblick auf eine spätere Kodifikation durch den Verfassungsgeber richtungsweisend sein; denn nicht zuletzt haben die Ausführungen Sinzheimers oder von Mangoldts auch in der späteren Verfassungsgebung unverkennbaren Niederschlag ge4

In diesem Sinne auch AK-GG/Kittner/Schiek, Art. 9 Abs. 3 Rn. 1. Für die historische Betrachtung der Koalitionsfreiheit durch das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich BVerfG v. 1. 3. 1979 – 1 BvR 532/77 u. a., AP MitbestG § 1 Nr. 1 [C. II. 2., C. IV. 1.]; auch bereits BVerfG v. 18. 11. 1954 – 1 BvR 629/52, NJW 1954, 1881; BVerfG v. 6. 5. 1964 – 1 BvR 79/62, NJW 1964, 1267, 1269; BVerfG v. 30. 11. 1965 – 2 BvR 54/65, NJW 1966, 491, 492; BVerfG v. 19. 2. 1975 – 1 BvR 418/71, AP GG Art. 9 Arbeitskampf Nr. 50 [B. II. 1.]; BVerfG v. 26. 6. 1991 – 1 BvR 779/85, AP AP GG Art. 9 Arbeitskampf Nr. 117 [C. I. 1. a)]; ebenso Höpfner, RdA 2020, 129, 132; Meik, Kernbereich, S. 81; Rüthers, Tarifmacht und Mitbestimmung, S. 10; Säcker/Oetker, Grundlagen und Grenzen der Tarifautonomie, S. 56; Sodan, JZ 1998, 421, 422. 6 BVerfG v. 1. 3. 1979 – 1 BvR 532/77 u. a., AP MitbestG § 1 Nr. 1 [C. IV. 2. b) bb)]; vgl. auch BVerfG v. 18. 11. 1954 – 1 BvR 629/52, NJW 1954, 1881; BVerfG v. 6. 5. 1964 – 1 BvR 79/62, NJW 1964, 1267; BVerfG v. 30. 11. 1965 – 2 BvR 54/62, NJW 1966, 491; BVerfG v. 19. 2. 1975 – 1 BvR 418/71, AP GG Art. 9 Arbeitskampf Nr. 50 [B. II. 2.]; BVerfG 26. 6. 1991 – 1 BvR 779/85, AP GG Art. 9 Arbeitskampf Nr. 117 [C. I. 1. a)]; Höpfner, RdA 2020, 129, 132; Rüthers, Tarifmacht und Mitbestimmung in der Presse, S. 10; Säcker/Oetker, Grundlagen und Grenzen der Tarifautonomie, S. 56; so auch schon Scholz, Koalitionsfreiheit als Verfassungsproblem, S. 19. 7 Heck, AcP 112 (1914), 1, 179; Höpfner, Systemkonforme Auslegung, S. 13. 8 Ebenso Höpfner, RdA 2020, 129, 132; weniger tief die Betrachtung bei Lobinger, Arbeitskämpfe bei Standortschließungen und -verlagerungen?, in: Rieble, Zukunft des Arbeitskampfes, S. 55, 67 Rn. 23 f. 5

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3. Kap.: Das Recht der Unternehmensmitbestimmung

funden.9 Unmittelbar maßgeblich muss jedoch stets der Wille des Verfassungsgebers sein, der Ausdruck in der jeweils relevanten Verfassungsnorm gefunden hat. Interessieren sollen hier Ausführungen zur Bedeutung der historischen Entwicklung und dem Verständnis über den Inhalt von Vorgängernormen – im Besonderen Art. 159 und Art. 165 WRV – als Gegenstand verfassungsgeberseitiger Übertragung in das Grundgesetz von 1949.10 Doch auch bereits im Rahmen der Auslegung des Art. 159 WRV wurde auf die historische präkonstitutive Entwicklung der Koalitionsfreiheit zurückgegriffen.11 Allerdings sind Aussagen des Parlamentarischen Rates zur Koalitionsfreiheit rar gesät.12 Insoweit ähneln sich die Gesetzgebungsverfahren zum Grundgesetz und zur WRV: In beiden Fällen lag der Schwerpunkt der Diskussion auf Fragen des Streikrechtes und der negativen Koalitionsfreiheit.13 Ähnlich zurückhaltend verhielten sich auch beide Verfassungsgeber im Hinblick auf die Anerkennung der Koalitionen und insbesondere auch ihrer Rechte und Befugnisse. So wie in der Weimarer Zeit im Nachhall des Stinnes-Legien-Abkommens und der TVVO obsolet schien, faktisch gelebte und anerkannte Prinzipien und Strukturen rückwirkend zu legitimieren, so erschien es nach dem Ende des Nationalsozialismus fast natürlich, zu diesen Grundätzen inklusive der TVVO zurückzukehren.14 2. Die Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen als sachlicher Gewährleistungsgehalt Nunmehr soll der Frage nachgegangen werden, ob und inwieweit die Unternehmensmitbestimmung von Art. 9 Abs. 3 GG geschützt ist.15 Im Vordergrund steht dabei die Koalitionsmittelgarantie des Art. 9 Abs. 3 GG. Diese garantiert den Koalitionen eine auf die Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen gerichtete Betätigungsfreiheit.16 Diese Betätigungsfreiheit umfasst – ungeachtet der konkreten Ausgestaltung der Gewährleistung – zunächst einmal die Tarifautonomie.17 Innerhalb dieser garantiert Art. 9 Abs. 3 GG ein funktionsfähiges 9 Beispielhaft Sinzheimer in der Verfassungsgebenden Nationalversammlung, Band 328, S. 1749 C; v. Mangoldt, in: Pikart/Werner, Der Parlamentarische Rat 1948 – 1949, Band 5/II, S. 686; s. auch Dietz, Die Koalitionsfreiheit, in: Bettermann/Nipperdey/Scheuner, Die Grundrechte, Band 3/I, S. 417. 10 So auch Höpfner, RdA 2020, 129, 132 f. 11 Nipperdey/Nipperdey, Grundrechte, Band 3, Art. 159, S. 397. 12 Mit dieser Einschätzung auch Pieroth, FS BVerfG 2001, Band 2, S. 293. 13 Für die WRV s. die Verfassungsgebende Nationalversammlung, Band 336, Nr. 391, S. 390 und für das Grundgesetz zeigt dies eindrucksvoll die Auseinandersetzung in: Pikart/ Werner, Der Parlamentarische Rat 1948 – 1949, Band 14/I, S. 522 f. 14 Siehe auch Pieroth, FS BVerfG 2001, Band 2, S. 293, 296. 15 Mit dieser Fragestellung auch Kübler/W. Schmidt/Simitis, Mitbestimmung als gesetzgebungspolitische Aufgabe, S. 40 f. 16 Grundlegend zur Betätigungsfreiheit der Koalitionen Löwisch/Rieble, TVG, Einleitung Rn. 113. 17 Jahnke, Tarifautonomie und Mitbestimmung, S. 29.

A. Die normativen Anknüpfungspunkte

169

Tarifsystem –, wobei er dem Gesetzgeber im Hinblick auf die konkrete einfachgesetzliche Ausgestaltung einen weiten Ermessensspielraum zuspricht.18 Ausgangspunkt der verfassungsrechtlichen Einordung der Unternehmensmitbestimmung in das schutzbereichliche Gerüst grundrechtlicher Gewährleistungen ist, ob der Garantiegehalt des Art. 9 Abs. 3 GG damit sein Bewenden hat, oder ob er neben der Tarifautonomie auch weitere Formen der kollektiven Interessenvertretung voraussetzt. Zentral wurde diese Frage – wenn auch nur mittelbar – bereits kurz nach dem Inkrafttreten des Mitbestimmungsgesetzes am 1. Juni 1976 im Rahmen der Verfassungsbeschwerde, die als „Mitbestimmungsurteil“ in die Rechtsprechungsgeschichte einging.19 Die Beschwerdeführer20 sahen durch die Regelungen des MitbestG21 u. a. die Koalitionsfreiheit der Arbeitgeber bedroht, da eine effektive Interessenvertretung durch Tarifvertrag in Ermangelung einer Unabhängigkeit von den Arbeitnehmer- und Gewerkschaftsvertretern durch deren Beteiligung am Aufsichtsrat nicht mehr möglich sei. Indem die quasiparitätische Aufsichtsratsbesetzung die Gegnerunabhängigkeit der Arbeitgeberseite außer Kraft setze, sei Art. 9 Abs. 3 GG verletzt.22 Auch im Übrigen konzentrierten sich die Argumente23 der Beschwerdeführer maßgeblich auf einen nicht gerechtfertigten Eingriff in die Koalitionsfreiheit. Verstöße gegen Art. 14 GG lägen in den Einwirkungsmöglichkeiten der Arbeitnehmer- und Gewerkschaftsvertreter in die freiheitliche Ausübung des (Anteils-)Eigentums.24 Diesen sah das Bundesverfassungsgericht im „Mitbestimmungsurteil“ jedoch unter Berufung auf die Sozialpflichtigkeit des Eigentums als verhältnismäßig an.25 Hieran anknüpfend sind zwei alternative Ansätze denkbar: Entweder beschränkt sich der Schutz der Kollektivautonomie auf die Tarifautonomie als einzig durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützte Form der Wahrung und Förderung von Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen oder aber die Verfassung gesteht den Koalitionen auch 18 Löwisch/Rieble, TVG, Einleitung Rn. 149; Dürig/Herzog/Scholz/Scholz, GG, Art. 9 Rn. 297 f. 19 BVerfG v.1. 3. 1979 – 1 BvR 532/77 u. a. – AP MitbestG § 1 Nr. 1. 20 Von Unternehmen des Montansektors bis Großunternehmen aller Wirtschaftszweige, vgl. Auflistung der Beschwerdeführer der Verfassungsbeschwerde gegen das MitbestG zu Beginn von BVerfG v.1. 3. 1979 – 1 BvR 532/77 u. a. – AP MitbestG § 1 Nr. 1. 21 In concreto standen §§ 1, 4, 5, 6, 7, 15, 27, 29, 31 und 33 MitbestG in Rede, durch welche in unverhältnismäßiger Weise in Art. 14, 2, 9, 12 und 20 GG eingegriffen worden sei. 22 Badura/Rittner/Rüthers, Mitbestimmungsgesetz 1976, S. 154 f., 162; bzgl. der Gegnerunabhängigkeit der Gewerkschaften S. S. 167 f.; Jahnke, Tarifautonomie und Mitbestimmung, S. 27; s. auch Kempen, FS Richardi 2007, S. 587, 597; Zuleeg, RdA 1978, 223, 229 f.; grundlegend zum Kriterium der Gegnerunabhängigkeit Jacobs/Krause/Oetker/C. Schubert/ C. Schubert, Tarifvertragsrecht, S. 124 ff. 23 Beispielhaft aufgezählt durch Krelle, Mitbestimmung und marktwirtschaftliche Ordnung, in: Nemitz/Becker, Mitbestimmung und Wirtschaftspolitik, S. 119. 24 Badura/Rittner/Rüthers, Mitbestimmungsgesetz 1976, S. 201 ff.; Kempen, FS Richardi 2007, S. 587, 597; Zuleeg, RdA 1978, 223, 228 f. 25 BVerfG v. 1. 3. 1979 – 1 BvR 532/77 u. a., AP MitbestG § 1 Nr. 1 [C. III. 1. a)].

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3. Kap.: Das Recht der Unternehmensmitbestimmung

weitere solcher Institute wie z. B. die Unternehmensmitbestimmung zu. Solange sich die verfassungsrechtlichen Garantien aufgrund ihrer geschützten Institute nicht bereits unterscheiden, sondern lediglich existieren, ist ein Hierarchieverhältnis nicht nur nicht erforderlich, sondern bereits nicht indiziert.26 Beide Hypothesen müssen jedoch unter der Prämisse untersucht werden, dass der Gedanke der Mitbestimmung, reduziert auf seinen Kern der Kollektivassoziation, sowohl für die normative Ausgestaltung der Tarifautonomie durch die TVVO sowie später das TVG als auch für die erstmalige einfachgesetzliche Gestaltung der betrieblichen und unternehmerischen Mitbestimmung durch das BRG von 1920 prägend war.27 Die Wahrung und Förderung von Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen bildet das entscheidende Differenzierungs- wie Konkretisierungsmerkmal im Hinblick auf eine schutzbereichliche Abgrenzung von Tarifautonomie und Unternehmensmitbestimmung.28 Das Begriffspaar ist damit nicht nur Voraussetzung für das Vorliegen einer Koalition zur Eröffnung des Schutzbereiches des Art. 9 Abs. 3 GG, sondern bestimmt auch Rahmen und Inhalt der koalitionsmäßigen Betätigung.29 Bei der inhaltlichen Bestimmung dieses Begriffspaares ist auch hier die Gesetzgebungshistorie des Art. 9 Abs. 3 GG selbst sowie auch der Vorgängervorschriften – insbesondere Art. 159, 165 WRV und § 152 Abs. 1 GewO 1869 – relevant.30 Den Rahmen der historischen Auslegung31 bilden hierbei nicht nur die Beweggründe und der Wille des Verfassungsgebers der Koalitionsfreiheit nach dem Grundgesetz, sondern in konsequenter Verfahrensart auch des Vorgängers des Art. 9 Abs. 3 GG, die Art. 159, 165 WRV.

26 Höpfner, RdA 2020, 129, 132; s. auch Hartmann, Grenzen der Tarifautonomie über Unternehmerverhalten, in: Rieble/Junker/Giesen, Ausweitung der Tarifmacht – Zugriff auf Unternehmensautonomie und Marktverhalten, S. 15, 24; zuvor bereits Lobinger, Arbeitskämpe bei Standortschließung und -verlagerung?, in: Rieble, Zukunft des Arbeitskampfes, S. 55, 67 Rn. 22. Mit der Frage eines Hierarchieverhältnisses trotz Parallelität der Gewährleistungsgehalte auch Jahnke, Tarifautonomie und Mitbestimmung, S. 27 ff; ablehnend Kübler/W. Schmidt/Simitis, Mitbestimmung als Gesetzgebungspolitische Aufgabe, S. 45; für eine „Leitfunktion“ des Tarifvertrages Badura/Rittner/Rüthers, Mitbestimmungsgesetz 1976, S. 138. 27 Zur historischen Entwicklung des Mitbestimmungsgedankens s. oben Kapitel 2, Abschnitt A. 28 S. auch Säcker/Oetker, Grundlagen und Grenzen der Tarifautonomie, S. 39 f. 29 Henssler/Willemsen/Kalb/Hergenröder, Art. 9 GG Rn. 38; Klaas, Gewerkschaftliche Betätigungsfreiheit, S. 51 ff., 57. 30 Zu der Entwicklung der Koalitionsfreiheit und entsprechenden Nachweise s. Kapitel 2, Abschnitt A. 31 Darstellend Bydlinski, Juristische Methodenlehre, S. 428 ff.; vgl. auch Möllers, Juristische Methodenlehre, § 4 Rn. 150 ff., § 6 Rn. 64 ff. Für eine hohe Bedeutung der Gesetzesmaterialien bereits Heck, Begriffsbildung und Interessenjurisprudenz, S. 4; instruktiv zur Bedeutung der subjektiven Auslegung Rüthers, Unbegrenzte Auslegung, S. 431 ff.

A. Die normativen Anknüpfungspunkte

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a) Art. 159, 165 WRV „Die Vereinigungsfreiheit zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen ist für jedermann und alle Berufe gewährleistet. Alle Abreden und Maßnahmen, welche diese Freiheit einzuschränken oder zu behindern versuchen, sind rechtwidrig.“32 „Die Arbeiter und Angestellten sind dazu berufen, gleichberechtigt in Gemeinschaft mit den Unternehmern an der Regelung der Lohn- und Arbeitsbedingungen sowie an der gesamten wirtschaftlichen Entwicklung der produktiven Kräfte mitzuwirken. Die beiderseitigen Organisationen und ihre Vereinbarungen werden anerkannt.“33

aa) Die Erweiterung des materiellen Gewährleistungsgehaltes durch die WRV Die Vorgängerregelungen der Art. 159, 165 WRV, § 152 Abs. 1 GewO 1869, verhielten sich – wenn sie auch aus damaliger Sicht als Fortschritt zur koalitionsfeindlichen Haltung der vorangegangenen Jahre aufgefasst werden konnte – sowohl in personeller als auch materieller Hinsicht restriktiv.34 Die Betätigung der Vereinigungen war gegenständlich auf die „Erlangung günstiger Lohn- und Arbeitsbedingungen“ beschränkt und galt nur für Berufe des Gewerbes.35 Der Begriff der Lohn- und Arbeitsbedingungen wurde darüber hinaus inhaltlich restriktiv interpretiert36 und war nach damaliger Rechtsprechung des Reichsgerichtes stets durch seine Rückkoppelung an das Arbeitsverhältnis geprägt.37 Sowohl die Aushandlung solcher Bedingungen als auch ihre streikweise Durchsetzung waren auf die unmittelbaren Belange der Arbeitnehmer begrenzt, wie sie sich aus den Arbeitsverträgen ergaben.38 Jegliche Betätigung der Koalitionen außerhalb dieser Erlaubnis war zwar nicht verboten, unterlag jedoch mangels verfassungsrechtlicher Garantie staatlicher Kontrolle.39 Auch aus diesem Grunde kann die erste verfassungsrechtliche Kodifikation der Koalitionsfreiheit durch die WRV in vielerlei Hinsicht als Türöffner der weiteren Koalitionsbewegung angesehen werden, da sie weitreichende und noch immer fortwirkende Neuerungen mit sich brachte. Diese werden umso deutlicher, führt man sich die verfassungsrechtlichen Ausprägungen in Gestalt von Art. 159, 165 WRVund 32

Art. 159 WRV (Hervorhebungen durch die Verfasserin). Art. 165 Abs. 1 WRV (Hervorhebungen durch die Verfasserin). 34 Zur personellen Reichweite s. oben Kapitel 2, Abschnitt A. II. 1. 35 Vgl. Poetzsch-Heffter, WRV, Art. 159, S. 492. 36 Nach Groh, Koalitionsrecht, S. 17 war § 152 GewO 1869 an der negativen Seite – der Aufhebung von Koalitionsverboten – orientiert. Eine eigene positive Gewährleistung sei zweitrangig gewesen. 37 So maßgebend das Reichsgericht in seinem Urteil v. 10. 11. 1887 – 2105/87, RGSt 16, 383, 385; Nipperdey/Nipperdey, Grundrechte, Band 3, Art. 159, S. 397. 38 RG v. 1011.1887 – 2105/87, RGSt 16, 383, 385; s. auch Höpfner, RdA 2020, 129, 133. 39 Zumindest bis in das Jahr 1916. S. Höpfner, RdA 2020, 129, 133. 33

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3. Kap.: Das Recht der Unternehmensmitbestimmung

später auch Art. 9 Abs. 3 GG vor Augen. Nicht nur spiegelte sich in der weitaus extensiveren Formulierung des Art. 159 WRV im Gegensatz zu § 152 GewO 1869 eine erstarkte Anerkennung der Sozialpartner für das gesellschaftliche Leben wider. Die Begriffsänderung von Lohn- und Arbeitsbedingungen in Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen sollte sich ausdrücklich auch in der sachlichen Reichweite der Verfassungsgarantie niederschlagen, mit dem Ziel, die Position der Koalitionen auch im Bereich der Wirtschaft und des Sozialen zu stärken.40 In diesem Umfang waren die Vereinigungen nunmehr solange durch Art. 159 WRV geschützt, wie sie die Verbesserung der Lage ihrer Mitglieder anstrebten. Art. 159 WRV hatte dabei den Charakter unmittelbar geltenden Rechtes und nicht eines reinen Programmsatzes.41 Dies mag man insbesondere dem zweiten Satz entnehmen, nach dem „[a]lle Abreden, welche diese Freiheit einzuschränken oder zu behindern suchen, [rechtswidrig sind]“. Umfasst waren als staatliche Maßnahmen z. B. Verbotsgesetze ebenso wie etwa koalitionsfeindliche Arbeitsvertragsklauseln als privatrechtliche Maßnahmen.42 Letzteres stellte ein Novum in der Verfassungsgebung dar, das durchaus als ein Vorgänger der (unmittelbaren) Drittwirkung bezeichnet werden kann.43 Eine Änderung der Koalitionsfreiheit auf Verfassungsebene war überdies nur noch durch ein verfassungsänderndes Gesetz im Sinne des Art. 76 WRV möglich.44 Die Koalitionsfreiheit fügte sich dabei insgesamt in eine Reihe weiterer Grundrechte ein, die in ihrem Zusammenwirken die Wirtschaftsverfassung nach den Ordnungsvorstellungen der Verfassungsgeber konzipierten.45 Die begriffliche Erweiterung von Arbeits- und Lohnbedingungen auf Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen wirkte sich somit dergestalt aus, dass eine gegenständliche Unmittelbarkeit in Bezug auf das Arbeitsverhältnis nicht mehr erforderlich war. Ziel und Aufgabe der Vereinigungen waren nunmehr grundlegend die Förderung ihrer Mitglieder.46 Hans Carl Nipperdey differenzierte in der Folge Arbeits- und Wirt40 S. Verfassungsgebende Nationalversammlung, Band 335, Nr. 385, S. 228 f. und Band 336, Nr. 391, S. 389; ebenso Anschütz, Verfassung des Deutschen Reichs, Art. 159 Anm. 2; Gebhard, Handkommentar WRV, Art. 159 Anm. 3. b); für eine Erweiterung des materiellen Schutzbereiches durch Art. 159 WRV auch Säcker/Oetker, Grundlagen und Grenzen der Tarifautonomie, S. 61. 41 Für die herrschende Meinung RG v. 11. 2. 1926 – IV 402/25, RGZ 113, 33, 37; Anschütz, Verfassung des Deutschen Reichs, Art. 159 Anm. 1, 4; Nipperdey/Nipperdey, Grundrechte, Band 3, Art. 159, S. 383; Groh, Koalitionsrecht, S. 28 f.; Poetzsch-Heffter, WRV, Art. 159, S. 492; Richter, VerwArch 32 (1927), 1, 3; Tatarin-Tarnheyden, Berufsverbände, S. 22; a. A. für einen Programmsatz H. Potthoff, Einwirkung der Reichsverfassung auf das Arbeitsrecht, S. 70. 42 S. nur stellv. Anschütz, Verfassung des Deutschen Reichs, Art. 159 Anm. 1 im Kontext auch der „sozialen Gewalten“; ebenso Richter, VerwArch 32 (1927), 1, 10. 43 Ein ähnliches Konzept entwarf bereits Sinzheimer. S. dazu Albrecht, Hugo Sinzheimer in der Weimarer Nationalversammlung, S. 84; mit dieser Einschätzung auch Höpfner, Tarifgeltung im Arbeitsverhältnis, S. 99; Nörr, ZfA 1986, 403, 412. 44 Nipperdey/Nipperdey, Grundrechte, Band 3, Art. 159, S. 386. 45 Höpfner, Tarifgeltung im Arbeitsverhältnis, S. 98. 46 Nipperdey/Nipperdey, Grundrechte, Band 3, Art. 159, S. 398.

A. Die normativen Anknüpfungspunkte

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schaftsbedingungen demgemäß, dass Arbeitsbedingungen all die Gegenstände umfassen sollten, die tarifvertraglich regelbar waren. Dementgegen sollten Wirtschaftsbedingungen alle darüber hinausgehenden sozialen und wirtschaftlichen Interessen umfassen.47 Dabei sollten sich diese Interessen nicht auf unmittelbar arbeitsvertragliche Belange beschränken müssen, sondern könnten auch aus selbstständiger Tätigkeit erwachsen, solange sie arbeitsvertragsähnlich seien.48 Diese Rückbesinnung auf arbeitsvertragliche oder diesen ähnliche Anstellungsverhältnisse diente nicht zuletzt Nipperdeys begrifflicher Abgrenzung der Koalitionen von Vereinigungen im weiteren Sinne, welche er jedoch später aufgab.49 Als Koalitionen im engeren Sinne hatte er dabei die Berufsverbände bezeichnet, welche als privatrechtlich organisierte Vereinigungen die Interessen ihrer Mitglieder vertraten.50 Diese mussten auf Dauer korporatistisch organisiert sein.51 Diese Voraussetzungen wurden einer Koalition in der Wissenschaft auch unabhängig von einer solchen Zweiteilung zugewiesen.52 Die Durchsetzung der Wirtschaftsbelange konnte darüber hinaus nicht nur gegenüber dem sozialen Gegenspieler erfolgen, sondern auch im Verhältnis zum Staat. Aus diesem Grunde war auch ein politisches Engagement der Koalitionen so lange von Art. 159 WRV gedeckt, wie es die dargestellte Nähe zum Arbeitsleben aufwies.53 Nipperdey verwies in diesem Zusammenhang nicht zuletzt auch auf § 17a Reichsvereinsgesetz und ließ den Koalitionen in der Folge eine gesellschaftsrechtliche Doppelnatur angedeihen: Betätigten sich die Koalitionen zumindest auch politisch, waren sie zugleich politische Vereine im Sinne des § 3 Reichsvereinsgesetz.54 bb) Die begriffliche und funktionale Teilung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen durch Art. 159 und 165 WRV (1) Die Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen des Art. 159 S. 1 WRV Während der erste Entwurf des Reichsinnenministers Hugo Preuß noch keine inhaltliche Auseinandersetzung mit der Koalitionsfreiheit enthielt,55 legte Hugo Sinzheimer im beratenden Unterausschuss einen neuen Entwurf vor, welcher zum 47

Nipperdey/Nipperdey, Grundrechte, Band 3, Art. 159, S. 398. Nipperdey/Nipperdey, Grundrechte, Band 3, Art. 159, S. 398. 49 Zunächst Nipperdey/Nipperdey, Grundrechte, Band 3, Art. 159, S. 388; später Hueck/ Nipperdey/Nipperdey, Arbeitsrecht, Band 2/I, S. 82 f. Mit einem weiteren Koalitionsbegriff Richter, VerwArch 32 (1927), 1, 13. 50 Nipperdey/Nipperdey, Grundrechte, Band 3, Art. 159, S. 388. 51 Nipperdey/Nipperdey, Grundrechte, Band 3, Art. 159, S. 390. 52 S. nur Sinzheimer, Die Arbeit 1926, 669. 53 Nipperdey/Nipperdey, Grundrechte, Band 3, Art. 159, S. 399. 54 Nipperdey/Nipperdey, Grundrechte, Band 3, Art. 159, S. 399. 55 Wirth, Der Unterausschuss für die Grundrechte, in: Hambach-Gesellschaft für historische Forschung und politische Bildung, Jahrbuch der Hambach-Gesellschaft, Band 2, 1989, S. 129, 153; mit dieser Einschätzung auch Höpfner, RdA 2020, 129, 133. 48

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3. Kap.: Das Recht der Unternehmensmitbestimmung

ersten Mal die Betätigung der Koalitionen an den Zweck der Wahrung und Förderung von Arbeits- und Wirtschaftsbelangen knüpfte. Absatz 2 konkretisierte, dass eben diese Belange zwischen den Interessenverbänden der Arbeitgeber, Arbeiter und Angestellten zu vereinbaren seien, Absatz 3 betraf das Schlichtungsrecht.56 Nachdem die Absätze 2 und 3 vom Unterausschuss abgelehnt worden waren, wurde die Vereinigungsfreiheit in der Form des Absatzes 1 entsprechend dem Entwurf Sinzheimers als Art. 52 dem Verfassungsausschuss zugeleitet. Von dem Entwurf Sinzheimers kann nunmehr ein Rückschluss auf den Umfang der Koalitionsfreiheit gezogen werden: Indem Absatz 2 die Aushandlung von „Arbeits- und Lohnbedingungen“ in die Hände der Berufsverbände legte, wurden zwei Aspekte der Vereinigungsfreiheit nach Weimarer Verständnis sichtbar: Parteien der autonomen Verhandlung sollten die Vertreter der Arbeiter und Angestellten auf der einen Seite und der Interessenvertreter der Arbeitgeber („Unternehmer“) auf anderer Seite sein. Eine Gegenüberstellung dieser Gruppierungen spiegelt ein Vertragsmodell wider, welches der kollektiven Vertragsautonomie nach dem Verständnis der heutigen Tarifautonomie insbesondere unter Berücksichtigung des Verhältnisses der Sozialpartner zueinander stark ähnelt.57 Gleichzeitig wurden die Gegenstände dieser Verhandlungen auf „Arbeits- und Lohnbelange“ reduziert. Dass dieser Absatz – wie auch der Absatz bezüglich der Schlichtung – letztlich nicht Eingang in den Verfassungstext fand, lag ausweislich der Protokolle zur Verfassungsgebenden Nationalversammlung nicht an eben jener inhaltlichen Reduktion.58 So wurde gerade ein Antrag Cohens abgelehnt, die Passage bzgl. der Arbeits- und Wirtschaftsbelange zu streichen, um eine weitergehende (gesamt-) wirtschaftliche oder gesellschaftspolitische Aktivität der Koalitionen nicht von vornherein auszuschließen. Gerade in Kenntnis dessen wurde dieser Antrag abgelehnt.59 Insofern ist die Streichung vor allem auf die Formulierung des Räteartikels (später Art. 165 WRV) zurückzuführen. Da dieser bereits eine sehr ähnliche Passage enthielt, sollte eine inhaltliche Redundanz vermieden werden. Gleichzeitig bedurfte es jedoch einer kompetenziellen Klarstellung im Hinblick auf das Verhältnis der wirtschaftlichen Vereinigungsfreiheit und des Rätesystems zueinander.60 Während erstere als „Hauptmittel für die wirtschaftliche Besserstellung“ des einzelnen Arbeitnehmers aus dem Arbeitsverhältnis hinaus als verfassungsrechtlicher Schutz vor dem Staat, anderen „sozialen Gewalten“61 und auch Individuen garantiert werden sollte, bildete Art. 165 WRV mit der durch ihn etablierten Räteordnung ein prä-

56

Höpfner, RdA 2020, 129, 133 mit Verweis auf Poscher, RdA 2017, 235, 239. Vgl. auch Weber, FS OLG Celle, S. 239, 243. 58 So aber Poscher, RdA 2017, 235, 239. 59 Höpfner, RdA 2020, 129, 134 mit Verweis auf die Verfassungsgebende Nationalversammlung, Band 336, Nr. 391, S. 389. 60 Verfassungsgebende Nationalversammlung, Band 328, S. 1751 A. 61 Vgl. dazu Nikisch, Arbeitsrecht, Band 2, S. 19; Poetzsch-Heffter, WRV, Art. 159, S. 493. 57

A. Die normativen Anknüpfungspunkte

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gendes Element einer Wirtschaftsverfassung.62 Beide Artikel verband indes ein ihnen gemeines Postulat gleichberechtigter Interessenvertretung.63 In ihnen spiegelte sich der Paritätsgedanke im Rahmen des Arbeitsprozesses. Gleichzeitig wird dem interessen- und machtmonistischen Ideal eines streng kapitalistischen Unternehmens eine Absage erteilt – genauso wie einer ins Gegenteil gehenden reinen „Rätediktatur“64.65 Es ging vielmehr um die umfassende Mitbestimmung „in der Volkswirtschaft und dem Staatsleben“.66 (2) Die doppelte Bedeutung des Art. 165 WRV (a) Art. 165 Abs. 1: Die funktionale Komplementärwirkung der Mitbestimmungsregime Auch der Gewährleistungsinhalt des Art. 165 WRV erhielt somit eine von dem Arbeitsverhältnis losgelöste Bedeutung.67 Dieses Verständnis untermauern besonders die Wirtschaftsräte, welche, bestehend aus Vertretern der Unternehmen und der Arbeiter sowie der gewichtigsten Berufsgruppen, die gemeinwirtschaftlichen Interessen der schaffenden Bevölkerung vertreten sollten.68 Die Räte inklusive der Wirtschaftsräte sollten mittels Kontroll- und Verwaltungsbefugnissen zu einer geordneten, interessengerechten Wirtschaft beitragen.69 Schon allein anhand dieser verfassungsrechtlichen Zielsetzung, aber besonders auch durch die Formulierung des späteren Art. 165 Abs. 1 S. 2 WRV mit der gegenseitigen Anerkennung der Betätigungsformen und ihrer Ergebnisse zeigt sich, dass Organisationsform und Aufgabenverteilung der beiden Institute – (Mitbestimmung durch) Räte und (tarifvertragliche Aushandlung der Arbeits- und Lohnbedingungen durch die) Sozialpartner – ein differenziertes Verständnis des inhaltlichen Gewährleistungsbereiches der Koalitionsfreiheit bedingen. Die Verhandlung der Arbeits- und Lohnbedingungen sollte ausdrücklich Aufgabe der Arbeitgeberverbände und der Vertreter der Arbeitnehmer bleiben. Tarifverträge sollten weiterhin im Interesse der Mitglieder in eigenem Namen abgeschlossen werden.70 Im Rahmen eines Tarifabschlusses wurden sodann 62 Verfassungsgebende Nationalversammlung, Band 328, S. 1749 D; vgl. auch PoetzschHeffter, WRV, Art. 165, S. 499. 63 Säcker/Oetker, Grundlagen und Grenzen der Tarifautonomie, S. 63; Söllner, JbArbR 16 (1978), 19, 23; a. A. Richter, VerwArch 32 (1927), 1, 13. 64 Mit dieser Bezeichnung Sinzheimer, Das Rätesystem, in: Kahn-Freund/Ramm, Arbeitsrecht- und Rechtssoziologie, S. 325. 65 Poetzsch-Heffter, WRV, Art. 165, S. 500. 66 So zumindest Anschütz, Verfassung des Deutschen Reichs, Art. 159 Anm. 1. 67 Poetzsch-Heffter, WRV, Art. 165, S. 499. 68 Poetzsch-Heffter, WRV, Art. 165, S. 500. 69 Verfassungsgebende Nationalversammlung, Band 328, S. 1749 D, 1750 A; PoetzschHeffter, WRV, Art. 165, S. 500. 70 Jacobi, Grundlehren, S. 179; a. A. unter Berufung auf die Regeln der Stellvertretung Lotmar, Arbeitsvertrag, Band 1, S. 796 ff.

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3. Kap.: Das Recht der Unternehmensmitbestimmung

auch nicht die Mitglieder Partei des Vertrages, sondern die Koalition selbst. Dies wurde zum Teil auf Art. 165 Abs. 1 S. 2 WRV zurückgeführt, andere verwiesen auf § 8 BRG, welcher in diesem Fall wohl als einfachgesetzliche Konkretisierung der Koalitionsbetätigungsfreiheit gesehen wurde.71 Als Kehrseite dieser Medaille verblieben den Räten sämtliche Arbeiterinteressen, welche „nicht mit der Regelung des Lohn- und Arbeitsverhältnisses verbunden“72 waren. Die Vereinbarung von Tarifverträgen, so sah es der Verfassungsgeber, konnte von den Räten qua natura nicht ausgeübt werden.73 Daraus ergibt sich jedoch noch nicht, ob es sich bei den Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen um ein einheitliches Begriffspaar handelt, mit der Folge, dass eine Beschränkung der koalitionsmäßigen Betätigung auf einen der beiden Bereiche einer Anerkennung als Koalition schädlich ist.74 Dennoch muss sich die funktionelle Komplementärwirkung der Art. 159, 165 WRV in dem Verständnis der „Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen“75 niederschlagen. Sie dienten gemeinsam und gleichermaßen als Mittel zur Spezialisierung der wirtschaftlichen von der allgemeinen politischen Vereinigungsfreiheit. Aus ihnen lassen sich insbesondere keine Bestrebungen des historischen Gesetzgebers der WRV entnehmen, welche auf eine kompetenzielle Beschneidungen der Koalitionen allgemein hinweisen. Viel eher ging es um eine kompetenzielle Abgrenzung denn um eine materielle. Die Befugnisse der Koalitionen als Arbeitnehmervertreter sollten von denen der Räte abgegrenzt werden.76 In diesem Sinne wirkte die materielle Unterscheidung von Lohn- und Arbeitsbedingungen einerseits und der gesamten wirtschaftlichen Entwicklung der produktiven Kräfte andererseits in der institutionellen Differenzierung von Räten und Tarifvertragsparteien fort. Der Aufgabenbereich der Koalitionen wird folglich im Zusammenspiel von Art. 159 WRV und Art. 165 WRV abgesichert, indem Art. 165 WRV die durch Art. 159 WRV geschaffenen Grundlagen in institutioneller wie materieller Hinsicht ergänzt. Der Begriff der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen wird durch Art. 159 WRV zwar vorgestellt, doch erst im Zusammenspiel mit Art. 165 WRV konkretisiert.77

71

Zu diesen Möglichkeiten auch Nipperdey/Nipperdey, Grundrechte, Band 3, Art. 159, S. 400; für § 8 BRG z. B. Sinzheimer, Grundzüge des Arbeitsrechts, S. 73. 72 Sinzheimer, in: Verfassungsgebende Nationalversammlung, Band 336, Nr. 391, S. 394; s. auch Höpfner, RdA 2020, 129, 135. 73 Bereits Sinzheimer, Verhandlungen der verfassungsgebenden Deutschen Nationalversammlung, Band 336, 1920, Nr. 391, S. 394; illustrativ Nipperdey/Tatarin-Tarnheyden, Grundrechte, Band 3, Art. 165 S. 546 f. 74 So HensslerWillemsen/Kalb/Hergenröder, Art. 9 GG Rn. 39; Söllner, NZA-Beilage zu Heft 24/2000, 33, 37 f. 75 Nipperdey/Tatarin-Tarnheyden, Grundrechte, Band 3, Art. 165 S. 526, 546 f. 76 Höpfner, RdA 2020, 129, 135. 77 Säcker/Oetker, Grundlagen und Grenzen der Tarifautonomie, S. 62.

A. Die normativen Anknüpfungspunkte

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(b) Art. 165 Abs. 2 – 6: Das Rätesystem Freilich muss zugestanden werden, dass dieser Fokus auf die tarifvertragliche Bestimmung der Arbeits- und Lohnbedingungen im engeren Sinne nur eine erste Aussonderung dessen zu leisten vermag, was als Bestandteil der Arbeits- und Wirtschaftsbedingen die Mitwirkung an der „gesamten wirtschaftlichen Entwicklung der produktiven Kräfte“ darstellen soll. Diesen elementaren Bestandteil wirtschaftlicher Mitbestimmung kann jedoch eine vertiefte Auseinandersetzung mit dem in Art. 165 Abs. 2 – 6, 156 Abs. 2 WRV angelegten Rätesystem herausarbeiten. Eine Betrachtung sowohl der materiellen wie personellen Substanz der Arbeiterräte einerseits sowie ihr Verhältnis zu den Wirtschaftsräten andererseits vermag ein Bild zu zeichnen, welches im Übrigen trotz seiner unbestreitbaren Unterschiede in seiner Ausgestaltung unverkennbare Gemeinsamkeiten zur heutigen Normierung der Arbeitnehmermitbestimmung aufweist. Die WRV sah in Art. 165 die zwingende Einführung von Arbeiter- und Wirtschaftsräten vor. Die Idee folgte dabei einem hierarchischen dreigliedrigen Aufbau von der Betriebs- über die Bezirks- bis zur Reichsebene. Hierbei sollten die betrieblich organisierten Arbeiterräte nach Wirtschaftsgebieten differenziert auftreten. Obschon es aufgrund politischer wie finanzieller Veränderungen sowie schließlich der Machtübernahme Adolf Hitlers nicht mehr zu einer vollumfänglichen Umsetzung der verfassungsrechtlichen Vorgaben kam, beinhaltet bereits Art. 165 Abs. 2 WRV die grundlegenden inhaltlichen Festsetzungen betreffend den Aufgabenbereich der Arbeitsräte als Fundament des Rätesystems. Ihnen oblag gem. Art. 165 Abs. 2 WRV die Vertretung der sozialen und wirtschaftlichen Interessen der Arbeitnehmer. Vornehmlich genannt wurden in diesem Zusammenhang Fragen von Wohnraum und Gesundheitsschutz.78 Gleichzeitig sollten die Arbeiterräte über die Umsetzung sozialpolitischer Bestimmungen im Betrieb wachen und damit als „Zentralstelle für die lebendige Wirksamkeit der Sozialpolitik“79 fungieren. Damit war der Kompetenzbereich der Räte von Beginn an recht weit gesteckt,80 auf Reichsebene war gar ein Initiativrecht zur Gesetzgebung vorgesehen. Eine Konkretisierung erfuhr der Aufbau der Wirtschaftsräte schließlich durch Art. 156 Abs. 2 WRV, nach welchem diese bei dringender Notwendigkeit auch vertikal – also branchenspezifisch – aufgebaut werden könnten. Im Übrigen sollte es bei einer territorial bestimmten Organisation bleiben. Eine Ausnahme für die personelle Gestaltung der Wirtschaftsräte sah die WRV im Gegensatz hierzu nicht vor. Dies hebt umso mehr die Wichtigkeit der gremialen Institutionalisierung der Mitbestimmung hervor.

78

Verfassungsgebende Nationalversammlung, Band 335, Nr. 385, S. 229. Sinzheimer, Die Zukunft der Arbeiterräte, in: Kahn-Freund/Ramm, Arbeitsrecht und Rechtssoziologie, Band 1, S. 351, 352. 80 Dahingehend auch Sinzheimer, Rätebewegung und Gesellschaftsverfassung, in: KahnFreund/Ramm, Arbeitsrecht und Rechtssoziologie, Band 1, S. 356, 359 f. 79

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3. Kap.: Das Recht der Unternehmensmitbestimmung

Die Parallelen zum Konzept des Betriebsrates werden umso deutlicher, wirft man einen Blick auf die personelle Organisation der Arbeiterräte. So waren sie ausdrücklich arbeitgeberfrei. Sie sollten die Interessen sämtlicher Arten von Arbeitnehmern vertreten – und zwar ungeachtet einer möglicherweise bestehenden Gewerkschaftsmitgliedschaft.81 Als öffentlich-rechtlich organisierte Vertretung der Arbeitnehmerschaft sollten sie neben die bestehenden Wirtschaftskammern als Repräsentanten der Arbeitgeber treten und auf diese Weise eine Gleichstellung der Interessenvertretung erreichen. Im Gegensatz zu der homogenen Besetzung der Arbeiterräte als Gegenpol zu den Wirtschaftskammern der Arbeitgeber sollten die Wirtschaftsräte als Gemeinschaftsorgane besetzt werden. In ihnen vereinten sich damit gleich zwei Säulen der Mitbestimmungsidee, auf denen auch die Mitbestimmungsdiskussion der Nachkriegszeit maßgeblich aufbauen sollte: Zum einen ging es um die systemische Zusammenführung konktradiktorischer Ideen der Arbeitnehmer und Arbeitgeber, die ihre plakative Zuspitzung in der Gegenüberstellung von „Arbeit und Kapital“ finden. Obschon diese Kollision auch in dem Bericht der Mitbestimmungskommission vom 4. Februar 1970 Berücksichtigung fand, ist die Agenda zur Befriedung dieses scheinbaren Widerspruchs ein Kind der historischen Verortung der Mitbestimmungsfrage in der Weimarer Zeit als dessen normative Geburtsstunde. Eher politisch als ideologisch beständig ist dagegen das auch an dieser Stelle bereits anklingende Anerkenntnis gleichläufiger Interessen beider Lager, vorrangig im Bereich der Wirtschaftlichkeit und Produktion des Unternehmens.82 Insgesamt trug das Rätesystem durch die strikte, aber komplementäre Aufgabenverteilung zu einer funktionalen Erweiterung und Verstärkung der Vertretung von Arbeitnehmerinteressen bei (vgl. nur Art. 165 Abs. 1 S. 2 WRV).83 An einer die Interessenvertretung schwächenden Konkurrenz der beiden Instrumentarien war bereits dem Verfassungsgeber 1919 nicht gelegen.84 Dass es dennoch zu keiner vollumfänglichen Umsetzung kam, ist nicht auf eine fehlende praktische Relevanz zurückzuführen. Freilich fiel die Weimarer Republik, und damit auch ihre Verfassung und Gesetze, nach und nach der (politischen) Ideologie des Dritten Reiches zum Opfer. Doch zu diesem Zeitpunkt hatten die eingerichteten Arbeiterräte aufgrund des stetig wachsenden Einflusses der Gewerkschaften bereits an Bedeutung verloren. So einigten sich die Mitglieder des Vorläufigen Reichswirtschaftsrates im Jahre 1922 auf eine paritätische Besetzung der Gremien unter Beteiligung der Gewerkschaften. 81

Verfassungsgebende Nationalversammlung, Band 335, Nr. 385, S. 228 f.; s. auch Sinzheimer, Rätebewegung und Gesellschaftsverfassung, in: Kahn-Freund/Ramm, Arbeitsrecht und Rechtssoziologie, Band 1, S. 356, 358. 82 Sinzheimer, Das Rätesystem, in: Kahn-Freund/Ramm, Arbeitsrecht und Rechtssoziologie, S. 325, 329. 83 Verfassungsgebende Nationalversammlung, Band 335, Nr. 385, 228 f. 84 Sinzheimer, Das Rätesystem, in: Kahn-Freund/Ramm, Arbeitsrecht und Rechtssoziologie, S. 325, 330 ff.; ders., Die Zukunft der Arbeiterräte, in: Kahn-Freund/Ramm, Arbeitsrecht und Rechtssoziologie, S. 351, 352.

A. Die normativen Anknüpfungspunkte

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Diese Bestrebungen scheiterten jedoch zwei Jahre später angesichts des Endes der Zentralarbeitsgemeinschaft. Neben der Verankerung der Arbeiterräte durch das BRG von 1920 wurde mit Gesetz vom 4. Mai 1920 nur der Vorläufige Reichswirtschaftsrat installiert.85 Dieser bestand zwischen 1920 und 1934 und sollte u. a. die Einrichtung des Rätesystems fazilitieren. Dies gelang jedoch mangels ausreichender Finanzierung letzten Endes nicht (mehr). Während seiner Amtszeit bestand er aus 326 Mitgliedern, welche sich in zehn Gruppen unterteilten: Sechs Gruppen wurden paritätisch von Arbeitnehmerund Arbeitgebervertretern nach Wirtschaftskreisen gebildet, die übrigen Gruppen bildeten die Verbraucherschaft, Beamte, die freien Berufe sowie aus der Politik entsandte Experten. Der Bildung eines endgültigen Reichswirtschaftsrates fehlte es an der erforderlichen Zweidrittelmehrheit zur entsprechenden Verfassungsänderung.86 b) Art. 9 Abs. 3 GG Im Verfassungsgebungsverfahren zum Grundgesetz erfolgte keine Auseinandersetzung mit dem Umfang der Koalitionsbetätigung anhand des Begriffspaares der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen. Äußerungen betrafen allenfalls das Bestreben, dass ein Streikrecht über Lohn- und Arbeitsbedingungen im engeren Sinne hinaus ermöglicht werden sollte, wobei es in concreto um die Erfassung betriebsverfassungsrechtlicher Aspekte als Gegenstand von Streiks ging.87 Die Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen sollten in diesem Zusammenhang insbesondere die Möglichkeit eines rein allgemeinpolitischen Streiks verhindern.88 Die Auseinandersetzung im Hinblick auf Art. 9 Abs. 3 GG beschränkte sich über dies hinaus auf Aspekte der negativen Koalitionsfreiheit. Ob dieses verfassungsgeberseitigen Stillschweigens sowie der offenkundigen Ausgestaltungsbedürftigkeit der Koalitionsfreiheit vermag es nicht zu verwundern, dass die Formulierung des Art. 9 Abs. 3 GG selbst wenig als klare Richtschnur für die Auslegung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen dienen kann.89 Dies gilt nicht zuletzt auch für etwaige Rückschlüsse von der morphologischen Verbindung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen mittels der Bedingungen als „Suffix“ auf eine inhaltliche Verbindung der Begriffe.90 Auch das

85

Durch die Verordnung über den vorläufigen Reichswirtschaftsrat, RGBl. 1920, S. 858. Verhandlungen des Reichstages, Band 428, S. 6358 ff., 6361 ff.; s. auch H. Fechner, Arbeiter- und Wirtschaftsräte, in: Voigt, Aufbruch zur Demokratie, S. 801, 806. 87 Pikart/Werner, Der Parlamentarische Rat 1948 – 1949, Band 5/II, S. 696 ff. 88 Poscher, RdA 2017, 235, 241. 89 Nikisch, Arbeitsrecht, Band 2, S. 4; Richardi, Individualwille und Kollektivgewalt, S. 180; Säcker/Oetker, Grundlagen und Grenzen der Tarifautonomie, S. 48. 90 So aber Säcker/Oetker, Grundlagen und Grenzen der Tarifautonomie, S. 52. 86

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3. Kap.: Das Recht der Unternehmensmitbestimmung

Bundesverfassungsgericht und sich diesem anschließend das Bundesarbeitsgericht haben sich bis dato mit verbindlichen Aussagen zurückgehalten.91 Auf dieser Grundlage zeigt sich die Interpretation des Begriffspaares, möchte man sie richtigerweise am historischen Willen der Eltern des Grundgesetzes orientieren, abermals als eine sinngemäße historische Exhumation der Anfänge der koalitiven Bewegung und ihrer Entwicklung seit der ersten Kodifizierung durch die Art. 159, 165 WRV.92 Es gilt, das Schweigen des Verfassungsgebers zu erklären und mit Leben zu füllen. Nahe liegt zwar die Vermutung, der Verfassungsgeber habe sich in Anerkennung eines beredten Schweigens mit der Formulierung und subsequenten Interpretation der WRV einverstanden erklärt. In Kontrolle dieser Hypothese soll trotzdem zunächst das judikative wie wissenschaftliche Meinungsbild dargestellt werden und an den relevanten Stellen auf die historischen Kontextualia eingegangen werden. Unter Rückgriff auf die vorherigen Ausführungen bezüglich der Vorgängernormen wird sodann eine eigene Interpretation des Begriffspaares gewagt. aa) Das Meinungsbild Die herrschende Meinung betrachtet die Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen im Anschluss an das Verständnis Söllners als einen einheitlichen Zweckkomplex, welcher im Sinne einer „funktionalen Einheit“ die Gesamtheit der „Bedingungen [umfasst], unter denen der Arbeitnehmer abhängige Arbeit leistet und der Arbeitgeber Arbeitnehmer beschäftigen darf“.93 Damit müssen Koalitionen, denen der Schutz des Art. 9 Abs. 3 GG zugutekommen soll, sowohl Arbeits- also auch Wirtschaftsbedingungen fördern und wahren. Dabei sind diese Bedingungen in ihrer Gesamtheit und nicht nur in Bezug auf Begründung, Inhalt und Beendigung des Arbeitsverhältnisses geschützt.94 Zu der Gesamtheit der Bedingungen gehören somit auch und vor allem betriebliche Fragen.95 Folglich können auch Aspekte der Un91 BVerfG v. 6. 5. 1964 – 1 BvR 79/62, NJW 1964, 1267; BVerfG v. 19. 10. 1966 – 1 BvL 24/65, NJW 1966, 2305, 2306; BVerfG v. 20. 10. 1981 – 1 BvR 404/78, AP TVG § 2 Nr. 31; BAG v. 7. 6. 1989 – 1 AZR 372/86, NJW 1989, 63. 92 Vgl. dazu Säcker, Gesetz und Tarifvertrag als komplementäre Instrumente der Regelung sozialer Sicherung, in: Deutscher Sozialrechtsverband, Sozialrecht und Tarifrecht, S. 64, 76. 93 Söllner, JbArbR 16 (1979), S. 19, 23 f.; ebenso bereits Badura, JbArbR 15 (1978), 17, 27; im Rahmen der „Kernbereichslehre“ Dütz, JA 1987, 405, 410; Kempen, AuR 1980, 193, 195; Konzen, ZfA 1980, 77, 90; Jacobs/Krause/Oetker/C. Schubert/Krause, Tarifvertragsrecht, § 1 Rn. 47; ErfK/Linsenmaier, Art. 9 GG Rn. 23; s. auch Meik, Kernbereich, S. 78 ff.; kritisch Richardi, Individualwille und Kollektivgewalt, S. 180; Rüthers, Tarifmacht und Mitbestimmung in der Presse, S. 14 ff.; mit einer Auseinandersetzung im Kontext unternehmerischer Entscheidungen auch Wiedemann, FS Riesenfeld 1983, S. 301, 302 ff. Für eine dreiteilige Aufteilung des Meinungsspektrums Säcker/Oetker, Grundlagen und Grenzen der Tarifautonomie, S. 40. 94 MüHbArbR/Rieble, Band 3, § 218 Rn. 22. 95 Betreffend die Unternehmensmitbestimmung BVerfG v. 1. 3. 1979 – 1 BvR 532/77 u. a., AP MitbestG § 1 Nr. 1; MüHbArbR/Rieble, Band 3, § 218 Rn. 22.

A. Die normativen Anknüpfungspunkte

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ternehmenspolitik wie Investitions- oder Standortentscheidungen die Konditionen abhängiger Arbeit zumindest mittelbar beeinflussen.96 Damit knüpft die herrschende Meinung zumindest nicht unwesentlich an das ursprüngliche Verständnis Nipperdeys im Hinblick auf das Verhältnis von Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen an, ohne jedoch die Aspekte politischer Betätigung aufzugreifen. Dementgegen werden die Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen teils restriktiv ausgelegt,97 teils als antagonistisches Begriffspaar aufgefasst, in dem den Arbeitsbedingungen der Arbeitnehmer die wirtschaftlichen Belange des Unternehmers gegenüberstehen.98 Inhaltlich stimmten die Begriffe somit überein, würden lediglich die Interessen der Gruppen aus ihren jeweiligen Blickwinkeln betrachtet.99 Auf diese Weise würde vermieden, dass über die Begrifflichkeit der Wirtschaftsbedingungen auch wirtschaftsorientierte Interessenverbände unter den Schutz der Koalitionsfreiheit fielen. Gerade darauf baute indes die Meinung Dürigs auf, der den Wirtschaftsbedingungen aus diesen Erwägungen einen eigenen Sinngehalt zusprach.100 Dabei ginge er sodann über dasjenige hinaus, was zumindest mittelbar in Relation zum Arbeitsverhältnis steht. Wirtschaftsbedingungen waren demnach all die Belange, die einen Bezug zum Arbeitsplatz als Unternehmen aufwiesen und die Arbeitnehmer dabei nicht notwendigerweise tangierten.101 Sowohl die inhaltlich restriktive Ansicht Webers und Forsthoffs als auch das Verständnis Zöllners weisen erhebliche Übereinstimmungen mit dem ursprünglichen Begriffspaar der Arbeits- und Lohnbedingungen gem. § 152 GewO 1869 auf. Es erscheint äußerst fragwürdig, dem Verfassungsgeber des Grundgesetzes ohne historisch fundierte Beweise einen begrifflichen Rückschritt zu unterstellen – besonders im Lichte der Fortentwicklung durch die WRV.102 Insgesamt verdeutlicht dieser 96

ISe. Differenzierung zwischen unmittelbaren und mittelbaren Wirkungen wohl Wiedemann, FS Riesenfeld 1983, S. 301, 302; s. auch Poscher, RdA 2017, 235, 236. 97 So besonders in der frühen Zeit Forsthoff, BB 1965, 381, 385; Weber, BB 1964, 764, 766; mit Blick auf die paritätische Mitbestimmung und das Personalvertretungswesen Zöllner, AöR 98 (1973), 71, 88, 94; noch heute Zöllner/Loritz/Hergenröder/Hergenröder, Arbeitsrecht, § 10 Rn. 14; Henssler/Willemsen/Kalb/Hergenröder, Art. 9 GG Rn. 40. 98 Zöllner/Loritz/Zöllner, Arbeitsrecht, 4. Auflage, S. 101 f.; noch immer Zöllner/Loritz/ Hergenröder/Hergenröder, Arbeitsrecht, § 10 Rn. 14; ähnlich Müller, AuR 1972, 1, 3. 99 Klaas, Gewerkschaftliche Betätigungsfreiheit, S. 52; ähnlich auch Beuthin, ZfA 1984, 1, 13, der gelegentliche Übereinstimmungen annimmt. A. A. Hütter-Brungs, Tarifautonomie und unternehmerische Freiheit, S. 30 ff., die bereits aufgrund des Wortlautes Zweifel an der Einheitlichkeit hegt. 100 Dürig, NJW 1955, 729 f. 101 Ähnlich schon Richter, VerwArch 32 (1927), 1, 12 f. 102 Grundlegend Krüger, in: Ständige Deputation des Deutschen Juristentages, Verhandlungen des 46. DJT, Band 1, S. 7, 22; im Lichte einer sozialen Regelungsbefugnis durch Tarifvertrag Biedenkopf, in: Ständige Deputation des Deutschen Juristentages, Verhandlungen des 46. DJT, Band 1, S. 97, 139; auch Klaas, Gewerkschaftliche Betätigungsfreiheit, S. 53; vgl. auch Säcker/Oetker, Grundlagen und Grenzen der Tarifautonomie, S. 50; zum Verbot des der sozialen Rückbewegung Däubler, Grundrecht auf Mitbestimmung, S. 177 f.

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3. Kap.: Das Recht der Unternehmensmitbestimmung

Abschnitt des Meinungsspektrums, dass sich die Bewertung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen einer steten historischen Rückbesinnung nicht erwehren kann. Die chronologische und ideelle Dynamik schlägt sich in dem Facettenreichtum der Ansichten nieder. Im Zentrum der Kontextualisierung steht unweigerlich das Arbeitsverhältnis. Betrachtet man daher die mannigfaltigen Interpretationen der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen über die Jahrzehnte, steht stets deren Nähe eben zu dem Arbeitsverhältnis in Frage. So sind auch die Extrempunkte zu verstehen, welche einerseits eine Unmittelbarkeit in Bezug auf das Arbeitsverhältnis fordern – also nur solche Bedingungen betrachten, welche sich unmittelbar auf das Arbeitsverhältnis auswirken –103 und andererseits jegliche wirtschaftliche und unternehmerische Belange unter das Begriffspaar subsumieren, auch wenn sie erst über die Vermittlung des Unternehmens als beeinflusste Einheit sodann das Arbeitsverhältnis betreffen.104 Die dahingehende Grundlage bildet das Verständnis Däublers, nach dem grundsätzlich alle Produktionsentscheidungen der Regelungskompetenz der Koalitionen unterliegen.105 Bezieht man die praktische Überlegung mit ein, so wird man den Regelungsbereich wohl auf solche Entscheidungsfelder hin präzisieren müssen, die zwar in ihrem Ausgang unternehmens- oder gar konzernbezogen sind, jedoch nicht ohne arbeitsrechtlichen Bezug gelöst werden können, da sie spätestens in ihrer Umsetzung Materien berühren, die wiederum der Koalitionsbetätigung in ihrer fundamentalsten Form unterfallen.106 bb) Kritik: Fehlende Berücksichtigung der historischen Konzeption Verharrt man zunächst bei der herrschenden Meinung, so mag auch die gedankliche Fortführung Söllners, auf welche die herrschende Meinung rekurriert, nicht zu verwundern: Ausgenommen von der Koalitionsbetätigung, welche inhaltlich schließlich durch die Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen ausgeformt wird, sind „die unternehmerischen Zielsetzungen und Betätigungen des privaten Unternehmers“107. Dies sind wohl zumindest auch solche Belange, die sich z. B. im Rahmen des Kündigungsschutzes als unternehmerische Entscheidungen einer umfassenden gerichtlichen Kontrolle entziehen.108 Das Bundesarbeitsgericht betrachtet 103

Dies sind im Besonderen Lohn- und Arbeitsbedingungen: Forsthoff, BB 1965, 381, 385; Weber, FS OLG Celle 1961, S. 239, 243, 247; ders., BB 1964, 764, 766; noch heute Zöllner/ Loritz/Hergenröder/Hergenröder, Arbeitsrecht, § 10 Rn. 14; Henssler/Willemsen/Kalb/Hergenröder, Art. 9 GG Rn. 40. 104 So besonders Dürig, NJW 1955, 729 f. 105 Däubler, Das Grundrecht auf Mitbestimmung, S. 187. 106 Dahingehend sind wohl auch Kittner/Schiek zu verstehen, in AK-GG, Art. 9 Abs. 3 Rn. 93. 107 Söllner, JbArbR 16 (1979), 19, 24. 108 Dies geht zuletzt wohl auch aus § 1 Abs. 3 KSchG hervor; s. zu den unternehmerischen Entscheidungen BAG v. 29. 8. 2013 – 2 AZR 809/12, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte

A. Die normativen Anknüpfungspunkte

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das Verhältnis von Tarif- und Unternehmensautonomie, die ihren Ausgangspunkt in dem Begriffspaar der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen findet, unter Einbeziehung des Schutzzweckes des Arbeitsrechtes.109 So soll die Abwägung der Koalitionsfreiheit in Art. 9 Abs. 3 GG und der Unternehmer- und Unternehmensfreiheit (Art. 2, 14 GG) dann zugunsten der Koalitionsfreiheit ausfallen, wenn die unternehmerischen Entscheidungen, deren Freiheit grds. eben durch die Unternehmensfreiheit garantiert wird, nicht mehr frei von Einflüssen auf die sozialen Belange der Arbeitnehmer getroffen werden können.110 In seinem Urteil vom 18. November 1954111 zum kollektiven Teil des Art. 9 Abs. 3 GG geht das Bundesverfassungsgericht erstmals von einer historischen Prägung des Inhalts der Koalitionsfreiheit aus. Die daraus gezogene Schlussfolgerung im Sinne einer Konkretisierung dieses historischen Leitbildes vorrangig auf das Tarifvertragssystem ist indes irrig. Die Art. 159, 165 WRV schufen ein kumulatives, reziprok wirksames Verhältnis von Teilhabesystemen (kraft Tarifvertrag und Mitbestimmung in Betrieb und Unternehmen), einfachgesetzlich durch die TVVO sowie das BRG konkretisiert. Richtig ist zwar, dass die einfachrechtliche Ausgestaltung des Tarifvertragssystems derjenigen der betrieblichen und unternehmerischen Beteiligung der Arbeitnehmer zeitlich voranging. Daraus jedoch den Schluss einer Priorisierung der Tarifautonomie auch in verfassungsrechtlicher Hinsicht zu ziehen, ließe den bereits in der WRV sichtbaren Willen des Verfassungsgebers hinsichtlich einer Parallelität der Systeme außer Acht.112 Insofern greift eine isoliert historisch-chronologische Betrachtung zu kurz. Das Bundesverfassungsgericht verkennt dies im Zuge seiner (veralteten) Ansicht zu einem Kernbereich des Art. 9 Abs. 3 GG, welcher den Tarifvertrag als institutionell und primär garantierten Teilhabemechanismus in Art. 9 Abs. 3 GG integriert.113 Die Teilhabe der Arbeitnehmer geht ihrem Umfang nach über die Grenzen des Betriebes und gar des Unternehmens hinaus. Die grundgedankliche Einordnung in das Gesamtgefüge der sozialen und wirtschaftlichen Ordnung bestand bereits in ihrem Ursprung in Art. 165 WRV.114 So ist der Mitbestimmungsgedanke im Rahmen seines Verständnisses als gleichberechtigte Beteiligung der Arbeitnehmer

Kündigung Nr. 202 Rn. 13; Ascheid/Preis/I. Schmidt/Kiel, Kündigungsrecht, § 1 KSchG Rn. 454. 109 BAG v. 3. 4. 1990 – 1 AZR 123/89, AP GG Art. 9 Nr. 56 [B. II. 1.]. 110 BAG v. 3. 4. 1990 – 1 AZR 123/89, AP GG Art. 9 Nr. 56 [B. II. 1.]; so auch bereits Wiedemann, FS Riesenfeld 1983, S. 301, 306 f. 111 BVerfG v. 18. 11. 1954 – 1 BvR 629/52, NJW 1954, 1881. 112 S. nur Pieroth, FS BVerfG 2001, Band 2, S. 293, 295. 113 S. BVerfG v. 18. 11. 1954 – 1 BvR 629/52, NJW 1954, 1881, 1882. 114 So lautete Absatz 1: „Die Arbeiter und Angestellten sind dazu berufen, gleichberechtigt in Gemeinschaft mit den Unternehmern an der Regelung der Lohn- und Arbeitsbedingungen sowie an der gesamten wirtschaftlichen Entwicklung der produktiven Kräfte mitzuwirken. Die beiderseitigen Organisationen und ihre Vereinbarungen werden anerkannt.“ Absatz 2 regelte sodann die Einführung von Betriebsarbeiterräten, Bezirksarbeiterräten und einem Reichsarbeiterrat.

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3. Kap.: Das Recht der Unternehmensmitbestimmung

auch in der kollektiven Koalitionsfreiheit115 (auch der Tarifautonomie) gem. Art. 9 Abs. 3 GG enthalten.116 Gleichsam kannte auch die WRV eine an die Freizügigkeit gekoppelte Unternehmens- und Berufsfreiheit117 (Art. 111 WRV) sowie eine Eigentumsfreiheit118 (Art. 153 WRV), auf welche sich auch der Arbeitgeber als Unternehmer berufen konnte. Ihre inhaltliche Ausgestaltung erfahren die „Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen“ daher letztlich unmittelbar aus deren funktioneller Komplementärfunktion innerhalb der WRV: Die WRV unterschied im Rahmen der Art. 159, 165 WRV noch zwischen der Vertretung der Mitgliederinteressen durch Tarifvertrag und der allumfassenden Repräsentation der Arbeitnehmer in den Räten. Diese sollten im Gegensatz zu den privatrechtlich organisierten Gewerkschaften eine „behördliche Autorität“119 besitzen und damit einen Teil einer „politischen Demokratie“120 darstellen. Diese wiederum war ein staatsentsprechender Teil der Wirtschaftsverfassung, im Rahmen welcher die Räte beauftragt waren, in einer arbeitsteiligen Weise die „Tätigkeit des Staats auf bestimmten wirtschaftlichen Gebieten abzulösen“ und damit „staatliche Tätigkeit auf wirtschaftlichem Gebiet“ zu übernehmen.121 Man ordnete sie in diesem Zusammenhang öffentlich-rechtlich ein und gestand ihnen gewisse legislative Rechte zu.122 Die Projektion dieser öffentlich-rechtlichen Struktur der Räte auf die Gewerkschaften kommt in der Grundgesetzgebung klar zum Ausdruck. Dort führt v. Mangoldt aus: „Die Gewerkschaften sind freilich im Rechtssinn nicht öffentlichrechtliche Körperschaften, sie haben doch aber eine Funktion, die sehr weit in des Öffentlich-Rechtliche hineingeht. Sie sind unmittelbare Mitträger unseres Gemeinschaftslebens. Sie sind mittelbar und unmittelbar an der Organisation des Wirtschaftsprozesses beteiligt.“123 Die Erkenntnisse, die aus dem Scheitern der kompetenziellen Trennung von Räten und Koalitionen hervorgingen, sowie die liberalistische Grundidee des Grundgesetzes veranlassten den Verfassungsgesetzgeber zu der Normierung eines allumfassenden Koalitionsgrundrechtes, in welchem die differenzierende Konzeption der Aufgabenbereiche aus Art. 159, 165 WRV zusammengefasst und vollends

115

Zum Gewährleistungsgehalt des Art. 9 Abs. 3 GG die Abschnitte A. I. 2. c) und A. I. 4. Vgl. instruktiv zu der Einordnung auch Richardi, JbArbR 13 (1976), 19, 25 ff. 117 Poetzsch-Heffter, WRV, Art. 111, S. 410. 118 Poetzsch-Heffter, WRV, Art. 153, S. 482. 119 Verfassungsgebende Nationalversammlung, Band 335, Nr. 385, S. 228. 120 Sinzheimer, Das Rätesystem, in: Kahn-Freund/Ramm, Arbeitsrecht und Rechtssoziologie, S. 325, 327. 121 Sinzheimer, Das Rätesystem, in: Kahn-Freund/Ramm, Arbeitsrecht und Rechtssoziologie, S. 325, 335. 122 Vgl. Verfassungsgebende Nationalversammlung, Band 335, Nr. 385, S. 228, 230 f. 123 Feldkamp, Der Parlamentarische Rat 1948/1949, Band 14/II, S. 1384. 116

A. Die normativen Anknüpfungspunkte

185

den Gewerkschaften übertragen wurden.124 Wenn damit auch die delegatorische Idee der Arbeitnehmervertretung verloren ging, ist die funktionelle Vielfalt gewerkschaftlicher Repräsentation geblieben und mit ihr auch das Erfordernis der Gesamtwillensbildung nach demokratischem Vorbild, welches bereits für die Arbeiterräte und die Wirtschaftsräte sowie die Beteiligung ihrer Mitglieder in mitbestimmten Aufsichtsräten galt.125 Diese konzeptionelle Entscheidung findet Rückhalt auch in Ausführungen im Staatsvertrag zwischen BRD und DDR v. 25. Juni 1990. Während Leitsatz A. III 1. den Inhalt des Art. 9 Abs. 3 GG recht wortgetreue wiedergibt, besagt Leitsatz A. III. 3., dass „Löhne und sonstige Arbeitsbedingungen“ von Gewerkschaften, Arbeitgeberverbänden und Arbeitgebern ausgehandelt werden.126 In der Zusammenschau dieser beiden Leitsätze zeigen sich nicht nur begriffliche Unterscheidungen, wenn von „Vereinigungen“, „Koalitionen“ und „Gewerkschaften“ gleichermaßen gesprochen wird. Der Vertrag, der ausweislich seiner Zielsetzung den rechtlichen und rechtstatsächlichen status quo der BRD zusammenfassen sollte, gibt vielmehr auch die entsprechende gelebte funktionelle Unterscheidung von Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen wieder. c) Ergebnis: Die Fusion von Art. 159, 165 WRV in Art. 9 Abs. 3 GG Die Fusion der Schutzbereichsgarantien der Art. 159 und 165 WRV in Art. 9 Abs. 3 GG wirkt sich in konsequenter Fortführung sodann auf den Begriffsinhalt der Arbeitsbedingungen einerseits und der Wirtschaftsbedingungen andererseits aus. Diese sind in ihrer dogmatischen Einordnung hierbei gegenständlich schutzbereichskonstituierend.127 Damit einher geht eine Einteilung des Art. 9 Abs. 3 GG auf (zumindest zum Zwecke dieser Darstellung) im Wesentlichen zwei grundrechtliche Garantien: die Vertragsautonomie mit der kollektivautonomen Gestaltung der Lohn- und Arbeitsbedingungen einerseits und die Mitwirkung an der eben nicht „nur“ unmittelbaren Arbeitsplatzgestaltung, sondern vielmehr an der „[gesamt-]wirtschaftlichen Entwicklung“ des Mitwirkungs- und nach dem hiesigen Verständnis Mitbestimmungsobjektes – dem Unternehmen bzw. dem Betrieb andererseits.128 Diese erste 124 Anders Pieroth, FS BVerfG 2001, Band 2, S. 239, 296, der davon ausgeht, dass Art. 165 WRV „ersatzlos“ gestrichen wurde. S. zu der Rolle der Gewerkschaften im vorläufigen Reichswirtschaftsrat bereits Abschnitt A. I. 2. a) bb) (2) (b) dieses Kapitels. 125 S. nur Mansfeld, BRG, § 18 Anm. 2 a), b) zur Wahl und § 66 Anm. 4 c) zur Betriebsvereinbarung. Zu den Einzelheiten des BRG sei auf Kapitel 2, Abschnitt A. V. verwiesen. Für eine verfassungsrechtliche Einordnung s. auch Abschnitt A. I. 3. b) dieses Kapitels. 126 BGBl. II 1990, S. 537, 545. 127 LAG Hessen v. 9. 9. 2015 – 9 SaGa 1082/15, NZA 2015, 1337, 1340; darstellend auch Poscher, NZA 2017, 235, 236. 128 Höpfner, RdA 2020, 129, 136; zumindest für die betriebliche Teilhabe Ehmann, FS Zöllner 1998, Band 2, S. 715, 730; auch Nikisch, Arbeitsrecht, Band 2, S. 5; Hueck/Nipperdey/Nipperdey, Arbeitsrecht, Band 2, 6. Auflage, S. 112; Schnorr, RdA 1955, 3, 8; a. A. Badura, Paritätische Mitbestimmung, S. 56 mit einem Verweis auf Ausführungen im „Mitbe-

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3. Kap.: Das Recht der Unternehmensmitbestimmung

Differenzierung der beiden Schutzbereiche kann anhand des Koalitionszwecks vorgenommen werden: Die Tarif(vertrags-)autonomie inkl. der Freiheit, schuldvertragliche Koalitionsvereinbarungen abzuschließen, beschränkt sich inhaltlich und damit auch nach ihrem Schutzbereich auf die „Lohn- und Arbeitsbedingungen“, während sich die übrige Tätigkeit der Gewerkschaften als „unmittelbare Mitträger unseres Gemeinschaftslebens [und] an der Organisation des Wirtschaftsprozesses [Beteiligte]“129 auf Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen konkretisiert.130 Während die Tarifautonomie nur die Betätigung der Koalitionen zum Zwecke der Lohn- und Arbeitsbedingungen umfasst, betrifft der Schutz des Art. 9 Abs. 3 GG auf der Ebene der Mitbestimmung die Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen im Sinne einer umfangreichen wirtschaftlichen Interessenvertretung, welche auch Materien umfassen kann, die nicht unmittelbar die Arbeitsbedingungen der Arbeitnehmer tangieren. Vielmehr könnte man so weit gehen, zu stipulieren, dass es vielmehr auch um die Beeinflussung des Arbeitsumfeldes gehen kann. Richardi stellte es plakativ, aber zutreffend so dar, dass die betriebliche Mitbestimmung sich mit den Fragen des „Wie“ und „Mit wem“ der Produktion (Arbeit grundsätzlich) befasst, während auf Unternehmensebene eine Bestimmung des Arbeitsziels im Sinne eines Produktionsziels sowie der dafür erforderlichen finanziellen Grundausstattung stattfindet.131 Zu dem gleichen Ergebnis kommt auch das Bundesverfassungsgericht in seinem „Mitbestimmungsurteil“: „Als Freiheitsrecht will Artikel 9 Abs. 3 GG in dem von staatl. Regelung freigelassenen Raum gewährleisten, daß die Beteiligten selbst eigenverantwortl. bestimmen können, wie sie die Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen fördern wollen. Daß dies nur im Wege von Tarifverträgen möglich sein sollte, ist nicht zu erkennen, zumal eine solche Lösung auf eine Einschränkung der gewährleisteten Freiheit hinausliefe. Vielmehr kann die sinnvolle Ordnung und Befriedung des Arbeitslebens, um die es Artikel 9 Abs. 3 GG geht, auf verschiedenen Wegen angestrebt werden: nicht nur durch Gestaltungen, die, wie das Tarifsystem, durch die Grundelemente der Gegensätzlichkeit der Interessen, des Konflikts und des Kampfes bestimmt sind, sondern auch durch solche, die Einigung und Zusammenwirken in den Vordergrund rücken, wenngleich sie Konflikte und deren Austragung nicht ausschließen. Auch der zweite Weg vermag namentl. der Aufgabe der Befriedung gerecht zu werden.“132 Regelungsgegenstand des Art. 9 Abs. 3 GG sei die freiheitliche autonome Gestaltung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen. Eine instrumentale Beschrän-

stimmungsurteil“; Kolbe, Mitbestimmung und Demokratieprinzip, S. 167; ebenso Scheuner, Die Rolle der Sozialpartner, in: Streithofen, Die Rolle der Sozialpartner in Staat und Gesellschaft, S. 9, 40; Weber, FS OLG Celle 1961, S. 239, 245 f. 129 So Schmid, in: Feldkamp, Der Parlamentarische Rat 1948/1949, Band 14/II, S. 1384. 130 Höpfner, RdA 2020, 129, 136. 131 Richardi, JbArbR 13 (1976), 19, 22. 132 BVerfG v. 1. 3. 1979 – BvR 532/77 u. a., AP MitbestG § 1 Nr. 1 [B. IV 2. b) aa)].

A. Die normativen Anknüpfungspunkte

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kung auf das Mittel der Tarifautonomie sei nicht zu erkennen.133 Während im Rahmen der Tarifverhandlungen die Gegensätzlichkeit der Interessen im Vordergrund stehe und daher auf einen Konsens oftmals im Wege des Arbeitskampfes hingewirkt würde, könnte eine sinnvolle Ordnung und Befriedung des Arbeitslebens auch durch eine Einigung innerhalb eines Gremiums selbst erfolgen.134 Das Argument, eine andere Interpretation würde eine Beschränkung eben jener Freiheit bedeuten,135 mutet indes zumindest dann zirkulär an, wenn man versucht, eine grundrechtliche Garantie der Unternehmensmitbestimmung in Art. 9 Abs. 3 GG erst einmal zu finden. In der Anerkennung einer Parallelität von Koalitionsmitteln liegt nämlich nicht ihre Verankerung in der Verfassung selbst. Historisch konsequent ist es vielmehr, dass sowohl die Unternehmensmitbestimmung als auch die Tarifautonomie in ihrem verfassungsrechtlichen Gewährleistungshalt zwingende Ausgestaltungen der Koalitionsfreiheit gem. Art. 9 Abs. 3 GG sind.136 Somit ist die verfassungsrechtliche Zulässigkeit einer Regelung auf dem Gebiet der Unternehmensmitbestimmung gleichsam auch an Art. 9 Abs. 3 GG zu messen und kann auch die Tarifautonomie in ihrem Gewährleistungsgehalt (zulässigerweise) einschränken. Die divergierenden Vertretungsmechanismen sind in der Folge im Wege der praktischen Konkordanz im Sinne der Verhältnismäßigkeit gegeneinander aufzuwiegen.137 3. Konsequenzen für den Koalitionsbegriff Dieses Auslegungsergebnis wirkt sich neben der materiellen Gewährleistung auch in personeller Hinsicht auf den Begriff der Koalitionen aus, da diese Anknüpfungspunkt für die Eröffnung des Schutzbereiches der Koalitionsfreiheit sind. In Wechselwirkung mit der koalitiven Betätigungsfreiheit muss der Koalitionsbegriff als solcher alle Eigenschaften und Voraussetzungen in sich tragen, die für den verfassungsrechtlich garantierten Umfang sämtlicher Koalitionsmittel gelten. Da insofern auch hier die Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen den materiellen Rahmen stecken, kann der Koalitionsbegriff ebenso nur unter Rekurs auf die Entstehungsgeschichte gefunden werden.

133 So zuvor bereits BVerfG v. 30. 11. 1965 – 2 BvR 54/62, NJW 1966, 491 für das Personalvertretungswesen; offengelassen zuvor noch in BVerfG v. 14. 4. 1964 – 2 BvR 69/62, BVerfGE 17, 319, 333. 134 BVerfG v. 1. 3. 1979 – 1 BvR 532/77 u. a., AP MitbestG § 1 Nr. 1 [C. IV. 2. b) cc)]. 135 BVerfG v. 1. 3. 1979 – 1 BvR 532/77 u. a., AP MitbestG § 1 Nr. 1 [C. IV. 2. b) aa)]. 136 Kempen, FS Richardi 2007, S. 587, 598. 137 BVerfG v. 1. 3. 1979 – 1 BvR 532/77 u. a., AP MitbestG § 1 Nr. 1 [B. IV 2. b) cc)]; Kempen/Zachert/Kempen, TVG, Grundlagen Rn. 177; auch ders., FS Richardi 2007, S. 587, 598.

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3. Kap.: Das Recht der Unternehmensmitbestimmung

a) Die Aussagekraft des Art. 159 S. 1 WRV Frühe Einigkeit bestand bereits darüber, dass es sich bei den Vereinigungen der Arbeitnehmer oder der Arbeitgeber um solche Zusammenschlüsse im Sinne des Art. 124 WRV handelte, die darüber hinaus eine spezielle Gewährleistung in sich trügen. Hier unterschied sich sodann auf verfassungsrechtlicher Ebene die allgemeine Vereinigungsfreiheit von der sog. wirtschaftlichen Vereinigungsfreiheit nach Art. 159 WRV.138 Dabei vollzog sich sowohl in der Schöpfungsphase der Verfassung wie auch im Anschluss in der wissenschaftlichen und praktischen Auseinandersetzung eine Gleichsetzung von Vereinigungsbegriff und Koalitionsbegriff.139 Der Begriff der Koalition fand nur deshalb keinen Eingang in den Verfassungstext, um keine Kodifikation des Streikrechtes zu vollziehen. Vereinigungen bzw. Koalitionen waren demnach freiwillige Zusammenschlüsse natürlicher Personen zur Wahrnehmung von Arbeitnehmer- oder Arbeitgeberinteressen.140 aa) Das zentrale Kriterium der Unabhängigkeit Dieses Element der Interessensvertretung drückte sich nach damaligem Verständnis auch in einer gewissen personellen Isolation der Vereinigungen aus. Um Koalition im Sinne des Art. 159 WRV zu sein, musste eine Vereinigung zunächst unabhängig von der Gegenseite sein.141 Gemeint war damit zunächst eine personelle Gegnerreinheit. Der geschichtlich gewachsene Zweck der Vereinigungen, die Interessen ihrer Mitglieder zu fördern, sei nur zu erreichen, wenn sie unabhängig und damit unbeeinflusst von der Gegenseite agieren könnten.142 Damit wird die für eine Unabhängigkeit erforderliche Gegnerreinheit zum „notwendigen Merkmal der wirtschaftlichen Vereinigungen“143. im Sinne eines bekannten Motivs schieden nach diesem Verständnis Harmonieverbände als Koalitionen aus.144 Die Unabhängigkeit von wirtschaftsfriedlichen oder gelben Gewerkschaften bzw. Werkvereinen sollte hingegen im jeweils konkreten Fall davon abhängig gemacht werden, ob eine Unabhängigkeit nachweisbar war. Dabei sollten insbesondere Gründungsvorgang, Leitung und finanzielle Zuwendungen im Sinne von Beiträgen begutachtet wer-

138

Nipperdey/Nipperdey, Grundrechte, Band 3, Art. 159, S. 397. Siehe nur Sinzheimer, Die Arbeit 1926, 669. 140 Nipperdey/Nipperdey, Grundrechte, Band 3, Art. 159, S. 387; 1926, 669 f. 141 Sinzheimer, Grundzüge des Arbeitsrechts, S. 69 ff.; ders., Die s. auch Höpfner, ZfA 2019, 108, 123. 142 Nipperdey/Nipperdey, Grundrechte, Band 3, Art. 159, S. 392; 1926, 669, 670 f. 143 Nipperdey/Nipperdey, Grundrechte, Band 3, Art. 159, S. 392. 144 Nipperdey/Nipperdey, Grundrechte, Band 3, Art. 159, S. 388; 1926, 669, 670. 139

Sinzheimer, Die Arbeit Arbeit 1926, 669, 670; Sinzheimer, Die Arbeit

Sinzheimer, Die Arbeit

A. Die normativen Anknüpfungspunkte

189

den.145 Sämtliche Indizien also, die auch noch heute für eine Gegnerunabhängigkeit herangezogen werden (s. Kapitel 1, Abschnitt A. II. 2.). Ein Streit wurde indes darüber geführt, ob die Koalitionen überbetrieblich als berufliche Organisationen verfasst sein müssten. Zum Teil wurde dies vorausgesetzt, sodass Koalitionen entweder als Berufsvereine oder Industrieverbände organisiert sein mussten.146 Die Befürworter einer überbetrieblichen Organisation verknüpfen damit zumeist das Erfordernis der Unabhängigkeit. Demnach sei eine Gegnerunabhängigkeit – und vor allem eine Unabhängigkeit vom sozialen Gegenspieler – so lange nicht garantiert, wie eine Vereinigung einzig von dem Schicksal eines Betriebes bzw. eines Arbeitgebers abhänge.147 Zudem verwies Sinzheimer konsequent darauf, dass denselben Koalitionen auch im Rahmen der betrieblichen Mitbestimmung Rechte neben der Betriebsvertretung zugewiesen worden waren, welche lediglich betriebsbezogen verfasst waren.148 Eine Parallelität der Aufgabenwahrnehmung erscheint nachvollziehbar nur über eine unterschiedlich facettierte Interessenrichtung und dementsprechend einen organisatorischen Auf- und Unterbau zu rechtfertigen. Da für die Gegenansicht auch bei mangelnder Überbetrieblichkeit eine gegnerseitige Unabhängigkeit verlangt wurde,149 blieb es insofern bei der objektiven Betrachtung der oben genannten Unabhängigkeitskriterien. Der Streit wirkte sich daher nur in solchen Fällen aus, in denen das Erfordernis der Überbetrieblichkeit eine anderweitig vorliegende Unabhängigkeit überlagern würde.150 bb) Keine Arbeitskampfbereitschaft Eine Arbeitskampfbereitschaft oder gar -willigkeit war indes nicht erforderlich.151 Es musste sich jedoch stets um Vereinigungen von ausschließlich entweder Arbeitgebern oder Arbeitnehmern handeln, sodass gemischte Zusammenschlüsse im Sinne von Harmonieverbänden nicht mehr von Art. 159 WRV, sondern allenfalls von Art. 124 WRV erfasst wurden, nach welchem „[a]lle Deutschen das Recht [hatten], zu Zwecken, die den Strafgesetzen nicht zuwiderlaufen, Vereine oder Gesellschaften zu bilden.“152 In der Verfolgung ihrer mitgliedschaftlich kommunizierten Ziele standen sie stets einem sozialen Gegenspieler gegenüber. Dazu nahmen die Verei145 Nipperdey/Nipperdey, Grundrechte, Band 3, Art. 159, S. 395; s. auch Höpfner, ZfA 2019, 108, 122. 146 So Nipperdey/Nipperdey, Grundrechte, Band 3, Art. 159, S. 395; Sinzheimer, Grundzüge des Arbeitsrechts, S. 70 ff.; ders., Die Arbeit 1926, 669, 671; a. A. Hueck, JW 1921, 613 f.; Jacobi, Grundlehren, S. 64; mit einer Darstellung des damaligen Meinungsbildes Höpfner, ZfA 2019, 108, 123 ff. 147 Statt aller instruktiv Sinzheimer, Die Arbeit 1926, 669, 670 f. 148 Sinzheimer, Die Arbeit 1926, 669, 671; ebenso Mansfeld, BRG, § 8 Anm. 1. 149 So Jacobi, Grundlehren, S. 159 ff., 178. 150 Kritisch aus diesem Grunde auch Höpfner, ZfA 2019, 108, 125. 151 Nipperdey/Nipperdey, Grundrechte, Band 3, Art. 159, S. 387. 152 S. dazu Höpfner, Tarifgeltung im Arbeitsverhältnis, S. 99.

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3. Kap.: Das Recht der Unternehmensmitbestimmung

nigungen per definitionem die gegenläufigen Positionen ein. Das Verständnis von Macht und Gegenmacht war somit bereits in der Zeit der WRV Bestandteil des Koalitionsbegriffs.153 Die prominentesten Beispiele der Koalitionen waren und sind Gewerkschaften und Arbeitgebervereinigungen. Bei ihnen handelte es sich um Zusammenschlüsse mehrerer Personen, welche sich dauerhaft zur Förderung und Wahrung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen zusammengeschlossen hatten und deren Organisation korporativ unabhängig von einer etwaigen Mitgliederfluktuation Bestand hatte.154 In ihrem Anerkennungsbedürfnis lag auch die Unterscheidung zu Vereinen und Verbänden des öffentlichen Rechts. Sie sollten durch die verfassungsrechtliche Gewährleistung gerade in die Position versetzt werden, frei von der Beeinflussung Dritter die Interessen ihrer Mitglieder wahrnehmen zu können. Sie dienten vielmehr als Kollektivventil individueller Interessendurchsetzung und sind damit ein Paradebeispiel institutionalisierter kollektiver Selbsthilfe.155 Darin zeigt sich erneut auch die historische und ideelle Entstehungsgeschichte der Koalitionen: Sie erwuchsen aus dem Bedürfnis der arbeitenden Gesellschaft, sich durch gemeinsame Organisation selbst zu helfen. Dies wurde nicht vom Staat gewährleistet oder entsprechend gefördert, sondern entstand aus einem sozioökonomischen Bedürfnis der Lebenswirklichkeit.156 Diesbezüglich darf auch nicht verkannt werden, dass sowohl der Tarifvertrag als auch die Rätebewegung diese ideelle Entstehungsgeschichte gemeinsam haben.157 Das Zweckmoment innerhalb der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen bestimmte den materiellen Umfang der Koalitionsfreiheit nicht nur in der Abgrenzung zu Art. 124 WRV, sondern auch als Kompetenzrahmen der Koalitionen. Dies bedeutet gleichzeitig jedoch auch, dass die Aufgaben der Koalitionen in der Wahrnehmung der Arbeitnehmerinteressen über diejenigen hinausgehen müssen, die sich durch den Abschluss von Tarifverträgen fördern lassen: „Das kollektive Arbeitnehmerinteresse ist so weit wie der Bereich der Interessen der Arbeitnehmer überhaupt.“158 Der Fokus auf das Tarifrecht als Teilaspekt der Mitbestimmung ist gleichsam historisch zu begründen und wohl auch nach wie vor weit verbreitet. Dennoch liegt gerade in der Benennung der „Arbeits-

153 Stellv. Nipperdey/Nipperdey, Grundrechte, Band 3, Art. 159, S. 399; Groh, Koalitionsrecht, S. 11; so auch im Hinblick auf Art. 165 Abs. 1 Poetzsch-Heffter, WRV, Art. 159, S. 500; a. A. Richter, VerwArch 32 (1927), 1, 12 f. S. hierzu auch die historische Perspektive in Kapitel 1, Abschnitt C. I. 2. 154 Nipperdey/Nipperdey, Grundrechte, Band 3, Art. 159, S. 388. 155 Zur Unterscheidung der Koalitionen schon damals von öffentlichen Verbänden Nipperdey/Nipperdey, Grundrechte, Band 3, Art. 159, S. 388 f. 156 Nipperdey/Nipperdey, Grundrechte, Band 3, Art. 159, S. 391; Picker, ZfA 1986, 199, 246 ff., 256; Säcker/Oetker, Grundlagen und Grenzen der Tarifautonomie, S. 62 f. 157 Sinzheimer in der Verfassungsgebenden Nationalversammlung, Band 336, Nr. 391, S. 393. 158 Sinzheimer, Die Arbeit 1926, 669, 672.

A. Die normativen Anknüpfungspunkte

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und Wirtschaftsbedingungen“ die kompetenzielle Zuweisung auf unterschiedliche – gleichberechtigte – Mechanismen.159 b) Die Bedeutung des Art. 165 Abs. 1 S. 2 WRV Trotz dieser Kriterien, die in ihrem Gutteil unbestritten sind, blieb das Verständnis der Koalitionen auf Verfassungsebene – und korrespondierend der Tariffähigkeit – bis zuletzt zumindest unkonturiert. Dies lag wohl auch an der Vermischung von Begrifflichkeiten wie Vereinigung, Koalition und Berufsverband, welche zum Teil synonym, zum Teil auch kategorisierend bzw. unterkategorisierend verwandt wurden.160 An dieser Stelle vermittelt nun die Entstehungschronologie der Verfassung und der TVVO. In der abweichenden Formulierung des Art. 165 Abs. 1 S. 2 WRV im Vergleich zu Art. 159 WRV bzw. vielmehr § 1 TVVO soll keine Verweisung auf das öffentliche Recht liegen.161 Es sollten vielmehr der Zustand der Gewerkschaften und ihre Rechte verfassungsrechtlich gefestigt werden und insbesondere eine funktionale Abgrenzung zu dem im Weiteren in Art. 165 WRV verankerten Rätesystem erfolgen.162 Art. 165 Abs. 1 S. 2 WRV zielte darauf ab, die letzten Zweifel an der Legitimation der wirtschaftlichen Berufsverbände zu beseitigen und sie aus ihrer staatlichen Duldung zu befreien. Sie wurden nunmehr von Staatsseite anerkannt. In der Wahl des Wortes „Anerkennung“ bzw. „anerkannt“ wird auch deutlich, dass es sich nicht um eine staatliche Schöpfung handelte, sondern um die Anerkennung von bereits anderweitig Entstandenem. Gleichzeitig muss sich auch aus diesem Verständnis der Inhalt des Begriffes „Organisationen“ ergeben. Gemeint sein müssen die Verbände der Arbeitnehmer und Arbeitgeber, wie sie in Teilen bereits durch § 152 GewO 1869 geduldet wurden und sich gegen die nachfolgende staatliche Supression gewehrt haben. Mit den dort genannten Organisationen sind also ebenso die Berufsverbände gemeint.163 Die unterschiedlichen Bezeichnungen von Vereinigung und Organisation wirken sich demnach inhaltlich nicht aus.164 Auch unter den „gegenseitigen Organisationen“ verstand man feste, auf Dauer angelegte Zusammen-

159 Vertieft dazu bereits die gegenständliche Schutzbereichsanalys in Abschnitt A. I. 2. dieses Kapitels sowie die Zusammenfassung in Abschnitt A. I. 4. An dieser Stelle sei verwiesen auf die pointierte Darstellung bei Sinzheimer, Die Arbeit 1926, 669, 672; für das Betriebsverfassungsrecht in der Ausprägung des BRG von 1920 Mansfeld, BRG, § 8 Anm. 1, 2. 160 S. mit einer Aufzählung der Bezeichnungen auch Mansfeld, BRG, § 8 Anm. 2; beispielhaft für eine synonyme Verwendung Sinzheimer, Die Arbeit 1926, 669, 670; differenzierend noch Nipperdey/Nipperdey, Grundrechte, Band 3, Art. 159, S. 388 f. 161 So Nipperdey/Nipperdey, Grundrechte, Band 3, Art. 159, S. 389. 162 Nipperdey/Nipperdey, Grundrechte, Band 3, Art. 159, S. 388; ebenso Anschütz, Verfassung des Deutschen Reichs, Art. 165 Anm. 3. 163 Nipperdey/Tatarin-Tarnheyden, Grundrechte, Band 3, Art. 165, S. 533. 164 So zumindest konkludent wohl auch Nipperdey/Tatarin-Tarnheyden, Grundrechte, Band 3, Art. 165, S. 534 f.

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3. Kap.: Das Recht der Unternehmensmitbestimmung

schlüsse zu einem bestimmten Zweck – also erst einmal Vereinigungen.165 Diese sollten gegnerrein und gegnerunabhängig sein und daher die Fähigkeit zur echten sozialen Gegnerschaft besitzen.166 Der bestimmte Zweck musste in der Förderung einer vom Gegenspieler unabhängigen Lohn- und Arbeitspolitik liegen.167 Diese Zielsetzung verband man insbesondere mit Art. 165 Abs. 1 S. 1 WRV.168 Auch im Zusammenhang mit der Anerkennung der „beiderseitigen Organisationen“ fiel oft die Bezeichnung dieser als „Berufsverbände“.169 Die Bezeichnungsdifferenzen lassen sich allerdings mit Blick auf die historische Normkontextualisierung erklären: Diese sieht eine erhebliche Verknüpfung zwischen Inhalt und Zielsetzung des Stinnes-Legien-Abkommens und der Intention des Art. 165 S. 1 WRV.170 Die Formulierung „Organisationen“ wird schließlich wohl darauf zurückzuführen sein, dass Art. 165 Abs. 1 WRV vor allem dazu dienen sollte, die Räte und die Vereinigungen begrifflich und kompetenziell voneinander abzugrenzen.171 Aus diesem Grunde sollte auch keine terminologische Einflussnahme auf den Gewährleistungsgehalt des Art. 159 WRV erfolgen. Art. 159 WRV, der selbst nicht von Vereinigungen sprach, konnte sich zumindest begrifflich auf § 1 TVVO stützen und bedurfte daher keiner weitergehenden Definition der Vereinigungen selbst. Sodann verwundert auch weniger, dass die „Vereinigungen“ und ihre Voraussetzungen stets in einem Atemzug mit den Erfordernissen einer Tariffähigkeit genannt werden.172 Die kompetenzielle Differenzierung zwischen Räten und Vereinigungen überließ den Vereinigungen als hauptsächliches Mittel ihrer Betätigung den Tarifvertrag, während die Räte die wirtschaftlichen Belange der Arbeitnehmer außerhalb eines lohnspezifischen Kontextes regeln sollten.173 Dass somit ggf. der Vereinigungsbegriff des Art. 159 WRV auch mit dem Fokus auf eine Tariffähigkeit geprägt wurde, schadet nicht, da sich gleichzeitig die Verfassungsgeber und die Normgeber der TVVO des Bedürfnisses nach Offenheit der Regelung bewusst waren.174 Dies spiegelt sich nicht zuletzt in der regulativen Zurückhaltung des Verordnungsgebers und in den Bestrebungen der Verfassungsgeber, das Arbeitsrecht zu vereinheitlichen. Die vorsichtige Grundhaltung des Verfassungsgebers im Hin165

Nipperdey/Tatarin-Tarnheyden, Grundrechte, Band 3, Art. 165, S. 538. Nipperdey/Tatarin-Tarnheyden, Grundrechte, Band 3, Art. 165, S. 538. 167 Tatarin-Tarnheyden, Berufsverbände, S. 26 f. 168 Nipperdey/Tatarin-Tarnheyden, Grundrechte, Band 3, Art. 165, S. 538. 169 Sinzheimer, Die Arbeit 1926, 669, 670; Tatarin-Tarnheyden, Berufsverbände, S. 27. 170 Für eine solche zeitliche wie inhaltliche Verbindung auch Nipperdey/Tatarin-Tarnheyden, Grundrechte, Band 3, Art. 165, S. 536. 171 Sinzheimer in der Verfassungsgebenden Nationalversammlung, Band 328, S. 1751 A. 172 Mansfeld, BRG, § 8 Anm. 2; Nipperdey/Nipperdey, Grundrechte, Band 3, Art. 159, S. 400; Tatarin-Tarnheyden, Berufsverbände, S. 28. 173 Sinzheimer in der Verfassungsgebenden Nationalversammlung Band 328, S. 1751 A. 174 Bereits Sinzheimer in der Verfassungsgebenden Nationalversammlung Band 328, S. 1752 A; auch bereits im Rahmen der Gesetzgebung der TVVO, s. dazu Hainke, Vorgeschichte und Entstehung der TVVO, S. 35; Mansfeld, BRG, § 8 Anm. 2. 166

A. Die normativen Anknüpfungspunkte

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blick auf die Koalitionen wird eindrucksvoll in seiner beinahe nachhallenden Stille zu Koalitionsmitteln bzw. der Koalitionsbetätigung deutlich.175 Aus normhistorischer Perspektive wenig verwunderlich wurde der Abschluss von Tarifverträgen wohl noch immer als Primat des Koalitionsmittels angesehen.176 Dies gilt zumindest im Hinblick auf das Verständnis von der Gegenmacht der Koalitionen als Vertragspartner. So war doch die TVVO noch vor der verfassungsrechtlichen Absicherung die erste einfachgesetzliche Verankerung arbeitsrechtlicher Ordnungsvorstellungen des Gesetzgebers als Reaktion auf die Ereignisse der Novemberrevolution und auch des Stinnes-Legien-Abkommens.177 Diese Betrachtung der Gesetzgebungshistorie mutet indes punktuell an und lässt die Normierung des BRG als Konkretisierung des Räteartikels Art. 165 WRV außer Acht. Auch der vereinzelt zu findenden Hypothese, der Koalitionsbegriff bezeichne historisch nur Arbeitnehmervereinigungen, da auch die Koalitionsfreiheit ein vornehmlich arbeitnehmerbezogenes Grundrecht gewesen sei, ist daher bereits an dieser Stelle mit Ablehnung zu begegnen.178 Eine solche Differenzierung findet sich insbesondere nicht in der Anerkennung nach Art. 165 Abs. 1 S. 2 WRV. c) Die verfassungsrechtliche Apotheose der demokratischen Organisation In diesem Lichte kann und muss schließlich auch das Erfordernis einer demokratischen Organisation betrachtet werden, welches diese beiden Kompetenzbereiche notwendigerweise in sich vereinen muss. Beschränkt man die Legitimationsforderung nach einer demokratischen Binnenstruktur auf den Fall tariflicher Normsetzung, bleibt zunächst einmal die Normsetzung im Betrieb durch Betriebsvereinbarung unberücksichtigt.179 Diese wirkt zweifelsfrei ebenso nicht nur für die jeweiligen Mitglieder der im Betriebsrat vertretenen Gewerkschaften, sondern gem. § 77 Abs. 4 S. 1 BetrVG unmittelbar zwingend. In diesem Zusammenhang repräsentieren die Gewerkschaften alle Arbeitnehmer des Betriebes. Sieht man in der demokratischen Organisation lediglich die Rückbesinnung der Entscheidungsträger auf den mitgliedschaftlichen Mehrheitswillen, kann diese im Rahmen der betriebsverfassungsrechtlichen Betätigung der Koalitionen wie auch im Rahmen derjenigen nach dem MitbestG freilich zumindest im Hinblick auf Außenseiterinteressen außer Acht bleiben. Allerdings liegt in der gesetzlich angeordneten Allgemeinrepräsentation in diesen Bereichen ko175

Anschütz, Verfassung des Deutschen Reichs, Art. 159 Anm. 5. Exemplarisch Nipperdey/Nipperdey, Grundrechte, Band 3, Art. 159, S. 399. 177 Nörr, ZfA 1986, 403, 404. 178 So aber Weber, FS OLG Celle 1961, S. 239, 242 ohne materiale Kontextualisierung; sowie R. Hoffmann, Der Grundsatz der Parität, in: Kittner, Streik und Aussperrung, S. 47, 65; ebenso wohl auch im Ergebnis Berghäuser, Koalitionsfreiheit als demokratisches Grundrecht, S. 174 f.; für die entgegenstehende Ansicht s. nur Henssler/Willemsen/Kalb/Hergenröder, Art. 9 GG Rn. 26. 179 So aber Preis/Greiner, Kollektivarbeitsrecht, Rn. 87. 176

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3. Kap.: Das Recht der Unternehmensmitbestimmung

alitiver Betätigung ein Eingriff in die negative Koalitionsfreiheit (negative Mitbestimmungsfreiheit) der Außenseiterarbeitnehmer.180 Um diesen zu rechtfertigen, ist nicht nur eine durch Wahl unterstützte Legitimationsgrundlage zu schaffen, es muss auch sichergestellt werden, dass der Schutz der Arbeitnehmer, welcher ein gewichtiges Argument zugunsten einer Verhältnismäßigkeit des Eingriffes darstellt, auch tatsächlich sichergestellt ist. Die in der Verfassung in Art. 20 GG angelegten Grundsatzentscheidungen (bspw. Demokratieprinzip und Rechtsstaatlichkeit) treffen eine Aussage darüber, welche fundamentalen Anforderungen der Staat an den Schutz der Grundrechtsberechtigten gestellt hat. Diese entfalten zwar keine unmittelbare Wirkung für die Koalitionen selbst. Sie bedingen einen Mindeststandard betreffend jedoch die verbandsinterne Struktur der Vereinigungen. Dies umso mehr, ist doch den Gewerkschaftsmitgliedern die Möglichkeit des Austrittes geblieben, während den Außenseitern lediglich die nachgelagerte Möglichkeit bleibt, den Repräsentanten die Wiederwahl zu versagen.181 Beide Gruppen müssen freilich für einen gewissen Zeitraum die fortgeführte Repräsentation bis zur nächsten Wahl ertragen. Durch die Austrittsmöglichkeit vermögen jedoch zumindest die Mitglieder einen gewissen Druck auf die Konzeption und Ausrichtung der Koalition auszuüben.182 Doch selbst wenn man von einer geringeren Durchsetzbarkeit der Mehrheitsinteressen in Fällen der Allgemeinrepräsentation ausgeht, können die Anforderungen an die demokratische Organisation nicht herabgesetzt werden. So ist für die gewerkschaftliche Unternehmensmitbestimmung erforderlich, dass mindestens ein Mitglied der jeweiligen Gewerkschaft auch Arbeitnehmer des betreffenden Unternehmens ist. Für dieses Mitglied ist daher umso wichtiger, die Interessen in Bezug auf das Unternehmen auch durch die Koalition vertreten zu wissen. Überdies müssen die Gewerkschaftsvertreter nicht Mitglieder der Gewerkschaft sein, sodass eine adäquate Interessenvertretung von der Gewerkschaft selbst entsprechend dem Mehrheitswillen bereits im Willensbildungsprozess sichergestellt werden muss. Insofern führt auch die Ausnahme von Zwangsvereinigungen aus dem Schutzbereich des Art. 9 Abs. 3 GG zurück zu dieser Annahme. Indem der Verfassungsgeber den freiwilligen Beitritt explizit sowie konkludent auch den freiwilligen Verbleib und Austritt zur Voraussetzung der Koalitionseigenschaft machte, traf er eine Entscheidung über das auf Autonomie beruhende Verhältnis von der Koalition zu ihren Mitgliedern. Dies wird umso deutlicher, bedenkt man die intensiven Diskussionen, betreffend den Umfang und die Rechtmäßigkeit gewerkschaftlicher „Beitrittswerbung“.183 Doch auch außerhalb der tarifvertraglichen Repräsentation werden im Rahmen der Betriebsverfassung und der Unternehmensmitbestimmung – ebenso wie auch bei der prozessualen Vertretung vor Gericht – Mitgliederinteressen 180

S. dazu vertieft Abschnitt B. II. dieses Kapitels. S. Schüren, Legitimation der tariflichen Normwirkung, S. 262. 182 Zumindest in der Theorie auch Schüren, Legitimation der tariflichen Normsetzung, S. 262. 183 S. nur Pikart/Werner, Parlamentarischer Rat 1948 – 1949, Band 5/II, S. 687 ff.; Feldkamp, Parlamentarischer Rat 1948 – 1949, Band 14/I, S. 521 f. 181

A. Die normativen Anknüpfungspunkte

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tangiert. Die Vertretung der Außenseiter erfolgt zumindest für die Mitbestimmungsfrage lediglich überschießend und die Frage der Legitimation wird damit geteilt. Daher bleibt auch das Erfordernis der legitimatorischen Rückkopplung bestehen.184 Den Koalitionen soll im Ergebnis keine überbordende Demokratisierung im Sinne des Art. 21 GG oktroyiert werden.185 Die Forderung nach einem gewissen demokratischen Mindeststandard orientiert sich letztlich an der mittelbaren Drittwirkung der Grundrechte. Geht man beispielsweise von einer Satzung aus, welche Neumitgliedern der Gewerkschaft innerhalb der ersten drei Jahre ihrer Mitgliedschaft kein oder ein nur eingeschränktes Stimmrecht zubilligte, wird diese Satzung aufgrund einer sachlich ungerechtfertigten Benachteiligung der Neumitglieder kaum Bestand haben können. Insofern findet der aus Demokratiegesichtspunkten unabdingbare Grundsatz der Gleichheit der Mitglieder Eingang in die Satzung der Vereinigung.186 Allen Formen koalitiver Betätigung ist indes gemein, dass sie nur so lange bestehen können, wie für die im Rahmen ihrer Betätigung erzielten Ergebnisse eine Angemessenheit vermutet werden kann. Diese würde durch eine undemokratische – nicht entsprechend der Mehrheitsverhältnisse zustande gekommene – Willensbildung konterkariert. Zieht sich der Gesetzgeber aus der Regelung der Arbeitsverhältnisse zurück und überlässt diese im Rahmen der Tarifautonomie und der Mitbestimmung den Koalitionen, muss diese Regelungsmacht zumindest in ihrem Ursprung auch gewissen rechtsstaatlichen Mindestanforderungen gerecht werden. Diese Voraussetzung gilt unabhängig von der unzutreffenden Hypothese staatlicher Normsetzungsdelegation und lässt sich im Rahmen der staatlichen Schutzpflicht auf die Verfassungsprinzipien des Art. 20 Abs. 1, 3 GG zurückführen. Die Vermutung eines angemessenen Interessenausgleiches durch die sozialen Gegenspieler kann ungeachtet inhaltlicher Sachfragen nicht angestellt werden, wenn die zum Ausgleich zu bringenden Interessen bereits innerhalb der Meinungsbildung durch die einzelnen Gegenspieler nicht angemessen berücksichtigt werden. Insofern wohnt den Koalitionen bereits von Verfassungs wegen eine demokratische Organisation im Sinne demokratischer Willensbildung inne.187 Dies wird untermauert, ruft man sich die historisch-funktionelle Bedeutung der Koalitionen vor Augen. Im Wege kollektiver Assoziation sollten die individuellen Interessen der Arbeitnehmer durch die Bildung von Vereinigungen repräsentiert 184 Kamanabrou, Arbeitsrecht, Rn. 1661. In diesem Sinne auch Zöllner, Rechtsnatur der Tarifnormen, S. 19, der in „gewisse[n] demokratische[n] Mitwirkungsgarantien“ ein Autonomieerfordernis sieht. 185 So auch Säcker, Probleme der Repräsentation von Großvereinen, S. 34; Dürig/Herzog/ Scholz/Scholz, GG, Art. 9 Rn. 206; a. A. Ridder, Stellung der Gewerkschaften, S. 18 ff.; Ramm, Freiheit der Willensbildung, S. 117 ff. unabhängig davon, ob man von einer Delegation staatlicher Normsetzungsbefugnis ausgeht. 186 In diesem Sinne auch Dürig/Herzog/Scholz/Scholz, GG, Art. 9 Rn. 108 f. 187 Ebenso Kempen/Zachert/Kempen, TVG, Grundlagen Rn. 83 f.; eingeschränkt auch Schüren, Legitimation der tariflichen Normsetzung, S. 260 ff.

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3. Kap.: Das Recht der Unternehmensmitbestimmung

werden.188 Losgelöst von den einzelnen Mechanismen sollten die Vereinigungen als Verkörperung des Willens ihrer Mitglieder den Arbeitgebern gegenübertreten. Die konstitutive Kraft der Mitglieder schlägt sodann konsequent auf den Grundrechtsschutz der Koalitionen selbst durch, welcher sich im Sinne des Art. 19 Abs. 3 GG auf das für die Wahrung und Förderung der Arbeitnehmerinteressen Wesentliche beschränkt.189 Geringe Anforderungen an den Legitimationsprozess können schlechterdings bei der überschießenden Repräsentation von Arbeitnehmerinteressen im Allgemeinen nicht gestellt werden. Ebenso steht in Frage, wie eine undemokratisch organisierte Vereinigung die Bildung eines Gesamtwillens ermöglichen könnte. Geht man überdies davon aus, dass – wenngleich ein bestimmter Aufbau der Vereinigung nicht vorausgesetzt ist – diese doch Organe zur Repräsentation ihrer Mitglieder stellen muss,190 ist diese Forderung mit einer diktatorisch verstandenen Organisationsform kaum vereinbar. In diesem Lichte betrachtet kommt neben einer Einordnung in die Konstitution eines Vereins im Sinne des Art. 9 Abs. 1 GG i. V. m. § 2 VereinsG191 in Betracht, dieses Erfordernis – welches sich vornehmlich auf das Verfahren der Willensbildung bezieht – in einem Erstrechtschluss der Freiwilligkeit der Zusammenkunft in der Vereinigung zu entnehmen, nach welchem es der freiheitlichen Komponente des Art. 9 Abs. 3 GG geschuldet ist, dass Verbände, für die ein Zwangsbeitritt besteht, nicht in ihren Schutzbereich fallen.192 4. Gesamtergebnis und Bedeutung für die Untersuchung a) Die Unternehmensmitbestimmung als Schutzgut der Koalitionsfreiheit Ergebnis der historischen Analyse der Entstehung der Koalitionsfreiheit nach Art. 9 Abs. 3 GG, die mit der verfassungsrechtlichen Verankerung der Koalitionsfreiheit und des Rätesystems als Bestandteile der in der WRV postulierten Wirtschaftsverfassung begann, ist, dass neben der Tarifautonomie auch die wirtschaftliche Mitbestimmung im Unternehmen in ihrem Institut geschützt ist sowie eine entsprechende Betätigung durch Art. 9 Abs. 3 GG garantiert wird. Darin liegt eine Perpetuierung des verfassungsrechtlichen Gewährleistungsgehaltes der Art. 159, 165 WRV, die die Wahrung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen sowohl durch die Tarifautonomie als auch durch das Rätesystem garantierten. Damit gehen mehrere Konsequenzen einher, die nachfolgend noch einmal prägnant zusammen188

Kempen/Zachert/Kempen, TVG, Grundlagen Rn. 82. S. dazu vertieft Abschnitt B. I. dieses Kapitels. 190 So zumindest Preis/Greiner, Kollektivarbeitsrecht, Rn. 58; a. A. MüHbArbR/Rieble, Band 3, § 218 Rn. 58. 191 So wohl ErfK/Franzen, § 2 TVG Rn. 15; Jacobs/Krause/Oetker/C. Schubert/C. Schubert, Tarifvertragsrecht, § 2 Rn. 74. 192 ErfK/Franzen, § 2 TVG Rn. 15; Preis/Greiner, Kollektivarbeitsrecht, Rn. 55 mit Beispielen; angedeutet wird dieser Widerspruch auch durch Kempen/Zachert/Kempen, TVG, Grundlagen Rn. 84. 189

A. Die normativen Anknüpfungspunkte

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gefasst werden sollen, um ihre Bedeutung für die dieser Arbeit zugrunde liegende Fragestellung zu verdeutlichen. Die wohl offenkundigste Folge ist die Verpflichtung zu einer entsprechenden einfachgesetzlichen Konkretisierung des Garantiegehaltes. Hierzu kann auf die Ausführungen zum TVG verwiesen werden.193 Zudem tritt das Grundrecht auf Unternehmensmitbestimmung gleichberechtigt neben die verfassungsrechtliche Gewährleistung der Tarifautonomie, aber auch anderer Grundrechtspositionen. Die widerstreitenden Schutzgüter sind sodann im Wege praktischer Konkordanz in einen verhältnismäßigen Ausgleich zu bringen. Insofern erweisen sich die vom Bundesverfassungsgericht194 im Mitbestimmungsurteil angestellten Erwägungen zur Verfassungsmäßigkeit des MitbestG wenigstens als im Ergebnis zutreffend. Die abweichende verfassungsrechtliche Einordnung der Unternehmensmitbestimmung nicht als garantiertes Schutzgut bedingte allerdings eine andere Herangehensweise und Verortung der grundrechtlichen Abwägung mit der Unternehmerfreiheit und der Tarifautonomie. Ein letzter, an dieser Stelle gewichtiger Folgeschluss des Grundrechtsschutzes ist der aus seinem Inhalt folgende Maßstab, an welchem die einfachgesetzliche Ausgestaltung der Unternehmensmitbestimmung zu messen ist. Der Grundrechtsschutz erfährt eine signifikante Erhöhung, ist die Unternehmensmitbestimmung nunmehr nicht nur verfassungsrechtlich geboten, sondern garantiert und damit gefordert. Das MitbestG ist nicht mehr Ausdruck einer politischen Entscheidung des einfachen Gesetzgebers, welche sodann als möglicher Eingriff etwa in die Tarifautonomie verhältnismäßig sein muss. Es muss zunächst vorrangig die verfassungsrechtlichen Vorgaben umsetzen und gleichzeitig in dieser Umsetzung die Funktionsfähigkeit des Grundrechtes gewährleisten. Der Gesetzgeber darf das Grundrecht zudem nicht im Rahmen der Umsetzung oder auch anderweitig unverhältnismäßig einschränken. Trotz dieser neuen Erkenntnisse zu einem gegenständlich weiteren Verständnis der Koalitionsfreiheit bleibt diese ein ausgestaltungsbedürftiges Grundrecht. Dies tangiert die Tarifautonomie ebenso wie die Unternehmensmitbestimmung. Insofern bleibt es innerhalb eines einzelnen Schutzbereiches bei der diffizilen Abgrenzung von Ausgestaltung und Eingriff.195 Denn auch an dieser Stelle und vor allem im Zuge der Bestimmung des Gewerkschaftsbegriffes nach dem MitbestG bestimmt diese Rahmen und Maßstab einer verfassungskonformen Auslegung.196

193 Dazu nur stellv. die Ausführungen in BVerfG v. 1. 3. 1979 – 1 BvR 532/77 u. a., AP MitbestG § 1 Nr. 1 [C. III. 2. a)]; Jarass/Pieroth/Jarass, GG, Art. 9 Rn. 47 f. 194 Vgl. nur die Ausführungen in BVerfG v. 1. 3. 1979 – 1 BvR 532/77 u. a., AP MitbestG § 1 Nr. 1 [C. III. 1. a)]. 195 Darstellungen zu den hierzu vertretenen Ansichten finden sich bei Löwisch/Rieble, TVG, Grundlagen Rn. 121 ff. 196 Diese erfolgt in Kapitel 4, Abschnitt B.

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3. Kap.: Das Recht der Unternehmensmitbestimmung

b) Parität als funktionales Element der Koalitionsfreiheit Indem Art. 9 Abs. 3 GG seine Gewährleistung auf arbeitnehmer- wie arbeitgeberseitige Koalitionen mit dem Ziel erstreckt, in deren Auseinandersetzung eine adäquate Ordnung des Arbeits- und Wirtschaftslebens zu verwirklichen, trifft die Verfassungsnorm fundamentale Entscheidungen zu dem Verhältnis dieser beiden Gegenparteien. Die Ordnung des Arbeitslebens setzt eine Berücksichtigung der beiderseitigen Interessen voraus, wobei die faktische Vermutung besteht, sie verliefen in den meisten Fällen diametral zueinander oder es gäbe zumindest nur seltene Fälle einer Überschneidung. Somit liegt in der Anerkennung, dass für eine hinzunehmende Ordnung beide Interessen im Ausgang dieselbe Chance einer Berücksichtigung finden, einmal eine Vermutung, dass diese sich auch im Ergebnis wiederfinden, und außerdem das Bekenntnis zugunsten eines paritätischen Machtgleichgewichts von Verfassungsrang. Dies setzt nicht zuletzt im Verhältnis des Staates zu den Koalitionen auch eine rechtliche Gleichheit durch Gleichbehandlung voraus.197 Ob für diese Betrachtung eine Einbeziehung des Art. 3 Abs. 1 GG erforderlich ist, kann dahinstehen.198 Jedenfalls ist eine Machtgleichheit und damit auch vorgelagert eine Chancengleichheit bereits Funktionsvoraussetzung des Art. 9 Abs. 3 GG. Ihre vollständige Aufgabe unter Rückkehr zu fremdbestimmten Mitbestimmungsmodellen ist damit aufgrund der Wesensgehaltsgarantie des Art. 19 Abs. 2 GG nicht möglich. Gleichwohl sind Modifikationen und Abstufungen dieses Prinzips der einfachgesetzlichen Ausgestaltung immanent. Für das MitbestG zeigt dies bereits die in der Praxis regelmäßig leicht unterparitätische Stimmzahlgleichheit des MitbestG in Fällen des § 29 Abs. 2 MitbestG.199 Die Ausnahmevorschrift des Doppelstimmrechtes führt in Pattsituationen zu einem Doppelstimmrecht des Vorsitzenden. Dieser stammt indes in aller Regel aus den Reihen der Anteilseigner, sodass in solchen Fällen ein Stimmübergewicht der Anteilseigner angenommen werden kann. Zwar ließe sich anführen, durch diese abstrakte Möglichkeit der Unterparität sei das Grundrecht auf unternehmerische Mitbestimmung (s. o.) in seinem Kern berührt. Allerdings berücksichtigt dieser Schluss nicht die Grenze zwischen der Frage verhältnismäßiger Grundrechtseingriffe und Verstößen gegen die Wesensgehaltsgarantie. Das normierte Doppelstimmrecht der Vorsitzenden greift zunächst erst in den (seltenen) Fällen der Pattsituation. Ebenso wie die Praxis den Aufsichtsratsvorsitz häufig bei den Anteilseignern sieht,200 hat sich herausgestellt, dass die Anwendungsfälle des § 29 Abs. 2 MitbestG ver197 Ausführlich Kaiser, Parität der Sozialpartner, S. 11 ff.; ders., Repräsentation organisierter Interessen, S. 360 f.; MüHbArbR/Rieble, Band 3, § 218 Rn. 6. 198 Offengelassen noch durch MüHbArbR/Rieble, Band 3, § 218 Rn. 6, zum Zusammenspiel von Art. 9 Abs. 3 GG und Art. 3 Abs. 1 GG später Rn. 92 ff. 199 Dazu unten Abschnitt A. II. dieses Kapitels und dort unter 1. b) auch zum DrittelbG und dem BetrVG. 200 S. nur Habersack/Henssler/Habersack, Mitbestimmungsrecht, § 27 MitbestG Rn. 1; ErfK/Oetker, § 27 MitbestG Rn. 2.

A. Die normativen Anknüpfungspunkte

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gleichsweise gering sind.201 Überdies schließt die Norm einen Vorsitz der Arbeitnehmerseite nicht kategorisch aus. Mit einem Stimmzahlübergewicht von nur einer Stimme fällt die Überparität auch nicht so überwältigend aus, dass sie die Annahme einer einseitigen Fremdbestimmung durch Beschlussfassung rechtfertigen könnte. Davon wäre nur auf Grundlage der fehlerhaften Annahme auszugehen, dass sie die vermeintlich diametralen Interessen der (nicht vorhandenen) Bänke entsprechend ihrer Herkunft aufteilen lassen könnten. Allenfalls im Hinblick auf gerechtfertigte Ungleichbehandlungen könnte ein Rückgriff auf die Systematik des Gleichheitssatzes nach Art. 3 Abs. 1 GG, wenn nicht erforderlich, so doch dienlich sein.202 Wenn es auch möglich erscheint, unter dem zuvor Gesagten im Falle einer gerechtfertigten Ungleichbehandlung auch nicht von einer Funktionsbeeinträchtigung im Sinne des Art. 9 Abs. 3 GG auszugehen. Dieses Ergebnis steht auch nicht in einem Widerspruch zur Offenheit der Verfassung in Sozial- oder Gesellschaftsfragen. Art. 9 Abs. 3 GG sollte insofern von Beginn an eine Ausnahme darstellen.203 Ob darin letztlich eine partikulare Entscheidung des Verfassungsgebers dahingehend zu sehen ist, in Art. 9 Abs. 3 GG eine Ausprägung des Demokratieprinzips zu schaffen, oder ob es letztlich um eine konzeptionelle Entscheidung in Bezug auf das Konzept der Koalitionsfreiheit ging, kann an dieser Stelle dahinstehen. Zum Zwecke des Ausgleiches von Machtdisparitäten ist fraglich, ob es eines solchen unmittelbaren Rückgriffs auf das Demokratieprinzip auf Schutzbereichsebene bedarf. Wenigstens ist aber eine dahingehende Effektuierung anzunehmen.204 Auch Art. 165 WRV setzte der gemeinsamen Wahrung und Förderung der Arbeitsbedingungen eine Parität der Sozialpartner voraus.205 Somit hob die verfassungsrechtliche Garantie kollektiver Betätigung die bereits bestehenden einfachgesetzlichen Ausgestaltungen über eine bloß faktische Gewährleistung hinaus und verankerte den paritätischen Antagonismus der Sozialpartner unabhängig von den Teilhabeinstrumentarien in der Wirtschaftsordnung. Dass wie dargestellt das BRG in der Folge als dessen einfachgesetzliche Konkre201

Mit dieser Beobachtung bereits für die Montanmitbestimmung BT-Drs. IV/334, S. 162. MüHbArbR/Rieble, Band 3, § 218 Rn. 6 mit Verweis auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes BAG v. 10. 6. 1980 – 1 AZR 331/79, AP GG Art. 9 Arbeitskampf Nr. 66 [A. II. 1. a)]. 203 Mayer-Maly, GS Peters 1967, S. 938, 940; bereits v. Mangoldt in seinem schriftlichen Bericht über die Grundrechte, abgedruckt in: Parlamentarischer Rat, Anlage zum stenographischen Bericht der 9. Sitzung v. 6. 5. 1949, Drs. 850/54, S. 11. Isensee, Die verfassungsrechtliche Verankerung der Tarifautonomie, in: Walter-Reymond-Stiftung, Die Zukunft der sozialen Partnerschaft, S. 159, 160 geht überdies so weit, zu sagen, dass in der verfassungsimmanenten Garantie der Tarifautonomie selbst eine grundgesetzliche liberale Wertentscheidung liegt; vgl. auch Rüthers, AöR 133 (2008), 134, 136. 204 Vgl. dazu MüHbArbR/Rieble, Band 3, § 218 Rn. 11 m. w. N. 205 Bötticher, Waffengleichheit und Gleichbehandlung der Arbeitnehmer im kollektiven Arbeitsrecht, S. 5; unter Zurückführung auf eine soziale Ordnungsaufgabe Galperin, AuR 1965, S. 1, 8 f.; Weber, FS OLG Celle 1961, S. 239, 242; a. A. Däubler/Hege, Koalitionsfreiheit, S. 46. 202

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3. Kap.: Das Recht der Unternehmensmitbestimmung

tisierung unterparitätisch blieb, steht damit nicht im Widerspruch, da es in diesem Sinne Ergebnis einer grundrechtlichen Abwägungsentscheidung ist. Die Verfassungsgebung von Bonn lässt keine diesem Verständnis zuwiderlaufenden Schlüsse zu. Wurden auch das Tarifsystem wie auch die übrige Koalitionsbetätigung in einem Grundrecht vereint, wurden Funktion, Aufgabe und Eingliederung der Koalitionen innerhalb der Wirtschaftsordnung gleich verstanden.206 Die Parität der Sozialpartner als Gegenspieler blieb Grundstein der Koalitionsfreiheit.207 Damit gewährleistet Art. 9 Abs. 3 GG eine paritätische Verhandlungsbasis auch nicht ungleichgewichtig zugunsten der Arbeitnehmer.208 In der Feststellung, dass Art. 9 Abs. 3 GG einer unternehmerischen Mitbestimmung nicht nur in seiner Offenheit tolerierend gegenübersteht, sondern sie voraussetzt, liegt die Begründung einer Gleichrangigkeit der angesprochenen Ordnungsmechanismen. Dies bedeutet zunächst, dass eine Beteiligung an den wirtschaftlichen Entscheidungen nicht durch das Tarifsystem abgedeckt ist, sondern daneben institutionalisiert werden muss. Die Wahl des modus operandi fällt jedoch in den angesprochenen Prärogativbereich des Gesetzgebers. Die verfahrenstechnische Ausgestaltung der Instrumentarien kann dabei keinen Unterschied machen. Nimmt man also die Beispiele des Tarifvertrages und der Unternehmensmitbestimmung nach dem MitbestG, so verhalten sich die Verfahren der Ergebnisfindung beinahe diametral. Sofern aber die Parität als Kernelement des Art. 9 Abs. 3 GG angesehen wird, muss sie gleichsam auch im Rahmen jeder einfachgesetzlichen Konkretisierung gewährleistet werden.209 Beruhen also Ordnungsmechanismen, welche Parität unabhängig von Gleichheit der Individuen als Faktor multilateraler Freiheitsausübung vorsehen, auf der Verfassung, so muss diese Parität als konstitutives Element in den (einfachgesetzlichen) Instrumentarien nicht nur Anklang finden, sondern ihre Funktionsfähigkeit dahingehend auch gewährleistet sein. Daraus folgt sodann, dass in der Parität als Funktionsgarantie das rückwärtsgewandte Kontrolloperativ des Gesetzgebers liegt: Hat sich der Gesetzgeber für ein Teilhabekonzept entschieden, muss dieses eine Parität gewährleisten. Dabei geht der Gesetzgeber im Wege einer lenkenden Planung jedoch über punktuelle Korrekturen hinaus, insoweit diese nicht 206

Zur Anerkennung der Sozialpartner auch nach Art. 165 WRV s. BVerfG v. 18. 11. 1954 – 1 BvR 629/52, NJW 1954, 1881; Feldkamp, Der Parlamentarische Rat 1948 – 1949, Band 14/II, S. 1388; so auch Weber, FS OLG Celle 1961, 239, 243; vgl. auch Säcker, Grundprobleme, S. 58. 207 Vgl. BVerfG v. 1. 3. 1979 – 1 BvR 532/77 u. a. AP MitbestG § 1 Nr. 1 [A. III. 2. a) cc), III. 2. b)]; Bötticher, Waffengleichheit und Gleichbehandlung der Arbeitnehmer im kollektiven Arbeitsrecht, S. 5; Zu der Parität der Sozialpartner als historisches Element der Koalitionsfreiheit auch Höpfner, Tarifgeltung im Arbeitsverhältnis, S. 499; a. A. Lerche, Zentralfragen, S. 65, 67. 208 Feldkamp, Der Parlamentarische Rat 1948 – 1949, Band 14/I, S. 521; Müller, JbArbR 17 (1980), 19 f.; so aber Däubler/Hege, Koalitionsfreiheit, S. 49. 209 MüHbArbR/Rieble, Band 3, § 218 Rn. 7; konsequent in seiner Ablehnung daher auch Scheuner, Die Rolle der Sozialpartner, in: Streithofen, Die Rolle der Sozialpartner in Staat und Gesellschaft, S. 9, 41.

A. Die normativen Anknüpfungspunkte

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genügen – die Gestaltung des Gesetzgebers muss in diesem Sinne dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen. Dies folgt nicht zuletzt aus der Überlegung, dass sich der Staat Eingriffen soweit möglich enthalten soll – aus dem Vertrauen heraus, dass dies ob des ordnenden Potenzials der Autonomie auch nicht erforderlich sein sollte.210

II. Die einfachgesetzliche Konkretisierung der Unternehmensmitbestimmung durch das MitbestG 1. Grundlagen a) Die Systematik der Regelungswerke zur betrieblichen und unternehmensbezogenen Mitbestimmung aa) Die Unternehmensmitbestimmung Die Mitbestimmung der Arbeitnehmer in Betrieben und Unternehmen erfolgt in einem dualistischen System: Die Teilhabe auf Betriebsebene regelt das BetrVG, diejenige auf Unternehmensebene regeln vier separate Gesetze, die zueinander jeweils in einem Spezialverhältnis stehen. Die Anwendungsbereiche der Gesetze führen hierbei zu einem gegenseitigen Ausschluss, wodurch ein Mitbestimmungssystem begründet wird, welches durch sich ergänzende und unterstützende Subsysteme geprägt ist. Das MitbestG und das DrittelbG bauen zu diesem Zwecke aufeinander auf und prägen so einen in der Intensität aufsteigenden Mitbestimmungsmechanismus.211 Die beiden Regelungswerke ergänzen sich sowohl institutionell – das DrittelbG findet gem. § 1 Abs. 4 DrittelbG auch auf die VVaG Anwendung – als auch in der Größe der Unternehmen, § 1 Abs. 1 Nr. 2 MitbestG, § 1 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 DrittelbG. Das MontanMitbestG verfügt mit der Konkretisierung auf die Bergbau- und Montanindustrie über eine weitere Anwendungsvoraussetzung, sodass es im Verhältnis zu DrittelbG und MitbestG Vorrang genießt.212 Normative Anknüpfungspunkte für die Unternehmensmitbestimmung – und in diesem Sinne den Anwendungsbereich des MitbestG wie auch des DrittelbG eröffnend – sind Gesellschaftsform und regelmäßige Belegschaftsstärke, ausgedrückt in der Arbeitnehmerzahl. Sie bilden gemeinsam mit dem Grad der Parität und der Vertretung auch leitender Angestellter die fundamentalen Charakteristika und 210

Dürig/Herzog/Scholz/Scholz, GG, Art. 9 Rn. 165. Habersack/Henssler/Habersack, Mitbestimmungsrecht, § 1 DrittelbG Rn. 7; Wißmann/ Kleinsorge/C. Schubert/Wißmann, Mitbestimmungsrecht, Vorbemerkung MitbestG Rn. 52. 212 S. § 1 Abs. 2 MitbestG; MüKoAkt/Annuß, MitbestG, § 1 Rn. 19; s. auch Habersack/ Henssler/Habersack, Mitbestimmungsrecht, § 1 MitbestG Rn. 10 f. Zur Gesetzgebungshistorie Boldt, RdA 1951, 169 f.; Gloria Müller, Mitbestimmung in der Nachkriegszeit, S. 125 ff.; ErfK/Oetker, Einleitung MontanMitbestG Rn. 1 f.; Wißmann/Kleinsorge/C. Schubert/Wißmann, Mitbestimmungsrecht, Vorbemerkung MitbestG Rn. 52. 211

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3. Kap.: Das Recht der Unternehmensmitbestimmung

gleichzeitig die Differenzierungsmerkmale der Unternehmensmitbestimmung nach dem MitbestG (§§ 1, 7 MitbestG) oder DrittelbG (§§ 1, 4 Abs. 1 DrittelbG).213 Andere normative Anknüpfungspunkte wie Umsatz oder Bilanzsumme wurden auch im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens des MitbestG erwogen,214 im Ergebnis jedoch abgelehnt.215 Hinter der Anknüpfung an die Rechtsform stehen bestimmte gemeinsame Anforderungen an Gründung (Form und Stammkapital), Führung (Gremien) und Auflösung. Der Gesetzgeber wollte beim MitbestG – wie auch bereits im Rahmen des DrittelbG und der Montanmitbestimmung – die Beteiligung der Arbeitnehmer möglichst nahtlos in die durch das Gesellschaftsrecht bereitgestellten Strukturen einbetten.216 Die Rechtsformbezogenheit sollte diese Integration sowohl für die Gesetzgebung als auch für die praktische Handhabung durch den Rechtsanwender erleichtern.217 Insbesondere Personengesellschaften wurden nicht zuletzt aus Haftungsgründen von der Unternehmensmitbestimmung ausgenommen.218 Doch auch Unternehmen gleicher Rechtsform können in der Realität erhebliche Unterschiede aufweisen.219 Aus diesem Grund ist daneben auch die Unternehmensgröße von erheblicher Bedeutung: Sie dient als sichernde Variable, die zu der Rechtsform der Unternehmen hinzutritt.220 Soll mit der institutionalisierten Mitbestimmung einer Fremdbestimmung und Anonymisierung des Arbeitsprozesses und der Beschäftigungswirklichkeit entgegengewirkt werden, so hängt dieses Anliegen unweigerlich

213 Habersack/Henssler/Habersack, Mitbestimmungsrecht, § 1 MitbestG Rn. 4, § 7 MitbestG Rn. 1. 214 DGB-Entwurf bei Schwark, AG 1983, 303, 305; Gesetzentwurf der SPD, BT-Drs. V/ 3657; Raiser/Veil/Jacobs/Raiser, MitbestG/DrittelbG, § 1 MitbestG Rn. 6. 215 Ablehnend bereits die Mitbestimmungskommission BT-Drs VI/334, S. 97; s. zur gesetzgeberischen Entwicklung Wißmann/Kleinsorge/C. Schubert/Wißmann, Mitbestimmungsrecht, § 1 MitbestG Rn. 32. 216 So bereits der Regierungsentwurf, BT-Drs. VII/2172, S. 1, ebenso S. 17; zuvor schon der erste Entwurf, BR-Drs. 200/74, S. 16. 217 Wißmann, FS Däubler 1999, S. 385, 392, mit grundlegender Kritik am Anwendungsbereich des MitbestG; kritisch hinsichtlich der Rechtsformbeschränkung Habersack/Henssler/ Habersack, Mitbestimmungsrecht, Einleitung MitbestG Rn. 10; ebenso Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Band 1, S. 610. 218 Kritisch dazu Duden, FS Schilling 1973, S. 309, 326 f.; Zöllner/Loritz/Hergenröder/ Loritz, Arbeitsrecht, § 55 Rn. 4; Raisch, Unternehmensrecht 2, S. 141 ff.; H. P. Westermann, FS Westermann 1974, S. 563, 581 f.; Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Band 1, S. 608 f. Außerdem ausgenommen sind beispielsweise Einzelkaufleute und Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit, vgl. dazu kritisch GK-MitbestG/Rumpff, Band 1, § 1 Rn. 13 f. 219 Badura/Rittner/Rüthers, Mitbestimmungsgesetz 1976, S. 25 f., 201; mit dieser Feststellung auch Behme, AG 2018, 1; Raiser/Veil/Jacobs/Raiser, MitbestG/DrittelbG, Einleitung MitbestG Rn. 66; Rittner, JZ 1975, 457, 460; H. P. Westermann, FS Westermann 1974, S. 563, 581; Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Band 1, 610 ff; Wißmann/Kleinsorge/C. Schubert/Wißmann, Mitbestimmungsrecht, Vorbemerkung MitbestG Rn. 56. 220 Kritik an der Bedeutung der Rechtsform hierfür übt Wißmann, FS Däubler 1999, S. 385, 392.

A. Die normativen Anknüpfungspunkte

203

mit der Unternehmensgröße zusammen.221 Mit der Größe der Unternehmen steigt auch die anteilige Beteiligung von Gruppierungen außerhalb der Anteilseigner am Aufsichtsrat. Auf diese Weise soll die steigende Anonymisierung der Belegschaft, die unter dem Stichwort „Kapital und Arbeit“ bereits Folge der Industrialisierung war, sowie die wachsende Bedeutung unternehmerischer Entscheidungen für die Belegschaft ausgeglichen werden.222 Die mitbestimmungsrelevante Arbeitnehmerzahl im Rahmen des jeweils anwendbaren Gesetzes ist dabei statisch.223 Ausgehend von der Belegschaftsgröße besteht die Annahme, dass in kleineren Unternehmen mit einer regelmäßigen Beschäftigtenzahl unterhalb der Anwendungsvoraussetzungen der Mitbestimmungsgesetze der unternehmerische Planungsprozess und die Arbeitnehmererheblichkeit der Entscheidungen eine Mitbestimmung der Arbeitnehmer direkt in den Gremien nicht erforderlich machen, da eine Beteiligung der Arbeitnehmer davon unabhängig immer noch durch das BetrVG gewährleistet wird.224 Der mitbestimmte Aufsichtsrat nach dem MontanMitbestG ist in seinem Grundsatz elfköpfig, § 4 Abs. 1 S. 1 MontanMitbestG.225 Er setzt sich aus jeweils vier plus eins Mitgliedern von Arbeitnehmer- und Arbeitgeberseite sowie einem neutralen Mitglied zusammen. § 4 Abs. 2 MontanMitbestG stellt für die zusätzlichen „Plus-Mitglieder“ erweiterte Voraussetzungen auf. Sie sollen über eine gewisse Distanz zu dem Unternehmen verfügen. Nach dem DrittelbG, wie auch schon nach den §§ 76, 77 BetrVG 1952, unterfallen Unternehmen der aufgezeigten Rechtsformen mit einer regelmäßigen Beschäftigungslage von mehr als 500 Arbeitnehmern einer Drittelbeteiligung der Arbeitnehmer. Dabei wird der mitbestimmte Aufsichtsrat zu einem Drittel durch Arbeitnehmervertreter besetzt.226 Gem. § 4 Abs. 1 DrittelbG unterliegen alle Unternehmen im Sinne des § 1 Abs. 1 DrittelbG der drittelparitätischen Mitbestimmung. Der Anwendungsbereich ist in den Fällen des § 1 Abs. 2 DrittelbG ausgeschlossen. Insbesondere findet das DrittelbG keine Anwendung auf Unternehmen, die bereits der Mitbestimmung durch das MitbestG (sowie das MontanMitbestG bzw. das MitbestErgG, s. o.) unterliegen. Im Rahmen der Mitbestimmung im herrschenden Unternehmen eines Konzerns werden auch die Arbeitnehmer der „übrigen“ Unter221 BVerfG v. 1. 3. 1979 – 1 BvR 532/77 u. a., AP MitbestG § 1 Nr. 1 [C. V. 2.]; Behme, AG 2018, 1, 2. 222 BT-Drs. VI/334, S. 56 f.; Wißmann/Kleinsorge/C. Schubert/Wißmann, Mitbestimmungsrecht, Vorbemerkung MitbestG Rn. 52. 223 Anders verhält es sich beispielsweise im Rahmen von § 267 HGB. Gegebenenfalls ist diese Idee indes nicht übertragbar, da es im Falle des § 267 HGB um Offenlegungspflichten im Rahmen der Bilanz geht. 224 Vgl. BVerfG v. 1. 3. 1979 – 1 BvR 532/77 u. a., AP MitbestG § 1 Nr. 1 [C. V. 2.]; Raiser/ Veil/Jacobs/Raiser, MitbestG/DrittelbG, Einleitung MitbestG Rn. 56; GK-MitbestG/Rumpff, Band 1, § 1 Abs. 1 – 3 Rn. 25. 225 Erweiterung unter den Voraussetzungen des § 9 MontanMitbestG möglich. 226 Wißmann/Kleinsorge/C. Schubert/Wißmann, Mitbestimmungsrecht, Vorbemerkung MitbestG Rn. 37.

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3. Kap.: Das Recht der Unternehmensmitbestimmung

nehmen berücksichtigt. § 1 Abs. 2 DrittelbG regelt insofern eine Zurechnung der Arbeitnehmer zum herrschenden Unternehmen. Bezüglich des Konzernbegriffes verweist § 2 DrittelbG ausdrücklich auf § 18 Abs. 1 AktG, nicht indes auf Absatz 2. Mit dem MitbestG wird schließlich die „Quasi-Parität“227 oder auch „formelle Parität“228 erreicht. Die Vertreter der Arbeitnehmer sowie die Gewerkschaftsvertreter besetzen die Sitze im Aufsichtsrat gleichberechtigt und gleichgewichtig. Die Einschränkung der paritätischen Stellung im Vergleich zu einer absoluten Parität ergibt sich lediglich aus der Zweitstimme des Vorsitzenden gem. § 29 Abs. 2 S. 1 MitbestG. Obgleich diese „Quasi-Parität“ theoretisch in beide Richtungen ausschlagen kann, wird das Verfahren zur Wahl des Aufsichtsratsvorsitzenden gem. § 27 MitbestG, insbesondere Abs. 2 S. 2 als Argument dafür herangezogen, dass in der Praxis in Person des Vorsitzenden ein leichtes Stimmübergewicht auf Seiten der Anteilseigner verbleibt.229 Dies gilt jedoch einschränkend für solche Beschlussgegenstände, die aufgrund einer stimmlichen Pattsituation in einen zweiten Wahlgang gehen. Die „Quasi-Parität“ besteht also zumindest nicht von vornherein, sondern entsteht allenfalls punktuell für den jeweiligen Beschlussgegenstand. Überdies besteht in solchen Pattsituationen auch keine Pflicht zur Durchführung einer zweiten Abstimmung. Ebenso wenig ist der Aufsichtsratsvorsitzende gezwungen, von seinem Doppelstimmrecht Gebrauch zu machen.230 Die Auflösung der Pattsituation und damit die Entscheidung der Beschlusssache durch die doppelte Stimmabgabe ist somit keinesfalls gesetzlicher oder praktischer Automatismus.231 Richtigerweise wird man hierin ein Abwägungsergebnis zwischen Art. 9 Abs. 3 GG und Art. 14 GG sehen, in welchem die Funktionsfähigkeit des Unternehmens überwog.232 bb) Der systematische Zusammenhang mit dem BetrVG Auf der darüber liegenden Ebene ist das Verhältnis von betrieblicher und Unternehmensmitbestimmung von Parallelität, nicht von Alternativität, geprägt. Mögen 227

Habersack/Henssler/Habersack, Mitbestimmungsrecht, § 1 DrittelbG Rn. 7; Badura/ Rittner/Rüthers, Mitbestimmungsgesetz 1976, S. 83; Martens, AG 1976, 113. 228 Boecken/Düwell/Diller/H. Hanau/Heither/v. Morgen, Vorbemerkung MitbestG Rn. 22; ErfK/Oetker, Einleitung MitbestG Rn. 1. 229 In diesem Sinne Praxiskommentar/Föhr, § 29 Rn. 11; Luther, ZGR 1977, 306, 310; Philipp, DB 1976, 196, 197, 198 mit praktischen Bedenken; H. P. Westermann, ZGR 1977, 219, 233; a. A. Säcker, DB 1977, 1791, 1793; instruktiv zur Problematik unter Zugrundelegung des Normzwecks Wißmann/Kleinsorge/C. Schubert/C. Schubert, Mitbestimmungsrecht, § 29 MitbestG Rn. 4 f.; mit Praktikabilitätserwägungen Reich/Lewerenz, AuR 1976, 261, 271. 230 GK-MitbestG/U. Schneider, Band 2, § 29 Rn. 79; a. A. Luther, ZGR 1977, 306, 310. 231 Raiser/Veil/Jacobs/Raiser, MitbestG/DrittelbG, § 29 MitbestG Rn. 11; GK-MitbestG/ U. Schneider, Band 2, § 29 Rn. 79; W. Werner, ZGR 1977, 236, 241. Vertieft zu der Auflösung von Pattsituationen und den Auswirkungen auf den Grundsatz der Parität Kapitel 4, Abschnitt A. I. 2. b) bb) (3). 232 BT-Drs. VII/4845, S. 2. Dort wird überdies ein verfassungsimmanentes Bedürfnis auch aus Art. 9 Abs. 3 wie auch Art. 12 GG hergeleitet.

A. Die normativen Anknüpfungspunkte

205

die historisch-ideellen Beweggründe auch ähnlich sein (s. o. Kapitel 2, Abschnitt A.), so manifestieren sich dennoch die unterschiedlichen rechtlichen Regelungsabsichten in den verschiedenen Anwendungsbereichen und Eröffnungstatbeständen ebenso wie in den (größtenteils) divergierenden Regelungsgegenständen.233 Gerade in wirtschaftlichen Angelegenheiten gibt es jedoch auch sachliche Überschneidungen von betrieblicher und Unternehmensmitbestimmung. Dies trifft insbesondere auf die Zuständigkeitsbereiche des Wirtschaftsausschusses gem. § 107 BetrVG sowie die betriebsverfassungsrechtlichen Aspekte einer Betriebsänderung nach § 111 BetrVG zu. Auf dieser Grundlage wurde auch im „Mitbestimmungsurteil“ des Bundesverfassungsgerichtes eine gegenständliche Kumulation der Mitbestimmung diskutiert:234 Da nunmehr in diese Bereiche fallende unternehmerische Entscheidungen sowohl Gegenstand der betrieblichen als auch der Unternehmensmitbestimmungen seien, entstünde eine Überparität auf Arbeitnehmerseite. Die bereits bestehenden Legitimationsbedenken hinsichtlich der Entscheidungsgewalt im Unternehmen würden verstärkt und die verfassungsrechtlich gewährleistete Integrität des Unternehmens in seiner Ausgestaltung durch die Wirtschafts- und Arbeitsverfassung in ungerechtfertigter Weise beschädigt.235 Dieser Argumentation wurde indes der oben angedeutete strukturelle Unterschied der Regelungssysteme entgegengehalten.236 Beispielhaft können die Rechte und Pflichten beider Gremien im Rahmen einer Betriebsänderung gem. § 111 BetrVG angeführt werden. Das Recht des Betriebsrates auf rechtzeitige und vollständige Unterrichtung gem. § 111 S. 1 BetrVG richtet sich gegen Betriebsinhaber (regelmäßig also den Arbeitgeber) und nicht gegen das leitende Unternehmen.237 Etwaige umfassendere, langfristige Unternehmensplanungen sind demnach allenfalls Gegenstand aufsichtsratlicher Diskussion. Darüber hinaus ist eine Zwischenschaltung des Aufsichtsrates auch gem. § 111 AktG im Rahmen von Zustimmungsvorbehalten möglich. Auf diesem Wege erhielten die Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat aufgrund einer unterschiedlichen Zielsetzung der Informationserteilung somit mindestens andere Informationen.238 Letzterer Ansicht schloss sich – wenn auch nicht uneingeschränkt – das Bundesverfassungsgericht an. Zwar nahm es in Fällen der Betriebsänderung und der subsequenten Aufstellung eines Sozialplanes eine sachgegenständliche Addition 233 Raiser/Veil/Jacobs/Raiser, MitbestG/DrittelbG, Einleitung MitbestG Rn. 56; Walker, ZfA 2004, 501, 525 f. Zu den (verfassungsrechtlichen) Fragen einer Überschneidung oder Kumulation der Mitbestimmung s. grundlegend BVerfG v. 1. 3. 1979 – 1 BvR 532/77 u. a., AP MitbestG § 1 Nr. 1 [C. I. 1. b)]; Raiser, FS Duden 1977, S. 423 passim; zum Schutzzweck der Betriebsverfassung eingehend Wiese, ZfA 2000, 117, 119 ff. et passim. 234 BVerfG v. 1. 3. 1979 – 1 BvR 532/77 u. a., AP MitbestG § 1 Nr. 1 [A. II. 3. a) aa)]. 235 Badura/Rittner/Rüthers, Mitbestimmungsgesetz 1976, S. 129 ff. 236 BVerfG v. 1. 3. 1979 – 1 BvR 532/77 u. a., AP MitbestG § 1 Nr. 1 [A. III. 2. a) aa)]; Kübler/W. Schmidt/Simitis, Mitbestimmung als gesetzgebungspolitische Aufgabe, S. 181. 237 BAG v. 27. 6. 1989 – 1 ABR 19/88, AP BetrVG 1972 § 80 Nr. 70; so auch Fitting, BetrVG, § 111 Rn. 102 f.; ErfK/Kania, § 111 BetrVG Rn. 22; Boecken/Düwell/Diller/ H. Hanau/Spirolke, § 111 BetrVG Rn. 22. 238 S. Wlotzke/Preis/Kreft/Preis/Bender, BetrVG, § 111 Rn. 31.

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3. Kap.: Das Recht der Unternehmensmitbestimmung

betrieblicher und Unternehmensmitbestimmung an. Es schränkte diese Fälle jedoch sowohl numerisch aufgrund des Zustimmungsvorbehaltens gem. § 111 Abs. 4 AktG als auch strukturell ein. Diejenigen besonderen Geschäfte, die in Zusammenwirken mit einem Zustimmungsvorbehalt des Aufsichtsrates auch in den Zuständigkeitsbereich des Betriebsrates fielen, würden aufgrund der unterschiedlichen Verfahren und der unterschiedlichen Zielrichtung der Gremien nicht kumulativ behandelt.239 Besonders die Einigungsverfahren nach dem BetrVG einerseits und dem MitbestG andererseits würden einer solchen Überparität entgegenwirken. Vielmehr sei eine solche gerade deshalb nicht gegeben. Insofern gehe die Kumulation also über eine rein normative nicht hinaus.240 cc) Zwischenergebnis: Die systematische Aktualisierung der Koalitionsmittel des Art. 9 Abs. 3 GG Im Ergebnis kristallisiert sich nicht nur aus dieser systematischen Differenzierung, sondern auch aus der vorangestellten Darstellung der historischen und ideengeschichtlichen Entwicklung eine gewisse Parallelität der Teilhabeinstitute heraus.241 Grund dafür ist die legitimatorische Bedeutung des Individualwillens eines jeden Arbeitnehmers und die daraus folgende kollektive Wirkung.242 Während sich Tarifvertragssystem sowie betriebliche und unternehmensbezogene Mitbestimmung in einem unterschiedlichen Tempo entwickelt haben, finden sie doch alle ihren Ursprung in der strukturellen Ungleichheit von Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Die Ausgestaltung der Mitbestimmungsmechanismen ist sodann charakteristisch für das bereits früh vorherrschende Ideal einer wirtschaftsliberalen Arbeitswelt mit sozialer Verantwortung. Insofern wurde das dualistische System bereits im BRG von 1920 deutlich, welches in § 70 auch Entsendungen von Arbeitnehmern in den Aufsichtsrat vorsah. Gleiches gilt für die Unterteilung in reine Arbeiterräte ähnlich der heutigen Betriebsräte und der heterogenen Gremien der Wirtschaftsräte, welche im Sinne der heutigen mitbestimmten Aufsichtsräte sowohl Arbeitnehmer- als auch Arbeitgebervertreter stellten. Zwar verschwand das Rätesystem der Weimarer Zeit nach ihrem Ende durch das nationalsozialistische Regime, ihre Aufgaben wurden aber von den Betriebsräten einerseits und den Gewerkschaften andererseits übernommen.243 Daneben tritt – wie bereits im Sinne der Art. 159, 165 WRV – die Tarifautonomie und mit ihr der Tarifvertrag als Regelungsinstrument der Sozialpartner. In einer Gesamtschau übersetzt sich in dem Zusammenwirken der einzelnen Regelwerke die Idee einer funktional komplementären Arbeitnehmerrepräsentation, 239

BVerfG v. 1. 3. 1979 – 1 BvR 532/77 u. a., AP MitbestG § 1 Nr. 1 [C. I. 1. b)]. BVerfG v. 1. 3. 1979 – 1 BvR 532/77 u. a., AP MitbestG § 1 Nr. 1 [C. I. 1. b)]. 241 Kritisch indes Joost, Betrieb und Unternehmen als Grundbegriffe im Arbeitsrecht, S. 199 f., der in der BetrVG nicht das Produkt einer Interessenabwägung im obigen Sinne sieht. 242 Jacobi, Grundlehren, S. 344 f. 243 Zum Inhalt des Art. 9 Abs. 3 GG s. Kapitel 3, Abschnitte A. I. 2. und 4. a). 240

A. Die normativen Anknüpfungspunkte

207

wie sie bereits in Art. 159, 165 WRV bestand und in Art. 9 Abs. 3 GG fortgeführt wurde. Der Koalitionsfreiheit – und insbesondere den Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen – sind damit nicht nur die Gewährleistungen der Tarifautonomie, der betrieblichen Mitbestimmung und der Unternehmensmitbestimmung in ihrer Isolation zu entnehmen, sondern sie geben auch das Bild einer gesamtheitlich zu verstehenden Arbeitnehmervertretung wieder. b) Parität als funktionales Element innerhalb der einfachgesetzlichen Mechanismen Schließlich kann damit auch die letzte in Kapitel 2, Abschnitt B. II. aufgeworfene Frage beantwortet werden: Aus den kategorialen Unterschieden zwischen den Mechanismen folgt eine entsprechend differenzierte Betrachtung der Paritätsanforderungen. Aus der streng funktionalen Konzeption des Paritätsprinzips folgt zugleich aber auch, dass es je nach einfachgesetzlicher Ausgestaltung unterschiedliche Formen annimmt, um den jeweiligen Anforderungen gerecht zu werden: Im Rahmen des Abschlusses von Tarifverträgen außerhalb des gesetzgeberischen Einflussbereiches folgen aus der Autonomie der Sozialpartner die entsprechend strengen Anforderungen an die Macht bzw. Stärke der Tarifpartner und der Gewerkschaften im Besonderen.244 Hier bedeutet Parität Gleichberechtigung bereits im Ursprung der koalitiven Betätigung – die Macht, den Gegner überhaupt zur Aufnahme von Verhandlungen zu bewegen. Sowohl die Unternehmens- als auch die betriebliche Mitbestimmung sind im Gegensatz hierzu normativ institutionalisiert. Die gremiale Anknüpfung an Betriebsrat bzw. Aufsichtsrat bietet eine vorhandene Verhandlungsplattform, die nicht erkämpft werden muss. Bereits hier nimmt der Gedanke der Demokratisierung und Legitimierung durch Parität also andere Formen an. Die Unternehmensmitbestimmung kennt in Gestalt von DrittelbG, MitbestG und MontanMitbestG sodann mehrere normative Teilhabemechanismen, deren numerische Beteiligung von Gewerkschafts- bzw. Arbeitnehmervertretern je nach Größe der Unternehmen variiert. Bei historischer Betrachtung der ideologischen Urprünge des Teilhabe- bzw. Paritätsgedankens ist dies insofern aber konsequent, da das Risiko der Objektivierung der Arbeitskraft und Anonymisierung der Beschäftigungsbedingungen an die Größe des Unternehmens gebunden ist.245 Damit findet zwischen den Teilhabemechanismen unter einander deren unterschiedliche – vorkonstitutionelle – historische Prägung Berücksichtigung. Die Betriebsverfassung berechtigt die Gewerkschaften sodann zwar, Wahlvorschläge zu machen (§ 14 Abs. 3 BetrVG) und damit an der Bildung der Betriebsräte 244 245

Hierzu bereits Kapitel 1, Abschnitte I. 2., III. Kapitel 2, Abschnitt A. I.

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3. Kap.: Das Recht der Unternehmensmitbestimmung

mitzuwirken.246 Ihre Beteiligung im Betriebsrat ist gleichwohl fakultativ.247 § 2 BetrVG geht vielmehr lediglich von einer freiwilligen vertrauensvollen Zusammenarbeit von Betriebsrat und Gewerkschaften aus.248 Infolge dieses Kooperationsgebotes249 stehen die Gewerkschaften im Rahmen der Betriebsverfassung außer Konkurrenz und fungieren vielmehr als beratende Unterstützerinnen.250 Die Ausübung ihrer Rechte (bspw. §§ 14 Abs. 3, 16 Abs. 2, 17 Abs. 3, 19 Abs. 2 BetrVG) ist an ihre Vertretung im Betrieb geknüpft, um eine Legitimation zu gewährleisten. § 31 BetrVG beschränkt die Teilnahme an Betriebsratssitzungen auf im Betriebsrat vertretene Gewerkschaften. Doch auch diese einfachgesetzliche Ausgestaltung widerspricht nur auf den ersten Blick dem beschriebenen Paritätskonzept. Zunächst ist aus funktionaler Perspektive zu berücksichtigen, dass die Betriebsverfassung ausweislich § 78 BetrVG sehrwohl die zwingende Mitbestimmung kennt. Hinsichtlich der numerischen und teilweise bloß fakultativen Teilhabe der Gewerkschaften in der betrieblichen bzw. Unternehmensmitbestimmung darf sodann auch die Historie der Instrumentarien bereits auf Verfassungsebene in Art. 159, 165 WRV nicht unberücksichtigt bleiben: Die Unternehmens- und betriebliche Mitbestimmung erwächst in ihrer Differenzierung bereits dem in Art. 165 Abs. 2 – 6 WRV angelegten Rätesystem. Die Stellung der Gewerkschaften in der Betriebsverfassung war normativ bereits in dem BRG von 1920 verankert. Die spätere beinahe vollständige gewerkschaftliche Unterwanderung der Arbeiterräte durch die Gewerkschaften251 war vom Gesetzgeber nicht vorgesehen. Die Ausgestaltung der vertrauensvollen Zusammenarbeit durch § 2 BetrVG kann insofern durchaus als gesetzgeberische Reaktion gewertet werden.252 So fand § 2 Abs. 2 des Regierungsentwurfes zum BetrVG aus dem Jahr 1971, nach denen der Betriebsrat das Recht hat, „seine Aufgaben in Zusammenarbeit mit den im Betrieb vertretenen Gewerkschaften und mit ihrer Unterstützung durchzuführen“, nicht Eingang ins Gesetz. Gleichzeitig aber wurde eine Passage des Entwurfes gestrichen, nach der die im Betrieb vertretenen Gewerkschaften ihre Aufgaben und Befugnisse nur „im Benehmen mit dem Arbeitgeber und dem Betriebsrat“ wahrnehmen können sollten.253 In den einfachgesetzlichen Kodifikationen des Mitbestimmungsgedankens vereint ist jedoch – trotz der freilich bestehenden Unterschiede – der Arbeitnehmerschutzgedanke. Dieser Schutz soll u. a. im Wege einer Demokratisierung der Wirtschaftsverfassung durch Legitimierung unternehmerischer Entscheidungen herbeigeführt werden. Nur vor diesem Hintergrund kann eine Demokratisierung der 246

Eingehend auch Richardi, RdA 1970, 8, 12. Ex § 9 BetrVG. 248 Richardi/Maschmann, BetrVG, § 2 Rn. 73. 249 So Richardi/Maschmann, BetrVG, § 2 Rn. 75. 250 Richardi, RdA 1972, 8, 12. 251 S. Kapitel 3, Abschnitt A. I. 2. a) bb) (2) (b). 252 Siehe hierzu die Gegenüberstellung in BT-Drs. VI/2729, S. 2. 253 Ebenso die Gegenüberstellung in BT-Drs. VI/2729, S. 2. 247

A. Die normativen Anknüpfungspunkte

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Wirtschaft auf integrative Weise im Wege einer Legitimation der Unternehmensentscheidungen geschehen.254 Die Gleichbehandlung von Arbeit und Kapital ist sodann Ausgangspunkt und Folge dieser Institutionalisierung zugleich.255 Bildlich gesprochen fließt der Paritätsgedanke mit seinem Ziel der demokratisierienden Legitimierung durch die in Art. 9 Abs. 3 GG enthaltenen Institute hindurch und findet in den jeweiligen einfachgesetzlichen Regelungswerken seine entsprechende Konkretisierung. Diese ist wiederum spiegelbildich facettiert und die hier relevanten Gewerkschaftsrechte historisch bedingt vielgestaltig. Als mittelbare Teilhabe ist die fakultative Mitbestimmung der Gewerkschaften in der Betriebsverfassung daher gerade nicht untypisch. Dass weder BetrVG noch MitbestG oder DrittelbG aus den o. g. Gründen eine absolut paritätische Mitbestimmung normiert, spricht somit nicht gegen ein in Art. 9 Abs. 3 GG enthaltenes Paritätsprinzip. Die paritätsbezogenen Defizite sind vielmehr Ergebnis einer Abwägung von Grundrechten im Wege der praktischen Konkordanz.256 Ebenso wie sich die Mitbestimmungsmechanismen von Tarifvertrag, betrieblicher und Unternehmensmitbestimmung funktional ergänzen, erlaubt ihre Parallelität auch eine komplentäre Wirkung der durch sie gewährleisteten Demokratisierung und Legitimisierung durch Parität. 2. Das MitbestG als einfachgesetzliche Konkretisierung Nachfolgend soll nun die Funktionsweise des MitbestG und insbesondere die Rolle der Gewerkschaften näher beleuchtet werden. Aus dieser funktionellen Betrachtung sollen im Laufe der Arbeit Rückschlüsse auf den Begriff der Gewerkschaft selbst und die in ihm ausgedrückten Anforderungen gezogen werden.257 a) Anwendungsbereich des MitbestG §§ 1, 4 und 5 stecken den Anwendungsbereich des Gesetzes ab.258 Entscheidend für die Eröffnung des Anwendungsbereichs des MitbestG sind die Zahl der Arbeitnehmer sowie die Rechtsform des Unternehmens (s. o.). Wie bereits dargestellt, unterfallen nur Unternehmen bestimmter Rechtsformen der Unternehmensmitbestimmung. Der Begriff des Unternehmens ist dabei streng 254

O. Kunze, Wirtschaftliche Mitbestimmung als Legitimationsproblem, S. 7 ff. S. auch den Regierungsentwurf zum MitbestG in BT-Drs. VII/2172, S.19; vgl. als Zweck Jahnke, Tarifautonomie und Mitbestimmung, S. 26 f.; kritisch mit Blick auf die Gesetzgebung Däubler, Grundrecht auf Mitbestimmung, S. 34 f. 256 Ähnlich BVerfG v. 7. 5. 1969 – 2 BvL 15/67, NJW 1969, 1203, 1205, wenn es davon spricht, dass die Eigentumsgarantie nach Art. 14 GG auch durch das Sozialordnungsrecht bestimmt wird. 257 Dies wird Gegenstand der Auslegung in Kapitel 4 sein. Für eine Betrachtung im Kontext des Streiks s. dort vor allem Abschnitt B. II. 2. 258 Raiser/Veil/Jacobs/Raiser, MitbestG/DrittelbG, § 1 MitbestG Rn. 1. 255

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3. Kap.: Das Recht der Unternehmensmitbestimmung

rechtsformorientiert, sodass ihm darüber hinaus keine Bedeutung zukommt; insbesondere handelt es sich nicht wie im Rahmen der betrieblichen Mitbestimmung um einen unbestimmten Rechtsbegriff. Die Rechtsformen sind insofern in § 1 MitbestG enumerativ abschließend aufgeführt.259 Diese institutionelle Elektivität beruht in erster Linie auf dem Bestreben des Gesetzgebers, das Mitbestimmungsrecht in die gesellschaftsrechtlichen Systeme zu integrieren und diese unberührt als Über-System zu belassen.260 Dies bedingt jedoch vereinzelt Uneinheitlichkeiten der Mitbestimmungsregeln über die Grenzen der Rechtsformen hinaus. Gerade auch im Hinblick auf die Mitbestimmungsgegenstände entstehen Divergenzen je nach Gesellschaftsform aufgrund unterschiedlicher Sachentscheidungskompetenzen.261 Gleichzeitig wurde die grundsätzliche Zuständigkeitsordnung des Gesellschaftsrechtes beibehalten.262 Damit verbunden ist auch die Beschränkung auf Großunternehmen.263 Dieses Wesensmerkmal kann insbesondere erneut den Grundgedanken aufgreifen, durch fortschreitende Anonymisierung der Arbeitnehmer im Rahmen des Produktionsprozesses entstehe ein Empfinden der Überlagerung von Arbeit durch Kapital (Aspekte der Menschenwürde/Fremdbestimmung).264 Freilich kann es auch bereits in kleineren Unternehmen zu einer empfundenen Fremdbestimmung in „menschenunwürdigem“ Maße kommen, dies kann jedoch mithilfe der zu vermutenden kürzeren Kommunikationsstrukturen eher aufgefangen werden.265 Gem. § 1 Abs. 1 MitbestG haben Arbeitnehmer von Unternehmen in der Rechtsform nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 MitbestG ein Mitbestimmungsrecht (im Aufsichtsrat), sofern das Unternehmen in der Regel mehr als 2.000 Arbeitnehmer beschäftigt, § 1 Abs. 1 Nr. 2 MitbestG.266 259 Habersack/Henssler/Habersack, Mitbestimmungsrecht, Einleitung MitbestG Rn. 10; Latzel, Gleichheit in der Unternehmensmitbestimmung, S. 30 ff.; Raiser/Veil/Jacobs/Raiser, MitbestG/DrittelbG, § 1 MitbestG Rn. 10; GK-MitbestG/Stumpff, Band 1, § 1 Rn. 13. 260 BT-Drs. VII/2172, S. 17; mit dieser Einschätzung auch Raiser/Veil/Jacobs/Raiser, MitbestG/DrittelbG, Einleitung MitbestG Rn. 65. 261 Vertieft hierzu Martens, ZHR 138 (1974), 179, 209 ff.; mit einer ausführlichen Darlegung der Unterschiede Raiser, Grundgesetz und paritätische Mitbestimmung, S. 12 ff.; Köstler/Zachert/M. Müller, Aufsichtsratspraxis, Rn. 106 f.; Zöllner/Loritz/Hergenröder/Loritz, Arbeitsrecht, § 55 Rn. 18; Raiser/Veil/Jacobs/Raiser, MitbestG/DrittelbG, Einleitung MitbestG Rn. 66. 262 404. Sitzung des Deutschen Bundesrates v. 5. 4. 1974, S. 112 (A). 263 Habersack/Henssler/Habersack, Mitbestimmungsrecht, Einleitung MitbestG Rn. 9. 264 BVerfG v. 1. 3. 1979 – 1 BvR 532/77 u. a., AP MitbestG § 1 Nr. 1 [C. V. 2.]; Habersack/ Henssler/Habersack, Mitbestimmungsrecht, Einleitung MitbestG Rn. 9; Wißmann/Kleinsorge/C. Schubert/Wißmann, Mitbestimmungsrecht, Vorbemerkung MitbestG Rn. 3. 265 BT-Drs. VI/334, S. 56 f.; BVerfG v. 1. 3. 1979 – 1 BvR 553/77 u. a., AP MitbestG § 1 Nr. 1 [C. III. 1. b) cc)]; MüKoAktG/Annuß, Band 2, § 1 MitbestG Rn. 9; Habersack/Henssler/ Habersack, Mitbestimmungsrecht, Einleitung MitbestG Rn. 9. 266 Tatbestandliche Ausnahmen bestehen in den Bereichen der Montanmitbestimmung (Abs. 2 Nr. 1) bzw. solchen Unternehmen, für die das MitbestErgG einschlägig ist (Abs. 2 Nr. 2), sowie für Unternehmen im Sinne des § 1 Abs. 4 MitbestG, die vorwiegend sozialgesellschaftlichen (Nr. 1) oder journalistischen Zwecken dienen (Nr. 2).

A. Die normativen Anknüpfungspunkte

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Arbeitnehmer im Sinne des MitbestG sind solche nach § 3 Abs. 1 MitbestG. Dieser verweist zur Begriffsbestimmung auf § 5 Abs. 1 BetrVG, wobei gem. Nr. 2 in Abweichung von Nr. 1 auch leitende Angestellte nach § 5 Abs. 3 BetrVG Arbeitnehmer im mitbestimmungsrechtlichen Sinne sind. Über die Konzernklausel des § 5 Abs. 1 MitbestG werden die Arbeitnehmer abhängiger Unternehmen dem herrschenden Unternehmen zugerechnet, wobei für das Abhängigkeitsverhältnis ausdrücklich auf § 18 Abs. 1 AktG verwiesen wird. Eine Ausnahme von diesem Zurechnungsgrundsatz bilden herrschende Unternehmen, die selbst nicht mitbestimmungsfähig sind. In diesem Fall kommt es nach § 5 Abs. 3 MitbestG zu einer mitbestimmten Teilkonzernspitze. Auf diese Weise soll eine Umgehung der konzernierten Mitbestimmung verhindert werden. Erfüllt ein abhängiges Unternehmen für sich bereits die Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 MitbestG, so ist bei diesem Unternehmen ein paritätischer Aufsichtsrat zu bilden, unabhängig davon, ob auch das herrschende Unternehmen einen solchen Aufsichtsrat hat. b) Der mitbestimmte Aufsichtsrat Ist ein mitbestimmter Aufsichtsrat zu bilden, besteht er hälftig aus Arbeitnehmervertretern (inkl. Gewerkschaftsvertretern) sowie Anteilseignern. Abhängig von der Größe des Unternehmens, welche sich nach der Belegschaftsgröße berechnet, besteht der Aufsichtsrat aus zwölf, 16 oder 20 Mitgliedern, § 7 Abs. 1 MitbestG. Absatz 2 regelt sodann die Zusammensetzung der Arbeitnehmerseite. Die Wahl der Anteilseignervertreter richtet sich im Fall der Mitbestimmung nach § 8 Abs. 1 MitbestG. § 101 Abs. 2 AktG bleibt davon jedoch unberührt. Hier bleibt es insofern bei den bereits vor der Mitbestimmung bestehenden gesellschaftsrechtlichen Mechanismen.267 Die Wahl der Arbeitnehmervertreter wird entweder direkt oder mittelbar unter Zuhilfenahme von Delegierten durchgeführt. Entscheidend ist dafür gem. § 9 Abs. 1, 2 MitbestG die Belegschaftsgröße. Die Wahl der Delegierten erfolgt nach §§ 10, 11 MitbestG. Bezugsgröße für den Wahlmodus ist in Abweichung von dem üblichen System der Unternehmensmitbestimmung nicht das Unternehmen, sondern der Betrieb, für dessen Begriff der § 3 Abs. 2 MitbestG auf das BetrVG verweist. Die Anknüpfung an den Betrieb erfolgt wie auch für die Zwischenschaltung von Delegierten aus Praktikabilitätserwägungen. Im Rahmen der Gesetzgebung des MitbestG (aber auch schon des DrittelbG bzw. seiner Vorgängernormen im BetrVG 1952) entschied sich der Gesetzgeber gegen die Gründung eines eigenständigen Mitbestimmungsgremiums.268 Das Ziel, die Ar267 Als rein deklaratorische Eigenschaft Habersack/Henssler/Habersack, Mitbestimmungsrecht, § 8 MitbestG Rn. 1; ebenso GK-MitbestG/Naentrup, Band 1, § 8 Rn. 1; ErfK/ Oetker, § 8 MitbestG Rn. 1; Raiser/Veil/Jacobs/Raiser, MitbestG/DrittelbG, § 8 MitbestG Rn. 1. 268 Raiser/Veil/Jacobs/Raiser, MitbestG/DrittelbG, Einleitung MitbestG Rn 65; mit dem Vorschlag einer eigenen Unternehmensversammlung noch der „Sechser Bericht“ von Boettcher/Hax/Kunze/v. Nell-Breuning/Ortlieb/Preller, Unternehmensverfassung als gesellschafts-

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3. Kap.: Das Recht der Unternehmensmitbestimmung

beitnehmer gleichberechtigt in die Entscheidungsprozesse zu integrieren, sollte vielmehr durch eine Vertretung der Arbeitnehmerinteressen im Aufsichtsrat geschehen.269 Im Falle der GmbH, für die der Aufsichtsrat grundsätzlich fakultativ ist, wird bei Überschreiten der mitbestimmungsrelevanten Beschäftigungsschwelle die Bildung des Aufsichtsrates gem. §§ 6 Abs. 1 MitbestG, 52 Abs. 2 S. 2 GmbHG obligatorisch.270 Vorliegend wird zunächst der Zuständigkeitsbereich des Aufsichtsrates anhand der Aktiengesellschaft dargestellt. Sodann wird auf die Besonderheiten der Aufsichtsratspraxis einzugehen sein, die sich aus den Einflüssen des MitbestG ergeben. Der Aufsichtsrat nimmt in der Verfassung der (Kapital-)Gesellschaften die Position des Kontrollorgans ein.271 Ihm obliegt es gem. § 111 Abs. 1 AktG, über die Geschäftsführung des Vorstandes zu wachen. Der Umfang der Kontrollpflicht ist dabei „organbezogen“ zu betrachten und findet bei der Überwachung geschäftsführender Leitung nicht sein Bewenden.272 Er wird besonders durch die Kompetenzzuweisung zwischen den Organen von Aufsichtsrat und Vorstand begrenzt. Während die Kontrolle an sich allumfänglich ausgestaltet ist und insbesondere nicht nur auf die Geschäftsführung im engeren Sinne beschränkt sein darf, soll es nicht zu einer mittelbaren Leitung des Unternehmens „durch die Hintertür“ kommen. In materieller Hinsicht sind daher mindestens sämtliche Leitungsmaßnahmen des Vorstandes sowie wesentliche Einzelmaßnahmen kontrollfähig und -pflichtig.273 Betrachtet man die Kompetenzen des Aufsichtsrates als Ganzes unter Berücksichtigung der Informations- und Auskunftsrechte, so rücken in besonderem Maße unternehmerische Entscheidungen im Bereich der Marktausrichtung und deren Umsetzung in den Fokus. Sachlich gehören damit auch Personalentscheidungen zum Kontrollgegenstand des Aufsichtsrates, da der Vorstand diese auch im Sinne der Erreichung der Unternehmensziele trifft.274

politische Forderung, S. 120, 129 ff.; ebenso bereits v. Nell-Breuning, FS Kronstein 1967, S. 47, 62 f. 269 Köstler/Zachert/M. Müller, Aufsichtsratspraxis, Rn. 99. 270 Zu den Systemen des obligatorischen Aufsichtsrates stellv. Deilmann, BB 2012, 2191; Habersack/Henssler/Habersack, Mitbestimmungsrecht, Einleitung MitbestG Rn. 11; Noack/ Servatius/Haas/Noack, GmbHG, § 52 Rn. 2. 271 Brouwer, Zustimmungsvorbehalte des Aufsichtsrats, S. 37; Immenga, ZGR 1977, 249, 250; Köstler/Zachert/M. Müller, Aufsichtsratspraxis, Rn. 100. 272 BeckOGK-AktG/Spindler, § 111 AktG Rn. 7. 273 So die herrschende Meinung: BGH v. 4. 7. 1977 – II ZR 150/75, NJW 1977, 2311, 2312; OLG München v. 2. 7. 2009 – 31 Wx 24/09, ZIP 2009, 2001, 2002; OLG Stuttgart v. 19. 6. 2012 – 20 W 1/12, ZIP 2012, 1965 1967 f.; MüKoAktG/Habersack, Band 2, § 111 Rn. 20 ff.; Koch, AktG, § 111 Rn. 2; a. A. BeckOGK-AktG/Spindler, § 111 AktG Rn. 9; zu der Frage des Sonderwissens im Licht der Corporate Governance Emde, DB 1999, 1486 passim. 274 Vgl. BeckOGK-AktG/Spindler, § 111 AktG Rn. 9; zu „Verfahrensfragen bei Personalentscheidungen des mitbestimmten Aufsichtsrats“ s. den gleichnamigen Aufsatz von Mertens, ZGR 1983, 189 passim.

A. Die normativen Anknüpfungspunkte

213

Obschon § 111 AktG mit der Kontrollfunktion den grundlegenden Aufgabenbereich des Aufsichtsrates zeichnet, erschöpft sich dessen Zuständigkeitsbereich keinesfalls darin. Hinzu kommen diverse einzelnormierte Rechte und Pflichten. Unterschieden werden können dabei reine Zustimmungserfordernisse wie beispielsweise die Zustimmung zur Abschlagszahlung auf den Bilanzgewinn gem. § 59 Abs. 3 AktG oder die Zustimmung im Hinblick auf Inhalt und Ausgabe von Aktien gem. § 204 Abs. 1 S. 2 AktG. Andere Normen konkretisieren im Gegensatz dazu die Kontrollaufgaben des Aufsichtsrates. Zu nennen sind hier beispielhaft die Gründungsprüfung gem. § 33 Abs. 1 AktG oder die Jahresabschlussprüfung gem. § 171 AktG. Auch dem mitbestimmten Aufsichtsrat obliegt überdies gem. § 31 MitbestG die Kontrolle über den Vorstand im Sinne der in § 84 f. AktG normierten Personalkompetenz, welche er durch Bestellung bzw. Abberufung der Vorstandsmitglieder ausübt.275 Vereinzelt kommen dem Aufsichtsrat indes auch gestalterische Aufgaben zu, wie der satzungsgemäße Erlass einer Geschäftsordnung, § 77 Abs. 2 S. 1 AktG, die Ausgestaltung von Wettbewerbsverboten von Vorstandsmitgliedern oder die Anfechtung von bzw. Nichtigkeitsklage gegen Hauptversammlungsbeschlüsse, §§ 245 Nr. 5 und 249 Abs. 1 AktG. Insgesamt wird die Verantwortung für die Gesellschaft damit bereits unabhängig von den Mitbestimmungsgesetzen in einem dualistischen System verwirklicht. Die Aufgaben und Zuständigkeiten von Vorstand und Aufsichtsrat sind rechtlich wie wirtschaftlich voneinander getrennt.276 In gleicher Weise wie der Vorstand nicht befugt ist, Aufgaben der Geschäftsführung an den Aufsichtsrat zu delegieren (§ 111 Abs. 4 S. 1 AktG), hält letzterer kein Initiativrecht für Angelegenheiten der Vertretung der Gesellschaft.277 Eine Ausnahme diesbezüglich bildet lediglich die Vertretung der Gesellschaft gegenüber einzelnen Vorstandsmitgliedern gem. § 112 AktG. Dennoch erfolgt die Überwachung des Vorstandes durch den Aufsichtsrat nicht allein reaktiv. Seine Aufgabenfelder betreffen sowohl die Kontrolle vergangener als auch zukünftiger Maßnahmen.278 Erforderlich dafür ist somit, dass der Aufsichtsrat insbesondere zur Erfüllung seiner Beratungspflicht eigene Ansichten und Einschätzungen in Bezug auf Planung und Durchführung unternehmerischer Entscheidungen bildet.279 Einer rein formalen und 275

Habersack/Henssler/Habersack, Mitbestimmungsrecht, § 31 MitbestG Rn. 1, 3; s. für die Einordnung als Kontrollaufgabe auch MüKoAktG/ders., Band 2, § 111 Rn. 2. 276 Ausnahmen bilden vereinzelte Fälle des Zusammenwirkens der Gremien: Vorstand und Vorsitzender des Aufsichtsrates (für den Aufsichtsrat) melden gemeinsam den Beschluss über Erhöhung resp. Herabsetzung des Grundkapitals der Gesellschaft zum Handelsregister an, §§ 188 Abs. 1, 223 AktG. 277 Brouwer, Zustimmungsvorbehalte des Aufsichtsrats, S. 37 f.; Wißmann/Kleinsorge/ C. Schubert/C. Schubert, Mitbestimmungsrecht, § 25 MitbestG Rn. 135 f., 166 im Hinblick auf die Zustimmungsinitiative. 278 Brouwer, Zustimmungsvorbehalte des Aufsichtsrates, S. 38; Immenga, ZGR 1977, 249, 250; zum Teil wohl anders Säcker/Rehm, DB 2008, 2814, die dem Aufsichtsrat nur ein defensives Abwehrrecht zugestehen. 279 Wißmann/Kleinsorge/C. Schubert/C. Schubert, Mitbestimmungsrecht, § 25 MitbestG Rn. 135 f. Zur rechtsdogmatischen Einordnung der Beratungsfunktion des Aufsichtsrates Lieder, Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, S. 652.

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3. Kap.: Das Recht der Unternehmensmitbestimmung

passiven Rolle des Aufsichtsrates steht schließlich insbesondere der Zustimmungsvorbehalt des § 111 Abs. 4 S. 2 AktG entgegen.280 Auf diese Weise vermag das Kontrollgremium in besonderem Maße, wenn auch nicht selbstgestalterisch, so doch regulativ auf die Gestaltung des Unternehmens und seiner Politik Einfluss zu nehmen.281 Nicht zuletzt auch die Reformen des Jahres 2003 in Form des KonTraG282 und des TransPuG283 haben zu einer vertieften Einbindung des Aufsichtsrates in die unternehmerische Planung geführt.284 Daher spricht man auch vereinzelt von einem „Überwachungsorgan mit unternehmerischer Mitverantwortung“.285 c) Die Gewerkschaftsrechte in der Unternehmensmitbestimmung aa) Vorschlagsrecht und Beteiligung im Rahmen der Mandatierung (1) Das Vorschlagsrecht gem. § 16 MitbestG Begründet in §§ 7, 16, 22, 23 Abs. 1 Nr. 4 MitbestG sowie gem. § 6 Abs. 2 MitbestG i. V. m. §§ 98, 104 AktG stehen den im Unternehmen vertretenen Gewerkschaften verschiedene Rechte zu. Nach heute allgemeiner Ansicht286 ist eine Gewerkschaft in einem Betrieb oder einem Unternehmen vertreten, wenn sie bereits ein Mitglied ihrer Gewerkschaft in diesem Betrieb oder Unternehmen stellt.287 Der betreffende Arbeitnehmer selbst muss nicht wahlberechtigt sein.288 Ist ein Gewerkschaftsvertreter aufgrund eines Wahlvorschlags gewählt worden, stehen ihm aufgrund des aktienrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes alle Rechte eines ordentlichen Aufsichtsratsmitgliedes zu.289 Als Gewerkschaftsvertreter kommen nach wohl zutreffender allgemeiner Ansicht nicht nur Mitglieder oder Arbeitnehmer

280

Mit dieser Einschätzung wohl auch MüKoAktG/Habersack, Band 2, § 111 Rn. 14, wenn er von einer „Teilhabe an der Geschäftsführung“ spricht. 281 Brouwer, Zustimmungsvorbehalte des Aufsichtsrates, S. 38. 282 Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich v. 27. 4. 1998, BGBl. I 1998, S. 786. 283 Gesetz zur weiteren Reform des Aktien- und Bilanzrechts, zu Transparenz und Publizität v. 19. 7. 2020, BGBl. I 2002, S. 2681. 284 S. in diesem Zusammenhang Lutter, ZIP 2003, 417 über das Auswahlverschulden des Aufsichtsrates im Rahmen der eigenen Neuwahl. 285 Götz, ZGR 1990, 633, 656; Immenga, ZGR 1977, 249, 251; KölnKommAktG/Mertens, Band 2/II, § 111 Rn. 32. 286 So Feudner, DB 1995, 2114. 287 BAG v. 4. 11. 1960 – 1 ABR 4/60, BAGE 10, 154; BAG v. 25. 3. 1992 – 7 ABR 65/90, AP BetrVG 1972 § 2 Nr. 4; BAG v. 10. 11. 2004 – 7 ABR 19/04, AP BetrVG 1972 § 17 Nr. 7; MüHbArbR/Boemke, Band 3, § 289 Rn. 5; Fitting, BetrVG, § 2 Rn. 43; Richardi/Maschmann, BetrVG, § 2 Rn. 69 ff. Für das MitbestG MüKoAktG/Annuß, Band 2, § 16 MitbestG Rn. 5. 288 So zumindest MüKoAktG/Annuß, Band 2, § 16 MitbestG Rn. 5. 289 Zu diesen Rechten s. den nachfolgenden Abschnitt A. II. 2. c) aa) (2).

A. Die normativen Anknüpfungspunkte

215

der betreffenden Gewerkschaft in Betracht.290 Diese ist in ihrem Vorschlagsrecht vielmehr weitgehend frei. Aus § 15 MitbestG sowie der von dem Gesetzgeber bezweckten Funktion der Gewerkschaften dürfte sich jedoch wohl die Einschränkung ergeben, dass es sich um Unternehmensexterne handeln muss, die nicht als Arbeitnehmer „aus dem eigenen Unternehmen stammen“291. Diese genannten Rechte sollen ausweislich der Gesetzesbegründung das System der Unternehmensmitbestimmung in funktionaler Hinsicht absichern.292 Spitzenorganisationen kommt kein eigenes Vorschlagsrecht zu.293 Aus den angesprochenen Legitimations- und Demokratisierungserwägungen entschied sich der Gesetzgeber gegen ein fixes Entsenderecht der Gewerkschaften.294 Die Wahl der Arbeitnehmervertreter – auch und besonders der Gewerkschaftsvertreter – erfolgt im Sinne der §§ 15, 16 MitbestG nach den allgemeinen Grundsätzen.295 Aufgrund der in § 7 Abs. 2, Abs. 5 MitbestG normierten gewerkschaftlichen Pflichtmandate verfügen sie allerdings über ein Vorschlagsmonopol.296 Jeder Gewerkschaft steht in diesem Zusammenhang nur ein Wahlvorschlag zu; mehrere Gewerkschaften können jedoch eine gemeinsame Liste aufstellen. Die formalen Anforderungen an diese Liste werden durch verschiedene Vorschriften in den Wahlordnungen zum MitbestG durch die §§ 26 Abs. 2 S. 1 WO 1, 28 Abs. 2 S. 1 WO 2, 28 Abs. 2 S. 1 WO 3 konkretisiert.297 Im Falle mehrerer Wahlvorschläge findet eine Verhältniswahl (§ 16 Abs. 1 MitbestG) statt. Im Fall von nur einem Wahlvorschlag erfolgt gem. § 16 Abs. 2 S. 2 MitbestG eine Mehrheitswahl. Hinsichtlich der Dauer der Amtszeit entspricht das Mandat der Gewerkschaftsvertreter demjenigen der übrigen Arbeitnehmervertreter (§ 16 Abs. 1 i. V. m. § 15 Abs.1 MitbestG).298 Das Verfahren zur internen Vorschlagsfindung bestimmt sich nach dem internen, durch die Satzung der Gewerkschaft vorgegebenen Verfahren.299 Das Vorschlagsrecht hält hierbei regelmäßig der Vorstand, der es aber anderweitig delegieren kann.300 290

So bereits der federführende Ausschuss für Arbeit und Sozialordnung im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens, BT-Drs. VII/4845, S. 11; ebenso BAG v. 15. 5. 2019 – 7 ABR 35/ 17, AP MitbestG § 22 Nr. 3 Rn. 29; Habersack/Henssler/Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 7 MitbestG Rn. 78; Raiser/Veil/Jacobs/Raiser/Jacobs, MitbestG/DrittelbG, § 16 MitbestG Rn. 3; MüHbArbR/Uffmann, Band 4, § 378 Rn. 26; Wißmann/Koberski/C. Schubert/Wißmann, Mitbestimmungsrecht, § 7 MitbestG Rn. 45. 291 So die Mitbestimmungskommission unter Berufung auf die Rolle der Gewerkschaften ggü.den internen Arbeitnehmervertreten, BT-Drs. VI/334, S. 106. 292 BT-Drs. VII/2172, S. 25. Zur Rolle der Gewerkschaften in der Unternehmensmitbestimmung im verfassungsrechtlichen Kontext später vertieft Abschnitt B. dieses Kapitels. 293 MüKoAktG/Annuß, Band 2, § 16 MitbestG Rn. 5 m. w. N. 294 Raiser/Veil/Jacobs/Raiser, MitbestG/DrittelbG, Einleitung MitbestG Rn. 34. 295 S. Habersack/Henssler/Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 16 MitbestG Rn. 2 ff. 296 Habersack/Henssler/Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 16 MitbestG Rn. 2. 297 MüKoAktG/Annuß, Band 2, § 16 MitbestG Rn. 6. 298 MüKoAktG/Annuß, Band 2, § 16 MitbestG Rn. 3 f.; Habersack/Henssler/Habersack, Mitbestimmungsrecht, Einleitung MitbestG Rn. 12. 299 MüKoAktG/Annuß, Band 2, § 16 MitbestG Rn. 5.

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3. Kap.: Das Recht der Unternehmensmitbestimmung

(2) Das Aufsichtsratsmandat – Rechte und Pflichten der Gewerkschaftsvertreter im Rahmen ihrer Mandatierung Die vorgenannten Rechte stehen dem Aufsichtsrat als Kollektivorgan zu.301 Den einzelnen Mitgliedern bleibt in diesem Kontext lediglich eine Einwirkungsmöglichkeit.302 Daneben treten jedoch auch vereinzelte aufsichtsratsinterne Rechte der Mandatsträger sowie Individualrechte gegen die Gesellschaft. Letztere ergeben sich aus dem Rechtsverhältnis zwischen Aufsichtsratsmitgliedern und Gesellschaft und betreffen vornehmlich Vergütungs- und Aufwendungsersatzansprüche.303 Bezogen auf ihre Tätigkeit im Aufsichtsrat haben die Mitglieder zunächst das Recht, gem. § 110 Abs. 1, 2 AktG eine Aufsichtsratssitzung einzuberufen bzw. einberufen zu lassen. Ex § 109 AktG ergibt sich ihr Recht, an diesen Sitzungen teilzunehmen und sich im Rahmen dessen mündlich oder schriftlich zu den Tagesordnungspunkten zu äußern. Solche können sie nach herrschender Meinung in analoger Anwendung des § 110 Abs. 2 AktG auch eigenmündig ergänzen und hinzufügen.304 Schließlich müssen dem Mitglied gem. § 90 Abs. 5 AktG auf sein Antragen die schriftlichen Berichte des Vorstandes und etwaige Beschlussvorlagen des Aufsichtsrates ausgehändigt werden, zumindest aber muss ihm Einsicht gewährt werden.305 Unter Vorbehalt abweichender Regelungen in der Satzung steht den Aufsichtsratsmitgliedern schließlich ein Vetorecht zu, mithilfe dessen eine förmliche Abstimmung erzwungen werden kann (§ 108 Abs. 4 AktG).306 Auf der Grundlage des § 90 Abs. 3 AktG kann jedes Aufsichtsratsmitglied gegenüber dem Vorstand Berichterstattung an den Aufsichtsrat verlangen. Der Umfang der Berichterstattung reicht hierbei denkbar weit und umfasst sämtliche Aspekte des Unternehmens und der Unternehmensleitung. Die Hürden dieses Anspruchs wurden durch das TransPuG dahingehend herabgesetzt, dass nicht erst zwei Aufsichtsratsmitglieder gemeinsam antragsberechtigt sind.307 Daneben hat grundsätzlich jedes 300 Habersack/Henssler/Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 16 MitbestG Rn. 5; Wißmann/ Kleinsorge/C. Schubert/Wißmann, Mitbestimmungsrecht, § 16 MitbestG Rn. 5. 301 Die Aufgaben und Kompetenzen des Aufsichtsrates werden in Abschnitt A. II. 2. b) dieses Kapitels dargestellt. 302 Gegen eine Prozessführungsbefugnis bereits BGH v. 28. 11. 1988 – II ZR 57/88, AP MitbestG § 25 Nr. 3 (Zulässigkeit der actio pro socio offenlassend); s. auch unterinstanzlich die Urteile des OLG Stuttgart v. 30. 5. 2007 – 20 U 13/06, BeckRS 2007, 9416 (gegen ein Recht des einzelnen Mitgliedes auf Vorlage von Unterlagen); OLG Stuttgart v. 30. 5. 2007 – 20 U 14/06, NZG 2007, 549 (gegen eine Prozessführungsbefugnis); ebenso Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, Rn. 823. 303 Dazu ausführlich Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, Rn. 842 ff. 304 MüKoAktG/Habersack, Band 2, § 110 Rn. 26; Koch, AktG, § 110 Rn. 6. 305 Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, Rn. 825. 306 Zu diesen gremialen Rechten s. auch Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, Rn. 824 – 828. 307 Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, Rn. 830.

A. Die normativen Anknüpfungspunkte

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Aufsichtsratsmitglied an der Hauptversammlung teilzunehmen (§ 118 Abs. 3 AktG), wenn ihm auch in diesem Kontext lediglich ein Äußerungs-, nicht aber ein Stimmoder Antragsrecht zusteht. Vom Vorstand kann es jedoch gem. § 125 Abs. 3 AktG sowohl die Einberufung einer Hauptversammlung überhaupt verlangen als auch die entsprechenden Unterlagen. § 125 Abs. 4 AktG gibt dem Aufsichtsratsmitglied schließlich das Recht auf Mitteilung der dort gefassten Beschlüsse. Ob diese Unterlagen auch weitgehend die Kommunikation zwischen Vorstand und Gesellschaftern umfassen, wird nicht einheitlich beantwortet.308 Dass durch die Verweigerung dieses Rechtes die, wie Franz Jürgen Säcker es formuliert, „sachgemäße Wahrnehmung der Kontrollaufgaben des Aufsichtsrates und [die] Vorbereitung des einzelnen Aufsichtsratsmitgliedes auf die Sitzungen des Aufsichtsrates“ ernstlich gefährdet werden, steht angesichts des Anspruchs aus § 90 Abs. 3 AktG auf Berichterstattung an den Gesamtaufsichtsrat zumindest nicht fest.309 Sämtliche Individualrechte kann jedes Aufsichtsratsmitglied auch klageweise durchsetzen.310 Diese Klage ist nach wohl überwiegender Ansicht gegen die durch den Vorstand vertretene Gesellschaft selbst zu richten.311 bb) Die Mitbestimmungsfunktion des Aufsichtsrates im Lichte des Unternehmensinteresses (1) Einführung in die Problematik Nachdem zuvor ganz grundsätzlich die Rolle der Koalitionen in der Arbeitsrechtsordnung betrachtet wurde, sollen die dort gewonnenen Erkenntnisse nun für die Unternehmensmitbestimmung nach dem MitbestG konkretisiert werden. Die ordnende Wirkung der Gewerkschaften und ihre Funktion in der Unternehmensmitbestimmung hängt maßgeblich von ihrer Rolle im mitbestimmten Aufsichtsrat ab. Diese findet indes ihren Ausdruck nicht nur in den einfachgesetzlichen Rechten und Pflichten der Gewerkschaftsvertreter als Mitglieder des Aufsichtsrates, sondern ist auch in wesentlichem Umfang geprägt von den dort vorherrschenden Interessen. 308 Dagegen Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, Rn. 830; dafür Säcker, NJW 1979, 1521, 1524. 309 In diese Richtung wohl auch Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, Rn. 830 ff. 310 BGH v. 28. 11. 1988 – II ZR 57/88, AP MitbestG § 25 Nr. 3 [1. b)]; Koch, AktG, § 90 Rn. 22 f.; Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, Rn. 838; Säcker, NJW 1979, 1521, 1526 311 So in Anlehnung an BGH v. 28. 11. 1988 – II ZR 57/88, AP MitbestG § 25 Nr. 3: Baumann, Rechte des einzelnen Aufsichtsratsmitglieds, S. 249, 251 ff.; Koch, AktG, § 90 Rn. 23; MüKoAktG/Spindler, Band 2, § 90 Rn. 64; Hommelhoff, ZHR 143 (1979), 288, 314 f., der jedoch von einer Vertretung der Gesellschaft in Entsprechung des § 112 S. 1 AktG durch den Aufsichtsrat ausgeht; ebenso Stodolkowitz, ZHR 154 (1990), 1, 16; a. A. für die Passivlegitimation des Aufsichtsrates bzw. des Vorsitzenden Harnos, FS Seibert 2019, S. 309, 317 ff. Ausführlich zu diesem Streitstand und seinen praktischen Auswirkungen Lutter/Krieger/ Verse, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, Rn. 839.

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3. Kap.: Das Recht der Unternehmensmitbestimmung

Durch die personelle Anbindung der Gewerkschaftsvertreter als Arbeitnehmervertreter an den Aufsichtsrat als Unternehmensorgan erfolgte zwangsläufig auch eine personelle Verknüpfung mit der gremialen Unternehmensverfassung und dem ihr zugrunde liegenden „Unternehmensinteresse“. Zudem wurde die formelle Verfassung des Unternehmens beeinflusst: Zu den gesetzlichen Kontroll- und Überwachungsaufgaben des Aufsichtsrates (s. o.) gesellte sich die Mitbestimmungsfunktion. Dabei ist zwar fraglich, ob sie sich als solche bezeichnen lässt; zumindest im Hinblick auf das Abstimmungsverfahren nach den §§ 27 ff. und §§ 30 ff. MitbestG mag dies korrekt sein, da die mitbestimmungsgesetzlichen Vorschriften insofern eine Ausnahme der jeweiligen rechtsformspezifischen Aufgabenverteilungen darstellen.312 Im Übrigen war mit der Teilnahme der Arbeitnehmervertreter im Rahmen der Aufsichtsratsarbeit aber keine Reform des Gremiums angedacht. Vielmehr sollte die Mitbestimmung sich in das bestehende Unternehmens- und Gesellschaftsrecht einfügen.313 Die normative Verbindung von Unternehmensinteresse und Gewerkschaftsfunktion ergibt sich aus § 25 MitbestG, welcher für die innere Ordnung im Aufsichtsrat auch auf die Treue- und Sorgfaltspflichten der Aufsichtsratsmitglieder im Sinne des §§ 116, 93 AktG verweist. Hiernach haben die Organmitglieder von Vorstand und Aufsichtsrat bei „ihrer Geschäftsführung die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters anzuwenden.“ Ausweislich § 93 Abs. 1 S. 2 AktG bedeutet dies für den Vorstand ein Handeln „zum Wohle der Gesellschaft“, ohne dieses dabei näher zu konkretisieren. Den Umfang dieser Berücksichtigung konkretisierte das Bundesverfassungsgericht ein Jahr später in seinem „Mitbestimmungsurteil“: Der Vorstand sei auch zur Wahrung von Interessen verpflichtet, „die nicht notwendigerweise diejenigen der Anteilseigner sein müssen.“314 Die Leitung des Unternehmens erfolgt letztlich im Ermessen des Vorstandes.315 Im Kontext der Ermessensgrenzen – vornehmlich sachfremder Erwägungen – stellt sich gleichwohl die Frage nach dem Inhalt des Unternehmensinteresses als Ermessensparameter.316 Die Parallelität der Verantwortungsmaßstäbe bestätigte der Bundesgerichtshof in seiner „Bayer-Entscheidung“. Auch der Aufsichtsrat sei dem Wohl des Unternehmens verpflichtet. Unternehmensinteresse und die Einzelinteressen der im Aufsichtsrat vertretenen Gruppen müssten sich dabei nicht zwangsläufig decken.317 Für sämtliche Mitglieder des mitbestimmten Aufsichtsrates gelten diese Pflichten 312

D. Schaub, ZGR 1977, 293 f.; Immenga, ZGR 1977, 249, 253 f. 404. Sitzung des Deutschen Bundesrates v. 5. 4. 1974, S. 112 A. Zur Bedeutung für satzungsmäßige Ordnungsvorschriften D. Schaub, ZGR 1977, 293, 294 ff. 314 BVerfG v. 1. 3. 1979 – 1 BvR 532/77 u. a., AP MitbestG § 1 Nr. 1. 315 BGH NJW 1994, 1410; Henssler/Strohn/Dauner-Lieb, Gesellschaftsrecht, § 76 AktG Rn. 10; Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, Band 1, § 76 Rn. 59; Koch, AktG, § 76 Rn. 28; Scholl, Vorstandshaftung und Vorstandsermessen, passim. 316 Henssler/Strohn/Dauner-Lieb, Gesellschaftsrecht, § 76 AktG Rn. 10; Koch, AktG, § 76 Rn. 28. 317 BGH v. 5. 6. 1975 – II ZR 156/73, NJW 1975, 1412. 313

A. Die normativen Anknüpfungspunkte

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der Vorstandsmitglieder sinngemäß – unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Aufsichtsrates im Unterschied zum Vorstand.318 So stellte das Bundesarbeitsgericht unter der Prämisse der Unabhängigkeit der Aufsichtsratsmitglieder eindeutig fest: „Der in den Aufsichtsrat eines Unternehmens gewählte Arbeitnehmer hat die gleiche Rechtsstellung wie jedes andere Aufsichtsratsmitglied.“319 Diese seien ungeachtet ihrer Einordnung als Arbeitnehmervertreter oder Anteilseigner in der Ausübung ihrer Aufsichtsratspflichten neutral.320 Da die Aufsichtsratspflichten für alle Mandatsträger gleichermaßen – und insbesondere ohne eine Binnendifferenzierung zwischen den Arbeitnehmervertretern – gelten, sind sie zumindest dem Grunde nach auch auf die Gewerkschaftsvertreter zu übertragen. Insofern handelt es sich um allgemeine Erwägungen des Aktienrechtes.321 Dennoch soll dem Einfluss des Unternehmensinteresses auf die Stellung der Gewerkschaftsvertreter nachfolgend näher eingegangen werden. Diese werden gem. § 16 MitbestG über Listen in den Aufsichtsrat gewählt, eine darüber hinausgehende Verbindung mit dem Unternehmen besteht zumeist nicht. Vielmehr handelt es sich in aller Regel um hochrangige Mitglieder der Gewerkschaft in einer herausragenden Leitungsfunktion.322 Eine daraus resultierende Tendenz in Richtung der Arbeitnehmer mag zwar naheliegen, insbesondere da nur solche Gewerkschaften für die Mitbestimmung berücksichtigt werden, die gem. § 7 Abs. 5 MitbestG im Unternehmen vertreten sind. Ein Automatismus hinsichtlich der Entscheidungswilligkeit der Gewerkschaften zugunsten der Arbeitnehmerbelange war aber keinesfalls vom Gesetzgeber avisiert. So wurden sie zwar als Arbeitnehmervertreter eingeordnet, sollten aber in dieser Funktion gerade mit ihrem Sachverstand zu einer Beschlussfindung beitragen und in ihrer Beteiligung objektiv bleiben.323 Auch die Gewerkschaften selbst sahen ihre Rolle eher darin, neben den punktuellen Tarifverhandlungen im Einzelfall im Rahmen der Unternehmensmitbestimmung eine kontinu-

318 P. Hanau/Wackerbarth, Unternehmensmitbestimmung und Koalitionsfreiheit, S. 14; Raiser/Veil/Jacobs/Raiser, MitbestG/DrittelbG, § 25 MitbestG Rn. 123; Wißmann/Kleinsorge/C. Schubert/C. Schubert, Mitbestimmungsrecht, § 25 MitbestG Rn. 4, 230. Für die sinngemäße Anwendung des § 93 AktG stellv. Henssler/Strohn/Henssler, Gesellschaftsrecht, § 116 AktG Rn. 1. 319 BAG v. 27. 9. 1957 – 1 AZR 493/55, AP KSchG § 13 Nr. 7 [2. LS]. 320 Für eine Neutralitätspflicht auch Boettcher/Hax/Kunze/v. Nell-Breuning/Ortlieb/Preller, Unternehmensverfassung als gesellschaftspolitische Forderung, S. 133; kritisch Paul, Bedürfnisberücksichtigung, S. 360. 321 Dazu Säcker, DB 1977, 1791, 1793. 322 Frank Bsirske für die Lufthansa AG, Jürgen Peters für die Volkswagen AG und Norbert Hansen für die Deutsche Bahn AG, Beispiele nach Velten, Gewerkschaftsvertreter im Aufsichtsrat, S. 113; für eine statistische Auseinandersetzung der Korrelation von Aufsichtsratsmandat und hauptamtlicher Gewerkschaftstätigkeit BT-Drs. VI/334, S. 33. 323 BT-Drs. VII/4845, S. 5. S. auch vertieft Kapitel 4, Abschnitt A. I. 3. d) aa) (2) (a).

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3. Kap.: Das Recht der Unternehmensmitbestimmung

ierliche Stimme der Arbeitnehmer zu sein, welche zur zukunftsorientierten Dynamisierung der Unternehmensplanung und -politik beitragen kann.324 Dennoch liegt es in der Natur der Sache, dass solche Aufsichtsratsmitglieder, deren Verbindung mit dem Unternehmen allein qua Aufsichtsratsmandat besteht, das Unternehmensinteresse zusätzlich gegen andere externe Variablen abwiegen, wohingegen es zwischen Anteilseignern und Arbeitnehmern näherliegt, dass dieselben Variablen unterschiedlich gewichtet werden.325 Da die Arbeitnehmervertreter ebenso wie die Vertreter der leitenden Angestellten bereits aus ihren vertraglichen Pflichten heraus unternehmens- bzw. arbeitgeberbezogene Interessen neben den durch sie repräsentierten Gruppierungen zu berücksichtigen haben, kommt es im Hinblick auf das Unternehmensinteresse wenigstens aber zu einer weitaus größeren Schnittmenge. Im Fall der Gewerkschaften tritt neben die Repräsentation der Belegschaftsinteressen unter Berücksichtigung sämtlicher Betätigungsfelder die Pflichtenbindung der Gewerkschaften gegenüber ihren Mitgliedern. Sie sind qua mitgliedschaftlichem Verhältnis zur Wahrnehmung gewisser Aufgaben bzw. zumindest zur gewissenhaften Wahrnehmung ihrer Aufgaben (inklusive der Durchsetzung dieser Interessen durch Streiks) verpflichtet.326 Aus ihrer daraus erwachsenden Doppelrolle bleiben sie weiterhin Vertreter der Gewerkschaft und als solche ausnahmslos und einzig ihren Mitgliedern in dem Umfang verpflichtet, der sich aus der jeweiligen Satzung ergibt. Virulent wird eine Unterscheidung von Mitglieder- und Belegschaftsinteressen vor allem dann, wenn diese personell nicht übereinstimmen. In diesem Fall sind Konstellationen denkbar, in denen die Interessen der Belegschaft eines Unternehmens diametral zu denjenigen Interessen der Mitglieder der Gewerkschaft verlaufen können. Aber auch zwischen Unternehmensinteresse im Allgemeinen und Gewerkschaftsinteresse besteht Kollisionspotential. Den wohl prominentesten Konflikt stellt der Fall des ver.di-Vorsitzenden Franz Bsirske aus dem Jahre 2003 dar. Dieser hatte während seiner Zeit als stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender der Lufthansa AG einen (rechtmäßigen) Streik in Mitverantwortung mitgetragen.327 Dies zeigt, dass sich die Gewerkschaft in einem Spagat zwischen mitgliedschaftlicher und mandatarischer Pflichtenbindung befindet, zu welcher sodann auch noch ein möglicherweise abweichendes Unternehmensinteresse treten könnte. Diese 324

Chamberlain, Gewerkschaften und Unternehmensführung, in: Friedrichs, Automation, Risiko und Chance, Band 2, S. 795, 810; zustimmend Christmann, Unternehmenspolitik und Mitbestimmung in einer wachsenden Wirtschaft, in: Nemitz/Becker, Mitbestimmung und Wirtschaftspolitik, S. 155, 170 f. 325 BT-Drs. VI/334, S. 47. 326 Grundlegend zu den (Treue-)pflichten der Gesellschaft gegenüber ihren Mitgliedern Lutter, AcP 180 (1980), 84, 120 ff.; s. auch MüHbGesR/Schöpflin, Band 5, § 35 Rn. 22. Mit einer Darstellung der möglichen Konfliktlagen im Allgemeinen Klosterkemper, FS Wißmann 2005, S. 456, 462 ff. 327 Stellv. für die mediale Berichterstattung in der causa ein Bericht von Bender, FAZ Nr. 156 v. 9. 7. 2003, S. 17.

A. Die normativen Anknüpfungspunkte

221

„Zwitterstellung“ unterscheidet bereits prima facie die Rolle der Gewerkschaften in der Unternehmensmitbestimmung von derjenigen in der Tarifautonomie – aber auch der Betriebsverfassung. Nachfolgend soll zu diesem Zwecke zunächst das Unternehmensinteresse in Inhalt und Bindungswirkung bestimmt werden. Bereits die Frage nach Inhalt und Bindung des Unternehmensinteresses selbst ist jedoch keine eindeutige. Sie zu beantworten, bedeutet eine umfassende Nachzeichnung der Geschichte des Gesellschaftsrechtes – insbesondere des Aktiengesetzes – ohne das Versprechen einer abschließenden Antwort. Zum Zwecke der hiesigen Untersuchung soll daher der Fokus auf der systemischen Immanenz von Arbeitnehmerinteressen innerhalb des Unternehmensinteresses liegen, um auf diese Weise bereits auf dieser ersten Stufe mögliche Kollisionen von Unternehmens- und Belegschaftsinteresse aufzulösen, die freilich streng genommen qua identitärer Kollision bereits nicht bestehen. In einem nächsten Schritt soll die verbleibende unternehmensbezogene Pflichtenbindung der gewerkschaftlichen Pflichtenbindung gegenübergestellt werden. (2) Unternehmensinteresse (a) Die ersten Definitionsversuche Erste abstrakte Überlegungen zu einem unternehmenseigenen Interesse enthielt die Theorie zum „Unternehmen an sich“.328 Obgleich die diesbezüglichen theoretischen Überlegungen im engeren Sinne selbst recht fruchtlos blieben, gelten sie noch immer als Intermediäre zu der Beantwortung der Frage, inwiefern das Unternehmen „in sich“ bzw. „an sich“ eigene Interessen hat, die sich sodann möglicherweise von den Interessen der das Unternehmen konstituierenden Individualeinheiten unterscheiden können. Diese Ideen reiften erstmals in der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg, in welcher sich die Aktiengesellschaften von einer uneingeschränkten Kontrolle durch die sie lenkenden Personen entfernten und sich der Einfluss auf das Unternehmensgeschehen institutionalisierte.329 Bereits im Reformvorhaben zum Aktiengesetz im Jahre 1930 war sodann von dem Unternehmen als „Rechtsgut eigener Art“ die Rede.330 Auch diese Bestrebungen waren von der Idee geleitet, das Unternehmen zu verselbstständigen und im Hinblick auf die Verfolgung rein individualistischer Interessen zu deinstrumentalisieren. Jeder an dem Unternehmen Beteiligte sollte seine Rechte und Pflichten nur im Interesse des Unternehmens wahrnehmen.331 Obschon diese Reformbestrebungen in der Gesetzgebung letztlich keine Berück-

328

Netter, FS Pinner 1923, S. 507 passim. Zöllner, Schranken mitgliedschaftlicher Stimmrechtsmacht, S. 68; s. auch Jürgenmeyer, Unternehmensinteresse, S. 53. 330 Entwurf eines Gesetzes über Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften auf Aktien, veröffentlicht durch das Reichsjustizministerium, S. 94. 331 Haussmann, Vom Aktienwesen, S. 55; Jürgenmeyer, Unternehmensinteresse, S. 54. 329

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3. Kap.: Das Recht der Unternehmensmitbestimmung

sichtigung fanden,332 kann man aus ihnen bereits einige Rückschlüsse ziehen, die bis heute Geltung beanspruchen und dem Verständnis der heute herrschenden Meinung von einem pluralistischen Konzept des Unternehmensinteresses zugrunde liegen.333 Die Verselbstständigung des Unternehmens als Interessenträger bedeutet keine rechtliche Loslösung von den das Unternehmen konstituierenden Einflüssen. Der interessenpluralistische Ansatz anerkennt diese Einflüsse vielmehr und sieht, dass diese in einem Unternehmen als Kollektiv zusammengeführt und gebündelt werden. (b) Die rechtliche Verankerung des Unternehmensinteresses In diesem Sinne formulierte § 70 AktG 1937334 eine im Vergleich zum heutigen § 93 AktG deutlich klarere Funktionsregelung für den Aufgabenbereich der Unternehmensleitung dahingehend, dass der Vorstand „unter eigener Verantwortung die Gesellschaft so zu leiten [hat], wie das Wohl des Betriebes und seiner Gefolgschaft und der gemeine Nutzen von Volk und Reich es fordern.“ Unternimmt man den Versuch, diese Zuweisung seiner nationalsozialistischen Ideologie zu entkleiden, gelangt man zu dem Ergebnis, dass der Gesetzgeber bereits zu diesem frühen Zeitpunkt des Aktienrechtes und des Verständnisses eines Unternehmensinteresses dieses nicht monothematisch ausgestaltet wissen wollte.335 Der Vorstand war zunächst verpflichtet, für das Wohl der Gesellschaft zu sorgen. Hierzu sollten ausweislich der Gesetzesbegründung auch die Interessen der Aktionäre gehören. Daneben sollte das Wohl des Betriebes, seiner Gefolgschaft und der Allgemeinheit als „Richtlinie“ für die Unternehmensleitung dienen.336 Obschon diese recht eindeutige Formulierung im Zuge der Reform des Aktiengesetzes aus dem Jahre 1965 aus dem Gesetzestext verschwand, ging der Gesetzgeber ausweislich der entsprechenden Materialien weiterhin von einer pluralistischen Konzeption des Unternehmensinteresses aus.337 So sehr sogar, dass er eine diesbezügliche Klarstellung ausdrücklich für überflüssig erklärte: „Daß der Vorstand bei seinen Maßnahmen die Belange der Aktionäre und der Arbeitnehmer zu berücksichtigen hat,“ verstehe sich von selbst. Dies gelte in gleicher Weise auch für das Gemeinwohl.338 Ebenso wenig sollte durch eine Regelung ein irgendwie geartetes Hierarchieverhältnis der Interessen (Unternehmen – Arbeitnehmer – Allgemeinheit) gespiegelt oder normativ verankert

332

Flume, FS Beitzke 1979, S. 43, 47 ff.; Jürgenmeyer, Unternehmensinteresse, S. 55. Stellv. s. Henssler/Strohn/Dauner-Lieb, Gesellschaftsrecht, § 76 AktG Rn. 10 f.; Koch, AktG, § 76 Rn. 30 ff.; einschränkend Wiedemann, ZGR 2011, 183, 193 ff. 334 Gesetz über Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften auf Aktien v. 30. 1. 1937, RGBl. I 1937, S. 107, 120. 335 Jürgenmeyer, Unternehmensinteresse, S. 58 f. 336 Klausing, Aktiengesetz, S. 58 f. 337 Eine kritische Auseinandersetzung mit den beiden Vorschriften und der Frage inhaltlicher Perpetuierung Rittner, FS Geßler 1971, S. 139 passim. 338 Ausweislich des Ausschussberichtes zu § 76, in: Kropff, Textausgabe des Aktiengesetzes v. 6. 9. 1965, S. 97. 333

A. Die normativen Anknüpfungspunkte

223

werden.339 Darüber hinausgehende Vorgaben zur Gewichtung und Abwägung der Interessen lassen sich dem Bericht des Rechtsausschusses indes nicht eindeutig entnehmen. Es wurde dem Unternehmen allerdings zugestanden, sich vordergründig nach dem Gewinn auszurichten. Aber auch ein Streben nach Gewinnmaximierung und ökonomischer Effizienz sprächen ein Unternehmen nicht davon frei, als Teil der Gesamtwirtschaft die Interessen der Arbeitnehmer sowie der Allgemeinheit angemessen zu berücksichtigen.340 Die Berücksichtigung der Arbeitnehmerinteressen sei bereits aus Gründen der Sozialstaatlichkeit verpflichtend. Diese verfassungsrechtliche Maßgabe werde überdies durch mannigfaltige einfachgesetzliche Regelungen ausgestaltet und konkretisiert.341 (c) Konsequenz: Die Verankerung des Interessenpluralismus Damit wird deutlich, dass die Frage nach dem Inhalt eines Unternehmensinteresses nicht im Wege einer auf das Aktienrecht beschränkten Betrachtung beantwortet werden kann. Der Gesetzgeber stellte diesem vielmehr mit dem BetrVG, den Gesetzen über die unternehmensbezogene Mitbestimmung sowie weiteren Arbeitnehmerschutzregelungen342 diverse Instrumentarien an die Seite, welche die Arbeitnehmerbelange weitergehend institutionalisieren sollten. Eine unmittelbare Berufung auf die einfachgesetzliche Arbeitnehmermitbestimmung sieht sich indes dem Vorwurf der Unvollständigkeit ausgesetzt. Möchte man die Pflicht der Berücksichtigung von Arbeitnehmerinteressen allein aus diesen Vorschriften herleiten, kommt man nicht umhin zu erkennen, dass für diesen Fall der Inhalt des Unternehmensinteresses von der Anwendbarkeit diese Vorschriften abhinge. Während dies für die betriebliche Mitbestimmung aufgrund der vergleichsweise niedrigeren Voraussetzungen für die Bildung eines Betriebsrates eine untergeordnete Bedeutung hat, können die Anwendungsvoraussetzungen der Gesetze zur Mitbestimmung auf Unternehmensebene dazu führen, dass mangels Mitbestimmung die Belange der Arbeitnehmer im Unternehmen weniger Gehör finden. Für die abstrakte Frage nach Inhalt und Umfang des Unternehmensinteresses darf dies jedoch keine Rolle spielen. Soll das Unternehmensinteresse nicht vollständig gehaltlos sein, müssen aus ihm Erkenntnisse für alle Unternehmen gezogen werden – ob mitbestimmt oder nicht. Es verbietet sich daher, das Unternehmensinteresse vorschnell mit den Interessen der Anteilseigner oder Gesellschafter gleichzusetzen. Unternehmensinteresse als 339 S. die Begründung des Regierungsentwurfes zu § 76, in: Kropff, Textausgabe des Aktiengesetzes v. 6. 9. 1965, S. 98; Spindler, Unternehmensinteresse und Berücksichtigung von Arbeitnehmerinteressen, S. 8. 340 S. den Ausschussbericht zu § 76, in: Kropff, Textausgabe des Aktiengesetzes v. 6. 9. 1965, S. 98. 341 S. den Ausschussbericht zu § 76, in: Kropff, Textausgabe des Aktiengesetzes v. 6. 9. 1965, S. 98. 342 Mit einer Aufzählung auch der Rechtsausschuss, in: Kropff, Textausgabe des Aktiengesetzes v. 6. 9. 1965, S. 98; für das Mitbestimmungsrecht als Arbeitnehmerschutzrecht BTDrs. VI/334, S. 67.

224

3. Kap.: Das Recht der Unternehmensmitbestimmung

Interesse des Unternehmens bedeutet eine Orientierung an einem rechtlichen Gebilde, welches bereits aufgrund seiner Struktur interessenpluralistisch ist.343 Bei den zu berücksichtigenden Interessengruppen handelt es sich zum einen um die Anteilseigner, hinzu kommen bei näherer Betrachtung jedoch auch weitere Gruppierungen, welche auf die Geschicke des Unternehmens Einfluss nehmen. In Betracht kommen hierfür die Interessen der Gesellschaft selbst, der Gesellschafter, der Arbeitnehmer, Kunden, Geschäftspartner und Banken und letztlich auch solche der Allgemeinheit. Im Ausgangspunkt handelt es sich bei all diesen Kollektivbelangen um unternehmensbezogene Interessen. Die eigenen Interessen der aufgeführten Gruppierungen stehen mittelbar oder gar unmittelbar im Zusammenhang mit dem Unternehmen. Auf der Suche nach einem Unternehmensinteresse müssen jedoch die Interessen am Unternehmen von jenen getrennt werden, die von den Gruppen auch im Interesse des Unternehmens verfolgt werden.344 Unter der Voraussetzung einer auf eine gewisse Dauer angelegten Interessenverfolgung können sie im Rahmen des im Einzelfall zu ermittelnden Unternehmensinteresses berücksichtigt werden. Die Interessen am Unternehmen stellen hingegen solche individualistischen Sonderinteressen dar, zu deren Verwirklichung das Unternehmen lediglich als Mittel zum Zweck und ohne Dauerhaftigkeit genutzt wird. (aa) Gesellschafterinteressen Mehrheitsgesellschafter wollen in aller Regel mit ihrer in den Anteilen ausgedrückten Macht Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft ausüben und die Unternehmenspolitik und -ziele kontrollieren. Leitmotiv in diesem Sinne werden die Gewinnmaximierung und die wirtschaftliche Stellung des Unternehmens im Wirtschaftsleben sein.345 Das Interesse der Gesellschaft selbst entspricht formal zunächst ihrem in der Satzung festgelegten Ziel. Zum Zwecke seiner Erreichung strebt auch die Gesellschaft regelmäßig nach Wachstum und Finanzstärke. Während die Erreichung dieser Ziele eine gewisse Dauerhaftigkeit aufweist, gilt dies nicht für Anteilseigner, die ihre Anteile zu Spekulationszwecken halten und damit gegebenenfalls auch auf die Erfolglosigkeit des Unternehmens spekulieren könnten oder aber ihre Anteile im Fall eines kurzzeitig hohen Gewinns schnell wieder veräußern möchten. (bb) Arbeitnehmerinteressen Die Arbeitnehmer hegen zunächst ein Interesse an der Sicherheit des Arbeitsplatzes an sich und an einer hohen Qualität der Arbeits- bzw. Lohnbedingungen. 343

S. 9. 344

Spindler, Unternehmensinteresse und Berücksichtigung von Arbeitnehmerinteressen,

S. für diese Unterscheidung Jürgenmeyer, Unternehmensinteresse, S. 173; für den Fall der Gläubigerinteressen auch Junge, FS v. Caemmerer 1978, S. 547, 550. 345 Als „formale“ Unternehmensziele Wiedemann, FS Barz 1974, S. 561, 572 unter Verweis auf Duden, FS O. Kunze 1969, S. 127 passim.

A. Die normativen Anknüpfungspunkte

225

Besonders die regelmäßige Dauerhaftigkeit des Arbeitsverhältnisses in diesem Kontext begründet ein fortwährendes Interesse an dem Erfolg des Unternehmens. Darin erschöpfen sich die Gemeinsamkeiten von Arbeitnehmer- und Anteilseignerinteressen jedoch nicht zwangsläufig.346 Dies wird zwar vielfach dahingehend behauptet, dass auf Seiten der Arbeitnehmervertreter zugunsten besserer Arbeitsund Lohnbedingungen Aspekte der Wirtschaftlichkeit und Rentabilität unter den Tisch fallen.347 Das Gutachten der Mitbestimmungskommission, dem weitgehende empirische Untersuchungen zugrunde lagen, kam allerdings zu einem anderen Ergebnis. Während der wirtschaftliche Erfolg des Unternehmens sowohl bei Arbeitnehmervertretern als auch Vertretern der Gewerkschaft nach wie vor relevant war, unterschied sich ihre Prioritätensetzung vielmehr in der Verwendung der Rendite.348 Dies ist auch durchaus einsichtig, wenn man bedenkt, dass der finanzielle Erfolg des Unternehmens auch in Anbetracht der Arbeitsplätze für die Arbeitnehmerschaft zumindest mittelbar relevant sein dürfte.349 Hinzu kommt schließlich, dass auch auf Seiten der Arbeitnehmervertretung nicht von einer Interessenhomogenität ausgegangen werden kann.350 Die „Arbeitnehmerbank“ setzt sich aus Arbeitnehmern und leitenden Angestellten aus unterschiedlichen Teilen der Arbeitnehmerschaft zusammen, die aufgrund der Unternehmensbezogenheit der Mitbestimmung auch nicht aus demselben Betrieb stammen müssen.351 (cc) Sonstige Interessen Auch Gläubiger, Kunden und Geschäftspartner scheinen zunächst ein Interesse am Erfolg des Unternehmens zu haben, um ihre Geschäftsbeziehungen aufrechtzuerhalten. Gleichzeitig verfolgen sie jedoch im Regelfall eigene wirtschaftliche Interessen und sind möglicherweise einem anderen Unternehmen zur sorgfältigen Geschäftsausführung verpflichtet. Insbesondere in diesem Fall werden Interessen an niedrigen Preisen bzw. hohen Verkaufszahlen zu hohen Preisen bestehen, die solchen des in Rede stehenden Unternehmens entgegenstehen. Inwieweit sich schließlich 346

Auch während des Gesetzgebungsverfahrens wurde die Wahrscheinlichkeit einer „Bankabstimmung“ nicht allzu hoch eingestuft, s. 230. Sitzung des Deutschen Bundestages v. 18. 3. 1976, S. 16034 C unter Verweis auch auf BT-Drs. VII/4845, S. 9. 347 Boettcher/Hax/Kunze/v. Nell-Breuning/Ortlieb/Preller, Unternehmensverfassung als gesellschaftspolitische Forderung, S. 25; Briefs, FAZ Nr. 235 v. 9. 10. 1965, S. 7. 348 BT-Drs. VI/334, S. 47; ebenso zweifelnd Christmann, Unternehmenspolitik und Mitbestimmung in einer wachsenden Wirtschaft, in: Nemitz/Becker, Mitbestimmung und Wirtschaftspolitik, S. 155, 169. 349 In diesem Sinne auch Augstein in der 230. Sitzung des Deutschen Bundestages v. 18. 3. 1976, S. 16033 D. 350 Mit dieser Einschätzung auch Jansen in seiner Fallstudie: Entscheidungsfindung zwischen Interessenpolitik und ökonomischer Rationalität, S. 202. 351 BVerfG v. 1. 3. 1979 – 1 BvR 532/77 u. a., AP MitbestG § 1 Nr. 1 [C. I. 1. c) aa)]; Kübler/W. Schmidt/Simitis, Mitbestimmung als gesetzgebungspolitische Aufgabe, S. 254, die in diesem Punkt auch dem „Gegengutachten“ von Badura, Rittner und Rüthers zustimmen. S. dies., Mitbestimmungsgesetz 1976, S. 51.

226

3. Kap.: Das Recht der Unternehmensmitbestimmung

auch Belange der Allgemeinheit in dem Unternehmensinteresse widerspiegeln, ist äußerst komplex, da sich die Wechselwirkungen zwischen dem Interesse des Unternehmens am Wohle der Gesellschaft und vice versa als weniger komplementär erweisen. Zudem sind bereits die Auswirkungen der Unternehmensleitung auf die Allgemeinheit so vielfältig, dass eine Verfolgbarkeit von Effekten und Einflüssen erheblich erschwert wird. Dies verdeutlicht bereits die rudimentäre Gegenüberstellung der positiven und negativen Auswirkungen des Wirtschaftswachstums auf die Allgemeinheit. Mit einer für dieses Wachstum kennzeichnenden steigenden Produktionseffizienz der Unternehmen geht technischer Fortschritt einher, welcher die Qualität der Produktion sowie der Produkte steigern kann. Dies führt zu einer Verbesserung des Lebensstandardes breiter Bevölkerungsschichten. Steigt die Produktion, sinkt zudem auch die Arbeitslosigkeit. Dies gilt indes nicht für solche Produktionswege, die nunmehr ausschließlich oder überwiegend maschinell oder digital erfolgen. Zudem führt das erhöhte Produktionsvolumen auch zu einer steigenden Umweltverschmutzung, die mit erheblichen Gesundheitsschäden der Bevölkerung einhergeht. (dd) Zwischenergebnis Aus diesem Grunde sind die Interessen der Gläubiger, Geschäftspartner, Kunden und Spekulanten als Sonderinteressen keine im Interesse des Unternehmens bestehenden Interessen und finden in der Folge keine Beachtung.352 Die Allgemeinheit ist mangels Legitimationsmomentes und rechtlich greifbaren Bezuges zum Unternehmen keine klar umrissene Einheit. In ihr finden sich auch jene Menschen, die bereits als Arbeitnehmer Interessen an dem Unternehmen haben, gleichzeitig aber auch von den negativen Interessen des wirtschaftlichen Wachstumes betroffen wären; sodann jedoch nicht in ihrer Funktion als Arbeitnehmer. Die Allgemeinheit bleibt damit letztlich eine Ansammlung von Einzelinteressen, deren Belange zwar nicht vom Unternehmen, aber vom Gesetzgeber berücksichtigt werden. Ausgenommen bleibt indes die grundgesetzliche Sozialverpflichtung der Gesellschaft als Trägerin des Eigentumsgrundrechtes. Demnach kann der Gesetzgeber durch legislatives Handeln bewirken, dass Interessen außerhalb des Unternehmensinteresses Berücksichtigung finden. Die typischerweise von Gesellschaftern, Gesellschaft und Arbeitnehmern gehegten Interessen hingegen sind solche, die am Unternehmen im Interesse desselben bestehen. (d) Das Unternehmensinteresse in der Entscheidungsfindung Für die hiesige Darstellung soll es also genügen, dass auf der Suche nach einem Unternehmensinteresse solche Interessen, die am Unternehmen im Interesse des Unternehmens bestehen, gewichtet und priorisiert werden müssen.353 Dieses Ver352 Bereits RG v. 20. 10. 1923 – V 830/22, RGZ 107, 202, 204 mit Verweis auf die guten Sitten; Jürgenmeyer, Unternehmensinteresse, S. 61. 353 S. hierzu Ulmer, NJW 1980, 1603, 1605 ff.

A. Die normativen Anknüpfungspunkte

227

fahren bildet den Kernbestandteil des Willensbildungsprozesses der für das Unternehmen verantwortlichen Gremien, namentlich Aufsichtsrat und Vorstand. Eine tiefergehende Analyse des Unternehmensinteresses würde zu einer allzu detaillierten, kleinteiligen Betrachtung verschiedener Unternehmensziele und -funktionen führen, die das Unternehmen prägen können. Aber bereits ohne einen tieferen Blick wird die interessenpluralistische Unternehmensverfassung deutlich, die sich bereits aus den im Gesellschaftsrecht zu findenden Belangen, Zielen und Interessen ergeben.354 Schon das Unternehmen „an sich“ hat eine pluralistische Unternehmensverfassung.355 Die Verpflichtung, zugunsten des Unternehmensinteresses zu handeln, beinhaltet die Errichtung eines entsprechenden Verfahrens, um die in den Gremien des Unternehmens zusammenlaufenden Interessen zu ordnen und abzuwägen. Die Betrachtung und Analyse des Unternehmensinteresses als Ermessensparameter brachte im Laufe der Zeit zwei Modelle hervor, welche sich im Wesentlichen durch ihre Einordnung des Unternehmensinteresses innerhalb des Willensbildungsprozesses unterscheiden: Das Konfliktmodell einerseits nimmt grundsätzlich konträre Interessenslagen im mitbestimmten Aufsichtsrat an, welche zum Zwecke der Verwirklichung des Unternehmensinteresses unterschiedliche Verantwortungsmaßstäbe anlegen.356 Das Unternehmensinteresse ist damit nicht Leitfaden der Entscheidungsfindung, sondern deren Ergebnis. Ist das Unternehmensinteresse dergestalt konzipiert, dass seine Verfolgung verfassungsrechtlich bestimmt und damit abgesichert ist, können Interessen anderen (verfassungsrechtlichen) Ursprungs allenfalls abwägungshalber berücksichtigt werden.357 Auf der anderen Seite stünde die Definition des Unternehmensinteresses als nachgelagertes Produkt seiner Entscheidungsträger. In diesem Sinne fände das Unternehmensinteresse seine Grenzen allenfalls in den Grundsätzen der Redlichkeit. Im Gegensatz hierzu geht die herrschende Meinung mit dem Integrationsmodell davon aus, dass das Unternehmensinteresse bereits vorgelagert die ermessensfehlerfreie Entscheidungsfindung im Gremium diktiert.358 In konsequenter Fortführung der allgemeinen aktien- und gesellschaftsrechtlichen Verantwortungsmaxime werden für die Gremiumsmitglieder keine unterschiedlichen Pflichtenmaßstäbe angelegt, da diese sich trotz divergierender Interessen zur gemeinsamen Willensbildung zusammenfinden. Innerhalb der verschiedenen Gruppen muss nicht zwangsläufig ein

354

Jürgenmeyer, Unternehmensinteresse, S. 86. Boettcher/Hax/Kunze/v. Nell-Breuning/Ortlieb/Preller, Unternehmensverfassung als gesellschaftspolitische Forderung, S. 192, 194. 356 S. Mertens, ZGR 1977, 270, 277; mit einer Darstellung des Konfliktmodelles auch Jürgenmeyer, Unternehmensinteresse, S. 93 ff. 357 Badura, RdA 1976, 275, 278; vgl. dazu ders., Paritätische Mitbestimmung und Verfassung, S. 78; Badura/Rittner/Rüthers, Mitbestimmungsgesetz 1976, S. 196 f. 358 P. Hanau, ZGR 1979, 524, 543; Semler, Überwachungsaufgabe des Aufsichtsrats, S. 60 f.; H. P. Westermann, ZGR 1977, 219, 223; Kittner, ZHR 136 (1972), 208, 240; O. Kunze, ZHR 144 (1980), 100, 117. 355

228

3. Kap.: Das Recht der Unternehmensmitbestimmung

Interessenmonismus bestehen.359 Dennoch finden sich ihre Vertreter in einem einheitlichen Gremium wieder, um eine einheitliche Entscheidung mehrheitlich zu treffen. Dabei soll über den Verhandlungsgegenstand kein Kompromiss auf der Grundlage bereits gefundener antagonistischer Ansichten und Interessen geschlossen werden, wie es im Rahmen von Tarifverhandlungen vorausgesetzt ist. Vielmehr geht es um Interessenbildung und Entscheidungsfindung im Rahmen einer „Selbstverwirklichungsgemeinschaft“, die als ihr Ergebnis eine einheitliche Willensbildung anstrebt.360 Daraus folgt, dass die Mitbestimmung der Arbeitnehmer auf Unternehmensebene vielleicht sogar systemimmanent ist.361 Andernfalls läge die Definition des Unternehmensinteresses schlechterdings in dem Eingeständnis seines Fehlens unter Anerkennung der Berechtigung pluralistischer Interessenspaltung.362 Logischer ist jedoch, davon auszugehen, dass das Unternehmensinteresse in diesem Zusammenhang diesen Interessenpluralismus abbildet. Sein Inhalt definiert sich sodann durch das Kollektiv (entgegenstehender) Interessen.363 In diesem Sinne ist das Unternehmensinteresse als Grundlage personeller Legitimation zu verstehen. Grundlage der Entscheidungsfindung wäre damit nicht ein einheitliches Interesse des Unternehmens, sondern vielmehr wären die Entscheidungsträger in ihrer Ausübung durch ein bestimmtes einheitlich gemeinsames Interesse am bzw. für das Unternehmen legitimiert.364 Auf materieller Ebene knüpft daran sodann die Frage der Bindungswirkung des Unternehmensinteresses an. Es würde sich um eine sachliche Pflichtenbindung handeln, durch welche eine gewisse „Richtigkeit“ der Entscheidungsfindung sichergestellt würde. Die Suche nach dem Unternehmensinteresse kann keine Suche nach einem einzig vertretbaren „wahren“ Interesse sein, welches sodann das Handeln der Verantwortlichen leitet und welchem diese verpflichtet sind. Diese Annahme würde der gesetzgeberischen Normierung einer Ermessensentscheidung zuwiderlaufen.365

359

Mit Beispielen Lasker, ZGR 1979, 173, 197. Lasker, ZGR 1979, 173, 197. 361 So Säcker, JbArbR 12 (1975), 17, 51; Schwerdtfeger, Mitbestimmung und Grundgesetz, S. 95 ff.; mit einer kritischen Auseinandersetzung Rittner, FS Geßler 1971, S. 139 passim. 362 Lasker, ZGR 1979, 173, 196; kritisch auch Spindler, Unternehmensinteresse und Berücksichtigung von Arbeitnehmerinteressen, S. 10. 363 Eiselt, JZ 1957, 204, 205; im Grundsatz ähnlich H. P. Westermann, ZGR 1977, 219, 233 f.; mit einer Darstellung des Ausgangssituation Laske, ZGR 1979, 173 f. 364 Boettcher/Hax/Kunze/v. Nell-Breuning/Ortlieb/Preller, Unternehmensverfassung als gesellschaftspolitische Forderung, S. 91; zur Legitimierung der Entscheidungsmacht Steinmann, Großunternehmen im Interessenkonflikt, S. 186 f.; instruktiv Lasker, ZGR 1979, 173, 175. 365 So bereits OLG Düsseldorf v. 22. 6. 1995 – 6 U 104/94, NJW-RR 1995, 1371, 1375 f. (nicht rechtskräftig). 360

A. Die normativen Anknüpfungspunkte

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(3) Zwischenergebnis: Die Systemimmanenz der Arbeitnehmerinteressen in der Unternehmensverfassung Der Interessenpluralismus der Unternehmensverfassung in Folge der Institutionalität der Arbeitnehmerinteressen für das Unternehmensinteresse hat mehrere Konsequenzen. Einmal: Dass auch die Arbeitnehmerinteressen für das Unternehmensinteresse und damit die Unternehmensverfassung konstitutiv sind, ist letztlich denklogisch auf die sozialstaatliche Komponente des Art. 9 Abs. 3 GG zurückzuführen. Die Funktion der Koalitionsfreiheit im übergeordneten System der Ordnung des Arbeitslebens bedingt bereits auf verfassungsrechtlicher Ebene einen gewissen Gleichlauf von Arbeitnehmer- und Unternehmensinteresse. In diesem Sinne ist auch § 93 AktG zu verstehen. Bereits historisch bedingt wollte der Gesetzgeber über die Interessen der Gesellschaft und der Anteilseigner hinaus auch die Interessen der Arbeitnehmer begrifflich erfassen. Einer verfassungskonformen Auslegung des Unternehmensinteresses nach § 93 AktG bedarf es aus diesem Grunde nicht (s. o.). Auf diese Weise ist eine Berücksichtigung der Arbeitnehmerinteressen auch außerhalb der Mitbestimmungs- und Beteiligungsregime sichergestellt. Zum anderen ergibt sich aus der grundgesetzlichen Garantie der Unternehmensmitbestimmung als Bestandteil der Koalitionsmittelfreiheit, dass die Gewerkschaften die Belange der Arbeitnehmer im Rahmen des unternehmerischen Willensbildungsprozesses repräsentieren. Die gremiale Anknüpfung der Unternehmensmitbestimmung an den Aufsichtsrat ist dabei zwar nicht in der konkreten Ausgestaltung durch das MitbestG alleinig zwingende Folge.366 Sie ist jedoch das gesetzgeberseitige Abwägungsergebnis des Grundrechtes auf Unternehmensmitbestimmung mit den Grundrechtspositionen der Unternehmen bzw. Arbeitgeber, wie sie sich aus Art. 12, 14 GG ergeben.367 Dass diese Frage erneut besonders unter dem Gesichtspunkt der Arbeitnehmerbeteiligung – und damit inzidenter der Gewerkschaftsbeteiligung – diskutiert wurde,368 zeigt, dass die argumentativen Abzweigungen derselben Quelle entspringen: In Frage steht die Internalität des Unternehmensinteresses als Produkt der Eigentums- und Berufsfreiheit.369 Neben der bereits angesprochenen Legitimationskritik ging es im Rahmen der Mitbestimmungsgesetzgebung auch um die Erhaltung der Funktionsfähigkeit des Unternehmens.370 In diesem Zusammenhang wurde vielfach besorgt, dass durch die Einflussnahme der Arbeitnehmer auf den unternehmerischen Willensbildungsprozess die Handlungsfähigkeit des Unternehmens erheblich eingeschränkt werden 366

BT-Drs. IV/334, S. 31 f.; s. auch BVerfG v. 1. 3. 1979 – 1 BvR 532/77 u. a., AP MitbestG § 1 Nr. 1 [C. I. 2. b), c)]; zur Beeinträchtigung durch Minderheiten BGH v. 13. 3. 1980 – II ZR 54/78, NJW 1980, 1465, 1466 f. 367 In diesem Sinne auch Ballerstedt, ZGR 1977, 133, 151. 368 So grundlegend Raiser, FS Reimer Schmidt 1976, S. 101, 114. 369 M. Schneider, Archiv für Sozialgeschichte 13 (1973), 243, 262 ff. 370 BVerfG v. 1. 3. 1979 – 1 BvR 532/77 u. a., AP MitbestG § 1 Nr. 1 [C. III. 2. b)].

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3. Kap.: Das Recht der Unternehmensmitbestimmung

könnte. In einem paritätisch besetzten Aufsichtsrat könnten die Arbeitnehmer gemeinsam relevante zeitkritische Unternehmungen blockieren und das Gremium auf diese Weise als Geisel instrumentalisieren, um eigene Forderungen durchzusetzen. Dies könnte erhebliche wirtschaftliche Negativfolgen für das Unternehmen mit sich bringen. Daher müssten als ultima ratio die Stimmen der Anteilseigner stärker gewertet werden, um drohende Pattsituationen aufzulösen.371 Auch in diesem Kontext ergibt sich unter Berücksichtigung der sozialordnenden Tendenz des Art. 9 Abs. 3 GG sowie der der Koalitionsfreiheit immanenten Unternehmensmitbestimmung eine Lösung durch Abwägung. Auf diese ist – wie bereits angedeutet – auch die planmäßige Verankerung der Unternehmensmitbestimmung im Kontrollorgan des Unternehmens und nicht des Leitungsorganes zurückzuführen. Sie ist Produkt der Abwägung von Haftungsproblematiken und Funktionalitätserwägungen auf der einen Seite und Legitimation unternehmerischer Entscheidungen durch Mitbestimmung auf der anderen Seite.372 Bereits die Mitbestimmungskommission unter Kurt Biedenkopf beschäftigte sich mit möglichen Einflüssen der Gewerkschaftsvertreter auf die Unternehmenspolitik einerseits, aber auch in entgegengesetzter Richtung mit den Auswirkungen erweiterter Mitbestimmung auf Tarifverhandlungen.373 Im Fokus standen dabei, wenig überraschend, besonders sozial- und beschäftigungspolitische Aspekte. Während diesbezügliche Auswirkungen auf die Verhandlungen im Aufsichtsrat vergleichsweise gering waren und diesen vereinzelt auch durch Zuständigkeitsdelegationen entgegengewirkt werden konnte, war der entgegengesetzte Einfluss weitaus stärker ausgeprägt. Wie der „Fall Bsirske“ später belegen würde, nutzten die Gewerkschaften die erlangten Kenntnisse über die wirtschaftliche Lage oder Ausrichtung des Unternehmens in späteren Tarifverhandlungen zu ihrem Vorteil.374 Andererseits ermöglichte die Beteiligung im Aufsichtsrat den Gewerkschaften auch, auf der Grundlage der echten unternehmerischen Fakten auf die wirtschaftliche Lage des Unternehmens zu reagieren und sie im Rahmen von Tarifverhandlungen zu berücksichtigen.375 Auf diese Erkenntnisse reagierte die Kommission später in ihrer Empfehlung mit einer Verschwiegenheitspflicht.376 Aber auch hier – im Kontext unternehmerischer Verschwiegenheitspflichten – berücksichtigte die Kommission die Wichtigkeit eines ungestörten Informationsflusses gerade für die zusätzlichen Aufsichtsratsmitglieder. So sollten die Geheimhaltungspflichten, welche bis dato auch eine informationelle Abgrenzung von Unternehmensentscheidungen und Arbeitnehmerbelangen gebildet hatten, re-

371 Dies klingt bereits im Änderungsantrag der CDU/CSU-Fraktion zum MitbestG an, BTDrs. VII/4887, S. 4 Ziffer 10. 372 Jürgenmeyer, Unternehmensinteresse, S. 56; Netter, FS Pinner 1932, S. 507, 565. 373 BT-Drs. VI/334, S. 47. 374 BT-Drs. VI/334, S. 47. 375 BT-Drs. VI/334, S. 47 f. 376 BT-Drs. VI/334, S. 96, 106; P. Hanau/Wackerbarth, Unternehmensmitbestimmung und Koalitionsfreiheit, S. 25 f.

A. Die normativen Anknüpfungspunkte

231

lativiert werden, um eine effektive Mandatswahrnehmung zu ermöglichen.377 Zudem war nach dem Befund der Kommission nicht ersichtlich, dass Geheimhaltungsproblematiken ein einseitiges Phänomen der Arbeitnehmervertreterseite wären.378 cc) Die Willensbildung durch Aufsichtsratsbeschluss (1) Die Rechtsnatur des Aufsichtsratsbeschlusses Baltzer definiert den Aufsichtsratsbeschluss als „die durch Abstimmung aus mehreren Einzelwillen gewonnene, als organschaftliche Aktion notwendig einheitliche Entscheidung eines Kollektivorgans“.379 Die Einheitlichkeit kann dabei freilich nur nach außen „fingiert“ werden; Voraussetzung dafür ist das Erreichen der jeweils erforderlichen Mehrheitsverhältnisse im Innenverhältnis.380 Die rechtliche Einordnung des Beschlusses in die juristische Rechtsgeschäftslehre gelingt dennoch nicht eindeutig. Der nach innen gerichtete Willensbildungsprozess durch die Organmitglieder könnte zunächst eine rein interne Willensbildung ohne Verkehrswirkung nahelegen.381 Die herrschende Ansicht geht indes davon aus, dass es sich bei dem Beschluss um ein mehrseitiges Rechtsgeschäft sui generis handelt, welches durch die Stimmabgabe der Organmitglieder zustande kommt.382 Eine Einordnung als vertragliches Rechtsgeschäft scheitert – obwohl die Parteien Rechtsbindungswillen aufweisen – daran, dass die Beschlussfassung durch Stimmabgabe nicht von der gegenseitigen Übereinstimmung der Willenserklärungen, sondern von dem Erreichen einer entscheidungserheblichen Mehrheit inhaltsgleich abgegebener, eigenständiger Willenserklärungen abhängig ist, deren Wechselwirkung in eben diesen Mehrheitsverhältnissen begründet liegt.383 Anders hatte der Bundesgerichtshof eine Einordnung als Rechtsgeschäft zuletzt noch vom Inhalt des Beschlusses abhängig gemacht. Maßgeblich sollte sein, ob der Beschluss Auswirkungen auf „sozial- oder individualrechtliche Pflichten“ haben 377

BT-Drs. VI/334, S. 106; P. Hanau/Wackerbarth, Unternehmensmitbestimmung und Koalitionsfreiheit, S. 25 f. 378 BT-Drs. VI/334, S. 54. 379 Baltzer, Beschluss als rechtstechnisches Mittel, S. 42. 380 So wohl auch Baltzer, Beschluss als rechtstechnisches Mittel, S. 52, 77 ff. 381 So noch BGH v. 22. 9. 1969 – II ZR 144/68, NJW 1970, 33 f.; grundlegend v. Gierke, Genossenschaftstheorie, S. 133 ff., 565 ff., 714 ff.; Kuntze, FS O. Müller 1892, S. 29 ff.; Meilicke, FS W. Schmidt 1959, S. 71, 75. 382 Grundlegend als Vorfrage der Anfechtbarkeit Bartholomeyczik, AcP 144 (1938), 287 ff.; ders., ZHR 105 (1938), 293, 300; s. auch Axhausen, Anfechtbarkeit aktienrechtlicher ARBeschlüsse, S. 11 f.; Baltzer, Beschluss als rechtstechnisches Mittel, S. 177; Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, Band 1/II, S. 248 ff.; Henssler/Strohn/Henssler, Gesellschaftsrecht, § 108 AktG Rn. 2; Hölters/Weber/Groß-Bölting/Rabe, AktG, § 108 Rn. 3 f.; Jürgenmeyer, ZGR 2007, 112, 114; Koch, AktG, § 108 Rn. 3; Lemke, Fehlerhafter Aufsichtsratsbeschluss, S. 60; Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Band 1, S. 179. 383 Grundlegend v. Thur, BGB AT, S. 37; ders. BGB AT, Band 2/I, S. 232; s. auch MüKoAktG/Habersack, Band 2, § 108 Rn. 11; Musielak, AcP 211 (2011), 769, 777.

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3. Kap.: Das Recht der Unternehmensmitbestimmung

würde – ob er also für den Rechtsverkehr und Dritte erheblich werden könne.384 Ob insofern aber ein Rechtsgeschäftswille nur für eben solche drittbelastenden Beschlussgegenstände angenommen werden kann, ist fraglich. Nicht zuletzt wird die rechtliche Selbstständigkeit des Kollektivorgans sowie der übergeordneten juristischen Person es erfordern, dass sie jederzeit rechtlich handlungsfähig ist.385 Insbesondere entfaltet ein Beschluss in diesem Fall auch rechtliche Wirkung gegenüber überstimmten oder möglicherweise auch nicht anwesenden Organmitgliedern.386 Eine Einordnung als Sozialakt bedürfte für die Verbindlichkeit von Mehrheitsverhältnissen einer stetigen Redefinition des stimmerheblichen „sozialen Gebildes“. Der Beschluss bindet als Rechtsgeschäft somit sowohl das Organ als auch die Organmitglieder.387 Insofern unterscheidet er sich in seiner relativen Wirkung sowohl vom Tarifvertrag als auch der Betriebsvereinbarung, die gem. § 4 Abs. 1 S. 1 TVG respektive § 77 Abs. 4 S. 1 BetrVG normative Wirkung entfalten.388 (2) Der Willensbildungsprozess in der aufsichtsratlichen Praxis Der Beschluss bildet dabei „ein[en] soziale[n] Prozeß mit normativem Ergebnis“.389 Mit ihm wird nicht nur das Ergebnis kollektiver Willensbildung nach außen kommuniziert, sondern auch die rechtliche Verbindlichkeit herbeigeführt.390 Nicht zuletzt auch das Zurechnungsmoment macht eine normative Kodifizierung dieses Willensbildungsprozesses erforderlich.391 §§ 107 – 110 AktG regeln die innere Ordnung des Aufsichtsrates und geben damit auch die Verfahrensregeln für die Beschlussfassung vor. Unter Rücksichtnahme auf die Satzungsautonomie der Gesellschaften sind diese Bestimmungen jedoch nicht abschließend.392 Der Übersichtlichkeit halber soll im Folgenden die Aktiengesellschaft als Modell der Verfahrensskizzierung dienen.393 384

BGH v. 15. 11. 1993 – II ZR 235/92, NJW 1994, 520, 523. Für einen Rechtsgeschäftswillen auch Koch, AktG, § 108 Rn. 3. 386 S. zur Bindungswirkung nur Hennsler/Strohn/Henssler, Gesellschaftsrecht, § 108 AktG Rn. 2; Lemke, Fehlerhafter Aufsichtsratsbeschluss, S. 61. 387 MüKoAktG/Habersack, Band 2, § 108 Rn. 11; Henssler/Strohn/Henssler, Gesellschaftsrecht, § 108 AktG Rn. 2. 388 Stellv. für den Tarifvertrag Löwisch/Rieble, TVG, Grundlagen Rn. 180; Säcker/Oetker, Grundlagen und Grenzen der Tarifautonomie, S. 109; für die Betriebsvereinbarung s. ErfK/ Kania, § 77 BetrVG Rn. 5; Richardi/Richardi/Picker, BetrVG, § 77 Rn. 148. 389 Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Band 1, S. 176. 390 Baltzer, Beschluss als rechtstechnisches Mittel, S. 168 ff.; v. Thur, BGB AT, Band 2/I, S. 236; Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Band 1, S. 176. 391 Baltzer, Beschluss als rechtstechnisches Mittel, S. 7; Lemke, Fehlerhafter Aufsichtsratsbeschluss, S. 59; v. Thur, BGB AT, Band 2/I, S. 232 f.; Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Band 1, S. 176. 392 MüKoAktG/Habersack, Band 2, § 108 Rn. 15. 393 Für eine nach den Regelungswerken differenzierte Darstellung s. Deilmann, BB 2012, 2191, 2194 f. 385

A. Die normativen Anknüpfungspunkte

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Regelmäßig394 findet die Beschlussfassung in einer Sitzung statt. Dies setzt grundsätzlich auch die körperliche Anwesenheit der Organmitglieder voraus. Auf diese Weise soll ein umfassender Austausch von Ansichten und Interessen und in der Folge eine informierte Willensbildung gesichert werden.395 Um über eine Angelegenheit Beschluss zu fassen, bedarf es einer Aufnahme dieser Angelegenheit in die Tagesordnung.396 Über den Gegenstand ist auf der Grundlage eines Antrages zu entscheiden. Hat ein Aufsichtsratsmitglied einen zulässigen Antrag gestellt, ist die Abstimmung hierüber sodann verpflichtend.397 Eine wirksame Beschlussfassung setzt dabei die Beschlussfähigkeit des Gremiums voraus. Die Abstimmung erfolgt sodann grundsätzlich offen.398 Der Vorsitzende kann jedoch – da es sich bei den Abstimmungsmodalitäten um eine Verfahrensfrage handelt – auch eine geheime Abstimmung bestimmen.399 Dies bietet sich insbesondere dann an, wenn aufgrund nachhaltiger Meinungsverschiedenheiten eine Beeinflussung oder Druckausübung zu besorgen ist.400 Mit Blick auf die unterschiedlichen Meinungsbilder und Interessensvertreter wird dies in besonderem Maße für mitbestimmte Aufsichtsräte gelten, sodass in Anbetracht dessen eine geheime Abstimmung bereits von einer qualifizierten Minderheit von zwei bis drei Aufsichtsratsmitgliedern verlangt werden kann.401 Gibt der Vorsitzende im Sinne des § 29 Abs. 2 S. 1 MitbestG eine Zweitstimme ab, muss er sein Abstimmverhalten offenlegen.402 Entscheidend ist – in Fortführung des zur Rechtsnatur des Beschlusses Gesagten – das Erreichen einer entscheidungserheblichen Mehrheit. Welche Mehrheitsverhältnisse dafür erforderlich sind, führt das AktG nicht aus. Einhellige Meinung ist jedoch, dass unter entsprechender Anwendung des § 32 Abs. 1 S. 3 BGB und für den Fall eines mitbestimmten Aufsichtsrates des § 29 Abs. 1 MitbestG die einfache

394

Mit der Ausnahme des § 108 Abs. 4 AktG. MüKoAktG/Habersack, Band 2, § 108 Rn. 16 unter Berufung auf den Willen des historischen Gesetzgebers; ebenso Hölters/Weber/Groß-Bölting/Rabe, AktG, § 108 Rn. 10 aber unter Berücksichtigung pandemiebedingten Anpassungsbedarfs. 396 Ausnahmesweise kann nach Zustimmung aller Mitglieder auch über solche Anträge beschlossen werden, die nicht Gegenstand der Tagesordnung sind, s. MüKoAktG/Habersack, Band 2, AktG, § 108 Rn. 17. 397 MüKoAktG/Habersack, Band 2, § 108 Rn. 17. 398 MüKoAktG/Habersack, Band 2, § 108 Rn. 18. 399 MüKoAktG/Habersack, Band 2, § 108 Rn. 19. 400 MüKoAktG/Habersack, Band 2, § 108 Rn. 18. 401 So z. B. MüKoAktG/Habersack, Band 2, § 108 Rn. 19; Habersack/Henssler/Habersack, Mitbestimmungsrecht, § 25 MitbestG Rn. 26; Hoffmann/J. Lehmann/Weimann, MitbestG, § 25 Rn. 162; Koch, AktG, § 108 Rn. 5; Wißmann/Kleinsorge/C. Schubert/C. Schubert, Mitbestimmungsrecht, § 25 MitbestG Rn. 55 f.; a. A. GK-MitbestG/Naendrup, Band 1, § 25 Rn. 76; Lemke, Fehlerhafter Aufsichtsratsbeschluss, S. 154 f; Mertens, Anmerkung zu BGH v. 3. 7. 1975 – II ZR 35/73, AG 1975, 242, 245; ders., ZGR 1983, 189, 206 ff. 402 MüKoAktG/Habersack, Band 2, § 108 Rn. 19; Koch, AktG, § 108 Rn. 5a. 395

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3. Kap.: Das Recht der Unternehmensmitbestimmung

Mehrheit genügen soll.403 Eine Stimmgleichheit gilt als Ablehnung des Antrages. Die Gesellschaft kann durch Satzung bestimmen, wie Enthaltungen zu werten sind – nach herrschender Ansicht werden sie grundsätzlich nicht mitgezählt.404 Von diesem Grundsatz abweichende Vorschriften finden sich in den Mitbestimmungsgesetzen. Hervorzuheben ist an dieser Stelle besonders das oben benannte Zweitstimmrecht des Aufsichtsratsvorsitzenden zur Auflösung von Pattsituationen. Dieses Instrumentarium bedingt zur Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit des Gremiums nicht nur eine zumindest verkappte Abweichung vom Grundsatz der einfachen Mehrheit,405 sondern auch eine explizite Abweichung vom Grundsatz der gleichen Wahl.406 Auch betreffend die Bestellung und Abberufung von Aufsichtsratsmitgliedern behält sich das MitbestG in § 31 Abs. 2 – 5 Sonderregelungen zu § 108 Abs. 1 AktG vor.407 Außerhalb der Anwendbarkeit des MitbestG schließlich können auch in der Satzung Modifikationen der für die Beschlussfassung maßgeblichen Mehrheitsverhältnisse vorgenommen werden.408 Für die Beschlussfassung in Gesellschaften außerhalb des MitbestG – nicht notwendigerweise in insgesamt mitbestimmungsfreien Gesellschaften – kann durch Satzung von dem Grundfall der einfachen Mehrheit abgewichen werden, soweit es sich nicht um Fälle der gesetzlich vorgesehenen Beschlussfassung handelt oder um Gegenstände, die unter einen Zustimmungsvorbehalt gem. § 111 Abs. 4 S. 2 AktG fallen.409 Abschließend ist auch das Zweitstimmrecht des Vorsitzenden zumindest bedingt satzungsoffen ausgestaltet.410 Die §§ 29 Abs. 2 S. 1, 31 Abs. 4 MitbestG an sich sind indes nicht dispositiv.411 (3) Ein Vergleich mit dem Tarifvertrag und der Betriebsvereinbarung Während das Tarifsystem mit dem Arbeitskampf als ultima ratio auf Konfrontation zweier Gegner ausgelegt ist, deren faktische Opposition organisatorisch abgesichert ist,412 findet die Auseinandersetzung in den nach dem MitbestG mitbestimmten Aufsichtsräten innerhalb eines Gremiums statt. Diese prima facie pro403 MüKoAktG/Habersack, Band 2, § 108 Rn. 20; Jürgenmeyer, ZGR 2007, 112, 115 ff.; Spindler/Stilz/Spindler, AktG, Band 1, § 108 Rn. 22. 404 BGH v. 25. 1. 1982 – II ZR 164/81, NJW 1982, 1585; BGH v. 20. 3. 1995 – II ZR 205/94, NJW 1995, 1739; Habersack/Henssler/Habersack, Mitbestimmungsrecht, § 29 MitbestG Rn. 6; MüKoAktG/Habersack, Band 2, § 108 Rn. 20; Koch, AktG, § 108 Rn. 6; Säcker/ Theisen, AG 1980, 29, 37. 405 MüKoAktG/Habersack, Band 2, § 108 Rn. 21. 406 MüKoAktG/Habersack, Band 2, § 108 Rn. 28; Koch, AktG, § 108 Rn. 8. 407 MüKoAktG/Habersack, Band 2, § 108 Rn. 21. 408 MüKoAktG/Habersack, Band 2, § 108 Rn. 23; Koch, AktG, § 108 Rn. 8. 409 MüKoAktG/Habersack, Band 2, § 108 Rn. 24. 410 S. dazu MüKoAktG/Habersack, Band 2, § 108 Rn. 68. 411 BVerfG v. 1. 3. 1979 – 1 BvR 532/77 u. a., AP MitbestG § 1 Nr. 1 [C. I. 1. a) aa)]; MüKoAktG/Habersack, Band 2, § 108 Rn. 68. 412 Dürig/Herzog/Scholz/Scholz, GG, Art. 9 Rn. 161.

A. Die normativen Anknüpfungspunkte

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zessuale Differenz soll eine Beschlussfassung weniger qua Konfrontation denn qua konsensualer Willensbildung ermöglicht werden. Die Willensbildung fließt zuletzt aus einer gremialen Verhandlung in einen einheitlichen Organwillen zusammen, sodass das Element der Konfrontation, wenn nicht gänzlich hinderlich, so zumindest nicht wünschenswert ist. Da in beiden Konstellationen jedoch eine einheitliche Willensbildung auf einer interessendualistischen Grundlage erwartet wird, ist gemeinsame Voraussetzung in beiden Fällen eine paritätische Verhandlungsbasis. Doch auch das BetrVG und die dort angelegte Verhandlungssituation weisen deutliche Unterschiede zur Ausgangssituation in der erweiterten Unternehmensmitbestimmung auf. Zwar erfolgt die Interessenvertretung in beiden Fällen durch ein Gremium, bei dem Betriebsrat handelt es sich jedoch um ein dem Arbeitgeber gegenübergestelltes Gremium. Die Beteiligung des Betriebsrates und seiner Mitglieder an der Ausgestaltung des Arbeitsplatzes erfolgt unter der Prämisse widerstreitender Interessen. Die Fälle der erzwingbaren Mitbestimmung gem. § 78 BetrVG machen dies deutlich. Hinzu kommt, dass die Beteiligung der Gewerkschaften durch eigene Vertreter im Betriebsrat nicht verpflichtend ist. Ein Vorschlagsmonopol, wie es das MitbestG vorsieht, regelt § 9 BetrVG gerade nicht.413 Anders verhält es sich in der Unternehmensmitbestimmung. Meinungsbildung und Entscheidungsfindung durch Beschluss erfolgen in einem einheitlichen Gremium, das auf die Bildung eines einheitlichen Willens ausgerichtet ist. Die Interessenvertreter sitzen sich am Verhandlungstisch nicht als Antagonisten gegenüber, sondern als gleichberechtigte Partner im Sinne einer Kooperation. Aufgrund des Vorschlagsmonopols werden je nach Größe des Unternehmens mindestens zwei Gewerkschaftsvertreter mandatiert. Diese Differenzen machen abschließend wieder deutlich, dass sich die daraus resultierenden unterschiedlichen Aufgaben zwangsläufig auch auf das Rollenverständnis der Beteiligten auswirken. Die Betonung der fachlichen und branchenspezifischen Kenntnisse sowohl im Kontext der Betriebsverfassung414 als auch der Gesetzgebung zum MitbestG und die dennoch unterschiedliche Einbindung der Gewerkschaftsvertreter verdeutlichen deren unterschiedlichen funktionellen Stellenwert. Gleichzeitig zeigt sich darin erneut die divergierende gegenständliche Zielrichtung von Unternehmens- und betrieblicher Mitbestimmung, die in ihrem Zusammenwirken das umfassende System der Wahrung und Förderung der Arbeitsund Wirtschaftsbedingungen konstituieren. Während im Rahmen der Unternehmensmitbestimmung die Verhinderung eines „Betriebsegoismus“ vor allem den Gewerkschaften überantwortet wurde, sollen die Arbeitnehmer im Betriebsrat gerade diese betriebsspezifischen Belange der Arbeitnehmer repräsentieren.415 413 Diese Aussage trifft bereits § 2 Abs. 1 BetrVG mit seinem allgemeinen Kooperationsgebot. Mit einer eingehenden Analyse der Stellung der Gewerkschaften in der Betriebsverfassung Krause, RdA 2009, 129 passim. 414 Für die Betriebsverfassung ausweislich des Entwurfes eines Gesetzes zur Reform des Betriebsverfassungsgesetzes, BT-Drs. 14/5741, S. 30, 33; s. auch Krause, RdA 2009, 129, 138. 415 Dies belegt die betriebsordnungsrechtliche Zielrichtung des § 87 BetrVG.

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3. Kap.: Das Recht der Unternehmensmitbestimmung

B. Die Rolle der Gewerkschaften in der Unternehmensmitbestimmung Jede Betrachtung der Gewerkschaftsrechte in der Unternehmensmitbestimmung wäre unvollständig, ohne zunächst die Funktion der Koalitionen in der (Arbeits-) Rechtsordnung darzustellen. Seit der ersten einfachgesetzlichen Normierung von Gewerkschaftsrechten in der TVVO im Jahre 1919 sowie dem Rätesystem des BRG hat sich der Aufgabenbereich der Koalitionen stetig fortentwickelt.416 Aufgabenzuweisungen finden sich nunmehr neben der Regelung der Arbeitsbedingungen durch Tarifvertrag und deren Durchsetzung im Wege des Arbeitskampfes u. a. im BetrVG, den Gesetzen zur Unternehmensmitbestimmung, der Personalvertretung, im Sozialrecht sowie in der prozessualen Vertretung vor Gericht nach dem ArbGG.417 Neben der tariflichen Regelung der Arbeits- und Lohnbedingungen ihrer Mitglieder steht es nicht tariffähigen Koalitionen zudem frei, Beschäftigungsbedingungen mittels Koalitionsvereinbarungen zu regeln.418 Im Rahmen dieser exponierten gesamtgesellschaftlichen Rolle betätigen sich die Gewerkschaften daneben auch politisch.419 Da sie hierbei jedoch keinen legislativen Gestaltungsauftrag für sich beanspruchen, kann diese Seite des gewerkschaftlichen Selbst-, aber auch Fremdverständnisses an dieser Stelle dahinstehen. Begleitet wird diese praktische Erkenntnis vor allem von zwei Fragen: Einmal von der Frage einer sich aus dieser Mannigfaltigkeit der Funktionen ergebenden allgemeinen Ordnungsaufgabe der Koalitionen und zum anderen – auch als Konsequenz dessen – von einer möglichen Bindung eben dieser an Grundgesetz und Gemeinwohl. Die Bedeutung dieser Fragen für die Rolle der Koalitionen in der Rechtsordnung wird umso deutlicher, hält man sich die unter Abschnitt A. I. dieses Kapitels dargestellte verfassungsrechtliche Verankerung der angesprochenen Funktionen vor Augen. In der grundgesetzlichen Verankerung der Unternehmensmitbestimmung in Art. 9 Abs. 3 GG liegt eine verfassungsgeberseitige Aussage über 416

Zur Bedeutung der Gewerkschaften auch BVerfG v. 18. 12. 1974 – 1 BvR 430/65 u. a., AP GG Art. 9 Nr. 23. 417 Für das Personalvertretungsrecht s. nur §§ 9, 19 Abs. 5 BPersVG, für das Sozialrecht die Befugnis zur Vetretung im Prozess nach § 73 Abs. 2 Nr. 7 und ebenso für das ArbGG in § 11 Abs. 2 Nr. 4. Ausführlich zu den Aufgabenbereichen Eitel, Ungleichbehandlung, S. 135 ff.; Wiedemann, RdA 1969, 321. 418 S. dazu vertieft Höpfner, RdA 2020, 129 passim. 419 Ausdruck dessen ist bereits die Präambel des „Düsseldorfer Grundsatzprogrammes“ des DGB, wie es auf dem außerordentlichen Bundeskongress im Jahre 1963 beschlossen wurde. Darin sieht sich der DGB auch gegenüber „dem ganzen Volke“ verantwortlich“. Die Prämbel sowie das gesamte Grundsatzprogramm sind abgedruckt in: Programmatische Dokumente zur Politik des Deutschen Gewerkschaftsbundes, S. 9 ff.; s. zu der politischen Betätigung der Gewerkschaften dem Grunde nach Kempen/Zachert/Kempen, TVG, Grundlagen Rn. 124; Wiedemann, RdA 1969, 321, 322. Zum Erfordernis der parteipolitischen Unabhängigkeit bereits Kapitel 1, Abschnitt A. II. 3. S. auch die ausführliche Darstellung der einzelnen Betätigungsfelder und die entsprechende kritische Würdigung von Löwisch, RdA 1975, 53 passim.

B. Rolle der Gewerkschaften in der Unternehmensmitbestimmung

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dessen Koalitionsverständnis in Bezug auf die Aktualisierung der Wertentscheidungen des Grundgesetzes, die vor allem im Zusammenspiel mit der Tarifautonomie ein neues Licht auf die Repräsentationsfunktion der Koalitionen wirft. Mit einer Ausweitung dieser Repräsentation über die Grenzen freiwilliger, mitgliedschaftlicher Legitimation hinaus erstarkt zudem auch die Frage einer gemeinwohlorientierten Aufgabe der Koalitionen. Ungeachtet einer etwaigen Ausgestaltung dieser Ordnungsfunktion stellt sich jedoch zunächst unweigerlich die Frage, ob die Koalitionen als Grundrechtsträger überhaupt grundrechts- bzw. gemeinwohlgebunden sein können. Bevor daher einer verfassungsrechtlichen Ordnungsfunktion nachgegangen werden kann, muss der kollektive Schutzbereich der Koalitionsfreiheit in personeller Hinsicht abgesteckt werden.

I. Der Schutz der Koalitionen innerhalb der Koalitionsfreiheit 1. Historische Kontextualisierung Auch der den Koalitionen aus Art. 9 Abs. 3 GG eigene Schutz kann aufgrund der historischen Prägung der Koalitionsfreiheit nur unter Rückgriff auf die Art. 159, 165 WRV ergründet werden. Dieses lauteten: „Die Vereinigungsfreiheit zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen ist für jedermann und alle Berufe gewährleistet. Alle Abreden und Maßnahmen, welche diese Freiheit einzuschränken oder zu behindern versuchen, sind rechtwidrig.“420 „Die Arbeiter und Angestellten sind dazu berufen, gleichberechtigt in Gemeinschaft mit den Unternehmern an der Regelung der Lohn- und Arbeitsbedingungen sowie an der gesamten wirtschaftlichen Entwicklung der produktiven Kräfte mitzuwirken. Die beiderseitigen Organisationen und ihre Vereinbarungen werden anerkannt.“421

Neben der bereits angesprochenen gegenständlichen Erweiterung der Koalitions(betätigungs-)freiheit ging die verfassungsrechtliche Verankerung der Koalitionsfreiheit auch in ihrer personellen Reichweite über die zuvor bestehende Regelung des § 152 GewO 1869 hinaus. Dieser hatte lediglich einzelnen Berufsgruppen, namentlich Gewerbe- und Bergbaubetrieben, in eingeschränktem Maße eine solche Freiheit eingeräumt.422 Art. 159 WRV gewährleistete die freie Gründung einer bzw. den Beitritt zu einer bereits gegründeten Vereinigung.423 Während ein Teil der Rechtswissenschaft in dieser Beitrittsfreiheit auch die antagonistische Freiheit des

420

Art. 159 WRV (Hervorhebungen durch die Verfasserin). Art. 165 Abs. 1 WRV (Hervorhebungen durch die Verfasserin). 422 Anschütz, Verfassung des Deutschen Reichs, Art. 159 Anm. 2; Dietz, Die Koalitionsfreiheit, in: Bettermann/Nipperdey/Scheuner, Die Grundrechte, Band 3/I, S. 417, 424. 423 Anschütz, Verfassung des Deutschen Reichs, Art. 159 Anm. 4. 421

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3. Kap.: Das Recht der Unternehmensmitbestimmung

Fernbleibens wie auch des Austritts sah,424 blieb das Reichsgericht die Beantwortung dieser Frage nach einer negativen Gewährleistungsseite des Art. 159 WRV bis zuletzt schuldig.425 Wenig ergiebig sind auch die Aussagen des Parlamentarischen Rates zur Rechtsposition der Koalitionen selbst, die in Art. 165 WRV ausdrücklich anerkannt wurden. Es bleibt jedoch zu erörtern, ob diese verfassungsrechtliche Anerkennung in Wirkung und Inhalt tatsächlich so aussagekräftig war und ist, wie oftmals beschworen. 2. Art. 159, 165 WRV Die kollektive Gewährleistung der Koalitionsfreiheit war auch in der Weimarer Zeit bis zuletzt umstritten.426 Ungeachtet der divergierenden Argumentationslinien schien sich der Großteil der diesbezüglichen Auseinandersetzung jedoch an der vermeintlich uneinheitlichen Linie des Reichsgerichtes vor allem in zwei Entscheidungen aus den Jahren 1925427 und 1926428 zu entzünden.429 a) Die individualfreiheitliche Grundkonzeption der Koalitionsfreiheit In der ersten der beiden hier relevanten Entscheidungen ging es vordergründig um die Frage der fortgeführten Geltung des § 152 GewO 1869 über die Einführung des Art. 159 WRV hinaus. Klar lag der Fall für die individuelle Koalitionsfreiheit, welche zuvor bereits restriktiv in § 152 GewO 1869 normiert war und nunmehr vollumfänglich und für alle Personenkreise durch Art. 159 S. 1 WRV garantiert wurde.430 Zur kollektiven Koalitionsfreiheit führte das Reichsgericht aus: „Darin, daß der einzelne das Recht freier Entschließung hat, erschöpft sich die Vereinigungsfreiheit des Art. 159 RV. nicht. Geschützt ist in gleichem Maße das positive Recht der anderen auf Zusammenschluß. Dementsprechend werden ihre Organisationen in Art. 165 Abs. 2 WRV. ausdrücklich anerkannt. Ihrem Wesen und Zweck nach muß aber diese Ver424 Anschütz, Die Verfassung des Deutschen Reichs, Art. 159 Anm. 4 m. w. N.; PoetzschHeffter, WRV, Art. 159, S. 493; wohl auch Richter, VerwArch 32 (1927), 1, 18 ff., wenn auch nicht als „selbstverständliche Kehrseite“. 425 Offen RG v. 6. 4. 1922 – VI 456/21, RGZ 104, 327, 330; s. auch RG v. 2. 6. 1925 – IV 154/25, RGZ 111, 199; RG v. 11. 2. 1926 – IV 402/25, RGZ 113, 33. Mit dieser Einschätzung auch Födisch, RdA 1955, 88. 426 S. Henssler/Willemsen/Kalb/Hergenröder, Art. 9 GG Rn. 23; Wiese, ZfA 2008, 317, 318. 427 RG v. 2. 6. 1925 – IV 154/25, RGZ 111, 199. 428 RG v. 11. 2. 1926 – IV 402/25, RGZ 113, 33. 429 Mit dieser Betrachtung auch Henssler/Willemsen/Kalb/Hergenröder, Art. 9 GG Rn. 23; Hueck/Nipperdey/Nipperdey, Arbeitsrecht, Band 2/I, S. 134; anders Dürig/Herzog/Scholz/ Remmert, GG, Art. 19 Abs. 3 Rn. 5, der beide Entscheidungen gleichermaßen zur Beurteilung heranzuziehen scheint. 430 RG v. 2. 6. 1925 – IV 154/25, RGZ 111, 199, 200; Poetzsch-Heffter, WRV, Art. 159, S. 492; Däubler/Hege, Koalitionsfreiheit, S. 17.

B. Rolle der Gewerkschaften in der Unternehmensmitbestimmung

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einigungsfreiheit der zum Verband zusammengeschlossenen Teilnehmer die weitere Befugnis in sich begreifen, sie wirksam auszugestalten und zur rechtlichen Geltung zu bringen. Auch das fällt begrifflich in den Rahmen des der Organisation als solcher gewährleisteten Freiheitsrechts.“431

Ausgehend von der kumulierten Freiheit mehrerer, sich zu einer Koalition zusammenzuschließen und sich in ihr zu betätigen, ging das Reichsgericht augenscheinlich dazu über, auch der so konzipierten Koalition selbst Rechte zuzugestehen. Gleichzeitig löste es sich argumentativ aber nicht vollständig von den die Koalition konstituierenden Individuen. So sprach es in einer nachfolgenden Entscheidung davon, „[i]hre Koalitionsfreiheit [die der Koalition, s. o.] würde in Wahrheit unvollkommen und ein Schattenbild sein, wenn nicht auch das Recht der Gesamtheit der Teilnehmer geschützt wäre, die zur Durchführung des Koalitionszwecks erforderlichen Maßnahmen und Abmachungen zu treffen, z. B. Vertragsstrafen gegen unbotmäßige, dem Verbandszweck zuwiderhandelnde Mitglieder festzusetzen und einzuklagen.“ So wird deutlich, dass auch im Rahmen einer etwaigen kollektiven Gewährleistung die Individuen den Anknüpfungspunkt bilden. Freilich kann auch hier der Einwand eingebracht werden, dass selbst in diesem Fall die Koalitionsmitglieder tätig würden und damit Rechte ausübten, die über Art. 159 S. 2 WRV geschützt werden. Betrachtet man jedoch gerade die vom Reichsgericht angeführten Maßnahmen, wird eine neue argumentative Stoßrichtung deutlich: Aus Art. 165 Abs. 1 S. 2 WRV ergibt sich die Anerkennung der Koalitionen als solche.432 Da diese indes über eine reine Institutionsgarantie nicht hinausgeht,433 galt es, das Verhältnis der Koalitionen nach außen, aber gerade auch zu ihren Mitgliedern zu bestimmen. Hierbei steht sodann nicht mehr die Existenzberechtigung der Koalitionen in Frage, da ihnen diese durch Art. 165 Abs. 1 S. 2 WRV ausdrücklich zugestanden wird.434 Auch wenn das Reichsgericht also davon spricht, dass der durch Art. 159 S. 2 WRV gewährleistete Schutz auch auf die Koalitionen zu erstrecken ist,435 ist damit nicht gesagt, in welchem Umfang dieser Schutz tatsächlich zu gewährleisten ist. Schließlich erfolgt die oben angeführte Sanktion von Mitgliedern gerade durch Mitglieder zugunsten der Koalition. Dies steht einem Schutz der Koalitionen vor einschränkenden Maßnahmen indes nicht entgegen, sondern verlagert ihn lediglich auf eine andere Ebene. Er reflektiert zurück in Richtung der Mitglieder, um durch sie den Koalitionszweck erfüllen zu können. Dieser Schutz der Koalitionen (vor ihren

431

RG v. 2. 6. 1925 – IV 154/25, RGZ 111, 199, 202. RG v. 2. 6. 1925 – IV 154/25, RGZ 111, 199, 202. 433 Mit dieser Einschätzung wohl auch Dietz, Die Koalitionsfreiheit, in: Bettermann/ Nipperdey/Scheuner, Die Grundrechte, Band 3/I, S. 417, 459; Nipperdey/Tartarin-Tarnheyden, Grundrechte, Band 3, Art. 165 S. 536. 434 Tatarin-Tarnheyden, Berufsverbände, S. 23. 435 RG v. 2. 6. 1925 – IV 154/25, RGZ 111, 199, 202. 432

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3. Kap.: Das Recht der Unternehmensmitbestimmung

Mitgliedern) garantiert ihnen damit über den Wert des Art. 165 Abs. 1 S. 2 WRV hinaus den fortgeführten Bestand ihrer selbst durch koalitive Betätigung.436 Im Einklang damit hielt Hans Carl Nipperdey die kollektivrechtliche Gewährleistung der Koalitionsfreiheit für eine „Notwendigkeit“: Da zur Ausübung der Koalitionsfreiheit des Einzelnen eine Koalition notwendige Voraussetzung sei, wäre das Koalitionsrecht obsolet, würde man den Vereinigungen selbst keine eigenen Rechte angedeihen lassen.437 Dieser Auffassung schlossen sich auch andere an, sodass vereinzelt von einer herrschenden Meinung gesprochen wurde.438 Anderen Stimmen zufolge hatte die Koalitionsfreiheit in ihrer individuellen Gewährleistung ihr Bewenden, mit der Folge, dass juristischen Personen kein eigener, von den Mitgliedern losgelöster Koalitionsschutz zukam.439 Während diese Argumentationslinien auch prima facie gegensätzlich anmuten, verfügen sie dennoch über weitreichende Schnittmengen, zumindest aber schließen sie sich in keiner Weise gegenseitig aus. Widersprüche ergeben sich vielmehr nur dann, wenn man die kollektive Betätigungsfreiheit der Koalitionen an sich, die ihre Zielrichtung durch die sich in den Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen ausdrückenden Koalitionsmittel erfährt, nicht von der Institutionsgarantie der Koalitionen zu trennen vermag. In dieser Hinsicht interessant ist auch die Entscheidung des Reichsgerichtes vom 11. Februar 1926. Es hatte über die Klage eines Gewerkschaftsbundes zu entscheiden, der einem Arbeitgeber vorwarf, dessen Angestellte durch Drohung mit Entlassungen zum Austritt und gleichzeitigem Eintritt in den DGB veranlasst zu haben.440 Mit Blick auf die Entscheidung vom 2. Juli 1925 konsequent geht das Reichsgericht zunächst davon aus, dass die Koalitionsfreiheit im Sinne des Art. 159 WRV grundsätzlich ein Individualfreiheitsrecht ist.441 Aus diesem Grunde beschränkte es das Kollektivrecht der Koalitionen sodann auf das Innenverhältnis. Art. 165 WRV hingegen hält das Gericht für eine rein deklaratorische Grundlegung der Koalitionen.442 Gerade in Verbindung mit der vorherigen Entscheidung aus dem Jahre 1925 wird dem Reichsgericht im Rahmen der Entscheidung vom 11. Februar

436

WRV. 437

Ähnlich Tatarin-Tarnheyden, Berufsverbände, S. 22 mit Verweis auf Art. 159 S. 2

Nipperdey/Nipperdey, Grundrechte, Band 3, Art. 159, S. 428. So z. B. Kaskel/Dersch, Arbeitsrecht, 4. Auflage, S. 317; Sinzheimer, Grundzüge des Arbeitsrechts, S. 91; Hueck/Nipperdey/Nipperdey, Arbeitsrecht, Band 2/I, S. 513 ff. 439 So Gebhard, Handkommentar WRV, Art. 159 Anm. 4.a); Richter, VerwArch 32 (1927), 1, 15. 440 RG v. 11. 2. 1926 – IV 402/25, RGZ 113, 33 f. 441 RG v. 11. 2. 1926 – IV 402/25, RGZ 113, 33, 36; zuvor bereits RG v. 2. 6. 1925 – IV 154/ 25, RGZ 111, 199, 200, 202. 442 RAG v. 11. 2. 1926 – IV 402/25, RGZ 113, 33, 37; RG v. 17. 11. 1927 – RAG. RB. 4. 27, RAGE 1, 30, 33; ähnlich Gebhard, Handkommentar WRV, Art. 165 Anm. 3; a. A. Nipperdey/ Nipperdey, Grundrechte, Band 3, Art. 159 S. 430. 438

B. Rolle der Gewerkschaften in der Unternehmensmitbestimmung

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1926 oftmals Widersprüchlichkeit vorgeworfen.443 Gegenstand dieser Entscheidung war jedoch nicht der Schutz der Koalitionen vor Eingriffen Dritter. Ungeachtet materiell-rechtlicher Kritik ist es daher zumindest nicht inkonsequent, wenn das Reichsgericht den Schutz des Kollektives vorliegend nur in Bezug auf interne Eingriffe in den Blick nimmt. So wird die Anerkennung der Koalitionen durch Art. 165 Abs. 1 S. 2 WRV gewürdigt und gleichzeitig die individualfreiheitliche Systematik der Verfassung aufrechterhalten. Eine weitergehende Auseinandersetzung des Reichsgerichtes mit dem Kollektivschutz der Koalitionen war im Folgenden nicht erforderlich, sodass sie die Koalition selbst zur Geltendmachung ihrer Rechte auf §§ 823, 826 BGB verweisen konnte.444 b) Die Zweckbezogenheit des kollektiven Schutzes als Ausdruck des Zusammenspiels von Art. 159 und Art. 165 WRV Doch selbst ginge man von einer rein deklaratorischen Wirkung des Art. 165 Abs. 1 S. 2 WRVaus, kann man ihm im Zusammenspiel mit Art. 159 WRV sehr wohl eine gewisse Institutionsgarantie entnehmen. Indem die Koalition selbst rechtlichen Einfluss auf die Zweckverfolgung durch die Mitglieder nehmen kann, sichert sie sich mittelbar selbst in ihrem Bestand.445 Der Zwischenschritt über die Mitglieder mag zwar umständlich anmuten, ist nach hier vertretenem Verfassungsverständnis und dem Vorangesagten indes konsequent. Die Mitglieder mögen zwar in der Ausübung ihrer Koalitionsfreiheit auf die Koalition angewiesen sein. Dieses Abhängigkeitsverhältnis ist in entgegengesetzter Richtung jedoch mindestens ebenso intensiv ausgeprägt: Nicht nur entsteht eine Koalition erst durch die Zusammenkunft mehrerer Individuen, vielmehr besteht sie nur in Verfolgung derjenigen Zwecke fort, die die Vereinigung in ihrer Gründung und Fortführung bedingen. Diese Zwecke sind mit dem Willen der Individualpersonen gleichzusetzen. Nichts anderes besagt auch das Prinzip kollektiver assoziativer Selbsthilfe, aus dem die Koalitionen und auch die Koalitionsfreiheit entsprungen sind.446 Obgleich Art. 165 WRV vielfach auch oder sogar ausschließlich im Kontext der Koalitionsfreiheit genannt wird,447 sollte durch ihn vernehmlich das Rätesystem etabliert werden.448 Grundgedanke dieses Instituts war es, durch die Räte die wirt443

Hueck/Nipperdey/Nipperdey, Arbeitsrecht, Band 2/I, S. 134 f.; zustimmend indes Kaskel, Arbeitsrecht, 3. Auflage, S. 280. 444 RG v. 11. 2. 1926 – IV 402/25, RGZ 113, 33. 445 In diesem Sinne auch Otto, Verfassungsrechtliche Gewährleistung der koalitionsspezifischen Betätigung, S. 52. 446 Vgl. zu dieser Erkenntnis bereits sehr früh Sinzheimer, in der Verfassungsgebenden Nationalversammlung, Band 336, Nr. 391, S 393. 447 Als in diesem Kontext „zukunftsweisend“ Pieroth, FS BVerfG 2001, Band 2, S. 293, 294; auch RG v. 11. 2. 1926 – IV 402/25, RGZ 113, 33, 36. 448 Anschütz, Verfassung des Deutschen Reichs, Art. 165 Anm. 1; Poetzsch-Heffter, WRV, Art. 165, S. 499.

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3. Kap.: Das Recht der Unternehmensmitbestimmung

schaftlichen und sozialen Interessen der Arbeiter und Arbeitnehmer zu stützen. Die Räte sollten als ihre Vertreter gleichberechtigt mit den Unternehmern (als Arbeitgeber) verhandeln.449 Bereits hier zeichnet sich die Schwierigkeit ab, Räte und Koalitionen miteinander zu vereinbaren und ihre Kompetenzen und Aufgaben sinnvoll in ihrem Verhältnis zueinander auszugestalten.450 Dieser Problematik war sich auch die Verfassungsgebende Nationalversammlung gewahr und gedachte, ihrer mit Art. 165 Abs. 1 S. 2 WRV Herr zu werden.451 Der Facettenreichtum des Art. 165 WRV wurde bereits im Rahmen der Auslegung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen deutlich.452 In seiner Zweckausrichtung als Kompetenzzuweisungsnorm kommt dem Art. 165 Abs. 1 WRV auch für den kollektiven Koalitionsschutz erhebliche Bedeutung zu. Er begründet zunächst in Satz 1 die Gleichstellung von Arbeitern und Angestellten einerseits und Arbeitgebern (Unternehmern) andererseits im Rahmen der Lohn- und Arbeitsbedingungen ebenso wie der übrigen wirtschaftlichen Ausrichtung des Unternehmens. In seinem zweiten Satz werden sodann die entsprechenden Vereinigungen und auch die von ihnen subsequent geschlossenen Vereinbarungen explizit anerkannt.453 In Anlehnung an das vom Reichsgericht in der ersten genannten Entscheidung Gesagte konkretisiert er „Wesen und Zweck“ der Koalitionen in einer Weise, die es ermöglicht, den Schutz der Koalitionen selbst aus ihrem Verhältnis zu den Mitgliedern heraus zu bestimmen. Indem die Koalitionen – anders als das öffentlich-rechtlich verstandene Rätesystem – durch ihre Mitglieder legitimiert und konzeptionalisiert werden, muss sich ihr Schutz auch auf diesen Umfang der Betätigung beschränken. Die Koalitionen selbst haben über ihre zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen erforderliche Institutionsgarantie hinaus keinen Selbstzweck. Insofern zeigt sich in dem verfassungsnormativen Wechselspiel der Art. 159, 165 WRV als Alternativ- und Komplementärsystem gleichermaßen dasjenige Grundrechtsverständnis, welches nunmehr in Art. 19 Abs. 3 GG ausgedrückt wird. Eine solche Norm, welche den Grundrechtsschutz juristischer Personen auf das „Wesentliche“ beschränkt, sah die WRV nicht vor.454 Doch auch das Reichsgericht erkannte die individualkonstitutive Abhängigkeit des Kollektives an, wenn es den Koalitionen selbst einen über die bloße Anerkennung hinausgehenden Schutz ihrem Wesen und Zweck nach zugesteht.455 Dieses Verständnis kann sogar der Formulierung des Art. 165 Abs. 1 WRV entnommen werden, nach welchem die Arbeiter und Angestellten dazu berufen sind, an der Regelung ihrer Beschäftigungsbedingungen im weiteren Sinne mitzuwirken, und 449

Stellv. Gebhard, Handkommentar WRV, Art. 165 Anm. 3. Dazu Poetzsch-Heffter, WRV, Art. 165, S. 500. 451 S. nur die Diskussion der Verfassungsgebenen Nationalversammlung, Band 336, Nr. 931, S. 394 f. 452 Kapitel 3, Abschnitt A. I. 453 S. auch RG v. 11. 2. 1926 – IV 402/25, RGZ 113, 33, 36. 454 S. dazu auch Dülp, Berufung juristischer Personen des öffentlichen Rechts auf Grundrechte, S. 17 f. 455 RG v. 2. 6. 1925 – IV 154/25, RGZ 111, 199, 202. 450

B. Rolle der Gewerkschaften in der Unternehmensmitbestimmung

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sodann in unmittelbarem Nachgang in Satz 2 quasi „hierzu“ die gegenseitigen Organisationen anerkannt wurden. Einer Anerkennung der Räte als Mitbestimmungsorgane bedurfte es nicht, da diese nach verfassungsgeberseitigem Verständnis öffentlich-rechtlich organisiert waren.456 3. Art. 9 Abs. 3 GG Art. 9 Abs. 3 GG gewährt in Satz 1 das Recht, „zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen Vereinigungen zu bilden“, und darüber hinaus auch das Recht, sich in diesem Zusammenhang zu diesem Zwecke zu betätigen.457 Die abwehrrechtliche Komponente der Koalitionsfreiheit gewährleistet überdies, dass die Wahrnehmung grundsätzlich außerhalb staatlicher Intervention geschehen kann.458 Notwendige Kehrseite dieser Freiheit ist auch die (negative) Freiheit, Koalitionen im Sinne des Art. 9 Abs. 3 GG fernzubleiben.459 In der Folge steht es jedem Individuum frei, eine solche Koalition zu gründen, ihr beizutreten und sich während seines Verbleibes in ihr und für sie zu betätigen.460 Weniger linear verlief die Auseinandersetzung mit der kollektiven Komponente des Art. 9 Abs. 3 GG. Während sie bereits in der Weimarer Zeit recht kontrovers erfolgte, bestand zumindest Einigkeit darüber, dass ein gewisser kollektiver Schutz in Form einer Institutionsgarantie erforderlich war, um die individuelle Komponente der Koalitionsfreiheit zu aktualisieren.461 Eigenheit der Koalitionsfreiheit ist somit die kollektive Komponente – der status collectivus.462 Er ist Ausdruck der Notwendigkeit einer Kollektivbildung für die Ausübung einer im Grundsatz individuellen Freiheit, da sie zu ihrem Schutz gerade der Begründung eines Kollektivs bedarf. Der status collectivus besteht zunächst vollkommen ungeachtet der Frage einer

456

Verfassungsebende Nationalversammlung, Band 335, Nr. 385, S. 228. BVerfG v. 30. 11. 1965 – 2 BvR 54/62, NJW 1966, 491; ErfK/Linsenmaier, Art. 9 GG Rn. 30; Löwisch/Rieble, TVG, Grundlagen Rn. 107. 458 BVerfG v. 1. 3. 1979 – 1 BvR 533/77 u. a., AP MitbestG § 1 Nr. 1 [C. IV. 1.]; Löwisch/ Rieble, TVG, Grundlagen Rn. 106; MüHbArbR/Rieble, Band 3, § 218 Rn. 1. 459 Löwisch/Rieble, TVG, Grundlagen Rn. 107; MüHbArb/Rieble, § 218 Rn. 2; s. auch Wiese, ZfA 2008, 317. Dazu ausführlich im Kontext der Arbeitnehmerrepräsentation Kapitel 3, Abschnitt B. II. 1. 460 BVerfG v. 30. 11. 1965 – 2 BvR 54/62, NJW 1966, 491; BVerfG v. 1. 3. 1979 – 1 BvR 532/77 u. a., AP MitbestG § 1 Nr. 1; Löwisch/Rieble, TVG, Grundlagen Rn. 107; Sodan, JZ 1998, 421, 422. 461 Mit dieser Konsequenz RG v. 11. 2. 1926 – IV 402/25, RGZ 113, 33, 36 f.; Gebhard, Handkommentar WRV, Art. 159 Anm. 4.a); Nipperdey/Nipperdey, Grundrechte, Band 3, Art. 159, S. 429; s. auch aus heutiger Perspektive Pieroth, FS BVerfG 2001, Band 2, S. 293, 294 mit der Beobachtung, dass dem Verfassungsverständnis der Weimarer Zeit eine Betätigungsseite der Koalitionsfreiheit fremd war; Wiese, ZfA 2008, 317, 318. S. dazu auch bereits Abschnitt B. I. 2. a) dieses Kapitels. 462 Zum status collectivus Dürig/Herzog/Scholz/Scholz, GG, Art. 9 Rn. 22, 239. 457

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3. Kap.: Das Recht der Unternehmensmitbestimmung

kollektiven Gewährleistung.463 Anders als beispielsweise die Meinungsfreiheit gem. Art. 5 Abs. 1 GG, welche in Abgrenzung zur Versammlungsfreiheit nach Art. 8 GG für ihre Ausübung nicht den Zusammenschluss mehrerer erfordert, ist auch die individuelle Koalitionsfreiheit in ihrer Ausübung mittelbar auf ein Kollektiv angewiesen.464 Der Schutz der individuellen Freiheiten würde deshalb ausgehöhlt, würde man nicht die Koalitionen als solche schützen.465 Inwieweit den Koalitionen darüber hinaus aber eine den Individuen gegenüberstehende eigene Freiheit eingeräumt werden muss, die sie nach außen sowie nach innen vor Eingriffen schützt, ist fraglich. Es geht im Folgenden daher vielmehr um den Umfang dieser Kollektivfreiheit und darin um das grundlegende Verhältnis der individuellen Freiheit des Einzelnen zu der des Kollektivs. Das Ergebnis bestimmt sodann unzweifelhaft die Dogmatik des Grundrechtsschutzes und ermöglicht Aussagen über die Rolle und die Funktion der Koalitionen in der Rechtsordnung.466 a) Meinungsstand Zuvorderst das Bundesverfassungsgericht467 geht von einer doppelten Koalitionsgarantie aus. Dieser Theorie des „Doppelgrundrechtes“ haben sich auch das Bundesarbeitsgericht sowie große Teile der Literatur angeschlossen.468 Demnach sind die Koalitionen bereits aus Art. 9 Abs. 3 GG selbst in Bestand, Organisation und Struktur, (Präzisierung der) Zwecksetzung sowie der Durchsetzung ihrer entspre463 Vgl. ausführlich Dürig/Herzog/Scholz/Scholz, GG, Art. 9 Rn. 22, 239 f.; ders. Koalitionsfreiheit als Verfassungsproblem, S. 133, 135 ff. 464 Dürig/Herzog/Scholz/Scholz, GG, Art. 9 Rn. 239; bereits für Art. 159 WRV Nipperdey/ Nipperdey, Grundrechte, Band 3, Art. 159, S. 428. 465 Greiner, Rechtsfragen, S. 80; Sachs/Höfling, GG, Art. 9 Rn. 70; Dürig/Herzog/Scholz/ Scholz, GG, Art. 9 Abs. 3 Rn. 239 f. 466 Dazu grundlegend Pieroth, FS BVerfG 2001, Band 2, S. 293; Wiese, ZfA 2008, 317. 467 Stellv. für die ständige Rspr. des Bundesverfassungsgerichtes BVerfG v. 2. 3. 1993 – 1 BvR 1213/85, AP GG Art. 9 Arbeitskampf Nr. 126 [C. II. 1.] im Kontext des Beamtenstreiks; BVerfG v. 24. 4. 1996 – 1 BvR 712/86, NJW 1997, 513 mit der etwas missverständlichen Äußerung, die individuelle Gewährleistung setze sich in der Kollektivgewährleistung fort. 468 Vgl. dafür BAG v. 28. 02. 2006 – 1 AZR 460/04, AP GG Art. 9 Nr. 127 [B. II. 1. c) dd)]; Badura, JbArbR 15 (1978), 17, 19 f.; Biedenkopf, Grenzen der Tarifautonomie, S. 102; wohl auch Brox/Rüthers, Arbeitskampfrecht, 1. Auflage, S. 41 f.; Däubler/Däubler, TVG, Einleitung Rn. 86; Dietz, Die Koalitionsfreiheit, in: Bettermann/Nipperdey/Scheuner, Die Grundrechte, Band 3/I, S. 417, 458; Galperin, AuR 1965, 1; Hueck/Nipperdey/Nipperdey, Arbeitsrecht, Band 2/I, S. 134, 139; Kaskel/Dersch, Arbeitsrecht, S. 279, 281, die ein Kollektivrecht auch im Rahmen der Art. 159, 165 WRV angenommen hatten; unklar Lerche, Zentralfragen, S. 25; ErfK/Linsenmaier, Art. 9 GG Rn. 39; Richardi, Individualwille und Kollektivgewalt, S. 77; wohl auch inzident Ridder, Stellung der Gewerkschaften, S. 32; Säcker, Grundprobleme, S. 33 ff., 37; Säcker, JbArbR 12 (1975), S. 17; Säcker/Oetker, Grundlagen und Grenzen der Tarifautonomie, S. 33 f.; Scheuner, Der Inhalt der Koalitionsfreiheit, in: Weber/Scheuner/ Dietz, Koalitionsfreiheit, S. 39 ff.; explizit kritisch ggü. der Gegenlösung über Art. 19 Abs. 3 GG Schnorr, RdA 1955, 3, 4 f.; Weber, Koalitionsfreiheit und Tarifautonomie, S. 11; Zweigert/ Martiny, FS Vetter 1977, S. 109 passim.

B. Rolle der Gewerkschaften in der Unternehmensmitbestimmung

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chenden Ziele mit den ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln geschützt.469 Institutions-, Zweck- und Betätigungsgarantie ergeben sich unmittelbar und allein aus dieser Vorschrift. Ihr Schutz wirkt aus Art. 9 Abs. 3 GG als „Verbandsgrundrecht“470 unabhängig von und neben dem status collectivus der Individualgrundrechtsträger.471 Darin liegt zunächst eine Abkehr von der sonst üblichen Schutzbereichssystematik des Grundgesetzes, da diese die Grundrechte in erster Linie als individuelle Abwehr- und Leistungsrechte betrachtet,472 welche erst in Verbindung mit Art. 19 Abs. 3 GG eine beschränkte kollektive Gewährleistungskraft entfalten.473 Einher geht damit aber auch eine qualitative Gleichstellung der kollektiven mit der individuellen Freiheit, sodass Individuum und Kollektiv auch in Ausübung und Durchsetzung ihrer Freiheiten gleichberechtigt nebeneinanderstehen. Einer reziproken Wechselwirkung der Schutzbereiche bedarf es für ihren Schutz nicht.474 Diese logische Schlussfolgerung klingt allerdings in dieser Stringenz nicht in jeder diesbezüglichen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes an. An verschiedenen Stellen deuten sich Rückkopplungen und Verbindungen zwischen Individuum und Kollektiv an, die mit der sonst vertretenen Parallelität der Garantien nicht vereinbar sind. So gewährte das Bundesverfassungsgericht in einer Entscheidung den Individuen das Recht, an den zweckbezogenen Betätigungen der Koalitionen teilzunehmen, die von der kollektiven Garantie erfasst werden.475 Diese Ausstrahlung der Schutzbereiche deutet es sodann auch in entgegengesetzter Richtung an. In einer späteren Entscheidung aus dem Jahre 1996 geht das Bundesverfassungsgericht davon aus, die Kollektivfreiheit sei eine Perpetuierung der Individualfreiheit.476 Ungeachtet dessen lässt es richtigerweise nicht außer Acht, dass

469 Löwisch/Rieble, TVG, Grundlagen Rn. 113; Maschmann, Tarifautonomie im Zugriff des Gesetzgebers, S. 14 f.; Dürig/Herzog/Scholz/Scholz, GG, Art. 9 Abs. 3 Rn. 170; als „einhellige Ansicht“ Schwerdtfeger, Koalitionsfreiheit, S. 6. 470 Dürig/Herzog/Scholz/Scholz, GG, Art. 9 Abs. 3 Rn. 170, 239. 471 ErfK/Linsenmaier, Art. 9 GG Rn. 39; Dürig/Herzog/Scholz/Scholz, GG, Art. 9 Rn. 22 sowie zu Abs. 3 Rn. 170. 472 Zu Letzterem siehe bereits Kapitel 2, Abschnitt C. II. mit einer Betrachtung des Sozialstaatsprinzips. 473 Instruktiv Dürig/Herzog/Scholz/Scholz, GG, Art. 9 Abs. 3 Rn. 239; ders. bereits zuvor in Koalitionsfreiheit als Verfassungsproblem, S. 69; Burkiczak, Grundgesetz und Deregulierung, S. 144 ff.; Henssler/Willemsen/Kalb/Hergenröder, Art. 9 GG Rn. 27; Löwisch/Rieble, TVG, Grundlagen Rn. 114; Rieble, ZfA 2000, 5, 23 f.; Wiese, ZfA 2008, 317, 322 ff.; ohne eine Entscheidung Greiner, Rechtsfragen, S. 80, der jedoch tendenziell einer Ausweitung des Schutzbereiches in kollektiver Hinsicht zugewandt scheint; grundlegend zu Art. 19 Abs. 3 GG Dürig/Herzog/Scholz/Remmert, GG, Art. 19 Abs. 3 Rn. 26 ff. 474 Wiese, ZfA 2008, 317, 321. 475 BVerfG v. 18. 12. 1974 – 1 BvR 430/65 u. a., AP GG Art. 9 Nr. 23 [C. II. 3. a)]. 476 BVerfG v. 24. 4. 1996 – 1 BvR 712/96, NJW 1997, 513; ähnlich auch in der Entscheidung BVerfG v. 24. 2. 1999 – 1 BvR 123/93, AP BetrVG 1972 § 20 Nr. 18 [II. 1.].

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3. Kap.: Das Recht der Unternehmensmitbestimmung

die Koalitionsfreiheit in ihrem Ausgangspunkt ein Menschenrecht ist.477 Dies entspricht auch dem herrschenden Verständnis der Grundgesetzsystematik, das sich auf Art. 1 Abs. 1, 19 Abs. 3 GG stützt.478 Art. 19 Abs. 3 GG soll in diesem Sinne keine eigenständigen Schutzbereiche innerhalb der Grundrechte konzipieren, sondern vielmehr zum Schutze der Individualgrundrechte bestehen. Aus diesem Grunde kann Art. 19 Abs. 3 GG seine Wirkung auch nur unter Rückbesinnung auf das Individuum entfalten.479 Fraglich ist indes, ob einzig die Lehre vom Doppelgrundrecht in der Lage ist, die Koalition in Bestand, Betätigung und Organisation vollumfänglich, das heißt in dem notwendigen, weil erforderlichen Maße, zu schützen.480 Eine andere Auffassung knüpft dafür an die legitimierende Kraft der Mitglieder an, mit der Folge, dass sich die Kollektivgewährleistung erst aus einem Zusammenwirken mit Art. 19 Abs. 3 GG ergibt.481 Dies hat zur Folge, dass die Koalitionen als mitgliedschaftliches Gebilde auch ihren Schutz inhaltlich aus deren Interessen ziehen.482 Bedient sich also die herrschende Meinung nicht zuletzt auch des Schutzes der individuellen Freiheit als Argument zugunsten einer Kollektivgarantie, sieht sie sich dem Einwand ausgesetzt, dass eine Kollektivgarantie in diesem Fall auch nicht über das zu diesem Zwecke erforderliche Maß hinausgehen müsste. Nichts anderes meint wohl auch das Bundesverfassungsgericht, wenn es davon spricht, dass der Schutz verfolgter Zwecke in Bezug auf ein Kollektiv nicht weiter gehen dürfe als der des Individuums.483 b) Stellungnahme aa) Der Wortlaut des Art. 9 Abs. 3 GG Dem Wortlaut des Art. 9 Abs. 3 GG – und insbesondere dem Begriffspaar der „Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen“ –484 ist zunächst kein eindeutiger Wille des

477

BVerfG v. 1. 3. 1979 – 1 BvR 532/77 u. a., AP MitbestG § 1 Nr. 1 [C. III. 2. a)]; BVerfG v. 15. 7. 1980 – 1 BvR 24/74 u. a., NJW 1981, 215. 478 Dürig/Herzog/Scholz/Scholz, GG, Art. 9 Rn. 186. 479 Dürig/Herzog/Scholz/Remmert, GG, Art. 19 Abs. 3 Rn. 113 unter Verweis auf Ausführungen Dürigs. 480 Anderer Ansicht ist Maschmann, Tarifautonomie im Zugriff des Gesetzgebers, S. 14 f., der anderenfalls einen Wegfall des Schutzes der Koalitionen generell annimmt, mit dem Verweis auf Art. 9 Abs. 1 GG. 481 Burkiczak, Grundgesetz und Deregulierung, S. 141 ff.; Engels, RdA 2008, 331, 333; Höfling/Burkiczak, Anmerkung zu BAG v. 25. 1. 2005 – 1 AZR 657/03, AP GG Art. 9 Nr. 123 [I. 2. a), b)]; Lambrich, Tarif- und Betriebsautonomie, S. 161 ff.; Löwisch/Rieble, TVG, Grundlagen Rn. 114; Nikisch, Arbeitsrecht, Band 2, S. 72 f.; Rieble, ZfA 2000, 5, 23 f. 482 Wiedemann/Jacobs, TVG, Einleitung Rn. 124. 483 BVerfG v. 1. 3. 1979 – 1 BvR 532/77 u. a., AP MitbestG § 1 Nr. 1 [C. III. 2. a)]. 484 So aber wohl das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung v. 26. 6. 1991 – 1 BvR 779/85, AP GG Art. 9 Arbeitskampf Nr. 17 B. I. 1.; Däubler/Däubler, TVG, Einleitung

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Verfassungsgebers zu entnehmen, auch den Koalitionen selbst unmittelbaren Schutz zukommen zu lassen.485 Diese Annahme, der Kollektivschutz des Art. 9 Abs. 3 GG sei bereits in dessen Wortlaut angelegt,486 geht indes fehl.487 Die Aufnahme des Vereinszweckes diente vielmehr lediglich der Abgrenzung von der allgemeinen Vereinigungsfreiheit des Art. 9 Abs. 1 GG im Sinne einer lex specialis.488 Die Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen waren bereits in Art. 159 WRV explizit aufgeführt. Trotz semantischer und systematischer Unterscheidungen perpetuiert Art. 9 GG insofern das Weimarer Verständnis von allgemeiner Vereinigungsfreiheit nach Art. 124 WRV und der zweckbezogenen Vereinigungsfreiheit nach Art. 159 WRV,489 dies auch ungeachtet der Ausnahme der Normfusion in Art. 9 GG.490 Diesbezüglich handelt es sich auch ausweislich der unmittelbaren Wirkanordnung des Art. 9 Abs. 3 S. 2 GG nicht um eine verfassungsgeberseitige Redundanz.491 Bereits Art. 159 WRV als Vorgängervorschrift schützte vor „sozialen Gewalten“ und entfaltete somit mittelbare Drittwirkung (s. o.).492 Der Verfassungsgeber entschied sich für eine beinahe wortgleiche Übernahme des Art. 159 Abs. 1 S. 1 WRV. Bereits in Art. 159 S. 1 WRV war die Koalitionsfreiheit „für jedermann und für alle Berufe gewährleistet“. Dies legt nahe, dass man sich im Rahmen der Grundgesetzgebung des Inhaltes und der Bedeutung dieser Formulierung zumindest bewusst war und sie sich entsprechend zu eigen machen wollte. Die Erweiterung der Koalitionsfreiheit auf „alle Berufe“ ist hierbei im Lichte des § 152 GewO 1869 zu betrachten und bedeutet gerade keine Extension des personellen Gewährleistungsbereiches in kollektiver

Rn. 88; ebenso Maschmann, Tarifautonomie im Zugriff des Gesetzgebers, S. 15; ablehnend Pieroth, FS BVerfG 2001, Band 2, S. 293, 298. 485 Dies gesteht auch Kempen ein, in: Kempen/Zachert, TVG, Grundlagen Rn. 90 486 Hueck/Nipperdey/Nipperdey, Arbeitsrecht, Band 2/I, S. 134; gegen einen kollektiven Gehalt des Art. 9 Abs. 3 GG aufgrund des Wortlautes Dürig/Herzog/Scholz/Scholz, GG, Art. 9 Rn. 24 mit Verweis auf ders., Koalitionsfreiheit als Verfassungsproblem, S. 121 ff., 144; Zöllner, AöR 98 (1973), 71, 77 f.; wohl auch T. Kunze, Unternehmensrechtsreform, S. 16 f.; Wiese, ZfA 2008, 317, 322. 487 So auch Burkiczak, Grundgesetz und Deregulierung, S. 298; Pieroth, FS BVerfG 2001, Band 2, S. 293, 298. 488 BVerfG v. 26. 5. 1970 – 2 BvR 664/65, NJW 1970, 1635; Dürig/Herzog/Scholz/Scholz, GG, Art. 9 Rn. 1, 7; Schwerdtfeger, Koalitionsfreiheit, S. 3; Richardi, Individualwille und Kollektivgewalt, S. 78, 89 f. 489 Offen das Verhältnis von Art. 124 und Art. 159 WRV betreffend Gebhard, Handkommentar WRV, Art. 159 Anm. 3.a). 490 Zu den Beweggründen im Normgebungsprozess vgl. Häberle, Entstehungsgeschichte der Artikel des Grundgesetzes, S. 119; Burkiczak, Grundgesetz und Deregulierung, S. 144 ff. 491 Burkiczak, Grundgesetz und Deregulierung, S. 145; a. A. Henssler, ZfA 1998, 1, 7; Kemper, Koalitionsfreiheit, S. 137. 492 Sinzheimer in der Verfasungsgebenden Nationalversammlung, Band 328, S. 1749 C; s. auch Anschütz, Verfassung des Deutschen Reichs, Art. 159 Anm. 1; Richter, VerwArch 32 (1927), 1, 10.

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3. Kap.: Das Recht der Unternehmensmitbestimmung

Hinsicht. Es galt vielmehr, die Begrenzung des § 152 GewO 1869 im Hinblick auf bestimmte Berufsgruppen aufzuheben.493 bb) Die abweichende Konzeption des Art. 9 Abs. 3 GG Von der herrschenden Meinung wird eingewandt, Art. 9 Abs. 3 GG spreche deshalb nicht vom Recht der Koalitionen, da diese zum Zeitpunkt der Grundgesetzgebung bereits in tatsächlicher wie rechtlicher Hinsicht anerkannt gewesen seien. Aufgrund dieser historischen Verfestigung der Koalitionen sei eine dementsprechend eindeutige Erklärung in der Bonner Verfassung nicht erforderlich gewesen.494 Es erscheint in diesem Kontext in der Tat wenig plausibel, nach der Anerkennung der Koalitionen durch die WRV im Grundgesetz einen rückschrittlichen Weg zu nehmen und hinter dem Schutzniveau der Vorgängerregelung zurückzubleiben. Dieses Argument – in seinem Grundsatz wohl unbestritten – geht dennoch fehl. In der Frage, auf welcher verfassungsrechtlichen Grundlage die Koalitionen selbst geschützt sind, geht es nicht um ihre institutionelle Existenzberechtigung. Auch wenn man annimmt, sie bestünden „lediglich“ im Interesse der Mitglieder, sodass sich auch ihre kompetenzielle Reichweite aus der Mandatierung durch die Mitglieder ergibt, greift dies die Koalitionen in ihrem Bestand nicht an. Dieser ist selbstredend auch bereits unter zusätzlichem Rückgriff auf das Sozialstaatsprinzip gesichert und in seiner Erforderlichkeit anerkannt.495 Vielmehr betrifft die Frage des legislativen Rückgriffs auf Art. 19 Abs. 3 GG in der Berücksichtigung der Gewährleistung den Umfang der Rechte im Hinblick auf die Mitglieder.496 Anders als noch zuvor in der WRV bestand im Rahmen der Grundgesetzgebung kein Bedarf mehr, durch die Vermeidung des Wortes „Koalition“ die Anerkennung eines Streikrechtes zu umgehen. Nachdem vereinzelt Landesverfassungen ein solches anerkannt hatten,497 sahen sich die Verfassungsgeber dazu veranlasst, diese Anerkennung als status quo auf Bundesebene zu verankern.498 Ein Vorschlag von Theodor Heuss, das Streikrecht auf die Lohn- und Arbeitsbedingungen zu be-

493

Anders Nipperdey/Nipperdey, Grundrechte, Band 3, Art. 159, S. 429. Wiedemann/Jacobs, TVG, Einleitung Rn. 122 unter Verweis auf die Entscheidung des BVerfG v. 18. 11. 1954 – 1 BvR 1954, NJW 1954, 1881. 495 Dies sieht auch die Ansicht, welche Art. 9 Abs. 3 GG als „Doppelgrundrecht“ anerkennt: stellv. für sie Wiedemann/Jacobs, TVG, Einleitung Rn. 122. 496 Burkiczak, Grundgesetz und Deregulierung, S. 151; Rüfner, FS BVerfG 2001, Band 2, S. 55, 56; Thüsing, GS Heinze 2005, S. 901, 915; Beuthien, Arbeitsverhältnis, S. 27, 35; a. A. Scheuner, Der Inhalt der Koalitionsfreiheit, in: Weber/Scheuner/Dietz, Koalitionsfreiheit, S. 29, 38; C. Schubert, RdA 2001, 199, 205. 497 So z. B. Art. 29 Abs. 4 der hessischen Landesverfassung, Art. 23 Abs. 3 der badenwürttembergischen Landesverfassung und Art. 51 Abs. 3 der Landesverfassung Bremens. 498 Häberle, Entstehungsgeschichte der Artikel des Grundgesetzes, S. 118. 494

B. Rolle der Gewerkschaften in der Unternehmensmitbestimmung

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schränken, stieß auf Widerstand.499 Auf diese Weise wurde die Grundfreiheit der Koalitionsfreiheit – vormals Vereinigungsfreiheit – nach dem Vorbild des Art. 159 WRV in Art. 9 Abs. 3 und 4 GG zusammengefasst und um das Streikrecht erweitert. Gegenströmungen wollten eine Aufteilung von allgemeiner Vereinigungsfreiheit und Koalitionsfreiheit in zwei separate Artikel veranlassen, der sich die Mehrheit der Mitglieder im Grundsatzausschuss indes nicht anschloss. Nach Ansicht vor allem des Vorsitzenden von Mangoldt wie auch des Abgeordneten Heuss hätte dies den Anschein einer Abkehr von der angestrebten Grundrechtssystematik erweckt. Die Grundrechte sollten vornehmlich in Gestalt von Individual- bzw. Freiheitsrechten auftreten. Aussagen zur Sozial-, Gesellschafts- oder Wirtschaftsverfassung – wie sie die WRV noch in einzelnen, dafür vorgesehen Abschnitten getätigt hatte – sollten vermieden werden.500 cc) Die Bedeutung des Art. 19 Abs. 3 GG (1) Der kollektive Grundrechtsschutz in der WRV Möchte man somit abweichend von der herkömmlichen Grundrechtssystematik der Bonner Verfassung eine kollektive Gewährleistung unmittelbar aus Art. 9 Abs. 3 GG entnehmen, muss dies in einer verfassungsgeberischen Entscheidung begründet sein. Auch Art. 19 Abs. 3 GG ist eine solche normgewordene Willensäußerung des Verfassungsgebers. Es kommt im Hinblick auf die Systematik des Grundgesetzes deshalb maßgeblich darauf an, ob dem Art. 19 Abs. 3 GG ein Wille dergestalt entnommen werden kann, dass Kollektive stets nur in Anwendung dieser Norm grundrechtlich geschützt werden. Diese Frage ist deshalb von so herausragender Komplexität, da der argumentative Rekurs auf die historische Prägung der Koalitionsfreiheit gerade nicht greift. Es ist an dieser Stelle nur bedingt möglich, auf Art. 159, 165 WRV zurückzugreifen, da es eine mit Art. 19 Abs. 3 GG vergleichbare Norm in dieser Zeit nicht gab. Wissenschaft und Praxis standen somit vor einer prima facie zwar ähnlichen Problematik, deren Lösung jedoch naturgemäß einen anderen Weg einschlagen musste. Eine Auseinandersetzung mit der Frage kollektiven Koalitionsschutzes in heutiger Zeit erfordert es daher, die Wege der Weimarer Zeit zwar nachzuzeichnen, sich einer konkreten Kopie indes zu enthalten und insbesondere den Willen des Grundgesetzgebers auf diesem Weg als Ausgangs- und Zielpunkt zu betrachten. Da die WRV keine Verfassungsnorm im Sinne des Art. 19 Abs. 3 GG enthielt, kam es für die Herleitung eines Kollektivschutzes auf die jeweilige Verfassungsnorm im Einzelfall an. Zu einer solchen Herleitung gelangte die Nationalverfassung beispielsweise im Hinblick auf den Schutz vor Enteignungen. Die Regelung des Art. 153 Abs. 2 S. 4 WRV schützte demnach neben Individuen auch private Orga499 Pikart/Werner, Der Parlamentarische Rat 1948 – 1949, Band 5/II, S. 696; Poscher, RdA 2017, 235, 240. 500 Häberle, Entstehungsgeschichte der Artikel des Grundgesetzes, S. 119.

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3. Kap.: Das Recht der Unternehmensmitbestimmung

nisationen.501 Aus dieser isolierten gesetzgeberischen Entscheidung lässt sich indes keine Verallgemeinerung entnehmen. Im Gegenteil stützt sie die Interpretation als Ausnahmeregelung. Offenbar wusste der Verfassungsgeber um die Möglichkeit eines Kollektivschutzes, unterließ dennoch eine Grundsatzregelung und beließ es bei Ausnahmen.502 Überlegungen kollektiven Koalitionsschutzes, welche sich auf Art. 159, 165 WRV berufen, müssen somit stets vor diesem Hintergrund gewürdigt werden.503 Eine Erörterung etwaiger Schutzbereichserweiterungen auf Kollektive musste und muss im Einzelfall erfolgen und insbesondere in ihrem Ergebnis vom Verfassungsgeber vorhersehbar und erwünscht sein. Zwar erkannte das Reichsgericht in der Folge die Anwendung vereinzelter Grundrechtsnormen auf juristische Personen an.504 Diese Rechtsprechung betraf hingegen Einzelfälle, die nicht generalisierbar sind.505 Die WRV ging ausweislich der Formulierungen „alle Deutschen“, „jeder“ oder auch „alle Bewohner des Reiches“ von einer ausnahmslosen Grundrechtsberechtigung natürlicher Personen aus.506 (2) Der kollektive Grundrechtsschutz durch das Grundgesetz Die Bonner Verfassung enthält hingegen eine Vorschrift, welche die Anwendung der Grundrechte auf (inländische) juristische Personen zumindest ihrem Wesen nach anerkennt. Rechtsfolge der Art. 1 Abs. 1, 19 Abs. 3 GG ist das Verständnis der Grundrechte als Menschenrechte. Somit ist es zwar zutreffend, dass ein Grundrechtsschutz auch juristischen Personen, wenn auch nicht originär, so doch innerhalb des Anwendungsbereiches des Art. 19 Abs. 3 GG zuteilwerden kann. Eine entgegengesetzte Annahme originärer kollektiver Schutzbereiche gerade aus der Entscheidung für Art. 19 Abs. 3 GG heraus mutet zumindest zirkulär an.507 Dies vermag auch ein Verweis auf die Grundrechte der Art. 6, 7 GG nicht zu ändern.508 Betrachtet man das Verhältnis von Mitgliedern und Koalition einerseits und das Gebilde der Familie andererseits, so zeigen sich erhebliche strukturelle Differenzen. Die Koalition wird gerade durch das freiwillige Zusammenkommen mehrerer Individuen zu einem an sich egoistischen Zwecke gebildet, sodass der Zweck des Zusammen-

501

Dürig/Herzog/Scholz/Remmert, GG, Art. 19 Abs. 3 Rn. 4; Dülp, Berufung juristischer Personen des öffentlichen Rechts auf Grundrechte, S. 18 f. 502 Dürig/Herzog/Scholz/Remmert, GG, Art. 19 Abs. 3 Rn. 6 f. 503 Recht pauschal daher das Bundesverfassungsgericht in der frühen „Hutfabrikantenentscheidung“ v. 18. 11. 1954 – 1 BvR 629/52, NJW 1954, 1881 f. 504 Dürig/Herzog/Scholz/Remmert, GG, Art. 19 Abs. 3 Rn. 4 m. w. N. 505 Mit einer Auseinandersetzung mit den Einzelfällen Dürig/Herzog/Scholz/Remmert, GG, Art. 19 Abs. 3 Rn. 4 ff. 506 Eindrücklich Dülp, Berufung juristischer Personen des öffentlichen Rechts auf Grundrechte, S. 18. 507 Ähnlich wohl auch Sachs/Höfling, GG, Art. 9 Rn. 70; anders aber BVerfG v. 18. 11. 1954 – 1 BvR 629/52, NJW 1954, 1881. 508 Vgl. BVerfG v. 18. 11. 1954 – 1 BvR 629/52, NJW 1954, 1881.

B. Rolle der Gewerkschaften in der Unternehmensmitbestimmung

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schlusses in der Betätigung der Individuen in dem Kollektiv fortlebt.509 Die Bildung einer Familie ist ein in gewisser Weise zwanghafter Automatismus der §§ 1353 BGB respektive 1589 BGB, welcher die Beteiligten sodann mit bestimmten Rechten und Pflichten ausstattet.510 Diese konstituieren das familiäre Zusammenleben, welches zwar auch im Sinne der Selbstverwirklichung erfolgt; die gegenseitigen Pflichten legen jedoch gleichzeitig auch ein in gewissem Maße altruistisches Konzept nahe (Unterhaltsverpflichtung nach § 1569 und die §§ 1363 ff. BGB).511 Ein Vergleich mit anderen kollektiv geprägten Grundrechten ist daher wohl eher mit Art. 8 GG anzustellen. Die Individuen sind in der Ausübung der Versammlungsfreiheit auf die Bildung eines Kollektivs angewiesen – darin drückt sich schließlich der systematische Unterschied zwischen Art. 5 GG und Art. 8 GG aus.512 Im Gleichlauf der Individualfreiheiten manifestiert sich in Art. 8 GG im Verhältnis zu Art. 5 GG eine ideologische bzw. politische kollektive Selbsthilfe.513 Dennoch ergeben sich daraus noch keine eigenen grundrechtlichen Schutzpositionen der Versammlung selbst. Dass dies wohl auch im Zusammenwirken mit Art. 19 Abs. 3 GG nicht gelingen dürfte, liegt in der Eigenheit der „juristischen Person“ nach Art. 19 Abs. 3 GG und der situativen Zusammenkunft der Personen zu einer Versammlung, welche nicht überdauert.514 Der Grundsatz des Art. 19 Abs. 3 GG gilt daher uneingeschränkt auch für Koalitionen im Sinne des Art. 9 Abs. 3 GG.515 Dies veranschaulicht eindrucksvoll das Verständnis des Staates von den Koalitionen. Sicherlich wurden sie als sozialstaatlich relevant angesehen – indes nur als Instrumentarium der Verwirklichung sozialstaatlicher Ordnung im Wege der Ausübung individueller Freiheiten. Die Koalitionen sollten im Dienste derjenigen stehen, welche in Ausübung dieser Freiheiten auf sie angewiesen waren.516 Somit spricht auch die vom Verfassungsgeber bedachte systematische Stellung des Art. 9 GG gegen eine Kollektivgewährleistung.517

509

So auch Hueck/Nipperdey/Nipperdey, Arbeitsrecht, Band 2/I, S. 134. Unterhaltspflicht Verwandter ersten Grades gem. § 1601 BGB; Mitarbeit des Kindes in Haushalt und elterlichen Geschäft gem. § 1619 BGB; Haftungserleichterung auf diligentia quam in suis gem. § 1646 BGB der Eltern gegenüber dem Kind und Ehegatten gegenüber einander gem. § 1359 BGB. 511 Dürig/Herzog/Scholz/Badura, GG, Art. 6 Rn. 4. 512 Dazu Dürig/Herzog/Scholz/Depenheuer, GG, Art. 8 Rn. 202. 513 v. Münch/Kunig/Ernst, GG, Band 1, Art. 8 Rn. 148; im historischen Kontext Dreier/ Schulze-Fielitz, GG, Band 1, Art. 8 Rn. 1 ff. 514 Vgl. zumindest für ad-hoc-Versammlungen Dürig/Herzog/Scholz/Remmert, GG, Art. 19 Abs. 3 Rn. 41. 515 Grundsätzlich zur Anwendbarkeit des Art. 19 Abs. 3 GG BVerfG v. 2. 5. 1967 – 1 BvR 578/63, NJW 1967, 1411, 1412; BVerfG v. 8. 7. 1982 – 2 BvR 1187/80, NJW 1982, 2173; BVerfG v. 31. 10. 1984 – 1 BvR 35/82 u. a., NJW 1985, 1385; BVerfG v. 14. 4. 1987 – 1 BvR 775/84, NVwZ 1987, 879, 880. 516 Dürig/Herzog/Scholz/Scholz, GG, Art. 9 Rn. 239; Wiese, ZfA 2008, 317, 322. 517 Im Ergebnis so auch Dürig/Herzog/Scholz/Scholz, GG, Art. 9 Rn. 239. 510

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3. Kap.: Das Recht der Unternehmensmitbestimmung

4. Zwischenergebnis: Wesentlichkeitsbezug des Kollektivschutzes Verwehrt man den Koalitionen mit der hier vertretenen Ansicht einen Selbstzweck losgelöst von den Interessen und Zielen ihrer Mitglieder, ist die Frage nach der Reichweite ihrer Betätigung unausweichlich. Zeichnet man die Betätigungsfreiheit als zweiseitig mit einer inneren und einer äußeren Oberfläche, so betrifft die Betätigung der Koalitionen im Außenverhältnis die Vertrags- oder Verhandlungspartner und ihr Verhältnis zueinander. Die innere Seite konstituieren die Koalitionsmitglieder. Betätigt sich beispielsweise eine Koalition als Gewerkschaft in Tarifverhandlungen und schließt einen Tarifvertrag ab, so wirken die Tarifnormen normativ unmittelbar gem. § 3 Abs. 1 TVG für und gegen die tarifgebundenen Arbeitnehmer aufgrund ihrer Mitgliedschaft. Diese normative Wirkung ist nach hiesiger Auffassung nicht Ergebnis staatlicher Delegation, sondern mitgliedschaftlicher Legitimation.518 Die Lehre des Doppelgrundrechtes schwächt diese legitimierende Unterwerfung – oder unterwerfende Legitimation. Gewährt man dem Kollektiv parallel zu den Individuen einen eigenen, gleichrangigen Schutz, wird die Wahrung der Interessen der Mitglieder Gegenstand praktischer Konkordanz. Eine Unterwerfung der Mitglieder unter die zwingende Entscheidungsgewalt der Koalitionen ist indes nur in dem Rahmen gerechtfertigt, in dem ihre Interessen durch die so Legitimierten gewahrt und gefördert werden.519 Diese Schwächung verhindert die Orientierung der kollektiven Koalitionsfreiheit an Art. 9 Abs. 3 GG i. V. m. Art. 19 Abs. 3 GG. Wie bereits aufgezeigt führt dieser Weg auch nicht zu einer Schutzbereichsbegrenzung.520 Doch auch außerhalb der Tarifautonomie und vor allem im Lichte der in diesem Kapitel in Abschnitt A. I. dargelegten Reichweite der Betätigungsfreiheit der Koalitionen erhält ihr Schutz durch Art. 19 Abs. 3 GG eine legitimierende Rückkopplung. Geht man davon aus, dass die Wahrung und Förderung der Wirtschaftsbedingungen durch die Unternehmensmitbestimmung historisch belegschaftsbezogen erfolgt, werden die Koalitionen im Rahmen ihrer Betätigung gem. Art. 19 Abs. 3 GG ihrem „Wesen“ nach geschützt. Dies setzt nicht zwangsläufig eine Rückbesinnung auf Mitgliederinteressen voraus. Auch im Rahmen der Unternehmensmitbestimmung verfolgen die Koalitionen keinen Selbstzweck. Eine relativierende Wirkung der kollektiven Schutzkomponente ist auch im Verhältnis zu der repräsentierten Belegschaft erforderlich und wird durch die Beschränkung des Art. 19 Abs. 3 GG gewährleistet. Die fehlende mitgliedschaftliche Rückkopplung ist daher kein Widerspruch. Inwiefern damit eine gesamtheitlich ordnende Wirkung der Koalitionsfreiheit verbunden ist, ist Gegenstand des nachfolgenden Abschnittes.

518

Zur Kraft der Legitimation in der (Privat-)Autonomie s. Kapitel 2, Abschnitt C. I. sowie nachfolgend den Abschnitt B. II. dieses Kapitels. 519 Mit dieser Überlegung auch Wiese, ZfA 2008, 317, 323. 520 So auch Dürig/Herzog/Scholz/Scholz, GG, Art. 9 Rn. 25, 170; Wiese, ZfA 2008, 317, 324.

B. Rolle der Gewerkschaften in der Unternehmensmitbestimmung

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II. Die Arbeitnehmerrepräsentation als verfassungsrechtliche Ordnungsfunktion Die Befugnisse und Betätigungsfelder der Gewerkschaften standen in den 1930er Jahren erstmals unter dem Oberbegriff eines „Ordnungsprinzips“521. Geprägt durch das nationalsozialistische Ideal der radikalen Vereinheitlichung und gleichmachenden Systematisierung war Ziel dieses Grundsatzes, eine entsprechende „typische Ordnung“522 in die Arbeitsverhältnisse zu bringen. Dies betraf sowohl die tarifliche wie auch die betriebliche Regelung der Arbeitsverhältnisse.523 Noch heute ist häufig – freilich losgelöst von jeglichem nationalsozialistischen Gedankengut – von einer „Ordnungsaufgabe“524 die Rede, wenn auch mit variierenden Anknüpfungspunkten: Einmal obliegt diese Aufgabe dem Tarifvertrag, ein anderes Mal der Tarifautonomie bzw. dem Tarifsystem.525 Stete Konsequenz ist jedoch, dass sowohl der Tarifvertrag als auch die Tarifautonomie oder das Tarifsystem letztlich Bindeglied zwischen der avisierten Ordnung und den Tarifvertragsparteien sind. Diese sind als einzige mögliche Vertragspartner in der Lage, durch Abschluss eines Tarifvertrages eine Ordnung zu bewirken. Fakt ist auch, dass durch die einheitliche Regelung der Arbeitsbedingungen im Wirkkreis des Tarifvertrages ein verlässliches System geschaffen wird, welches im Ergebnis eine strukturelle Ordnung bewirkt. Überdies besteht auch außerhalb der Tarifbindung die Möglichkeit, mithilfe von arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklauseln die Beschäftigungsbedingungen durch Angleichung zu vereinheitlichen.526 Schließlich entfaltet die tariflich vereinbarte Entgelthöhe auch durch § 612 Abs. 2 BGB eine gewisse Wirkung als Entlohnungsparameter,527 und die Landes- und Bundesgesetze zur Beamtenbesoldung richten sich regelmäßig nach den Lohnbedingungen der ÖTV.528 Der so geschaffene Zustand kann fraglos als Befriedung und Verteilung verstanden werden. Die Tarifvertragsparteien nehmen also durchaus einen großen Stellenwert im Arbeitsleben ein und ihr Einfluss reicht über die Geschicke der Tarifgebundenen hinaus bis zu den unge-

521 Nipperdey, FS H. Lehmann 1937, S. 257, 262; s. auch Hartmann, Negative Tarifvertragsfreiheit, S. 131. 522 Nipperdey, FS H. Lehmann 1937, S. 257, 262. 523 Nipperdey, FS H. Lehmann 1937, S. 257. 524 ErfK/Franzen, § 1 TVG Rn. 2; Herschel, Die tarifrechtliche Problematik, in: Duvernell, Koalitionsfreiheit und Tarifautonomie als Probleme der modernen Demokratie, S. 33, 37; J. Schubert, ZRT 2011, 579, 581. 525 Für diese Differenzierungen s. im Einzelnen Holler, Ordnungsfunktion des Tarifvertrags, S. 28 f. 526 Höpfner, Tarifgeltung im Arbeitsverhältnis, S. 235. 527 Höpfner, Tarifgeltung im Arbeitsverhältnis, S. 236 mit Veweis auf BAG v. 28. 9. 1994 – 4 AZR 619/93, AP BeschFG 1985 § 2 Nr. 38; BAG v. 21. 1. 1998 – 5 AZR 50/97, AP BGB § 612 Nr. 55; s. auch ErfK/Preis, § 612 BGB Rn. 38; Wiedemann, RdA 1969, 321, 322. 528 Höpfner, Tarifgeltung im Arbeitsverhältnis, S. 236; Mayer, Differenzierungsklauseln, S. 263.

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3. Kap.: Das Recht der Unternehmensmitbestimmung

bundenen Arbeitsverhältnissen.529 Gleichsam wird auf diese Weise lediglich ein faktischer Zustand beschrieben, ohne dabei Aussagen über die Modalitäten seiner Herstellung zu treffen. Ob die Gewerkschaften also auch (verfassungsrechtlich) zur Herstellung eines solchen Zustandes verpflichtet sind, ist damit in keiner Weise klar.530 Hinsichtlich einer Ordnungsaufgabe der Koalitionen kommt es somit darauf an, ob diese zur verhältnismäßigen Ausübung ihrer Grundrechte verpflichtet sein können und in diesem Zusammenhang eine Aufgabe zur Ordnung des Arbeitslebens wahrnehmen (müssen). Die Fokussierung der Diskussion auf die Ordnungsaufgabe der Gewerkschaften durch Tarifvertrag ist in Anbetracht der historischen Entwicklung der gewerkschaftlichen Beteiligungsmittel nicht überraschend.531 Hinzu kommt, dass sowohl das Bundesverfassungsgericht als auch das Bundesarbeitsgericht und der überwiegende Teil der Literatur davon ausgehen, dass die Betriebsautonomie und die Mitbestimmung der Koalitionen auf Unternehmensebene anders als die Tarifautonomie nicht verfassungsrechtlich vorgegeben, sondern als politische Entscheidungen des einfachen Gesetzgebers nach- bzw. niederrangig sind. Doch aus der verfassungsrechtlichen Verankerung auch der unternehmensbezogenen Mitbestimmung in Art. 9 Abs. 3 GG sowie in Konsequenz der historischen Nachzeichnung der entsprechenden einfachgesetzlichen Ausgestaltung durch das BRG, das BetrVG und die Mitbestimmungsgesetze soll nachfolgend auch die gremiale Mitbestimmung verstärkt im Lichte einer Ordnungsfunktion betrachtet werden. Bereits eine oberflächliche Betrachtung der Mitbestimmungsinstrumentarien des Tarifvertrages einerseits und der betrieblichen wie der unternehmensbezogenen Mitbestimmung andererseits birgt ein zweigeteiltes Bild, wie es bereits die Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen verfassungsrechtlich vorzeichnen: Während der Tarifvertrag aufgrund seiner privatautonomen Struktur streng mitgliedschaftsorientiert ist, werden im Rahmen der Betriebsverfassung sowie der Unternehmensmitbestimmung Belegschaftsinteressen wahrgenommen.532 Doch auch zwischen diesen Mitbestimmungsmechanismen bestehen ob ihrer unterschiedlichen Ausgestaltung weitreichende Unterschiede. Einer der wohl gewichtigsten dürfte in der normativen Wirkung der Betriebsvereinbarung im Vergleich zu der schuldrechtlichen-relativen Wirkung des Aufsichtsratsbeschlusses liegen. Hinzu kommt, dass die Mandatierung der Gewerkschaftsvertreter für den Betriebsrat nicht obligatorisch ist, sondern sie mit den Arbeitnehmervertretern gemeinsam zur Wahl stehen. Insofern stellen sich zwar im Ausgang dieselben legitimatorischen Fragen, diese müssen jedoch zwangsläufig einer unterschiedlichen Betrachtung unterzogen wer529

S. auch Mayer, Differenzierungsklauseln, S. 263 f. Dies im Ergebnis ablehnend Mayer, Differenzierungsklauseln, S. 262 f.; mit dieser Differenzierung bereits Höpfner, Tarifgeltung im Arbeitsverhältnis, S. 235 f. 531 Waltermann, Rechtsetzung durch Betriebsvereinbarung, S. 100 mit Verweis auf die dafür beispielhaften Werke von Biedekopf, Richardi, Säcker, Schnorr und Zöllner. 532 S. für das BetrVG nur § 75 Abs. 1; Friese, Kollektive Koalitionsfreiheit, S. 41. 530

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den. Eine sachgerechte Erörterung einer Ordnungsaufgabe ist allerdings nur möglich, wenn begrifflich und inhaltlich zwischen Ordnungswirkung, Ordnungsfunktion sowie Ordnungsaufgabe eindeutig differenziert wird. Nachfolgend soll Ordnungswirkung die ergebnisorientierte Zustandsbeschreibung einer bestehenden Ordnung darstellen, während der Begriff der Ordnungsaufgabe den verpflichtenden Auftrag an die Gewerkschaften zur Herstellung einer (sinnvollen) Ordnung bezeichnet. Der Begriff der Ordnungsfunktion vermag als Oberbegriff dieser Differenzierung zu dienen. 1. Keine Ordnungsaufgabe und keine Gemeinwohlbindung der Koalitionen a) Ordnungswirkung statt Ordnungsaufgabe aa) Die Ordnungswirkung des Tarifvertrages Bejaht man eine Ordnungsaufgabe innerhalb des TVG, hat dies aufgrund der mitgliedschaftlichen Konzeption des Tarifvertragswesens weitreichende Konsequenzen. Bliebe es bei einem schlichten Automatismus der Erfüllung von NichtMitgliederinteressen (Gemeinschaftsinteressen bzw. Außenseiterinteressen) im Rahmen des Tarifabschlusses entsprechend der Mitgliederinteressen, so blieben die rechtlichen Auswirkungen wohl vergleichsweise gering.533 Jedoch muss konsequenterweise Kehrseite einer Aufgabenzuweisung auch eine entsprechende Verpflichtung sein.534 Einer darin liegenden Grundrechtsverpflichtung der Koalitionen steht im Grunde jedoch bereits Art. 1 Abs. 3 GG entgegen. Ungeachtet dessen schließt ein überwiegender Teil der Lehre scheinbar von einer Ordnungswirkung auf eine entsprechende Ordnungsaufgabe,535 wenn auch das Meinungsbild gelegentlich durch eine 533 Dahingehend wohl zum Teil Hartmann, Negative Tarifvertragsfreiheit, S. 164; Herschel, Die tarifrechtliche Problematik, in: Duvernell, Koalitionsfreiheit und Tarifautonomie als Probleme der modernen Demokratie, S. 33, 38; ErK/Linsenmaier, Art. 9 GG Rn. 53; Richardi, ZfA 2003, 655, 661, der diese „[r]echtstatsächliche Entwicklung“ indes im Kontext der staatlichen Normsetzungsdelegation betrachtet, S. 660. 534 Vgl. ErfK/Linsenmaier, Art. 9 GG Rn. 53 f., der wohl auch mit Blick auf diese Konsequenz eine Regelungspflicht der Koalitionen ablehnt und eine „Bewirkungsdimension“ annimmt. A. A. Herschel, Die tarifrechtliche Problematik, in: Duvernell, Koalitionsfreiheit und Tarifautonomie als Probleme der modernen Demokratie, S. 33, 36, der zwar von einer Ordnungsaufgabe ausgeht, aber nicht von einer staatlicherseites bestehenden Inpflichtnahme. 535 Badura, AöR 104 (1979), 246, 248, 249; ders, JbArbR 15 (1977), 17, 19; Galperin, Stellung der Gewerkschaften, S. 7; für eine Gemeinwohlverpflichtung bereits Gamillscheg, AcP 164 (1964), 385, 440 ff.; ders., Kollektives Arbeitsrecht, Band 1, S. 291 ff.; Henssler, ZfA 1994, 487, 491; Henssler/Willemsen/Kalb/Henssler, Vorbemerkung vor § 1 TVG Rn. 11; Herschel, Die tarifrechtliche Problematik, in: Duvernell, Koalitionsfreiheit und Tarifautonomie als Probleme der modernen Demokratie, S. 33, 37, der von einer selbstgestellten Aufgabe der Koalitionen spricht; Herschel, in: Ständige Deputation des Deutschen Juristentages, Ver-

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3. Kap.: Das Recht der Unternehmensmitbestimmung

ungenaue Begriffsverwendung verzerrt wird.536 Auch das Bundesarbeitsgericht lässt in dieser Frage keine einheitliche Linie erkennen.537 Noch in seiner Entscheidung vom 30. August 2000 lehnte es eine entsprechende Ordnungsaufgabe der Verbände als Tarifvertragsparteien ab.538 Sowohl Geltungsbereich als auch Inhalt eines Tarifvertrages seien Ergebnis der Verhandlung über widerstreitende Interessen, die sich in erster Linie in den Interessen der Mitglieder spiegelten.539 Anders als Gesetzen komme Tarifverträgen daher auch keine allgemeinwohlorientierte Zielrichtung zu.540 In seiner Entscheidung vom 18. März 2009 sprach sich der 4. Senat indes für eine entsprechende Funktion der Gewerkschaften aus, wenn er im Rahmen der satzungsmäßigen Zuständigkeit von einer „Regelungsaufgabe“ der Tarifvertragsparteien spricht.541 Das Bundesverfassungsgericht wiederum geht sehr konsequent in ständiger Rechtsprechung von einer Ordnungsaufgabe aus.542 Beide Gerichte bestreiten hierbei jedoch nicht, dass die normative Regelungsmacht der Tarifvertragsparteien grundsätzlich ihre Grenzen in der legitimatorischen Wirkung der Verbandsmitgliedschaft findet. So führte das Bundesverfassungsgericht aus: „Die durch Art. 9 Abs. 3 GG gewährleistete Normsetzungsbefugnis der Koalitionen erstreckt sich grundsätzlich nur auf die Mitglieder der tarifvertragschließenden Parteien. Diese Begrenzung der Tarifmacht entspricht der historisch gewachsenen und im Grundgesetz niedergelegten Bedeutung der Koalitionsfreiheit; auch im Selbstverständnis der Koalitionen findet sich kein tragfähiger Anhaltspunkt für einen weitergehenden Rechtsetzungsauftrag, der alle am Arbeitsleben beteiligten Personen ohne weiteres umgreift. Indem es die Tarifgebundenheit grundsätzlich auf die Mitglieder der Tarifparteien beschränkt, trägt das Tarifvertragsgesetz in seinem § 3 Abs. 1 dem Grundsatz Rechnung, daß der Staat seine Normsetzungsbefugnis nicht in beliebigem Umfang außerstaatlichen Stellen überlassen und den Bürger nicht schrankenlos der normsetzenden Gewalt autonomer Gremien ausliefern darf, die ihm handlungen des 46. DJT, Band 2, S. D 7, D 11 ff.; Jacobs, Tarifeinheit und Tarifkonkurrenz, S. 106; Preis/Greiner, Kollektivarbeitsrecht, Rn. 228; Rüthers, RdA 1968, 161, 168; Säcker, RdA 1969, 291, 299 ff.; Schaub, RdA 1995, 65, 67 f.; B. Schmidt, Tarifpluralität, S. 125; Schwarze, RdA 2001, 208 f.; Siebert, FS Nipperdey 1955, S. 119, 122; Söllner, AuR 1966, 257, 257, 261; ders., NZA-Beilage zu Heft 24/2000, 33, 36 f.; Waltermann, ZfA 2000, 53, 77 f.; ders., FS BAG 2004, S. 913, 919; Wiedemann, RdA 1997, 297, 298, 301. 536 Mit einem anderen Begriffsverständnis beispielsweise Bayreuther, Tarifautonomie, S. 143 ff., 152; differenzierend: Dieterich, GS Zachert 2010, S. 532, 539 f. 537 Mit dieser Beobachtung auch Höpfner, Tarifgeltung im Arbeitsverhältnis, S. 233 f. 538 BAG v. 30. 8. 2000 – 4 AZR 563/99, AP TVG § 4 Geltungsbereich Nr. 25. 539 BAG v. 30. 8. 2000 – 4 AZR 563/99, AP TVG § 4 Geltungsbereich Nr. 25 [I. 2. g)]. 540 BAG v. 30. 8. 2000 – 4 AZR 563/99, AP TVG § 4 Geltungsbereich Nr. 25 [I. 2. g)]. 541 BAG v. 18. 3. 2009 – 4 AZR 64/08, AP TVG § 3 Nr. 41 Rn. 63. 542 BVerfG v. 18. 11. 1954 – 1 BvR 629/54, NJW 1954, 1881; BVerfG v. 6. 5. 1964 – 1 BvR 79/62, NJW 1964, 1267; BVerfG v. 19. 10. 1966 – 1 BvL 24/65, NJW 1966, 2305; BVerfG v. 24. 5. 1977 – 2 BvL 11/74, AP TVG § 5 Nr. 15; BVerfG v. 1. 3. 1979 – 1 BvR 532/77 u. a., AP MitbestG § 1 Nr. 1; BVerfG v. 20. 10. 1981 – 1 BvR 404/78, AP TVG § 2 Nr. 31; BVerfG v. 11. 7. 2006 – 1 BvL 4/00, AP GG Art. 9 Nr. 129; BVerfG v. 1. 12. 2010 – 1 BvR 2593/09, AP GG Art. 9 Nr. 146.

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gegenüber nicht demokratisch bzw. mitgliedschaftlich legitimiert sind. Die Ausdehnung der Tarifgebundenheit auf Außenseiter bedarf hiernach einer zusätzlichen Rechtfertigung.“543 Eine Erstreckung der Tarifnormbindung auf Außenseiter ist damit folglich nicht vorgesehen und bedarf daher stets der staatlichen Anordnung.544 Insofern konsequent beschränkt das Bundesarbeitsgericht in seiner Entscheidung zur Tarifeinheit aus dem Jahre 2010 die Ordnungsfunktion der Tarifvertragsparteien durch Tarifvertrag auf die tarifgebundenen Arbeitsverhältnisse innerhalb ihres Geltungsbereiches. Die „,sinnvolle Ordnung des Arbeitslebens‘“ im Hinblick auf sämtliche Arbeitsverhältnisse eines Betriebes sei indes „durch das Tarifvertragsgesetz rechtlich nicht vorgegeben.“545 Bei konsequenter Fortführung dieser Annahme stellt sich jedoch die Frage, wie eine allumfassende Ordnungsaufgabe von den Tarifvertragsparteien angesichts ihrer limitierten Ordnungsbefugnis zu bewerkstelligen ist.546 Zumindest in Bezug auf die Tarifautonomie und den Tarifvertrag lässt sich eine solche umfassende Repräsentation und Pflicht, auch Außenseiterinteressen zu berücksichtigen, nicht auf Grundlage der mandatarischen Legitimation ableiten.547 Geht man richtigerweise davon aus, dass die Interessenvertretung in der Form, wie sie durch Art. 9 Abs. 3 S. 1 GG geschützt ist, Ausdruck kollektiver Autonomie und Berechtigung dazu kraft Mandat ist, kann die Koalitionsfreiheit keinen eigenständigen Gewährleistungsgehalt für die Koalitionen selbst haben. Die mandatarische Beauftragung der Koalitionen zur Interessenvertretung vergrößert ihren Handlungsspielraum und verringert ihre Wirkungsfreiheit gleichermaßen.548 Während die sozialstaatsverpflichtete Verantwortung gegenüber der Gesamtgesellschaft im Lichte der veralteten Delegationstheorie konsequent erscheinen mag,549 können die Vereinigungen aufgrund ihrer mandatarischen Legitimierung keinesfalls zu einer gesamtgesellschaftlichen Aufgabenerfüllung ermächtigt oder verpflichtet werden.550 543

BVerfG v. 24. 5. 1977 – 2 BvL 11/74, AP TVG § 5 Nr. 15 [B. II. 2. b)]. BVerfG v. 24. 5. 1977 – 2 BvL 11/74, AP TVG § 5 Nr. 15 [B. II. 2. a)]; BAG v. 23. 3. 2011 – 4 AZR 366/09, AP GG Art. 9 Nr. 147 Rn. 21. 545 BAG v. 7. 7. 2010 – 4 AZR 549/08, AP GG Art. 9 Nr. 140 Rn. 66. 546 Als „disparates Bild“ bezeichnet Höpfner, Tarifgeltung im Arbeitsverhältnis, S. 237 diesen Widerspruch; dahingehend auch Hartmann, Negative Tarifvertragsfreiheit, S. 132. 547 Scholz, Koalitionsfreiheit als Verfassungsproblem, S. 175 ff. 548 Bayreuther, Tarifautonomie, S. 60; Löwisch/Rieble, TVG, Grundlagen Rn. 35, 39. 549 BAG v. 23. 3. 1957 – 1 AZR 326/56, BAGE 4, 240; noch heute dahingehend Cornils, Ausgestaltung der Grundrechte, S. 436 ff.; s. auch Herschel, FS Bogs 1959, S. 125, 129; Scheuner, Die Rolle der Sozialpartner, in: Streithofen, Die Rolle der Sozialpartner in Staat und Gesellschaft, S. 9, 31; Waltermann, FS Söllner 2000, S. 1251, 1256 ff.; Wiedemann, RdA 1969, 321, 331. 550 Für die Tarifautonomie als kollektive Privatautonomie mit der Konsequenz mandatarischer Legitimierung nunmehr (stellv.) BAG v. 27. 11. 2002 – 7 AZR 414/01, AP BGB § 620 Altersgrenze Nr. 21 [B. I. 3. a)]; BAG v. 7. 6. 2006 – 4 AZR 316/05, AP BGB § 611 Hausmeister Nr. 15 Rn. 30; ebenso Bayreuther, Tarifautonomie, S. 57 ff., 59; Geppert, Rechtliche Probleme des sogenannten allgemeinpolitischen Mandats der Gewerkschaften, S. 201, 204 f.; Hartmann, Negative Tarifvertragsfreiheit, S. 104 ff.; Picker, ZfA 1998, 573, 679; Rieble, ZfA 544

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3. Kap.: Das Recht der Unternehmensmitbestimmung

Die Legitimation zur Normsetzung erfolgt nicht „von oben“ gemeinsam mit einer Umverteilung der hoheitlichen Ordnungsverantwortung.551 Aus diesem Widerspruch zwischen Regelungsauftrag und -kompetenz hat sich eine prominente Gegenansicht gebildet, die auch mit unterschiedlichen Begründungsansätzen im Ergebnis lediglich eine ordnende Wirkweise der Gewerkschaftsbetätigung annimmt.552 Mit der Einordnung der Tarifautonomie als kollektiv ausgeübte Privatautonomie sei eine überschießende Regelungsaufgabe nicht vereinbar.553 Insofern greift dieser Ansatz auf das auch von der Rechtsprechung zugestandene mandatarische Legitimationsverhältnis zwischen Mitgliedern und Verband zurück und schließt somit im Sinne der §§ 3 Abs. 1, 4 Abs. 1 TVG aus dieser persönlichen Regelungsbeschränkung auf eine fehlende Allgemeinwohlvertretung.554 Ein ähnlicher Denkansatz verneint mit einer liberalismustypischen Konzentration auch die fehlende Legitimation der Tarifvertragsparteien zur Wahrnehmung von öffentlichen Allgemeinwohlinteressen. Die Einwirkung der Koalitionen als Tarifvertragsparteien auf die Arbeitswelt und ihre Regelungswirkung im Hinblick auf die Beschäftigungsverhältnisse im freien Markt sei auf die Wahrnehmung von kollektiven Einzelinteressen beschränkt.555 Die Erstreckung der normativen Wirkung auf Betriebsnormen durch §§ 3 Abs. 2, 4 Abs. 1 TVG stellt dahingehend keinen Widerspruch dar. § 3 Abs. 2 TVG ist Ergebnis der Abwägung der positiven Koalitionsfreiheit der Gewerkschaften und der negativen Koalitionsfreiheit der Außenseiterarbeitnehmer. Zugunsten Ersterer sah der Gesetzgeber es als einzig zweckmäßig an, die Ordnung im Betrieb ganzheitlich

2000, 5 ff., 23 f.; und auch Höpfner, Tarifgeltung im Arbeitsverhältnis, S. 308 ff., 316 beschränkt auf die Rechtsnormsetzung; a. A. Säcker, Gruppenautonomie, S. 242 f. 551 Ähnlich Hartmann, Negative Tarifvertragsfreiheit, S. 117; als „Entlastung von Verantwortung“ Nörr, Leiden des Privatrechts, S. 119; als „besondere[r] Verfassungsauftrag“ kritisch Scholz, Koalitionsfreiheit als Verfassungsproblem, S. 158; für eine staatliche Delegation der Normsetzungsbefugnis Richardi, ZfA 2003, 655, 661. 552 Albeck, Die Ordnung der Arbeitswelt und ihre gestaltenden Kräfte, in: Walter-Raymond-Stiftung, Grundlagen der freiheitlichen Ordnung, S. 111, 123; Höpfner, Tarifgeltung im Arbeitsverhältnis, S. 235 ff.; Mayer, Differenzierungsklauseln, S. 273 f.; Radke, DB 1965, 1176; im Ergebnis wohl auch Bayreuther, Tarifautonomie, S. 145. 553 Hensche, RdA 1971, 9, 14; Wiedemann/Jacobs, TVG, Einleitung Rn. 32; Kempen/ Zachert/Kempen, TVG, Grundlagen Rn. 124 f.; Jacobs/Krause/Oetker/C. Schubert/Krause, Tarifvertragsrecht, § 1 Rn. 27, 150 ff.; Rieble, ZfA 2004, 5, 19 f.; Seiwerth, RdA 2017, 373, 377; mit verfassungsrechtlichen Bedenken gegenüber einer „Rechtsetzungspflicht“ F. Kirchhof, Private Rechtsetzung, S. 169, 201; Säcker/Oetker, Grundlagen und Grenzen der Tarifautonomie, S. 94. 554 Diese Schlussfolgerung aufzeigend Mayer, Differenzierungsklauseln, S. 263 f.; s. auch Hartmann, Negative Tarifvertragsfreiheit, S. 132; ders., SAE 2011, 225, 227; bereits Höpfner, Tarifgeltung im Arbeitsverhältnis, S. 237; Picker, ZfA 1998, 573, 667 ff. 555 Löwisch/Rieble, TVG, Grundlagen Rn. 38 f.; Picker, ZfA 1998, 573, 590 ff.; Reuter, ZfA 1995, 1, 36 ff.; in der Konsequenz auch A. Wiedemann, Bindung der Tarifnormen, S. 78; Zöllner, DB 1989, 2121, 2122.

B. Rolle der Gewerkschaften in der Unternehmensmitbestimmung

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zu regeln.556 Geht man jedoch davon aus, dass sich die §§ 3 Abs. 2, 4 Abs. 3 TVG auf einen reinen Geltungsbefehl, nicht aber auf eine Regelungsanordnung oder die Übertragung dahingehender Kompetenzen beschränken, wird der Umfang gewerkschaftlicher Regelungsmacht hierdurch nicht angetastet.557 Den Inhalt der Tarifnormen bestimmen weiterhin die Tarifvertragsparteien. Insofern ist auch die normative Wirkung der Betriebsnormen ein Beispiel des schützenden Eingreifens von Seiten des Staates zum Schutze von Grundrechten Dritter. Wenn also § 4a Abs. 1 TVG558 von einer Ordnungsfunktion spricht, darf damit nichts anderes gemeint sein als der faktische Effekt des Tarifvertrages als Instrument sozialer Ordnung in seiner jeweiligen Ausgestaltung durch den einfachen Gesetzgeber.559 Dass diese allumfassende Regelungswirkung eine Ausnahme darstellt, spiegelt sich zudem in dem historisch gewachsenen Selbstverständnis der Gewerkschaften. Sie selbst können kein gesteigertes Interesse an einer pauschalen Mitregelung ungebundener Arbeitsverhältnisse haben. In der jahrzehntelangen Erosion der arbeitnehmerseitigen Tarifbindung liegt dafür der beste Beweis. Schon im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens zum TVG äußerten sich die Gewerkschaften daher kritisch gegenüber der ersten Entwurfsfassung560 des heutigen § 3 Abs. 2 TVG, welcher die Betriebsverfassungen im Fall arbeitgeberseitiger Tarifbindung der Tarifnormgeltung unterwerfen wollte.561 „Die Gewerkschaften [hätten] kein Interesse, ohne weiteres eine tariflich festgelegte Betriebsverfassung für Unorganisierte gelten zu lassen.“562 bb) Die betriebliche Ordnung Bereits damals stellten sich Fragen bezüglich einer privatrechtlich bewirkten Bindungswirkung im Gegensatz zu einer öffentlich-rechtlich erzeugten. Doch erst durch das BRG im Jahre 1920 kam der Abschluss einer Betriebsvereinbarung nicht mehr einseitig, sondern durch Verhandlungen zwischen Arbeitgeber- und Arbeit556 ErfK/Franzen, § 3 TVG Rn. 16 f.; Löwisch/Rieble, TVG, § 3 Rn. 34, 222; Däubler/ F. Lorenz, TVG, § 3 Rn. 62 ff. 557 Vereinzelt wird zur Begründung auf die überkommene Legitimationsquelle staatlicher Delegation zurückgegriffen: Bayreuther, Tarifautonomie, S. 122 ff.; Giesen, Tarifvertragliche Rechtsgestaltung, S. 449 ff.; Greiner, Rechtsfragen, S. 387; Löwisch/Rieble, TVG, § 3 Rn. 34 f.; kritisch gegenüber dieses Rückgriffes Hartmann, Negative Tarifvertragsfreiheit, S. 179 f. 558 Eingeführt durch das Gesetz zur Tarifeinheit v. 3. 7. 2015, BGBl. I 2015, S. 1130. 559 Zumindest missverständlich daher die Gesetzesbegründung zum Tarifeinheitsgesetz, BT-Drs. 18/4062, S. 1. Für eine uneinheitliche Verwendung des Begriffes der Ordnungsfunktion Holler, Ordnungsfunktion des Tarifvertrags, S. 28 f. mit Beispielen. 560 Als „Lemgoer-Entwurf“ bezeichnet, abgedruckt in ZfA 1973, 129, 130 ff. 561 Wiedemann, RdA 1969, 321, 322. 562 Zitiert nach Wiedemann, RdA 1969, 321, 322. Zum entsprechenden Gegenentwurf des DGB v. 26. 4. 1948 s. ZfA 1973, 129, 143 f.; ähnlich formuliert es der Gewerkschaftsrat der Vereinigten Zonen v. 7. 9. 1948 in seinem Entwurf, ZfA 1973, 129, 144 f. S. auch BVerfG v. 24. 5. 1977 – 2 BvL 11/74, AP TVG § 5 Nr. 15; Höpfner, Tarifgeltung im Arbeitsverhältnis, S. 238.

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nehmerseite zustande (s. § 78 Nr. 3 BRG). Inhalt von Betriebsvereinbarungen waren nach herrschender Auffassung neben Regelungen zur Ordnung des Betriebes auch Lohn- und anderweitige Arbeitsbedingungen.563 Über die Wirkung der Betriebsvereinbarung traf das BRG indes keine Aussage. Unter Berufung auf die Arbeitsordnung im Sinne des § 134c GewO ordnete man die Betriebsvereinbarung überwiegend als objektive Normsetzung mit unmittelbarer Wirkung für die Arbeitnehmer in ihrem Anwendungsbereich ein.564 Besonders in der frühen Zeit des BRG plädierten viele Stimmen daher auch für eine öffentlich-rechtliche Qualifikation der Betriebspartner selbst, später zumindest nicht mehr uneingeschränkt.565 Heute wird zur Begründung einer erforderlichen Legitimation betriebsverfassungsrechtlicher Normwirkung überwiegend auf eine Kombination aus der Betriebsratswahl und einer zusätzlichen demokratischen Legitimierung durch gesetzliche Anordnung zurückgegriffen.566 Anders als in § 1 TVG enthält das BetrVG jedoch zumindest keine ausdrückliche Ermächtigungsgrundlage für die Betriebsparteien, mittels einer zwischen ihnen getroffenen Vereinbarung in dieser Weise die Arbeitsverhältnisse der Arbeitnehmer innerhalb ihres Zuständigkeitsbereiches zu regeln.567 Gerade die fehlende ausdrückliche Normierung einer Regelungskompetenz führte im Falle der betrieblichen Normsetzung zu einem Legitimationsvakuum, welches zumindest auf wissenschaftlicher Ebene lange Zeit überdauerte. Über den Umweg der Frage nach Kontrollumfang und Inhalt der Betriebsvereinbarungen stellte sich immer wieder die Frage, auf welche Weise die Betriebsparteien – und in besonderem Maße der Betriebsrat – befugt waren, mittels einer Betriebsvereinbarung die Arbeitsverhältnisse der Arbeitnehmer zu gestalten.568 So führen nicht selten einzelne Regelungen der Betriebsvereinbarung zu einer Verpflichtung der Arbeitnehmer, wodurch in ihre Rechte eingegriffen wird. Ausweislich der zuvor entwickelten Anforderungen, die auch in dem bereits zitierten Urteil des Bundesverfassungsgerichtes deutlich werden, muss dieser staatliche Eingriff in die negative Koalitionsfreiheit sowie die allgemeine Handlungsfreiheit der nicht organisierten Arbeitnehmerschaft gerechtfertigt sein.569

563 Hueck/Nipperdey/Nipperdey, Arbeitsrecht, Band 2, 6. Auflage, S. 10; Waltermann, Rechtsetzung durch Betriebsvereinbarung, S. 105. 564 Flatow, Betriebsvereinbarung und Arbeitsordnung, S. 65 ff.; Jacobi, Grundlehren, S. 327 ff.; Sinzheimer, Grundzüge des Arbeitsrechts, S. 238 f. Vertiefend zu der historischen Rechtslage Waltermann, Rechtsetzung durch Betriebsvereinbarung, S. 106 f. 565 Zur Entwicklung der Ansätze und ihrer Vertreter s. Waltermann, Rechtsetzung durch Betrieb, S. 106 ff. 566 Löwisch/Rieble, TVG, § 1 Rn. 463 sowie § 3 Rn. 34; im Ergebnis auch Mayer, Differenzierungsklauseln, S. 265. 567 Müller-Franken, Befugnis, S. 27. 568 S. dazu nur Müller-Franken, Befugnis, S. 31 f. 569 Vgl. Löwisch/Rieble, TVG, § 3 Rn. 222, die in der Notwendigkeit betriebseinheitlicher Regelung die Grenze der Betriebsnormgeltung sehen.

B. Rolle der Gewerkschaften in der Unternehmensmitbestimmung

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Während sich jedoch für den Tarifvertrag das Verständnis kollektiv ausgeübter Privatautonomie durchsetzte, stellte das normative System der Betriebsverfassung eine solche Anleihe an die Grundsätze des Zivilrechtes vor Probleme.570 Nur eine Legitimation auf privatrechtlicher Ebene – wie sie für den Tarifvertrag richtigerweise in der Mitgliedschaft bzw. dem Beitritt der Mitglieder gesehen wird – könnte aus der fremdbestimmten Normunterwerfung eine Selbstbestimmung der Arbeitnehmer kreieren. Diese Abhängigkeit der Verbindlichkeit der Betriebsnormen auch von dem individuellen Willen jedes Betroffenen würde den Rechtfertigungsbedarf von Eingriffen auf verfassungsrechtlicher Ebene absenken und den entsprechenden Kontroll- und Prüfrahmen von Betriebsvereinbarungen demjenigen von Tarifverträgen angleichen.571 Der Eintritt von Arbeitnehmern in eine Gewerkschaft hat regelmäßig rechtsgeschäftlichen Charakter. Das Rechtsverhältnis von Mitglied und Verband durch den Eintritt beruht auf einer Willenserklärung des Mitgliedes.572 Ein Beitritt zum Gremium des Betriebsrates ist nicht möglich – ebenso wenig kommt der Abschluss des Arbeitsvertrages als beitrittsähnlicher Akt in Betracht.573 Zum Teil574 wird daher auf die Betriebsratswahl als zumindest rechtsgeschäftsähnlichen Legitimationsakt verwiesen. Durch die Stimmabgabe im Rahmen der Wahl zeige der Arbeitnehmer seine Zustimmung zu der Repräsentation seiner Interessen durch den Betriebsrat als Gremium.575 Unter Rekurs auf die Ausführungen betreffend die Rechtsnatur des Aufsichtsratsbeschlusses kann der Stimmabgabe auch im Kontext der Betriebsratswahl schwerlich die Qualität als Willenserklärung abgesprochen werden (s. o.). Aufgrund der Mehrheitsverhältnisse und der widerstreitenden Wahlentscheidungen handelt es sich aber auch in diesem Fall nicht um ein vertragliches Rechtsgeschäft. Im Unterschied zu dem zur Beschlussfassung Gesagten geht es vorliegend jedoch nicht um die Zurechnung eines Individualwillens im Rahmen der Bildung eines kollektiven Willens. Es geht auch nicht um den Abschluss eines einmalig verpflichtenden Rechtsgeschäftes. Die durch die Wahl des Betriebsrates erteilte Legitimation, welche sodann auch solche Arbeitnehmer erfassen würde, die nicht bzw. anders abgestimmt haben oder gar nicht wahlberechtigt waren, ähnelt der parlamentarischen Legitimation auf kommunaler, Landes- oder Bundesebene.576 Eine solche allumfassende Form der mehrheitsbestimmten Repräsentation ist aber dem privatrechtlichen System fremd.577 570

Waltermann, Rechtsetzung durch Betriebsvereinbarung, S. 125 ff. Müller-Franken, Befugnis, S. 32. 572 Dies ergibt sich bereits aus der für den Koalitionsbegriff erforderlichen Freiwilligkeit des Beitritts, s. nur Löwisch/Rieble, TVG, § 2 Rn. 58. 573 Mit einer „vertragsakzessorischen“ Lösung Reichold, Betriebsverfassung als Sozialprivatrecht, S. 542; Rieble, Arbeitsmarkt und Wettbewerb, Rn. 1418; s. ders., ZfA 2004, 405, 410 f. auch im Rahmen einer differenzierten Betrachtung von Öffnungsklauseln; a. A. Benrath, Tarifvertragliche Öffnungsklauseln, S. 71. 574 Jahnke, Tarifautonomie und Mitbestimmung, S. 111 f.; wohl auch Zöllner, Rechtsnatur der Tarifnormen, S. 19. 575 Jahnke, Tarifautonomie und Mitbestimmung, S. 111 f. 576 Bayreuther, Tarifautonomie, S. 511. 571

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3. Kap.: Das Recht der Unternehmensmitbestimmung

Im Hinblick auf die Legitimationsquelle bleibt es somit bei folgender Feststellung: Der Gesetzgeber hat durch das Betriebsverfassungsgesetz ein System der betrieblichen Mitbestimmung normiert, welche durch ein eigens dafür zu schaffendes Gremium ausgeübt werden soll. Zu diesem Zwecke stattet der Gesetzgeber dieses Gremium mit einer weitreichenden Zahl von Einzelbefugnissen aus, mithilfe derer der Betriebsrat die Arbeitsverhältnisse der Arbeitnehmer zumindest mitgestalten kann. Ob eine dafür erforderliche Ermächtigung nun im BetrVG verankert ist, muss hier nicht beantwortet werden. Zumindest ist davon auszugehen, dass die Betriebsratswahlen allein eine solche Legitimation nicht bewirken können, und damit auch davon, dass sie eine erforderliche, unterstellte gesetzliche Legitimation nicht ersetzen und die damit bestehende Fremdbestimmung der Arbeitnehmer nicht rechtfertigen können. Hieraus ergibt sich eine umfassende Regelungskompetenz mit dieser Wirkung für soziale Angelegenheiten nach herrschender Meinung aus § 77 Abs. 3 S. 1 BetrVG, wonach Betriebsvereinbarungen im Umkehrschluss für solche Regelungsmaterien zulässig sind, die nicht durch Tarifvertrag geregelt werden (können).578 Das Gros der Literaturstimmen schloss sich insofern der bundesarbeitsgerichtlichen Ansicht an, welche neben einer Berufung auf § 77 Abs. 3 S. 1 BetrVG u. a. auch auf § 88 BetrVG zurückgriff.579 Der Begriff der sozialen Angelegenheiten wird dabei denkbar weit verstanden und soll all jene Angelegenheiten betreffen, die nicht personeller oder wirtschaftlicher Natur sind.580 Der mit dieser Belegschaftsrepräsentation verbundene Eingriff in die negative Koalitionsfreiheit der ungebundenen Arbeitnehmer sei mit Blick auf ihren Schutz verhältnismäßig.581 cc) Die faktische Ordnungswirkung des Aufsichtsratsbeschlusses Im Rahmen des MitbestG nehmen die auf der Grundlage des gewerkschaftsseitigen Nominationsrechtes nach § 7 Abs. 5 und der Wahl nach § 16 MitbestG im Aufsichtsrat vertretenen externen Arbeitnehmervertreter auf das Schicksal der gesamten Belegschaft Einfluss. Ebenso wie im Rahmen der Betriebsverfassung geschieht dies ohne Unterscheidung zwischen organisierter und nicht organisierter Arbeitnehmerschaft. Obschon der Aufsichtsratsbeschluss nicht normativ unmittelbar für und gegen die Belegschaft wirkt, entfaltet er insofern eine faktische Wirkung, als er arbeitgeberseitige Unternehmensentscheidungen beeinflusst, die die Beschäftigungsverhältnisse und -bedingungen unmittelbar tangieren. Die Frage besteht 577

Bayreuther, Tarifautonomie, S. 510. Stellv. Müller-Franken, Befugnis, S. 27, s. auch Fn. 35; Richardi/Richardi/Picker, BetrVG, § 77 Rn. 73 f. m. w. N. Zu dieser Öffnungsklausel auch ausführlich Rieble, ZfA 2004, 405, 408 ff. 579 Mit einer eingehenden Analyse der Rechtsprechung Preis/Ulber, RdA 2013, 211, 213 ff.; s. auch Richardi/Richardi/Picker, BetrVG, § 77 Rn. 73. 580 Müller-Franken, Befugnis, S. 28; beispielhaft zugunsten einer Altersgrenze auch BAG v. 7. 11. 1989 – GS 3/85, AP BetrVG 1972 § 77 Nr. 46. 581 Vgl. Richardi/Richardi/Picker, BetrVG, § 77 Rn. 73. 578

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daher darin, ob die überschießende Wahrnehmung von Arbeitnehmerinteressen mit Blick auf die gesamte Belegschaft durch die Gewerkschaften im MitbestG zu einem Legitimationsmangel führt. Insofern geht es grundlegend auch um verschiedene Kontrollmaßstäbe von Aufsichtsratsbeschlüssen durch das Gericht und eine unmittelbare Wirkung der Grundrechte auf die Pflichtenwahrnehmung der Mandatsträger und des Gremiums selbst. Da der übliche Weg gewerkschaftlicher Legitimation mangels (einheitlicher) Gewerkschaftszugehörigkeit der gesamten Belegschaft ausscheidet, ist zu überlegen, ob eine Legitimation durch die Wahl der gewerkschaftlichen Aufsichtsratsmitglieder nach § 16 MitbestG generiert werden kann.582 Zwar sind die einfachgesetzlichen Repräsentationsmodalitäten des BetrVG und des MitbestG recht unterschiedlich: Der Aufsichtsratsbeschluss, mit welchem im Rahmen der Zuständigkeiten über die unternehmenspolitischen Fragen entschieden wird, wirkt nicht normativ gegenüber der Belegschaft. Andererseits ist die Mandatierung von Gewerkschaftsvertretern für den Aufsichtsrat im Gegensatz zum Betriebsrat zwingend. Dieses Vorschlagsmonopol führt zu einer zwangsläufigen Repräsentation von Außenseitern durch Gewerkschaftsvertreter, die mit deren negativer Koalitionsfreiheit abgewogen werden muss. Eine Übertragung der Legitimationsansätze zur Betriebsverfassung auf das MitbestG ist daher naheliegend. Zur Vertretung der Arbeitnehmerinteressen kommen in beiden Fällen583 nur solche Gewerkschaften in Betracht, die in dem Unternehmen bzw. dem Betrieb vertreten sind. Wie bereits im Kontext des Vorschlagsrechtes der Gewerkschaften für die Aufsichtsratswahl angesprochen,584 soll durch dieses einschränkende Merkmal ein Zuständigkeits- und damit Legitimationsmoment geschaffen werden, welches eine Rückkopplung an die Arbeitnehmerbelange sicherstellt. Eine Legitimation kann für die Vertretung der Arbeitnehmer durch Gewerkschaftsvertreter im Aufsichtsrat daher im Ergebnis in der staatlichen Vorgabe des Vorschlagsmonopoles liegen. b) Keine Gemeinwohlverpflichtung Die mehr oder minder erfolgreichen revolutionären gewerkschaftlichen Kampfbewegungen (s. o.) räumten den Gewerkschaften immer mehr die Möglichkeit ein, sich, von einer kooperativen Idee der Mitarbeit und Mitwirkung getragen, in Unternehmen und Gesellschaft einzubringen.585 Diese Möglichkeit der versöhnlichen Zusammenarbeit hatten sie sich über Jahre des Widerstandes erarbeitet. Die Gewerkschaften zeigten sich nicht mehr nach marxistischem Vorbild systemfeindlich, sondern gingen dazu über, das bestehende System des Wirtschaftslebens und der Arbeitswelt nach eigenen Vorstellungen von innen zu beeinflussen. Zumindest in dieser Weise und zu diesem Zwecke kam es unweigerlich auch zu einer Politisierung 582

Zur Wahl der Aufsichtsratsmitglieder s. Kapitel 3, Abschnitt A. II. 2. c) (aa) (1). § 14 Abs. 3 BetrVG und § 7 Abs. 5 MitbestG. 584 S. dazu Abschnitt A. II. 2. c) aa) (1) dieses Kapitels. 585 Kaiser, Repräsentation organisierter Interessen, S. 83. 583

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3. Kap.: Das Recht der Unternehmensmitbestimmung

der Gewerkschaften.586 Mit der Aufgabe der Idee des rein proletarischen Klassenkampfes wuchsen die Organisationen zudem in personeller Hinsicht und umfassten von da an neben Arbeitern auch Arbeitnehmer, leitende Angestellte, Beschäftigte des öffentlichen Dienstes und sogar Beamte.587 Während der Begriff des Proletariats als Bezeichnung einer Gesellschaftsschicht die dort vorherrschende Beschäftigungsform und seine Bedingungen nur zwangsläufig mitumfasste, bewirkte der Wechsel zum Begriff des Arbeitnehmers eine Fokussierung der Stellung und Aufgabe der Gewerkschaften auf die Belange und Interessen der Arbeitnehmer.588 Notwendige Folge dieser Politisierung und gesellschaftlichen Integration der Gewerkschaften war auch eine entsprechende Erweiterung des Tätigkeitsfeldes. Waren die ursprünglichen Forderungen nach angemessenen Lohn- und Arbeitsbedingungen in Kriegszeiten noch existenzieller Natur gewesen, fanden die Gewerkschaften nunmehr auch Eingang in die Fort- und Ausbildung ihrer Mitglieder und gewannen Einfluss auf deren Lebensweise. So wurden sie auch von staatlicher Seite als weniger feindlich und destruktiv angesehen und konnten von ihr stärker als Instrument der Gemeinwohlsorge eingesetzt werden.589 Diese neugewonnene Machtstellung nutzten die Gewerkschaften, um neben den Arbeitgebern und Unternehmen auch den Staat zu einem Adressaten ihrer Forderungen zu machen, wenn es um die Interessenvertretung ihrer Mitglieder ging. Ihr Anspruch auf vollumfängliche wirtschaftliche wie politische Mitsprache wuchs und dehnte sich auf Aspekte des gesellschaftlichen Lebens aus. Die damit verbundenen Auswirkungen gewerkschaftlichen Handelns auf die Allgemeinheit sind daher schwerlich zu leugnen. Im Hinblick auf die Tarifautonomie wird aus diesem Grunde zum Teil davon ausgegangen, das Gemeinwohl bilde eine ungeschriebene Grenze für gewerkschaftliches Handeln.590 Der Begriff des Allgemeinwohls ist allerdings so extensiv und mannigfaltig interpretationsoffen, dass eine dahingehende Verpflichtung schwer zu umreißen ist.591 Es erscheint fraglich, ob ein derart vager Begriff ohne Konkretisierung eine Grundrechtsbindung auslösen kann.592 In Betracht kommt lediglich aus Gründen der Handhabbarkeit eine Ent586

Kaiser, Repräsentation organisierter Interessen, S. 84. Geiger, Klassengesellschaft im Schmelztiegel, S. 75 ff.; Kaiser, Repräsentation organisierter Interessen, S. 84. 588 Mit dieser Beobachtung auch Biedenkopf, Merkur 1973, 897, 905, der in dem gesellschaftllichen Wandel einer Arbeitnehmergesellschaft auch das Ende rein kapitalistischer oder marxistischer Antagonismen sieht. 589 I. S. e. Annährung an das Konzept der Marktwirtschaft auch der Bericht der Mitbestimmungskommission, BT-Drs. VI/334, S. 69; für die DAG in diesem Sinne H.-P. Müller, Geschichte der DAG, S. 480. 590 Gamillscheg, Kollektives Arbeitsrecht, Band 1, S. 317 f.; Thüsing, FS BAG 2004, S. 889, 899 ff.; unklar BVerfG v. 18. 12. 1974 – 1 BvR 430/65 u. a., AP GG Art. 9 Nr. 23. 591 Ebenso Kempen/Zachert/Kempen, TVG, Grundlagen Rn. 227; als „metapolitische Illusion“ Kelsen, Vom Wesen und Wert der Demokratie, S. 22. 592 Mit einer Darstellung des Meinungsbildes ErfK/Linsenmaier, Art. 9 GG Rn. 80 f., der den Begriff selbst als „wirtschafts- und sozialpolitisch offene[n] Begriff“ beschreibt, Rn. 81; 587

B. Rolle der Gewerkschaften in der Unternehmensmitbestimmung

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sprechung mit den in der Verfassung verankerten Grundsatzprinzipien. Es soll davon ausgegangen werden, dass der Inhalt des Gemeinwohls sich über die grundgesetzlichen Wertentscheidungen definiert – die Verfassung also davon ausgeht, dass die verhältnismäßige Ausübung der Grundrechte im Gemeinwohl geschieht und dieses inhaltlich ausfüllt. Doch selbst legte man als begrifflichen Maßstab die sozialstaatliche Bestimmung des Art. 20 Abs. 1, Abs. 3 GG an, so steht Art. 1 Abs. 3 GG einer Verpflichtung Privater entgegen. Insofern verbinden sich die Fragen nach der Ordnungsaufgabe und nach der Gemeinwohlbindung miteinander. In beiden Fällen geht es um die Möglichkeit einer (unmittelbaren) Grundrechtsbindung Privater. Eine solche Gemeinwohlverpflichtung ist auch mit dem freiheitlich geprägten Grundrechtsverständnis und der durch Art. 9 Abs. 3 GG entsprechend gewährleisteten Autonomie der Koalitionen schlechterdings unvereinbar. Eine unmittelbare Grundrechtsbindung besteht gerade nicht.593 aa) Keine Gemeinwohlbindung in der Tarifautonomie Daran ändert auch die normative Wirkung der Tarifnormen gem. § 4 Abs. 1 TVG nichts, da sie von dem privatautonomen Abschluss eines Tarifvertrages abhängt.594 Nach diesem Verständnis kann auch das Handeln der Gewerkschaften nur einer auf Rechtmäßigkeit begrenzten gerichtlichen Kontrolle unterliegen.595 Tarifverträge sind als Akte der privaten Rechtssetzung zu behandeln und unterliegen, anders als hoheitliches Handeln keiner grundrechtlichen Verhältnismäßigkeitsprüfung.596 Eine Kontrolle tarifvertraglicher Normsetzung erfolgt entsprechend der mittelbaren Drittwirkung über den Umweg staatlicher Schutzpflichten.597 Diese Schutzpflicht nehmen im Arbeitsrecht die Arbeitsgerichte als Ersatzgesetzgeber wahr, indem sie im Rahmen ihrer richterlichen Kontrolle die gewerkschaftlichen Maßnahmen an den Grundrechten messen.598 Diese Kontrolle muss jedoch unter Berücksichtigung des einen dahingehenden Versuch unternimmt Wiedemann, BB 2013, 1397, 1402; ablehnend Rieble, Mitbestimmung zwischen Legitimationslast und Modernisierungsdruck, in: ders., Zukunft der Unternehmensmitbestimmung, S. 9, 19 Rn. 26. 593 St. Rspr. des BAG, s. nur BAG v. 26. 4. 2017 – 10 AZR 856/15, NZA-RR 2017, 478 Rn. 28; BAG v. 3. 7. 2019 – 10 AZR 300/18, NZA 2019, 1440 Rn. 29 mit Verweis auf BAG v. 27. 5. 2004 – 6 AZR 129/03, NZA 2004, 1399, 1401; ErfK/Linsenmaier, Art. 9 GG Rn. 77 ff.; ErfK/I. Schmidt, Einleitung GG Rn. 20. 594 ErfK/I. Schmidt, Einleitung GG Rn. 20 mit Verweis auf BVerfG v. 19. 10. 1966 – 1 BvL 24/65, NJW 1966, 2305, 2306. 595 Bayreuther, Tarifautonomie, S. 235 ff.; Däubler/Ulber, TVG, Einleitung Rn. 205 ff.; kritisch Dieterich, FS Schaub 1998, S. 117, 119; zum Umfang der Kontrolle ErfK/I. Schmidt, Einleitung GG Rn. 21 ff. 596 BAG v. 3. 7. 2019 – 10 AZR 300/18, NZA 2019, 1440 Rn. 17; BAG v. 19. 12. 2019 – 6 AZR 563/18, NZA 2020, 734 Rn. 19; ErfK/Linsenmaier, Art. 9 GG Rn. 77; Preis/Ulber, RdA 2013, 211, 213; Vielmeier, Tarifzensur, S. 81 ff. 597 ErfK/I. Schmidt, Einleitung GG Rn. 22. 598 Latzel, ZfA 2020, 526, 530; kritisch Jacobs/Frieling, SR 2019, 108, 111 f.

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3. Kap.: Das Recht der Unternehmensmitbestimmung

Schutzes durch die Koalitionsfreiheit weit ausfallen. Sowohl auf Tatbestandsebene ist ihnen daher ein Beurteilungsspielraum einzuräumen als auch auf Rechtsfolgenseite ein entsprechendes Ermessen.599 Unter Anwendung dieser stark abgeschwächten Grundsätze beschränkt sich die Kontrolle tarifvertraglicher Regelungen auf evidente Grundrechtsverstöße – also mitunter auf solche, die sich außerhalb des Gleichheitssatzes bewegen.600 In diesem Kontext insbesondere zu beachten sind Verstöße gegen das Untermaßverbot, da diese mit Blick auf die Schutzrichtung des Art. 9 Abs. 3 GG im Zusammenhang mit einer unparitätischen Verhandlungssituation stehen können.601 Etwas anderes muss nur dann gelten, wenn durch die legitimierte Normsetzung der Tarifparteien Außenseiter in ihren Grundrechtspositionen betroffen sind, da es dort an der erforderlichen Legitimation fehlt.602 Dies gilt für Fälle, in denen die Tarifvertragsparteien selbst durch tarifliche Betriebsnormen die Arbeitsverhältnisse der Außenseiter beeinflussen, aber auch für die Allgemeinverbindlicherklärung gem. § 5 TVG; in beiden Fällen wirkt die Rechtssetzung für die Betroffenen wie ein staatlicher Hoheitsakt und ist entsprechend zu behandeln.603 bb) Keine Gemeinwohlbindung in der Unternehmensmitbestimmung Überträgt man diese Grundsätze auf den Beschluss eines mitbestimmten Aufsichtsrates, kann nichts anderes gelten. Anknüpfungspunkt der Verpflichtung bleibt der Umfang der Legitimation. Diese erfolgt im Rahmen der Mitbestimmung durch Wahl sowie unterstützend kraft gesetzlicher Anordnung (s. o.). Betrachtet man den mitbestimmten Aufsichtsratsbeschluss ähnlich einer Allgemeinverbindlicherklärung oder einer tariflichen Betriebsnorm, so würde er als staatlicher Hoheitsakt angesehen und entsprechend behandelt und kontrolliert werden müssen. Der Beschluss eines nicht mitbestimmten Aufsichtsrates unterläge sodann einer schwächeren gerichtlichen Nachprüfbarkeit. Diese Ungleichbehandlung mitbestimmter und nicht mitbestimmter Aufsichtsräte müsste einer Prüfung anhand des Gleichbehandlungsgrundsatzes standhalten, was sich aufgrund der Willkür mit Blick auf die fluktuierenden Arbeitnehmerzahlen, die für die Anwendbarkeit des Mitbestimmungsregimes relevant sind, als problematisch herausstellen dürfte. Überdies widerspräche es der Logik der „Richtigkeitsgewähr“, legte man an einen mitbestimmten Auf599

BAG v. 3. 7. 2019 – 10 AZR 300/18, NZA 2019, 1440 Rn. 19; BAG v. 19. 12. 2019 – 6 AZR 563/18, NZA 2020, 734 Rn. 26. 600 ErfK/Linsenmaier, Art. 9 GG Rn. 79. 601 Vgl. dazu Preis/Ulber, RdA 2013, 211, 213 mit einer Differenzierung zu Betriebsnormen. 602 ErfK/Linsenmaier, Art. 9 GG Rn. 77. 603 ErfK/Linsenmaier, Art. 9 GG Rn. 77, sowie ErfK/I. Schmidt, Einleitung GG Rn. 23; offen bleibt nach dem Bundesarbeitsgericht, ob auch der für allgemeinverbindlich erklärte Tarifvertrag direkt an den Grundrechten zu messen ist, BAG v. 28. 8. 2019 – 10 AZR 549/18, NZA 2019, 1732 Rn. 42 ff.; dahingehend auch BVerfG v. 15. 7. 1980 – 1 BvR 24/74 u. a., NJW 1981, 251; BAG v. 27. 11. 2019 – 10 AZR 476/18, AP TVG § 1 Tarifverträge: Bau Nr. 384 Rn. 88.

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sichtsratsbeschluss einen strengeren Maßstab an als an einen nicht mitbestimmten Beschluss, wenn gerade die Beteiligung der Arbeitnehmervertretung aus Sozialstaats- und Demokratisierungserwägungen unter Zugrundelegung des Paritätsgedankens aus Art. 9 Abs. 3 GG den Entscheidungsprozess und seine Auswirkungen stärker legitimieren soll. Auch das differenzierte Bild von der Bindung an Mitgliederinteressen einerseits und der Vertretung von Belegschaftsinteressen andererseits kann keine Gemeinwohlbindung der Gewerkschaften begründen. Wie bereits gezeigt ergibt sich aus der unterschiedlichen Betrachtung der Interessenkreise aufgrund der verschiedenen Legitimationsketten kein Widerspruch. Betrachtet man die unorganisierten Arbeitnehmer im Kosmos des Tarifvertragswesens gegenüber den Gewerkschaftsmitgliedern als Teil der Allgemeinheit, ergibt sich bereits aufgrund der mangelnden Regelungskompetenz, dass die Gewerkschaften nicht an ihre Interessen gebunden sein können (s. o.). Doch auch spannt man den Bogen des Gemeinwohls weiter als die Interessen der Unorganisierten – beispielsweise im Rahmen der Ausführung unternehmensmitbestimmungsrechtlicher Tätigkeiten –, so lässt sich mithilfe keines der gängigen Argumente eine Gemeinwohlbindung konzipieren. cc) Zwischenergebnis: Kein Gemeinwohl im Rahmen legitimierter Interessenvertretung Ausweislich der Normierung der Koalitionsfreiheit im Grundgesetz erachtete der Verfassungsgeber die Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen als eine der herausragenden und damit schützenswertesten Betätigungen im Rahmen der verfassungsrechtlichen Grundordnung. Daher ist es auch durchaus konsequent, wenn das Bundesverfassungsgericht die Ausübung dieses Grundrechtes durch die Koalitionen als „öffentliches Interesse“604 betrachtet. Daraus unmittelbar eine Gemeinwohlverpflichtung dergestalt herzuleiten, wie sie sich für die Staatsgewalt nicht zuletzt aus Art. 1 Abs. 3 GG ergibt, wäre indes verfehlt.605 Vielmehr liegt die Betätigung der Koalitionen in dem verfassungsrechtlich abgesteckten Rahmen ebenso im öffentlichen Interesse wie jede andere beliebige Grundrechtsausübung. Die Ausführungen in Kapitel 2, Abschnitt C. haben die in der Verfassung – wenngleich offen gehaltene – Auffassung des Verfassungsgebers von einer tauglichen Gesellschaftsordnung gezeigt. Diese sollte durch die Konzeption der Freiheitsrechte aktualisiert und mithilfe der parallelen Funktion als Abwehrrechte nachhaltig sichergestellt werden. In diesem Sinne musste der Grundgesetzgeber auch davon ausgehen, dass zumindest in der Abwägung der unterschiedlichen Grundrechtspositionen eine Ordnung erzielt würde, die diesem Vorbild entspricht. Dieses als „richtig“ verstandene Ergebnis ist damit Produkt der Grundrechtsbetätigung der einzelnen Grundrechtsträger, welche in erster Linie ihnen selbst nutzen würde. Die konträren Interessen werden sodann in einer Abwägung der Grundrechte gegen604 605

S. nur BVerfG v. 6. 5. 1964 – 1 BvR 79/62, NJW 1964, 1267, 1268. Vgl. A. Wiedemann, Bindung der Tarifnormen, S. 78.

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3. Kap.: Das Recht der Unternehmensmitbestimmung

einander in einen Ausgleich gebracht, der identisch ist mit der angestrebten gesellschaftlichen Ordnung. Ebenso gehen auch die Koalitionen bei der Ausübung ihrer Grundrechte egoistisch vor.606 Dass sich dieser Egoismus des Organs mit dem Egoismus der Organisierten deckt, ist dabei allein der Konzeption der Koalition geschuldet. Dieser Befund wird nicht nur objektiv durch die Entstehungsgeschichte der Koalitionen gestützt,607 sondern auch durch deren subjektives Selbstverständnis. Bereits die abstrakte Möglichkeit zum Arbeitskampf führt die Konsequenzen einer Gemeinwohlbindung ad absurdum.608 Dieser ist, wie sich Art. 9 Abs. 3 S. 2 GG entnehmen lässt, ein vom Staat anerkanntes Mittel zur Wahrung und Förderung der Arbeitsbedingungen. Da der Arbeitskampf jedoch nur zulässig ist zur Erstreikung tariflicher Regelungen, beschränkt er die Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen in diesem Fall in personeller Hinsicht auf diejenigen der Gewerkschaftsmitglieder. Gleichzeitig ist der Streik zur Erfüllung dieses Zweckes nur dann sinnvoll, wenn er ein taugliches Druckmittel darstellt. Der Durchsetzung der mitgliedschaftlichen Interessen auf diese Weise ist also eine Schädigungsabsicht des sozialen Gegenspielers immanent. Am Beispiel der Streiks bei der Deutschen Bahn in den Jahren 2014 und 2021 zeigt sich überdies, dass zugleich auch Schädigungen unbeteiligter Dritter hingenommen werden bzw. diese indirektes Mittel zum Zwecke der Schädigung des sozialen Gegenspielers sind.609 Müssten Gewerkschaften wie die GdL bei der Entscheidung über die Durchführung von Arbeitskampfmaßnahmen Interessen der Allgemeinheit gegen diejenigen ihrer Mitglieder aufgrund einer Gemeinwohlbindung abwägen, käme es im Einzelfall möglicherweise zu keinem Arbeitskampf und damit auch nicht zum Abschluss eines Tarifvertrages.610 Auch wenn sich die Interessen der Mitglieder und diejenigen der Allgemeinheit nicht zwangsläufig diametral verhalten müssen, bleibt daher ohne eine Abschwächung der Bindung entweder an die Interessen der Mitglieder oder die der Allgemeinheit gleichwohl ein unlösbarer Konflikt zurück.611 Somit scheidet eine an Verfassungsprinzipien angelehnte Allgemeinwohlverpflichtung selbst für „au-

606 Als „gruppenegoistische Bestrebungen“ Reuter, FS Mestmäcker 1996, S. 271, 285; ebenso BGH v. 14. 3. 1978 – VI ZR 68/76, NJW 1978, 2031, 2032; Höpfner, Tarifgeltung im Arbeitsverhältnis, S. 241 f.; Kempen/Zachert/Kempen, TVG, Grundlagen Rn. 228; Picker, ZfA 1998, 573, 595; ders., ZfA 2011, 443, 542. 607 Dazu ausführlich Kapitel 2, Abschnitt A. 608 Ausführlich dazu Höpfner, Tarifgeltung im Arbeitsverhältnis, S. 241 f. auch m. w. N. 609 Stellvertretend für die mediale Berichterstattung: https://www.dw.com/de/die-nacht-inder-keine-bahn-kam/a-17981705 (zuletzt abgerufen am 14. 11. 2022); https://www.deutschland funk.de/lokfuehrer-streik-die-fahrgaeste-sind-ratlos-die-bahn.1769.de.html?dram:article_id=3 00370 (zuletzt abgerufen am 14. 11. 2022). Jüngst auch zu den Streiks der GdL https://www. faz.net/aktuell/wirtschaft/auto-verkehr/bahnstreik-von-samstag-bis-mittwoch-gdl-kuendigtneue-streiks-an-17493531.html (zuletzt abgerufen am 14. 11. 2022). 610 Für den Arbeitskampf s. Picker, Warnstreik, S. 227 ff.; ders., ZfA 1986, 218 ff. Außerhalb des Arbeitskampfrechtes so auch Höpfner, Tarifgeltung im Arbeitsverhältnis, S. 242. 611 So auch Hartmann, Negative Tarifvertragsfreiheit, S. 137.

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ßergewöhnliche Fälle“612 aus.613 Das gleiche Bild ergibt sich mit Blick auf die Mitbestimmung bei Unternehmensentscheidungen im Aufsichtsrat. Die Pflichtenbindung der Aufsichtsratsmitglieder ergibt sich aus § 25 MitbestG i. V. m. § 116 AktG und bindet die Mandatsträger in ihren Ermessensentscheidungen an das Unternehmensinteresse.614 Dieses beinhaltet auch die Belegschaftsinteressen, aber gerade keine Allgemeinwohlbelange.615 2. Zwischenergebnis: Ordnungswirkung durch Allgemeinrepräsentation und deren Legitimationserfordernis Die Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen durch die Koalitionen kann nicht als Aufgabe der „sinnvolle[n] Ordnung und Befriedung des Arbeitslebens“616 als Bestandteil des Wirtschaftslebens verstanden werden. Darin läge sodann eine Ordnungsaufgabe allgemeiner, gesamtwirtschaftlicher Natur.617 In der Folge müsste man in ihr den (alleinigen) Zweck der Gewährung der Koalitionsfreiheit sehen,618 sodass die Koalitionsfreiheit zu einer „dienenden Freiheit“ würde, mithilfe derer supraindividuelle Ordnungsaufgaben wahrgenommen werden sollen.619 Insofern den Koalitionen somit auch unter Rückgriff auf eine historische

612

Badura, AöR 104 (1979), 246, 254. Kempen/Zachert/Kempen, TVG, Grundlagen Rn. 232; vgl. auch zu offensichtlichen Gemeinwohlverletzungen der Große Senat des BAG v. 21. 4. 1971 – GS 1/68, AP GG Art. 9 Arbeitskampf Nr. 43; dazu auch Reuß, AuR 1971, 353. 614 Zum Inhalt des Unternehmensinteresses und der Berücksichtigung von Allgemeinwohlinteressen s. Abschnitt A. II. 2. c) bb) (2) dieses Kapitels. 615 Dies ist das Ergebnis der Ausführungen zum Inhalt des Unternehmensinteresses in Kapitel 3, Abschnitt A. II. 2. c) bb) (2). 616 BVerfG v. 18. 11. 1954 – 1 BvR 629/52, NJW 1954, 1881, 1882; einschränkend später BVerfG v. 1. 3. 1979 – 1 BvR 532/77 u. a., AP MitbestG § 1 Nr. 1; BVerfG v. 20. 10. 1981 – 1 BvR 404/78, AP TVG § 2 Nr. 31. 617 Galperin, AuR 1965, 1, 7 f.; Müller, JArbR 17 (1990), 19, 23; Säcker, Gruppenautonomie, S. 242 f.; „nicht nur ein soziales Mandat“ ders./Oetker, Grundlagen und Grenzen der Tarifautonomie, S. 277; a. A. unter Würdigung sämtlicher in Betracht kommender Ansatzpunkte für ein solches Mandat Geppert, Rechtliche Probleme des sogenannten allgemeinpolitischen Mandats der Gewerkschaften, S. 201, 204 f. 618 BVerfG v. 18. 11. 1954 – 1 BvR 629/52, NJW 1954, 1881, 1882; so auch Gamillscheg, Kollektives Arbeitsrecht, Band 1, S. 308 unter Berufung auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes; s. dazu auch kritisch Friese, Kollektive Koalitionsfreiheit, S. 48; Karakatsanis, Kollektivrechtliche Gestaltung des Arbeitsverhältnisses, S. 33. 619 Badura, AöR 104 (1979), 246, 248; vgl. auch Friese, Kollektive Koalitionsfreiheit, S. 48 unter Verweis auf die Terminologie in BVerfG v. 16. 6. 1981 – 1 BvL 89/78, NJW 1981, 1774, 1775; BVerfG v. 24. 3. 1987 – 1 BvR 147/86 u. a., NJW 1987, 2987; ebenso kritisch Nörr, Leiden des Privatrechts, S. 117 mit einem Verweis auf das Grundrechtsverständnis Smends auf S. 124; vgl. zu diesem „Konflikt“ insbesondere unter Berücksichtigung des Sozialstaatsprinzips Hartwich, Sozialstaatspostulat, S. 335 f. m. w. N. 613

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3. Kap.: Das Recht der Unternehmensmitbestimmung

Betrachtung620 ihrer Institutionalisierung und Betätigung die Ordnung und Befriedung des Arbeitslebens aufgegeben wird, vermag dies nicht zu überzeugen. Die Betätigung der Koalitionen innerhalb der ihnen verfassungsrechtlich zugestandenen Bereiche ebenso wie die Wahrnehmung der einfachgesetzlichen Rechte und Pflichten erfolgt daher im öffentlichen Interesse – aber nicht im öffentlichen Auftrag. Diese Differenzierung ist auch konsequent, da bereits die verfassungsrechtliche Verankerung der koalitiven Betätigungsfelder Ausdruck eines solchen staatlichen – also öffentlichen – Interesses ist.621 Diese im Verhältnis zwischen Staat und Privaten als Grundrechte übersetzten Interessen und Ziele verpflichten im Sinne des Art. 1 Abs. 3 GG jedoch nur die Staatsgewalt. Mit konsequentem Blick auf die Grundrechtsystematik und die Normhierarchie ist eine solche unmittelbar verfassungsrechtliche Anknüpfung auch nicht erforderlich, da die einfachen Gesetze die grundgesetzlichen Aussagen in bindende Verhaltensregeln für private Rechtsverhältnisse übersetzen.622 Konsequenz der privatautonomen Konzeption der Koalitionen, an der sich auch in Folge einer Gewerkschaftseigenschaft nichts ändert, ist eine Kompetenzbeschränkung in personeller Hinsicht in Form der Normsetzungsbefugnis sowie eine inhaltliche Regelungsfreiheit mangels Gemeinwohlbindung. Zurück bleiben die einfachgesetzlichen Handlungsbeschränkungen, welche durch die Grundrechte im Wege der Auslegung konkretisiert werden können. Insofern unterscheiden sich die Gewerkschaften also nicht von anderen privaten Grundrechtsträgern. Gleichermaßen bleibt es dem Gesetzgeber überlassen, in die Ergebnisse der freien Grundrechtsausübung schützend einzugreifen, sofern Grundrechte Dritter unverhältnismäßig eingeschränkt werden.623 Obwohl daher eine sozialpolitische Zuständigkeit der Gewerkschaften624 in ihrer Pauschalität abzulehnen ist, sei damit nicht gesagt, dass die Betätigung der Koalitionen frei von allgemeinwirkenden sozialpolitischen Effekten erfolgt: Das Gegenteil ist der Fall. Sie prägt in vielerlei Hinsicht das Arbeitsleben auch über die organisierten Arbeitsverhältnisse hinaus und greift über die Grenzen der Betriebe und Unternehmen hinweg in die politische Meinungsbildung aktiv ein. Dieses gesellschaftliche Phänomen ist nicht von der Hand zu weisen und hat den Gesetzgeber schon häufig dazu veranlasst, Gewerkschaften Rechte und Pflichten in der Arbeitsrechtsordnung angedeihen zu lassen, die über die privatautonom legitimierten Regelungskompetenzen hinausgehen. Dies folgt nicht zuletzt aus der gesamtwirt-

620 Picker, ZfA 1998, 573, 673; Säcker/Oetker, Grundlagen und Grenzen der Tarifautonomie, S. 65; a. A. Bayreuther, Tarifautonomie, S. 59. 621 Kempen/Zachert/Kempen, TVG, Grundlagen Rn. 125. 622 Kempen/Zachert/Kempen, TVG, Grundlagen Rn. 233. 623 S. nur Höpfner, Tarifgeltung im Arbeitsverhältnis, S. 242; Preis/Ulber, FS Kempen 2013, S. 15, 17. 624 So namentlich im Gesetzgebungsverfahren zum MitbestG die Mitbestimmungskommission, BT-Drs. VI/334, S. 107.

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schaftlichen Funktionskomponente der Arbeitnehmer- und Arbeitgebervereinigungen,625 die bereits in dem Stinnes-Legien-Abkommen626 anerkannt worden war.627 Geht man davon aus, dass die Betätigung der Koalitionen im Rahmen des Art. 9 Abs. 3 GG in ihrer historischen Prägung nicht nur die Tarifautonomie institutionell garantiert, sondern auch die wirtschaftliche Mitwirkung der Vereinigungen, so sind das BetrVG und das MitbestG neben dem TVG weitere dahingehende einfachgesetzliche Konkretisierungen der Koalitionsfreiheit.628 Mit der Erweiterung des grundgesetzlichen Gewährleistungsgehaltes über die Tarifautonomie hinaus auch auf die Unternehmensmitbestimmung und die betriebliche Mitbestimmung geht eine Erweiterung der mit der Ausübung dieser Grundrechte durch den Staat avisierten Ordnungswirkung einher. Die Koalitionsmittel nach Art. 9 Abs. 3 GG konstruieren damit ein allumfassendes System der arbeitsrechtlichen Ordnung, welche durch die Betätigung der Koalitionen entsprechend aktualisiert wird. In ihnen spiegelt sich der Umfang der Ordnungswirkung, welche dabei in einem reziproken Verhältnis zu den sie fazilitierenden normativen Instrumentarien steht. Sie wird jeweils durch ihr Ordnungssubjekt legitimiert, während der Umfang der Legitimation wiederum den Umfang der ordnenden Wirkung vorgibt. Ihre Grenzen findet die Betätigung in den die grundgesetzlichen Wertungen konkretisierenden einfachen Gesetzen.629 Die Tarifautonomie wirkt sich aufgrund ihrer mitgliedschaftlichen Konzeption ordnend nur auf die Mitglieder der Gewerkschaften aus. Die ordnende Wirkung selbst wird dabei in ihren Grenzen und ihrer Wirkung durch die entsprechende Legitimation des Mitgliedsverhältnisses bestimmt. Auch der Gesetzgeber hat außerhalb der gesetzlichen Normierung von Allgemeinverbindlicherklärungen, Bezugnahmeklauseln und der Geltung von Betriebsnormen keine subsidiäre Regelungsbefugnis vorgesehen. Schließlich kann sich auch aus der Verfassung heraus eine solche nicht ergeben. Gerade die gesetzlichen Möglichkeiten der Tarifnormerstreckung sowie die Möglichkeit der privatautonomen schuldrechtlichen Inbezugnahme von Tarifvertragsregelungen zeigen den Ausnahmecharakter überschießender Erstreckung einerseits und sind Ursprung einer gesamtheitlichen Ordnungswirkung andererseits.630 Ein Schluss e contrario § 3 Abs. 2 oder § 5 Abs. 1 TVG auf die

625

BVerfG v. 20. 10. 1981 – 1 BvR 404/78, NJW 1982, 815, 816; Hirsch, Öffentliche Funktionen der Gewerkschaften, S. 46 f.; May, Verfassungsmäßige Zulässigkeit der Bindung von Außenseitern durch Tarifverträge, S. 45, 90 f. 626 RAnz. v. 18. 11. 1918, Nr. 273. 627 S. auch Galperin, AuR 1965, 1, 8. 628 S. Kapitel 3, Abschnitt A. I. zum Gewährleistungsgehalt des Art. 9 Abs. 3 GG. 629 BVerfG v. 15. 1. 1958 – 1 BvR 400/51, BVerfGE 7, 198; Kempen/Zachert/Kempen, TVG, Grundlagen Rn. 233. 630 Dieterich, GS Zachert 2010, S. 532, 539; Höpfner, Tarifgeltung im Arbeitsverhältnis, S. 239 f.; Mayer, Differenzierungsklauseln, S. 266; a. A. Giesen, NZA 2009, 11, 13; Hromadka, NZA 2008, 384, 385 und 387 f.

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3. Kap.: Das Recht der Unternehmensmitbestimmung

grundsätzliche Möglichkeit einer Wirkungserweiterung auf Außenseiter geht wie gesehen fehl.631 Anders verhält es sich für das MitbestG und auch das BetrVG. Die Gewerkschaften repräsentieren im Rahmen der betrieblichen und der Unternehmensmitbestimmung die Belegschaftsinteressen. Diese sind in räumlicher Hinsicht durch den Betrieb bzw. das Unternehmen begrenzt. Entsprechend dem zuvor Gesagten bilden diese Einheiten sodann den Anknüpfungspunkt der Legitimation dieser mitgliedschaftsüberschießenden Ordnungswirkung durch Repräsentation. Als Abwägungsergebnis mit der negativen Koalitionsfreiheit der Arbeitnehmer ergibt sich eine gemischt autonome wie normative Legitimation aus der Wahl durch die im Unternehmen bzw. Betrieb vertretenen Arbeitnehmer gem. §§ 9 ff., 16 MitbestG respektive §§ 7 ff. BetrVG sowie einer entsprechenden gesetzlichen Anordnung. Auf diese Weise wird trotz der „Zwangsrepräsentation“ die legitimierende Rückkoppelung an die Arbeitnehmer gewährleistet. Die Positionen, welche die Gewerkschaften auch in der Betriebsverfassung und – für die vorliegende Arbeit besonders relevant – im MitbestG einnehmen, sind jedoch nicht durch eine irgendwie geartete sozialpolitische Zuständigkeit zu rechtfertigen,632 sondern wurden ihnen vom Gesetzgeber normativ eingeräumt. Damit sind sie demokratisch legitimiert. Von einer umfassenden sozialpolitischen Zuständigkeit kann nicht die Rede sein, allenfalls von einer unverbindlichen umfassenden sozialpolitischen Wirkung. 3. Eigene Konzeption: Die negative Koalitionsmittelwahlfreiheit Die Parallelität der Koalitionsmittel bedingt ihre inhaltliche Gleichrangigkeit.633 Isoliert betrachtet ist damit nicht die ordnende Wirkung eines der Koalitionsmittel qualitativ höherwertiger als die eines anderen. Wie angesprochen ergibt sich jedoch aus den Koalitionsmitteln in ihrem Zusammenwirken eine Gesamtordnung, die ausweislich der Normierung der Grundrechte von dem Verfassungsgeber als erstrebenswert angesehen wurde. Insofern stellt sich also die Frage, ob nicht diese avisierte Ordnungswirkung eine Verpflichtung der Koalitionen mit sich bringt, diese durch Ausübung sämtlicher Koalitionsmittel gleichermaßen zu fördern. So ist auch Hugo Sinzheimer zu verstehen, wenn er davon ausgeht, dass die Koalitionen unter gewissen Umständen aufgrund ihrer öffentlich-rechtlichen Rechte und Fähigkeiten gegenüber dem Staat auch zum Abschluss eines Tarifvertrages verpflichtet sein können.634 Aus der fehlenden Grundrechtsbindung einerseits, die auch eine Ordnungsaufgabe der Koalitionen im Sinne einer entsprechenden Verpflichtung ausschließt, 631

Ebenso Mayer, Differenzierungsklauseln, S. 264. Dagegen auch Walker, ZfA 2004, 501, 523; anders noch die Beurteilung der Mitbestimmungskommission, BT-Drs. VI/334, S. 107. 633 S. hierzu bereits oben Abschnitte A. I. 2. sowie A. I. 4. a) dieses Kapitels. 634 Sinzheimer, Grundzüge des Arbeitsrechts, S. 79. 632

B. Rolle der Gewerkschaften in der Unternehmensmitbestimmung

273

sowie der fehlenden Bindung ihrer Betätigung an das Gemeinwohl andererseits ergibt sich jedoch zunächst, dass die Koalitionen zu einer Ausübung ihrer Koalitionsmittel nicht verpflichtet werden können.635 Eine verpflichtende Koalitionsmittelwahl ähnlich dem Kontrahierungszwang im Kontext der allgemeine Daseinsvorsorge besteht nicht. Fälle des Kontrahierungszwanges sind als Eingriffe in die Privatautonomie nach Art. 2 Abs. 1 GG regelmäßig nur in Fällen erheblicher monopolartiger Marktmacht und erheblicher Imparität gerechtfertigt.636 In solchen Fällen können Eingriffe und Korrekturen vor allem unter zusätzlichem Rückgriff auf das Sozialstaatsprinzip angemessen sein.637 Von einer solchen Monopolstellung ist ob der Mannigfaltigkeit der Gewerkschaften nicht auszugehen. Darüber hinaus wird bei der Bewertung der strukturellen Imbalancen im Rahmen der Koalitionsfreiheit die Zielrichtung des Art. 9 Abs. 3 GG berücksichtigt werden müssen, die gerade darin liegt, einer Fremdbestimmung der Arbeitnehmer entgegenzuwirken. Über das Ausgestaltungserfordernis der Koalitionsfreiheit wird der Staat vielmehr verpflichtet, mithilfe der Koalitionsfreiheit tarifautonom oder auch mittels der Unternehmensmitbestimmung Disparitäten zu beheben. Zumindest als milderes Mittel im Verhältnis zu einem absoluten Zwang der Betätigung steht es dem Gesetzgeber daher offen, die Betätigungsmittel inhaltlich konstruktiv zu konkretisieren. Dem Staat obliegt es vielmehr, die Ordnungswirkung im Wege der koalitiven Tätigkeit zu erzeugen, indem er die Grundrechtsausübung innerhalb eines zu normierenden Rahmens ermöglicht. Dieser Rahmen ist angesichts der Ausgestaltungsbedürftigkeit der Koalitionsfreiheit638 nicht durch Art. 9 Abs. 3 GG diktiert, sondern findet seine Mindestbeschränkung in der Wesensgehaltsgarantie des Art. 19 Abs. 2 GG. Im Übrigen wird die Konkretisierung des gegenständlichen Gewährleistungsgehaltes dem einfachen Gesetzgeber überantwortet. Dazu im Widerspruch steht nicht die Möglichkeit des Staates, Gemeinwohlbelange zur (inhaltlichen) Grenzziehung der grundrechtlichen Gewährleistungen heranzuziehen. Diese „Sozialbindung“ des Tarifvertrages639 bedingt ebenso wenig einen präemptiven Koalitionsmittelzwang, wie die Interessenbindung der Aufsichtsratsmitglieder nach § 25 Abs. 1 MitbestG i. V. m. § 116 AktG eine Berücksichtigung von Allgemeinwohlbelangen im Rahmen der aufsichtsratlichen Ermessensentscheidungen konstruiert. Insofern konsequent kann auch auf die Kontrolle von Arbeitskampfmitteln verwiesen werden. Wie das Bundesarbeitsgericht folgerichtig feststellte, käme eine „gerichtliche Kontrolle des Umfangs von Streikforderungen“640 einer Kontrolle der Tarifziele gleich. Eine u. a. 635 Zumindest für den Tarifvertrag auch Henssler/Moll/Bepler/Greiner, Tarifvertrag, Teil 2 Rn. 53, allerdings mit Blick auf die Satzungsautonomie; Wiedemann/Oetker, TVG, § 2 Rn. 25. 636 Dreier/Dreier, GG, Band 1, Art. 2 Rn. 63; Jarass/Pieroth/Jarass, Art. 2 Rn. 23. 637 Jarass/Pieroth/Jarass, Art. 2 Rn. 23. 638 S. dazu stellv. BVerfG v. 1. 3. 1979 – 1 BvR 532/77 u. a., AP MitbestG § 1 Nr. 1 [C. III. 2. a)]; Löwisch/Rieble, TVG, Grundlagen Rn. 118. 639 Löwisch/Rieble, TVG, Grundlagen Rn. 236. 640 BAG v. 24. 4. 2007 – 1 AZR 252/06, AP TVG § 1 Sozialplan Nr. 2 [2. LS].

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3. Kap.: Das Recht der Unternehmensmitbestimmung

im Wege der gerichtlichen Kontrolle ausgeübte staatliche Lenkung der Betätigung der Koalitionen, die bereits auf der Ebene der Koalitionsmittel ansetzte, ist mit dem Wesen der Koalitionsfreiheit nicht vereinbar.641 Die negative Koalitionsmittelwahlfreiheit ist damit als notwendige Vorfrage Teil der Betätigungsfreiheit der Koalitionen. In der Folge können die Koalitionen selbst entscheiden, welche Koalitionsmittel sie nutzen möchten. Eine wesentliche Einschränkung ergibt sich lediglich daraus, dass sie in der Ausübung ihrer Freiheiten keinen Selbstzweck erfüllen. Sie werden zwar nicht durch die Ordnungsvorstellungen der Verfassung geleitet, sind in ihrer Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen jedoch nicht gänzlich frei. Die Zielrichtung ihrer Bestrebungen wird durch die Interessen derjenigen vorgegeben, welche sie für die jeweilige Koalitionsmittelbetätigung legitimieren. Hierbei muss es sich nicht um eine partikuläre, mitgliedschaftlich legitimierte Interessenvertretung durch tarifautonome Gestaltung handeln. Umfasst ist vielmehr auch die „überschießende“, allumfassende Repräsentation der Belegschaftsinteressen in den durch den Unternehmensbezug gezogenen Grenzen, die wiederum durch die Wahlen legitimiert wird. Aus diesem Grunde ist auch die demokratische Organisation der Koalitionen von immenser Wichtigkeit. Sie sichert die stete demokratische Rückversicherung der Koalition auf die Belange ihrer Legitimatoren – seien es die Mitglieder der Koalition im Rahmen der Tarifautonomie oder auch die Belegschaft eines Unternehmens. Somit besteht weder ein Zwang, sich am Tarifwesen zu beteiligen, noch zu diesem Zwecke nach Tariffähigkeit zu streben. Auch hierin zeigt sich noch einmal die Bedeutung einer Entkoppelung von Gewerkschaftsbegriff und Tariffähigkeit. Ein Anspruch der Koalitionsmitglieder auf die Betätigung eines bestimmten Koalitionsmittels kann sich daher lediglich aus dem Mitgliedsvertrag ergeben. Sofern dort also die Verpflichtung zum Abschluss von Tarifverträgen übernommen wird, besteht ein schuldrechtlicher Anspruch eines jeden Mitgliedes darauf, dass die Koalition durch ihren Vorstand dieser Verpflichtung nachkommt. Ein solcher Anspruch der Mitglieder besteht bei entsprechender Verpflichtung auch im Rahmen der Unternehmensmitbestimmung. Hier tritt neben die Einklagbarkeit dieses Anspruchs auch die Möglichkeit, den entsprechenden Vertretern in der nachfolgenden Wahl die Stimme zu versagen. Insofern besteht in beiden Fällen darüber hinaus auch der faktische Zwang, äußerliche Verstöße des Vorstandes intern durch Stimmverweigerung oder gar Austritt zu sanktionieren. Die Apotheose der demokratischen Organisation stellt somit sicher, dass die negative Koalitionsmittelwahlfreiheit der Koalitionen stets mit den mehrheitlichen Interessen der Repräsentanten übereinstimmt.

641 S. auch BVerfG v. 26. 6. 1991 – 1 BvR 779/85, AP GG Art. 9 Arbeitskampf Nr. 117 [C. I. 3. b) cc)].

4. Kapitel

Der mitbestimmungsgesetzliche Gewerkschaftsbegriff Die Frage nach den Anforderungen an den mitbestimmungsrechtlichen Gewerkschaftsbegriff soll auf dem Fundament des Paritätsbegriffes beantwortet werden. Gleichsam wie das Bundesarbeitsgericht die Merkmale einer Gewerkschaft als tariffähige Arbeitnehmerkoalition anhand der verfassungsrechtlichen Grundlagen des Tarifsystems herausgearbeitet hat, soll es in dieser Arbeit um die Übertragbarkeit dieser Kriterien auf das System der Unternehmensmitbestimmung gehen. Hierbei können sowohl die historische Darstellung der Koalitionsbewegung und des Mitbestimmungsgedankens als auch die verfassungsrechtliche Verankerung des Paritätsprinzips für die nachfolgende Auslegung des Gewerkschaftsbegriffes nach dem MitbestG herangezogen werden. Die historische Auslegung des Art. 9 Abs. 3 GG bediente sich bereits eben dieser Ausführungen, um die Unternehmensmitbestimmung, deren einfachgesetzliche Konkretisierung das MitbestG ist, in der Koalitionsfreiheit zu verankern. Der entsprechend garantierte Schutzbereich beinhaltet wiederum – wie in Kapitel 2, Abschnitt B. und C. herausgearbeitet – das Paritätsprinzip, welches funktionale Anforderungen an die einfachgesetzliche Ausgestaltung der Mitbestimmungsinstrumentarien stellt. In diesem Lichte werden nun auch die Tariffähigkeitsvoraussetzungen als Bestandteil des tarifvertragsgesetzlichen Gewerkschaftsbegriffes betrachtet, die insofern die Parität der Sozialpartner und damit die Funktionsfähigkeit des Tarifsystems gewährleisten sollen. Da sich dieses jedoch von demjenigen der gremialen Mitbestimmung nach dem MitbestG erheblich unterscheidet, muss im Rahmen der Auslegung des mitbestimmungsgesetzlichen Gewerkschaftsbegriffes erforscht werden, inwiefern der Gesetzgeber die Beteiligung der Gewerkschaften an der Unternehmensmitbestimmung von den Erfordernissen der Tarifwilligkeit, der Rechtstreue, der organisatorischen Leistungsfähigkeit und der sozialen Mächtigkeit abhängig machen wollte.

A. Die Begriffsfindung im Wege der klassischen Auslegung I. Die Auslegung des Gewerkschaftsbegriffes im MitbestG Ziel der Auslegung ist es, den Sinn einer Norm zu erforschen.1 Sie erfolgt aber nicht nur, wenn „offenkundige“ Diskrepanzen von Wortlaut und Anwendungsfall 1

Frieling, Gesetzesmaterialien, S. 10; Mennicken, Ziel der Gesetzesauslegung, S. 10 ff.

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4. Kap.: Der mitbestimmungsgesetzliche Gewerkschaftsbegriff

dazu Anlass geben. Da der Wortlaut einer Norm niemals offenkundig ist, muss vor jeder praktischen Rechtsanwendung in einem vorgelagerten Schritt der Inhalt des Rechtes ermittelt werden.2 Dieses Vorgehen selbst ist bereits Rechtsanwendung. Unbeantwortet bleibt jedoch, nach welchem Sinngehalt der Norm als Auslegungsziel gesucht werden soll.3 Hierin spitzt sich der jahrzehntelange „Methodenstreit“ zwischen objektiver und subjektiver (bzw. historischer) Auslegung zu.4 Die vorliegende Arbeit kann nicht zum Anspruch haben, diesen Streit vollumfänglich wiederzugeben und zu analysieren. Vielmehr soll der historische Wille des Gesetzgebers – also des Verfassers der in Rede stehenden Norm – für die Ermittlung des normativen Sinnes maßgeblich sein. Da das Telos des Begriffes im normativen Kontext von dem Gesetzgeber selbst gesetzt wird und damit Teil seines zu ermittelnden Willens ist, sind Sinn und Zweck weniger Auslegungsmittel als Auslegungsziel.5 Lediglich der Übersichtlichkeit halber sollen daher grammatische wie systematische Aspekte zunächst objektiv dargelegt werden, um sie sodann im Rahmen der historischen Auslegung entsprechend dem Willen des Gesetzgebers zu legitimieren.

1. Wortlaut Dem Wortlaut kommt aufgrund der Volatilität der Sprache als Kommunikationsmittel nur eine begrenzte Bedeutung zu.6 Da Sprache einem stetigen Wandel unterliegt und immer nur unter der Bedingung gleichen Verständnisses funktioniert, ist sie nie eindeutig.7 Aufgrund der historisch rückwärtigen Entwicklung des Gewerkschaftsbegriffes8 kommt dem (allgemeinen) Sprachgebrauch daher jedenfalls im vorliegenden Falle besondere Bedeutung zu.9 Der Gesetzgeber muss sich nicht zuletzt aus Gründen der Normklarheit einer Sprache bedienen, die auch im Laien eine gewisse Assoziation zu wecken im Stande ist.10 Gleichwohl muss berücksichtigt 2 Germann, Probleme und Methoden der Rechtsfindung, S. 115; Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, Rn. 731. 3 S. Frieling, Gesetzesmaterialien, S. 10. 4 Mit einer Darstellung des Streitstandes und weiteren Nachweisen Frieling, Gesetzesmaterialien, S. 80 ff. 5 S. nur Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, Rn. 725 ff. 6 Vgl. dazu nur die eindrucksvollen Erläuterungen von Augsberg, Lesbarkeit des Rechts, S. 55 ff. 7 Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, Rn. 732 f.; hypothetisch auch Hassemer, Rechtstheorie 39 (2008), 1, 6 f.; zurückhaltend C. Jacobi, Methodenlehre der Normwirkung, S. 345. 8 S. dazu eingehend Kapitel 1, Abschnitt B. I. 9 Dazu grundlegend Hassemer, Rechtstheorie 39 (2008), 1, 7 f.; Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, Rn. 738. 10 Engisch, Die Relativität der Rechtsbegriffe, in: Murad, Deutsche Landesreferate zum V. Internationalen Kongress für Rechtsvergleichung in Brüssel 1958 S. 59, 70 f. S. zum Grundsatz der Normklarheit im Lichte des Art. 103 GG stellv. BVerfG v. 10. 1. 1995 – 1 BvR 718/89 u. a., NJW 1995, 1141, 1144; Dürig/Herzog/Scholz/Remmert, GG, Art. 103 Abs. 2 Rn. 92 mit dem Maßstab des „Verständnishorizont[es] des Bürgers als Normadressat“.

A. Die Begriffsfindung im Wege der klassischen Auslegung

277

werden, dass sich das Vokabular der Rechtssprache und der Sprache des täglichen Lebens zum Teil gravierend unterscheiden.11 Das geschriebene wie auch das gesprochene Wort lebt also von seiner Zweiseitigkeit. Seine Bedeutung kann niemals nur anhand des Senderverständnisses ermittelt werden. Auch hier ist daher der objektive Empfängerhorizont zu berücksichtigen.12 In diesem Zusammenhang kann der Rechtsanwender auf Wörterbücher oder auch einschlägige vergangene Begriffsverwendung von Seiten des Gesetzgebers zurückgreifen. Gerade des legislativen Sprachgebrauches kann sich der Rechtsanwender als Auslegungsparameter jedoch nur bedingt bedienen, da nicht zuletzt die bereits genannten Beispiele vergangener Gesetzgebung eine Reihe uneinheitlicher Begriffsverwendungen aufzeigen. a) Der Erkenntniswert § 7 Abs. 2 MitbestG spricht lediglich von Gewerkschaften. Unmittelbare nähere Konkretisierungen finden nicht statt. Allein § 7 Abs. 5 MitbestG beschränkt die berechtigten Gewerkschaften auf solche, die in dem Unternehmen vertreten sind. Der Gewerkschaftsbegriff ist wie kaum ein anderer Begriff historisch geprägt. Er entstammt anders als andere (unbestimmte) Rechtsbegriffe nicht der Feder eines Gesetzgebers, sondern dem (arbeits-)alltäglichen Sprachgebrauch. Der Begriff vereint in sich das allgemeine Verständnis „organisierter Arbeitnehmerschaft“.13 Ein Rückschluss auf eine die Tariffähigkeit begründende soziale Mächtigkeit (u. a.) ergibt sich daraus nicht nur nicht zwangsläufig, denn sie ist dem allgemeinen Begriff von Gewerkschaften sogar historisch nachgelagert. Er bewegt sich daher in einem Graubereich zwischen Alltags- und Fachsprache, was im Rahmen der Ermittlung des objektiven Empfängerhorizontes berücksichtigt werden muss.14 Der Wortlaut der Norm spricht dennoch zunächst anscheinshalber für ein einheitliches Verständnis. Zwar besteht ob der vereinzelten Abweichungen kein per se „üblicher“ Sprachgebrauch in der Rechtssprache: Anders als in § 7 Abs. 2 MitbestG ist der Gesetzgeber in jüngerer Zeit vereinzelt dazu übergegangen, von „tariffähigen Gewerkschaften“ zu sprechen.15 Und der Regierungsentwurf zur BetrVG-Novelle vom 29. Januar 1971 wiederum spricht an zwei Stellen von tariffähigen Koalitionen.16 Da es sich dort nicht um eine gesetzgeberische Äußerung handelt, steht dieser Vergleich freilich auf 11

Als Beispiel taugen die Begriffe „Besitz“ oder „Vermächtnis“. Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, Rn. 738. 13 Entwurf eines Gesetzes über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer v. 29. 04. 1974, BTDrs. VII/2172, S. 17. 14 Ähnlich Wank, Juristische Methodenlehre, § 7 Rn. 19 ff.; s. auch in einer Besprechung Linsenmaier, RdA 2020, 220, 221 f. 15 So beispielsweise die Bundesregierung in ihrem Entwurf eines Gesetzes zur Tarifeinheit v. 20. 02. 2015, BT-Drs. 18/4062, S. 12; ebenso bereits die Formulierung im Staatsvertrag zur Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion zwischen DDR und BRD v. 18. 5. 1990 in Leitsatz A. III. 2, BGBl. II 1990, S. 537, S. 545. 16 Entwurf eines Betriebsverfassungsgesetzes v. 29. 1. 1971, BT-Drs. VI/1786, S. 33, 46. 12

278

4. Kap.: Der mitbestimmungsgesetzliche Gewerkschaftsbegriff

schwachen Füßen. Die uneinheitliche Begriffsverwendung wird jedoch durch eine prominente tarifrechtlich geprägte Begriffsauslegung bzw. -fortbildung relativiert. Der allgemeine Sprachgebrauch aus der „Laiensphäre“ kann jedoch nicht unberücksichtigt bleiben. Dort wird wohl keine bewusste Differenzierung zwischen tariffähigen und nicht tariffähigen Gewerkschaften vorgenommen. Bei dem Begriff „Gewerkschaft“ erfolgt vielmehr eine beinahe automatische Assoziation mit ver.di, dem DGB oder branchenspezifischen Vereinigungen wie Cockpit oder der GDL. Ein Zusammenfallen von Tariffähigkeit und Gewerkschaftseigenschaften führt zu einer entsprechenden Assoziation, unabhängig davon, dass es sich hierbei nicht um mehr als ein Korrelat zusammenfallender Voraussetzungen handeln muss. b) Das Auslegungsergebnis: Die Unergiebigkeit des Wortlauts Der Wortlaut als erster Anknüpfungspunkt konnte insofern nicht fruchtbar gemacht werden, da er lediglich von „Gewerkschaften“ spricht. Dass diese im Unternehmen auch vertreten sein müssen, konkretisiert nicht den Gewerkschaftsbegriff, sondern schränkt erst in einem nachgelagerten Schritt den personalen Anwendungsbereich der Norm ein.17 Das Begriffspaar spielt damit allenfalls im Rahmen der systematischen Auslegung eine Rolle. Jüngere wie ältere Begriffsverwendungen der an möglichen Gesetzgebungsverfahren Beteiligten sind zumindest uneinheitlich, vermögen aber eine begriffliche Einengung nicht zu erreichen. Freilich kann konstatiert werden, dass das faktische Vorstellungsbild des Gesetzgebers von tariffähigen Gewerkschaften geprägt war. Dafür spricht nicht zuletzt auch die streikweise Einflussnahme des DGB bereits im Rahmen der Montanmitbestimmung.18 Die angesprochene uneinheitliche Begriffsverwendung ebenso wie die Funktions- und Rollenzuweisung der Gewerkschaften legen aber gerade nicht ausnahmslos dar, dass die Verknüpfung von Gewerkschaftsbegriff und Tariffähigkeit, über die Betrachtung einer (zufälligen) Korrelation hinausgehend, eine zwangsweise Anordnung im Sinne einer tatbestandlichen Einengung des Gewerkschaftsbegriffes (auch) für das MitbestG bedeuten sollte. Dafür spricht auch die Beteiligung des CGB im Rahmen der Gesetzgebung, welche von Seiten der Regierungsparteien selbst als ineffektiv bezeichnet wurde. Im Mindesten aber finden sich keine Anhaltspunkte dafür, dass eine ganzheitliche, absolute Übernahme aller Tariffähigkeitsvoraussetzungen avisiert war. So wurden bereits im Rahmen der Montanmitbestimmung expressis verbis die Anforderungen an die Gegnerunabhängigkeit herabgesetzt. Für das Gewerkschaftsverständnis generell sowie etwaige Bestrebungen bereits des Montanmitbestimmungsgesetzgebers, den tarifrechtlichen Begriff zu übernehmen, können die entsprechenden Materialien jedoch nur bedingt herangezogen worden. Die erste 17 Zum Verständnis des Vertretenseins im MitbestG s. Abschnitt A. I. 3. b) bb) (1) (b) (bb) dieses Kapitels. 18 „Nach derzeitiger Lage der Arbeiterbewegung: des Deutschen Gewerkschaftsbundes.“ 117. Sitzung des Deutschen Bundestages v. 14. 2. 1951, S. 4433 D; s. dazu vertieft die Darstellung der Entstehungsgeschichte in diesem Kapitel den Abschnitt A. I. 3. b) aa).

A. Die Begriffsfindung im Wege der klassischen Auslegung

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bundesarbeitsgerichtliche Entscheidung zugunsten eines einheitlichen Gewerkschaftsbegriffes datiert aus dem Jahre 1956 und damit aus der Zeit nach dem Inkrafttreten des MontanMitbestG. Dessen Gesetzgeber konnte sich daher schlechterdings noch nicht veranlasst sehen, hierzu Stellung zu nehmen. 2. Systematik Beziehungen einzelner Normen zueinander werden maßgeblich durch ihr Rangverhältnis geprägt.19 Spezialregelungen gehen einer lex generalis vor, die Eröffnung des Anwendungsbereiches einer Norm kann die gleichzeitige Unanwendbarkeit einer anderen bedeuten. All diese Interdependenzen spiegeln letztlich Regelungsentscheidungen wider, die eine wesentliche Richtlinie für die Auslegung einer Norm bzw. eines Begriffes sein können.20 Damit ist die systematische Auslegung eng mit der Wortlautauslegung verbunden. Ihr liegt die Erkenntnis zugrunde, dass erst die Einbeziehung des normativen Kontextes Aufschluss über die in den Worten liegende Zielsetzung des Gesetzgebers geben kann.21 Ein alltägliches Beispiel bieten Lokal- oder Temporaladverben wie „hier“, „dort“ oder „nun“. Sie gewinnen ihre zeitliche oder geographische Explizität erst durch den jeweiligen faktualen Zusammenhang, in welchem sie verwandt werden. Erkenntnisreich wird also – um bei einem der genannten Beispiele zu bleiben – das Wort „hier“ erst in Kenntnis des Belegenheitsortes des Substantives. Auf die rechtliche Ebene projiziert, ist der Belegenheitsort das systematische Gefüge, in welchem sich der Auslegungsgegenstand verhält. Dieses System besteht dabei nicht nur aus der unmittelbaren Umgebung, sondern in einem letzten Schritt aus der Rechtsordnung selbst mit den fundamentalen Wesensmerkmalen, die sie letztlich über die Verfassungsentscheidungen erhält.22 Gleichsam erschließen sich das gesetzgeberische Systemverständnis und das daraus zu entnehmende Regelungsziel erst bei näherer Betrachtung der jeweiligen Subsysteme. In immer enger werdenden Quadranten sind dies im vorliegenden Fall das Zivilrecht, das Arbeitsrecht, darin das kollektive Arbeitsrecht, das Mitbestimmungsrecht und – in einem letzten Schritt – die mitbestimmungsgesetzlichen Regelungen. Schließlich verbleibt die in Rede stehende Norm selbst: Der Gewerkschaftsbegriff könnte niemals ohne die tatbestandlichen und rechtsfolgenseitigen Regelungsanordnungen der ihn verwendenden Norm verstanden werden.23 Das systematische Verständnis zu ergründen, ist von umso hervorgehobenerer Bedeutung, wenn die Normen – wie hier vorliegend § 7 Abs. 2, 5 MitbestG – regulative 19 S. nur die Betrachtung von Dürig/Herzog/Scholz/Grzeszick, GG, Art. 20 Rn. 154; mit einer eingehenden Auseinandersetzung auch mit den Folgen für die Auslegung von Normen Lepsius, JuS 2018, 950, 953 ff. 20 S. dazu C. Jacobi, Methodenlehre der Normwirkung, S. 345. 21 Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, Rn. 744. 22 Zum Systembegriff ausführlicher Kapitel 1, Abschnitt D. II. 1. 23 S. zu diesem systematischen Verständnis Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, Rn. 745, 777.

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4. Kap.: Der mitbestimmungsgesetzliche Gewerkschaftsbegriff

Überschneidungen zu mehreren Subsystemen aufweisen. Das deutsche Mitbestimmungsrecht und in ihm das MitbestG knüpfen Verbindungen zum Gesellschaftsrecht und befinden sich in vielerlei Hinsicht an dessen Schnittstelle oder reichen gar darüber hinaus. Die durch das Gesetz angeordnete Sitzverteilung in mitbestimmten Aufsichtsräten von Kapitalgesellschaften nach dem sachlichen Anwendungsbereich des § 1 MitbestG beeinflusst die durch AktG, GmbHG und GenG aufgestellten Regeln über die Besetzung und Verteilung der Aufsichtsratsmandate. So finden sich im MitbestG zahlreiche Verweise, die zwingende Änderungen vorsehen.24 Unter dieser Prämisse gilt es, die Regelungsziele in Einklang zu bringen und möglicherweise bestehende systematische Unterschiede angemessen zu berücksichtigen, mit dem Ziel, den bestimmten Bestandteil des Gewerkschaftsbegriffes zu ergründen, wie er von dem MitbestG verwandt wird. Daraus ergibt sich, dass die systembezogene Betrachtung der Norm in ihrem gesetzeseigenen Kontext sowie ihrer Einbettung in das übergeordnete System der Rechtsgebiete Aufschluss über die Regelungsintentionen des Gesetzgebers geben kann. Einschränkungen ergeben sich daraus, dass eine vollumfängliche Systemgerechtigkeit im Sinne einer vollständigen Widerspruchslosigkeit praktisch nicht existiert. Wertungen des Gesetzgebers können unterschiedlich sein, solange sich daraus im Einzelfall keine sich widersprechenden Rechtsfolgen ergeben.25 a) Der Erkenntniswert Für die Auslegung des mitbestimmungsgesetzlichen Gewerkschaftsbegriffes bedeutet dies also die Analyse der entsprechenden intranormativen Systemzusammenhänge neben einer Einbeziehung der systematischen Interdependenzen von Arbeits- und Gesellschaftsrecht. Die Zielsetzungen dieser Rechtsgebiete scheinen prima facie allerdings kaum in Einklang zu bringen sein. Hierfür sprechen die erneuten Reformbestrebungen im Jahre 2006.26 Dennoch war sich bereits der Mitbestimmungsgesetzgeber entsprechender Wechselwirkungen bewusst. So verankerte er explizit das Mitbestimmungsregime in das bestehende Gesellschaftsrecht und die sich daraus für die unter die Mitbestimmung fallenden Gesellschaftsformen ergebenden Unternehmungsverfassungen.27

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Beispielhaft § 1 Abs. 1, sowie §§ 7, 32, 33 Abs. 1 MitbestG. S. oben Kapitel 1, Abschnitt D. II. 1. 26 Ballerstedt, ZGR 1977, 133, 135; Wißmann/Kleinsorge/C. Schubert/Wißmann, Mitbestimmungsrecht, Vorbemerkung Rn. 60; mit Kritik bereits im Vorwort Hoffmann/J. Lehmann/ Weimann, MitbestG, S. V. 27 404. Sitzung des Deutschen Bundesrates v. 5. 4. 1974, S. 112 A; s. auch Ballerstedt, ZGR 1977, 133, 134. 25

A. Die Begriffsfindung im Wege der klassischen Auslegung

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aa) Das MitbestG zwischen Arbeits- und Gesellschaftsrecht Nach allgemeiner Ansicht handelt es sich bei dem Recht der Unternehmensmitbestimmung um zwingendes Sozialordnungsrecht.28 In der Folge sind die mitbestimmungsgesetzlichen Regelungen aus Arbeitnehmerschutzgründen nicht disponibel. Von ihnen kann also weder individualvertraglich durch Satzung noch durch Tarifvertrag negativ abgewichen werden.29 Daraus einen generellen Vorrang des MitbestG oder der darin verankerten arbeitsrechtsspezifischen Grundsatzentscheidungen zu entnehmen, wäre indes verfehlt.30 Im Rahmen der Gesetzgebung sollte das MitbestG nachweislich in das geltende Gesellschaftsrecht eingebettet werden.31 Mithin erfolgt eine Begrenzung von Anwendungsbereich und Wirkung des MitbestG durch die Unternehmensverfassungen der von der Mitbestimmung erfassten Gesellschaftsformen.32 Durch die Verankerung der Arbeitnehmermitbestimmung im Aufsichtsrat bleiben innere Organisation sowie Zuständigkeiten und Befugnisse der übrigen Gesellschaftsorgane unberührt.33 Damit gleichbedeutend ist auch eine Divergenz des Mitbestimmungsgrades in den unterschiedlichen Gesellschaftsformen. Maßgeblich dafür sind die Rechte und Pflichten von Vorstand, Geschäftsführung und Hauptversammlung.34 Unter dem Aspekt des Unternehmensinteresses wurden gesellschaftsrechtliche Konflikte mit den Haftungs- und Verantwortungsregimen bereits angesprochen. Damit verbunden ist auch die Frage der Vereinbarkeit von unternehmerischer Freiheit, welche ihren Ausdruck in der zunächst recht weiten Vertrags- und Satzungsautonomie findet und in der obligatorischen Arbeitnehmerbeteiligung an Unternehmensentscheidungen. Diese Vereinbarkeit sollte grundsätzlich dadurch hergestellt werden, dass die Mitbestimmung nicht im Leitungsor28 Wißmann/Kleinsorge/C. Schubert/Wißmann, Mitbestimmungsrecht, Vorbemerkung Rn. 59. 29 MüKoAktG/Annuß, Band 2, § 1 MitbestG Rn. 38; Habersack/Henssler/Habersack, Mitbestimmungsrecht, Einleitung MitbestG Rn. 38; Hensche, AuR 1971, 33, 34 ff.; Mertens, AG 1982, 141, 148 f.; Raiser/Veil/Jacobs/Raiser, MitbestG/DrittelbG, § 1 MitbestG Rn. 56 f.; GK-MitbestG/Rumpff, Band 1, § 1 Rn. 36; Wißmann/Kleinsorge/C. Schubert/Wißmann, Mitbestimmungsrecht, Vorbemerkung Rn. 59; zum Mitbestimmungsrecht als Arbeitnehmerschutzrecht auch der Bericht der Mitbestimmungskommission, BT-Drs. VI/334, S. 67. 30 Für einen Vorrang der mitbestimmungsgesetzlichen Regelungen GK-MitbestG/Naentrup, Band 1, § 25 Rn. 3 f., 9. Zu dem Verhältnis von Gesellschafts- und Mitbestimmungsrecht eingehend Canaris, DB Beilage zu Heft 14/1981, 1 ff.; Martens, AG 1976, 113, 119 ff.; ders., ZHR 148 (1984), 183 passim, für eine Harmonisierung zur Beantwortung von Einzelfragen S. 198; für Einzelfragen Mertens, ZGR 1983, 189 ff. 31 404. Sitzung des Deutschen Bundesrates v. 5. 4. 1974, S. 112 A; s. auch Ballerstedt, ZGR 1977, 133, 134. 32 Wißmann/Kleinsorge/C. Schubert/Wißmann, Mitbestimmungsrecht, Vorbemerkung Rn. 55. 33 Wißmann/Kleinsorge/C. Schubert/Wißmann, Mitbestimmungsrecht, Vorbemerkung Rn. 55. 34 Ausführlich Wißmann/C. Kleinsorge/C. Schubert/Wißmann, Mitbestimmungsrecht, Vorbemerkung Rn. 55 f.

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4. Kap.: Der mitbestimmungsgesetzliche Gewerkschaftsbegriff

gan, sondern im Aufsichtsrat verankert ist.35 Bereits daraus folgt für den Gewerkschaftsbegriff, dass neben den Aspekten des Arbeitnehmerschutzes, welche im Rahmen des Tarifvertrages die Einschränkungen im Wege der Tariffähigkeit bedingt hatten,36 im Rahmen der Unternehmensmitbestimmung auch die Funktionsfähigkeit dieses Instrumentes berücksichtigt werden muss. Durch die Einbettung der Mitbestimmungsregelungen in die Unternehmensverfassung führt dies zu einer verstärkten Berücksichtigung auch gesellschaftsrechtlicher Regelungsziele, wie z. B. dem Unternehmensinteresse. bb) Das MitbestG als eigenes System (1) Die Verweise auf § 18 Abs. 1 AktG und § 5 Abs. 3 BetrVG Im Rahmen der Konzernzurechnung nach § 5 MitbestG wird der Begriff des Konzerns durch einen expliziten Verweis auf § 18 Abs. 1 AktG definiert.37 Um die mit diesem Verweis einhergehenden normativen Unwägbarkeiten mit denen des Gewerkschaftsbegriffes zu vergleichen, sei im Folgenden ein kurzer konzernrechtlicher Abriss geleistet: Um einen Konzern handelt es sich ungeachtet einer Unterteilung in Unter- und Gleichordnungskonzerne, wenn mehrere Unternehmen unter einer einheitlichen Leitung zusammengefasst sind, § 18 Abs. 1 (für den Unterordnungskonzern) und § 18 Abs. 2 AktG. Zwar ist und war der Konzernbegriff der §§ 17, 18 AktG zumindest in seinen Grundfesten kodifiziert. Eine Auswertung einschlägiger Literatur und Rechtsprechung zeigt jedoch, dass einzelne Begriffsmerkmale noch immer nicht abschließend geklärt sind.38 Gleichwohl orientiert sich die begriffliche Auseinandersetzung mit den Konzernvoraussetzungen und seinen Erscheinungsformen an dem in §§ 17 und 18 AktG normierten Fundament. Die Differenzierung von Unterordnungs- und Gleichordnungskonzernen sowie Vertragskonzernen oder faktischen Konzernen ist in § 18 Abs. 1 und 2 AktG angelegt. Mit Ausnahme der durch Beherrschungsverträge im Sinne des § 291 AktG oder der Eingliederung gem. § 319 AktG verbundenen Unternehmen herrscht Uneinigkeit über die Bedeutung der rechtlichen bzw. wirtschaftlichen Einheit.39 Außerhalb der unwiderleglichen Konzernvermutung, die mit einer Eingliederung im Sinne des § 319 AktG oder einer vertraglichen Beherrschung nach § 291 AktG einhergeht, bzw. der in einer Verknüpfung mit § 17 AktG angelegten widerleglichen Vermutung ist umstritten, welche Anforderungen an das Merkmal der „einheitlichen Leitung“ zu

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Ballerstedt, ZGR 1977, 133, 135. Vertieft Kapitel 1, Abschnitte A. I. 2. sowie A. III. 37 BR-Drs. 200/74, S. 20; BT-Drs. VII/2172, S. 21. 38 Windbichler, Arbeitsrecht im Konzern, S. 12 ff.; zum Konzernbegriff des § 5 MitbestG Kort, NZG 2009, 81 passim. 39 Vgl. Emmerich/Habersack/Emmerich, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, § 18 AktG Rn. 3 ff. 36

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stellen sind.40 Während die Einzelheiten aufgrund der Mannigfaltigkeit der gesellschaftsrechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten in praxi kaum überschaubar sind, hängt die Beantwortung der Streitfrage im Kern davon ob, ob man eine einheitliche Gesamtleitung des Unternehmens durch ein anderes fordert oder eine solche für die Kernbereiche des Unternehmens genügen lassen möchte. Obschon es sich daher sowohl bei dem Konzernbegriff als auch bei dem Gewerkschaftsbegriff um einen unbestimmten Rechtsbegriff handelt, welcher ausgestaltungsbedürftig ist, kann die Legaldefinition in § 5 MitbestG nur bedingt als Parameter für die gesetzgeberseitige Handhabung unbestimmter Rechtsbegriffe per se – des Gewerkschaftsbegriffes in concreto – herangezogen werden. Richtig ist zwar, dass für die Bestimmung einer einheitlichen Leitung weitgehend auf die Einzelfallenscheidungen der Gerichte zurückgegriffen werden muss.41 Diese Rechtsanwendung der Gerichte in Bezug auf den Konzernbegriff erfolgt indes im Wege der Auslegung eines gesetzlich normierten Tatbestandsmerkmals. Mit der einheitlichen Leitung wurde zumindest ein „begriffsbestimmendes“ Tatbestandsmerkmal normiert. Zwar ist fraglich und umstritten, unter welchen Umständen eine solche einheitliche Leitung anzunehmen ist. Das Erfordernis einer solchen ist gleichwohl, welcher Gestalt auch immer, normiert.42 Aus der Perspektive des Mitbestimmungsgesetzgebers entstammten beide Begriffe der Unternehmensmitbestimmung im Ursprung fernen Rechtsgebieten, der Konzernbegriff dem Aktienrecht bzw. im weiteren Sinne dem Konzernrecht und der Gewerkschaftsbegriff zumindest normativ dem TVG, welches die Gewerkschaften in § 2 Abs. 1 TVG für tariffähig erklärt.43 Den Materialien zum TVG lässt sich indes eine gewollte Offenheit des Gewerkschaftsbegriffes entnehmen, die eine Dynamisierung des Begriffes gewährleisten sollte. Somit muss zumindest die Überlegung angestellt werden, dass der Gesetzgeber im Rahmen der Mitbestimmungsgesetzgebung diese Offenheit perpetuiert und sich die aus dieser Offenheit erwachsene richterliche Gesetzgebung für das MitbestG zu eigen gemacht hat. Die daraus folgende Qualifikation als (teilweise) unbestimmten Rechtsbegriff wird in umgekehrter Betrachtung des bestimmten Teiles des Begriffes zu dessen Inhalt. Der Gewerkschaftsbegriff ist als unbestimmter Rechtsbegriff aus dem historisch geprägten Verständnis wirtschaftlicher Vereinigungen von Arbeitnehmern entsprungen und hat als solcher erst später Eingang in die Gesetzesliteratur gefunden. Er obliegt im Gegensatz zu dem allgemeinen Konzernbegriff des Aktiengesetzes keiner gesetz40

Instruktiv zu dieser Streitfrage die Darstellungen bei Emmerich/Habersack/Emmerich, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, § 18 AktG Rn. 8 ff.; Windbichler, Arbeitsrecht im Konzern, S. 13. 41 BGH v. 20. 02. 1989 – II ZR 167/88, NJW 1989, 1800; BGH v. 23. 09. 1991 – II ZR 135/ 90, NJW 1991, 3142; zum Konzernbegriff im DrittelbG BAG v. 15. 12. 2011 – 7 ABR 56/10, AP AktG § 18 Nr. 8. Dasselbe gilt auch für den Begriff der „Abhängigkeit“, s. dazu auch bereits Ulmer, ZGR 1978, 457, 462; im Kontext des Mitbest auch Richardi, Konzernzugehörigkeit eines Gemeinschaftsunternehmens, S. 24 ff. 42 Ulmer, ZGR 1978, 457, 459 ff. mit einer kritischen Darstellung des Abhängigkeitsbegriffes sowie der Frage, ob es sich hierbei um einen einheitlichen Begriff handelt. 43 BAG v. 6. 7. 1956 – 1 AZB 18/55, NJW 1956, 1332.

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4. Kap.: Der mitbestimmungsgesetzliche Gewerkschaftsbegriff

geberischen Umschreibung – weder in Gesetzestexten noch in Gesetzentwürfen oder entsprechenden Materialien. Somit bestehen keine gesetzlichen „Mindesttatbestandsvoraussetzungen“, welche den Begriff in seinem Kerngehalt konkretisieren könnten. Weder das Grundgesetz noch ein einfaches Gesetz enthalten eine Normierung der Tatbestandsvoraussetzungen für das Vorliegen einer Gewerkschaft. Betrachtet man also das Verweisdeklarat im Entwurf aus Rechtssicherheitsgesichtspunkten, hätte noch weniger Bedarf vorgelegen, zu dem Konzernbegriff auszuführen. (2) Die Möglichkeit der Wahlanfechtung Einen weiteren Anknüpfungspunkt für das Begriffsverständnis innerhalb des MitbestG bietet die Anfechtungsberechtigung der Gewerkschaften gem. §§ 22 Abs. 2 Nr. 6, 16 Abs. 2 MitbestG. Durch diesen Verweis auf das ArbGG erlangt der Begriff der Gewerkschaften eine auch außerhalb des MitbestG liegende Relevanz. Eine Anfechtung erfolgt demnach unter Angabe eines „erheblichen Anfechtungsgrundes“ im Sinne von § 22 Abs. 1 MitbestG durch Antrag bei dem nach §§ 2a Abs. 1 Nr. 3, 82 Abs. 1 S. 2 ArbGG zuständigen Gericht.44 An dem Verfahren zu beteiligen sind neben dem Antragssteller die durch den Antrag unmittelbar in ihrer mitbestimmungsrechtlichen Position Betroffenen. Darüber hinaus stets zu beteiligen sind das betreffende Unternehmen, sein Aufsichtsrat und als Anfechtungsgegner diejenigen Mitglieder, deren Wahl angefochten wird.45 Die Gewerkschaften sind nach herrschender Meinung jedoch nur dann zu beteiligen, wenn die Wahl zumindest auch Gewerkschaftsvertreter im Sinne des § 7 Abs. 2 MitbestG betrifft.46 Dass die Anfechtung der Wahl für den Erfolgsfall auch die Wahl von Arbeitnehmervertretern betreffen würde, ist insoweit unschädlich.47 Die Zuständigkeit für die Antragsstellung auf Seiten der Gewerkschaft wird durch die jeweilige Satzung bestimmt.48 Für

44 Wißmann/Kleinsorge/C. Schubert/Wißmann, Mitbestimmungsrecht, § 22 MitbestG Rn. 52, 55. 45 Für letzteres ErfK/Oetker, § 22 MitbestG Rn. 3; Raiser/Veil/Jacobs/Raiser/Jacobs, MitbestG/DrittelbG, § 22 MitbestG Rn. 15; für unerheblich hält diese Einordnung Wißmann/ Kleinsorge/Schuber/Wißmann, Mitbestimmungsrecht, § 21 MitbestG Rn. 25. 46 So auch BAG v. 21. 7. 1993 – 7 ABR 37/92, AP BetrVG § 76 Nr. 29 in Bezug auf die Aufsichtsratswahl nach § 76 BetrVG 1972; Habersack/Henssler/Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 22 MitbestG Rn. 6; Hoffmann/J. Lehmann/Weimann, MitbestG, § 22 Rn. 33; Wißmann/Kleinsorge/C. Schubert/Wißmann, Mitbestimmungsrecht, § 22 MitbestG Rn. 61; gegen eine Beteiligung der Gewerkschaften auch in solchen Fällen LAG Köln v. 20. 4. 2015 – 5 TaBV 6/14, NZA-RR 2015, 513 Rn. 26; Raiser/Veil/Jacobs/Raiser/Jacobs, MitbestG/DrittelbG, § 22 MitbestG Rn. 15. 47 Dies einschränkend ein Änderungsantrag der Fraktion CDU/CSU, BT-Drs. VII/4887, S. 4. Dieser wurde indes abgelehnt, ausweislich BT-Drs. VII/4845, S. 14; s. auch Habersack/ Henssler/Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 22 MitbestG Rn. 6. 48 Für die Betriebsratswahl entsprechend BAG v. 25. 6. 1974 – 1 ABR 68/73, AP BetrVG 1972 § 19 Nr. 3; vgl. auch Habersack/Henssler/Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 22 Mit-

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die prozessuale Vertretung gilt § 11 ArbGG. Demnach sind nach Abs. 2 Nr. 4 u. a. auch Gewerkschaften sowie ihre Mitglieder als Bevollmächtigte vertretungsbefugt. Diese Vertretungsbefugnis spielt jedoch dann keine Rolle, wenn die Gewerkschaft in eigener Sache gem. § 11 Abs. 1 S. 1 ArbGG selbst Partei eines Rechtsstreites ist, da sie in diesem Fall bereits als Partei postulationsfähig ist. Diese Regelung in Zusammenwirken mit § 11 Abs. 1 S. 2 ArbGG ist dann relevant, wenn es um Gewerkschaften geht, deren Tariffähigkeit – und damit nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichtes deren Gewerkschaftseigenschaft – nicht festgestellt ist. Geht man davon aus, dass es sich sodann nicht um eine Gewerkschaft handeln würde, wäre sie nur nach § 11 Abs. 1 S. 1 ArbGG befugt, in eigener Sache vor Gericht zu verhandeln. Die Ausnahme des § 11 Abs. 1 S. 2 i. V. m. Abs. 2 ArbGG sowie die Prozessvertretungsbefugnis nach § 11 Abs. 2 ArbGG würden sie sodann jedoch daran hindern, darüber hinaus in eigener bzw. fremder Sache tätig zu werden. Das Bundesarbeitsgericht geht damit einhergehend auch für sich konsequent davon aus, dass ein Anfechtungsverfahren im Hinblick auf eine Aufsichtsratswahl dann ausgesetzt wird, wenn Gegenstand der Anfechtung ist, dass es sich bei einem vorschlagenden Verband nicht um eine Gewerkschaft handelt. In einem solchen Fall müsse darüber zunächst in einem Verfahren nach § 2a Abs. 1 Nr. 4, 97 ArbGG befunden werden.49 Ein solches Vorgehen ist unter Zugrundelegung des einheitlichen Gewerkschaftsbegriffes konsequent. In welcher Form der Gewerkschaftsbegriff des TVG auch in § 11 ArbGG einschlägig ist, kann und soll hier nicht weiter ausgeführt werden. Im MitbestG selbst und gerade in § 22 MitbestG finden sich wiederum keine Verweise auf das ArbGG und die darin enthaltenen Regelungen über die Prozessbefugnisse. Über die Anfechtungen der Aufsichtsratswahl wird durch die Arbeitsgerichte gem. § 2a Nr. 3, Abs. 2 ArbGG im Beschlussverfahren nach den üblichen Regeln des arbeitsgerichtlichen Verfahrens entschieden. Somit gelten auch die Regeln über Beteiligten-, Prozess- und Postulationsfähigkeit. Diesen bloß stillen Verweis könnte der Gesetzgeber somit in Anerkenntnis des auch den prozessualen Regelungen zugrunde gelegten einheitlichen Gewerkschaftsbegriffes getätigt haben. Auch das ArbGG spricht – mit einigen Ausnahmen50 – von Gewerkschaften. So auch in § 10 S. 1 1. Hs. ArbGG, der die Partei- bzw. Beteiligtenfähigkeit regelt.51 Dass § 2a Abs. 1 Nr. 4 ArbGG gerade nicht von Gewerkschaften, sondern von „Vereinigungen“ spricht, ist kein Argument für ein einheitliches Gewerkschaftsverständnis. Dort geht es gerade um die Bedeutung der Tariffähigkeit für den tarifrechtlichen Gewerkschaftsbegriff. Eine Anknüpfung des Mitbestimmungsgesetzgebers an ein einheitliches Begriffsverständnis kann jedoch gerade mit Verweis auf § 10 S. 1 2. Hs. ArbGG nicht auf die Beteiligten- bzw. Parteifähigkeit der Gewerkschaften gestützt bestG Rn. 6; Wißmann/Kleinsorge/C. Schubert/Wißmann, Mitbestimmungsrecht, § 22 MitbestG Rn. 48. 49 So auch BAG v. 14. 12. 2004 – 1 ABR 52/03, AP TVG § 2 Tariffähigkeit Nr. 1. 50 So z. B. von „Vereinigungen“ in § 2a Abs. 1 Nr. 4 ArbGG. 51 Zur Parallelität s. BAG v. 29. 11. 1989 – 7 ABR 64/87, AP ArbGG 1979 § 10 Nr. 3; Däubler/Hjort/M. Schubert/Wolmerath/Henssen/Gerretz, Arbeitsrecht, § 10 ArbGG Rn. 10.

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4. Kap.: Der mitbestimmungsgesetzliche Gewerkschaftsbegriff

werden. § 10 S. 1 2. Hs. ArbGG wurde durch das MitbestG52 dergestalt ergänzt, dass – verkürzt – auch die nach dem MitbestG beteiligten Personen und Stellen für Beschlussverfahren über die Wahl der Arbeitnehmervertreter in den Aufsichtsrat beteiligtenfähig sind. „Stellen“ in diesem Sinne sind korporative Personenmehrheiten. Die zum Teil geforderte Ausstattung mit betriebsverfassungsrechtlichen Rechten53 wird allenfalls für Fälle des § 10 S. 1 2. Hs. Var. 1 ArbGG vorausgesetzt werden können.54 Unter Anwendung der übrigen Definition handelte es sich somit im mitbestimmungsgesetzlichen Kontext um korporative Personenmehrheiten mit mitbestimmungsgesetzlichen Kompetenzen. Eine Tariffähigkeit darüber hinaus ist gerade nicht Voraussetzung einer „Stelle“ im Sinne des § 10 S. 1 2. Hs ArbGG. Damit können wenigstens auch Vereinigungen, die nicht im Sinne des § 10 S. 1 1. Hs ArbGG tariffähig und damit Gewerkschaften sind, von ihrem Recht nach § 22 Abs. 2 Nr. 6 MitbestG Gebrauch machen. Ob die dort genannten Gewerkschaften also beteiligtenfähig nach § 10 S. 1 1. Hs oder 2. Hs ArbGG sind, entscheidet der Mitbestimmungsgesetzgeber mangels ausdrücklicher Verweisung gerade nicht. Für diese Einordnung kann auch der bereits erwähnte Beschluss des Bundesarbeitsgerichtes vom 19. September 2006 herangezogen werden. In der dortigen Entscheidung sprach das Gericht einer Vereinigung auf der Grundlage seines einheitlichen Gewerkschaftsverständnisses die Gewerkschaftseigenschaft wegen mangelnder Tariffähigkeit ab.55 Die Vereinigung hatte die Zulassung zur Betriebsversammlung nach § 46 Abs. 1 BetrVG verlangt, welche nur Gewerkschaften gewährt wird. Im entsprechenden Verfahren hatte es die Vereinigung jedoch unabhängig davon als „Stelle“ im Sinne des § 10 S. 1 2. Hs ArbGG für beteiligtenfähig erklärt.56 (3) Das Doppelstimmrecht gem. § 29 MitbestG Gem. § 29 Abs. 1 MitbestG bedürfen die Beschlüsse des Aufsichtsrates der Mehrheit der Stimmen (einfache Mehrheit), §§ 27, 31, 32 MitbestG enthalten abweichende Bestimmungen. § 29 Abs. 2 MitbestG betrifft die Konstellation der Stimmgleichheit (Pattsituationen). Obschon der Abstimmungsgrundsatz nach § 108 AktG übernommen wird, gilt ein Beschluss nach § 29 Abs. 2 MitbestG in solchen Situationen nicht automatisch als abgelehnt. Vielmehr hat der Aufsichtsratsvorsitzende in solchen Fällen nach der zweiten Stimmgleichheit ein doppeltes Stimmrecht. 52 Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer v. 4. 5. 1976, BGBl. I 1976, S. 1153, S. 1164. 53 So sehr pauschal Däubler/Hjort/M. Schubert/Wolmerath/Henssen/Gerretz, Arbeitsrecht, § 10 ArbGG Rn. 10. 54 So auch der von den Autoren unter der vorigen Fußnote angeführte Beschluss des BAG v. 19. 9. 2006 – 1 ABR 53/05, NZA 2007, 518 Rn. 18 u. a. mit Verweis Germelmann/Matthes/ Müller-Glöge/Prütting/Matthes, ArbGG, 5. Auflage, § 10 Rn. 19, 21; ebenso in der aktuellen Auflage Germelmann/Prütting/Matthes/Schlewing/Dickerhof-Borello, ArbGG, § 10 Rn. 19, 21; s. auch Düwell/Lipke/Dreher, ArbGG, § 10 Rn. 17 f. 55 BAG v. 19. 9. 2006 – 1 ABR 53/05, NZA 2007, 518 Rn. 36. 56 BAG v. 19. 9. 2006 – 1 ABR 53/05, NZA 2007, 518 Rn. 17.

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Diese Bestimmung ist nicht dispositiv, sodass von ihr nicht kraft Satzung, Geschäftsordnung oder anderer normativ- oder schuldrechtlich wirkender Vereinbarungen abgewichen werden kann.57 Teilweise wird jedoch erwogen, das Doppelstimmrecht über den Wortlaut des § 29 Abs. 2 MitbestG hinaus sowohl für Verfahrens- als auch für Sachfragen zuzulassen. Begrenzt sein soll es jedoch auf solche Verfahrens- oder Sachfragen, die unter ermessensfester Abwägung zum Wohle des Unternehmens keinen Aufschub gebieten.58 Gegenläufig wird in Betracht gezogen, ein Doppelstimmrecht über den Gesamtaufsichtsrat auch auf Ausschüsse zu erweitern.59 Unabhängig davon führt jedoch dieses Doppelstimmrecht gerade in Pattsituationen zu einer Unterparität der Arbeitnehmervertreter, welche im Rahmen der Gesetzgebung als „Quasiparität“ bezeichnet wurde, da sie nur im Einzelfall zu einem Stimmübergewicht der Anteilseignerseite führt. Diese systematische Lösung erwuchs aus einer Abwägungsentscheidung zugunsten der Funktionsfähigkeit des Unternehmens60 und schwächt daher bereits normativ die mögliche Durchsetzungskraft der Arbeitnehmerseite inkl. der Gewerkschaftsvertreter. Im Zusammenwirken mit sich aus dem Aktienrecht ergebenden Beschlussvorschriften konzipieren sie damit eine kooperative Verhandlungsbasis, da sie einem gleichrangigen Antagonismus bereits prima facie entgegenstehen. Eigenschaften der Gewerkschaften, die eine Druckausübungsfähigkeit bedingen sollen, laufen damit im Einzelfall leer. (4) Kein Quorum für Gewerkschaftsvertreter gem. § 16 MitbestG Für die Arbeitnehmervertreter, die nicht als Gewerkschaftsvertreter in den Aufsichtsrat gewählt werden, besteht gem. § 15 Abs. 2 Nr. 1 bzw. 2 MitbestG das Erfordernis eines entsprechenden zahlenmäßigen Quorums. Begründet wurde dies damit, auf diese Weise eine gewisse Ernsthaftigkeit der Kandidatur sicherzustellen.61 Dies könnte dahingehend interpretiert werden, dass auf diese Weise eine qualitative Gleichstellung der Arbeitnehmervertreter mit den Gewerkschaften erfolgen sollte, für die kein Quorum erforderlich ist.62 Voraussetzung wäre jedoch, dass sich darüber hinaus die quorenhaft zusammengefassten Arbeitnehmergruppen und die Gewerkschaften vollständig oder zu57 Grundlegend zur Dispositivität von Mitbestimmungsvorschriften und dem Abschluss von Mitbestimmungsvereinbarungen in Abweichung zum Gesetzesrecht Jacobsen, Vereinbarungen über Mitbestimmungsfragen im Konzern, passim. 58 MitbestG 1976 Praxiskommentar/Föhr, § 29 Rn. 10. 59 MitbestG 1976 Praxiskommentar/Föhr, § 29 Rn. 10. 60 S. der Regierungsentwurf in BT-Drs. VII/2172, S. 28; s. auch MitbestG 1976 Praxiskommentar/Föhr, § 29 Rn. 2 m. w. N. 61 230. Sitzung des Deutschen Bundestages v. 18. 3. 1976, S. 16025 C. 62 Zu der entsprechenden Wahrnehmung der am Gesetzgebungsverfahren Beteiligten s. später Abschnitt A. I. 3. dieses Kapitels mit der historischen Auslegung.

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4. Kap.: Der mitbestimmungsgesetzliche Gewerkschaftsbegriff

mindest überwiegend gleichen. Das ist jedoch gerade nicht der Fall. Nicht nur handelt es sich bei den Arbeitnehmergruppen sodann nach wie vor um betriebs- bzw. unternehmensinterne Vertreter der Arbeitnehmer. Hinzu kommt, dass es sich allein aufgrund der im Sinne eines Quorums zusammengebrachten Arbeitnehmer nicht um eine Koalition oder auch nur eine Vereinigung handeln wird. Allein die Zusammenfassung zu einem Zweckverbund durch eine Unterschriftenliste genügt nicht, um über die Schwelle einer ad-hoc-Zusammenkunft hinwegzuhelfen. Im Rahmen der Redlichkeit könnte man sogar argumentieren, dass die Existenz der Verbindung mit der Abgabe der Stimme oder gar der Unterzeichnung des Wahlvorschlages ihr Ende findet. Damit soll freilich nicht unterstellt werden, dass sodann eine von Egoismus geleitete Vertretung von Eigeninteressen Einzug hält. Dennoch fehlt es mangels Rückverknüpfung an einer legitimatorisch wirkenden Nachhaltigkeit der Verbindung. Das Quorum ist daher eher dahingehend zu verstehen, über einen numerischen Rückhalt hinaus auch eine inhaltliche Projektion des Interessenbildes zu ermöglichen. Rückschlüsse auf die Gewerkschaftsmerkmale lassen sich indes aus dieser systematischen Differenzierung nicht ziehen. Insbesondere kann die wortgleiche Vorschrift des § 14 Abs. 5 BetrVG nicht herangezogen werden, da die Unterzeichnungspflicht eine Wahlverfahrensvorschrift darstellt, die insofern §§ 26 Abs. 2 S. 1 WO 1, 28 Abs. 2 S. 1 WO 2, 28 Abs. 2 S. 1 WO 3 MitbestG gleicht.63 (5) Das Vertretensein der Gewerkschaftsvertreter nach § 7 Abs. 5 MitbestG In § 7 Abs. 5 MitbestG wird die Wählbarkeit der Gewerkschaftsvertreter aufgrund ihres Vorschlagsrechtes auf solche Gewerkschaften beschränkt, die in einem Unternehmen vertreten sind. Die wortgleich aus § 2 Abs. 2 und § 17 Abs. 4 BetrVG übernommene Formulierung legt zunächst nahe, dass es sich hierbei nicht um eine tatbestandliche Konkretisierung des Gewerkschaftsbegriffes, sondern um eine Voraussetzung für das den Gewerkschaften zustehende Vorschlagsrecht handelt.64 Da das Merkmal des Vertretenseins einer Gewerkschaft wie auch im BetrVG für das MitbestG nicht qualifiziert wird,65 stützt sich die überwiegende Literatur auf die oben aufgeführten Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichtes zum Vertretensein im BetrVG.66 Die herrschende Meinung geht daher davon aus, dass das auf die Auslegung des auf § 16 BetrVG 1952 zurückgehende Verständnis des Vertretenseins aufgrund der Gleichläufigkeit der Begriffe auch für die Gewerkschaften nach dem

63 S. zu § 14 Abs. 5 BetrVG nur Richardi/Thüsing, BetrVG, § 14 Rn. 50: „verfahrensmäßige Bestimmung“. 64 S. hierzu Kapitel 3, Abschnitt A. II. 2. c) aa) (1). 65 So auch Feudner, DB 1995, 2114, 2115, der annimmt, die Formulierung sei erstmals in das BetrVG 1952 aufgenommen und sodann vom BetrVG 1972 sowie dem MitbestG 1976 übernommen worden. 66 Kapitel 3, Abschnitt A. II. 2. c) aa) (1); s. zu den Voraussetzungen vertieft Kapitel 4, Abschnitt A. I. 3. d) ee) (2).

A. Die Begriffsfindung im Wege der klassischen Auslegung

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MitbestG gelten muss.67 Ausgehend von dem gleichen Wortlaut besteht ein Anschein zugunsten eines gleichlautenden Verständnisses. Sprachgebräuchliche Erwägungen können ebenso übertragen werden wie das Erfordernis der Legitimation.68 Die systematischen Differenzen zwischen BetrVG und MitbestG können indes nicht von der Hand gewiesen werden. Insbesondere aufgrund der betriebsverfassungsbezogenen Argumentation des Bundesarbeitsgerichtes stellt sich die Frage, ob der Begriffsinhalt auf das MitbestG anwendbar ist.69 Zwar wurde das auf der Grundlage des § 16 BetrVG 1952 begründete Auslegungsergebnis mit der Begründung einer wortlosen Übernahme durch den Gesetzgeber auf das BetrVG in der Fassung von 1972 und sodann 2004 übertragen. Die systematische Konnexität zwischen dem BetrVG 1952 und dem BetrVG 1972 ist dennoch stärker als diejenige zwischen dem BetrVG 1952 und dem MitbestG aus dem Jahre 1976. Aus diesem Grunde müssen wohl an ein etwaiges beredtes Schweigen des Gesetzgebers in letzterem Fall strengere Anforderungen gestellt werden. Der betriebsverfassungsbezogene Rekurs innerhalb der Auslegung des Merkmals ist zunächst außerdem rein normhistorischchronologischer Natur, ohne einen Schluss darauf zulassen zu wollen, dass der jeweilige historische Gesetzgeber mit dem Willen handelte, den durch die Rechtsprechung als „Ersatzgesetzgeber“ gefüllten Begriffsinhalt in die neue Norm zu übernehmen.70 Ein abweichendes Verständnis könnte sich daher daraus ergeben, dass die Einschränkung in einem engen systematischen Zusammenhang mit den Wählbarkeitsvoraussetzungen der Arbeitnehmervertreter erfolgt. Dennoch lassen sich aus der Systematik keine Anhaltspunkte entnehmen, die für ein von dem BetrVG abweichendes Verständnis sprechen. Vor allem der Verzicht auf das Erfordernis der Quoren für Gewerkschaftsvertreter spricht für eine klare Entscheidung des Gesetzgebers, nicht begrifflich, sondern aufgrund von Zugangsbeschränkungen zwischen internen Arbeitnehmervertretern und Gewerkschaftsvertretern zu differenzieren. Im Ergebnis bestehen damit für die Gewerkschaftsvertreter keine einschränkenden Wählbarkeitsvoraussetzungen. Die systematische Betrachtung der §§ 15, 16 MitbestG legt überdies nahe, dass die Gewerkschaftseigenschaft selbst keine Wählbarkeitsvoraussetzung für die Vertreter ist.71

67 Im Ansatz bereits Feudner, DB 1995, 2114; ebeso Grunsky, AuR 1990, 105, 106; im Ergebnis auch Kasseler Handbuch/Klinkhammer, Band 2, 7.1 Rn. 76. 68 S. zum Legitimationserfordernis Kapitel 3, Abschnitte B. II. 1. und 2. 69 Ohne nähere Ausführungen für eine Übertragbarkeit BayObLG, AG 2005, 350 2. b) bb); unter Berufung auf eine synonyme Begriffsverwendung, Feudner, DB 1995, 2114. 70 So aber wohl Feudner, DB 1995, 2114, 2115; ebenso wohl auch ohne nähere Begründung P. Hanau/Ulmer/P. Hanau, MitbestG, § 7 Rn. 45; Hoffmann/J. Lehmann/Weimann, MitbestG, § 16 Rn. 21 unter Verweis auf das BetrVG; Wißmann/Kleinsorge/C. Schubert/ Wißmann, Mitbestimmungsrecht, § 7 MitbestG Rn. 56. 71 So wohl auch BAG v. Rn. 29; Habersack/Henssler/Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 24 MitbestG Rn. 5; Wißmann/Koberski/C. Schubert/Wißmann, Mitbestimmungsrecht, § 24 MitbestG Rn. 8; a. A. wohl Raiser/Veil/Jacobs/Raiser/Jacobs, MitbestG/DrittelbG, § 7 MitbestG Rn. 22 f.

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4. Kap.: Der mitbestimmungsgesetzliche Gewerkschaftsbegriff

(6) Die Beschlussfassung und die Gleichheit der Mandatsträger Das Verfahren der Beschlussfassung richtet sich nach den aktienrechtlichen Vorgaben der §§ 95 ff. AktG. Aus ihnen ergibt sich im Zusammenwirken mit § 25 MitbestG die Gleichheit aller Mandatsträger unabhängig von ihrer interessensbezogenen „Lagerzuordnung“. Zur Beschlussfassung genügt gem. § 29 Abs. 1 MitbestG die einfache Mehrheit, höhere Mehrheitsverhältnisse können aufgrund des sozialordnungsrechtlichen Charakters des MitbestG nicht durch Satzung vorgesehen werden.72 Ex § 29 Abs. 2 MitbestG ergibt sich nicht nur die stimmenmäßige Gleichberechtigung der Mitglieder, sondern auch ihre stimmenmäßige Gleichwertigkeit. In einer Zusammenschau ergibt sich daher, dass über die Eigenschaft als Aufsichtsratsmitglied hinaus die Gleichheit der Mandatsträger etwaige Druckausübungs- oder Mächtigkeitsvoraussetzungen abdingbar macht. Die Einflussnahmemöglichkeit der Gewerkschaftsvertreter wird durch ihr persönliches Stimmrecht sowie die Mehrheitsverhältnisse beschränkt. b) Das Auslegungsergebnis: Kein systematisches Erfordernis der Tariffähigkeit Weder die Gesamtsystematik des MitbestG noch der systematische Kontext einzelner Normen kann einen klaren Aufschluss über das Verständnis des Gesetzgebers geben. Das MitbestG sollte ausweislich entsprechender Aussagen in das bestehende Gesellschaftsrecht integriert werden. Systematische Zusammenhänge zum TVG wurden zu keinem Zeitpunkt hergestellt. Verknüpfungen mit dem BetrVG sind zwar vorhanden, sie können aber – legt man den Gewerkschaftsbegriff des TVG zugrunde – als Sekundärquelle des Gewerkschaftsbegriffes abseits eines einheitlichen Verständnisses nicht herangezogen werden. Eine Betrachtung der gesetzesinternen Systematik – insbesondere der durch § 25 Abs. 3 MitbestG vermittelten praktischen Quasiparität – begründet indes Zweifel an einem gleichlaufenden Gewerkschaftsverständnis. Das Erfordernis der Tariffähigkeit ist, wie bereits gesehen, vordergründig funktional begründet. Sie wird zur Herstellung und Garantie einer Waffengleichheit benötigt, um sodann die Richtigkeitsgewähr zu rechtfertigen. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes führt dieses Erfordernis auch zu dem begrifflichen Automatismus einer Verknüpfung von Gewerkschaftseigenschaft und Tariffähigkeit. Schlussendlich ist also der Gewerkschaftsbegriff des TVG, der sodann als Grundlage des einheitlichen Begriffsverständnisses dient, der Funktionserhaltung der Tarifautonomie geschuldet. Diese ist sodann auch Inhalt der Institutionsgarantie des Art. 9 Abs. 3 GG, sodass sie verfassungsrechtlich verankert und ihre Gewährleistung durch Einrichtung wie Erhaltung dem einfachen Gesetzgeber aufgegeben ist. Nicht nur ist nach diesseitiger Ansicht neben der Tarifautonomie auch die wirtschaftliche Beteilung der Arbeitnehmer in Art. 9 Abs. 3 GG verankert, sodass auf den Schutzbereich der Tarifautonomie im Zuge der Unter72

S. nur ErfK/Oekter, § 108 AktG Rn. 8; Grigoleit/Tomasic, AktG, § 108 Rn. 17, 20.

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nehmensmitbestimmung nicht zurückgegriffen werden muss.73 Auch diejenigen Stimmen, die eine verfassungsrechtliche Verankerung der Unternehmensmitbestimmung in der Koalitionsfreiheit des Art. 9 Abs. 3 GG ablehnen, sehen zwischen Unternehmensmitbestimmung und Tarifautonomie ein – wenn auch hierarchisch differenzierendes – Parallelitätsverhältnis. Damit kann die Funktionalität der Tarifautonomie aber auch nicht zur Rechtfertigung eines begriffsgeleiteten Eingriffes in Art. 9 Abs. 3 GG herangezogen werden. Überdies legt die Systematisierung und die Konzeption des MitbestG, angefangen mit dem Nominationsrecht, über die Beteiligung am Aufsichtsrat bis hin zu entsprechenden Beteiligungsrechten kein Erfordernis einer Herstellung von Parität zum Zwecke des Ausfechtens auf Antagonismus ausgelegter Interessenkonflikte nahe. Nicht nur unterliegt die Tätigkeit des Aufsichtsrates ganz augenscheinlich dem Ideal der interessenheteronomen Kooperation, die darin ihr konfrontatives Bewenden hat, dass das Verständnis des allgegenwärtigen Unternehmensinteressen und dessen Verwirklichung im Ursprung ein anderes sein kann.74 Auch würde das Bestreben zur Herstellung von Parität an der gesetzlichen Normierung des Doppelstimmrechtes des Aufsichtsratsvorsitzenden stets zumindest hypothetisch scheitern. Es leuchtet nicht ein, warum die Herstellung absoluter Gleichheit und Gleichberechtigung der Interessenvertretungen mittels des Tariffähigkeitserfordernisses (unterstellt man einmal seine diesbezügliche Tauglichkeit) angestrebt werden soll, nachdem bereits im Gesetzgebungsverfahren gerade diese absolute Parität zugunsten der Funktionsfähigkeit des Unternehmens aufgegeben wurde.75 3. Die Historie Die Entstehungsgeschichte bezeichnet diejenigen historischen Umstände und Gegebenheiten, die zum Zeitpunkt der Gesetzgebung vorherrschten und sodann den Gesetzgeber möglicherweise im Rahmen seiner Gesetzgebung beeinflusst haben könnten.76 Aufschlussreich können in diesem Zusammenhang insbesondere historische Berichte sein, die einen Abriss der politischen und sozioökonomischen Lage geben. Die faktuale Entstehungsgeschichte, wie sie objektiv nachweisbar als historischer Zeitraum besteht bzw. zum Zeitpunkt der Gesetzgebung bestand, kann indes nur in dem Maße relevant sein, in dem sie es für den Gesetzgeber war.77 Dies kann allerdings erst durch Exegese der Gesetzesmaterialien festgestellt werden.78 73

S. dazu die Herleitung in Kapitel 3, Abschnitt A. I. S. oben Kapitel 3, Abschnitt A. II. 2. c) bb) (2). 75 S. oben Kapitel 4, Abschnitt A. I. 3. b) aa). 76 Bereits v. Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Band 1, S. 252 f.; ebenso Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, Rn. 780 ff., 790. 77 Heck, AcP 112 (1914), 1, 29, 114 f.; ders., Begriffsbildung und Interessenjurisprudenz, S. 106 ff. 78 In der Literatur so bereits die „Paktentheorie“ grundlegend v. Wächter, Pandekten, Band 1, S. 134; Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, Rn. 790; darstellend Honsell, Histori74

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4. Kap.: Der mitbestimmungsgesetzliche Gewerkschaftsbegriff

Deren Bindungswirkung wird dabei zwar uneinheitlich bewertet.79 Als Kommunikator der normorientierten Reaktion des Gesetzgebers auf einen regelungsbedürftigen Sachverhalt sind sie in ihrer Bedeutung für die Auslegung jedoch von der objektiven Entstehungsgeschichte zu unterscheiden.80 Erst in ihrem Zusammenwirken bilden Materialien und historischer Kontext den historischen Normzweck ab.81 Etwaige Fehleinschätzungen des Gesetzgebers – wie z. B. ex post von der Prognose abweichende Sachverhalte – sind daher im Rahmen der Auslegung irrelevant.82 Sie gewinnen allenfalls im Rahmen einer Rechtsfortbildung wieder an Bedeutung.83 Somit bildet die Entstehungsgeschichte einen entscheidenden Baustein in der methodischen Differenzierung zwischen Auslegung und Rechtsfortbildung – Rechtsanwendung und Rechtssetzung:84 Nur durch eine Rechtsfortbildung können explizite Abweichungen vom Willen des Gesetzgebers vorgenommen werden.85 In diesem Sinne soll nachfolgend die Entstehungsgeschichte des MitbestG zunächst in einen gesamthistorischen Kontext gebracht werden, um im Anschluss das Gesetzgebungsverfahren als Anknüpfungspunkt der Materialienauswertung zu betrachten. a) Die Entstehungsgeschichte aa) Die Diskussion um die Erweiterung der Unternehmensmitbestimmung Bei den ersten Legislativakten auf dem Gebiet der Unternehmensmitbestimmung handelte es sich noch um Zugeständnisse der Arbeitgeber im Rahmen des Wiederaufbaus der Bundesrepublik nach den Zerstörungen des Zweiten Weltkrieges.86 Die Montanmitbestimmung war auf die Zweige des Bergbaus sowie der Eisen- und sche Argumente, S. 54; beispielhaft zur Rolle der Materialien in der bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung BVerfG v. 25. 1. 2011 – 1 BvR 918/10, NJW 2011, 842; BVerfG v. 3. 7. 2012 – 2 PbvU 1/11, NVwZ 2012, 1239, 1242; zuletzt auch BVerfG v. 27. 1. 2015 – 1 BvR 471/10 u. a., NJW 2015, 1359, 1367. 79 Streng ablehnend zuletzt Reichel, Gesetz und Richterspruch, S. 68; gegen eine Konsultationspflicht Cosack/Mitteis, Bürgerliches Recht, Band 1, S. 29; vermittelnd Bierling, Prinzipienlehre, Band 4, S. 277; Grüneberg/Grüneberg, Einleitung Rn. 45 „[in der Regel] zu befolgen“; Staake, JURA 2011, 177, 181; Thiessen, Die Wertlosigkeit der Gesetzesmaterialien, in: Fleischer, Mysterium „Gesetzesmaterialien“, S. 45, 74; Waldhoff, FS Isensee 2007, S. 325, 329 f. 80 Frieling, Gesetzesmaterialien, S. 39; ebenso wohl aufgrund der Definition von Historie und Entstehungsgeschichte Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, Rn. 780 ff. 81 Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, Rn. 793. 82 A. A. Bierling, Prinzipienlehre, Band 4, S. 276. 83 S. dazu Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, Rn. 794. 84 Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, Rn. 788, 793. 85 Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, Rn. 794. 86 Raiser/Veil/Jacobs/Raiser, MitbestG/DrittelbG, Einleitung MitbestG Rn. 4; s. auch Schüren, Legitimation der tariflichen Normsetzung, S. 159; zum Verhandlungsverlauf detailliert Boldt, RdA 1951, 169, 170.

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Stahlindustrie beschränkt, eine Ausweitung auf weitere Wirtschaftssektoren oder gar eine vollumfängliche Unternehmensmitbestimmung war zu diesem Zeitpunkt nicht vorgesehen.87 Sie sollte in der Folge dennoch als stetiges systematisches wie funktionales Vorbild für die spätere Gesetzgebung zum MitbestG dienen.88 So führte bereits die Mitbestimmungskommission erhebliche evidenzbasierte Erhebungen zu den Erfahrungen der Montanmitbestimmung durch, und auch die Regierungsparteien beriefen sich immer wieder auf den Erfolg des MontanMitbestG. Vorstöße für eine branchenunabhängige Erweiterung der Mitbestimmung kamen schließlich von den Gewerkschaften im Wege von Gesetzentwürfen „über die Mitbestimmung von Arbeitnehmern im Großunternehmen und Großkonzern“ in den Jahren 1960 und 1968.89 Sowohl 1960 als auch 1961 äußerte sich der DGB auch im Rahmen seiner Stellungnahmen zu der Reform des Aktiengesetzes zur Unternehmensmitbestimmung.90 Im Vordergrund seines Mitbestimmungsmodelles stand die Idee der Demokratisierung der Unternehmensverfassung als Repräsentation der „Wirtschaft“ als solcher. Es sah hierzu eine dreifache Abstufung des Mitbestimmungsregimes nach Größe und damit einhergehend der Bedeutung der Unternehmen vor: „Mammutunternehmen“ sollten ein Mitbestimmungsparlament zusammenstellen, welches über die maßgeblichen Fragen des Unternehmens entscheiden würde. Darunter sollte in großen und mittelgroßen Unternehmen eine Mitbestimmung nach der erweiterten qualifizierten Mitbestimmung erfolgen, wie sie bereits Gegenstand der rechtlichen Diskussion war. Für kleinere Unternehmen sollte es bei der betrieblichen Mitbestimmung bleiben.91 Die Reform der Mitbestimmung war drei Jahre später erneut – diesmal in konkreterer Form – Gegenstand des sog. Düsseldorfer Grundsatzprogrammes.92 Auch die DAG beschäftigte sich auf ihrem

87 Boldt, RdA 1951, 169 unter Verweis auf Aussagen des Bundeskanzlers Konrad Adenauer; vgl. auch die Stellungnahme des Bundesministers für Arbeit Arendt im Rahmen des Mitbestimmungsgesetzgebungsverfahrens in der 404. Sitzung des Deutschen Bundesrates v. 5. 4. 1974, S. 111 C. Eindrücklich zur politischen Kontroverse der Montanmitbestimmung Stalmann, „… sozial gleichgewichtig neben freiheitlich undnational stellen“? Die Sozialpolitik der FDP 1949 – 1969, in: Conze/Geppert/Scholtysek/Seefried, Jahrbuch zur Liberalismus-Forschung 2017, S. 241, 246 ff. 88 So wurde das Merkmal des Vertretenseins der Gewerkschaften bereits in der Montanmitbestimmung ausgiebig diskutiert: 117. Sitzung des Deutschen Bundestages v. 14. 2. 1951, S. 4453 A; 129. Sitzung des Deutschen Bundestages v. 4. 4. 1951, S. 4901 D. 89 DGB-Entwurf eines Gesetzes über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer in Grußunternehmen und Großkonzernen, 1960/1968 teilw. abgedruckt in: Schwerdtfeger, Mitbestimmung in privaten Unternehmen, Nr. 8; ebenso DGB, Mitbestimmung, S. 14; s. auch Biedenkopf, RdA 1970, 129 f.; Nagel, Unternehmensmitbestimmung, S. 30, 33; MüHbArbR/Uffmann, Band 4, § 368 Rn. 4. 90 S. dazu O. Kunze, WWI-Mitteilungen 1961, S. 1 passim; Spieker, AuR 1962, 291, 297. 91 DGB, Mitbestimmung, S. 22; GK-MitbestG/Fabricius, Band 1, Einleitung I Rn. 44 f. 92 Abgedruckt in: Programmatische Dokumente des Deutschen Gewerkschaftsbundes, S. 9 ff.; s. zum Inhalt der Forderungen auch DGB, Mitbestimmung, passim; Entwurf eines Gesetzes über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer in Großunternehmen und Großkonzernen

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4. Kap.: Der mitbestimmungsgesetzliche Gewerkschaftsbegriff

zehnten Bundeskongress mit der Frage der paritätischen Mitbestimmung.93 In ähnlicher Weise knüpfte auch die SPD in einem ihrer Gesetzentwürfe an die Bedeutung des Unternehmens an, indem sie neben der Größe auch andere Faktoren in die Bestimmung des Anwendungsbereiches einbeziehen wollte.94 bb) Erste gesetzgeberische Ansätze Konkreter wurden die Bestrebungen zur Erweiterung der Unternehmensmitbestimmung sodann im Jahre 1968, als die damalige Große Koalition unter der Kanzlerschaft Kurt Georg Kiesingers diese Frage einer Sachverständigenkommission zur Prüfung zuleitete.95 In Anbetracht der durch die Neuwahlen bedingten verkürzten Legislaturperiode96 wurde die neue sozial-liberale Koalition unter Willy Brandt über eine Stellungnahme im Jahre 197097 hinaus in ihrer ersten Amtszeit nicht mehr tätig. Im Vordergrund stand zunächst die Stärkung der betrieblichen Mitbestimmung, aus der schließlich 1972 die Novelle des BetrVG hervorging.98 Im Vorlauf der Bundestagswahl im November 1972 wurden die Rufe nach einer wirtschaftszweigübergreifenden Mitbestimmung wieder lauter und in der Folge auch von den Parteien aufgegriffen.99 Besonders die Gewerkschaften forderten zudem erneut eine umfassende paritätische Mitbestimmung auf Unternehmensebene.100 Dies lag zunächst einmal daran, dass aufgrund schwindenden Wirtschaftswachstums in denjenigen Industriezweigen, die nach dem Zweiten Weltkrieg noch den Wiederaufbau maßgeblich getragen hatten, die Montanmitbestimmung im gesamtwirtschaftlichen Vergleich immer weiter an Bedeutung verlor.101 Zugleich sahen die Gewerkschaften (Mitbestimmungsgesetz), abgedruckt in: DGB, Mitbestimmung 1983, 130 ff.; s. dazu auch Badura, Paritätische Mitbestimmung, S. 29 f. 93 DAG, Programm der DAG zur Gesellschaftspolitik, Beschluss des 10. Bundeskongresses der Deutschen Angestelltengewerkschaft im Oktober 1971, S. 12 ff. 94 BT-Drs. V/3657. 95 BT-Drs. VI/334. 96 Nach dem Rücktritt Ludwig Erhards übernahm Kurt Georg Kiesinger als Bundeskanzler die Regierungsverantwortung in der ersten Großen Koalition der Bundesrepublik Deutschland v. 1. 12. 1966 bis zum 20. 10. 1969 – geschäftsführend bis zum 22. 10. 1969. 97 BT-Drs. VI/1551. 98 Nagel, Unternehmensmitbestimmung, S. 33; Stollreither, Mitbestimmung, S. 221. 99 Beispielhaft genannt seien die Forderungen aus dem Berliner Parteiprogramm der CDU in der 2. Fassung v. 1971, Nr. 72, abgedruckt in: Hergt, Parteiprogramme, Sonderauflage 1973, S. 133; sowie aus dem Wahlprogramm der SPD v. 13. 10. 1972, abgedruckt in: Hergt, Parteiprogramme, Sonderauflage 1973, S. 88 f.; s. auch Kasseler Handbuch/Klinkhammer, Band 2, 7.1 Rn. 41 ff.; Wißmann/Kleinsorge/C. Schubert/Wißmann, Mitbestimmungsrecht, Vorbemerkung Rn. 15; mit einer eingehenden Nachzeichnung auch Bundesarbeitsminister Arendt (SPD) in der 110. Sitzung des Deutschen Bundestages v. 20. 6. 1974, S. 7461 C f. 100 So beispielhaft FAZ Nr. 248 v. 25. 10. 1972, S. 5; FAZ Nr. 269 v. 18. 11. 1972, S. 21; so auch Eugen Loderer im Interview mit Herles/Schwarzer, SZ Nr. 263 v. 15. 11. 1972, S. 11. 101 Von Seiten des Gesetzgebers wollte man dem zunächst mit dem Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Ergänzung über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer in den Aufsichtsräten

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auf dem Gebiet der betrieblichen Mitbestimmung einige Lücken, die auch die BetrVG-Novelle von 1972 nicht hatte schließen können.102 Eine von dem Wirtschaftszweig losgelöste Erweiterung der Unternehmensmitbestimmung sollte diesen Defiziten nun abhelfen. Diese knüpfte neben einer Anzahl von mindestens 2.000 Arbeitnehmern auch an die Bilanzsumme des Unternehmens (ab 75 Millionen DM) sowie an den Jahresumsatz (ab 150 Millionen DM) an. Im weiteren Verlauf erweiterte der DGB über seinen Vorsitzenden Heinz Vetter die Forderungen dahingehend, dass auch öffentliche Unternehmen wie Bahn und Post einer Mitbestimmung unterliegen sollten.103 Entsprechend äußerte sich auch der IG Metall-Vorsitzende Eugen Loderer in der Presse.104 Dieser Vorstoß sollte im Verlauf die Einigung über ein Mitbestimmungsgesetz nachhaltig erschweren, da er besonders von den Oppositionsparteien als erneuter Versuch einer sozialistisch geprägten Vergesellschaftung der Privatwirtschaft verstanden wurde.105 Die SPD schloss sich diesen Forderungen inhaltlich überwiegend an und übernahm sie auch als Wahlversprechen in ihr Parteiprogramm.106 FDP sowie CDU/CSU standen dem Vorhaben zwar nicht gänzlich ablehnend, aber doch aufgrund der vorgeschlagenen Modalitäten einigermaßen kritisch gegenüber.107 CDU und CSU sahen ein Übergewicht der Anteilseiger im Aufsichtsrat vor sowie eine Loslösung des Arbeitsdirektors im Vorstand von der Gunst der Gewerkschaften.108 Die FDP sah ebenso eine numerische Überzahl der

und Vorständen der Unternehmen des Bergbaus und der Eisen und Stahl erzeugenden Industrie vom 27. 4. 1967, BGBl. I 1967, S. 505 – als „1. lex Rheinstahl“ bekannt – sowie dem Gesetz über die befristete Fortgeltung der Mitbestimmung in bisher den Mitbestimmungsgesetzen unterliegenden Unternehmen vom 29. 11. 1971, BGBl. I 1971, S. 1857 – „2. lex Rheinstahl“ – beikommen; zur „ 1. lex Rheinstahl“ als unzulässiges Einzelfallgesetz BVerfG v. 7. 5. 1969 – 2 BvL 15/67, NJW 1969, 1203. Zur Erosion der Mitbestimmung auch Kasseler Handbuch/ Klinkhammer, Band 2, 7.1 Rn. 31; Nagel, Unternehmensmitbestimmung, S. 32 f.; MüHbArbR/Uffmann, Band 4, § 368 Rn. 4; Wißmann/Kleinsorge/C. Schubert/Wißmann, Mitbestimmungsrecht, Vorbemerkung Rn. 16. 102 DGB-Aktionsprogramm v. 1972, teilw. abgedruckt in: Schwerdtfeger, Mitbestimmung in privaten Unternehmen, Nr. 20; DGB, Mitbestimmung, S. 12 ff.; Stollreither, Mitbestimmung, S. 221. 103 Stollreither, Mitbestimmung, S. 222. 104 FAZ Nr. 248 v. 25. 10. 1972, S. 5; Eugen Loderer im Interview mit Herles/Schwarzer, SZ Nr. 263 v. 15. 11. 1972, S. 11; s. auch Stollreither, Mitbestimmung, S. 222. 105 Vgl. nur die Redebeiträge in der 110. Sitzung des Deutschen Bundestages v. 20. 6. 1974, S. 7470 C, D, 7510 B; dahingehend kritisch auch Egon Lampersbach, in: Niederschrift des 22. CDU-Bundesparteitages, S. 308; im Sinne einer „Machtfrage“ Biedenkopf, Merkur 1973, 897, 898. 106 S. nur die Stellungnahme der Bundesregierung zum Bericht der Mitbestimmungskommission, BT-Drs. VI/1551; Nagel, Unternehmensmitbestimmung, S. 33; Stollreither, Mitbestimmung, S. 221. 107 Dies folgt bereits aus den zusammenfassenden Darstellungen von Stollreither, Mitbestimmung, S. 222 f.; für die FDP der nordrhein-westfälische Wirtschafts- und Finanzminister Horst-Ludwig Riemer in FAZ Nr. 249 v. 26. 10. 1972, S. 4. 108 Stollreither, Mitbestimmung, S. 222, 223.

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Anteilseigner vor wie auch eine stärkere Vertretung der leitenden Angestellten.109 Ausführlich setzte sie sich mit den Grundsätzen der Unternehmensmitbestimmung in ihren „Freiburger Thesen“ auf dem Parteitag im Oktober 1971 auseinander.110 Im Besonderen distanzierten sie sich in diesem Zusammenhang von etwaigen kommunistisch geprägten Ideen des Klassenkampfes.111 cc) Der Weg zum Gesetzgebungsverfahren In der Regierungserklärung Willy Brandts am 18. Januar 1973 wurde das Bestreben zur Erweiterung der Unternehmensmitbestimmung auch unter Fortführung der sozial-liberalen Koalition aus FDP und SPD verdeutlicht. Dies war ob der zuvor betonten Kompromissbereitschaft beider Seiten wenig überraschend, blieb aber dennoch zunächst unkonkret.112 Unter der Hervorhebung von sozialstaatlicher Ordnung und Mitverantwortung wurde die Ausweitung der Mitbestimmung zu einer gewichtigen Priorität der kommenden Legislaturperiode erhoben.113 Trotz einiger wesentlicher Differenzen schien ein Kompromiss der Regierungsparteien jedoch bereits zu diesem Zeitpunkt ausweislich einiger medialer Äußerungen nicht außer Sichtweite.114 Besondere Streitpunkte waren insgesamt die Mehrheitsverhältnisse – das heißt die Frage nach numerischer bzw. Stimmparität, die Beteiligung Außenstehender als Mandatsträger und damit verbunden die Frage der Wahrnehmung öffentlicher Interessen sowie schließlich die Berücksichtigung der leitenden Angestellten und ihre Rolle als Vertreter der Arbeitnehmer.115 Erschwert wurden die Verhandlungen darüber hinaus nicht nur durch zunächst unüberbrückbar erscheinende Differenzen der Koalitionspartner, sondern auch durch innerparteiliche Meinungsverschiedenheiten. Während der linke Flügel der SPD mithilfe der Mitbestimmung einen ersten Schritt in Richtung einer Verstaatlichung von Großunter-

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Sowohl das erste „Maihofer-Modell“ als auch das „Riemer-Modell“ sahen die leitenden Angestellten als „dritte Kraft“ vor, beide teilw. abgedruckt in: Schwerdtfeger, Mitbestimmung in privaten Unternehmen, Nr. 26 resp. 27. 110 Flach/Maihofer/Scheel, Freiburger Thesen der Liberalen, passim.; s. auch Nagel, Unternehmensmitbestimmung, S. 33; Wißmann/Kleinsorge/C. Schubert/Wißmann, Mitbestimmungsrecht, Vorbemerkung Rn. 19. 111 FAZ Nr. 249 v. 26. 10. 1972, S. 4; Stollreither, Mitbestimmung, S. 223. 112 So Brandt selbst in der 7. Sitzung des Deutschen Bundestages v. 18. 1. 1973, S. 131 D. 113 7. Sitzung des Deutschen Bundestages v. 18. 1. 1973, S. 131 D; Stollreither, Mitbestimmung, S. 224. 114 FAZ Nr. 249 v. 26. 10. 1972, S. 4; Stollreither, Mitbestimmung, S. 223. Inhaltlich zu den Differenzen Raiser/Veil/Jacobs/Raiser, MitbestG/DrittelbG, Einleitung MitbestG Rn. 33; diese sah zuletzt auch noch Bundesarbeitsminister Arendt (SPD), in der 110. Sitzung des Deutschen Bundestages v. 20. 6. 1974, S. 7462 A. 115 Zusammenfassend Stollreither, Mitbestimmung, S. 224, 230 f.

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nehmen gehen wollte,116 gingen Teile der FDP mit einem Vorschlag aus dem Jahre 1973 einen Schritt auf Gewerkschaften und SPD zu.117 Ihr Vorschlag sah eine paritätische Vertretung von Anteilseignern und Arbeitnehmern sowie eine (geringere) Beteiligung der leitenden Angestellten vor. Dieser Vorschlag bildete sodann auch den Anstoß für den „Kompromissvorschlag“ des FDP-Sonderministers Maihofer:118 Dieser sah eine 6:6:2- statt zuvor 5:5:2-Zusammensetzung des Aufsichtsrates vor.119 Aus der Kann-Vorschrift zum Vertretensein von Gewerkschaften wurde eine verpflichtende Beteiligung durch zwei Vertreter der Gewerkschaften auf der Seite der Arbeitnehmer.120 Die entsprechende Auseinandersetzung interpretierten die Interessengruppen je nach Einstellung und Lager recht unterschiedlich. Während die Gewerkschaften von einem paritätischen Modell ähnlich der Mitbestimmung ausgingen,121 verstand die Unternehmer- bzw. Arbeitgeberseite die Aussagen in die Richtung, dass unter Mitwirkung der FDP lediglich ein Modell mit mehrheitlich anteilseignerseitiger Beteiligung in Betracht käme.122 Nachdem sich die CDU bereits Jahrzehnte zuvor in ihrem „Ahlener Programm“ grundsätzlich für eine paritätische Mitbestimmung ausgesprochen hatte,123 folgte im Jahre 1973 in Reaktion auf die Regierungserklärung vom Januar desselben Jahres eine Einschränkung dahingehend, die Parität der Mitbestimmung zwar numerisch zu verankern, von ihr jedoch zugunsten der Funktionsfähigkeit des Unternehmens im Stimmgewicht bzw. der Stimmanzahl abzuweichen.124 Als stärkste Stimme der Opposition formulierte sie in dieser Zeit mehrere eigene Modelle.125 Zwar sah auch

116 Heigert, SZ Nr. 88 v. 14./15. 4. 1973, S. 4; FAZ Nr. 19 v. 23. 1. 1974, S. 4; das lässt sich auch dem Programm des Bundeskongresses der Jungsozialisten entnehmen, um Teil abgedruckt in: Bergdoll, SZ Nr. 21 v. 25. 1. 1974, S. 9; Stollreither, Mitbestimmung, S. 232. 117 Stollreither, Mitbestimmung, S. 233. 118 FAZ Nr. 51 v. 1. 3. 1973, S. 1; Stollreither, Mitbestimmung, S. 233. 119 Als „Verhandlungsgrundlage“, s. FAZ Nr. 51 v. 1. 3. 1973, S. 1. 120 FAZ Nr. 51 v. 1. 3. 1973, S. 1; Stollreither, Mitbestimmung, S. 233 f. 121 So wohl das Verständnis des bayr. DGB-Chefs Rothe nach SZ Nr. 20 v. 25. 1. 1973, S. 19. 122 Kritisch Leicht, SZ Nr. 16 v. 20./21. 1. 1973, S. 4; Stollreither, Mitbestimmung, S. 225. 123 Programmatische Erklärung des Zonenausschusses der CDU für die britische Zone auf der Tagung v. 1.–3. Februar 1947 in Ahlen, S. 17 (abrufbar unter https://www.kas.de/c/docu ment_library/get_file?uuid=0bd1a22b-ecf9-fdf2-7390-3fb8d3312b13&groupId=252038, zuletzt abgerufen am 14. 11. 2022). 124 Niederschrift des 22. CDU-Bundesparteitages, S. 512 ff.; dahingehend auch noch einmal Kurt Biedenkopf in seinem Vortrag bei der Katholischen Akademie Bayern am 9. 12. 1973, abgedruckt in: Hergt, Parteiprogramme, 6. Auflage, S. 219. 125 Boettcher/Hax/Kunze/v. Nell-Breuning/Ortlieb/Preller, Unternehmensverfassung als gesellschaftspolitische Forderung, S. 150; v. Nell-Breuning, FS Kronstein 1967, S. 47 ff., insbesondere S. 58 ff.; Raiser/Veil/Jacobs/Raiser, MitbestG/DrittelbG, Einleitung MitbestG Rn. 31; Wißmann/Kleinsorge/C. Schubert/Wißmann, Mitbestimmungsrecht, Vorbemerkung Rn. 20; mit einer ausführlichen Darstellung auch Stollreither, Mitbestimmung, S. 234 ff.

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sie die Mitbestimmung als mit ihrer parteipolitischen Grundlinie vereinbar an.126 Die daraus folgenden Vorschläge divergierten indes in einem sehr wesentlichen Punkt von denen der anderen Parteien: Die Arbeitnehmermitbestimmung sollte durch eine Novellierung der Unternehmensverfassung verwirklicht werden.127 Im Rahmen einer grundlegenden Neuordnung der Organisation von Kapitalgesellschaften sollten den Aufsichtsräten mehr Kompetenzen auf dem Gebiet der Unternehmensführung übertragen werden. Zu diesem Zwecke würden nach dem Vorbild des anglo-amerikanischen Boardsystems Unternehmens- bzw. Verwaltungsräte über die betriebswirtschaftliche Ausrichtung des Unternehmens entscheiden.128 Diese Räte sollten sodann aus Anteilseignern, Arbeitnehmervertretung und dem sog. Management bestehen. Junge Union wie CGB schlossen sich diesem Vorschlag zumindest dem Grunde nach an.129 Besonders letzterer pochte jedoch verschärft auf eine Arbeitnehmervertretung durch Arbeitnehmer und Gewerkschaften nach den Grundsätzen einer Wahl.130 Die Konzepte der CDU-Sozialausschüsse und der Jungen Union divergierten lediglich in den Modalitäten der Wahl. Letztere setzte sich für eine Urwahl ein. Zudem knüpfte auch sie die Mitbestimmung neben der Größe des Unternehmens – bestimmt durch die Anzahl der Beschäftigten – an ökonomische Parameter: Bilanzsumme und Umsatz.131 Es folgten vereinzelte abgewandelte Vorstöße von CDUBezirkssvorständen,132 bis schließlich Kurt Biedenkopf – ehemaliger Leiter der Sachverständigenkommission – im Sommer 1973 einen modifizierten Vorschlag vorlegte.133 Demnach sollten die Anteilseigner, Arbeitnehmer und leitenden Angestellten in einem Verhältnis von 6:4:2 vertreten sein. Innerhalb der Arbeitnehmervertretung sollten zwei unternehmensinterne Arbeitnehmer Mandate erhalten, während die übrigen zwei Mandate auf Nominierungen von Gewerkschaften beruhen sollten. Erstmals beschäftigte sich ein Modellvorschlag darüber hinaus mit der Auflösung möglicher Pattsituationen. Für „wichtige Unternehmensentscheidungen“ sollte entweder den Anteilseignern ein Letztentscheidungsrecht zukommen oder 126 S. den Antrag des Bundesvorstandes der Sozialausschüsse der CDA, abgedruckt in: Gewerkschaftsreport des Instituts der Deutschen Wirtschaft (7) 1973, Nr. 9, S. 14, 15. 127 Gewerkschaftsreport des Instituts der Deutschen Wirtschaft (7) 1973, Nr. 9, S. 14, 15; Stollreither, Mitbestimmung, S. 235 f.; Vollmer, Entwicklung partnerschaftlicher Unternehmensverfassungen, S. 26; v. Voss, Das Mitbestimmungsmodell der CDU, in: Konrad-Adenauer-Stiftung, Partnerschaft und Parität, S. 9, 22; ders., Mitbestimmung in der Gesamtwirtschaft, in: Konrad-Adenauer-Stiftung, Partnerschaft und Parität, S. 79, 91 ff; s. auch GKMitbestG/Fabricius, Band 1, Einleitung I Rn. 441 ff. 128 So der Vorschlag der Sozialausschüsse der CDA zum Düsseldorfer Programmparteitag der CDU im Jahre 1971 teilw. abgedruckt bei Schwerdtfeger, Mitbestimmung in privaten Unternehmen, Nr. 24; Stollreither, Mitbestimmung, S. 235 f. 129 Gewerkschaftsreport des Instituts der Deutschen Wirtschaft (7) 1973, Nr. 10, S. 13 – 15. 130 Gewerkschaftsreport des Instituts der Deutschen Wirtschaft (7) 1973, Nr. 9, S. 16 ff. 131 Gewerkschaftsreport des Instituts der Deutschen Wirtschaft (7) 1973, Nr. 10, S. 13 – 15; Stollreither, Mitbestimmung, S. 237. 132 Gewerkschaftsreport des Instituts der Deutschen Wirtschaft (7) 1973, Nr. 10, S. 14 ff.; mit Details Stollreither, Mitbestimmung, S. 237 f. 133 Stollreither, Mitbestimmung, S. 239.

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aber der Vorstand (erweiterte) Handlungsfreiheit erhalten.134 Während freilich bei sämtlichen Modellen – insbesondere solchen, die eine „echte“ Stimmparität der Bänke vorsahen – Pattlösungsmechanismen relevant werden mussten, löste die Idee Biedenkopfs sowohl parteiintern und -extern als auch bei Gewerkschaften erhebliche Kritik aus.135 Ein solch weiches Auflösungsinstrument im Sinne eines Stichentscheides verkürze die Arbeitnehmermitbestimmung auf eine leere Hülle.136 Angestoßen durch den Vorschlag Biedenkopfs brachten in der Folgezeit der Vorsitzende des CDU-Landesverbandes Rheinland,137 die Junge Union138 wie auch die CSU139 weitere Modelle in die Diskussion ein. Die Diskussion innerhalb der CDU/CSU sollte schließlich auf dem Bundesparteitag in Hamburg vom 18. – 20. November des Jahres 1973 ihr Ende finden.140 Auch in diesem Rahmen wurde noch einmal Kritik an dem Mitbestimmungsmodell der Regierungsparteien geübt. Es führe zu einer Machtmonopolisierung durch eine Fusion von wirtschaftlicher und staatlicher Macht, da die Vermögensbildung der Arbeitnehmer zu Lasten der privaten Wirtschaft gehe. Dies sei letztlich eine Verstaatlichung des ökonomischen Kapitals nach sozialistischem Vorbild.141 In eigener Sache setzte sich in einer Abstimmung schließlich das Modell des CDU-Vorstandes gegen dasjenige der Sozialausschüsse durch. Es sah eine Verteilung von sechs Vertretern der Anteilseigner auf Arbeitgeberseite sowie fünf Arbeitnehmervertretern und einem leitenden Angestellten auf Arbeitnehmerseite vor.142 Die interne Organisation der Gesellschaften sollte zunächst nicht angetastet werden und später Gegenstand einer umfassenden Unternehmensrechtsreform werden.143 Die Kritik an diesem Mitbestimmungsmodell – insbesondere aus den Reihen der Gewerkschaften – konzentrierte sich im Wesentlichen auf eine fehlende Parität und die damit im Besonderen verbundene fehlende abschließende Entscheidungserheblichkeit bei Stimmgleichheit.144

134 Wißmann/Kleinsorge/C. Schubert/Wißmann, Mitbestimmungsrecht, Vorbemerkung Rn. 20. 135 Stollreither, Mitbestimmung, S. 239 f. 136 Stollreither, Mitbestimmung, S. 239 f. 137 Stollreither, Mitbestimmung, S. 240. 138 S. dazu auch Luda, in: Niederschrift des 22. CDU-Parteitages, Stollreither, Mitbestimmung, S. 240. 139 FAZ Nr. 228 v. 1. 10. 1973, S. 3; Stollreither, Mitbestimmung, S. 240 f. 140 Niederschrift des 22. CDU-Bundesparteitages, passim. 141 Bereits Helmut Kohl in seiner Rolle als Parteivorsitzender in: Niederschrift des 21. CDU-Parteitages, S. 95. 142 S. Norbert Blüm im Gespräch mit dem Spiegel Nr. 42/1973, 36 ff. 143 Stollreither, Mitbestimmung, S. 242 f.; zu einem entsprechenden Reformvorschlag der Jungen Union S. Handelsblatt Nr. 218 v. 12. 11. 1975, S. 4. 144 Eine ausführliche Darstellung des Meinungsbildes findet sich bei Nagel, Unternehmensmitbestimmung, S. 34; Stollreither, Mitbestimmung, S. 243.

300

4. Kap.: Der mitbestimmungsgesetzliche Gewerkschaftsbegriff

b) Das Gesetzgebungsverfahren In der Koalitionsvereinbarung vom 22. Januar 1974 erreichten SPD und FDP schließlich eine Einigung in der Mitbestimmungsfrage.145 Diese bildete einen hart umkämpften Kompromiss der Regierungsparteien, deren Auffassungen bis zu diesem Zeitpunkt ausweislich ihrer Programme und Thesen (s. o.) weit voneinander entfernt gelegen hatten.146 Die SPD zeigte sich enttäuscht darüber, das Ziel der vollumfänglichen Parität nicht konsequent durchgesetzt zu haben. Die FDP wiederum bedauerte die Aufgabe einiger ihrer Ideen aus den „Freiburger Thesen“.147 aa) Der Entwurf als Kompromiss Im Grundsatz sollten auf den 20-köpfigen Aufsichtsrat je zehn Mandate auf Arbeitnehmer und Anteilseigner entfallen. Innerhalb der Arbeitnehmervertretung sollten drei Vertreter von Seiten der im Unternehmen vertretenen Gewerkschaften vorgeschlagen werden. Innerhalb der verbleibenden sieben Sitze sollten sich je mindestens ein Arbeiter, ein Angestellter und ein leitender Angestellter finden. Als Pattlösung war für die zweite Abstimmung ein Stichentscheid des Vorsitzenden vorgesehen.148 Trotz der numerisch paritätischen Sitzverteilung erntete der Vorschlag erneut Kritik. Aus den „eigenen“ Reihen stellte sich die FDP gegen eine Wahl via Wahlmänner und setzte sich erneut für eine Direktwahl ein.149 Die Oppositionsparteien – allen voran CDU und CSU – kritisierten auch diesen überarbeiteten Entwurf scharf.150 Im Wesentlichen ging es um die Rolle der Gewerkschaften sowohl in der Debatte als auch in dem nun entworfenen Mitbestimmungsmodell. Nach Auffassung Biedenkopfs könnten die Gewerkschaften nun frei über die arbeitnehmerseitige Besetzung der Aufsichtsratsbank bestimmen und sie vor allem von einer entsprechenden Verbandsmitgliedschaft abhängig machen. Die Arbeitnehmer selbst hätten kein Mitspracherecht bei der Mandatsvergabe.151 Nicht nur bestünde aus

145

Mit einer Darstellung FAZ Nr. 19 v. 23. 1. 1974, S. 16; deskriptiv auch FAZ Nr. 19 v. 23. 1. 1974, S. 1; Nagel, Unternehmensmitbestimmung, S. 33. 146 230. Sitzung des Deutschen Bundestages v. 18. 03. 1976, S. 15997 C; Raiser/Veil/Jacobs/Raiser, MitbestG/DrittelbG, Einleitung MitbestG Rn. 33; Stollreither, Mitbestimmung, S. 231 ff., 252; SZ Nr. 29 v. 4. 2. 1974, S. 5. 147 E. Vetter, FAZ Nr. 20 v. 24. 1. 1974, S. 1. 148 Vorsitzender und Stellvertreter sollten mit eine Zweitdrittelmehrheit gewählt werden. Sofern diese nicht zustande kam, sollte ein turnusmäßiger Wechsel zwischen Arbeitnehmerund Anteilseignerseite erfolgen, s. Stollreither, Mitbestimmung, S. 245. 149 So die FDP Rheinland-Pfalz in FAZ Nr. 25 v. 30. 1. 1974, S. 7. 150 FAZ Nr. 20 v. 24. 1. 1974, S. 1, 5; Nagel, Unternehmensmitbestimmung, S. 37; Stollreither, Mitbestimmung, S. 262; zusammenfassend auch die Stellungnahme des Berichterstatters Hellmann zu der Arbeit des federführenden Ausschusses für Arbeit und Sozialpolitik, 404. Sitzung des Deutschen Bundesrates v. 5. 4. 1974, S. 110 B ff. 151 FAZ Nr. 20 v. 24. 1. 1974, S. 1, 5; Stollreither, Mitbestimmung, S. 261 f.

A. Die Begriffsfindung im Wege der klassischen Auslegung

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diesem Grunde keine Parität, diese hätte sich gar zulasten der Anteilseigner verschoben.152 bb) Die Kritik der Sozialpartner Ähnliche Einwände wurden auch aus aus der freien Wirtschaft angebracht. Insgesamt ging es bei der Bewertung des Paritätsgrundsatzes erwartungsgemäß darum, ob der Entwurf abzulehnen sei, gerade weil er eine Parität gewährleiste oder eben gerade nicht. Insofern wurde die Stimmungslage der politischen Parteien gespiegelt.153 Der DGB forderte erneut numerische wie Stimmparität und sah in dem Stimmentscheid über die letzte Instanz der Hauptversammlung lediglich eine versteckte Rückführung der Letztverantwortlichkeit an die Anteilseigner. Er verwies in diesem Zuge noch einmal auf die Erfahrungen mit der Montanmitbestimmung und die Rolle des dort vorgesehenen „neutralen Mannes“. Durch die Zuweisung der Arbeitnehmerrolle an die leitenden Angestellten würde den Arbeitnehmern zudem ein Teil des Managements zugeschoben, welches die vermeintlich paritätische Sitzverteilung weiter verwässere. Dieser Kritikpunkt finde Rückhalt in der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes, welches den Zweck des § 5 Abs. 3 BetrVG, auf welchen der Regierungsentwurf Bezug nahm, darin gesehen habe, die Interessen zwischen Arbeitgeber – in gewisser Weise sodann vertreten durch leitende Angestellte – und Arbeitnehmer auszugleichen.154 Schließlich sei der Anwendungsbereich des Gesetzes mit einer Mindestzahl von 2.000 Arbeitnehmern zu gering.155 Weniger harsch fiel die Kritik der DAG aus, welche lediglich die Sonderrolle der leitenden Angestellten im Rahmen der Arbeitnehmervertreter in Frage stellte.156 Die leitenden Angestellten selbst sorgten sich wiederum um ihre Unabhängigkeit von der Gunst der größeren Gewerkschaften.157 Auch die Unternehmerseite konnte dem Entwurf wenig abgewinnen.158 Sie sah die Handlungsfreiheit der Unternehmen durch einen paritätischen Aufsichtsrat gefährdet. Die unternehmerischen Tätigkeiten würden im Falle fehlender Kompromissbereitschaft zum Stillstand kommen und auf diese Weise ein Unternehmen funktionsunfähig machen. In diesem Zusammenhang kritisierte der Präsident des BDA Hanns Martin Schleyer vor allem die Rolle der Gewerk152

Stollreither, Mitbestimmung, S. 262; mit ähnlichen Bedenken bereits 1967 Biedenkopf, FS Kronstein 1967, S. 79 ff.; mit dieser Einschätzung auch Schleyer, Das soziale Modell, S. 224. 153 Vetter, DDB 1974, 105; SZ Nr. 62 v. 14. 3. 1974, S. 25. 154 BAG v. 5. 3. 1974 – 1 ABR 19/73, AP BetrVG 1972 § 5 Nr. 1 [III. 3. d)]; Vetter, DDB 1974, 105. 155 Stollreither, Mitbestimmung, S. 247. 156 Stollreither, Mitbestimmung, S. 247 f. 157 FAZ Nr. 20 v. 24. 1. 1974, S. 11; SZ Nr. 20 v. 24. 1. 1974, S. 2; Stollreither, Mitbestimmung, S. 248. 158 FAZ Nr. 25 v. 30. 1. 1974, S. 1; SZ Nr. 20 v. 24. 1. 1974, S. 2; FAZ Nr. 20 v. 24. 1. 1974, S. 11.

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4. Kap.: Der mitbestimmungsgesetzliche Gewerkschaftsbegriff

schaften.159 Sie hätten bereits im zurückliegenden Verfahren sämtliche ihrer Forderungen durchsetzen können und sich so in gewisser Weise auch in der späteren Aufsichtsratsarbeit als Zünglein an der Waage gerieren können. Damit würde dem Einfluss der Gewerkschaften auf die Schicksale der Unternehmen zu viel Raum gelassen, während deren Funktionsfähigkeit erheblich eingeschränkt würde.160 Auf diese Weise hätte auch eine Politisierung der Mitbestimmung Einzug gehalten, durch die sich die Gewerkschaften in der Folge eine erhebliche Machtposition verschafft hätten. Eine Parität sei allenfalls durch ein Übergewicht gewerkschaftlicher Vertretung zu besorgen.161 Dieser Stellungnahme schloss sich auch der BDI an, welcher nicht nur mögliche Pattsituationen und ihren Einfluss auf die Funktionsfähigkeit des Unternehmens fürchtete, sondern dem Entwurf auch einen wesentlichen sozialistischen Einschlag entnahm.162 Kurt Biedenkopf bezeichnete die Wahlmodalitäten als „Meisterwerke gesetzlich geregelter Wahlmanipulation“.163 Die Arbeitgeberverbände BDA und BDI wehrten sich indes kategorisch gegen den Vorschlag. cc) Verhandlungen und Beschluss des Gesetzes Nachdem erste Entwurfsversuche erfolglos geblieben waren,164 wurde der erste Entwurf des MitbestG165 mit einigen Änderungen166 im Vergleich zum Koalitionspapier am 22. Februar 1974 dem Bundesrat zugeleitet. Der Ausschuss für Arbeit und Sozialordnung beriet in seiner 337. Sitzung. Er hielt das Gesetz zum einen für zustimmungspflichtig, zum anderen gab er die Empfehlung ab, Pattsituationen zugunsten eines Übergewichtes der Anteilseigner ohne die Zuhilfenahme der Hauptversammlung zu lösen.167 Außerdem gebe der Beschluss des Bundesarbeitsgerichtes vom 5. März 1974 Anlass, die Beteiligung der leitenden Angestellten vertieft in den Blick zu nehmen.168 Die Bundesländer Baden-Württemberg, Bayern, RheinlandPfalz, Saarland und Schleswig-Holstein stellten am 3. April den Antrag, der Bundesrat solle aufgrund verschiedener Mängel dem Entwurf seine erforderliche Zu159

Schleyer, Das soziale Modell, S. 224. BDA-Präsident Hanns-Martin Schleyer, in FAZ Nr. 25 v. 30. 1. 1974, S. 1; Stollreither, Mitbestimmung, S. 248. 161 Stollreither, Mitbestimmung, S. 258. 162 Vetter, DDB 1974, 105; Stollreither, Mitbestimmung, S. 259. 163 SZ Nr. 20 v. 24. 1. 1974, S. 2. 164 So spricht der Vertreter des Landes Rheinland-Pfalz Geissler im Rahmen der 404. Sitzung des Deutschen Bundesrates v. 5. 4. 1974, S. 116 B von Entwürfen die vom 31.1., 13.2. sowie dem 20. 2. 1974 datierten. 165 BR-Drs. 200/74. 166 Im Wesentlichen dargestellt bei Stollreither, Mitbestimmung, S. 249 ff. 167 Ziffer 2. der Empfehlungen der Ausschüsse, BR-Drs. 200/1/74, S. 3; zum Inhalt der parlamentarischen Beratungen und insbesondere der dort angebrachten Kritikpunkte P. Hanau, FS Friauf 1996, S. 621, 630 f. 168 Ziffer 1 der Empfehlungen der Ausschüsse, BR-Drs. 200/1/74, S. 2. Gemeint ist die Entscheidung des BAG v. 5. 3. 1974 – 1 ABR 19/73, AP BetrVG 1972 § 5 Nr. 1. 160

A. Die Begriffsfindung im Wege der klassischen Auslegung

303

stimmung verweigern und der Bundesregierung empfehlen, den Entwurf in dieser Form nicht in den Bundestag einzubringen.169 Die Mehrheit der Mitglieder des Bundesrates stimmte im Rahmen der Sitzung am 5. April170 für diesen Antrag, sodass der Bundesrat die Empfehlung abgab, den Entwurf in dieser Form zurückzunehmen.171 Am 29. April wurde der Gesetzentwurf der Bundesregierung in den Bundestag eingebracht. Die erste Lesung des Entwurfes am 20. Juni des Jahres 1974172 endete mit dem Beschluss, den Entwurf zur weiteren Beratung und Bearbeitung dem Ausschuss für Arbeit und Sozialordnung federführend zu überweisen.173 Dieser setzte sich im Zeitraum von Oktober bis Dezember des Jahres 1974174 kritisch mit dem Entwurf auseinander. Im Ergebnis beantragte er am 23. Februar 1976, der Bundestag wolle den Entwurf mit den entsprechend vorgenommenen Änderungen annehmen.175 Die Anpassungen griffen vor allem die Kritikpunkte des Bundesrates sowie des Ausschusses auf, indem die Möglichkeit der Urwahl (§ 9 Abs. 2 MitbestG) und die Zweitstimme des Aufsichtsratsvorsitzenden als Pattauflösungsmechanismus (§ 29 Abs. 2 MitbestG) eingeführt wurden.176 § 7 Abs. 2, 4 MitbestG wurde dergestalt umgefasst, dass die Gewerkschaftsvertreter nunmehr nicht mehr „vertreten sind“, sondern vertreten sein müssen.177 Den Bundesrat durchlief das Gesetz am 9. März 1976, ohne dass an dem angezeigten Zustimmungsbedürfnis festgehalten worden wäre.178 Ein Änderungsantrag der CDU/CSU vom 16. März 1976 für eine grundsätzliche Einführung der unmittelbaren Wahl sowie gegen das verpflichtende Vorschlagsrecht der Gewerkschaften fand in der zweiten und dritten Lesung des Entwurfes am 18. März 1976 keine Zustimmung.179 Drei Jahre und zwei Monate nach der einleitenden Regierungserklärung wurde das MitbestG mit großer Mehrheit (bei nur 22 Gegenstimmen und einer Enthaltung) vom Bundestag verabschiedet.180

169

Antrag zum Entwurf eines Gesetzes über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer, BRDrs. 200/2/74. 170 404. Sitzung des Deutschen Bundesrates v. 5. 4. 1974, S. 118 C. 171 404. Sitzung des Deutschen Bundesrates v. 5. 4. 1974, S. 118 C.; Stellungnahme des Bundesrates als Anlage 2 zu dem Regierungsentwurf, BT-Drs. VII/2172, S. 31. 172 110. Sitzung des Deutschen Bundestages v. 20. 6. 1974, S. 7460 C ff. 173 110. Sitzung des Deutschen Bundestages v. 20. 6. 1974, S. 7544 D. 174 Tagungen am 16.10, 4. und 7.11 sowie am 19. 12. 1974, Prot. Nr. 51, 52, 62; zur Auseinandersetzung S. auch Raiser/Veil/Jacobs/Raiser, MitbestG/DrittelbG, Einleitung MitbestG Rn. 36. 175 BT-Drs. VII/4787. 176 Raiser/Veil/Jacobs/Raiser, MitbestG/DrittelbG, Einleitung MitbestG Rn. 17. 177 BT-Drs. VII/4787, S. 7 mit einer Gegenüberstellung der beiden Fassungen. Zur Auslegung dieser Änderung s. Abschnitt A. I. 3. d) dieses Kapitels. 178 433. Sitzung des Deutschen Bundesrates v. 9. 4. 1976, S. 141 B, 145 B. 179 Vertieft zu den Änderungsanträgen von Seiten CDU/CSU s. Raiser/Veil/Jacobs/Raiser, MitbestG/DrittelbG, Einleitung MitbestG Rn. 36. 180 230. Sitzung des Bundestages v. 18. 03. 1976, S. 16091 B.

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4. Kap.: Der mitbestimmungsgesetzliche Gewerkschaftsbegriff

Die Verkündung erfolgte am 8. Mai 1976 und das Mitbestimmungsgesetz trat schließlich gem. § 41 MitbestG am 1. Juli 1976 in Kraft.181 c) Der Erkenntniswert Aus dieser historischen Nachzeichnung ergibt sich nun (in chronologischer Reihenfolge) eine Vielzahl von Materialien, die zwischen der Entstehungsgeschichte der Norm und dem gesetzgeberischen Willen vermittel können182 : der Bericht der Mitbestimmungskommission, die entsprechende Stellungnahme der Bundesregierung, der erste Regierungsentwurf und dessen Begründung, die Auseinandersetzung des Bundesrates bis zur ersten Lesung des Regierungsentwurfes, die Arbeit des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung sowie dessen Beschluss und Stellungnahme vom 10. März 1976183 und schließlich die zweite und die dritte Lesung des Regierungsentwurfes. Maßgeblicher Anknüpfungspunkt der Auslegung ist dabei – aus dem Ziel der historischen Auslegung heraus – die Rückführbarkeit der Einzelbekundungen zum Organwillen des Gesetzgebers im Sinne einer Zurechenbarkeit.184 Noch immer abweichende, möglicherweise entgegenstehende Auffassungen werden ihrer Durchschlagskraft entsprechend in ein Verhältnis gesetzt,185 wirken sich mangels Zurechnung aber nicht aus.186 Der Inhalt des Zugerechneten bezeichnet den Willen des Gesetzgebers mit samt der ihm zugrunde liegenden Motive. Das Grundgesetz 181

Vgl. ausführlich zum Gesetzgebungsverfahren Stollreither, Mitbestimmung, S. 225 ff. BVerfG v. 31. 5. 2011 – 1 BvR 857/07, NVwZ 2011, 1062 Rn. 83 (für Ausschussdokumente); BVerfG v. 19. 3. 2013 – 2 BvR 2628/10 u. a., NJW 2013, 1058 Rn. 67 f.; mit dem Versuch eines objektiven Verständnisses der Materialien BVerfG v. 15. 1. 2014 – 1 BvR 1656/ 09, NVwZ 2014, 1084 Rn. 81 ff.; BVerfG v. 17. 12. 2014 – 1 BvL 21/12, NJW 2015, 303 Rn. 134 (zur Begründung des Regierungsentwurfes); BVerfG v. 13. 4. 2017 – 2 BvL 6/13, NJW 2017, 2249 Rn. 79 (Stellungnahme des Bundesrates); mit einer Auflistung der zu berücksichtigenden Gesetzgebungsmaterialien BVerfG v. 6. 6. 2018 – 1 BvL 7/14 u. a., AP TzBfG § 14 Nr. 170 Rn. 74. Mit einer detaillierten Aufstellung und Auseinandersetzung vor allem Frieling, Gesetzesmaterialien, S. 27 ff. Zum Verfahren der Materialauswahl s. nur C. Baldus, Gut meinen, gut verstehen? Historischer Umgang mit historischen Intentionen, in: ders./Theisen/Vogel, „Gesetzgeber“ und Rechtsanwendung, S. 5, 11 f.; Sehl, Was will der Gesetzgeber?, S. 58, 98; vgl. auch E. Simon, Gesetzesauslegung im Strafrecht, S. 260; Fleischer, Gesetzesmaterialien im Spiegel der Rechtsvergleichung, in: ders., Mysterium „Gesetzesmaterialien“, S. 1, 41. 183 Differenzierend im Grundsatz an dieser Stelle Wischmeyer, JZ 2015, 957, 965. 184 Frieling, Gesetzesmaterialien, S. 24. 185 Ebenso Ernst, Liber Amicorum Leenen 2012, S. 1; Wischmeyer, Zwecke im Recht des Verfassungsstaates, S. 247. 186 C. Baldus, Gut meinen, gut verstehen? Historischer Umgang mit historischen Intentionen, in: ders./Theisen/Vogel, „Gesetzgeber“ und Rechtsanwendung, S. 5, 7; Ernst, Liber Amicorum Leenen 2012, S. 1; vgl. Wischmeyer, Zwecke im Recht des Verfassungsstaates, S. 248. Gleiches gilt bereits im Grundsatz für den Willen des Einzelnen, Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Band 1, S. 176. 182

A. Die Begriffsfindung im Wege der klassischen Auslegung

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selbst spricht an keiner Stelle von „dem Gesetzgeber“.187 Art. 20 Abs. 2 GG bezieht sich in konsequenter Forführung des parlamentardemokratischen Verfassungskonstruktes des Begriffes der „Gesetzgebung“.188 Das Bundesverfassungsgericht betrachtet daher als Gesetzgeber – im Sinne der Akteure der Gesetzgebung – die Gesamtheit derjenigen, die am Gesetzgebungsverfahren beteiligt sind.189 Am Ende des Willensbildungsprozesses steht damit der Gesetzestext als normgewordene Willensbekundung.190 aa) Der Bericht der Mitbestimmungskommission vom 4. Februar 1970 Angesichts der personellen Besetzung der Kommission191 drängt sich der Berichtes als Quelle gesetzgeberischen Willens nicht unmittelbar auf. In ihm enthaltene Aussagen können zunächst keinerlei Auskunft über den Willen bzw. das Verständnis des Gesetzgebers geben und dürfen als solche zumindest nicht direkt herangezogen werden dürfen. Da er außerhalb des oben nachgezeichneten Verfahrens entstanden ist, welches verfassungsrechtlich eine Rückführung und Legitimation der Beteiligten sicherstellt, muss eine Zurechnung zum „gesetzgeberischen Willen“ in besonderem Maße gewährleistet werden. Das Verhältnis von Kommissionsbericht und Gesetzgebungsverfahren wird durch die Stellungnahme der Bundesregierung vom 4. Dezember 1970 deutlich: Der Bericht sollte als fundamentale Erkenntnisquelle für den mitbestimmungsrechtlichen status quo dienen und auf diese Weise der Bundesregierung zu einer verbesserten Entscheidungsfindung verhelfen. Der Gesetzgeber sah die Institutionalisierung der Arbeitnehmermitbestimmung auf Unternehmensebene als ein gesetzgeberisch heikles Unterfangen an und orientierte sich daraufhin in großem Maße an externem 187 Als „Gespenst“ daher auch Carl Schmitt, Gesetz und Urteil, S. 30; darstellend zur Person des Gesetzgebers Honsell, Historische Argumente, S. 42 ff.; mit einer ähnlichen Einschätzung wohl auch H. C. Röhl, Legislators Intent, Limits of a Concept, in: Seebaß/Schmitz/ Gollwitzer, Acting intentionally and it‘s limits, S. 121, 125 („no counterpart in reality“); Rumpf, Gesetz und Richter, S. 108. 188 Dazu HbStR/Böckenförde, Band 3, § 34 Rn. 10, 12; Wischmeyer, Zwecke im Recht des Verfassungsstaates, S. 246 m. w. N. 189 BVerfG v. 16. 2. 1983 – 2 BvE 1/83 u. a., NJW 1983, 735, 738; BVerfG v. 6. 6. 2018 – 1 BvL 7/14 u. a., AP TzBfG § 14 Nr. 170 Rn. 74; Sehl, Was will der Gesetzgeber?, S. 129 f.; im Ergebnis ebenso Frieling, Gesetzesmaterialien, S. 29. 190 Sehl, Was will der Gesetzgeber?, S. 17, 108 ff. 191 Als Kommissionsmitglieder wurden berufen: Kurt Biedenkopf (Vorsitzender), Kurt Ballerstedt, Erich Gutenberg, Harald Jürgensen, Wilhelm Krelle, Ernst-Joachim Mestmäcker, Rudolf Reinhardt, Fritz Voigt und Hans Willgerodt. Günter Apel von der Deutschen Angestellten-Gewerkschaft, Ernst-Gerhard Erdmann als Vertreter der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, Wolfgang Heintzeler der Badischen Anilin- & Soda-Fabrik AG, Gisbert Kley der Siemens AG, Otto Kunze vom DGB sowie Wolfgang Spieker als Vertreter der IG Metall fungierten als ständige Berater der Kommission, S. BT-Drs. VI/334, S. 8 mit dieser Auflistung.

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4. Kap.: Der mitbestimmungsgesetzliche Gewerkschaftsbegriff

Sachverstand.192 Eine politische Kurssetzung war weder Aufgabe der Kommission, noch zeigte sie dahingehende Ansätze.193 Insofern unterscheidet sich der Bericht der Kommission auch von dem verfassungsrechtlichen Problemfall des sog. Gesetzgebungsoutsourcings.194 Auf diese Weise ausgearbeitete Entwürfe werden in der Regel von der Bundesregierung als eigener Gesetzentwürfe eingebracht und nach dem daraus folgenden – oben dargestellten – Verfahren behandelt.195 Während dort also kein Übertragungsakt, sondern vielmehr eine „faktische (Vor-)Festlegung“196 stattfindet, steht es im Fall der Sachverständigenkommission im Ermessen der Initiatoren, die Rechercheergebnisse auszuwerten und einem sodann zu fassenden Entwurf zugrunde zu legen.197 Der durch eine Kommission zusammengetragene Sachverstand muss durch die Auftraggeber erst in konkrete Regelungsaufträge übersetzt werden.198 Dieser Übertragungsakt ist als zusätzliche Leistung neben dem Kabinettsbeschluss zu sehen und verstärkt das Zurechnungspotenzial.199 Im Falle des Kommissionsberichtes könnte dies geschehen, indem die Initiatoren explizit oder konkludent auf den Bericht Bezug nehmen und die erlangten Informationen verwerten. (1) Eine Kontextualisierung des Mitbestimmungsberichtes Mit Ankündigung am 13. Dezember 1966 durch Bundeskanzler Kurt Kiesinger wurde eine Sachverständigenkommission unter der Leitung Kurt Biedenkopfs eingesetzt, die, ausgehend von einem Statusbericht über die Lage der Arbeitnehmermitbestimmung hinaus, eine Grundlage für die Ausweitung der Mitbestimmung nicht nur im Anwendungsbereich, sondern auch in der Qualität schaffen sollte. Der Bericht beinhaltete sowohl empirische Forschungsergebnisse zur Montanmitbe192

Dies klingt bereits an in der Stellungnahme der Bundesregierung zum Bericht der Mitbestimmungskommission v. 4. Dezember 1970, BT-Drs. VI/1551, S. 2, 3, 4. 193 Stellungnahme der Bundesregierung zum Bericht der Mitbestimmungskommission, BT-Drs. VI/1551, S. 5 f. 194 Mit kritischen Auseinandersetzungen unter dem Aspekt der Zurechnung Krüper, JZ 2010, 655, 656 ff.; Leven, Gesetzgebungsoutsourcing, S. 45 ff; Risse, Verfassungsrechtliche und politische Grenzen des Gesetzgebungsoutsourcings, in: Kloepfer, Gesetzgebungsoutsourcing, S. 109, 113 ff.; mit einer Darstellung weiterer Kritikpunkte Frieling, Gesetzgebungsmaterialien, S. 32. 195 Frieling, Gesetzgebungsmaterialien, S. 31; Kloepfer, NJW 2011, 131, 132; Mann, FS P. Kirchhof 2013, Band 1, S. 361, 364; zum Teil wird eine Zueigenmachung des Entwurfes aber auch bezweifelt, so Meßerschmidt, Der Staat 51 (2012), 387, 401. 196 Risse, Verfassungsrechtliche und politische Grenzen des Gesetzgebungsoutsourcings, in: Kloepfer, Gesetzgebungsoutsourcing, S. 109, 118. 197 Ebenso Meßerschmidt, Der Staat 51 (2012), 387, 401. 198 Dahingehend auch die Bundesregierung in ihrer Stellungnahme zum Mitbestimmungsbereicht v. 4. Dezember 1970, BT-Drs. VI/1551, S. 6. 199 S. dazu Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, Rn. 790; so auch geschehen in der Mitbestimmungsgesetzgebung durch die auch als „Biedenkopf-Kommission“ bezeichnete Sachverständigenkommission: Bericht der Sachverständigenkommission zur Auswertung der bisherigen Erfahrungen bei der Mitbestimmung, BT-Drs. VI/334.

A. Die Begriffsfindung im Wege der klassischen Auslegung

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stimmung – als bis dato erste und einzige Rechtsquelle institutioneller Mitbestimmung – als auch eine entsprechende rechtliche Einordnung der Ergebnisse mit dem Ziel einer Empfehlung an den Gesetzgeber.200 Aufgabe und Ziel der Kommission war es, die gesellschaftlichen, ökonomischen und sozialen Wirkungen einer Ausweitung der Mitbestimmung zu eruieren und eine Empfehlung auszusprechen.201 Obgleich mit dieser extensiven Aufgabenstellung eine Erörterung sämtlicher Mitbestimmungs- und auch Beteiligungsformen der Arbeitnehmer unumgänglich war, sollte maßgeblicher Untersuchungsgegenstand die Ausweitung der institutionalisierten Mitbestimmung bleiben.202 (2) Der Inhalt des Berichtes (a) Die Rolle der Gewerkschaften im mitbestimmten Aufsichtsrat Im Rahmen ihrer vollumfänglichen Betrachtung und Analyse bestehender Mitbestimmungsmodelle beschäftigte sich die Kommission auch mit den Aufgaben der Gewerkschaften im mitbestimmten Aufsichtsrat. In der Auseinandersetzung mit den diesbezüglichen Meinungsbildern konnte die Kommission mehrere Argumente zugunsten einer Gewerkschaftsbeteiligung herausarbeiten, die in den empirischen Erkenntnissen der Montanindustrie ihre Bestätigung fanden. Aufgrund ihrer fachlichen Expertise und der umfassenden Betätigung im Arbeitsleben seien sie in der Lage, unternehmenspolitische Entscheidungen in Gänze zu überblicken.203 Mit ihren Erfahrungswerten und dem Bewusstsein für grundsätzliche Fragen der Wirtschaft und der Unternehmensführung sollte die Gefahr eines gewissen „Betriebsegoismus“ auf Seiten der internen Arbeitnehmervertreter kompensiert werden.204 Zudem sollten sie auf diese Weise auch bei der Auswahl des Führungspersonals mitwirken.205 Die Hauptaufgabe auch der externen Arbeitnehmervertreter sei es zwar, die Interessen der Belegschaft der Unternehmen im Aufsichtsrat zu vertreten, und dessen seien sich die externen Repräsentanten auch gewahr. Der Bezug zum Unternehmen und den konkreten Belangen der Arbeitnehmer sei jedoch bei den internen Vertretern stärker ausgeprägt.206 Es seien eher die externen Arbeitnehmervertreter bereit, sich Entscheidungen oder Anliegen zu öffnen, die das Unternehmen auch in seiner wirtschaftlichen Komplexität beträfen und damit nicht unmittelbar mit arbeitsrechtlichen Belangen zusammenhingen. Die wirtschaftlichen Entwicklungen der Montanindustrie hätten gezeigt, dass eine Ge200

So auch Biedenkopf, RdA 1970, 129, 131. BT-Drs. VI/334, S. 8 unter Verweis auf das Schreiben des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung v. 30. 11. 1967, III a 2 – 3157/67. 202 BT-Drs. VI/334, S. 8. 203 BT-Drs. VI/334, S. 22. 204 BT-Drs. VI/334, S. 22, sowie die empirischen Befunde auf S. 34. 205 BT-Drs. VI/334, S. 106, 107. 206 BT-Drs. VI/334, S. 33. 201

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4. Kap.: Der mitbestimmungsgesetzliche Gewerkschaftsbegriff

werkschaftsbeteiligung verhindern könnte, dass die Arbeitnehmer zu einseitig auf ihren Forderungen beharrten und so das Gesamtinteresse des Unternehmens als Teil der Wirtschaftsordnung aus den Augen verlören.207 Demnach sah die Kommission die Aufgabe der Gewerkschaften vordergründig darin, im Rahmen der Vorbesprechungen wie auch in den Aufsichtsratssitzungen selbst bei punktuell bestehendem Wissens- oder Kenntnisvorsprung entsprechende Defizite zu kompensieren und auf diese Weise auf die Meinungsbildung im Anfangsstadium einzuwirken.208 Außerdem sollte die Beteiligung der Gewerkschaften an der Unternehmensmitbestimmung dazu führen, dass auch komplexe Beratungsgegenstände mit ggf. auch nachteiligen Konsequenzen für die Arbeitnehmer unter allen möglichen Gesichtspunkten erörtert würden.209 Diese Herangehensweise führe dazu, dass die Abstimmungen in den Aufsichtsräten insgesamt wenig konfrontativ, sondern oftmals einstimmig ausfielen. „Kampfabstimmungen“ seien eine Seltenheit.210 Insofern klingt an dieser Stelle des Berichtes eine Art Vermittlerrolle der Gewerkschaftsvertreter zwischen den berechtigten Individualinteressen der Arbeitnehmer und den Unternehmensinteressen der Anteilseigner an, welche oftmals an gesamtwirtschaftliche Beweggründe geknüpft sind. So erfolge die Auseinandersetzung der Gewerkschaften mit den Anteilseignern in diesem Zusammenhang nicht konfrontativ, sondern vielmehr auf einer Ebene der Kooperation.211 Zum einen würde diese bereits durch die paritätische Ausgestaltung des Verhandlungsraums gefördert.212 Zum anderen seien auch die Gewerkschaftsvertreter im Rahmen ihrer Mandatswahrnehmung im Aufsichtsrat im Gegensatz zu Tarifverhandlungen bei der Interessenwahrnehmung gem. § 116 i. V. m. § 93 AktG dem Unternehmenswohl verpflichtet.213 Zu einer Fraktionsbildung nach Interessenlagern und Bänken komme es nach dem Befund der Kommission regelmäßig nur in Fällen, in denen es um unternehmerische Maßnahmen mit erheblichen personellen Konsequenzen käme, wie bspw. im Fall von Betriebsstilllegungen.214 Ein Fraktionszwang herrsche gleichwohl nicht; auch nicht aus taktischen Gründen, um einen der Parität geschuldeten „Lockdown“ zu erzwingen.215 In solchen Fällen seien die Arbeitnehmervertreter vielmehr geneigt, Kompromissersuche in der ihnen zur Verfügung stehenden Härte durchzusetzen. Vereinzelt wurden nach dem Befund der Kommission sog. Koppelungen von wirtschaftlichen Personalmaßnahmen und finanziellen Zugeständnissen beobachtet und besorgt, die nicht in einem unmittelbaren Zusammenhang standen.216 Verhandlungen beträfen in einem 207

BT-Drs. VI/334, S. 34. BT-Drs. VI/334, S. 37, 41. 209 BT-Drs. VI/334, S. 37. 210 BT-Drs. VI/334, S. 36. 211 BT-Drs. VI/334, S. 94. 212 BT-Drs. VI/334, S. 94. 213 BT-Drs. VI/334, S. 94. 214 BT-Drs. VI/334, S. 38. 215 BT-Drs. VI/334, S. 38. 216 BT-Drs. VI/334, S. 40 f. 208

A. Die Begriffsfindung im Wege der klassischen Auslegung

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solchen Fall wirtschaftliche Grundmaßnahmen wie umfassende Unternehmensumstrukturierungen und würden dann auf Initiative der Arbeitnehmervertreter mit Verhandlungen über entsprechende Ausgleichsmaßnahmen verbunden. Auch in diesem Zusammenhang könnten die Gewerkschaftsvertreter mit ihrer Kenntnis über entsprechende Ausgleichsmechanismen wie Sozialpläne oder Tarifsozialpläne zu einem Verhandlungsergebnis beitragen und die Arbeitnehmerinteressen vertreten.217 Zu sachfremden Erwägungen kam es laut der Kommission in diesem Zusammenhang jedoch gerade nicht. Gewerkschaftliche Belange würden zwar diskutiert, der diesbezüglich bestehende thematische Sachverhalt jedoch nicht pauschal stärker ins Gewicht fallen. Gerade in Bereichen, die in den Kernzuständigkeitsbereich interner Arbeitnehmervertreter fielen, würden sich diese Meinungen und Standpunkte regelmäßig durchsetzen.218 Die Befragungen zum Stand der Montanmitbestimmung hätten überdies ergeben, dass eine zentralisierte kumulierte Einflussnahme der Gewerkschaften zu diesem Zeitpunkt nicht zu befürchten sei.219 So spielten in der Unternehmensmitbestimmung laut Kommission unternehmenspolitische und wirtschaftliche Interessen eine größere Rolle als im Rahmen von Tarifverhandlungen. Dies betreffe auch die Arbeitnehmer. Im Kontext des Unternehmens seien auch sie an der Steigerung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Unternehmens interessiert, da nur auf diese Weise mittelbar bessere Beschäftigungsbedingungen wie z. B. eine höhere Entlohnung erwirkt werden könnten.220 Die Beteiligung der Gewerkschaften mache den Aufsichtsrat nicht zum Ort der Tarifverhandlungen. Nach Auswertung der Befunde zur Montanmitbestimmung seien die verschiedenen Zuständigkeiten klar verteilt und die materielle Differenzierung der Mitbestimmungsinstrumente würde von den mitbestimmten Aufsichtsräten beachtet.221 Die inhaltliche Arbeit des Aufsichtsrates würde insbesondere nicht konterkariert, indem die Gewerkschaften beispielsweise auf den Arbeitsdirektor zum Zwecke der Begünstigung der Tarifverhandlungen einwirkten.222 Sicherlich erlangten die Gewerkschaftsvertreter durch ihre Arbeit im Aufsichtsrat tiefgehende Informationen über die (wirtschaftliche) Lage des Unternehmens. Diese Informationen würden indes nicht kollusiv genutzt. Vielmehr führten sie dazu, dass die Gewerkschaften im Rahmen von Tarifverhandlungen in der Regel angemessene Forderungen stellten.223 Schließlich könnte die konkrete normative Ausgestaltung dahingehenden Gefahren vorbeugen.224

217

BT-Drs. VI/334, S. 41. BT-Drs. VI/334, S. 37. 219 BT-Drs. VI/334, S. 34. 220 BT-Drs. VI/334, S. 42. 221 BT-Drs. VI/334, S. 47. 222 BT-Drs. VI/334, S. 48. 223 BT-Drs. VI/334, S. 47 f. 224 BT-Drs. VI/334, S. 55. 218

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4. Kap.: Der mitbestimmungsgesetzliche Gewerkschaftsbegriff

Auch dieser Grundsatzdiskussion über die institutionelle Eingliederung der Unternehmensmitbestimmung in das Teilhabesystem können Anhaltspunkte über die Rolle und Aufgabe der Gewerkschaften entnommen werden. Im Rahmen der Auswertung der Befragungen kommt die Kommission zu dem Ergebnis, die Beteiligung der Gewerkschaften als externe Arbeitnehmervertreter müsse zwingend angeordnet werden, um Sinn und Zweck der Unternehmensmitbestimmung in der avisierten Form zu wahren.225 Eine zwingende Regelung sei erforderlich, da nach den Erkenntnissen der Kommission Arbeitnehmer, sofern möglich, interne Vertreter ihrer Interessen externen Gewerkschaftsvertretern vorzögen.226 Das Nominationsrecht der Gewerkschaften bedürfe allerdings einer Legitimation, welche durch das Votum der Arbeitnehmer des Unternehmens erteilt werden solle.227 Vorherige Besprechungen der Vorschlagslisten der Gewerkschaften mit den jeweiligen Betriebsräten würden in der Praxis dazu führen, dass nur solche Gewerkschaftsvertreter in den Aufsichtsrat gewählt werden könnten, denen der Betriebsrat zuvor zugestimmt habe.228 Insgesamt könnten Bedeutung und Rolle der Gewerkschaften nach Ansicht der Kommission nunmehr nicht mehr nur aus der Perspektive der Wahrung und Förderung der Arbeitsund Lohnbedingungen im engeren Sinne betrachtet werden. Indem sich die Reichweite und Stellung der Gewerkschaften kontinuierlich erweitert habe und dies noch immer tue, müsse sich auch das Aufgabenfeld der Gewerkschaften entsprechend anpassen. Damit einher gehe somit eine erhöhte Verantwortung.229 Gleichzeitig seien die Gewerkschaften außerhalb dieser Legitimation nicht unmittelbar dazu berufen, alle unternehmensangehörigen Arbeitnehmer zu repräsentieren. Wenn die Kommission also davon ausgeht, die Nomination zur Interessenvertretung beruhe vielmehr auf einer „allgemein wirtschaftspolitische[n], insbesondere tarif- und sozialpolitische[n] Zuständigkeit der Gewerkschaften“230, wird nicht gänzlich klar, wie sich diese beiden Ansätze miteinander vereinbaren lassen.231 Mit dieser zunächst rein rechtspolitischen Erweiterung des gewerkschaftlichen Aufgabenbereiches ging für die Kommission auch die Frage nach der funktional bestimmten Abschwächung bestimmter Tariffähigkeitsvoraussetzungen einher. Dies war nach Ansicht der Kommission bereits im Rahmen der Montanmitbestimmung thematisiert worden: Es habe bereits in diesem Rahmen weitgehende Einigkeit darüber bestanden, dass eine Tariffähigkeit der Gewerkschaften trotz ihrer Beteiligung an der (Montan-)Mitbestimmung aufrechterhalten werden könnte,232 insbesondere da an die Unabhängigkeit der Vereinigungen im Lichte der Mitbestimmung geringere Anforderungen 225

BT-Drs. VI/334, S. 106 f. BT-Drs. VI/334, S. 35. 227 BT-Drs. VI/334, S. 107. 228 BT-Drs. VI/334, S. 34. 229 BT-Drs. VI/334, S. 164. 230 BT-Drs. VI/334, S. 107. 231 Als vage bezeichnet diese Zuständigkeitbeschreibung auch Uffmann, ZIP 2020, 2051, 2052. 232 BT-Drs. VI/334, S. 26. 226

A. Die Begriffsfindung im Wege der klassischen Auslegung

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gestellt worden seien.233 Ausweislich der ersten Lesung des Regierungsentwurfes zur Montanmitbestimmung sollten explizit auch Minderheitengewerkschaften berücksichtigt werden.234 Angesprochen wurde dies im Zusammenhang mit der DAG, welche im Jahre 1950 lediglich 307.000 Mitglieder hatte.235 Der CGB hingegen, der ebenfalls in den Materialien Erwähnung findet, verfügte lediglich über 3.000 Mitglieder. Im Vergleich dazu wies die IG Metall im Jahre 1950 eine Mitgliederstärke von über einer Million auf.236 Diese verringerten Anforderungen an Gegnerunabhängigkeit und Gegnerfreiheit wurden damals wie auch hinsichtlich des MitbestG im Kontext des Verhältnisses von Tarifautonomie und Unternehmensmitbestimmung diskutiert. In Frage stand, welche Einflüsse ein weiteres Mitbestimmungsinstrument auf die Funktionsfähigkeit des Tarifvertragswesens haben würde. Die Diskussion um das Verhältnis von Unternehmensmitbestimmung und Tarifvertragswesen erweckt den Anschein, die Kommission ginge davon aus, dass diejenigen Gewerkschaften, die im Rahmen ihrer Tarifautonomie Tarifverträge aushandelten, nun auch – in eingeschränktem Umfang – an der „mittelbaren“237 Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen im Rahmen der Unternehmensmitbestimmung teilnehmen würden. Dies wiederum könnte dahingehend verstanden werden, dass mit der Verwendung des Gewerkschaftsbegriffes in beiden Fällen auch eine Gleichsetzung der mit diesem Begriff einhergehenden Voraussetzungen erfolgen sollte. Wenn nur tariffähige Gewerkschaften Tarifverträge aushandeln können und diese gleichen Gewerkschaften sodann auch an der Unternehmensmitbestimmung beteiligt sein sollen, wären tariffähige Gewerkschaften in mitbestimmten Aufsichtsräten vertreten. Gleichwohl handelt es sich hierbei um nicht mehr als eine Korrelation. Ein dahingehendes verpflichtendes Anforderungsprofil kann den vorgenannten Aussagen nicht entnommen werden. Hinzu kommt, dass innerhalb des Berichtes die Begriffe der „Gewerkschaft“ und der „Arbeitnehmerorganisation“ synonym verwendet werden.238 Dies lässt den Schluss zu, dass bei der Begriffsverwendung eher die Beschreibung eines bestimmten gesellschaftlichen Phänotyps vorgenommen werden sollte als eine rechtliche Einordnung oder gar die Bestimmung von Beteiligungsvoraussetzungen. Zur Unterstützung dieser These kann auf das Gesetzgebungsverfahren zur Montanmitbestimmung zu Beginn der 1950er Jahre verwiesen werden. Bereits dort zeigte sich, dass die Gewerkschaften eher aufgrund ihres Auftretens in die Mitbestimmung einbezogen wurden denn 233

BT-Drs. VI/334, S. 26. 117. Sitzung des Deutschen Bundestages v. 14. 2. 1951, S. 4453 A. 235 S. die Tabelle bei Ebbinghaus/Göbel, Mitgliederrückgang und Organisationsstrategien deutscher Gewerkschaften, in: Schroeder, Handbuch Gewerkschaften in Deutschland, S. 207, 214. 236 S. die Tabelle bei Ebbinghaus/Göbel, Mitgliederrückgang und Organisationsstrategien deutscher Gewerkschaften, in: Schroeder, Handbuch Gewerkschaften in Deutschland, S. 207, 214. 237 BT-Drs. VI/334, S. 93. 238 So im jeweiligen Wortlaut in: BT-Drs. VI/334, S. 84. 234

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4. Kap.: Der mitbestimmungsgesetzliche Gewerkschaftsbegriff

aufgrund ihrer rechtlichen Erscheinung. Gehör verschaffte sich der DGB als Dachverband durch Streiks und veranlasste auf diese Weise die Bundesregierung schließlich nach Einbringung des überarbeiteten Gesetzentwurfes zur Einhaltung von Richtlinien, die zuvor zwischen Sachverständigen der betroffenen Industriezweige sowie DGB-Vertretern beschlossen worden waren.239 Der Umstand, dass dort der DGB namentlich an der Unternehmensmitbestimmung mittels Wahlvorschlägen beteiligt werden sollte, weist darauf hin, dass es eher um die Verankerung eines in der Praxis gelebten Erscheinungsbildes ging und die Vorstellung der beteiligten Gewerkschaften durch eben diese auch geprägt war. Gleichzeitig wurde die streikweise Einnahme dieser Verhandlungsposition bereits im Rahmen der Montanmitbestimmung kritisch hinterfragt.240 (b) Das Nominationsrecht nach den Empfehlungen der Kommission Ziffer 3.12 der Empfehlungen lautet: „Die unternehmensexternen Arbeitnehmervertreter werden von den im Unternehmen vertretenen Gewerkschaften vorgeschlagen […]. Vorschlagsberechtigt ist jede Gewerkschaft, die für Arbeitnehmer des Unternehmens Tarifvertragspartei des Unternehmens oder seines Verbandes ist.“241 In der Begründung der Empfehlungen wiederum heißt es: „Von einer solchen politischen Legitimation einer Gewerkschaft kann allerdings nur dann ausgegangen werden, wenn die Gewerkschaft im Unternehmen selbst vertreten ist.“; „Die Kommission ist der Ansicht, daß von einer ,Legitimationsgrundlage‘ für das Nominationsrecht der Gewerkschaften dann ausgegangen werden kann, wenn die Gewerkschaft im Unternehmen als Tarifverband vertreten ist.“242 In ihrem Zusammenwirken ergibt sich für das MitbestG und die Teilhabe der Gewerkschaften nach dem Verständnis der Kommission folgendes Bild: Die Teilhabe der Gewerkschaften selbst liegt in dem ihnen zustehenden Nominationsrecht. Auf der Grundlage dieser Nominierungen werden die externen Vertreter von den Arbeitnehmern gewählt. In der Wahl sieht die Kommission die erforderliche Legitimierung der Gewerkschaftsvertreter, die jedoch von der Legitimation des Nominationsrechtes unterschieden werden muss. Diese ergibt sich sodann nach Auffassung der Kommission nicht aus einer zivilrechtlichen Vertretungsmacht im engeren Sine, sondern einer „wirtschaftspolitischen“243 – genauer aus einer „tarif- und so239 Richtlinien über die Mitbestimmung in der Kohle und Eisen schaffenden Industrie vom 27. 01. 1951, Montanmitbestimmung. Dokumente ihrer Entstehung, S. 160 ff.; s. auch Stalmann, „… sozial gleichgewichtig neben freiheitlich und national stellen“? Die Sozialpolitik der FDP 1949 – 1969, in: Conze/Geppert/Scholtyseck/Seefried, Jahrbuch zur LiberalismusForschung 2017, S. 241, 247 f.; Vetter, Gewerkschaften und Mitbestimmung, in: Judith/Kübel/ Loderer/Schröder/Vetter, Montanmitbestimmung. Geschichte, Idee, Wirklichkeit, S. 7, 10. 240 Vgl. nur die 117. Sitzung des Deutschen Bundestages v. 14. 2. 1951, S. 4431 C, 4440 A. 241 Ziffer 3.12 der Empfehlungen aus BT-Drs. VI/334, S. 97 (Hervorhebung durch die Verfasserin). 242 BT-Drs. VI/334, S. 107 (Hervorhebung durch die Verfasserin). 243 So BT-Drs. IV/334, S. 107.

A. Die Begriffsfindung im Wege der klassischen Auslegung

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zialpolitischen“244 – Zuständigkeit der Gewerkschaften für die Interessen und Belange der Arbeitnehmer. Eine solche legitimierte Zuständigkeit liegt laut Kommission jedoch nur dann vor, wenn die entsprechende Gewerkschaft in dem Unternehmen auch vertreten ist. Dies präzisiert die Kommission in ihrer Erklärung dahingehend, dass die Gewerkschaft als Tarifvertragspartei (so die Formulierung in Ziffer 3.12) bzw. als Tarifverband (so in der dahingehenden Erklärung) im Unternehmen vertreten sei. Während man also die Sachverständigen durchaus dahingehend verstehen kann, dass der abschließende Satz der Passage der Erläuterungen eine kurze Zusammenfassung der Aussagen aus Ziffer 3.12 darstellen soll, werfen die unterschiedlichen Formulierungen von Tarifvertragspartei und Tarifverband durchaus die Frage auf, welche Anforderungen an diese Konkretisierung zu stellen sind. Muss die in Rede stehende Gewerkschaft Partei eines aktuell wirksamen Tarifvertrages mit dem Unternehmen oder dem Verband sein, oder genügt die abstrakte Möglichkeit eines Tarifabschlusses unter der Prämisse einer Tariffähigkeit und einer entsprechenden satzungsmäßigen Zuständigkeit? Während die Bezeichnung als Tarifvertragspartei ein konkretes Vertragsverhältnis von Gewerkschaft und Verband bzw. Arbeitgeber nahelegt, könnte in der Bezeichnung als Tarifverband im weiteren Sinne eine synonyme Bezeichnung einer tariffähigen Gewerkschaft liegen, die aber nicht unbedingt Partei eines in diesem Unternehmen wirksamen Tarifvertrages sein müsste. Eindeutig ist zumindest, dass die alleinige Existenz als Arbeitnehmerkoalition im weiteren Sinne nicht genügen sollte. Dies würde die dahingehende Konzisierung und die damit einhergehende Differenzierung von Gewerkschaft und Tarifverband bzw. Tarifvertragspartei nicht erklären. Bereits im Rahmen einer ersten Gegenüberstellung dieser Ausführungen mit der Auslegung des Vertretenseins des BetrVG stellt sich daher heraus, dass ihre Übertragung unweigerlich zu unterschiedlichen Ergebnissen führen würde: Allein die Gewerkschaftsmitgliedschaft eines einzelnen Arbeitnehmers des Unternehmens hat nicht automatisch zur Folge, dass eine Gewerkschaft auch als Tarifvertragspartei in diesem Betrieb oder Unternehmen auftritt. Dies hängt – eine Tariffähigkeit unterstellt – nicht zuletzt auch von der satzungsmäßigen Tarifzuständigkeit der Gewerkschaft ab, womit sich die Kommission in ihrem Vorschlag von der numerischen Legitimierung durch die Mitgliedschaft eines Arbeitnehmers löst. Dieses Verständnis kann zunächst zugunsten einer Übertragung des tarifrechtlich geprägten Gewerkschaftsbegriffes herangezogen werden. Um als Tarifvertragspartei im Unternehmen vertreten zu sein, muss die Gewerkschaft Partei eines aktuell in dem betreffenden Unternehmen gültigen Tarifvertrages sein.245 Dies setzt neben der Tariffähigkeit – welche aufgrund der Bezeichnung als Gewerkschaft bereits zwangsläufig vorliegen müsste – die satzungsmäßige Tarifzuständigkeit voraus. Fraglich ist jedoch, ob diese auch von dem Begriff des Tarifverbandes erfüllt werden müsste. Betrachtet man den systematischen Zusammenhang beider Aussagen, so 244 245

So BT-Drs. IV/334, S. 107. Ob eine Nachwirkung gem. § 4 Abs. 5 TVG ausreichen kann, soll hier dahinstehen.

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4. Kap.: Der mitbestimmungsgesetzliche Gewerkschaftsbegriff

kann kaum angenommen werden, dass die unterschiedlichen Bezeichnungen auch einen divergierenden Inhalt haben sollten. Bei der zweiten Passage handelt es sich vielmehr um die erläuternden Ausführungen zu der unter Ziffer 3.12 ausgesprochenen Empfehlung. Die semantische Differenzierung vermag jedoch den Fokus von der Eigenschaft der Gewerkschaften als Tarifvertragspartei oder -verband auf den Bezugspunkt zu legen: das Unternehmen. Durch das Merkmal des Vertretenseins sollte die „Zuständigkeit“ zur Arbeitnehmerrepräsentation hergestellt werden, die die Gewerkschaften sodann für das Nominationsrecht im Sinne von Wahlvorschlägen legitimieren würde. Diese Zuständigkeit sollte gerade nicht allumfassend sein, sondern für die Arbeitnehmer des betreffenden Unternehmens bestehen. Im Vordergrund stand somit eine räumliche Eingrenzung des Repräsentationsraumes. Diese wird im Tarifwesen durch die Tarifzuständigkeit vermittelt und steckt denjenigen Rahmen ab, in welchem die Legitimation zur tariflichen Normsetzung besteht. Insofern ist sie Bezugspunkt der Tariffähigkeit. Durch die Bezeichnung als Verband wird eine Loslösung von dem Erfordernis eines bestehenden Tarifvertrages ermöglicht und das Unternehmen als Bezugsgröße gestärkt. Die Rückkoppelung an die Arbeitnehmer des Unternehmens wird auf diese Weise territorial ermöglicht. Unterstützend kommt hinzu, dass auch die Kommission nicht von einem starren Entsenderecht ausging, sondern die Repräsentation der Arbeitnehmerbelange im Unternehmen weiterhin durch Wahlen legitimiert werden würde. Die vorangegangenen Auslegungsversuche werden indes relativiert, indem eine entsprechende Übernahme durch den Gesetzgeber nicht expressis verbis erfolgte. Weder wird auf die Empfehlungen der Kommission bezüglich des Vertretenseins explizit Bezug genommen, noch ergeben sich aus den Entscheidungen des Gesetzgebers entsprechende Anhaltspunkte. Die Frage, wann eine Gewerkschaft in einem Unternehmen vertreten ist, wird vielmehr an keiner Stelle vertieft problematisiert. Der Rückschluss, der Gesetzgeber habe in Kenntnis der Empfehlung der Kommission diese entsprechend stillschweigend übernommen, ist verfrüht. Zunächst ergäbe sich bei einer Gegenüberstellung der entsprechenden mitbestimmungsgesetzlichen und der betriebsverfassungsrechtlichen Interpretationen eine erhebliche (teleologische) Differenz, die schwerlich stillschweigend hingenommen werden kann – insbesondere, da es in dem Entwurf sowie später auch im Gesetzestext bei der betriebsverfassungsrechtlichen Formulierung blieb. Angefangen bei dem Wesen der Unternehmensmitbestimmung sind auch die Rechte der Gewerkschaften bzw. der Arbeitnehmerkoalitionen unterschiedlich ausgestaltet. Selbst ginge man von einem Willen des Gesetzgebers zur Übertragung des Verständnisses des Vertretenseins nach dem BetrVG 1952 auf das BetrVG 1972 aus – mit der Folge, dass richtigerweise etwaige, diesem Willen entgegenstehende Zweckmäßigkeitserwägungen nicht berücksichtigt werden können –, kann ein solcher gesetzgeberischer Wille dem Schweigen des Gesetzgebers im Hinblick auf das MitbestG nicht entnommen werden. Anknüpfend daran hätte es bei einer positiven Entscheidung zugunsten des Kommissionsvorschlages nähergelegen, die Voraussetzung des Vertretenseins in etwa so zu formulieren, dass die Empfehlungen der Kommission zu-

A. Die Begriffsfindung im Wege der klassischen Auslegung

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mindest verkürzt aufgenommen worden wären: „Eine Gewerkschaft ist dann im Unternehmen vertreten, wenn sie im Zeitpunkt der Abgabe des Wahlvorschlages für Arbeitnehmer des Unternehmens Tarifvertragspartei des Unternehmens oder seines Verbandes ist/Tarifverband im Unternehmen ist.“ Selbst ginge man daher davon aus, dass die Kommission eine Übernahme des tarifrechtlichen Gewerkschaftsbegriffes empfahl, kann eine entsprechende Reproduktion durch den Gesetzgeber den Materialien nicht entnommen werden. Wenn man ihm daher nicht eine explizite Ablehnung dieses Modelles unterstellen will, so doch zumindest Indifferenz, die insofern kein klares Auslegungsergebnis fördert. Eine Analyse der betriebsverfassungsrechtlichen Vertretungsdefinition zeigt schließlich, dass der Mitbestimmungsgesetzgeber auch im Falle einer Übernahme dieses Verständnisses die Legitimationserwägungen, welche den Empfehlungen der Kommission zugrunde lagen, in das MitbestG hätte übernehmen können: Im Kontext der Betriebsverfassung ist dieses Verständnis Ergebnis langjähriger bundesarbeitsgerichtlicher Rechtsprechung, die sich bis in das Jahr 1960 zurückverfolgen lässt. In seiner Entscheidung vom 4. November ging das Bundesarbeitsgericht erstmals unter Berufung auf die Gesetzesmaterialien zum BetrVG 1952 davon aus, dass eine Gewerkschaft bereits ab einem Arbeitnehmer als Mitglied in einem Betrieb vertreten ist.246 Grundlage dieses Beschlusses war die Auslegung des § 16 BetrVG 1952. Dieser sah für Betriebe ohne Betriebsrat vor, dass der Wahlvorstand durch eine Betriebsversammlung gewählt werden sollte. Für den Fall, dass kein Wahlvorstand gewählt wurde, konnte das Arbeitsgericht dessen Bestellung auf Antrag von drei Wahlberechtigten oder einer im Betrieb vertretenen Gewerkschaft vornehmen. In Frage stand somit im vorliegenden Fall, ob das zahlenmäßige Erfordernis von drei Wahlberechtigten auf die Antragsstellung der Gewerkschaft insoweit übernommen werden musste, dass eine Gewerkschaft nur dann im Sinne der Vorschrift im Betrieb vertreten war, wenn sie unter den (wahlberechtigten) Arbeitnehmern mindestens drei Mitglieder stellte.247 Das Bundesarbeitsgericht wies in seiner Entscheidung darauf hin, dass das Vertretensein als Antragsberechtigung der Gewerkschaft bereits von Beginn an Gegenstand des BetrVG-Entwurfes gewesen war, während die Antragsberechtigung für mindestens drei wahlberechtigte Arbeitnehmer erst nachträglich in Rahmen des Verfahrens aufgenommen worden sei. Daher sei davon auszugehen, dass der Inhalt des Merkmals des Vertretenseins der Gewerkschaft bereits zuvor feststand.248 Eine Übertragung des Inhaltes des Tatbestandsmerkmales sei daher bereits historisch ausgeschlossen. Für die Novelle des BetrVG von 1972 wurde dieses Verständnis schließlich durch ein Urteil aus dem Jahre 1992 bestätigt.249 Der Ge246 BAG v. 4. 11. 1960 – 1 ABR 4/60, BAGE 10, 154 (für das BetrVG in der Fassung von 1952). 247 Ablehnend bereits in der Vorinstanz das LAG Düsseldorf v. 7. 3. 1960 – 1 BVTa 16/59; ebenso in der Literatur Dietz, BetrVG, 3. Auflage, § 9 Rn. 22, § 15 Rn. 21; Fitting/Kraegeloh, BetrVG, 5. Auflage, § 2 Rn. 10. 248 BAG v. 4. 11. 1960 – 1 ABR 4/60, BAGE 10, 154 Rn. 12 ff. 249 BAG v. 25. 3. 1992 – 7 ABR 65/90, AP BetrVG 1972 § 2 Nr. 4.

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4. Kap.: Der mitbestimmungsgesetzliche Gewerkschaftsbegriff

setzgeber habe die Gesetzgebung in Kenntnis der wissenschaftlichen Auseinandersetzung zu dieser Auslegungsfrage durchgeführt und keine entsprechende Änderung vorgenommen.250 Eine abweichende Auslegung auch unter Berücksichtigung etwaiger Zweckerwägungen251 sei daher entgegen dem Willen des Gesetzgebers nicht möglich.252 Das Bundesarbeitsgericht zog zudem den allgemeinen Sprachgebrauch heran, um das Erfordernis einer personellen Präsenz der Gewerkschaften im Betrieb zu untermauern.253 Gesetzeshistorisch beinhaltete bereits das BetrVG 1952 das Vertretungselement der Gewerkschaften, welches entsprechend einer personellen Präsenz mindestens eines Arbeitnehmers zu verstehen sei.254 Die Gewerkschaften seien bereits aufgrund der personellen Komponente ausreichend legitimiert. In Einklang mit diesem Verständnis genüge eine Repräsentanz durch leitende Angestellte nicht, da es hier an einer Legitimation fehle.255 Das Legitimationserfordernis der Gewerkschaften spielte sodann auch im Jahre 2004 eine entscheidende Rolle, als das Bundesarbeitsgericht in Fortführung dieser Rechtsprechung entschied, dass eine Tarifzuständigkeit für das Vertretensein der Gewerkschaften als einschränkende Voraussetzung nicht zu fordern sei.256 Die Grundlegung einer Legitimation gewerkschaftlicher Beteiligung an der Betriebsverfassung sei allein Kraft satzungsmäßiger und fachlicher Zuständigkeit nicht ausreichend.257 Eine dahingehende Einschränkung der gewerkschaftlichen Betätigung zusätzlich zu dem Erfordernis personeller Repräsentanz sei wiederum nicht erforderlich.258 Etwas anderes kann auch für das MitbestG nicht gelten. Indem sich der „Zuständigkeitsparameter“ allenfalls vom Betrieb zum Unternehmen verschiebt, verlagert sich auch der Anknüpfungspunkt der angestrebten Legitimation auch nur entsprechend. Insofern können das Schweigen des Gesetzgebers und seine stille Verwendung des Vertretenseins nicht als Abrücken von der Legitimationsidee an sich gesehen werden und spricht in seiner strengsten Auslegung sogar für eine explizite Ablehnung der tarifrechtlichen Verknüpfung.259

250

BAG v. 25. 3. 1992 – 7 ABR 65/90, AP BetrVG 1972 § 2 Nr. 4 [B. I 1.]. Solche Zweckerwägungen führt Grunsky in AuR 1990, 105, 106 an. 252 BAG v. 25. 3. 1992 – 7 ABR 65/90, AP BetrVG 1972 § 2 Nr. 4. 253 BAG v. 25. 3. 1992 – 7 ABR 65/90, AP BetrVG 1972 § 2 Nr. 4. 254 So noch zum BetrVG 1952 BAG v. 4. 11. 1960 – 1 ABR 4/60, BAGE 10, 154. 255 BAG v. 25. 3. 1992 – 7 ABR 65/90, AP BetrVG 1972 § 2 Nr. 4. 256 BAG v. 10. 11. 2004 – 7 ABR 19/04, AP BetrVG 1972 § 17 Nr. 7 [B. I. 2.]. 257 So aber Grunsky, AuR 1990, 105, 106. 258 BAG v. 25. 3. 1992 – 7 ABR 65/90, AP BetrVG 1972 § 2 Nr. 4; ebenso Fitting, BetrVG, § 2 Rn. 43, der allerdings davon ausgeht, dass der betreffende Arbeitnehmer nicht „offensichtlich zu Unrecht“ von der Gewerkschaft aufgenommen worden sein darf. Für ein Erfordernis der Tarifzuständigkeit Grunsky, AuR 1990, 105, 106. 259 Mit diesem Ergebnis auch Uffmann, ZIP 2020, 2051, 2052. 251

A. Die Begriffsfindung im Wege der klassischen Auslegung

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bb) Die Stellungnahme der Bundesregierung zum Mitbestimmungsbericht vom 4. Dezember 1970 Die Stellungnahme fasst die nach Ansicht der Bundesregierung gewichtigsten Erkenntnisse aus dem Kommissionsbericht zusammen und bewertet sie. Hierbei geht sie jedoch über eine grundsätzliche Positionierung und Priorisierung der Bundesregierung in Bezug auf die Mitbestimmungsgesetzgebung nicht hinaus. Für die Beantwortung der Kernfrage ist sie deshalb auch nur geringfügig und allenfalls mittelbar aufschlussreich. Es kristallisiert sich lediglich die Bedeutung der Mitbestimmungsdiskussion auf politischer Ebene heraus und es erfolgt eine deutliche Betonung der wissenschaftlichen Umsetzungsschwierigkeiten. Zumindest indirekte Aussagekraft haben Bewertungen der Regierung bzgl. der Rolle der Gewerkschaften. Zum einen ist nach Ansicht der Bundesregierung bereits von Seiten der Arbeitnehmer mitbestimmungshistorisch kein negatives oder destruktives Investitionsverhalten zu verzeichnen.260 Auch sie seien an der dauerhaften Rentabilität des Unternehmens interessiert261 und würden auch keine zentrale Steuerung der Meinungsbildung vornehmen. Dies erfolge weder durch eine Beeinflussung des Meinungsbildes der Arbeitnehmer noch durch „Koppelungsgeschäfte“, bei welchen die Zustimmung im Aufsichtsrat an die Erfüllung tarifpolitischer Forderungen geknüpft werde.262 Diese Erkenntnis lässt einen Rückschluss auf die gewünschte Rolle der Gewerkschaften zu, welche auch durch die grundsätzlich avisierte Ausgangsposition der Interessenvertretungen im Aufsichtsrat gestützt wird. Koppelungen von Forderungen und entsprechend bedingtem Entgegenkommen sind typisch für antagonistische Verhandlungssituationen, wie sie im Rahmen von Tarifverhandlungen vorkommen. Dort wird konfrontativ verhandelt, indem das Entgegenkommen in Bezug auf eine Forderung von der Erfüllung einer Gegenforderung abhängig gemacht wird. Anders soll die Entscheidungsfindung im Aufsichtsrat ablaufen. Dort sollen zum Zwecke des Ausgleichs der arbeitnehmerseitigen Fremdbestimmung Weisung und Abhängigkeit durch Kooperation und Zusammenarbeit ersetzt werden.263 Dieses Verständnis muss sich zwangsläufig auf das Verhalten der Gewerkschaftsvertreter auswirken, wollen sie die Zwecke eines mitbestimmten Aufsichtsrates erfüllen. Konkretisierungen in Bezug auf das Merkmal des „Vetretenseins“ sowie der Koppelung an die Eigenschaft als Tarifvertragspartei finden sich hingegen nicht. 260

Stellungnahme der Bundesregierung zum Bericht der Mitbestimmungskommission, BT-Drs. VI/1551, S. 4. 261 Stellungnahme der Bundesregierung zum Bericht der Mitbestimmungskommission, BT-Drs. VI/1551, S. 4 262 Stellungnahme der Bundesregierung zum Bericht der Mitbestimmungskommission, BT-Drs. VI/1551, S. 5; weniger absolut noch der Bericht der Mitbestimmungskommission, BT-Drs. VI/334, S. 41. 263 Stellungnahme der Bundesregierung zum Bericht der Mitbestimmungskommission, BT-Drs. VI/1551, S. 2,3; so auch der Bericht der Mitbestimmungskommission, BT-Drs. VI/ 334, S. 67, 94; ebenso BVerfG v. 1. 3. 1979 – 1 BvR 532/77 u. a., AP MitbestG § 1 Nr. 1 [C. I. 1. c) bb), C. IV. 2. c) aa)].

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4. Kap.: Der mitbestimmungsgesetzliche Gewerkschaftsbegriff

cc) Der erste Regierungsentwurf vom 20. Februar 1974 unter Berücksichtigung der Koalitionsvereinbarung vom 22. Januar 1974 Gem. § 7 Abs. 2 Nr. 2 des Entwurfes sollten sich unter den Aufsichtsratsmitgliedern drei Vertreter der Gewerkschaften befinden, „die in dem Unternehmen selbst oder in einem anderen Unternehmen vertreten sind“.264 Diese sollten gem. § 16 aufgrund von Wahlvorschlägen nach Mehrheitswahlprinzip gewählt werden. Wann eine Gewerkschaft in dem Unternehmen vertreten sein sollte, ließ der Entwurf indes offen. Eine Konkretisierung erfolgte lediglich in dem Sinne, dass es sich um ein Unternehmen handeln müsse, dessen Arbeitnehmer „nach diesem Gesetze an der Wahl von Mitgliedern dieses Aufsichtsrates teilnehmen.“265 Diese Formulierung gab beinahe wortgleich die Formulierung des späteren § 7 Abs. 2 Nr. 2 MitbestG wieder, mit Ausnahme des Wortes „dieses“. Eine explizite Abkehr von den Empfehlungen der Kommission kann darin nicht gesehen werden. Einzig macht die Präzisierung hinsichtlich des Unternehmens deutlich, dass das Vertretensein legitimatorische Wirkung für die unternehmensbezogene Interessenvertretung haben sollte. Für den Fall, dass man zuvor die bezugnehmende Hervorhebung der Eigenschaft der Gewerkschaft als Tarifverband im Rahmen des Kommissionsberichtes daher als Legitimationserfordernis angesehen hat, ließe sich in der abweichenden Formulierung des Entwurfes allenfalls eine implizite Abkehr von dem Tarifbezug erkennen. dd) Die 404. Sitzung des Deutschen Bundesrates vom 5. April 1974 Auch im Protokoll der 404. Sitzung des Bundesrates v. 5. April 1974 finden sich keine Ausführungen zu dem Begriff des „Vertretenseins“. In der Hauptsache ging es in dieser Sitzung des Bundesrates vielmehr um die Frage der Vereinbarkeit von Tarifautonomie und Aufsichtsratsmitbestimmung. Wohl aufgrund der Beteiligung der Gewerkschaften im Rahmen der Mandatierung wurde eine Vermischung der Aufgaben und Interessen befürchtet.266 Diese Befürchtung hatten bereits die Mehrheit der übrigen Ausschussmitglieder und noch einmal Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung Walter Arendt mit Verweis auf die empirischen Ergebnisse der Mitbestimmungskommission zurückgewiesen. Es bestehe eine ausdrückliche Trennung von Tarifverhandlungen und Aufsichtsratstätigkeit.267 Ferner wurde im Kontext des Wahlverfahrens auch der Minderheitenschutz ausführlich thematisiert. Eine Urwahl, wie sie von einigen Ausschussmitgliedern gefordert wurde,268 sei nach Ansicht der Regierung nicht praktikabel und insbesondere die Erfahrungen mit den Wahlen zum Betriebsrat hätten gezeigt, dass eine Zwischenschaltung von Wahlmännern eine personelle wie räumliche Rückanbindung der Kandidaten an die 264

BR-Drs. 200/74, S. 5. BR-Drs. 200/74, S. 21. 266 Aufgenommen in der 404. Sitzung des Deutschen Bundesrates v. 5. 4. 1974, S. 110 C. 267 404. Sitzung des Deutschen Bundesrates v. 5. 4. 1974, S. 110 C. 268 404. Sitzung des Deutschen Bundesrates v. 5. 4. 1974, S. 111 A.

265

A. Die Begriffsfindung im Wege der klassischen Auslegung

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Betriebsangehörigen gewährleiste.269 Die Urwahl war von Ausschussmitgliedern von CDU und CSU gefordert worden, da eine Mehrheitswahl mithilfe von Wahlmännern demokratischen Ansprüchen nicht genüge. Nur eine Urwahl sei in der Lage, sicherzustellen, dass auch die Belange und Interessen von Minderheiten effektiv berücksichtigt würden.270 In diesem Kontext stellte die Bundesregierung – neben einer erneuten Positionierung zugunsten einer Mehrheitswahl – noch einmal klar, dass es im Aufsichtsrat nicht um die Vertretung isolierter Interessen einzelner Gruppen, sondern um Kollektiv- bzw. Gruppeninteressen gehe.271 Von hervorgehobener Bedeutung für die Auslegung des Gewerkschaftsbegriffes ist indes die Wortwahl des Bundesarbeitsministers: Im Kontext der Beteiligung der Gewerkschaften definierte er diese als „überbetrieblich organisierte Arbeitnehmerschaft“.272 Obschon diese Bezeichnung inhaltlich kaum überraschen kann – insbesondere unter Verweis auf das oben zum Inhalt des (historischen) Gewerkschaftsbegriffes Gesagten – ist es doch bezeichnend für das Begriffsverständnis der Gesetzgebung oder vielmehr sogar für ein entsprechendes Fehlen. Bereits die Überbetrieblichkeit war im Rahmen der historischen Auseinandersetzung und begrifflichen Prägung der Gewerkschaften nicht unumstritten.273 In der Bezeichnung Arendts nun eine entsprechende Stellungnahme zu sehen, wäre indes übereilt. Ob sich der Bundesarbeitsminister für ein Erfordernis der überbetrieblichen Organisation aussprach oder nicht, ist darüber hinaus an dieser Stelle nicht relevant. Vielmehr vermag die Bezeichnung aufzuzeigen, dass auch die Regierung – in persona des Bundesarbeitsministers – ein eher gesellschaftlich phänotypisches Verständnis der Gewerkschaften pflegte. Dieses weist zwar in seiner Detailliertheit und Differenziertheit Überschneidungen mit dem rechtswissenschaftlichen Begriffsverständnis auf. Es muss jedoch bereits funktionell und zweckbezogen mit diesem nicht übereinstimmen. Die Bundesregierung und auch der Gesetzgeber betrachteten die Beteiligung der Arbeitnehmervereinigung in ihrer Funktion und ihrer Rolle in dem durch das Gesetz erhofften Regelungserfolg. Diese Erwägungen sind praktischer Natur und beruhen auf den Beobachtungen und faktualen Erscheinungsbildern der Gewerkschaften in der deutschen Arbeitslandschaft. Das wissenschaftliche Fundament ist für diese Betrachtung zunächst nicht relevant und auch nicht unbedingt zielführend. Damit soll den am Gesetzgebungsverfahren Beteiligten weder das Interesse für oder das Verständnis von abstrakten und theoretischen Überlegungen abgesprochen, sondern lediglich aufgezeigt werden, dass – wie so oft – Theorie und Praxis, wenn auch gleichrangig, so doch nicht gleichläufig sind. Dies gilt zumindest und umso eher für die Gesetzgebung, die auf theoretischem Fundament wirklichkeitsnah und praktikabel Normen und Rechtslagen schaffen muss. Betrachtet man 269

404. Sitzung des Deutschen Bundesrates v. 5. 4. 1974, S. 110 D, 112 C. 404. Sitzung des Deutschen Bundesrates v. 5. 4. 1974, S. 111 A, 112 D. 271 404. Sitzung des Deutschen Bundesrates v. 5. 4. 1974, S. 112 C, D. 272 404. Sitzung des Deutschen Bundesrates v. 5. 4. 1974, S. 112 A. 273 S. für das Weimarer Verständnis Kapitel 1, Abschnitt C. I. 2. cc) sowie für das heutige Verständnis im Rahmen der Tariffähigkeit in demselben Kapitel den Abschnitt A. II. 2. 270

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4. Kap.: Der mitbestimmungsgesetzliche Gewerkschaftsbegriff

also die Aussage von Bundesarbeitsminister Arendt, so wird zumindest deutlich, dass sie bereits nicht als Definitionsversuch gedeutet werden muss. Sie steht lediglich sinnbildlich für das bis hierhin prägende Bild, dass als Grundlage des Begriffsverständnisses die Gewerkschaft eher in ihrem Phänotyp als in ihrer rechtlichen Gestalt bedacht wurde. Diese Auseinandersetzung vermag somit ein vor allem funktional geleitetes Gewerkschaftsverständnis nachzuzeichnen, das insoweit die Wortlautargumentation schwächt. Die Gewerkschaften wurden aus dem Blickwinkel ihrer Funktion und Rolle im Arbeitsleben gesehen und nicht unter ihren rechtlichen Voraussetzungen betrachtet.274 Diese praktische Sichtweise greift in methodischer Hinsicht diejenigen Begriffsdifferenzen auf, die durch die bundesarbeitsgerichtliche Fortbildung des Gewerkschaftsbegriffes über seine historischen, bestimmten Voraussetzungen hinaus entstanden. ee) Der Gesetzentwurf zum MitbestG vom 29. April 1974 (1) Zur Rolle der Gewerkschaften Der Regierungsentwurf von SPD und FDP vom 29. April 1974 orientierte sich zwar sichtbar an den Empfehlungen der Kommission. Zu der mandatorischen Besetzung der Aufsichtsräte durch die Arbeitnehmer- und Gewerkschaftsvertreter ging er indes nicht über die Aussagen hinaus, welche später auch in § 7 Abs. 2, 5 MitbestG Eingang fanden.275 Der dem Regierungsentwurf zum MitbestG zugrunde liegende Grundsatz einer gleichberechtigten und gleichgewichtigen Teilnahme von Anteilseignern und Arbeitnehmern an den unternehmerischen Entscheidungsprozessen bedingte für die Regierungsparteien ausweislich des Gesetzentwurfes auch die Teilhabe und Teilnahme von „Vertretern der überbetrieblich organisierten Arbeitnehmerschaft, der Gewerkschaften.“276 Nach ihrer Ansicht untermauerten gerade die positiven Erfahrungen mit der Montanmitbestimmung sowie die Untersuchungen der Mitbestimmungskommission die herausragende Bedeutung der Arbeitnehmervertretungen für die Unternehmensmitbestimmung. Sie seien vor allem wegen ihrer Unabhängigkeit integraler Bestandteil der gremialen Meinungsbildung.277 Umfragen in mitbestimmten Aufsichtsräten der Montanindustrie hätten gezeigt, dass die Arbeitnehmervertreter insbesondere auch wichtige wirtschaftlich motivierte Unternehmensentscheidungen in ihren sozialen Auswirkungen mitgetragen hätten.278 Das Unabhängigkeitsargument von Seiten der SPD und der FDP ist dabei in zweierlei 274

Damit decken sich auch die bis dato in den aufgeführten Dokumenten verwandten Begriffe, s. beispielhaft oben „überbetrieblich organisierte Arbeitnehmerschaft“. 275 Für die Äußerungen des Gesetzentwurfes zu § 7 Abs. 2, 5 MitbestG S. BT-Drs. VII/ 2172, S. 22. Zum Merkmal des Vertretenseins s. den nachfolgenden Gliederungspunkt (2). 276 BT-Drs. VII/2172, S. 17. 277 BT-Drs. VII/4845, S. 5. 278 BT-Drs. VII/4845, S. 5.

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Hinsicht interessant: Zum einen wurde die Idee des „neutralen“ Mitgliedes, dessen Existenzberechtigung in der Montanindustrie gerade in der Unabhängigkeit als „Zünglein an der Waage“ liegt, früh im Gesetzgebungsverfahren abgelehnt.279 In diesem Kontext entschied man sich somit gegen den Faktor der Neutralität, ohne dabei indes eine andere Art der Pattlösung zu normieren.280 Zum anderen schreiben die Regierungsparteien den Arbeitnehmervertretern diese Unabhängigkeit in der Meinungsbildung zu, obgleich sie sie in ihrer Funktion und Aufgabenzuweisung dem „Arbeitnehmerlager“ zuordnen.281 Gleichwohl muss darin nicht unbedingt ein Widerspruch gesehen werden: Ob der bereits angesprochenen Branchen- und Fachkenntnisse ist es durchaus denkbar, die Gewerkschaftsvertreter auf der einen Seite in ihrem Ursprung den Arbeitnehmern zuzuordnen und sie in diesem „Lager“ wiederum als Vermittler zu betrachten. Ihre Unabhängigkeit in der Meinungsbildung muss dabei insbesondere nicht mit einer Unabhängigkeit in der Meinungsdurchsetzung einhergehen. Gelingt es den Arbeitnehmervertretern bereits zu Beginn der Diskussion, zwischen den verschiedenen Ideen und Anliegen zu vermitteln, würde sich eine strikte Bindung an die Durchsetzung der Arbeitnehmerinteressen erübrigen. Mit ihrem branchen- wie themenbezogenen Sachverstand könnten sie nicht nur den betrieblichen Arbeitnehmervertretern zur Seite stehen, sondern wären auch in einem ihnen vorbehaltenen Maße in der Lage, allgemeine betriebs- und unternehmensübergreifende Arbeitnehmerbelange in die Beschlussfassung des Aufsichtsrates einzubringen. (2) Zum Merkmal des Vertretenseins Das Kriterium des Vertretenseins wird an verschiedenen Stellen des Gesetzentwurfes aufgegriffen,282 eine begriffliche Konkretisierung gleichwohl nicht vorgenommen. Dies ist insoweit bedenklich, als die entsprechende Definition der Kommission, die inhaltlich sogar als von derjenigen des BetrVG abweichend angesehen werden kann, zwar mit einer Empfehlung versehen war, im Ergebnis jedoch zur gesetzgeberischen Disposition gestellt wurde. Anhaltspunkte dafür, dass sich die Regierung damit die von der Kommission unterbreitete Empfehlung zu eigen machte, sind folglich zumindest schwach, insbesondere unter Berücksichtigung der Tatsache, dass auch in zeitlich vorangegangenen Dokumenten keine dahingehende Positionierung sichtbar wurde.

279

BT-Drs. VII/4845, S. 4. BT-Drs. VII/2172, S. 11, welcher in § 26 zwar eine Maßgeblichkeit der Stimme des Vorsitzenden vorsah, die aber nicht entgegen der Mehrheit der Anteilseigner- oder Arbeitnehmervertreterstimmen bestehen konnte. 281 BT-Drs. VII/2172, S. 17. 282 §§ 7 Abs. 2 Nr. 2, 16 Abs. 2, 22 Abs. 1 S. 2 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 2 MitbestG; s. auch zu der Begründung, BT-Drs. VII/2172, S. 18. 280

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4. Kap.: Der mitbestimmungsgesetzliche Gewerkschaftsbegriff

(3) Die Behandlung anderer unbestimmter Rechtsbegriffe Aufschluss über das Schweigen des Gesetzgebers hinsichtlich des Gewerkschaftsbegriffes kann möglicherweise dessen Umgang mit anderen unbestimmten Rechtsbegriffen geben. So erscheint eine stillschweigende Übernahme des tarifvertraglichen Gewerkschaftsbegriffes wahrscheinlicher, sofern andere unbestimmte Rechtsbegriffe explizit übernommen oder abgewandelt wurden.283 Da jedoch die Begriffsverwendung eines zu diesem Zeitpunkt bereits als unbestimmt verstandenen Begriffes erfolgte, welcher der Ausgestaltung durch die Rechtsprechung unterlag und noch immer unterliegt, stellt sich zwangsläufig auch hier die Frage, ob der Gesetzgeber die bis dato gültige Rechtspraxis als für den Begriffsinhalt maßgeblich anerkennen wollte. Im vorliegenden Entwurf des MitbestG kommen hierfür vor allem zwei weitere unbestimmte Rechtsbegriffe in Betracht, die durch explizite Verweisung Eingang in das Gesetz gefunden haben: Zum einen der Konzernbegriff der §§ 17, 18 AktG und zum anderen der Begriff des leitenden Angestellten im Sinne des § 5 Abs. 3 BetrVG. Beide Rechtsbegriffe wurden bereits im Rahmen der systematischen Auslegung betrachtet.284 Diese erfolgte dabei unter der Hypothese, dass es Ziel des Gesetzgebers war, das MitbestG so nahtlos wie möglich in die Systematik des Gesellschafts- und Arbeitsrechtes einzugliedern.285 Umfang und Kontext dieser Verweisungen könnten folglich Aufschluss darüber geben, wie der Gesetzgeber den ebenfalls unbestimmten Rechtsbegriff der Gewerkschaft verstand. Inwiefern die dort gezogenen objektiven Schlüsse aber Bestand haben können, ist von der nun vorzunehmenden subjektiven Betrachtung des gesetzgeberischen Willens abhängig. Bereits § 5 des Entwurfes regelte die Konzernzurechnung von Arbeitnehmern. In diesem Zusammenhang findet sich in der Begründung der explizite Hinweis, dass für das MitbestG das Verständnis des § 18 Abs. 1 AktG gelten soll.286 Dies entspreche auch der gesetzgeberischen Entscheidung zu § 54 Abs. 1 BetrVG.287 Durch den Hinweis im Rahmen des Verweises, es sollte der aktienrechtliche Konzernbegriff des § 18 Abs. 1 AktG aufgenommen werden, offenbart der Gesetzgeber sein Verständnis eben dieses Begriffes als unbestimmter Rechtsbegriff, der in der Folge einer Konkretisierung bedarf. Gleichsam legt dieses Verhalten nahe, dass der Gesetzgeber davon ausging, ohne eine solche Klarstellung sei eine abweichende Interpretation des Begriffes – weil methodisch denkbar – zu besorgen gewesen. Ungeachtet dessen erwähnt der Entwurf keinen „Gewerkschaftsbegriff“ und nimmt auf ihn auch nicht explizit Bezug. Werden die Gewerkschaften im Entwurf genannt, wird lediglich von der „überbetrieblich organisierten Arbeitnehmerschaft“ gesprochen.288 Diese In283

Zum Inhalt beredten Schweigens stellv. Möller, Juristische Methodenlehre, § 6 Rn. 64 f. Abschnitt A. I. 2. b) bb) (1) dieses Kapitels. 285 S. dazu ausführlich Abschnitt A. I. 2. b) aa) dieses Kapitels. 286 BT-Drs. VII/2172, S. 21. 287 S. dazu Richardi/Annuß, BetrVG, § 54 Rn. 3 ff. 288 BT-Drs. VII/2172, S. 17.

284

A. Die Begriffsfindung im Wege der klassischen Auslegung

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differenz ist bereits aus dem Gesetzgebungsverfahren zum TVG bekannt.289 Die Vergleichbarkeit der beiden Regelungssituationen wird jedoch relativiert, wenn man annimmt, dass der Verweis auf § 18 Abs. 1 AktG den Konzernbegriff weniger definieren als vielmehr einschränken wollte, indem Abs. 2 – also der Gleichordnungskonzern – explizit ausgeschlossen wurde. Im Kontrast hierzu sind die Ausführungen der Bundesregierung in ihrem Entwurf zu den leitenden Angestellten vergleichsweise knapp. Die Bundesregierung geht ohne weiteres davon aus, dass dieser Begriff aufgrund einer entsprechenden Verweisung in § 5 Abs. 3 BetrVG legaldefiniert wird.290 Die Kürze der Stellungnahme in diesem Punkt deutet darauf hin, dass die Regierung davon ausging, durch diese Verweisung Interpretationsproblemen vorgegriffen zu haben. Nichtsdestotrotz wird der unbestimmte Rechtsbegriff des leitenden Angestellten aus methodischen Gründen vor allem durch das Urteil des Bundesarbeitsgerichtes vom 5. März 1974 noch einmal relevant.291 Die Auswertung des Gesetzentwurfes ist damit insgesamt nicht dienlich, ein bestimmtes Begriffsverständnis offenzulegen. Allerdings haben sich Zweifel daran ergeben, dass der Gesetzgeber ganz grundsätzlich den „allgemeinen“ Gewerkschaftsbegriff zugrunde legen wollte. ff) Die erste Lesung des Regierungsentwurfes vom 20. Juni 1974 Trotz der Kritik des Bundesrates erfolgte am 20. Juni 1974 die erste Lesung des Gesetzentwurfes. Zunächst stellte Bundesarbeitsminister Arendt den Entwurf in seinen Kernpunkten vor, wobei er an die Entwicklung der einfachgesetzlichen Mitbestimmung seit der Nachkriegszeit anknüpfte. Er führte aus, dass sich die Montanmitbestimmung insgesamt bewährt habe.292 Im Anschluss daran erfolgte die erste kritische Auseinandersetzung im Plenum. Die Sitzung endete mit dem Beschluss, den Entwurf entsprechend dem Vorschlag des Ältestenrates an den Ausschuss für Arbeit und Sozialordnung (federführend) und den Rechtsausschuss zur Mitberatung zu überweisen.293 In der Plenumsdiskussion kamen vorwiegend das Wahlverfahren sowie damit verbunden die Repräsentation von Minderheiteninteressen zur Sprache. Die bereits im Bundesrat erfolgte Diskussion um das Wahlverfahren und die Berücksichtigung von Gruppen und Gruppierungen von Arbeitnehmern setzte sich also fort. Das Wahlmännerverfahren, welches im Wege einer Verhältniswahl durchgeführt werden sollte, sei in Kombination mit der Wahl der Mandatsträger durch die Wahlmänner nach Mehrheitsgrundsätzen „undemokratisch“. Minderheitlich organisierte Arbeit-

289

Siehe oben Kapitel 1, Abschnitt C. I. 3. BT-Drs. VII/2172, S. 20. 291 S. dazu die Ausschussprotokolle in Abschnitt A. I. 3. d) (gg) dieses Kapitels. 292 110. Sitzung des Deutschen Bundestages v. 20. 6. 1974, S. 7462 B, C. 293 110. Sitzung des Deutschen Bundestages v. 20. 6. 1974, S. 7460 D, 7544 D.

290

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4. Kap.: Der mitbestimmungsgesetzliche Gewerkschaftsbegriff

nehmergruppen würden auf diese Weise ungerechtfertigt benachteiligt.294 Ein weiterer wesentlicher Kritikpunkt der Opposition lag in den Interdependenzen von Tarifautonomie und Unternehmensmitbestimmung. Ausweislich des Protokolls interpretierte die SPD-Fraktion Aussagen von Generalsekretär Kurt Biedenkopf offensichtlich dergestalt, dass nach Ansicht der CDU die Beteiligung der Gewerkschaften an der Mitbestimmung auf Unternehmensebene im Aufsichtsrat mit einem Streikverbot einhergehen müsste.295 Ein solches Verbot würde die Voraussetzungen der sozialen Mächtigkeit, welche an den dem TVG zugrunde gelegten Gewerkschaftsbegriff geknüpft ist, ad absurdum führen. Begriffliche Voraussetzung des (tarifvertraglichen) Gewerkschaftsbegriffes wäre zwar weiterhin formal die abstrakte Fähigkeit zum Arbeitskampf, die mit dem der Arbeitskampfbereitschaft nachgefolgten Verständnis sozialer Macht verbunden ist. Diese würde aber für das Tarifwesen durch das MitbestG verboten und auf diese Weise das Damoklesschwert der kampfweisen Durchsetzung von Forderungen endgültig entfernt. Freilich können diese Aussagen von Seiten der Opposition dem Gesetzgeber nicht ohne weiteres unterstellt werden, zumal sie inhaltlich auch von der entsprechenden Interpretation durch andere Parteien abhängen. Diese eröffnet aber im Rahmen der Suche nach dem mitbestimmungsgesetzlichen Gewerkschaftsbegriff die Möglichkeit für zweierlei Betrachtung: Zum einen wird von Seiten der CDU auch bei einem Verbot des Streikes und damit der Verkappung der sozialen Mächtigkeit die Eigenschaft oder zumindest die Bezeichnung der Arbeitnehmerorganisationen als „Gewerkschaften“ nicht in Abrede gestellt. Dies wiederum spricht erneut für die vordergründig phänotypische Betrachtungsweise der Parteien im Rahmen der Gesetzgebung.296 Zweitens wird im Zuge der Kritik dieser Forderung durch die SPD als Regierungspartei und Mitautorin des Gesetzentwurfes zu keinem Zeitpunkt die Frage aufgeworfen, ob ein Verbot des Arbeitskampfes bei Beteiligung an der Mitbestimmung nicht zu einem Wegfall der Gewerkschaftseigenschaften führen würde. Vielmehr sieht sie in diesem Vorstoß ein „Tauschgeschäft“, welches die Gewerkschaften eher in ihren Aufgaben als in ihrer Identität betreffen würde.297 Aus Anlass dieser Thematik kann auch ein Blick auf die gewählten Bezeichnungen geworfen werden. Nicht nur während der ersten Plenumsdiskussion zum Einfluss der Mitbestimmungsregelung auf die Tarifautonomie, sondern bereits im Bericht der Mitbestimmungskommission und der wissenschaftlichen Auseinandersetzung in der Literatur wurde beinahe ausschließlich die Aufhebung von Gegner-

294

110. Sitzung des Deutschen Bundestages v. 20. 6. 1974, S. 7467 A. So die Interpretation des SPD-Abgeordneten Farthmann, 110. Sitzung des Deutschen Bundestages v. 20. 6. 1974, S. 7528 C. 296 Wohl angedeutet in Biedenkopf, RdA 1970, 129, 135. 297 So der SPD-Abgeordnete Farthmann, in der 110. Sitzung des Deutschen Bundestages v. 20. 6. 1974, S. 7528 C, D; grundlegend zur Veknüpfung von Unternehmensmitbestimmung Simitis, AuR 1975, 321, 326 m. w. N. 295

A. Die Begriffsfindung im Wege der klassischen Auslegung

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freiheit und -unabhängigkeit problematisiert.298 Bei diesen Voraussetzungen handelt es sich mithin um solche, die auch nach herrschender Ansicht in der Literatur sowie nach dem Verständnis des Bundesarbeitsgerichtes nicht Voraussetzungen einer Gewerkschaft, sondern einer Koalition gem. Art. 9 Abs. 3 GG sind.299 Diese Vermischung von Merkmalen und Voraussetzungen spiegelt nicht nur das praxisorientierte phänotypische Gewerkschaftsverständnis des Gesetzgebers wider, sondern greift explizit auch auf solche Merkmale zurück, die bereits in Kapitel 1, Abschnitt C. I. 2. im Rahmen einer ersten historischen Auslegung hervorgehoben wurden. An anderer Stelle wiederum spricht der SPD-Abgeordnete Rappe von den Gewerkschaften als „demokratische Organisationen der Arbeitnehmer in den Betrieben“.300 Dieser Verweis auf den Betrieb und damit in gewisser Weise in das Betriebsverfassungsrecht könnte einen Verweis auf den „betriebsverfassungsrechtlichen“ Gewerkschaftsbegriff darstellen. Einen solchen gibt es aber nach dem Verständnis des einheitlichen Gewerkschaftsbegriffes nicht. Vielmehr bestimmt sich dieser – wie bereits dargetan – unter Rekurs auf das TVG für die gesamte (Arbeits-) Rechtsordnung einheitlich. Damit liegt in der Aussage Rappes kein eindeutiger Hinweis zugunsten eines einheitlichen Begriffes, da die Aussage keine Rücksicht auf das möglicherweise divergente Verhältnis eines tarifvertraglichen und eines betriebsverfassungsrechtlichen Gewerkschaftsbegriffes nimmt. Schlussendlich können auch aus den Dokumenten zur ersten Lesung keine eindeutigen Schlüsse zugunsten eines bestimmten Begriffsverständnisses gezogen werden. Es finden sich jedoch deutliche Hinweise auf ein funktional-phänotypisches Begriffsverständnis. Im Rahmen der Minderheitenrechte der Arbeitnehmervertreter wurde die Repräsentation durch kleinere (ggf. nicht tariffähige) Gewerkschaften nicht angesprochen. Diese wurden vielmehr in ihrer Gesamtheit als unerlässlich für die Funktionsfähigkeit der Unternehmensmitbestimmung angesehen. gg) Die Protokolle des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung Im Rahmen der Ausschussarbeit erfolgten auch mehrere öffentliche Informationssitzungen – sog. Hearings –, in denen Sachverständige und Experten verschiedener Interessengruppen, Professoren aus der Rechtswissenschaft und Praktiker aus der Arbeitsgerichtsbarkeit angehört wurden, um im Zuge der Ausschussarbeit vertiefte Kenntnisse und Erkenntnisse über die Implikationen einer Ausweitung der Unternehmensmitbestimmung zu erhalten. Als Sachverständige fungierten Vertreter der Dachverbände BDA und BDI, des DGB, der DAG, der ULA und des CGB. 298 Mit einer Darstellung der dahingehenden Mitbestimmungskritik BT-Drs. VI/334, S. 26, später diese ablehnend, S. 164; vgl. auch Abgeordneter Graf Stauffenberg von der CDU in der 110. Sitzung des Deutschen Bundestages v. 20. 6. 1974, S. 7512 A. 299 Für die „Gegnerfreiheit“ und die „Gegnerunabhängigkeit“ Graf Stauffenberg (CDU), in 110. Sitzung des Deutschen Bundestages v. 20. 6. 1974, S. 7512 A; grundsätzlich zu den entsprechenden Anforderungen an den Gewerkschaftsbegriff Kapitel 1, Abschnitte A. II. und III. 300 110. Sitzung des Deutschen Bundestages v. 20. 6. 1974, S. 7460 D, 7499 C.

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4. Kap.: Der mitbestimmungsgesetzliche Gewerkschaftsbegriff

Überdies erfolgten auch Anhörungen einzelner Sachverständiger aus Unternehmensleitungen und Betriebsräten, von leitenden Angestellten, Arbeitsdirektoren und Richtern des Bundesarbeitsgerichtes. Gegenstand der ersten Anhörung am 16. Oktober 1974301 waren die Erfahrungen aus der Mitbestimmung sowie eine Gesamtwürdigung des Gesetzentwurfes. Über die bis zu diesem Zeitpunkt bereits etablierten Argumente für oder gegen die Rolle der Gewerkschaften hinaus enthielten diese Unterlagen keine Aussage über das Merkmal des „Vertretenseins“ oder ein bestimmtes Gewerkschaftsverständnis. Die zweite Informationssitzung vom 4. November 1974302 diente der Besprechung verschiedener Themen aus der Aufsichtsratspraxis sowie einer Beurteilung des Gesetzentwurfes aus unionsrechtlicher Perspektive. Auch in diesem Kontext wurden die Gewerkschaften nicht eingehender betrachtet. In einer abschließenden Anhörung am 19. Dezember 1974303 wurde sodann vertieft über die Vereinbarkeit von Unternehmensmitbestimmung mit den Art. 9 Abs. 3 GG sowie Art. 14 GG gesprochen. Im Anhang des Protokolles finden sich überdies gutachterliche Thesen der Professoren Thomas Raiser und Rupert Scholz sowie Stellungnahmen vereinzelter Sachverständiger. Ausführungen zum Vertretensein der Gewerkschaften und dem Gewerkschaftsbegriff finden sich nicht. Für die Auslegung des mitbestimmungsgesetzlichen Gewerkschaftsbegriffes sind daher ausschließlich die Ausführungen der 55. Sitzung des Ausschusses vom 7. November 1974 relevant. In dieser Sitzung kamen diverse konkrete Diskussionspunkte betreffend den Gesetzentwurf zur Sprache: Die Stellung der leitenden Angestellten, das Wahlverfahren und der Geltungsbereich des Gesetzes. Abschließend wurde unter dem Punkt „Sonstige Fragen“ erneut auf die Rolle der Gewerkschaften und das Verhältnis von Unternehmensmitbestimmung und Tarifautonomie eingegangen. Obschon auch im Zuge dieser Anhörung keine explizite Auseinandersetzung mit dem Gewerkschaftsbegriff erfolgte, können nachfolgend zwei Themenpunkte der Agenda als Anknüpfungspunkte der Auslegung dienen. Zum einen erfolgte, wie bereits im Rahmen der ersten Lesung des Entwurfes am 20. Juni angekündigt, eine tiefergehende Analyse des Begriffes des leitenden Angestellten, der durch einen Beschluss des Bundesarbeitsgerichtes vom 5. März 1974304 zu dem neuen § 5 Abs. 3 BetrVG an Relevanz gewonnen hatte. Zum anderen wurde – erneut unter dem übergeordneten Aspekt der Minderheitenrechte – über das Wahlverfahren gestritten. In diesem Zusammenhang ging es nicht zuletzt wie bereits im Zuge der Montangesetzgebung um die Repräsentation arbeitnehmerseitiger Minderheiteninteressengruppen. Auch in diesem Zusammenhang wurde der Begriff der leitenden Angestellten wiederholt aufgegriffen. Hierbei ging es sodann jedoch um ihre Berücksichtigung in Wahl und Interessenvertretung. Der Minderheitenschutz im 301

51. Sitzung des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung v. 16. 10. 1974. 55. Sitzung des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung v. 7. 11. 1974. 303 62. Sitzung des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung v. 19. 12. 1974. 304 BAG v. 5. 3. 1974 – 1 ABR 19/73, AP BetrVG 1972 § 5 Nr. 1. 302

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Aufsichtsrat kann deshalb interessant sein, da er einen zahlenmäßigen Zusammenhang zu Minderheitengewerkschaften herstellt, die insbesondere aufgrund des Erfordernisses einer gewissen Mitgliederzahl für die Suche nach einem konkreten Begriffsverständnis virulent sind. In diesem Kontext können Erkenntnisse darüber gewonnen werden, ob solche Arbeitnehmerorganisationen als „Gewerkschaften“ im Rahmen des MitbestG berücksichtigt werden sollten, die nach dem TVG aufgrund der Tariffähigkeitsvoraussetzungen nicht als solche angesehen würden. Der Übersichtlichkeit halber soll diesen beiden Fragestellungen trotz ihrer logischen Verknüpfungen separat nachgegangen werden. (1) Zum Begriff des „leitenden Angestellten“ Zu Beginn des Hearings wurde der Begriff des leitenden Angestellten im Sinne des damals recht neuen § 5 Abs. 3 BetrVG umfassend erörtert. Anlass dazu gab § 3 Nr. 3 MitbestG, welcher für den persönlichen Anwendungsbereich des Gesetzes auf den Begriff des „leitenden Angestellten“ im Sinne des § 5 Abs. 3 BetrVG verwies. Bereits Bundesarbeitsminister Arendt hatte während der ersten Lesung auf die „Strahlkraft“ des Beschlusses des Bundesarbeitsgerichtes zum neuen § 5 Abs. 3 BetrVG hingewiesen.305 Man war sich also der begrifflichen Problematik bewusst, welche durch den Verweis in § 3 Nr. 3 auch Eingang in das MitbestG finden sollte, hatte also auch im Rahmen des MitbestG-Entwurfes den Begriff des leitenden Angestellten als einen unbestimmten Rechtsbegriff erkannt und dann explizit auf denjenigen des BetrVG verwiesen. Damals war man indes ausweislich der Begründung davon ausgegangen, den Begriff des leitenden Angestellten zumindest für den Zweck des MitbestG durch den Verweis legaldefiniert zu haben.306 Durch die Novelle des BetrVG im Jahre 1972 war der betriebsverfassungsrechtliche Begriff des leitenden Angestellten neu normiert worden. In Abweichung zu seiner Vorgängervorschrift wurde der Begriff durch eine zusätzliche Voraussetzung enger gefasst. Ziel des Gesetzgebers war es gewesen, den bis dato aufgrund begrifflicher Unsicherheiten unpraktikablen Begriff handhabbarer zu machen. Die offen formulierten Tatbestandsvoraussetzungen des § 4 Abs. 2 BetrVG aF. sowie das streitige Verhältnis von allgemeinem und betriebsverfassungsrechtlichem Begriff hatten Rechtsprechung und Praxis vor erhebliche Herausforderungen gestellt.307 Doch auch die Neuregelung in § 5 Abs. 3 BetrVG konnte diese Unklarheiten nicht ausräumen. Dies war insbesondere auf die Tatbestandsvoraussetzung in § 5 Abs. 3 lit. c) BetrVG zurückzuführen, welche erneut offen formuliert und damit auslegungsbedürftig war.308 Aus diesem Grunde hatte auch der Bundesrat in seiner Stellungnahme zum Regierungsentwurf empfohlen, die Regelung des persönlichen 305

110. Sitzung des Deutschen Bundestages v. 20. 6. 1974, S. 7465 A, B. BT-Drs. VII/2172, S. 20 307 Rüthers/Stindt, BB 1972, 973, 974. 308 Als erneute „Generalklausel“ Rüthers/Stindt, BB 1972, 973, 977; mit einer methodischen Auseinandersetzung auch Rüthers, JZ 1974, 625 passim. 306

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4. Kap.: Der mitbestimmungsgesetzliche Gewerkschaftsbegriff

Anwendungsbereiches des Gesetzes in § 3 Nr. 3 MitbestG im Lichte der jüngsten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes erneut zu bewerten.309 Hierzu wurden besonders die Richter am Bundesarbeitsgericht Müller und Auffahrt in der öffentlichen Anhörung der Sachverständigen vom 7. November 1974 intensiv zur Auslegung des leitenden Angestelltenbegriffes nach § 5 Abs. 3 BetrVG befragt. Angesprochen auf die arbeitsrechtliche Reichweite der Entscheidung verwies Bundesarbeitsrichter Müller auf die „Offenheit“ des Begriffes in § 5 Abs. 3 BetrVG.310 Zugunsten von Funktionalität und Praxistauglichkeit sei es daher in der Gerichtsbarkeit erforderlich gewesen, den Begriff mittels Fallgruppen zu konkretisieren. Gleichwohl könne nur eine gesetzliche Normierung des Begriffes abschließend für Klarheit und Sicherheit sorgen.311 Bereits diese Aussagen sind im Hinblick auf das Argument der Rechtssicherheit interessant, das immer wieder für die Einheitlichkeit des Gewerkschaftsbegriffes angeführt wird. Bemerkenswert sind jedoch insbesondere die Aussagen des Bundesarbeitsrichters Auffahrt, welcher, nachdem er die methodischen Schwierigkeiten des betreffenden Bundesarbeitsgerichtsbeschlusses dargelegt hatte, zu der expliziten Verweisung in § 3 Nr. 3 MitbestG Stellung nahm. Der durch den Beschluss erzeugte Begriff des leitenden Angestellten sei teleologisch und damit streng betriebsverfassungsrechtlich geprägt. Maßgeblich und entscheidend sei insbesondere das Verhandlungsverhältnis von Arbeitnehmer- und Arbeitgeberseite gewesen, welches nicht, wie für das MitbestG vorausgesetzt, kooperativ, sondern antagonistisch sei. Daraus folge, dass, anders als nach dem BetrVG, die durch § 5 Abs. 3 BetrVG ausgeschlossenen Arbeitnehmer gem. § 3 Nr. 3 MitbestG durchaus in den Anwendungsbereich des MitbestG aufgenommen werden könnten, ohne zwangsläufig einen Widerspruch zu erzeugen. Derselbe teleologische Ansatz, welcher den Sinn und Zweck einer gesetzlichen Regelung augenscheinlich normativ bestimmt, könne aber auch dazu führen, den Begriff des leitenden Angestellten trotz expliziter Verweisung im MitbestG anders zu verstehen als im BetrVG.312 Vor diesem Hintergrund ist zumindest nicht prima facie zu verstehen, warum eine solche methodische Herangehensweise nicht auch das mitbestimmungsgesetzliche Verständnis des Gewerkschaftsbegriffes diktieren könnte. Dies gilt umso mehr, führt man sich vor Augen, dass der Gewerkschaftsbegriff nicht durch eine Verweisung Eingang in den Normtext gefunden hat. Insofern wären diese Aussagen ein deutlicher Anknüpfungspunkt gewesen, um diese Funktionalitätserwägungen, 309 So auch der Bundesrat in Ziffer 4 seiner Stellungnahme zum Beschluss vom 5. 4. 1974, Anlage zu BR-Drs. 200/74, S. 3. 310 55. Sitzung des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung v. 7. 11. 1974, S. 5 f. 311 55. Sitzung des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung v. 7. 11. 1974, S. 5 f. 312 55. Sitzung des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung v. 7. 11. 1974, S. 6; so beispielsweise die Auslegung des LAG Hamburg zum Konzernbegriff in § 54 BetrVG: LAG Hamburg v. 21. 01. 2009 – 4 TaBV 8/08, BeckRS 2011, 66761 [II.B. 2. c) (2)], später auch in dieser Methodik als zweckorientierte Auslegung bestätigt durch BAG v. 27. 10. 2010 – 7 ABR 85/09, AP BetrVG 1972 § 54 Nr. 14 Rn. 29; Brox, Anmerkung zu BAG v. 10. 09. 1985 – 1 ABR 32/83, SAE 1986, 229, 234.

A. Die Begriffsfindung im Wege der klassischen Auslegung

329

die bereits den Kern der Rechtsfortbildung des tarifvertraglichen Gewerkschaftsbegriffes gebildet hatten, zu abstrahieren und auf den mitbestimmungsgesetzlichen Begriff anzuwenden. Dabei ist zwingend darauf hinzuweisen, dass die dieser Grundannahme zugrunde liegende objektiv-teleologische Methodik nicht unangreifbar ist und bei konsequentem Rekurs auf das diesem Kapitel in Abschnitt A. Vorangestellte abgelehnt werden muss. Die teleologischen Erwägungen, welche nach dem objektiven Sinn und Zweck einer einzelnen Norm forschen, entbehren jeder verfassungsrechtlichen Berechtigung. Gleichwohl ist dies an dieser Stelle nicht unmittelbar relevant, da allein Verständnis und Bewertung des Gesetzgebers in der Form maßgeblich sind, wie er sie seiner Entscheidung im Rahmen des Verfahrens zugrunde gelegt hat. Hat sich also der Gesetzgeber des MitbestG diese teleologischen Erwägungen zum Begriff des leitenden Angestellten zu eigen gemacht, kann eine Schlussfolgerung dahingehend angestellt werden, dass selbiges auch für das Verständnis der Gewerkschaften gelten muss – zumindest aber vermutet werden kann. (2) Zum Wahlverfahren Die Sorge einer Monopolisierung gewerkschaftlicher Macht bedingte eine erneute Auseinandersetzung mit dem Wahlverfahren zum Aufsichtsrat. Diese Sorge wurde vor allem durch die besondere Schlüsselrolle, die der DGB bereits im Rahmen der Montanmitbestimmung eingenommen hatte,313 verstärkt. Die Sachverständigen erkannten, dass es nicht zuletzt auch an der branchen- und spartenübergreifenden Organisation liege, die die Wahrscheinlichkeit erhöhe, dass Gewerkschaften des DGB auch im Rahmen einer erweiterten branchenunabhängigen Mitbestimmung stets zahlenmäßig überwiegend in einem Unternehmen vertreten sein würden.314 Aus diesem Grunde setzte sich der Ausschuss im Rahmen der Anhörung erneut vertieft mit der Bedeutung des Wahlverfahrens auseinander. Nicht zuletzt die kleineren Spartengewerkschaften sorgten sich um eine wahlverfahrensbedingte Verdrängung aus der Mitbestimmung. Die DAG sprach sich daher für die Einführung des Gruppenwahlrechtes aus,315 dem sich die ULA anschloss. Diese forderte darüber hinaus aus Gründen der demokratischen Legitimierung eine Urwahl innerhalb dieser Gruppenwahl.316 Auch der CGB äußerte Bedenken gegenüber der indirekten Verhältniswahl. Er wies darauf hin, dass auf diese Weise bereits von vornherein mitgliederstarke Gewerkschaften in Bezug auf das Unternehmen aufgrund der darin ausgedrückten Verhältnisse bevorzugt würden.317 Rechte kleinerer beruflicher und gewerkschaftlicher Organisationen würden auf diese Weise verletzt.318 Der DGB 313

S. dazu Abschnitt A. I. 3. a). 55. Sitzung des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung v. 7. 11. 1974, S. 48. 315 55. Sitzung des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung v. 7. 11. 1974, S. 33. 316 55. Sitzung des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung v. 7. 11. 1974, S. 33. 317 55. Sitzung des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung v. 7. 11. 1974, S. 35. 318 55. Sitzung des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung v. 7. 11. 1974, S. 34 f. Die Höhe der Quoren, wie sie sodann am Ende des Gesetzgebungsverfahrens Eingang in das 314

330

4. Kap.: Der mitbestimmungsgesetzliche Gewerkschaftsbegriff

konnte aufgrund seiner starken Repräsentation das Wahlmännerverfahren dem Urwahlsystem vorziehen.319 Auf Arbeitgeberseite waren sich BDI und BDA wiederum in der Forderung einig, zwar eine Gruppenwahl als Urwahl durchzuführen, diese indes für unternehmensinterne wie -externe Vertretung gleichermaßen zugänglich zu machen und damit eine Mandatskonkurrenz zu eröffnen.320 Eine gewerkschaftliche Präsenz würde somit nicht mehr vorausgesetzt sein, sondern von der Wahl abhängen. Insgesamt wird aus dieser Diskussion erkennbar, dass die Minderheitenproblematik immer zahlenbezogen diskutiert wurde.321 Ähnlich wie bereits im Rahmen der Montanmitbestimmung wurde dafür plädiert, mit der Stärke gewerkschaftlicher Repräsentation im Aufsichtsrat das zahlenmäßige Verhältnis der Mitglieder im Betrieb zu spiegeln. Es ging damit vordergründig um zahlenmäßige Interessenvertretung und nicht um eine Verknüpfung mit der Tariffähigkeit oder der Eigenschaft als Tarifvertragspartei. Die numerisch indizierte Tariffähigkeit wäre damit allenfalls ein Korrelat, aber, abhängig von der Tarifzuständigkeit, keine notwendige Voraussetzung. Dies stärkt schlussendlich die Überlegungen, die bereits zu der abweichenden Formulierung des Vertretenseins durch die Sachverständigenkommission angestellt wurden. Das Erfordernis einer rückkoppelnden Legitimation der Gewerkschaftsvertreter sollte numerisch durch die Mitgliederverhältnisse erfolgen. Anders sind die Bedenken kleinerer Verbände nicht zu erklären. Aufgrund ihrer geringeren mitgliedschaftlichen Präsenz in der deutschen Gesamtwirtschaft sinkt die Wahrscheinlichkeit einer entsprechenden Repräsentation im Unternehmen. Da insofern freilich ein Mitglied genügen würde, bezieht sich die entsprechende Kritik auf das mit einer Mitgliedschaft verbundene Wahlverhalten. Quoren, durch welche eine höhere Repräsentanz im Unternehmen hätte sichergestellt werden können, waren für die Gewerkschaftsvertreter gerade nicht vorgesehen. Führt man die Überlegung zahlenmäßiger Repräsentation rekurrierend auf die Tariffähigkeitsvoraussetzungen fort, so erklärt sich auch eine Beteiligung der ULA an den Hearings, die aufgrund ihrer Konzentration auf leitende Angestellte zwar weniger Mitglieder zählte als beispielsweise Gewerkschaften des DGB, aufgrund der herausragenden Stellung ihrer Mitglieder am Arbeitsplatz dennoch als tariffähig angesehen wurde.322

MitbestG fand, wurde vom Bundesverfassungsgericht in der Entscheidung v. 12. 10. 2004 – 1 BvR 2130/98, AP MitbestG § 2 Nr. 2 für verfassungswidrig erklärt. Das Bundesarbeitsgericht hatte diese Frage in seinem Beschluss v. 13. 5. 1998 – 7 ABR 5/97, BAG AP MitbestG § 12 Nr. 1 noch anders beantwortet. S. dazu Raiser, in: Ständige Deputation des Deutschen Juristentages, Verhandlungen des 66. DJT, Band 1, S. B 3, B 30; für die Positionen in der Literatur stellv. Säcker, RdA 2005, 113 passim; P. Hanau, FS Friauf 1996, S. 621 passim; Löwisch, FS Zöllner 1998, Band 2, S. 847 passim. 319 55. Sitzung des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung v. 7. 11. 1974, S. 32, 48. 320 55. Sitzung des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung v. 7. 11. 1974, S. 36. 321 So auch DGB-Vertreter Vitt in der 55. Sitzung des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung v. 7. 11. 1974, S. 43. 322 S. dazu BAG v. 14. 3. 1978 – 1 ABR 2/76, AP TVG § 2 Nr. 30 [IV. 2.].

A. Die Begriffsfindung im Wege der klassischen Auslegung

331

hh) Der Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung vom 10. März 1976 Ergebnis der zuvor dargestellten Ausschussarbeit war ein entsprechend den Diskussionen und Kritikpunkten geänderter Entwurf. Eine dieser Änderungen betraf die Vertretungsformulierung des heutigen § 7 Abs. 5 MitbestG. Während der ursprüngliche Entwurf noch geheißen hatte: „Unter den […] Mitgliedern des Aufsichtsrats müssen sich befinden […] drei Vertreter von Gewerkschaften, die in dem Unternehmen selbst oder in einem anderen Unternehmen vertreten sind […]“, lautete § 7 Abs. 4 des Ausschussentwurfes: „Die in Abs. 2 bezeichneten Gewerkschaftsvertreter müssen in dem Unternehmen selbst […] vertreten sein“.323 Eine materiellrechtliche Änderung sollte damit indes nicht einhergehen, vielmehr handelte es sich um eine redaktionelle Änderung, die dem neuformulierten Abs. 2 des § 7 Rechnung tragen sollte, der eine differenzierte Enumeration der Sitzverteilung vorsah. Insgesamt war nach den Erkenntnissen des Ausschusses die Beteiligung externer Arbeitnehmervertreter in Person von Gewerkschaftsvertretern im Aufsichtsrat unerlässlich.324 Bezugnehmend auf den Bericht der Mitbestimmungskommission seien diese externen Vertreter gerade aufgrund ihrer betrieblichen und unternehmerischen Unabhängigkeit wichtiger Bestandteil einer mitbestimmten Aufsichtsratsarbeit.325 Damit sprach sich die Mehrheit des Ausschusses explizit gegen einen Änderungsvorschlag von Seiten der CDU/CSU aus, der die Beteiligung der Gewerkschaften als „Kann-Vorschrift“ normierte.326 Eine Rückkopplung der Interessenvertretung war nach Ansicht des Ausschusses dadurch gewährleistet, dass die Wahlvorschläge der Gewerkschaften in Kollaboration mit den Betriebsräten erstellt würden.327 Die Wahl in den Aufsichtsrat erfolge als Auswahl aus mehreren möglichen Gewerkschaftsvertretern – eine Legitimation sei nach demokratischen Vorgaben gegeben.328 Eine mittelbare Verbindung von Tarifwesen und Unternehmensmitbestimmung erfolgte durch die ausschussseitige Hervorhebung der Rolle der Gewerkschaften „auch im Bereich der Mitbestimmung“.329 In diesem Zusammenhang wies der Ausschuss auch erneut darauf hin, dass den Gewerkschaften nur ein Vorschlagsrecht zukomme. Ihre Vertreter müssten selbst nicht Mitglied oder Arbeitnehmer der betreffenden Gewerkschaft sein.330 Nimmt man dies einmal an, so muss daraus folgen, dass die 323

S. 7. 324

S. mit einer Gegenüberstellung den Antrag des Ausschusses selbst BT-Drs. VII/4845,

BT-Drs. VII/4845, S. 5 BT-Drs. VII/4845, S. 5. 326 BT-Drs. VII/4845, S. 5; zum späteren entsprechenden Änderungsantrag der Fraktion CDU/CSU betreffend die Regelung des § 7 Abs. 2 S. BT-Drs. VII/4887. 327 BT-Drs. VII/4845, S. 5. 328 BT-Drs. VII/4845, S. 6. 329 BT-Drs. VII/4845, S. 6. 330 Deutlich noch einmal hervorgehoben in BT-Drs. VII/4845, S. 11 f. 325

332

4. Kap.: Der mitbestimmungsgesetzliche Gewerkschaftsbegriff

entsprechende den Gewerkschaften zugesprochene Expertise von ihnen auch nur kraft Wahlvorschlages in den Aufsichtsrat eingebracht werden kann. Der externe Gewerkschaftsvertreter würde sodann von der aufgrund einer gewerkschaftlichen „Mächtigkeit“ vermuteten Durchsetzungsfähigkeit nicht profitieren. In der Konsequenz kann auch nach Ansicht des Ausschusses eine solche Mächtigkeit zumindest nicht direkte Voraussetzung für das Erreichen der den Gewerkschaften vom Gesetzgeber übertragenen Aufgaben sein.331 ii) Die zweite und dritte Lesung des Entwurfes vom 18. März 1976 Auch in der zweiten und dritten Lesung des Gesetzentwurfes lag der Kern der Auseinandersetzung im Wahlverfahren der Arbeitnehmervertreter. Während zumindest bekundete Einigkeit über die grundsätzliche Rolle der Gewerkschaften bestand und ihnen auch von Seiten der Opposition die Aufgabe des Schutzes der eigenen Mitglieder nicht abgesprochen wurde,332 herrschte weiterhin Uneinigkeit über das Ausmaß der allgemeinen Schutz- und Gestaltungsfunktion der Gewerkschaften.333 Vor allem der Diskussion um die Höhe der Quoren für die Wahlvorschläge der Arbeitnehmervertreter lassen sich entsprechende strukturelle wie funktionelle Anhaltspunkte entnehmen. Für einen Wahlvorschlag war demnach ein Quorum in Höhe von 100 Unterschriften oder einem Zehntel der wahlberechtigten Arbeitnehmer erforderlich. Die Opposition hingegen forderte, das erforderliche Quorum aus Gründen des Minderheitenschutzes niedriger anzusetzen. Es sollten statt 100 nun 50 Unterschriften genügen und statt 10 % bereits 5 % der Wahlberechtigten einen Wahlvorschlag einreichen können.334 Dieser Vorstoß wurde von den Regierungsparteien abgelehnt, da so eine tiefgreifende „Zersplitterung von Interessen“ zu befürchten wäre.335 Die FDP betonte, dass nach Ansicht der Regierung starke Gewerkschaften gebraucht würden. Niedrigere Anforderungen an einen Wahlvorschlag würden nicht zuletzt die Ernsthaftigkeit der Kandidaturen bzw. des dahingehenden Vorschlages in Frage stellen. Unter Bezugnahme auf die letzten Tarifverhandlungen der Lufthansa wäre eine Aufsplitterung der Interessengruppen zu befürchten.336 Nach Ansicht der sozial-liberalen Regierung sei Ziel von CDU/CSU, auch kleinen Gruppierungen verstärkt in den Aufsichtsrat zu verhelfen. Konkret wurde in diesem Kontext von dem SPD-Angeordneten Schöfberger auf die „uneffektiv“ [sic!] auftretenden christlichen Gewerkschaftsbünde verwiesen. Eine Zersplitterung der 331

Mit dieser Konsequenz auch Uffmann, ZIP 2020, 2051, 2053. 230. Sitzung des Deutschen Bundestages v. 18. 3. 1976, S. 16019 B. 333 230. Sitzung des Deutschen Bundestages v. 18. 3. 1976, S. 16002 A. 334 So der Abgeordnete Erhard der CDU/CSU, in der 230. Sitzung des Deutschen Bundestages v. 18. 3. 1976, S. 16025 B. 335 Abgeordneter Schöfberger von der SPD in der 230. Sitzung des Deutschen Bundestages v. 18. 3. 1976, S. 16025 C. 336 230. Sitzung des Deutschen Bundestages v. 18. 3. 1976, S. 16021 A. 332

A. Die Begriffsfindung im Wege der klassischen Auslegung

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vertretenen Interessen ginge zulasten eines homogenen, starken Auftretens der Arbeitnehmervertreter.337 Das bestehende Quorum würde einen Ausgleich schaffen aus Minderheitenschutz und der Sicherstellung eines ernsthaften Wahlvorschlages.338 Die Aussage Schöfbergers kann dahingehend verstanden werden, dass diesen kleineren Interessenverbänden keineswegs die Möglichkeit vorenthalten werden soll, tatsächlich einen Wahlvorschlag einzureichen und damit auch die reelle Chance auf ein Aufsichtsratsmandat zu erhalten. Obschon von Seiten der SPD als Vertreter der Regierung nicht weiter vertieft wurde, aus welchem Grunde die christlichen Gewerkschaftsbünde unter der Leitung der Spitzenorganisation des CGB als ineffektiv angesehen werden, liegt es nahe, dies mit der vergleichsweise geringen Mitgliederanzahl zu begründen.339 Verstärkend kann für dieses Verständnis die Aussage des SPD-Abgeordneten Urbaniak fruchtbar gemacht werden. In gleicher Weise wie bereits sein Kollege Schöfberger sah er in dem Änderungsantrag der CDU/ CSU-Fraktion, die Quoren für Wahlvorschläge von Seiten der Gewerkschaften abzusenken, die Absicht, in den Betrieben vertretene Splittergruppen „zu hofieren“.340 Die niedrigeren Quoren sollten diesen Splittergruppen – „Nichtgewerkschaftern“341 – die Möglichkeit geben, einen Wahlvorschlag einzureichen, obgleich dieser aufgrund der zahlenmäßig vermeintlichen Unterrepräsentation keine Aussicht auf Erfolg haben würde.342 Gerade der systemische Kontrast zwischen der (Delegierten-) Wahl der Arbeitnehmervertreter und des Nominationsrechtes der Gewerkschaftsvertreter zeigt eindrucksvoll das unterschiedliche Rollenverständnis. Während die externen Gewerkschaftsvertreter freilich als Vertreter der Belegschaftsinteressen angesehen wurden, sahen die Regierungsparteien ihre zentrale Rolle weniger in der Durchsetzung dieser Belange gegenüber den Anteilseignern als vielmehr in der Vermittlung zwischen den „Lagern“ und als Quelle externen, wirtschaftlichen Sachverstandes. Aus diesem Grunde sollte es sich auch bei den Gewerkschaftsvertretern um Externe handeln. Interne Gewerkschaftsmitglieder hatten daneben die Möglichkeit, als Arbeitnehmervertreter direkt in den Aufsichtsrat gewählt zu werden. Diese Binnendifferenzierung zwischen unterschiedlichen „Gewerkschaftern“ im weiteren Sinne sollte dem viel beschworenen Betriebsegoismus entgegenwirken.343 Etwaiger gewerkschaftlicher Rückhalt bzw. eine abstrakte Gewerkschaftsverbindung an sich ist damit nicht ausschlaggebend für die Funktion der Gewerkschaftsvertreter. Vor allem auf einen entsprechenden Rückhalt soll es offensichtlich nicht ankommen. Dieser Rückhalt sollte vielmehr in Folge einer Legitimierung durch 337

230. Sitzung des Deutschen Bundestages v. 18. 3. 1976, S. 16026 B. Schöfberger in der 230. Sitzung des Deutschen Bundestages v. 18. 3. 1976, S. 16025 C. 339 Der CGB hatte im Jahre 1975 224.400 Mitglieder, s. Greef, Gewerkschaften im Spiegel von Zahlen, Daten und Fakten, in: Schroeder, Handbuch Gewerkschaften in Deutschland, S. 659, 697. 340 230. Sitzung des Deutschen Bundestages v. 18. 3. 1976, S. 16029 A. 341 230. Sitzung des Deutschen Bundestages v. 18. 3. 1976, S. 16029 A. 342 230. Sitzung des Deutschen Bundestages v. 18. 3. 1976, S. 16029 A. 343 230. Sitzung des Deutschen Bundestages v. 18. 3. 1976, S. 16019 C, 16020 C. 338

334

4. Kap.: Der mitbestimmungsgesetzliche Gewerkschaftsbegriff

Wahlen zu „starken Gewerkschaften“ führen.344 Wenn der Abgeordnete Schöfberger der SPD also den CGB im Kontext der arbeitnehmerseitigen Splittergruppierungen als ineffektiv und diese wiederum als „Nichtgewerkschafter“ bezeichnet, so kann daraus nicht zwangsläufig der Schluss gezogen werden, der CGB würde aus diesem Grunde als Gewerkschaft im Sinne des MitbestG nicht in Frage kommen. Vielmehr sollte der CGB – als kleinere, mitgliedsschwächere Gewerkschaft – ein Beispiel dafür sein, welche Splittergruppen auf Arbeitnehmerseite nicht unterhalb der Quoren berücksichtigt werden sollten. Die Quoren sollten auf Seiten der Arbeitnehmervertreter als Parameter für die erforderliche „Ernsthaftigkeit“ der Interessenvertretung dienen. Diese Ernsthaftigkeit als Rückhalt wurde im Falle der Gewerkschaften in gewissem Maße unterstellt und durch Wahlen und das Vertretensein als eine legitimatorische, weil numerische, sichergestellt. Der Änderungsantrag der CDU/ CSU-Fraktion, der die Regelung der Gewerkschaftsbeteiligung als Kann-Vorschrift normieren wollte,345 wurde unter Berufung auf die Rolle und Funktion der Gewerkschaften mit der Mehrheit der Stimmen des Bundestages abgelehnt.346 Während auch in diesem Zusammenhang die Begriffe der Gewerkschaft und der gewerkschaftlichen Organisationen347 synonym verwendet wurden, wurde der Bedarf der gewerkschaftsseitigen Sach- und Fachkunde stets betont.348 Geht man aber davon aus, dass eine Beteiligung der Gewerkschaften von diesen nicht erarbeitet werden musste, so wie die Position am Verhandlungstisch zu einem Tarifvertrag, fehlt das Bedürfnis einer dafür erforderlichen Durchsetzungsfähigkeit ganz allgemein. Da diese Frage indes nicht ohne verfassungsrechtliche Anknüpfung beantwortet werden kann, soll darauf zumindest an dieser Stelle nicht vertieft eingegangen werden. Welche begrifflichen Voraussetzungen an Gewerkschaften im MitbestG zu stellen sind, ist eine nachgelagerte Frage der verfassungskonformen Auslegung und Gegenstand des nächsten Abschnittes B. An dieser Stelle soll es daher dabei verbleiben, darzustellen, dass bereits der Gesetzgeber des MitbestG von anderen Anforderungen an die Gewerkschaften ausging, auch wenn er diese nicht konsequent in einer begrifflichen Fragestellung reproduzierte. Schließlich betrachtete man ausweislich des Beitrages des Abgeordneten Pohlmann der CDU/CSU-Fraktion auch den Begriff der leitenden Angestellten durch den Verweis auf § 5 Abs. 3 BetrVG als geklärt. Diese entsprechenden Aussagen kommen zwar von Seiten der Opposition und müssen daher differenziert betrachtet werden. Einwände von Seiten der Regierungsparteien blieben allerdings aus, sodass von einer einvernehmlichen Übereinkunft dahingehend ausgegangen werden kann. Durch die vorgenommene Definition seien Verfahren und Streitigkeiten vermieden worden.349 344

230. Sitzung des Deutschen Bundestages v. 18. 3. 1976, S. 16032 D. So Ziffer 2 des Änderungsantrages, BT-Drs. VII/4887, S. 1. 346 230. Sitzung des Deutschen Bundestages v. 18. 3. 1976, S. 16021 A. 347 230. Sitzung des Deutschen Bundestages v. 18. 3. 1976, S. 15998 A. 348 230. Sitzung des Deutschen Bundestages v. 18. 3. 1976, S. 16002 B. 349 230. Sitzung des Deutschen Bundestages v. 18. 3. 1976, S. 16009 D, 16010 A. 345

A. Die Begriffsfindung im Wege der klassischen Auslegung

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Diese pauschale Aussage wiegt in Anbetracht der eingehenden Erörterung der Problematik in der 55. Sitzung des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung besonders schwer. Wie bereits im Rahmen der Gesetzgebung zum TVG, in dem der Gesetzgeber sich keine Probleme von dem Gewerkschaftsbegriff versprach, regelt auch das MitbestG nun keine Verfahren zur Feststellung des Begriffes des leitenden Angestellten. Insoweit gleichen sich also die beiden unbestimmten Rechtsbegriffe in ihrer Handhabung und Einordnung durch den einfachen Gesetzgeber. Ein entsprechendes Verfahren zur Feststellung der Gewerkschaftseigenschaft sieht das MitbestG ebenso wenig vor. Die Entscheidung über die Tariffähigkeit nach §§ 2a Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2, 97 ArbGG kann argumentativ nicht herangezogen werden, da dort nicht explizit über die Gewerkschaftseigenschaft entschieden wird.350 Lediglich die Verknüpfung von Tariffähigkeit und Gewerkschaftseigenschaft führt nach herrschender Meinung zu einem parallelen Ergebnis.351 d) Das Auslegungsergebnis: Teleologische Erschütterung des Anscheins der Einheitlichkeit Aus der bewegten Entstehungsgeschichte konnten, wenn auch keine klaren Anhaltspunkte, so doch teleologische Erwägungen entnommen werden, die erhebliche Zweifel an einer (stillen) Übernahme des Begriffsverständnisses säen und damit den Einheitlichkeitsanschein zumindest erschüttern. Wenn die Sachverständigenkommission unter der Leitung Kurt Biedenkopfs bereits die Montanmitbestimmung als Blaupause der Mitbestimmungsgesetzgebung betrachtete, musste zumindest ein Vergleich der beiden Normwerke in Regelungsgehalt und Entstehungsgeschichte angestellt werden. Dies mündete in die grundsätzliche Feststellung, dass bereits im Rahmen der Gesetzgebung zum MontanMitbestG sämtliche Gewerkschaften unter dem Gesichtspunkt der Minderheitenrechte bedacht werden sollten.352 Überdies beweist die Analyse der in den Materialien getätigten Aussagen betreffend die Gewerkschaften eine uneinheitliche Begriffsverwendung. Die synonyme Verwendung der Begriffe „Gewerkschaften“, „Arbeitnehmerkoalitionen“ oder der „überbetrieblich organisierten Arbeitnehmerschaft“ deutet ein eher phänotypisches Begriffsverständnis an. Der Gesetzgeber orientierte sich an dem faktischen Erscheinungsbild der Gewerkschaften, wie es bereits in Kapitel 1, Abschnitt B. und C. dargelegt wurde. Freilich kann dies allein nicht den Schluss rechtfertigen, dass ein anderer, gar von dem tarifvertraglichen Verständnis abweichender Gewerkschaftsbegriff zugrunde gelegt werden sollte. Das untechnische Verständnis des Gesetzgebers eröffnet aber die Möglichkeit einer teleologischen Betrachtung, die sich, wie auch bei der Gesetzgebung des TVG und vor allem auch der Rechtsprechung des 350

S. dazu Germelmann/Prütting/Matthes/Schlewing/Dickerhof-Borello, ArbGG, § 2a Rn. 82 ff. 351 Dafür auch Germelmann/Prütting/Matthes//Schlewing/Dickerhof-Borello, ArbGG, § 2a Rn. 82. 352 117. Sitzung des Deutschen Bundestages v. 14. 2. 1951, S. 4453 A.

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4. Kap.: Der mitbestimmungsgesetzliche Gewerkschaftsbegriff

Bundesarbeitsgerichtes zum Gewerkschaftsbegriff, an der Funktionalität des Regelungswerkes orientiert. Sucht man hierbei nun nach dem Telos des MitbestG und, genauer, auch nach den Beweggründen einer Beteiligung der Gewerkschaften an der Unternehmensmitbestimmung, muss man unweigerlich zu dem Ergebnis kommen, dass sich Tarifvertragswesen und Unternehmensmitbestimmung bereits in ihrer Konzeption erheblich unterscheiden. Während Tarifvertragsverhandlungen als Kernstück der Tarifautonomie auf Interessenantagonismus ausgerichtet sind, erfolgt die Meinungsbildung im Aufsichtsrat kooperativ und richtet sich am Unternehmensinteresse aus. Diese Interpretation legt das Rollenverständnis der an der Gesetzgebung Beteiligten nahe, dass es ihnen auf eine tarifrechtliche Konnotation der beteiligten Gewerkschaften nicht ankam. Andererseits zeigt die synonyme Verwendung verschiedener Bezeichnungen für das Phänomen der organisierten Arbeitnehmerschaft eine wenigstens indifferente Begriffsauffassung. Folge dieser Interpretation wiederum ist, dass der Gesetzgeber entweder das in der Rechtswissenschaft herrschende Verständnis übernehmen oder aber, im Einklang mit dem gemeinen Bild der Gewerkschaft, einen bestehenden Phänotypen erfassen wollte. Dieses allgemeine Phänomen wird umso deutlicher, wirft man einen Blick in die Materialien zur Grundgesetzgebung. Bereits dort – im Rahmen der Verhandlungen zur Koalitionsfreiheit – wird der Begriff der „Verbände zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen“ mit dem der Gewerkschaften gleichgesetzt: Im Zuge der Diskussion um die explizite Verankerung einer negativen Koalitionsfreiheit stellte der Vorsitzende von Mangoldt zur Bedeutung tariflicher Regelungen fest: „[…] Das betrifft nicht den Beitritt zur Gewerkschaft. Hier dreht es sich nur um den Beitritt zu den Verbänden zur Wahrung und Förderung der Arbeitsund Wirtschaftsbedingungen, also um den Beitritt zu den Gewerkschaften.“353 Freilich kann diese Äußerung nicht unmittelbar als Indiz für ein dahingehendes Verständnis des Mitbestimmungsgesetzgebers dienen. Die Verfassung und das MitbestG sind Produkte unterschiedlicher Gesetzgeber – das Grundgesetz kann daher keine systematische Fernwirkung der Normen entfalten.354 Diese Aussagen untermauern indes das zuvor beschriebene Phänomen der phänotypischen Begriffsverwendung und zeigen letztlich eindrucksvoll die methodischen Defizite einer reinen Begriffsjurisprudenz auf.355

353

v. Mangoldt, in: Pikart/Werner, Parlamentarischer Rat 1948/1949, Band 5/II, S. 689. Zur Fernwirkung von Normen im Rahmen der systematischen Auslegung s. Rüthers/ Fischer/Birk, Rechtstheorie, Rn. 748; Stoll, FS Heck/Rümelin/Schmidt 1931, S. 60, 73. 355 Ablehnend unter Rückgriff auf ein bestehendes äußeres System der Rechtsordnung die Anhänger der Begriffsjurisprudenz: Canaris, Systemdenken und Systembegriff, S. 19 ff.; für das schweizer Recht Kramer, Juristische Methodenlehre, S. 99 ff.; s. auch mit einer kritischen Sichtweise Neuner, Rechtsfindung contra legem, S. 48 ff. Mit einer Gegenüberstellung von Begriffs- und Interessenjurisprudenz auch Wank, Juristische Methodenlehre, § 2 Rn. 2 ff. Die Lehre der Begriffsjurisprudenz geht zurück auf die sog. naturhistorische Methode nach Rudolf von Jhering. Stellvertretend für dieses Konzept sei genannt ders., Geist des römischen Rechts, Band 1, S. 40. 354

A. Die Begriffsfindung im Wege der klassischen Auslegung

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II. Das Ergebnis der klassischen Auslegung Ausgeschlossen werden kann, dass der Gesetzgeber die Tariffähigkeit ausdrücklich zur Voraussetzung für die Gewerkschaftsbeteiligung an der Unternehmensmitbestimmung machen wollte. Der übereinstimmende Wortlaut begründet in methodischer Hinsicht einen ersten Anschein der Einheitlichkeit der Gewerkschaftsbegriffe. Während sodann die systematische Auslegung unergiebig ist, vermag das historische Telos diesen ersten Anschein zu erschüttern. In konsequenter Fortführung der an dem Anscheinsbeweis genommenen Anleihen, bedingen die dem Gesetzgebungsverfahren innewohnenden impliziten Erwägungen eine Rückkehr zum „Vollbeweis“, welcher in zwei möglichen Auslegungsergebnissen liegt, die gleichberechtigt nebeneinander stehen: Mangels ausdrücklicher Aussagen kann von einer stillschweigenden Übernahme des als „einheitlich“ verstandenen Begriffes ausgegangen werden. Für diese Auslegung lässt sich vor allem der Wortlaut der Norm anführen. Wie bereits dargelegt, ist dieser jedoch insbesondere mangels eines Einheitlichkeitsanspruches an die Rechtsordnung nicht von übermäßiger Bedeutung, geschweige denn zwingend. Aus ihm folgt vielmehr lediglich ein Einheitlichkeitsanschein. Die Systematik des Gesetzes – insbesondere des Wahlverfahrens und der erforderlichen Quoren – legt eine abweichende Interpretation des Gewerkschaftsbegriffes nahe. Durch die numerischen Anforderungen soll eine Ernsthaftigkeit der Interessenvertretung sichergestellt werden, sodass eine Tariffähigkeit – vor allem eine soziale Mächtigkeit – der Gewerkschaften überflüssig erscheint. Auch bereits die gremiale Verankerung der Interessenvertretungen in einem einzigen Gremium, ausgerichtet auf die Bildung eines einheitlichen Organwillens, spricht gegen die funktional aus dem Antagonismus der Sozialpartner heraus entstandenen Tariffähigkeitsvoraussetzungen. Diese Erkenntnisse allein vermögen es, ernsthafte Zweifel an einem einheitlichen – und damit zwangläufig tarifrechtlichen – Begriffsverständnis des Gesetzgebers zu säen. Die Gesetzesentstehung lässt zudem erkennen, dass das vorherrschende Bild der Gewerkschaften historisch und damit phänotypisch geprägt ist. Aussagen, Diskussionsbeiträge und -themen sowie die in das Verfahren eingebundenen Gewerkschaften legen nahe, dass der Gesetzgeber die Vereinigungen in ihrer bestehenden Form erkannt und ihre Beteiligung an der Unternehmensmitbestimmung aufgrund dieser Eigenschaften für erforderlich erachtete. Von dieser Erkenntnis jedoch darauf zu schließen, dass nur solche Gewerkschaften zur Unternehmensmitbestimmung zugelassen werden sollten, die über diese vom Gesetzgeber vorgefundenen Eigenschaften verfügen, wäre verfehlt. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass bereits Gewerkschaften mit abgeschwächten Tariffähigkeitsvoraussetzungen „mitbestimmungsfähig“ sein könnten oder Gewerkschaften mit gänzlich anderen oder zusätzlichen Eigenschaften. Für diesen Schluss spricht vor allem die bereits für die Montanmitbestimmung gefestigte Ansicht, die Anforderungen an die Gegnerunabhängigkeit – im Übrigen lediglich ein Koalitionsmerkmal und kein Tariffähigkeitsmerkmal – seien aus teleologischen Gründen abzuschwächen.

338

4. Kap.: Der mitbestimmungsgesetzliche Gewerkschaftsbegriff

III. Keine Korrektur durch ein Rangverhältnis der Auslegungsmittel Es stehen sich damit nicht nur zwei mögliche Auslegungsergebnisse gegenüber. Vielmehr konkurrieren auch die grammatische Auslegung und die systematische Auslegung miteinander, letztere unter dem Einfluss historischer Analyse. Bevor in einem nächsten Auslegungsschritt die Frage der Verfassungsmäßigkeit dieser beiden Interpretationsmöglichkeiten zu stellen ist, könnte daher eine Rangfolge der verwandten Auslegungsmittel zugunsten einer der Begriffsauslegungen ins Feld geführt werden. Ist eines der Auslegungsmittel vorzugswürdig bzw. in einer bestehenden Rangfolge höher einzuordnen, spräche dies zwangsläufig für das auf diesem Wege ermittelte Auslegungsergebnis.356 Die Verbindung von Wortlaut und dem Streben nach einer einheitlichen Rechtsordnung könnte über einen entsprechenden Einheitlichkeitsanschein hinaus in einer starren Wortlautgrenze resultieren.357 Damit wären selbst solche impliziten Prämissen des Gesetzgebers nicht im Rahmen einer Auslegung zu berücksichtigen, die dem (vermeintlich) klaren Wortlaut der Norm oder des Begriffes entgegenstehen. Eine Wortlautgrenze wird von der herrschenden Lehre vor allem dann installiert, wenn es um die Grenzziehung zwischen Auslegung und Rechtsfortbildung geht.358 Ausgehend von dem Grundsatz der Gesetzesbindung steigert sie den Begründungsaufwand des Rechtsanwenders bei Begriffs- oder Norminhaltsbestimmungen mit „zunehmendem schöpferischen Anteil“359. In den einführenden Vorbemerkungen 356

Vgl. Canaris, FS Kramer 2004, S. 141, 144. Ablehnend Honsell, Historische Argumente, S. 17 ff.; Kriele, Theorie der Rechtsgewinnung, S. 85; Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, Rn. 734; Schünemann, FS Klug 1983, Band 1, S. 169, 174 ff., 184; Wedel, Entstehungsgeschichtliche Argumente, S. 197 ff.; als unerheblich betrachtet diese Frage Frieling, Gesetzesmaterialien, S. 89. 357 Eine Wortlautgrenze bejahend BVerfG v. 22. 10. 1985 – 1 BvL 44/83, AP GG Art. 3 Nr. 142 [III.]; BVerfG v. 26. 4. 1994 – 1 BvR 1299/89 u. a., NJW 1994, 2475, 2476; BVerfG v. 24. 5. 1995 – 2 BvF 1/92, NVwZ 1996, 574, 578 unter expliziter Ablehnung einer Relevanz des „subjektiven Willens“ des Gesetzgebers als Grenze; BVerfG v. 14. 12. 1999 – 1 BvR 1327/98, AP ZPO § 337 Nr. 4 [B. II. 5.]; BVerfG v. 30. 3. 2004 – 2 BvR 1520/01 u. a., NJW 2004, 1305, 1311; Bydlinski, Juristische Methodenlehre, S. 467 ff.; Canaris, Feststellung von Lücken im Gesetz, S. 19 ff.; Geis, NVwZ 1992, 1025, 1027 als „strikte Grenze“; Klatt, Theorie der Wortlautgrenze, S. 19 ff.; Larenz, Methodenlehre, S. 322; Neuner, Rechtsfindung contra legem, S. 90 ff.; in gewissem Umfang auch Röhl/H. C. Röhl, Allgemeine Rechtslehre, S. 614; Voßkuhle, AöR 125 (2000), 177, 197; Zippelius, FS BVerfG 1976, Band 2, S. 108, 115 f. mit einer Analyse der bundesverfassunsgerichtlichen Rechtsprechung; kritisch bereits J. Ipsen, Richterrecht und Verfassung, S. 40 f., 187 ff.; zutreffend zur fehlerhaften Annahme einer Wortlautgrenze Germann, Probleme und Methoden der Rechtsfindung, S. 104 ff.; Kriele, Theorie der Rechtsgewinnung, S. 221 ff.; Leenen, Typus und Rechtsfindung, S. 173; Rüthers/ Fischer/Birk, Rechtstheorie, Rn. 731 ff. Zur Uneindeutigkeit des Wortes auch eindrücklich Augsberg, Lesbarkeit des Rechts, S. 27 ff. 358 Möllers, Methodenlehre, § 4 Rn. 37. 359 Möllers, Methodenlehre, § 4 Rn. 38; s. auch Frieling, Gesetzesmaterialien, S. 78; Krey, Studien zum Gesetzesvorbehalt im Strafrecht, S. 246; Larenz, Methodenlehre, S. 367.

A. Die Begriffsfindung im Wege der klassischen Auslegung

339

zur grammatischen Auslegung wurde – unter Rekurs auf die Fehlobjektive einer einheitlichen Rechtsordnung – indes festgestellt, dass keine Norm und kein Begriff in ihrem bzw. seinem Wortlaut eindeutig sind.360 In Anbetracht dessen muss eine Wortlautgrenze in ihrer Stringenz ad acta gelegt werden. Ist der Wortlaut niemals klar und feststehend und somit jeder Begriff und jede Norm auslegungsfähig und -pflichtig, ist ein striktes Festhalten an eben diesem nicht zielführend, weil unmöglich. Aus diesem Grunde wird eine solch strikte Wortlautgrenze, wie sie Grundlage der Eindeutigkeitsregel oder der Andeutungstheorie ist, auch heute zu Recht kaum noch vertreten.361 Doch auch geht man davon aus, dass der Wortlaut nicht eindeutig und damit selbst neben seiner Eigenschaft als Auslegungsmittel zunächst Auslegungsgegenstand ist, ist ihm kein pauschaler Vorrang einzuräumen. Dies käme einem buchstäblichen Gehorsam gleich, der dem Rechtsanwender nicht abverlangt werden kann. Nicht zuletzt die kontextualen Einflüsse der Grammatik und der Wortwahl sprechen für einen „denkenden Gehorsam“.362 Aber auch die darin angedeutete Bedeutung der Systematik bedingt keinen dementsprechenden Vorrang dieses Auslegungsmittels.363 Weder eine zu fordernde noch eine bestehende einheitliche Rechtsordnung erlauben eine strikte Fokussierung auf die Norm- oder Gesetzessystematik. Die Historie erlangt im Rahmen der subjektiven Auslegung eine besondere Stellung, da ihr der Wille des historischen Gesetzgebers entnommen werden kann, der sodann, anders als nach objektivem Auslegungsverständnis, den Rechtsanwender bindet und die Grenze zwischen Auslegung und Rechtsfortbildung zieht.364 Der im Zuge der Analyse der Entstehungsgeschichte und des Gesetzgebungsverfahrens vorgenommenen Materialienexegese kann daher eine hervorgehobene Bedeutung zukommen, dies gilt zumindest dann, wenn Aussagen des Gesetzgebers eindeutig sind.365 Insofern können sich Textpassagen eines Gesetzentwurfes oder einer Plenarsitzung von einem Normtext unterscheiden, da er neben der erforderlichen Auseinandersetzung über Grund, Kosten und Alternativen366 Raum für erklärende 360 S. nur Esser, Vorverständnis, S. 194; a. A. Larenz, Methodenlehre, S. 394; Neuner, Rechtsfindung contra legem, S. 90 ff.; Zippelius, FS BVerfG 1976, Band 2, S. 108, 115. S. dazu umfassend Kapitel 1, Abschnitt D. II. 361 Mit dieser Feststellung Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, Rn. 735; ablehnend auch Rüthers/Höpfner, JZ 2005, 21. 362 Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, Rn. 735 unter Berufung auf die grundlegenden Gedanken von Heck, AcP 112 (1914), S. 1, 20, 51 ff., der vom „denkenden Diener“ spricht; ebenso Rüthers, JZ 2006, 53, 57; im Ergebnis gegen einen Vorrang des Wortlautarguments auch Wank, Juristische Methodenlehre, § 11 Rn. 129. 363 Dazu bereits die Ablehnung einer Einheit der Rechtsordnung als status quo Kapitel 1, Abschnitt D. II. 364 Wank, Juristische Methodenlehre, § 11 Rn. 131. 365 Beispielhaft wohl die Aussagen zum Inhalt des Arbeitnehmerbegriffes nach § 611a BGB im Wege der Kodifikation der bundesarbeitsgerichtlichen Rechtsprechung, BT-Drs. 18/ 9232, S. 18, 31. 366 Den Inhalt einer Gesetzesbegründung bestimmt § 43 GGO.

340

4. Kap.: Der mitbestimmungsgesetzliche Gewerkschaftsbegriff

Darstellungen lässt. In anderen Fällen bleibt freilich auch das dokumentierte Gesetzgebungsverfahren mit den dort zu findenden Aussagen zu Inhalt und Ziel der Normierung als Text auslegungspflichtig. Auch eine teleologische Auslegung – sieht man in ihr, anders als hier vertreten, ein eigenes Auslegungsmittel – kann daher nicht von sich aus gewichtiger sein als die übrigen Bestandteile eines wie auch immer konzipierten Auslegungskanons.367 Lehnt man in der Konsequenz also eine Rangfolge der Auslegungsmittel ab, bleibt es im Rahmen der klassischen Auslegung bei der üblichen Gewichtung der Argumente.368 Ungeachtet seines Ursprunges kann damit jedes der Mittel stärkere Anhaltspunkte für den Willen des Gesetzgebers und damit das subjektive Telos der Norm leisten. Gelangte man im Anschluss an diesen Schritt zu der Erkenntnis, dass mehrere Auslegungsergebnisse gleich oder zumindest sehr ähnlich vertretbar erscheinen, muss sich der Rechtsanwender gleichwohl für eines der Auslegungsergebnisse entscheiden. Wie eine solche Auswahl zwischen zwei vertretbaren und mit der Verfassung (gleichermaßen) vereinbaren Auslegungsergebnissen am Ende zu treffen ist, ist fraglich und soll an dieser Stelle ausgeklammert werden.369 In einem der klassischen Auslegung nachgelagerten und dieser (politischen) Entscheidung vorgelagerten Schritt ist jedoch zu fragen, ob die auszulegende Norm nicht in der Gestalt einer dieser Interpretationen nichtig und damit unanwendbar ist. Die verfassungskonforme Variante wäre, wenn auch nicht alleinig vertretbar, so zumindest vorzugswürdig.370 Dies ist Gegenstand der nun folgenden verfassungskonformen Auslegung.

B. Die verfassungskonforme Auslegung Unter dem vorangegangenen Gliederungspunkt A. wurde der Gewerkschaftsbegriff des MitbestG ausgelegt. Ergebnis dieser Auslegung war nicht eine einzig denkbare Interpretation, sondern vielmehr die Erkenntnis zweier nebeneinanderstehender möglicher Auslegungsergebnisse. Dieser Schluss ist sowohl Grund als auch Voraussetzung für die sich nun anschließende verfassungskonforme Auslegung. Nachdem zunächst deren Grundlagen auf einem methodischen Fundament gelegt 367

Inkonsequent insofern Wank, Juristische Methodenlehre, § 11 Rn. 132 zu dem in § 12 Rn. 3 eingräumten Vorrang der teleologischen Auslegung. 368 Für eine Gleichrangigkeit auch Höpfner, Systemkonforme Auslegung, S. 184. 369 Offen auch Höpfner, Systemkonforme Auslegung, S. 176. Zum Vorzugsverfahren grundlegend auch im Kontext des klassischen Auslegungskanons Grüneberg/Grüneberg, Einleitung Rn. 46; im Rahmen juristischer Argumentation Möllers, Methodenlehre, § 1 Rn. 83 ff. 370 Vertieft zum Verhältnis der verfassungskonformen Auslegung zur klassischen Auslegung im engeren Sinne s. Höpfner, Systemkonforme Auslegung, S. 183 f.

B. Die verfassungskonforme Auslegung

341

worden sind, soll daher eruiert werden, ob eines der genannten Auslegungsergebnisse aufgrund seiner Verfassungswidrigkeit nicht anwendbar und daher auszuschließen ist.

I. Die Grundlagen der verfassungskonformen Auslegung 1. Ausgangspunkt und Voraussetzungen der verfassungskonformen Auslegung Rechtsfolge und Ziel der verfassungskonformen Auslegung sind der Ausschluss und die Verwerfung verfassungswidriger Auslegungsergebnisse.371 Dem nach dieser Ausscheidung verbleibenden verfassungsmäßigen Auslegungsergebnis ist der Vorrang zu gewähren. Ausgangspunkt der verfassungskonformen Auslegung einer einfachgesetzlichen Norm ist somit ihre Mehrdeutigkeit. Eine Norm – so wie im vorliegenden Fall § 7 Abs. 2, 5 MitbestG – muss folglich nach ihrer Auslegung im engeren Sinne mehrere Auslegungsergebnisse zulassen.372 Davon muss mindestens eines verfassungswidrig und mindestens eines verfassungskonform sein.373 Ihre Legitimation erfährt dieses Auslegungs- bzw. Aussonderungsverfahren zunächst bereits aus dem normhierarchischen Aufbau der Rechtsordnung.374 Damit einfaches, gegenüber der Verfassung niedrigeres Recht angewandt werden kann, muss es zwangsläufig mit den Wertentscheidungen der Verfassung des Grundgesetzes im Einklang stehen. Andernfalls kann es nicht als Teil der Rechtsordnung bestehen bleiben.375 Dies gilt nicht zuletzt, da das einfache Recht als konkretisierendes Vehikel 371

Höpfner, Systemkonforme Auslegung, S. 177. Höpfner, Systemkonforme Auslegung, S. 175. 373 BVerfG v. 8. 3. 1972 – 2 BvR 28/71, NJW 1972, 1123, 1125; BVerfG v. 17. 12. 1975 – 1 BvR 428/69, NJW 1976, 950, 951; BVerfG v. 15. 6. 1983 – 1 BvR 1025/79, NJW 1983, 2811, 1812; BVerfG v. 24. 4. 1985 – 2 BvF 2/83 u. a., BeckRS 1985, 5785 Rn. 128; BVerfG v. 24. 3. 1987 – 1 BvR 147/86 u. a., NJW 1987, 2987, 2994; BVerfG v. 28. 5. 1993 – 2 BvF 2/90 u. a., NJW 1993, 1751, 1772; BVerfG v. 14. 10. 2008 – 1 BvR 2310/06, NJW 2009, 209 Rn. 57; zuletzt BVerfG v. 22. 3. 2018 – 2 BvR 780/16, NJW 2018, 1935 Rn. 150; Höpfner, Systemkonforme Auslegung, S. 172; ders., RdA 2018, 321, 329; Kuhlen, Verfassungskonforme Auslegung von Strafgesetzen, S. 1. Wie zu verfahren ist, wenn Produkt einer verfassungskonformen Auslegung mehrere als verfassungsgemäß erachteten Auslegungsergebnisse sind, wird nicht einheitlich beantwortet. S. dazu Höpfner, Systemkonforme Auslegung, S. 176, 178 ff. 374 Felix, Einheit der Rechtsordnung, S. 181; HbStR/Löwer, Band 3, § 70 Rn. 126; Rüthers/ Fischer/Birk, Rechtstheorie, Rn. 763; zur stufenweisen, hierarchischen Ordnung s. Kelsen, Allgemeine Staatslehre, S. 550 ff.; ders., Reine Rechtslehre, S. 228; Röhl/H. C. Röhl, Allgemeine Rechtslehre, S. 305 ff. 375 Bogs, Verfassungskonforme Auslegung von Gesetzen, S. 22 f.; Felix, Einheit der Rechtsordnung, S. 181; Germann, Probleme und Methoden der Rechtsfindung, S. 51; Michel, JuS 1961, 274, 275; Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, Rn. 763; Wank, Juristische Methodenlehre, § 9 Rn. 143; vgl. auch bereits Bayr. Verfassungsgerichtshof v. 13. 2. 1952 – Vf. 3-V51, VerwRspr 1952, 789, 797. 372

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4. Kap.: Der mitbestimmungsgesetzliche Gewerkschaftsbegriff

der grundgesetzlichen Wertentscheidungen dient, die in ihrem Gefüge eine einheitliche Rechtsordnung zumindest anstreben.376 Dem Grundsatz der Normerhaltung entsprechend ist die verfassungskonforme Auslegung zudem die vorzugswürdige Lösung vor einer vollständigen Nichtanwendung des Rechtes.377 Diese Vorgehensweise ergibt sich nicht zuletzt aus dem Gewaltenteilungsprinzip gem. Art. 1 Abs. 3 GG i. V. m. der sich aus Art. 20 Abs. 3 GG ergebenden Gesetzesbindung, welche es dem Rechtsanwender gebieten, den gesetzgeberischen Willen solange und soweit zu achten und zu wahren, wie es die Verfassung zulässt.378 Schließlich aber kann die verfassungskonforme Auslegung im Wege systemkonformer Rechtsanwendung nur dann von Bedeutung für die Wahl des Auslegungsergebnisses sein, wenn wenigstens eines der im Raum stehenden Auslegungsergebnisse tatsächlich mit der Verfassung nicht in Einklang steht. Nur in einem solchen Fall kann sie ihre Wirkung als Vorzugsregel entfalten.379 Ihre Grenzen findet die verfassungskonforme Auslegung schließlich in denselben Grundsätzen, die sie als Vorzugsregel bereits legitimieren. So formulierte der 1. Senat des Bundesverfassungsgerichtes in seiner Entscheidung vom 14. April 2010: „Das Bemühen um eine verfassungskonforme Auslegung mit dem Ziel, einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG zu vermeiden, stößt dort an seine Grenzen, wo einem bereits nach dem Wortlaut, aber jedenfalls nach dem gesetzgeberischen Willen eindeutigen Gesetz eine davon abweichende Bedeutung verliehen beziehungsweise das gesetzgeberische Ziel in einem wesentlichen Punkt verfehlt oder verfälscht würde. Eine solche Auslegung, mit der an die Stelle der Gesetzesvorschrift inhaltlich eine andere gesetzt oder mit der ein Regelungsinhalt erstmals geschaffen wird, ist grundsätzlich nicht zulässig.“380

Hierin verläuft – ebenso wie bereits im Rahmen der klassischen Auslegung – die entscheidende Grenze zwischen verfassungskonformer Auslegung und Rechtsfortbildung.381 Die Verfassungsmäßigkeit allein ist kein ausschlaggebendes Argument 376 Bogs, Verfassungskonforme Auslegung von Gesetzen, S. 23; Felix, Einheit der Rechtsordnung, S. 180; Häfelin, FS H. Huber 1981, S. 241, 242; für eine eingeschränkt legitimierende Wirkung der Einheit der Rechtsordnung Höpfner, Systemkonforme Auslegung, S. 190 f. 377 Zum Grundsatz der Normerhaltung („favor legis“) grundlegend BVerfG v. 4. 5. 2011 – 2 BvR 2365/09 u. a., NJW 2011, 1931 Rn. 160; BVerfG v. 27. 3. 2012 – 2 BvR 2258/09, NJW 1784 Rn. 73; Felix, Einheit der Rechtsordnung, S. 180; Höpfner, Systemkonforme Auslegung, S. 191 ff.; Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, Rn. 763; s. auch Abendroth, AuR 1959, 261, 264 im Kontext des Arbeitskampfes. 378 Felix, Einheit der Rechtsordnung, S. 180; Hager, Gesetzes- und sittenkonforme Auslegung, S. 17; Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, Rn. 763; kritisch Burmeister, Verfassungsorientierung der Gesetzesauslegung, S. 124; Wank, Juristische Methodenlehre, § 9 Rn. 154. 379 Ebenso für die verfassungskonforme Auslegung von § 4a Abs. 4 TVG Mayer, Differenzierungsklauseln, S. 342. 380 BVerfG v. 14. 4. 2010 – 1 BvL 8/08, NJOZ 2011, 464 Rn. 50. 381 BVerfG v. 7. 5. 1953 – 1 BvL 104/52, NJW 1953, 1057, 1059; BGH v. 18. 11. 2020 – VIII ZR 78/20, NJW 2021, 1008 Rn. 29; Bumke, Verfassungsrechtliche Grenzen fachrichterlicher Rechtserzeugung, in: ders., Richterrecht zwischen Gesetzesrecht und Rechtsgestaltung,

B. Die verfassungskonforme Auslegung

343

für einen entsprechenden gesetzgeberischen Willen. Es besteht jedoch eine Vermutung dahingehend, dass der einfache Gesetzgeber gewillt und bestrebt ist, ausschließlich verfassungsgemäßes Recht zu setzen. Dies ergibt sich bereits aus dem der Normsetzung innewohnenden Steuerungsgedanken und dem dafür erforderlichen „Geltungswillen“.382 Damit ist jedoch nicht die vom Bundesverfassungsgericht formulierte Vermutung zu verwechseln, die zugunsten einer Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes bestehen soll.383 Dieses Prinzip wurde in den einschlägigen Entscheidungen als Legitimation für eine verfassungskonforme Auslegung herangezogen.384 Eine solche Vermutung kann jedoch angesichts der vielfältigen Negativbeispiele keinen Bestand haben.385 Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes zum Zuvorbeschäftigungsverbot nach § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG386 zeigt erneut eindrucksvoll, dass die Grenzziehung zwischen einer Annäherung an die Verfassungskonformität im Wege der verfassungskonformen Auslegung und der Herstellung einer solchen durch Rechtsfortbildung im Einzelfall nicht immer eindeutig ausfällt. Verfassungskonforme Auslegung und Rechtsfortbildung contra legem vermischen sich vor allem dann, wenn der Rechtsanwender einen „eindeutigen Wortlaut“ zugrunde legt, ohne die historischen Erwägungen des Gesetzgebers als Maßstab heranzuziehen.387 Aber auch die Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe beinhaltet in der Feststellung und Ausfüllung der unbestimmten Bestandteile eine gesteigerte Anstrengung bei der Annäherung an das verfassungsrechtlich Gebotene.388

S. 33, 36; Felix, Einheit der Rechtsordnung, S. 180. Für eine hermeneutische Lösung Ladeur/ Augsberg, Rechtstheorie 36 (2005), 143, 146. 382 Höpfner, Systemkonforme Auslegung, S. 52 ff., 61. 383 BVerfG v. 7. 5. 1953 – 1 BvL 104/52, NJW 1953, 1057, 1059; BVerfG v. 23. 10. 1958 – 1 BvL 45/56, NJW 1958, 2059, 2060; BVerfG v. 16. 6. 1959 – 1 BvR 71/57, NJW 1959, 1579, 1580. 384 Kritisch Bogs, Verfassungskonforme Auslegung von Gesetzen, S. 21 f.; Burmeister, Verfassungsorientierung der Gesetzesauslegung, S. 102 ff.; Canaris, FS Kramer 2004, S. 141, 147; Häfelin, FS H. Huber 1961, S. 241, 243; Hager, Gesetzes- und Sittenkonforme Auslegung, S. 10 ff.; Voßkuhle, AöR 125 (2000), 177, 182 f.; mit einer Auseinandersetzung unter Rekurs auf das common law Imboden, FS H. Huber 1961, S. 133, 139. Nach Höpfner, Systemkonforme Auslegung, S. 185 entbehrt bereits die Vermutung an sich „in tatsächlicher Hinsicht jeder Grundlage“. 385 Höpfner, Systemkonforme Auslegung, S. 185 mit entsprechenden Nachweisen. 386 BVerfG v. 6. 6. 2018 – 1 BvL 7/14 u. a., AP TzBfG § 14 Nr. 170 Rn. 44. Mit einer kritschen Auseinandersetzung der diesem Urteil zugrunde liegenden Entscheidung des 7. Senates des Bundesarbeitsgerichtes Höpfner, RdA 2018, 321, 324. 387 Mit dieser Kritik auch Höpfner, RdA 2018, 321, 324 unter Verweis auf entsprechende Instanzrechtsprechung zum Vorbeschäftigungsverbot; ders. bereits in Systemkonforme Auslegung, S. 176; ähnlich Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, Rn. 764. A. A. Neuner, Rechtsfindung contra legem, S. 102. Zur Frage einer Wortlautgrenze s. Abschnitt A. III. dieses Kapitels im Kontext einer Rangfolge der Auslegungsmittel. 388 S. dazu nur Häfelin, FS H. Huber 1981, S. 241, 244 f.

344

4. Kap.: Der mitbestimmungsgesetzliche Gewerkschaftsbegriff

2. Der Gang der Auslegung im vorliegenden Fall Als Voraussetzung einer verfassungskonformen Auslegung und in der Folge eines Ausschlusses möglicher Auslegungsergebnisse aufgrund von Verfassungswidrigkeit müssen somit nun die denkbaren Gewerkschaftsbegriffe des MitbestG an der Verfassung gemessen ausgelegt werden. In Anlehnung an die von der verfassungskonformen Auslegung avisierte Unanwendbarkeit verfassungswidriger Auslegungsergebnisse aufgrund von Teilnichtigkeit soll diese wie folgt erfolgen: Zugrunde gelegt wird dasjenige Auslegungsergebnis, welches von einer Übernahme des (einheitlichen) tarifvertraglich geprägten Gewerkschaftsbegriffes ausgeht.389 Dies erfolgt jedoch nicht aufgrund expliziter gesetzgeberischer Entscheidung,390 sondern aufgrund mangelnder entsprechender Aussagen, die in Zusammenwirken mit dem einheitlichen Wortlaut eine entsprechende Vermutung nicht zu widerlegen vermögen. Dieses Auslegungsergebnis soll nun an Art. 9 Abs. 3 GG gemessen werden. Dabei ist davon auszugehen, dass in einer Regelung, die einen unverhältnismäßigen Eingriff darstellt, auch keine zulässige Differenzierung im Sinne des Art. 3 Abs. 1 GG liegen kann. Die verfassungsrechtliche Prüfung soll im Zuge dessen dreischrittig erfolgen. Die Tariffähigkeitsmerkmale, die nach dem einheitlichen Gewerkschaftsbegriff auch Gewerkschaftsmerkmale sind, sollen nacheinander für den Fall des MitbestG im Lichte der Koalitionsfreiheit ausgelegt werden. Im Rahmen der Ergebnisfindung ist sodann zu differenzieren, ob ein Merkmal von der Verfassung vorausgesetzt oder lediglich geboten ist oder aber von Verfassungs wegen nicht gefordert werden darf. Auf diese Weise bleibt nach erfolgter Auslegung entweder ein Begriff zurück, der demjenigen des einheitlichen Verständnisses gleicht, aber Produkt einer eigenen normorientierten Auslegung ist, oder ein Begriff, der sich von dem tarifvertraglich geprägten Begriff unterscheidet, weil er zusätzliche, gänzlich andere oder auch weniger Merkmale dieses Begriffes aufweist. In letzterem Fall wird die Rechtsanwendung dem zweiten möglichen Anwendungsbefehl des Mitbestimmungsgesetzgebers gerecht – der begrifflichen Offenheit.

II. Die verfassungskonforme Auslegung Die Notwendigkeit der Paritätssicherung liegt in der historisch schwächeren Position der Arbeitnehmer bei der Aushandlung ihrer Beschäftigungsbedingungen begründet. Bedenkt man, dass die kollektive Förderung und Wahrung der Arbeitsund Wirtschaftsbedingungen in diesem strukturellen Ungleichgewicht erst ihren Ursprung finden, liefen sämtliche zu diesem Zwecke bestehenden Instrumente selbst 389

Zum Zwecke der verfassungskonformen Auslegung erfolgt die Beschreibung der Tariffähigkeitsvoraussetzungen nur noch übersichtshalber. Für eine ausführliche Darstellung des Inhaltes der jeweiligen Anforderungen s. Kapitel 1, Abschnitt A. III. 390 Dieses Auslegungsergebnis wurde unter Abschnitt A. II.verworfen.

B. Die verfassungskonforme Auslegung

345

leer, würde ihre Funktionalität nicht mittels bestimmter Voraussetzungen sichergestellt werden. Die zur Sicherung dieser Funktionalität erforderlichen Voraussetzungen entwickelten sich im Wesentlichen anhand der Bedürfnisse und Anforderungen des Tarifvertrages. Dies ist einmal der exponierten Stellung der Gewerkschaftsleben geschuldet. Darüber hinaus bedurfte es jedoch aufgrund der systembedingt offenen Ausgestaltung der Tarifautonomie durch TVVO und TVG besonderer Funktionssicherungsmechanismen. Im Gegensatz hierzu war die wirtschaftliche Mitbestimmung seit jeher gesetzlich angeordnet und daher bereits normativ gesichert. Die Verknüpfung zwischen sozialer Mächtigkeit und Paritätssicherung ist daher historisch bedingt, aber nicht absolut. Zumindest im Lichte des nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichtes einheitlichen Gewerkschaftsverständnisses,391 dessen tatbestandliche Voraussetzung die Tariffähigkeit ist, muss sich die Frage stellen, ob diese pauschale Bejahung der Verhältnismäßigkeit einer verfassungsrechtlichen Kontrolle mit Blick auf die verschiedenen verfassungsrechtlich garantierten Koalitionsinstrumentarien standhält. Eine so umfangreiche Beschränkung wäre nur dann verhältnismäßig, griffe das vom Bundesarbeitsgericht angeführte Funktionalitätsargument gleichermaßen auch bei der Unternehmensmitbestimmung.392 Werden daher kleinere Gewerkschaften aufgrund fehlender Tariffähigkeit und damit fehlender Gewerkschaftseigenschaft an der Beteiligung an der Unternehmensmitbestimmung gehindert, können darin Verstöße gegen Art. 9 Abs. 3 GG sowie Art. 3 Abs. 1 GG liegen.393 Aufgrund des Verfassungsranges der Unternehmensmitbestimmung wird der Anwendungsbereich des Art. 3 Abs. 1 GG indes vergleichsweise klein bleiben. Die tarifrechtsgeprägten Merkmale des Gewerkschaftsbegriffes werden im Sinne eines Ausschlussverfahrens auf ihre Verfassungsmäßigkeit in Anwendung auf das MitbestG hin geprüft. Dabei soll im Rahmen jeder einzelnen Prüfung eine Gewerkschaft im mitbestimmungsgesetzlichen Sinne zugrunde gelegt werden, die sich ausschließlich in der Unternehmensmitbestimmung betätigt bzw. betätigen will. Dies ist insofern konsequent, als nur unter dieser Prämisse sichergestellt ist, dass die Anforderungen des mitbestimmungsgesetzlichen Gewerkschaftsbegriffes nicht mit denen der Tariffähigkeit vermischt werden. Begrifflicher Ausgangspunkt bleibt der unbestimmte Gewerkschaftsbegriff mit den zuvor bestimmten Voraussetzungen: Vereinigung im Sinne des Art. 9 Abs. 1 GG, Gegnerunabhängigkeit sowie Unabhängigkeit von Staat, Kirche und Partei.394 Diese wurden bereits im Rahmen der historischen Auslegung in Kapitel 1, Abschnitt C. I. als Teil des bestimmten Begriffsbestandteiles herausgearbeitet.

391

S. dazu Kapitel 1, Abschnitt D. I. 1. Vgl. dazu auch Reichel, RdA 1972, 143, 148. 393 S. zu Art. 3 Abs. 1 GG auch i. V. m. Art. 19 Abs. 3 GG Eitel, Ungleichbehandlung, S. 51; Giere, Soziale Mächtigkeit, S. 168. 394 S. Kapitel 1, Abschnitt E. 392

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4. Kap.: Der mitbestimmungsgesetzliche Gewerkschaftsbegriff

1. Tarifwilligkeit Um an der Aushandlung von Tarifverträgen beteiligt zu sein, muss sich die Gewerkschaft den Abschluss von Tarifverträgen als satzungsmäßige Aufgabe setzen. Diese Selbstverpflichtung darf hierbei nicht nur pro forma eingegangen werden, vielmehr muss die Gewerkschaft auch tatsächlich willens sein, Tarifverträge abzuschließen.395 Im Rahmen des Tarifrechtes soll auf diese Weise sichergestellt werden, dass die Mitglieder der Gewerkschaft sich bereits bei ihrem Eintritt auf eine effektive Interessenvertretung verlassen können und sich der Wirkungen des Tarifvertragsabschlusses im Sinne des § 3 Abs. 1 TVG gewahr sind.396 Im Rahmen dieser Gegenüberstellung der Anforderungsprofile von Tarifvertrag und Unternehmensmitbestimmung stellt sich die Frage, ob die Forderung nach einer Tarifwilligkeit im Rahmen der Übertragung der Tariffähigkeitsvoraussetzungen geeignet ist, die gleichberechtigte Teilhabe der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat zu sichern. Die Zielsetzungen verlaufen, wenn auch nicht diametral, so doch zumindest nicht parallel. In beiden Fällen wird zwar der Arbeitnehmerschutz tangiert. Es ist aber nicht ersichtlich, wie Teilhabe und Mitwirkung der Arbeitnehmer in den Entscheidungsgremien der Unternehmen erleichtert werden sollen, wenn sich die dort vertretenen Gewerkschaften in ihren Satzungen zum Abschluss von Tarifverträgen verpflichten. Besinnt man sich auf die kontroversen Diskussionen zur Vereinbarkeit von Tarifautonomie und Mitbestimmung im Gesetzgebungsverfahren, könnte beinahe die These aufgestellt werden, eine gewerkschaftsseitige Abstinenz von jeglichen Tarifverhandlungen wäre der Umsetzung der Unternehmensmitbestimmung möglicherweise zuträglicher.397 Überdies würden Gewerkschaften über den Umweg der erforderlichen Tarifzuständigkeit gegebenenfalls dazu verpflichtet, ihren satzungsmäßigen Zuständigkeitsbereich zu erweitern. Da die Tariffähigkeit insofern nicht relativ oder teilbar ist, könnte dies zu einer Tarifunfähigkeit führen. Auf diesem Wege würde wiederum der mit der Tariffähigkeit verfolgte Zweck ad absurdum geführt. Verlangt man von einer Gewerkschaft, die (ausschließlich) im Rahmen der Unternehmensmitbestimmung tätig werden möchte, die satzungsmäßige Verpflichtung zum Abschluss von Tarifverträgen, könnte es jedoch bereits zuvor an einem mit dieser Einschränkung verfolgten legitimen Zweck fehlen.

395

S. an dieser Stelle nur BAG v. 10. 9. 1985 – 1 ABR 32/83, AP TVG § 3 Nr. 34 [B. IV. 1. a)]; BAG v. 14. 12. 2010 – 1 ABR 19/10, AP TVG § 2 Tariffähigkeit Nr. 6 Rn. 67; ErfK/ Franzen, § 2 TVG Rn. 8; Henssler/Willemsen/Kalb/Henssler, § 2 TVG Rn. 15; Kamanabrou, Arbeitsrecht, Rn. 1748; MüHbArbR/Klumpp, Band 3, § 232 Rn. 36; Löwisch, ZfA 1970, 295, 304; Wiedemann/Oetker, TVG, § 2 Rn. 483; Däubler/Peter/Rödl, TVG, § 2 Rn. 63; Jacobs/ Krause/Oetker/C. Schubert/C. Schubert, Tarifvertragsrecht, § 2 Rn. 7. 396 MüHbArbR/Klumpp, Band 3, § 232 Rn. 37; Löwisch, ZfA 1970, 295, 304; Löwisch/ Rieble, TVG, § 2 Rn. 216. 397 Es stand sogar ein entsprechendes Verbot des Arbeitskampfes im Raum, s. die 110. Sitzung des Deutschen Bundestages v. 20. 6. 1974, S. 7528 C.

B. Die verfassungskonforme Auslegung

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a) Die verfassungsrechtlichen Vorgaben Jeder staatliche Grundrechtseingriff muss einen legitimen Zweck verfolgen. Dieser bildet den Anknüpfungspunkt für die Beurteilung der Verhältnismäßigkeit.398 Welche Zwecke als legitim angesehen werden können, divergiert je nach der handelnden Staatsgewalt. Während sich der einfache Gesetzgeber nach den Grundsatzentscheidungen der Verfassung richten und in diesem Rahmen die Ziele der Gesetze selbst festlegen muss, verlangt die Gesetzesbindung von Exekutive und Judikative, dass sie sich an das in dem jeweiligen Gesetz verwirklichte Telos halten.399 Vorliegend stehen nicht die durch die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes entwickelten Tariffähigkeitsvoraussetzungen unmittelbar selbst in Frage. Entscheidend ist folglich nicht, ob die Absicherung der Tarifautonomie in funktionaler Hinsicht ein grundsätzlich legitimes Ziel ist. Die Tariffähigkeitsvoraussetzungen finden allenfalls mittelbar aufgrund der legislativen Übertragung dieser Kriterien im Wege der Verwendung des (einheitlichen) tarifvertraglichen Gewerkschaftsbegriffes durch den Mitbestimmungsgesetzgeber Berücksichtigung. Maßstab der Legitimitätsprüfung bleibt jedoch auch hier das Grundgesetz und die in ihm verankerten Zwecksetzungen, da auch diese – wären sie im MitbestG umgesetzt worden – durch den parlamentarischen Gesetzgeber Eingang gefunden hätten. Die Suche nach dem MitbestG eigenen legislativen Zielen ist aufgrund der bereits analysierten gesetzgeberischen Zurückhaltung wenig ergiebig. Anhaltspunkte lassen sich allenfalls konkludent der Systematik des Gesetzes entnehmen und gehen über die Verankerung einer gleichberechtigten und gleichgewichtigen Mitbestimmung auf Unternehmensebene nicht hinaus.400 Allerdings bleibt in Anbetracht der Reichweite und der offenen Ausgestaltung der Verfassung ein recht großer Rahmen möglicher legitimer Ziele zurück. Nicht zuletzt aus Effektivitätsgründen wird man in Einklang mit dem Bundesverfassungsgericht dieser Bandbreite auch im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung durch eine objektive Sichtweise Rechnung tragen können. Im Kontext der Berufsfreiheit hatte das Bundesverfassungsgericht zur Feststellung eines legitimen Zieles befunden, dass die Verhältnismäßigkeit einer gesetzgeberischen Maßnahme nicht davon abhängig gemacht werden dürfte, „ob die maßgeblichen Gründe […] im Gesetzgebungsverfahren ausdrücklich erörtert worden sind. Zwar würde es kaum der demokratisch-parlamentarischen Idee des Gesetzgebungsver398

BVerfG v. 23. 3. 2011 – 2 BvR 882/09, NJW 2011, 2113 Rn. 46 ff.; BVerfG v. 24. 1. 2012 – 1 BvR 1299/05, NJW 2012, 1419 Rn. 183; BVerfG v. 6. 2. 2013 – 2 BvR 2122/11 u. a., BVerfGE 133, 40 Rn. 26 ff.; BVerfG v. 14. 1. 2015 – 1 BvR 931/12, NVwZ 2015, 582 Rn. 56 f.; BVerfG v. 12. 1. 2016 – 1 BvL 6/13, NJW 2016, 700 Rn. 49 ff.; BVerfG v. 12. 1. 2016 – 1 BvR 3102/13, NJW 2016, 930 Rn. 42 ff.; BVerfG v. 20. 4. 2016 – 1 BvR 966/09, NJW 2016, 1781 Rn. 90, 96 ff.; Dreier/Dreier, GG, Band 1, Vorbemerkung Rn. 146; Dürig/Herzog/ Scholz/Grzeszick, GG, Art. 20 Rn. 111; Sachs/Sachs, GG, Art. 20 Rn. 149. 399 BVerfG v. 17. 12. 2014 – 1 BvL 21/12, NJW 2015, 303 Rn. 133, 138, 180; Dürig/ Herzog/Scholz/Grzeszick, GG, Art. 20 Rn. 111; Sachs/Sachs, GG, Art. 20 Rn. 149. 400 S. nur die Zielsetzung des Regierungsentwurfes, BT-Drs. VII/2172, S. 1.

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4. Kap.: Der mitbestimmungsgesetzliche Gewerkschaftsbegriff

fahrens entsprechen und nicht wünschenswert sein, wenn die eigentliche Begründung eines Gesetzes im Wesentlichen nur und eher unsystematisch in einem Ausschuß gegeben wird, während der Bundestag als das eigentliche Gesetzgebungsorgan hiervon kaum Kenntnis nehmen kann. Indessen kann nicht die ,Gedankenlosigkeit‘ oder die subjektive Willkür des Gesetzgebers, sondern lediglich das objektive Fehlen der von Verfassungs wegen anzuerkennenden gesetzgeberischen Zielsetzungen zur Feststellung der Verfassungswidrigkeit führen“.401 Die Maßgabe, der Gesetzgeber müsste bei fehlender Geeignetheit einer Maßnahme zur Erreichung des unterstellten Zieles das Gesetz mit abgeänderter Begründung erneut erlassen und um ein objektiv vorliegendes anderes legitimes Ziel ergänzen, erscheint wenig zielführend. Sie kann jedoch nicht auf den Fall angewandt werden, in welchem der Norminhalt zur Herbeiführung einer Verhältnismäßigkeit von der Judikative abgeändert wird. Hierbei handelte es sich fraglos um eine Rechtsfortbildung contra legem. Eine rückwirkende Annahme, der Gesetzgeber hätte im Rahmen seiner Gesetzgebung sämtliche in Betracht kommende legitime Ziele verfolgen wollen, kann hingegen unproblematisch angestellt werden, ohne eine Vermutung der Verfassungsmäßigkeit eines jeden Gesetzes aufzustellen.402 b) Zwischenergebnis: Die satzungsmäßige Verpflichtung zum Tarifabschluss als Verstoß gegen die negative Koalitionsmittelwahlfreiheit Mit der Verankerung der Unternehmensmitbestimmung in der Koalitionsfreiheit geht die Gleichrangigkeit und Gleichwertigkeit von Tarifautonomie und Unternehmensmitbestimmung sowie der sich aus diesen Garantien ergebenden Zwecke einher. Die Anwendung des tarifvertraglichen Gewerkschaftsverständnisses auf das MitbestG überträgt zwangsläufig auch die mit den Tariffähigkeitsvoraussetzungen verknüpfte Zielsetzung der Funktionssicherung der Tarifautonomie, da nur diese eine Einschränkung der Tarifautonomie zugelassen hatte.403 Diese Einschätzung findet ansatzweisen Rückhalt auch in Aussagen des Bundesverfassungsgerichtes im „Mitbestimmungsurteil“. Anders als das Bundesarbeitsgericht geht es weniger von der Tarifwilligkeit als Voraussetzung der Tariffähigkeit aus, sondern setzt sie für den Schutzbereich der Tarifautonomie notwendigerweise voraus.404 In der Praxis mag diese Differenzierung kaum einen Unterschied mit sich bringen. Eine Koalition, die 401 BVerfG v. 5. 5. 1987 – 1 BvR 724/81 u. a., NJW 1988, 545, 546 f. unter Verweis auf BVerfG v. 7. 5. 1953 – 1 BvL 104/52, NJW 1953, 1057, 1058; BVerfG v. 26. 4. 1978 – 1 BvL 29/76, BVerfGE 48, 227, 237. 402 Ablehnend bereits in Kapitel 1, Abschnitt D. II. 403 An dieser Stelle sei nur verwiesen auf die ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes, die das Bundesverfassungsgericht weitgehend billigte, ausführlich Kapitel 1, Abschnitt A. III. 5. g). 404 BVerfG v. 1. 3. 1979 – 1 BvR 532/77 u. a., AP MitbestG § 1 Nr. 1 [B. IV. 1.].

B. Die verfassungskonforme Auslegung

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ernsthaft tarifwillig ist, wird auch nicht im Rahmen von Tarifverhandlungen in den Schutzbereich der Tarifautonomie geraten. Geht es aber um die verfassungsrechtliche Bewertung der Voraussetzung einer Tarifwilligkeit für Gewerkschaften im ausschließlich mitbestimmungsrechtlichen Sinne, so verlagert diese Anschauung die Betrachtung auf eine andere Ebene: Ordnet man die Tarifwilligkeit als Voraussetzung der Tariffähigkeit ein, erfolgt die verfassungsrechtliche Bewertung im Rahmen der Rechtfertigung auf der Ebene der Verhältnismäßigkeitsprüfung. Der dort zugrunde zu legende Maßstab orientiert sich sodann an der Entscheidung in der vorgelagerten Unterscheidung von Ausgestaltung und Eingriff. Die funktionale Verankerung der Tarifwilligkeit bereits im Schutzgut selbst hat indes zur Folge, dass bereits die Verfolgung eines legitimen Zieles in Frage steht. Denn das MitbestG dient gerade nicht der Tarifautonomie und soll diese auch nicht weiter ausgestalten. Es ist vielmehr die einfachgesetzliche Konkretisierung der von Art. 9 Abs. 3 GG vorausgesetzten Unternehmensmitbestimmung405 und dient damit ausschließlich den Zwecken, die der Unternehmensmitbestimmung selbst innewohnen, sowie denjenigen, welche zur entsprechenden Umsetzung erforderlich sind. Die Voraussetzung der Tarifwilligkeit würde dazu führen, dass das gleichberechtigte Nebeneinander der Betätigungsinstrumentarien der Koalitionen aufgehoben wird. Umso mehr, wenn man für die Tarifwilligkeit ein ernsthaftes Bemühen um den Abschluss von Tarifverträgen verlangt. Wahl und Betätigung der Koalitionsmittel stehen im Belieben der Vereinigungen.406 Mit Blick auf die in der Satzung zu regelnde Tarifwilligkeit würde dies gar eine satzungsmäßige Verpflichtung zum Tarifvertragsabschluss bedeuten. Dieser faktische Zwang führt „durch die Hintertür“ eine Verpflichtung zur tarifautonomen Betätigung ein und bedingt einen Verstoß gegen die negative Koalitionsmittelwahlfreiheit der Koalitionen. Bereits aus dem Blickwinkel der Tarifautonomie kann der Koalition nicht die Verpflichtung auferlegt werden, tarifwillig zu sein. Hinzu kommt, dass selbst ein abgeschlossener Tarifvertrag die Gewerkschaft nicht verpflichten kann, tarifwillig und damit tariffähig zu bleiben.407 Somit wird durch die faktische Verpflichtung zum Abschluss von Tarifverträgen die negative Koalitionsmittelwahlfreiheit der Koalitionen verletzt. Auf die für die Verhältnismäßigkeit relevante Differenzierung zwischen Ausgestaltung und Eingriff kommt es sodann nicht mehr an, da die Funktionserhaltung der Tarifautonomie nicht der Ausgestaltung der Unternehmensmitbestimmung dienen kann. Hierin allein kann kein von den Werten des Grundgesetzes erfasstes Ziel liegen, da es in einem diametralen Gegensatz zu der sich aus Art. 9 Abs. 3 GG ergebenden (negativen) Koalitionsmittelwahlfreiheit steht, die sich wiederum aus der Gleichheit und Gleichrangigkeit der Gewährleistungsgehalte der Koalitionsfreiheit ergibt. Dem Argument der Rechtssicherheit, welches zugunsten eines einheitlichen Begriffs405

S. zum Gewährleistungsgehalt Kapitel 3, Abschnitte A. I. 1. und 2. BVerfG v. 1. 3. 1979 – 1 BvR 532/77 u. a., AP MitbestG § 1 Nr. 1 [B. IV. 1.]. 407 Löwisch/Rieble, TVG, § 2 Rn. 246. 406

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4. Kap.: Der mitbestimmungsgesetzliche Gewerkschaftsbegriff

verständnisses angeführt wird, tritt die Unternehmensmitbestimmung als Schutzgut der Koalitionsfreiheit entgegen. Selbst ginge man jedoch davon aus, dass es sich bei der Verknüpfung von Tarifautonomie und Unternehmensmitbestimmung qua Gewerkschaftsbegriff um ein legitimes Ziel handelt, ist die Voraussetzung der Tarifwilligkeit auch nicht geeignet, die Funktionsfähigkeit der gleichberechtigten und gleichgewichtigen Arbeitnehmerteilhabe auf Unternehmensebene zu fördern. Bereits aufgrund der sachgegenständlichen Alternativität von Tarifautonomie und Unternehmensmitbestimmung ist nicht ersichtlich, wie das Bestreben der Gewerkschaften, Tarifverträge abzuschließen, ihre Betätigung in der Unternehmensmitbestimmung fördern und sichern soll. Sieht man darüber hinaus die satzungsmäßige Verpflichtung zur Teilnahme an der Unternehmensmitbestimmung als erforderlich an, kann wenigstens erwogen werden, eine Mitbestimmungswilligkeit auf Satzungsebene de lege ferenda zu fordern, welche nach außen sichtbar und nach innen verbindlich die Beteiligung an der Unternehmensmitbestimmung deklariert. 2. Anerkennung des staatlichen Tarif-, Arbeitskampfund Schlichtungsrechtes a) Die verfassungsrechtlichen Vorgaben In der Verpflichtung auch der mitbestimmungsgesetzlichen Gewerkschaften zur allgemeinen Rechtstreue sowie im Folgenden auch zu Spezifika des Koalitionsrechtes liegt zunächst ein legitimes Ziel; fraglos muss eine Vereinigung die Rechtsordnung der Bundesrepublik anerkennen. In ihrem Umfang misst sich diese Rechtstreue an den allgemein geltenden Verbotsgesetzen wie auch an der mittelbaren Wirkung der Grundrechte im Privatrechtsverhältnis.408 Dies ist jedoch nicht gleichbedeutend mit der Tariffähigkeitsvoraussetzung, nach welcher die Gewerkschaften notwendigerweise das staatliche Tarif-, Arbeitskampf- und Schlichtungsrecht anerkennen müssen. Diese Anforderung wird damit begründet, dass Vereinigungen, die sich des von Seiten des Staates bereitgestellten Instrumentes der Tarifautonomie bedienen (wollen), sich innerhalb dieses gesteckten Rahmens bewegen müssen. Die Tarifautonomie kann demnach in ihrer Funktionsfähigkeit nur Bestand haben, solange ihre Grunderwägungen wie bspw. die Angemessenheitsvermutung oder das Paritätsprinzip sichergestellt sind. Beide Grundsätze würden nachhaltig in Frage gestellt, wendeten Gewerkschaften kontinuierlich rechtswidrige Mittel an.409 408 Dies erkennt auch Däubler/Peter/Rödl, TVG, § 2 Rn. 666, welche jedoch ein Anerkenntnis arbeitsrechtlicher Spezifika darüber hinaus aus Art. 9 Abs. 3 GG nicht annimmt. 409 MüHbArbR/Klumpp, Band 3, § 232 Rn. 40; zum Erfordernis der Anerkennung grundlegend BVerfG v. 6. 5. 1964 – 1 BvR 79/62, NJW 1964, 1267, 1268; BVerfG v. 20. 10. 1981 – 1 BvR 404/78, AP TVG § 2 Nr. 31 [B. I. 1.]; BAG v. 25. 11. 1986 – 1 ABR 22/85, AP TVG § 2 Nr. 36 [II. 2.]; ErfK/Franzen, § 2 TVG Rn. 10; Löwisch/Rieble, TVG, § 2 Rn. 226; Jacobs/ Krause/Oetker/C. Schubert/C. Schubert, Tarifvertragsrecht, § 2 Rn. 82; kritisch Kempen/Za-

B. Die verfassungskonforme Auslegung

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Gleichwohl bleibt die Aberkennung der Tariffähigkeit solchen Fällen vorenthalten, in denen der Schutz der Tarifautonomie einen Entzug der Tariffähigkeit unabdingbar macht.410 Wenn im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens zum MitbestG über die Vereinbarkeit von Tarifautonomie und Unternehmensmitbestimmung diskutiert wurde, ging es gegenständlich auch um die möglichen Gefahren des Arbeitskampfes.411 Es wurde befürchtet, die im Unternehmen vertretenen Gewerkschaften könnten entweder im Zuge ihrer Aufsichtsratstätigkeit erlangte Informationen in Tarifverhandlungen nutzen oder auch ihre Forderungen gegebenenfalls im Wege einer Arbeitsniederlegung durchsetzen. Ferner ging es um die Vereinbarkeit des Aufsichtsratsmandates als Nebentätigkeit, welches den Mandatsträger sodann dem Unternehmensinteresse verpflichtet, einerseits und der Haupttätigkeit in der Gewerkschaft andererseits. Die Vergangenheit hat zeigt, dass die diesbezüglich angesprochenen Sorgen durchaus ihre Berechtigung haben sollten.412 Soll somit mittels des Erfordernisses der Rechtstreue auch die Funktionsfähigkeit der Unternehmensmitbestimmung sichergestellt werden, verfolgt der Gesetzgeber damit durchaus ein legitimes Ziel, und die Verankerung dieser Voraussetzung im Gewerkschaftsbegriff ist überdies auch geeignet, dieses Ziel zu erreichen. Die Rechtstreue ist für das Tarifvertragswesen mitsamt dem Arbeitskampf- und Schlichtungsrecht aber gerade deshalb von so herausragender Bedeutung, weil sich die Sozialpartner im autonomen Freiraum als Gegenparte selbst regulieren. Es stehen keine wechselseitigen Mechanismen bereit, die auch nur Anflüge bereits geringer Rechtsbrüche antizipieren und ad hoc ausgleichen könnten. Zwar können rechtswidrige Arbeitskampfmaßnahmen Schadensersatzansprüche gegen die Gewerkschaft nach sich ziehen. Diese wirken jedoch als Sanktion und nicht als Ausgleichsmechanismus im Moment des Rechtsbruches.413 Der Grund dafür liegt nicht zuletzt darin, dass die Rechtswidrigkeit von Arbeitskampfmaßnahmen gerichtlich festgestellt werden muss, sodass die Auswirkungen zumindest bis zu diesem Zeitpunkt – und sei es aufgrund einstweiligen Rechtschutzes auch ein nur vergleichsweise kurzer Zeitrahmen – zwar rückwirkend sanktioniert und kompensiert, aufgrund ihres immateriellen Momentes jedoch nicht vollständig ausgeglichen werden können.414 Entschließt sich also eine Gewerkschaft zu einem rechtswidrigen Arbeitskampf, hat dieser zumindest mochert/Kempen, TVG, § 2 Rn. 84, da eine „Selbstverständlichkeit“; ablehnend Däubler/Peter/ Rödl, TVG, § 2 Rn. 66. 410 Löwisch/Rieble, TVG, § 2 Rn. 226 ff. 411 Stellv. BT-Drs. VI/334, S. 23. 412 Mit einer trefflichen Beschreibung des Problems anhand des „Falles Bsirske“ im Zusammenhang mit den Lufthansa-Streiks im Jahre 2003 Kempen, GS Heinze 2005, S. 437 f. 413 Zur Schadenseratzpflicht s. Brox/Rüthers/Brox, Arbeitskampfrecht, S. 218 ff.; Frieling/ Jacobs/Krois/Malorny, Arbeitskampfrecht, § 10 Rn. 52 ff.; sowie eingehend jüngst auch dies., Haftung der Gewerkschaft, passim; Däubler/Ög˘ üt, Arbeitskampfrecht, § 22 Rn. 8 ff. 414 Zum einstweiligen Rechtsschutz gegen Streikmaßnahmen s. Frieling/Jacobs/Krois/ Horcher, Arbeitskampfrecht, § 11 Rn. 1 ff. und zum Prüfungsmaßstab Rn. 34 ff.

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4. Kap.: Der mitbestimmungsgesetzliche Gewerkschaftsbegriff

mentär zunächst unmittelbare Auswirkungen auf das Machtgleichgewicht, welches Funktionsvoraussetzung für die Tarifautonomie ist. Anders verhält es sich in heterogenen Gremien wie dem Aufsichtsrat: Zunächst sitzen dort nicht nur Gewerkschaftsvertreter, die – eine gemeinsame Gesinnung und Interessenlage unterstellt – eine rechtswidrige Maßnahme beschließen und durchsetzen könnten. Vielmehr ist für einen formell wirksamen Beschluss die einfache Mehrheit erforderlich. Nur dann erlangt der Beschluss Wirksamkeit, bindet die Mandatsträger und entfaltet Außenwirkung. Hinzu kommt, dass das AktG, wie das Gesellschaftsrecht im Allgemeinen, einen weitaus engmaschigeren Rechtsrahmen steckt als das TVG für das Tarifwesen. Die Macht innerhalb eines Unternehmens ist aufgrund der divergierenden Zuständigkeitsbereiche der Gesellschaftsorgane dezentral, und die Entscheidungsmaterien ebenso wie die Reich- und Wirkungsweite der Entscheidungen sind auf den Kosmos des Unternehmens beschränkt. Diese Feststellung führt die Betrachtung sodann zu der Frage, in welchem Umfang es erforderlich ist, dass auch Gewerkschaften, die ausschließlich in der Unternehmensmitbestimmung tätig werden wollen, das geltende Tarif- und Arbeitskampfrecht sowie das Schlichtungswesen anerkennen. Da die Rechtstreue für die Gewerkschaften des TVG aber nicht nur die (ungeschriebenen) Regeln des Arbeitskampfes, sondern auch das Tarif- und Schlichtungsrecht umfasst, muss erörtert werden, ob diese Rechtstreue im selben Umfang auch für das MitbestG und seine Beteiligungsrechte gelten kann. Die Erforderlichkeitsprüfung muss davon abhängig gemacht werden, welches Recht in welchem Maße auch für die Gewerkschaften im Rahmen der Unternehmensmitbestimmung gelten soll, um auf diese Weise eine funktionsfähige Unternehmensmitbestimmung – auch unter Berücksichtigung des Unternehmensinteresses – zu garantieren. Nur dann ist sichergestellt, dass es sich bei den als Eingriff zu qualifizierenden Zugangsvoraussetzungen um das relativ mildeste Mittel handelt. aa) Anerkennung des Tarifvertragsrechtes Tarifautonomie und Unternehmensmitbestimmung stehen als Mittel der Koalitionen zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen gleichrangig nebeneinander, unterscheiden sich als Instrumentarien jedoch in ihren Bezugsgegenständen und damit auch in ihrer Ausgestaltung. Während es zwischen Tarifautonomie und Betriebsverfassungsrecht durchaus Überschneidungen gibt, wie das Zusammenspiel zwischen § 2 Abs. 1 TVG und betriebsverfassungsrechtlichen Öffnungsklauseln in den §§ §§ 14 Abs. 2, 38 Abs. 1, 47 Abs. 4, 55 Abs. 4, 72 Abs. 4, 76 Abs. 8, 86 sowie 117 Abs. 2 BetrVG zeigt,415 verhält es sich mit der Unternehmensmitbestimmung anders. Die §§ 1 Abs. 1, 4 Abs. 1 TVG gestatten ebenso wenig 415 Zum Ausnahmecharakter dieser Vorschriften BAG v. 10. 11. 2004 – 7 ABR 17/04, AP BetrVG 1972 § 3 Nr. 4. Zu den Grenzen zwischen Tarifautonomie und betrieblicher Mitbestimmung s. nur Löwisch/Rieble, TVG, § 1 Rn. 421 ff. mit einer ausführlichen Darstellung des Meinungsbildes.

B. Die verfassungskonforme Auslegung

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tarifvertragliche Regelungen, die Aspekte der Unternehmensmitbestimmung zum Gegenstand haben,416 wie durch tarifvertragliche Regelungen von den Bestimmungen des MitbestG abgewichen werden darf.417 Schließlich besteht auch nicht die Möglichkeit, im Sinne des § 3 BetrVG von dem gremialen Repräsentationsmodell des MitbestG abzuweichen.418 Aus dem Zusammenspiel dieser Grenzen ergibt sich eine grundlegende Trennung zwischen der Mitbestimmung auf Unternehmensebene im Aufsichtsrat und der Mitgestaltung durch Tarifvertrag.419 Dies zeigt bereits, dass die erforderliche Rechtstreue mitbestimmungsgesetzlicher Gewerkschaften in Bezug auf das Tarifvertragsrecht in diesem Negativum der Regelungszuständigkeiten ihr Bewenden hat. Im Falle von Gewerkschaften, die sowohl in der Unternehmensmitbestimmung mitwirken als auch Tarifverträge schließen wollen, bleibt es bei der abschließenden Frage der Rechtsfolge eines tarifrechtlichen Verstoßes für die Teilhabe an der Unternehmensmitbestimmung, die an dieser Stelle nicht weiter vertieft werden soll.420 Gemeinhin werden keine ernsthaften Einwände dagegen erhoben, dass Gewerkschaftsvertreter als Teil einer Tarifkommission in dieser Funktion auch an Tarifverhandlungen teilnehmen dürfen.421 Bei dem Verbot der Weitergabe von „Insiderinformationen“ mag es sich um die folgerichtige Abwägung divergierender Grundrechtspositionen handeln, dies ergibt sich jedoch letztlich bereits aus dem Pflichtenbund des § 25 Abs. 1 MitbestG i. V. m. §§ 116, 93 Abs. 1 S. 2 AktG. Aus ihm folgt sodann u. a. auch die Verschwiegenheitsverpflichtung aller Aufsichtsratsmitglieder. Eine darüber hinausgehende privatautonome Rechtstreueverpflichtung ist somit nicht erforderlich. Daneben tangiert die Verletzung der Verschwiegenheitspflicht im Rahmen von Tarifverhandlungen vielmehr die Frage der Anerkennung des Mitbestimmungsrechtes. Das TVG und sein Gewerkschaftsbegriff wiederum sehen keine Einschränkungen im Wechselspiel mit der Unternehmensmitbestimmung vor.

416 Wißmann/Koberski/Kleinsorge/C. Schubert/Wißmann, Mitbestimmungsrecht, Vorbemerkung Rn. 8. 417 Wißmann/Koberski/Kleinsorge/C. Schubert/Wißmann, Mitbestimmungsrecht, Vorbemerkung Rn. 8. 418 S. dazu nur ErfK/Koch, § 3 BetrVG Rn. 1; Richardi/Maschmann, BetrVG, § 3 Rn. 15. 419 Für die h. M. Biedenkopf, in: Ständige Deputation des Deutschen Juristentages, Verhandlungen des 46. DJT, Band 1, S. 97, S. 156 ff.; Löwisch/Rieble, TVG, § 1 Rn. 433; Säcker/ Oetker, Grundlagen und Grenzen der Tarifautonomie, S. 133 f.; Wiedemann/Thüsing, TVG, § 1 Rn. 723; Wiedemann, RdA 1986, 231 ff. 420 Für eine Unerheblichkeit im umgekehrten Fall Löwisch/Rieble, TVG, § 2 Rn. 226. Mit einer eingehenden Auseinandersetzung Velten, Gewerkschaftsvertreter im Aufsichtsrat, S. 169 ff. 421 BVerfG v. 1. 3. 1979 – 1 BvR 532/77, AP MitbestG § 1 Nr. 1 [C. IV. 2. d) aa)]; Hanau/ Wackerbarth, Unternehmensmitbestimmung und Koalitionsfreiheit, S. 65; Raiser/Veil/Jacobs/ Raiser, MitbestG/DrittelbG, § 25 MitbestG Rn. 146.

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bb) Anerkennung des Arbeitskampfrechtes und des Schlichtungsrechtes (1) Die verfassungsrechtliche Gleichrangigkeit von Arbeitskampf und Unternehmensmitbestimmung Die Vereinbarkeit von Arbeitskampf und Aufsichtsratsmandat ist hingegen deutlich vielschichtiger. Aufgrund der aus der Zuständigkeitsregelung des § 1 Abs. 1 TVG folgenden gegenseitigen gegenständlichen Begrenzungen bleiben die Berührungspunkte von Tarifvertragsrecht und Unternehmensmitbestimmung vergleichsweise gering. Da diese Regelung jedoch den Arbeitskampf nicht mit umfasst, betrifft der Arbeitskampf die Unternehmensmitbestimmung zwangsläufig und darüber hinaus auch in Wechselwirkung. Aus der fehlenden Möglichkeit tarifvertraglicher Abweichungen von den Mitbestimmungsvorschriften in materieller wie formeller Hinsicht ergibt sich aufgrund der Akzessorietät des Arbeitskampfes lediglich die Rechtswidrigkeit der versuchsweisen Durchsetzung entsprechender tariflicher Forderungen mittels Arbeitskampfes.422 Hierin spiegelt sich nicht zuletzt auch die historische Trennung von Tarifautonomie und institutionalisierter Teilhabe im Unternehmen. Aufgrund der öffentlich-rechtlichen Stellung der Räte war ein Arbeitskampf in Bezug auf die Regelungsmaterie der wirtschaftlichen Beschäftigungsbedingungen schlechterdings nicht denkbar. Im Ergebnis bedingt diese Akzessorietät die Rechtwidrigkeit der entsprechenden Orchestrierung von Gewerkschaftsvertretern im Aufsichtsrat.423 Da die Rechtswidrigkeit solcher Arbeitskämpfe, die zumindest untaugliche Tarifforderungen zum Gegenstand haben, bereits einen zentralen Aspekt des Arbeitskampfrechtes darstellt, ist dieser auch von den Gewerkschaften im mitbestimmungsgesetzlichen Sinne anzuerkennen. Gleichzeitig enthalten weder das AktG noch das MitbestG eine dem § 74 Abs. 2 S. 1 BetrVG entsprechende Vorschrift, sodass Arbeitskampfmaßnahmen von Arbeitnehmervertretern einschließlich der Gewerkschaftsvertreter nicht bereits grundsätzlich ver-

422 Für die herrschende Ansicht BAG v. 28. 1. 1955 – GS 1/54, AP GG Art. 9 Arbeitskampf Nr. 1; BAG v. 21. 4. 1971 – GS 1/86, AP GG Art. 9 Arbeitskampf Nr. 43; BAG v. 26. 10. 1971 – 1 AZR 113/68, AP GG Art. 9 Arbeitskampf Nr. 44; BAG v. 10. 6. 1980 – 1 AZR 822/79, AP GG Art. 9 Arbeitskampf Nr. 64; BAG v. 5. 3. 1985 – 1 AZR 468/83, AP GG Art. 9 Arbeitskampf Nr. 85; Brox, FS Nipperdey 1965, Band 2, S. 55, 58; Dietz, FS Herschel 1955, S. 47, 48; Gamillscheg, Kollektives Arbeitsrecht, Band 1, S. 1071; Kissel, Arbeitskampfrecht, § 24 Rn. 1 ff.; Melot de Beauregard, Tarif- und Arbeitskampfrecht, Rn. 386 im Sinne einer „engen Verbindung“; Richardi, RdA 1966, 241, 247; MüHbArbR/Ricken, Band 3, § 272 Rn. 38; Brox/Rüthers/Rüthers, Arbeitskampfrecht, S. 69, 78; kritisch Däubler/Däubler, Arbeitskampfrecht, § 13 Rn. 1 ff.; Nonnenmühlen, Atypische Arbeitskampfmittel, S. 46 ff.; a. A. im Ansatz ErfK/Linsenmaier, Art. 9 GG Rn. 70 f.; Berg/Kocher/Schumann/Wankel, TVG und Arbeitskampfrecht, Teil 4, Rn. 22. Mit einer Darstellung der Tarifbezogenheit Schansker, Beschränkung des Streikrechts, S. 107 ff. 423 S. dazu nur Moll, FS Lüer 2008, S. 259, 261; Raiser/Veil/Jacobs/Raiser, MitbestG/ DrittelbG, § 25 MitbestG Rn. 149; Wißmann/Koberski/Kleinsorge/C. Schubert/C. Schubert, Mitbestimmungsrecht, § 25 MitbestG Rn. 381; dies./Wißmann, Mitbestimmungsrecht, Vorbemerkung Rn. 8.

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boten sind.424 Ausweislich der expliziten und ausnahmslosen Verankerung der zwingenden Gewerkschaftsrechte im MitbestG strebte der Gesetzgeber grundsätzlich ein Nebeneinander der koalitiven Betätigungsmittel an, obwohl er sich der möglichen Kollisionen und Konflikte gewahr war.425 Gerade die Kompatibilität von Arbeitskampf und Mitbestimmung war Gegenstand der Auseinandersetzung im Gesetzgebungsverfahren.426 Damit wurden die Gewerkschaftsrechte in Kenntnis der Verquickungen und der notwendigerweise zu erfolgenden Harmonisierung von Arbeits- und Gesellschaftsrecht normiert und zugleich durch den angesprochenen Verweis in § 25 MitbestG die Gleichstellung sämtlicher Aufsichtsratsmitglieder angeordnet.427 Gleiches gilt für den Pattlösungsmechanismus der §§ 29 Abs. 2, 31 Abs. 4 MitbestG. Einschränkungen zugunsten des Arbeitskampfes und zulasten der Unternehmensmitbestimmung müssen daher Ergebnis einer grundrechtlichen Abwägung sein. Insofern ergibt sich die Auflösung dieser Interessenkollisionen nicht bereits aus der Beteiligung der Gewerkschaften an der Unternehmensmitbestimmung, sondern aus den von demselben Gesetzgeber bereitgestellten Lösungsmöglichkeiten.428 Nimmt man die Verquickung von Unternehmensmitbestimmung und Gesellschaftsrecht ernst, folgt daraus zwangsläufig auch die Erforderlichkeit der Berücksichtigung einer entsprechenden Funktionstüchtigkeit beider Institute. Für die Auslegung des Gewerkschaftsbegriffes im vorliegenden Fall ist daher maßgeblich, ob die Anerkennung des Arbeitskampfrechtes für die Unternehmensmitbestimmung in verfassungsrechtlich relevantem Umfang funktional erforderlich ist. (2) Die Vereinbarkeit der beiden Instrumentarien (a) Vereinbarungsversuche in Lehre und Praxis Darüber, dass die Beteiligung an Arbeitskampfmaßnahmen auch Aufsichtsratsmitgliedern grundsätzlich gestattet sein muss, wird in der Praxis auch nicht ernstlich gestritten.429 Dissens besteht lediglich darüber, ob neben einer zulässigen passiven Teilnahme,430 welche sich auf die bloße Arbeitsniederlegung beschränkt, auch eine 424

Kempen, GS Heinze 2005, S. 34. S. zum Verbot des Arbeitskampfes zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat GK-BetrVG/Jacobs, Band 2, § 74 Rn. 36, 37 ff. 425 S. dazu nur Abschnitt A. I. 2. b) aa). 426 Anders die Einschätzung von Kort, ZIP 2008, 717, 721. 427 Im Ergebnis auch Brox/Rüthers/Brox, Arbeitskampfrecht, S. 391; P. Hanau/Wackerbarth, Unternehmensmitbestimmung und Koalitionsfreiheit, S. 68; Kempen, GS Heinze 2005, S. 437, 442; gegen eine teilweise Einschränkung dieser Pflicht zugunsten eines Informationsrechtes MüKoAktG/Annuß, Band 2, § 25 MitbestG Rn. 18. 428 Anders wohl P. Hanau, ZGR 1977, 397, 402 ff. 429 Als einhellige Auffassung betrachtet auch von Kempen, GS Heinze 2005, S. 437, 439. 430 P. Hanau/Wackerbarth, Unternehmensmitbestimmung und Koalitionsfreiheit, S. 70 als „allgemein anerkannt“; Habersack/Henssler/Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 26 MitbestG Rn. 30; Hoffmann/J. Lehmann/Weimann, MitbestG, § 25 Rn. 134; Mertens, AG 1977, 306, 317; Reich/Lewerenz, AuR 1976, 353, 361, die aber auch darüber hinaus eine Beschränkung auf den passiven Arbeitskampf für nicht mit Art. 9 Abs. 3 GG vereinbar halten; Spindler/Stilz/

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4. Kap.: Der mitbestimmungsgesetzliche Gewerkschaftsbegriff

aktive Mitwirkung bspw. in Form von (strategischer) Organisation und Planung gestattet ist. Eine solche Beteiligung am Arbeitskampf in Vorbereitung wie Durchführung wird zum Teil unter Berufung darauf abgelehnt, sie stehe in einem Konflikt mit dem Unternehmensinteresse, welchem die Aufsichtsratsmitglieder gem. §§ 25 MitbestG i. V. m. § 116 AktG verpflichtet seien.431 Die der Koalitionsfreiheit entgegenstehenden Wertungen der Art. 12, 14 GG müssten dergestalt berücksichtigt werden, dass sich das in Art. 9 Abs. 3 GG verankerte Streikrecht auf eine passive Teilhabe beschränke.432 Einigkeit besteht zudem darüber, dass das Aufsichtsratsmandat aufgrund des Arbeitskampfes weder erlischt noch währenddessen ruht.433 Die herrschende Meinung lehnt darüber hinaus aber auch einen pauschalen Stimmrechtsausschluss ab.434 Vielmehr wird erwogen, die Gewerkschaftsvertreter zumindest für solche Beschlussgegenstände von der Stimmabgabe auszuschließen, die in einem Zusammenhang zum Arbeitskampf stehen.435 Zumindest aber dürfen

Spindler, AktG, Band 1, § 116 Rn. 94; Reuter, RdA 1988, 280, 285 f.; Säcker, JbArbR 12 (1975), 17, 60 f. 431 Hoffmann/J. Lehmann/Weimann, MitbestG, § 25 Rn. 134, die augenscheinlich eine bestehende Verpflichtung der Gewerkschaftsvertreter gegenüber der Gewerkschaft ablehnen; Hueck/Nipperdey/Nipperdey, Arbeitsrecht, Band 2/II, S. 1521 f.; Kort, ZIP 2008, 717, 721 jedoch unter der zweifelhaften Prämisse, das Streikrecht wäre nicht im Gesetzgebungsverfahren problematisiert worden; Mertens, AG 1977, 306, 317; a. A. P. Hanau/Wackerbarth, Unternehmensmitbestimmung und Koalitionsfreiheit, S. 90. 432 Mertens, AG 1977, 306, 317; ablehnend Säcker, JbArbR 12 (1975), 17, 58 f., der einen zumindest teilweisen Stimmrechtsausschluss für eher verhältnismäßig hält; kritisch Brox/ Rüthers/Brox, Arbeitskampfrecht, S. 391; zumindest im Sinne einer Beeinträchtigung W. Koch, Unternehmensinteresse als Verhaltensmaßstab, S. 13.; eher ablehnend Laske, ZGR 1979, 173, 183; Mertens, AG 1977, 306, 317; GK-MitbestG/Naendrup, Band 1, § 25 Rn. 216; Schwerdtfeger, Mitbestimmung und Grundgesetz, S. 255; differenziert Wißmann/Koberski/ C. Schubert/C. Schubert, Mitbestimmungsrecht, § 25 Rn. 375 ff.; Spindler/Stilz/Spindler, AktG, Band 1, § 116 Rn. 94; Raiser, FS Reimer Schmidt 1976, S. 101, 114. 433 S. nur Habersack/Henssler/Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 26 MitbestG Rn. 34; Mertens, AG 1977, 306, 309 aufgrund der Homogenität des Aufsichtsrates; GK-MitbestG/ Naendrup, Band 1, § 25 Rn. 215; Raiser/Veil/Jacobs/Raiser, MitbestG/DrittelbG, § 25 MitbestG Rn. 152 f.; Wißman/Koberski/Kleinsorge/C. Schubert/C. Schubert, Mitbestimmungsrecht, § 25 MitbestG Rn. 376. 434 Dreher, JZ 1990, 896, 901 als „unpraktikabel“; Raiser/Veil/Jacobs/Raiser, MitbestG/ DrittelbG, § 25 MitbestG Rn. 153; a. A. GK-MitbestG/Naendrup, Band 1, § 25 Rn. 214; Hoffmann/J. Lehmann/Weimann, MitbestG, § 25 Rn. 133; Habersack/Henssler/Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 26 MitbestG Rn. 35. Ausführlich zu der Frage eines Stimmrechtsausschlusses Matthießen, Stimmrecht und Interessenkollision im Aufsichtsrat, S. 417 ff. 435 P. Hanau, ZGR 1977, 397, 402 ff.; P. Hanau/Wackerbarth, Unternehmensmitbestimmung und Koalitionsfreiheit, S. 80 f.; Habersack/Henssler/Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 26 MitbestG Rn. 35; Möllers, ZIP 2006, 1615, 1619 f.; Wißmann/Koberski/Kleinsorge/ C. Schubert/C. Schubert, Mitbestimmungsrecht, § 25 MitbestG Rn. 379; Spindler/Stilz/ Spindler, AktG, Band 1, § 116 Rn. 95 als „ultima ratio“; nur für Fälle des erwartbaren Machtmissbrauchs Schlickmann, Unternehmensmitbestimmung in der eingetragenen Genossenschaft, S. 496 f.; ähnlich wohl iE. auch Habersack/Henssler/Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 26 MitbestG Rn. 31 f. Zum Teil differenzierend zwischen Teilnahme- und Stimm-

B. Die verfassungskonforme Auslegung

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Insiderinformationen, welche von den Gewerkschaftsfunktionären im Wege ihrer Aufsichtsratsarbeit erlangt worden sind, nicht zulasten des Arbeitgebers bzw. Unternehmens verwandt werden.436 Deutlich wird, dass es im Kern dieser Debatte um die Auflösung und Behandlung möglicher Interessenkonflikte geht, die für die im Aufsichtsrat befindlichen Gewerkschaftsvertreter zudem von besonderer Bedeutung sind, da sie nicht nur das Unternehmensinteresse, sondern auch das Gewerkschaftsbzw. Arbeitnehmerinteresse zu wahren haben, wobei sich letztere aufgrund der belegschaftsorientierten Repräsentation nicht notwendigerweise decken müssen.437 (b) Verfassungsrechtliche Bewertung Jegliche Abwägungsentscheidung zugunsten der Funktionsfähigkeit des Unternehmens und zulasten des Streikrechtes der Gewerkschaften müsste aber auch überhaupt geeignet und erforderlich sein, die bestehenden Konflikte und Kollisionen zu lösen.438 Gleiches gilt für das Erfordernis einer Anerkennung des Arbeitskampfrechtes durch mitbestimmungswillige Gewerkschaften. Bei näherer Betrachtung der sich aus dieser Verknüpfung ergebenen Interessenkollisionen bewegen sich sämtliche Lösungen allerdings weitgehend im Gesellschafts- bzw. im Mitbestimmungsrecht. Einem Verbot der aktiven Streikbeteiligung steht zwar die Einschränkung der Stimm- und Teilnahmerechte der Mandatsträger gegenüber und knüpft seinen Mechanismus folglich diametral an den jeweils anderen Pol des Konflikts. Beide Lösungsmodelle finden ihren Ausgangspunkt jedoch nicht in der Rechtswidrigkeit einer Arbeitskampfmaßnahme, sondern in einem (möglichen) Verstoß gegen die Treue- und Sorgfaltspflichten als Mandatsträger, wie sie sich aus § 25 Abs. 1 MitbestG i. V. m. §§ 116, 93 AktG ergeben. Mit einer Anerkennung des Arbeitskampfrechtes wäre dem Problem der Interessenkollision damit gerade nicht abgeholfen. Schließlich kann noch angemerkt werden, dass sowohl eine rechtswidrige Arbeitskampfmaßnahme als auch ein Verstoß gegen die aktienrechtlichen Treue- und Sorgfaltspflichten (lediglich) Schadensersatzansprüche nach sich zie-

ausschluss, Habersack/Henssler/Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 26 MitbestG Rn. 35 mit einer entsprechend differenzierten Darstellung des Meinungsbildes. 436 OLG Stuttgart v. 29. 2. 2012 – 20 U 3/11, ZIP 2012, 625, 630; Habersack/Henssler/ Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 26 MitbestG Rn. 31; Henssler/Strohn/Henssler, Gesellschaftsrecht, § 116 AktG Rn. 8; Möllers, NZG 2003, 697, 700; ders., ZIP 2006, 1615, 1619 f.; Raiser/Veil/Jacobs/Raiser, MitbestG/DrittelbG, § 25 MitbestG Rn. 151; Velten, Gewerkschaftsvertreter im Aufsichtsrat, S. 113. 437 S. hierzu nur Wißmann/Koberski/Kleinsorge/C. Schubert/C. Schubert, Mitbestimmungsrecht, § 25 MitbestG Rn. 375; mit einer a. A. wohl Hoffmann/J. Lehmann/Weimann, MitbestG, § 25 Rn. 134, die eine dahingehende Verpflichtung ablehnen. Zum Inhalt des Interessenkonfliktes ausführlich die Ausführungen zum Unternehmensinteresse in Kapitel 3, Abschnitt A. II. 2. c) bb) (2). 438 Für eine Lösung im Wege der praktischen Konkordanz auch Walker, ZfA 2004, 501, 510 ff.

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4. Kap.: Der mitbestimmungsgesetzliche Gewerkschaftsbegriff

hen.439 Insofern böte auch eine Anerkennung des Arbeitskampfrechtes keine geeignetere Rechtsfolge für die Absicherung der Funktionsfähigkeit der Koalitionsmittel. Sofern das Mitbestimmungs- und Gesellschaftsrecht daher als Anknüpfungspunkt der Lösung in Betracht kommen, müssen diese entsprechenden rechtlichen Vorgaben von den Beteiligten auch anerkannt werden. Darin läge sodann auch ein im Verhältnis zu der Beschränkung mitbestimmungsgesetzlicher Rechte milderes Mittel. Die Anerkennung des Arbeitskampfrechtes ist damit nicht geeignet und in der Folge nicht erforderlich und seine Voraussetzung damit unverhältnismäßig. b) Zwischenergebnis: Tarifvertragsspezifische Rechtstreue nicht erforderlich Die gegenseitige Anerkennung der beiden Beteiligungsinstitute des Tarifvertrages und der Unternehmensmitbestimmung ergibt sich dem Grunde nach aus dem Erfordernis ihrer funktionsorientierten Komplementärwirkung. Einschränkungen zugunsten ihrer jeweiligen Aufrechterhaltung verfolgen damit grundsätzlich ein legitimes Ziel. Verhältnismäßige Lösungen sind damit in praktischer Konkordanz zu finden: Aufgrund der strengen Trennung von Unternehmensmitbestimmung und Tarifvertrag als Institute der Koalitionsfreiheit bedarf es keiner (wechselseitigen) Anerkennung des Tarifrechtes für Gewerkschaften, die ausschließlich in der Unternehmensmitbestimmung tätig werden. Die Beteiligung der Gewerkschaftsvertreter an Tarifverhandlungen führt zu keinem anderen Ergebnis. Die Prinzipien des Arbeitskampfes und die Unternehmensmitbestimmung berühren sich mittelbar über die Nebentätigkeit der Gewerkschaftsfunktionäre im Aufsichtsrat. Hinzu tritt unter Umständen eine direktere Berührung im Zuge der Verhandlung von Haustarifverträgen.440 Da das Aufsichtsratsmandat an sich nicht zu dem Verbot der Teilnahme am Arbeitskampf führt, wird die Lösung des darin fraglos bestehenden Interessenkonfliktes auf der Seite der Unternehmensmitbestimmung zu suchen sein. Dies hat zur Folge, dass eine Anerkennung des Arbeitskampfrechtes an sich schon keine zielführende Lösung dieser Kollision und daher nicht geeignet ist, die Funktionsfähigkeit der Unternehmensmitbestimmung sicherzustellen. Auch die Diskussion über das Verbot einer aktiven Streikbeteiligung folgt aus der Sicht der Unternehmensmitbestimmung – nämlich der Pflichtenbindung der Aufsichtsratsmitglieder gem. § 25 Abs. 1 MitbestG i. V. m. § 116 AktG. 439 Für die Arbeitskampfmaßnahmen s. bereits oben; für die Schadensersatzpflicht nach § 116 AktG i. V. m. § 93 Abs. 2 – 6 AktG MüKoAktG/Habersack, Band 2, § 116 Rn. 71 f.; Henssler/Strohn/Henssler, Gesellschaftsrecht, § 116 AktG Rn. 10; Koch, AktG, § 116 Rn. 13 f.; Meyer, Unabhängiger Finanzexperte im Aufsichtsrat, S. 143 ff. 440 Dazu näher P. Hanau/Wackerbarth, Unternehmensmitbestimmung und Koalitionsfreiheit, S. 66. Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, Rn. 909 versagen den Gewerkschaftsvertretern für den Fall das Stimmrecht im Aufsichtsrat, dass diese maßgeblich an der Aushandlung des Haustarifvertrages beteiligt waren.

B. Die verfassungskonforme Auslegung

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Da das Arbeitskampfrecht auf der anderen Seite keine Regelungen über die Beteiligung von Aufsichtsratsmitgliedern enthält, würde eine diesbezügliche Anerkennung keinen Erfolg versprechen. Daher ist es aus Gründen der Funktionalität der Unternehmensmitbestimmung und ihrer systematischen Stellung zwischen Arbeits- und Gesellschaftsrecht allenfalls erforderlich, dass die Gewerkschaft und ihre Vertreter im Aufsichtsrat die aktiengesetzlichen Regelungen über die Aufsichtsratstätigkeit anerkennen (§§ 95 ff. AktG). Dazu gehören die in § 100 Abs. 1, 2 AktG niedergelegten persönlichen Voraussetzungen, die neben diejenigen nach dem MitbestG treten (§ 100 Abs. 3 AktG).441 Bereits die im Gesetzgebungsverfahren zum MitbestG angeklungenen Verwebungen mit dem Gesellschaftsrecht im Allgemeinen führen dazu, dass die systematische Einordnung des MitbestG in das Regelungsregime des Gesellschaftsrechtes und sodann auch des Koalitionswesens nicht außer Betracht gelassen werden darf. Die Grenze des zur Sicherstellung einer funktionierenden Unternehmensmitbestimmung Erforderlichen dürfte sich aus den Kompetenzen des Aufsichtsrates als Gremium ergeben. Anders als im Fall des Streikes bzw. des Tarifabschlusses besteht durch die heteronome Besetzung des Gremiums auch keine gesteigerte Gefahr der gemeinschaftlichen rechtswidrigen Kompetenzüberschreitung zur Durchsetzung gewerkschaftlicher Forderungen. Wiederholte vorsätzliche Verstöße sowohl gegen die Prinzipien des Arbeitskampfes als auch der Unternehmensmitbestimmung sind daher prognostisch kaum zu realistisch. Einer entsprechenden Negativanerkennung der Grenzen rechtmäßigen Verhaltens, bspw. der Kompetenzen von Vorstand oder Hauptversammlung, bedarf es daher nicht. 3. Organisatorische Leistungsfähigkeit und Durchsetzungskraft a) Die verfassungsrechtlichen Vorgaben Genauso wie die übrigen Tariffähigkeitsvoraussetzungen soll auch die organisatorische Durchsetzungskraft im Grundsatz die Funktionsfähigkeit des Tarifvertragssystems sicherstellen.442 Konkret müssen die Gewerkschaften in der Lage sein, ein effektiver Bestandteil des Tarifwesens zu sein. Ihre Beteiligung an Tarifverhandlungen und -abschlüssen sowie die Kontrolle der Einhaltung der Tarifregelungen dürfen nicht nur rein theoretisch bestehen.443 Die von der Rechtsprechung in diesem Zusammenhang geschaffenen organisatorischen Mindestvoraussetzungen stehen dabei naturgemäß in einem engen Zusammenhang mit dem Tarifvertrag als Instrument und betreffen allenfalls peripher darüber hinaus Fragen des Schlichtungsrechtes.444 Der administrative Apparat, dessen sich Gewerkschaften zur Durchsetzung und Kontrolle der Tarifverträge bedienen sollen, ist im Rahmen der 441

Dazu später die Abschnitte B. II. 4. a) bb) sowie C. III. vertieft. S. nur Löwisch/Rieble, TVG, § 2 Rn. 205. 443 Löwisch/Rieble, TVG, § 2 Rn. 205. 444 Stellv. BVerfG v. 20. 10. 1981 – 1 BvR 404/78, AP TVG § 2 Nr. 31; BAG v. 10. 9. 1985 – 1 ABR 32/83, AP TVG § 2 Nr. 34. 442

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4. Kap.: Der mitbestimmungsgesetzliche Gewerkschaftsbegriff

Aufsichtsratstätigkeit ohne Durchschlagskraft. Nicht nur ist die Anzahl der Gewerkschaftsvertreter je nach Unternehmensgröße gesetzlich auf maximal drei beschränkt. Da darüber hinaus der § 109 Abs. 1 S. 1, 2 AktG eine Teilnahme Externer grundsätzlich explizit ausschließt, hat auch ein noch so großer Mitglieder- und Beschäftigtenkreis auf die Durchsetzungsfähigkeit der Vertreter im Aufsichtsrat keine Auswirkung. Auch finanzielle Kapazitäten bleiben in dieser Beziehung ohne Wirkung. Die (klageweise) Durchsetzung von Beschlüssen als Analogie zu tariflichen Regelungen steht jedem Berechtigten unabhängig von einem hinter ihm stehenden Organisationsapparat zu. So können Beschlussmängel gem. § 256 Abs. 1 ZPO im Wege der Nichtigkeitsklage von jedem Aufsichtsratsmitglied geltend gemacht werden.445 Allerdings ist zu berücksichtigen, dass auch die alleineige Betätigung im Rahmen der Unternehmensmitbestimmung eine gewisse Infrastruktur erfordert, durch welche die Mandatsarbeit der Gewerkschaftsvertreter sichergestellt wird. Wenn auch eine direkte organisatorische Einflussnahme auf die Mandatsausübung und die Stellung der Gewerkschaftsvertreter im Aufsichtsrat wie dargestellt nicht möglich ist, muss die Gewerkschaft in der Lage sein, ihre Mandatsträger angemessen zu unterstützen und eine effektive Teilnahme an der Aufsichtsratsarbeit und eine Bearbeitung der Beschlussgegenstände zu ermöglichen. Hierzu muss daher ausreichend Personal zur Verfügung stehen sowie die nachfolgend noch zu erarbeitenden Anforderungen an die Gewerkschaften bzw. ihre Vertreter erfüllbar gemacht werden. Neben diese personenspezifischen Anforderungen treten diejenigen Voraussetzungen, welche die Ausarbeitung und Vorstellung der Wahlvorschläge (inkl. Werbung) mit sich bringen. Maßstab dieser Organisationsfähigkeit ist der in der Satzung der Gewerkschaft jeweils festgelegte Organisationsbereich. Dieser unterscheidet sich insofern von der Tarifzuständigkeit, als er nicht festlegt, für welche Mitglieder Tarifverträge abgeschlossen werden. Im Kontext des Tarifvertrages geht es vielmehr um die Bestimmung des Bereiches, in dem Arbeitnehmer Mitglieder der Gewerkschaft werden können. Da es im Rahmen der Unternehmensmitbestimmung jedoch nicht auf die Mitgliedschaft, sondern auf die Unternehmenszugehörigkeit ankommt, muss die Gewerkschaft in ihrer Satzung bestimmen, für welche Unternehmen bzw. in welchem Bereich sie die Belegschaft von Unternehmen nach dem MitbestG repräsentieren möchte. b) Zwischenergebnis: Die mitbestimmungsspezifischen Anforderungen an die organisatorische Leistungsfähigkeit Aus dem bereits im Kontext der Tarifwilligkeit und der Rechtstreue Gesagten ergibt sich, dass eine inhaltsgleiche Leistungs- und Durchsetzungsfähigkeit von Gewerkschaften im mitbestimmungsgesetzlichen Sinne nicht gefordert werden 445 Hölters/Weber/Groß-Bölting/Rabe, AktG, § 108 Rn. 81; zum Festellungsinteresse im Allgemeinen und zum Verfahren s. stellv. MüKoZPO/Becker-Eberhard, Band 1, § 256 Rn. 37 ff., 69 ff.

B. Die verfassungskonforme Auslegung

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darf.446 Sie ist zur Kontrolle und Umsetzung der Aufsichtsratsbeschlüsse nicht erforderlich. Hierzu bedient sich vielmehr der Aufsichtsrat der im Aktienrecht niedergelegten Mechanismen. Die Leistungs- und Durchsetzungsfähigkeit, die im Tarifwesen insbesondere aufgrund der Fremdbindung der Arbeitnehmer durch die Tarifnormen geboten ist, liegt in der Unternehmensmitbestimmung im Eigeninteresse der Aufsichtsratsmitglieder. Zudem wird durch den Beschluss der Aufsichtsrat als Gremium gebunden, sodass die Kontrolle der Beschlüsse den Aufsichtsratsmitgliedern selbst sowie dem Aufsichtsrat als Organ zukommt. Die Umsetzung des Beschlusses erfolgt im Anschluss an das eigentliche Beschlussverfahren nach außen durch Erklärung gegenüber einem Dritten.447 Beschlussmängel können von jedem Aufsichtsratsmitglied in einer Nichtigkeitsfeststellungsklage gerügt werden.448 Da insofern jedes Aufsichtsratsmitglied gleichberechtigt ist, bedarf es keiner darüber hinausgehenden Durchsetzungskraft. Die Anforderungen an die organisatorische Leistungsfähigkeit sind daher entsprechend verhältnismäßig abzumildern: Der organisatorische Apparat der Gewerkschaft muss den arbeitstechnischen Aufwand des Vorschlagsverfahrens sowie der Mandatsarbeit leisten können. Insofern muss der Verband über einen entsprechenden Personalkörper und administrative Einrichtungen verfügen. 4. Soziale Mächtigkeit Die soziale Mächtigkeit wird vom Bundesarbeitsgericht und dem überwiegenden Teil der Literatur als erforderlich angesehen, um das in Art. 9 Abs. 3 GG verankerte Paritätsprinzip zu sichern.449 Um dem Arbeitgeber(verband) als sozialem Gegenspieler gleichberechtigt und ebenbürtig gegenüberzutreten, müssen die Gewerkschaften über eine ausreichende Mächtigkeit bzw. Druckausübungsfähigkeit verfügen.450 Der hierin liegende Eingriff in die Tarifautonomie wird im Lichte der sachlichen Angemessenheitsvermutung gerechtfertigt, welche im Ergebnis aus dem Arbeitnehmerschutz erwächst.451 Dieser Gedanke kann in seinem Ausgang auch auf die Unternehmensmitbestimmung übertragen werden. Insoweit die Arbeitnehmerschaft von den Gewerkschaftsvertretern im Aufsichtsrat repräsentiert wird, muss sichergestellt sein, dass ihre Belange und Interessen effektiv in der Beschlussfassung Niederschlag finden. Die Teilnahme der Gewerkschaften an der Unternehmens-

446

Diese Ausführungen finden sich in den Abschnitten B. II. 1. und 2. dieses Kapitels. Dies klingt bereits an in dem Urteil des OLG Dresden v. 31.8. 1999 – 13 U 1215/99, NZG 2000, 426, 428; MüKoAktG/Habersack, Band 2, § 108 Rn. 27; Hölters/Weber/GroßBölting/Rabe, AktG, § 108 Rn. 22 f., § 112 Rn. 21 f. 448 Hölters/Weber/Groß-Bölting/Rabe, AktG, § 108 Rn. 81. 449 Löwisch/Rieble, TVG, § 2 Rn. 178 m. w. N. zur einschlägigen Rechtsprechung. S. ausführlich zum Merkmal der sozialen Mächtigkeit Kapitel 1, Abschnitt A. III. 5. 450 Löwisch/Rieble, TVG, § 2 Rn. 178 f. 451 Löwisch/Rieble, TVG, § 2 Rn. 178. 447

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4. Kap.: Der mitbestimmungsgesetzliche Gewerkschaftsbegriff

mitbestimmung muss im Endeffekt gleich der Tarifautonomie eine angemessene Wahrung und Förderung der Wirtschaftsbedingungen garantieren. a) Die verfassungsrechtlichen Vorgaben Der Umfang der Erforderlichkeit zusätzlicher Zugangsbeschränkungen ist maßgeblich von entsprechenden, bereits bestehenden gesetzlichen Regelungen abhängig. So ist das Ausmaß, in welchem die Teilhabe an der Tarifautonomie von zusätzlichen Voraussetzungen abhängig gemacht wird, ihrer autonomieorientierten Ausgestaltung geschuldet. Eine derartige Beschränkung ist für die Unternehmensmitbestimmung dann nicht erforderlich, wenn bereits das MitbestG in ausreichendem Maße die angemessene Vertretung der Arbeitnehmerinteressen sichergestellt hat. aa) Das Paritätserfordernis innerhalb der Mitbestimmungsverfahren Die tarifliche Auseinandersetzung der Gewerkschaften mit ihrem sozialen Gegenspieler beschränkt sich nicht auf die Tarifverhandlungen. Sie beginnt vielmehr mit einer Druckausübung, die auf die Aufnahme von Verhandlungen abzielt. Die Gewerkschaft muss daher nicht nur mächtig genug sein, ihre tariflichen Forderungen gegenüber der Arbeitgeberseite bestmöglich durchzusetzen, sondern auch in der Lage sein, die Gegenseite überhaupt zu einer Auseinandersetzung zu „zwingen“. Zumindest Letzteres dürfte sich in der Unternehmensmitbestimmung nach dem MitbestG für die Gewerkschaftsvertreter einfacher gestalten. Diese werden aufgrund der Wahlen entsprechend ihren eigenen Vorschläge gem. § 16 MitbestG für den Aufsichtsrat mandatiert – sind also in ihrer Teilhabe an der Beschlussfassung, wenn auch von der Gunst der Arbeitnehmer, so doch nicht von den Anteilseignern als „Gegenseite“ abhängig. Diese Feststellung gilt ungeachtet des Umstandes, dass der mitbestimmte Aufsichtsrat bereits konzeptionell nicht auf Antagonismus ausgerichtet ist. An die Stelle der Konfrontation tritt die Kooperation. Auf der Seite des „Wie“ der Mitbestimmung kommt daher hinzu, dass die Beschlussfassung nach dem Mehrheitsprinzip erfolgt: Für eine funktionierende Aufsichtsratsarbeit ist es unerlässlich, dass sich eine Seite der Verhandlung nicht vollständig verweigert und zumindest an einem Kompromiss interessiert ist. Die Gefahr also, die bei Tarifverhandlungen darin besteht, dass sich eine Partei bzgl. einer Forderung nicht gesprächsbereit zeigt und dazu erst bewegt werden muss, besteht daher nicht ernsthaft. Beschlussgegenstand kann im Aufsichtsrat alles sein, was auf der Tagesordnung steht. Um einen solchen Tagesordnungspunkt einzuführen, bedarf es dabei lediglich des zulässigen Antrages eines Aufsichtsratsmitgliedes. Der Aufsichtsratsvorsitzende ist sodann verpflichtet, über diesen Gegenstand abstimmen zu lassen.452 § 108 AktG, welcher über den Verweis in § 25 Abs. 1 MitbestG auch in dieser Form für den 452 MüKoAktG/Habersack, Band 2, § 108 Rn. 17; Hölters/Weber/Groß-Bölting/Rabe, AktG, § 108 Rn. 12.

B. Die verfassungskonforme Auslegung

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mitbestimmten Aufsichtsrat gilt, stellt daher bereits normativ eine Waffengleichheit der Aufsichtsratsmitglieder untereinander sicher und ermöglicht unter den niedrigstmöglichen Anforderungen eine Aufnahme von Verhandlungen. Ein positives Beschlussergebnis wird dabei ebenso wenig garantiert wie der Abschluss eines Tarifvertrages, der den Forderungen der Gewerkschaft vollumfänglich entspricht. Dem Paritätserfordernis wird dies dennoch gerecht, da dieses lediglich eine Verfahrensgleichheit und keine Ergebnisgleichheit fordert. Spiegelbildlich besteht auch im Hinblick auf Beschluss und Tarifvertrag keine Ergebnisgarantie.453 (1) Das Doppelstimmrecht als Paritätshindernis? Ein erhöhtes Machterfordernis könnte sich indes speziell aus dem Doppelstimmrecht des Aufsichtsratsvorsitzenden gem. § 29 Abs. 2 S. 1 MitbestG ergeben. Dieses soll in Fällen der Stimmgleichheit die Funktionsfähigkeit des Gremiums im Sinne einer Beschließungsfähigkeit sicherstellen. In der Praxis haben die dafür nach § 27 MitbestG erforderlichen Stimmmehrheiten dazu geführt, dass der Vorsitzende weit überwiegend aus den Reihen der Anteilseigner entstammen wird.454 Mögliche „Ausgleichspraktiken“, in denen der Stellvertreter sodann aus den Reihen der Arbeitnehmer kommt,455 spielen an dieser Stelle keine Rolle, da die Zweitstimme dem Stellvertreter gem. § 29 Abs. 2 S. 3 MitbestG nicht zusteht. Nutzen die Gewerkschaften aber in den Tarifverhandlungen ihre soziale Macht, die von der Gegenseite als solche zumeist aufgrund der Mitgliederzahl oder der Bedeutung der Mitglieder im Betrieb empfunden wird, um ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen, ist der Einfluss der Gewerkschaftsvertreter im Aufsichtsrat durch das Gewicht ihrer Stimme begrenzt. Hinzu kommt, dass die numerischen Indizien für eine soziale Mächtigkeit in den Tarifverhandlungen vor allem deshalb einen so gewaltigen Unterschied machen können, da mit ihnen auch die entsprechenden Auswirkungen eines Arbeitskampfes mitschwingen. Dieses Damoklesschwert schwebt jedoch bereits deshalb nicht über dem Aufsichtsrat, da die Gegenstände der Beschlussfassung nicht arbeitskampftauglich sind. Auch einer der Tarifhistorie gleichenden Beschlusshistorie kommt schwerlich eine entsprechende Indizwirkung zu. Da es sich einmal bei dem Beschluss nicht um ein vertragliches Rechtsgeschäft handelt und zudem auch ein Organwille gebildet wird, kann eine erfolgreiche Beschlussfassung nicht zugunsten einer gewerkschaftlichen Stärke ausgelegt werden. (2) Zwischenergebnis: Parität innerhalb unterschiedlicher Mitbestimmungsmechanismen Möchte man einmal rein semantisch differenzieren, geht es bei der Frage der Mächtigkeit in der Unternehmensmitbestimmung folglich weniger um die Fähigkeit, 453

Diese Erkenntnis wurde bereits gewonnen in Kapitel 2, Abschnitt B. I. S. dazu nur die Regelung des § 27 Abs. 2 MitbestG. 455 Ungeachtet etwaiger interner Vorabsprachen so gesetzlich vorgesehen in § 27 Abs. 2 S. 2 MitbestG. 454

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4. Kap.: Der mitbestimmungsgesetzliche Gewerkschaftsbegriff

zu überreden, als darum, die (wenn auch bloß vermeintliche) Gegenseite zu überzeugen. Widerstreitende Standpunkte müssen nicht niedergerungen, sondern argumentativ aufgelöst werden, mit der Folge, dass eine entsprechende Stimmmehrheit zugunsten des favorisierten Beschlussergebnisses geschaffen wird. Ausweislich der Gesetzgebungsmaterialien sollten die Gewerkschaften aufgrund ihrer Fach- und Branchenkenntnisse im Aufsichtsrat vertreten sein. Sie sollten mit ihrer damit verbundenen wirtschaftlichen Weitsicht den Interessen der Arbeitnehmer mehr Gewicht verleihen.456 Denkt man die eingangs angestoßene Analogie zu den tariflichen Auseinandersetzungen konsequent fort, beschreitet dieser Teil der Betrachtung nun also die zweite Ebene der Mächtigkeitsüberlegung: Es geht nicht mehr um die Macht zur Einleitung von Verhandlungen, sondern die Macht zur Durchführung von Verhandlungen und entsprechenden Durchsetzung der Forderungen. Eine Einflussnahme der Gewerkschaften wurde sich überdies von dem Gesetzgeber in zutreffender Weise vielmehr in Richtung der Arbeitnehmer – also des „eigenen Lagers“ – erhofft. Die vorangegangenen Feststellungen zeigen, dass die Voraussetzung sozialer Mächtigkeit mit ihren Indizien der Mitgliederzahl, der Tarifhistorie und hilfsweise auch der Bedeutung der Mitglieder nicht erforderlich ist, um die gleichberechtigte Teilhabe der Gewerkschaften an der Unternehmensmitbestimmung sicherzustellen. Selbst würde man diese Indizien zur Begründung einer fachlichen Kompetenz und Überzeugungskraft heranziehen, können sie zumindest in ihrer Absolutheit nicht überzeugen. Dieses Übermaß wird umso deutlicher, legt man die Tarifzuständigkeit als Radius der Tariffähigkeit über den Einwirkungsbereich des Unternehmens als Mitbestimmungsradius. Die Kenntnisse für eine sachgerechte Vertretung der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat sollten sich vornehmlich auf die Branche bzw. den Wirtschaftszweig erstrecken, in welchem das betreffende Unternehmen tätig ist. Selbst im Falle eines branchenübergreifenden Konzerns (bspw. Bayer-Monsanto) würden im Sinne des § 5 MitbestG noch immer unternehmens- und damit wahrscheinlich auch branchenspezifische Vertreter in den Aufsichtsrat gewählt werden. Die soziale Mächtigkeit hingegen muss für den gesamten räumlichen Bereich des satzungsmäßigen Zuständigkeitsbereiches vorliegen und ist nicht relativ. Weiterhin kann das Kriterium der Mitgliederzahl seine zweifelhafte Wirkung in der Unternehmensmitbestimmung aufgrund der zwischengeschalteten Wahlvorschläge und Wahlen seine Durchschlagskraft nicht ohne weiteres entfalten. Diese wird durch die Begrenzung der wahlberechtigten Arbeitnehmer auf diejenigen im Sinne des § 3 MitbestG weitgehend relativiert: Eine Gewerkschaft, die insgesamt 1.000 Mitglieder hat, von denen zehn in einem Unternehmen wahlberechtigt sind, ist nicht per se bessergestellt als eine kleinere Gewerkschaft mit 450 Mitgliedern, die ebenfalls zehn Arbeitnehmer in demselben Unternehmen stellt. Im Gegenteil könnte man sogar die Mitgliederzahl und den zahlenmäßigen Unternehmensbezug in ein Verhältnis setzen und auf diese Weise einen höheren Rückhalt oder zumindest eine größere Bran456

Vgl. die 230. Sitzung des Deutschen Bundestages v. 20. 6. 1974, S. 7465 C.

B. Die verfassungskonforme Auslegung

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chenaffinität mit entsprechenden Kenntnissen stipulieren. Wenngleich wenig realitätsnah, ist dieses Rechenbeispiel zumindest in der Theorie geeignet, die Beziehung von Mitgliederstärke und Überzeugungskraft zu entschärfen. Maßgeblich für den Erfolg eines Wahlvorschlages ist der Rückhalt im Unternehmen. Durch das Vorschlagsmonopol der Gewerkschaften treten deren Vertreter auch nicht in Konkurrenz mit den übrigen Arbeitnehmervertretern. bb) Die Rolle der Gewerkschaftsvertreter als Mandatsträger Schließlich lohnt ein Rekurs auf die eingangs dargestellten eigenen Auskunftsund Teilnahmerechte der Aufsichtsratsmitglieder.457 Diese sind – wie gezeigt – prozessual untermauert und können daher von einem jeden Aufsichtsratsmitglied individuell gegenüber der Gesellschaft durchgesetzt werden. Dieser Umstand ist deshalb nun auch an dieser Stelle relevant, da die klageweise Geltendmachung dieser Rechte, welche den Mandatsträger in die Lage versetzen sollen, informiert und adäquat vorbereitet an den Aufsichtsratssitzungen und der Hauptversammlung der Anteilseigner teilzunehmen, an die Stelle der durch die soziale Mächtigkeit ausgedrückten Anforderungen tritt. Voraussetzung einer paritätischen Interessenvertretung im autonomen Raum ist ein gleicher Kenntnis- und Wissensstand der Parteien.458 Dieser darf jedoch nicht nur vermutet werden, sondern muss auch hinreichend abgesichert sein, wenn der Rückzug des Staates aus den privaten Regelungskonzepten wie der Privat- oder auch Satzungsautonomie durch die Angemessenheitsvermutung gerechtfertigt sein soll. Diese Sicherung erfolgt im Rahmen der Unternehmensmitbestimmung durch die kollektiven und individuellen Auskunfts- und Informationsrechte einerseits und deren prozessuale Unterstützung andererseits. Nimmt man indes jedes einzelne Aufsichtsratsmitglied mitsamt seinen fachlichen Kapazitäten in den Blick, erhalten diese Auskunfts- und Teilhaberechte einen eher theoretischen Anstrich. Mit ihnen ist nämlich noch nicht gesichert, dass ihre Wahrnehmung auch dazu führt, dass der Mandatsträger die erhaltenen Informationen richtig analysieren und deuten kann. Es muss also zumindest in Betracht gezogen werden, als relativ milderes Mittel zur sozialen Mächtigkeit eine gewisse Fachkompetenz zu fordern. Unterschieden werden muss im Rahmen dieser Forderung jedoch danach, ob diese (noch) von der Verfassung verlangt wird oder lediglich de lege ferenda geboten scheint. Ersteres wäre dann der Fall, wenn das vom Gesetzgeber konzipierte System der Unternehmensmitbestimmung ohne dieses Kriterium nicht den Vorgaben des Art. 9 Abs. 3 GG entspräche. (1) Fachkenntnisse und Sachverstand Einer Verfassungswidrigkeit des Ausschlusses der sozialen Mächtigkeit aus dem Gewerkschaftsbegriff könnte einmal die Fähigkeit und Funktion des Aufsichtsrates 457 458

S. diesbezüglich die Darstellungen in Kapitel 3, Abschnitt A. II. 2. c) aa) (2). Kapitel 2, Abschnitt C. I.

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4. Kap.: Der mitbestimmungsgesetzliche Gewerkschaftsbegriff

entgegenstehen, die auch darin besteht, etwaige individuelle Defizite des jeweiligen Mitgliedes aufzufangen. Fehlender Sachverstand könnte durch die Expertise eines anderen Mitgliedes kompensiert und hergestellt werden. Während dies jedoch für fachliche Qualifikationen wie betriebs-, steuer- oder arbeitsrechtliche Kenntnisse zumindest denkbar ist, liegt die Aufgabe der Gewerkschaftsvertreter auch darin, spezifische arbeitsmarkt- oder beschäftigungspolitische Kompetenzen einzubringen, die weniger er- oder angelernt denn durch Erfahrung erworben werden. Diese gerade aufgrund der Gewerkschaftszugehörigkeit und dortiger Funktionärseigenschaft den Gewerkschaftsvertretern eigene Einsicht kann und soll gerade nicht ersetzt werden. Im Gegenteil könnte das Paritätsgefüge im Aufsichtsrat auf diese Weise konterkariert werden. Dieser Argumentation leistet auch § 111 Abs. 6 AktG Vorschub, der die höchstpersönliche Wahrnehmung des Mandates anordnet. Freilich geht es in diesem Zusammenhang vorwiegend um die fehlende Delegierbarkeit an gremiumsfremde Dritte.459 Im Zusammenwirken mit den Ausnahmevorschriften zur Stimmbotenschaft (§ 108 Abs. 3 AktG), der Möglichkeit der vertretungsweisen Teilnahme Dritter unter den Voraussetzungen des § 109 Abs. 3 AktG und vor allem der Inanspruchnahme externen Sachverstandes gem. § 109 Abs. 1 S. 2, § 111 Abs. 2 S. 2 AktG ergibt sich jedoch nicht nur die grundsätzliche Weisungsfreiheit des Aufsichtsratsmitgliedes, sondern auch dessen persönliche, individuelle Relevanz. Diese nimmt auch der Bundesgerichtshof in einer Entscheidung in den Blick, welche die Zusammensetzung eines Aufsichtsratsausschusses zum Gegenstand hatte. Dort ging er davon aus, dass die Sachkunde eines Mitgliedes nicht per se der Ausschussmitgliedschaft eines anderen Mandatsträgers entgegenstehe.460 Die sich daraus ergebende Eigenverantwortlichkeit des Mitgliedes beschränkt auch die an dieser Stelle besonders hervorzuhebende Möglichkeit der Inanspruchnahme externen Sachverstandes. Eine andauernde, generelle Beratung des Gremiums oder einzelner Mitglieder ist mit ihr daher in keinem Fall vereinbar.461 (2) Die Ausschussarbeit Letztlich könnte die Errichtung von themenspezifischen Ausschüssen eine qualifizierte Wahrnehmung des Aufsichtsratsmandates sicherstellen. In diesem Zusammenhang spielt einmal die ganz grundsätzliche Möglichkeit der Ausschussarbeit nach § 109 Abs. 3 S. 1 AktG eine Rolle, zum anderen könnte das Erfordernis besonderer Fachkompetenzen auch dadurch gemindert sein, dass § 109 Abs. 3 S. 1 AktG insbesondere die Bildung eines Prüfungsausschusses vorsieht, der sich mit der „Überwachung des Rechnungslegungsprozesses, der Wirksamkeit des internen Kontrollsystems, des Risikomanagementsystems und des internen Revisionssystems 459

Henssler/Strohn/Henssler, Gesellschaftsrecht, § 111 AktG Rn. 28. BGH v. 15. 5. 1993 – II ZR 89/92, AP MitbestG § 25 Nr. 4. 461 So die herrschende Ansicht: BGH v. 15. 12. 1982 – II ZR 27/82, NJW 1983, 991; BGH v. 30. 1. 2012 – II ZB 20/11, NZG 2012, 347 Rn. 16; MüKoAktG/Habersack, Band 2, § 109 Rn. 16; Hölters/Weber/Groß-Bölting/Rabe, AktG, § 109 Rn. 9; ErfK/Oetker, § 109 AktG Rn. 4. 460

B. Die verfassungskonforme Auslegung

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sowie der Abschlussprüfung, hier insbesondere der Auswahl und der Unabhängigkeit des Abschlussprüfers und der vom Abschlussprüfer zusätzlich erbrachten Leistungen, befasst.“ Von dem Grundsatz der fakultativen Ausschussbildung wird durch das MitbestG in § 27 Abs. 3 dahingehend abgewichen, dass die Ausschussbildung für Fälle des § 31 Abs. 3 MitbestG verpflichtend ist. Als Suborgan ist der Ausschuss Teil des Aufsichtsrates und nicht selbstständig. Er kann ex § 107 Abs. 3 S. 7 AktG jedoch mit der Beschlusskompetenz ausgestattet werden462 und entweder dauerhaft oder nur einzelfallbezogen konzipiert sein.463 In der Praxis sind Ausschüsse besonders zu Sonderthemen üblich. Gleichzeitig sind es vor allem wirtschaftliche Ausnahmesituationen, die explizite Fähigkeiten und Kompetenzen verlangen464 und in denen für die Arbeitnehmer existenzrelevante Entscheidungen getroffen werden. Eine paritätische Besetzung der Ausschüsse sieht das MitbestG ausweislich einer fehlenden Anordnung indes gerade nicht vor.465 Damit lässt das MitbestG die Ausgliederung bestimmter Themen aus der unmittelbaren Aufsichtsratsarbeit zu, mit zwei Konsequenzen: Einmal werden so die vertiefte und fachlich kompetente Vorbereitung von Beschlüssen sowie die Ausarbeitung entsprechender Vorlagen ermöglicht. Außerdem können Gegenstände der Beschlussfassung auf „beschließende Ausschüsse“ übertragen werden. Damit zeigt sich nicht nur, dass die im Einzelfall fehlende oder mangelnde Fachkompetenz ausgeglichen wird. Die Möglichkeit beschließender Ausschüsse, die nicht einmal zwingend mit Arbeitnehmer- bzw. Gewerkschaftsvertretern besetzt sein müssen, indiziert vielmehr auch, dass nicht von jedem Mandatsträger gleichermaßen allumfassende Fähigkeiten und Qualifikationen verlangt werden. (3) Die fehlende Rückanbindung an die Gewerkschaften Hinzu tritt schließlich, dass die Gewerkschaftsvertreter nicht ohne Rückkoppelung an die von ihnen vertretene Belegschaft in den Aufsichtsrat entsandt, sondern auf der Grundlage von Wahlvorschlägen gewählt werden. Indem sie sich damit gegen andere Bewerber durchsetzen müssen, kann aus praktischer Sicht davon ausgegangen werden, dass nur für qualifiziert erachtete Vertreter ein Mandat erhalten. Ähnlich besteht auch vor dem Gewerkschaftsbeitritt für den betreffenden Arbeitnehmer keine hundertprozentige Sicherheit dahingehend, dass nur fachlich kom462

Henssler/Strohn/Henssler, Gesellschaftsrecht, § 107 AktG Rn. 22. Henssler/Strohn/Henssler, Gesellschaftsrecht, § 107 AktG Rn. 26. 464 Mit dem Beispiel der Wirtschaftskrise Henssler/Strohn/Henssler, Gesellschaftsrecht, § 107 AktG Rn. 26. 465 So auch BGH v. 25. 2. 1982 – II ZR 102/81, AP MitbestG § 25 Nr. 1; BGH v. 15. 5. 1993 – II ZR 89/92, AP MitbestG § 25 Nr. 4 (mit einer widerleglichen Vermutung einer Diskriminierung zumindest bei vollständigem Ausschlus der Arbeitnehmervertreter aus dem Personalausschuss); ähnlich Habersack/Henssler/Habersack, Mitbestimmungsrecht, § 25 MitbestG Rn. 127a; Henssler, FS BGH 2000, Band 2, S. 387, 393 ff.; Koch, AktG, § 107 Rn. 62; Lutter/ Krieger/Verse, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, Rn. 770; für eine Differenzierung zwischen vorbereitendem und beschließendem Ausschuss Jaeger, ZIP 1995, 1735, 1737; noch weiter Kindl, DB 1993, 2065, 2067 ff.; a. A. Zöllner, FS Zeuner 1994, S. 161, 165 ff. 463

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4. Kap.: Der mitbestimmungsgesetzliche Gewerkschaftsbegriff

petente Funktionäre im Tarifausschuss ihre Interessen vertreten und durchsetzen. Auch eine bestimmte Tarifhistorie kann dies angesichts der Möglichkeit von Gefälligkeits- oder Anschlusstarifverträgen nicht sicherstellen. Es verbleibt die Profilierung durch der Wahl vorausgehende Werbung, welche den Gewerkschaften in Entsprechung der Rechte im BetrVG zusteht.466 Da die Gewerkschaftsvertreter weder Mitglied noch Arbeitnehmer der Gewerkschaft sein müssen, die sie vertreten, werden sämtliche Eigenschaften der Gewerkschaften auch nicht notwendigerweise auf die Vertreter übertragen, sondern bleiben im Hinblick auf die Aufsichtsratsarbeit ohne Wirkung. b) Zwischenergebnis: Kein Erfordernis sozialer Macht zur Paritätssicherung Eine soziale Mächtigkeit im Umfang des TVG ist nicht erforderlich. Das gremiale System des Aufsichtsrates schwächt bereits das Erfordernis einer Durchsetzungskraft an sich ab. Darüber hinaus ist die effektive und angemessene Vertretung der Arbeitnehmerbelange prozessual abgesichert – einer mächtigen Mehrheit bedarf es für die Rechtsausübung nicht. Schließlich gebieten auch die Vermittlerrolle der Gewerkschaften und ihre Aufgabe innerhalb des Aufsichtsrates keine aus dem Gegenspielerprinzip erwachsenden Machtanforderungen gegenüber der Anteilseignerseite. In Erwägung gezogen wurden im Rahmen der Verhältnismäßigkeit persönliche fachliche Mindestvoraussetzungen als relativ milderes Mittel. Aus der systematischen Einbettung der mitbestimmungsgesetzlichen Vorschriften in das Recht des Aufsichtsrates ergibt sich indes kein entsprechender gesetzgeberischer Wille, von dem Grundsatz der Gleichheit der Aufsichtsratsmitglieder über die durch § 100 AktG gesetzten persönlichen Anforderungen hinaus abzuweichen. Darüber hinaus regelt auch § 100 Abs. 3 AktG, welcher über § 25 MitbestG Anwendung findet, keine weiteren Voraussetzungen aus gesellschaftsrechtlicher Sicht. Dies entfaltet insofern Aussagekraft für den Willen des Mitbestimmungsgesetzgebers, als einmal die Mitbestimmungsgesetze explizit aufgeführt werden und in diesem Lichte sodann im Gegensatz zu der Satzungsöffnung für Anteilseigner in Abs. 4 keine strengeren persönlichen Kriterien normiert werden (können). Die argumentative Verknüpfung von mitbestimmungsgesetzlichen Regelungen und dem AktG sind ausweislich des gesetzgeberseitigen Bestrebens, das Mitbestimmungsrecht in das bestehende Regime der gesellschaftsrechtlichen Regeln einzubetten, besonders stark. Auch im systematischen Kontext der Wählbarkeitsvoraussetzungen normiert § 7 Abs. 5 MitbestG über das Vertretensein hinaus im Gegensatz zu § 7 Abs. 4 MitbestG keine passiven Wählbarkeitsvoraussetzungen. Über die Wahl entsprechend den Wahl466 BAG v. 14. 2. 1967 – 1 AZR 494/65, NJW 1967, 843; BAG v. 22. 6. 2010 – 1 AZR 179/ 09, AP GG Art. 9 Nr. 142 Rn. 29; MüHbArbR/Boemke, Band 3, § 289 Rn. 16 ff.; Richardi/ Maschmann, BetrVG, § 2 Rn. 145 ff.; mit einer eingehenden Betrachtung im Lichte der Koalitionsfreiheit auch Rüthers, RdA 1968, 161, 170 ff.

B. Die verfassungskonforme Auslegung

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vorschlägen wird schließlich sichergestellt, dass sich diejenigen Vertreter der Gewerkschaften durchsetzen, die nach Ansicht der Arbeitnehmer stark genug waren.467 Aufgrund der möglichen Wahl auch externer Gewerkschaftsvertreter bleibt letztlich auch eine soziale Mächtigkeit der Gewerkschaften ohne Einfluss. Das zusätzliche Erfordernis der fachlichen Qualifikation kann in der Folge und unter Zugrundelegung der methodischen Richtlinien nur im Wege einer verfassungskonformen Rechtsfortbildung de lege ferenda gefordert werden.

III. Das Ergebnis der verfassungskonformen Auslegung In der (pauschalen) Übertragung von Gewerkschaftseigenschaften, die sich aus ihrer Funktionalität für das Tarifvertragssystem ergeben, liegt ein Verstoß gegen die negative Koalitionsmittelwahlfreiheit. Wird die Teilnahme an der verfassungsrechtlich garantierten Unternehmensmitbestimmung von Umständen abhängig gemacht, die durch sie nicht bedingt werden, sondern einem anderen – wenn auch gleichrangigen – Institut dienen sollen, werden die Koalitionen faktisch gezwungen, auf ihre freiwillige Wahl der Betätigungsinstrumente zu verzichten. Durch die niedrige Organisationsrate468 wird dieser mit Blick auf die Mitgliederkonkurrenz noch verstärkt. In diesem Sinne sind die folgenden Merkmale des einheitlichen Gewerkschaftsbegriffes auszusondern, bzw. im Sinne einer Verhältnismäßigkeit zu mildern: Eine Tarifwilligkeit ist nicht Voraussetzung des mitbestimmungsgesetzlichen Gewerkschaftsbegriffes. Unter Zugrundelegung der mit der Forderung der Tarifwilligkeit im Rahmen des Tarifvertragswesens verbundenen Zwecke verfolgt sie in der Unternehmensmitbestimmung bereits kein legitimes Ziel. Zudem ist sie zur Funktionssicherung der Unternehmensmitbestimmung an sich nicht geeignet.469 Die Anerkennung des Tarifrechtes sowie des Arbeitskampf- und Schlichtungsrechtes ist in dem aus dem Tarifvertragsrecht entnommenen Umfang nicht zu fordern. Der wechselseitigen Anerkennung von Tarifautonomie und Unternehmensmitbestimmung bedarf es ob ihrer institutionellen Eigenständigkeit nicht. Die tarifrechtsspezifische Rechtstreue wird im Rahmen der Unternehmensmitbestimmung durch die aktienrechtliche Pflichtenbindung sichergestellt. Die Anerkennung des Arbeitskampfrechtes ist bereits nicht geeignet, zugunsten der Funktionsfähigkeit der Unternehmensmitbestimmung Interessenkonflikte der Gewerkschaftsvertreter aufzulösen. Der vom Gesetzgeber zu diesem Zwecke bereitgestellte Pflichtenbund ergibt sich aus § 25 MitbestG i. V. m. den aktienrechtlichen Treue- und Sorgfalts467

So auch im Ergebnis Gamillscheg, Kollektives Arbeitsrecht, Band 1, S. 437. 2016 verzeichnete die Hans-Böckler-Stifung einen Organisationsgrad der abhängig Beschäftigten in Deutschland von 20,7 %, WSI-Report Nr. 44, 2018, S. 7 (abrufbar unter https://www.boeckler.de/pdf/p_wsi_report_44_2018.pdf, zuletzt abgerufen am 14. 11. 2022). 469 Abschnitt B. II. 1. dieses Kapitels. 468

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4. Kap.: Der mitbestimmungsgesetzliche Gewerkschaftsbegriff

pflichten, die eine ermessensfehlerfreie Mandatsausübung im Interesse des Unternehmens aufgeben.470 Die Anforderungen an die organisatorische Leistungsfähigkeit der Gewerkschaften ist mit Blick auf die Funktionsweise der Unternehmensmitbestimmung von dem Erfordernis der Druckausübungsfähigkeit zu entkleiden und beschränkt sich auf das administrative und organisatorische Mindestmaß, welches zur Erfüllung der Mandatspflichten sowie der Vorbereitung und Ausgabe der Wahlvorschläge erforderlich ist.471 Auch eine soziale Mächtigkeit nach tarifvertraglichem Verständnis ist nicht erforderlich. Die Zwecke, die mit ihrem Erfordernis für das Tarifvertragsrecht verfolgt werden, sind in der Unternehmensmitbestimmung nach dem MitbestG bereits normativ abgesichert.472

C. Zusätzliche Voraussetzungen zum Zwecke der Funktionssicherung de lege ferenda? Wurden somit von dem der vorangegangenen verfassungsrechtlichen Prüfung unterstellten einheitlichen Gewerkschaftsbegriff nach tarifvertragsgesetzlichem Vorbild im Rahmen der verfassungskonformen Auslegung erste Begriffsmerkmale ausgesondert, kommen alternative oder zusätzliche Voraussetzungen nur de lege ferenda im Wege der Rechtsfortbildung in Betracht – nicht um einen verfassungsgemäßen Zustand herzustellen, sondern um einen darüber hinausgehenden vorzugswürdigen Begriff zu erhalten, welcher über seine Verfassungsmäßigkeit hinaus die Unternehmensmitbestimmung in ihrer Funktionsfähigkeit absichert und stützt. Diese Überlegungen fallen jedoch in den Bereich der Einschätzungsprärogative des einfachen Gesetzgebers. Dieser ist nicht gehalten, einen einzigen bestimmten Zustand herzustellen, sondern lediglich einen normativen Rahmen zu schaffen, welcher mit der Verfassung in Einklang steht. Dieser Bereich der Einschätzungsprärogative ist, wie bereits an anderer Stelle dargestellt und bereits von der Mitbestimmungskommission hervorgehoben,473 denkbar weit ausgestaltet. Während die verfassungsrechtliche Garantie der Unternehmensmitbestimmung unverhältnismäßige Einschränkungen verbietet, dürfen vom einfachen Gesetzgeber nur solche Koalitionen zur Unternehmensmitbestimmung zugelassen werden, die eine angemessene Repräsentation der gesamten Arbeitnehmerschaft des Unternehmens sicherstellen können. Diese grundsätzliche Anforderung entspricht derjenigen, die das Bundesverfassungsgericht bereits an die Gewerkschaften im tarifrechtlichen Sinne gestellt 470

Abschnitt B. II. 2. dieses Kapitels. Abschnitt B. II. 3. dieses Kapitels. 472 Abschnitt B. II. 4. dieses Kapitels. 473 S. in BT-Drs. VI/334, bereits S. 75, insbesondere aber auch S. 86 f. 471

C. Voraussetzungen zur Funktionssicherung de lege ferenda?

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hat.474 Gleichzeitig – so die Urteilsgründe – dürften diese Zugangsvoraussetzungen nicht von Umständen oder Beweggründen abhängig gemacht werden, „die nicht von der Sache selbst, also der im allgemeinen Interesse liegenden Aufgabe der Ordnung und Befriedung des Arbeitslebens gefordert sind“.475 Solche zusätzlichen Kriterien betreffen im Ergebnis den unbestimmten Teil des Gewerkschaftsbegriffes und können nach den zuvor postulierten Grundsätzen nur im Wege der verfassungskonformen Rechtsfortbildung Begriffsbestandteil werden. An dieser Stelle sollen nun vorwiegend drei weitere Kriterien in den Blick genommen werden: Die Anerkennung des Mitbestimmungsregimes, eine Beschlusswilligkeit sowie das Erfordernis (branchenspezifischer) Fachkenntnisse. Sowohl eine mitbestimmungsgesetzliche Rechtstreue als auch eine Beschlusswilligkeit wurden bereits im Rahmen der verfassungskonformen Auslegung der Merkmale der Rechtstreue sowie der Tarifwilligkeit angesprochen. Eine Übernahme war indes nicht möglich, da dieser insofern der Wille des Gesetzgebers mehr oder weniger eindeutig entgegenstand. Mitbestimmungsgesetzliche Spezifikationen der innert tarifrechtlichen Merkmale klangen im Gesetzgebungsverfahren nicht an und fanden auch keine Berücksichtig in der systematischen bzw. grammatikalischen Ausgestaltung des MitbestG. Ein Erfordernis fachlicher wie sachlicher Kompetenz von Seiten der Gewerkschaftsvertreter wurde indes an verschiedenen Stellen des Gesetzgebungsverfahrens angesprochen und stellte einen gewichtigen Beweggrund des Gesetzgebers dar, die Gewerkschaften mit der Vertretung der Arbeitnehmerbelange im mitbestimmten Aufsichtsrat zu betrauen. Entsprechend hatten die Gewerkschaften selbst – in persona des DGB-Vertreters Werner Vitt – erklärt, die Tätigkeit der Gewerkschaftsvertreter im Aufsichtsrat erfordere qualifizierte Sachkenntnisse sowie eine verdienstvolle Vertretung der Arbeitnehmerinteressen.476

I. Anerkennung des Mitbestimmungsrechtes Wie bereits dargestellt, ist die verpflichtende tarifrechtsbezogene Rechtstreue inklusive des Arbeitskampf- und Schlichtungsrechtes nicht geeignet, die eine funktionierende Unternehmensmitbestimmung gefährdenden Interessenkonflikte aufzulösen. Da sich diese vornehmlich aus der Kollision des Unternehmensinteresses und der pflichtgemäßen tariflichen Interessenvertretung ergeben, muss die Lösung in der Anerkennung des Mitbestimmungs- und Gesellschaftsrechtes gesucht werden. Normativer Anknüpfungspunkt der Rechtstreue sind die Treue- und Sorgfaltspflichten gem. § 116 i. V. m. § 93 Abs. 1, 4 – 6 AktG, welche durch § 25 Abs. 1 MitbestG auch die gewerkschaftlichen Mandatsträger binden. Die einfachgesetzliche Konkretisierung der Verpflichtung zur Wahrung und Berücksichtigung 474

BVerfG v. 6. 5. 1964 – 1 BvR 79/62, NJW 1964, 1267, 1268. BVerfG v. 6. 5. 1964 – 1 BvR 79/62, NJW 1964, 1267, 1268. 476 55. Sitzung des Ausschusses für Arbeit- und Sozialordnung v. 7. 11. 1974, S. 32. 475

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4. Kap.: Der mitbestimmungsgesetzliche Gewerkschaftsbegriff

des Unternehmensinteresses als Summe verschiedener Interessenslager macht eine dahingehende verpflichtende Anerkennung, wenn nicht obsolet, so doch zumindest rein deklaratorisch. Als bloße Formalität wird man ihr daher eine Erforderlichkeit absprechen müssen. Allerdings ist zu beachten, dass eine Verletzung dieser Pflichten zunächst allenfalls Schadensersatzansprüche begründen kann. In Betracht käme daher eine relativierende antizipatorische Klausel mit der Verpflichtung, die Interessen der Arbeitnehmer unter Berücksichtigung der Interessen der Anteilseigner und nach bestem Wissen und Gewissen zur Förderung des Unternehmensinteresses zu vertreten. Die Praktikabilität einer solchen Zusicherung dürfte sich indes mit Blick auf den wenig greifbaren Begriff des Unternehmensinteresses in Grenzen halten. Zentraler Grundsatz der gremialen Mitbestimmung ist die gewerkschaftliche Vertretung der Arbeitnehmerinteressen im Sinne der Belegschaftsinteressen. Während die Gewerkschaft gegenüber ihren Mitgliedern durch die Satzung verpflichtet wird, ihre Interessen zu vertreten und durchzusetzen, wird sie durch die Außenseiter zwar durch ihre Wahl dazu berufen. Diese hat jedoch lediglich (teil-)legitimierende Wirkung, nicht aber Bindungswirkung zur Vertretung und Berücksichtigung auch der Belange der Außenseiter. Sofern diese mit der von ihnen gewählten Interessenvertretung nicht zufrieden sind, bleibt ihnen allenfalls die Möglichkeit, nach Ablauf der Amtszeit nach §§ 6 Abs. 2, 15 Abs. 1 MitbestG i. V. m. § 102 AktG die Wiederwahl zu verweigern. Die Höchstdauer der Amtszeit beträgt dabei immerhin knapp fünf Jahre.477 Den Mitgliedern stehen indes je nach Organisationsaufbau der Gewerkschaft Gremien und Instanzen zur Verfügung, um auf die Einhaltung und Durchsetzung der satzungsgemäßen Aufgaben und Ziele inhaltlich einzuwirken. Nicht zuletzt ist der Vorstand zur Vertretung der Gewerkschaft nach innen und außen im Interesse der Gewerkschaft verpflichtet. Da die Gewerkschaft kein Selbstzweck ist und sich ihre Ausrichtung durch die Interessen und Belange ihrer Mitglieder konstituiert, ist der Vorstand somit dem mitgliedsbezogenen Gewerkschaftsinteresse verpflichtet. Darin kann freilich nur in solchen Fällen ein Vorteil gesehen werden, in denen eine Mitgliedschaft in der im Aufsichtsrat vertretenen Gewerkschaft vorliegt. Anderweitig organisierte Arbeitnehmer stehen den nicht organisierten insofern gleich. Die fehlende Möglichkeit der Interessendurchsetzung mittels Arbeitskampfes schwächt die Position zumindest der entsprechend gewerkschaftlich organisierten Arbeitnehmer, da sie für die Gewerkschaft nicht aufgrund ihrer Kampfkraft entscheidend sein können.478 Die zugunsten des Unternehmensinteresses deutlich eingeschränkten Informationsrechte der Aufsichtsratsmitglieder gegenüber der Be-

477

Berechnung des BAG v. 4. 11. 2015 – 7 ABR 42/13, AP MitbestG § 9 Nr. 2 Rn. 23; s. auch ErfK/Oetker, § 102 AktG Rn. 2. 478 S. dazu im Zusammenhang des Tarifabschlusses Kobler, Fremdeinflüsse auf die tarifliche Willensbildung, S. 84.

C. Voraussetzungen zur Funktionssicherung de lege ferenda?

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legschaft oder auch dem Betriebsrat erschweren zudem die Nachvollziehbarkeit der Interessenvertretung für die Arbeitnehmer.479 Insgesamt scheint es daher vor allem unter Berücksichtigung der dreifaltigen Stellung der Gewerkschaften förderlich, eine Interessenbindung an Belange der Belegschaft des jeweiligen Unternehmens in der Satzung festzulegen. Als Kernelement einer funktionierenden Unternehmensmitbestimmung liegt darin eine Anerkennung des geltenden Mitbestimmungsrechtes. Zumindest in praxi dürfte dieses Zugeständnis an eine funktionierende, weil konstruktive Aufsichtsratsarbeit gleichzeitig der Kooperation mit der Anteilseignerseite förderlich sein. Im schlimmsten Falle könnten auch die Mitglieder aufgrund ihres sodann bestehenden schuldrechtlichen Anspruches auf die Gewerkschaftsvertreter einwirken. Daneben muss jedoch auch stets beachtet werden, dass die Wahl der Gewerkschaftsvertreter von der Anzahl ihrer Mitglieder in der Belegschaft unabhängig ist. Es muss eine funktionierende Unternehmensmitbestimmung also selbst dann gewährleistet werden, wenn auch nur ein Mitglied der jeweiligen Gewerkschaft Teil der Belegschaft des Unternehmens ist. Die bestehenden Pflichten nach §§ 25 MitbestG, 116 AktG genügen in demselben Umfang nicht, da sie allenfalls repressiv Schadensersatzansprüche bedingen können (s. o.).

II. Beschlusswilligkeit Eine Beschlusswilligkeit als mitbestimmungsgesetzliche Analogie zur Tarifwilligkeit könnte zu einer Verbesserung der Funktionsfähigkeit des Unternehmens im Kontext der Mitbestimmung im Aufsichtsrat beitragen, wenn diese für den Fall einer verweigerten Stimmabgabe ernsthaft und nachhaltig bedroht würde. Die Beschlussfassung im Aufsichtsrat bedarf indes grundsätzlich nur der einfachen Mehrheit, § 29 Abs. 1 MitbestG. Da Stimmenthaltungen nicht berücksichtigt werden, könnte auch ein Stimmboykott der Gewerkschaftsvertreter die wirksame Beschlussfassung nicht verhindern. Abweichungen von diesem Grundsatz können durch Satzung festgelegt werden; die §§ 27, 31 Abs. 2 – 4, 32 MitbestG normieren gesetzliche Ausnahmen von diesem Grundsatz. Die Bestellung sowie der Widerruf der Vorstandsmitglieder bedürfen nach § 31 Abs. 2 MitbestG einer Zweidrittelmehrheit. In Divergenz zu § 29 MitbestG werden Stimmenthaltungen als Nein-Stimmen gewertet.480 Doch selbst in diesen Fällen würde eine Stimmverweigerung der Gewerkschaftsvertreter (Enthaltung oder Nichtteilnahme) einer möglichen erforderlichen Zweidrittelmehrheit nicht entgegenstehen. Den zwei, respektive drei Gewerkschaftsvertretern stünden je nach Konzeption des Aufsichtsrates entsprechend der Unternehmensgröße zehn, 14 oder 479 Zu dieser Informationskette s. Spieker, NJW 1965, 1937, 1941; als „Damoklesschwert“ auch Kittner, ZHR (136) 1972, 208, 219. 480 Habersack/Henssler/Habersack, Mitbestimmungsrecht, § 31 MitbestG Rn. 19.

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4. Kap.: Der mitbestimmungsgesetzliche Gewerkschaftsbegriff

17 mögliche Ja-Stimmen bei erforderlichen zwölf, sechzehn bzw. zwanzig Stimmen entgegen. Deutlich wird somit, dass eine satzungsmäßige Selbstverpflichtung der Gewerkschaften zur Beschlussfassung bzw. einer dahingehenden Beteiligung zumindest zugunsten der Funktionsfähigkeit des Unternehmens und der gremialen Mitbestimmung nicht gefordert werden muss. Greift man den Arbeitnehmerschutzgedanken auf, der das Bundesarbeitsgericht dazu veranlasste, eine Tarifwilligkeit zu fordern, wird man diesem auch im Rahmen der Unternehmensmitbestimmung zwar eine ähnliche Bedeutung beimessen müssen. Doch ist er nicht in demselben Maße entscheidend, da die Interessenvertretung anders als durch Tarifvertrag nicht allein in der Verantwortung der Gewerkschaften liegt. Vielmehr werden die Belange der Arbeitnehmer neben den Gewerkschaftsvertretern in der Mehrzahl durch Vertreter der Arbeitnehmer repräsentiert. Ungeachtet dessen wurden die besonderen Fähigkeiten und Perspektiven der Gewerkschaftsvertreter bereits im Gesetzgebungsverfahren gewürdigt und diese vor allem aus diesem Grunde in die gremiale Mitbestimmung eingebunden. Diese Fachkenntnisse könnten zwar möglicherweise in die Meinungsbildungsphase einfließen und so den Beschlussinhalt auch außerhalb der eigentlichen Stimmabgabe beeinflussen. Es liegt aus praktischer Sicht jedoch fern, dass Gewerkschaftsvertreter sich eingehend an der der Beschlussfassung vorangestellten Diskussion beteiligten, sich der Stimmabgabe anschließend hingegen verwehrten und ihrer Meinung damit kein Stimmgewicht verliehen. Ähnlich sieht die satzungsmäßige Verpflichtung zum Tarifabschluss auch nicht nur vor, eine entsprechende Willenserklärung im Zuge des Tarifabschlusses abzugeben, sondern auf diesen, und damit vorgelagert auf die Aufnahme von Tarifverhandlungen, hinzuwirken. Diese Überlegungen lassen sich spiegelbildlich auch auf den Diskurs und die Beschlussfassung im Aufsichtsrat übertragen: Die wahlberechtigte Belegschaft eines Unternehmens muss sich daher bereits aus diesem Grunde darauf verlassen können, dass die Gewerkschaftsvertreter im Aufsichtsrat ihre spezifischen Kenntnisse und Einblicke einbringen. Dass dies auch im eigenen Interesse der Gewerkschaften liegt, verdeutlicht ein Blick in die Satzungen: In § 2 Ziffer 4 setzt sich die IG Metall zum Ziel, das Mitbestimmungsrecht der Arbeitnehmer in Betrieb und Unternehmen zu „erringen und zu sichern“.481 Der DGB und seine Gewerkschaften sehen ihre Aufgabe u. a. in der „Demokratisierung der Wirtschaft und Verwaltung durch umfassende Verwirklichung der Mitbestimmung der Arbeitnehmerinnen und der Arbeitnehmer“.482 Sofern man eine Anerkennung des Mitbestimmungs- und Gesellschaftsrechtes in dem unter dem vorangegangenen Abschnitt umrissenen Umfang für de lege ferenda geboten hält, könnte eine dauerhafte und prinzipielle Verweigerung der Beteilung an der 481

Satzung der IG Metall, gültig ab 1. 1. 2020 (abrufbar unter https://www.igmetall.de/ download/20191231_IGM_Satzung_2020_web_4bc0a0e0054f65e751cf12b6d4b17c76d0a01 873.pdf, zuletzt abgerufen am 14. 11. 2022). 482 § 2 Ziffer 3 lit. e) der Satzung des DGB v. Mai 2018 (abrufbar unter https://www.dgb.de/ themen/++co++9f4b3046-05b8-11e4-bdf8-52540023ef1a, zuletzt abgerufen am 14. 11. 2022).

C. Voraussetzungen zur Funktionssicherung de lege ferenda?

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Aufsichtsratsarbeit auch einen satzungsmäßigen Verstoß gegen die Pflicht zur Interessenvertretung darstellen. Doch auch darüber hinaus dürfte in der sachgrundlosen Verweigerung der Beteiligung durch Beschluss ein Verstoß gegen die Treue- und Sorgfaltspflichten der Aufsichtsratsmitglieder sein. Da, wie unter Kapitel 3, Abschnitt A. II. 2. c) bb) (2) herausgearbeitet, auch die Arbeitnehmerinteressen Bestandteil des Unternehmensinteresses sind, ergibt sich insofern eine Pflicht, diese im Rahmen der Ermessensentscheidungen zu berücksichtigen. Eine schuldrechtliche eigene Verpflichtung der Gewerkschaften ist daher nicht erforderlich, da überdies die gesetzliche Verpflichtung sogar über die Mitglieder hinaus eine Beschlusswilligkeit normiert.

III. Branchenspezifische Fachkenntnisse 1. Das Erfordernis branchenspezifischer Fachkenntnisse Die (branchenspezifischen) Fachkenntnisse der Gewerkschaftsvertreter waren einer der Hauptbeweggründe dafür, sie an der Unternehmensmitbestimmung zu beteiligen. Ihr unternehmerischer Weitblick und ihre einzigartigen gesamtwirtschaftlichen Bezüge sollten einer monothematischen und interessenegoistischen Haltung der Arbeitnehmervertreter vorbeugen und damit quasi zwischen den Anteilseignern und den Arbeitnehmervertretern vermitteln. Daneben wurde ihre Aufgabe im Gesetzgebungsverfahren auch und besonders darin gesehen, den betriebsbezogenen Horizont der Arbeitnehmer zu erweitern und die Standpunkte der Arbeitnehmerseite dahingehend anzureichern. Insofern kommt dieser – einen zu befürchtenden Betriebsegoismus ausgleichenden – Wirkung der Gewerkschaftsvertreter für die Effektivität und Funktionalität der Aufsichtsratsarbeit eine gewisse Bedeutung zu, vor allem, da diese ausgleichende Wirkung nicht nur dem Willensbildungsprozess, sondern auch der einheitlichen, kompromissorientierten Beschlussfassung zuträglich ist. Das MitbestG selbst stellt über die in § 7 Abs. 4 i. V. m. § 8 Abs. 1 BetrVG angesetzten Wählbarkeitsvoraussetzungen hinaus keine besonderen Anforderungen an die Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat. Auch § 7 Abs. 5 MitbestG macht über das Erfordernis des Vertretenseins hinaus keine Vorgaben. § 100 Abs. 3 AktG, welcher gem. § 25 Abs. 1 Nr. 1 MitbestG auch für den mitbestimmten Aufsichtsrat Anwendung findet, bestimmt die in § 100 Abs. 1, 2 AktG aufgestellten Anforderungen für anwendbar. Auch diese Regelungen sehen indes keine spezifischen fachlichen Kompetenzen vor. Vielmehr beschränkt der § 100 Abs. 4 AktG die Satzungsautonomie des Aufsichtsrates dahingehend, dass darüber hinausgehende fachliche Qualifikationen lediglich für Anteilseignervertreter festgesetzt werden können.483 Zuletzt sieht auch § 16 Abs. 2 MitbestG für die aus dem Wahlvorschlag zu wählenden Gewerkschafts483 S. Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, Rn. 24; Henssler/ Strohn/Henssler, Gesellschaftsrecht, § 100 AktG Rn. 12; zu spezifischen sprachlichen Qualifikationen Dreher, FS Lutter 2000, S. 357, 365 ff.

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4. Kap.: Der mitbestimmungsgesetzliche Gewerkschaftsbegriff

vertreter keine Mindestvoraussetzungen vor. Im Folgenden kommt es somit darauf an, ob das Vorliegen dieser gewerkschaftsspezifischen Kenntnisse und Fähigkeiten für die verfassungsrechtlich garantierte Unternehmensmitbestimmung in funktionaler Hinsicht unabdingbar ist.484 Sodann ist zu fragen, ob eben diese Qualifikationen bereits qua Gewerkschaftszugehörigkeit und Position in der Gewerkschaft angenommen werden können, oder ob ein diesbezüglicher Nachweis oder eine entsprechend nachweisbare Mindestqualifikation gefordert werden muss. Diese Überlegung gewinnt an Bedeutung, unterstellt man eine alleinige Betätigung der Gewerkschaften in der Unternehmensmitbestimmung und damit fehlende Expertise und Erfahrungen aus dem Tarifwesen. Tarifverhandlungen bieten unbestritten die Möglichkeit, Einblicke in die Ziele und Beweggründe der Unternehmen und in Aspekte wie Wirtschaftlichkeit zu erhalten. Überdies würden bspw. erfolgreiche Tarifabschlüsse Indizien für thematische Kenntnisse darstellen und würden zumindest den Schluss nahelegen, dass sich die an ihnen beteiligten Gewerkschaftsvertreter mit Fragen wie der Lohnpolitik oder den wirtschaftlichen Gepflogenheiten des Sektors oder der Branche auseinandergesetzt haben. Auch Grundsatz 11 des DCGK 2020485 formuliert in diesem Zusammenhang die Empfehlung, den Aufsichtsrat „so zusammenzusetzen, dass seine Mitglieder insgesamt über die zur ordnungsgemäßen Wahrnehmung der Aufgaben erforderlichen Kenntnisse, Fähigkeiten und fachlichen Erfahrungen verfügen […]“. Diese Vorgaben sind als Grundsätze gem. Absatz 4 der Präambel verbindlich und in der Umsetzung für Aufsichtsrat und Vorstand von Unternehmen im Sinne des Abs. 7 der Präambel verpflichtend, ohne dabei nach Mandatsträgerschaft zu differenzieren.486 Der Kodex unterscheidet jedoch zwischen börsennotierten und kapitalmarktorientierten Gesellschaften im Sinne des § 161 Abs. 1 S. 2 AktG, für welche die Vorgaben des Kodexes verbindlich sind, und nicht kapitalmarktorientierten Gesellschaften. Letztere sollen sich im Rahmen der Leitung und Überwachung ihres Unternehmens an den unverbindlichen Empfehlungen und Anregungen orientieren. Insofern bietet der Kodex also keine allgemeingültige, sichere Richtlinie dafür, die für die unterschiedlichen Mandatsträger erforderlichen und nützlichen Schlüsselqualifikationen zu garantieren. Betrachtet man jedoch den Informations- und Kenntnisbeitrag der Gewerkschaftsvertreter als deren spezifische Aufgabe, legt er zumindest nahe, diese Mitglieder entsprechend ihrer Eignung auszuwählen.

484

Zu fehlenden normativen Qualifikationserfordernissen auch Meyer, Unabhängiger Finanzexperte im Aufsichtsrat, S. 162 ff. 485 Deutscher Corporate Governance Kodex, BAnz AT 20. 3. 2020 B3. 486 Kremer/Bachmann/Lutter/v. Werder/v. Werder, Deutscher Corporate Governance Kodex, Präambel Rn. 34 ff., 67.

C. Voraussetzungen zur Funktionssicherung de lege ferenda?

377

2. Die Differenzierung zwischen Gewerkschaft und Gewerkschaftsvertreter An dieser Stelle muss nun aber zwischen den Fähigkeiten der Gewerkschaftsvertreter und der Gewerkschaft selbst unterschieden werden, um von den individuellen Erfordernissen mögliche Rückschlüsse auf die mitbestimmungsgesetzlichen Anforderungen an den Gewerkschaftsbegriff ziehen zu können. Die Gewerkschaft selbst kann als juristische Person nicht über bestimmte fachliche Kenntnisse verfügen, die über den individuell in ihr zusammenkommenden Sachverstand der Individuen hinausgehen. Es muss damit sichergestellt werden, dass auch der erforderliche Sachverstand der Gewerkschaftsvertreter tatsächlich in den Aufsichtsrat eingebracht wird. Während die Anteilseignervertreter gem. § 8 MitbestG bestellt werden, werden die Gewerkschaftsvertreter aufgrund von Wahlvorschlägen gewählt. Anders aber als bei den Arbeitnehmervertretern nach § 15 MitbestG wird die Auswahl dieser Vertreter durch das Vorschlagsrecht der Gewerkschaften limitiert. Der erforderliche Sachverstand kann also nicht aufgrund natürlicher Konkurrenz sichergestellt werden, sondern es findet ein vorgelagerter Auswahlprozess durch die Gewerkschaft selbst statt. Von der Gewerkschaft wird also zu fordern sein, dass sie sicherstellt, dass ihre Vertreter über den oben dargestellten Sachverstand auch tatsächlich verfügen und aufrechterhalten sowie ihn sogar nach der erfolgreichen Wahl bei Bedarf optimieren. In welcher Form über diese Eigenschaften durch die Gewerkschaft Nachweis erbracht werden kann, dürfte sich im Einzelfall als schwierig erweisen. Zwar erscheint es durchaus möglich, im Wege einer indiziellen Vorprüfung sowie eines Schulungs- und Fortbildungsprogrammes eine gewisse fachliche Qualifikation nachzuweisen. Insofern dürfte neben einer möglichen normativen Absicherung in § 100 Abs. 3 AktG bzw. §§ 7 Abs. 5, 25 Abs. 1 MitbestG eine satzungsmäßige Verankerung dieser Anforderungen praktikabler sein. Die satzungsmäßige Anerkennung des Mitbestimmungs- und Gesellschaftsrechtes genügt nicht, da diese die Fachkenntnisse und eine gewerkschaftsseitige Verpflichtung in dem hier stipulierten Umfang gerade nicht de lege lata vorsehen. Diese Vorgehensweise ermöglicht einmal eine nachvollziehbare, weil dokumentierte Indizienprüfung im Einzelfall. Es würde sich sodann auch nicht um eine satzungsmäßige Erweiterung der persönlichen Voraussetzungen nach § 100 Abs. 4 AktG handeln, da es dort nur um die Satzung der Gesellschaft geht, welche für die Aufsichtsratsmitglieder der Anteilseignerseite strenge Anforderungen stellen kann. Alternativ sind Modifikationen der Wählbarkeitsvoraussetzungen gem. §§ 7 Abs. 5, 16 MitbestG oder der Wahlordnungen denkbar. Letztere würden im Rahmen der formalen Voraussetzungen zum Einreichen eines Wahlvorschlages um den Nachweis der entsprechenden Qualifikationen erweitert. Ein Blick auf die Aufsichtsratspraxis zeigt, dass die Gewerkschaftsvertreter häufig mindestens eine Unternehmens- und Betriebsratsvergangenheit haben. Häufig kommt auch eine weitgehend einschlägige akademische Ausbildung hinzu.

378

4. Kap.: Der mitbestimmungsgesetzliche Gewerkschaftsbegriff

Dies spricht dafür, dass den Wahlvorschlägen bereits ein internes Korrektiv innewohnt.487

D. Der Gewerkschaftsbegriff nach dem MitbestG Der Gewerkschaftsbegriff des TVG und derjenige des MitbestG sind nicht identisch. Ergebnis der klassischen Auslegung waren zwei mögliche Auslegungsergebnisse, die sodann einer verfassungskonformen Auslegung unterzogen wurden. Für den mitbestimmungsgesetzlichen Begriff bleibt es dabei in seinem bestimmten Teil bei folgenden Eigenschaften: Neben der Koalitionseigenschaft, der entgegen der herrschenden Ansicht bereits das Erfordernis demokratischer Organisation innewohnt, muss die Gewerkschaft organisatorisch leistungsfähig sein. In ihrem Umfang reicht diese Forderung jedoch nicht an diejenige nach dem TVG heran, sondern ist verhältnismäßig an die Anforderungen des MitbestG anzupassen. Einer Tarifwilligkeit, einer Anerkennung des Tarif- und Arbeitskampfrechtes sowie einer sozialen Mächtigkeit steht der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz entgegen. Verfassungsrechtlich zwar nicht gefordert, aber doch möglicherweise zugunsten einer funktionsfähigen Unternehmensmitbestimmung zu fordern, sind die Anerkennung des Mitbestimmungsrechtes sowie unternehmens- bzw. branchenspezifische Fachkenntnisse. Eine Beschlusswilligkeit ist angesichts der normativen Vorgaben des MitbestG i. V. m. dem Aktienrecht nicht erforderlich.

487

Vgl. die Mandatsträger bei der BMW Group (https://www.bmwgroup.com/de/unterneh men/unternehmensfuehrung.html, zuletzt abgerufen am 14. 11. 2022), der Telekom AG (https:// www.telekom.com/de/konzern/aufsichtsrat, zuletzt abgerufen am 14,11.2022) oder auch der Bayer AG (https://www.bayer.com/de/aufsichtsrat/der-aufsichtsrat-der-bayer-ag, zuletzt abgerufen am 14. 11. 2022).

Die Ergebnisse der Untersuchung in Thesen 1.

Art. 9 Abs. 3 GG garantiert nicht nur die Tarifautonomie, sondern auch die Unternehmensmitbestimmung. Ihre einfachgesetzliche Normierung wird daher nicht nur von der Koalitionsfreiheit geschützt, sondern ist durch sie gegenständlich garantiert und vorausgesetzt (S. 185 ff.).

2.

Die Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen begründen den sachlichen Anwendungsbereich der Koalitionsfreiheit. Die historische Auslegung Art. 9 Abs. 3 GG ergibt, dass es sich bei ihnen nicht um ein einheitliches Begriffspaar handelt. Durch sie erfährt vielmehr neben der Tarifautonomie auch die Unternehmensmitbestimmung verfassungsrechtliche Anerkennung. Art. 159 WRV und Art. 165 WRV sicherten in ihrem funktional-komplementären Zusammenwirken sowohl die betriebliche als auch die unternehmensbezogene Mitbestimmung. Dieser zuvor durch Art. 159, 196 WRV geschützte Bereich koalitiver Betätigung geht nunmehr in Art. 9 Abs. 3 GG auf (S. 168 ff.).

3.

Die Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen beinhalten neben den Arbeits- und Lohnbedingungen im engeren Sinne auch die wirtschaftlichen Aspekte abhängiger Arbeit (S. 185).

4.

Während die Regelung Ersterer den Koalitionen im Rahmen ihrer Tarifautonomie und der darauf beruhenden einfachgesetzlichen Konkretisierung durch das TVG zugesichert ist, wahren und fördern die Koalitionen die Wirtschaftsbedingungen im Rahmen der Betriebsverfassung und der Unternehmensmitbestimmung. Auch diese sind Teile der zweckgeleiteten Betätigungsfreiheit der Koalitionen und damit neben der Tarifautonomie gleichberechtigt verfassungsrechtlich garantiert (S. 196).

5.

Beide Mechanismen der Arbeitnehmerbeteiligung sollten dabei gleichberechtigt nebeneinanderstehen und sich aufgrund ihrer unterschiedlichen materiellen Gegenstände wechselseitig ergänzen. In ihrem Zusammenspiel sollten auf diese Weise die Lohn- und Beschäftigungsbedingungen der Arbeitnehmer durch Tarifvertrag und die wirtschaftlichen (betrieblichen wie unternehmensbezogenen) Belange durch die Räte verbessert werden (S. 196).

6.

Für die von Art. 9 Abs. 3 GG garantierten Schutzgüter ergibt sich folgendes Bild: Neben der Interessenvertretung im Wege des Tarifvertrages muss von dem einfachen Gesetzgeber auch ein System der betrieblichen bzw. unternehmensbezogenen Mitbestimmung bereitgestellt werden. Die Bestimmung des materiellen Gewährleistungsgehaltes der Koalitionsfreiheit hat damit ein reziprokes, durch Parallelität gezeichnetes Verhältnis der Koalitionsmittel hervorgebracht:

380

Die Ergebnisse der Untersuchung in Thesen

Die Teilhabeinstrumentarien von Tarifvertrag, Unternehmensmitbestimmung und betrieblicher Mitbestimmung ergänzen sich gegenseitig zu einem umfassenden System der Wahrung und Förderung der Beschäftigungsbedingungen im weiteren Sinne (S. 196 f.). 7.

Das Verhältnis von betrieblicher und Unternehmensmitbestimmung ist von Parallelität, nicht von Alternativität, geprägt. Das BetrVG sowie die Mitbestimmungsgesetze finden ihren Ursprung in der ideengeschichtlichen Parallelentwicklung. Entsprechend manifestieren sich auch die unterschiedlichen rechtlichen Regelungsabsichten in den verschiedenen Anwendungsbereichen und Eröffnungstatbeständen ebenso wie in den (größtenteils) divergierenden Regelungsgegenständen (S. 133 f.).

8.

Aus der Garantie der Unternehmensmitbestimmung ergeben sich auch wesentliche Konsequenzen für den Koalitionsbegriff. Dieser muss als zentrale Anwendungsvoraussetzung des Art. 9 Abs. 3 GG und damit der Betätigungsfreiheit der Koalitionen tauglicher Anknüpfungspunkt für sämtliche Betätigungsmittel sein. Er stellt in diesem Sinne den größtmöglichen gemeinsamen Nenner dar und darf aus diesem Grunde nicht an Voraussetzungen geknüpft sein, die die koalitive Betätigung in ihrem verfassungsrechtlich garantierten Rahmen beschränken. Gleichzeitig muss er jedoch wenigstens all diejenigen Merkmale beinhalten, die hierfür erforderlich sind (S. 187 ff.).

9.

Aus diesem Grunde muss auch bereits eine Koalition über eine demokratische Organisationsstruktur verfügen (S. 193 ff.). Sie ist ungeachtet des betätigten Koalitionsmittels erforderlich, um dessen Funktionsfähigkeit zu garantieren. Im Übrigen bleibt es für eine Koalition bei den folgenden Voraussetzungen: Es muss sich bei ihr um eine Vereinigung (im Sinne des Art. 9 Abs. 3 GG) handeln, die sowohl gegnerunabhängig als auch gegnerrein und von Staat, Kirche und Parteien unabhängig ist.

10. Art. 9 Abs. 3 GG ist kein „Doppelgrundrecht“. Der Schutz der Koalitionen im Rahmen ihrer Betätigung ergibt sich nicht unmittelbar aus Art. 9 Abs. 3 GG, sondern erst in dem Zusammenwirken mit Art. 19 Abs. 3 GG (für die historische Herleitung s. S. 236 ff.). Dies entspricht auch dem Prinzip der kollektiven Assoziation, auf welchem die Koalitionsbewegung historisch fußt. Sie entzieht der Koalition jeglichen Selbstzweck – ihr Wesen und damit auch die Zielrichtung ihrer Betätigung entspringt den Interessen der durch sie vertretenen Individuen. 11. Als Mittel zum Zweck sind die Koalitionen stets nur in dem Umfang in ihrer Ausübung geschützt, wie dies für die Wahrung und Förderung der Arbeitsbedingungen der Arbeitnehmer erforderlich ist. Darin liegt die Beschränkung der kollektiven Koalitionsfreiheit in ihrer Betätigungskomponente auf das für die Koalition „Wesentliche“ (S. 252 ff.).

Die Ergebnisse der Untersuchung in Thesen

381

12. Der wesentliche Schutz der Koalitionen wird durch die verfassungsrechtlichen Vorgaben betreffend das jeweilige Koalitionsmittel bestimmt. Sein Umfang wird damit durch die Koalitionsmittelgarantie gegenständlich ausgefüllt. 13. Die verfassungsrechtlichen Instrumentarien des Art. 9 Abs. 3 GG unterscheiden sich nicht nur gegenständlich, sondern – im Grunde bereits dadurch bedingt – auch in ihrer Systematik. Obschon sie in ihrer konkreten Ausprägung jeweils nicht durch die Koalitionsfreiheit diktiert werden, ergibt sich aus der historischen Kontextualisierung und der Auslegung im Lichte der Vorgängerregelungen folgendes Bild: Die Tarifautonomie ist mitgliedschaftlich konzipiert und kann daher den Tarifvertragsparteien einen weiten Entscheidungs- und Geltungsspielraum im Hinblick auf ihre Regelungen zugestehen. Die Unternehmensmitbestimmung im Zusammenwirken mit der betriebsbezogenen Mitbestimmung betrifft hingegen die wirtschaftlichen Belange aller Beschäftigten innerhalb der jeweiligen Bezugsgröße Betrieb bzw. Unternehmen. Da sich die Legitimation zur überschießenden Interessenvertretung in diesen Fällen nicht aus einer mitgliedschaftlichen Mandatierung ergibt, muss die Legitimation auf andere normative Weise erzeugt werden (zum Legitimationserfordernis S. 267 ff.). 14. Indem die Koalitionsfreiheit nicht nur die mitgliedschaftsbezogene Tarifautonomie, sondern auch die belegschaftsorientierte Repräsentation durch Unternehmens- und betriebliche Mitbestimmung garantiert, erhält Art. 9 Abs. 3 GG eine allgemeinordnende Komponente in Bezug auf die Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingung (S. 253 ff.). Diese ist dabei stets personell beschränkt durch die jeweilige legitimatorische Reichweite. Im Rahmen der Tarifautonomie wird sie durch das mitgliedschaftliche Verhältnis begründet, in der betriebsbezogenen sowie der Unternehmensmitbestimmung mitgliedschaftsunabhängig durch Wahlen im Zusammenwirken mit der jeweiligen gesetzlichen Anordnung. 15. Aus der Parallelität und Gleichrangigkeit der verfassungsrechtlich verankerten Koalitionsmittel ergibt sich eine negative Koalitionsmittelwahlfreiheit der Koalitionen. Diese können frei entscheiden, auf welche Art und Weise sie die Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen wahren und fördern möchten. Sie können daher auch nicht gezwungen werden, am Tarifwesen oder an der Unternehmensmitbestimmung zu partizipieren. Bereits der (faktische) Zwang zur Betätigung im Rahmen eines dieser Mittel ist daher kein legitimes Ziel staatlicher Maßnahmen und stellt keine grundrechtliche Ausgestaltung dar (S. 272 ff.). 16. Der Gewerkschaftsbegriff ist seinem historischen Ursprung nach kein Rechtsbegriff. Er entstammt als Selbstbezeichnung der Arbeitnehmervereinigungen vielmehr dem allgemeinen Sprachgebrauch (S. 61 f.). 17. Durch seine Übernahme in die Fachsprache als Rechtsbegriff verfestigte sich ein praktisch gelebter Phänotyp. Dies ergibt sich vor allem daraus, dass der Gesetzgeber des TVG – wie bereits der Gesetzgeber der TVVO – den Begriff der

382

Die Ergebnisse der Untersuchung in Thesen

Gewerkschaft im Sinne einer Dynamisierung für die Weiterentwicklung des Tarifwesens offenhalten wollte. Der Umstand, dass er sich ausweislich der Gesetzgebungsgeschichte von dem Begriff der Gewerkschaft keine Probleme und Unklarheiten versprach, zeigt, dass er von einer praktischen Klarheit des Begriffes ausging, welcher durch ein gelebtes, phänotypisches Verständnis geprägt war und damit ein gefestigtes Bild in der Gesellschaft und im Arbeitsleben abbildete (S. 61 ff. und besonders die historische Darstellung ab S. 77 ff.). 18. Als Ergebnis der historischen Auslegung sind Merkmale des bestimmten Teiles des Gewerkschaftsbegriffes das Bestehen einer Vereinigung im Sinne des Art. 9 Abs. 1 GG, die Gegnerunabhängigkeit und -reinheit sowie die Unabhängigkeit von Parteien, Kirche und Staat. Ausweislich der Begriffshistorie waren es gerade diese Merkmale, die der Gesetzgeber für unerlässlich ansah, um eine effektive Interessenvertretung der Arbeitnehmer sicherzustellen (S. 84 f. sowie zur historischen Herleitung S. 61 ff.). 19. Trotz begrifflicher Überschneidungen handelt es sich bei dem Koalitions- und dem Gewerkschaftsbegriff nicht um denselben Begriff. Der Gewerkschaftsbegriff geht mit seiner jeweiligen Offenheit über denjenigen der Koalition hinaus, während der Koalitionsbegriff gemeinsamer Nenner der möglichen Koalitionsmittel ist. In ihm vereinen sich diejenigen Voraussetzungen, die übereinstimmend für alle Arten der durch Art. 9 Abs. 3 GG garantierten Betätigungsfelder erforderlich und funktional zwingend sind. Zudem differenziert der Koalitionsbegriff nicht zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmervereinigungen, während der Gewerkschaftsbegriff ein rein arbeitnehmerbezogener Begriff ist (S. 101 f.). 20. Der Gewerkschaftsbegriff ist, seiner tarifrechtlichen Prägung entkleidet, zumindest insoweit einheitlich, wie er diejenigen historischen Mitbestimmungselemente im weiteren Sinne regelt, die von Art. 9 Abs. 3 GG garantiert werden. 21. Die Tariffähigkeit in der ihr durch die arbeitsgerichtliche Rechtsprechung gegebenen Prägung ist nicht Inhalt oder Voraussetzung des Gewerkschaftsbegriffes. Die in Rechtsfortbildung an die Tariffähigkeit gestellten Voraussetzungen der Tarifwilligkeit, Anerkennung des staatlichen Tarif-, Arbeitskampfund Schlichtungsrechtes, organisatorischen Leistungsfähigkeit und Durchsetzungskraft sowie einer sozialen Mächtigkeit sind vielmehr Merkmale des tarifrechtlichen Gewerkschaftsbegriffes. Die Tariffähigkeit als Fähigkeit zum Abschluss von Tarifverträgen ist dessen Folge und Rechtsfortbildungsparameter gleichermaßen (S. 101 f.). 22. Die klassische Auslegung des Gewerkschaftsbegriffes des MitbestG fördert kein einzig mögliches Auslegungsergebnis zu Tage (S. 337 ff. mit einer Zusammenfassung der Ergebnisse; zur Auslegung selbst S. 275 ff.). Es ist nicht eindeutig ersichtlich, ob der Gesetzgeber das (einheitliche) Begriffsverständnis des

Die Ergebnisse der Untersuchung in Thesen

383

Bundesarbeitsgerichtes mitsamt seinen entsprechenden Voraussetzungen übernehmen oder ein eigenes Gewerkschaftsverständnis zugrunde legen wollte. 23. Der Wortlaut des § 7 Abs. 5 MitbestG ist nicht eindeutig, wenn er von „Gewerkschaften“ spricht. Insbesondere das Prinzip der Einheitlichkeit der Rechtsordnung kann aus methodischen Gründen nicht belastet werden. Zugunsten einer Rechtssicherheit und des gesetzgeberseitigen Strebens nach Einheitlichkeit kann allerdings der (erste) Anschein einer Übernahme des tarifrechtlichen Verständnisses erweckt werden (S. 278 f.). 24. Die systematische Eingliederung der Gewerkschaften in das Regime des Gesellschaftsrechtes sowie ihre hierdurch bedingte Funktion im mitbestimmten Aufsichtsrat legen ein von den tariflichen Gegebenheiten diametral abweichendes Gewerkschaftsverständnis nahe. Die Kompromiss- und Kooperationsidee, welche der Aufsichtsratsarbeit zugrunde liegt, wirkt sich auf die Intensität des Gegenspielerprinzips aus. Die einheitliche, weil gremiale Willensbildung schmälert das Erfordernis der Macht- und Druckausübung auf den sozialen Gegenspieler. Zudem wird die gleichberechtigte Teilhabe der Arbeitnehmervertreter an der Beschlussfassung vor allem durch die Vorschriften über das Wahlverfahren sowie die prozessualen Mechanismen des Gesellschaftsrechtes bereits in einem höheren Maße garantiert als innerhalb des TVG. Da insofern also bereits der Gesetzgeber die Parität der Interessenvertretung normativ sicherstellt, ist eine entsprechende Garantie im Wege der Rechtsfortbildung durch die Gerichte nicht mehr erforderlich (S. 290 f.). 25. Die Auswertung der Gesetzgebungsmaterialien zeigt, dass zum Zwecke der gleichberechtigten Teilhabe der Arbeitnehmer auf Unternehmensebene der Mitbestimmungsmechanismus in das bestehende Gesellschaftsrecht eingefügt werden sollte. Besonders die Auseinandersetzung mit Minderheitenrechten zeichnet ein sehr phänotypologisches Gewerkschaftsverständnis nach (S. 292 ff. mit der Entstehungsgeschichte und der Materialienexegese; zu dem Ergebnis der Auslegung S. 335 ff.). 26. Ergebnis der verfassungskonformen Auslegung ist, dass eine Gewerkschaft im Sinne des MitbestG weder tarifwillig sein noch das geltende Tarif-, Arbeitskampf- und Schlichtungsrecht anerkennen muss. Sie muss jedoch organisatorisch leistungsfähig genug sein, die ihr durch die Mitbestimmung gestellten Aufgaben zu erfüllen. Eine soziale Mächtigkeit im tarifvertraglichen Sinne ist nicht erforderlich (S. 369 ff. mit einer Zusammenfassung der Ergebnisse). 27. Das Erfordernis einer demokratischen Organisation ergibt sich bereits aus Art. 9 Abs. 3 GG und ist damit tatbestandliche Voraussetzung einer Koalition im Sinne des Art. 9 Abs. 3 GG. Dieses Erfordernis besteht somit gewerkschaftsbegriffsunabhängig und losgelöst von der (vereinzelten) Übertragung von Tariffähigkeitsvoraussetzungen (hierzu S. 193 ff.).

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Die Ergebnisse der Untersuchung in Thesen

28. Eine Tarifwilligkeit ist weder geeignet noch erforderlich, um die Garantie der Unternehmensmitbestimmung abzusichern. Überträgt man die Regelungsziele der Tariffähigkeit, wie sie im Rahmen des TVG entwickelt wurden, muss bereits gefragt werden, ob die nunmehr in der Unternehmensmitbestimmung perpetuierte Verfolgung dieses Ziels als legitim angesehen werden kann. Da die Tarifwilligkeit nicht nur pro forma bestehen darf, sondern aus Gründen des Arbeitnehmer- bzw. Mitgliederschutzes in der Satzung verankert sein muss, führt die Forderung einer Tarifwilligkeit zu einem faktischen Zwang für die Gewerkschaft, das Koalitionsmittel des Tarifvertrages zu verwenden. Da die Wahl der Koalitionsmittel den Koalitionen offensteht, ist diese Folge nicht mit der Verfassung vereinbar. Sie macht die Betätigung in der Unternehmensmitbestimmung von derjenigen in der Tarifautonomie abhängig. Überdies kann so unter Einbeziehung der kongruent bestehenden Tarifzuständigkeit die Effektivität der Gewerkschaften im tarifvertraglichen Sinne sogar konterkariert werden (S. 346 ff.). 29. Eine Anerkennung des geltenden Tarif-, Arbeitskampf- und Schlichtungsrechtes durch die Gewerkschaften ist nicht geeignet, die Funktionsfähigkeit der Unternehmensmitbestimmung zu sichern (S. 350 ff.). 30. Die Forderung einer organisatorischen Leistungsfähigkeit und Durchsetzungskraft in dem im Tarifrecht zugrunde gelegten Sinne ist bereits kein legitimes Ziel zur Funktionssicherung der Unternehmensmitbestimmung. Die maßgeblichen Merkmale und Indizien sind so streng tarifautonomiebezogen, dass eine dahingehende Verpflichtung der Gewerkschaften gegen die Koalitionsmittelfreiheit des Art. 9 Abs. 3 GG verstößt. Die Forderung einer organisatorischen Leistungsfähigkeit ist solange verhältnismäßig, wie sie erforderlich und geeignet ist, die effektive Wahrung der mitbestimmungsgesetzlichen Rechte und Pflichten durch die Gewerkschaftsvertreter sicherzustellen (S. 359 ff.). 31. Sofern eine soziale Mächtigkeit die Parität der „Sozialpartner“ herstellen soll, indem sie den Gewerkschaftsvertretern als Repräsentanten der Arbeitnehmer eine gewisse Druckausübungsfähigkeit abverlangt, ist sie nicht erforderlich. Dieses Ziel, welches mit dem Erfordernis der sozialen Macht im Tarifrecht verbunden ist, besteht zwar auch in der Unternehmensmitbestimmung fort. Es wird jedoch – anders als im TVG – im Wege des Richterrechtes in den Regelungen des MitbestG umgesetzt (S. 361 ff.). 32. Zu dem mitbestimmungsgesetzlichen Gewerkschaftsbegriff treten im Wege der verfassungskonformen Rechtsfortbildung de lege ferenda die Anerkennung des Mitbestimmungsregimes sowie die Anforderung, dass die Gewerkschaft willens und in der Lage ist, die erforderlichen Qualifikationen ihrer Vertreter sicherzustellen. 33. Die mitbestimmungsspezifische Rechtstreue ist erforderlich, um im Lichte der möglichen „Zwitterstellung“ der Gewerkschaften eine effektive Interessen-

Die Ergebnisse der Untersuchung in Thesen

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vertretung im Rahmen der Unternehmensmitbestimmung sicherzustellen (S. 371 ff.). 34. Die Verpflichtung zur Garantie fachlicher Qualifikationen seitens der Gewerkschaftsvertreter ist zu fordern, um die Funktionsfähigkeit der Aufsichtsratsarbeit zu sichern (S. 375 ff.). 35. Insbesondere aufgrund der Anerkennung der mitbestimmungsgesetzlichen Vorgaben ist keine Beschlusswilligkeit in Anlehnung an die Tarifwilligkeit zu fordern (S. 373 ff.).

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Stichwortverzeichnis Allgemeinwohl siehe Gemeinwohl Anerkennung des Mitbestimmungsrechtes 353, 371 ff., 378, 384 Anerkennung des Tarif-, Arbeitskampf- und Schlichtungsrechtes 41 ff., 350 ff., 369, 378, 384 Aufsichtsrat – Aufsichtsratsbeschluss 231 ff., 262 f., 266 – Aufsichtsratsmitglieder 211 ff., 269, 273, 353 ff., 361 – Gewerkschaftsrechte im Aufsichtsrat siehe Unternehmensmitbestimmung Auslegung 275 ff., 340 ff. – Abgrenzung von Auslegung und Rechtsfortbildung 64 ff., 85 – Auslegungsmittel 86, 97, 99 ff., 276, 338 ff. – Verfassungskonforme Auslegung 344 ff. BDA 301 f., 325, 330 BDI 302, 325, 330 Beschluss siehe Aufsichtsratsbeschluss Beschlusswilligkeit 371, 373 ff., 378 Betriebsrätegesetz 125 ff. BRG siehe Betriebsrätegesetz CGB 278, 298, 311, 325, 329, 333 f. Corporate Governance 376 siehe auch Unternehmensinteresse

Einheitlicher Gewerkschaftsbegriff 23, 26 ff., 85 ff., 102 siehe auch Gewerkschaftsbegriff Gegnerunabhängigkeit 32 ff., insbesondere 73 ff., 85, 101 – Gegnerunabhängigkeit in der Unternehmensmitbestimmung 169, 189, 278, 311, 337, 382 Gemeinwohl 222, 236 f., 264, 273 – Gemeinwohlbindung 162, 255 ff. 265 f., 268, 270 – Gemeinwohlverpflichtung 263 ff. Gewerkschaftsbegriff 23 f., 26 ff., 78 f., 85 ff., 88, 93, 101 ff. – als unbestimmter Rechtsbegriff 104 f. – einheitlich siehe Einheitlicher Gewerkschaftsbegriff – im MitbestG siehe mitbestimmungsgesetzlicher Gewerkschaftsbegriff 99, 137, 275 ff., 378 Koalitionsbegriff 26 ff., 102, 187, 193, 380, 382 Kollektive Koalitionsfreiheit – Gewährleistungsgehalt der kollektiven Koalitionsfreiheit 236 ff. – historische Entwicklung der kollektiven Koalitionsfreiheit 167 ff., 206 Leistungsverwaltung siehe Sozialstaatsprinzip

Demokratische Organisation 27 ff., 193 ff., 274, 380 siehe auch Koalitionsbegriff DGB 131, 133, 240, 278, 293, 295, 301, 312, 325, 329 f., 374 Durchsetzungsfähigkeit siehe organisatorische Leistungsfähigkeit

Mitbestimmung siehe Unternehmensmitbestimmung und siehe Parität – Grundgedanke der Mitbestimmung 106 ff. Mitbestimmungsgesetzlicher Gewerkschaftsbegriff 99, 137, 275 ff., 378

Einheit der Rechtsordnung 104 f.

Negative Koalitionsmittelwahlfreiheit 272 ff., 348 ff., 369, 381

86 f., 94 ff., 99,

Stichwortverzeichnis Ordnungsaufgabe siehe Ordnungsfunktion Ordnungsfunktion 48, 49, 164, 237, 253 ff. Organisatorische Leistungsfähigkeit 40, 43, 359, 360 ff., 370 Parität – als Funktionselement 207 ff. – als Verfassungsprinzip 28, 37, 47, 54 ff., insb. 137 ff., 198 ff. – in der Unternehmensmitbestimmung 361 ff., insb. 368 f. Räte siehe Rätesystem Rätesystem 123, 124, 125 ff., 147, 175 ff., 177 ff., 184 ff., 191 ff., 206 ff. 236, 241 f. Rechtsfortbildung siehe Auslegung Rechtstreue siehe Anerkennung des Tarifvertrags-, Arbeitskampf- und Schlichtungsrechts und siehe Anerkennung des Mitbestimmungsrechtes Reichswirtschaftsräte siehe Rätesystem Richtigkeitsgewähr 69, 90 Richtigkeitsvermutung siehe Richtigkeitsgewähr Soziale Mächtigkeit 45 ff., 37, 277, 337, 361 ff., 383, 384, Sozialstaatsprinzip 143 f., 145 ff., 151 ff., 156 ff., 161, 248, 273 Stinnes-Legien-Abkommen 62, 68 f., 70, 71 f., 120, 168, 197, 271

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Tariffähigkeit – Bestandteil des Gewerkschaftsbegriffes 101 ff. – Merkmale der Tariffähigkeit 36 ff. Tarifwilligkeit 37, 39 ff., 71, 275, 346, 348 ff., 360, 369, 374, 378, 382, 384, 385 TVVO 63, 67, 68 ff., 76, 88 f., 100, 121 f., 191 ff., 236, 345, 281 Unternehmensinteresse 217 ff., 226 ff., 269, 281 f., 291, 308, 336, 351 f., 356 f., 371 f., 375 siehe auch Corporate Governance Unternehmensmitbestimmung – als Gewährleistung der Koalitionsfreiheit 166 ff., 187, 196 ff., 379 – einfachgesetzliche Ausgestaltung der Unternehmensmitbestimmung 201 ff. – Entwicklung der Unternehmensmitbestimmung 106 ff., 131, 291 ff. – Gewerkschaftsrechte in der Unternehmensmitbestimmung 33, 208, 214 ff. – Verhältnis zu Tarifautonomie und betrieblicher Mitbestimmung 106, 133 ff., 178, 183, 187, 187, 204, 206, 209, 245, 380 Verfassungskonforme Auslegung siehe Auslegung Wirtschaftsrat siehe Rätesystem