Der »Geistliche Würtz= Kräuter= und Blumen=Garten« des Christoph Schütz: Ein radikalpietistisches »UNIVERSAL-Gesang=Buch« 9783666558351, 352555835X, 9783525558355


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German Pages [352] Year 2006

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Der »Geistliche Würtz= Kräuter= und Blumen=Garten« des Christoph Schütz: Ein radikalpietistisches »UNIVERSAL-Gesang=Buch«
 9783666558351, 352555835X, 9783525558355

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Arbeiten zur Geschichte des Pietismus Im Auftrag der Historischen Kommission zur Erforschung des Pietismus Herausgegeben von Martin Brecht, Christian Bunners und Hans-Jürgen Schrader

Band 49

Vandenhoeck & Ruprecht

Konstanze Grutschnig-Kieser

Der »Geistliche Würtz= Kräuter= und Blumen=Garten« des Christoph Schütz Ein radikalpietistisches »UNIVERSAL-Gesang=Buch«

Vandenhoeck & Ruprecht

Meiner Mutter Sonja Kieser (1929–1995) zum Gedenken

Die vorliegende Arbeit wurde vom Fachbereich 16 Geschichtswissenschaft der Johannes Gutenberg-Universität Mainz im Jahr 2004 als Dissertation zur Erlangung des akademischen Grades eines Doktors der Philosophie (Dr. phil.) angenommen.

Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar. ISBN 10: 3-525-55835-X ISBN 13: 978-3-525-55835-5

Umschlagabbildung: Titelblatt des ersten Bandes des Geistlichen Würtz= Kräuter= und Blumen=Gartens, Homburg v.d.H. 1738 (Reproduktion nach dem Exemplar der SUB Göttingen).

© 2006, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen Internet: www.v-r.de Alle Rechte vorbehalten. Das Werk einschließlich seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Hinweis zu § 52a UrhG: Weder das Werk noch seine Teile dürfen ohne vorherige schriftliche Einwilligung des Verlages öffentlich zugänglich gemacht werden. Dies gilt auch bei einer entsprechenden Nutzung für Lehr- und Unterrichtszwecke. Printed in Germany. Druck und Bindung: Hubert & Co., Göttingen. Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier.

Inhalt

Vorwort ...................................................................................................

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Einleitung ................................................................................................

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1. 2. 3. 4.

Zu den Begriffen Pietismus und radikaler Pietismus ................... Singen im Pietismus ..................................................................... Wege und Ziele der vorliegenden Arbeit ..................................... Forschungslage .............................................................................

9 12 18 21

I. Der Typus des Universalgesangbuchs.............................................. 1. Begriffsdefinition universal .......................................................... 2. Das Universalgesangbuch............................................................. 2.1 Historische Verwendung des Begriffs ................................. 2.2 Enzyklopädische Universalgesangbücher............................ 2.3 Utilitaristische Universalgesangbücher ............................... 2.4 Geographische Universalgesangbücher............................... 2.5 Definition des Universalgesangbuchs .................................

33 33 36 36 39 53 63 77

II. Der Geistliche Würtz= Kräuter= und Blumen=Garten als Beispiel eines Universalgesangbuchs ............................................................. 1. Der Titel und die Vorreden des Geistlichen Würtz= Kräuter= und Blumen=Gartens ................................................................... 2. Verzeichnis derer Gesang= und Poetischen Bücher – zur Einordnung der Quellensammlung......................................... 2.1 Kirchen- und Hausgesangbücher ......................................... 2.2 Poetische und Liederbücher gewisser Autoren.................... 3. Die Anlage und Register des Geistlichen Würtz= Kräuter= und Blumen=Gartens ..........................................................................

84 85 104 111 113 116

4. Analyse des Liedkorpus................................................................ 123 4.1 Grund und Fundament – die Lieder im ersten Band........................................................................... 123 4.2 Ernstliche Zeugnüsse – kirchenkritisches und radikalpietistisches Liedgut im zweiten Band ..................... 138

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Inhalt

4.3 Der Spagat zwischen orthodoxen und radikalpietistischen Dichtungen – die Lieder im dritten Band ............................ 150 4.4 Aus dem Hallischen, Freylinghausischen Gesang=Buch genommen – das Liedgut des vierten Bandes ............................................................... 160 4.5 Der fünfte Band – Ergänzungen und Abschluß des ersten Teils..................................................................... 163 5. Résumée: Ein radikalpietistisches Universalgesangbuch............. 172 III. Der Geistliche Würtz= Kräuter= und Blumen=Garten im Kontext des radikalpietistischen Kommunikationsnetzes .............................. 174 1. Merkmale der radikalpietistischen Buchproduktion .................... 2. Die Produktionsbedingungen des Geistlichen Würtz= Kräuter= und Blumen=Gartens ................................................................... 2.1 Der Herausgeber Christoph Schütz...................................... 2.2 Die Religionspolitik der Landgrafen von HessenHomburg .............................................................................. 2.3 Die Druckereien in Homburg in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts ................................................................... 2.3.1 Die hebräischen Druckereien und Verlage .......................... 2.3.2 Die Hochfürstliche Hof und Cantzley-Buchdruckerei......... 2.3.3 Auswertung der Geschäftsbücher und Akten ...................... 2.4 Die Homburger Gesangbücher von 1734 bis 1740.............. 2.5 Der Geistliche Würtz= Kräuter= und Blumen=Garten ...... 3. Die radikalpietistische Buchproduktion in Homburg...................

175 181 181 224 230 232 235 242 249 263 276

Ausblick .................................................................................................. 277 1. Zum pietistischen Singen.............................................................. 277 2. Der Geistliche Würtz= Kräuter= und Blumen=Garten als Ende der radikalpietistischen Gesangbucharbeit? ................................. 284 Anhang .................................................................................................... 289 Quellen- und Literaturverzeichnis........................................................... 305 Personenregister ...................................................................................... 339

Vorwort

Diese Studie ist die überarbeitete Fassung meiner Dissertation, die 2003 vom Fachbereich Geschichtswissenschaften der Johannes GutenbergUniversität Mainz angenommen wurde. Sie wurde durch ein dreijähriges Stipendium der Deutschen Forschungsgemeinschaft im Rahmen des Graduiertenkollegs Geistliches Lied und Kirchenlied interdisziplinär gefördert. Meinem Doktorvater Professor Stephan Füssel danke ich für die Betreuung der Arbeit. Mein Dank gilt auch Professor Hermann Kurzke, der mein Vorhaben als Leiter des Graduiertenkollegs begleitete und das Korreferat anfertigte. Insbesondere die Diskussionen in den interdisziplinären Oberseminaren sowie die Fragen der anderen Stipendiaten haben meine Untersuchungen immer wieder befördert und weitergebracht. Nützlich für meine Arbeit waren außerdem die intensiven Gespräche mit den Referenten auf den hymnologischen Tagungen zum Genfer Psalter in Emden sowie zum Freylinghausenschen Gesangbuch. Den Zugang zur Pietismusforschung eröffnete mir Professor Hans Schneider. Er lud mich zum Treffen der Nachwuchsforscher der Historischen Kommission für Pietismusforschung ein und ermöglichte es mir dadurch, mein Projekt in diesem Rahmen vorzustellen sowie zahlreiche Kontakte zu knüpfen. Vor allem Herrn Professor Hans-Jürgen Schrader danke ich für seine kritische Hilfestellung und vielfältigen Anregungen. Die Aufnahme in die Arbeiten zur Geschichte des Pietismus verdanke ich ihren Herausgebern, Herrn Professor Martin Brecht, Dr. Christian Bunners und Herrn Professor Hans-Jürgen Schrader. Für den Zuschuß zu den Druckkosten, durch den die Veröffentlichung in dieser Form erst möglich wurde, bedanke ich mich bei der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau, meinem Schwiegervater Karl Grutschnig und dem Magistrat der Stadt Bad Homburg v.d.H. Zu danken habe ich nicht zuletzt allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der von mir genutzten Bibliotheken und Archiven, insbesondere der Bibliothek der Franckeschen Stiftungen Halle, der Hessischen Hochschul- und Landesbibliothek Darmstadt und der Württembergischen Landesbibliothek Stuttgart.

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Vorwort

Meinem Vater Harro Kieser danke ich herzlich für seine vielfältige Unterstützung während meines Studiums und während der Entstehung meiner Dissertation. Für das Korrekturlesen und die Hilfe beim Layout danke ich Gisela Grutschnig, Anne Harzer, Carsten Jäcker, Lothar Jäcker, Ursula Jäcker sowie meinem Mann Thilo Grutschnig. Karlsruhe, 20. November 2005

Konstanze-M. Grutschnig-Kieser

Einleitung

1. Zu den Begriffen Pietismus und radikaler Pietismus »Die inhaltliche Neubestimmung des Pietismus in den letzten vierzig Jahren hat Johannes Wallmann in der Formel vom ›Pietismus im engeren und im weiteren Sinne‹ zusammengefaßt.1 Die dieser Untersuchung zugrunde liegende Definition schließt sich an den engen Pietismus-Begriff an. Demnach ist der deutsche Pietismus eine religiöse Erneuerungsbewegung in der lutherischen und reformierten Kirche im letzten Drittel des 17. und der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts, die Anregungen ausländischer Reformbestrebungen und die Kritik an der Institution Kirche aufnahm und sich durch die Einrichtung von Konventikeln sowie der Förderung der praxis pietatis auszeichnete. Die Frömmigkeit zeigte sich in der individuellen Lebensführung, die – geprägt durch Ablehnung einer weltlichen Lebensweise und Askese – zuerst zur Wiedergeburt und dann zur Heiligung des Menschen führen sollte, in dem Besuch der collegia pietatis, in welchen man sich zur religiösen Erbauung zusammenfand, sowie der Lektüre der Bibel und Andachtsliteratur.« Die pietistische Bewegung, die sowohl die kirchennahen Pietisten als auch die radikalen Pietisten umfaßte, war trotz unterschiedlicher Lehren und der Beurteilung der Institution Kirche durch einen Kern gemeinsamer Anschauungen, das Gruppenbewußtsein, die Eigenkultur, die pietistische Sonderterminologie sowie ein enges Kommunikationsnetz geeint. Die zwei Hauptkriterien zur Definition des radikalen Pietismus sind Heterodoxie und Separation. Die orthodoxen Theologen grenzten die Radikalpietisten aufgrund ihrer heterodoxen Vorstellungen als Häretiker aus. In einer gegenläufigen Bewegung sonderten sich die meisten Radikalpietisten von der Kirche ab. Obwohl diese Kategorien nicht immer eindeutig sind, sind sie von den Kirchenhistorikern übernommen worden. Hans Schneider –––––––––– 1 Unter »Pietismus im weiteren Sinne« versteht J. Wallmann die Frömmigkeitsbewegung des 17. Jahrhunderts, die auf Johann Arndt zurückgeht. Auf eine ausführliche Darstellung der Diskussion um den Pietismus-Begriff wird hier aus Platzgründen verzichtet. Zum »engeren und weiteren Pietismus« vgl. Wallmann: Pietismus, 26. Zur jüngsten Diskussion um den Pietismusbegriff vgl. die Beiträge von J. Wallmann und H. Lehrmann in Pietismus und Neuzeit. Lehmann: Pietismusbegriff; Wallmann: Alternative Geschichte des Pietismus; Wallmann: Pietismus ein Epochenbegriff.

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Einleitung

weist auf die Unzulänglichkeiten der Kriterien hin.2 Als Beispiel führt er an, daß viele Persönlichkeiten zwischen dem radikalen und dem kirchlichen Pietismus stehen, weil sie entweder als Vertreter heterodoxer Lehren in den kirchlichen Dienst zurückgekehrt sind (z.B. Gottfried Arnold, Johann Heinrich Horche) oder sich dezidiert auf Luther und damit orthodoxe Lehren bezogen, oder weil einzelne Persönlichkeiten, die selbst dem kirchlichen Pietismus zuzuordnen sind, im Meinungsaustausch mit radikalen Pietisten standen und sie unterstützten (z.B. Benigna von Solms-Laubach, Henriette Catharina von Gersdorf). Auch das Kriterium der Separation ist nicht eindeutig.3 Bereits die collegia pietatis selbst bildeten eine Vorstufe der Separation, da sich einige Auserwählte von dem übrigen Teil der Gemeinde absonderten. Die Ablehnung der Kirche konnte auch ohne Bezug auf heterodoxe Lehren eine Reaktion auf Mißstände in einer Gemeinde sein, allerdings ging dies oft mit einem nicht orthodoxen Verständnis von Kirche einher. Andere Gründe, die eine Separation förderten und schließlich zu einer Emigration in tolerante Herrschaftsgebiete oder nach Nordamerika führen konnten, waren Verfolgungen durch die Obrigkeit oder ein elitäres Gruppenbewußtsein. Der radikale Pietismus hat kein systematisches theologisches System entwickelt, vielmehr wurden eklektizistisch eine Reihe unterschiedlicher Traditionen aufgegriffen und verbreitet.4 Der große Einfluß der englischen Philadelphier führte in Deutschland zu einer weiten Verbreitung der böhmistisch-philadelphischen Anschauungen und zur Angleichung innerhalb der radikalpietistischen Gedankenwelt.5 Die philadelphisch geprägten Radikalpietisten sind trotz ihrer engen Verbindungen untereinander und eines weitgehend gemeinsamen Gedankenguts nicht als eine religiöse Gemeinschaft zu verstehen. Zwar gab es verschiedene Versuche, alle Separatisten in einer philadelphischen Gemeinde zu versammeln, aber es entstand keine umfassende Organisation. –––––––––– 2 Schneider: Pietismus im 18. Jh., 110. 3 Vgl. Schneider: Neuere Forschung, 134–138. 4 Hans-Jürgen Schrader führt folgende Quellen auf: »Das spekulative Ideengut und der asketische Rigorismus, die ursprünglich auf biblische Bücher [...], auf neuplatonische frühchristliche und kabbalistische Traditionen, auf mittelalterliche und frühneuzeitliche Mystik, Eschatologie, Kosmologie und Alchimie, auf Lehren vom ›linken Flügel‹ der Reformation (v.a. Kaspar Schwenckfeld, Valentin Weigel) zurückgehen und bei den Spiritualisten des 17. Jahrhunderts wie Jakob Böhme, Abraham von Franckenberg, Quirin Kuhlmann oder Johann Georg Gichtel, bei Kirchenkritikern wie Johann Arndt, Paul Felgenhauer, Christian Hoburg oder Friedrich Breckling vielfältig vermittelt aufgegriffen und weitergedacht worden sind, gehören aber – neben entscheidenden Anregungen aus der innerkirchlichen Tradition – zweifellos wirkmächtig mit in die geistige Ahnenreihe des Pietismus.« Schrader: Literaturproduktion und Büchermarkt, 61. 5 Dazu gehören Makrokosmos-Mikrokosmos-Spekulationen, Vorstellung von der himmlischen Sophia und eschatologische Heilslehren wie die Lehren vom Tausendjährigen Reich und dem mittleren Zustand der Seelen nach dem Tode. Schneider: Pietismus im 17. Jh., 406.

Einleitung

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Statt dessen entwickelten die radikalen Pietisten verschiedene Formen religiöser Gemeinschaften von formal ungebundenen Versammlungen über verfaßte Bruderschaften bis hin zu Sozietäten und Gemeinden. Allerdings ist dieses Kriterium der Gemeindebildung nur eingeschränkt für eine Definition anwendbar, da das Aufkommen festgefügter Gemeinden innerhalb des radikalen Pietismus erst ein Phänomen des 18. Jahrhunderts ist und sich nur ein Teil der Separatisten diesen Gruppen anschloß.6 Die Anhängerschaft des Radikalpietismus ist nicht einer sozialen Schicht zuzuordnen, es lassen sich Handwerker, Akademiker, aber auch Adelige nachweisen. Schneider vermutet daher zurecht, daß es insbesondere Angehörige derjenigen gesellschaftlichen Gruppen waren, die durch die wirtschaftlichen und sozialen Veränderungen am meisten betroffen und äußerst mobil waren, so beispielsweise der Handwerkerstand, der sich in der Konkurrenz zu den Manufakturen behaupten, oder der verarmte Adel, der seine gesellschaftliche Position neu bestimmen mußte.7 Die Existenzängste dieser Gruppen könnten die große Bedeutung erklären, die der Eschatologie im radikalen Pietismus zukam.8 Durch die Übersetzung der Schriften böhmistischer Philadelphier wurde apokalyptisch-chiliastisches Gedankengut an den radikalen Pietismus vermittelt. Dadurch wurde die Naherwartung des Tausendjährigen Reiches und die endzeitlichen Spekulationen forciert. Die gesellschaftlich-politischen Wirkungen des radikalen Pietismus beruhen auf der Forderung nach politischer, sozialer und religiöser Toleranz. Innerhalb des radikalen Pietismus wurden die ständischen Grenzen aufgehoben, was sich in der nivellierenden Anrede Bruder bzw. Schwester oder den unstandesgemäßen Heiraten von adligen Frauen und bürgerlichen Männern zeigt. In einzelnen Territorien entstanden religiöse Freiräume, entweder weil die Radikalen die Fürsten für ihre Ideen gewinnen konnten oder weil man ihnen im Zuge wirtschaftlicher Überlegungen Toleranz zugestand.9 Damit wurde zumeist auch die in erster Linie religiös motivierte Zensur gelockert, und so konnten radikale Schriften verlegt werden.10 Darüber hinaus überwanden die radikalen Pietisten die konfessionellen –––––––––– 6 Ders.: Pietismus im 18. Jh., 108–109. Zu Beginn des 18. Jahrhundert formierten sich die Buttlarsche Rotte, die Schwarzenauer Neutäufer und die Inspirierten. 7 Ders.: Pietismus im 17. Jh., 397–398. 8 Ebd., 395. 9 Großzügiges Asyl boten der Graf Carl August von Ysenburg-Marienborn, Graf Ernst Casimir von Ysenburg-Büdingen, Gräfin Hedwig Sophie von Sayn-Wittgenstein-Berleburg und Graf Heinrich Albrecht von Sayn-Wittgenstein-Hohenstein. Vgl. Schneider: Pietismus im 18. Jh., 123– 124, 130–131. 10 Als Johann Jacob Haug seinen Verlag 1722 nach Berleburg verlegte, wurde die Residenz zum Zentrum der radikalpietistischen Bücherproduktion. Hier erschienen u.a. die Geistliche Fama 1730–1744 und die Berleburger Bibel, 8 Bde, 1726–1742. Wallmann: Pietismus, 173.

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Auseinandersetzungen, da das Ziel, alle Erweckten zu sammeln, höher gewertet wurde als die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Konfession. Durch Separation entzogen sie sich der Sozialkontrolle durch Kirche und Gemeinde, den staatlichen Repressalien konnten sie durch Emigration entgehen. Auf literarischem Gebiet liegt die Bedeutung des radikalen Pietismus in der Publikation zahlreicher Druckwerke, die Eingang in alle sozialen Schichten fanden. Die Sorge um das Seelenheil förderte insbesondere in den bisher lektüreungewohnten Mittel- und Unterschichten zum einen das individuelle Lesen, zum anderen regte sie zum Publizieren eigener Erfahrungen an.11

2. Singen im Pietismus »Wir haben uns wol recht glückselig zu schätzen/ daß wir in unserer Evangelischen Kirche/ bey diesen Zeiten sonderlich/ manches schönes Lied haben/ welches zur Erweckung wahrer Busse einen grossen Trieb/ und zum wahren Erkäntnis GOttes ein grosses Licht geben/ und welches uns/ im Glauben und gottseligen Wesen zu wachsen und zu verharren/ ein kräftiges Mittel seyn kan. Wir singen also bey unsern Zeiten die Erfüllung dessen/ was der 7de Vers des 87sten Psalms verspricht: Und die Sänger wie am Reigen werden alle in dir singen/ eins ums ander.«

Dieses Zitat von Ambrosius Wirth belegt die große Wertschätzung, die den geistlichen Liedern und dem Singen für die Frömmigkeit im Pietismus zugebilligt wurde.12 Neben dem Singen gehört die Lektüre von Erbauungsliteratur und das Gebet zu den Übungen der privaten praxis pietatis, die bereits in der Frömmigkeitsbewegung des 17. Jahrhunderts gepflegt und durch den Pietismus aufgegriffen wurden. Während die private Frömmigkeit vorher ihren Ort in der Hausandacht hatte und auf die Angehörigen eines Haushaltes beschränkt war, entstanden im Pietismus mit den collegia pietatis Konventikel, in denen sich eine größere Gruppe frommer Christen zum Singen, Beten und Lesen der Bibel oder Erbauungsliteratur zusammenfanden. Dabei fand die Erfahrungsbetontheit der pietistischen Frömmigkeit in den emotionalisierten Liedtexten und Melodien des 17. Jahrhunderts ihre Entsprechung und damit ein äquivalentes Ausdrucksmittel.13 Vor allem die Lieddichtungen und der Liedgesang wurden zu einem so herausragenden Merkmal der pietistischen Frömmigkeit, daß der Pietismus –––––––––– 11 Schneider: Pietismus im 18. Jh., 169. 12 Zur Einordnung des Pietismus in die Musikgeschichte vgl. Bunners: Pietismus und musikalische Kultur; Ders.: Musik. 13 Bunners: Gesangbuch.

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auch als Lieder- oder Singebewegung charakterisiert werden kann.14 Nach Christian Bunners liegt der Bevorzugung des Liedes gegenüber der Figuralmusik der Gedanke der Beteiligung aller Laien zugrunde.15 So sollte die musikalische und poetische Konzeption eines Liedes auch für den musikalisch ungebildeten Menschen nachvollziehbar sein, und der Gesang konnte auch unabhängig von der Institution Kirche im privaten Kreis oder Konventikel gepflegt werden. Darüber hinaus hatte das Singen in der Gruppe eine gemeinschaftsbildende Funktion und grenzte ihre Mitglieder nach außen hin ab. Mit den neuen geistlichen Dichtungen änderte sich auch der Charakter und Inhalt der Lieder: in den Vordergrund rückten die Themen der unmittelbaren Gotteserfahrung oder der Vereinigung mit Jesus. Durch die Verschränkung dieser Texte mit der musikalischen Selbsterfahrung entstand eine Liedfrömmigkeit, die auf innerseelisches oder mystisches Musikerleben zielte. Während die Lieder im lutherisch-orthodoxen Gottesdienst vor allem der Vermittlung von Glaubenswahrheiten dienten und in die kollektiven Vollzugsformen eingebunden waren, fand nun ein Paradigmenwechsel zu einem vermehrt individuellen und emotionalen Singen statt. Im Pietismus wurden nicht nur die neu gedichteten Gesänge und Melodien, sondern auch ältere Lieder und Weisen gepflegt. So behielten die Lieder der Reformationszeit und des frühen 17. Jahrhunderts ihren Platz in den pietistischen Gesangbüchern, wurden aber durch pietistische Dichtungen ergänzt. Rainer Bayreuther hebt hervor, daß wechselseitig ältere Texte auf neue Melodien oder neuere Lieddichtungen auf bekannte Kirchenliedweisen gesungen wurden.16 Neben dieser Aneignung älterer Gesänge durch moderne Melodien wurden die Texte im pietistischen Sinne geändert oder aufgrund der pietistischen Vorstellungen in einem neuen Sinn interpretiert. Durch diesen Vorgang der »applikativen Rezeption« oder »Konkretisation«, der nach Bayreuther prinzipiell in jeder Hausandacht und in jedem pietistischen Gottesdienst ablief, wurde überprüft, welche Sinn- und Empfindungsstrukturen der tradierten Lieder noch gültig waren und daher übernommen werden konnten bzw. welche nicht mehr nachvollziehbar waren und angepaßt werden mußten.17 –––––––––– 14 Ebd., 122. 15 Für den folgenden Abschnitt vgl. Bunners: Pietismus und kirchliches Lied. 16 Bayreuther: Perspektiven einer Parodiegeschichte. 17 Den Höhepunkt dieser Entwicklung bildet das »assoziative Singen« in der Herrnhuter Brüdergemeine. Ausgehend von der Tageslosung hängte Nikolaus Ludwig Graf von Zinzendorf Liedverse und Liedzeilen aneinander. Durch dieses Verfahren entstand eine Singpraxis, die den Aufbau von Liedern und die Strophenform überwand. Grutschnig-Kieser: Jesu Schäflein. Friedrich de Boor konstatiert in seinem Aufsatz über Anna Maria Schuchart, die während ihrer Ekstasen gesungen und gedichtet hat, einen assoziativen Umgang mit vorgegebenen Texten. Von den alten Liedern, die während der Ekstase von den umstehenden Personen gesungen wurden, hätte die Sängerin nicht deren ursprüngliche Intention erfaßt, vielmehr lösten die einzelnen Worte bestimm-

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Einleitung

Das Nebeneinander »alter« und »neuer« Lieder charakterisiert auch die pietistischen Gesangbücher. Bereits auf dem Titelblatt seines Gesangbuchs betont Johann Anastasius Freylinghausen, das »Geistreiche Gesangbuch« enthalte »den Kern alter und neuer Lieder«.18 Dennoch handelt es sich hier nicht um ein additives Verfahren, bei dem die alten Gesänge nur durch neue Dichtungen ergänzt wurden, sondern um eine Zusammenstellung nach dem Kriterium des Geistreichen bzw. der Inspiriertheit.19 Diese Lieder sind insofern als pietistische Lieder anzusprechen, als sie Erweckungslieder sind, die das Anbrechen eines neuen heilsgeschichtlichen Zeitalters propagieren.20 Die bisher gemachten Ausführungen lassen darauf schließen, das pietistische Singen sei vor allem durch eine spezifische Singkultur zu definieren, als deren wichtigste Kriterien das Singen im Konventikel, die Beteiligung aller Laien und ein innerseelisches Musikerleben gelten können. Inwieweit darüber hinaus das pietistische Lied näher bestimmt werden kann, ist in der neueren Forschung umstritten. Gudrun Busch und Wolfgang Miersemann fassen die Diskussion, die anläßlich der Tagung zum Thema Halle und das pietistische Lied stattfand, wie folgt zusammen: »Das pietistische Lied im Sinne einer stilistisch fest umrissenen Erscheinung – so eine durch den Meinungsaustausch vertiefte Einsicht – gibt es nicht«.21 Ebenso wie der Pietismus als Reformbewegung an die Frömmigkeitsbewegung des 17. Jahrhunderts anknüpfe, stehe auch seine Liedkultur in dieser Tradition. So gehörten vor allem geistliche Barocklieder und Gesänge wie z.B. von Angelus Silesius, Johann Rist oder Paul Gerhardt zum Repertoire pietistischer Gesangbücher und seien durch sie popularisiert worden. Bereits August Langen hat in seiner Untersuchung zum Wortschatz des pietistischen Kirchenliedes festgestellt, daß die verwendeten Wörter mit wenigen Ausnahmen der religiösen und mystischen Barockdichtung entnommen seien und kaum ein Wort spezifisch pietistischen Charakter trage.22 Christian Bunners betont die Kontinuität zwischen der Frömmigkeitsbewegung und dem Pietismus für den Bereich des Gesangbuchs.23 Als –––––––––– te Empfindungen und Bilder aus, die dann zu »neuen« Reimen führten. Aus diesem Grunde sei ihre Sprache weitgehend durch biblische Metaphern und Bilder der Erbauungsliteratur der Zeit geprägt. Boor: Auftreten der »pietistischen Sängerin«. 18 Freylinghausen (Hg.): Geist=reiches Gesang=Buch, 1704. 19 Suvi-Päivi Koski erläutert: »›Alte‹ und ›neue‹ Lieder gehören bei ihm [Johann Anastasius Freylinghausen] also zusammen; was geschichtlich alt ist, kann doch neu sein.« Koski: Lied Mosis, 195. 20 Busch/Miersemann: Einleitung, 4. 21 Ebd. Dieser Meinung schließt sich auch Rainer Bayreuther an. Bayreuther: Parodiegeschichte, 238–240. 22 Langen: Wortschatz des deutschen Pietismus. 23 Bunners: Gesangbuch, 123–124.

Einleitung

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Arbeitshypothese schlägt er vor, von einem pietistischen Gesangbuch zu sprechen, wenn eine Liedersammlung zu Persönlichkeiten oder Erscheinungen des Pietismus genetisch, inhaltlich, poetisch-musikalisch oder funktional in besonderer Beziehung gestanden habe. Die in solchen Sammlungen mitpublizierten Teile des überlieferten Repertoires seien in einem produktiven Neuverstehen der Tradition aus pietistischem Geist mitbegründet. Der Begriff des pietistischen Liedes bzw. der pietistischen Poesie kann aber auch auf die in der Epoche des Pietismus entstandene Lyrik begrenzt und im Kontext der pietistischen Literatur behandelt werden. Hans-Georg Kemper stellt in seiner Lyrikgeschichte den Pietismus als geistesgeschichtliche Epoche dar und erläutert wichtige Vorstellungen anhand poetischer Beispiele.24 Problematisch an diesem Epochenbegriff ist allerdings, daß pietistische Autoren wie Gerhard Tersteegen und Nikolaus Ludwig von Zinzendorf aus sachlichen Gründen im Kontext der Empfindsamkeit behandelt werden.25 Der maßgebliche Einfluß, den die pietistische Massenliteratur auf die literarischen und sprachlichen Innovationen im 18. Jahrhundert ausgeübt hat, ist in der Literaturwissenschaft unumstritten.26 Dabei belegen die Biographien der wichtigen Vertreter der Empfindsamkeit und des Sturm und Drang, daß die Dichter im Elternhaus oder in Bildungsinstitutionen mit pietistischen Vorstellungen in Berührung kamen bzw. im pietistischen Geist erzogen wurden. Dazu gehören u.a. Bodmer, Lessing, Lichtenberg, Wieland, Klopstock, Herder, Goethe und Schiller. Die Wirkungen säkularer Umformungen von pietistischem Gedankengut sind z.B. in der neuen Bedeutung des Individuums, seiner Seelenregungen und Orientierungsprobleme ablesbar, wie sie den Entwicklungsroman seit Wielands Agathon prägten. Darüber hinaus förderten die Propheten der wahren Inspirationsgemeinde mit ihrem Sendungsbewußtsein und der Kritik an Normen das Entstehen des Genie-Kults; und der Enthusiasmus in der Frömmigkeit wurde auf neue Bereiche wie Natur, Freundschaft, Liebe und Vaterland übertragen.27 Im Bereich der Sprache wirkte der Pietismus in einer stark von pietistischen Metaphern durchsetzten dynamischen Empfindungssprache fort. In diesem Zusammenhang hebt Hans-Jürgen Schrader die literaturwis–––––––––– 24 Kemper: Deutsche Lyrik, 1–6,2. 25 Ebd., 5,1, XI. 26 Vgl. für den folgenden Abschnitt: Schrader: Pietismus. 27 Ulf-Michael Schneider untersucht in seiner Dissertation das Selbstverständnis der Propheten der »wahren« Inspirationsgemeinde und seinen Einfluß auf die Vorstellung des »Genies« in der Zeit des Sturm und Drang. Schneider: Propheten. Als eine der Wurzeln des säkularen Freundschaftskults stellt Kemper die aus der pietistischen Frömmigkeit stammenden Formen der »Gesinngs-Freundschaft« sowie der individuell-affektiven Herzens-Freundschaft dar. Kemper: Himmel auf Erden.

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senschaftliche Bedeutung der Literatur aus dem separatistischen und radikalpietistischen Umfeld hervor. »Die poetisch-poetolog[ische] Innovation wächst weit eher aus der ungeschützteren Konsequenz, aus der myst[ischen] Inbrunst spekulativer u[nd] ekstat[ischer] Eingebungen, aus der als göttlich inspiriert begriffenen Sprachgewalt der radikalen Einzelgänger hervor.«28

Als wichtige Vertreter der pietistischen Lyrik nennt er Gottfried Arnold, Joachim Neander, Gerhard Tersteegen, Conrad Beissel, Eberhard Ludwig Gruber und Nikolaus Ludwig Graf von Zinzendorf. Strophisch aufgebaute und gereimte Texte werden erst durch eine Melodie zum Lied. Aus diesem Grund soll hier auch kurz auf die musikalische Seite pietistischen Singens eingegangen werden.29 Wie oben bereits erwähnt, griff man bei pietistischen Texten teilweise auf ältere Melodien zurück, teilweise wurden sie mit neuen Kompositionen versehen. In dem ersten Gutachten zum Geist=reichen Gesang=Buch des Johann Anastasius Freylinghausen kritisierten die Wittenberger orthodoxen Theologen vor allem die »hüpffenden/ springende dactylische Lieder/ welche mehrentheils mit ungeistlichen und fast üppigen Melodeyen versehen sind«.30 Damit werden als Kennzeichen dieser Lieder neben dem daktylischen Versfuß vor allem die Melodien im Tripeltakt und die Dreiklangssprünge in der Melodieführung hervorgehoben. Wie die Untersuchungen von Dianne Marie McMullen ergeben haben, weisen diese Melodien tatsächlich Gemeinsamkeiten mit der zeitgenössischen Tanzmusik, vor allem dem Menuett auf. Aber auch andere musikalische Neuerungen, wie die Lullysche Opernarie, wurden von den pietistischen Komponisten aufgegriffen. Die Vertonungen im Stil des ariosen Sololiedes, dessen Charakter noch durch die Beigabe des Generalbasses verstärkt wurde, zeigen nach Bunners das Streben nach individuellem Ausdruck. Parallel dazu sind im Geist=reichen Gesang=Buch auch schlichtere Melodien zu finden, die von größeren Gruppen gesungen werden konnten und für breite Schichten der Bevölkerung musikalisch nachvollziehbar waren. Beide Tendenzen bestimmen die pietistischen Liedmelodien. Über die pietistische Singpraxis gibt es noch keine erschöpfenden Forschungsergebnisse. Neben dem Gemeindegesang im Gottesdienst hatte man –––––––––– 28 Schrader: Pietismus, 211. 29 Bunners: Pietismus und und kirchliches Lied, 230–232; McMullen: Melodien. 30 Der Löblichen Theologischen Facultät zu Wittenberg Bedencken über das zu Glauche an Halle 1703. im Wäysen=Hause daselbst edirte Gesang=Buch eingeholt und zum Druck befördert durch Hoch=Gräflich Waldeckische zur Regierung verordnete Land=Drost und Räthe. Frankfurt und Leipzig: Gottfried Zimmermann 1716. Zitiert nach McMullen: Melodien geistlicher Lieder, 200.

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in den Konventikeln Gelegenheit zum Singen geistlicher Lieder. Ein Beispiel ist das collegium musicum in Wolfenbüttel, das der Pfarrer Heinrich Georg Neuß 1691 gegründet hatte.31 Hier trafen sich musikliebende Fromme, die zumeist aus dem gehobenen Bürgertum stammten und vermutlich auch musikalische Grundkenntnisse besessen haben, um, unterstützt durch Instrumente, geistliche Lieder zu singen. Gerade der Unterschied zwischen diesem kunstvollen und inbrünstigen Musizieren im kleinen Kreis und dem von den Pietisten als müde und schleppend kritisierten Gemeindegesang könnte den außerordentlichen Eindruck erklären, den das pietistische Singen vor allem auf Angehörige unterprivilegierter Schichten machte. Die privaten Singestunden, die August Hermann Francke und Johann Anastasius Freylinghausen für Schülerinnen des Gynaeceums veranstalteten, dienten neben der Erbauung auch dem Erlernen der neuen Melodien des Geist=reichen Gesang=Buchs.32 Als man die Zusammenkünfte 1703 vom Pfarrhaus in Glaucha in das Waisenhaus verlegte, veränderte sich auch ihr Charakter.33 Während vorher das Singen vor allem der neuen Lieder im privaten Kreis gepflegt wurde, hielt man nun eine öffentliche Erbauungsstunde mit Liedern, Gebeten und einer Ansprache. Die große Zahl der Besucher – Francke gibt sie mit fünfhundert Personen an – belegt die Beliebtheit dieser Veranstaltung.34 Neben den Zöglingen der Anstalten und den Gemeindemitgliedern aus Glaucha nahmen auch Studenten und Bürger aus Halle daran teil. Die pietistisch inspirierte Musikpflege wurde in den Franckeschen Stiftungen zur Musikpädagogik ausgebaut. So war das Ziel des Musikunterrichtes weniger das Auswendigsingen, als vielmehr das Singen nach Noten.35 Zu den mehrmals im Jahr stattfindenden Examina wurden den Kindern je ein Liedtext und Psalm zum Auswendiglernen aufgegeben.36 Parallel dazu dürften die anspruchsvollen Melodien im Unterricht geübt worden sein.

–––––––––– 31 Miersemann: Auf dem Wege, 32–33. Auch in den Konventikeln in Halberstadt und Quedlinburg haben, so vermutet Miersemann, vor allem musikalisch vorgebildete Bürger zusammen gesungen und wurden von Kirchenmusikern auf Hausorgeln begleitet. 32 Boor: Von den privaten Singestunden, 20–21. 33 Zuerst traf man sich zu den Singstunden in einem Raum im vorderen Teil des Waisenhauses; nach der Fertigstellung des Singesaals im Jahr 1711 fanden die Veranstaltungen dort statt. Boor: Von den privaten Singestunden, 20, 2–26. 34 A. H. Francke in einem Brief vom 23. November 1703. Zitiert nach: Boor: Von den privaten Singestunden, 22. 35 Kühne: Zwei belanglose Zettel, 47–58. 36 Ebd., 53–56.

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3. Wege und Ziel der vorliegenden Arbeit Unter der Prämisse, daß der Pietismus auch als Singebewegung charakterisiert werden kann, sind die pietistischen Gesangbücher und Liederdichtungen eine wichtige Quelle für die Erforschung dieser religiösen Erneuerungsbewegung. Eine bisher in der Forschung weitgehend unbeachtet gebliebene Liedersammlung ist der Geistliche Würtz= Kräuter= und Blumen=Garten des Radikalpietisten Christoph Schütz.37 Er plante ein Universalgesangbuch, in dem 30.000 Lieder in 30 Bänden abgedruckt werden sollten. Dabei sollten Gesangbücher aller Kirchen – unabhängig von konfessionellen Grenzen –, Manuskripte geistlicher Lieder und Übersetzungen aus anderen Sprachen berücksichtigt werden. Im Vorwort zum vierten Band führt der Herausgeber ein Verzeichnis von 347 Gesangbüchern und Liedersammlungen auf, die er für das Projekt auswerten wollte. In dieser Zusammenstellung zeigt sich der überkonfessionelle Charakter des Gesangbuchs durch die Berücksichtigung der Kirchen- und Hausgesangbücher unterschiedlicher Konfessionen und religiöser Gruppen sowie der Sammlungen geistlicher Dichtung. Der Geistliche Würtz= Kräuter= und Blumen=Garten ist das Werk eines Einzelnen. Schütz wählte nicht nur die Gesangbücher aus und stellte das Liedkorpus für die Bände zusammen, sondern sorgte auch für die Drucklegung und den Vertrieb. Von 1738 bis 1744 erschienen fünf Bände des Gesangbuchs, dann mußte Schütz das Projekt wegen mangelnden Absatzes und damit verbunden fehlender finanzieller Mittel abbrechen. Für diese Untersuchung ist der Geistliche Würtz= Kräuter= und Blumen=Garten ausgewählt worden, weil ihn zwei hymnologische Bewegungen geprägt haben: auf der einen Seite die Idee der umfassenden Liedersammlung, die zum Typ des Universalgesangbuchs führte, zum anderen die in separatistischen Kreisen entstandene radikalpietistische Lieddichtung, die in speziellen Gesangbüchern häufig außerhalb des offiziellen Buchhandels veröffentlicht wurde. Deshalb soll in den ersten beiden Teilen aufgrund hymnologischer Fragestellungen untersucht werden, inwieweit der Geistliche Würtz= Kräuter= und Blumen=Garten dem Typus des Universalgesangbuchs zugeordnet werden kann und ob er durch radikalpietistisches Liedgut geprägt ist. Im dritten Teil soll die Liedersammlung unter buchwissenschaftlichen und verlagsgeschichtlichen Gesichtspunkten in die Bücherproduktion der Radikalpietisten eingeordnet werden. Auf dem Titelblatt wird die Liedersammlung als Universalgesangbuch bezeichnet und dieser Begriff in den Vorreden von Christoph Schütz erläutert. Da dieser Terminus in der Hymnologie noch nicht eingeführt ist, wird –––––––––– 37 Geistlicher Würtz= Kräuter= und Blumen=Garten, 1–5.

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er im ersten Teil dieser Untersuchung etymologisch abgeleitet und die möglichen Bedeutungen erläutert. Danach sollen weitere Universalgesangbücher vorgestellt, dieser Gesangbuchtyp in die evangelische Gesangbuchgeschichte des 17. und 18. Jahrhunderts eingeordnet und der Begriff Universalgesangbuch definiert werden. Im darauf folgenden Kapitel soll der Geistliche Würtz= Kräuter= und Blumen=Garten anhand der Titelformulierung, der Vorreden, des Quellenverzeichnisses, des Liedbestandes, der Anlage und Erschließung durch Register vorgestellt und dabei sowohl Tendenzen der allgemeinen Gesangbuchgeschichte, als auch radikalpietistische Phänomene verdeutlicht werden. Bei der Analyse des Liedkorpus ergaben sich Schwierigkeiten. Ein rein statistisches Verfahren der Zuordnung der Autoren führte nur bei drei Bänden zu einem aussagekräftigen Ergebnis.38 Dies liegt daran, daß in den hymnologischen Quellensammlungen des 19. Jahrhunderts vor allem die Lieder, die in der Zeit vor 1800 entstanden waren und in die kirchliche Tradition Eingang gefunden hatten, berücksichtigt worden sind. Dagegen ist in den Nachschlagewerken des 18. und 19. Jahrhunderts nur ein Teil der radikalpietistischen Liedproduktion verzeichnet. Ferner steht die neuere Forschung zu den Gesängen außerkirchlicher Gruppen noch am Anfang.39 Daher wurde ein Teil der Quellengesangbücher, die Schütz ausgewertet hat, ermittelt und den Liedtexten zugeordnet. Problematisch bei diesem Verfahren ist die lückenhafte Überlieferung, denn nicht immer konnten die von Schütz benutzten Ausgaben bzw. Auflagen nachgewiesen werden und auch die Suche nach den Manuskripten verlief ergebnislos. Während die Frage, ob Schütz ein bestimmtes Liederbuch ausgewertet hat oder nicht, bei den Gedichtanthologien relativ schnell beantwortet werden konnte, war dies bei Kirchen- und Hausgesangbüchern recht aufwendig, da durch Kanonbildungen zahlreiche Lieder in verschiedenen Gesangbüchern nachweisbar sind. Nur wenn Schütz Neudichtungen oder Textfassungen und Strophenbestände von Gesängen, die nur in einem speziellen Titel enthalten sind, aufgenommen hat, war dieses Gesangbuch zweifellos als Quelle anzusehen. Um auch die restlichen Lieder einordnen zu können, wurden die Inhalte erfaßt und dabei insbesondere auf die Behandlung radikalpietistischer Lehren und Vorstellungen geachtet. Der dritte Teil der Arbeit behandelt den Geistlichen Würtz= Kräuter= und Blumen=Garten als radikalpietistische Veröffentlichung. Hans-Jürgen –––––––––– 38 Da 65 % der Lieder aus dem zweiten Band sowie 42 % der Gesänge aus dem fünften keinem Autor zugeordnet werden konnten, fehlte sowohl für diese Bände als auch für das Gesamtwerk die Datenbasis für eine statistische Auswertung. 39 Vgl. den Forschungsbericht weiter unten.

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Schrader hat mit seiner wegweisenden Arbeit Literaturproduktion und Büchermarkt des radikalen Pietismus anhand des Beispiels der Historie der Wiedergebohrnen einen grundlegenden Beitrag zu der Funktionsweise des radikalpietistischen Büchermarktes geleistet.40 Darauf aufbauend wurden in dieser Arbeit die folgenden Bereiche untersucht: die Biographie des Herausgebers und seine Einbindung in die radikalpietistischen Kommunikationsstrukturen, die Religionspolitik der Landgrafen in Hessen-Homburg, die Produktionsbedingungen in der landgräflichen Druckerei und die Distribution sowie Rezeption des Geistlichen Würtz= Kräuter= und Blumen=Gartens. Das Leben von Christoph Schütz ist in einer Anzahl von Veröffentlichungen seit dem 18. Jahrhundert behandelt worden. Ausgangspunkt ist seine eigene Lebensbeschreibung, die er als Legitimation seiner Separation verfaßte und die deshalb vor allem seine religiöse Entwicklung, Träume und seelischen Empfindungen bis circa 1724 beschreibt.41 Dabei wird von Anfang an ein Gegensatz zwischen der äußeren Welt, zu der auch die Familie gehört, und dem inneren religiösen Erleben aufgebaut. Durch diese Stilisierung treten die Erlebnisse des weltlichen Lebensgangs in den Hintergrund. Da die Autobiographie in späteren Arbeiten über Schütz wieder aufgegriffen wurde, soll sie analysiert werden und die darin erwähnten Ereignisse seines Lebens dargestellt werden. Des weiteren wird auf die in der Literatur immer wieder erwähnte, vermeintlich direkte Verwandtschaft zwischen Christoph Schütz und der Familie des Juristen Johann Jacob Schütz in Frankfurt a.M. eingegangen. Der religiöse Standpunkt von Christoph Schütz sowie seine Kontakte zu Schülern, Separatisten sowie Alchimisten sollen in einem zweiten Teilkapitel behandelt werden, um damit seine Einbindung in das radikalpietistische Kommunikationsnetz belegen zu können. Die Religionspolitik der Landgrafen von Hessen-Homburg wird auf der Grundlage der lokalgeschichtlichen Literatur dargestellt. Auch zur Hochfürstlichen Hof- und Cantzley-Buchdruckerei in Homburg wurden bereits einige Artikel verfaßt, allerdings fehlt bisher eine umfassendere Arbeit, die den Zusammenhang der Druckerei für hebräische Veröffentlichungen und der für deutsche Drucksachen darstellt und einen Überblick über die gedruckten Schriften gibt. Deshalb wurden für diesen Teil die bisher noch nicht in der Literatur erwähnten Akten der landgräflichen Verwaltung herangezogen und ausgewertet.42 Für die Zeit vom 1. April 1739 bis zum 28. –––––––––– 40 Schrader: Literaturproduktion und Büchermarkt. 41 Schütz: Kündlich grosses Geheimniß, 1728. 42 Akten der Landgräflichen Hofbuchdruckerei, (Hessisches Staatsarchiv Wiesbaden Abt. 310–XIV e 2, 1–2).

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Februar 1742 sind die Geschäftsbücher erhalten, durch die sich die Produktion dieser Zeit rekonstruieren läßt.43 Darüber hinaus befinden sich einzelne Werke im Bestand des Stadtarchivs Bad Homburg.44 Problematisch ist die Quellenlage zur Rezeption und Distribution des Gesangbuchs, da sich außer einem Brief, in dem die Liedersammlung erwähnt wird, kein Dokument erhalten hat. Auch eine literarische Wirkung ist nicht nachweisbar. Aus diesem Grund wurden die Mechanismen der Distribution und Rezeption anhand früherer Schriften von Christoph Schütz dargestellt.

4. Forschungslage Auf dem Gebiet des deutschen pietistischen Liedes besteht noch großer Forschungsbedarf. Dies liegt auf der einen Seite an dem umfangreichen Material, da nach Martin Geck ca. 70.000 Lieder und Dichtungen dem Pietismus zuzurechnen sind.45 Auf der anderen Seite standen in der Hymnologie seit dem 19. Jahrhundert die Kirchenlieder der Reformationszeit und des Barock im Mittelpunkt. Den Anstoß zu einer wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit der pietistischen Liedkultur gaben drei Dissertationen, die außerhalb Deutschlands erschienen sind. Zwei Arbeiten beschäftigen sich mit dem Geist=reichen Gesang=Buch von Johann Anastasius Freylinghausen. Dianne Marie McMullen untersuchte die Melodien, während Suvi-Päivi Koski das Gesangbuch unter theologischen Fragestellungen analysierte und herausfand, daß seine Anlage dem Aufbau der von Freylinghausen verfaßten Dogmatik Grundlegung der Theologie entspricht.46 In der dritten Monographie behandelt Steffen Arndal die Lieddichtungen von Hans Adolph Brorson und leistete damit einen Beitrag zur Rezeption pietistischer Lieder in Dänemark.47 1994 veranstalteten Gudrun Busch und Wolfgang Miersemann eine Tagung zum Thema Halle und das pietistische Lied, in deren Mittelpunkt das Geist=reiche Gesang=Buch von Johann Anastasius Freylinghausen stand. Die Vorträge, die 1997 in einem Tagungsband erschienen, boten eine –––––––––– 43 Buchdruckerei-Rechnung 1739–1742. Akten der Landgräflichen Hofbuchdruckerei, 1, 306 r–429 r. 44 In den Reichgerichtsakten, die in der Spezialsammlung Deductiones in der Staats- und Universalbibliothek Göttingen verwahrt werden, konnten keine weiteren Drucke landgräflicher Verordnungen, die in der Hochfürstlichen Hof- und Cantzley Buchdruckerei unter Johann Philipp Hellwig gedruckt worden waren, ermittelt werden. 45 Geck: Pietismus, 1556. 46 McMullen: Geistreiches Gesangbuch; Koski: Geist=reiches Gesang=Buch. 47 Arndal: Store hvide Flok.

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erste Zusammenschau der interdisziplinären Forschungsansätze.48 Die Nachfolgetagung im Jahr 1999 stand unter dem Thema Pietistische Liedkultur und bezog neben Halle und dem Geist=reichen Gesang=Buch auch andere pietistische Liedzentren und Gesangbücher ein.49 Durch das zunehmende Forschungsinteresse wurde die Notwendigkeit deutlich, das nur noch in wenig Exemplaren erhaltene Gesangbuch durch eine Neuedition wieder zugänglich zu machen und seine komplexe Editionsgeschichte zu erschließen. Im April 2000 wurde unter der Leitung von McMullen und Miersemann die Forschungsstelle Freylinghausen-Edition in Halle eingerichtet, die 2004 die erste Hälfte der Lieder des Geist=reichen Gesang=Buches vorgelegt hat.50 Ergänzend dazu wird ein Band erscheinen, der die Rezeption des Gesangbuchs belegt. Damit wird für den Bereich des kirchennahen Pietismus eine umfangreiche Dokumentation vorliegen. Innerhalb des Internationalen Kongresses der Gesellschaft für Musikforschung in Halle/Saale fand 1998 ein halbtägiges Symposion über den Pietismus als musikhistorisches Problem statt.51 Zu diesem Anlaß bot Christian Bunners einen Überblick über den bisherigen Forschungsstand, Rainer Bayreuther zeigte die Perspektiven einer Parodiegeschichte des pietistischen Liedes auf, Laurenz Lütteken thematisierte das Verhältnis des Pietismus zur Musikästhetik im späteren 18. Jahrhundert und Andreas Waczkat problematisierte den Pietismus als Forschungsobjekt einer rationalen Musikwissenschaft. In weiteren Referaten wurden spezielle Themen behandelt wie z.B. die Musikpraxis in der Herrnhuter Brüdergemeine (Anja Wehrend), die Melodien im Geistreichen Gesangbuch (Ulrike Harnisch) und ihre Bearbeitung in den weiteren Auflagen (Dianne M. McMullen). Die Gesangbücher im radikalpietistischen Umfeld sind bisher nur ansatzweise behandelt worden.52 Einen ersten Überblick bietet Bunners mit seiner Auflistung radikalpietistischer Gesangbücher in seinem Aufsatz über das pietistische Gesangbuch.53 Dennoch bleibt die Geschichte des Kirchenlieds und Kirchengesangs von Eduard Emil Koch unverzichtbar.54 Im sechsten Band führt er die radikalpietistischen Liederdichter auf und erwähnt darunter auch die Liedersammlungen sowie das Universalgesangbuch von Christoph Schütz.55 Auch wenn die Darstellung nicht über die Angaben aus –––––––––– 48 Busch/Miersemann (Hg.): »Geist=reicher« Gesang. 49 Miersemann/Busch (Hg.): Pietismus und Liedkultur. 50 McMullen/Miersemann (Hg.): Gesangbuch, 1 (2004), Lied 1–395. Die Publikation des zweiten Bandes ist für 2005 vorgesehen. 51 Eberl/Ruf (Hg.): Musikkonzepte, 1–2. 52 Vgl. auch Bunners: Gesangbuch, 133. 53 Bunners: Gesangbuch, 132–133. 54 Koch: Geschichte des Kirchenlieds. 55 Unter den Sektierern und Schwarmgeistern behandelt er neben Schütz Heinrich Amersbach, Johann Wilhelm Petersen, Rosamunda Juliana v. Asseburg, Gottfried Arnold, Samuel

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den Vorworten hinaus geht, ist es bis heute die ausführlichste Beschreibung dieses Gesangbuchs. In den USA sind verschiedene Dissertationen und Monographien zu den Liedersammlungen aus Deutschland emigrierter radikalpietistischer Gruppen erschienen. Die Gesänge, die anonym in den Liedersammlungen des Klosters Ephrata veröffentlicht wurden, weist Allan Viehmeyer den einzelnen Schwestern und Brüdern zu.56 Jeffrey Bach beschäftigt sich in seiner Dissertation mit der mystischen Sprache des Klosters und wertet dazu auch die Gesangbücher aus.57 Dabei untersucht er die Anlage der Liederbücher und kann nachweisen, daß sich im Aufbau einzelner Sammlungen die mystischen Vorstellungen des Gründers Conrad Beissel widerspiegeln. Die heute noch bestehende Church of Brethren geht auf die Schwarzenauer Neutäufer zurück. Zu den Gesangbüchern dieser Gemeinde veröffentlichte Hedwig T. Durnbaugh 1986 eine grundlegende Arbeit.58 Ausgehend von der ersten Liedersammlung, die 1720 noch in Deutschland erschienen war, beschreibt sie die Vorworte, Rubriken und den Liedbestand der Gesangbücher, die bis 1903 in der Church of Brethren benutzt bzw. von ihr herausgegeben wurden. In diesem Zusammenhang geht sie auch auf die Liedersammlung der wahren Inspirationsgemeinde ein, das Davidische Psalter=Spiel.59 Mit dieser radikalpietistischen Sekte hat sich auf deutscher Seite der Germanist Ulf-Michael Schneider beschäftigt.60 Er untersucht in seiner Arbeit allerdings nicht das Gesangbuch, sondern die Aussprachen des Werkzeugs Johann Friedrich Rock und hebt die Bedeutung des Singens als Auslöser der Inspirationsreden hervor. Ebenfalls in den Kontext der Inspirierten gehört der 1712 in Schaffhausen erschienene Anmuthige Blumen=Krantz, der in vielen radikalpietistischen Liedersammlungen rezipiert wurde.61 Trotz seiner Bedeutung fehlt eine ausführliche Untersuchung dieses Gesangbuches.62 Die frühen radikalpietistischen Liedersammlungen, die der Verleger Andreas Luppius veröffentlichte, hat Peter Jürgen Mennenöh in einer schon älteren druckge–––––––––– König, Ludwig Eberhard Gruber, Johann Friedrich Rock, Christoph Seebach und Johann Conrad Dippel. Koch: Geschichte des Kirchenlieds, 6 (³1869), 118–186. 56 Viehmeyer: Index to hyms. 57 Bach: Voices of turtledoves, 1997; Bach: Voices of turtledoves, 2003. 58 Durnbaugh: German Hymnody. Darüber hinaus verfaßte Hedwig T. Durnbaugh auch einen Überblicksartikel über die Gesangbücher der Gemeinschaften in Ephrata, Amana und Harmonie. Durnbaugh: Ephrata, Amana, Harmonie. 59 Davidisches Psalter=Spiel. 60 Schneider: Propheten der Goethezeit. 61 Anmuthiger Blumen=Krantz. 62 Kurz geht Steffen Arndal in seiner Dissertation auf den Anmuthigen Blumen=Krantz ein. Arndal: Store hvide Flok, 40–43.

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schichtlichen Arbeit aufgeführt.63 Suvi-Päivi Koski weist in einem Aufsatz auf die Bedeutung hin, die dem Andächtig singenden Christen=Mund als Quelle für das Geist=reiche Gesang=Buch von Johann Anastasius Freylinghausen zukommt.64 Die Gesangbücher von Nikolaus Ludwig Graf von Zinzendorf, die er für die Herrnhuter Brüdergemeine zusammengestellt hatte, sind in der Gesamtausgabe seiner Schriften mit einem Kommentar von Dietrich Meyer erschienen.65 Auf die Singpraxis geht Hanns-Joachim Wollstadt in zwei Abschnitten seiner bereits 1966 erschienenen Untersuchung über den Alltag der Gemeine im 18. Jahrhundert ein.66 Anja Wehrend behandelt in ihrer musikwissenschaftlichen Dissertation die frühe brüderische Kantatenkomposition unter gleichzeitiger Berücksichtigung der Musikanschauung Zinzendorfs und seiner engsten Mitarbeiter.67 In weiteren Arbeiten hat sie sich zudem mit der Musikpädagogik in der Brüdergemeine auseinandergesetzt.68 Darüber hinaus ist die Stellung der Musik und die Musikpraxis in der Herrnhuter Brüdergemeine in zahlreichen Veröffentlichungen behandelt worden. Stellvertretend soll auf den Band zu einer Tagung über die Musik in der Geschichte der Brüdergemeine hingewiesen werden, die 1999 unter dem Titel In Himmlischer Harmonie in Herrnhut stattfand.69 Neben Beiträgen zur Stellung der Musik im gottesdienstlichen Leben der Brüdergemeine sind Aufsätze zu einzelnen Persönlichkeiten und zur brüderischen Musikforschung in Amerika enthalten. Einen Überblick über die Literatur zur Herrnhuter Musik bietet die Bibliographie am Ende des Bandes. Auf die Dichtungen Zinzendorfs und der Herrnhuter Brüdergemeine in der sogenannten Sichtungszeit geht Jörn Reichel in seiner Arbeit über den 12. Anhang zum Herrnhuter Gesangbuch ein.70 Er kann zeigen, wie man sich bemühte, eine der neuen Frömmigkeit adäquate poetische Sprache zu entwickeln. Die Abhängigkeit Zinzendorfs von Johann Anastasius Freylinghausen behandelt Dietrich Meyer und Burkhard Dohm thematisiert –––––––––– 63 Mennenöh: Duisburg. 64 Koski: Zu den Vorläufern. 65 Zinzendorf (Hg): Berthelsdorfer Gesangbuch; Zinzendorf (Hg): Marchesches Gesangbuch; Zinzendorf (Hg): Herrnhuter Gesangbuch; Zinzendorf (Hg): Londoner Gesangbuch; Zinzendorf (Hg): Kleines Brüdergesangbuch. 66 Wollstadt: Geordnetes Dienen. 67 Wehrend: Musikanschauung. 68 Auf der Tagung Natur und Natürlichkeit. Anthropologie und Ästhetik im Umkreis des Pietismus hielt Anja Wehrend einen Vortrag über die Musikpädagogik und Musikpflege insbesondere bei den Schwestern der Brüdergemeine. Mit dem Handbuch von Johann Daniel Grimm hat sie eine wichtige handschriftliche Quelle zur Musikpädagogik der Brüdergemeine herausgegeben. Grimm: Handbuch. 69 UnFr, 47 (2000). 70 Reichel: Dichtungstheorie und Sprache.

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den Einfluß alchimistischer Vorstellungen auf die hallesche und herrnhutische Lieddichtung.71 Abschließend soll noch auf den Vortrag von HansJürgen Schrader hingewiesen werden, den er anläßlich der ZinzendorfTagung der Pietismus-Kommission 2000 zum Thema Zinzendorf als Poet hielt.72 Der Bereich der reformierten pietistischen Liederdichtung wurde vor allem durch Gerhard Tersteegen geprägt. Seine Lieder und Sprüche veröffentlichte er erstmals 1729 im Geistlichen Blumen=Gärtlein Inniger Seelen Blumengärtlein. Diese Sammlung stellt Schrader in seinem Beitrag zu dem Tagungsband Gerhard Tersteegen – Evangelische Mystik inmitten der Aufklärung vor.73 Den Titel der Sammlung ordnet er in die Reihe der Seelen-Gärten und Seelen-Apotheken ein, weist aber auch auf eine spezifisch radikalpietistische Tradition von Blumen- und Garten-Titeln hin. Seiner Meinung liegt die Besonderheit der Lyrik Tersteegens darin, daß die »alten Mystikerformeln« für den Leser wieder bildhaft nachvollziehbar werden. Die Titelmetapher wird auch in dem Aufsatz von Hans-Georg Kemper thematisiert.74 Er weist auf die Verbindung des Blumen=Gärtleins zu den Heilpflanzen hin und belegt dies durch den Kupferstich. Literaturhistorisch sei die Dichtung Tersteegens insofern bedeutsam, als sich in ihr der Emanzipationsprozeß des modernen Subjekts aus der »Vormundschaft« der religiös gebundenen sozialen Kollektivität bis hin zur Apotheose der Innerlichkeit zeige.75 Der Frage, wie die Lieder Tersteegens in die Gesangbücher gelangten, geht Christian Bunners nach.76 Er kann nachweisen, daß die Rezeption der Gesänge im 18. Jahrhundert weitgehend auf separatistische Kreise beschränkt war, und sie erst durch die Erweckungsbewegung im 19. Jahrhundert Eingang in den Kanon der Kirchenlieder gefunden haben. Die Gesangbucharbeit – Tersteegen betreute von der zweiten bis fünften Auflage die Herausgabe des Großen Neander – thematisiert Winfried Zeller in seinem schon älteren Aufsatz.77 Im Zentrum seiner Ausführungen steht das Vorwort, das Tersteegen diesem Gesangbuch voranstellte und in dem der reformierte Dichter seine grundlegenden Gedanken zum Kirchenlied formuliert hat.

–––––––––– 71 72 73 74 75 76 77

Meyer: Johann Anastasius Freylinghausen; Dohm: Heiligkeit im Diesseits. Schrader: Zinzendorf. Schrader: Hortulus mystico-poeticus. Kemper: Vielsinne ›Blumen‹-Lese. Ebd., 141. Bunners: Gerhard Tersteegens Lieder. Zeller: Gesangbuch.

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Im Rahmen seiner Lyrikgeschichte behandelt Kemper die Dichter Arnold, Zinzendorf und Tersteegen.78 Aus literaturwissenschaftlichen Erwägungen heraus ordnet er Arnold dem Teilband Pietismus zu, während er Zinzendorf und Tersteegen im Band Empfindsamkeit aufführt. Im Mittelpunkt stehen dabei die religiösen Vorstellungen der Dichter sowie ihr Poesieverständnis. In Bezug auf Gottfried Arnold betont er die Tendenzen der Selbstvergottung und Androgynie. Aus der älteren Forschungsliteratur zu Arnold sollen noch die Arbeiten von Traugott Stählin erwähnt werden. Er hat 1966 eine umfassende Untersuchung zu Arnolds geistlicher Dichtung vorgelegt und untersuchte 1969 in einem Aufsatz den Einfluß Arnolds auf Tersteegen und Christian Friedrich Richter.79 Trotz der großen Anerkennung durch die Zeitgenossen steht die wissenschaftliche Aufarbeitung des dichterischen Werk von Johann Wilhelm Petersen erst am Anfang. Ein Aufsatz über die Psalmendichtungen Petersens von Joachim Jacob wird demnächst im Druck erscheinen.80 Das 18. Jahrhundert in hymnologischen Quellenwerken Die Mehrzahl der radikalpietistischen Lieder sind in keinen Anthologien enthalten oder in Nachschlagewerken zu ermitteln. Die großen hymnologischen Quellenwerke, sie im 19. Jahrhundert von Philipp Wackernagel und Albrecht Fischer/Wilhelm Tümpel erarbeitet wurden, berücksichtigen nur die Lieder aus der Zeit vor 1800.81 Philipp Wackernagel stellte in seiner Sammlung neben 656 lateinischen Dichtungen 6127 deutsche Kirchenlieder bis ins 16. Jahrhundert zusammen. Zeitlich daran anschließend liegen in dem fünfbändigen Werk von Albrecht Fischer und Wilhelm Tümpel ca. 3000 evangelische Kirchenlieder des 17. Jahrhunderts vor. Auch Gottlieb von Tucher beschränkte sich in seinem Schatz des evangelischen Kirchengesangs auf das 16. und 17. Jahrhundert.82 Die wichtigste Quelle für das 18. Jahrhundert, insbesondere für die geistlichen Lieder der Aufklärungszeit ist die sechsbändige Anthologie von August Jacob Rambach.83 Aus der Gruppe der radikalpietistischen Dichter führt er Christoph Schütz auf, dessen Lieder er aber im Anschluß an Johann –––––––––– 78 Kemper: Deutsche Lyrik, 5,1, 117–141. 6,1, 19–95. 79 Stählin: Arnolds Geistliche Dichtung; Ders.: Gottfried Arnolds Einfluß. 80 Jacob, Joachim: »Stimmen aus Zion«. Johann Wilhelm Petersens deutsche Psalmen. Vortrag zu einer Tagung über das Ehepaar Johann Wilhelm und Johanna Eleonara Petersen 2001 in Halle (unveröffentlicht). 81 Wackernagel: Deutsches Kirchenlied; Fischer/Tümpel: Deutsches evangelisches Kirchenlied. 82 Tucher: Schatz des evangelischen Kirchengesangs. Im ersten Band werden die Liedtexte nach Festgesängen, Psalmen, Lob= und Betgesängen sowie Lieder zum Katechismus geordnet abgedruckt, im zweiten Band werden die Melodien wiedergegeben. 83 Rambach: Anthologie geistlicher Gesänge, 1–6.

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Caspar Wetzel als »schlicht und kunstlos [...] aber doch recht fromm und herzlich, und von den groben Verirrungen anderer gleichzeitigen Liederdichter dieser Gattung größtentheils frei« charakterisiert.84 Dagegen erwähnt Rambach den Anmuthige Blumen=Krantz nur in der Einleitung zum vierten Band und kritisiert ihn wegen »der ungeheuersten Ausschweifungen«.85 Neben den wissenschaftlichen Kirchenliededitionen entstanden im 19. Jahrhundert geistliche Liedersammlungen für den Hausgebrauch, in denen – angeregt durch die Erweckungsbewegung – wieder pietistisches Liedgut berücksichtigt wurde. Als Beispiel sei der Evangelische Liederschatz von Albert Knapp genannt.86 Mit den Liedern von Zinzendorf und Tersteegen nahm er auch Dichtungen separatistischer Dichter auf, die dann in der folgenden Zeit Eingang in die kirchlichen Gesangbücher fanden. Angesichts dieser Quellenlage wird deutlich, daß die bereits von CarlAlfred Zell angemahnte Sammlung der Lieder des 18. Jahrhunderts für weitergehende Untersuchungen zu pietistischen und radikalpietistischen Liederdichtungen dringend erforderlich ist.87 An dieser Stelle soll kurz auf das Problem der Verzeichnung radikalpietistischer Autoren in hymnologischen Nachschlagewerken eingegangen werden, ohne daß einzelne Werke genauer vorgestellt werden können. Funktion dieser Lexika, die zumeist als Schlüssel für ein bestimmtes Gesangbuch konzipiert sind, ist es, die Dichter der in den Gesangbüchern enthaltenen Lieder aufzuführen.88 Wie Martin Rößler festgestellt hat, gehörte die Verfasserermittlung bereits im 18. Jahrhundert zu den Aufgaben der Hymnologie in der lutherischen Kirche.89 Zum einen wurde ein Lied als Produkt eines bestimmten Autors gesehen, zum anderen sollte der Name die inhaltliche Qualität absichern. Aus diesem Grund sind radikalpietistische Dichter in den Nachschlagewerken nur insoweit berücksichtigt, wie ihre Gesänge aufgenommen (z.B. im Geist=reichen Gesang=Buch) bzw. kanonisiert wurden (z.B. die Lieder Arnolds in der Zeit der Erweckungsbewegung). Darüber hinaus wurden separatistische Liedersammlungen oder

–––––––––– 84 Ebd., 4, 288. 85 Ebd., 4, 3–6. 86 Knapp (Hg): Evangelischer Liederschatz. 87 Zell: Untersuchungen, 45. 88 Zu den verschiedenen Ausgaben des Geist=reichen Gesangbuchs von J.A. Freylinghausen erschien ein Verfasserverzeichnis von Grischow/Kirchner. Die Dichter der Lieder in den Anspacher, Berliner, Bayreuther und Braunschweiger Gesangbüchern werden aufgeführt in der Literaturgeschichte von Heerwagen aufgeführt. Die Lieder im Gesangbuch der Brüdergemeine von 1893 werden durch das Hymnologische Handbuch von Müller erschlossen. 89 Rößler: Frühzeit hymnologischer Forschung, 129.

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Gesänge erwähnt und vor den in ihnen vertretenen heterodoxen Ideen gewarnt.90 Eine intensive Auseinandersetzung mit radikalpietistischen Veröffentlichungen fand in der Zeit der orthodox-pietistischen Streitigkeiten statt. Aus dieser Zeit stammt ein Verzeichnis von Liederdichtern, die Hymnopoeographia von Johann Caspar Wetzel.91 Obwohl deren Angaben nicht immer fehlerfrei sind, ist dieses Nachschlagewerk eine wichtige Quelle, da der dem kirchlichen Pietismus nahestehende Autor neben pietistischen auch radikalpietistische Dichter berücksichtigt hat.92 Er bemängelt zwar die kirchenkritischen und heterodoxen Vorstellungen der Separatisten, bemüht sich aber doch um eine vorurteilsfreie Beurteilung der poetischen Qualität. Quellen und Literatur zu Christoph Schütz Die Quellen zum Leben von Christoph Schütz sind nur im geringen Umfang im Original erhalten. So sind außer den Einträgen in den Kirchenbüchern noch ein eigenhändiger Brief an Johann Christian Senckenberg und von Schütz ausgestellte Quittungen für die Hofdruckerei in Homburg erhalten. Darüber hinaus sind keine Archivalien über seine Anstellung und die Tätigkeit als Kammerschreiber im Hausarchiv der Landgrafen von HessenHomburg nachweisbar. Ferner wären aufgrund der Verbindungen zum radikalen Pietismus auch Briefe im Archiv der Grafen von SaynWittgenstein-Berleburg und dem Stadtarchiv in Bad Berleburg, Stadtarchiv Bad Laasphe, dem Archiv des Fürsten zu Ysenburg und Büdingen in Büdingen, dem Klosterarchiv in Ephrata und im Archiv der Franckeschen Stiftungen in Halle zu erwarten gewesen, allerdings blieben Nachforschungen ergebnislos. Eine Reihe von Korrespondenzen sind im Druck erhalten; zum einen veröffentlichte Schütz einzelne Briefe und Briefwechsel, in denen er auf die Fragen seiner Schüler antwortet und seine religiösen Ansichten erläutert.93 Zum anderen wurde im Zuge der Forschung über die Verbindungen der Frankfurter Schriftgießerei Luther und dem Drucker –––––––––– 90 Koch: Geschichte des Kirchenlieds, 6 (³1869), 118–186. Vgl. auch die Bemerkungen von Rambach über den Anmuthigen Blumen=Krantz. Rambach: Anthologie geistlicher Gesänge, 4, 4–6. 91 Wetzel: Hymnopoegraphia, 1–4. 92 Johann Caspar Wetzel hatte in Halle Theologie bei Anton, Breihaupt, Francke und Lange studiert und war später Prediger am gemäßigt pietistischen Hof von Sachsen-Meinigen. In seiner Hymnopoeographia beurteilt er die kirchennahen pietistischen Dichter wie Freylinghausen positiv, erwähnt aber auch die negative Kritik im Bedencken der Wittenberger theologischen Fakultät. Auf seine pietistische Einstellung weist auch der Rezensent in der Fortgesetzten Sammlung hin. Vgl. Kapitel 4.2.5. 93 Schütz: Geistliche Correspondentz, 1728; Ders.: Geistliche Correspondentz, ²1731; Ders.: Zug des Vatters, 1730

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Christoph Sauer in Germantown das Schreiben von Schütz an den Schriftgießer Heinrich Ehrenfried Luther vom 4. Oktober 1740 zweimal, 1884 und 1926, veröffentlicht.94 Auf die Bedeutung aber auch Problematik der von Schütz verfaßten Autobiographie ist schon weiter oben hingewiesen worden. Schütz war zu seinen Lebzeiten eine Persönlichkeit, über die andere Radikalpietisten berichteten, dessen Schriften in der Fortgesetzten Sammlung Von Alten und Neuen Theologischen Sachen rezensiert wurden und der in zeitgenössischen Lexika Aufnahme fand.95 Der radikale Pietist Johann Christian Edelmann und Nicolaus Ludwig Graf von Zinzendorf haben Schütz auf ihren Reisen kennengelernt und über ihn geschrieben.96 Die frühesten Angaben zu Schütz, den er als Mitglied der Inspirationsgemeinde bezeichnet, bringt Wetzel.97 Auf diesem Artikel beruhen die Ausführungen im Universal-Lexicon, die Bibliographie wurde aber ergänzt.98 Mit den theologischen Ansichten setzen sich die Rezensenten seiner Schriften in der Fortgesetzten Sammlung von alten und neuen Theologischen Sachen und Johann Georg Walch auseinander und kritisieren sie als »chiliastisch«, »fanatisch« und »indifferent«.99 Die Beyträge zu den Actis HistoricoEcclesiasticis melden seinen Tod und bezeichnen Schütz als Kammerschreiber und Herausgeber des Universal-Gesangbuchs.100 In der Literatur zu Christoph Schütz nach dessen Tode werden vor allem seine religiösen Vorstellungen und seine Liederdichtungen herausgehoben. Max Goebel wertet in seiner umfassenden Untersuchung über die Geschichte der wahren Inspirationsgemeinden die gedruckten Quellen aus; neben den Schriften von Schütz auch die Diarien der Inspirationsgemeinden. In dieser wird erstmals das falsche Geburtsdatum genannt.101 Als Dichter von Kirchenliedern und als Herausgeber des Universalgesangbuchs wird Schütz –––––––––– 94 Kelchner: Beitrag, 419–423; Mori: Egenolff-Lutherische Schriftgießerei, 35–37. Zur Überlieferungsgeschichte s. Kap. 4.2.1. 95 FSATS, 1730–1733. 96 Edelmann: Selbstbiographie, 225, 312; Zinzendorf, Nikolaus Ludwig: Undatierter Bericht von seiner Reise durch die Wetterau für die Gemeine in Herrnhut [21.–29. September 1730]. (Unitätsarchiv Herrnhut). Die Autorin dankt Herrn Prof. Dr. Hans Schneider, daß er ihr den Reisebericht in seiner Transkription zugänglich gemacht hat. 97 Wetzel: Hymnopoegraphia, 4, 452–462. Auf Wetzel basiert der Artikel im UniversalLexikon und der Eintrag im Goedeke von 1887. 98 GVUL, 35, 1385–1386. 99 [Rezension zu] Schützens Geheimniß, 1731; [Rezension zu] Geheimniß der Gottseligkeit und Bosheit, 1731; [Rezension zu] Schützens Harpfen=Spiel, 1730; [Rezension zu] Correspondentz, 1730; [Rezension zu] Schützens Correspondentz, 1731; [Rezension zu] Schützens Rose, 1730; Walch: Historische und Theologische Einleitung, 5,2, 1062–1063. 100 Beyträge, 2, 446–448. 101 Goebel: Geschichte der Inspirations=Gemeinden, 25= 19, 367–369.

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in der Anthologie von August Jakob Rambach und von Emil Eduard Koch behandelt.102 Beide beziehen sich auf den Artikel von Wetzel. Rambach hat darüber hinaus den geistlichen Lebenslauf als Quelle benutzt, erwähnt die Meldung in den Beiträgen und druckt ein Lied von Schütz ab. Koch ordnet Schütz, dessen Vornamen er fälschlich mit Christian angibt, den Inspirierten zu und führt seine Liedersammlungen vollständig auf.103 Zu den einzelnen Bänden des von Schütz herausgegebenen Universalgesangbuchs gibt er den Inhalt nach den Vorworten an und liefert damit die ausführlichste Beschreibung dieses Gesangbuchs. Auch Gottfried Lebrecht Richter erwähnt ihn im Nachtrag zu seinem Allgemeinen biographischen Lexikon alter und neuer geistlicher Lieddichter und bezeichnet ihn als Verfasser des Bußliedes Großer Gott ins Himmels Throne.104 Trotz der inzwischen ausführlicheren bio- und bibliographischen Angaben in anderen Lexika bezieht man sich im Goedeke wieder auf die Angaben Wetzels.105 Neben diesen Einträgen in theologischen, hymnologischen, germanistischen und allgemeinen Nachschlagewerken, wurde Schütz auch in der alchimistischen Literatur behandelt. 1740 erwähnt Hermann Fictuld die theosophischen Neigungen von Schütz, in der zweiten Auflage weist er auf den Tod von Schütz hin und gibt an, persönlich mit ihm korrespondiert zu haben.106 Dieterich Wessel Linden rechnet ihn zu den Chemikern.107 Ein umfassender Artikel, der auf die Arbeit von Goebel zurückgreift, erschien 1887 in der Allgemeinen deutschen Biographie.108 Aus dieser Quelle wurden bis in jüngster Zeit die falschen Angaben über das Geburtsdatum und die Verwandtschaft mit der Juristenfamilie Schütz in Frankfurt a.M. übernommen. In der lokalgeschichtlichen Literatur gilt das Interesse vor allem Maria Catharina Schütz und ihrer Stiftung, durch die ihr Name bis ins 20. Jahrhundert lebendig blieb.109 Mit dem Beitrag Gedruckt in Homburg vor der Höhe hat sich erstmals Barbara Dölemeyer ausführlicher mit dem Universalgesangbuch beschäftigt und vor allem die Beziehungen von Christoph Schütz nach Pennsylvania herausgearbeitet.110 Auch in neuere germanistische Nachschlagewerke ist Schütz aufgenommen worden. Während er im Deutschen Literatur-Lexikon mit einem eige–––––––––– 102 Rambach: Anthologie geistlicher Gesänge, 4, 288–290; Koch: Geschichte des Kirchenlieds, 6, 174–176. 103 Die falsche Namensangabe übernimmt Ernst Kelchner. Kelchner: Beitrag, 416–428. 104 Als Quelle führt er Burgs Bresl. G. B. an. Richter: Allgemeines biographisches Lexikon, 480. 105 GG, 2, 299. 106 Fictuld: Probierstein, 1740, 53–54; Fictuld: Probierstein, ²1753, 139–141. 107 Linden: Gründliche chemische Anmerkungen, 59–60. 108 Bertheau: Christoph Schütz. 109 Dölemeyer: Rechtsstreit; Walsh: Wohltäter mit Bürgersinn. 110 Dölemeyer: Gedruckt in Homburg.

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nen Artikel aufgeführt wird, wird er im Literatur-Lexikon im Sachartikel Pietismus als Verfasser einer Autopsychographie erwähnt.111 Der Eintrag von Ingrid Bigler reproduziert die Angaben des Goedeke und ist somit veraltet. Dies ist vor allem deshalb zu kritisieren, da zumindest der Artikel in der Allgemeinen deutschen Biographie hätte berücksichtigt werden müssen. Durch seine Forschungen auf dem Gebiet der radikalpietistischen Literatur hat Reinhard Breymayer Schütz als Herausgeber des Opus magocabbalisticum et theosophicum wieder identifizieren können, nachdem dieses Wissen im 19. Jahrhundert verloren gegangen war.112 Zum gleichen Thema erschien nur wenig später ein ausführlicher Aufsatz von Joachim Telle.113 In dem darin enthaltenen Lebenslauf hat er die bis dahin veröffentlichte Forschungsliteratur vollständig berücksichtigt. Den jüngsten Beitrag lieferte Petra Jungmayr in ihrer Dissertation über Georg von Welling. Sie erwähnt den Sterbeeintrag im Kirchenbuch und stellt darauf hin das in der Literatur überlieferte Geburtsdatum von Schütz in Frage.114 Auch in neueren Überblicksdarstellungen über den radikalen Pietismus oder den Pietismus in Hessen wird Schütz genannt.115 Eine ausführliche Biographie bleibt weiterhin ein Desiderat der Forschung.

–––––––––– 111 112 113 114 115

Bigler: Christoph Schütz, 478. Welling: Opus mago-cabbalisticum, 1735. Telle: Zum Opus mago-cabbalisticum. Jungmayr: Georg von Welling, 36, Fußnote 37. Schneider: Pietismus im 18. Jh., 159–160; Mack: Forschungsbericht, 181–226.

I. Der Typus des Universalgesangbuchs

Die Verwendung des Begriffs Universalgesangbuch ist zwar in einzelnen Schriften und in Titelformulierungen nachweisbar, aber es handelt sich dabei nicht um einen hymnologischen Fachbegriff.1 In den einführenden Artikeln unter dem Stichwort Gesangbuch in theologischen, musikwissenschaftlichen und buchwissenschaftlichen Nachschlagewerken wird die Bezeichnung nicht genannt.2 Weder im Deutschen Wörterbuch der Gebrüder Grimm, im Deutschen Fremdwörterlexikon von Hans Schulz und Otto Basler noch im Universal-Lexicon ist dieser Begriff als Lemma oder unter Universal als Kompositum verzeichnet.3 Um die verschiedenen Bedeutungsvarianten abgrenzen zu können, sollen zuerst der lexikalische Sinn des Wortes Universal und weitere Nebendeutungen bestimmt und diese auf den Bereich des Gesangbuches übertragen werden. Schließlich sollen die vorliegenden Belege des Begriffs den verschiedenen Bedeutungen zugeordnet werden.

1. Begriffsdefinition universal Im Universal-Lexicon, das der Verleger Zedler ab 1732 herausbrachte, wird der Begriff Universal vom lateinischen universalis abgeleitet und als »allumfassend« übersetzt.4 Weitere Bedeutungen werden nicht aufgezählt. Dagegen führt das Deutsche Fremdwörterbuch drei Bedeutungsvarianten auf, die bereits ab dem 16. bzw. 17. Jahrhundert verwendet wurden: die enzyklopädische, die geographische und die utilitaristische.5 –––––––––– 1 Gottschalck: Entwurff und Avertissement; Gottschald (Hg.): Theologia in Hymnis. 2 Rößler: Gesangbuch; Völker: Gesangbuch, 1984. In diesen Artikeln wird der Begriff des Universalgesangbuchs nicht genannt, aber auf die Ausweitung des orthodoxen Gesangbuchs zum compendia locorum theologicorum hingewiesen. In dieser Tradition steht das »UniversalGesangbuch« von Johann Jacob Gottschald, das umfassend Lieder für die individuelle Situation jedes einzelnen Menschen nach Stand, Beruf und Lebenssituation zusammenstellte. Keiner der Autoren geht auf dieses Gesangbuch ein. Lanske: Gesangbuch; Völker: Gesangbuch, Geschichte und gegenwärtiger Stand. 3 Deutsches Fremdwörterbuch, 6; DWb, 11,3; GVUL 49, 1735. 4 »Universal heißt allgemein oder durchgehend was mehrere Personen oder Sachen von einerley und nach Gelegenheit auch wohl von unterschiedlicher Art und Beschaffenheit zukommt.« GVUL, 49, 1735. 5 Deutsches Fremdwörterbuch, 6, 36–39.

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Der Typus des Universalgesangbuchs

Enzyklopädische Konnotation Als erstes ist unter der Bezeichnung nach dem Deutschen Fremdwörterbuch die »Vielheit in eine[r] Einheit zusammenfassend« zu verstehen. In diesem Sinn ist Universal im Titel des Universal-Lexicons gemeint. Exkurs: Der Universal-Begriff des Universal-Lexicons Die Intention des Universal-Lexicons war es, das bekannte Wissen in polyhistorischer, barocker Tradition in Form eines Lexikons vorzulegen.6 In den Vorreden zu den ersten Bänden wird universal als vollständig interpretiert. Der Verfasser des ersten Vorworts Johann Peter Ludewig weist auf den Zusammenhang zwischen universal und Universität hin und postuliert dann für das Universal-Lexicon einen Wissensbegriff, der über die akademische Gelehrsamkeit hinausgehend alle theoretischen und praktischen Kenntnisse umfassen soll.7 Damit hebt dieser Universalbegriff die Abgrenzung von Wissenschaft und Handwerkskunst auf. Der Anspruch auf Vollständigkeit soll durch den bewußten Verzicht auf Eingrenzung des Stoffes verwirklicht werden.8 Trotzdem zu konstatierende Lücken sind nach Ludewig auf die »menschliche Fehlbarkeit« zurückzuführen.9 Dabei ist die Präsentation des Wissens noch nicht durchgängig einer kritischen Reflexion unterworfen gewesen, sondern vielmehr das Ergebnis einer eklektizistischen Zusammenstellung. »Ausführliche Zitate antiker, mittelalterlicher und neuzeitlicher Quellenwerke wechseln mit Anekdotischem. Historische und genealogische Angaben sind mit reichen Berichten über Volksmeinungen, über Wunder [...] und nachlebende magische Traditionen vermischt, obwohl der Geist der Aufklärung sich bereits mehr und mehr durchzusetzen beginnt.«10

Insbesondere die Analyse der Artikel zu theologischen Lemmata belegt, daß die Autoren den lutherisch-orthodoxen Standpunkt der Leipziger Universität vertreten. So werden z.B. die Pietisten als »Fanatici« bezeichnet –––––––––– 6 In das Lexikon wurden auch dezidiert katholische Lemmata aufgenommen, wie es die Aufzählung auf dem Titelblatt ankündigt: »Wie nicht weniger die völlige Vorstellung aller in denen Kirchen=Geschichten berühmten Alt=Väter, Propheten, Apostel, Päbste, Cardinäle, Bischöffe, Prälaten und Gottesgelehrte, wei [sic] auch Concilien, Synoden, Orden, Wallfarthen, Verfolgungen der Kirchen, Märtyrer, Heiligen, Sectirer und Ketzer aller Zeiten und Länder.« Vgl. Titelblatt, in: GVUL, 1. Allerdings sind diese Artikel inhaltlich der lutherischen Orthodoxie verhaftet. 7 »Und gleichwol mag man von unserm UNIVERSAL-LEXICON sagen: daß dessen Gräntzen viel weiter, als die Academische Wissenschaften/ so viel derer auch nur seyn mögen/ reichen«. Ludewig, Johann Peter: Vorrede, in: GVUL, 1, [1]–16, hier 6. Kossmann: Deutsche Universallexika, 1553–1596. 8 Vgl. die Angaben zum Inhalt auf dem Titelblatt. GVUL, 1. 9 Vgl. dazu: Spree: Streben nach Wissen, 26. 10 Enzyklopädie der Superlative, 1.

Begriffsdefinition universal

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oder es wird im Artikel über die Wallfahrt der finanzielle Nutzen für den Papst hervorgehoben. Deutlich zeigt sich im Universal-Lexicon der Umbruch innerhalb der Wissenschaften im 18. Jahrhundert. Auf der einen Seite ist die unreflektierte eklektizistische Textsammlung, die bei zahlreichen Lemmata zu finden ist, noch traditionell. Aber auch inhaltlich kann durch die Benutzung älterer Nachschlagewerke insbesondere auf dem Gebiet der Naturwissenschaften noch nicht der aktuelle Stand der Wissenschaften geboten werden. Auf der anderen Seite werden auf dem Titelblatt menschlicher »Verstand« und »Witz« als kritische Instanz zur Überprüfung des Wahrheitsgehaltes des bisherigen Wissens postuliert.11 In dem Bereich der Philosophie zeigt sich im Erscheinungszeitraum der steigende Einfluß der Wolffschen Philosophie sowohl in einzelnen Artikeln als auch in den Lemmata.12 Gert Zischka ordnet das Universal-Lexicon dem »Inventartyp«13 zu, da es die Summe des bis dahin verbreiteten Wissens biete. Im Unterschied dazu steht die Intention der Encyclopédie, die die Veränderung der Welt nach aufklärerischen Ideen befördern sollte.14 Die Artikel sind nach dem Alphabet geordnet, wobei i und j sowie u und v jeweils als ein Buchstabe behandelt werden. Im 18. Jahrhundert setzte sich die alphabetische Ordnung in Enzyklopädien und Speziallexika durch, allerdings mußte ihr Wert in frühen Werken noch thematisiert werden.15 Auf die alphabetische Sortierung wird in der Vorrede zum UniversalLexicon nicht eingegangen, da bei der Breite des berücksichtigten Materials keine sachliche Ordnung in Frage kam.

–––––––––– 11 Kossmann: Deutsche Universallexika, 1572. 12 Der längste Eintrag mit 349 Spalten behandelt die Wolffische Philosophie. Aus der Terminologie C. Wolffs werden die Lemmata »Seelenlehre« und »Vernunftschluß« in längeren Artikeln erläutert. Vgl. Kossmann: Deutsche Universallexika, 1577–1578; Seelenlehre, in: GVUL, 36, 1168–1169; Vernunftschluß, in: GVUL, 47, 1436–1466; Wolffische Philosophie, in: GVUL, 58, 883–1232. 13 Die Bezeichnung »Inventartyp« führt Gert A. Zischka ein und bezeichnet damit den älteren Lexikontyp, der »mehr auf bloße Anhäufung des Materials« eingestellt war. Der Begriff ist allerdings problematisch, da es außer dem Universal-Lexicon keine weiteren Beispiele dieses Typs gibt und er somit nur auf ein Lexikon anwendbar ist. Kossman übernimmt den Begriff, in der neueren Literatur wird er nicht verwendet. Zischka: Index lexicorum, XL. 14 Kossmann: Deutsche Universallexika, 1576; Voss: Deutsche und französische Enzyklopädien. 15 Kossmann führt als Beispiel die Vorrede des philosophischen Lexikons von Johann Georg Walch von 1726 an. Dort definiert er die Funktion des Lexikons als Nachschlagewerk, das dem Lernenden allgemeine und spezielle Informationen bietet und weder eine Disziplin in ihrem Kontext, noch eine wissenschaftliche Ordnung vorstellen will. Kossmann: Deutsche Universallexika, 1582–1583.

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Der Typus des Universalgesangbuchs

Bezieht man den Begriff des Inventartyps auf das Konzept eines Gesangbuchs, so müßte dieses den Anspruch haben, die geistlichen Lieder in relativer Vollständigkeit aufzunehmen. Geographische Konnotation Die zweite Bedeutung des Begriffs universal, die ab dem frühen 16. Jahrhundert nachweisbar ist, bezieht das Allumfassende auf räumlich-geographische Phänomene und ist als »weltumspannend« und »an vielen Orten gebräuchlich«bis hin zu »allgemein gültig« zu begreifen.16 Als Beispiele werden Weltgeschichte oder die von Leibniz angeregte Universalsprache aufgeführt. Die Qualität des Begriffs wird nun nicht mehr nur auf die inhaltliche Vollständigkeit bezogen, sondern auf seine Verbreitung, Anerkennung und seinen Gebrauch. Auf das Gesangbuch übertragen wäre darunter ein international und überkonfessionell ausgerichteter Liedkanon, der in Übersetzungen in allen Weltsprachen vorliegt, zu verstehen. Utilitaristische Konnotation Seit der Mitte des 17. Jahrhunderts wird der Begriff zunehmend »für alle, viele Zwecke, Gelegenheiten und Bedürfnisse« vor allem in der Medizin und Technik verstanden, so die Universalmedizin oder das Universalmittel, die als Allheilmittel eingesetzt wurden.17 Ein berühmtes Beispiel dafür ist die essentia dulcis, die in den Franckeschen Stiftungen in Halle hergestellt und durch deren Kommunikationsnetz weltweit vertrieben wurde.18 Ein Universalgesangbuch mit utilitaristischem Anspruch dürfte nicht mehr auf einen Verwendungszusammenhang wie Kirche oder private Andacht bezogen sein, sondern müßte umfassend Lieder für alle Anlässe bereithalten.

2. Das Universalgesangbuch 2.1 Historische Verwendung des Begriffs Der erste Beleg für die Verwendung des Begriffs als Titelstichwort findet sich 1735 im Entwurff und Avertissement von dem colligirten Universal= Gesang=Buch.19 Es handelt sich hierbei um eine Werbeschrift zur Gewinnung von Subskribenten. Der Autor Johann Jacob Gottschald20 definiert das –––––––––– 16 Deutsches Fremdwörterbuch, 6, 34–35. 17 Ebd., 35. 18 Brecht: August Hermann Francke, 489; Ernst/Ernst: Medizin und Pharmazie. 19 Gottschalck: Entwurff und Avertissement. 20 Johann Jacob Gottschald *21.4.1688 in Eubenstock †15.2.1759 in Schöneck. Ursprünglich lautete der Familienname Gottschalck, wegen der negativen Bedeutung ließ ihn J.J. in Gottschald

Das Universalgesangbuch

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Universalgesangbuch zuerst ex negativo; so versteht er darunter nicht ein Gesangbuch, »welches alle Lieder, die man nur finden, in sich fasse, wie etwa ein Lateinisches Universal-Wörter=Buch oder Lexicon alle Wörter solcher Sprache, die nur irgends wo bey einem Lateinischen Autore vorkommen können, in sich fassen muß«,21 sondern »es sey ein solches, welches alle Materias Theologicas, als alle Doctrinas Theticas, alle Virtutes und Vitia, ingleichen die gehörige Lieder auf alle Zeiten, bey allerley Fällen und Gelegenheiten und für allerley Personen in sich fasse.«22 Dieses Zitat belegt, daß der Begriff universal von einem zeitgenössischen Leser zuerst im umfassenden Sinne oder enzyklopädisch verstanden worden ist. Gottschald illustriert diese Bedeutung des Wortes mit dem Hinweis auf Wörterbücher und Sprachlexika, die die größtmögliche Vollständigkeit anstreben müssen. Präzise unterscheidet er in der Vorrede zu seinem Gesangbuch die zwei Bedeutungen von Universal als »universal ratione cantilenarum«, das »alle Gesänge in sich fasset, die zu finden« und »universal ratione materiarum«, das »alle Materien, darüber man Gesänge nöthig hat, in sich fasset; indem nunmehr alle Materien der Doctrinal- und Moral-Theologie, alle Evangelien und Episteln, alle Fälle, alle Zeiten, ja auch allerley Stände ihre Lieder, und zwar schöne Lieder, überkommen, so, daß vornehmlich die Alten, und wo diese mangeln wollen, Neue Lieder der geistreichen Theologorum und anderer Dichter gesuchet werden.«23

Als Beispiele der enzyklopädischen Gesangbücher nennt Gottschald: »Das Nürnberger Gesangbuch, so Anno 1700 gedrucket worden, und allein 500 Lieder hat, die sich von A anfangen [...] Das große Leipziger, in 8. Bänden bestehende Gesangbuch [...] Das letzt edirte Würtenbergische, welches Herr Regierungs=Rath Moser angefangen, und Herr. M. Bilhuber nun unvermuthet mit dem 3ten Band beschlossen [...]«.24

–––––––––– (Gottschaldt) umwandeln. Er studierte in Altenburg, Leipzig und Wittenberg Theologie und schloß 1711 mit dem Magister in Leipzig ab. 1713 ging er nach Dresden zu Pfarrer Heinrich Joachim Hahn. 1716 erhielt er eine Stelle als Pfarrer in Somsdorf, 1721 wurde er Diakon in seiner Eubenstock und schließlich übernahm er 1739 die Pfarrstelle in Schöneck. Johann Jacob Gottschald, in: DBA. Mf. 1, 410, 258–259. (Übernahme des Artikels aus: Moser, Johann Jacob: Beytrag zu einem Lexico der jetzlebenden lutherisch- und reformierten Theologen, 1740); Johann Jacob Gottschald, in: DBA. Mf. 1, 410, 258–259. (Übernahme des Artikels aus: Meusel, Johann Georg: Lexikon der verstorbenen teutschen Schriftsteller, 4); Koch: Geschichte des Kirchenlieds, 5, 501–503. 21 Gottschalck: Entwurff und Avertissement, 4, § 4. 22 Ebd., § 6. 23 Gottschaldt Johann Jacob: Ausführlichere Vorrede des Universal-Gesang-Buchs, in: Ders.: Sammlung von allerhand Lieder=Remarquen, 6–37. Hier: 6–7. 24 Wirth (Hg.): Lieder=Schatzes Erster Theil, 1700; Wagner (Hg.): Geistliches Brand= und Gantz=Opfer; Moser/Bilhuber (Hg.): Evangelischer Lieder=Schatz, 1–3; Gottschalck: Entwurff und Avertissement, 4, § 4.

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Der Typus des Universalgesangbuchs

Gegen die enzyklopädische Konzeption wendet er ein, daß es nicht möglich sei, die nahezu unbegrenzte Menge an gedruckten und handschriftlich verbreiteten Liedern in einer Sammlung zusammenzutragen und drucken zu lassen.25 Die Liedersammlung, die sein Freund M. Frantzen mit über 16.000 Liedern erstellt hat, betrachtet er als einen Anfang und hält deshalb ein enzyklopädisches Universalgesangbuch für ein »impracticabel Werck«.26 Die Rezeption durch die Leser und damit den wirtschaftlichen Erfolg des Verlegers sieht er dadurch gefährdet, daß sich in einer solchen Sammlung auch schlechte und anstößige Lieder befänden.27 Vorläufer für seine utilitaristische Konzeption sieht er in den sehr umfangreichen Gesangbüchern, von denen er das Hildesheimische mit 1500 und das Lüneburger mit 2100 Liedern nennt. Das utilitaristische Programm liegt auch dem Reibersdorfischen, dem Züllichower und dem Darmstädtischen Gesangbuch zugrunde. Allerdings wurden in diesen Werken die Doktrinen, Laster, Tugenden, Fälle und Personen nicht umfassend genug in Liedern thematisiert. Diesen Mangel wollte Gottschald mit seinem Gesangbuch beheben, das 1737 unter dem Titel Theologia in Hymnis oder Universal-Gesangbuch herauskam. Im selben Jahr erschien die Evangelische Lieder-Theologie, deren enge Verbindung zur Theologia in Hymnis sich nicht nur in der Formulierung des Titels zeigt, sondern auch in der Konzeption.28 Der Begriff Universalgesangbuch, den Peter Busch in seiner Vorrede verwendet, wird im Unter–––––––––– 25 »Ebenso unmöglich ist es auch alle Lieder, welche in allen Ländern, Districten, Städten, Dörffern und Häusern gesungen werden, davon auch nicht die Helffte zum Vorschein kommen, und welche sich alle Tage durch neue Lieder in infinitum mehren, in ein Buch zu colligiren und würden darzu viele Folianten nicht zureichen. [...] daß solches ein impracticables Werck sey, auch sich hierzu nimmermehr ein Verleger finden könne, oder wenn er sich anfänglich findet, wie bey dem Würtembergischen geschehen, doch wieder ermüden, und darüber absterben werde und müsse«. Gottschaldt: Ausführlichere Vorrede, 4, § 5. Auch andere wandten sich gegen das Konzept einer umfassenden Sammlung aller geistlichen Lieder. Im Vorwort zum ersten Teil schreibt Freylinghausen »Wolte aber jemand sagen/ daß man bey solcher Bewandniß hieran doch kein vollständiges Gesangbuch habe/ der hat zu erwegen/ daß es auff diese Weise wegen der grossen Menge der alten und neuen Gesänge/ da so gar auch von manchen Autoribus eigene gantze Gesangbücher heraus gegeben sind/ (wie z. E. des seel. Paul Gerhards herrliche geistliche Lieder mehr als einmal besonders ediret worden) schlechterdings unmüglich sey ein vollständiges Gesangbuch zusammen zu bringen/ und daß demnach die Vollständigkeit eines Gesangbuchs hauptsächlich nicht in der Menge/ sondern vielmehr in Beschaffenheit der Lieder selbst zu setzen ist; welche dann der Christliche Leser/ so er die Gabe der Prüfung in diesem stück erlanget hat/ hier also befinden wird/ daß wol nicht leicht eine Materie circa credenda & agenda vorkommen möchte/ welche nicht in einigen oder mehrern Gesängen auff eine liebliche/ erbauliche/ und kräfftige Art ausgedrucket wäre.« Freylinghausen, Johann Anastasius: Vorrede, in: Ders. (Hg.): Geist=reiches Gesang=Buch, 1704, )( 4 r–[)( )( 5] v. Hier [)( 11] v–)( )( r. 26 Gottschaldt: Ausführlichere Vorrede, 4, § 5. 27 Ebd., 4–5, § 5. 28 Busch (Hg.): Evangelische Lieder=Theologie, 1737. Der vergleichbare Aufbau zeigt sich vor allem in der Anlage der Rubriken nach der Doktrinal= und Moral=Theologie. Mentzer, Balthasar: Vorrede des Censoris, in: Evangelische Lieder=Theologie, 1737, [)( 3] v–[)( 4] v.

Das Universalgesangbuch

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schied zu Gottschald aber nicht auf den Inhalt bezogen, sondern ist geographisch konnotiert, »[...] weil es ertheiltem hohen Befehl gemäß, ein Universal=Gesangbuch fürs gantze Hannöversche Churfürstenthum seyn solle [...].«29 Damit sollte das Gesangbuch die bis dahin in Hannover, Stade, Clausthal, Bremen und dem Stift Hildesheim eingeführten Gesangbücher ersetzen. 2.2 Enzyklopädische Universalgesangbücher Im folgenden werden die Gesangbücher Andächtiger Seelen geistliches Brand= und Gantz=Opfer, des Lieder=Schatzes Erster Theil und der Evangelische Lieder=Schatz Oder Glossirtes grosses Würtembergisches Gesangbuch vorgestellt und ihre Zugehörigkeit zum Typus des enzyklopädischen Universalgesangbuchs untersucht. In einem zweiten Abschnitt wird das enzyklopädische Universalgesangbuch in die lutherische Gesangbuchgeschichte eingeordnet. Andächtiger Seelen geistliches Brand= und Gantz=Opfer Unter dem Titel Andächtiger Seelen geistliches Brand= und Gantz=Opfer erschien 1697 bei Andreas Zeidler in Leipzig ein achtbändiges Gesangbuch.30 Nach der Vorrede von Johann Günther31 wurde es von einem »bey dieser werthen Stadt gewesenen Hochverdienten Mann und grauen Ehrenhaupt/ welcher vor wenig Monaten in dem HErrn seelig verstorben ist« zusammengestellt und mit Hilfe seiner Söhne für den Druck vorbereitet.32 Der Name bleibt aus Bescheidenheit des Verstorbenen ungenannt, allerdings wird er in der Vorrede als bedeutende Persönlichkeit der Stadt Leip–––––––––– 29 Busch, Peter: Vorrede des Collectoris, in: Ders. (Hg.): Evangelische Lieder=Theologie, 1737, )( 5 r–[)()( 6] r. 30 Koch: Geschichte des Kirchenlieds, 5, 566–567. 31 Johann Günther *17.4.1660 in Greiffenberg (Schlesien) †20.1.1710 in Leipzig. Nachdem er Theologie in Breslau und Leipzig studiert hatte, wurde er 1682 Magister und 1688 Assessor der philosophischen Fakultät. 1690 erhielt er die Stelle eines Diakons und Mittagspredigers an St. Thomas, 1699 wechselte er als Freitagsprediger zu St. Nicolai. 1708 kehrte er wieder an St. Thomas zurück. Neben seinen praktisch-theologischen Aufgaben widmete er sich der theologischen Wissenschaft und wurde zum Doktor der Theologie promoviert. Mit Streitschriften und in Disputationen beteiligte er sich an den konfessionellen Auseinandersetzungen. Johann Günter, in: DBA. Mf. 1, 436, 64. (Übernahme des Artikels aus: Peuker, Johann Georg: Kurzbiographische Nachrichten der vornehmsten schlesischen Gelehrten. Leipzig 1788); Johann Günter, in: DBA. Mf. 1, 436, 31–60. (Übernahme des Artikels aus: Ranfft, Michael: Leben und Schrifften aller chursächsischen Gottesgelehrten die mit der Doctor-Würde gepranget und in diesem jetzlauffenden Jahrhundert das Zeitliche gesegnet. Leipzig 1742). 32 Günther, Johann: Vorrede, in: Wagner (Hg.): Geistliches Brand= und Gantz=Opfer, b 3 r–[b 7] r, [c 4] r.

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Der Typus des Universalgesangbuchs

zig charakterisiert und sein vorbildhafter Lebenswandel hervorgehoben. Aufgrund dieser Andeutungen haben bereits die Zeitgenossen das Gesangbuch dem Leipziger Juristen und Bürgermeister Paul Wagner zugeschrieben.33 Seine fromme Lebensführung veranlaßte Christian Gottlieb Jöcher dazu, ihn einen »JEsus zu Leipzig« zu nennen.34 Auch Günther berichtet in seinem Vorwort zur Genese des Gesangbuchs, daß Wagner regelmäßige Privatandachten hielt. 35 Bei diesen Zusammenkünften sang man viel, insbesondere neue Lieder. Die Texte der Lieder bearbeitete Wagner für die Bedürfnisse dieser religiösen Gemeinschaft, stellte sie zu einzelnen Abteilungen zusammen und gab sie dann in einer Auflage von unter 100 Exemplaren heraus.36 Diese nicht sehr umfangreichen Gesangbücher zirkulierten und wurden so gut aufgenommen, daß die Leser um eine vollständige Ausgabe der Lieder baten. Dabei handelte es sich nach Eduard Emil Koch um eine Sammlung von 600 Gesängen, die dann den Grundstock für das Geistliche Brand= und Gantz=Opfer bildeten. Die restlichen Lieder entnahm Wagner anderen Gesangbüchern. Als einziges Kriterium für die Auswahl nennt Günther den Gebrauch der Lieder in den Privatandachten des Herausgebers.37 Danach sind die Lieder alle von Wagner gesungen worden oder er hatte sie sich vorsingen lassen. Günther sah sich durch den bedeutenden Anteil neuer Lieder veranlaßt, deren Berücksichtigung zu legitimieren. So läßt er alle Gesänge gelten, die nach der Heiligen Schrift und zum Nutzen der Gemeinde eingerichtet sind, unabhängig davon, ob sie von einem Geistlichen oder einem Laien verfaßt wurden.38 Die Aufnahme der Lieder, die aus dem Bereich der Privatandachten stammten und bis dahin noch nicht im Gottesdienst gesungen worden waren, begründet er damit, daß der Heilige Geist immer noch wirke und dadurch wertvolle Texte entstünden.39 Um aber den Kritikern der neuen Lieder entgegenzukommen, sind die durch die Kirche eingeführten Lieder unverändert und mit dem Namen der Verfasser in den ersten Band aufgenommen worden.40 Auf die Gefahr, durch »ketzerische« Lieder verführt zu werden, geht Günther am Ende der Vorrede ein –––––––––– 33 Paul Wagner *1617 †1697 in Leipzig. Er studierte Jura und wurde 1648 in Leipzig promoviert. Danach wurde er Assessor am Ober Hof-Gericht und später der juristischen Fakultät. Daneben gehörte er 40 Jahre lang zum Rat der Stadt und wurde schließlich Bürgermeister von Leipzig. Paul Wagner, in: DBA. Mf. 1, 1325, 43. (Übernahme des Artikels aus: Jöcher, Christian Gottlieb: Allgemeines Gelehrten-Lexikon. Leipzig 4 (1751)). 34 Ebd. 35 Günther: Vorrede, c[1] r–[c 1] v, § 20. 36 Zu den Textänderungen vgl. Neumann: Zur Frage der Gesangbücher, 112–123. 37 Günther: Vorrede, b 4 r, § 13. 38 Ebd., [b 8] r, § 19. 39 Ebd., [b 8] v, § 20. 40 Die alten Kernlieder stammen zu größten Teil aus dem: Vopelius (Hg.): Neu Leipziger Gesangbuch. Vgl. Neumann: Zur Frage der Gesangbücher, 112–113.

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und wünscht, daß die heiligen und erbaulichen Gesangbücher die teuflischen verdrängen mögen. Die Formulierung bleibt allgemein; es könnten pietistische, mystisch-spiritualistische, aber auch katholische Lieder gemeint sein. Da Günther sich als Pfarrer in konfessionellen Auseinandersetzungen engagierte, dürfte diese Kritik vor allem gegen Lieder katholischer Provenienz gerichtet gewesen sein.41 Das Gesangbuch enthält ca. 5000 Lieder, die thematisch in acht Bänden angeordnet sind.42 In jedem Band befindet sich am Anfang ein Inhaltsverzeichnis, dann folgen die Lieder innerhalb der Rubriken. Nach der Angabe des Tons steht der Liedertext. Die Kirchenlieder nahm man in ihrer ursprünglichen Fassung auf, dagegen änderte Wagner aus inhaltlichen und sprachlichen Gründen den Text der neuen Lieder. Da dadurch auch die Anfangszeile einen neuen Wortlaut erhalten konnte, wird in einem zweiten Register in Band acht vom alten auf das neue Incipit verwiesen. In seiner Vorrede betont Günther, daß man zur besseren Lesbarkeit den Text einspaltig in einer großen Schrift gesetzt habe.43 Um dennoch das Buch gut transportieren und während einer Andacht benutzen zu können, wählte man das Oktavformat. Durch das alphabetische Gesamtregister im ersten Band werden alle Bände nach dem Incipit erschlossen, ein Melodienregister fehlt dagegen. Die Verfasser werden nur im ersten Band angegeben. Der Druck des Gesangbuchs hat sich über einen längeren Zeitraum erstreckt. So schreibt Günther, daß einige Bände noch zu Wagners Lebzeiten erschienen seien.44 Aber auch die Nachträge in den späteren Bänden belegen das. Die endgültige Drucklegung besorgten die beiden Söhne noch im Todesjahr Wagners.45 Somit haben alle Bände ein auf 1697 datiertes Titel–––––––––– 41 Vgl. Johann Günter, in: DBA. Mf. 1, 436, 31–60. (Übernahme des Artikels aus: Ranfft, Michael: Leben und Schrifften aller chur-sächsischen Gottesgelehrten die mit der Doctor-Würde gepranget und in diesem jetzlauffenden Jahrhundert das Zeitliche gesegnet. Leipzig 1742). Allerdings hat Paul Wagner auch auf katholische Quellen zurückgegriffen. Heike Wennemuth betont in ihrer Dissertation, daß das Gesangbuch eine große Anzahl von Übersetzungen lateinischer Hymnen enthält. Das Lied Christ der du bist Licht und Tag geht auf eine Übersetzung des Hymnus Christ est lux aus dem katholischen Gesangbuch Nord-Stern/ Führer auff dem Weg zur Seeligkeit [...] Amsterdam 1671 (DKL 167107) zurück. Vermutlich stammt diese Übersetzung von Sebastian Brandt und wurde dann von Paul Wagner verändert. Wennemuth: Vom lateinischen Hymnus, 172–173. 42 Im ersten Band befinden sich die Kirchenlieder oder älteren Lieder für den Gottesdienst, im zweiten Band Festlieder, im dritten Evangeliums- und Epistellieder, im vierten Morgen- Abendund Tischlieder sowie Lieder vom christlichen Wandel, im fünften Band Buß- und Katechismuslieder, Lieder vom Heiligen Abendmahl und neuen Gehorsam und Lieder über Jesus Sirach, im sechsten Band Kreuz- und Trostlieder, Lob- und Danklieder, im siebten Standlieder, Reiselieder, Lieder bei schlechtem Wetter und im Krieg, im achten Band Kranken- und Sterbelieder, Lieder vom Jüngsten Gericht, Himmel und Hölle. 43 Günther: Vorrede, c 2 r–[c 2] v, § 22. 44 Ebd., b 3 r–[b 3] v, § 11. 45 Neumann: Zur Frage der Gesangbücher, 113.

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blatt erhalten und sind mit einer Gesamtvorrede veröffentlicht worden. Über die Finanzierung wird in der Vorrede keine Bemerkung gemacht; vermutlich haben Wagner und seine Söhne das Projekt vorfinanziert. Der Herausgeber intendierte mit diesem Gesangbuch, eine große Anzahl von Liedern für jede Lebenssituation des Menschen zusammenzustellen. »Was die Contenta dieses grossen und vollständigen Gesang=Buches betrifft/ so giebet es auch ohne meine Erinnerung der Augenschein selber/ daß eine sehr grosse Menge der besten und erbaulichsten Lieder darinnen anzutreffen/ welche auff jedwedere Zeit/ und auff jedwederen Zustand der Menschen sich schicken und an ihren gehörigen Orte in guter Ordnung zu finden seyn.«46

Die »jedwedere Zeit« und der »jedwedere Zustand« werden durch den ersten Teil der Vorrede erläutert, in dem auf die Wirkung der Lieder eingegangen wird. So betont Günther die didaktische Funktion der Lieder, Glaubensgrundsätze zu vermitteln.47 Darüber hinaus spenden die Lieder Trost und Hoffnung48 und sind ein gesungenes Dankopfer an Gott.49 Als zweiten Grund für die Sammlung führt der Vorredner die Archivfunktion an: »[...] andern Theils ist eines von dem Haupt=Absehen dieses grossen Gesang=Buches/ daß man die hin und wieder Zerstreueten/ theils einzelen gedruckte/ theils beschrieben bekommene Lieder/ colligiren/ und von dem Untergange und Vergessenheit gerne [hat] erretten wollen.«50 Im Gegensatz zum Neu Leipziger Gesangbuch von den schönsten und besten Liedern, das von Gottfried Vopelius herausgegeben wurde und das Wagner als Quelle für sein Gesangbuch verwendet hatte, hat das Wagnerische Gesangbuch keine weite Verbreitung gefunden.51 Es wurde vor allem von Kantoren und Pfarrern als Quellensammlung benutzt. Das Gesangbuch ist auch in der Bibliothek von Johann Sebastian Bach nachweisbar.52 Hans Hofmann vermutet, daß Bach den Text für den größten Teil seiner Motetten, Kantaten und Passionen daraus zusammengestellt habe.53 Diese Einschätzung ist in der Forschung eingeschränkt worden. Zwar hat Bach für einige Kantaten und Motetten auf die Texte im Wagnerischen Gesangbuch zurückgegriffen oder hat sich durch diese anregen lassen, aber der Ver–––––––––– 46 Günther: Vorrede, [b 7] v, § 18. 47 »[...] und dürfften wohl ihrer viele [gemeinen Leute] sehr wenig vom Glauben und Christenthum wissen/ wenn nicht noch eines und das andere davon durch ietztgemeldtes angenehmes Mittel in ihrem Gedächtnisse erhalten würde«. Ebd., [b 2] v, § 9. 48 Ebd., [b 2] v, § 9. 49 In diesem Sinne ist auch der Titel des Gesangbuchs Andächtiger Seelen geistliches Brand= und Gantz=Opfer zu verstehen. Günther: Vorrede, [b 7] r–[b 7] v, § 17. 50 Ebd., [b 7] v–[b 8] r, § 18. 51 Hofmann: Zur Geschichte der Leipziger Gesangbücher, 16. 52 Blankenburg: Leipziger Gesangbücher, 25. 53 Hofmann: Zur Geschichte der Leipziger Gesangbücher, 16.

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gleich der Textfassungen belegt, daß Bach für die meisten Texte seiner Kompositionen andere Quellen benutzt hat.54 Der Begriff universal wird weder im Titel noch im Vorwort benutzt, statt dessen steht das Adjektiv »vollständig« im Titel. Darunter wird nicht eine umfassende oder enzyklopädische Sammlung, sondern »eine sehr grosse Menge der besten und erbaulichsten Lieder« verstanden. Die Vollständigkeit wird auf die Inhalte bezogen, d.h. für jede Situation im Leben sollen Lieder bereitgehalten werden. Mit dieser Intention müßte das Gesangbuch der Gruppe der utilitaristischen Gesangbücher zugeordnet werden. Allerdings ist es durch den großen Umfang und die angestrebte Archivfunktion den enzyklopädischen Sammlungen zuzurechnen, wie es bereits Gottschald tat. Auch die Rezeption des Gesangbuchs als Quellensammlung bestätigt diese Einordnung. Lieder=Schatzes Erster Theil Mit dem Gesangbuch des Lieder=Schatzes Erster Theil das 1700 im Verlag Johann Andreas Endter sel. Söhne in Nürnberg erschien, gab Ambrosius Wirth eine Liedersammlung heraus, die für den privaten Gebrauch gedacht war und sich an Kenner und Liebhaber geistlicher Lieder richtete.55 Er plante ein alphabetisch angelegtes Gesangbuch »damit man ein Lied/ das einem nach dem Anfange und Inhalt schon bekannt wäre/ gleich könte aufschlagen«.56 Als er damit begann, diesen Plan zu verwirklichen, fand er so viele Lieder, daß er ein Auswahlkriterium bestimmen mußte. Er entschied sich, nur Lieder, deren Incipit mit A beginnt, aufzunehmen. Doch auch diese Beschränkung genügte nicht, daher wählte er aus dieser Sammlung von über 800 Gesängen die »feinsten und erbaulichsten« aus. Die Fortführung des Projekts war bereits bei Erscheinen des ersten Teils unsicher. Insofern will der Herausgeber die Bezeichnung »erster Teil« nicht nur im engeren Sinne als den ersten innerhalb einer Abfolge von Bänden verstanden wis–––––––––– 54 Neumann: Zur Frage der Gesangbücher, 113–114; Veit: Gesangbücher, 222–223. 55 Ambrosius Wirth *20. 5. 1656 in Wolkenburg (Meißen) †15.5.1723 in Nürnberg. Nach seinem Studium in Jena arbeitete er in Nürnberg als Hauslehrer. 1687 erhielt er die Stelle des Frühpredigers an der Schloßkirche zu St. Margareth und Pfarrers in Eschenau. Aufgrund seiner pietistischen Reformbemühungen wurde er 1693 als Gemeindepfarrer abgesetzt und als Zuchthauspfarrer und Pestilentiarius nach Nürnberg strafversetzt. 1697 erhielt er das Amt des Krankenhauspfarrers im Spital zum Heiligen Geist. Im Pfarrhaus leitete er Erbauungsstunden, aber auch auf die bei Laien stattfindenden Versammlungen nahm er Einfluß, indem er feste Statuen vorschrieb. An das Vorbild der Franckeschen Stiftungen anknüpfend richtete er 1701 eine Armenschule bei St. Lorenz ein, deren Leitung dann sein Sohn übernahm. Darüber hinaus gab er zahlreiche erbauliche Schriften und Gesangbücher heraus. Ambrosius Wirth, in: DBA. Mf. 1, 1381, 39– 42. (Übernahme des Artikels aus: Will, Georg Andreas: Nürnbergisches Gelehrten-Lexicon. 4, Suppl. (1748)); Weigelt: Pietismus in Bayern, 302. 56 Vgl. zu diesem Abschnitt: Wirth, Ambrosius: Vorrede, in: Ders. (Hg.): Lieder=Schatzes Erster Theil, 1700, )( 2 r–[)( )( 4] r.

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sen, sondern als »pars pro toto« soll diese Sammlung auf die unzählige Menge geistlicher Lieder hinweisen. Dazu vergleicht er seine Liederauswahl mit den Früchten, die die Kundschafter aus dem Lande Kanaan brachten (4. Mose 13,23). Wie die Rebe mit einer Weintraube, die Granatäpfel und Feigen für die Fruchtbarkeit Kanaans stehen, belegt diese Sammlung den Reichtum an geistlichen Liedern. Der Liederschatz enthält in alphabetischer Anordnung 500 Lieder aus 27 Gesangbüchern. Trotz der Auswahl nach dem formalen Kriterium (Incipit mit A) ist es inhaltlich ein umfassendes Gesangbuch. Nach dem Rubrikenregister bietet es in der ersten Klasse allgemeine und besondere Bußlieder (darunter befinden sich auch Bußpsalmen Davids), in der zweiten Abteilung Lieder zu den einzelnen Teilen des Katechismus und den Zehn Geboten, im dritten Teil Lieder zu den Festen des Kirchenjahrs und im vierten Abschnitt Klage-, Trost-, Dank- und Loblieder für unterschiedliche Situationen im Alltag. Insofern ist es als ein inhaltlich vollständiges Gesangbuch konzipiert, d.h. mit Liedern für alle Lebenslagen und für die private Andacht. Auch die komfortable Erschließung durch drei weitere Register belegt, daß hier der Laie bei seiner Liedauswahl unterstützt werden sollte. Das erste gibt die in den Liedern benutzten Psalm- und Bibelstellen an, das Materienregister schlüsselt den Inhalt der Lieder nach einzelnen Stichwörtern auf, und im letzten werden die Lieder den Sonn- und Festtagen zugeordnet. Die Intention, die hinter diesem Gesangbuch-Konzept steht, ist die Dokumentation geistlicher Lieder für die nachfolgenden Generationen. »Welche [geistliche Lieder] wir ja nicht verachten/ sondern für einen theuren Schatz halten/ und/ wie dorten Joseph that/ da er in den sieben reichen Jahren das Getreide aufschüttete und auf den bedürfftigen Fall einsamlete/ fleissig aufheben und auf unsere Nachkommen zu bringen bemühet seyn sollen.«57

Aufgrund der alphabetischen Anlage war der Gebrauch des Gesangbuchs auf die private Andacht beschränkt. Als Rezipienten erwartete der Herausgeber den hymnologisch versierten Leser, der die Lieder nicht nach dem Inhalt, sondern nach dem Titel suchte. Das Singen war ein wichtiger Bestandteil pietistischer Erbauungsstunden, die in Nürnberg nicht nur bei Wirth im Pfarrhaus, sondern auch bei Laien abgehalten wurden. 58 Das legt die Vermutung nahe, daß er das Gesangbuch für die Teilnehmer dieser Kollegien konzipiert hatte. Da die Rezeption geringer war als erwartet, setzte er das Projekt nicht weiter fort. –––––––––– 57 Wirth: Vorrede, 1700, [)( 4] v–)( 5 r. 58 Als Georg Jakob Schwindel nach dem Tode von Wirth die Leitung der Konventikel übernahm, lag die Zahl der Teilnehmer zwischen 100 und 150 Personen. Vgl. Weigelt: Pietismus in Bayern, 302.

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Neunzehn Jahre später erschien Des Geistlichen Lieder=Schatzes vollständiger Theil, der zwar von der Titelformulierung an das erste Gesangbuch erinnert, aber inhaltlich und konzeptionell eigenständig ist.59 Er zitiert den Titel, da er die Lieder in beiden Gesangbüchern für einen »gar reichen Schatz geistl[icher] Güter« hält.60 Mit der Bezeichnung »vollständiger Theil« meint er keine umfassende Dokumentation von geistlichen Liedern, sondern eine Auswahl von 876 alten und neuen Lieder. In den alten Liedern ist der Kanon der Kirchenlieder enthalten; somit kann diese Liedersammlung sowohl im Gottesdienst als auch in der Privatandacht benutzt werden.61 Dazu kommen die pietistischen Lieder, die Wirth vor allem den beiden Teilen des Geist=reichen Gesang=Buchs von Johann Anastasius Freylinghausen entnommen hat. Des Lieder=Schatzes Erster Theil kann aufgrund der Konzeption, eine umfassende Auswahl des Liedguts aus verschiedenen Gesangbüchern zu dokumentieren, als enzyklopädisches Universalgesangbuch bezeichnet werden. Eine vollständige Dokumentation hielt Wirth nach Scheitern seines Projekts für unmöglich.62 Wie bereits das Wagnerische Gesangbuch ist es im Kontext des in privaten Erbauungsstunden praktizierten Liedersingens entstanden. Evangelischer Lieder=Schatz, Oder Glossirtes grosses Würtembergisches Gesangbuch Ein weiteres Gesangbuch, das Gottschald zu den enzyklopädischen Universalgesangbüchern zählt, ist der von Johann Jakob Moser63 und Johann Christoph Bilhuber64 herausgegebene Evangelische Lieder=Schatz, Oder Glos–––––––––– 59 Wirth (Hg.): Des Geistlichen Lieder=Schatzes vollständiger Theil, 1719. Nach dem Vorwort ist es die erweiterte Ausgabe des 1714 erschienenen Geistreichen Gesangbüchlein, in dem die 416 Lieder traditionell nach Rubriken angeordnet sind. Wirth, Ambrosius: Vorrede, in: Ders. (Hg.): Des Geistlichen Lieder=Schatzes vollständiger Theil, 1719, [)( 1] v–[)( 4] v. 60 Ebd., )( 3 r. 61 Darauf weist auch die Formulierung im Titel hin: Welche von| Gottseligen Seelen/| sowol in öffentlicher Gemeine/| als auch| in ihrer Privat=Andacht/| auf allerley Zeit/| und| allehand Fällen/| nützlich können gebraucht werden;| Titelblatt, in: Des Geistlichen Lieder=Schatzes vollständiger Theil, 1719. 62 Wirth: Vorrede, 1719, )( 2 r. 63 Zur Biographie vgl. Aretin: Johann Jacob Moser. Zu seiner hymnologischen Bedeutung vgl. Miersemann: Dichten als »Dienst«. 64 Johann Christoph Bilhuber *5.11.1702 in Urach †2.1.1762 Urach. Die Familie stammte ursprünglich aus Schlesien, von dort war sie aus Glaubensgründen vertrieben worden. Ab 1717 besuchte J.C. Bilhuber die Klosterschulen in Blaubeuren und Bebenhausen und wechselte 1722 an das theologische Stift in Tübingen. 1730 wurde er Vikar in Winnenden. Nach dem plötzlichen Tod des Diakon M. Knoebel wurde er dessen Nachfolger. Er heiratete eine Tochter des Stadtpfarrers Rümelin und übernahm 1734 die Stelle seines Schwiegervaters. 1749 ging er als Dekan nach Urach und heiratete dort in zweiter Ehe die Witwe Catharina Rosina Hoffer. Für den Evangelischen Lieder=Schatz stellte er die Bibelstellen zusammen, formulierte die Erklärungen zu den

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sirtes grosses Würtembergisches Gesangbuch. Als der Jurist Moser den Plan für dieses Gesangbuch entwarf, hatte er sich bereits einige Jahre privat mit Liedern beschäftigt und eine Sammlung derselben angelegt.65 Aus diesen über 5000 Liedern, die er teilweise vollständig abgeschrieben, teilweise in gedruckten Werken nachgewiesen hatte, sollte das Liedgut für das Gesangbuch zusammengestellt werden. Er wandte sich an den Verleger Carl Gottlieb Ebert66 in Tübingen und konnte ihn für sein Projekt gewinnen. Da Ebert den Druck des Werkes über einen festen Kreis von Subskribenten finanziell absichern wollte, verfaßte Moser eine Werbeschrift, in der er die Pläne für sein Gesangbuch vorstellte.67 Er plante 5000 neue und alte Lieder aufzunehmen, die mit Anmerkungen versehen werden sollten. In diesen wollte er die Varianten für die bereits in anderen Gesangbüchern publizierten Lieder vermerken, unverständliche Ausdrücke und Formulierungen erläutern, Bibelstellen angeben und in einer »Nutzanwendung« eine inhaltliche Erklärung liefern.68 Zur Mitarbeit, insbesondere an den theologischen Anmerkungen, konnte Moser 1729 den Theologiestudenten Bilhuber gewinnen.69 Die Anordnung der Lieder sollte sich nach der Situation richten, in der gesungen wird. Dazu definierte Moser die sogenannten »Klassen«: eine allgemeine Klasse für jedermann zu jeder Zeit, die zweite Klasse für spezielle Anlässe, die dritte Klasse für bestimmte Sänger und die vierte Klasse für das Liedgut, das von bestimmten Personen zu speziellen Anlässen gesungen wird. Das ganze Gesangbuch sollte durch zehn Register erschlossen werden. Der Subskriptionsschrift legte man einen Probebogen bei, der die Edition der Lieder und den Anmerkungsapparat vorstellte. –––––––––– Liedern und gab den dritten Band heraus. Durch diese Arbeit empfahl er sich für die Kommission zur Herausgabe eines Landesgesangbuchs, das 1741 unter dem Titel Würtembergisches Gesangbuch erschien. Koch: Geschichte des Kirchenlieds, 5, 22. 65 Den Namen des Herrn »Collectoris« nennt J.C. Bilhuber in der Vorrede zum dritten Band. Bilhuber: Vorrede, in: Moser/Bilhuber (Hg.): Evangelischer Lieder=Schatz, 3, *2 r–[* 8] v. Hier [*2] v. E. E. Koch bezeichnet J.J. Moser als »einen der bedeutendsten Hymnologen seiner Zeit«. 1748 soll er 250 Gesangbücher verschiedener Kirchen und religiöser Gruppen aus dem deutschsprachigen Raum, Ungarn, Liefland, Schweden, Dänemark, Holland und Amerika besessen haben. Auf dieser Sammlung basierte sein Liedregister, das 50.000 gedruckte deutsche geistliche Lieder verzeichnete. Da er sich zum Pietismus bekannte, dürften hier die Gesangbücher aus dem pietistischen Bereich vorgeherrscht haben. 1731 plante er, mit Caspar Wetzel eine hymnologische Zeitschrift unter dem Titel Lieder=Fama zu gründen. Koch: Geschichte des Kirchenlieds, 5, 171. 66 Karl Gottlieb Ebert (auch Karl Theophil Ebert) führte den Verlag von 1728 bis 1732. Nach seinem Tod übernahm die Witwe bis 1734 die Leitung des Verlages. Paisey: Deutsche Buchdrukker, 48. 67 In der Vorrede berichtet J.J. Moser über seine ersten Pläne zum Gesangbuch, die er in der Werbeschrift den Subskribenten vorstellte, die Kritik der Leser und die dann von ihm vorgenommenen Änderungen in der Konzeption seines Gesangbuchs. [Moser, Johann Jacob]: Vorrede, in: Moser/Bilhuber (Hg.): Evangelischer Lieder=Schatz, 1, 3–10. 68 Ebd., 6–7. 69 Bilhuber: Vorrede, 1734, [*3] v–*4 r, § 5.

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An dieser Konzeption kritisierten die Leser den großen Umfang, der das Werk zu teuer machen und viele von der Subskription abhalten würde, die zu detaillierte Angabe der Textvarianten und die Anordnung in Klassen. Daraufhin entschied sich Moser, nur die Hälfte der Lieder (2500) mit Anmerkungen in sechs Bänden zu veröffentlichen. Die Ordnung nach Klassen wurde zugunsten der alphabetischen Anlage aufgegeben, und die Textvarianten sollten zukünftig nur angegeben werden, wenn sie den Sinn veränderten.70 Nach Abschluß der sechs Bände stellte er die Fortsetzung des Werkes in Aussicht, die weitere Lieder mit oder ohne Annotationen enthalten werde. Auf die Kritik an den Worterklärungen und den Nutzanwendungen geht Bilhuber zwar ein, aber er weist sie zurück und behält sein Konzept bei. Nur den Umfang der Worterklärungen will er einschränken. Bereits beim Erscheinen des zweiten Bandes gab es erhebliche Verzögerungen, weil Moser mit seiner Arbeit nicht nachkam und der Verleger des Gesangbuchs verstarb.71 Auf der Seite der Subskribenten erlahmte das Interesse, die Zahlungen erfolgten schleppend oder wurden ganz eingestellt.72 1732 fragte man Johann Christoph Wetzel, ob er das Werk weiterführen wolle, was er aber ablehnte.73 Aus diesem Grund entschloß sich Bilhuber, das Werk mit einem dritten Band abzuschließen.74 Von den geplanten Registern sind im dritten Teil das alphabetische Register, das den dritten Band erschließt, ein Rubrikenregister und ein Schlagwortregister enthalten. Die Liederkonkordanz und die Biographien mußten wegfallen, der Leser soll statt dessen auf den Liederkommentar von Schamelius und die Hymnopoeographia von Wetzel zurückgreifen. Auch die im ersten Band angekündigten Nachweise über Liedpredigten und Liedkommentare wurden von Bilhuber nicht beigegeben. Insgesamt enthält das Gesangbuch 1117 Lieder,

–––––––––– 70 Die Lieder sind auch im ersten Band alphabetisch geordnet, obwohl die Bezeichnung »Class. I.« im lebenden Kolumnentitel mit der Angabe des jeweiligen Liedincipits im gesamten ersten Band beibehalten wird. 71 Bilhuber: Vorrede, 1734, [*2] v–*3 r, § 2–3. 72 [Ebert, Carl Gottlieb]: Avertissement, in: Moser/Bilhuber (Hg.): Evangelischer Lieder=Schatz, 2, [ZZZZ 2] r; Bilhuber: Vorrede, 1734, [* 2] v–* 3 r, § 2. 73 »[...] noch weniger bin ich im Stande gewesen/ das von dem hochberühmten ICto, Herrn Johann Jacob von Moser/ auf Filßeck/ hoch=betrautem Chur=Cöllnischen Geheimen= und Hochfürstlichen Würtembergischen Regierungs=Rath/ wie auch berühmten Professore Juris zu Tübingen/ mir vorm Jahr angetragene Directorium zu einem gewissen Lieder=Wercke zu übernehmen.« Wetzel: Hymnologia Passionalis, )( 3 r–[)( 3] v; Rößler: Frühzeit hymnologischer Forschung, 160. 74 »[...] daß vielmehr die meiste Anzahl der Freunde desselben [Gesangbuchs] gewünschet, es möchte mit einem einigen Theil alles beschlossen, und also an dem erstlich so weitläuffigen Project zu derselben Vergnügen ein endliches final gemacht werden.« Bilhuber: Vorrede, 1734, [*2] v–*3 r, § 2.

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die, abgesehen von drei neuen Liedern, aus anderen Gesangbüchern stammen.75 Die geringe Rezeption des Gesangbuchs ist darauf zurückzuführen, daß es sowohl vom Umfang als auch von den Beigaben und Registern her ein Torso geblieben ist. Koch sieht den Mangel des Gesangbuchs in den Erläuterungen, die seiner Meinung nach »marklos und breit ausgefallen sind«.76 Am Anfang hofften die Herausgeber, daß das Gesangbuch als Landesgesangbuch durch herzoglichen Befehl in ganz Württemberg eingeführt werde, was in der Formulierung »glossirtes großes Würtembergisches Gesangbuch« zum Ausdruck kommt.77 Diesen Anspruch konnte Bilhuber im dritten Band nicht mehr aufrecht erhalten. Deshalb fordert er in seiner Vorrede zum dritten Band die Einführung eines Landesgesangbuches, weil durch die unterschiedliche Einrichtung der Gesangbücher und Veränderungen der Lieder kaum mehr ein gemeinsames Singen im Gottesdienst möglich sei.78 1741 erschien in Stuttgart das Würtembergische Gesangbuch und wurde noch im selben Jahr als Landesgesangbuch eingeführt.79 Die Frage, ob der Evangelische Liederschatz von Moser und Bilhuber den enzyklopädischen Universalgesangbüchern zuzuordnen ist, ist nur anhand der Pläne zu diesem Gesangbuchprojekt zu beantworten, da das Gesangbuch mit dem dritten Band unvollständig abgeschlossen wurde.80 In der Vorrede zum ersten Band postuliert Moser die Archivfunktion seines Gesangbuchs: »es dürffte manchen guten Seelen damit gedienet seyn, wann solche [Liedersammlung von J. J. Moser] durch den offentlichen Druck gemeiner gemachet würde, umso

–––––––––– 75 Bei den neuen Liedern handelt es sich um die Lieder Von den Thränen JEsu von J.J. Rambach, Von der Ewigkeit und Von der Reinigung des Hertzens von J.J. Moser, Von der Süßigkeit der Liebe JEsu, Von der Liebe Gottes und ein Krankenlied von J.C. Bilhuber. Ebd., *5 r, § 6. 76 Koch: Geschichte des Kirchenlieds, 5, 22. 77 Darauf weist auch der Rezensent in der Fortgesetzten Sammlung hin. [Rezension zu] Evangelischer Lieder=Schatz nebst M. Joh. Christoph Bilhubers Commentario, 503–504. 78 »§ 9 [...] Finde als einen Haupt=Fehler die so gar unterschiedene Editionen, Gattungen, ungleiche Einrichtungen, ja Vermehrung= und Aenderungen der Gesang=Bücher offt nach eines jeden privati Wohlgefallen; dardurch nicht nur manchmahl die Ausdrücke in dem Lied selbst unnöthiger Weise gemeistert und geändert werden, so daß hernach offt der eine so, der andere anderst singet; sondern auch der Prediger zuletzt selbst nicht weiß, was er zu singen angeben solle, indem er ein von seinen Zuhörern dieses, der andere ein anders Gesang=Buch in Handen hat, ja wohl sorgen muß, die Leute werden ihme zuletzt noch offentlich vorwerffen, daß man Neuerungen in dem Gottesdienst aufbringe. [...] § 10 Was nun die Verbesserung kürtzlich dieser angezeigten Fehler nach meiner wenigen Einsicht anlanget, so könnte dem 1. am besten durch ein von der Hohen Landes=Obrikeit eingeführtes uniformes, doch nicht allzu kostbares Gesang=Buch abgeholffen werden.« Bilhuber: Vorrede, 1734, [*6] v–[*7] v. 79 In die Gesangbuchkommission unter Leitung des Konsistorialrats und Prälaten Wilhelm Gottlieb Tasinger berief man auch J.C. Bilhuber. Koch: Geschichte des Kirchenlieds, 5, 18–21. 80 »[...] was in 6. Theilen hätte zum Vorschein kommen sollen, sich nun in 3. Theilen zeiget«. Bilhuber: Vorrede, 1734, [*2] v.

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mehr, als sich viele theils noch gar niemals gedruckte, oder in Büchern und Orten, da man sie nicht suchen würde, oder die sich nicht jedermann deßwegen anschaffen kan, befindliche, dabey aber erbauliche und geistreiche Lieder darunter zeigten.«81

Diese am Anfang erstellte Liedersammlung umfaßt über 5000 Lieder. Da das geplante Gesangbuch aber nur 2500 Lieder enthalten sollte, war bereits von Beginn an an eine Auswahl gedacht, deren Kriterien aber nicht genannt wurden. Der Gedanke einer umfassenden Sammlung wurde damit zu Beginn der Unternehmung zugunsten einer zahlenmäßig begrenzten Zusammenstellung aufgegeben. Vermutlich geht die Fixierung des Umfangs auf 5000 Lieder auf das Gantz= und Brand=Opfer zurück. Aber auch aus finanziellen Erwägungen – da man plante, das Gesangbuch in ganz Württemberg einzuführen, mußte der Preis des Gesamtwerkes erschwinglich bleiben – war diese Einschränkung geboten. Trotzdem kann das Projekt aufgrund seines Umfangs und der angestrebten Archivfunktion als Universalgesangbuch bezeichnet werden. Der Anspruch auf Vollständigkeit, die Moser für sein Gesangbuch forderte, bezieht sich nicht auf die Menge der Lieder oder die Behandlung der Theologie in den Texten, sondern auf die Kommentierung. »1.) daß ich wünschte, es möchten bey allen Gesängern die sich darzu schickende Schrifft=Stellen angeführet werden, theils, damit man sicher seye, daß solche Gesänger der H. Schrifft gemäß seyen, theils, daß man durch solche Gesänger wiederum zur H. Schrifft und gottseeliger und ernstlicher Betrachtung derer bey denen Gesängern angeführten Schriftt=Stellen geleitet und erwecket werde [...] 2.) [...] ich wünschte also, daß alle solche [unverständlichen] Stellen durch kurtze Anmerckungen deutlicher möchten gemachet werden. 3.) [...] Als ware mein dritter Wunsch endlich dieser, daß, jenen [Weltkindern] zur Warnung und Uberzeugung, diesen [gute Seelen] aber zu einem heiligen Vergnügen und Wachsthum in dem Guten, alle Lieder, so viel sich thun liesse, wenigstens mit kurtzen Reflexionen und Nutzanwendungen versehen werden möchten.«82

Damit steht der Evangelische Liederschatz in der Tradition der glossierten Gesangbücher.83 Martin Rößler versteht darunter Gesangbücher mit einem dreifachen Anmerkungsapparat, d.h. sprachlichen, theologischen sowie erbaulichen Erläuterungen, und sieht sie als Brückenschlag von hymnologischer Wissenschaft zur Singpraxis im kirchlichen und häuslichen Bereich.84 Obwohl bereits vorher glossierte Gesangbücher erschienen waren, – Bilhuber nennt das Naumburgische und das Zittauische Gesangbuch – sah er sich –––––––––– 81 [Moser]: Vorrede, 3. 82 Ebd., 4–5. 83 Bereits im Titel nimmt Moser auf das glossierte Gesangbuch von Johann Christoph Olearius Bezug. Seine Arbeit zeichnet sich insbesondere durch die Ermittlung der Liedverfasser aus. Olearius (Hg.): Evangelischer Lieder=Schatz. 84 Rößler: Frühzeit hymnologischer Forschung, 158.

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genötigt, den Sinn der Worterklärungen und der Nutzanwendungen zu verteidigen. Da insbesondere »gemeine und ohngelehrte Leute« einige Worte und Ausdrücke in den Liedern nicht verstünden und Gebildetere zwar meinten, den Sinn erfaßt zu haben, ohne ihn wirklich zu begreifen, wolle er an den Worterklärungen festhalten und nur den Umfang verringern.85 Die Nutzanwendungen rechtfertigt er mit dem Hinweis darauf, daß die ungebundene Rede noch eindringlicher sei.86 Dem grundsätzlichen Bedenken, daß die Auslegung auf die Bibel beschränkt werden solle, entgegnet er mit dem Argument, daß die Lieder zumeist auf dem Bibeltext beruhten und ebenso wie dieser in Predigten behandelt würden.87 Das Gesangbuchprojekt, das Moser und Bilhuber planten, bewertet Martin Rößler als »hymnologische Unternehmung größten Stils«. Dies begründet er mit der Ankündigung Bilhubers, Nachrichten über »alle diejenige/ die vor uns entweder gantze Predigten über unsere gewöhnliche Kirchen=Lieder gehalten« zu geben.88 Mit diesem Vorhaben stand Bilhuber nicht nur in der Nachfolge von Johann Christian Olearius, sondern hätte auch die bis zu diesem Zeitpunkt geleistete hymnologische Arbeit dokumentiert.89 Darüber hinaus wäre mit dem Kommentar zu den 5000 Liedern über das kirchliche Liedgut hinaus ein großer Teil der in Privatandachten gesungenen Lieder erschlossen worden. Hinter diesem ambitionierten Programm blieb der Evangelische Liederschatz zurück, da Bilhuber auf die Beigaben und Register verzichtete und sich mit den Liedkommentaren auf den üblichen Anmerkungsapparat beschränkte. Einordnung des enzyklopädischen Universalgesangbuchs in die Gesangbuchgeschichte Das enzyklopädische Universalgesangbuch steht in der Tradition der lutherischen Hausgesangbücher, die erheblich vom Liedkanon abweichen und zeitgenössische Dichtungen aufnehmen durften. In ihnen dokumentiert sich die zunehmende Bedeutung der geistlichen Dichtung für die private Frömmigkeitsübung. Dagegen waren die lutherischen Kirchengesangbücher bis zum Beginn des 18. Jahrhunderts durch das Babstsche Gesangbuch90 geprägt, da die Lieder – insbesondere des ersten Teils – als Kanon angesehen –––––––––– 85 [Bilhuber, Johann]: Vorrede, in: Moser/Bilhuber (Hg.): Evangelischer Lieder=Schatz, 1, 11–16. 86 »Was in den Liedern schon an sich Practisch ist/ sich nicht ohne Nutzen in ungebundener Rede noch näher an das Hertz andringen/ und nach dessen Zustand besonders applicieren lasse.« Ebd., 13. 87 Ebd. 88 Ebd. Dieser Anhang sollte in einem späteren Band erscheinen. 89 Rößler: Frühzeit hymnologischer Forschung, 160. 90 Geystliche Lieder. Mit einer newen vorrhede/ D. Mart. Luth.| [...] Leipzig 1545 (DKL 154501).

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und nahezu unverändert tradiert wurden. Die funktionale Unterscheidung des Gottesdienstes und der privaten Andacht spiegelt sich in diesen Gesangbuchtypen wider; dies bedeutet allerdings nicht, daß die Kirchengesangbücher mit in den Gottesdienst genommen wurden. Die ca. 60 Lieder, die im Gottesdienst verwendet wurden, kannten die Gemeindemitglieder auswendig. Erst mit den orthodoxen und pietistischen Reformen, durch die die persönliche Frömmigkeit wieder in das kirchliche Leben eingebunden werden sollte und dementsprechend die geistlichen Lieder größeren Eingang in den Gottesdienst fanden, wurde zunehmend aus Gesangbüchern gesungen.91 Die geistliche Dichtung und damit auch das geistliche Lied erlebten im 17. Jahrhundert einen bedeutenden Aufschwung.92 Während die geistliche Lyrik vorher im Dienst der kirchlichen Verkündigung stand, sollte sie nun erbauen und die persönliche Andacht fördern. Dementsprechend durfte nun jeder Laie geistliche Dichtungen verfassen. Durch die Gründung der Sprachgesellschaften und die Poetikreform des Martin Opitz wurden Adlige wie auch Bürger zum Dichten in deutscher Sprache angeregt und herangebildet. Das neue geistliche Liedgut des 17. Jahrhunderts erschien häufig zuerst in den Sammlungen einzelner Dichter oder in der Andachtsliteratur und wurde dann in die Hausgesangbücher aufgenommen. Ein Teil der Lieder ist über den Umweg der Hausandacht in den Gemeindegesang eingegangen – damit übernahmen die Hausgesangbücher die ursprüngliche Funktion der Anhänge in den Kirchengesangbüchern, neue Lieder zu erproben. Die klare Trennung zwischen den Kirchengesangbüchern, die vor allem den festgelegten Liederkanon enthielten, und Privat- oder Hausgesangbüchern wurde in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts immer mehr aufgegeben. Es entstanden Gesangbücher, in denen neben den kanonisierten Kirchenliedern die zeitgenössischen geistlichen Lieder enthalten waren, wie die Formulierungen in den Untertiteln belegen: »zu Beforderung des so wol Kirchen- als Privat-Gottesdienstes«93 oder »zur Beforderung der Privat- und –––––––––– 91 Patrice Veit betont, daß die Gemeinde im 17. Jahrhundert nur selten aus Gesangbüchern gesungen habe, obwohl in Titeln und Vorworten darauf hingewiesen wird. Die starke Verbreitung der Liedtafeln zu Anfang des 18. Jahrhunderts lasse darauf schließen, daß sich die Benutzung des Gesangbuchs weitgehend durchgesetzt hatte. Allerdings scheint man die Gesangbücher vor allem für die neuen Lieder gebraucht zu haben, wie das Zitat aus der Historie der Kirchen-Ceremonien in Sachsen von Christian Gerber (1732) belegt: »Man singet die alten Lieder auch und setztet sie nicht zurück; die neuen aber singet man gemeiniglich aus dem Buch«. Vgl. Veit: Gesangbuch als Quelle, 216–217. Ein frühes Beispiel für die Verwendung von Gesangbüchern nennt Bernard Vogler. Bereits nach 1610 sind in vielen Gemeinden im Herzogtum Zweibrücken Liedtafeln aufgestellt worden. Diskussion [zu] Bernard Vogler, 459. 92 Scheitler: Geistliche Lyrik, 347–349. 93 PRAXIS PIETATIS MELICA. Das ist: Vbung der Gottseligkeit in Christlichen und trostreichen Gesängen / [...] Auch zu Beforderung des so wol Kirchen- als Privat-Gottesdienstes / [...] von Johann Crügern. [...] Berlin 1653 (DKL 165304).

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öffentlichen Andacht«94 oder »so wohl in Häusern/ als in Kirchen und Schulen sehr nützlich zugebrauchen«95.96 In die Kirchengesangbücher wurden die Dichtungen berühmter Zeitgenossen aufgenommen und sogar nicht für den Gottesdienst bestimmte Liederzyklen eingefügt. Dadurch verschob sich das Schwergewicht von den Kernliedern, deren Zahl weitgehend konstant blieb, auf die neuen geistlichen Dichtungen. Diese Entwicklung ist auch bei den Gesangbüchern zu beobachten, die von Konsistorialräten und Generalsuperintendenten herausgegeben wurden. Die Mitglieder der Kirchenbehörden sollten vor allem neue Lieder auf ihre Übereinstimmung mit den lutherischen Glaubenssätzen überprüfen, nutzten aber auch das Gesangbuch als Publikationsort für ihre eigenen Dichtungen. Dadurch nahm der Umfang beträchtlich zu; am Ende des Jahrhunderts waren Gesangbücher mit über 1000 Liedern keine Seltenheit. Bei der Buchdruckerei der Brüder Johann und Heinrich Stern in Lüneburg erschien 1635 ein Vollständiges Gesangbuch mit 355 Liedern, das Neue Lüneburgische Gesangbuch von 1666 enthielt 494 Lieder, und in das Lüneburgische Gesangbuch von 1694 nahm man 2055 Lieder auf.97 Für das bereits erwähnte Geistliche Brand= und Gantz=Opfer sammelte man über 5000 Lieder. Patrice Veit stellt in seiner Untersuchung die durchschnittliche Anzahl der Lieder fest. 98 Er konstatiert, daß in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts im Durchschnitt 180 Lieder enthalten waren, in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts vermehrt sich die Anzahl auf 240, in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts wächst die Zahl auf 330 und steigert sich im letzten Drittel des 17. Jahrhunderts auf 470 Lieder. Gerade am Ende des 17. Jahrhunderts gab es zahlreiche Gesangbücher mit mehr als 550 Liedern; das Lüneburgische Gesangbuch von 1686 mit mehr als 2000 Liedern betrachtet er allerdings als Ausnahme. In der Praxis spielte die Unterscheidung gleichfalls keine Rolle mehr; die Gesangbücher wurden wechselseitig und unabhängig vom Titel in der Kir–––––––––– 94 Das Hannoverische ordentliche / vollständige GEsangbuch / [...] zur Befoderung der Privat- und öffentlichen Andacht [...] Lüneburg 1668 (DKL 166804). 95 Dreßdenisch Gesangbuch Christlicher Psalmen und Kirchenlieder / Herrn D. Martini Lutheri / und anderer Gottseligen Lehrer und frommen Christen / [...] Allen Christlichen Haußvätern und Haußmüttern / so wohl in Häusern / als in Kirchen vnd Schulen sehr nützlich zugebrauchen. Dresden 1656 (DKL 165603). 96 Röbbelen: Theologie und Frömmigkeit, 20; Veit: Gesangbuch in der Praxis Pietatis, 438. 97 Vgl. die Angaben bei Röbbelen: Theologie und Frömmigkeit, 18. Christoph Albrecht führt als Beispiele für den zunehmenden Umfang der Liederbücher die Gothaer und Dresdner Gesangbücher auf. Während im Gothaer Gesangbuch von 1666 noch 270 Lieder verzeichnet waren, enthält die Auflage von 1725 1276 Lieder. Die Zahl der aufgenommenen Gesänge stieg im Dresdner Gesangbuch noch im 17. Jahrhundert auf über 1500 Lieder an: in der Ausgabe von 1622 waren 276 Lieder verzeichnet, bis 1656 wurde der Bestand um das Zweieinhalbfache erweitert und bis 1673 auf 1505 Liednummern vermehrt. Albrecht: Einführung in die Hymnologie, 110. 98 Veit: Gesangbuch in der Praxis Pietatis, 440.

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che, in der Schule und zu Hause benutzt. Trotz ihres großen Umfangs konnten diese Gesangbücher nur einen Ausschnitt der geistlichen Lieddichtung aufnehmen. Der Hymnologe Johann Christian Olearius trug über 15.000 Lieder aus Gesangbüchern zusammen, der Justizrat Gerhard Ernst von Franckenau führte in seinem handschriftlichen Verzeichnis 33.712 Lieder auf und Johann Jakob Moser erstellte ein Register mit über 50.000 Einträgen.99 Das umfangreichste Initienverzeichnis fertigte Georg Ludwig von Hardenberg an, der anhand der in der fürstlichen Bibliothek von Wernigerode vorhandenen Gesangbücher 72.233 Lieder nachweisen konnte.100 2.3 Utilitaristische Universalgesangbücher Im ersten Teil wird mit dem Lüneburgischen Gesangbuch ein Beispiel eines umfangreichen Gesangbuchs vorgestellt. Dann sollen die Entwicklungen, die schließlich zum Utilitaristischen Universalgesangbuch geführt haben, skizziert werden. Als Beispiele dafür werden die pietistischen Konzeptionen des Züllichower Geistreichen Gesang=Buchs und der Gesangbücher von Johann Jakob Rambach vorgestellt und diesen der Entwurf der Theologia in Hymnis gegenübergestellt. Lüneburgisches Gesangbuch Zu den utilitaristischen Universalgesangbüchern zählt Gottschald sehr umfangreiche Gesangbücher, denen er per se das Konzept der inhaltlichen Vollständigkeit unterstellt. Als Beispiel gibt er das Lüneburgische Gesangbuch von 1702 an, das 2100 Lieder enthält.101 Es gehört in die Reihe der –––––––––– 99 Zell: Untersuchungen, 36–37. Die Verzeichnisse von J.C. Olearius und J.J. Moser sind nicht mehr erhalten. Das Register von Gerhard Ernst von Franckenau hat Wilhelm Krämer in der Königlichen Bibliothek in Kopenhagen wiederentdeckt. Vgl. Lunding: Stand und Aufgaben, 49. Zu Gerhard Ernst von Frankenau vgl.: Heerwagen: Literatur-Geschichte der geistlichen Lieder, XI. Zu Johann Christoph Olearius vgl.: Johann Christoph Olearius, in: DBA. Mf. 1, 916, 227–231. (Übernahme des Artikels aus: Moser, Johann Jacob: Beytrag zu einem Lexico der jetztlebenden lutherischen und reformierten Theologen 1740). 100 Georg Ludwig von Hardenberg hat mehrere unterschiedlich umfangreiche Liederverzeichnisse angelegt, drei Exemplare befinden sich in der Staatsbibliothek zu Berlin. Die ausführlichste Sammlung umfaßt 31.179 Liedincipits. Georg Ludwig von Hardenberg: Lexikon geistlicher Gesänge. 3 Bände. Manuskript, 2. Hälfte des 18. Jh. 1 (Ms Germ oct. 789–791). [Diese Verzeichnisse werden in der Literatur immer wieder erwähnt z.B. von Koch, Zeller und Richter. »Der Herr von Hardenberg besaß schon zu seiner Zeit ein geschriebenes Verzeichniß von mehr als sechzigtausend geistlichen Liedern.« Richter, Gottlieb Lebrecht: Vorbericht, in: Ders.: Allgemeines biographisches Lexikon, [v].]; Zur Biographie vgl. Jacobs: Georg Ludwig von Hardenberg. Über die Gesangbuchsammlung der Wernigeroder Grafen und ihre hymnologischen Interessen vgl. Busch: Melodeien Choralbuch, 293–300. 101 Die Vorrede von Sandhagen wurde in den folgenden Ausgaben wiederabgedruckt, auch 1702 noch. Sandhagen, Caspar Hermann: Vorrede, datiert 1686, in: Lüneburgisches Ge-

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Gesangbücher für die Stadt Lüneburg, die ab 1686 bis 1703 im Verlag Johann Stern erschienen.102 Bereits in die erste Auflage dieses Gesangbuchs waren mehr als 2000 Lieder aufgenommen worden. Der Superintendent Caspar Hermann Sandhagen skizziert in seiner Vorrede vom 28.2.1686 das Bemühen um ein vollständiges Gesangbuch: »Dahero haben denn schon eine gantze Zeit sich unterschiedliche Herren Buchhändler sonderlich beflissen/ daß sie der Evangelischen Kirche in Teutschland mit vollständigen Gesang=Büchern möchten dienen. Und da der Christliche Eifer nach und nach gewachsen/ sich auch viel Männer gefunden/ so durch Gottes Gabe lieblich in geistlichen Gesängen gewesen/ ist es geschehen/ daß fast eine jede vornehme Stadt ein sonderbahr Gesang=Buch hat lassen ans Licht kommen. Weil aber keines bißher außgekommen/ worinn nicht eine ziemliche Anzahl geistlicher Lieder gemangelt/ so bald hie bald da in der Evangelischen Kirche in Teutschland gebrauchet werden/ so hat Herr Johann Stern/ vornehmer Buchhändler und Sülffmeister allhier in Lüneburg/ nach der grossen Geneigtheit/ so er hat/ der Evangelischen Kirche zu dienen/ und welche in dieser Familie von vielen Jahren her nicht fremd ist/ auß den in Ubung gebrachten Psalm=Büchern eine solche Anzahl geistlicher Lieder lassen zusammenbringen/ als bißher in keinem Buche zu finden sind.«103

Der hier benutzte Ausdruck »vollständig« ist nicht auf die in den Liedern behandelten Inhalte bezogen, sondern wird in Bezug auf die Menge der in Deutschland vorhandenen, evangelischen Gesänge als umfassend verstanden. Damit kann die Konzeption dieses Gesangbuchs dem enzyklopädischen Universalgesangbuch zugeordnet werden. Mit der umfassenden Zusammenstellung der Lieder geht natürlich auch eine inhaltliche Vollständigkeit einher. Nach dieser Argumentation müßte Gottschald jedoch auch die enzyklopädischen Universalgesangbücher unter die utilitaristischen subsumieren, was er aber nicht macht, wie oben bereits gezeigt wurde. Das Hildesheimische Gesangbuch mit 1500 Liedern führt Gottschald als zweites Beispiel an. Es soll unter den geographischen Universalgesangbüchern behandelt werden, da der Herausgeber Peter Busch den Anspruch der Vollständigkeit auf das Territorium bezieht. Die Entwicklung des utilitaristischen Gesangbuchs Die geistliche Liedproduktion des 17. Jahrhunderts griff neue Themen auf, die zu neuen Rubriken in den Gesangbüchern führten.104 Zu den alten Liedgruppen, den De-tempore-Liedern und Katechismusliedern, treten Rubri–––––––––– sang=Buch, 1702, )( ii r–[)(iv] v; Lüneburgisches Gesang=Buch, 1702. Im Kupfertitel: Vollständige Lüneburgisches Gesang=Buch. 102 Stalmann: Zur Geschichte, 192–193. 103 Sandhagen: Vorrede, 1686, [)( iv] r–[)( iv] v. 104 Röbbelen: Theologie und Frömmigkeit, 37–39; Veit: Gesangbuch als Quelle, 208–209; Ders.: Gesangbuch in der Praxis Pietatis, 441–443.

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ken, die individuell auf die Lebenssituationen der Gläubigen eingehen und ihren Ängsten Rechnung tragen. Auf die wirtschaftlichen Krisen und kriegerischen Auseinandersetzungen reagierte man mit Kreuz- und Trostliedern, die fester Bestandteil der Gesangbücher wurden.105 So wird die Bedrohung durch Pest, Krieg, Teuerung, Armut und Elend in Liedern behandelt. Die Abhängigkeit vom Wetter in einer agrarisch strukturierten Gesellschaft zeigt sich in den Liedern, in denen für Sonnenschein oder Regen gebetet wird. Die Lieder für Schwangere und Wöchnerinnen sowie Gesänge, die den Tod von Kindern behandeln, weisen auf die hohe Sterblichkeit im Kindbett und bei Kindern hin. Aber auch die seelischen Probleme wie Furcht, Anfechtung, Sorgen und Angst vor dem Tod werden thematisiert. Daneben entstehen Lieder für verschiedene Gruppen wie Witwen oder Waisen und für einzelne Berufe. Der Alltag wird durch Morgen-, Abend- und Tischlieder gegliedert, das Jahr durch Ernte- und Neujahrslieder und das Leben durch Wiegen-, Braut- und Begräbnislieder.106 Damit entsteht »eine Seelsorge, die versucht, bestimmend in das Leben der Gläubigen einzugreifen, es religiös zu überhöhen, von der Wiege bis zur Bahre ganz zu umfassen, jeden Moment des Tages vom Aufstehen bis zum Schlafengehen, zu berücksichtigen.«107 Zell sieht in diesem Prozeß eine Parallele zu den Gebetbüchern, die im Laufe des 17. Jahrhunderts zu immer spezielleren Anlässen Kasualgebete bieten.108 –––––––––– 105 Hans-Georg Kemper weist darauf hin, daß in der lutherischen Kirche die Plagen als göttliche Strafe wegen mangelnden Glaubens angesehen wurden, die man ertragen mußte. Aus diesem Grund entstanden vor allem Lieder, die das Leiden, das Erdulden der Prüfungen und den Trost thematisieren. Dagegen glaubten die Calvinisten an die Prädestination und sahen die Plagen als Prüfungen oder Indikatoren für die eigene Erwähltheit. Dem Bild des »zornigen Gottes« wird in einer zweiten Gruppe von Liedern die Vorstellung des »rettenden, schützenden und liebenden Christus« gegenübergestellt. Dazu zählt Kemper auch die Lieder im Ton der Jesusminne. Kemper: Lutherisches Kirchenlied, 93–108. 106 Die Gesangbücher unterscheiden sich sehr in ihrer Differenzierung. Eine sehr feine Unterteilung findet sich im Täglichen Umgang mit Gott, das die Gräfin Aemilia Juliane von Schwarzburg-Rudolstadt zusammengestellt hatte. So werden für die Zeit der Schwangerschaft bis zum Eintritt des Kindes ins Erwachsenenalter Lieder für folgende Situationen und Lebensabschnitte angeboten: Lieder einer schwangeren Frau (darunter ein spezielles Morgen- und Abendlied), Lied in Kindsnot, Fürbitte für eine Frau in Kindsnot, Danksagung nach glücklicher Entbindung, Eltern und Taufzeugen vor der Taufe, Danksagung nach der Taufe, Lied einer Sechs-Wöchnerin, beim Kirchgang einer Sechs-Wöchnerin, Lied der Eltern für ein Kind oder mehrere Kinder, zum Schulanfang, wenn ihr Kind zum ersten Mal zur Kommunion geht, Danksagung nachdem Gott ein Kind aus Gefahr errettet hat, für ein erwachsenes Kind. Aemilia Juliane von Schwarzburg-Rudolstadt: Täglicher Umgang mit Gott, 363–399. Unter den allgemeinen Zeitliedern unterteilt David Zöllner das Jahr in den eintretenen Frühling, ankommenden Sommer, erschienenen Herbste, währenden Winter, zur Saat=Zeit, Erndte=Zeit, Geburts=Tag, Tauff=Tag und Nahmens=Tag. Zöllner (Hg.): Evangelischer Psalter von zehen Saiten, [*7] r. 107 Veit: Gesangbuch in der Praxis Pietatis, 443. 108 Zell: Untersuchungen, 101. Ein Beispiel für ein solches enzyklopädisches Gebetbuch ist das Einer gläubigen und andächtigen Seelen täglicher Bet-, Buß-, Lob- und Dankopfer, d. i. ein

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Zu dieser Gruppe gehört das von Gottschald aufgeführte Reibersdorffische Gesangbuch.109 So betont der Vorredner David Zöllner die Berücksichtigung einzelner Lebensverhältnisse, Berufe und besonderer Anlässe: »Zuförderst habt ihr eine recht grosse Anzahl eitel Kern=Lieder, und unter denen selben nicht wenige, die sich auf gewisse Stände, und sonderbare im menschlichen Leben fürkommende Fälle schicken, dergleichen nicht überall zu finden.«110 In Entwurff und Ordnung des gantzen Gesang=Buchs unterscheidet er 10 Hauptgruppen mit über 300 Unterabteilungen. Dabei werden auch sehr spezielle Rubriken wie Morgens, wenn man sich mit dem H. Creutz gesegnet, Hintertreibung feindlicher Anschläge, bey schlechter Ausbeute des Bergwercks oder beym Gebrauch des warmen Bades eingeführt. Die zweite Entwicklung, die sich in der Theologia in Hymnis zeigt, ist die Ausbildung der Rubriken zu einem theologischen Lehrgebäude.111 Zu Beginn des 17. Jahrhunderts wurden unter Lehrliedern die Gesänge verstanden, die die Hauptlehren Luthers vermitteln. In der folgenden Zeit wird ihnen eine größere Bedeutung eingeräumt. So heißt es in dem Leipziger Gesangbuch von 1638: »Wie denn auch die andern geistreichen Gesänge unter andere Titel gesetzet eben die Lehre treiben, so in den Articuln der Augsburgischen Confession, Apologiae und Formulae Concordiae bekennet worden.«112 Günther schreibt in der Vorrede im Geistlichen Gantz= und Brand=Opfer: –––––––––– großes Gebetbuch Leipzig 1654. Eine neue Bearbeitung gab Christian Scriver 1689 heraus. Die ca. 1300 Gebete sind nach den verschiedenen Situationen den folgenden Abschnitten zugeordnet: Tag- oder Wochenbuch, Standbuch, Beicht- und Kommunionbuch, Festbuch, Sonderbares Buch (besondere Anlässe), Kreuzbuch, Krieg-, Teuerung- und Pestilenzbuch, Jahr- und Wetterbuch, Reisebüchlein, Kranken- und Sterbensbuch. Der Hauptteil der Gebete steht im Standbuch, hier finden sich Gebete für zahlreiche Berufe wie z.B. Tagelöhner, Gärtner, Kinderwärterin, königlicher Marschall, Universitäts-Rektor und Kaiser. Schulz: Gebetbücher, 109–119. Diese Entwicklung ist auch in katholischen Gebetbüchern nachweisbar. Nach Guillaume van Gemert zeigt sich der Trend zum Universalgebetbuch enzyklopädischen Einschlags eindrücklich im Himmlisch Palm-Gärtlein (Köln 1660) des Jesuiten Wilhelm Nakatenus. Van Gemert: Zur katholischen Gebetsliteratur. 109 Das sogenannte Reibersdorffische Gesangbuch wurde von dem Pfarrer David Zöllner herausgegeben und erschien mit zwei unterschiedlichen Titelblättern. In der Ausgabe für Reibersdorf heißt es im Untertitel: »versehen ist; daß es frommen Seelen, Insonderheit der Reibersdorfschen Gemeine, in und ausser der Kirche bey allerhand Fällen dienlich sey:« Der Untertitel der überregionalen Ausgabe weicht wie folgt ab: »zum Gebrauch frommer Christen versehen.« Zöllner (Hg.): Evangelischer Psalter von zehen Saiten [Reibersdorf]; Ders. (Hg.): Evangelischer Psalter von zehen Saiten. Zum Herausgeber vgl. David Zöllner, in: DBA. Mf. 1, 1147, 390. (Übernahme des Artikels aus: Otto, Gottlieb Friedrich; Lexikon der [...] Oberlausitzschen Schriftsteller und Künstler, 3 (1803)). 110 [Zöllner, David]: [Vorrede], in: Ders. (Hg.): Evangelischer Psalter von zehen Saiten, * 2 r–[*6] r. 111 Vgl. zum folgenden Absatz: Röbbelen: Theologie und Frömmigkeit, 35–51. 112 Zitiert nach Ebd., 36.

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»In den geistlichen Lieder haben noch heute zu Tage die gemeinen Leute ihr klein compendium theologiae theticae und moralis, und dürfften wohl ihrer viele sehr wenig vom Glauben und Christenthum wissen/ wenn nicht noch eines und das andere davon durch ietztgemeldtes angenehmes Mittel in ihrem Gedächtnisse erhalten würde.«113

Damit sind die Lieder nicht nur ein geeignetes Instrument, um lutherische Lehre zu vermitteln, durch die Liedform können die Gläubigen sie auch besser lernen. Allerdings ist die thematische Ausdifferenzierung bis 1734 noch nicht abgeschlossen. »Hernach, so ist mir auch dieses öffters als ein ziemlicher Fehler bey unserm Singen vorgekommen, daß, ohnerachtet der so grossen Menge der Gesänger, die wir haben, wir dannoch von vielen Materien entweder noch gar keine, oder wenigst keine (nur in etwas bekannte) Lieder haben. Z.B. man predigt von der Barmhertzigkeit, oder von der Gutthätigkeit gegen Arme, wider den Geitz, wider den Zorn u.s.w. wo findet sich ein darzu gerichtetes Lied, oder es sich findet, wo darff man es zu singen hingeben?«114

Diese Forderung nach einer vollständigen Doctrinal- und Moral-Theologie in Liedern wurde dann mit den frühen aufklärerischen Gesangbüchern erfüllt. Diesen Wandel dokumentiert Ingeborg Röbbelen auch im Gesangbuchaufbau. So werden die Rubriken Von der Beichte und Buße, Von der Rechtfertigung, Von der Kirche und Vom Wort Gottes aufgenommen. Dennoch betont sie, daß diese Ergänzungen des 17. Jahrhunderts noch keinem systematischen Aufbau folgen. In frühen pietistischen Gesangbüchern, die die traditionelle Rubrikenordnung übernehmen, werden die Lieder zu den pietistischen Vorstellungen in der Rubrik Vom christlichen Leben und Wandel eingeordnet. Das erste Gesangbuch, das in seinem Aufbau einer pietistischen Dogmatik folgt, ist das Geist=reiche Gesang=Buch, das Johann Anastasius Freylinghausen 1704 veröffentlichte.115 In der Vorrede schreibt er über die Anlage: »so ist dieselbe einiger massen also eingerichtet/ wie es die Oeconomie unserer Seeligkeit erfordert und mit sich bringet.«116 Ein Jahr zuvor hatte er die Grundlegung Der Theologie herausgebracht, die als Dogmatik des Halleschen Pietismus gilt. Wie Suvi-Päivi Koski feststellt, legte er seinem Gesangbuch den ersten Teil der Dogmatik mit den dort enthaltenen christologischen Artikeln zugrunde.

–––––––––– 113 114 115 116

Günther: Vorrede, [b 2] v, § 9. Bilhuber: Vorrede, 1734, [8*] v. Koski: Lied Mosis, 175–179. Freylinghausen: Vorrede, 1704, [)()( 2] v.

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Nach Röbbelen bilden erst die frühaufklärerischen Gesangbücher die orthodoxe Dogmatik in ihrem Aufbau ab.117 Vorher kann sie im Görlitzer Gesangbuch von 1729 ein »›Aneinanderrücken‹ von ›orthodoxem‹ und ›pietistischem‹ System« feststellen.118 Während die ersten Punkte (Teil 1– Teil 2, C 3) der orthodoxen Dogmatik entsprechen, sind die Rubriken des zweiten Teils (Teil 2, C4–C11) der pietistischen Theologie zuzuordnen. Die Evangelische Lieder-Theologie, die Peter Busch 1737 herausgab, zählt Röbbelen zu den frühaufklärerischen Gesangbüchern, da sich hier der Schwerpunkt des Gesangbuchs auf die Tugenden und Moral verschoben hat. Unter der Rubrik Vom christlichen Leben und Wandel, Sitten und Tugend werden 40 »absonderliche Sitten und Tugenden« unterschieden.119 In diese Entwicklung gehören auch das Züllichower Geistreiche Gesang=Buch und die Gesangbücher von Johann Jakob Rambach, die Gottschald im Vorwort nennt. Im Unterschied zu den umfangreichen Gesangbüchern werden die Themen der Lieder einzelnen Glaubenslehren und Lebenspflichten zugeordnet und überprüft, ob diese umfassend behandelt werden. Die Umsetzung der pietistischen Theologie im Züllichower Geistreichen Gesang=Buch und in den Gesangbüchern von Johann Jakob Rambach Der Vorredner des Züllichower Geistreichen Gesang=Buchs betont im Vergleich zu anderen Gesangbüchern die inhaltliche Vollständigkeit120: »Wobey man zugleich mit Fleiß dahin gesehen, daß kein Haupt= und Grund= Artikel der Christlichen Lehre, der in der Theologie abgehandelt wird, zurück bliebe, welcher nicht in diesem Gesang=Buch vorkäme; da wol in andern Gesang=Büchern manche Titel vergebens gesucht werden. z.E. Vom göttl. Ebenbilde. Von der Gnaden=Wahl. Von der Erwerbung des Heils durch Christum. Von der Berufung, Erleuchtung, Wiedergeburt, Rechtfertigung, Vereinigung mit GOtt, Erhaltung im Gnaden=Stande etc.«121

–––––––––– 117 Röbbelen: Theologie und Frömmigkeit, 45–51. Das Fehlen nach orthodoxen Dogmatiken ausgerichteter Gesangbücher könnte damit erklärt werden, daß die lutherische Orthodoxie an der liturgischen Ausrichtung des Gesangbuchs festhielt. Vgl. Rößler: Gesangbuch, 1309. 118 Röbbelen: Theologie und Frömmigkeit, 47. 119 Ebd., 50. 120 Vorrede, in: Züllichower Geistreiches Gesang=Buch, )(2 r–[)(9] r. 121 Ebd., [)(2] v– 3)( r.

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Johann Jakob Rambach122 gliederte das Liedgut in seinem Gesangbuch in Kirchenlieder und Lieder zur privaten Andacht und veröffentlichte sie in zwei getrennten Bänden. Damit folgte er einer Anregung Philipp Jacob Speners, der in den Theologischen Bedenken ein Kirchengesangbuch fordert, in dem alle in der Kirche üblichen Gesänge enthalten seien. Dazu sollten Lieder kommen, die sich für den öffentlichen Gebrauch eigneten. In einem Hausgesangbuch sollte eine große Menge erbaulicher Lieder aufgenommen werden, es müßten nur die ausgesondert werden, in denen etwas Unrichtiges stehe oder die sonst keine Kraft hätten.123 1733 erschien das Neu=eingerichtete Hessen=Darmstädtische Kirchen=Gesangbuch mit 500 Liedern.124 Zwei Jahre später gab Rambach 700 Lieder zur privaten Andacht im Geistreichen Haus= Gesang=Buch heraus. In der Vorrede zum Kirchen= Gesang=Buch macht er deutlich, daß es ihm nicht um die Menge der aufgenommenen Lieder geht, sondern um die inhaltliche Vollständigkeit: »Indem der Zweck nicht gewesen ist, eine vollständige Sammlung von alten und neuen Liedern, welches ohnedem wegen der grossen Menge der letztern fast unmüglich ist, zu liefern; sintemal man gäntzlich dafür hält, daß es bey einem guten Gesangbuche nicht so wol auf die Zahl, als auf die Wahl der Lieder und auf die Ordnung und Vollständigkeit der Rubriquen ankomme. [...] Es wird demnach nicht leicht eine Glaubens=Lehre oder Lebens=Pflicht vorkommen, davon hier nicht ein und ander gutes Lied anzutreffen seyn solte«.125

Durch die Anordnung der Lieder kann dieses Gesangbuch als eine »Theologia dogmatica und moralis in hymnis« bezeichnet werden.126 Im Geistreichen Haus= Gesang=Buch werden alle Glaubenslehren und Lebenspflich–––––––––– 122 Johann Jakob Rambach *24. 2.1693 in Halle an der Saale †1735 in Darmstadt. Er besuchte die lateinische Schule in den Franckeschen Stiftungen und wechselte dann zur Universität in Halle. 1720 schloß sein Theologiestudium mit dem Magisterexamen ab, und begann Vorlesungen. 1726 wurde er zum außerordentlichen Professor berufen und übernahm nach dem Tod A. H. Franckes dessen Lehrstuhl. Nach fünf Jahren ging er als Theologieprofessor und Superintendent nach Gießen. Zusammen mit Studenten und Freunden gründete Rambach die Zeitschrift Heßisches Heb=Opfer, die eine wichtige Funktion in der Pfarrerfortbildung übernahm. Darüber hinaus bemühte er sich um eine Reform des Schulwesens und schrieb einen Katechismus für Kinder. Die Schulreform scheiterte schließlich, da er keine Rücksicht auf die unterschiedlichen Bedingungen in den einzelnen hessischen Regionen nahm. Koch: Geschichte des Kirchenlieds, 4, 521–535; Ackva: Pietismus, 204–206. 123 Rambach (Hg.): Geistreiches Haus= Gesang=Buch. Eberhard Ludwig Zühl hatte zwei Gesangbücher herausgegeben, die sich gegenseitig ergänzen sollten. 1698 kam das Geistreiche Gesang=Buch mit pietistischen Liedern heraus, 1699 publizierte er das Neu=verfertigtes Damstädtisches Gesangbuch, in das er vor allem älteres und bis dahin nicht in Hessen verbreitetes Liedgut aufnahm. Bräuning-Oktavio: Darmstädtisches Gesangbuch, 318–327. 124 Rambach (Hg.): Hessen=Darmstädtisches Kirchen= Gesang=Buch. 125 Rambach, Johann Jacob: Vorrede, in: Ders. (Hg.): Hessen=Darmstädtisches Kirchen= Gesang=Buch, [)( 5] v–[)( 9] r. 126 Ebd., [)( 5] v.

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ten in 700 Liedern behandelt, wie es im Titel angekündigt wird. In der Vorrede weist Rambach darauf hin, daß hier Rubriken und Themen aufgenommen seien, die man in anderen Gesangbüchern nicht finde, wie z.B. »von der ewigen Gnaden=Wahl, von der Gottheit JEsu Christi, von seinem Hohenpriesterlichen, Königlichen, Prophetischen Amte, von seiner Gnugthuung und Vorbitte, von dem Straf=Lehr= Erinnerungs= Zucht= und Trost= Amt des heiligen Geistes, vom göttlichen Ebenbilde, vom Fall Adams, von den Kennzeichen der Erleuchtung, Wiedergeburt, Rechtfertigung, geistlichen Vereinigung mit GOtt, von der Geistlichkeit des Gesetzes, vom Unterschied des Gesetzes und Evangelii, vom Taufbunde, vom schwachen Glauben und dessen Eigenschafften«.127

Diese Aufzählung zeigt, ebenso wie die Liste aus dem Züllichower geistreichen Gesang=Buch, daß nach Ansicht der Herausgeber die pietistischen Vorstellungen in anderen Gesangbüchern nicht umfassend genug durch Lieder dokumentiert und behandelt wurden. Diese Lücken schließt Rambach durch eigene Dichtungen. Das Kirchengesangbuch setzte sich aber nicht durch, da er in Hessen-Darmstadt weit verbreitete und beliebte Lieder weggelassen oder stark bearbeitet hatte.128 Es gelang ihm nicht, mit Hilfe seiner Gesangbücher und katechetischen Schriften die hessischen Regionen, die sich in der Mentalität und Frömmigkeit stark voneinander unterschieden, gesamtheitlich pietistisch zu prägen. Die Konzeption der Theologia in Hymnis Diese Gesangbuchkonzeptionen gingen Gottschald nicht weit genug. Er zitiert Rambachs Desideratenliste und ergänzt sie. »Wie es in Doctrinalibus ergangen, so ist es auch in Moralibus geschehen, man gehe nur die Gesang=Bücher, so vor 20. Jahren herauskommen, durch, ob man viel Lieder wird finden von der Liebe gegen den Nächsten, von der Demuth, Gerechtigkeit, Versöhnlichkeit, Keuschheit und übrige Tugenden allen; sind aber diese nicht nothwendig?«129 Obwohl er die zwei Gesangbücher von Rambach »vor das vollkommenste jetziger Zeiten bis dato gewesen« hält, bemängelt er ihre thematische Unvollständigkeit.130 In seiner Subskriptionsschrift legt er bereits das Rubrikenregister für sein geplantes Universalgesangbuch vor, in dem er Themen und Situationen berücksichtigt, zu denen in anderen Gesangbüchern noch keine Lieder aufgenommen worden sind.131 So führt er in der Gruppe der Kasuallieder Gesänge auf z.B. zur täglichen Vorbereitung zu einem seligen Tod oder bei Todesgedanken, wenn die Uhr –––––––––– 127 128 129 130 131

Ders.: Vorrede, 1735, [)( 8] r. Ackva Pietismus in Hessen, 205. Gottschaldt: Ausführlichere Vorrede, 16. Ebd., 18–19. Gottschalck: Entwurff und Avertissement, 13–28.

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schlägt oder die Stunde ausgelaufen ist und wenn man in der Bibel lesen will oder darin gelesen hat, zusätzlich will er spezielle Morgen- und Abendlieder auf alle Tage in der Woche und Lieder zu den Evangelien- und Epistellesungen aufnehmen. Darüber hinaus sollen Lieder, die in bestimmten Situationen gesungen werden können, wie z.B. beim Spazierengehen, bei Schlaflosigkeit, bei Altersproblemen oder wenn ein Stollen im Bergwerk eingestürzt ist, einbezogen werden. Der Katechismus soll in allen Teilen durch Lieder erläutert werden, so auch die Tugenden und Laster sowie alle Bitten des Vaterunser. Die Haustafel für gewisse Stände will er durch Berufslieder und Lieder zu einzelnen Gruppen ergänzen, dabei sollen z.B. Advokaten, Bauern, Fischer, Buchhändler, Seiltänzer, aber auch Adlige, Arme und Bettler oder Brautpaare berücksichtigt werden. Dieses Konzept findet sich bereits im Titel seines Gesangbuchs wieder: Theologia in Hymnis oder Universal-Gesangbuch – die Bezeichnung Theologia umfaßt nach der Vorstellung des Autors nicht nur den Glauben und die religiösen Bekenntnisse, sondern alle Lebensbereiche und gesellschaftlichen Gruppen.132 Der Anfang des Titels Theologia in Hymnis legt den Begriff »Universal« auf die utilitaristische Konnotation fest. Neben den traditionellen evangelischen Kirchenliedern wurden auch Lieder zeitgenössischer Autoren aufgenommen.133 Das Liedkorpus mit 1301 Liedern ist in zwei Gruppen unterteilt, den Kasual- und den Katechismusliedern. Das Vorhaben, auf der einen Seite die gesamte Theologie in Lieder umzusetzen, auf der anderen Seite die individuelle Situation jedes Christen zu berücksichtigen, wurde bereits von einem der ersten Rezensenten kritisiert.134 Dieser stellt den Nutzen einer Theologie in Liedern in Frage und weist auf die Gefahr hin, daß bei der zunehmenden Individualisierung der Lieder der gemeinsame Liedbestand aller Christen verloren gehen könne.135 –––––––––– 132 Die Lieder gehen jeweils speziell auf den Anlaß und den Beruf ein. In der Rubrik In besonderer leiblichen Not werden Schuldner, Bettler und Abgebrannte unterschieden. Gottschald (Hg.): Theologia in Hymnis, 424–426, Nr. 552–554. Unter den Begräbnisliedern stehen einzelne Lieder z.B. beim Tod einer hohen obrigkeitlichen Person, einer Person der unteren Obrigkeit, eines Priesters, eines Lehrers und eines Bergmanns. Ebd., 530–534, Nr. 684–688. Im Berufslied für die Buchhändler nimmt Gottschald gegen den Nachdruck Stellung, wenn er das lyrische Ich bitten läßt »Laß mich zufrieden seyn, aus reinem Hertzen schämen, und andern nicht ihr Brod durch falschen Nachdruck nehmen«. Ebd., 1080, Nr. 1271. 133 Bereits im Frontispiz wird dies durch die Spruchbänder »Die Alten sind gut zu behalten« und »Die Neuen uns gleichfals erfreuen« angekündigt. Gottschald (Hg.): Theologia in Hymnis. 134 [Rezension zu] M. Joh. Jacob Gottschaldts Allerhand Lieder=Remarquen. Erste Piece. Leipzig in 8. von 6 Bogen, In: FSATS, 1738, 307–312. 135 Eduard Emil Koch bestätigt dieses Urteil und sieht das Gesangbuch in der Tradition orthodoxer Bestrebungen, das ganze theologische Lehrgebäude in Reime zu fassen und »nach einem auf’s Genaueste specialisirten Moralschema Recepte für alle subjectiven Umstände und Lagen des Lebens darzubieten, statt die allgemeine Ordnung des Heils zu treiben oder die großen Thaten Gottes zur Erlösung der sündigen Menschheit in ächter Objectivität zu besingen.« Martin Rößler

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In der Theologia in Hymnis ist sowohl die Individualisierung des Liedguts, die allen Lebenssituationen und Berufen Rechnung trägt, als auch die Umsetzung aller theologischen Themen in Liedern festzustellen. Allerdings folgt die Anordnung der Rubriken noch nicht einer orthodoxen Dogmatik, sondern ist nach einem eigenen System aufgebaut:136 Der erste Teil ist mit Casual-Lieder überschrieben und enthält auch die De-tempore-Lieder. Unter den Liedern zu gewissen Zeiten werden die verstanden, die den Tag und das Jahr strukturieren, in der Gruppe der Gesänge zu gewissen Fällen sind Bitt- und Loblieder für alle Situationen im Leben, die Hauß=Amts= und Freuden=Fälle, allgemeine Landes=Noth, besondere leibliche Noth und Kranckheits= Sterbe= und Begräbniß=Fälle zusammengestellt. Der zweite Teil orientiert sich an Luthers Katechismus, dem die Lieder der Haustafel folgen. Innerhalb des Katechismus’ werden unter den Zehn Geboten die Tugenden und Laster behandelt, als Ergänzung folgen Lieder zu den Sünden überhaupt, den guten Werken und zum Gewissen. Im zweiten Hauptstück führt Gottschald auch Lieder von den symbolischen Büchern und zur Augsburgischen Konfession auf. Das dritte Hauptstück wird mit Gesängen zum Beten eingeleitet, dann folgen Lieder zur Erläuterung der einzelnen Bitten im Vaterunser. Zur Taufe, dem vierten Hauptstück, werden relativ wenige (sechs) Gesänge aufgeführt, dagegen nehmen die Lieder zum fünften Hauptstück, Abendmahl und Beichte, mit 82 Nummern einen breiten Raum ein. Die Gesänge zur Haustafel behandeln zuerst die Stände, die im Katechismus genannt werden, dann werden Lieder zu über 30 Berufen aufgeführt. In einem Anhang stehen die Gesänge zu den unehrenhaften Berufen wie Seiltänzer, Hofnarr oder Dieb und zum Schluß die Präfationen. Die Konzeption der Theologia in Hymnis zeigt verschiedene Tendenzen, die unterschiedlichen Strömungen zugeordnet werden müssen. Auf der einen Seite gehört sie mit der Betonung der moralia, die sich in den Liedern zu Tugenden und Lastern zeigt und deren Fehlen in früheren Gesangbüchern Gottschald beklagt, zu den frühen aufklärerischen Gesangbüchern.137 Auf der anderen Seite erreicht in der Theologia in Hymnis die bereits im 17. Jahrhundert einsetzende Entwicklung, möglichst spezialisierte Kasual- und Berufslieder zu bieten, ihren Höhepunkt. Mit dem Bemühen, das ganze theologische Lehrsystem in Lieder zu fassen, sieht Koch das Gesangbuch in –––––––––– rechnet das Gesangbuch dagegen schon zu den Vorläufern der rationalistischen Gesangbücher, da es die ganze Theologie in Liedern erläutern soll. Koch: Geschichte des Kirchenlieds, 5, 502–503; Rößler: Frühzeit hymnologischer Forschung, 151. 136 Dies spiegelt sich auch im Frontispiz, auf dem das Innere der Thomaskirche in Leipzig zu sehen ist, wider. Das Gewölbe der Kirche wird von sechs Säulen getragen, die folgendermaßen beschriftet sind: links Theologia Moralis, Theologia Casualis und Theologia Consolatoris, rechts Theologia Thetica, Theologia Evangelica Epistolica und Theologia Catechetica. 137 Rößler: Frühzeit hymnologischer Forschung, 121.

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der Tradition der Lehrstreitigkeiten im Zeitalter der Orthodoxie.138 Die Anordnung der Rubriken entspricht weder dem traditionellen Gesangbuchaufbau, noch folgt sie der pietistischen oder orthodoxen Theologie. Dennoch betont Gottschald mit der Orientierung am lutherischen Katechismus und der Aufführung von Liedern zur Augsburgischen Konfession den lutherisch-orthodoxen Bekenntnischarakter seines Gesangbuchs. 2.4 Geographische Universalgesangbücher Die historische Verwendung des geographisch konnotierten Terminus Universalgesangbuch bezeichnet das Gesangbuch für ein Territorium des Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation. Der Begriff kann aber auch auf das ganze Reich bezogen werden. Dagegen bleibt das Universalgesangbuch im Sinne eines überkonfessionell, international gültigen und in alle Weltsprachen übersetzten Liederbuchs ein Ideal, dem man sich aufgrund der unterschiedlichen Konfessionen und Sprachen nur annähern kann. Im folgenden soll auf die historische Verwendung des geographisch konnotierten Begriffs Universalgesangbuch im Sinne eines Territorialgesangbuchs und auf die Forderungen nach einem lutherischen Gesangbuch für das Heilige Römische Reich eingegangen werden. Im zweiten Teil wird das Geist=reiche Gesang=Buch von Johann Anastasius Freylinghausen als ein in zahlreiche Sprachen übersetztes und weltweit gültig gedachtes Gesangbuch vorgestellt. Während die Kirchengesangbücher immer mit einem konfessionellen Bekenntnis verknüpft waren, entstanden seit dem 17. Jahrhundert einzelne überkonfessionell ausgerichtete Sammlungen. Abschließend soll in einem Exkurs die Entwicklung des überkonfessionellen Gesangbuchs anhand von Beispielen vorgestellt werden. Die Gesangbücher Peter Buschs als Territorialgesangbücher »Zum Grunde gegenwärtiger Collection aber hat man vornemlich das jetzige Hannöversche, hiernächst auch das Zellische und Stader Kirchen=Gesang-buch geleget, weil es ertheiltem hohen Befehl gemäß, ein Universal=Gesang-buch fürs gantze Hannöversche Churfürstenthum seyn solte [...].«139

Das geographisch definierte Universalgesangbuch ist im Sprachgebrauch von Peter Busch ein in einem abgegrenzten Gebiet gültiges Gesangbuch –––––––––– 138 Koch: Geschichte des Kirchenlieds, 5, 501–503. 139 Busch: Vorrede des Collectoris, [)( 6] v.

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und verweist auf den Begriff des Territorialgesangbuchs.140 Darunter ist ein vom Landesherren in seinem Territorium eingeführtes Gesangbuch zu verstehen, das meist durch ein Konsistorium herausgegeben oder approbiert wurde.141 Am Anfang des 18. Jahrhunderts führte man die ersten Kirchengesangbücher als allgemein verbindlich ein und beschränkte damit den Gebrauch anderer Gesangbücher auf den privaten Bereich. Christhard Mahrenholz sieht darin ein Zeichen absolutistischer Herrschaft, daß »jedes kleine Fürstentum als ein Zeichen seiner Souveränität neben die Landesfahne und die Uniformen der Soldaten das ›eigene‹ privilegierte Gesangbuch treten ließ«.142 In einem langsamen Prozeß konnten sich die amtlichen Kirchengesangbücher durchsetzen. Dies hatte zur Folge, daß die Verleger keine anderen Gesangbücher mehr absetzen konnten und schließlich den Druck privater Gesangbücher einstellten. Die Bemühungen des Pfarrers Peter Busch um ein niedersächsisches Territorialgesangbuch sind bereits am Titel seines ersten Gesangbuchs abzulesen: Nieder=Sächsischer Lieder=Kern, Oder vollständiges Auf die Nieder= Sächsischen Lande gerichtetes Gesang=Buch. Anfangs plante er ein eigenständiges Gesangbuch für das Stift Hildesheim. Da in Hildesheim aber bereits das Hannoverische und das Goslarische benutzt wurden, entschloß er sich, einen Auszug aus allen Niedersächsischen Gesangbüchern herauszugeben. Die 1431 Lieder hatte er vor allem den in Niedersachsen und Norddeutschland eingeführten Gesangbüchern entnommen. »Wie denn alle, sonderlich in der Kirche, nützliche und gebräuchliche Gesänge in denen drey Hildesheimischen [...], die in dem neuesten Braunschweigischen, [...] die in denen Goßlarischen, Zellischen, Hannöverschem und deren Anhängen, die 35. in

–––––––––– 140 Peter Busch *15.11.1682 in Lübeck †3.5.1744 in Hannover. 1701–1706 studierte er in Leipzig Theologie und bekleidete dann bei verschiedenen adligen Familien die Stelle des Hofmeisters. 1709 trat er auf Wunsch Herzog Anton Ulrichs in das Konvikt im Kloster Riddagshausen bei Wolfenbüttel ein. 1717 übernahm er als Pfarrer die Gemeinden Ofleben, Reinsdorf und Honschleben bei Helmstedt und wechselte 1721 an die Kreuzkirche in Hannover. Pressel: Peter W. Busch, 642. 141 Vgl. Röbbelen: Theologie und Frömmigkeit, 25–26. 142 Die Formulierung »privilegiert« bezieht sich auf das (Druck-)Privileg, das der Landesherr oder Kaiser einem Drucker für einen Titel gewährte und den Drucker vor dem Nachdruck dieses Buches schützen sollte. Mit der Verleihung eines Privilegs für ein Gesangbuch war nur das jeweilige Buch für eine gewisse Zeit vor Nachdruck geschützt, aber nicht die Herstellung eines neuen Gesangbuchs durch einen anderen Drucker für dasselbe Gebiet untersagt. Die Privilegierung wird auf dem Titelblatt aufgeführt. So wurde Johann Stern für das Lüneburgische Gesangbuch von 1702 privilegiert: »Mit Fürstl. Braunschw. Lüneb. Durchl. PRIVILEGIIS«. Bei anderen Gesangbüchern wurde der vollständige Wortlaut des Privielegs mitabgedruckt. Auf der Rückseite des Titelblatts des Dreßdnischen Gesangbuchs von 1738 steht »EXTRACT Des von langen Jahren her ertheilten, und vorietzo anderweit renovirten Königl. Pohln. und Chur=Fürstl. Sächsischen und allergnädigsten hohen Privilegii.« Die Einführung eines Gesangbuchs ist davon unabhängig. Lüneburgisches Gesang=Buch; Dreßdnische Gesang=Buch; Mahrenholz: Evangelisches Kirchengesangbuch, 6.

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Lüneburg besonders eingeführten Lieder, die Lübeckischen, die meisten aus Hamburgischen, Rostockischen, Lauenburgischen, Mecklenburgischen, Holstein= Plönischen, und dem damit übereinstimmenden Oldenburgischen, hiernächst auch Stadischen, Bremischen, Wernigerödischen, Hartzischen oder Claußthalischen, Nord= und Mühlhäusischen, Halberstädtischen, Magdeburgischen und andern Gesang=Büchern, in diesem Wercke enthalten.«143

Daneben hat er neue Lieder aus den Gothaer, orthodoxen Hallischen, Leipziger, Dresdner, Naumburgischen, Stolbergischen und Berliner Gesangbüchern ausgewählt. Busch betont die orthodoxe Ausrichtung seiner Liedersammlung und weist darauf hin, daß er die pietistischen Lieder, die bereits in Niedersächsische Gesangbücher Eingang gefunden hatten, weggelassen habe.144 Das Konsistorium des Stifts Hildesheim führte den Nieder=Sächsischen Lieder=Kern im Jahr seines Erscheinens als amtliches Kirchengesangbuch ein. Daraufhin wurde der Zusatz zum Titel in Oder vollständig Hildesheimisches Gesang=Buch abgeändert.145 Die Auflagen ab 1728 erschienen unter einer neuen Titelformulierung, in der der Anspruch als Territorialgesangbuch für Niedersachsen aufgegeben wird, der Evangelischer Lieder=Kern oder vollständig Hildesheimisches Gesangbuch.146 Bis 1762 wurde der Evangelische Lieder=Kern immer wieder aufgelegt.147 Obwohl in der Zeit der Aufklärung keine neuen Auflagen erschienen, blieb das Gesangbuch bis weit ins 19. Jahrhundert im Gebrauch.148 Aus diesem Grund entschloß sich das Königliche Konsistorium in Hannover 1863 einen Auszug mit 387 Liedern herauszubringen. 1737 erschien mit der Evangelischen Lieder=Theologie ein zweites Gesangbuch von Busch.149 Es sollte als offizielles Gesangbuch im Kurfürstentum Hannover eingeführt werden und damit das als unzeitgemäß empfundene New Ordentlich Gesang-Buch von David Denicke und Justus Gesinus ablösen. Busch stellte aus allen im Bereich des Kurfürstentums gebräuchli–––––––––– 143 Busch (Hg.): Nieder=Sächsischer Lieder=Kern, 1719. 144 »Wie man denn auch diejenigen Lieder, welche von denen Wittenbergischen Herren Theologen angegriffen worden, und in denen Nieder=Sächsichen Gesang=Büchern zum Theil mit befindlich gewesen sind, hat wollen weglassen [...]« Busch, Peter: Nützlicher Vorbericht an den Christlichen Leser, in: Ders. (Hg.): Nieder=Sächsischer Lieder=Kern, 1719, )( 2 r–[)(9] v. Hier )( 4 r. 145 Busch (Hg.): Nieder=Sächsischer Lieder=Kern, 1726. 146 Vgl. Koch: Geschichte des Kirchenlieds, 5, 564; Busch (Hg.): Evangelischer Lieder=Kern. 147 Der Ausgabe von 1734 ist das Vorwort »Historie derer teutschen Gesänge und Gesangbücher in Denen Kirchen der Stadt Hildesheim« vorangestellt, in dem neben der Gesangbuchgeschichte der Stadt Hildesheim auch die Liedauswahl und Fragen zur Liededition behandelt werden. Mager: Rezeption Paul Gerhardts, 131. 148 Noch 1873 erschien eine Neuausgabe unter dem Titel Evangelischer Liederkern aus dem vollständigen Hildesheimer Gesangbuche. 149 Mager: Rezeption Paul Gerhardts, 134–135.

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chen Gesangbüchern sowie seinen eigenen eine neue Sammlung von 1200 Liedern zusammen, die zahlreiche Gesänge pietistischer Herkunft enthielt. Innerhalb der Rubriken führte er neue Abteilungen ein, in denen sich frühaufklärerische Tendenzen zeigen. Der erste Teil Von Gott enthält vor allem Lieder zu den Glaubenslehren, während im zweiten Teil Vom Menschen die aufklärerische Sittenlehre anhand beispielhafter Gesänge abgehandelt wird. Die Rubrik Vom christlichen Leben und Wandel, Sitten und Tugenden ist in 40 Unterabteilungen aufgegliedert. Dieses Gesangbuch sollte, wie das oben angeführte Zitat belegt, als Territorialgesangbuch im Kurfürstentum Hannover eingeführt werden. Doch das Konsistorium lehnte den Gesangbuchentwurf ab und beauftragte 1736 den Konsistorialrat Balthasar Mentzer mit der Durchsicht und Überarbeitung. Trotz dieser Revision durfte die Evangelische Lieder=Theologie nur als privates Gesangbuch erscheinen und wurde nicht offiziell anerkannt. Dagegen führte man sie 1742 im Herzogtum Lauenburg als Landesgesangbuch ein.150 Ein Gesangbuch für das Heilige Römische Reich deutscher Nation Unter einem Universalgesangbuch kann aber auch ein Gesangbuch aller deutschen lutherischen Landeskirchen verstanden werden, wie es Sebastian Kirchmajer 1695 forderte: »Nur dieses scheint mir etwas unanständig und unförmlich zu sein, daß, da wir nur eine allgemeine lutherische Kirche haben, fast an allen Orten und PartikularVersammlungen ganz verschiedene und guten Teils unbekannte [...] Lieder gefunden werden, daß einem Fremden und Reisenden oft nicht anders vorkommt weil er nicht mitsingen kann, als sei er unter anderen Religionsverwandten [...], daß dannenhero wohl zu wünschen wäre, daß wie in verschiedenen andern, also auch in diesem Stück eine schöne Gleichheit gehalten und ein allgemein Gesangbuch durchgehends eingeführt werden möchte.«151

Der Rezensent des Schwarzburg-Rudolstädtischen Choralbuchs machte 1766 den konkreten Vorschlag, das Fast allgemeine Evangelisch-Musicalische Lieder-Buch von Georg Philipp Telemann einzuführen.152 »Könnte man nicht in allen protestantischen Ländern Deutschlands den Kirchgesang übereinstimmend machen? Uns dünkt ja! Man dürfte nur das vortrefliche Telemannische Choralbuch, welches die Melodien nach den ältesten und richtigsten Urschriften

–––––––––– 150 Eine zweite Auflage erschien 1747: Busch (Hg.): Evangelische Lieder= Theologie, 1747. Vgl. Zell: Untersuchungen, 250, Fußnote 211. 151 Kirchmajer, Sebastian: Vorrede, in: Rothenburgischen Seelen-harpff. 1695. Zitiert nach Mahrenholz: Evangelisches Kirchengesangbuch, 9. 152 Telemann, Georg Philipp: Fast allgemeines Evangelisch-Musicalisches Lieder-Buch, [...]. Hamburg 1730. (DKL 173011); 2. Aufl. Hamburg 1751 (DKL 175102). Bei dem Rezensenten handelt es sich um K. Agricola. Nach: Parthey: Mitarbeiter an der Allgemeinen Deutschen Bibliothek. Zum Telemannschen Choralbuch vgl. Busch: Melodeien Liedernetz, 263–264.

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[...] in ihrer ursprünglichen Reinigkeit herstellet, und mit der schönsten Harmonie begleitet, überall einführen und zur Regel annehmen; so würde dem Verlangen bald ein Gnüge geschehen seyn.«153

Diese Anregung zur Vereinheitlichung des Liedbestandes blieb ungehört, dagegen bearbeitete man die Gesangbücher der einzelnen Städte und Territorien nach den aufklärerischen Ideen. Dabei fiel der Hauptteil des überkommenen Liedbestandes weg oder wurde stark verändert und die Melodien auf wenige beschränkt.154 Auf fürstlichen Befehl, teilweise gegen den Widerstand der Gemeinden, wurden die aufklärerischen Gesangbücher eingeführt.155 Die Idee eines in allen deutschen Gebieten gültigen, lutherischen Gesangbuches wurde dann erst im 19. Jahrhundert wieder aufgegriffen; dafür hat sich der Begriff des Einheitsgesangbuchs durchgesetzt. Da die Motivation des Einheitsgesangbuchs eng mit der Restauration des lutherischen Kirchenlieds einerseits und dem nationalen Einheitsgefühl andererseits verknüpft ist, muß der Begriff des geographischen Universalgesangbuchs auf das 18. Jahrhundert beschränkt bleiben und kann nicht auf das 19. Jahrhundert ausgedehnt werden. Das Geist=reiche Gesang=Buch von J. A. Freylinghausen als weltweit gültiges Gesangbuch Ein Gesangbuch, das als geographisches Universalgesangbuch angesprochen werden kann, ist das Geist=reiche Gesang=Buch von Johann Anastasius Freylinghausen.156 Mit zahlreichen Auflagen im 18. Jahrhundert und durch die Rezeption in anderen pietistischen Gesangbüchern prägte es überregional die pietistische Liedkultur.157 Das Geist=reiche Gesang=Buch war –––––––––– 153 Agricola: Vollständiges Choralbuch, 261. 154 Rößler: 17. Jahrhundert, 191. 155 Vgl. dazu Ders.: Gesangbuch, 1313. 156 Freylinghausen (Hg.): Geist=reiches Gesang=Buch, 1704. Das Gesangbuch enthält 683 Liedern, davon 174 mit Melodien, von denen 82 hier zum ersten Mal veröffentlicht wurden. Koski: Lied Mosis, 171–196. Zur Biographie von Johann Anastasius Freylinghausen vgl. Engelbrecht: Johann Anastasius Freylinghausen, 422–423. 157 Zu den verschiedenen Ausgaben und Auflagen vgl. Kapitel 3.4.4 Beispiele für die Freylinghausen-Rezeption sind folgende Gesangbücher: Steinmetz, Johann Adam (Hg.): Neu= eingerichtetes Kirchen= und Haus=Gesang=Buch [...] Magdeburg 1738; Steiner, Johann Ludwig (Hg.): Neues Gesangbuch auserlesener geistreicher Lieder zum Lob und Preis Gottes, wie auch zu allgemeiner Erhebung im Glauben, Liebe und wahrer Gottseligkeit, Zürich 1723 (Koch: Geschichte des Kirchenlieds, 6, 90). Unter dem Titel Geistreiches Gesang=Buch [...] vor die Gemeine des Herrn erschien 1720 in Berleburg das Gesangbuch der Schwarzenauer Neutäufer, das Lieder aus dem Freylinghausen, dem Davidischen Psalter=Spiel der Inspirationsgemeinde und Neudichtungen ihrer Anhänger enthielt. Hinks: Brethren Hymn Books, 16–21. Zu der späten Rezeption des Freylinghausen in Mecklenburg vgl. Bunners: Wie Lieder aus dem Freylinghausen, 227–241. Insbesondere für die ersten Gesangbücher, die Zinzendorf herausgegeben hat, war das Freylinghausensche Gesangbuch die wichtigste Quelle. Nach den Forschungen von Dietrich Meyer hat

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auf der einen Seite ein Gesangbuch für pietistische Konventikel, auf der anderen Seite wurde es durch die Einführung in den Singstunden und als Lehrbuch im Musikunterricht zum offiziellen Gesangbuch der Franckeschen Stiftungen. Damit gehört es in den Zusammenhang der pietistischen Reform, die August Hermann Francke universal konzipiert und in dem Project, zu einem Seminario Universali oder Anlegung eines PflantzGartens, von welchem man eine reale Verbesserung in allen Ständen in und auserhalb Teutschlandes, ja in Europa und allen Theilen der Welt zugewarten158 vorgestellt hat.159 Innerhalb dieses Reformkonzeptes kam dem Singen geistlicher Lieder eine besondere Bedeutung zu.160 So sollte die Musik die persönliche Frömmigkeit intensivieren und die geistliche Erweckung fördern. Dies schlug sich im Alltag des Waisenhauses durch die praktischmusikalische Ausbildung der Zöglinge in den Singstunden und im collegium musicum sowie der Gesangbucharbeit nieder. Das Anliegen der pietistischen Reform wird auch im Frontispiz des Geist=reiche Gesang=Buchs durch die Einbindung der Welt in das pietistische Universum versinnblidlicht.161 Die Darstellung ist in zwei Bildbereiche und zwei Textfelder untergliedert. Der obere Teil ist eine bildliche Umsetzung einer Stelle aus der Offenbarung (Offb 14, 1–3). Das Lamm steht mit dem Kreuzstab auf dem Zionsberg, dessen Fuß von musizierenden jungen Menschen und Kindern gesäumt wird. Die Szene wird von oben von göttlichem Licht beleuchtet. Davor, aber räumlich weit entfernt, schwebt ein Engel mit dem Schriftzug »Halleluja«. Das Schriftband, das den oberen Bildbereich vom unteren abtrennt, erläutert die Darstellung durch ein Zitat, das ebenfalls in der Offenbarung steht: »Und sungen das lied Mosis deß Knechts=Gottes, und das Lied deß Lammes« (Offb 15, 3). Der untere Bildteil zeigt, abgesetzt vom schwarzen Hintergrund, die Weltkugel, deren obere Hälfte mit den Gebieten Europa und Nordamerika noch vom göttlichen Licht beleuchtet wird. Eine Pflanzenranke rahmt den Psalmvers VIII, V 3 »Aus dem Munde der jungen Kinder und Säuglingen hastu ein Lob zugericht« mit zwei trompetenartigen Blüten ein, umschließt die Weltkugel –––––––––– Zinzendorf nur wenig an den Texten geändert. Meyer: Johann Anastasius Freylinghausen, 287– 303. 158 Francke: Projekt zu einem Seminario universali, 109. 159 Hartmut Lehmann hebt hervor, daß sich die Pietisten insbesondere durch ihr Verständnis vom Raum von ihren Zeitgenossen unterscheiden. Die Pietisten fühlten sich als »Teil einer überregionalen, ja einer universalen Bewegung und sie wirkten mit an der Lösung von Problemen und an der Bewältigung von Aufgaben, die das Schicksal der ganzen Menschheit betrafen.« Lehmann: Vorüberlegungen zu einer Sozialgeschichte, 75. 160 Bunners: Musik, 436–437. Christian Bunners liest den Titelkupfer des Geist=reichen Gesang=Buchs als ikonographisch verschlüsseltes Musikprogramm des Halleschen Pietismus und stellt damit die Bedeutung des Gesangbuchs innerhalb der pietistischen Reform heraus. 161 Arndal: Inspiration und subjektive Erfahrung, 157–159.

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und läuft schließlich in der Mitte des Bildes als Halterung des Schriftbandes aus. Steffen Arndal interpretiert den Gesang anhand dieser Darstellung als Teil eines kosmischen Kreislaufs. Die Erweckung geht von Gott aus, wandelt sich in dem neugeborenen Menschen in (Lob-) Gesang und steigt verstärkt durch den Chor der Erlösten und Engel wieder auf zu Gott. Mit dieser Darstellung formuliert das Gesangbuch den Anspruch, das Gesangbuch der Neugeborenen zu sein. Die verdunkelten Teile des Globus können als Gebiete, in denen die Menschen noch erweckt bzw. pietistisch missioniert werden müssen, verstanden werden.162 Dies wird auch durch die Vorrede bestätigt, die sich nicht nur an die »Säuglinge«, d.h. die Zöglinge der Franckeschen Stiftungen, sondern an die geistlich »Unmündigen« in aller Welt wendet.163 Die Franckeschen Stiftungen entwickelten sich immer mehr zum Zentrum des weltweiten Pietismus. Auf der einen Seite wurden ausländische Schüler in Halle erzogen, die die Reformideen mit in ihre Heimatländer nahmen, auf der anderen Seite erbat man für die lutherischen Gemeinden im Ausland Pfarrer aus den Stiftungen. Darüber hinaus wurden in den Franckeschen Stiftungen Sprachstudien getrieben, Übersetzungen angefertigt, und die in Halle ausgebildeten Theologen Bartholomäus Ziegenbalg und Heinrich Plütschau missionierten für die dänisch-indische Mission. Durch intensive Korrespondenz begleitete Francke die Missionare und warb durch die Veröffentlichung der Briefe Spenden ein. Durch diese Kontakte, die die pietistische Reform in allen Teilen der Welt fördern sollten, sind auch die Lieder aus dem Freylinghausen verbreitet worden.164 Johan Tolpo übertrug Lieder aus dem Geist=reichen Gesan=Buch ins Schwedische.165 Diese Übersetzungen machen etwa ein Drittel der Lieder im Gesangbuch Mose och Lamsens wisor aus, das 1717 in Stockholm erschien. In der zweiten Auflage von 1720 wurden weitere neue Lieder aufgenommen, von denen eine Vielzahl Übertragungen deutscher pietistischer Lieder ist. Im dänischen Raum wirkten vor allem die Übersetzungen deutscher pietistischer Lieder durch Hans Adolph Brorson.166 Das Troens rare Klenodie, das 1739 erschien, ist das wichtigste Erbauungsbuch des dänischen Pietis–––––––––– 162 Koski: Geist=reiches Gesang=Buch, 498; Ders.: Lied Mosis, 193. 163 Freylinghausen: Vorrede, 1704, )()( 5 r–[)()( 5] v. 164 Diese folgende Aufzählung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Eine umfassende Dokumentation der Übersetzungen wird im Rahmen der Edition des Freylinghausenschen Gesangbuchs als Band 3,2 erarbeitet und voraussichtlich 2006 unter dem Titel SIngt dem HErrn nah und fern. Zur weltweiten Wirkung des Freylinghausenschen Gesangbuches erscheinen. 165 Pleijel: Schwedischer Pietismus, 163–166. 166 Arndal: Brorson und die Tradition; Ders.: Inspiration und Rezeption; Ders.: Store hvide Flok.

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mus. Seine deutschen Vorlagen entnahm Brorson dem Tondernschen Gesangbuch. Es wurde von seinem Vorgesetzen Johann Hermann Schrader herausgegeben und bot die in Schleswig-Holstein und Dänemark bisher reichhaltigste Auswahl pietistischer Lieder, darunter auch aus dem Geist=reichen Gesang=Buch. Georg Friedrich Rogall brachte 1731 mit dem Kern alter und neuer Lieder ein pietistisches Gesangbuch in Königsberg heraus. Dadurch wurden die Lieder aus dem Freylinghausen auch im preußischen Landesteil KleinLitauen bekannt und eine Übertragung in die Volkssprache gewünscht.167 Sie erschienen in den Gesangbüchern, die J. Behrendt 1732 und Fabian Ulrich Glaser 1736 herausgaben. In Siebenbürgen wurden die Lieder nur in deutscher Sprache rezipiert. Das Freylinghausensche Gesangbuch diente als Vorlage für das Vermehrte Hermannstädtische Gesangbuch von 1733 und Geistreiche Kronstädtische Gesang Buch von 1751.168 Das deutschsprachige Neu vermehrte Oedenburgische Gesangbuch von 1723 ist der erste Beleg für ein ungarisches Gesangbuch, in dem pietistische Lieder aus dem Freylinghausen übernommen worden waren.169 20 Lieder wurden dann ins Ungarische übersetzt und im Zengedezo Mennyei Kar von 1735 veröffentlicht. Obwohl vielfältige Beziehungen nach Rußland bestanden und in der Druckerei der Franckeschen Stiftungen eine eigene Abteilung für russische Drucke eingerichtet wurde, sind nur sechs Liedübersetzungen in die russische Sprache bekannt. Diese wurden für russische Soldaten in Deutschland angefertigt.170 In den deutschsprachigen Gemeinden in Amerika war neben dem Marburger Gesangbuch das Freylinghausensche Gesangbuch in den verschiedenen Ausgaben am beliebtesten. Mit der Erbaulichen Lieder=Sammlung gab Heinrich Melchior Mühlenberg 1786 ein Gesangbuch für die lutherischen Gemeinden in Amerika heraus, das zwei Drittel des Liederkanons aus dem Freylinghausen übernahm. Allerdings konnte es sich nicht als Einheitsgesangbuch in allen deutschsprachigen lutherischen Gemeinden durchsetzen.171 In Indien bemühte sich insbesonde–––––––––– 167 Bense: Giedojam tau; Ders.: Kélos Noba´znos Giesmes; Ders.: Vorbilder und Impulse. Vincentas Drotvinas resümiert: »Anschließend bleibt festzuhalten, daß die geistlichen Lieder der halleschen Pietisten im Laufe des 18. bis 20. Jh. viele Male ins Litauische übersetzt und in evangelischen Gesangbüchern veröffentlicht wurden.« Drotvinas: Hallißkos Giesmes, 468. 168 Wagner: Geistliche Dichtung, 47–51. 169 Diese Information verdankt die Autorin Herrn Zoltan Csepregi. 170 Diese Auskunft stammt von Frau Swetlana Mengel, die über Das pietistische Lied und seine »russischen« Übersetzungen in Halle zu Beginn des 18. Jahrhunderts einen Vortrag auf dem Pietismus-Kongreß in Halle 2001 gehalten hat. Auch der Übersetzer und wichtigste Vermittler pietistischen Ideenguts nach Russland, Caspar Matthias Rodde, hat kein russisches Gesangbuch herausgegeben. Vgl. Mengel: Sprache der ›russischen‹ Übersetzungen; Fundminski: Caspar Matthias Rodde. 171 Kadelbach: »Geist=reicher« Gesang.

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re Bartholomäus Ziegenbalg um christliche Lieder in tamilischer Sprache, die zuerst auf einheimische, später auf europäische Melodien gesungen wurden.172 Aber auch die Missionare Johann Ernst Gründler und Benjamin Schultze übersetzten europäische Kirchenlieder.173 Diese Aufzählung dokumentiert, daß das Freylinghausensche Gesangbuch als ein deutsches und in Auszügen übersetztes Gesangbuch im 18. Jahrhundert über das Heilige Römische Reich Deutscher Nation hinaus in Europa, USA und Indien Verbreitung fand. Die Übersetzungen des Gesangbuchs belegen seine Funktion innerhalb der global ausgerichteten pietistischen Reformbewegung. Daher ist das geographische Universalgesangbuch als pietistisches Phänomen anzusprechen. Exkurs: Das überkonfessionelle Universalgesangbuch Das kirchlich orientierte Lied bietet sich durch die Verknüpfung von Text und Melodie, die mnemotechnisch dem Auswendiglernen von Prosatexten z.B. aus dem Katechismus überlegen ist, als Vehikel für die Vermittlung unterschiedlicher Bekenntnisse an. Darüber hinaus stärkt die Singpraxis die konfessionelle Identität, was insbesondere in Zeiten religiöser Auseinandersetzungen (Kampf gegen die Arianer zur Zeit des Ambrosius, Reformation, Täuferbewegung, Hugenotten, Erweckung, Mission und Kirchenkampf) genutzt wurde.174 Dementsprechend haben auch Kirchengesangbücher die Funktionen, als religiöses Lehrbuch Glaubensinhalte zu vermitteln und als konfessionelles Symbol Identität zu stiften bzw. zu stärken. Die anhaltende Bedeutung des Kirchengesangbuchs als Zeichen einer Konfessionszugehörigkeit belegt die bis heute gebräuchliche Redewendung »das falsche Gesangbuch haben«. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, warum ab der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts dezidiert überkonfessionelle Liedersammlungen konzipiert worden und ob sie auch inhaltlich als überkonfessionell anzusprechen sind. Ein Beispiel scheinen die Gesangbücher zu sein, die im Kontext der Unionsbestrebungen des brandenburgischen Herrscherhauses stehen. Auf den Befehl der Kurfürstin Luise Henriette brachte der Verleger Christoph –––––––––– 172 Unter dem Titel Hymnologica Damulica erschien 1715 ein Gesangbuch für die Gemeinde in Tranquebar in tamilischer Sprache. Die vierte Auflage von 1733 enthält bereits 300 Lieder. Daneben veröffentlichten die Missionare auch Gesangbücher in Portugiesisch, wie z.B. Psalmodia evengelica ou Livro de Languas espirituaes 1736–1744. Bunners: Gesangbuch, 130. 173 Jeyaraj: Inkulturation in Tranquebar, 236–243. 174 »Die Bestimmung als ›konfessorisch akzentuiert‹ benennt insofern eine weitere differentia specifica, als das Kirchenlied nicht etwa der liedhafte Ausdruck einer allgemeinen, ungebundenen Religiösität ist, ihm vielmehr ebenso die Funktion spezifisch christlicher Vergewisserung zukommt wie der Bildung und Wahrung positiv-religiöser, nicht selten konfessioneller Identität.« Vgl. Beutel: Lied/Kirchenlied, 270–275; Jenny: Kirchenlied I, 605.

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Runge 1653 die Geistlichen Lieder und Psalmen heraus.175 Die aufgenommenen Lieder stammen zwar aus beiden Konfessionen, dennoch ist der reformierte Geist in der Bearbeitung zu spüren.176 Mit Ausnahme von In dulci jubilo fehlen lateinische Gesänge, die als papistische Überbleibsel galten, und symptomatisch ist auch die Änderung des Liedes Vater unser im Himmelreich zu Unser Vater im Himmelreich. Darüber hinaus spricht die in der Zueignung erwähnte Anweisung der Kurfürstin, das Gesangbuch mit dem Pfälzer Katechismus und Gebetbuch zusammen herauszubringen dafür, daß dieses Gesangbuch hauptsächlich für die Reformierten bestimmt war. Deshalb liegt hier kein überkonfessionelles Gesangbuch für die beiden evangelischen Konfessionen sondern eine reformierte Liedersammlung vor. Das zweite Beispiel ist das Neue vollständige Gesang=Buch, Vor die Königlich=Preußische, Auch Chur=Fürstl. Brandenburgische und andere Lande, das 1725 mit einem Vorwort von Johann Caspar Carstedt bei Johann Andreas Rüdiger herauskam.177 Bereits im Titel kündigte man das überkonfessionelle Programm an: »In welchem über 1000. derer auserlesensten alten und neuen, in beyderseits Evangelischen Kirchen üblichen Geistlichen Lieder enthalten«. Wie J. F. Bachmann nachweisen konnte, handelt es sich bei diesem Gesangbuch um eine vermehrte Ausgabe der Geistlichen und lieblichen Lieder, die der lutherische Pietist Johann Porst 1713 herausbrachte.178 Nach dem Privileg sollte es aber nicht mit dem Porstschen Gesangbuch konkurrieren, sondern das Lemgoische Gesangbuch179 in der Mark Brandenburg verdrängen.180 Aufgrund der aufgenommenen Lieder kann auch diese Sammlung nicht als gemeinsames Gesangbuch für die beiden evangelischen Konfessionen bezeichnet werden. Bei beiden Gesangbüchern zeigt sich eine Diskrepanz zwischen dem überkonfessionellen Anspruch, wie er in der Vorrede bzw. im Titel formuliert wird, und dem Liedbestand. In dem Gesangbuch von Runge liegt der –––––––––– 175 Bachmann: Zur Geschichte, 31–45. I. Röbbelen betont das interkonfessionelle »Versöhnungs«-Bestreben des Gesangbuchs, das ihrer Meinung nach von lutherischer Seite herkommt. Das Gesangbuch nehme betontermaßen reformierte Lieder auf und ließe selbst reformierte Liedänderungen bestehen. Gerade das Beispiel des Vater-unser-Liedes von Martin Luther belege, daß hier von reformierter Seite lutherisches Liedgut absorbiert wurde. Röbbelen: Theologie und Frömmigkeit, 24–25, Fußnote 26. 176 Seibt: Reformierte Gesangbücher. 177 Gesang=Buch Vor die Königlich=Preußische Lande. 178 Bachmann: Zur Geschichte, 186–191. Die beiden Gesangbücher entsprechen sich auch in der Ausstattung, so sind beiden die Portraits des Herrscherpaares vorangestellt, nur in der Anordnung des Liedgutes unterscheiden sie sich. 179 Mit dem Lemgoischen Gesangbuch können zwei Gesangbücher gemeint sein, die kurz zuvor erschienen waren. Entweder das Geistreiche evangelische Gesangbuch [...] Lemgo 1714 oder das Christ=Evangelisch= auserlesen= und vollständige Gesang=Buch [...] Lemgo 1719. Vgl. Bachmann: Zur Geschichte, 189. Fußnote 3. 180 Bachmann: Zur Geschichte, 189.

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evangelisch-lutherische Liedkanon in reformierter Bearbeitung vor, das Gesangbuch von Carstedt ist vor allem lutherisch-pietistisch geprägt. Die Annäherung der Konfessionen wird somit gefordert, ohne in der inhaltlichen Gesangbucharbeit konsequent umgesetzt zu werden. Im gesamten pietistischen Bereich entstanden Gesangbücher, die insofern als überkonfessionell zu bezeichnen sind, als ihnen die Idee der Sammlung der Erweckten in einer Geistkirche und damit die Relativierung der Konfessionen zugrunde liegt.181 Ein pietistisch-ökumenisches Projekt, das darüber hinausgehend das Liedgut aus unterschiedenlich Eprochen und Kirchen dokumentieren sollte, ist das Londoner Gesangbuch (1753).182 In dieser Sammlung stellte Nikolaus Ludwig Graf von Zinzendorf183 2861 Lieder zusammen ordnete sie den Rubriken Bibelgesang, biblische Lieder, Lieder der alten Kirche, der alten Brüderkirche, der Reformation, Lieder aus dem 17. Jahrhundert und aus der Zeit des Pietismus zu und hängte das Enchiridion der Brüdergemeine an. Außerdem enthält das Gesangbuch auch die »liturgischen Schätze der Ostkirche«. Zinzendorf versteht die Konfessionen als unterschiedliche topoi paideias, d.h. Erziehungsweisen Gottes. Daraus leitet er die »Warnung vor einer voreiligen Aufhebung oder Union der Konfessionen, die Forderung gegenseitiger Toleranz als Anerkennung legitimer Verschiedenheiten im theologischen Denken und kirchlichen Leben und die Bereitschaft zu wechselseitigem Austausch der besonderen Gaben«184 ab. Die Arbeit am Londoner Gesangbuchs fällt zeitlich mit der Herausgabe des Kleinen Brüdergesangbuchs von 1754 zusammen. Damit entstanden parallel zwei Gesangbücher, deren Konzeptionen im bewußten Gegensatz zueinander stehen: das Kleine Brüdergesangbuch als Sammlung für die liturgischen Feiern in den Brüdergemeinen und das Londoner Gesangbuch als allgemeines Liederbuch für alle Christen. Die gleichzeitige Vorbereitung der beiden Gesangbüchern belegt, daß Zinzendorf sich nicht auf die Konsolidierung der Herrnhuter Brüdergemeine beschränkte, sondern darüber hinaus eine Belebung und Erneuerung der ganzen Kirche in einem ökumenischen Sinne anstrebte. Allerdings war die Rezeption des Londoner Gesangbuchs sehr gering. Es konnte sich weder innerhalb der Brüdergemeine, in der es trotz des Anhangs brüderischer Lieder nicht offiziell einführt wurde, noch in den christlichen Kirchen durchsetzen. Nach dem Urteil –––––––––– 181 In diesem Sinne ist auch das bereits vorgestellte Geist=reiche Gesang=Buch als überkonfessionelles Gesangbuch zu verstehen. 182 Vgl. zu dem folgenden Absatz: Meyer: Zinzendorfs Londoner Gesangbuch; Ders.: Dietrich: Einführung in die Gesangbücher. 183 Zur Biographie vgl. Beyreuther: Zinzendorf; Meyer: Zinzendorf und Herrnhut. Dort sind auch weitere Literaturhinweise zu finden. 184 Schneider: Nikolaus Ludwig von Zinzendorf, 366.

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von Dietrich Meyer waren Zinzendorfs Pläne für ein ökumenisches Gesangbuch angesichts der kirchlichen Zustände seiner Zeit zu kühn. Darüber hinaus kritisierten die Zeitgenossen die mangelhafte Edition der Lieder.185 Daneben entstanden im radikalpietistischen Bereich überkonfessionelle Gesangbücher. Doch auf sie soll hier nicht weiter eingegangen werden, da ihre Intention, wie die Aufnahme kirchenkritischer Lieder zeigt, nicht in der Aussöhnung der Konfessionen, sondern in der Bekämpfung der Institution Kirche bzw. der Konfessionskirchen lag. Im Zuge der philanthropischen Bewegung wurden in überkonfessionellen Gesangbüchern Lieder für gemeinsames Singen und Feiern verschiedener Konfessionen zusammengestellt. Der Gründer des Philantropins in Dessau, Johann Bernhard Basedow, setzte sich für eine Schule unter staatlicher Aufsicht ein, die keine konfessionellen Bekenntnisse vermitteln dürfe.186 Im schulischen Religionsunterricht sollten ethische Fragen und ein überkonfessionelles Universal-Christentum behandelt werden, dagegen wies er die Vermittlung von konfessionellen Lehren dem Aufgabenbereich der Kirche zu.187 Auch die Andachten, die im Philanthropin stattfanden, beanspruchten, überkonfessionell oder universal-christlich zu sein.188 Dieser besonderen Situation trug man mit dem Allgemein=Christlichen Gesangbuch für alle Kirchen und Sekten Rechnung, das 1781 anonym in Riga und Altona erschien.189 Doch diese Liedersammlung war nicht auf die philanthropischen Institute beschränkt, sondern war auch für diejenigen gedacht, »welche auf Reisen und Schiffen, in Bädern und Armeen, oder auf andere Art, mit Christen verschiedener Sekten und Meinungen zusammen kommen, und sich durch

–––––––––– 185 Unter den Kritikern ist vor allem David Gottfried Schöber zu nennen, der seine Bermerkungen in der Schrift Die wahre Gestalt der sämmtlichen Herrnhutischen Gesangbücher, Anhänge und Zugaben, dem unparteyischen Leser zur Prüfung, und den Freunden der Liederhistorire zum Dienst vorgeleget Leipzig 1760 veröffentlichte. Vgl. Meyer: Einführung in die Gesangbücher, 55–57. 186 Zur Biogrpahie vgl. Bollnow: Johann Bernhard Basedow. Noch während seiner Tätigkeit in Altona erschien sein erstes überkonfessionelles Gesangbuch Ein Privat=Gesang-buch zur Erbauung für solche Christen, die verschiedenen Glaubens. Altona 1767. Hans-Jürgen Schrader weist es im Auktionskatalog der Bibliothek Erdmann Neumeisters von 1771 nach. Vgl. Schrader: Literaturproduktion und Büchermarkt, 384, Fußnote 81. 187 Vgl. Meiers: Der Religionsunterricht. 188 »deren [philanthropische Erziehungsinstitute] Wesen es mit sich bringt, vermischte Kinder und Lehrer aus allen Kirchen und Sekten zu haben, oder zu erwarten und aufzunehmen; sie (und wohl andre Anwesende) allgemein=christlich zu belehren und zu erbauen; den Unterscheidungslehren der Kirchen nicht zu widersprechen; und die Einflössung derselben in die darzu gereifte Jugend den Kirchenlehrern zu überlassen, die auf Verlangen der Eltern dazu bestellt werden«. [Basedow, Johann Bernhard]: Vorrede, in: Ders. (Hg.): Allgemein=Christliches Gesangbuch, a 2 r–b [1] r. Hier [a 6] r–[a 6] v. 189 Dieses Gesangbuch bezeichnet C.-A. Zell als Universalgesangbuch und nennt Basedow als Herausgeber. Vgl. Zell: Untersuchungen, 250, Fußnote 211.

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ein solches Buch, wenn sie wollen, gemeinschaftlich erbauen, oder es ohne Anstoß der andern auch lautsingend gebrauchen dürfen.«190

In der Vorrede verspricht Basedow, daß kein Satz abgedruckt sei, der den Bekenntnissen »sowohl von der römischen und griechischen als von den protestantischen Kirchen und denen davon abstammenden Seckten, als Unitariern, Arminianern, Menoniten, Collegianten u.s.w.« widerspreche.191 Ziel des Herausgebers ist es, »daß gemeinschaftliche christliche Betstunden, Taufhandlungen, Gedächtnißmahle Jesu, Ehesegnungen, Begräbnißceremonien (u.s.w.) bloß durch Hülfe dieses Gesangbuches können gehalten werden«.192 1784 erschien eine überarbeitete Auflage unter dem Titel Einer Philadelphischen Gesellschaft Gesangbuch für Christen und für philosophische Christgenossen.193 Die Vorstellung vom Universalchristentum findet sich katholischerseits im Gesangbuch des Stuttgarter Hofpredigers Benedikt Maria Werkmeister194 für die Herzoglich Württembergische katholische Hofkirche von 1784.195 Nach dem Vorwort sollten Lieder aufgenommen werden, »die das praktische Christenthum empfehlen, und von allen Christen unsers Vaterlandes mitgesungen werden könnten, ohne daß sie in ihrer Andacht durch Stellen gestört würden, welche ihrer innern Ueberzeugung Gewalt anthun. Um dieser Höchsten Absicht gewissenhaft nachzukommen, haben wir keine andern Gesänge gewählt, als solche, welche den Geist gemeinschaftlich anerkannter Wahrheiten athmen, und zur allgemeinen Christenerbauung dienen.«196

–––––––––– 190 [Basedow]: Vorrede, 1781, [a 4] v. 191 Ebd., a 2 r. 192 Ebd., a 5 r. 193 Basedow (Hg.): Gesangbuch für Christen. Martin Rößler gibt Johann Bernhard Basedow als Verfasser an. Rößler: Württemberg als Gesangbuch-Landschaft, 41. Dort ist auch das Titelblatt des Gesangbuchs abgebildet. 194 Benedikt Maria Werkmeister *22.10.1745 in Füssen †16.7.1823 in Stuttgart. Hofprediger und Vertreter der katholischen Aufklärung. Nach seinem Studium in Neresheim und Benediktbeuren, betreute er in Benediktbeuren die Novizen, leitete die Bibliothek und übernahm die Professur für Liturgie und Kirchenrecht. 1772–74 und 1778–80 unterrichtete er am bischöflichen Lyeum in Freising. 1784 ernannte ihn von Herzog Karl Eugen zum katholischen Hofprediger in Stuttgart. Nach dem Tode des Herzogs wurde er entlassen, aber 1795 für kurze Zeit wiederberufen. 1796 übernahm er die Pfarrstelle in Steinbach (Neckar). 1807 wurde er als katholischer Geistlicher Rat nach Stuttgart berufen und 1817 zum Oberkirchenrat ernannt. In seinen Schriften kritisierte Werkmeister das Mönchtum, die Volksfrömmigkeit und die Unfehlbarkeitslehre, vertrat das Staatskirchentum und setzte sich u.a. für die Abschaffung des Zölibats, die Laisierung der Priester, Ehescheidung und Wiederverheiratung ein. Nothof: Benedikt Maria Werkmeister. 195 Werkmeister (Hg.): Gesang=Buch, 1784. Diesem Gesangbuch folgen die Sammlung von Hoogen und Clemens 1798, das Erlanger Gesangbuch von Busch 1798, das Würzburger Gesangbuch von Willmy 1800 und das Nürnberger Gesangbuch von Sperl 1800. Vgl. Bäumker: Katholisches deutsches Kirchenlied, 3, 10. 196 [Werkmeister, Benedikt Maria]: Vorrede. In: Gesang=Buch,1784, [)o( 1 ] r–[)o( 8] r. Hier [)o( 4] r.

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Bereits Wilhelm Bäumker konnte von den insgesamt 55 Liedern 30 als protestantisch nachweisen und schloß nicht aus, »daß auch noch ein großer Theil der übrigen von protestantischen Autoren herrührt.«197 Das Liedgut besteht fast vollständig aus evangelischen Liedern, für die nur 14 Melodien angegeben werden.198 Darüber hinaus gehört dieses Gesangbuch in den Kontext aufklärerischer Liturgiereform. So führte Werkmeister in der katholischen Hofkapelle des Herzogs von Württemberg die deutsche Messe und den deutschsprachigen Gemeindegesang im Gottesdienst ein. Im 19. Jahrhundert griff Ernst Moritz Arndt den Gedanken eines überkonfessionellen Gesangbuchs wieder auf. Seine Forderungen nach einem »christlich teutschen Gesangbuch« sind von einem nationalen und hymnologischen Einheitsgedanken geprägt. In seiner Schrift Von dem Wort und dem Kirchenliede nebst geistlichen Liedern erläutert er: »Ich habe gesagt ein christlich teutsches Gesangbuch. Dies ist gesagt mit Vorbedacht und Absicht. Ich meine ein Gesangbuch für alle Christen ohne Unterschied des besonderen Bekenntnisses und der einzelnen Ansicht, ohne Rücksicht und Hinsicht auf dieses oder jenes Bekenntniß: ein Gesangbuch, das alles das enthielte, was in frommer Inbrunst der Begeisterung in den letzten dreihundert Jahren – und wenn es schon frühere teutsche Hymnen giebt – von christlichen Sängern gedichtet ist.«199

In der Diskussion der folgenden Jahrzehnte wurde dieser Vorschlag auf ein deutsches evangelisches Einheitsgesangbuch reduziert, das 1854 über das Deutsche Evangelische Kirchen-Gesangbuch in 150 Kernliedern zum Deutschen Evangelischen Gesangbuch von 1915 und schließlich zum Evangelischen Kirchengesangbuch von 1950 führte.200 Erst im Rahmen der Ökumenischen Bewegung und des Ökumenismus entstanden überkonfessionelle Gesangbücher, die durch die Kirchen anerkannt wurden. In Deutschland wurde 1969 die Arbeitsgemeinschaft für ökumenisches Liedgut (AÖL) unter der Leitung von Christhard Mahrenholz und Paul Nordhues gegründet, um konfessionsübergreifend eine einheitliche Text- und Melodiefassung der

–––––––––– 197 Bäumker: Katholisches deutsches Kirchenlied, 31891), 10. 198 Rößler: Gesangbuch, 1314. 199 Arndt: Von dem Wort, 50–51. Heinrich Wilhelmi kritisiert Arndts Konzept eines überkonfessionellen Gesangbuchs. »Abgesehen von dem ungeheuren Reichtum an Liedern, den die protestantische Kirche gegenüber der katholischen voraus habe, seien viele dieser Lieder in der Auseinandersetzung mit dem Katholizismus entstanden und trügen Zeichen dieses Kampfes; sie könnten für Katholiken anstößig wirken, wie umgekehrt Evangelische sich an manchen Marienund Heiligenliedern stören könnten, welche die Katholiken nur ungern vermißten.« Zitiert nach Wüstenberg: Gesangbuchrestauration im Protestantismus, 142. 200 Ausführliche Darstellungen zur Entwicklung eines deutschen evangelischen Einheitsgesangbuchs finden sich in den folgenden Aufsätzen: Wüstenberg: Gesangbuchrestauration im Protestantismus; Ders.: 19. Jahrhundert.

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Kirchenlieder zu erarbeiten.201 Ein Teil dieser Lieder hat als Ö-Lieder Eingang in die Kirchengesangbücher gefunden.202 Im 20. Jahrhundert entstanden im Kontext der ökumenischen Bewegung Gesangbücher, die überkonfessionell und international ausgerichtet waren und in zahlreiche Sprachen übersetzt wurden bzw. Lieder in verschiedenen Sprachen enthielten.203 2.5 Definition des Begriffs Universalgesangbuch In der Mitte des 18. Jahrhunderts ist die Verwendung des Begriffs Universalgesangbuch in den drei Bedeutungsvarianten nachweisbar. Universal ist die lateinische Übersetzung von umfassend und entspricht inhaltlich der Bezeichnung vollständig. Dieses Adjektiv wird in vielen Titeln von Gesangbüchern benutzt. Deshalb ist zu fragen, ob das Universalgesangbuch mit dem vollständigen Gesangbuch gleichzusetzen ist oder darüber hinausgeht. Abgrenzung zum Begriff vollständig Die Bezeichnung vollständig wird ebenso wie der Begriff universal in verschiedenen Bedeutungen benutzt. In dem Vorwort zum Vollständigen Rigisch=Liefländischen Gesangbuch beschreibt der Herausgeber sein Gesangbuch als Kumulation verschiedener anderer Gesangbücher: »Weil nun offt verlanget worden/ daß die Lieder/ so in vielen Gesangbüchern zertheilet/ in ein Buch gebracht würden/ so hat man darinnen denen Verlangenden willfah-

–––––––––– 201 Die AÖL legte 1973 mit den Gemeinsamen Kirchenliedern eine Sammlung von Liedern vor, die sowohl in ökumenischen Gottesdiensten benutzt als auch in zukünftige Kirchengesangbücher der beteiligten Konfessionen aufgenommen werden sollte. 1978 erschienen die Gesänge zur Bestattung und 1983 das Kinderliederbuch Leuchte, bunter Regenbogen. Darüber hinaus entstand eine Liste mit weiteren 121 Liedern, die nicht veröffentlicht wurde, aber für die Neuauflagen der Gesangbücher zur Verfügung stand. Vgl. Riehm: 20. Jahrhundert, 311. Über die ökumenische Gesangbucharbeit, insbesondere der Arbeitsgemeinschaft für ökumenisches Liedgut vgl. Kneitschel: Hoffnungszeichen »ö«? 202 Ökumenische Lieder sind in das katholische Einheitsgesangbuch Gotteslob (1975), in das altkatholische Gesangbuch Lobt Gott, ihr Christen (1986), in das Evangelische Gesangbuch (1993) und in die Gesangbücher der deutschsprachigen Schweiz, Katholisches Gesangbuch (1998) und Evangelisch-reformiertes Gesangbuch (1998) aufgenommen worden. Vgl. Riehm: 20. Jahrhundert, 311. 203 Cantate Domino. World’s Student Christian Federation hymnal, Lausanne [1947]; Thuma Mina. Singen mit den Partnerkirchen, internationales Ökumenisches Liederbuch = Singing with our partner churches, international ecumenical hymnbook, Basel 1995; Unisono. Ökumenische mehrsprachige Lieder der Christenheit = a multilingual book of ecumenical hymns = chants chrétiens écuméniques en plusieurs langues, Graz 1997. Diese Hinweise verdankt die Autorin Herrn Ernst-Ulrich Kneitschel.

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ren/ und vermittelst bequemer Schrifft auch seinen Papiers in diese geschmeidige Form verfassen wollen/ was von geistreichen Liedern in Herrn D. Müllers Seelen=Musik/ Joh. Krügers/ Stockholmischen/ Rigischen/ Coburgischen/ Dreßdenischen/ und andern Gesang= und Gebet=Büchern zu finden/ versichernd/ daß dergleichen vollständig Gesangbuch biß dato noch nicht verfertiget worden.«204

In diesem Sinne wird der Begriff auch in dem bereits vorgestellten Lüneburger Gesangbuch verwendet.205 Dagegen grenzt Michael Meder im Vollständigen Gesangbuch, das 1644 in Stralsund erschien, seine Interpretation der Bezeichnung ab: »Ich habe aber dieser meiner in Truck außgangenen Arbeit den Namen Vollständig gegeben/ nicht vmb der Vrsachen willen/ als wenn alle vnd jede Psalmen/ so von Geistreichen Männern außgangen/ in demselben begriffen/ denn solches vnmüglich in ein solch Format zu fassen/ sondern der Name ist ihme darumb beygeleget/ dieweil die Geistreicheste vnd jetziger Zeit gebräuchlichste (doch keinen Hochgelahrten Mann hiemit zu Nachtheil geredet) Gesänge/ als Lob/ Bitt/ Buß vnd Dancksagungen/ in demselben enthalten/ daß ein jedes bekümmertes vnd betrübtes Hertz sich gnugsam darauß erquicken vnd trösten kann«.206

Ebenso bezieht der Vorredner zum Hessen=Homburgischen Neu=Vollständigen Gesang=Buch den Begriff der Vollständigkeit auf den Leser und seine geistlichen Bedürfnisse.207 Dabei greift er auf das pietistische Frömmigkeitsideal zurück, durch Gebet und Meditation zur Gotteserfahrung zu kommen und bewußt in der Nachfolge Christi zu leben. Zuerst muß der noch Ungläubige durch einem Bußkampf geläutert werden und wird dann wiedergeboren. Das Leben nach der Wiedergeburt wird als Entwicklungsprozeß von den Säuglingen im Geistes zum Bräutigam Jesu verstanden. Dementsprechend bietet er Lieder z.B. für die Klagen der Reumütigen, das Lallen der Kinder und Säuglinge im Geiste oder die Liebesbekundungen der Verlobten des Lammes. »Das getrauet man jedoch zu behaupten, daß ein jeder darin so viel finden wird, als ihme in seinen besondern Umständen, zu seiner Erweckung, dienlich seyn dörffte. Rohe ungebrochene Welt=Kinder haben an den Buß=Liedern einen Spiegel vor sich, worin sie die jämmerliche Gestalt ihrer Hertzen in Lebensgrösse sehen [...] Reumüthige zerknirschte Hertzen, denen es doch am allerwenigsten singerlich ist, treffen zum wenigsten Lieder an, darin sie GOtt klagend ihre Noth mögen vorstellen. Kinder und Säuglinge im Geist finden nicht weniger Materie, daß sie sich mit kindlichem Lallen, bey ihrem liebreichen Vater im Himmel können herbey machen. Mannbaren Jünglingen wird gleichfalls manches Triumph- und Freuden=Lied in den Mund gege-

–––––––––– 204 205 206 207

Christliche Andachts=Flamme, [):( 3] r. Vgl. Kapitel 2.2.3. Vollständiges Gesangbuch, 1644, A v r–[A v] v. Hessen=Homburgisches Gesang=Buch.

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ben [..] Verlobten des Lammes fehlt es auch nicht an Gelegenheit, sich in das Hertz ihres Bräutigams mit brünstiger Liebes=Begierde einzusencken. Mit einem Wort: In was Umständen und Angelegenheiten sich auch jemand findet, wird ihme in diesem Buch Anlaß gegeben, sein Hertz vor GOtt auszuschütten.«208

Aus diesen Vorreden ist zu erschließen, daß der Begriff vollständig entweder im Sinne einer Kumulation von geistlichen Liedern verstanden oder auf das Ziel, Gesänge für die persönliche und kirchliche Frömmigkeit zu bieten, bezogen wurde.209 Damit kann hier wie beim Universalgesangbuch eine enzyklopädische von einer utilitaristischen Bedeutungsvariante unterschieden werden. Der Begriff Universalgesangbuch geht aber in der Bedeutung über den des vollständigen Gesangbuchs insoweit hinaus, als mit jener Bezeichnung ein umfassender Anspruch verknüpft ist. Während das enzyklopädische vollständige Gesangbuch die Kumulation mehrerer Gesangbücher meint, beansprucht das enzyklopädische Universalgesangbuch, alle geistlichen Gesänge zu erfassen. Das utilitaristische vollständige Gesangbuch bietet Lieder für möglichst viele Anlässe, ohne alle theologischen Fragen, Anlässe und Berufsgruppen zu berücksichtigen. Andere in der Forschungsliteratur vorliegende Definitionen und Begriffe Ingrid Röbbelen prägt für die voluminösen Gesangbücher, die aus dem Bedürfnis entstanden, alles Neue aufzunehmen und möglichst vereint zu haben, den Begriff der Liederenzyklopädie, den sie allerdings weder definiert noch erläutert.210 Als einziges Beispiel führt sie das Geistliche Brand= und Ganz=Opfer an. Carl-Alfred Zell weist darauf hin, daß sich Gebetbücher wie später auch Gesangbücher durch die zunehmende Differenzierung der Gebete bzw. Lieder für die verschiedensten Lebenslagen zu Enzyklopädien entwickelten.211 Als Beispiel einer Liedkasuistik nennt er die Theologia in Hymnis und in der Fußnote die Evangelische Lieder-Theologie, die 1747 in Lauenburg erschien.212 Er selbst bezeichnet diese Gesangbücher nicht als Universalgesangbücher, führt aber aus: »Die Aufklärung erweitert diese Universalität dann auch noch nach einer andern Seite und macht sie zugleich unverbindlich. Johann Bernhard Basedow bestimmt sein

–––––––––– 208 [Hochheimer, Johann Wilhelm/Schell, von]: [Vorrede], in: Hessen=Homburgisches Gesang=Buch, )( 2 r–[)( 5] r. Hier [ )( 4] v–[)( 5] r. 209 Ada Kadelbach definiert den »Typ des ›Vollständigen Gesangbuchs‹ der Barockzeit« als Gesangbuch, »das die bewährten alten Kirchengesänge erhalten und die besseren der ursprünglich für die Privatandacht publizierten Lieder abdrucken wollte«. Kadelbach: Verloren und wieder entdeckt, 152–153. 210 Röbbelen: Theologie und Frömmigkeit, 19. 211 Zell: Untersuchungen, 101. 212 Ebd., 106, 250.

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›Universalgesangbuch‹ (Berlin und Altona 1767) ›zur geselligen und unanstößigen Erbauung auch für solche Christen, welche verschiedenen Glaubens sind.‹«213

Patrice Veit bezieht sich auf Zell und zitiert als Beleg für den umfassenden Anspruch der Theologia in Hymnis den in der Titelformulierung verwendeten Begriff Universalgesangbuch.214 Doch er überträgt ihn weder auf andere Gesangbücher noch definiert er ihn. In einem anderen Aufsatz beschreibt er das Phänomen, ohne den Begriff zu nennen.215 Dagegen benutzt Martin Rößler die Bezeichnung Universalgesangbuch, die er den rationalistisch gefärbten Gesangbüchern zuordnet, und führt als Beispiel die Theologia in Hymnis an.216 Oswald Bill bezeichnet in seiner Dissertation das Frankfurter Gesangbuch von 1569 als eine Liedersammlung, bei deren Zusammenstellung »eine Vollständigkeit im Sinne eines UniversalG[esang]B[uch]s angestrebt wurde«.217 In seiner Erläuterung greift er den Begriff nicht mehr auf. Er ordnet das Gesangbuch nicht in den Zusammenhang der Gesangbuchentwicklung des 17. und 18. Jahrhunderts ein, sondern betont die überkonfessionelle protestantische Ausrichtung und vergleicht es mit dem evangelischen Einheitsgesangbuch. »Unter Berücksichtigung der Qualität und Verwendbarkeit der Lieder Sammlung beabsichtigt, die als ›vollkommenes Kirchengesangbuch‹ der Kirche Augsburgischer Konfession dienen konnte. Das angestrebte Ziel dem 400 Jahre später auftretenden Bemühen, ein evangelisches G[esang]B[uch] zu schaffen nicht unähnlich.«218

war eine gesamten erscheint Einheits-

Im Rahmen der vorliegenden Ausführungen wird dafür plädiert, die historische Bezeichnung Universalgesangbuch einzuführen, da diese im Gegensatz zur Liederenzyklopädie oder Liedkasuistik den Charakter der Sammlung als Gesangbuch und die Intention der Herausgeber, die Andacht zu fördern, deutlich macht. Die in der Forschungsliteratur erwähnten drei Bedeutungsvarianten sollen durch die Definition des enzyklopädischen, des utilitaristischen und des geographischen Universalgesangbuchs von einander unterschieden werden. Definition des enzyklopädischen Universalgesangbuchs Das starke Anwachsen der Anzahl der geistlichen Lieder, die in Sammlungen einzelner Autoren, erbaulichen Schriften und Hausgesangbüchern veröffentlicht wurden, und die große Bedeutung, die dem Singen innerhalb der –––––––––– 213 214 215 216 217 218

Ebd., 250, Fußnote 211. Veit: Gesangbuch als Quelle, 209. Ders.: Gesangbuch in der Praxis Pietatis, 441–443. Rößler: Frühzeit hymnologischer Forschung, 151. Bill: Frankfurter Gesangbuch, 57. Ebd., 71.

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privaten Frömmigkeit insbesondere durch die Frömmigkeitsbewegung und den Pietismus beigemessen wurde, förderten das Interesse an umfangreichen Liederbüchern. In dem Bestreben, die kirchlich-orientierten Lieder in größtmöglicher Vollständigkeit zugänglich zu machen und zur Beförderung der Andacht bereitzustellen, entstand als ein Sondertyp des Hausgesangbuches das enzyklopädische Universalgesangbuch. Die Archivfunktion und die Betonung des praktischen Zwecks dieser Sammlungen machen deutlich, daß sie sich an die Zeitgenossen richteten und nicht das Liedgut für spätere Generationen oder zu wissenschaftlichen Zwecken tradieren wollten. Alle vorgestellten Gesangbücher dieses Typs basieren auf den umfangreichen Liedsammlungen interessierter Laien. Die Motivation für diese Sammeltätigkeit, die sicher noch durch die Idee der barocken Sammlung beeinflußt ist, ist vorrangig das Interesse an der Intensivierung der privaten Frömmigkeit durch das Singen gewesen. Der Rezipientenkreis des enzyklopädischen Gesangbuchs war auf eine kleine Gruppe finanzkräftiger Liederfreunde beschränkt. Aufgrund des geringen Absatzes und damit des wirtschaftlichen Mißerfolgs haben sich diese Gesangbücher nicht durchgesetzt. Die Sammelwerke des 19. Jahrhunderts können nicht unter der Bezeichnung enzyklopädisches Universalgesangbuch subsumiert werden, da sie nicht mehr als Gesangbücher konzipiert wurden, sondern als Quellenwerke Kirchenlieder für die Reformarbeit und hymnologische Forschung gedacht waren.219 Sie gehören in den Kontext der philologischen Sammel- und Editionstätigkeit zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Das romantische Bestreben, volkstümliche Texte zu sammeln, traf sich mit dem restaurativen Vorhaben, den durch die Aufklärung veränderten Liedern ihre ursprüngliche Form wiederzugeben. Darüber hinaus wurde das Kirchenlied durch die Vereinnahmung der Reformation und der Person Martin Luthers durch den Nationalismus auch zu einem Teil der deutschen Nationalkultur stilisiert. Definition des utilitaristischen Universalgesangbuchs Die zunehmende Individualisierung und Differenzierung, die bereits im 16. Jahrhundert bei den Gebeten zu konstatieren ist, prägt im 17. Jahrhundert auch die geistliche Lieddichtung. Das utilitaristische Universalgesangbuch beansprucht, in den aufgenommenen Liedern alle theologischen Themen, Anlässe, Berufe und Stände zu berücksichtigen. Als Hausgesangbuch hatte es die Funktion, den Gläubigen von der Wiege bis zur Bahre Klag-, Trostund Loblieder an die Hand zu geben und in Liedern theologische Kenntnisse zu vermitteln. Herausgeber dieser Gesangbücher waren Pfarrer, die ab–––––––––– 219 Z.B. Rambach: Anthologie christlicher Gesänge; Wackernagel: Deutsches Kirchenlied; Fischer/Tümpel: Deutsches evangelisches Kirchenlied; Bäumker: Katholisches deutsches Kirchenlied.

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Der Typus des Universalgesangbuchs

hängig von ihrem Standpunkt die theologischen Rubriken an den pietistischen Vorstellungen, lutherisch-orthodoxen Bekenntnisschriften oder an der frühaufklärerischen Sittenlehre ausrichteten. In diesen Gesangbüchern sind neben traditionellen Kirchenliedern zahlreiche neue Gesänge sowie Auftragsdichtungen enthalten, da zu vielen speziellen theologischen Themen oder einzelnen Kasualien Lieder fehlten. Definition des geographischen Universalgesangbuchs Bei der Definition des geographischen Universalgesangbuchs ergeben sich Überschneidungen mit anderen bereits eingeführten Begriffen; aus diesem Grund soll die Bezeichnung von den Termini Territorialgesangbuch, Einheitsgesangbuch, überkonfessionelles Gesangbuch und ökumenisches Gesangbuch abgegrenzt werden. Das in einem einzelnen Territorium verwendete und/oder eingeführte Gesangbuch einer Konfession wird als Territorialgesangbuch bezeichnet. Der Begriff Einheitsgesangbuch steht für ein durch Reformbestrebungen im 19. Jahrhundert angeregtes überregionales, d.h. in mehreren Landeskirchen oder Diözesen eingeführtes Gesangbuch einer Konfession. Da die Motivation für das Einheitsgesangbuch eng mit der Restauration des Kirchenlieds und dem nationalen Einheitsgefühl verknüpft ist, sollte der Begriff nur für Gesangbücher seit dem 19. Jahrhundert benutzt werden. Das überkonfessionelle Gesangbuch enthält, auf der Basis einer Konfession entstanden, Lieder aus verschiedenen Konfessionen und vermittelt entweder eine Vielzahl konfessioneller Bekenntnisse oder bleibt, wenn Verweise auf konfessionelle Sonderlehren in den Liedtexten getilgt wurden, konfessionell ungebunden. Das ökumenische Gesangbuch soll auf die überkonfessionellen Liedersammlungen, die im 20. Jahrhundert im Zusammenhang mit der ökumenischen Bewegung oder dem Ökumenismus entstanden sind, beschränkt werden. Aufgrund des historischen Befundes und in Abgrenzung zu schon bestehenden Termini ist unter dem geographischen Universalgesangbuch ein pietistisches Gesangbuch des 18. Jahrhunderts zu verstehen, das im Zusammenhang mit der global ausgerichteten pietistischen Reformbewegung weltweite Gültigkeit postuliert und in großen Teilen der Welt in der Originalsprache – oder in Auszügen übersetzt – verbreitet und anerkannt ist. Das Universalgesangbuch – ein Phänomen des 18. Jahrhunderts Im Laufe des 18. Jahrhunderts veränderten zwei Bewegungen die Herstellung und Verbreitung von Gesangbüchern. Zum einen wurden Territorialgesangbücher amtlich eingeführt und für den Gebrauch im Gottesdienst als verbindlich erklärt. Diese verdrängten die privaten Liedersammlungen aus dem Kirchengebrauch und beherrschten schließlich auch den Buchmarkt.

Das Universalgesangbuch

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Zum anderen wurde das späte 18. Jahrhundert durch die aufklärerischen Gesangbuchreformen geprägt. Unter der Prämisse, das geistliche Liedgut zu aktualisieren, wurde der Großteil der überkommenen kirchenorientierten Lieder ausgeschieden, geändert oder durch Dichtungen ersetzt, die den aufklärerischen theologischen Vorstellungen folgten. Dieser Paradigmenwechsel stand sowohl dem Konzept einer umfassenden Sammlung geistlicher Lieder als auch dem Entwurf eines alle Situationen des Menschen und theologische Fragen behandelnden Liederkompendiums entgegen. Diese zeitliche Eingrenzung auf das 18. Jahrhundert gilt ebenso für das geographische Universalgesangbuch. Die Wirkungsgeschichte des vorgestellten Beispiels, des Geist=reichen Gesang=Buchs, ist mit dem pietistischen Reform- und Missionsprogramm der Franckeschen Stiftungen im 18. Jahrhundert verknüpft. Zwar wurden die Lieder durch die Erweckungsbewegung des 19. und 20. Jahrhunderts teilweise wieder aufgegriffen und durch Missionare übersetzt, doch kann man nicht mehr von einer weltweiten Wirkung des Gesangbuchs sprechen.220

–––––––––– 220 In den aktuellen evangelischen Gesangbüchern z.B. von Namibia und Japan lassen sich einzelne Lieder aus dem Freylinghausen nachweisen. Diesen Hinweis verdankt die Autorin Frau Suvi-Päivi Koski.

II. Der Geistliche Würtz= Kräuter= und Blumen=Garten als Beispiel eines Universalgesangbuchs

Ingesamt sollten 30.000 Lieder in dreißig Bänden zusammengestellt werden. Im Vorwort zum vierten Band führt Schütz ein Verzeichnis von über 347 Titeln auf, die für das geplante Projekt ausgewertet werden sollten. Diese Liste belegt, daß der überkonfessionelle Charakter des Gesangbuchprojekts auch noch in der Auswahl der Quellen nachweisbar ist. Obwohl der Hauptteil der aufgeführten Kirchen- und Hausgesangbücher aus dem protestantischen Bereich stammt, werden auch fünf katholische genannt. Dazu kommen 155 Sammlungen geistlicher Lieder und Gedichte, die die religiöse Poesie des Barocks und der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts dokumentieren. So werden Publikationen unter anderem folgender Autoren aufgeführt: Angelus Silesius, Catharina Regina von Greiffenberg, Martin Opitz, Johann Rist, Friedrich Spee, Laurentius von Schnüffis, Barthold Hinrich Brockes, Magdalena Sybilla Rieger und Daniel Wilhelm Triller. Aufgrund dieser Konzeption ist der Geistliche Würtz= Kräuter= und Blumen= Garten als enzyklopädisches Universalgesangbuch anzusehen. Mit seinem überkonfessionellen Charakter geht er über die vorgestellte Definition hinaus, da bei den im vorigen Kapitel untersuchten enzyklopädischen Universalgesangbüchern immer eine konfessionelle Bindung an die lutherische Kirche zu konstatieren ist. Im Folgenden soll zum einem untersucht werden, inwieweit dieser Plan, ein Universalgesangbuch zu schaffen, in den erschienenen fünf Bänden umgesetzt wurde, zum anderen inwieweit die radikalpietistischen Einstellungen des Herausgebers das Gesangbuch geprägt haben. Zuerst soll die Bedeutung und die Verwendung der Gartenmetapher im Titel und den Vorreden erläutert werden. Dann soll anhand einer Analyse der einzelnen Bestandteile des Gesangbuchs geklärt werden, ob es sich um ein Universalgesangbuch oder eine radikalpietistische Liedersammlung handelt.

Der Titel und die Vorreden

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1. Der Titel und die Vorreden des Geistlichen Würtz= Kräuter= und Blumen=Gartens Der metaphorische Gartentitel Die Titelformulierung Geistlicher Würtz= Kräuter= und Blumen=Garten kann entweder in der Bedeutung eines metaphorischen Titels oder einer Dingallegorie gemeint sein.1 Unter dem metaphorischen Titel ist eine Kompilation verschiedener Exzerpte zu verstehen. Nach Dietrich Schmidkte vermittelt die Gartenmetapher die Vorstellung von Reichhaltigkeit, nimmt aber auch den Begriff der Flores oder Florilegien für Exzerptsammlungen auf.2 Davon zu unterscheiden ist die Verwendung des Gartens als Dingallegorie, durch die in einem Text anhand von Gartenelementen spirituelle Aussagen getroffen werden. Dabei werden einzelne Pflanzen, Bestandteile des Gartens wie eine Quelle, Gartenmauer oder ein Vogel oder Tätigkeiten als Gliederungselemente benutzt. Allerdings können auch Texte, denen die Gartenmetapher nur im Titel vorangestellt ist, durch eine Titelerläuterung zu einer Gartenallegorie ausgebaut werden. Dietrich Schmidkte führt dazu die unter dem Titel Seelenparadies 1602 in Hamburg erschienene Gebetssammlung von David Wolder auf. Hier heißt es im Zusatz zum Titel Edder Lustgarten vull leeffliker vnd heilsamer Planten vnde wolrükender Blömeken des Christliken Gebedes in alleley Nodt vnd thostande. Da die Gebete als Kräuter des Paradiesgartens verstanden werden, wird hier nach Schmidtke der Garten zum einen auf das Herz des Lesers, der seinen »Herzensgarten« auf den Einzug Jesus vorbereiten soll, zum anderen auf das Gebetbuch bezogen. Zur historischen Verwendung Bereits seit dem 12. Jahrhundert wird in Kommentaren zum Hohenlied der hortus conclusus auch auf die menschliche Seele bezogen.3 In dieser Tradition steht das bekannteste Gebetbuch des späten Mittelalters, der Hortulus animae oder das Seelengärtlein in der oberdeutschen Fassung.4 Auch in den

–––––––––– 1 Vgl. Schmidtke: Dingallegorische Erbauungsliteratur, 74–76. 2 Ebd., 75; Rauner: Florilegien, 566. 3 Börsch-Supan: Garten, 80–81. 4 Der Hortulus animae ist zwischen 1498 und 1523 in 52 lateinischen, 36 oberdeutschen, 11 niederdeutschen Ausgaben und einer tschechischen Übersetzung erschienen. Eine protestantische Bearbeitung des Gebetbuchs brachte Georg Rhau in Wittenberg 1547 heraus, bereits aus dem Jahr 1520 ist eine Handschrift mit dem Titel Hortulus animae evangelisch bekannt. Vgl. Achten: Gebetbücher II, 108.

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Beispiel eines Universalgesangbuchs

folgenden Jahrhunderten wurde die Metapher des Seelengartens in Titeln von Gebetbüchern verwendet.5 Eine zweite Interpretation der Gartenmetapher knüpft an die Idee des Arznei- und Kräutergartens an. Nach den Untersuchungen von Fritz Krafft wird in der protestantischen Erbauungsliteratur des 16. und frühen 17. Jahrhunderts der leidende oder gekreuzigte Christus mit der Arzt-SalvatorVorstellung der frühen Kirchenväter verbunden.6 Da der ursprünglich aus dem Griechischen stammende lateinische Begriff apoteca das Arzneilager eines Arztes bezeichnete, können Seelen-Apotheke und (Heil-)kräutergarten als synonyme Bezeichnungen angesehen werden.7 In diesen Zusammenhang gehören auch die Darstellungen des Christus als Arzt und Christus als Apotheker, die seit dem 17. Jahrhundert ein beliebtes Sujet waren.8 Im 17. und frühen 18. Jahrhundert ist eine Reihe von Liederbüchern mit metaphorischen Gartentiteln nachweisbar; dabei bilden radikalpietistische Werke nach den Beobachtungen von Hans-Jürgen Schrader eine Sondertradition.9 Als Ausgangspunkt vermutet er die Sammlung von Jane Leade: Ein Garten=Brunn gewässert durch die Ströme der göttlichen Lustbarkeit, und hervorgrünend in mannigfaltigen Unterschiede geistlicher Pflantzen.10 Die –––––––––– 5 Martin von Cochem Geistliches Baumgärtlein, Mainz 1675; Wilhelm Nakatenus Himmlisch Palmgärtlein, Köln 1660; Johann Arndt: Paradiesgärtlein voller christlicher Tugenden, wie solche zur Übung des wahren Christentums durch geistreiche Gebete in die Seele zu pflanzen, Magdeburg 1612. Alle zitiert nach Küppers: Gebetbücher, 320–321; Schulz: Gebetbücher III, 115; Arnold: Paradisischer Lust=Garten. 6 Krafft: Christus als Apotheker, 175. 7 Lust- und Artzney-Garten des königlichen Propheten Davids, Regensburg 1675 (DKL 167508); Heiler, Günther: Geistliche Buß- und Seelen-Apotheck, Frankfurt 1677; Schlebusch, Anna Elisabeth von: Geist-Häußliche Seelen-Apothecken. [...] Frankfurt 1689. 8 Habrich: Heilkunde im Dienst, 177–180. Nach Wolfgang-Hagen Hein geht das Bildmotiv Christus als Apotheker auf die in der Erbauungsliteratur häufig im Titel verwandten Metaphern der Seelenarznei oder Seelenapotheke zurück. Über die Gestaltung des Themas in den Frontispizen entwickelte es sich zu einem selbständigen überkonfessionellen Sujet, das besonders in Ölgemälden aufgegriffen wurde. Im protestantischen Bereich konnte Hein das Motiv vor allem in Südwestdeutschland, der Schweiz, Franken und in der Mark Brandenburg nachweisen. Hein: Christus als Apotheker. 9 Wvrtzgärtlins/ Teütsch vnd Lateinischer Geistlicher Lieder. [...] Durch Adam Gumpeltzhainer [...] Augsburg 1619 (DKL 161913); Seraphisch Lustgart mit Wolriechenden Blumen Catholischer gesäng gezieret, [...] Köln 1635 (DKL 163502); Geistlicher Myrrenpüschel Sampt allerley edlen Trostlilien vnd Lebensfrüchten [...] Von Gregorio Ritzsch Leipzig 1642 (DKL 164208); Evangelischer Lust-Garten Hn. Pauli Gerhards [...] Stettin 1671 (DKL 167105); Marianischer Baum=Garten/ Allwo Die/ in der Schmertzhafften Marianischen Einöde herumb gewanderte Polymnia (die Menschliche Seele) sich zu erlustigen/ Mariam in underschiedlichen BaumGewächen Gesangs-Weiß betrachtet [...] Durch Fr. Theobaldum [...]. Konstanz 1704 (DKL 170412); Frauenholtz: Zions Geistliche Blumen=Lust; Schrader: Hortulus mystico-poeticus, 60–62. 10 Dieses Werk umfaßt als eine Art spirituelles Tagebuch die Visionen, die Jane Leade in der Zeit zwischen 1670 und August 1686 erlebt haben will, und erschien in der deutschen Übersetzung 1700 in Amsterdam. Zu Jane Leade und der philadelphischen Bewegung vgl. Nielsen: Toleranzgedanke, 1, 16–34. Vgl. auch Kapitel 4.2.1.

Der Titel und die Vorreden

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Pflanzenmetapher wird hier für den neuen Menschen benutzt. Die Entwicklung des neuen Menschen bzw. seine liebesmagische Umwandlung wird durch die pflanzlich-vegetativ wirkenden Kräfte der Sophia ausgelöst.11 In einer Vision beschreibt Leade diesen Prozeß folgendermaßen: Sophia, in Gestalt einer mit Blumen bekränzten Jungfrau, bietet der Visionärin einen Korb voller Früchte an und fordert sie auf, sich zu bedienen. Durch die Annahme der geistigen Früchte vollzieht sich in ihrem Inneren die Geburt der Liebe und die Bildung einer neuen Kreatur. In dem Titel der Sammlung Der Weisheit Garten=Gewächs von Gottfried Arnold wird die Pflanze als Metapher für die Lehren der Weisheit verstanden, die in den aufgenommenen Gedichten enthalten sind. Im Vorwort spielt Arnold mit dem Bild der fremden Frucht, an die sich der Leser erst gewöhnen muß, bevor er sie genießen kann. »Sintemahl in der weißheit garten nicht nur gemeine und gewöhnliche früchte/ sondern auch seltsame und fremde gewächse stehen/ die denen ungeübten sinnen zum wenigsten fremde vorkommen/ und nicht wohl eher schmecken mögen/ biß solche gemüther eine gute zeit in dem umbgang der geheimen liebe Gottes zugebracht/ und ihrer edlen früchte ziemlich genossen haben.«12

Das Gesangbuch Anmuthiger Blumen=Krantz/ aus dem Garten der Gemeinde Gottes ist eine radikalpietistische Liedersammlung.13 Die Bilder des Blumenkranzes und des Gartens werden nur in der Titelformulierung benutzt, nicht aber im Vorwort aufgegriffen oder erläutert. Der Blumenkranz ist hier vor allem metaphorisch als Auslese zu verstehen. Im Vorwort dieser radikalpietistischen Liedersammlung wird bereits auf die sektiererischen Formulierungen der aufgenommenen Lieder hingewiesen, diese aber mit dem Hinweis auf Gottes »unerforschliche Wege« legitimiert: »Sollte aber jemand die verschiedene Ausdrücke und ungewohnte Red=Arten ein= und anderer dieser Lieder nach den Articuln und Lehr=sätzen irgend einer Religion prüfen/ und die unerforschlichen Wege Gottes mit dem canonisirten Maaßstab der so genannten Orthodoxie abcircklen wollen/ der wird diese Elle an beeden Enden zu kurtz finden.«14

–––––––––– 11 Dohm: Poetische Alchimie, 182–183. 12 Arnold (Hg.): Consilia und Responsa Theologica [...] nebenst neuen Geistlichen Gedichten der weißheit Garten=Gewächs genannt, [806]. Bei diesem Werk handelt es sich um eine Sammlung mystischer Schriften, die Gottfried Arnold herausgegeben und denen er ein Vorwort vorangestellt hat. Die Texte werden Susanne Margaretha Sprögel, die auch die Verfasserin der Gedichte im Anhang ist, Johanna Eleonora Petersen und Anna Catharina Scharschmied zugeschrieben. Dünnhaupt: Personalbibliographien, 1, 337–338, Arnold Nr. 42. 13 Während Steffen Arndal das Gesangbuch als »quietistisch geprägt« beschreibt, ordnet es Eduard Emil Koch den Philadelphiern zu. Arndal: Inspiration und subjektive Erfahrung, 163; Koch: Geschichte des Kirchenlieds, 6, 161. 14 Vorrede, in: Anmuthiger Blumen=Krantz, )( 2–[)( 6] v.

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Beispiel eines Universalgesangbuchs

In diesem Zusammenhang steht der Garten in der Titelformulierung als Metapher für die Vielfalt geistlicher Lieder. Dazu gehören nicht nur die bekannten Gesänge, sondern auch Lieder, die, obwohl sie geistlich sind und Erfahrungen mit Gott vermitteln, dem reformiert-orthodoxen Leser fremd erscheinen. Damit sind vor allem kirchenkritische Lieder und Dichtungen gemeint, in denen heterodoxe Lehren vertreten werden. Gerhard Tersteegen übernimmt für den Titel seines Innigen Blumengärtleins die bis in das Mittelalter zurückreichende Tradition der Leib- und Seelenapotheke, wie auch das seit der 5. Auflage (1751) beigegebene Frontispiz belegt.15 Im Vordergrund des durch eine Mauer abgegrenzten Arzneigartens sitzt die Seele als liebeskranke sponsa, deren Oberkörper von einer weiteren Person (Caritas?) von hinten gehalten wird. Mit ihrer linken Hand berührt die Kranke die Hand des neben ihr knienden Christus. Er hält ihr zur Stärkung einige Kräuter hin. Die Szene wird mit dem Vers »Er erquikket mich mit Blumen, denn ich bin krank vor Liebe« erläutert.16 Im Mittelgrund zwischen den Beeten steht Christus mit zwei Kindern. Das eine Kind hat bereits eine Blume erhalten, die es betrachtet, dem jüngeren Kind reicht Jesus eine Pflanze. Hinter ihnen befindet sich eine gefaßte Quelle, mit deren Wasser ein Gärtner die Blumen gießt.17 Im Himmel sind Christus und die Seele dargestellt, die sich an der rechten Hand halten und mit der linken gegenseitig einen Blumenkranz aufsetzen. Dieses Motiv wird durch den Vers »O Anmuthsvoller Blumen-Krantz! Vom Freund geschencket, des Freundes gantz« umrahmt.18 In den Hauptszenen des Kupfertitels werden die zwei Elemente pietistischer Lebensführung einander gegenübergestellt: in der himmlischen Brautszene die verinnerlichte Frömmigkeit und in der Krankenpflege das durch die Nächstenliebe motivierte soziale Engagement.19 Der Leser soll sich –––––––––– 15 Abbildung des Frontispiz in: Kemper: Vielsinnige ›Blumen‹-Lese, 119. Über Tersteegens Krankenpflege vgl. Habrich: Heilkunde im Dienst, 161–180. In einem Brief vom 24. Dezember 1749 an den Buchbinder Johann Schmitz bittet Tersteegen um zahlreiche Änderungen am Kupferstich. Neeb (Hg.): Gerhard Tersteegen, 168–170. 16 Hld 2,5. 17 Bildliche Umsetzung der Metapher Wasser des Lebens (Offb 22,17). 18 Die Umschrift wird als Zitat aus dem Hohelied bezeichnet. Allerdings stimmt der Text nicht mit der Übersetzung nach Martin Luther überein. Hld 1,13: »Mein Freund ist ein Büschel Myrrhen, das zwischen meinen Brüsten hängt.« Hld 1,16: »Siehe mein Freund, du bist schön und lieblich. Unser Lager ist grün.« 19 Kemper sieht darin die Spannung zwischen »verabsolutierter Individualität« und »Brauchbarkeit für die Welt«, die das Leben Gerhard Tersteegens kennzeichnete. Er versorgte Kranke, übernahm seelsorgerische Aufgaben, übersetzte und dichtete. Dadurch fehlte es ihm an Zeit, seinen eigenen Bedürfnissen folgen und ein inwendiges Leben führen zu können. Das hat ihn dazu veranlaßt, rückblickend zu bemerken: »wenn er vorausgeahnt hätte, wieviel Zeit ihn diese Dienste – immerhin doch im Weinberg des Herrn! – zu Lasten seines Innenlebens kosten würden, dann hätte er lieber den Tod gewählt.« Kemper: Vielsinnige ›Blumen‹-Lese, 118–119.

Der Titel und die Vorreden

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einerseits mit der Braut im Himmel, andererseits mit der dritten dargestellten Person, die Jesus bei der Versorgung der Kranken unterstützt, identifizieren. Mit der Darstellung der Heilkräuter und der Krankenpflege steht der Kupferstich in der Tradition des Christus als Arzt und Christus als Apotheker.20 Bereits vor dem Erscheinen des Geistlichen Würtz= Kräuter= und Blumen=Gartens gab Christoph Schütz ein Werk heraus, in dessen Titel er die Gartenallegorie aufgriffen hatte: Ein geistliches Würtz=Gärtlein.21 Bei dieser 1725 erschienenen Schrift handelt es sich um eine Sammlung von Sinn- und Schlußreimen, die er dem Gesangbuch Geistliches Harpfen= Spiel der Kinder Zions als dritten Teil hinzufügte. Bei der Wahl des Titels stand der Begriff der Würtze oder des Gewürzes im Mittelpunkt. Dies belegt das unter den Titelangaben aufgeführte Zitat vom schalen, nutzlos gewordenen Salz.22 Schütz greift diese Metapher in der Vorrede wieder auf und beschreibt die von ihm zusammengestellten Sprüche als ein scharfes oder beißendes Salz, mit dem Seele und Fleisch gewürzt werden.23 Die untersuchten Beispiele belegen, daß die Pflanzen in den vorgestellten Titeln in jeweils unterschiedliche Bedeutungszusammenhänge gestellt werden. Da auch außerhalb der pietistischen Kreise metaphorische Gartenund Blumentitel benutzt wurden, müssen die Anregungen zu den Titelformulierungen nicht notwendigerweise aus separatistischen Werken stammen. Daher kann man von keiner speziellen separatistischen Tradition metaphorischer Garten- oder Blumen-Titel sprechen. Deutung der Titelformulierung Geistlicher Würtz= Kräuter= und Blumen=Garten Der Titel besteht aus einer dreigliedrigen Aufzählung: Würtzgarten, Kräutergarten und Blumengarten. Unter Würtze werden im 18. Jahrhundert Gewürze verstanden, die aus ausländischen Pflanzen gewonnen werden.24 Der Begriff Kraut definiert zunächst die Gruppe der unverholzten Gewächse, im engeren Sinne werden mit Kräutern auch einheimische Gewürz- und Heil–––––––––– 20 Vgl. dazu Kapitel 3.1. 21 Schütz: Geistliches Würtz=Gärtlein. 22 »Das Saltz ist ein gut Ding/ wo aber das Saltz dumm wird/ womit wird man würtzen? Es ist weder auf das Land noch in dem Mist nütze/ sondern man wird es wegwerffen.« Lk 14,34–35. 23 Dem positiven Salzbegriff steht die negative Bezeichnung »Pietistengift« entgegen, die Schütz dem ablehnenden Leser in den Mund legt. Schütz, Christoph: Vorrede, in: Schütz: Ein geistliches Würtz=Gärtlein, 3–4. 24 »Würtze sind von gewissen ausländischen Gewächsen die Wurtzeln, Rinden, Blumen oder Früchte, welche sowohl um der Gesundheit, als guten Geschmacks willen an die Speisen gethan, oder auch zum Theil von den Zucker=Beckern candiret, oder daraus auch von einem und dem andern Wasser gebrannt werden.« Würtze, in: GVUL, 59, 1403–1406.

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Beispiel eines Universalgesangbuchs

pflanzen bezeichnet.25 Die Blume ist eine Pflanze, die wegen ihrer Blüte zur Zierde angepflanzt wird.26 Die Aufzählung umgreift somit den Nutzgarten, in dem Gewürze und Arzneipflanzen angebaut werden, und den Ziergarten.27 Die Wahl des Titels erläutert der Herausgeber im Vorwort zum ersten Band, in dem er sein Gesangbuch mit einem natürlichen Garten vergleicht: »Gleichwie man in einem natürlich Würtz= Kräuter= und Blumen=Garten Gewächse gar vielerley von mancherley Farben, Gestalten, Geruch und Geschmack findet, [so glauben wir, daß] der Leser in diesem unserm Lieder=Garten eben auch eine grosse Mannigfaltigkeit und Verschiedenheit der Lieder wird antreffen«.28 Dann erweitert er die Metapher des Gartens um den Gärtner und führt aus: Wie ein Gärtner nicht von allen Pflanzen »deren Naturen und Eigenschafften vollkommenen Bericht ertheilen« kann, so solle man dies auch nicht vom Herausgeber verlangen.29 Vielmehr soll der Leser in eigener Verantwortung die Pflanzen nach dem Aussehen und Geschmack prüfen und beurteilen. Außerdem gibt er zu bedenken, daß auch »ein Kräutlein in der allergeringsten und verächtlichsten Gestalt«, das von dem Unverständigen für schädlich gehalten wird, dennoch für andere heilsam und nützlich sein kann.30 Die Vorrede zeigt, daß der Herausgeber bewußt die Gartenmetapher im Titel aufgreift, um die Zusammenstellung unterschiedlicher Texte zu verdeutlichen. Dabei handelt es sich um einen Garten, in dem unzählig viele Pflanzen wachsen, die der Gärtner nicht alle kennen kann. Diese Beschreibung des Gartens widerspricht dem Ideal der barocken Gartenkunst, nach dem die Natur einem geometrischen Ordnungsprinzip unterworfen wird.31 –––––––––– 25 »Kraut ist unter allen/ Pflantzen oder Gewächsen die schwächste Gattung/ so mit keinen holtzigen Stengel oder Stamme versehen ist.« Sie werden in herbas alimentosas (Küchenkräuter), herbas medicamentosas (Arnzneikräuter) und herbas in vestiarias (Pflanzen, die zu Stoffen verarbeitet werden können) unterteilt. Kraut, in: GVUL, 15, 1789–1792. 26 Blume, in: GVUL, 4, 195–196 . 27 Die »Gewürze« könnten entweder eine Anspielung auf die »scharfen« Lehren der Philadelphier und der Radikalpietisten (vgl. dazu Schütz: Vorrede [zum Geistlichen Würtz=Gärtlein], 3–4) oder auf die aus anderen Sprachen übersetzten Lieder sein. (Vgl. Schütz: Vorrede, 1738, ):( 3 r.) 28 Schütz: Vorrede, 1738, [):( 3] v. Vergleichbar beschreibt Gottfried Arnold den Garten der Weisheit und fordert den Leser auf auszuwählen. »Sintemahl in der weisheit garten nicht nur gemeine und gewöhnliche früchte/ sondern auch seltsame und fremde gewächse stehen/ die denen ungeübten sinnen zu wenigsten fremde vorkommen/ und nicht wohl eher schmecken mögen/ biß solche gemüther eine gut zeit in dem umbgang der geheimen liebe Gottes zugebracht/ und ihrer edlen früchte ziemlich genossen haben. Alsdenn lassen sie zum wenigsten das unbekannte des Herrn stehen.« Arnold: Consilia und Responsa Teologica, [806]. 29 Schütz: Vorrede, 1738, [):( 3] v–[):( 4] r. 30 Ebd., [):( 3] v. 31 Die Grundelemente des barocken Gartens sind eine Rabatte (broderie), die von Buchsbaum begrenzt wird und mit Blumen wie auch Orangeriegewächsen bepflanzt oder mit Plastiken geschmückt ist, ein Lustwäldchen (boskett), das sich seitlich an die Rabatten anschließt sowie das

Der Titel und die Vorreden

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Danach ist es gerade die Aufgabe des Gärtners, ausgewählte Blumen zu pflanzen und Gewächse, die sich selbst ausgesät haben, herauszunehmen. Auch der Gärtner eines Arzneigartens wird in seinen Beeten nur die Pflanzen ziehen, deren Heilwirkung er kennt und nutzen kann. Unter der Gartenmetapher, die Schütz hier verwendet, ist demnach nicht eine von Menschen geplante und gepflanzte Anlage zu verstehen, sondern ein wilder Garten, in dem alle Blumen, Kräuter und Pflanzen wachsen. Für die Arbeit des Herausgebers heißt das, daß in den aufgenommenen Liedern unterschiedliche Lehren und Ideen vermittelt werden und er keine bzw. nur eine minimale Auswahl vorgenommen hat. Vielmehr fordert er den Leser auf, die Texte der Lieder nach seinen eigenen Ansichten zu bewerten. Damit steht Schütz in der Tradition der Philadelphier, die – sich auf 1. Thess 5,21 »Prüfet aber alles und das Gute behaltet berufend – zur Toleranz in allen Fragen der Lehre aufriefen.32 Um die Kriterien seiner Liedauswahl zu präzisieren, greift Schütz in der Vorrede zum zweiten Band wieder die Metapher des Gartens auf. Er versichert, kein »Unkraut«, keine »Disteln« oder »ungesunde Pflanzen« in seinen Garten zu setzen, d.h. keine Lieder mit – seiner Meinung nach – zweifelhaften oder falschen Lehren aufgenommen zu haben. Davon grenzt er aber ernstliche Zeugnisse ab, welche »von getreuen Lehrern und andern, wider das heut zu Tag gantz in Grund verdorbene Christenthum und großen Mißbrauch derer äußerlichen Heyls-Mittel aufgesetzet worden, sowohl als auch diejenige Zeugnüsse, welche solche und dergleichen Zeugen

–––––––––– eingehegte Waldgebiet für die Jagd (grand park). Durch ein Alleen- und Wegesystem werden Bauwerke, Garten und Park miteinander verbunden, wobei das Schloß den Mittelpunkt der Anlage bildet. Vgl. Gartenkunst, 647. 32 Christoph Schütz bringt dieses Zitat bereits in seiner Geistlichen Correspondentz. Auch anderen radikalpietistischen Schriften wurde es häufig als Motto vorangestellt, um vor Verketzerung von Lehrabweichungen, Wunderberichten und Offenbarungen zu warnen. Schneider spricht deshalb von einem Leitmotiv im radikalen Pietismus. Martin Gierl weist nach, daß bereits der Kirchenvater Tertullian (um 160 bis nach 220) feststellte, daß die Häretiker von jeher versuchten, ihre Lehre durch dieses Zitat zu legitimieren. Nachdem Hieronymus die Paulus-Stelle explizit auf die Rezeption von Texten übertragen hatte, setzte sich diese Interpretation durch. Im 16. Jahrhundert beriefen sich die der Häresie verdächtigen Gruppen wie die Anhänger Schwenckfelds und Weigels sowie Karlstadt auf die Stelle des Paulus-Briefes. Auch bei Böhme und im 18. Jahrhundert in der radikalpietistischen Literatur findet sich das Zitat. Girl resümiert: »Der Vers zieht sich als Warnsignal vor allzu schneller Verketzerung abweichender Lehre und behaupteter Offenbarungserlebnisse durch die Geschichte.« Zugleich legitimierte er Kirchenkritik und somit nicht nur Lehrdissenz, sondern auch ein Frömmigkeitsgebaren, das sich der vorgeschriebenen Praxis entzog. Zahlreiche Belege finden sich bei Schrader: Literaturproduktion und Büchermarkt, 385–386, Fußnote 82; Ders.: Salomonis Schlüssel, 245, Fußnote 40; Schneider: Pietismus im 17. Jahrhundert, 394; Gierl: Pietismus und Aufklärung, 502–504.

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Beispiel eines Universalgesangbuchs

der Wahrheit von denen noch bevorstehenden guten Zeiten des Königreichs Jesu Christi und der Wiederbringung aller Dinge etc. in Liedern fürgetragen haben«33

und die er mit »Wohlbedacht« in sein Gesangbuch eingerückt hat. Damit wird der Standpunkt des Herausgebers deutlich: er ist den philadelphischen Ideen verpflichtet und legt diese dem Leser in den Liedern zur Prüfung vor.34 Gleichzeitig betont er, keine Lieder mit – seiner Meinung nach – zweifelhaften oder falschen Lehren aufgenommen zu haben. Auch auf die Kritik eines Lesers, »daß sich im ersten Theil verschiedene Lieder fänden, welche kein sonderliches Würtze oder Gewicht hätten«,35 antwortet er mit Metaphern aus der Botanik und dem Gartenbau.36 Er vergleicht diese Lieder mit »Bäumen ohne besondere Blüten oder Früchte«37 und mit Grasflächen in den »kostbarsten Lust=Gärten«. Auch wenn diese Elemente nicht zum Blumenschmuck gehörten, übernähmen sie doch wichtige Funktionen innerhalb eines Gartens und seien deshalb unentbehrlich. So bilde der Boskett im Garten einen grünen Prospekt, biete für den Menschen ungestörte Orte oder diene den Vögeln als Lebensraum. Die Wege erschlössen den Park, das Gras sei ein angenehmer Boden zum Gehen oder Sitzen und grüne, obwohl man darüber laufe. Daraus folgert er, daß man in den geringen und verächtlichen Dingen fast mehr Nützliches und Bewundernswürdiges finden könne als in den großen. Doch möchte er dies nicht so verstanden wissen, als ob nur das Unscheinbare wertvoll sei, vielmehr bildeten beide Teile eine Einheit. Im Gegensatz zur ersten Vorrede greift Schütz bei diesem Vergleich nun auf das Vorbild der barocken Gartenanlage zurück. Dabei nennt er nicht nur die Gestaltungselemente in barocken Gärten (Boskett, Wege und Plätze sowie Broderien), sondern deutet auch die geplante Anlage (Funktion des Boskett als Prospekt, Aufgabe des Wegesystems zur Erschließung) und Pflege des Gartens (Mähen der Rasenfläche) an. Die Gartenmetapher wird von Schütz für den Titel und zur Erläuterung der Konzeption seines Gesangbuchs in den Vorreden der ersten zwei Bände benutzt, sie wird aber nicht in der Anordnung oder Gruppierung der Lieder –––––––––– 33 Schütz, Christoph: Vorrede, in: Schütz (Hg.): Geistlicher Würtz= Kräuter= und Blumen=Garten, 2 (1739), )( 2 r–[)( 4] v. 34 Diese Lieder will er »denen unpartheyischen Lesern zur Betrachtung und gütigen Beurtheilung vor Augen legen, und also besorgen, daß diese (unserer Meynung nach) sehr nöthige und nützliche Zeugnüsse von einigen vor dergleichen möchten angesehen und gehalten werden, so wolten wir solche hiermit freundlich erinnert haben/ sich mit einem etwa zu ungütigen Urtheilen nicht zu übereilen, und dasjenige, was ihnen nicht anstehet oder nicht begreifflich ist, für andere stehen zu lassen.« Schütz: Vorrede, 1739, [)( 3] v. 35 Ebd., [)( 3] v. 36 Ebd., [)( 3] v–[)( 4] r. Er benutzt die Bilder vom edlen Weizen, der zwischen Spreu, von Früchten, die zwischen Blättern und von Rosen, die zwischen Dornen wachsen. 37 Beschreibung eines Bosketts.

Der Titel und die Vorreden

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aufgegriffen. Die einzelnen Garten-Vergleiche haben die Funktion, jeweils einen Aspekt zu verdeutlichen und repräsentieren deshalb verschiedene, auch sich widersprechende Gartenkonzeptionen. In der Vorrede des ersten Bandes wird die Metapher des wilden Gartens benutzt und auf die vegetative Heilkraft der Pflanzen angespielt, dagegen wird in der Vorrede zum zweiten Band das Bild einer barocken Gartenanlage aufgegriffen und auf die Funktion unscheinbarer Pflanzen hingewiesen. Der metaphorische Titel ist nicht als umfassendes Programm zu verstehen, das in den Vorreden erläutert wird, sondern betont lediglich die inhaltliche Vielfalt der aufgenommenen Lieder. Vorrede zum ersten Band Der Verfasser der Vorreden, die den einzelnen Bänden vorangestellt sind, ist der Herausgeber Christoph Schütz. Während er in den ersten beiden Vorworten anonym bleibt, werden die Vorreden zum dritten und vierten Band mit seinen Initialen C. S. unterzeichnet.38 Er beginnt das erste Vorwort mit der Erläuterung seines Projekts eines Universalgesangbuchs. Auf den in anderen Gesangbüchern üblichen Bericht über den Nutzen und den Gebrauch der Lieder verzichtet er, verweist jedoch auf die Vorreden anderer Liedersammlungen. Das Universalgesangbuch soll in einzelnen Bänden mit je 1000 Liedern erscheinen. Die Sammlung ist zum Zeitpunkt der Publikation weder abgeschlossen noch ist die Menge der aufzunehmenden Lieder definiert. Es liegen zwischen 8000 bis 10.000 Lieder vor, der Leser wird aber aufgefordert, dem Herausgeber weitere gedruckte oder nur im Manuskript verbreitete Lieder zu schicken. Das Universalgesangbuch definiert er als ein Kompendium »darinnen die Gesänge aller andern Gesang=Bücher mit einander enthalten wären«.39 Der Gedanke einer vollständigen Sammlung wird mit der Archivfunktion verknüpft: »unsere Haupt=Absicht ist [...] vielmehr dieses, daß wir 1.) verhoffen auf die Weise viele herrliche Zeugnisse, welche hie und da als Lichtlein unter denen Bäncken und Scheffeln verborgen stecken, hervor zu ziehen [...] und [...] Lieder, welche uns theils in Manuscript, und theils aus fernen Landen zu Handen kommen, auch wohl zum teil aus andern Sprachen übersetzt worden sind, und darvor es immer Schade gewesen wäre, wann sie unter der Banck wären stecken blieben.«40

–––––––––– 38 Unter dem Vorwort zum ersten Band steht »Der Ausgeber«, die Vorrede zum zweiten Band schließt ohne Verfasserangabe mit »I[m] N[amen] I[esu]«. Schütz: Vorrede, 1738, [):( 4] v; Ders.: Vorrede, 1739, [)( 4] v. 39 Schütz: Vorrede, 1738, [):( 2] v. 40 Ebd., [):( 2] v–):( 3 r. Das Gleichnis vom Licht unter dem Scheffel benutzt bereits Gottfried Arnold, um die Veröffentlichung seiner Reime und Lieder zu begründen. Vgl. Arnold: Consilia und Responsa Theologica, [806].

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Beispiel eines Universalgesangbuchs

Der Zweck des Gesangbuchs ist auf die praxis pietatis gerichtet; die gottesfürchtigen Menschen sollen durch die Lieder zum Loben Gottes aufgefordert und die »ruchlosen Weltkinder« durch ihre eigenen Poeten bekehrt werden. Dafür eigne sich im besonderen Maße eine Liedersammlung mit zeitgenössischen Liedern, da diese die Weisheit Gottes behandelten. »2.) So suchen wir auch durch ein solch herrliches Zeugniß von der mannigfaltigen Weißheit GOttes, welche sich zu eben diesen unsern Zeiten auch in der Poesie an Tage leget, nicht nur die gutwillige Seelen zum Lobe GOttes aufzumuntern, sondern auch die ruchlose Welt=Kinder zu überzeugen [...] Und sie aus ihren eigenen Poeten zu überzeugen und zu bestraffen.«41

Mit dem Hinweis auf die Metapher des wilden Gartens weist Schütz auf die Vielfalt der Ideen in den aufgenommenen Liedern hin und fordert zur Toleranz auf.42 An der Auswahl der Lieder soll der Leser erkennen, daß der Herausgeber »unpartheyisch« ist und sich nur nach Christus richtet. Im letzten Abschnitt erläutert er die Funktion des ersten Bandes als Fundament des Gesangbuchs und kündigt an, daß zur nächsten Ostermesse der zweite Band mit einer Gesamtvorrede herauskommen werde. Vorrede zum zweiten Band In der Vorrede zum zweiten Band schlägt der Verfasser einen erbaulichen Ton an.43 Der Leser soll die Lieder singen oder lesen und dadurch die Liebe Gottes erkennen bzw. erweckt werden. Dieser Teil knüpft zwar thematisch an den Teil der ersten Vorrede an, in dem der Zweck des Gesangbuchs beschrieben wird, unterscheidet sich aber durch den Sprachstil. Dann wechselt Schütz in eine sachliche Sprache und verweist für nähere Informationen zum Gesamtwerk auf den ersten Band und eine geplante Gesamtvorrede. Auch über die aufgenommenen Lieder des zweiten Bandes schreibt er nichts, kündigt aber an, der dritte Teil werde Lieder von Benjamin Schmolck enthalten. Im folgenden Abschnitt verteidigt Schütz seine universale Konzeption bzw. unparteiische Auswahl sowie die Aufnahme kirchenkritischer Lieder und bedient sich dazu der Vergleiche aus dem Bereich des Gartens und des Gartenbaus. Im diesem Zusammenhang erwähnt er, daß er auch in diesem Teil zahlreiche kirchenkritische Gesänge aufgenommen habe. Vorrede zum dritten Band Im Unterschied zu den vorhergehenden Vorreden ändert sich im dritten Band die Anrede des Lesers von »in Gott geliebter Leser« zu »Lieb= –––––––––– 41 Schütz: Vorrete, 1738, ):( 3 r. 42 Schütz: Vorrede, 1739, [)( 3] v–[)( 4] v. 43 Schütz: Vorrede, 1739, )( 2 r–[)( 4] v.

Der Titel und die Vorreden

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wertheste und Geehrte Leser« und am Ende gibt sich der Herausgeber mit den Initialen C. S. zu erkennen.44 Auch konzeptionell weicht die dritte Vorrede von den anderen ab, denn sie besteht zum größten Teil aus einem Zitat. Nachdem Schütz den dritten Band bereits druckfertig gemacht hatte, schickte man ihm unter anderem die Liedersammlung Vorspiel der Neuen Welt zu.45 Da er nicht nur die Lieder und deren Anordnung für wertvoll hielt, sondern auch den Aussagen der Vorrede und des Nachwortes zustimmte, integrierte er alle Teile dieses Gesangbuchs in seinen dritten Band. Das Vorspiel der Neuen Welt entstand in der Gemeinschaft um Conrad Beissel46 und wurde 1732 bei Benjamin Franklin veröffentlicht.47 Der Titel ist nach Jeffrey Bach in doppelter Bedeutung zu verstehen: zum einen als »Vorspiel zum 1000jährigen Reich«, zum anderen als »musikalisches Präludium« zum Gesang auf dem Berg Zion (Offb 14, 2–4, 15,3). Im Mittelpunkt des Vorworts stehen die chiliastischen Erwartungen der Gemeinde um Beissel. Es endet mit dem Appell, zölibatär zu leben, sich von der Welt abzusondern und unter dem Kreuz Jesu zu sammeln. Nur diejenigen, die dies erfüllen, können vor dem Gericht Gottes bestehen und werden das neue Lied des Lammes und das Lied des Moses singen (Offb 14, 4–5). Da diese Lebensweise der Verfassung der Gemeinschaft um Beissel entsprach, ist –––––––––– 44 Schütz, Christoph: Vorrede, in: Schütz (Hg.): Geistlicher Würtz= Kräuter= und Blumen=Garten, 3 (1740), )( 2 r-[)( 4] v. 45 Vorspiel der Neuen Welt. 46 (Johann) Conrad Beissel ~4. 3. 1691 Eberbach/ Neckar †6.7.1768 Ephrata. C. Beissel erlernte das Bäckerhandwerk. Nachdem er 1718 wegen pietistischer Aktivitäten aus der Bäckerzunft in Heidelberg ausgestoßen worden war, zog er zuerst zu Jacob Schatz nach Frankenthal und später nach Marienborn. Durch Schatz lernte er die Inspirationsgemeinde kennen und trat ihr bei. 1720 emigrierte Beissel nach Pennsylvania, um sich der Gemeinschaft der Frau in der Wildnis um Johann Kelpius anzuschließen. Da die sich die Gruppe bereits wieder aufgelöst hatte, hielt er sich einige Zeit in Germantown auf und lebte dann mit Gleichgesinnten als Einsiedler in Conestoga Creek. 1723 erneuerten die Brethren ihre Gemeinschaft und fingen an zu missionieren. Im Zuge dieser Bewegung wurde auch Beissel 1724 getauft und ihm die Gemeinde der Conestoga Brethren unterstellt. Als er in dieser Gruppe neue Lehren einführte, wie die Unterordnung der Bibel unter die direkte Offenbarung, die Notwendigkeit des Zölibats und die Feier des Gottesdienstes am Samstag, kam es zum Bruch mit den Brethren. Seine Anhänger folgten in die Gegend um Lancaster. Hier gründeten sie 1735 das Kloster Ephrata, das Beissel bis zu seinem Tod leitete. Bach: Voices of turtledoves, 1997, 4–9, 15–19; Riley, Jobie: Johann Conrad Beissel; Durnbaugh: Frühe Geschichte, 11–29; Durnbaugh: Radikaler Pietismus als Grundlage, 117–119. Zu Beissels Gesangslehre vgl. Bunners: Birth of freedom. 47 Das Gesangbuch wurde mit Antiqua-Lettern gedruckt, weil Benjamin Franklin ein englisch-sprachiger Drucker war und keine Fraktur-Schriften besaß. Nachdem Christoph Sauer 1738 seine Druckerei in Germantown eingerichtet hatte und mit Fraktur-Lettern druckte, wurden die Ephratadrucke dort hergestellt. Da Sauer den Personenkult um Beissel ablehnte und sich weigerte, für das Kloster zu arbeiten, richtete man ab 1745 eine eigene Druckerei in Ephrata ein. Durnbaugh: Radikaler Pietismus als Grundlage, 118–120. Zur Biographie von Christoph Sauer vgl. Kapitel 4.2.1.

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Beispiel eines Universalgesangbuchs

damit gleichzeitig die Aufforderung an die Leser verbunden, sich dieser Gruppe anzuschließen.48 Der Grund dafür, daß Schütz auch das Register mitabdruckte, dürfte in der ungewöhnlichen Anordnung der Lieder liegen.49 Die 15 Rubriken bilden eine mystische Entwicklung ab, die mit der Vereinigung beginnt, dann über die Reinigung durch Prüfungen und der Erleuchtung zur wahren Kirche sowie ihrer priesterlichen Funktion führt und schließlich in der Gegenwart Gottes endet.50 Damit folgt dieser Aufbau nicht dem Modell der mittelalterlichen Mystik,51 sondern kann als Fortsetzung gelesen werden, durch die die mittelalterliche Mystik mit dem Gedankengut des Chiliasmus verknüpft wird. Nach Bach können die Rubriken in vier Gruppen zusammengefaßt werden.52 Die erste behandelt die mystische Vereinigung in folgenden Unterrubriken: die Paradies=Lieder, die die Vorfreude auf die unio mystica vermitteln, Von der stillen Einwesenheit und die Jungfrauen=Lieder, die die Vorbereitung und die mystische Vereinigung mit Gott beschreiben. Der zweite Teil thematisiert die Prüfungen und Leiden, die die Gläubigen zu bestehen haben: Von ihren hohen Leidens= und Glaubens=Proben, Die gebückte und Leidtragende. Auch in dieser Zeit stärkt Gott die Hoffnung und Geduld, wie die Lieder in den Rubriken Die in der Hoffnung singende, Die mit Freuden nach dem Ziel laufende und Ermuntern sich zur Tapferkeit belegen. Der dritte Abschnitt ist der Beschreibung der wahren und falschen Kirche gewidmet. Im Kirchenkonzept der radikalen Pietisten sind die Gläubigen untereinander durch die wahre Bruder=Liebe verbunden, die Erwählung der Kinder Gottes zeigt sich auch in ihren verborgnen Nahrungs=Kräfften, und in der Ernstlichen Wächter=Stimme wird vor dem Untergang der falschen Kirche gewarnt. Die vierte Gruppe beschreibt den

–––––––––– 48 Bach belegt, daß auf diesen Appell hin, der im Oktober 1732 erschien, noch vor dem Winteranfang neue Brüder der Gemeinde beitraten. Bach: Voices of turtledoves, 1997, 320. 49 »Wie die Lieder nach der geheimen und sehr geistreichen Abtheilung, in ihrer Ordnung, nach einander folgen.« Das erste Gesangbuch der Gemeinde um Beissel, Göttliche Liebes und Lobes gethöne, führte die Lieder nach den Melodien auf. Diese Anordnung ist nach Bach wegen der einfachen Handhabung gewählt worden. Auch von den beiden europäischen Gesangbüchern, die bei den Brethren benutzt wurden und die die Gemeinde sicherlich kannte, das Geist=reiche Gesang=Buch von Freylinghausen und das Davidische Psalter=Spiel der Inspirationsgemeinde, ist die Rubrikenabfolge des Vorspiels der Neuen Welt unabhängig. Zwar werden bestimmte Themen in allen Gesangbüchern aufgegriffen, werden aber an verschiedenen Stellen eingeordnet. Dies macht Bach anhand der Rubriken geistliche Vermählung und geistlicher Kampf und Sieg deutlich. Bach: Voices of turtledoves, 1997, 314, 316–317. 50 Ebd., 319. 51 Ebd., 316. Die via mystica des Mittelalters setzt sich aus drei Stufen der Reinigung (via purgativa), der Erleuchtung (via illuminativa) und der Vereinigung (via unitiva) zusammen. 52 Ebd., 315–319.

Der Titel und die Vorreden

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Gottesdienst unter der Priesterschaft nach der Ordnung des Melchisedek.53 Zuerst feiern die Kinder Gottes den Sieg über die falsche Kirche (Man singet mit Freuden vom Sieg), dann verändert sich ihr Singen in ein paradiesisches Liebes=Spiel, womit ein musikalischer Lobgesang gemeint ist, schließlich ziehen sie in das innerste Heiligtum und singen dort. Die Bezeichnung der Rubrik als Das Rauchwerk im innern Chor weist darauf hin, daß der Gesang hier als (Dank)Opfer verstanden wird. Das letzte Lied knüpft an die Beschreibung der Gottesverehrung im Neuen Jerusalem an (Offb 21,24) und ist mit folgender Überschrift versehen: »Von dem grossen pomp, und pracht der gantzen Kirchen, in der Offenbahrung Jesu Christi: und wie alle Völcker und Königreiche auf dem gantzen Erdboden kommen werden, und sie mit geschencken und gaben verehren und anbeten.«54

Das Nachwort beginnt mit dem Appell Gott zu loben (Ps 150,6). Anknüpfend an das letzte Lied werden das Ende der Welt und das Neue Jerusalem beschrieben. Zum Schluß wird Zion aufgefordert, das gegenwärtige Elend zu ertragen. Damit wird die chiliastische Naherwartung aus dem Vorwort wieder aufgegriffen. Schütz hat in seiner Vorrede die Vor- und Nachworte des Vorspiel der Neuen Welt zitiert, da er die dort vermittelten religiösen Ansichten teilte. So hat er in seinen Schriften sowohl zur Buße und Umkehr aufgerufen, als auch das Ideal eines zölibatären Lebens, die Sammlung der Erweckten und die chiliastische Naherwartung vertreten. Vorrede zum vierten und fünften Band Die Vorworte zum vierten und fünften Band faßt Schütz in einer Vorrede zusammen und setzt sie an den Anfang des vierten Bandes.55 Nach einer Pause von vier Jahren erschienen der vierte und fünfte Band gleichzeitig. Den Druckbogen wurde zusätzlich ein Titelblatt und eine Gesamtvorrede beigegeben, mit dem die fünf Bände zu einem ersten Hauptteil zusammengefaßt wurden.56 –––––––––– 53 Nach Hebr 5,6 und 6,20 ist mit dem Priester nach der Ordnung des Melchisedeks Christus gemeint. 54 Vorspiel der Neuen Welt, 187. 55 Schütz, Christoph: Vorrede, in: Schütz (Hg.): Geistlicher Würtz= Kräuter= und Blumen=Garten, 4 (1744), )( 2 r–[)( 3 ] v. 56 Da das Titelblatt und die Gesamtvorrede erst 1744 erschienen, sind sie nicht in allen Exemplaren zu finden. In dem Exemplar der Hessischen Landes- und Hochschulbibliothek Darmstadt, das nur die Bände 1–3 umfaßt, fehlen dieses Titelblatt und die Vorrede, im Exemplar der Niedersächsischen Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen sind sie im ersten Band vor dem Titelblatt und der Vorrede von 1738 eingebunden. Das deutet darauf hin, daß in diesem Fall alle fünf Bände zusammen erworben und zum Buchbinder gegeben wurden.

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Beispiel eines Universalgesangbuchs

Die Hinweise auf den vierten Band beschränken sich auf die Mitteilung, daß alle Lieder dieses Bandes aus dem »Hallischen, Freylinghausischen Gesangbuch« entnommen seien. Weitere Informationen über dieses Gesangbuch seien nicht nötig, da es überall sehr bekannt und beliebt sei. Im Folgenden erläutert er die Liedauswahl des fünften Bandes. Neben 300 neuen, bisher ungedruckten Liedern, habe er die noch fehlenden Gesänge aus dem Davidischen Psalter=Spiel sowie Lieddichtungen von Paul Gerhardt und Benjamin Schmolck aufgenommen. Der Charakter des Bandes werde durch die Kasuallieder geprägt, da fast die Hälfte des Bandes aus Hochzeits-, Leichen-, Neujahrs- und geistlichen Liedern von Schmolck bestehe. Schütz rechtfertigt dies zum einen durch seinen universalen Anspruch und weist auf das Fehlen der Kasuallieder in den anderen Bänden hin. Zum anderen fordert er auch hier wieder zur Toleranz auf und verweist auf den unterschiedlichen geistlichen Geschmack der Menschen. An dieser Stelle wird deutlich, daß er seinen umfassenden Anspruch der Lieddokumentation über sein eigenes poetisches Urteil stellt, denn er nimmt auch die seiner Meinung nach »theils zimlich magere[n] Schmolckische[n] Lieder«57 auf. Für besonders wertvoll hält er die Lieder des zum radikalen Pietismus tendierenden Juristen Johann Paul Trier und eines sich Helimantes nennenden Autors. Im dritten Abschnitt berichtet er über den Fortgang des Universalgesangbuchs. Mit dem Abschluß des fünften Bandes lägen insgesamt 5000 Lieder vor, darüber hinaus habe er noch weitere 25.000 Lieder gesammelt und bereits weiteren Bänden zugewiesen. Danach scheinen die Manuskripte für die geplanten 25 Bände weitgehend fertig gewesen zu sein. Seine Intention war es, durch das Gesangbuch Gott zu ehren und dem Nächsten zur Erbauung zu dienen. Er betont, daß er dafür nicht nur Zeit, Geld und Arbeit aufbringen, sondern auch sein introvertiertes Wesen überwinden mußte.58 Doch durch die Unterstützung Gottes sei aus der schweren Last ein angenehmer Zeitvertreib geworden. Der folgende Absatz wiederholt zwei Gedanken aus dem vorhergehenden und führt sie im predigthaften Stil aus. In den Liedern werde ein Zeugnis der Weisheit, Barmherzigkeit und Gerechtigkeit von Gott Vater und Jesu Christi sowie ein Vorgeschmack auf die selige Ewigkeit gegeben. Da durch die zahlreichen Lieder Gott gelobt und geehrt sowie der Erbauung des Nächsten gedient werden könne, müsse er auf seinen meditativen Lebenswandel verzichten. Daran schließt sich der Appell an, sich durch die –––––––––– 57 Schütz: Vorrede, 1744, )( 2 r. 58 Dieser Konflikt zwischen dem Wunsch nach stiller Meditation oder Eingekehrtheit einerseits und der Arbeit zur Erbauung des Nächsten andererseits ist auch bei Gerhard Tersteegen feststellbar. Allerdings hatte Schütz sich nicht ganz aus der Welt zurückgezogen.

Der Titel und die Vorreden

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Lieder zur Buße und zu einer gottesfürchtigen Lebensführung aufrufen zu lassen. Die Vorreden zu den ersten zwei Bänden sind der Vorstellung des Projekts und der Erläuterung des dem Gesangbuch zugrunde liegenden Konzepts gewidmet. Im Gegensatz zu anderen Gesangbüchern betont der Herausgeber hier, keine Auswahl vorgenommen zu haben; der Leser findet danach alle religiösen Ansichten und Ideen in Liedern vertreten. Nach dem Grundsatz »Prüfet alles und das Gute behaltet« (1 Thess 5,21) soll er sich die Lieder aussuchen, die ihm zusagen. Die Verteidigung dieser Auswahlkriterien in der zweiten Vorrede und die Forderung nach Toleranz zeigen, wie umstritten diese Konzeption war. Durch die Erwähnung, daß kirchenund sakramentskritische Gesänge sowie Lieder vom 1000jährigen Reich aufgenommen seien, verengt sich der Rezipientenkreis auf radikale Pietisten. Die dritte Vorrede bildet die chiliastischen Vorstellungen der Gemeinde um Conrad Beissel ab. Es wird zur Sammlung der Erweckten aufgerufen und die zölibatäre Lebensweise dieser Gruppe favorisiert. Schütz übernimmt diese Ideen und befürwortet sie. Dadurch spricht er als Rezipienten des dritten Bandes radikale Pietisten an, die den religiösen Vorstellungen Beissels zustimmen. In seiner vierten Vorrede verweist Schütz explizit auf das Freylinghausensche Gesangbuch als Quelle für den vierten Band sowie die Lieder von Benjamin Schmolck und Paul Gerhardt, die er im fünften Band aufgenommen habe. Damit betont er den großen Anteil an pietistischen und lutherisch-orthodoxen Gesängen in diesen Bänden. Im letzten Abschnitt der vierten Vorrede bringt Schütz in predigthafter Form sein seelsorgerisches Anliegen vor, das er in allen Vorreden thematisiert: das Gesangbuch soll die Leser zur Buße und Umkehr bewegen. Damit vertritt er ein allgemein-pietistisches Anliegen. Gesamtvorrede Die Gesamtvorrede ist nach dem Titelblatt von einem vornehmen GOttes=Gelehrten aus H. verfaßt worden.59 In der Vorrede wird das besondere Verdienst der lutherischen Kirchen an den Lieddichtungen hervorgehoben. »Und die Evangelische Kirche [...] hat vor allen andern eine grosse Menge der vortrefflichsten Lieder=Dichter aufzuweisen, die mit ihren Gesängen einen ausnehmenden Nutzen bey unzehlichen Seelen gestifftet.«60 Unter den Vorteilen, die ein Universalgesangbuch bietet, führt der Vorredner auf: »man findet insonderheit mit völliger Überzeugung die ausnehmende[n] –––––––––– 59 [Nagel, Johann Elias]: Vorrede, in: Geistlicher Würtz= Kräuter= und Blumen=Garten, 1. Hauptteil (1744), )( 2 r–)( 6 r. [Im vorliegenden Göttinger Exemplar dem ersten Band von 1738 vorgebunden.] 60 Ebd., [)( 3] v.

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Beispiel eines Universalgesangbuchs

Vorzüge der Evangelisch=Lutherischen Kirche, auch in dem Schatz der Lieder vor allen andern Kirchen; da keine Einige einen solchen Vorrath Geistlicher lieblicher Lieder aufweisen kan, als diese.«61 Am Ende der Vorrede zieht er einen Vergleich zu dem lutherischen Pietisten Johann Heinrich May. Diese Zitate legen nahe, daß es sich bei dem Verfasser der Vorrede um einen lutherischen, pietistisch geprägten Theologen handeln muß. Man könnte hierbei an den lutherischen Pfarrer Anton Pfaffmann denken. 1730 kam Pfaffmann als lutherischer Hofprediger nach Homburg, nachdem er wegen seiner pietistischen Ansichten des Amtes enthoben und aus Zweibrücken ausgewiesen worden war.62 In diesem Verfahren ließ ihm Herzog Gustav Leopold Samuel von Pfalz-Zweibrücken zwei Fragenkataloge vorlegen. Da die Antworten der ersten Befragung nicht für eine Absetzung ausreichten, wurden ihm am 15. Juni 1730 drei weitere Fragen gestellt. In seiner Stellungnahme, ob man Gewissensfreiheit gewähren sollte, plädiert er für Toleranz gegenüber Irrgläubigen. »Falls aber bei Seelen, von denen man nichts andres sehe und wisse, als daß sie Gott ernstlich und herzlich suchten und selig zu werden trachteten, durch Satans Trug und des Fleisches ,Angeklebenheit‘, sich Irrungen in Glaubens-Sachen ereigneten, so glaube er, daß ein Regent [sich] nicht versündige, wenn er die Gewissen der Irrenden ... nicht mit einer äußerlichen Gewalt zwinge, sondern, zumal wenn die Irrenden die öffentliche Ruhe nicht störten, sich vielmehr gebührend aufführten, bis zu ihrer Besinnung und Besserung Geduld mit ihnen habe.«63

Aufgrund dieser Antwort wurde Pfaffmann am 21. Juli 1730 ausgewiesen. Seine Haltung, die auf der einen Seite durch das Bekenntnis zum Luthertum, auf der anderen Seite durch die Toleranz gegenüber Separatisten geprägt ist, läßt seine Verfasserschaft vermuten. Allerdings war er im März 1744, mit dem die Vorrede datiert ist, bereits verstorben.64 –––––––––– 61 Ebd., [)( 4] v. 62 Einen genauen Darstellung über diese Ereignisse veröffentlichte Anton Pfaffmann 1730 unter dem Titel Kurtzer und wahrhafftiger Bericht von der hart und schweren Verfolgung, welche Antonius Pfaffmann, der gewesene Evangelisch-Lutherische Prediger in der Hoch-Fürstlichen Residentz-Stadt Zweybrücken durch Hass und Verleumdungen seiner Feinden ohne gerichtlichen verhört worden zu seyn den 21 Julii lauffenden 1730 Jahrs erleiden müssen, Frankfurt 1730. In einer zweiten Verteidigungsschrift bezeichnete sich Pfaffmann als »Hoch-Fürstl. Hessen-Homburgischen Ev. Luther. Hof-Prediger und Beicht-Vatter«. Da sich Landgraf Friedrich III. Jakob zum Calvinismus bekannte, betreute Pfaffmann als lutherischer Seelsorger nur dessen zweite Frau, die Landgräfin Christine Charlotte. Pfaffmann: Unbetrüglicher Wegweiser; 1731; Hamm: Gemeinschaftsbewegung. Koch: Pietismus in Pfalz-Zweibrücken. 63 Ebd., 101. 64 Ein genaues Todesdatum ist nicht zu ermitteln, allerdings kann sein Tod auf den Zeitraum nach seiner letzten Veröffentlichung (1731) und 1733 eingegrenzt werden. W. Koch vermutet, daß A. Pfaffmann 1732 verstorben ist. Ein Todesdatum vor 1733 wird durch die Verteidigungsschrift, die Christoph Schütz gegen die Verleumdungen durch Johann Friedrich Rock 1733 publizierte, gestützt, da er vom »Sel. Hr. Pfarrer Pfaffmann« schreibt. Dagegen gibt Georg Biundo 1740 als

Der Titel und die Vorreden

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In der Zeit, als das Vorwort verfaßt wurde (es ist mit »im Merz 1744« datiert), war Georg Eberhard Herwig evangelisch-lutherischer Pfarrer in Homburg und Johann Elias Nagel65 sein Diakon.66 Beide hatten an der Universität in Gießen studiert, an der im 17. Jahrhundert zuerst die pietistischen Ansichten im Theologiestudium gelehrt wurden.67 Nach dem Tod des Theologieprofessors Johann Heinrich May 1719 wurden die theologischen Lehrstühle wieder mehrheitlich orthodox besetzt. Herwig, der in dieser Zeit an die Universität in Gießen ging, hat daher vermutlich ein eher lutherischorthodox geprägtes Studium absolviert.68 Eine zweite pietistische Phase begann 1731 mit der Lehrtätigkeit Johann Jakob Rambachs. Nagel, der sich am 24. März 1730 immatrikulierte, hat sicherlich bei Rambach gehört und lernte dessen pietistische Vorstellungen kennen.69 Darüber hinaus überliefert W. Rüdiger eine Bemerkung über Nagel, die seine tolerante Einstellung gegenüber pietistischen Sekten bestätigt. Danach waren die Pfarrer 1767 rigide gegen pietistische Sekten vorgegangen »[...] im Gegensatz zu dem lässigen Vorgehen des früheren Oberpfarrers Nagel«.70 Diese Indizien sprechen dafür, daß Nagel der anonyme Verfasser des Vorwortes zum ersten Teil des Gesangbuches ist. Im ersten Abschnitt der Gesamtvorrede behandelt der Verfasser das Singen (§§ 1–2), im zweiten Teil geht er auf den Liederreichtum und das Universalgesangbuch ein (§§ 3–7) und im letzten Paragraph rechtfertigt er sich. Die ersten zwei Paragraphen nehmen die traditionellen Themen in Gesangbuchvorreden auf: die Funktion des Singens als Lobpreis und zur Erbauung sowie die erbauende und tröstende Wirkung des gemeinschaftlichen Singens.71 Der dritte Paragraph bildet eine Überleitung vom Singen über den Liederreichtum innerhalb der drei Kirchen zu der Vielzahl der Liederbücher. Das Gesangbuch sei die Voraussetzung zum Singen, da die Texte entweder –––––––––– Todesjahr an. Vgl. Biundo: Evangelischen Geistlichen, 344; Koch: Pietismus in Pfalz-Zweibrücken, 109; Schütz: Zeugnüß der Warheit wider die Leichtfertige Lügen, 13. 65 Johann Elias Nagel *1.3.1711 in Ober-Bessingen †1785 Homburg v. d. H. studierte ab 1730 an der Universität in Gießen, war von 1737 bis 1743 Diakon in Rödelheim und wurde 1743 nach Homburg berufen. 1763 wurde er zum Oberpfarrer befördert. 66 Diehl: Pfarrer- und Schulmeisterbuch, 1930, 244. 67 Moraw: Kleine Geschichte, 75. 68 Herwigius, Georgius Eberhardus, Homburgensis ad montes 19.4.1719. Matrikel der Universität Giessen, 2, 97. 69 Nagelius, Johannes Esaias, Bessunga Solmensis 24.3.1730. Matrikel der Universität Giessen, 2, 132. 70 Rüdiger: Johann Philipp Kaempf, 87, Fußnote 16. 71 Dies belegen auch die Verweisungen am Ende der Paragraphen auf die folgenden Vorreden: Olearius, Johann Christian: Vorrede, in: Olearius (Hg.): Arnstädtisches Verbessertes Gesangbuch, a 2 r–a 7 r; [Lilienthal, Michael]: Vorrede, in: Lilienthal (Hg.): Des Singens Vernünfftiger Gottes=Dienst, 1–28.

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Beispiel eines Universalgesangbuchs

vorher auswendig gelernt werden müßten, oder direkt während des Singens im Buch gelesen würden. Deshalb habe es immer Gesangbücher gegeben. Durch die Trennung der Kirchen habe sich innerhalb der Konfessionen jeweils ein eigenes Liedrepertoire entwickelt. Als Beispiel für die katholische Kirche gibt er die Lieder von Angelus Silesius im Cherubinischen Wandersmann an, für die reformierte Kirche führt er die Lieder von Joachim Neander auf. Während er für diese beiden Konfessionen nur jeweils einen Dichter erwähnt, nennt er mehrere lutherische Kirchenlieddichter. An erster Stelle steht Martin Luther, dann folgen Paul Gerhardt, Johannes Rist, Johann Spangenberg und Benjamin Schmolck. Diese Aufzählung, die sich an den Kurtzen Entwurf einer nützlichen Lieder-Bibliothec72 von Johann Christoph Olearius orientiert, deute dem Verfasser zufolge den Liederreichtum in der lutherischen Kirche an. Darin sieht er auch den Grund für die Vielzahl eigenständiger lutherischer Stadt- oder Territorialgesangbücher. Nachdem er die große Menge der vorhandenen Lieder in den verschiedenen Gesangbüchern hervorgehoben hat, definiert und erläutert er in den nächsten Abschnitten das Universal-Gesangbuch. Unter einem UniversalGesangbuch versteht er eine »Sammlung aller Lieder, die in allen Kirchen gebräuchlich und eingeführet sind«. Als Beispiel für ein UniversalGesangbuch der lutherischen Kirchenlieder nennt er das Wagnerische Gesangbuch von 1697.73 Als Vorteile einer solchen Sammlung nennt er im Paragraphen fünf erstens die Vielfalt der Erkenntnisse und des poetischen Ausdrucks, durch die man zweitens zum Lobe Gottes angeregt werde. Drittens werde die besondere Bedeutung der evangelisch-lutherischen Kirche deutlich, da sie ein größeres Liedrepertoire als die anderen Kirchen habe. Es sei viertens die beste Quellensammlung für Hymnologen. Der praktische Nutzen einer umfassenden Anthologie wird als fünfter Vorteil genannt. Im Vergleich mit einer Sammlung einzelner Gesangbücher, in denen sich eine Reihe derselben Liedern in vielen Büchern finde, seltene aber nicht aufgenommen würden, vereinige ein Universalgesangbuch ohne Dubletten eine große Anzahl auch weniger bekannter Lieder. Im folgenden Paragraphen sechs werden zwei Einwände gegen das Universalgesangbuch erhoben und entkräftet: zum einen der Umfang und damit die Kosten für das Gesangbuch. Der Vorredner gibt zwar zu, daß 30 und mehr Bände erscheinen würden, wendet aber ein, daß man für jeden Band zu 40 Kreuzer jeweils 1000 neue Lieder erhalte. Eine solche Menge an Liedern könnte durch die Sammlung einzelner Gesangbücher, deren Liedrepertoire sich überschneidet, nur für einen sehr viel höheren Preis zusammengetragen werden. Zum anderen könnte durch die Aufnahme von Lie–––––––––– 72 Jena 1702. Vollständiger Titel in: Rößler: Frühzeit hymnologischer Forschung, 168. 73 Vgl. dazu Kapitel 2.2.2.

Der Titel und die Vorreden

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dern aller Kirchen und Sekten der Unwissende verführt werden. Dieses Argument bestätigt er, gibt aber zu Bedenken, daß die geübten Christen durch die Führung Gottes das Richtige auswählen können. Im siebten Paragraphen schreibt er über die Produktion des Gesangbuchs, daß ein Einzelner das Gesangbuch zusammengestellt und auf seine Kosten herausgegeben habe. Zu Einzelheiten der Auswahl und Anordnung verweist er auf die Vorreden in den einzelnen Bänden. Die Paragraphen 3–5 belegen, daß der Vorredner sich zur lutherischen Kirche und zum Pietismus bekennt. Bei der Auswahl des katholischen und reformierten Liedguts nennt er den Konvertiten Angelus Silesius und den reformierten Pietisten Joachim Neander, deren Lieder auch in den pietistischen Gruppen innerhalb der lutherischen Kirche rezipiert wurden. Die Lieder der katholischen Dichter Friedrich Spee oder Laurentius von Schnüffis scheint er nicht zu kennen. Ebenso hätte er als Beispiele für reformierte Liedproduktion den Lobwasserpsalter nennen müssen oder die Übersetzungen von Martin Opitz erwähnen können. Da ihre Werke in der Liste von Schütz aufgenommen sind, scheint der Vorredner weder diese Titel eingesehen zu haben, noch sich mit den Gesangbüchern der anderen Konfessionen beschäftigt zu haben. Die Literaturhinweise belegen aber, daß er einige Standardwerke der lutherischen Hymnologie und Gesangbücher kennt.74 Im letzten Paragraphen rechtfertigt sich der Vorredner und distanziert sich vom Inhalt des Werkes. Dazu vergleicht er sich mit Johann Heinrich May, dem Theologieprofessor in Gießen, der eine Vorrede zur Synopsis Criticorum von Matthew Poole schrieb, ohne alle Kommentare des Werkes zu billigen.75 Ebenso solle durch das Vorwort im Geistlichen Würtz= Kräuter= und Blumen=Garten nicht der Inhalt des Universalgesangbuchs gebilligt werden, sondern einerseits der praktische Nutzen des Werks erläutert und andererseits den Lesern der Segen Gottes gewünscht werden. Der Vorredner zählt als Vorteile des Universalgesangbuchs die Vielfalt des poetischen Ausdrucks, Erweckung zum Lobe Gottes und die große

–––––––––– 74 Er nennt die folgenden Veröffentlichungen: Johann Christoph Olearius: [Kurtzer] Entwurf einer nützlichen Lieder=Bibliothec, [Jena 1702]; Johann Heinrich Haßel: Historische Lebens=Beschreibung der berühmtesten Lieder=Dichter; Gesangbuch von Paul Wagner, [Leipzig 1697], dagegen bleiben die Hymnopoegraphia von Johann Caspar Wetzel [Herrnstadt 1719–1728] oder das Gesangbuch von Johann Jakob Moser und Johann Christoph Bilhuber [Tübingen 1730– 1734] unerwähnt, obwohl Schütz diese Werke in seiner bibliographischen Liste aufgeführt. Zum sogenannten Hasselschen Gesangbuch vgl. Miersemann: Auf dem Wege, 78–80. 75 Poole, Matthew: Synopsis Criticorvm Aliorumque Sacrae Scripturae Interpretum Et Commentatorum. Bd. 1. Frankfurt a.M. 1694. J.H. May veröffentlichte die Praefatio unter dem Pseudonym: Philologus atque Theologus quidam Germanus. (VD 17, 12:121965W).

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Beispiel eines Universalgesangbuchs

Menge von Liedern auf. Diese Argumente bringt bereits Schütz.76 Darüber hinaus führt Nagel an, daß im Vergleich zu einer Sammlung von Gesangbüchern, in dem Universalgesangbuch keine Liederdubletten zu finden seien, läßt aber an dieser Stelle die niedrigeren Kosten und die geringere Stellfläche unerwähnt.77 Auch mit der vorweggenommenen Kritik an dem Werk schließt er sich an Schütz an und versucht dadurch sowohl den Vorwurf des hohen Anschaffungspreises zu entkräften als auch die liberalen Auswahlkriterien zu verteidigen.78 Einen neuen Gedanken führt er mit der These ein, ein Universalgesangbuch belege den Vorrang der lutherischen Kirche. Dies ist insofern erstaunlich, als innerhalb des Pietismus konfessionelle Auseinandersetzungen an Schärfe und Gewicht verloren hatten.

2. Verzeichnis derer Gesang= und Poetischen Bücher welche wir dato besitzen – zur Einordnung der Quellensammlung Als Christoph Schütz mit der Arbeit am Universal-Gesangbuch begann, hatte er die Sammlung der auszuwertenden Liederbücher noch nicht abgeschlossen. Im ersten Vorwort schreibt er, er habe schon »8 biß zehen Tausend [Lieder] gesammlet«, fordert aber dennoch seine Leser auf, »wann sie etwa einige schöne Lieder noch in Manuscript, oder auch in schon gedruckten, uns noch unbekannten Büchern in Handen haben, sie doch von der Güte seyn/ und dieselbige zur Vermehr= und Verbesserung des Wercks an uns einsenden möchten etc.«79 In der Vorrede zum zweiten Band wiederholt er diese Bitte: »[...] mit nochmahligem Ersuchen an diejenige, welche einige schöne und erbauliche Lieder im Besitz haben, dieselbige beliebigst an uns einzusenden.«80 Die Leser sind diesen Aufforderungen nachgekommen und haben ihm Lieder und Gesangbücher zugeschickt. Den dritten Band hat Schütz nach Erhalt ungedruckter Lieder und des Vorspiels der neuen Welt kurzfristig umgearbeitet. Neben den Gesangbüchern und Liedersammlungen, die Schütz in den Vorworten nennt, veröffentlichte Schütz im Anhang zum Vorwort des vierten Bandes eine Liste der Quellen, die er zu diesem Zeitpunkt besessen hat und entweder bereits ausgewertet hatte oder für die nachfolgenden Bände –––––––––– 76 Vielfalt des poetischen Ausdrucks: Schütz: Vorrede, 1738, [):( 3] v; Ders.: Vorrede, 1744, )( 3 r. Erweckung zum Lobe Gottes: Schütz: Vorrede, 1738, ):( 3 r; Ders.: Vorrede, 1739, )( 2 r, )( 3 r; Ders.: Vorrede, 1744, [)( 3] v. Vielfalt der Lieder: Schütz: Vorrede, 1738, [):( 2] v–):( 3 r. 77 Zu den Kosten und der Stellfläche: Schütz: Vorrede, 1738, [):( 2] v. 78 Zu den Kosten: Schütz: Vorrede, 1738, [):( 2] v. Zu den Auswahlkriterien: Ebd., [):( 3] v–[):(4] r; Schütz: Vorrede, 1739, [)( 3] v–[)( 4] v. 79 Ders.: Vorrede, 1738, ):( 2 r–[):( 2] v. 80 Ders.: Vorrede, 1739, )( 3 r.

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heranziehen wollte: Verzeichnuß derer Gesang= und Poetischen Bücher welche wir dato besitzen/ und deren sämmtliche Lieder schon zu dem Universal=Gesang=Buch angeordnet/ und zusammen bey 30000. ausmachen.81 Insgesamt führt er 347 verschiedene Titel auf, in denen geistliche Lieder enthalten sind.82 Darunter befindet sich neben den Kirchen- und Hausgesangbüchern und Sammlungen geistlicher Gesänge einzelner Autoren auch Andachtsliteratur, die »zwar nicht gantz Poetisch/ darin aber doch einige Poesien und Lieder zu finden.«83 Provenienz der Gesangbücher Diese Gesangbuchsammlung stand Schütz, nach eigener Aussage, zur Verfügung, allerdings ist zu fragen, ob sie sich wirklich in seinem Besitz befand. In einem Brief an Heinrich Ehrenfried Luther berichtet Schütz, daß er sich 1731 wegen einer umfangreichen Büchersendung nach Germantown mit über tausend Gulden verschuldet habe.84 »[...] und weil ich das Vermögen selbst nicht hatte, auch kein Mensch dem ich davon sagte, mir deswegen unter die Arme greiffen wollte und ich also das Geld dazu lehnen und borgen mußte, so geriethe [ich] darüber in ziemlich starke Glaubens=Proben.«85 Mit der Anstellung als Kammerschreiber am landgräflichen Hof in Homburg 1733 hatte sich dann seine finanzielle Situation gebessert. Er verlegte eigene Werke und ließ Schriften anderer nachdrucken.86 –––––––––– 81 [Schütz, Christoph]: Verzeichnuß derer Gesang= und Poetischen Bücher welche wir dato besitzen, in: Geistlicher Würtz= Kräuter= und Blumen=Garten, 1. Hauptteil (1744), [)( 7] r–[)( )( 4] v. 82 Von dieser Zahl weicht die Numerierung der Liste ab, da Schütz teilweise die einzelnen Bände zählt (z.B. »Andächtiger Seelen geistliches Brand= und Gantz=Opffer in 8. Theilen« [Abt. 1.] Nr. 4–11), teilweise aber mehrere Titel summarisch aufführt (z.B. »Joh[ann] Ristens Musicalische und Poetische Schr[iften] 10 Theil[e]« [Abt. 3] Nr. 92). Auch Neuauflagen werden zum Teil unter einer eigenen Nummer aufgeführt (z.B. »Davidisches Psalter=Spiel der Kinder Zions, Schaffhausen 1729« [Abt. 1] Nr. 53, »Homburg 1740« [Abt. 1] Nr. 54). 83 Schütz: Verzeichnis derer Gesang= und Poetischen Bücher, in: Ders. (Hg.): Geistlicher Würtz= Kräuter= und Blumen=Garten, 1. Hauptteil (1744), [)( )( 1] r–[)( )( 4] v. Hier [)( )( 4] v. 84 [Christoph] Schütz an [Heinrich Ehrenfried Luther], Homburg, 4. Oktober 1740, in: Kelchner: Beitrag, 420–421. Dieser Brief ist auch abgedruckt bei: Mori: Egenolff-Lutherische Schriftgießerei, 35–36. 85 [Christoph] Schütz an [Heinrich Ehrenfried Luther]. Zitat nach der Edition von Mori. Der deutliche Hinweis auf seine schlechte finanzielle Situation läßt darauf schließen, daß Schütz nach dem Tode der Mutter am 14. August 1731 keine größere Geldsumme geerbt hatte. Familienregister der lutherischen Gemeinde Groß-Umstadt. Nr. 1675/8; Mori: Egenolff-Lutherische Schriftgießerei, 35. 86 In der Aufstellung von 1733 wird der Druck des Traktats von der Wiedergeburt und der Nachdruck von zwei weiteren kleinen Schriften erwähnt. Extract verschiedener Rechungen und Beylagen, was Ihre Durchl. Herr Landgraff Unser Gnad. Herr wegen der neu=angelegten Truckerey. Akten der Landgräflichen Buchdruckerei, 2, 65 r–[66] v. Im gleichen Jahr erschien die Verteidigungsschrift Ein Zeugnis der Wahrheit, mit der sich Schütz gegen die Aussprachen von

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Beispiel eines Universalgesangbuchs

Dabei übernahm Schütz nicht nur die Kosten für die Drucklegung, sondern auch das verlegerische Risiko. Als er 1740 seine Schulden bei der Druckerei nicht begleichen konnte, wurde die Drucklegung des vierten Bandes seines Geistlichen Würtz= Kräuter= und Blumen=Gartens für mehrere Jahre unterbrochen.87 Angesichts dieses finanziellen Engagements für die Drucklegung radikalpietistischer und pietistischer Literatur ist es unwahrscheinlich, daß Schütz daneben eine umfangreiche Spezialsammlung von Lieder- und Gesangbüchern angelegt haben könnte. Die Büchersammlungen in Homburg Als Angestellter des Landgrafen und aufgrund des Ansehens, das er beim Hof genoß, dürfte er Zugang zur Hofbibliothek gehabt haben.88 Zur Geschichte der Homburger Hofbibliothek ist folgendes zu sagen. Nachdem 1866 Landgraf Ferdinand von Hessen-Homburg kinderlos verstorben war, fiel die Landgrafschaft an das Großherzogtum Hessen. Der größte Teil der Hofbibliothek wurde daraufhin nach Darmstadt gebracht und ist dort im Zweiten Weltkrieg verbrannt. Nur die Bücher, die Landgraf Ferdinand in seinen Wohnräumen in der Orangerie aufgestellt hatte, sind erhalten geblieben und stehen im Homburger Schloß.89 Über einen Katalog aus dem Jahre 1751 kann der Bestand der Hofbibliothek jedoch rekonstruiert werden.90 Danach lassen sich zwar zahlreiche Gesangbücher nachweisen, von denen aber nur wenige in der Quellenliste von Schütz aufgenommen sind.91 Da die –––––––––– Johann Friedrich Rock wandte, 1735 ließ er das Opus mago-cabbalisticum et theosophicum sowie das Traktat Die ewige Weisheit drucken. 87 Vgl. Kapitel 4.2.5. 88 Vgl. dazu Kapitel 4.2.1. 89 Im Schloß Bad Homburg steht ein handschriftlicher Zettelkatalog, der die Bibliothek Landgraf Ferdinands erschließt. 90 Catalogus über die Fürstl[iche] Bibliothek 1751. Eine Kopie des Katalogs ist auch im Schloß Bad Homburg vorhanden. Der Katalog wurde von mindestens zwei Personen geführt. Die Auflistung richtet sich vermutlich nach der sachlichen Aufstellung der Bücher. Daneben wird der Inhalt einzelner Bücherschränke mit ungeordneten, zum Teil noch ungebundenen Büchern und Pflichtexemplaren aus der landgräflichen Druckerei aufgeführt. 91 Der Gesangbuchbesitz der Landgrafen von Hessen-Homburg nach dem Bücherkatalog von 1751: Beckers Psalter Davids gesangweiß 1602; Preußisches Großes Gesangbuch 1643; Lüneburger Gesangbuch auch Groß 1648; Crügers Übung der Gottseligkeit in Gesängen 1676; Hannoverisches Gesangbuch mit Großen Truck, 1676; Frankfurter Reformiertes Gesangbuch 1696; Gerhards Schola Pietatis 1699; Darmstädter Gesangbuch 1700; Arnolds göttl. Liebessfuncken 1701; Nassau-Itzsteinisches Gesangbuch 1703; Marburger Reformiertes Großes Gesangbuch 1704; Arnold Consilia und Responsa Theologia [1705]; Brandenburisches Großes Gesangbuchbuch 1706; Darmstättisches Gesangbuch 1710; Marburger Reformirtes Großes Gesangbuch 1710; Schmolkens Heilige Flammen 1714; Marburger Gesangbuch 1718; Hanauisch Reformiertes Gesangbuch mit Großen Truck 1719; Amadei Creutzbergs Geistliche Poesien 1720; Hanauisch Reformiertes Gesangbuch 1725; Hessen-Homburgisches Gesangbuch, [Homburg] 1734; Frankfurter Reformiertes Gesang Buch 1738; Universal Gesangbuch, [Homburg 1738–1744]; Davidisches Psalterspiel, [Homburg 1740]; Braunfelsisches Gesangbuch und andre Sachen, [Homburg undatiert]; Missions-

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Überschneidungen so gering sind, ist davon auszugehen, daß Schütz nicht mit den Beständen der Hofbibliothek gearbeitet hat. Eine zweite Bibliothek, die Schütz benutzt haben könnte, ist die Büchersammlung von Maria Catharina Schütz.92 In dem Inventar, das nach dem Tod der Erblasserin am 19. November 1742 angefertigt wurde, werden auch ihre Bücher aufgeführt. Die Büchersammlung, die knapp 40 Titel umfaßt, enthält keine Gesangbücher; die einzige Ausnahme bilden die Liedersammlungen von Christoph Schütz. Die dritte zeitgenössische Büchersammlung, die Schütz als Quellensammlung genutzt haben könnte, ist die Sammlung des Geheimen Rats Johann Samuel von Ploennies.93 Heinrich Jacobi beschreibt die Bibliothek nach einem Katalog, der aufgrund von Erbstreitigkeiten nach dem Tod von Ploennies angelegt worden war:94 –––––––––– Gesang und Gebet-Buch [undatiert]; Neandri Bundes-Lieder [undatiert]. Neben den in Homburg gedruckten Gesangbüchern sind auch die Liedersammlungen von Gottfried Arnold und Amadeus Creutzberg bei Schütz nachweisbar. In beiden Verzeichnissen werden die Bundes-Lieder von Neander aufgeführt, da aber bei dem Exemplar aus dem Besitz der Landgrafen kein Erscheinungsjahr angegeben ist, kann nicht festgestellt werden, ob es sich um die gleiche Ausgabe handelt. Catalogus über die Fürstl[iche] Bibliothek 1751. 92 Zu Maria Catharina Schütz vgl. Kapitel 4.2.1. 93 Johann Samuel von Ploennies *??? †31.1.1730 in Homburg v.d.H. Er arbeitete als Sekretär bei der gräflichen Familie von Solms-Laubach und wurde der Seelenfreund der Gräfin Wilhelmine Magdalena von Solms-Laubach. Nachdem er die Gräfin geheiratet hatte, zog das Paar nach Homburg. Am 31. Januar 1730 erwarb der Nassau-Siegensche Präsident und Geheime Rat Johann Samuel von Ploennies das Haus Nr. 12 in der Dorotheenstraße in Homburg. Er starb am 26. Mai 1742 in Homburg und wurde auf dem Friedhof der reformierten Kirche beigesetzt. Auf seinem Grabstein waren die folgenden Verse eingegraben: »Ein Lutheraner bin ich von Geburt gewesen/ Katholisch aber hat mich die Liebe geführt/ Im Glauben bin ich erst in Christi Licht genesen/ Die Erde macht mich nun zuletzt reformiert/ Die Welt hat also hier ein Bild vom Synkretisten/ Und findet auch zugleich die Pflicht von einem Christen/ Deus optimus maximus salvator.« Da der reformierte Hofprediger Rexrath dieses Gedicht als anmaßend empfand, versagte er die Aufstellung des Grabsteins. Erst nach einer Entscheidung des Landgrafen konnte das Epitaph 1743 an der Außenwand der französisch-reformierten Kirche angebracht werden, wo er sich bis 1907 befand. Jacobi: Zur Geschichte des Jacobi’schen Hauses, 6–7; Jacobi: Goldmacherei und Goldmacher im alten Homburg. Vortrag im Geschichtsverein. 15. April 1932. Typoskript. Mack: Libertinärer Pietismus, 99; Schrader: Literaturproduktion und Büchermarkt, 468. 94 Nach dem Tod Johann Samuel von Ploennies am 26. Mai 1742 wurde die notarielle Aufnahme eines vollständigen Inventars zu Gunsten des Erbens Erich Philipp von Ploennies angeordnet und neben dem kaiserlichen Notar Johann Heinrich Flick aus Homburg Christoph Schütz und Carl Friedrich Schott mit der Erstellung desselben beauftragt. Nachdem es zu Erbstreitigkeiten gekommen war, wurde vermutlich im Januar und Februar 1743 ein ausführlicher Katalog der Bibliothek »nach Auctoribus und materiis« angefertigt. Sowohl das Inventar als auch der Bücherkatalog, die Heinrich Jacobi noch eingesehen hatte, sind im Stadtarchiv Bad Homburg nicht mehr nachweisbar. Aus diesem Grund wird hier auf die Notizen Jacobis zurückgegriffen. Jacobi: Zur Geschichte des Jacobi’schen Hauses. Der Mathematiker und Kartograph Erich Philipp Ploennies (*1.3.1672 Speyer †28.12.1751 Siegen) lebte ab 1743 in Homburg. Renkhoff: Nassauische Biographie, 615, Nr. 3317.

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Beispiel eines Universalgesangbuchs

»Das Verzeichnis sämmtlicher 900 Bücher enthält meist solche ›alchemistischen‹ Inhalts, darunter auch Homburger und Frankfurter Drucke, in einer Vollständigkeit, wie sie vielleicht kaum noch einmal bekannt ist – möglicherweise finden sich sonst unbekannte Bücher aus der nach Tausenden zählenden alchemistischen Literatur darunter. Darunter sind religiöse und Erbauungs-Schriften aufgeführt, vor allem von Jac[ob] Böhme, [Johannes] Tauler, Thomas a Kempis, [Philipp Jacob] Spener, auch viele medizinische und botanische Schriften, ein geschrieben Buch von allerhand chimischen Secreten, mehrere Paquete von Traktätlein, Disputationen und Skripturen u.a. Es fehlen aber katholische Schriften [...] auch werden keine Bücher aus der damals aufblühenden deutschen Literatur genannt.«95

Jacobi erwähnt keine Gesangbücher, da er aber sicher eine größere Sammlung vermerkt hätte, kann davon ausgegangen werden, daß in dem Katalog keine umfangreicheren Bestände von Gesangbüchern verzeichnet waren. Ebenso belegt sein Hinweis auf das Fehlen deutschsprachiger Literatur, daß Schütz auch für die poetischen Liedersammlungen nicht auf die Bibliothek Ploennies zurückgreifen konnte. Neben diesen Bibliotheken existierte eine spezielle Gesangbuchsammlung, die die Herausgeber des Hessen= Homburgisches Gesang=Buchs angelegt hatten und die ihnen als Arbeitsinstrument diente. So schreiben sie im Vorwort, daß das Gesangbuch »aus den bewährt= und geistreichesten Gesangbüchern, welche heut zu Tag in der Christlichen Kirchen bräuchlich sind, zusammen getragen worden [ist].«96 Zwar haben sich keine Listen über diesen Bestand erhalten, allerdings können einige Titel aus den Angaben zu den Melodien abgeleitet werden: hier wird häufig auf »Halle I« und »Halle II« die beiden Teile des Geistreichen Gesangbuchs von J. A. Freylinghausen, auf das »Lüneburger«, »Leipziger« und »Nürnberger« Gesangbuch sowie das »Choralbuch« von Telemann verwiesen.97 Darüber hinaus haben den Herausgebern das Geistliche Harfenspiel von Christoph Schütz, das Bertelsdorfer und das Marchesche Gesangbuch aus der Herrnhuter Brüdergemeine, das Davidische Psalter=Spiel der Inspirierten sowie das Geistliche Blumen=Gärtlein Inniger Seelen von Gerhard Tersteegen vorgelegen.98 Außer dieser Gesangbuchsammlung dürfte Schütz Bücher anderer Pietisten in Homburg und Frankfurt benutzt haben oder weitere Liedersammlungen von seinen Korrespondenzpartnern ausgeliehen und abgeschrieben –––––––––– 95 Jacobi: Zur Geschichte des Jacobi’schen Hauses, 6. 96 [Hochheimer/Schell]: [Vorrede], [)( 4] v. 97 »Halle I«, Hessen=Homburgisches Gesang=Buch, 6, Nr. 9; »Halle II«, Ebd., 8, Nr. 13; »Leipziger Gesangbuch«, Ebd., 65, Nr. 86; »Lüneburger Gesangbuch«, Ebd., 146, Nr. 203; »Nürnberger Gesangbuch«, Ebd., 328, Nr. 472; »Telmannsche Choralbuch«, Ebd., 622, Nr. 851; »Darmstädter Choralbuch«, 1208, Nr. 1632. Die meisten Melodienverweisungen (300) beziehen sich auf das »Geistreiche Gesangbuch« von J.A. Freylinghausen. 98 Vgl. dazu die Ausführungen über das Homburger Gesangbuch im Kapitel 4.2.4.

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haben.99 Die katholischen Gesangbücher hatte Christoph Schütz vermutlich durch die Katholiken in Homburg kennengelernt, die ebenso wie die Hugenotten und Waldenser von Landgraf Friedrich II. von Hessen-Homburg angeworben worden waren.100 Zum Aufbau der Quellenliste Zu Beginn der Quellenliste stehen die evangelischen (d.h. lutherischen und reformierten) Kirchen- und Haus-Gesangbücher, davon abgegrenzt werden fünf katholische aufgeführt, daran schließen sich die poetischen Bücher und Liedersammlungen einzelner Autoren an. Wiederum in einer eigenen Abteilung werden die Poesien und Lieder von Frauen verzeichnet, dann folgt die Andachtsliteratur, in der neben Prosatexten auch Lieder zu finden sind. Nach den gedruckten Büchern führt Schütz noch sechzehn Liedersammlungen von Johann Paul Bursch auf, die ihm handschriftlich vorlagen. Diese Aufteilung der Bücher nach den Konfessionen ist in Bücherverzeichnissen des 18. Jahrhunderts, wie zum Beispiel den Meßkatalogen, üblich, allerdings ist die Zusammenfassung der protestantischen Bekenntnisse ungewöhnlich.101 Mit der Unterscheidung nach den Formaten Oktav und Duodez/ Oktodez und der Anordnung der Gesangbücher in systematischen Gruppen sowie der Sortierung nach Sachtiteln bzw. der Gedichtsammlungen nach den Autoren folgt Schütz den damals üblichen Gepflogenheiten.102 Die Abtrennung der Liederbücher weiblicher Autoren kann auf –––––––––– 99 Vgl. dazu die Erläuterungen zur Einbindung von Christoph Schütz in die radikalpietistischen und theosophisch-alchimistischen Kommunikationsstrukturen im Kapitel 4.2.1. 100 In seiner am 12. Februar 1698 veröffentlichten Werbeschrift sicherte der Landgraf den katholischen Siedlern die Ausübung ihres Glaubens zu: »die Romanisch Catholische[n] haben in dem allernechst vorm Thor gelegenen Dorf Kördorf genannt, ihr exercitium religionis nach eigenem Gefallen zugebrauchen und zugeniessen.« Zitiert nach Lotz: Geschichte Bad Homburg, 2, 363. Mit »Kördorf« ist das Dorf »Kirdorf« gemeint, das von 1581 bis 1803 zum Erzbistum Mainz gehörte. Zur Peuplierungspolitik der Landgrafen von Hessen-Homburg vgl. Kapitel 4.2.2. 101 Im Frankfurter Meßkatalog werden zuerst die katholischen Bücher in lateinischer, dann in deutscher Sprache aufgeführt, als zweites folgen die Bücher der »Augspurgischen ConfessionsVerwandten« die wieder in lateinische und deutsche unterteilt werden, und schließlich die deutschsprachigen Bücher der Reformierten. Catalogus Universalis, Frankfurt a.M. Ostermesse 1731. 102 Die Aufteilung nach Formaten hat ihren Grund in einer möglichst platzsparenden Aufstellung der Bücher in den Bibliotheken. Auch in den Bibliotheks- Verlags- und Auktionskatalogen war die Verzeichnung der Bücher nach Formaten bis ins 19. Jahrhundert üblich. Ein Beispiel aus dem 18. Jahrhundert ist der Katalog der Gesangbuchsammlung des Juristen Georg Christian Gebauer. Hier bildet das Format die erste Gliederungsstufe, dann folgt eine systematische Unterteilung nach den Psalmen Davids, Gesangbüchern, die den Namen von Landen, Städten und Orten führen, Gesangbücher, die ihre besonderen Autores haben, Gesangbücher nach dem Orte des Druckes gestellet, Gesangbücher von besonderen Materien, Verschiedener Auctorum eigene Lieder und Gesänge, Allerhand geistlich Büchlein, in den auch Lieder enthalten, Fremder Kirchen oder auch sonst unwichtige Gesangbücher, Gesänge und Gesangbücher in anderen Sprachen und Commentatores. Knüppel: Gebauers Gesangbuchsammlung; Weismann: Format, 630–631.

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Beispiel eines Universalgesangbuchs

die besondere Wertschätzung, die fromme und gelehrte Frauen im Pietismus, vor allem aber im radikalen Pietismus genossen, zurückgeführt werden. Dagegen sind die Gruppen der Andachtsliteratur und der Manuskripte aus formalen Gründen eingeführt worden. Während die Bücher, die der Erbauung dienen, nur teilweise Lieder enthalten und deshalb gesondert aufgelistet werden, macht der Herausgeber mit den Hinweisen auf die nur im Manuskript vorliegenden Liedersammlungen deutlich, daß er seine Ankündigungen in den Vorworten, neue bisher ungedruckte Lieder zu veröffentlichen, auch erfüllt hat bzw. noch in den folgenden Bänden erfüllen wird. Die bibliographische Angabe besteht bei Verfasserwerken aus dem Autor und dem Sachtitel, bei den Gesangbüchern aus dem Titel, teilweise durch den Herausgeber ergänzt, sowie Erscheinungsort und -jahr. Da der Eintrag durch die Zeilenlänge begrenzt ist, fallen bei langen Titeln Ort und Jahr weg. Darüber hinaus unterscheidet Schütz zwischen Nachdrucken und unterschiedlichen Auflagen.103 Durch diese Angaben ist es möglich, die meisten der aufgeführten Titel bibliographisch nachzuweisen.104 Ausnahmen bilden unspezifische Titel wie z.B. Luther (Dr. Martin) und anderer geistreiche Lieder, deren Drucke ohne Ergänzung des Erscheinungsorts und -jahrs nicht ermittelt werden können. Ein weiteres Problem ergibt sich bei der Zuordnung einzelner Ausgaben, wenn Erscheinungsort und/ oder -jahr fehlen. In einigen Fällen führt Schütz die Werke eines Autors summarisch auf oder nennt eine Werkausgabe.105 Trotz einzelner Kürzungen und Druckfehler kann das Verzeichnis derer Gesang= und Poetischer Bücher als eine vorbildliche hymnologische Bibliographie des frühen 18. Jahrhunderts gelten. Von den 347 Titeln, die Schütz aufführt, entfallen 328 auf gedruckte Werke, 19 Angaben beziehen sich auf Manuskripte. Der größte Teil der gedruckten Bücher (72 %) ist in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts –––––––––– 103 Vom Davidischen Psalter=Spiel der Kinder Zions verzeichnet er die 2. Auflage »Schaffhausen 1729« und die dritte »Homburg 1740«. Er nennt zwar keine Auflagenzahlen, vergibt aber zwei Nummern [Abt. 1] 53–54. Dagegen führt er die Ausgabe der Neuerweckten Lieder=Freud »Altdorff 1688« und den Nachdruck »Altdorff 1689« unter der Nummer [Abt. 1] Nr. 135 auf. 104 Im Rahmen dieser Arbeit war es aufgrund der bisher noch lückenhaften Katalogisierung der Werke des 18. Jahrhunderts nicht möglich, alle Gesangbücher in den hier aufgeführten Ausgaben zu ermitteln. Neben den gut erschlossenen Gesangbuchsammlungen in der Württembergischen Landesbibliothek in Stuttgart, der Staats- und Stadtbibliothek sowie der Universitätsbibliothek in Augsburg, der Bayerischen Staatsbibliothek in München, der Herzog-August-Bibliothek in Wolfenbüttel und der Niedersächsischen Staats- und Universitätsbibliothek in Göttingen sind Gesangbuchsammlungen in kirchlichen Bibliotheken und Pfarrämtern nur in Ausnahmefällen katalogisiert bzw. deren Kataloge online benutzbar. 105 »Joh[ann] Ristens Musicalische und Poetische Schr[iften] 10 Theil[e]« [Abt. 3], Nr. 92. »Benjamin Schmolckens sämtliche Wercke 22 Tractätlein in 2. Bände« (Tübingen 1738).

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erschienen, 12 % stammen aus der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts, aus der Zeit davor 4 %.106 2.1 Kirchen- und Hausgesangbücher Die Titelliste zu den Kirchen- und Hausgesangbüchern, die insgesamt 148 evangelische und fünf katholische umfaßt, belegt, daß außer den verschiedenen Gesangbuchtypen unterschiedliche Bekenntnisse und Gruppen sowie innerhalb der evangelischen Konfessionen einzelne theologische Richtungen berücksichtigt worden sind.107 Dies soll im folgenden durch einige Beispiele belegt werden.108 Daneben zeigen Ortsangaben in den Titeln bzw. die Erscheinungsorte,109 daß Bücher aus dem gesamten deutschen Sprachraum aufgenommen worden sind. So stammen die Gesangbücher aus Altona, Ratzeburg und Lübeck, Stuttgart, Ulm und Memmingen, Straßburg, Speyer und Köln, Riga, Königsberg und Stargard, aber auch außerhalb der Reichsgrenzen aus der Schweiz (Schaffhausen, St. Gallen oder Basel), den Niederlanden (Amsterdam), Dänemark (Kopenhagen) und Pennsylvania (Germantown). Die Liste dokumentiert aber auch die verschiedenen Gesangbuchtypen, die im 17. und 18. Jahrhundert vorherrschten.110 Zum einem das Kirchengesangbuch, wie z.B. das Zerbstische Gesangbuch (Zerbst 1707) das dem »Gebrauch der evangelisch-lutherischen Kirchen im Fürstenthum AnhaltZerbst« dienen sollte, zum anderen die Haus- oder Privatgesangbücher, wie z.B. Glaubens=schallende und Himmel=steigende Hertzens=Music (Leipzig 1719). Der Mischtypus des Haus- und Kirchengesangbuch liegt beispielsweise mit der Vollständige Kirchen= und Haus=Music (Breslau 1644) vor. Für die private Andacht wurden häufig auch Gebet- und Gesangbücher kombiniert, so hängte Gottfried Arnold an den Neuen Kern wahrer Geistes=Gebete (Frankfurt 1704) den Kern recht=geistlicher lieblicher Lieder an. Im 18. Jahrhundert erschienen zunehmend Territorialgesangbücher, die Ausdruck der Souveränität von Städten und Ländern waren, wie z.B. das Schrifftmaeßige Gesang=Buch (Nordhausen 1737) der freien –––––––––– 106 12 % sind nicht chronologisch einzuordnen, hier fehlt die Angabe des Erscheinungsjahrs. 107 Die Gesangbücher werden im folgenden nach den von Christoph Schütz angegebenen Ausgaben in Anführungsstrichen zitiert. 108 Auf eine genaue Einordnung der Liedsammlungen in die Gesangbücher, ihre Abhängigkeiten von einander und die Angabe weiterführender Literatur wurde in der vorliegenden Druckfassung aus Platzgründen verzichtet. 109 Dabei ist zu beachten, daß die Angaben in den Titeln den Erscheinungsorten vorzuziehen sind, da in vielen Verlagsorten wie z.B. Frankfurt a.M. oder Leipzig Gesangbücher für andere Orte verlegt wurden. 110 Zur Definition der verschiedenen Gesangbuchtypen vgl. Kapitel 2.2.

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Beispiel eines Universalgesangbuchs

Reichsstadt Nordhausen oder das Neu vollstaendige Gesang=Buch (Frankfurt), das in den Hoch= Wild= und Rhein=Graefl. Landen benutzt werden sollte. Der größte Teil der verzeichneten Gesangbücher besteht aus pietistischen oder im Pietismus verbreiteten Liederbüchern. Neben den verschiedenen Ausgaben des Geist=reichen Gesang=Buchs von Johann Anastasius Freylinghausen sind auch die pietistischen Vorgänger dieses Gesangbuchs wie der A & O Andächtig Singender Christen=Mund (Wesel 1692) oder das Neu= verfertigte Darmstädtische Gesang=Buch (Darmstadt 1699) enthalten. Daneben hat Schütz die pietistische Dichtung und Gesangbuchprojekte aus der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts dokumentiert wie z.B. Einige Geistreiche Lieder (Cöthen 1734) oder das Gesangbuchprojekt Johann Jakob Rambachs. Dazu gehören auch die Bemühungen um die pietistischen Universalgesangbücher wie Lieder=Schatzes Erster Teil von Ambrosius Wirth (Nürnberg 1700), der Evangelische Lieder=Schatz von Johann Jakob Moser und Johann Christoph Bilhuber (Tübingen 1730–1734). Über diesen Bestand an kirchlich-pietistischen Gesangbüchern hinaus hat Schütz die Gesangbücher radikalpietistischer und separatistischer Gruppen aufgenommen: die philadelphische Liedersammlung Anmuthiger Blumen=Krantz ([Schaffhausen] 1712), das Gesangbuch der Inspirierten Davidisches Psalter=Spiel (Schaffhausen 1729, Homburg 1740) und der Zionistische Weyrauchs=Hügel (Germantown 1739), aber auch das Liedschaffen der Herrnhuter Brüdergemeine ist mit Gesangbuch Der Herrnhut: und anderer Brüder=Gemeinen (Herrnhut 1741) belegt. Auch die Gruppe der frühaufklärerischen Gesangbücher ist durch Aufnahme des umstrittenen Schrifftmäßigen Nordhäuser Gesangbuchs (Nordhausen 1737) oder der Theologia in Hymnis von Johann Jakob Gottschald (Leipzig 1737) vertreten. Unter den reformierten Gesangbücher sind verschiedene Kirchengesangbücher verzeichnet, die neben dem Lobwasser-Psalter auch weitere Psalmlieder und Kirchenlieder anderer Autoren enthalten, wie z.B. Psalmen Davids (Basel 1634) oder das Nassau-Dillenburgische Kirchen-Gesangbuch (Herborn 1708). Darüber hinaus ist mit Joachim Neanders Glaubens- und Liebes-Ubungen [sic] (Sol[ingen], o.J.) auch das pietistisch geprägte reformierte Hausgesangbuch vertreten. In einer eigenen Abteilung werden die fünf katholischen Gesangbücher aufgeführt. Die Auswahl ist zufällig; neben einem Würzburger und zwei Mainzern Gesangbüchern verzeichnet er die Sammlung von Perikopenliedern, die Erzbischof Johann Philipp von Schönborn unter dem Titel Catholischen Sonn- und Feyertägliche Evangelia (Mainz 1656) vorlegte und das Kirchen= und Haus=Gesangbuch (Köln 1741), in dem Heinrich Lindenborn 206 neue deutsche Lieder veröffentlichte.

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2.2 Poetische und Liederbücher gewisser Autoren Die folgende Rubrik ist mit der Bezeichnung Poetische und Lieder=Bücher gewisser Autoren überschrieben. Darunter werden 155 gedruckte Gedichtund Liedersammlungen aufgelistet, die meistens einem Verfasser zugeordnet werden.111 Diese Aufzählung wird durch weitere zehn von Dichterinnen verfaßte Titel ergänzt. Inwieweit diese Werke beispielhaft für die geistliche Dichtung des 17. und 18. Jahrhundert sind, soll im folgenden anhand ausgewählter Liedsammlungen gezeigt werden. Die geistliche Barocklyrik und Andachtsliteratur des 17. Jahrhunderts hat Schütz durch eine Reihe von Werken dokumentiert. Allerdings gehören diese Titel zu der Gruppe von Büchern, die Schütz bis zum Erscheinen des fünften Bandes noch nicht ausgewertet hatte. So sind von diesen Autoren nur diejenigen im Geistlichen Würtz= Kräuter= und Blumen=Garten vertreten, deren Dichtungen in von Schütz ausgewertete Gesangbücher Eingang gefunden haben. Dazu gehören u.a. Johann Rist, von dem Schütz eine Werkausgabe in zehn Bänden aufführt und vor allem Angelus Silesius. Seine anhaltende Rezeption in den pietistischen Gesangbüchern lag vor allem darin, daß er den Ton des im Pietismus so beliebten Seelenliedes traf.112 Neben der Heiligen Seelen=Lust oder Geistlichen Hirten=Lieder (Berlin 1702) nennt Schütz den Cherubinische[n] Wandersmann, der ihm in der von Gottfried Arnold herausgegebenen Ausgabe (Frankfurt 1713) vorgelegen hat. Die Dichtungen von Angelus Silesius waren für Ernst Christoph Homburg vorbildhaft, an sie knüpfte er in seinen Geistlichen Liedern (Jena 1659) an. Christian Knorr von Rosenroth, der sich zeitlebens mit der jüdischen Mystik beschäftigt hatte, gab mit dem Neue[n] Helicon mit seinen Neun Musen (Nürnberg 1684) ein Privatgesangbuch heraus. Seine Lieder wurden in zahlreiche pietistische und radikalpietistische Gesangbücher rezipiert. Wesentlich geringere Beachtung haben die geistlichen Oden des Christian Hoffmann von Hoffmannswaldau gefunden. Vermutlich hat Schütz eine Ausgabe der Deutschen Vbersetzungen und Getichte aus dem 18. Jahrhundert vorgelegen.113 Dagegen haben die Dichtungen der Catharina Regina von Greiffenberg keine Aufnahme in die Gesangbücher gefunden. Dennoch verzeichnet Schütz ihre Geistl[ichen] Soneten, Liedern und Gedichten (Nürnberg, 1662). Ebenso ist Christian Gryphius mit den PoetischenWäldern (1698) –––––––––– 111 Ausnahmen sind die anonym veröffentlichten Sammlungen, z.B. Die ihren Gott liebende Seele (Regensburg), das Gedanken-Spiel derer Säuglinge der Weisheit (1713) oder die Geistlichen Gedichte über die Evangelien und Epistel (Regensburg). 112 Johann Anastasius Freylinghausen nahm in die ersten Auflagen seines zweiteiligen Geist=reichen Gesang=Buchs knapp 50 Lieder von Silesius auf. 113 Das Werk erschien 1730 in der zwölften Auflage.

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Beispiel eines Universalgesangbuchs

vertreten. Auf katholischer Seite gehören u.a. Friedrich Spee (Trvtz Nachtigal, Oder Geistlich-Poetisch Lust-Wäldlein (1649)) und Laurentius von Schnüffis (Mirantische Flöthlein Oder Geistliche Schäfferey (Frankfurt, o.J.)) zur geistlichen Barocklyrik. Von den bisher erwähnten Dichtern, die mit ihren Liedern auch ein poetisch-künstlerisches Anliegen verfolgten, unterscheidet sich Johann Christoph Arnschwanger insofern, als er seine Gesänge bewußt in einer schlichten Sprache verfaßte und ihre erbauliche Funktion hervorhob. Dem entsprechend waren auch die Neuen geistlichen Lieder (Nürnberg 1659) für die Andacht breiter Bevölkerungsschichten gedacht. Ebenso betonte David Schweinitz den erbaulichen Charakter seiner Dichtungen, die 1694 unter dem Titel Penta Decas Fidium Cordialium prima: Das ist Geistliche Hertzens=Harffe von fünffmahlzehen Seiten erschienen. Paul Gerhardt selbst hat keine Ausgabe seiner Gedichte veranstaltet, sondern überließ sie Johann Crüger zur Publikation in der Praxis Pietatis Melica.114 Auf der Grundlage der von Johann Georg Ebeling besorgten Gesamtausgabe erschienen verschiedene Separatausgaben, darunter auch die von Friedrich Christian Feustking herausgegebenen P. Gerhard geistliche Hauß= und Kirchenlieder (Wittenberg 1723). Die Lieder Gerhardts waren nicht nur in den Kreisen der lutherischen Orthodoxie, sondern auch in pietistischen Konventikeln stark verbreitet. In den Kontext des Barockspiritualismus ist der sogenannte Kühl-Psalter (Amsterdam 1684) einzuordnen, den Quirin Kuhlmann als Fortsetzung des biblischen Psalter Davids verstand. Es ist problematisch dieses Werk als Gesangbuch zu bezeichnen, da die enthaltenen Verse nur zum Teil singbar sind. Von den Veröffentlichungen pietistischer Dichter führt Schütz die Liedersammlung Frühlingsblumen aus geistlicher Erde (1712) von Johann Christoph Rube und die Geistlichen Erquick=Stunden (o.O. 1706) von Michael Müller, die Geistlichen Poesien (Gießen ²1735) von Johann Jakob Rambach oder die Hilaria Sacra von Johann Ernst Wenigk auf. Aus dem Bereich der reformierten pietistischen Liederdichtung werden Joachim Neanders A & O Glaubens- und LiebesUbungen (Bremen 1740) und Friedrich Adolf Lampes XXX. Geistlichen Lieder (Bremen 1731) genannt. Ohne den Namen des Verfassers gibt Schütz das Geistliche Blumen=Gärtlein Inniger Seelen (³1738) an. Es ist unklar, warum er den Namen des Separatisten Gerhard Tersteegens verschweigt, dessen Lieder und Gesangbücher er kannte. –––––––––– 114 Die Praxis Pietatis Melica die unter den Kirchen- und Hausgesangbücher aufgeführt wird, lag Schütz in der Frankfurter Ausgabe von 1697 vor.

Zur Einordnung der Quellensammlung

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Einen wichtigen Einfluß auf Christoph Schütz haben die radikalpietistischen Schriften Gottfried Arnolds ausgeübt, was sich auch in der Berücksichtigung mehrerer seiner Werke zeigt: die Göttlichen Liebes=Funcken (o.O, o.J.), das Geheimnis Der Göttlichen Sophia (Leipzig, o.J.). an die er eine Sammlung von eigenen Gedichten sowie Bearbeitungen unter dem Titel Poetische Lob= und Liebes=Sprüche anhängte, der Weisheit Garten=Gewächs (o.O. o.J.) und Jesus und die Seele (Leipzig 1724). Die Schriften des Leiters der wahren Inspirationsgemeinde Eberhard Ludwig Gruber führt Schütz nicht im einzelnen auf, sondern nennt sie nur summarisch. Gruber hatte seine Jesus-Lieder in drei Sammlungen veröffentlicht, die zwischen 1720 und 1723 erschienen sind. Weitere Liedsammlungen radikalpietistischer Verfasser sind u.a. die XXX Stimmen aus Zion (o.O. 1721) von Johann Wilhelm Petersen, Jacobs Kampf und Ritter=Platz (Philadelphia 1736) und Schütz’ eigenes Gesangbuch, das Geistliche Harffen=Spiel ([Gießen] 1730). In der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts erfreuten sich innerhalb der lutherischen Orthodoxie die Dichtungen Benjamin Schmolcks einer großen Beliebtheit. Schmolck veröffentlichte über 924 Kasuallieder in 27 Sammlungen, die immer wieder aufgelegt wurden. Schütz nennt nicht nur die Titel von achtzehn Einzelveröffentlichungen, sondern verweist zusätzlich auf die 1738 in Tübingen erschienen Werkausgabe in 22 Bänden. In der Tradition Schmolcks steht Christoph Pfeiffer, dessen Betender Christen Evangelischer Sabbath (Breslau, 1719) sowie Der Tochter Zions Geistliche Feyer-Kleider (Breslau, 1732) verzeichnet sind. Bereits zur Dichtung der Aufklärung gehört das Irdische Vergnügen in Gott, mit dem Barthold Hinrich Brockes »gleichsam das Programm der moralisch-erbaulichen Lehrdichtung«115 gegeben hat.116 Die Werke seines Schüler Daniel Wilhelm Triller führt Schütz nur zusammenfassend unter »Schrifften 5. Theil.« auf, daher ist nicht sicher, welche Einzelveröffentlichungen Schütz vorgelegen haben. Dagegen nennt er den Titel einer Sammlung, die Triller mit einem Vorwort versehen und herausgegeben hatte: Versuch einiger Geistlicher und Moralischen Gedichte, von Magdalena Sybilla Rieger (Frankfurt 1743). Mit zehn Titeln von Übersetzungen und Bearbeitungen der Psalmen bezieht Schütz eine Gattung ein, die eine wichtige Rolle in der lutherischen und reformierten Orthodoxie spielte, aber für den Pietismus eher untypisch –––––––––– 115 Greiner: Deutsche Literatur der Aufklärung, 717. 116 Schütz gibt in seinem Verzeichnis »B.H. Brockes Poetische Wercke. 8. Theile. Hamb.« an. Damit bezieht er sich auf die ersten acht Bände der von 1727–1743 in Hamburg erschienenen neunbändigen Ausgabe des Irdischen Vergnügen in Gott, bestehend in Physikalisch- Moralischen Gedichten. Da die Titelformulierungen der einzelnen Bände erheblich differieren, hat Schütz das Werk unter »Poetische Wercke« angesetzt.

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Beispiel eines Universalgesangbuchs

ist.117 Nachdem der Lobwasser-Psalter (Berlin 1658) offiziell als Gesangbuch in reformierten Territorien eingeführt worden war, wurde sein Gebrauch zunehmend Teil der konfessionellen Auseinandersetzungen. Als lutherische Antwort verfaßte der Leipziger Theologe Cornelius Becker 1602 seinen Psalter Davids und grenzte sich damit sowohl theologisch als auch musikalisch von seinem Vorbild ab. Die Psalmen Davids (Basel 1640), die der Calvinist Martin Opitz zum ersten Mal 1637 veröffentlichte, können als Beispiel für seine poetologischen Regeln gelten. Mit der Neüen Ubersetzung der Psalmen Davids (Basel 1741) legte Johann Jakob Spreng eine aktualisierte Psalmenübertragung vor, die den Lobwasser-Psalter aber nur in wenigen Territorien ablöste. Neben den Psalmen wurden auch Erbauungsbücher als Textvorlagen für Liederdichtungen genutzt. Schütz führt in seiner Liste zwei Beispiele auf. In Des frommen Thomae a Kempis goldnes Büchlein von der Nachfolge Jesu Christi (Leipzig 1727) von Johann Hübner 114 Lieder und Johann Arnds Paradiesgärtlein geistlicher Gebeter in Liedern (Nürnberg o.J.) des württembergischen Pietisten Philipp Friedrich Hiller. Die Liste der Poetischen und Lieder=Bücher gewisser Autoren belegt, daß Schütz die Dichtung von der Barockzeit bis zur frühen Aufklärung in ausgewählten Beispielen berücksichtigen wollte. Daneben sind Liedsammlungen aus allen Konfessionen sowie der radikalpietistischen und spiritualistischen Gruppen belegt. Gemessen an der von Schütz formulierten Definition des Universal-Gesangbuchs als einer Sammlung aller Lieder aus allen Kirchen und Zeiten dokumentiert die Titelliste die wichtigsten im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation im 17. und frühen 18. Jahrhundert bestehenden Konfessionen und religiösen Strömungen. Der Schwerpunkt liegt aber auf dem protestantisch-pietistischen Liedschaffen. Aus dem katholischen Bereich werden nur die Autoren genannt, die auch sonst in protestantischen Kreisen rezipiert wurden.

3. Die Anlage und Register des Geistlichen Würtz= Kräuter= und Blumen=Gartens Der Geistliche Würtz= Kräuter= und Blumen=Garten besteht aus fünf Teilen, die jeweils ca. 1000 Lieder in der alphabetischen Reihenfolge der Initien enthalten. Durch ein Register nach Rubriken, das sich jeweils am En-

–––––––––– 117 Vgl. Kapitel 3.4.1.

Die Anlage und Register

117

de eines Bandes befindet, werden die Gesänge sachlich erschlossen. Darüber hinaus werden im zweiten Teil des Geistlichen Würtz= Kräuter= und Blumen=Gartens Lieder zu den Perikopen der einzelnen Sonntage aufgeführt. Die alphabetische Anlage ist für ein Gesangbuch eher ungewöhnlich, üblicherweise werden die Lieder nach Rubriken angeordnet und zusätzlich durch ein Register alphabetisch erschlossen. Dabei geht man davon aus, daß der Leser im Normalfall einen Gesang für eine bestimmte Situation sucht. Wenn er dagegen ein bestimmtes Lied nachschlagen will, kann er den Titel im alphabetischen Register suchen und wird auf die Seitenzahl oder Liednummer verwiesen. Daher ist zu fragen, warum sich Schütz für die alphabetische Anordnung, die er in seinen Vorreden auch nicht begründet, entschlossen hat und ob er sich dabei an anderen Gesangbüchern orientiert haben könnte.118 Der Vorteil der alphabetischen Anlage liegt – vor allem bei einer großen Anzahl von einzelnen Dokumenten – darin, daß die Liedtexte schneller und leichter in eine formale als in eine sachliche Ordnung zu bringen sind. Im Falle heterodoxer Literatur könnte die alphabetische Sortierung zudem den Vorteil haben, daß die vertretenen theologischen Ideen nicht direkt durch die Rubrikenbezeichnungen ablesbar wären. Beide Argumente können für die Anlage des Geistlichen Würtz= Kräuter= und Blumen=Gartens nicht herangezogen werden, da Schütz für jeden Band ein Rubrikenregister vorgelegt hat. Anhand dieser Aufstellung, die auch Rückschlüsse auf die hier vertretenen Lehren zuläßt, hätten die Lieder problemlos sachlich sortiert werden können. Neben dem Geistlichen Würtz= Kräuter= und Blumen=Garten gibt es noch eine Reihe anderer Gesangbücher, die alphabetisch angelegt sind. Ein Beispiel ist der erste Teil des Liederschatzes, der bereits vorgestellt wurde.119 Ambrosius Wirth begründet in der Vorrede die alphabetische Anlage seines Gesangbuchs folgendermaßen: »damit man ein Lied/ das einem nach dem Anfange und Inhalt schon bekannt wäre/ gleich könte aufschlagen«.120 Im Evangelischen Lieder=Schatz, Oder Glossirten grossen Würtembergischen Gesangbuch sollte sich die Anordnung der Lieder nach dem Sänger und der Situation, in der gesungen wird, richten. Dazu definierten Johann Jakob Moser und Johann Christoph Bilhuber vier unterschiedliche Klassen.121 Da die Leser diese Einteilung für zu allgemein hielten und sie daher –––––––––– 118 Die alphabetische Anordnung der Lieder findet sich bei Schütz erstmals im Geistlichen Würtz= Kräuter= und Blumen=Garten. In seinem ersten Gesangbuch hatte Schütz die Lieder in 16 Rubriken aufgeführt. Vgl. Schütz: Geistliches Harpfen=Spiel, 1725. 119 Vgl. Kapitel 2.2.2. 120 Wirth: [Vorrede], 1700, )( 2 r–[)( )( 4] r. 121 Vgl. Kapitel 2.2.2.

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Beispiel eines Universalgesangbuchs

meinten, bei der Suche eines Liedes für einen bestimmten Anlaß in jedem Fall auf das Sachregister zurückgreifen zu müssen, führten die Herausgeber die alphabetische Sortierung ein. Auch im Anmuthige Blumen=Krantz werden die Lieder alphabetisch nach dem Titel aufgeführt. Auf dieses ungewöhnliche Verfahren geht der Vorredner im Vorwort ein. »Ja/ man kan nicht in Abrede seyn/ daß hier eine mehrere Freyheit gebraucht worden/ als man etwan bißhero bey dergleichen Gesang=Büchern mögte gewohnt seyn/ und der Regul nicht so genau nachkommen/ die gern haben will/ daß man es bey dem alten lassen soll. Dann da hat man zum Exempel die gemeine Ordnung der Lieder nicht/ wie sonst bräuchlich/ gehalten noch halten können/ weil die Gesänge durchgehens nach dem Alphabet/ und die Anfangs=Wörter der Lieder allenthalben oben über/ zu setzen beliebet worden.«122

Wieder wird eine sachliche Erschließung durch ein Rubrikenregister angeboten. »Doch sind diese zu End in ein besonder und bequemen Register gebracht/ da sie nicht so viel Platz einnehmen/ als worauff allenthalben am meisten gesehen worden.«123 Die alphabetische Anlage wird hier deshalb vorgezogen, weil sie weniger Platz benötigt und deshalb die Druckkosten senkt. Johann Friedrich von Fleischbein legte mit seinem Poetischen Versuch eine Übersetzung einiger Lieder aus den Cantiques spirituels der Madame Guyon ins Deutsche vor.124 In der Vorrede zum ersten Teil erwähnt er die alphabetische Anlage seiner Sammlung, begründet sie aber nicht. Im zweiten Teil wechselt er zu einer sachlichen Sortierung nach Rubriken und führt dann in den letzten beiden Bänden die Lieder wieder alphabetisch auf. Diese Beispiele zeigen, daß die alphabetische Anlage des Geistlichen Würtz= Kräuter= und Blumen=Gartens nicht einmalig ist, sondern in mehreren pietistischen bzw. radikalpietistischen Liederbüchern zu finden ist. Allerdings wird diese Sortierung aus unterschiedlichen Gründen gewählt. Das Argument, der Leser könne ein ihm bekanntes Lied schneller finden, trifft auf den Geistlichen Würtz= Kräuter= und Blumen=Garten nur bedingt zu, da in den fünf Bänden fünf eigene Alphabete vorliegen. Demnach müßte der Leser, der nicht weiß, in welchem Band sein Lied zu finden ist, erst im alphabetischen Gesamtregister nachschlagen. Somit bleibt die Frage offen, warum Schütz die Lieder alphabetisch anordnete.

–––––––––– 122 Vorrede [zum Anmuthiger Blumen=Krantz], )(3r. 123 Ebd. 124 Guyon: Poetischer Versuch, 1–4. Auf dieses Gesangbuch machte Herr Dr. Christoph Wingertszahn die Autorin aufmerksam.

Die Anlage und Register

119

Register In den fünf Bänden des Geistlichen Würtz= Kräuter= und Blumen=Gartens werden zwei unterschiedliche Rubrikenregister benutzt. Das erste ist ein Rubrikenverzeichnis, das Schütz selbst zusammengestellt hatte und das mit geringen Abweichungen im ersten, zweiten, dritten und fünften Band aufgenommen wurde. Für den vierten Band, in dem er die Lieder aus dem Geist=reichen Gesang=Buch von Freylinghausen aufführte, folgte er konsequenterweise auch der Anordnung und den Rubrikenbenennungen der Vorlage. Allerdings blieb er auch hier bei der alphabetischen Anlage und übernahm die Aufführung der Lieder nach Rubriken nicht. Der Abfolge der Rubriken liegt im 18. Jahrhundert nach Röbbelen häufig ein »systematischer Gestaltungswille« zugrunde.125 Daraus folgert sie, daß bereits am Gesangbuchaufbau ein theologisches Programm oder System ablesbar sein kann. Das von Schütz entworfene Rubrikenverzeichnis kann in zwei Abschnitte untergliedert werden: im ersten stehen die Lieder über Gott, diesem Teil werden auch die Lieder zu den Festen des Kirchenjahrs zugeordnet,126 im zweiten finden sich die Gesänge über den Menschen. Mit dieser Aufteilung folgte Schütz anderen zeitgenössischen Gesangbüchern, so z.B. dem Vermehrten Görtlitzeschen Gesangbuch (1729) oder dem Hessen=Homburgischen Neu=Vollständigen Gesang=Buch (1734). Auch im zweiten Teil orientierte er sich mit der Anordnung der Rubriken an pietistischen Gesangbüchern. So werden auch hier die folgenden Themen behandelt: der Weg des Individuums von der Erweckung bis zur Heiligung des Menschen (Rubrik 3–10), die Beschreibung der Geistkirche und Abgrenzung zur Mauerkirche sowie die chiliastische Naherwartung (Rubriken 11, 13–14). Die Zusammenstellung der Kasuallieder (Rubriken 15–23) ist keine typisch pietistische Einteilung, sondern ein traditioneller Bestandteil in Gesangbüchern. Darüber hinaus führte Schütz mit den Liedern über die biblischen Schriften und die Psalmen (Rubrik 12) eine Rubrikenbezeichnung ein, die an die reformierten Gesangbücher erinnert und ordnet sie dem Teil der Geistkirche zu.127 Die Entwicklung des neuen Menschen wird in den Rubriken von der Erweckung über den Bußkampf bis zur Übergabe an Gott nachgezeichnet. Besonderen Raum nimmt dabei der Bußkampf ein, der nicht nur Gesänge über Bet= Buß= und Trost=Lieder umfaßt, sondern auch die Lieder Von –––––––––– 125 Röbbelen: Theologie und Frömmigkeit, 46. Dieses Phänomen wurde bereits im Kapitel 2.2.3. erwähnt. 126 In den ersten zwei Bänden sowie im fünften Band sind nur die hohen Kirchenfeste bis Pfingsten verzeichnet. Diese Liste wird im dritten Band erweitert, indem jedem Sonntag und Feiertag mindestens ein Lied zugeordnet wird. 127 Im fünften Band steht diese Rubrik an elfter Stelle und grenzt damit die Teile über den Weg zur Heiligung und über die Geistkirche ab.

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Beispiel eines Universalgesangbuchs

der Verschmähung der Welt/ Verläugnung sein selbst und Nachfolge JEsu Christi, Von der Begierde und dem Verlangen/ oder geistlichen Hunger und Durst nach GOtt und Christo, Von dem Geheimniß des Creutzes und dem geistlichen Kampff und Sie, bevor er mit der Rubrik Von der Reinigung/ Erleuchtung und Heiligung schließt. Das Verhältnis des neuen Menschen zu Gott beschreiben die JEsus= und Weisheits=Lieder sowie die Himmlischen Liebes=Lieder. Der Begriff der Wiedergeburt, der im Pietismus üblicherweise für die Übergabe an Gott benutzt wird, fehlt hier; dennoch bilden die Rubriken den typischen Verlauf eines langen Bußkampfes und der Wiedergeburt ab.128 Auf die Lieder, die die Erneuerung des Individuums thematisieren, folgen die Rubriken mit den Gesängen zur Reform der Kirche und der Hoffnung auf bessere Zeiten. Unter der Bezeichnung Vom wahren und falschen Christenthum stehen sowohl Lieder, die den Unterschied zwischen pietistischen und unbußfertigen Verhaltensweisen verdeutlichen, als auch separatistische Gesänge, die die Kirche, Sakramente und Pfarrer kritisieren. In dieser Rubrik, aber auch unter Von der Klage und Hoffnung Zions und Vom Himmlischen Jerusalem und der Hochzeit des Lammes sind die Lieder mit radikalpietistischen Ansichten und Lehren zu erwarten. Der letzte Teil umfaßt die Kasuallieder. Für die ersten drei Bände werden allgemeine Lob- und Danklieder, Gesänge zum Morgen, Abend und zum Essen sowie Lieder vom Tod, Sterben und ewigen Leben aufgeführt, der fünfte Band enthält darüber hinaus Gesänge zu speziellen Anlässen wie Geburtstagen, Hochzeiten und Begräbnissen. Insgesamt fällt auf, daß in vielen Rubriken mehrere Aspekte zusammengefaßt werden, die in anderen Gesangbüchern einzeln aufgeführt werden, z.B. wird die fünfte Rubrik Von der Verschmähung der Welt/ Verläugnung sein selbst und Nachfolge JEsu Christi im Homburger Gesangbuch auf zwei Rubriken, die 27. Von der Verläugnung sein selbst und der Welt und die 39. Von der Nachfolge Christi aufgeteilt. Dadurch ist auch die relativ geringe Anzahl von 19 Rubriken zu erklären.129 Auf den radikalpietistischen Charakter des Gesangbuchs weist das Fehlen der Katechismuslieder (zu Taufe, –––––––––– 128 Dies ist deshalb bemerkenswert, weil Schütz in seiner 1730 veröffentlichten Autobiographie ein anderes Modell der Heiligung vorstellt. Seine Entwicklung läuft in drei Stufen ab: die väterliche Fürsorge durch Gott Vater, die in der Erweckung mündet, der Bußkampf, den er als Erziehungsprozeß durch die heilige Sophia schildert und – nach der Übergabe an Gott – das Freundschafts- oder Liebesverhältnis zu Gott. Die fehlende Zuordnung der Rubriken zu Gott Vater, der Heiligen Sophia und Jesus, aber auch die Zusammenfassung der Jesus- und WeisheitsLieder belegen, daß Schütz im Geistlichen Würtz= Kräuter= und Blumen=Garten nicht auf sein Entwicklungsmodell zurückgreift. Vgl. auch Kapitel 4.2.1. 129 Im ersten Band werden 19, im zweiten Band 18, im dritten Band 16 und im fünften 19 Rubriken aufgeführt.

Die Anlage und Register

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Abendmahl, Beichte und Absolution) und Standeslieder (für den Lehr- und Predigtstand) hin. Die Rubrikenbezeichnungen und ihre Abfolge weichen im zweiten, dritten und fünften Band nur gering von denen im ersten Band ab.130 Die zehnte Gruppe der Himmlischen Liebes=Lieder wird im zweiten Band durch die Lieder Von der Liebe Gottes und Christi, ergänzt, im dritten Band mit der Rubrik der Jesus=Lieder zusammengefaßt und entfällt im fünften Band. Die Abteilung mit den Gesängen Vom wahren und falschen Christenthum wird im zweiten Band durch den Hinweis nebst christlichen Lehrgesängen ergänzt. Wenn schon dieser Zusatz die Vermittlung christlicher Werte betont, wird dies nochmals durch die Ergänzung wie auch derer Christen Pflichten/ Tugenden Übungen und Gottesdienste im fünften Band gesteigert. Hieran zeigt sich, daß Schütz bei der Benennung seiner Rubriken durchaus die Zusätze seiner Quellengesangbücher aufgegriffen und dementsprechende Änderungen vorgenommen hat. Dies ist ebenfalls bei der neunzehnten Rubrik Verlangen nach dem ewigen Leben zu beobachten, die im zweiten Band in Vom Tod und Sterben/ Jüngsten Gericht und ewigen Leben umbenannt wird. Beide Varianten führt er im dritten Band in der Bezeichnung Vom Tod und Sterben wie auch der Begierde und dem Verlangen nach dem ewigen Leben zusammen. Im fünften Band, der vor allem Begräbnislieder enthält, nennt er die Rubrik Leichen=Lieder. Die auffälligsten Veränderungen betreffen die vierzehnte Rubrik Vom Himmlischen Jerusalem und der Hochzeit des Lammes, die in den folgenden Bänden ersatzlos gestrichen wird, sowie die Rubriken zu den Kasualien wie Geburtstag, Hochzeit und Begräbnis, die im fünften Band zusätzlich eingeführt werden. Diese Änderungen belegen, daß Schütz sich den traditionellen Rubrikenbezeichnungen angeschlossen und dadurch radikalpietistische und pietistische Benennungen relativiert und ergänzt hat. Mit den Formulierungen schloß sich Schütz an andere pietistische Gesangbücher an, nur die Himmlischen Liebes=Lieder, die Hochzeit des Lammes und Psalmen= und Schrifft=Lieder sind ungewöhnlich. Inhaltlich entspricht die Rubrik Himmlische Liebes=Lieder der pietistischen Von der Liebe zu Jesu, wie auch die Ergänzung im zweiten Band belegt. Die Hochzeit des Lammes kann in den Kontext des radikalpietistischen Chiliasmus gestellt werden. In der Naherwartung des Anbruchs des 1000jährigen Reiches sollten die wahren Kinder Gottes aus Babel (d.h. den Konfessionskirchen) ausziehen und sich in der Brautgemeinde des Lammes sammeln.131 Sowohl die Formulierung der Rubrikenbezeichnung als auch die Ankündigung in der Vorrede zum zweiten Band, das verdorbene Christenthum, den –––––––––– 130 Vgl. dazu die Übersicht der Rubrikenbezeichnungen im Anhang. 131 Schneider: Pietismus im 17. Jahrhundert, 405.

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Beispiel eines Universalgesangbuchs

Mißbrauch derer äusserlichen [...] Heilsmittel, die Lehre vom 1000jährigen Reich und der Wiederbringung aller Dinge in Liedern zu vermitteln, belegen, daß Schütz an dieser Stelle an die radikalpietistischen Vorstellungen angeknüpft hat.132 Nicht in die pietistische und radikalpietistische Tradition kann die Rubrik der Psalmen und Schrifft=Lieder eingeordnet werden. Auch in lutherisch orthodoxen Gesangbüchern finden sich keine vergleichbaren Rubriken. Ebenso bleiben diese Texte in den Konzeptionen zu den utilitarischen Universalgesangbüchern unberücksichtigt. Johann Jacob Gottschald führt in der Theologia in Hymnis nur Lieder zu den Perikopen, d.h. zu den neutestamentlichen Lesungstexten für die einzelnen Sonntage des Kirchenjahrs auf.133 Zwar nimmt Peter Busch in seiner Evangelischen Lieder=Theologie einzelne Lieder zu diesen Lesungen auf, begründet aber in der Vorrede seine Entscheidung, sie nicht vollständig dokumentiert zu haben, damit, daß darüber gepredigt werde.134 Schütz dürfte durch die reformierten Gesangbücher, die im Hauptteil aus den Psalmlieder von Ambrosisus Lobwasser zum gesamten Psalter bestanden, angeregt worden sein.135 Damit belegt diese Rubrik wiederum die überkonfessionelle Konzeption seines Universalgesangbuches. Das Rubrikenregister zum vierten Band hat Schütz dem Geist=reichen Gesang=Buch von Johann Anastasius Freylinghausen entnommen. Wie Koski nachweisen konnte, orientierte sich Freylinghausen in der Formulierung und Abfolge der Rubriken an seinem dogmatischen Werk Grundlegung der Theologie, das 1703 in Halle erschienen war.136 Die traditionellen Rubrikenbezeichnungen bearbeitete Freylinghausen insofern, als er sie durch dogmatische Begriffe ergänzte. Darüber hinaus fügte er pietistische Bezeichnungen wie Von JEsu und dessen mannigfaltigen Namen und Aemtern oder Von der Zukunfft CHristi zum Gericht neu ein und ordnete die Rubriken nach seiner pietistischen Dogmatik an. Dies wird insbesondere in der Anlage des zweiten Teils, der die Oeconomie unserer Seeligkeit wiedergibt, deutlich.

–––––––––– 132 Schütz: Vorrede, 1739, [)( 3] v. 133 Gottschald, Johann Jacob: Das erste Register oder Summarischer Entwurff von der Ordnung der Tituln, in: Gottschald (Hg.): Theologia in Hymnis, a3r–b2r. Hier wird nicht nur auf die Lieder zu einem Fest- oder Sonntag, sondern auch zu der entsprechenden Perikope hingewiesen: Weynachts=Lieder inclus. der Evangelien= und Epistel=Lieder dieses Fests oder Uber die Sonntags=Evangelien und Episteln. 134 Mentzer: Vorrede des Censoris, [)( 5]v. 135 Völker: Gesangbuch, 1984, 553. 136 Koski: Lied Mosis, 175–179.

Analyse des Liedkorpus

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4. Analyse des Liedkorpus 4.1 Grund und Fundament – die Lieder im ersten Band Im Vorwort schreibt Schütz über die Liedauswahl: »Was dann nun diesen Ersten Theil ins besondere betrifft, so hat man darein/ als zu einem Grund und Fundament des gantzen Wercks/ die Psalmen Davids/ benebst andern in heiliger Schrifft sich befindenen Liedern/ geleget/ und solchen dann noch eine Auswahl von alten und neuen kernhafften Liedern, welche meist auf das innere wahre Wesen des Christenthums dringen, beygefüget, biß die Tausend=Zahl voll war.«137

In diesem Zitat betont Schütz die herausragende Bedeutung der Psalmen Davids für sein Gesangbuch. Das ist für die Liederdichtung insbesondere des lutherischen Pietismus untypisch. Während der Psalter mit seinem Status als biblisches Buch für die orthodoxen Vertreter der lutherischen und reformierten Kirche im 17. Jahrhundert eine wichtige Vorlage war und auch noch die eher irenisch eingestellten Dichter des Barocks auf ihn zurückgriffen, wandten sich die Pietisten verstärkt dem Hohelied zu.138 Den Grund dafür sehen Inka Bach und Helmut Galle vor allem in dem Zusammenhang zwischen Psalmendichtungen und protestantischer Rechtfertigungslehre, in dem die Psalmenlektüre die Funktion einnahm, sich der Sündenvergebung zu vergewissern, wie sie von der Kirche verkündigt wurde. Dagegen vertraten die Pietisten die Ansicht, daß ein christliches Leben nur nach einem Bußkampf und der geistlichen Wiedergeburt möglich sei. Dementsprechend verloren die Psalmtexte im Pietismus ihre Bedeutung für die individuelle Frömmigkeitspraxis. Aber auch als Texte für die pietistische Andacht, die idealiter in einer unio mystica münden sollte, eigneten sich die Psalmen wenig, da sich in ihnen der Mensch meistens an einen fernen bzw. sich verbergenden Gott wendet. Wenn dennoch die Bezeichnung Psalm in pietistischen Gesangbüchern übernommen wurde, knüpfte man damit insbesondere an die Entstehungssituation der Psalmen an. Man glaubte, daß der Heilige Geist ebenso wie er David seine Psalmen eingegeben hatte, auch die pietistisch Erweckten inspiriere.139

–––––––––– 137 Schütz: Vorrede, 1738, [):( 4] r. 138 Bach/Galle: Deutsche Psalmdichtung, 226–229. 139 So ist auch der Titel des Gesangbuchs der Inspirationsgemeinde Davidisches Psalter=Spiel zu verstehen. Durnbaugh: Ephrata, Amana, Harmonie, 207. Auch Johann Wilhelm Petersen stellte sich mit seinen sogenannten Psalmen, die er in den 300 Stimmen aus Zion veröffentlichte, in die Tradition Davids.

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Beispiel eines Universalgesangbuchs

Ein Grund für die Aufnahme von Psalmübersetzungen in den Geistlichen Würtz= Kräuter= und Blumen=Garten könnte in ihrer Bedeutung für den reformierten Gemeindegesang gelegen haben. Die überkonfessionelle Ausrichtung seiner Liedersammlung erforderte es, auch die in der deutschsprachigen reformierten Kirche gebräuchliche Psalterübersetzung von Ambrosius Lobwasser zu berücksichtigen. Schütz plante zwar die Aufnahme der Lieddichtungen aus dem Lobwasser-Psalter, wie die Aufführung in der Quellensammlung belegt, hatte aber bis zum Erscheinen des fünften Bandes noch kein Psalmlied von Lobwasser abgedruckt. Die Auflistung weiterer Psalmdichtungen in der Quellensammlung zeigt, daß Schütz damit nicht in erster Linie die reformierte Singpraxis dokumentieren wollte, sondern daß es ihm auf den Text des biblischen Psalter ankam. Das eingangs aufgeführte Zitat weist darauf hin, daß Schütz den ersten Band als »Grund und Fundament« des Universalgesangbuchs verstanden wissen wollte.140 Dies kann so interpretiert werden, daß er die Psalmen sowie die Lobgesängen aus dem Alten und Neuen Testament als die Lieder des frühen Christentums verstand, die als Vorbild für alle späteren Liederdichtungen gedient haben. Unter dem Titel Psalter Davids (Stuttgart 1700) veröffentlichte der pietistische Dichter Michael Müller eine vollständige Psalterübersetzung, die im Unterschied zum Lobwasserpsalter nicht auf die Melodien des Genfer Psalters, sondern auf bekannte Melodien geistlicher Gesänge und Kirchenlieder gesungen werden sollte.141 Zwar fand ein Teil der Lieder durch die Aufnahme in das Geist=reiche Gesang=Buch weite Verbreitung im pietistischen Bereich, aber Schütz nahm nicht nur diese, sondern, gemäß seinem im Vorwort formulierten Programm, alle 150 Psalmlieder auf.142 Obwohl Schütz auch andere Psalterübersetzungen kannte und in seiner Quellensammlung aufgeführt hatte, beschränkte er sich auf die Lieder Müllers. Darüber hinaus nahm Schütz verschiedene Dichtungen von Johann Rist über biblische Gesänge aus den Himmlischen Liedern (Lüneburg 1644) sowie das Lied Meine Seele macht groß den Herrn auf, das Angelus Silesius über den Lobgesang der Maria dichtete.143 Philipp von Zesen veröffent–––––––––– 140 Obwohl Schütz es nicht explizit erwähnt, spielt er damit auch auf die Vorbildfunktion der ersten Christen an. Vor allem Gottfried Arnold stellte in seinen Schriften der zeitgenössischen Kirche das Ideal der urchristlichen Gemeinden gegenüber. Den Gemeindegesang behandelte er im 2. Kapitel des 2. Buches der Wahren Abbildung der ersten Christen, (Frankfurt a.M. 1696). Koski: Lied Mosis, 191. 141 Koch: Geschichte des Kirchenlieds, 4, 405–407. 142 Eine Ausnahme zu der sonst üblichen Praxis, in pietistischen Gesangbüchern nur einzelne Psalmlieder Müllers abzudrucken, liegt mit der Davidisch christlichen Herzenlust (1712) vor, in der alle 150 Psalmen aufgenommen wurden. 143 Von Johann Rist stammen die folgenden Lieddichtungen: Moses Lobgesang (2. Mose 15) Dem Herren will ich singen; Deboras Siegeslied (Ri 5) Ihr Völker kommt zu mir, Lobgesang der Hanna (1. Sam 2) Fröhlich ist mein Herz im Herrn; Jubellied des Volkes Gottes (Jes 26) Wir

Analyse des Liedkorpus

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lichte 1657 ein geistliches Singspiel, dem er den Stoff des Hohenlieds zugrunde legte.144 Den Text der biblischen Vorlage wandelte er in Dialoge um und bereimte ihn in 47 zum Teil mehrstrophigen Gesängen. Neben der geistlichen Salome und dem himmlischen Salomon treten noch weitere Personen oder Gruppen auf, so ein Chor der Salominen oder sämtlicher Jungfrauen, die Bürger von Jerusalem, der Stadtwächter, der oberste Kammerherr und ein Knabe. Über die musikalische Aufführung (d.h. Gesang und Begleitung durch ein Saiteninstrument) hinaus sollten die Sänger tanzen und pantomimisch agieren. Diese Hinweise zur Inszenierung fehlen bei Schütz; er beschränkte sich auf die Textwiedergabe und reduzierte somit die dramatische Vorlage auf eine liedhafte und in Dialogform gebrachte Bearbeitung des Hohenlieds. Statistische Auswertung Der nach dem Vorwort vermittelte Eindruck, der größte Teil der Lieder sei dem Bereich der Psalmübersetzungen und Dichtungen über biblische Texte zuzuordnen, bestätigt sich bei der statistischen Auswertung nicht – sie machen nur 16 Prozent des Liedbestandes des ersten Bandes aus.145 Allerdings ist Michael Müller mit seinen Psalmliedern der am häufigsten vertretene Dichter, je zehn Prozent der Lieder stammen von Angelus Silesius und Christoph Schütz, acht bzw. sechs Prozent machen die Gesänge von Gottfried Arnold und Gerhard Tersteegen aus. Angelus Silesius und Gottfried Arnold Mit den Dichtungen des Konvertiten Angelus Silesius wurden im gesamten Pietismus rezipierte Lieder aufgenommen.146 Aus der Heiligen Seelen=Lust, –––––––––– haben eine feste Stadt; Gesang der drei Männer im Feuerofen (Dan 3) Nach der großen Feuersnot, Triumphlied der Judit (Judit 16) Spielet auf und singt dem Herren; Lobgesang des Tobias (Tob 13) Herr du bist groß und stark; Lob der Väter (Sir 44) Ich will vor allen Dingen Gott selber; Marias Lobgesang (Lk 1, 46–55) Meine Seele macht groß den Herrn; Lobgesang des Zacharias (Lk, 1, 67–79) Ich will den Herren ewig loben. 144 Schütz benutzte die zweite Auflage, die 1674 in Bern erschienen war: Zesen, Philipp von: Salomons Des Ebreischen Königes/ Geistliche Wohl-lust oder Hohes Lied. 145 Einen Überblick über den Inhalt der aufgenommenen Lieder vermittelt – über die Anmerkungen des Vorwortes hinaus – das Rubrikenregister. Danach gehören etwa ein Drittel der Lieder zu einer der Rubriken, die den Weg des Individuums von der Erweckung bis zur Heiligung nachzeichnen, ein weiteres Drittel behandelt die himmlische Liebe zu Jesus und der Weisheit sowie die chiliastische Naherwartung. 16 Prozent sind Bereimungen biblischer Texte. Auf die Lieder des ersten Teils, die Gesänge über Gott und zu den Festen des Kirchenjahrs, entfallen 13 Prozent und die restlichen 11 Prozent auf die Kasuallieder. Damit werden drei Viertel der Lieder pietistischen Rubriken zugeordnet. 146 Die Lieder von Angelus Silesius wurden nicht erst durch die Pietisten entdeckt, sondern waren schon vorher in orthodoxen Gesangbüchern abgedruckt worden. So nahm der Rostocker Pfarrer Heinrich Müller in sein Gesangbuch von 1659 32 Gesänge auf, Martin Janus wählte für das Görlitzer Gesangbuch von 1663 21 Lieder aus, und im Nürnbergischen Gesangbuch von 1676

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Beispiel eines Universalgesangbuchs

in der Silesius 1657/1668 205 Gesänge veröffentlicht hatte, fanden 51 Aufnahme in die beiden Teile des Freylinghausenschen Geist=reichen Gesang=Buchs.147 Formal und inhaltlich knüpfte Silesius an die jesuitische Dichtung (Friedrich Spees Trvtz-Nachtigall) an und verwendete die Motive der geistlichen Bukolik sowie der Brautmystik. Hans-Georg Kemper weist darauf hin, daß unter der »Tarnkappe der Allegorie« häretisch-böhmistische Anschauungen wie die Androgynität oder die Selbstvergottung vermittelt werden.148 Dabei griff Silesius eine zwar dogmatisch abgesicherte Bildlichkeit auf, deren Wortlaut aber doppeldeutig ist und deshalb sowohl rechtgläubig als auch häretisch aufgefaßt werden konnte. Dies könnte, neben der Verbreitung im kirchlichen Pietismus, auch ein Grund für die Beliebtheit der Lieder im radikalen Pietismus sein.149 Auch die Lieder Gottfried Arnolds gehörten zum Repertoire pietistischer Gesangbücher. Bereits in der ersten Liedanthologie im Umkreis des Halleschen Pietismus, den Geistlichen Lieder und Lobgesängen (1695), sind drei Lieder von Arnold enthalten.150 Freylinghausen integrierte knapp 30 Lieddichtungen in den ersten Teil seines Gesangbuch und wurde dafür von der lutherischen Orthodoxie angegriffen.151 In weit stärkeren Umfang (mit über 100 Gesängen) berücksichtigte der Herausgeber des radikalpietistischen Anmuthigen Blumen=Krantzes die Lieder aus den Veröffentlichungen Arnolds. In den Gedichten und Gesängen, die während seiner Separation von Kirche entstanden, thematisiert Arnold zum einem mystische Erfahrungen und den Umgang mit der Göttlichen Weisheit (wie zum Beispiel in den Liedern Mein Bräutgam führe mich spatzieren152 oder Ewige Weisheit, Jesu Christ153), zum anderen kritisiert er mit beißendem Spott die –––––––––– finden sich 18 Lieddichtungen. Auch in der Frankfurter Ausgabe der Praxis Pietatis Melica, die Peter Sohren redigierte, sind ab 1676 die Lieder von Silesius im größeren Umfang nachweisbar. Scheitler: Angelus Silesius, 720–722. 147 Ebd., 711–712, 732. 148 Kemper: Deutsche Lyrik, 3, 208–244. 149 Nachdem bereits Andreas Luppius einige Lieder von Angelus Silesius in seinen A und O Andächtig Singenden Christen=Mund (1692) aufgenommen hatte, sind im 1712 erschienenen Anmuthigen Blumen=Krantz bereits 67 Gesänge nachweisbar. Auch zum Repertoire der Inspirationsgemeinde gehörten die Liederdichtungen von Silesius, wie ihre Veröffentlichung in den verschiedenen Ausgaben des Davidischen Psalter=Spiels belegt. 150 Wolfgang Miersemann vermutet aufgrund der hier abgedruckten Lieder von Gottfried Arnold und Johann Wilhelm Petersen, daß Andreas Luppius diese Sammlung zusammengestellt hatte. Miersemann: Auf dem Wege, 77. Zu Gottfried Arnold vgl. Marti: Gottfried Arnold. 151 Im Gutachten der Wittenberger Theologischen Fakultät wurde die Aufnahme chiliastischer, mystischer und enthusiastischer Gesänge kritisiert und als Beleg die Dichtungen Arnolds aus den Göttlichen Liebes=Funcken angeführt. Lindner: Kampf um das reformatorische Liedgut, 263. 152 EWge Weißheit JEsu Christ, in: Schütz (Hg.): Geistlicher Würtz= Kräuter= und Blumen=Garten, 1, 283–284, Nr. 265. 153 MEin Bräut`gam! führe mich spatzieren, in: Ebd., 1, 627–628, Nr. 589.

Analyse des Liedkorpus

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Verdorbenheit der lutherischen Amtskirche. Im Lied Der Wächter Rath154 lehnt er jede Reform ab und ruft stattdessen zum Sturm gegen das bestehende Kirchenwesen auf. Dabei steht die radikale Kritik nicht im Gegensatz zur verinnerlichten Frömmigkeit in der Dichtung von Arnold, sondern bezieht sich auf sie.155 Angesichts der Frömmigkeitskrise seiner Zeit fordert Arnold zur Separation von der sichtbaren Kirche auf und bietet mit seiner Mystik eine von Institutionen unabhängige Form der Heilsaneignung an. Mit beiden Aspekten seiner Dichtung, der Kirchenkritik und seiner an Böhme anknüpfende Sophienmystik, hat Arnold insbesondere die radikalpietistische Dichtung beeinflußt. So stehen beispielsweise sowohl die kirchenkritischen als auch die mystischen Lieder von Christoph Schütz in dieser Tradition.156 Exkurs: Zu den Dichtungen von Christoph Schütz Da in der Forschungsliteratur eine Untersuchung über die Dichtung von Christoph Schütz noch aussteht, soll hier auf sein Poesieverständnis eingegangen werden.157 Darüber hinaus sollen seine Liedersammlungen vorgestellt werden. Über die Entstehung seiner Dichtungen berichtet Christoph Schütz in seiner Autobiographie: »Seufftzen/ Bitten und Verlangen/ wie auch mein Dancken und Loben GOttes [...] reimweiß/ oder in Form eines Lieds/ in Sinn kam und solches thönete mir dann einen gantzen= oder halben Tag/ bey meiner Arbeit/ in meinem Sinn/ bis ich etwa nach Haus kam [...] so satzte ich mich dann geschwind nieder/ und schrieb solche Lied oder Reimen [...] auf.«158

Mit dieser Äußerung kann man Schütz in den Kontext des pietistischen Poesie-Verständnisses rücken, daß die geistliche Dichtung als spontanen Ausdruck der Fülle des Innern oder als Herzensergießung gesehen hat.159 Aufgabe des Dichters ist es dabei, die im Inneren erfahrene Wahrheit au–––––––––– 154 DEr Wächter Rath, in: Ebd., 1, 180–181, Nr. 160. Arnold veröffentlichte das Lied mit der Überschrift Babels Grab-Lied zuerst 1698 in den Göttlichen Liebes=Funcken (Nr. CXXVI). Danach wurde es vor allem in radikalpietistischen Publikationen (so im Anhang zu Dippels Schrift Wein und Öl in die Wunden des gestäupten Papstthums der Protestierenden, [Offenbach] 1699 oder in die Zeitschrift Geistliche Fama 3,22 (1737)) aufgenommen. Ein Sonderfall ist seine Veröffentlichung im pietistischen Darmstädter Gesangbuch, Darmstadt 1698. Schneider: Pietismus im 17. Jahrhundert, 413, 433, Fußnoten 165–166. 155 Park: Babelkritik und Sophienmystik. 156 Vgl. dazu auch den folgenden Exkurs zu den Dichtungen von Christoph Schütz. 157 In seinem Aufsatz über die Sprache Canaans empfiehlt Schrader die Schriften von Christoph Schütz für die Untersuchung einer pietistischen Individualsprache. Schrader: Sprache Canaan, 416. 158 Vgl. Schütz: Kündliche grosses Geheimnüs, ²1731, 84–85. 159 Vgl. für den nachfolgenden Absatz Martens: Hallescher Pietismus und schöne Literatur, 156–158.

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thentisch wiederzugeben. Insbesondere die Separatisten und Radikalpietisten betonten die unbewußte Konzeption und Produktion und distanzierten sich von der gelehrten Dichtung sowie rhetorischen und poetologischen Regeln, wie z.B. das Zitat Gerhard Tersteegens belegt: »Es sind mir diese Schlußreime und Andachten mehrenteils unvermutet und zufälligerweise innerhalb weniger Zeit, nun und dann eines, gegeben worden; die ich dann auch, ohne viel auf Kunst und Zierlichkeit zu denken, so wie sie mir in die Gedanken kamen, aufs Papier gesetzt.«160

Gottfried Arnold machte persönliche Erfahrungen für seinen poetischen Ausdruck verantwortlich und hob das spontane, unwillkürliche Entstehen seiner Lieder hervor. Damit relativierte er die Bedeutung der poetologischen Regeln für die geistliche Dichtung: »Bisweilen ist ihm unvermuthet etwa eine kurtze Aria oder ein ander Lied in die Feder oder nur in die Schreib=Tafel geflossen/ wenn er auff dem Lande spatziren gangen/ und in GOt ruhig und fröhlich gewesen/ oder wenn sich auch sonst ein Antrieb zum Lobe GOttes ereignet hat. – Das meiste/ ja fast alles ist unter andern häuffigen und zwar ernsthafften Verrichtungen gleichsam gebohren/ und kan dahero dem Leser keine grosse Künste versprechen. Ja man hat manchmal gemeint das Recht zu haben/ daß man nicht allezeit denen gemein Kunst=Regeln unterworffen wäre/ wo die Sache selbst und der Nachdruck etwas besonders erforderte. Man war gemeiniglich vergnügt/ wenn ein Verß von sich selber ungezwungen dahinfloß.«161

Das Zitat Arnolds deutet bereits an, daß seiner Meinung nach die Produktion der Dichtung an eine Situation der Gottesnähe gebunden sei. Auf den Geist Gottes als Urheber verwies Schütz im Titel zur starck=thönenden und sehr beweglichen Buß=Posaune mit der Formulierung etliche Buß=Lieder [...] im Trieb des Geistes geschrieben.162 Damit knüpfte er an die Idee der göttlichen Inspiration, wie sie von den Anhängern der Inspirationsgemeinde für die Aussprachen vertreten wurde. Die Aussprachen wurden als durch den Heiligen Geist vermitteltes Wort Gottes verstanden, die durch ein Medium, das sogenannte Werkzeug, hörbar gemacht und von Schreibern auf-

–––––––––– 160 Gerhard Tersteegen: Vorbericht an den gottsuchenden und gottliebenden Leser, in: Ders.: Geistliches Blumengärtlein, 27–33. Hier 27. Auf die göttliche Inspiration ihrer Reime beriefen sich auch andere radikale Pietisten wie die »Erfurtische Liese«, Johann Tennhardt, Eberhard Ludwig Gruber oder Johann Friedrich Rock. Schrader: Inspirierte Schweizerreisen, 380–382; Ders.: Vom Heiland im Herzen, 71–74. 161 Arnold: Vorrede, in: Ders.: Göttliche Liebes-Funcken, [ohne Bogensignatur: erstes Blatt v–zweites Blatt r. der Vorrede.] 162 Schütz: Starck=thönende Buß=Posaune. Das Vorwort stellte Schütz am 24. Juni 1725 fertig.

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gezeichnet und publiziert wurden. Damit entstand eine Art von »Schriftprophetie«, die gleichberechtigt neben die Bibel trat.163 Sowohl die Mitglieder der Inspirationsgemeinde als auch Schütz versuchten durch die göttliche Inspiration ihre Aussprachen oder Lieder zu legitimieren bzw. die Kritik ihrer Gegner zu entkräften. Auch wenn hier ein gradueller Unterschied besteht, da die Inspirierten die Reden des Werkzeugs als Wort Gottes ansahen, Schütz sie aber nur für göttlich inspiriert hielt, liegt die gleiche Argumentation vor. So unterstellte Schütz, daß die kirchliche Obrigkeit seine Lieder vor allem deshalb verboten habe, weil sie »eine solche wunderliche Geburt und Herkommen hatten/ und gar nicht nach der Gelehrten Art und Weise entsprungen seyn«.164 In rascher Folge erschienen 1725 vier Liedersammlungen von Schütz. Nach der Datierung der Vorreden lagen Ende Juni die druckfertigen Manuskripte von der Buß=Posaune und der Stimme des Bräutigams vor.165 Die beiden Hefte enthalten acht bzw. 13 Lieder, die zur Buße aufrufen und die chiliastische Naherwartung behandeln. Im folgenden Monat beendete Schütz die Arbeit am Ewigen Evangelium und das Geistliche HarpfenSpiel.166 Im Ewigen Evangelium legte Schütz eine Lieddichtung mit 57 Strophen und deren Erklärung vor.167 Diese Schrift wurde zum zweiten Mal 1727 als zweiter Teil der Güldenen Rose abgedruckt.168 Im Vergleich dazu ist das Geistliche Harpfen-Spiel ein Gesangbuch im eigentlichen Sinne, das für die Andachten und Gottesdienste der Separatisten gedacht war. Es richtet sich an die »Kinder Zions«, die ihre Lieder in der Einsamkeit anstimmen

–––––––––– 163 Schneider: Inspirationsgemeinden, 203–206. Im Zusammenhang mit der Inspirationsgemeinde erwähnen auch Ulf-Michael Schneider und Hans-Jürgen Schrader die Selbstaussagen von Schütz über das Entstehen seiner Lieder und Reime. Schrader: Literaturproduktion und Büchermarkt, 351; Schneider: Propheten der Goethezeit, 84. 164 Schütz: Kündlich grosses Geheimnüs, ²1731, 86–87. Die Aussprachen beschreibt Eberhard Ludwig Gruber auch in dem Lied Der das Wort hat ausgebohren. DEr das Wort hat ausgebohren, in: Schütz (Hg.): Geistlicher Würtz= Kräuter= und Blumen=Garten, 1, 160–162, Nr. 139. 165 Schütz: Starck=thönende Buß=Posaune; Ders.: Stimme des Bräutigams. Die Vorrede ist mit »30. Juni 1725« datiert. 166 Ders.: Ewiges Evangelium, 1725. Schütz beendete das Vorwort am 20. Juli 1725. Ders.: Geistliches Harpfen-Spiel der Kinder Zions, 1725. 167 O Ihr Völcker aller Orten, in: Ders. (Hg.): Geistlicher Würtz= Kräuter= und Blumen=Garten, 1, 805–814, Nr. 758. 168 Die Güldene Rose ist ein Sammelband, der drei Schriften enthält: die ersten beiden Teile sind Lieddichtungen mit Erklärungen, der dritte Teil ist ein Sendschreiben, in dem Schütz die Lehre der Wiederbringung aller Dinge und des tausendjährigen Reiches verteidigt. Im ersten Teil erläutert Schütz die Dichtung Frölich soll mein Hertze springen. Der Text des Liedes war bereits in Stimme des Bräutigams veröffentlicht worden. Schütz: Güldene Rose, 1727; Ders.: Ewiges Evangelium, ²1727; Ders.: Zeugnüs der Warheit, 1727. Zum diesem Sendschreiben vgl. Kapitel 4.2.1.

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müßten, weil ihnen die »Bürger der Stadt Babylon« nicht die freie Religionsausübung gestatteten.169 Die Lieder von Schütz, insbesondere die zwei Dichtungen, die er in seinem Hauptwerk, der Güldenen Rose, vorgestellt hat, sind als Lehrgesänge zu verstehen. Daher können aus den Liedern seine theologischen Ansichten und Ideen abgelesen werden. Der erste Gesang, mit dem der erste Band des Geistlichen Würtz= Kräuter= und Blumen=Gartens beginnt, stammt von Schütz und hat das Incipit Abba Jehova du König der Ehren. Es ist ein elfstrophiges Bittlied, angefügt sind zwei weitere ungezählte Strophen, in denen das Vater unser paraphrasiert wird. »Abba! der du in der heiligen höhe/ Gib daß dein nahme geheiliget werd/ Dein reich zu komme/ dein wille geschehe/ wie in dem himmel/ so auch auf der erd. Gib uns das lebens=brod/ daß wir recht leben/ Vergib uns unsre schuld/ wie wir vergeben.«170

Schütz hat die Bitte »Unser tägliches Brot gib uns heute« durch »Gib uns das lebens=brod« ersetzt. Da die Wörter »täglich« und »lebens« beide aus zwei Silben bestehen, ist die Umformulierung nicht aus dichterischen Gründen erforderlich, sondern aus inhaltlichen. Durch die Ergänzung ist eine Deutung auf die Austeilung des Brotes beim Abendmahl im Gottesdienst nicht mehr möglich. Vielmehr weist die Änderung auf ein spiritualistisches Sakramentsverständnis hin. Einen zweiten Beleg liefert die achte Strophe: »Süssester Abba! erquicke mich müden Mit deinem lebens=tranck/ dann ich bin matt. Und laß mich schmecken den göttlichen frieden Mache/ mein vatter! mich hungrigen satt/ Mit deinem lebens=brod der edlen speise/ Welche mir kräffte giebt auf meiner reise.«171

Damit eng verbunden ist die Kritik an der Kirche. In dem Lied Als ich einst so sehr bekümmert und betrübet hat Schütz beschrieben, wie sich das lyrische Ich auf die Suche nach Gott begibt und sich dabei auch an Pfarrer wendet: –––––––––– 169 Zitiert nach der zweiten Auflage von 1730. Schütz, Christoph: Vorrede an die Kinder Zions über den Ersten Theil dieses geistlichen Harffen=Spiels, in: Schütz: Geistliches Harffen=Spiel, ²1730, A 2 r–[A 4] v. 170 ABba, Jehova, du König der Ehren, in: Ders. (Hg.): Geistlicher Würtz= Kräuter= und Blumen=Garten, 1, 1–2, Nr. 1. 171 ABba, Jehova, du König der Ehren, Strophe 8, 2.

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»[...] Ihr Hüter, habt ihr etwa den gesehen bey euch vorüber gehen, den meine Seele liebt? sie wußten nichts von ihm, drum ward ich sehr betrübt.«172

Durch diese Behauptung, die Geistlichen wüßten nichts von Jesus, stellt er ihre Autorität in Frage und diskreditiert ihre noch folgenden Aussagen. Seine Glaubenszweifel verurteilen die Pfarrer als Werk des Teufels. Sie raten ihm, am Gottesdienst teilzunehmen: »Ich könte ihn gar wohl mit leichter Mühe finden, bey ihrem Tempel=Dienst, wer sich da thät einfinden, bey ihrem Predigen, Tauff, Abendmahl und Beicht der hätte Christum schon, und dieses wäre leicht. Drum solte ich mich doch nicht weiter so bemühen, sondern an ihren Joch nur fein getreulich ziehen, und ihren Secten=GOtt andächtig bäten an, so gieng ich gantz gewiß die rechte Himmels=Bahn.«173

In der elften Strophe nimmt er noch einmal den Vorwurf an die Pfarrer auf, sie seien nie zur Gotteserkenntnis gelangt, da sie nicht die Nähe Gottes oder eine Vereinigung mit ihm erfahren hätten. »[...] auch nicht bey denen Blinden, welche das wahre Licht in sich gesehen nie und doch mit vollem Halß ruffen: der Herr ist hie!«174

Wie bei anderen radikalen Pietisten führte die Kritik an der kirchlichen Sakramentsverwaltung und ein fromm-elitäres Selbstbewußtsein zur Ablehnung von Gottesdienst und Abendmahl und schließlich zur Trennung von der Kirche. Im Unterschied zu den kirchennahen Pietisten, die durch innerkirchliche Reformen die Mißstände beheben zu können glaubten, vertrat Schütz die Auffassung, daß die Zustände in der Institution Kirche (die sogenannte Mauerkirche) nicht mehr verbessert werden könnten und man sich deshalb vom Gottesdienst separieren müsse. Die äußerlichen Heilsmittel müßten abgelehnt werden, da diese durch die Praxis der Volkskirche, die Sakramente auch unbekehrten Gemeindemitgliedern zu spenden, entwertet würden. Erst danach sei es möglich, Gott zu finden bzw. eine mystische Gotteserfahrung zu machen. »So gieng ich gäntzlich aus von allen Creaturen, und sucht ihn in der Still auf sanfften Liebes=Spuren

–––––––––– 172 ALs ich einst so sehr bekümmert und betrübet, in: Schütz (Hg.): Geistlicher Würtz= Kräuter= und Blumen=Garten, 1, 65–68, Nr. 60. 173 Ebd., Strophe 5–6, 66. 174 Ebd., Strophe 11, Zeile 2–4, 66–67.

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in meiner Seelen Grund, da sah ich ihn von fern, er funckelte so hell als wie der Morgenstern.«175

Die Vorstellung Böhmes, wonach Adam vor dem Sündenfall in androgyner Gestalt mit der göttlichen Sophia als Partnerin existierte, findet sich in dem Lied O Himmelskönigin, Sophia, meine Wonne.176 »Der Vater hat dich zwar im Anfang mir gegeben zu meiner lieben Braut, daß wir in Liebe leben verbunden solten seyn in reiner Liebes=Lust, der vom verderbten Zeug nichts wäre je bewußt.«177

Als Adam sich von Sophia abwandte, zog sie sich zurück und ihm wurde Eva als Weib geschaffen. Durch den Sündenfall erfolgte ein weiterer Schritt der Entfernung von Sophia und Gott. »Ich aber habe dir die Treue nicht gehalten; ich ließ die reine Brunst der Lieb in mir erkalten; ich brach die Liebes=Pflicht und gienge vor dir aus, zu Lust der Creatur, ins eitle Jammer=Haus Ich gienge aus von dir, und habe gantz vermessen, von der verbottnen Frucht genommen und gegessen; ich sucht in Eigenheit zu seyn dem Höchsten gleich, verlohr dardurch GOtt, dich, mich und das Himmelreich.«178

Mit der Traktatsammlung Der Weg zu Christo lehrte Böhme wie der Mensch wieder zu einer Aussöhnung mit Gott in Christus bzw. in Sophia179 kommen kann. In Von wahrer Buße erläuterte er die Selbsterforschung sowie Hinwendung zu Gott und gab Anleitungen zu Beichte und Gebet. Bereits Die wahre Gelassenheit wies den Weg, über die Mystik zu einer Vereinigung mit Gott zu gelangen. Das Ziel war die Wiedergeburt, die Martin Brecht wie folgt erläutert: »Die neue Geburt, in der Christus im Menschen Gestalt gewinnt und dieser der Tempel des Geistes wird bei gleichzeitiger Abkehr von Welt und Sünde. In Christus wird der [Sünden-] Fall rückgängig gemacht und das Ebenbild Gottes wiederhergestellt.«180 Dies bezog sich nur auf die Seele, die im Sinne der Brautmystik ein bräutliches Verhältnis zu Christus/Sophia eingeht. Diese Ideen Böhmes griff Schütz in den folgenden Strophen auf. Das lyrische Ich bittet Sophia, ihn –––––––––– 175 Ebd., Strophe 12, 67. 176 Zu Jakob Böhme s. Brecht: Deutsche Spiritualisten, 205–214. 177 O Himmels=Königin, Sophia, meine Wonne, in: Schütz (Hg.): Geistlicher Würtz= Kräuter= und Blumen=Garten, 1, 773–778, Nr. 727. 178 Ebd., Strophe 9–10, 774. 179 Christus ist mit Sophia identisch. Vgl. Brecht: Deutsche Spiritualisten, 212. 180 Ebd., 212.

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bei seiner Buße zu unterstützen, von der Sünde zu reinigen und schließlich zu Gottes Ebenbild zu machen.181 In der Charakterisierung der Beziehung zu Sophia nimmt Schütz Motive aus der Brautmystik auf.182 Der Chiliasmus und die Lehre von der Wiederbringung aller Dinge, wie sie von dem radikalpietistischen Ehepaar Johann Wilhelm und Johanna Eleonora Petersen vertreten wurden, haben die theologischen Ansichten von Christoph Schütz geprägt und lassen sich auch in seiner Dichtung nachweisen.183 Während chiliastischen Ideen184 im gesamten Pietismus aufgenommen wurden, ist die Rezeption der Wiederbringung aller Dinge185 (Apokatastasis panton) auf den radikalen Pietismus beschränkt geblieben. Im Gegensatz zum kirchlichen Dogma, nach dem der Mensch durch das Jüngste Gericht entweder zur ewigen Verdammnis oder zum ewigen Leben bestimmt wird, vertrat das Ehepaar Petersen in seiner Lehre von der Allversöhnung die Ansicht, daß die ewige Verdammnis keine unendliche, sondern nur eine sehr lange Zeit meine und daß nach dem Reinigungsprozeß in der Hölle alle Menschen, auch die Ungläubigen und sogar der Teufel, in die ewige Seligkeit aufgenommen würden. Schütz läßt in dem Lied Grosser König! dem ich diene, zürne nicht Christus selbst die Wiederbringung aller Dinge verkünden. Die Braut bittet –––––––––– 181 »Und bitte dich, mein Lieb! mit Seuffzen und mit Thränen, du wollest mich doch nun nach deinem Sinn gewehnen, und mich bereiten so, wie du mich haben wilt, nach GOttes Ebenbild, das vor dem Vater gilt. Laß deine Hand zu mir in Gnaden sich ausstrecken, und wasche mich gantz rein von allen Sünden=Flecken, reinige, läutere und fege, wie du weist, daß es mir nöthig thut, durch deinen guten Geist.« O Himmels=Königin, Sophia, meine Wonne, Strophe 15–16, 775. 182 Das lyrische Ich bittet zuerst darum, die »Mannheits=Jahr« zu erreichen und in der Statur Christi zu gleichen und beginnt dann mit dem Werben um Sophias Liebe. Strophe 21–35. Im letzten Teil knüpft er an den ersten Teil an, reflektiert seine Sünden und bittet um Hilfe im Bußkampf. 183 Albrecht: Johanna Eleonora Petersen; Matthias: J.W. u. J.E. Petersen; Luft: Leben und Schreiben; Gäbler: Geschichte, Gegenwart, Zukunft, 25–29. 184 Beim Chiliasmus handelt es sich um eine in der jüdischen Apokalyptik entstandene Lehre, die im 17. Jahrhundert insbesondere in England und den Niederlanden neu belebt wurde und von dort zusammen mit dem Pietismus in das Luthertum eingedrungen ist. Kraft: Chiliasmus, Entstehung, 1651–1653. 185 Der Begriff Apokatastasis wurde bereits im hellenistischen Judentum für messianische und eschatologische Paradieserwartungen benutzt. Durch die Synode von Chalcedon (543) und das 5. ökumenische Konzil von Konstantinopel (553) zur Häresie erklärt, verlor sie ihren Einfluß auf die abendländische Theologie. In der Auseinandersetzung mit den Wiedertäufern wurde auch im Luthertum die Lehre der Wiederbringung aller Dinge verworfen und dies in der Confessio Augustana niedergelegt. Über die Schriften der Jane Leade wurde sie aus dem anglikanischen Bereich, wo sie im Rahmen des Universalismus diskutiert worden war, an die deutschen Radikalpietisten vermittelt. Andresen: Wiederbringung Aller, 1693–1694.

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darum, »ihr gantz Geschlecht« (die ganze Menschheit) aus der »Höllen Nacht zu führen und sie ledig [zu] machen von des Teufels Sclaverey«.186 Darauf antwortet Christus, daß er im Jüngsten Gericht die Menschen nach ihren Werken richten werde, aber die Gottlosen später aus der Verdammnis errette. Mit dieser Allversöhnung werde dann der Zustand vor dem Sündenfall wiederhergestellt. »Die Gottlosen will ich richten, aber nicht im Zorn zernichten, sondern an Barmhertzigkeit mitten im Gericht gedencken. Ich will sie mit Wollust träncken nach sehr grossem Schmertz und Leyd. Gleichwie alle Adams=Erben in dem ersten Adam sterben, so sollen sie allzumahl wiederum in mir erwachen, ich will sie lebendig machen und sie retten aus der Quaal. Dann ich will den Tod verschlingen und will alles wieder bringen in den ersten guten Stand, drein es GOTT durch mich geschaffen, ich will allen Fluch wegraffen, daß er nicht mehr wird erkannt.«187

In der dichterischen Sprache von Schütz werden verschiedene Bilderwelten und theologische Vorstellungen miteinander kombiniert. Das Lied Liebste Sophia! die du deinen Groschen beginnt mit einem Hinweis auf das Gleichnis vom verlorenen Groschen (Lk 15,8–10) und spielt auf die böhmistische Vorstellung der Androgynität Adams vor dem Sündenfall an. Durch Sophia soll der Mensch von den Sünden gereinigt werden, dabei hat Schütz das Vokabular der Alchimie aufgegriffen. So benutzt er den Begriff »Test«, die Bezeichnung eines Tiegels für alchimistische Experimente, »lauter« und »klar«, die Beschreibungen für die Beschaffenheit chemischer Stoffe, sowie »prüfen«, »läutern« und »verrauchen«, die Benennungen für chemische Verfahren. In diesen Kontext gehört auch das »Werk« als Bezeichnung für die Umwandlung eines Stoffes in die prima materia.188 –––––––––– 186 GRosser König! dem ich diene, zürne nicht, in: Schütz (Hg.): Geistlicher Würtz= Kräuter= und Blumen=Garten, 1, 356–358, Nr. 330. 187 Ebd., Strophe 14–16, 357. 188 Das Werk ist hier so zu verstehen, daß mit Hilfe des lapis philosophorum (i.e. Sophia) der sündhafte Mensch gereinigt wird und zum Göttlichen Wesen veredelt werden soll.

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»Lege mich, Liebste! hin auf deinen Teste in deine Gluthen auf den Brand=Altar, Prüfe und läutere mich auf das beste, bis du mich findest gantz lauter und klar, bis nichts mehr an mir ist, das kan verrauchen, und zu deinem Werck mich kanst gebrauchen.«189

Allerdings beschränken sich die Metaphern nicht auf die Alchimie, der »Brand-Altar« verweist auf die Brandopfer im Alten Testament. Auch in der dritten Strophe werden die biblische und alchimistische Sprache miteinander verknüpft. Die Aufforderung des lyrischen Ichs an Sophia (Christus), ihr Bild in ihn, den Groschen, einzuprägen, ruft zum einen das Gleichnis wieder auf. Zum anderen ist der Groschen, der vorher aus minderwertigem Metall bestand, nach der Läuterung und Tingierung aus Gold und kann, da er während des alchimistischen Prozesses seine alte Prägung verloren hat, mit dem Bild Christi neu geprägt werden. Im Sinne der Lehre Böhmes ist damit das Ziel, wieder zum Ebenbild Gottes zu werden, erreicht. Anhand der bisher besprochenen Beispiele wird deutlich, daß Christoph Schütz seine Lieder sowohl sprachlich als auch inhaltlich sorgfältig konzipierte. Durch die Rezeption der Lehren Böhmes, der von Arnold weiterentwickelten Sophienmystik sowie der Kirchenkritik und der Idee von der Allversöhnung hat er die wichtigsten Vorstellungen des radikalen Pietismus aufgenommen. Auch mit dem Gebrauch alchimistischen Vokabulars für die Wiedergeburt und Wandlung des neuen Menschen steht Schütz in der Tradition Jakob Böhmes sowie des Radikalpietismus.190 Daß er darüber hinaus auf den formalen Aufbau seiner Lieder geachtet hat, belegen mehrere Akrosticha.191 Damit wird deutlich, daß sein Poesie-Verständnis von einer spontanen, kunstlosen Dichtung, das durch das rasche Aufeinanderfolgen seiner Veröffentlichungen scheinbar bestätigt wurde, ein Ideal ist und sich nicht auf die konkrete Produktion bezieht. Die Lieder und Gedichte von Schütz sind zeitgenössisch von orthodoxer Seite in der Fortgesetzten Sammlung und aus kirchennaher pietistischer Sicht in der Hymnopoeographia von Johann Caspar Wetzel besprochen worden.192 Der anonyme Rezensent in der Fortgesetzten Sammlung stellte vor allem die kirchenkritische Haltung von Schütz heraus und wies auf die –––––––––– 189 LIebste Sophia! die du einen Groschen, in: Schütz (Hg.): Geistlicher Würtz= Kräuter= und Blumen=Garten, 1, 608–609, Nr. 565. 190 Habrich: Alchemie und Chemie, 53–54. 191 »Jesus ist mein Eigenthvm«. ICh bin JESU Eigenthum, in: Schütz (Hg.): Geistlicher Würtz= Kräuter= und Blumen=Garten, 1, 438–440, Nr. 403; »Christoph Schvitz« CHristum will ich lieben, in: Ebd., 1, 124–125, Nr. 110. 192 [Rezension zu] Christoph Schützens Geistliches Harpfen=Spiel des Kindes Zions, 1725, 311–315; Wetzel: Hymnopoegraphia, 4, 452–462.

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von Schütz vertretenen häretischen Lehren hin. Er zitiert die Stellen, in denen Schütz die lutherische Kirche als »freche Tochter Babels« oder den Gottesdienst als »heidnisches Greul und Götzenopfer« bezeichnet hat.193 Anhand der Lieder belegt er, daß Schütz das Abendmahl spiritualistisch verstehe, zwischen Geist und Seele unterscheide und der Ansicht des Tobias Eisler folge, Christus sei von Natur aus im Menschen. Positiv bewertet er, daß Schütz gegen die Lehren der Pelagianer und Semipelagianer bekennt, die Bekehrung werde allein durch Gott bewirkt. Die Qualität der Verse beurteilt er, auch im Hinblick auf die fehlende Schulbildung des Autors, als »nicht übel gerathen«.194 Allerdings kritisiert er, daß die Lieder zumeist auf die Melodien anderer pietistischer Lieder gesungen werden sollen. Zwar urteilt er, daß Schütz auch viel Gutes, welches an sich von Gott komme, vermittle, aber auch viel Schlimmes bringe. In den Liedern stehe wenig Gutes, was nicht auch von der lutherischen Kirche vertreten werde. Insgesamt hat sich der Rezensent um eine umfassende Würdigung bemüht und auch die Lieder positiv herausgestellt, die mit den Lehren der lutherischen Kirche übereinstimmen. Dennoch hält er den Lieddichter für gefährlich: »Hat sich der Satan je, als ein rechter Verführungs= und Läster=Geist, in einem weissen Engel des Lichts verstellt, so hat er es bey diesem Autore gethan, welcher mit andern der Evangelischen Kirche Hohn spricht.«195 Johann Caspar Wetzel beginnt den biographischen Eintrag in seiner Hymnopoeographia damit, daß er Schütz als Mitglied der Inspirationsgemeinde bezeichnet und diese anschließend kurz vorstellt.196 Dann führt er die Veröffentlichungen sowie die Lieder aus dem Geistlichen HarpffenSpiel auf und betont die kirchenkritischen Äußerungen von Schütz in der Vorrede zu dieser Liedersammlung. Trotz einzelner falscher Ansichten hält Wetzel die Gesänge für andächtig und erbaulich. Daher könne der Leser sie, nachdem er den Inhalt nach der Bibel geprüft habe, durchaus singen. Schließlich mahnt Wetzel, daß auch in den Lieddichtungen dieses Laien die Gaben Gottes dankbar erkannt und gepriesen werden müßten. Unabhängig von ihren theologischen Standpunkten beanstanden beide Autoren die theologischen Irrtümer und Sonderlehren, loben aber die poetische Qualität. Gegensätzlich fällt das Urteil für den Gebrauch der Lieder aus. Während sich der Rezensent der Fortgesetzten Sammlung gegen das –––––––––– 193 [Rezension zu] Christoph Schützens Geistliches Harpfen=Spiel des Kindes Zions, 1725, 312, 314–315. 194 Ebd., 314. 195 Ebd., 311. 196 Auf diesen Artikel reagierte Schütz in der zweiten Auflage seiner Geistlichen Correspondentz. Vgl. dazu Kapitel 4.2.1.

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Singen der Lieder von Schütz aussprach, meint Wetzel, daß sie nach vorheriger Prüfung zur Andacht und Erbauung gesungen werden könnten. Gerhard Tersteegen Im Zentrum der Lyrik Tersteegens steht die mystische Gotteserfahrung, die er in einer bewußt einfachen Sprache und durch Aufnahme traditioneller Bilder und Formeln beschrieben hat.197 Unter den pietistischen Lieddichtern nimmt Tersteegen insofern eine Sonderrolle ein, als er im großen Umfang quietistisches Gedankengut aufgreift.198 So knüpft er z.B. mit seinen JesusLiedern, in denen die historische Erscheinung Jesu im Vordergrund steht, an eine Vorstellung der quietistischen Frömmigkeit an. Weitere Themen seiner Lieddichtungen sind die Gegenwart Gottes, der Heilsweg, Buße und Bekehrung, aber auch Jahres- und Tageszeiten. Im Gegensatz zur wortgewaltigen Kirchenkritik anderer Separatisten hat Tersteegen keine Kampflieder gegen die Amtskirche gedichtet und deutet seine Vorbehalte oder eigenen separatistischen Neigungen kaum an.199 Die besondere Wertschätzung der Lyrik Tersteegens durch Schütz belegt bereits die Menge der aufgenommenen Lieder. Mit 66 Gesängen sind fast alle Lieder aus der ersten und zweiten Auflage des Geistlichen Blumen=Gärtlein Inniger Seelen (1729, 1735) sowie einige aus der dritten Auflage (1738) im Geistlichen Würtz= Kräuter= und Blumen=Garten enthalten.200 Auch wenn Schütz nicht der erste war, der die Gesänge Tersteegens in ein Gesangbuch aufgenommen hat – als erster hatte Zinzendorf 1731 acht Lieder in seinem Herrnhuter Gesangbuch, dem sogenannten Marcheschen Gesangbuch, abdrucken lassen – kommt ihm doch das Verdienst zu, sie an weite radikalpietistische und über das Homburger Gesangbuch auch an kirchennahe pietistische Kreise vermittelt zu haben.201 Der größte Teil der Lieder des ersten Bandes setzt sich aus genuin pietistischer und radikalpietistischer Dichtung zusammen, aber auch älteres Liedgut aus dem Barock und der Frömmigkeitsbewegung ist berücksichtigt. Dagegen fehlen die Gesänge aus der Reformationszeit fast völlig. Demnach bezog Schütz den Begriff der »kernhafften« alten Lieder nicht auf die Dich-

–––––––––– 197 Schrader: Hortulus mystico-poeticus, 55. 198 Van Andel: Gerhard Tersteegen, 208–209. 199 Vgl. dazu Schrader: Hortulus mystico-poeticus, 70–71. 200 Bunners: Gerhard Tersteegens Lieder, 83. Es ist nicht sicher, ob Schütz die dritte Auflage des Geistlichen Blumen=Gärtleins, die im selben Jahr wie der erste Band seines Universalgesangbuchs erschien, vorlag oder ob er die Dichtungen handschriftlich durch Briefkontakt erhalten hat. 201 Bereits vor 1733 hatte Schütz die Herausgeber des Hessen=Homburgischen Gesang=Buchs (1734) auf die Lieder Tersteegens aufmerksam gemacht. Vgl. dazu Kapitel 4.2.4.

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tungen des 16. Jahrhunderts, sondern auf die Zeit des Barocks und der Frömmigkeitsbewegung.202 4.2 Ernstliche Zeugnüsse – kirchenkritisches und radikalpietistisches Liedgut im zweiten Band Zum Inhalt des zweiten Bandes schreibt Schütz allgemein, daß dieser für den Leser gedacht sei, der, »wann es ihme anders ein rechter Ernst ist/ seinen GOtt zu suchen, zu lieben und zu loben, etc. seinen Nutzen und Erbauung darin finden wird.«203 Damit wird insbesondere der pietistische Leser als Zielgruppe dieses Bandes angesprochen, aber auch auf die radikalpietistischen Lehren und Ansichten geht Schütz ein. So betont er im dritten Teil der Vorrede, daß er bei der Auswahl auch »diejenige[n], und zum Theil sehr ernstlichen Zeugnüsse, welche von getreuen Lehrern und andern wider das heut zu Tag gantz in Grund verdorbene Christenthum und grossen Mißbrauch derer äusserlichen so genannten Heyls=Mittel aufgesetzt worden, sowohl auch diejenige[n] Zeugnüsse, welche solche und dergleichen Zeugen der Wahrheit von denen noch bevorstehenden guten Zeiten des Königreichs JEsu Christi und der Wiederbringung aller Dinge etc. in Liedern vorgetragen haben«,204

aufgenommen habe und in den folgenden Bänden berücksichtigen werde.205 In welchem Maße in diesem Band außerkirchliches Liedgut enthalten ist, zeigt sich bereits daran, daß 65 % der Lieder nicht in den hymnologischen Nachschlagewerken nachweisbar sind. Aus diesem Grund werden im Folgenden zuerst zwei radikalpietistische Liedsammlungen, aus denen über 20 % der Lieder dieses Bandes entnommen sind, beschrieben und im Anschluß eine Auswahl kirchenkritischer Lieder vorgestellt. Das Liedgut des Anmuthigen Blumen=Krantzes und des Davidischen Psalter=Spiels Der Anmuthige Blumen=Krantz ist ein radikalpietistisches Gesangbuch, das 1712 ohne Angabe des Erscheinungsorts in Schaffhausen veröffentlicht wurde. Zum Inhalt schreibt der Vorredner: –––––––––– 202 Schütz: Vorrede, 1738, [):( 4] r. 203 Ders.: Vorrede, 1739, )( 3 r. 204 Ebd., [)( 3] v. 205 Offen angesprochen wird die Wiederbringung aller Dinge z.B. im Lied Wenn meine Seel den Fall erweget. Dort heißt es in der dritten Strophe »Ich pflege offtermals zu sagen, wüßt ich die Wiederbringung nicht, so müßt mein armes Herz verzagen, wenn man vom Fall der Menschen spricht.« WEnn meine Seel den Fall erweget, in: Schütz (Hg.): Geistlicher Würtz= Kräuter= und Blumen=Garten, 2, 837, Nr. 918.

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»Man hat also allen möglichen Fleiß suchen anzuwenden/ eine Auswahl der Lieder/ so in den neuen Gesangbüchern befindlich/ zu machen/ [...] wobey dann die meisten von Neanders und Angeli Silesii Liedern/ als die da kurtz und geistreich sind/ nicht konten vorbey gegangen werden: und weil auch noch einige biß dato unbekannte und neue Lieder zur Hand gekommen [...] hat man sie mit angenommen.«206

Die 772 Lieder dieses Gesangbuchs stammen zum Teil aus »neuen«, d.h. pietistischen Gesangbüchern, ein Viertel aus dem 1704 erschienenen ersten Teil des Geist=reichen Gesang=Buchs von Johann Anastasius Freylinghausen. Allerdings wurden diese Gesänge geändert, wenn dadurch die Erbaulichkeit der Texte gesteigert oder sie dem Sinn der Evangelien angenähert werden konnten.207 Der Vorredner verwahrt sich jedoch dagegen, die Eingriffe in die Lieder als Mißachtung der Autoren, Kritik ihrer Werke oder den Versuch, ihre Ansichten zu entstellen, zu verstehen. Zum einen habe man bei einigen Liedern die Textänderungen, die andere Herausgeber vorgenommen hätten, rückgängig gemacht, zum anderen biete man dem Leser mit den Bearbeitungen eine zusätzliche, unbekannte Liedfassung, während man die bekannten Strophen in allen anderen Gesangbüchern nachlesen könne. Darüber hinaus sind bis dahin noch unveröffentlichte Lieder aus dem separatistischen und radikalpietistischen Bereich aufgenommen worden. Die separatistische Ausrichtung des Gesangbuchs wird mit dem Hinweis auf die »unerforschlichen Wege Gottes« legitimiert.208 Das Gesangbuch wird den »Freunden/ die unter allen denen vielen Drangsalen und mancherley Widerwärtigkeiten dannoch den Muth nicht sincken lassen/ sondern um so vielmehr sich zum Lob GOttes und Verherrlichung seines Namens bereiten« gewidmet.209 Damit sind vor allem die Separatisten in der Deutschschweiz gemeint, die seit 1699 unter einer zunehmenden Pietistenverfolgung zu leiden hatten und sich dem radikalen Pietismus anschlossen.210 Um diese Repressalien – die als Vorboten der nahen eschatologischen Wende interpretiert werden – besser ertragen zu können, sollen die Lieder Trost und Stärkung bieten. Im Liedteil werden die Texte alphabetisch aufgeführt, eine sachliche Erschließung erfolgt durch ein Register.211 Neben traditionellen Rubriken wie –––––––––– 206 Vorrede [zum Anmuthigen Blumen=Krantz], [)( 2] v. 207 »Hiernächst hat man auch kein Bedencken getragen/ hier und dar in ein= und andern Gesängen etwas zu ändern/ je nach dem es sich etwa eigener Seelen am nächsten appliciren ließ/ und die geheimen Würckungen der Gande GOttes unserm Sinn am eigentlichsten ausdruckte/ oder sonst dem Fürbild der heylsamen Wort und dem Sinn des Evangelii gemässer zu seyn geachtet wurde.« Ebd., )( 3 r. 208 Ebd., [)( 3] v. 209 Ebd., )( 2 r. 210 Dellsperger: Pietismus in der Schweiz, 597–600; Schneider: Pietismus im 17. Jahrhunderts, 406. 211 Zur alphabetischen Anlage vgl. Kapitel 3.3.

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zu den Festen des Kirchenjahres, zu den Tageszeiten oder Berufen, wird mit den Rubriken Christliche Pflichten als von der Nachfolge Christi, Verläugnung [und] Absagung der Welt, Creutz= und Anfechtungslieder sowie Gelassenheitslieder auf die Verfolgung der Separatisten oder mit den Erweckungslieder[n], Ewigkeitslieder[n] und Jesus- und Weisheitslieder[n] auf ihre eschatologischen Hoffnungen und Glaubensvorstellungen hingewiesen. Während sich der Anmuthige Blumen=Krantz allgemein an separatistische Personen und Gruppen richtet, ist das Davidische Psalter=Spiel vor allem als Gemeindegesangbuch für die Inspirationsgemeinde konzipiert.212 Bereits in der Titelformulierung wird der Gebrauch insonderheit aber denen Gemeinden des HErrn empfohlen. Die Anschauungen der Inspirierten spiegeln sich in den Rubriken wider. Zwar wurden zahlreiche Formulierungen aus dem Freylinghausen übernommen, aber an charakteristischen Stellen verschärft.213 Kennzeichnend für die Inspirierten sind die sogenannten Aussprachen, die sie für unmittelbare göttliche Offenbarung hielten. Dementsprechend benannte man die Rubrik Vom göttlichen Wort in Vom innern und äußern Wort um. Statt regelmäßiger Abendmahlsfeiern wurden in der Anfangszeit fünf sogenannte Liebesmahle gefeiert, zu denen Abendmahl und Fußwaschung gehörten.214 Ihre Bedeutung im Gemeindeleben wurde durch Exklusivität noch gesteigert, da der Zeitpunkt und die Teilnehmer durch eine Aussprache eines Propheten angekündigt werden mußten. Lieder für diese Feierlichkeit stehen unter dem Titel Von der brüderlichen und allgemeinen Liebe. Die Rubrik Vom Gebet wird zum Wahren Geistesgebet, Von der Übergabe des Herzens an Gott zu Von der gäntzlichen Übergabe des Hertzens an Gott oder Von der Keuschheit zu Von der wahren Keuschheit ergänzt. Auch die Feste des Kirchenjahres wurden nicht alle von den Inspirierten übernommen, so fehlen Lieder zur Erscheinung Christi, Feste der Reinigung, Verkündigung und Heimsuchung Mariae. Durch das Gesangbuch sollten vor allem die neuen Lieder vermittelt werden.215 Der Vorredner deutet den »reichen Lieder=Segen« als Zeichen –––––––––– 212 Schütz führt in seiner Quellenliste neben der zweiten auch die dritte, in Homburg v. d. H. erschienene, Auflage des Davidischen Psalter=Spiels auf. Allerdings ist diese erst 1740 erschienen und kann deshalb noch nicht in den ersten zwei Bänden des Geistlichen Würtz= Kräuter= und Blumen=Gartens ausgewertet worden sein. 213 Durnbaugh: Ephrata, Amana, Harmonie, 207; Meyer: Gesangbücher der alten und neuen Brüderunität, 103; Wernle: Schweizerischer Protestantismus, 1, 449. 214 Schneider: Pietismus im 18. Jahrhundert, 149; Schneider: Propheten der Goethezeit, 81–95. 215 Die Definition der »neuen« Lieder ist problematisch. Für Johann Anastasius Freylinghausen war, wie Suivi-Päivi Koski festgestellt hat, bereits die Lieddichtung der Böhmischen Brüder das erste Zeichen eines neuen liedkulturellen Frühlings. Hier dürfte mit dem Begriff vor

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der bevorstehenden eschatologischen Wende und des Anbruchs des Tausendjährigen Reiches.216 Das Singen der neuen Lieder soll zum einen auf die Wiederkunft Christi vorbereiten, zum anderen sollen sie – wie andere geistliche Lieder auch – trösten und erbauen. Selbstbewußt stellt der Vorredner fest, daß die neuen Lieddichtungen nicht verteidigt werden müßten. Ob jemand die Lieder singe oder nicht, bleibe ihm überlassen, niemandem würden diese Lieder aufgedrängt. Darüber hinaus kritisiert er die Singpraxis in der offiziellen Kirche als »Geplärr der Böcke/ der wilden Thiere und garstigen Vögel« und behauptet, damit sei der Herr gekreuzigt worden.217 Diesem stellt er das »hertzliche Liebes= und Lobes=Gethön« entgegen, das in täglicher Übung »stärcker und feuriger« werden sollte.218 Er charakterisiert damit den Gesang der Inspirierten als emotional, körperlich und enthusiastisch und grenzt ihn vom ausdruckslosen Absingen der »Maulchristen« ab.219 Die erste Ausgabe erschien 1718 mit dem Vermerk ans Licht gegeben von Einem MitGenossen Zions in Philadelphia A C 1718.220 Der fingierte Druckort Philadelphia steht für Schaffhausen, hinter dem Mitgenossen Zions verbirgt sich Johann Konrad Ziegler. Er hatte zusammen mit anderen Anhängern der Inspirationsgemeinde das Gesangbuch zusammengestellt.221 Ihre Namen hat Max Goebel aufgrund der hervorgehobenen Initialen in –––––––––– allem das Liedgut aus der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts gemeint sein, allerdings sind durch die Rezeption des Freylinghausen und anderer Gesangbücher auch ältere Texte in das Gesangbuch gelangt. Koski: Lied Mosis, 194–195. 216 »UNter denen Zeichen dieser Zeit/ sonderlich des immer näher kommenden Abend=Scheins/ dörfen wir wol auch mit ansehen den mit so wolriechendem Rauchwerck angefülleten reichen Lieder=Segen/ welchen der Herr seiner Kirche in diesen Zeiten geschenckt /« [Ziegler, Johann Konrad?]: Vorrede, in: Davidisches Psalter=Spiel, ³1740, )( 2 r–[)( 4] r. Dieses Vorwort wurde aus der vorherigen Auflage, die Ziegler herausgegeben hatte, übernommen. Daher sind unter den »neuen Liedern« neben eigenen Liedern der Inspirierten die pietistischen und im Pietismus rezipierten neueren Lieddichtungen wie z.B. von Angelus Silesius oder P. Gerhardt zu verstehen. Vgl. Goebel: Geschichte der wahren Inspirations=Gemeinden, 1854, 277. 217 [Ziegler, Johann Konrad?]: Vorrede 1740, )( 3 r. 218 Ebd. 219 Ebd., [)( 2] v–)( 3] v. 220 Zitiert nach Wernle. Koch druckt ebenfalls diese Angabe des Herausgebers ab, ohne allerdings die Initialen zu übernehmen. Hedwig T. Durnbaugh vermerkt dazu, daß Wernle hier eine Variante der Ausgabe von 1718 angebe. Sie kritisiert, daß er sich auf Goebel beziehe, dieser aber weder Erscheinungsort noch Erscheinungsjahr kenne. Auf Seite 276 erklärt Goebel, daß ihm die 2. Auflage des Gesangbuchs, die 1729 in Schaffhausen erschienen sei, vorliege. Dagegen zitiert UlfMichael Schneider eine Ausgabe von 1718 ohne den Herausgebervermerk. Demnach sind sowohl ein Teil der ersten als auch der zweiten Auflage mit der Herausgeberbezeichnung erschienen. Durnbaugh: Ephrata, Amana, Harmonie, 206–207; Goebel: Geschichte der wahren InspirationsGemeinden, 1854, 276–277; Koch: Geschichte des Kirchenlieds, 6, 90; Schneider: Propheten der Goethezeit, 209; Wernle: Schweizerischer Protestantismus, 1, 449. 221 Zur Inspirationsgemeinde vgl. Kapitel 4.2.1.

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dem Zusatz zum Titel aufgelöst: Ungemut, Rock, Elsasser,222 Mackinet oder de Malade, Gruber, Neumann und Ziegler.223 Die Liedersammlung enthält in der ersten Auflage 858 Lieder, die zu zwei Dritteln dem Geist=reichen Gesang=Buch von Johann Anastasius Freylinghausen entnommen sind.224 Die meisten Lieder (76) stammen von Gottfried Arnold, mit je 40 Gesängen sind Angelus Silesius, Paul Gerhardt und Joachim Neander vertreten. Von Inspirierten ist in dieser Sammlung Eberhard Ludwig Gruber mit sechs Dichtungen nachweisbar. Eine weitere Quelle vor allem für kirchenkritisches Liedgut ist der bereits erwähnte Anmuthige Blumen=Krantz. Dieser Liedbestand wird in der zweiten Auflage von 1729 »mit einer neuen Nachlese von mehr denn 100 Liedern vermehret«.225 Auch wenn nach und nach weitere Gesängen von Anhängern der Inspirationsgemeinde aufgenommen wurden, haben sich Zusammensetzung und Umfang in den folgenden Ausgaben nicht sehr verändert – ein Kern von 712 Liedern ist in allen Auflagen nachweisbar.226 Kritik an der Kirche und den Künsten »IHr Salems=Töchter, hört! Die ihr an Stein und Mauren bind’t Gottes=Dienst und Lieb, und nur aufs äussre gafft, aus irrdisch=groben Sinn! Ihr dörfft mich wohl bedauren, als hätt’ mir diese Schwärtz die Einsamkeit verschafft? Ihr seht hier keine Pracht, nicht Kirchen=Pomp, noch Schreyen; kein Oppfer, noch Altar, kein Schatten=Werck, noch Bild! Wir sind einfältig, schlecht, und heissen arme Layen, denen zum Priesterthum die Händ sind nicht gefüllt. Doch dem sey, wie ihm woll! je schwärtzer dir von ferne scheint Christi Brau tzu seyn, O blinde Unvernunfft! je mehr erblickt der Geist an diesem Himmel Sterne, wiewohl noch gantz verdeckt. O seel’ge JEsus-Zunfft! Wer deine Glorie kennt, der sucht sie nicht im Schwätzen und in Gelehrsamkeit, so die Verführerin, die Schlang, hat bey dem Baum des Wissens wollen setzen, daß der Gehorsam nicht den Lebens=Baum gewinn.

–––––––––– 222 Goebel versah diese Angabe mit einem Fragezeichen. Es handelt sich um den Theologen Johann Jacob Elsässer, der 1706 aus Württemberg gewandert war und sich zunächst der Inspirationserweckung anschloß. Vgl. Schneider: Pietismus im 18. Jahrhundert, 157, 161. 223 Goebel: Geschichte der wahren Inspirations-Gemeinden, 1854, 277. 224 Durnbaugh: Ephrata, Amana, Harmonie, 207. 225 Von den 146 Liedern kommen 25 nur in dieser Auflage vor. Durnbaugh: Ephrata, Amana, Harmonie, 207. 226 Die letzte Auflage ist die 1854 in Ebenezer, New York erschienene achte. Vgl. Durnbaugh: Ephrata, Amana, Harmonie, 206–208.

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Nein! Hier gilt keine Schminck der falsch=berühmten Künste, und keine Deuteley, ob mans auch Predigt nennt; auch nicht der hohe Ruhm der falschen Weisheits=Dünste. Was reich und weiß will seyn, wird nicht allhier erkennt. Sonst könt ich wohl so weiß von auss= und innen scheinen, wenn eurer Frechheit Stoltz und grobe Heucheley mich nicht zur Trauer brächt, und zwäng, euch zu beweinen. Diß zeiget euch, warum ich schwartz, dürr und traurig sey! Doch laßt euch meine Schwärtz nicht allzuhäßlich düncken, und ärgert euch icht mehr an meiner Kleinigkeit: Wenn mir mein Bräutigam, mein Schönster, einst wird wincken, solt ihr mich schön genug sehn in der Hochzeit=Freud!«227

Das Lied Ihr Salems-Töchter hört ist in der Auseinandersetzung zwischen der Kirche und den Pietisten entstanden. Eine Gruppe von Abgesonderten führt den Gemeindemitgliedern die Mißstände ihrer Kirche vor. Der kirchliche Gottesdienst sei an das Gebäude gebunden (Strophe 1), der Kirchenraum prächtig mit Bildern und Kunstwerken geschmückt und der Gottesdienst inszeniert (Strophe 2). Auch die Pfarrer machten sich dem Vorwurf des überflüssigen Schmuckes schuldig, da sie theologische Wissenschaft betrieben und in den Predigten ihre Gelehrsamkeit präsentierten (Strophe 4– 5). Dem wird die Verehrung Gottes durch die Separatisten gegenübergestellt: Sie feierten in einem schmucklosen Raum, seien nicht theologisch gebildet, und die Ansprachen würden in einfacher Sprache gehalten (Strophe 2). Darüber hinaus belegt die Gruppe, daß es keinen geistlichen Leiter gebe, sondern ein Priestertum der Gläubigen in die Praxis umgesetzt werde.228 Mit der Kirchenkritik geht eine Kritik der Künste einher. Dabei wird vor allem mit dem Gegensatz der schwarzen Farbe, die hier abgeleitet von der schwarzen, bescheidenen Kleidung der Separatisten für das Ideal der Einfachheit steht, und den verschiedenen Formen des Schmucks gespielt. Die Ablehnung des Kirchengebäudes, Kirchenschmucks, der Predigt und Hermeneutik weist gleichzeitig auf eine negative Beurteilung der Architektur, bildenden Kunst, der Rhetorik und theologischen Wissenschaft hin. Mit dem »Kirchen-Pomp« wird neben der Liturgie, auf die das »Schreien« –––––––––– 227 IHr Salems=Töchter, hört! in: Schütz (Hg.): Geistlicher Würtz= Kräuter= und Blumen=Garten, 2, 402, Nr. 424. 228 Spener hatte in seiner Pia Desideria Luthers Gedanken des Priestertums aller Gläubigen wieder aufgegriffen und forderte die Praktizierung dieser Idee. Demnach ist dies kein ausschließlich radikalpietistischer Gedanke, sondern gehört zum Ideengut des gesamten Pietismus. Vgl. Wallmann: Der Pietismus, 83.

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(Strophe 2) hinweist, und dem Kirchenschmuck auch die Inszenierung des Gottesdienstes und damit indirekt das Theater kritisiert.229 Die »Schwärtz«, die die Pietisten tragen, wird am Ende des Liedes wieder aufgegriffen. Die Heuchelei der Gemeindemitglieder führe dazu, daß die Pietisten trauerten, abnähmen und melancholisch würden. Aber sie wollten nicht bedauert werden, da sie in der Zukunft die Hochzeit mit dem Lamm Gottes erwarteten. Das ganze Lied ist trotz seiner Kirchen- und Kunstkritik kein radikalpietistisches Lied. Die Gruppe der Abgesonderten versucht, den Gemeindemitgliedern ihr Fehlverhalten aufzuzeigen und sie zur Buße aufzurufen. Auch die Interpretation der »Schwärze« als Zeichen der Trauer zeigt, daß die Sprecher an den Mißbräuchen der Kirche leiden und eine Besserung der Zustände wünschen. Darüber hinaus wird auf die Verunglimpfung der Kirche als Mauerkirche oder Sekte und ihrer Anhänger als Töchter Babels verzichtet. Die vermittelten Vorstellungen, wie das Priestertum aller Gläubigen, aber auch die Kritik an den Künsten, sind im gesamten Pietismus verbreitet gewesen, dezidiert radikalpietistische Ideen fehlen dagegen. Direkt an die Pfarrer wendet sich das Lied Ihr Unter=Hirten! kommt heran von Michael Müller.230 Anhand des Gleichnisses vom Guten Hirten (Joh 10, 1–16) und vom verlorenen Schaf (Lk 15,3–6) werden die Handlungsweisen des Guten Hirten dargestellt. Christus führt die Schafe von früh bis spät auf der rechten Weide, sucht die Verirrten und hat schließlich sein eigenes Leben für sie gegeben. Diesem Vorbild sollen sie folgen: »Ist dieses nun des HErren Brauch, die Schaafe so zu weyden, so sollen seine Diener auch sich wissen zu bescheiden, die Schäflein stets in ihre Hut zu nehmen, und an keinem Gut sie lassen Mangel leyden.«231

Die Pfarrer geben sich nur den Anschein eines Guten Hirten. In Wahrheit seien sie »Miedlinge«, die Fleisch, Milch und Wolle nutzten, aber bei Ge–––––––––– 229 Die Literatur, die sich mit dem pietistischen Verhältnis zur Kunst beschäftigt, kann hier nicht vollständig aufgeführt werden, dennoch sollen einige Arbeiten genannt werden. Lindberg: Pietismus und Barockoper, 251–257; Martens: Hallescher Pietismus und Rhetorik; Martens: Hallescher Pietismus und schöne Literatur; Schmitt: Pietistische Kritik; Thomke: Kritik am Theaterspiel. In jüngster Zeit hat Rainer Bayreuther die These aufgestellt, daß der Pietismus nicht an sich kunstfeindlich war, sondern in der Konkurrenz mit anderen Gruppen deren Kunst ablehnte. Bayreuther: Pietismus, Orthodoxie. 230 IHr Unter=Hirten! kommt heran, in: Schütz (Hg.): Geistlicher Würtz= Kräuter= und Blumen=Garten, 2, 407–409, Nr. 430. 231 Ebd., Strophe 3, 407.

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fahr zuerst sich selbst in Sicherheit brächten. Dem wird wieder der Gute Hirte gegenübergestellt, den die Frommen als ihren Herrn erkennen. Sie haben sich abgesondert von den Böcken und folgen nur den Geboten Jesu: »und [die Schafe] wissen sich zu trennen von denen Böcken, die, vor Grimm, nicht hören Christi Freuden=Stimm, und hin und wieder rennen.«232

Doch es fehlen die wahren Hirten, und so irren die Schafe umher und werden bedroht: »Die Miedlinge sind ohne Zahl die gute Tage wählen, suchen Ehr und Guth zumal, und nicht die armen Seelen: sie weyden sich mit Uberfluß, da unterdeß mit Kümmernuß die armen Schaf sich quälen. Und ob sie einige mit Fleiß zu Christo wollen bringen, so pfleget man bey Schaarenweiß auf solche loß zu dringen, man raubet ihnen Guth und Blut, und lebt dahin in sichrem Muth bey allen diesen Dingen.«233

Obwohl es nicht ganz eindeutig ist, sind mit »sie« in der achtzehnten Strophe die wenigen guten Hirten gemeint, die bereits in der zehnten Strophe erwähnt wurden: »Diß Vorbild, dieser Sinn ist ja auch denen stets gewesen tieff eingedrucket, welche da den Hirten=Staab erlesen, die unser Hirt beruffen hat, zu weyden uns an seiner statt, daß wir in ihm genesen.«234

Auch diese Lieddichtung ist in den Kontext der pietistischen Reformbestrebungen einzuordnen. Die Kritik am Predigerstand formulierte schon Philipp Jakob Spener in seiner Pia Desideria.235 Seiner Meinung nach sei der Pre–––––––––– 232 233 234 235

Ebd., Strophe 12, 408. Ebd., Strophe 17–18, 408. Ebd., Strophe 10, 408. Wallmann: Der Pietismus, 80–81.

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digtstand verderbt, weil ihm wahres Christentum und lebendiger Glaube fehle. Erst durch eine umfassende Reform der Pfarrerschaft sei eine Besserung der ganzen Kirche zu erreichen. Auch wenn in dem Gesang auf die Absonderung der Schafe von den Böcken hingewiesen wird, so ist darunter nicht die Separation von der Kirche, sondern der Zusammenschluß der Frommen in einem Konventikel zu verstehen. Dagegen ist der Sprecher des Gesangs Auswendig schön-getünchte Gräber ein Separatist, der sich in der letzten Strophe stolz dazu bekennt, nicht mehr den Gottesdienst zu besuchen: »So werd ich auch nicht nöthig haben, daß ich Fey’rtag und Sabbather und andre Auffsätz halte mehr, mit denen hunterjär’gen Knaben, die dir nur zu gewissen Zeiten ein Cains=Opfer bringen dar: Dann ich will gern, mein GOtt! mit Freuden selbst seyn dein Opffer gantz und gar.«236

Im ersten Teil des Liedes polemisiert der Autor gegen die Kirche, den Gottesdienst und die Sakramente. Dazu benutzt er die Metapher des Grabes, das von außen noch »schön-getüncht« ist, von dessen Wänden aber innen der Kalk und Putz abbröckelt (Strophe 1). Der Zustand der Kirche entspreche diesem Bild, es habe sich die »Babelsweise der Chaldäer« ausgebreitet: man verehre Bilder und bete Baal an (Strophe 1,8). Falsche Propheten würden dem »losen, wilden Hauffen« ein »fremdbes Wort« predigen und eine »fremdben Tauff« vollziehen (Strophe 3). Schließlich bemängelt der Autor die Abendmahlspraxis, in der sich nur der »Judas-Bissen« finde. Im Mittelpunkt seiner Kritik steht die Beichtpraxis: »[...] Da heuchelt Pfaff und Ley, da flieget ein zwantzig Ellen langer Brieff; die Absolution man wieget ums Geld dar: O der losen Griff. Kein Wunder ists, daß hier sich finden der Schüler und Liebhaber mehr, und daß die Kirch viel fruchtbarer, wo man so leicht wird loß von Sünden; als das Jerusalem die Freye, da ohne Schmertzen nicht gebiert: Doch die Geburt heißt dann auch neue, weil das Alte sich verliehrt.

–––––––––– 236 AUswendig schön=getünchte Gräber, in: Schütz (Hg.): Geistlicher Würtz= Kräuter= und Blumen=Garten, 2, 56–58, Nr. 60.

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Dort aber sündigt man gleich wieder; das Himmelreich wird gantz gering verkaufft um einen Silberling: O falsche Judas=Brüder![...]«237

Statt die Sünden zu bereuen und Buße zu tun, könne die Absolution erkauft werden. Da die Vergebung so leicht zu erreichen sei, werde sie gering erachtet und die alte Lebensweise fortgesetzt. Der Dichter vergleicht dieses Verhalten mit Judas, um einen »Silberling« verkauften diese Leute ihr »Himmelreich«. Dem gegenüber wird in der vierten Strophe die wahre Beichte vorgestellt, die über einen langen Bußkampf zu einer Wiedergeburt und einem frommen Lebenswandel führe. Nach der Verurteilung der Kirche folgt im zweiten Teil (ab Strophe 7) ein Gebet, in dem der Separatist Gott bittet, ihn zu erhören. Hier stellt er die Meditation, die in einer unio mystica mündet, als besseren Gottesdienst vor. Doch der Charakter des Liedes wird durch die Polemik des ersten Teils geprägt, der in diesen Versen gipfelt: »Soll dann das GOtt dienen heissen, wo man nur lügt und trügt und spott’t? man sollt euch ins Gesicht bald schmeissen eurer Fey’rtag und Lehre Koth.«238

Die Ablehnung der kirchlichen Institution durch die Separatisten, vor allem im 17. Jahrhundert, umfaßte alle Konfessionen und religiösen Gruppen, wie auch das Lied Auf auf auf! In deinen Banden belegt. Der Autor ruft die Sänger zum Aufstand gegen Babel auf, der durch das Singen dieses Liedes ausgelöst werden solle. Er begründet seine Kritik zuerst mit den konfessionellen Streitigkeiten, die er für Ränkespiel hält. Nacheinander zählt er die reformierte und lutherische Kirche sowie die Wiedertäufer auf: »Stoltze Reformirte Geister! ihr seyd wohl eine arme Secte, eure Blöß ist offenbahr! warum nennet ihr euch Meister? wäret ihr nur rechte Jünger; es hat mit euch groß Gefahr Aber du bist’s nicht alleine, die du solchen übermachten gantz sectir’schen Hochmuth hast! andre Secten, groß und kleine, Widertäuffer oder Lutherisch, liegen unter gleicher Last.«239

–––––––––– 237 Ebd., Strophe 3, Zeile 5–Strophe 5, Zeile 4, 56. 238 Ebd., Strophe 6, 56. 239 AUf, auf, auf! In deinen Banden, in: Schütz (Hg.): Geistlicher Würtz= Kräuter= und Blumen=Garten, 2, 42–43, Nr. 44.

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Als zweites wirft er den Kirchen vor, daß ihre Geistlichen nicht nach den christlichen Geboten lebten und Gott lästerten. Den Kampf werde Zion gewinnen, »Babels Nest wird nun zerstöhret«. Der radikalpietistische Impetus dieses Liedes wird nicht nur durch die spiritualistische Kirchenkritik, sondern auch an der Neubewertung der Ketzer deutlich. Diejenigen, die von den offiziellen Kirchen als Häretiker verurteilt werden, seien die wahren Christen. Damit wird der Gedanke, den Gottfried Arnold in seiner Unparteyischen Kirchen- und Ketzerhistorie (1699/1700) formuliert hatte, aufgegriffen.240 Eklektizismus und Toleranz gegenüber unterschiedlichen Lehren und Gaben Hans Schneider beschreibt den radikalen Pietismus als ein »Sammelbecken vielfältiger Strömungen der frühen Neuzeit«.241 Neben der böhmistischen Theosophie wurden Vorstellungen des katholischen Quietismus, des mystischen Spiritualismus des 16. und 17. Jahrhunderts, des Labadismus, aber auch Anregungen aus dem Puritanismus aufgenommen. Gemäß dem Motto »Prüfe alles und erwähle das Beste« las man die Schriften anderer religiöser Gruppen und übernahm das, was den eigenen Vorstellungen entsprach oder der Erbauung diente. Unabhängig von Autoritäten entschied der Einzelne über seinen Kanon religiöser Ideen und berief sich dabei auf von Gott vermittelte Einsichten. »Gebät und Erfahrung bringt Embsigen bey, was Weißheit, was Wahrheit, was Christenthum sey: Studieren und Trauen auf mächtige Leut, wird offt als Quelle des Irrthums bereut.«242

Die radikalen Pietisten verwarfen den Lehr- und Wahrheitsprimat der kirchlichen Autoritäten sowie ihrer Schriften und beriefen sich statt dessen auf die göttlichen Lehren, die sie direkt durch den Heiligen Geist oder die Heiligen Sophia empfangen zu haben glaubten. Neben intellektuellem Wissen könnten durch den Heiligen Geist auch verschiedene Geistesgaben, wie Prophetie, Standhaftigkeit im Glauben oder die Gabe zur Heilung, verliehen werden. Aus diesem Standpunkt resultiert eine tolerante Haltung gegenüber verschiedenen Einsichten und Fähigkeiten, zu der das Lied Bedencket doch wie Gottes Geist auffordert.

–––––––––– 240 Schneider: Pietismus im 17. Jahrhundert, 410–416. 241 Schneider: Pietismus im 18. Jahrhundert, 167. 242 MAn pflegt offt zu schelten, in: Schütz (Hg.): Geistlicher Würtz= Kräuter= und Blumen=Garten, 2, 475–476. Nr. 508.

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»Wenn einer von der Weißheit Licht, der andre von Erkänntnuß spricht, und was zu ihrem Ruhm gehört, aus eigener Erfahrung lehrt. Wenn dieser als ein Gottes=Held, vom Glauben wahres Zeugnuß stellt; wenn jener mit Gebät und Hand die Noth der Kranckheit abgewandt. Bald hat ein andrer solchen Muth, daß er im Glauben Wunder thut; wenn dort ein göttlicher Prophet und Lehrer in dem Volck entsteht! Wann der die Geister prüfft und kennt, und ihren Unterschied benennt, so weiß ich, daß man andre findt, die vieler Sprachen mächtig sind.« 243

Obwohl diese Gaben unterschiedlich seien, könnten sie alle auf das Wirken des Heiligen Geistes zurückgeführt und müßten dementsprechend anerkannt werden. »Diß alles würcket und verschafft, des ein’gen guten Geistes Krafft, der alles in der Ordnung hält, und theilt es wie es Ihm gefällt.«244

Das Lied schließt mit dem Appell, die Gaben in Sinne der Allgemeinheit zu nutzen. Bereits die Offenheit gegenüber Wunderheilungen, Prophetie und der Entwicklung neuer Lehren durch Laien verweist auf den radikalpietistischen Kontext des Liedes. Darüber hinaus ist auch das Urteilsvermögen, mit dem die Frage geklärt werden kann, ob die Gaben göttlichen Ursprungs sind, an das Wirken des Heiligen Geistes gebunden. Der Dichter formuliert drastisch: »Wenn Er zu GOtt die Hertzen wendt, die erst das Heydenthum verblendt, daß sich Licht und Erkänntnuß findt, wo seine stumme Götzen sind.

–––––––––– 243 BEdencket doch, wie GOttes Geist, in: Schütz (Hg.): Geistlicher Würtz= Kräuter= und Blumen=Garten, 2, 58–59, Nr. 62. Über den Beitrag, den der Pietismus zur Entwicklung des Toleranzgedankens geleistet hat, referierte Hans Schneider auf dem ersten Pietismus-Kongreß in Halle. 244 BEdencket doch, wie GOttes Geist, Strophe 9, 59.

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Beispiel eines Universalgesangbuchs

Daß man desselben Ehre sucht, was Zung und Hertz vorhin verflucht, und durch des Geistes Unterricht von denen Thaten GOttes spricht.«245

Damit wird jede offizielle Lehrinstanz zugunsten eines individuellen Urteils abgelehnt. Der einzelne Gläubige ist in seinen Bewertungen, die auf göttlichen Einsichten beruhen, von theologischen Vorstellungen unabhängig und kann daher auch die bisher gültigen Kriterien überprüfen und ggf. ändern. 4.3 Der Spagat zwischen orthodoxen und radikalpoetischen Dichtungen – die Lieder im dritten Band Das Vorspiel der Neuen Welt Das Manuskript für den dritten Band hatte Schütz bereits zum Druck fertiggestellt, als er verschiedene Liedersammlungen und Manuskripte, darunter das Vorspiel der Neuen Welt, zugesandt bekam.246 »Und weil wir dann sowohl in diesem Büchlein, als auch in den andern schon gedachten etwas Besonderes fanden, achteten wir des der Mühe werth, unser Werck noch einmahl zu durchsehen, und so viel als diese Büchlein von Liedern hatten, davon auszumustern u[nd] biß auf eine andere Gelegenheit zurück zu setzen.«247

Doch nicht nur die Gesänge, sondern auch das Vorwort, das Rubrikenregister sowie das Nachwort des Vorspiels der Neuen Welt entsprechen so sehr seinen Ansichten, daß Schütz sowohl die Lieder in sein Gesangbuch aufnimmt als auch die beigefügten Texte vollständig in seiner Vorrede zitiert. Er schließt: »auf diese Weise lässet sich der Geist Jesu [...] auch in der Wüsten (ich meine Pens Wildniß/ in America, welche fast biß auf unsere Zeit wüste) hören, mit Gesängen, und auf eben diese Weise lässet sich diese Turtel=Taube auch ins unseren Landen [...] hören.«248 Das Vorspiel der Neuen Welt war bereits 1732, drei Jahre vor der Gründung der eigentlichen Klostergemeinschaft, von Conrad Beissel und seinen Anhängern herausgebracht worden.249 Das Gesangbuch enthält, angeordnet –––––––––– 245 Ebd., Strophe 2–3, 58–59. 246 Die statistische Auswertung zeigt, daß Schütz knapp 70 Dichtungen der jüngeren Hallenser um Johann Ludwig Konrad Allendorf in diesen Band aufgenommen hat. Da die dritte Auflage der Cöthnischen Lieder unter dem Titel die ehedeß eintzeln gedruckte Cöthnische Lieder erst 1740 erschienen ist, dürfte er auch dieses Buch kurz vor Fertigstellung des dritten Teils erhalten haben. 247 Schütz: Vorrede, 1740, )(2 r–[)(2] v. 248 Ebd., [)(4] v. 249 Da das Gesangbuch vor der Klostergründung erschienen ist, führt es Hedwig T. Durnbaugh nicht unter den Gesangbüchern der Gemeinschaft auf. Durnbaugh: Ephrata, Amana, Harmonie, 204.

Analyse des Liedkorpus

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in 15 Rubriken, 119 Lieder. Im Anhang folgt ein Mystisches und sehr Geistreiches Abc, an eine Gott liebende Seele, die sich in den wegen Gottes verlauffen. Zu den Liedern, die bis auf O ihr brüder allzusammen aus dem Vorgängergesangbuch übernommen wurden, kamen 56 Neudichtungen hinzu.250 Die Gesänge sowie das Abc sind, wie die Forschungen Allen Viehmeyers belegen, im Kreis um Beissel entstanden.251 Schütz fügte alle Lieder sowie das Abc in den dritten Band seines Gesangbuchs ein. In vier Fällen hat er eine andere Melodie angegeben und in drei Liedern einzelne Wörter geändert oder ersetzt.252 »Ich hab mit Jesu mich verlobet, Um treu zu bleiben bis in tod Ob teuffel, welt, darwieder tobet So halt ich mich, an meinen Gott; Dann Jesu blut kommt mir zu gut, Dass ich kan halten diesen bund, Den er in mir thät machen kund.«253

»ICh hab mit JEsu mich verlobet, um treu zu bleiben bis in Tod, ob Teufel, Welt, darwieder tobet, so halt ich mich an meinen GOtt; dann JEsu Blut kommt mir zu gut, daß ich kan halten diesen Bund, den er mir that machen kund.«254

Der Wechsel des Modus der Verbform vom Konjunktiv Imperfekt in den Indikativ Imperfekt ist an dieser Stelle die Korrektur eines Druckfehlers der –––––––––– 250 GÖTTLICHE Liebes und Lobes gethöne [...] Philadelphia 1730. Dieses Gesangbuch ist die erste deutschsprachige Liedersammlung, die in Amerika veröffentlicht wurde. Bis auf O ihr Brüder allzusammen wurden alle Lieder aus diesem Gesangbuch ins Vorspiel der Neuen Welt aufgenommen. Vgl. Bach: Voices of the Turtledoves, 1997, 314. Davon abweichend schreibt Oswald Seidensticker, es seien 55 neue Gesänge zu den Liedern aus dem Göttlichen Liebes und Lobes gethöne aufgenommen worden. Davon stammen 24 von Conrad Beissel, die übrigen Liedtexte verfaßten Michael Wohlfahrt, Martin Brehmer und andere. Seidensticker: First century of German Printing, 8. 251 Allan Viehmeyer konnte die Lieder einzelnen Brüdern und Schwestern zuweisen und machte diese Liste der Autorin zugänglich. Danach trifft die Aussage, die Hedwig T. Durnbaugh über das Liedrepertoire der drei frühen Ephrater Liedersammlungen macht, die Liedtexte stammten zum kleineren Teil aus dem deutschen Kirchenliedgut, nicht für das Vorspiel der Neuen Welt zu. Durnbaugh: Ephrata, Amana, Harmonie, 204. 252 Das Lied Mein Geist der fließet ein ist nach dem Vorspiel der Neuen Welt auf die Melodie O stille friedens ruh zu singen, Schütz gibt dagegen O Gott du frommer Gott an. Zu In der stillen hertzens ruh bestimmt er die Melodie Jesus komm doch selbst zu mir statt Liebster Jesu du, zu Großer Gott, ich will dir singen gibt er Treuer Gott ich muß dir klagen statt Wie nach einer wasser[quelle] an, und Herr Jesu Christ, ach siehe doch soll auf Herr Jesu Christ ich weiß und nicht nach O Jesu meiner seelen lust vertont werden. Vorspiel der Neuen Welt, 25, 28, 51, 66; Schütz (Hg.): Geistlicher Würtz= Kräuter= und Blumen=Garten, 3, 544, 480, 307, 338. Darüber hinaus sind orthographische Abweichungen feststellbar. Da die Vorlage bei dem englisch-sprachigen Drucker Benjamin Franklin gedruckt wurde, waren dort der anglo-amerikanischen Schreibweise entsprechend die Substantive bis auf die Eigennamen klein geschrieben und das »ß« durch »ss« ersetzt. Dies wurde durch Schütz oder die Homburger Setzer korrigiert. 253 ICH hab mit Jesu mich verlobt, in: Vorspiel der Neuen Welt, 32–34, Nr. 18. Verfasserin dieses Liedes ist Schwester Christina. 254 ICh hab mit JEsu mich verlobet, in: Schütz (Hg.): Geistlicher Würtz= Kräuter= und Blumen=Garten, 3, 394–395, Nr. 432.

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Beispiel eines Universalgesangbuchs

Vorlage. Die Konjunktiv-Imperfekt-Form legt die Unerfüllbarkeit des Abschlusses einer Vereinbarung nahe, die hier sinnentstellend ist, da die Bekanntmachung des »Bundes« gleichzeitig mit der Verlobung (Zeile 1) bereits stattgefunden hat und sich das lyrische Ich bereits bemüht, die Bedingungen einzuhalten. (Zeile 6). »Mach dich der halben aus dem staube auf, Steh auf, Jerusalem, du g’fangner hauf.«255

»mach dich derhalben aus dem Staube auf, steh auf, Jerusalem, du kleiner Hauf.«256

Auch die Ersetzung des verkürzten Wortes »gefangener« durch »kleiner« ist nicht inhaltlich motiviert, sondern soll die Singbarkeit bzw. das Verstehen des Liedes, die durch zusammengezogene Silben erschwert wird, erhöhen. »Leg mir nur auf das creutz zu tragen Damit es mich recht nieder beugt, Denn du ja selber mir gezeigt, Dass ich muss werden hier geschlagen,«257

»Leg mir nur auf das Creutz zu tragen, damit es mich recht nieder beugt, denn du ja selber mir gezeugt, daß ich muß werden hier geschlagen,«258

Der Grund für diese Änderung ist der unreine Reim »beugt« auf »gezeigt«, den er in das gleich lautende Reimpaar »beugt« – »gezeugt« verbessert. Die Texteingriffe, die Schütz vorgenommen hat, sind quantitativ und qualitativ von geringer Bedeutung. Die erste Modifikation macht einen Druckfehler in der Vorlage rückgängig, die anderen Veränderungen sind nicht inhaltlich motiviert, sondern sprachlich und sollen die Singbarkeit der Lieder erhöhen. Damit kann für die Edition dieser Lieder festgehalten werden, daß Schütz die vorliegenden Dichtungen vollständig und nur mit geringen Abweichungen übernommen hat. Die Lieddichtungen sind zum einen durch die eschatologische Naherwartung, zum anderen durch die in der Gemeinschaft gepflegte Mystik geprägt. Wie bereits der Titel des Gesangbuchs belegt, treffen sich die beiden Anliegen, denn die endgültige Vereinigung der Gläubigen mit Gott wird erst in der zukünftigen Neuen Welt erreicht. –––––––––– 255 MACH dich im geist recht munter auf, in: Vorspiel der Neuen Welt, 73–74, Nr. 44. Verfasser dieses Liedes ist Bruder Obed. 256 MAch dich im Geist recht munter auf, in: Schütz (Hg.): Geistlicher Würtz= Kräuter= und Blumen=Garten, 3, 527–528, Nr. 573. 257 ICH armer staub, den du erwählet, in: Vorspiel der Neuen Welt, 64–65, Nr. 38. Verfasser dieses Liedes ist Bruder Agonius. 258 ICh armer Staub, den du erwehlet, in: Schütz (Hg.): Geistlicher Würtz= Kräuter= und Blumen=Garten, 3, 371–372, Nr. 400.

Analyse des Liedkorpus

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In der Vorrede wird zur Sammlung der »verstreuten Kinder Gottes« aufgerufen, für die angesichts des baldigen Anbrechens der Herrschaft Gottes nur noch wenig Zeit bleibe. Sie sollen sich festlich kleiden, die Stadt Babylon verlassen, sich von den Sorgen und Mühseligkeiten des irdischen Lebens reinigen und Bewährungsproben auf sich nehmen. Dann können sie, im Stand der »reinen Jungfrauen«, das »Neue Lied des Lamms, und das Lied Mosis« erlernen.259 Dementsprechend wird in den Gesängen erläutert, wie man sich durch einen frommen Lebenswandel, Ertragen von Glaubensproben sowie durch Meditationen auf die Ankunft Gottes vorbereitet und das zukünftige Leben im Paradies beschrieben. Die Lieder der ersten Dekade sind nach Jeffrey Bach als Führer auf einer Pilgerreise zu Gott konzipiert, die mit der Meditation beginnt und schließlich in Gottes ewiger Gegenwart mündet.260 Das zeigt sich auch im Aufbau des Gesangbuchs, dessen Rubriken, wie bereits erläutert wurde, die einzelnen Stationen dieses Weges bilden.261 Eine eingehende Untersuchung zu den in Ephrata entstandenen Schriften steht noch aus.262 In der älteren Forschungsliteratur werden sie häufig als »banal und langweilig« beurteilt.263 Dagegen hält Johann Joseph Stoudt Conrad Beissel für einen wichtigen Vertreter der westlichen Mystik und vergleicht ihn mit Meister Eckhart und Johannes Tauler. Die poetische Qualität der Werke, die von Conrad Beissel und seinen Anhängern stammen, stünde über der ihrer anglo-sächsischen Nachbarn, und auch die Zahl der Dichtungen sei erstaunlich. Im Rahmen dieser Arbeit kann keine tiefergehende Interpretation der Lieder geleistet werden. Dennoch soll auf einige der in den Gesängen verarbeiteten Themen und Metaphern eingegangen werden, um ihre Verbindung zur radikalpietistischen Literatur aufzeigen zu können. –––––––––– 259 [Vorwort], in: Vorspiel der Neuen Welt, A2 r-[A2] v. Mit dieser Formulierung greift der Autor auf den Text der Offenbarung (Offb 14, 1–5, 15,3) zurück, auf den schon vorher in verschiedenen Vorreden zu pietistischen Gesangbüchern verwiesen worden war. Suvi-Päivi Koski vermutet, daß diese Tradition auf Joachim Neander zurückgehe, der Offb 15,3 im Sinne einer liedtheologischen Begründung für seine Bundes=Lieder (1680) herangezogen hatte. Dies griffen Andreas Lupius in der Vorrede zu Neanders Glaub= und Liebes=Ubung (1686), Philipp Zuehl in seinem Neu=verfertigten Darmstädtischen Gesang=Buch (1699), Jakob Philipp Spener in der Vorrede zur Praxis Pietatis Melica (1702) und Johann Anastasius Freylinghaus sowohl in seiner Vorrede als auch im Frontispiz des Geist=reichen Gesang=Buchs (1704) auf. Allerdings unterscheidet sich die Verwendung des Zitats insofern, als der Vorredner in der Bilderwelt der Offenbarung bleibt, und keine Gleichsetzung des »Lieds Mosis und des Lieds des Lammes« mit alten und neuen Gesängen gemeint ist. Koski: Lied Mosis, 189–190. 260 Bach: Voices of the Turtledoves, 1997, 308. 261 Zu den Rubriken vgl. Kapitel 3.1. 262 Hollyday/Schweitzer: Present Status. 263 Vgl. für den folgenden Absatz: Durnbaugh: Ephrata.

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Beispiel eines Universalgesangbuchs

Bruder Agonius thematisiert in seinem Lied Wann ich in der stille sing, Und mit meinem Geist eindring die Erfahrung einer unio mystica.264 Mit dem Eindringen in Gott beginnt ein Reinigungsprozeß, den der Autor mit einem alchimistischen Experiment vergleicht. »[...]Und zerschmältzt vor lauter liebe, Durch die starken feuer-triebe Die verzehren gantz und gar, Was von schlacken an ihr war, Daß sie mehr und mehr wird kleiner, Und wie gold im feuer reiner.«265

So gereinigt und geläutert erwacht in der Seele der Wunsch nach einer Vergottung. »Nur zu folgen dieser spur, Dass der göttlichen natur, Ich theil hafftig möge werden, Weil ich noch auf dieser erden.«266

Im Unterschied zu Böhme, bei dem der Zustand der Vergottung den Schlußpunkt der menschlichen Entwicklung bildet, ist er hier eine Station auf dem Weg zur Ewigkeit. Unklar bleibt, ob sich der Mensch in diesem Stadium noch auf der Erde befindet oder bereits im Jenseits. »Dass also vergöttet ich, Auch so möge tragen mich, Als wie einer der erkauffet Von der erden und so lauffet.«267

Nachdem in der zehnten und elften Strophe das Ziel (»Einzugehen in die Stadt, Die Gott selbst gebauet hat«) und die Gruppe, die dieses erreichen wird (»Vor die so verleugnet hier, Alle wollust pracht und zier«) bereits genannt wurden, geht der Dichter im Folgenden auf seine Lebensumstände ein. »Mein geist wird jetzt schon gewahr, Wie so eine seel’ge schaar, Zur gesellschafft ich bekommen, in dem ich mir vorgenommen

–––––––––– 264 WANN ich in der stille sing, Und mit meinem Geist eindring, in: Vorspiel der Neuen Welt, 29–30, Nr. 16. 265 Ebd., Strophe 4, Zeile 3– Strophe 5, Zeile 4, 29–30. 266 Ebd., Strophe 8, 30. 267 Ebd., Strophe 9, 30.

Analyse des Liedkorpus

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Eine solche hohe reiss, Darum geb ich ehr und preiss, Unserm Gott der uns erkohren, Und aus seinem geist gebohren. Darum muntern wir uns auf, Und verfolgen unsern lauf, Werden weder schwach noch matt, Weil uns der gestärcket hat. Bey dem krafft und viel vermögen, Wünschen dabey glück und seegen, Die sich diese reiss erwählen, Und mit Jesu sich vermählen.«268

Mit dieser »Schaar« beschreibt Agonius die Gemeinschaft, die um Conrad Beissel entstanden war. Kurz nach seiner Taufe 1724 wurde Beissel aufgrund seines Charismas zum Leiter der Filialgemeinde der Brethren in Conestoga berufen. Als er begann, neue Lehren zu propagieren und Gebräuche einzuführen, kam es zur Spaltung der Gemeinde. Die Gemeinschaft um Beissel blieb auch, als er sich 1732 für einige Zeit nach Cocalico zurückzog, zusammen und bildete den Kern der späteren Klostergemeinschaft in Ephrata.269 Das Erwähltsein der Kinder Gottes, das bereits im Vorwort erwähnt wird, greift Bruder Agonius im Titel eines weiteren Liedes auf: Ich armer Staub, den du erwählet.270 Ebenso ist sich das lyrische Ich in der Dichtung Gott, der du mich hast auserkohren von Martin Brehmer seiner Erwählung gewiß.271 In der zweiten Strophe wird dieses elitäre Selbstbewußtsein auf eine Gruppe übertragen: »mit allen meinen bunds-genossen, Die hier gelebt keusch, heilig, rein«. Das Lied O! Auserwählte Schaar von Conrad Beissel richtet sich direkt an diese Gemeinschaft, in die auch der Sprecher, wie die siebte Strophe belegt, integriert ist: »Wol mir! weil ich erwählt, Zur frommen schaar gezählt«. 272 Diese Beispiele zeigen, daß sich die Mitglieder der Kongregation durch ihre Lebensweise nach den Regeln der Gemeinschaft bereits zu den erwählten Kindern Gottes gehörig fühlten. Auf die Lebenswirklichkeit als Emigrant griff Beissel zurück, um eine Vorstellung der Bedrängnis zu vermitteln, und stellte damit die Erfahrungen dar, die er und seine Anhänger in einem fremden Land gemacht hatten. –––––––––– 268 Ebd., Strophe 12–15, 30. 269 Durnbaugh: Frühe Geschichte, 19–20. 270 ICH armer staub, den du erwählet, 64. 271 GOtt, der du mich hast auserkohren, in: Vorspiel der Neuen Welt, 34–35, Nr. 29. Verfasser dieses Liedes ist Martin Brehmer. 272 O! Auserwählte schaar, in: Ebd., 38–41, Nr. 24. Verfasser dieses Liedes ist Conrad Beissel.

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Beispiel eines Universalgesangbuchs

»Im Lande, wo man deine sprach, Nicht kunt vernehmen noch verstehen, Und in viel drang und ungemach, Gedruckt, gebuckt mustest einher gehen, [...]273 [...] Weil sie im fremden land, Da sie gantz unbekandt, Und oft von feinden wird gejaget, Da niemand ist, der sie beklaget [.]«274

Die im Umkreis Beissels entstandene Literatur ist geprägt von der Sprache und Lehre Jakob Böhmes. Obwohl einige Mitglieder selbst mit den Werken Böhmes vertraut waren, lernten Beissel und die Mehrzahl seiner Anhänger sie über die Schriften Gottfried Arnolds und Johann Georg Gichtels kennen. Auch in den Liedern läßt sich dieser Einfluß nachweisen. So wird z.B. die Sophienmystik in den Gesängen O! Auserwählte schaar, Perl aller keusch verliebten seelen oder Wenn mein geist ist aufgezogen aufgenommen.275 Darüber hinaus sind noch andere Quellen rezipiert worden. Hollyday und Schweitzer haben festgestellt, daß sich Beissel in einigen seiner Lieddichtungen an Angelus Silesius orientierte, wie die Übernahme des Alexandriners und der Jesusminne belegen. Auch die radikalpietistische Lehre der Wiederbringung aller Dinge war Beissel bekannt, er behandelte sie in dem Gesang Gott ein herrscher aller heyden.276 Darüber hinaus haben die Dichter um Beissel zahlreiche Metaphern aus der Bibel aufgegriffen.277 Insbesondere auf das Gleichnis von den klugen und törichten Jungfrauen (Matth 25,1–13), das bereits im Neuen Testament durch seine Einordnung in die Rede Jesu über die Endzeit im eschatologischen Zusammenhang steht, wird häufig angespielt. Benjamin Schmolck Obwohl das Vorwort nahelegt, das Repertoire des dritten Bandes sei durch die Lieder aus dem Vorspiel der Neuen Welt geprägt, wird dies durch die statistische Auswertung widerlegt. Danach stammen nur zwölf Prozent der Dichtungen aus dem Umkreis von Beissel, dagegen machen die von Ben–––––––––– 273 AUF schmücke dich, du kleine heerd, in: Ebd., 72–73, Nr. 43. Verfasser dieses Liedes ist Conrad Beissel. 274 ZION geht in schwartz umher, in: Ebd., 59–61, Nr. 36. Verfasser dieses Liedes ist Conrad Beissel. 275 O! Auserwählte schaar, Strophe 20–21, 40; PERL aller keusch verliebten seelen, in: Ebd., 45–47, Nr. 28; WEnn mein geist ist aufgezogen, in: Ebd., 108–109, Nr. 65. 276 GOtt ein herrscher aller heyden. in: Ebd., 187–188, Nr. 119. 277 Z.B. die rufenden Wächter (Jes 52,8), der gute Hirte (Joh 10,11), der Gesang am gläsernen Meer (Offb 15,2–3) oder der wahre Weinstock (Joh 15,1–8).

Analyse des Liedkorpus

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jamin Schmolck aufgenommenen Lieder fast die Hälfte aus.278 Zwar hatte Schütz im Vorwort zum zweiten Band erwähnt, daß er vorhabe, im folgenden Teil die Dichtungen von Schmolck abzudrucken, aber in der Vorrede zum dritten Band fehlt jeder Hinweis auf ihn. Mit der prominenten Stellung, die das Liedschaffen von Benjamin Schmolck im dritten und fünften Band des Geistlichen Würtz= Kräuter= und Blumen=Gartens einnimmt, unterscheidet sich diese Liedersammlung von anderen pietistischen Gesangbüchern. Während die Gesänge von Schmolck vor allem in lutherisch-orthodoxen Liederbüchern im großem Umfang rezipiert wurden, sind nur wenige Lieder in pietistische Sammlungen aufgenommen worden.279 Johann Anastasius Freylinghausen nahm in sein Geist=reiches Gesang=Buch nur Meinen Jesum laß ich nicht, ach was sollt ich Bessers haben? auf. Ein ähnlicher Befund zeigt sich im Bertelsdorfer Gesangbuch (1725), im Rudolstädter Gesangbuch (1734) und im Neu=eingerichteten Hessen=Darmstädtischen Kirchen= Gesang=Buch von Rambach (1733), in denen jeweils weniger als fünf Lieder von Schmolck abgedruckt wurden.280 Schütz hat die Dichtungen aus unterschiedlichen Veröffentlichungen von Benjamin Schmolck zusammengestellt.281 Dabei berücksichtigte er insbesondere die Liedersammlung Lustiger Sabbath.282 Im Vergleich mit den Registern der anderen Teile unterscheidet sich die Rubrik der Sonn= und Fest=Tags=Lieder in diesem Band des Geistlichen Würtz= Kräuter= und Blumen=Gartens durch die vollständige Aufnahme aller Sonntage des Kirchenjahrs sowie ausgewählter Apostel- und Heiligentage. Diese Differenzierung hatte Schütz seiner Vorlage entnommen. Im Lustigen Sabbath publizierte Schmolck im ersten Teil Andachten über die Perikopen des Kirchenjahrs, im zweiten Teil einen Zyklus von Andachtsliedern für jeden Tag der Woche.283 Er hatte die Andachten für seine Gemeinde verfaßt und –––––––––– 278 Schütz hat in diesen Band 460 Lieddichtungen von Benjamin Schmolck aufgenommen. Darunter auch Endlich, endlich muß es doch, über das Alwin Binder und Heinrich Richartz eine umfassende Analyse vorgelegt haben. Binder/Richartz, Heinrich: Lyrikanalyse. 279 Nicolai zählt die folgenden Gesangbücher auf: das Zittauer Gesangbuch 1714, das Württemberger Tausendliederbuch 1732, das Gothaer Landesgesangbuch 1742, das Breslauer Gesangbuch 1748, das Schweidnitzer Gesangbuch 1749, das Hirschberger Gesangbuch 1752. Auch in das katholische Paderbornische Gesangbuch 1765 wurden 20 Lieder aufgenommen. Nicolai: Benjamin Schmolck, 92. 280 Auswertung der Liederdatenbank, die für diese Arbeit angelegt wurde. 281 Schmolck: Schmuck und Asche; Schmolck: Bochim und Elim, ²1733; Schmolck: Freuden=Oel in Traurigkeit; Schmolck: Mara und Manna, ²1727; Schmolck: Rosen Nach den Dornen. 282 Schmolck: Lustiger Sabbath. 283 »Man hat sich, so viel möglich bemühet, die Redens=Arten des heiligen Evangelions auszudrücken. Aus diesem Brunnen sind die Meditationes geflossen.« Schmolck, Benjamin: Vorrede, 1737, in: Schmolck: Lustiger Sabbath, A 2 r–[A 7] v.

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Beispiel eines Universalgesangbuchs

mit ihr im Gottesdienst gebetet.284 Die Gesänge hat Schütz fast vollständig im dritten Band aufgenommen. Nur einzelne Dichtungen, die er vermutlich bei der Überarbeitung des Manuskriptes herausgenommen hatte, fügte er in den fünften Teil ein.285 Er führt die Texte der Lieder, die Melodieangaben und häufig auch die Überschriften der Vorlage an. In den Textbestand hat er nur wenig eingegriffen. Die meisten Änderungen sind orthographische Abweichungen, die auch auf den Drucker zurückgehen könnten.286 Darüber hinaus gibt es Korrekturen, die inhaltlich motiviert sind und die Unterschiede im Kirchenverständnis des lutherisch-orthodoxen Pfarrers und des Radikalpietisten belegen. »Laß mich doch so weise werden, Daß ich dieses Gleichniß merck, Deine Kirche hier auf Erden Ist dein liebes Ackerwerck, Und der Weitzen, der hier fällt, Sind die Frommen in der Welt.

»Laß mich doch so weise werden, daß ich dieses Gleichniß merck, deine Kirche hier auf Erden ist dein liebes Ackerwerck und der Weitzen, der hier fällt, sind die Frommen in der Welt.

Satan streuet gantz geschwinde Lauter Unkraut zwischen drein Das sind Leute, die der Sünde Gantz und gar ergeben seyn, Und dadurch dein Kirchen=Feld Also greulich wird verstellt.«287

Satan streuet gantz geschwinde lauter Unkraut zwischen drein: Das sind Leute, die der Sünde gantz und gar ergeben seyn, und dadurch dein Ackerfeld also greulich wird verstellt.«288

Schmolck übertrug in den letzten beiden Strophen des Liedes Guter Säman guter Samen das Gleichnis vom Unkraut unterm Weizen auf die Kirche.289 Mit der Metapher des Unkrauts ist seiner Meinung nach das Verhalten unbußfertiger Gemeindemitglieder gemeint, das schließlich zur Belastung der gesamten Gemeinschaft werde. Dies hielt Schütz für ein Problem der –––––––––– 284 »GEgenwärtige Andachten sind ehemahls mit der Gemeine GOttes auf der Cantzel gebethet worden.« Rudolf Nicolai erläutert die Funktion der Lieder folgendermaßen: »Schmolck liebte es, die Gedanken der sonntäglichen Perikopen und seiner Predigten in einem Liede zusammenzufassen, das er wohl meist am Schluß seiner Predigten vorlas und singen ließ.« Nicolai: Benjamin Schmolck, 33; Schmolck: Vorrede, 1737, A 2 r. 285 So sind z.B. von den 112 Liedern aus dem Lustigen Sabbath 102 im dritten Band enthalten. Die restlichen zehn Dichtungen hat Schütz im fünften Band abgedruckt. 286 So wurde die Schreibweise »kein mahl« in »keinmahl«, »ziehlt« in »zielt«, »Kampffplatz« in »Kampff=Platz«, »JEsum« in »JESUM«, »Schafen« in »Schaafen« oder »steltest« in »stelltest« geändert. Einmal hab ich in der Welt, in: Schmolck: Rosen Nach den Dornen, 13–23, Nr. 3. Einmal hab ich in der Welt, in: Schütz (Hg.): Geistlicher Würtz= Kräuter= und Blumen=Garten, 5, 141–145, Nr. 139. 287 GUter Sämann, guten Saamen, in: Schmolck: Lustiger Sabbath, 49–50, Nr. 21. 288 GUter Sämann, guten Saamen, in: Schütz (Hg.): Geistlicher Würtz= Kräuter= und Blumen=Garten, 3, 315–316, Nr. 337. 289 Mt 13, 24–30. Das Lied trägt die Überschrift Weitzen und Unkraut. Am 5. Sonntage nach dem Fest der Erscheinung. GUter Sämann, guten Saamen, 49.

Analyse des Liedkorpus

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Volkskirche, das die radikalen Pietisten durch ihre Separation überwunden hätten, und tauschte daher den Begriff »Kirchen=Feld« durch »Ackerfeld« aus. Dagegen konnte er die Gleichsetzung des Ackers mit der Kirche in der vorhergehenden Strophe übernehmen, da sie mit seiner Vorstellung der Sammlung der Frommen in einer Geistkirche vereinbar war. »Gib, daß ich mich bereiten mag; Denn Morgen ist des HErren Tag, Daß ich auch geistlich aufersteh, Und meinen Kirchweg fröhlich geh.«290

»Gib, daß ich mich bereiten mag; denn Morgen ist des HErren Tag, daß ich auch geistlich aufersteh, und auf dem Lebens=Weg hingeh.«291

In dem Lied zur Andacht am Samstag abend bittet das lyrische Ich um die innere Vorbereitung auf den Sonntag und den Gottesdienst. Da Schütz den Besuch des kirchlichen Gottesdienstes ablehnte, änderte er den Text. Durch den »Lebens=Weg« wird zugleich die pietistische Ansicht, daß das ganze Leben des wiedergeborenen Menschen auf Gott hin bezogen und andächtig zu führen sei, vermittelt. Neben dem unterschiedlichen Verständnis von Kirche zeigen sich auch in der Ansicht, wie die Nähe Gottes erfahrbar sei, Differenzen. »Schärffe selber diß Gesicht, daß ich dich im Wort erblicke, und wenn hier ein Blick geschicht, dich gantz fest ins Hertze drücke, diese Vorschau ist genug, dort ist erst die Sättigung.«292

»Schärffe selber diß Gesicht, daß ich dich im Geist erblicke, und wenn hier ein Blick geschicht, dich gantz fest ins Hertze drücke, diese Vorschau ist genung, dort ist erst die Sättigung.«293

Das lyrische Ich äußert in dem Lied O wie seelig ist der Blick die Sehnsucht, Jesus zu erblicken und preist die Jünger, die seine Person noch gesehen hatten. Für das menschliche Auge bleibt er vorerst noch unsichtbar, nur durch den Glauben kann Jesus wahrgenommen werden. Während bei Schmolck die Gotteserfahrung über die Meditation des Bibeltextes erreicht wird, deutet die Strophe bei Schütz mit der Ersetzung von »Wort« durch »Geist« auf ein mystisches Gotteserlebnis in einer unio mystica hin.

–––––––––– 290 DEr letzte Wochen=Tag ist hin, in: Schmolck: Lustiger Sabbath, 246–247, [Teil 2] Nr. 14. 291 DEr letzte Wochen=Tag ist hin, in: Schütz (Hg.): Geistlicher Würtz= Kräuter= und Blumen=Garten, 3, 142, Nr. 149. 292 O Wie seelig ist der Blick, in: Schmolck: Lustiger Sabbath, 175–177, Nr. 70. 293 O Wie seelig ist der Blick! In: Schütz (Hg.): Geistlicher Würtz= Kräuter= und Blumen=Garten, 3, 711–712, Nr. 763.

160

Beispiel eines Universalgesangbuchs

4.4 Aus dem Hallischen, Freylinghausischen Gesang=Buch genommen – das Liedgut des vierten Bandes Zum Inhalt des vierten Bandes schreibt Schütz in der Vorrede: »So melden wir dann auch allhier von dem Vierten Theil nur so viel: Daß derselbe gänzlich aus dem Hallischen, Freylinghausischen Gesang=Buch genommen, und weil dasselbe aller Orten genugsam bekannt, und bis daher sehr viele Liebhaber gefunden, so halten wir es vor unnöthig etwas weiter davon zu melden.«294

Mit dem »Hallischen« oder »Freylinghausischen Gesang=Buch« bezeichnet er die von Johann Anastasius Freylinghausen herausgegebene zweibändige Liedersammlung. Der erste Teil mit 683 Liedern und 174 Melodien erschien 1704 unter dem Titel Geist=reiches Gesang=Buch und erlebte bis 1759 neunzehn Auflagen.295 Im Unterschied zu früheren pietistischen Liederanthologien stellte Freylinghausen eine Auswahl zusammen, die neben pietistischen Dichtungen auch einen bedeutenden Anteil reformatorischen und barocken Liedguts enthält.296 Nach der Auswertung von Koski sind die am häufigsten vertretenen Liedautoren Paul Gerhardt, Martin Luther und Angelus Silesius, dann folgen die dem Radikalpietismus zuzurechnenden Dichter Gottfried Arnold und Johann Wilhelm Petersen. Erst an achter Stelle steht mit Michael Müller ein Vertreter des Halleschen Pietismus. 1714 veröffentlichte Freylinghausen in der zweiten Sammlung, dem Neuen Geist=reichen Gesang=Buch, weitere 815 Gesänge.297 Auf der einen Seite ist dies »eine ziemliche Anzahl alter erbaulicher Lieder«, die im ersten Teil nicht aufgenommen worden war, auf der anderen Seite sind es neuere Lieder, »die entweder noch niemals gedrucket worden/ oder doch in solchen Büchern zu finden gewesen/ worinn sie von den wenigsten gesuchet worden«.298 Auch wenn das Neue Geist=reiche Gesang=Buch nicht an den Erfolg des Geist=reichen Gesang=Buchs anschließen konnte, wurde es doch viermal wiederaufgelegt.299 Aus beiden Sammlungen stellte Freylinghausen 1718 den sogenannten Auszug zusammen, der den Text von 1056 –––––––––– 294 Schütz: Vorrede, 1744, )( 2 r. 295 Vgl. zum folgenden Absatz: Busch/Miersemann: Einleitung, 2–3, Fußnote 2; Koski: Von den 683, 95–96. 296 Zu den Vorgängergesangbüchern vgl. die Aufsätze von Suvi-Päivi Koski und Wolfgang Miersemann. Koski: Zu den Vorläufern; Miersemann: Auf dem Wege, 35–80. 297 Freylinghausen (Hg.): Neues Geist=reiches Gesang=Buch. Neben den Texten wurden die Noten zu 158 Melodien abgedruckt. 298 Freylinghausen, Johann Anastasius: Vorrede, in: Neues Geist=reiches Gesang=Buch, ):( 3 r–[):( 6] v. Hier ):( 5 r. 299 Die vierte Auflage des Neuen Geist=reichen Gesang=Buchs erschien 1733. Zu den verschiedenen Ausgaben und Auflagen vgl. Busch/Miersemann: Einleitung [zu »Geist=reicher« Gesang], 2–3, Fußnote 2.

Analyse des Liedkorpus

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Liedern enthält.300 Nach dem Tod des Herausgebers veranstaltete Gotthilf August Francke 1741 eine Gesamtausgabe beider Teile, die den Titel Vollständiges Freylinghausisches Gesang=Buch trägt und in der 1581 Gesänge verzeichnet sind.301 Welche Ausgaben und Auflagen Schütz für den vierten Band ausgewertet hat, ist nicht eindeutig zu klären. In seinem Quellenverzeichnis werden zwei Ausgaben aufgeführt, zum einem »Freylinghausens geistreiches Gesangbuch« (Halle 1741), zum anderen »Joh. Anast. Freylinghausens Gesangbuch 2ter Theil«.302 In die Gesamtausgabe nahm Gotthilf August Francke zusätzlich zu den Liedern aus den ersten zwei Teilen die Dichtung Ich weiß, daß mein Erlöser lebt von Ludwig Hemboldt auf. Das Fehlen dieses Gesangs im Geistlichen Würtz= Kräuter= und Blumen=Garten deutet darauf hin, daß Schütz diese Ausgabe nicht bzw. nicht vollständig ausgewertet hat. Auch in Bezug auf das Neue Geist=reiche Gesang=Buch läßt der Liedbestand einen Rückschluß auf die benutzte Auflage zu. Da Schütz die Dichtungen Freuet euch ihr Brüder und Zu dir, Herr Jesu, flehe ich von Johann Hieronymus Wiegleb in den vierten Band aufgenommen hat, lag ihm der zweite Teil in der dritten Auflage von 1726 oder der vierten von 1733 vor. Aufgrund des Liedbestandes kann für den ersten Teil festgestellt werden, daß Schütz die 11. Ausgabe von 1719 bzw. eine der folgenden Auflagen ausgewertet hat.303 Darüber hinaus hat Schütz den Auszug besessen, wie aus einem Brief an Johann Gottlieb Fischer hervorgeht.304 Hier zitiert er das Lied O wie seelig sind die Seelen, die mit Jesu sich vermählen von Christian Friedrich Richter nach dem Auszug, der 1718 zum ersten Mal erschienen war.305 –––––––––– 300 Freylinghausen (Hg.): Geistreiches Gesang=Buch, 1718. Dieser sogenannten Auszug wurde 1775 zum 15. Mal wiederaufgelegt. 301 Freylinghausen/Francke (Hg.): Geistreiches Gesang=Buch, 1741. Diese Ausgabe wurde bis 1844 mehrmals nachgedruckt. 302 Schütz: Verzeichnis derer Gesang= und Poetischen Bücher, 1. Hauptteil (1744), [)( 5]r, )( )( r. Nr. I, 27, I, 87. 303 In der 11. Auflage von 1719 wurde das Lied Mein Jesu hier sind deine Brüder von J.H. Schröder durch die Dichtung Mein Jesu der du vor dem Scheiden von J.J. Rambach ersetzt. Die letzte Auflage des ersten Teils, die Schütz vorgelegen haben könnte, war die 17. Auflage von 1734. Vgl. zur Editionsgeschichte dieses Gesangbuchs: Klosterberg, Britta: Zur Editions- und Druckgeschichte, in: Johann Anastasius Freylinghausen und sein Geistreiches Gesangbuch. Zu Entstehung und Inhalt der bedeutendsten Liedsammlung des Pietismus. Erscheint voraussichtlich 2004. Unveröffentlicht. Die Autorin dankt Frau Dr. Klosterberg für die gewährte Einsichtnahme in das Manuskript dieses Aufsatzes. 304 Christoph Schütz an [Johann Gottlieb] Fischer, Umstadt, 5. Januar 1726, in: Schütz (Hg.): Geistliche Correspondentz, 1731², Teil 1, 250–251. 305 »Im Hallischen Gesang=Buch in breit 12. pag. 449 zierlich ausgedrucket.« Christoph Schütz an [Johann Gottlieb] Fischer, Umstadt, 5. Januar 1726, 250. Bis 1725 erschienen drei seitengleiche Auflagen des Auszugs. Aus diesem Grund ist nicht feststellbar auf welche Ausgabe Schütz besessen hat. Klosterberg: Zur Editions- und Druckgeschichte.

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Beispiel eines Universalgesangbuchs

Von den insgesamt 1586 Liedern, die in den einzelnen Ausgaben und Auflagen des Geist=reichen Gesang=Buchs abgedruckt wurden, sind 97 % in den fünf Bänden des Geistlichen Würtz= Kräuter= und Blumen=Garten zu ermitteln.306 Durch Überschneidungen des Liedbestandes sind in den ersten drei Bänden bereits knapp 540 Gesänge aus dem Geist=reichen Gesang=Buch nachweisbar, die aber aus anderen Liedersammlungen zusammengestellt wurden. So stammt ein Teil der Lieder von Angelus Silesius, Joachim Neander, Gottfried Arnold und Christian Friedrich Richter aus dem Anmuthigen Blumen=Krantz oder dem Davidischen Psalter=Spiel. Auch die Psalmlieder von Michael Müller hat Schütz nicht dem Geist=reichen Gesang=Buch, sondern dem Psalter Davids (Stuttgart 1700) entnommen. Über 60 % der Lieder aus dem ersten und zweiten Teil des Geist=reichen Gesang=Buchs übernahm Schütz in den vierten Band seines Gesangbuchs.307 Dadurch gelangte ein bedeutender Anteil von Lieddichtungen aus der Zeit der Reformation und der lutherischen Orthodoxie in den Geistlichen Würtz= Kräuter= und Blumen=Garten. So ist die Mehrzahl der Lieder, die Schütz von Martin Luther, Michael Weiße, Martin Moller, Bartholomäus Ringwaldt, Cyriakus Spangenberg, David Denicke, Justus Gesenius, Johann Heermann und Johann Rist aufgenommen hat, aber auch die Hälfte der Dichtungen von Paul Gerhardt in diesem Band zu finden. Dagegen sind knapp drei Prozent der Lieder aus den verschiedenen Ausgaben des Geist=reichen Gesangbuchs in keinem der fünf Bände des Geistlichen Würtz= Kräuter= und Blumen=Garten nachweisbar. Die Gründe liegen vor allem darin, daß einige Texte erst in späteren bzw. nicht in von Schütz benutzten Ausgaben abgedruckt wurden und daß Schütz nur ausnahmsweise lateinische Gesänge in seine Sammlung eingefügt hat. So fehlen die Lieder, die zuerst im Auszug veröffentlicht, wurden wie z.B. Unser Heiland steht gebunden von Friedrich Rudolf Ludwig von Canitz oder Auf auf ihr meine Lieder von Johann Lassenius. Aber auch aus dem ersten Teil sind Agni pugna et draconis und Jesu clemens pie deus von Johann Wilhelm Petersen sowie das zweisprachige In dulci jubilo nun singet und seid froh unberücksichtigt geblieben. –––––––––– 306 Als Vorarbeit für die Edition des Geist=reichen Gesang=Buchs hat die Forschungsstelle Freylinghausen-Edition unter Leitung von Wolfgang Miersemann eine Liste aller Lieder, die in den verschiedenen Ausgaben und Auflagen veröffentlicht wurden, angelegt. Die Autorin dankt Herrn Miersemann für eine Kopie dieser Zusammenstellung. 307 Die einzige Ausnahme ist das Lied ACh Jesu! meiner Seelen Freude, wie nah, das Schütz vermutlich aus Versehen verzeichnet hat, da er bereits ein Lied mit ähnlichem Incipit von Christian Knorr von Rosenroth ACh! JEsu meiner Seelen Freude, mein Reichthum aus dem Geist=reichen Gesang=Buch aufgenommen hatte. Schütz (Hg.): Geistlicher Würtz= Kräuter= und Blumen=Garten,4, 26–27, Nr. 30–31.

Analyse des Liedkorpus

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Das Geist=reiche Gesang=Buch war das wichtigste und bekannteste pietistische Gesangbuch. Daher konnte Schütz davon ausgehen, daß die Adressaten seines Gesangbuchs die von Freylinghausen herausgegebenen Liedsammlungen kannten und besaßen.308 Die Gründe, die ihn dennoch dazu bewogen, die Liedtexte nahezu vollständig in seinen Geistlichen Würtz= Kräuter= und Blumen=Garten aufzunehmen, erwähnt er nicht. Die umfassende Konzeption eines Universalgesangbuchs erforderte es, das Liedgut aller Gesangbücher, auch der stark verbreiteten zu dokumentieren. Allerdings läßt die Verzögerung der Drucklegung des vierten und fünften Bandes darauf schließen, daß Schütz durch die radikalpietistische Ausrichtung der ersten Bände zunehmend Schwierigkeiten hatte, sein Gesangbuch abzusetzen. Daher ist zu vermuten, daß er durch die Integration der Lieddichtung aus dem Geist=reichen Gesang=Buch versuchte, kirchlich-orientierte Pietisten als Käufer und Leser zurückzugewinnen. 4.5 Der fünfte Band – Ergänzungen zum Abschluß des ersten Teils Die Konzeption des fünften Bandes zeigt, daß Schütz damit den ersten Teil seines Gesangbuchs zum Abschluß bringen wollte.309 So betont er, daß die restlichen Gesänge, die er unter anderem aus dem Davidischen Psalter=Spiel, den Liedersammlungen Paul Gerhardts und Benjamin Schmolcks noch aufnehmen wollte, in diesem Band integriert worden seien.310 Damit dürften vor allem die Lieder, die bei der letzten Bearbeitung des dritten Bandes herausgefallen waren, gemeint sein. Auch inhaltlich vervollständigt der letzte Band mit Neujahrs-, Leichen- und Hochzeitsliedern sowie Reimgebeten von Benjamin Schmolck die vorhergehenden Teile, die vor allem durch die »Kern=Lieder« geprägt sind. Dieser Bestand an bereits publizierten und zum Teil sehr beliebten Gesängen wird durch »etwa 300. ganz neue und sonst noch nie gedruckte [...] Lieder« ergänzt. Ebenso wie im dritten Band stammt fast die Hälfte der Lieder (45 %) dieses fünften Teils von Benjamin Schmolck. Die Dichtungen von Paul Gerhardt, die Schütz ebenfalls in seiner Vorrede erwähnt, machen nur einen Anteil von knapp drei Prozent aus. Über die 300 »neuen Lieder« hinaus sind von über 100 weiteren Gesängen vorläufig keine Verfasser zu ermitteln. –––––––––– 308 Darauf weist Schütz bereits in der Vorrede zum vierten Band hin. Vgl. Kapitel 3.1. 309 »ENdlich haben wir das Glück euch auch den 4ten und 5ten Theil, und also den Ersten Haupt=Theil unsers Universal-Gesang=Buchs, complet, zu überreichen.« Schütz: Vorrede, 1744, )( 2 r. 310 Ebd., )( 2 r.

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Beispiel eines Universalgesangbuchs

Lutherisch-Orthodoxe Kasualdichtung Die Kasuallieder von Benjamin Schmolck können in zwei Gruppen eingeteilt werden: Die Gelegenheitsdichtung im engeren Sinne, die zumeist auf Bestellung zu einem bestimmten, einmaligen Anlaß, so zu Taufen, Hochzeiten und Begräbnissen einer einzelnen Person geschrieben wurde. Auch der Adressatenkreis ist zumeist privat auf die Angehörigen und Freunde des Gefeierten beschränkt. In einigen Fällen wenden sich seine Dichtungen zum Jahreswechsel, Tod des Landesherren oder nach einer Feuersbrunst in Schweidnitz an die Öffentlichkeit d.h. die Gemeinde, die Untertanen eines Landesherren oder die Einwohner einer Stadt. 311 Im Unterschied dazu ist die Gelegenheitsdichtung im weiteren Sinne dadurch definiert, daß sie von jedem Gläubigen zu bestimmten Anlässen gesungen werden kann. Dazu gehören die Lieder, die den Alltag strukturieren: zum Morgen und Abend, zum Wochenbeginn und -ende, zum Kirchgang, nach der Beichte oder zum Abendmahl.312 Daneben sind Gesänge enthalten, die die kirchlichen Kasualien wie Taufe, Hochzeit und Begräbnis, aber auch besondere Gelegenheiten im Leben wie Geburt, Kirchgang einer Sechswöchnerin oder Kur behandeln.313 Mit diesen Lieddichtungen steht Schmolck in der Tradition des utilitaristischen Gesangbuchs. Im Unterschied zu der im Kapitel 2 dieser Arbeit vorgestellten Theologia in Hymnis, deren Herausgeber Johann Jacob Gottschald sich bemühte, möglichst vollständig Lieder zu allen Lebenssituationen der Gläubigen zusammenzustellen, legte Schmolck keine thematisch geordneten Liedersammlungen –––––––––– 311 DEncke, Schweidnitz/ dencke dran! Bußfertige Erinnerung [der Schweidnitzischen Einäscherung bey der jährlichen Brand=Predigt Anno 1718 12. September]. In: Schütz (Hg.): Geistlicher Würtz= Kräuter= und Blumen=Garten, 5, 70–71, Nr. 87; GOtt unser Väter GOtt. Überschrieben mit: Neu=Jahrs Seuffzer [1704]. Ebd., 5, 225–226, Nr. 242. JOsephs Unterhanen Hüllet euch in Flor. Überschrieben mit: Trauer bey der Leiche des Kayser Josephs. Ebd., 5, 341–342, Nr. 396. 312 Z.B. AUf mein Hertze, rüste dich! Überschrieben mit: Hertzens=Seuffzer [bey Geniessung des heil. Abendmahls]. In: Schütz (Hg.): Geistlicher Würtz= Kräuter= und Blumen=Garten, 5, 41, Nr. 46; DEr Tag giebt schon der Nacht gewonnen. Überschrieben mit: Abend=Lied. Ebd., 5, 110–111, Nr. 100; DU angenehmer Tag! laß deine Sonne blicken. Überschrieben mit: Sonntäglicher Jubel=Gesang. Ebd., 5, 130, Nr. 123; EIn neuer Tag ein neues Leben geht mit der neuen Wochen an. [Ohne Überschrift]. Ebd., 5, 145–146, Nr. 140; GOtt Lob! die Woche ist verflossen. Überschrieben mit: Bey Ausgang jeder Wochen. Ebd., 5, 205–206, Nr. 219; GOtt Lob! Ich bin entbunden. Überschrieben mit: Freudige Rückkehr vom Beichtstuhl. Ebd., 5, 213, Nr. 228; GOtt Lob! ich schliesse meine Wochen. Überschrieben mit: Kirchgangslied. Ebd., 5, 216, Nr. 231. 313 Z.B. DU unerforschlichs Meer der Gnaden. Überschrieben mit: Seuffzer bey der Erklärung der heiligen Taufe. In: Schütz (Hg.): Geistlicher Würtz= Kräuter= und Blumen=Garten, 5, 138–139, Nr. 135; GOtt Lob! wir sind getraut. Überschrieben mit: Danck=Lied nach der Copulation. Ebd., 5, 219, Nr. 234; GOtt Lob! nun geh ich frölich schlaffen. Ebd., 5, 209–210, Nr. 224; DU angenehmes Kind! sey tausendmahl willkommen! Überschrieben mit: Freudige Bewillkommung in der Welt. Ebd., 5, 130–131, Nr. 124; GOtt Lob! ich schliesse meine Wochen. Überschrieben mit: Kirchgangs=Lied. Ebd., 5, 216, Nr. 231; AN GOttes Seegen ists gelegen. Überschrieben mit: Gute Gedancken/ bey täglichem Gebrauch des Brunnens. Ebd., 5, 390–391, Nr. 456,5.

Analyse des Liedkorpus

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vor. Zwar hatte er seinen Lesern in der Vorrede zum Lustigen Sabbath »Epistolische Lieder« sowie »Siebenmahl Sieben gebundene Paßions=Andachten« versprochen, er lieferte aber in Schmuck und Asche nur sieben der 49 angekündigten Passionslieder.314 Schließlich erschien 1734 mit dem Andächtigen Sela ein Erbauungsbuch über die Passion, das aber nur teilweise aus Liedern besteht. Den größten Teil bilden in Prosa verfaßte Gebete.315 Nicolai erklärt dies mit der Überlastung des Dichters: »Fast bei jeder Familienfestlichkeit wurde die Muse Schmolcks in Anspruch genommen. Dazu kamen die Bitten auswärtiger Freunde, die, wie es der Dichter nicht ohne Eitelkeit erwähnt, selbst aus weiter Ferne ihn um Lieder angingen.«316 Die Menge führte nach Nicolai dazu, daß sich Schmolck »in minderwertigen Gelegenheitsreimereien« verzettelte, »während er die großen Ziele aus dem Auge verlor«.317 Die folgenden Strophen sind einem Lied entnommen, das der Überschrift zufolge von den Paten auf dem Weg zur Taufe gesungen werden soll.318 »LIebster JEsu, wir sind hier, deinem Worte nachzuleben; dieses Kindlein kommt zu Dir, weil du den Befehl gegeben, daß man sie zu Christo führe, denn das Himmelreich ist ihre. Ja es schallet allermeist dieses Wort in unsern Ohren: wer durch Wasser und durch Geist nicht zuvor ist neu gebohren, wird von Dir nicht aufgenommen, und in GOttes Reich nicht kommen. [...] Wasch es, JEsu, durch dein Blut von den angeerbten Flecken: laß es halt nach dieser Fluth deinen Purpur Mantel decken: Schenck ihm deiner Unschuld Seide, daß es sich in dich verkleide.

–––––––––– 314 Schmolck: Vorrede 1737, [A7]v. Vgl. Nicolai: Benjamin Schmolck, 35. 315 Schmolck: Andächtiges Sela. Von den 14 enthaltenen Liedern sind nur zwei Neudichtungen. 316 Nicolai: Benjamin Schmolck, 36. 317 Ebd., 36. 318 LIebster JEsu wir sind hier, deinem Worte nachzuleben. Überschrieben mit: Gute Gedancken der Pathen/ welche mit einem Kinde zur Taufe reisen! In: Schütz (Hg.): Geistlicher Würtz= Kräuter= und Blumen=Garten, 5, 366–367, Nr. 429.

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Beispiel eines Universalgesangbuchs

Mache Licht aus Finsterniß, setz es aus dem Zorn zur Gnade, heil den tiefen Schlangen=Biß durch die Krafft im Bade. Laß hier einen Jordan rinnen, so vergeht der Aussatz drinnen.«319

In der ersten Zeile zitiert Schmolck das Incipit eines Liedes von Tobias Clausnitzer. Außer der Aufforderung, die Finsternis in Licht zu verwandeln, die Clausnitzer auf das menschliche Wissen und Verstehen bezieht, während sie bei Schmolck im Zusammenhang mit der Sünde steht, lassen sich keine weiteren Anklänge finden.320 Mit der Übernahme der ersten Zeile, des Reimschemas und des Versmaßes liegt eine Initialparodie vor.321 Ein zweites Merkmal für die Dichtung Schmolcks ist nach Nicolai die Aufnahme der biblischen Sprache und Metaphern.322 Teilweise nimmt er die Bibelstellen vollständig auf – so greift er zu Beginn des Liedes den Befehl Jesu auf, die Kinder zu ihm zu bringen (Mk 10,14) – , teilweise verweist er nur mit einzelnen Worten auf sie. So erinnert Schmolck mit dem Namen des Flusses »Jordan« an die Taufe Jesu durch Johannes den Täufer (Mk 1,9–10). In der sechsten Strophe übernimmt er für die Bitte, daß Gott sich des Täuflings annehme und ihm helfe, ein christliches Leben zu führen, die Bilder aus den Gleichnissen vom Guten Hirten (Joh 10,1–16) und vom wahren Weinstock (Joh 15,1–8) sowie die Vorstellung, die Gläubigen seien Christi Glieder (1. Ko 5,15). Nach lutherischem Verständnis wird dem Täufling mit der Taufe die Sündenvergebung zugesprochen.323 In diesem Sinne benutzt Schmolck die Metapher des »Wunder=Bade[s]«, durch das der »Schlangen=Biß« und »Aussatz« geheilt werde.324 Das Bild des Schlangenbisses steht für die Erbsünde. Schmolck bezieht sich damit nicht direkt auf den Sündenfall (dann müßte er vom Apfelbiß sprechen), sondern auf das Urteil Gottes danach, in dem er die Feindschaft zwischen Menschen und Schlagen verkündet hatte (1. Mose 3,15). Die Heilung vom Aussatz gehört in den Kontext der Heilungsgeschichten Jesu (z.B. Matt 8,2–4; Lk 5,12–14). Über diesen Zuspruch hinaus bewirkt die Taufe nach lutherischer Lehre auch die reale Erneuerung des Menschen und »Einleibung in Christus«.325 Die Verheißung, durch die Taufe wiedergeboren und in das Reich Gottes –––––––––– 319 320 321 322 323 324 325

Ebd., Strophe 1–2, 4–6, 366–367. Ebd., Strophe 5, 366. Lipphardt: Über die Begriffe. Nicolai: Benjamin Schmolck, 60. Sommerlath: Taufe IV, 646–647. LIebster JEsu wir sind hier, deinem Worte nachzuleben, Strophe 5, 366. Sommerlath: Taufe IV, Sp. 646.

Analyse des Liedkorpus

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aufgenommen zu werden (Tit 3,5–7), gibt Schmolck in der zweiten Strophe wieder. Die Verbindung des Menschen mit Jesus durch die Taufe und die dadurch erlangte Sündenvergebung (Röm 6, 3–11) betont Schmolck in der Aufforderung: »Wasch es, JEsu, durch dein Blut von den angeerbten Flekken: laß es halt nach dieser Fluth deinen Purpur Mantel decken: Schenck ihm deiner Unschuld Seide, daß es sich in dich verkleide.«326 Im Gegensatz zum dritten Band, in dem Schütz die Lieder von Schmolck durch Textänderungen mit seinen separatistischen Ansichten harmonisiert hatte, fehlt hier eine Bearbeitung. Inwieweit die Vorstellungen der lutherischen Kirche und der Separatisten voneinander abweichen, läßt sich am Beispiel der Taufe und der Auffassung des Kirchenraums zeigen. Während Schmolck in Übereinstimmung mit der Auffassung der lutherischen Kirche die Wassertaufe als heiliges Sakrament begreift, verdammt Schütz sie als einer der vier »Haupt=Greueln« der »Antichristen«327 Die Taufe sei zu einer rein äußeren Handlung verkommen, da die meisten Christen von der »wahren«, »inneren Feuer= und Geistes=Tauffe« nichts mehr wüßten.328 Er beschreibt sie als »ein rechtes Bad der Wiedergeburt und Erneuerung des Geistes durch den Heil. Geist«.329 Durch diese Gleichsetzung von Wiedergeburt und (Geist-)Taufe wird der Bußkampf zu einer Vorbedingung. Aus diesem Grund lehnt Schütz auch die Kindertaufe ab, weil die Säuglinge ihre Sünden noch nicht erkennen und bereuen könnten. Durch den »miraculösen Tauff=Götzen« werde suggeriert, der Täufling lebe nun nach den christlichen Geboten, dagegen offenbare er sein wahres Wesen durch Eigenwillen, Ungeduld, Zorn und boshaftes Weinen.330 Darüber hinaus sei die Kindertaufe nicht durch die Bibel belegt, im Neuen Testament würden nur Erwachsene getauft.331 Ebenso wie dem Tauflied liegen der Dichtung Herr, der du Zion hast erwählet, das Schmolck anläßlich der Weihe einer Kirche geschrieben hatte, die Vorstellung der lutherischen Amtskirche zugrunde.332 In diesem Lied beschreibt er das Kirchengebäude als einen geheiligten Raum, in dem sich die Gemeinde zum Gottesdienst zusammenfindet.333 Abweichend von Schmolck hält Schütz die Kirche weder für einen geweihten Raum noch als Ort für den Gottesdienst für notwendig. Er ist der Auffassung, daß Gott im –––––––––– 326 LIebster JEsu wir sind hier, deinem Worte nachzuleben, Strophe 4, 366. 327 Schütz: Kündlich grosses Geheimnüs, 1731², 188–194. 328 Ebd., 188. 329 Ebd., 188. 330 Ebd., 194. 331 Ebd., 190–191. 332 HErr, der du Zion hast erwählet. Überschrieben mit: Heilige Kirch=Weyh. In: Schütz (Hg.): Geistlicher Würtz= Kräuter= und Blumen=Garten, 5, 244, Nr. 270. 333 HErr, der du Zion hast erwählet, Strophen 1–3, 262.

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Beispiel eines Universalgesangbuchs

»inneren Hertzens=Tempel« verehrt werden solle und bezieht sich dabei auf den Gottesdienst der ersten Christen.334 »und waren ihnen also alle Orte und Stätten in ihren Häusern/ wie auch auf den Feldern/ oder in denen Wüsten und Wäldern/ oder auch auf den Todten=Äcker/ oder Kirch=Höfen/ und sonst/ wo sie nur Gelegenheit hatten/ heilig und gut genug ihre Versammlung allda zu halten/ und sich mit und unter einander zu [er]bauen/ und einander zu vernehmen und reitzen zur Liebe und guten Wercken/ und ihrem GOtt und Vatter und Christum [...] miteinander zu loben und zu preisen; und brachen das Brodt oder hielten des HErrn Abendmahl und ihre Liebes=Mahlen [...].«335

Die Gotteshäuser des alten Bundes, die »Mosaischen Hütten« und den Tempel Salomons, deutet Schütz als Zeichen für die Ankunft Jesu, die nach seiner Auferstehung überflüssig geworden seien.336 In diesem Zusammenhang zitiert er auch die Aufforderung Jesu, den Tempel abzubrechen.337 Daher stünden die Kirchen, die er diffamierend als »prächtige Götzen=Tempel« bezeichnet, auf losem Grund und seien ganz gegen den Willen Gottes und der Tradition des frühen Christentums gebaut und geweiht worden.338 Begräbnislieder als Beispiel für Dichtungen zu einmaligen Feierlichkeiten Die Epicedia von Schmolck, die Schütz in seinen fünften Band aufgenommen hat, sind fast vollständig den Kasualliedern im engeren Sinne zuzurechnen. Der Dichter nennt in den Zuschreibungen die Namen der Personen, erwähnt in den Liedtexten ihre Lebensumstände und geht auf den Ort und Zeitpunkt des Todes ein.339 Damit steht er in der Tradition der barocken Kasuallyrik, die im 17. Jahrhundert noch auf Adressaten in adligen und gelehrten Kreisen beschränkt war und im 18. Jahrhundert zunehmend ein bürgerliches Massenphänomen wurde.340 Obwohl Schütz die Namen und die Titulaturen in der Überschrift zu den Liedern anonymisiert hat, finden sich diese Angaben häufig noch im Text selbst. So wird in der letzten Strophe –––––––––– 334 Schütz: Kündlich grosses Geheimnüs, 1731², 154–164. 335 Ebd., 160–161. 336 Ebd., 155–158. 337 Joh 2, 19 u. 21. 338 Schütz: Kündlich grosses Geheimnüs, 1731², 164. 339 In der Sammlung Rosen nach den Dornen sind z.B. die Lieder Hilff mir JEsu, hilff siegen! mit »Abschiedslied der Frau Landschreiberin von Sommerfeld«; Schöner Abend meiner Tage mit »VALET der verwittibten Frau von Zedlitz«, Sulamith erhebt sich schon mit »Die In ein Freuden=Lied verwandelte Witwen=Klage, der Frau Clarisien« und Treuer Vater, deine Kinder mit »Der Mit Liebe und Thränen begleitete Herr Vater, Tit. Herr Gottfried Glasey« überschrieben. Hilff mir JEsu, hilff siegen! In: Schmolck: Rosen Nach den Dornen, 55–58, Nr. 12; Schöner Abend meiner Tage, in: Ebd., 59–61, Nr. 13; Sulamith erhebt sich schon, in: Ebd., 74–77, Nr. 17; Treuer Vater, deine Kinder, in: Ebd., 70–73, Nr. 16. 340 Stockinger: Kasuallyrik.

Analyse des Liedkorpus

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des Liedes Steht die Wiege schon beym Grabe? der Name des durch den plötzlichen Kindstod umgekommenen Säuglings mit »Christian« vermerkt.341 Ebenso nennt Schmolck in den Abschiedsliedern einer älteren Frau und eines Adligen die Namen.342 Auch wenn der Name der dreifachen Mutter, die während einer Zwillingsschwangerschaft starb, nicht aufgeführt wird, ist das Lied durch die Angaben über ihre persönliche Situation individualisiert.343 Insbesondere in den Gesängen, die Schmolck zum Tod eines Adligen oder einer Amtsperson geschrieben hat, geht er auf den Verstorbenen, seine Lebensumstände und die Hinterbliebenen ein. In dem Lied So geht der letzte Stoß zum Hertzen verabschiedet sich das lyrische Ich von den Hinterbliebenen.344 Daraus ist Folgendes über das Leben des Verstorbenen abzuleiten: der Herr von Platen war zum dritten mal verheiratet, seine Mutter war kurz vor seiner Hochzeit verstorben, sein Vater lebte noch und war über 80 Jahre alt. Seine Kinder werden nicht einzeln angesprochen, vermutlich waren sie zum Zeitpunkt des Todes noch zu klein. Außerdem werden aus seiner näheren Verwandtschaft noch seine Schwiegereltern und seine Schwester erwähnt. Das Epicedium ist in der Regel dreigeteilt und behandelt in unterschiedlich langen Abschnitten den Verlust über den Toten (lamentatio), das Lob des Verstorbenen (laudatio) und endet mit dem Trost des ewigen Lebens (consulatio). Die Dichtung von Schmolck ist als Abschiedslied konzipiert, im ersten Teil spricht das lyrische Ich über das Sterben und das Weiterleben der Seele nach dem physischen Tod, im zweiten Teil wendet er sich einzeln an die Hinterbliebenen, geht auf ihre Trauer ein und tröstet sie. Bedingt durch diese Anlage fehlt die laudatio, an ihre Stelle tritt das Motto »Es soll mein letztes Wort auf Erden, der theure Nahme JEsus seyn«.345 Neben den Namen und Lebensumständen gibt Schmolck in einigen Liedern auch Hinweise auf den Zeitpunkt des Todes und erwähnt den Wohnort des Verstorbenen. So wird z.B. im Incipit des Liedes So wird die Mayen=Lust zu Thränen! der Mai als Sterbemonat genannt.346 In den folgenden Strophen spielt der Dichter mit der Metapher des Frühlings. Das Sterben –––––––––– 341 STeht die Wiege schon beym Grabe? In: Schütz (Hg.): Geistlicher Würtz= Kräuter= und Blumen=Garten, 5, 593, Nr. 703. Überschrieben mit »Betrübter Eltern tröstliches Nachsehn«. 342 SO geht der letzte Stoß zum Hertzen, in: Ebd., 5, 565–566, Nr. 666. Ein Herr von »Platen«. SO ist mein Looß in GOttes Schoos, in: Ebd., 5, 571–572, Nr. 673. »Erdmuthe«. 343 Laß das leere Wochen=Bette, das bisher in Thränen schwimmt und Zwey sind in der Mutter=Schoos, Drey sind noch des Vatters Looß. MÜder Leib, gequälte Seele, auf! Strophen 4, 6, 433. 344 SO geht der letzte Stoß zum Hertzen, Strophe 6–18, 565–566. 345 SO geht der letzte Stoß zum Hertzen, Strophe 18, 566. 346 SO wird die Mayen=Lust zu Thränen! In: Schütz (Hg.): Geistlicher Würtz= Kräuter= und Blumen=Garten, 5, 590–591, Nr. 669.

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Beispiel eines Universalgesangbuchs

beschreibt er als »Verwelken und Verbleichen der Blätter«, das Paradies als den »rechten Garten, in dem der Knabe nun blüht«, die Sünde und Versuchung als »Mehltau« und das Leben nach dem Tod als »anderer Frühling«, in dem der »Mai voll Sonnenschein und nicht mehr voll Regen sein wird«.347 Auf ein Bibelwort verweist er mit den Zeilen »Wo Sarons schöne Blumen=Tracht auch Salomonis Schmuck verlacht«.348 Da Schmolck in den Liedern keine genauen Sterbedaten angibt, kann die Angabe des Sonntags »Lätare« als Sterbetag des Säuglings »Gottlieb« als bewußte Stilisierung verstanden werden.349 Die Zeile »Wenn Ober=Kuntzendorff durch Trauren gar offt ein Bochim werden muß« weist auf den Wohnort des verstorbenen Kindes hin.350 Da bereits ein Jahr zuvor eine Schwester George Adolphs gestorben war, setzte Schmolck das Dorf mit dem biblischen Ort Bochim, der Stätte der Weinenden, gleich.351 Weitere Beispiele für die Ortsangaben finden sich in dem Abschiedslied einer Amme von ihrer verstorbenen Pflegetochter, dort wird »Schweidnitz« als Wohnort der Verstorbenen genannt, sowie im Totengesang eines jungen Mannes »Siegmund Gottlieb«, der in Schweidnitz und Breslau gelebt hatte.352 Auch wenn in diesen Liedern allgemein gültige Strophen zum Trost und zur Erbauung enthalten sind und Schmolck sie selbst veröffentlicht hatte, sind diese Gelegenheitsgedichte durch die Anpassung an die individuellen Lebensumstände des Verstorbenen nur für einen einmaligen Anlaß konzipiert und wirken außerhalb ihres Entstehungskontextes unangebracht. Ein radikalpietistisches Begräbnislied Die Aufnahme der Kasualdichtung von Helimantes begründet Schütz in der Vorrede damit, daß viele »Leichen=Lieder« nach »gemeinen Schlender« abgesungen würden und er daher einen zusätzlichen Text ausgewählt habe, der die »Verständigen« zum Nachdenken anregen solle.353 Bereits der Titel Theosophisch erwogenen Mittleren Zustand der Seele nach dem Tode deu-

–––––––––– 347 Vgl. SO wird die Mayen=Lust zu Thränen! Strophe 2, 6, 8, 9, 590–591. 348 Lk 12, 27; Vgl. SO wird die Mayen=Lust zu Thränen! Strophe 7, 591. 349 »Lätare« (Freue dich!) ist der vierte Sonntag in der österlichen Bußzeit. SO folgt das Lämmlein schon dem Lamme, in: Schütz (Hg.): Geistlicher Würtz= Kräuter= und Blumen=Garten, 5, 562–563, Nr. 663. 350 SO sind die Wunden aufgerissen, in: Ebd., 5, 582–583, Nr. 689. 351 Ebd., Strophe 1, 9, 582–583; Ri 2, 5. 352 MEine Tochter, die mir zwar unterm Hertzen nicht gelegen, in: Schütz (Hg.): Geistlicher Würtz= Kräuter= und Blumen=Garten, 5, 378–379, Nr. 444; GOtt Lob! die Angst ist überwunden, in: Ebd., 5, 203–204, Nr. 217. 353 Schütz: Vorrede, 1744, [)( 2] v.

Analyse des Liedkorpus

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tet darauf hin, daß der Autor in diesem Werk die radikalpietistische Lehre der Wiederbringung aller Dinge dargestellt hat.354 Das Gedicht umfaßt 44 Verse, die im Original ungezählt und durch Sterne voneinander abgetrennt sind, und kann in zwei Abschnitte unterteilt werden. Im ersten Teil (Strophe 1–32) wird erläutert, wie es zur Trennung zwischen Seele und Willen kam und wie diese durch die Liebe Gottes nach dem Tod des leiblichen Menschen wieder aufgehoben wird. Der zweite Abschnitt (Strophen 33–44) besteht aus einem Epicedium für den Sohn eines Seelenfreundes. Der frühe Tod des Jungen wird damit erklärt, daß das »Welt=Gewirr« gegen seinen Sinn war. Als weitere gute Eigenschaften des Verstorbenen nennt der Autor fromme Redlichkeit, Tugendwesen und christlichen Willen. Dann abstrahiert der Verfasser vom konkreten Sterbefall, postuliert die Notwendigkeit von Bußkampf, Wiedergeburt und Prüfungen des wiedergeborenen Menschen und führt dies in einem Selbstgespräch weiter aus. Das lyrische Ich befragt die Seele, ob sie das Kreuz Christi auf sich genommen habe und stellt ihr die Aufnahme in das Himmelreich in Aussicht. Es rät ihr, still zu lieben, zu leiden und zu schweigen, da das Paradies nur durch »schärfste« Angst zu erlangen sei. Das Gedicht endet mit dem Trost und der Zusicherung, daß die Seele in Gott ruhe. Das Begräbnislied bildet den Kern der Dichtung, während der erste Teil als eine theoretische Einführung vorangestellt ist, in der die Lehre der Wiederbringung dargestellt wird. Durch den Sündenfall sei es zur Entfremdung zwischen Gott und Mensch gekommen, doch in der Seele wirke ein Element, das den sündhaften Willen Gott näher bringen könne. Erst wenn der Eigenwille gebrochen sei, könne die Seele die Leitung übernehmen und den Menschen zu einem Gotteserlebnis führen. Auch in dieser Situation kann er noch durch den Satan und falsche Geister getäuscht werden. Eine Aussöhnung zwischen dem Willen und der Seele sei nicht zu erreichen, sie bleibe bis zum Tod ein Fremdkörper im Menschen. Erst nach dem Tod im »Mittelstand« könne sich die Seele von den Sünden des menschlichen Willens befreien. Dieser Reinigungsprozeß, den Helimantes metaphorisch als alchimistischen Prozeß beschreibt, wird durch die Liebe Gottes bewirkt. Der Teil endet mit dem Lob der Liebe Gottes, die schließlich zur Erlösung aller Menschen, auch der Türken, Tataren, Juden und Heiden führe. –––––––––– 354 Helimantes: Mittlere Zustand der Seelen; Der nach der lauteren Heyls=Oeconomie Theosophisch erwogene mittlere Zustand der Seelen/ nach dem Tode/ nebst der in demselben vorgehenden Läuterung/ auch endlich darauff erfolgenden Wiederbringung der gantzen gefallenen Creatur/ bey Gelegenheit eines aus der Zeit in die Ewigkeit gegangenen Freundes/ vorgestellet von Helimantes, in: Schütz (Hg.): Geistlicher Würtz= Kräuter= und Blumen=Garten, 5, 98–110, Nr. 98.

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Beispiel eines Universalgesangbuchs

5. Résumée: Ein radikalpietistisches Universalgesangbuch In der Titelformulierung des von Christoph Schütz herausgegebenen Gesangbuchs werden einerseits die Gewürze und Kräuter, andererseits die Blumen aufgezählt. Damit entsteht das Bild eines großen Gartens, in dem sowohl Zier- als auch Nutzpflanzen angebaut werden. Schütz greift diese Metapher in der ersten Vorrede auf, um die Vielfalt der in seiner Sammlung aufgenommenen Lieder zu verdeutlichen, insoweit könnte sie auch mit dem Universalgesangbuch gleichgesetzt werden. Aber auch die radikalpietistische Ausrichtung ist im Titel angelegt. In der Aufzählung nimmt der Nutzgarten mit »Würtz= und Kräuter=Garten« ein größeres Gewicht ein als der Ziergarten, der nur mit »Blumen=Garten« angesprochen wird. Dabei stehen die Arzneipflanzen für Lieder, in denen die Kirche und der Gottesdienst kritisiert, aber auch radikalpietistische Sonderlehren vertreten werden. Die Quellensammlung belegt das Konzept des Universalgesangbuchs, wie Schütz es definiert. Kirchen- und Hausgesangbücher aus allen Konfessionen sind ebenso vertreten wie Anthologien geistlicher Lieder und Andachtsliteratur. Der Hauptteil der Veröffentlichungen stammt aus der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts, ist deutschsprachig und im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation erschienen. Dem in der Vorrede hervorgehobenen Anliegen, auch ungedruckte Dichtungen zu berücksichtigen, entspricht die Aufnahme von 16 namentlich aufgeführten Manuskripten von Johann Paul Bursch sowie ein Hinweis auf weitere unveröffentlichte Schriften von diesem sowie anderen Autoren. Auch die Gruppe der Liedersammlungen aus fremden Ländern und Übersetzungen sind vertreten. Damit sind zum einen deutschsprachige Gesangbücher gemeint, die in Dänemark, den Niederlanden, der Schweiz oder Pennsylvania erschienen waren, zum anderen Übertragungen des Genfer Psalters. Allerdings sind diese Quellen bis zum Abschluß des fünften Bandes nur zum Teil ausgewertet worden, vor allem Gesangbücher pietistischer bzw. radikalpietistischer Provenienz sowie in diesen Kreisen rezipierte Erbauungsliteratur hat Schütz berücksichtigt. Als Beispiel seien der Anmuthige Blumen=Krantz, das Davidische Psalter=Spiel und das Geist=reiche Gesang=Buch von Johann Anastasius Freylinghausen sowie die Lieder von Angelus Silesius, Gottfried Arnold, Christoph Schütz, Paul Gerhardt, Gerhard Tersteegen und der Gruppe um Conrad Beissel genannt. Darüber hinaus ist im dritten und fünften Band ein bedeutender Anteil von Liedern von Benjamin Schmolck aufgenommen worden. Dagegen sind Psalmübersetzungen aus dem reformierten Bereich, katholische Gesangbücher sowie Sammlungen geistlicher Lieder nicht berücksichtigt worden. In den Vorreden hebt Schütz insbesondere das radikalpietistische Liedgut hervor. Am deutlichsten wird dies im Vorwort zum dritten Band, in

Résumée

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dem er ausschließlich auf das Gesangbuch Vorspiel der Neuen Welt der Gruppe um Conrad Beissel eingeht, obwohl nur zwölf Prozent der Lieder des dritten Teils aus diesem Gesangbuch stammen. Im vierten Band beschränkt er sich auf die Erwähnung des Geist=reichen Gesang=Buchs. Dagegen geht er auf das Liedgut des fünften Bandes wieder ausführlicher ein und nennt Benjamin Schmolck, Paul Gerhardt, Johann Paul Trier sowie Helimantes. Auch in diesem Fall wird mit Helimantes ein radikalpietistischer Autor vorgestellt, dessen Dichtung nur einen minimalen Anteil im fünften Band ausmacht. Das Liedgut der ersten vier Bände stammt vor allem aus pietistischen und radikalpietistischen Gesangbüchern sowie Liedersammlungen, die in erweckten Kreisen rezipiert wurden. Dabei ist zu betonen, daß die radikalen Pietisten Gesänge ungeachtet ihrer Herkunft übernahmen, wenn der Text der Erweckung, Erbauung oder dem Lobe Gottes dienen konnte. Aus diesem Grund hat Schütz wohl auch die Sammlungen Schmolcks ausgewertet, die zwar viel als Andachtsliteratur benutzt wurden, aber in pietistischen Kreisen weniger verbreitet waren. Die meisten Lieder hat Schütz ohne Änderungen in den dritten Band übernommen, einzelne Verse aber, die seinen separatistischen Ansichten widersprachen, bearbeitet. Obwohl auch im fünften Band pietistische und radikalpietistische Dichtungen enthalten sind, unterscheidet sich dieser Teil von den anderen. Durch die Aufnahme der Kasuallieder übernimmt Schütz eine Tradition aus lutherischorthodoxen Gesangbüchern. Auch Benjamin Schmolck vermittelt in seinen Dichtungen die lutherische Lehrmeinung zu den kirchlichen Handlungen wie Taufe, Abendmahl und Kirchweih. Der Grund dafür, daß Schütz diese Lieder nicht seinen radikalpietistischen Vorstellungen angepaßt hat, könnte darin liegen, daß er mit diesem Band über radikalpietistische Gruppen hinaus auch Leser in kirchlichen Kreisen ansprechen wollte. Diese Vermutung wird auch dadurch bestätigt, daß er für die Gesamtvorrede einen lutherischen Pfarrer in Homburg, vermutlich Johann Elias Nagel, verpflichten konnte. Zusammenfassend kann festegestellt werden, daß der Geistliche Würtz= Kräuter= und Blumen=Garten aufgrund seiner Konzeption und der zugrundeliegenden Quellensammlung als enzyklopädisches Universalgesangbuch anzusprechen ist. Jedoch enthalten die erschienenen fünf Bände hauptsächlich pietistisches bzw. in pietistischen Kreisen rezipiertes Liedgut sowie radikalpietistische Dichtungen.

III. Der Geistliche Würtz= Kräuter= und Blumen=Garten im Kontext des radikalpietistischen Kommunikationsnetzes

Der Geistliche Würtz= Kräuter= und Blumen=Garten gehört aufgrund seines Inhaltes zu der großen Menge radikalpietistischer Literatur, die – nach den geltenden Zensurbestimmungen im 18. Jahrhundert im Heiligen Römischen Reich – nicht hätte veröffentlicht und vertrieben werden dürfen. Die Zensurmaßnahmen zielten darauf ab, den Druck und die Distribution politisch, theologisch oder moralisch anstößiger Literatur zu verhindern. Auf das religiöse Schrifttum bezogen waren damit alle Veröffentlichungen verboten, die gegen die Lehrsätze einer der drei durch den Westfälischen Frieden rechtlich anerkannten Konfessionen verstießen oder diese schmähten. Hans-Jürgen Schrader hat mit seiner wegweisenden Arbeit einen ersten Beitrag zur Klärung der Frage geliefert, wie trotz dieser Bestimmungen der massenhafte Druck und die weite Verbreitung dieses illegalen Schrifttums möglich war.1 Daher soll an dieser Stelle nur kurz auf die Mechanismen der Buchaufsicht eingegangen und erläutert werden, wie die Umgehung der reichsrechtlichen Zensurbestimmungen die Produktion und Distribution radikalpietistischer Literatur ermöglichte.2 In den folgenden Kapiteln wird dann überprüft, ob die Produktion und Distribution des Geistlichen Würtz= Kräuter= und Blumen=Gartens in den Kontext der radikalpietistischen Literaturproduktion einzuordnen ist. Dazu wird die Biographie des Herausgebers und seine Einordnung in die radikalpietistischen Kommunikationsstrukturen, die kirchenpolitische Situation in der Landgrafschaft HessenHomburg, der Betrieb der Hochfürstlichen Hof- und Cantzley- Buchdrucke–––––––––– 1 Schrader: Literaturproduktion und Büchermarkt, 108–130; Zum Druck und Verlag der Historie Der Wiedergebohrnen, Ebd.,, 131–259. 2 Im Folgenden beziehe ich mich auf die Ausführungen von Breuer, Eisenhardt, Gierl, Kapp/Goldfriedrich, Schrader, Widmann und Wittmann. Breuer: Geschichte der literarischen Zensur, 28–30; 86–93; Eisenhardt: Kaiserliche Aufsicht, bes. zur Voraussetzung für die Zensur religiöser Schriften, 55–58, Aufgabenbereich der Bücherkommisssion, 69–77; Gierl: Pietismus und Aufklärung, 352–356; Kapp/Goldfriedrich: Geschichte des deutschen Buchhandels, 2, 453–478; Schrader: Literaturproduktion und Büchermarkt, allgemein, 108–130; zur Grafschaft YsenburgOffenbach, 131–135; zum Fürstentum Nassau-Idstein, 165–166; zur Grafschaft Sayn-WittgensteinBerleburg, 178–182; Widmann: Geschichte des Buchhandels, 91–102; Wittmann: Geschichte des deutschen Buchhandels, 82–93.

Merkmale der radikalpietistischen Buchproduktion

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rei und die Produktion sowie Rezeption des Geistlichen Würtz= Kräuter= und Blumen=Gartens untersucht.

1. Merkmale der radikalpietistischen Bücherproduktion Das System der Buchaufsicht im Heiligen Römischen Reich war zweistufig aufgebaut. In jedem Herrschaftsgebiet lag die Durchführung der Zensur bei dem jeweiligen Territorialherren oder Rat der freien Stadt. Dazu gehörte die Prüfung des Schrifttums, die Kontrolle der Verleger und Drucker – ob sie alle Bücher der Zensur vorlegten und ggf. eine Änderungsauflage druckten – und im Falle des Verbots einer Schrift die Beschlagnahme bereits gedruckter Exemplare sowie die strafrechtliche Verfolgung der unbotmäßigen Autoren. Zu den Aufgaben der Buchaufsicht gehörte über die Buchproduktion hinaus auch die Überprüfung der im Buchhandel vertriebenen Literatur und die Kontrolle des Buchbesitzes der Einwohner. Für die Zensur im Reich war der Reichshofrat und die ihm unterstehende Frankfurter Bücherkommission zuständig. Der Reichshofrat hatte die Aufgabe, die Durchführung der Zensurmaßnahmen durch die Landesherren zu überprüfen. Die Bücherkommission, welcher der Reichskammergerichtsfiskal und in der Regel ein katholischer Pfarrer aus Frankfurt a.M. angehörten, sollte allgemein die Beachtung der kaiserlichen Gesetze und Privilegien überwachen. Dazu unterzogen sie auf der Frankfurter Messe die Bücher, die angezeigt worden waren oder verdächtig schienen, einer Nachzensur. Die Besetzung der Bücherkommission mit einem in kaiserlichem Auftrag amtierenden Geistlichen, der gleichzeitig die Funktion als apostolischer Bücherkommissar wahrnahm, führte dazu, daß die Kommission bis zu ihrer Auflösung um 1780 für die katholische Seite Partei ergriff.3 Nach der Untersuchung von Ulrich Eisenhardt verbot die Kommission regelmäßig Schriften, in denen die katholische Kirche oder ihre Lehre angegriffen wurde.4 Dagegen ist kein Fall aktenkundig geworden, in dem die Kommission ohne äußere Veranlassung eine Veröffentlichung gegen die protestantische Seite zensiert hatte. Die Wirkung der kaiserlichen Strafen war aufgrund der geringen Exekutivvollmachten der Reichsinstanzen beschränkt. Insbesondere die Kontrolle der landesherrlichen Zensurpraxis blieb im politisch und konfessionell zersplitterten Reich weitgehend wirkungslos.5 Ohne landesherrliche Unter–––––––––– 3 Eisenhardt: Kaiserliche Aufsicht, 113. 4 Ebd., 111. 5 Schrader weist darauf hin, daß sich der Kaiser gegenüber den protestantischen Territorialherren darauf beschränkte, in den Fällen einzugreifen, in denen seine Person oder Familie verunglimpft wurde. Diese Strafbefehle konnten aber nur dann vollstreckt werden, wenn

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Im Kontext des radikalpietistischen Kommunikationsnetzes

stützung konnte die kaiserliche Bücherkommission zwar nicht den Druck anstößiger Schriften wirkungsvoll verhindern, aber durch ein Verbot auf der Frankfurter Messe den Vertrieb auf Reichsebene stark einschränken. Darüber hinaus weist Schrader noch auf eine Möglichkeit hin, wie extrem heterodoxe Literatur gekennzeichnet werden konnte.6 In solchen Fällen wurde eine öffentliche Bücherverbrennung durch den Henker angeordnet. Den Grund für den Niedergang der Frankfurter Messe seit dem Ende des 17. Jahrhunderts sieht Reinhard Wittmann weniger in der Zensurpolitik der kaiserlichen Bücherkommission, als vor allem in den Kriegshandlungen während des Pfälzischen und Spanischen Erbfolgekriegs.7 Er nimmt an, daß die kaiserliche Zensurpolitik weniger rigide war, als bisher angenommen wurde. Auf der einen Seite wußte man, daß ein Verbot die Bekanntheit und damit auch den Absatz eines Buches förderte, auf der anderen Seite benötigte man zur Exekution einer Strafe die Hilfe des Rates der Stadt Frankfurt. Dieser war seinerseits an einer Förderung des Handels interessiert und versuchte daher, die Durchführung der Strafe auf die Zeit nach der Messe zu verschieben oder sie ganz entfallen zu lassen. Die kaiserlichen Preßgesetze blieben, obwohl ihre reichsrechtliche Durchsetzbarkeit begrenzt war, in den meisten Territorien jahrhundertelang in Kraft. Dies lag vor allem daran, daß die Landesherren an der Ausführung dieser Reichsgesetze zur Sicherung der inneren Ordnung in ihrem Herrschaftsbereich und zur Wahrung des eigenen Ansehens interessiert waren und darauf ihre territorialen Zensursysteme aufbauten. Die Zensurmaßnahmen waren insbesondere durch das Selbstverständnis des Landesherren als –––––––––– das Corpus Evangelicorum zugestimmt hatte. Schrader: Literaturproduktion und Büchermarkt, 113. 6 Schrader: Literaturproduktion und Büchermarkt, 113; 423, Fußnote 14. 7 Ein weiterer Umstand, der gegen die Frankfurter Messe sprach, war die hohe Anzahl der abzugebenden Pflichtexemplare. So mußten ab 1678 für privilegierte Titel sieben Belegexemplare abgeliefert werden, von allen anderen Schriften waren seit 1621 ein, ab 1746 drei Freiexemplare abzugeben. Viele Buchhändler verzichteten lieber auf eine Anzeige ihrer Novitäten im Meßkatalog und lieferten ihre Belegexemplare nicht oder nur unvollständig ab. Auch die unglückliche Terminverschiebung – der Beginn der Frankfurter Frühjahrsmesse wurde 1710 von dem zweiten Sonntag vor Ostern (Judica) auf den ersten Sonntag nach Ostern gelegt –, mit der der Rat der Stadt Frankfurt hoffte, die Attraktivität der Messe zu verbessern, wirkte sich nachteilig auf den Besuch aus. In der kleinen Eiszeit bedeutete der spätere Beginn wärmere Witterung und bessere Wegverhältnisse. Da sich die Leipziger weigerten, ihrerseits den Messetermin zu verschieben und sich die Messezeiten teilweise überschnitten, entschieden sich viele norddeutsche Verleger, nur an einer Messe teilzunehmen und favorisierten die Leipziger. Die Frankfurter Messe wurde zunehmend als »Hort der gelehrten, altväterlich lateinischen, kaiserlich bevormundeten und vor allem der oberdeutsch-katholischen Produktion« wahrgenommen. Schließlich führte der Streit um Nachdrucke und die Handelsform in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts dazu, daß die norddeutschen und insbesondere die Leipziger Verleger der Frankfurter Messe ganz fernblieben und diese nur noch regionale Bedeutung für Süddeutschland hatte. Vgl. Widmann: Geschichte des Buchhandels, 87–116; Wittmann: Geschichte des deutschen Buchhandels, 93–104; 121–141.

Merkmale der radikalpietistischen Buchproduktion

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Territorialfürst und oberster Schutzherr bzw. als höchster Bischof seiner Landeskirche geprägt. Diese Verzahnung theologischer und politischer Interessen führte nach Schrader zum einen dazu, daß sich die Zensur zu einem wichtigen politischen Instrument entwickelte.8 Zum anderen sieht er in diesem Sachverhalt den Grund dafür, daß bis zum Ende des 18. Jahrhunderts hauptsächlich religiöse und theologische Literatur zensiert wurde. Nach den Bestimmungen des Westfälischen Friedens waren alle Schriften verboten, die keiner der drei rechtlich anerkannten Konfessionen zuzurechnen waren oder die den Religionsfrieden stören konnten. Allerdings gab es bei der Auslegung dieser Regelungen einen gewissen Ermessensspielraum. So fielen z.B. aus lutherisch-orthodoxer Sicht nicht nur radikale oder separatistische, sondern auch pietistische Veröffentlichungen als Schrifttum einer quarta species religionis unter die Zensur. Dagegen konnten aber polemische Traktate, die die eigene Position stützten, mit Erlaubnis der Bücheraufsicht bzw. ohne deren explizites Verbot erscheinen.9 Für die Durchführung der Zensur war in den katholischen Territorien neben der staatlichen Buchaufsicht eine eigene kirchliche Instanz zuständig.10 Die Erteilung eines Imprimaturs des bischöflichen Ordinariates bedeutete die Druckerlaubnis für die betreffende Schrift; wurde es nicht gewährt, war die Drucklegung verboten. Bei bereits publizierten Werken konnte der Vertrieb und Besitz international durch einen Vermerk auf dem Index verboten werden. Allerdings erlangten die beanstandeten Titel damit auch eine – durchaus unerwünschte – Publizität. Obwohl in protestantischen Ländern keine kirchliche Behörde die Überprüfung der Schriften übernahm, wurden die religiösen Schriften dennoch häufig von den führenden Geistlichen, die mit der staatlichen Aufsicht betraut waren, auf ihre theologischen Aussagen hin überprüft. Während in kleineren Staaten der erste Pfarrer oder Hofpfarrer vom Landesherren mit der Zensur aller Schriften beauftragt wurde, waren in größeren Territorien die Dekane der Landesuniversitäten für die Kontrolle der Schriften ihres jeweiligen Faches zuständig. Daneben bestanden zentrale Zensurkommissionen, die quasi kirchlich waren, da ihre Mitglieder häufig auch dem Konsistorium angehörten. Trotz der Lücken im System der staatlichen Buchaufsicht konstatiert Schrader ein »überwiegend wirkungsvolles Funktionieren« der theologischen Zensur.11 Zwar wurden die Regelungen des Westfälischen Friedens teilweise sehr großzügig ausgelegt, um die eigene theologische Richtung zu schützen und Polemiken gegen andere Konfessionen zuzulassen, aber den–––––––––– 8 Schrader: Literaturproduktion und Büchermarkt, 113–114. 9 Gierl: Pietismus und Aufklärung, 354. 10 Schrader: Literaturproduktion und Büchermarkt, 115–116. 11 Ebd., 22–123.

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noch waren Publikation und Distribution der Schriften, die gegen diese Regelungen verstießen, im Normalfall nicht möglich. Nur wenn der Winkeldrucker und der Autor eines illegalen Druckes unerkannt blieben oder durch eine einflußreiche Persönlichkeit geschützt wurden, blieb eine strafrechtliche Verfolgung aus. Dies galt generell für die meisten Territorien im Reich. Daneben gab es allerdings einige Fürstentümer, die die radikalpietistische Bücherproduktion erlaubten und damit die Verletzung reichsrechtlicher Normen zum Regelfall machten. Schrader hat anhand der Verlagsgeschichte der Historie Der Wiedergeborenen die Motivation dreier Territorialherren für die Übertretung der reichsrechtlichen Zensurbestimmungen untersucht. In allen Fällen handelt es sich um kleine, politisch und wirtschaftlich unbedeutende Fürstentümer, nämlich die Grafschaft YsenburgOffenbach, das Fürstentum Nassau-Saarbrücken-Idstein und die Grafschaft Sayn-Wittgenstein-Berleburg. Im Rahmen seiner Peuplierungspolitik hatte Graf Johann Philipp ab 1698 in der Grafschaft Ysenburg-Offenbach neben hugenottischen Flüchtlingen auch religiöse Separatisten aufgenommen.12 Schrader führt diese tolerante Einstellung nicht nur auf ökonomische Gründe zurück, sondern auch auf die persönlichen Glaubensüberzeugungen des Grafen. Dafür spricht auch die Anstellung des Chiliasten und Radikalpietisten Conrad Bröske als Hofprediger. Mit Hilfe seiner internationalen Verbindungen förderte Bröske den kulturellen Aufbau des Landes und ermöglichte die Einrichtung der Lateinschule in Offenbach. Durch seinen Einfluß auf die Religionspolitik des Landes sowie seine Funktion als Zensor wurden Produktion und Distribution radikalpietistischer Literatur im Verlag von Bonaventura de Launoy in Offenbach offen unterstützt. In dem Publikationsort der dritten und vierten Auflage der Historie Der Wiedergeborenen, in Idstein, residierte der pietistisch gesinnte Fürst Georg August Samuel von Nassau-Saarbrücken-Idstein.13 Auch die Leitung der Landeskirche und das Amt des Hofpredigers versahen Vertreter des kirchlichen Pietismus, anfänglich der Kirchenlieddichter Johann Daniel Herrnschmid. Er, aber auch sein Nachfolger Johann Christian Lange, übten gegenüber den philadelphischen Schriften eine tolerante Zensur. Dagegen versuchten sie die Veröffentlichung extrem separatistischer Literatur zu unterbinden. Nachdem mit dem Waisenhaus in Wiesbaden ein kirchenamtlich geleiteter, pietistisch ausgerichteter Verlag entstanden war, mit dem der radikalpietistisch gesonnene Privatverleger Johann Jacob Haug schließlich nicht mehr konkurrieren konnte, entschloß er sich von Idstein nach Berle–––––––––– 12 Ebd., 131–135. 13 Ebd., 165–168.

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burg umzuziehen.14 Seine Entscheidung für Berleburg war in der außergewöhnlich toleranten Religionspolitik des Grafen Casimir von SaynWittgenstein-Berleburg begründet. Ähnlich wie in Ysenburg-Offenbach versuchte man, durch Aufnahme religiöser Flüchtlinge den wirtschaftlichen Ausbau des Landes zu fördern. Der große Einfluß der Separatisten auf die Herrscherfamilien in Berleburg und in Laasphe ist nach Schrader auch auf deren wirtschaftliche Situation zurückzuführen.15 Da ihnen die notwendigen finanziellen Mittel fehlten, konnten sie nicht standesgemäß leben und hatten keine Aussichten auf ebenbürtige Eheschließungen. Die Aufnahme der Separatisten an den Hof und Mesalliancen mit Gräfinnen von Lasphe sind daher auch adelssoziologisch und -psychologisch zu sehen. Die Distribution der radikalpietistischen Drucke erfolgte zum Teil über die Buchmessen und Buchhändler. Da aber auch die Bestände des Buchhandels durch die Bücheraufsicht zensiert werden konnten, ist der größte Teil außerhalb der offiziellen Distributionswege privat vertrieben worden. In Frankfurt a.M. waren diese Strukturen für den Bereich der religiösen Literatur bereits im 17. Jahrhundert durch reformierte Verleger, wie z.B. Lukas Jennis, Matthäus Merian und Christoph Leblon Merian, aufgebaut worden.16 In seiner 2002 erschienenen Dissertation führt Andreas Deppermann aus, daß die Vermittlung der mystischen und separatistischen Schriften des Barockspiritualismus an reforminteressierte Kreise zur Entstehung des lutherischen Pietismus in Frankfurt beigetragen habe. Auch die Kontakte pietistischer Verlage zu holländischen Buchhändler haben die reformierten Verleger vermittelt.17 Am Beispiel von Bonaventura de Launoy und Johann Jacob Haug soll hier der überterritoriale Eigenvertrieb zweier radikalpietistischer Verlage erläutert werden. Nach den Untersuchungen Schraders hat de Launoy während der Frankfurter Messe vermutlich im Kreuzgang der in der Nähe des Römers gelegenen Niklas-Kirche einen Bücherstand betrieben und dort seine Bücher getauscht und verkauft.18 Der enge Kontakt zwischen den kirchlichen und radikalen Pietisten zeigte sich auch in der Kooperation –––––––––– 14 Ebd., 176–182. 15 Laasphe war die Residenz der Nachbargrafschaft Sayn-Wittgenstein-Wittgenstein. 16 Deppermann: Johann Jakob Schütz,10–28. 17 Nach Deppermann war J.J. Schütz maßgeblich daran beteiligt, daß Frankfurt im letzten Drittel des 17. Jahrhunderts wieder zu einem wichtigen Verlags- und Vertriebsort für radikales religiöses Schrifttum wurde. So unterhielt er Beziehungen zu auswärtigen Verlegern (Johann Bielcke aus Jena, Johann Eichenbergk aus Hanau, Nikolaus Häublin aus Nürnberg, Hendrick und Dirck Boom aus den Niederlanden sowie Heinrich Betke aus Amsterdam) und unterstütze einige von ihnen auch finanziell (Darlehen gewährte er Johann Gottfried Zubrodt aus Stuttgart, Andreas Luppius aus Wesel und Emanuel König aus Basel). Deppermann: Johann Jakob Schütz, 336–351. 18 Schrader: Literaturproduktion und Büchermarkt, 161–162.

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zwischen dem Offenbacher Verleger und den Franckeschen Stiftungen.19 1699, kurz nach der Gründung der Halleschen Waisenhausbuchhandlung, konnten die ersten Schriften des Waisenhauses über den Stand von de Launoy in Frankfurt erworben werden. Daneben unterhielt er auch Kontakte zu holländischen Buchführern. Außerhalb der Messezeiten war das Angebot des Offenbacher Verlegers in der Buchhandlung der Witwe Scheller in der Nähe des Römers erhältlich. Auch der Besuch des Buchhändlers und Verlegers Johann Jacob Haug auf der Frankfurter Messe ist dokumentiert. In den offiziellen Meßkatalogen sind seine Bücher bis auf wenige Ausnahmen allerdings nicht verzeichnet. Schrader vermutet, daß er sie gar nicht erst der Bücherkommission vorgelegt hat. Die Information über sein Programm verbreitete er über spezielle Sortimentskataloge, die regelmäßig zur Buchmesse erschienen.20 Durch den Besuch anderer Verleger an ihren Messeständen sowie durch Treffen in der Wohnung des separatistischen Gesinnungsfreundes Andreas Groß ergaben sich dann vermutlich ausreichende Möglichkeiten, mit Erweckten und Pietisten aller Richtungen in Kontakt zu kommen und potentielle Kunden bzw. deren Mittelsmänner zu treffen. Das Sortiment von Andreas Groß, das vor allem durch separatistische und heterodoxe Literatur geprägt war, eignete sich ohnehin nur für eine kleine Zahl pietistisch orientierter Verleger zum Changehandel. Sie mußten nicht nur entsprechende Schriften zum Tauschen haben, sondern auch bereit sein, die heterodoxe Ware zu transportieren und über die Möglichkeiten verfügen, sie an die entsprechende Klientel weiterzuverkaufen. Über den Vertrieb in Frankfurt hinaus konnten die Schriften in Haugs Buch- und Schreibwarenladen in Berleburg oder von reisenden Gesinnungsgenossen erworben werden. Insbesondere die Anhänger der Inspirationsgemeinde, die auf ihren Missionsreisen bis in die Schweiz wanderten, sorgten für eine weite Verbreitung der Bücher des Berleburger Verlegers.21

–––––––––– 19 Ein Beispiel für die Distribution radikalpietistischer Literatur über einen pietistischen Verlag ist Johann David Zunner. Er übernahm den Buchbestand und später auch den Verlag von Andreas Luppius, der zwischen 1684 und 1692 einer der wichtigsten Buchproduzenten und Sortimenter pansophischer, böhmistischer sowie kabbalistisch-spiritualistischer Literatur war. Seine eigene Verlagsproduktion ergänzte Luppius 1686 durch den Aufkauf der Nachlässe des Böhmistenverlegers Henricus Bektius und der Lüneburger Brüder Stern. Schrader: Literaturproduktion und Büchermarkt, 124–125; Ders: Salomonis Schlüssel, 240–242. 20 Ders.: Literaturproduktion und Büchermarkt, 229–230. 21 Ders.: Inspirierte Schweizerreisen, 351–380; Ders.: Literaturproduktion und Büchermarkt, 249.

Produktionsbedingungen des Würtz= Kräuter= und Blumen=Gartens

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2. Die Produktionsbedingungen des Geistlichen Würtz= Kräuter= und Blumen= Gartens 2.1 Der Herausgeber Christoph Schütz Christoph Schütz wird zwar in Darstellungen zum radikalen Pietismus erwähnt und in biographischen Artikeln in hymnologischen, germanistischen und theologischen Lexika behandelt, aber eine umfassende Monographie steht noch aus. Aus diesem Grund wird im ersten Teil seine Biographie sowie der von ihm verfaßte geistliche Lebenslauf behandelt und dann im zweiten Teil seine Einbindung in das radikalpietistische Kommunikationsnetz aufgezeigt.22 Biographie und Selbststilisierung Christoph Schütz wurde am 6. November 1689 in Umstadt23 als sechstes Kind des Küfers und Bierbrauers Hans (oder Johann) Peter und seiner Frau Anna Catharina geboren und auf den Namen Johann Christophel getauft.24 Die Patenschaft übernahm der Bruder des Vaters, Christoph Schütz, der zu diesem Zeitpunkt Soldat war und in Frankfurt a.M. lebte.25 Die Familie Schütz war eine alteingesessene Umstädter Familie; 1569 erwarb der 1539 geborene Peter Schütz als Bürgerkind das Bürgerrecht von Umstadt.26 Im –––––––––– 22 Zur Bedeutung der Kommunikationsformen und Netzwerke für die pietistische Eigenkultur vgl. Jakubowski-Tiessen: Eigenkultur und Traditionsbildung, 203–206. 23 Heute Groß-Umstadt, Landkreis Darmstadt-Dieburg. Die Angabe in der älteren Literatur Umstadt/Pfalz bezieht sich darauf, daß Umstadt zeitweise gemeinschaftlich von den Grafen von Hanau bzw. den Landgrafen von Hessen-Darmstadt und den Pfälzischen Kurfürsten verwaltet wurde. Seit 1802 gehört Umstadt zu Hessen. 24 Angabe nach dem Familienregister der lutherischen Gemeinde Groß-Umstadt. Nr. 1675/8. Fälschlicherweise wird in der Literatur durchgängig 1693 als Geburtsjahr genannt, davon weicht nur Max Goebel mit der Nennung 1693/94 ab. In der jüngeren Literatur stellt Petra Jungmayr das Geburtsdatum in Frage, da C. Schütz nach dem Eintrag im Homburger Kirchenbuch der reformierten Gemeinde 1750 im Alter von 60 Jahren gestorben war. Dieser Sterbeeintrag ist bereits 1884 von Ernst Kelchner zitiert worden, allerdings versieht er die Angabe mit einem Fragezeichen, da er, der Angabe Kochs folgend, »Christian« für den richtigen Vornamen hält. Daß sein Hinweis nicht schon früher zu einer Korrektur des Geburtsdatums geführt hat, liegt daran, daß sein Aufsatz in den folgenden Arbeiten zu Christoph Schütz nicht rezipiert wurde. Goebel: Geschichte der wahren Inspirations=Gemeinden, 1855, 367–369; Jungmayr: Georg von Welling, 36, Fußnote 33; Kelchner: Beitrag, 419. 25 Am 10.11.1689 fand die Taufe statt und wurde vermutlich von Nicolaus Vigelius, der die lutherische Pfarrstelle in Umstadt von 1673 bis 1690 innehatte, vorgenommen. Vgl. Familienregister Nr. 1675/8; Diehl: Hessen-Darmstädtisches Pfarrerbuch, 181. 26 Damit ist die Familie Schütz mindestens seit der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts als Bürger in Umstadt nachweisbar. Familienforschung der Familie Schütz. Die Autorin dankt Herrn Rainer Schütz für die gewährte Einsichtnahme in die Stammbäume der Familie Schütz.

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Kirchenbuch ist die Familie Schütz erst zwei Generationen später mit der Eheschließung der Großeltern von Christoph Schütz nachgewiesen: 1649 heiratete (Jost Heinrich) Johannes Schütz die in Holland geborene Arthgen Evert.27 Die Mutter von Christoph Schütz, Anna Catharina Schneider, stammte aus Semd.28 Ihr Vater Leonhardt war ein einflußreicher Bürger, wie seine Ämter und Funktionen zeigen. So wurde er 1659 zum Gerichtssenior, 1669 zum Kirchensenior ernannt und übernahm 1673 das Amt des Schultheissen.29 Anna Catharina ehelichte 1673 den aus Klein-Umstadt stammenden Johannes Arnold.30 Nach dem Tod ihres ersten Mannes heiratete sie 1675 in zweiter Ehe Hans Peter Schütz. Die Familie Schütz scheint sehr angesehen und nicht unvermögend gewesen zu sein, da H. P. Schütz 1698 Ratsverwandter31 und ab 1704 oberer Ratsverwandter wurde.32 Diese Ämter des Vaters und des Großvaters mütterlicherseits lassen darauf schließen, daß beide schreiben konnten und zumindest die Söhne der Familie die Schule in Umstadt besuchten.33 Christoph Schütz veröffentlichte eine Beschreibung seines geistlichen Lebens bis zur endgültigen Separation im ersten Teil des Geheimnis der Gottseeligkeit Christus in uns34. Die Erzählung beginnt mit der Kindheit und endet circa 1724. Der Topos der Erzählung ist der Kampf zwischen dem frommen Individuum und der nicht gottesfürchtigen Welt, die bis in die eigene Familie reicht.35 Durch die Kategorie des Gewissens und die –––––––––– 27 Familienregister der lutherischen Gemeinde Groß-Umstadt, Nr. O 1649/10. Jost Heinrich Schütz erhielt 1653 das Bürgerrecht von Umstadt. 28 Ort bei Umstadt, der im Zuge der Gemeindereform 1977 nach Groß-Umstadt eingemeindet wurde. Brenner/Huber: Groß-Umstadt, 299–310. 29 Familienregister der lutherischen Gemeinde Groß-Umstadt. Nr. O 1643/3. 30 Während der kurzen Ehe wurde ein Sohn Johann Philips [sic] am 19.11.1673 geboren. Familienregister der lutherischen Gemeinde Groß-Umstadt. Nr. 1673/4. 31 Mitglied des Stadtrats nach: Haberkern/Wallach: Hilfswörterbuch für Historiker. 32 Familienregister der lutherischen Gemeinde Groß-Umstadt. Nr. O 1643/3. In seiner Lebensbeschreibung spricht C. Schütz davon, daß er die Pferde seines Vaters gehütet, sowie in der Landwirtschaft und im Weinbau mitgeholfen habe. Vgl. Schütz: Kündlich grosses Geheimnüs, ²1731, 23; 51; 74–75. Tätigkeit als Küfer 82–83, Arbeit im Weinberg 83–84 und auf dem Feld 84–85. 33 Zur Lesefähigkeit seiner Mutter macht C. Schütz in seiner Lebensbeschreibung unterschiedliche Angaben. Auf Seite 18 gibt er an, daß sie mit der Begründung, sie habe »selbst genug davon gehört und gelesen«, es ablehnt, daß ihr Sohn aus der Bibel vorliest. Auf Seite 85 schreibt er, seine Mutter wisse nicht, was er gedichtet habe, da sie es nicht lesen könne. Vgl. Schütz: Kündlich grosses Geheimnüs, ²1731, 18; 85. Der ältere Bruder von C. Schütz, Johannes Schütz, war seit 1735 Ratsverwandter und von 1737–1739 Bürgermeister von Umstadt. Familienregister der lutherischen Gemeinde Groß-Umstadt Nr. 1703/9. 34 Die Vorrede ist mit »11.2.1728 in meiner Einsamkeit« datiert. Schütz, Christoph: Vorrede. In: Schütz: Kündlich grosses Geheimnüs, ²1731, 3–6. 35 Diese Position betont er auch mit der Ortsangabe »in meiner Einsamkeit« am Schluß der Vorrede. Seiner Familie macht er den Vorwurf, ihn 15 Jahre lang vom richtigen Weg abgebracht

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Unterweisung durch Gott, Jesus und die göttliche Sophia weiß der Erzähler, wie ein gottgefälliges Leben zu führen ist und kann sich als einzelner der ihn angreifenden Umwelt widersetzen. Nur an einer Stelle wird diese schematische Sicht aufgegeben, wenn er angibt, daß außer ihm noch sein ältester Bruder und zwei weitere Männer, ein Apotheker sowie ein Schuhmacher, als Pietisten angesehen wurden. Seine Entwicklung erfolgte nicht gradlinig, sondern wurde durch Glaubensanfechtungen und Behinderungen der sozialen Umwelt unterbrochen und verzögert. Er unterteilt seine Darstellung in drei Perioden: die Kindheit, in der ihn Gott Vater zum Glauben erweckte, dann die Lehrzeit, in der ihn die göttliche Sophia erzog, und schließlich ein Stadium der ersten Heiligung, die durch eine enge (Liebes-) Beziehung zu Jesus gekennzeichnet war. Da seine geistliche Entwicklung im Mittelpunkt der Darstellung steht, klammert er die für einen (weltlichen) Lebenslauf üblichen Ereignisse wie Schulbesuch,36 Konfirmation,37 Lehrzeit, evtl. auch Gesellenprüfung aus. Ebenso bieten die angegebenen Jahreszahlen und Zeiträume nur Anhaltspunkte und müssen hinterfragt werden. So schreibt Schütz, daß er mit 22 oder 23 Jahren durch eine Vision zur Separation aufgefordert worden sei und bereits vorher seine Lieder veröffentlicht habe.38 Dies müßte demnach vor bzw. um 1711/12 stattgefunden haben. Gegen diese frühe Datierung spricht jedoch, daß seine erste Liedersammlung, das Geistliche Harpffen=Spiel, erst 1725 erschien und er noch 1717 die Patenschaft für seinen Neffen Johann Christophel übernahm.39 Die –––––––––– zu haben. An anderer Stelle schreibt er zurückblickend, daß seine Eltern und Freunde 15 Jahre versuchten, ihn von einer gottgefälligen Lebensweise abzuhalten. »Weil aber doch meine Freunde und Eltern meinetwegen offt von andern einige Spott= und Stichel=Reden hören musten/ und sie auch wohl von den Predigern beredet wurden/ daß ich auf einem Irrweg wandelte und sie Fleiß thun solten/ daß sie mich wieder zu recht brächten/ und mir also (wann ich es teutsch sagen soll) in allem Guten zuwider seyn solten/ damit ich nicht etwa noch frömmer würde/ so thaten sie dann auch in solchem Stück aus grossem Unverstand/ was sie nur immer konten/ und waren mir gar sehr in meinen guten Vorhaben (da ich/ nemlich Christum/ mein wahres Heyl suchte/ und nach seiner Lehre/ leben wolte) zuwider/ und verlegten mir also alle Wege und Stege/ so gut sie konten/ und zwar nicht nur etliche Wochen und Monathen/ sondern wohl bey 15 gantze Jahre [...]« Schütz: Kündlich grosses Geheimnüs, ²1731,6; 60–61. 36 Die Tatsache, daß Schütz bereits als Junge selbständig las, läßt darauf schließen, daß er in die Schule gegangen ist. Vgl. Schütz: Kündlich grosses Geheimnüs, ²1731, 18; 21. Aufgrund seiner Konfession hat er wohl die lutherische Schule besucht, die bereits ab 1540 in Umstadt bestand. Als Lehrer waren an dieser Schule bis 1695 Johannes Stier, ab 1696 Johann Christian Haas tätig. Vgl. Diehl: Hessen-Darmstädtisches Pfarrerbuch, 184–186. 37 Er wurde 1704 vermutlich von Pfarrer Johann Ludwig Vollhardt konfirmiert. Familienregister der lutherischen Gemeinde Groß-Umstadt 1675/8. 38 Schütz: Kündlich grosses Geheimnüs, ²1731, 86–90. 39 Auf der einen Seite hätte der Pfarrer nach dem Kirchenrecht eine Person, die keinen Gottesdienst mehr besucht und das Abendmahl ablehnt, nicht als Pate akzeptiert dürfen, auf der anderen Seite lehnte Schütz in seinen radikalpietistischen Schriften die Taufe ab. Vgl. Schütz: Kündlich grosses Geheimnüs, ²1731, 188–190. Seine Patenschaft ist im Familienregister der lutherischen Gemeinde Groß-Umstadt Nr. 1703/9 dokumentiert.

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modellhafte Stilisierung und die Analyse der seelischen Glaubenserfahrung, hinter der die Ereignisse des Lebenslaufes fast vollständig zurücktreten, sprechen dafür, den geistlichen Lebenslauf unter den Typ der Autopsychographie einzuordnen.40 Trotz der topischen Bearbeitung des Lebenslaufes sollen hier dessen Grundzüge wiedergegeben werden. Die Darstellung beginnt mit der Kindheit, in der Schütz zwar unter Gottes Führung stand, ihm aber nicht nachfolgte. Als Grund gibt er den schlechten Einfluß der Eltern und Geschwister an. Nachdem die Liebe zu Gott in dem zehnjährigen Jungen geweckt worden sei, sei er durch Träume und sein Gewissen erzogen worden. Da er ein kränkliches Kind gewesen und von seinen Altersgenossen verspottet worden sei, habe er früh begonnen, eigene Wege zu gehen.41 Durch positive Visionen – er sei von Jesus an der Hand durch den Tempel geführt worden, dann habe er Jesu Liebe prüfen wollen und sei davongerannt. Jesus sei ihm nachgefolgt und habe ihn zurückgebracht, ermahnte ihn aber, ihn nicht wieder zu prüfen42 – und Alpträume – beim Murmelspiel mit anderen Kindern habe sich im Erdboden ein Loch geöffnet, durch das er die Hölle gesehen habe, – seien in ihm Gottesfurcht und Angst vor Höllenstrafen geweckt worden.43 Seiner Meinung nach hätten es seine Eltern aber nicht nur versäumt, ihn christlich zu erziehen, sondern massiv seine Entwicklung zum gottesfürchtigen Menschen behindert.44 Mit 11 oder 12 Jahren habe er Arndts Wahres Christentum gelesen und sei dadurch erweckt worden.45 Einige Jahre später folgte ein fast einjähriger Bußkampf,46 für den er sich, –––––––––– 40 Den Begriff Autopsychographie führt Hans-Jürgen Schrader in seinem Artikel über den Pietismus im Literatur-Lexikon ein. Als Beispiel nennt er unter anderen auch den Lebenslauf von C. Schütz. Dagegen bezeichnet Günter Niggl die religiöse mystische Autobiographie mit ihrer Stufenfolge der Seelenentwicklung als spiritual autobiography. Niggl Autobiographie, 62; Schrader: Pietismus, 212–213; Schrader: Literatur des Pietismus, 386–397. 41 Schütz: Kündlich grosses Geheimnüs, ²1731, 11. 42 Ebd., 12–15. 43 Ebd., 12–13. 44 Als der Junge seiner Mutter eine Bibelstelle vorlesen will, die ihn sehr beschäftigt, verbietet ihm seine Mutter das, um sich mit anderen unterhalten zu können: »Weswegen ich dann auch zu meinen Eltern und Geschwister [sic] sagte/ sie solten doch einmal hören/ wie süsse und freundlich der liebste Heyland die Menschen in diesen Worten anredete/ ich wolte es einmal lesen/ etc. aber so bald ich nur wolte anfangen laut zu lesen/ so sagte meine Mutter/ ich solte schweigen/ sie hätte es schon genug gehöret und gelesen/ (dann weil sie mit andern ein faules Geschwätz hielte/ daran sie wäre verhindert worden/ wann ich fort gelesen hätte/ so machte sie mich so bald schweigend) welches mich dann gar sehr jammerte/ und auf die Gedancken brachte/ daß diese Worte meiner Mutter und den andern mehr/ die in der Stube waren/ eben nicht so süsse zu Hertzen dringen müsten/ wie mir.« Schütz: Kündlich grosses Geheimnüs, ²1731, 18. 45 Ebd., 21–22. 46 Der Begriff Bußkampf wird hier nach pietistischer Terminologie als ein Zustand der Glaubenszweifel verstanden, der durch eine plötzliche Wende, die Wiedergeburt, beendet wird. Dagegen versteht Christoph Schütz den Läuterungsprozeß durch die Sophia, der zeitlich nach

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begünstigt durch seine beruflichen Tätigkeiten als Küfer47 und Weinbauer, weiter habe zurückziehen können.48 Der Bußkampf habe mit einer innerlichen Reinigung begonnen, die er als Schwangerschaft 49 beschreibt, in der Jesus (als ein Knäblein) die heidnischen Geister bekämpft habe. Mit dem Einsetzen der Wehen seien in ihm Gotteszweifel aufgekommen, erst danach habe er sich ganz an Gott übergeben.50 In der folgenden Zeit habe er seine –––––––––– seiner ersten Erweckung liegt, als Bußkampf. Die Schwierigkeit bei der Übertragung der Begriffe besteht darin, daß sich die Bekehrung von Christoph Schütz nicht nach dem hallisch-pietistischen Muster eines einmaligen Bußkampfs vollzieht, sondern als ein Erziehungsprozeß beschrieben wird, in dem er immer wieder durch Glaubenszweifel und Versuchungen geprüft wird. 47 Der Küfer ist eine auf den Weinbau hin spezialisierte Variante des Binderberufes. Der Schwerpunkt seiner Arbeit war die Pflege des lagernden Weins und die Herstellung bzw. Unterhaltung der Weinfässer. Vgl. Packheiser: Böttcher, 35. 48 Schütz: Kündlich grosses Geheimnüs, ²1731, 24–42. Im Ewigen Evangelium, das 1727 zum ersten Mal erschien, schreibt Schütz, daß er vor mehr als 20 Jahren von Gott auf den rechten Weg gebracht worden sei. »Dann es sind nunmehro schon viele/ ja mehr als zwantzig Jahre verloffen/ daß der gütige und barmhertzige GOtt in seiner sonderbaren Gnade an mich armes Würmlein gedacht/ und angefangen hat/ mich aus meinem grossen Elend und natürlichen Seelen verderben/ oder Sünden=Schlamm heraus zu ziehen/ und meine Füsse auf den Weg des Friedens zurichten«. Danach hat dieser Bußkampf vor 1707 stattgefunden. Schütz: Ewiges Evangelium, ³1731, 81. 49 »Als ich dann nun eine solche Zeit [...] ich meine neun Monathen/ mit dem Knäblein/ welches alle Heyden in mir/ mit seiner eissernen Ruthen weyden/ und wie eines Töpfers Gefäß zerschmeissen solte/ Apoc. 12/2.5. schwanger gegangen hatte/ so kam die Zeit herbey/ daß ich solches in meiner Seelen ausgebähren sollte/ und ich kam in Kindesnöthen/ und schrye/ und hatte grosse Quaal zur Geburt. Ja/ ich kam zu solcher Zeit in eine solche grosse Angst und Traurigkeit/ und hatte eine solche höchsttrübseelige Zeit/ daß ich nicht weiß/ ob sie auch mit einer Engels=Zungen eigentlich kan ausgesprochen werden.« Schütz: Kündlich grosses Geheimnüs, ²1731, 26. Schütz benutzt für den ersten Teil des Bußkampfes die Metaphern aus dem Bereich von Schwangerschaft und Geburt. Er vergleicht die Sünde mit einer mißgebildeten Leibesfrucht, die durch eine Fehlgeburt ausgeschieden werden müsse. Diese Metaphorik ist vor allem bei den Inspirierten nachweisbar. So beschreibt Rock den Vorgang der Inspiration, bevor es zur einer Aussprache kommt: »Durch Bewegungen wurde mir offtmahls wie eine Thür aufgethan/ wann ich da hinein gienge/ so kam ich zur Ruhe/ in solcher Ruhe eröffnete sich offt ein Wort/ machmahl zur Reyß, oder an eine Person, aber es bliebe doch wie ein Kind in Mutterleib biß zur Ausgeburt. Offt werde schnell überfallen, daß ich mich selber nicht genug verwundern kan: manchesmahlen brennet ein wonnesames Feuer lang im Hertzen/ da ich dann nur stille, ruhig und dem HErrn gelassen seyn muß, soll es recht gehen; (und diß habe offt gewünschet für mich zu behalten, aber es konte nicht seyn, so wenig als die Geburt in Mutterleib bleiben darf,) [...].« Rock: Wie ihn Gott geführet, 43–44; Schneider: Propheten der Goethezeit, 71–72. Auf die für die »Sprache Canaan« typische Perinatalmetaphorik der Wiedergeburt von der geistlichen Zeugung bis zum geistlichen Abortus geht Hans-Jürgen Schrader in seinem Aufsatz über die pietistische Sonderterminologie ein. Schrader: Sprache Canaan, 413. 50 Von der Ausgeburt der Sünden ist der pietistische Terminus der Wiedergeburt zu unterscheiden: in diesem Akt bleibt der Mensch passiv, während der heilige Geist im Menschen die Wiedergeburt bewirkt, d. h. die Überwindung der Sünde und Anteilnahme an der göttlichen Natur. Gotteszweifel sind in diesem Stadium nicht mehr möglich. Ein typisches Beispiel einer pietistischen Wiedergeburt ist die August Hermann Frankes, die auf lang andauernden Glaubenszweifel (d.h. Bußkampf) folgte: »In solcher großen angst legte ich mich nochmals an erwehntem Sontag abend nieder auf meine Knie, und rieffe an den Gott, den ich noch nicht kannte, noch Glaubte, um Rettung aus solchem Elenden zustande.« Das Gebet wurde plötzlich erhört, und

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sündhafte Lebensweise bekämpft, sei aber viele Male versucht worden. Als er einigermaßen gefestigt gewesen sei und versucht habe, ein frommes Leben zu führen, sei es zu einem Konflikt mit seiner sozialen Umwelt gekommen. Die Predigten eines pietistischen Pfarrers des preußischen Reiterregiments, das 1707/08 oder 1708/09 im Rathaus von Groß-Umstadt Winterquartier bezogen hatte, habe der Ortsgeistliche zum Anlaß genommen, um gegen die Pietisten zu predigen und vor ihnen zu warnen.51 Als Kennzeichen der Pietisten habe dieser ein frommes, scheinheiliges Leben und die Angewohnheit genannt, sich zum Gebet in die Kammer oder auf den Dachboden zurückzuziehen. Die Bezeichnung Pietist sei damit zum Schimpfwort geworden, und viele Mitglieder in der Gemeinde habe man des Pietismus verdächtigt. Auch Schütz habe die Pietisten für schlechte Menschen gehalten. Darin sei er von seinem Vater beeinflußt worden, der den Pietisten vorgeworfen hätte, in Unzucht zu leben und auf unredliche Art jeden Disput zu gewinnen. Eine Reihe derer, die von ihren Mitbürgern als Pietisten verunglimpft worden seien, hätten sich durch übermäßiges Saufen oder Fluchen von diesem Vorwurf befreien können. Schütz habe zwar sehr unter den Beschimpfungen gelitten, aber ebenso wie drei weitere Männer, sein ältester Bruder,52 der Apotheker Colerius und ein Schuhmacher,53 seine gottesfürchtige Lebensweise beibehalten. Wieder verengt Schütz in der Autobiographie die Sicht auf sich selbst. Es mag zwar zutreffend und durch seine zu dieser Zeit bestehende Abneigung gegen die Pietisten begründet sein, daß er keine Predigt des Feldpredigers hörte, noch Kontakt zu ihm aufgenommen hat.54 Allerdings ist es sehr unwahrscheinlich, daß sich die durch die Gemeinde als Pietisten ausgesonderte Gruppe nicht zusammengetan oder zumindest getroffen und gegenseitig gestärkt hat. Insbesondere –––––––––– mit einem Male überströmte ihn Gewißheit. Diesem Verständnis von Wiedergeburt entspricht in der Lebensbeschreibung von Schütz die Übergabe an Gott. Während vor allem in der älteren Literatur die These vertreten wurde, der Bekehrungsbericht Franckes habe den Typus des pietistischen Lebenslaufs maßgeblich geprägt (vgl. Günter Niggl), haben die Forschungen von Markus Matthias ergeben, daß die vollständige Fassung des Lebenslaufs bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts nur handschriftlich überliefert wurde und deshalb literarisch keinen Einfluß ausgeübt habe. Darüber hinaus weist er darauf hin, daß Francke in seinem Lebenslauf für seine Glaubenszweifel nicht den Begriff Bußkampf benutzt habe und sich aus diesem Bekehrungserlebnis nicht die auch von Francke später vertretene Bußkampftheologie ableiten lasse. Francke: Lebenslauf, 27–28; Lagny: Francke, Madame Guyon, Pascal, 119–135; Lagny: Lebenslauff et Bekehrung, 89–110; Matthias (Hg.): Lebensläufe; Matthias: Bekehrung und Wiedergeburt, 60–62; Niggl: Geschichte der deutschen Autobiographie, bes. 6–14. Zum pietistischen Begriff der Wiedergeburt: Schmidt: Pietismus als theologische Erscheinung, 2, 168; 170. 51 Schütz: Kündlich grosses Geheimnüs, ²1731, 56–60. 52 Sein ältester Bruder war Johann Peter Schütz *10.6.1676 †18.1.1714. 53 Ob es sich dabei um den 1693 geborenen Johann Heinrich Holzapffel handelt, ist unsicher, da dieser erst 1707 konfirmiert wurde. 54 Schütz: Kündlich grosses Geheimnüs, ²1731, 57.

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sein ältester Bruder dürfte die Position von Christoph Schütz innerhalb der Familie unterstützt haben. Da der Bruder bereits seit 1701 verheiratet war,55 könnten in seinem Haus – auch von den Eltern ungestört – Andachten abgehalten worden sein. Von den vier Pietisten wurde keiner außer Schütz aktenkundig. In seiner Lebensbeschreibung beschuldigt Schütz den Pfarrer, er habe ihn als Pietisten diffamiert und von der Kanzler herab geschmäht. Als sich das Verhalten von Schütz nicht änderte, hätten die Gemeinde und der Pfarrer versucht, auf die Familie und die Freunde einzuwirken.56 Diese Zeit ordnet Schütz seiner Lehrzeit bei der heiligen Sophia zu, in der er sich zu bewähren hatte. Die Prüfungen durch Glaubenszweifel oder durch die Umwelt interpretiert er als Feuer zur Läuterung oder Schmelzungsfeuer der Sophia.57 Doch Sophia ist für ihn nicht nur eine strenge Zucht- und Lehrmeisterin, sondern auch liebende Mutter gewesen.58 In einem nächsten Schritt habe ihm Jesus eine enge Liebesbeziehung gewährt. Diese sei zusammen mit den Lehren und der Mutterliebe der Sophia der Lohn für die Übergabe an Gott und die Bekämpfung der Sünden.59 Aber auch andere Geschenke seien ihm zuteil geworden. Die Natur habe ihm die Liebe Gottes offenbart, auch in seinem Berufsalltag habe er gleichnishaft die Handlungsweisen Gottes erkannt.60 So deutet er die Herstellung eines –––––––––– 55 Johann Peter Schütz heiratete am 27.1.1701 Anna Margretha geb. Woltz verw. Emmerich. Familienregister der lutherischen Gemeinde Groß-Umstadt 1701/4. Für das vierte Kind Johann Christoph *5.7.1705 übernahm Christoph Schütz am 7.7.1705 die Patenschaft. Das Kind verstarb bereits im Kindesalter (†10.2.1707). 56 Schütz: Kündlich grosses Geheimnüs, ²1731, 60–61. 57 Ebd., 66. Die Begriffe »Schmelzungsfeuer« und »Läuterung« erinnern an alchimistische Terminologie. Zur Tradition des metaphorischen Gebrauchs alchimistischer Begriffe für die Erneuerung des Menschen wird weiter unten eingegangen. 58 Während Gottfried Arnold Sophia zugleich als »jungfrau/ braut/ mutter/ pflegerin/ lehrmeisterin« sieht und seine Beziehung zu ihr erotische Züge trägt, beschreibt Christoph Schütz sein Verhältinis im Lebenslauf als Mutter-Kind-Beziehung und ihre Liebkosungen als mütterliche Liebe: »Nicht alleine aber hast du mich/ von meiner Unreinigkeit abgewaschen/ und mit deiner Ruthen gezüchtiget/ sondern du hast mir auch offt auf eine recht mütterliche Weise/ geliebkoselt/ und dein kindliches Liebes=Spiel mit mir gehabt; Dann offt druckest du mich in deiner grossen Freundlichkeit gar fest an deine zarte Trost= und Liebes=Brüste/ und liessest mich solche nach meines Hertzens=Lust saugen und hertzen/ wie ich wollte.« Vgl. Arnold: Geheimnis der Göttlichen Sophia, 40–41. Schütz: Kündlich grosses Geheimnüs, ²1731, 69–70. 59 »[...] so gerieth ich dann darauf mit Christo in eine gar innige und vertrauliche Bekandtund Gemeinschafft/ und er hielte sich so freundlich und beständig zu mir/ daß ich wohl mit der schönen Sulamith in Canticum sagen konte: Mein Geliebter ist der Meine/ und ich bin die Seine/ und er hält sich auch zu mir.« Schütz: Kündlich grosses Geheimnüs, ²1731, 74. 60 »Und also predigten mir auf dergleichen Weise fast alle unvernüfftige Creaturen und leblose Geschöpfe/ ja alle Bäume und Stauden/ Frucht/ Blumen/ Laub und Gras/ von meinem Geliebten/ und reitzeten mich mit ihrer Schönheit und Güte/ die sie von ihrem Werckmeister empfangen hatten/ beständig/ ihn zu suchen und zu lieben/ und recht inniglich mit ihm vereiniget und verbunden zu werden/ in Liebe.« Schütz: Kündlich grosses Geheimnüs, ²1731, 80. Vergleich mit der Arbeit im Weinberg 83–84.

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Fasses als Gleichnis für die Heiligung des Menschen.61 Das Abhobeln der Bretter entspreche dem Beseitigen der Unreinheiten des inneren und äußeren Lebens, das Einspannen der Bretter in enge Reifen stelle die strenge Erziehung und Zucht dar, das Erwärmen im Feuer sei einer Zeit der Trübsal gleichzusetzen. Durch Schläge des Küfers werde das Faß, durch Prüfungen Gottes der Mensch in Form gebracht. Zum Schluß würden nochmals kleinere Unebenheiten bzw. sündige Gewohnheiten abgehobelt. Erst dann sei das Faß Mensch bereit, den Liebes=Most und Freuden=Geistes=Wein aufzunehmen. Neben diesen Gleichnissen habe ihm Gott während der Arbeit auch Lieder eingegeben, die Schütz, wenn er abends nach Hause kam, aufgeschrieben hat.62 Wieder ist dies ein Vorgang, der nicht selbstgesteuert ist, sondern von Gott gelenkt wird. Wenn er sich eigensüchtig als Verfasser der Texte gefühlt habe, sei die Inspiration Gottes abgebrochen. Nach zwei oder drei Jahren in diesem glücklichen Zustand habe ihm Gott eine neue Aufgabe gestellt. Durch eine Vision habe er den Befehl Gottes erhalten, sich von der Kirche und vom Abendmahl zu separieren.63 Als er dies nach längerem Zögern befolgte, sei es zu harten Auseinandersetzungen mit der Mutter gekommen, in deren Verlauf sie ihm androhte, ihn bei den weltlichen Behörden anzuklagen. Da seine Mutter nach dem Tod des Vaters auf seine Mitarbeit auf dem Hof angewiesen sei, hätte sie schließlich nachgegeben, verdächtigte ihn aber, im Bund mit dem Teufel zu sein.64 Die Separation provozierte den Pfarrer65 und die Mitbürger, die sich aber noch darum bemühten, ihn wieder zum Besuch des Gottesdienstes zu bewegen. Dies änderte sich jedoch, als Schütz mit einem Verantwortungschriftlein in einen Streit um heterodoxe Lehren eingriffen habe.66 Dabei handelt es sich um die Auseinandersetzung der Amtskirche mit dem Pfarrer Johann David Schäfer, die schließlich zu dessen Absetzung –––––––––– 61 Ebd., 82–83. 62 Ebd., 84–87. Er veröffentlichte diese Lieder, worauf ihm die weitere Publikation seiner Lieder unter Androhung des Landesverweises und Konfiszierung der Bücher verboten wird. »[...] indem sie mir einen absoluten Befehl darüber gegeben/ daß ich dieselbe reduciren und keine andere mehr drucken lassen solte/ bey Straffe der Landes=Verweissung und Wegnehmung der Bücher.« Ebd., 87. Zum Poesieverständnis vgl. Kapitel 3.4.1. 63 Schütz: Kündlich grosses Geheimnüs, ²1731, 87–97. Die endgültige Separation kann erst nach 1717 erfolgt sein. Zum einen übernahm er am 3.8.1717 die Patenschaft für seinen Neffen Johann Christoffel (Sohn seines Bruders Johannes Schütz *27.6.1679 †27.2.1744 und dessen Frau Anna Margaretha geb. Fries *15.4.1683 †13.10.1729), zum anderen fallen die kirchlichen Auseinandersetzungen in die Amtszeit des Pfarrers Johann Just Pauli, der sein Amt 1717 antrat. Vgl. Familienregister der lutherischen Gemeinde Groß-Umstadt Nr. 1703/9. 64 Schütz: Kündlich grosses Geheimnüs, ²1731, 99–100. 65 Johann Just Pauli von 1717 bis 1731 lutherischer Pfarrer an der Stadtkirche in Umstadt. Vgl. Diehl: Hessen-Darmstädtisches Pfarrerbuch, 181. 66 Schütz: Kündlich grosses Geheimnüs, ²1731, 102.

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führte.67 Schäfer war als Pfarrer in Erbach mit separatistischem Ideengut in Kontakt gekommen und hatte Schütz kennengelernt.68 Zuerst hatte Schäfer die radikalpietistischen Lehren, insbesondere die Wiederbringung aller Dinge, abgelehnt, ließ sich dann aber überzeugen und vertrat sie auch auf der Kanzel. In der sich anschließenden Auseinandersetzung ergriff Schütz für ihn Partei und veröffentlichte 1724 ein Sendschreiben, in dem er die Lehre der Wiederbringung verteidigte.69 Daraufhin habe man den anderen Gemeindemitgliedern den Umgang mit ihm untersagt und ihn geächtet. Der Konflikt zwischen Schütz und der Kirche wurde durch die Veröffentlichung der Lieder 1725 und das Abhalten eines privaten Konventikels zusätzlich verschärft. Dazu heißt es in der Kirchenchronik von Groß-Umstadt: »Auch hatte derselbe [Johann Just Pauli] viele Ermühdungen mit einem Separatisten Namens Schützen, der Schriften durch den Druck veröffentlichen ließ – z.B. Das geistliche Harfenspiel der Kinder Zion etc. Darinnen er gefährliche principia, sonderlich die Wiederbringung aller Dinge unter die Leuthe spargierte, auch Privat Conventikel hielt.«70

–––––––––– 67 Johann David Schäfer stammte aus Rothenburg ob der Tauber und war nach seinem Studium Diakon in Erbach. 1719 wurde er in Brensbach (bei Erbach) zum Pfarrer berufen. Als er seine heterodoxen Ansichten öffentlich vertrat und es ablehnte, sie zu widerrufen, war Schäfer für die Amtskirche nicht mehr als Pfarrer tragbar. Nachdem er 1725 des Amtes enthoben worden war, ging er nach Büdingen. Diehl: Pfarrer- und Schulmeisterbuch, 90. Seine Ideen veröffentlichte Schäfer 1725 in der Schrift: Ewiges Evangelium/ oder die Lehre von dem tausendjährigen und ewigen Reiche Christi und seiner Heiligen und der damit verknüpften Wiederbringung aller Dinge in Fünff und siebentzig Lehr=Sätzen auf sol=|che Weise/ daß auch andere Lehren/ die von den letzten Dingen handeln/ zugleich kürtzlich erkläret werden/ vorgestellet und herausgegeben von Johann David Schäfer. [Gießen: Lammers] 1725. 68 Schütz berichtet 1725, schon einige Jahre mit Schäfer befreundet zu sein. Christoph Schütz an [Johann Gottlieb] Fischer, Umstadt, 16. Mai 1725, in: Schütz: Geistliche Correspondentz, ²1731, 1, 8–45. 69 Dieses Sendschreiben ist das oben bereits erwähnte Verantwortungschriftlein. Das Vorwort dieser Schrift ist auf den 5. Oktober 1724 datiert, und kurz danach dürfte das Zeugnüs der Warheit gedruckt worden sein. Ein zweites Mal erschien die Schrift als dritter Teil der güldenen Rose 1727 und ist dann mit der zweiten Auflage der güldenen Rose 1727 ein drittes Mal aufgelegt worden. Die Auseinandersetzungen zwischen Schäfer und seinen Amtskollegen hatten 1721 begonnen und wurden sowohl mündlich als auch schriftlich geführt. Bereits vor dem Sendschreiben hatte Schütz versucht, die Ansichten Schäfers in einem Brief zu rechtfertigen. Schütz, Christoph: Vorrede, in: Ders.; Güldene Rose, ²1731, 166–175. 70 Kuntz, Friedrich Ernst und Neuenhagen, Georg: Chronik, [Handschriftl.] 1863, 129. Auf die Anweisung der evangelischen Kirchenleitung sollten in allen Gemeinden Chroniken angefertigt werden. Der Pfarrer Georg Neuenhagen in Umstadt bat seinen Kollegen in KleinUmstadt 1858 um Archivmaterial, der wollte dies aber nicht abgeben und übernahm es stattdessen, den ersten Teil der Chronik abzufasssen. Dieser umfaßt die Vor- und Frühgeschichte, die Geschichte Groß-Umstadts und der Region. Georg Neuenhagen setzte die Chronik (ab Seite 316) fort. Die Archivalien haben sich nicht mehr erhalten. Nach der freundlichen Auskunft von Sieghard Volp, Pfarrer i. R. in Groß-Umstadt. Das Zitat, das Kuntz aus den Archivalien entnommen hatte, ist hier kursiv gedruckt. Vgl. zusätzlich Volp: Kirchenbücher und Handschriften, 179–180.

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Die Privatkonventikel weisen daraufhin, daß in Umstadt pietistisches und radikalpietistisches Gedankengut verbreitet wurde und Anhänger fand. In der Generation von Christoph Schütz sind drei Radikalpietisten nachweisbar, die sich den Schwarzenauer Neutäufern um Alexander Mack anschlossen und unter der Leitung von Peter Becker nach Germantown emigrierten: Johann Heinrich Holzapffel71 ging nach Marienborn und zog 1719 mit den Neutäufern zuerst nach Krefeld und dann nach Pennsylvania. Ebenso sind in Germantown ein Stephan Koch72 und Balthasar Gans73 aus Umstadt –––––––––– 71 Johann Heinrich Holzapffel (Holtzapfel, Holsapple, Holsopple) *8.3.1693 in Umstadt †? in Pennsylvania. J.H. Holzapffel stammte aus Umstadt, wo er 1707 konfirmiert wurde, und erlernte den Beruf des Schuhmachers. Er und seine Frau Lena bezeugten am 15. Mai 1714 eine Taufe der Neutäuer in der Nähe von Düdelsheim, zu diesem Zeitpunkt gehörten sie dieser Gemeinde bereits an. Als die Neutäufer aus der Gegend um Marienborn vertrieben wurden, gingen sie mit dieser Gruppe nach Krefeld und emigrierten vermutlich unter der Leitung von Peter Becker 1719 nach Pennsylvania. An der ersten Liebesmahl- und Tauffeier der Neutäufer in Germantown am 25.12.1723 nahmen sie teil. Über seinen weiteren Lebenslauf ist nichts bekannt. Familienregister der lutherischen Gemeinde Groß-Umstadt. Nr. 1683/16; Durnbaugh: Johann Heinrich Holzapfel, 623–624. 72 Stephan Koch *? in Umstadt ? †1762 in Ephrata. S. Koch leitete von 1715–1719 die Gemeinde der Neutäufer in Krefeld. Dann emigrierte er mit der Gruppe um Peter Becker nach Pennsylvania und nahm am ersten Liebesmahl und der ersten Taufe in Germantown am 25.12.1723 teil. Der Tod von Heinrich Traut im Januar 1733 löste bei Koch eine religiöse Krise aus, die schließlich im Mai 1735 zu mystischen Erfahrungen führte. Er begann auf den Treffen der Gemeinde zu predigen und empfahl er vor allem der Jugend, auf Ehe und Familie zu verzichten und enthaltsam zu leben. Darauf gründeten einige Männer, darunter auch der jüngere Alexander Mack, eine religiöse Gemeinschaft in der Nähe von Wissahickon Creek. 1739 trat Koch der klosterähnlichen Gemeinschaft unter der Leitung von Conrad Beissel in Ephrata bei und nahm den Namen Bruder Agabus an. Hier genoß er aufgrund seiner mystischen Visionen hohes Ansehen. Koch korrespondierte mit Gesinnungsgenossen in Europa, so Gerhard Tersteegen, Johann Lobach und Wilhelm Weck in Solingen. Über Lobach gelangte die Vision von Koch an die Herausgeber der Geistlichen Fama und wurde im 20. Stück 1736, 65–80 veröffentlicht. In Pennsylvania erschien sie in der Sammlung Verschiedene alte und neuere Geschichten Von Erscheinungen der Geister (3. verm. Aufl. 1755) im Verlag von Christoph Sauer in Germantown. Durnbaugh: Stephan Koch, 704. Karl Hartnack schreibt, daß nach den nachgelassenen Papieren Alexander Macks des Älteren Stephan Koch aus Groß-Umstadt stamme. Allerdings ist seine Geburt nicht im Familienregister der lutherischen Gemeinde Groß-Umstadt nachweisbar. Hartnack/Hartnack: Kirche der Brüder, 2–13. Den Hinweis auf diese Schrift verdankt die Autorin Herrn Theis. Über Kochs Erweckung: Chronicon Ephratense, 78–85; Bister: Gerhard Tersteegen, 123–135. Einen späten Beleg für den Kontakt zwischen Koch und Tersteegen liefert ein Brief Tersteegens vermutlich an Christoph Sauer vom 15.5.1753. Vgl. Erb: Gerhard Tersteegen, 153–157. 73 Georg Balthasar Gans (Gantz) *21.9.1684 in Umstadt †ca. 1760 in Germantown. Die Familie Gans war eine angesehene Familie in Umstadt, deren männliche Mitglieder öffentliche Ämter bekleidet hatten. Nach seiner Konfirmation (1707) erlernte G.B. Gans den Beruf des Bierbrauers. Danach war er eine zeitlang bei der Landmiliz. 1710 heiratete er (der Name der Frau ist im Familienregister nicht vermerkt worden) und wurde Vater einer Tochter Catharina Sophia. Gans schloß sich den Neutäufern in Schwarzenau an und emigrierte 1719 nach Pennsylvania. 1722 begleitete er Peter Becker auf einer Reise zu den im Osten Pennsylvanias zerstreuten Neutäufern. Nach der Übersiedlung organisierte die Gemeinde in Germantown am 25.12.1723 die erste Liebesmahl- und Tauffeier, an der auch Gans und seine Frau teilgenommen haben. Im Jahre 1733 wird sein Name in einem Brief von Johannes Naas erwähnt. Über sein weiteres Leben ist nichts

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nachweisbar.74 Die Verbindung der Umstädter zu den Neutäufern dürfte durch Missionare entstanden sein.75 Die Autobiographie bricht mit der Beschreibung des Verhaltens von Schütz als imitatio Christi ab. Durch die Gnade Gottes habe er gelernt, alle Schmach und Leiden mit Geduld zu ertragen sowie seine Feinde zu lieben und für sie zu beten. Christoph Schütz versuchte mit diesem Lebenslauf, seine Separation als gottesfürchtiges Handeln zu legitimieren: »[...] weil es mein Vorhaben hierbey nicht ist/ einen Lebens=Lauff zu schreiben/ sondern nur meinen Freunden den Grund zu zeigen/ worauf mein Hauß gebauet/ und ihnen einige Stuffen zu entdecken von dem Weg/ den ich von meiner Kindheit an/ gewandelt habe/ damit sie also selbst sehen und prüfen können/ ob ich als ein Gottloser/ oder als Christ litte/ und von der Welt und ihren Gelehrten verworffen worden.«76

Dieser Lebenslauf ist in Briefform abgefaßt, allerdings wird der Adressat nicht namentlich genannt.77 Nach der Vorrede hatte Schütz seinem Korrespondenzpartner auf die erste Anfrage nach den Gründen für seine Separation nur kurz geantwortet und zugesichert, ihm später ausführlich zu antworten. Das Versprechen löst er mit dem vorliegenden Schreiben ein. Obwohl Schütz seinen Brief an einen bestimmten Adressaten richtet, hat er diesen Bericht bereits als offizielle Rechtfertigung seiner Separation für die Veröffentlichung im Druck konzipiert. Durch die Ergänzung seines Lebensberichts durch zwei weitere Teile (über die Mißstände in der lutherischen Kirche sowie grundlegende Anmerkungen zur Separation) ist eine Schrift entstanden, die über die persönlich-biographischen Gründe hinaus auch die kirchlichen Mißstände darstellt und die grundsätzlichen Fragen der Separation diskutiert.78 –––––––––– bekannt, vermutlich starb er um 1760 in Germantown. Familienregister der lutherischen Gemeinde in Groß-Umstadt. Nr. O1674/17, OO 1710/19; Durnbaugh: Georg Balthasar Gantz, 528. 74 Vgl. Hartnack: Kirche der Brüder, 4. 75 Schneider: Pietismus im 18. Jahrhundert, 138. 76 Schütz: Kündlich grosses Geheimnüs, ²1731, 104. 77 Der Brief beginnt mit der Anrede »Mein werther Freund«. [Christoph Schütz] an N.N., [undatiert]. In: Schütz: Kündlich grosses Geheimnüs, ²1731, 8–107. 78 Die Schrift Kündlich grosses Geheimnis besteht aus drei Teilen und ist folgendermaßen aufgebaut: der Brief mit dem geistlichen Lebenslauf ist vorangestellt, dann folgt ein zweiter Brief, in dem Schütz die Mißstände der lutherischen Kirche beschreibt. C[hristoph] S[chütz] an N.N., [undatiert], in: Schütz: Kündlich grosses Geheimnüs, ²1731, 115–230. Der dritte Teil besteht aus drei weiteren Schreiben über grundlegende Fragen zur Separation, wobei es sich um eine Anfrage und deren Antwort, in der ein weiterer Brief zitiert wird, handelt. »Und weil mir schon vor etlichen Jahren einsmals ein gewisser Freund/ einen Brief von solcher Materie [Separation] handelnd/ gegeben/ und meine Gedancken darüber zu wissen verlanget/ welche ich ihme dann auch schrifftlich eröffnet/ und dabey diese Sache gantz gründlich und umständlich erläutert habe/ so will ich euch dann solche meine Erläuterung über den gedachten Brief hiermit zum Voraus mittheilen/ und hernach auch auf alle mir vorgelegte Fragen und Einwürffe ordentlich und

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Um den Zwiespalt zwischen einem gottesfürchtigen Lebenswandel und der Ablehnung der Kirche, die die Mehrheit seiner Zeitgenossen als rechtmäßige Verwalterin des Willen Gottes auf Erden ansah, zu überwinden, stellte er sich in seinem Lebensbericht auf der Folie seiner heidnisch lebenden Umwelt als gläubigen und gottesfürchtigen Menschen dar. Dies wird noch dadurch gesteigert, daß Schütz sich für einen Auserwählten Gottes hält.79 Die prominente Rolle, die Sophia im Lebenslauf einnimmt, weist auf zwei Schriften hin, die als Vorlage gedient haben können, zum einen Jane Leades A Fountain of Gardens, zum anderen Das Geheimnis der göttlichen Sophia von Gottfried Arnold. Ab 1697 erschien Leades Werk in deutscher Sprache unter dem Titel Ein Garten=Brunn gewässert durch die Ströme der göttlichen Lustbarkeit, und hervorgrünend in mannigfaltigen Unterschiede geistlicher Pflantzen.80 Es enthält als eine Art spirituelles Tagebuch die Visionen, die Jane Leade in der Zeit zwischen 1670 und August 1686 erlebt haben will. Die Autorin bietet »keinerlei Aufzeichnungen zu äußeren biographisch relevanten Erlebnissen«,81 sondern berichtet, »wie die Göttliche Weisheit Sie [...] in ihrem Glaubens=Processe und Magischen Kampff und Streite immer unterrichtet und Ihr von einem Grade nach dem andern fortgeholffen habe.«82 Sowohl bei Schütz als auch bei Leade werden die biographischen Ereignisse zugunsten der Darstellung der inneren Entwicklung ausgeblendet. Die Texte als Beschreibungen von Visionen oder ›tatsächlich Erlebtem‹ sind nach dem Empfinden der Autoren wahr, und Sophia nimmt die prominente Rolle innerhalb des geistlichen Wachstumsprozesses ein. Allerdings unterscheiden sie sich in ihrer Intention. Während Schütz seine Separation durch einen vorbildhaften Lebenslauf zu rechtfertigen sucht, –––––––––– kürtzlich antworten.« Christ[oph] S[chütz] an N.N., [undatiert], in: Schütz: Kündlich grosses Geheimnüs, ²1731, 232–301, 233; N.N. an [Christoph] [Schütz], [undatiert], in: Schütz: Kündlich grosses Geheimnüs, ²1731, 301–303; »Mein werther Freund«. C[hristoph] Schütz an N.N., [undatiert], in: Schütz: Kündlich grosses Geheimnüs, ²1731, 303–324. 79 »[...] und darauf hat er [GOtt] mich dann auch im verborgenen einen solchen Weg geführet/ den heut zu Tage eben nicht gar viel betretten/ und hat mich auch manche Dinge schmecken und sehen lassen/ die vielen verborgen und unbekandt bleiben. [...] so gab er mir darauf dann auch das grosse Geheimnüs der Boßheit und den grossen Abfall der Nam=Christen von GOtt und Christo ihrem Haupte/ ziemlich tief einzusehen/ und zog mich auch so bald darauf/ als er mir in solcher Sache die Augen geöffnet hatte/ mit grosser Gewalt von den Kirch=Versammlungen ab/ [...]« Schütz: Ewiges Evangelium, 81–82. 80 Vgl. dazu: Cersowsky: Magie und Dichtung, 204; Dohm: Poetische Alchimie, 153–155. Die Übersetzung fertigte Loth Fischer, ein aus Nürnberg vertriebener Schulmeister, an. Er konnte sie durch finanzielle Unterstützung aus Deutschland und der Schweiz in Amsterdam zu Druck bringen. Schneider: Pietismus im 17. Jahrhundert, 405. 81 Cersowsky: Magie und Dichtung, 206. 82 Leade, Jane: Des Durch die Ströhme der Göttlichen Lustbarkeit gewässerten GARTEN=BRUNNENS Dritten und letzten Theils. Amsterdam 1700. Zitiert nach Dohm: Poetische Alchimie, 154.

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präsentiert sich Leade als von Gott beauftragt, die Lehre der Magia divina an eine auserwählte Gemeinde weiterzugeben.83 Die Charakterisierung der göttlichen Sophia als Mutter und Lehrmeisterin könnte Schütz aus Gottfried Arnolds Das Geheimnis der göttlichen Sophia übernommen haben. Allerdings hat Schütz den dort beschriebenen Weg zur Vereinigung mit Sophia nicht für seinen geistlichen Lebenslauf übernommen. Willi Temme leitet aus Arnolds Beschreibung eine siebenstufige Entwicklung ab, weist aber gleichzeitig auf Unstimmigkeiten innerhalb des Modells und auf das Problem hin, daß einzelne Phasen nicht definitiv dem Diesseits oder Jenseits zugeordnet werden können.84 Christa Habrich macht darauf aufmerksam, daß der siebenstufige Reinigungsprozeß der Seele, der zu einer Annäherung an Sophia führt, dem alchimistischen Muster von der Umwandlung der prima materia zur höchsten Stufe der perfectio folgt.85 Dementsprechend benutzt Arnold die alchimistische Terminologie, wenn er den Reinigungsprozeß beschreibt.86 Die klare Gliederung des geistlichen Lebenslaufes in drei Entwicklungsstufen verweist auf die dreistufige via mystica, die sowohl für die mittelalterliche als auch die neuzeitliche Mystik charakteristisch ist. 87 Dabei ent–––––––––– 83 Im dritten Teil steht die Prophecy concerning the Philadelphian Society, in der Gottes Weisheit Jane Leade offenbart, daß die Philadelphische Gemeinde unter ihrer Leitung die Weisheit befolgen und weiter verbreiten soll. Cersowsky: Magie und Dichtung, 206–207. Dem Werk ist ein programmatisches Gedicht Solomons Porch: Or the Beautiful Gate to Wisdom’s Temple von Leade’s Anhänger Richard Roach vorangestellt. Hier wird mehrfach eine irdische Stellvertreterin der Sophia erwähnt, mit der vermutlich Leade gemeint ist. Dohm: Poetische Alchimie, 155–156, Fußnote 82. 84 Temme: Krise der Leiblichkeit, 365–366, Fußnote 85. 85 Habrich: Alchemie und Chemie, 56–57. 86 »Diese läuterung aber/ [...] geschiehet durch ein geistliches empfindliches läuterungs=feuer in der seelen/ und zwar nicht ohne sonderbares gefühl derselben/ indem sie durch die schmeltzende und abbrennende flammen der scharffrichtenden weißheit durchgehen und ihre läuterung aushalten muß.« »Diß sanffte liebes=feuer müsse unsern neuen menschen durchläutern und bewähren/ und einer feuer flammende burg aller ewigen krafft in uns werden! Ja deine erzogene jünglinge und jungfrauen/ wollen keine andere nahrung ihres licht=reinen geistes und himmlischer liebe=leibes haben/ als die feurigen strömen deines geistes/ welche zugleich zu durchdringender tingirung und bewährung dienen.« »O schlage/ brenne und schmeltze getrost in deinen dir jetzt auffgeopfferten Creaturen/ [...] damit alles neu werde in krafft der andern schöpffung und herwiederbringung aller dinge in uns.« Arnold: Das Geheimnis der göttlichen Sophia, 97, 107, 169. Der metaphorische Gebrauch alchimistischer Begriffe für die Erneuerung des Menschen geht nicht auf Arnold zurück, sondern ist bereits vor ihm z.B. bei Heinrich Kunrath, Johann Valentin Andreae oder Jakob Böhme nachweisbar. Durch die Aufnahme umfangreicher Textpassagen in seine Kirchen- und Ketzerhistorie förderte Arnold die Verbreitung dieser älteren alchimistischen Vorstellungen in pietistischen und radikalpietistischen Kreisen. Auch Christoph Schütz, Johann Eberhard Ludwig Gruber und die Gemeinschaft um Conrad Beissel benutzten in ihren Schriften Metaphern aus der Alchimie. Bach: Voices of the Turtledoves, 1997, 423–431; Habrich: Alchemie und Chemie, 49–58; Schrader: Vom Heiland im Herzen, 67. 87 Via purgativa, via illuminativa, via unitiva. Vgl. Dentsch: Theologie, mystische, 634. W. Temme gibt an, daß Hoburgs Theologia Mystica und die ersten drei Bücher von Arndts Wahren

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spricht die Reinigung der Zeit, in der sich Schütz Gott übergibt und versucht, ein gottgefälliges Leben zu führen. Die Erleuchtung kann der Belehrung und Prüfung durch die göttliche Sophia zugeordnet und die Vereinigung der von Schütz beschriebenen Liebesbeziehung zu Jesus gleichgesetzt werden.88 Durch die inhaltliche Übereinstimmung mit diesem Konzept kann der Lebenslauf als ein vorbildhafter Lebenslauf89 gelesen werden. Gerade die Situation am Ende des autobiographischen Textes, in der Schütz – Jesus nachahmend bzw. erreichend – das Gespött seiner Feinde mit Sanftmut erträgt, seinen Feinden verzeiht und für sie betet, scheint darauf hin komponiert zu sein. Diese Lesart wird durch den predigthaften Stil verstärkt. So illustriert er den Bußkampf und die Ausrottung der Sünden mit Ereignissen aus seinem eigenen Leben oder benutzt Gleichnisse aus seinem Berufsleben. Dieser inhaltlichen Anlehnung an das mystische Entwicklungsmodell widerspricht der Zwischentitel: Obwohl auch hier der Lebenslauf in drei Stufen zusammengefaßt wurde – Bußkampf, Glaubens- und Lebenswandel und Separation – entspricht dies nicht den mystischen Entwicklungsstufen, sondern betont den Zweck der Schrift, die Separation nach einem Bußkampf durch einen vorbildhaften Lebenswandel zu legitimieren. 90 Zusammenfassend ist der geistliche Lebenslauf als eine Darstellung zu werten, in der Schütz seine Separation von der Kirche durch ein vorbildhaftes Leben und seine Auserwähltheit durch Gott rechtfertigt. Durch diese Prämissen nimmt der Lebenslauf fast die Züge einer Hagiographie an. Zu weiteren Stationen seiner Biographie hat sich Schütz nicht geäußert, allerdings lassen sich in seinen Schriften und Streitschriften einzelne Hinweise wie z.B. datierte Ortsangaben finden.91 Daher wird für den weiteren Lebenslauf sowohl auf diese Angaben als auch auf die Darstellungen in der Sekundärliteratur zugegriffen. Johann Caspar Wetzel berichtete in seiner Hymnopoeographia, daß Schütz sich um 1728 den asiatischen Gemeinden in der Grafschaft Ysen–––––––––– Christentum nach diesem Muster aufgebaut sind. Beide Bücher kannte C. Schütz nachweislich und sie könnten als Vorbild gedient haben. Vgl. Temme: Die Krise der Leiblichkeit, 363–364. 88 Vgl. Schütz: Kündlich grosses Geheimnüs, ²1731, Zwischentitel, 7. 89 Als Vorbild oder Ideal gilt hier die fromme Lebensführung trotz der Anfeindungen durch die soziale Umwelt. Damit gehört diese Biographie auf der einen Seite zu der biographischen Exempelliteratur, deren prominentestes Beispiel die Historie Der Wiedergebohrnen von Johann Henrich Reitz ist. Dort sind teils hagiographisch, teils matyrologisch stilisierte und mit Selbstzeugnissen gemischte Lebensläufe zusammengestellt. Auf der anderen Seite gehört der Lebenslauf durch die Darstellung der seelischen Erlebnisse des Individuums Christoph Schütz zu den Autopsychographien. 90 Vgl. Schütz: Kündlich grosses Geheimnüs, ²1731, Zwischentitel, 7. 91 Dazu gehören die datierten Ortsangaben einzelner Vorworte, die Richtigstellung der Angaben von Johann Caspar Wetzel oder Hinweise auf Bekanntschaften in Briefen.

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burg anschloß.92 In der zweiten Auflage der Geistlichen Correspondentz korrigierte Schütz die Angabe: daß er sich »zu den sogenannten Asiatischen Gemeinden halten solle/ ist falsch/ weil ich sehr wenig von solchen Leuten kenne/ und niemals in eine ihrer Versammlung gekommen/ vielweniger ein Glied ihrer Gemeinde geworden bin/ und mich auch nimmermehr zu einer Secte halten werde.«93 Er begründet das nicht mit inhaltlichen Vorbehalten gegen die Lehren der Inspirierten, sondern mit einer Ablehnung gegen alle verfaßten Kirchen und Sekten, also auch der katholischen, lutherischen und reformierten Kirche, der wiedertäuferischen und Inspirationsgemeinden. Daß es sich bei dieser Aussage vermutlich um eine apologetische Schutzbehauptung gegenüber einer umstrittenen religiösen Sekte handelt, legen die Äußerungen in einer 1733 erschienenen Rechtfertigungsschrift nahe.94 Als Schütz in einer Aussprache des Werkzeugs Johann Friedrich Rock angegriffen wurde, bekannte er, seit 1727 Kontakte zur Inspirationsgemeinde gehabt zu haben, allerdings kein Mitglied geworden zu sein.95 Der Vorwurf, Schütz habe 1730 in Offenbach eine philadelphische Sozietät gegründet, in der sich dann abgehurte und abgewichene Menschen gesammelt hätten, läßt –––––––––– 92 Unter den asiatischen Gemeinden versteht Johann Caspar Wetzel nicht die asiatischen Brüder, sondern die Inspirationsgemeinden. Darauf deutet die Aufzählung verschiedener Gemeinden und ihrer Vorsteher hin, die alle zu den Inspirationsgemeinden gehören. Die Bezeichnung asiatisch beruht auf einem Mißverständnis der Bezeichnung Philadelphier. Der Name geht zum einen auf die typologische Auslegung der Apokalypse über die Sendschreiben an die sieben Gemeinden in Kleinasien zurück. Danach glaubte man, in der letzten Epoche (Sardes), die durch den fortgeschrittenen Verfall der Kirche und die Sammlung der Erweckten gekennzeichnet ist, kurz vor Beginn der Zeit von Philadelphia oder des tausendjährigen Reiches zu leben, in der es zur Allversöhnung kommen sollte. Zum anderen setzte man Philadelphia mit der brüderlichen Liebesgemeinschaft der Erweckten aus allen Kirchen und Sekten gleich. Im Gegensatz zu den englischen Philadelphiern, die ab 1702 eine festgefügte Organisation wurden, waren die deutschen Philadelphier keine Sondergemeinde, sondern eine durch gleiches Gedankengut verbundene Gruppe von radikalen Separatisten. Die Inspirationsgemeinden gehören zwar in den Kontext der philadelphischen Bewegung – so wurde auch die Inspiration als ein Zeichen für den Anbruch der philadelphischen Zeit gewertet –, grenzten sich aber seit 1714 durch eigene Gemeindegründungen gegen unabhängige Inspirierte und andere Separatisten ab. Wetzel: Hymnopoeographia, 4, 452. Zum Terminus Philadelphier vgl. Schneider: Pietismus im 18. Jahrhundert, 112–113; Schrader: Literaturproduktion und Büchermarkt, 63–73. 93 Schütz: Geistliche Correspondentz, ²1731, 2, 429. Als Mitglied der asiatischen bzw. der Inspirationsgemeinde wird Schütz in der folgenden Literatur bezeichnet: Bertheau: Christoph Schütz, 116; Goebel: Geschichte der wahren Inspirationsgemeinden, 1855, 368; Goedeke: Grundriß zur Geschichte der deutschen Literatur aus den Quellen, 3, 299; GVUL, 35, 1385–1386;. Aufgrund der Angabe in der Geistlichen Correspondentz hält Joachim Telle die Zugehörigkeit zu der asiatischen Gemeinde für unsicher, schreibt aber mit Bezug auf den Artikel von Eduard Emil Koch, Schütz habe sich der Inspirationsgemeinde unter der Leitung von Kämpf in Homburg angeschlossen. Koch: Geschichte des Kirchenlieds, 6, 175; Telle: Zum Opus mago-cabbalisticum, 369. 94 Schütz: Zeugnüß der Warheit wider die Leichtfertige Lügen. 95 Zu den Auseinandersetzungen zwischen Schütz und Johann Friedrich Rock vgl. Kapitel 4.2.1.

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vermuten, daß Schütz in dieser Zeit in einer eigenen Gemeinschaft lebte und nicht den Inspirierten angehörte.96 Da die Auseinandersetzung zwischen Schütz und Rock, der als Werkzeug ein hohes Ansehen in der Gemeinde genoß, mit einem Eklat endete, ist Schütz nicht der 1736 in Homburg gegründeten Filialgemeinde der Inspirierten beigetreten. 1729 zog Schütz nach Offenbach.97 Den Anlaß dazu könnte die Ablehnung seiner Schriften durch die kirchliche Obrigkeit gegeben haben. Dennoch ist zu konstatieren, daß Schütz seine späteren Schriften entweder unter vollständiger Namensnennung veröffentlichte oder sie durch seine Initialen kennzeichnete.98 Daher dürfte der Grund für den Umzug wohl weniger in der Angst vor Zensurmaßnahmen liegen als vielmehr in den Kontakten zu religiösen Separatisten. So wohnte z.B. Johann David Schäfer seit 1725 in Büdingen.99 Verbindungen nach Frankfurt könnten über den gleichnamigen Onkel und Paten von Christoph Schütz, der zum Zeitpunkt der Taufe seines Patensohns in der freien Reichsstadt ansässig war, oder seiner ebenfalls in Frankfurt wohnenden Tante Gertraud bestanden haben.100 In Frankfurt dürfte Schütz dann die Bekanntschaft mit den Saalhofpietisten, vor allem mit –––––––––– 96 Max Goebel weist darauf hin, daß bereits Kaiser in Stuttgart ein philadelphisches Verbündnis gegründet habe. Zwar leitete der Pfarrer und Arzt Johann Kayser bis 1725 ein seit 1715 bestehendes sepatistisches Konventikel in Stuttgart, aber dies wird weder in dem Zeugnis von Rock noch in der Gegenschrift von Schütz erwähnt. Damit dürfte das Konventikel nicht als Vorbild für Schütz gedient haben. Vgl. Goebel: Geschichte der wahren Inspirationsgemeinden, 1855, 368; Jung,: Dr. Johann Kaysers, 89–113. Die Beziehungen von Christoph Schütz zu den Inspirierten werden in Kapitel 4.2.1.2. thematisiert. Aus den erhaltenen Akten konnten keine Hinweise auf eine Gemeinde um Schütz gefunden werden. Die Nachfragen im Stadtarchiv von Offenbach und im Archiv der Fürsten von Isenburg-Birstein wurden negativ beantwortet. Die Akten des Offenbacher Konsistoriums wurden im 19. Jahrhundert an das Kirchenarchiv in Darmstadt abgegeben und sind dort 1944 vernichtet worden. 97 Er schreibt 1733 über einen Besuch der Inspirierten »vor 4. Jahr (da nehmlich ihrer Vier mich zu Offenbach besuchen wolten/ aber im Wald irre giengen/ und Offenbach nicht fanden) [...].« Schütz: Zeugnüß der Warheit, 1727, 29. Ein Brief, den er noch mit »Umstadt, im Februar 1729« unterzeichnet, belegt, daß er zu diesem Zeitpunkt noch im Umstadt lebte. Bereits Anfang Juli 1729 war er nach Offenbach gezogen, wie ein Brief belegt. Christoph Schütz an eine adlige Frau. Offenbach, 6. Juli 1729, in: Schütz: Zug des Vatters, 65–69. Nach der Ortsangabe des Vorworts war er am 4. Juni 1730 in Frankfurt. Er hielt sich hier vermutlich nur besuchsweise auf. Schütz: Göttlicher Liebes=Triumph, [)( 8] r, 92. Die Ortsangabe Offenbach am Mayn ist dann wieder in der Vorrede zur 2. Aufl. der Geistlichen Correspondentz vom 20. Oktober 1730 zu finden. Schütz, Christoph: Vorrede, in: Schütz: Geistliche Correspondentz, ²1731, 1, )( 2 r–[)()( 7] r. Hier [)( )( 7] r. 98 Ausnahme bilden die ersten beiden Bände des Geistlichen Würtz= Kräuter= und Blumen=Gartens, die anonym erschienen. Das Vorwort des dritten Bandes ist wieder mit den Initialen unterschrieben. 99 Kapitel 4.2.1. 100 Familienregister der lutherischen Gemeinde Groß-Umstadt Nr. 1681/9. Gertraud Kümmel (geb. Schütz) zog 1689 nach Frankfurt. Familienregister der lutherischen Gemeinde Groß-Umstadt Nr. O 1684/15.

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Maria Catharina Schütz und ihrer Mutter Elisabeth Catharina Schütz, gemacht haben.101 In zahlreichen biographischen Artikeln über Christoph Schütz wird seine Verwandtschaft zu Johann Jacob Schütz erwähnt. C. Schütz wird als Neffe oder Großneffe von Johann Jacob Schütz bezeichnet.102 Anhand der Angaben aus dem Familienregister der lutherischen Kirchengemeinde in GroßUmstadt lassen sich keine verwandtschaftlichen Beziehungen zwischen den beiden Personen belegen.103 Obwohl sich keine Verwandtschaft nachweisen läßt, stand Christoph Schütz im engen Kontakt zur Familie von J. J. Schütz und wohnte in Homburg im Haus dessen Tochter Maria Catharina. Aus diesem Grund soll hier kurz auf Johann Jacob Schütz und seine Familie eingegangen werden. Das gemeinsame Interesse an einer Intensivierung der Frömmigkeit und Reform der lutherischen Kirche verbanden den Rechtsanwalt Johann Jacob Schütz104 und den Senior Philipp Jacob Spener. Aus dieser Motivation heraus gründeten sie 1670 die Collegia pietatis und hielten sie im Pfarrhaus ab.105 In diesem Konventikel wurden Erbauungsbücher gelesen und diskutiert, aber es wurde auch gebetet. Als Spener durch kirchliche Kritiker gezwungen wurde, das Collegium pietatis als öffentliche Veranstaltung abzuhalten, ging der ursprünglich fromm-elitäre Charakter verloren. In Reaktion darauf verließen die meisten der Gründungsmitglieder das Konventikel. Um Johanna Eleonora von Merlau, Maria Juliana Baur von Eyseneck106 und J. J. –––––––––– 101 Johann Jacob Schütz kann Christoph Schütz nicht mehr kennengelernt haben, da der Jurist bereits 1690 verstorben war. 102 In der von Carl Rudolph Wilhelm Klose transkribierten und 1849 publizierten Selbstbiographie Johann Christian Edelmanns wird Schütz als Vetter der »Jungfer Schützinn« bezeichnet. Edelmann: Selbstbiographie, 312. Als Großneffe von J.J. Schütz wird er in den folgenden Werken bezeichnet: Bertheau: Christoph Schütz, 116; Dechent: Johann Jakob Schütz, 956; Goebel: Wahren Inspirations=Gemeinden, 1855, 369. Telle: Zum Opus mago-cabbalisticum, 370. Für den Großneffen halten ihn Gustav Mori und Hans-Jürgen Schrader. [Mori]: Die EgenolffLutherische Schriftgießerei, 24; Schrader: Literaturproduktion und Büchermarkt, 225. Aus dieser familiären Beziehung konstruiert Reinhard Breymayer auch eine literarische Verbindung zwischen dem Werk von Johann Valentin Andreäs, einem Ahnherr von Johann Jacob Schütz, und Oetingers Die güldene Zeit. Seiner Meinung nach ist die Güldene Rose von Christoph Schütz als eine Art missing link zwischen den beiden Werken anzusehen. Vgl. Breymayer: Neue Impulse, 301–303. 103 Vgl. dazu die Stammbäume der beiden Familien im Anhang. 104 Er wurde am 7.9.1640 in Frankfurt a.M. als Sohn von Jacob Schütz und seiner zweiten Frau Margarete geb. Reckmann, verw. Müller, geboren und starb am 22.5.1690. 105 J. Wallmann hält J.J. Schütz für einen der Initiatoren der Kollegien und betont, daß er in der Leitung zumindest gleichberechtigt neben P.J. Spener stand. Nach den Forschungen von Andreas Deppermann war zuerst nicht an die Teilnahme eines Pfarrers gedacht worden. Wenn Spener die Zusammenkünfte in seinem Haus stattfinden ließ und sich an ihnen beteiligte, sei dies vor allem zum Schutz der Kollegien nach Außen geschehen. Deppermann: Johann Jakob Schütz, 82; Wallmann: Philipp Jakob Spener, 271, 298. 106 Zu Johanna Eleonora von Merlau und Juliane Baur von Eyseneck vgl. Taege-Bizer: Weibsbilder im Pietismus, 109–136.

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Schütz sammelte sich im Saalhof ein Kreis (Saalhofpietisten), der sich immer mehr von der lutherischen Kirche entfernte.107 Neben der Faszination mystisch-spiritualistischer Kirchenkritik dürfte hier auch die Separation durch die Anhänger von Jean de Labadie und William Penn als Impulsgeber gewirkt haben. Insbesondere die Abendmahlspraxis der Kirche wurde von den radikalen Pietisten wegen mangelnder Gottesfurcht und Bußfertigkeit der Kommunikanten angegriffen. Ab 1676 hielt sich J. J. Schütz vom Abendmahl fern. Aus dieser Ablehnung entwickelte sich eine grundlegende Kritik an der Rechtfertigungslehre und mündete schließlich in eigene heterodoxe Lehren. Noch auf seinem Sterbebett weigerte sich J. J. Schütz, das Abendmahl anzunehmen. Das führte dazu, daß er nicht kirchlich beerdigt werden durfte, sondern nachts auf dem Friedhof begraben werden mußte.108 Elisabeth Catharina Schütz folgte ihrem Mann in seinem Separatismus.109 So verhinderte sie, daß ihre Töchter konfirmiert wurden, und hielt die Verbindung zu anderen Separatisten.110 Nachweisbar ist ihr Besuch im Sommer 1693 bei der Familie Brückner in Erfurt.111 Rüdiger Mack schreibt: »In Frankfurt waren der Kreis um die Witwe Schütz und ihr Haus zu einem Treffpunkt der führenden Separatisten geworden, wo ein Arnold, Petersen und Hochmann von Hochenau einkehrten«.112 Auch Reitz und Horche gehörten zeitweilig dieser Gruppe an.113 Als die Frankfurter Geistlichkeit sich weigerte, ihre Tochter Margarethe Elisabeth mit dem separatistischen Ysenburg-Marienbornschen Regierungsrat Mettingh zu verheiraten, ließ Elisabeth Catharina Schütz die Trauung vom Pfarrer Schott in Sulzbach vornehmen.114 Die zweite Tochter Jacobine heiratete ebenfalls einen Herrn Mettingh, die beiden jüngsten blieben unverheiratet. Am konsequentesten folgte die dritte Tochter Maria Catharina Schütz (1687 – 21.3.1742) der separatistischen Einstellung ihrer Eltern. Sie unterhielt Kontakt zu zahlreichen Separatisten und unterstützte sie auch finanziell. 1729 lernte sie Oetinger kennen und schenkte ihm ein Exemplar der –––––––––– 107 Wallmann: Pietismus, O 55–O 57. 108 Dechent: Johann Jakob Schütz, 955. 109 (1652–1721) Taege-Bizer: Weibsbilder im Pietismus, 133–134. 110 Ihre Bedeutung belegt der Eintrag im Catalogus amicorum in Germania. In diesem Verzeichnis hatten die englischen Philadelphier für Johann Dittmar 72 Personen als Ansprechpartner zusammengestellt. Seine Mission, für einen länderübergreifenden festen Zusammenschluß zu werben, scheiterte. Vgl. Schneider: Pietismus im 18. Jahrhundert, 112–113. 111 Wallmann: Erfurt und der Pietismus, 349. 112 Mack: Pietismus und Frühaufklärung, 95. Vermutlich blieb das Haus der Witwe Schütz bis zu ihrem Tode 1731 ein Zentrum der radikalen Pietisten in Frankfurt. 113 Mack: Pietismus und Frühaufklärung, 79; Mack: Libertinärer Pietismus, 84. 114 Dechent: Johann Jakob Schütz, 955.

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Cabbala denudata von C. Knorr von Rosenroth.115 Johann Samuel Plönnies und Johann Christian Edelmann erhielten finanzielle Zuwendungen von ihr.116 Nachdem sie die Schriften von Gerhard Tersteegen gelesen hatte, begann sie, an ihn zu schreiben.117 Daraus entwickelte sich ein Briefwechsel, der sie in Glaubensdingen prägte. Auch nach ihrem Tod sollte die finanzielle Unterstützung von Glaubensgenossen weitergeführt werden. Bereits 1737 verfügte sie in einem Testament118, daß ihr Erbe an die »armen Glieder Christi« gehen sollte. Als Verwalter dieser Stiftung sah sie den Rat Christian Fende, den Hof-Prediger Jacob Hartmann Rexrath und den Kammerschreiber Christoph Schütz vor.119 Fende lehnte von vornherein eine Mitarbeit ab. C. Schütz verwaltete drei Jahre lang das Vermögen, doch muß es zu Meinungsverschiedenheiten über die Verwendung der Gelder gekommen sein, die ihn dazu führten, schriftlich zu protestieren und die Verwaltung niederzulegen. Damit waren die Verfügungen dieses Testamentes obsolet geworden, und Maria Catharina Schütz mußte neue Regelungen treffen. 1740 verfaßte sie ein Seelengespräch in Form eines Gebetes. Darin bat sie Gott, ihre Erbschaft anzunehmen und darüber zu wachen, daß die Verwalter nach den christlichen Geboten handeln und die Familie der Erblasserin ihren Willen akzeptieren werde. Kurz vor ihrem Tod 1742 legte sie in einem neuen Testament genaue Regelungen für ihre Stiftung fest.120 Ihr gesamtes Vermögen, bestehend aus Immobilien, Gold, Silber, Kapitalien und Effekten, sollte Gott vermacht werden und den »Armen und sonderlich bedrängten Glieder Christi« zugute kommen.121 In ihrem Wohnhaus sollten neben dem Verwalter ledige gottesfürchtige Männer wohnen, das Nebenhaus sollte entweder vermietet werden oder auch ledigen gottesfürchtigen Männern und Frauen zur Verfügung stehen. Zu Verwaltern ernannte sie Andreas Groß und Carl Friedrich Schott.122 Durch die Wahl dieser Per–––––––––– 115 Ebd., 956. 116 Ebd. Edelmann berichtet, daß er vor der Ostermesse 1739 eine Caroline von der Jungfer Schützin aus Homburg erhalten habe. Vgl. Edelmann: Selbstbiographie, 305; 312. Caroline oder Karlin war eine in Frankfurt a.M. benutzte Währung im Wert von 11 Fl. Karlin. In: UniversalLexikon der Gegenwart und Vergangenheit, 8, 497. 117 Kerlen: Tersteegen, 61; 79–80; 87; 132–133. Maria Catharina bot ihm auch eine Stelle als Verwalter ihres Vermögens an, was er aber ablehnte. 118 Die Bezeichnung Testament ist hier insofern ungenau, als Maria Catharina Schütz bereits zu ihren Lebzeiten eine Stiftung einrichtete und Christoph Schütz zu ihrem Mitverwalter einsetzte. 119 Schütz: Eigen=händiges Seelen=Gespräch, 118–122. 120 Schütz, Maria Catharina: Letztes Testament und Stiftung, 122–128; Walsh: Wohltäter mit Bürgersinn, 68–69. 121 Schütz: Letztes Testament und Stiftung, 118–122. 122 Andreas Groß *um 1685 in Straßburg †nach 1749 in Frankfurt. Nachdem er in Straßburg zum Magister promoviert worden war, ging Groß zum Theologiestudium nach Leipzig und Halle. In Halle erlebte er seine Bekehrung und begann sich unter dem Einfluß mystischer Literatur von der Kirche zu separieren. Dann nahm er eine Stelle als Hauslehrer in Esslingen an und nahm mit

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sonen wird die Ausrichtung der Stiftung trotz der allgemeineren Formulierung »Armen und sonderlich bedrängten Glieder Christi« auf die Gruppe der radikalen Pietisten deutlich.123 Als Christoph Schütz 1733 eine Stelle als Kammerschreiber am landgräflichen Hof von Hessen-Homburg annahm,124 zog er in das Haus der Maria Catharina Schütz ein.125 Der Grund dafür war vermutlich ihre ähnliche Le–––––––––– pietistischen Kreisen in Württemberg und Straßburg Kontakt auf. 1706 wurde er aus Esslingen ausgewiesen und emigrierte ins Isenburgische. Nachdem sein Plan, im Wittgensteiner Land ein Leben als Eremit zu führen, gescheitert war, ging er um 1710 nach Frankfurt. Dort arbeitete er als Hauslehrer bei pietistischen Gönnern und war nebenbei als Buchhändler, persönlicher und literarischer Vermittler der radikalen Pietisten im Frankfurter Saalhof tätig. 1714 schloß er sich den Inspirierten an und unterstützte sich publizistisch gegenüber Vorwürfen aus Halle. Als sich die Inspirierten in einer verfaßten Gemeinschaft organisierten, löste er sich ihnen. Seine Bedeutung liegt vor allem in seinem Engagement für die Drucklegung und Distribution radikalpietistischer Schriften. Nach den Forschungen von Schrader war er in erheblichen Umfang organisatorisch und finanziell am Verlag der Berleburger Bibel beteiligt. Für Christoph Sauer (der vermutlich sein Stiefvater war) hat er dessen Vermögen in Deutschland verwaltet, den Kauf einer Druckpresse vermittelt und den Austausch der Publikationen übernommen. Schneider: Pietismus im 18. Jahrhundert, 159; Schrader: Literturproduktion und Büchermarkt, 449–450, Fußnote 125. 123 Bereits kurz nach dem Tode der Stifterin gab es größere Auseinandersetzungen. Zum einen erkannten die Angehörigen der Erblasserin das Testament nicht an, zum anderen beanspruchte die landgräfliche Kanzlei die Aufsicht über die Stiftung, obwohl die Erblasserin die völlige Unabhängigkeit ihrer Stiftung verfügt hatte. Der Landgraf befahl, daß die Verwaltung der Finanzen offengelegt und durch die Kanzlei kontrolliert werde. Darüber hinaus sollten zuerst die Bedürftigen in Homburg bei der Aufnahme in die Häuser der Stiftung und bei der Verteilung der Gelder bedacht werden. Aber auch die Landgrafschaft von Hessen-Darmstadt versuchte, durch die Verhaftung des Verwalters Schott die Kontrolle über die Stiftung zu erlangen. Schott hatte seine damalige Dienstmagd geschwängert und sich aus den Mitteln der Stiftung bereichert. Dölemeyer: Rechtsstreit, 11–13. Die Stiftung wurde ab 1825 durch die Amts-Armen-Kommission verwaltet, nach deren Auflösung ging das restliche Vermögen 1933 an den Obertaunuskreis über. Walsh: Wohltäter mit Bürgersinn, 69. Brief von J.J. Burckard an N. N. vom 24. Februar 1778 in: Neeb (Hg.): Geistliches Blumenfeld, 364–367. 124 Zuerst war er beim Landgrafen Friedrich III. Jacob (1708–1746) als Schreiber in der landgräflichen Verwaltung, nach dessen Tod bei seiner Frau, der Landgräfin Christine Charlotte beschäftigt. Diese Anstellung ist nur aus sekundären Quellen belegbar, da sich weder die Anstellungsurkunde, noch Listen der Hofbediensteten oder auch die Quittungen über die Auszahlung seines Gehaltes im landgräflichen Hausarchiv erhalten haben. Allerdings belegen ein Eintrag in Akten der Druckerei sowie ein Brief, daß er 1735 bzw. 1736 die Stellung eines Kammerschreibers innehatte. Johann Nicolaus Lutter an Christoph Schütz, Frankfurt, 17.2.1736. Akten der Landgräflichen Buchdruckerei, 1, 254 r–255 r. Der gantze Verlag des Neuen Homburgischen Gesangbuchs. Akten der Landgräflichen Buchdruckerei, 1, [280] v. Bertheau: Christoph Schütz, 116; Breymeyer: Neue Impulse, 301; Göbel: Geschichte der wahren Inspirations=Gemeinden, 1855, 368. 125 Nach dem Protokollbuch gehörten der »Mademoiselle Schütz«, die Häuser 39 + 40 auf der rechten Seite der Dorotheenstraße. Nach Reinhard Michel waren die Nummern 15 und 17 in der Dorotheenstraße im Besitz der Maria Catharina Schütz. Nach ihrem Tod gehörten sie zur Schützschen Stiftung. 1836 wurden die Häuser versteigert, 1869 von der katholischen Kirche angekauft. Während das Haus Nr. 15 für den Bau von St. Marien abgerissen wurde, blieb Nr. 17 bis 1970 stehen. (Josef Brückner schreibt fälschlicherweise von Nr. 13 und 15). Das Wohnhaus war vermutlich die Nr. 17, da im Stadtplan von Gunkel 1787 ein Teil des Hauses Nr. als Besitz des

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benseinstellung – beide wollten ein keusches Leben führen und unverheiratet bleiben – sowie gemeinsames religiöses Gedankengut.126 Die Veröffentlichungen von Christoph Schütz belegen, daß er schon vor 1727 seine theologischen Ansichten ausgebildet hatte und kaum durch die Familie Schütz oder die Saalhofpietisten geprägt wurde. Mack vermutet, daß Maria Catharina und Christoph Schütz einen mystisch-esoterischen Kreis um sich versammelten.127 Während sich C. Schütz zudem mit Alchimie beschäftigte, scheint sich M. C. Schütz dafür nicht interessiert zu haben. Aus der Inventarliste, die nach dem Tod von M. C. Schütz von ihrer Büchersammlung angefertigt wurde, geht hervor, daß sie keine alchimistischen Schriften, sondern Bücher mit mystisch-radikalem Gedankengut besessen hat. Auch in den Verfügungen für ihre Stiftung verbietet sie ausdrücklich, »Opffer anzuwenden auf chymische Art zu solchen Büchern und Personen«.128 Am 4. Januar 1750 starb C. Schütz in Homburg und wurde am 7. Januar auf dem Friedhof der reformierten Gemeinde hinter der Jakobskirche beer-

–––––––––– Hofcomiss. ??ott [sic!] bezeichnet wird. Brückner: 75 Jahre Marienkirche, 82–84; Lotz: Geschichte Bad Homburg, 141; Michel/Deckert: Grundstücks- und Hauseigentümer. Wann Maria Catharina Schütz nach Homburg zog, ist nicht zu ermitteln. Nach dem Tod der Mutter 1731 konnten die beiden jüngeren Schwestern das Haus in Frankfurt behalten. Urkunden, die Familie Schütz betreffend. No. 2., 1 r. (Stadtarchiv Bad Homburg. (HG D I 2 (7)). 1735 wird der Besitz eines Hauses mit 1 Gulden im Extraordinaires Homburger Heb-Register zu Bestreitung derer im vorigen 1734ten Jahr gehabten Krieg=Unkosten und [...] Vestungs=Bau oder Schanzgeldern wie auch andern gemeinschaftlichen Unkosten versteuert. (Stadtarchiv Bad Homburg A I 9/31). Die Angabe von Max Goebel »Seine Base Jungfer Schütz, welche bei ihm [Christoph Schütz] in guten Verhältnissen lebte [...]« ist sachlich falsch, da Maria Catharina Schütz die Besitzerin der Häuser war und Christoph Schütz bei ihr wohnte. Vgl. Goebel: Geschichte der wahren Inspirations= Gemeinden, 1885, 369. 126 Im Inventar der Verlassenschaft der Maria Catharina Schütz vom 19. November 1742 werden u.a. die Schriften von Jakob Böhme, Antoinette Bourignon, Gottfried Arnold, Pierre Poiret, Johann Heinrich Horche, Johann Wilhelm Petersen, Johanna Eleonora Petersen, und Jane Leade aufgeführt. (Stadtarchiv Bad Homburg (DI 2 (1b))). In seinem Briefwechsel mit dem Amtmann Fischer empfiehlt Schütz die Bücher von Thomas a Kempis, Johann Arndt, Christian Hoburg sowie Gottfried Arnold und stimmt der Schrift über die Absonderung von Antoinette Bourignon zu. Dagegen kennt er die Schriften Poirets bis auf die Gewissensruhe, die ihm in deutscher Übersetzung vorlag, nicht. Einen indirekten Hinweis auf seine Lektüre gibt er im Zusammenhang mit seinen Liedern. So beziehen sich seine Lieder auf die Lehren und Ansichten von Jane Leade, Johann Wilhelm Petersen, Johanna Eleonora Petersen und Christian Seebach. Christoph Schütz an [Johann Gottlieb] Fischer, Umstadt, 15. Dezember 1725, in: Schütz: Geistliche Correspondentz, ²1731, 1, 82–102. Hier 86–87; Christoph Schütz an [Johann Gottlieb] Fischer, Umstadt, 24. Januar 1726, in: Schütz: Geistliche Correspondentz, ²1731, 1, 372–389. Hier 374; Christoph Schütz an [Johann Gottlieb] Fischer, undatiert [2. Brief], in: Schütz: Geistliche Correspondentz, ²1731, 2, 3–24. Hier 3. 127 Mack: Forschungsbericht, 188; 214. 128 Schütz: Eigen=händiges Seelen=Gespräch, 122.

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digt.129 Dieser Friedhof wurde um 1905 mit der Umwandlung der Kirche in eine Turnhalle aufgehoben, so daß das Grab nicht mehr erhalten ist.130 Einbindung in die radikalpietistischen und theosophisch-alchimistischen Kommunikationsstrukturen Christoph Schütz sah sich selbst als religiösen Einzelgänger. Daher ist auch sein Lebenslauf, wie bereits gezeigt wurde, auf seine Person hin ausgerichtet. In seinen Schriften griff er vor allem die philadelphischen Lehren des 1000jährigen Reiches und der Wiederbringung aller Dinge auf. Obwohl er sich auf die Veröffentlichungen von Heinrich Jansen, der unter dem Pseudonym Immanuel Hiel publiziert hatte, von Jane Leade und Jakob Böhme berufen hatte, grenzte er sich doch gegen sie ab und beanspruchte, nach seinen eigenen Ansichten, die er von Gott selbst vermittelt bekommen haben will, zu leben.131 »Was in diesem Satz weiter von Hiel/ Böhm und Leadä gemeldet wird/ so ist es freylich wahr/ daß solches sehr fromme und hocherleuchte Kinder GOttes gewesen seyn/ aber indessen wird es mir doch verhoffentlich kein verständiger Mensch zumuthen/ daß ich mich ihnen in allem als ein armer Sclave unterwerffen/ und nur ihres (nicht aber meines eigenen Glaubens leben solte).[...] Dann ob ich mich dem seeligen Böhm (wie auch Hiel oder Leadä) schon bey weitem nicht an Erleuchtung gleich schätze/ so melde ich doch in Demuth meines Hertzens/ daß mir der liebe GOtt noch unterschiedlich hohe und tiefe Geheimnüsse gantz klar entdeckt und einzusehen gegeben hat/ welche ihm noch gantz verborgen gewesen seyn/ und wovon er auch fast gegen die theure Warheit (aus Ursach/ weil sie ihm noch so gar tief verborgen gewesen ist) geschrieben hat.«132

Den selbstbewußten Anspruch, aufgrund größerer Erkenntnis die Vorstellungen Böhmes überprüfen zu müssen, relativiert er durch den Hinweis auf die grundsätzliche Unvollkommenheit des menschlichen Wissens. –––––––––– 129 »D[en] 4t[en] January: Herr Christoph Schütz, Cammerschreiber bei Ihr[er] hochfürstlichen Durchlaucht der letztverwittibten Frau Landgräfin, ward beerdigt d[en] 7t[en] dito: seines Alters 60 Jahr«. Kirchenbuch der reformierten Gemeinde Bad Homburg v. d. H. 1750, 228. Zentralarchiv der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau. (Film Nr. 1140, KG HG: KB 1, 1750, reform. G.). Damit ist die Angabe im Literatur-Lexikon, wonach das Todesjahr als unsicher und der Ort als unbekannt bezeichnet wird, widerlegt. Bigler: Christoph Schütz, 478. 130 Baeumerth: 1200 Jahre Bad Homburg, 35. 131 Heinrich Jansen lebte als Weber im 16. Jahrhundert, verfaßte mystische Schriften und gilt als Bindeglied zwischen den Familisten und den Pietisten. Goeters: Heinrich Jansen, 531. Schütz empfiehlt als Lektüre: Das Büchlein von der Nachfolge Jesu Christi von Thomas von Kempen, die vier Bücher vom wahren Christentum von Johann Arndt, Theologie Mystica von Christian Hoburg, Geistliche Erfahrungslehre und [Consilia und Responsa Theologica oder] Gottsgelehrte Ratschläge von Gottfried Arnold. Christoph Schütz an [Johann Gottlieb] Fischer, Umstadt, 15. Dezember 1725, 86. 132 Schütz: Kündlich grosses Geheimnüs, ²1731, 275–277.

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»Aber dem ungeachtet/ daß ich mich solchen lieben Mann [Jakob Böhme] eben nicht gerne als ein armer blinder Sclave unterwerffe/ um alles ohne Unterscheid/ was er etwa gethan oder geschrieben/ ohne Prüfung zu glauben und anzunehmen/ und dasjenige/ was er etwa nicht erkandt und eingesehen hat/ zu verwerffen/ weil mir bekandt/ daß alle unser Wissen und Erkändtnüs noch Stückwerck ist.«133

Diese kritische Haltung nimmt Schütz allen religiösen Autoritäten gegenüber ein. Er bezieht sich auf die Gewissensfreiheit und fordert dazu auf, alle theologischen Lehren zu hinterfragen und jeweils die nachvollziehbaren Ideen zu übernehmen. Damit knüpft er an die Forderung im ersten Brief an die Thessalonicher »Prüfet alles und erwählet das Beste« an. Als Grundkonsens aller Christen postuliert er den Glauben an Jesus Christus. »[...] also daß ich nun keines Autorität oder Ansehen mehr achte/ und mich niemanden gerne/ als einen gefangenen Sclaven unterwerffe/ er mag auch seyn und heissen/ wer und wie er wolle/ Pabst/ Luther/ Calvin/ Zwingling/ Meno/ Schwenckfeld/ Böhm/ Arndt/ Arnoldt/ Spener/ Petersen/ u. s. w. sondern nach meiner Christlichen Freyheit alles prüfe/ und das Gute behalte/ das Böse aber verwerffe/ ich mag es auch finden und antreffen/ wo ich immer wolle/ und mich im übrigen alleine an Christum/ meinen theuren Heyland/ und das eintzige Haupte aller Kinder GOttes fest halte/ und seinen guten Geist der Warheit zu meinem eintzigen Lehrer und Fürher annehme/ welches mir dann auch kein redlicher Mensch verdencken wird; [...]«134

In Bezug auf die Schriften von Jakob Böhme geht Schütz noch einen Schritt weiter und bemängelt die unverständliche und anstößige Ausdrucksweise des Autors, der seiner Meinung nach zu ungebildet ist, um die komplizierten Theologeme in einer leicht verständlichen Sprache erklären zu können. »Was den seeligen Böhm betrifft/ so ist es freylich wahr/ daß er nicht alleine sehr dunckel/ sondern an theils Orten auch etwas anstößig in seinen Schrifften/ von GOtt und denen seelischen Creaturen geschrieben/ weil es solchem lieben Manne/ als einem armen ungelehrten Leyen/ an geschickten Worten gebrach/ solch hohe Dinge/ die er doch in gewisser Erkändtnüs hatte/ nach Würden auszutrucken.«135

Dieses Urteil darf nicht dahingehend mißverstanden werden, daß Schütz einem Laien die Fähigkeit abspricht, über theologische Lehren zu schreiben. Er kritisiert hier nur den Stil Böhmes und hofft, daß diesem Umstand –––––––––– 133 Schütz: Kündlich grosses Geheimnüs, ²1731, 277. Vergleichbar schreibt er über Johann Wilhelm Petersen: »Und was ich nun allhier von des seel. Böhmens Schrifften gemeldet/ solches will ich eben auch von des nunmehro auch seel. Hn Petersens/ verstanden haben/ und gestehe ich es auch gar gerne/ daß ich eben nicht alles/ was solcher sehr gelährte und liebe Mann geschrieben hat/ vor lauter Göttliche Oracula oder Aussprüche halte und annehme/ sondern seine süsse Kerne auch wohl hie und da mit einigen nichtswürdigen Schaalen und bittern Laiffeln umgeben seye/«. Christoph Schütz an [Johann Gottlieb] Fischer, 17. Mai 1727, In: Schütz: Geistliche Correspondentz, ²1731, 2, 29–101. Hier 50. 134 Ebd., 30. 135 Ebd., 4.

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durch eine gute Übersetzung der Schriften von Pierre Poiret, der sich seinerseits auf die Lehren Böhmes bezieht, abgeholfen werden könne.136 Johann David Schäfer, Johann Gottlieb Fischer und andere Schüler Aus seiner Ablehnung religiöser Autoritäten und der Kritik an kirchlichen Strukturen wird verständlich, daß Schütz keine Anhänger um sich sammelte oder eine Sekte gründete. Sein Verhältnis zu dem Juristen Johann Gottlieb Fischer137 ist als Beziehung zwischen Lehrer (Schütz) und Lernendem (Fischer) zu verstehen, wobei der Schüler durch seine Fragen die Wissensvermittlung steuert. Die Korrespondenz vermittelte Johann David Schäfer.138 Nachdem sich der Jurist Fischer mit Fragen zur Lehre der Wiederbringung an Schäfer gewandt hatte, gab Schäfer die Anfrage an Schütz weiter, der sich daraufhin am 12. Mai 1725 mit Fischer in Verbindung setzte.139 Im Zeitraum vom 12. Mai 1725 bis zum 17. Februar 1726 schrieb Schütz acht Briefe; der zweite Band der Geistlichen Correspondentz setzt mit einem Brief von Fischer am 17. März 1727 ein und dokumentiert die Korrespondenz bis Mitte 1727. In seinen Antworten erläutert Schütz seine religiösen Vorstellungen, allerdings liegen sie, bedingt durch die literarische Gattung –––––––––– 136 Pierre Poiret hat zwar auch eigene mystische und pädagogische Schriften verfaßt, seine Bedeutung liegt aber in der Vermittlung der romanischen Mystiker an den deutschen Pietismus. Er schloß sich der mystischen Schwärmerin Antoinette Bourignon an und gab nach ihrem Tod ihre Werke heraus. Schering: Pietismus und die Renaissance, 39–70. 137 Bei dem Juristen Fischer handelt es sich um Johann Gottlieb Fischer. Er hatte Rechtswissenschaften studiert, ohne einen Abschluß zu machen und nannte sich I[uris] U[triusque] C[onsultus] (kundig in beiderlei Rechten). In der zweiten Ausgabe der Korrespondenz, die nach Fischers Tod 1727 erschien, bezeichnet ihn Schütz als Amtmann. Allerdings konnte in den Akten des Hessischen Staatsarchivs in Darmstadt kein Beleg für einen Amtmann Johann Gottlieb Fischer gefunden werden. Stumpf: Gießener Familienbuch, Nr. 1094. Für die Angabe zu den Beständen im Hessischen Staatsarchiv in Darmstadt dankt die Verfasserin Frau Eva Haberkorn. 138 Zu Johann David Schäfer vgl. Kapitel 4.2.1. 139 Christoph Schütz an [Johann Gottlieb] Fischer, Umstadt, 12. Mai 1725, in: Schütz: Geistliche Correspondentz, ²1731, 1, 1–4. Über die erste persönliche Begegnung von Schäfer, Schütz und Fischer berichtet Schütz in einem Gedicht: »Und der Schäfer fieng auch an dieses Dinge selbst zu lieben Die er sonst dem guten Schützen nicht gar wohl zu gute hielt Er verließ die Heerden auch thät sich in der Stille üben GOtt im Geiste anzubeten/ und nicht mehr des Thieres Bild Als sie nun von solchem Ort/ da der Schütz den Schäfer funden Kaum drey Teutsche Meil gereist/ ihren Weg gen Orient Kamen sie an einen Ort/ wo so ein‘ge Häuser stunden Nicht sehr weit von einem Wasser/ welches Mayn genennt! Nun/ in diesem kleinen Dorff/ hatten sie ein großes Glücke/ Dann sie traffen unvermuthet einen frommen Fischer an/ Und es war so gantz gewiß unsers GOttes sein Geschicke;« Schütz, Christoph: Gedicht zum Andenken an Johann Gottlieb Fischer, Schütz: Geistliche Correspondentz, ²1731, 2, 356–367. Hier 362–363. Vermutlich hatten sich Schäfer und Schütz in Frankfurt verabredet und reisten dann nach Offenbach, wo sie Fischer trafen.

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des Briefs, nicht in geschlossener Form vor.140 Die intensive Korrespondenz – so wurden zwischen dem 15. und 22. Mai 1727 sechs Briefe gewechselt – scheint Schütz letztendlich ermüdet zu haben; im letzten Brief fordert er Fischer auf, die bisher erhaltenen Schreiben weiterhin aufmerksam zu studieren und die dort empfohlenen Regeln in seine Glaubensausübung zu übernehmen.141 Die Geistliche Correspondentz fand in der Schrift Der Göttliche Liebes=Triumph ihre Fortsetzung. Nach dem Erscheinen der Geistlichen Correspondentz schickte ein Leser weitere Fragen an Schütz.142 Der erste Brief sowie die Antwort werden vollständig abgedruckt, danach folgt ein Teil, in dem die Korrespondenz-Form aufgegeben und 98 weitere Fragen mit Antworten aufgeführt werden.143 Seine Aufgabe sah Schütz darin, seine religiösen Vorstellungen zu vermitteln und zum kritischen Umgang mit religiösen Autoritäten aufzufordern. Doch durften sich seine Schüler nicht auf das Verstehen und Reflektieren dieser Lehren beschränken, sondern sollten sie im Sinne der praxis pietatis in gelebten Glauben umsetzen. Durch die Veröffentlichung der Korrespondenzen wie auch durch seine anderen Schriften erweitert sich der Schülerkreis potentiell auf alle Leser seiner Publikationen.

–––––––––– 140 Nur an einer Stelle bricht Schütz die Form des Briefwechsels auf und läßt den Fragen die Antworten folgen. Hier zeigt sich das Bemühen um einen dem Inhalt folgenden Aufbau. Der neunte Brief bestehet in XLV Fragen und der zehnde Brief in so vielen Antworten/ auf diese Fragen, welche Antworten dann denen Fragen sogleich beigesetztet sind, in: Schütz: Geistliche Correspondentz, ²1731, 2, 252–330. 141 »Und dieses ist es nun/ was ich E.L. auf sein letztes Schreiben noch antworten wollen/ und weil ich bis daher in meinen Briefen an E.L. vieles geschrieben/ daß zwar wohl bald gelesen/ aber doch wohl nicht so bald auch gefasset oder verstanden/ vielweniger in die Praxin oder Ubung gebracht wird; so bitte E.L. wollen dann an statt weiterer neuen Anfragen zu thun/ meine vorige Antworten noch eine Weile betrachten/ und das Gute/ so er etwa darinnen findet/ sich wohl anzuwenden und zu nutzen zu machen suchen/ worzu ich ihm dann von gantzem Hertzen GOttes Weißheit/ Gnade und Segen anwünsche/ und ihn der sanfften Liebe JEsu empfehle. Derjenige der seine Seele liebet.« Christoph Schütz an [Johann Gottlieb] Fischer, undatiert, [12. Brief], in: Schütz: Geistliche Correspondentz, ²1731, 2, 337–356. Hier 356. 142 Der Name des Briefschreibers bleibt unbekannt. Der erste Brief. Von einem ungenandten geschrieben/ an Christoph Schützen, in: Schütz: Der Göttliche Liebes=Triumph, 1–11. 143 Den formalen Aufbau der Schrift scheint Schütz während der Abfassung geändert zu haben. Die Bezeichnung Der erste Brief weist darauf hin, daß der Autor zuerst plante, die Briefform beizubehalten. Im Anschluß an seinen Antwortbrief beginnt er mit der Einteilung nach Paragraphen. Erhaltene Floskeln wie z.B. »Allein wisset mein theurer Freund!«, »Aus diesen Worten sehe ich so viel, daß mein geliebter Freund«, »Wegen der Nach=Erinnerung seines Schreibens« belegen, daß es sich um ein zweites Schreiben handelt, das Schütz in einzelne Abschnitte unterteilt hat. Schütz: Der Göttliche Liebes=Triumph., 92; 94; 454.

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Seelsorge in Briefen Während Schütz in den bisher vorgestellten Briefwechseln vor allem seine theologischen Ideen erläutert hatte, belegen die Briefe, die unter dem Titel Der Zug des Vatters zu dem Sohne veröffentlicht wurden, seine seelsorgerische Tätigkeit. Das Traktat besteht aus zwei Schreiben, die Schütz an eine weibliche »führnehme Standes=Person« richtet, und einem Anhang von neun weiteren Briefen an unterschiedliche Personen.144 Aus dem Postskriptum zum zweiten Brief geht hervor, daß die ungenannte Adressatin eine verheiratete Regentin ist, die »über ihr Hauß und verschiedene Ort und Leute beruffen und gesetzt ist«.145 Sie hatte sich an Schütz mit der Frage gewandt, was sie tun müsse, um »zu einem völligen Durchbruch aus dem Reich der Sünden und des Todes/ durch die Macht der Finsterniß/ in das Reich der Gnaden und des Lebens« zu kommen. Nachdem Schütz in den Briefen allgemein darauf antwortet, geht er im Postskriptum des zweiten Briefs auf ihre persönliche Situation ein und erklärt, wie sie ihre weltliche Aufgabe mit einer frommen Lebensführung vereinbaren könne. Da Gott sie als Regentin eingesetzt habe, dürfe sie sich nicht aus der Welt zurückziehen. Auch er habe sich danach gesehnt, sich völlig von der Welt zu separieren und nach Pennsylvania auszuwandern, sei aber von Gott von diesem Vorhaben abgebracht worden.146 Der Mensch solle seinen Beruf wahrnehmen und ein gottgefälliges Leben führen.147 Dazu solle die Fürstin täglich eine halbe oder ganze Stunde für Andacht und Gebet reservieren und notfalls auf Schlaf verzichten. In Bezug auf das Essen und die Kleidung rät Schütz ihr, sich in ihr soziales Umfeld zu integrieren und weder durch eine besondere Askese noch durch Genußsucht aufzufallen. Ihre Untergebenen solle sie mit Liebe und Ernst regieren und durch ihren Lebenswandel ein Vorbild sein. Gegenüber Armen solle sie sich barmherzig zeigen, aber deren Bedürftigkeit prüfen und sich vor Betrügern schützen. Diese Regeln für ein gottesfürchtiges Leben sind, obwohl sie Schütz an eine Fürstin richtet, allgemein verbindlich und können von jedem Gläubigen umgesetzt werden. Ebenso sind die Fragen und Glaubenskrisen, die –––––––––– 144 Bei dieser Regentin könnte es sich um die Landgräfin Christine Charlotte von HessenHomburg handeln. Wie Zinzendorf 1730 in einem Reisebericht schreibt, genoß Schütz am Hof in Homburg großes Ansehen. Auch Karl Sigismund Prueschenk erwähnt in einem Brief an den Arzt Johann Christian Senckenberg, daß die Landgräfin ein großes Zutrauen zu Schütz hatte. Karl Sigismund Prueschenk von Lindenhofen an Johann Christian Senckenberg, Hayn, 7. April 1738, in: Knieriem/Burkhardt: Gesellschaft der Kindheit Jesu-Genossen, 175–177, Nr. 21; Zinzendorf: Undatierter Bericht, zitiert nach der Transkription von Hans Schneider. 145 Christoph Schütz an eine F[ürstin?]. Offenbach, 17. August 1730. In: Der Zug des Vatters zu dem Sohne, 20–64. Hier 60. 146 Ebd., 55–57. 147 Ebd., 57–63.

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Schütz in weiteren Briefen behandelt, für den Leser nachvollziehbar. In diesen Korrespondenzen deckt er verschiedene Aspekte der seelsorgerischen Tätigkeit ab: er antwortet auf Fragen, so z.B. ob ein Christ Arzneimittel benutzen solle, tröstet und berät Menschen in Glaubenskrisen, ermutigt einen Sterbenden und gibt einem Prediger einen Fragenkatalog an die Hand, damit dieser seine Lebensweise prüfen könne. Sowohl die Briefe an die Fürstin als auch an eine adlige Frau148 belegen, daß Schütz 1730 in Kontakt zu adligen Kreisen stand und bei diesen ein so großes Ansehen genoß, daß man sich an ihn als Seelsorger oder geistlichen Ratgeber wandte. Kontakte in die neue Welt Die Verbindungen zu den aus Deutschland ausgewanderten Radikalpietisten sind durch einen Brief dokumentiert, in dem Schütz über den Kontakt zwischen dem Drucker Christoph Sauer in Germantown und dem Schriftgießer Johann Nikolaus Luther149 berichtet hat.150 Schütz faßte die Ereignisse für Heinrich Ehrenfried Luther zusammen, der nach dem Tod des Vaters 1740 die Leitung der Druckerei übernommen hatte. –––––––––– 148 Christoph Schütz an eine adlige Frau. Offenbach, 6. Juli 1729, 65–69. 149 Der in der Literatur üblichen Schreibung des Namens Luther wird hier gefolgt, obwohl Luther selbst mit Lutter unterschreibt. 150 [Christoph] Schütz an [Heinrich Ehrenfried] Luther. Homburg, 4. Oktober 1740, abgedruckt bei Kelchner: Beitrag, 419–423; und Mori: Egenolff-Lutherische Schriftgießerei, 35– 37. In seinem Aufsatz über Christoph Sauer benutzt Mori den Brief als Quelle, ohne ihn nochmals abzudrucken. Mori: Buchdrucker Christoph Sauer, 224–230. Kelchner hat diesen Brief aus dem Briefkopiebuch der Egenolff-Lutherischen Schriftgießerei transkribiert, Mori hat ihn aus dem Anhang zur Dankpredigt zur dritten Jubelfeier der Erfindung der Buchdruckerkunst von Christian Münden, Frankfurt 1741, entnommen. Inhaltlich entsprechen sich die beiden Fassungen, nur fehlt bei Kelchner der Halbsatz »wann mich solche Beschwerde rechtschaffen gedrückt hätte«, die Orthographie scheint Kelchner seiner Zeit angepaßt zu haben. Aus diesem Grund wird hier die Fassung nach Mori zitiert. »Die Originalbriefe selbst sind [...] nicht mehr vorhanden. Dagegen existieren hiervon zwei zeitgenössische Abschriften und zwar einmal als Anhang zu Mündens Dankpredigt zur dritten Jubelfeier der Erfindung der Buchdruckerkunst Frankfurt a.M. 1741, und das andere mal als Briefbuch der Egenolff-Lutherischen Giesserei, das auf 44 noch vorhandenen und doppelseitig eng beschriebenen Quartblättern einen Auszug aus den Briefen Sauers in chronologischer Reihenfolge enthält. Dieses Briefbuch, das die Abschriften in Münden mehrfach ergänzt, habe ich als Quelle für meinen Aufsatz benutzt, während Münden als Quelle für das erstgenannte Werk von 1926 [...] diente.« Gustav Mori an Douglas Mc Murtrie, [Offenbach], 9. Januar 1935. Institut für Stadtgeschichte Frankfurt a.M. Nachlaß Gustav Mori, S 1/152, Mappe Nr. 17, 123 r. Das Briefkopierbuch ist weder im Stadtarchiv in Frankfurt, noch in der Stadt- und Universitätsbibliothek in Frankfurt oder im Gutenberg-Museum vorhanden. Die Briefe im Anhang an die Dankpredigt von Münden sind im Exemplar der Stadtbibliothek Frankfurt nicht enthalten. Auf den Brief von Schütz an Luther bezieht sich auch Hermann Barge. Dagegen wird Schütz in seinem Aufsatz über Christoph Sauer den Jüngeren nicht erwähnt. Barge: Christoph Sauer; Ders.: Christoph Sauer d. Jüngere.

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Demnach hatten sich die religiösen Emigranten mehrmals an Schütz gewandt und ihn um eine Lieferung seiner Veröffentlichungen gebeten. Sauer berichtete in dem Brief, in dem er sich für die Buchgeschenke bedankte, daß er vorhabe, eine Druckerei aufzubauen.151 In dem sich anschließenden Briefwechsel wurde über die Einrichtung der Druckerei und die Menge der benötigten Schriften diskutiert, schließlich bestellte Schütz fünf bis sechs Zentner Lettern bei der Egenolff-Lutherschen Schriftgießerei in Frankfurt und schickte sie nach Germantown. Um die Integrität Sauers zu belegen, zitiert Schütz am Ende des Briefes aus einem Bericht über dessen Lebensumstände und Tätigkeiten. Diese Informationen hatte er über einen nicht näher genannten Freund in Mamerts-Springfield erhalten. Die Auseinandersetzungen mit Johann Friedrich Rock und der Inspirationsgemeinde Da Schütz in der Forschungsliteratur häufig als ein Anhänger der Inspirationsgemeinde152 bezeichnet wird, soll hier auf die Verbindungen und Strei–––––––––– 151 (Johann) Christoph Sauer ~2.2.1695 in Ladenburg/ Neckar †25.9.1758 in Germantown. Er wurde als Sohn des reformierten Pfarrers Johann Christoph Sauer und seiner Frau Anna Christina geboren. Nach dem Tod seiner Eltern ging er nach Laasphe, machte dort eine Schneiderlehre und heiratete 1720 die Witwe Maria Christina Groß. Sie war die Tochter des Leiters der Inspirierten Eberhard Ludwig Gruber und vermutlich die Mutter des in Frankfurt lebenden Separatisten Andreas Groß. Mit seiner Frau und ihrem gemeinsamen Sohn Christoph emigrierte Sauer über Schwarzenau nach Pennsylvania, allerdings brachen die Kontakte zu den Separatisten in Deutschland nicht ab. Insbesondere mit Andreas Groß blieb Sauer in Verbindung. So verwaltete Groß Sauers Vermögen in Deutschland, vermittelte den Ankauf einer Presse und kümmerte sich um den Bücheraustausch. Zuerst arbeitete Sauer als Kesselflicker und Uhrmacher, ab 1735 begann er eine Druckerei aufzubauen und deutsch-sprachige Schriften zu verlegen. Als erste Veröffentlichung erschien 1738 Der Hoch-Deutsch Americanische Calendar, 1739 folgte das Gesangbuch Zionistischer Weyrauchs-Hügel für die Gruppe um Conrad Beissel in Ephrata und eine Zeitung, die den Titel Der Hoch-Deutsch Pennsylvanische Geschichts-Schreiber trug. Sein berühmtestes Druckwerk ist die Sauer-Bibel, die er 1743 in einer Auflage von 1200 Exemplaren herausbrachte. Der Text basierte auf der im Halleschen Waisenhaus verlegten Lutherbibel, den Sauer an einigen Stellen durch Formulierungen aus der Berleburger Bibel ergänzte. Vor ihm hatte bereits Benjamin Franklin eine Offizin in Germantown eröffnet. Zwischen den beiden Konkurrenten spielten vor allem die Typen eine Rolle: Während Franklin die im anglo-amerikanischen Bereich üblichen Antiqua-Lettern benutzte, druckte Sauer mit Fraktur-Lettern, die die deutschen Einwanderer leichter lesen konnten. Über die Druckerfamilie Sauer hat vor allem Donald F. Durnbaugh gearbeitet. Die Ergebnisse seiner lebenslangen Forschung hat er in seinem Referat Johann Christoph Sauer as a radical pietist intermediary between Germany and North America auf dem 1. Internationalen Pietismus-Kongreß 2001 in Halle zusammengefaßt. Durnbaugh: Johann Christoph Sauer I, 1147–1148; Ders.: Sauer Bibles, 1149; Ders.: Sauer Press, 1149; Longenecker: The Christopher Sauers; Mori: Buchdrucker Christoph Sauer, 224–230; Schrader: Literaturproduktion und Büchermarkt, 224–227. 152 Kennzeichnend für die wahre Inspirationsgemeinde sind die sogenannten Aussprachen. Die vom Heiligen Geist ergriffenen Werkzeuge fielen in einen Trancezustand und ihre Körper wurden durch Krämpfe geschüttelt, dann begannen sie, langsam zu sprechen. Die Reden wurden von Schreibern aufgezeichnet, gesammelt und veröffentlicht. Damit entstand eine Art von Schrift-

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tigkeiten zwischen ihm, den Inspirierten und ihrem wichtigsten Werkzeug Johann Friedrich Rock153 näher eingegangen werden.154 Christoph Schütz gibt an, um 1727 einige Anhänger der Inspirationsgemeinde näher kennengelernt zu haben.155 In den ersten Jahren sei er ein –––––––––– prophetie, die ergänzend bzw. auslegend neben die Bibel trat. In zahlreichen Aussprachen werden weltliche und geistliche Obrigkeiten oder einzelne Personen wegen ihres gottlosen Verhaltens kritisiert und zur Buße aufgerufen. Das wichtigste Werkzeug und später auch der Leiter der Inspirationsgemeinde war der Sattler Johann Friedrich Rock. Die Ursprünge der wahren Inspirationsgemeinde gehen auf eine ekstatische Bewegung unter den Hugenotten in den Cevennen zurück. Nach der Aufhebung des Ediktes von Nantes wurden die protestantischen Pfarrer gefangengenommen und ihre Gemeinden verfolgt. In dieser Situation entstand unter den Laien die inspirierte Rede, die als Offenbarung Gottes angesehen wurde. Da der deutsche Radikalpietismus um die Wende vom 17. zum 18. Jahrhundert von einer massiven eschatologischen Naherwartung geprägt war, fanden die Bußreden der französischen Inspirierten in diesen Kreisen große Resonanz. Ihre Anhänger bildeten in Halle und Berlin Konventikel. 1714 kam es in Halle zur Erweckung der ersten deutschsprachigen Werkzeuge, die dann durch Westdeutschland reisten und unter den Separatisten zahlreiche Anhänger gewinnen konnten. Durch die tolerante Religionspolitik der Grafen von Ysenburg angezogen, siedelten sich die Inspirierten in der Wetterau an. Eberhard Ludwig Gruber leitete ab 1715 die Gruppe und überführte sie in eine kirchenähnlich strukturierte Sekte. Neben den Konventikeln, in denen gesungen, gebetet, die Bibel gelesen und ausgelegt wurde, feierte man in den Anfangsjahren die Liebesmahle, zu denen Abendmahl, Agape und Fußwaschung gehörten. Die wahre Inspirationsgemeinde grenzte sich in der folgenden Zeit gegen andere inspirierte Gruppen ab, die jede Gemeindeordnung ablehnten. Schneider: Pietismus im 18. Jahrhundert, 146–147; Schneider: Inspirationsgemeinden, 203–204; Schneider: Propheten der Goethezeit; Scheuner: Inspirations=Histoire, 200; Goebel: Geschichte der wahren Inspirations=Gemeinden, 1854–1855. 153 Johann Friedrich Rock *25. 10. 1678 in Oberwälden bei Göppingen †2.3.1749 Gelnhausen/ Hessen. Er wurde als Sohn eines lutherischen Pfarrers geboren und wuchs im Geist kirchlicher Frömmigkeit auf. Nach der Schule erlernte er das Sattlerhandwerk und begab sich von 1696 bis 1702 als Geselle auf Wanderschaft. In dieser Zeit kam er mit pietistischen und separatistischen Gruppen in Kontakt. Danach ging er nach Stuttgart und schloß sich dort dem radikalpietistisch gesonnenen Kreis um Johann Reinhard Hedinger an. Bei den Zusammenkünften lernte Rock vermutlich auch Eberhard Ludwig Gruber kennen. Als ihnen wegen ihrer Ablehnung der kirchlichen Sakramente die offizielle Landesverweisung drohte, emigrierten Rock und Gruber 1707 in die Grafschaft Isenburg-Büdingen. Rock wurde zum gräflichen Hofsattler berufen und ließ sich in Himbach nieder. Um die Jahreswende 1714/15 wurde er von der Inspiration ergriffen und begann als Werkzeug Aussprachen zu halten. Neben Rock wurden sieben weitere Personen zur Inspirationsrede erweckt, die allerdings bis 1718 verstummten. Dadurch wurde der Prophet Rock zum Mittelpunkt und zur Integrationsfigur der Gemeinschaft, die sich dann unter dem Namen Wahre Inspirationsgemeinde auch organisatorisch zusammenschloß. In den folgenden drei Jahrzehnten betreute Rock die verschiedenen Filialgemeinden durch Besuchsreisen, warb um neue Mitglieder und leitete nach dem Tod Eberhard Ludwig Grubers die Gemeinschaft. Krauß: Johann Friedrich Rock, 86–114; Rock: Wie ihn Gott geführet; Schneider: Heilige Zuckungen, 4; Ders.: Johann Friedrich Rock, 370–373. 154 Die Auseinandersetzung zwischen Schütz und dem Werkzeug der Inspirationsgemeinde Johann Friedrich Rock ist mit der Kontroverse, die Rock mit dem Arzt und zeitweiligen Mitglied der Inspirationsgemeinde Samuel Carl führte, vergleichbar. Auch in diesem Fall forderte Rock die Anerkennung seiner Aussprachen als göttliches Wort sowie Gehorsam gegenüber der in ihnen verkündigten Handlungsanweisungen. Schneider: »Stroh=Kram und Wage«, 76–101. 155 Schütz, Christoph: Vorrede, in: Schütz: Zeugnüß der Warheit wider die Leichtfertige Lügen, 3–8.

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Sympathisant der Gemeinde gewesen, ihr aber nicht beigetreten. Als es zu Aussprachen gegen ehemalige Mitglieder kam, mit denen Schütz befreundet war, habe er begonnen, am göttlichen Ursprung der inspirierten Rede zu zweifeln. Dennoch habe er den Kontakt zu der Gemeinde aufrechterhalten.156 Die Ursache für die erste Aussprache gegen Schütz am 2. April 1733 war die Bücherlotterie zum Homburgischen Gesangbuch, an der sich auch einige Mitglieder der Inspirationsgemeinde beteiligt hatten.157 Die Ältesten verurteilten die Lotterie, da die Leute unter dem Vorwand, ein Gesangbuch gewinnen zu können, zum Glücksspiel verführt würden. Nach diesem Tadel hatten die Brüder ihre Lose wieder zurückgegeben. In der folgenden Versammlung der Ältesten hielt Rock eine Inspirationsrede, in der Schütz beschuldigt wurde, die Bücherlotterie zum Homburger Gesangbuch organisiert, sich mit unreinen Geistern vermischt und eine philadelphische Gemeinschaft gegründet zu haben. Eine Mitschrift dieses Zeugnisses brachten die Brüder Rock, Neun und Rösch zu Schütz nach Umstadt.158 Im Gespräch widerlegte Schütz die Anschuldigungen und wies auf sachliche Fehler in der Aussprache hin. Da er damit auch die göttliche Legitimation der Inspirationsrede anzweifelte, versuchten ihn die Inspirierten zu überzeugen, daß er an die Aussprache glauben müsse. Doch Schütz beharrte auf seinem Standpunkt. Damit war aus dem fehlgeleiteten Bruder ein Gegner der Inspiration geworden, gegen den sich eine zweite Aussprache richtete, die Rock am 5. Juni 1733 hatte. Nachdem die Brüder auch dieses Zeugnis und ein polemisches Gedicht bei Schütz abgeliefert hatten, brach er jeden Kontakt zu Rock ab.

–––––––––– 156 So beauftragte Schütz den Inspirierten Rösch mit der Besorgung einiger Bücher; im Gegenzug bat Rösch ihn, Lose für das neue Homburger Gesangbuch zu kaufen. Schütz: Zeugnüß der Warheit wider die Leichtfertige Lügen, 52. 157 Die folgende Auseinandersetzung ist von beiden Seiten dokumentiert worden. Die Inspirationsgemeinde hat ihre Position in den Diarien dargestellt, Schütz hat seine Sicht in einer Streitschrift geschildert. Goebel benutzte für seine Darstellung die Extracta der Inspirationsgemeinden. U.-M. Schneider erwähnt die Aussprache und das Streitgedicht, das Rock gegen Schütz verfaßt hatte. Aufrichtige Extracta, 1, 1–19; Schütz: Zeugnüß der Warheit wider die Leichtfertige Lügen, Goebel: Geschichte der wahren Inspirations=Gemeinden, 1855, 367–369; Schneider: Propheten der Goethezeit, 113; 163. Die hier folgende Darstellung soll exemplarisch zeigen, wie sich Schütz mit den gegen ihn erhobenen Vorwürfen auseinandersetzte. Dabei sollen weder alle Argumente aufgeführt noch die Berechtigung der Kritik geprüft werden. 158 Schütz, der zu diesem Zeitpunkt bereits in Homburg wohnte, besuchte in Umstadt seine Familie. Schneider irrt, wenn er Umstadt 1733 noch als Wohnort von C. Schütz bezeichnet. Schütz: Zeugnüß der Warheit wider die Leichtfertige Lügen, 11; Schneider: Propheten der Goethezeit, 163.

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An die Mitglieder der Inspirationsgemeinde schrieb Schütz einen Brief, in dem er sich verteidigte und Rock als Lügner bezeichnete.159 Schütz mußte auf die Aussprache reagieren, da Lotterien und Glücksspiele in radikalpietistischen Kreisen umstritten waren,160 er aber das landgräfliche Gesangbuchprojekt begrüßte. In seiner Gegenschrift versicherte Schütz, daß er weder zu den Herausgebern des Gesangbuchs gehöre, noch die Lotterie organisiert oder Lose verkauft habe. Allerdings hatte er radikalpietistische Lieder für die Aufnahme in das Gesangbuch empfohlen, für die Liedersammlung in separatistischen Kreisen geworben und auch Lose besorgt.161 Aus diesem Grund hatte ihn wohl der »Frankfurter Mann«, den Rock als Gewährsmann anführte, als Leiter des Projekts angesehen.162 Nachdem er versichert hatte, keine Lose zu besitzen, stellte er die Lotterie als eine Form der Subskription dar und versuchte, den Vorwurf des Glücksspiels zu entkräften, indem er darauf hinwies, daß der Gewinn »gottgefällig« genutzt und an Arme verteilt werden könnte. Auch die Beschuldigungen, falschen Geistern zu folgen und einer philadelphischen Gemeinde anzugehören, wies Schütz zurück. Da Rock, Neun und Rösch nicht die Namen der angeblichen Mitglieder dieser Gemeinschaft nennen konnten, war auch dieser Vorwurf entkräftet. Nachdem Schütz die Anschuldigungen widerlegt hatte, griff er nun seinerseits den Inspirationsgeist und dessen Propheten Rock an und bezweifelte die Legitimität der Aussprachen. Da das Zeugnis aus Lügen bestünde, könne es nicht von Gott stammen, sondern nur von einem falschen InspirationsGeist. Schütz vermutete, daß es Rocks eigener Geist sei, der aus Konkur-

–––––––––– 159 Dieser Brief liegt der Publikation Zeugnüß der Warheit wider die Leichtfertige Lügen zugrunde. 160 Johann Jacob Haug veröffentlichte mehrere Schriften gegen Lotterien. So erschien 1720 in Idstein ein Theologisches Bedencken: Was von der Moralität oder Rechtmässigkeit Der LOTTERIEN/ so unter dem Vorwand eines zum Behuf der Armen daher entstehenden Nutzens heutzutag üblich sind [...] eigentlich zu halten sey. Schrader vermutet, daß Von Lotterien=Wesen Geistl. Urtheil 1723, Theologisches Bedencken was darvon zu halten sey und Ein Warnungs=Lied an alle Lotterien=Brüder Auszüge aus dem Bedencken von 1720 sind. Trotz seiner Vorbehalte organisierte auch Haug vier Bücherlotterien, um seine schwer verkäuflichen Lagerbestände der Berleburger Bibel zu reduzieren. Dagegen lehnte der Radikalpietist Johann Christian Edelmann die Lotterien nicht ab. Er beteiligte sich an der Erfurter Bibellotterie, gewann Geld und konnte seine Stellung bei Haug aufgeben. Schrader: Literaturproduktion und Büchermarkt, 237; 482, Fußnote 301–302. 161 »[...] daß als im Anfang des Wercks/ ein jeglicher Bedienter und Unterthan von meinem Herrn/ sagen solle/ wie viele Exemplarien er von dem Buch wolte/ damit man sich in der Auflage darnach richten könnte/ ich 25. Stück benannt hätte/ alleine [...] ich nahm also solche vor mich benamte 25. Looß nicht/ sondern ließ sie Ausländischen zukommen.« Schütz: Zeugnüß der Warheit wider die Leichtfertige Lügen, 25. 162 Ebd., 22–23.

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renzangst die Lügen gegen ihn ausgesprochen habe.163 Nachdem Rock keine Möglichkeit mehr gesehen hätte, Schütz in die Inspirationsgemeinde einzubinden, aber befürchtete, daß sich die Inspirierten Schütz zuwenden könnten, versuchte er durch das falsche Zeugnis, Schütz wegen verschiedener Vergehen anzuklagen und ihn zur Buße aufzurufen.164 Die objektive Kritik des göttlich legitimierten Inspirationsgeists wird durch die Reime, die Rock am 19. April 1733 gegen Schütz verfaßte, um einen persönlichen Angriff erweitert.165 Im ersten Teil des Gedichts forderte Rock ihn zur öffentlichen Auseinandersetzung auf. In der Gewißheit seines Sieges glaubte er, daß Schütz sich ihm unterwerfen und seine göttliche Inspiration anerkennen würde. Er mahnte ihn zur Buße und bot ihm sogar die Aufnahme in seine Gemeinde an. Das Gedicht endet mit einem weiteren Appell zur Umkehr. Darauf antwortete Schütz nicht mit Versen oder einer inhaltlichen Widerlegung, sondern mit einer formalen Kritik. Mit seiner Wortwahl verstoße Rock gegen die Heilige Schrift. Im fünften Kapitel des Matthäus-Evangeliums stehe das Verbot, seinen Bruder einen Narren zu nennen.166 Da Rock die Zeilen »Bruder! erwähl das Best. Geheimniß=reicher Narr!« aufeinanderfolgen ließ, mache er sich dieses Vergehens schuldig und werde mit dem höllischen Feuer bestraft werden.167 Damit griff Schütz nicht nur ein insinuiertes poetisches Unvermögen Rocks an, sondern stellte auch dessen Selbstverständnis als göttlich inspiriertes Werkzeug in Frage.168 –––––––––– 163 »Dann es ist dieser Geist nichts anderst als des Rocks eigener Geist/ welcher bey Gelegenheit in gewisse falsche Kräfften und Machten der Boßheit imaginiert/ solche in sich ziehet/ und davon truncken gemacht wird/ und in dieser Geistes=Trunckenheit aus dem Daumelwein der Huren/ göchset er dann seine Dinge aus.« Ebd., 19. 164 »Lässest du dieses also passiren/ so kan es leicht geschehen/ daß er vor sich ein neu Schützen=Regiment/ (eine neue Secte) in guter Hof=Montur auffrichtet/ und mein Altrockisches Regiment/ [...] zu Grund richtet.« Ebd., 18. 165 »BIst du ein guter Schütz/ Wohlan! schieß loß, ich will dir halten: Ist dein Gewehr was nütz, Und kan mein Hertz durchspalten, So sollt du haben recht, Und trägst den Sieg davon.« Br. Rocks Reimen an Schütz vom 19. April 1733, in: Aufrichtige Extracta, 1, 7–12. 166 Ich aber sage euch: Wer seinem Bruder zürnt, der ist des Gerichts schuldig; wer aber zu seinem Bruder sagt: Du Nichtsnutz! der ist des Hohen Rats schuldig; wer aber sagt: Du Narr! der ist des höllischen Feuers schuldig. Mt 5,22. 167 Das Zitat ist verfälscht. Im Original steht statt »Narr« wegen des Reimes auf »Karren« der Plural »Narren«. Br. Rocks Reimen, 11. 168 Diese Argumentation greift Christian Gottlieb König in seiner Kritik an Rock auf: »ohngeachtet du mit disen Reimen [...] schon einmal so übel angekommen bist, da dir Schütz gezeiget, daß du die zwey allerungereimtesten Dinge: Bruder und Narr wider das Verbott Christi Matt. V,22. zusammen=gereimet [...]«. König: Revue Générale, 108. Schneider bringt diesen Beleg im Zusammenhang der Kritik des Christian Gottlieb König als poeta laureatus an den dichtenden Dilettanten Rock. Schneider: Propheten der Goethezeit, 113–114. Vgl. dagegen zur literaturgeschichtlichen Kontextualisierung der Poesien Rocks: Schrader: Inspirierte Schweizerreisen, 375–382.

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Obwohl Schütz danach den Kontakt zu Rock und der Inspirationsgemeinde abgebrochen hat, muß Rock sein Verhalten in einer weiteren Aussprache kritisiert haben.169 In der Folge kam es zu einer Auseinandersetzung zwischen Schütz und dem Leiter der Homburger Inspirationsgemeinde, Johann Philipp Kämpf. Da beide beim Landgrafen angestellt waren (Schütz als Kammerschreiber, Kämpf als Leibarzt), wurde der gesamte Hof in diesen Konflikt mit einbezogen.170 Der Streit endete 1738 mit einem Vergleich zwischen den Parteien.171 Neben Schütz hatte Rock in der 1733 gehaltenen Aussprache auch den Separatisten Theodor Krahl kritisiert.172 Schütz polemisierte in seiner Gegenschrift, daß Rock sie beide »wie die Ochsen zusammen jochet/ und mit seinem Ochsentreibers=Stecken auf uns loß schläget/ als wie der Asur.«173 Dennoch scheinen sich Schütz und Krahl weder gut gekannt noch in ihren Maßnahmen gegen Rock abgesprochen zu haben.174

–––––––––– 169 Darauf weisen drei Briefe von Karl Sigismund Prueschenk von Lindenhofen an Johann Christian Senckenberg in Frankfurt hin. »Es haben sich diese armen Leute [Inspirierte] mit der Aussprache ihres Papstes so recht offenbaren müssen, wie sie der l[iebe] Br[uder] bei [der] Erzählung der Kämpfschen und Schützschen Begebenheit abmalt, daß sie durch ihren Vater der Lügen und Geist des Hochmuts getrieben waren.« Karl Sigismund Prueschenk von Lindenhofen an Johann Christian Senckenberg, Hayn, 21. März 1738, in: Knieriem/Burkardt: Gesellschaft Der Kindheit Jesu-Genossen, 163, Nr. 17. Herr Dr. Knieriem machte die Verfasserin auf diese Briefe aufmerksam und stellte sie ihr bereits vor Erscheinen der Briefausgabe im Manuskript zur Verfügung. 170 Auch die Landgräfin war involviert. »Ihre Durchl[aucht], die Fürstin, welche ein sehr weises Gemüt hat, wird dieses Gezänk und Gewäsch in eine ziemliche Konfusion setzen; doch kann es sie auch wohl in ihrem Zutrauen gegen Schütz befestigen, da seine Unschuld offenbar bleibt.« Karl Sigismund Prueschenk von Lindenhofen an Johann Christian Senckenberg, Hayn, 7. April 1738, in: Knieriem/Burkardt: Gesellschaft Der Kindheit Jesu-Genossen, 175–177, Nr. 21. 171 Karl Sigismund Prueschenk von Lindenhofen an Johann Christian Senckenberg, Hayn, 7. April 1738, 175. 172 Der Schuhmacher Theodor Krahl hatte über die Frage der Separation mit dem Frankfurter Pfarrer Johann Friedrich Starck über einige Jahre hinweg Streitschriften gewechselt. 1733 zog Krahl von Frankfurt nach Büdingen. Zu Krahl vgl. Grutschnig-Kieser: Braucht ein Schaf, 197–203. 173 Schütz: Zeugnüß der Warheit wider die Leichtfertige Lügen, 34. 174 »Es lässet ein jeglicher den andern thun/ nach dem Trieb seines Hertzens und Gewissens/ ohne ihm ein Wort zu sagen/ noch den andern zur Hülffe begehret/ [...]«. Ebd., 34. Allerdings ist auch die Entgegnung von Krahl, im Unterschied zu seinen anderen Schriften, in Homburg bei Hellwig erschienen. Der durch den Geist Der Wahrheit geprüffte Geist der Lügen und falschen Inspiration, in Johann Friedrich Rock/ [Homburg vor der Höhe: Johann Philipp Hellwig] 1733. Dies belegt nicht nur das Verzeichnis, nach dem Hellwig ein Belegexemplar des Drucks bei der Hochfürstlichen Bibliothek ablieferte, sondern auch der Buchschmuck. In beiden Schriften sind die gleichen Zierleisten aus Typenmaterial nachweisbar. Specification der Bücher, [1] v.

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Kontakte in der Homburger Zeit Informationen zu Christoph Schütz und über die Kontakte, die er hatte, lassen sich zum einem durch Erwähnungen in seinen Schriften, zum anderen aber auch durch Briefe Dritter rekonstruieren. In den Briefen, die Maria Catharina Schütz an Gerhard Tersteegen schickte, berichtete sie über Christoph Schütz und seine Vorhaben.175 So war Tersteegen auch über die Herausgabe des theosophisch-alchimistischen Buches von Georg von Welling informiert und schrieb darüber 1734 an Karl Sigismund Prueschenk von Lindenhofen »Das Opus MagoCab[balisticum], das Fr[eund] Schütz edieren will, ist mir unbekannt. Ich verstehe es nicht und verlange es [auch] nicht zu verstehen; es ist mein Weg nicht, [ich] lasse es sonst an seinem Ort.«176 Auch in dem Briefwechsel zwischen Prueschenk und dem Arzt Johann Christian Senckenberg spielen Schütz und seine Auseinandersetzungen mit der Homburger Inspirationsgemeinde eine Rolle.177 Senckenberg kannte Schütz und hatte durch seine Empfehlung die Stellung eines Leibarztes beim Homburger Landgrafen während seines Aufenthaltes in Tournay erhalten.178 Da er sich nicht an das Hofleben anpassen konnte und es zum Streit mit dem Hofprediger Jakob Hartmann Rexrath kam, reiste er nach drei Monaten überstürzt nach Frankfurt zurück. Trotzdem hielt er den Kontakt zu Christoph und Maria Catharina Schütz weiterhin aufrecht, denn noch kurz vor ihrem Tod 1742 kam Senckenberg nach Homburg, um sie zu besuchen.179 –––––––––– 175 Gerhard Kerlen überliefert drei Briefe an Maria Catharina Schütz. Kerlen: Gerhard Tersteegen, 132–136. 176 Gerhard Tersteegen an Karl Sigismund Prueschenk von Lindenhofen, Mühlheim, 11. Mai 1734, in: Knieriem/Burkardt: Gesellschaft Der Kindheit Jesu-Genossen, 107–112, Nr. 1. 177 Karl Sigismund Prueschenk von Lindenhofen an Johann Christian Senckenberg, 175–177. 178 In seinem Tagebuch schrieb er im Rückblick: »Vom September bis in das End des Jahres [1739] war zu Tournay mit dem Fürsten von Homburg. Alß daselbst am Hoff frey lebte u. d. Wahrheit redete, war ich verhaßt. Vita sedentaria, pabulo et potu pinguis et calidus, Bier und Wein machte meine Humores dick und hitzig und ich ward daher etwas freyer alß der Hoff litte. H. Rexroth [Rexrath], dessen Pfaff etwas fürwachte, wurde meiner überdrüssig, predigte auf mich etc., wollte gern s[eine] und Schützen Ehre salviren, die mich recommandirt hatten ...« Zitiert nach Dölemeyer: Homburg vor der Höhe, 48. Sie bringt diesen Beleg auch in: Dölemeyer: Bier und Wein, 64. 179 Seitdem die Nichte von Maria Katharina Schütz, Katharina Rebekka Mettingh, mit Senckenberg verheiratet war, waren die Familien auch verwandtschaftlich miteinander verbunden. Dölemeyer: Bier und Wein, 64. Persönliche Briefe zwischen Schütz und Senckenberg sind nicht erhalten. Im Nachlaß von Senckenberg befinden sich ein Brief von Schütz an Senckenberg, der den Landgrafen betrifft und ein undatierter Krankenbericht. Christoph Schütz an Johann Christian Senckenberg, Homburg [circa 5.] Januar 1740. Nachlaß von Johann Christian Senckenberg, Mappe 50; Johann Christian Senckenberg: Bericht über den Krankheitszustand von Christoph Schütz. Nachlaß von Johann Christian Senckenberg, Mappe 157. Senckenbergische Bibliothek, Frankfurt a.M.

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Als Friedrich Christoph Oetinger 1737 für neun Monate nach Homburg kam, um bei Johann Philipp Kämpf seine medizinischen Kenntnisse zu vertiefen, vermittelte vermutlich Maria Catharina Schütz den Kontakt zu Christoph Schütz.180 Im Kontext der Kontroverse zwischen Christian Fende181 und Joachim Lange erschienen 1731 in Frankfurt die Bewährte und Harmonische Zeugnüße.182 Zu dieser Sammlung von Aufsätzen hatte unter anderen auch Christoph Schütz einen Beitrag geliefert.183 Es ist davon auszugehen, daß Schütz die anderen Mitarbeiter kannte. Vermutlich stand er mit Melchior Douzeaidans, der in Offenbach lebte und von dem eine Schrift in der landgräflichen Hofdruckerei erschien, in engerem persönlichen Kontakt.184 Auch dürfte er mit Andreas Groß, den Maria Catharina Schütz 1742 zum Admini–––––––––– 180 Bereits 1729 hatte Oetinger Maria Katharina Schütz in Frankfurt besucht. Mack: Forschungsbericht, 214. Auch wenn Oetinger Schütz nicht in seiner Autobiographie erwähnt, hält Reinhard Breymayer die Begegnung für sehr wahrscheinlich, weil Oetinger nicht alle Personen, die für ihn wichtig waren, ausdrücklich nennt. Breymayer: Radikaler Pietist, 192. 181 Christian Fende *22.10.1651 Öttersdorf/Vogtland †1746 in Frankfurt a.M. Er wurde als Sohn eines lutherischen Pfarrers aus Öttersdorf im Vogtland geboren. Nach dem Besuch des Gymnasiums studierte er in Wittenberg und Königsberg Rechtswissenschaften. Im Anschluß arbeitete er als Sekretär bei einem Reichshofratsagenten in Wien und bei einem Baron in der Nähe von Halberstadt. 1675 kam er nach Frankfurt und trat in die Kanzlei von Johann Jacob Schütz ein. Durch die Vermittlung von Schütz nahm Fende an den »Collegia pietatis« teil und erlebte – nach seinem Selbstzeugnis – 1676 seine Bekehrung. Auch an der Separation der Saalhofpietisten war er beteiligt. Bereits 1679/80 verfaßte er einen Lästerbrief, in dem er das kirchliche Abendmahl als Götzendienst diffamierte. Aufgrund dieses Briefes trennte sich Spener 1682 von seinen bisherigen Freunden und zeigte sie beim Konsistorium sowie beim Magistrat an. Am Anfang unterstützte Fende die Inspirierten und gab 1715 deren apologetische Unterschiedliche Erfahrungsvolle Zeugnisse heraus. In verschiedenen Schriften, die ab Mitte der 1720er erschienen, veröffentlichte er seine separatistischen Ansichten, die auch von anderen radikalen Pietisten abgelehnt wurden, wie die Streitschrift der sogenannten Harmonisten belegt. Dazu zählt vor allem seine Neuinterpretation der Göttlichkeit Christi und Leugnung der Trinität Christi. Obwohl er auch innerhalb der Separatisten umstritten war, blieb er bis zu seinem Tod einer der führenden Separatisten in Frankfurt. Schneider: Pietismus im 18. Jahrhundert, 156–158. 182 Bewährte und Harmonische zeugnüsse. Darin befindet sich auf den Seiten 1–4 ein Brief von Christoph Schütz an N.N. vom 2. Dezember 1730, der mit der Anrede beginnt: »In JEsu dem Sohn der Liebe. Vielgeliebt Brüder«. 183 Breymayer vermutet, daß die Verfasser mit der bisher nicht identifizierten Gruppe der Harmonisten identisch sind. Diese verwarfen die theologischen Ansichten des Frankfurter Separatisten Christian Fende. Breymayer: Radikaler Pietist, 195. 184 1732 erschien bei Gottfried Memhard in Homburg vor der Höhe die von Melchior verfasste Publikation Le mystere de la croix. Christa Habrich charakterisiert das Werk als »christozentrisches, mit alchemistischen Passagen durchsetztes, unter anderem von der Aurea Catena Homeri beeinflußtes Meditaionsbuch.« Sie betont, daß das Werk vor allem von hermetisch orientierten Pietisten rezipiert wurde. Den Kontakt zu Melchior Douzeaidans könnte auch Johann Christian Senckenberg vermittelt haben. Da Senckenberg mit Johann Conrad Dippel und Samuel Carl korrespondierte, ist zu vermuten, daß sie auch mit Schütz in Verbindung gestanden haben. Habrich: Alchemie und Chemie, 71–73; Habrich: Médicine entre Hippocate et Jésus-Christ, 331–332.

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strator ihrer Stiftung einsetzte, näher bekannt gewesen sein.185 Den Adressaten der Bewährte und Harmonische Zeugnüße scheint Schütz ebenfalls bei ihr getroffen zu haben. Fende hatte in der Rechtsanwaltskanzlei des Vaters von Maria Catharina Schütz gearbeitet und sollte 1737 zusammen mit Schütz und dem Oberhofprediger Rexrath die Verwaltung der Stiftung übernehmen. Darüber hinaus stand Schütz sicherlich mit den in Homburg lebenden Separatisten in Kontakt. Dazu gehörten Christian Gottlieb König, der zuvor Professor für Philosophie in Gießen gewesen war und zwischen 1736 und 1742 in Homburg und Frankfurt lebte.186 In seiner Revue générale erwähnt er in der Erläuterung der Strophe über die wahre Inspirationsgemeinde die Aussprache gegen Schütz und ergreift Partei für ihn.187 Mit dem geheimen Rat Johann Samuel von Ploennies dürften Schütz theosophisch-alchimistische Interessen verbunden haben.188 Wie aus dem Inventar seines Besitzes hervorgeht, hat Ploennies nicht nur eine circa 900 Titel umfassende Bibliothek besessen, die vor allem alchimistische Bücher enthielt, sondern auch eine Laborierstube mit alchimistischen Geräten.189 Ebenso kannte Schütz Carl Friedrich Schott, den Maria Katharina Schütz sehr schätzte und den sie als einen der Administratoren ihrer Stiftung ein-

–––––––––– 185 Schütz: Letztes Testament und Stiftung, 123–124. Darauf deutet auch die Beschreibung eines Besuchs in Homburg hin, bei dem Johann Christian Edelmann von seinen Brüdern (den Frankfurtern Groß, Düsterweg und Senckenberg), dem Hofrat Ploennis und Christoph Schütz vorgestellt wird. Edelmann: Selbstbiographie, 224–225. 186 Christian Gottlieb König, in: DBA. Mf. 1, 681, 386–389. (Übernahme des Artikels aus: Will, Georg Andreas: Nürnbergisches Gelehrten-Lexicon. Bd. 2. 1756.). 187 »Und eben auf solche Weise haben sie auch schon im Jahr 1733. dem vorhin gedachten ehrlichen Mann, dem Schütz, der nie das geringste mit ihnen zu thun gehabt hatte, sein kräftiges Zeugnus der Wahrheit wider die leichtfertige Lügen und Lästerungen des falschen Inspirations= Geistes recht abgezwungen und abgenötiget. [...], worbey sie dann ihn, Christoph Schützen, wider alle Wahrheit mit hinein=mengten, und folglich sich ihm recht zudrangen und zunöthigten, daß er der Wahrheit zu Steuer und selbsten auch vor der Welt seiner Herrschaft Ehre zu retten, die schändlichen Lügen diser zerrütteten Köpfe vor allen Menschen aufzudecken gezwungen war.« König: Revue Générale, 102–103. 188 Edelmann berichtet in seiner Selbstbiographie, daß Schütz und Ploennies zwar unterschiedlicher Meinung waren, sich aber gegenseitig tolerierten. Christoph Schütz taucht in den Unterlagen zum einen als einer der Amtsschreiber auf, die nach dem Tode Ploennies zusammen mit dem kaierlichen Notar Johann Heinrich Flick aus Homburg vom 27. Mai bis 11. Juli 1742 das Inventar des Hauses aufgenommen haben, zum anderen als einer der Zeugen für das Testament des Bruders Erich Philipp von Ploennies. Bei der Zusammenstellung der Erbschaftseffekten nahm Schütz die Stellung eines amtlichen Schreibers und evtl. als Gutachter alchimistischer Gerätschaften ein. Sein Zeugnis könnte darüber hinaus auch ein Freundschaftsdienst gegenüber der Familie von Ploennies gewesen sein. 189 Jacobi: Zur Geschichte des Jacobi’schen Hauses, 6.

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setzte.190 Doch spätestens als Schott nach dem Tode der Stifterin »ganz von Gott abgewichen« war und »sich auf eine erschreckliche Weise allen Sünden und Lastern ergeben« hatte, wird Schütz den Kontakt zu ihm abgebrochen haben. Zwischen Fanatiker und Apostel. Christoph Schütz im Urteil seiner Zeitgenossen Die Urteile über die Person Christoph Schütz und seine Schriften hingen vor allem vom religiösen Standpunkt der Kritiker ab. Christian Gottlieb König und Johann Christian Edelmann, die ebenso wie Schütz dem radikalen Pietismus zuzurechnen sind, sowie Nikolaus Ludwig von Zinzendorf, der der Bewegung in dieser Zeit nahestand, nahmen die religiösen Ideen von Schütz positiv auf. Johann Georg Walch und die Rezensenten in der Fortgesetzten Sammlung sind dagegen der lutherischen Orthodoxie zuzurechnen. Sie verurteilten Schütz als Fanatiker und kritisierten die von ihm vertretenen Sonderlehren. Die Einschätzung Königs steht – wie oben bereits erwähnt – im Zusammenhang mit der Auseinandersetzung zwischen den Inspirierten und Schütz. Er erwähnt nicht nur die Person lobend, sondern geht auch auf die Kritik an den Schützschen Schriften ein, die gegen den Willen des Autors mißverstanden und falsch interpretiert worden seien. »[...] sol ich aber jemand nennen, dessen Einsichten und bereits abgelegte Zeugnüsse auch mir in dem innersten meiner Seelen auf das innigste und lebendigste eingegraben sind, so ist solches ein der Welt=Lauf nach zwar ungelährter, jedoch mit der gründlichsten Erkäntnus des richtigen Zusammenhangs der Wahrheit begnadigter, frommer Mann, der redliche Christoph Schütz, dessen Schriften zwar von sehr vielen, gegen seine selbst eigene Meynung und Absicht, gar übel verstanden, und zu ihrem Schaden und Verantwortung, schändlich gemißbrauchet werden.«191

Edelmann, der während eines Aufenthalts in Frankfurt mit den dortigen Brüdern einen Ausflug nach Homburg machte, traf Schütz und berichtet davon in seiner Selbstbiographie: »Nach der Mittags=Mahlzeit führten mich die Brüder zum H[er]rn Hofrath Plenius [Johann Samuel Ploennies] und H[er]rn Christoph Schütz, der damals Cammer=schreiber beym Land=Grafen war, und dessen Schriften dem großen Haufen der Priesterschaft, gewiß auch keine Rosen=Blätter untergestreuet. Beyde waren ganz feine Männer. Ein jeder aber hatte seine besondere Erkenntniß; doch mußte sie keinen

–––––––––– 190 Maria Katharina Schütz erwähnt ihn lobend in ihrem Testament: »Herrn Carl Friedrich Schott, der sehr viele treue Dienste aus lauterer christlicher Liebe erwiesen«. Schütz: Letztes Testament und Stiftung, 125–126. 191 König: Revue Générale, 101.

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hindern, dem andern mit aller Liebe und Dienstgeflissenheit zu begegnen, welches mir abermal sehr wohl gefiehl.«192

Zinzendorf hatte Schütz bereits am 23. September 1730 in Offenbach am Main getroffen.193 Später betonte er die große Anerkennung, die Schütz am landgräflichen Hof zuteil wurde und rühmte seine Schriften. »Ich sahe auch die Schrifften des berühmten Faßbinders Schützens, die gewiß von erstaunlicher Stärcke und einigermassen dem Geiste des lieben Bruder Christian David nahe sind. Er ist bei dem Hessen Homburgischen Hofe als ein apostel angesehen.«194 Auch Johann Michael von Loën hatte er die Bücher von Schütz zur Lektüre empfohlen.195 Während Zinzendorf die Schriften von Schütz positiv beurteilte, äußerte er sich kritisch über dessen Persönlichkeit. Zinzendorf schreibt: »Ich hätte gewünscht, daß unsern brüdern sein persönliches wesen so erwecklich gewesen wäre als seine schrifften. Allein, er scheinet etwas in sich selbst verliebt, doch kans nur so scheinen.«196 Dieser Eindruck wurde durch Edelmann bestätigt. Als er 1739 auf dem Rückweg von der Frankfurter Ostermesse in Homburg Station machte, empfing ihn Schütz »ziemlich gleichgültig«.197 Auch der Lebenswandel von Schütz scheint Anfang der 30er Jahre durch Glaubensgenossen kritisiert worden zu sein, denn er veröffentlichte 1735 eine Schrift, damit der Leser sehen könne, »daß ich von unsers Königs Fußsteigen so weit nicht abgewichen bin, als wohl viele glauben.«198 Der Kirchenhistoriker Johann Georg Walch legte in seiner Einleitung in die Religionsstreitigkeiten eine kritische Beurteilung der Schriften von Schütz vor, insbesondere verurteilte er die von Schütz vertretenen Lehren als häretisch. »Ein anderer [Schwärmer], Namens Christoph Schütz, hat in seinen herausgegebenen Schriften den Fanatiscismum ebenfalls deutlich sehen lassen. [...] Er vertheidiget das

–––––––––– 192 1736. Edelmann: Selbstbiographie, 225. 193 Zinzendorf: Undatierter Bericht. 194 Zinzendorf: Undatierter Bericht. In Pennsylvania wurden die Schriften von Schütz noch zwei Generationen später geschätzt. »Christoph Shuetz, ein gewaltiger Zeuge, besonders dazu ausgerüstet, der verfallenen Christenheit, die Wahrheit treflich vorzuhalten und sie eines bessern zu belehren. Er war ein Ungelehrter Mann durch die Weisheit aber die von oben ist, ward er so geübt, daß auch die Kunst und Weisheit dieser Welt nichts wider ihn vermochte; indem sein Pfeil sehr Scharf, und sein Bogen hart gespannt, stets nach dem Ziel gerichtet auch selten fehlte.« In: Das Heutige Signal, 21. 195 »Sie nennen solchen [öffentlichen Gottesdienst] einen Götzendienst, und rathen mir in Dero Schreiben vom 21. April vor andern [...] des noch lebenden Christoph Schützens Bücher zu lesen.« Loën: Bedenken vom Separatismo, 164. Zu Johann Michael Loën: Daniel: Johann Michael Loëns Aueinandersetzung mit Nikolaus Ludwig von Zinzendorf und der Brüdergemeine. 196 Zinzendorf: Undatierter Bericht. 197 Edelmann: Selbstbiographie, 312 198 Schütz: Ewige Weißheit und Wahrer Weeg, 101.

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tausendjährige Reich und die Wiederbringung aller Dinge: ist auf den obrigkeitlichen Stand und das Predigt=Amt nicht wohl zusprechen: verwirft die Kinder=Taufe: legt Christo einen zweyfachen Leib bey, und hält davor, daß Heyden, Juden und Türcken ohne der Lehre von Christo durch ihre Tugenden selig würden.«199

Die gleiche Kritik übten die anonym gebliebenen Autoren der Rezensionen seiner Schriften in dem Organ der lutherischen Orthodoxie, der Fortgesetzten Sammlung.200 Die Stellung von Christoph Schütz in der Gruppe der Alchimisten Christoph Schütz verstand die Alchimie als eine praktische Methode der Theosophie.201 Derjenige, der Weisheit erlangen wolle, müsse Gott um sie bitten und ernsthaft nach ihr suchen. Zur Vorbereitung gehöre einerseits ein Gebet, das von einem »recht hertzlichen Liebes=Verlangen« begleitet werde, andererseits ein fester Glaube und gottesfürchtiger Lebenswandel bis hin zur Selbstverleugnung. Darüber hinaus könnten »äusserliche Hülfs=Mittel zur Erlangung der Weisheit [...] in der Furcht des HErrn geziemender Massen gebraucht werden: (1.) Der Umgang und Gespräche mit weisen, frommen, geschickten und gelehrten Leuten. (2.) Das Lesen heiliger, frommer und weiser Leute Bücher und Schriften, welche sie andern zur Lehre und Nachsinnung geschrieben. (3.) Eine einsame, stille und von fremden Sorgen lose Lebens=Art, und in derselben eine genaue Betrachtung und Erforschung der Natur und natürlichen Dingen [...]«202

Dieses Zitat macht deutlich, daß die Erforschung der Natur durch die Alchimie für Schütz kein Selbstzweck oder eine eigenständige Wissenschaft war, sondern eine Form der Gottsuche.203 Er wendet sich gegen die wirt–––––––––– 199 Walch: Historische und Theologische Einleitung, 5,2, 1062. 200 Vgl. dazu Kap. 4.2.5. Geistlicher Würtz= Kräuter= und Blumen=Garten. 201 A. Köberle stellt in seinem Artikel über die Theosophie fest, daß das spekulative Verlangen der Theosophie sie in die Nähe von Alchimie, Astrologie, Parapsychologie und dem Okultismus führt. Nach Christian Thiel können vier verschiedene Bedeutungen des Begriffes Alchimie unterschieden werden: Alchimie 1. als eine Naturphilosophie, 2. als Technologie der Verwandlung von Stoffen, 3. als eine symbolorientierte Lehre von unbewußten psychischen Entwicklungsvorgängen mit dem Ziel ihrer richtigen Deutung und erfolgreichen Steuerung und 4. als eine religiös bestimmte Kunstlehre zur Vergeistigung des Menschen durch konkrete mystische Übungen. Köberle: Theosophie, 845; Thiel: Alchemie, 67. 202 Schütz, Christoph: Die ewige Weisheit, in: Welling, Georg von: Opus MagoCabbalisticum, ²1760, 503–514. Bei dieser Auflage handelt es sich um einen seitengleichen Nachdruck der Ausgabe von 1735. 203 »Die tägliche Erfahrung gibt es/ wie fast alles anitzo/ was nur ein wenig Licht von der Natur empfänget/ sogleich mit allen Kräfften dahin laboriret/ den sogenannten Lapidem Philosophorum oder Stein der Weisen zu erlangen/ hergegen die himmlische Tinctur aus Christus zur Reinigung und Wiedergeburt der Seelen wird hindan gesetzt.« Obwohl dieser Ausspruch nicht von Schütz stammt, stimmt er ihm ausdrücklich zu. Schütz: Geistliche Correspondentz, ²1731, 2,

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schaftlich motivierte Goldmacherei, die scheitern muß, da es Gottes »geheiligten Lieblingen« vorbehalten sei, den »Philosophischen Stein« zu erlangen.204 Auch die Erkenntnisse, die man durch das Experimentieren gewinnt, sollen im Sinne einer tätigen Nächstenliebe anderen Menschen zugute kommen.205 Dieses Interesse an den religiösen Aspekten der Alchimie ist nicht nur bei Schütz nachweisbar, sondern war insgesamt im deutschen Pietismus verbreitet.206 Dabei wurden die alchimistischen Umwandlungsprozesse als religiöse Symbole gedeutet; so stand die Transmutation für die Erlösungswerke Christi oder das Opus magnum für die Auferstehung. Im radikalen Pietismus ging man über diese symbolische Deutung hinaus und vertrat einen den Schriften Böhmes nahestehenden hermetischen Pantheismus, der als ein dynamisch gefaßtes System zu verstehen ist. Da »alles Sichtbare, Kreatürliche, Geschöpfliche [...] aus dem unsichtbaren Göttlichen ausgeflossen« ist und »dieses Göttliche in gradueller Stufung noch in sich« trägt, soll es mit Hilfe von Sublimierungsverfahren aus der Alchimie und auch der Magie »wieder stufenweise in den göttlich-geistigen Ursprung zurückverwandelt« werden.207 In der Auseinandersetzung, die im radikalen Pietismus um die Rolle des aktiven Laborierens im Kontext der individuellen Frömmigkeit geführt wurde, nahm Schütz eine vermittelnde Position ein:208 »wir wünschen von Hertzen/ daß alle Menschen/ anstatt des Goldes GOtt suchen und finden mögten. Weil uns aber doch bewußt/ daß ein jeder Mensch gerne nach etwas trachtet/ und forschet/ so halten wir es auch vor erlaubt/ in gebührender Bescheidenheit nach solcher edler Kunst zu trachten.«209

–––––––––– 404–407. Hier 404. Vgl. dazu auch die Konzeption der Claviculae Salomonis. Schrader: Salomonis Schlüssel, 244–248. 204 Schütz, Christoph: Der zweyte Brief [im Anhang]. Darinnen der Autor einen vornehmen Prediger vor dem Betrug zweyer Laboranten oder Gern=Goldmacher treulich warnet/ und ihn den rechten Weg zum Stein der Weissen gründlich anweisset, in: Ders.: Geistliche Correspondentz, ²1731, 2, 392–404. 205 »Ja sehet, so weit haben es die Alten durch ihr Gebät und Fleiß in der Erkänntnüß natürliche Dinge gebracht, und weil sie die Kranckheiten und Armuth, als die zwey ärgste Ubel, so dem menschlichen Geschlecht anhängen, auch gerne von dem selben abzuwenden suchten, so forscheten sie in der Natur, ob dann nicht auch etwas zu finden seye, welches capable ware, solches Ubel zu vertreiben und fanden auch eine gewisse Sache, welche sie ihren Stein, oder den Stein der Weisen nannten, mit welchem sie nicht nur alle Kranckheiten vertrieben, und alle geringe Metalle in Gold oder Silber verwandelten, sondern auch sonst unglaubliche Wunder würcketen [...] zum Preise GOttes und seiner Weisheit.« Schütz: Ewige Weißheit, 511–512. 206 Clericuzio: Neuzeitliche Alchemie, 29–36; Habrich: Alchemie und Chemie, 45–77; Schrader: Salomonis Schlüssel, 248–250. 207 Kemper: »Göttergleich«, 180. 208 Habrich: Alchemie und Chemie, 73. 209 S[chütz], C[hristoph]: Vorrede des Ausgebers, In: Welling: Opus Mago-Cabbalisticum, ²1760, )( 2 r–[)( 2] v.

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Aus dem Brief, in dem Schütz einen Prediger vor dem Betrug zweier Laboranten oder »Gern=Goldmacher« warnt, wird deutlich, daß er sich nicht nur theoretisch mit der Alchimie auseinandersetzte, sondern auch den Kontakt zu praktizierenden Alchimisten pflegte.210 Darüber hinaus besaß er auch Kenntnisse in der alchimistischen Praxis. So urteilte Diederich Wessel Linden über ihn: »[...] von ihm wird gesaget, er sey ein wahrer Kunst=Besitzer; ob es aber wahr sey, weiß ich nicht, so viel kann ich sagen, daß er ein solider und gründlicher Chemicus ist«.211 Die Frage, ob er ein Adept212 gewesen sei, wurde von den Zeitgenossen unterschiedlich beantwortet. So hielten ihn der »Bruder Schneider« und der leibliche Bruder von Johann Christian Edelmann für einen Alchimisten.213 Auch Hermann Fictuld berichtet, daß Schütz als Adept angesehen wurde, schließt sich dieser Einschätzung aber nicht an. Seiner Meinung nach hat Schütz, wie aus seinen Veröffentlichungen »deßgleichen in seinen besonderen CorrespondenzBriefen mit uns« zu ersehen sei, »tieffe Einsichten in dieser hohen Wissenschaft [Alchimie] besessen.«214 Er schränkt ein: »Wir haben aber nicht gesagt, daß er ein Adeptus seye, und man sich bey ihme um die wahre Hermetische Philosophie oder deren Arcanen anzumelden habe, wie man mit Verwunderung zu vernehmen hatte, daß sich solche gefunden, die ihn mit Schreiben überfallen haben, sondern unsere Meynung ware, ihme theils wegen seinen tieffen Einsichten in dieser Scienz, theils wegen seinen ausnehmenden Gaaben, die Liebe GOttes und des Nächsten zu erwecken, diese Stelle zu vergönnen.«215

–––––––––– 210 Über A. von U., den er schon seit vielen Jahren kennt, schreibt er: »Seine großen Künste und Wissenschaften in der Chymischen Kunst« sind »lauter Lügen und Betrug«. Auch über K. von B. habe er die sichere Information, daß dieser zuerst Terpentin-Brenner gewesen war und nach Betrug in der Goldmacherkunst schon vor vielen Jahren im Gefängnis gesessen habe. Im gleichen Brief schreibt Schütz über sich selbst: »Also sage ich auch in der Warheit von mir/ daß ich kein Philosophus und kein Adeptus bin/ sondern ein armer Laye/ welcher benebst einem geringen Handwerck das Feld und die Weinberge zu bauen gelernet hat/ welche Arbeit ich auch noch täglich practicire/ und dabey im Schweiß meines Angesichtes mein tägliches Brodt esse.« Allerdings wirkt diese Aussage vor dem Hintergund seiner Kontakte zu alchimistischen Kreisen als Bescheidenheitstopos und Selbststilisierung. Schütz: Geistliche Correspondentz, ²1731, 2, 392– 404. (Zweiter Brief im Anhang). 211 Linden: Gründliche Chemische Anmerkungen, 59. 212 Der Adept war die höchste Rangstufe innerhalb der Gruppe der Alchimisten, der wußte, wie der Stein der Weisen oder Lapis Philosophorum hergestellt und angewandt wird. Principe: Adept, 15. 213 »Wir waren über den ehrlichen Christoph Schütz, den er mir vor einen großen Adepten anprieß, in Briefen etwas aneinandergerathen, und ich will nicht leugnen, daß ich gegen diese Art von Menschen, die ich damals durchgehend vor Betrüger hielt, etwas heftiger loszog, als ich wohl hätte thun sollen [...]«. Edelmann: Selbstbiographie, 428. 214 Fictuld: Chymnisch-philosophische Probier=Stein, ²1753, 139–141. 215 Ebd., 139–140.

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Johann Daniel Müller, der sich auch Elias Artista nannte, polemisiert gegen Schütz, der »Hocherleuchtete« habe »bis in seinen Tod mit Sophistereyen im Kohlfeuer gearbeitet, und nichts gefunden.«216 Wichtiger als seine praktischen Experimente ist für die Geschichte der Alchimie die editorische Arbeit von Christoph Schütz geworden. Mit dem Opus mago-cabbalisticum et theosophicum von Georg von Welling hat Schütz nach der Einschätzung von Karl Frick »das wohl wichtigste Lehrbuch der Gold- und Rosenkreuzer« herausgegeben.217 Samuel Richter hatte bereits 1719 den ersten Teil dieses Werkes ohne Einverständnis und Wissen Georg von Wellings als Raubdruck veröffentlicht. Die vollständige Ausgabe erschien 1735 postum unter dem Namen des Autors bei Johann Philipp Hellwig in Homburg. Der »Ausgeber« zeichnet sein Vorwort mit den Initialen C. S., die man bereits im 18. Jahrhundert zu »Christoph Schütz« auflöste.218 Diese Zuschreibung wird durch den im Text enthaltenen Hinweis auf die Schriften Güldene Rose, Geistliche Correspondentz und Göttlicher Liebes=Triumph sowie der Beigabe des ebenfalls von Schütz stammenden Traktats Die ewige Weisheit und des Liedes Ein Lob=Gesang von der Göttlichen Weisheit bestätigt.219 Am Schluß des Opus findet sich ein Anhang von verschiedenen raren Chymischen Manuscriptis, die Schütz von einem Freund erhalten hatte, aus dem Lateinischen übersetzen ließ und dem Werk anfügte.220 Durch diese Beigaben wurde die alchimistische Färbung des Werkes verstärkt. Da sich die Texte weder auf einzelne Aspekte der Alchimie Wellings beziehen, noch sich inhaltlich von der zeitgenössischen alchimistischen Literatur abheben, unterstellt Joachim Telle eine gewisse Beliebigkeit bei der Zu–––––––––– 216 [Johann Daniel Müller] Elias Artista Mit Dem Stein der Weisen. o. O. 1770, 123. Zitiert nach Telle: Zum Opus mago-cabbalisticum, 371. Zu Johann Daniel Müller genannt Elias Artista vgl. die Aufsätze von Reinhard Breymayer. Breymayer: Elias Artista, 1991; Breymayer: ›Elias Artista‹, 1995; Breymayer: Radikaler Pietist, 180–237; Breymayer: Unbekannter Gegner. 217 Frick: Erleuchteten, 426. Vgl. zum folgenden Abschnitt: Jungmayr: Georg von Welling, 30–40; Telle: Zum Opus mago-cabbalisticum, 359–379. 218 Vgl. Jungmayr: Georg von Welling, 35, Fußnote 32; Telle: Zum Opus magocabbalisticum, 368. Im neunzehnten Jahrhundert ging diese Information verloren und fand erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wieder Eingang in die Forschungsliteratur. Breymayer: Neue Impulse, 302. Karl Frick kann zwar die Initialen auflösen, schreibt aber: »Wer dieser Schütz(e) [...] gewesen ist, ist nicht mehr feststellbar.« Frick: Erleuchteten, 428. 219 Auf dem Zwischenblatt zwischen dem ersten und zweiten Teil empfiehlt Schütz: »Allein wer damit nicht vergnügt, und gerne von solchen und anderen Dingen mehr, die in die letzte Zeit gehören, noch weitere und gründlichere Nachricht begehret zu haben, der beliebe Christoph Schützens Güldene Rose; Geistliche Correspondentz; und Göttlichen Liebes=Triumph etc. zu lesen.« Welling: Opus Mago-Cabbalisticum, ²1760, [164]; Schütz: Ewige Weisheit, 503–516. Ein Lob=Gesang von der Göttlichen Weisheit erschien zum ersten Mal 1725 in der Liedersammlung Geistliches Harpfen=Spiel. 220 Schütz: Vorrede des Ausgebers, [)( 2] v.

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sammenstellung des Anhangs.221 Dennoch haben insbesondere diese Beigaben zum Erfolg des Opus im 18. Jahrhunderts beigetragen, das nicht nur in pietistischen und theosophisch-alchimistischen Kreisen gelesen, sondern auch von Gold- und Rosenkreuzern, den Asiatischen Brüdern und russischen Freimaurern rezipiert wurde.222 Aufgrund der Anweisungen zur praktischen Herstellung einer Goldlösung, Weinspiritus und einer Korallentinktur erhielt Wellings Werk den Charakter eines Arbeits- und Lehrbuches.223 Der Arzt Johann Friedrich Metz empfahl seinen Patienten neben der ärztlichen Behandlung, »wo er nur einige Empfänglichkeit fand, gewisse mystische chemisch-alchimistische Bücher« zur Lektüre.224 So wurde auch Johann Wolfgang von Goethe, nachdem er 1768 krank in sein Elternhaus nach Frankfurt zurückgekehrt war, auf das Opus aufmerksam.225 Über die gemeinsame Lektüre mit Susanna Katharina von Klettenberg226 berichtet er in »Dichtung und Wahrheit«: »Sie hatte schon ins Geheim Wellings Opus mago-cabbalisticum studiert, wobei sie jedoch, weil der Autor das Licht was er mitteilt sogleich wieder selbst verfinstert und aufhebt, sich nach einem Freunde umsah, der ihr in diesem Wechsel von Licht und Finsternis Gesellschaft leistete. Es bedurfte nur einer geringen Anregung, um auch mir diese Krankheit zu inokulieren.«227

Im Rückblick schreibt er über seine Beschäftigung mit dem Werk: »Meine vorzüglichste Bemühung an diesem Buche war, die dunklen Hinweisungen, wo der Verfasser von einer Stelle auf die andere deutet und dadurch das, was er verbirgt, zu enthüllen verspricht, aufs genauste zu be-merken und am Rande die Seitenzahlen solcher sich einander erklären sollenden Stellen zu bezeichnen. Aber auch so blieb das Buch noch dunkel und unverständlich genug; außer daß man sich zuletzt in eine gewisse Terminologie hineinstudierte, und, indem man mit derselben

–––––––––– 221 Telle: Zum Opus mago-cabbalisticum, 375–376. 222 Jungmayr: Georg von Welling, 88–109. 223 Ebd., 90. 224 Goethe: Dichtung und Wahrheit, 2,8, Münchner Ausgabe, 365; Goethe: Träume und Legenden, 127; 207–209. 225 Goethe hat ein Exemplar des 1760 bei Fleischer erschienenen Nachdrucks besessen. Vgl. Breymayer: Elias Artista, 1991, 57. Auf die Forschungsliteratur zu Goethes Rezeption des Opus kann im Rahmen dieser Arbeit nicht eingegangen werden. Stellvertretend sei der Tagungsband Goethe und der Pietismus genannt. Kemper/Schneider (Hg.): Goethe und der Pietismus. Weitere Literaturhinweise finden sich in den Arbeiten von Petra Jungmayr, Joachim Telle und Rolf Christian Zimmermann. Jungmayr: Georg von Welling, 92–94; Schrader: Propheten zur Rechten, 365; Telle: Zum Opus mago-cabbalisticum, 361–363; Zimmermann: Das Weltbild des jungen Goethe. 226 Zu Susanna Katharina von Klettenberg vgl.: Dohm: Radikalpietistin und ›schöne Seele‹. 227 Goethe: Dichtung und Wahrheit, 2,8, Münchner Ausgabe, 366; Ders.: Träume und Legenden, 128; 208.

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nach eigenem Belieben gebarte, etwas, wo nichts zu verstehen, doch wenigsten zu sagen glaubte.«228

Obwohl die Alchimie im 19. Jahrhundert ihre Breitenwirkung verlor, ist das Opus weiterhin in theosophischen und esoterischen Kreisen rezipiert worden.229 Noch 1969 bezeichnete es Alexander von Bernus als ein praktisches Lehrbuch der hermetischen Kunst.230 2.2 Die Religionspolitik der Landgrafen von Hessen-Homburg Die Landgrafschaft Hessen-Homburg, deren Territorium die Stadt und das Amt Homburg umfaßte, entstand 1622 durch Abtrennung der Landgrafschaft Hessen-Darmstadt.231 Mit der Einführung der Reformation in Hessen war auch Homburg 1527 lutherisch geworden.232 Nach der Trennung der Landgrafschaften behielt sich Hessen-Darmstadt einige Reservatrechte vor, darunter die Aufsicht über die Kirchen und Schulen. Obwohl damit die lutherischen Pfarreien rechtlich der Hessen-Darmstädtischen Landeskirche unterstellt waren, bildete sich de facto eine eigene lutherische Landeskirche heraus. Als Prinz Friedrich II. von Hessen-Homburg 1670 in zweiter Ehe die reformierte Prinzessin Luise Elisabeth von Kurland heiratete, trat er zum reformierten Glauben über.233 Dadurch entstand zuerst am Hauptsitz des Fürstenpaares in Weferlingen eine reformierte Hofgemeinde. Mit dem Regierungsantritt Friedrichs II. 1681 zog ein Teil dieser Gemeinde mit nach Homburg um. Durch den Zuzug reformierter Familien wuchs die Gemeinde

–––––––––– 228 Ders.: Dichtung und Wahrheit, 2,8, Münchner Ausgabe, 366; Ders.: Träume und Legenden, 128. 229 Jungmayr führt als Beispiele Carl Friedrich Zimpel (1801–1879), Friedrich Herbort (1764–1833) und Johann Friedrich von Meyer (1772–1849) auf. Jungmayr: Georg von Welling, 94–95. 230 Bernus: Alchymie und Heilkunst, 41995, 55. 231 Zum Amt Homburg gehörten die Amtsdörfer Gonzenheim, Seulberg, Köppern und Oberstedten. Lotz: Geschichte Bad Homburg, 18. 232 Wetzel: Reformierte Pfarrer, 296. 233 Seine Konversion war nicht nur durch seine Heirat mit der reformierten Prinzessin Luise Elisabeth von Kurland motiviert. In seiner Jugend hatte er die reformierte Lehre während eines längeren Aufenthalts in Genf kennengelernt und sich später mit einem Konfessionswechsel beschäftigt. Darüber hinaus haben die Absicht, in Brandenburgische Dienste zu treten, und Überlegungen, sich von der lutherischen Landgrafschaft Hessen-Darmstadt stärker abzugrenzen und sich stattdessen an Hessen-Kassel anzunähern, die Entscheidung gefördert. Der Bekenntniswechsel erfolgte 1670 anläßlich einer schweren Krankheit. Wetzel: Reformierte Pfarrer, 298–299.

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bald über den Hof hinaus, und es bildete sich 1685 eine reformierte städtische Kirchengemeinde.234 Neben dieser deutsch-reformierten Gemeinde gründeten die nach Aufhebung des Edikts von Nantes aus Frankreich eingewanderten Hugenotten eine französisch-reformierte Gemeinde. Um die wirtschaftliche Lage des im Dreißigjährigen Krieg verelendeten Homburg zu verbessern, versuchte der Landgraf, Homburg zu »peuplieren«. Durch die Gewährung von Privilegien warb er wie andere reformierte Landesherren (z.B. der brandenburgische Große Kurfürst, die Grafen von Hessen-Kassel, Isenburg-Büdingen) um Réfugiés aus Frankreich.235 1685/86 siedelte Friedrich II. hugenottische Glaubensflüchtlinge in der Neustadt und im neugegründeten Friedrichsdorf an. Sie führten das Verlagssystem und die modernen Techniken der Textilfabrikation aus Frankreich ein.236 Dadurch wurde die Leinenweberei neu belebt und die Strumpfstrickerei sowie die Hutmacherei etabliert. Die ebenfalls aus Frankreich geflüchteten Waldenser, die vor allem in der Landwirtschaft arbeiteten, wurde 1699/1700 das wiedergegründete Dornholzhausen als Wohnort zugewiesen.237 Die Gemeinde in Dornholzhausen wurde seit 1715 durch die Homburger reformierte Kirche verwaltet und von französisch-reformierten Pfarrern betreut.238

–––––––––– 234 Die Geschichte der reformierten Gemeinden stellte Jean Christophe Roques in einem handschriftlichen Bericht mit dem Titel Kurze Geschichte die Einführung des Ev. Reformirten Gottesdientes in Stadt und Amt Homburg betr. zwischen 1759 und 1768 zusammen. Diese Quelle, die Barbara Dölemeyer in ihrem Aufsatz über die reformierte Landeskirche abgedruckt hat, wertete auch Klaus Wetzel aus. Dölemeyer: Reformierte Landeskirche, 12–14; Ders.: Hier finde ich meine Zuflucht; Wetzel: Reformierte Pfarrer. 235 Im August 1684 veröffentlichte Landgraf Friedrich II. die Werbeschrift »Freiheiten, welche der [...] Herr Friedrich, Landgraf zu Hessen [...] denen Frembden ertheilt, so sich in der neuen Vorstadt, Louysenstadt genannt [...] häußlich niederlassen wollen«. Die Resonanz auf diese Schrift war nicht so groß wie erhofft und so wurden 1685, nach der Aufhebung des Edikts von Nantes, die Privilegien ein zweites Mal bekannt gemacht. 1698 erschien bei Balthasar Christoph Wust in Frankfurt ein drittes Werbeblatt »Privilegien und Freyheiten/ Welche Der Durchleuchtigste Fürst und Herr/ Herr Friederich/ Land=Graf zu Hessen/ [...] Denen Fremdben/ so sich in der Vorstadt/ die Louisen-Stadt genandt [...] häußlich niederlassen wollen/ ertheilet.« Vgl. Achard: Gründung der Neustadt, 6–11; Lotz: Geschichte Bad Homburg, 97–100. 236 Baeumerth: 1200 Jahre Bad Homburg, 31–32. 237 Die Waldenser gehen auf eine im Mittelalter entstandene religiöse Erneuerungsbewegung zurück, schlossen sich aber 1532 dem schweizerischen reformierten Bekenntnis an. Vinay: Waldenser, 1530–1533. An der Stelle der Waldenserkolonie war bereits im 13. Jahrhundert ein Dorf Holzhusin gegründet worden, das aber zwischen 1487 und 1580 aufgegeben wurde. Baeumerth: 1200 Jahre Bad Homburg, 74. Zur Geschichte der Waldensergemeinde in Dornholzhausen vgl. Dölemeyer: Reformierte Landeskirche, 16–17; 1699–1999, 300 Jahre Dornholzhausen. 238 Die Union der Waldensergemeinde mit der deutschen und französischen reformierten Kirche bestand von 1715 bis 1765. Dölemeyer: Reformierte Landeskirche, 26.

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Landgraf Friedrich II. förderte nicht nur die Ansiedlung der Hugenotten und Waldenser, sondern auch die der Juden.239 Mit ihrer Hilfe wollte der Landgraf seine aufwendigen Projekte wie die Anlage der Neustadt, die Einrichtung des Bergbaus, seine alchimistischen Experimente und den Schloßbau finanzieren. 1737 gehörten der jüdischen Gemeinde, die bereits seit 1335 in Homburg existierte, 39 Personen an. Das Leben zwischen Juden und Christen regelte eine Judenordnung, die der Landgraf 1684 erließ und die durch seinen Nachfolger bestätigt wurde.240 Die Einhaltung dieser Ordnung sowie den rechtmäßigen Ablauf der jüdischen Zeremonien und die regelmäßige Abgabe der Schutzgelder überwachte ein vom Landgrafen bestimmter Vertreter der Juden. 1710 übernahm der damalige Hoffaktor Zacharias Seligmann diese Aufgabe und wurde dafür von allen Abgaben befreit. Ihm folgten Isaac (Itzig) Bauer und Moyses Ephraim.241 Inwieweit Landgraf Friedrich II. auch separatistischen Ansichten gegenüber tolerant war, ist nicht eindeutig festzustellen. Zwar wurde der radikalpietistische Johann Henrich Reitz als zweiter reformierter Pfarrer berufen, trat diese Stelle aber nicht an.242 1697 hatte er als Hofprediger von Braunfels den inhaftierten Separatisten Balthasar Christoph Klopfer verteidigt, der die Mißbräuche der Kirche radikal kritisierte und seine Zuhörer zur Separation aufgefordert hatte. Dadurch war Reitz als Pfarrer in Braunfels nicht mehr tragbar, wurde in Hausarrest gesetzt und schließlich ausgewiesen. Er lebte vermutlich einige Monate in Homburg und predigte gelegentlich. Dann ging er nach Frankfurt und zog schließlich um 1700 nach Offenbach. Auch Wilhelm Abresch, der die Pfarrstelle, die Reitz angeboten worden war, übernahm, war der Kirche und dem Gottesdienst gegenüber kritisch eingestellt.243 In einem Brief vom 27. November 1697 schreibt der Hofprediger Pierre Richier, nachdem er die kirchenkritischen Ansichten von Reitz beschrieben hatte:

–––––––––– 239 Arnsberg: Jüdische Gemeinden, 1971, 1, 392; Baeumerth: 1200 Jahre Bad Homburg, 60. 240 Die 1737 bestätigte Judenordnung erschien im selben Jahr in der Hochfürstlichen Hofund Kanzlei-Buchdruckerei unter der Leitung von Johann Philipp Helwig im Druck. Sie umfaßt 37 Paragraphen. Ein vollständiger Abdruck findet sich in: Der Weiße Turm, Nr. 13 vom 15.9.1938. 241 Arnsberg: Jüdische Gemeinden, 1971, 1, 392. 242 Schneider: Pietismus im 17. Jahrhundert, 406–407; Wetzel: Reformierte Pfarrer, 306–309. Berühmt ist Johann Henrich Reitz als Autor der Historie Der Wiedergeborenen geworden, einer Sammlung vorbildhafter pietistischer Lebensläufe. Sie waren ein weit verbreiteter und beliebter Lesestoff in pietistischen und radikalpietischen Kreisen. Schrader konnte sechs Auflagen ermitteln und schätzt, daß zwischen 1698 und 1745 10.000 Exemplare verkauft und von mindestens 50.000 Lesern rezipiert wurden. Schrader: Nachwort zum Neudruck; Ders.: Literaturproduktion und Büchermarkt, 253–259. 243 Wetzel: Reformierte Pfarrer, 309.

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»Mein College herr Abrege zweyter prediger ist mit dießen vnd andern opiniones gantz eingenommen, vnd alß solches ohnlängst Serenißimo referirt worden, gaben Sie zur antwortt: Nunwolan, so werde ich seiner auch mit gutter manier loß.«244

Während diese Briefstelle darauf hindeutet, daß der Landgraf Abresch aus dem Amt entlassen wollte, zweifelt Wetzel den Wert dieser Aussage an. Aus dem Umstand, daß das Landgrafenpaar die Patenschaft für Abreschs Tochter übernahm, schließt er auf ein gutes Einvernehmen.245 Allerdings amtierte Abresch nur bis 1698 und ging dann nach Berleburg, wo er sich später der Inspirationsgemeinde anschloß.246 Die Religionspolitik des Landgrafen Friedrich II. ist durch sein Selbstverständnis als Schutzherr und Mittler zwischen den Konfessionen geprägt.247 Als »überkonfessioneller« Herrscher konnte er den Einfluß HessenDarmstadts, das als Beschützer der lutherischen Konfession auftrat, zurückdrängen. Landgraf Friedrich III. Jacob setzte diese Politik nicht nur fort, sondern weitete die Toleranz auf radikalpietistische Sekten und Separatisten aus. Johann Christian Edelmann beschreibt Homburg um 1736 in seiner Autobiographie: »Welcher angenehme Ort nur drey Stunden von Frankfurth lag, und vielen Separatisten unter der leutseligen Regirung des dasigen durchlauchtigsten Hrn Landgrafen, zu einer sichern, und erwünschten Freystadt diente.«248 Die Landgrafschaft nahm in den 30er Jahren des 18. Jahrhunderts auch Glaubensflüchtlinge aus dem Herzogtum Pfalz-Zweibrücken auf. Mit seinem Reskript von 1730 richtete sich Herzog Gustav Samuel Leopold nicht nur gegen die Separatisten, sondern auch gegen kirchentreue Pietisten.249 Dadurch verlor der lutherische Pietist Anton Pfaffmann seine Pfarrstelle in Zweibrücken und emigrierte nach Homburg. Trotz der Verfolgungen, die auch unter den nachfolgenden Regenten fortgesetzt wurden, blieben die Anhänger der Inspirationsgemeinden und hielten ihre Versammlungen ab.250 –––––––––– 244 Mohr: Ein zu Unrecht, 92; Schrader: Nachwort zum Neudruck, *155–*163. 245 Wetzel: Reformierte Pfarrer, 309. Zwischen dem Taufeintrag im Kirchenbuch (11. November 1697) und dem zitierten Brief (vom 27. November 1697) liegen über 14 Tage. Daher ist es möglich, daß der Landgraf, der nur einer von mehreren Paten ist, seine Meinung über den Pfarrer geändert hatte. 246 Nach seinem Wegzug von Homburg wurde er 1702 Rektor in Berleburg, 1721 Pfarrer in Birkelbach und 1732 zweiter Pfarrer in Berleburg. Nach Dölemeyer war er ein Prophet der Berleburger Inspirationsgemeinde. Dölemeyer: Reformierte Landeskirche, 33; Renkhoff: Nassauische Biographie, 2, Nr. 8; Schmithals: Pfarrer Wilhelm Abresch, 98–132. 247 Rüdiger Mack sieht darin die Übernahme des kurbrandenburgischen Territorialsystems. Mack: Forschungsbericht, 213. 248 Edelmann: Selbstbiographie, 224. 249 Ackva: Pietismus in Hessen, 212–213. 250 Während der Verfolgungen hielten die Inspirierten ihre Versammlungen »wenn es nicht anders sein konnte, selbst in Thälern, Feldern und Wäldern« ab. Scheuner: Inspirations=Histoire, 200.

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Der Leiter der Gemeinde Johann Philipp Kämpf wurde 1736 ausgewiesen und emigrierte mit zwei anderen Familien nach Homburg.251 Er erhielt die Stelle als Leibarzt des Landgrafen.252 Die restlichen Inspirierten folgten 1738 unter der Führung von H. N. J. Schlaf.253 Um die Mitte des Jahrhunderts trafen sich 60 Personen zu den Zusammenkünften der Inspirationsgemeinde.254 Obwohl der lutherische Oberpfarrer Ludwig Johann Wilhelm Herwig sie als Verächter des Gottesdienstes schmähte und die Landeskirche Hessen-Darmstadt ihre Vertreibung forderte, wurden sie von der landgräflichen Regierung in Homburg geduldet. Erst Ende des 18. Jahrhunderts hörte die Homburger Gemeinde der Inspirierten auf zu existieren. Landgraf Friedrich III. Jakob tolerierte nicht nur die Inspirierten, sondern stellte auch Separatisten am Hof an. Neben dem bereits erwähnten Arzt Kämpf war der Geheimrat Karl Casimir von Creutz, in dessen Haus zeitweise die Versammlungen der Inspirierten stattfanden, bei der landgräflichen Regierung tätig. Christoph Schütz war als Kammerschreiber angestellt und der Frankfurter Arzt Johann Christian Senckenberg hatte 1739 das Amt des Leibarztes inne.255 Um Christoph Schütz und Maria Catharina Schütz bildete sich ein Kreis, der sich mit mystisch-esoterischen Geheimwissen–––––––––– 251 »So wurde Br. Kämpfs Zug von Zweibrücken nach Homburg vor der Höhe der Anfang und gleichsam der Wegweiser und Bahnbrecher, um den übrigen Mitverbundenen im Zweibrückischen einen Ort zu bereiten, wo sie, als sie zwei Jahre später auch um ihrer gemeinschaftlichen Versammlung willen auswandern mußten, Schutz und Aufnahme fanden.« Goebel berichtet über die Verfolgung der Inspirierten und behauptet, daß sie bereits 1734 unter der Leitung von Kämpf nach Homburg emigriert seien. Allerdings wird in den Extracta vor 1736 keine Homburger Gemeinde oder eine Reise Rocks vor 1737 dorthin erwähnt. Walter Koch bestätigt, daß Kämpf im März 1734 von der Sequestrations-Kommission entlassen wurde, aber noch bis 1736 in Zweibrücken blieb. Goebel: Geschichte der wahren Inspirations=Gemeinden, 1854, 276–277; Koch: Pietismus im Herzogtum, 131; Scheuner: Inspirations=Historie, 200; 202; Schneider: Propheten der Goethezeit, 202–203. Die falsche Datierung des Umzugs der Inspirierten nach Homburg ist von einigen Forschern übernommen worden. Z.B. Kelchner: Beitrag, 419; Koch: Geschichte des Kirchenlieds, 6, 175; Mori: Buchdrucker Christoph Sauer, 226; Mori: Egenolff-Lutherische Schriftgießerei, 24; Schmid: Leben Johann Jakob Mosers, 202. 252 Johann Philipp Kämpf entwickelte eine neue erfolgreiche Heilmethode, die auf der These beruhte, daß die meisten Krankheiten durch Verstopfungen im Unterleib verursacht würden, die man durch Einläufe behandeln könne. Nach dieser Methode ließen sich auch die Landgrafenfamilie und der Erzbischof von Mainz behandeln. Erst sein Sohn Johannes machte diese Theorie vom Infarctus populär. Rüdiger: Johann Philipp Kaempf, 89. 253 Nach dem Tode Kämpfs 1753 wurde Schlaf zum ersten Ältesten und leitete die Gemeinde. Danach ist die Darstellung von Mack korrekturbedürftig, nach der der Arzt Schlaf auf Anregung eines Wanderpredigers aus dem Isenburgischen in Homburg bereits vor dem Umzug Kämpfs eine Gemeinde der Inspirierten gegründet hatte. Bereits Rüdiger glaubte, daß Kämpf die Leitung der Homburger Inspirierten von Schlaf übernommen habe. Mack: Forschungsbericht, 213; Rüdiger: Johann Philipp Kaempf, 86–87; Scheuner: Inspirations= Historie, 351. 254 Rüdiger: Johann Philipp Kaempf, 86–87. 255 Bary: Johann Christian Senckenberg, 138–139; Kriegk: Brüder Senckenberg, 232–233; Renkhoff: Nassauische Biographie, 730, Nr. 4002; Rüdiger: Johann Philipp Kaempf, 87–88.

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schaften beschäftigte. Dazu gehörte der schon erwähnte Geheimrat Johann Samuel von Ploennies.256 Auch der pietistische zweite Hofprediger und Pfarrer der deutsch-reformierten Gemeinde Jacob Hartmann Rexrath war Separatisten gegenüber tolerant eingestellt, wie der Bericht Edelmanns belegt:257 »Wir nahmen (nehmlich der Br. Groß, Düsterweg, Senckenberg und ich) zu meiner nicht geringen Verwunderung unser Ablager, bey dem Reformierten Hof=Prediger Hern Regrad258, und ich muß sagen, daß sich dieser wackere Greis weit menschlicher und leutseliger gegen uns bezeigte als es seine feindselige Bibel haben wollte. Allein er nahm uns mit aller Freundlichkeit auf, bewirtete uns sehr wohl und ließ nicht ein verdrießlich Wort gegen die Separatisten fallen. Wie ich vernahm so nötigte er auch niemanden von seiner Gemeinde, zur Kirche und zum Abendmal zu gehen, sondern begegnete ihnen wohl.«259

Die Offenheit der französisch-reformierten Gemeinde belegt die Tatsache, daß Maria Catharina Schütz und Christoph Schütz offiziell auf deren Friedhof beerdigt wurden.260 Auch nach ihrem Tod unterstützte die Schützsche Stiftung die reformierte Gemeinde. So wurde 1755 der Kauf eines Pfarrhauses für die Waldensergemeinde in Dornholzhausen durch die Stiftung ermöglicht.261 –––––––––– 256 Dölemeyer: Bier und Wein, 64. Er war mit Wilhelmine Magdalene geb. Gräfin zu SolmsLaubach verheiratet. Vgl. Schrader: Literaturproduktion und Büchermarkt, 468. 257 (Johann) Jacob Hartmann Rexrath ~ 6.9.1685 in Heidelberg † 29.12.1750 in Homburg v. d. H. Nachdem er bereits im ersten Lebensjahr seinen Vater, den Stiftsschaffner Johann Georg Rexrath, verloren hatte, wurde er mit acht Jahren Vollwaise. Er immatrikulierte sich 1705 in Heidelberg und studierte reformierte Theologie. Bis 1712 war er Pfarrer in Alsheim und Ruchheim. Im Anschluß wechselte er nach Heßheim, wo er zunächst die Filiale EppsteinFlomersheim betreute und ab 1713 das erste Kirchenbuch führte. 1733 wurde er nach Homburg vor der Höhe berufen und trat am 21.2.1733 sein Amt als zweiter Hofprediger und deutscher Pfarrer an. Nachdem Pierre Richier 1739 gestorben war, wurde Rexrath zum Oberhofprediger ernannt. Dieses Amt hatte er bis zu seinem Tod inne. In seiner Predigt zum Amtsantritt in Homburg behandelte er mit der Wiedergeburt ein zentrales Thema des Pietismus. (Der tieffe Grund und die vortreffliche Frucht des Ohnerlöschlichen Adels wurde 1733 in Homburg in der »Hochfürstlichen Buchdruckerey bey Joh. Philipp Hellwig« gedruckt.) Die praktisch-diakonische Seite hob er in der Predigt zur Eröffnung des Waisenhauses in Homburg hervor. (Die Predigt Der glück-selige Waysen-Stand erschien 1742 in der ersten Folge der Nachricht von dem WaysenHause zu Homburg vor der Höhe). Wetzel charakterisiert Rexrath als einen Vertreter des reformierten Pietismus. Darüber hinaus stand er aber auch mit kirchenkritischen Separatisten wie Andreas Groß und Düster aus Frankfurt sowie Maria Catharina Schütz, die ihn zum Administrator ihrer Stiftung bestimmte, in Kontakt. Dölemeyer: Reformierte Landeskirche, 43; Edelmann: Selbstbiographie, 224–225; Wetzel: Reformierte Pfarrer, 312–316. 258 Falsche Schreibweise. Das Amt des zweiten reformierten Hofpredigers und deutschen Pfarrers hatte seit 1733 Jacob Hartmann Rexrath inne. Wetzel: Reformierte Pfarrer, 312. 259 Edelmann: Selbstbiographie, 224–225. Der Besuch kam vermutlich durch die Vermittlung von Andreas Groß zustande, der mit Rexrath befreundet war. Ebd., 312. 260 Walsh: Bemerkenswerte Frauen, 113–114. 261 Dölemeyer: Reformierte Landeskirche, 22.

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Die Motivation für Landgraf Friedrich III. Jakob, radikale Pietisten in seine Landgrafschaft aufzunehmen und am Hof anzustellen, ist nicht nur auf wirtschaftliche Interessen zurückzuführen. Für den Landgrafen und seine zweite Frau Christine Charlotte läßt sich anhand ihrer Bibliothek ein deutliches Interesse an separatistischen und radikalpietistischen Vorstellungen nachweisen.262 Im »Catalogus über die Fürstl. Bibliothek zu Homburg v. d. H.« sind eine Reihe von Titeln separatistischer und radikalpietistischer Autoren verzeichnet, so von Jakob Böhme, Gottfried Arnold, Johannes Tennhardt, Jean de Labadie, Pierre Yvon, Pierre Poiret, Conrad Bröske und die frühen Schriften des Christoph Schütz.263 Darüber hinaus überliefert Zinzendorf in seinem Reisebericht von 1730 zwei Belege, die die Sympathie belegen, die radikalen Pietisten am Homburger Hof entgegengebracht wurde. Als der Graf am 26. September nach Homburg reiste, um dem Landgrafen seine Aufwartung zu machen, dieser aber nicht da war, »ließ mich die Fürstin zwar hertzlich bitten, auff dessen Ankunft zu warten ich fands aber nicht für gut [...]«.264 In demselben Reisebericht schreibt er über Christoph Schütz, daß dieser am Landgrafenhof sehr angesehen sei. 2.3 Die Druckereien in Homburg v. d. Höhe in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts Die Geschichte des Druckwesens in Homburg beginnt mit Seligmann ben Hirz Reis, der 1710 eine hebräische Druckerei einrichtete und in den Jahren 1711 und 1712 mehrere religiöse Werke in Homburg druckte. Nach seinem Weggang 1713 ruhte der Buchdruck in Homburg. Die erste deutsche Drukkerei 265 eröffnete Jean du Vernois266 1724 im Gebäude des Waisenhauses, –––––––––– 262 Der Schwerpunkt der religiösen Literatur liegt allerdings auf erbaulichem und kirchlichpietistischem Schrifttum. So waren u.a. zahlreiche Werke von Jacob Philipp Spener, August Hermann Francke oder Berichte der Dänischen Mission vorhanden. Catalogus über die Fürstl. Bibliothek 1751. 263 Andere Titel können nicht als Nachweis für die landgräfliche Lektüre herangezogen werden, da es sich dabei auch um Belegexemplare der Druckerei handelt. So der Christliche Unterricht von der Neuen oder Wieder=geburt von Tobias Eisler (Specification der Bücher welche der Buchdrucker, H. Helwig aus hiesiger Buchdruckerey zur Hoch-Fürstl. Bibliothec roh und in duplo d. 24. Aug. 1739 geliefert. Stadtarchiv, Bad Homburg (C I 8 b), [1] r.), Bericht von Tennhards Leben und Schriften (Buchdruckerei-Rechnung, 1741, [398] v), die Extracta der wahren Inspirationsgemeinden und der Geistliche Würtz= Kräuter= und Blumen=Garten. 264 Zinzendorf: Undatierter Bericht. 265 Im Unterschied zu der Bezeichnung hebräische Druckerei, unter der hier ein Unternehmen verstanden wird, in dem hebräische und jiddische Texte in hebräischen Lettern gesetzt und teilweise auch gedruckt werden, wird der Begriff der deutschen Druckerei für einen Betrieb verwendet, der mit Antiqua- und Fraktur-Lettern Schriften vor allem in deutscher, aber auch in französischer oder lateinischer Sprache druckt.

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das Landgraf Friedrich III. Jakob 1715–1721 hatte errichten lassen.267 Bis zur Schließung der Offizin 1729 erschienen hier neben deutschsprachigen Drucken auch hebräische Schriften.268 Dabei nutzte der Verleger Simson Hanau ben Salomo die vorhandene Infrastruktur, d.h. er ließ in seinem Betrieb die hebräischen Druckformen herstellen, überließ aber den eigentlichen Druckvorgang der deutschen Druckerei. Diese Arbeitsteilung ist später auch von anderen Verlegern übernommen worden, wie die Angaben in den Druckvermerken verschiedener hebräischer Werke belegen. Auf Grund der engen Verbindungen zwischen dem hebräischen Verlagswesen und den Druckereien von Christen in Homburg soll im ersten Teil auf die hebräischen Druckereien und Verlage eingegangen,269 im zweiten Abschnitt die –––––––––– 266 Der 1738 geborene Kammerherr Adrian Marie Francois Verdy du Vernois hat nicht, wie Angelika Baeumerth angibt, ab 1724 die Druckerei geleitet, sondern war in der Zeit von 1775– 1786 am Hof als Prinzenerzieher tätig. Siehe Personenkatalog des Stadtarchivs Bad Homburg. Den Namen des Druckers gibt Aron Freimann französisch mit Jean und David L. Paisey deutsch mit Johann an, dagegen spricht Horst Böning von der großen Druckerei du Vernois, die allerdings nicht nachweisbar ist. Baeumerth: 1200 Jahre Bad Homburg, 39; Böning: Hof- und KanzleiBuchdruckerei; Freimann: Hebräische Druckereien, 15; Paisey: Deutsche Buchdrucker, 276. 267 Als die erhofften Spenden aus der Bevölkerung und die Erlöse einer Lotterie, mit denen die Einrichtung angeschafft werden sollte, ausblieben, vermietete der Landgraf das Haus. Erst am 28. März 1742 konnte das Waisenhaus offiziell eröffnet werden. Baeumerth: 1200 Jahre Bad Homburg, 39; 41; Walsh: Waysen, Hausarme und Nothleidende, 8; David L. Paisey nennt den Zeitraum 1725 (?) – 1729, schließt aber eine Tätigkeit nach 1729 nicht aus. Die Druckerei setzt er unter »Waisenhaus Homburg v. d. Höhe« an und nennt Johann Vernois als Drucker. Paisey: Deutsche Buchdrucker, 276. 268 Bei der Druckerei von du Vernois handelt es sich nicht um eine vom Landgrafen eingerichtete Hof-, Kanzlei- und Buchdruckerei, wie Angelika Baeumerth angibt. Aus den Akten zur landgräflichen Druckerei geht hervor, daß diese erst 1730 eingerichtet wurde. Auch die Aufstellung der benötigten Arbeitsinstrumente belegt, daß hier keine Offizin übernommen, sondern eine neue errichtet wurde. Akten der Landgräflichen Buchdruckerei, 2, 29 r–35 r, 39 r–40 r. Baeumerth: 1200 Jahre Bad Homburg, 39. 269 Die hebräischen Druckereien in Homburg und ihre Buchproduktion werden im Kontext des hebräischen Verlagswesens und der jüdischen Bibliographie, in der Geschichte der jüdischen Gemeinden in Hessen und in lokalhistorischen Darstellungen behandelt. Die wichtigste Arbeit mit einer vollständigen Auflistung der in Homburg gedruckten Bücher sowie der dort tätigen Drucker und Setzer verfaßte Aron Freimann 1918 in der Zeitschrift für hebräische Bibliographie. Auf diese grundlegende Darstellung verweist der kurze Eintrag zu Homburg innerhalb des Artikels Druckwesen in der Encyclopaedia Judaica. Bereits 1851 war in der Encyclopädie von Johann Samuel Ersch und Johann Gottfried Gruber ein ausführlicher Artikel über die Jüdische Typographie erschienen, in dem die Verfasser David Cassel und M. Steinschneider auch auf die Druckereien in Homburg eingehen. Sie nennen die Drucker Seligmann Reis, Salman Hanau und Ahron ben Hirsch Dessau. Paul Arnsberg erwähnt in seinem Buch über die jüdischen Gemeinden in Hessen im Abschnitt über die jüdische Gemeinde in Homburg die hebräischen Druckereien. Er nennt die Setzer und Drucker, gibt aber nur zwei Titel an. Eine Abbildung der Titelseite der Pentateuch-Erklärungen von Salomon Geiger ben Abraham bringt er in seinem Dokumenten- und Bildband. Im Rahmen stadtgeschichtlicher Arbeiten erschien zuerst 1938 ein Artikel über die Druckereien. Horst Böning geht nur sehr knapp in der Vorgeschichte der Hof= und Cantzley= Buchdruckerey auf die hebräische Druckerei ein. Er nennt die Besitzer der Druckerei, betont, daß der Schwerpunkt der Produktion auf praktisch-religiösem Schrifttum gelegen habe und schätzt die

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Geschichte der Hochfürstlichen Hof= und Cantzley= Buchdruckerey dargestellt werden, und schließlich sollen die drei dort zwischen 1734 und 1744 erschienenen Gesangbücher vorgestellt werden.270 2.3.1 Die hebräischen Druckereien und Verlage Durch die Zulassungsbeschränkung der Zünfte war es den Juden in Frankfurt verboten, eigene Druckereien zu eröffnen. Sie ließen ihre Veröffentlichungen entweder bei christlichen Druckern herstellen, wobei verhandelt werden mußte, wer die zusätzliche Investition für die hebräischen Lettern übernahm, oder sie beauftragten auswärtige jüdische Druckereien, z.B. in Hanau oder Offenbach. Nachdem Landgraf Friedrich III. Jakob die Druckerlaubnis erteilt hatte, bot sich Homburg besonders als Druckort für hebräische Schriften an, da aufgrund der geographischen Nähe für die große jüdische Gemeinde in Frankfurt produziert werden konnte. 1710 eröffnete der jüdische Verleger und Drucker Seligmann ben Hirz Reis die erste Druckerei in Homburg.271 Er hatte bereits als Verleger gearbeitet und 1687 mit seinem Bruder eine Ausgabe des jalkut zum Druck gebracht.272 1706 ließ er sefer hajaschar, ein Traktat aus dem Talmud, bei Johann Wust in Frankfurt drucken und verlegte Schriften von Moses Henoch und Josippon. In der neu gegründeten Druckerei in Homburg erschienen 1711 Jakob Weils schechitah ubedika, das jiddische ein schein neiie göttlich lied und die jüdisch-deutsche Übersetzung des Werks über den Jerusalemer Talmud ma’asseh schel Yeruschalmi von Abraham Maimuni.273 1712 kamen zwei umfangreiche theologische Bücher heraus: zum einen –––––––––– Zahl der hebräischen Schriften, die zwischen 1710 und 1748 erschienen sind, auf 45. Allerdings spiegelt seine Beurteilung der jüdischen Druckproduktion als »weniger erquickliches Kapitel« den Antisemitismus der Dreißiger Jahre des 20. Jahrhunderts wider. Dieser Beitrag diente dann als Quelle für Ausführungen in der Stadtgeschichte von Lotz. Sophoni Yitzhak Herz geht in seinen Erinnerungen ausführlich auf die Setzer und ausgewählte Titel ein. Auf ihn bezieht sich Barbara Dölemeyer, die in ihrem Vortrag über die Verbindungen der Städte Frankfurt und Bad Homburg die hebräischen Druckereien als Beleg für die tolerante Religionspolitik Landgraf Friedrichs III. Jakob von Hessen-Homburg angibt. Bereits 1910 veröffentlichte Roth einen Aufsatz über die Höchster Druckereien, in dem er die hebräischen Unternehmen in Homburg kurz erwähnt. Arnsberg: Jüdische Gemeinden, 1971, 1, 393–395; Arnsberg: Jüdische Gemeinden, 1973, 98. Böning: Hof- und Kanzlei-Buchdruckerei; Cassel/Steinschneider: Jüdische Typographie, 80–81; Dölemeyer: Homburg vor der Höhe, 48–49; Freimann: Hebräische Druckereien, 14–18; Herz: Meine Erinnerung, 24–31; Lotz: Geschichte Bad Homburg, 147; Roth: Buchdruckereien zu Höchst, 232; Sonne: Druckwesen, 71. 270 Das Hessen=Homburgische Neu=Vollständige Gesang=Buch (1734), das Davidische Psalter=Spiel (1740) und der Geistliche Würtz= Kräuter= und Blumen=Gartens (1738–1744). 271 Herz: Meine Erinnerung, 24. 272 Die Titel im folgenden Absatz sind dem Aufsatz von Aron Freimann entnommen. Für die Hilfe bei der Transkription der hebräischen Titel dankt die Verfasserin Herrn Dr. Jürgen Kegler. 273 Fürst: Bibliotheca Judaica, 2, 290.

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eine kommentierte Sammlung sämtlicher Haggadoth aus dem babylonischen Talmud von Jakob Chabib, zum anderen ein Hilfsbuch für Prediger, in dem Reuben ben Höschke wichtige Zitate aus verschiedenen Schriften in alphabetischer Reihenfolge zusammengestellt hatte.274 In dieser Zeit waren in der Homburger Druckerei der Wanderdrucker Zwi Hirsch Baschwitz und Ahron ben Abraham als Setzer angestellt.275 1713 verließ Reis Homburg und zog nach Offenbach, wo er mit seinem Sohn Hirz bis ca. 1720 eine Druckerei betrieb.276 Nach einer Pause von zwölf Jahren initiierte Simson Hanau ben Salomo 1724 die Herstellung hebräischer Schriften.277 Im gleichen Jahr erschienen die Friedhofsgebete von Elieser Liebermann Sofer und die kabbalistischen Betrachtungen über die Psalmen von Elijakim Götz ben Israel. Die Veröffentlichungen ab 1729, z.B. das Gebetbuch neiie techinot ubakaschot, wurden von Isarel ben Moses gesetzt und kamen mit der Druckerangabe Jean Vernois heraus.278 1730 endete die Tätigkeit Hanaus. Seine Produktion hatte nur einen geringen Umfang; daher vermutet Aron Freimann, daß er nur geringe finanzielle Mittel und wenig Personal zur Verfügung hatte. Die Akten über die landgräfliche Hofbuchdruckerei enthalten einen Vertrag, nach dem der Ober-Hof-Factor Samuel Levi im Mai 1732 die Erlaubnis erhielt, eine hebräische Buchdruckerei einzurichten.279 Für dieses Privileg, das sechs Jahre gültig sein sollte, hatte Levi jährlich eine Pachtgebühr von 100 Gulden an den Landgrafen zu zahlen. Da sich der Ankauf hebräischer Lettern und die Anstellung von Setzern verzögerte, bot die landgräfliche Regierung die Druckerei dem zweiten Interessenten Seligmann Bauer an. Um Levi für die bereits erfolgten Zahlungen zu entschädigen, wurde zwischen den beiden Pächtern ein Vergleich geschlossen.280 Bereits einein–––––––––– 274 Ebd., 1, 152; 412. 275 Herz: Meine Erinnerung, 24. 276 Cassel/Steinschneider: Jüdische Typographie, 81. 277 Aron Freimann nennt keinen Drucker. Nach Horst Böning mußte die hebräische Druckerei »als Zweigniederlage der größten Druckerei du Vernois‘ im Waisenhaus untergeordnet werden«. Vermutlich wurden die hebräischen Schriften ab 1724 arbeitsteilig hergestellt, d.h. Simson Hanau ben Salomo setzte die hebräischen Texte und ließ sie bei Jean du Vernois drucken. Böning: Hof- und Kanzlei-Buchdruckerei; Freimann: Hebräische Druckereien, 15. 278 Sophoni Ytzhak Herz gibt an, daß Israel ben Moses aus Amsterdam kam und eine Zeit lang in Offenbach gearbeitet hatte, bevor er 1734 nach Homburg kam. Freimann: Hebräische Druckereien, 15; Herz: Meine Erinnerung, 25. 279 Das Privileg umfaßte nur den Verlag der hebräischen Werke, den Druck sollte Levi bei der landgräflichen Druckerei in Auftrag geben. »Allerdings ist selbiger verbunden, jedesmalen unser zeitige Hof-Buchdrucker vor andern Juden zu nehmen.« Pachtvertrag zwischen Landgraf Friedrich III. Jakob und Samuel Levi, Homburg 16. Mai 1732. Akten der Landgräflichen Hofbuchdruckerei, 1, 5 r–[5] v. 280 Aktenvermerk. Homburg, 18. August 1732. Akten der Landgräflichen Buchdruckerei, 1, 11 r–15 r. Als Abstand für die Pacht der hebräischen Druckerei zahlte Seligmann Bauer an Samuel

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halb Jahre später, im Frühjahr 1734, verstarb Bauer.281 Welche Veröffentlichungen in dieser Zeit hergestellt wurden, ist anhand der vorhandenen Akten nicht zu rekonstruieren. 1733 privilegierte der Landgraf einen zweiten jüdischen Verleger, den in Offenbach ansässigen Israel ben Moses, Druckaufträge an die landgräfliche Druckerei vergeben zu dürfen.282 Unter anderem ließ der Verleger hier 1734 den alphabetischen Index zum Schulchan Aruch (= tabula ordinis, Auslegung der Ritualgesetze) herstellen. Nachdem Moses den Druck seiner Schriften nicht bezahlt hatte, wurde am 31. Mai 1734 sein Lager in Homburg durchsucht, sein gesamter Besitz beschlagnahmt und Schriften, Setzkasten, Winkelhaken, Aale und Schere in die Buchdruckerei gebracht.283 Im Herbst des Jahres trat Meyer Mosyes in diese Verbindlichkeiten ein und bat im Gegenzug um die von Israel ben Moses beschlagnahmten Schriften und Gerätschaften.284 Die Angabe »Jean du Vernois« als Drucker in dem bereits oben erwähnten Gebetbuch neiie techinot ubakaschot belegt, daß sich die Pächter der hebräischen Druckereien spätestens seit 1729, vermutlich aber schon seit 1724 auf den Satz beschränkten.285 Sie lieferten die Druckformen an die landgräfliche Druckerei, die als Lohndruckerei286 die eigentliche Herstellung der Werke übernahm. Diese Praxis läßt sich durch die Eintragungen in den Geschäftsbüchern der Canzley- und Buchdruckerei in den Jahren 1739– 1741 auch für Ahron Dessau belegen, dessen Tätigkeit ab 1736 nachweis–––––––––– Levi 26 Gulden, 15 Kreuzer. Quittung von Samuel Levi. Homburg, 21. Oktober 1732. Ebd., 1, [ungezählt, nach alter Zählung 15] r. 281 In einem undatierten Brief von Gottfried Memhard an den Landgrafen heißt es »nunmehro verstorbenen Judten, Seligmann Bauer«. Da er in demselben Brief angibt, vor ungefähr 1 ½ Jahren einen »accord« mit dem Landgrafen geschlossen zu haben und dieser Vertrag im September 1732 abgeschlossen wurde, muß Bauer im Frühjahr 1734 gestorben sein. Gottfried Memhard an Landgraf Friedrich III. Jakob. Homburg [undatiert]. Akten der Landgräflichen Buchdruckerei, 2, 25 r–26 r. 282 Am 22. April 1733 fragte der »Judt Israel Moiser bisheriger SchutzVerwandter zu Offenbach« an, ob er seine hebräischen Bücher in der Hochfürstlichen Hof- und CantzleyBuchdruckerey auflegen und drucken lassen dürfe. Ein Vertrag zwischen ihm und dem Landgrafen fehlt. Da sich Israel Moses auf die Bewilligung einer Vertragsänderung zugunsten Isaak und Seligmann Bauers bezieht, haben beide parallel in der landgräflichen Druckerei drucken lassen. Eingabe von Israel Mosis an die Landgräfliche Kanzlei. Homburg, 22. April 1733. Eingabe von Isaac und Seligmann Bauer an die Landgräfliche Kanzlei. Homburg, 21. April 1733. Ebd., 1, 55 r–57 r. 283 Aktenvermerk von Johann Konrad Fritz. Homburg, 31. Mai 1734. Ebd., 1, 46 r–51 r. 284 Meyer Mosis [Moyses]. Homburg, 29. Oktober 1734. Ebd., 1, 41 r–42 r. Er bezeichnet sich als »jetziger Verleger« und gelernter »Schuster« aus Frankfurt. 285 Eingabe von Isaac und Seligmann Bauer an die Landgräfliche Kanzlei. 56 r–57 r. 286 Man druckte alle Schriften, die von offizieller Seite oder von Privatpersonen in Auftrag gegeben und von der Zensur für den Druck zugelassen worden waren.

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bar ist.287 Im toldot Adam erschien 1742 der Vermerk »Gedruckt in der Hochfürstl. Hof- und Cantzley Buchdruckerey bey Johann Philipp Hellwig« in Fraktur.288 Als Setzer beschäftigte Dessau Menachem Mannes ben Jehuda aus Hanau, der bereits 1734 ein Erbauungsbuch ohne Angabe eines Verlegers drucken ließ. Außerdem stellten Abraham ben Abi Esri Selig, Tobias ben Abraham aus Wilmersdorf und Moses ben Jakob Maarsen aus Amsterdam – wie aus den Titelblättern hervorgeht – Schriftsätze her. Für den Buchsetzer Monisch stellte der Landgraf 1735 einen Schutzbrief aus, in dem »dem Supplikanten Monisch die Genehmigung erteilt wird, in der hiesigen hebräischen Druckerei zu arbeiten«.289 Nach dem Verkauf der landgräflichen Druckerei an Carl Reich im Jahr 1748 arbeitete Dessau mit diesem zusammen, wie verschiedene Schriften belegen. Mit dem Umzug der Druckerei von Homburg nach Rödelheim 1751 änderte sich auch der Druckvermerk in den hebräischen Schriften.290 Zwischen 1751 und 1754 setzte und verlegte Moses ben Jakob Maarsen, der vorher bei Dessau beschäftigt war, sieben Werke.291 2.3.2 Die Hochfürstliche Hof- und Cantzley- Buchdruckerei Die bisherigen hebräischen und deutschen Druckereien in Homburg waren private Firmen. Als sich der Landgraf 1730 dazu entschloß, eine eigene Druckerei im Gebäude des Waisenhauses zu eröffnen, wurde ein staatlicher Betrieb gegründet. 292 In den Akten finden sich vom Sommer 1730 bis Früh–––––––––– 287 Einer der ersten Titel, die 1736 erschienen, sind die Glossen und Novellas von Samuel Edeles. Die Pentateuch-Erklärungen Sefer Keren Shlomo von Salomon Geiger ben Abraham, deren Erscheinungsjahr Paul Arnsberg mit 1736 angibt, ist laut Julius Fürst erst 1738 gedruckt worden. Arnsberg: Jüdische Gemeinden, 1973, 98; Fürst: Bibliotheca Judaica, 1, 221; 325. 288 Freimann: Hebräische Druckereien, 16–17; Herz: Meine Erinnerung, 27. 289 »[...] dem hiesigen Schutz=Juden und Hebräischen Buchsetzer Monisch wird in seinem unterthänigsten petitio dergestalten gnädigst Referiret, daß Er, wann Er in Hiesig=Hebräischer Buch=Truckerey arbeite und sich darinnen auch sonsten redlich auführen wird, die vollkommene Schutz=Freyheit genießen solle«. Decretum des Landgrafen Friedrich III. Jakob vom 26. Mai 1735. Stadtarchiv Bad Homburg (A I 32, Nr. 17). Herz hält die Schreibung des Namens für fehlerhaft. Seiner Meinung nach hieß der Setzer Monasch und gehörte zu einer Verlegerfamilie, die vor allem hebräische Gebetbücher herausbrachte. In den von Freimann aufgeführten Homburger Drucken wird ein Setzer Monasch nicht genannt. Freimann: Hebräische Druckereien, 16–17; Herz: Meine Erinnerung, 25. 290 Freimann: Hebräische Druckereien, 18. Wie lange nur der Druckvermerk in Rödelheim geändert wurde, aber dennoch in Homburg gedruckt wurde, ist nicht rekonstruierbar. Herz vermerkt, daß die Druckerei in Homburg angeblich noch bis 1757 in Betrieb war. Herz: Meine Erinnerung, 24. 291 Freimann: Hebräische Druckereien, 18. 292 Die Geschichte der Hochfürstlichen Hof= und Cantzley= Buchdruckerey und ihre Buchproduktion sind bisher nur sehr knapp in der lokalgeschichtlichen Literatur dargestellt worden. Dabei wird vor allem die Zeit, in der Johann Philipp Hellwig als Faktor der Druckerei

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jahr 1731 diverse Aufstellungen und Quittungen über Materialien für die »allhiesig neu anzulegende Hoff- und Cantzley= Buchdruckerey«.293 Demnach übernahm der Landgraf nicht die Offizin des Jean du Vernois, sondern errichtete eine neue Druckerei. Als erstes Werk war eine Vollbibel mit 59– 61 Lagen im Duodezformat in einer Auflage von 5000 Exemplaren geplant. Dafür liegt eine genaue Kalkulation vor, die auch den Arbeitslohn des Schriftgießers für die noch nicht vorrätigen Schriften berücksichtigt.294 Im Herbst 1732 schlossen der Landgraf Friedrich III. Jakob und Gottfried Memhard einen dreijährigen Pachtvertrag.295 Allerdings hatte Memhard schon vorher für die Druckerei gearbeitet. So hatte er die Einrichtung und Bestellung der Materialien organisiert und im Jahr 1731 eine erste Schrift verlegt.296 –––––––––– vorstand, thematisiert. Böning schreibt, daß zwischen 1734 und 1744 dreizehn Werke verlegt wurden, von denen er den Geistlichen Würtz= Kräuter= und Blumen=Garten, das HessenHomburgische Gesangbuch, einen Kalender für das Jahr 1744, das Opus Mago-Cabbalisticumet Theosophicum von Georg von Welling und den Hell-Polierten Tugendspiegel vor das weibliche Geschlecht aufführt. Darüber hinaus erwähnt er die landgräflichen Verordnungen, die ab 1731 in Homburg gedruckt worden seien. Insbesondere weist er auf die Judenordnung von 1737 und die Jubelschrift der Buchdruckerei zum 300jährigen Jubiläum der Buchdruckerkunst hin. Wie bereits bei der Beurteilung der Buchproduktion der hebräischen Druckereien wird auch bei der Erläuterung der Judenordnung die antisemitische Haltung des Autors deutlich. Auf diesem Artikel beruhen die Darstellungen in der Stadtgeschichte von Friedrich Lotz und in dem Band zum 1200jährigen Stadtjubiläum von Angelika Baeumerth. Unter dem Titel Gedruckt in Homburg v. d. Höhe bringt Barbara Dölemeyer keine Geschichte der Druckerei, sondern geht auf den Geistlichen Würtz= Kräuter= und Blumen=Garten, die Verbindungen seines Verfassers zu der Familie von Johann Jacob Schütz nach Frankfurt und zu den nach Pennsylvania emigrierten Radikalpietisten ein. Zusätzliche Informationen über Homburger Druckereien in den siebziger Jahren des 18. Jahrhunderts finden sich bei Roth. Für die folgenden Ausführungen wurden vor allem die Akten der Landgräflichen Buchdruckerei sowie die Geschäftsbücher der Jahre 1739–1741 ausgewertet. Baeumerth: 1200 Jahre Bad Homburg, 39; Böning: Hof- und Kanzlei-Buchdruckerei; Dölemeyer: Gedruckt in Homburg, 8–9; Lotz: Geschichte Bad Homburg, 147; Roth: Die Buchdruckereien zu Höchst, 233. 293 Akten der Landgräflichen Buchdruckerei, 1, 29 r–35 r; 39 r–40 r. Darin werden unter anderem Geräte wie ein kupferner Kessel, Hölzer, Walze und Model aus Holz vom Hofdrechsler, Hammelhaut, Roßhaar für die Druckerballen, Kienruß für die Druckfarbe aufgeführt. Ende Dezember 1730 wurden in der Schriftgießerei Luther in Frankfurt Lettern in sieben verschiedenen Schriften, unterschiedliche Titelschriften und Sonderzeichen (Rößgen, Cronen und figuren) bestellt. Die früheste datierte Aufstellung von Schriften ist mit dem Datum 16. Juli 1730 unterzeichnet, die anderen Dokumente stammen aus der Zeit zwischen Dezember 1730 und Februar 1731. 294 Kalkulation. [undatiert]. Akten der Landgräflichen Buchdruckerei, 2, 42. 295 Danach darf Memhard alles, was von der Zensur genehmigt wurde, auf eigene Kosten drucken lassen. Als Pacht verlangt der Landgraf 50 Gulden im Jahr. Konzept des Pachtvertrags zwischen Landgraf Friedrich III. Jakob und Gottfried Memhard. Homburg, 4. September 1732. Akten der Landgräflichen Buchdruckerei, 2, 56 r–[57] v. 296 In einem undatierten Brief an den Landgrafen bittet Memhard um Erlassung oder Reduzierung seiner Restschuld »wegen meines bey Aufrichtung der Buchdruckerey erwiesenen achtw[ö]chigen Fleißes«. »Gedruckt mit Memhardischen Schrifften« wurde 1731 in Homburg v.

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Die Bibel wurde in Homburg nicht gedruckt; warum der Plan einer Bibelausgabe scheiterte, ist aus den Akten nicht ersichtlich. Ein zweites Projekt, das man bereits in dieser Zeit begann, war das Hessen-Homburgische Gesangbuch.297 Daneben wurden Kalender, Lotterielose, religiöse Traktate, Kasualliteratur und hebräische Schriften gedruckt.298 Verhandlungen mit neuen Pächtern Noch vor Ablauf des Pachtvertrages mit Memhard suchten Seligmann Bauer und sein Vater Isaac (Itzig) Bauer im Sommer 1732 um »überlassung sowohl der hiesigen Teutschen als der nun [neu] zu errichtenden Hebräischen Buchtruckerey« nach.299 In den Verhandlungen über die deutsche Druckerei forderte der Landgraf, daß die Pächter den Drucker Memhard weiter beschäftigen, seine noch ausstehenden Pachtverbindlichkeiten übernehmen, eine eigene Pacht bezahlen und die zwei Pressen mit dem gesamten Zubehör sowie alle deutschen und lateinischen Schriften in gutem Zustand erhalten sollten.300 Da Bauer auf diese Bedingungen nicht eingehen wollte, behielt Memhard die Leitung der landgräflichen Druckerei. Der Pachtvertrag, der am 4. September 1732 über die hebräische Druckerei geschlossen wurde, enthält die Vereinbarung, daß die hebräischen Schriften für 50 Gulden im Jahr in der Hof= und Cantzley= Buchdruckerey gedruckt werden sollten.301 Dieser Betrag deckte nur die reinen Arbeitskosten des Druckers ab, darüber hinaus waren noch die Materialkosten pro Ballen und Auflage abzurechnen. Die Bestimmung wurde auf Wunsch Bauers im März 1733 dahingehend geändert, daß zukünftig eine pauschale Abrechnung aller Kosten nach Ballen erfolgen sollte.302 –––––––––– d. H. Anton Pfaffmanns »Unbetrüglicher Wegweiser zur unfehlbaren Wahrheit«. Gottfried Memhard an den Landgrafen Friedrich III. Jakob. Homburg [undatiert], 25 r–26 r; Koch: Pietismus im Herzogtum, 94. 297 In der Abrechnung, die die Zeit bis zur Übernahme durch Hellwig betrifft, heißt es »Dann was Memhard auf das Gesang=Buch biß zur Ankunfft des Helwigs bekommen« und es werden »die bereits getruckte Bogen zum Gesangbuch« aufgeführt. Extract verschiedener Rechungen und Beylagen. Akten der Landgräflichen Buchdruckerei, 2, 66 r–[66] v. Daneben liegt eine Liste der Rubriken für das Gesangbuch vor. Akten der Landgräflichen Buchdruckerei, 2, 24 r. 298 Extract verschiedener Rechungen und Beylagen, 66 r–[66] v; Abrechnung der gedruckten Schriften. [Homburg] 5. Dezember 1732. Akten der landgräflichen Buchdruckerei, 2, 10 r. 299 Aktenvermerk, Homburg, 18. August 1732. Akten der Landgräflichen Buchdruckerei, 1, 11 r–15 r. 300 Aktenvermerk, Homburg, 18. August 1732, 13 r–[13] v. 301 Pachtvertrag zwischen dem Landgraf Friedrich III. Jakob und Isaac und Seligmann Bauer. Homburg, 4. September 1732. Akten der Landgräflichen Buchdruckerei, 1, 22 r–25 r. 302 Am 21. April 1733 bieten Seligmann und Isaac Bauer für den Druck eines Ballens Papier 13 Gulden. Dieser Preis wird akzeptiert. Eingabe von Isaac und Seligmann Bauer an die Landgräfliche Kanzlei, Homburg, 21. April 1733, 56 r–57 r.

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Memhard verstand sich in erster Linie als Drucker und warb wohl auch keine eigenen Druckaufträge ein. Wie ein späteres Schreiben an den Landgrafen belegt, ging er davon aus, daß Bauer mit seinen hebräischen Schriften »den Verlag [hat] anschaffen sollen«.303 Da die Druckerei nicht die gewünschten Gewinne erzielte, suchte der Landgraf nach einem neuen Pächter. Es bewarben sich Christian Groot und Johann Philipp Hellwig.304 Die Druckerei unter der Leitung von Johann Philipp Hellwig Johann Philipp Hellwig (auch Helwig oder Helvig) wurde 1690 in Eberstadt als Sohn des »Adermanns« Johann Hellwig geboren.305 1729 bemühte er sich als Buchdruckergeselle beim Rat der Stadt Frankfurt um die Erlaubnis, eine Druckerei einrichten zu dürfen.306 Aus der Produktion des ersten Jahres –––––––––– 303 Gottfried Memhard an Landgraf Friedrich III. Jakob. Homburg [undatiert]. [25] v. Memhard hat auch für einen »Offenbacher Jud« und den »Jud Samson« gedruckt, allerdings handelte es sich dabei um kleinere Aufträge. Extract verschiedener Rechungen und Beylagen, 66 r–[66] v. 304 Der Christian Groot, der Hochgräflich Ysenburg-Birsteinischer Hof- und CantzleyBuchdrucker in Offenbach war, bemühte sich in einem Brief vom 2. März 1733, die Hofdruckerei, die unter der Leitung von Memhardt nicht den »erwünschten profitableren Gang« erlangte, zu kaufen oder zu pachten. Die Bewerbung Groots dürfte nicht in die engere Auswahl gekommen sein, da der Landgraf am 7. März bereits mit Hellwig verhandelte. Gegen Groot sprach auch ein anonymes Schreiben, in dem er des Betrugs und schlechten Lebenswandels beschuldigt wird. Danach soll Groot in Allendorf eine vermögende Frau geheiratet und mit ihr ein Kind gehabt haben. Nachdem er das Geld durchgebracht hatte, verließ er sie und heiratete erneut. Christian Groot an Landgraf Friedrich III. Jakob. Offenbach, 2. März 1733. Akten der Landgräflichen Buchdruckerei, 2, 61 r–62 r; N. N. an Landgraf Friedrich III. Jakob. [undatiert]. Akten der Landgräflichen Buchdruckerei, 2, 14 r–[14] v. Im Städtischen Museum in Bad Homburg ist ein von Groot gedruckter Kalender nachweisbar. Jährliches Tag=Buch,| oder:| Hauß= und Land=| Calender,| Auf das Jahr der Geburt unsers HErrn JEsu Christi| MDCCXXXIII.| Welches ein gemein Jahr von 365 Tagen ist| Im Verbesserten und Neuen Calender zehlt man von Weyhnachten bis Fastnacht 7 woch. 4 tag. Offenbach am Main: Gerhart Groot [1732]. 305 Nach dem Beerdigungsbuch der Stadt Frankfurt wurde Johann Philipp Hellwig 1690 in Eberstadt getauft. Beerdigungs=Buch der Reichsstadt Frankfurt, 19 (1751–1754) [MicroficheAusg.], 821–822. Institut für Stadtgeschichte Frankfurt a.M. Die Angaben zum Vater finden sich im Kopulationsregister. Copuliert= und ehelich= Eingesegnete, von 1702 bis 1706 inclus. [Microfiche-Ausg.], 366. Institut für Stadtgeschichte Frankfurt a.M. 306 Im Repertorium 142 des Instituts für Stadtgeschichte in Frankfurt a.M. heißt es zum Inhalt der Handwerkerakte 3376 »Gesuche der Buchdrucker die von Christian Gottfried Meyer (1716) nichtgenannten Gesellen (1724) und Philipp Hellwig (1729) beabsichtigten Einrichtungen neuer Druckereien zu untersagen. 1716 Juni 18–1729 Aug. 23.« Diese Gesuche an den Rat der Stadt Frankfurt sind verloren, unter der oben genannten Signatur wird ein Schreiben der Kammacher geführt. Mit dieser Eingabe bezogen sich die Buchdrucker darauf, daß seit der Ordnung von 1573 die Zahl der Buchdruckereien auf acht als Norm festgelegt worden war. Nach Dietz schwankte die Zahl im 18. Jahrhundert zwischen acht und zehn, allerdings führt er Hellwig nicht in seiner Auflistung auf. Johann Goldfriedrich erwähnt im Zusammenhang mit dem Streit um den Buchführer Andreas Friedrich Bötticher im Jahr 1729 einen »Buchdrucker Hellwig«, bei dem es sich vermutlich um Johann Philipp Hellwig handelt. Jung, R.: Repertorien über die Akten Zensur, Buchdruck, Buchhandel, Presse, [Manuskript] 1909. Institut für Stadtgeschichte Frankfurt a.M.

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in Frankfurt haben sich ein Schächtbuch und eine militärische Schrift erhalten.307 Nachdem er in einem Prozeß, der gegen Anton Heinscheidt geführt wurde, große Verluste gemacht hatte, konnte er seine Druckerei nicht weiterführen.308 Vermutlich bis 1733 hat Hellwig in Frankfurt gedruckt, und sich dann um die Verwaltung der landgräflichen Hof= und Cantzley= Buchdruckerey in Homburg beworben.309 Dennoch wollte er sich wohl nicht endgültig in Homburg niederlassen, wie seine Gesuche um Beibehaltung des Bürgerrechts der Stadt Frankfurt a.M. belegen.310 –––––––––– (Rep. 142). Dietz: Frankfurter Handelsgeschichte, 4,2, 513–514; 401; Kapp/Goldfriedrich: Geschichte des Buchhandels, 2, 408. 307 1730 druckt Hellwig: Burgmann: Schechitos Ubdikos; Bericht, Von der Leichen= Und Liebes=CASSA. 308 Gesuch von Johann Philipp Hellwig an den Rat der Stadt Frankfurt a.M. von Anfang August 1733, in: Raths-Supplikationen 1733, 2, 248 r–[248] v. Institut für Stadtgeschichte Frankfurt a.M. (Rats-Suppl. Tom II. 1733). Der Publizist und Verleger Anton Heinscheidt (*14.8.1683 in Frankfurt a.M. †9.8.1744 Ebenda) übernahm 1705 die Druckerei, die sein Großvater Hans Georg Spörlin 1656 in Frankfurt gegründet hatte und die von seinem Vater Johann Heinscheidt weitergeführt worden war. Er druckte das Serlinsche Journal und gründete 1722 die Frankfurter Frage- und Anzeigens-Nachrichten, aus denen später das Frankfurter Nachrichtenund Intelligenzblatt hervorgegangen ist. Darüber hinaus gab er 1722–1725 den Frankfurter Mercurius heraus, der ab 1725 als französische Zeitung unter dem Titel Mercure curieux erschien. 1726 wurde er wegen Bigamie angeklagt, verlor seine Druckerei und flüchtete aus Frankfurt. Nachdem Hellwig die Leitung der landgräflichen Druckerei übernommen hatte, fand Heinscheidt dort eine Anstellung. Aufgrund der Einträge in den Lohnlisten hat er vom 19. Juli 1733 bis 19. Dezember 1733 in Homburg gearbeitet. Dann ging er nach Rödelheim und verlegte die Nachrichten der Leydischen Französischen Zeitung, die sich aber nicht gegen die Konkurrenz der Thurn- und Taxischen Post behaupten konnte. Auch in dieser Zeit übernahm er noch Aufträge von Hellwig. In den Akten hat sich eine Rechnung vom 16. April 1735 erhalten, in der er unter anderem den Satz von drei Tabellen für des »H[er]rn Schützen werck« und einen »Gang nach F[rank]f[u[r]th wegen derer Briefen Zu des Herrn Schützen Tractat« abrechnet. (Bei dem »Werk« handelt es sich um das 1735 erschienene Opus Mago-Cabbalisticum von Georg von Welling, mit dem »Traktat« ist vermutlich Von der göttlichen Weisheit gemeint, das dem Wellingschen Werk beigegeben wurde.) 1740 kehrte er nach Frankfurt zurück und rief die Quint-Essence de toutes les Gazettes ins Leben. Anton Heinscheidt. Rechnung an die landgräfliche Druckerei 16. April 1735. Korrektur der Abrechnung vom 2. April 1735. Akten der Landgräflichen Buchdruckerei, 2, 71 r; Johann Philipp Hellwig: Lohnlisten vom 19. Juli [1733] bis 19. Dezember 1733. Ebd., 1, 175 r–208 r. Klötzer (Hg.): Frankfurter Biographie, 313; Dietz: Frankfurter Handelsgeschichte, 512–513. 309 Aus dieser Zeit 1731–1733 ist nur ein Titel nachweisbar: Heuson, Johann Christian: U.D.B.V. De triumphi Christi prae Romanorum triumphis praestantia. Francofurti Joh. Philipp Helwig 1732. Zitiert nach dem Katalog der Stadt- und Universitätsbibliothek Frankfurt a.M., das Exemplar gehört zu den Kriegsverlusten. 310 Ein erstes Gesuch reichte Hellwig im Juli 1733 ein, nach dessen Ablehnung wandte er sich Anfang August ein zweites Mal an den Rat. Darin schreibt er mit Hinweis auf seine finanzielle Lage, daß er »nichthin jetzo die profitable Gelegenheit zu Homburg nicht aus Händen gehen laßen kan.« Neben dem Umzug nach Homburg scheinen die ungeklärten Familienverhältnisse der Beibehaltung des Bürgerrechts entgegengestanden zu haben. In dem zweiten Schreiben versichert Hellwig, seine Verlobte heiraten zu wollen und bittet um die Erlaubnis einer Haustrauung. Diese Ehe ist vermutlich nicht geschlossen worden. In dem Kopulationsregister der Stadt Frankfurt findet sich kein Eintrag und auch in dem Beerdigungsbuch

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Nachdem seit Anfang März 1733 über die Bedingungen verhandelt worden war, schlossen der Landgraf und Hellwig am 20. März 1733 einen Pachtvertrag.311 Danach sollte Hellwig gegen Bezahlung die Leitung der Druckerei übernehmen, die Geschäftsbücher führen, für Druckaufträge sorgen und darüber hinaus selbst mitarbeiten. Er brachte seine eigene Presse mit und versprach, kleinere Arbeiten wie Papier holen oder feuchte Druckbögen aufhängen von seinen Kindern oder dem Gesinde erledigen zu lassen. Von den damals tätigen Buchdruckern sollte er so viele weiterbeschäftigen, wie er benötigte.312 Hellwig war damit kein selbständiger Drucker, sondern leitender Angestellter des Landgrafen, und die Druckerei war ein landgräflicher Betrieb, dessen finanzielle Verbindlichkeiten über die Kanzlei beglichen wurden. Auch die Papierversorgung regelte die landgräfliche Verwaltung. Als es im Herbst 1733 zu einer Papierknappheit kam, wurden die Papiervorräte der in der Landgrafschaft ansässigen Papiermühlen in Stetten313 und Köppern beschlagnahmt und den Papiermüllern von der Regierung befohlen, statt Schreibpapier, Weißpapier oder Karton Druckpapier herzustellen sowie der Druckerei ein Vorkaufsrecht einzuräumen.314 Am 31. Dezember 1736 monierte der Landgraf in einem Brief an den Regierungsrat Christian Gottlieb von Passerin die mangelhafte Buchführung in der Buchdruckerei. Der Faktor Hellwig und der Buchhalter Beltzer hätten »nichts taugend= und verwirrte Rechnungen« ausgestellt und 100 Gulden unterschlagen.315 In der nachfolgenden Untersuchung scheinen die Vorwürfe als minder schwer bewertet worden zu sein, denn sowohl Hellwig

–––––––––– wird nur die erste Heirat aufgeführt. Danach heiratete Hellwig am 20. April 1705 Anna Catharina Koch, die am 16. November 1728 verstarb. Dennoch ist ihm das Bürgerrecht gewährt worden, denn 1737 bittet er erneut, Bürger bleiben zu dürfen. Beerdigungs=Buch 1751–1754, 822; Copuliert= und ehelich=Eingesegnete von 1702–1706, 366; Gesuch von Johann Philipp Hellwig an den Rat der Stadt Frankfurt a.M. vom 23. Juli 1733. Raths-Supplikationen 1733, 2, 148 r–[148] v. Institut für Stadtgeschichte Frankfurt a.M. (Rats-Suppl. Tom. II. 1733); Gesuch von Johann Philipp Hellwig von Anfang August 1733. Raths-Supplikationen 1733, 2, 248 r; Das Gesuch, das Johann Philipp Hellwig 1737 an den Rat der Stadt Frankfurt richtete, konnte aufgrund von Pilzbefall nicht eingesehen werden. Institut für Stadtgeschichte (Rats-Suppl. Tom III. 1737). 311 Am 8. März 1733 reiste Memhard nach Frankfurt, um Hellwig zu fragen, ob dieser bereit sei, nach Homburg zu ziehen. Wenn der Frankfurter Drucker dies bejahte, sollte Memhard ihn nach Homburg begleiten, um den Pachtvertrag auszuhandeln. Entwurf eines Befehls an Gottfried Memhard. Homburg, 7. März 1733. Akten der Landgräflichen Buchdruckerei, 2, 101 r. 312 Aktenvermerk. Homburg, 20. März 1733. Akten der Landgräflichen Buchdruckerei, 2, 83 r–[84] v. 313 Die alte Bezeichnung für Oberstedten, das heute zu Oberursel gehört. 314 Entwurf eines Befehls an den Wachtmeister Koch. Homburg, 21. 10. 1733. Akten der Landgräflichen Buchdruckerei, 2, 8 r–[8] v. 315 Brief von Landgraf Friedrich III. Jakob an Christian Gottlieb von Passerin. Homburg, 31. Dezember 1736. Akten der Landgräflichen Buchdruckerei, 2, 97 r–98 r.

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als auch Beltzer durften weiterhin für die Druckerei arbeiten, mußten aber über Einnahmen und Ausgaben genau Buch führen.316 Die landgräfliche Regierung kontrollierte nicht nur die Wirtschaftlichkeit der Druckerei, sondern auch – über die Vorzensur – den Inhalt der gedruckten Werke. Zu Verstößen gegen die Zensurbestimmungen scheint es nur selten gekommen zu sein; in den Akten ist nur ein Fall aus dem Jahr 1744 belegt. Im Zuge der Verhandlungen wird einerseits von dem beschuldigten Setzer Johann Nicolaus Müller ausgesagt, daß keine Druckaufträge vorhanden gewesen seien, andererseits vom Faktor Hellwig darauf hingewiesen, daß er unter großem Konkurrenzdruck stehe, da »an vielen benachbarten orten auch in Frankfurt selbsten würde das meiste deren Zeitungen ohne Censur gedruckt und stieße sich viele Fremde daran daß hier alles so scharff censiert auch viele Sachen remitiert würden.«317 Die finanzielle Lage hatte sich in den folgenden Jahren aufgrund eines geringen Auftragsvolumens nicht verbessert, und so mußte die Druckerei geschlossen werden. In dieser Situation bot Carl Reich an, den Betrieb zu kaufen.318 Im November 1746 ging die Druckerei in den Besitz von Reich und seinem Schwiegervater Johann Bernhard Eichelberg aus Frankfurt über.319 Hellwig kehrte nach Frankfurt zurück und arbeitete wieder als Buchdrucker. Am 11. Juli 1753 verstarb er.320 Der Kammerschreiber Christoph Schütz in den Akten der landgräflichen Druckerei In den Akten der landgräflichen Druckerei finden sich verschiedene Belege, die Christoph Schütz unterzeichnete oder in denen er genannt wird. Danach hat er am 27. Januar und 17. Juli 1734 Bargeld an den Buchhalter der Drukkerei übergeben und am 4. Oktober 1736 und 10. Januar 1737 Quittungen für den Kabinettsekretär Winter unterschrieben.321 Auch ein Brief des –––––––––– 316 Specification deßen, was von Ser[enissi]mi des hiesig= reg[ierenden] Herrn Landgrafens Hochfürstl[iche] D[urc]hl[aucht] an H[err]n Corrector und Buch=Halter Beltzer zu Bestreitung derer Buch=Truckerey Geld=Ausgaben baar empfangen [Einnahmen vom 2. Jan. 1734 bis 23. März 1737, Ausgaben vom 10. Oktober 1734 bis 9. Dezember 1737]. Akten der Landgräflichen Buchdruckerei, 1, 123 r–[133] v. 317 Aktenvermerk. Homburg, 12.–14. Dezember 1744. Akten der Landgräflichen Buchdruckerei, 1, 438 r–[440] v. 318 Carl Reich an Landgraf Friedrich III. Jakob. Frankfurt, 25.September 1746. Akten der Landgräflichen Buchdruckerei, 1, 445 r–[445] v. 319 Der Entwurf der Kaufurkunde wurde am 16. November 1746 unterzeichnet. Akten der Landgräflichen Buchdruckerei, 1, 447 r–448 r. 320 Im Beerdigungsbuch der Stadt Frankfurt ist unter dem 11. Juli 1753 der Tod des Bürgers, Buchdruckers und Witwers Johann Philipp Hellwig vermerkt. Beerdigungs=Buch 1751–1754, 822. 321 Specification dessen, was Buchhalter Beltzer baar empfangen, 124 r–[124] v; Quittung von Christoph Schütz für Herrn Kammersekretär Winter. Homburg, 4. Oktober 1736. Akten der

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Schriftgießers Johann Nikolaus Luther wegen offener Verbindlichkeiten der landgräflichen Druckerei ist an Schütz gerichtet.322 Diese wenigen Zeugnisse belegen, daß er in Ausnahmefällen auch mit den Angelegenheiten der Druckerei befaßt gewesen ist, daß diese aber nicht zu seinen gewöhnlichen Aufgaben als Kammerschreiber gehörten. 2.3.3 Auswertung der Geschäftsbücher und Akten Die Geschäftsbücher dokumentieren, welche Schriften und Bücher in der Hochfürstlichen Hof= und Cantzley= Buchdruckerey in der Zeit vom 1. April 1739 bis zum 28. Februar 1742 erschienen sind. Darüber hinaus finden sich auch in den Akten Hinweise auf Druckvorhaben verschiedener Auftraggeber. Jeder Eintrag im Geschäftsbuch führt einen Kurztitel der zu druckenden Schrift, den Auftraggeber und den Umfang auf. In vielen Fällen wird auch die Auflagenhöhe und die Papierart genannt. Aufgrund dieser Angaben werden die Kosten für den Druck und das Papier berechnet. Die Tatsache, daß jeder Druck von einem Auftraggeber veranlaßt wurde, belegt, daß der Betrieb als reine Lohndruckerei arbeitete und nicht aus eigenem Antrieb Werke verlegte. Aus diesem Grund kann aus der Titelproduktion der Hochfürstlichen Druckerei kein Programm abgelesen werden. Zwar sollte der jeweilige Faktor für genügend Druckaufträge sorgen, doch damit nicht die Funktion eines Verlegers übernehmen. Dennoch belegen die Angaben in den Geschäftsbüchern, welche Personen und Gruppen sich der Druckerei bedienten und wie wirtschaftlich der Betrieb letztlich arbeitete. Amtliche und halbamtliche Drucksachen Die Bezeichnung Hochfürstliche Hof= und Cantzley= Buchdruckerey deutet bereits auf die Funktion der Druckerei für die Herstellung von Amtsdrucksachen hin. Die landgräfliche Verwaltung ließ hier Formulare, Verordnungen und Patente323 drucken.324 Aber auch andere Körperschaften wie –––––––––– Landgräflichen Buchdruckerei, 1, 154 r; Quittung von Christoph Schütz für Herrn Kammersekretär Winter. Homburg, 10. Januar 1737. Akten der Landgräflichen Buchdruckerei, 1, [146] v. 322 Joh[ann] Nic[olaus] Lutter an Christoph Schütz. Frankfurt, 1. Februar 1736. Akten der Landgräflichen Buchdruckerei, 1, 254 r–[254] v. Luther hatte diesen Brief an Schütz gerichtet, da er mit ihm bereits früher korrespondiert hatte. 323 Unter Patent ist zeitgenössisch eine landesfürstliche oder obrigkeitliche Verordnung zu verstehen, die öffentlich angeschlagen wird; die Bezeichnungen Offener Befehl und Offener Brief wurden synonym verwendet. Offener Befehl, in: Universal-Lexikon, 25, 894–895. 324 Pässe 1739, 1741, 1742; Judenordnung 1737; Patent wegen der Wilddieberei 1741; Conditiones wegen Anwerbung einiger Mannschaft 1740. Buchdruckerey-Rechnung vom 1. Apr[il] bis ult[imo] Dec[ember] 1739. Akten der Landgräflichen Buchdruckerei, 1, 305 r–322 r; 308 r; Buchdruckerey-Rechnung vom jahr 1740. Akten der Landgräflichen Buchdruckerei, 1, 366 r–395 r; [367] v; Buchdruckery-Rechnung A[nn]o 1741. Akten der Landgräflichen Buchdruckerei, 1, 396 r–419 r; 399 r; [400] v; Buchdruckerey-Rechnung vom 1. Januarii bis

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die Schützengesellschaft und die Schuhmacherzunft in Homburg, Zünfte in Ober-Roßbach und Nieder-Wöllstadt gaben Kundschaftszettel in Auftrag.325 Zur Feier des 300jährigen Jubiläums der Buchdruckerkunst am 27. Dezember 1740 veröffentlichte die »Hochfürstliche Druckerey« eine Festschrift.326 Der Druck von Kalendern für den Verlag de Launoy Nach dem Tode seines Vaters Bonaventura de Launoy bat 1733 sein Sohn Carl Philipp de Launoy den Landgrafen um das Privileg, verschiedene Kalender, darunter den Hinkenden Reichs-Boten, in der landgräflichen Druckerei drucken zu lassen.327 Dieses wurde ihm und seinen Geschwistern für zehn Jahre zugesagt.328 Im Februar 1733, noch vor dem Eintritt Hellwigs in die Druckerei, wurde vereinbart, den Hinkenden Boten und den Schwedischen Kalender in einer Auflage von 1000 Exemplaren sowie 500 Exemplare des Kleinen Kalenders für 70 Fl herzustellen.329 Auf dem Titelblatt fehlt die Angabe des Druckortes, als Erscheinungsort wird der Sitz des Verlages »Offenbach am Main« angegeben.330 –––––––––– ultim[o] Februarii 1742. Akten der Landgräflichen Buchdruckerei, 1, 421 r–435 r; 422 r. Im Bestand des Stadtarchivs Bad Homburg haben sich diese gedruckte Patente z. T. erhalten. Im Bestand C I 1 e befinden sich ein Verbot den landgräflichen Gemüsegarten zu betreten vom 12. Juni 1736, ein Verbot den landgräflichen Weingarten zu betreten vom 22. September 1739 und das Patent über die Wilddieberei vom 16. Oktober 1741. 325 Buchdruckerei-Rechnung, 1740, [397] v; 309 r. Ebd., 1740, 368 r; [379] v. Unter Kundschaftszettel ist ein Arbeitszeugnis zu verstehen, das ein Meister einem Gesellen ausstellte und das neben dem Lehrbrief zu den Dokumenten eines reisenden oder auf Wanderschaft befindlichen Gesellen gehörte. Vgl. die Artikel Kundschaft 4 b γ und Kundschaftszettel. In: DWb, 5, 2644; 2647. 326 Buchdruckerei-Rechnung, 1739, 306 r. 327 Dieser Kalender war 1698 zum ersten Mal erschienen. Das älteste erhaltene Exemplar erschien 1702 unter dem Titel Der Hinckend= und Stolpernd= doch eilfertig fliegend= und lauffende Bott. Das ist: Verbesserter und Neuer Staats= Geschichts= Kriegs= Siegs= und Friedens=Calender und konnte von Schrader im Stadtarchiv in Offenbach nachgewiesen werden. Schrader: Literaturproduktion und Büchermarkt, 146. 328 Entwurf des Privilegs von Landgraf Friedrich III. Jakob für Carl Philipp de Launoy. Homburg, [ohne Tagesangabe] April 1733. Akten der Landgräflichen Buchdruckerei, 2, 78 r–[78] v. Über den Bonaventura de Launoy d. Ä. vgl. Schrader: Literaturproduktion und Büchermarkt, 131–162. Er erwähnt den hier genannten Bonaventura de Launoy d. J. in der Fußnote 96 auf den Seiten 443–444. 329 Vereinbarung zwischen J.H. Damm, J.J. Pritzko und Carl Philipp de Launoy. Cassel, 19. Februar 1733. Akten der Landgräflichen Buchdruckerei, 2, 37 r. 330 Dies führte zu einer Eingabe an den Rat der Stadt Frankfurt. Dort ersuchte die Fürstliche Isenburgische Regierung die Stadt Frankfurt, dem Buchdrucker Hellwig zu verbieten, auf den von ihm gedruckten de Launoyschen Hinkenden Boten Offenbach am Main als Erscheinungsort zu setzen. Da Hellwig trotz seines Umzugs nach Homburg das Frankfurter Bürgerrecht beibehalten hatte, hatte sich die Isenburgische Regierung nach Frankfurt gewandt. Diese Akte gehört zu den Kriegsverlusten. Der Hinweis findet sich im Repertorium 142. Jung: Zensur, Buchdruck, Buchhandel, Presse, 435.

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Der Druck hebräischer Werke für jüdische Drucker und Verleger Daneben arbeitete die Druckerei für die jüdischen Verleger in Homburg. Am 12. August 1735 schloß eine Gruppe von Juden, darunter auch der Drucker und Verleger Ahron Dessau, einen Vertrag, um ein zweibändiges »Hebräisch groß gebätbuch die Machsor« genannt zu veröffentlichen.331 Der Druck sollte durch eine Lotterie vorfinanziert werden. Der Text war durch Dessau nach den grammatischen Regeln überarbeitet und von Menachem Mannes gesetzt worden. In der landgräflichen Druckerei erfolgte dann 1737 der Druck von den fertigen Satzformen. Vor Abschluß dieses großen Buchprojekts veröffentlichte Dessau kleinere Publikationen wie die 1736 erschienene Erbauungsschrift chadosche halachot gitin.332 Neben dem Großen Machsor hat es zwei weitere Versuche gegeben, jüdische Gebetbücher zu verlegen. In den Akten befindet sich eine Auflistung der im Dezember 1732 gedruckten Schriften, in der auch ein halber Bogen »Machsor« aufgeführt wird. Den Kleinen Machsor stellte ein anonymer Verleger zusammen und publizierte ihn 1739–1740 in einer Auflage von 2250 Exemplaren.333 1740 erschien der toldot Adam, in dem der Rabbi Mosche ben Nachman die ethisch-moralischen Prinzipien des menschlichen Lebens darstellt.334 Obwohl dieses Buch in der Literatur aufgrund der Angaben des Titelblatts unter dem Verleger Dessau aufgeführt wird, gibt Philipp Werner den »Jud[en] Schwabacher« als Auftraggeber an. Dieser hatte vielleicht den Druck angeregt und sich an der Finanzierung beteiligt, war aber nicht der Verleger des Werkes. Mit der nicht weiter präzisierten Angabe im Geschäftsbuch von 1740 »Ein Hebräisch werklein«, das in einer Auflage von 750 Exemplaren gedruckt wurde, sind vermutlich die Novellas über den Jebamot von Moses Nachmani gemeint.335 Das Buch choschen hamischpat wird in den Geschäftsbüchern als »Corpus Juris der Juden« bezeichnet.336 Es handelt sich hierbei um eine Teilaus–––––––––– 331 Kopie des Vertrages zwischen den Guaranteurs Johann Melchior Kremling, Gebrüder Laz[a]rus und Gottschald, Salomon Rüden sowie Aron Hirsch Dessau und Benedict Simon Goldschmidt. [ohne Ort] 12. August 1735. Akten der Landgräflichen Buchdruckerei, 1, 34 r–[34] v. 332 Freimann: Hebräische Druckereien, 16. 333 Der Auftraggeber wird entweder nicht erwähnt oder als Verleger des kleinen Machsor bezeichnet. Buchdruckerei-Rechnung, 1739, [318] v. Ebd., 1740, 376 r. 334 Auf dem Titelblatt ist die Jahreszahl nicht in Ziffern angegeben. Die Auflösung des Chronogramms in eine Jahreszahl und deren Übertragung in christliche Zeitrechnung findet sich bei Sophoni Ytzhak Herz. Herz: Meine Erinnerung, 27–28. 335 Fürst: Bibliotheca Judaica, 3, 4. 336 Vgl. Buchdruckerei-Rechnung, 1739, [308] v; Ebd., 1740, [371] v; Ebd., 1741, 400 r. Das Titelblatt ist abgedruckt in: Dölemeyer: Homburg vor der Höhe, 49. Hier wird das Werk fälschlich dem Drucker Seligmann ben Hirz Reis zugeschrieben.

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gabe der im 16. Jahrhundert entstandenen Sammlung der Ritualgesetze schulchan aruch, in der Josef Karo die Vorschriften aus der Torah und dem Talmud zusammengestellt hatte. Der Druck der 630 Folioseiten erfolgte über mehrere Jahre; bereits vor 1738 war damit begonnen worden, 1742 lag das Werk dann vollständig vor.337 1746 nahm Dessau den Vorbeter Salomon Lag als Teilhaber auf. Das erste Werk, das in dieser Zusammenarbeit entstand, ist nach Freimann ein jüdisch-deutscher Kommentar zum Werk von Kalonymos ben Kalonymos, den Michael Stern neu bearbeitet hatte.338 Aus den Angaben in den Geschäftsbüchern geht allerdings hervor, daß bereits 1740 die ersten Bogen erschienen waren.339 Die in Homburg hergestellten Bücher werden vor allem über die und in der jüdischen Gemeinde in Frankfurt, wo keine hebräischen Bücher gedruckt werden durften, vertrieben worden sein. Außer den hebräischen Titeln340 ließ Dessau deutsche Kalender für die Jahre 1741 und 1742 in einer Auflage von jeweils 12.000 Exemplaren drucken.341 Dabei handelt es sich vermutlich um den Rußischen Mercurius, der 1742 in Der Aufgeräumte Wetterauer umbenannt wurde.342 Im Kalendarium werden die Festtage, die Zeiten von Sonnenauf- und -untergängen und die geeigneten Tage zum Haareschneiden, der Einnahme von Abführmitteln oder des Entwöhnens von Kindern aber auch die Fahrzeiten der »Posten, Kutschen und Botten« nach Frankfurt a.M. angegeben. Darüber hinaus enthält jeder Kalender längere Textbeiträge. In der ersten Ausgabe wird ein Bericht über die Reise des Hessen-Homburgischen Prinzen von Rußland nach Deutschland und der erste Teil einer Geschichte Rußlands veröffentlicht, im zweiten Jahrgang wird diese historische Beschreibung fortgesetzt sowie eine Biographie von Friedrich Wilhelm I. König in Preußen gebracht und im Kalenders von 1743 wird eine detaillierte Beschreibung der Krönung Kaiser Karls VII. in Frankfurt a.M. im Jahr 1742 abgedruckt. Im Gegensatz zu den anderen Büchern, deren Druck sich meist über mehrere Jahre hinzog und die dafür investierten Mittel über lange Zeit band, konnten durch den Verkauf der deutschen Kalender relativ kurzfristig –––––––––– 337 Da der Eintrag im Geschäftsbuch von 1739 belegt, daß in diesem Jahr die Teile D bis Ooo gedruckt wurden, ist vermutlich 1738 mit der Herstellung des Werkes begonnen worden. Buchdruckerei-Rechnung, 1739, [308] v. Nach Herz bearbeitete der Sohn des Ahron Dessau die Herausgabe der Gesetzessammlung. Herz: Meine Erinnerung, 30. 338 Freimann: Hebräische Druckereien, 17. 339 Nr. 1–6, sechs Bogen wurden vom 1. September bis Ende Dezember 1740, acht weitere Bogen zwischen dem 1. Januar und 15. Juli gedruckt. Buchdruckerei-Rechnung, 1740, 372 r; Ebd., 1741, [399] v. 340 Weitere Titel gibt Freimann an. Freimann: Hebräische Druckereien, 15–18. 341 Buchdruckerei-Rechnung, 1740, 371 r; Ebd., 1741, 400 r. 342 Der Rußische Mercurius, 1741; Der Rußische Mercurius, 1742; Der Aufgeraumte Wetterauer, 1743; Brückl: Büchlein »für alle Fälle«, 24.

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finanzielle Mittel eingenommen werden. Eine andere Möglichkeit, neues Kapital aufzubringen und darüber hinaus schwer verkäufliche Werke als Preise abzusetzen, war die Veranstaltung einer Lotterie. Auch dieses Verfahren ist im Umfeld der jüdischen Verleger nachweisbar. Zusammen mit dem Nachdruck fehlerhafter Bogen für choschen hamischpat wurden zwei Exemplare eines »Lotterie-Plan[s], auch für selbigen, zu bemeldten buch« gedruckt, die belegen, daß wenigstens ein Teil der Auflage als Preis für eine Lotterie ausgesetzt werden sollte.343 Der zweite jüdische Name, der häufiger in den Geschäftsbüchern erwähnt wird, ist »Schamscher«. Er hat vor allem kleinere Werke und hebräische Kalender drucken lassen, die er selbst in den jüdischen Gemeinden der Umgebung vertrieb.344 Druckaufträge für Privatpersonen Den größten Teil der Druckaufträge haben Privatpersonen veranlaßt; die meisten Titel sind der Kasualliteratur sowie der Gebrauchsliteratur zuzurechen.345 Einen zweiten Schwerpunkt bildete die religiöse Erbauungsliteratur. So ließen die Pfarrer von Rodheim und Wehrheim sowie ein Herr von Wild verschiedene Katechismen, der Buchbinder in Solms-Laubach das reformierte Gesangbuch des Ortes und ein Herr Müller ein geistliches Lied drucken.346 Auch der Druckergeselle Braband fertigte »für sich selbst« eine »Sammlung Christlicher Gebete« an.347 –––––––––– 343 Buchdruckerei-Rechnung, 1742, 422 r. 344 Die hebräischen »Sack-« und »Wandkalender« erschienen jeweils in einer Auflage von 2500 Exemplaren. Ebd., 1740, [368] v; Ebd., 1741, 399 r; Ein »Hebräisch Buch« in einer Auflage von 2000 Exemplaren. Ebd., 1741, 401 r. 345 Insbesondere im Jahr 1739 wurden in der Druckerei vor allem carmina produziert. Von den insgesamt 31 Druckaufträgen sind 16 Titel der Kasualliteratur zuzurechnen, die in kleinen Auflagen hergestellt wurden. In den folgenden Jahren wurden jeweils nur 3 carmina gedruckt. Zu der in Homburg gedruckten Kasulliteratur gehören u.a. die Leichenpredigt für Wild- und Rheingraf Karl zu Dhaun, 1732 (Katalog der Stollberg-Stollberg’schen Leichenpredigten, IV, 2, 698–699), die Leichenpredigt für Justus Eberhard Passern, 1733 (Lenz (Hg.): Katalog der Leichenpredigten im Hessischen Staatsarchiv Marburg, 100, Nr. 195) und die Leichenpredigt für Christine Margarethe Passer, geb. Ebert, 1735 (Lenz (Hg.): Katalog der Leichenpredigten in der Hessischen Landesbibliothek Wiesbaden, 125, Nr. 451). Bücherkataloge ließen die Frau des Rats Beyer in Isenburg, der Pfarrer von Rodheim und Herr Böttiger drucken. Während die Bestellungen von Frau Beyer und Herrn Rodheim wohl nur aus privatem Interesse veranlaßt waren, lassen die Auflagenhöhen von 250 bzw. 500 Exemplaren vermuten, daß Herr Böttiger seine Kataloge zu beruflichen Zwecken benutzte. Buchdruckerei-Rechnung, 1739, [309] v; Ebd., 1740, [369] v; [370] v; Ebd., 1741, [398] v. Bereits 1735 war der Nachdruck eines Katechimusses für Kinder von Johann Heinrich Hottinger erschienen: Leichte und gesunde Kinder=Speiß, 41735. Die Vorlage wurde 1723 in Schaffenhausen veröffentlicht. Ebenfalls von Hottinger stammte eine Predigt, die 1738 in Homburg gedruckt wurde: Gegründete Hoffnung Der Bekehrung der Juden. 346 Herr Müller gab den Druck des Liedes Mein Jesus nimmt die Sünder an in Auftrag. Da die Auflagenhöhe mit 100 Stück relativ gering ist, war die Verbreitung des Liedes wohl im privaten Bereich, z.B. innerhalb eines Konventikels, geplant. Bei dem Auftrag des Herrn von Wild handelte

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An drei Stellen wird in den Geschäftsbüchern ein »He[rr] Buchner« in Frankfurt als Empfänger der gedruckten Bücher genannt. Johann Leonhard Buchner war Buchhändler und Verleger in Frankfurt a.M. und bot seine Bücher im Kreuzgang der Barfüßer-Kirche an.348 1739 wurde für ihn ein religiöses Erbauungsbuch, der »Myrrhen-Garten«, in einer Auflage von 2500 Exemplaren hergestellt.349 Dabei handelt es sich um den Nachdruck des von Johann Quirsfeld verfaßten Geistlichen Myrrhen-Gartens, der bereits 1678 in Leipzig erschienen war.350 Vom 25. Oktober bis Ende Dezember 1740 wurden in Homburg 47 ½ Bogen von »Philanders allerneuester Vorrath von Briefen« gedruckt, das erst 1751 in fünf Bänden vorlag.351 Ob nur der erste Teil von der landgräflichen Druckerei produziert und dann der Druckauftrag von einer anderen Druckerei übernommen wurde oder auch die weiteren Bände hier entstanden, geht aus den vorhandenen Quellen nicht hervor. Im Herbst 1741 ließ Buchner noch eine kleine Schrift, die »Nachricht von den Wanzen«, mit einem Umfang von eineinhalb Bogen drucken.352 Neben dem professionell arbeitenden Buchhändler Buchner sind die Druckaufträge des Schreibers der Geschäftsbücher Philipp Werner sowie von Johann Wickmark und Christoph Schütz religiös oder durch eine reli–––––––––– es sich um einen Nachdruck des Catechismus Oder kurtzer Unterricht Von dem Christlichen Glauben, den der reformierte Homburger Hofprediger Johann Balthasar Knabenschuh verfaßt hatte und der in der ersten Auflage bereits 1739 erschienen war. Auch hier spricht die Auflagenhöhe von 120 Exemplaren für einen Vertrieb im privaten Bereich. BuchdruckereiRechnung, 1740, [368] v; [369] v; 371 r; Ebd., 1741; 401 r. Zu Johann Balthasar Knabenschuh und seinem Katechismus vgl. Wetzel: Reformierte Pfarrer, 301–305. Bereits 1736 gab vermutlich Christoph Schütz eine Predigtsammlung von Johann Philipp Widder Wein und Oel zur Heilung des unter die Mörder gefallenen tödtlich verwundeten Menschen in Auftrag. Dabei handelt es sich um einen Nachdruck der Ausgabe, die 1701 bei Andreae in Frankfurt a.M. erschienen war. 347 Buchdruckerei-Rechnung, 1740, [369] v. 348 Johann Leonhard Buchner, der aus Wolckerdorf bei Nürnberg stammte, war von 1724 bis mindestens 1751 als Verleger und Buchhändler in Frankfurt a.M. tätig. 1754 wurde sein Geschäft an Heinrich Ludwig Brönner verkauft. Dietz: Frankfurter Handelsgeschichte, 4,2, 508; Paisey: Deutsche Buchdrucker, 31. 349 Buchdruckerei-Rechnung, 1739, [308] v. 350 In der Verlagsangabe wird Johann Leonhard Buchner genannt. Quirsfeld: Geistlicher Myrrhen= Garten. Der Nachdruck galt zwar als ungehörig, doch noch zu Beginn des 18. Jahrhunderts wurde das Nachdrucken als eine Art Kavaliersdelikt bewertet. Wenn ein Buch besonders erfolgreich war, schien es anderen Druckern statthaft, sich an diesem Geschäft zu beteiligen und den »unchristlichen Gewinn« aufzuteilen. Wittmann: Buchmarkt und Lektüre, 70–71. Bereits 1738 hatte Buchner den Druck der Neuvermehrten himmlischen GartenGesellschaft von Johann Quirsfeld bei Hellwig in Auftrag gegeben. Neben einer Ausgabe in normaler Schriftgröße, wurde eine zweite »mit kleinerer Schrifft« hergestellt. Specification der Bücher, [1] v. Der Titel ist auch im Sortimentskatalog des Johann Jacob Haug in Berleburg nachweisbar. Vgl. Schrader: Hortulus mystico-poeticus, 61, Fußnote 46. 351 Buchdruckerei-Rechnung, 1740, 372 r. 352 Ebd., 1741, [400] v.

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giöse Gruppe motiviert. Auf diese wird innerhalb der Druckgeschichte zum Davidischen Psalter=Spiel und Geistlichen Würtz=, Kräuter= und Blumen=Garten eingegangen. Geschäft ohne Gewinn Die Druckerei produzierte 1739 zwanzig Gelegenheitsschriften und elf Bücher, 1740 fünfzehn Gelegenheitsschriften, fünfzehn Bücher und im Jahr 1741 verringerte sich das Auftragsvolumen auf zehn Schriften und zehn Bücher. Insgesamt wurden 1739 274 Bogen gesetzt und gedruckt, 1740 stieg die Zahl auf 344 Bogen an und sank 1741 auf 227 Bogen. Die Auflagenhöhe hing vom jeweiligen Titel ab: die höchste Auflage weisen mit 120.000 Exemplaren die deutschsprachigen Kalender auf, während die privaten Drucke und Kasualliteratur in Kleinstauflagen von bis zu 120 Exemplaren hergestellt wurden.353 Zwischen diesen beiden Größen schwankten die Buchauflage zwischen 1150 und 2500 Exemplaren.354 Neben dem Faktor Johann Philipp Hellwig und dem Schreiber der Geschäftsbücher Philipp Werner gehörten die Setzer- und Druckergesellen zum Personal der Druckerei. 1739 wurden die Druckergesellen Hemold und Müller sowie der Setzergeselle Damm eingestellt, 1740 kam der Druckergeselle Lindau hinzu. Während diese bis 1741 in Homburg blieben, sind die übrigen Stellen von zwanzig weiteren Gesellen besetzt worden, die nur zeitweise hier tätig waren.355 Der ehemalige Faktor Memhard, der seit dem Zeitpunkt, als Hellwig die Verwaltung der Druckerei übernommen hatte, wieder als Setzer arbeitete, verließ im Februar 1740 die Druckerei und zog von Homburg weg.356 Die Ablösung Memhards durch Hellwig als Faktor war, wie oben bereits dargestellt wurde, ökonomisch motiviert. Die Druckerei sollte wirtschaftlich arbeiten und Gewinne erzielen. Bei der Durchsicht der Geschäftsbücher für den Zeitraum von 1738 bis 1742 zeigt sich, daß die Druckerei keinen bzw. nur einen minimalen Gewinn machte. An dieser Stelle soll keine Bilanz der Druckerei erstellt werden, auch sollen die Eintragungen in den Geschäftsbüchern nicht im einzelnen nachvollzogen werden, sondern nur –––––––––– 353 Ebd., 1740, 371 r. Bei den meisten Aufträgen für ein Carmen wird kein Papier vemerkt, erst ab einer Menge von einem Buch wird der Papierverbrauch angegeben und berechnet. Ebd., 1739, 306 r–[306] v. Die niedrigste angegebene Auflagehöhe sind zwei Buch für Kundschaftszettel. Ebd., 1740, 368 r. 354 Der Geistliche Würtz= Kräuter= und Blumen=Garten wurde in einer Auflage von 1150 Exemplaren herstellt, von dem hebräischen Toldot Adam wurden 2650 Exemplare gedruckt. Buchdruckerei-Rechnung, 1739, 308 r; Ebd., 1740, 369 r. 355 1739 teilten sich dreizehn Gesellen 5,2 Stellen, 1740 fünfzehn Gesellen 6,6 Stellen und 1741 zehn Gesellen 6,5 Stellen. (Als Grundlage einer vollen Stelle wurde eine zwölfmonatige Tätigkeit angesetzt). 356 Buchdruckerei-Rechnung, 1740, [374] v.

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die Tendenzen aufgezeigt werden, wie sie anhand der Gegenüberstellung der Einnahmen und Ausgaben hervortreten.357 1739 wurden durch den Druck (1048,02 Fl) und den Verkauf des Papiers (262,54 Fl) insgesamt 1310, 56 Fl als Einnahmen abgerechnet.358 Stellt man diesem Betrag die Ausgaben für Papier (330, 10 Fl), Verbrauchsmaterialien wie Öl, Haar, Ballen, Holz, Lichter und Schrift (189,03 Fl) und den Arbeitslohn (777,58 Fl) von insgesamt 1297,11 Fl entgegen, beträgt die Differenz, d.h. der Gewinn 13,45 Fl. Im darauffolgenden Jahr nahm die Druckerei für Druckarbeiten (1485,42 Fl) und Papier (470,20 Fl) 1956,02 Fl. ein. Die Ausgaben für Papier (494,03 Fl)359, Schrift (37,40 Fl) Verbrauchsmaterialien (251, 24 Fl), Arbeitslohn (1103,23 Fl)360 und Fastnachtsgeld (15,20 Fl) beliefen sich auf 1901,10 Fl. Damit machte die Druckerei 54,52 Fl Gewinn. 1741 betrugen die Einnahmen für das Drucken (945,44 Fl) und den Papierverkauf (76,50 Fl) 1022, 34 Fl. Im gleichen Jahr wurden für Papier (134,46 Fl), Verbrauchsmaterialien (164,11 Fl), Personalkosten (846,34 Fl) und Fastnachtsgeld (13,30 Fl) 1159,01 Fl ausgegeben. Der Verlust belief sich auf 131,27 Fl. Aufgrund der schleppenden Bezahlung der Auftraggeber standen der Druckerei am Ende eines Jahres noch nicht einmal die gesamten Einnahmen zur Verfügung; das Konto der Druckerei dürfte, selbst in den Jahren, in denen ein kleiner Gewinn erwirtschaftet worden war, nicht im HabenBereich gewesen sein. 2.4 Die Homburger Gesangbücher von 1734 bis 1740 In der Landgräflichen Hof= und Cantzley= Buchdruckerey erschienen zwischen 1734 und 1740 zwei verschiedene Gesangbücher: ein offizielles Kirchengesangbuch und die Liedersammlung der Inspirierten.361 Im folgenden soll auf die Entstehung und Publikation des Hessen=Homburgischen Neu=Vollständiges Gesang=Buchs und des Davidischen Psalter=Spiels eingegangen werden. –––––––––– 357 Auch die Rechenfehler, korrigierten Zahlen und die Zusammenstellung der Posten, die bei einer genauen Bilanzierung aufgeführt und erläutert werden müßten, sowie Pachtgebühren, die zwar in den Geschäftsbüchern verzeichnet sind, aber keine betrieblichen Einnahmen sind, werden hier nicht berücksichtigt. 358 Die Abkürzung Fl steht für Gulden. Einem Gulden entsprechen 60 Kreuzer. 359 Die Zahl ist der Aufstellung auf Blatt [377] v. entnommen. Buchdruckerei-Rechnung, 1740, [377] v. 360 Diese Summe ergibt sich aus den Zahlungen für den Faktor sowie den Schreiber des Geschäftsbuchs 276 Fl und dem Arbeitslohn für die Gesellen 827,23 Fl auf Blatt [377] v. An anderer Stelle ist der Betrag korrigiert worden. Vgl. Ebd., 1740, 375 r; [377] v. 361 Grutschnig-Kieser: »Auf, auf mein Herz und sing«.

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Das Hessen=Homburgische Neu=Vollständige Gesang=Buch Die Idee zu diesem Gesangbuch für die lutherische Bevölkerung der Landgrafschaft Hessen-Homburg ging vom Landgrafen Friedrich III. Jakob aus.362 Die Herausgabe dieser Liedersammlung begründete er mit der »Beförderung der Gottesfurcht und Frömmigkeit aus christ-fürstlicher landesväterlichen Fürsorge«.363 Mit dieser Formulierung werden auch die Grundsätze seiner Kirchenpolitik deutlich. Das Ziel ist nicht mehr der Schutz oder die Durchsetzung einer Konfession, sondern die Einbeziehung aller christlichen Gruppen.364 Die weitere Analyse wird zeigen, daß sich dieses auch in dem aufgenommenen Liederkanon widerspiegelt. Der Landgraf beauftragte den lutherischen Hofprediger Anton Pfaffmann, der vorher Pfarrer in Zweibrücken gewesen war, aber wegen seiner pietistischen Überzeugungen vertrieben worden war, mit der Konzeption des Gesangbuchs. Pfaffmann sammelte die ersten Lieder und ordnete sie Rubriken zu.365 Als er starb, übernahmen der Regierungsrat von Schell und der Rektor der Lateinschule, Johann Wilhelm Hochheimer, die Arbeit am Gesangbuch.366 Nachdem sie den Liedkanon festgelegt und die Lieder den einzelnen Rubriken zugeordnet hatten, stellten mehrere Knaben eine Reinschrift des Manuskripts als Druckvorlage her.367 –––––––––– 362 Dies belegen die Formulierung auf dem Titelblatt »Auf Hochfürstlich=Gnädigsten Befehl ans Licht gestellt« und der Beginn der Vorrede: »Hier hast du das Gesangbuch, welches unser Gnädigster Fürst und Herr aus besonderer Bewegnüß, vor Dero Evangelische Unterthanen, so wohl zum publiquen als Privat-Gebrauch aufflegen zu lassen, gnädigstes Belieben getragen.« [Hochheimer/Schell]: [Vorrede], )( 2 r. 363 Dekret über das Gesangbuch vom 24. Februar 1735. Akten der Landgräflichen Buchdruckerei, 2, 105 r–[106] v. 364 Hartmut Lehmann unterscheidet drei Phasen: in der absolutistischen Kirchen- und Religionspolitik. Die Konfessionalisierung, d.h. der Landesherr schützt eine Konfession und versucht diese in seinem Territorium durchzusetzen, kennzeichnet die erste Phase. In der zweiten Phase wird die Kirchenpolitik zur Machterweiterung genutzt und instrumentalisiert (z.B. der Konfessionswechsel des sächsischen Kurfürsten, um die polnische Königskrone erhalten zu können). Die Kirchenpolitik der Landgrafen Friedrich II. und Friedrich III. Jakob ist der dritten Phase zuzuordnen: »Fast alle folgten sie der ökonomischen Lehre des Merkantilismus, die eine Priorität der Peuplierungs- und Gewerbepolitik vor der Konfessionspolitik postulierte. Teilweise betrieben sie, allen voran Brandenburg-Preußen mit dem Territorialismus, eine über allen konfessionellen Lagern stehende und damit alle christliche Gruppen unterordnende Kirchen- und Religionspolitik.« Lehmann: Zeitalter des Absolutismus, 95. 365 Schütz: Zeugnüß der Warheit wider die Leichtfertige Lügen, 13–14. 366 Reinhard Breymayer hält Schütz für den Bearbeiter des Gesangbuchs. Diese These muß dahingehend modifiziert werden, daß Schütz radikalpietistisches Liedgut an die Herausgeber weitergegeben, aber nicht die Funktion als Bearbeiter oder Herausgeber übernommen hat. Breymayer: Elias Artista, 1991, 48. 367 Nach der Aufzeichnung zum Verlag des Neuen Homburgischen Gesangbuchs haben 13 Jungen ein Gesangbuch erhalten, »so daß gesangbuch geschrieben«. Ob darüber hinaus auch die namentlich genannten Knaben »Rosenstengel, Dariß und Ettig« an der Reinschrift beteiligt waren, kann nur vermutet werden. Der gantze Verlag des Neuen Homburgischen Gesangbuchs. Akten der Landgräflichen Buchdruckerei, 1, 260 r–[304] v. Hier [263] v.

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Das Gesangbuch enthält 1941 Lieder, die thematisch nach Rubriken angeordnet sind. Der erste Teil enthält die Gesänge von Gott (21 Rubriken), der zweite Teil die Gesänge von dem Menschen (61 Rubriken).368 Am Anfang stehen die De-tempore-Lieder, die Rubriken von Nr. 55 bis 59 enthalten die Katechismus-Lieder. Die Lieder zu den drei Ständen sind aufgeteilt, die Gesänge Vom Lehr- und Predigt-Stand sind bei den KatechismusLiedern eingeordnet, Von der Obrigkeit Nr. 75 und Vom Haußstand Nr. 76 stehen innerhalb des Teils der Kasuallieder. Diese Gruppe (Rubriken Nr. 60–82) beginnt mit Sonn-und Feiertagsliedern, dann werden drei pietistische Rubriken Vom wahren und falschen Christentum, Von den Klagen Zions und Von den Hoffnungen Zions eingeschoben, darauf folgen Not- und Danklieder, allgemein und in besonderen Situationen, Lieder zu den zeitlichen Einschnitten im Alltag, dann die bereits erwähnten Lieder für die unterschiedlichen Familienstände und am Ende Lieder zu Krankheit, Tod und Auferstehung. Die pietistischen Rubriken wie z.B. Vom Göttlichen Gnaden=Beruff, Von dem Hunger und Durst Gott in Christo oder Von der wahren Busse und Bekehrung stehen zu Beginn des zweiten Teils und nach den Katechismusliedern.369 Dabei stimmen die Bezeichnungen größtenteils mit den Rubriken des Freylinghausenschen Gesangbuchs überein.370 Dennoch folgt die Anordnung des Rubrikenregisters nicht der pietistischen Lehranschauung, der Oekonomie des Heils, die Freylinghausen dem ersten Teil seines Gesangbuchs zu Grunde gelegt hatte.371 Die pietistische Prägung zeigt sich aber insbesondere in den Erklärungen zu den Rubriken.372 Sie sollen belegen, »Daß man in Eintheilung vorstehender Rubriquen/ vornehmlich der Ordnung des Göttlichen Liebes- und Gnaden-Wercks gefolget«.373 Nach dem Rubrikenregister folgen die Liedtexte mit einer Melodieangabe, aber ohne Noten.374 Bei den meisten Liedern fehlt eine Verfasserangabe. –––––––––– 368 Register der Rubriquen, in: Hessen=Homburgisches Gesang=Buch, [)( 5] v–[)( 6] r. 369 Auf die pietistischen Rubrikenbezeichnungen und den insgesamt pietistischen Charakter des Gesangbuchs weist Siegfried Riemer hin. Die von ihm konstatierte Benutzung alttestamentarischen Vokabulars ist nicht nur im kirchlichen Pietismus, sondern verstärkt auch im radikalen Pietismus festzustellen. Riemer: Philosemitismus, 56–61. 370 Inhalt des gantzen Gesangbuchs, in: Geist=reiches Gesang=Buch, 1704, )()( 6 r–[)()( 7] v. 371 Koski: Lied Mosis, 175–179. 372 Erläuterung der Rubriquen, in: Hessen=Homburgisches Gesang=Buch, [)( 6] v–)( )([1] r. 373 Konrad Ameln hat in seinem Aufsatz auf die Einmaligkeit dieser Rubrikenerläuterung hingewiesen. Ameln: Hessen-Homburgisches Gesangbuch, 49–54. 374 Insbesondere bei umfangreichen Gesangbüchern verzichtete man aus Kostengründen in dieser Epoche fast generell auf die Beigabe von Noten und verwies auf bekannte Melodien oder den Notensatz in anderen Gesangbüchern. Im Homburger Gesangbuch bezog man sich auf die Notensätze in »Halle I« und »Halle II«, die beiden Teile des Geist=reichen Gesang=Buchs von J.A. Freylinghausen, im Lüneburger, Leipziger und Nürnberger Gesangbuch sowie im Choralbuch von Telemann.

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Nur in seltenen Fällen sind Initialen angegeben, deren Auflösung durch Konrad Ameln erfolgte.375 So sind die Lieder Ich armer sünder komm allhier (Nr. 291), Freut euch ihr lieben Christen! (Nr. 1561), Herr Jesu! sey von hertzensgrund gepreiset (Nr. 1563), und Du mein herzt! erfreue dich (Nr. 1842) mit den Initialen F.J.L.Z.H.H. versehen, die als Friedrich III. Jakob Landgraf zu Hessen-Homburg aufzulösen sind. Seine erste Frau, deren Name mit den Initialien E.D.L.Z.H.H. abgekürzt wurde,376 verfaßte Jauchzet frolocket dem Höchsten Gott (Nr. 1564). Aber auch ein anderer Adliger, Johann Samuel von Ploennies, hat ein Lied gedichtet.377 Außerdem werden nur noch die Dichtungen des zweiten Hofpredigers Johann Hartmann Rexrath und des Herausgebers Johann Wilhelm Hochheimer gekennzeichnet.378 In Umfang, Anlage, Ausstattung, Aufführung der Lieder sowie der Berücksichtigung von Gesängen, die vor Ort von Angehörigen des Herrscherhauses, einem Adligen oder Hofprediger gedichtet wurden, unterscheidet sich das Homburger nicht von anderen zeitgenössischen Gesangbüchern. Der Aufbau der Rubriken läßt das Gesangbuch als gemäßigt pietistisch erscheinen. Neben den oben erwähnten Initialen findet man am häufigsten, insgesamt 22 mal, N.L.G.V.Z., die für Nikolaus Ludwig Graf von Zinzendorf stehen.379 Nachdem Zinzendorf 1727 die auf seinem Gut bestehende Kolo–––––––––– 375 Ameln: Hessen-Homburgisches Gesangbuch, 50–51. 376 Elisabeth Dorothea Landgräfin zu Hessen-Homburg. 377 Johann Samuel von Ploennies (I.V.S.P.) dichtete WAnn ich meinen geist betrachte (Nr. 1820). 378 O Vatter! Welchen nichts dann Lieb (Nr. 1092) dichtete Johann Wilhelm Hochheimer (J.W.H.), die Lieder O Du theure GOttes-Liebe (Nr. 1090) und Schau, O JEsu! Dir wir bringen (Nr.1523) sind mit den Initialen I.H.R.R. gezeichnet. Konrad Ameln löste sie als Oberhofprediger Richier auf, was aber falsch ist, da Richier mit Vornamen Pierre hieß. Das Namenskürzel steht für den zweiten Hofprediger Johann Hartmann Rexrath, das zweite tiefgestellte R ist hinzugefügt worden, um ihn von Johnann Henrich Reitz zu unterscheiden, der auch zeitweise in Homburg lebte und für die Stelle des Hofpredigers vorgesehen war. Die Aufnhame der Lieder Rexraths, der am 21. Februar 1733 seine Stelle in Homburg antrat, zeigt, daß das Manuskript zu Beginn des Jahres 1733 noch nicht fertiggestellt war. Ameln: Hessen-Homburgisches Gesangbuch, 51; Wetzel: Reformierte Pfarrer, 312–313. 379 Auf! Ihr Kinder unsrer Liebe! (Nr. 278), Christus ist hinauf geschieden (Nr. 1604), Du heiliger und reiner Geist! (Nr. 978), Du Herr der Tag und Zeiten! (Nr. 1769), Du Vatter über alles das (Nr. 1823), Du Wort der tieffen Ewigkeit (Nr. 313), Hebe hertz dich in die höhe! (Nr. 319), Hertzog von des Höchsten Heer! (Nr. 980), Hertz und hertz vereint zusammen (Nr. 1217), Ich bin ein kleines kindelein (Nr. 1826), Jesu! meine Zuversicht! O Du Hoffnung meines Lebens! (Nr. 1288), Jesu! nimm den sinn (Nr. 954), Kan die liebe dieser erden (Nr. 1815), O Bräutigam der zwey verbundnen hertzen (Nr. 1891), O Herr! der Weißheit Wunder-Grund! (Nr. 1340), O ihr menschen! laßt euch lehren (Nr. 1189), Schöpffer der Natur (Nr. 1524), Seele! ach Seele! du kennest dich nicht (Nr. 748) Seelen-Freund! hier liegt ein hertze (Nr. 749), So hüte doch, Du treuer Menschen-Hüter! (Nr. 1397), So ist nunmehr die hütte abgeleget! (Nr. 1899) Vor Jesus Augen schweben (Nr. 1024). Konrad Ameln weist nach, daß 12 weitere Lieder von Zinzendorf, die aber nicht mit seinen Initialen gekennzeichnet sind, aufgenommen wurden. Auch von Zinzendorfs

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nie der mährischen Brüder in eine fest-organisierte religiöse Gemeinde umgewandelt hatte, versuchte er auch, die radikalen Pietisten in diese Brüdergemeine zu integrieren. Von dieser Annäherung zeugt das Marchesches Gesangbuch von 1731, in das separatistische und radikalpietistische Lieder aufgenommen wurden und das er für die »verstreuten Kinder Gottes hie und da« herausgab.380 Aus diesem sowie dem Vorgängergesangbuch, dem Bertelsdorfer Gesangbuch von 1725/26, stammen Zinzendorfs Lieder.381 Eine Ausnahme bildet das Lied Jesu! meine Zuversicht! O Du Hoffnung meines Lebens! (Nr. 1288), das von einer handschriftlichen Vorlage abgeschrieben wurde.382 Daraus folgert Konrad Ameln, daß ein persönlicher Kontakt zwischen dem Landgrafen und Zinzendorf bestanden haben könnte und so seine Lieder nach Homburg vermittelt wurden.383 Auf seiner Reise nach Frankfurt und durch die Wetterau im September 1730 kam Zinzendorf auch nach Homburg, traf aber den Landgrafen nicht an.384 Die Tatsache, daß ein Beleg für diese Verbindung fehlt und auch nicht alle Lieder Zinzendorfs mit Initialen gekennzeichnet sind, spricht gegen einen persönlichen Kontakt.385 Die Handschrift des Liedes und die Gesangbücher Zinzendorfs sind entweder über andere Adlige oder religiöse Separatisten an den Landgrafenhof und die Herausgeber des Gesangbuchs gelangt.386 –––––––––– Frau, Erdmuthe Dorothea von Zinzendorf, und von dem Berthelsdorfer Pfarrer J.A. Rothe konnte er Lieder nachweisen. Ameln: Hessen-Homburgisches Gesangbuch, 51, Fußnote 8. Zu dieser Gruppe gehören noch die Lieder von Zinzendorfs Großmutter, Henriette Catharina Freifrau von Gersdorf. (H.C.V.G.). Von ihr stammen Ermüde nicht, mein hertz! (Nr. 1059) und Mein hertz ist stets im streit (Nr. 1074). 380 Meyer: Einführung in die Gesangbücher, *23–*32; Meyer: Gesangbücher der alten und neuen Brüderunität, 92–94; Meyer: Zinzendorf und Herrnhut, 32. 381 Ameln: Hessen-Homburgisches Gesangbuch, 51, Fußnote 8. Zu den einzelnen Liedern vgl. Müller: Hymnologisches Handbuch. Zum Bertelsdorfer Gesangbuch: Meyer: Einführung in die Gesangbücher, *14–*22. 382 Von der einheitlichen typographischen Gestaltung des Gesangbuchs weicht der Satz des Liedes folgendermaßen ab: die Zeilen sind von einander abgesetzt und die Strophenzählung ist mittig über die jeweilige Strophe gesetzt. Diese Dichtung zählt nach dem Liederverzeichnis von E. v. Rantzau zu den nur handschriftlich verbreiteten Liedern. Ameln: Hessen-Homburgisches Gesangbuch, 54, Fußnote 18. 383 Ebd. 384 Zinzendorf: Undatierter Bericht. 385 Auf die fehlende Erwähnung des Landgrafen von Hessen-Homburg in Zinzendorf und der fromme Adel seiner Zeit 1928 von H.W. Erbe und in den Zinzendorfbiographien weist bereits Ameln hin. Ameln: Hessen-Homburgisches Gesangbuch, 54, Fußnote 18. 386 Durch seine Abstammung war Zinzendorf mit zahlreichen Familien aus dem Hochadel verwandt. Dazu kamen freundschaftliche Verbindungen zu pietistischen Adeligen, mit denen teilsweise schon seine Großmutter Henriette Catharina Freifrau von Gersdorf in Kontakt gestanden hatte. Besonders die Brüdersiedlung in der Wetterau, die ab 1738 auf dem Herrnhag enstand, zog Adelige an. Die Lieder können auch durch religiöse Separatisten vermittelt worden sein, zu denen Zinzendorf um 1730 im engen Kontakt stand. Beyreuther: Zinzendorf, 1913–1916; Meyer: Zinzendorf und Herrnhut, 6–8; 32.

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In der Tersteegen-Forschung ist das Homburger Gesangbuch bekannt und wird als frühes Zeugnis für die Aufnahme von Tersteegen-Liedern in ein offizielles Kirchengesangbuch gewürdigt.387 Die aufgenommenen 33 Lieder388 stammen aus dem Geistlichen Blumen=Gärtlein Inniger Seelen.389 Diese Liedersammlung war in den 30er Jahren des 18. Jahrhunderts vor allem in separatistischen Kreisen verbreitet.390 Auch in Homburg war es bekannt, da Maria Catharina Schütz mit Tersteegen korrespondierte und seine Veröffentlichungen las.391 Über sie lernte Christoph Schütz die Lieder Tersteegens kennen und gab sie an Hochheimer und von Schell weiter, zu denen er als Kammerschreiber des Landgrafen Kontakt hatte. Die These, daß Christoph Schütz die Texte an die Herausgeber vermittelt habe, wird dadurch bestätigt, daß 41 seiner eigenen Lieder Eingang in das Homburger Gesangbuch gefunden haben.392 –––––––––– 387 Bunners: Gerhard Tersteegens Lieder, 83. Johann Friedrich Goeters nennt dagegen das Homburger Gesangbuch nicht. Neben den separatistischen Gesangbüchern führt er das 1738 erschienene Haus-Gesangbuch von Kaspar Zollikofer an. Goeters: Reformierter Pietismus, 372– 427. 388 Allgenugsam Wesen! das ich mir erlesen (Nr. 1096), Danke dem HErren o seele (Nr. 1728), Das äußre sonnen=licht ist da (Nr. 977), Der Abend kommt die Sonne sich verdecket (Nr. 1741), Die henne lockt das küchelein (Nr. 756), Du aller Geister Ruh! erhöre mein verlangen (Nr. 777), Gib JEsu! daß ich Dich genieß (Nr. 1725), GOtt ist gegenwärtig! (Nr. 1097), Ich bin ein schwaches kind (Nr. 1661), Ich einsam Turtel=Täubelein (Nr. 784), In Jesu Nahmen ich alleine fang (Nr. 1830), Jesu! der Du bist alleine (Nr. 1461), Jesu! mein Erbarmer! höre (Nr. 1664), Jesus=Nahm! Du höchster Nahme! (Nr. 351), Komm Heilger Geist! komm niederwärts (Nr. 659), Laß meinen geist in deinen Armen Jesu (Nr. 1750), Liebster Heyland! nahe dich (Nr. 1359), Liebwerther süßer Gottes=Wille! (Nr. 1293), Mein Erlöser! schaue doch (Nr. 971), Meinen ersten augenblick (Nr. 1711), Mein gantzer sinn, sich gründlich kehret hin (Nr. 956), Nun, so will ich dann mein leben (Nr. 960), O Jesu! Göttlich Wunder=Kind (Nr. 250), O Jesu! König hoch zu ehren! (Nr. 962), O Jesu meines Lebens Licht! (Nr. 1717), O Jesu! schau ein sünder gantz beladen (Nr. 861), O Liebster Herr! ich armes kind (Nr. 746), O Weisheit aller Himmel Zier! (Nr. 1833), Stilles Gottes=Wesen Du! (Nr. 1420), Verborgne Gottes=Liebe Du! (Nr. 767), Wie bist Du mir so innig gut! (Nr. 1120), Wie nichts ist das geschaffne wesen! (Nr. 1100), Willkomm verklärter Gottes Sohn (Nr. 613). 389 Die 33 Lieder stammen aus der ersten oder zweiten Auflage des Geistlichen Blumen=Gärtleins inniger Seelen, das 1729 bzw. 1735 bei dem Duisburger Buchhändler J.G. Böttcher erschienen war. Das Werk ist in vier Bände unterteilt, die Geistlichen Lieder und Andachten stehen im vierten Band. Die zweite Auflage ist nicht, wie Koch angibt, 1731, sondern erst 1735 erschienen. Koch: Geschichte des Kirchenlieds, 6, 63–64; Reinitzer: Gerhard Tersteegen. 390 Über die Rezeption in separatistischen Kreisen, vor allem aber bei Zinzendorf und den Herrnhutern, siehe: Bunners: Gerhard Tersteegens Lieder, 81–85. Vgl. auch: Koch: Geschichte des Kirchenlieds, 6, 66. 391 Zu der Korrespondenz zwischen Maria Catharina Schütz und Gerhard Tersteegen s. Kerlen: Tersteegen, 61; 79–80; 87; 132–133. 392 Ach grosser Gott! du hochgelobter (Nr. 40), Ach Hertzens=Schatz Herr Jesu Christ! der (Nr. 615), Ach Hertzensschatz! Herr Jesu Christ! mein (Nr. 720), Ach ich bin in meinem Hertzen (Nr. 1123), Ach Jesu! Du Schönster (Nr. 1348), Ach liebe menschen! thut doch eilen (Nr. 753), Ach liebster Abba! siehe doch (Nr. 40), Christen! kommt beschauet eben (Nr. 428), Gehe Herr!

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Auch die Liedproduktion der Inspirationsgemeinde ist im Homburger Gesangbuch dokumentiert. Neben acht Dichtungen von Eberhard Ludwig Gruber, die bereits in der zweiten Auflage des Davidischen Psalter=Spiels enthalten waren, sind drei Lieder von ihm und seinem Sohn Johann Adam Gruber aufgenommen worden, die zu diesem Zeitpunkt nur handschriftlich verbreitet waren.393 Die Lieder können nicht über Mitglieder der Inspirationsgemeinde an die Herausgeber gelangt sein, da die Inspirierten erst 1736 mit ihrem Leiter Johann Philipp Kämpf nach Homburg emigrierten. Vermutlich hat auch in diesem Fall Christoph Schütz, der vor 1733 mit den Inspirierten in freundschaftlichem Kontakt stand, das Davidische Psalter=Spiel sowie das Liedmanuskript an die Herausgeber weitergegeben.394 Mit der Aufnahme der Lieder von Zinzendorf, Tersteegen, Schütz sowie Eberhard Ludwig und Johann Adam Gruber gingen die Herausgeber über den Bereich der kirchennahen pietistischen Liedproduktion hinaus.395 Der Leser wird auf diese ungewöhnliche Liedauswahl im Vorwort mit folgenden Worten vorbereitet: »Zwar verspricht man sich eben nicht von einem jeden, daß er alles, was in demselben [Gesangbuch] vorkommt, ohne Unterschied werde approbiren, weil der Ge-

–––––––––– nicht ins gericht mit mir (Nr. 840), Gott Vatter in dem Himmels=Throne! (Nr. 649), Grosser Gott ins Himmels=Throne! Vatter (Nr. 37), Herr Jesu! liebster Freund! (Nr. 1064), Herr stärcke mich schwachen (Nr. 1065), Ich bin voller angst und qual (Nr. 1069), Ich will lieben, und mich üben (Nr. 1141), Ihr menschen thut doch busse (Nr. 852), Jerusalem! du güldne stadt! (Nr. 1928), Jesu! Du mein Leben! der Du mir (Nr. 736), Jesu! Du mein schönstes Lieb! (Nr. 1143), Jesu! mein Bräutigam und Schatz der Seelen (Nr. 1357), Jesum Jesum will ich lieben (Nr. 1147), Jesum ist der mir für allen (Nr. 1358), Komm ach komm, Du Geist des Herren! (Nr. 659), Kommet doch ihr völcker alle! (Nr. 761), Mache dich, mein Geist! bereit (Nr. 1037), Mein Hertzens Jesu! ziehe mich (Nr. 632), Mein Jesu! gib daß ich Dich hertzlich (Nr. 1150), Mein Jesu ziehe mich aus dem getümmel (Nr. 1846), Mein Jesu ist mein Leben (Nr. 367), Merckt auf, ihr menschen=kinder all! (Nr. 859), O Brunnquell aller Güter! (Nr. 665), O Edle Lebens=Quelle! Herr Jesu (Nr. 797), O Geist des Herrn! Jehova! (Nr. 51), O Jesu süsse Seelen=Lust (Nr. 707), O! wie verlanget mich (Nr. 849), Reiner Geist des Herren Herren! (Nr. 675), Süsses Lämmlein! Liebes=Flämmlein (Nr. 1160), Wacht auf, ihr armen seelen! (Nr. 768), Wie bin ich doch so hertzlich froh (Nr. 852), Wo bist Du schönster Bräutigam! (Nr. 1162), Zeuch doch mein hertz, stets himmel=wärts (Nr. 1101). 393 Eberhard Ludwig Gruber verfaßte: Die Zeit eylt nach der Ewigkeit (Nr. 1860), Diß ist der Tag, den Du Herr! hast erkohren (Nr. 1768), Herr! weil wir deinen Engeln gleich (Nr. 64), Hertzliebster Jesu! dank sey Dir (Nr. 224), Jesu! wahres Lebens=Brot! (Nr. 786), O Du Drey=Einger Gott, der Liebe (Nr. 38), Weil selbst der Herr mein Hirt (Nr. 715), Wann kommt doch einst das rechte Neue Jahr (Nr. 301). Bis dahin noch unveröffentlicht waren: Der das Wort hat ausgebohren, in der stillen Ewigkeit (Nr. 201); und Jesus ist der Engel freund! (Nr. 68). Johann Adam Gruber schrieb das Lied Richtet euch doch selbst allzeit (Nr. 1041). Hedwig T. Durnbaugh nahm die Zuschreibung der Lieder an Eberhard Ludwig und Johann Adam Gruber vor. Die Verfasserin dankt ihr für eine ausführliche Liste der von den Inspirierten gedichteten Lieder. 394 Trotz seiner Auseinandersetzung mit Rock hat er auch in sein eigenes Gesangbuch Lieder der Inspirationsgemeinde aufgenommen. 395 Auf die kirchenkritischen Lieder im Homburger Gesangbuch macht bereits Siegfried Riemer aufmerksam. Vgl. Riemer: Philosemitismus, 60–61.

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schmack an geistlichen Dingen, unter den Menschen eben so sehr differiret, als im leiblichen. Findet demnach der scharffsehende Leser ein und anders, so ihme etwa als Spreu und Stoppeln vorkommt, wolle er darum nicht gleich das gantze Werck verwerffen; Er dencke vielmehr, daß wir noch nicht daheim und in des Vatters Hause sind, wo alle Dinge in der schönsten und vollkommensten Harmonie stehen, sondern annoch in einem frembden Lande wohnen, da uns von den Trachten, Gebräuchen, Sitten und Gewohnheiten, so in dem Land unserer Frembdlingsschafft üblich sind, auch manches anklebet. Wie leicht ists geschehen, daß in Sammlung vieler Achtel Waitzen, was Spreu mit drunter, kommt? Wolte man dann desßwegen den Waitzen gleichfalls hinweg werffen? Das sey ferne. Man blase nur jenen davon, so wird man hernach manches dienliches und sättigendes Körngen finden, welches Krafft und Safft in sich hat.«396

Diese Argumentation schließt sich an die Aufforderung des »Alles prüfet, das Gute behaltet« (1 Thess 5,21) an, die in radikalpietistischen Veröffentlichungen häufig als Motto verwendet wurde, um vor der Vorverurteilung von Sonderlehren als Häresien zu warnen.397 1737 war bereits die Erwähnung dieser Bibelstelle verdächtig, wie Schrader anhand des Kommentars zur Berleburger Bibel dokumentiert.398 Damit belegt diese Passage im Vorwort die Nähe der Herausgeber zum Gedankengut des radikalen Pietismus. Erst als zweiten Grund führen die Herausgeber an, unter Zeitdruck gestanden und deshalb nicht jedes Lied geprüft zu haben.399 Druck und Vertrieb des Homburger Gesangbuchs Der Landgraf beabsichtigte, den Druck des Gesangbuchs vorzufinanzieren, und richtete dafür eine Lotterie ein.400 Mit dem Los erwarb der Käufer ein Anrecht auf ein Gesangbuch, darüber hinaus konnte er noch einen Preis gewinnen.401 Dieses Verfahren, durch Lotterien Kapital für den Druck eines –––––––––– 396 [Hochheimer/Schell]: [Vorrede], [)( 4] v. 397 Auch Christoph Schütz fordert seine Leser in den Vorworten, z.B. zum Geistlichen Würtz= Kräuter= und Blumen=Garten oder zum Opus Mago-Cabbalisticum von Georg von Welling auf, Toleranz zu üben und auszuwählen. Vgl. Kapitel 3.1. 398 Schrader: Literaturproduktion und Büchermarkt, 385–386, Fußnote 82. 399 »Wer auch noch ferner vernünfftig überlegt, daß diejenigen, welche an diesem Werck gearbeitet, ohne dem ihre täglich zugeschnittene so häuffig= als wichtige Geschäfften haben, mithin diese Gesangbuchs=Arbeit, die Presse zu fördern, offtmahls dermassen eilfertig verrichten müssen, daß nicht ein jedes Lied, der Gebühr nach, ponderiret werden können, der wird es in Liebe tragen, wann er, wie bey sich selbst, noch manches antrifft, welches etwa einer Verbesserung bedürffte.« [Hochheimer/Schell]: [Vorrede], [)( 4] v. 400 Schütz: Zeugnüß der Warheit wider die Leichtfertige Lügen, 13–14. 401 »Er kan es eine Praenumeration nennen/ und seine 6. Batzen drauff praenumeriren/ und wann das Buch fertig ist/ es vor sein Geld nehmen/ und wann ihme ja bey Ziehung der Lotterie noch etwas durchs Looß zufiele/ und er es nicht annehmen wolte/ so könte er es ja den Armen geben [...]« Schütz: Zeugnüß der Warheit wider die Leichtfertige Lügen, 28; 6 Batzen entsprechen 24 Kreuzern oder 8,4 Groschen. Damit lag der Betrag etwas über dem üblichen Preis für Gesangbücher von 6 bis 8 Groschen. Kapp/Goldfriedrich: Geschichte des Buchhandels, 2, 305.

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Werkes zu erhalten und andere, meist schlecht verkäufliche Literatur als Preis auszusetzen, war im Verlagswesen der Zeit nicht unüblich.402 Allerdings waren es meist eingeführte Verlage, die durch die Lotterie ihre Lager abbauen wollten, dagegen gab es in der erst 1733 eingerichteten Homburger Druckerei noch keine größeren Lagerbestände. Aus diesem Grund setzte der Landgraf Geldpreise aus.403 Die Organisation der Lotterie unterstand dem Registrator Winter und war damit von der inhaltlichen Arbeit am Gesangbuch und dem Druck völlig unabhängig. Er ließ die ersten Lose im November 1732 verkaufen.404 Bis November 1733 konnten Lose im Wert von 720 Gulden abgesetzt werden. Danach scheint das Interesse an der Lotterie erloschen zu sein, da keine weiteren Zahlungen abgerechnet wurden. Neben Winter werden noch zwei Waisenkinder »bei der Lottery« erwähnt, allerdings wird nicht deutlich, ob sie die Lose verkauft oder die Ziehung vorgenommen haben.405 In den Akten zur Hochfürstlichen Hof= und Cantzley= Buchdruckerey findet sich ein Heft mit einer Abrechnung zum Homburger Gesangbuch.406 Danach wurden insgesamt 6124 Exemplare gedruckt und im Laufe des Dezembers 1734 49 als Belegstücke abgegeben und verschenkt.407 Nur an einer Stelle werden 10 verkaufte Bücher erwähnt.408 Auch sonst ist in den Akten keine Abrechnung zu finden, in der aufgeführt wird, wie viele Gesangbücher durch die Lotterie abgegeben wurden und wie hoch die Zahl der verkauften Exemplare war. –––––––––– 402 Kapp/Goldfriedrich: Geschichte des Buchhandels, 2, 330–332; Kirchhoff: Lesefrüchte aus den Acten, 197–208. Über die Bücherlotterien von Johann Jacob Haug berichtet Schrader. Schrader: Literaturproduktion und Büchermarkt, 237. 403 »[...] und die etliche hundert Gulden so zur Lotterie oder zum Glücks=Looß vermacht/ auf ordentliche manierliche Weise durchs Looß an die Interessenten oder Theilhabern dieses Buchs ausgetheilet werden.« »Und es hätte mein Herr/ der Herr Landgraff/ Hoch=Fürstl. Durchl. nicht nur mit gutem Gewissen das Geld/ so er zu der Lotterie vermacht hat/ vor sich behalten können/ und die Lotterie weg lassen/ [...].« Schütz: Zeugnüß der Warheit wider die Leichtfertige Lügen, 25; 28. Die Einnahmen durch den Verkauf der Lose sollten zum einen für den Druck des Gesangbuchs verwandt, zum anderen sollten sie, nach Erscheinen des Gesangbuchs, als Geldpreise verlost werden. Allerdings reichte der Erlös aus dem Losverkauf nicht dazu aus, die gesamten Druckkosten auszugleichen. Einnahmen von 720 Gulden standen Ausgaben von über 974 Gulden und 140 Albus entgegen. Da die Ausgaben nur bis zum 19. April 1734 verzeichnet wurden, das Gesangbuch aber erst im Dezember erschien, ist diese Abrechnung unvollständig. Lotterie. Einnahmen und Ausgaben. Akten der Landgräflichen Buchdruckerei, 1, 85 r–88 r. 404 Ebd. 405 Verlag des Neuen Homburgischen Gesangbuchs, [263] v. 406 Verlag des Neuen Homburgischen Gesangbuchs. 407 Verlag des Neuen Homburgischen Gesangbuchs, 260 r–[263] v. 408 Verlag des Neuen Homburgischen Gesangbuchs, [280] v. Danach sind im Januar 1735 50 Bücher von Chrisoph Schütz in Kommission genommen worden. Später hat er zehn Bücher für 5 Fl käuflich erworben und weitere, vermutlich beschädigte Exemplare geschenkt bekommen.

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Am 24. Februar 1735 erließ der Landgraf ein Dekret, das wegen des unerwartet niedrigen Absatzes des neuen Gesangbuchs zustanden gekommen war.409 Er verfügte, daß in den Kirchen der Landgrafschaft nur noch aus dem neuen Gesangbuch gesungen werden dürfe. Zu diesem Zweck stiftete er auch die Tafeln, auf denen die Liednummern in Zukunft angeschlagen werden sollten. Die Pfarrer verpflichtete er dafür zu sorgen, daß in jedem Haus mindestens ein Exemplar des Gesangbuchs vorhanden sei. Damit führte der Landgraf das Gesangbuch offiziell in allen evangelischen Gemeinden der Landgrafschaft ein. Aufgrund des Konfessionswechsels der Homburger Landgrafen und der Hessen-Darmstadt vorbehaltenen Kirchenaufsicht kam den Homburger Oberpfarrern eine relativ große Bedeutung zu. Sie wurden zwar in Darmstadt in ihr Amt eingeführt und waren rechtlich Hessen-Darmstadt unterstellt, de facto standen sie aber einer eigenen Landeskirche vor. Dagegen beanspruchte der Landgraf, der sich nicht als Vertreter der Reformierten verstand, sondern als Mittler zwischen den Konfessionen, die Kontrolle über die lutherische Kirche. In dieser Situation ist das Gesangbuchprojekt Landgraf Friedrichs III. Jakob nicht nur als ein persönliches Bekenntnis zum Pietismus zu werten, sondern auch als eine politische Handlung, mit der er sich von Hessen-Darmstadt abgrenzte und seine volle Souveränität postulierte.410 Über die Gründe, warum das Gesangbuch zuerst nicht angenommen wurde, kann nur spekuliert werden. Der Landgraf versicherte zwar, daß er einen Teil der Unkosten übernommen habe, damit sich alle seine Untertanen, auch die armen und notleidenden, das Gesangbuch leisten könnten.411 Dennoch ist es denkbar, daß die Gläubigen es aus finanziellen Überlegungen abgelehnt haben, sich das neue Gesangbuch zuzulegen, oder das alte erschien ihnen für ihre Bedürfnisse ausreichend. Ein weiterer Grund könnte in der emotionalen Bedeutung des Gesangbuchs liegen, das ähnlich wie die Familienbibel als Identitätszeichen der Familie galt und dem z. T. auch magische Kräfte zugeschrieben wurden.412 Dagegen dürften inhaltliche –––––––––– 409 Dekret über das Gesangbuch vom 24. Februar 1735, [105] v–106 r. 410 Jutta Taege-Bizer hat in ihrem Vortrag Pietistische Hofkultur und gräfliche Herrschaft am Beispiel des Grafenhauses Solms-Laubach die politische Dimension einer pietistischen Hofkultur betont. So stellte sie dar, daß die pietistischen Korrespondenzen und Konventikel die barocke Festkultur ersetzten und an die Stelle ständisch-adliger Solidarität ein christlich motiviertes Vertrauensverhältnis innerhalb der Schloß-Ekklesiola trat. Im Gegensatz dazu ist die Kirchenpolitik Landgraf Friedrichs III. Jakob im Zusammenhang eines absolutistischen Herrschaftsverständnisses zu sehen. Den Vortrag hat Jutta Taege-Bizer auf dem 1. Internationalen Kongreß für Pietismusforschung, der vom 28. 8.–1.9.2001 in Halle an der Saale stattfand, gehalten. 411 Dekret über das Gesangbuch vom 24.2.1735, 105 r. 412 François: Religiöses Buch, 222–223; 228.

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Bedenken weniger eine Rolle gespielt haben, da Proteste gegen pietistische Gruppen in Homburg erst ab 1750 aktenkundig sind.413 Noch im Herbst 1746, als es zur Veräußerung der Druckerei kam, waren Restexemplare vorhanden, so daß man den Hofgärtner mit dem Verkauf beauftragte.414 Das Davidischen Psalter=Spiel Das zweite in Homburg erschienene Gesangbuch ist die 1740 erschienene dritte Auflage des Davidische[n] Psalter=Spiel[s] der Kinder Zions von den Alten und Neuen auserlesensten Geistesgesängen. Dazu erscheint in der Buchdruckerey-Rechnung von 1739 unter dem 1. April der Eintrag »Psalterspiel von alten und neuen gesängen, achtundfünfzig Bogen für mich selbst, einer Auflage von 2050«.415 Berechnet werden nur die Druckkosten von 320 Gulden 56 Kreuzer; das Papier stellte der Auftraggeber. Der Empfängervermerk »für mich« ist die Selbstbezeichnung des Schreibers des Rechnungsbuchs, Philipp Werner. Dennoch ist zu vermuten, daß nicht er selbst der Verleger des Gesangbuchs war, sondern die Inspirationsgemeinde, die auch die Druckkosten übernahm. 1726 waren die Söhne Philipp und Friedrich des reformierten Pfarrers Werner aus der Pfalz der Inspirationsgemeinde in Büdingen beigetreten.416 Der führende Prophet Johann Friedrich Rock nahm Philipp Werner mehrmals mit auf seine Reisen durch die Gemeinden, auf denen sie auch die Gruppe in Homburg besuchten.417 Späte–––––––––– 413 Im Repertorium über die Akten der ehemaligen Landgrafschaft Hessen-Homburg werden unter der Signatur X c Dissidenten-Sachen für diesen Zeitraum nur zwei Akten erwähnt. 1695 eine Darmstädtische Erklärung zum Pietismus und 1751/52 eine Akte zu den Inspirierten. »Die durch die Gemeinden der vermeintlichen Inspirierten entstehende Unordnungen in der Kirche überhaupt.« Da dieser Bestand zu den Kriegsverlusten gehört, konnte er nicht ausgewertet werden. Hagemann: Repertorium über die Acten der ehemaligen Landgrafschaft Hessen-Homburg. [Handschriftl.] 1882. Hessisches Hauptstaatsarchiv Wiesbaden Abt. 310, 2, 79. Nach W. Rüdiger gab es im Großherzoglichen Haus- und Staatsarchiv in Darmstadt eine Akte »Vertilgung derer Fanaticorum zu Homburg v. d. H. 1751, 1767«. Rüdiger: Johann Philipp Kaempf, 87, Fußnote 16. 414 »Wird dem fürstlichen Hoffgärtner Schultz der Verkauff derer annoch vorhandenen hiesigen Gesang=Bücher dergestalt committiert, daß Er die geringste Sorte auff Druckpappier um 24 kr, die 2te Sorte auff SchreibPappier à 36 kr und die 3te Sorte auff feinem PostPappier à 1 Fl verkaufen solle.« Aktenvermerk. Homburg, 27. Oktober 1746. Akten der Landgräflichen Buchdruckerei, 1, 447 r–448 r. 415 Der Druck des Gesangbuchs dauerte bis zum Ende des Jahres 1739. BuchdruckereiRechnung, 1739, 309 r. 416 Goebel: Geschichte der wahren Inspirations=Gemeinden, 1854, 433. 417 Am 16. Mai 1736 traten J.F. Rock, Johann Ludwig Nagel und P. Werner eine Reise ins Wittengensteinische an und im Sommer desselben Jahres (ab dem 20. August 1736) besuchten J.F. Rock, P. Werner und Jonas Wickmark Württemberg und die Schweiz. Nachdem sie eine Reisordre erhalten hatten, begaben sich J.F. Rock, J. Wickmark und P. Werner am 2. Juni 1738 über Homburg nach Zweibrücken. Nach Goebel begleitete P. Werner J.F. Rock bereits 1729 auf einer Reise, auf der sie den Baron von Stein in Mühlhausen am Neckar besuchten. 1741 reisten Rock, Werner und Wickmark nach Chur und Graubünden. Scheuner: Inspirations=Historie, 191; 196; 207. Goebel: Geschichte der wahren Inspirations=Gemeinden, 1855, 373; 376.

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stens 1739 zog Werner dorthin und führte die Rechnungsbücher der landgräflichen Druckerei. Die letzte Abrechnung stammt vom 5. März 1742, dann bricht die Überlieferung ab. Werner blieb als Anhänger der Inspirationsgemeinde in Homburg, scheint aber keine leitende Funktion eingenommen zu haben.418 Die Auflage von über 2000 Exemplaren ist relativ hoch, da sich das Gesangbuch nur an einen kleinen Rezipientenkreis wandte. Zu der Homburger Filialgemeinde gehörten nicht mehr als 60 Personen.419 Daher war die Auflagenhöhe für alle Inspirationsgemeinden und Sympathisanten der Inspirierten sowie die Mission berechnet. Die Distribution erfolgte durch die Gemeinde selbst. Auf den zahlreichen Missionsreisen und bei Besuchen der Filialgemeinden, die die Inspirierten bis nach Wittgenstein und in die Schweiz führten, sind die Gesangbücher verbreitet worden.420 Exkurs: Die Veröffentlichung der Extracta Die erhaltenen Geschäftsbücher führen noch weitere Titel auf, die im Zusammenhang mit der Inspirationsgemeinde stehen. 1739 wurden die »Inspirations-Zeugnisse an die so genannte Herrnhuter und einige besondre seelen und die gewechselte Briefe zwischen ihnen u[nd] denen so genanten Inspirierten« in einer Auflage von 2000 Exemplaren gedruckt.421 Im darauffolgenden Jahr gab Philipp Werner die »Fünfte Sammlung von besondern Oeffnungen des Geistes, und dem Diario der wahren Inspirationsgemeinen« in Auftrag.422 Allerdings reduzierte man die Auflagenhöhe um die Hälfte. Die sechste und siebte »Sammlung von Oeffnungen des Geistes« wurden 1741 für H[errn] Wickmarck hergestellt.423 Diese Eintragungen belegen, daß die Bände 4–7 der Aufrichtige[n] und warhaftige[n] Extracta bei Hellwig in Homburg, allerdings ohne Angabe des Druckers und des Druckorts, erschienen sind.424 –––––––––– 418 Er wird 1757 als einer der Begleiter erwähnt, die mit P.G. Nagel nach Neuwied reisten. Scheuner: Inspirations=Historie, 315. 419 Für die frühe Zeit sind keine Zahlen überliefert, 1751 haben ca. 60 Personen an den Versammlungen teilgenommen. Rüdiger: Johann Philipp Kaempf, 87. 420 Die Reisen, die Rock 1740 und 1741 unternahm und bei denen auch die Gesangbücher in die einzelnen Gemeinden gelangten, hat Ulf-Michael Schneider dokumentiert. Schneider: Propheten der Goethezeit, 204–205. 421 Buchdruckerei-Rechnung, 1739, 307. Aufrichtige und warhaftige Extracta, 4 (1739). 422 Buchdruckerei-Rechnung, 1740, [367] v; Aufrichtige und warhaftige Extracta, 5 (1740). 423 Buchdruckerei-Rechnung, 1741, 399 r; [400] v; Aufrichtige und warhaftige Extracta, 6 (1741). 424 In der Forschungsliteratur war die Frage nach dem Druckort und der Druckerei der Extracta bisher völlig ungeklärt. Schneider: Propheten der Goethezeit, 37–44. Hans-Jürgen Schrader vermutet aufgrund des »gleichartige[n] grobe[n] und nahezu schmucklose[n] Satz[es]«, daß die Oktavbändchen in einer eigenen Gemeindedruckerei erschienen sind. »Der Druck wird dann mutmaßlich am jeweiligen Hauptsitz der Gemeinschaft erfolgt sein. Der bestand bis 1740 auf

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In diesen Sammlungen oder Extracta dokumentierte die Gemeinde die Aussprachen ihres Werkzeugs Rock und berichtete über die Missions- und Besuchsreisen in die Filialgemeinden.425 Da die Aussprachen als Wort Gottes, das der Heilige Geist dem Werkzeug eingibt, verstanden wurden, lag ihre Veröffentlichung nahe. Bereits zwischen 1715 und 1725 gab die Inspirationsgemeinde in regelmäßigen Abständen dreizehn Schriften heraus. 426 1719 erschien die erste Sammlung mit Aussprachen der Werkzeuge Johann Carl Gleim, Johann Adam Gruber und Johann Friedrich Rock. Nach einer elfjährigen Pause begannen 1736 die Extracta wieder zu erscheinen; der letzte Band wurde 1789 veröffentlicht. Die Streitigkeiten mit der Herrnhuter Brüdergemeine und ihr konkurrierendes Auftreten in der Wetterau war nach Hans Schneider der Anlaß dafür, daß die Inspirierten ihre Publikationstätigkeit wieder aufnahmen.427 In diesem Zusammenhang steht auch die hohe Auflagenzahl des ersten Teils der Sammlung. Sie war nicht nur für die eigenen Gemeindemitglieder gedacht, sondern sollte darüber hinaus die Funktion einer Legitimationsschrift übernehmen, mit der man auf die Beschuldigungen der Herrnhuter reagierte. Die Bände sind, wie bereits Schrader beobachtet, einfach ausgestattet und schmucklos gesetzt. Das läßt vermuten, daß auch die ersten drei Bände in Homburg gedruckt wurden.428 Unter diesen Voraussetzungen ist der Erscheinungsbeginn der Extracta nicht nur durch Streitigkeiten mit den Herrnhutern motiviert, sondern war auch erst durch die Ansiedlung einer Filialgemeinde in Homburg, die die Verhandlungen mit dem Drucker Hellwig übernehmen konnte, möglich geworden.429 Innerhalb des Erscheinungsverlaufs begann mit der 13. Sammlung 1758 eine zweite Periode.430 Der Titel wurde in J.J.J. Sammlung Das ist [...] Auszug Aus denen Jahr=Büchern der Wahren Inspirations=Gemeinschafften geändert und jedem Band ein Sachregister beigegeben. Diese Veränderungen gingen auf den neuen Redakteur der Zeitschrift, Paul Gisebert Na–––––––––– der Ronneburg südwestlich Büdingens, dann [bis 1753] in der wenige Kilometer südöstlich gelegenen Reichsstadt Gelnhausen.« Schrader: Literaturproduktion und Büchermarkt, 440. 425 Zu den Missions- und Besuchsreisen der Inspirierten in die Schweiz vgl. Schrader: Inspirierte Schweizerreisen, 351–380. 426 Schneider: Propheten der Goethezeit, 37–44. 427 Schneider, Hans: Inspirationsgemeinden, 203–206. 428 Dagegen spricht auch nicht, daß die 4. Sammlung der Extracta, die 1738 erschienen ist, nicht im Geschäftsbuch von 1738 aufgeführt wird, da sie vermutlich vor Beginn des Berichtzeitraums, d.h. zwischen dem 1. Januar und 31. März, gedruckt worden ist. 429 Die Inspirierten dürften durch Christoph Schütz gewußt haben, daß bei Hellwig in Homburg radikale Schriften gedruckt werden konnten. Nachdem sich aber Schütz 1733 von ihnen losgesagt hatte, konnten sie ihn nicht mehr um die Vermittlung von Druckaufträgen bitten. Erst als Kämpf 1736 nach Homburg emigriert war, wurde der Kontakt zur landgräflichen Druckerei und zu Hellwig aufgenommen. 430 Vgl. für den folgenden Abschnitt Schneider: Propheten der Goethezeit, 40–44.

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gel, zurück.431 Nachdem mit dem Tode Rocks das letzte Werkzeug der Gemeinde verstummt war, fing Nagel an, systematisch nach Mit- und Abschriften der Aussprachen in den Gemeinden zu suchen.432 Diese stellte er chronologisch in Diarien zusammen, die dann später als Druckvorlage dienten. Ulf-Michael Schneider vermutet, daß Nagel auch den Druck der Sammlung selbst überwacht hat. Daraus folgert er, daß die 13. bis 17. Sammlung »in Neuwied oder doch in engster räumlicher Nachbarschaft gedruckt worden« ist.433 1779 starb Nagel, und Jonas Wickmarck übernahm die Herausgabe der Sammlungen. Da Wickmarck auf die Vorarbeiten Nagels zurückgreifen konnte, erschienen in schneller Folge zwischen 1780 und 1785 zwanzig Bände. Wickmarck, der in Lieblos lebte, war zu diesem Zeitpunkt schwach und kränklich; es ist daher auszuschließen, daß er selbst zur Druckerei nach Neuwied reiste.434 Entweder übernahm ein anderer diese Reisen, oder Wickmarck wechselte zu einer neuen Druckerei. Wer nach seinem Tod 1785 die Redaktion der letzten Auszüge übernahm, konnte bisher noch nicht ermittelt werden. Werner wird noch bei drei weiteren Schriften als Auftraggeber in den Akten der Hofdruckerei genannt. Es erschienen 1739 »Kindliches LiebeLob des Schöpfers oder Betrachtungen [von den] Geschöpfen«435, 1740 »Geistlicher Krämer-Korb mit 7. beschloßenen Laden oder erklärung der 7. seligkeiten«436 und »Evangelium Nicodemi von der passion, auferstehung und Höllenfahrt Jesu Christi«437 jeweils in einer Auflage von 1000 Stück. Bei diesen Titeln handelt es sich um Nachdrucke von Andachtsliteratur, die –––––––––– 431 Paul Gisebert Nagel gehörte in Rocks letzten Lebensjahren zu seinen ständigen Begleitern und Protokollanten. Nach dessen Tod übernahm er zusammen mit Jonas Wickmark die Leitung der Inspirationsgemeinde. Goebel: Geschichte der wahren Inspirations-Gemeinden, 1855, 385. 432 Ulf-Michael Schneider belegt, daß Nagel nicht nur in den deutschen Gemeinden, sondern auch bei dem ehemaligen Werkzeug Johann Adam Gruber in Germantown nachfragte. Schneider: Propheten der Goethezeit, 41–42. 433 Ulf-Michael Schneider beruft sich auch auf Schrader, der verschiedene Belege für den Druckort Neuwied bringt und den Drucker Johann Balthasar Haupt nennt. (Nach Paisey war Haupt von 1736 bis 1752 als Hofbuchdrucker und Verleger tätig). Als Verleger könnte nach Schneider auch der Buchbinder Keller, der auf dem Titelblatt eines weiteren von Nagel herausgegebenen Werks erscheint, in Frage kommen. Paisey: Deutsche Buchdrucker, 97; Schneider: Propheten der Goethezeit, 42–43; Schrader: Literaturproduktion und Büchermarkt, 125; 432, Fußnote 52. Den Hinweis darauf, daß Buchbinder im 18. Jahrhundert auch verlegten und Buchhandel betrieben, findet sich bei: Kapp/Goldfriedrich: Geschichte des Buchhandels, 2, 108–109; Wittmann: Geschichte des deutschen Buchhandels, 90. 434 Scheuner: Inspirations=Historie, 379. Mit anderen Anhängern der Inspirationsgemeinde wurde Wickmarck aus Gelnhausen ausgewiesen und siedelte sich 1753 in Lieblos an. Ebd., 271. 435 Buchdruckerei-Rechnung, 1739, 309 r. 436 Ebd., 1740, 367 r. »Geistlicher Krämer-Korb, Mit sieben beschlossenen Laden, Worinnen Eine kurtze und geistreiche Erklärung Der sieben Seeligkeiten« enthalten war 1707 [ohne Angabe des Druckortes] bereits in der zweiten Auflage erschienen. 437 Ebd., [367] v.

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Werner vermutlich auch außerhalb der Inspirationsgemeinde vertreiben wollte. 2.5 Der Geistliche Würtz= Kräuter= und Blumen=Garten Die erhaltenen Geschäftsbücher von 1739–1741 erlauben es, die Druckgeschichte des Geistlichen Würtz= Kräuter= und Blumen=Gartens für diesen Zeitraum zu rekonstruieren.438 Dagegen hat sich zur Distribution und Rezeption kein aussagekräftiger Quellenbestand erhalten. Trotzdem soll im folgenden versucht werden, aufgrund der Belege, die zur Distribution der anderen Schriften von Christoph Schütz vorhanden sind, wie auch seiner Stellung innerhalb des radikalpietistischen Kommunikationsnetzes mögliche Distributionswege aufzuzeigen.439 Druck und Verlag des Geistlichen Würtz= Kräuter= und Blumen=Gartens Da das Vorwort des ersten Bandes mit dem »30. August 1738« datiert ist, lag dieser wahrscheinlich zur Herbstmesse 1738 vor.440 Bereits für die Ostermesse des folgenden Jahres kündigte Christoph Schütz im Vorwort das Erscheinen des zweiten Teils an.441 Vermutlich sollten auch die folgenden Bände im Halbjahresrhythmus herauskommen. Tatsächlich begann der Druck des zweiten Bandes erst am 1. April 1739 und dauerte bis Ende Juli 1739.442 Damit war er zur Herbstmesse erhältlich. Ein Jahr später stellte die Druckerei den dritten Teil fertig.443 Nachdem die ersten drei Bände im Jahresrhythmus erschienen waren, dauerte es bis 1744, ehe der nächste Teil herauskam.444 Die Abrechnung belegt, daß bereits im Anschluß an den dritten Band mit dem Druck des nächsten Bandes begonnen worden war. Bis zum Endes des Jahres waren 23 Bogen, d.h. über ein Drittel, gedruckt.445 Obwohl Schütz zu diesem Zeitpunkt mit 268 Gulden in Rückstand –––––––––– 438 Christoph Schütz hatte schon bei Memhard Drucke in Auftrag gegeben. So werden in der Abrechnung, die vor der Anstellung Hellwigs aufgestellt wurde, zwei für Herrn Schütz gedruckte »Tractätger« und »Herr Schützen tract[at] Von der Wiedergeburt« genannt. Extract verschiedener Rechungen und Beylagen, 66 r. 439 Vgl. Kapitel 4.2.1. 440 Schütz: Vorrede, 1738, [):( 4] v. 441 Ebd., [):( 4] r. 442 Buchdruckerei-Rechnung, 1739, 308 r. 443 »Vom 3. Febr. bis 23. Jul. Dritter Theil des geistlichen Würtz- Kräuter- u. BlumenGartens oder universal-Gesangbuchs in 8. für He Schütz, 61 ½ bogen, mit Garamond-Schr. eine auflage von 1150. oder 2. ries, 6. buch.« Ebd., 1740, 370 r. 444 Titelblatt In: Geistlicher Würtz= Kräuter= und Blumen=Garten, 4. 445 »Vom 26. Jul. bis ult. Dec. Vierter Theil des universal-Gesang-Buchs in 8. Für H. Schütz, 23 bogen mit Garamond-Schrift, einer auflage von 1150. oder 2. ries, 6. buch.« BuchdruckereiRechnung, 1740, [371] v.

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war, wurde die Arbeit bis Mai fortgesetzt.446 Dann veranlaßte Schütz eine Unterbrechung und gab eine Predigtsammlung des pietistischen Autors Johann Philipp Widder in Auftrag.447 Bis zum Ende des Rechnungsjahres standen von Schütz noch 180 Gulden aus.448 Den Druck der ersten zwei Bände hatte Christoph Schütz bis zum Rechnungsschluß bezahlen können. 1740 konnte er seine Außenstände nicht begleichen. Vermutlich hatte sich der bisherige Kreis der Rezipienten durch die chiliastisch-kirchenkritische und damit ausdrücklich radikalpietistische Vorrede des dritten Teils stark verkleinert. Schütz konnte dann durch den Verkauf der Predigten wieder einen Gewinn erzielen, mit dem er das Gesangbuch subventionierte. Doch erst 1743 hatte er – vermutlich durch Geldspenden und den Vertrieb anderer Schriften – wieder soviel Geld eingenommen, daß er das Projekt fortsetzen konnte. Die Ausrichtung des Bandes und die moderaten Töne, die er in der Vorrede anschlägt, zeigen, daß er nun versuchte, gezielt breite pietistische Kreise als Käufer und Leser anzusprechen. Doch der Abbruch des Projekts mit dem fünften Band belegt, daß ihm das nicht mehr gelang. Distribution im Kontext des pietistischen Kommunikationsnetzes Durch seine persönlichen Kontakte sowie einen ausgedehnten Briefwechsel, der allerdings nur in geringen Teilen erhalten ist, war Christoph Schütz am pietistischen Kommunikationsnetz beteiligt und konnte über dieses sein Gesangbuch bekannt machen. Schütz führte vom 12. Mai 1725 bis Mitte 1727 mit dem Amtmann Fischer eine Korrespondenz.449 Die meisten Fragen –––––––––– 446 »Herr Schütz soll 1. pag. 7 u. 10. 11. für den 3ten Theil des univ. Gesb. Fl 319: 42 Kr 23 bogen im 4ten Theil 118: 55 438: 37 hat bezahlt 169: 42 bl. schuldig 268: 55.« Ebd., 1740, [376] v. »Vom 1. Jan. bis 10. Mai Im vierten Theil des Universal-Gesangbuchs, in 8. für Herr[n] Schütz 12. bogen mit Garamond-schrift, einer aufl. von 1150 od. 2. ries, 6.buch.« Ebd., 1741, [399] v. 447 »Vom 26. Mai bis 15. Sept. Der für die welt leidende Jesus, in 26. Passions-predigten vorgestellt von H. Widder, in 4. für Herrn Schütz, 46. bogen, mit Cicero-Fr.-schrift einer auflage von 2000 od. 4. ries.« Ebd., 1741, 400 r; Widder: Leidender Jesus. 448 »Herr Schütz soll pag. 6. et 7. für Gesangbuch u. Predigten Fl 246: 1 Kr noch von voriger Rechnung de A[nn]o 1740 p. 20. 268: 55 Summa 514: 56 hat zahlt 334 bleibt schuldig 180: 56« Am 5. März 1742 stand diese Summe immer noch aus. Buchdruckerei-Rechnung, 1741, [412] v; Ebd., 1742, [429] v. 449 Der letzte datierte Brief stammt vom 22. Mai 1727. In den 30er Jahren korrespondierte Schütz mit dem Druckerverleger Christoph Sauer und einem Freund aus Springfieldt-Mamerts in

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stellte Fischer zu radikalpietistischen Lehren, aber er bat auch um die Beurteilung verschiedener Schriften. Parallel zu den Briefen wurden auch Manuskripte und gedruckte Traktate ausgetauscht. Im vierten Brief schrieb Fischer, daß er die handschriftlichen Lieder von Schütz für druckenswert halte, und bat um ein Exemplar des bereits erschienenen »Lieds von der Wiederbringung«.450 Dem Brief vom 18. Januar 1726 legte Fischer zwei Traktate über die Absonderung bei.451 Darauf antwortete Schütz: »Was die 2. communicirte Büchlein von der Absonderung betrifft/ so berichte/ daß ich dem so hinten angebunden/ und von der seeligen Jungfer A. Bourignon geschrieben worden/ beystimme«.452 Am 17. März 1727 fragte Fischer an, ob Schütz ihm Schriften von Pierre Poiret schicken könne.453 In seiner Antwort schrieb Schütz, daß er die Bücher von Poiret nicht gelesen habe, weil diese in französischer Sprache erschienen seien, bot aber an: »[...] weil aber Ew[er] L[ieben] doch solche Sprache verstehen/ so getraue ich sie ihm also wohl zu verschaffen/ und erwarte darzu nur weitere Ordre.«454 Darüber hinaus schickte er einen Brief mit, den Poiret verfaßt haben sollte. 455 –––––––––– Pennsylvania. Christoph Schütz an [Johann Gottlieb] Fischer, Umstadt, 22. Mai 1727, in: Schütz: Geistliche Correspondentz, ²1731, 2, 155–252. Mori: Egenolff-Lutherische Schriftgießerei, 36. 450 [Johann Gottlieb] Fischer an Christoph Schütz, E., 20. Mai 1725, in: Schütz: Geistliche Correspondentz, ²1731, 1, 46–47. Hier 46. Mit dem Lied von der Wiederbringung ist: »Das Ewige Evangelium Zur Verherrlichung des Namens GOTTES« von 1725. gemeint. In einem Lied mit 58 Strophen stellt Schütz die Lehren von der Wiederkunft Christi, des 1000 jährigen Reichs und der Wiederbringung aller Dinge dar und ruft zur Buße auf. 451 [Johann Gottlieb] Fischer an Christoph Schütz, H., 18. Januar 1726, in: Schütz: Geistliche Correspondentz, ²1731, 1, 369–372. 452 Christoph Schütz an [Johann Gottlieb] Fischer, Umstadt, 24. Januar 1726, in: Schütz: Geistliche Correspondentz, ²1731, 1, 372–389. Hier 389. Zur Rezeption der Schriften von Antoinette Bourignon im Pietismus vgl. Orde: Antoinette Bourignon. 453 »Bey dieser Gelegenheit bitte ohnschwer zu melden/ ob er keine von Hn Poiret Schrifften in Handen habe/ oder dazu verhelffen kan; dann mir deucht Hr. Poiret habe des Böhmen Gedancken von GOtt und denen seelischen Creaturen/ welche etwas dunckel seyn/ besser erörtert/ worvon ich zwar ehedessen was gelesen= solches aber nicht recht verstanden habe.« [Johann Gottlieb] Fischer an Christoph Schütz, E., 17. März 1727, in: Schütz: Geistliche Correspondentz, ²1731, 2, 1–3. Hier 2. 454 Christoph Schütz an [Johann Gottlieb] Fischer, undatiert [2. Brief], in: Schütz: Geistliche Correspondentz, ²1731, 2, 3–24. Hier 3. Von dem Anhänger der Inspirationsgemeinde Rösch ließ sich Schütz Bücher im Wert von 4 Fl besorgen. Das Geld wurde über Freunde oder Bekannte ausgezahlt. Schütz: Zeugnüß der Warheit wider die Leichtfertige Lügen, 52. 455 »Es ist mir auch vor kurtzem ein geschriebener Brief zu Handen kommen/ davon dieser seelige Mann der Autor seyn solle; in welchem er einem seiner vertrauten Freunden seine inwendige Glaubens=Ubungen entdecket; welches gewißlich ein gar fürtreffliches Werck ist [...]«. Diesen Brief druckt er auch im Anhang ab. Ihm lag vermutlich nicht der originale Brief vor, sondern eine Briefabschrift, von denen einige in pietistischen Kreisen kursierten. Christoph Schütz an [Johann Gottlieb] Fischer, undatiert [2. Brief], 3–4; Der erste Brief [im Anhang]. Darinnen einer seine innerliche Glaubens=Ubungen seinem vertrauten Freund entdeckt, in: Schütz: Geistliche Correspondentz, ²1731, 2, 368–392.

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Dieser Briefwechsel gibt einen Einblick in das (radikal-)pietistische Kommunikationssystem. In den Briefen diskutierte man theologische Fragen oder erbauliche Themen, man schickte sich eigene unveröffentlichte Schriften, die eigenen gedruckten Traktate sowie Veröffentlichungen anderer. Ferner beauftragte man den Briefpartner mit der Beschaffung von Literatur. Dabei sah man den Brief nicht als ein privates Medium, das nur auf den Absender und den Empfänger beschränkt war. Durch das Vorlesen in einem Konventikel, das Abschreiben und Versenden an andere Briefpartner und durch die Veröffentlichung von Briefen im Druck war potentiell die Verbreitung innerhalb des pietistischen Kommunikationsnetzes in Deutschland, der Schweiz und Pennsylvania möglich. Die radikalpietistische Zeitschrift Geistliche Fama war ein Medium, das zwischen den in aller Welt zerstreuten und einander unbekannten Wiedergeborenen Gemeinschaft stiften sollte.456 Dazu wurden »verschiedene Nachrichten und Geschichte von Göttlichen Erweckungen/ Wegen/ Führungen und Gerichten/ allgemeinen und besonderen Begebenheiten/ die zum Reich Gottes gehören« abgedruckt.457 Hinter diesem Programm stand die pietistische Ekklesiologie, die nicht mehr auf die Ortsgemeinde und den Gottesdienst in der örtlichen Pfarrkirche beschränkt war, sondern die Gesamtheit der Wiedergeborenen, die in allen Teilen der Welt und in allen Konfessionen lebte, in einer Kirche im Geiste vereinigen wollte. Auch für die Verbreitung der radikalpietistischen Schriften von Christoph Schütz läßt sich die Distribution über das Korrespondenznetz bis nach Pennsylvania belegen. Nachdem 1725 die erste Auflage seiner Liedersammlung Geistliches Harpffen-Spiel erschienen war, verschickte er einen Teil an Freunde und Korrespondenzpartner.458 Ein Freund, der zwei Exemplare erhielt, sandte eines an einen Bekannten nach Mannheim.459 Von dort aus gelangte es nach Germantown, wo es in der deutschsprachigen Gemeinde kursierte. Obwohl der Pietismus um die Mitte des 18. Jahrhunderts –––––––––– 456 Zeller: Geschichtsverständnis und Zeitbewußtsein. Als Beispiel sei die Veröffentlichung der Vision von Stephan Koch genannt. Koch, der mit Gesinnungsgenossen in Europa korrespondierte, schickte einen Bericht über seine Visionien an Johann Lobach in Krefeld. Über Barthold Jürgen Petersen in Altona gelangte der Brief an den Herausgeber der Fama, der ihn 1736 im 20. Stück der Geistlichen Fama veröffentlichte. 457 Geistliche Fama, 1, ²1730. Die Zeitschrift erschien von 1730–1740 in 30 Lieferungen. Begründer und erster Herausgeber war Johann Samuel Carl; die folgenden Lieferungen 20–23 betreute nach seinen eigenen Aussagen Johann Christian Edelmann. Schneider schränkt diese Aussage ein, »beim 22. Stück stammte von Edelmann nur die Vorrede, den Hauptteil besorgte Georg Lukas Künzel«. Wer dann die Redaktion übernahm ist unklar, es könnte Hector Charles Marquis de Marsay gewesen sein. Schneider: Pietismus im 18. Jh., 164; 193–194. Fußnoten 408– 411; Schrader: Literaturproduktion und Büchermarkt, 209–210; Schrader: Sulamiths verheißene Wiederkehr, 95–96; 103. 458 Schütz: Geistliches Harpffen-Spiel, 1725. 459 Christoph Schütz an Heinrich Ehrenfried Luther, Homburg, 4. Oktober 1740, 35.

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seine Bedeutung als geistesgeschichtliche Reformbewegung verlor, bestanden die pietistischen Kommunikationsnetze weiter. In Groß-Umstadt hat sich ein Brief erhalten, der die Lektüre der Geistlichen Correspondentz noch am Ende des 18. Jahrhunderts in theosophischen Kreisen belegt.460 Eine weitere Vertriebsform, die für die Werke von Schütz nachweisbar ist, waren die Buchspenden, die auf der einen Seite Geschenke für Arme waren, auf der anderen Seite für eine weite Verbreitung des radikalen Gedankenguts sorgten.461 Schrader erwähnt den separatistischen Drucker und Buchhändler Johann Heinrich Bodmer aus Zürich und seinen Freund Ratgeb, die Bücher, vor allem das Traktat Milchkind, an die mittellose Landbevölkerung abgaben. Diese Aktionen finanzierten sie zum Teil aus eigenen Mitteln, zum Teil aus Spenden. Auch Johann Adam Raab verteilte großzügig missionarische Buchgeschenke: »über vier hundert Tracktaegen weggeschenckt/ denn es meine Absicht war/ durch Buecheraustheilen viele Aergernus abzuwenden und den Nechsten zur Aenderung zu bewegen.«462 Ebenso verfügte Maria Katharina Schütz für ihre Stiftung, daß die Armen »nebst der leiblichen Gabe, die sich unter den Händen verzehret, auch nach vorfallenden Umständen ein und ander erbauliches Buch, als die Bibel und Arndts wahres Christenthum, ihnen in die Hande und also GOttes Wort nahe ans Hertz geleget werde, damit das Reich GOttes befördert und die Armen nach Leib und Seele erquikket und getröstet werden mögen.«463

In diesem Zusammenhang sind auch die verschiedenen Büchersendungen zu sehen, die Schütz seit 1729 nach Pennsylvania schickte. Er berichtete davon in einem Brief: –––––––––– 460 »Der junge Hr. Riev. traf mich also D. 12ten Mertz [1789] noch schwach und kaum erholend an, da ich dann des c[ammer]s[schreib]erl[ichen] C. Schützens Buch Christl. Correspondenz genant, erst mit attention durchgelesen, die nöthigen Pfosten [sic] unterstrichen. [...] E[uer] L[ieben] der Br[uder Riev] benebst alle andere werden daraus sehen u[nd] erkennen: daß wir den c[ammer]s[schreib]erl[ichen] Aut[or] Schütz zu unser Richtschnur u[nd] Wegweiser nicht annehmen können, nachdem wir schon viel, viel stärckere Speise gewohnt.« Johann Wentzel an Philipp Christian Knodt, Cassel 10. Jan. 1790. (Der Brief befindet sich in Privatbesitz, eine Kopie hat Herr Sighard Volp der Autorin zugänglich gemacht). Der Adressat (*1.8.1757 †12.1.1825 ?) war mit der Familie des nach Pennsylvania ausgewanderten Holzapfel verschwägert. Familienregister der lutherischen Gemeinde Groß-Umstadt. Nr. 1755/15, Nr. 1792/2. 461 Schrader weist darauf hin, daß es bereits unter den Spiritualisten des 17. Jahrhunderts üblich war, Bücher als Almosen zu verschenken. Die folgenden Beispiele sind seiner Arbeit entnommen. Schrader: Literaturproduktion und Büchermarkt, 265. 462 Johann Adam Raab: Der wahre und gewisse Weg durch die Enge † Pforte Zu Jesu Christo, und zugleich Historische Erzehlung/ wie wunderlich von Jugend auf von GOtt gefuehret [...] [Nürnberg, 1703]. Zitiert nach Schrader: Literaturproduktion und Büchermarkt, 266, 491, Fußnote 79. 463 Schütz: Letztes Testament und Stiftung, 125.

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»so kriegte ich das Jahr darauff (und zwar anno 1729, wie ich mich erinnere) einen Brieff, drinn heraus, darinnen man mir von diesem Büchlein [Geistliches HarpffenSpiel] Meldung that, und mich ersuchte, eine Parthy hinein zu schicken, mit versichern: daß Sie ihren Seegen darinnen haben würden, welches denn auch also geschah, und weil man mir das Jahr darauff wieder schriebe und noch mehr verlangte, so schickte ihnen noch mehr, und weil in solcher Zeit meine Güldene Rose und geistliche Correpondentz auch waren gedruckt worden, so legte [ich] davon etliche Exempl[are] zur Probe bey [...]«464

1731 erhielt er ein weiteres Schreiben aus Germantown, in dem man ihn wieder bat, eine »gute Partie« von allem zu schicken. Der Verfasser des Briefes begründete dieses weitere Gesuch damit, daß es an erbaulichen Büchern mangele und besonders die Leute, die auf dem Lande wohnen und nicht durch Pfarrer und Lehrer unterrichtet würden, in Gefahr seien, in ein »wildes Heydenthum wegen grober Unwissenheit« zu fallen.465 Daraufhin entschloß sich Schütz, neben seinen eigenen Schriften »noch eine gute Parthie von Bibeln, Neuen Testamenten, Arnds Christenthümern, Kempis Nachfolge J. C. und andere dergleichen viele mehr« binden zu lassen und nach Pennsylvania zu schicken.466 Da er keine Glaubensgenossen motivieren konnte, dieses Projekt mitzufinanzieren, mußte Schütz die Kosten von über 1000 Gulden selbst übernehmen und sich dafür Geld leihen.467 Über die Verteilung der Bücher verfügte er, daß die Empfänger sie »denen Armen die sie begehrten umsonst den vermögenden aber um einen billigen Preiß geben und solches Geld, das die Vermögenden bezahlten, ebenfalls an die Arme [...] austheilen solten.«468 Während die Büchersendungen, die Schütz bis dahin zusammengestellt hatte, nur kleinere Schenkungen waren, ist dieses Unternehmen als missionarisches und karitatives Großunternehmen anzusprechen. Von den Adressaten, die für eine gerechte Büchervertei–––––––––– 464 Christoph Schütz an Heinrich Ehrenfried Luther, Homburg, 4. Oktober 1740, 37. 465 Ebd., 35. 466 Ebd. 467 »Ich kan es nicht abläugnen, daß meine Glaubens=Proben dabey sehr schwer gewesen, weil mir nicht nur niemand darinnen wolte beystehen, sondern auch sogar diejenige die viel Wercks vom Christenthum machen, und mir alle meine Last gleichsam nur mit einem Wort hätten abnehmen könne, solches nur nicht thaten, und nicht einen Heller darzu gaben, sondern es mir noch darzu als eine große Verwegenheit und Thorheit auslegten, daß ich solches getan hätte [...]«. Ebd., 35–36. Das Unverständnis über Buchgeschenke, die an die Grenzen der finanziellen Möglichkeiten des Schenkenden gingen, hat auch Johann Adam Raab von Glaubensgenossen und Familienmitgliedern erfahren. Schrader: Literaturproduktion und Büchermarkt, 266. 468 Christoph Schütz an Heinrich Ehrenfried Luther, Homburg, 4. Oktober 1740, 35. Nach diesen Regeln, die Schriften von Reichen bezahlen zu lassen, dagegen an Arme kostenlos zu verteilen, und die Einnahmen für karitative Zwecke zu verwenden, wurde auch bei der Distribution der Bücherlegate aus dem Halleschen Waisenhausverlag verfahren. Schrader: Literaturproduktion und Büchermarkt, 266.

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lung sorgen sollten, ist nur einer bekannt: Christoph Sauer.469 Der später als Drucker berühmt gewordene Sauer war nicht nur der Mittelsmann für die Schütz’schen Buchgeschenke, sondern sorgte auch für die gerechte Abgabe der Bücher und Bibeln aus dem Verlag des Waisenhauses in Halle. Die Frage, ob die Schriften von Christoph Schütz durch radikalpietistische Buchführer und Verleger vertrieben wurden, kann durch die vorliegenden Quellen nicht beantwortet werden. Im Vorwort zum ersten Band des Geistlichen Würtz= Kräuter= und Blumen=Garten kündigt Schütz an, den zweiten Teil »biß auf nächst=künfftige Oster=Meß auch ans Licht zu bringen«.470 Die Nennung des Termins der Messe deutet darauf hin, daß das Gesangbuch während der Zeit der Frankfurter Buchmesse erhältlich war und vermutlich abseits der offiziellen Verkaufstände durch radikalpietistische Verleger vertrieben wurde. Neben diesen innerpietistischen Vertriebswegen konnten einige Publikationen von Schütz auch über den offiziellen Buchhandel bezogen werden. Der Leipziger Buchhändler Theophilus Georgi gab ab 1742 das Allgemeine Europäische Bücher=Lexicon heraus. Er selbst beschrieb es im Vorwort als gedruckte Ausgabe seines Handkatalogs oder »Bücher-Memorial[s], das ist ein solch Buch, darinnen aller Verlag derer Buchhändler, nach Ordnung des Alphabets zu finden«.471 Seine über 53 Jahre geführten Aufzeichnungen, die über 120.000 Titel umfaßten, erschienen in Leipzig von 1750–1758. Nach Goldfriedrich diente das Bücher=Lexicon, das »unmittelbar aus dem Geschäftsleben erwachsen« war, der Lagerinventur für Buchhändler und Antiquare.472 Georgi führt insgesamt sieben Bücher auf, die Christoph Schütz verfaßt oder herausgegeben hatte. Für die ersten Schriften wird als Bezugsadresse der mutmaßliche Drucker Lammers in Gießen angegeben.473 Das Traktat Der Göttliche Liebes=Triumph und Sieg der Warheit wurde von –––––––––– 469 In dem Brief von Schütz an Luther heißt es: »und schrieb denen, an die ich die Bücher addressirte«. Vielleicht gehörte auch »ein anderer guter Freund aus Springfieldt=Mamerts in Pensylv.«, den Schütz an späterer Stelle im Brief erwähnt, zu den Empfängern der Buchsendungen. Christoph Schütz an Heinrich Ehrenfried Luther, Homburg, 4. Oktober 1740, 35; 36. 470 Schütz: Vorrede, 1738, [):( 4] r. 471 Georgi, Theophil: Vorwort, in: Ders.: Allgemeines Europäisches Bücher-Lexikon, 1, [1] r–[1] v. 472 Kapp/Goldfriedrich: Geschichte des Buchhandels, 2, 117. 473 Georgi: Allgemeines Bücher-Lexikon, 2, 72. Eberhard Heinrich Lammers arbeitete von 1729–1762 als selbständiger Buchdrucker, Verleger und Buchhändler. Zuvor stand er als Faktor der Druckerei seiner Schwiegermutter, der Witwe von Johann Reinhard Vulpius, vor. Nach ihrem Tod erbte er die Druckerei und erhielt das Privileg des Universitätsbuchdruckers. In den zwischen 1718–1720 bei Lammers erschienenen Dissertationen gibt er als Drucker den Namen seines Vorgängers und seinen eigenen an. Für die folgenden Jahre bis 1729 konnte Hermann Schüling keine Dissertationen nachweisen. Hübener: Gießener Verlagsdruckerei, 4; Paisey: Deutsche Buchdrucker, 149; Schüling,: Dissertationen und Habilitationsschriften.

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dem Drucker und Buchhändler Friedrich Wilhelm Förster vertrieben.474 Die bei Johann Philipp Hellwig in Homburg gedruckten Titel sind entweder mit dem Hinweis »Hamburg [!]«475 oder mit der Angabe eines anderen Verlagsbuchhändlers verzeichnet worden.476 Das Universalgesangbuch wird zweimal unter dem Stichwort Gesangbuch genannt: mit dem Erscheinungsjahr 1746 wird das »Geistl. Würtz= Kräuter= und Blumen=Gärtlein oder Universal-Gesang=Buch, 5 Theile«, das in Frankfurt über Fleischer für 2 th 8 gr zu beziehen war, aufgeführt. Für den gleichen Preis war der 1744 gedruckte »Blumen=Garten oder Universal-Gesang=Buch, 5 Theile« zu haben, als Bezugsadresse wird aber nur der Verlagsort »Hamburg« genannt.477 Der Preis von 2 Reichstalern, 8 Groschen liegt, wenn man ihn auf die einzelnen Bände umrechnet, bei 6 Groschen pro Band und damit im mittleren Preisniveau.478 Ab 1747 vertrieb Johann Friedrich Fleischer479 zahlreiche Schriften von Christoph Schütz. Zur Ostermesse 1747 annoncierte er den »Geistlichen Würtz= Kräuter= und Blumen=Garten, oder Universalgesangbuch«, das von Schütz herausgegebene »Opus mago-cabbalisticum & theosophicum« des Georg von Welling und »Der für die Sünden der Welt leidende JEsus«, die Passionspredigten von Johann Philipp Widder, deren Druck Schütz

–––––––––– 474 »Gedruckt auf Kosten des Autors und zu finden in Franckfurt bey Friedrich Wilhelm Förstern. Im Jahr 1730«. Schütz: Der Göttliche Liebes=Triumph, Titelblatt. Für diesen Band gibt Georgi Förster als Bezugsadresse an. Georgi: Allgemeines Bücher-Lexikon, 2, 72. Friedrich Wilhelm Förster war zwischen 1716 und 1759 als Verleger und Buchhändler tätig. Um 1725 (?) kaufte er die Firma Georg Heinrich Oehrling und verlegte in der Zeit von 1724 bis 1747 zusammen mit Paul Heinrich Hort und dessen Erben. Paisey: Deutsche Buchdrucker, 63. 475 Recte: Homburg. »Hamburg« ist ein Abschreibefehler bzw. eine Fehllesung des Druckers. 476 »1735 Die ewige Weißheit und wahre sichere Weg zur höchsten Glückseeligkeit in Zeit und Ewigkeit. Hamburg«, »1744 Blumen=Garten oder Universal-Gesang=Buch. Hamburg«. Das von Schütz herausgegebene und bei Hellwig 1735 gedruckte Werk von Georg von Welling »Opus mago-cabbalisticum & theolog. vom Ursprung, Natur, Gebrauch u. Eigenschafft des Saltzes, Schwefels u. Mercurii« wurde durch [Johann Ludwig?] König und [Johann Benjamin] Andreae in Frankfurt vertrieben. Georgi: Allgemeines Bücher-Lexikon, 1, 303; 3,1, 336; 141. 477 Der Grund für die zweifache Nennung des Titels und die unterschiedlichen Angaben des Erscheinungsjahrs sind nicht ersichtlich. Allerdings belegt dies, daß Georgi die Bücher wohl nicht selbst autopsiert hat, sonst wäre ihm aufgefallen, daß es sich um denselben Titel handelt. Vermutlich handelt es sich bei dem Erscheinungsjahr 1746 um einen Fehler, da es keine Hinweise auf ein neues Titelblatt gibt. 478 Goldfriedrich erstellte anhand der Angaben im Georgi eine Preisliste für Gesangbücher und kommt zu dem Ergebnis, daß »ein Preis von 6 oder 8 Groschen der üblichste« war. Kapp/Goldfriedrich: Geschichte des Buchhandels, 2, 305. 479 Johann Friedrich Fleischer übernahm den väterlichen Verlag und eröffnete 1710 in Frankfurt eine Buchhandlung. Seine Verlagsbuchhandlung gehörte zu den bedeutendsten Verlagen im 18. Jahrhundert. Dietz: Handelsgeschichte, 501–502; Paisey: Deutsche Buchdrucker, 62; Schmidt: Deutsche Buchhändler, 251–255.

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1741 in Auftrag gegeben hatte.480 Ältere Veröffentlichungen von Schütz bot er zur Ostermesse 1749 an.481 Wie es zur Übernahme der Titel in das Sortiment von Fleischer kam, ist nicht eindeutig zu rekonstruieren. Im Herbst 1746 war die landgräfliche Buchdruckerei verkauft worden, vielleicht lagerte noch ein Teil der von Hellwig gedruckten Schriften hier, der dann von Fleischer übernommen worden sein könnte. Für diese These spricht, daß neben den Veröffentlichungen von Schütz auch die Predigt »Der tieffe Grund Und die vortreffliche Frucht Des Ohnerlöschlichen Adels« des Hofpredigers Johann Hartmann Rexrath im Meßkatalog zur Ostermesse 1749 aufgeführt wurde.482 Darüber hinaus hatte Schütz aber auch seine früheren Werke, die bei Lammers in Gießen herausgekommen waren, an Fleischer abgegeben. Die Veröffentlichungen fügten sich gut in das Angebot Fleischers von erbaulichen, theosophischen und alchemistischen Schriften ein. Daher war die Aufnahme der Veröffentlichungen von Christoph Schütz eine sinnvolle Ergänzung seines Programms.483 –––––––––– 480 Diese Angaben sind dem Katalog in der Herzog-August-Bibliothek in Wolfenbüttel entnommen, der für die Meßkataloge einen Zugriff über Verlage bietet. Diesem Katalog liegen für das 18. Jahrhundert ebenso wie der Microfiche-Edition die Leipzgier Meßkataloge (die bis 1759 im Verlag Grosse, ab 1759 bei Weidmann verlegt wurden) zugrunde. Von den amtlichen Meßkatalogen, die in Frankfurt bis zur Ostermesse 1750 herausgegeben wurden, sind aus der Zeit, in der Schütz veröffentlichte, nur die Ausgaben zur Ostermesse 1733 (in der Stadt- und Universitätsbibliothek in Frankfurt) und 1731 (in der Universitätsbibliothek Tübingen) erhalten. In der Herzog-August-Bibliothek in Wolfenbüttel, in der Bayerischen Staatsbibliothek in München, in der Österreichischen Nationalbibliothek, in der Niedersächsischen Staats- und Universitätsbibliothek und in der Staatsbibliothek zu Berlin sind aus dem gesuchten Zeitraum keine Meßkataloge aus Frankfurt vorhanden. Der Frankfurter Meßkatalog erschien ab 1608 im Verlag des Sigismund Latomus und seiner Erben. Nachdem die Witwe 1656 gestorben war, erbten die Töchter Anna Kunigunde, die mit dem kaiserlichen Notar Caspar Engelhardt verheiratet war, und Maria Magdalena, die Johann Konrad Steindecker geehlicht hatte, den Betrieb. Beide Parteien stritten sich um den Verlag des amtlichen Meßkatalogs, bis der Kaiser 1703 das alleinige Recht an Engelhardt und dessen Erben verlieh. Catalogus Universalis, Frankfurt a.M. Ostermesse; Catalogus Universalis, Frankfurt a.M. Ostermesse 1733. Benzing: Buchdrucker, 130, Nr. 38; Fabian (Hg.): Meßkataloge, Microfiche-Edition; Paisey: Deutsche Buchdrucker, 54; 152. Das Opus Mago-Cabbalisticum führt Georgi das erste Mal im Hauptwerk mit dem Erscheinungsjahr 1735 auf. Im ersten Supplementband wird eine 1747 bei Fleischer erschienene Ausgabe angegeben. Dabei handelt es sich nicht um einen Nachdruck, sondern um die von Fleischer übernommene Restauflagen von 1735. Erst 1760 und 1784 erschienen bei Fleischer zwei Nachdrucke. Georgi: Allgemeines Bücher-Lexikon, 1, 303; Ebd., 3,1, 388; Jungmayr: Georg von Welling, 121–123. 481 Das Zeugniß der Wahrheit wider die Lügen und Lästerungen, Geistliches Harffen=Spiel, die Güldene Rose, die Geistliche Correspondentz und Neues Liebeslied, nebst dem Lied Mosis. Nach dem Verlagskatalog zu den Meßkatalogen in Wolfenbüttel. Im zweiten Supplement des Georgi (mit dem Berichtszeitraum bis 1754) wird noch Lammers als Bezugsadresse für das Geistliche Harffen=Spiel angegeben. Georgi: Allgemeines Bücher-Lexikon, 3,2, 317. 482 Verlagskatalog zu den Meßkatalogen in Wolfenbüttel. Rexrath: Tieffer Grund. 483 Im Meßkatalog zur Ostermesse 1747 führt Fleischer folgende religiösen, theosophischen und alchimistischen Veröffentlichungen auf: »Böhms Jac deutliche Beschreibung des Steins der Weisen, nach seiner Materie nach seinen Zeichen und Farbe nach seiner Kraft und Würckung und was insgemein bey diesem Werck in acht zu nehmen«; »Edelmanns, Joh Christ verblendete

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Zensurmaßnahmen gegen die Schriften von Schütz sind nur für die Güldene Rose in Bern belegt.484 Im Jahr 1743 erschien eine Liste mit verbotenen Büchern, auf der neben der Güldenen Rose der Geistliche Kalender von Abraham Kyburz, die Werke von Johann Conrad Dippel, Schriften des Anhängers der Inspirationsgemeinde Eberhard Ludwig Gruber, die Traktate der Herrnhuter Brudergemeine und das Ewige Evangelium von Paul Siegvolk standen. Rezeption der Schriften von Christoph Schütz Die Mehrzahl der Publikationen von Christoph Schütz ist in der Fortgesetzten Sammlung485, dem »Zentralorgan der lutherischen Orthodoxie«, besprochen worden.486 Mit diesem Rezensionsorgan reagierte Valentin Ernst Löscher auf die große Menge an pietistischer und heterodoxer Literatur, die auf dem deutschen Büchermarkt erhältlich war und die intensiv rezipiert wurde.487 Da es nicht mehr möglich war, auf jede einzelne pietistische bzw. radikalpietistische Veröffentlichung im Rahmen eines Elenchus mit einer –––––––––– Anblicke des Moses mit aufgedecktem Angesicht nach ihrer wahren Beschaffenheit vorgestellt von Georg Thomas Wagner«; »Polemanni, Joach. novum Lumen medicum in welchem Helmontii vortreffliche Lehre von dem hohen Geheimniß des Sulphuris Philosophorum gründlich erkläret wird«; »Risugdasbii, D. Sam. Gespräch vom Stein der Weisen, nebst der rechten Materie daraus der Lapis philosophorum gemacht wird, dem noch beygefügt Achatii Myconii Bericht vom Stein der Gesundheit und des Reichsthums«. 1749 bietet er die folgenden Publikationen an: »Eines sogenannten Separatisten christlichen Sendschreiben, darinnen er die Ursache seiner Absonderung anzeiget, und dabey einige Fußstapfen seines neuern Geistes= und Lebens=Wandels entdecket«; »Chymia hydraulica, oder neuentdeckte Handgriffe, vermittelst welcher man das wesentliche Saltz aus Vegetabiblien, Animalien und Mineralien mit schlechten Wasser ausziehen kan, aus dem Frantzösischen des Grafen von Garaye übersetzt«; »Creutzbergs, Amadei 138 gottselige Betrachtungen über die allerheilsamste Jesus=Schule«; »Davidische Hertzens=Lust, bestehend in einer Auswahl von 1000 Liedern«. Nach dem Katalog der Frankfurter Drucker- und Verleger der Stadt- und Universitätsbibliothek in Frankfurt a.M. vertrieb Fleischer 1747 von Jakob Böhme die Kurtze und deutliche Beschreibung des Steins der Weisen mit dem Erscheinungsvermerk Amsterdam 1747; die zweite Auflage des Titels Hermetischer Rosenkranz, das ist: viel schöne auserlesene Chymische Tractätlein und 1749 das Johann Michael von Loën zugeschriebene Werk Vorläufige Gedancken über die Religion, zur Vereinigung der Christen. In seiner Buchhandlung bot Fleischer auch das 1771 erschienene Werk Elias mit dem Buch der ganzen Welt von Johann Daniel Müller an. Darauf wies Müller den Frankfurter Oberrabiner Pinchas Halevi in einem Brief vom 14. August 1772 hin: »Das Buch der Welt werden Sie auch bei gedachten Buchhändler Fleischer haben können.« Zitiert nach Breymayer: Elias Artistia, 1991, 57. 484 Guggisberg: Bernische Kirchengeschichte, 397; Schrader: Literaturproduktion und Büchermarkt, 430, Fußnote 48. 485 Der Vorläufer waren die »Unschuldigen Nachrichten«, 1720 wird der Titel in »Fortgesetzte Sammlung von Alten und Neuen Theologischen Sachen [...]« umbenannt. 486 Gierl: Pietismus und Aufklärung, 400–413. 487 »Dieses bedauren wir am meisten/ daß dergleichen giftige Dinge nicht allein am allermeisten gekaufft und gelesen werden/ sondern auch deßwegen viel eher Verleger finden/ als was zu GOttes Ehre und Beförderung des Guten gemeinet ist.« Altes und Neues Aus dem Schatz Theologischer Wissenschaften, 1701, 4–5.

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Streitschrift einzugehen, mußte eine neue Form für Auseinandersetzung mit diesem Schrifttum gefunden werden. Martin Gierl bewertet die Herausgabe der Fortgesetzte Sammlung als Beginn eines neuen Abschnitts in der Kommunikationsgeschichte, in der der Elenchus durch das Rezensionsorgan, die kontrahentenbezogene, textzergliedernde Refutation durch die bündige Kritik abgelöst wurde.488 Das erste Mal wird Christoph Schütz in der Besprechung des vierten Bandes der »Historische[n] Lebens=Beschreibung der berühmtesten Lieder=Dichter« von Johann Caspar Wetzel erwähnt.489 Der Rezensent wirft dem Autor zuerst seine kritische Haltung gegenüber der lutherischen Orthodoxie vor. »Der H[er]r A[utor] scheinet zwar in diesem Theil etwas behutsamer zu schreiben, als in den vorigen, und nicht unnöthiger Weise auf rechtgläubige Lehre zu sticheln; Doch lässet er auch hier sein studium partium bißweilen blicken.«490 Dann beanstandet er die Aufnahme separatistischer Liederdichter und führt neben anderen Schütz namentlich auf.491 In der Ausgabe von 1730 besprach man das Geistliche Harffen=Spiel, die Güldene Rose und die Geistliche Correspondentz, im darauf folgenden Jahrgang erschien eine zweite Rezension zur Geistlichen Correspondentz, eine Kritik zum Geheimniß der Gottseligkeit, Christus in uns und zum Geheimnis der Gottseligkeit und Bosheit.492 Die zweite Auflage der Geistlichen Correspondentz, die Schütz 1731 veröffentlicht hatte, wurde 1733 angezeigt.493 Dem orthodox-lutherischen Standpunkt der Zeitschrift entsprechend verurteilte man Christoph Schütz als Fanatiker und stellte seine kirchenkritischen Ansichten heraus.494 –––––––––– 488 Gierl: Pietismus und Aufklärung, 403–404, 406. 489 [Rezension zu] Joh. Caspar Wetzels Historische Lebens=Beschreibung der berühmtesten Lieder=Dichter. Vierdter Theil. Herrnstadt, 1728, In: FSATS, 1729, 818–828. 490 Ebd., 819. 491 »[...] und das Leben des gantz verkehrten Separatisten, Johann Michaelis, Daniel Sudermanns, eines Schwenckfelders, Eberhard Ludwig Grubers, vormaligen Predigers im Würtembergischen, und jetzo Vorstehers der Separatisten im Wittgensteinischen, Christoph Schütz, eines Kiefer oder Bütners zu Umstatt, der sich jetzo zu der so genandten Asiatischen Gemeine in der Graffschafft Isenburg bey Franckfurt hält, u.s.f. werden hier gleichfalls ausführlich beschrieben.« Ebd., 828. 492 [Rezension zu] Christoph Schützens Geistliches Harpfen=Spiel des Kindes Zions, 1725. [Rezension zu] Christoph Schützens Güldene Rose, 1727; [Rezension zu] Geistliche Correspondentz eines forschenden Juristen mit einem Layen, der in Christi innern Geistes=Schule studieret, 1728, [1730]; [Rezension zu] Christoph Schützens Geistliche Correspondentz, in zwey Theilen; sammt einen Anhang etlicher Briefe, 1728, [1731]; [Rezension zu] Christoph Schützens Geheimniß der Gottseligkeit, 1728, [1731, 108–111]; [Rezension zu] Das Geheimniß der Gottseligkeit und Bosheit, 1728, [1731, 941–942]. 493 [Rezension zu] Christoph Schützens Geistliche Correspondentz, 1731, 788. 494 Zur Rezension des Geistlichen Harpfen=Spiel des Kindes Zions vgl. Kapitel 3.4.1.

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Die nach 1730 veröffentlichten Schriften von Schütz wurden nicht mehr besprochen oder angezeigt. Auch zum Geistlichen Würtz=, Kräuter= und Blumen=Garten erschien keine Rezension. Dieses Desinteresse bezieht sich nicht nur auf die Publikationen von Schütz, sondern auf alle radikalpietistischen Schriften. Hans Schneider sieht darin einen Indikator für die abnehmende Bedeutung des radikalen Pietismus, der ab 1740 keine Rolle mehr spielte.495 Dagegen wurden die Schriften innerhalb der radikalpietistischen Gruppen weiter überliefert. So gehörte die Güldene Rose in der Gemeinde um Johann Georg Rapp zu den wichtigsten Texten.496 Als ein Mitglied der Gruppe, Christian Hörnle, am 23. Januar 1787 im Rahmen einer Visitation befragt wurde: »Was er vor Bücher habe? Und ob er solche auch unter die Gemeinde zu bringen trachte?« antwortete er: »Ja! Er habe ein Theil der Perlenburger Bibel und die Biblische Schrift und ein Buch von einem nahmens Schütz, das Sendschreiben von der Wiederbringung aller Dinge497 und der Offenbahrung Jesu Christi.«498 In einem späteren Verhör gab er an, die Güldene Rose bei einer Frau in Wurmberg gekauft zu haben.499 Zur Distribution und Rezeption des Gesangbuches konnte nur eine Quelle gefunden werden. Es handelt sich dabei um einen Brief, der in den ersten Band des Göttinger Exemplars des Geistlichen Würtz=, Kräuter= und Blumen=Garten eingeklebt ist. Darin informiert der Homburger Georg Heinrich Neuhof500 einen adligen, gelehrten und pietistischen Gesinnungsfreund, wer der Herausgeber des Gesangbuchs war und wie viele Bände

–––––––––– 495 Schneider: Pietismus im 18. Jahrhundert, 110. 496 Nach Arndt ist das Rosensymbol, das immer noch in der Architektur der Harmonisten in Amerika zu finden ist, durch das Werk von Schütz angeregt worden. Das Rosenmedaillon im Giebelfeld des Portals der Kirche in New Harmony ist bei Ehmer abgebildet. Durnbaugh: Ephrata, Amana, Harmonie, 208–212; Ehmer: Ausgewanderter Pietismus, 338, Abb. 105; Arndt (Hg.): George Rapp’s Separatists, 84. Zu Rapp vgl. Brecht: Württembergischer Pietismus, 286–287; Fritz: Johann Georg Rapp. 497 Das Sendschreiben von der Wiederbringung aller Dinge ist der dritte Teil der Güldenen Rose. 498 Fritz: Johann Georg Rapp, 164. Diese Aussage bestätigte Hörnle in einem weiteren Verhör am 5. Juni 1787. Auf die Frage: »Was für Bücher sie bei ihren besonderen Versammlungen gebrauchen?« sagte er aus: »Meistens die Bibel; auch haben sie entlehnte Bücher, e.gr. den Jakob Böhmen, die Perlenburger Bibel, und Christof Schüzen Die Goldene Rose.« Verhör des Christian Hörnle am 5. Juni 1787. In: Arndt: Georg Rapp’s Separatists, 111–120. 499 »[...] des Schüzen Güldene Rose aber habe er einmahl von einem Weib in Wurmberg gekauft.«Verhör des Christian Hörnle am 5. Juni 1787, in: Ebd., 116. 500 Georg Heinrich Neuhof wurde am 8. Dezember 1727 in Homburg als Sohn des Amtsrates Carl Ludwig und seiner Frau Martha Elisabeth (geb. Richier) geboren. 1805 starb er im Alter von 78 Jahren. Baeumerth: Sinclair-Haus, 14, Fußnote 19; Hummel: Saalburg im Dornröschenschlaf, 64–67, 76.

Produktionsbedingungen des Würtz= Kräuter= und Blumen=Gartens

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erschienen waren.501 Neuhof charakterisiert Schütz durch seine Tätigkeit als landgräflicher Kammerschreiber. Seine radikalpietistischen und theosophischen Schriften und Einstellungen erwähnt er dagegen nicht. Daher ist zu vermuten, daß Neuhof Schütz nicht persönlich gekannt hat. Die Grüße, die er von seiner Familie ausrichtet, weisen darauf hin, daß auch sie mit dem Empfänger des Briefes bekannt war. Aufgrund der vielfältigen Beziehungen der Familie Neuhof zur reformierten und lutherischen Kirche in Homburg sind sie, wie vermutlich auch der Empfänger des Briefes, dem kirchennahen Pietismus zuzurechnen.502 Dieser Brief belegt, daß der Geistliche Würtz=, Kräuter= und Blumen=Garten auch in den kirchennahen pietistischen Kreisen rezipiert wurde. Während sich die Rezeption seiner frühen Schriften in separatistischen Gruppen nachweisen läßt, ist der Gebrauch des Gesangbuchs nicht dokumentiert.503 Koch zählt den Geistlichen Würtz=, Kräuter= und Blumen= Garten zu den »gebräuchlichsten und bedeutendsten« Gesangbüchern, die in den Gemeindeversammlungen der Inspirierten benutzt wurden.504 Diese Angabe ist allerdings problematisch, da die Gemeinde nach der Auseinandersetzung zwischen Rock und Schütz nicht aus der Liedersammlung eines Abtrünnigen gesungen haben dürfte. Auch in den anderen Abhandlungen über die Inspirationsgemeinde wird die Benutzung des Schütz’schen Gesangbuches nicht belegt. Es ist aber zu vermuten, daß einzelne Separatisten und pietistische Liedersammler die Sammlung für ihre privaten Andachten oder Singstunden benutzt haben. –––––––––– 501 G[eorg] H[einrich] Neuhof an N. N., Homburg v. d. H., 2. Dezember 1752. Eingeklebt in den ersten Band des Geistlichen Würtz= Kräuter= und Blumen=Gartens des Exemplars der Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen. Die Anrede »HochEdelgebohrner« weist auf einen Adligen hin, »Hochgelahrter« auf einen Akademiker und »Herr Bruder« auf einen Pietisten. Die Autorin dankt Herrn Hans Schneider für die Hilfe bei der Transkription und Kommentierung des Briefes. 502 Der Großvater von Georg Heinrich Neuhof war der Pfarrer der französisch-reformierten Gemeinde Pierre Richier (*um 1661 †1739 in Homburg v.d.H.), die Schwester Neuhofs Juliane heiratete 1746 den reformierten Hofprediger Jean Christophe Roques (*3.2.1723 in Basel †15.11.1777 in Neuwied) und der Bruder Neuhofs, Elias, gehörte 1788 dem evangelischlutherischen Konsistorium an. Hummel schreibt fälschlich, daß Juliane die Tochter, nicht die Schwester von Elias Neuhof sei. Achard: Französisch-reformierte Gemeinde, zu Pierre Richier 11; zu Jean Christophe Roques, 17–19; Dölemeyer: Reformierte Landeskirche, 43; 45; Hummel: Saalburg im Dornröschenschlaf, 62; 67. 503 Schütz berichtete 1733 über die Rezeption seiner Publikation bei der Inspirationsgemeinde, »daß noch Verschiedene von seinen Leuten [Rocks Anhänger] meine Schrifften laßen und liebeten«. Schütz: Zeugnüß der Warheit wider die Leichtfertige Lügen, 19. Johann Daniel Müller las die Bücher »mit großen Vergnügen« und machte nach Breymayer später auch die persönliche Bekanntschaft mit Schütz. Allerdings bestehen die familiären Verbindungen nicht, die Breymayer von Johann Valentin Andreä über Johann Jakob Schütz zu Christoph Schütz zieht. Breymayer: Radikaler Pietist, 190–191. 504 Koch: Geschichte des Kirchenlieds, 3, 172–176.

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Im Kontext des radikalpietistischen Kommunikationsnetzes

3. Die radikalpietistische Buchproduktion in Homburg Anhand der Verleger der Historie Der Wiedergebohrnen hat Hans-Jürgen Schrader die Bedingungen der radikalpietistischen Buchproduktion in Offenbach am Main, Idstein und Berleburg vorgestellt. Wie die Untersuchung der Geschäftsbücher der Hochfürstliche[n] Hof- und Cantzley-Buchdruckerei in Homburg gezeigt hat, haben im radikalpietistischen Bereich neben den Verlegern auch Privatpersonen wie Christoph Schütz und Gemeinden wie die Inspirationsgemeinde Bücher verlegt. Darüber hinaus belegen die Akten, daß aufgrund der religiösen Toleranz des Landgrafen von Hessen-Homburg sowie seines Hofpredigers verschiedene Werke trotz der darin enthaltenen separatistischen Vorstellungen offiziell erscheinen und in der Druckerei des Landgrafen gedruckt werden konnten. Christoph Schütz hat in Homburg nicht nur das Universalgesangbuch, sondern auch andere Werke wie das von ihm herausgegebene alchimistische Werk Opus mago-cabbalisticum et theosophicum im Selbstverlag herausgebracht. Darüber hinaus ließ er bei Hellwig eine Predigtsammlung nachdrucken, um damit die Herstellung weiterer Bände des Geistlichen Würtz= Kräuter= und Blumen=Gartens vorfinanzieren zu können. Da Schütz in das radikalpietistische Kommunikationsnetz eingebunden war, konnte er das Universalgesangbuch vermutlich über seine Korrespondenzen bekannt machen und vertreiben. Ab Mitte der vierziger Jahre des 18. Jahrhunderts ist der Vertrieb der Schriften von Schütz auch über den offiziellen Buchhandel nachweisbar. Ein zweiter Auftraggeber für den Druck radikalpietistischer Schriften war die Inspirationsgemeinde, die, vermittelt durch die in Homburg ansässige Filialgemeinde, ihr Gesangbuch und ihre Diarien als Lohndruck in der landgräflichen Druckerei herstellen ließ. Diese Schriften, die sich an die eigenen Gemeindemitglieder und die Sympathisanten richteten, sind durch die Inspirierten selbst auf Besuchs- und Missionsreisen vertrieben worden. Abschließend kann festgestellt werden, daß neben Offenbach am Main, Idstein und Berleburg auch Homburg zu den Zentren der radikalpietistischen Bücherproduktion gehört.

Ausblick

Im Zeitalter des Pietismus gehörte neben der Bibel und den Erbauungsbüchern vor allem das Gesangbuch zu den Medien der persönlichen Frömmigkeit. Als gedruckte Sammlung geistlicher Gesänge dokumentiert es nicht nur die zeitgenössischen religiösen Ideen, sondern verweist gleichzeitig auch auf die Singpraxis. Daher soll im folgenden ein Ausblick auf das radikalpietistische Singen im allgemeinen und speziell bei Christoph Schütz gegeben werden. Im zweiten Teil sollen aufbauend auf den Ergebnissen dieser Arbeit der Stellenwert des Universalgesangbuchs in der Gesangbuchgeschichte skizziert und weitere Forschungsperspektiven aufgezeigt werden.

1. Zum pietistischen Singen Das ekstatische oder inspirierte Liedersingen zählte in radikalpietistischen Gemeinschaften zu den wichtigsten Frömmigkeitsübungen. Christian Bunners hält dies insbesondere für ein Merkmal der »Gruppen, die sich um und nach 1700 von der Kirche absonderten«.1 Doch schon vorher hatte das Singen in privaten Kreisen die Ekstasen der begeisterten Mägde hervorgerufen. Auch in der Inspirationsgemeinde, im Chor des Klosters Ephrata und in der Herrnhuter Brüdergemeine war das Singen eng mit der Vorstellung der Inspiration durch den Heiligen Geist verbunden. Anhand dieser Beispiele soll die radikalpietistische Singpraxis vorgestellt und auf die Funktionen der Gesangbücher in diesem Kontext hingewiesen werden. Inspirierendes, inspiriertes und improvisiertes Singen Das Phänomen der begeisterten Mägde ist ab 1690 vor allem in Mitteldeutschland nachweisbar.2 In privaten Konventikeln hatte sich außerhalb der Kirche eine teilweise mit enthusiastischen Elementen verbundene Singpraxis herausgebildet.3 Bartholomäus Meyer berichtet über die Qvedlingburgische Magdalena und die Halberstädtische Catharina, sie seien in Ekstase gekommen: –––––––––– 1 Bunners: Pietismus und musikalische Kultur, 122. 2 Vgl. zum folgenden Absatz: Miersemann: Auf dem Wege, 23–34. 3 Bunners: Pietismus und musikalische Kultur, 121–122.

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Ausblick

»Wann von unserm Seelen=Bräutigam ist gesprochen worden/ oder auch gesungen worden das herrliche Lied/ Mein JEsu der du mich/ zum Lust=Spiel ewiglich/ etc. Sonderlich wenn man an die Worte kommt: Nunmehr verzieh ich nicht/ sey kräftig aufgericht.«4

Das Zitat betont die selektive Aufnahme der Texte als Auslöser für die Begeisterung. Unabhängig vom Kontext wurden einzelne Verse als individuelle Ansprache Jesu empfunden und führten zu heftigen religiösen Emotionen. Diese Wirkung wurde sicher noch durch die musikalische Ausführung – geübte Sänger, die in kleinen Gruppen, häufig auch begleitet durch Instrumente, sangen – gesteigert. Während der Ekstasen zeigten die Mägde ihre Verzückung durch körperliche Bewegungen, riefen zur Buße auf und verkündeten Strafgerichte sowie die Rettung der Frommen. Auch hier waren es wieder einzelne gesprochene oder gesungene Wörter bzw. Verse, die in den entrückten Frauen bestimmte Empfindungen oder Vorstellungen hervorriefen und dann zu Visionen oder Prophezeiungen führten. Unter den begeisterten Mägden nimmt Anna Maria Schuchart eine besondere Rolle ein, da sie in ihren Ekstasen neue Gesänge dichtete und singend vortrug.5 Friedrich de Boor stellt in seiner Untersuchung der von Schuchart gedichteten Lieder fest, daß die Texte sowohl durch biblische Vorstellungen als auch durch die Sprache der zeitgenössischen Frömmigkeit geprägt seien. Dabei habe sie in vielen Fällen auch Formulierungen und Bilder aus dem traditionellen Liedgut aufgegriffen. Bereits ihre Zeitgenossen bewunderten nicht so sehr die poetologische Qualität ihres Liederdichtens, als vielmehr die Quantität und das Phänomen der in Trance Singenden selbst. Johann Baptista Crophius berichtet, die Schuchart habe neue Liedtexte teilweise auf bekannte, teilweise auf neue Melodien gesungen, dabei sei ihre Stimme lieblicher gewesen und habe anders geklungen als im wachen Zustand. Ein anderer Zuhörer bemerkt, sie habe in der Ekstase nicht wie sonst Thüringer Dialekt, sondern »richtiges Deutsch« gesprochen.6 Diese Beobachtungen sowie die einfache Herkunft der Schuchart dürften ihre Behauptung, die Lieder direkt von Gott empfangen zu haben, für Zeitgenossen glaubhaft gemacht haben. Vergleichbar mit den Prophezeiungen der begeisterten Mägde sind die Aussprachen der Werkzeuge der Inspirationsgemeinde; auch hier wirkten einzelne Worte oder Liedverse unabhängig vom Kontext als Impulsgeber.7 Zumeist während der Versammlungen der Gemeinde, beim gemeinsamen Singen und Beten oder bei der Schriftlesung fielen die Werkzeuge in einen –––––––––– 4 5 6 7

Zitiert nach: Miersemann: Auf dem Wege, 27. Boor: Auftreten der »pietistischen Sängerin«, 81–121. Vgl. dazu Ebd., 109. Vgl. dazu Schneider: Propheten der Goethezeit, 53–107.

Zum pietistischen Singen

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trancehaften Zustand, wurden von Krämpfen geschüttelt und begannen dann, langsam zu sprechen.8 In zahlreichen Aussprachen kritisierten sie das gottlose Verhalten weltlicher sowie geistlicher Obrigkeiten oder einzelner Personen und riefen zur Buße auf. Ulf-Michael Schneider belegt, auf welche Weise Initialwörter, die das Werkzeug aus den Liedern oder Bibelstellen aufgegriffen hatte und ständig wiederholte, zur treibenden Kraft der Inspirationsrede wurden. Auf das Singen der sechsten Strophe des Liedes Mein JEsu, süsse Seelen=Lust! geriet Rock in Ekstase und hielt, ausgehend von den Wörtern »Hertze« und »unbetrübt«, eine Inspirationsrede.9 An diesem Beispiel wird deutlich, daß nicht an den Inhalt der Vorlage angeknüpft wurde (die Heilsgewissheit eines Gläubigen läßt ihn alle Anfechtungen ertragen), sondern unabhängig davon eine andere Sprechersituation eingenommen und eine neue Aussage formuliert wurde (Klage Gottes über das unbußfertige Verhalten der Menschen und Aufruf zur Buße). Im Unterschied zu den Ekstasen der Anna Maria Schuchart sind die Inspirationsreden durchgehend in Prosaform gehalten und es wurden keine Lieder oder selbstgereimten Gesänge vorgetragen. Allerdings konnte die eigentliche Aussprache durch Aufforderungen an die Gemeinde, bestimmte Lieder zu singen, unterbrochen werden. So wurde die Feier des Liebesmahls am 20. Oktober 1715 durch Anweisungen des in Inspiration gefallenen Werkzeugs Johann Friedrich Rock strukturiert: »Darauff kam J[ohann] F[riedrich] R[ock] gleich in die Inspiration und sprach: Vorher singet dieses Lied: Unser Vater im Himmelreich; außgenommen den letzten Vers«.10 Im weiteren Verlauf wird der Gemeinde befohlen, die Lieder O du allertieffste Liebe!, Meine Seel/ ermuntre dich und Es glänzet der Christen inwendiges Leben anzustimmen. Die Wirkung dieses ständigen Wechsels zwischen Inspirationsrede und gemeinsamen Gesang beschreibt Ulf-Michael Schneider als »wellenartige Rhythmisierung der Versammlung«. »Die Aussprachen, die in dieser Phase der Versammlung vor dem eigentlichen Liebesmahl gehalten wurden, steigerten die religiöse Heilserwartung der Teilnehmer aufs höchste. Inspirations-Reden und Gesänge trieben sie immer tiefer in eine bußkampfähnliche religiöse Stimmungslage hinein, in der ihnen ein ständiges Bekenntnis von

–––––––––– 8 Nach Ulf-Michael Schneider wurden 125 Aussprachen (13,21 %) durch den Gesang von Kirchenliedern ausgelöst. Schneider: Propheten der Goethezeit, 98. 9 6. Strophe: Derhalben soll mich keine Noth, mein JEsu! wär es auch der Tod, von deinem Dienst abschrecken; ich weiß, daß mich dein Herzte liebt, darum so geh ich unbetrübt mit dir durch Dorn und Hecken. Plage, schlage, ich bin stille, ists dein Wille, mich zu kräncken, so wirst meiner doch gedenken. Der Text des Liedes stammt von Johann Christian Lange und wird auf die Melodie Wie schön leucht uns der Morgenstern gesungen. Mein Jesu, süsse Seelen=Lust!, in: Schütz (Hg.): Geistlicher Würtz= Kräuter= und Blumen=Garten, 2, 543–544, Nr. 590; Schneider: Propheten der Goethezeit, 99–100. 10 [Gleim, Johann Carl]: Das Geschrey zur Mitternacht. 1715. Zitiert nach Schneider: Propheten der Goethezeit, 87.

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Ausblick

Sünde und Schuld abverlangt wurde und erst am Ende in der verheißenen Gnadenausschüttung im eigentlichen Liebesmahl ihre erfüllende Auflösung finden sollte.«11

Conrad Beissel veröffentlichte seine musiktheoretischen Vorstellungen in zwei Vorworten, die beide in der 1747 erschienenen Ausgabe der Gesäng der Einsamen und Verlassenen Turtel=Taube abgedruckt wurden.12 Danach steht das weltförmige Musizieren des sündigen Menschen im Gegensatz zu dem aus dem Heiligen Geist stammenden Singen der Gläubigen. Um zum wahren Singen kommen zu können, müsse der Sänger einen religiösen Reinigungs- bzw. Bekehrungsprozeß durchlaufen. Am Anfang der religiösen Entwicklung stünden die Selbstverleugnung und geistliche Wiedergeburt.13 Dann benötige der Mensch die Glaubens=Magie, um sich der Gemeinschaft der wahrhaftig Gläubigen nähern zu können und das Geschenk des Singens zu erhalten. Der Gesang diene dann einerseits dazu, die Glieder der Gemeinschaft untereinander zu verbinden, andererseits Gott zu loben. Darüber hinaus ist das Singen, wie bereits im Kapitel 3.2.1. erwähnt, eschatologisch geprägt, sowohl der Inhalt der Lieder als auch die Aufführung sind als Vorgeschmack auf die neue Welt zu verstehen. Praktische Lebensregeln, die vor allem für die Mitglieder des Chores galten, stellt Beissel in dem zweiten Text, der Vorrede über die Sing=Arbeit vor.14 Eine englische Stimme könne nur durch die imitatio Christi erreicht werden, da man mit einem reinen Körper und Herz singen müsse. Aus diesem Grund schreibt Beissel das Zölibat und eine strenge Diät vor. Durch die sündhafte Weiber=Liebe werde der Mensch abgelenkt und beflecke seine Seele, ebenso wirken sich verschiedene Lebensmittel negativ auf Geist und Körper aus. So war z.B. Käse verboten, da er den Geist erhitze und die Lüste auf verbotene Dinge wecke. Erlaubt waren Suppen aus einfachen Gemüsesorten (z.B. Karotten oder Kartoffeln), sowie Brot und Wasser. Darüber hinaus sollte sich auch die Musik in ihrer Struktur und ihrem Klang von den weltlichen Kompositionen unterscheiden. Dazu entwickelte Beissel ein eigenes System von Harmonien, der Stimmen ABC, das er auch in der Vorrede erläutert. Besucher lobten die überirdische Schönheit des Chorgesangs. Nach zeitgenössischen Berichten soll der Klang, den die

–––––––––– 11 Schneider: Propheten der Goethezeit, 87. 12 Zum folgenden Abschnitt: Bach: Voices of turtledoves, 1997, 334–344; Bunners: birth of freedom, 8–9. 13 [Beissel, Conrad]: Vorbericht, in: Gesäng Der Turtel=Taube, († 2) r–[(†4)] r. 14 [Beissel, Conrad]: [Vorrede] Eine Sehr deutliche Beschreibung, Wie sich das hohe und wichtige Werck unserer geistlichen Sing=Arbeit Erboren, und was der Nutzen von der Gantzen Sach sey, in: Gesäng Der Turtel=Taube, [(†4)] v–[(†††4.)] r.

Zum pietistischen Singen

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ausgezehrten Sänger erzeugten, überirdisch gewesen sein und die Zuhörer emotional berührt haben.15 Die Musik bildete in der Herrnhuter Brüdergemeine einen wichtigen Bestandteil der Gemeindefrömmigkeit und des gemeinsamen Alltags.16 So begrüßte man sich morgens mit einem Liedvers, sang bei der Arbeit, beim Stundengebet und abends auf dem Weg nach Hause. Selbst während der Nacht waren die Lieder durch den Gesang der Nachtwachen präsent. Dazu kam das gemeinsame Singen in den Singstunden am Abend oder bei den Zusammenkünften der einzelnen Gruppen innerhalb der Gemeinschaft. Zinzendorf förderte das Singen und Vertonen biblischer Texte, um diese lebendiger und eingängiger zu machen. Ausgehend davon, daß die Musik eindrücklicher als die Rede auf das Gefühl und Gemüt wirke, betonte Zinzendorf immer wieder den Vorrang der Singstunde gegenüber der Predigt. In den gemeinsamen Singstunden entwickelte sich eine besondere Singpraxis, in der das Element der Inspiration deutlich hervortritt.17 Auf der Grundlage der Tageslosung oder einer Ansprache hängten Zinzendorf oder ein Kantor assoziativ Liedverse oder einzelne Zeilen aneinander, die das gerade Gehörte erläutern sollten. Dabei entstand durch die Kombination von Liedfragmenten und spontanen Neudichtungen, die von einem ständigen Wechsel der Melodien begleitet wurden, ein dynamisches Singen.18 Zinzendorf selbst beschrieb diese Singpraxis in einem Brief an König Friedrich Wilhelm I. in Preußen: »Der Cantor nimmt die Materie der Reden, die eben gehalten worden, und setzet unterm Singen aus 20. 30. Liedern gantze und halbe Verse zusammen, welche die Materie ordentlich und deutlich vortragen: und darinnen ist Cantor, Organist, Lehrer und Zuhörer, so geübt, daß keines innehalten, keines ein Buch aufschlagen darff, welches sich ungesehen nicht demonstriren läst. Mein Sohn von 10. Jahren kan, wenn er in den Hauß-Singstunden spielet, aus einer Melodie unvermerckt in die andere fallen, daß es niemand weiß, ob die gantze Singstunde express so componiret ist.«19

Neben dem gemeinschaftlichen Singen pflegte man in Herrnhut auch den Sologesang und die Instrumentalmusik. Durch den Unterricht in der Schule, –––––––––– 15 Durnbaugh: Radikaler Pietismus als Grundlage, 118. 16 Vgl. zur Musikpflege in der Herrnhuter Brüdergemeine: Grutschnig-Kieser: »Weil ich Jesu Schäflein bin«, 182; Wehrend: Musikanschauung, 18–21; Wollstadt: Geordnetes Dienen, 84–85, 135–145. 17 Hans-Georg Kemper übernimmt die Bezeichnung Liederpredigt für diese Singpraxis, durch die Zinzendorf auf den engen Zusammenhang der Verse mit der zugrundeliegenden Ansprache hingewiesen hat. Kemper: Deutsche Lyrik, 6,1, 35–36. 18 Grutschnig-Kieser: »Weil ich Jesu Schäflein bin«, 191. 19 Nikolaus Ludwig Graf von Zinzendorf an Friedrich Wilhelm I. König in Preußen, 1738. Zitiert nach: Rößler: 18. Jahrhundert, 181–183.

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Ausblick

die Chöre und das collegium musicum sowie weitere Musizierkreise wurden die Mitglieder der Gemeine musikalisch geschult und ausgebildet. Die verschiedenen Konzeptionen und Formen des Singens zeigen, daß sich im Radikalpietismus keine einheitliche Singkultur, sondern gemeindeund gruppenspezifische Formen ausgebildet haben.20 Ebenso unterscheiden sich auch Gebrauch und Funktionen der Gesangbücher in den einzelnen radikalpietistischen Gruppierungen. Das Davidische Psalter=Spiel kann als offizielles Gesangbuch der Inspirationsgemeinde angesehen werden, aus dem in den Versammlungen der Gemeinde gesungen wurde. Obwohl die meisten Lieder aus anderen pietistischen Liedersammlungen übernommen wurden, betonten die Inspirierten durch die Herausgabe ihres eigenen Gesangbuchs ihre Etablierung als verfasste Gemeinschaft.21 Dadurch wurde das Davidische Psalter=Spiel zu einem Identifikationsobjekt innerhalb der Gemeinde und diente der Abgrenzung zu anderen Separatisten. Eine vergleichbare Funktion für das Kloster in Ephrata hatte das Gesäng der einsamen und verlassenen Turtel=Taube. Es enthält ausschließlich Dichtungen von Angehörigen der Klostergemeinschaft in der von Conrad Beissel geprägten mystischen Sprache und war sowohl für die Versammlungen im Kloster als auch für die persönliche Andacht gedacht. Ein Leser außerhalb des Klosters konnte diese Lieder allerdings nicht singen, da den Texten keine Noten oder Melodieangaben beigefügt wurden. Damit ist auch diese Liedersammlung als Gemeindegesangbuch zu charakterisieren, das sowohl für die Klosterinsassen als auch für Sympathisanten bestimmt war und für die Gemeinschaft werben sollte. Im Herrnhuter Gesangbuch (1735) beschreibt Zinzendorf das assoziative Singen, betont aber gleichzeitig, daß die Brüder und Schwestern auswendig singen. Auch die Singform selbst war an die Gemeinschaft gebunden und konnte nicht durch den Einzelnen nachvollzogen werden. Wozu gibt er dann ein Gesangbuch heraus? »So kan man von dieser Sammlung nicht anderes versprechen als einen nützlichen Privat-Gebrauch«.22 Das zeigt, daß der Gebrauch dieser Liedersammlung von Anfang an auf die individuelle Erbauung der Gemeindemitglieder beschränkt war. Daneben richtete es sich auch an Anhänger oder Interessierte, die außerhalb der Brüdergemeinen lebten. –––––––––– 20 Christian Bunners empfiehlt die Bezeichnung pietistische Liedkultur, um zu verdeutlichen, daß es sich nicht nur um die Gesänge und ihre Melodien handelt, sondern auch um deren Kontexte, Vollzugs- und Rezeptionsweisen. Allerdings müßten dann die verschiedenen Singkonzeptionen voneinander abgegrenzt werden, die jeweils von unterschiedlichen Frömmigkeitsprofilen, konfessionellen Kulturen, Varianten sozialer Zusammenhänge, Liedtheologien und Gesangbuchkonzepten geprägt worden seien. Bunners: Pietismus und musikalische Kultur, 122–123. 21 Vgl. Kapitel 3.4.2. Schneider: Pietismus im 18. Jahrhundert, 149. 22 Zitiert nach: Wollstadt: Geordnetes Dienen, 84.

Zum pietistischen Singen

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Das praktische Singen bei Christoph Schütz Entsprechend der Funktion des Geistlichen Würtz= Kräuter= und Blumen=Gartens, eine Sammlung für Erweckte aus allen Konfessionen, Gemeinden, Gruppen zu sein, stellt Christoph Schütz in den Vorreden keine spezielle Singpraxis vor und geht auch nur am Rande auf das Singen selbst ein. Er fordert seine Leser auf »beständig in euren Hertzen [...] aufs allerlieblichste und angenehmste [zu] singen und spielen« und wünscht ihnen, sie würden beim »Gebrauch oder Durchlesung« des Gesangbuchs von der Gnade Gottes gereizt und zum Lob Gottes angetrieben.23 Mit dem Singen im Herzen weist Schütz auf ein Hauptanliegen der pietistischen Frömmigkeit hin. Schon Johann Arndt betont in seiner Musikanschauung die Verinnerlichung.24 Die Kraft der Gesänge bestehe nicht in den Worten oder Lauten, sondern wirke nur, wenn sie »mit gläubigen Hertzen gesungen und gesprochen« werden.25 Tersteegen erläutert das andächtige Singen: »Herz und Gedanken müssen gesammelt sein. Denke, was dein Mund spricht, singe und psalliere dem Herrn zugleich in deinem Herzen«.26 Das Singen von Liedern tröste und erbaue den Menschen nicht nur, sondern diene ihm gleichzeitig als Hilfsmittel zur Meditation. In diesem Sinne versteht auch Schütz den Gesang, der die Andacht und Übergabe an Gott fördern und auf die Umwandlung zur neuen Kreatur vorbereiten soll.27 Doch nicht allein der Text könne dies im Menschen bewirken, es müsse die Gnade Gottes oder die Inspiration des Heiligen Geistes hinzukommen. Hinter diesem Aspekt treten die Fragen des praktischen Singens zurück, ja Schütz postuliert nicht einmal, daß die Lieder gesungen werden, sondern hält auch das Durchlesen für eine sinnvolle Form der Rezeption.28 Ebenso wie andere Vertreter des Pietismus und Radikalpietismus stellt Schütz die neuen Lieddichtungen in einen eschatologischen Zusammenhang. Dabei erhält das Singen die Funktion der gegenseitigen Stärkung und der Vorbereitung auf die Wiederkunft Christi:

–––––––––– 23 Schütz: Vorrede 1739, )( 2 r. 24 Bunners: Pietismus und musikalische Kultur, 117. 25 Johann Arndt: Vier Bücher vom wahren Christentum. Leipzig 1747. Zitiert nach Bunners: Pietismus und musikalische Kultur, 117. 26 Tersteegen: Vom christlichen Gebrauch der Lieder und des Singens. Das Traktat ist eine bearbeitete Fassung der Vorrede, die Tersteegen 1736 für die von ihm herausgegebene Ausgabe der Bundeslieder und Dankpsalmen von Joachim Neander verfaßt hatte. Zeller: Gesangbuch, 186– 194. 27 Zu der Vorstellung, daß Transmutationsprozesse durch Lieder ausgelöst werden können vgl. Dohm: Heiligkeit im Diesseits, 315. 28 Schütz: Vorrede 1739, )( 2 r.

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Ausblick

»So lasset uns doch immer aufs allerkunst= und liebreichste auf unsern Harffen spielen, und ein neues Lied von Zion drein singen, und durch solchen Gesang und Klang einander ermuntern, und in beständiger Wachsamkeit erhalten.«29

In den Vorreden zum Geistlichen Würtz= Kräuter= und Blumen=Garten formuliert Schütz die eschatologische Bedeutung des Singens nicht selbst, sondern bringt diese Vorstellung mit Zitaten aus dem Vorspiel der neuen Welt im dritten Vorwort und stimmt ihr im Nachsatz zu. Auch hier werden »alle annoch zerstreuten Kinder Gottes« aufgerufen, »daß sie sich sammlen und bereit machen auf den baldigen, ja bald hereinbrechenden Hochzeit=Tag der Braut des Lamms«.30 Darüber hinaus hielt man die große Anzahl neuer Lieddichtungen selbst für ein Anzeichen für die bevorstehende Wiederkunft Christi. Der Vorredner des Davidischen Psalter=Spiels erläutert, daß mit dem Liedersegen »sich das Obere Jerusalem mit seinen triumphirenden Chören/ in das untere kräftiger einzufliessen und dasselbe zu dem Neuen und völligen Sieges=Lied auf die Ankunft ihres Königs zuzubereiten, beweget habe.«31

Damit wird das Universalgesangbuch nicht nur durch die religiösen Aussagen der in ihm enthaltenen Lieder, sondern auch durch seinen Umfang zum Beweis der nahen Herrschaft Christi.

2. Der Geistliche Würtz= Kräuter= und Blumen=Garten als Ende der radikalpietistischen Gesangbucharbeit? »Die Blütezeit nicht nur der radikalpietistischen Literaturproduktion, sondern auch des radikalen Pietismus an sich, war spätestens um 1740 vorbei.«32 Diese Einschätzung trifft auch auf die Veröffentlichung radikalpietistischer Lieddichtungen und separatistischer Gesangbücher zu. Unter diesem Aspekt soll ein Rückblick auf die vorliegende Arbeit und ein Ausblick auf weiterführende Fragestellungen gegeben werden. Im Kapitel über das Universalgesangbuch konnte gezeigt werden, daß sich der Gesangbuchtyp des enzyklopädischen Universalgesangbuchs aus den umfangreichen Gesangbüchern des späten 17. Jahrhunderts entwickelt hat und durch Beispiele sowohl im lutherisch-orthodoxen als auch im pietistischen Bereich belegt werden kann. Im folgenden Kapitel wurde untersucht, inwieweit der Geistliche Würtz= Kräuter= und Blumen=Garten –––––––––– 29 30 31 32

Schütz: Vorrede an die Kinder Zions, [A3] v. Schütz: Vorrede 1740, )( 2 r. [Ziegler]: Vorrede, )( 2 r. Schneider: Pietismus im 18. Jahrhundert, 110.

Ende der radikalpietistischen Gesangbucharbeit?

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als radikalpietistisches Universalgesangbuch zu charakterisieren ist. Die Konzeption sowie die Quellensammlung weisen es als überkonfessionelles, enzyklopädisches Universalgesangbuch aus. Die Analyse des Liedkorpus hat gezeigt, daß Schütz in den ersten vier Bänden vor allem pietistisches bzw. im pietistischen Bereich rezipiertes Liedgut sowie radikalpietistsiche Dichtungen aufgenommen hat. Davon unterscheidet sich der fünfte Band insofern, als Schütz mit den Kasualliedern eine Tradition aus lutherischorthodoxen Gesangbüchern aufnimmt und durch die Lieder von Benjamin Schmolck auch die lutherische Lehrmeinung zu den kirchlichen Handlungen vertreten ist. Der letzte Teil der Arbeit stand unter der Fragestellung, inwieweit der Geistliche Würtz= Kräuter= und Blumen=Garten in den Kontext des radikalpietistischen Büchermarktes gehört. Dabei zeigte sich, daß Schütz nicht nur für den Druck seines Universalgesangbuchs, sondern auch anderer erbaulicher und alchimistischer Werke sorgte. Darüber hinaus wurde deutlich, daß die landgräfliche Druckerei auch Schriften der Inspirationsgemeinde druckte und somit Homburg neben Offenbach, Idstein und Berleburg ein weiteres Zentrum der radikalpietistischen Buchproduktion war. Sowohl in seiner Konzeption als auch durch seine radikalpietistische Prägung steht es am Ende zweier gesangbuchgeschichtlichen Bewegungen. Einerseits gehört es zu den späten radikalpietistischen Gesangbüchern,33 andererseits ist es ein letzter Versuch eines enzyklopädischen Universalgesangbuchs. Die folgende Zeit war durch das Nebeneinander der Gesangbücher des kirchennahen Pietismus und den Anfängen der aufklärerischen Gesangbuchreform geprägt.34 In dem Bemühen, die Kirchenlieder ästhetisch sowie theologisch-dogmatisch zu aktualisieren und für die Volksaufklärung einzusetzen, kam es zum größten Umbruch in der Gesangbuchgeschichte.35 Man sonderte einen Großteil der alten Lieder aus, und die wenigen älteren Gesänge, die man noch beibehielt, wurden grundlegend bearbeitet. Den wichtigsten Anstoß zu den Liedbearbeitungen gab Friedrich Gottlieb Klop–––––––––– 33 Die radikalpietistischen Gesangbücher, die nach dem Geistlichen Würtz= Kräuter= und Blumen=Garten entstanden, erschienen in Nordamerika. Z.B. Zionistischer WeyrauchsHügel (1739), Das Gesäng der einsamen und verlassenen Turtel=Taube oder Paradiesisches Wunderspiel (1751). Von den älteren Liedersammlungen wurde das Davidische Psalter=Spiel bis 1805 immer wieder aufgelegt, allerdings war die Rezeption auf die Anhänger der Inspirationsgemeinde beschränkt. 34 Als Beispiele sei auf das Mecklenburgische Kirchen=Gesang=Buch (1764) oder die Liedersammlungen von Philipp Friedrich Hiller verwiesen. Vgl. dazu Bunners: Wie Lieder aus dem Freylinghausenschen Gesangbuch nach Mecklenburg kamen; Brecht (Hg.): Gott ist mein Lobgesang. 35 Vgl. zum folgenden Abschnitt: Grube: Ideen einer aufklärerischen Gesangbuchkonzeption; Kurzke: Kirchenlied und Literaturgeschichte; Rößler: 18. Jahrhundert, 191–203; Rößler: Gesangbuch, 1312–1315; Völker: Gesangbuch, 554–556; Völker: Gesangbuch, Geschichte und gegenwärtiger Stand, 767–768.

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Ausblick

stock mit dem Anhang zu seinen Geistlichen Liedern 1758. Nach diesem Vorbild wurden viele Lieder umgedichtet, der unregelmäßige metrische Bau, die unreinen Reime, die freie Wortstellung, unverständliche, derbe oder erotische Ausdrücke korrigiert und inhaltlich angepaßt. Darüber hinaus verfaßte man neue Gesänge, in denen man die Vorstellungen der Aufklärung propagierte. Mit dem Anhang zum Berliner Gesangbuch veröffentlichte Johann Samuel Diterich 1765 eine erste Sammlung aufklärerischer Lieder für den Gebrauch im Gottesdienst. Ab 1780 erschienen dann vermehrt aufklärerische Gesangbücher, die zum Teil gegen den heftigen Protest der Gemeinden durch die Obrigkeit eingeführt wurden.36 Während die Gläubigen an den ihnen bekannten Liedfassungen festhalten wollten, hielten die Aufklärer die Einführung der umgedichteten bzw. neuen Lieder für einen notwendigen Bestandteil der religiösen Reform. Die Lieder wurden als pädagogisches Mittel verstanden, das die Gemeinde zu einem neuen Bewußtsein führen sollte. Dagegen fürchtete man, durch die Beibehaltung der überlieferten Dichtungen auch die überholten theologischen Vorstellungen zu bewahren. Die aufklärerische Gesangbuchreform wurde im 19. Jahrhundert heftig kritisiert und führte zu Diskussionen über die Beibehaltung des alten evangelischen Liedkanons und der angemessenen Beachtung neuerer Lieder, die durch die Erweckungsbewegung, die Romantik und den Nationalismus beeinflußt wurden.37 Über die Erweckungsbewegung, die ihrerseits das Liedgut aus dem Geist=reichen Gesang=Buch von Johann Anastasius Freylinghausen, der Herrnhuter Brüdergemeine sowie Gerhard Tersteegens rezipierte, sind dann auch Dichtungen aus dem separatistischen und radikalpietistischen Bereich in den kirchlichen Liedkanon übernommen worden. Die hymnologischen Bemühungen des 19. Jahrhunderts, Quelleneditionen des Kirchenlieds aus früheren Jahrhunderten zusammenzustellen, führten zu repräsentativen Sammlungen zum 16. und 17. Jahrhundert, während das 18. Jahrhundert nur in Rambachs Anthologie mitberücksichtigt ist. Insofern bildet das von Schütz im Universalgesangbuch abgedruckte Material trotz einiger Lücken – da nur die ersten fünf Bände erschienen sind, fehlen z.B. die Lieder der Herrnhuter Brüdergemeine – eine erste Zusammenfassung der im radikalpietistischen Bereich rezipierten Lieder. Ein Anliegen dieser Arbeit war es, den Geistlichen Würtz= Kräuter= und Blumen=Garten in den Blick der Forschung zu rücken und damit auf die bisher nur in Ansätzen untersuchten radikalpietistischen Lieddichtungen –––––––––– 36 J.J. Spalding und Wilhelm Abraham Teller edierten 1780 das Gesangbuch zum gottesdienstlichen Gebrauch in den Königl. Preuß. Landen (nach dem Verleger Mylius genannt), Johann Andreas Cramer bearbeitete das Gesangbuch für Schleswig-Holstein 1780 und das maßgebliche reformierte Gesangbuch wurde von Georg Joachim Zollikofer 1766 herausgebracht. 37 Wüstenberg: 19. Jahrhundert, 214–215.

Ende der radikalpietistischen Gesangbucharbeit?

287

hinzuweisen. Um den Umfang und die Themenwahl radikalpietistischer Lieddichtungen insgesamt beschreiben zu können, müßten neben den im Universalgesangbuch aufgeführten separatistischen Dichtungen die in der von Schütz zusammengestellten Quellensammlung aufgeführten radikalpietistischen Sammlungen ausgewertet und darüber hinaus weitere im Manuskript überlieferte Lieddichtungen herangezogen werden. Diese Quellenbasis könnte der Beantwortung allgemeiner Fragestellungen dienen, z.B. welche Sonderlehren in radikalpietistischen Liedern vermittelt wurden bzw. inwieweit Textänderungen älterer Liedtexte auf andere religiöse Vorstellungen hinweisen. Aber auch eine Untersuchung, inwieweit im Radikalpietismus eigene Metaphern, Motive oder ein besonderer Wortschatz ausgebildet wurden, wäre auf dieser Grundlage möglich. Unter den radikalpietistischen Liedersammlungen bieten sich insbesondere die Gesangbücher, die für eine bestimmte separatistische Gemeinde herausgegeben wurden, für soziokulturelle Untersuchungen an. Dazu könnten folgende Fragen gestellt werden: inwieweit das in einer Gemeinde benutzte Gesangbuch die religiösen Sonderlehren dieser Gruppe vermittelte, in welchem Umfang eigene Dichtungen aufgenommen wurden, ob es der Abgrenzung gegenüber anderen Gruppierungen diente bzw. für die eigene Gemeinschaft werben sollte. Da ein Gesangbuch das Bindeglied zwischen den Texten und dem praktizierten Singen bildet, sollte auch festgestellt werden, ob es zum Singen in Versammlungen genutzt wurde oder ob man auswendig sang und inwieweit es die Singpraxis in der Gemeinde abbildet. Ein dritter Aspekt, der anhand der Veröffentlichungen der Radikalpietisten thematisiert werden kann, ist ihre Forderung nach religiöser Toleranz. Sowohl die Konzeption als überkonfessionelle universale Liedersammlung als auch die enthaltenen Dichtungen belegen, daß Schütz nicht nur religiöse Toleranz für seine eigenen Lehren forderte, sondern in seinem Gesangbuch die Vorstellungen verschiedener Gruppen aufführte. Das eigenständige Urteil, das Schütz dem Leser in religiösen Dingen zutraut, zeigt die Vorbereitung aufklärerischer Ideen im radikalen Pietismus. »So ist es auch jedem bekannt/ daß sich in einem natürlichen Garten offt ein Kräutlein in der allergeringsten und verächtlichsten Gestalt findet, welches von einem Unverständigen nicht nur nicht geachtet, sondern auch wohl gar vor böß und schädlich gehalten, und mit Füssen getreten wird, welches aber dem ungeachtet sehr heilsam und gut/ und von grosser Krafft und Tugend seyn kan, und solche auch sogleich an Tag leget/ wann nur ein gerechter Künstler darüber kommt, der seine Natur verstehet, und ihme seine Quint=Essentz auszuziehen und wohl zu brauchen weiß, und weil wir dann nicht zweiffeln, es werden sich in diesem unsern Lieder=Garten auch manche Gewächse finden, welche manchen gering und verächtlich, oder auch wohl für schädlich vorkommen werden/ die aber dem ungeachtet doch sehr gut/ gesund und heilsam seyn möchten, so wolten wir auch dieserwegen den geliebten Leser freund-

288

Ausblick

lich erinnert haben/ sich in dergleichen Fällen nicht zu übereylen/ sondern diejenige Pflantzen oder Lieder, die ihm anstehen, und düncken schön und gut zu seyn, vor sich heraus wählen, und die andern für andere stehen lassen/ ohne es zu verachten.«38

–––––––––– 38 Schütz: Vorrede 1738, [):( 3] v–[):( 4] r.

Anhang

Hanß * 12. 8. 1604 †?

Margräth * 1579 †?

Görg * 25. 5. 1607 †? ’ Katharina geb. Hennel

’ 1610 Peter (IV.) * 1609 † 28.8.1670

(Jost Heinrich) Johannes * 1616 Ƒ 12. 1. 1679

Peter (III.) * 30. 1. 1572 †?

Peter (II.) * um 1539 †? 1569 Bürgeraufnahme als Bürgerkind

Peter (I.) * um 1499 †?

Familie Schütz in Groß-Umstadt

Anhang

291

Hans (Johann) Peter ~ 8. 2. 1650 † 21. 6. 1714

[(Jost Heinrich) Johannes]

Anna Catharina (I.) * 18. 7. 1652 Ƒ 12. 9. 1672

Christoph 30. 3. 1657 †? ’ 19. 7. 1681 Anna Margarethe geb. Moysie Umzug nach Frankfurt am Main

Johannes Justus * 1681 †?

Johannes (I.) * 11. 2. 1655 † 1699 ’ 4. 7. 1677

Johannes Caspar * 1678 † 1738

’ 1649

Johannes Jacob * 1690 †?

’ 1684 Kümmel Umzug nach Frankfurt am Main

Gertraud * 17. 7. 1664 †?

Beata * 24. 5. 1670 Ƒ 14. 7. 1670

Arrnoldina (Arthgen) geb. Evert * 1626 Ƒ 2. 2. 1699

292 Anhang

Johannes (II.)

’ 28. 9. 1675 Johann Leonhardt

* 27. 6. 1679 * 1. 12. 1681 † 27. 2. 1744 †? ’ 8. 5. 1703 ’ 31. 1. 1708 Anna Margaretha (II.) geb. Fries (1683-1729)

Johannes (III.)

Legende * Geburtsdatum ~ Datum der Taufe ’ Datum der Eheschließung / verheiratet mit † Todesdatum Ƒ Datum der Beerdigung Ƃƃ Tochter / Sohn deren Namen nicht überliefert sind

(1662-1715)

* 10. 6. 1676 * 19. 2. 1678 Ƒ 18. 1. 1714 Ƒ 1. 7. 1678 ’ 27. 1. 1701 Anna Margaretha (I.) geb. Waltz verw. Emmerich

Johann Peter

[Hans (Johann) Peter]

Maria Catharina Anna * 2. 6. 1686 †? ’ 16. 4. 1711 Johann Georg Hax

Johann Christophel Christoph * 6. 11. 1689 † 4. 1. 1750

Anna Catharina (II.) geb. Schneider verw. Arnold (’ 1673) * 20. 4. 1651 † 14. 8. 1731

Anhang

293

Georg (II.) *? †?

Georg (I.) *? † 1588

1. ’

ƂƂ ƃƃƃƃƃ (als Kinder verstorben)

Jacob * 24. 7. 1587 † 26. 5. 1644

† 1624

Maria geb. Andreae * 1560

Familie Schütz in Frankfurt am Main

Georg Jacob * 1620 † 1687

1. ’

2. ’

ƂƂƂƂƃƃƃ

Otto Friedrich * 1621 † vor 1670

Anna Maria geb. Buchard * 1594 † 1635

Johann Harpprecht * 20. 1. 1560 † 18. 9. 1639

294 Anhang

Margaretha Elisabeth * 19. 8. 1681 † 17. 7. 1744 ’ Johann Jacob Metting

Marie Salome * 16.6. 1637 †? ’-RKDQQ%HUQKDUG3HKU

[Jacob]

Catharina * 30. 11. 1682 † 9. 1. 1687

’ Jacobine Maria Catharina * 27. 2. 1685 * 2. 3. 1687 †? † ? 1740 ’ Gerhard Dominicus Metting

Johann Jacob * 7. 9. 1640 † 22. 5. 1690

2. ’

Johanna Rebekka * 26. 6. 1689 † ?. 5. 1775

Elisabeth Catharina geb. Barthels * 8. 6. 1652 † 2. 12. 1721

Anna Maria * 20. 12. 1643 †? ’ Johannes Moors

Margarethe Müller geb. Reckmann verw. Müller * 6. 11. 1604 † 1687

Anhang

295

[~Frühjahr/Sommer 1738]

1. April – 30. Juli 1739

3. Februar – 23. Juli 1740

Bogen 1–23 26. Juli – 31. Dezember 1740 Bogen 24–35 1. Januar – 10.Mai 1741 Restl. Bogen [~Herbst/Winter 1743]

[~Winter/Frühjahr 1743/44]

Teil 1

Teil 2

Teil 3

Teil 4

Teil 5

Eintrag im Geschäftsbuch

Publikation des „Geistlichen Würtz=Kräuter und Blumen=Gartens“

März 1744

20. März 1744

20. Juli 1740

4. August 1739

30. August 1738

Datum der Vorrede

Ostermesse 1744

Ostermesse 1744

Herbstmesse 1740

Herbstmesse 1739

Herbstmesse 1738

Erscheinungsjahr

296 Anhang

=

=

Neu=Jahrs=Lieder

Heilig Drey Könige

1

= Rubrikenbezeichnung dieses Bandes entspricht der des ersten.

––––––––––

=

= =

=

1

Band 2

Weynachts=Lieder

I. Von Gott und dessen grossen Freundlichkeit und Leutselkeit in Christo JEsu, wie auch von der Schöpffung Erhaltung und Regierung seiner Wercke II. Fest=Lieder Advents=Lieder

Band 1 I. Von GOtt und dessen Eigenschafften und Wercken; wie auch von dessen Gnade Liebe und Freundlichkeit gegen seine Creaturen II. Sonn= und Fest=Tags Lieder Am 1. Sonntag des Advents Am St. Andreä-Tag Am 2. Sonntag des Advents Am 3. Sonntag des Advents Am 4. Sonntag des Advents Am Tage St. Thomä In der Christnacht Am 1. Tage des Heil. Christ=Festes Am 2. Christ=Tage Am 3. Christ=Tage Am Neuen-Jahrs-Tage Am Sonntag nach dem Neuen=Jahr Am Tag der Erscheinung Christi Am 1. Sonntag nach Epiphanias Am 2. Sonntag nach Epiphanias Am 3. Sonntag nach Epiphanias Am Tage der Bekehrung Pauli

Band 3

Rubrikenregister des „Geistlichen Würtz= Kräuter= und Blumen=Gartens“

=

Neu=Jahrs und JEsus Lieder

Weyhnachten

=

I. Von Gott und dessen großen Freundlichkeit und Leutseligkeit in Christo JEsu

Band 5

Anhang

297

Band 2

=

=

= =

Band 1

Vom Leyden Christi

Oster=Lieder

Himmelsfahrts=Lieder

Pfingst=Gesänge

Am 4. Sonntag nach Epiphanias Am 5. Sonntag nach Epiphanias Am 6. Sonntag nach Epiphanias Am Fest der Reinigung Mariä Am Sonntag Sexagesimä Am Sonntag Septuagesimä Am Sonntag Estomihi oder Quinquagesimä Am Sonntag Invocavit Am Sonntag Reminiscere Am Sonntag Oculi Am Sonntag Lätare Am Tage d. Apostels Matthäi Am Sonntag Judica Am Sonntag Palmarum Am Fest d. Empfängniß Christi Am grünen Donnerstage Am Char=Freytage oder Passions=Lieder Am heiligen Oster=Tage Am 2. Oster=Tage Am 3. Oster=Tage Am 1. Sonntag nach Ostern Am 2. Sonntag nach Ostern Am 3. Sonntag nach Ostern Am Sonntag Cantate Am Tage Philippi und Jacobi Am Sonntag Rogate Am Fest d. Himmelfahrt Christi Am Sonntag Exandi Am 1. heiligen Pfingst=Tage Am Pfingst=Abend Am 2. Pfingst=Tage

Band 3

Pfingst=Lieder

Himmelfahrts=Lied

=

Passions=Gesänge

Maria Reinigung

Band 5

298 Anhang

Band 1

Band 2 Am 3. Pfingst=Tage Am Fest der heiligen Drey=Einigkeit Am 1. Sonntag nach Trinitatis Am 2. Sonntag nach Trinitatis Am 3. Sonntag nach Trinitatis Am Tage St. Johannis d. Täufers Am Tage Petri und Pauli Am 4. Sonntag nach Trinitatis Am Tage der Heimsuchung Mariä Am 5. Sonntag nach Trinitatis Am 6. Sonntag nach Trinitatis Am 7. Sonntag nach Trinitatis Am 8. Sonntag nach Trinitatis Am 9. Sonntag nach Trinitatis Am Tage der Apostels Jacobi Am 10. Sonntag nach Trinitatis Am 11. Sonntag nach Trinitatis Am 12. Sonntag nach Trinitatis Am Tage Sanct Bartholomäi Am 13. Sonntag nach Trinitatis Am 14. Sonntag nach Trinitatis Am 15. Sonntag nach Trinitatis Am 16. Sonntag nach Trinitatis Am 17. Sonntag nach Trinitatis Am 18. Sonntag nach Trinitatis Am Tage d. Apostels Matthäi Am 19. Sonntag nach Trinitatis Am Fest=Tag St. Michaelis Am 20. Sonntag nach Trinitatis Am 21. Sonntag nach Trinitatis Am 22. Sonntag nach Trinitatis

Band 3

Band 5

Anhang

299

2

=

=

IX. Himmlische Liebes und JEsus=Lieder

fehlt

VII. Vom Geheimnuß des Creutzes und Leiden derer Christen und dem damit verbundenen Geistlichen Kampf und Sieg VIII. Von der Reinigung / Erleuchtung und Heiligung / wie auch dem glaubigen Vertrauen auf GOtt und gänzlicher Ubergabe in seinen Willen

VI. Von der Begierde und dem Verlangen nach Gott

=

= ==

Am Tage Simonis und Judä Am 23. Sonntag nach Trinitatis Am 24. Sonntag nach Trinitatis Am 25. Sonntag nach Trinitatis Am 26. Sonntag nach Trinitatis Am 27. Sonntag nach Trinitatis = ==2 =

Band 5

Band 3

VII. Von dem Geheimnüß = und Nutzen des Creutzes / und dem geistlichen Kampff und Sieg = VIII. Von der Reinigung / Erleuchtung und Heilgung / wie auch von der Ruhe der Seelen/ und dem Frieden und der Freude im Heiligen Geist

=

= IV. Bät= Klag= Buß= und Trost=Lieder =

Band 2

== Rubrikenbezeichnung dieses Bandes entspricht der des zweiten.

––––––––––

VIII. Von der Reinigung / Erleuchtung und Heiligung It. Von dem wahren Frieden und der Ruhe der Seelen/ und der Freudigkeit des Geistes in der völligen Übergabe an GOtt IX. JEsus= und Weißheits= Lieder

V. Von der Verschmähung der Welt /Verläugnung sein selbst und Nachfolge JEsu Christi VI. Von der Begierde und dem Verlangen/ oder geistlichen Hunger und Durst nach GOtt und Christo VII. Von dem Geheimniß des Creutzes und dem geistlichen Kampff und Sieg

III. Erweckungs=Gesänge IV. Bet= Buß= und Trost=Lieder

Band 1

300 Anhang

3

= [IX]

XIV. Vom Himmlischen Jerusalem = = fehlt = [XVII.] XXIII. Vom Tod und Sterben Jüngsten Gericht und ewigen Leben

X. Von der Liebe Gottes oder himmlische Liebes=Lieder XI. Vom wahren und falschen Christenthum / nebst christlichen Lehrsätzen XII. Psalmen Davids =

Band 2

= [XII.] = [XIII.] = [XIV.] = [XV.] XVI. Vom Tod und Sterben / wie auch von der Begierde/ und dem Verlangen nach dem ewigen Leben

fehlt

fehlt = [XI.]

= [X.]

mit der IX. Rubrik zusammengelegt

Band 3

XV. XVI. XVII. XVIII. XIX.

= [Rubrik XIII. des 1. Bandes] = [Rubrik XV. des 1. Bandes] = [Rubrik XVI. des 1. Bandes] = [Rubrik XVII. des 1. Bandes] = [Rubrik XVIII. des 1. Bandes]

XIV. Leichen=Lieder

XI. Vom wahren und falschen Christenthum / wie auch derer Christen Pflichten / Tugenden Ubungen und Gottes=Diensten XII. Geburths=Tags Lieder XIII. Hochzeit=Lieder

= [IX.]3 X. Psalmen und Schrifft=Lieder

Band 5

Die Bezeichnung der in der Klammer angegebenen Rubrik (hier der neunten) entspricht der in dieser Zeile angegeben des ersten Bandes.

––––––––––

XII. Psalmen und Schrifft=Lieder XIII. Von der Klage und Hoffnung Zions XIV. Vom Himmlischen Jerusalem und der Hochzeit des Lammes XV. Lob= und Danck=Lieder XVI. Morgen=Lieder XVII. Tisch=Gesänge XVIII. Abend=Lieder XIX. Verlangen nach dem ewigen Leben

XI. Vom wahren und falschen Christenthum

X. Himmlische Liebes=Lieder

Band 1

Anhang

301

1

Rubriken zitiert nach: Röbbelen: Theologie und Frömmigkeit. S. 44–45.

––––––––––

XV. XVI. XVII. XVIII.

XIV.

I. II. III. IV. V. VI. VII. VIII. IX. X. XI. XII. XIII.

„Geist=reiches Gesang=Buch“1 Von der Zukunft Christi ins Fleisch oder Adventslieder Von der Zukunft Christi ins Gericht Von der Menschwerdung und Geburt Christi Neu=Jahrslieder Von Jesu und dessen mannigfaltigen Namen und Ämtern Aufs Fest der Erscheinung Christi Aufs Fest der Reinigung Mariä Aufs Fest der Verkündigung Mariä Vom Leiden und Sterben Jesu Christi Vom Begräbnis Jesu Christi Von der Auferstehung Jesu Christi Von der Himmelfahrt Jesu Christi Vom heiligen Geist dessen mannigfaltigen Gaben und Wirkungen oder Pfingstlieder Vom göttlichen Wesen und Eigenschaften oder aufs Fest der heiligen Dreieinigkeit Aufs Fest Johannes des Täufers Aufs Fest der Heimsuchung Mariä Von den heiligen Engeln oder aufs Fest Michaelis Von der Leutseligkeit Gottes und Christi

= = = XVIII. Von GOtt und dessen Freundlichkeit und Leutseligkeit

=

= = XIII. Pfingst=Lieder

= = = = = = IX.+X. Vom Leyden / Sterben und Begräbnüß Jesu Christi

Geistreicher Würtz= Kräuter= und Blumen=Garten“ 4. Band I.+II. Von der Zukunfft Christi ins Fleisch und zum Gericht

Rubriken des ersten und zweiten Teils des „Geist=reichen Gesang=Buchs“ 1704 / 1714 und des vierten Bandes des „Geistlichen Würtz= Kräuter= und Blumen=Gartens

302 Anhang

„Geist=reiches Gesang=Buch“ XIX. Von den Werken der Schöpfung und der Daraus herfürleuchtenden göttlichen Liebe und Herrlichkeit XX. Von der Göttlichen Vorsorge und Regierung XXI. Vom göttlichen Wort XXII. Von der heiligen Taufe XXIII. Vom heiligen Abendmahl XXIV. Vom wahren und falschen Christentum XXV. Vom menschlichen Elend und Verderben XXVI. Von der wahren Buße und Bekehrung XXVII. Vom wahren Glauben XXVIII. Vom Christlichen Leben und Wandel XXIX. Vom Gebet XXX. Von der geistlichen Wachsamkeit XXXI. Vom geistlichen Kampf und Sieg XXXII. Von der Keuschheit XXXIII. Von der Verleugnung sein selbst und der Welt XXXIV. Von der Begierde zu Gott und Christo XXXV. Von der Liebe zu Jesu XXXVI. Von der brüderlichen und allgemeinen Liebe XXXVII. Von der Nachfolge Jesu XXXVIII. Vom Geheimnis des Kreuzes XXXIX. Von der Christlichen Gelassenheit XL. Von der Geduld und Beständigkeit XLI. Von der Übergabe des Herzens an Gott XLII. Vom göttlichen Frieden XLIII. Von der Freude im heiligen Geist XLIV. Von der Freudigkeit des Glaubens = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = =

Geistreicher Würtz= Kräuter= und Blumen=Garten“ 4. Band XIX. Von den Wercken der Schöpffung

Anhang

303

XLV. XLVI. XLVII. XLVIII. XLIX. L. LI. LII. LIII. LIV. LV. LVI. LVII. LVIII. LIX. LX.

„Geist=reiches Gesang=Buch“ Vom Lobe Gottes Von der wahren Weisheit Von der geistlichen Vermählung Vom hohen Adel der Gläubigen Vom verborgenen Leben der Gläubigen Von der Klage Zions Von der Hoffnung Zions Vom Tode und der Auferstehung Vom Himmel und himmlischen Jerusalem Morgenlieder Abendlieder Tischlieder In gemeiner Not Reiselieder Anhang Zugabe LIX. Schluß=Lieder

Geistreicher Würtz= Kräuter= und Blumen=Garten“ 4. Band = = = = = = = = = = = = =

304 Anhang

Quellen- und Literaturverzeichnis

Die benutzten Abkürzungen folgen dem von Siegfried M. Schwertner herausgegebenen Internationalen Abkürzungsverzeichnis für Theologie und Grenzgebiete, Berlin ²1992.

Handschriftliche Quellen: Bad Homburg: Schloß Catalogus über die Fürst[liche] Bibliothek 1751. (FS HG 4, Kopie des Katalogs im Hessischen Staatsarchiv Darmstadt). Katalog über die Teilbibliothek der in Homburg verbliebenen Teilbestände der Bibliothek des Landgrafen Ferdinand von Hessen-Homburg. Bad Homburg: Stadtarchiv Extraordinaires Homburger Heb-Register zu Bestreitung derer im vorigen 1734ten Jahr gehabten Krieg=Unkosten und [...] Vestungs=Bau oder Schanzgeldern wie auch andern gemeinschaftlichen Unkosten, 1735. (A I 9/31). Jacobi, Heinrich: Zur Geschichte des Jacobi’schen Hauses, 6–7. Ders.: Goldmacherei und Goldmacher im alten Homburg. Vortrag im Geschichtsverein vom 15. April 1932, Typoskript. (E II 4 q). Urkunden, die Familie Schütz betreffend. Stadtarchiv Bad Homburg (D I 2). Specification der Bücher welche der Buchdrucker, H. Helwig aus hiesiger Buchdruckerey zur Hoch-Fürstl. Bibliothec roh und in duplo d. 24. Aug. 1739 geliefert. (C I 8 b). Berlin: Staatsbibliothek zu Berlin, Preußischer Kulturbesitz, Haus 2, Potsdamer Platz Georg Ludwig von Hardenberg: Lexikon geistlicher Gesänge, 3 Bde, 2. Hälfte des 18. Jh. 1 (Ms Germ oct. 789–791). Darmstadt: Hessisches Staatsarchiv Catalogus über die Fürst[liche] Bibliothek 1751. (D 11 Konv. 64 Fasc. 3). Darmstadt: Zentralarchiv der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau Kirchenbuch der reformierten Gemeinde Bad Homburg v. d. H. 1750. (Film Nr. 1140). Frankfurt am Main: Institut für Stadtgeschichte Jung, R.: Repertorien über die Akten Zensur, Buchdruck, Buchhandel, Presse, [1909]. (Repertorium 142). Beerdigungsbuch der Reichsstadt Frankfurt, 1751–1754. [Microfiche]. Corpuliert und ehelich Eingesegnete, 1702–1706. [Microfiche]. Nachlaß Gustav Mori. (S 1/152). Rats-Supplikationen (Rats-Suppl.) Frankfurt am Main: Senckenbergische Bibliothek Nachlaß von Johann Christian Senckenberg. (Senckenberg-Nachlaß).

306

Quellen- und Literaturverzeichnis

Herrnhut: Unitätsarchiv Zinzendorf, Nikolaus Ludwig: Undatierter Bericht von seiner Reise durch die Wetterau für die Gemeine in Herrnhut [21.–29. September 1730]. (R 20. A. 16. 54 a.). Privatbesitz Johann Wentzel an Philipp Christian Knodt, Cassel 10. Jan. 1790. Umstadt: Evangelische Kirche Kuntz, Friedrich Ernst und Neuenhagen, Georg: Chronik. [1863] Wiesbaden: Hessisches Hauptstaatsarchiv Hagemann: Repertorium über die Acten der ehemaligen Landgrafschaft Hessen-Homburg, [1882]. (Repertorium Abt. 310). Akten landgräflichen Buchdruckerei (Abt. 310, XIV, e 1, Bd. 1–2).

Personalbibliographie Christoph Schütz Eines Christlichen Pilgrims Reiße=Beschreibung Aus Egypten Nach dem heiligen Canaan, Darinnen die grosse Stadt Jericho mit ihren Einwohnern und deren Sitten, Religionen und GOttesdiensten, etc. kürtzlich beschrieben ist, benebst noch andern Geschichten und Wundern mehr, welche der Autor auff seiner Reiße gesehen und erfahren hat. [Gießen: Lammers] 1731. Das Ewige Evangelium Zur Verherrligung des Namens GOTTES Und zur Bekehrung der Völcker Aller Creatur Verkündiget: Oder Ein Gesang von der Ewigen Gnade/ Liebe und Erbarmung GOTTES/ Uber alle Creatur. Ans Liecht gegeben Von Christoph Schütz. [Gießen: Lammers] 1725. 2. Aufl. Das ewige Evangelium/ oder ein Gesang/ von der ewigen Gnade/ Liebe und Erbarmung GOttes/ über alle Creatur/ sammt dessen Erläuterung und Beweiß aus der Heiligen Schrifft/ und nun als der Güldenen Rosen Anderer Theil heraus gegeben von Christoph Schütz. [Gießen: Lammers] 1727. 3. Aufl. Das ewige Evangelium/ oder ein Gesang/ von der ewigen Gnade/ Liebe und Erbarmung GOttes/ über alle Creatur/ sammt dessen Erläuterung und Beweiß aus der Heiligen Schrifft/ und nun als der Güldenen Rosen Anderer Theil herausgegeben von Christoph Schütz. [Enthaltenes Werk in: Güldene Rose. 2. Aufl. 1731]. Die Ewige Weißheit, und Der wahre und sichere WEEG Zu der Höchsten Glückseligkeit In Zeit und Ewigkeit zu gelangen. Beschrieben von Christoph Schütz. Homburg vor der Höhe: Johann Philipp Helwig 1735. Geistliche CORRESPONDENtz zwischen einem nach den Geheimnüssen und Wundern GOttes in der heiligen Schrifft Forschenden Juristen und einem Leyen/ welcher in Christi inneren Geistes=Schule studiret/ und zu dieser Zeit Unter dem Schutz der Cron= und Preiß= würdigsten und Höchst=Durchleuchtigsten Herrschafft wohnet; Darinnen dieser letztere dem ersten auf mehr als 200. hohe und tiefe Fragen/ über so viele geheime Sprüche der Heil. Schrifft/ und sonderlich der Offenbahrung Johannes/ wie auch über einige Verborgenheiten der zeitlichen und ewigen Natur/ und denen Dingen/ welche GOtt der Herr noch etwa in der letzten Zeit und den darauf folgenden Ewig= keiten der Ewigkeiten/ mit seinen/ sowohl seeligen als verdammten Creaturen vornehmen und thun wird. etc. nach dem Maase seiner ihm von GOtt verliehenen Erkändtnüs/ gründlich und schrifftmäßig geantwortet. Wobey dann viele hohe Geheimnüsse der Heil. Schrifft gantz klar und gründlich entdeckt werden; und zwar auf eine solche Art und Weise/ daß sie wohl allen Lesern zur Erbauung dienen können. In zwey Theil/ sammt

Quellen- und Literaturverzeichnis

307

einem Anhang etlicher Briefe/ von sehr nützlicher und erbaulicher Materie. [Gießen: Lammers] 1728. 2. Aufl. Geistliche CORRESPONDENtz zwischen dem Herrn Amtmann Fischer und Christoph Schütz/ darinnen dieser Letztere dem Ersten auf mehr als 200. hohe und tiefe Fragen/ über so viele geheime Sprüche der H. Schrifft/ und sonderlich der Offenbahrung Johannes/ wie auch über einige Verborgenheiten der zeitlichen und ewigen Natur/ und denen Dingen/ welche GOtt der HErr noch etwa in der letzten Zeit und denen darauf folgenden Ewigkeiten/ mit seinen/ wiewohl seeligen als verdammten Creaturen vornehmen und thun wird/ nach dem Maas seiner ihm von GOtt verliehenen Erkändtnüs/ gründlich und Schrifft=mäßig geantwortet. Wobey dann viele hohe Geheimnüsse der Heil. Schrifft gantz klar und gründlich entdecket werden/ und zwar auf eine solche Art und Weise/ daß sie wohl allen Lesern zur Erbauung dienen können. In zwey Theil/ sammt einem Anhang von etlichen Briefen/ zweyte Edition, mit einer Vorrede und Anhang vermehrt. [Gießen: Lammers] 1731; Diese Ausgabe liegt auch in einer MicrofilmEdition vor: New Haven 1973, German baroque literature, Harold Jantz collection; no. 2282, reel 469. Geistliches Harpfen=Spiel der Kinder Zions oder hundert Zionistische Gesänge/ welche zu Zion in der Stille/ im innren Geistes= und Hertzens=Tempel gesungen und gespielet/ in diese Reimen verfasset/ und seinem Nechsten zur Erbauung und Ermunterung durch den Druck bekandt gemacht der Autor Christoph Schütz. [Gießen: Lammers] 1725. 2. Aufl. Geistliches Harffen=Spiel der Kinder Zions in Drey Theil verfasset. Der Erste Theil Begreiffet in sich 121. Zionistische Gesänge/ welche zu Zion/ (im innern Geistes= und Hertzens=Tempel) gesungen und gespielet/ in diese Reime verfasset/ und seinem Nächsten zur Erbauung und Ermunterung durch den Druck bekannt gemacht. der Autor Christoph Schütz. [Gießen: Lammers] 1730. Ein geistliches Würtz=Gärtlein/ welches verfasset in LIII. Lehr=reiche Sinn= und Schluß= Reimen/ und dem geistlichen Harpfen=Spiel der Kinder Zions/ als einen dritten Theil beygefüget der Autor Christoph Schütz. [Gießen: Lammers] 1725. 2. Aufl. Ein geistliches Würtz=Gärtlein/ welches verfasset in LIII. Lehr=reiche Sinn= und Schluß= Reimen/ und dem geistlichen Harffen=Spiel der Kinder Zions/ als einen Dritten Theil beygefüget der Autor Christoph Schütz. [Gießen: Lammers] 1730. Der Göttliche Liebes=Triumph und Sieg der Warheit/ oder ein überzeugendes und mit vielen Sprüchen aus der H. Schrifft befestigtes Zeugnüs/ daß GOtt der HErr durch seine unendliche Liebes=Krafft/ in Christo JEsu/ noch endlich über alle Kräfften und Machten des Grimmes und der Boßheit triumphiren/ alles sündliche und böse Wesen in allen gefallenen und verdorbenen Creaturen/ wieder austilgen und vernichten/ und die gefallene Creaturen selbst insgesammt/ wieder aus ihrem Fall aufrichten/ von allem Ubel und Verderben erlösen/ befreyen/ verneuen und in einen seeligen und höchst=glückseeligen Zustand versetzen/ und darinnen ohne Ende erhalten wird. Auf Veranlassung eines sogenannten Liebhabers Göttlicher Warheit geschrieben/ und ans Licht gegeben von Christoph Schütz Gedruckt auf Kosten des Autors. Frankfurt: Friedrich Wilhelm Förster 1730. Güldene Rose/ Oder Ein Zeugnüs der Warheit von der uns nun so nahe bevorstehenden Güldenen Zeit des tausendjährigen und ewigen Reichs JESU CHRIJSTJ/ und der damit verbundenen Wiederbringung aller Dinge/ IN DREY THEJL. Ans Licht gegeben von Christoph Schütz [Gießen: Lammers] 1727. 2. Aufl. Güldene Rose/ oder ein Zeugnüs der Warheit von der uns nun so nahe bevorstehenden Güldenen Zeit des tausendjährigen und ewigen Reichs JESU CHRIJSTJ und der damit verbundenen Wiederbringung aller Dinge/ In drey Theil. Ans Licht gegeben von Christoph Schütz. [Gießen: Lammers] 1731. [Das innige Verlangen und Seufzen des Geistes]

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Quellen- und Literaturverzeichnis

Erste Auflage ist nicht nachweisbar. 2. Aufl. Des geistlichen Harffen=Spiels der Kinder Zions Ander Theil/ oder das innige Verlangen und Seuffzen des Geistes/ welches in etlichen Gebetern/ Liebes= und Hertzens=Seuffzern ausgedrucket, und seinem Nächsten zur Erbauung und Ermunterung ans Licht gegeben der Autor Christoph Schütz. [Gießen: Lammers] 1730. Das kündlich grosse Geheimniß der Gottseeligkeit CHRISTUS in uns/ wie auch das grosse Geheimnis der Boßheit und der Greuel der Verwüstung stehende an der H. Stätte gantz klar und gründlich entdecket und beschrieben/ in dreyen Theilen. darinnen auch die Lehre von der wahren Absonderung der frommen und glaubigen Kinder GOttes/ von den gottlosen und unglaubigen Welt= Kindern und ihrem unvernünfftigen Gottesdienst/ recht gründlich und umständlich verhandelt/ und als eine sehr heilsame und nöthige Lehre der Warheit nach der Gottseligkeit/ nach dem ernstlichen Willen und Befehl GOttes bezeuget und ans Licht gestellet wird/ von einem Christlichen Schüler. [Gießen: Lammers] 1728. 2. Aufl. Das kündliche grosse Geheimnüs der Gottseeligkeit CHRISTUS in uns/ wie auch das grosse Geheimnüs der Boßheit und der Greuel der Verwüstung stehende an der H. Stätte gantz klar und gründlich entdecket und beschrieben/ In dreyen Theilen. Darinnen dann auch die Lehre von der wahren Absonderung der frommen und glaubigen Kinder GOttes/ von den gottlosen und unglaubigen Welt=Kindern und ihrem unvernünfftigen Gottesdienst/ recht gründlich und umständlich verhandelt/ und als eine sehr heilsame und nöthige Lehre der Warheit nach der Gottseeligkeit/ und dem ernstlichen Willen und Befehl GOttes bezeuget und ans Licht gestellet wird/ deme dann bey dieser neuen Auflage noch beygefüget worden eines Christl. Pilgrims Reise=Beschreibung aus Egypten nach dem heutigen Canaan/ herausgegeben von Christoph Schütz. [Gießen: Lammers] 1731. Das Lied Mosis und des Knechts Gottes Deut. XXXII, 1,43. [Homburg v.d. H.: Hellwig] 1738. (Kein Exemplar zu ermitteln. Nachweis: Spezifikation der Bücher zur Hofbibliothek geliefert 1739) Die Stimme des Bräutigams und der Braut JEsu Christi von der herannahenden Hochzeit des Lamms/ Welche zu Zion in der Stille gehört/ in diese Reime verfasset/ und seinen Nächsten zur Erbauung und Ermunterung ans Licht gegeben der Autor/ Christoph Schütz. [Gießen: Lammers] 1725. Eine starck=thönende und sehr bewegliche Buß=Posaune/ oder etliche Buß=Lieder Zur Erweckung und Bekehrung derer/ in dem Sünden=Schlaff liegenden Völcker/ im Trieb des Geistes geschrieben/ und vor den Ohren des Volcks gesungen von Christoph Schütz. [Gießen: Lammers] 1725. Ein Zeugnüß der Warheit wider die Leichtfertige Lügen und Lästrungen welche Der falsche Inspirations-Geist in zweyen Aussprachen den 2ten April und 5ten Junii, dieses 1733. Jahrs aus= gesprochen Durch sein Werckzeug Johann Friedrich Rock/ Darinnen das Geheimnüß der Boßheit welches bey einigen Jahren her/ unter dem Schein eines Gottseligen Wesens, viel Aufsehens in der Welt gemacht hat, zimlich klar entdecket wird. herausgegeben von Christoph Schütz. [Homburg vor der Höhe: Johann Philipp Helwig] 1733. [Zeugnis der Wahrheit] Der güldenen Rose dritter Theil/ oder ein Zeugnüs der Warheit/ von der Wiederbringung aller Dinge/ aus Liebe zur Warheit und Rettung der Ehre GOttes; wie auch zur Entschuldigung eines Christlichen Freundes/ welcher um solcher Lehre willen bedrängt worden/ geschrieben/ und nun als Ein allgemeiner Send=Brief/ an alle freventliche Widersprecher solcher Lehre/ ausgesandt und allen Warheit=liebenden Menschen zur unpartheyischen Prüfung und Beurtheilung vor die Augen gelegt von Christoph Schütz. [Gießen: Lammers] 1727. 2. Aufl. [Zeugnis der Wahrheit] Der güldenen Rose dritter Theil/ oder ein Zeugnüs der Warheit von der Wiederbringung aller Dinge/ aus Liebe zur Warheit/ und Rettung zur Ehre GOttes; wie auch zur Entschuldigung eines Christlichen Freundes/ welcher um solcher Lehre willen bedrängt worden/ geschrieben/ und nun als Ein allgemeiner Send=Brief/ an alle freventliche Widerspre-

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cher solcher Lehre/ ausgesandt/ und allen Warheit=liebenden Menschen zur unpartheyischen Prüfung und Beurtheilung vor die Augen gelegt von Christoph Schütz. [Enthaltenes Werk in: Güldene Rose. 2. Aufl. 1731]. Der Zug des Vatters zu dem Sohne und das Kommen durch den Sohn zum Vatter/ Oder der kurtze und Richtige Weg durch Christum zu GOtt. Auf Begehren einer fürnehmen Standes=Person geschreiben, und zum gemeinen Nutzen ans Licht gegeben von Christoph Schütz. [Gießen: Lammers?] 1730. Herausgegebene Werke Ein Geistlicher Würtz= Kräuter und Blumen=Garten oder des UNIVERSAL- Gesang=Buchs Darzu man nicht nur schon allbereits eine Anzahl von mehr als 30000. Lieder/ aus mehr dann 3. biß 400. Gesang= und Poetischen Büchern und vielen Manuscripten gesammlet hat, sondern auch noch nach und nach in einer CONTINUATION (Wann anders GOtt Zeit und Gnade verleihet) Alle und jede Geistliche Lieder/ welche nur jehmahls in Deutscher Sprache sind bekannt worden, oder auch noch zu unserer Zeit uns bekannt werden dürfften, sammlen wird. Erster Haupt=Theil/ GOtt in seiner ewigen Weißheit und zum Preiß und dem Nächsten zum Nutz in 5. Bänden und 5000. Liedern verfasset, und mit der Vorrede Eines vornehmen GOttes=Gelehrten aus H. Vom Nutzen eins Universal-Gesang=Buchs heraus gegeben Im Jahr 1744. Homburg vor der Höhe: Johann Philipp Hellwig 1744. Band 1. Des Geistlichen Würtz= Kräuter= und Blumen=Gartens, oder UNIVERSAL- Gesangbuchs Erster Theil Bestehend In einer Auswahl von tausend/ so wohl alten als neuen geistlichen lieblichen Liedern/ GOtt und seiner ewigen Weißheit zum Preiß und Lobe und denen Menschen zum Dienst und Nutz herausgegeben Im Jahr 1738. Homburg vor der Höhe: Johann Philipp Helwig 1738. Band 2. Des Geistlichen Würtz= Kräuter= und Blumen=Gartens, oder UNIVERSAL- Gesangbuchs Zweyer Theil Bestehend In einer Auswahl von tausend/ so wohl alten als neuen geistlichen lieblichen Liedern/ GOtt und seiner ewigen Weißheit zum Preiß und Lobe und denen Menschen zum Dienst und Nutz herausgegeben Im Jahr 1739. Homburg vor der Höhe: Johann Philipp Helwig 1739. Band 3. Des Geistlichen Würtz= Kräuter= und Blumen=Gartens, oder UNIVERSAL Gesangbuchs Dritter Theil Bestehend In einer Auswahl von tausend/ so wohl alten als neuen geistlichen lieblichen Liedern/ GOtt und seiner ewigen Weißheit zum Preiß und Lobe und denen Menschen zum Dienst und Nutz herausgegeben Im Jahr 1740. Homburg vor der Höhe: Johann Philipp Helwig 1740. Band 4. Des Geistlichen Würtz= Kräuter= und Blumen=Gartens, oder UNIVERSAL- Gesangbuchs Vierter Theil Bestehend In einer Auswahl von tausend/ so wohl alten als neuen geistlichen lieblichen Liedern/ GOtt und seiner ewigen Weißheit zum Preiß und Lobe und denen Menschen zum Dienst und Nutz herausgegeben Im Jahr 1744. Homburg vor der Höhe: Johann Philipp Helwig 1744. Band 5. Des Geistlichen Würtz= Kräuter= und Blumen=Gartens, oder UNIVERSAL- Gesangbuchs Fünffter Theil Bestehend In einer Auswahl von tausend/ so wohl alten als neuen geistlichen lieblichen Liedern/ GOtt und seiner ewigen Weißheit zum Preiß und Lobe und denen Menschen zum Dienst und Nutz herausgegeben Im Jahr 1744. Homburg vor der Höhe: Johann Philipp Helwig 1744. Herrn GEORGII von Welling OPUS MAGO-CABBALISTICUM ET THEOSOPHICUM. Darinnen der Ursprung/ Natur/ Eigenschafften und Gebrauch/ Des Saltzes, Schwefels Und MERCURII, In dreyen Theilen beschrieben/ Und nebst sehr vielen sonderbahren Mathematischen/ Theosophischen/ Magischen und Mystischen Materien, Auch die Erzeugung der Metallen und Mineralien/ aus dem Grunde der Natur erwiesen wird; Samt dem Haupt=Schlüssel des gantzen Wercks/ Und vielen curieusen Mago-Cabbalistischen Figuren. Deme noch beygefüget: Ein Tractätlein von der Göttlichen Weißheit; Und ein besonderer Anhang/ Etlicher sehr rar=

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und kostbahrer Chymischer Piecen. Nunmehro das erstemahl also zusammen zum Druck befördert. Von einem Liebhaber Göttlicher und Natürlicher Geheimnüsse. Homburg v. d. H.: Johann Philipp Helwig 1735. 2. Aufl. Herrn GEORGII von Welling OPUS MAGO-CABBALISTICUM ET THEOSOPHICUM, darinnen der Ursprung, Natur, Eigenschaften und Gebrauch des Saltzes, Schwefels und MERCURII, in dreyen Theilen beschrieben, und nebst sehr vielen sonderbaren mathematischen, theosophischen, magischen und mystischen Materien, auch die Erzeugung der Metallen und Mineralien, aus dem Grunde der Natur erwiesen wird; samt dem Haupt=Schlüssel des gantzen Wercks , und vielen curieusen mago-cabbalistischen Figuren. Deme noch beygefüget: Ein Tractätlein von der Göttlichen Weisheit; und ein besonderer Anhang etlicher sehr rar= und kostbarer chymischer Piecen. Andere Auflage. Frankfurt und Leipzig: Fleischer 1760. 3. Aufl. Herrn GEORGII von Welling OPUS MAGO-CABBALISTICUM ET THEOSOPHICUM, darinnen der Ursprung, Natur, Eigenschaften und Gebrauch des Saltzes, Schwefels und MERCURII, in dreyen Theilen beschrieben, und nebst sehr vielen sonderbaren mathematischen, theosophischen, magischen und mystischen Materien, auch die Erzeugung der Metallen und Mineralien, aus dem Grunde der Natur erwiesen wird; samt dem Haupt=Schlüssel des gantzen Werks, und vielen curieusen mago-cabbalistischen Figuren. Deme noch beygefüget: Ein Tractätlein von der Göttlichen Weisheit; und ein besonderer Anhang etlicher sehr rar= und kostbarer chymischer Pieçen. Andere Auflage. Frankfurt und Leipzig: Fleischer 1784; Originalgetreue Faksimile-Ausgabe der 3. Aufl. Stockholm 1971. Beitrag im Sammelwerk [Brief von Christoph Schütz an N.N., Offenbach, 2. Dezember 1730] In JEsu dem Sohn der Liebe. Vielgeliebt Brüder. In: Bewährte und Harmonische zeugnüsse Einiger Unpartheyischer und in GOtt verbundener Freunde von der Hochheiligen DreyEinigkeit und Wahrhafftigen Gottheit JEsu Christi, Als des unbeweglichen Felschens und in aller Anfechtung bestehenden Grundes unseres ewigen Heyls, Nach der Heil. Schrifft/ Bekanntnus alter und neuer Zeugen/ und Ubereinstimmung der gantzen Natur in Der grosssen und kleinen Welt. Auff Veranlassung der zwischen Hn. Rath Fende und Hn. D Lang in Halle/ hierüber jüngst gewechselten Schrifften, dargelegt Zur gemeinen Auferbauung und Verwahrung gegen alle grobe und subtile Verführung und Verrückung von JEsu Christo/ der alleinigen Hoffnung der Herrlichkeit. Frankfurt und Leipzig: Andreä 1731, 1–4. Zuschreibungen Microcosmische Vorspiele Des Neuen Himmels und der Neuen Erde; Wie dem Menschen/ als dem Bilde GOttes/ von GOTT zugelassen/ aus der alten verfluchten Erde eine neue vom Himmel gesegnete Erde, zur Ergötzung des Gemüths, und zur Erhaltung des Leibes, microcosmisch und quienessentialisch heraus zu bringen: Item, Was es dem Paradieß und dem Fall Adams vor eine Bewandniß habe, und wie JEsus die gantze unter dem Fluch liegende Schöpfung wie= der zurechte bringen und Paradiesisch machen könne und wolle, auch deßwegen an seinen eigenen in der Maria angenommenen Leibe den Anfang gemacht habe, Nach denen in der äussern sichtbaren Natur würckenden zwey ewigen unsichtbaren Principiis, nemlich des Lichts und der Finsterniß, zur Verherrlichung des grossen Jehovah, der Welt vor Augen geleget von Einem Liebhaber göttlicher und natürlicher Geheimnisse. Amsterdam [Berlin, bei Johann Andreas Rüdiger], Anno 1733.

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Im Deutschen Anonymen-Lexikon wird Johann Conrad Dippel als Autor des anonymen Werkes angegeben.1 Doch gegen diese Zuweisung spricht eine Kritik Dippels an dem Werk, die durch eine Bemerkung Hermann Fictulds überliefert ist.2 Aufgrund dieses Belegs gibt John Ferguson in seiner Bibliographie keinen Verfasser an.3 Reinhard Breymayer weist die Schrift Microscosmische Vorspiele des Neuen Himmels und der Neuen Erde Christoph Schütz zu.4 Er begründet dies mit den enthaltenen Bemerkungen über die göttliche Sophia, deren Bekanntschaft der Autor gemacht haben will und mit der er sich unterhalten habe (Vgl. § 12, 7–8), sowie dem philosophischen Verständnis der Alchimie (§ 164, 101). Ein weiters Argument ist die Empfehlung der Schriften Jakob Böhmes und Johann Pordage (§ 16, 10). Auch wenn Schütz in seinem Briefwechsel nicht J. Pordage, sondern die »Leade« aufführt, spricht dies nicht dagegen, da beide eng zusammenarbeiteten und die Vorstellungen der Philadelphier entwickelt haben. Großen Raum nimmt die Beschreibung der Erlösung und Wiederbringung des Menschen und der ganzen Schöpfung ein. Wie Schütz glaubt der Autor, daß auch die sündigen Menschen auferstehen werden, allerdings fehlt der von Schütz benutzte Begriff vom 1000jährigen Reich (§ 135, 84–85). In den Microcosmischen Vorspielen beschreibt der Autor ein göttliches Licht, das er am 17. März 1716 gesehen haben will (§ 91, § 93 55, 57). Nach diesem Bericht scheint ihn dieses »Licht« sehr beeindruckt zu haben. Wenn der Autor Schütz sein sollte, ist zu fragen, warum er dieses Ereignis nicht im Lebenslauf, der auch diesen Zeitraum behandelt, erwähnt. Gegen die Zuweisung an Schütz spricht auch der Sprachstil. Im Text werden an vielen Stellen lateinische und auch französische Fremdwörter, an einer Stelle auch ein lateinisches Sprichwort (Axiomate: ex iisdem nutrimur ex quibus constamus, 61) verwendet. In den Veröffentlichungen von Schütz fehlen Fremdworte weitgehend, nach einem Briefzitat konnte er weder lateinische noch französische Texte verstehen. Von den anderen Publikationen von Schütz unterscheidet sich die Schrift dadurch, daß sie anonym erschienen ist. Darüber hinaus ist auf dem Titelblatt der fingierte Erscheinungsort »Amsterdam« d.h. Berlin angegeben. Die Schütz’schen Schriften erschienen unter Nennung des Verfassers oder zumindest mit den Initialen in Gießen, Frankfurt und Homburg v. d. Höhe. Auch die Ortsangabe unter der Vorrede »in meinem Musaeo« (Bl. [)( 8] v) ist für Schütz untypisch. Psalmen Davids nach dem Kirchengesängen eingerichtet. Nürnberg 1723. Im Allgemeinen Bücher-Lexikon von Wilhelm Heinsius wird Christoph Schütz als Bearbeiter dieser Schrift angegeben. 5 Diese Zuschreibung ist falsch, die Psalmen wurden von Anna Elisabeth Behaim Freifrau von Schwarzbach auf die Melodien von Kirchenliedern angepaßt. 6

–––––––––– 1 Holzmann/Bohatta: Deutsches Anonymen-Lexikon, 4, 357, Nr. 11172. In den Katalogen wird diese Zuweisung weiter tradiert, z.B. Bayerische Staatsbibliothek München, Universitäts- und Landesbibliothek Halle, Universitätsbibliothek Kiel, Herzogin Anna Amalia-Bibliothek Weimar oder Universitäts- und Forschungsbibliothek Erfurt/Gotha. 2 Fictuld: Der Längst gewünschte und versprochene Chymnisch-philosophische Probier=Stein, 1753², 3. 3 Ferguson: Bibliotheca Chemica, 2, 95–96. 4 Breymayer: Radikaler Pietist, 199. Diese Zuschreibung wurde von den Bearbeitern des Katalogs der Sammlung von Alexander von Bernus übernommen vgl. Stöckinger/Telle: Alchemiebibliothek Alexander von Bernus, 174, Nr. 340. 5 Ferguson: Bibliotheca Chemica, 2, 95–96. 6 Ferguson: Bibliotheca Chemica, 2, 95–96.

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Gesangbücher Aemilia Juliane von Schwarzburg-Rudolstadt: Der Freundin des Lammes Täglicher Umgang mit Gott, Bestehend In Gebet/ Seufftzern Und Liedern/ Auf alle Zeiten/ Stände und Fälle/ Mit einem Vorbericht/ In welchem Von dem Buche selbst und dessen Hochsel. Verfasserin gehandelt wird. Leipzig und Rudolstadt: Johann Martin Gollner 1714. Anmuthiger Blumen=Krantz/ aus dem Garten der Gemeinde GOttes; in sich fassend allerhand Göttliche Gnaden= und Liebes= Würckungen/ ausgedruckt in geistlichen lieblichen Liedern: Zum Dienst Der Liebhaber des Lobes GOttes gesamlet. [Schaffhausen] 1712. Arnold, Gottfried: Paradisischer, Lust=Garten, Erfüllet mit andächtigen Gebeten und Gesängen/ Bey allen Zeiten/ Personen/ Lebens= Arten und Umständen Als Morgens/ Abends/ auf Reisen/ beym Arbeiten/ Beichten/ Nacht= mahl/ Sonn= und Fest=Tagen/ Creutz und Sterben/ Wie auch in Kriegs= Theuerungs= und Pest=Zeiten Zur Anleitung vor Ungeübte in dieser andern Edition über die helffte vermehret Nebst einer kurtzen und leichten Anleitung und Prüfung des Christenthums. Leipzig und Stendal: Ernst Heinrich Campen 1722. Basedow, Johann Bernhard (Hg.): Allgemein=Christliches Gesangbuch für alle Kirchen und Sekten. Riga und Altona: Gedruckt mit Eckhardtischen Schriften 1781. – (Hg.): Einer Philadelphischen Gesellschaft Gesangbuch für Christen und für philosophische Christgenossen. Dessau: Heinrich Heybruch [D]. Leipzig: S. L. Crusius [V] 1784. Busch, Peter (Hg.): Evangelische Lieder=Theologie, Oder vollkomneres Lehr= und Geistreiches Gesang=Buch, Worin Alle Glaubens= und Sitten=Lehren Evangelischer Kirche In 1200. geistreichen Liedern berühmter Evangelischer Theologen und erbaulicher Lehrer, wie auch Gottseliger Standes=Personen befindlich: Die bestmöglichst in Theologische Ordnung gebracht, mit gehörigen Rubricken, deutlichen Summarien, nützlichen Ueberschrifften, kurtzer Erklärung dunckeler Redens=Arten, nöthigen Parallel=Stellen heiliger Schrifft, richtiger Anzeige der Autorum, Nicht weniger Mit unterschiedenen nützlichen Registern, auch angehängtem Biblischen und geistreichen Gebet=Buche versehen, Mit gnädigster Bewilligung zum Druck befordert sind. Hannover und Göttingen: Johann Christoph Ludolph Schultz 1737. – (Hg.): Evangelische Lieder= Theologie, Oder vollkommneres Lehr= und Geistreiches Gesang=Buch, für das Herzogthum Lauenburg Worin Alle Glaubens= und Sitten=Lehren Evangelischer Kirche In 1200. geistreichen Liedern berühmter Evangelischer Theologen und erbaulicher Lehrer, wie auch Gottseliger Standes=Personen befindlich: Die bestmöglichst in Theologische Ordnung gebracht mit gehörigen Rubricken, deutlichen Summarien, nützlichen Ueberschriften, kurtzer Erklärung dunckeler Redens=Arten, nöthigen Parallel= Stellen heiliger Schrift, richtiger Anzeige der Autorum, Nicht weniger mit unterschiedenen nützlichen Registern, auch angehängten Biblischen und geistreichen Gebet=Buche versehen. Lauenburg: Johann Christoph Berenberg 1747. – (Hg.): Evangelischer Lieder=Kern, Oder vollständig Hildesheimisches Gesang= Buch, Worinnen Bey 1500. Lieder, Zuforderst die besten alten, und un= ter den neuen die geistreichesten, üblichsten, und zur Kirchen=Andacht nützlichsten, befindlich; Alle unter bekante Rubriken, in gute Ordnung, nebst darüber gesetzten Summarien, auch beygefügter Erklärung der fremden Wörter, und dunck= len Redens=Arten, Den Einfältigen zum Besten, gebracht; Wie nicht weniger Mit denen bekantesten Melodeyen und nützlichen Registern versehen. Nebst einem Vornehmlich auf die Kirchen=Andacht gerichteten vermehrten Kern= Gebet=Büchlein [...] bey dieser neuen Auflage mit Fleiß übersehen, an vielen Orten mehr erkläret und verbessert. Hildesheim: Ludolph Schröder 1734. – (Hg.): Nieder=Sächsischer Lieder=Kern, Oder vollständig Hildesheimisches Gesang=Buch, Worinnen Bey 1500. Lieder, Zufoderst die besten alten, und unter den neuen die geistreichesten, üblichsten/ und zur Kirchen=Andacht nützlichsten/ befindlich; Alle unter bekante Rubricken, in gute Ordnung, nebst darüber gesetzten Summarien, auch beygefügter Erklärung der fremden Wörter, und duncklen Redens=Arthen, denen Einfältigen zum Besten gebracht; Wie nicht weniger Mit denen bekantesten Melodeyen und nützlichen Registern versehen.

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versehen. Nebst einem Vornemlich auf die Kirchen=Andacht gerichteten Gebet=Büchlein [...] Hildesheim: Ludolph Schröder 1726. – (Hg.): Nieder=Sächsischer Lieder=Kern, Oder vollständiges Auf die Nieder=Sächsichen Lande gerichtetes Gesang=Buch, Worinnen Bey 1500 Lieder, Zufoderst die besten alten, und unter den neuen die geistreichesten, üblichsten/ und zur Kirchen=Andacht nützlichsten/ befindlich; Alle unter bekante Rubricken, in gute Ordnung, nebst darüber gesetzten Summarien, auch beygefügter Erklärung der fremden Wörter, und duncklen Redens=Arthen, denen Einfältigen zum Besten gebracht; Wie nicht weniger Mit denen bekantesten Melodeyen und nützlichen Registern versehen. Nebst einem Vornehmlich auf die Kirchen=Andacht gerichteten Gebet=Büchlein [...] Braunschweig: Ludolph Schröder 1719. Christliche Andachts=Flamme/ entzündet durch ein neu gantz vollständiges Rigisch= Liefländisches Gesangbuch In welchem nicht allein alle und jede in dem (so genannnten) Rigischen sondern auch/ was von Geistreichen Liedern in Stockholmischen/ Coburgischen/ Dreßdenischen Johann Krügers/ und andern Gesangbüchern wie auch D. Müllers Seelen=Musik enthalten in bequemer Ordnung zusammen getragen/ so daß dieses/ darinnen bey 1200. Lieder befindlich/ an statt aller seyn kan. Deme hinbey gefüget ein Christliches Gebet=Buch/ Zu einer Anweisung/ wie man in allerley Geistlichen und leiblichen Anliegen GOtt anruffen solle. [...] Nürnberg: Johann Hoffmann [V]. Altdorff: Heinrich Meyer [D] 1680. Davidisches Psalter=Spiel Der Kinder Zions, Von Alten und Neuen auserlesenen Geistes=Gesängen; Allen wahren Heils=Begierigen Säuglingen der Weisheit/ Insonderheit aber Denen Gemeinen des HERRN/ Zum Dienst und Gebrauch/ mit Fleiß zusammen getragen, Und In gegenwärtig= beliebiger Ordnung und Form/ Nebst einem doppelten darzu nützlichen Register/ Nunmehro zum drittenmal ans Licht gegeben. Homburg vor der Höhe: Johann Philipp Helwig 1740. [Dreßdnisches Gesang=Buch] Das Privilegirte Ordentliche und Vermehrte Dreßdnische Gesang=Buch, Wie solches so wohl In der Churfl. Sächsis. Schloß=Capell, als in denen andern Kirchen bey der Churfl. Sächsischen Residentz, Nach denen Lieder=Numern an denen Tafeln, Hiernebst auch In denen gesamten Chur= und Fürstlich=Sächsis. Landen bey öffentlichem Gottesdienst gebrauchet, und daraus pfleget gesungen zu werden, Darinnen die auserlesensten und Geistreichsten Lieder in reicher Anzahl zusammen getragen [...] Dresden und Leipzig: Friedrich Hekel, Georg Conrad Walther 1738. Evangelischer Liederkern aus dem vollständigen Hildesheimer Gesangbuche. Hildesheim: Gebr. Gersterberg 1873. Evangelisches Gesangbuch. Ausgabe für die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau. 2. Aufl. Frankfurt/Main: Spener Verlagsbuchhandlung 1998. Frauenholtz, Johann Christian: Zions Geistliche Blumen=Lust, Oder CANTATEN, ARIEN und Lieder/ Welche zu andächtiger Hertzens=Lust/ und Erfreulichen Seelen=Erquickung/ zum andernmal überreichet [...] Straßburg: Johann Gottfried Bauer 1749. Freylinghausen, Johann Anastasius (Hg.): Geist=reiches Gesang=Buch/ Den Kern Alter und Neuer Lieder/ Wie auch die Noten der unbekannten Melodeyen/ und darzu gehörige nützliche Register in sich haltend; In gegenwärtiger bequemer Ordnung und Form/ sammt einer Vorrede [...] Halle: Waisenhaus 1704. – (Hg.): Geistreiches Gesang=Buch, Den Kern alter und neuer Lieder in sich haltend, In gegenwärtiger bequemer Ordnung und Form, Nach denen unter diesen Namen alhier schon edirten Gesang=Büchern eingerichtet/ [...] Halle: Waisenhaus 1718. – (Hg.): Neues Geist=reiches Gesang=Buch, auserlesene/ so Alte und Neue/ geistliche und liebliche Lieder/ Nebst den Noten der bekann= ten Melodeyen/ in sich haltend [...] Halle: Waisenhaus 1714. –/Francke, Gotthilf August (Hg.): Geistreiches Gesang=Buch, den Kern alter und neuer Lieder in sich haltend: Jetzo von neuen so eingerichtet, Daß alle Gesänge, so in den vorhin unter diesem Namen alhier herausgekommenen Gesang=Büchern befindlich, unter ihre Rubriquen zusammengebracht, auch die Noten aller alten und neuen Melodeyen beygefüget worden, und mit einem Vorbericht [...] Halle: Waisenhaus 1741.

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Quellen- und Literaturverzeichnis

Geistlicher Lieder= Segen, In sich haltend über 1500. der besten und erbaulichsten alten und neuen Lieder, Welche mit Fleiß zusammen getragen und durchsehen, Auch denenselben eine nöthige Vorrede beygefüget worden. Greitz: Abraham Gottlieb Ludewig 1735. [Gesangbuch Vor die Königlich=Preußische Lande] Neues Vollständiges Gesang=Buch, Vor die Königlich=Preußische, Auch Chur=Fürstl. Brandenbur= gische und andere Lande, In welchem über 1000. derer auserlesensten alten und neuen, in beyderseits Evangelischen Kirchen üblichen Geistlichen Lieder enthalten, Die sonst in verschiedenen Gesang=Büchern nur zerstreuet zu finden; Nun aber auf vieles inständiges Verlangen in diesen bequemen Format zusammen getragen. Nebst einem Geist=reichen Gebeth=Büchlein, Von Morgen= und Abend= Communion= Kirchen= und andern Gebethern. Berlin und Potsdam: Johann Andreas Rüdiger 1725. Das Gesäng Der einsamen und verlassenen Turtel=Taube Nemlich der Christlichen Kirche. Oder geistliche u. Erfahrungs=volle Leidens u. Liebes=Gethöne, Als darinnen beydes die Vorkost der neuen Welt als auch die darzwischen vorkommende Creutzes= und Leidens= Wege nach ihrer Würde dargestellt, und in geistliche Reime gebracht Von einem Friedsamen und nach der stillen Ewigkeit wallenden Pilger. [...] Ephrata: Bruderschaft 1747. Gottschald, Johann Jacob (Hg.): THEOLOGIA IN HYMNIS, Oder: Universal= Gesang=Buch, Welches Auf alle Fälle, alle Zeiten, alle Glaubens=Lehren, alle Lebens=Pflichten, auf alle Evangelia und Episteln, auf allerley Stände und Personen, besonders auf den Catechismum gerichtet, Und aus 1300. absonderlich erlesenen Liedern alter und neuer Theologorum und Poeten bestehet; Nebst einem doppelten Register, und einem Geistreichen Gebet= und Communion=Buch, [...] Leipzig: Johann Christian Martini 1737. Guyon, Jeanne Marie de: Poetischer Versuch, einiger geistlichen Gesänge, aus der Madame GVION CANTIQUES SPIRITUELS ausgezogen, paraphrasirt und in teutsche Oden gebracht. [Übers. von Johann Friedrich von Fleischbein]. 1 (1744)–4 1754. Helimantes: Der Nach der lauteren Heyls=Oeconomie Theosophisch erwogene Mittlere Zustand der Seelen nach dem Tode, Nebst der in demselben vorgehenden Läuterung/ Auch endlich darauf erfolgenden Seligen Wiederbringung der gantzen gefallenen Creatur [...] Heilbronn: Nicodemus Seligmann 1725. HESSEN= Homburgisches Neu=Vollständiges GESANG= BUCH, Enthaltend Eine Sammlung Von 1941. der außerlesensten Geist= und Lieblichen Alt= und Neuen LIEDERN [...] Homburg vor der Höhe: Johann Philipp Helwig 1734. Knapp, Albert (Hg.): Evangelischer Liederschatz für Kirche und Haus. Eine Sammlung geistlicher Lieder aus allen christlichen Jahrhunderten, Stuttgart u.a.: Johann Friedrich Cotta 1–2 (1837). Lilienthal, Michael (Hg.): Des Singens Vernünfftiger Gottes=Dienst/ Vermittelst Darstellung 600. mit Fleiß gesammleter alter und neuer geistreicher Lieder/ Auch nöhtiger Erklärung der darinnen vor= kommenden fremden Wörter/ schwer=scheinenden Stellen und anstößigen Redens=Arten/ Nicht minder durch Beyfügung mancherley Historischer Nachrichten und anderer erbaulichen Anmerckungen befordert [...] Königsberg: [Friedrich] Reußner 1723. Lüneburgisches GEsang= Buch/ Darinnen 2100. so wol alte als neue Geistreiche Lieder/ Auß den besten Autoren gesammlet/ mit vielen neuen anmuthigen Melodeyen versehen/ und mit Kupffern gezieret: Nebenst angefügtem Gebet=Büchlein/ Welches tägliche Morgen= und Abend= Segen/ auch kurtzen Unterricht von der Bus= se/ Beicht und heiligen Abendmahl/ sammt zu= gehörigen Gebeten/ auß geistreicher Männer Schrifften verfasset. [...] Lüneburg: Johann Stern 1702. Mastiaux, Kaspar Anton von (Hg.): Katholisches Gesangbuch zum allgemeinen Gebrauche bei öffentlichen Gottesverehrungen, München: Zängl 1 (1810)–3 (1811). McMullen, Dianne Marie/Miersemann, Wolfgang (Hg.): Geist=reiches Gesang=Buch. Teil 1. Text. Lied 1–395. Tübingen 2004. Moser, Johann Jacob/Billhuber, Johann Christoph (Hg.): Evangelischer Lieder=Schatz, Oder Glossiertes grosses Würtembergisches Gesang=Buch, Darinnen Grossen Theils alle bekannte/ so wohl alte als neue Kirchen=Lieder aus den meisten Evangelischen Gesang=Büchern mit Bemerckung des darinn vorkommenden Unterscheids zusammen getragen/ Hernach mit

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einigen Stellen Heil. Schrifft beleuchtet, so dann die darinn befindliche dunckele oder anstößige Redens=Arten erkläret und gerettet; und endlich Zu Erweckung mehrer Andacht einige Nutz=Anwendungen, Darinn vornehmlich auf dem Zustand des singenden Hertzen vor GOtt getrungen wird, beygefüget werden. In Sechs Theilen verfasset. Tübingen: Carl Gottlieb Ebert 1 (1730)–3 1734. Olearius, Johann Christoph (Hg.): Arnstädtisches Verbessertes Gesangbuch/ Darinnen Eine vergnügliche Anzahl von Geistlichen und reinen Liedern zufinden/ Die seithero Zuförderst in Schwartzburgischen/ wie auch andern umliegenden Ländern und Oertern/ bey öffentlicher und privat=Andacht/ sind bekandt worden; Welches/ nebst einem kurtzgefasten Vorbericht von denen Autoribus derer hierinn enthaltenen Lieder/ samt zugehöriger Vorrede/ nöthigen Registern und etlichen Gebeten [...] Arnstadt: Nicolaus Bachmann 1705. – (Hg.): Evangelischer Lieder=Schatz/ darinn allerhand Auserlesene Gesänge/ so sich auff alle Sonn= und Fest=Tags Evangelia schicken/ angezeiget/ zugleich auch Von jedes Liedes Autore, Werth/ Krafft/ Fatis, Historien/ Mißbrauch derer Adversariorum, Ver= fälschungen/ Commentatoribus, u. d. m. ausführlich gehandelt/ und darauff schließlich eine kurtzgefaste DISPOSITION beygefüget hat [...] Jena: Johann Felix Bielcken 1705–1707. Rambach, Johann Jacob (Hg.): Geistreiches Haus= Gesang=Buch, welches Alle Glaubens=Lehren und Lebens= Pflichten in siebenhundert auserlesenen, meist neuen/ und zum Theil noch nie gedruckten/ Liedern/ In welchen die dunckle Redens=Arten erleutert, und fast alle Verse mit Parallel=Stellen der heil. Schrift versehen sind, in sich fasset; Nebst nützlichen Registern der Lieder und Materien/ Zur Beförderung der Haus=Andacht ausgefertiget [...] Frankfurt und Leipzig: Wolffgang Ludwig Spring 1735. – (Hg.): Neu=eingerichtetes Hessen=Darmstädtisches Kirchen= Gesang=Buch, welches Alle Glaubens=Lehren und Lebens=Pflichten In fünfhundert auserlesenen alten und neuen Liedern/ in welchem alle dunkle Wörter und Redens=Arten mit nöthigen Anmerckungen erläutert sind, in sich fasset; Nebst nützlichen Registern der Lieder und Materien/ auch einer kurtzen historischen Nachricht von den bekanten Verfassern der Lieder Welchem endlich/ nebst dem Catechismo Lutheri/ ein geistreiches Gebet=Büchlein beygfüget ist. [...] Darmstadt: Johann Christoph Forter [V] Caspar Klug [D] 1733. Schmolck, Benjamin: Des Andächtigen Hertzens Schmuck und Asche, Oder, Neue Sammlung zweyhundert Freud= und Trauer=Lieder, Zum sechstenmal ausgefertiget [...] Breßlau und Liegnitz: Michael Rohrlach 1732. –: I.N.I. Bochim und Elim, Oder Neue Sammlung von Trauer= und Trost=Liedern ausgefertiget von Benjamin Schmolck. [2. Aufl.] Breslau und Liegnitz: Michael Lignitz 1733. –: I.N.I. Freuden=Oel in Traurigkeit/ Oder gesammlete Klag= und Trost=Lieder/ [...] Breslau und Liegnitz: Michael Rohrlachs Wittib und Erben 1720. –: Der gläubigen Seelen Andächtiges Sela Unter Dem Creutze CHristi, Oder Kurtze Paßions=Seufzer [...] Breßlau: Michael Rohrlach 1734. –: Der lustige Sabbath, In der Stille Zu Zion Mit Heiligen Liedern gefeyert, Nebst einem Anhange Täglicher Morgen= und Abend= Kirch= Beicht= Buß= und Abendmahls=Andachten ausgefertiget [...] Leipzig: Johann Friedrich Brauns sel. Erben 1737. –: Mara und Manna, Oder: Neue Sammlung von Creutz= und Trost= Klag= und Freuden=Liedern, [...] [2. Aufl.] Breslau und Liegnitz: Michael Rohrlach 1727. –: Rosen Nach den Dornen, Oder: Derer im HERRN Entschlaffenen Erlangte Freude Nach Dem Leide, In einigen Begräbniß= Liedern vorgestellet [...] Breslau: Johann Jacob Korn 1735. Tersteegen, Gerhard: Geistliches Blumengärtlein inniger Seelen mit der Frommen Lotterie und einem kurzen Lebenslauf des Verfassers, Stuttgart 171988. Vollständiges Gesangbuch/ Darinnen 392. Geistreiche Psalmen vnd Lieder/ welche in der Evangelischen Kirchen vnd Versamlungen/ vor vnd nach anhörung Göttliches Wortes/ wie auch bey der Außtheilung des H. Abendmahls/ vnd sonsten zu Hauß von jederman mögen gesungen werden. Durch den Ehrwürdigen Hocher= leuchteten Herrn D. Martin Luther/ auch andere Gottselige Lehrer vnd Liebhaber Göttliches Worts gemacht. Benebens den Canticis

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Quellen- und Literaturverzeichnis

Sacris, D. Joh. Habermanns Gebetbuch/ vnd M. Joh. Matthesii Haußhaltung [...] Stralsund: Michael Meder 1644. Vopelius, Gottfried (Hg.): Neu Leipziger Gesangbuch/ Von den schönsten und besten Liedern verfasset/ In welchem Nicht allein des sel. Herrn D. Lutheri und andere mit Gottes Wort/ und unveränderter Augsburgischer Confession überein stimmende/ und in Christlicher Gemeine allhier/ wie auch anderer reinen Evangelischen Orten und Landen eingeführete und gebräuchliche Gesänge/ Lateinische Hymni und Psalmen/ [...] Leipzig: Christoph Klinger [V] Gallus Niemann [D] 1682. VORSPIEL DER NEUEN-WELT Welches sich in der letzten Abendroethe als ein paradisischer Lichtes-glantz unter den Kindern Gottes hervor gethan. IN LIEBES, LOBES, LEIDENS, KRAFFT und Erfahrungs liedern abgebildet, die gedrückte, gebückte und Creutz- tragende Kirche auf Erden. Und wie inzwischen sich Die obere und Triumphirende Kirche als eine Paradiesische vorkost her- vor thut und offenbahret. Und daneben, als Ernstliche und zuruffende wächterstimmen an alle annoch zerstreuete Kinder Gottes, das sie sich sammlen und bereit machen auf den baldigen; Ja bald herein brechen- den Hochzeit-Tag der braut des Lamms. Philadelphia: Benjamin Francklin 1732. Ausgabe als Mikrofiche enthalten in: Early American Imprints, First series, no 3503. Wagner, Paul (Hg.): Andächtiger Seelen geistliches Brand= und Gantz=Opfer/ Das ist vollständiges Gesangbuch/ In Acht unterschiedlichen Theilen/ Derer I. D. Martin. Lutheri und andere in unserer Evangelischen Kirchen gewöhnliche Gesänge. II. Fest= Lieder durch das gantze Jahr hindurch. III. Evangeliums= und Epistel=Lieder auf jeden Sonn= Fest= und Apostel=Tag gerichtet/ item JEsus= Lieder/ von der Christlichen Kirche und Feyrung des Sabbaths/ wie auch Psalm= Lieder nach der Ordnung des gantzen Psalter=Buchs. IV. Morgen= Abend= und Tisch= Lieder/ ingleichen vom Christlichen Leben und Wandel. V. Buß= und Catechißmus=Lieder/ wie auch vom H. Abendmahl samt einigen Liedern über die vornemsten Texte im Jesus Syrach. VI. Creutz= Trost= Lob= und Danck= Lieder. VII. Stand=Lieder nach den drey Haupt= Ständen eingericht/ Reise= Lieder zu Land und Wasser/ item Krieg= Hunger= und Pest=Lieder. VIII. Krancken= und Sterbe= Lieder wie auch vom Jüngsten Gericht/ Himmel und Hölle in sich begreiffet. Jegliches Theil hat sein eigen/ wie auch das gesamte Werck ein allgemein Register/ welches beym Ersten; wie denn auch beym Achten Theil ein absonderlich Register zu finden über diejenigen Lieder derer Anhang vormals geändert worden. Aus vielen Gesangbüchern und andern Autoren mit guter Unterscheidung und Sorgfalt zusammen getragen/ durch eine grosse Menge nie gedruckter Lieder vermehret/ insgesamt fleissig übersehen/ und was ausser den ersten Theil/ die neuern Liedern betrifft/ mannigfaltig verbessert/ und nun an der Zahl nahe 5000. [...]. Leipzig: Andreas Zeidler 1697. Werkmeister, Benedikt Maria (Hg.): Gesang=Buch nebst angehängtem öffentlichen Gebethe zum Gebrauche der Herzogl. Wirtembergischen katholischen Hofkapelle. [Bruchsal] 1784. Wetzel, Johann Caspar: HYMNOLOGIA PASSIONALIS, Das ist/ Vier und zwantzig Paßion= Andachten, Uber das Lied: Das Leben für uns in den Tod gegeben [...] Nürnberg: Johann Daniel Taubers sel. Erben 1733. Wirth, Ambrosius (Hg.): Des Geistlichen Lieder=Schatzes vollständiger Theil/ Darinnen 876. sowol alte als neue/ auserlesene/ Geist= und Schrifft=reiche/ Lieder zu finden/ Welche von Gottseligen Seelen/ sowol in öffentlicher Gemeine/ als auch in ihrer Privat=Andacht/ auf allerley Zeit/ und in allerhand Fällen/ nützlich können gebraucht werden; Aus guten Evangelischen Büchern zusammen getragen/ und mit einem zweyfachen Register versehen. Nürnberg: Johann Wilhelm Rönnagel [V] Melchior Gottfried Hein [D] 1719. – (Hg.): Lieder=Schatzes Erster Theil/ Darinnen 500. so wol alte als neue/ schöne/ auserlesene Geist= und Schriftreiche Lieder zu finden/ Welche sich alle mit dem Buchstaben A anfangen/ So von gottseligen Seelen/ etwan in ihrer Privat=Andacht/ in allerley Zustande/ auf allerley Zeit/ und in allerley Fällen/ mit grosser Hertzens=Lust und Freude/ zur Erbauung im Christenthum/ zum Trost des Gewissens/ zur Ermunterung in der Gottseligkeit/ und zur Beförderung der ewigen Seeligkeit/ nützlich können gebraucht werden; Aus vielen Evangelischen Büchern zusammen getragen/ und mit einem 4fachen Register versehen.

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Büchern zusammen getragen/ und mit einem 4fachen Register versehen. Nürnberg: Johann Andreas Endters Söhne 1700. Wittenbergisches Gesang=Buch Worinnen Nebst des seeligen LUTHERI auch andere Geist=reiche Lieder Welche hieselbst, und in denen benachbarten Orten gesungen werden, zu finden Samt denen gewöhnlichen Collecten Kirchen= und andern Gebeten Anietzo mit einem Neuen Anhange Auserlesener Lieder vermehret. Wittenberg: Samuel Gottfried Zimmermann 1733. Zesen, Philipp von: Salomons Des Ebreischen Königes/ Geistliche Wohl-lust oder Hohes Lied: In Psalmen= oder Dattel-reimen/ mit bey-gefügten Newen/ vom fürtrefflichen Johann Schoppen gesetzten Sangweisen/ auch kurtzen Erklärungen des geistlichen Verstandes; Beydes nach der Art der Gespräch=Spiele/ auff offenticher Schau-burg fürgestellet [...] mit einer Stimme vervolkomnet/ vnd mit vielen Melodeyen vermehret: Von Johann Ulrich Sutzbergern [...] Bern: Georg Sonnleitner 1674. Zinzendorf, Nikolaus Ludwig von (Hg.): Berthelsdorfer Gesangbuch. Sammlung geistlicher und lieblicher Lieder. Nachdr. d. Ausg. Leipzig 1725. Mit einem Vorwort von Erich Beyreuther und Gerhard Meyer, Teil 1–2, Hildesheim 1979 (Nikolaus Ludwig von Zinzendorf: Materialien und Dokumente, Reihe 4, 1). – (Hg.): Herrnhuter Gesangbuch. Christliches Gesangbuch der Evangelischen Brüder-Gemeinen, Nachdr. d. Ausg. o.O. 1741, Teile 1–3, Hildesheim 1981 (Nikolaus Ludwig von Zinzendorf: Materien und Dokumente, Reihe 4, 3). – (Hg.): Kleines Brüdergesangbuch. Hirtenlieder von Bethlehem, Nachdr. d. Ausg. London 1754, Hildesheim 1978 (Nikolaus Ludwig von Zinzendorf: Materialien und Dokumente, Reihe 4, 5). – (Hg.): Londoner Gesangbuch. Alt- und Neuer Brüder-Gesang. Nachdr. d. Ausg. London 1753– 1754, Teile 1–3, Hildesheim 1980 (Nikolaus Ludwig von Zinzendorf: Materialien und Dokumente, Reihe 4, 4). – (Hg.): Marchesches Gesangbuch. Sammlung geistlicher und lieblicher Lieder, Nachdr. d. Ausg. Herrnhut und Görlitz 1731, Hildesheim 1980 (Nikolaus Ludwig von Zinzendorf: Materialien und Dokumente, 4, 2). Zöllner, David (Hg.): Evangelischer Psalter von zehen Saiten, d. i. Neu=eingerichtetes Gesang=Buch, Welches in X. beqvemen Abtheilungen den Kern Alter und Neuer Lieder, des seel. Lutheri, Gerhards u. anderer geistreichen Lehrer, An Zahl 910. Ordentlich zusammen fasset; und zugleich mit Stellen H. Schrift, kurtzen Erklärungen der für= kommenden schweren Wörter und Redens=Arten, wie auch andern erbaulichen Anmerckungen, Nebst unterschiedenen nützlichen Registern zum Gebrauch frommer Christen versehen, Wobey ein auserlesenes Gebet=Buch, der Psalter Davids, die gewöhnl. Sonn= u. Fest=Tags=Evangelien und Episteln, der Catechismus Lutheri mit nöthigen Fragen vom H. Abendmahle; ingleichen die drey Haupt=Symbola Augspurgische Confession anzutreffen. Zittau und Leipzig: Johann Jacob Schöps 1726. – (Hg.): Evangelischer Psalter von zehen Saiten,[Reibersdorfsches Gesangbuch] sang=Buch, Welches in X. beqvemen Abtheilungen den Kern Alter und Neuer Lieder, des seel. Lutheri, Gerhards u. anderer geistreichen Lehrer, An der Zahl 910. Ordentlich zusammen fasset; und zugleich mit Stellen H. Schrift, kurtzen Erklärungen der für= kommenden schweren Wörter und Redens=Arten, wie auch andern erbaulichen Anmerckungen, Nebst unterschiedenen nützlichen Registern versehen ist; daß es frommen Seelen, Insonderheit der Reibersdorfschen Gemeine, in und ausser der Kirche bey allerhand Fällen dienlich sey: Wobey ein auserlesenes Gebet=Buch, der Psalter Davids, die gewöhnl. Sonn= u. Fest=Tags=Evangelien und Episteln, der Catechismus Lutheri mit nöthigen Fragen vom H. Abendmahle; ingleichen die drey Haupt=Symbola Augspurgische Confession anzutreffen. Zittau und Leipzig: Johann Jacob Schöps 1726. [Züllichower Gesang=Buch] Geistreiches Gesang=Buch, Darinnen Ein auserlesener Vorrath bey 900 der besten Alten und Neuen Lieder Nach Ordnung der Fest=Zeiten und der Christl. Glaubens=Lehren und Lebens=Pflichten enthalten. Mit einem gantz neuen Melodey= und andern nöthigen Registern, Wie auch einer nützlichen Vorrede versehen, Und nebst einem Kern

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Quellen- und Literaturverzeichnis

kräftiger Gebeter auf allerley Fälle herausgegeben. Zullichow: Gottlieb Benjamin Frommann 1730.

Weitere gedruckte Quellen Agricola, K.: Vollständiges Choralbuch über die Fürstl. Schwarzburg-Rudolstädtischen Kirchgesänge. Leipzig. Breithof 1765, in: Nicolai, Friedrich: Allgemeine deutsche Bibliothek, Leipzig 3,1 (1766), 261–262. Arndt, Ernst Moritz: Von dem Wort und dem Kirchenliede nebst geistlichen Liedern, Bonn 1819. Arnold, Gottfried: Consilia und Responsa Theologica; oder Gottsgelehrte Rathschläge und Antworten/ über denen wichtigsten stücken und zuständen eines göttlichen wandels/ nebenst neuen Geistlichen Gedichten/ der weißheit Garten=Gewächs genannt [...] Frankfurt a.M.: Thomas Fritsch 1705. –: Das Geheimnis der göttlichen Sophia, Faksimile Neudr. d. Ausg. Leipzig 1700, mit einer Einf. von Walter Nigg, Stuttgart-Bad Cannstadt 1963, Gottfried Arnold: Hauptschriften in Einzelausgaben 1. –: Göttliche Liebes–Funcken. Aus dem großen Feuer der Liebe Gottes entsprungen. Frankfurt a.M. 1698. Der Aufgeraumte Wetterauer/ Welcher in einem wohl=eingerichteten Hauß= Wahl= und Crönungs= Calender, Auf das Jahr nach der Gebuhrt des HErrn JEsu Christi 1743. (Welches ein gemein Jahr von 365. Tagen ist) Nun zum drittenmahl auftrit, [...] Homburg vor der Höhe: Johann Philipp Hellwig [1742]. [Aufrichtige Extracta] J.J.J. Aufrichtige EXTRACTA aus dem Diario der wahren INSPIRATIONS- Gemeinden, 1 (²1743); 4 (1739)-7 (1741). Beyträge zu den Actis Historico-Ecclesiasticis Oder zu den neuesten Kirchengeschichten gesamlete Nachrichten von dem Leben, Schicksalen und Veränderungen merkwürdiger Männer 2 (1770), 446–448. Bericht, Von der Leichen= Und Liebes=CASSA, Welche von innen benahmten Ober= und Unter=Officiers Des Löbl. 14ten Burger=Quartiers dahier, errichtet worden. Franckfurt den 3. Decemb. 1730. [Frankfurt a.M.]: Johann Philipp Helwig [1730]. Burgmann, Simon Paptista: Schechitos Ubdikos Oder: Das Schlächt= und Visitir=Buch, Welches derjenige So bey den Juden von Schächten und Nachsehen Profession machen will, erstlich wohl inne haben muß, ehe er nur einen Vogel schächten darff. [...] Frankfurt [a.M.]: [Johann] Philipp Helwig 1730. CATALOGUS UNIVERSALIS, PRO NUNDINIS FRANCOFURTENSIBUS VERNALIBUS DE ANNO […] Hoc est: DESIGNATIO OMNIUM LIBRORUM, qui hisce Nundinis Vernalibus vel novi, vel emendatiores, & auctiores prodierunt. Das ist: Verzeichnüß der Bücher, so zu Franckfurt am Mayn, in der Oster= Meß [...] entweder gantz neu, oder sonst verbessert, oder aufs neu wiederum auffgelegt, in der Buchgaß verkaufft werden. Frankfurt a.M.: Engelhard und Johann Balthasar Graupitz. 1731; 1733. Chronicon Ephratense, Enthaltend den Lebens=Lauf des ehrwürdigen Vaters in Christo Friedsam Gottrecht [...] Zusammen getragen von Br. Lamech u. Agrippa. Ephrata 1786. Douzaeidans, Melchior: † LE MYSTERE DE LA CROIX Affligeante & consolante, Morifiante & vivifiante, Humiliante & triomphante. de JESUS CHRIST et de ses Membres […] Homburg vor der Höhe: Gottfried Memhard 1732. Edelmann, Johann Christian: Selbstbiographie 1749–1752. Faksimilie-Neudruck d. Ausg. Berlin 1849 hg. von Walter Grossmann, Stuttgart-Bad Cannstadt 1976, Johann Christian Edelmann: Sämmtliche Schriften in Einzelausgaben 12. FSATS 1720–1750. Francke, August Hermann: Lebenslauf, 1690/91, in: Francke, August Hermann: Werke in Auswahl, hg. von Erhard Peschke, Berlin 1969, 25–29.

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–: Projekt zu einem Seminario universali. 1701, in: Francke, Hermann August: Werke in Auswahl, hg. von Erhard Peschke, Berlin 1969, 108–115. Geistliche FAMA, mitbringend verschiedene Nachrichten und Geschichte von göttlichen Erweckungen und Führungen, Wercken, Wegen und Gerichten, allgemeinen und besonderen Begebenheiten, die zum Reich Gottes gehören 1,1 (1730)-3,30 1744. Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben Dichtung und Wahrheit, hg. von Peter Sprengel, München 1985, Münchner Ausgabe 26. –: Träume und Legenden meiner Jugend. Texte über die Stillen im Lande, hg. von Paul Raabe, Leipzig 2000, Kleine Texte des Pietismus 3. Gottschalck, Johann Jacob: Entwurff und AVERTISSEMENT von dem colligirten Universal= Gesang= Buch und der darauf sich gründenden vollständigen neuen VERBAL- und REALLieder= Concordantz ertheilet [...] Leipzig: Johann Christian Martini 1735. Gottschaldt, Johann Jacob: Ausführlichere Vorrede des Universal-Gesang-Buchs, in: Sammlung von allerhand auserlesenen Lieder=Remarquen, Leipzig: Johann Christian Martini 1737, 6–37. Grimm, Johann Daniel: Handbuch bey der Music-Information im Paedagogio zu Catharinenhof: besonders auf das Clavier applicirt, in vier Lehr-Classe und einem Supplement, nebst einer Beylage, die Zeichen und Aufgaben in sich enthaltend (Manuskript, Großhennersdorf bei Herrnhut 1758), hg. von Anja Wehrend, Tübingen 2002, Hallesche Quellenpublikationen und Repertorien 6. Das Heutige SIGNAL, Oder Posaunen=Schall! Dem Freyen Abend=Lande zur Warnung und zum Trost!! zum Feyerabend sich vor=zu=bereiten; wie solches im Rath der Wächter beschlossen, und worauf mit Fleiß zu merken ist!! [...] Ephrata: Jacob Ruth 1812. Hottinger, Johann Heinrich: Gegründete Hoffnung Der Bekehrung der Juden/ In dem Prophetischen Wort GOttes, Insbesonder Hos. III.5. Den 26. October Anno 1738. Offentlich bezeuget/ Bey Gelegenheit Einer Getaufften Jüdin, Sambt dieser Glaubens= Bekanntnüß/ Betreffend Den Unterscheid des Christlichen Glaubens von der heutigen Juden Unglauben in denen vornehmsten Streit= Puncten [...] Homburg vor der Höhe: Johann Philipp Helwig [1738]. Jährliches Tag=Buch, oder: Hauß= und Land= Calender, Auf das Jahr der Geburt unsers HErrn JEsu Christi MDCCXXXIII. [...] Offenbach am Main: Gerhart Groot [1732]. Judenordnung von 1737, in: Der Weiße Turm, Nr. 13 vom 15.9.1938. König, Christian Gottlieb: REVUE GENERALE, Oder: Allgemeine Musterung Der Vornehmsten Religions=Partheyen Unsers Teutschen Vaterlandes/ mit denen Bißhero sehr verlangten Erläuterungen Jeglicher Strophe des ganzen Gedichts/ [...] Laodicäa 1741. Krahl, Theodor: Der durch den Geist Der Wahrheit geprüffte Geist der Lügen und falschen Inspiration, in Johann Friedrich Rock/ [Homburg vor der Höhe: Johann Philipp Hellwig] 1733. Leichte und gesunde Kinder=Speiß: Oder Erst Anfänge Der Lehre der Wahrheit nach der Gottseligkeit/ Zu Besserer Anleitung der Anfängern im Christenthum, Meistens in kurtzen Fragen und Antworten vorgestellet Von J. H. H. P. u. P. z. H. Vierdte vermehrte Auflage. Homburg vor der Höhe: Joh. Philipp Helwig 1735. Linden, Diederich Wessel: Gründliche Chemische Anmerkungen über Herrn D. Schüttens Physicalische Nachricht vom Ursprunge der mineralischen Wasser und den Bestand-Theilen in dem Clevischen Sauer= Brunnen= Wasser; wie auch über des Herrn von Welling OPUS MAGO-CABBALISTICUM, und was von dessen Verbesserung der Metalle zu halten sey [...] aus dem Englischen übersetzt [...]. Amsterdam und Leipzig: Peter Mortier, 1746. Loën, Johann Michael: Bedenken vom Separatismo, an Herrn [Nikolaus Ludwig] von Z[inzendorf] gedruckt 1736, in: Ders.: Kleine Schrifften, hg. von J[ohann] C[aspar] Schneidern. Frankfurt und Leipzig: Philipp Heinrich Hutter 3 (1751), 164–184. Als MikroficheAusgabe: Bibliothek der deutschen Literatur. Mikrofiche-Gesamtausg. nach den Angaben des Taschengoedeke, München u.a. 1990–1997, Box 19, Fiche 8479–8482. Ludewig, Johann Peter: Vorrede, in: GVUL 1 (1732), [1]–16. Matthias, Markus (Hg.): Lebensläufe August Hermann Franckes, Leipzig 1999, Kleine Texte des Pietismus 2.

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Schütz, Maria Catharina: Eigen=händiges Seelen=Gespräch, d. d. 1740 13. Mertz. Beilage 1 zu Moser, Johann Jacob: Num. III. Factum in Sachen des Hoch=Fürstl. Hauses Hessen=Homburg contra das regierende Hochfürstl. Haus Hessen=Darmstatt, puncto der Schützischen Stiftung zu Homburg vor der Höhe, in: [Moser, Carl Friedrich von]: Sammlung der neuesten und wichtigsten Deductionen in Teutschen Staats- und Rechtssachen, Frankfurt und Leipzig, 3 (1752), 118– 122. –: Letztes Testament und Stiftung, d. d. 1742. den 21. Mart. Beilage 2 zu Moser, Johann Jacob: Num. III. Factum in Sachen des Hoch=Fürstl. Hauses Hessen=Homburg contra das regierende Hochfürstl. Haus Hessen=Darmstatt, puncto der Schützischen Stiftung zu Homburg vor der Höhe, in: [Moser, Carl Friedrich von]: Sammlung der neuesten und wichtigsten Deductionen in Teutschen Staats- und Rechtssachen, Frankfurt und Leipzig, 3 (1752), 122–128. Verschiedene alte und neuere Geschichten Von Erscheinungen der Geister, Und etwas von dem Zustand der Selen, Nach dem Tode Nebst verschiedenen Gesichtern solcher die auch jetzo noch im Leben sind, Germantown: Christoph Saur, ³1755. Widder, Johann Philipp: Der für die Sünde der Welt Leidende JESUS, Nach Evangelischer Harmonie/ In Sechs und Zwantzig Paßions= Predigten, [...] Homburg vor der Höhe: Johann Philipp Hellwig 1741. –: Wein und Oehl (sic), Zur Heilung des unter die Mörder gefallenen tödtlich= Verwundeten Menschen, In Neun und Viertzig Außerlesenen Predigten dargereichet [...] Homburg vor der Höhe: Johann Philipp Helwig 1736.

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Quellen- und Literaturverzeichnis

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Personenregister

Abraham, Ahron ben 233 Abraham, Salomon Geiger ben 231 Abraham, Tobias ben 235 Abresch, Wilhelm 226f. Aemlia Juliane, Gräfin von SchwarzburgRudolstadt 55 Agricola, K. 66 Albrecht, Christoph 52 Allendorf Johann Ludwig Konrad 150 Ameln, Konrad 251–253 Amersbach, Heinrich 22 Andreae, Johann Benjamin 247, 270 Andreae, Johann Valentin 193 Angelus Silesius 14, 84, 102f., 113, 124–126, 141f., 156, 160, 162, 172 Anton Ulrich Herzog von BraunschweigWolfenbüttel 64 Anton, Paul 28 Arndal, Steffen 21, 23, 69, 87 Arndt, Ernst Moritz 76 Arndt, Johann 9f., 86, 184, 193, 201–203, 267, 283 Arndt, Karl J.R. 274 Arnold, Gottfried 10, 16, 22, 26f., 86f., 90, 93, 106f., 111, 113, 115, 124–128, 135, 142, 148, 156, 160, 162, 172, 187, 192f., 198, 201–203, 230 Arnold, Johannes 182 Arnsberg, Paul 231, 287 Arnschwanger, Johann Christoph 114 Asseburg, Rosamunda Juliane von 22 Bach, Inka 123 Bach, Jeffrey 23, 95f., 153 Bach, Johann Sebastian 42f. Bachmann, J.F. 72 Baeumerth, Angelika 231, 236 Baschwitz, Zwi Hirsch 233 Basedow, Johann Bernhard 74f., 79 Basler, Otto 33 Bauer, (Itzig) Isaac 237 Bauer, Seligmann 234, 237f. Bäumker, Wilhelm 76 Bayreuther, Rainer 13f., 22, 144

Becker, Cornelius 116 Becker, Peter 190 Behaim-Schwarzbach, Anna Elisabeth 311 Behrendt, J. 70 Beissel, (Johann) Conrad 16, 23, 95f., 99, 150f., 153, 155f., 172f., 190, 193, 208, 280, 282 Beltzer (Buchhalter) 240f. Benigna von Gräfin von Solms-Laubach 10 Bernus, Alexander von 224, 331 Betke, Heinrich 179 Beyer (Auftraggeber) 246 Bielcke, Johann 179 Bigler, Ingrid 31 Bilhuber, Johann Christoph 37, 45–50, 112, 117 Bill, Oswald 80 Binder, Alwin 157 Biundo, Georg 100 Bodmer, Johann Heinrich 267 Bodmer, Johann Jacob 15 Böhme, Jakob 10, 91, 108, 127, 132, 135, 154, 156, 193, 201–204, 220, 230, 265, 272, 274, 311 Böning, Horst 231, 233, 236 Boom, Dirck 179 Boom, Hendrick 179 Boor, Friedrich de 13, 278 Böttcher, J.G. 254 Bötticher, Andreas Friedrich 238 Böttiger (Auftraggeber) 246 Bourignon, Antoinette 201, 204, 265 Braband (Druckergeselle) 246 Brandt, Sebastian 41 Brecht, Martin 7, 132 Breckling, Friedrich 10 Brehmer, Martin 151, 155 Breymayer, Reinhard 31, 197, 215, 222, 250, 275, 311 Brockes, Barthold Hinrich 84, 115 Brönner, Heinrich Ludwig 247 Brorson, Hans Adolph 21,69f. Bröske, Conrad 178, 230 Brückner, Josef 200

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Personenregister

Bruder Agonius 152, 154f. Bruder Obed 152 Bruder, Agabus s. Koch, Stephan Buchner, Johann Leonhard 247 Bunners, Christian 7,13f., 16, 22, 25, 68, 277, 282 Burgmann, Simon Papista 239 Bursch, Johann Paul 109, 172 Busch, Gudrun 14, 21 Busch, Peter 38, 54, 58, 63–65, 122 Calvin, Johannes 203 Canitz, Friedrich Rudolf Ludwig Freiherr von 162 Carl August Graf von Ysenburg-Marienborn 11 Carl, (Johann) Samuel 209, 215, 266 Carstedt, Johann Caspar 72f. Casimir, Graf von Sayn-WittgensteinBerleburg 179 Cassel, David 231 Catharina (inspirierte Sängerin) 277 Chabib, Jakob 233 Christine Charlotte Landgräfin von HessenHomburg 100, 200, 206, 230 Clausnitzer, Tobias 166 Colerius (Apotheker) 186 Cramer, Johann Andreas 286 Creutz, Karl Casimir von 228 Creutzberg, Amadeus 107, 272 Crophius, Johann Baptista 278 Crüger, Johann 114 Csepregi, Zoltan 70 Damm (Setzergeselle) 248 Damm, J.H. 243 Dariß (Hilfskraft) 367 David, Christian 218 Denicke, David 65, 162 Deppermann, Andreas 179, 197 Dessau, Ahron (ben Hirsch) 231, 234f., 244f. Dietz, Alexander 238 Dippel, Johann Conrad 23, 215, 272, 311 Diterich, Johann Samuel 286 Dittmar, Johann 198 Dohm, Burkhard 24 Dölemeyer, Barbara 30, 225, 227, 232, 236 Douzeaidans, Melchior 215 Drotvinas, Vincentas 70 Durnbaugh, Donald F. 208 Durnbaugh, Hedwig T. 23, 141, 150f., 255

Düsterweg (Frankfurter Separatist) 216, 229 Ebeling, Johann Georg 114 Ebert, Carl Gottlieb 46 Edeles, Samuel 235 Edelmann, Johann Christian 29, 197, 199, 211, 216–218, 221, 227, 229, 266 Eichelberg, Johann Bernhard 241 Eichenbergk, Johann 179 Eisenhardt, Ulrich 175 Eisler, Tobias 136 Elias Artista s. Johann Daniel Müller Elisabeth Dorothea Landgräfin von HessenHomburg 252 Elsässer, Johann Jacob 142 Endter, Johann Andreas 43 Engelhardt, Caspar 271 Ephraim, Moyses 226 Erbe, H.W. 253 Ernst Casimir Graf von Ysenburg-Büdingen 11 Ersch, Johann Samuel 231 Ettig (Hilfskraft) 250 Eyseneck, Juliane Baur von 197 Felgenhauer, Paul 10 Fende, Christian 199, 215f. Ferdinand, Landgraf von Hessen-Homburg 106 Feustking, Friedrich Christian 114 Fictuld, Hermann 30, 221, 311 Fischer, Albrecht Wilhelm 26 Fischer, Johann Gottlieb 161, 201, 204f., 264 Fischer, Loth 192 Fleischbein, Johann Friedrich von 118 Fleischer, Johann Friedrich 223, 270–272 Flick, Johann Heinrich 107, 216 Förster, Friedrich Wilhelm 270 Francke, August Hermann 17, 28, 59, 68f., 186, 230 Francke, Gotthilf August 161 Franckenau, Gerhard Ernst von 53 Franckenberg, Abraham von 10 Franklin, Benjamin 95, 151, 208 Frantzen (Liedersammler) 38 Freimann, Aron 233, 235, 245 Freylinghausen, Johann Anastasius 14, 16f., 21f., 24, 27f., 45, 57, 63, 67, 108, 112f., 119, 122, 126, 139f., 142, 157, 160f., 163, 172, 251, 286 Frick, Karl 222

Personenregister Friedrich II. Landgraf von Hessen-Homburg 109, 224–227 Friedrich III. Jakob, Landgraf von HessenHomburg 100, 200, 227f., 230, 231f., 236, 250, 252 Friedrich Wilhelm I., König in Preußen 245, 281 Friedrich Wilhelm, Kurfürst von Brandenburg 225 Galle, Helmut 123 Gans, Catharina Sophia 190 Gans, Georg Balthasar 190 Gebauer, Georg Christian 109 Gemert, Guillaume de 56 Georg August Samuel, Fürst von NassauSaarbrücken-Idstein 178 Georgi, Theophilus 269–271 Gerber, Christian 51 Gerhardt, Paul 14, 98f., 102, 114, 141f., 160, 162f., 172f. Gersdorf, Henriette Catharina von 10, 253 Gesinus, Justus 65 Gichtel, Johann Georg 10, 156 Gierl, Martin 91, 174, 273 Glaser, Fabian Ulrich 70 Gleim, Johann Carl 261 Goebel, Max 29f, 141f., 181, 196, 201, 210, 228, 259 Goedeke, Karl 30f. Goeters, Johann Friedrich Gerhard 254 Goethe, Johann Wolfgang von 15, 223 Goldfriedrich, Johann 238, 269f. Goldschmidt, Benedict Simon 244 Gottrecht, Friedsam s. Beissel, Conrad Gottschald (Kreditgeber) 244 Gottschald, Johann Jacob 33, 36–39, 43, 45, 53f., 56, 58, 60–63, 112, 122, 164 Greiffenberg, Catharina Regina von 84, 113 Grimm, Jacob 33 Grimm, Johann Daniel 24 Grimm, Wilhelm 33 Grischow, Johann Heinrich 27 Groot, Christian 238 Groß, Andreas 180, 199, 208, 215f., 229 Groß, Maria Christina 208 Gruber, Eberhard Ludwig 16, 23, 115, 128f., 142, 193, 208f., 255, 272f. Gruber, Johann Adam 255, 261f. Gruber, Johann Gottfried 231 Gründler, Johann Ernst 71 Gryphius, Christian 113 Günther, Johann 39–41, 52

341

Gustav Samuel Leopold, Herzog von PfalzZweibrücken 227 Guyon, Jeanne Marie de 118 Haas, Johann Christian 183 Habrich, Christa 193, 215 Hahn, Heinrich Joachim 37 Halevi, Pinchas 272 Hardenberg, Georg Ludwig von 53 Harnisch, Ulrike 22 Harpprecht, Johann 294 Hartnack, Karl 190 Häublin, Nikolaus 179 Haug, Johann Jacob 11, 178–180, 211, 247, 257 Haupt, Johann Balthasar 262 Hax, Johann Georg 293 Hax, Maria Catharina Anna 293 Hedwig Sophie Gräfin von SaynWittgenstein-Berleburg 11 Heermann, Johann 162 Heerwagen, Friedrich Ferdinand Traugott 27 Hein, Wolfgang-Hagen 86 Heinrich Albrecht Graf von SaynWittgenstein-Hohenstein 11 Heinscheidt, Anton 239 Heinscheidt, Johann 239 Helimantes 98, 170f., 173 Hellwig, Johann Philipp 21, 213, 222, 229, 235, 237–241, 243, 247f., 260f., 263, 270f., 276 Helmboldt, Ludwig 161 Hemold (Druckergeselle) 248 Henoch, Moses 232 Herbort, Friedrich 224 Herder, Johann Gottfried 15 Herrnschmid, Johann Daniel 178 Herwig, Georg Eberhard 101 Herwig, Ludwig Johann Wilhelm 228 Herz, Sophoni Ytzhak 232f., 235, 244f. Hiel, Immanuel 202 Hieronymus 91 Hiller, Philipp Friedrich 116, 285 Hirsch, Ahron Dessau ben s. Dessau, Aron Hoburg, Christian 10, 193, 201 Hochheimer, Johann Wilhelm 250, 252, 254 Hochmann von Hochenau, Ernst Christoph 198 Hoffer, Catharina Rosina 45 Hoffmann von Hoffmannswaldau, Christian 113 Hofmann, Hans 42

342

Personenregister

Holzapffel, Johann Heinrich 186, 190 Holzapffel, Lena 190 Horche, Johann Heinrich 10, 198, 201 Hörnle, Christian 274 Hort, Paul Heinrich 270 Höschke, Reuben ben 233 Hottinger, Johann Heinrich 246 Hübner, Johann 116 Hummel, Ulrich 275 Israel, Elijakim Götz ben 233 Jacob, Joachim 26 Jacobi, Heinrich 107f. Jansen, Heinrich s. Hiel, Immanuel Janus, Martin 125 Jehuda, Manes Mechachem ben 235 Jennis, Lukas 179 Jöcher, Christian Gottlieb 40 Johann Philipp Graf von YsenburgOffenbach 178 Josippon 232 Jungmayr, Petra 31, 181, 223f. Kadelbach, Ada 79 Kalonymos, Kalonymos ben 245 Kämpf, Johann Philipp 195, 213, 215, 228, 255, 261 Karl Eugen Herzog von Württemberg 75 Karl VII., deutscher Kaiser 245 Karlstadt 91 Karo, Josef 245 Kayser, Johann 196 Kegler, Jürgen 232 Kelchner, Ernst 30, 181, 207 Keller (Buchbinder) 262 Kelpius 95 Kemper, Hans-Georg 15, 25f., 55, 88, 126, 281 Kerlen, Gerhard 175 Kirchmajer, Sebastian 66 Kirchner, Johann Georg 27 Klein-Nicolai, Georg s. Siegvolck, Paul Klettenberg, Susanne Katharina von 223 Klopfer, Balthasar Christoph 226 Klopstock, Friedrich Gottlieb 15 Klose, Carl Rudolf Wilhelm 197 Klosterberg, Britta 161 Knabenschuh, Johann Balthasar 247 Knapp, Albert 27 Kneitschel, Ernst-Ulrich 77 Knieriem, Michael 213 Knodt, Philipp Christian 267

Knoebel, M. (Diakon) 45 Knorr von Rosenroth, Christian 113, 162, 199 Köberle, A. 219 Koch (Wachmeister) 240 Koch, Anna Catharina 240 Koch, Eduard Emil 22, 30, 40, 46, 48, 53, 61f., 87, 141, 181, 195, 254, 275 Koch, Stephan 190, 266 Koch, Walter 100, 228 König, Christian Gottlieb 212, 216–218 König, Emmanuel 179 König, Johann Ludwig 270 König, Samuel 23 Koski, Suvi-Päivi 14, 21, 24, 57, 83, 122, 140, 153, 160 Kossmann, Bernhard 35 Krafft, Fritz 86 Krahl, Theodor 213 Krämer, Wilhelm 53 Kremling, Johann Melchior 244 Kuhlmann, Quirin 10, 114 Kümmel, Gertraud 196, 292 Kunrath, Heinrich 193 Kuntz, Friedrich Ernst 189 Künzel, Georg Lukas 266 Kyburz, Abraham 272 Labadie, Jean de 198, 230 Lag, Salomon 245 Lammers, Eberhard Heinrich 269, 271 Lampe, Friedrich Adolf 114 Lange, Joachim 215 Lange, Johann Christian 178, 279 Langen, August 14 Lassenius, Johannes 162 Latomus, Anna Kunigunde 271 Latomus, Maria Magdalena 271 Latomus, Sigismund 271 Launoy, Bonaventura de 178–180, 243 Launoy, Carl Philipp de 243 Lazarus (Kreditgeber) 244 Leade, Jane 86f., 133, 192f., 201f., 311 Lehmann, Hartmut 9, 68, 250 Lessing, Gotthold Ephraim 15 Levi, Samuel 233f. Lichtenberg, Georg Christoph 15 Liese (inspirierte Sängerin) 128 Lindau (Druckergeselle) 248 Linden, Dieterich Wessel 30, 221 Lindenborn, Heinrich 112 Lobach, Johann 190, 266 Lobwasser, Ambrosius 122, 124

Personenregister Loën, Johann Michael von 218, 272 Löscher, Valentin Ernst 272 Lotz, Friedrich 236 Ludewig, Johann Peter 34 Luise Elisabeth, Landgräfin von HessenHomburg 224 Luise Henriette, Kurfürstin von Brandenburg 71 Luppius, Andreas 23, 126, 179f. Luther, Heinrich Ehrenfried 28f., 207, 242, 266 Luther, Johann Nikolaus 242, 269 Luther, Martin 10, 56, 62, 72, 81, 88, 102, 110, 143, 160, 162, 203 Lütteken, Laurenz 22 Maarsen, Moses ben Jakob 235 Mack, Alexander 190 Mack, Rüdiger 198, 201 Mackinet, Blasius Daniel 142 Magdalena (inspirierte Sängerin) 277 Mahrenholz, Christhard 64, 76 Maimuni, Abraham 232 Marsay, Hector Charles Marquis de 266 Matthias, Markus 186 May, Johann Heinrich 100f., 103 Mc Murtrie, Douglas 207 McMullen, Dianne Marie 16, 21f. Meder, Michael 78 Meister Eckart 153 Memhard, Gottfried 215, 234, 236–238, 240, 248, 263 Mengel, Swetlana 70 Mennenöh, Peter Jürgen 23 Menno Simons 203 Mentzer, Balthasar 66 Merian, Christoph Leblon 179 Merian, Matthäus 179 Merlau, Johann Eleonora s. Petersen Mettingh, Gerhard Dominicus 198, 295 Mettingh, Johann Jacob 198, 295 Mettingh, Jacobine 198, 295 Mettingh, Margarethe Elisabeth 198, 295 Metz, Johann Friedrich 223 Meyer, Bartholomäus 277 Meyer, Christian Gottfried 238 Meyer, Dietrich 24, 67, 74 Meyer, Johann Friedrich von 224 Michaelis, Johann 273 Michel, Reinhard 200 Miersemann, Wolfgang 14, 17, 21f., 126, 160, 162 Moller, Martin 162

343

Monisch (Buchsetzer) 235 Moors, Anna Maria 295 Moors, Johannes 295 Mori, Gustav 105, 197, 207 Moser, Johann Jakob 37, 45–50, 53, 112, 117 Moses, Israel ben 233f. Mosis, Meyer 234 Mühlenberg, Heinrich Melchior 70 Müller (Auftraggeber) 246 Müller (Druckergeselle) 248 Müller, Heinrich 78, 125 Müller, Johann Daniel 222, 272, 275 Müller, Johann Nicolaus 241 Müller, Joseph Theodor 27 Müller, Margarethe 295 Müller, Michael 114, 124f., 114, 160, 162 Münden (Pfarrer) 207 Naas, Johannes 190 Nachman, Mosche ben 224, 244 Nagel, Johann Elias 101, 104, 173 Nagel, Johann Ludwig 259 Nagel, Paul Gisebert 260, 262 Nakatenus, Wilhelm 56 Neander, Joachim 16, 102f., 107, 112, 114, 139, 142, 153, 162, 283 Neuenhagen, Georg 189 Neuhof, Carl Ludwig 274 Neuhof, Elias 275 Neuhof, Georg Heinrich 274f. Neuhof, Martha Elisabeth 274 Neumann, Gottfried 142 Neun, (Inspirierter) 210f. Neuß, Heinrich Georg 17 Nicolai, Rudolf 157f., 165f. Niggl, Günter 184 Nordhues, Paul 76 Oehrling, Georg Heinrich 270 Oetinger, Friedrich Christoph 197f., 215 Olearius, Johann Christian 49f., 53, 102 Opitz, Martin 51, 84, 103, 116 Paisey, David L. 231, 262 Passerin, Christian Gottlieb von 240 Pauli, Johann Just 188f. Pehr, Johann Bernhard 295 Pehr, Marie Salome 295 Penn, William 198 Petersen, Barthold Jürgen 266 Petersen, Johann Wilhelm 22, 26, 115, 123, 126, 133, 160, 162, 198, 201, 203

344

Personenregister

Petersen, Johanna Eleonora 26, 87, 133, 201 Pfaffmann, Anton 100, 227, 237, 250 Pfeiffer, Christoph 115 Ploennies, Erich Philipp von 107 Ploennies, Johann Samuel von 107f., 216f., 229 Ploennies, Wilhelmine Magdalena von 107, 229 Plütschau, Heinrich 69 Poiret, Pierre 201, 204, 230, 265 Poole, Matthew 103 Prueschenk von Lindenhofen, Karl Sigismund 114, 213f., Quirsfeld, Johann 247 Raab, Johann Adam 267f. Rambach, August Jacob 26–30, 286 Rambach, Johann Jakob 48, 53, 58–60, 101, 112, 114, 157, 161 Rantzau, E. von 253 Rapp, Johann Georg 274 Ratgeb, Jakob 267 Reich, Carl 235, 241 Reichel, Jörn 24 Reis, Seligmann ben Hirz 230, 232f., 244 Reitz, Johann Henrich 194, 198, 226, 252 Rexrath, (Johann) Jacob Hartmann 107, 199, 214, 216, 229, 252, 271 Rexrath, Johann Georg 229 Rhau, Georg 85 Richartz, Heinrich 157 Richier, Pierre 226, 252, 275 Richter, Christian Friedrich 26, 161f. Richter, Gottlieb Lebrecht 30, 53 Richter, Samuel 222 Rieger, Magdalena Sybille 84, 115 Riemer, Siegfried 251, 255 Ringwaldt, Bartholomäus 162 Rist, Johann 14, 84, 113, 124, 162 Roach, Richard 193 Röbbelen, Ingeborg 57f., 72, 79, 119 Rock, Johann Friedrich 128, 142, 185, 195f., 208–213, 228, 255, 259–262, 275, 279 Rodde, Caspar Matthias 70 Rodheim (Auftraggeber) 246 Rogall, Georg Friedrich 70 Roques, Jean Christophe 225, 275 Roques, Juliane 275 Rösch, (Inspirierter) 210f., 265 Rosenstengel (Hilfskraft) 250

Rößler, Martin 27, 49f., 61, 75, 80 Roth, D.F.W.E. 232, 236 Rothe, J.A. 253 Rube, Johann Christoph 114 Rüden, Salomon 244 Rüdiger, Johann Andreas 72 Rüdiger, W. 101, 228, 259 Rümelin (Pfarrer) 45 Runge, Christoph 72 Salomo, Simson Hanau ben 231, 233 Sandhagen, Caspar Hermann 53f. Sauer, (Johann) Christoph 29, 95, 190, 200, 207f., 264, 269 Sauer, Anna Christina 208 Sauer, Christoph d.J. 207 Sauer, Johann Christoph 208 Sauer, Maria Christina 208 Schäfer, Johann David 188f., 196, 204 Schamelius, Johann Martin 47 Scharschmied, Anna Catharina 87 Schatz, Jacob 95 Scheffler, Johannes s. Angelus Silesius Schell, von ( Regierungsrat) 250, 254 Scheller (Witwe) 180 Schiller, Friedrich von 15 Schlaf, H.N.J. 228 Schmidtke, Dietrich 85 Schmitz, Johann 88 Schmolck, Benjamin 94, 98f., 102, 115, 156–159, 163–170, 172f., 285 Schneider, Hans 9, 11, 29, 91, 148f., 206, 261, 266, 274f. Schneider, Leonhardt 182 Schneider, Ulf-Michael 15, 23, 129, 141, 210, 212, 260, 262, 279 Schnüffis, Laurentius von 84 Schöber, David Gottfried 74 Schönborn, Johann Philipp von 112 Schott (Pfarrer) 198 Schott, Carl Friedrich 107, 199f., 216f. Schrader, Hans-Jürgen 10, 15, 20, 25, 70, 74, 86, 127, 129, 174–180, 184f., 200, 211, 226, 243, 256f., 260–262, 267, 276 Schrader, Johann Hermann 70 Schröder, Johann Heinrich 161 Schuchart, Anna Maria 13, 278f. Schüling, Hermann 269 Schultz (Hofgärtner) 259 Schultze, Benjamin 71 Schulz, Hans 33 Schütz, (Arnoldina) Arthgen 182, 292 Schütz, Anna Catharina (I.) 292

Personenregister Schütz, Anna Catharina (II.) 181f., 184, 187, 293 Schütz, Anna Margaretha (I.) 188, 293 Schütz, Anna Margaretha (II.) 293 Schütz, Anna Margarethe 292 Schütz, Anna Maria 294 Schütz, Beata 292 Schütz, Catharina 295 Schütz, Christoph d.Ä. 181, 292 Schütz, (Johann Christophel) Christoph 18–22, 26, 28–31, 84, 89, 91–100, 103–125, 127–138, 140, 150–152, 157–163, 167f., 170, 172f., 181–196, 199–214, 215–222, 228–230, 239, 241f., 247, 250, 254–257, 261, 263–277, 283–287, 293, 311 Schütz, Elisabeth Catharina 197f., 295 Schütz, Georg (I.) 294 Schütz, Georg (II.) 294 Schütz, Georg Jacob 294 Schütz, Görg 291 Schütz, Hans (Johann) Peter 181f., 186, 188, 292f. Schütz, Hanß 291 Schütz, Jacob 294f. Schütz, Johann Christoph 188 Schütz, Johann Jacob 197f., 236, 275 Schütz, Johann Leonhardt 293 Schütz, Johann Peter 186f., 293 Schütz, Johanna Rebekka 295 Schütz, (Jost Heinrich) Johannes 182, 291f. Schütz, Johannes (I.) 292 Schütz, Johannes (II.) 293 Schütz, Johannes (III.) 293 Schütz, Johannes Caspar 292 Schütz, Johannes Jacob 292 Schütz, Johannes Justus 292 Schütz, Margarethe 295 Schütz, Margräth 291 Schütz, Maria 294 Schütz, Maria Catharina 30, 107, 197–201, 214–217, 228f., 254, 267, 295 Schütz, Maria Catharina Anna 293 Schütz, Otto Friedrich 294 Schütz, Peter (I.) 291 Schütz, Peter (II.) 181, 291 Schütz, Peter (III.) 291 Schütz, Peter (IV.) 291 Schütz, Rainer 181 Schweinitz, David 114 Schwenckfeld (von Ossig), Kaspar 10, 91, 203

345

Schwindel, Georg Jakob 44 Scriver, Christian 56 Seebach, Christian 23, 201 Seidensticker, Oswald 151 Selig, Abraham ben Abi Esri 235 Seligmann, Zacharias 226 Senckenberg, Johann Christian 28, 206, 213–216, 228f. Senckenberg, Katharina Rebekka 214 Siegvolk, Paul 272 Sofer, Elieser Liebermann 223 Sohren, Peter 126 Spalding, J.J. 286 Spangenberg, Johann 102, 162 Spee (von Langenfeld), Friedrich 84, 103, 114, 126 Spener, Philipp Jacob 59, 108, 143, 145, 153, 197, 203, 215, 230 Spörlin, Hans-Georg 239 Sprögel, Susanne Margaretha 87 Stark, Johann Friedrich 213 Stein, Baron von 259 Steindecker, Johann Konrad 271 Steinschneider, M. 231 Stern, Heinrich 52, 180 Stern, Johann 52, 54, 64, 180 Stern, Michael 245 Stier, Johannes 183 Stoudt, Johann Joseph 153 Sudermann, Daniel 273 Taege-Bizer, Jutta 258 Tauler, Johannes 108, 153 Telemann, Georg Philipp 66, 108, 251 Telle, Joachim 31, 195, 222f. Teller, Wihelm Abraham 236 Temme, Willi 193 Tennhardt, Johannes 128, 230 Tersteegen, Gerhard 15f., 25–27, 88, 98, 108, 114, 125, 128, 137, 172, 190, 199, 214, 254f., 283, 286 Tertullian 91 Thiel, Christian 219 Thomas a Kempis 108, 201 Tolpo, Johan 69 Traut, Heinrich 190 Trier, Johann Paul s. Helimantes Triller, Daniel Wilhelm 84, 115 Tasinger, Wilhelm Gottlieb 48 Tucher, Gottlieb von 26 Tümpel, Wilhelm 26 Ungemut, (Inspirierter) 142

346

Personenregister

Veit, Patrice 51f., 80 Vernois, Adrian Marie Francois du 231 Vernois, Jean de 230f., 233f., 236 Viehmeyer, Allan 23, 151 Vigelius, Nicolaus 181 Vogler, Bernhard 51 Vollhardt, Johann Ludwig 183 Volp, Sieghard 189, 267 Vopelius, Gottfried 42 Vulpius, Johann Reinhard 269 Wackernagel, Philipp 26 Waczkat, Andreas 22 Wagner, Georg Thomas 272 Wagner, Paul 40–42 Walch, Johann Georg 29, 35, 217f. Wallmann, Johannes 9, 197 Weck, Wilhelm 190 Wehrend, Anja 22, 24 Weigel, Valentin 10, 91 Weil, Jakob 323 Weiße, Michael 163 Welling, Georg von 31, 214, 222f., 236, 239, 256, 270 Wenigk, Johann Ernst 114 Wennemuth, Heike 41 Werkmeister, Benedikt Maria 75f. Werner (Pfarrer) 259 Werner, Friedrich 259 Werner, Philipp 244, 247f., 259f., 262f. Wetzel, Johann Caspar 27–30, 46f., 135– 137, 194f., 273 Wetzel, Klaus 225, 227, 229 Wickmark, Jonas 247, 259, 262 Widder, Johann Philipp 247, 264, 270 Wiegleb, Johann Hieronymus 161 Wieland, Christoph Martin 15

Wild, von (Auftraggeber) 246 Wilhelmi, Heinrich 76 Wilhelmine Magdalena von Solms-Laubach s. Ploennies, Wilhelmine Magdalena von Wingertszahn, Christoph 118 Winter, (Kabinettsekretär) 241, 257 Wirth, Ambrosius 12, 43–45, 117 Wittmann, Reinhard 176 Wohlfahrt, Michael 151 Wolder, David 85 Wollstadt, Hanns-Joachim 24 Wust, Johann 225, 232 Yvon, Pierre 230 Zedler, Johann Heinrich 33 Zeidler, Andreas 39 Zell, Carl-Alfred 27, 55, 74, 79f. Zeller, Winfried 25, 53 Zesen, Philipp von 124 Ziegenbalg, Bartholomäus 69, 71 Ziegler, Johann Konrad 141f. Zimpel, Carl Friedrich 224 Zinzendorf, Christian Renatus Graf von 281 Zinzendorf, Erdmuthe Dorothea Gräfin von 253 Zinzendorf, Ludwig Nikolaus Graf von 13, 15f., 24–27, 29, 67f., 73f., 137, 206, 217f., 230, 252–255, 281f. Zischka, Gert A. 35 Zollikofer, Georg Joachim 286 Zollikofer, Kaspar 254 Zöllner, David 55f. Zubrodt, Johann Gottfried 179 Zühl, Eberhard Ludwig 59 Zunner, Johann David 180 Zwingli, Ulrich 203

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Pietismus und Neuzeit Ein Jahrbuch zur Geschichte des neueren Protestantismus Inhalt von Band 31 – 2005: Hans-H. Krummacher: Friedrich-Wilhelm Krummacher und die Religionskritik des 19. Jahrhunderts / Ernst Koch: Die »Neue geistlich-fruchtbringende Jesus-Gesellschaft« in Rudolstadt / Wolfgang Sommer: Arndt und Spener. Die Predigten Philipp Jakob Speners über die Leittexte von Johann Arndts »Wahrem Christentum« / Marcus Meier: Der bekräfftigte ORIGENES. Origenesrezeption im radikalen Pietismus / Claudia Drese: Der Berliner Beichtstuhlstreit oder Philipp Jakob Spener zwischen allen Stühlen? / Hartmut Lehmann: Erledigte und nicht erledigte Aufgaben der Pietismusforschung. Eine nochmalige Antwort an Johannes Wallmann / Paul Raabe: Rede zur Vollendung der »Geschichte des Pietismus« / Friedrich-Franz Mentzel: »Wir sind Franckes lebendige Briefe und solange wir leben, auch lebende Denkmale seiner Treue«. Der pietistische Briefwechsel zwischen den Residenzstädten Berlin, Potsdam und Königsberg mit Halle.

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Ulrike Gleixner

Pietismus und Bürgertum Eine historische Anthropologie der Frömmigkeit, Württemberg 17.–19. Jahrhundert Im Zentrum der Untersuchung steht die kulturelle Dimension von Religion. Vorgestellt werden Subjektentwurf, Frömmigkeitspraxis und Lebensbewältigung der Frauen, Männer und Kinder des pietistisch geprägten und akademisch gebildeten Bürgertums Altwürttembergs sowie dessen kommunikative Gruppenkultur und Traditionsbildung. Als »Spiritualisierung des Alltags« lässt sich die neue und eigene Kultur dieses Bürgertums auf den Begriff bringen. Erstaunlich viele pietistisch-bürgerliche Kulturtechniken verweisen in säkularisierter Form auf die bürgerliche Kultur der Moderne. Die Untersuchungszeit setzt nach dem Dreißigjährigen Krieg mit der Entstehung pietistischer Frömmigkeit an und führt über das 18. Jahrhundert in die Praxis pietistisch-bürgerlicher Frömmigkeit bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts.

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Isabelle Noth Ekstatischer Pietismus Die Inspirationsgemeinden und ihre Prophetin Ursula Meyer (1682–1743) Isabelle Noth befasst sich in ihrer Studie mit den Inspirationsgemeinden als einer oppositionellen Gruppierung der europäischen Kirchengeschichte des 18. Jahrhunderts. Sie zählten zum Kreis des radikalen Pietismus und finden heute in der »Amana Church Society« in den USA ihre Fortsetzung. In Deutschland löste diese neue religiöse Gemeinschaft im Jahre 1714 eine regelrechte Inspirationswelle aus, die als endzeitliche Geistausgießung interpretiert wurde. Zu ihren Propheten gehörte auch die Schweizerin Ursula Meyer. Die mikrohistorische Erschließung ihrer Lebenswelt vermittelt neue Erkenntnisse über die Inspirationsgemeinden und die pietistische Bewegung insgesamt, in der die Inspirationsgemeinden keine losgelöste Randerscheinung, sondern einen ihrer integralen Bestandteile bildeten.

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Martin Brecht / Paul Peucker (Hg.) Neue Aspekte der Zinzendorf-Forschung Nikolaus Ludwig Reichsgraf von Zinzendorf und Pottendorf (1700–1760) ist als Begründer der Herrnhuter Brüdergemeine eine der zentralen Figuren des europäischen Pietismus. Im Zentrum der internationalen Beiträge dieses Bandes stehen aktuelle Forschungen zur kirchen-, theologie- und literaturgeschichtlichen Einordnung Zinzendorfs sowie Untersuchungen zu wichtigen Vorgängen aus seinem Leben und Wirken. Daneben wird der Blick auf die wesentlichen Außenbeziehungen Zinzendorfs zu den Böhmen und Schwenckfeldern, zu den Engländern und den lutherischen Kritikern bis hin zu Goethe und Karl Barth gerichtet. Gemeinsam ist allen Beiträgen die Frage nach der Wirkungsgeschichte und der in die Gegenwart reichenden Aktualität Zinzendorfs. Beiträge von: Craig Atwood (Winston/Salem), Martin Brecht (Münster), Eberhard Busch (Göttingen), Thilo Daniel (Weistropp), Hans-Christoph Hahn (Gruibingen), Dietrich Meyer (Herrnhut), Colin Podmore (London), Paul Raabe (Wolfenbüttel), Pia Schmid (Halle), Hans Schneider (Marburg), Hans-Jürgen Schrader (Genf), Editá Sterik (Rödermark), Horst Weigelt (Bamberg), Carola Wessel (Köln).

Arbeiten zur Geschichte des Pietismus Im Auftrag der Historischen Kommission zur Erforschung des Pietismus herausgegeben von Christian Bunners, Martin Brecht und Hans-Jürgen Schrader

Band 48: Hans Schneider 'HU IUHPGH $UQGW 6WXGLHQ ]X /HEHQ :HUN XQG :LUNXQJ -RKDQQ $UQGWV Õ 2006. Ca. 328 Seiten, gebunden ISBN 3-525-55833-3

Band 47: Martin Brecht / Paul Peucker (Hg.) 1HXH $VSHNWH GHU =LQ]HQGRUI )RUVFKXQJ

Band 44: Alfred Messerli / Adolf Muschg 6FKUHLEVXFKW $XWRELRJUDSKLVFKH 6FKULIWHQ GHV 3LHWLVWHQ 8OULFK %U¦NHU Õ 2004. 200 Seiten mit 6 Abbildungen, gebunden ISBN 3-525-55829-5

Band 43: Friedemann Burkhardt &KULVWRSK *RWWORE 0¾OOHU

Band 46: Isabelle Noth (NVWDWLVFKHU 3LHWLVPXV

XQG GLH $QI¦QJH GHV 0HWKRGLVPXV LQ 'HXWVFKODQG 2003. 464 Seiten mit 11 Tabellen und 5 Karten, gebunden ISBN 3-525-55828-7

'LH ,QVSLUDWLRQVJHPHLQGHQ XQG LKUH 3URSKHWLQ 8UVXOD 0H\HU Õ 2005. 382 Seiten mit 3 Abbildungen und 2 Karten, gebunden ISBN 3-525-55831-7

Band 42: Hartmut Lehmann / HansJürgen Schrader / Heinz Schilling (Hg.) -DQVHQLVPXV 4XLHWLVPXV 3LHWLVPXV

2006. 294 Seiten, gebunden ISBN 3-525-55832-5

Band 45: Ruth Albrecht -RKDQQD (OHRQRUH 3HWHUVHQ 7KHRORJLVFKH 6FKULIWVWHOOHULQ GHV IU¾KHQ 3LHWLVPXV 2005. 432 Seiten, gebunden ISBN 3-525-55830-9

2002. 298 Seiten, gebunden ISBN 3-525-55826-0

Band 41: Nicholas M. Railton 7UDQVQDWLRQDO (YDQJHOLFDOLVP 7KH &DVH RI )ULHGULFK %LDOOREORW]N\ Õ 2002. 263 Seiten, gebunden ISBN 3-525-55825-2

Das Standardwerk zur Geschichte des Pietismus Hartmut Lehmann (Hg.) *HVFKLFKWH GHV 3LHWLVPXV

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*ODXEHQVZHOW XQG /HEHQVZHOWHQ 2004. XVII, 710 Seiten mit 27 Abbildungen, Leinen mit Schutzumschlag ISBN 3-525-55349-8

%¦QGH  FSO PLW  (UP¦¡LJXQJ ISBN 3-525-55351-X Band 1: 'HU 3LHWLVPXV YRP  ELV ]XP IU¾KHQ  -DKUKXQGHUW 1993. ISBN 3-525-55343-9 Band 2: 'HU 3LHWLVPXV LP  -DKUKXQGHUW 1995. ISBN 3-525-55347-1 Band 3: 'HU 3LHWLVPXV LP  XQG  -DKUKXQGHUW 2000. ISBN 3-525-55348-X

Nach der dreibändigen chronologisch angelegten Darstellung der verschiedenen Richtungen des Pietismus befasst sich der abschließende vierte Band mit der besonderen Wirkung pietistischen Denkens und Handelns auf ausgewählte Lebensbereiche. Neben Beiträgen zu theologischen, frömmigkeitsgeschichtlichen und kirchengeschichtlichen Aspekten der pietistischen Glaubenswelt befassen sich die Autoren ausführlich mit den wissenschaftlichen, kulturellen, wirtschaftlichen und politischen Aspekten pietistischer Lebenswelten. Damit bietet das jetzt vollständig vorliegende Gesamtwerk erstmals einen umfassenden Überblick zur weltweiten Geschichte und Wirkung des Pietismus von den Anfängen bis in die Gegenwart. Aus dem Inhalt: Ruth Albrecht, Frauen / Martin Brecht, Bibel / Christian Bunners, Gesangbuch / Jan Harasimovicz, Kunst / Martin Kruse, Pietismus in der modernen Welt / Werner Loch, Pädagogik / Markus Matthias, Bekehrung und Wiedergeburt / Thomas MüllerBahlke, Naturwissenschaft und Technik / Hans Jürgen Schrader, Literatur und Sprache / Walter Sparn, Philosophie / Udo Sträter, Soziales / Rudolf von Thadden, Staat und Politik / Richard Toellner, Medizin und Pharmazie/ Johannes Wallmann, Frömmigkeit / Hermann Wellenreuther, Mission.